et-XIsıllsıllz
sislaielaleks
Magnus Gottirid
Schybergson
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REESE LIBRARY
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OF THE
UNIVERSITY OF CALIFORNIA.
Class
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Geſchichte
Finnlands.
Don
M. G. Schyberajon.
Deutfhe Bearbeitung
von
Fritz Arnheim.
Gotha.
Sriedrih Andreas Perthes.
1896.
— — — —
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Dorrede des Verfaſſers.
Nachdem ich im Jahre 1889 meine Arbeit: „Fin-
lands Historia“ zum Abflug gebradht hatte, war es
mein Wunſch, diefelbe in deutfhem Gewande einem grö-
Seren Hreife zugänglich machen zu Pönnen. Als ſich mir
daher die Möglichkeit darbot, meine Publikation, wenn
auch in verfürzter form, als einen Band der „ Befhichte
der europäifchen Staaten“ veröffentlicht zu fehen,
habe ich ein folches Anerbieten gern angenonmen, zumal
da es mir gelungen ift, in Herrn Dr. Fritz Arnheim
einen mit der fchwedifchen Sprache fowie mit der hijtori-
fchen Kitteratur Schwedens und Finnlands völlig vertrauten
Bearbeiter und Überfeter meines Werkes zu gewinnen.
Es fei mir geftattet, ihm für die aufopfernde Mühe, welche
er meiner Arbeit gewidmet hat, auch an diefer Stelle meinen
herzlichen Dank auszufprechen.
Mein eigener Anteil an der vorliegenden Bearbei-
tung hat befonders in einer nochmaligen forgfältigen Re-
pifion des Originaltertes, unter Berüdfichtigung der neueften
N
202292
VI Borrede bes Verfaſſers.
Forſchungsergebniſſe, beftanden. Ferner ift die Darftellung
der Ereigniffe nach 1809 von mir nicht nur durch ver-
fchiedene Zuſätze ergänzt, fondern auch, freilih in ge
drängter Kürze, bis zum Tode Kaifer Aleranders III. weiter:
geführt worden, wodurch das ganze Werk einen paffenden
Abſchluß erhalten hat. Schließlich habe ich die biblio-
graphifchen Hinweife einer erneuten Prüfung unterzogen.
Hoffentlich werden meine Eitate, bei denen ich möglichfte
Genauigkeit und Sorgfältigkeit erftrebte, für die deutfchen
Fachgenoſſen von Nutzen fein.
Die Bearbeitung des Originaltertes hat Herr
Dr. Fritz Arnheim allein beforgt; derfelbe ift bemüht
gewefen, den Wortlaut der fchwedifchen Ausgabe nad)
Möglichkeit beizubehalten.
Die Gefchichte meines finnifchen Daterlandes zeugt im
großen und ganzen von einer ununterbrochenen geiftigen
und materiellen Kulturentwidelung, deren Früchte, jo oft
es nötig gewefen ift, mit gewaffneter Hand geſchützt wor-
den find. Da das finnifche Dolf hierbei in einer ftets leb-
haften und täglich noch wachfenden Wechfelwirfung mit
Deutſchland geftanden hat, darf ich wohl zuverfichtlich hoffen,
daß eine Schilderung der Geſchicke Finnlands auf ein fym-
pathifches Intereſſe des deutfchen Kefers rechnen kann.
Helfingfors, im März 1896.
mM. 6. Schybergjon.
Dorbemerfuna des Bearbeiters.
Wie bereits Herr Profeffor IM. G. Schybergfon in
feiner Dorrede ausgeführt hat, bildet die vorliegende „Be:
ſchichte Finnlands“ eine Bearbeitung feines zwei:
bändigen Werkes „Finlands Historia‘ (Belfingfors,
1887— 1889). Da ih mir wohl bewußt bin, daß bei
einer Bearbeitung die perfönliche Anfchauungsweife des
Bearbeiters eine wefentliche, oft fogar eine entfcheidende
Rolle fpielt, fo erachte ich es für meine Pflicht, an diefer
Stelle wenigftens mit einigen Worten die Gefichtspunfte
anzudeuten, welche für mich bei der Bearbeitung der fchwe:
difchen Redaktion maßgebend gewefen find.
Die Grenzen, innerhalb welcher fich die Bearbeitung zu
bewegen hatte, waren mir infofern ſchon vorgezeichnet, als
die deutfche Ausgabe nur einen einzigen Band im Umfang
von 500—650 Seiten umfaffen follte, während der urfprüng-:
liche fchwedifche Originaltert von mehr als 1000 Seiten durd)
Einfügung verfchiedener umfangreicher Sufäte noch be-
trächtlich erweitert worden war. Es war mir daher von
vıum Vorbemerkung des Bearbeiters.
vornherein Plar, daß die Bearbeitung des fchwedifchen
Originals im wefentlichen in einer Derfürzung desfelben
zu beftehen hatte. Hingegen waren bezüglich des hierbei
einzufchlagenden Weges mehrere Möglichkeiten denkbar.
Es konnte beifpielsweife das Hauptgewicht auf den Um—
jtand gelegt werden, daß das finnifche Dolf als foldhes
niemals felbftändig in die politifchen Geſchicke Europas
eingegriffen hat. War diefer Befichtspunft maßgebend, fo
mußten diejenigen Kapitel der ſchwediſchen Ausgabe, welche
die Entwidelung des finnifchen Gefellfhafts: und Bildungs:
lebens fchildern, unverfürzt wiedergegeben werden, während
ein Purzer Auszug aus denjenigen Abjchnitten genügte,
welche die politifche Gefchichte Finnlands während feiner
Dereinigung mit Schweden und Rußland behandeln. —
Ebenfo Ponnte aber auch der Grundfaß in den Dorder-
grund geftellt werden, daß ſich die Bearbeitung der „Ge:
ſchichte Finnlands“ aufs engjte der Praris anzuſchließen
habe, welche von den früheren Bearbeitern der „ Gefhichte
Schwedens” in der „Befhichte der europäifhen
Staaten” befolgt worden ift. In lesterem falle war
die Schilderung der Känıpfe, welche fich faft ohne Unter:
brehung auf finnifchem Boden zwifchen Schweden und
Rußland abfpielten, wortgetreu zu überfegen, die Pulturelle
und materielle Entwicdelung des finnifchen Volkes hingegen
nur mit wenigen Strichen zu zeichnen.
Um den beiden hier Purz entwicelten Gefichtspunßten
gleihmäßig gerecht zu werden, habe ich einen Mittelweg
Borbemerkung bed Bearbeiters. IX
einzufchlagen verfucht. Mit Rückſicht darauf, daß die Ge—
(dichte Finnlands, wie Herr Profeffor Schybergſon felbft
in feiner Dorrede fagt, „von einer ununterbrochenen geiftigen
und materiellen Kulturentwidelung zeugt“, find diejenigen
Kapitel der fchwedifchen Ausgabe, welche über die einzelnen
Phafen diefer Entwidelung Auffhluß geben, wenigſtens in
der hauptſache von mir in die deutfche Bearbeitung über:
nommen worden. Allein ebenfo wenig glaubte ich die
blutigen Kämpfe mit Stillfchweigen übergehen zu dürfen,
welche das finnifche Dolf zur Wahrung feiner geiftigen und
materiellen Güter ausgefochten hat. Natürlich ließ ſich ein
jolher Plan nur auf Koften derjenigen Partieen des
ſchwediſchen Originals durchführen, welche einen Liber:
blick der allgemeinen politifhen Lage Schwedens während
feiner Dereinigung mit finnland geben. Doc glaubte
ich diefe Teile ohne jedes Bedenken ausfcheiden zu fönnen,
zumal da den bisher in der „Geſchichte der euro:
päifchen Staaten“ veröffentlichten Bänden der „Ge:
ſchichte Schwedens“ — diefelben fchließen gegenwärtig
mit dem Jahre 1706 ab — binnen nicht allzu langer Seit
eine Fortſetzung folgen wird.
Bereits ein flüchtiger Blif in das nhaltsverzeichnis
der deutfchen Ausgabe lehrt, daß die erfte Periode der
fhwedifhen Redaktion: „Die fatholifhe Zeit“ die
meiften Kürzungen erfahren hat. Es galt in der Bearbei-
tung nur zu zeigen, daß der Kampf zwifchen Schweden
und Rußland um die Herrfchaft in Finnland fofort mit
x Borbemerfun gdes Bearbeiters.
dem Eintreten diefes Landes in die europäifche Gemein-
fhaft begann. Im übrigen haben die allgemeinen poli-
tifhen Begebenheiten nur dann eine Berüdfichtigung ge-
funden, wenn die finnifchen Zuſtände dadurch beeinflußt
worden find. Infolge einer derartigen Behandlungsweife
des fchwedifchen Tertes ift es mir gelungen, das Kapitel
„Befellfhaft und Bildung während der Fatholifchen Zeit”
beinahe vollftändig wiedergeben zu können. — Diefelbe
Methode habe ich bei der Bearbeitung der drei nächften
Perioden befolgt, welche fih: „Das Seitalter Guftav
Wafas und feiner Söhne“, „Die Großmadts:
zeit“ und „Der große nordifhe Krieg und die
Sreiheitszeit” betiteln. Der größere Umfang der ein-
zelnen Kapitel beruht hier teils auf dem ftets wachfenden
Sfonomifhen Auffhwung Finnlands und dem damit zu:
fammenhängenden, immer lebhafteren Derlangen der ruf:
fifchen Herrfcher, fich diefes Landes zu bemächtigen, teils
auf einigen Zuſätzen, welche Herr Profefior Schyberg:
fon, wie auch fhon in der erften Periode, an der Hand der
neueften Forfchungsrefultate in den urfprünglichen Tert ein:
gefügt hat. Die fünfte Periode: „Die Zeit Buftaps III.
und Guſtav IV. Adolfs“ ftinmt, namentlich in den
legten Abfchnitten, mit dem fchwedifchen Original ziemlich
wörtlich überein. Die fechjte Periode endlih: „ finnland
während feiner Dereinigung mit Rußland“, ift, nach:
dem Prof. Shybergfon eine durchgreifende Umarbeitung
vorgenommen hatte, von mir wortgetreu überfeßt worden.
Borbemerfung bed Bearbeiter. xI
Die beiden Beilagen, welche die deutfche Ausgabe
bringt, fehlen in dem fchwedifchen Original. Sie werden
fiherlich für den deuffchen Kefer von einigem Intereſſe
fein. Ebenfo hoffe ich die Benußung der deutfchen Be-
arbeitung durh BHinzufügung eines ausführlichen In—
haltsverzeichniffes fowie eines Perfonenregifters
nicht unmwefentlicdy erleichtert zu haben. Schließlich darf
ih hier wohl auch auf die Abteilung: „Zuſätze und
Berihtigungen“ verweifen.
Um allen etwaigen Mißverftändniffen vorzubeugen,
habe ich ferner noch folgendes zu bemerfen: Wofern nicht
das Gegenteil ausdrüdlich betont wird, entfprechen die
Daten genau der fchwedifchen Feitrechnung. Der gre-
gorianifche Kalender ift in Schweden befanntlich erft 1753
eingeführt worden. Nur in den Jahren 1700 bis 1712,
wo fich die fchwedifche Seitrehnung dem neuen Stil um
einen Tag näherte, beftand eine Abweichung von dem
julianifchen Kalender.
Bei der Angabe von Ortsentfernungen tft unter
dem Ausdruf „Meile“ ftets die alte fchwedifche Meile
= 10,689 Kilometer zu verftehen.
Bei der Schreibung der Orts: und Perfonen-
namen wird man vielleicht ein beftimmtes Syftem ver-
mifjen. Ich fage beifpielsweife „Savolaks“, aber „Kalir“,
ebenfo „Wegelius“, aber „Veſtgöte“. Diefe anfcheinende
Inkonſequenz ift jedoch eine von mir beabfichtigte. Teils
habe ich nämlich die allgemein übliche Orthographie bei-
xii Vorbemerkung des Bearbeiters.
behalten, teils aber auch andeuten wollen, daß die ſchwe—
diſche Sprache die Buchſtaben „v” und „w“ unterſchieds⸗
los gebraucht. Es iſt mithin, abgeſehen von den Worten
„Vegeſack“ und „Dhael”, in allen Eigennamen der deut—
fhen Redaktion ftets „v” wie „w“ auszufprechen.
/ J —
Ich ſchließe meine Vorbemerkung mit dem Wunſche,
daß der Beifall, welcher der ſchwediſchen Originalausgabe
in fo reihem Maße vonfeiten der Fachgelehrten und der
Geſchichtsfreunde zuteil geworden ift, auch der vorliegen:
den, durch Herrn Profeffior Schybergſon freundlichſt
repidierten deutfchen Bearbeitung nicht fehlen möge.
Berlin, 15. Mär; 1896.
Fritz Arnheim.
Inhaltsverzeichnis.
Borrede des VBerfaflers
Vorbemerkung des Benrbeiters
Iuhaltsverzeichnis
Einleitung
©. 1. Finnland in peäßiftoriicher Zeit. — _ 6. 2 Sin.
wanberung der finniihen Stämme in Finnland. —
©. 3. Schidfal der Quänen und Bjarmier. — ©. 4.
Lebensweije und Sitten ber Finnen in heidnifcher Zeit. —
©. 6. Kolonifation Finnlands durch heidniſche Schweden.
Erſte Periode.
Die Ratbolifche Beit.
1. Die ſchwediſche rn Der — —
(1323) —
S. 8. Allgemeines. — 6 9. Srihe bes Heiligen
Kreuzzug nah Finnland. — ©. 10. Biſchof Heinrich;
ichwierige Lage der hriftlichen Kirche in Finnland; Kämpfe
mit Rußland. — ©. 14. Birger Jarls Kreuzzug. —
©. 15. Kreuzzug Tyrgils Anutsfons; Kämpfe mit Now:
gorod. — ©. 18. Inhalt und Bedeutung des Nöteborger
Traktats. — S. %0. Finnlands kirchliche und weltliche
Verwaltung um 1323.
. Magnus Erifsion und feine Zeit
S. 25. Zwiftigleiten mit Nowgorod und den —
brüdern. — ©. 26. Magnus Erilsſons Kriege gegen
Rußland; der ſchwarze Tod. — ©. 28. König Halon.
Teilnahme ber Finnen an der Königswahl (15. Febr. 1362).
XIV Inbaltsverzeihnis.
Eeite
3. König Albredt. Bas Zeitalter der — —
Union bis 1434 . . - . . 30—36
©. 30. König Albrecht in Sinnfand. & 31. %
Sonsfon Grip. — ©. 32. Jäppe Diet. — ©. 33.
Erich XIII. in Finnland. — ©. 34. Verhältnis zu Now:
gorod und verichiedenen Hanfeftäbten. — ©. 35. Finn:
lands Bifchöfe 1368— 1450.
4. Finnland während des ne gegen die Union.
1434—1523 . - . 36—59
©. 36. Engelbrecht Engefbreitsfon: art Runstion
Bonde. — ©. 37. Die Königswahl in Abo (1457).
©. 39. Finnlands Beziehungen zu Karl Suntefon in in
deffen letzten Lebensjahren. — ©. 41. Sten Sture d. Hl.
als Reichsverweſer; Streitigfeiten mit Rußland, —
©. 43. Imnere Zuftände in Finnland. — ©. 44. Der
große ruffiihe Krieg; Wiborgs Belagerung. — ©. 51.
Sten Sture d. Ä. abgefebt; fein Aufenthalt in Finn:
land. — ©. 53. Svante Sture in Finnland als Reichs-
verwefer anerfannt. — ©. 54. Erich Thuresſon Bjelle. —
©. 55. Plünderungszüge der Dänen an ber finnijchen
Küſte. — ©. 56. Sten Sture d. I. in Finnland, —
©. 57. Chriftian II. und Finnland. — ©. 58. Finn:
lands Bifchöfe 1450 — 1522.
5. Geſellſchaft und Bildung in — während der
fatholiihen Zeit - - -» - - 59-84
©. 59. Die katholiſche Kirche und ihre —
S. 62. Kloſterweſen. — S. 62. Gilden. — S. 63. Schulen u.
Univerſitätsſtudium. — S. 64. Kirchliche Litteratur. —
©. 65. Krankenpflege. — S. 65. Einheimiſcher und aus—
ländiſcher Adel, deſſen Rechte, Sitten zc. — ©. 68. Die
Städte, ihre Verwaltung, ihr Handelöverlehr. — ©. 72.
Deutfcher Einfluß in Finnland. — ©. 74. Binnen
bandel und Induſtrie. — ©. 74. Aderbau. — ©. Tb.
Sitten und Sprade. — ©. 77. Zuftände in Lapp—
marlen. — ©. 77. Die weltlide Berwaltung; Lehns—
weien. — ©. 80. Rechtspflege; Finnlands ftaatsrechtliche
Stellung. — ©. 81. Steuenvefen.
Inhaltsverzeichnis.
Zweite Periode.
XV
Das Beitalter Guſtav Wafas und feiner Hößne.
1. Guſtav Waſa. Ber SEI MERITR und die Re:
formation
©. 85. Der Befreiungstrieg in Finnland. — &. 87.
Anfänge der Reformation in Finnland; Peter Särti—
lats. — ©. 89. Religiöfe Gleihgültigkeit des finnifchen
Bolles. — S. W. Bifhof Martin Siytte. — ©. 91.
Die firhlihe Reduktion in Finnland. — ©. 93. Schul⸗
weien. — S. 94. Michael Agricola, feine Bedeutung als
Reformator und als nationalfinnifher Berfaffer.
2. Berwaltung und Finanzweien — der Re:
sierungszeit Guftav Waſas
S. 97. Graf v. Hoja in Finnland. — — 98. Erich
Flemings Verhältnis zu Guſtav. — ©. 100. Harte
ne — —
und die Beamten. — ©. 103. Bauernaufruhr in
Lappvefi. — ©. 104. Handelspolitit des Königs; Städte
gründungen; Inbuftrie. — S. 109. Steuerreformen. —
©. 109. Kolonifation der „Erämarten“. — ©. 112. Ber:
fuche zur Hebung der Landwirtſchaſt.
3. Guftap Waja. Ber Arieg mit Rukland .
©. 113. Grenzftreitigfeiten mit ben Rufjen. — ©. 117.
Ausbruch des ruffiihen Krieges; Guſtavs Zug nad
Finnland; Berlauf des Krieges. — ©. 120. Friedens:
verhandlungen; Ende des Krieges. — ©. 121. Herzog
Johanus Belehnung mit Gimlond. — 6. 123. Tod
des Könige, TOT
4. Erich XIV. und Johann III.
©. 123. Herzog Johann, jeine — und *
Pläne — ©. 124. Verlauf des Zwiſtes zwiſchen Erich
und Johann. — S. 128. Gefangennahme Johanns in
Abo. — S. 129. Schichſal Erichs XIV. — S. 130. Finn—
lands Berwaltung unter Erich. — ©. 131. Begün—
ftigung des finnijchen Adels durch Johann; Borliebe des
Ießteren für Finnland. — ©. 132. Urfadhen und Bers
fauf des Krieges mit Rußland. — ©. 138. Leiden bes
finnifhen Boltes während bes Krieges. — ©. 139. Die
Seite
85—96
97—113
113— 123
123—149
xvi Inbaltsverzeichnis.
Seite
kirchlichen Zuftände in Finnland; fatbolifche Realtion;
finnische Jeſuiten; Biſchof Ericus Erici; kirchliche Fitte-
ratur. — ©. 143. Beſchwerden des finnifchen Volkes über
harte Behandlung feitens der Ariftolratie jowie ber nie-
deren Beamten. — ©. 145. Verſuch, den Übergriffen des
finnifchen Adels zu ſteuern. — ©. 146. Wiederausbruch
des Krieges mit Rußland. — ©. 148. Ende des ruf:
fifhen Krieges.
5. Ter Hampf zwiſchen Sigismund und Karl IX.; die
Regierung Karls IX. . - . .. 149—180
S. 149. Klas Flemings Verhältnis zu Gigiemund
und Karl. — ©. 152. Verſchärfung der Gegenſätze zwi—
jhen Karl und Fleming. — ©. 154. Flemings Schalten
in Finnland; Befchwerden des finnifchen Volles über
ibn bei Karl. — ©. 156. Wachfende Unzufriedenheit in
Sfterbotten. — ©. 158. Ausbruh und Verlauf bes
„Keulenkrieges“. — ©. 164. Flemings Berbalten nad
Unterbrüdung des Aufrubrs. — S. 166. Arwid Stälarm
als Flemings Nachfolger in Finnland; Herzog Karls
eriter Aufenthalt daſelbſt; Zuftände nach feiner Abreife. —
©. 169. Karl und Sigismund; unffuge Handlungsweiie
des Ietteren gegen bie Finnen. — ©. 170. Karls Sieg
über Sigismund und deſſen Anhänger in Finnland;
ftrenge Beftrafung berielben. — ©. 173. Traurige Folgen
der Thronftreitigleiten für die wirtichaftliden Zuftände in
Finnland. — ©. 174. Karls Verhandlungen mit ben
finnifhen Ständen. — ©. 175. Berwaltungs- und Wirt-
ichaftsreformen. — ©. 178. Fitterarifches Leben in Finn
land um 1600. — ©. 179. Krieg mit Rußland; Tod
Karls IX.
Dritte Periode.
Die Großmachtszeit.
1. Suftan II. Adolf : . . . . . 181—202
©. 181. Ende bes Krieges mit Nußland. — &1 182.
Die Zuftände in ber Provinz Kerholm. — ©. 186. Über:
griffe des finmifchen Militärs und Adels, — ©. 187.
Lehnsweſen. — ©. 188. Befuh des Königs in Finn-
Inbaltsverzeichnis. xvu
Seite
land; Landtag zu Helfingfors (1616). — ©. 190. Ber:
waltungsreformen. — S. 192. Gründung des Aboer
Hofgerihts. — S. 1%. Handeldgefetsgebung; Zunft:
weſen. — ©. 1%. Kirchliche Zuftände; Biſchof Rotho—
vius. — ©. 198. Unterrichtsweien. — ©. 199. Armee:
organifation; die finnischen Truppen im Dreißigjährigen
Kriege.
2. Die Königin CHriftine - - - - 202. 208—234
S. 203. Die „Regierungsform“ 1634). — ©. 204.
Per Prabe als Generalgouverneur in Finnland; fein
Gutachten über die dortigen Zuftände. — ©. 210. Grün—
bung ber Aboer AUniverfität; Profefforen. — ©. 214.
Schulreformen. — ©. 216. Spradverbältnijje. — ©. 217.
Die Litteratur. — ©. 219. Die kirchlichen Zuftände in
Kerbolm; Gründung des Wiborger Bistums. — ©. 221.
Samuel Erdell in Finnland. — ©. 223. Militärifche
und abminiftrative Reformen. — ©. 224. Handelsgeſetz⸗
gebung; Einfuhr und Ausfuhr. — ©. 226. Städtegrün-
dungen. — ©. 227. Binnenbandel. — ©. 228. Das
Donationswefen und feine jozialen Folgen.
3. Karl X. Guſtav (1654-1660) - - - - - . . 234—242
©. 234. Krieg mit Rußland. — ©. 237 u. 239.
Provinziallandtage in Finnland. — ©. 241. Ende und
Folgen des Krieges.
4. Star! XI. (1660-1699). Litteratur und —
gegen Eude des 17. Jahrhunderts . - - - . 243—274
©. 243. Banane gu Ze kr Bomunfgefcie
rung. — ©. 245. Verfall der finniihen Arme. —
©. 246. Berwaltungsmaßregeln. — ©. 247. Beginn ber
„Rebultion“ in Finnland. — ©. 248. Die lebten finni-
ichen Panbtaegett676=1677). — S. 251. Durdführung
der Rebuftion in Finnland; ihre foziale Bedeutung —
i . Ri — erwaltungs⸗
reformen. — ©. 261. Aderbau: Hanbel; Induftrie;
Hungersnot; Bevöllkerungsziffer. — S. 264. Biſchof
Terferus. — ©. 266. Biſchof Gezelius senior. — ©. 269.
Biſchof Gezelius junior; Pietiftenverfolgung. — ©. 271.
Kirchliche Zuftände im Stift Wiborg. — ©. 272. Wifjen-
fchaft und Bildung gegen Ende des 17. Jahrhunderte.
Schobergſon, Geſchichte Finnlande. II
xy Inhaltsverzeichnis.
Vierte Periode.
Der große nordiſche Krieg und die
Sireibeitszeit.
Eeite
1. Aarl XII. und der große nordiiche Arieg- - - - 275-309
S. 275. Die erſten Kriegsjahre; Gründung von
Petersburg. — ©. 279. Lybecker als finnifher Ober:
befehlshaber; Kapitulation Wiborgs (1710). — ©. 282.
Die Kämpfe in Oftfinnland. — ©. 283. Leiden ber fin=
nifchen Bevöllerung. — ©. 284. Nieroth8 militäriſche
Reformverſuche; Fortſetzung des Krieges. ’_ ©. 287.
Zuftände in Öfterbotten. — ©. 288. Landung ber Ruſſen
bei Helfingfors (1713). — ©. 291. Armfelt als finnischer
Oberbefehlshaber; Gefechte bei Pälfäne (1713) und bei
Napo (1714). — ©. 294. Kapitulation Nyſlotts; Ereig-
nife zur See. — S. 295. Schalten der Ruſſen in Ofter:
botten; finnischer Guerillakrieg. — ©. 297. Finniſche
Flüchtlinge in Schweden. — ©. 298. Finnland unter
Talfıfcher Oberberrichaft;; Verwaltung, Steuerweſen; Rechts⸗
pflege, kirchliche Zuftände, Schulweien, Landwirtſchaft und
Handel. — ©. 307. Ende des Krieges; Grenzregulierung.
2. Beginn der Freiheitszeit. Finnland 1721-1738 . 309 - 328.
©. 309. Rückkehr der ſchwediſchen Behörden. — ©.310.
ſFmm̃ants Juffand unmittelbar nad; bem Noftaber Frie⸗
ben. — S. 311. Schickſal der finniihen Gefangenen. —
©. 312. Finnlands Verteidigungswefen. — ©. 314.
Steuerfreiheitsbewilligung. — S. 314. Die „Königlichen
Kommiifionen“ 1725/27. — ©. 319. Finnlande Reis:
tagsvertretung. — ©. 320. Kanalprojelte. — ©. 321.
Diftriftsmagazine. — ©. 322. Städtiſche Handelsgeſetz—
gebung. — ©. 324. Beginn ber nationalfinnijchen
9
ESprachbewegung. — ©. 327. Die Sprachenfrage auf
bem Reichstag von 1738/39. — —
3. Die Herrichaft der Hutpartei 1735-156 . . . 323-375
©. 328. Sieg der Hutpartei. — ©. 329. Finnlands
——gerteidigungsivefen. — ©. 331. Reichstagswahl in Abo
(1740). — ©. 332. Kriegerifhe Stimmung in Schwe—
den; angebliche Verſchwörung gegen bie Hüte. — ©. 333.
Kriegserflärung an Rußland; Nüftungen; Operation-
Inbaltsverzeichnis.
plan. — ©. 335. Schlacht bei Willmanftrand. —
S. 336. Lewenhaupts Zug (Nov. 1741). — ©. 337.
Kriegsereignijie in Savolatd und Karelien. — ©. 339.
Eliſabeths Manifejt vom 17.,28. März 1742. — ©. 341.
Rückzug der finnifh-ihwebifhen Armee; Kapitulation von
Helfingfors; die ruffifhe Occupation. — ©. 344. Fin:
nifhe Auswanderung nah Schweden. — ©. 345. Or—
ganijation der ruſſiſchen Verwaltung in Finnland; Ber-
ihärfung ber ruffifchsfinnifchen Beziehungen gegen Ende
der Occupationszeit. — ©. 349. Der Reichstag von
1742/43 ; die „Flüctlingstommiffion“ ; die „Finniſche Be-
ſchwerdedeputation“. — S. 352. Die letsten Kriegsbegeben-
heiten; der Aboer Friede. — ©. 353. Die „Finniſche Re—
gulierungsdeputation“. — ©. 356. Grenzregulierung; Zu-
ftände in Finnland unmittelbar nah Beendigung bes
Krieges. — ©. 357. Steuerreform. — ©. 359. Grün:
dung von Degerdy (Lowiſa). — ©. 359. Rofen als
finnifcher Generalgouverneur; ruſſiſche Umtriebe in Finn—
fand. — ©. 361. Die „Finniihe Verteidigungsdepu—
tation“. — ©. 363. Bau ber Feitungen Sveaborg und
Lowiſa; Flottengründung. — ©. 364. Lage der finni—
{hen Induftrie und des finniihen Aderbaus. — ©. 366.
Die „Finnische Ötonomiedeputation“ auf dem Reichstag
von 1746/47. — ©. 371. Borratsmagazine; Gefundheits-
weſen. — ©. 372. Adolf Friedrichs Aufenthalt in Finn
land; Folgen feiner Reife auf ökonomiſchem Gebiete. —
©. 373. Die „Finniſche Vorbereitungsdeputation“. —
©. 374. Kanalprojette.
4. Die Freiheitszeit. Der Niedergang der Stände:
her richaft. 1756-1772.
©. 375. Ebrenfvärds Abſetzung, Refabilitation ı und
Tod. — ©. 377. Stagnation des finnischen Vertei—
digungswefens; Kanalprojelte. — ©. 378. Die „Ber:
teilung des Grundbeſitzes“ nad ber fogen. „großen“
Methode (storskifte). — S. 380. Abſchaffung des Stapel:
zwanges; wirtihaftlicher Auffhwung Finnlands.
11*
375—383
XX
Inhaltsverzeichnis.
Fünfte Periode.
Die Beit Guſtavs II. und Guſtav IV. Adolfs.
1. Guſtab III. bis zum Jahre 1786.
©. 384. I. M. Sprengtportens Revolutionsplan und
deſſen Ausführung. — ©. 387. Bauernunruben in Finn-
land (1773 u. 1778/79). — ©. 389. Guftavs finnifche
„Erilsgata* (1775). — ©. 391. Folgen der Reife: Neue
Provinzialeinteilung; Gründung des Wafa - Hofgerichts ;
Anlage neuer Stäbte; Kanals und Straßenbauten; Ber:
teilung des Grunbbefites (storskifte). — ©. 3%. G. M.
Sprengtporten® militärifche Reformpläne. — ©. 397. Res
organifation ber Rejerve; Einführung der Pafjevolanz-
abgabe. — ©. 399. G. M. Sprengtporten als militä=
rifher Organifator in Savolals. — ©. 401. ©. M.
Sprengtportens Übergang zur Oppofition. — ©. 403.
Der Walballa-Orden; finnifchefeparatiftifche Projekte. —
©. 405. Guſtavs Neife nah Finnland (1783); feine Zu:
fammentunft mit Katharina 11.
2. Die letzten — NINE —n III. (1786
bis 1792)
S. 406. ©. M. —— Seisftändigteits-
projett; feine Überfieblung nad Petersburg. — ©. 408.
Buftavs Reife nah Finnland (1787). — ©. 409. Aus:
Bruch des Krieges mit Rußland (1788); die erften kriege—
rifchen Begebenheiten. — ©. 411. Oppofitionelle Stim—
mung im finn. Offiziercorpe. — ©. 412. Der Anjala-
Bund; die Liilala-Note. — ©. 414. Jägerhorns Miffion
in Petersburg. — ©. 415. Die Anjala-Bundesalte —
©. 417. Guſtavs Verhalten gegenüber ben Verſchwörern. —
©. 419. Beziehungen der Selbftänbigfeitspartei zu Guſtavs
Bruder, Herzog Karl; Uriachen der Auflöfung bes An-
jala-Bundes. — ©. 420. B. 3. Haftfehrs Benehmen. —
&.421. Scheitern der Selbftändigfeitsbewegung in Savo-
late. — ©. 4123. Königstrene der finniſchen Bevötterung;
Beſtrafung ber Führer des Anjala:-Bundes. — ©. 423.
Die finnifchen Abgeordneten auf dem Stodholmer Reichs—
tage (1789). — ©. 425. Stärkung des finniſchen Ver—
teibigungswejens 1788/89. — ©. 427. Der Land: und See-
trieg 1789. — ©. 430. Der Land» und Seekrieg 17%. —
Eeite
384—406
406—432
Inhaltsverzeichnie. xx]
Seite
©. 431. Der Friede zu Wärälä. — ©. 432. Guftavs
Tod für Finnland ein ſchmerzlicher Berluft.
3. Guftan IV. Adolf. Die ökonomischen Zuftände in
Finnland gegen Ende der ſchwediſchen Herricaft.
lid der Zuftände in „Alt-Finnland“ . . . 432—453
©. 432. Die „Armfeltide Verſchwörung“. — ©. 433.
Guſtavs IV. finnifhe Reifen. — ©. 434. Die „Finnifche
Hausbaltungsgefellfchaft“. — ©. 437. Kanalbauten. —
©. 438._Finnlands wi d aeiellichaftli
Zuftand um . — ©. 442. Die Adminiftration „Alte
Finnlands“ nad der Bereinigung mit Rußland; wachen:
ber Einfluß des Deutfhtums. — ©. 444. Hemmung
bes wirtichäftfichen Aufjhwungs von „Alt-Finnfand“ durch
das Donationsweien. — ©. eligiofe Toleranz ber
ruff. Regierung; Schulweien; Herrjgjaft_bes Deutichtums
im gefamten Bilbungsleden „Alt-Finnlands*. — ©. 447.
Drganifation der GStatthalterfchaftsregierung in „Alte
Finnland“ ; die Amtsfpraden. — ©. 448. —— 5
zuſtand gegen End : Stäubifche
Inpfikutionen; Gilden; Kirchen⸗ und Schulweſen. — S. 460.
Berziveifelte Lage der Donationsbauern. — ©. 451. Mili:
tärifche Laften. — ©. 452. „Alt: Finnlands* Wieder
vereinigung mit dem Großfürftentum (1812).
4. Das geiftige Leben in Finnland während der Frei:
heitszeit und im Guſtavianiſchen Zeitalter . . . 453—468
©. 453. Die vorherrſchende naturmwifjenichaftliche Rich-
tung und ihre bebeutendften Vertreter. — ©. 455. Blüte
ber nationalöfonom. u. biftor. Forſchung. — ©. 456.
Nambafte Finnländer im Auslande. — ©. 457. 9. ©.
Porthan und feine Schüler. — ©. 463. Die ſchwed. u.
nationalfinn. Litteratur um 1800. — ©. 466. Schul—
weſen. — ©. 467. Pietismus u. Rationalismus,
5. Der ruffiich-finniiche Arieg 1808-1809 . . . . 469-514
©. 469. Guftav IV., Alerander I. u. Napoleon I. —
©. 474. Finnlands Berteibigungswefen beim Ausbrud
des Krieges mit Rußland. — ©. 476. Klingfpors In—
ftrultion; Stellung ber beiderfeitigen Heere. — ©. 477.
Die erften kriegerifchen Begebenheiten. — ©. 479. Der
Rüdzug der finn. Armee. — ©. 483. Die Gefechte am
Siilajofi und bei Revolald. — ©. 485. Svartholms u.
xXil Inhaltsverzeichnis.
Speaborgs Kapitulation. — ©. 491. Ruſſiſche Manifeſte
an das finn. Boll. — ©. 492. Folgen des Gefechts bei
Pulkkila: Offenfive Sandels; Bauernerhebung in Öfter:
botten u. auf den Aandsinfeln. — ©. 494. Guftavs IV.
Pläne. — ©. 495. Die erften ſchwed. Landungsverſuche. —
©. 497. Die Gefechte bei Lemo und Lappo; erfolgreicher
Guerillafrieg gegen die Ruſſen. — ©. 500. Verteidigung
bes Toivalapafjes durch Sandels. — ©. 501. Der Volls—
krieg in Karelien. — ©. 502. Wiederholung der ſchwe—
diſchen Landungsverſuche. — S. 504. Erneuter Rüdzug
der finn. Armee; das Treffen bei Oravais; die Waffen—
ſtillſtände von Lohtea und Oftijofi. — ©. 507. Das
Gefecht an der Wirta-Brücke; die lebten ſchwed. Landungs—
verſuche; Sturz Guftaus IV. — ©. 508. Die ruffiihen
Erpebitionen nah Schweden; die Waffenftillftände von
Aland und Seivis. — ©. 511. Schidjal der finn. Armee:
trümmer. — ©. 512. Der Friede zu Fredritshbamm. —
©. 514. Döbelns Abjchiedsworte zu meh.
Sehe Periode.
Sinnland während feiner Vereinigung mit
Rußland.
Seite
1. Alexander -» . » > 2 2 2 815-6765
©. 515. Stimmung des finn. Volkes während bes
Krieges. — ©. 519. Rußlands Zukunftspläne inbetreff
Finnlands (1808). — ©. 521. Die Wahlen zur „Fin:
niihen Deputation“. — ©. 526. Die Mitglieder dei
Deputation. — ©. 527. Die Wirkiamfeit der Deputation
in Petersburg (1808. — ©. 530. Finnenfreundliche
Strömungen am ruſſ. Hofe (Ende 1808). — ©. 531.
Einberufung einer finn. Ständeverfammlung. — ©. 532.
Eröffnung des Borgaer Landtages. — ©. 535. Aleranders
Berfiherungsafte vom 27. März 1809; Huldigung ſeitens
der Stände; Erlaß des Kaiſers. — ©. 538. Zufammen:
fegung und Aufgaben des Landtages. — ©. 539. Auf-
löfung der finn. Nationalmiliz.. — ©. 541. Bereinfahung
des Steuerweſens; die finn. Etatsverwaltung. — ©. 542.
Münzregulierung; Bankweſen. — S 545. Organiiation
der höchſten Regierungsbehörde (Regierungstonieil, feit
Inbaltsverzeichnis. XXIII
eite
1816 Kaiſerl. Finn. Senat). — S. 547. Ständiſche Pe—
titionen auf dem Landtage. — S. 548. Schluß des
Borgaͤer Landtages; Alexanders Abſchiedsrede. — ©. 550.
Kundgebungen des finn. Nationalbewußtſeins. — ©. 552.
Die ftaatliche Stellung Finnlands. — ©. 555. Überfiede-
fung von Finnländern nah Schweden; Rücklehr von
Finnländern aus Schweden. — ©. 556. Das Peters-
burger Komitee für die finn. Angelegenheiten und feine
erftien Mitglieder. — ©. 558. Die erften finn. General:
gouverneure und übrigen Oberbeamten. — ©. 560. Alt:
Fiunlands Wiedervereinigung mit Neu-Finnland (1812). —
©. 562. Verichlechterung der Lage der Donationsbauern. —
©. 563. Bevölkerungszahlen. — ©. 564. Helfingfors als
Hauptitadbt Finnlands; abminiftrative Reformen. — S.565.
Militänvefen. — ©. 566. Kirchen-, Schul- und Uni—
verfitätsweien. — ©. 567. Aleranders finnische Reife
(1819). — ©. 568. Beginn der Realtion in Finnland. —
©. 569. Die finnijchepatriotifche Litteratur; Arwidsſon. —
S. 572. Mafregelung der finnifchen Patrioten. — ©. 573.
Hauptwerfe und Hauptvertreter der finn. wifjenichaftlichen
Fitteratur zur Zeit Aleranders 1.
2. Ritslaus I-:. : : > > 2 2 mn nennen. 575-597
©. 575. Die Thronbefteigung Nitolaus’ I.; feine
Haltung gegenüber Finnland. — ©. 577. Juftizreforme
verſuche — ©. 578. Die höchſten Landesbeamten. —
©. 579. Abfhaffung der Todesftrafe; neue Provinziale
und Gtiftseinteilung; Städtegründungen; bie norwegifch-
finnifche Grenze. — ©. 581. Wirtfehaftsreformen: Steuer:
und Zollweſen; Geldweſen; Gröffnung des Saima—
lanals. — ©. 584. Militär-, Kirchen- und Schulweſen;
Zenfurverbältnijie. — ©. 586. 3. 2. Nuneberg, 3. To-
pelius jun. und die ſchwed. Litteratur. — ©. 589. Die
ſchwed. wifjenfchaftl. Literatur. — ©. 591. Auffhwung
der nationalfinn. Pitteratur. — S. 593. Snellman und
die „fennomanifche* Bewegung. — ©. 594. Neligiöie
Strömungen. — &.595. Die finnifhe Kunft. — ©. 596.
Finnland und der Krimfrieg bis zum Tode Nilolaus’ I.
3. Alexander I. : : 2 2 2 2 nn 597- 625
©. 597. Aleranders Il. Thronbejteigung. — ©. 598.
Ende des Krimkrieges; Finnlands Opfer während des—
jelben. — ©. 599. Aleranders Reformpläne; feine finniiche
xxiv Inhaltsverzeichnis.
Seite
Reiſe (1856). — ©. 600. Liberale Kundgebungen in
Finnland. — S. 601. Eiſenbahnbauten; Veränderungen
im Senat; Regulierung des Münzweſens; Schulrefor:
men. — ©. 603. Lanbtagsvorbereitungen; ber „Ianuars
ausſchuß“. — ©. 606. Beränderungen im Senat; bie
Sprachenverordnung vom 1. Auguft 1863. — ©. 606.
Eröffnung des Landtages von 1863/64; Rebe des Kai-
fer. — ©. 609. Ständiſche Petitionen. — ©. 611. Be
ſchlüſſe des Fandtages und andere Reformen. — ©. 613.
Neue reaktionäre Strömung. — ©. 614. Der Landtag
von 1867; neue Landtagsorbnung; neues Kirchengefeb ;
Regelung des Donationsweiens; Eiſenbahnpläne; Preß—
gefet. — ©. 616. Hungersnot (1867); Schulreformen. —
©. 618. Der Landtag von 1872. — ©. 619. Der Lands
tag von 1877; Einführung der allgemeinen Wehrpflicht. —
©. 620. Die Spracdenfrage; ihr Einfluß auf das finnifche
Barteiwefen. — ©. 622. Berfchiedene Reformen; Ein—
führung der Golbwährung; ökonomiſche Verhältniſſe. —
©. 623. Wiſſenſchaft u. Kunft. — ©. 625. Der ruffiich-
türfiiche Krieg (1877/78); Aleranders II. Ermordung.
4. Überblid über den Entwidelungsgang Finnlands
BETSSL 3 - 5 were ar tr
©. 626. Aleranders III. Thronbeſteigung; die höchſten
Lanbesbeamten ; Regelung der Spracdenfrage. — ©. 627.
Die Landtage von 1882, 1885, 1888, 1891 und 1894;
das neue GStrafgefek. — ©. 629. Die panflawiftifche
Bewegung gegen Finnlands innere Autonomie und ihre
Folgen. — ©. 632. Aleranders III. Tod; Nikolaus’ 11.
Thronbefteigung. — ©. 633. Schluß.
626—633
Beilaaen - : > > 222. 684-636
I. Deutfhe Ausgaben der Schriften von Joh. Ludw.
Nuneberg und Zah. Topelius jun.
II. Die Handelsbeziehungen zwifhen Deutfchland und
Finnland in den Jahren 1885— 1894.
Perſonenregiſftftferr Tl
Bufäge und Verichtigungen - - = - > 200. 662
mn
Ginleitung.
Dis weit in das Mittelalter hinein war Finnland ein der
gebildeten Welt unbekanntes Yand, welches nicht der Hiftorifer
oder Geograpben Aufmerkſamkeit auf ſich lenkte Die grie-
chiſchen und römischen Schriftiteller berichten nichts über Die
Gegenden nördlich vom Finnifchen Meerbufen. Ältere ger-
mantiche Hiftorifer übergeben gleichfall® Finnland mit Still-
ihmweigen oder erwähnen das Yand nur als Heimat von Ama-
zonen und anderen jagenhaften Bölferichaften. Ein arabiicher
Schriftiteller, Zoriji, welcher um 1150 ein geographiiches Werk
verfaßte, erzählt, daß es in Tawaſtland (Tabaft) einige Han-
delspläte jowie mehrere Dörfer gäbe; weiter erſtreckt fich auch
jein Wiſſen nicht.
Keichere Kenntnis von dem Zuftand des Landes wäh—
rend der beidniichen Zeit verichafft uns die archäologiiche und
prähiſtoriſche Forſchung. Die Archäologen haben gezeigt, dal;
die älteiten Bewohner Finnlands den Gebrauch der Metalle
noch nicht fannten, jondern ihre Geräte aus Stein oder Knochen
verfertigten. Während der Steinzeit iſt Finnland im eine
weitliche und im eine öftliche Region geteilt gewejen. Die im
weitlichen Finnland gefundenen Gegenftände aus der Steinzeit
verraten eine Verwandtichaft mit den ſtandinaviſchen Funden,
während im öjtlichen Finnland die Steinzeit mehr mit der—
jenigen Rußlands übereinjtimmt. Das Bronzealter war in
Finnland von geringer Bedeutung. Nur in den Gegenden an
der Küſte, beionders im jüdweftlichen Finnland, bat man antife
Shvbersion, Geſchichte Finnlande. 1
2 Einleitung.
Gegenftände aus Bronze gefunden, aber diejelben jind vermut-
lich nicht im Lande verfertigt, jondern aus Skandinavien ein-
geführt worden. Die Verbindung mit Skandinavien, welche
demnach während der Stein- und Bronzezeit lebhaft geweſen
zu jein jcheint, blieb bei Beginn der Cijenzeit fortbeitehen,
welche in Finnland im Yaufe der erjten Jahrhunderte n. Chr.
begonnen haben dürfte. Hingegen wurde in der jüngeren Eijen-
zeit der Verfehr mit dem Weften unterbrochen und der Ein-
fluß von Oſten ber ſtärker. Erft gegen Ende der jüngeren
Eijenzeit, furz vor der jchwediichen Eroberung, beginnen reich—
lichere Spuren jkandinaviichen Cinfluffes fich wiederum zu
zeigen.
Die Stämme, deren Nachfommen heutzutage Finnland be-
wohnen, nahmen erjt mehrere Jahrhunderte n. Chr. das Yand
in Bejik. Vor ihnen lebten dort die Yappen — das „Saame-
volk“, wie jie jelbft jich nannten. Dies wird durch die zahl:
reihen Ortsnamen erwieſen, welche auch im füdlichen Finnland
an fie erinnern, jowte durch Urkunden, welche bezeugen, daß fie
jich noch bis weit in die biftoriiche Zeit hinein in Savolaks,
im nördlichen Tawaſtland und in Satafunta aufhielten.
Ihre Befieger — die Karelier, Tawajten und „Eigent-
lichen“ Finnen, welche jümtlich den jogenannten wejtfinnifchen
Volksſtämmen zugezählt werden — wohnten urjprünglich im
Herzen des heutigen Ruſſiſchen Reiches. Später, in den erjten
Jahrhunderten unjerer Zeitrechnung, waren die wejtfinnijchen
Völferjchaften, wie die Ergebnifje der Sprachforichung dar-
getdan haben, weiter wejtlich an der Dina angefiedelt, two fie mit
baltiichen und gotiichen Volksſtämmen in Berührung famen.
Der Sturm der großen Völferwanderung trieb fie nach einigen
Jahrhunderten gen Norden in die Gebiete an der Oſtſee und
am Finniſchen Meerbujen ’). Die Liven und Kuren nahmen
1) Geftügt auf W. Thomfens „Beroringer mellem de finske og de
baltiske (litauisk-lettiske) sprog‘ (Kopenhagen, 1890) bat U. 9. Snell=
man obiges nachgewieſen in der Schrift: „Itämeren Suomalaiset itsc-
näisyytensä aikana“ (Helfingfors, 1894).
Einleitung. 3
die Yandichaften in Beſitz, welche noch heute ihren Namen
tragen. Die „Eigentlichen“ Finnen ließen fich teils in Eſth—
land nieder, teil8 bahnten jie fich über den Finniſchen Meer:
bujen binüber einen Weg in das jüdweftliche Finnland ). Die
Tawaſten teilten jich in zwei Zweige, von denen jich der eine in
Eſthland niederließ, während der andere längs der Nordküfte
des Finniſchen Meerbuſens in das Yand weftlich vom Kymmene—
Elf z0g, welches jpäter den Namen Tawaftland erhielt. Gleich-
zeitig breiteten jich die Karelier in den Gebieten nördlich und
weitfih vom Yadogajee aus. Auf jolche Weije erhielt Finnland
jeine jeßige, in die drei Stämme der Sarelier, Tawaften und
„Eigentlichen“ Finnen geteilte finnische Bevölkerung. Im übrigen
waren zahlreihe Finnen in Ingermanland, im Seegebiet des
Onega, in der Diwina-Niederung und in den nächjtgelegenen
Gegenden von Rußland angejiedelt, wo ihre Nachkommen unter
dem Namen Ingrier, Wepien, Woten, Karelier u. j. w. noch
heutzutage leben.
E8 liegt fein Zeugnis dafür vor, daß ſich die Yappen gegen
die neuen Antömmlinge gewehrt hätten. Vielmehr finden wir
jie bald ſowohl in Finnland als auch in Schweden, Norwegen
und Rußland ihren mächtigeren Nachbarn tributpflichtig.
Ein gleiches Schidjal ereilte jpäter zwei Völker finnifchen,
und zwar vermutlich fareliichen Urjprungs, welche mehrere
Jahrhunderte hindurch ein unabhängiges Dajein geführt hatten:
die Quänen und die Bjarmier. Die Quänen werben zu—
erst in einer Schrift des englifchen Königs Alfred (871— 901)
erwähnt. Sie wohnten im nördlichiten Teile von Schwebdijch-
Norrland; doch jcheint ſich ihr Gebiet auch auf die finnijche
Seite hinüber (nördlich und öftlich vom Bottnijchen Meerbujen)
erjtredt zu haben. Daß jie ein finnifcher Volksſtamm waren,
wird, abgejehen von anderen Umftänden, dadurch befräftigt,
dag das Wort „kvän“ noch heute die norwegische Bezeichnung
für „Sinne“ if. Im Jahre 1271 werden jie noch erwähnt.
1) 3. R. Aspelin, Suomen asukkaat pakanuuden aikana (Heljing-
fors, 1885).
1*
4 Einleitung.
Später wurden jie von den Norwegern, Schweden und Kare-
liern unterjocht. Yettere bemächtigten ſich eines Teild des
Gebiets und ließen fich dajelbit nieder. Weit mächtiger und
einflußreicher waren die Bjarmier. Vermutlich waren ihnen
die Lappen im weiten Umkreiſe tributpflichtig. Später er:
hielten fie jedoch in der mächtigen Hanbelsrepublif Nowgorod
und in der etwa 1200 gegründeten Stadt Uſtjug (an der
Suchona, einem der beiden Quellflüffe der Dina) gefährliche
Mitbewerber. Seit diefer Zeit wurde ihre Handelsherrichait
immer mehr eingejchränft, und jchlieglich wurden fie von Now—
gorod unterworfen. Der ausgedehnte Handel, den die rujjiichen
Karelier jpäter in Finnland betrieben, war vielleicht eine Fort—
jetung des früheren Handelsvertehrs der Bjarmier.
Die wenig volfreichen finnischen Stämme, die in das jild-
liche Finnland eingedrungen waren, verbrängten anfangs Die
Lappen nur aus dem Gebiete zwiichen den großen Binnen-
jeen und der Meerestüjte, wo jie jich folgendermaßen ver:
teilten: die Karelier ließen jich längs des Yadoga-llfers und an
der Küſte des Finniſchen Meerbuiens bis zum Kymmene-Elf
nieder, die Tawaften nahmen das Yand wejtlich davon in Beſitz,
und die Niederlaffungen der „Eigentlichen* Finnen erftrecten fich
längs der ſüdweſtlichen Küftenftrede bis Raumo und zur Mün—
dung des Kumo-Elis. Über ihr Yeben, ihre Sitten und Ein-
richtungen bis zur jchwediichen Eroberung bejigen wir feine
unmittelbaren bijtoriichen Nachrichten ; doch erteilen die Sprach-
forſchung und die alten, jpäter unter dem Namen „Kalewala“
gejammelten poetijchen Sagen !) eine Antwort auf viele Fragen,
die jich im diefer Hinficht aufdrängen. Durch Scheidung der
uriprünglichen Ntulturwörter der heutigen Sprache von denen,
welche jpäter durch die Berührung mit anderen, injonderheit
germaniichen Bölfern hinzugefommen find, iſt man ferner
auf linguiſtiſchem Wege zu dem Nejultat gelangt, daß fich
jene Stämme, jo lange fie an ven Ufern der Wolga wohn:
1) Diefe Gejünge find von F. A. Schiefner (Helfingfors, 1852)
und von H. Paul (Helfingiors, 1855) in® Deutfche itbertragen worden.
Einleitung. 5
ten, auf demſelben Standpunkte befanden, wie die Wogulen
und andere verwandte Völkerſchaften, die in unſeren Tagen im
öſtlichen Rußland einen verzweifelten Kampf gegen die wach—
ſende Ziviliſation führen ).
Während der Wanderung nach Weſten und durch die Be—
rührung mit anderen, gebildeteren Völkern erreichten die fin—
niſchen Stämme, wie aus den Geſängen der ‚Kalewala“ her—
vorgeht, eine weit höhere Kulturftufe. Alte Urkunden und
Münzfunde bezeugen, daß Finnland jchon in heidniſcher Zeit
Mittelpunkt für einen nicht geringen Handelsverkehr war,
welcher wahrſcheinlich im wejentlichen in der Einfuhr von Salz
und in der Ausfuhr von Pelzwerf bejtand. Aus den Städten
in Norddeutichland jowie aus der berühmten Handelsſtadt
Wisby auf Gotland famen Kaufleute, welche längs der Küſte
des Finniſchen Meerbuſens bis zur Mündung der Newa bin
Handel trieben. Unter den von ihmen bejuchten Handelsplägen
war Biörkö, öftlih von der Wiborger Bucht, der befanntefte.
Der Handel mit dem Often, welcher größtenteild von den
Biarmiern vermittelt wurde, ging längs der Wolga, welche in
jener Zeit eine der wichtigiten Handelsſtraßen bildete.
Mit anderen Worten, der Bildungsgrad der Finnen der
Vorzeit war weit höher als derjenige der afiatiichen und oſt—
europätjchen Fiicher- und Jägervölker, jedoch niedriger als ber-
jenige der wejteuropäiichen Völker, weshalb die Einwirfung
der legteren auf die Finnen wejentlich werden mußte In
erſter Linie war e8 das jchwediiche Wolf, welches fie unter
den Einfluß des reicheren Bildungslebens von Wefteuropa
brachte. Deuten doch zahlreiche Anzeichen darauf bin, daß fich
die Schweden jchon in heidnifcher Zeit an der Küfte Finnlands
auszubreiten begannen ?).
1A. € Ahlapift, Die Kultumvörter der weftfinniichen Spracden,
S. 264 ff. (Helfingfore, 1875).
2) In der Schrift: „Suomalaisen kirjallisuuden historia“ (Helfing-
fors, 1885) bat I. Krohn nacgewiefen, daß ein großer Teil der Sagen
in der Kalewala von einer lebhaften Verbindung zwiſchen Schweden und
Finnen zeugt fowie itandinavifchen Urſprung verrät. — Bol. im übrigen
6 Einleitung.
Daß ſchon in heidnifcher Zeit eine ſchwediſche Bevölkerung
auf Aland und den angrenzenden Inſeln feſten Fuß gefaßt
hatte, beweijen die dort gemachten Altertumsfunde und bie
Entdefung von präbiftoriihen Gräbern. Nachdem fich die
Schweden auf Aland angefiedelt hatten, war es für fie leicht,
auch das jüdfinnische Küftenland zu erreichen, und in der That
iprechen zablreihe Umſtände für eine heidniſche ſchwediſche
Befiedelung in Nyland. Neben der Bolfstradition und den
Altertumsfunden fommen als Zeugnis hierfür vor allem die
Ortsnamen in Betracht, welche in großer Menge an bie
heidniſche Zeit Schwedens erinnern. Wahricheinlich wurde
das gejamte jeige ſchwediſche Gebiet in Nyland nicht auf ein-
mal von jchwediichen Anfiedlern in Befig genommen, jondern
dieje famen in einzelnen Trupps und breiteten jich im Ver-
lauf einer langen Reihe von Jahren längs der Küſtenſtrecke
aus, welcher fie den Namen „Nyland" gaben, da es fich für
fie ja um ein „neues Yand“ handelte, in welches fie aus ihrer
alten ſchwediſchen Heimat übergefiedelt waren. Michael Agrı:
cola, welcher jelbjt in dem nyländiſchen Kirchipiel Perno ge:
boren war, jagt in der Vorrede zu jeiner finnijchen Über:
jegung des Neuen Teſtaments, daß die an der Hüfte Finn—
lands angefiedelten Schweden von der heidnijchen Bevölkerung
Schwedens oder der Inſel Gotland herſtammten; eine Angabe,
welhe um jo größere Beachtung verdient, al8 auch Sprad-
eigentünmlichfeiten zum Zeil auf eine Verwandtichaft mit den
Gotländern bindeuten }).
Bon dem Leben der in Finnland angejiedelten Schweden
während der heidnijchen Zeit wifjen wir im übrigen nur wenig.
M. 4. Caſtrén, Föreläsningar i finsk mythologi (Helfingfors, 1853)
unb J. Krohn, Kertomuksia Suomen historiasta, Bd. I (Tawaftebus,
1869).
1) Bgl. U. DO. Freudenthal, Om svenskarnes inflyttningar till
Finland; im Kalender „Odalmannen” (Helfingfors, 1881); O. Mon-
telius, Sveriges hednatid, p. 278 (Stodholm, 1877); 8. 4. Bo-
mansfon, Om Alands fornminnen (Helfingiors, 1858); U. 9. Hip—
ping, Om svenska spräkdialekten i Nyland, in: „Acta societatis scien-
tiarum Fennicae“ II, 1077— 1176 (Helfingior®, 1847).
Einleitung. 7
Bemerkenswert ericheint eine Angabe bei Agricola, fie jeten
infolge ihrer lebhafteren Verbindung mit Schweden früher als
die übrigen Yandesbewohner für das Chriftentum gewonnen
worden. Hierdurch ſowie durch die Schwäche der finniichen
Stämme läßt fich nämlich der jchnelle Sieg des Chriftentums
über das Heidentum in dem füdlichen und weftlichen Gegenden
Finnlands erflären.
(Srite Periode.
Die katholiſche Zeit.
1. Die ſchwediſche Eroberung. Der Möteborger Friede (1323) ').
Die hiſtoriſche Entwidelung jehreitet unter ſtändiger Wechjel-
wirkung zwijchen den Völkern vorwärts; wobei diejelben bald
in friedlichem Wetteifer, bald in friegeriihem Waffengang
ihre Kräfte mejjen. Ein Bolt, welches gleich den Yappen
und den meijten finnijchen Stämmen fern von diejem allge:
1) Nahichlagewerfe und Quellen zur Geihichte Finnlands im Mittel:
alter: „Registrun ecclesiae aboensis“, utg. af Reinh. Hausen (Heljing-
fors, 1890); Gabr. Porthau, M. Pauli Juusten Chronicon Episco-
porum Finlandensium, annotationibus et apparatu monumentorum
illustratum, Opera selecta I. II (SHelfingior®, 1859 u. 1862); 9. ©.
Portban, Sylloge monumentorum ad illustrandam historiam fennicam
pertinentium (Abo, 1802—1804); A. 3. Arwidsfon, Handlingar till
upplysning i Finlands bäfder, 10 Bände (Stodholm, 1846—1857);
M. Aliander, Utdrag ur ryska annaler, in der Zeitfehrift „Suomi“
(1548), p. 1—284; E. Grönblad, Nya källor till Finlands Medel-
tidsbistoria I (Kopenhagen, 1857); „Sceriptores rerum suecicarum medii
aevi“, 3Bbe. (Upfala, 1818—1876); „Diplomatarium suecanum‘“, utg.
af J. G. Liljegren, B. E. Hildebrand, E. Hildebrand och
©. Silfverstolpe, 9 Bde. (Stodholn, 1829—1890); „Svenska medel-
tidens rimkrönikor‘“, utg. af. G. E. Klemming. 3 Bde. (Stodholm,
1865 — 1868); C. G. Styffe, Bidrag till Skandinaviens historia ur ut-
ländska arkiv, 5 Bde. (Stodbolm, 1859—1884); Sven Fagerbring,
Svea Rikes historia, 4 Bde. (Stodholm, 1769 —1788). — Abichriften
von Urkunden im Finnifchen Staatsarchiv zu Helfingiors.
Die Schwedische Eroberung. 9
meinen Wettſtreit der Nationen dahinlebt, muß wegen Mangels
an Triebfedern, welche die Kultur ins Leben rufen, entweder
untergehen oder in veralteten Formen erſtarren. Unſerer
Vorväter Los wurde glücklicherweiſe nicht ſo. Sie gerieten
in Abhängigkeit von ihren weſtlichen und öſtlichen Nachbarn
und konnten deshalb eine ſelbſtändige ſtaatliche Organiſation
nicht begründen. Dies iſt die ſchwache Seite im hiſtoriſchen
Leben des finniſchen Volkes geweſen. Aber hierbei trat es
in Berührung mit den großen Kulturſtrömungen in Europa
und gewann ſo die Kraft, in ſeiner Heimat die europäiſche
Bildung heimiſch zu machen.
Dies iſt der Hauptinhalt unſerer Geſchichte, in deren erſter
Epoche Finnland zwiſchen zwei feindlichen Völkern, den Schwe—
den und den Ruſſen, welche ſich beide einen möglichſt großen
Teil ſeines Gebietes anzueignen ſuchen, hin und her geriſſen
wird. Die Geſchichte hat nicht viel über dieſe Periode zu
berichten; denn die Chroniken enthalten nur ſpärliche Nach—
richten, und die Heiligenlegenden ſind wenig zuverläſſig, wie
intereſſant fie auch als Zeugniſſe für die fromme Anſchauungs—
weiſe der Vorzeit ſein mögen.
Gegen Ende der fünfziger Jahre des 12. Jahrhunderts,
vielleicht 1156 oder 1157, beſchloß der ſchwediſche König Erich
Jedvardsſon (der Heilige), einen Heereszug nach Finnland zu
unternehmen, um dieſes Land unter ſchwediſche Gewalt zu
bringen und deſſen Bewohner zur Annahme des Chriſtentums
zu bewegen. Die Nachrichten über ſeinen Zug ſind ſo lücken—
haft, daß wir nicht einmal mit Sicherheit wiſſen, in welchem
Teile Finnlands er landete. Doch ſprechen neben alten Tra—
ditionen manche Gründe dafür, daß das Kreuz Chriſti zuerſt
im „Eigentlichen“ Finnland, und zwar in der Nähe von Äbo,
aufgepflanzt wurde. Nachdem Erich die Finnen beſiegt und
einen Teil von ihnen gezwungen hatte, ſich taufen zu laſſen,
kehrte er nah Schweden zurück, wo er bereits 1160 ſtarb ').
1) Bgl. Vita et miracula sancti Erici regis et martyris, in: „Serip-
tores rerum suecicarum ‘“‘ II,
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ALıForn\d
10 Erſie Periode. Die tatbolifche Zeit.
In Finnland blieb jedoch der aus England gebürtige Biſchof
Heinrich von Upjala zurüd, welcher, wahrſcheinlich von anderen
Prieftern und einer Heinen Heeresmacht unterftütt, bis zu ſeinem
gewaltjamen Tod eifrig für die Ausbreitung des Ehriftentums
thätig war }).
Der Zug Erich8 des Heiligen war für Finnlands Zukunft
von entjcheidender Bedeutung. Das Chriftentum in römiſch—
fatholifchem Gewande hatte in unjerem Yande fejten Fuß ge:
faßt, und hiermit war der Anfang zu einer näheren Verbindung
mit dem Weiten gegeben.
Noh war die neue Kolonie jchwach und hilfsbedürftig.
Denn wenn auch etwas jpäter an der Mündung des Aurafluffes
eine Feſte angelegt wurde, jo dürfte diejelbe doch weder an
jich hinreichend ſtark noch durch eine zahlreiche Beſatzung ge-
ſchützt geweſen jein. Die Sicherheit der chriftlichen Gemeinde
in Finnland berubte daher im wejentlichen auf der Unterftüsung,
welche fie aus Schweden empfangen fonnte. Dort aber waren
infolge innerer Wirren und Spaltungen die Verhältnifje der-
art, daß die ſchwediſche Regierung auch bei bejtem Willen den
hriftlihen Bewohnern Finnlands bei ihren harten Kämpfen
nicht beizuftehen vermochte.
1) ®al. Vita et miracula sancti Henrici episcopi et martyris; in:
„Seriptores rerum sueeicarum‘“ II, 331— 343. Ein altes Bolfslieb über
ben Tod des beiligen Heinrich ift in ber Zeitfchrift „Suomi“ (1856),
p. 43—56 abgedrudt. — Heinrich wurde als Schutpatron bes finnifchen
Boltes angefeben. Zwei Feſte wurden jährlich zu feiner Ehre gefeiert,
am 19. Januar, feinem Todestage (oder, wie man zu fagen pflegte, feinen
Geburtstage [dies nativitatis], da er damals in ein neues, felige® Leben
binübergegangen), und am 18. Juni, dem Tage, an weldem feine Reli—
quien von Noufis nad Abo übergeführt wurden. Die Pradt, welche
bei diefen Gelegenheiten in der Domkirhe zu Abo entfaltet wurbe, und
ber Sündenablaß, welcher allen Kirchenbejuchern erteilt wurde, lockte zabl-
reihe Perionen nad Abo. Die Bollsaniammlung brachte Handel und
Warenaustaufch mit fih, und binnen kurzem wurben unter foldden Um—
ſtänden die St. Heinrichsfefte die wichtigften Martttage des Landes. Noch
heutzutage wird in Abo der Winterjabrmarkt am 19. Januar, der Sommer:
jabrmarft am 18. Juni abgehalten. — Bgl. auch E.N. Setälä, Piispa
Henrikin surmavirsi, in: „Vestra Finland “ II, 1—39 (Helfingfors, 1890).
Die ſchwediſche Eroberung. 11
Wie loie die Verbindung zwijchen Schweden und Finnland
während des ganzen Zeitraums von 1160 bis 1248 war,
erfieht man unter anderm daraus, daß die jchwediichen Quellen
in diefer ganzen Zeit inbezug auf Finnland völliges Still:
ichweigen beobachten. In ruffiihen Chroniken und päpftlichen
Urkunden werben jedoch über Finnland jpärliche Nachrichten
mitgeteilt, aus denen hervorgeht, daß das chriftliche Finnland
während der genannten Epoche unaufhörlichen Angriffen jeitens
der heidniſchen Tawaften und Karelier jowie jeitens der Bundes:
genofjen der leßteren, der Ruſſen, ausgejegt war. Wegen ber
fnappen Form, im welche diefe Mitteilungen meiftens gekleidet
jind, erjcheinen diejelben dürftig genug. Gleichwohl find fie
von hohem Wert als die einzigen Zeugniffe über unjer Volk
während eines Zeitraums von faft hundert Jahren.
Die Feindjeligfeiten wurden von finniſcher Seite eröffnet.
Ruffiihe Annalen erzählen, daß jchwedijche Krieger im Jahre
1164 bis zu der ruffiihen Stadt Yadoga vordrangen, wo
jie jedoch volljtändig befiegt wurden )Y. Mean dürfte annehmen
fönnen, daß die in der ruſſiſchen Chronik erwähnten „svear‘
aus den jchwedijchen Bejigungen Finnlands jtammten und durch
einen Kreuzzug gegen die ungläubigen Ruſſen der ewigen
Seligkeit teilhaftig werden wollten.
Wenige Jahrzehnte jpäter erhoben fich die Karelier und
die Bewohner von Nowgorod mit fanatifchem Eifer gegen die
chriſtliche Kirche in Finnland. Im Jahre 1186 begaben jich
Krieger aus Nowgorod unter ihrem Führer Wyſchata Wa-
jiljewitih auf einen Plünderungszug nad Tawaſtland. Nicht
einmal Schweden war damals vor Angriffen der Feinde jicher.
Schwediihe Quellen berichten nämlih, daß Schweden viel
Schaden und Unheil durch die Karelier erlitt, die ſowohl bei
ruhiger See wie bei ftürmijchem Wetter nicht felten mit be-
deutender Heeresmacht übers Meer in den ſchwediſchen „Schären-
garten“ (skärgärden) und in den Mälarjee bineinjegelten, jo
>. B. 1187 oder 1188. Im allgemeinen galten jedoch bieje
1) M. Aliander, Utdrag ur ryska annaler; in: „Suomi‘‘ (1848).
12 Erjte Periode. Die latholiihe Zeit.
Heerfahrten den chriftlichen Gegenden Finnlande. Den Now:
goroder Annalen zufolge zogen die Nowgoroder und Karelier
1191 auf dem Seeweg ins „Yand der Tawaſten“, womit
wahrjcheinlich der geiamte, den Kareliern nicht unterthänige
Zeil Finnlands gemeint ift. Ein noch furchtbarerer Angriff
eriolgte, wie die finnische Biihofschronif erzählt, im Jahre
1198, wo die Nuffen Abo, welches bier zum erftenmal ge:
nannt wird, miederbrannten. An der Mündung des Aura—
flujfes war nämlich allmählich eine Stadt entjtanden, welche
ſchon damals als die Yandeshauptitadt angejehen wurde.
Eine von Innocenz III. im Jahr 1209 ausgefertigte Papit-
bulfe jchilvert in büftern Farben die Yage, im welcher jich die
chrijtlihe Gemeinde Finnlands damals befand !). Erjt dem
durch große Willenskraft ausgezeichneten Dominifanermönd)
Thomas, welcher von etwa 1220 bis 1245 Biſchof von Finn—
land war, gelang es, die finnijche Kirche aus ihrem Verfall
wiederaufzurichten ?). Später freilich wurde auch jeine erfolg-
reihe Wirkſamkeit von ſchwerem Mißgeichief betroffen, indem
jogar die bereits zum Chriftentum befehrten Tawaften von der
neuen Yehre wieder abtrünnig wurden.
Dies berubte vermutlich darauf, daß die Fürjten von Now:
gurod, aus Furcht vor dem Vorwärtsdringen der ſchwediſchen
Macht, die heidniſchen Finnen immer eifriger zu unterſtützen
begannen. Demgemäß wird denn auch fortwährend von Feld:
zügen berichtet, die von ruſſiſcher oder finniſcher Seite aus:
1) Bgl. „Diplomatarium suecanum “ I, Nr. 136. — In der päpſt—
lihen Bulle wird das betreffende Land „Fialandia‘ genannt. In der
Schrift: „Biskop Thomas och Finland i hans tid“ (Helfingfors, 1838
bi8 1839) bat ©. Nein durch forgfältige Spezialunterfuhung dar:
getban, daß jenes Wort auf fein anderes Fand als auf Finnland bin-
jieien kann.
2) Aus einigen, in Bortbans „Sylloge monumentorum ‘“ jowie im
„Diplomatarium succanum“ abgedrudten Bullen gebt bewor, daß die
Päpſte im den zwanziger und breißiger Jahren des 13. Jahrhunderts
jih mehr als vordem für das Schidfal Finnlands zu intereifieren be—
gannen. Daß diefer fteigende Eifer mit der Thätigkeit des Bıihofs Thomas
zufammenbing, läßt fi unſchwer ertennen.
Die ſchwediſche Eroberung. 13
gingen. In ruffiichen Quellen findet jich die Angabe, Fürſt
Jaroslaw von Nowgorod jei jhon 1227 gegen die Tawaſten
marſchiert, habe das ganze Yand mit Krieg überzogen und
zahlloſe Gefangene mit jich beimgeführt. Dieje furze Bemer-
fung deutet nicht auf eine etwaige Abficht des Fürſten, in
Tawaſtland oder im wejtlichen Finnland feiten Fuß zu faſſen,
jondern jein Zug jcheint vielmehr einer der im jener Zeit ge-
wöhnlichen Plünderungszüge geweien zu fein. Übrigens rächten
jich die chrijtlichen Finnen (oder, wie die Chronik jagt, die
Tamwajten) jchon im folgenden Jahre durch einen Zug an den
Padogajee und dejjen Küftengebiet. Allein während des Rück—
zuges wurden jie von den Ingriern und Rareliern angegriffen
und größtenteils niedergemadt. Bon 2000 Mann jollen nur
wenige Finnland wiedergejeben haben ). Die bedeutende Stärte
der Heeresinacht, der kühne Zug gegen einen der Hauptpunfte
der nowgorodiſchen Herrichaft und der Umſtand, daß die Ta-
waften als Teilnehmer an dem Kampf gegen die Nowgoroder
genannt werden, laffen auf ein bedeutendes Kriegsunternehmen
ichliegen, am welches Biſchof Thomas jicherlich große Hoff-
nungen geknüpft bat, die freilich völlig getäuſcht wurden.
Die Folgen der tatariichen Invafion in Rußland machten
fih auch in Finnland bemerkbar. Es läßt ſich leicht ermeffen,
daß die römijch-fatholiiche Bevölkerung Finnlands, welcher das
Unbeil, welches Rußland betroffen, nicht unbefannt geblieben
jein dürfte, darin einen Anlaß zum GErgreifen der Waffen er-
blite, um jich an dem ehemals jo übermütigen, jet aber
geihmwächten Nachbar im Often zu rächen. Schon 1240
ftand eine beträchtliche Heeresmacht zum Zuge gen Oſten be-
reit. Über die Ereigniffe, welche ſich nun abjpielten, berichtet
die Nowgoroder Ehronif, daß jich die Schweden im Verein mit
Normwegern, Sumen und Tawaften 1240 mit einer großen
Armee, welche fich auf zahlreichen Schiffen befand, den Grenzen
Nowgorods genähert Hätten. Nach ihrer Ankunft an der
Newa, bei der Mündung der Iſchora, jeien jie jedoch von den
1) Bgl. die Mitteilungen Alttandbers in „Suomi“ (1848).
14 Erjte Periode. Die katholiſche Zeit.
Mannen der Städte Yadoga und Nowgorod unter Fürft Ale-
rander bejiegt worden. Im jchwediichen Quellen wird diejer
Zug überhaupt nicht erwähnt. Indeſſen liegt fein Grund da—
jür vor, an der Wahrheit der detaillierten Schilderung in der
rufjiichen Chronik zu zweifeln.
Kurze Zeit darauf erhielten die inneren Zuftände Schwe—
dens eine jeit langer Zeit nicht mehr gefannte Feſtigkeit.
Birger Iarl, ein mächtiger Mann aus dem Folkungergejchlecht,
reorganifierte das Reich im Innern und faßte alsdann den
Entihluß, einen Kreuzzug nach Often zu unternehmen, um die
in Verfall geratene chriftliche Kirche in Finnland wieder auf:
zurichten und neu zu ftärfen. Die Angabe der finnijchen
Biihofschronit, daß der Kreuzzug 1249 unternommen worden
jet, wird durch Wahrjcheinlichkeitsgrümde bekräftigt. Bezüglich
des Landungspunktes find wir auf Bermutungen angewiejen.
Am anjprechendften erjcheint die Annahme, daß Birger Yarl
in einer Bucht an der Südküſte Nylands landete ). In glänzen:
den Farben jchildert die ſchwediſche Reimchronik jenes Unter:
nehmen, welches mit einem entjcheidenden Siege des Königs
iiber die Tawaſten endigte und deſſen Hauptergebnis die Grün-
dung von Tawaſtehus (Schloß Kronoborg), die Unterwerfung
der Tawaſten jowie ihr Übertritt zum Chriftentum bildete.
Das Werk, welches Biſchof Thomas erfolgreich begonnen, aber
nicht durchzuführen vermocht hatte, wurde jetst gefeftigt. Der
größte Teil der Bevölkerung Finnlands nahm das Ehriftentum
in römiſch-katholiſcher Form an, und gleichzeitig faßten ſchwe—
diſche Bildung, ſchwediſches Geſetz und jchwediiche bürgerliche
Ordnung in unjerem Lande jo fefte Wurzel, daß fie jpäter
wejentliche Beſtandteile in unjerer Entwidelung ausmachten.
Der Name Birger Yarls ift daher auch mit unauslöfchlichen
Yettern auf einem ber berrlichiten Blätter unjerer Gejchichte
verzeichnet.
Unter der Regierung Birger Yarls und feiner Söhne ging
1) Bgl. ©. Rein, De loco, quo, arma Tavastis illaturus, appulerit
Birgerus dux (Selfingfors, 1833).
Die ſchwediſche Eroberung. 15
die Entwidelung in Finnland in alter Weije vorwärts, indem
einerjeit8 der firchliche Einfluß gefeftigt, andrerjeits der Kampf
gegen die Rufen und Karelier fortgejegt wurde. Unter jeinem
Enfel Birger begann ein neuer Krieg mit der Republik
Nowgorod. Im Jahre 1293 landete der fünigliche Mar—
ball Tyrgils Knutsſon, welcher während der Minderjährig-
feit des Königs die Regierungsgeichäfte leitete, mit einer
großen Heeresmacht im innerften Winkel der Wiborger Bucht,
wo er unmittelbar zur Gründung einer Feſtung ſchritt, welche
jtarf genug wäre, Sarelien zu bebherrichen und deſſen Ein-
wohner unter jchwediiche Gewalt zu bringen. Dieje aus Stein
erbaute Seite, welche auf einer vor feindlichen Angriffen ge-
ſchützten Inſel lag, erhielt den Namen Wiborg. Tyrgils
Knutsſon und jeine Mannen fehrten darauf nach Schweden
heim; jedoch hinterließ er auf dem Schloß einen Vogt, wel—
her an der Spike einer vermutlich geringen Truppe das Er-
oberungswerf fortführte.
Natürlich mußte ſich die Republik Nowgorod dadurch be-
droht fühlen, daß jo nahe ihrer Grenze eine Feftung errichtet
worden war. Der Fürſt von Nowgorod, Andrej Alerandro-
witjch, machte denn auch jchon im März 1294 einen Verſuch
zur Eroberung Wiborgs. Aber der Feldzug nahm einen un—
glüdlichen Verlauf. Infolge deſſen drangen die Schweden bis
zum Yadogajee vor, wo fie jich einer Feſte bemächtigten, welche
von den Ruffen Korela, von den Finnen Käkiſalmi oder Kex—
bolm genannt wurde). Schon 1295 überfielen jedoch die
Bewohner Nowgorods die Feltung, zeritörten fie, töteten den
Beiehlshaber Sigge Loke und nahmen alle Überlebenden von
der Bejakung gefangen.
Die Verhältniffe, welche zu diejer Zeit in den öftlichen
Zeilen Finnlands herrſchten, werden durch ein Schreiben
beleuchtet, welches König Birger am 4. März 1295 an
Bürgermeifter und Nat von Lübeck jowie von anderen, auf
1) Wahrſcheinlich hatte ſich an dem Plate, wo jet Kexholm liegt,
hen früher eine Fefte befunden, welche damals von den Schweden er:
obert und verftärft wurde.
16 Erſte Periode. Die katbolifche Zeit.
der Oſtſee Handel treibenden Seeftädten richtete. Aus dieſem
Schreiben geht unter anderm auch hervor, daß die mächtigen
Hanjeftädte nicht ohne Unruhe die Erfolge Schwedens be-
trachteten, da fie diejelben als für ihre Handelsherrichaft ge-
fährlih anjahen. Aber Tyrgils Knutsſon ließ ſich Hierdurch
nicht von der Durchführung feiner Pläne abjchreden, jondern
beichloß vielmehr, fich des Newaftromes, d. h. gerade des Mittel-
punftes fir die Hanbelsverbindungen der Hanjejtädte mit
Nowgorod, zu bemächtigen. Er landete an der Stelle, wo ſich
die Ochta in die Newa ergießt, und begann daſelbſt, dicht am
Ausfluffe der Newa aus dem Yadoga, eine Feſtung anzulegen.
Da er geübte Handwerfer mitgenommen, ging die Arbeit raſch
von ftatten, jo daß die Feſte, welche den jtolzen Namen „Yandes-
krone“ (Pandsfrona) erhielt, binnen furzem jogar den Angriffen
eines ſtarken Feindes trogen zu können ſchien ).
Kurz darauf nahte eine ruſſiſche Heeresmacht, welche
31000 Mann ſtark geweſen ſein ſoll. Der Feind ließ nichts
unverſucht, um ſich der Stellung der Schweden zu bemäch—
tigen. Nachdem ſich jedoch alle Bemühungen als vergeblich
erwieſen hatten, mußte er wieder abziehen. Der Marſchall
beendete nun den Bau der Feſtung, verſah dieſelbe mit Pro—
viant und kehrte darauf nach Schweden zurück. In Lands—
krona blieben 300 Mann unter dem Befehl des Hauptmanns
Sten. Dieſe Schar wurde von einem traurigen Geſchick er—
eilt. Schon von Anfang an wenig zahlreich, wurde ſie durch
Entbehrungen und Krankheiten noch mehr geſchwächt, ſo daß
ſchließlich nur noch eine Hand voll Leute übrig war, die im
Sommer 1301 die Feſte gegen einen erneuten Angriff der
Ruſſen zu verteidigen hatte. Der Feind drang in die Feſtung ein,
zümdete fie an, der Befehlshaber wurde nebjt der Mannjchuft
miedergemacht und Yandsfrona bis auf den Grund zerjtört ?).
In jo unglücdlicher Weije endete der Verjuch Tyrgils Kmuts-
11 Die Schwedifche Reimchronik, welche jich jedoch als nicht jonderlich
zuverläſſig erweiſt, berichtet ausführlich über dieje Ereignifje.
2) So ſchildert die Reimchronik diefe Borgänge Die kurzgefaßten
Angaben der ruffiihen Quellen ſtimmen in der Sauptfache Damit überein.
Die ſchwediſche Eroberung. 17
ſons, an der Newa einen äußerſten Vorpoften des jchwebtichen
Reichs zu errichten.
In den folgenden Jahren nahın der Kampf mit der Re—
publif Nowgorod unter wechjeljeitigen Plünderungs- und Raub-
zügen jeinen Fortgang. Im Jahre 1311 zogen, ruſſiſchen
Quellen zufolge, die Nomwgoroder gegen die Tawaften im jüd-
lichen Finnland. Im Jahre 1313 verbrannten die Schweden
die Stadt Ladoga, und 1317 wurde ein zweiter jchwebijcher
Zug nach Yadoga unternommen. Im Jahre 1318 endlich
zogen die Nowgoroder, wie die ruffiiche Ehronif meldet, übers
Meer und eroberten die Stadt des Suomifürften Lüder nebjt
dem dort befindlichen Biſchofsſitz. Auch die finnische Biſchofs⸗
chronik berichtet, daß 1318 die Stadt Äbo verbrannt und die
Domkirche von den Ruſſen geplündert wurde ). Die Reſidenz
ver finnischen Biichöfe, Kuuftö, wo erft fürzlich (1317) zum
Schutze gegen feindliche Angriffe ein feites Schloß erbaut
worden war, wurde zerftört, und es wird bejonders bervor-
gehoben, daß die Kojtbarfeiten und Privilegienbriefe der Dom-
firche bei diejer Gelegenheit ein Raub der Flammen wurden ?).
Es unterliegt feinem Zweifel, daß fich alle dieje Nachrichten
auf einen einzigen ruſſiſchen Kriegszug zurückführen lafjen,
welcher wahrjcheinlich auf dem Seewege nah Weftfinnland er-
folgte. Die Stadt Abo wird in der rufjiichen Erzählung
„Lüders Stadt” genannt, da der damalige fönigliche Haupt-
mann auf dem Schlojje zu Abo Yüder oder Lüdeke von Kyrn
bieß. Im Jahre 1322 machten die Ruſſen einen Verjuch zur
Eroberung Wiborgs, der Hauptfeftung im öftlichen Finnland.
Alle Anstrengungen der Belagerer erwieſen jich indejjen erfolg-
108, und einen Monat jpäter mußten fie unter Verluften den
Rüdzug antreten. Nicht minder fruchtlo® verlief ein in dem—
1) Die Domtirche zu Abo wird zum erſtenmal in einer päpſtlichen
Bulle von 1258 erwähnt. Gingeweibt wurde jie nad ibrer Bollendung
1300 von Magnus (1291—1308), dem erften eingeborenen Biſchof Finn-
(ande. Gleichzeitig wurde der Bilhofsfis von NRäntämäli (St. Marie)
nad Abo verlegt. — Das Aber Schloß wird 1308 zuerft erwähnt.
2) R. Haujen, Kuustö slott, p. 15 (SHelfingiors, N 1883).
Schobergion, Geihihte Finnlande.
18 Erjte Periode. Die katboliihe Zeit.
jelben Jahre von finnischer Seite unternommener Angriff auf
Kerholm.
Da der fortgeiegte Krieg nur Zerftörung und Blutvergießen
bewirft hatte, ohne daß auf einer ber beiden Seiten irgend-
ein nachhaltiger Erfolg erzielt worden wäre, jo begann ſich
allgemein die Sehnjucht nach einem dauerhaften Frieden gel-
tend zu machen. Dan einigte fich deshalb dahin, daß in
Nöteborg (ruſſiſch: „Orechowez“), am Ausfluffe der Newa
aus dem Yaboga, wo die Ruſſen kürzlich mit der Anlage einer
Feſtung begonnen Hatten, ein Friedenskongreß zujammentreten
jollte. Im Yaufe des Sommers 1323 fanden fich daſelbſt
die Neichsräte Erich Thuresjon und Hemming Odgislasfon,
der Schloßhauptmann Peter Jönsſon Bit af Flishult auf
Wiborg jowie ein Geiftliher VBermundus als Delegierte
Schwedens ein. Don Nowgorod waren, als vom Fürſten
Jurij Danilowitſch gewählt, der Statthalter Alformius und
der Hauptmann Abraham, jowie ferner Deputierte der Bürger:
ichaft Nomwgorods anweſend. Außerdem beteiligten ſich noch
als Schiedsrichter bei den Verhandlungen zwei Männer, Na—
mens Pudwig und Fodra, Vertreter der Kaufleute auf Got-
land, deren Hanbdelsinterejjen durch den andauernden Kriegs—
zuftand in den Yändern am Finniſchen Meerbujen gelitten
hatten und die deshalb ebenfall8 an dem Friedenswerk hohes
Intereſſe bejaßen.
Die Unterhandlungen endeten mit der Unterzeichnung eines
vom 12. Auguft 1323 datierten Friedensinjtruments, der erjten
Urkunde, welche Finnlands Grenzen im Oſten feftitellt. Weiter
wurde in dem Vertrage unter anderm beftimmt, daß Kaufleute
aus ganz Deutjchland, Lübeck, Gotland und Schweden zu Waſſer
und zu Yande auf dem Wege über Nyen freie Verbindung mit
Nowgorod haben jollten, ungehindert von den Schweden und
namentlich von der Beſatzung auf Wiborg. Desgleichen follten
die Kaufleute von Nowgorod während der Dauer des Friedens
jicher und unbehindert nach Nyen ihren Weg ziehen dürfen. Weder
den Schweden noch den Nowgorodern jollte e8 gejtattet fein,
in Karelien neue Feftungen zu errichten u. j. w. u. ſ. w.
Die ſchwediſche Eroberung. 19
Die Grenzlinie zwijchen Schweden und Nowgorod jollte
durch folgende Orte gehen: von der Mündung des Spiter-
bäck ind Meer bis zum Saifluffe, der fih in den Wuoxen—
strom ergießt, von dort nach Päiväfivi oder Solften im Wuo-
ren, weiter durch das St. Andreä-Kirchipiel nach Torſajärvi
im Kirchipiel Rautjärvi und nach Särkilahti jüdlich vom Saima-
jee. Bon diejer Stelle an find die Grenzpunkte jpärlich und
ihwer auffindbar. Als Grenzorte werden Samujalo, Siiti,
KRarjalanfosfi und Kolumakosfi genannt. Schließlih wird
gejagt, die Grenze jolle zum Petäjofiflufje und von dort
zum Rajanameer (oder, wie e8 in einigen Klopieen des Friedens—
traftats heißt, zum „Helſingemeer“) geben. Inbetreff der
Auslegung des letten Punktes find verjchiedene Anfichten aus—
geiprochen worden. Einige finnifche Foricher find der Mei-
nung gewejen, man babe unter „KRajana Meer“ den „Bottnijchen
Meerbujen“ verftanden, in deſſen nördlichen Zeil die Grenze
mithin ausgemündet hätte Andere wiederum, unter ihnen
*
DO. ©. Rydberg, welcher dieſer Frage eine gründliche Unter—
juchung gewidmet hat !), haben geglaubt, das „Kajanameer“
jei mit dem Eismeer identiih. Ging, gemäß dem Vertrage
von 1323, die Grenze bis zum Bottnijchen Meerbujen, jo ift
der Grenzfluß Petäjofi in einem der in den genannten Meer:
buſen ſich ergießenden Gewäſſer, 3. B. im Pyhäjoki, zu juchen;
in welchem Falle das gejamte nördliche DOfterbotten und das
finnijche Lappmarken rujjiiches Gebiet gewejen wäre. Im
entgegengejegten Falle müßte man ſich die Grenzlinie vom
Maanſelkä bis zum Eismeer gezogen denken, jo daß alles Yand
weitlich von diejer Yinie zu Schweden gehören würde. Uns
icheinen die Gründe überwiegend zu fein, welche dafür jprechen,
daß unter „Rajanameer“ in jenen alten Zeiten das, was wir
beute „Eismeer“ nennen, verftanden wurde König Alfred
von England giebt in feiner Überjegung des Orofius deſſen
Ausdrud „Septentrionalis Oceanus“* mit „Quänſee“ wieder,
womit er das Eismeer meint, von welchem er durch den Nor—
1) Bgl. D. ©. Rydberg, Sverges traktater med främmande magter
jemte andra dit hörande handlingar I, 434—513 (Stodholm, 1877).
2*
20 Erſte Periode. Die tatboliiche Zeit.
weger Other genaue Nachrichten erhalten Hatte. Die Now-
goroder, welche in lebhafter Berührung mit den Quänen jtan-
den und wußten, daß dieje hoch oben im Norden bis zum Eis—
meer wohnten, benannten nach ihnen vermutlich das lett-
erwähnte Gewäſſer. Ein Verfaſſer, v. Herberftein, welcher bei
Beginn des 16. Jahrhunderts Rußland bejuchte, jagt aus—
drüdlich, die Ruſſen hätten Schwedens nördlichſte Beſitzungen
am Eisineer das „Kajaniſche Yand“ genannt. Es iſt daher
auch wahrjcheinlich, daß die Schweden „Kajanameer“ als mit
Eismeer identisch aufgefaßt haben; eine Anficht, welche weiter da—
durch befräftigt wird, daß die ſchwediſche Regierung, wie aus meh—
reren Verfügungen hervorgeht, unmittelbar nach dem Nöteborger
Frieden das nördliche Ofterbotten ala ihr eigenes Gebiet be-
trachtete. Muß es doch wenig glaublich erjcheinen, dag Schwe-
den jene Verordnungen erlajjen hätte, wofern das Kiüftenland
am Bottniſchen Meerbuſen durch den Friedensvertrag rujjiiches
Eigentum geworden wäre Gegen Ende des 15. Jahrhunderts
wurde allerdings von ruſſiſcher Seite Anjpruch darauf erhoben,
dag Nordichweden und das nördliche Finnland bis zu einem,
Hanhikivi genannten Stein, der fih im Kirchipiel Salo von
DOfterbotten befand, jowie bis zu einer Stelle Namens Bjure-
klubbe im Kirchipiel Sfelleftei von Wefterbotten Rußland zu:
fallen jollten. Allein bei diejer Gelegenheit berief man fich
nicht auf den Ariedenstraftat von 1323, jondern auf alte
Traditionen, welche jedenfalls aus weit älteren Zeiten ber-
jtammten, als ruſſiſche Karelier in Yappland und im nördlichen
Karelien umberftreiften. Irgendwelche Beweiſe inbezug auf
die Grenzbeitimmungen des Traktats von 1323 fönnen dem—
nach aus jenen Anjprüchen nicht hergeleitet werden.
Die chriftlihe Yehre war in unjerm Yande unter gewalt-
ſamem Blutvergießen verfündigt worden, und unjere Vorfahren
batten diejelbe unter dem Zwange eines Machtgebots und ohne
innere Herzensüberzeugung angencınmen. Es mußte deshalb
lange währen, ehe das Ehriftentum auf Sitten und Gemüt
Finnland um 1300, 4
des Volkes einen nachhaltigen Einfluß auszuüben vermochte.
Dennoh wäre e3 ein Irrtum, vorauszujegen, daß das Chriſten—
tum nicht jchon damals jegensreich wirkte. Die kraftvolle rö-
miſche Hierarchie, welche ſich in Finnland mach denjelben alf-
gemeinen Grundjägen wie in anderen Ländern entwicelte, war
eine Erzieherin des finnischen Volkes, welche im Namen des
göttlichen Wortes den heidniſchen Übermut beugte.
Ein Zeugnis unter vielen von der Bedeutung der Kirche
für Finnland tft, daß die Grenzen Finnlands und des finniſchen
Bistums miteinander zufammenfielen. Wo auch immer man
den mächtigen Worten des Biſchofs zu Abo Gehoriam zollte
und ihm Steuern zahlte, da lebte man in „Ofterland“, wie
Finnland gewöhnlich genannt wurde, obwohl allmählich auch
der Name „Finnland“ („Finlandia*) in Gebrauch fam. Die
Yandichaften, welche zum Bistum Abo und zu Oſterland ge:
rechnet wurden, waren: Aland, das „Eigentliche“ Finnland (wel-
ches in älteren Urkunden nur Finnland oder Finlandia heißt),
Satafınta, Nyland, Tawaſtland, das weitliche Karelien und
das weitliche Savolaks. Wann Aland mit dem finnischen Bis-
tum vereinigt wurde, ift nicht befannt. Vielleicht geſchah es
während der Amtsdauer des auf Aland geborenen Bijchofs
Ragvald II. (1309—1321). In nördlicher Richtung erjtredte
jich das Bistum Abo bis nach Djfterbotten hinein.
Die vornebmiten Männer des Yandes waren die Bijchöfe,
ſowohl wegen ihres Ranges als infolge ihrer hohen Bildung.
Indefjen fonnte der Biſchof zu Abo hinſichtlich der Äußeren
Pracht mit anderen Kirchenfürften des Mittelalters nicht wett—
eifern. Erjt gegen Ende diejer Periode wurde jeine Stellung
durch die Erbauung des Schlojjes Kuuſtö und durch Boll:
endung der Domtirche von Abo glänzend. — Dem Bijchof
itanden jchon frühzeitig Ratgeber zur Seite, welche aus
den eiftlichen in nächfter Umgebung des Biſchofsſitzes ge—
wählt wurden. Allmählich erhielten diejelben höhere Befug—
niffe, bis fie ichlieglich ein Domkapitel bildeten, welches gemein-
ſam mit dem Biichof die Verwaltung des finniſchen Stifte
bejorgte, und deſſen Organilation etwa 1276 näher fejtgeftellt
22 Erſte Periode. Die latholiſche Zeit.
wurde. — Von Klöftern gab es in jener Periode nur das
St. Dlof-Dominifanerflofter zu Abo, welches bereit8 1249,
gleichzeitig mit dem Kreuzzug Birger Jarls, angelegt wurde,
eine größere Wirkſamkeit jedoch faum ausgeübt haben dürfte.
Die weltliche Verwaltung lag nicht jelten in der Hand von
Mitgliedern des Königshaufes, welche unter dem Titel eines
Herzogs das Yand regierten. So wurde Benedikt, der vierte
Sohn Birger Yarls, 1284 Herzog von Finnland.
Die lofale Regierung wurde von den Hauptleuten auf den
drei Sclöffern Abo, Tawaſtehus und Wiborg gehandhabt.
Unter ihnen war der Hauptmann auf Abo, gewöhnlih „Finn:
lands Hauptmann“ (advocatus, praefectus Finlandiae) genannt,
der angeſehenſte. Sein Wirfungsfreis umfaßte das „Cigent-
liche“ Finnland, Satakunta und Aland. Beachtenswert erjcheint
ein Schriftlicher Vergleich, welcher am 31. Mai 1326 zwiichen
dem Hauptmann auf Abo, Karl Näsktonungsion, und der Stadt
Reval abgejchloffen wurde, und in welchem erjterer in jeinem
eigenen Namen jowie in dem jeiner Untergebenen gelobte, daß
alfe Streitigkeiten und Reibereien zwijchen jeinem Vorgänger,
Ritter Matts Kettilmundsjon (geft. 1326), und den Bewoh—
nern von Reval für alle Zukunft völlig vergejien jein jollten.
Auch jollten die Einwohner von Reval fortan freien Zutritt
zu allen Häfen innerhalb der Kreishauptmannjcaft Abo ſowie
die Berechtigung haben, dort zu bleiben, von dort wegzuzieben
und dajelbft Handel zu treiben. Der Hauptmann auf Tawaſte—
hus bejorgte die Verwaltung in Tawaſtland und den dazu
gehörigen unbebauten Gegenden bis zur Küfte von Öfterbotten.
Unter dem Hauptmann zu Wiborg ftand Nyland nebſt den-
jenigen Zeilen von Savolafs und Karelien, welche Schweden
zugefalfen waren. Am 10. Juli 1326 erließ der Schloßvogt
auf Wiborg, Petrus Ionsion, eine Bekanntmachung, welche mit
dem oben erwähnten Briefe Karl Nästonungsjons faſt wörtlich
übereinftimmt. Mit einem Worte, die Hauptleute handelten
auch ausländiichen Mächten gegenüber jelbftändig y. In Ny—
1) Bal. F. ©. v. Bunge, Liv-, Ejtb- und Kurländifches Urkunden:
Finnland um 1300, 23
fand und auf Aland werben bisweilen Unterbauptleute oder
Bögte erwähnt.
3m übrigen ift unjere Kenntnis von den Zuftänden in
Finnland während jener Zeit außerordentlich mangelhaft. Daß
ſchwediſches Geſetz und ſchwediſche Geiellichaftsorbnung ein—
geführt wurden, geht aus den ſpäter beſtehenden Verhält—
niſſen hervor. Allein die Geſchichte giebt uns keinen näheren
Aufſchluß, in welcher Weiſe dies geſchah. Allerdings wird in
Briefen der damaligen Zeit ein „jus carelicum“, ein „jus
finnieum“, ein „jus helsingonicum“ und ein „jus suecicum*
als in verjchiedenen Teilen Finnlands in Geltung befindlich
erwähnt, und zwar das erjtgenannte „jus“ in den öftlichen
Yandesgebieten, das finniſche im „Eigentlichen“ Finnland, das
beljingiiche an der Küftenftrede von Nyland und das ſchwe—
diſche in den Küftenjprengeln im „Eigentlichen“ Finnland. Wir
dürfen jedoch nicht aus jenen Ausdrücen darauf jchließen, daß
die Bewohner innerhalb der Gebiete des „jus suecicum“ und
des „jus helsingonicum* nach ſchwediſchem und Heljinger
Geſetz, die Anfiedler im Territorium des „jus finnicum‘“* und
„jus carelicum“ hingegen nach eigentümlichen finnijchen Rechts—
gebräuchen regiert worden wären. Das Wort „jus“ bedeutet
nämlich nach dem mittelalterlihen Sprachgebrauch nicht nur
„Recht“, jondern auch „Zins“, und jo ift jenes Wort hier zu
verjtehen ).
Die Bevölkerung Finnlands war noch bis weit in dieſe
Periode hinein fast ausſchließlich in den ſüdlichen Küftengegen-
den angefiedelt, unter denen Nyland, das „Eigentlihe” Finnland
jowie Aland, wie man aus der Anzahl der Kirchipiele jchließen
fann, eine etwas dichtere Bevölkerung aufwiejen. In Sata—
funta, welches in den dreißiger Jahren ded 14. Jahrhunderts
zum erjtenmal erwähnt wird, war Kumo der Hauptort. Das
Land nördlich davon und die inneren Gebiete Hingegen waren
buch nebſt Regeften II, Nr. 724—726 (Reval, 1855); DO. S. Rydberg
1. c. 1, 518— 522, fowie „‚Historiallinen arkisto“ VI, 66 (Helfingiors, 1878).
114. ©. Fontell, Om svenska och finska rätten (Helfingfors,
1883 .
24 Erſte Periode. Die katboliiche Zeit.
Einöden, welche von Lappen, Fiichern und Jägern burchitreift
wurden. Erſt gegen Ende dieſer Periode wurde Die eigentliche
Anfiedelung erweitert, indem Ofterbotten durch allmählich fort-
ichreitende Rolonijation eine feſt anſäſſige Bevölkerung erbielt.
Hierbei war der Einfluß der „Birkarlier“, einer Handels—
gejellichaft, welche mit den Lappen Handel trieb und diejelben
immer mehr unter ihre Gewalt brachte, von großer Bedeutung ?).
Aus einer Urkunde von 1328 geht nämlich hervor, daß die
Birkarlier jeit langem um des Handels und der Steuererhebung
willen die Lappen aufzufuchen pflegten, jowie daß andere Kolo—
niften ihren Spuren folgten und in den Küftenländern wejtlich
‚ und nörblih vom Bottnifchen Meerbujen ſich niederzulafien
begannen. Vermutlich waren die Verhältniſſe öftlih vom
Bottnifchen Meerbujen gleicher Art. Zuerjt erjchienen die Ta-
wajten, deren Niederlaffungen, nach einer Menge von finnijchen
Namen zu jchliefen, anfangs ſich bis an die Meeresfüfte
erjtredten. Später wurden bdiejelben jedoch vom größten
Teile der jüdlichen Küftenftrede durch Schweden verdrängt,
welche aus dem jchwedischen Norrland über den Bottnijchen
Meerbujen binüberfamen. — In den nördlichen Niederungen
von Ofterbotten lebten vielleicht Überrefte des alten Quänvolfes
zujammen mit jpäter angefievelten Kareliern. Letztere vermijch-
ten fih mit Tawaſten, die von Süden gefommen waren,
jo daß ſich Spuren fareliichen wie tawaftländischen Urjprungs
noch Heutzutage bei der Bevölkerung im nördlichen Oſter—
botten bemerfbar machen.
1) Die Bedeutung des Namens „Birkarlier” ift umftritten geweſen.
Derjelbe muß zweifel8obne von dem altſchwediſchen Worte „birk“ ab:
geleitet werben und bebeutet „Handeldmann“ Man bat den Namen mit
dem Namen des Kirchfpiel® Birlkala in Satakunta in Verbindung gebracht
und angenommen, daß der Name „Birkarlar‘ dem Kirdhipiel entnommen
ift. Dies ericheint kaum denkbar; cher könnte man vermuten, daß ſich
Birlarlier im Kirchſpiel Birkkala niebergelajien baben, weldies dadurch
jeinen Namen erbielt.
Magnus Eritsion und jeine Zeit. 25
2. Magnus Eriksfon und feine Beit.
Nah dem Nöteborger Frieden (1323) jowie den jchon er—
wähnten Übereintünften zwijchen der Stadt Reval und den Haupt-
feuten auf Wiborg und Abo (1326) herrſchte zunächſt Ruhe in
den öjtlichen Grenzgebieten des Reichs. Bald jedoch entwidelten
ih in Nowgorod Zuftände, welche den Grenzfrieden jtörten.
Bereits 1337 erhoben ſich, unterftügt von dem ſchwediſchen
Schloßhauptmann Petrus Jonsſon auf Wiborg, die Einwohner
von Nöteborg und megelten die Ruſſen nieder, worauf die Auf:
rührer nach Wiborg flüchteten. Dies gab zu Weindjeligfeiten
zwiſchen Wiborg und den Ruſſen in Karelien Anlaß (1338), in-
dem die Wiborger die Vorftadt von Ladoga verbrannten, während
die Nomwgoroder ihrerjeits einen Einfall in das ſchwediſche
Rarelien machten. Im Yaufe des Winters jchidte Petrus
Sonsjon infolge deffen nach Nowgorod Gejandte, welche mit der
Erklärung beauftragt waren, daß der jchwebiiche König von
dem Friedensbruche feine Kenntnis bejäße, jondern daß er,
Petrus Jonsſon, auf eigene Fauft die Unruhen hervorgerufen
babe; weshalb man um jo viel mehr zur Bewilligung eines
Friedens geneigt jein müſſe. Die Nowgoroder gingen bierauf
ein und jandten zwei Bevollmächtigte nah Wiborg, welche
dajelbft in Übereinftimmung mit dem Traftat von 1323 die
Friedensbedingungen entwarfen. Im Jahre 1339 wurden als—
dann ruffiihe Gejandte zum König Magnus Eritsion gejchiekt,
weicher den abgejchloffenen Vertrag bejtätigte '). — Einige
Jahre ſpäter mijchten jich die Schloßhauptleute auf Wiborg
und Abo, auch diesmal eigenmächtig und ohne Zuſtimmung
ihrer Regierung, in die inneren Unruben ein, deren Schau—
plag Ejthland war. Die dortigen Bauern hatten jich 1343
wutentbrannt gegen ihre Herren empört und jich gleich-
zeitig am den Hauptmann Dan Niklisjon auf Abo mit der
Bitte um Beijtand gewandt. Für dieje Hilfe wollten fie
jeine Unterthanen werden ſowie Reval, wenn es in ihre
1) Bgl. Aliander, Utdrag ur ryska annaler, p. 91.
26 Erſte Periode. Die latholiſche Zeit.
Hände fiele, ihm überlajfen. Ein gleiches Anerbieten machten
fie dem Hauptmann Petrus Jonsſon auf Wiborg. Die fin-
niſchen Schloßhauptleute konnten einer ſolchen Verjuchung nicht
widerjtehen und erteilten eine bejabende Antwort, erhielten je-
doch glüclicherweije feine Gelegenheit, ihr Verſprechen zu er-
füllen. Reval wurde nämlich teil8 von Dänemark unterjtügt,
teil8 von dem Großmeifter der Schwertbrüder, welcher mit
allen nur verfügbaren Streitfräften die Bauern angriff und
die Flammen des Aufruhrs in Blut erfticte. Erſt bernach
trafen die Finnen ein, deren Anführer die veränderte Sad-
Inge bemerkte und jchlau verficherte, fie jeien keineswegs ge-
fommen, um die Bauern zu unterftügen, jondern um Genug—
thuung für Beleidigungen zu verlangen, welche König Walde:
mar Atterdag von Dänemark ihrem Herrn, dem König von
Schweden, zugefügt habe. Die Sache wurde gütlich geordnet.
Am 21. Mat 1343 fam ein Waffenjtillftand zuftande, der am
5. September in einen ewigen Frieden verwandelt wurde.
Unter den Friedensbedingungen findet fich die Beſtimmung, daß
die Vorrechte, Gejege und Freiheiten des Schlofjes Wiborg,
jo wie fie von früher ber gewejen, in voller Kraft bejtehen
bleiben jollten, und daß, wenn ein Schwede in Eſthland den
Frieden bräche, jeine Angelegenheit von ſchwediſchen Edelleuten
abgeurteilt werden ſollte. Wir wiffen nicht, welches die er-
wähnten echte und Freiheiten des Schlojjes Wiborg waren;
allein die angeführten Worte find beachtenswert, da jie er-
weijen, daß ältere Verträge zwiſchen Wiborg und Reval be-
jtanden haben }).
Dieje kleineren VBerwidelungen waren die Vorboten eines
großen friegerifchen Unternehmens, welches die Wiederaufnahme
des Planes von Tyrgils Knutsſon, d. h. die Ausbreitung der
ſchwediſchen Herrichaft bi8 an die Ufer des Ladoga und der
Newa bezwedte. Vermutlich war König Magnus durch eine
erneute Bitte um Hilfe aus dem ruffiichen Karelien bewogen
1) Bgl. Grönblad, Nya källor, p. 5. Bunge, Urlundenbuch
II, Nr. 817.
Magnus Eriksion und jeine Zeit. 27
worden, im Namen des heiligen Kreuzes die Bewohner jener
Niederungen zur Unterwerfung jowie zur Annahme des fatho-
lichen Glaubens aufzufordern. Er ftellte ein beträchtliches
einheimijches Heer auf und ließ außerdem ausländijche Truppen
anmerben, zu deren Anführer Graf Heinrich von Holjtein aus-
erjehben wurde. So gerüftet, brach der König nach Finnland
auf, jegelte durch die Oſtſee und ben finnischen Meerbujen und
landete auf Björk. Mit der ſchwediſchen Hauptmacht zog
er darauf nach Möteborg und eroberte ed am 6. Auguft
1348. Nun rüfteten jich aber die Nowgoroder mit großem
Eifer und boten alle Mannjchaft innerhalb des Yandes auf.
König Magnus, welcher faſt eingejchloffen worden wäre, ließ
in Nöteborg eine Bejagung zurück und jchiffte fich mit dent
Reſte jeiner Truppen nach Schweden ein, worauf die Now-
goroder nach jiebenmonatlicher Belagerung am 24. Februar 1349
Nöteborg erjtürmten ?).
Sicerlih hat König Magnus nicht ohne bitteren Gram
jein gewaltiges friegerifches Unternehmen jcheitern jehen. Er
würde denn auch jofort zur Erneuerung des Kampfes bereit
geweſen jein, hätte nicht die furchtbare Seuche, welche in der
Geſchichte Europas unter dem Namen „Schwarzer Tod“ be:
fannt ift, damals Schweden erreicht. Am beftigjten wütete
die Peſt dajelbjt im Jahre 1350. Bon dort ging fie wahr:
iheinlih nah Finnland hinüber.
Obwohl Magnus Eriksſon Hierdurch eine Zeit lang an
der Ausführung jeiner Pläne gegen Rußland gebindert wurde,
jo war es doch jeine Abjicht nicht, Ddenjelben ganz und gar
zu entjagen. Im Herbſt 1350 brach er mit feiner Flotte
und jeinen Scharen nach Finnland auf. Im Oktober lag jein
Heer bei Narwa; aber die jpäte Jahreszeit machte ein wirf-
jameres Auftreten gegen den Feind unmöglich. Nach einigen
Scharmügeln zog fih der König zurüd und verbrachte den
Winter in Efthland und Livland, wo er fich eifrig bemüht
1) Akiander 1. c., p. 96. — Die Erzäblung der ſchwediſchen Reim-
chronik, deren Berfafler ein Gegner des Königs war, ftunmt in ber
Hauptſache mit dem Berichte der ruififhen Chroniken überein.
3 Erſte Periode. Die katholische Zeit.
zeigte, die Hanjeftädte zum Verzicht auf den Handel mit Ruß:
land zu bewegen. Die jpäteren friegeriichen Ereigniſſe waren
von geringer Bedeutung. Im März 1351 rüdten die Now:
goroder unter Boriſow, dem Sohne ihres Statthalters, in
das jchwediiche Gebiet und belagerten Wiborg. Die Vorjtadt,
welche vor den Befejtigungen entjtanden war, wurde angezün—
det, ein Ausfall der Bejagung zurücgejchlagen. Allmählich
ichlief jedoch der Krieg ein, und noch in demjelben Jahre dürfte,
vermutlich unter Bermittelung der deutſchen Schwertbrübder,
ein Waffenftillftand in Dorpat zuftande gekommen fein. Ein
förmlicher Friede ift, jo viel man weiß, micht abgeichloffen
worden !).
Der rejultatloje Krieg gegen Rußland und der Schwarze
Tod bilden einen Wendepunkt in der Geſchichte Magnus
Erifsjons. Bisher war jeine Regierung im großen und
ganzen glüclich gewejen. Von nun an zogen jich jedoch ſchwere
Wolfen über feinem Haupte zujammen Es fam zu Unruhen
im Innern, jowie zu Streitigfeiten zwijchen ihm und jeinem
Sohne, König Hakon von Norwegen, welche damit endigten,
daß Hafon am 15. Februar 1362 als Mitkönig des Vaters
in Schweden anerkannt wurde.
Diejes Ereignis beaniprucht in der Geichichte Finnlands
einen bejonders wichtigen Pla. An der Königswahl beteilig-
ten jich nämlich finnische Männer, umter ihnen an erjter Stelle
der Oberlandrichter („lagman‘) Nils Thuresſon (Bjelke) und
Biihof Hemming ?). Dieje, für das Wohl des Yandes, deſſen
I) Bol. ©. DO. Rydberg 1. e. Il, 170 (Stodholm, 1883).
2) Biſchof Hemmings Leben war volljtindig dem Dienfte der finnifchen
Nirhe geweibt. Während feiner Amtsdauer (1338—1366) verfäumte er
nichts, was zur Erböbung des Anfchens der Kirche und zur Erweiterung
ihrer Privilegien beizutragen vermochte. Im Jahre 1352 erließ er eine
Kirhenordnung. Im Jahre 1354 aründete ev eine Bibliotbet an der
Domlirhe zu Abo. In dem Donationsbrief werden 30—4V Bücher auf:
gezählt. Diefe Gabe würde in jedem Lande koftbar geweien fein, da
a Bücher im Mittelalter zu dem feltenften und wertvollften Gegen:
ſtänden gehörten; beſonders bedeutungsvoll erwies fie ſich jedoch für Finn«
land, wo litterarifche Bildung kaum Wurzel gefaßt hatte. Wahrſcheinlich
Magnus Eritsjon und jeine Zeit. 29
hervorragendſte Männer fie waren, eifrig bemüht, eriwirften
über Finnlands Recht zur Teilnahme an der Königswahl eine
Verfügung, welche mit gutem Grunde als Finnlands erftes
Grundgeſetz bezeichnet werden fanı. Aus Ddiejer Urkunde !)
erjehen wir, daß Finnland ſchon früher einen Oberlandesgerichts-
bezirf („lagmansdöme*), d. h. einen juridiichen Rechtsbezirk
gebildet hatte, wo die Rechtspflege von dem Dberlandrichter
jowie von Rittergutöbejigern („„frälsemän *) und Bauern als Bei:
jigern bejorgt wurde. Vermutlich waren die Bewohner Finn—
lands aud im Beſitz der übrigen echte, welche auf ven
Yandichaftsthingen von den jchwediichen Yandichaftsgemeinden
ausgeübt wurden. Aber eine Befugnis, und zwar die höchite,
das Recht der Teilnahme an der Königswahl gemäß der Vor-
ihrift des von Magnus Erifsjon erlafjenen Yandesgejeges,
wurde ihnen erjt jett bewilligt. Es iſt allerdings wahr, daß
unſere Borfabren niemals Gelegenheit erhielten, jenes echt
auf die in der Urkunde vom 15. Februar 1362 fejtgejette
Werje auszuüben. Während der folgenden unruhigen Jahre
hatte man feine Zeit zur Beobachtung der gejeglichen Formen
bei der ZThronbefteigung der Könige, und wir müßten nicht,
dag auch nur ein einziges Mal der Ruf zur Teilnahme bei
einer in Schweden jtattfindenden Königswahl an Finnland er-
gangen wäre. Nur zweimal gejchab es, daß jich Finnlands
Bolt in Abo verjammelte, um eine Königewahl zu bejtätigen,
welche ichon früher in Schweden vor jich gegangen war, und
dazumal beteiligten jich nicht alle Gemeinden Finnlands, ſon—
dern bloß das Volf im „Eigentlichen“ Finnland an der feierlichen
Wahlhandlung. Außerdem nahmen 1499 die Finnen auf ge-
jegliche Weije an der Wahl eines Ihronfolgers teil. Allein
wenn jene Bejtimmung auch nur in geringem Maße zur An—
wendung gelangte, jo war jie doch von großer Bedeutung, um
Finnlands Stellung im Reiche zu bejtimmen. Es hatte fich
ift jene Bücherſammlung lange die vornehmfte Quelle gewefen, aus welcher
die finnische Geiftlichteit Kenntniffe und Willen fchöpfte.
1) Ein Fakfimile der Urkunde findet fidh bei R. Hauſen, Bidrag till
Finlands historia I, 2 (Helfingfors, 1881—1883).
30 Erſte Periode. Die tatboliihe Zeit.
ihon früher die Auffaffungsweije geltend gemacht, daß das
finnische Volk nicht außerhalb des Reichskörpers jtände, jondern
mit den übrigen &liedern des Reiches zujammen ein Ganzes
mit gleichen Rechten aber auch mit gleichen Pflichten bildete.
Jetzt nun wurde diefe Tradition gejeglich fejtgelegt und erhielt
für die gejamte Zeit der Vereinigung mit Schweden rechts:
gültige Kraft. Finnland konnte fortan nicht von ſchwediſchem
Geſichtspunkt aus als ein erobertes Land erjcheinen, wo das
ſchwediſche Volk mit dem echt des Schwertes regierte. Es
war ein Bruderland, welches mit dem Hauptteil des Reiches
Wohl und Wehe teilte. Übrigens ift zu beachten, daß jenes
Privileg als Lohn für die Liebe und Treue angejehen wurde,
welche Finnlands Bewohner ihrer Regierung gezollt hatten;
ihon bier tritt der Zug von treuem Gejegesgehorjam hervor,
welcher einen Hauptzug in unjerer Gejchichte bildet. Daß der
Königsbrief auf Grund einer Aufforderung Nils Thuresſons
erlaffen wurde, wird in dem Schreiben ausdrüdlich angedeutet ;
doch iſt e8 wohl wahrjcheinlich, daß Biſchof Hemming, welcher
bei der Wahl anweſend war und jelbjt das Aktenſtück unter:
zeichnete, dabei mitgewirkt hat. Er teilt daher mit Nils
Thuresſon den Rubm, daß es erlajfen wurde.
3. König Albredt. Das Beitalter der Aalmarifchen Union
bis 1434.
Die inneren Unruhen, deren Schauplag Schweden auch un
den folgenden Jahren war, führten zur Wahl Albrechts
(18. Febr. 1364). Um für die Sache des neuen Königs zu
wirken, wurde Nils Thuresjon Bielke noch in demjelben
Jahre nah Finnland entjandt. Derjelbe fand jedoch in dem
Befehlshaber auf Abo, Narve Ingevaldsſon, einen mäch—
tigen Gegner und erlitt während der Belagerung des Schloſſes
den Tod. Trotzdem wurde dieſelbe fortgeſetzt, und im
Herbſt erſchien König Albrecht perſönlich, um die Belagerungs—
König Aldredt. 81
arbeiten zu leiten. Seine Anwejenheit in Finnland wird durch
mehrere Briefe erhärtet, in denen er Biſchof Hemming und
der finnischen Kirche bedeutende Vorteile zujicherte . Galt
es doch für ihn in allererfter Linie, das Wohlwollen des mäch-
tigen Biſchofs zu gewinnen. Auch die Gunft des Volkes juchte
er zu erringen. So verlieh er dur Erlaß vom 5. Februar
1365 den Bewohnern von Gammelby (Ulfsbyh am Kumo-
fluffe) volle Stadtprivilegien ?). Narve Ingevaldsion ver-
teibigte ſich indeffen auf Abo mit größter Tapferkeit, jo daß
es dem König erſt jpäter gelang, fich des Schloffes zu be-
mächtigen ?).
Unter den Großen des Reichs, welche während der Re—
gierung Albrechts die eigentlihe Macht in Händen hatten, war
Do Jonsſon Grip der hervorragendjte. Er gehörte einem
vornehmen Gejchlecht an und war mit dem verftorbenen Ober:
landrichter in Finnland, Nils Thuresſon, verwandt. Unter
ten Reichsräten, denen 1371 die Kegierung übertragen wurde,
war er der angeſehenſte. Er erhielt damals die Schlöffer
Wiborg und Tawaftehus mit den dazu gehörigen Provinzen.
Später erwarb er die Provinzen Abo mit Aland und Korsholm
mit Ofterbotten, jo daß er ganz Finnland befaß. Im Jahre
1378 wird er als Oberlandrichter in Finnland erwähnt, eine
Würde, die nah dem Tode Nils Thuresjons von Arwid
Guſtafsſon (Sparre) bekleidet worden war. Innerhalb der
genannten Bezirke herrjchte er als unabhängiger Regent, ſetzte
Beamte ein, erhob Abgaben u. ſ. w.
Nicht minder jelbjtändig trat er dem Auslande gegenüber
auf. In feiner Eigenjchaft al8 Hauptmann über Finnland
erflärte er zu Anfang der fiebziger Jahre der mächtigen Hanſe—
1) Briefe vom 5. Oft. und 13 De. 1364 in: „Registrum ecelesiae
aboensis“, No. 182—185.
2) Bortban, Sylloge monumentoram, p. 138; Arwidsſon,
Handlingar I, 6.
3) Ein Brief König Albrechts vom 26. Juni 1365 ift noch „apud
castrum Aboense“ batiert. Bgl. Styife, Bidrag till Skandinaviens
historia 1], xt.
32 Erſte Periode. Die katholische Zeit.
jtadt Danzig den Krieg, und jo einflußreich war jein Wort,
daß die Lübecker, nachdem fie hiervon Kenntnis erhalten, den
Danzigern zur Nachgiebigfeit rieten '). Werner ftand er mit
Reval in Unterhandlung ?), jowie auch mit Rußland. Im
Jahre 1374 unternabm er nämlich eine Reife nach Wiborg,
um den Frieden mit Nußland, welcher zu Pfingiten ablief,
durch einen neuen Vertrag zu verlängern, und zwar wahr:
icheinlih mit gutem Erfolge’). Daß indejjen der Zujtand an
der Oſtgrenze fortwährend unrubig blieb, eriehen wir aus
einer Bulle von 1378, in welcher PBapft Urban V. darüber
Hagt, daß die fegerischen Ruſſen nicht jelten Einfälle in ſchwe—
diiches Gebiet unternähmen ®).
Nah dem Tode Bo Jonsſons (Mitte Auguft 1386) war
der von diefem zum Schloßhauptmann auf Abo ernannte
Jäppe Abrahamsjon Diefn der vornehmite Beamte in Finn—
land. Wie jehr ihn die Yandesbewohner jchäßten, erweift ein
Schreiben vom 29. Auguft 1386, im welchem die Einwohner
im „Eigentlichen“ Finnland, welche bier, wie auch jonft häufig,
im Namen des ganzen finnischen Volkes auftreten, darum
bitten, jener möge anjtatt Bo Jonsjons zum Oberlandrichter
auserjehen werden 6)). Dem König gegenüber zeigte ſich Jäppe
entgegenfommender als die übrigen Großen, weshalb er da-
mit belohnt wurde, daß er ungehindert die Stellung be-
balten durfte, die er zu Yebzeiten Bo Jonsſons in Finnland
bejefien hatte. In einem Briefe vom 23. Juni 1387 ver:
fündigt Albrecht, Jäppe Djekn jolle das Schloß und die Pro-
vinz Abo nebft den Vogteien Satafunta und Borgä behalten,
bis die Kinder Bo Jonsſons mündig geworden ®), — Man
jiebt aljo, daß das erbliche Lehnsweſen, welches urjprünglich
1) C. ©. Styffe, Bidrag etc. I, ı.xxvi.
2) Bunge, Urkundenbuch ꝛc. III, Nr. 1103 (Reval, 1857).
3) 0. ©. Rydberg, Sverges traktater etc. 11, 4383q9. (Stodbolm,
1885).
4) Bortban |. c. p- 140.
5) Styffel. c. I, 185. 187 (Nr. 78. 80).
6) Stoffe l. ec. I, 193 qq. (Nr. 83).
König Albrecht und das Zeitalter der Kalmariichen Union. 33
der von Schweden nah Finnland verpflanzten Gejelljchafts-
ordnung völlig fremd gewejen war, allmählich in unferm Yande
Wurzel zu faffen begann.
Im Jahre 1395 (Vertrag vom 15. Auguft) überlieferte
Jäppe Diefn die Schlöffer und Provinzen, die er in feinen
Händen hatte, dem Sohne Bo Jonsſons, Knut Bosſon !).
Diejer trat, um jich in jeiner neugewonnenen Stellung zu
jihern, mit den Vitalienbrüdern in Verbindung und gewährte
denjelben Zufluchtsorte in den finnischen Gewäffern, weshalb
man damals nicht jelten darüber klagen börte, daß Finnlands
Bewohner die Seeräuber bei jich beherbergten und verprovian-
tierten, oder daß die legteren in der Gegend von Wiborg, im
Schärengarten bei Abo oder am Bottnijchen Meerbujen, wo
Schloß Korsholm in ihre Hände fiel, Zuflucht juchten. Als
jedoeh der Stern der PVitalienbrüder zu erbleichen begann,
unterwarf jih Knut Bosjon rechtzeitig. In einem Briefe, ver-
mutlich aus dem Herbſt 1398, berichtet nämlich die Königin
Margarete, fie fei bereits in den Befik des Schloſſes Abo
aelangt, und Knut Bosjon babe ihr veriprochen, in der erjten
Hälfte des nächſten Jahres auch die übrigen Schlöffer in
Finnland auszuliefern 2). Auf jolche Weiſe wurde die geieß-
lihe Ordnung in dem Yande wiederhergeftellt, in deſſen Ge—
ihichte nunmehr die unter dem Namen der Kalmarijchen Unton
befannte Periode der Vereinigung der drei ſtandinaviſchen
Königreiche ihren Anfang nimmt.
König Erih von Pommern, genannt Erich XILL., bejuchte
Finnland während jeiner Jtegierung zweimal (1403 und 1407).
Während jeiner eriten Anweſenheit, am 19. Auguft 1403,
fertigte er Stadtprivilegien für den Ort Wiborg aus, welcher
allmählich unter dem Schutze des gleichnamigen Schloſſes
emporaelommen war und jchon damals als Dandelsplat bobe
1) Styffe l. ce. I, 200 (Nr. 86).
2) Styffel. c. 11, 58 (Nr. 25). — Die oben emwähnten Schlöſſer
waren die zu Lebzeiten Bo Jonsſons erbauten Heinen Feſtungen Raſeborg
im weftlihen Noland, Korsbolm (früber Krpkeborg genannt) im Oſter—
botten und Kaftelbolm auf Aland.
Schybergſon, Geſchichte Finnlands. 3
34 Erſte Periode. Die tatboliihe Zeit.
Bedeutung gewonnen hatte’). Bei jeinem zweiten Bejuche,
am 7. Dezember 1407, begabte er in Abo mehrere finniiche
Edelleute, Wiprecht Kortumma, Olof Jönsſon, Philipp Yarsion,
Paul Karpelan, Sune Sunesſon, Nils Tawaſt, Gunnar Trolle
und Erich af Kumes mit Freiheitsbriefen ?).
Der Friede mit den Nachbarn wurde in jenen Tagen,
wenigjtens in beträchtlicherem Maße, nicht geſtört. An der
ruffiichen Grenze fam es zu fleineren Streif- und Plün-
derungszügen, die jedoch feinen Bruch des Friedens berbei-
führten. Mit Efthland und Pivland wurden die durch die
Kapereien der Vitalienbrüder abgebrochenen Handelöverbin-
dungen wieder erneuert. Allerdings fielen nicht jelten Miß—
helfigkeiten vor, welche das gute Verhältnis vorübergehend
jtörten. — Beachtenswert ericheint, daß die Dauptleute in
Finnland wie früher, jo auch jett nicht jelten auf eigene
Hand Fragen entjchieden, welche die Stellung des Gejamtreihs
zu den Nachbarn im Often betrafen. Als 3. B. die jogenannten
wendiichen Hanjejtädte Straljund, Noftod, Wismar und Yüne-
burg tm Oftober 1426 König Erich den Krieg erklärten,
wurden trogdem ziwijchen den finnischen Hauptleuten und der
Stadt Reval, welde als Hanſeſtadt mit den obenerwähnten
Orten in einem Freundſchaftsverhältnis ftand, Unterbandlungen
eröffnet, welche die Aufrechterhaltung des Handelsverkehrs zwi—
ihen den Küftenländern auf beiden Seiten des Finniſchen
Meerbujens beziwedten. Der Hauptmann Otto Pogewiſch auf
Rajeborg und Hauptmann Klas Lydekesſon auf Abo erhielten
auf ihre Anfrage bei den Behörden Nevals die Antwort, daß
die Stadt Reval nach wie vor freundjchaftlich geſinnt jet; Die
Bewohner der beiden Yandeshauptmannjchaften follten freien
Handelsverkehr mit Reval unterhalten dürfen, wofern die Be-
wohner Revals die Berechtigung erhielten, lüngs der nörd-
lichen Küfte des Finniſchen Meerbujens von der Newa bis
I) Arwibsfon, Handlingar I, 8 (Nr. 9).
2) „Svenskt diplomatarium frän och med 1401“, utg. af C. Silver-
stolpe I, No. 906—913 (Stodbolm, 1875— 1884.
Das Zeitalter der Kalmariichen Union bis 1434. 35
nah Stockholm Handel zu treiben. Etwas jpäter gab Chrifter
Nilsſon auf Wiborg die Erklärung ab, daß auch er, troß der
Zwiftigfeiten, die vorher zwiichen ihm und Reval vorgefalfen
wären, den unimterbrochenen Fortgang des Handelsverkehrs
nit bindern wolle). Dieſe Vorgänge, wie unbedentender
Natur jie jcheinbar auch jein mögen, find doch von Wichtig-
fett als Zeugnifje der lebhaften und unabläffig wachjenden Be—
ztehungen zwijchen Finnland und Reval. Sie zeigen jerner,
daß die finntichen Yandeshauptleute, obwohl zumeift fremder
Abftammung, die Intereſſen des Yandes nach Möglichkeit zu
fördern achten.
Die Entwidelung der finniſchen Kirche jchritt im gleicher
Richtung wie zu Yebzeiten Biichof Hemmings vorwärts. Biſchof
Sobannes II. Petri (1368— 1370) ift der erjte finniſche Geift-
Iihe, von welchen man weiß, daß er fich mit der wiffenjchaft-
lichen Bildung jeiner Zeit vollfommen vertraut gemacht hatte.
Die Bijchofschronif berichtet nämlich, er habe an der Parijer
Untverjität die Würde eines Rektors erworben. Sein An-
jeben wurde jedoch bei weitem von dem des Biihofs Magnus II.
Dlai Tawaſt (1412—-1450) überftrahlt. Diefer war 1357
auf dem Gut jeiner Vorfahren, Alasjoki im Kirchipiel Virmo,
geboren und Glied eines der vornehmften und reichiten Ge—
ichlechter Finnlands. Daß auch er lebhaftes Intereſſe für
wiffenschaftlihe Bildung beiaß, lehrt die IThatjache, daß er
ih 1398 an der blühenden Prager Hochichule den Magifter-
grad erwarb. Nicht minder jorgte er für firchliche Ordnung,
jromme Sitten und gute Bildung. Fleißig vifitierte er die
Kirchen des Stift, was in den damaligen Zeiten, wo es noch
teine gebahnten Wege gab, äußerft bejchwerlich war. Eines
jeiner größten Verdienſte ift die Gründung des Birgittiner-
Hofter8 Naͤdendal, deſſen Anlage 1438 beichloffen wurde ?).
1) Bgl. Herm. Hildebrand, Liv-, Ejtb- und Kurlänbifche® Ur-
tunbenbuch, begründet von F. G. Bunge, Bd. VII, Nr. 466. 470—471,
527 (Riga und Moslau, 1881).
2) C. M. Ereuß, Birgittiner-klostret i Nädendal, in: „Suomi“
1849), p. 197—257. — Pal. auch Lagus, Handlingar till upplys-
3*
—
36 Erite Periode. Die tatboliiche Zeit.
Durh Alter und Mühen gebeugt, verzichtete Biſchof Magnus
1450 auf jein Amt. Zwei Jahre jpäter ftarb er im Alter
von fünfundneunzig Jahren auf jeinem Wohnfit beim Klojter
Näpdendal.
4. Finnland während des Kampfes gegen die Union.
1434 —- 1523.
Die Union, welche von Anfang an nicht jehr fejt geweſen
war, wurde in Schweden von Jahr zu Jahr verhaßter, wo—
zu König Erichs Mißgriffe und Fehlichritte im nicht geringem
Maße beitrugen. Die VBolfsbewegung, an deren Spige Engel-
brecht Engelbreftsion trat (1434— 1436), war der erſte Aus—
druck des neuerwachten Selbſtändigkeitsgefühls des ſchwediſchen
Volkes. Nah dem Tode Engelbrechts juchte der aus Finn—
land jtammende Marichall Karl Knutsſon Bonde till Fogel-
wif!), ein bochbegabter und ehrgeiziger Mann, die Ordnung
im Reiche aufrechtzuerbalten. Das Endergebnis war, daß er
(Oft. 1438) in Stodholm zum Neichöverwejer erwählt und
(29. Sept. 1439) Erich XIII. abgejetst wurde.
Karl Knutsſon jette den Kampf gegen die Unionspartei
energiich fort. Allein bereits auf dem Neichstage zu Arboga
(Sept. 1440) ſah er jich zum Verzicht auf die Negierungsmwürbe
genötigt, wogegen er freilich von aller Verantwortung für die
Thaten jeiner Verwaltung befreit wurde und gleichzeitig Finnland
als Yehen jowie Oland als Pfand empfing. Kurze Zeit nach der
ning i Finlands kyrkohistorie, Ny füljd, Heft III, ©. 36 (Helfingfors,
1836— 1839), fowie 8. G. Leinberg, De finska klostrens historia,
in: „Skrifter utgifna af Svenska Literatursällskapet i Finland‘, 8b. XIV
(Helfingfors, 1890). — Nachdem man lange wegen der Wabl des Ortes
geihwanft, wurde das Klojter 1443 auf einem Gut im Kirchſpiel Reſo
erbaut.
1) Er war 1408 oder 1400 geboren. Sein Großvater, Tord
Rörilsſon Bonde, war Schloßvoat auf Raſeborg und Wiborg, ſein Vater,
Knut Tordsſon, Befehlshaber auf Schloß Abo geweien.
Finnland während des Kanıpfes gegen die Union: 1434—1457. 87
Krönung Chriſtophs von Baiern (14. Sept. 1441) ließ er
jih auf Schloß Wiborg nieder, wo er im Glanze höfiſchen
Yebens Troft für die Demütigungen juchte, die ihm wider:
fabren waren. Aber auch ernithaften Negierungsangelegen-
beiten widmete er jeine Aufmerkjamfeit. So fällte er z. B.
1446 einen Schiedsjpruch in einem langwierigen Zwifte zwiſchen
den Tawaſten und Kareliern, betreffend die Grenzicheide zwi-
ichen den beiderjeitigen Gemeindeländereien.
In jener Zeit wurde das friedliche Verhältnis mit Now-
gorod durch Grenzitreitigfeiten und Streifzüge geftört. So
wird berichtet, daß Karl Knutsjon 1444 einen Einfall in
Ingermanland machte. Ruſſiſcherſeits rächte man fich durch
gleichartige Angriffe.
Am 20. Juni 1448, wenige Monate nach Chriſtophs
Tode (6. Yan.), wurde Karl Knutsjon zum ſchwediſchen Könige
erwählt. Die erjte neunjährige Periode jeiner Regierung war
voll von Stürmen und Unruhen im Innern des Yandes. Im
ver Naht vom 23./24. Februar 1457 mußte er heimlich zu
Schiffe aus Stockholm flüchten und fieben Jahre in Danzig
ın der Verbannung zubringen. Am 23. Juni 1457 erforen
darauf die Mitglieder des in Stodholm verfammelten Reichs—
tages Ehriftian von Oldenburg (Dänemark) zu feinem Nach-
folger.
Einige Vorgänge, welche mit der Wahl Ehriftians in Zus
jammenbang ſtehen, jind für die Gejchichte Finnlands von
hoher Bedeutung. Gemäß der Königsproflamation vom
15. Februar 1362 (vgl. ©. 29) waren Briefe mit der Auf:
forderung, die Zuſammenkunft in Stockholm mit Delegierten
zu beichiden, nach Finnland abgegangen, dort jedoch erjt wenige
Tage vor der Wahl jelbjt angelangt, jo daß die Finnen an
derjelben nicht mehr teilnehmen konnten. Es war jedoch für
die neue Regierung von großer Wichtigkeit, ſich Finnlands zu
vergewiffern, wo Karl Knutsſon von früher ber über zabl-
reiche Freunde verfügte. Sie entjandte daher Erich Axelsſon
Tott nad) Abo. Diejer berief eine Verſammlung nad Abo,
und auf jeine Aufforderung bin erklärten ſich Finnlands Stände
38 Erſte Periode. Die tatbolifhe Zeit.
bereit, jihd mit Schwedens Ständen über die Wahl Chrijtians
zu einigen. Die betreffende Urkunde ift am Johannistage
ausgefertigt, und zwar vom Bilchof in Abo Dlaus Magnı,
vom Oberlandrichter im jüdfinnijchen Gerichtsiprengel Heinrich
Dig, vom Oberlandrichter im nordfinniſchen Gerichtöiprengel
Heinrich Klasſon Horn, vom Dompropft Konrad Big, vom Erz:
diafon Nils Muffe, von der Geiftlichfeit im Bistum Abo,
von Freigeborenen und Kittergutsbejigern, von Bürgermeiiter,
Ratsherren und Kaufleuten der Stadt Abo fowie vom ge-
meinen Mann in der Provinz Abo. Finnland tritt bier aljo
als eine jelbjtändige Yandeseinheit auf, welche von den aus
der mittelalterlichen Gejellichaftsordnung hervorgegangenen vier
Ständen repräjentiert wird, jedoch jo, daß die bervorragenditen
Mitglieder der geiftlichen und weltlichen Ariftofratie eine vor—
herrichende Rolle jpielen. Sie verfaßten und unterzeichneten
die Urfunde; wahrjcheinlich jchrieben fie auch den Beſchluß
vor. Daß der Bürgerftand von Männern der Stadt Abe,
der Bauernjtand von Bauern aus der Provinz Abo ver:
treten war, berubte zweifelsohne darauf, daß man wegen
Knappheit der Zeit die Bewohner der entfernteren Yandesteile
nicht befragen fonnte, weshalb bo und deſſen Umgebung die
Gejamtheit reprüjentierten. Der Inhalt der Rejolution bejtebt
aus einem furzgefaßten Bericht über die Schritte und Maß—
nahmen, die man in Finnland anläßlich der letzten Ereigniſſe
in Schweden getroffen. Brieflich habe man die Nachricht von
der Abjegung Karl Knutsſons jowie die Aufforderung zur
Zeilnahme an der Stodholmer Wahlverfammlung empfangen.
Da legteres jedoch nicht in Frage babe fommen können, hätten
jih die finnischen Stände im Saale der St. Gertrudsgilde zu
Abo veriammelt und dort einhellig beichloffen, an der alten
Berbindung mit Schweden feitzuhalten. Aus dieſem Beweg—
grumd und weil es empfehlenswert ericheine, daß die Ver—
einigung zwijchen den drei nordijchen Weichen wiederum zu—
ſtande füme, hätten die finnischen Stände der Wahl Ehriftiang zum
ſchwediſchen König ihre Zuftimmung erteilt. Gleichzeitig bäten
jie, daß die Gelöbniffe und Privilegien, welche König Chriftian
Finnland während des Kampfes gegen die Union: 1457 —1468. 39
den Bewohnern Schwedens gegeben, auch der Bevölkerung
Finnlands zuteil werden möchten. Die in dem Schreiben vor-
fommenden Außerungen des Mißvergnügens über Karl Knuts—
ſons „unbillige Regierung, Habjucht und Nachläſſigkeit“ dürften
nicht als ein Ausdruck der allgemeinen Auffafjungswetje in
Finnland, anzujeben fein, da viele Zeugnijje dafür vorhanden
jind, daß Karl zahlreiche Freunde in Finnland bejaß und zur
Bevölkerung Finnlands in gutem Verhältnis jtand. Jene Aus:
drüce waren jicher durch das Beftreben der finnijchen Großen
hervorgerufen, die Gunft der herrſchenden Partei zu erringen ').
Während fih auf ſolche Weije die Stände umd die leiten-
den Männer in die neue Ordnung der Dinge fügten, leifteten
die Schlöjfer in Finnland noch eine Zeit lang Widerjtand, und
die Schloßvögte drohten jogar damit, ſich an Ruſſen und
Heiden mit der Bitte um Hilfe zu wenden. Nach Furzer Zeit
jaben jie ſich indejjen genötigt, nachzugeben.
Der mächtigſte Mann in Finnland war jeit 1457 Erich
Arelsion Tott, welcher Wiborg und Tawajtehus zu Yeben
empfangen hatte und von dem erjtgenannten Schloß aus den
Berlauf der Dinge an der öjtlichen Grenze aufmerkſam verfolgte.
Anfang 1461 benacdhrichtigte er den Rat zu NReval, daß er
von Nowgorod einen in drohenden Ausdrücken abgefaßten Brief
erhalten habe, und forderte deshalb die Stadt auf, allen Han:
velsverfehr mit Groß-Nowgorod aufzugeben. Reval jeinerjeits
beflagte ſich jedoch brieflich bei Lübeck darüber, daß Erich
Arelsion jedesmal, wenn er einen Zwijt mit Groß-Nowgorod
hätte, verlange, die Hanjefaufleute jollten von ihren Handels:
reifen nach Nyen Abjtand nehmen ?). Im Sabre 1463 kam
König Chriſtian perfönlih nah Finnland, vermutlich um den
Srenzfrieden zu überwachen. Aber noch in demjelben Jahre
machten die Ruſſen einen verheerenden Einfall in das öftliche
Finnland, und erit 1468 wurde der Grenzfriede erneuert. Am
10. April 1468 ſchloſſen nämlich Gejandte von Nowgorod mit
dem Vogt Erich Arelsjons, Peter Den, einen fünfjährigen
1) Grönblad, Nya källor, p. 50.
2) Stvife l. ec. III, 137—142 (Nr. 62. 64).
40 Erite Periode. Die katbolifche Zeit.
Waffenjtillftand und leijteten gleichzeitig Eriag für den an—
gerichteten Schaden ).
Nah der Vertreibung Ehriftians aus Stodholm (Mai
1464) wurde Karl Knutsſon zum zweitenmale König von
Schweden. Er hatte jedoch geringen Anlaß, dieje neue Wen-
dung der Dinge zu preifen; denn auf allen Seiten erhoben
ſich Gegner gegen ihn, nicht zum wenigjten in Finnland, wo
der Biſchof von Abo, Konrad Bit (1460— 1489), von Anfang
an eine feindjelige Gejinnung verriet. König Karl forderte
ihn auf, ſich in Schweden einzufinden; aber der Bilchof ant-
wortete, er könne diefen Wunſch nicht erfüllen, da, wie er jich
ausdrüdte, die Nuffen „einen großen Aufruhr“ gegen Finn:
land angezettelt hätten und vielleicht noch unverichämter werden
fönnten, wenn er jich aus dem Lande entfernen würde. Statt
jelbjt zu fommen, jandte er daher nur zwei Geiftliche aus
jeinem Stifte, welche dem Könige feine Winjche und Gedanfen
vortragen fjollten ?). Das Rejultat des Aufruhrs gegen König
Karl it bekannt. Schon am 30. Januar 1465 mußte er
einen DBergleich eingeben, in welchem er der Krone entiagte.
Hingegen jollte er auf Lebenszeit die Schlöffer Raſeborg und
Korsholm nebjt den dazu gehörigen Provinzen „mit allen
föniglichen Einkünften und Rechten ohne irgendwelche Dienjt-
leiftung oder Abgabe“ erhalten. Nach jeinem Tode jollte jeinen
Erben der Nießbrauch und Befig der Provinz Korsholm auf
fünfzehn Jahre zuftehen, wofern der alsdann regierende König
oder Reichsverweſer die genannte Provinz nicht für 20 000
Mark einlöjen wollte. Schließlich jollte Karl auf acht Jahre
das Gut Kumo nebjt Ober: und Unter-Satakfunta, und zwar
ebenfalls ohne Dienftleiftung oder Abgabe, empfangen ?). Die
Bedingungen waren mithin nicht unvorteilhaft. Aber der
Empfang, welcher Karl bei jeiner Ankunft in Finnland zuteil
wurde, zeugte davon, wie jehr jein Einfluß gejunfen war. Konrad
Bit verweigerte nämlich die Übergabe des Schlofjes Raſeborg,
1) Styffel. c. III, cxxu.
2) Arwidsſon, Handlingar V, 26 (Nr. 52).
Finnland während des Kampfes gegen die Union: 1464—1471. 41
welches er von König Ehriftian zu Lehen empfangen hatte, jo
daß Karl zumächit in Abo bleiben und in dem dortigen Do-
minifanerflofter jeine Zuflucht juchen mußte. Erft einige Monate
jpäter fam Rajeborg in jeine Hand.
Der im Herbft 1466 gewählte Reichsverweſer Erich Arels-
ion zeigte jih bald geneigt, die Macht von neuem Karl Knuts-
jon anzuvertrauen, und jo empfing diefer denn im November
1467 zum brittenmale die jchwediiche Königskrone. Erich
Arelsion zog jih nah Finnland zurüd, wo er al8 Herr auf
Schloß Wiborg eine jelbjtändige und bedeutjame Wirkſamkeit
entfaltete. Allerdings währte e8 noch einige Zeit, ehe Finn—
land, wo Konrad Big eifrig zugunſten Chriftians thätig war,
unter Karl Knutsjons Botmäßigfeit gelangte. Erſt als leterer
perjönlih mit einer Heeresmacht 1468 im Yande erjchien,
wurde die Union dort bejeitigt. Bald darauf, am 15. Meat
1470, ftarb Karl Knutsſon. Er war in Finnland aufge-
mwachien und hatte jpäter in dieſem Yande ausgedehnte Yehen
bejejien, die er tüchtig verwaltet zu haben jcheint. Daß er
jedoch Finnland bejonders geliebt hätte oder daß er deſſen
Wohl mehr als das der übrigen Yandesteile hätte fürdern
wollen, dafür bejigen wir fein Zeugnis.
Auf ijeinem Totenbette vermacte Karl Anutsjon Die
Schlöſſer, die er nicht al8 Lehen fortgegeben, dem Sohne jeiner
Schweſter, Sten Sture. Auch jein Wunjch, daß diejer tapfere
und der vaterländijchen Partei treu ergebene Mann jein Nach:
folger werden möchte, ging in Erfüllung Im Juni 1470
wurde Sten Sture zum Reichsverwejer erwählt und auf dent
Reichstage zu Arboga am 1. Mai 1471 in diefer Würde be-
jtätigt.
In Finnland bewachte Erich Arelsjon Tott in jeiner Ei—
genſchaft als Hauptinann auf den Schlöffern Wiborg und
Tamwaftehus die jet mehr denn je zuvor von den Nuffen be-
drohte Grenze Wir haben häufig der Unruhen gedacht, die
unaufhörlich im öftlichen Finnland vorfielen. Ein volljtändiger
Friede herrichte dort niemals; anderſeits erjtredten fich die
Feindjeligfeiten jelten viele Meilen über die Grenze hinaus.
42 Erfte Periode. Die katholiſche Zeit.
Der Friede wurde unabläjfig erneuert, aber gewöhnlich nur
auf fünf oder auf zehn Jahre.
Im Jahre 1473 wurde der 1468 mit Nowgorod ge-
ichloffene Waffenftillftand um ein Jahr verlängert '); aber es
war zu erwarten, daß der Großfürjt Iwan III. Wajtljewitich
(1462— 1505) von Moskau, welcher 1471 Nowgorod unter:
worfen hatte, den Kampf wieder aufnehmen würde Grid
Arelsjon jah dies ein und traf mit Rückſicht darauf energiiche
Mafregeln. Er erweiterte die Feftungswerfe von Wiborg und
umgab die Stadt mit einer fejten Mauer. Auch beichloß er
die Gründung einer neuen Feſte zum Schuge der Anfiedelungen
in Savolafs. Im Jahre 1475 ging man and Werf. Auf der
Heinen Injel Kyrönjaari wurde eine Holzfejtung erbaut, die
man jedoch bald als zu schwach befand. rich Arelsjon ließ
jie daher jehon 1477 niederreißen und eine neue jteinerne
Feſte erbauen, welche alfen Anforderungen der damaligen Be-
feſtigungskunſt entſprach. Sie wurde dem Heiligen Dlof ge-
weiht und erhielt den Namen Dlofsborg; aber bald wurde der
Name Nyſlott („neues Schloß“) gebräuchlicher.
Schon an und für fih war die von Erich Arelsion neuerbaute
Burg geeignet, die Unruhe der Ruffen zu weden. Die Er:
bitterung der legteren war indejjen um jo größer, als jie
der Meinung waren, jene Feltung jei öftlih von der 1323
fejtgejegten Grenzlinie und mithin innerhalb ihres eigenen
Gebiets angelegt. Bald wimmelte e8 von Feinden in der Umgebung
der neuen, noch unvollendeten Feſte, jo daß Erich Arelsion
während des Baues mit vielen Schwierigfeiten zu kämpfen
hatte 2). Über die jonftigen Eriegeriichen Ereigniffe befigen wir
nur jpärlihde Nachrichten; doch geht aus ihnen hervor, daß
Erih Arelsjon mit großem Gifer für die Verteidigung des
Pandes jorgte. So unternahm er 1480 einen Einfall in
ruffisches Gebiet und verwüſtete dasjelbe in weitem Umkreis.
1) Bal. DO. S. Rydberg, Sverges traktater etc. III, 3258qq.
(Stodbolm, 1895))
2) Bol. J. R. Aſpelin, Savonlinna 1475— 1875 (Helfingfors, 1875),
fowie „Abo Tidningar“ (1793).
Finnland während des Kampfes gegen die Union: 1473—1490. 48
Gleichzeitig juchte er die Hanjeftädte zum Verzicht auf jeden
Handelsverkehr mit Narwa und auf der Newa zu bewegen. Sein
Tod im März 1481 war mithin ein harter Schlag für
Finnland.
Nach dem Tode Erich Axelsſons wurde der Krieg von
ſeinem Bruder Lars fortgeſetzt, welcher Schloßhauptmann auf
Raſeborg war und nunmehr den Befehl auf Schloß Wiborg
übernahm. Schließlich wurde am 17. Januar 1482 in Wi—
borg ein Waffenſtillſtand auf vier Jahre „von Weihnachten
bis Weihnachten“ geſchloſſen. Nach Ablauf der vier Jahre
ſandte Sten Sture nach Nowgorod zwei Bevollmächtigte,
welche im November 1487 einen neuen Waffenſtillſtand ver—
einbarten, der bis zum 6. November 1492 währen Jollte !.
Auch die nördlichſten, noch dünn bevölkerten Niederungen
Finnlands waren gleichzeitig der Schauplatz von blutigen Kriegs—
ereigniſſen. Im einem Briefe der Bewohner von Jjo, Kemi
und Yimingo (1490) wird darüber geklagt, daß die Ruſſen
ihnen achtzig Jahre hindurch Schaden zugefügt hätten. Be—
ionders im Yaufe der letzten Jahre jeien fie feindlichen Anz
ariffen ausgejegt gewejen. Das gewaltjame Vorgehen der
Ruffen wird in Farben gejchildert, die übertrieben scheinen
könnten, bejüßen wir nicht auch andere Berichte, welche davon
zeugen, daß es für die Wildheit des damaligen Kriegerlebens
überhaupt feine Grenze gab ?). Wenn wir deshalb auch feine
entiprechende Schilderung von rujffiicher Seite über das Ver—
jahren unjerer eigenen Yandsleute haben, jo hat man doch kaum
Anlaß, vorauszujegen, dieſelben ſeien menjchlicher gewejen.
Übrigens wurde die gegenjeitige Erbitterung noch dadurch ge-
steigert, Daß die Nuffen, wie früher erwähnt, ein uraltes Beſitz—
recht auf die nördlichen Gebiete Finnlands zu haben glaubten.
Inzwifchen waren in Finnland neue innere Streitigfeiten
entftanden. Erich Arelsjon hatte furz vor feinem Tode jeine
finniſchen Schlöffer Wiborg, Npilott und Tawaſtehus jeinen
1) Styffe J c. IV, xuı.
2) Val. Hadorpb, Tvä gambla svenska rimkrönikor. II, Bihang
p. 343 - 347 (Stodbolm, 16706).
44 Erite Periode. Die katboliiche Zeit.
Brüdern Iwar und Lars vermadt. In einem Brief au
den Neichsverwejer entwicdelte Yars die Gründe, welche diejes
eigenmächtige Verfahren veranlaßt hätten. Die Koſten, welche
Erich für die Befeftigung von Wiborg und Nyſlott aufge-
wendet, ließen es doch nur billig erjcheinen, daß jene Schlöfjer
bis auf weiteres in den Händen der Erben verblieben; auch
wolle er der Regierung in Schweden alle Treue und Dienjt-
willigkeit erzeigen !). Vergebens begab ſich Sten Sture perjönlich
na Finnland, um diefe Angelegenheit zu ordnen. Erft nach)
Yars’ Tode wurde auf Gotland im Frühling 1483 zwiſchen Sten
Sture und Iwar eine Vereinbarung getroffen, laut welcher let:
terer auf die finnischen Schlöffer verzichtete. Indeſſen verblieb
Rajeborg dem Tottſchen Gejchleht und kam erſt 1487 in die
Hände des Reichsverweſers, als die Witwe Yars Arelsions,
Katharina Niperg, nach furzer Belagerung das Schloß dem
Hauptmann auf Tamwaftehus, Knut Poſſe, übergab. Nunmehr
berrichte ein Fühles Berhältnis zwijchen dem Reichsverweſer
und dem mächtigen Tottſchen Geichlecht, das jich der däni—
ſchen Partei zu nähern begann.
Gleichzeitig wurden die Wolfen, welche jich an der öftlichen
Grenze des Reichs zufammengezogen hatten, immer dunkler.
Die Friedensverbandlungen zwiichen Rußland und Schweden
wurden von Nils Eriksſon Ghllenſtjerna geleitet, welcher 1490
zum Hauptmann auf Wiborg ernannt worden war. Ilm die
jelben zu bejchleunigen, bejuchte der Reichsverweſer perſön—
ih 1490 und 1491 Finnland, und mit lebhaften Intereſſe
folgte auch der Nachfolger des Biichofs Konrad Bit (geit.
1489), Magnus II. Stjerntors, ihrem Verlaufe. Diejer
leidenschaftlich patriotiiche Mann weilte häufig in Wiborg oder
in dejjen Nähe und nahm zujammen mit den bervorragenbditen
Beamten des Yandes an den das Friedenswerk betreffenden
Beratungen lebhaften Anteil. Die Hoffnungen auf einen dauer:
haften Frieden jcheinen jedoeh von Anfang an gering gewejen
zu jein. In einem Brief aus dem Jahre 1492 an Sten
I) Stvffel ec. IV, 73 (Nr. 50).
Finnland während des Kampfes gegen die Union: 1483 —145. 45
Sture bemerkt Biſchof Magnus, man babe in einer Verſamm—
lung der angejehenften Männer Finnlands die Frage erwogen,
ob überhaupt ein Grund dafür vorliege, daß man von Rußland
einen bejtändigen Frieden erwirfen jolle. Bereits früher babe
man vergebens Verjuche in diefer Richtung getban, weshalb
es zweckmäßiger erjcheinen könne, ſich mit einem Waffenftill-
ftand zu begnügen. Die von Iwan III. geitellten Forderungen
waren zudem jo drüdend, daß das Zujtandefommen einer Über:
einfunft unmöglich erichien. Er verlangte nämlich unter anderm,
daß die Örenze genau nad den Worten des Nöteborger Vertrages
abgejtedt, jowie daß das Yandesgebiet, welches jich die Schwe-
den öjtlih von der Grenze angeeignet hätten — d. h. Dlofs-
borg, weldes auf rujfiichem Gebiete erbaut worden jei —
ausgeliefert werden jolltee Auf finnischer Seite wollte man
ſich jedoch eher im eine offene Fehde einlafien, als derartigen
Anſprüchen jeine Zuftimmung erteilen. Dieje an Zwiſchen—
fällen reihen Unterbandlungen dürften allerdings jchließlich zu
einem Waffenitillftand auf anderthalb oder auf zwei Jahre ge:
rührt haben. Allen hiermit war wenig gewonnen; denn es
blieb faum zweifelhaft, daß der Krieg nach Abichluß des
Waffenjtillftandes (1495) wieder beginnen wirde.
Die finnischen Feſtungswerke wurden um dieſe Zeit ver:
ſtärkt und mit Proviant jowie größerer Bejagung verieben;
aber im Vergleich mit den gewaltigen Kriegsrüftungen der
Rufjen waren die genannten und andere Berteidigungsmaßregeln
doch nur geringfügig. In erfter Yinie lag die Verteidigung in
den Händen Knut Bofjes, welcher, zuvor Hauptmann auf Ta=
waſtehus und jpäter auf Kaſtelholm, 1495 nah dem Tode
Nils Eriksſon Gyllenſtjernas zum Befehlshaber auf Wiborg
auserjehen worden. war ). Schon im Sonmer 1495 machte
1) Knut Poſſe, welcher 1467 zuerjt erwähnt wird, wurbe 1473 Reichs—
rat. Auch als Schwager des mächtigen Erich Arelsfon Tott recht ein-
flußreih, wird er 1474 al® Vogt desielben auf Schloß Tawaſtehus ge:
nannt. Seitdem war feine Wirkſamkeit ausichließlih Finnland gewidmet.
Er ftand in naher Beziehung zu Erih und Lars Arelsfon, ſchloß ſich
jedoch nad dem Tobe des letzteren (1483) der Sache des Reichsverweſers
46 Erfte Periode. Die fatboliiche Zeit.
er einen Einfall in Rußland, zog ſich jedoch bald vor der ruſ—
ſiſchen Übermacht nach Wiborg zurüd, wo ſich nunmehr die
Mehrzahl des hohen Yandesadels, gefolgt von Kriegern und
Knappen, verfammtelte, Darunter die beiden Oberlandrichter Hein:
rich Big und Klas Horn, Magnus Yarsjon, Bengt Olsion,
Hauptmann Hartivig Winholt und Arwid Olsjon. Auch Biichof
Magnus fand ſich in Wiborg ein, wo er die Verteidigungs-
maͤßregeln eifrig förderte, kehrte jedoch ipäter unter Zurüd-
laffung feines bewaffneten Gefolges nach Abo heim. Etwa
Mitte September nabte fich der Feind unter dem Befehl des
Fürjten Danilo Schtjenjatew in der Stärfe von etwa 60000
Mann. E$ erging der Befehl, die Bauern jollten ich zur
Ausrüftung und Unterhaltung von Kriegern vereinigen, und
jwar jo, daß je ein Krieger von je vier Bauern geitellt
werden jollte; jpäter wurden alle Männer von mehr als fünf-
zehn Jahren zum Kriegsdienſt ausgehoben. An den Reichs-
verwejer wurde Brief auf Brief mit der Bitte um jchnelle
und fräftige Hilfe abgejandt. Die Bejakung wehrte Jich tapfer,
und die Sturmverjuche der Ruſſen wurden mutig abgeichlagen.
Der Umftand, daß die Burg auf einer von Sunden mit
jtarten Strömungen umgebenen Injel lag, jchügte die Feſtung
einigermaßen vor ben Angriffen des Feindes, während Die
Stadt in größerer Gefahr jchwebte. Kleinere Gefechte famen
unabläffig vor. Unter ihnen wird bejonders das vom 12. Of-
tober an den Stromjchnellen des Batufivi (nördlich von Wi:
borg) in den damaligen Urkunden oft genannt. Drei Edelleute
auf dem Schloffe, Nils Bengtsion, Winholt und Magnus
Srille, zogen mit 100 Knappen und 800 nyländiichen Bauern
an den genannten Ort. Plötlich ertönte der Ruf, die Ruſſen
jeien nahe; darauf fprangen die des Kampfes ungewohnten
Bauern in die Boote, von denen die Hälfte infolge des Ge-
dränges und der Verwirrung unterging. Die Knappen wurden
an und war ipäter einer der zuverläffigften Anhänger Sten Stures. Ob-
wobl er 1490 Kaftelbolm zu Lehen empfing, finden wir ibn nach biefer
zeit oft in Wiborg oder deſſen Nähe als Teilnehmer an den Beratungen
über das Verhältnis zu Rußland.
Finnland während des Kampfes gegen die Union: 1495. 47
größtenteils von den Ruſſen niedergemegelt, und nur der tapfere
Winholt entkam mit einigen jeiner Begleiter. Auch etwa 100
Bauern waren gefallen ’). Unmittelbar nach diefem Erfolge
ftürmten die Auffen von Oſten ber gegen die Mauern der
Stadt und ftanden bereits in der Nähe des Dominikaner:
kloſters; dann aber wurden jie mit großen Verluſten zurüd-
geichlagen, und auch ein faft gleichzeitiger Sturm von der Weſt—
jeite her endigte mit einer Niederlage der Ruſſen. Daß gleid;-
wohl der Mut der Berteidiger beträchtlich gefunfen war, zeigt
der Schlachtbericht an die jchwediichen Neichsräte, in welchem
es unter anderm beißt: „Wir bitten Euch um des heiligen
chriſtlichen Glaubens willen, uns Erjag zufommen zu laffen ;
ionft ift es mit dieſem Ofterland zu Ende“.
Über den Fortgang der Belagerung in den nächſten jechs
Wochen haben wir feine näheren Nachrichten; doch wurde die
Yage der DBelagerten mit jedem Tage jchlimmer. Am Anz:
preastage (30. November 1495) bejchlojjen die Ruſſen einen
entjcheidenden Sturm zu wagen. In drei Abteilungen rückten
jie von drei verjchiedenen Seiten gegen die Stadt vor, erjtiegen
die Mauer, bemächtigten jich eines Turmes und waren jchon
im Begriffe, mit Sturmleitern in die Stadt zu dringen, als
ſie plöglih von Furcht ergriffen wurden und in Unordnung
zurückwichen. Der Reimchronik zufolge jollen die Ruſſen durch
ven Rauch von Theer- und Bechtonnen, welche an der Innen—
jeite der Mauern angezündet wurden, in Berwirrung gebracht
worden jein. Auch wird berichtet, jene jeien durch ein St. An—
dreas= Kreuz, welches fich in mächtigem Glanz am Himmel
zeigte, in Schreden gejetst worden *). Die Tradition fügte jpäter
noch einige Züge hinzu, jo daß der „Wiborger Knall” eine
populäre Volksſage wurde, worin Knut Poſſe als ein mäch-
1) Beriht Knut Poſſes sc. vom 14. Oktober 149. Arwibsfon,
Handliugar VI, 84.
2) Bol. den Brief des Bifhofs Magnus vom 6. Januar 1496 bei
Arwidsſon, Handlingar VI, 92; €. ©. Styffe l.c. IV, cıxxxıx;
„Svenska medeltidens rimkrönikor “, utg. afG. E. Klemming 11,
123 - 134 (Stodbolm, 1867 —1868).
48 Erſte Periode. Die katholiiche Zeit.
tiger Zauberer gefeiert wird, welcher durch jeine heimlichen
Künfte den Feind zum Fliehen brachte '). Wenige Tage jpäter
machten jich die Ruſſen auf den Rückmarſch nach Rußland, jo
daß kurz vor Weihnachten die Gegend bei Wiborg wieder von
Feinden gejäubert war.
Gleichzeitig waren auch bei Nyilott Eleinere Kriegsereig-
niffe vor fich gegangen. Nach Aufhebung der Belagerung von
Wiborg zog nämlich eine ruſſiſche Abteilung nach Nyſlott;
aber die Knappen der Burg und die Yandbevölferung nötigten
fie zum Rückzuge.
So endigte diejes Jahr, welches unter düftern Anzeichen
begonnen batte, glücklicher, al man hätte erwarten dürfen.
Die Freude darüber, daß das Yand von den ungebetenen
Säften befreit worden, gelangt in mehreren Briefen zu leb-
baftem Ausdrud, und man bielt fich für um jo ficherer, als
man boffen durfte, künftig nicht mehr allein dem Feinde die
Spige bieten zu müſſen. Schwediſche nnd Finnische Männer
batten wiederholentlich den Reichsverweſer jchriftlich aufgefor-
dert, dem bedrängten Finnland zubilfe zu eilen, und in der
That ſchiffte jich ein jchwediiches Heer etwa am 18. November
1495 nah Finnland ein. Aber die jpäte Jahreszeit brachte
eine Menge von Unzuträglichkeiten mit jih. Die Schiffe froren
im aͤländiſchen Schärengarten ein; ein Zeil des Kriegsvolfes
erlag der Kälte und den Entbehrungen; der Reſt fam krank
und ermattet nach Finnland hinüber. Unter jo ungünftigen
Berhältnifjen glaubte Sten Sture während des Winters nichts
von Bedeutung ausrichten zu können umd ließ die Truppen
Winterqguartiere beziehen. Cine Abteilung des Heeres wurde
in die Kirchipiele Berne und Borgi in Nyland, eine andere
nah Wiborg, eine dritte nach Nyſlott verlegt. Die übrigen
bezogen im „Eigentlichen“ Finnland Wintergquartiere.
Während man auf jolhe Weije in Finnland eine abwar:
tende Haltung beobachtete, rüſtete jich der Feind von neuem
zum Angriff. Ruſſiſchen Quellen zufolge zogen Ende Januar
1) Bgl. bierzu Gabr. Yagus, Ur Viborgs stads historia I, 206 bis
222 (Wiborg, 18931.
Finnland während bes Kampfes gegen bie Union: 1496. 49
1496 ruſſiſche Truppen nah Finnland, und ebenfo bezeugen
ſchwediſche Quellen, daß ein unvermuteter Einfall der Ruffen
Anfang 1496 erfolgte, wobei der Feind bis zur Kirche Hattula
in der Nähe von Tawaftehus vordrang. Sten Sture war
durch dieſen Angriff völlig überrajcht worden und außerftande
geweien, ihn zu verhindern. Er bot jeine Mannjchaft und
auch den gemeinen Mann auf, jo daß fich fein Heer auf
40000 Deanıı belaufen haben dürfte Als fich jedoch jeine
Truppen auf den Weg gegen den Feind machten, hatte fich diejer
bereitS zurüdgezogen. So hatten aljo Sten Stures Rüftungen
Finnland keinen Vorteil gebracht, wie die Verwüftungen in
Karelien, Savolats und zum Zeil in Tawaftland nur allzu
deutlich befundeten.
Infolge der mwachjenden Unzufriedenheit in Schweden jah
ſich Sten Sture genötigt, im März Finnland zu verlaffen, mit
dejfen Berteidigung er Svante Nilsfon Sture und einige andere
Hauptleute beauftragte. Sein Verjprechen, bald zurüdzufehren,
lie fich wegen der inneren Wirren in Schweden nicht ver-
wirklichen, obwohl inzwifchen der Krieg in Finnland mit un:
verminderter Heftigfeit fortwütete. Diesmal war das 1495
verichont gebliebene Dfterbotten das Ziel der ruffifchen An-
ariffe. Die beiden Fürjten Peter und Iwan Ujchatij zogen an
der Spige von beträchtlichen Truppenmaffen in das Kaja—
nische Yand, welches, wie die ruſſiſche Ehronif bemerkt, von
zehn Flüſſen (darunter Torneä, Kemi, Ulei und Siikajoki)
durchfloffen wurde. Nähere Nachrichten über dieſen Zug be-
igen mir micht. Gleichzeitig jpielten ſich ähnliche Ereigniffe
bei Nyſlott ab. Knut Pofje und Svante Sture rächten fich
darauf Durch einen Zug übers Meer nach Ingermanland, wo
fie die Feite Imangorod angriffen. Nachdem fie die Feſtung zerftört
hatten, da eine Verteidigung derjelben auf die Dauer jchwierig .
oder gar unmöglich gewejen wäre, machten fich beide auf den
Heimweg nach Wiborg, wo endlich im September auch Sten
Sture mit 130 Schiffen anlangte. Hier kam es zwiſchen
Sten und Svante Sture zu einem Wortwechjel, welcher für
beide verhängnisvoll werden ſollte. Zornentbrannt verließ
Schybergſon, Geſchichte Finnlande. 4
50 Erfte Periode. Die katholifhe Zeit.
legterer mit allen jeinen Mannen Finnland und fehrte nach
Schweden zurüd. Nunmehr wollte ſich auch Sten Sture, wel:
cher den Ausbruch eines Aufruhrs in Schweden befürchtete,
möglichit bald wieder dorthin begeben. Biſchof Magnus juchte
ihn auf alle Weife davon abzuhalten, indem er betonte, daß
in ſolchem Falle „diejes Vaterland” — fo nannte er Fin:
land — bald am Rande des Unterganges ftehen würde. Aber
weder durch folche noch durch anderer einflußreicher Männer
Mahnungen ließ fih Sten Sture von feinem Entichluffe ab:
bringen "), verließ im November Wiborg und begab fich nach
Abo, von wo er um Weihnachten mit einem Teile feiner
Truppen nach Schweden abjegelte. Auch diesmal aljo war
jein Aufenthalt in Finnland ohne jede Bedeutung gewejen.
In diefem Lande war man über die Abreije des Neichs-
verwejers faft troftlos. Glücklicherweiſe waren indeſſen jchon
damals zriedensverbandlungen eröffnet worden, welche ein
bejferes Reſultat erzielten, ald man zu Hoffen gewagt. Knut
Poſſe hatte Bevollmächtigte nach Kerholm entjandt. Diejelben
wurden mit Wohlwollen empfangen und fehrten in Begleitung
von ruffiihen Sendboten nad Wiborg zurüd. Yegtere über:
brachten ein Schreiben an Knut Pofje, worin mitgeteilt wurde,
daß die Friedensverhandlungen am zwecdmäßigiten in Now:
gorod ftattfinden würden. Die leitenden Männer im Finn—
land jäumten nicht, diefem Winfe Folge zu leiften. Biſchof
Maguus, Knut Poffe jowie einige andere der auf Wiborg be:
findlichen Hauptleute bejchloffen bei einer Zuſammenkunft, einen
Waffenftillftand nachzujuchen. Zwei Gejandte, der Domberr
Gregorius Johannis und der Pfarrer in Perno, Cyprianus
Andreä, begaben fich nach Nowgorod, wo fie am 3. März
1497 einen jechsjährigen Waffenftillftandsvertrag vereinbarten,
der am 25. März beginnen ſollte. Die Grenzjcheide zwijchen
beiden Yändern jollte genau feftgeftellt werden und zu dieſem
Behufe um Weihnachten eine neue Zufammenkfunft am Fluſſe
1) ®gl. Arwidsfon, Handlingar VI, 96sq., fowie „ Handlingar
rörande Skandinaviens historia “ XVIII, 45 (Stodbolm, 1833).
Finnland während des Kampfes gegen die Union: 1497. 51
Wuoren jtattfinden. Diejer Traftat bildet den Abjchluß des
jogenannten „Großen Ruffiichen Krieges“. Wenngleich derfelbe
Finnlands Provinzen in weitem Umkreiſe vermwüljtete, jo find
doch mwahricheinlih die Spuren des gewaltſamen Vorgehens
der Feinde nicht von allzu langer Dauer gewejen, da die ruj-
ſiſche Macht nirgends feſten Fuß gefaßt hatte. Daß ſchwererem
Unheil vorgebeugt wurde, ift Das Verdienft der Männer, welche
damals die Verteidigung des Yandes leiteten und mit Nat
und That zur Abwendung der Gefahr beitrugen, an allererfter
Stelle Knut Pofjes und Magnus Stjerntors’.
Kaum war Sten Sture nah Schweden zurüdgelehrt, als
es zu einer offenen Erhebung gegen ihn fam. Die Anklage,
er babe für die Verteidigung von Wiborg und Nyflott fowie
tür die Sicherheit Finnlands nicht genügend gejorgt, wurde
einer der Hauptvorwände jeiner Gegner, um fi von ihm
endgültig loszufagen. Im März 1497 brach der Aufruhr
aus. Derjelbe endigte damit, daß Sten Sture den däniſchen
König Hans als Herrſcher Schwedens anerkennen mußte. Als
Entichädigung empfing er unter anderm Finnland mit ſämt—
lichen Sclöffern (Wiborg, Dlofsborg, Tawaftehus, Raſeborg,
Abo, Kafteldolm und Korsholm) zu Lehen. Nach feinem Tode
jolfte jeine Gemahlin Ingeborg Tott das Schloß und die
Provinz Tawaſtehus auf Yebenszeit behalten dürfen ').
Am 29. Mai 1499 huldigten Vertreter der verjchiedenen
Yandichaften des Neichs dem Sohne des neuen Königs, Prinz
Chriftian, als ihrem Thronfolger. Diefer feierliche Akt iſt
für die Gejchichte Finnlands injofern von Interefje, ald, ge-
mäß der föniglichen Verfügung vom 15. Februar 1362, bei
jener Gelegenheit der Biichof, die Oberlandrichter jowie Adelige
und Bauern aus unjerm Yande anweiend waren ?). In Finn—
land jchaltete währenddeſſen Sten Sture, welcher 1498 nicht
nur eine Erklärung von Bürgermeifter, Rat und Volk in Abo
erwirkte, des Inhalts, daß niemand etwas gegen jeine Vögte
1) Die von Sten Sture darüber ausgejtellte Urkunde vom 3. Dez.
1497 ift gedrudt bei Grönblad, Nya källor, p. 9.
2) Die Wablatte findet fih bei Sadorpb 1. ce. II, Bihang p. 367.
4*
52 Erfte Periode. Die katholiihe Zeit.
einzumenden hätte, jondern auch einen Brief vom Biſchof
Magnus, worin diejer bezeugte, daß das Unheil, von welchem
Finnland im vergangenen Jahre betroffen worden, nicht einer
Nachläſſigkeit vonjeiten Sten Stures zugejchrieben werden fünnte.
Bald jedoch lernte Sten Sture fennen, wie abhängig” er nun-
mehr troß jeiner umfangreichen Befigungen war, indem er
(Juni 1499) die Schlöffer Abo, Wiborg und Nyflott nebjt
ven dazu gehörigen Provinzen gegen jchwedijche Lehen an König
Hans abzutreten genötigt wurde.
Schon nach wenigen Jahren erhielt Sten Sture Gelegen-
beit, dem Könige Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Un:
geachtet des Waffenjtillftandes von 1497 hatten die Ruſſen
fortwährend die üftlihen Grenzgebiete Finnlands verwüſtet.
Im Jahre 1499 drangen fie bis nach Nyilott vor, wurden
jedoch zurüdgejchlagen ). Anfang 1501 famen nun ruſſiſche
Geſandte nah Stodholm, weldhe in Gegenwart des Reichs—
rats einen lateinifchen Brief verlajen, worin Zar Iwan daran
erinnerte, daß er auf Anraten von Hans und infolge eines 1493
mit demſelben gejchlofjenen Vertrages Finnland angegriffen
babe. In dem genannten Zraftat jei fetgeiegt worden, daß
die früheren Grenzen zwijchen beiden Reichen wiederbergeftellt
werden jollten, weshalb die Gerichtöbezirfe Savo, Jääslis und
Äuräpää, welche vordem zu Rußland gehört hätten, wieder
abgetreten werden müßten 2). Unzmweifelhaft hatte Hans nie-
mals daran gedacht, zu jo weitgehenden Forderungen feine Zu—
jtimmung zu erteilen. Gleichwohl wurde das Schreiben des
ruffiihen Zaren eine mächtige Waffe in den Händen der
Gegner des Königs. Im Juli kündigten fie ihm offen Treue
und Gehorjam; er mußte das Land verlajien; am 12. No-
vember wurde Sten Sture von neuem zum Reichsverweſer
erwählt. Diejer begab fi im Sommer 1502 nad Finnland,
um auch dort die Anhänger des früheren Königs zum Ge-
borjam zu bringen. Auf Schloß Abo war Magnus Frile,
1) Grönblad ]. c., p. 114. 117.
2) Grönblad J. c., p. 118.
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Finnland während des Kampfes gegen die Union: 1499—1504. 58
auf DOlofsborg und Wiborg Erich Thuresjon Bjelke jeit 1499
Hauptmann. Erfterer ergab fich erjt nach langwieriger Be—
lagerung am 6. September, legterer leijtete ſchon früher dem
neuen Reichsverweſer, nach einer perjönlichen Zuſammenkunft
auf dem Pfarrhof Hollola im öftlichen Finnland, den Hul-
digungseid. Im Herbit 1502 war Sten Sture unbeftritten
Herricher in Finnland.
Wenige Wochen nach jeinem Tode (14. Dez. 1503) wurde
Spante Nilsfon Sture zum Neichsverwejer erforen. Die
Bewohner Finnlands waren nicht imftande gewejen, fih an
der Wahlbandlung (Ende Ian. 1504) zu beteiligen. Aber, wie
1457, wurde auch jegt ihr Necht, fich über die Ordnung der
Reichsregierung äußern zu dürfen, anerfannt. Durch zwei
Sendboten, Iojepb Pedersſon und Bengt Bengtsfon, wurden
fie nämlich von den Ereigniffen in Schweden in Kenntnis ge—
jeßt, und nach ihrer Ankunft traten „Freigeborene, Edelleute,
Kaufleute, Bauern und Anfäjjige (bokarlar)“ der Provinz Abo
auf der Ratsftube von Abo am 3. März 1504 zu einer
Wahlverjammlung zufammen. Ebenjo wie 1457 wurde mithin
das gejamte Volt des Yandes von Bewohnern der Provinz
Abo repräjentiert. Eine Meinungsverjchiedenheit jcheint nicht
beftanden zu haben. Die VBerjammelten wählten Svante Sture
zum Reichsverweſer und benachrichtigten die Regierung in
Schweden davon durd ein Schreiben, worin ed u. a. hieß,
daß fih Finnlands Bewohner ebenjo wenig wie ihre Vor:
fahren vom Reiche Schweden trennen wollten !). Der eine der
beiden Gejandten, Joſeph Pedersion, blieb hierauf in Abo und
defien Umgebung, um den Einfluß des Reichsverweſers daſelbſt zu
befeftigen. Er unterhandelte mit Mitglievern des Domkapitels
und dem Hauptmann auf Abo, Dietrich Hansjon, befuchte einzelne
Edelleute auf dem Yande und berief den gemeinen Mann, um
defjen Zreugelöbnifje in den Thingverfammlungen entgegenzus
nehmen. Sein Begleiter, Bengt Bengtsſon, begab jich nach
Wiborg, wo er mit dem mächtigen Erich Thuresſon Bjelke zu—
1) Grönblad L c., p. 164.
54 Erſte Periode. Die katholiſche Zeit.
jammentraf, welcher fich ebenfalls in die veränderte Page fügte.
Um fich noch mehr der Treue der Finnen zu vergewiffern, begab
fih Spante Sture im Juli 1504 perjönlih nah Finnland.
Er übernahm den Befehl auf Kaftelholm, traf in Abo mit
dem Biſchof und den vornehmften Männern des Landes zu-
jammen und empfing vom Bolfe das Gelöbnis der Treue.
Eine zwijchen ihm und Erich Thuresjon geplante Begegnung
fonnte zwar nicht ftattfinden; jedoch erhielt er furz darauf
überzeugende Beweiſe von der Ergebenheit desjelben. Wie
freundichaftlih das Verhältnis zwijchen dem Hauptmann auf
Wiborg und dem Keichöverwejer fortan war, geht daraus hervor,
daß erjterer zum „vollmündigen und bevollmächtigten Haupt:
mann über Finnland und Aland“ ernannt wurde, mit der
Berechtigung, auf eigene Hand Maßnahmen zum Beſten des
Landes zu treffen. Er zeigte ſich vollauf befähigt, die Auf:
gaben zu erfüllen, die ihm hierdurch auferlegt wurden. Die
Leitung der Politit Rußland gegenüber wurde von ihm mit
Umfiht und Eifer gehandhabt. Er jtand mit den Hauptleuten
in den ruffiihen Grenzgebieten in Unterhandlung, ſandte
Spione aus, die ihm über den Zuftand im öftlichen Nachbar:
lande genaue Nachrichten verjchafften, und jchlichtete die Streitig:
fetten der Grenzbewohner, welche jtändig den Frieden zwijchen
den Reichen zu ftören drobten. Daß 1504 und 1510
Waffenjtillftandsverträge mit Rußland zuftande famen, tft im
wejentlichen jein Werdienft, mochte die Yage auch fortfahrend
unficher fein, da die in dieſen Traftaten erwähnte Grenz:
regulierung nicht vorgenommen wurde. Auch mit ven Städten
Neval und Narwa hielt er eine lebhafte Verbindung aufrecht,
um Seefahrt und Handel vor den Kaperfahrzeugen zu jchügen,
welche beftändig die Küften an der Oftfee und am Finniſchen
Meerbujen beunrubigten. Obwohl er in allererfter Linie
Krieger war, fehlte ihm keineswegs das Intereſſe für fried-
lich fördernde Tätigkeit. Er ift der erjte geweſen, welcher
den Plan einer Verbindung des Saimajees mit dem Meere
vermittelft eines Kanals entwarf, ein Unternehmen, welches
zwar begonnen wurde, aber nicht bis zum Ende durchgeführt
Finnland während des Kampfes gegen die Union: 1504—1509. 55
werben konnte). So jteht denn Erich Thuresion ebenbürtig
zur Seite Erih Axelsſons, als ein wiürdiger Vertreter des
mächtigen Unionsadels, dejfen Mitglieder nicht jelten in Finn»
land wohnhaft blieben, obwohl jie aus den Gegenden des
Weſtens herſtammten. Er ftarb im April 1512.
In diefer Zeit war Finnland infolge des ſchwediſch-däni—
jchen Krieges großen Gefahren ausgefegt. Im Frübjahr und
Sommer 1507 griffen die Dänen eine Anzahl von finnifchen
Fahrzeugen auf. Nur die Provinz Wiborg wurde durch Erich
Thuresſons Wachſamkeit gefchügt. Auch gegen feſte Punkte
wurden Angriffe unternommen. Mitte Juli 1507 landete ein
von Severin Norby befehligtes Geſchwader auf Aland. Das
Schloß Kajtelholm, auf welchen Sten Thuresjon, ein Bruder
Erihs, das Kommando führte, mußte jich ergeben; der Feind
jegte das Schloß in Flammen und z0g fich erſt zurüc, nach:
dem das Yand teilweile geplündert und die Bevölkerung zur
Erlegung eines Brandichages gezwungen worden war. rich
Thuresjon fjandte bei der Kunde davon Schiffe und Mann:
ichaften nach Aland und richtete an geiftliche wie weltliche Lehns—
inbaber im ſüdlichen Finnland die Aufforderung, zur Hilfe
herbeizueilen. Aber nunmehr war es bereits zu jpät ?). Im
Sabre 1508 ernenerten fich die Plünderungszüige des Feindes,
und noch jehlimmer wurde es im folgenden Jahre. In der
Naht vom 2.3. Auguft 1509 jchlich fich der däniſche See-
held Dtto Rud mit feinem Kriegsvolt in Abo ein. Der Feind
jtieg auf feinen Widerftand ; die angejehenften Bürger wurden
niedergemacht, andere in die Gefangenjchaft gejchleppt, die
Stadt den Soldaten zum Plündern preisgegeben. In der
Domkirche, wo im Yauf der Jahrhunderte foftbare Gefäße und
Schmudgegenjtände angefammelt worden waren, machten bie
Fremdlinge eine reiche Beute. Sogar Bücher von hohem
Werte wurden mitgenommen. Die Plünderung währte fünf
Tage; jpäter zogen die ungebetenen Säfte mit zahlreichen Ge-
1) Grönblad |]. c., p. 136sqg.
2) Grönbladl. c., p. 325—336; „Handlingar rörande Skandi-
naviens historia“ XX, 137—179 (Stodbolm, 1835).
56 Erfte Periode. Die tatbolifche Zeit.
fangenen teil8 zur Küfte Schwedens, teil8 zur Pandzunge von
Hangö, von wo auß fie Abo mit einer neuen Heimjuchung
bedrohten, wofern fie nicht 12000 Markt Brandjchagungs-
gelder und eine gleiche Summe als Löfegeld für Biſchofsmütze
und - Stab erhalten würden. Das Klojter Nädendal entging
nur durch Zahlung einer Geldijumme von 25 Mark der Plün-
derung !).
Am 2. Ianuar 1512 jtarb Svante Sture. Am 23. Juli
wurde jein Sohn, Sten Sture der Jüngere, zum Reichsver—
wejer gewählt. Im September fand jich diejer in Finnland
ein, bejuchte das „Eigentlihe* Finnland und fam bis nach Sata—
funta. Im die Provinzen Nyland und Wiborg, die er nicht
perjönlich aufjuchen konnte, jandte er den Hauptmann auf Raſe—
borg, Zönne Eriksſon Tott, welcher in jeinem Namen den
Treu: und Huldigungseid der Bevölkerung in Empfang nahm.
Tönne Eriksſon, welcher das volle Vertrauen des Reichsver—
wejerd genoß, wurde hierauf Hauptmann auf Wiborg und
Nyſlott und war jeitdem der vornehmjte unter den Großen
Finnlands. Auch im folgenden Jahre bejuchte Sten Sture
das Land, im erfter Linie behufs Bejchleunigung der damals
mit Rußland eröffneten Friedensverhandlungen. Vier Geſandte,
unter ihnen Nils Eskilsfon Bandr und Heinrich Stensjon
Renhufvud, wurden abgeſchickt, um die Ratififation des Waffen-
jtillftandsvertrags von 1510 zu erlangen. Sie brachten ihren
Auftrag glücklich zur Durchführung; der Friede wurde von
neuem bejtätigt und die oft genannte Örenzregulierung bis auf
das Jahr 1518 verjchoben. Beachtenswert erjcheint, daß man
ſchwediſcherſeits die Feſtſtellung der Grenze zwiichen beiden
Reichen jo lange als möglich binausjchieben wollte; vermutlich
in der Bejorgnis, Rußland würde jeine alten Anjprüche er-
neuern. Man erwirkte deshalb auch 1517 einen weiteren Auf-
jhub der Grenzregulierung.
1) Grönblabd 1. c., p. 434; Porthan, Chronicon, p. 589. —
Noch heutzutage wirb in der Kirche Eibo auf Seeland ein koſtbares Gefäß
aufbewahrt, welches nebſt anderem geraubten Gut 1509 von Abo nach
Dänemark gebracht wurde.
Finnland während des Kampfes gegen die Union: 1512—1521. 57
Am 3. Februar 1520 erlag Sten Sture den Wunden,
die er im Kampfe mit den däniſchen Gegnern davongetragen
hatte. Hiermit war das Schidjal Schwedens entjchieben.
Seine Witwe, die mutige und treue Katharina Gyllenſtjerna,
mußte am 5. September Ehrijtian II. al8 König von Schwe-
den anerkennen. In die Kapitulation jchloß fie auch die an-
geſehenſten ihrer Freunde in Finnland ein: Biſchof Arwid
Kurck (1510—1522), Tönne Eriksſon Tott, Akte Göransjon
Tott und Nils Eskilsſon Baner.
Am 10. Juni 1520 jandte Ehriftian an die Reichsräte
umd die übrigen angejehenen Männer des Landes ein Schreiben,
worin er ihnen anbefahl, ſich mit dem eheften in Stodholm
einzufinden '). Diefelben antworteten ausweichend. Die däntjche
Herrihaft war in Finnland nicht beliebt, und man wollte jich
daher verjelben nicht, außer für den Notfall, unterwerfen.
Später freilich vermochte der Sendbote des Königs, Hemming
Gadd, die Befehlshaber der finnischen Schlöffer zur Ausliefe-
rung der Feſtungen an Chriftian zu beftimmen, worauf die
meijten Burgen mit Kommandanten deutſcher oder dänijcher
Herkunft bejegt wurden 2). Das Stodholmer Blutbad vom
8. November 1520 fand auch in Finnland jein Nachipiel, in-
dem einige der finnijchen Großen, jo z. B. Afe Göransjon
Zott (27. Nov.) und Nils Eskilsſon Banéer (16. Dez.) hin-
gerichtet wurden. Biſchof Arwid Kurd, welcher ſich nach
Schloß Kuuftö zurüdgezogen hatte, juchte Hug und vorfichtig
die Gunſt des neuen Herrichers zu gewinnen. In einem de—
mütigen Brief vom 21. September 1521 verjicherte er den
König jeiner Treue und gelobte, nach bejtem Vermögen ihm
mit Rat und That behilflich fein zu wollen. Zugleich bat er um
einige Bergünftigungen und Lehen. Unterzeichnet war der Brief
mit den Worten: „Euer Gnaden gehorjamer Kaplan Arwid,
von Euer Gnaden Biichof in Abo.“ Im November dankte
Ehriftian Biſchof Arwid und den Neichsräten in Finnland für
1) Arwidsfon, Handlingar I, 221.
2) 9. ©. Porthan, Finlands historia under konung Kristiern
den andres regering. Opera selecta V, 437—457 (Helfingfors, 1873).
58 Erſte Periode. Die katboliihe Zeit.
ihre Treue und ermahnte jie zugleich, den gemeinen Mann
zur Ruhe anzubalten, damit fich das Volk nicht durch Guftav
Erifsions (Wafa) Anhänger irreführen ließe.
Mit dem Freiheitsfampfe Guſtav Waſas beginnt für Finn-
land eine neue Epoche. Bevor wir jedoch unjere Schilderung
der Gejchichte unjeres Yandes während des Mittelalters ab-
ichliegen, müjfen wir einige Worte den Bijchöfen widmen,
welche in den letten ftirmijchen Zeiten der Union an der Spike
der finnischen Kirche jtanden. Wir finden bei letteren die—
jelben Züge von ehrwürdigem Ernft und von Hingebung für die
fatholifche Kirche wieder, wodurch fich ihre Vorgänger aus-
gezeichnet hatten. — Biſchof Olaus Magni (1450— 1460)
war im Beſitz einer umfaſſenden wiffenschaftlichen Bildung.
Viele Jahre hindurch hatte er an der Pariſer Hochichule ſtu—
diert und daſelbſt hervorragende Ehrenämter bekleidet ). —
Sein Nachfolger Konrad (Kort) Bit (1460—1489) entjtammte
einem der angejehenjten finnijchen Adelsgejchlechter. Sein Bater
Heinrih Big war Ritter, Ratsherr, Hauptmann auf Abo und
jchlieglih Dberlandrichter im ſüdfinniſchen Gerichtsiprengel.
In die politischen Stürme der damaligen Zeit griff er als
eifriger Unionsfreund ein, umd bei firchlichen Fragen wirfte
er in katholiſch-hierarchiſchem Geiſte. — Auh Magnus III.
Stjernfors (1489— 1500) gehörte einem der vornehmſten fin-
niſchen Adelsgejchlechter au. Sein Bater Nikolaus Dlofsjon
Stjernfors war Ratsherr und wird mehrmals als Vorſitzender
im finnischen Landgericht erwähnt; jeine Mutter Clin Tawaſt
war ebenfall® aus den Reihen der einheimijchen Ariftofratie
hervorgegangen. An der Parijer Univerjität erwarb Magnus
1457 den Magiftergrad. Als Beweis für das Anjehen, wel-
ches er ſchon als Dompropft zu Abo genoß, mag angeführt
werden, daß er nebjt allen jeinen Nachfolgern in jenem Amt
von Kaiſer Friedrich III. zum Pfalzgrafen am Iateranijchen
Palaft zu Wachen erwählt wurde; eine Würde, welche eine
1) 9. Kosfinen, Olavi Maununpoika Pariisissa ja Suomalaisten
opinkäynti ulkomailla keskiajalla (Heljingfors, 1862).
Die Biihöfe 1450 -1523. — Geiellfchaft und Bildung. 59
hohe und im Norden ungewöhnliche Auszeichnung bedeutete.
Der Eifer, mit welchem er unter Aufopferung jeiner eigenen
Einkünfte während des Großen Ruſſiſchen Krieges für die Ver-
teidigung des Baterlandes thätig war, beweijt, daß er einer
ber edeljten Geiſter jener im jittlicher Hinficht oft verworrenen
Zeit war. Auch auf firchlichem Gebiete bewies er Feſtigkeit
und Ernjt. Beachtenswert ift namentlich, daß er fich jogar
den Übergriffen der päpftlichen Gewalt zu widerfegen wagte !).
Über die Firchliche Wirkfamfeit jeiner Nachfolger ift nichts
Wejentliches zu berichten.
>. Gefellfchaft und Bildung in Finnland während der katho-
lifchen Zeit.
Noch am Ende der fatholifchen Zeit ftand die große Maſſe
des finnischen Volkes in religiöjer Hinficht Faft auf dem Stand-
punft eines Kindes. Allerdings waren Finnlands Bewohner
im allgemeinen getauft, und wahrjcheinlich hatten die meiften
von ihnen einmal eine Kirche bejucht jowie an den Zere—
monteen teilgenommen, aus denen der katholiſche Gottesdienst
größtenteils bejtand. Aber hiermit folgte nicht eine wirkliche
Kenntnis der chriftlichen Yehre. Im Gegenteil lebte der Glaube
an die heidnijchen Götter fort und verband jich auf eine eigen:
tümliche Weiſe mit den chrijtlichen Neligionsbegriffen. ALS
Zeugnis davon mag die unzweifelhaft aus dem Mittelalter
jtammende fünfzigjte Rune in der „Kalewala” angeführt wer-
ven. Die Unſchuld der Maria (Dlariatta) wird bier in Farben
geichilvdert, welche der Yehre des Katholicismus über die Sünd—
lofigteit Marias entlehnt, jedoch mit nationalfinnichen Vor—
jtellungen vermijcht find. Die Heiligfeit wird vorzugsweije
rein äußerlich aufgefaßt, und der ganzen Auffajjungsweiie
jener Rune ift ein hHeidmifcher Stempel aufgedrüdt. Noch
mehr begegnet uns dieſe Mijchung von Katholicismus und
Heidentum in Zaubergelängen und Beijhwörungsformeln. Noch
1) Grönblad l. ce, p. 9.
60 Erite Periode. Die katholiſche Zeit.
weit bis ins Zeitalter der Reformation wurden heidniſche
Feſte, obwohl in teilweife veränderter Form, gefeiert '). Dies
fonnte nicht anders fein. Die Geiftlihen waren größtenteils
allzu ungebilvet, um als Lehrer des Volkes erfolgreich wirken
zu fönnen, und beim Gottesdienjte war das belehrende Clement
in den Hintergrund gedrängt, jelbjt da, wo in der Volksſprache
geprebigt wurde. Übrigens zeigte ſich auch auf diefem Gebiete
Magnus Stjernfors als der am meiften aufgeklärte unter
unſern katholiſchen Biichöfen, indem er in einer Verfügung
von 1492 vorjchrieb, daß der Paftor oder Kaplan in jeder
Gemeinde am Sonntage auf der Kanzel das Vaterunſer, das
Ave Maria, die Glaubensartifel und die Beichtformel verleien
jolle; und zwar follten alle diefe Stüde jchriftlih in der
Boltsiprache abgefaßt fein, damit die Mitglieder der Gemein:
den fie auswendig lernen könnten.
Es zeugt von der bedeutenden Machtitellung eines finni—
ihen Biſchofs, daß Verfügungen, wie die obige, ohne vorherige
Beitätigung jeitend der Negierung in Kraft treten konnten.
Eine nicht minder wichtige Stüße fir jeine Macht war das
Richteramt, welches er teils im Domkapitel, teild auf dem
Yand im Thing ausübte. Seinem Richteripruch unterftand im
alfererfter Yinie die Geiftlichfeit. Aber auch weltliche Berfonen
waren dem Richterſpruch der Kirche und des Biichofs in
Fragen unterworfen, welche mit dem fittlichen und Firchlichen
Yeben zufammenhingen. Auf dem Lande wurde in Abwejenbeit
des Biichofs das Nichteramt von den fogenannten Landpröpſten
(landsprostar) ausgeübt, welche auf den Propfttbingen das
Wort führten.
Die glänzende öfonomijche Stellung der Biichöfe zeigte ſich
in ihrer ganzen Pracht auf dem Scloffe Kuuftö (in natur:
jhöner Yage anderthalb Meilen füdöftlih von Abo). Noch
heutzutage erinnern gewaltige Trümmerbaufen an den mächtigen
Bau, in welchem die Biichöfe Fürftlichen Hof bielten ?).
1) 9. Rabergh, De reformatoriska ideernas utveckling i Finland
(Helfingfors, 1880).
2) Bol. R. Haufen, Kuustö slott (Helfinafors, 1881 — 1883).
Geiellibaft und Bildung während der katholiſchen Zeit. 61
Die Geiftlihen wurden vom Biſchof ernannt; doch Hatte
die Gemeinde das Recht, gehört zu werden. In den jogenannten
regalen Paftoraten (zur Zeit des Könige Magnus Eriksjon
im ganzen zehn) hatte der König fich das Recht der Stellen:
bejegung vorbehalten. Ob er aber von diefem jeinem Rechte
wirflih Gebrauch gemacht, ift unbekannt. Jedenfalls war die
Stellung der finnischen Kirche gegerrüber der Königsmacht in
bobem Grade unabhängig.
Entſprechend der Ausbreitung der Anſiedlungen vermehrte
jih allmählich auch die Zahl der Gemeinden. Wir haben er-
wähnt, daß ſchon zu Beginn des 14. Jahrhunderts die Kirch-
jpiele im „Eigentlihen“ Finnland und in Nyland jowie auf Aland
verhältnismäßig zahlreich waren. Gegen Ende des Mittelalters
war ihre Zahl jowohl in den genannten Landjchaften wie in an-
deren Gegenden bedeutend gejtiegen. Der bewohnte Teil unjeres
Yandes erjtredte fich in einem weiten Bogen von der Gegend
des Spiterbäd bis zum Kemifluffe, und zwar jo, daß die Küſte
am dichtejten bevölkert war, während die Zahl der Kolonieen
abnahm, je weiter man in das Innere des Yandes fam. Das
ganze innere Yand um den Bergrüden Suomenjelfä und die
Gewäſſer des Saima und Päijänne entbehrte noch der Kirchen,
jo daß Die vereinjamten Anfiedler dajelbit kaum jemals Ge—
legenheit erhielten, Gottes Wort zu hören. Zwiſchen den
Kirchen Sysmä und Savolafs gab es noch zur Zeit des Magnus
Tawaſt feine Behaujungen, jo daß der Biſchof, wenn ‘er die
Kirchen vifitierte, und andere Reiſende, wenn fie jene Gegen-
den bejuchten, die Nacht unter freiem Himmel verbringen
mußten ').
Leben und Wirkjamfeit der Geiftlichen wurde teil® bei den
Biihofsvifitationen, welche wenigftens von einzelnen Bijchöfen
bäufig unternommen wurden, teil® bei den jährlich in Abo ftatt-
findenden und von der Geiftlichkeit zahlreich bejuchten Priejter-
1) Näheren Auffchluß über diefe Frage giebt 8. G. Yeinberg, Fin-
lands territoriala församlingars älder, utbildning och förgrening, in:
„Skrifter utg. af Svenska Literatursällskapet i Finland“, Bd. III
Helſingfors, 1886).
62 Erſte Periode. Die katholische Zeit.
verjammlungen überwacht. Daß übrigens der Wandel der
Seiftlichfeit nicht jehr tadelfrei war, gebt aus mehreren
ichriftlichen Zeugniffen der damaligen Zeit hervor. Nament—
lid war es jchwer oder gar unmöglich, die Geiftlichen zur
Unterwerfung unter das jtrenge Gölibatgejeß zu bewegen.
Das Klofterweien bat in Finnland verhältnismäßig früh
Eingang gefunden. Schon in einer alten Aufzeichnung über
die Schidjale des Dominifanerordens im Norden heißt es:
„1249 venit conventus in Finlandiam‘ '), Außer diejem
von Birger Jarl gegründeten Dominikanerklojter wurden fpäter
angelegt: ein Franzisfanerklofter in Raumo (zum erſtenmal 1449
erwähnt), je ein Franzisfaner- und Dominikanerklofter in Wi-
borg (1403 bezw. 1427 zuerjt genannt) 2), jowie ein (vor 1472
erbautes) Sranzisfanerklofter auf einer Inſel im Kirchipiel Kökar,
jüdöftlih von Aland. Im großen und ganzen mußten jedoch
die Mönchsklöfter vor dem Glanze zurüctreten, der das früher
erwähnte Klofter des Birgittaordens zu Nädendal umftrablte.
Dasjelbe wurde von einer Äbtiffin, gewöhnlich einem Mitgliede
der einheimiſchen Ariftofratie, jowie von einem Generaltonfefjor
geleitet und verfügte über reichen Güterbefiß, bejonders im ſüd—
wejtlichen Finnland, aber auch in weit abgelegenen Gegenden,
wie Tawaſtland, Nyland, Karelien und Djterbotten, ja ſogar
in Schweden *).
Auch das Gildenwejen war in Finnland ziemlich verbreitet.
Die meiften Gilden fanden fich natürlich in Abo: die St. Niklas,
Dreifönigs-, St. Anna-, St. Gertruds-, St. Erasmus- und
St. Urfulagilde. Außerdem werden erwähnt die Gilden in
Ulfsby, Kumo, Hoittis, Kimito, die Heiliggeiftgilde in Wiborg
und die St. Knutsgilde auf Aland. Am berühmteften war
die von Magnus Tawaſt gejtiftete Dreifönigsgilde, welche Finn—
1) Bgl. „Historiallinen arkisto“ Ill, 193.
2) Bgl. „Finsk Tidskrift“ XII, 127 (Helfingfors, 1882).
3) Über das finnische Klofterwefen vgl. 8. G. Feinberg, De finska
klostrens historia, in: „Skrifter utg. af Svenska Literatursällskapet
i Finland“, ®b. XIX (Helfingfors, 1890).
Gejellihaft und Bildung während der katholiſchen Zeit. 63
lands vornehmfte Männer unter den Geiftlichen, Adeligen und
Bürgern zu Mitgliedern zählte ?).
Unter der Yeitung und dem Schuge der Kirche gewann
das Schulwejen eine nicht unbedeutende Entwidelung. Die
ältejte Schule war die jogenannte Kathedraljchule in Abo,
welche vermutlich jchon im Yaufe des 13. Jahrhunderts ge-
gründet worden ift, obwohl fie erjt 1355 erwähnt wird.
Daß der Unterricht befriedigend war, gebt daraus hervor,
daß fih auch von Orten außerhalb Finnlands Cleven ein:
fanden, um die genannte Lehranftalt zu bejuchen ?). Außer:
dem gab es Stadtjchulen in Wiborg und Borgä jowie Klofter-
ihulen, bei denen der Unterricht minder umfangreich war.
Die Zahl der legteren it nicht bekannt. Zu Anfang des
15. Yahrhunderts wird eine ſolche Schule beim Schwarz-
brüderklofter zu Abo erwähnt ?). Die Schule zu Raumo tft
von mehreren Verfaſſern mit lebhafter Anerkennung genannt
worden; ein jpäterer Gelehrter bat indejjen dargelegt, daß
jie nicht von Bedeutung war t).
Diejenigen Dünglinge, welche höhere hierarchiſche Würden
eritrebten, juchten an fremden Univerjitäten tiefere und voll:
jtändigere wifjenjchaftliche Kenntniffe zu erlangen. Wir haben
ſchon früher erwähnt, daß Dlaus Magni an der Parijer Hoch—
ichule ein Anjehen genoß, welches nur höchft jelten einem Nord-
länder zuteil wurde, und daß die meijten übrigen katholiſchen
Biichöfe des Landes in Paris, Prag oder Yeipzig ftudiert hatten.
Zahlreiche Yandsleute folgten ihrem Beifpiel. In den letten
Jahrzehnten des Mittelalterd bejuchte man auch jüngere, min-
der berühmte Hochjchulen, welche der Heimat näher lagen, jo
3. B. Roftod und Greifswald. Arme Jünglinge konnten nur,
wenn jie von mächtigen Bejchügern unterftügt wurden, jolche
1) ®gl. „Historiallinen arkisto“ IV, 170.
2) Porthan, Chronicon, p. 380.
3) Portban, Chronicon, p. 620.
4) K. A. Bomansſon, Hyvad betecknar „‚Cullegium Raumoense“?
in: „Hist. Ark.“ VI, 45—70. Bol. bingegn 8. ©. Leinberg, De
finska klostrens historia, p. 124.
—
64 Erſte Periode. Die katholiſche Zeit.
Studienreijen unternehmen. Glücklicherweiſe zeigten jedoch
die kirchlichen Leiter hierbei eine Hilfsbereitichaft, welche den
ihönften Zug in der Gejchichte unjerer Fatholtichen Hierarchie
bildet. Wir befigen einige recht charafteriftiiche Briefe, in
denen Studenten ihren Bejchügern Dank jagen ).
In der Heimat Studien mit Erfolg zu betreiben, war um
jo jchwieriger, al8 Bücher äußerſt jelten waren. Die Biblio-
tbei der Domkirche zu Abo, welche durch Gejchenfe von Biſchof
Hemming, Biſchof Tawaſt und vermutlich auch von anderen
vermehrt wurde, war die vornehmfte, enthielt jedoch, jo weit
jih aus den vorliegenden Angaben jchliegen läßt, nur wenige
Bücher, ſämtlich aus dem Gebiete der Theologie und des fa:
nonijchen Rechts. — Auch die neuerfundene Buchdruckerkunſt
war für Finnland von geringer Bedeutung. Nur zwei Bücher
wurden im Auslande gedrudt, um in unjerm Yande Berbreitung
zu finden, nämlich das „Missale aboense“* vom Jahre 1488
und ein Kirchenhandbuh aus dem Jahre 1522: „Manuale
seu exequiale secundum ritum ac consuetudinem almae
ecclesiae aboensis‘, welch letzteres Vorſchriften über Taufen,
Begräbnifje und einige andere firchliche VBerrichtungen enthielt ?).
Noch weniger fonnte jich eine litterariiche Wirkſamkeit entfalten.
Die jchriftlichen Denkmäler, die wir befigen, beſtehen aus
Zejtamenten, Schenfungsbriefen, Gerichtsbüchern und anderen
ähnlichen Aktenſtücken, die einen litterariichen Zweck nicht ver-
folgten. Das einzige Zeugnis von hiſtoriſcher Schriftiteller-
thätigfeit ift eine furze, chronifartige Lifte über die Biſchöfe bis
auf Konrad Bit, mit Aufzeichnungen über einfache Fakta aus
ihrer Pebensgejchichte, das jogenannte fragmentum palmsköl-
dianum. Ein litterarbijtoriicher Name aus jenen Tagen ift.
allerdings bis auf unſere Zeit gefommen, der des Kloſter—
bruders in Nädendal, Jöns Budde, welcher, aus Schweden
gebürtig, 1469 — 1500 fich fleißig in Nädendal litterarijch be-
ichäftigte, hauptſächlich mit Übertragungen aus dem Pateinijchen
li Grönblad, Nya källor, p. 557—562.
2) Näbere Auffchlüffe über die beiden Bücher giebt ©. E. Klemming
in: „Sveriges äldre liturgiska literatur“, p. 13. 38 (Stodholm, 1879).
Geſellſchaft und Bildung während ber katholiſchen Zeit. 65
ins Schwediſche. So überjegte er die Malkabäerbücher, die
Bücher Eſther, Judith und Ruth jowie einige Heiligenlegenden.
Desgleichen bearbeitete oder überſetzte er mehrere geiftliche
Schriften anderer Berfaffer, 3. B. Bernhards von Clairvaug,
deſſen myſtiſche Weltanjchauung er geteilt zu haben fcheint ?).
Für die Krankenpflege, welche ebenfalls der Kirche oblag,
gab es jeit dem 14. Jahrhundert zwei Kranfenhäufer, das
St. Georgshoipital bei Abo für Ausfägige fowie in derjelben
Stadt das Haus „zum heiligen Geifte“ für Arme und Krante;
jpäter, um 1475, wurde von Erich Areldjon Zott bei Wiborg
ein mit einer Kapelle verjehenes Hoſpital für Ausſätzige ge-
ftiftet 2).
Während die Geiftlichkeit auf den Gebieten des geiftigen
Yebens die Entwidelung leitete, war der Abel innerhalb der
verjchiedenen Zweige der weltlichen Verwaltung ber herrſchende
Stand, indem Männern aus feinen Reihen alle wichtigeren
Amter anvertraut waren. Aber der einheimijche Adel wurbe
zum nicht geringen Teile von mächtigen ſchwediſchen und däniſchen
Großen verdrängt, die während ber ftürmijchen Zeiten ber
Union in Finnland eine Zufluchtsjtätte juchten oder aus den
dortigen einträglichen Yehen Nuten ziehen wollten. Inſonder⸗
beit war die Provinz Wiborg, deren Hauptmann jeit langer
Zeit eine unabhängige und einflußreiche Stellung bejaß, eine
verlodende Beute. Dort berrichten Ehrifter Nilsion Wafe,
Karl Knutsſon Bonde, Nils Eritsjon Gyllenftjerna, Erich
Arelsjon Tott und Erich Thuresjon Bjelke, alles Männer, welche
im erjten Gliede des glänzenden Unionsadels ftanden. Die
Hauptleute Hans Kröpelin und Magnus Gren auf Schloß Abo,
Otto Pogewifh auf Kaftelholm, Erich Pule auf Korsholm,
Yard Arelsjon Tott u. ſ. w. waren ebenfall® hervorragende Ver⸗
treter ausländijcher Adelögeichlechter. Gewöhnlich hing ed von
dieſen Herren und ihresgleichen ab, ob Finnland fich ber
1) Bol. O. F. Hultman, Jöns Buddes bok, in: „Skrifter utg. af
Svenska Literatursällskapet i Finland“, ®b. XXXI (Helfingfors, 1895).
2) Bel. „Historiallinen Ark.“ 1I, 27.
Schybergſon, Geſchichte Finnlands. 5
66 Erſte Periode. Die katholiiche Zeit.
unionellen oder aber der jchwediich-vaterländiichen Partei an-
ſchloß. Einen durchgreifenden Einfluß auf Finnlands Ent-
widelung übten fie, abgejehen von einigen wenigen Ausnahmen,
freilich nicht aus.
Darum ireten auch innerhalb der einheimiichen Ariſto—
fratie gegen Ende des Mittelalters einige einflußreiche Ge-
ichlechter in den Vordergrund. — Heinrich Klasjon (Diefn)
war Sohn von Klas Lydekesſon, welcher unter der Regierung
Erichs XIII. den Rang eines Hauptmanns auf Abo befleidet
batte. Einer der bervorragenditen Beamten Finnlands, wird
er als Scloßhauptmann auf Abo, Bezirksrichter im Gerichts-
Iprengel von Nieder-Satafunta jowie als Oberlandrichter im
nordfinnischen Gerichtsiprengel (1449 — 1458) erwähnt. Gleich:
zeitig war er Ritter und Reichsrat. Bei den politiichen Ver-
widelungen der damaligen Zeit trat er anfangs als Freund
Karl Knutsſons auf, beteiligte jich aber jpäter an der Ver—
jammlung zu Abo 1457, wo Chriſtian I. als König anerkannt
wurde. — Sein Zeitgenojje Heinrih Bit genoß nicht ge-
ringeres Anjehen, und jeine Lebensſchickſale waren ähnlich. Er
war mit einer Tochter von Klas Lydekesſon vermählt md
mithin Heinrich Klasſons Schwager. Gelegentlich der Krönung
Chriſtophs (1441) wurde er Ritter, jpäter Oberlandrichter
im jüdfinnifchen Gerichtsiprengel. Gleich Heinrih Klasſon
war er ein Anhänger von Karl Knutsſon; allein auch er ging
ganz plöglic zur Parteı König Ehriftians über und be-
teiligte fih an der Verſammlung in Abo (24. Juni 1457).
Er jtarb 1458. Seine Nachkommen nahmen in den nächſt—
folgenden Generationen eine glänzende Stellung in Finnland ein.
Der eine feiner Söhne, Erich Big, wurde Nachfolger des Va—
ters als SOberlandrichter im ſüdfinniſchen Gerichtsiprengel,
der andere Sohn war der Biichof Konrad Big, deſſen bedeutenden
Einfluß als politiicher Perfönlichfeit wir früher hervorgehoben
haben. Heinrich Big der Düngere, der Schn Erichs, war Ober:
landrichter im nordfinniſchen Gerichtsiprengel. — Das Geſchlecht
Tawaſt, welches jeine Ahnen von der Mitte des 14. Jahr—
hunderts ber vechnete, beſaß einen glänzenden Vertreter in dem
Geſellſchaft und Bildung während der katholiſchen Zeit. 67
Biſchof Magnus Olai. Ein anderes Mitglied, Olof Nilsion
Tawaſt, wird etwa 1440 bis 1450 al8 Hauptmann auf Schloß
Tawaſtehus erwähnt. — Von dem Geſchlechte Horn ift nament-
Ih Klas Henritsjon Horn zu nennen, welcher gegen Ende des
Mittelalters Oberlandrichter im jüdfinnifchen Gerichtsiprengel
war. — Das Gejchleht Stjernkors erreichte jeinen Höhepunkt
in der Perjon des Biihofs Magnus II. — Das Gejchlecht
Srille, welches jchon zu Beginn des 15. Jahrhunderts im
Yande anſäſſig war, bejaß hervorragende Nepräjentanten in
Chriſtian Frille (etwa 1470 Oberlandrichter im jüdfinnifchen
Serichtsiprengel) und deſſen Sohne Magnus. — Das Ge-
ihleht Fleming fam mit Klas Fleming nah Finnland.
Ein jüngeres Mitglied, Joachim Fleming, war unter anderm
Hauptmann auf Abo und nahm 1495 an dem Kampfe gegen
Rupland teil). — Schließlich müſſen wir das Geſchlecht Kurd
erwähnen, welches, als Arwid Kurd den Aboer Biichofsftuhl
bejtieg, jchon viele Generationen hindurch in Finnland geblüht
hatte. Einer jüngeren Nebenlinie (die ältere war zu Beginn
des 15. Jahrhunderts erlojchen) entjtammte Klas Kurd,
Richter im Gerichtsiprengel Ober-Satafunta (1463—1471)
und Vogt auf Schloß Abo jowie eine Zeit lang Vogt in Sata-
funta. Seine erjte Gattin, Katharina Fleming, gebar ibm
einen Sohn Arwid, den jpäteren berühmten Biſchof.
Als Inhaber von zehn, zwanzig oder noch mehr Gütern
ragten die Glieder der genannten einbeimijchen &ejchlechter
aus der Mafje der übrigen Edelleute bervor, und infolge
ihrer Kenntnis der Berbältnifje Finnlands konnten jie ich
leichter al8 die ausländijchen Herren die Gunjt des Volfes cr-
werben. Daß lettered der Full war, gebt daraus hervor,
dag die wichtigen Oberland» und VBezirksrichterftellen, deren
Bejegung mehr oder weniger auf der Wahl des Volkes be-
rubte, ihnen faſt jtets zufielen. Auch die Yandeshauptmanns-
jtellen waren nicht jelten im Beſitze von Gliedern jener Ge—
ichlechter, obwohl allerdings Ausländer gewöhnlich die beiten
1, ®gl. Arwidsion, Handlingar V, 156; VI, 372.
5*
68 Erfte Periode. Die katholiihe Zeit.
Provinzen erhielten. Außer dieſer hohen Ariftofratie gab es
noch eine geringere Adelsklaſſe, deren Mitglieder nur ein ober
ein paar Güter bejaßen und für diejelben durch Stellung eines
Gewaffneten (rusttjenst) Steuerfreiheit erlangt hatten.
Wie ftark der finniſche Adel im Mittelalter war, läßt jich
nicht mit Sicherheit angeben. Im Yahre 1562 gab e8 gegen
200 Adelige. Da die meiften derjelben für ein einziges Gut,
und nur die Minderzahl für zwei, drei oder mehrere Güter
Steuerfreiheit bejaßen, jo kann die Anzahl der weltlichen
Nittergüter nicht bejonders groß gemwejen ſein. Nach einer
Angabe eriftierten 1560 in Finnland 31419 Zinsbauern, 275
Kronbauern, 327 Frohnbauern und 589 Firchenbauern ').
Ein recht interefjantes altes Volkslied über Klas Kurd ?)
jowie Aktenftüce, welche die Vermögensverhältnifje von adeligen
Familien betreffen, find die einzigen Zeugniffe, durch welche wir
erfahren, wie ſich das Leben des finnischen Adels im Mittel-
alter geftaltete. Zumeift war es einfach, jogar dürftig, und
nicht frei von Roheit. Dur Teilnahme an der Behandlung
der allgemeinen Angelegenheiten hatten jich die vornehmeren Ade—
(igen allerdings praftiiche Bildung erworben, aber im übrigen
war jogar die Kunſt des Lejens und Schreibens jelten; Ge—
waltthaten und eigennügige Handlungen kamen oft vor.
Es läßt fich ſchwer entjcheiden, welche einheimijche Adels-
geichlechter aus Finnland jtammten. Namen wie Tawaſt und
Kurck deuten auf rein finnijchen Urjprung; das Flemingſche
Geſchlecht ſtammte aus dem Auslande.
Gegen Ende des Mittelalter begann auch der Bürger:
ftand eine gewiffe Bedeutung zu erlangen, und die Stübte
gingen einer reicheren Entwidelung entgegen. Diejelben waren
zumeift infolge der Anforderungen der natürlichen Verhältniffe
1) Hans Forifell, Sveriges inre historia I, tab. C. 5 (Stodholm,
1869/70).
2) Bgl. K. A. Bomansjons Unterfuhung barüber im „Hist. Ark.“
I, 1—17; das Lied felbft ift unter bem Namen „Elinan surma“ gebrudt
in Elias Lönnrots „Kanteletar taikka Suomen kansan vanhoja
lauluja ja virsiä“ (Helfingfors, 1840).
Geſellſchaft und Bildung während der katholiſchen Zeit. 69
und ohne Maßnahmen irgendeiner Behörde emporgelommen.
Abo war jeit heibnijcher Zeit ein befuchter Handelsplatz ge-
wejen. Später wurde der Ort Hauptfig für die chriftliche
Hierardie und die weltliche Verwaltung, fodaß er jchnell auf-
blühte. Die von der Stadt erlegte Steuerjumme . war, ver-
glicden mit derjenigen der ſchwediſchen Städte, bedeutend !);
woraus ſich ergiebt, daß Abo auch durch Volkszahl und Reich—
tum ſeine Würde als Hauptſtadt Finnlands zu wahren wußte.
Als man einige bejonders begünftigte Städte mit Privilegien
vor den übrigen auszuftatten begann, ging Abo keineswegs leer
aus. Es wurde nämlich feftgejegt, daß Fahrzeuge von Nyland,
dem „Eigentlichen* Finnland und den Küften des Bottnijchen
Meerbujens Abo und Stodholm bejuchen jollten, mit dem
ausdrüdlichen Verbot, in füdlicher gelegenen Orten oder im
Ausland ihre Waren abzufegen, wodurch Abo, neben Stod-
bolm, ein Hauptitapelplag des ſchwediſchen Reiches wurde.
Bereitd aus dem Jahre 1428 befigen wir ein Zeugnis von
dem Eifer, mit welchem die ftädtiichen Behörden Abos dieje
ihre Rechte der Stadt Reval gegenüber zur Geltung brachten ?).
Gleichwohl war der Umfang von Abo in jener Zeit noch nicht
groß; nur die Gegend in der Nähe der Domkirche war dicht
bebaut. Die Häufer waren fleine Holzbauten, ſodaß die Stabt
mebrmal® von den Flammen bi8 auf den Grund zerftört
wurde, z. B. 1429 und 1473. — Nach Abo war Wiborg
die bedeutendfte Stadt des Landes. Unter dem Schutze der
von Tyrgils Knutsſon angelegten Feſtung blühten dajelbft jchon
frühzeitig Handel und Induftrie. Aus der jpäteren Gejchichte
der Stadt mag hervorgehoben werben, daß fie 1411 von ben
Ruſſen in Brand geſetzt worden fein foll?). Zur Zeit Erich
Arelsion Totts wurde fie mit einer Mauer umgeben, welche
fih jo ftart erwies, daß Wiborg 1495 ben wiederholten
1) Schon 1387 bezahlte Abo 400 Mark jährlich an Steuern, 1413
zahlte es 600 Mark.
2) Bgl. Herm. Hildebrand, Liv., Eſth- und Kurländiſches Urtunden-
bud, Bd. VII, Nr. 745. 759. 760 (Riga und Moslau, 1881).
3) Bortban, Chronicon etc., Opera selecta I, 354.
70 Erſte Periode. Die latholiſche Zeit.
Angriffen der Ruſſen zu widerjtehen vermochte. Das Schloß
bildete jelbjtverjtändlih den Mittelpunkt dev Stadt. Be—
deutendere Bauten waren die beiden Klöfter und das früher
erwähnte Hojpital. Gegen Ende des Mittelalters blühte Wiborg
jo merkbar auf, daß das nahbelegene Reval jein Wachjen mit
Neid betrachtete und befürchtete, Wiborg fünne ein Stapel:
plag für den rujjiihen Handel am Finniſchen Meerbuien
werden. — In Nyland gab e8 nur eine einzige, unbe:
deutende Stadt, Borgä, welche zum erjtenmale in der Ber:
gleihsurfunde vom Jahre 1387 zwiichen König Albrecht und
Jäppe Djefn erwähnt wird). Auf ihre geringe Bedeutung
läßt jich daraus jchließen, daß die von Borg ausgehende
Steuer in jener Urfunde auf 30 Mark fejtgejegt wird, wäh—
rend die von Ulfsby 40 Mark betrug. — Die legtgenannte
Stadt war ein alter Marktplag am unteren Yaufe des Kumo,
eine halbe Meile öftlih von dem jetigen Björneborg. In
der Umgegend war eine keineswegs geringe ſchwediſche Be—
völferung anjäjjig, was ſich daraus entnehmen läßt, daß
noch Heute die Dorfnamen an der Flußmündung und an der
Küſte größtenteils ſchwediſchen Urjprungs find. Ulfsby, welches
1365 Stabtprivilegien erhielt, war einer von den Hauptorten
der „Birkarlier” ; doch wurde die Entwidelung der Stadt
dur das wachſende Übergewicht von Abo gehemmt. —
Schlieflih gab es zwei Städte, Raumo und Naͤdendal, welche
jih unter dem Schutze der Kirche entwidelten. Raumo hatte
jeine Blüte dem dort belegenen Franzisfanerklofter zu ver—
danfen. Gegen Ende des Mittelalterd wurde die Stadt be-
ſonders begünftigt. Ihre Bürger wurden 1442 mit denjelben
Rechten und Privilegien wie die Bewohner von Abo aus—
geitattet. Weitläuftigere Stadtprivilegien wurden für Raumo
1444 ausgefertigt; es erhielt damals die Rechte einer Kauf:
ftadt. Die legten Privilegien vom Jahre 1476 bewilligten
den Einwohnern das Recht des Handels mit dem In- und
Auslande gegen eine jährliche Abgabe von 80 Mark. —
1) €. ©. Styffel. ec. I, 196.
Gefellfhait und Bildung während der katholiſchen Zeit. 21
Nädendal wurde 1443 gegründet; aber die Stadt gewann in
keinerlei Hinficht Bedeutung.
Die Leitung diejer Städte wurde nach deutichem Muſter
eingerichtet. Den König repräjentierte ein Bogt. Einer der
einflußreichiten Wögte war Dietrih Hansjon zu Abo (feit
1494). Freilich gelang es ihm nicht, jeine Aufgaben zu
allgemeiner Zufriedenheit zu erfüllen. Im einer Urkunde wird
nämlich berichtet, daß gegen ihm eine „Empörung“ vonjeiten
der Stadt erfolgt jei; wabrjcheinlich wurde der Wider—
ſtand dadurch hervorgerufen, daß er auf irgendeine Wetje den
Freiheiten und Vorrechten der Bürgerjchaft zu nahe getreten
war). — Die jonjtigen ſtädtiſchen Angelegenheiten wurden
von dem Rate gehandhabt, welcher aus von den Bürgern ge-
wählten Vertrauensmännern beftand. Im Jahre 1324 werden
Bürgermeifter und Rat von Abo zum erjtenmale erwähnt;
doch war die Inftitution vermutlich viel älter.
Alle finnijchen Städte lagen im Mittelalter an der Meeres-
füfte, und von Anfang an war der Handel, welcher unter dem
Einfluffe der mächtigen Hanjeftädte fräftig emporblühte, der
Hauptmahrungszweig der Einwohner. Wir Haben aus den
politiihen Dofumenten jener Zeit Zeugniffe für die Ber:
bindungen friegerijcher oder friedlicher Natur zwifchen Finn-
land und den Hanjeftädten angeführt. Ebenſo find Briefe
mehr privater Art vorhanden, die für die lebhaften Wechjel-
beziehungen jprechen. Ein Hauptort für den Handel Finn:
lands war Reval, welches damals bedeutender als heutzutage
war und einen umfafjenden Taujchverfehr mit Wiborg jowie
mit der Yandbevölferung längs der finnijchen Südküſte unter:
hielt. Lebhaft war auch die Verbindung mit Lübeck und Danzig.
Nach der lettgenannten Stadt kamen beijpieläweife finnijche
Fahrzeuge: 1474 aus „Finnland“ 2 und aus Abo 25; 1475
aus „Finnland“ 2, aus Wiborg 2 und aus Abo 34; 1476
aus „Finnland“ 3 und aus Abo 67. Die aus Finnland nach
Danzig erportierten Waren beftanden in Pferden, Seehunds-
U Srönblad |. e, p. 105.
72 Erfte Periode. Die latholiſche Zeit.
iped, Butter, Hafer, Leder, Häuten, Eijen, Fleiſch und Fifchen.
Hingegen wurden Roggen, Hopfen, Malz, Bier, Spezereien und
Induftrieerzeugniffe verjchiedenfter Art eingeführt ).
Bisweilen geſchah es wohl, daß finnische Kaufleute nach
den Hanjeftäbten famen, um an Ort und Gtelle jelbft zu
faufen und zu verkaufen; aber im allgemeinen wurbe ber
Warenaustaufh von deutſchen Handelsreifenden bejorgt, die
unter dem Namen „ungen“ oder „Säfte“ ein nicht unbeträdt-
liches Element der ftädtifchen Bevölkerung ausmachten. Über
die Art und Weije, wie diefelben Handel treiben jollten, ent-
bielt das Städtegeſetz zahlreiche Beitimmungen, welche eine
Schädigung der Wirkjamfeit der eingeborenen Kaufleute zu
verhindern bezwedten. Häufig ließen die Vögte oder Haupt-
leute durch Wachtichiffe im Schärengarten die anfommenden
Fahrzeuge vifitieren oder fie zu ihren Herren zur Unterfuchung
bringen. Bei ſolchen Gelegenheiten dürften die „Säfte“ kaum
ohne Erlegung einer angemejjenen Abgabe davongefommen jein.
Wenn man ferner in Betracht zieht, daß die legteren bei der
Hin- und Rüdfahrt von Seeräubern bedroht wurden, die in
ben finnijchen Gewäſſern zahlreich ihrem Gewerbe nachgingen,
jo erfieht man, daß das Yeben der „Säfte“ keineswegs frei
von Gefahren und Mühen war. Andrerſeits bielten fich
die „Säfte“ dafür durch ein übermütiges Leben in den finni—
ſchen Städten ſchadlos. Nicht jelten ftörten fie durch lärmende
Auftritte, und ein bejonders gejpanntes Verhältnis beftand
zwifchen ihnen und der Bejatung von Abo, wie aus mehreren
urkundlichen Zeugniffen hervorgeht ?).
Nicht nur die eigentlichen finnifchen Handelsleute jtanden
in Gejchäftsverbindung mit den deutſchen Kaufleuten, jondern
auch andere Perſonen, wie Geiftliche, Hauptleute u. ſ. w. unter:
hielten mit ihnen Handelsbeziehungen, und zwar oft von um—
1) gl. „Finsk Tidskrift“ XIX, 377 (Helfingfors, 1885).
2) Bol. Herm. Hildebrand 1. c., Bb. IX, Nr. 743. 766. 767.
(Riga und Mostau, 1884), ſowie Brieflopieen im Finnifhen Staats:
archiv.
Gefelihaft und Bildung während der katholiſchen Zeit. 73
faffender Art. Davon zeugt z. DB. die Handelsforrejpondenz,
welche der Dompropft von Abo, Paul Scheel, mit mehreren
ausländiichen Kaufherren führte. Einer der lekteren, Hans
Ehonnert in Danzig, ftand in einem intimen Verhältnis zu
Sceel, was unter anderem daraus hervorgeht, daß er ihm
zwei Söhne zur Erziehung übergab. Der jüngere, Paul, über-
bradte ein Empfehlungsjchreiben, worin der Vater hervorbob,
daß fein Sohn im Haufe Scheeld Sprachen lernen jolle, vor
allem die finnijche, welche für einen künftigen Kaufmann, deſſen
Geichäftsthätigkeit fich bis nach Finnland erftreden würde, von
hoher Wichtigkeit fei; der alte Chonnert hoffe auch, daß bie
bei Scheel wohnenden Studenten den jungen Baul im Abfafjen
von ſchwediſchen und lateinifchen Briefen unterrichten würden.
Ein anderer Gejchäftsfreund Scheeld war der Händler Diof
Yarber in Straljund. — Vermutlich bejaßen überhaupt alle
bochjtehenden Perjonen in Finnland Gejchäftsfreunde in ben
deutihen Städten. Sogar an die leitenden Behörden Danzigs
und Revals wandten fie ſich, um durch diejelben direkt zu er-
balten, was fie brauchten. Briefe der legtgenannten Art be-
figen wir 3. B. von Knut Poſſe und Erich Thuresjon Bjelte.
Mehrere von den deutſchen Kaufleuten und Handelsagenten,
welche fi in den finnijchen Städten aufbielten, wurden im
Pand anjäjfig, und da die Einwanderung von Gejchlecht zu’
Geſchlecht ihren Fortgang nahm, erhielt der finnijche Handels—
ftand allmählich einen faſt völlig ausländiichen Charakter. Das
Plattdeutiche, die offizielle Sprache der Hanjeftädte, wurde von
den Kaufleuten des Landes allgemein bei der Korrejpondenz
angewendet. Ausländifche (bejonders revaliche) Münzen waren
jo allgemein gangbar, daß ein finniiher Schloßhauptmann ein-
mal erklärte, er könne der Regierung nicht einheimijches Geld
überjenden, da nur revaljche Münzen eingegangen jeien. Mög—
licherweije hat dieſer überwiegend deutſche Einfluß auf die
Entwidelung der einheimijchen Gejchäftsthätigfeit hemmend ein-
gewirkt. Aber andrerfeits läßt es fich nicht leugnen, daß bie
ökonomiſchen Hilfsquellen Finnlands hierdurch in weit größerer
Ausdehnung, als es jonft der Fall gemwejen wäre, flüſſig ge-
1 Erfte Periode. Die katholiſche Zeit.
macht wurden, und daß die ausländischen Kaufleute einen
Reichtum an Kapital, Intelligenz und Arbeitskraft mitbrachten,
welcher dem Lande zu wirflidem und dauerhaften Nuten
gereichte.
Ein bedeutender Hanbelsverkehr wurde auch von der Bauern:
bevölferung in den Küftengegenden und im Schärengarten be-
trieben. Die Gejeßgebung juchte bereits frühzeitig dieſen
Handel nah Stodholm zu leiten, und in der That wurde
namentlich das fübweftliche Finnland die Kornkammer Stod-
bolms. Von bejonderer Bedeutung war der durch Bauern
vermittelte Handel für die Anjiedler an der langen Küftenftrede
nördlid von Ulfsby, wo es feine einzige Stadt gab, die den
Warenaustaufch Hätte vermitteln können. Oſterbotten wurde
von zahlreichen fremden Handelsleuten bejucht, welche an ge:
wiffer bejtimmten Plägen von der Yandbevölferung Waren
auffauften.
Die Induftrie war nod im erjten Stadium ihrer Entwide-
lung. Im unfern mittelalterlichen Urkunden werden nur wenige
Handwerker erwähnt. Die Spitenklöppelet in Raumo und bie
Strumpfwirferei in Nädendal zeugen von der in den mittelalter-
lichen Klöftern berrichenden Betriebjamfeit. Die Bauern an der
Küfte nördlich von Abo wurden wegen ihrer Gejchieflichkeit im
Anfertigen von Holzgefäßen „Vakkafinnen“ genannt. Die Er:
zeugnifje ihres Fleißes wurden teils im eigenen Lande verkauft,
teils nah Schweden und Deutjichland erportiert. Leinwand
wurde von der Yandbevölferung im füdlichen Finnland ver-
fertigt und war im Handel unter dem Namen „Abo-Leinwand“
bekannt. — Schließlich mag erwähnt werden, daß fich in Abo
eine Münzwerkftatt befand, wo eine bejondere Münzjorte, die
jogenannten Abopfennige, geprägt wurde. Obwohl gleichzeitig
ihwediiche und deutſche Münzen im Umlauf waren, fo war
doch der Geldmangel gewöhnlich.
Der Aderbau, welcher immer mehr der Hauptnahrungs-
zweig der großen Mafje der Bevölkerung wurde, machte gegen
Ende des Mittelalters große Fortjchritte; teils deshalb, weil
das Grundbefigrecht jo an Feitigfeit gewann, daß fich ein mehr
Geſellſchaft und Bildung während ber latholiſchen Zeit. 15
geordneter Aderbau ermöglichen ließ; teils dadurch, daß un—
bebaute Yändereien urbar gemacht wurden.
Außer den in Adern, Wiejen, Wäldern und Weiden be-
jtehenden Yiegenjchaften, welche dem Dorfe am nächſten lagen,
hatte man noch in der Ferne belegene Gemeindeländereien,
welche in den Urfunden oft (entjprechend dem finnijchen
„erämaat‘) „Eriemarfen“ genannt werben und zum Holzichlag
wie zum Eichhorn- und Fiſchfang benußt wurden. Die Ge-
meindeländereien der Bewohner von Satafunta und Tawaſt—
land lagen in Ofterbotten und in den nördlichen Teilen vom
heutigen Tawaſtland. Die Sabvolakſer jtreiften bis in die
Gegenden des jegigen Kuopio, Kajana oder noch weiter nörd—
lih hinauf, wo fie mit den ruffiichen Kareliern bald in krie—
gerijche, bald in friebliche Berührung famen. Über die „Erie-
marken“ der Bevölferung im „Eigentlichen“ Finnland und in
Nyland wiffen wir nichts Näheres. Wahrjcheinlich lagen jie
den urbar gemachten Diftriften verhältnismäßig nahe. Als
die Gemeindeländereien immer mehr aufgejucht wurden, erhielt
das Belitrecht eine höhere Bedeutung, und es wurden jtreitige
Anſprüche geltend gemacht, die zu gewaltiamen Konflikten
führten. Belehrend in dieſer Hinficht find die ſchon früher
(S. 37) erwähnten Grenzftreitigfeiten zwijchen den Bewohnern
von Tawaftland und Savolaks, welche ein lebendiges Bild von
der Rechtlofigkeit geben, die noch gegen Ende des Mittelalters in
den weitausgedehnten Waldgebieten im inneren Finnland nord»
lih vom Kumo, Pyhäjärvi, der Kirche Jämſä und von Nyſlott,
ſowie in Ojterbotten, ausgenommen die nur einige Meilen
breite Küftenftrede, herrſchte. Ähnliche Zwiftigfeiten, obwohl
mehr privater Natur, kamen häufig vor, und das Beitreben
der Gerichtshöfe ging unabläſſig darauf aus, wenigjtend eine
gewiffe Rechtsordnung in den Wildniffen einzuführen ſowie die-
jenigen zu jchügen, welche fich ſchon vorber Rechtsaniprüche
der einen oder anderen Art erworben hatten. Die Zahl der
Sandgüter war in den jüdlichen Küftenftrichen gegen Ende
des Mittelalters ebenjo groß oder gar noch größer als viele
Jahrhunderte fpäter, ein Umftand, welcher einen beachtens-
16 Erjte Periode. Die katboliiche Zeit.
werten Beweis für bie beträchtlihe Ausdehnung der Kultur
in den füblichen bebauten Gegenden am Schluffe des 15. Jahr—
hunderts liefert ?).
Über die Sitten und die Lebensweiſe des finnischen Voltes
während jener Epoche äußert ſich der ſchwediſche Hiftorifer
Dlaus Magni in vorteilhafter Weiſe?). Seine Lobesworte
dürften jedoch nicht der Wirklichkeit entjprochen haben. Denn
es unterliegt faum einem Zweifel, daß fih die Bewohner
Finnlands damals im allgemeinen in einem Zuſtande tiefjter
Roheit befanden. Die noch vorhandenen Gerichtsbücher wim—
meln von Angaben über gewaltſame Handlungen, welche im
Zorn oder Raufch begangen wurden. Mögen fich diefe An-
gaben auch nur auf einige Jahre erjtreden, jo iſt e8 doch
jicherlich nicht unberechtigt, aus ihnen den Schluß zu ziehen,
dag man überhaupt damals gern und häufig an das Recht
des Stärkeren appellierte.
Dffizielle Sprache war das Schwebiiche; es wurde im
öffentlichen Leben und bei den Gerichtshöfen jowie als Um-
gangsiprache in den höheren Gejellichaftstlaffen benugt. Ade—
lige Zejtamente, Morgengabebriefe u. j. w. waren fat immer
in ſchwediſcher Sprache abgefaßt. Einige Anzeichen deuten
darauf bin, daß das ſchwediſche Element damals auf dem Lande
mehr verbreitet war als heutzutage, injofern als ein Zeil ber
Küfte von Abo bis nach Öfterbotten von einer dünn zerftreuten
ſchwediſchen Bevölkerung bewohnt wurde. Während das ſchwe—
diſche Idiom das mächtige VBereinigungsglied zwijchen Schweden
und Finnland bildete, war das Yateinijche die Sprache ber
Kirche und diente dazu, die Verbindung zwifchen Finnland und
dem katholiſchen Weften aufrecht zu erhalten. Das Deutjche
war die Sprache des Handels und als joldhe in den Städten
allgemein angewendet. Das Finniſche endlih war noch un-
bearbeitet und entbehrte völlig der litterarifchen Pflege; aber
1) Bol. E. Lencgpift, Jämförelse emellan Karis-Lojo sockens
tillständ i det 15 och i det 18 seculo, in: „, Äbo tidning“ (1775).
2) Bol. DO. Magni, Historia de gentibus septentrionalibus, ®b. IV,
Kap. 18 (Rom, 1554).
Geſellſchaft und Bildung während der fatholifchen Zeit. 17
in den tiefen Schichten des Bolfes pulfierte die frijche Ader
bes Volksliedes. Die jchönften unter den finnijchen lyriſchen
Gejängen entjtammen dem Mittelalter, und unter ven erzäblen-
den Gedichten nehmen die Gejänge über den Heiligen Heinrich
und über Klas Kurd einen hervorragenden Plag ein.
In den inneren Waldungen lebte ein Volk, deſſen trau-
riges Schidjal beweift, wie eine Iſolierung von fremdem
Einfluffe jiher zur Schwähe und zum Untergang führen
muß: die Lappen, welche noch gegen Ende des Mittel-
alters ihre Wanderungen bis weit nah Tawaſtland und in
das ſüdliche Savolals hinein ausdehnten. Nach wie vor
jtanden fie in ftrenger Abhängigkeit von den Birkarliern, welche
mit ihnen Handel trieben, von ihnen Steuern erhoben und dafür
eine gewifje Abgabe an die Krone zahlte. Es wurde ihnen
ein Eigentumsdrecht inbezug auf die Lappen zuerkannt, und fie
durften die letteren untereinander verteilen und austaufchen
wie anderen Beſitz. Doc gab es auch Yappen, welche unter
dem Namen „Königslappen“ unmittelbar unter der Botmäßig-
feit der Krone ftanden, und über welche die Birfarlier fein
Verfügungsrecht bejaßen. Erft jeit 1424 begann die Regierung
allmählihd in das Verhältnis der Birfarlier zu den Lappen
einzugreifen und dieje gegen Übergriffe vonjeiten ihrer Herren
zu jchügen. Eine nachhaltige Einbuße erlitt die Herrichaft
der Birfarlier jpäter namentlich dadurch, daß fich im Gebiet
der Yappen Koloniften niederließen, welche dazu durch die Re—
gierung angeregt worden waren, indem biejelbe jchon jeit 1340
jedem Neuanfiedler in Lappmarken freien Grundbefigerwerb
nebjt vollftändigem Eigentumsrecht gewährte. Gegen Ende des
15. Jahrhunderts geriet der Birkarlierbund in Verfall; jedoch
eriftierte dieſe in der norbijchen Kolonifationsgefchichte jo merk—
würdig daftehende Handelsgejellichaft, wenngleich mit verminder-
tem Anſehen, noch während des ganzen 16. Jahrhunderts ?).
Mehrere Aktenftüde deuten darauf bin, daß die Krone
ihon im Mittelalter ein ausgedehntes VBerfügungsrecht über
1) 9. Hildebrand, Sveriges medeltid I, 310 (Stodholm, 1879).
78 Erſte Periode. Die katholiſche Zeit.
die unbebauten Yändereien in Finnland hatte. — Die Macht,
welche der König bejaß, verteilte er unter Hauptleute, die
in jeinem Namen die verjchiedenen Dijtrifte verwalteten.
Dieje Yehnsempfänger betrachteten ſich ausjchlieglich als perſön—
liche Diener des Könige. Wenn fie glaubten, jie jeien vom
Könige übervorteilt, jo hielten fie ji des Treueides gegen
ihn entbunden, und es gab alsdann nichts, was fie hinderte,
die Waffen zu ergreifen und gegen ihre Obrigfeit eine Fehde
zu beginnen. Die Diftrifte, die in Finnland gewöhnlich als
Yehen vergeben wurden, waren folgende: Aland mit dem Schloß
Kaſtelholm; Satafunta; Korsholm, welches bis 1441 Oſter⸗
und Weſterbotten, ſpäter nur Oſterbotten umfaßte; Tawaſtehus
(das heutige Tawaſtland); Raſeborg oder das weſtliche Nyland;
Borgä oder das öſtliche Nyland, welches jedoch häufig mit
dem Lehen Wiborg vereint war. Zu letterem gehörte ferner
das gejamte jchwediiche Karelien, auch Nyſlott. Die Lehns—
inhaber waren oft jchwediiche und in der Zeit der Union
däniſche Edelleute, die nicht jelten mehrere Lehen in ihren
Händen vereinigten. Dean wußte damals noch nichts von einem
geordneten Kontrolliyftem innerhalb der Verwaltung, und jie
waren deshalb nicht der Nechenichaftspflicht unterworfen; bin:
gegen erlegten jie nicht jelten eine bejtimmte Abgabe an die
Krone. Ihre Hauptobliegenheit war, behufs Verteidigung des
Reichs eine hinreichende Anzahl von Kriegern auf den ihnen
anvertrauten Schlöffern zu unterhalten und für den Unterhalt
derjelben zu jorgen. DBemerfenswert it, daß die Haupt:
leute auf den Schlöffern zu Abo und Wiborg eine höhere
Amtsgewalt ausübten, indem jie die Oberaufficht über vie
übrigen Yehnsinhaber in Finnland befaßen und jogar im Ver—
fehr mit ausländischen Mächten nicht jelten recht jelbjtändig
bandelten. Inſonderheit war dies der Fall bei dem Haupt:
mann in Wiborg, welder auf eigene Hand mit der Nepublit
Nowgorod, dem rufjiichen Zaren und der Stadt Reval Unter:
bandlungen pflog, Waffenftillftände abſchloß oder Fehden er—
öffnete. — Wir haben mehrmals erwähnt, daß den Großen
des Reihe, die jih in unrubigen Zeiten eine bejenders bobe
Gejellihaft und Bildung während der katholischen Zeit. 19
Machtjtellung erkämpft hatten, bedeutende Lehen gegeben wur-
den. Bejonders oft erhielten fie von den Königen finnifche
Lehen; vermutlich, weil diejes Land fern von dem Hauptichau-
plag der Ereignifje lag und die dort anjälfigen Vajallen daher
für das Königtum minder gefährlih waren; vielleicht aber
auch, weil die legteren den finnifchen Zehen, welche für ein-
trägliher als die jchwediichen angejehen wurden, den Vorzug
gaben. Nicht jelten wurden dieje großen Lehen auf Yebens;zeit
und mit Erbberechtigung den Angehörigen des Inhabers über-
tragen.
Von geringer politiicher Bedeutung waren die fFleineren
Yeben, welche bald mit, bald ohne Bedingung einer Steuer-
und Nechenjchaftspflicht verliehen wurden !). Irgendein be—
timmtes Prinzip hierbei läßt fich nicht erfennen. Beachtens-
wert erjcheint, daß in den Yebnsbriefen fajt niemals Beſtim—
mungen über die auf den Sclöfjern zu unterhaltende Kriegs-
macht vorfommen. Vermutlich war man der Anjicht, daß das
eigene Interejje den Hauptmann veranlafjen würde, möglichit
viele Krieger in jeinem Dienfte zu halten.
Dft behielt der König die Yeben zu jeiner unmittel-
baren Dispofition und ließ fie von Vögten verwalten. Die
legteren, meift finnijcher (adeliger oder unadeliger) Abjtammung,
ftanden in einem nahen Abhängigfeitsverhältnis zu der Re—
gierung, mußten jährlich über die Verwaltung der Yeben,
welche jie inne hatten, Rechenſchaft ablegen und führten des—
balb mit der Regierung einen lebhaften Briefwechjel, betreffend
die Steuererhebung und allerlei ökonomiſche Verhältniſſe. Einen
förmlihen Recenjchaftsberiht in modernem Sinne jcheinen
freilich auch fie nicht abgegeben zu haben. Manchmal fungierten
fie in Finnland als Regierungsbevollmächtigte, indem jie die
Großen überwacten und über das Verhalten derjelben Rap—
porte einjandten. In der legten Hälfte des 15. Jahrhunderts
unterjchied man zwijchen den Yeben, welche immer verlieben
1) Bgl. z. B. Arwid sſon, Handlingar ], 55; IU, 1; VIII, 12.—
&. ©. Styffe l. ec. III, xxxvı; Grönblad, Nya källor, p. 28. 218.
273. 392. 404. 406.
80 Erfte Periode. Die kdatholiſche Zeit.
werben mußten, und ſolchen, die von den Vögten des Königs
verwaltet werden ſollten. Zu leßteren wurden 1485 bo,
Tawaſtehus und Satakunta gerechnet; 1497 famen noch Kors-
bolm, Raſeborg und Kaſtelholm Hinzu. Binnen kurzer Zeit
wurden jedoch anch die meiften diefer Lehen vergeben. Überhaupt
war das Regiment durch Hauptleute bis zum Ende des Mittel-
alters das gewöhnliche, das durch Vögte etwas verhältnismäßig
Celtened. Erft unter Guftan Waſa wurden die Vögte die
wirfjamften Förderer der föniglichen Gewalt.
In den finnischen Dokumenten des Mittelalters finden fich
nicht jelten Aufzeichnungen darüber, daß die finnijchen Bijchöfe,
einige der finnischen Oberlandrichter jowie andere vornehme
Männer Finnlands die Reihsratswürde befaßen. Auf den
allgemeinen Entwidelungsgang des ſchwediſchen Reichs übten
jie nur geringen Einfluß, zumal da fie fi nur jelten auf
den Berjammlungen des Reichsrats in Schweden einfinden fonn-
ten. In Finnland war hingegen ihre Stellung hervorragend.
Sie waren die nächſten Ratgeber der Könige und Reichsver—
wejer, wenn dieſe das Land bejuchten. Sie waren Beifiger
der Gerichtähöfe, welche im Namen des Königs Urteil füllten.
Mit den „Reichsräten in Finnland“ ftand der Reichsrat in
Schweden in Meinungsaustaufch, wenn er von den Anfichten der
Finnen in wichtigen Reichsangelegenheiten Kenntnis zu erhalten
wünjchte Schließlich Teiteten fie die Beratungen der Finnen,
wenn dieje verfammelt waren, um die Rechte auszuüben, welche
Finnlands bejondere Provinzialftellung mit fich brachte.
In welcher Weije Finnlandse Bewohner das Recht zur
Teilnahme an der Königswahl erhielten, und in welchem Maße
fie diejes Recht ausübten, haben wir früher erwähnt. Wich—
tiger vom praftijchen Gefichtspunft aus war die ihnen zu«
ftehende Befugnis, an der Rechtspflege bei den Gerichtshöfen
teilzunehmen. — Die Oberland- und Bezirksrichterpoften wur-
den gejegmäßig jo bejett, daß die Bewohner des Oberlandes-
oder Yandgerichtsiprengels drei Bertrauensmänner wählten, unter
denen der König einen auserjah. — Das Verfahren bei den
Oberlandes- und Yandgerichten ftimmte mit demjenigen bei den
Geiellihait und Bildung während der fatbolifchen Zeit. 81
königlichen Gerichtshöfen überein, indem bie Unterſuchung und
Entſcheidung der Rechtsfragen einem Gejchworenenfolfegium
von zwölf Ebdelleuten und Bauern überwiefen wurde, worauf
der Richter das Urteil verfündigte. Gewöhnlich wurden jähr-
lich drei Thinge abgehalten, das Winter-, Sommer: und Herbit-
tbing. Die Verhandlungen erfolgten im wejentlichen mündlich
und in der Sprache der Parteien; wenigftens wird nirgends
erwähnt, daß eine Verdolmetſchung ftattgefunden babe. Doc
wurde ein furzes jummartiches Brotofolf in ſchwediſcher Sprache
geführt }).
Die Gebiete, welche wir heute als bejondere Landſchaften
Finnlands anjehen, jcheinen damals auf dem Wege gewejen zu
jein, jich zu Yandeseinheiten auszubilden. Das „Eigentliche“
Finnland, Aland, Nyland, Zawaftland und Satafınta hatten
beiondere Siegel, welche zur Anwendung gelangten, wenn im
Namen diejer Gebiete und ihrer Bewohner Briefe ausgefertigt
wurden oder wenn die Echtheit öffentlicher Urkunden bejtätigt
mwurde ?). Die Bevölkerung im „Eigentlichen“ Finnland war
oft veriammelt, um fich in Fragen von allgemeiner politifcher
Bedeutung zu äußern. Auch werden verjchiedentlich Yandthinge
auf Aland erwähnt.
Im Zujammenbang mit der allgemeinen Organijation der
Regierung müffen wir einen Blik auf die Steuereinnahmen
der Krone werfen. Die Steuern waren allmählich entſtanden,
am bäufigiten wohl durch Übereinkunft zwijchen den Steuer-
einnnebmern und dem gemeinen Mann, wobei man fich nach
ven bejonderen Verhältnijjen eines jeden Ortes richtete. Ein
allgemein gültiges Steuerſyſtem gab es deshalb nicht. Mit
Rüdjiht auf die Steuererhebung war das Yand in Diftrifte,
die Diftrifte in adminiftrative Sprengel, welche nicht immer
1) Unter Erich XIII. wurde ein Höchjter Gerichtsboi, das fogenannte
Landgericht (landsrätt), errichtet, deſſen Thätigkeit aber bald aufbörte. Im
Jahre 1435 wurde das finniiche Oberlandesgericht in zwei Teile geichieden :
den nordfinniihen und den füdfinniichen Gerichtsfprengel.
2) ®gl. „Hist. Ark.“ IV, 199sqq.; VI, 3148qq., ſowie Stvufie,
Skandinavien under unionstiden, p. 322 (Stodbolm, 1880).
Sdapbergſon, Geſchichte Finnlands. 6
82 Erfte Periode. Die katholische Zeit.
den Kirchenjprengeln entiprachen, und die Sprengel in Unter-
abteilungen gejchieden, welche „Gehöfte“ (bol), „Viertel“ (fjer-
dingar) oder (auf Aland) „Markland“ genannt wurden. Die
Steuereintreibung erfolgte in den Diftrikten durch den „Vogt“,
in den Sprengeln durch den „Pehnsmann“ (länsman), in den
Unterabteilungen durch den „Hofmann“ (bolman) und „Bezirks—
diener“ (fjerdingsman). Der Lehnsmann wurde gewöhnlich dem
Bolt entnommen, der Hofmann wahrjcheinlich von den Steuer-
zahlern felbft gewählt. Natürlich war e8 ebenjo für die Krone
wie für das Volk unvorteilhaft, daß die Steuer durch jo viele
Hände ging, zumal da das Verfahren der Steuererheber nur einer
geringen Kontrolle unterlag. Hier war für die Willfür der
Vögte, Yehnsmänner und Hofmänner ein weiter Spielraum, und
es ſteht feft, daß jene von ihrer Macht nicht immer einen
gewiffenhaften Gebrauch gemacht haben ; wie denn auch bisweilen
bei der Regierung gegen die Steuereinnehmer Klagen anhängig
gemacht wurden }).
Urjprünglih waren bie weltlichen Steuern, ebenjo wie die
firchlichen, perjönlih, indem alle Erwachjenen gewiffe Quan—
titäten der gewöhnlichjten Produkte ablieferten. Cine Be—
jtenerung des Grumdbefiges konnte um fo weniger in frage
fommen, als ein privates Befigreht an Grund und Boden
faum eritierte. Dieje Abgaben wurden nach der Kopfzahl
erlegt. Je weiter jedoch die Urbarmachung fortichritt und bie
Eigentumsverhältnifje jich befejtigten, defto leichter konnte man
eine Berechnung des Eigentumswertes vornehmen und mit
Rüdfiht darauf den Steuerbetrag bejtimmen.. Dan jchägte
den Grund und Boden nach gewiſſen Werteinheiten (jordtal)
ab, von denen beftimmte Steuerjummen erhoben wurden, und
die in den verjchievenen Landesteilen verichiedene Namen
trugen.
Neben Kopf» und Grundfteuern wurden Grtraabgaben er:
legt, wenn Krieg oder andere zufällige Bebürfniffe dies er-
forderten. Der gemeine Mann war jedoch gegen willfürliche
1) Bgl. I. W. Rofenborg, Bidrag till jordbeskattningens historia
i Finland under medlet af 16de seklet, p. 68 (Helfingfors, 1860).
Geſellſchaft und Bildung während ber latholiſchen Zeit. 83
Einihägung geſchützt, da der Grundfag galt, daß ſolche Ertra-
bewilligungen nur dann erfolgen follten, wenn das Volk jelbjt
jeine Zuftimmung hierzu erteilt hatte.
Am drüdendften wirkten wohl die Auflagen, welche unter
der Form von allerlei auf dem Grund und Boden ruhenden
Laſten erhoben wurden. Seit alteröher war es üblich, daß,
wenn ſich der König oder feine Mannen an einem Ort auf-
bielten, das Volk Lebensmittel und Heu für ihre Rechnung
lieferte. Allerdings verbot Erich XII. 1414 durch Erlaß
jeinen Vögten und Hauptleuten, bei ihren Ritten durch das
Land den gemeinen Dann zu bejchweren; fünftig jollten ber»
artige Auflagen nur auf bejonderen Befehl des Königs aus-
gejchrieben werben, oder wofern er jelbft oder auch feine Gemahlin
das Land bejuchte. Es erjcheint jedoch kaum glaublich, daß dieje
Verfügung in einer Zeit befolgt wurde, wo häufig alter Ge-
brauch mehr galt, als zufällige Gejegesbeftimmungen. Auch behufs
Aufführung, Unterhaltung und PVerbefferung der Kronſchlöſſer
mußte das Volk ungemein drüdende Abgaben erlegen; im
übrigen war e8 verpflichtet, Wege und Brücken zu unterhalten,
Oberlandes- und Pandrichter zu bejolden und dergleichen mehr.
Die Steuern wurden in natura mit ben verjchiebenen
Yandesproduften erlegt. Infolge deffen entjtanden jedoch, na=
mentlich in der Uniongzeit, mannigfaltige Schwierigfeiten bei
Ablieferung der einfließenden Beträge an die Zentralregierung.
Eric XII. bejtimmte daher, daß die Steuer in barem Gelbe
bezahlt werden ſollte. Dieſer Verſuch, die Abgaben in Geld»
fteuern zu verwandeln, jcheint aber nur teilweife geglückt zu jein.
Die Steuertitel, nach denen die Abgaben erlegt wurden,
variierten in hohem Grade, je nach den lofalen Verhältniffen.
Jedes Produft war auf die eine oder andere Weije der Be—
jteuerung unterworfen. Nicht felten Hagte man über allzu
hohe Befteuerung; doch war die Steuerlaft vermutlich ver-
Hältnismäßig geringer als in jpäteren Perioden. Vor allem
muß man bierzu in Betracht ziehen, daß die militärijche
Dienftpflicht ziemlich Teicht war. Allerdings ſollte das Volk,
wenn das Reich von einer unmittelbaren Gefahr bebroht
6*
54 Erſte Periode. Die latholiſche Zeit.
wurde, Mann für Dann zur Verteidigung des Yandes aus-
ziehen; jo wurden 3. B. 1495 während der Belagerung von
Wiborg die Bewohner von Südfinnland aufgeboten. Aber
diefe Militärpflicht war nicht eine fländige Laſt, denn die ein-
zige reguläre Kriegsmacht beftand aus der Bejagung der
Schlöſſer und dem Gefolge der Großen.
In einem Nechenjchaftsbericht von 1413 wird die Steuer-
einnabme aus der Provinz Abo auf 9832 Mark, eine fir
jene Zeit chöchſt bedeutende Summe, angegeben; doch waren
alfe Einfommenpoften nicht eingerechnet. In demjelben Jahre
erlegte Satafunta 5882 Mark, Tawaſtehus 4222 Mark und
Öfterbotten 2300 Mark’). Es lag daher auch feine über—
treibung in den Worten Severin Norbys, daß Finnland „in-
bezug auf den Steuerertrag der beite Zeil des Reiches
Schweden“ jei.
1) Bures Auszug aus Erichs XII. Steuerbuh für 1413, bei:
R. Haufen, Bidrag till Finlands historia I, 301—319 (Helfingfors,
1881— 1883).
Zweite Periode.
Das Zeitalter Gustav Waſas und jeiner Söhne.
1. Guſtav Wafa. Der Befreiungskrieg und die Reformation).
In Finnland beganı der Kampf gegen Chriftian II. tm
September 1521, indem Guftav Waja nach Aland eine Heeres-
abteilung jandte, die jedoch bald von Severin Norby vertrieben
wurde. Gleichzeitig z0g ein Kriegshauptinann Guſtavs, Nils
Arwidsſon, auf das Feſtland Finnlands. Biele finnijche Gegner
der däntjchen Herrichaft vereinigten fi mit ihm, jodaß im
November die Belagerung von Abo beginnen konnte. Der
1) Nachfchlagewerte und gebrudte Quellen zur Geſchichte Finnlands
während der Regierung Guftav Waſas: U. I. Arwidsfon, Hand-
lingar etc, Bd. I—X (Stodbolm, 1848—1857); 9. ©. Portban,
Chronicon episcoporum Finlandensium ete. Opera selecta, ®b. II
(Helfingfors, 1862); F. Collan, De reformationis in Fennia initiis
(Selfingfors, 1843): F. Collan, Erik Fleming, in: „Suomi“ (1844),
p- S7—158; Finlands minnesvärda män, Bd. I (Helfingfors, 1853 bis
1854); 9. Räbergb, De reformatoriska idéernas utveckling i Finland
(Helfingfors, 1880); 8. Grotenfelt, Suomen kaupasta ja kaupun-
g:ista ensimmäisten Vaasakuninkaitten aikoina (Helfingfors, 1887);
B. Granlund, Gustaf 1s registratur, Bd. I—XVI (Stodholm,
1861 —1895); N. I. Etdabl, Kristian Ils arkiv, Bd. I (Stodbolm,
1835 —1836); P. E. !. Thyſelius, Handlingar till Sveriges refor-
ınations- och kyrkohistoria under konung Gustaf 1 (Stodholm, 1841 bis
1844); €. 3. Tegel, Herr Gustafs, fordom Sveriges konungs bistoria
(Stedholm, 1622).
86 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftan Waſas und feiner Söhne.
Verteidiger des Schloffes, Junker Thomas Wolf, machte um
die Weihnachtszeit einen erfolgreichen Ausfall und nahm den
Druder Nils Arwidsjons, Bengt, nebjt mehreren anderen
Schweden und Finnen gefangen. Diejelben wurden außerhalb
ber Schloßmauern aufgehängt und einige andere Gefangene,
darunter Tönne Eriksſon Tott und Heinrich Stensjon Ren’
hufwud, fpäter auf ausprüdlichen Befehl Chriſtians hingerichtet.
Erich Fleming, welcher fich ebenfalls in des däniſchen Befehls-
habers Gewalt befand, rettete fi und eine Anzahl jeiner
Landsleute durch eine kühne Lift. Die Belagerung ging nur
langjam vorwärts und mußte gänzlich aufgehoben werden, als
Severin Norby im Frühjahr 1522 der Schloßbejagung zu—
bilfe fam. Nils Arwidsſon, Erich Fleming und ihre Genojjen
fehrten bald darauf mit dem Hauptteil der Armee nad Schwe-
den zurüd. Eine fleine Abteilung unter Nils Grabbe blieb
jedoch zurüd, welche eine lebhafte Parteigängerfebde gegen bie
Dänen eröffnete, und, indem fie bald hier, bald dort im finni-
ſchen Schärengarten landete, dem Feinde feineswegs geringen
Schaden zufügte.
Severin Norby, welcher von Ehriftian mit einem großen
Zeile Finnlands belehnt worden war, entwarf in jener Zeit
den Plan, Finnland zum Hauptftügpunft für die däniſche Herr:
Ichaft zu machen. Er wollte den Oberbefehl auf Wiborg über-
nehmen, dort mit den Ruffen in Verbindung treten, die Schwe—
den daran verhindern, in Finnland feſten Fuß zu faffen, und
Ihlieglih mit gefammelter Macht Guftav Waſa in Schweden
angreifen ). Noch nachdem Chriſtians Herrichaft in Schweden
gebrochen worden, rubte feine Hoffnung auf Finnland. Er
ermahnte die Schloßbefehlshaber zum Ausharren und verſprach
ihnen Beiftand, follte e8 ihn felbjt auch den Kopf koſten. Aber
er vermochte den Untergang ber dänifchen Herrichaft in Finn-
land nicht mehr aufzuhalten. Nachdem Guftan Waja ver:
gebens Rolf Mattsfon und Jöns Mattsfon zur Übergabe der
1) Brief an Ebriftian vom 7. März 1523. Efdabl, Kristian Il*
arkiv. I. 2, 358.
Untergang der bänifchen Herrichaft. 87
Feftungen Wiborg und Tawaftehus aufgefordert hatte, ſandte
er Anfang Auguft 1523 eine Heeresmaht von 400 Mann
Fußvolt und 2000 Reitern unter dem Befehl von Erich
Fleming und deffen Bruder Iwar nah Finnland. Ein Teil
blieb auf Aland; die Hauptmacht aber unter Erih Fleming
und Ioahim Feregh landete in der Nähe von Abo. Morik
von Oldenburg, welcher die dänifchen Truppen befehligte, zog
ihnen entgegen, wurde aber gejchlagen. Ein Teil feines Volkes
flüchtete num nach Kuuftö, ein anderer Teil nach Abo; mit ber
Hauptarmee z0g er jelbft fich nah Wiborg zurüd. Jetzt war
die däniſche Herrichaft auf allen Seiten erſchüttert. Abo ergab
fih nach kurzem Widerftande. Ebenſo fielen Kuuſtö, Kaſtel—
bolm, Tawaſtehus, Raſeborg und Nyflott in die Hände ber
Schweden. Wiborg, welches unter Rolf Mattsjon noch Wider-
jtand leiftete, ergab fich im Herbit an Nils Grabbe und Erich
Fleming. Um Weihnachten 1523 war ganz Finnland in ber
Gewalt Guftav Wajas.
In Schweden folgten nunmehr mehrere Aufruhrverjuche.
In Finnland Hingegen, wo derartige innere Spaltungen
nicht zum Ausbruch famen, war fortan die große Firchliche
Ummälzung, die den Namen Reformation erhalten hat, die—
jenige Angelegenheit, welche die Gemüter hauptſächlich be-
ichäftigte.
Guſtav Waja wußte vielleicht nicht die geiftige Bedeutung
der Reformation vollftändig zu jchägen; aber er hatte einen
offenen Blick für die Vorteile, welche der Staat daburch ge-
winnen mußte Vermochte man doch nach Annahme der neuen
Lehre, im Namen derfelben die ftolze katholiſche Geiftlichkeit zu
beugen, die Kirchengüter einzuziehen und auf ſolche Weije bie
Macht der Regierung zu ftärfen fowie die Staatöfinanzen zu
ordnen.
In Finnland konnte Guſtav Waja jeine Abfichten um jo
leichter durchführen, als das finnische Bistum nach dem Tode
Arwid Kurds (1522) eines Oberhirten entbehrte. Die Ber-
waltung der biichöflichen Einkünfte lag anfangs in ben Händen
des Hauptmanns auf Abo, Jöns Veftgöte; erft im Herbft 1523
85 weite Periode. Das Zeitalter Guftav Wafas und feiner Söhne.
ichritt das Domkapitel zur Wahl eines neuen Biſchofs, wobei
die meiften Stimmen auf Erich Svension fielen, bis dahin
Dekan des Domfapiteld zu Yinköping. Am 2. November 1523
unterrichtete der König den Papft brieflih von der Wahl und
jprach gleichzeitig das Verlangen aus, daß die Abgaben, welche
früher bei der Amtsbeftätigung von Biichöfen gefordert wurden,
erlaffen werben follten. Da der Papft nicht nachgab, wurde
Erih Svensſon, welher vom Sommer 1524-—1527 der Yeiter
des finnischen Bistums blieb, nur als jogenannter Wahlbiichof
oder electus angejehen. Daß er anfangs die Gunſt Guſtavs
bejaß, erjieht man daraus, daß diejer ihm die Fürſorge über
mehrere Angelegenheiten öfonomijcher und politischer Art über:
trug. Er jollte über Finnlands Verteidigung gegen Severin
Norby wachen, mit den übrigen in Finnland befindlichen Reiche:
räten die Erhebung der den Finnen auferlegten Steuern ver-
anlaffen, über die Adeligen in Finnland Muſterung abhalten und
dergleichen mehr. Erich Svensjon gehörte indefjen zu den
Anhängern der alten Lehre, umd dies erjchien dem König um
jo bevenflicher, als auch das Domfapitel in Abo eine ent
ſchieden konſervative Haltung beobachtete. Auch ſonſt war die
Stellung Erich Spensjons jchwierig. Er bat daber dar-
um, daß ihm zu jeiner Unterftügung ein geweihter Biſchof
ohne Stift, der Titularbijchof von Gades in Spanien, Vincen—
tius, gegeben würde. Yetterer fand fich in der That 1526
in Finnland ein und war jpäter jein jtändiger Gehilfe.
Einige Zeit darauf jcheint jedoch Eric” Svensſon beim König
in Ungnade geraten zu jein, und 1527 befand er fich wieder
in Schweben.
In jener Zeit begann die Arbeit für die Reform der
Kirchenlehre durch das Auftreten des erften NReformators in
Finnland, Peter Särkilaks. Die Biichofschronif jagt von ihm,
er ſei der erjte gewejen, der in Schulen und in der Kirche
von Abo treu und eifrig über die Reinigung der enangeliichen
Yehre von der päpftlichen Abgötterei gepredigt habe. Die
hiſtoriſche Forſchung Hat kaum etwas Weiteres über diejen
Diann zu entdecken vermocht, welcher eben jo plöglich verſchwand,
Peter Särkilals. 89
wie er gekommen war, und der einen bedeutenden Namen hinterließ,
ohne daß man über ſeine Wirkſamkeit etwas Näheres wüßte.
Vermutlich entſtammte er dem in der Geſchichte Finnlands be—
rühmten Geſchlecht Stjernkors und hatte ſich frühzeitig des
Studiums halber ins Ausland begeben. An der Wittenberger
Univerſität hatte er Luther und Melanchthon gehört und war
dabei von dem Eifer für die neue Lehre ergriffen worden, welcher
damals alle jugendlichen Sinne erfüllte. Dort erwarb er ſich
auch, wie aus einer Notiz hervorgeht, den Magiſtergrad. Etwa
1525 dürfte er in die Heimat zurückgekehrt ſein, da er in dem
genannten Jahr als Kanonikus beim Aboer Domlkapitel er—
wähnt wird. Vermutlich iſt er nach 1529 geſtorben ). Michael
Agricola war einer der Männer, die durch feine Predigten von
der neuen Lehre Kenntnis erhielten, und wahricheinlich hatten
die meiften von denen, die in der nächjten Zukunft im Dienjte
der finnijchen Kirche eine bedeutende Stellung einnehmen, ebenjo
wie Agricola dur Särkilaks einen Einblif in die evangelijchen
Slaubenswahrheiten gewonnen.
Unzweifelhaft war die große Menge in Finnland noch
weniger als in Schweden auf eine umfaffende kirchliche Reform
vorbereitet. Die Maſſe des Volkes betete noch heidniſche Götter
neben den chriftlihen an und hatte wenig Sinn für etwas
anderes in dem Chrijtentum als für die prachtvollen Zere-
monteen. In der Gejchichte der damaligen Zeit begegnet ung
denn auch fein Zeugnis dafür, daß die Reformation eine Sache
des Volkes gewejen wäre. Die Geiftlichfeit war infolge ihrer
mangelhaften Bildung kaum in höherem Grade für die neue
Richtung empfänglih. Nur die hervorragenditen Mitglieder
ber Geiftlichkeit, infonderheit diejenigen, welche an einer aus-
ländiſchen Univerfität ftudiert hatten, waren imftande, fich in-
bezug auf die Streitfrage überhaupt eine Überzeugung zu bil—
den. Unter ihnen dürften die älteren im allgemeinen dem
Katholicismus ergeben geblieben jein, während das jüngere
Geſchlecht jich mit Begeifterung den Grundjägen der Refor—
1) Bgl. „Historiallinen ark.“ IX, 279.
—
—
90 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Waſas und feiner Söhne.
mation anſchloß. Die neue Lehre konnte fich deshalb nur
langjam in Finnland ausbreiten, und Generationen vergingen,
bevor man fich vollftändig bewußt wurde, daß man ein neues
religiöfe8 Belenntnis angenommen babe.
Nah Erich Svensſons Abreife wurde die Verwaltung des
finnischen Bistums dem Dompropft Johannes Fleming an-
vertraut. Es würde nahe gelegen haben, dieſen zum Nach-
folger Erich8 zu erſehen. Der König erachtete ihn jedoch wahr-
ſcheinlich für allzu geneigt, die alte Lehre zu verteidigen, und
ernannte daher zum Inhaber des Plakes eine fügſamere Per—
jönlichkeit, Martin Skytte. Derjelbe war in Finnland geboren
und Glied eines jchon im 14. Jahrhundert im Lande an-
jäffigen adeligen Gejchlehts. Am 5. Januar 1528 wurde er
vom Biſchof in Weſteräs, Peter Mänsjon, zu feinem neuen
Amte feierlich geweiht. Um die Beftätigung ſeitens des Papites
bat er nicht nachgefucht.
Am 2. Yuli 1528 ſchrieb Guſtav an Skytte, er jolle,
wie er beim Antritt jeines Amts gelobt, die richtige Erklärung
des Evangeliums zu fördern fuchen. Desgleichen erging am
8. Oftober 1528 an die finnijche Geiftlichkeit die Aufforderung,
das Evangelium und Gottes reines Wort zu prebigen, wobei
die neue Bibelüberjegung als Wegweijer dienen jollte. Der
König wies aljo die Geiftlichkeit nur im allgemeinen zur Wirk-
jamfeit in evangelifcher Richtung an, ohne fich über das Be—
rechtigte oder Unberechtigte in gewiffen Yehrjägen auszuſprechen.
Martin Skytte und feine Zeitgenoffen in Finnland bejaßen
deshalb inbezug auf die Beftimmung der Lehre und auf bie
Ordnung des Kultus eine ziemlich große Freiheit, welcher fie
ſich talt- und maßvoll bedienten. Allmählich gelangten einige
Veränderungen zur Einführung, ohne daß man ganz und gar
auf die fatholijche Betrachtungsweije verzichtete oder fich offen
dem Lutheranertum anſchloß. Von einem Prediger Namens
Lars Knutsfon wurde 1531 zum erjtenmal die Meffe in
ſchwediſcher Sprache gelefen. Der Glanz, welcher den Gottes-
bienft in der Domtirche von Abo ausgezeichnet hatte, erblich
mit der Zeit, da fih die Einkünfte der Kirche infolge der
Martin Shotte. 9
kirchlichen Reduktion im Laufe der Jahre immer mehr ver-
minberten.
Denn wenn der König auch bei allem, was die Yehre und
den Kultus betraf, ichonend zu Werfe ging, jo griff er andrer-
ſeits um fo fräftiger in die ökonomiſche Stellung der Kirche
ein. Gin bejonders berebtes Zeugnis dafür, wie jehr bie
Macht der Hierardie von ihrer früheren Höhe herabgeſunken
war, iſt bie Zerftörung des Schloffes Kuuftd. Am 3. Juni
1528 forderte Guſtav das Bolt im „Eigentlichen“ Finn-
land auf, ihm bei der Nieberreißung des genannten Schlofjes
behilflich zu ſein )). Das Gut Kuuftö nebſt den dazu ge-
börigen Gehöften wurde von der Krone eingezogen. In ben
nächlten Jahren war Martin Skytte einigermaßen vor An-
jprüchen des Königs geſchützt, aber gegen Ende feiner Lebens—
laufbahn wurde er von einem neuen Sturm betroffen, der ihn
des größten Teils feiner Einkünfte beraubte. Nunmehr erjchien
ihm die königliche Ungnade jo hart, daß er 1545 feinen Ab-
ichied begehrte, der ihm auch auf Grund feines hoben Alters
bewilligt wurde. Gleichwohl jeßte er jeine amtliche Thätigfeit
bis zu jeinem Tode (30. Dez. 1550) fort ?).
Wir befigen feine eingehenden Nachrichten aus Finnland über
die gegen die Klöfter getroffenen Maßregeln jowie über die
Einziehung der Klojtergüter; doch läßt fich erjehen, daß bie
meijten Klöfter in Verfall gerieten, worauf ihr Vermögen in
der einen oder anderen Weije zu weltlichen Zwecken verwendet
wurde. Das Dominifanerklofter in Abo brannte 1537 nieder
und mwurbe nicht wieder aufgebaut; die Mönche fanden als
Geiftliche in den Landgemeinden Verwendung. Im folgenden
Jahre wurden die Mönche aus dem Franzisfanerklofter in
Raumo vertrieben. Das Franziskaner jowie das Domini-
fanerflojter in Wiborg war. vermutlich ſchon früher aller Befig-
tiimer beraubt worden; wenigftens waren 1541 nur noch bie
nadten Kloftermauern vorhanden. Auch das Klofter zu Köfar
1) Bgl. „Gustaf Is registratur“ V, 97.
2) Thofelius, Handlingar II, 279. 349; S. Elmgrens Artilel
in: „Finlands minnesvärda män“ I, 134—152 (Helfingfors, 1853/54).
92 Zweite Periode. Das Zeitalter Guſtav Wafas und feiner Söhne.
ging jtill und unbemerkt jeinem Untergang entgegen. ur das
berühmte Birgittinerflofter in Nädendal wurde mit größerer
Schonung behandelt ?). — Auch die mit den Klöftern verbun—
denen Klofterfchulen gingen gleichzeitig ein, wodurd die all-
gemeine Bildung um jo empfindlicher gejchädigt wurde, als das
Schulwejen auch im übrigen in Verfall geriet.
Während des Fortgangs der Reduktion wurde das Ver—
langen des Königs, ich von dem Eigentum der Kirche mög:
lichjt viel anzueignen, immer lebhafter, und er fand bald
genug Gelegenheit, auch auf Gebieten einzugreifen, die unver:
letst hätten bleiben müjjen. So wurde 1530 der Grundiat
einer Bejteuerung der niederen Geiftlichkeit eingeführt ?). In
den vierziger Jahren desjelben Jahrhunderts dürfte die Ein:
ziehung eines Teiles der zum Unterhalt der Yandgetjtlichkeit
veranichlagten Yändereien jtattgefunden haben. Freilich war in
Finnland die Zahl derjelben jo gering, daß ſich die Einkünfte
der Krone in irgendwie beträchtlicherem Maße hierdurch nicht
vermehren Fonnten. Nach der Berechnung eines jchwedtichen
Forſchers ?) belief fich Die Anzahl der kirchlichen Güter, welche
in Finnland von der Krone eingezogen wurden, auf 601 nebit
42 dazu gehörigen Kathen.
Die trübjte Erjcheinung im Verlaufe der firchlichen Re—
duftion iſt zweifelsohne die Plünderung der Koftbarkfeiten und
Schmudgegenftände der Kirche gegen Ende der Regierung
Guſtav Waſas. So murden 1554 aus der Domkirche zu
Abo 1520 Lot meift vergoldetes Silber weggeichafft und bie
übrigen Kirchen im Lande in den folgenden Jahren einem ähn—
lichen Berfahren unterworfen.
Natürlich ſäumten die Privatperjonen nicht, dem Beiſpiel
des Königs zu folgen und, ohne irgendwelche Rechtsaniprüche
zu befigen, ji von dem Eigentum der von ihrer Höhe
berabgeiunfenen Kirche möglichft viel anzueignen. Die 1538
1) Brief des Könige von 12. Juni 1530. „Gustaf 1» registratur“
Vil. 122.
2) „Gustaf Is registratur‘“ (27. Yuli 1530) VII, 106.
3) 9. Forfiell, Sveriges inre bistoria, Bd. I, Tab. E.
Rüdgang in Kirche und Schule. 95
und jpäter von Guſtav biergegen erlaffenen Verbote dürften
wohl faum das gemwaltiame Vorgehen der privaten Raubluſt
verbindert haben ').
Der Gedanke, die geijtige Aufklärung durch Unterjtügung
der Schulen zu fördern, war dem Könige fremd. Im Gegen-
teil machte jich in dieſer Hinficht ein Rücdichritt bemerkbar. Die
eingegangenen Klofterichulen wurden nicht durch neue Yehr-
anftalten erjegt. Die Heinen Schulen, welche e8 in Björne-
borg, Raumo und Borgk gab ?), waren von geringer Be-
deutung. Höheres Anjehen genofjen die Schule in Wiborg
und die Rathedralichule zu Abo, welch letztere wie vordem eine
Zentralanftalt für das finniiche Unterrichtsweſen bildete. Allein
auch dieſe Schule befand jich nicht in demſelben blühenden
Zuftande wie früher. Die Zahl der Yehrfräfte war geringer
geworden, die der Schüler infolge bejonderer Umſtände in
beftändigem Niedergange begriffen. Früher hatte man Die
Ausfiht gehabt, von der Aboer Kathedralſchule aus in den
Dienjt der finnischen Kirche zu treten und dort eine angejehene
Stellung zu erreichen. Dett aber waren die Stellen, welche
die Kirche bieten fonnte, nicht jo verlodend wie früher, und
Söhne vornehmer Familien bejuchten deshalb nunmehr Außerft
jelten oder gar nicht die Schule. Mancher trug auch aus
Mißtrauen gegen die neue Yehre Bedenken, jeine Kinder Schulen
anzuvertrauen, in denen der Neligionsunterricht eine Haupt:
rolle ſpielte. Zudem behandelte der König die Schulzöglinge
in einer Weije, welche wenig geeignet war, zum Studium an—
zuregen. Er betrachtete die Schulen als im wejentlichen zur
Erziehung von Beamten bejtimmt und erlaubte es jich nicht
jelten, die Schüler zum Abbruch ihrer Studien zu zwingen, da—
mit fie im feinen Dienjt träten. Unter jolchen Umjtänden
würde die geiftige Aufklärung, die das höchſte Ziel der Refor—
mation war, nur in geringem Maße gefördert worden jein,
hätten fich nicht einige Jünglinge durch Studien an den Uni—
1) Arwidsſon, Handlingar V, 364; VI, 170.
2) Die Borgaer Schule wurde 1551 nad Helfingfors verlegt.
94 Zweite Periode. Das Zeitalter Guſtav Wajas und feiner Söhne.
verfitäten, welche die Hauptjige der Reformation waren, einen
tieferen Einblid in die neue Lehre verichafft. Es ift Martin
Skyttes unvergängliches Verdienft, daß er einen großen Zeil
feiner Einkünfte dazu verwendete, bei dieſen Lehranftalten un—
bemittelte Landsleute zu unterhalten, welche ſich zu fünftigen
Dienern der finnischen Kirche ausbildeten. Die Biihofschronif
nennt acht der Männer, welche jpäter in der finnijchen Kirche
eine leitende Stellung einnahmen, als jolche ehemalige Schütz—
linge Skyttes, darunter den Pfarrer in Abo, Canutus Io-
hannis, den Rektor an der Aber Katbedralichule, Thomas
Franzisci, den Rektor an derjelben Schule und jpäteren Biſchof
zu Wiborg, Erich Härküpäus, den berühmten Ehroniften Paul
Juuſten, ſowie ſchließlich den eifrigften Förderer der geiftigen
Neformationsarbeit in unjerm Lande, Michael Agricola.
Michael Agricola wurde etwa 1510 im Dorfe Forsby im
Kirchipiel Perno geboren, wo jein Vater als Fiſcher lebte.
Er wurde in der Wiborger Schule unterrichtet und jpäter
beim Biſchof Martin Skytte in Abo angeftellt, deſſen Ver—
trauen er fich jo erwarb, daß er der Sekretär desjelben wurde.
Durch Anhörung der Predigten von Petrus Särkilaks erhielt
er gleichzeitig Kenntnis von den reformatorischen Yehren. Die
Freigebigkeit Sfyttes ermöglichte es ihm, jeine Studien an
der Wittenberger Univerfität, wo er etwa 1535 bie 1539
weilte, zum Abſchluß zu bringen. In einem Schreiben vom
20. Auguft 1537 an Guſtav Wafa erwähnt er unter an—
derm, daß er die Überjegung des Neuen Teftaments in das
Finnifche begonnen habe !). Nachdem Agricola im Frühjahr
1539 den Magiftergrad erworben hatte und, mit ehrenden
Schreiben Luthers und Melanchthons verjehen, in die Heimat
zurüdgefehrt war, begann er im Sommer 1539 feine Wirk:
iamfeit als Rektor der Aboer Schule, ein Amt, welches bei
den für das Schulwejen ungünftigen Verhältniffen in hohem
Grade bejchwerlih war. Im Jahre 1548 wurde er beauf-
tragt, dem alten und gebrechlichen Martin Skytte bei deſſen
I) Arwibsion, Handlingar VI, 153. 161.
Michael Agricola. 9%
Amtsthätigkeit zur Hand zu gehen, und überließ daher bie
Leitung der Schule dem jchon früher genannten Paul Iuuften.
Nach dem Tode Skyttes (1550) war er deffen jelbftverftändlicher
Nachfolger. Aber jeine Ernennung verzögerte fih, da ber
König den Biichofsftuhl vier Jahre Hindurch unbeſetzt lieh.
Als endlih 1554 jeine Ernennung erfolgte, wurde SKarelien,
Savolafs, das öftliche Nyland jowie das üftlihe Tawajtland
von den Bistum abgezweigt und die firchliche Verwaltung
dieſes Gebietd an Paul Yuuften übertragen, der in Wiborg
refidieren ſollte. Agricola joll mit einer jolchen Veränderung,
welche eine Verminderung der bijchöflichen Gewalt bezwedte,
wenig zufrieden gewejen fein, mußte fich aber dem Willen des
Königs unterwerfen. Er widmete fih nunmehr mit leiden-
ichaftlichem Eifer der Leitung feines Stifte. Bisweilen er-
regte er die Unzufriedenheit des argmwöhniichen Könige. Im
großen und ganzen jcheint ihm Guſtav Waja jedoch gewogen
gewejen zu fein, wie unter anderm daraus hervorgeht, daß
er zum Xeilnehmer an einer Gejandtichaft auserjehen wurde,
welche Anfang 1557 nach Rußland abging. Auf der Rückkehr
itarb er plöglih (9. April 1557) in der Nähe von Wiborg.
Diefe Fakta aus dem Leben Michael Agricola zeugen von
einer vieljeitigen und erfolgreichen Thätigfeit, laffen aber nur in
geringem Maße die große Bedeutung von ihm als Bahnbrecher
auf dem Felde der geiftigen Bildung erfennen. Der unver:
gänglihe Ruhm, der in der Gejchichte der finnischen Bildungs—
arbeit jeinen Namen umftrablt, ift von ihm hauptjächlich durch
jeine Wirkſamkeit als Herausgeber von geiftlihen Erbauungs-
jehriften in finnifcher Sprache jowie als Überſetzer der heili-
gen Schriften der Bibel in das Finniſche erworben worden.
Seine erften Arbeiten in diejer Richtung waren jein Abe-Buch
und eine Einleitung zur Glaubenslehre, vermutlich eine finnijche
Überfegung von Luthers Kleinem Katechismus. Bedeutungs-
voller war jein 1544 in Stodholm gedrudtes „Gebetbuch“,
nicht ein Gebetbuch in gewöhnlichem Sinne, fondern ein be
jonders für die Geiftlichteit beftimmtes religiöfes Handbuch,
welches das Notwendigfte von dem enthielt, wa zum Gottes-
96 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Wafas und feiner Söbne.
dienſt und zum religiöjen Yeben gehörte. Es begann mit einem
Kalendarium nebjt aftronomijchen Zabellen und Regeln; es
folgten dann einige Kapitel aus den Evangelien ſowie Gebete
für alle Yebensverhältniffe und zum Schlufie das Vaterunſer
und die Glaubensartifel nebjt Erklärungen. Teilweiſe iſt der
Inhalt des recht weitläuftigen Buches katholiſch. Aber inbezug
auf die Hauptſätze der Yehre iſt die Auffaſſung ſchon luthe—
riſch. Im Iahre 1548 erichien in Stodholm Agricolas Über:
jeßung des Neuen Teftaments. Dieſes Werf, in welchem er
die jchwedische Bibelüberjegung ſowie die Yuthers, jedoch unter
beftändiger Berücfichtigung des Urtertes, benugte, war fein
Hauptwerk und während eines ganzen Jahrhunderts ſowohl
für die Maſſe des Volkes wie für einen großen Zeil der
Seiftlichfeit die vornehmfte Quelle zur Kenntnis von der
hriftlichen Religion. Cr veröffentlichte dann noch 1549 ein
Handbuch mit Formularen zur Verrichtung der firchlichen Ze—
remonieen und ein Meßbuch, welches die Ordnung bei Ertet-
lung des Abendmahls behandelte Schließlich überjegte er
verjchtedene Teile des Alten Teftaments. So erichienen 1551
die Pialmen Davids jowie ausgewählte Stüde aus den Bü—
hern Moje und der Propheten, 1552 die Propheten Haggai,
Sacharja und Maleachi. — In allen dieſen Schriften beobachtet
Agricola, wenn er ein perjönliches Urteil ausipricht, eine ver-
mittelnde Haltung. In den Hauptpunkten der Lehre ſchließt
er fich den Neformatoren an, wäbrend er bei den minder we-
jentlichen Punkten das Alte duldſam bejtehen läßt.
Agricolas Schriften haben nicht nur eine religiöje, jondern
auch eine litterariiche Bedeutung. Sie bildeten den erjten
Anfang einer nationalfinnischen Litteratur und lange den Haupt:
bejtandteil derjelben. Sein Finnisch war, wie natürlich, man-
gelhaft, aber er bewies doch, daß das Finnische in einer faß—
lihen und klaren projatichen Darftellung zur Anwendung
gelangen fonnte.
Finnlands VBenwaltung zur Zeit Guſtav Wafas. 97
2. Verwaltung und Finanzwefen während der Regierungszeit
Guſtav Wafas.
Während des Mittelalters wurde der Befeblshaberplag auf
Schloß Wiborg als ein bejonders wichtiger Poften angejehen
und gewöhnlich einem der Großen des Reichs anvertraut.
Guſtav Waſa nahm dieje Tradition wieder auf, indem er
1525 jeinen Schwager Graf Johann von Hoja mit Wiborg
und Nyſlott belehnte. Es jcheint jeine Abficht geweſen zu
jein, daß jener ausländische Fürft ihn in Finnland vertreten,
die dortige Verwaltung überwachen und die Verbindung zwi-
ihen Finnland und der Zentralregierung aufrechterhalten jolle.
Derjelbe wurde jpäter, für den Fall eines Krieges mit Ruß—
land, zum Befehlshaber in Finnland auserjehen und erhielt
1529 Kumogärd zu Lehen ). Graf von Hoja war indeſſen des
Vertrauens umvürdig, welches ihm der Künig bewies. Schon
1529 trat er in Beziehungen zu den Behörden in Yübed,
und 1533 fand fich ein Bürger diejer Stadt, Hermann Möller,
mit verräteriichen Anerbietungen in Wiborg ein. Gujtav Waja,
welcher bezüglich diejer Pläne nicht in Unkenntnis jchwebte,
warnte jeinen Schwager jehriftlich und forderte ihn mebjt an—
deren finnischen Großen nah Stodholm. Der Graf zog es
aber vor, fih mit Weib und Sind in größter Heimlichkeit
1534 auf dem Seewege nach Reval zu begeben. Es erübrigte
daher nunmehr nur noch, die Unterbefehlshaber auf den
Feſtungen von Nyſlott und Wiborg zur Unterwerfung zu
zwingen. Nyjlott fiel binnen kurzem in die Hände Erich Fle—
mings. Wiborg wurde von Erich Fleming und Nils Grabbe
belagert und im Auguft 1534 zur Übergabe genötigt ?). So
endete der einzige Verſuch in Finnland, die Herrichaft Guftav
Wajas zu brechen.
3m übrigen wurden die Männer, welche als Vögte, Schloß—
bejehlshaber jowie in andern Zivil- und Meilitärämtern Ver—
1) Val. „Gustaf 1® registratur“ VI, 243.
2) Tegelll c. II, 24; Arwidsfon, Handlingar V, 300890.
Schybergſon, Gefhichte Finnlands. 7
98 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Wafas und feiner Söhne.
wendung fanden, faſt ausjchlieglich den Reihen der einheimijchen
Ariftofratie entnommen. Innerhalb verjelben treten einige
Sejchlechter in den Vordergrund, welche im allgemeinen nicht
ein bejonders großes Vermögen oder ein altererbtes Anjehen
bejaßen, deren Mitglieder fich jedoch durch treue Ergebenheit
jowohl in als auch nach dem Befreiungsfriege das Vertrauen des
Königs erworben hatten. Daß in Finnland der tiefte Friede
berrjchte, während in Schweden zahlreiche Unruhen die Fugen
der Gejellichaftsordnung zu jprengen drobten, berubte zwei—
felsohne nicht zum wenigjten darauf, daß die Mitglieder
jener Gejchlechter, unter denen viele, wie Erich und Iwar
Fleming jowie Grabbe, alte Waffengefährten des Königs
waren, diefem mit ganzer Seele anhingen und jeinen Wünjchen
ji weder widerjegen wollten noch fonnten. Bon ihnen allen
war Erich Fleming der vornehmfte und einflußreichite ').
Erih Fleming war für die bedeutenden Dienjte, die er
Guſtav Waja während des Befreiungsfrieges geleiftet hatte,
nicht unbelohnt geblieben. Im Laufe der Jahre 1523— 1525
wurde er zum Weichsrat und Oberlandrichter im jüdfinnijchen
Gerichtsiprengel ernannt jowie mit Raſeborg und einigen
fleineren Diftriften belehnt. Außerdem erbielt er mehrere
wichtige Aufträge So ſchützte er Finnland gegen die Pläne
Severin Norbys und war 1526 Teilnehmer an einer Ge—
jandtjchaft, welche nach Rußland ging, um den Ausbruch eines
Krieges zu verhüten. Aber jchon damals zeigte fich ein dunkler
Schatten in jeiner Wirkſamkeit. Im Vertrauen auf die Gunft
des Königs, mächtig und unabhängig, behandelte er jeine
Unterthanen und überhaupt die niedere Bevölferung nach
freiem Gutdünfen, oft mit tyrannijcher Härte. Im Sabre
1529 erjchienen acht Bauern als Deputierte der Bewohner
1) Bol. Fab. Eollan, Erik Fleming, in: „Suomi“ (1844),
p. 87—158 und 9. 3. Tengftröm, Nägra blad ur Finlands häfder
under konung Gustaf I» regeringstid, in: „Suomi“ (1853), p. 101
bis 299. — Erid Fleming, deffen Geburtsjahr unbekannt tft, wird 1512
juerft erwähnt. Sein Vater war der früher (S. 67) genannte Joachim
Fleming.
Erich Fleming. 99
der Provinz Rafeborg bei Guſtav Waſa nnd brachten eine
Menge von Beſchwerdepunkten gegen Fleming vor. Trotzdem be-
hielt derjelbe das Vertrauen jeines Herrn, und er zeigte fich
deſſen auch würdig, teil durch die Feſtigkeit, welche er bei der
Berihwörung des Grafen von Hoja an den Tag legte, teils durch
die Gejchtdlichfeit, womit er mehrere friegeriiche und diplo—
matiſche Aufträge ausführt. Einige Jahre jpäter gab ihm
der König freilich DBeweife von ungnädiger Gefinnung, indem
er zwei zu Flemings Lehen gehörige Kirchipiele einem adeligen
Günftling, Nils Boije, überlieferte. Im Juni 1537 fandte
er ferner an Erich ein jcharfes Schreiben, worin er ihm eine
Menge von LUlngerechtigfeiten bei der Steuererhebung vor-
warf ").
Da der König, wie jchon bemerkt, nach freiem Belieben
Yeben einziehen bezw. austeilen zu können glaubte, ift es wohl
faum als ein Beweis von bejonderer föniglicher Ungnade an—
zujehen, daß die Provinz Raſeborg 1540 Erich Fleming
entzogen wurde. Wenigſtens wurde die Sache nur als eine
durch das Bedürfnis erhöhter Einkünfte zur Unterhaltung der
Kriegsmacht veranlaßte Finanzmaßregel bingejtellt 2). Es läßt
ſich jedoch annehmen, daß fich Erich durch den Verluft dieſes
Hauptlebens ſchmerzlich berührt fühlte. Gleichzeitig glaubte
man im Auslande zu der Vermutung Anlaß zu haben, daß
Flemings Treue gegen den König nicht mehr ebenjo fejt wie
früher jei. Der gegen Guftav Waſa feindlich gefinnte Herzog
Albreht von Preußen jandte 1540 einen Bevollmächtigten,
Hans Girich, zu Erich, um ihn zum Abfall zu verloden. Der
Zweck diefer Sendung wurde jedoch bald von Nils Grabbe
und Heinrich Klasjon Horn entdedt. Der legtgenannte zwang
Girich zur Auslieferung jeiner Briefichaften, ftellte mit ihm
ein Berbör an und unterrichtete jofort den König von ber
Angelegenheit. Guſtav, deſſen angeborenes Mißtrauen durch
eine bittere Erfahrung noch vermehrt war, glaubte anfangs,
1) Arwidsion l. c. V, 352.
2) Arwibsfon l. c. VI, 192,
7*
100 Zweite Periode. Das Zeitalter Guſtav Waſas und feiner Söhne.
daß bier ein Verrat, ähnlich dem des Grafen von Hoja, vor-
läge. Doch legte jich bald jein erjter aufflammender Zorn,
und in einem jpäteren Briefe an Fleming jpricht er in wohl-
wollendem Tone, wenngleich ein gewiffer Argwohn noch bier
und da zum VBorjchein fommt. Noch weniger bejigt die Nach—
welt eine Veranlaffung, zu glauben, daß Fleming gegen jeinen
Treueid gefehlt Habe. War doch die Treue gegen den König
ein durchgebender Zug in der ganzen Yebenslaufbahn rich
Flemings. Im feinen legten Yebensjahren empfing derſelbe
zahlreiche Beweife von dem Vertrauen Guſtav Wajas. In—
bezug auf die Angelegenheiten der Heimat wurde er immer
mehr der erite Ratgeber des Königs. An der Yeitung der
Berbandlungen mit Rußland batte er einen wejentlichen Anteil.
ALS Hauptmann über Raſeborg hatte er die Stadt Efenäs
angelegt. Nunmehr beriet er mit dem König weiter über die
Gründung einer Stadt, Sandhamn, nahe der Mündung des
Helfingefluffes in den Finniſchen Meerbuſen ). Der Verluſt
des Lehens Rajeborg wurde einigermaßen durch andere Ver—
leihungen ausgeglichen ?).
Bei den meijten Mitgliedern des Beamtenadeld in Finn—
land zur Zeit Guftav Waſas finden wir die Charafterzüge
wieder, welche Erich Fleming auszeichneten. — war Fle—
ming, welcher nach Beendigung des DBefreiungsfrieges zum
Hauptmann über Kaftelholm nebjt Aland, Reichsrat und Ober:
landrichter ernannt wurde, war nicht weniger jtreng und ty:
ranniſch als jein Bruder Erih, und es wurden gegen ibn,
als Guſtav Waſa 1530 Finnland bejuchte, von den aländijchen
Bewohnern Bejchwerden erhoben, jo daß er nur durch Ent-
Ichuldigungen und durch das Gelöbnis, fich beſſern zu wollen,
dem Berlufte jenes Lehens zu entgehen vermochte. Im Jahre
1537 wurde dann allerdings Kaftelholm von der Krone ein-
gezogen; doch jcheint dieſe Maßregel, ebenjo wie die Einziehung
von Rajeborg, eher eine Vermehrung der Einkünfte der Krone
1) Arwibsfon l. c. VII, 246.
2) Arwibsfon 1. c. VI, 234. 241.
Der Beamtenabel Finnlands. 101
bezwedt zu haben als ein Ausdrud föntglicher Ungnade ge:
wejen zu jein. Er ftarb, wie jein Bruder Erich, im Dezember
1548. — Auch Guſtav Götriksſon Finde (geb. etwa 1510;
gejt. 1566), welcher als Hauptmann auf Nyſlott jeit 1547
für Errichtung neuer Anjiedlungen in Finnlands inneren Di:
jtriften thätig war, wurde der Lingerechtigfeit in jeiner Eigen—
ichaft als Richter jowie eines gewaltiamen Verfahrens gegen
die Bauern bejchuldigt '). — Sogar das Hornjche Gejchlecht,
welches jonft nicht weniger durch Pedlichkeit und Tauglichkeit,
als durch Tapferfeit und glänzende Talente in der Gejchichte
Finnlands während dieſes Jahrhunderts einen hervorragenden
Platz behauptet, jcheint nicht völlig tadelfrei gewejen zu jein.
So wird gegen Heinrich Klasjon Horn (1512—1595) der
Vorwurf erhoben, er habe als Oberlandrichter im ſüdfinniſchen
Serichtsiprengel von den Bauern eine ungerechtfertigt bobe
Steuer erhoben ?). — Es ift wahr, daß die Dokumente, in
denen dieſe und ähnliche Bejchuldigungen gegen den zeit:
genöjjiichen Adel erhoben werden, tendenziös gefärbt find. Aber
wenn auch vieles in Abrechnung gebracht wird, jo bleibt doch
genug übrig, um mit Sicherheit erfennen zu laffen, daß der
finniijche Beamtenadel während jener Epoche auf die Anforde-
rungen des Gejetes und der Billigfeit feine jonderliche Rück—
jicht nahm.
Indeſſen war der Adel jett nicht mehr imftande, mit der:
jelben Kühnheit und Vermeſſenheit aufzutreten wie im Mittel-
alter. Der Graf von Hoja war der einzige Große, welcher
Provinzen ohne Abgaben- oder Nechenjchaftspflicht beſaß. Alle
übrigen Lehnsinhaber waren hingegen angewiejen, dem König
eine Abgabe zu zablen und ihm über ihre Verwaltung Rede und
Antwort zu jtehen. Auch wurde es immer mehr Sitte, daß die
Provinzen nicht mächtigen Hauptleuten gegeben, jondern Vögten,
die vom Könige abhängig waren, übertragen wurden. Yettere
1) Bal. „J. Teits klagomälsregister emot adeln i Finland ar 1555 till
1556“, utg. af K. Grotenfelt, p. 22—28 (SHelfingfors, 1894).
2) al. „J. Teits klagomälsregister ete.“, p. 48sq.
102 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Wafas und jeiner Söhne.
entjtammten nicht jelten den Reihen der Ariftofratie, aber dann
gewöhnlih den ärmeren Adelsgeſchlechtern. Noch bäufiger
aber waren fie Männer von bürgerlicher Abfunft, die nach
Erwerbung einer gewiffen Schulbildung ihre Carriere als
Schreiber begonnen und ſich fpäter auch zu höheren Ämtern
tauglich gezeigt hatten. Ihre Nechtichaffenheit war meiſtens
noch viel weniger tadellos als die der Adeligen. Die
Vögte und noch mehr ihre Gehilfen waren oft eine wirkliche
Zuchtrute für das Volk. Viele Einzelheiten könnten als Zeug:
niffe von der innerhalb der verjchiedenen Zweige der Ver—
waltung berrichenden Korruption und Gejeglofigfeit angeführt
werden.
Ein Schritt zum Bejjeren war jedoch bereits gejcheben. Im
Mittelalter waren gleichartige, vielleicht noch größere Miß—
bräuche vorgefommen; aber es hatte faum eine Behörde ge-
geben, an welche man fich mit einer Bejchwerde wenden fonnte.
Setzt hingegen gingen die Männer aus dem Volk wieder und
wieder zum Könige, um über ihre Not zu Flagen und jeine
Hilfe zu erbitten. Wir haben jchon gejehen, wie Guſtav Waja
anläßlich jolcher Bejchwerden Drohbriefe an die hohen Herren
richtete. Aber auch Übergriffe von feiten der niederen Steuer:
einnehmer wurden von ihm mit unerbittlicher Strenge geahndet.
Bejonders in den legten Jahren feiner Regierung begann er
über die Berwaltungsbeamten jtrenges Gericht zu halten. So
erhielt z. B. ein Schreiber des Königs, Jakob Zeit, welcher
einer der erbittertiten Feinde des Adels gewejen zu jein jcheint,
den Auftrag, über die Adelsgejchlechter in Finnland und deren
Mitglieder Unterjuchungen anzuftellen; eine Aufgabe, die er
1555 — 1557 ausführte, und deren Rejultat in dem früher
eitierten Bejchwerderegifter über den finnischen Adel vorliegt.
Daß das Vertrauen des Volkes auf den Schut der Königs—
macht durch jolde Maßregeln geſtärkt werden mußte, iſt Har
Gerade damals begann bei der finnijchen Bevölkerung die jpäter
zähe fejtgehaltene Überzeugung allgemein zu werden, daß die
jicherjte Hilfe bei dem Negenten perjünlich zu erlangen jei.
Zudem begann man, allgemeine Neglements und Verordnungen
Das Berbältnis zwifchen König und Volt. 103
zu erlaffen, welche die Einführung einer größeren Ordnung
innerhalb der Verwaltung bezwedten ?).
Kur gegen Ende der Regierung Guftav Wajas gelangte
einmal die Unzufriedenheit mit den Beamten in einer Weije
zum Ausbruch, welche einigermaßen an die gleichzeitigen ge-
waltjamen Bauernbewegungen in Schweden erinnert. Zu Be—
ginn der fünfziger Jahre herrichte im Bezirk Tappvefi der
Provinz Wiborg große Unruhe unter der Bevölkerung, weil
die Vermehrung der Thinge von zwei auf vier eine erneute
Belaftung des gemeinen Mannes mit fich geführt hatte, und
weil man vermeinte, daß auch im übrigen der Steuerbetrag er:
böht worden jei. Schließlich wurden Deputierte zum König ge-
ihidt, um die Bejchwerden des gemeinen Mannes vorzubringen.
Bei der Rückkehr gaben fie vor, von dem Könige allerlei Ver—
Iprechungen erhalten zu haben. Einer von ihnen, Mäns Nyrhi,
nahm den Mund bejonders voll, juchte die übrigen Bauern
an der Erlegung der Steuern zu hindern, und wagte jogar, mit
der Streitart einen Mann zu bedrohen, der e8 thun wollte. Dies
veranlaßte den König, im Dezember 1552 an die Bevölkerung
von Yappvefi ein Schreiben zu enden, worin er warnend und
in jharfem Ton erklärte, daß eine Berminderung der Steuern
nicht in Frage fommen könne; vor allem aber jollten die
Bauern fünftig Maͤns Nyrhi und deſſen Anhänger nicht nur
nicht unterftügen, jondern vielmehr dabei behilflich fein, daß
diejelben bejtraft werden fünnten. Guſtav Finde und Heinrich
Klasion Horn wurden beauftragt, den Bauern dieſes fünigliche
Schreiben zur Kenntnis zu bringen und gleichzeitig eine Unter—
juchung anzuftellen. Sie beriefen das Wolf und verlajen den
Brief des Könige. Aber nun trat Mäns Nyrhi hervor und
protejtierte gegen das Schreiben, welches, wie er jagte, den
vom König ihm und jeinen Gefährten erteilten Gelöbnifjen
widerjtreite.e ine unrubige Bewegung entjtand unter ben
Beriammelten und, als Finde und Horn die Bauern fragten,
ob jie fich nach den Befehlen des Königs oder nach denen von
1) Bol. 3. B. die „Verordnung, nach welcher fi die Vögte richten
iollen“: Arwidsfon 1. c. IV, 99,
104 „Zweite Periode. Das Zeitalter Guſtav Wafas und feiner Söhne.
Mans Nyrhi richten wollten, antwortete einer der Geſchwore—
nen, Multiain, daß man jährlich nur zwei Thinge abhalten
wolle. Nunmehr galt es, durch energiiches Eingreifen einem
Auflauf zuvorzufommen. Die beiden Edelleute, welche als Ver—
treter des Königs fungierten, legten in der That große Geiſtes—
gegenwart an den Tag und ließen Nyrhi und Multiain ergreifen
ſowie unmittelbar darauf wegen ihres Verhaltens vor Gericht
jtellen. Nicht ohne Schwierigfeit ließen fich die Geichworenen
dazu bewegen, beide als Aufrührer zum Tode zu verurteilen.
Als das Urteil jofort vollitredt werden jollte, wollte das
Volt Nyrhi und Multiain mit Gewalt aus den Händen der
Knechte befreien, und erjt nach Vollziehbung der Hinrichtung
legte fich die Unruhe. Wie lebhafte Aufmerkiamfeit dieſe Sache
im Lande erregt hatte, geht daraus hervor, daß ſich Bauern
aus Jääskis, Savolafs und Tawaſtehus in Yappvefi eingefunden
hatten, um zu bören, wie das Thing ablaufen würde, damit fie
dann in ihrer Heimat auf Bewilligung derielben Freiheiten,
welhe die Bauern in Pappvefi etwa zu erlangen wermöchten,
Anspruch erbeben fünnten }).
Ein wichtiger Gegenftand für die Fürſorge Guſtav Waſas
war der Handel. Während zu Beginn jeiner Regierung die
Hanjeftädte einen übermächtigen Einfluß auf die Handels—
beziehungen des Neiches ausübten, bildete in jpäterer Zeit
die Ausjchließung der Hanje von dem Handel mit Schweden
einen der wichtigsten Faktoren in der inneren Bolitif des Königs.
Die jelbftverftändliche Folge hiervon war, daß dem blühenden
Handel Finnlands mit Reval, Riga und Danzig auf alle mög-
liche Weiſe entgegengearbeitet wurde. Schon 1526 wurden
Jachten ausgefandt, um finnische Seefahrer am Beſuche der
genannten Städte zu verhindern ?). Im folgenden Jahre wurde
jeglicher Handel mit Reval und Danzig verboten. Um den
lebhaften Handelsverfehr der Yandbevölferung mit Neval zu
bemmen, wurde auf Wunjch des Königs von Erich Fleming,
1) Arwibsfon ]. c. III, 175qg.
2) Arwidsſon J. e. IT, 161.
Der Handel und die Hanie. 105
vermutlich 1528, in der Nähe von NRajeborg die Stadt Efenäs
angelegt, welche der Bevölferung alle nötigen Waren ohne Ver-
mittelung von Reval zuführen follte Allein jo mächtig war
der Einfluß der letteren Stadt, daß der Handel von Efenäs
ganz und gar von ihr abhängig blieb. In den folgenden
Jahren, 3. B. 1539 und 1541, wurden die Verbote gegen den
Handel mit den Hanjeftäbten unabläffig wiederholt '). Am
deutlichiten werden die Ziele einer jolchen Handelspolitif in
einer am 1. Februar 1550 für Finnland erlaffenen „See-
fahrts- und Handelsordnung” angegeben ?). Als für Finnland
beionders wichtig wird dort unter anderm bezeichnet, daß ruſ—
ſiſche Waren nicht auf dem Umweg über Reval, ſondern
durch einen unmittelbar mit den Ruſſen jelbit einzuleitenden
Tauſchhandel angejchafft werden jollten; zu welchem Behufe die
Inſel Sandhamn an der nördlichen Küfte des Finniſchen Meer—
bujens (bei dem jetigen Helfingfors) bejonders geeignet wäre.
Auch in ipäteren Briefen wiederholt König Guſtav feine alte For—
derung, daß injonderbeit jeglicher Handel mit Reval aufs jorg-
fälttgjte vermieden werden müſſe. Aber dieje Schreiben zeigen
auch, daß die Verjuche, den Handel Finnlands mit den Hanje-
ftädten zu unterdrüden, an der Macht der alten Traditionen
und des natürlichen Handelsbedürfniſſes jcheiterten. Die eigenen
Vögte und Hauptleute König Guftavs waren jo wenig zu pflicht:
getreuer Aufrechterhaltung der Handelsverordnungen geneigt,
daß fie die legteren vielmehr unabläffig verletsten. Hier wie
ſonſt jtand Erich Fleming an der Spike der Geſetzesübertreter.
Trotz aller Vorwürfe und Warnungen fubr er unverbrofien
fort, mit Reval zu handeln, und die übrigen Adeligen und
Beamten folgten jeinem Beijpiel.
Der in der Handelsordnung berührte Plan, zur Gründung
einer Stadt zu schreiten, welche mit größerem Erfolg ale
Ekenäs mit Reval wetteifern und ein Hauptort für den be-
trächtlichen Handelsverfehr im Finniſchen Meerbujen werben
1) Arwidsfon ]. ec. VI, 201.
2) Arwidsſon ]. c. 1], 287.
106 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Waſas und jeiner Söhne.
fönnte, fand noch in bemjelben Jahre durch Gründung von
Helfingfors jeine Verwirklichung VBermutlid war man der
Anfiht, Sandhamn jei für eine Stadtgemeinde ein allzu
offener Plag, und wählte deshalb eine Stelle an der Mün—
dung des Vandafluſſes, wo noch heutzutage die jogenannte Alt-
ftadt liegt. Schon 1550 wird die neue Stadt mehrfach er-
wähnt, und gleichzeitig beginnt die Regierung, den Auffchwung
der neuen Anfiedelung durch Maßregeln zu fördern, die dafür
bezeichnend find, wie wenig man unter jenem patriarchalijchen
Regierungsipftem auf die Freiheit und das Selbitbeftimmungs-
recht von Privatperjonen Rücjicht nahm. Schon am 12. Juni
1550 befahl nämlich der König, daß die Bewohner von Raumo,
Ulfsby, Efenäs und Borgü nach Helfingfors überjiedeln jollten,
widrigenfall8 jie ald ungehorjame Unterthanen bejtraft werden
würden. Anjcheinend haben jedoch die Bürger der genannten
Städte zu der anbefohlenen Ülberfiedelung wenig Neigung ges
zeigt und nichts gethan, um der Aufforderung der Regierung
nachzufommen. König Guftav erneuerte deshalb wiederholentlich
jein Geheiß unter Androhung von Strafen für die Ungehor—
jamen. Unter jolchen Umftänden war ein weiterer Widerftand
unmöglich, und die Bürger der zum Tode verurteilten Städte
jiedelten in der That nach Heljingfors über. Auf dieſe Weiſe
erhielt die neue Stadt eine nach den damaligen Zeitverhält-
niffen nicht unbeträchtliche Bevölkerung. Gleihwohl wurde
Helfingfors nicht, wie der König wünjchte, ein Mittelpunkt
für den Handelsverkehr im Finniſchen Meerbuſen. Reval und
daneben Wiborg behielten ihre alte Stellung als Hauptorte des
Handels. Guſtav Waſa erkannte jelber bei einem Bejuche der
Stadt jeinen Irrtum und erteilte 1556 den Bürgern das
Recht, in ihre alten Wohnorte zurüczufehren, eine Erlaubnis,
von welcher die meisten jofort Gebrauch machten. Fortan war
Helfingfors ein unbedeutendes Städtchen, deſſen große Zukunft
als Hauptjtadt Finnlands niemand hätte vorausjehen können !).
1) F. Collan, Gamla Helsingfors, in: „Finlands allmänna tid-
ning“ (1850). — 8. Grotenfelt, Suomen kaupasta ja kaupungeista,
Helfingfors, Abo und Wiborg. 107
Aufs ftrengfte war es verboten, daß Privatperionen auf
dem Yande zum Nachteil der Städte und deren Bürger der
Landbevölferung Waren verkauften oder gegen Yandesprodufte
eintaujchten. Doch klagten die Städte unaufhörlich darüber,
daß ihre Privilegien in diejer Hinficht unberüdfichtigt blieben.
Der Küftenbevölferung und den „Vakkafinnen“ war es nicht
gejtattet, mit ihren Waren anderswohin ala nach Abo und Stod:
bolm zu jegeln. Indeſſen mußte auch ihnen der König, in
Abweichung von der allgemeinen Pegel, nicht jelten das Recht
zum Bejuche von Reval und Deutichland bewilligen.
Eine wichtige Aufgabe war die Konzentrierung des Han
dels an gewiffen Hauptpunften. Abo genoß diesbezüglich eine
privilegierte Stellung. Seit 1527 wurden Ulfsby und Raumo
zu jeinem Handelsrayon gerechnet. Beachtenswert ift ein An—
trag, welcher auf einer Verfammlung der finnischen Yandjtände
eingebracht wurde, die fich 1547 auf Befehl König Guſtavs
behufs Beratung über Mittel zur Förderung der finnijchen
Städte und Landorte verfammelt hatten. Man jchlug nämlich
vor, Abo jolle dadurch „verftärft“ werden, daß die Bewohner
von Raumo und Nädendal nach Abo überfiedelten. Der Vor—
jchlag gelangte nicht zur Ausführung, zeugt aber von dem
Neide, welcher zwijchen den Städten herrichte Im öftlichen
Finnland war und blieb Wiborg Mittelpunkt des Handels.
Die Yandftände behielten 1547 in ihrem Gutachten nicht min-
der die ntereffen von Wiborg als Diejenigen von Abo im
Auge, indem fie beantragten, daß die Bewohner von Borgä,
Ulfsby und Efenäs nach Wiborg überfiedeln follten. Doc
dürfte auch bierbei eine Ausführung des Vorjchlags nicht in
stage gekommen fein. Bejonders wohlwollend zeigte jich der
König gegen Wiborg, nachdem er fich bei einem Bejuch im
öftlihen Finnland von der hohen Bedeutung der Stadt als Sit
des Handels mit Rußland überzeugt hatte. Er erteilte den
Bürgern in den übrigen Städten des Reichs das echt, nach
p. 55894q. — Im Jahre 1558 wurde Ulfsby auf Befehl Herzog Johanns
an einen näher an der Mündung des Kumo befegenen Ort verlegt und
erhielt bei dieler Gelegenheit den Namen Björneborg.
108 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Wafas und feiner Söhne.
Wiborg zu jegeln jowie jih am dem dort mit den Ruſſen
Itattfindenden Handel zu beteiligen, und er ermahnte fie aufs
eifrigite, Schiffe zu diefem Behufe auszurüjten ?).
Als charakteriftiich für die landesväterliche Auffafjung des
Königs, betreffend die Handelspolitif, mag jchließlich eine „Ver—
ordnung über die Zufuhr für die finniſchen Städte“ vom
17. Juni 1558 erwähnt werden, worin der König unter an—
derm bejtimmt, daß die Bevölkerung der Provinzen Abo und
Kumogärd mit Abo, die der Provinzen Wiborg und Npjlott
mit Wiborg, die der Provinzen Tawaftehus, Borgä und Raſe—
borg mit Helfingfors Handelsverkehr unterhalten jollte. Auf
jolhe Weiſe glaubte man durch Verordnungen den freien Yauf
des Handels regeln zu können.
Eine eigentüimliche Stellung binfichtlich der Hanbelsverhält-
niſſe nahm Ofterbotten ein. An den alten Hauptbandelsplägen
hatte die Negierung Zolljtationen errichtet, wo der Handel
gegen eine bejtimmte Abgabe betrieben werden durfte, während
alfe übrigen Handelspläge für ungejeglich erflärt wurden.
Segen Ende der Regierung Guſtav Waſas waren, laut einer
alten Aufzeichnung, im nördlichen Ofterbotten Kemi, Ijo und
Ules, im ſüdlichen Ofterbotten Karlebv, Pedersöre und Wöri
ſolche gejegliche Häfen ?). Allein auch an anderen Pläten er-
ichienen jährlich Handelsleute, die für das Recht, eine „Bude“
zu eröffnen, eine gewiffe Abgabe an die Krone zahlten. Der
Handel wurde von Birkarliern oder von Kaufleuten aus Stod-
holm, Abo, Ulfsby, Raumo und mehreren ichwediichen Städten
betrieben; außerdem waren ruſſiſche Kaufleute Beſitzer zabl-
reiher Buden °). Ein bebeutender Warenaustaufch wurde
ichließlich durch herumziehende ruifische Karelier aus der Provinz
Kerholm vermittelt. Allerdings beflagte ſich Guſtav Waſa
häufig über den „Ruſſenhandel“ in Öfterbotten, allein infon-
jequent, wie ſtets im jolchen Fragen, zeigte er fich bei anderen
1) Brief des Königs vom 20. Dez. 1558: Arwidsſon J. c. IX, 326.
213.9. Tengftröm J. c., p. 189.
3) A. G. Fontell, En blick pä Österbottens tillständ är 1571
samt gränsfejden 1573—1585; im Kalender „Valan “ (1881), p. 28.
Öfterbotteng Handel. — Induftrie und Steuerweien Finnlands. 109
Gelegenheiten nicht abgeneigt, den ungejeglichen Handel fort:
bejtehen zu lajjen, wenn nur eine angemefjene Abgabe erlegt
wurde.
Über die industrielle Wirkſamkeit zur Zeit Guftav Wajas
tft wenig zu jagen. Es fehlte an Kapital wie an Handfertig-
fett. Das erjte Eiſenbergwerk wurde von Erich Fleming in
Djamo (Kirchipiel Yojo) angelegt. Der zwölfte Teil des ge-
wonnenen Erzes jollte, wie e8 in dem Briefe des Königs vom
5. September 1542 heißt, letzterem zufallen. Die Anlage von
Salpeterjiedereien erfolgte auf VBorjchlag des Hauptmanns auf
Nyſlott, Guſtav Finde.
Das Beſtreben, eine beſſere Ordnung zu ſchaffen und gleich—
zeitig die Einkünfte der Krone zu vermehren, macht ſich auch
bei den Maßnahmen Guſtav Waſas auf dem Gebiete des
Steuerweſens bemerkbar. Bereits 1538 ſchrieb der König an
die Bevölkerung der Provinz Kumogard, er habe die Vornahme
einer neuen, gerechteren Steuerveranlagung anbefohlen ’). Gleich-
lautende Botichaften ergingen an andere Provinzen, und 1540
erhielt Heinrich Klasjon Horn den Auftrag, die Hauptleitung
der neuen Steuertaration zu übernehmen; gleichzeitig jollte
eine Reduktion der Beſitztümer jtattfinden, die widervechtlich
der Krone entzogen und unter die Botmäßigfeit des Adels
gebracht worden waren ?). In der That wurde denn auch)
jest eine größere Ordnung im Nechenjchaftswejen eingeführt.
Hingegen konnte die beabjichtigte gleiche Verteilung der auf
dem Grundbeſitz ruhenden Laſten nicht durchgeführt werden.
Bon dem Befisrecht der Krone an dem Grund und Boden
des Neiches hatte Guftav Waja eine jehr weite Auffafjung.
Er glaubte, daß die Krone Eigentümerin der weiten, unbebauten
Yändereien im inneren Finnland, der jogenannten „Erämarken“,
jei. Wir erinnern uns, wie unficher die Eigentumsverhältnifie
in jenen Wildnifjen während des Mittelalters gewejen waren.
Die Krone hatte allgemeine Reglements und Verordnungen
1) Arwidsijon J. c. V, 371.
2) Arwibsfon 1. c. VI, 159. 191.
110 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Wafas und feiner Söhne.
erlajfen umd ſich dadurch das Verfügungsrecht über jene Ein-
öden angeeignet. Andrerjeits hatten jich indeſſen die Anfiedler
der bebauten Diftrifte daran gewöhnt, auf eigene Rechnung aus
der Jagd und dem Fiſchfang in den „Erämarfen“ Nuten zu
ziehen. Diejes zweifelhafte und unbeftimmte Recht wurde von
König Guftav nicht reipeftiert. Hier wie jonft mußten nach
jeiner Anficht die privaten Interejjen vor den Anforderungen
des allgemeinen Wohls in den Hintergrund treten. Unter
Leitung der Regierung jollte in diejen Gegenden, die noch von
den Renntierherden der Yappen durchitreift wurden, ein neues
Leben aufblühen.
Aus einem Briefe des Königs vom 6. Oftober 1551 läßt
jich erjehen ), daß in den tawaftländijchen Erämarken, welche
aus den weiten, noch heute dünn bevölferten Yändereien nörd—
lich von Jämſä beftanden, ſchon damals von Ofterbotten wie
von Tawaſtland aus der erjte Schritt zu einer feſten Kolont-
fatton gejchehen war, daß aber dabei ebenio gewaltiame Streitig-
feiten entjtanden waren, wie in der Mitte des 15. Jahrhun—
derts, al8 die Bewohner von Tawajtland und Savolafs wegen
des Befigrechts an der Wildnis zwijchen dem Saima und
Päijänne miteinander haderten. Die Folge hiervon war, daß
der größte Zeil des Gebiete8 den Streitenden weggenom-
men und Neuanſiedlern aus Savolafs übergeben wurbe. Der
König nämlich, welcher ſah, daß die Kolonijationsfrage eine
wenig günjtige Wendung zu nehmen begann, beauftragte den
früher erwähnten Guftav Finde mit der Leitung der Koloni—
jation. Diejer wandte ſich zuerft an die ihm am nächjten
jtehenden Savolafjer und fand fie zur Beſiedelung der tawaſt—
ländiſchen „Erämark“ bereit. Die Bewohner von Tawaftland
wurden zwar nicht volljtändig übergangen. Als aber 1552
und jpäter der Plan zur Ausführung gelangte, trugen die
Savolakſer einen enticheidenden Sieg davon. Mit Gewalt
jolfen jie die Bewohner von Tawaftland vertrieben haben, und
1) Guſtav Waſas Brief an Iſaak Nilsion Bankr. Arwidsion]. ce.
VIII, 93.
Die Kolonilation der Erämarten. 111
noch heute zeugen die Volksfitten wie der Diafeft davon, daß
die Hauptmafje der Bevölkerung aus Savolaks herſtammt.
Minder verlodend für Koloniften war die „Erämark“ von
Korsbolm, welche aus dem weiten Terrain beim 1lleäjee be-
ftand. Aber Hier erwies fich die Kolonifierung um jo nötiger,
als es galt, dem rujjiichen Einfluß entgegenzuwirfen ?). Finde,
dem auch hier die Yeitung anvertraut war, zeigte nicht geringeren
Eifer als in Tawaftland. Als die Savolafjer zögerten, weil
die Nachbarſchaft von Rußland bei ihnen Befürchtungen erregte,
begab er fich nach Ofterbotten, um den Bauern König Guſtavs
Plan mitzuteilen, und ermahnte fie, denjelben zu fördern. Ihnen
an erjter Stelle jollte Korsholms „Erämark“ offen ſtehen;
auch jollten ſie in den erjten drei Jahren nach erfolgter
Nieverlaffung Steuerfreiheit genießen. Durch diefe und andere
verlodende Beriprechungen wurden zahlreiche Bewohner Dfter:
bottens 1552 zur Anfiedelung in der Umgegend des Ulegäͤſees
veranlagt, und zu ihnen gejellten jich etwa 150 Savolafier.
Auch hier wurde die Eintracht durch Eigentumsftreitigfeiten
gejtört. So erbitterte Kämpfe wie in den tawaftländijchen „Erä—
marfen“ fcheinen indeffen nicht vorgefommen zu jein. Es
war fein glücliches Los, welches diejen Koloniften bevoritand.
Nachdem fie mehrere Jahre hindurch im Kampfe gegen eine
harte und färgliche Natur ein Leben voller Mühen und Ent-
bebrungen geführt, brach 1555 der jeit langem drohende Krieg
mit Rußland aus und bereitete den Grenzbewohnern mannig-
faltiges Unheil. Viele von den neu angelegten Höfen wurden
zerstört. Gleichwohl hatte die Kolonijation Beſtand; fie erhielt
1559 einen eigenen Baftor, und 1571 gab es dort bereits 184
Bauern ?).
Außerdem eriftierte im nördlichen Savolafs, in der heutigen
Provinz Kuopio, die nicht minder ausgedehnte „Erämark“ von
1) Aug. Ablgvift, Kalevalan karjalaisuus, p. 168q. (Helfingfors,
1887). — Unter dem Einfluß des auf einer Infel am ſüdweſtlichen Ufer
des Weißen Meeres 1429 gegründeten Kloſters Solowez begann bie griechiich-
orthobore Lehre in jener Gegend Wurzel zu fafjen.
2) 4. ©. Fontelll. c. p. 15.
112 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Wafas und feiner Söhne.
Nyſlott. Schon zu Beginn der vierziger Jahre hatte ein Vogt auf
Nyjlott, Klemet der Schreiber, Pläne zur Kolonijation diejes
Dijtrifts entworfen und durch Anlage eines Gehöfts in der
Wildnis den erjten Schritt dazu gethban. Später geriet die
Sache eine Zeit lang ins Stoden, wurde aber von Gujtav
Finde mit gewohnter Energie wieder aufgenommen. Gr be:
antragte nämlich, daß jenes Gehöft zu einem „Königshof“
erweitert und der ganze Bezirk in ein von Neuanjiedlern be-
völfertes Kirchipiel verwandelt würde y. Der König erteilte
jeine Genehmigung, und in den folgenden Jahren jchritt das
Unternehmen mit jchnellen Schritten vorwärts. Schon 1552
fonnte Finde mitteilen, daß das neue Kirchjpiel, welches den
Namen Zavijalmi erhielt, vollftändig organifiert und eine Kirche
dajelbjt erbaut worden je. — Bon geringerer Bedeutung war,
daß eine Wildnis, welche jeit den rujjischen Verheerungen in
den neunziger Jahren des 15. Jahrhunderts im Diftrikt
Ayräpaä erijtierte und den bezeichnenden Namen „riitamaa “
(„Zwiftmarf”) führte, durch Fünigliche Verordnung 1553 an
stoloniiten überlafjen wurde ?).
Gegen Ende der Kegierung Guftav Wajas wurde die An-
legung von Königs- oder Meierhöfen ein wichtiger Gegenjtand
für die Yürjorge des Könige. Der Hauptziel dabei war die
Förderung des Militärweſens. Auf diejen großen, der Krone
gehörigen Gehöften jollten nämlich Reiter und Pferde unter-
halten werden, welche jederzeit im Notfalle zum Kampf gegen
ben Feind ausrüden könnten. Vielleicht trug fich der König
auch mit dem Gedanken, daß fie als Miufterhöfe für die Heinen
Adersleute dienen jollten. In dem 1556 für die finnijchen
1) Arwidsfon 1. c. Il, 265.
2) Arwidsion |. c. Ill, 201. Weitere Aufihlüjfe über die Koloni-
jation der „Erämarlen“ wie über die Zuftände im Innern Finnlands zur
Zeit Guftav Wajas geben H. Gebhard, Savonlinnan läänin oloista
vuoteen 1571, in: „Bidrag till kännedom af Finlands natur och folk“,
utg. af Finska vetenskapssocieteten. XLIX, 1—115 (Helfingfors, 1890),
fowie 8. 9. Yallanen, Pohjois Hämeen erämaat asutns ja olot
vuoteen 1620 (Helfingfors, 1892).
Die Königshöfe. — Guſtav Wafa und Rußland. 118
Bögte erlafjenen Reglement finden ſich ausprüdliche Vorſchriften
darüber. In jedem Kirchipiel jollten die Vögte das beſte Gehöft
in einen „Königshof“ verwandeln; namentlich jolften lettere
in den Grenzlandichaften eingerichtet werden, wo eine ftehende
Kriegsmacht bejonders von nöten war !). Unabläffig fam ber
König auf diefe Angelegenheit zurüd. Binnen kurzem wurden
denn auch zahlreiche Meierhöfe angelegt, die unter der Ver—
waltung von föniglichen Vögten jtanden und eine Beſatzung
von 5 bis 10 Knechten unterhielten. Man erlaubte fich bei
diejer Gelegenheit noch größere Eingriffe in das private Eigen-
tumsrecht als bei den Kolonifationsunternehmungen. Bauern,
welche Gehöfte bejaßen, die zur Verwandlung in Meierhöfe
geeignet waren, wurden gezwungen, bdiejelben gegen geringen
Entgelt der Krone abzutreten, und ihre Beſchwerden waren in
den meiften Fällen vergeblihd. Der militärifhe Nuten der
Königshöfe blieb indeffen recht geringfügig Man fand bald
das Spftem ungeeignet und nahm nad dem Tode Guftav
Waſas ganz und gar Abftand davon.
3. Guſtav Wafa. Der Krieg mit Rußland.
Sobald als Guſtav Waja Finnland unter jeine Botmäßigfeit
gebracht hatte, juchte er fich der Abfichten des öftlichen Nach-
bars zu vergewiffern. Eine Gejandtichaft ging Ende 1523
nach Rußland und vereinbarte am 3. April 1524 einen Traltat,
welcher den 1510 auf 60 Jahre abgeſchloſſenen Waffenſtill—
ſtand beftätigte. Gleichzeitig wurde beftimmt, daß fich eine
ruffiſche Miffion zur Entgegennahme der Natififation des
Könige nah Stockholm begeben jolle. Anfang 1525 er-
jehienen in der That ruffiihe Gejandte in Finnland. Guftav
ſchrieb indefjen, daß jene in Finnland unter allerlei Borwänden
aufgehalten werben jollten, und als er jpäter den Befehl zu
ihrer „Überjendung“ nach Schweden erteilte, dürften fie bereits
1) Arwibsion 1. c. IV, 176.
Schybergſon, Geſchichte Finnlande. 8
114 Zweite Periode. Das Zeitalter Guſtav Waſas und feiner Söhne.
nach Rußland zurücgefehrt gewejen jein ). Inzwiſchen Hatte der
fühne Kriegshauptmann Severin Norby Unterhandlungen mit
Rußland angefnüpft. Diefelben beunrubigten Guftav Waja,
welcher nicht genau wußte, ob er auf die freundjchaftlichen
Gefühle des rufjishen Zaren Waffilij bauen fünne. Er be-
ichloß daher, durch eine neue Miſſion völlige Klarheit in
die Berhältniffe zu bringen. Erich Fleming, der damals
hoch in der Gunft des Königs ftand, erhielt den Auftrag,
dieje Gejandtichaft zu leiten. Im Sommer 1526 fam er
zum Zaren, welcher eine befriedigende Antwort erteilte. Im
nächften Jahre wurde beiderjeits der Friedensvertrag von 1524
ratifiziert, welchem zufolge die lange aufgejchobene Grenzregu—
lterung „je früher, dejto beſſer“ vor fich gehen jollte ?). Hier—
auf blieb die nachbarliche Eintracht ohne ernftlichere Störungen
bis zum Tode des Zaren (1533) bejtehen. Unter den erjten
Regierungsjahren jeines Nachfolgers Iwan IV. (1533—1584)
fanden von neuem Unterhandlungen jtatt, die 1537 zu
einem Bertrage führten, gemäß welchem 1547 eine Grenz-
regulierung auf Grund des Nöteborger Traftats vorgenommen
werden ſollte. Aber jchon damals begannen die Grenzverbält-
niffe immer mehr einen beunruhigenden Charakter anzunehmen.
Unaufbörlich begegnen ung Mitteilungen darüber, daß ruffiiche
Streifcorps auf das finnifche Gebiet übergingen und das—
jelbe mit rückſichtsloſer Wildheit verbeerten *). Auf finnijcher
Seite verfuhr man wahrjcheinlich nicht weniger gewaltjant.
War doch der Befehlshaber auf Schloß Wiborg, Nils Grabbe,
ein Mann mit eingewurzelten friegeriichen Gewohnheiten, ber
feine Beleidigung ungerächt ließ. Der König bielt ihn denn
auch jchlieglih an jeinem Plage für ungeeignet und übertrug
den Poften 1545 an Mäns Nilsſon und Guſtav Finde,
welche ausdrüdlih die Weifung empfingen, ſich mit der
1) Brief des Königs vom 11. Nov. 1525: „Gustaf I* registratur‘
V, 242.
2) Bol. ©. ©. Rydberg, Sverges traktater etc. IV, 74—89
(Stodholm, 1888).
3) Tegell. c. II, 199.
Die Grenze gegen Rußland. 115
„Nufjengejellichaft“ möglichjt wenig jchaffen zu machen; ein
Gebot, welches jpäter Häufig mit erneuter Kraft einge:
jhärft wurde. Auh Zar Iwan hegte die frieblichjten Ab-
jihten und verficherte wieder und wieder, daß er nichts
dem ‚Friedensvertrag zuwider thun wolle. Trotzdem jtieg die
Aufregung, weil die Grenze jo unbeftimmt war, daß ſich
Übertretungen auf beiden Seiten faum vermeiden ließen.
Unmittelbar beim Syſterbäck befand fich die früher genannte
„Zwijtmarf“, auf welche die Ruſſen Anjpruch erhoben. Weiter
gen Norden in Savolats hatten ſich finnische Koloniften
öftlih von der urjprünglichen Grenze niedergelafjen, und noch
unbejtimmter war die Grenzrichtung nördlid vom Suomen-
jelfü. Im jenen Wildnifjen trafen ſchwediſche und rujfijche
Unterthanen während der Jagd und des Fiſchfangs unauf-
börlih zujammen, wobei blutige Gewaltthaten jelten aus—
blieben. Die Hauptleute auf den Feſtungen Wiborg, Nyjlott,
Nöteborg und Kerholm ergriffen Hierbei für die Ihrigen Partei,
und auf jolche Weiſe nahmen die Konflikte, trog der Friedens—
ermabnungen Guſtav Wajas und Iwans IV., einen immer
größeren Umfang. Die Örenzregulierung, das einzige Mittel,
wodurd die Erregung hätte gejtillt werben können, wurde be—
ftändig aufgeichoben, und es läßt fich nicht leugnen, daß der
König, aus Furcht, er fünne der verlierende Zeil werden, recht
wenig Eifer zur Bejchleunigung der Örenzregulierung zeigte.
Da man num auch auf ruſſiſcher Seite diesbezüglich nicht jon-
derlich eifrig war, verfloß das Jahr 1547, ohne daß die Ver—
tragsbejtimmung von 1537 erfüllt worden wäre, und ein neuer
Termin im Jahre 1550 wurde ebenfalls verſäumt. Oft ge:
ſchah e8, daß, wenn jich ſchwediſche Bevollmächtigte an der
Grenze einfanden, die ruſſiſchen Sendboten, welche mit ihnen
zujammentreffen jollten, nicht erjchienen waren, und umgefehrt.
Die Yage war um jo bejorgniserregender, als ſich Finn—
lands Berteidigungsmweien in einem wenig befriedigenden Zuftand
befand. Die Hauptfeftung Wiborg war infolge der Nachläjjig-
feit der Befehlshaber in Verfall geraten. Der Adel war ın
der Erfüllung feiner militärischen Verpflichtungen jäumig, und
8*
116 „Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Waſas und jeiner Söhne.
Soldtruppen waren nur in geringer Anzahl in den bebauten
Gegenden einquartiert. Der gemeine Mann fonnte aller-
dings in der Stunde der Gefahr aufgeboten werden, war aber
unzuverläffig. Auf der Aboer Verfammlung (1547) wurden
einige Verbefferungen vorgejchlagen, wie 3. B., daß Wiborgs
Feftung umgebaut und mit tauglicher Artillerie, Munition und
Bejagung verjehen werden jollte. Allein die Berjammelten
mußten eingeftehen, daß man im Kriegsfalle dem Feind nicht
in offenem Felde Widerftand leiften fünne. Auch die in den
folgenden Jahren getroffenen Berteidigungsmaßregeln waren
feineswegs durchgreifender Art. Eine kleine Feſte, welche 1554
nabe der Grenze zu Kivinebb angelegt wurde, war eber darauf
berechnet, kleinere feindliche Scharen zurückzuweiſen, als größeren
Truppenmaſſen die Spige zu bieten.
Inzwijchen fteigerten jich die Gewaltthätigfeiten auf beiden
Seiten unabläjfig ). Im Sommer 1554 jandte der Nowgoroder
Statthalter Palegkij nach Wiborg einen Bevollmächtigten, Nifita
Kusmin, welcher von dort feine Reife nach Schweden fortjegen
jollte, um wegen Sicherung des Grenzfriedens zu unterhandeln.
Kurz darauf gingen viele Ruffen unter den üblichen Gewaltthaten
über die Grenze. Die Finnen, in der Meinung, daß diejer Einfall
auf Paletzkijs Geheiß geichehen ſei, rächten fich dafür durch einen
blutigen Streifzug auf ruſſiſches Gebiet unter Führung des
Vogtes Anders Nilsjon jowie durch Verhaftung Kusmins, den
man nunmehr für einen ruſſiſchen Spion anſah, worauf (Nov.
1554) der ruffiihe Bojar Iwan Borufffin an der Spite von
8000 Mann die „Zwijtmarf“ bejette. Dies waren die Vor—
boten zu den friegerijchen Greigniffen des nächſten Jahres.
Die Schuld an dem Friedensbruche trifft erfichtlich ſowohl die
rujfiichen wie die finniſchen Hauptleute in den Grenzprovinzen.
Die Gereiztheit, welche der Nowgoroder Statthalter Paletzkij
an den Tag legte, mag allerdings als die nächte Urfache des
Friedensbruches angejehen werden ; aber andrerjeits fünnen auch
1) M. Hongelin, Stridigheterna mellan Sverige och Ryssland
under Gustaf Is tid (Helfingfors, 1851).
Grenzunruben 1554 und 1555. 117
Anders Nilsjon und jeine Genofjen feineswegs von jeder Ver-
antwortung freigejprochen werden. In einem Briefe vom Mai
1555 verurteilte Guftav Waja das Verhalten Nilsjons mit
iharfen Worten ?): er wurde abgejegt und in Stodholm einem
Verhör unterworfen.
Eine Kriegserklärung war von feiner der beiden Geiten
erlajjen worden. Trotzdem begannen die militärifchen Ope—
rationen jhon Anfang 1555; und zwar zeigten fich die Ruffen,
wie gewöhnlich, als die unternehmungsluftigeren, während man
auf finnischer Seite eine defenfive Haltung beobachtete. Am
18. Januar 1555 unternahmen die Ruffen einen Streifzug
nach Finnland und drangen bis Wiborg vor, fanden jedoch
Dajelbjt nach mehreren mißlungenen Sturmverjuchen durch Ein-
bruch des Eiſes ein trauriges Ende. Gefahrdrohender er:
jchien ein zweiter Angriff am 11. März. An der Spike von
30000 Mann, die in vier Haufen geteilt waren, marjchierte
Iwan Bibifoff über die Grenze. Das Hauptheer zog raubend
und plündernd in die Gegend von Kivinebb, wo jedoch der
neue dortige Vogt, Jöns Mänsfon, mit einer geringen Truppen—
macht den Ruſſen kühn und glücklich Widerftand leiftete, jo
daß fie etwa 600 Mann verloren. Diejer Erfolg gegen einen
vielmals überlegenen Gegner ift die hervorragendſte Waffenthat,
deren Andenken die Gejchichte aus jenem Kriege bewahrt bat.
Im übrigen traf man weder in der Provinz Wiborg noch in
der Provinz Nyſlott energiiche VBerteidigungsanftalten, jo daß
der Feind wiederholentlich jeine Streifzüge zu erneuern ver-
mochte. In Öfterbotten währte noch eine Zeit lang der fried-
liche Handelsverfehr zwijchen Ruſſen und Finnen fort, aber
auch hier wurde die Ruhe im Sommer 1555 dur Einfälle
von rujfiicher Seite gejtört.
Die Kunde von diefen Vorgängen beunrubigte den alten
König tief. Binnen kurzem war fein Entſchluß gefaßt, fich
perfönlih nah Finnland zu begeben, um zu veranlafjen,
„daß der Landesteil Finnland einigermaßen befjer möge ver-
lı Arwidsion ]. c. VIII, 225.
118 Zweite Periode. Das Zeitalter Guſtav Waſas und feiner Söhne.
jorgt und verteidigt werden, als es bisher der Fall gewejen“.
In Begleitung feines jüngeren Sohnes Johann jegelte er Anfang
Auguft an der Spike einer großen, mit Mannjchaften und
Kriegsbebürfniffen verjehenen Flotte nach Finnland und landete
am 13. Auguft in Abo, wo er längere Zeit verweilte. Schon
früher war der tapfere Kriegsmann Jakob Bagge mit einer
Flotte und einer Heeresabteilung an die Mündung der Newa
behufs Refognoszierung auf feindlichem Gebiete gejandt worden,
und unmittelbar nach der Anfunft König Guftans in Abo traf
ein Sendbote Bagges, Dlof Skotte, mit verlodenden Nach:
richten ein, die den jonft jo vorfichtigen Monarchen veran-
laßten, Bagge den Befehl zu erteilen, er jolle möglichit bald
eine Expedition auf rujfiiches Gebiet behufs Eroberung von
Nöteborg, Kerholm und Koporie unternehmen jowie gleichzeitig
die Mündung der Newa blodiert halten’). Am 10. Sep:
tember brach Bagge mit der Flotte und einer Armee im der
Stärfe von etwa 4000 Mann von Wiborg auf. Die Flotte
ftand unter jeinem eigenen Kommando, während das Heer von
Männern befebligt wurde, welche fich jpäter einen glänzenden
Namen in der Striegsgeichichte Finnlands erworben baben:
Nils Boije von Gennäs, Heinrich Klasion Horn von Kankas
und Klas Kriftersion Horn von Aminne Cs fehlte mithin
nicht an tauglichen Anführern, aber im übrigen war die Ex—
pebition jchlecht ausgerüftet und die Mannjchaft wenig friegs-
gewohnt. Am 15. September gelangte das Heer nach Nöte-
borg und schlug zu Füßen des Schlofjes ein Yager auf,
während gleichzeitig die Flotte die Newa beraufiegeltee Da
jedoch alle Sturmverjuche mißlangen, Proviant auf längere
Zeit fehlte und die feindlichen Truppen vorwärts drangen,
beſchloß man jchließlih, ohne irgendwelchen Erfolg errungen
zu haben, in die Heimat zurüczufehren. Das Landheer jtieß
während des Rückzuges jechs Meilen von Nöteborg entjernt
auf eine ruffiiche Armee, welche fih auf 20000 Reiter md
ebenfo viel Fußvolf belaufen haben joll. Aber trotz der Über—
1) Erlaß vom 21. Auguft 1555: Arwidefon 1. c. III, 230.
Guſtav Wafa in Finnland und der Grenztrieg (1555). 119
macht des Feindes griffen ihm die Finnen gutes Mutes an,
jagten ihn in die Flucht und verfolgten ihn eine weite Strede.
Darauf wurde der Rückmarſch ungeftört nach Finnland fort-
geſetzt, wo das Heer gleichzeitig mit der nur mühſam geretteten
Flotte ankam ?).
In der nächjtfolgenden Zeit war der König eifrig bemüht,
die Verteidigungskraft Finnlands zu ftärfen, jo daß die an
der jüböftlihen Grenze verfammelte Truppenmacht jchließlich
6— 8000 Mann, darunter 6 Fahnen Reiterei, betrug. Gleich-
zeitig wurde der gemeine Mann zur Verteidigung des Vater:
landes aufgeboten. In ganz Finnland jollte in jedem Kirch-
jpiel eine bewaffnete Truppenabteilung mit Proviant für zwei
Monate aufgeftellt werden, und zwar jollten je vier Mann
einen fünften ftellen, die Adeligen, Geiftlichen, Yehnsmänner
und anderen Beamten hingegen jo viele Reiter ausrüften,
wie ein jeder nach äußerftem Bermögen aufbringen Fönnte.
Bon den Bewohnern der Provinzen Wiborg und Nyſlott wur-
den noch größere Opfer verlangt; jie jollten bereit jein, jofort
auf die erjte Aufforderung bin Mann für Mann gegen den
Feind zu ziehen ?).
Der König machte indejfen bald die Erfahrung, daß jene
Maßregeln noch nicht genügten, um dem Angriff des Feindes
die Spige bieten oder das Yand gegen DVerheerungen ſchützen
zu fönnen. Ende 1555 wurden nämlich bei Nowgorod be-
trächtliche Streitkräfte zujammengezogen, die unter Anführung
der Fürſten Schtjenjatjew und Palegfij in Finnland einfielen.
Man war nicht darauf vorbereitet, fich mit einem jo jtarken
Gegner (50000 Mann nebjt 15 Kanonen) zu mefjen. Die
Schanze von Kivinebb fiel in die Hände der Ruſſen, die bier:
auf, ohne ernjtlichen Widerftand zu finden, unter den üb—
lihen Verwüſtungen bis nah Wiborg vorrücdten und am
22. Januar 1556 die Beichießung eröffneten. Zwar erlitten
1) Tegel l. e. DJ, 318sgqg.
2) Offener Brief Guſtav Wafas vom 20. Nov. 1555 an die Bewohner
der Provinzen Abo, Kumogard, Tawaftebus, Nafeborg, Borga und Wis
Cora: Arwidsion ]. ec. VIII, 315.
120 Zweite Periode. Das Zeitalter Guſtav Wajas und feiner Söhne.
die Mauern dadurch feinen Schaden, aber da fich die ganze
Umgebung in Feindeshänden befand und die Ruſſen ihre
Streifzüge bis zu den Gewäfjern des Saima ausdehnten, jo
war die Lage ded Ortes, wo Mäns Jönsſon Natt och Dag
und Göran Gyllenſtjerna das Kommando führten, ſehr be-
drohlich. Aber jett, wie zur Zeit Knut Pofjes, war es, als
ob eine unfichtbare Macht über Finnlands Geſchick gewacht und
das Yand gejchügt hätte. Denn jchon am 24. Januar nahmen
die Gegner von der Belagerung Abjtand und machten fich
ganz plöglich auf den Rüdzug nach Rußland. Während des-
jelben wurden die Diftrikte Finnlands wiederum jchonungslos
geplündert !). Faſt gleichzeitig war eine ruſſiſche Abteilung in
das Rirchipiel Tavifalmi eingerüct, wo ebenfall8 einige Dörfer
angezündet und verwüſtet wurden ?).
Bereit8 Ende 1555 hatte Zar Iwan König Guftan eine
Zufammenfunft am Spfterbäd bebufs Schlichtung aller ftrei-
tigen Punkte vorgefchlagen. Doc hatte Guftav diejen Vor:
ihlag zurüdgewiejen, weil er in übermütiger und fränfender
Form gejchehen war. Im Februar 1556 wurden nun neue
Sriedensvorjchläge von dem ruſſiſchen Statthalter in Now-
gorod, Michael Glinskoj, gemacht ’). Diesmal fonnte man
infolge der ernten Lage das Friedensangebot faum ablehnen,
und demgemäß jchrieb Guſtav Waja an die Befehlshaber des
bei Wiborg ftehenden Heeres, er ſei nicht abgeneigt, die Sache
zum Vergleich fommen zu lajjen, wofern nur die Grenzen un:
verändert blieben. Gleichzeitig Außerte er den Wunſch, der
Waffenftillftand möge ſofort abgejchloffen werden, damit die
Veindfeligfeiten ein Ende fänden t).
Die erfte Wirkung diejer Erklärungen war, daß die Kämpfe
Ihon im März aufbörten, und daß den beiderjeitigen Grenz—
bewohnern die Vornahme von Plünderungszügen in den beider:
1) Atiander l. c., p. 191.
2) Thure Belle und Guftav Finde an den König, 23. Januar 1556:
Arwidsfon l. c. IV, 9.
3) Arwidsion 1. c. IV, 130.
4) Brief vom 14. März 1556: Arwidsſon I. ce. IV, 146.
Der Friede mit Rußland. 121
jeitigen Gebieten unterjfagt wurde. Auch jchritt man zur An-
ordnung von Grenzzujammenfünften, um in einzelnen Streit:
punkten einen DBergleich zumwege zu bringen und einen dauer:
haften Waffenſtillſtand feftzufegen. Am 27. September traten
Vertreter der Provinzen Nyſlott und Kerholm zufammen,
und am 15. Oktober wurde in Alakylä beim Spiterbäd ein
Grenzfriede zwijchen den Bewohnern der Provinzen Nöteborg
und Wiborg geichloffen. Gleichzeitig wurden bie eigentlichen
Sriedensunterhandlungen eröffnet. Der Prediger in Abo, Knut
Johansſon, wurde Yuli 1556 mit PBräliminärvorichlägen zum
Zaren geſchickt und fehrte mit einer Antwort zurüd, die, ob-
wohl in dem üblichen übermütigen Tone gehalten, zur Fort:
ſetzung der Unterhandlungen einlud. ine neue Gejandtichaft
ging nah Rußland und vereinbarte in Moskau im März
1557 einen vierzigjährigen Frieden, welcher 1558 in Stock—
holm ratifiziert wurde. Die Grenzen blieben die alten, und
trog der von den Ruſſen fortgejegt erhobenen Einwände be-
bielt Schweden die ftreitigen Gebiete !).
König Guftav hatte fih Anfang März 1557, vermutlich
zu jeiner eigenen Sicherheit, nach Aland begeben, wo er etwa
zwei Monate auf Schloß Kaftelholm verbrachte. Nachdem er
darauf das füdmeftliche Finnland bejucht Hatte, verließ er am
1. Juli 1557 dieſes Yand, welches er nie wiederjehen jollte. Seine
Anwejenbeit in Finnland war eifrig der Förderung des Yandes-
wohlftandes gewidmet. Wir bejigen von ihm aus den Jahren
1555— 1557 zahlreiche Schreiben, welche die Pflege des Ader-
baus, des Handels und der Induftrie betreffen jowie eine Ein-
ſchränkung des Übermuts und des ungefeglichen Vorgehens
der Beamten bezweden. Am intereffanteften ift der Brief vom
27. Juni 1556, fraft deijen der König dem Herzog Johann
jowie den männlichen Erben desjelben Abo, Kumogird nebit
Nerpes jowie Aland zu Lehen gab. Dieſe Diftrikte jollten je-
1) O. ©. Rydberg 1. c. IV, 306—312. — Bgl. aud) I. Fors-
man, Ruotsin ja Venäjän väliset suhteet 1497—1560, p. 143 (Hel-
fingfors, 1895).
122 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Wafas und jeiner Söhne.
doch auf feinerlei Weiſe vom Reiche Schweden abgejondert
werben, jondern letterem nach wie vor inforporiert bleiben;
weshalb Johann auch verpflichtet fein jollte, bei einem Thron
wechjel dem neuen König den Eid der Treue zu leiten ſowie
mit Rat und That beizutragen, daß von dem Neiche Schaden
und Verderben abgewehrt würde. Zu den Gründen, welche
den König zu einer ſolchen Maßregel bewogen, gehörte nament:
ih auch, daß nach feiner Meinung Finnland allzu jehr entfernt
war, al® daß die Yeitung des Yandes von Stodholm aus mit
Energie hätte überwacht werden fünnen. Er wollte deshalb einen
bejonderen Regenten für das Yand einjegen, und jo erhielt denn
Johann mit fast föniglicher Autorität die Aufficht über die Re—
gierung des gejamten Yanbes, und zwar auch außerhalb ber
Grenzen jeines Herzogtums In einem offenen Briefe vom
29. Juni 1556 erflärt Guſtav, er babe während jeines
Aufenthalts in Finnland gefunden, daß jeinen armen Unterthanen
dajelbjt oft Unrecht und Gewalt zugefügt worden jet, weil er
weder perjönlich habe anweſend jein können noch eine geeignete
Perion beſeſſen babe, die den Befehl über ganz Finnland führen
fünnte. Damit e8 nun aber jemand gäbe, zu dem Finnlands
Bewohner in ihren berechtigten Angelegenheiten ihre Zuflucht
nehmen und bei welchem jie erforderlichen Falls Nat, Hilfe
und Beiltand juchen fönnten, jo habe er jenen Sobn Johann
beordert, die Oberaufficht über ganz Finnland zu führen,
und ihn ermächtigt, im Namen des Königs zu berrichen umd
zu befehlen, zu verbieten und zu gewähren, al® ob letterer
perjönlich zugegen jet. An demjelben Tage wurde Herzog
Johann beauftragt, mit föniglicher Gewalt über das in Finn—
land stehende Kriegsvolk zu berrichen und zu gebieten ’). Im
folgenden Sabre erfuhr jein Yehen durch Hinzufügung der Pro-
vinz Nafeborg eine weitere Vermehrung. Gleichwohl börte
Guſtav nicht auf, perjönlih in die Negierung Finnlands ein:
zugreifen. Nach wie vor jandte er unaufhörlih an Herzog
Johann, die Hauptleute und andere Beamte des Yandes Briefe,
1) Vgl. Arwidsion J. c. IV, 233 gg.
Guſtav Waſa und fein Sobn Herzog Johann. 123
in denen er, wie früher, die größten wie die kleinſten Dinge
entſchied. Herzog Johann ſeinerſeits war gleichfalls nicht un—
thätig. Er beſuchte fleißig verſchiedene Landesteile, doch übte
er zu Lebzeiten des Vaters keinen durchgreifenden Einfluß aus.
Gebeugt durch die Bürde der Jahre ſtand König Guſtav
am Ende ſeiner Lebenslaufbahn. Noch einmal berief er die
Reichsſtände, welche ſich im Juni 1660 zu Stockholm in großer
Zahl einfanden, unter ihnen viele Vertreter des finniſchen
Adels. Wenige Monate ſpäter, am 29. September 1560,
ſtarb er. In Finnland wie in Schweden wird ſein Name für
alle Zeiten mit Ehrfurcht genannt werden.
4. Erich XIV. und Iohann III.)
Schon zu Lebzeiten des Vaters dürfte Herzog Johann der
Gedanke, daß das Herzogtum Finnland in ein ſelbſtändiges
Fürſtentum verwandelt werden müſſe, nicht fremd geweſen ſein.
Demgemäß war denn auch der Treueid, den ihm einige der
vornehmſten Mitglieder des finniſchen Adels leiſteten, in ſo
ſchwebenden Ausdrücken abgefaßt, daß ſogar ein bewaffneter
Widerſtand gegen den Herrſcher des Reiches darunter einbe—
griffen ſein fonnte ?). Bereits dieſes deutet auf weitumfaſſende,
ehrgeizige Pläne hin, welche ohne Zweifel von der nächſten
Umgebung des jungen Fürſten noch geichürt wurden.
1) Gedrudte Quellen und Nahfchlagewerte zur Geſchichte Finnlands
während ber Regierung Eribs XIV. und Sobanns III: 4. 3. Arwids—
fon, Handlingar ete., Bd. X (Stodholm, 1857); 9. &. Portban,
Chronicon episcoporum Finlandensium ete., Opera selecta, Bd. II (Hel-
fingfors, 1862); K. A. Bomansſon, Hertig Johan och hans tid (Helfing-
fors, 1862); W. Tavaftitjerna, Lisätietoja Suomen sotahistoriaan
Juhana III» hallituksen alkuvuosilta (Helfingfors, 1875); S. Elmgrens
Biograpbieen über Paul Junften und Eric Eritsion, in: „Finlands
minnesvärda män I, 325—362, IT, 1—50; EI. Annerjtedbt, Grund-
läggningen af det svenska väldet i Liffland ären 1558—1563 (llpfala,
1868); — Regiftratur Johanns III im Schwed. Reihsardiv zu Stodbolnt.
2 KA Bomansion l.c,p. 9.
124 Zmeite Periode. Das Zeitalter Guſtav Waſas und feiner Söhne.
Bon den einheimifchen Ratgebern des Herzogs war Klas
Kriftersfon Horn der hervorragendſte. Er war etiva 1517
auf dem Schlofje Abo geboren, wo fein Vater, Chrijter Klasſon
Horn von Aminne, al8 Vogt fungierte. Während der Kriege
in Finnland nahm er als Artillerie-Feldoberſt an der Vertei—
digung von Wiborg wirfjamen Anteil. Im Sabre 1557 er-
hielt er das Statthalteramt über Wiborgs Schloß und Provinz.
Unter den Mitglievern des finnifchen Adels nahm er eine
glänzende Stelle ein, jowohl vermöge feiner Tapferkeit und Ein-
ficht, wie vermöge der Charafterfeftigfeit, die er unter wechjel-
vollen Verhältniffen an den Tag legte. — Auch jein Oheim
Heinrih Klasjon Horn von Kankas hatte während der Regie-
rung Guſtav Waſas eine bedeutende Stellung errungen. Seit
1549 war er Oberlandrichter in Sübdfinnland. — Mit ihm
wetteiferte an Anfehen Hermann PBedersjon Fleming von Villnäs
und Lehtis !), welcher jchon 1556 in des Herzogs Dienft
trat, ihn aber ebenjo, wie Heinrich Horn es that, verließ, als
ein Konflift zwifchen dem Herzog und König Erich bevor-
jtand.
Es währte nämlich nicht lange, bis die Eiferjucht zwijchen
beiden Brüdern in offenem Zwift zum Ausbruch gelangte.
Mit Bedauern fahen Iohann und deſſen vertraute Natgeber
König Erih in Livland feiten Fuß faffen, wo fie jelbjt Er—
oberungen zu machen gehofft hatten. So fam es denn jchließ-
lich dahin, daß der Herzog den bevenflichen Entſchluß faßte,
jih mit Polen, deſſen Stellung zu Schweden tagtäglich feind-
jeliger wurde, zu verbünden, indem er um die Hand ber
Prinzeffin Katharina Iagellonica, der Schwefter des polnijchen
Königs Sigismund Auguft, anhielt, obwohl König Erich jeine
Unzufriedenheit über den polnischen Heiratsplan immer ener—
giſcher äußerte und jchließlich denfelben verbot. Nach der An—
funft Johanns in Wilna wurde troßdem der Heiratsfontraft
unterzeichnet und am 4. Oftober 1562 die Hochzeit gefeiert.
1) Hermann Fleming gebörte zu einem jüngeren Zweige des Fleming
ſchen Geſchlechts.
Herzog Johann und Polen. 1%
Als Yeibgedinge für jeine Gemahlin beftimmte der Herzog Aland
nebft dem Schloſſe Kaftelholm, die Stadt Raumo jowie die
Kirchipiele Yetala und Lappo. Wichtiger war, daß der Lieb—
lingsplan Johanns, in den Beſitz Iivländifcher Diftrikte zu
gelangen, nunmehr verwirklicht wurde. Er lieh nämlich Sigis—
mund Auguft eine Summe von 12000 Thalern und erhielt
dafiir fieben livländiſche Schlöffer zum Pfande, welche zwijchen
den ron den Polen und Schweden occupierten Gebieten lagen,
und die Johann bis zur Wiedererftattung der ganzen Summe
behalten jollte, wofern fie nicht innerhalb acht Jahren ein-
gelöft wären. Auf ſolche Weije wollte ſich der Herzog, nach—
dem die Feindjeligfeiten zwijchen Schweden und Polen bereits
begonnen hatten, als neutrale Macht zwijchen die Kämpfer
werfen, eine Stellung, die fi um jo weniger haltbar erwies,
als er durch das Band der Unterthanentreue mit einem biejer
beiden Kämpfer verbunden war. Schon das Geldvarlehen an
Polen bildete eine an ein Verbrechen grenzende Handlungs—
weiſe und wurde als jolche denn auch von König Erich be-
trachtet.
Die Neuvermählten kehrten auf dem Landweg über Riga
und Reval nach Finnland zurüd. Über das Yeben, welches
in der nun folgenden Zeit auf dem Schloſſe Abo geführt
wurde, bejigen wir nur dürftige Nachrichten, welche indejjen
erfennen laffen, daß man am herzoglichen Hofe einen fürft-
lichen Prunk und Staat entjaltete ). Während jich aber
der Herzog und jeine Gemahlin ihres jungen Cheglüds er-
freuten, zog von Schweden ber ein drohendes Unwetter herauf.
Schon Anfang 1563 forderte König Erich ausdrücklich, der
Herzog jolle auf die livländiſchen Schlöffer Verzicht leiſten
und bejtimmt erklären, ob er zu Polen oder zu Schweden
halten wolle. Der Herzog erwiderte, er jei nicht geneigt, auf
die Schlöffer zu verzichten, die er zum Pfand erhalten; übri-
gens könne er die Urſache von Erichs Argwohn nicht begreifen,
da er ja jederzeit gegen König und Reich Treue bewiejen ?).
1) ®gl. $ant, De luxu Johannis ducis Finlandiae (Upiala, 1797).
2) €. Annerftebt, Grundläggningen etc., p. W.
UNIVERSITY .
., Or Ä
each, 'FORNI\E
— — —
126 Zweite Beriode. Das Zeitalter Guftav Waſas und feiner Söhne.
In dieſem bitteren Ton wurde der Briefwechjel fortgeführt,
bis ein Ereignis eintrat, welches den Streit zum offenen Aus—
bruch brachte. Einer der früheren Diener Herzog Johanns,
der finnijche Edelmann Johann Bertilsjon, trat nämlich Früh—
jahr 1563 in Upland auf, äußerte fich in verächtlichen Worten
über König Erich und machte dunkle Andeutungen, daß jeın
Herr ſich bis zur nächſten Michaelimejje der Regierung be-
mächtigen werde. Er wurde gefangen genommen und der
Zortur unterworfen, worauf er befannte, daß er vom Herzog
ausgejandt jei, um einen Aufruhr gegen den König anzuitellen.
Nunmehr jehritt Erich zu energiihen Maßregeln gegen den
Bruder. In einem Schreiben vom 23. April 1563 forderte
er Johann auf, fich innerhalb drei Wochen in Stodholm zu
verantworten. leichzeitig erging an die Stände der Befehl,
jih am 1. Juni in der Hauptſtadt des Reiches einzufinden.
Was Finnland betraf, jo jehrieb der König vor, daß die Vögte
im Fürſtentum wie in den übrigen dortigen Provinzen je drei
billig dentende Bauern „ernennen“ jollten, welche fich nebſt
vier Geiftlichen aus jedem Diftrift und zwei angejehenen Bür-
gern aus jeder Kaufftadt nach Stodholm begeben jollten. Im
einem Brief an den Statthalter in Wiborg, Jakob Hen-
riksſon Häjtesfo, Klagte der König ferner über die Anjchläge
jeined Bruders und ermahnte zur Wachjamteit gegenüber dem-
jelben. Endlich jandte er zwei zuverläjjige Männer, rich
Guftafsjon Stenbod und Iwar Mänsjon Stjerntors, nad
Finnland, um dort jeine Intereffen zu vertreten. Jene bemäch—
tigten jich zweier vertrauten Ratgeber des Herzogs, welche
nach ihrer Überführung nah Stodholm gegen ihren Herrn
zu zeugen genötigt wurden.
Jet erjt wurde es Johann Kar, in einer wie mißlichen
Yage er fi befand. Er hatte auf feines Bruders Langmut
und auf feine mächtigen Verbindungen im In- und Auslande
gebaut, aber plötzlich merfte er, daß er einjam der ganzen
Macht des Reichs gegenüberftand. Er berief jeine Rat—
geber, unter ihnen Heinrich Klasjon Horn und Hermann
Fleming; allein auch fie hielten die Lage für verzweifelt.
König Erih XIV. und Herzog Iobann. 127
Der erjtere befürmwortete eine Flucht Johanns und jeiner Ge-
mahlin nah Danzig ')., Der Herzog ging auf diejen Nat je-
doch nicht ein, jondern zog es vor, mit gewaffneter Hand König
Erih die Spige zu bieten. Aber hierbei wollten die finnijchen
Ratgeber, jo feierlich fie auch ihre früher dem Herzog ge-
leifteten Treueide erneuert hatten ?), dieſem nicht zur Seite
jtehen, jondern fie wandten ſich nach Schweden, wo fie jpäter, auf
dem Stodholmer Reichstage, jogar gegen ihren Herrn aus—
jagten. Ihrem Beijpiel folgten fajt alle Mitglieder des höheren
finniichen Adels, welche jich ehedem Johann angejchloffen hatten.
Am 7. Duni erklärten die in Stodholm verjammelten
Stände, Iohann habe „Yeben, Gut und Erbrecht“ vermwirft.
Allerdings wurde ihm nod Gelegenheit geboten, ſich mit dem
König auszujöhnen. Zwei Sendboten, Hogenjtild Bjelke und
Dlof Henritsjon, kamen nämlich nach Finnland, um im Namen
des Königs dem Herzog einen Vergleich anzubieten, wojern er
ſich fünftig nicht mehr mit den allgemeinen Neichsangelegen-
heiten befaſſen, nicht ohne Einwilligung Erichs jein Fürftentum
verlajien, auf das Recht freier Münzprägung verzichten wolle
und bdergleihen mehr. Da indejjen nicht anzunehmen war,
daß jih Johann in jo demütigende Beitimmungen fügen würde,
jo erging am 13. Juni ein Befehl an die Bewohner des
Herzogtums, am Kampfe gegen den Herzog teilzunehmen,
welcher nicht nur Finnland vom Reiche habe loslöjen, jon-
dern auch Erich der königlichen Würde entkleiden wollen. Schliep-
ih nahm der König diejenigen Finnen aus dem Herzogtum,
welche den Reichstag bejucht hatten, gegenüber einer vonjeiten
des Herzogs möglichen Rache in jeinen bejonderen Schuß ?).
Die gleichzeitig nach Finnland entjandte Truppenmacht belief jich
auf etwa 1000 Reiter und 9000 Mann Fußvolf unter dem Befehl
von Heinr. Klasjon Horn, Herm. Fleming, Iwar Mängjon
1) $ryrell, Handlingar rörande Sveriges historia III, 24 (Stod:
bolm, 1839).
2) Erflärung Heinr. Klasions vom 6. Juni 1562: Bomansjon,
Hertig Johan etc., p. 10.
3) Arwidsſon J. c. X, Tösgg.
128 Zweite Periode. Das Zeitalter Gnitav Wajas und feiner Söhne.
(Stjerntors), Klas Eritsjon Fleming jowie anderen Edelleuten,
die vordem größtenteild in des Herzogs Dienſten gejtanden.
MWenngleih Johann jeine Unterwerfung unter die leßten
Bedingungen Erichs ftolzen Sinnes verweigerte, jo fonnte er
fich doch nicht verhehlen, daß die Kriegsmacht, über welche er
verfügte, der des Bruders nicht zu widerftehen vermochte. Er
wandte jich daher an die Gejamtheit der Bevölkerung in feinem
Fürftentum und begehrte ihren energijchen Beijtand, indem er
das Volk zur Zeit der Heinrichsmefje nach Abo berief und in
einer Rede den Verſammelten Harzumachen juchte, daß er jelbit
alles gethan habe, um die Eintracht mit dem Bruder aufrecht-
zuerhalten. Als er jchlieglich fragte, ob ihm die VBerjammelten
beiftehen wollten, da der König ihm jo viel Unrecht zugefügt
babe, antworteten jie mit ja, jchwuren ihm einen Eid und
„bejiegelten“ denjelben '). Daß fih Johann joldhergeftalt an
das Volk wandte, zeigt, daß er das Vertrauen besjelben zu
bejigen glaubte, und in der That ift es wahrjcheinlich, daß
jih der junge Fürft dur Milde und Freigebigkeit Sympa—
thieen erworben hatte. Aber nur zu bald ftellte es fich her—
aus, daß die Gefühle des Volkes ein allzu loderer Boden waren,
als daß irgendetwas von Beitand darauf hätte erbaut werben
fünnen.
Die Truppen des Königs zogen ſich nämlich bereits bei
Abo zujammen, deffen Belagerung Anfang Juli begann. Der
Herzog, welcher weder aus Polen noch anderswoher auf Ent-
ja hoffen konnte, ſah ſich bei der Verteidigung ausjchließlich
auf die Schloßbejagung angewiejen, welche etwas über 1000
Mann betrug, zumeiit Schweden und Finnen, aber auch eine An-
zahl Deutiche und Polen. Es gelang Johann, einen Sturmverfuch
abzujchlagen, und wahrjcheinlich würde die Belagerung geraume
Zeit erfordert haben, wäre nicht unter der Bejagung eine
Meuterei entjtanden. Die jchwediichen Soldaten äußerten laut,
der Herzog jet, wie jie jelbt, ein Unterthan des Königs. Sie
1) Magn. Sveberus, Stockholms magasin III, 31—37 (Stod-
bolm, 1781).
Johann gefangen (1563) und König (1568). 129
drohten, den Herzog nebjt jeiner Gemahlin an Erich ausliefern
zu wollen, und flüchteten zahlreich ins fünigliche Yager. Da
die Yage auf jolche Weije mit jevem Tage verzweifelter wurde,
fapitulierte Johann jchlieglih am 12. Auguft 1563.
Im Jahre 1567 erhielt Herzog Johann, der jeit 1563
auf Schloß Gripsholm in Schweden das traurige Los eines
Gefangenen geführt hatte, jeine Freiheit wieder. Gleichwohl
war er jeined Yebens nicht jicher, da der Verfolgungswahnjinn
König Erichs, defjen bedauernswerte Opfer jchon 1567 einige
Mitglieder des hochangejehenen Gejchlechts der Sture geworden
waren, im Frühjahr 1568 zu erneutem Ausbruch gelangte.
Unter jolchen Umſtänden reifte bei dem Herzog und feinem
jüngeren Bruder Karl der Entjichluß, an der Spike des höchſt
unzufrtedenen Adels eine Erhebung gegen Erich ins Werk zu
jegen. Die Verſchwörung gelang, und am 29. September 1568,
wenige Wochen nach der Vermählung des Königs mit der
Korporalstochter Katharina Miänsdotter, fiel legterer im die
Hände der Brüder.
Als der Aufruhr ausbrach, hatte Erich jeinen Kriegshaupt-
mann Iwar Mänsſon Stjernfors nah Finnland geſchickt, um
Hilfe zu ſchaffen; dieſer erflärte fich aber, da er ſah, daß
Erihs Stern im Niedergange begriffen jei, zugunften Johanns
und brachte Schloß Abo in die Hände desjelben. Neben ihm
erhielt Hans Yarsjon Björnram den Oberbefehl im Yande.
Der einzige finniiche Edelmann, gegen den Johann jeit alter
Zeit Groll gehegt zu haben jcheint, und dejjen Widerjtand
er befürchtete, war der hochverdiente Befehlshaber in Ejthland,
Heinrich Klasjon Horn. Demgemäß befahl er denn auch, daß
die nächiten Anverwandten Horns in Finnland gefangen ge-
nommen und als Unterpfand für jeine Treue bewacht werden
jollten. Gleichzeitig wurde Heinrich Klasſon anbefohlen, jich
niemals ohne bejonderen Befehl vor den Augen des Könige
bliden zu laſſen und fich bis auf weiteres auf jeinen finniſchen
Gütern aufzuhalten. König Johanns Befürchtungen waren
jedoch wenig begründet; denn Heinrich Klasſon lieferte, ohne
Schobergſon, Geſchichte Finnlande. 9
130 „Zweite Periode. Das Zeitalter Guſtav Waias und jeiner Söbne.
Schwierigfeiten zu machen, die ſchwediſchen Befigungen in Ejth-
land und Livland an die Bevollmächtigten Johanns aus !).
Das Schidjal König Erich, welcher am 25. Januar 1569
auf dem Stodholmer Reichstage für abgeſetzt erflärt wurde,
war tief traurig. Nach einer harten Gefangenjchaft in Stod-
bolm wurde er im Juli 1570 nach Finnland gebracht, wo er
zunächft auf Schloß Abo, jeit 1571 auf Kaftelholm als Ge-
fangener weilte. Da wiederholentlich Verſchwörungen zu jeinen
Gunften entdeckt wurden, brachte man ihn jchließlich nach Schwe-
den zurüd. Am 26. Februar 1577 ftarb er auf Schloß Orbyhus
in Upland, vermutlich durch Gift, welches ihm König Johann
hatte beibringen laffen. Seine Tochter Sigrid vermählte jich
jpäter mit einem der vornehmiten finntjchen Edelleute, dem Ober-
landrichter im nordfinnifchen Gerichtsiprengel, Heinr. Klasſon
Tott. Die verwitwete Königin Katharina erhielt von Johann
bedeutende Leben, u. a. den Königshof Liukſiala im Kirchipiel
Kangajala mit 26 dazu gehörigen Gehöften.
Finnland war unter Erich in derjelben Weije verwaltet
worden, wie unter der Regierung jeines Vaters. Im den
erjten Jahren jtand Guftav Finde an der Spike der Yandes-
regierung. Im den Jahren 1564 und 1565 fungierte Jakob
Henriksjon Häſtesko in Finnland als „Gubernator“; doch trat
gegen Ende des legtgenannten Jahres Finde wieder in jein altes
Amt ein, um e8 bis zu jeinem Tode (1566) in verdienftvoller Weije
auszuüben. Seine Nachfolger, zunächft (bi8 1568) Iwar Mäns-
jon Stjernfors jowie jpäter Nils Boije und Hans Yarsion
Björnram, haben feine bemerkenswerten Spuren ihrer Thätigfeit
binterlaffen. Cine bejtimmte amtliche Gewalt jcheinen jene
Männer nicht bejejjen zu haben; jie ragten aus der Mitte der
übrigen Hauptleute nur deshalb hervor, weil die Regierung
in allererjter Reihe an fie ihre Befehle richtete und auf ihre
Außerungen ein bejonderes Gewicht legte. Außer den alten
Klagen über Willfür der Vögte und Beamten vernimmt man
1) Bgl. Arwidsionl.c. X, 169 und Thure Annerftedt, Svenska
väldet i Liffland 1564—1570, p. 42 (Gothenburg, 1877).
Finnlands Berwaltung unter Erih XIV. und Iobann III. 131
jegt auch neue Bejchwerden, welche durch die Folgen der von
Erich eingejchlagenen Großmachtspolitif hervorgerufen worden
waren. Die Truppen nämlich, welche nah Ejthland und Livland
gejandt wurden, pflegten durch Finnland zu marjchieren oder
dort, zu großer Beläftigung der Einwohner, Winterquartiere
zu beziehen.
Unter Johann III. wurde Finnlands erſte Grafichaft ge-
jtiftet. Bei feiner Krönung verlieh der König der Witwe bes
im Kampfe gegen Erich gefallenen Sten Eriksſon Lejonhufvud,
Ebba Yejonhufvud, den gräflichen Titel, und am 25. Dezember
1569 fertigte er für fie einen Schenfungsbrief auf die Grafichaft
Rajeborg aus, welche durch die Schenkungsurfunde vom
25. Juni 1571 noch erweitert wurde, jo daß fie die Stadt und
das Gut Efenäs, die Kirchipiele Karis und Ingo jowie den
Hof Zotula im Sprengel Yojo mit allen daſelbſt befindlichen
Zind-, Kron-, Präbende-, Klofter- und Kirchbauern umfaßte.
Im Jahre 1585 erhielt der ältefte Sohn der Gräfin, Arel,
das Lehen. Gleichzeitig empfing Klas Eriksſon Fleming, welcher
bald großen Ruf gewann und jchon damals ein bedeutender
Mann war, den Titel eines Freiherrn zu Vik nebjt einem
Lehen, welches ungefähr 150 Gehöfte in den Kirchipielen
Sjundei (Nyland) und Portas (Tawajtland) in jich jchloß. Die
Grafen und Freiherren erhielten eine ausgedehnte juridifche
und abminiftrative Gewalt, wodurch ihre Beſitztümer faft zu
wirflichen Fürftentümern wurden ).
Diejenigen Mitglieder der finnifchen Ariftofratie, zu denen
Johann in einem geipannten Verhältnis geitanden, juchte er
an ſich zu feſſeln. Heinr. Klasjon Horn und Herm. Fleming
hatten allen Anlaß, jeinen Zorn zu fürchten, wurden aber,
nachdem jich die erften Befürchtungen des neuen Königs ge-
1) Bgl. A. G. Ablavift, Om aristokratien under Johan den tredjes
regering, p. 8—10 (lpfala, 1864) und ©. Forsgren, Bidrag till
Svenska gref och friherreskapens historia, Bd. I (Stodholm, 1885). —
Zwei finnijche Edelleute, Lars Fleming (der Sohn von Iwar Fleming) und
Klas Kriftersion Horn, waren bereit8 1561 von Erih XIV. in ben
Freiberrenftand erhoben worden.
9*
132 Zweite Periode. Das Zeitalter Gujtav Waſas und jeiner Söhne.
legt hatten, von ihm mit Achtung behandelt und mit wich:
tigen Staatlichen Aufträgen betraut. Auch gegen die übrigen
Edelleute, welche an der Belagerung von Abo 1563 teilge-
nommen hatten, zeigte Johann Milde.
Das Yand, in welchem Johann den größten Zeil jeiner
Jugend verbracht Hatte, scheint ihm auch nach der Thron:
bejteigung ebenjo lieb wie früher gewejen zu jein. So jchrieb
er beiipielsweife 1571 beim Ausbruch des ruifischen Strieges,
dal; Finnland nicht „außerhalb des Reiches“ jtände, „jondern
der größte und vornehmfte, zur Krone Schweden gehörige
Yandesteil* wäre; gleichzeitig lobte er die Bewohner Finnlandg,
weil fie jederzeit dem jchwediichen Reiche treu und geborjam
geblieben, weshalb ed auch nicht chriftlich jein würde, fie hilf-
[08 den Händen der Heiden preiszugeben '). Die wohlwollende
Sefinnung, die in diejen und anderen Worten des Königs ?)
zum Ausdrud gelangte, hatte indefjen für Finnland nur geringen
Nugen. Im Gegenteil war die Regierungszeit Johanns II.
für dies Yand wegen friegeriicher Wirren und innerer Miß—
verhältniſſe unruhig und unbeilvoll.
Der wunde Punkt in der Stellung Johanns war das
Verhältnis zu Rußland. Zar Iwan IV., genannt der Schred-
liche, hatte das Gebiet jeines Neiches beträchtlich erweitert und
wandte nunmehr jeine vaubgierigen Blide gen Wejten. Per—
jönliher Groll gegen Johann machte ihm die Thronver—
ünderung in Schweden bejonders unliebjam. War doch diejer
jein begümjtigter Rival gewejen, als fie ſich beide um die
Hand von Katharina Jagellonica bewarben. Später hatte er,
icheinbar mit Erfolg, von Erih XIV. das Verjprechen der
Auslieferung Katharinens zu erwirken verjucht; ein Ver—
langen, welches Johann als einen ihm zugefügten groben Schimpf
betrachten mußte. Hierzu fam, daß anderjeits die Gejandten
Iwans, die jich in Stodholm eingefunden hatten, um Katharina
in Empfang zu nehmen, von dem erbitterten Volke mißhandelt
1) „Abo tidning‘ (1782), p. 335.
2) NReichsregiftratur, den 24. Oft. 1574: „Schwed. Reihsarhiv“.
Iobann und Iwan IV. 133
und auf der Rückreiſe lange in Finnland fejtgebalten worden
waren. Unter jolden Umſtänden kann es faum befremben,
daß ſich der beiderſeitige Unwille in Schmähbriefen gewaltiam
Luft machte. Es gereicht Johann aber zur Ehre, daß er noch
einmal (Sommer 1569) durch Abjendung einer Yegation, an
welcher u. a. auch der Biichof von Abo, Paul Iuuften ) teil-
nahm, einen ernſthaften Verſuch zur Aufrechterhaltung des
Friedens machte. Doch jcheiterte diefe Sendung, deren aben-
teuerlide Schickſale Juuſten in einer ausführlichen Ytelation
beichrieben bat ?), zum Teil an dem unvorfichtigen Auftreten der
Sejandten, namentlich aber an der geringen Friedensneigung
Iwans.
Als die Geſandten nach langer Gefangenſchaft im Februar
1572 heimkehrten, hatte der Krieg zwiſchen Schweden und
Rußland ſchon mehr als ein Jahr fortgedauert. Er wurde
hauptſächlich in Eſthland und Ingermanland ausgefochten, ver—
zweigte ſich aber unabläſſig nach Finnland, deſſen Zuſtände
auch ſonſt dadurch beeinflußt wurden. Bald rückten feindliche
Haufen plündernd in das Land, bald wurde letzteres von ſchwe—
diſchen und ausländiſchen Truppen durchzogen, die Unterhalt
forderten, bald wiederum wurden die eigenen Mannen des
Yandes aufgeboten, um gegen den Feind zu ziehen *).
Eine vom Könige ausgefertigte Inftruftion, betreffend Die
Veitung des Krieges in Finnland, zeugt hinreichend davon, daß der
arößte Teil des Yandes fich jelber überlaffen war. Die Heeres-
abteilungen jollten bet Wiborg und Nyſlott zuſammengezogen,
dieje Feitungen verjtärkt und mit dem erforderlichen Provtant
verieben werden. Die Bevölkerung der Provinzen Wiborg und
Nyſlott wurde angewieien, bei einem Cinfalle der Ruſſen mit
ihrer Habe im den genannten Feſtungen Schut zu juchen.
1) Paul Juuften wurde 1563 Nachfolger von Peter Follingius auf
dem Aboer Biichofsftuhle. Vgl. unten, S. 139, Anm. 2, und ©. 140.
2) Abgedrudt bei Porthan 1. c. Opera selecta III, 383—419.
3) Eine detaillierte Schilderung der kriegerifchen Ereignifie in Finnland
bis 1575 giebt W. Tavaitftierna, Lisätietoja Suomen sotahistoriaan
Juhana III hallituksen alkuvuosilta (Helſingfors, 1875).
134 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Waſas und feiner Söhne.
Diejenigen, welche ſich nicht auf ſolche Weiſe retten fönnten,
jolften fich nach Norden oder in die Provinz Borgi begeben.
Später jollte der Yandjturm zujammentreten, und zwar aus
den Provinzen Nyilott, Wiborg und Borga alle fampifähigen
Streiter, jowie aus den Provinzen Tawaſtehus, Abo, Najeborg
und Satafunta jeder fünfte Mann’).
Schon zur Weihnachtszeit 1570 und im Februar 1571
zeigten fich in Finnland bier und da ruſſiſche Streifcorps, und
im März 1571 erfolgte ein dritter Einfall. Allerdings wurde
noch 1571 das einheimijche Kriegsvolk durch Verſtärkungen
aus Schweden auf etwa 8400 Mann zu Fuß umd 2400 Reiter
gebracht, aber umglüclicherweiie erhielt Guſtav Bandr, ein
junger, unerfahrener Edelmann ohne jtrategiiche Begabung,
den Oberbefehl, unter Übergehung des alten und erprobten
Heinrih Klasjon Horn. Die Unthätigfeit Bandrs im Frühjahr
1572, während die Rufjen von neuem das jchwediiche Karelien
durchitreiften, erregte jedoch die Unzufriedenheit Johannes, und
der Oberbefehl in Finnland wurde Herm. Fleming übertragen ?).
Diejer unternahm Ende 1572 und Anfang 1573 einen Zug
in die Umgegend von Kexholm. Doc fehlte auch jett ein
allgemeiner Plan bei der Yeitung des Krieges. Durch die
Plünderungszüge aber wurde nichts anderes ausgerichtet, als
daß der alte Haß zwijchen den Grenzbewohnern zu neuem
Yeben erwachte und die Früchte Ianajähriger Bemühungen ver
nichtet wurden.
Unter diejen Umjtänden wiünjchten die leitenden Männer
in Finnland nichts jehnlicher als eine Cinftellung der Kriegs—
operationen. Da auch die rujfiichen Befehlshaber dazu bereit
waren, wurde bereits Ende 1573 ein Waffenftillftand geichlojjen,
welcher bis zum Juni 1574 währte Gleichzeitig wurde Die
Frage einer am Spfterbäd abzuhaltenden Friedenskonferenz
angeregt, und nach langwierigen Unterbandlungen fam eine Zu—
1) Brief an Hans Parsfon Björnram, 4. Dezember 1570: „Schwer.
Reichsarchiv“.
2) Die Vollmacht Flemings iſt vom 6. Sept. 1572 daliert.
Der Krieg mit Rufland 1570—1573 und 1577—1581. 135
jammenfunft im Juli 1575 wirklich dort zuftande. Es wurde
ein zwetjähriger Waffenftillftand vereinbart, welcher am 20. Juli
1575 beginnen und nur für Finnland, nicht aber für Eſthland
oder Livland Gültigkeit haben jolfte.
Während Finnland auf ſolche Weife eine Zeit lang vom
Kriege verichont blieb, nahm der Kampf ſüdlich vom Finniichen
Meerbuien jeinen Fortgang. Indeſſen traten feine bemerfens-
werten Ereigniſſe auf dem Kriegsichauplaße ein, bis der Zar An-
fang 1577 eine bedeutende Heeresmacht aufbot, um Reval, den
eigentlihen Stügpunft der ſchwediſchen Herichaft, zu erobern.
Die Folge hiervon war, daß der 1575 abgeſchloſſene Waffenitilf-
ftand vor jeinem Ablauf von den Rufen gebrochen wurde,
indem während der Belagerung Revals (Februar 1577) ta—
tariiche Reiter über das Eis nach Finnland gingen und längs
der nyländiſchen Küſtenſtrecke plünderten. Die Befehlshaber
in Finnland, Klas Atesion Tott und Hermann Fleming, ver
jagten jedoch die ummwillfommenen Gäſte, bevor jie großen
Schaden hatten anrichten fünnen. In den nächjten Jahren wur—
den von beiden Seiten Kriegszüge unternommen, die nicht von
hoher Bedeutung waren; aber 1580 nahm der Krieg eine
neue, für Schweden bejonders vorteilhafte Wendung. Nach
Hein. Klasſon Horn hatte damals der Franzoſe Pontus de la
Sardie den Oberbefehl über die in Finnland wie in den Djt-
jeeprovinzen befindlichen Truppen erhalten. Zunächſt wandte
fich derjelbe gegen die Feſtung Kerbolm. Ende Oftober 1580
rücte eine bedeutende Heeresmacht unter De la Gardies Ober-
befehl, während Hermann Fleming, Heinrih v. Minnen und
Arwid Henrifsion Tawaſt als Unteranführer fungierten, gegen
jenen Plag, und jchon am 5. November fapitulierte diefer. Der
in der damaligen Kriegsgeichichte oft genannte Goran Boije
wurde der erfte jchwediiche Statthalter auf der Feſte Kerbolm.
Das folgende Jahr 1581 brachte eine Reihe von glänzenden
Siegen. Die Sicherung Eſthlands und die Eroberung des
weitlihen Ingermanlands waren die Ergebnifje des Feldzuges,
welcher zur Stärfung von Schwedens Macht und Autorität
wejentlich beitrug. Stolz über den Erfolg, vielleicht auch
186 „Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Waſas und jeiner Söhne.
dankbar gegen die finnischen Truppen und Befehlshaber, welche
ihn batten erringen belfen, verlied Johann III. Finnland den
Titel eines Großfürftentums ). — In Finnland z0g der zum
Hauptmann auf Nyflott ernannte Klas Hermansjon Fleming
1581 mit 1500 Bauern, 500 Knechten und 56 Reitern über
Dribvefi und Kidesjärvi in das Ornegagebiet und verwüſtete
alles bis zum Aleranderflofter, worauf er über Impilaks und
Sordavala nah Nyilott heimkehrte?). Die Nuffen ihrerjeits
rüdten in das von den Schweden erit jüngjt eroberte fareliiche
Pand und gingen dabei noch jchonungslojer und gewaltiamer
zumwege, da der Zar wollte, daß die Provinz Kerbolm, wenn
jie Schweden zufiele, eine möglichit wertlofe Beute wäre. Ein
Angriff auf Kerholm wurde indefjen erfolgreich zurückgeſchlagen.
In Ofterbotten, welches diesmal wie jo oft feine beiondere
Kriegsgeichichte aufzumeiien hatte, war in den erjten Kriegs—
jahren die Ruhe nicht geftört worden und der friedliche Ver:
kehr zwijchen den Grenzbewohnern ununterbrochen fortgegangen.
Aber im Frühling 1573 begann der Kriegslärm auch bis in
jene Gegenden zu dringen. Leider gaben die Bewohner von
Ofterbotten jelber hierzu Veranlaffung. Sie miichten jich
in Streitigfeiten, welche im nördlichen Savolaks vor fich
gingen, wobei fie auch über die ruſſiſche Grenze zogen und
in weiten Umkreiſe Verheerung anrichteten. Hiermit war
das Zeichen zu einem wilden Ausbruch der Rachiucht gegeben.
Im Herbft 1574 juchten die Ruſſen die „Erämark“ von lei
mit Feuer und Schwert beim, und das Jahr 1575 verfloß
unter gegenjeitigen Plünderungszügen. Während der Dauer
des Waffenftillftandes wurden die friedlichen Beziehungen zu—
1) In einem Briefe vom 11. Juli 1581 dürfte fih Johann zum erften-
male „Großfürſt über Finnland und Karelien“ genannt baben. Bgl. „Hi-
storiallinen arkisto“ VIII, 343.
2) Klas Hermansjon Flemings Memoriale chronicum seu index
rerum memorabilium ab anno 1380 add. 10. Sept. 1591, in: E. Grön—
bfab6 „Urkunder upplysande Finlands öden och tillständ i slutet af
16: de och början af 17: de ärhundradet“. Andra flocken I, 6 Helſing—
fors, 1856).
Finnland „Großfürſtentum“ (1581). Waffeuſtillſt. m. Rußland (1583). 187
nächjt wieder angefnüpft. Da aber König Iohann, von dem
Gedanken an eine Eroberung Yapplands verleitet, jpäter von
neuem den Beginn der Feindſeligkeiten anbefahl, wurden die
Ebenen von Dfterbotten jeit 1578 wiederum mit Strömen
Blutes übergofjen. Trogdem wurde erft im November 1579
die Kriegsleitung in den nördlichen Gebieten einem „alten
Knechthauptmann” Namens Hans Garp anvertraut, welcher
den Auftrag erhielt, mit aufgebotenem Volk im nächjten Früb-
jahr in das ruffiiche Lappland einzurüden; und als diejes
Unternehmen unglüdlich ablief, verlor die Regierung jede
Luft, die Bevölkerung Ofterbottens weiter zu unterftügen, wo—
durch der Ffriegeriiche Mut ver letteren jehr gedämpft wurbde-
In den folgenden Jahren wird denn auch von Kriegszügen
gen Oſten nichts erwähnt, während die Ruffen unabläffig ihre
Einfälle erneuerten. Die „Erämark“ von Ulei, das Küſten—
land bis zum Kirchipiel Yimingo jowie die Flußthäler des
Kemi und Tornesi wurden alljährlich verwüftet, und vergebens
juchte die Bevölkerung den eigenen Herd zu verteidigen ').
Auch auf dem Hauptfriegsichauplag waren die Jahre 1582
und 1583 für die jchwediichen Waffen wenig erfolgreih. Da
unter jolchen Umftänden die Zwedlofigfeit einer Fortſetzung
des Krieges augenicheinlich war, famen die Monarchen beider
Yänder jchließlich dahin überein, daß an der Mündung des
Plinjafluffes in der Nähe von Narwa am 31. Juli 1583 eine
Sriedensfonferenz abgehalten werden jollte. Man verabredete
dort einen dreijährigen Waffenftillftand, welcher am 29. Juni
1583 beginnen jolltee Innerhalb dieſer drei Jahre jollten
Schweden wie Ruſſen im Bejite der von ihnen eroberten Plätze
bleiben. Im folgenden Jahre ftarb Zar Iwan, und e8 begann
eine Periode innerer Wirren in Rußland. Da fich bei einer
neuen Konferenz im Herbit 1585 ebenfalls ein förmlicher Friede
nicht vereinbaren ließ, jo wurde der Waffenftillitand bis 1590
verlängert. In der „Erämarf“ von Wlei jowie im Küſten—
DW. ©. Fontell, En blick pa Österbottens tillständ är 1571
samt gränsfejden 1573— 1585, im Kalender „Valan“, p. 64 qq. (Helfing-
fors, 1881).
188 Zweite Periode. Tas Zeitalter Guſtav Waſas und jeiner Söhne.
gebiet von Ofterbotten erfolgten jevoh noch 1585 — 1586
Plünderungszüge ').
Wir haben im Vorbergebenden nur zum Teil erwähnt,
was die Bewohner Finnlands während des rujjiichen Krieges
zu leiden hatten. Noch drüdender waren vielleicht die Laſten,
die ihnen durch die zügelloje Wildheit der einheimijchen, ſchwe—
dischen und deutichen Soldaten ſowie durch andere Beichwerungen,
die der Krieg mit fich brachte, auferlegt wurden. Cine bejonders
fürchterlihe Plage für die Bevölkerung war das jogenannte
„Burglager“. Zur Zeit Guftav Wajas wurden die Soldaten
bei Geiſtlichen, Edelleuten, Yehnsmännern und andern in einer
bejonders vorteilhaften Stellung befindlichen Yeuten einquartiert,
während die übrigen Erfordernijje für ihren Unterhalt in der
Form von Steuerabgaben ausgejchrieben wurden, deren Er—
bebung die gewöhnlichen Steuereinnehmer der Krone bejorgten.
Schon damals Hagte das Volk über Bedrüdung: aber um
vieles jchlimmer wurde es, als unter Erich XIV. und Johann IIT.,
vermutlich um eine schnellere Befriedigung der Bedürfniſſe
der Soldaten zu ermöglichen, die Veränderung eingeführt
wurde, daß die Soldaten jelber den Zins eintrieben. Selbit-
verjtändlich erbielten die undisziplinterten Krieger hierdurch
eine furchtbare Gewalt über die Bevölkerung, von welcher jie
häufig weit mehr erpreßten, als ihnen geießlich zufam. Die
offizielle Korreſpondenz der damaligen Zeit ijt denn auch
reich an Berichten über die Yeiden, welche dem gemeinen
Mann zugefügt wurden. Die wiederholten Ermahnungen
Johanns ?) fruchteten wenig. Die Lage der Benölferung war
bereits in den erften Kriegsjahren verzweifelt. Im Jahre
1575 erhoben fich die Bauern in HvittiS und Yoimtjoft und
vertrieben die in „Burglager“ verlegten Reiter ?). Später wird
1) Diefe Züge erſtreckten fih bis nad Limingo. Bericht des Paftors
Heinrih Yaurentius im Kirchſpiel Limingo über die Verheerungen ber
Rufen in Öfterbotten 1585— 1586: „Finniſches Staatsarchiv“.
2) Bal. 3. B. die Briefe des Königs vom 22. Oft. 1574 und 21. Juli
1580: „Schweb. Reichsarchiv“.
3) Jobann an Hermann Flemina, 5. Januar 1576: „Schwed. Reichs—
archiv“.
Kriegsleiden und -Laſten. 139
erwähnt, ein Bauer habe mit einem „Keulenheer” gedroht,
welches wegen der dem gemeinen Dann zugefügten Beleidigungen
Rache nehmen werde !). Ienes Wort deutet auf die Ereignifje
bin, die künftig während des „Keulenkrieges“ eintreffen joll-
ten, zu welchem der Mißbrauch des „Burglagers“ eine we-
jentliche Urjache bildete. Die drückenden Steuern und Poſt—
fuhren (skjutsfärder) trugen gleichfall8 zur Verſchlimmerung
der jchwierigen Yage des Volks bei. Freie Beförderung war
benen bewilligt, die in Negierungsaufträgen reiten; aber
mancher, welcher in Privatangelegenheiten reiſte oder nicht ein-
mal Kronbeamter war, benußte dies, um von den Bauern un-
rechtmäßigerweije freie Weiterbeförderung zu verlangen, ins—
bejondere der Adel. Drohbriefe des Königs halfen wenig,
einerjeits, weil die Macht des Adels infolge des Krieges in
schnellem Wachstum begriffen war, anderjeits, weil der König
unaufbörlich der Dienfte der Edelleute bedurfte und infolge
dejjen nicht mit dem nötigen Ernfte dem Unfug zu jteuern
vermochte.
Auch auf dem Gebiete des firchlichen Lebens war die da-
malige Zeit voll von Unruhe und Berwirrung Während
aber in Stodholm und Upfala der Streit gegen die fatholijche
Reaktion mit leidenjchaftliher Gewalt geführt wurde, merfte
man in dem weit entfernten Finnland faum einige jchwache
Anzeichen davon. Als die Fatholifch-liturgiichen Pläne zuerjt
in Schweden auftauchten, war der greife und durch die Ge-
fangenjchaft in Rußland körperlich wie geiftig gebrochene
Paul Juuſten Biſchof im Stifte Abo ?), während Erich
Härkäpäus den Biſchofsſtuhl zu Wiborg inne hatte. Beide
1, Johann an Klas Akesſon Tott, 26. Febr. 1578: „Schweb. Neichs-
archiv“.
2) Paul Juuſten (geb. um 1517) ſtudierte in Wiborg und Abo,
wurde 1540 zum Geiftlichen geweibt und begab ſich 1543 auf Martin
Styttes Koften behufs Fortiegung jeiner Studien nad Wittenberg. Nach
feiner Rücklehr (1547) wurde er Reltor an der Schule zu Abo (1548 bis
1554), darauf erfter Biichof im Stifte Wiborg, welches er 1563 mit dem
Aboer Biſchofsſtuhle vertaufchte.
140 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Waſas und feiner Söhne,
gehörten zu derjenigen Generation finniſcher Neformatoren,
welche allerdings aus der Schule Puthers und Melanchthong
hervorgegangen war, aber doch nur mit Gelafienheit und
ohne Streitluft für die Befeftigung der Reformation wirkte.
Juuſten ift als Schriftiteller nicht ohne Bedeutung. Seine
finnifche Bifhofschronif, Chronicon episcoporum Finlanden-
sium, eine mit Benutzung älterer Aufzeichnungen abgefaßte
furze Schilderung der Schiefale der finniichen Biichöfe, be-
fit noch heutigen Tages großen Wert als eines der wenigen
übrig gebliebenen Denkmäler aus der älteren Geſchichte Finn—
lands. Eine lateinijche Poftille, welche er während jeiner Ge—
fangenjchaft in Moskau zum Gebrauch für die Prediger jeines
Stifts ausarbeitete, wird als verdienftlich gerühmt, it jedoch
niemals gedruckt worden und findet ſich jet nicht einmal
mebr bandichriftlich erhalten ’). Für die Gemeinden verfaßte
er ein Meßbuch und einen Katechismus, beide in finnifcher
Spracde. Allein troß feiner Gelehrſamkeit und feines Eifers
war Juuſten nicht eine hinreichend energiiche Perjönlichkeit,
um Johann bei dejien papiftiichen Beftrebungen Widerjtand
leiten zu fönnen. Nach jeinem Tode (22. Auguſt 1576) war
der Biſchofsſtuhl von Abo mehrere Jahre hindurch verwaift,
und ebenjo blieb nach dem Ableben von Härkäpäus (4. Februar
1578) das biichöfliche Amt in Wibora unbejegt; zweifelschne,
weil der König auf jolche Weije freiere Hand zur Durchführung
jeiner Ubjichten zu haben hoffte. Grit am 4. Augujt 1579
wurde der Dompropit zu Abo, Heinrich Knutsſon, bis auf weiteres
zum Superintendenten im Stifte Abo verordnet. Die vielen Gunſt—
beweije, die er von Johann empfing, jcheinen darauf binzudeuten,
daß er den fatholiichen Tendenzen nicht abgeneigt war. Gerade
damals richteten die Jeſuiten ihren Blick auch auf Finnland, in
der Hoffnung, daſelbſt einen neuen Stammfit für den Katholi—
cismus zu finden. Der päpftliche Yegat in Schweden, Poſſevino,
1) Der Zitel dev Schrift lautete: „Explicationes evangeliorum do-
minicalium et praceipuarum feriarum totius anni“. — Bgl. dazu: „Abo
domkapitels eirkulärbref“, utg. af J Tengström och V.G. Lagus,
p: 6 (Abo, 1896).
Katboliiche Umtriebe (um 1580). 141
betont in jeinen Briefen mehrmals, wie wünjchenswert es jet,
daß finnische Bünglinge zum Eintritt in die Jejuitenjeminare
zu Braunsberg und Olmüt bewogen werden möchten, und
er weiſt darauf bin, daß der erjtgenannte Ort für einen jolchen
Zwed bejonders geeignet erjcheine, weil er in der Nähe von
Danzig läge, wo fich zahlreiche finnische Familien um des
faufmänntjchen Betriebs und anderer Urjachen willen aufbielten.
Söhne dieſer Familien fünnten in Braunsberg zu fünftigen
fatholiichen Mijjionaren im der Heimat auferzogen werden.
Olmütz wiederum, welches weiter entfernt jei, bejiße andere
Vorzüge. Dorthin könnten Jünglinge gejandt werden, die
nach ihrem Übertritt zum Katholicismus Verfolgungen jeitens
der Ihrigen ausgejegt wären ’). Im den Aufzeichnungen, die
wir über Schüler am jenen beiden fatholischen Yehranjtalten
befiten, werden in der That einige junge Finnländer erwähnt.
Der hervorragendite von den Schülern der Olmüger Schule
war 1580 der acdhtundzwanzigjührige Dlaus Sondergelteus
aus Finnland, der jeit 1579 den dortigen Unterricht genoß.
Früher war er protejtantifcher Geiftlicher und ein heftiger Feind
der katholiſchen Kirche geweien, allein jett hoffte man viel von
jeinem Eifer für die Belehrung Finnlands. Er hatte einen
Auftrag erhalten, welcher beweijt, daß jich die Jeſuiten mit
der finniſch jprechenden Bevölferung Finnlands in Berbin-
dung zu jeßen gedachten. Er jollte eine finnische Gram—
matik schreiben und ven katholiſchen Katechismus in Das
Finniſche überjegen. Valentinus Thoma aus Finnland trat
1580 in das Braunsberger Dejuitenjeminar, wurde 1587
nah Wilna gejchieft und erhielt jpäter ein Amt am polntjchen
Königshofe ?)., An dem letgenannten Seminar gab es 1585
drei Finnländer: Johannes Yufjoila, der jpäter Geiftlicher
wurde, Joachim, welcher im den Jeſuitenorden eintrat, und
1) Theiner, Schweden und feine Stellung zum heiligen Stuhl unter
Johann III, Sigismund III. und Karl IX., I, 534 (Augsburg, 1838). —
Dal. auch K. ©. Yeinberg, Om finske studerande i jesuitcollegier;
in: „Hist. Ark.“ XI, 156—221 (Heljingfors, 1891).
2) Bgl. über Thomä „ Historiallinen Arkisto‘‘ VII, 158.
142 Zweite Periode. Das Zeitalter Guſtav Waſas und feiner Söhne.
Michael Juſtäi, über deſſen jpäteres Geſchick wir feine nähere
Kenntnis befigen 1). — In derjelben Zeit bemühte man jich
um Wiederaufrichtung des Kloſters Nüdendal, welches da—
mals nur noch von vier Nonnen bewohnt und dermaßen ver:
fallen war, daß das Kloſterdach einzuftürzen drohte Im
Jahre 1575 befahl König Johann, daß die Kirchipiele der
Nahbarichaft zum Wiederaufbau des Klofters beitragen joll-
ten ?). Noch eifriger zeigte fich hierin die Königin Katha—
rina Jagellonica ?). Das Klofter blühte jedoch nicht wieder auf,
die leiste Abtiſſin, Birgitta Knutsdotter Kurd, jtarb 1577,
und wenige Jahre jpäter eriftierte mur noch eine einzige
Nonne. — Nachdem das Bistum Abo jieben Jahre und das
Bistum Wiborg fünfundeinhalb Jahr verwaiſt gewejen, beichloß
Sobann auf die bis 1554 übliche Ordnung der firchlichen
Dberleitung Finnlands zurüdzugreifen, indem er die Yeitung
beider Stifte einer einzigen Perjönlichfeit anvertraute, jedoch
jo, daß die beiden Bistümer nicht zufammengejchlagen wurden,
jondern daß der Biſchof von Abo auch die bifchöflichen
Amtsgejchäfte in Wiborg, deſſen Biſchofſtuhl unbejegt blieb,
zu vollziehen hatte. Der wichtige Poften wurde am 8. Sep:
tember 1583 an Gricus Erici übertragen, welder um 1545
auf dem Gehöft Sorola im Kirchipiel Yetala geboren war.
Derjelbe erwies jich als eifriger Förderer der katholiſchen
Beitrebungen *) und jtieß hierbei nur auf geringen Widerjtand,
da die Mehrzahl der finnijchen Geiftlichen noch nicht einen
fejten rveligöjen Standpunft geiwonnen hatte. Außerdem waren
in Finnland noch viele Zeremonieen aus fatholifcher Zeit
1) Theiner l. ec. II, 315. 318. 327.
2) Johann an die Nonnen von Nädendal, 8. Aug. 1576. „Schwed.
Reichsarchiv“.
3) Katharina an die Nonnen von Nadendal, 20. Mai 1575: Spe—
gel, Skriftliga bevis hörande till Svenska kyrkohistorien ete., p. 116
(Upfala, 1716).
4) &8 beißt von ibm: „M. Ericus Gevaliae ludirector, Finlandiae
consecratus antistes, Catholica fere pompa Upsaliae VIII Septembris,
sub quo per Ecelesias Finlandiae Liturgia capit incrementum“:
Meffenius, Scondia illustrata X, 33 (Stodbolm, 1703).
Das kirchliche Yeben. Der Adel. 145
gebräuchlich, jo daß die Veränderung an vielen Stellen kaum
merfbar gewejen jein dürfte. Anderjeit8 muß jedoch zugegeben
werden, daß Ericus in der Fürjorge für die Gemeinden Finn—
lands, wo er wenigitens die äußere Ordnung aufrecht zu er-
halten juchte, Ernjt und Eifer zeigte.
Ein beachtenswerter finnijcher Schriftjteller jener Zeit war
der Rektor an der Aboer Schule, Jakob Persſon Suomalainen
(Finno), welcher auf Befehl Iohanns II. 1580—1583 in
finnijher Sprache ein Gebetbuch, einen Katechismus und ein
Pſalmbuch veröffentlichte. Sein Pſalmbuch verrät feineswegs
größere poetijche Begabung, hat aber teilweije allen jpäteren
Pialmbuchbearbeitungen in finniſcher Sprache zu Grunde ger
legen. Er jtarb 1588.
Während auf dem kirchlichen Gebiete die Unruhe zunahm,
war die Macht der Arijtofratie in unabläffigem Wachstum be-
griffen, und insbejondere errang der einheimijche finnijche Adel
eine Stellung, die jih mit jeinem Einfluß zur Unionszeit
und unter der Regierung Guſtav Wajas gar nicht vergleichen
ließ. Die großen ausländijchen Kriege, welche dicht an den
Grenzen Finnlands geführt wurden, bereiteten den finnijchen
Edelleuten reiche Gelegenheit, fich auszuzeichnen. Die Familien
Horn und Fleming hatten in faft erblicher Reihenfolge den
Befehl über die Kriegsheere. Klas Alesſon Tott, Iwar Mäng-
jon Stjerntors, Göran Boije, Bengt Severinsjon Yuuften
u. ſ. w. nehmen ebenfalls in der damaligen Kriegsgeichichte einen
bedeutenden Plag ein, und außer ihnen gab e8 Hunderte von
anderen finnifchen Adeligen, welche ji in den Feldzügen
durh Mut und Pflichttreue Anjehen erworben hatten. Biele
von letteren empfingen von der Krone Yehen zur Belohnung;
denn eine andere Form, erwiejene Dienſte zu vergelten, gab es
bei dem völligen Geldmangel in der königlichen Schagfammer
faum. Andere bereicherten jich durch Raub, Beute und Er:
preſſungen. In demjelben Maße, in welchem ſich die Edelleute
Reichtümer erworben hatten, waren fie auch im jtande, ber
armen Krone Gold, Silber und Geld vorzuftreden, wofür fie
als Pfand Güter mit dem Recht der Steuererhebung erhielten.
144 Zweite Periode. Das Zeitalter Guſtav Waſas und jeiner Söhne.
Wie vorteilhaft dieje Handelsbeziehungen mit der Krone waren,
zeigt ein Verzeichnis von Gütern und Höfen, welche auf jolche
Weije dem finnijchen Adel zum Unterpfande gegeben worden
waren. Es iſt erjichtlich, daß jene im ganzen Yande zerjtreuten
Pfandgüter die joziale Machtitellung des Adels in hohem
Grade fteigerten ). Außerdem it zu beachten, daß der finnijche
Adel damals noch wenig Beeinträchtigung durch die ſchwediſche
hohe Ariftofratie erfuhr. Allerdings hatte fih Johann das
Recht vorbehalten, faſt alle Nichterpoften in Finnland mit
jeinen Höflingen zu bejegen, und demzufolge wurden jene wich-
tigen Stellen, welche bisher von einheimijchen Edelleuten be-
fleivet worden waren, bisweilen an Schweden verliehen; aber
dies war eher Ausnahme als Regel.
Der emporjtrebende finniihe Adel war mit den von
Sohann III. erlajfenen, weitumfajjenden Adelsprivilegien noch
nicht zufrieden, sondern juchte jich weitere Vorrechte an—
jumaßen, unter Berufung auf das alte Herfommen, welches
in Finnland vielfach als mit dem gejchriebenen Geſetz gleich-
bedeutend erachtet wurde, jowie mit Nücjicht darauf, daß jie
in eimem der Gefahr ausgejegten Grenzlande lebten. Sie
verlangten das echt freier Pojtbeförderung (skjuts) für jich
jelbjt wie für ihre Yandbauern. Sie verboten legteren, Steuern
zu zahlen oder die zum Unterhalt der Diftriktsrichter be-
jtimmten Abgaben zu erlegen, und behielten vielmehr die Steuern
ihrer Bauern für eigene Rechnung. Sie begehrten jogar
Befreiung von der Erlegung des Zehnten an die Geiftlichkeit.
Der König wies ihre Anjprüche mit Unwillen zurüd; doch
ließen jich die Mißbräuche nicht bejeitigen, und Finnland blieb
das gelobte Yand der Bauernpladerei.
Der beftändige Kriegszuftand hatte einer auf der Grenze
jwijchen der eigentlichen Arijtofratie und den Bauern jtehende
Klaſſe, den jogenannten „Knappen“, erhöhte Bedeutung ver:
ltehen. Schon jeit langer Zeit, jogar vor dem Regierungs—
antritt Guſtav Wajas, hatte man Bauern Steuerfreiheit für
1) „Register uppa the gods och gärdar, som adeln hafver till
underpant i Finland“. „Schmwed. Reihsardiv“.
ii
Die Bebrüdung der Bauern. 145
ihre Güter als Belohnung für ihre Kriegsdienfte gewährt.
Diejer Gebrauh gewann jpäter unter Erih XIV. und Jo—
bann III., wo alle Mittel zur Berftärfung der Kriegsmacht
Anwendung fanden, immer mehr Verbreitung. Es gab viele
hunderte jolcher Knappen, die namentlich in den Provinzen
Wiborg und Nyjlott, aber auch in anderen Yanbesteilen an—
gefiedelt waren. Die Steuerbefreiung brachte feine Standes-
veränderung ober einen Genuß der ſonſtigen Adelsprivilegien
mit fich; indeffen erhoben fich die Knappen um jo leichter über
die jteuerpflichtige Bevölkerung, als die Standesgrenzen noch
nicht genau beftimmt waren. Sie behandelten die Bauern
nicht weniger übermütig, als e8 die Edelleute thaten ). —
Auch die niederen abminijtrativen Beamten machten fich nach
alter Gewohnheit die wehrloje Tage der Bauern zu nuße.
Sie glaubten gegen die legteren um jo jtrenger verfahren zu
müffen, als diejelben, wenn jich die Gelegenheit darbot, fich
häufig auch der Erfüllung ihrer gejeglichen Verpflichtungen zu
entziehen trachteten.
Der gemeine Mann unterließ es nicht, beim König über
die drüdende Lage Klage zu führen. Beachtenswert erjcheint
eine Bejchwerdejchrift, welche 1589 von etwa 300 Männern
aus dem Bolfe eingereicht wurde, die jih nah Stodholm
begeben hatten, um dort Hilfe zu ſuchen. Die Schrift, worin
u. a. auf die Beſtechlichkeit der Richter hingewieſen wird,
ihließt mit einer Betonung der Befürchtungen, daß die Bauern
in Finnland gleich denen in Pivland gänzlich dem Verderben
anheimfallen würden ?).
Der König juchte mündlich wie jchriftlich den Mißbräuchen
zu ſteuern und die gejegliche Ordnung wieder herzuſtellen.
Daß indejjen hierdurch wenig ausgerichtet wurde, geht daraus
bervor, daß fich diejelben Klagen häufig wiederholten, wobei
auch die höchften Beamten des Yandes micht frei von Be—
1) Bol. dazu W. ©. Lagus, Undersökningar om Finska adelns
gods och ätter, p. 549sqq. (Helfingfors, 1857—1860).
2) Vgl. Arwidsion 1. c. VI, 344; VII, xıv.
Schybergſon, Geſchichte Finnlande. 10
146 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Wajas und feiner Söhne.
ichuldigungen blieben. Im Sabre 1587 wurde Graf Arel
Lejonhufvud zum Statthalter in den Gerichtsiprengeln von
Nord: und Süpdfinnland ernannt, während der Farelijche
Gerichtsiprengel, welcher die Provinzen Wiborg, Nyſlott und
Kymmenegärd umfaßte, unter Klas Afesjon Totts Botmäßig—
feit jtand. Bei diejer Gelegenheit erhielt Graf Arel den
Auftrag, auf alle Ungejeglichkeiten ftrenge Obacht zu geben,
zu welchem Behufe ihm ein Kämmerer, Joen Yoensjon, nebſt
drei Kammerjchreibern mitgegeben wurde. Da fich indefjen
auch diejer Ausweg wenig zwedmäßig erwies, nahm Johann
zu jtrengeren Mitteln jeine Zuflucht und erteilte 1588 dem
Grafen den Befehl, ohne Scheu alle Vögte und Diftrift-
jchreiber, welche jeit zwei Jahren im Dienft gemwejen, jo-
wie ihre Untervögte und Unterjchreiber gefangen nehmen zu
laffen. Wie die Sache ver finnijchen Vögte jpäter ablief,
wiffen wir nicht; daß dem Übel durch Lejonhufvuds Maß—
nahmen nicht abgeholfen wurde, erjcheint indeffen um jo glaub-
licher, als er jelbft einer der jchlimmften Quälgeifter der
Bauern war !).
Alle dieje inneren Spaltungen waren um jo gefährlicher,
als Anfang 1590 der Krieg mit Rußland von neuem ent-
brannte. Es wurden große Anjtrengungen gemacht, um die
Herrichaft der Ruſſen am Weißen Meere zu brechen oder wenig—
jtens Schweden dajelbjt fejten Fuß zu verichaffen. Der Haupt-
mann in Ofter- und Wefterbotten, Per Bagge, gründete 1590
an der Mündung des lei eine Feſtung, welche dazu beftimmt
war, jowohl als Mittelpunkt für die Verteidigung Oſterbottens
wie als Waffenplag für eine Qiruppenabteilung zu dienen,
welche mit Unterftügung von Bauern aus Wefter- und Ofter-
botten die ruſſiſchen Gebiete am Weißen Meere angreifen
jollte. Ende 1590 drangen Bauernjcharen unter Führung des
Bauern Bejainen aus Jjo in das ruffiiche Lappmarken und
1) Bgl. 3. B. Holger Andersjons Beichwerbefhrift im „Finniſchen
Staatsarchiv“ jowie Grönblad, Urkunder upplysande Finlands öden
och tillständ i slutet af 16de och början af 17 de ärhundradet I, 3, 121.
Anhang (Helfingfors, 1846).
Neuer Krieg mit Rußland (1590— 1592). 147
wagten jogar einen Angriff auf die Stadt Kola in der Nähe
der Küjte des Eismeeres; doch fonnte die Stadt nicht erobert
werden. Während des Rückzuges wurde der tapfere Veſainen
von einem ruſſiſchen Gefangenen ermordet. Kurz darauf er-
folgte ein zweiter vergeblicher Angriff auf Kola jeitens einer
regulären Truppenmacht unter Hans Larsfon. Dieje fleineren
Angriffe waren die Vorboten zu einem größeren Kriegszuge
im September 1591. Der greife Per Bagge erteilte nämlich
jeinem Sohne Sven Persſon Bagge den Oberbefehl über eine
600— 1000 Mann ſtarke Heeresabteilung, welche, gefolgt von
Bauern aus den Niederungen am Uleä-See, längs den ruffiichen
Strömen ans Ufer des Weißen Meeres marjchierte. Indeſſen
mußten ſich Sven Persjon und jeine Genofjen zurüdziehen,
obne jich eines fejten Plages bemächtigt zu haben.
Anfang 1592 jtanden den Bewohnern Finnlande neue
harte Prüfungen bevor. Im Januar famen beträchtliche ruj-
ſiſche Streitkräfte in die Gegend von Wiborg, wo alles
von ihnen eingeäfchert wurde, bis die Truppen Klas Fle—
mings fie zum Rückzuge nötigten. Gleichzeitig rüdten ruj-
jiihe Truppen unter dem Fürſten Gregor Wolkonski in die
oft beimgejuchten Küjtengebiete von Limingo, Siifaiofi und
Salo. Ber und Sven Bagge begaben ſich in die erjt vor
furzem angelegte Feſtung Uleä, welche der Feind nicht an-
jugreifen wagte. Gleichwohl machten die Ruffen reiche Beute
und zogen fich erft beim Nahen eines ftarken Bauernaufgebots
zurück '). j
Dieje Greigniffe übten auf die allgemeine Stellung der
itreitenden Mächte feinen Cinfluß aus, wurden jedoch von
Bedeutung für Ojfterbotten, deffen Bauern, unter Berufung
auf die von ihnen bewiejene Tapferkeit, Befreiung von dem
drüdenden „Burglager” begehrten und im Juli 1592 in der
That erhielten. Johann erließ nämlich einen Brief, des In—
1) ®gl. „Handlingar rör. Skandinaviens historia‘“ XXXVIII, 92 gg.
(Stodbolm, 1857); M. Atiander 1. c., p. 238; fowie Altenftüde im
„Finniſchen Staatsarchiv“.
10*
145 Zweite Periode. Das Zeitalter Guſtav Wafas und feiner Söhne.
halts, daß der gemeine Mann in Ofterbotten vom Burglager
und von Kriegsfteuern verjchont bleiben und nur zum Unter-
halt der „Knechte“ verpflichtet fein jollte, „welche dort vom
Lande aufgeftellt find und als Yandwehr gebraucht werden“.
Gleichzeitig jollten die Bauern bereit jein, erforderlichenfalls
dem Feinde Widerftand zu leiften. Hierauf gründeten die
Bauern von Oſterbotten ihren Anjpruh auf Befreiung von
militäriſcher Einguartierung, welcher jpäter eine wejentliche
Urſache zum Ausbruch des „Keulenkrieges“ bildete.
Man war nunmehr auf beiden Seiten einer Fehde über-
drüſſig, welche beide Neiche ermüdete, ohne zu entjcheidenden
Rejultaten zu führen. Im Sommer 1592 wurden daher Ber:
bandlungen eröffnet, die im Januar 1593 mit Abjchluß eines
zweijährigen Waffenjtilljtandes endigten. Nah Ablauf des—
jelben traten Friedensbevollmächtigte beider Parteien im Dorfe
Zeufina bei Narwa zujammen, wo am 18. Mai 1592 ein
Friede vereinbart wurde, gemäß welchem Schweden im Beſitz
von Ejthland und Narwa bleiben, hingegen auf die Provinz
Kerholm jowie auf Ingermanland verzichten jollte. Später wurde
durch Kommifjare die Grenze zwijchen Rußland und Finnland
fejtgejtellt, wobei durch Vertrag vom 25. März 1596 die
Grenzlinie zwijchen Ofterbotten und Schwediſch-Lappland einer:
jeit8 jowie den Provinzen Nowgorod und Karelien anderjeits jo
bejtimmt wurde, daß der weftliche Teil der Kirchipiele Kuu—
jamo und Enare an Schweden fiel ’). Allerdings zügerte Klas
Fleming mit der Auslieferung von Kerholm an die Ruſſen,
jo daß dieſe wichtige Feſtung erjt nach jeinem Tode (1597)
in die Hände derjelben gelangte.
Obwohl Finnland nicht der eigentliche Schauplaß der kriege—
rijchen Ereignifje geweien, jondern nur zeitweije von feindlichen
1) Später wurden durch Kolonifation einige öftlih von der Grenze
liegende Gebiete unbemerkt für Schweden gewonnen, fo daß die Grenze
ihre gegenwärtige Richtung erhielt. Bgl. 8. E. F. Ignatius’ Mit:
teilungen im „Historiallinen Ark.“ V, 10sq., fowie ©. Ingman,
Tutkimuksia Pobjoismaiden historiassa vuosilta 1595— 1635, p. 1—21
(Helfingfors, 1890).
Friede mit Rukland und Tod König Iohanns (1592). 149
Heeriharen heimgejucht worden war, machten jich die Wir-
fungen des Krieges bei der mun folgenden Entwidelung doch
jtarf bemerkbar. Die verödeten Bauernhöfe bilden jeit jener
Zeit eine traurige, ftehende Rubrik in den NRechenjchaftsberichten
der Vögte, und die Militär- und Adelsherrichaft kam fortan
mit gewaltiger Kraft zur Geltung.
5. Der Kampf zwifchen Sigismund und Karl IX.; die Re—
gierung Karls IX. ').
Aın 17. November 1592 ftarb König Johann III. Den Er:
eigniffen, die fich nach jeinem Tode in Schweden abjpielten, folgte
der Marichall Klas Fleming in Finnland mit geipannter Auf-
merkſamkeit. Diejer Mann, deſſen Geſtalt fich feit jener Zeit
zu einer der machtvolliten entwidelte, welche Finnlands Gejchichte
aufzumerien bat, war um 1540 geboren. Er war einer
der Edelleute, welche Herzog Johann 1563 im Schloffe zu
1) Quellen und Nachſchlagewerke zur Gefchichte Finnlands unter Sigis-
mund und Karl IX.: E. Grönblad, Urkunder ete, I, 1—3; II, 1
Helſingfors, 1843— 1856); E. Grönblad, Utrum comitia ordinum Fen-
niae habita sint Arctopoli 1602 an non. Dissertatio critico-historica
Helſingfors, 1843—1847); 9. Kostinen, Nuijasota, sen syyt ja
tapaukset, 2. Aufl. (Heljingfors, 1877); 9. E. Baaranen, Handlingar
upplysande Finlands historia under Karl IX® tid, Bd. I—III (Helfing-
fors, 1863— 1866); 3. E. Baaranen, Öfversigt af Finlands tillständ
i början af 17de seklet (Helfingfors, 1860); Ion. Wermwing, Konung
Sigismunds och konung Karl IX historier (Stodbolm, 1746—1747);
Joh. Widelindi, Thet svenska i Ryssland tijo ährs Krijgz historie
(Stodbolm, 1671); € W. Beraman, Handlingar rörande söndringen
mellan hertig Karl och rädsherrarne, in: „Historiskt Bibliotek “, utg.
af C. Silfverstolpe II, 255—354 (Stodholm, 1876); ©. 3. Boë—
tbins, Om den svenska högadeln under k. Sigismunds regering
(Stodbolm, 1877); ©. 3. Boötbius, Hertig Karls och svenska riks-
radets samregering, in: „Svensk Historisk Tidskrift“, utg. g. E. Hil-
debrand IV, 15—%; V, 21—96; VI, 51—82 u. 92—122 (Stod-
bolm, 1884—1886). — Ungedrudte Quellen: Kopien und Originals
urfunden im „Finniihen Staatsardiv“.
150 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftan Waſas und jeiner Söhne.
Abo belagerten, jchloß fich jedoch ſpäter während des Aufruhrs
gegen Erich dem Herzog an und wurde, wie ©. 131 erwähnt,
bei der Krönung Johanns in den Freiherrnitand erhoben. In—
folge jeiner Abjtammung, feines Reichtums und jeiner Vermäh—
lung mit Ebba Stenbod, einer Schweiter der dritten Gemahlin
Guſtav Wajas, nahm er eine bedeutende Stellung ein und wurde
mit mannigfaltigen, bejonders militärtjchen Aufträgen betraut.
Nachdem er fich während der Anwejenheit des Königs in Reval
(Sommer 1589) das umeingejchränfte Bertrauen desjelben
erworben, jtieg er von Würde zu Würde, wodurch er jich den
unverföhnlichen Haß der jchwedijchen Reichsräte zuzog. Auch
unter der finniſchen Ariftofratie, die durch jeine Beteiligung
an den Intriguen gegen den hbelvdenmütigen Verteidiger von
Reval und Narwa, Karl Horn, gereizt worden war, hatte er
zahlreiche Feinde. Überhaupt bejaß er nicht die Eigenjchaften,
welche geeignet find, Ergebenheit zu erweden. Nur die Sol-
daten, für deren Wohl er auf Kojten der Bauern emfig bemüht
war, hegten Vertrauen zu ihm. Diejer hervorragende Dann ge-
wann nunmehr einen mächtigen Einfluß auf Finnlands Gejchid.
Sofort nah dem Tode König Johanns hatte er Mif-
trauen gegen die Abfichten des Herzogs Karl von Söderman—
land gefaßt. Als Ietterer eine Berfammlung nach Upſala
einberufen hatte (Anfang 1593), ließ er alle Wege und Über:
fahrtsorte zwijchen Schweden und Finnland bejegen, damit
niemand ohne jein Wiffen na oder von Schweden hinüber-
fommen könne Dem Kriegsvolk wurde der Eid auferlegt, nur
dem Sohne Johannes, König Sigismund von Polen, Gehorſam
zu leiften und feinem die Feſtungen zu öffnen, deſſen Treue
gegen den König dem geringften Zweifel unterworfen wäre.
Dieje und andere Maßnahmen Flemings erregten den leb-
baftejten Verdruß des Herzogs und veranlaßten ihn, brieflich
wie dur Sendboten in jcharfen Worten zu betonen, daß
Sleming nicht das Recht bejäße, jich allein mit Fragen zu
befajjen, deren Enticheidung dem Herzog, dem Neichsrat und
den Ständen gemeinjam zuftehe. Er jolle fih in Stodholm
einfinden, um mit dem Herzog und dem Neichsrat über die
Klas Eritsfon Fleming. 151
öffentlichen Angelegenheiten zu beratjchlagen. Die Sendboten
Karls Hatten auch den Befehl, das Kriegsvolf dem Marſchall
abfpenftig zu machen. Fleming antwortete auf dieje und andere
Forderungen des Herzogs zunächft in demütigem Tone, ohne
allerdings jachlich nachzugeben; aber je näher der Frühling
beranfam, deſto troßiger und bejtimmter wurden die Ausdrücke,
in denen er jeinen fejten Borjag zu erfennen gab, daß er
nur König Sigismund gehorchen werde. Er fonnte eine jo
fühne Sprade um jo eher führen, als ihm der König am
29. Mat 1593 die ausgedehnteften VBollmachten für die Hand-
babung der Regierung in Finnland erteilt hatte.
Nicht nur gegenüber den Anjprüchen des Reichsrats, jondern
auch gegenüber jeinen eigenen heimlichen und offenen Wiber-
jachern in Finnland erhielt Fleming durch den oben erwähnten
föniglichen Erlaß eine fejte Stütze. Cine Spaltung, gewalt-
jamer als jede frühere oder jpätere, war im Ausbruch begriffen,
wobei ſich der größte Teil des Yandes Herzog Karl anjchlof.
Ein nicht geringer Zeil des Adels, darunter der greife Hein-
rih Horn und deſſen Sohn Karl Henriksjon, denen Fleming
jeit langem verhaßt war, fnüpfte Beziehungen mit dem Herzog
an; die Geiftlichkeit, die faft vollzählig den Beichluß der
Upfalaer Berjammlung vom 20. März 1593 unterzeichnet
hatte, erblicte in Herzog Karl einen Verteidiger der wahren
Religion; bei dem gemeinen Mann jchließlich,, welcher für
die großen Meinungsverjchiedenheiten fein Verſtändnis bejaß,
berrichte eine immer heftigere Unzufriedenheit über das „Burg:
lager“, deſſen Laſt fich nach Abſchluß des Waffenftillftandes mit
Rußland vom Januar 1593 nicht vermindert, jondern im Gegen-
teil vermehrt hatte. In Rautalampi im nördlichen Tawajtlanıd
war bereits ein Aufftand gegen die einquartierten Reiter aus-
gebrochen, welcher erjt nach der perjönlichen Ankunft Flemings
unterbrüdt wurde. Dett aber, wo der Marjchall in den Beſitz
der königlichen Vollmacht gelangt war, vermochte er mit Unter:
ſtützung der bedeutenden Truppenmacht, die ihm zur Ver—
fügung jtand, diefer Bewegung ruhig die Spige zu bieten.
Während jih Sigismund in Schweden aufhielt (30. Sep-
152 „weite Periode. Das Zeitalter Guftav Wafas und feiner Söhne.
tember 1593 bis Auguft 1594), war Klas Fleming, welcher
damals in jeiner Würde ald Admiral, Reichsmarſchall, höchiter
Befehlshaber der Kriegsmacht jowie Statthalter iiber Finnland
nochmals vom König beftätigt wurde, unabläjfig an der Seite
desjelben und trug nach Kräften dazu bei, jeinen Argwohn
gegen den Herzog zu ſchüren. Auch nach der Heimfehr nach
Finnland zeigte ſich Fleming feſt entjchloffen, jeine frühere
Handlungsweiſe auch künftig beizubehaltten, wobei er mehr
als vordem auf die finnijchen Edelleute bauen zu können hoffte,
da viele derjelben bei der Krönung des Königs (19. Februar
1594) von diejem durch Gnadenbeweije gewonnen worden waren.
Kaum war Herzog Karl im September 1594 vom Reichs—
rat zum Neichsverwejer ernannt worden, als er jeine Macht
auch auf Finnland auszudehnen verjuchte. Er richtete an Klas
Fleming die Aufforderung, jich in Stodholm behufs Teilnahme
an den Beratungen des Reichsrats einzufinden, den Befehl
über die Krieggmacht aufzugeben und jeine Kriegsichiffe nach)
Schweden hinüber zu jenden. Er ging jogar noch einen Schritt
weiter, indem er durch Erlaß vom 14. Oftober 1594 bie
Soldaten in Finnland beinahe offen zum Abfall vom Marichall
aufforderte. Die lettgenannte Maßregel empörte Fleming in
hohem Grade, und er gab jeinem Unwillen in einem in jchroffen
Worten abgefaßten Schreiben Ausdrud. Er fünne, jo erklärte
er u. a. Finnland nicht in einer Zeit werlaffen, wo ed noch
unficher jei, ob künftig Krieg oder Friede am der öftlichen
Grenze berrichen werde; im übrigen jei er fein „Fuhrmann“
(skjutsbonde), den man dahin rufen fünne, wohin es einem
behage. Dieje fräftige Sprache jchredte den Herzog zumächit
davon ab, in das Wirkungsgebiet des Marichalls Eingriffe zu
machen. Yeßterer regierte in Finnland nach wie vor völlig eigen-
mächtig und war um jo weniger zu irgendwelcher Nachgtebigfeit
geneigt, als der König jeine Handlungswetie ganz und gar
bilfigte und jeine Machtbefugnifie noch erweiterte.
Die Beichlüffe des Neichstages, welcher am 30. September
1595 in Söderföping zujammentrat, und auf welchem die Parteı
Sigismunds eine vernichtende Niederlage erlitt, gaben erneuten
Herzog Karl und Fleming. 153
Anlaß zu Zwiftigfeiten zwijchen dem Herzog und dem Marjchalt.
Da nur wenige finnijche Vertreter anmwejend gewejen, war nicht
zu hoffen, daß der für die Stellung Karls äußerſt vorteilhafte
Reichstagsbeichluß in Finnland befannt werden oder gar Ge-
borjam finden würde, wofern die finnijchen Stände von den
Vorgängen auf dem Neichstage nicht bejonders in Kenntnis
gejegt würden. Mit Rückſicht darauf bejchloß der Herzog die
Abjendung einer aus Karl Henrifsjon Horn ſowie zwei ſchwe—
diichen Edelleuten beſtehenden Deputation, welche beauftragt
war, den Reichstagsbeichluß in Finnland fund zu machen und
die Genehmigung desjelben zu erwirfen; außerdem jolften jene
Männer die im Lande begangenen Ungejetlichkeiten gerichtlich
abnden und den gemeinen Mann vom „Burglager“ befreien.
Die Sendboten gelangten im Januar 1596 nach Abo, wo fie in
einer von Fleming einberufenen Verſammlung der vornehmiten
finniſchen Edelleute ihr Anliegen vorbrachten und den Reichs—
tagsbejchluß verlajen. Hierbei entjtand ein heftiger Wort:
wechjel zwiichen ihnen und dem Marjchall, welcher Karl Horn
auf Grund einiger von diefem geäußerten unvorfichtigen Worte
für einen Majeftätsverbrecher erklärte, der nicht länger einen
offiziellen Auftrag verrichten dürfe. Die gewaltſame Ent:
jernung Karl Horns jagte den Anwejenden einen jo großen
Schreden ein, daß fie jich jämtlich widerjtandslos den Wünjchen
des Marjchalls fügten. Eine Antwort wurde abgefaßt, welche
in formeller Hinficht allerdings ausweichend war, fachlich jedoch
eine volfftändige Ablehnung bedeutete. Über den Zweck diejer
Erklärung konnte ein Zweifel um jo weniger obwalten, als
eine große Anzahl von Adeligen kurz darauf infolge einer von
Fleming ausgehenden Aufforderung einen förmlichen Proteft
gegen den Reichstagsbeichluß von Söderköping unterzeichnete.
Mit diejem Beſcheide mußten ſich die Sendboten begnügen;
fie kehrten heim, da jie fich auch im übrigen zur Erfüllung
ihrer Aufträge außer ftande geiehen hatten.
Herzog Karl wollte nunmehr zu den Waffen greifen, um
die Anerkennung des Bejchluffes jeitens Flemings mit Gewalt
zu erzwingen, ftieß jedoch dabei auf den Wiberftand des Reichs—
154 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Waſas und feiner Söhne.
rates, welcher bei einem friegerifchen Unternehmen gegen Finn—
land, infolge der mit Sicherheit zu erwartenden Parteinahme
König Sigismunds für Fleming, den Ausbruch eines allgemeinen
Bürgerfrieges befürchtete. Nicht minder aber wurde Karl durch
das Gefühl der eigenen Schwäche zunächſt an der Ausführung
feiner Abjichten gehindert. |
Inzwifchen rüftete Klas Fleming mit ganzer Kraft, um allen
Gefahren gewachien fein zu fünnen. Das Schloß Abo wurde
befeftigt, die Flotte verſtärkt und in der Umgegend von Abe
eine bedeutende Kriegsmacht verjammelt. Aber wenn der
Marſchall auch getroft feinen Blick nah Weften richten konnte,
jo waren bingegen die inneren Zuftände in Finnland geeignet,
ihm ernftlichen Kummer zu verurfachen. Allerdings war es
ihm geglücdt, den Widerjtand des Adels zu unterbrüden,
jo daß nur einige wenige Familien, darunter die Horn jowie
die Brüder Klas und Yars Hermansjon Fleming von Will:
näs, nunmehr einen zweifelhaften Standpunft einnahmen;
aber bei der &eijtlichfeit und den Bauern war die Un—
zufriedenbeit in bejtändigem Wachjen begriffen. Die finntjchen
Prediger, welche mit Yeib und Seele der protejtantiichen
Lehre ergeben waren und in dem Bejchluffe von Söderköping
eine neue Stüße für diejelbe erblicdten, begannen unter Leitung
des Biſchofs Ericus Erict kirchliche Reformen durchzuführen.
Klas Fleming, welcher feine ausgeiprochene religiöfe Überzeugung
bejejfen zu haben jcheint, fich aber den Fatholiich-reaftionären
Beitrebungen anjchloß, fette den Geijtlichen heftigen Wider:
jtand entgegen und unterlieg es jogar nicht, die Volfsmajje,
welche die alten firchlichen Gebräuche mit Ehrfurcht betrachtete,
gegen jene aufzubegen. Auf dem Aboer Herbjtmarfte 1596
juchte er jie jogar zum Gegenjtand des Geſpöttes für den
gememen Mann zu machen. Da er außerdem fatboltichen
Predigern und anderen aus Schweden entflohenen Katholiken
eine Zufluchtsftätte in Finnland gewährte, wuchs der Unwille
der evangelischen Geiftlichfeit gegen ihn unabläſſig. An vielen
Orten wandten die Prediger ihren mächtigen Einfluß auf die
Bevölferung an, um diejelbe zu heimlichen Verbindungen mit
Finnlands Unzufriedenheit mit Flemings Berwaltung. 155
Herzog Karl aufzufordern. Trotzdem ift die Urfache des nun:
mehr ausbrechenden Bürgerfrieges nicht jowohl in den religiöjen
Spaltungen zu juchen, welche die damalige Zeit erfüllten, als
vielmehr in dem finanziellen Drud, welcher jeit der Regierung
Johanns III. auf dem Volke gelaftet und jich nach jeinem
Zode noch vermehrt hatte. Wir haben erwähnt, daß fich ſchon
während des rufjiichen Krieges die Drohung mit einem „Keulen-
heer“ Hatte vernehmen lafjen. Nach dem Waffenftillftand von
1593 waren die Laſten behufs Unterhaltung des Kriegsheeres
noch gejteigert worden, und nicht minder ſah fich die Bevöl—
ferung in ihrer Hoffnung betrogen, daß der Friedensſchluß von
1595 irgendwelche Erleichterung mit fich bringen werde. Fle—
ming aber fonnte die in Finnland jtehende Truppenmacht nicht
zu einer Zeit vermindern, wo ein Kampf gegen Herzog Karl
zu erwarten war, und infolge Geldmangel® erblidte er feinen
anderen Ausweg als den, jeine Knechte bei den Bauern ein-
zuquartieren, umd zwar unter dem VBorwande, daß das Ver:
hältnis zu Rußland erjt nach endgültiger Yeititellung ver
Grenzrichtung als gefichert betrachtet werden könne. Viel—
leicht noch jchlimmer war, daß er nicht mit genügender
Strenge unter jeinen Knechten die Disziplin aufrecht erhielt.
Bon allen Seiten wurde darüber geklagt, daß jich die einquar-
tierten Soldaten Gewaltthätigfeiten gegen den gemeinen Mann
zu Schulden kommen ließen, und vergeblich waren alle an
Fleming gerichteten Bejchwerden.
Unter ſolchen Umftänden begann die Bevölferung Finn—
lands ihren Blid nah Schweden zu richten. Schon 1503
erichienen Bauern aus einer großen Anzahl von finniſchen
Kirchipielen bei Herzog Karl, um Befreiung vom „Burglager“
und von den über die Maßen drücdenden Abgaben zu fordern.
Zwar verjuchte Fleming alles, um die Kläger an der Über:
fahrt nach Schweden zu verhindern, aber deſſen ungeachtet
ihlichen jich nicht wenige Bauern an jeinen Wachtpoften vor:
über und entwarfen bei der Stodholmer Regierung die bitterjtegg
Schilderungen von den heimatlichen AZuftänden. Auch im
Dftober 1596 wurden von den Bauern der Provinz Nyſlott
156 „Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Waſas und jeiner Söbne.
Beichwerden eingereicht, und in ihre Klagen jtimmten Bauern
aus Nordfinnland jowie aus den Provinzen Kummenegärd und
Wiborg ein.
Die Anfchuldigungen gegen den Marſchall waren zmweifels-
ohne dem Herzog Außerft willfommen. Cr erteilte bereitwillig
Schut- und reiheitsbriefe, durch welche er die Bevölkerung
einzelner Kirchipiele und Provinzen vom „Burglager“ ſowie
von ungerechten Abgaben befreite. Durch einen für das ganze
Pand gültigen Erlaß wurden in Finnland das „Burglager“ und
andere Yajten abgejchafft, bis die anläßlich des Söderköpinger
Reichstages nach Finnland geichicten Sendboten eine allgemeine
Unterfuchung angejtellt hätten. Die Briefe Herzog Karls fanden
troß der Borfichtsmaßregeln Flemings ihren Weg auch bis in
die entlegenften Gegenden, hatten aber feine andere Wirkung, als
daß jich die Unruhe noch jteigerte. Die Erprefjungen erjchienen
nämlich nunmehr nicht nur drückend, jondern auch ungejelich.
Beiondere Umſtände bewirften, daß die Unzufriedenheit
in Ofterbotten einen gewaltjameren Charakter annahm als
in den übrigen Landesteilen. Die Bauern in Ofterbotten
waren darüber ftolz, daß fich ihr Gebiet, wo e8 feine Nitter-
güter gab, niemals vor der Macht des Adels gebeugt hatte;
nicht minder betrachteten fie die Befreiung vom „Burglager“,
die jie jich kürzlich erwirkt hatten, als ein wertvolles Vorzugs—
recht. Diejer beiden Vorrechte jahen fie fich indefjen nunmehr
beraubt. Wie in anderen finnischen Yandjchaften begann näm—
lich ein Knappen- Adel emporzufommen, indem fich Beamte
und reiche Bauern dur Ausrüftung von Neitern für den
Dienjt der Krone Steuerfreiheit erwarben. Hierdurch wurde die
bisherige joziale Gleichheit gefährdet, und ſchon deshalb waren
die „Knappen“ verhaßt; aber jie wurden dies noch mehr, als
jie ihre Knechte und Pferde bei den Bauern einquartierten.
Noh größer wurde die Unzufriedenheit, als Fleming nach
Abſchluß des Waffenftillftandes mit Rußland im Frühjahr
4593 in jenen Landſchaften ftarke Abteilungen einquartierte.
Da von diefen an Gewalttbaten gewöhnten Kriegern nichts
für heilig erachtet wurde und der Marichall jede Beichwerde
Gärung in Öfterbotten. 157
abwies, wandten ji die Bauern an Herzog Karl, welcher im
Juni 1593 ihr Recht der Befreiung vom „Burglager“ be:
fräftigte. Einige Zeit hindurch genojjen jie hierauf Er-
leichterung, aber binnen furzem erwirkte Fleming einen fönig-
lichen Erlaß, daß jie nicht minder als andere Bauern jener
Saft unterworfen jein jollten. Die Bauern von Ojterbotten,
von deren Gejichtspunft aus die Handlungsweije des Mar:
ihalls ein ſchreiendes Unrecht bedeutete, jandten von neuem
Deputierte mit Hilfsgejuchen an den Herzog, und diejer erließ
wiederholentlih Schug- und Freiheitsbriefe, deren Überbringer
jedoch von den Reitern Flemings mit Gewalt vertrieben wurden.
Unter denen, die dazu beitrugen, die Wut der Bevölferung
zum Ausbruch zu bringen, war ein Kaufmann in Pedersöre,
Hans Hansjon Fordell, am einflußreichiten. Diejer Mann
war Mitglied eines der angejehenften Gejchlechter in Djter-
botten und Sohn von Hans Fordell senior, welcher jchon unter
Guſtav Waſa, Erih XIV. und Johann II. durch umfaſſende
Handelsthätigfeit und jeine jenen Königen geleifteten Dienjte
einen mächtigen Einfluß gewonnen hatte. Sein Reichtum war jo
groß, daß er 1570—1573 dem König die für damalige Zeiten
hohe Summe von 6000 XThalern vorjtreden fonnte, ein
Darlehn, welches Johann nur zum Teil abzuzahlen vermochte,
jo daß die Familie Fordell noch nah dem 1573 erfolgten
Tode des Vaters rüdjtändige Forderungen bei der Krone
hatte’). Die Reichtümer und den Einfluß erbte der Sohn,
welcher jich unter dem Cindrud des gewaltjamen Verfahrens
von Fleming und dejjen Anhängern eifrig der Sache jeiner
Landsleute annahm. Er war einer von denen, welche 1595 die
Beichwerden der Bauern dem Herzog eröffneten, und beteiligte
ih am dem Söderköpinger Reichstag. Nach jeiner Rückkehr ın
die Heimat wurde er von Fleming verfolgt und mußte nach
Schweden flüchten, wo er der jtändige Vertreter der öſter—
1) Th. Weftrin, Bidrag till slägten Fordells historia, in: „Svenska
literatursällskapets i Finland förhandlingar och uppsatser “ I, 52—57
(Helfingfors, 1886).
158 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Wafas und feiner Söhne.
bottnifchen Bevölkerung war und, im Beſitze jämtlicher Siegel
der öfterbottnifchen Kirchipiele, unabläffig die Beichwerdeichriften
derjelben beim Herzog einreichte. Sein Gut Pinonäs wurde von
Flemings Reitern geplündert, aber er ließ fich nicht dadurch
abichreden. Auf jein Anraten gingen die Bewohner von Dfter:
botten auf den Straßen Stodholms klagend einher, unter Ber:
wünjchungen gegen den Marjchall und der Drohung, ſich den
Ruſſen unterwerfen zu wollen, wofern fie nicht Hilfe erhielten.
Vermutlich war c8 auch Hans Fordell, welcher einen Erlaß vom
30. Oftober 1596 erwirfte, worin Herzog Karl fie aufforderte,
fich nicht nach den Befehlen Flemings zu richten. Einige Tage
ipäter hatten Fordell und deſſen Genofjen, darunter ein Bauer
Namens Bengt Pouttu aus dem Kirchipiel Groß-Kyro, Audienz
beim Herzog, um von ihm bewaffnete Hilfe aus Schweden zu
erbitten. Ein ſolches Verſprechen fonnte der Herzog nicht er-
teilen; doch forderte er die Bauern auf, jelber gegen ihre
Unterdrüder die Waffen zu ergreifen.
Hierauf ſcheint ein fleißiger Meinungsaustauſch zwiſchen
Schweden und Öfterbotten ſowie zwiſchen Oſterbotten und den
übrigen Landſchaften Finnlands ftattgefunden zu haben, wobei der
Plan für die künftige Erhebung allmählich fejtgeftellt wurde.
Gleichzeitig fam es zum Ausbruch Fleinerer Qumulte, welche
den allgemeinen Aufruhr anfündigten. Am 25. November 1596
wurde eine Anzahl Bauern bei der Kirche von Groß - Kyro
von Knechten und Reitern gefangen genommen, um auf Schloß
Abo gejchafft zu werden. Aber während der Nacht jammelten
jich die Freunde der Gefangenen, überrajchten die Soldaten
und befreiten die Ihrigen. Ein paar Wochen jpäter erhob
jich wiederum eine Bauernichar in derjelben Gegend und zer-
jtörte einige Gehöfte, welche im Bejige von Flemings An-
bängern waren. Hierauf berrichte während einiger Wochen
in den Dijtriften des nördlichen Oſterbottens Ruhe, welche
der von Fleming in jene Yandjchaften neu entjandte Vogt Ab-
raham Melchiorsſon benugte, um durch das Verſprechen einer
Yinderung der Steuerlaften eine Beruhigung der Gemüter zu
verjuchen. Aber er täufchte jich im der Hoffnung, hierdurch
Der Ausbruch des Keulentrieges (1596). 159
weiterem Unheil vorbeugen zu fünnen. Denn ſchon war der
Plan feftgeitellt, nach welchem die Bauern zur That über-
gingen. Sie wollten ſich Mann für Mann erheben und gen
Abo vorrüden. Auf dem Marjche ſollten die Gehöfte des
Adels und des Kriegsvolfes mit einigen wenigen Ausnahmen
verwüjtet und ihre Bewohner niedergemegelt werden. Nach
der Ankunft bei Abo jollten fich die Bauern des dortigen
Schloſſes bemächtigen ; auch jollten gleichzeitig andere Scharen
nah Tawaſtland und Savolaks marjchieren, jo daß jich die Er-
bebung über das gejamte Finnland verbreiten würde. Die Geift-
lichen, welche in Dfterbotten jo mächtig wie „Negenten“ waren,
jhürten eifrig die Flamme des Aufruhrs, enthielten fich jedoch
gleih anderen Perjonen von höherem Stande des öffentlichen
Auftretens, jo daß die Leitung des Aufftandes denjenigen
Bauern zufiel, welche ſich durch ihren eifrigen Widerftand
gegen jede Bedrüdung und durch ihre Bejchwerden darüber be-
fannt gemacht hatten. Die Bewaffnung war jelbjtverjtändlich
außerft bunt. Mancher trug die von den Vätern ererbte
Flinte, mancher Pfeil und Bogen; e8 gab aber auch einige,
welche nur mit Keulen, Spießen oder Arten ausgerüjtet waren.
Schon früher war es üblich gemwejen, derartige ungeorbnete
Scharen „Keulenheere“ zu benennen; ein Ausprud, welcher
auch jetst Anwendung fand. Der Bauernaufruhr erhielt des-
balb den Namen: „Keulentrieg“.
Ganz Dfterbotten befand fih in Gärung; aber nur in den
jüdlichen Kirchijpielen der Provinz (Kyro, Ilmola und Yappo)
erhoben jih die Bauern Mann für Mann, um gen Süden
zu ziehen. Die Küftengebiete und die nördlich belegenen Kirch-
jpiele wurden von dem Unternehmen benachrichtigt, und es kam
von ihnen einige Verjtärfung; aber bejonders zahlreich war die
Streitmacht, welche jich jammelte, nicht. Urjprünglich dürften
faum mehr als 1000 Mann ausgezogen fein; allein während
des Mariches nach Süden vermehrte ſich die Schar unabläjjig
durch Zulauf aus den durchzogenen Kirchipielen, jo daß jchließ-
lich einige taufend Mann in Bewegung waren. Hätte die
ganze Abteilung zufammengebalten, jo wäre jie jchreden-
160 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Waſas und feiner Söhne.
erregend genug gewejen; aber gemäß dem urjprünglichen Plane
teilten jih die Bauern in verjchtedene Haufen, von denen jeder
einzelne allzu ſchwach war, um einem waffengeübten Gegner ernit=
lichen Widerftand leiften zu fünnen. Cine Abteilung zog gen
Dften nah Savolats und Tawaftland, eine andere längs der
Küfte nach Ulfsby ; die Hauptmacht marjchierte auf dem Wege,
welcher vom jüdlichen Ofterbotten durch den Tamwaftwald in die
Kirchipiele Tawaſt-Kyro, Karkku und Birkkala führt.
Zum Anführer der legtgenannten Abteilung wurde Jakob
Ilkkainen oder Ilkka aus Ilmola gewählt; neben ihm wird auch
Ari Kontjas als Führer erwähnt. Der Aufbruch erfolgte
Mitte Dezember. Unter Verbrennung und Plünderung der ade:
ligen Gehöfte rüdten die Bauern vorwärts, ohne auf Wider-
ſtand zu jtoßen, und gelangten etwa am 20. Dezember 1596
nach Birkfala, wo fie auf dem Hofe Nokia ein Yager aufichlugen.
Hier vereinigte ſich mit den Bauern eine Hleinere Schar, welche
auf eimem öftlicheren Wege gefommen war. Der Angriff einer
Zruppenabteilung unter Knut Jönsſon Kurd wurde abgejchlagen.
Allein der Mut der Bauern war nicht von langer Dauer.
Kaum hatte nämlich Klas Fleming von dem Ausbruch des
Aufruhrs Kunde erhalten, ald er an der Spite von einigen
taujend Mann Reitern und Fußvolk nebjt mehreren Kanonen
aufbrah. Kurz nach Weihnachten gelangte er nach Birkkala,
wo er am 31. Dezember bei Nokia die Bauern angriff und
diejelben durch Artilleriefeuer in Verwirrung brachte. Fleming
zeigte fi zur Milde geneigt, bot ihmen freien Abzug an,
wofern jie Ilkka und ihre übrigen Führer auslieferten, und
veriprach ihnen jogar vorläufige Befreiung vom „YBurglager“.
Diejes Anerbieten wurde von den Bauern angenommen; aber
faum batte Ilkka von der ihm drohenden Gefahr gehört, als er
voller Schreden die Flucht ergriff. Da die Bauern infolge
deffen die Bedingung für eine friedliche Übereinfunft mit dem
Marſchall nicht zu erfüllen vermochten, löften fie jich am Neu—
jahrstage in wilder Flucht auf und wurden mehrere Meilen
weit von Flemings Neitern verfolgt, die eine große Anzahl
töteten oder gefangen nahmen.
Der Bauernaufrußr in Finnland Januar 1597. 161
Ebenjo unglüdlich endigte der Zug der längs der Küſte
vorrüdenden Bauern. Ihnen hatte fich der ſchon früher (S. 158)
erwähnte Bengt Pouttu angejchlofjen, während die Haupt-
führung einem Manne Namens Miärten Tommola anvertraut
war. Unter Verwüftung von adeligen Höfen famen die Bauern
bis nach Ulfsby; dort jedoch wurden fie von Arel Kurd ge-
ichlagen und zerjtreut.
Durch dieſe Ereignifje war das Hauptziel” der Bauern,
der Vorwärtsmarſch nach Abo, verfehlt worden, und ein gleiches
Los ereilte binnen furzem die Heinen Scharen, welche gen Oſten
nach Rautalampi gezogen waren. Hier wurden fie durch die jtreit-
Iuftigen Bewohner von Rautalampi, welche fich jchon 1593 gegen
Flemings Knechte erhoben Hatten, verjtärkt und teilten fich in
jwei Haufen, von denen der eine gegen das jüdliche Tawaſt—
land, der andere nach Groß: Savolafs marjchierte. Die erjt-
genannte Schar, welche jchließlih bis auf 400 Mann jtieg,
verbreitete Schreden bis in das Kirchipiel Hollola. Dort
jtieß jie aber (Mitte Januar 1597) auf den Marjchall, welcher
nach jeinem Siege bei Nokia den Bauern eiligit entgegengezogen
war, und wurde beim Dorfe Nyyſtelä im Kirchipiel Padas-
jofi von Iwar Arwidsjon Tawaſt an der Spike von Flemings
Vorhut graufam niedergemegelt. Gefährlicher erſchien hingegen
der Bauernaufruhr in Savolaks. Hier führte der Hauptmann
auf Nyſlott, Götrif Finde, ein Sohn des hochverdienten Guftav
Finde, den Oberbefehl. Er hatte die tüchtigen Eigenschaften
jeines Vaters geerbt und waltete jeines Amtes mit Eifer und
Geſchicklichkeit; auch zeichnete er fich vor den übrigen Großen
der damaligen Zeit durch- jeine Fürſorge für die hartbedrückte
Bevölkerung vorteilhaft aus. Als er Anfang Januar 1597
Kunde davon erhielt, daß Bauern aus Ofterbotten und Rauta—
lampi in das jübliche und mittlere Savolaks eingebrochen
jeien, befand er fich in einer höchſt werwidelten Page. Die
Bejagung auf Nyjlott war äußerſt gering, und jeine Hoffnung,
bei ven Bauern, auf deren alte Ergebenheit für jeine Perjon
er baute, Unterftügung zu finden, vwerwirflichte fich feines-
wegs, indem dieſelben überall Neigung zum Anjchluß an die
Schpbergion, Geſchichte Finnlande. 11
162 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Waſas und feiner Söhne.
Aufrührer befundeten und nur eine Minderzahl feinen Ermah—
nungen Folge leiftete.e Die Lage wurde ferner dadurch er-
ichwert, daß die Feſtung Kerholm noch nicht an die Ruffen
ausgeliefert war, jo daß fich die leteren unzufrieden zeigten,
und der Blick Findes daher beftändig auf die Zuftände an der
öftlichen Grenze gerichtet jein mußte. Die „Keulenmänner“ teilten
fih in zwei Kolonnen, von denen die eine nach St. Michel
zog, während die andere durch Jorois bis nach Jokkas vor-
drang. Winde, der zu jchwach war, um auf eigene Kauft zum
Angriff jchreiten zu fönnen, jandte Boten auf Boten an bie
Befehlshaber in Wiborg und Kerholm mit der Bitte um
Hilfe und erhielt auch binnen furzem bedeutende Verſtärkung.
Nunmehr wurden die Bauernhaufen hier, ebenjo wie in Tawaſt—
(and und Satakunta, ſchnell zerjtreut. Am 23. Januar 1597
jtieß ein Trupp Reiter und Knechte unter Per Paͤlsſon Juuften
beim Pfarrhof von St. Michel auf die eine Bauernichar.
Diejelbe verteidigte ji mutig, fonnte jedoch nicht auf Die
Dauer jtandhalten und fapitulierte gegen das Verſprechen, daß
ihr Leben verjchont bliebe. Diejes VBerjprechen gab man ihnen
indeſſen nur, um ſie hinterher zu betrügen: faft jämtlich wur—
den fie jchonungslos niedergemegelt. Die zweite nördliche
Kolonne, welche unter Heinen Gefechten ihre Stellung in Jorois
bartnädig verteidigt hatte, zog ſich einige Tage jpäter erjchredt
zurück und zerftreute ſich nach verjchtedenen Seiten hin. Die
Handlungsweije, welche Götrif Finde hernach beobachtete, bildet
einen tröftlihen Zug in der ſonſt düftern Gefchichte der da-
maligen Zeit. Er juchte nämlich dem Rachedurſt der Truppen
zu jteuern, was ihm freilich nur teilweiſe gelang.
Anfang Februar 1597 waren die Bauern auf allen Seiten
zurüdgeichlagen und vernichtet. Ihre Erbebung war in vieler
Hinfiht den gewaltigen Bauernaufftänden ähnlich gewejen,
welche am Schlufje des Mittelalters und zu Beginn der neuen
Zeit an vielen Stellen in den jüdlichen Ländern Europas zum
Ausbruch gelangt waren. Ebenſo wie fih die Bauern in
Deutjchland, Frankreich und England voller Wut zum Kampfe
gegen den Feudalismus erhoben, ebenjo juchten fie in Finnland
Der Aufftand in Öfterbotten Februar 1597. 163
unter Plündern und Brennen die Militärgewalt zu vernichten,
welche ihre bürgerliche wie ökonomiſche Griftenz bedrohte.
Glücklicherweiſe waren jedoch die Mißftände in Finnland mehr
als in den Feudalſtaaten worübergehender Art.
Klas Flemings erſte Maßregel nach errungenem Siege war
die Beitrafung der Yeiter der öfterbottnifchen Aufrührer. Der
Vogt Abraham Melchiorsjon, welcher beim Ausbruch des Auf-
ruhrs entflohen war, fehrte mit einer Schar von Reitern in das
jübliche Ofterbotten zurück. Jakob Ilkka, Yrjö Kontjas jowie
einige andere „Keulenhauptleute“ wurden nach ihrer Gefangen-
nahme gemäß der damaligen barbariichen Sitte zu Tode ge-
martert. Bengt PBouttu wurde nach Abo gebracht, wo er auf
dem Schloffe ftarb. Aber kaum war dies gejchehen, als bie
Flamme des Aufruhrs von neuem auf einer Seite aufloderte,
wo fich die Bevölkerung bisher ruhig verhalten hatte, nämlich in
den nordöfterbottnifchen Küftenjprengeln nördlich von Karleby.
Der militäriihe Drud hatte auf ihnen minder ſchwer gelaftet,
und fie waren daher nicht jofort bereit gewejen, zu den Waffen
zu greifen, wenngleich fie dem Unternehmen ihrer jüdlichen
Yandsleute lebhaftes Interejfe entgegenbrachten. Als nun aber
die Kunde von der Niederlage der Bauernheere jowie von dem
unglüdlichen Los Ilkkas und feiner Helfershelfer bei ihnen ein—
traf, befürchteten fie, daß fich auch in ihrer eigenen Yandjchaft
die Bedrüdungen fteigern würden, und griffen deshalb zu den
Waffen. Gleichzeitig gelangte in jene Gegend ein von Herzog
Karl entjandter neuer Vogt, Israel Larsſon, welcher, jedenfalls
in Übereinftimmung mit den Wünjchen des Herzogs, Abra-
ham Melchiorsſon die Macht ftreitig zu machen ſuchte. Er
bielt zu Pebersöre mit dem gemeinen Mann ein Thing ab,
und binnen kurzem befanden fich alle Kirchipiele von Kemi
bis Karleby in vollftändigem Aufruhr. Als Abraham Mel-
hiorsjon hiervon Nachricht erhielt, eilte er mit fünfzig Knechten
gen Norden, geriet aber bei der Kirche von Karleby in einen
Hinterhalt. Durch diejen Erfolg ermutigt, zogen die Bauern
na Süden, um die Bewohner von Dfterbotten zu einer neuen
Erhebung zu beivegen, fchlugen unter Israel Yarsjon bei Groß-
11*
164 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Wafas und feiner Söhne.
Kyro und Ilmola ein Lager auf und riefen die waffenfähigen
Männer aus ganz Ofterbotten zuſammen. Sogar die jchwe-
diſchen Küfteniprengel mußten, allerdings wider ihren Willen,
Bewaffnete ftellen, jo daß das Volfsheer jchlieglich einige tau-
jend Mann betrug.
Klas Fleming that alles Mögliche, um diejer neuen Er—
bebung vorzubeugen. Er jchrieb an die ſchwediſchen Kirchipiele,
dankte ihnen dafür, daß fie König Sigismund treu geblieben,
und ermabnte fie, bei ihrer Treue zu verharren. Gleichzeitig
warnte er die übrigen Yandesbewohner, ſich nicht von den
Berrätern betbören zu laffen. Da aber die Bauern nicht Ge:
borjam leifteten, jammelte .er etwa 1500 Mann und rüdte
mit ihnen durch den Tawajtwald in die öfterbottnijche Ebene, wo
er beim Ilmolafluſſe auf die Bauernjcharen ſtieß. Er forderte
diejelben auf, von ihrem Unternehmen Abjtand zu nehmen; aber
nur die Bauern aus den jchwediichen Kirchipielen gingen zu
ihm über. Die übrigen antworteten mit Schüffen auf jeine
Reiter und waren jogar unvorjichtig genug, ihre Verhaue zu
verlajien. Kaum hatten fie fih auf jolche Weije bloßgeftellt,
als fie von Fleming Truppen umringt und zum Zeil (etwa
500 Mann) gefangen genommen, zum Teil niedergemegelt
wurden; der Reſt rettete jich in die Wälder. Das Treffen
am Ilmolafluſſe vom 24. Februar 1597 war entjcheibend.
Ganz Öfterbotten unterwarf fich nunmehr dem fiegreichen Mar:
ihall, während der herzogliche Vogt Israel Yarsjon eiligit
nach Schweden entflod.
Klas Fleming war allzu jehr Staatsmann, um jeinen Er:
folg einzig als Mittel zur Rache an den Befiegten anzujehen.
Allerdings gejtattete er jeinen Truppen Gewaltthätigfeiten gegen
die Bewohner in der Nähe des Schlachtfeldes; aber jein Haupt:
ziel war doch die möglichit jchnelle Wiederherſtellung des Frie-
dens in Finnland, damit er jpäter feine Kräfte zum Kampfe
gegen Herzog Karl verwenden könnte. Er ließ einige Geiftliche
und Bauern aus den nächſten Kirchipielen zu jich rufen und
machte ihnen in ftrengen Worten Vorjtellungen wegen ihrer Treu—
lofigfeit gegen Sigismund, fügte ihnen jedoch nichts Böſes zur,
Das Ende des Keulentrieges März 1597. Flemings Tod (April 1597). 165
jondern ließ fie heimziehen. Auch wurden die meiften Gefangenen
jreigelajfen und nur einige der am meiften Schuldigen zum
Berhör auf Schloß Abo gebracht. Diefe Huge Handlungsweije
batte die beabjichtigte Wirkung. Ende März war die Flamme
des Aufruhrs überall erlojchen; der „Keulenkrieg“ hatte ein
Ende gefunden. Wie viele Menjchenleben während des Auf:
ruhrs verloren gegangen, läßt fich nicht einmal annähernd be-
rechnen. Sicherlich jind indeffen ältere Angaben, denen zufolge
faft 11000 Mann umgekommen jein jollen, bedeutend über:
trieben; der Meenjchenverluft belief fich faum auf mehr als
2— 3000 Mann. Auch die Berwüftung, welche mit dem Vor-
marjch der „Keulenmänner“ verbunden war, nahm einen ge—
ringeren Umfang an, als man jich vorgeftellt hat; denn da
dieje im allgemeinen die dichter bevölferten Yandjchaften nicht
erreichten, hatten fie feine Gelegenheit, eine größere Zahl von
Herrenfigen zu zerftören. Am jchlimmften war Ilmola, Groß-
Kyro und anderen nahegelegenen Kirchipielen, welche den Haupt:
berd des Aufruhrs gebildet hatten, mitgejpielt worden. Hier
mußten jpäter beträchtliche Steuererleichterungen bewilligt wer-
den. Die traurige Erinnerung an den Aufruhr bat fich von
Generation zu Generation fortgepflanzt, und der Kampf zwifchen
Klas Fleming und den „Keulenmännern“ bat, vielleicht weniger
um jeiner jelbjt willen al wegen des gewaltigen Hintergrundes
jtreitiger Grundjäge, einen hervorragenden Plag in der Ge—
ihichte Finnlands erhalten.
Es war dem Marjchall nicht vergönnt, fich jeines Sieges
lange zu erfreuen. Während er fich in Südfinnland eifrig mit
Rüftungen zum Kampfe gegen Herzog Karl bejchäftigte, er-
frankte er plöglih und ftarb in der Nacht des 12.13. April
1597. Es ift nicht wahrjcheinlich, daß er bei längerer Lebens—
zeit den Greignifjen eine andere Richtung hätte geben können,
als fie jpäter in der That einjchlugen ; aber unzweifelhaft würde
fih der Sieg des Herzogs verzögert haben, wenn Flemings
Schwert zugunften Sigismunds in die Wagjchale gelegt worden
wäre.
Sleihwohl war die Stellung der königlichen Partei in
166 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Wajas und feiner Söhne.
Finnland nunmehr jo ftark, daß auch nach dem Tode des Mar:
ſchalls fein Verjuch gemacht wurde, ihre Herrichaft zu brechen.
Seine Witwe, Ebba Stenbod, bewies bei der Aufrechterhal-
tung des Werkes ihres Gemahls männliche Entjchloffen:
beit und fand Unterjtügung bei den vornehmften Kriegshaupt-
leuten, injonderheit bei dem Aomiral Bengt Severinsjon
Juuſten. „So lange unjer Blut warm ift, follen der Herzog
und jeine Bevollmächtigten nicht ihren Einzug in das Schloß
Abo Halten“: äußerte er im Ratsſaale von Abo zum Volke.
An den König wurden Boten entjandt mit der Nachricht
vom Tode Flemings jowie mit der Bitte, er möge einen
neuen Oberbefehlshaber ernennen. Sigismund antwortete am
20. Juni (n. St.), er habe Arwid Eriksſon Stälarm zum Statt:
halter in Finnland ſowie zum Befehlshaber der finnijchen
Streitmacht auserjehen. Stälarn war nach dem Ableben des
Marſchalls unzweifelhaft der für einen ſolchen Poften am
meiften geeignete. Hatte er doch während des rujjiichen Krieges
und jpäter große militäriſche ZTüchtigfeit bewiejen. Die ge:
bieterijche Energie Flemings, welche die Umgebung des Mar-
Ihalls früher zum Gehorjam gleichjam gezwungen hatte, bejaß
er allerdings nicht. Mit Erlaubnis des Königs überlieferte er
am 3. September 1597 Kexholm den Ruſſen, wodurd ver
Friede an der Oſtgrenze gefichert wurde. Hingegen machte er
feinen Verſuch, Ofterbotten wiederzugewinnen, wo Hans Hansjon
von Monikfala, ein fühner PBarteigänger, jchon gegen Ende des
Frühlings die königlichen Beamten verdrängt und im Namen
des Herzogs den Befehl übernommen hatte. Seine Aufmerf-
jamfeit war nämlich vollftändig auf Schweden gerichtet, wo
Herzog Karl nunmehr endlich entjchloffen war, im die finnifchen
Zuftände einzugreifen.
Im Auguft 1597 brach der Herzog mit Heer und Flotte
auf, bemächtigte ſich Alands und Fam Anfang September in
den Schärengarten vor Abo. Arwid Stälarm und Bengt
Severinsfon Juuſten rüfteten fich eifrig zur Verteidigung,
fonnten jedoch nicht verhindern, daß der Herzog nach einem
Heinen Gefecht am 7. September bei Ruskiafallio, ſüdlich von
Das Bordringen Herzog Karls (Herbit 1597). 167
Abo, landete und am 9. September bis Kuppis vorrüdte. Die
finntjche Reiterei, welche ihm dort entgegentrat, wurde burch
einige Kanonenjchüffe in Verwirrung gebracht und flüchtete gen
Norden längs des Weges nach Tawaftehus. Vergebens ſuchte
Arwid Stälarm die Seinen aufzuhalten; die Unzuverläffigfeit
der Truppen nötigte ihn jogar, fich noch weiter zurückzu—
ziehen und Schloß Abo unentfegt zu laffen. Infolge beffen
fonnte der Herzog zur Belagerung jenes Schlofjes jchreiten.
Die dortigen Befehlshaber, Bengt Severinsjon Juuften und
Hans Eriksjon von Brinkfala, waren, gleich ihrer adeligen Um—
gebung, entjchlojjen, ſich bis aufs Außerfte zu verteidigen; nicht
minder zeigten die auf dem Schlofje eingejchlojjenen adeligen
Frauen, unter ihnen Ebba Stenbod, männliden Mut. Allein
die Zuverficht der Soldaten janf von Tag zu Tage, und ber
jchleichende Verrat machte jich bei ihnen mehr und mehr geltend,
jo daß das Schloß am 30. September übergeben werden mußte.
Es wäre für Herzog Karl leicht gewejen, ſich auch der
übrigen finnifchen Schlöffer und des Innern des Yandes zu
bemächtigen; aber die Beſorgnis vor den Gefahren, welche
Schweden bedrohten, hinderte ihn am Bleiben, und er be-
gnügte jich daher damit, das, was er gewonnen, zu befejtigen,
jo weit die Verhältniffe es geftatteten. In einem Schreiben
vom 2. Dftober, in finnifcher Sprache, wandte er fich, anläß-
lich einer früheren Proflamation Arwid Stälarmd, an das
finnifche Volt. Sein Ziel, jo jagte er, jet, daß jedem jeine
Rechte erhalten blieben und daß der Schwächere gegen ben
Stärkeren geichügt werde, während Staͤlarm und deſſen Helfers-
belfer nur auf das Verderben des Meiches binarbeiteten. Die
Bevölkerung müffe daher den Plänen derſelben nah Kräften
entgegenarbeiten. Um die hohen Gejellichaftsflafjen für fich zu
gewinnen, berief der Herzog ferner eine Verſammlung nad
Abo, wo Vertreter des Adels, der Geiftlichfeit, des Bürger:
ftandes und der Armee ihm als Erbfürften des Reiches und
als Reichsverweſer huldigten und erklärten, daß Stälarm und
deffen Genofjen zur Unterwerfung zu zwingen jeien, wofern fie
nicht einen Vergleich eingehen würden. Für wie ſchwach aber ber
168 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Wafas und feiner Söhne.
Herzog trogdem feine Stellung in Finnland anſah, geht daraus
hervor, daß er weder den Oberbefehl auf dem Schloß Abo
einem feiner Vertrauten überließ, noch dasjelbe mit einer zu—
verläfjigen Garnijon verjah, jondern zu Befehlshabern drei
finnifche Edelleute ernannte: Klas und Lars Hermansjon Fle—
ming jowie Göran Henrifsjon Horn, welche perjönliche Gegner
von Klas Fleming gewejen waren und deshalb eine abwartende
Haltung beobachtet hatten, ohne jedoch mit König Sigismund
zu brechen; die Truppenmacht, über welche fie zu verfügen
hatten, beftand nur aus den Soldaten, welche bei der Kapi—
tulation zum Herzog übergegangen waren.
Nah Karls Abreife (Ende Dft. 1597) hatten die Ber-
bältniffe in Finnland eine Zeit lang etwas Schwankendes. Die
Ergebenheit der großen Menge für Schweden und die evan-
geliihe Sache war durch jeine Gegenwart gejtärft worden;
aber eigentliche Volksbewegungen gelangten nunmehr nicht zum
Ausbruch, teil wegen der durch den „Keulenkrieg“ hervor—
gerufenen Niedergeſchlagenheit, teild auch, weil König Sigis—
mund das „Burglager” jowie andere Steuern zu erlaffen ver-
Iprochen hatte. Andrerſeits fonnte ſich der Model nicht von der
Borftellung losmachen, daß Sigismund der einzige gejetliche
Landesherrſcher ſei, und auch diejenigen, welche jich beim Be—
juche des Herzogs demjelben genähert Hatten, begannen deshalb
jegt aufs neue, Verbindungen mit der Föniglichen Partei anzu—
fnüpfen. Das Berbalten der Befehlshaber auf Abo iſt ım
dieſer Hinficht bezeichnend. Erft forderten fie Arwid Staͤlarm
zur Unterwerfung auf; als aber diejer erflürte, er wolle eher
jterben al8 den feiner Obrigfeit gejchworenen Eid brechen,
übergaben fie ſchon am Weihnachtsabend 1597 Schloß Abo
an Stälarm. Die Stellung des leßteren wurde um jo feiter,
als ich ihm die Einwohner des jüdlichen Ofterbotten im Ianuar
1598 unterwarfen, weil fie mit Hans Hansjon von Monikkala
unzufrieden waren, welcher jie faum minder bebrüdte, als
e8 früher die Vögte Flemings gethan hatten. Hingegen ver-
weigerte die Bevölkerung im nördlichen Ofterbotten ihre Unter-
werfung unter Sigismund.
Schwanten zwiihen Karl und Sigismund 1598. 169
3m Juli 1598 unternahm Stälarm mit einer Flotte und
einem Heere von etwa 3000 Mann einen Zug an die Küfte
von Upland, um Sigismund im Kampfe gegen den Herzog zu
unterftügen. Obwohl er unverrichteter Sache heimtehren mußte,
ließ er den Mut nicht finken, jondern war darauf bedacht,
möglichjt bald jeine Streitmacht zum zweitenmal nach Schweden
binüberzuführen. Um feine Stellung in Finnland zu fichern,
ließ er im September 1598 einen Teil feiner Truppen in
das jübliche Öfterbotten marjchieren, wo ber herzogliche Be—
tehlshaber gefangen genommen wurde, worauf fich der größte
Teil von Dfterbotten dem König unterwarf. Nach diejem
Erfolg brach Stälarm zum zweitenmal nad Schweden auf und
gelangte Anfang Oktober nah Stodholm. Nunmehr war e8
jedoch zu jpät. Sigismund war nämlich inzwijchen (25. Sep-
tember) bei Stängebro von Karl befiegt worden, jo daß fich
Stälarm von neuem unverrichteter Dinge nach Finnland zurüd-
ziehen mußte.
Die Handlungsweije, welche Sigismund bernach beobachtete,
war faum mehr als jeine früheren Maßnahmen geeignet, den
finnifchen Edelleuten größere Zuverjicht einzuflößen. Er jandte
ihnen weder Geld noch Hilfstruppen und zeigte ihnen gegen=
über ein Mißtrauen, welches ihre aufopfernde Treue wenig
verdient hatte. So trennte er beijpielsweije die Statthalter-
ihaft von dem Oberbefehl über die Kriegsmacht, indem er
Stälarm im Beſitze der erfteren beließ, jedoch Arel Kurd zum
Kriegsoberften ernannte. Ferner erteilte der König oft die
grauſamſten Befehle. Die Bevölkerung Finnlands jollte mit
rüdjichtslofer Härte behandelt und das Eigentum eines jeden,
der mit dem Herzog oder der Partei desſelben irgendwelche
Gemeinjchaft Hätte, den Soldaten zur Vernichtung überlaffen
werden. Der zur Milde geneigte Arwid Stälarm unterließ
jedoch die Ausführung diefer Befehle, die um fo überflüjfiger
waren, als fich irgendeine bemerfbare Bewegung vonjeiten des
Volkes damals nicht verfpüren ließ. Der lange Kriegszuftand,
der Bauernfrieg und die beftändig von beiden Seiten aus-
gehenden Ermahnungen hatten das finnische Volk jo ermattet,
170 Zweite Periode. Das Zeitalter Guſtav Wafas und feiner Söhne.
daß es ſich nunmehr willig jedem unterwarf, der die Macht
in Händen hatte.
Trotz dieſer jchwierigen Verbältniffe blieben Adel und
Kriegsvolf mit erftaunliher Zähigkeit König Sigismund treu.
Sie wagten jogar Anfang 1599 zum Kampfe gegen den Herzog
zu fchreiten. Im Januar bemächtigte ſich Stälarn des Schloffes
Kaſtelholm auf Aland, wo er Salomon Ile zum Befehlshaber
einjegte. Nicht minder war jeine Aufmerkfjamfeit auf das
nördliche Ofterbotten gerichtet, wohin Karl einen Mönd Na:
mens Auguftinus Larsſon geſchickt hatte.
Das Ende mußte indefjen für die Freunde des Königs
in Finnland unvorteilhaft werden, zumal da Sigismund es
nach wie vor unterließ, ihnen Verftärkungen zu jenden. Die
Entſcheidung war benn auch jchon nahe. Auf dem Reichstage
zu Stodholm hatten die Stände am 24. Yuli 1599 Sigis-
mund für abgejett erklärt. Gleichzeitig war die Stellung
Finnlands, welche ſchon auf verſchiedenen Neichstagen Gegen:
ftand der Beratung gewejen war, noch einmal einer ernjtlichen
Prüfung unterzogen worden. Die Yinnländer, jo hieß es in dem
Reichstagsbeſchluſſe, jeien zu verjchiedenen Zeiten gütli und
ernftlih zur Genüge ermahnt worden, fich mit den Reichs—
ftänden zu vereinigen und fich nach ihnen zu richten, jo daß
man vollauf berechtigt jet, ihnen gegenüber mit unerbittlicher
Strenge zu verfahren. Da fie jedoch nicht ſämtlich in gleicher
Weiſe jehuldig, ſondern vielfach nur verführt jeien, jo joll-
ten fich noch einmal einige Vertreter jedes Standes bebufs
Ermahnung der Finnländer in Finnland einfinden. Wollten
die Finnländer dann einige der Ihrigen mit jenen zufammen
nach Schweden ſchicken, um im Namen der anderen eine Über-
einkunft zu treffen, jo werde man von einem Kriege gegen fie
Abjtand nehmen. Thäten fie dies jedoch nicht, jo werde man
fie für offenbare Feinde anfehen, welche nach Kräften verfolgt
werben follten.
Ende Yuli 1599 fegelte die ſchwediſche Flotte mit einer
bedeutenden Heeresmacht nach Finnland. Der Admiral Joachim
Scheel wurde abgejandt, um Kaftelholm zu belagern, deſſen
Das Sinten ber königlichen Macht 1599. 111
Bejagung anfangs alle Aufforderungen, fich zu ergeben, mutig
zurüdwies, am 31. Juli aber durch das Feuer der ſchwediſchen
Kanonen zur Unterwerfung gezwungen wurde. Die Dannjchaft
wurde den jchwebiichen Truppen einverleibt, der Befehlshaber,
Salomon Ille, jamt den übrigen Offizieren vor ein Kriegs—
gericht geftellt und zum Tode verurteilt. Kurz nachher er:
teilten die finnijchen Herren in Abo einer aus Vertretern der
vier Stände beftehenden Deputation, welche fie gemäß dem Stod-
bolmer Reihstagsbejchluffe zum letztenmal zur freiwilligen Unter:
werfung aufforderte, eine abweijende Antwort. Herzog Karl,
welcher nunmehr perjönlich den Oberbefehl über die ſchwediſche
Streitmadht übernommen hatte, ging infolge deſſen mit aller Kraft
an die Durchführung des Kampfes. Er teilte jeine Armee
in zwei Abteilungen, von denen die eine unter Admiral Scheel
zur Belagerung des Schloſſes Abo ſchritt, während die andere
unter jeiner eigenen Führung am 17. Auguft bei Kärknäs im
Kirchipiel Sagu, füdweftlih von Abo, landete. Ein Meines
Gefecht mit Neitern der föniglichen Partei (18. Aug.) bei einer
Brüdfe auf dem Wege von PBemar nach Halikko fiel zu des
Herzogs Vorteil aus. Von den finnijchen Truppen blieben nur
400—500 Mann unter Stälarm in Abo, während die Haupt-
arımee unter Arel Kurck auf dem Wege nach Tawaftehus gen
Oſten marjchierte, um ſich mit den aus Ejthland erwarteten
Grjagtruppen zu vereinigen. Der Herzog folgte jedoch Kurd
auf dem Fuße und griff jeine Abteilung am 29. Auguft im
Kirchſpiel St. Märten an, wo die Finnländer nach Fräftigem
Widerjtand übermannt und zerftreut wurden, jo daß Kurd
nur jchwache Trümmer nach Wiborg zu führen vermochte Es
bedurfte nur eines ſolchen Mißerfolgs, um den bereit8 ge-
junfenen Mut der königlichen Partei vollends zu brechen. Als
Joachim Scheel den Herren auf Schloß Abo und Stälarm die
Kunde von der Niederlage übermitteln ließ, glaubten fie frei-
ih nicht daran, jondern bejchloffen, die Verteidigung fort-
zujegen. Als ſich die Nachricht aber beftätigte, erkannten fie,
daß alle weiteren Anftrengungen überflüjfig jeien, und fapitu-
lierten nach längeren Verhandlungen Ende September. Die
172 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Wafas und feiner Söhne.
Dejagung wurde in die Dienfte des Herzogs genommen. Hin-
gegen juchten die Anführer vergebens die Verzeihung des Sie-
gers zu erlangen; der Herzog verjtand ſich bloß dazu, daß
das Schidjal Stälarms und der Freunde desjelben von dem
Beſchluſſe der Stände abhängig jein jolle. Im öftlichen Finn-
land war der Gang der Ereigniſſe nicht minder jchnelf und
entjcheidend. Der Herzog brach, nachdem er jich in Hel-
jingfors einer Anzahl Kriegsichiffe bemächtigt und einige An-
hänger Sigismunds dem Henker überliefert hatte, nach Wi-
borg auf, defjen Belagerung am 21. September begann. Die
durch die Reſte der Kurdjchen Abteilung jowie durch ein
Hilfscorps aus Ejthland verftärkte Beſatzung war hinreichend
ſtark, um einen langen Widerftand leiften zu fönnen; aber bier
wie überall fehlte der füniglichen Partei die den Sieg be-
dDingende moralijche Energie. Die Bürger Wiborgs fnüpften
Beziehungen mit dem Herzog an umd öffneten eines der Stadt:
tbore, jo daß die befeftigte Stadt mit der Beſatzung in feine
Hände fiel. Am nächjten Tage, dem 23. September, ergab jich
auch das Schloß, wo Arwid Henrifsjon und defjen Sohn Iwar
Arwidsjon Tawaft jowie Yard Maͤrtensſon Ereuß den Befehl
führten. Bald darauf fiel Nyflott, wo der greife, Fluge Götrif
Finde nach wie vor fommanbdierte. Nach einem Feldzuge von
faum zwei Monaten war Herzog Karl jomit Anfang Oftober
1599 unbeftritten Herr über ganz Finnland.
Es würde Herzog Karl zur Ehre gereicht haben, hätte er
in der Stunde des Sieges den Befiegten Gnade zuteil werden
laſſen; aber eine jolche Handlungsweije entſprach jeinem rück—
fichtslofen, herben Charakter keineswegs. Ebenſo wie er Sa—
fomon Ile und deſſen Kameraden jowie die in Heljingfors
gefangenen Streiter hatte hinrichten laſſen, ebenjo ließ er in
MWiborg die obengenannten Führer nebft anderen adeligen und
bürgerlichen Männern föpfen. Als er Anfang November nad
Abo gefommen war, jeßte er ferner, unter Bruch jeines Ge—
löbniſſes, eine aus Edelleuten, höheren Offizieren ſowie dem
Bürgermeiſter und Ratsherren in Abo beſtehende außerordent—
liche Gerichtskommiſſion ein, vor welcher der Prozeß gegen
Karls Sieg Oktober 1599. 173
Arwid Stilarm und dejfen Freunde am 7. November begann.
Natürlih fällten die vom Herzoge abhängigen Nichter ein
Zodesurteil über die Angeklagten, deren Bitte um Aufjchub
der Urteilsvollftrefung bis zum Zufammentreten des Reichs—
tages bei Karl fein Gehör fand. Nur Arel Kurd und Arwid
Stälarn wurden nach Schweden gebracht, wo der leßtere nach
einem wechjeluolfen Leben 1620 jeine Tage beſchloß, während
erjterer jein Alter in Ruhe verbringen durfte. Nicht einmal
die Geijtlichfeit entging der Rache des Herzogs. So wurde
3. B. der Biſchof Ericus Erici nah Schweden gebracht und
einige Zeit hindurch an der Ausübung jeines Amtes verhindert,
wie er denn überhaupt wegen jeiner angeblichen katholiſchen
Geſinnung bis zum Tode des Herzogs für diejen ein Gegen-
ſtand des Mißtrauens blieb.
Auf jolhe Weije endete eine Periode, die zu den trau-
rigjten gehört, welche das finnifche Volk durchgemacht hat. Die
lange ruſſiſche Fehde, deren Greignifje fich teilweije auf finni—
ihem Boden abjpielten, und der unbeilvolle „Keulenfrieg“
hatten Berödung über Finnland gebracht. Später Hatte die
Militärherrichaft mehrere Jahre ungeftört gejchaltet, bis
fie endlich durch Herzog Karls ftarfen Arm zu Boden ge:
worfen wurde. Die Folgen alles diejes Unheils waren furcht-
bar. Die ſchon vorher große Zahl der verödeten Gehöfte
hatte jich jo vermehrt, daß es jahrhundertelanger Arbeit be-
durfte, bevor jie wieder bebaut werden konnten. Durch mehrere
ungünjtige Ernten zur Verzweiflung gebracht, begann die fin-
niſche Bevölkerung teils nah Rußland, teild nah Schweden
auszumandern. Eine durch Hunger und Krieg hervorgerufene
Pet wütete im Lande und trug ebenfall8 zur Verminderung der
Bevölterungsziffer bei). Die Unoronung innerhalb der Ad-
1) Nah den im Stodholmer Reihsarhiv befindlichen Regiftern betrug
die Zahl der Bauern, Hinterfaffen nnd Koloniften in Finnland 1566
rund 35500, 1580 etwa 33400 und 1590 circa 31600, was eine fort=
dauernde Berminderung ergiebt. Die Zahl der Fronbauern batte fi
hingegen in den Jahren 1566—1580 —1593 von 1008—2310— 2441
gefteigert, wa® ebenfalls für die Entwidelung bezeihnend ift. A. G. Fon
174 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Wafas und feiner Söhne.
miniftration hatte infolge der langen Trennung von Schweden
alljährlich noch zugenommen. Der Adel brachte die Bauern»
böfe unter jeine Botmäßigfeit, bedrückte jeine eigenen Unter-
jaffen und forderte noch lauter denn vorher den Genuß von
Vorredten, die in Schweden unbefannt waren. Die Vögte
und Steuererheber endlich beraubten die Bauern des geringen
Reſtes ihrer Habe.
Dies war der Zuftand in Finnland, als Herzog Karl nad
einem im allgemeinen wenig erfolgreichen Feldzuge in Yivland
gegen Sigismund am 20. November 1601 an der ſüdfinniſchen
Küfte landete. Sofort nach feiner Ankunft in Abo berief er
alle Mitglieder des Adels und der Nitterichaft jowie Ritt—
meijter, Hauptleute, Vögte, Schreiber, Richter nebjt anderen
Beamten dorthin, um mit ihnen zu beraten. Um die Neu—
jahrszeit 1602 traten 58 Edelleute nebft einer Anzahl Bürgerlichen
zu einer Verfammlung zujammen, welche einige Wochen währte.
Das Hauptthema, um welches fich die Verhandlungen bier
drehten, war die Frage, betreffend die Stellung und die Privi-
fegien des finnijchen Adels. Obwohl fich der Herzog weigerte,
die finnischen Adelsprivilegien zu beftätigen, weil fie fich nicht
auf jchriftlihe Dokumente ftügten, jo ſchloß doch die Ber-
jammlung mit einer freundjchaftlichen Annäherung zwijchen dem
Herzog und den finntjchen Ariftofraten, welche noch einige Jahre
zuvor jeine Feinde gewejen waren. Sie gaben eine jchriftliche
ZTreuverficherung ab, und der Herzog, welcher während bes
livländiſchen Krieges ihre kriegeriſche Tüchtigfeit kennen gelernt
hatte und ihrer Dienfte nach wie vor bedurfte, gelobte ihnen bie
Erhaltung der Vorrechte, die fie von früheren Königen em—
pfangen hätten, jowie eine freigebige Begabung mit Ämtern und
Lehen. Schon vorher hatte er ihnen die eingezogenen Güter zurüd-
tell fhäkt in dem Aufſatz: „Finlands folkmängd 1571, jemförd med
Sveriges“ („Finsk Tidskrift“ XVII, 100-106; Helfingfors, 1885)
die Bevöllerungsziffer für 1571 auf 207 000— 241 000 Perfonen, während
I. E. Baaranen in ber Schrift „Landtdagen i Helsingfors 1616 “
(Helfingfors, 1862) die Anficht vertritt, daß Finnland zu Beginn ber
Regierung Guſtav Adolfs nicht mehr als 200000 Einwohner beiefien habe.
Herzog Karls Verhältnis zu Finnland 1601 und 1602. 175
erjtattet, und furz darauf gab er mehreren der noch in Gefangen
ichaft befindlichen finnischen Edelleute die Freiheit wieder. Die
finniſche Ariftofratie gewann mithin aufs neue die Gunft
des Pegenten, und mehrere ihrer Mitglieder jpielten hernach
eine bedeutende Rolle im Reichsdienſt; aber jie verlor ihre
bejondere Stellung und verjchmolz jeit dieſer Zeit mehr
und mehr mit dem zahlreicheren und mächtigeren jchwebijchen
Adel.
Über die Verhandlungen mit den in der Verſammlung
anmwejenden Bürgerlichen wiffen wir kaum etwas anderes, als
daß der Herzog einen Vorjchlag, betreffend eine von den bürger-
lichen Ständen zu erlegende Hilfsfteuer, einbrachte. Unzweifel—
haft benußte Herzog Karl jedoch ihre Anmejenheit auch dazu,
jih im einzelnen über den Zuftand des Landes zu informieren ;
wie denn auch die zahlreichen im Laufe des Jahres ausge-
fertigten Erlaſſe inbetreff der verjchiedenen Verwaltungszweige
zum nicht geringen Teile den Ratichlägen jener Männer ent-
Iprangen. Die Ordnung des Kriegswejens, die Unterdrüdung
der Mißbräuche bei der niederen Adminiftration jowie bie
Kolonifierung des Yandes bildeten die Hauptpunfte, welche in
jenen Verfügungen berührt wurden.
Um den Iioländifchen Krieg energijch betreiben zu können, hatte
jich der Herzog genötigt gejehen, fein Heer unaufhörlich durch Aus—
jchreibungen zu verftärfen. Wiederholentlih wurden aus Finn—
land 2000 Mann und noch mehr requiriert; ein Zwang, der
um jo drücdender wirkte, al8 dabei vielfah Mißbrauch und
Unterjchleif betrieben wurde. Der Herzog juchte nun durch
befjere Organifation und ftrengere Kontrolle die Kriegsdienft-
laft zu erleichtern. Bor allem iſt beachtenswert, daß er das
„Burglager” abjichaffte, indem er fejtjete, daß den Reitern
und Knechten die jährliche Kronrente von gewiffen Gütern zum
Unterhalt angewiejen werben ſollte. leichzeitig wurden bie
Bauern in gewöhnlich aus zehn Männern beftehende „Rotten-
ſchichten“ (rotelag) eingeteilt, von denen der am leichtejten Ent-
behrliche ald Soldat ausgehoben wurde. Es begegnet ung
mithin jchon hier ein Anfang der Organifation, welche jpäter
176 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Waſas und feiner Söhne,
durch das jogenannte „Rottenſyſtem“ (roteringsverk) zur Aus—
führung gelangte ’).
Um die Kolonifation des Yandes zu fördern, jchidte der
Herzog Perjonen im Lande umber, die fich über die verödeten
Höfe und über unbebaute Triften, welche in SKrongüter ver-
wanpelt werben könnten, genau unterrichten und Maßnahmen
behufs Urbarmachung diefer Diftrifte treffen follten; und zwar
jolften den SKolonijten gewiffe Steuerfreiheitsjahre gewährt
werden. Ebenſo jollte nichts unterlaffen werden, was die Kul-
tivierung der jogenannten „Erämarken“ befördern fönnte.
Zwei Vertrauensmänner des Herzogs, Maͤns Olofsjon und Olof
Göransſon, wurden beauftragt, die ganze „Erämark“ von
Sääksmäki bis nach Ulei zu bereifen und dabei das Eigen—
tumsrecht der Bewohner an Wald und Weide fejtzuftellen.
Die Mittel, welche der Herzog anmwandte, um in bie nie
dere Verwaltung Ordnung zu bringen und dem eigennütigen,
gewaltjamen Vorgehen der Steuereinnehmer vorzubeugen, waren
itrengfter Art. Die meiften Vögte jowie deren Unterbeamte
wurden verabjchiedet, nach Schloß Abo gebracht und von dort
jpäter nach Schweden geführt, um über ihre Verwaltung
Rechenichaft abzulegen. Einige wurden bingerichtet und ihre
Nachfolger mit gleicher Strafe bedroht, wenn fie nicht all-
jährlich genau ihre Steuereinnahmen angeben würden. Auch
über die bei der Steuererhebung benutten Maße und Gewichte
wurde eine allgemeine Unterjuchung angeftelit.
Nachdem Herzog Karl Anfang Februar 1602 Abo verlajjen
hatte und nach Bjürneborg gefommen war, erließ er (9. Yebr.)
eine „Verordnung, wie ſich die Vögte bier im Yande verhalten
1) Auch Anzeichen einer beginnenden „Rüfthaltereinrichtung“ (rusthälls-
inrättning) machten fich bereits bemerkbar. So befreite Karl 3.8. 1602
zweiundneunzig Sronbauern in Jääslis von Abgaben, wogegen fich jene
verpflichteten, je einen Neiter auszurüften. Ferner wurde Steuerfreibeit
fowie das Recht, ein für alle gemeinfames Wappenfchild zu führen, allen
denen zugefihert, die fih zum Reichsdienſt gegen den Feind bereit cv:
Härten. Bol. W. G. Lagus, Undersökningar om finska adelns gods
och ätter, p. 549sqq. (Helfingfors, 1857 — 1860).
Der Erlaf; Herzog Karla. 177
jollen“, welche nicht ohne Grund al8 der Ausgangspunft für
die Arbeit bezeichnet worden iſt, welche im Laufe des 17. Jahr:
hunderts behufs Gründung einer befferen Organijation inner:
balb der Verwaltung Finnlands ausgeführt wurde. Im der
Einleitung zu jenem Aktenſtück klagt Herzog Karl darüber, daß
in Sinnland größere Unordnung als jonft irgendwo im Reiche
berriche, und er findet die Urjache darin, daß die Könige nicht
jo häufig, wie e8 notwendig geweſen, Gelegenheit gehabt hätten,
nach Finnland hinüberzufommen und zu jehen, wie dort ge-
wirtjichaftet würde. Hierauf beftimmt die Verordnung in dem
früher erwähnten Sinne, wie e8 bei Ausbebungen und beim
Unterhalt des Kriegsvolfes zugehen jolle. Ferner wird u. a.
ausführlich von den im Land anzumwendenden Maßen und Ge-
wichten geiprochen und fejtgejetst, daß Edelleute, Geiftliche, Vögtere.
unter feiner Bedingung die Höfe der Bauern unter ihre Bot-
mäßigfeit bringen dürften. Schließlich bejchäftigt ſich Die
Berordnung mit den Pflichten der Vögte und Steuererheber.
Genug, ein ernjtes Bejtreben, über die Wirkjamfeit der Be—
amten eine Kontrolle einzuführen jowie die Rechte und Pflichten
der verjchiedenen Gejellichaftsflaffen fejtzuftellen, harakterifiert
jenen Erlaß. Freilich läßt fich nicht leugnen, daß die Wir-
fungen der vom Herzog erteilten VBorjchriften nicht jelten jeinen
quten Abfichten wenig entiprachen. Die Urjache hierzu Tag
darin, daß es ihm ebenſo wenig wie feinen Vorgängern ge—
lang, innerhalb der höheren Adminiftration eine feite Ordnung
zu begründen. Die Hauptleute, welche an der Spike ber
Militär- und Zivilverwaltung in den einzelnen Landjchaften
jtanden, entbebrten einer Inftruftion und wurden von dem
Herzog jo beargmwöhnt, daß er wiederbolentlich die ihnen zukom—
mende Amtsgewalt vorübergehend an Kommiſſionen übertrug,
deren Eingreifen in die Berwaltung der Vögte oft mehr zum
Schaden als zum Nuten gereichte, da die Kojten ihrer Reife
auf der Bevölkerung lafteten und die Mißbräuche bald nachher
von neuem üppig emporjproßten.
Während jomit die Admintjtration im großen und ganzen
mangelhaft blieb, wurden im einzelnen einige nützliche Maß-
Schybergfon, Geſchichte Finnlands. 12
178 Zweite Periode. Das Zeitalter Guſtav Wafas und feiner Söhne.
nahmen durchgeführt. Inſonderheit war Dfterbotten Gegen:
ftand der Fürjorge der Negierung. Die 1605 bezw. 1606
gegründeten Städte Uleaäborg und Waja !) zeugen noch heut:
zutage durch ihren lebhaften Handel von ihres Begründers
icharfem Blick für die Erforderniffe des fommerziellen Ye-
bens. Im Jahre 1608 wurde eine Kommijjion unter Yeitung
des Kämmerers Johann Ottesſon (Klöfverblad) eingeſetzt,
welche durch eine neue Steuereinihäsung den häufigen Be—
ſchwerden der Bewohner Ofterbotteng iiber Ungerechtigkeit und
Ungleichheit in der Einihätung abhelfen jolltee Der Auftrag
wurde rajch erledigt, freilich weniger jorgfältig, als die Wichtig-
feit der Sache es verlangt hätte. Gleichwohl blieb die Tara-
tion Ottesſons bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts bejtehen.
Nicht minder wichtig waren die Maßnahmen, welche jene Yand-
ſchaft gegen feindliche Verwüſtungen zu ſchützen bezwecten. Die
bei Uleäborg vorgenommenen Befejtigungsarbeiten wurden aller:
dings bald wieder eingeftellt; aber gleichzeitig (1605) empfing
der Befehlshaber in Dfterbotten, Iſaak Behm, den Auftrag,
in der Wildnis, wo fich die Sotlamo » Seeen einen Weg zum
Ulei-See bahnen, eine jtarke Feſte anzulegen, welche 1607 ven
Namen Kajaneborg erhielt. Sogar bis in das entlegene Yapp-
land erjtredte jich die Fürjorge Karls. Von ſeinem Eifer für
das Wohl des Yandes zeugt nicht minder, daß er den Plan
Erich Thuresſon Bjelkes, den Saima durch einen Kanal mit
dem Meere zu verbinden, wieder aufnahm. Der greife Bengt
Severinsjon Juuſten wurde 1607 mit der Yeitung diejes Unter—
nehmens beauftragt, welches jedoch durch jeinen Tod (1609)
eine Unterbrechung erlitt und später nicht mehr fortgeſetzt
wurde.
Auch auf litterariſchem Gebiete deuteten einige ſchwache und
ſporadiſche Anzeichen darauf hin, daß der langen Dämmerung,
welche ſeit der Zeit Agricolas und Juuſtens geherrſcht hatte,
ein hellerer Tag folgen würde. Unter dem Vorſitz des Biſchofs
1) Über die Gründung der Stadt Waſa vgl. H. E. Aspelin, Wasa
stads historia (Nilolaiftad, 1892—1894). — Die Stadt hieß uriprüng-
lich (6i8 1611) Muftaiaari.
Öfterbotten un 1600. Die letzten Jahre Karls IX. 179
Ericus Erici wurde 1602 ein Komitd eingejegt, um die ganze
Bibel ind Finnifche zu übertragen. Über die Thätigfeit ber
Kommiffion ift nichts weiter bekannt; möglicherweife wurde
jedoch bier die jpätere finnische Bibelüberjegung vorbereitet.
Einige Zeit vorher überjegte der Pfarrer in Kajalofi, Ljungo
Thomasjon, das Landesgeſetz in das Finnische. Die Arbeit,
deren große Bedeutung für die Nechtsiprehung in Finnland
der Überſetzer in einer Dedikation fir den Negenten mit Necht
betonte, wurde dem Herzog 1602 übergeben und gewann deſſen
Beifall. Der Anfang der Übertragung wurde 1603 gebrudt,
aber jpäter geriet das Internehmen ins Stoden. Cine von
junge 1609 verfaßte Überjegung des Städtegeſetzes blieb
ebenfalls ungedrudt. — Ein Vertreter Finnlands in der wifjen-
ihaftlihen Welt war zu jener Zeit der bei den Zeitgenoffen
wegen jeiner tiefen Gelehriamfeit berühmte Naturforicher und
Mathematiker Siegfried Aron Forfius. Nach 1550 in Hel—
jingfors geboren, jtudierte derjelbe an der Aboer Kathedral—
ihule und in Deutichland, lenkte jpäter die Aufmerkjamteit
Karls auf fich, wurde zum Feldprediger ernannt und erbielt
1601 den wichtigen Auftrag, in Lappland durch Meffungen
und Objervationen die Yage der verjchiedenen Orte zu be-
jtimmen. Seit 1608 Profeſſor der Aftrologie (!) in LUpiala,
jiedelte er 1610 nach Stodholm über, wo er den Titel eines
föniglihen Aftronomen empfing und Prediger an der Rid—
darholmskirche war. Sclieglih ging er als Prediger nach
Efenäs, wo er 1627 ftarb.
Die letzten Yebensjahre Karls, welcher 1604 zum Könige
gewählt und 1607 gekrönt worden war, waren namentlich
dem Kampfe gegen Rußland gewidmet. Diejer Krieg, an wel—
chem zahlreiche finniſche Edelleute und Soldaten teilnahmen,
bat Für Finnland namentlich deshalb eine bejondere Bedeu-
tung, weil Kerholm am 2. März 1611 in die Hände des
Schwedenkönigs fiel. Noch nicht vierzehn Jahre waren ver-
floffen, jeitdem jene wichtige Feftung an Rußland ausgeliefert
worden war; jest aber wurde Kexholm nebſt dejjen Um—
gegend fir einen Zeitraum von hundert Jahren mit Schweden
12*
180 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Mafas und feiner Söhne.
vereinigt, wodurch Finnland eine mächtige Schugwehr im DOften
erbielt.
Gleichzeitig wurden die Pläne von 1589— 1591, betreffend
die Gründung einer jchwedifchen Herrihaft am Eis- und am
Weißen Meere, wieder aufgenommen. Auf Karls IX. Befehl
rücfte der Hauptmann Balgar Bäd im Winter 1611 durch Lapp—
land an die Küfte des Eismeeres, wurde jedoch bei einem An—
griff auf die Stadt Kola zurücgeichlagen. Ebenſo unglüdlich
verlief eim gleichzeitiger Zug gegen das jüdlicher gelegene Soma.
Damals wie ſchon früher bildete das Klofter Solovez einen
fräftigen Stützpunkt für die ruſſiſche Herrichaft im jenen Ge—
genden ').
Am 30. Dftober 1611 ftarb Karl IX. Ihm hat es Finn—
land zu danken, daß ſich die protejtantiiche Religion als
Grundlage des Fortichritts in Bildung und guter Sitte be-
feftigt bat ?).
1) M. A. Caftren, Utdrag ur Solovetska klosterkrönikan, in:
„Nordiska resor och forskningar“ V, 21-38 (Helfingfore, 1858). —
Näbere Details bei ©. Ingman, Tutkimuksia Pobjoissuomen histo-
riassa, p. 31—40 (Helfingfors, 1890).
2) Zur Zeit Karls IX. und auf Grund feiner Aufforderung fiedelten bereits
jeit Beginn der achtziger Jahre des 16. Jahrhunderts zabfreihe Finnländer
nah Schweden über. Sie ließen fih anfangs in Wermland, Nerite und
Södermanland nieder, verbreiteten fich aber fpäter in einer Anzabl von
mehreren Zaufenden auch im anderen, nördlicher gelegenen ſchwediſchen
Landichaften. Die Auswanderung dauerte unter der Regierung Guftav
Adolfs fort; aber gegen Mitte des 17. Jahrhunderts beganıı man, die
Koloniften für läftig anzuichen und ihnen deshalb allerband Unbehaglich-
feiten zuzufügen. Ihre Nachkommen haben bis auf den beutigen Tag
Sprade und Sitten ibrer Borfabren bewahrt. Bol. P. Norbmann,
Finnarne i mellersta Sverige (Helfingfors, 1888).
Dritte Periode.
Die Großmachtszeit.
I. Guflav II. Adolf’).
Der jchwediicheruffiiche Krieg, welcher in den erſten Re—
gterungsjahren Guſtav Adolfs fortdauerte, führte auch zu
einigen friegerijchen Ereignijjen an der finnischen Grenze. Im
Sommer 1614 rüdte eine ruſſiſche Abteilung gegen Kerholm,
wurde jedoch von Hans Mund bei Uuguniemi zurüdgejchlagen.
Gleichzeitig brachen ruſſiſche Truppen plündernd in Ofterbotten
ein, wurden indeffen von dem Befehlshaber auf Uleäborg,
Erih Hare, in die Flucht getrieben. Yetterer ſchloß darauf
einen Waffenjtillftand, wodurd der Krieg im hoben Norden
ein Ende nahın. — Am 27. Februar 1617 wurde nach langen
Unterhandlungen in dem Dorfe Stolbowa, in der Nähe
ber befeftigten Stadt Yadoga, der Friede zwiichen Schwe-
1; Quellen und Nacfchlagewerte zur Geihichte Finnlands unter Guftav
II. Adolf: „Handlingar upplysande Finlands historia under Gustaf 11.
Adolfs tid‘“, samlade af J. E. Vaaranen, utg. af Finska stats-
arkivet, ®b. I und II (Heljingfors, 1874 und 1878); 9. E. Vaa—
ranen, Landtdagen i Helsingfors 1616 och Finlands dävarande till-
ständ (Helfingfors, 1862); 93. Tengftröm, Vita et merita episcopi
Jsaaci B. Rothovii (Abo, 1796-1813); K. R. Melander, Kuvaus
Suomen oloista vuosina 1617—1634 (Heljingfors, 1887); J. Hallen-
berg, Svea Rikes historia under Gustaf II. Adolfs den stores rege-
ring (Stodholm, 1790— 1796). — Urkunden im Schwed. Reihsardiv.
182 Dritte Periode. Die Großmachtsgeit.
den und Rußland abgejchlojfen, durch den erjtered Die Pro-
vinz Kexholm nebft der Feltung gleichen Namens jowie In—
germanland mit den Feſtungen Nöteborg, Jama, Swan:
gorod und Koporie erhielt. Später wurden bei der Grenzab-
jtedung zwijchen der Provinz Kerholm und dem Onegalande
von ruffifcher Seite zahlreiche Schwierigkeiten erhoben, welche
bi8 1621 die endgültige Feſtſtellung dev Grenze verhinderten.
Erſt nachdem Guftan Adolf auf die Diftrifte NRepola und
Purojärvi verzichtet hatte, erhielt die Provinz Kexholm die-
jenige Grenze im Often, welche noch heute Finnland von Ruß—
land trennt. Auf den Grenzftein in Salmi, nörblih von
Ladoga, ließ Guſtav Adolf die Infchrift ſetzen: „Auc regni
posuit fines Gustavus Adolphus, Rex Suecorum, fausto nu-
mine duret opus“. Der große König ahnte nicht, daß das
Bollwerk, welches jein Vater und er zum Schute Schwedens
und Finnlands im Oſten errichtet hatten, im Verlaufe von
weniger als Hundert Jahren vernichtet jein jollte.
Finnland Hatte zu den errungenen Siegen wejentlich bei-
getragen und fi dabei große Opfer auferlegt. Der Vor:
teil, welcher ihm durch den Friedensschluß zuteil wurde, ließ
ji aber auch nicht Hoch genug jchäken. Finnland durfte
jih nunmehr friedlichen Aufgaben widmen, ohne beftändig
den Überfall eines jchonungslojen, barbarijchen Gegners be-
fürchten zu müffen. Hingegen darf man nicht etwa glau—
ben, daß die Erweiterung der Reichsgrenzen im Oſten bes-
halb mit Freuden begrüßt worden wäre, weil fie den Anſchluß
an ein naheſtehendes Volkselement beventete. Die Bewohner
ber Provinz Kerholm, welche heutzutage einen lebenskräftigen
Teil des finnifchen Volkes ausmachen, blieben nämlich nach der
Eroberung ihren weftlichen Nachbarn ebenjo fremd wie vordem.
Die Gleichheit der Sprache bedeutete damals weniger als die
Ungleichheit der Religion, welche lange Zeit eine unüberfteigbare
Sceidewand zwifchen den Bewohnern jener Landſchaft und
der Bevölkerung Finnlands gebildet hat. Die Sitten und In-
jtitutionen waren zudem in Kexholm wejentlich anderer Art,
und die Stellung, welche die neue Provinz im Reiche erhielt,
Die Anfänge Guftav II. Adolfs. Die Provinz Kerholm. 188
bildete ein weitere Hindernis für eine Annäherung. Sie
wurde, gleichiwie Ingermanland, Eftbland ſowie jpäter Yivland,
als ein jchwedisches Nebenland angejehen, und ihre Bewohner
erhielten daher nicht das Recht, Vertreter zu den ſchwediſchen
Reihstagen zu jenden. Hierdurch waren fie nicht nur theo—
retiih von dem eigentlichen jchwediichen Staatskörper aus—
geichlofjen, jondern auch des von den Finnländern fleißig be—
nugten Rechts beraubt, auf den Reichstagen ihre Klagen und
Beichwerden vorzubringen.
Die Provinz Kerholm hatte nach der Eroberung der Re—
publif Nowgorod durch den rujjiihen Großfürften Iwan Wa—
filjewitjch (um 1470) dem großen ruſſiſchen eich angehört
und war mit dejjen übrigen Provinzen inbezug auf die Ver—
waltung gleichgeftellt gewejen. Der Statthalter in Kexholm
(ruſſiſch: Korela) regierte die Landſchaft, und ihm zur Seite
Itanden Subalternbeamte. Die Adminiftration jcheint jchlapp
und an Unordnungen reich gewejen zu jein. Hingegen hatte
die griechiich-orthodore Lehre, welche nach der Angabe ruſſiſcher
Chroniken jeit 1227 in jenen Gegenden verfündigt worden war,
fejte Wurzel gefaßt und einen gewaltigen Einfluß gewonnen.
Zwar beftanden die heidniſchen Neligionsgebräuche faft umer-
ihüttert neben der chriftlichen Yehre, da die Dogmen des
griechiichen Glaubens, welche in einer der Bevölferung un—
verftändlichen Sprache gelehrt wurden, jener fremd blieben.
Aber das Vertrauen zu den griechiichen Geiftlichen wuchs von
Jahr zu Jahr, und die Zahl der religiöjfen Inftitutionen mehrte
fih. Zur Zeit Iohanns III. gab e8 in der Provinz Kerholm
7 Paftorate, 26 Kapellen umd nicht weniger als 10 Klöfter,
von denen die noch heute bejtehenden Klöfter Walamo und
Konewez im Ladoga die vornehmften waren '). In ökono—
miſcher Hinficht machten jich Fortichritte nicht jonderlich be-
1) 8. 8. Tigerftebt, Bidrag till Kexholms läns historia under
drottning Kristinas tid 1V, 27 sqq. (Aboer Gymnafialprogramm, 1878). —
Walamo wurde 992 von den Mönden Sergius und German, Konewez
1393 von dem Möndye Arfeni aus Nowgorod gegründet. Bal. F. P.
v. &norring, Gamla Finland, p. 245 und 254 (Abo, 1833).
184 Dritte Periode. Die Großmachtszeit.
merfbar. Die einzige Stadt, Kerbolm, war unbedeutend. Hin—
gegen wurde, wie jchon früher erwähnt, von den Bauern jeit
alters ein recht jchwungbafter Handel mit Finnland, bejon-
ders mit jterbotten, betrieben. Der Aderbau war nur in
den jüdlichen Dijtriften am Ufer des Yabogajees einigermaßen
entwidelt.
Während des Krieges und auch, nachdem Kerholm in die
Hände der Schweden gefallen war, hatte in der Provinz ein bet-
nahe gejeglojer Zuftand geberricht. Raub, Mord und Gemalt-
thätigfeiten wurden in höchſten Map jowohl von den Schwe-
den wie von den Anhängern Rußlands verübt. Nach dem
Friedensſchluſſe wollte die jchwediiche Regierung ernitlich die
Einführung einer geordneten Berwaltung in jener Yandjchaft
betreiben und jandte deshalb 1618 eine aus Hans Mund,
Gorgenius Henrifsion und Andreas Bureus bejtebende Inter:
ſuchungskommiſſion dorthin, welche der Regierung den Zuftand
der Adminijtration jowie die moraliihe und materielle Lage
der Benölferung in düfteren Farben jchilderte. Ein jchreiender
Mißbrauch war namentlich von dem Befehlshaber auf Schloß
Kerholm, Sven Jonsſon, durch Verteilung von jogenannten
Sreizetteln, und zwar oft an grobe Verbrecher, behufs Wieder:
bevölferung der durch Flucht der Einwohner nah Rußland
verödeten Yandesjtreden getrieben worden. Im übrigen kam
eine Menge von groben Unterjchleifen im Steuererhebungswejen
an den Tag. Bei der Beltrafung verfuhr die Kommiſſion
höchſt jchonungsvoll. Der Statthalter Jonsſon wurde aller-
dings jofort abgejett, aber jeine Nachfolger waren faum mehr
als er imftande, eine feſte Ordnung in jener Provinz einzu:
führen !). Yettere blieb allerdings, gleichwie Ingermanland, von
der jchweren Bürde befreit, welche durch die Aushebung von
Knechten auf der Bevölferung Schwedens und Finnlands lajtete;
vielleicht deshalb, weil die Regierung den unzuverläjfigen Be—
wohnern nicht die Waffen in die Hand drüden wollte Aber
1) Der Bericht der Kommiſſion ift gedrudt bei Baaranen, Hand-
lingar etc. 1I, 256sgq.
Die Provinz Kexholm. 185
trogdem nahm die durch Unzufriedenheit mit den Verhältniffen
veranlaßte Auswanderung nah Rußland ununterbrochen ihren
Fortgang. Die durch Kriege und andere Angelegenheiten in
Anjpruch genommene Regierung hatte weder Zeit noch Mittel,
bejjere Zuftände in jener Provinz herzuftellen. Die Mißbräuche
in der Verwaltung, wo uns eine bunte Mifchung von er:
erbten ruffiichen jowie von einigen aus Schweden neu ein-
geführten Formen und Behörden begegnet, dauerten auch
fort, nachdem die Provinz Kerholm der Jurisdiktion des neu-
begründeten Abver Hofgerichts unterftellt worden war. Im
Steuerwejen wurden die alten Steuern beibehalten, gleichzeitig
aber neue Yajten auferlegt, unter denen jich die Iron bejonders
drüdend erwies. Die Regierung hatte nicht einmal bei ihren
Bemühungen, den Handel vorwärts zu bringen, einen jichtbaren
Erfolg aufzumeijen. Der Hauptort Kerholm erhielt 1624 das
Recht, zollfrei Waren auf der Newa nah Deutjchland zu
exportieren, nebjt anderen Vorrechten, ohne daß jedoch der
Handel der Stadt dadurch größere Bedeutung gewonnen hätte.
Bei Taipale, jüdlich von Kerholm an der Mündung des Su:
vanto im den Yadogajee, wurde eine neue Stadt angelegt, welche
bald im Berfall geriet, und in Salmi ein Marktflecken
eingerichtet, welcher eine Zeit lang einen eigenen Birrgermeifter
bejaß, um 1650 jedoch wieder im ein gewöhnliches Bauern-
dorf verwandelt wurde.
Die kirchlichen Verhältnifje trugen namentlich dazu bei, bei
den Einwohnern der Provinz Kerholm eine bittere Stimmung
gegen ihre neue Obrigkeit zu unterhalten. Unmittelbar nad)
dem Frieden zu Stolbowa begann die jchwedijche Regierung
an der Belehrung ihrer neuen griechijch = fatholiichen Unter—
tbanen zur lutheriſchen Lehre zu arbeiten. Sie befahl dem
Biihof in dem 1618 eingerichteten Stifte Wiborg, Dlof Eli—
mäus, unter deſſen Aufjicht die Provinz Kexholm gejtellt wurde,
die griechiſch-katholiſchen Bekenner ihrem Unglauben abwendig
zu machen. Neue lutherijche Paſtorate wurden in der Provinz
eingerichtet. Beim Ableben von griechijch = fatholifchen Geiſt—
lichen juchte man die Gemeinde zur Annahme von neuen, durch
186 Dritte Periode. Die Großmachtszeit.
lutheriſche Prediger unterrichteten Paftoren zu zwingen; Tuthe-
riſche Erbauungsichriften und Luthers Katechismus wurden
ing Ruſſiſche überjegt und auf Kojten des Staats gedrudt;
ichlieglich wurde befohlen, daß die orthodoren Bekenner, auch
wenn fie ihrer alten Religion treu blieben, dennoch jeden Sonn-
tag den Iutherijchen Predigten beimohnen jollten. Dieje Maß—
nahmen und Erlaffe unterhielten bei der Bevölkerung eine fort:
währende Unrube, ohne zu dem gewünjchten Rejultat zu führen.
Die Iutherifchen Geiftlichen, welche in jene entlegene Gegend
entjandt wurden, jtanden inbezug auf Bildung und Sitten auf
niedriger Stufe, weshalb jie nicht jene Achtung einzuflößen
vermochten, welche die Griechiih-Orthodoren zur Preisgebung
ihrer ererbten Religion hätte bewegen fünnen. Die Zahl der
Lutheraner vermehrte ſich nur durch beftändige Einwanderung
aus Finnland.
Während auf jolhe Weije die neuerworbene öftliche Pro-
vinz in einer Sonderjtellung verblieb, waren die Zuftände in
Finnland jelbft während des Krieges und in der erjten Zeit nach
Abſchluß des Friedens wenig erfreulich. Gleichwie während des
ruffiichen Krieges unter Johann III. begingen die Soldaten
und ihre Befehlshaber, wenn jie das Yand durchzogen und da=
jelbft einquartiert waren, fürchterliche Gewaltthätigfeiten, ohne
durch den ftrafenden Arm der Gerechtigteit erreicht zu werden.
Noch 1620 wird von Gewaltthaten gröbfter Art berichtet.
Als der Statthalter in Abo, Karl Eriksjon DO renftjerna, in
dem genannten Jahre das Kirchipiel Rautalampi im nördlichen
Zawaftland bejuchte, beklagten jich nämlich die Bauern bei ihm
darüber, daß ein Hauptmann Namens Lars Urbansjon an der
Spige von 70 Mann die gräßlichften Miffethaten bei ihnen
begangen hätte, und fie ftellten trogig die Erneuerung des
„Keulenkriegs“ im Ausficht, wofern ihre Beſchwerden nicht
Gehör und Abhilfe fänden !).
Ebenſo wie Guſtav Adolf außer ftande war, den Übermut der
1) Bgl. einige von 3. E. Baaranen in ber Zeitichrift „Suomi“
(1859), p. 79, mitgeteilte Urkunden.
Finnland un 1620. 187
Knechte zu zügeln, ebenfo mußte er auch gegenüber den Über:
griffen der Edelleute und der grauſamen Behandlung ihrer Hinter:
jaffen die Augen jchließen. Der größte Bauernpeiniger war
Sten Lejonhufvud, Graf zu Rajeborg und Sohn des wegen
ähnlicher Unthaten berüchtigten Arel Lejonhufvud '). Aber für
alle jeine Verbrechen wurde er nur durch Warnungen und Er-
mahnungen gejtraft. Die livländiichen Ebdelleute, welche in
Finnland Yehen empfingen, verfuhren kaum minder hart gegen
ihre dortigen Bauern als gegen die Yeibeigenen in ihrer Heimat,
jo vor allem Joachim Berndes, welcher im öftlichen Nyland
Lehen bejaß. Allein auch ihm gegenüber war der König macht-
los. Nicht weniger gaben die „Knappen“, deren Anzahl, wie
früher erwähnt, durch einen Erlaß Karls IX. großen Zuwachs
erfahren hatte, zu beftändigen Klagen Anlaß.
Während diefe Mißbräuche wenigſtens teilweiie worüber:
gehender Art waren, begann das Lehnsweſen eine Richtung
einzujchlagen, welche im Yaufe mehrerer Generationen tief ein—
greifende joziale Schwierigkeiten hervorrief. Die großen Heer:
führer, wie Jakob De la Gardie und Evert Horn, empfingen
größere Bezirke zu Lehen; Dffiziere niederen Ranges erhielten
das Recht, die Nenten einer geringeren Zahl von Gütern für
fich einzuziehen, und der Sold für Reiter und Knechte wurde
nach Bodenerträgen berechnet, welche beftimmten Gelveinfünften
entiprachen. Bei dem Regierungsantritt Guftav Adolfs war
infolge befien der größte Teil der Einkünfte weggegeben. Ver—
gebens juchte der König in den erften Jahren die Yehen wieder
an die Krone zu bringen. Raum hatte er einen darauf bezüglichen
Befehl erlaffen, als er fich jelbft genötigt fah, in ausgedehnten
Umfange neue Lehen auszuteilen. Die Yehnsinhaber benugten ihre
Stellung zu rüdjichtslofer Bedrüdung der Bauern, von denen
fie Zins erhoben. Auch Pfandverjchreibungen und Verpachtung
von Kronrenten an einflußreiche Männer famen häufig vor.
So erhielt Iafob De la Gardie 1618 die Provinz Kerholm
1) „Handlingar rörande Skandinaviens historia “ VIII, 19 (Stod-
bolm, 1820).
138 Dritte Periode. Die Gropmachtszeit.
jowie Ingermanland zur Pacht, mit dem echt, bajelbjt die
Kroneinkünfte einzuziehen. Diejer Pachtmodus, mit welchem
die Handhabung der ganzen Steuererhebung verbunden war,
blieb bis 1629 beſtehen.
Unter ſolchen Umftänden war es ein Glüd, daß Guſtav Adolf
infolge der Kriege mit Rußland und Polen mehrmals Finn-
land bejuchte und dabei nicht nur vielen privaten Bejchwerben
abhalf, jondern ich auch eine genaue Kenntnis von den Zu—
jtänden im Yande verſchaffte. Zum eritenmal gejchab Dies
1614, als er von Ende März bis Anfang Mai in Abo ver-
weilte und darauf Heljingfors, Borgä, Tjuſterby in Perno
ſowie Wiborg aufjuchte. Er erließ bei diejer Gelegenheit eine
Menge von Schuß: und Privilegienbriefen jowie Verordnungen,
unter ihnen ein „Mandat, betreffend das Verfahren von Vögten
und Schreibern gegenüber den Bewohnern von Yinnland“.
Guſtav Adolf giebt darin zu, daß die Vorichriften Karls IX.
über die Sronfteuererhebung jchon in Bergeffenbeit geraten
jeten, verjucht diefelben wieder ins Leben zu rufen und befiehlt
namentlich, daß nicht das Geringjte an die Vögte und Schreiber
geliefert werden jollte, ohne daß dieſe jofort darüber eine
Quittung gäben. Noch viel wichtiger geftaltete jich der zweite
Beſuch des Königs (1616), indem derſelbe die finnijchen
Stände einberief und mit ihnen über die allgemeinen Angelegen-
beiten berist. Anfang Januar fam er aus Eſthland nach
Wiborg, von wo aus er die Reiſe nach Heljingfors fortiegte.
Dort hatten fich die Stände Finnlands zahlreich eingefunden.
Unter den Edelleuten traten neben Arel Oxenſtjerna, welcher
dem Könige gefolgt war, Vertreter der Gejchlechter hervor,
welche bei den Greigniffen der legten Jahre eine bedeutende
Rolle gejpielt hatten, z. B. Göran Boije, Johann De la Garbie,
Axel Kurd, Gödick Finde, Klas Yarsion Fleming, Ake Staͤl—
arm, Krifter und Heinrich Klasſon Horn u. j. w. Die Geift-
lichkeit wurde durch Biſchof Ericus Erici und zwanzig Paſtoren
repräjentiert. Außerdem waren zehn Offiziere im Namen
des Militärs ſowie Vertreter der finnijchen Städte und des
gemeinen Mannes aus verjchiedenen Yandespiftriften erſchienen.
Guſtav Adoli in Finnland 1614 und 1616. 189
Die Berjammlung wurde von Guftav Adolf am 22. Januar
mit einer Rede eröffnet, worin er zunächit bervorbob, daß er
ihon lange eine Gelegenheit berbeigejehnt habe, jich über
den Zuftand Finnlands zu umterrichten, was fich jedoch in-
folge mehrerer Hinderniſſe erſt jett habe ermöglichen laſſen.
Ferner dankte er den Anweſenden dafür, daß fie feinem Rufe
gefolgt jeien, und jchilderte alsdanıı ausführlich die Stellung
des Reiches zu den fremden Mächten ’). Nach diejer Rede,
welche ficher einen nachhaltigen Eindruck hinterließ, legte er
einige Propofitionen vor, welche zehn Tage lang Gegenftand
der Beratung bei den Ständen bildeten. Über die bei dieſer
Gelegenheit geäußerten Anfichten wiffen wir nichts Näheres;
daß jedoch das Bejtreben, mit aufopferndem Eifer dem König
entgegenzufommen, die Gemüter beberrichte, gebt aus dem von
2. Februar datierten Beichluffe hervor. Die finnischen Stände
gelobten nämlich, für König und Baterland Gut ımd Blut zu
opfern ſowie jederzeit willig alles zu thun, was die Anschläge
Sigismunds und der Anhänger desjelben vernichten könne.
Gleichzeitig gaben fie der Hoffnung Ausdrud, daß die im Gange
befindlichen Unterhandlungen mit Rußland zu dem gewünjchten
Rejultat führen möchten, und verpflichteten jich, im entgegen-
geſetzten Falle nach Äußerftem Vermögen dem öftlichen Nachbar
allen möglichen Widerftand zu leiften. Der dritte Punkt in
der Antwort der Stände bezog fich auf den alten Mißbrauch,
welcher mit dem freien „Vorſpann“ (skjuts) getrieben wurde. „
Die finnischen Stände erflärten danfbar ihre Zuftimmung zu
der auf dem Neichstage zu Orebro 1614 feftgefeßten neuen
Ordnung, gemäß welcher nur die Sendboten des Königs jo-
wie einiger anderer bochgejtellten Perjonen und Behörden ohne
Bezahlung Vorſpann erhalten fjollten, und zwar mur dan,
wenn jie in Negierungsaufträgen reifen würden und mit dem
gehörigen Paſſe verjehen wären. In dem vierten Punfte ver-
pflichteten ſich ſchließlich die Stände, welche fih „Wir, bie
1) Bal. Konung Gustaf II Adolfs skrifter, utg. af C. G. Styffe,
p. 124 (Stodbolm, 1861).
1% Dritte Periode. Die Großmachtszeit.
unterzeichneten Näte des Neiches Schweden und Yandjtände im
Großfürftentum Finnland“ nannten, in ihrem eigenen Namen
und in demjenigen ihrer Landsleute zu unmittelbarer Erlegung
einer drückenden Kriegsjteuer, welche von ſämtlichen Ständen
gezahlt werden jollte. An dieje Verhandlungen der VBerjamm-
lung jchließt fich ein ebenfall8 vom 2. Februar datiertes Schrift:
jtüct, welches an jümtliche Stände Schwedens gerichtet war,
und worin die finnischen Stände ihre Mitbrüder in Schweden
aufforderten, gleich ihnen jelbjt patriotiiche Aufopferungsfähig-
feit zu beweijen.
Nachdem Guſtav Adolf einige Tage jpäter eine Antwort auf
die von den Städten des Landes erhobenen Beſchwerden er-
teilt hatte, begab er ſich nach Abo, wo er, abgejehen von einer
furzen Unterbrehung durch eine Reife nach Björneborg, bis
Ende Mai blieb. Gleichzeitig ſetzte er Kommiſſionen ein, welche
im Yaufe des Frühjahrs den gemeinen Mann zu Diftrifts-
thingen einberiefen, die Zuftände daſelbſt unterjuchten und bie
Schuldigen bejtraften. Unzweifelhaft wurde auf jolche Weiie
vielen einzelnen Mißſtänden abgebolfen; eine dauernde Ver—
bejjerung rief indefjen diejes Eingreifen der Königsmacht nicht
hervor. Die mächtigen Edelleute, welche mehr als alle anderen
eine Strafe verdient hatten, erjchienen nicht zu dem Unter—
juchungen und legten geringes Gewicht auf die ihnen erteilten
Warnungen.
, Die umfafjenden Reformen, welche jich damals in Schwe-
den auf dem Gebiete der Verwaltung vollzogen !), waren auch
für Finnland von der größten Bedeutung. Finnlands Unglüc
war es gemwejen, daß infolge der vom Zentrum der Regierung
1) In der ichwebiichen NeichStanzlei wurde damals ein finnifcher „re-
ferendarius* angeftellt, welcher die finnifchen Beſchwerdeſachen mit Bei-
biffe eines Schreibers zu bearbeiten hatte. Letzterer konnte wobl ficher
finniſch jprechen oder es wenigftens verfteben. Dieje Beamten beforgten
die finniſchen Überiegungen von Verordnungen in ölonomiichen und Ber—
waltungsangelegenbeiten. Bgl. die Kanzleiorbnung von 1620 bei Styffe,
Samling af instruktioner rörande den eivila förvaltningen i Sverige
och Finland (Stodbolm, 1856).
Berwaltungsreiormen. 191
entfernten Lage des Landes Übergriffe der Beamten und Ade—
ligen nicht befannt geworden und noch weniger von der Re—
gierung geahndet worden waren, weshalb die Mißbräuche durch
die Macht der Gewohnheit beinahe eine gejegliche Weihe er-
halten hatten. Das perjönliche Regiment der Könige hatte
allerdings oft für den Augenblick den Übermut gehemmt, das
Böſe indejjen keineswegs mit der Wurzel ausgerottet. Die
jtändige Kontrolle, welche durh Errichtung der zentralen Be-
börden jowie durch jorgfältige Organifation der Wirkſamkeit
der untergeordneten Behörden eingeführt wurde, mußte unter
jolden Umftänden in hohem Grade wohlthätig wirken.
Die finnischen Yandeshauptleute wurden nunmehr mit der
gejamten Berwaltung der Hauptmannjchaften betraut und er-
bielten eine ausgedehnte Amtsbefugnis, betreffend die Einſetzung,
Überwachung und Beitrafung der Unterbenmten. Gleichzeitig
wurde ihnen anbefohlen, der Regierung regelmäßig einen
Rechenichaftsbericht über die Steuereinnahmen jowie über den
Zujtand der Provinzen zu erjtatten ). Da troßdem fort:
während aus Finnland Klagen einliefen, aus denen hervorging,
daß die Verwaltung der Hauptmannjchaften den Abjichten Guſtav
Adolfs feineswegs vollftändig entiprach, ernannte diejer im Juni
1623 den Neichsrat Nils Bjelfe zum Generalgouverneur oder
„gubernator‘“* über die drei jüdlichen Provinzen Finnlande.
Bielfe, welcher 1628 auch die Oberaufjicht über die Kriegs-
macht des Yandes erhielt, beſaß eine höhere Amtsgewalt als
die Gubernatoren, welche jeit der Regierung Erichs XIV. vor:
übergebend eingejegt worden waren, hinterließ aber feine
bemerfenswerte Spur jeiner Thätigkeit. Die Regierung, welche
öfters Anlaß hatte, ihm Nachläffigfeit vorzumwerfen, entjanbte,
wie e8 früher üblich gemwejen, häufig außerordentliche Kommij-
fionen nach Finnland, um mit Übergehung des Generalgouver-
neurs Regierungsaufträge zur Ausführung zu bringen. Als
jedoch Bjelfe 1631 als Gubernator durch den Neichsrat Ga-
1) €. ©. Styffe, Samling af instruktioner för tjenstemän vid
landtregeringen i Sverige och Finland, p. 9sqgq. (Stodbolm, 1852).
192 Dritte Periode. Die Grofmachtszeit.
briel Bengtsion Orenftjerna erjett wurde, legte die Regierung
legterem ans Herz, die „zahlreichen und unnügen Kommiffare,
welche bisher angewandt worden find“, abzuichaffen, da bie:
jelben der Bevölferung mehr bejchwerlich als nützlich geweien
ſeien.
Es hatte ſich bald herausgeſtellt, daß das Svea-Hofgericht
nicht imſtande war, die Rechtspflege in Finnland hinreichend
zu überwachen. Seine Urteile wurden in Finnland nicht voll—
ſtreckt und die „Schutzbriefe“, welche einzelnen Perſonen erteilt
worden waren, offen mißachtet. Es iſt in dieſer Hinſicht bezeich—
nend, daß ſich der Fiskal Karl Olofsſon 1622 nach Finnland be—
gab, um u. a. über die dem Hofgericht bewiejene Mifachtung eine
Unterfuchung anzuftellen. Außerdem war es für die Finnländer
mit Schwierigkeiten und Koſten verknüpft, nach Stodholm zu
reifen, um dort ihr Necht wahrzunehmen. Dies gab den Anlaß
dazu, daß durch Verfügung vom 15. Juni 1623 ein neues Hof:
gericht in Abo eingerichtet wurde, welches in Finnland und in
der Provinz Kexholm diejelbe Gerichtsbarfeit, wie das Svea—
Hofgeriht in Schweden, ausüben jollte ). Zum erjten Präfi-
denten des neuen HofgerichtS wurde der Gubernator Nils Bjelke
ernannt; unter den Beifigern jind Hermann Fleming und Yars
Garpelan zu nennen; den wichtigen Poften des Advofatfisfals
erbielt der ſchon früher erwähnte Johann Dttesion. Am
31. Oftober 1623 trat das Aboer Hofgericht zum erftenmal
zuſammen. Seit diefem Zeitpunkt begann ſich das Nichtertum
in Finnland aus dem Verfall, in welchem es fich lange be-
funden, wieder zu erheben. Doch war es der Wunfch der
Regierung, daß das Hofgericht bei der Beftrafung von Ge:
jegesübertretungen feitens der hohen Herren und von Verſäum—
niſſen jeitens der Nichter vorjichtig zumwerfe gehen jollte. Der
Nachfolger Vieles auf dem Präfidentenpoften, Bror Anderson
KRälamb, fungierte nur von 1630 bis 1631, worauf die Stelle
mit einem Sohne des Landes, Jöns Kurck, bejeßt wurde.
1) Bgl. W. ©. Lagus, Äbo hofrätts historia intill den 12. nor.
1823 (Helfingfors, 1834).
Die Gründung des Aboer Hoigerichts (1623). 198
Diejer Mann, eine der intereffantejten Perjönlichfeiten Finn—
lands während jener Epoche, hatte jich durch Studien an deut-
ſchen Univerſitäten jowie durch Reifen in Wefteuropa eine aus-
gezeichnete Bildung erworben. Später befleidete er militärifche
Amter und Statthalterpoften, ohne jedoch feine Studien in der
einheimischen Gejegesfunde abzubrehen. Mit Rüdjicht darauf
wurde er im November 1631 zum Präfidenten des Hofgerichts
ernannt; und dies Amt bat er von 1632 big zu jeinem Tode
(1652) verwaltet. Reichsrat wurde er 1633, und 1651
Sreiherr von Lempälä ’). Durch Reichtum, Abftammung und
Einfluß war er der erfte der damaligen finnischen Edelleute.
Man jagte, daß man „zu Hofe“ gehe, wenn man ihm in feiner
prächtigen Wohnung aufwartete. Seine vechtöwiffenjchaftlichen
Kenntnifje wie jeine Bekanntſchaft mit Finnlands Vorzeit und
der finnischen Sprache erhöhten das Anjehen des jungen Hof:
gerichtS und trugen dazu bei, der Wirkjamfeit desjelben eine
tete Richtung zu geben.
Wie Guftav Waſa betrachtete e8 auch Guftan Adolf als
jeine Hauptaufgabe, den ausländijchen Handelseinfluß möglichit
auszujchliegen. Deshalb begünftigte er auch einige größere, für
den Handel günjtig gelegene Ortjchaften, in der Hoffnung, in
ihnen ein Gegengewicht gegen die ausländiichen Seeſtädte zu
finden. Als „Stapeljtädte” jollten fie das Vorrecht befigen,
jowohl aftiv wie pajjiv mit dem Auslande Handel zu treiben.
Solche Stapelitädte waren in Finnland Abo und Wiborg;
außerdem erhielten Heljingfors und Borgi das Recht, den
Bejuh ausländischer Kaufleute empfangen zu dürfen. Die
übrigen Städte wurden im zwei Kategorieen eingeteilt: jolche,
welche auf eigenen Schiffen ausländiiche Häfen bejuchen durf—
ten, und jolche, welche von jeder Handelöbeziehung mit dem
Auslande Abjtand nehmen mußten. Zu der erftgenannten Klaſſe
wurden Björneborg, Raumo, Ekenäs, Kerholm jowie das im
April 1617 im Kirchipiel Nykyrka neuangelegte Nyſtad ge:
rechnet. Zur zweiten Kategorie gehörten die öjterbottniichen
1) Hier lag Lauklo, das Stammgut Kurds.
Schybergſon, Geſchichte Finnlande. 13
194 Dritte Periode. Die Großmachtszeit.
Städte Uleäborg und Waja. Yebtere, wie alle etwaigen künf—
tigen Städte in ſterbotten jollten nur untereinander fowie
mit Stodhelm und Abo, welch letzteres als der alte Mittel-
punft für Finnlands Handel begünftigt wurde, fommerzielle
Verbindungen unterhalten dürfen.
Bon Anfang an erwies es fich jedoch unmöglich, den leb—
haften Handelsverfehr zur See zu hemmen, den die finnijche
Küftenbevölferung feit alter Zeit teils mit einheimijchen Städ-
ten, teils mit Stofholm und dem Auslande betrieb. Man
hatte den Handel der jogenannten „Vakkafinnen“ in Nylkyrka—
Yetala jowie in anderen in der Nähe gelegenen Kirchipielen nach
Nyſtad verlegen wollen, ſah fich jedoch zum Verzicht auf einen
jolchen Plan genötigt. Ebenjo erhielt die übrige Küjtenbevöl-
ferung im „Eigentlichen“ Finnland und in Nyland ihr Handels:
recht befräftigt. lm dem maritimen Handel der Küftenbewohner
in Ofterbotten entgegenzawirfen, wurden bafelbft im September
1620 zwei neue Städte, Gamla Karleby und Nyfarleby, an-
gelegt; aber auch in diefem Yandesteil gelang es nicht, die
natürliche Entwidelung des Handels zu hemmen.
Ebenjo wenig vermochte man jeden Handelsverfehr auf
dem Yande zu verbieten. Das Volf konnte jeine Waren nicht
regelmäßig in die Städte bringen; in Finnland, wo jümtliche
Städte an der Küfte lagen, waren die Entfernungen allzu groß
dazu. Es wurde deshalb die Zahl der jogenannten Frei:
märfte auf dem Pande vermehrt, auf denen der gemeine Mann
an gewiffen Tagen feine Waren mit den jtäbtiichen Handels—
leuten tauſchte. Schon auf dem Heljingforjer Yandtage be-
willigte Guſtav Adolf ſolche Handelstage in großer Zahl, und
jpäter wetteiferten die Städte darum, für eigene Rechnung
neue Freimärkte zu erlangen und ihre Mitbewerber von ihnen
auszujchliegen. Dieje Freimärkte waren freilich ein mangel—
bafter Erjag für den vollftändigen Mangel an Städten im
Innern des Landes. Andrerjeits legte man ein großes Ge-
wicht darauf, daß jeder jonftige Handel auf dem Lande auf:
hörte. Die auf dem Yande wohnenden Kaufleute follten in
die Städte ziehen, wenn fie ihrem Gewerbe fünftig nach-
Hebung des Handels und Regelung des Handwerks. 1%
gehen wollten, und diejer Befehl wurde auch auf die Birfarlier
ausgedehnt, deren alter Handelsverfehr infolge deffen zugrunde
ging. Im großen und ganzen waren jedoch die eifrigen Be—
mübungen der Regierung vergeblih. Denn von diejer Zeit
an bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts hört man unabläffig
Klagen über Verlegung der Regierungsverfügungen. Auch der
von ruffiihen Kaufleuten jeit uralten Zeiten betriebene Haufier-
bandel nahm jeinen Fortgang. Die Regierung hatte Uleäborg
zum ausjchließlichen Marktplag hierfür machen wollen, konnte
jedoch die ruffischen Handelsleute nicht verhindern, auch auf
dem Yande einen umfafjenden Handel zu treiben.
Mit der Ordnung der fommerziellen Beziehungen ging die
Regelung des ftädtiichen Handwerks durch Zunftordnungen
Hand in Hand. Im Jahre 1621 erging der Befehl, daß
jedes Handwerk zunftmäßig geordnet werden jollte. Die Ältefte
finnifche Zunftorbnung dürfte die der Schneiderzunft in Abo
vom Sabre 1625 fein, deren Beflimmungen ein lebendiges
Bild von dem Geifte ftrenger Zucht entwerfen, welcher nun—
mehr bei den Handwerfern eingeführt wurde. Als Ganzes
erinnert jene Zunftorbnung lebhaft an ältere Stodholmer
Borbilder ').
Dieſes Beftreben, eine jorgfältig feſtgeſetzte Organifation ein-
zuführen, machte fih damals nicht nur auf allen Gebieten des
praftijchen Lebens geltend, jondern begann auch innerhalb der
finnischen Kirche in den Vordergrund zu treten. Biſchof Ericus
Erici wurde nach dem Tode Karls IX. von Guſtav Adolf in
Önaden aufgenommen und fand an dem Reichskanzler Arel Oxen—
itjerna einen Bejhüger. Die Muße, die ihm hierdurch vergönnt
war, benußte er zur Herausgabe von religiöfen Schriften in
finnischer Sprache und nahm auf jolche Weije die jchönen
Traditionen aus der Zeit Michael Agricolas und Paul Juuſtens
wieder auf. Im Jahre 1614 veröffentlichte er einen weit-
1) €. v. Bonsborff, Bidrag till Abo stads historia. Serie I, 2,
p. 165 (Helfingfors, 1885). Bgl. auch v. Bonsdorff, Abo stads hi-
storia under 17de geklet I, in: „Bidrag till Äbo stads historia.“ Serie II,
Heft 1—4 (Helfingfors, 1889— 1894).
13*
1% Dritte Periode. Die Großmachtszeit.
läuftigen Katechismus, mit deſſen Ausarbeitung er ſich ſchon
jeit langem bejchäftigt hatte, und welcher ſowohl wegen Selb-
jtändigfeit des Gedankenganges wie auch wegen YLeichtverftänd-
lichkeit der Sprache gerühmt wird. Ein Auszug davon war
ein Heinerer, für ben erften Kinderunterricht bejtimmter Ka—
techismus, der mehrere Auflagen erlebte. Cine noch be-
merfenswertere Arbeit ift jeine finniſche Poftilfe, welche 1621
und 1625 in zwei Zeilen erjchien und faft zwei Jahrhunderte
hindurch innerhalb der finnifchen Predigtlitteratur ein wegen
Einfachheit und Klarheit des Inhalts hochgeichägtes Haupt:
werf blieb. Schlieglih jet von den Schriften des Ericus
Erici eine finnifche Überſetzung des jchwediichen Kirchenhand-
buches genannt.
Während die jchriftjtelleriiche Thätigkeit des greijen Ober-
birten immer umfafjender wurde, minderte fich freilich bei ihm
die Fähigfeit, jein Bistum zu regieren. Mehrere Mißbräuche
batten ich teil aus älterer Zeit erhalten, teils jpäter in die
finniſche Kirche eingefchlihen. Die Geiftlichen verjchafften jich
ungejegliche Cinnahmen, gingen ihren Gemeindekindern mit
ichlechtem Beijpiel voran und verfäumten ihre Amtspflichten.
Gricus Erici unterließ es, mit Energie diejen Verſehen zu
jteuern; auch juchte er nicht mit dem Eifer, wie die Regierung
e8 gewünjcht hätte, die in der finnischen Kirche noch eriftieren-
den Überrefte von fatholijchen Gebräuchen augzurotten. Dan
ging bereit damit um, ihm einen Gehilfen beizuordnen, als
er im Sommer 1625 jtarb. Zweiundvierzig Jahre, aljo
länger als irgendeiner jeiner Vorgänger, hatte er die Yeitung
des Stiftes Abo gehandhabt’). Während jeines Negiments
verminderte fich das Gebiet des Bistums Abo, indem, wie
ihon früher erwähnt, 1618 das Stift Wiborg abgezweigt
wurde, welches das öftliche Nyland und Tawaftland, die Haupt:
mannjchaft Wiborg, die Provinz Kexholm jowie vorläufig auch
Ingermanland umfaßte. Der erjte Bijchof des neuen Stiftes
war Olof Elimäus.
1) Bol. S. Elmgren, Erik Erikson, in: „Finlands minnesvärda
män “ 1], 1—50.
Tod des Biſchofs Ericus Erici (1625). Sein Nachfolger Rotbovius. 197
Yange zögerte die Regierung mit der Wahl eines Nach:
folgers, bis jie jchlieglih am 6. März 1627 den Pajtor in
Nyköping, Iſaak Nothovius, welcher 1627 auf dem Stock—
bolmer Reichstage von der Geiftlichkeit für eim jolches Amt
empfohlen worden war, zum Inhaber der bifchöflichen Würde in
Abo ernannte. Rothovius (geb. 1570 in Smäland), welcher an
norddeutjchen Univerfitäten jtudiert und in Wittenberg ben
Meagiftergrad erworben hatte, bejaß viele von den Eigenjchaften,
deren jein Vorgänger entbehrt hatte, war ein kraftvoller Pre-
diger, ein warmer und umerjchrodener Berfechter des luthe—
riſchen Bekenntniſſes und ein bis zur Strenge eifriger Vor—
aejegter.
Nah jeiner Ankunft in Abo widmete jih Rothovius von
Anfang an mit unermüdlichem Eifer der Aufgabe, die Kirchen-
zucht zu verbefjern und einen befferen firchlichen Geift einzu-
führen. Unabläffig unternahm er BVifitationsreijen in dem
Stifte, wobei er mit ſcharfem Auge jowohl die Amtsverwal-
tung der Geiftlichen wie ihren fittlichen Lebenswandel prüfte.
Außerdem hielt er alljährlich ein- oder zweimal Synodal-
verfammlungen ab, bei denen gedrudte Thejen über irgend-
einen Artifel des Augsburgiichen Bekenntniffes bejprochen wur—
den. Gleichzeitig fanden über die kirchlichen Zuftände Bera—
tungen jtatt, deren Frucht der Erlaß von Hirtenbriefen und
Verordnungen („constitutiones‘*) bildete. Dieje „constitutiones*
geben uns ein lebendiges Bild von dem jtrengen, oft Heinlich
reglementierenden Geifte, durch den das Klirchenregiment des
Biſchofs Rothovius ausgezeichnet war }).
Der praftiiche Blick des Biſchofs erfannte indejjen, daß
Vorſchriften und Strafbeftimmungen feine dauerhafte Wirkung
ausüben fönnten, wofern nicht das Unterrichtswejen verbejjert
würde, namentlich, um taugliche Geiftliche für die Gemeinden
auszubilden. Bei diefem Beſtreben wurde er durch eine in
hohem Grade wohlwollende Stimmung bei Guſtav Adolf und
der Umgebung desjelben wirkſam unterjtütt.
1) 3. Tengitröm u. V. G. Lagus, Samling af Äbo domkapitels
eirculärbref, p. 36sqq. (Abo, 1836).
1%8 Dritte Periode. Die Großmachtszeit.
Die Schulen Finnlands hatten damals den Verfall, in den
fie unter Guſtav Waja geraten waren, faum erjt überwunden.
Es gab fünf vom Staate unterhaltene Unterrichtsanftalten:
die Äboer Kathedralſchule fowie die Schulen in Helfingfors,
Wiborg, Raumo und Björneborg; außerdem werden Kinder—
ihulen in Borgä, Efenäs, Nädendal und Wleiborg erwähnt.
Ein wichtiger Fortjchritt war es, daß alle Städte, welche nicht
Zrivial- oder Kathedraljchulen bejaßen, zur Unterhaltung von
Kleinjchulen oder „Pädagogien“, in denen der Unterricht von
einem oder von zwei Lehrern erteilt wurde, verpflichtet wurden.
Auf Grund diefer Vorfchrift, deren Wirkungen fich bis weit in
unjer Jahrhundert hinein erjtredten, traten an mehreren Orten,
u. a. in den neuangelegten Städten Nyftad, Gamla SKarlebv,
Nykarleby und Kexholm derartige anjpruchsloje Anftalten in
Thätigkeit. Eine höhere und volljtändigere Elementarbildung
wurde indeffen nach wie vor bloß in den Schulen won Abo
und Wiborg erteilt. Die Aboer Kathedralichule, welche über
veichlichere Lehrkräfte verfügte, lodte eine große Zahl von
Schülern an; aber auch hier war das Studium mangelhaft und
der beinahe einzige Unterrichtsgegenjtand das Yateinijche, welches
zudem in einer höchſt unpraftiichen Weije gelehrt wurde. Im
Jahre 1629 beantragte nun Nothovius die Gründung eines
„Gymnaſiums“ in Abo, und im Ianuar 1630 fand diejer
Borichlag die Genehmigung Guſtav Adolf. Die alte Kathe-
draljchule wurde durch ein „Pädagogium“ erjegt, und ihre
Einkünfte nebjt anderen Summen wurden zur Unterhaltung
der neuen Anstalt verwendet, deren Unterrichtsgebiet, verglichen
mit dem der alten Sathedralichule, beträchtlich erweitert war,
und auf welcher man die Lehrmethoden von dem bisherigen
jteifen Formalismus zu befreien juchte. Diejes Gymnafium,
welches 1640 in eine afademijche Hochichule verwandelt wurde,
ift von Bedeutung als erjter Neformverjuch beim Schulunter:
richt ſowie als Vorbote des reicheren wijjenjchaftlichen Lebens,
welches mit der Gründung der Univerjität zu Abo begann.
Auch auf militäriichem Gebiet machten fich Reformen be-
merfbar. Die Hauptjtärfe der Armee bejtand nunmehr aus
Reformen in Schule und Heer. 199
Fußregimentern, welche faft alljährlich durch Aushebungen vwer-
jtärft und ergänzt wurden. Anfangs wurde von einer beftimmten
Anzahl Perjonen, am häufigften 10—15 Zinsbauern bzw.
20—30 Fronbauern, je ein Knecht ausgehoben. Seit 1642
galt jedoch als Prinzip, daß eine gewifje Anzahl von Höfen (‚rote‘)
je einen Knecht ausrüftete, welcher gegen Bezahlung den Kriegs:
dienft verrichtete ). So lange die Aushebungen nach dem
erjtgenannten Modus erfolgten, wurden die Bewohner der ver-
ſchiedenen Ort- und Landſchaften in jehr ungleihem Verhält—
nis davon betroffen. Die Provinzen Wiborg und Nüflott
waren aus unbekannter Urjache am bärteften belaftet. In den
Jahren 1637 bis 1640 wurden 3. B. dajelbjt 678, 780, 651
und 687 Knechte ausgehoben, während die Provinzen Abo und
Bijörneborg troß ihrer größeren Bevölferungsziffer nur 557,
361, 508 und 398 Mann jtellten. Aus den öftlichen Pandes-
teilen vernahbm man denn auch unaufhörlich Klagen. Aus
Furcht vor der Aushebung flüchtete die Bevölkerung haufen-
weiſe nach Kerholm, Ingermanland, Livland und Schweden.
Überhaupt war das finnische Nekrutenkontingent verhältnis—
mäßig jtärfer als das jchwediiche. In den Jahren 1639 und
1640 wurden im ganzen 5427 und 5337 Mann ausgeboben.
darunter 2048 bezw. 1821 Winnländer. Finnland ftellte ſo—
mit 25 bezw. der Gejamtzahl, obwohl die Bevölferungs-
ziffer Finnlands faum mehr als "/s der ganzen Bevölferungs-
zahl von Schweden - Finnland betragen haben dürfte ?). Erit
nachdem die Aushebung von der „Hofzahl* (rote) abhängig ge-
worden, wurde die Verteilung gleihmäßiger und die Yajt min—
der drüdend. Das Kontingent aus den Provinzen Wiborg
1) Th. Wijlander, Öfversigt af Svenska krigsförfattningens
historiska utveckling frän äldre tider till indelningsverkets afslutande
1733, p. 150 (Stodholm, 1866).
2) Die Provinz Kerbolm, wo feine Aushebungen ftattfanden, ift bier
nicht einbegriffen. Die Ungleichheit dürfte zum Zeil darauf berubt haben,
daß bie fteuerfreien Höfe, die, verglichen mit den Kronbufen und Zins-
böfen, nur halb jo viel zu den Aushebungen beitrugen, in Schweden zahl—
reicher waren als in Finnland.
200 Dritte Periode. Die Großmachtszeit.
und Nyjlott erfuhr eine wejentliche Verminderung, und in
ganz Finnland wurden 1642—1648 jährlich etwa 1300 Dann
ausgehoben !).
Die auf jolche Weije zufjammengebrachte Mannichaft wurde
zur Ergänzung der finnifchen Fußregimenter verwendet, welche
damals eine feſte Organijation erhielten und nach den Land—
ichaften, aus denen die Soldaten jtammten, benannt wurden. Im
Jahre 1624 befahl Guſtav Adolf, daß das finniſche Fußvolf,
welches noch 1616 nur aus etwa 3500 Mann bejtanden hatte,
aber ſpäter durch Aushebung auf bedeutend mehr als das
Doppelte verjtärkt worden war, in 3 Regimenter mit je
24 KRompagnieen eingeteilt werben jollte Binnen furzem wur:
den jedoch aus taftiichen Gründen die großen Regimenter in
fleinere von je 8 Kompagnieen aufgelöf. Im Jahre 1625
bejtanden 8 jolcher Fleinen Regimenter, zujammen über 9000
Dann. In den Jahren 1631—1647 betrug die gejamte In—
fanterie des ſchwediſchen Reichs 34 000— 37000 Mann, dar:
unter 12000—13000 Finnländer. Finnlands Kontingent war
aljo, verglichen mit der Bevölferungsziffer, größer als dasjenige
Schweden.
Die Einteilung der Kavallerie in fefte Formationen ging
langjamer vonftatten als die der Infanterie. Erſt 1635 wer:
den drei finnijche Reiterregimenter erwähnt, welche jpäter be—
ftehen blieben: die Regimenter von Abo, Nyland und Wiborg.
Jedes derjelben beftand in der legten Zeit des Dreißigjährigen
Krieges aus 1200 Mann. Die ganze Kavallerie des Reichs
belief fich auf 11000 Mann. Auch bier war aljo die Stärfe
der Finnländer verhältnismäßig größer als die der Schweden ?). —
1) In dem Zeitraum 1642—1648 waren e8 1447, 1344, 1317,
1239, 1439 und 1302 Mann. Pgl. den im „Schwediſchen Reihsardiv“
befindliden „Extract öfver utskrifningar“. Für das Jahr 1646 feblt
eine Angabe.
2) 3. Mantell, Anteckningar rörande finska armens och Finlands
krigshistoria I, 56sqq. (Stodholm, 1870); vgl. auh I. Mankell,
Uppgifter rörande svenska krigsmaktens styrka, sammansättning och
fördelning sedan slutet af 1500 talet jemte öfversigt af svenska krigs-
historiens vigtigaste händelser under samma tid (Stodholm, 1865).
Das finniſche Heer im Dreißigjährigen Kriege. 201
Im Jahre 1625 wurde Guſtav Horn !) zum Befehlshaber über
alle finnischen Truppen zu Fuß und zu Roß ernannt, wodurd)
diefer ausgezeichnete Feldherr Gelegenheit erhielt, den finnijchen
Kegimentern jene Disziplin einzuflößen, welche fpäter während
des Dreißigjährigen Krieges ihren Ruhm begründete.
Eine bejondere Organifation bejtand in mehreren an ber
Meeresküſte gelegenen Kirchipielen, welche, ftatt Reitern und
Knechten, Matrojen für die Flotte ftellten. Im Jahre 1624 er-
ging ein Erlaß, betreffend die Errichtung von 2 Matroſenkom—
pagnieen im weftfinnijchen Schärengartenjowie von 1 Kompagnie
auf Aland; auch die finnijchen Städte gaben ein paar Hundert
Bootsleute her. — Gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges
batte Finnland eine bewaffnete Macht von 17000—18000
Mann, eine unerhörte Yaft für ein Land, deſſen Bevöl-
ferungsziffer, mit Abrechnung der Provinz Kerholm, welche an
der Kriegslaſt nicht beteiligt war, kaum 300000 Geelen
überjtiegen haben dürfte. Unter jolchen Berhältniffen war es
ein großer Borteil für Finnland, daß es nicht unmittelbar
vom Kriege betroffen wurde, jondern daß die friedliche Arbeit
ihren Fortgang nehmen fonnte, während die Nachrichten von
den Heldenthaten des Heeres aus Deutjchland anlangten. Im
übrigen ift zu beachten, daß die einheimijchen Truppen nur
zum Zeil an den Feldzügen auf ausländiichem Boden teil-
nahmen. Finnlands Anteil an der aftiven Stärke wechjelte
zwiſchen 3000 und 5000 Mann.
Am 22. Yuli 1630 trafen die auf den Kriegsichauplag im
Deutjichland gerufenen finnischen Truppen, zwei Regimenter
Fußvolk und fieben Reiterfompagnieen, unter den Befehl Guftav
Horns in Stettin ein ?). Die Tapferkeit, welche die finnischen
Reiter bei Burgſtall und Werben (18. und 27. Juli 1631)
1) Guftav Karlsjon Horn war am 22, Oftober 1592 auf Schloß Or-
byhus in Upland (Schweden) geboren und wurde 1651 zum ®rafen von
Björneborg ernannt. Er ftarb am 10. Mai 1657 in Stara.
2) Die Angabe A. Fryxells (Berättelser ur svenska historia VI,
233, 4. Aufl.; Stodbolm, 1847), daß 70 finnifche Reiter Guſtav Adolf
bei Demmin vom Tode errettet hätten, gehört, wie aus gleichzeitigen Briefen
bervorgebt, in das Neich der Yegenbe.
202 Dritte Periode. Die Großmadhtsgeit.
an den Tag legten, erwarb ihmen das bejondere Vertrauen
Guſtav Adolfs. Sie hatten fpäter bei Gefechten ſtets den
Ehrenplag an dem äußerjten rechten Flügel des erjten Treffens,
wo der Hauptanfall gegen die feindlichen Heere zu erfolgen
pflegte. Die Gegner nannten fie „Haffapäliter“ nach dem
Gtreitruf „Hakkaa päälle*. An ihrer Spige gewann Torften
Torſtensſon Stälhandsfe jeinen Ruf als einer der bejten Offiziere
ber damaligen Zeit 9). Ein anderer hervorragender finnijcher
Heerführer war Afe Henrifsfon Tott 2). Auch nach dem Tode des
Königs (6. Nov. 1632) jehen wir die finnischen Truppen faft
in allen größeren Schlachten eine bedeutende Rolle jpielen.
Die Regierungsvertreter in Finnland juchten während des
Krieges die Bevölkerung eifrig zu bewegen, fich willig den Laſten
zu unterziehen, welche der Krieg mit jich brachte So ent-
hielten die Briefe des Biſchofs Rothovius an die Geiftlichkeit
nicht jelten Nachrichten von den errungenen Siegen und Er-
mahnungen zur Opferwilligfeit für das Vaterland. Trotzdem
war die Friedensſehnſucht allgemein. Wie gefürchtet der Kriegs:
bienft war, geht daraus hervor, daß die Zahl der fahnen-
flüchtigen finnischen Rekruten unabläffig zunahm. Vergebens er:
ließ Guſtav Adolf am 6. November 1631 ein ftrenges Mandat
dagegen. Die Zahl der Fahnenflüchtigen belief fich jchlieglich auf
mehrere Zaujende. Die Nachricht vom Abſchluß des Weſtfäliſchen
Friedens wurde daher auch in Finnland mit lebhafter Freude
begrüßt.
1) Er war 1594 im Kichhfpiel Borga geboren, wurde 1629 Oberſt—
lieutenant bei der Reiterei von Nyland =» Tawaftebus, 1642 General, ftarb
jedoch ſchon 1644 in Habersleben. Seine Witwe, Chriſtina Horn, ver-
mehrte, einem Wunfche ihres verftorbenen Gemahls zufolge, die Bibliothet
ber Aboer Akademie, indem fie dieſer Hochſchule die Bücerfammlung
des Bifhois von Aarhus (etwa 900 Bände) ſchenkte. Lebtere war Stäl-
handske als Kriegsbeute zugeiallen.
2) Sohn von Heinrich Klasfon Tott und Sigrid Waſa, der Tochter
Erihs XIV. und Karin Mänsdotters. Er war 1598 geboren, gewann
duch jeine Unerfchrodenbeit das Vertrauen Guſtav Adolfs, dem ev nad
Deutihland folgte, in hohem Maße, wurde 1630 Befehlshaber der Neiterei
und 1631 Feldmarfchall, kehrte jedoch 1633 in die finniſche Heimat zurüd,
wo er 1640 ftarb.
Die Regierungsform von 1034. 203
2. Die Königin Chriftine ').
Die „Regierungsform“, welche 1634 auf Antrag des Reichs—
fanzler8 und der Bormundichaftsregierung von den Reichs—
jtänden angenommen wurde, enthielt auch mehrere Bejtim-
mungen, welche Finnland betrafen. Das Hofgericht zu Abe
jollte fortan aus einem Neichsrat, al8 Präfidenten, und je
ſechs Cdelleuten bezw. Bürgerlichen, als Beifigern, außer
den jonftigen Beamten, bejtehen. Ferner wurde dinnland in
vier Hauptmannjchaften eingeteilt: die Hauptmannſchaft Abo,
welche das „Eigentliche” Finnland, Satakunta jowie Aland um:
faßte; Tawaſtland mit Nyland; die Provinzen Wiborg, Ny—
slott und Kymmenegärd; endlich Oſterbotten. Über die eigen-
tümliche Stellung der Provinz Kexholm ift im vorigen Abjchnitt
berichtet worden. Die finnijchen Gerichtsjprengel wurden auf
drei fejtgejeßt: der von Nordfinnland mit Aland und Oſter—
botten, der von Südfinnland mit Tawaſtland und Nyland,
jowie der von Sarelien, welcher auch die Provinz Kerholm in
ih ſchloß. Der letstgenannte Gerichtsiprengel wird jchon 1578
erwähnt; doch war der dortige Oberlandrichterpoften nicht
regelmäßig bejegt und kann erſt ſeit diefer Zeit als endgültig
eingerichtet angejehen werden ?).
I) Quellen und Nachichlagewerte zur Geſchichte Finnlands zur Zeit
der Königin Chriftine: K. 8. Tigerftedt, Administratio Fenniae Petri
Brahe, comitis, gubernatoris et in Fennia primum commorantis (Hel-
fingfors, 1846); 8. 8. Tigerftedt, Adumbratio status urbium fenni-
carum annis 1638 —1640 (Helfingiors, 1847); 8. 8. Tigerjtedt,
Handlingar rörande Finlands historia kring medlet af 17de ärhun-
dradet (Helfingfors, 1849— 1850); 8. 8. Tigerftedt, Bref frän gene-
ralguvernörer och landshöfdingar i Finland, förnämligast under
drottning Kristinas tid, Bd. 1 (Abo, 1869); K. K. Tigerftebt, Ur
Per Brahes brefvexling, Bd. I u. II (Helfingfors, 1880; Abo, 1888); K. 8.
a Bröderne Cröell, in: „Finsk Tidskrift“ VIII, 187 sqgq.
u. 257 8qg. (Helfingiors, 1880); 3. Tengſtröm, Vita et merita M.
Isaaci B. Rothovii (Abo, 1796— 1813); C. T. Odhner, Sveriges inre
historia under drottning Kristinas förmyndare (Stodbolm, 1865).
2) Bol. V. ©. Lagus, Undersökning om karelska lagsagans upp-
komst, in: „Acta societatis scientiarum Fenniae“ III, 355 —369
Helſingfors, 1852).
204 Dritte Periode. Die Großmachtszeit.
Die 1634 fejtgeftellte Organifation wurde in detaillierten
Inftruftionen für die verjchiedenen Amtsbehörden zur weiteren
Durchführung gebracht. Seit diefer Zeit gab es für Finn—
land und die Ojftjeeprovinzen in der Stodholmer Rechnungs-
fammer eine bejondere Abteilung, wo der finnijche Etat all:
jährlich aufgeftellt wurde *). Über die Regulierung der Landes:
verwaltung giebt ung die Inftruftion Aufſchluß, welche 1637
dem Sandeshauptmann in Abo, Melchior Falkenberg, erteilt
wurde. Derjelbe jollte die Bewohner der Yandeshauptmann-
ichaft zur Beobachtung der LUnterthanentreue anhalten, ihre
Wohlfahrt fördern und Schaden, Unglück wie Gefahren von
ihnen abwenden. Ferner jollte er die Kriegsverwaltung, Nechts-
pflege und Kirche überwachen, ohne fich jedoch unbefugt in die
Angelegenheiten der Militär», Gerichts- und Kirchenbehörden
einzumijchen. Schließlich hatte er die allgemeine Ordnung auf:
recht zu erhalten, darauf zu jehen, daß die ſtädtiſchen Bürger
jowie die übrigen Yandesbewohner ihren Erwerbszweigen richtig
oblagen, die Kroneinfünfte zu erheben u. j. w. Als Gebilfen
wurden ihm ein Sekretär und ein Kämmerer beigegeben.
Nachdem der Nachfolger Nils Bjelfes, Gabriel Bengtsjon
Orenftjerna, Finnland verlaffen hatte, um das Amt des Reiche:
ichagmetjters zu übernehmen, war der dortige Generalgouver:
neurpoften unbejett geblieben, und es scheint die Abficht be:
jtanden zu haben, denjelben vorläufig nicht zu bejegen; aber
die Finnländer beflagten fich darüber, daß e8 nunmehr niemand
gäbe, der die Verwaltung überwache. Auf Grund deſſen wurde
die Abjendung eines Neichsrats nach Finnland angeregt, um
dajelbft Unterjuchungen anzuftellen; ſpäter wurde jedoch biejer
Plan verworfen, und man einigte jich vielmehr dahin, daß ein
neuer Öeneralgouverneur ernannt und demjelben eine jo große
Amtögewalt zuerteilt werden jollte, daß er im Lande eine beſſere
Ordnung begründen fünnt. Am 7. Juni 1637 wurde Graf
Per Abrahamsſon Brabe zum Generalgouverneur ernannt;
durh Erlaß vom 27. Dftober empfing er die Oberleitung der
1) Außerdem gab e8 eine Rechnungstammer in Abo.
Graf Brabe Generalgouverneur (1637). 205
Zivil- und Militärverwaltung in Finnland jowie in Kexholm.
Oſterbotten wurde nicht zu feinem Verwaltungsbezirk gerechnet ;
aber er unterließ es, wie wir jehen werden, keineswegs, auch
dieſem Yandesteil jeine Aufmerkfjamfeit zu widmen. Gleich:
zeitig erhielten die Provinzen Abo und Wiborg in Melchior
Salfenberg und Erich Gyllenftjerna neue, zuverläffige Yandes-
bauptleute.
Graf Per Abrahamsjon Brabe war am 18. Februar 1602
geboren. Sein Gejchlecht hatte jeit den Tagen der Kalma—
riſchen Union zu der höchſten Pandesariftofratie gehört und
war mit dem Königshauje verwandt. Nach einem längeren
Studium an der Gießener Univerfität verbrachte Brahe meh-
rere Jahre unter Reifen in Wejteuropa, wodurch er fich eine
gründliche Bildung erwarb und mehr als die meiften Edelleute
jeiner Zeit die Wiffenjchaften jchägen und lieben lernte. Nach
jeiner Rückkehr gewann er die Gunft und das Bertrauen
Guſtav Adolfs, der ihn 1630 zum Neichsrat ernannte und
dejjen treuer Begleiter er während der Feldzüge in Preußen
und Deutichland (bis 1631) war. Nach des Königs Tode
gehörte er zu den leitenden Männern im Reichsrate, wo er
dem ibermächtigen Einfluſſe des Gejchlehts der Oxenſtjerna
entgegengearbeitet haben joll. Dem älteren Reichskanzler be-
zeugte er jedoch jtets Ehrfurcht und Achtung, jo daß es zum
Bruche zwijchen beiden nicht fam. Die Urjache dafür, daß
ihm der Generalgouverneurs - Pojten in Finnland anvertraut
wurde, ijt deshalb weniger in dem Wunjch, ihn von der Re—
gierung zu entfernen, als vielmehr in dem Bertrauen zu
juchen , welches die übrigen Neichsräte in jeine hervorragende
adminiftrative Begabung jetten. Cr jelbjt bat im Reichsrate
jeine Amtsbrüder um Nachficht wegen jeiner Unerfahrenheit und
betonte gleichzeitig das Hindernis, welches jeine Unkenntnis
der finnischen Sprache in den Weg lege; allein unzweifelhaft
hätte trogdem für den wichtigen Poften feine geeignetere Per—
jönlichfeit gefunden werden fünnen. Mit einer hoben Auf:
faffung von der Stellung der Ariftofratie verband er nämlich
ein tiefes Verftändnis für ihre Pflichten gegen das Vaterland.
206 Dritte Periode. Die Großmachtszeit.
Außerdem war es für ihn ein großer Vorteil, daß er durch
jeine Abjtammung Hoch über allen übrigen Vertrauensmännern
der Regierung in Finnland ftand, jo daß ſogar der Präfident
Jöns Kurck und der Biſchof Iſaak Rothovius feinen Vorrang
anerfennen mußten.
In alfererfter Linie hielt jih Per Brahe für verpflichtet,
die verjchiedenen Yandesorte aufzujuchen, um die Beſchwerden
dev Bevölkerung entgegenzunehmen und denjelben abzubelfen,
die Mißbräuche innerhalb der Verwaltung zu befeitigen und
jich jelbjt über die Zuftände zu informieren. Nachdem er am
21. November 1637 in Abo angefommen war und dort zwei
Monate verweilt hatte, unternahm er am 20. Januar 1638
eine ausgedehnte Reife durch die jüdlichen und öftlichen Yandes-
teile. Dieje ging über Tawaftehus, St. Michel und Nyjlott
nach Kerholm; von dort aus fehrte er über Wiborg und Ny—
land nach Abo zurüd. Nach feiner Heimkehr (2. Mai) über-
jandte er der Regierung einen Bericht über die finnischen Zu—
jtände, welcher in gleich hohem Grade von jeinem Eifer für
das Wohl des Landes wie von jeinem Scharfblid für die Be—
dürfniffe Finnlands und die Mittel zu ihrer Befriedigung zeugt.
Jenem Bericht zufolge hatte der Graf die beſte Zuverficht be-
treff8 der natürlichen Hilfsquellen des Yandes und betreffs der
Möglichkeit, eine reichere ökonomiſche Entwidelung für dasjelbe
zu erreichen. Überhaupt war er der Meinung, daß die wirf-
lich guten Anlagen des Volkes leicht gewedt werden und zur
Reife gelangen könnten, wofern nur den Mängeln in den firch-
lichen und bürgerlichen Inftitutionen abgeholfen jowie den Yandes-
bewohnern eine beffere Erziehung und ein befferer Unterricht
gegeben werben würde. Die kirchlichen Zuftände jeien im Stifte
Abo noch verhältnismäßig beffer. Doch gäbe e8 auch dort
Geiftliche, welche ihren Zuhörern den Weg zum after und
zur Untugend zeigten. Bor allem müßten die ausgedehnten
Gemeinden geteilt werden. Der Biſchof im Stifte Wiborg,
Gabriel Melartopäus, jei frank, bejahrt, von der Geiftlichkeit
ichlecht unterjtügt und deshalb nicht imftande, die lutheriſchen
Gemeinden zu überwachen, noch weniger aber dem „ruffifchen
Brabes Programm (1638). 207
Sauerteig“, wie der Graf die griechiſchen Glaubensbekenner in
Kerholm nannte, entgegenzuarbeiten. Die Landeshauptleute,
inſonderheit die in früheren Jahren ernannten, jeien ;ur Er—
füllung ihrer Pflichten gewillt, aber ihre Vögte, gleichwie bie
Richter, jchlecht, jaumjelig und untauglih. Allerdings thäte
man nunmehr alles Mögliche, um beffere Beamten zu befom-
men; aber dies jei wegen des Mangels an tüchtigen Perjonen
im Land oft unmöglich. Aus dieſen allgemeinen Bemer-
fungen zog Brahe den Schlußiak, daß die erfte Bedingung für
ein Aufblühen Finnlands die Gründung einer Hochichule in Abo,
mehrerer Schulen in den Städten jowie Heiner Kinderſchulen
überall auf dem Lande jei. Auf die Stiftung einer Akademie
fam der Graf unaufhörlich zurüd. Dies war und blieb der
Edpfeiler jeines Reformprogramms.
Neben diejen allgemeinen Gefichtspunften, welche Finnlands
gefamte Fünftige Kulturentwidelung betreffen, enthält der Be—
richt auch mehrere VBorjchläge, welche mehr die augenblidlichen
Verhältniffe in Betracht ziehen. Der Umfang der Landes—
bauptmannjchaften hinderte die Yandeshauptleute, ihre Bezirke
ordentlich zu beauffichtigen, und machte der Bevölferung das
Vorbringen ihrer Bejchwerden ſchwer, wenn nicht gar unmög-
ih. Brahe beantragte deshalb eine Teilung der Provinzen ;
wenigftens injofern, als auf den Schlöffern Tawaftehus und
Nyſlott Unterhauptleute eingelegt werden jollten, welche fich mit
der Verwaltung von Tawaftland und Savolaks zu befafjen hätten.
In jedem) Diftrift jollte e8 nur einen Steuereinnehmer geben,
Damit der gemeine Dann nicht, wie e8 bisher der Fall ge-
weien, vollftändig ausgeplündert würde. ine Erleichterung im
Steuerwejen ließe fich auch dadurch erzielen, daß bie zahlreichen
bisher fteuerpflichtigen Waren auf einige wenige Hauptprodufte
bejchränft wirden, wodurch das ganze Tarationswejen zum
Vorteil der Bevölkerung wie der Krone vereinfacht werben
fönnte. Gin ſchon früher von Brahe vorgebrachter Plan, be-
treffend eine Änderung des furchtbar drüdenden Aushebungs-
wejens, wurde jet durch ihm von neuem angeregt. Nach jeiner
Anficht ſollte nämlich eine beftimmte Anzahl von Höfen dazu
208 Dritte Periode. Die Großmachtszeit.
verpflichtet fein, einen Knecht ftändig zu unterhalten, damit die
Stärke der Regimenter jederzeit diejelbe bleiben und die Un—
gleichheit, mit welcher die Aushebungen den gemeinen Mann
trafen, vermieden werden könnte. Was den Handelöverfehr
betraf, jo waren nach des Grafen Meinung Abo und Wiborg,
namentlich der lettgenannte Ort, hoffnungsvolle Handelsitädte.
Helfingfors müfje nah Sandö verlegt und jeine Bevölferungs-
ziffer durch Überfievelung ter Bewohner von Borgi vermehrt
werden. Um den Binnenhandel lebhafter zu gejtalten, jollten
alljährlich allgemeine Märfte an einem geeigneten Ort in
Ober » Satafunta jowie bei Tamwaftehus und Nyjlott angeordnet
werden. Schlieglich nahm Brahe den jeit der Regierungszeit
Karls IX. jchlummernden Plan einer Verbindung des Saima
mit dem Meere wieder auf. Nach feinem Dafürbalten Tier
ſich der jchon exiftierende „Graben“ mit geringen Koften und
ohne Gefahr einer Überjhwenmung jchiffbar machen. Gleich—
zeitig trug er fich mit dem Gedanfen einer Verbindung des
Saima-Seeſyſtems mit den Gewäfjern des Päijänne und des
Pyhäjärvi, wodurch neue, ausgedehnte Kommunifationswege im
Innern des Yandes gejchaffen werben jollten. — Genug, fait
alle Fragen, welche ſpäter bei der inneren finnischen Entwice-
lungsarbeit vorfamen, wurden in dem obigen intereffanten Gut—
achten berührt und mit jcharfem Blick beleuchtet °).
Auch hernach unternahm Per Brahe mehrere Reifen in
verjchiedene Yandesteile. Im Sommer 1638 bejuchte er die
Küftengegenden von Abo bis Björneborg. Anfang 1639 begab
er jich wiederum nach Nyjlott, Wiborg und Kexholm, im Juni
desjelben Jahres über Tamwaftehus und Nyjlott auf dem See-
wege nach Yibelit3 und Pielisjärvi, und von dort auf ruffisches
Gebiet, um fich über die Zuftände im ruſſiſchen Karelien zu
unterrichten. Alsdann ging die Fahrt über Kajana, den Ules-
jee jowie auf dem gefährlichen Wege längs den Stromſchnellen
des WMleäfluffes nach Uleaͤborg. Keine hochgeſtellte Perjünlichkeit
1) Bgl. „Handlingar rörande Skandinaviens historia“ XXXI,
427— 442 (Stodholm, 1850).
Graf Brabes Verwaltung. 209
hatte jemals zuvor jene Gegenden befucht, deren eigentümliche
Zuftände Brahe nach feiner Rückkehr von Äbo aus in einem
vor furzem aufgefundenen Bericht an die Regierung jchilderte ').
Anfang 1640 reifte er nochmals durch Nyland nach Kexholm
und von dort über Nyjlott bis nach Idenſalmi und Kuopio.
Eine Fahrt nach Heljingfors im Juli 1640 war jeine leßte
Reife während der erften Periode feines Aufenthalts in Finn-
land. Schon am 7. Augujt begab er fich nah Stodholm, um
dort feinen Sig im Reichsrat wieder einzunehmen.
Die Verdienſte, die er ich al8 Generalgouverneur erworben,
trugen dazu bei, daß er 1641 Reichsdroſt und in jolcher
Eigenjchaft eines der Mitglieder der VBormundjchaftsregierung
wurde. Auch in feiner neuen. Stellung übte er einen mäch-
tigen Einfluß auf die Geftaltung der Geſchicke Finnland
aus. Seine umfafjende Kenntnis der Orte, Zuftände und
BVerjönlichkeiten in Finnland machten ihn zu einem jelbjtver-
jtändlichen Bertreter der finnischen Interefien bei der Regie—
rung. Die Finnländer wandten jih an ihn, um Schu und
Hilfe zu erlangen. Nicht minder ließ e8 Brahe ſich perjönlich
angelegen jein, die Verbindung mit jenen wenigjtens brieflich
aufrecht zu erhalten. Die Worte in feinem „&edenfbuch“ :
„sch war mit dem Lande und das Land mit mir zufrieden“,
zeugen von dem gegenfeitigen Vertrauen, welches zwijchen ihm
und den Bewohnern Finnlands herrichte.
Nachdem die Königin Chriftine (8. Dez. 1644) jelber die
Regierung übernommen hatte, wurde Per Brahe (1648) zum
zweitenmale zum eneralgouverneur ernannt und bei dieſer Ge-
legenheit Ofterbotten mit feinem Verwaltungsbezirk vereinigt,
während Kerholm, welches nunmehr mit Ingermanland ein be-
ionderes Generalgouvernement bildete, nicht dazu gehörte. In
der ihm erteilten Inftruftion vom 9. Mai 1648 wurde be-
ionderes Gewicht darauf gelegt, daß neue Städte an paſſen—
den Stellen angelegt jowie daß Abo, Helfingfors und Wiborg
1) Der Bericht ift von P. Norbmann in: „Svenska Literatur-
sällskapets i Finland Förhandlingar och uppsatser“ VIII, 274—282
Helſingfors, 1894) veröffentlicht worben.
Shybergion, Geſchichte Finnlande. 14
210 Dritte Periode. Die Großmachtszeit.
in ihrer Entwidelung gefördert werden jollten *). Im Überein-
ftimmung hiermit richtete Brahe nach feiner Ankunft in Abo
(18. Juni) fein Hauptaugenmerk auf die Förderung der kom—
merzielfen Intereffen. Zu diefem Behufe begab er ſich Anfang
1649 über Nyland, Wiborg und Nyſlott nach Kuopio, jowie
von dort über Kajana nach Uleiborg, um alsdann längs der
Küfte beimzufehren. Während dieſer Reiſe bejuchte er bei-
nabe ſämtliche Städte Finnlands. Cine kürzere Reiſe ins
Innere des Yandes unternahm er Anfang 1650. Später begab
er fi nach Schweden, um der Krönung der Königin beizu-
wohnen. Im Januar 1651 trat er von dort den Rückweg
an, welcher über Torneä, Uleä, Kajana und Kuopio erfolgte.
Im September 1651 verließ er Finnland für immer; doc
behielt er den Poften eines Generalgouverneurs bis zum 14. Ja—
nuar 1654.
Unter den Reſultaten der Wirkſamkeit Brabes ift in aller-
erjter Pinie die Gründung der Akademie von Abo zu nennen.
Das Bedürfnis einer ſolchen Bildungsanftalt für Finnland
war augenjcheinlich, zumal da nur eine geringe Anzahl finnischer
Sünglinge imftande war, an deutichen Univerfitäten zu ftudieren.
Nur vermittelft einer eigenen Univerjität fonnten tüchtige Kräfte
für den Dienft der Kirche wie des Staates gewonnen werden.
Schon früher hatte man denn auch fein Augenmerk darauf
gerichtet. Trotzdem würde die Frage vermutlich noch lange
geruht haben, hätte nicht Per Brahe mit der ihm eigentiim-
lichen Energie eingegriffen und jeine Pläne durchgejegt. Er
fand hierbei das größte Entgegenfommen jeitens der Negie-
rung, welche bereits am 18. Dftober 1638 ermiderte, daß die
Einrichtung der Univerfität notwendig fei, und daß der General-
gouverneur deshalb jchleunigft mit Biſchof Rothovius über die
Bejegung der Lehrſtühle beraten jolle. Am 26. März 1640
wurde die Stiftungsurfunde für die neue Univerjität ausge-
fertigt, welche das Recht zur Promotion von Doftoren und
1) € © Styffe, Samling af instruktioner för tjänstemän vid
landtregeringen etc., p. 225 sqg.
Die Gründung der Univerfität Abo (1640). 211
Magiftern jowie alle Vorrechte und Freiheiten erhielt, die der
Upjalaer Akademie erteilt worden waren. Am 15. Juli 1640
erfolgte die feierliche Einweihung. In allen Gemeinden des
Landes wurde an diefem Tag ein Feſtgottesdienſt abgehalten,
und in einem Zirkular an die Lanbesgeiftlichfeit erinnerte
Rothovius daran, daß jeit Erjchaffung der Welt dem finntjchen
Bolfe feine größere Wohlthat widerfahren jet, als jett durch
Stiftung der Univerfität. In Abo verfammelten fich die neu-
ernannten Profefjoren, Biichof Rothovius jowie alle Behörden
und Korporationen der Stadt am frühen Morgen bei Per
Brahe auf dem Schloffe. Auf einem dem Grafen gehörigen
Fahrzeug jegelte man nach der Stadt, worauf fich die Schar
in feierliher Prozejjion mit einer Eskorte von 1000 Reitern
in das zum Sitz der Univerjität bejtimmte frühere Gym—
nafium begab. Hier erflärte Brahe in einer ſchwediſchen Rede
Beranlaflung und Zweck der neuen Univerſitätsgründung, wo—
bei er die Wichtigkeit diefer neuen Yehranftalt für Finnland
bejonder8 betonte. Nachdem er im Namen der Königin bie
Univerfität für eröffnet erklärt hatte, ernannte er im Auftrag
der Regierung Rothovius zum Univerfitäts-Profanzler, eine
Würde, welche jich während der ganzen Zeit, wo bie Aboer
Akademie in Wirkſamkeit war, auf die Nachfolger des Biſchofs
Rothovius vererbt bat ').
Die Oberaufficht über die neue Lehranftalt beſaß Per
Brabe, obwohl er erjt 1646 förmlich zum Univerfitätsfanzler
ernannt wurde; er befleidete diefen Poften bis zu feinem Tode
(1680). Er verwaltete fein Amt mit liebevollem Eifer und
mit einer Unparteilichfeit, die ihn Hoch über den Fleinlichen
Streitigkeiten und Zäntereien der akademiſchen Lehrer ftehen
ließ. Manches Titterarifche Unternehmen, welches von ber
Univerfität ausging, wurde durch feine Fürſorge hervorgerufen
oder gefördert. Energiſch trat er jederzeit zugunften der Uni—
1) Eine ausführliche Schilverung des Einweihungsfeſtes findet ſich ge-
drudt in: „Consistorii academici vid Abo universitet äldre proto-
koller, utgifna af Finska historiska samfundet“, p. 5sqq. (Helfingfors,
1883— 1887).
14*
212 Dritte Periode. Die Großmachtszeit.
verfität ein, wenn es erforderlich wurde. Auf Koften der Ala-
bemie wurde aus Weſteräs der Buchdruder Petrus Wald be-
rufen, welcher 1642 in Abo die erfte Buchdruderei Finnlands
begründete. Gleichzeitig fam ein gewifjer Yars Jauchius aus
Lübeck als afademijcher Buchhändler nah Finnland.
ALS die Akademie Mitte Auguft 1640 ihre Thätigfeit be-
gann, waren nur 44 Studenten anwejend; aber jchon nach
zwei Jahren betrug die Zahl der Studierenden beinahe 500,
von denen beträchtlich mehr als die Hälfte aus Schweden
ftammte. Im Jahre 1643 gab es an der Univerſität 9 jo-
genannte Landſchafts- oder Nationsvereinigungen, 6 ſchwediſche
und 3 finnifche '). Auch jpäter, bis zur Trennung von Schwe-
den, locte die in hohem Anjehen jtehende Akademie eine große
Zahl ſchwediſcher Studenten an, von denen nicht wenige in
Finnland anjäjfig wurden. Gleich den großen Univerſitäten
des Weftens bildete auch die Äboer Hochichule eine Welt für
fih, indem das akademiſche Konfiftorium ſowohl über die Stu-
denten wie über die Lehrer und andere im Univerſitätsdienſt
jtehende Perſonen die richterliche Gewalt ausübte. Die Rechts—
Händel, welche die Zeit des Konjiftoriums größtenteil® in An-
ſpruch nahmen, geben ein anfchauliches Bild von der damals
bei den Studenten berrjchenden Roheit und Sittenlojigfeit ’).
Bei ihrer Gründung hatte die Afademie 10 Profefforen,
und zwar 3 Theologen, 1 Juriften jowie 6 Vertreter von ver-
ſchiedenen Lehrzweigen der philoſophiſchen Fakultät ?). Nur
zwei: der Profefjor der Botanik und Phyſik, Georg Alanus,
und der Profefjor der griechiichen und hebräiſchen Sprache,
Martin Stodius, waren Finnländer; die übrigen ftammten
aus Schweden. Der erjte Univerjitätsreftor, Eskil Peträus,
bat ſich durch jeine Kenntnis des Finniſchen einen hervorragen-
1) Bol. ©. Granfelt, Västfinska afdelningens historia I (de
västfinska nationerna 1640—1722), in: „Västra Finland“ I, 4—95
(Helfingfors, 1890), und A. Snellman, Pohjalaisen osakunnan historia,
Bd. I u. II (Helfingfors, 1890— 1891).
2) Erich Achrelius wurbe 1641 zum Profefjor der Mebizin ernannt;
doch vermochte er nicht, die mebiziniihen Stubien in Flor zu bringen.
* SE LIB RAR
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UNIVERSITY
Or A\
CALIFORN
9
Die Univerfität Abo. 213
den Plag in der finnischen Yitteraturgefchichte erworben !). Er
war der hervorragendſte der vier Männer, welche die Regierung
beauftragt Hatte, die ganze Bibel ins Finnifhe zu über-
jegen, und ihm ift im wejentlichen die Schnelligfeit zu ver-
danfen, womit jenes große Unternehmen betrieben und 1642
glüdlih zu Ende geführt wurde. Auf Brahes Aufforderung
verfaßte er jpäter die erjte (Tateinifche) Grammatif der fin-
niichen Sprache: „Linguae fennicae brevis institutio*, welche
1649 erſchien. Als Theologe war er ein eifriger Anhänger der
reinen lutbherijchen Lehre, wovon jeine in Form von afabe-
miſchen Disputationen 1649— 1657 veröffentlichten „Medi-
tationes“ ein deutliches Zeugnis ablegen. Infolge feines kraft-
vollen, ernjten Charakters flößte er feiner Umgebung unum-
ſchränktes Vertrauen ein, weshalb er auch nach dem Tode
des Rothovius zum Nachfolger desjelben erwählt wurde. Als
Biſchof von Abo ermahnte er in jeinen Zirkularbriefen die Geift-
Itchfeit zur Rechtgläubigfeit fowie zur Bekämpfung des noch all-
gemein verbreiteten Aberglaubens. — Reich begabt war auch der
Theologieprofeffor Johann Terjerus ?), welcher bis 1647 in
Abo eine Fehrthätigfeit ausübte. Seine fpäteren ſtürmiſchen
Yebensichidjale Hängen mit jeiner Wirkjamfeit als Nachfolgers
des Peträus auf dem Äboer Biihofsftuhle zufammen. — Der
unter dem Namen Stjernhööf jpäter geadelte Profeſſor der
Zurisprudenz, Iohann Dalekarl ®), ift jederzeit als einer ber
bervorragendjten wiffenjchaftlicden Talente des Nordens an-
erfannt worden und war die bebeutendjte Perjönlichteit der
Univerfität bei ihrer Stiftung. Seine Arbeit: „De jure
1) Estil Peträus, geb. 1593 in Wermland, ftudierte in Upfala und
Deutfchland, wurde 1630 Oberlehrer am Aboer Gymnaſium, 1640 Pro:
fefior an der dortigen Umiverfität und 1652 Biichof ebenbaielbit. Er
ftarb 1657.
2) Geboren 1605 in Dalelarlien, ftubierte er in Upfala fowie im
Deutichland, wo er Anhänger des Calirtus wurde.
3) Geboren 1596 in Dalelarlien, ftubierte er in Upiala und Roftod,
wurde 1630 zum Afjefjor am Aboer Hofgericht, 1640 auch zum Profeſſor
an der dortigen Univerſität ernannt. Er ſtarb 1675.
214 Dritte Periode. Die Großmachtszeit.
Sveonum et Gothorum vetusto“*, eine hiſtoriſche Schilderung
der Entjtehung und Entwidelung des jchwediichen Rechts, war
epochemachend. — Der unter dem Namen Gyldenſtolpe ge:
abelte Profeſſor der Politif und Geſchichte, Michael Vexio—
nius ?), war eine vieljeitig gebildete Perjönlichfeit mit um—
faffenden Kenntnifjen in der Philofophie, Gejchichte und Juris:
prudenz. Die bedeutendfte jeiner zahlreihen Schriften iſt das
auf Beranlafjung Brahes verfaßte „Epitome descriptionis
Sueciae, Gothiae, Fenningiae et subjectarum provinciarum‘“,
in welchem einige Kapitel auch Finnland gewidmet find. —
Der Profeffor der Mathematif, Simon Kexlerus (geb. 1602
in Nerife, gejt. 1669) war ein verdienjtvoller Verfaſſer mathe:
matijcher Lehrbücher jowie außerdem als Aftronom ein Ver—
treter der naturwiffenjchaftlichen Studien. Auf legterem Ge—
biete bewegte er jich jedoch in einer veralteten Nichtung, indem
er die Lehre des Kopernifus befümpfte und, gleichwie Sieg—
fried Forfius (vgl. ©. 179), an die Möglichkeit glaubte, auf
aftronomischem Wege fünftige Ereigniffe vorausjagen zu können.
Noch mehr als Kerlerus war Martin Stodius ?) in dem my—
ftiichen Aberglauben der damaligen Zeit befangen.
Dieje Andeutungen dürften genügen, um eine Vorjtellung
von den geiftigen Kräften zu geben, welche Finnland durch
Gründung der Univerfität zugeführt wurden. Allein Per Brahe
erfannte, daß die Hochjchule eines feſten Rückhalts entbehren
würde, wofern fie jich nicht auf einen verbefjerten Scul-
unterricht ftügen könnte. Sein Augenmerf war daher unab-
läjfig auf Vermehrung der Yehranftalten jowie auf Berbefjerung
1) Geboren 1609 in Smäland, ftubierte er in Upiala und Marburg.
Im Jahre 1647 erhielt er den Auftrag, neben feiner früheren ordentlichen
Profefjur auch der juriftiichen Profefjur als extraordinarius vorzufteben.
Diefe beiden Ämter verfab er bis 1657, wo er als Aſſeſſor in das Aboer
Hofgerit eintrat. Er ftarb 1670.
2) Geboren am 3. November 1590 in Abo, wurde er in Wittenberg
zum Magiſter promoviert, war fpäter Lehrer in Abo und Wiborg, feit
1633 Oberlebrer amı Aboer Gymnaſium. Nah 20jähriger Dienftleiftung
an ber Univerfität erbielt er 1660 jeinen Abſchied und ftarb 1675. Er
war Mitarbeiter an ber finnifchen Bibelüberiehung.
Hebung des Schulweſens. 215
ihrer Organiſation gerichtet. Seine Vorſchläge fanden die
Zuſtimmung der Regierung. Schon 1638 faßte er den Ent—
ſchluß, in Abo, Bijörneborg und Helſingfors vierklaſſige
höhere Schulen, die ſogenannten „Trivialſchulen“, einzurichten.
Die Aboer Trivialſchule, welche einen Erſatz für das bei Stif—
tung der Akademie aufgehobene Gymnaſium und Pädagogium
bildete, begann 1641 ihre Thätigkeit und gewann ein der ehe—
maligen Kathedralſchule entſprechendes Anſehen. Die Trivial—
ſchulen in Björneborg und Helſingfors wurden 1640 bezw.
1641 eingerichtet. Auch Oſterbotten erhielt 1641 ſeine erſte
höhere Lehranſtalt, nämlich eine Trivialſchule in Nykarleby.
Die Wiborger Schule, welche nur notdürftig den Bildungsbedürf—
niſſen im öſtlichen Finnland entſprach, wurde 1641 zu einer
mit einem zweiklaſſigen Gymnaſium verbundenen Trivialſchule
umgewandelt; die Naturwiſſenſchaften wurden jedoch in den
Lehrplan dieſer Anſtalt nicht aufgenommen. Auch auf die
niedere Elementarbildung richtete Per Brahe ſeine Blicke. Er
ließ in Tawaſtehus und Nyſlott „gute“ Pädagogien einrichten;
das ſchon früher in Kexholm beſtehende Pädagogium wurde
erweitert; ſpäter bekamen Kajana, Brahea, Brabeftad und die
meiſten übrigen neu angelegten Städte ſolche kleinere Elemen—
tarſchulen. Die Organiſation, welche das Schulweſen hierdurch
inbezug auf Anzahl der Lehranſtalten ſowie deren gegenſeitiges
Verhältnis erhielt, blieb mit einigen wenigen Erweiterungen
und Veränderungen zwei Jahrhunderte lang beſtehen; während
dieſer ganzen langen Zeit beherrſchte ſomit der Geiſt Per Brahes
das Erziehungsweſen Finnlands. Auch auf dem Lande begann
man auf Verbreitung von Kenntniſſen hinzuarbeiten, was durch
die Teilung von zahlreichen ausgedehnten, im Innern des
Yandes gelegenen Gemeinden erleichtert wurde; jogar in den nörd—
lichten Gegenden des Stiftes Abo wurden für die Lappen zwei
Kirchen gegründet, die eine in Enare, die andere in Kemiträsk.
Gleichzeitig erfolgte die Stiftung der erſten Volksſchulen, 1639
im Kirchſpiel Saltvik auf Aland, in den vierziger Jahren im
Kirchipiel Perno und 1649 in Kimito, welches Arel Orxenitjerna
als Baronie zu Lehen erhalten hatte. Dieſe von einem ein-
216 Dritte Periode. Die Großmachtszeit.
zigen Lehrer geleiteten Schulen waren der erjte Keim des
in unjern Tagen jo reich entwidelten finniſchen Volksſchul—
weſens.
Alle, dieſe Reformen auf dem Gebiete des Schulweſens
wirkten nicht nur erhebend und jtärkend auf die Bildung des
finniſchen Volkes, jondern veränderten auch in gewiſſer Hin-
ficht die Bildungsrichtung. Die litterarifhe und wiljenjchaft-
liche Verbindung mit Schweden, welche bisher nur jchwach und
zufällig gewejen war, wurde nunmehr immer lebhafter und
vieljeitiger. Allerdings war das Yateinijche nicht minder an der
Univerfität wie in der Schule offiziell vorherrichend ; aber die
Männer, welche die höhere Bildung vertraten, waren doch
größtenteild Schweden, welche fih im täglichen Yeben ihrer
Mutterſprache bedienten. Die zahlreichen Studenten aus Schwe-
den und bie fortvauernde Zentralijation der Verwaltung trugen
ebenfall8 zu einem jolchen Rejultat bei. In dem Hofgericht,
im Generalgouvernement und in allen Verwaltungszweigen gab
e8 hervorragende Männer, deren Bildung völlig weſtländiſch
war. AnderjeitS zogen die jeit alter Zeit in Finnland an—
jäjfigen, reichen Adelsgejchlechter aus Finnland weg. Die Mit-
glieder der Gejchlechter Fleming, Horn, Ereug, Tott und Kurck
beſaßen freilih noh Güter in Finnland und wurden nicht
jelten mit Yandeshauptmannspoften und anderen wichtigeren
Ämtern in der alten Heimat betraut; aber im allgemeinen
verfloß das Leben dieſer bochariftokratiichen Herren in Schwes
den, wo fie wichtige abminijtrative Poften befleiveten. An
ihre Stelle trat ein ziviler Beamtenftand, welcher, unter ſtarker
Vermiſchung mit Schweden, jeine Ausbildung hauptſächlich an
der Univerfität Abo und bei den einheimijchen Behörden em=
pfing. Nicht jelten wurden die angejebenjten Mitglieder
diejer Klafje geadelt; aber der jelbftändige und eigenwillige
Geift, welcher fich bei den großen Gejchlechtern von Generation
auf Generation vererbt hatte, war ihnen fremd. In der Armee
überwog einige Jahrzehnte lang das deutſche Element; jpäter
wurde jedoch das Verhältnis bier dasjelbe, wie bei dem zivilen
Beamtenftand. Bei dem Bürgerftand, namentlich in Abo, machte
Das Verhältnis zu Schweden. 217
ſich das Schwediſche ebenfalld immer mehr geltend. Eine
niht geringe Anzahl der bedeutenditen Raufmannsfamilien
ſtammte allerdingd aus Deutjchland ; aber ihre Nachkommen
in zweiten oder drittem Grade bebienten fich gewöhnlich des
Schwediſchen als ihrer täglichen Umgangsiprache.
Dieje zentralifierende Richtung, welche Finnland eine rei-
here Bildung verjchaffte und allmählich innerhalb deſſen
Grenzen eine immer größere Nechtsficherheit jchuf, brachte
jedoch die bis zum heutigen Tage fühlbare Ungelegenheit mit fich,
daß die Beamten der Bevölkerung entfremdet wurden, nament—
ih dem überwiegenden, Finniſch redenden Teil derjelben.
Allerdings legte die Regierung bei der Bejegung von Ämtern
in Finnland immer höheres Gewicht darauf, daß die Bewerber
der finnijchen Sprache mächtig waren. Aber andrerjeits war
e8 jchwierig, verdienten Männern nur wegen mangelhafter
Sprachkenntnis die Beförderung zu verjagen, weshalb man
bisweilen von dem im allgemeinen gültigen Prinzip abwich.
Gegen Ende des Jahrhunderts begann der gemeine Mann in
jeinen Reichstagsbejchwerden auf Bejeitigung dieſes Mißftandes
zu dringen, was jedoch kaum gejchehen konnte, da Finnland
weder in abminijtrativer noch in juridiſcher Hinficht eine ab—
gejonderte Stellung im Reiche einnahm. Anders verhielt es
ſich bei der Kirche; es ereignete fich höchſt jelten, daß die Ob-
but über eine finnifch redende Gemeinde einem Prediger an-
vertraut wurde, welcher ſich nicht fehlerfrei jeinen Gemeinde:
findern gegenüber ausdrüden konnte.
Innerhalb der Fitteratur, welche unter dem Cinfluß der
Aboer Hochſchule und ihrer Buchdruckerei aufzublühen begann,
jpielte das Lateiniſche lange eine entſchieden herrſchende Rolle;
doch begann fich die ſchwediſche Sprache, bejonders auf reli-
giöjem Gebiete, einen Weg zu bahnen. — Finnlands Gejchichte
wurde von dem geiftvollen aber unbändigen Johannes Meſſe—
nius bearbeitet, welcher, papiftifcher Umtriebe verdächtigt, 1616
bis 1635 in ftrengem Gewahrjam auf dem Sclofje Kajane-
borg jaß und dann nach Uleäborg gebracht wurde, wo er jchon
1636 ftarb. In der Gefangenjchaft beichäftigte fich dieſer
218 Dritte Periode. Die Großmachtsgeit.
Gelehrte mit einer umfaſſenden hiſtoriſchen Schriftjtellerthätigfeit,
welche fich auch auf Finnlands Gejchichte eritredte. Das zehnte
Buch feines großen Werfes „Scondia illustrata“ iſt nämlich
Finnland und den Dftieeprovinzen gewidmet; außerdem be—
handelte er die Vorgeſchichte Finnlands bis 1628 in einer
furzgefaßten „Reimchronik über Finnland und deffen Bewohner“,
welche erjt 1774 gedrudt wurde Ihm gebührt der Ruhm,
ber erjte gewejen zu jein, welcher erkannte, daß die Gejchichte
Finnlands als ein jelbjtändiges Forſchungsgebiet betrachtet werden
fünne. — Innerhalb der nationalfinnijchen Fitteratur bildet die
finniſche Bibelüberjegung die jchönfte Frucht des erwachenden
Eifers für die religiöfe Aufklärung des Volkes. Iſaak Rothovius
und das Abver Domkapitel wandten fich mit der Bitte an die
Regierung, daß fie die Initiative zur Übertragung der ganzen
Bibel in das Finnische ergreifen möge. Schon am 10. April
1638 gaben die VBormünder Chriftinens hierzu ihre Ein-
willigung und ernannten ein Bibelüberjegungstomitd, welches
aus Eskil Peträus, Martin Stodius, dem Prediger Heinrich
Hoffman in Masku, ſowie dem Paſtor Gregorius Matthiä
Favorinus in Piikis beftand. Im Jahre 1642 erjchien die Über:
jegung in Stodholm, ein jtarfer Band von 370 Bogen. Auf
allgemeine Koften wurde fie für die Kirchen der Gemeinden
erjtanden und erhielt dadurch jofort große Verbreitung. Neben
der Bibel, welche auf Luthers deutjcher Bibelüberjegung jowie
den früheren Übertragungen Agricolas fußte, wurde feit diejer
Zeit auch das Pjalmbuch ein Gaft in den Hütten der finntjch
redenden Bauern. in neues finnifches Pialmbuch, eine er-
weiterte und verbeſſerte Auflage des von Jakob Finno edierten,
wurde nämlich zu Beginn der Regierung Guftav Adolfs von dem
Prediger Hemmingius in Masku veröffentlicht, welcher 1616 auch
die während des Mittelalter8 beim Gottesdienft angewandten
lateinifchen Palmen in finnifcher Übertragung publizierte. Die
zweite Auflage des oben erwähnten Pjalmenbuchs erjchien 1639;
jpäter wurden in Furzem Zwijchenraum neue Auflagen dieſes
Werfes ediert, welches defto unentbehrlicher wurde, je mehr fich
bie Pejefühigfeit verbreitete. Hingegen ftieß die Erledigung ber
Die finniihe Bibelüberſetzung (1642). 219
jeit der Zeit Karls IX. ruhenden Frage, betreffend die Über—
jegung der Gejege ins Finnische, auf unüberwindliche Schwierig-
feiten, und die finnijch redende Bevölkerung mußte fich nach wie
vor mit der Gejetesfenntnis begnügen, welche durch die An—
wejenheit der Geichworenen und des gemeinen Mannes bei ben
Thingen erworben wurde.
In Verbindung mit diefen Bildungsbeftrebungen müſſen
wir die Bemühungen erwähnen, welche auf die Belehrung der
griechijchskatholiichen Belenner der Provinz Kexholm zur luthe-
riichen Lehre binzielten. Per Brahe entwarf einen neuen Plan
zur Erreichung eines jolchen Zweds. Er riet von dem früher
beobachteten Verfahren ab, die orthodoren Geiftlichen bei ihrem
Ableben durch lutheriſche Prediger zu eriegen, da ihm dies
allzu rüdfichtslos und auch geeignet erjchien, die fortbauernd
jtarfe Auswanderung nah Rußland noch zu vermehren. Statt
dejjen jchlug er vor, daß man das Bekehrungswerk durch die
griechijch = orthodoren Geiſtlichen ſelbſt betreiben jolle. An—
jcheinend müßten diejelben in ihrer alten Stellung als griechiſch—
fatholijche Prediger verbleiben, faktiſch aber für die luthe-
riiche Religion arbeiten, wodurch fich die Veränderung allmäh-
(ih und unmerflich, aber ficher vollziehen werde. Die An-
zahl Iutherifcher Kirchen mit Iutherifchen Yehrern müſſe fort-
während vermehrt werden; aber lettere jollten fich nicht an
dem Bekehrungswerk beteiligen, jondern fich nur um die aus
Finnland eingewanderten Yutheraner befümmern. Diejer Plan,
welcher mit der maßvollen Sinnesart Per Brahes überein-
ſtimmte, veriprach anfangs nicht geringen Erfolg. Die große
Maſſe der griechijch- orthodporen Bevölkerung blieb allerdings
bartnädig dem von ihren Vätern ererbten Glauben treu, aber
die Geiftlichen zeigten fich nicht abgeneigt, der Regierung ent:
gegenzufommen. Ihre ökonomiſche Stellung war äußert ge:
drückt, und nicht wenige von ihnen verpflichteten fich daher, gegen
einen gewiſſen, geringen Entgelt für die Abfichten der Regierung
zu wirken. Um jene dabei zu unterftügen, ließ man einen
finniſchen Katechismus mit ruſſiſchen Buchftaben druden, und
zu gleichem Behufe ließ Per Brahe finnische Katechismen und
220 Dritte Periode. Die Großmachtszeit.
Bibeln unter das Volk verteilen. Aber das Endergebnis ent-
ſprach den Wünſchen der Regierung feineswegd. Die ortho-
doren Geiftlichen, welche gewonnen wurden, waren unzuver—
läjfige Berfonen, welche auf ihre Umgebung feinen nachhaltigen
Einfluß auszuüben vermocdten. Der bervorragendite unter
ihnen, Joachim Zerentjeff, wurde wegen allerlei Unfugs in
einen Skandalprozeß verwidelt, aus welchem ihn nur der mäch—
tige Einfluß Brahes retten Fonnte. Weder er noch jeine Amts—
brüder vermochten eine größere Anzahl Proſelyten zu machen,
und auch die wenigen griechiich-orthodoren Bekenner, welche ihrem
Glauben abtrünnig wurden, waren dem Protejtantismus nicht
jonderlich zugethan. Einer von ihnen antwortete, als er vor
Gericht nach jeinem religiöjen Bekenntnis gefragt wurde, er
jtehe gerade in der Mitte und halte fich weder vollftändig
zur ruffiichen noch zur lutheriſchen Religion. Es kam jogar
vor, daß Yutheraner zum orthodoren Glauben übertraten.
Schließlich begann man einzujehen, daß auf dem von der Re—
gierung eingejchlagenen Wege nichts auszurichten jei. Der
1645 zum Generalgouverneur über Ingermanland und Kex—
holm ernannte Karl Mörner bob hervor, daß die Griechiich-
Orthodoxen troß aller angewandten Mühe nicht von ihrer
Religion abipenftig gemacht werben könnten; ebenjo wenig könne
man bdiejelben ohne großen Schaden aus dem Lande vertreiben;
es ſei daher am beiten, jie ungeftört bei ihrer Religionsaus—
übung zu belajfen. Diejer einfichtsuolle Nat verballte jedoch
ungebört. In jeinem Berichte (1638) ſchob Brahe, vielleicht
nicht ohne Grund, das geringe Anjehen, welches die lutheriſche
Kirche in der Provinz Kerbolm genoß, auf die Schwäche und
Unwirkſamkeit der Firchlichen Oberleitung in Wiborg. Der
erſte Bifchof in dieſem neu eingerichteten Stift, Olof Elimäus
(1618— 1629), wirkte eifrig für Teilung der ausgedehnten
Sprengel und veröffentlichte auf eigene Koften eine neue Auf»
lage der Pialmen Jakob Finnos (1621) und des von Ericus
Erici ins Finniſche überjegten Kirchenhandbuchs (1629). Aber
jeine Nachfolger Nikolaus Garelius (1630—1632) und Ga—
briel Melartopäus (1633 — 1641) waren greife, franfe Männer,
Die griechifch-fatboliichen Kerholmer. — Der Fistal Cröell. 221
welche nicht wirkſam einzugreifen vermochten. Schließlich er-
hielt das Stift in Petrus Bjugg (1642 —1656) einen ener-
giſchen Bijchof, welcher die bejtehenden Mißbräuche abzujchaffen
juchte und dus Aufblühen des Wiborger Gymnaſiums wejent-
lich förderte; aber auch er hatte geringen Erfolg bei jeinen
Bemühungen, die verwidelten firchlichen Verhältniffe in den
öftlichen Zeilen des Stifts zu ordnen, von welchem 1641 In-
germanland abgezweigt worden war !).
Die beftändige Kontrolle, welche der Generalgouverneur der
Verwaltung widmete, und die Vorjchriften, welche er inbetreff
des Steuertarationswejens erteilte ?), bewirften allmählich die
Befeftigung der gejetlichen Ordnung, vermochten indefjen noch
nicht alle Mißbräuche auszurotten. In Finnland wie anderswo
bedurfte e8 der Arbeit vieler Generationen, bis das Gejek
überall und von allen geachtet und befolgt wurde. Davon
zeugt u. a. die Gejchichte des Kammerfisfald Samuel Eröelf.
Derjelbe entftammte einer wohlhabenden Wiborger Kaufmanns-
familie, widmete ſich jedoch der zivilen Beamtenlaufbahn. Ob-
wohl er jich al8 Handjekretär bei der Provinzialregierung in
Wiborg viele Ungerechtigkeiten hatte zujchulden fommen lajjen
und zum Amtsverluft verurteilt worden war, erfolgte doch 1646
jeine Ernennung zum Fiskal des Kammerkollegiums in den
Provinzen Wiborg und Nyilott, in welcher Eigenjchaft er über
das Verhalten der dortigen Beamtenmwelt eine Unterſuchung
anzuſtellen Hatte. In mehrfacher Hinficht war er für einen jolchen
Auftrag geeignet. Energiich, fraftvoll und in abminiftrativen
Fragen erfahren, war er mehr als die meiften imftande, abmini-
ftrative Schäden aufzudecken; aber andrerjeits war er rückſichtslos,
leidenſchaftlich und gehäffig, jo daß er fich viele zu Feinden
machte. Kaum hatte er jeine Unterjuchung begonnen, al® er
1) Bjugg war 1587 in Söberlöping geboren. Seine verbienftwollen
und ausführlihen Statuten von 1654 für das Wiborger Gymnaftum find
gebrudt bei 8. ©. Peinberg, Handlingar rörande finska skolväsendets
historia I, 377—408 (Iyväskylä, 1884).
2) Die Inftruftionen von 1648 und 1650 an bie Fanbesbauptleute
wieberbofen alte und geben neue Borfchriften.
222 Dritte Periode. Die Großmadhtszeit.
jofort das Kammerkollegium davon benachrichtigte, daß die
Steuererbeber in der Provinz Wiborg im böchjten Maße ver-
brecheriijh und eigennügig zu Werke gingen. Nicht einmal
den Landeshauptmann Johann Roſenhane, der ihn perjünlich
beleidigt hatte, verichonte er mit feinen Angriffen. Darauf
fette er feine Unterjuchungen in der Provinz Nyjlott fort, wo
die Zuftände nach feiner Meinung noch jchlimmer waren.
Nyſlott war damals auf Brahes Antrag von der Provinz
Wiborg abgezweigt worden und hatte in der Perſon des Ob-
riften Michael Jordan einen bejonderen Hauptmann erhalten,
den Cröell als einen der jchlimmjten Krondiebe bezeichnete.
Jordan machte gegen den fühnen Fiskal einen Prozeß bei dem
Aboer Hofgericht anhängig, wurde jedoch der won ihm be—
gangenen LUngejetlichfeiten überführt und 1651 jeines Amtes
entjetst, obwohl Per Brabe für ihn Partei nahm. Im Jahre
1647 wurde Eröell zum Fiskal in Kerholm und Ingerman-
land ernannt und erhielt dadurch ein noch danfbareres Feld
für jeine Wirkfamfeit. Jene beiden Provinzen ftanden ſeit
1642 unter einem gemeinjamen Generalgouverneur, Karl Mör—
ner, während Reinhold Metſtake Landeshauptmann auf Ker-
holm war. Nach feiner Ankunft in Kerholm (Anfang 1648)
griff Eröell mit gewohnter Schnelligkeit in die Verhältniſſe
ein. Er wanderte von Kirchipiel zu Kirchipiel, berief den ge-
meinen Dann, hörte deſſen Klagen an, benachrichtigte das
Kammerkollegium von dem, was er von der Bevölkerung er-
fahren, befreite lettere von Abgaben, die ihm ungerecht dünkten,
und betrug jich, wie Mörner fih ausdrüdte, als ob er ein
„zweiter Yandesregent“ gemwejen wäre. Die Angelegenheit wurde
dem Aboer Hofgericht überwiejen, und ein langwieriger Prozeß
entitand, wobei im Laufe der Zeit mehrfache Unterfuchungen
in der Provinz angeftellt wurden, ohne daß eine völlige Klarheit
gewonnen wäre Metitafe nahm jeinen Abjchied, und Mörner
wurde als Präfident an das Dorpater Hofgericht verfegt; aber
auch ihreNtachfolger hatten unter den boshaften Anklagen Eröells
zu leiden. Schließlich wurde aber der Kammerfiskal von der
Rache der empörten Beamten ereilt und Anfang 1653 als
Berwaltungsmarimen Brahes, 223
Gefangener auf das Schloß Kexholm gebracht, wo er mehrere
Jahre ohne Unterfuchung oder Verurteilung verblieb. Erft
nach drei Jahren erhielt er die Freiheit wieder. Er hatte
über das Ziel hinausgeichoffen, und jeine Thätigfeit gereichte
daher der Bevölkerung, deren Sache er fich angenommen, nicht
zum Nuten. Die ungerechten Beamten waren gereizt wor-
den, die Mißbräuche blieben beftehen, und die Regierung ftand
dem machtlos gegenüber. Der Ausweg, den man jchließ-
(ich inbezug auf die Provinz Kerbolm wählte, war kaum als
glücklich zu bezeichnen. Die Regierung ſchenkte nämlich das
ganze Gebiet einer Anzahl von Edelleuten, von deren Verwal:
tern die Bevölkerung völlig abhängig wurde !).
Die abweijende Haltung, welche Brahe gegen Cröell beob-
achtete, ift für jeine Auffaffung bezeichnend. Aber andrerjeits
unterließ er es nicht, Die Initiative zu umfaffenden abminiftra=
tiven Neformen zu ergreifen. Vor allem fejfelte der bisherige
Aushebungsmodus jeine Aufmerkjamfeit. Sein Vorichlag, daß
die Aushebungen durch jtändiges Halten von Knechten erſetzt
werden jollten, gewann nicht die Zuftimmung der Regierung,
da diejelbe nicht auf die Möglichkeit, die Stärke der Armee nad)
Bedürfnis zu erhöhen, verzichten wollte; aber fie willigte doch
darein, daß die Rekrutierung im öftlichen Finnland Fünftig nicht
nach der „Perſonen-“ jondern nach der „Höfezahl“ erfolgen jollte
(vgl. ©. 199). In Verbindung hiermit wurde die Militär-
dienftpflicht allmählich von einer perjönlichen Laſt in eine Geld»
jteuer umgewandelt. Ferner kam e8 1640 zur Einjegung einer
Kommiifion, welche feftjtellte, welche Dörfer und Sirchipiele
Matrojen für die Flotte liefern follten. Auch die Küftenjtädte
stellten Bootsleute. — Schließlich ift die Teilung der Provinzen
zu erwähnen. Nyland erhielt 1640 einen eigenen Yandeshaupt-
mann, Satafınta 1641 unter dem Namen „Provinz Björne-
borg“ eine bejondere Verwaltung; Savolafs bildete jeit 1641
1) In Kexholm und Ingermanland wurden, ähnlich wie in Eſthland
und Livland, Adelslandtage abgehalten, auf denen ber Abel nicht felten
mit trotigem Übermut dem Generalgouverneur entgegentrat.
224 Dritte Periode. Die Großmachtszeit.
eine bejondere Provinz Nyſlott. Später griff man jedoch auf
die frühere Provinzialeinteilung zurüd.
Im Jahre 1638 wurde für Finnland eine regelmäßige Pojt-
verbindung gejchaffen. Auf Brahes Vorſchlag empfing nämlich
Sten von Stenhujen damals den Auftrag zur Errichtung einer
Poſt von Stodholm über Aland nach Abo, jowie von dort über
Tawaftehus und Helfingfors nad Wiborg und Kerholm. Einige
Jahre jpäter fam eine Poftverbindung zwifchen Abo und den
Städten an der finnijchen Weftküfte zuftande. Auch einige an-
dere abminiftrative Reformmaßregeln wurden getroffen; 1638
erfolgte die Ernennung eines Forſtmeiſters zur Pflege der
finniſchen Kronwälder: ein gewiſſer Heinrich Zeit erhielt als
Bergmeifter die Oberaufficht über die Bergwerfe des Landes.
Bon größerer Bedeutung war, daß jchon vor der Ankunft
Brabes (1634) ſchwediſche Feldmeſſer nach Finnland kamen.
Für die Förderung des Handels interejjierten jich die Re—
gterung und der Generalgouverneur lebhaft; aber unglüdlicher-
weife ließen fie fich hierbei von den früheren Grundjägen leiten.
Am 20. November 1636 murde eine neue Verordnung erlaffen,
in welcher das Beftreben, den Handel der beiden „Hauptitäbte“
Stodholm und Abo zu ſchützen und zu fördern, auf die Spite
getrieben ift. Zugunſten dieſer beiden privilegierten Stapel-
jtädte jollte der ausländische Handel der übrigen am Bott:
nischen Meerbuſen gelegenen Städte vollftändig vernichtet wer-
den. Auf wiederholte Bitten und auf Brahes Anraten er-
bielten jedoh Raumo, Björneborg und Nyſtad 1641 die
Erlaubnis, Holzgefäße ins Ausland zu erportieren und von
dort Salz einzuführen. Gleichzeitig wurde an der Südküſte
eine neue Stapeljtadt, Helfingfors, gegründet. Die Regierung,
welche an der nyländiſchen Küfte einen bedeutenden Export- und
Importplag für Tawaftland zu erhalten wünſchte, erteilte nämlich
Brahe den Auftrag, eine Stelle hierfür auszufuchen, worauf
jener die bei Alt-Heljingfors belegene Injel Sandö in Vor:
ſchlag brachte. Am 13. November 1638 wurden demgemäß
für den neuen Ort Stabtprivilegien ausgefertigt, durch welche
den Bewohnern freier kommerzieller Verkehr mit dem In= und
Finnlands Handel um 1640. 225
Auslande, jowie zwölfjährige Steuerfreiheit zugejichert wurde.
Später wurde jedoch der ausgewählte Pla für ungeeignet be-
funden und deshalb die neue Stadt 1640 nach der Landzunge
verlegt, wo fich heutigen Tages Finnlands Hauptſtadt befindet.
Die Regierung hoffte, daß Neu-Helfingfors durch Überfiedelung
der Bewohner von Alt-Heljingfors und Borgä bevölkert werben
würde. Die Bürger der erftgenannten Stadt ließen ſich in
ver That überreden, und auf dem Reichstage von 1644 wird
Alt» Helfingfors zum lettenmal als Stadt erwähnt. Allein
die Einwohner von Borgä waren nicht jo nachgiebig, jondern
blieben der alten Heimat treu, obwohl diejelbe ihres Stapel:
rechts beraubt worden war, und juchten der neuen Stapeljtadt
jeden nur möglichen Nachteil zuzufügen.
Unter den drei Stapelftädten Finnlands war nunmehr Abo
als Sit mehrerer hoher Behörden und der Univerſität die
vornehmite. Ihr Handeldumjag war beträchtlich, ganz ab»
gejehen von den bejtändig wachjenden Handelöbeziehungen mit
Stodholm, über welche feine Angaben vorliegen. Im Jahre
1640 wurden in Abo Waren im Werte von 96079 Thalern
Silbermünze eingeführt, während die Ausfuhr einen Wert von
70967 Thalern erreichte. Die Bevölferung der Stadt belief
fi auf etwa 5000 Seelen. — Mit Abo wetteiferte Wiborg,
welches inbezug auf den Export jogar die Yandeshauptjtadt
übertraf und den Worten Brahes zufolge imjtande war, den
ganzen Handelöverfehr von Kerbolm, Rußland, Ingerman-
land, Ejthland und der Gegenden am Saimajee an jich zu
ziehen. An der Südküſte des leßteren, in Lappſtrand (dem
heutigen Willmanftrand), hielten die Wiborger Kaufleute jähr—
lih im September einen Markt ab, welcher drei Wochen
währte; bier fanden jich die Bewohner des Binnenlandes zahl-
reich ein, um ihre Waren, in allererjter Linie Waldesprobdufte,
zu veräußern. Im Jahre 1640 wurde der Export Wiborgs
auf 162782 Thaler geichägt, ver Import, hauptjächlic Salz,
auf 69097 Thaler. Die Zahl der Einwohner, unter denen
es, wie in früheren Zeiten, viele deutjche Kaufleute gab, dürfte
etwa 3000 Perjonen betragen haben. — Helſingfors blieb,
Schybergſon, Geſchichte Finnland. 15
226 Dritte Periode. Die Großmachtszeit.
obwohl es große Bergünftigungen erhalten hatte und Reſidenz des
Yandesbauptmanns war, verhältnismäßig lang eine unbedeutende
Stadt. Der Wert der Einfuhr und Ausfuhr wurde 1640
auf 15595 bezw. 17677 Thaler berechnet. Noch zwanzig
Sabre nach der Gründung belief ſich die Bevölkerungsziffer
nur auf etwa 1000 Seelen. Erſt nach der Gründung von
Speaborg in der Mitte des nächſten Jahrhunderts begann die
gegenwärtige Yandeshauptitadt aufzublüben.
Die auf den Handel mit der Yandbevölferung angewie-
jenen Städte hielten ſich mühſam. Borgä ging raſch berg-
ab. Ekenäs und Nüpvendal blieben ebenjo unbedeutend wie
früher. Beffer erging e8 Nyftad, Raumo und Bjöcneborg,
denen der Export von Holzgefüßen geftattet worden war. In
Oſterbotten waren Waſa, die Nefidenz des Landeshauptmanns,
und Uleiborg die Hauptortichaften. Doch begannen mit ihnen
Nykarleby und Gamla Karleby zu rivalifieren. Am Ladoga
jiechte Kerholm allmählich bin ?).
Durch einen Erlaß vom Jahre 1648 war Brahe aus—
drüclich zur Gründung neuer Städte im Innern des Landes
aufgefordert worden. Schon früher hatte er in diejer Rich—
tung zu wirfen begonnen, und nun jegte er jeine Thätigkeit
mit ſolchem Eifer fort, daß fich die Anzahl der Städte in
Finnland binnen kurzem beinahe verdoppelte. Hierbei wählte
er möglichft Ortichaften, welche ſchon vorher dichter befiedelt
oder als Marktpläge für den Handel von Bedeutung waren.
Die Feſtungen Nvjlott und Tawaſtehus und der Wiborgifche
Handelsplag Yappftrand erhielten 1639, 1650 bezw. 1649
jtädtiiche Privilegien. An der Küfte des finnischen Meerbujens
1) Bon den Städten Finnlands batte Abo (1658) 2811, Wiborg
(1658) 1628, Helfingfors (1663) 641, Nyſtad (1656) 486, Uleäbora
(1653) 474, Borgä (1655) 407, Waſa (1653) 380 , Björneborg (1656)
365, Gamla Karlebv und Nykarleby (1663) 339 und 337, Etenäs (1655)
122 und Nädendal (1656) 101 Steuerpflichtige. — Über Kexholm Tiegen
feine Angaben vor. — Bol. 8. E. F. Ignatius, Finlands historia
under Karl X Gustafs regering (Helfingfor®, 1865), fowie die Angaben
desſelben Bf. im „Historiallinen Arkisto“ II, 64—77 (Helfingiors, 1868).
Städtenründungen. 227
wurde 1653 die Stadt Belfelafs angelegt, welche 1723 den
Namen Fredrifshamn empfing. Im öftlichen Finnland fuchte
man namentlich dem umfangreichen Binnenhandel der griechifchen
Karelier oder „Ruſſen“ entgegenzuarbeiten, welche jich alljährlich
um die Weihnachtszeit von Kerholm, der Gegend des Onega
und der Küfte des Weißen Meeres her zahlreich in Dfterbotten
einfanden. Zu dieſem Behufe wurden mehrere neue Städte
angelegt, welche nebjt den aus der Zeit Guſtav Adolfs her—
ſtammenden Fleinen Ortichaften Taipale und Salmi Stapel»
pläge für den Warenaustaufch der Ruſſen werden jollten. So
wurde 1643 Sordavala auf Brahes Vorſchlag gegründet,
ferner 1651 Rajana jowie 1653 Brahea. Auf gleiche Weije
juchte man den Handelsverfehr der öfterbottnifchen Küften-
bevölferung zu unterbinden, welcher troß eines dagegen er-
laffenen Berbots von 1640 unaufhaltiam fortging. Per Brahe
gründete in feinem Leben 1649 die Städte Brabeftad und
Kriftineftad, Ebba Brahe, die Witwe Jakob de la Gardies,
1653 Jakobſtad. Mehrere dieſer Ortichaften eriftierten nur
furze Zeit, und auch die übrigen erreichten feine nennenswerte
Blüte.
Auh nach der Gründung der neuen Städte waren bie
Entfernungen zwijchen den einzelnen Städten beträchtlich und
die Kommunifationen mangelhaft. Um dieſem Übelftand ab-
zubelfen, blieben bie alten Yandmärfte beftehen, während gleich-
zeitig zahlreiche neue Märfte eingerichtet wurden, jo daß fich
das Pand mit einem Syftem von Märkten verjchiedener Art
bededte. Die Menge von Spezialbeftimmungen und Privi-
legien, welche infolge deſſen erteilt wurden, rief einen beftän-
digen Krieg zwifchen den Städten hervor, welche ihre Vor:
rechte mit gegenfeitiger Eiferjucht betrachteten und unabläffig
danach firebten, einander von dem Handel auf dem Lande zu
verdrängen.
Ale diefe Maßnahmen führten jedoch nicht zu dem er-
jtrebten Ziele. Brahe flagte darüber, daß jeine Erlaffe feine
Wirkung Hätten. Nach wie vor unternahmen ftädtifche Bürger
ausgedehnte Handelsreifen auf das Land. Ebenjo nahm ber
15 *
228 Dritte Periode. Die Großmachtszeit.
Handel der Ruſſen jeinen früheren Fortgang, ohne daß fich
diejelben, wie die Regierung es wünſchte, mit Uleäborg als
Stapelftadt begnügten. Auch die öfterbottnijche Bevölkerung
ließ ſich nicht daran Kindern, auf eigenen Schiffen Abo und
namentlihd Stodholm aufzujuchen.
Die bejtändige Finanznot der Regierung bewirkte, daß die-
jelbe im Privilegienwejen noch einen Schritt weiter ging,
indem jie einzelne Handeldzweige gegen eine beftimmte Abgabe
an Handelsgejellichaften überließ. Die für Finnland wichtigfte
Gejellihaft war Die 1648 geftiftete „Norbländiiche Theer—
bandelsfompagnie*. Urſprünglich waren nur Stodholmer Teil:
baber in der Gejellichaft; jpäter aber erhielten auch Kaufleute
der drei finnijchen Stapeljtädte das echt, in die Kompagnie
einzutreten, welche lange einen großen Gewinn abwarf und in
Blüte ftand.
Bon tiefgreifendem Einfluß auf die Zuftände in Finnland
erwies fich die Freigebigkeit, mit welcher die Königin Chriftine
Grafjichaften, Baronieen und andere Lehen dem Adel jchentte.
Border Hatte es in Finnland nur die dem ejchlechte der
Lejonhufvud gehörige Grafichaft Rafeborg gegeben, welche, jeit
1649 bedeutend erweitert, aus 700 Höfen im weftlichen Ny—
land bejtand und jährlich eine Rente von etwa 11 500 Thalern
abwarf. Außerdem eriftierten zwei Baronieen: Aminne, welches
jedoch nur ein Rittergut mit freiherrlidem Titel war, ſowie
das 1614 an Arel Orenftjerna verliehene Kimito, welches
jpäter 396 Höfe mit einer Rente von etwa 7500 Thalern
umfaßte. Im den Jahren 1646 — 1653 wuchs die Zahl
jolcher fürftlichen Beſitzungen auf 9 Grafichaften und 18 Baro-
nieen, welche während eines Mannesalterd dem jozialen
Yeben in Finnland ein eigentüimliches Gepräge verliehen. Der
natürlide Sohn Guſtav Adolfs, Guftav Guftafsjon, er:
bielt 1646 die Grafichaft Wajaborg, welche aus der Stadt
Nyftad und 704 Höfen in den SKirchipielen Yetala und Ny—
fyrta beftand und etwa 13600 Thaler jährlid an Zinſen
einbrachte. Die Baronie Korpo mit 142 Höfen wurde 1649
an Nils Bjelke, die Grafjchaft Björneborg mit der Stadt
Landſchenkungen an Adelige. 229
gleihen Namens und 362 Höfen in Kumo, Ulfsby und Hoittis
(ungefähr 8000 Thaler jährliche Rente) 1651 an Guftav
Karlsjon Horn, die Baronie Poimijofi mit 110 Höfen 1651
an Arwid Wittenberg !) verliehen. In noch größerer Aus-
dehnung als die Provinzen Abo und Björneborg wurde Ofter-
botten in Anſpruch genommen. Gabriel Bengtsjon Orenftjerna
empfing 1651 und 1652 die Grafjchaft Korsholm-Waſa, welche
454 „mantal“ ?) in Muftajaari, Storkyro und Lillkyro nebit
der Stadt Waſa umfafte Die Grafſchaft Karleborg, welche
an Klas Äkesſon Tott fiel, beftand aus 361 mantal in den
Sprengeln Nykarleby, Wörä, Lappo und Ilmola nebft der
Stadt Nyfarleby ?). Außerdem entftanden dort folgende Ba—
ronieen: Laihela mit 192 mantal in den Kirchſpielen Laihela
und Malar; Wörd mit 81 mantal; Gamla Karleby mit
der Stadt gleichen Namens jowie 111 mantal in dem
Kirchipiel; Ikalaborg mit 149 mantal in Kalajoki; Pyhä—
joi mit 85 mantal; Limingo mit 129 mantal; Sarlö
mit 36 mantal; Uleäborg mit 78 mantal jowie Jjo mit
147 mantal. Größer und beachtenswerter als alle bieje
war jedoch die Baronie Kajana, welhe am 18. September
1650 nebjt den Kirchipielen Idenſalmi und Kuopio im nörb-
lihen Savolaks an Ber Brahe verliehen wurde. Diejes ſchon von
1) Geboren etwa 1600 im Kirchſpiel Borgä, trat er 1622 in bie
Armee ein, nahm mit Auszeihnung an dem Feldzügen in Polen und
Deutfhland teil, war 1641 einer der Oberbefehlshaber der ichwebifchen
Armee in Deutichland, wurde 1651 zum Freiherrn von Yoimijoli und
1652 zum Grafen von Nyborg ernannt. Seit 1655 Feldmarſchall,
fommandierte er die Schweden im Kampfe gegen Polen, wobei er in Ge—
fangenichaft geriet. Auf der Feitung Zamosc endete 1657 fein thatenreiches
Leben.
2) „Mantal‘ war ein Steuermaß, welche einem Grunbftüd auf:
erlegt wurde, beifen fteuerpflichtige Oberfläche 300—600 Helftar (mehr ober
minder, je nad ben Kulturverhältniſſen des Bodens) betrug. Kleineren
Grundftüden wurden entiprechende Bruchteile des ganzen Steuermaßes
auferlegt.
3) Bl. E. W. Bergman, Nägra blad ur Carleborgs grefskaps
historia, in: „Svenska Literatursällskapets i Finland Förhandlingar
och uppsatser“ VIII, 31—89 (Helfingfors, 1894).
230 Dritte Periode. Die Großmachtszeit.
Anfang an ausgedehnte Gebiet erfuhr 1652 eine weitere Ver—
größerung, indem die neuangelegte Stadt Braheſtad jowie zahl-
reiche Güter im Kirchjpiel Salo und der ganze Dorfbezirk („po-
gost‘*) Pielisjärnt in Kexholm durch Ankauf mit der Baronie
Brahes vereinigt wurden, welche nunmehr 1550 Höfe mit einer
jährlichen Rente von etwa 10300 Thalern zählte. In der Pro-
vinz Kerholm wurden außerdem 1650—1652 verliehen: die
Grafſchaften Kronoborg (im Dorfbezirf Kurkijofi); Nyborg
(in Yuuga und Uguniemi), Sordavala (mit der Stadt gleichen
Namens) umd Salmi; ferner die Baronieen Orneholm (in
Rautus mit der Stadt Taipale), Pohäjärvi, Tohmajärvt,
Pibelit8 und Kides. Neben diejen Leben, welche mit allen
gräflichen oder freiherrlichen Privilegien ausgeftattet waren,
gab e8 auch joldhe, welche den Inhabern nur das Recht zur
Annahme des Freiherrntiteld gewährten: die alte Befitung
der Familie Wrede, Elimä; ferner Yempälä, welches aus etwa
100 dem Präfidenten Jöns Kurd gejchenften Höfen in den
Kirchipielen Lempälä und Tyrvis bejtand; Björkö mit 141
Höfen, ein Gejchenf für Hans Wachtmeifter; jowie das Pehen
Nerpes, welches die Gebrüder Yilljehööf innehatten. Schließlich
ift zu erwähnen, daß fich Arwid Forbus !) Freiherr von Kumo
nennen durfte, Klas Tott fich Freiherr von Sjundby titulierte
und Chriſtoph Karl Schlippenbach den Titel eines Freiherrn
zu Liukſiala beſaß. Mit diefen Titeln waren jedoch feine
wirklichen freiherrlichen Nechte verknüpft ?).
Die Vorrechte der Grafen und Barone bejtanden in aller-
erjter Linie in der Erhebung faſt fjümtlicher Kroneinkünfte.
1) Geboren 1598 im Kirchſpiel Borga, diente er während der Kriege
in Polen und Deutfchland, wurde 1630 Oberftlicutenant, zeichnete fich
während des Dreifigjährigen Krieges häufig aus, erbielt 1652 den Titel
eines Freiberen zu Kumo, 1658 den Rang eines Generals, beteiligte fich
an der Belagerung von Kopenbagen und wurde bierauf Oberbefehlshaber
ber in Südſchweden befindlichen Truppen. Er ftarb 1665.
2) Bol. E. v. Bonsdorff, Om donationerna och fürläningarna
samt frälseköpen i Finland under drottning Kristinas regering (Hels
fingiors, 1886).
Graffchaften und Baronieen. 231
Doch durften die Steuern auf feinerlei Weije erhöht oder ver-
mehrt werden. Wenn es in dem Leben feine Kaufftadt gab,
bejagen die Grafen und Freiherren das Recht zur Gründung
einer ſolchen jowie zur Erteilung der erforderlichen Privilegien.
An Abgaben für die Krone und an Aushebungen beteiligten
jich die gräflichen und freiberrlichen Bauern nur halb jo viel,
wie die Kron- und Zinsbauern. Die Grafen und Barone
waren verpflichtet, ihren Unterthanen gegenüber entweder jelbjt
oder durch Vertreter die Rechtspflege zu handhaben. Bon den
Diſtrikts- und Ratsgerichten appellierte man an die Grafen
und Barone, von diejen an die Obergerichte ; nur beftimmte grobe
Verbrechen jollten der königlichen Gerichtsgewalt unterworfen
jein. Während eines Krieges jollten Grafen und Barone für
je 500 Marf Rente einen Knecht nebjt Pferd ſtellen; in Frie—
dengzeiten wurde dieje Yajt um die Hälfte erleichtert. Schließ—
lich iſt zu beachten, daß fich die eigentlichen Grafichaften
und Baronieen innerhalb der männlichen Yinie nach dem Rechte
der Erjtgeburt vererbten.
Die Grafichaften und Baronieen bildeten indejfen nur
einen Zeil der adeligen Donationen in Finnland; denn außer:
dem wurden noch zahlreiche größere oder Heinere Schenkungen
unter verjchiedenen Bedingungen an Perjonen verteilt, die jich
auf die eine oder andere Weije um das Neich verdient gemacht
hatten. Am vorteilhafteften war der Beſitz von Allodialgütern,
mit Erbrecht in männlicher und weiblicher Yinie jowie mit
dem echt der Wiederveräußerung. Weit gewöhnlicher waren
jedoh Schenkungen, welche jich, gemäß den auf dem Norr-
föpinger Reichstage (1604) feftgeftellten Grundjägen, ohne Erſt—
geburtsrecht innerhalb der männlichen Linie vwererbten, nach
deren Erlöjchen aber der Krone wieder zufallen jollten. Doc
fonnte das Lehen den Töchtern und deren männlichen Erben
üiberlafjen werden, wenn ſie Männer heirateten, die imjtande
waren, der Krone Dienfte zu leiten. Verhältnismäßig jelten
wurden abelige Lehen auf Lebens- oder beliebige Zeit erteilt;
gewöhnlich dienten fie dann als Penfion für verdiente Männer
oder als Unterhalt für Witwen. An Wert entiprachen mehrere
232 Dritte Periode. Die Großmachtszeit.
diefer Schenkungen den Grafichaften und Baronien. So
beſaß 3. B. Brahe neben jeiner Baronie in den Kirchipielen
Pargas, St. Märtens und Kriſtina bedeutende adelige Lehen,
deren gewöhnliche Rente auf 6430 Thaler gejchägt wurde. Die
Lehen der Erben Iatob De In Gardies in Ofterbotten und Ker-
holm brachten mehr als 7100 Thaler an Zinfen ein. Guftav
Evertsjon Horn bejaß an verjchiedenen Orten Donationen im
Werte von etwa 7400 Thalern. Die gefamte gewöhnliche Rente
der mit adeligen Prärogativen verliehenen Güter, abgejehen von
den Grafichaften und Baronieen, betrug bei der Thronentjagung
der Königin Chriftine (6. Juni 1654) etwa 192000 Thaler,
nämlich in Abo-Björneborg rund 66000, in Nyland-Ta-
waſtehus 52700, in Wiborg-Nyflott 47290, in Oſterbotten
14000 und in Kerholm 12000 Thaler. Das Bild diejer
unmäßigen Verſchwendung ftaatlihen Eigentums tritt voll=
jtändig hervor, wenn man erwägt, daß außerdem eine Menge
von Gütern verkauft oder verpfändet worden war. Man hat
berechnet, daß 1654 drei Fünftel des Bodens in Finnland,
abgejehen von den alten Rittergütern des Adels, der Krone
entzogen waren, während in Kexholm Kronbeſitz jo gut wie
gar nicht mehr eriftierte.
Die Inhaber größerer Lehen verweilten, mochten fie nun
ichwebifcher oder finnischer Abkunft jein, meift außerhalb
Finnlands. Schlöffer wurden nur jelten erbaut; auf ven
Edelfigen wohnten bürgerliche Berwalter, welche die Steuern
erhoben und ihre Herren repräjentierten. Hierin lag auch der
Grund, weshalb die adeligen Herren im allgemeinen größere
ökonomiſche oder abminiftrative Reformen in den Lehen nicht
anordneten, jondern die alten Berhältniffe unverändert fort:
beftehen ließen. Auch bier bildete Ber Brahe eine Ausnahme.
Mit unabläffiger Aufmerkſamkeit beobachtete er die Zuftände
in jeinen finnifchen Lehen und richtete für diejelben eine nach
dem Borbild feiner ſchwediſchen Grafihaft Wifingborg an-
georbniete eigentümliche Verwaltung ein. Die höchften Be—
amten (ber Kommandant auf SKajaneborg, der PVizebiftrikts-
richter, der Bezirksrichter, der Kämmerer, der Yuchführer jo-
Brahes Baronie Kajana. 238
wie die Vögte) in den verjchiedenen Sprengeln bildeten zu—
jammen ein Kollegium, welches unter gegenjeitiger Kontrolle
und gemeinjamer Berantwortlichkeit die Verwaltung bejorgte.
Man kam alljährlich im Februar in Rajana zu einem „Konvent“
zujammen, welcher mehrere Tage dauerte und auf welchem
über Maßnahmen zum Beften der Leben beratjchlagt wurde.
Man prüfte die Rechnungen und die Verwaltung der ver:
floffenen Jahre; Briefe des Grafen wurden verlejen, Zwiſtig—
feiten zwijchen den Beamten gejchlichtet, neue Beamten vor:
geichlagen u. ſ. w. Dieje Konvente, auf denen auch die Ver:
walter der nicht in der Baronie belegenen finniſchen Lehen
und Donationen Brahes Rechenichaft ablegten, blieben ununter-
brochen' bi8 1679 beftehen und trugen wirkſam zur Aufrecht-
erhaltung der Ordnung fowie zur Negelmäßigfeit in ber Ver—
waltung bei. Bei minder wichtigen Fragen wurden jofort Be-
ichlüffe gefaßt, unter Vorausfegung der Zuftimmung „Seiner
Hochgräflichen Gnaden“; wichtigere Fragen wurden indeſſen Brabe
zur Entſcheidung vorgelegt. Durch die Konventsprotofolle jowie
durch den Briefwechjel mit jeinen Beamten war Brahe in der
Lage, von den Zuftänden in jeinen Lehen genaue Kenntnis zu
haben und für das Wohl jeiner Untergebenen eifrig bedacht jein
zu fönnen. In den neu angelegten Städten Kajana, Braben und
Brabeftad wurden 3. B. Pädagogien für den Kinderumterricht
eingerichtet. Ferner erwirfte Brabe für die Bewohner der Baronie
Befreiung von der Aushebung, indem er ich zum ſtändigen
Unterhalt von 20 Soldaten auf Kajaneborg jowie von 30 Dra—
gonern verpflichtete. Ferner jollten alle waffenpflichtigen Männer
in Kriegszeiten zur Verteidigung der Grenze ausrüden, und
zwar unter dem Befehl von Bauernlieutenants und Hauptleuten,
welche auch während des Friedens die Bauern im Gebraud)
der Waffen unterwiejen. Infolge aller diefer Maßnahmen wurde
Per Brahes VBerwaltungszeit eine Epoche ſchneller Entwidelung
für jene Gegenden, und man prie® mit gutem Grunde bie
vortreffliche Ordnung, welche in der Baronie Kajana herrichte ').
NM. ©. Schybergion, Konventen i gr. Per Brahes finska för-
234 Dritte Periode. Die Großmachtszeit.
Im allgemeinen war indeffen das Lehnsweſen ein Un—
glüd für Finnland. In dem finnischen Etat, welcher früher
einen nicht geringen überſchuß abgeworfen hatte, trat nunmehr
alljährlich ein Defizit ein, worüber Brahe bei feinem zweiten
Aufenthalt in Finnland häufig klagte. Noch beveutungsvoller
aber waren die fozialen Folgen des Donationswejens Die
den Grafen und Baronen zuftehende Gerichtsbarkeit und die
hausherrliche Gewalt des Adels machten die Bevölferung immer
mehr von den „Herrichaften” abhängig. Im einer Reichstags—
bejchwerbejchrift aus Nyland baten die Reichstagsbauern um
die Erteilung von Negierungsjchugbriefen vor ihrer Rückreiſe
nach Finnland, weil ihre Herrichaften fie mit dem Tode be—
drobten. Diele Edelleute, vor allem Brahe, befleißigten jich
allerdings einer fürjorglichen Handhabung der Rechtspflege.
Aber im allgemeinen wurde darüber geklagt, daß der Adel
jeine Untergebenen ungejeglich bedrücke. Tauſende von jelb-
tändigen Bauern jchwebten bejtändig in der Gefahr, ihre Un—
abhängigfeit zu verlieren oder mit Liſt und Gewalt von ihren
Höfen vertrieben zu werden. Klagten jie dann bei den Ge—
richten, jo erhielten jie jelten echt. Unter jolchen Umftänden
läßt jich begreifen, daß einzelne Bauern, wie Brahe am 3. Mai
1651 an Axel Oxenftjerna jchrieb, aufrühreriiche Worte im
Munde führten.
3. Karl X. Guſtav (1654—1660)').
Während der Regierung Karl X. Guſtavs wurde Finnland
von einem Unheil betroffen, welches glüclicherweije jchnell
vorüberging, aber troßdem in jeiner Gejchichte einen wich-
läningar, in: „Svenska Literatursällskapets i Finland Förhandlingar
och uppsatser“ IV, 29—54 (Helfingfors, 1889).
1) Quellen und Nachſchlagewerlke zur Geichichte Finnlands unter Karl X.
Guſtav: 8. 8. Tigerftedt, Ur Per Brahes brefvexling I (Helfingfors,
1880), II (Abo, 1888); 8. 8. Tigerftedt, Bidrag till Kexholms läns
historia VI (Aboer Lycealprogramm, 18777.); 8. E. 5. Ignatius, Fin-
Karl X. Guſtav und Rußland. 235
tigen Plag einnimmt. Rußland, welches jeit dem Frieden von
Stolbowa willig die Überlegenheit Schwedens anerkannt hatte,
benugte nämlich die jchwierige Yage, in welche König Karl
Guſtav 1656 geraten war, um über Schwedens öſtliche Pro-
vinzen berzufallen. Am 3. Juni 1656 überjchritten die ruſ—
jiihen Truppen die Grenze von Ingermanland und Kexholm.
Der größte Teil der finnijchen Kriegsmacht, welche etwa
9700 Mann Infanterie und 3600 Mann Kavallerie außer
der geworbenen Mannjchaft und den Moelsreitern zählte, lag
damals in den Feſtungen der Dftjeeprovinzen von Riga bie
Kerholm. Finnland war hingegen mehr denn je zuvor oder
nachher von Truppen entblößt. Während jeine Söhne helden—
mütig auf fremdem Boden kümpften, ftanden zur Verteidigung
der Heimat nur wenige hundert Mann bereit, größtenteils
Adelsreiter und Garnifonstruppen in Wiborg, Nyjlott, Ta—
waftehus und Abo.
Ein wunder Punkt war außerdem die Provinz Kexholm,
wo die Ruſſen nicht nur infolge der Übermacht ihrer Waffen,
jondern auch wegen der Glaubensverwandtichaft auf Er—
folge vechnen konnten. Die dortigen Zuftände waren fort-
dauernd ebenjo unbefriedigend, wie zur Zeit Cröells. Im
Jahre 1654 hatte der König den Sohn Evert Karlsſon Horns,
Guſtav Evertsjon, zum Generalgouverneur über Ingermanland
und Kexholm ernannt. Derjelbe fand die dortigen Zuftände
erbärmlich, und noch mehr Sorge bereitete ihm die religiöfe
Spaltung. Allmählich Hatte ſich nämlich das Verhältnis der
Anhänger der beiden Bekenntniſſe verſchoben, da die Griechijch-
Orthodoxen trog aller Gegenbemühungen der Regierung bei-
nahe ſämtlich nach Rußland ausgewandert waren, wo jie von
der Geijtlichfeit und den Behörden unterjtügt wurden, während
fich andrerjeit8 Koloniften aus dem Weften angefiedelt hatten,
am häufigften aus Bejorgnis vor Aushebungen, von denen
lands historia ete.; P. Nordmann, Nya bidrag till finska krigs-
historien 1656, in: „Finsk Tidskrift“ XXV, 40—52 (Helfingfors, 1888);
Geijer-Carlſon, Geſchichte Schwedens, Bd. IV (Gotba, 1855).
236 Dritte Periode. Die Großmachtszeit.
die Bewohner Ingermanlands und Kexholms befreit waren.
Infolge deſſen beftand nunmehr die Bevölkerung in den ſüd—
lichen Dorfdiftrikten der Provinz größtenteils aus Yutheranern,
während die Griechiſch-Katholiſchen in den nördlichen Gegen
den von Kronoborg bis Bielisjärvi die Majorität bildeten.
Guſtav Horn ahnte, daß ſich die ganze griechijch - orthodore
Bevölferung bei einem Friedensbruch mit Rußland gegen
Schweden erheben würde, und jeine Vorahnung beftätigte
fih nur allzu bald.
Die Ruffen rüdten in zwei Abteilungen in das Land.
Die eine, ſüdliche, marjchierte nach Nöteborg, wo die Hauptarmee
blieb, während ſich ein kleineres Detachement eiligft auf den
Weg nach der fleinen, 1611 angelegten Feſtung Nyenjkans ?)
machte. Letztere wurde erobert, die Stadt Nyen geplündert
und in Brand gejtedt (5. Juni 1656), die Bevölkerung, ſo—
weit fie nicht geflohen, bingemordet. Kurz darauf rüdte eine
Heinere ruffiiche Heeresmacht nach dem Städtchen Taipale am
Ufer des Yadogajees. Schon jett zeigte es fih, daß der Krieg
im wejentlichen den Charakter eines Neligionsfrieges erhalten
würde Ein Teil der Griechiich- Orthodoren griff nämlich zu
den Waffen und jchloß jich den Ruffen an, während andere
ihnen Lebensmittel zuführten. Die Yutheraner ließen jich teil»
weile zur Annahme der Taufe nach griechiichem Ritus bes
jtimmen, aber die meijten flüchteten in die tiefen Wälder.
Noch größeren Erfolg hatte der zumeift aus Reitern bejtehende
Trupp, welcher von Dlonez nördlih vom Yadoga vorrüdte.
Bei der Ankunft der Abteilung erhoben jich die griechiich-
fatholiichen Bauern allgemein, vereinigten ſich mit den Ruſſen
und plünderten die Güter ihrer Herren. Sorbavala fiel in
die Hände des Feindes.
Man befürchtete, daß ganz Finnland eine Beute der Ruſſen
werden würde; und wie in früheren Tagen griffen daher bie
Bauern zu den Waffen, um unter der Yeitung der Landes—
1) Bgl. C. v. Bonsborfi, Nyen och Nyenskans, in: „Acta so-
cietatis scientiarum Fennicae‘“ XVIII, 349-505 (Selfingfors, 1891).
Kerholms Griehiih-Katboliiche. VBerteidigungsmaßregein. 287
bauptleute Haus und Herd gegen die unwillfommenen Gäſte
zu verteidigen. Da der. Landeshauptmann zu Wiborg, Arel
Stälarm, kurz vorher gejtorben war, übernahm der Schloß-
hauptmann Aron Iohansjon Klöfverftjöld den Befehl. Später
ernannte Horn den Obriſten Chriſtoph Burmeifter zum Leiter
der Verteidigung in Wiborg und deſſen Umgegend. An-
fang Juli erachtete legterer die Yage bereits für jo gefichert,
daß er einen Zug an den Yabogafee zum Entjag der vom
Feinde umringten Feſte Kerholm wagte. Zwar mißglückte
jein Verſuch, ſich diefer Stadt zu nähern; aber auf dem
Rückzuge fügte jeine aus 200 Neitern, 200 Dragonern und
800 Bauern bejtehende Abteilung (14. Juli) den Ruſſen, welche
200 Tote verloren, an der Kirche von Rautus eine fühl-
bare Niederlage bei.
Gleichzeitig entflammte der Krieg im Norden. Cine ruj-
ſiſche Heeresabteilung, welcher ſich aufrühreriiche orthodore
Bauern anjchlojjen, rückte unter wilden Gewaltthaten gegen Nyſlott
vor. Ohne Widerjtand zu finden, plünderte fie die Kirchipiele
Sääminge und Kerimäfi, verbrannte die Stadt Nyjlott und
ſchritt zur Belagerung des alten Schlofjes. Weniger erfolg-
reich war der Einfall eines rujfischen Streifcorps in das Lehen
Rajana, da fi die von Brahe eingeführte Schugeinrichtung
mit Dragonern und Landſturm als vollfommen zwedmäßig
erwies.
Erſt nachdem die Bewohner der öſtlichen Grenze während
eines Monats allein dem Angriff der Gegner getrogt hatten,
begann eine größere Regelmäßigkeit inbezug auf die Bertei-
digung einzutreten. Auf Befehl des Reichsrats beriefen die
Landeshauptleute Vertreter der Stände in ben einzelnen Pro—
vinzen zu Provinzialverfammlungen, auf denen die Aushebung
von Kriegsvolf und die Eintreibung von Kriegsjteuern bewilligt
wurde; nur in der Provinz Wiborg traten die Stände nicht
zufammen. Der greife Ber Brahe erbot fich zur Übernahme
des Oberbefehls über die Finnländer ; aber Karl Guftav hatte
ihon früher den Grafen von Raſeborg, Feldmarſchall Guftav
Adolf Lejonhufvud, damit betraut. Nachdem derjelbe, gefolgt
238 Dritte Periode. Die Großmachtsgeit.
von einem Regiment Wiborger Kavallerie unter Befehl des
Seneralmajors Erich Kruje, Ende Juli 1656 aus Pivland in
Finnland eingetroffen war, jammelte er die dort befindlichen
regulären Truppen bei Wiborg, um Kerholm und Nöteborg
zu entjegen.
In Kexholm Hatte der Kommandant Dlof Bengtsjon jeit
dem 3. Juli durch Fleinere Ausfälle den Ruffen Schaden zu-
gefügt und jie bei einem Sturmverjuh am 14. Auguft zurüd-
geichlagen. Der Feind beſchloß nun, die Beſatzung durch
Hunger zur Ergebung zu zwingen. Aber dieje Abficht wurde
von Pejonhufvud Ddurchkreuzt, welcher mit 1600 Mann am
28. Auguft anlangte und die tapfere Bejakung mit allen Er-
forderniffen zur Fortjegung der Verteidigung verſah. Am
26. September mußten die Gegner unter großen Berluften
den Rückzug antreten. Schon früher waren fie von Nyſlott
vertrieben worden; nur die Belagerung von Nöteborg dauerte
fort, wo der Befehlshaber Franz Grave nicht weniger mann
haft als Dlof Bengtsjon der Übermacht Widerftand geleiftet
hatte. Lejonhufvud, deſſen Armee fich mit den Truppen Horns
vereinigt hatte, eilte nunmehr der bedrängten Feſtung zubilfe,
während jich gleichzeitig ein kleines ſchwediſches Gejchwader
unter dem BVizeadmiral Karl Guftav Wrangel näherte. Aus
Beſorgnis vor diejer vereinten Heeresmacht hoben die Ruſſen
am 17. November 1656 die Belagerung auf. Gegen Ende
des Jahres war mithin der Feind auf allen Seiten zurüd-
gewieſen. Einige verwüftete Grenzdiftrifte waren die einzigen
Zeugniffe von der Heimjuchung durch die Ruſſen. Der Ruhm
eines jolchen Ausgangs gebührt an allereriter Stelle den Schloß-
befehlshabern Burmeifter, Bengtsjon und Grave; aber auch
Horn und Lejonhufvud hatten Geiftesgegenwart und Ent—
ichloffenheit gezeigt. Nach dem Tode des lekteren (22. Nor.
1656) übernahm Horn !) den Oberbefehl über die finnijche
Armee, welche nunmehr 2500 — 3000 Mann zählte. Mit
1) Geboren 1614, wurbe er 1635 Hauptmann, 1640 Oberft, 1647
Generalmajor, 1653 NReichsrat und 1663 Felbmarihall; er ftarb 1666.
Rückzug der Rufen Ende 1656. 239
dem größten Teil diejes Heeres rückte Erich Kruſe Anfang
Januar 1657 dur Salmi gegen die Stadt Olonez. Doc
wagte er diejelbe nicht anzugreifen, jondern begnügte jich mit
Plünderungen im ruſſiſchen Gebiet.
Gegen Ende April traten auf die Aufforderung des Re—
gierungstommiffars Horn die Vertreter der Landeshauptmann—
ichaft Abo in der gleichnamigen Stadt zufammen. Als Land—
marschall fungierte der Wizepräfident im Aboer Hofgericht,
Johann Mund von Fulkila; „Sprecher“ der Geiftlichfeit war
Biihof Eskil Peträus. Die Verfammlung wurde von Horn
im Namen des Königs mit einer längeren Rede eröffnet. Dar-
auf erfolgte die Verlefung der königlichen Propofition, welche
die Stellung des Neiches zu den fremden Mächten jchilverte
und mit einem Anfuchen um Gewährung von Nefruten und
Steuern zur Durchführung des Krieges endigte. Nachdem
der Generalgouverneur den Delegierten der drei höheren Stände
weitere Aufichlüffe über die politische Page gegeben hatte, be-
gannen die ftändifchen Beratungen, in welche Horn unabläffig
eingriff. Unter feiner Einwirkung willigten die Vertreter in
ihrer Antwort vom 13. Mai an die Regierung darein, daß
die 1655 genehmigten Steuern bis 1660 nach wie vor gezahlt
werden jollten. Gleichzeitig unterwarfen fich die Stände einer
erneuten Nefrutierungslaft. Die für 1658 bewilligten Aus—
bebungen jolften nämlich ſchon im laufenden Jahre erfolgen,
im Jahre 1658 hingegen feine Aushebungen jtattfinden. Bei
einer Fortſetzung des Krieges jollten 1659 und 1660 neue
Rekrutierungen vorgenommen werben. Bei den Fronbauern
jollten 1658 je 15, 1659 und 1660 je 20 Höfe einen Refruten
jtellen, während bei den Kron- und Zinsbauern je 10 Höfe
einen Knecht auszurüften veriprachen. Bon Abo begab fich
Guſtav Horn nach Heljingfors, wo fi die Stände der Pro-
vinz Nyland-Tamwaftehus in der erften Hälfte des Junimonats
verjammelten. Landmarſchall war der Affeffor im Aboer Hof-
gericht -Ehriftian Roſenkrantz; als Sprecher der Geiftlichkeit
fungierte der Paftor in Perno, Zacharias Stahäus. Schließ-
lich fam Horn Anfang Yuli in Wiborg mit den Repräſen—
240 Dritte Periode. Die Großmachtszeit.
tanten der Provinzen Wiborg, Nyjlott und Kymmenegaͤrd zu—
jammen. Die Obliegenheiten des Landmarſchalls verjah bier
der Schloßhauptmann Klöfverstjöld, und Sprecher der Geift-
lichkeit war der Paftor in Jääskis, Chriftian Winter, da ber
Wiborger Bichofsftuhl nach dem Tode Petrus Bjuggs (1656)
noch feinen Nachfolger erhalten hatte. In ZTorneit tagten bie
Stände Öfter- und Wefterbottens ; die Leitung der Verhand—
lungen lag in den Händen der Reichsräte Karl Mörner und Erich
Sparre; vertreten waren bier übrigens nur die drei bürgerlichen
Stände. Bei allen diejen Zuſammenkünften juchten die jtändijchen
Vertreter anfangs möglichit viel von den Forderungen der
Regierung abzuhandeln, genehmigten jie jedoch jchließlich in
der Hauptjache unter dem Drude der Kommiſſare, jo daß die
in Helfingfors, Wiborg und Zornei gefaßten Nejolutionen
im großen und ganzen mit den in Abo vereinbarten Beſchlüſſen
übereinftimmten ’). Es ift für die jchwierige Yage der Stände
wie für die überwiegende Macht der Regierung denſelben
gegenüber bezeichnend, daß man auf die von ihnen an die
Refrutierungen für 1658 gefnüpften Bedingungen feine Rück—
jiht nahm, jondern die Aushebungen für 1659 und 1660
bereit8 1658 vornahm; nach Angabe des Generalgouverneurs
unter Zuftimmung der Bevölferung, was jedoch faum der Fall
gewejen jein dürfte Ferner wurden 1659 und 1660 Mann-
ihaften ausgehoben. Zrogdem erreichte die Zahl der Aus:
gehobenen nicht die gleiche Höhe, wie während des Dreißig-
jährigen Krieges. Denn die Bevölferung, welche willig zu
den Waffen griff, wenn die Heimat vom Feinde mit Ver—
beerung bedroht wurde, flüchtete in die Wildnis, wenn Aus-
bebungen erfolgen jollten, jo daß bei ſolchen Gelegenheiten die
Dörfer oft vollfommen ausgeftorben waren ?).
1) Die Landtagsbeichlüffe find gedrudt bei Stiernman, Alla Riks-
dagars och mötens beslut II, 1292 ſowie III, 343—373 [Bihang]
Stocholm, 1728—1743).
2) Es wurden in Finnland 1655 —1660 ausgehoben: 890, 889, 1502,
1283, 865 und 944 Mann. Die erhöhte Zahl adeliger Lehen war ein
weientliher Grund dafür, daß die Aushebungen jet minder ergiebia
waren als vorbem.
Homs Mafregeln zur Durhführung und das Ende des Krieges. 241
Guſtav Horn Hätte gern die von ihm gejammelten Streit-
fräfte zum Schutze Finnlands bei fich behalten, ſah fich aber
zu feinem Bebauern durch wiederholte Befehle des Königs
dazu genötigt, ven größten Teil feines Kriegsvolfes in die Dft-
jeeprovinzen zu ſenden. &lüdlicherweije erneuerten fich bie
Angriffe der Rufen jedoch nunmehr nicht mit gleichem Nach—
drud wie 1656. Die Mißerfolge hatten die Luſt des Zaren
an der Weiterführung des Krieges abgekühlt; auch herrſchte
eine verheerende Peſt, welche fih in den DOftjeeprovinzen aus-
breitete und in Finnland ebenfalls zahlreiche Opfer forderte. Im
Auguft 1657 machten die Ruſſen einen Einfall in den nörb-
lihen Zeil der Provinz Kerholm und begannen zum zweiten-
mal die Belagerung der gleichnamigen Feſtung, wurden jedoch
durh die Wachjamfeit und Entjchloffenheit Horns zurüd-
getrieben. Cbenjo brachten bewaffnete Bauern einer bis in
das Lehen Kajana vorgejchobenen ruſſiſchen Abteilung eine
Niederlage bei. Im nächſten Jahre erfolgte von finnijcher
Seite ein Angriff gegen die Küftengegenden am Weißen Meere,
welcher indefjen um jo leichter zurüdgewiejen wurde, als Die
Mönche des Kloſters Solovez ſchon vorher wirkſame Ver—
teidigungsanftalten getroffen hatten. Mit größerer Cnergie
wurde der Krieg in Ingermanland betrieben. Krifter Klasjon
Horn, der Nachfolger Guftav Evertsjons als Generalgouver-
neur über Ingermanland und Kerholm, leitete wirkſam bie
Verteidigung gegen eine ruſſiſche Abteilung unter General
Govanski, welche im Februar 1658 Narwa eingeichloffen und
Nyenjfans angegriffen hatte.
Während fich dieſe Ereigniffe abjpielten, hatte Karl Guftav
nichts jehnlicher gewünſcht als eine möglichft jchleunige Be—
endigung des Krieges mit dem öftlichen Nachbar. Gegen Ende
1657 waren denn auch bereits Wriedensunterhandlungen er:
öffnet worden, welche am 20. Dezember 1658 zum Abſchluß
eines dreijährigen Waffenftilljtandes führten. Am 21. Juni
1661 wurde der Friede zu Kardis gejchlojfen, gemäß welchem
Rußland alle während des Krieges eroberten Ortjchaften in
Livland und Efthland wieder an Schweden ausliefern mußte.
Sähybergfon, Geſchichte Finnland. 16
242 Dritte Periode. Die Großmachtszeit.
Die friegeriichen Ereigniffe in Finnland, welche bet dent
allgemeinen Schlachtenlärm im Norden kaum Beachtung fanden,
übten eine große und nachhaltige Einwirkung auf die Zuftände
in den öjtlichen Gebieten diejes Yandes. Wir haben erwähnt
(S. 236), wie die Griechiich- Orthodoren in Kerholm die An-
funft der ruſſiſchen Truppen freudig begrüßten, jich ihnen
anjchloffen und im Verein mit ihnen unter wilden Berheerungen
ihre lutheriſchen Nachbarn überfielen. Als fich jpäter das Blatt
wendete und die ruljischen Truppen vertrieben waren, wur—
den jene für ihre Handlungsweije grauſam beftraft. Guſtav
Horn lebte der feften Überzeugung, daß die Anhänger des
orthodoxen Bekenntniſſes, weil jie niemals mit ihren Anſchlägen
gegen die jchwedijche Obrigkeit aufhören würden, jümtlich ver:
trieben und durch lutheriſche Einwanderer erſetzt werden müßten.
Durch harte Behandlung jagte er den Griechiich - Katholijchen
in der Provinz Kexholm einen jolhen Schred ein, daß 1656
und 1657 von dort, einer Aufzeichnung zufolge, 4107 Yamilien
nach Rußland flüchteten, worauf die Auswanderung bis zum
Abſchluß des Waffenjtillftandes fortdauerte. Hierdurch ver:
minderte ſich die Zahl der Griechiich - Katholiichen in Ser:
bolm auf einige wenige, deren Nachlommen noch heutzutage
in mehreren öjtlichen Kirchipielen leben. Statt ihrer wan—
derten allmählich Koloniiten aus Nyland und Savolats ein,
die zujammen mit den älteren Anjiedlern die Hauptmafje der
Bevölkerung bildeten. Das mächtige Hindernis für eine nähere
Berbindung zwijchen Kexholm und Finnland: die religiöfe Ver-
ichiedenheit, war durch dieſe gewaltiame Entwidelung über:
wunden. Noch blieb die mit Ingermanland zu einem General»
gouvernement vereinte Provinz Kerholm ein auf Neichstagen
unvertretenes Nebenland; noch waren die administrativen und
öfonomiichen Zuftände von denen Finnlands völlig verichieden
und blieben e8 auch, nachdem die Krone die großen Lehen
wieder eingezogen hatte; aber trogdem verſchmolz jene Yand-
ichaft allmählich mehr und mehr mit dem übrigen Lande.
Karls XI. Jugend. 243
4. Sarl XI. (1660—1697). Litteratur und Bildung gegen
Eude des 17. Jahrhunderts ’).
Bei der Bormundichaftsregierung, welche während der
Minderjährigfeit Karls XI. die Geſchicke des ſchwediſchen Reiches
leitete, bejaßen die Intereffen Finnlands mehr Vertreter als
je zuvor oder hernach. Per Brahe nahm als Neichsproft oft
das Wort, wenn Fragen, welche Finnland betrafen, auf der
Tagesordnung ftanden; fo erklärte er u. a. einmal, „daß es
nicht unnüg wäre, wenn fich unjer junger König einige Kennt-
nis im der finniichen Sprache verjchaffen würde“. Außerdem
jagen im Neichsrat Mitglieder der Gejchlehter Creutz, Horn,
Kurck und Fleming, welche zumeijt durch Abftammung und Grund-
bejig an die Heimat gefejfelt waren. Sie fanden nicht jelten
Verwendung bei der Vorbereitung von finnischen Angelegenheiten
oder bet der Sendung von Rommijfionen nach Finnland, ins-
1) Quellen und Nacjchlagewerte zur Gefhichte Finnlands unter
Karl XI: Geijer-Carlion, Geihihte Schwedens, Bd. 4u.5 (Gotha,
1855— 1874); W. Tham, Bidrag till svenska riksdagarnas och re-
geringsformernas historia, ®b.I u. II (Stodholm, 1845—1847); Hand-
lingar rör. Skandinaviens historia XXXI, 443— 496 (Stodbolm, 1850);
W. E. Svedelius, Om reduktionen af krono- och adeliga gods under
k. Karl X Gustafs och Karl Xl® regering (llpfala, 1849 -1851). —
Litterarbiitoriiche Arbeiten: J. Tengftröm, Minne öfver Johannes Elai
Terserus (Abo, 1795); 9. 9. Tengſtröm, Johan Gezelii den äldres
minne (Abo, 1825); J. J. Zengitröm, Gezelii den yngres minne (Hel—
fingfors, 1833); 9.9. Tengitröm, Kronologiska förteckningar och an-
teckningar öfver finska universitetets samt öfver fakulteternas med-
lemmar och adjunkter Helſingfors, 1836 —1838); I. Tengftröm und
W. &. Lagus, Samling af domkapitlets i Abo cirkulärbref 1564 till
1700 (Abo, 1836); I. Tengftröm u. W. ©. Lagus, Handlingar till
upplysning i Finlands kyrkohistoria (Abo, 1821—1832); S. ©. EIm-
gren, Öfversigt af Finlands litteratur I u. IL (Helfingiors, 1861 u.
1865); M. Atiander, Historiska upplysningar om de religiösa rörel-
serna i Finland, ®d. I (Helfingiors, 1857); M. 3. Alopäus, Borgä
gyinnasii historia (Abo, 1804—1817); 93. Krobn, Suomenkielinen
runollisuus ruotsin vallan aikana (Helfingfors, 1862). — Handichriftliche
Quellen im „Schwed. Reichsarchiv“.
16*
214 Dritte Periode. Die Großmachtszeit.
bejondere Lorenz Ereug senior !), auf deſſen Worte man bei
Militär: und Kameralfragen hohes Gewicht legte. Der ber:
vorragendfte Beamte und Vertreter der Regierung in Yinn-
land war jeit 1664 der Generalgouverneur Hermann Fleming ?).
Zum Gehilfen erhielt er u. a. einen der jchwedifchen und
finnifchen Sprache völlig mächtigen „referendarius“ 8). Ojter:
botten, welches uriprünglich nicht zu feinem Verwaltungsbezirk
gehörte, wurde 1665 damit vereinigt. Da Finnland für Fle—
ming ein Verbannungsort war, konnten die Nejultate jeiner
Wirkſamkeit nicht von jonderliher Bedeutung werden. Nur
dem VBerteidigungswejen widmete er größere Aufmerkſamkeit:
aber jeine darauf bezüglichen Vorſchläge ftanden mit feinen An-
jichten inbetreff einer Neduftion des Donationswejens in Ein:
Hang und waren deshalb der Wegierung minder behaglich.
Schon 1669 wurde denn auch im Neichsrat die Frage auf:
geworfen, ob fich nicht die Einziehung des Generalgouverneur-
pojtens in Finnland empfehle In allererjter Yinie handelte
e8 jich hierbei um Erjparnisrüdjichten; aber während der De-
batte wurden auch andere Gejichtspunfte hervorgehoben, welche
teild die Perjon des Generalgouverneurs, teild die Stellung
Finnlands im allgemeinen betrafen. Da jchließlich alle Reichs-
räte der Aufhebung des Amtes eines finnijchen Generalgouver-
neurs zuftimmten, erfolgte noch in bemjelben Jahre die Ab-
berufung Flemings.
.» Geboren 1615, wurde er 1649 Landeshauptmann in ber Provinz
Abo⸗Björneborg, 1654 nebit feinem jüngeren Bruder Ernft Johann in
den Freiherrenftand erhoben und 1660 zum Reichsrat ernannt; 1675 er—
folgte feine Emennung zum Admiral, Als Befehlshaber ber Flotte farb
er am 1. Juni 1676 in der befannten Seeſchlacht bei Oland.
2) Hermann Klasſon Fleming war 1619 in dem Kirchſpiel Lemo
(norbweitlihd von Abo) auf dem Stammgut Willnäs geboren, welches ihm
fpäter gehörte und auf welchem er häufig verweilte; 1646 wurde er Ad—
miral, 1650 Reichs- und Admiralitätsrat fowie Oberftattbalter von Stod-
bolm, 1652 Kammerrat und 1653 Präfident de8 Kammerlollegiums; 1651
wurde er zum Freiherrn von Libelits ernannt, 1657 zum Oberlandrichter
des lüdfinniichen Gerichtsfprengels. Er ftarb 1673 in Stodholm.
3) C. ©. Styffe, Samling af instruktioner für landtregeringen etc.,
p- 260.
Herm. Fleming letster Generalgouverneur Finnlands (1664—1669). 245
Obwohl e8 der Regierung an Kenntnis der finnifchen Zuſtände
und an Wohlwollen für das Yand feineswegs mangelte, war jerte
Epoche dennoch nicht durch befonders beachtenswerte Maßnahmen
auf dem Gebiete der inneren Verwaltung Finnlands ausgezeichnet.
Die während des Krieges fehr geichwächte finnifche Armee
wurde nach dem Frieden in 3 Kavallerie- (Abo, Nyland und
Wiborg) fowie 8 Infanterieregimenter (Öfterbotten, Björne-
borg, Abo, Tawaftehus, Weft-Nyland, Oft-Nyland, Savolafs
und Wiborg) eingeteilt. Außerdem gab e8 ein leichtes Dragoner-
regiment (Wiborg) und einige jogenannte Koloniefompagnieen,
welhe aus geworbenen Garnijonstruppen beftanden. Die
Kavallerieregimenter waren vollzählig und ſogar überzählig,
während das Dragonerregiment und noch mehr die Fußregi-
menter bedenkliche Türken aufwiejen. Einer Aufzeichnung vom
Jahre 1665 zufolge zählte die gejamte Heeresmacht etwa 6500
Mann zu Fuß und 4500 Mann zu Pferde. Die Kavallerie-
regimenter verurjachten der Wegierung die meiſte Sorge.
Im Jahre 1668 wurde eine aus den Neichsräten Heinrich
Horn und Lorenz Creutz ſowie dem Kriegsfommifjar Erich
Andersſon Rojendahl beftehende Generalmufterungs - Kommij-
ſion nach Finnland entjandt, um die Mißbräuche, welche fich
inbezug auf die zum Unterhalt der Kavallerie angewiefenen
Höfe eingeichlichen hatten, genau zu umterfuchen. Die Kom-
miſſion führte ihre Aufträge anjcheinend mit Sorgfalt aus;
aber ſchon binnen furzem ftellte es fich heraus, daß fie eher zur
Minderung als zur Vermehrung des Unterhalts für die Kriegs-
macht beigetragen hatte. Aufflärend ift in diefer Hinficht ein
weitläufiges Gutachten Herm. Flemings über die finnifche Armee
(4. Mai 1669), worin er bervorbob, daß die Reiterhöfe und
Milizgüter teils völlig dem Heere entzogen, teils jo gejchwächt
worden jeien, daß fie nicht einmal in Friedenszeiten, geſchweige
denn während eines Krieges, ihre Obliegenheiten erfüllen Fönnten.
Die von Fleming behufs Befeitigung dieſer Mißſtände ge-
machten Vorfchläge, welche in ihren jchließlichen Konſequenzen
zu einer Neform, ähnlich der fpäter unter dem abjoluten Re—
giment Karls XI. bewerfftelligten, geführt baben würden, wur—
246 Dritte Periode. Die Großmachtszeit.
den jedoch von dem Neichsrat verworfen, weil ihre Durch:
führung angeblich mit allzu großen Schwierigkeiten verknüpft
gewefen wäre und allzu lange Zeit erfordert hätte. Noch 1672
ftand die Regierung in diefer Frage auf demjelben Standpunkt
wie vorher. Erft infolge eines von Yorenz Creutz eingereichten
Berihts „über den fchlechten Zuftand der Armee in Finnland“
wurden jett endlich die einzig zweckmäßigen Bejchlüffe, be-
treffend die Wiedereinziehung der verichenften Milizböfe „ohne
Anſehung der Perion“, gefaßt. Die Ausführung diejer Reſo—
lution blieb dann freilich Karl XI. perjönlich vorbehalten.
In noch höherem Grade gerieten die finniichen Fußregi—
menter in Verfall. Weder den Offizieren noch der Mann-
ihaft wurde der Sold volljtändig ausgezahlt; mancher erhielt
auch nicht einen Pfennig. Noch bevenklicher aber war, daß
fih die Zahl der Mannjchaften von Jahr zu Jahr ver-
minderte, weil die Aushebungen nicht genügend Soldaten zur
Dedung des Abgangs brachten. Auf Grund ftändiicher Be—
ihlüffe wurden 1664, 1666, 1668 und 1672 feine Aus—
bebungen vorgenommen; 1670 waren die drei jüdlichen Pro-
vinzen Finnlands und 1671 Dfterbotten wegen ſchwerer Miß—
ernte davon befreit. Hierzu fam, daß die Ausbebungen min-
der ertragreich waren als vordem. Der Adel juchte nämlich
unter allerlei Vorwänden jeine Bauern vorzuenthalten, und
die übrige Bevölkerung flüchtete beim Naben der Aushebungs-
fommijjare, zumeijt auf die adeligen Herrenfite, welche von der
Aushebung befreit waren.
Mit größerer Energie jorgte die Regierung für die För—
derung des allgemeinen Wirtichaftswejens. Eifrig ſuchte fie die
zahlreichen und im ganzen Lande zerftreuten brach liegenden Höfe
für den Aderbau von neuem zu erjchließen, indem fie 3. B.
Steuerfreiheitsjahre denen veriprach, welche jene Höfe wieder
bebauen wollten. Auf ſolche Weije wurde eine große Zahl
diejer Höfe in der That wieder urbar gemacht. Nicht jelten
war indeffen der Erfolg mehr jcheinbar als wirklich; denn
es geſchah Häufig, daß jene Koloniften ihre Höfe verließen,
wenn die Freibeitsjahre abgelaufen waren und fie daher ber
Finnlands Heer, Wirtfchaft und Verkehr um 1670. 247
Krone Steuern bezahlen jollten. — Der Berfehr erfuhr eine
träftige Förderung. Überall im füdlichen Finnland und in den
finntichen Küftendijtriften wurden Wege angelegt, teils um bie
Küftenortichaften miteinander zu verbinden, teil8 um die Kom-
munifation zwijchen ihnen und dem Innern des Yandes zu
vermitteln. Die Fortichritte waren denn auch augenjcheinlich.
Der Landeshauptmann in Nyland-Tawaftehus, Ernſt Johann
Greuß ?), einer der bervorragendjten damaligen Beamten Finn:
lands, berichtete 1662, man fönne ſich nunmehr bequem im
Wagen nach den meijten Ortichaften feiner Yandeshauptmannjchaft
begeben. Der Landeshauptmann Johann Graan in Ofterbotten
verficherte ein Gleiches; nur in den nördlichiten Sprengeln
jeiner Provinz fehle e8 noch an Yandwegen. Gleichzeitig (1664)
wurde durch Statut bei dem Pojtbeförderungs- und Poſt—
jtationswejen eine bisher unbekannte Ordnung eingeführt, welche
allen Mißbräuchen ein Ende machte. In Savolafs, wo ber
Aderbau noch auf einer wenig entwidelten Stufe ftand, ge-
langte 1664 eine allgemeine Regelung der Grundbefit- und
Steuerverhältniffe zur Durchführung. Unglüclicherweije ging
bie zu dieſem Behufe nach Finnland entjandte Yandvermefjungs-
fommijfion jedoch allzu haftig und oberflächlich zu Werke, jo
daß noch lange nachher aus Savolaks Beſchwerden über un—
gerechte Verteilung und allzu große Schwere der Steuerlaft
einliefen ?).
Am 18. Dezember 1672 übernahm der inzwijchen mündig
gewordene König Karl XI. jelber die Zügel der Regierung.
Sofort merkte man, daß eine neue Zeit begonnen hatte. Schon
Januar 1673 faßten der Neichsrat und das Reduktions—
follegium den Beichluß, daß die Reduktion der Donationen in
Finnland mit aller Energie betrieben werden jolle, da jonft der
I) Geboren 1619, wurde er 1652 Landeshauptmann in Rylands
Tawaftehus, 1666 in Abo-Bjürneborg, 1667 in Weftmanland, 1654 reis
herr, 1674 Neihsrat und Präfident bes Aber Hofgerichtß ; er ftarb 1684
in Abo.
2) Dieſe Steuereinfhätung erftredte fih nicht auf Per Brabes Be-
ſitzungen im nördlichen Savolals.
248 Dritte Periode. Die Großmachtszeit.
„Ruin und totale Untergang“ der finniſchen Militärmacht zu
befürchten jei'). Demgemäß wurde den Pandeshauptleuten jchrift-
lich der Befehl überjandt, fofort ihre Anftalten zu treffen. Die
Reduktion, welche eigentlich erft jett in Finnland begann, wurde
mit jo großem Nachdrud betrieben, daß ſchon 1673 der größte
Zeil der Milizböfe und Güteranteile eingezogen oder wenig-
jtens unter den Gütern verzeichnet war, welche fünftig an bie
Krone zurüdfallen jollten. Das Los der öfterbottnijchen Graf:
ſchaften und Baronieen jowie der übrigen in biefem Yandes-
teil belegenen Donationen wurde Dezember 1674 dahin ent:
ſchieden, daß alfe in Ofterbotten befindlichen Donationsgüter
eingezogen werben jollten. Die Einziehung erfolgte 1675;
doch glücdte e8 Per Brahe, feine Befigungen Kajana uud Salo
zu retten, indem er diejelben unter vorteilhaften Bedingungen
von der Regierung gegen einige ihm gehörige Pfandgüter
in der jchwediichen Provinz Bohus eintauſchte. Mit der
Bernichtung der Adelsherrichaft im größten Teil von Ofterbotten
und mit der Reduktion zahlreicher Nittergüter in dem übrigen
Yande ging die Wiederherftellung der Kavallerieorganijation
Hand in Hand, wobei Lorenz Creutz, diesmal mit größerem
Erfolg, als Regierungstommiffar fungierte. Nachdem er 1673
und 1674 die ihm zur Verfügung jtehenden Güter unter die
Neiterregimenter verteilt hatte, konnte er melden, daß noch eine
Anzahl Güter übrig fei, deren Rente auf feinen Vorjchlag
zur Yöhnung des Fußvolkes verwendet wurde.
Während die finniſchen Krieger in der Ebene Schonens
gegen die Dänen kämpften, verjammelten fich Vertreter Des
finnifhen Volls, um Mannichaften zur Verſtärkung der
Armee zu bewilligen. Vom 26. bis 31. Auguft 1676 tagten
die finniſchen Stände unter Leitung des Feldmarſchalls Arel
Julius De la Gardie, welcher feit dem 10. Dezember 1674
Dberbefeblshaber über die in Finnland und Ingermanland ftehen-
den Truppen war und als Befiger von Kumogärd und anderen
finnischen Gütern die Verhältniffe im Lande hinreichend kannte.
1) Protokoll des Reichsrats vom 13. Januar 1673. „Schwediſches
Reichsarchiv“.
Beginn von Karls XI. Selbitregierung (1672). Verſtärkung be8 Heeres. 249
ALS Landmarſchall fungierte der Vizepräfident im Aboer Hof-
gericht, Guſtav Graß. Der Verlauf war derjelbe wie auf ben
Sandtagen von 1657. De la Gardie jchilderte in jeiner „Pro—
pofition“ die bedrängte Rage des Reiches und die Notwendig-
feit neuer Anftrengungen zu deſſen Verteidigung, worauf bie
Stände Reiter und Fußvolk zu liefern veriprachen. Die Ver-
pflichtung des Adels zur Stellung von Reitern wurde diesmal
mehr denn je zuvor oder nachher in Anjpruch genommen. Die
reicheren Edelleute übernahmen außer der gewöhnlichen Yeiftung
die Aufftellung von 2 Knechten zu Pferde; von den minder
Wohlhabenden follten je 3 ein Gleiches thun. Auch die Geift-
lichkeit erflärte jich bereit, durch Ausrüftung von 165 Reitern
für das Bistum Abo und 80 Neitern für das Stift Wiborg
„Seiner Königlihen Majeftät unter die Arme zu greifen“.
Die Bürgerjchaft, welche ſchon vorher die doppelte Zahl von
Matroſen geliefert hatte, veriprach, den Abgang an Seeleuten
unmittelbar zu erjegen. Die Bauern willigten in eine dop—
pelte Aushebung, indem die Mannjchaft für 1677 ſchon im
laufenden Jahr ausgehoben werden jollte. Hingegen machten
fie den Vorbehalt, daß 1677 feine Aushebung erfolgen jolle ').
Mitte September wurde in der Stadt Koporie unter Lei—
tung des Generalgouverneurs Johann Jakob Taube ein Yand-
tag für Ingermanland und Kexholm abgehalten, an welchem
gegen die fonftige Gewohnheit nicht nur Edelleute, jondern
auch Bürgerliche teilnahmen. Hier waren die Blide faſt aus-
ichlieglich auf die Verteidigung der Heimat gegen Rußland ge-
richtet, defien drohende Sprache einen plöglicden Angriff be-
fürchten ließ. In letterem Falle gelobten die Adeligen, insge-
jamt mit ihren Dienern zu Pferde ins Feld zu rücken, während
fih die Bauern bereit erklärten, al® Yandfturm, und zwar
jeder fiebente oder zehnte Mann, dem Feinde entgegenzuziehen.
1) Schon 1671 batten die Stände ber einzelnen Provinzen auf ben
betr. Provinziallandtagen eine Kriegsbeibilfe bewilligt. Nähere Aufichlüffe
bierüber ſowie über die Panbtage von 1676 und 1677 bei C. v. Bons-
dorff, Landskapsmöten i Finland pä 1670-talet, in: „Hist. Ark.“
XI, 222—257 (Helfingfors, 1891).
0 Dritte Periode. Die Großmachtszeit.
Der Vorbehalt der finnischen Bevölkerung, betreffend die
Befreiung von jeder Aushebung für 1677, wurde, genau wie
während der Regierungszeit Karl Guſtavs, von der Regierung
nicht anerkannt; vielmehr begann diejelbe ſchon im Yaufe
des Frühjahrs 1677 auf die Aufftellung neuer Mannichaft in
Finnland zu dringen. In einem Schreiben vom 25. April
an die Landeshauptleute räumte der Reichsrat allerdings ein,
daß die auf den Landtagen von 1676 übernommenen Ber:
pflichtungen bereits erfüllt jeten, forderte aber gleichzeitig jene
auf, die Stände nach Provinzen einzuberufen und ihnen vor—
zuftellen, daß die bedrohte Yage des Neiches neue Opfer er-
heiſche. Damit die von der Regierung geforderte Aushebung
jedes jechiten Mannes (nach der „Höfezahl *) nicht allzu un—
billig erjchiene, veriprach der Reicherat, daß die nunmehr aus-
gehobenen Mannjchaften nicht aus dem Yande geführt, jondern
zu deſſen Verteidigung verwendet jowie, nachdem die Gefahr
vorbei, ihrer militärischen Dienftpflicht entledigt werden jollten,
Wejentlih jchärfer äußerte fich bezüglich diejer Angelegenheit
Karl XI. jelber in einem Schreiben vom 9. Mai an die
Yandeshauptleute. Infolge deſſen beriefen die legteren Ende Mai
und Anfang Juni Provinzialverfammlungen, auf denen jedoch
nur Vertreter des Adels und der Bauern, d. b. derjenigen
Stände, auf denen die Kriegslaft vornehmlich ruhte, anwejend
waren; übrigens wurden die Edelleute, welche größtenteils im
Felde fümpften, mit wenigen Ausnahmen von ihren Gutsver—
waltern repräjentiert. Die Yandeshauptleute jtiegen auf nicht
geringen Widerftand, inionderbeit bei den Bauern, erwirften
jedoch in der Hauptiache die Zuftimmung zu den Winjchen
der Negierung. In Abo, wo Edelleute und Bauern vom 26.
bi8 28. Mai tagten, verpflichtete man fich zur Aufftellung eines
Mannes von jedem jechiten Hofe jowie bei großer Gefahr
zur Verteidigung des Baterlandes durch alle Waffenfähigen.
In Helfingfors wurde am 12, Juni ein gleichartiger Beſchluß
gefaßt. In Wiborg, wo man am 8. und 9. Juni verjammelt
war, verſprach man die Aufjtellung jedes zehnten Mannes von
den Fron- Sowie jedes achten Mannes von den übrigen Bauern.
Die letzten Provinziallandtage in Finnland (1677). 251
In Ofterbotten, wo der adelige Grundbeſitz jo gut wie voll—
itändig von der Krone eingezogen war, berief der Yandes-
bauptmann Dietrihd Wrangel bloß Vertreter des gemeinen
Mannes auf den 25. Mai zur Zujammenktunft in Korsholm.
Hier machte ich eine noch größere Mipftimmung als anders-
wo bemerkbar. Die nur in geringer Zahl Anwejenden Hagten
über Mißernte, Armut ꝛc. und ließen fich nicht dazu herbei,
mehr als den zehnten Mann nach der „Berjonenzahl“ zu be-
willigen. Dieſes Reſultat befriedigte jedoch die Regierung
feineswegs, jo daß Wrangel neue Verhandlungen eröffnen
mußte, um unter Anwendung feiner ganzen Autorität jchließlich
die Bewilligung jedes fiebenten Mannes durchzujegen. Dieſe
Berjammlungen find als die legten in Finnland abgehaltenen
Provinziallandtage von Intereffe. In den zunächſt folgenden
Jahren famen derartige Zuſammenkünfte nicht in Frage, und
jpäter wurden fie durch die fortgeſetzte Zentraliſation der Re—
gterung überflüſſig.
Der mißlungene Feldzug des Feldmarſchalls Heinrich Horn
von Yivland nach Oftpreußen 1678—1679, bei welchem vor-
nehmlich finnische Truppen verwendet wurden, war das lekte
friegeriiche Llnternehmen der Schweden gegen Brandenburg.
Bald darauf fam es in Saint Germain zum Abjchluß des
Friedens.
Schon während des Krieges hatte, wie früher erwähnt,
die Güterreduftion in Finnland ihren Anfang genommen. Aber
erit die Beſchlüſſe des Stodholmer Reichstags von 1680 gaben
dem Donationswejen in Finnland den Todesſtoß. An aller-
erjter Stelle jollten, jenen Bejchlüffen zufolge, die Grafichaften
und Baronieen eingezogen werden. Wie ſehr man fich in
Finnland mit der Ausführung der Neichstagsrejolution beeilte,
lehrt die Thatjache, daß der Landeshauptmann in Abo, Harald
Dre, ihon am 26. März 1681 berichten konnte, er habe die
Grafichaften Wajaborg nnd Björneborg, die Baronieen Kimito,
Korpo und Lempälä jowie den Königshof Kumo wieder der
Krone einverleibt; ein gleiches Los ereilte etwas jpäter Die
Baronie Loimijofi. Am 18. Februar 1681 wurde die Graf-
252 Dritte Periode. Die Großmachtszeit.
ſchaft Nafeborg, welche mehr als 110 Jahre mit einigen Unter-
brechungen dem Gejchlecht der Lejonhufvud gehört hatte, von
dem Landeshauptmann Arel Roſenhane in Helfingfors ein-
gezogen. Björkö und Kajana nebſt Salo fielen durch Beſchluß
der Reduktionskommiſſion vom 21. April und 6. Oktober
1681 an die Krone zurück, desgleichen Per Brahes Lehen
Kuopio und Idenſalmi in Savolaks. Die in Finnland ein—
gezogenen Grafſchaften und Baronieen ergaben zuſammen gegen
57000 Thaler jährlich an Zinſen. In Kexholm, wo eine
bejondere Kommiſſion thätig war, wurden alfe Grafichaften
und Baronieen durch Fönigliche Nefolution vom 25. September
1682 für Aroneigentum erflär. Der Diftrift Pielisjärei
dürfte zufammen mit den übrigen Braheſchen Gütern eingezogen
worden fein.
Auf ſolche Weife verſchwanden jene fürftlichen Beſitzungen.
Die Reduktion wurde als eine Befreiung von den Laften, welche
die „Herrichaften“ ihren Lntergebenen auferlegt hatten, von
den finnischen Bauern mit Genugthuung begrüßt. In der Pro-
vinz Kerholm geftalteten fich Hingegen die Verhältniſſe andere.
Während die in Finnland eingezuogenen Güter unmittelbar
unter die Botmäßigfeit der Krone famen und fomit als ge-
wöhnliche Kronhufen oder Zinshöfe angejehen wurden, blieben
nämlih die großen Güterfomplere in Kexholm unverändert
beſtehen. Anfangs wurden fie von Kroninfpeftoren verwaltet,
jeit 1684 jedoch Pächtern überlaffen, welche Fontraftlich bie
Zinfen einnahmen und der Krone eine gewiffe Abgabe dafür
bezahlten. Bon den Herrenfigen aus traten dieſe Pächter mit
einer Machtvollfommenheit auf, welche derjenigen der früheren
abeligen Verwalter entiprach; und nicht felten behandelten fie bie
Bauern fogar mit noch größerer Härte.
Eines der Territorien, deren Befig mit dem freiherrlichen
Titel verbunden war, wurde nur zum Teil eingezogen: bie
Donation für das Wredeſche Geſchlecht Elimä. Der Landes—
hauptmann Fabian Wrede erwirfte nämlich durch feinen mäch-
tigen Einfluß eine Refolution, worin Karl XI. erflärte, daß
der erjte Inhaber der Donation fein eigenes Leben für bie
Einziehung der Krondonationen. Die Wredefhen Bauern auf Elimä. 2583
Befreiung Karls IX. geopfert habe; weshalb er, der König,
Fabian Wrede und deſſen Nachkommen „für ewige Zeiten“ den
Beſitz jener Schenkung bejtätigen wolle ). Die Donation blieb
demgemäß größtenteil® beftehen; hingegen verlor die Familie
Wrede, welche übrigens jene Schenkung niemals mit freiherr-
lihen Privilegien bejejjen hatte, jpäter das Necht, den Titel
der Freiherren zu Elimä zu führen ?). Die Kunde von dieſer
Konfirmation war ein harter Schlag für die Bauern in Elimä
und namentlich für eine Anzahl von ehemals jelbftändigen An-
jiedlern, welche lange, obwohl vergebens, darüber geklagt hatten,
daß ſie widerrechtlich zu adeligen Sronbauern gemacht worden
jeien. Die Unzufriedenheit gelangte bald offen zum Ausbruch.
Anfang 1685 meuterten die Elimä-Bauern, vermweigerten bie
Leiftung ihrer Steuern und Fronen und widerjegten fich mit
Gewalt den Berjuchen der Kronbeamten, jie zum Gehorjam
zu bringen. Um jene Unruhen zu unterbrüden, welche fich
auch auf die nahgelegenen Güter des Generals Ferſen aus-
dehnten, gab der König den Befehl, die Rädelsführer nach
Schloß Wiborg zu bringen, wo fie mit Arbeit auf den Schloß:
wällen ihr Vergeben jühnen jollten. Diejes jtrenge Verfahren
erfticte jedoch den Geijt des Aufruhrs keineswegs; jchon 1686
fam es zu neuen Unruhen, und einige Bauern wagten fich jo-
gar nah Stodholm, um Karl XI. eine Beſchwerdeſchrift zu
überreichen. Diejer Schritt gereichte ihnen aber zu geringem
Nugen; denn der König befahl, daß die Überbringer ftreng
beftraft werden jollten ?). Trotzdem lebten die ihres Beſitz—
rechts beraubten Bauern in Elimä nach wie vor der Hoff:
1) Refolution vom 7. Januar 1682: „Schwebiiches Reihsardiv“. —
Zwei fpätere Konfirmationen vom 29. Januar und 28. Februar 1683
zugunften Fabian Wrede, feines Bruders Guftan Johann ſowie ihres
Betters Fabian find gebrudt bei W. ©. Lagus, Finska adelns gods och
ätter, p. 392 qq.
2) Karl XI. verbot nämlich 1688 den Grafen und Baronen, in ihren
Titeln fernerbin den Namen ihrer früheren Leben zu führen.
3) Reichsregiftratur, 30. März 1685 und 11. Dezember 1686:
„Schwed. Reichsarchiv“.
254 Dritte Periode. Die Großmachtszeit.
nung, das, was fie verloren hatten, wiederzuerhalten; noch
neunzig Jahre ſpäter brachen in jenen Gegenden Unruhen aus,
von denen jpäter die Rede jein joll.
Während die Grafichaften und Baronieen der Reduktions—
kommiſſion nur geringe Schwierigfeiten bereiteten, war die Re—
duftion der füniglichen Herrenfige und Metereien jowie ber
auf Grund der Norrköpinger Reichstagsbejchlüffe verliehenen
Güter mit allerhand langwierigen Unterjuchungen verknüpft,
jo daß in Finnland erſt wenige derartige Güter wieder ein:
gezogen waren, als die Reduktion durch die Beſchlüſſe des
Reichstages von 1683 eine noch größere Ausdehnung erhielt. Nach
einem von Karl XI. ausgefertigten Erlajfe jollten nämlich nun—
mehr alle Güter eingezogen werden, die früher einmal der
Krone gehört hatten. Damit dieſe umfajjende Reduktion
ichneller vor fich gehen fünnte, wurden Kommifjare eingejett,
welche im Verein mit den Yandeshanptleuten Unterjuchungen
in den verjchiedenen Yandichaften amftellen und, mit aus-
gedehnter Vollmacht verjeben, das Reduktionswerk bejchleunigen
jollten. Kommiſſare für die drei ſüdlichen Provinzen Finn:
lands wurden der Bizepräfident im Aboer Hofgericht, Guſtav
Graß, und der Oberlandrichter Johann Creutz; in Oſterbotten,
wo die Reduktion im weſentlichen ſchon zum Abſchluß gediehen
war, ſollte der Landeshauptmann Dietrich Wrangel die letzte
Hand ans Werk legen. Hierauf wurde nun in Finnland die
Reduktion mit ſolchem Eifer betrieben, daß ſie 1687 beinahe
vollendet war. Einem in dem genannten Jahre der Regierung über—
reichten ſummariſchen Bericht zufolge waren bei den Reduktionen
von 1680 bis 1683 in Abo-Björneborg Güter mit einer jähr—
lichen Rente von 109328 Thalern, in Nyland-Tawaſtehus mit
68059 Ihalern, in der Provinz Wiborg mit 16000 Thalern
und in Ofterbotten die Donation Brahes mit einem jährlichen
Ertrage von 4442 Thalern eingezogen worden. Der Gelamt-
betvag für Finnland belief ſich mithin auf 197829 Thaler.
Die entiprechende Summe für die Provinz Ingermanland:
Kexholm wurde auf 188174 Thaler angegeben.
Sogar bis auf die Geiftlichkeit und den Bauernjtand er-
Ausdehnung d. Reduftionsverfabrens. Die Entftebung eines Dienftadels. 256
jtreeften jich jpäter die Reduktionen. Für Finnland waren die-
jelben freilich von geringerer Bedeutung; 1689 — 1693 er-
reichten die Einziehungen nur einen Wert von 9207 Thalern
und in den folgenden Jahren bis 1697 nur einen jolchen von
11303 Thalern.
Beionders wichtig war für Finnland die Reduktion in
jozialer Hinficht. Die mächtigen fremden Donationsinhaber,
welche größtenteils nicht einmal durch die Bande, welche aus
der Liebe zur Geburtsftätte entipringen, am ihre Beſitzungen
gefejjelt waren, wurden ihrer Gebiete beraubt. Gleichzeitig
gerieten die Gejchlechter Ereug, Kurd, Horn und Fleming,
welche jeit dem vorhergehenden Jahrhundert innerhalb des ein-
beimtjchen finniſchen Adels die leitende Rolle geipielt hatten,
in eine verhältnismäßig unbedeutende Stellung; denn die allo-
dialen Nittergüter, welche fie behielten, waren gering an
Zahl und wenig einträglih. Nur die Familie Wrede bildete
noch im folgenden Jahrhundert wegen ihres großen Grund»
bejiges eime Ausnahme Hiervon. An die Stelle des alten
Grundbeſitzadels traten neue Gejchlechter, deren Mitglieder mehr
oder minder ausjchließlich von dem Gehalt abhängig waren,
welches jie als Zivil» oder Meilitärbeamten empfingen. Aus
diejem Dienjtadel jind die meiiten gegenwärtigen Gejchlechter der
Ritterſchaft Finnlands hervorgegangen.
Die Güter und Gelder, welche durch die Reduktion ge-
wonnen worden Waren, wurden meijtenteil® für das Bertei-
digungsweien verwendet. Während des letzten Krieges hatte
fih eine Menge von Keiterhöfen unfähig gezeigt, den Forde—
rungen der Regierung gemäß zwei- oder dreimal neue Mann—
Ihaften zu jtellen. Dieje Mängel machten eine Reform er-
forderlih, und, wie jo häufig, fand Karl XI. auch jet
einen Dann, welcher fich zur Ausführung jeiner Abjichten
geeignet erwies. Schon im Dezember 1677 entjandte er den
Obriften Karl Falkenberg nach Finnland und erteilte ihm den
Auftrag, die Kriegsrüftungen zu leiten, die Donationshöfe
wieder einzuziehen umd mit ihrer Hilfe die ganze Militär-
organijation zu verbeflern. Im Januar 1680 erhielt er eine
36 Dritte Periode. Die Großmachtszeit.
neue Inftruftion ?), welcher zufolge er die Verteilung der drei
Savallerieregimenter in den Provinzen Abo, Nyland und Wiborg
jo organijieren jollte, daß fie für die Zukunft Bejtand haben
fönnte 2). Gleichzeitig wurde er zum Direktor eines in Finn—
land eingerichteten Milizkontors ernannt, welches alle ökono—
mijchen Angelegenheiten der finnifchen Truppen erledigen jolite.
Die mühjame Arbeit einer Reorganijation der finnijchen Ka—
vallerie blieb Hierauf drei Jahre lang in den Händen Falken—
bergs. Sie wurde in demjelben Maß, in welchem die Reduktion
größere Mittel gewährte, ausgedehnt und war bereits weit
vorwärts gejchritten, als Falkenberg Anfang 1683 die legten
in Abo -Björneborg und Nyland- Tawaftehus auszuführenden
Maßnahmen dem Kriegstommiffar Johann Gripenberg jowie
den Yandeshauptleuten der genannten Provinzen überließ, wäh—
rend er jelbjt feine Wirkjamkeit auf die Provinz Wiborg be-
ichräntte, deren Yandeshauptmann er jeit 1681 war. So weit
man aus den in den Schreiben der Yandeshauptleute vor:
fommenden Abgaben zu jchliegen vermag, war die Reorgani—
jation in Wiborg 1684, in Abo» Björneborg 1685 und in
Nyland-Tawajtehus 1686 zum Abſchluß gediehen; jedoch wur:
den auch noch jpäter bis zum Ende der Regierung Karls XI.
unabläjjig Revifionen und VBerbefjerungen vorgenommen. Bei der
„Einteilung“ (indelning) wurde jo verfahren, daß gewiffe, durch
gute Bejchaffenheit des Bodens und durch großen Umfang aus:
gezeichnete Güter zu Reiterhöfen auserjehen wurden, deren ganze
Rente zum Unterhalt von Reitern Verwendung fand. — Gleich:
zeitig erfolgte eine Reviſion der 1640 eingerichteten Matroſen—
organijation, wobei die Anzahl der Matrojenhöfe eine bedeu-
tende Einjchränkung erfuhr, indem nur eine Strede von einer
halben Meile längs der Küſte hierfür veranjchlagt wurde ?).
1) Die frühere Inftruftion ift vom 5. Dezember 1677 batiert.
„Schwed. Reichsarchiv“.
2) Bgl. Gahm-Persſon, Kongl. stadgar angüende Svea rikes
landtmilice I, 189q. (Stodholm, 1762).
3) Gemäß einer Übereintunft mit der Krone hörten bie finnifchen
Städte 1682 mit der Stellung von Matrofen auf und erlegten ftatt befjen
eine jährliche Batanzabyabe.
Reorganifation d. Reiterei. Schaffen einer frändig. Fußtruppe (1681/82). 57
Beim Abſchluß der Kavalleriereorganijation beftand die
finniſche Reiterei, abgejehen von der „Adelsfahne”, aus den
drei Regimentern von Abo, Nyland und Wiborg, jedes zu
1000 Mann. Die alten Dragonerregimenter wurden abge-
ſchafft; jpäter nahm man jedoch den von den Vormündern
Karls XI. mit lebhaften Intereffe verfolgten Plan wieder auf,
die brach liegenden Höfe zur Verftärkfung der Reiterei anzuwenden.
Oberjtlieutenant Nils Grotenfelt übernahm 1686 die Errichtung
von zwei Dragonerfompagnieen (zufammen 300 Mann) auf den
brach liegenden Höfen in den Provinzen Wiborg und Nyſlott.
Diejes Unternehmen hatte indeffen benjelben Ausgang wie bie
früheren gleicher Art. Die Höfe waren allzu wenig ertrag-
rei, um den Dragonern Unterhalt gewähren zu fünnen, und
wurden jpäter an die Kavallerieregimenter zur Komplettierung
abgegeben.
Während die mühjame Arbeit der Ordnung des Kavallerie-
weſens noch fortdauerte, war man zu einer nicht minder um—
faffenden Reform, betreffend die Organijation der Fußregi-
menter, gejchritten. Der Zwed diefer Reform war einerjeits
die Förderung des Vorteild der Krone durch Aufrechterhaltung
einer im Krieg wie im Frieden ſtets gleich ſtarken, ſtehenden
Kriegsmacht, andrerjeits ein Entgegenfommen gegenüber ben
Wünjchen des gemeinen Mannes durch Abjchaffung der ge-
fürchteten Aushebungen. Während die adeligen Yronbauern
bisher nur Halb jo viel wie die Kron- und Zinsbauern an
den Aushebungen teilgenommen hatten, wurden jie jegt mit
ihnen gleichgeftellt. Die Provinz Wiborg war eine der erften,
wo das ftändige Halten von Kriegsfnechten zur Durchführung
gelangte. Schon 1681 — 1682 traf Walfenberg mit den
Bauern jeiner Tandeshauptmannjchaft eine darauf bezügliche
Vereinbarung, wobei diejelben, wenngleich nicht ohne Schwierig-
feit, darauf eingingen, für je vier Höfe einen Knecht zu ftelfen.
Später (1682) wurde diefer Vorſchlag den Reichstagsſtänden
unterbreitet und von ihnen genehmigt. Trotzdem glaubte man
nicht eher ang Werk gehen zu können, als bis fich die Bevölkerung
der verfchiedenen Landjchaften der Krone gegenüber kontraktlich
Schybergſon, Geſchichte Finnlands. 17
8 Dritte Periode. Die Großmachtszeit.
zur Aufrechterhaltung der Reform verpflichtet hätte. Die
Reichstagsvertreter aus den Provinzen Abo, Heljingfors und
Waſa zeigten ſich widerwillig und gaben eine ausweichende
Antwort. Aber im Laufe der folgenden Jahre wurde der Wider—
ftand durch die Yandeshauptleute gebrochen. Im Sommer 1684
berichtete der Landeshauptmann in Abo, Lorenz Creutz junior,
der gemeine Mann habe bloß den Vorbehalt gemacht, daß die
Zahl ver Höfe, welche ſich zur Stellung je eines Soldaten ver-
einigen jollten, mit Rücjicht auf die VBerarmung des Yandes
durh Mißwachs und anderes Unglüdf größer werden jollte
als in Schweden. Anfang 1685 fonnte der Yandeshauptmann
in Heljingfors, Arel Rojenhane, ein Gleiches mitteilen.
Karl XI. bejtimmte nunmehr, daß die in den drei jüblichen
Provinzen Finnlands ftehenden 6 Nußregimenter aus je 1000
Mann betehen jollten; eine Zahl, welche anfangs den Yandes-
bauptleuten im Verhältnis zu den Höfen allzu groß erichien,
jchließlich jedoch erreicht wurde. Im Jahre 1692 entwarf
Lorenz Greug junior im Verein mit den Yandeshauptleuten
in Helfingfors und Wiborg, Karl Bonde und Anders
Yindbjelm, ein Projekt, welchem zufolge ich in den Yandeshaupt-
mannjchaften Abo und Helfingfors je 2 oder 3, in Wiborg
je 3 oder 4 Höfe zum jtändigen Halten eines Kriegsinechts
vereinigen ſollten ). Nachdem diejer Vorjchlag genehmigt
worden war, jchritt man zu abjchliegenden Maßnahmen. “Die
Yandeshauptleute unternahmen 1694 und 1695 Reifen in ihren
Verwaltungsbezirfen, riefen die Grundbefiger zujammen, legten
Kontraftsentwürfe vor und ließen diejelben von Vertretern der
betreffenden Kirchipiele unterjchreiben. Nur in Savolaks machte
fich einiger Widerjtand bemerkbar, da die frühere lbereinfunft
von 1681 günftigere Bedingungen im Vergleich mit den jett
von der Regierung geforderten fejtgejtellt hatte; aber auch bier
gab man jich bald zufrieden.
Die Yandeshauptleute gaben ihrer Freude über das „nütz—
liche“ Halten von Knechten, welches fie fir den gemeinen Mann
1) Bol. Gahbm:Persion ]. c. III, 325.
Das Aufbören der Ausbebungen, mit Ausnahme von Öfterbotten. 259
weit vorteilhafter als die früheren drüdenden Aushebungen
bielten, lebhaften Ausdruck. Aus einzelnen Andeutungen ihrer
Berichte geht indeſſen hervor, daß fih die Bauern nur mit
großen Bedenken und unter ftarfem Drude zur Zuftimmung
bewegen liegen. Allmählich wurde freilich die neue Einrichtung
dem Volfe lieb, und zwar in demjelben Maß, in welchem jie
mit den Gewohnheiten und der Anjchauungsweiie der Bevöl—
ferung verſchmolz. Daß ſie im Laufe der Zeit für Finn—
land bejonders vorteilhaft wurde, läßt fich nicht bezweifeln.
Der Soldat, welcher nicht zum &arnijondienfte herangezogen
wurde, jondern als Hinterſaſſe und Arbeiter in der Heimat
blieb, war im Frieden ein thätiger und fajt immer geachteter
Zeilnehmer an der fortdauernden Kolonifationsarbeit und im
Krieg in hohem Grade zur Verteidigung der Heimat befähigt,
an welche er durch mannigfaltige Bande gefefjelt war. Von
militäriichem Gefichtspunft aus ift tadelnd bemerkt worden,
daß die neue Organijation, welche die Stärke der Regimenter
ein= für allemal fejtitellte, wegen Mangels einer Rejerve eine
Verſtärkung in Kriegszeiten nicht ermöglichte.
In Ofterbotten erlitt die Neformfrage infolge des ener-
giichen Widerjtandes jeitens der Bevölferung einen Aufichub
von fünfzig Jahren. Schon am 16. März 1681 hielt Yandes-
bauptmann Wrangel in Salo eine Verjammlung ab, um auf
den gemeinen Mann einzuwirken: aber die Bauern verweigerten
ihre Einwilligung und überjandten König Karl XI. eine Bittichrift,
worin jie betonten, die volfarme Yandichaft jei nicht imftande,
jtet8 ihr Regiment in gleicher Stärfe beizubehalten und, wofern
dasjelbe im Kriege vernichtet werden würde, jofort ein neues
aufzuftellen:; lieber wollten jie das alte Aushebungsſyſtem bei—
behalten jehen. Diejer Wunſch wurde von dem König erfüllt );
das Ofterbottnifche Regiment, die einzige von jener Yandjchaft
aufgejtelfte Truppe, blieb nach wie vor in Feſtungsgarniſon
1) Vgl. Gabm=Persion 1. ec. I, 214. — Brief bes Königs von
11. Januar 1683: „Schweb. Reihsarhiv”.
17 *
260 Dritte Periode. Die Großmachtszeit.
und wurde durch Aushebungen auf dem Beſtand von 1200
Mann erhalten ?).
In dem Lehen Kajana erhielt das Verteidigungswejen eine
noch abweichendere Form. Die jpärliche Bevölkerung diejes
Landesteils entbehrte keineswegs Friegeriicher Anlagen, war
iedoh mehr zu kühnen Parteigängerfehden, wie jie mit den
ruſſiſchen Grenzbewohnern geführt wurden, als zu regelmäßigen
Kriegsdienfte geneigt. Die durch Per Brahe erwirfte Be-
freiung von Aushebungen hatten die Bauern als ein Eoftbares
Borrecht betrachtet, welches ihnen um jo weniger genommen
werden dürfe, als jie fich während des Krieges 1656 —1657
mannbaft verteidigt hätten. Bei den Aushebungen 1676 bis
1678 flohen die waffenfähigen Einwohner faſt jämtlich, jo daß
fih nur Geiftlihe und Beamte auf den Aushebungspläten
einfanden. Eine fortgejetste Anordnung von Aushebungen er-
ichien unter jolchen Umſtänden völlig zwedlos, und Landes»
hauptmann Wrangel beantragte deshalb jchon damals eine
Befreiung davon unter geeigneten Gegenbedingungen. Nach—
dem er mit Erlaubnis Karls XI. weitere Unterhandlungen
mit den Bauern gepflogen hatte, fam e8 am 10. März 1681
zu einer Übereinkunft, die im Januar 1683 beftätigt wurde,
und in welcher jich die Bevölkerung gegen das Berfprechen
einer Befreiung vom Kriegsdienft und von Aushebungen dazu
verpflichtete, eine mäßige Abgabe zu erlegen, Yand und Grenze
mit Außerjten Kräften zu verteidigen, die Feſtung Kajana,
welche „gleichſam Schloß und Schlüffel für Norrland und das
Großfürſtentum Finnland“ bilde, zu unterhalten und in Kriegs-
zeiten 150 Mann zur Verteidigung diejer Feſte zu jtellen ?).
Die 150 Mann jtarke Kajanakompagnie wurde jpäter regel-
mäßig unter Yeitung eines bejonderen Hauptmanns einererziert.
1) Über die Annahme der neuen Organifation in OÖfterbotten (1733)
vgl. M. G. Schybergfon, Bidrag till Finlands inre historia 1721
till 1731, p. 123sqg. (Helfingiors, 1875).
2) Der Kontrakt ift gedrudt bei Gabm=Persion ]. c. I, 215. —
Bol. 8. A. Caftren, Kertoelmia Kajaanin läänin vaiheista, p. 25—27
Helſingfors, 1867),
Die Kajanakompagnie. — Staatliche Reformen Karls XI. 261
In den legten Lebensjahren Karls XI. beftand die finnifche
Armee, ohne Einrechnung der Kajanafompagnie und des fin-
niichen Adelsfähnleins, aus 3000 Mann Kavallerie und 7200
Dann Infanterie. Dieſe Zahl, welche beveutend niedriger
war als die Truppenmaffen, die Finnland während der großen
Kriege aufgeftellt hatte, überftieg keineswegs die Yeiftungs-
fähigkeit des Landes mit jeiner damaligen Bevölferungsziffer
von etwa 450000 Perſonen. — In der Provinz Kerholm
blieb die Bevölkerung von jeglicher Milttärdienftpflicht befreit.
Gleichwie bei Organifation der Armee, ſuchte Karl XI.
auch bei der Verwaltung des Staates und der Kirche eine
fefte Ordnung einzuführen. So wurde 3. B. der Yanbes-
hauptmann in Abo, Harald Ore, welcher von Falkenberg
wegen unrichtigen Verfahrens bei den Aushebungen jowie wegen
anderer Dienftvergehen angeklagt worden war, genötigt, um
jeinen Abjchied einzufommen. Vögte, Rentichreiber und andere
Steuereinnehmer mußten, wie während der Regierung Karls IX.,
nicht jelten wegen verfäumter Pflichterfüllung ins Gefängnis
wandern. Trotzdem klagte man noch in den legten Jahren
des Königs über Übergriffe feitens der niederen Beamten, was
immerhin davon zeugt, daß die Mißbräuche noch nicht voll-
jtändig ausgerottet waren.
Der lange Friede, den Finnland ſeit 1679 genoß, war für
den allgemeinen Wohlftand äußerst jegensreih. Die Koloni-
jation der brach liegenden Bauernhöfe wurde dadurch gefördert,
daß die Negierung nicht nur den Neuanfiedlern größere Frei-
heiten und Vorteile gewährte, jondern auch Landeshauptleute
wie Vögte zu fräftiger Förderung der Kolonifation aufforderte ').
Den Angaben der Landeshauptleute zufolge minderte fich denn
auch die Zahl der brach liegenden Höfe von Jahr zu Jahr.
An der Provinz Abo-Björneborg gab es 1683 noch 1078
brach liegende Höfe, 1688 hingegen nur 750, und 1692 nur
280, in dem lettgenannten Jahr in der Provinz Nyland nur
1) Schreiben des Königs an Harald Ore, 13. Oft. 1681: „Schweb.
Reichsarchiv“.
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262 Dritte Periode. Die Großmachtszeit.
268, was auf eine gleiche Verminderung jehliegen läßt. In
ver Provinz Wiborg, welche noch an den Folgen des Krieges
1656— 1658 jowie der Auswanderung nach Kerholm und In—
germanland litt, waren die brach liegenden Höfe am zahlreichiten ;
aber auch dort machte jich ein jchneller Fortſchritt bemerkbar.
In Savolats gab e8 1694 nur 70 brach liegende Bauernhöfe.
Gleichzeitig vergrößerte ji der Umfang des bebauten Areals
durch Neuanfiedelungen. Daß die früher dünn bevölferte
„Erämark“ jeit diefer Zeit in größerer Ausdehnung kultiviert
wurde, gebt daraus hervor, daß im nördlichen Satafunta, in
Tawaftland, Savolats und Ofterbotten zahlreiche neue Kirchen—
gemeinden entjtanden. Koloniften ließen fich jogar in Kuuſamo,
Kittilä und an anderen Stellen in Lappmarken nieder, wo jie
neben Steuerfreiheit auch Befreiung vom Kriegsdienfte genojien.
Die Entwidelung des Handels wurde nach wie vor durch die
reglementierende Gejeßgebung gehemmt. Beionders häufig finden
fih in den damaligen Urkunden Klagen über die Theerhandels-
gejellichaften, welche den Handel mit diejer Haupterportware
Finnlands beherrichten ). Hingegen kämpfte die Bevölkerung
der Schären erfolgreich für Freiheit des Handel und der
Schiffahrt. — Auf dem Gebiete des induftriellen Lebens ift
das Anwachien des Hüttenbetriebs beachtenswert. Finnlands
älteftes Hüttenwerk ift Svartä (im Kirchipiel Karis), welches
zur Zeit Karls IX. angelegt wurde, um für Rechnung der
Krone das Eijenerz in der Grube Djamo zu bearbeiten.
Während der Regierung Chriftinens wurde Svartä an Jakob
Wolle, einen auf vielen Gebieten thätigen Geſchäftsmann, über:
laffen, welcher auch das Hüttenwerk Antskog in Tenala anlegte.
Von anderen Hüttenwerfen jeien genannt: Billnäs und Fiskars
in Pojo, Fagervik in Ingo, Orisberg in Storkyro, Kauttua
in Eura, Kirjaffala in lstela, Tykö und Kosfis in Bijerno,
Dahl in Kimito, Skogby und Trollshofda in Tenala, Ström-
fors in Pyttis, Joa in Nykyrka (Provinz Wiborg), ſowie dag
1) Über die Schidjale der Theerhandelstompagnieen bis zum Aufhören
des Monopols (1715) vgl. O. Fyhrvall s Abhandlung in der „Historiskt
Bibliotek‘“ (1880). Nur 1682—1689 war der Theerbandel freigeneben.
Reue Induſtrieen. Mißernten. 263
Kupferhüttenwerk Kärtelä in Karis-Pojo, wo das Erz aus der
Kupfergrube Orijärvi bearbeitet wurde. Yorenz Creutz senior
und jein Sohn Yorenz Creutz junior ?), welche beide ihre Yaufbahn
al8 Beamte des Bergfollegiums begannen, waren eifrige För—
derer der Hütten- und Grubeninduftrie in Finnland. Daneben
entjtanden zwei bedeutende Bolksinduftrieen, die Salpeterberei-
tung und der Schiffbau. Die Salpeterfabrifation war in der
erften Hälfte des Jahrhunderts in Salpeterfiedereien betrieben
worden, welche die Krone eingerichtet hatte, wurde aber nunmehr
der Bevölkerung überlajjen, welche ſich, von Kroninjtrufteuren
unterwiejen, namentlich in Ofterbotten mit Erfolg dieſem Er-
werbszweig widmete. In derjelben Yandichaft geftaltete jich
gleichzeitig der Schiffbau zu einer einträglichen Einnahmequelle.
Das Handelshaus Mommorna in Stodholm richtete ſchon zur
Zeit der Vormundjchaftsregierung in Pedersöre eine größere
Sciffswerfte ein, und jpäter wurden bier wie in ben ans
grenzenden Kirchipielen in großer Zahl Schiffe für Rechnung
der Krone gebaut.
Dieſe glüdlihe üfonomijhe Gntwidelung wurde durch
aturereigniffe unterbrochen, welche die Früchte der Bemü—
bungen einer ganzen Generation auf einmal vernichteten.
Die Jahre 1674 — 1677 und 1686 — 1688 brachten Miß—
ernten im ganzen Yande. Noch härtere Prüfungen hatte
Finnland 1695 und 1696 zu beitehen. Schon gegen Ende
des leßtgenannten Jahres war die Not jo groß geworden, daß
die Bevölterung Dfterbottens nach Karelien, Rußland und
anderen Orten auszumwandern begann, und kaum bejjer waren
die Zuftände in Nyland-Tawajtehus. Der Hungersnot folgte
eine heftige Seuche, welche noch mehr Opfer dahinraffte. Im
März und April 1697 ftieg die Not bis zu einer fürchter-
lichen Höhe. Ganze Dörfer verödeten, und in einer Vogtei
itarben im Yaufe des Jahres mehr ald 5000 Perjonen. Alle
1) Lorenz Ereuß junior war 1646 geboren; 1666 wurde er Aſſeſſor
im Berglollegium, 1683 Fandeshauptmann in Abo. Yebteres Amt vers
waltete er bis zu feinem Tode (1698).
264 Tritte Periode. Die Großmachtszeit.
Gejellichaftsklaffen hatten von der Hungersnot zu leiden. Aus
Verzweiflung wurden an vielen Orten Diebftähle und Gewalt-
thätigfeiten verübt, jo daß die Yandeshauptleute befürchteten,
die gejetlihe Ordnung werde nicht aufrecht erhalten werben
fönnen. Glücklicherweiſe fiel die Ernte im Herbſt reichlich
aus, jo daß die jchwere Heimjuchung nunmehr endlich über-
ftanden war.
Einer Älteren Angabe zufolge belief fich die Zahl der im
Stifte Abo Geftorbenen vom September 1696 bis zum Sep:
tember 1697 auf mehr al8 60 000 '). In Nyland-Tawaftehus
jolfen etwa 28000, in Ofterbotten etwa 19000 Berjonen ge:
ftorben jein. Für das ganze Yand dürfte der Verluft die un-
erbörte Ziffer von gegen 100000 Menſchen erreicht haben,
jo daß ſich die Bevölferungsmenge von etwa 450000 auf
etwa 350000 Seelen verminderte. Gleichzeitig geriet eine große
Zahl von Bauernhöfen in Verfall. Aus der Provinz Kexholm,
wo die Hungersnot nicht minder verbeerend wütete, fehlen
näbere Angaben ?).
Die Yeitung der geiftigen Entwidelungsarbeit lag, wie vor:
dem, in den Händen der Bijchöfe. Im Abo begegnen wir in
ber zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts einer Weihe von
tüchtigen Bijchöfen, unter denen der jchon ©. 213 genannte
Johann Terjerus jowohl wegen feiner bedeutenden Berjönlich-
feit wie vermöge feiner wechjelvollen Lebensſchickſale einen her—
vorragenden Plag einnimmt. Durch Fönigliche Gnade und zu
nicht geringer überraſchung der Stiftsgeiftlichfeit, deren Wahl
auf den Domprediger Alanıs in Abo gefallen war, wurde er
1) „Abo Tidningar“, No. 38—40 u. No. 42 (1793).
2) Mit der Hungersnot ftanden vermutlich Unruhen in Zufanmenbang,
welche 1697 zwiichen den Bauern in ben Kirchipielen Pielis und Libelits
einerfeits umd dem bortigen Pächtern anbrerfeits ausbraden. Nur durch
Einfchreiten des Militärs konnten die Bauern zur Ruhe gebracht werben.
®gl. „Hist. Ark.“ VIII, 336.
Der Aboer Biſchof Terferus. 265
1658 zum Nachfolger des Peträus ernannt. Mit Rückſicht
auf diefen Umftand war er bei feiner Rückkehr nach Abo, das
er 1647 verlaffen hatte, anfangs nicht jonderlich willtommen,
gewann aber bald durch Fraftuolles Auftreten, Begabung und
Arbeitjamfeit einen mächtigen Einfluß. Bei Bifitationsreijen
juchte er die Zuftände in den Gemeinden fennen zu lernen, er»
mahnte die unter dem milden Negiment des Peträus über-
mütig geworbene Geiftlichfeit zu gewifjenhafter und treuer Er-
fülfung ihrer Pflichten und hielt in Öfterbotten wie in Abo
(3.8. 1660) Predigerfonferenzen ab, bei denen verjchiedene Maß-
nahmen zum Bejten der Gemeinden getroffen wurden, nament-
lich inbezug auf die allgemeine Bildung. Nach einer Angabe
des Terjerus war die Kenntnis des Lejens jchon damals bei
der jüngeren Bevölkerung Ofterbottens, auf Aland und in
einigen Gemeinden des Schärengartens bei Abo faſt allgemein
verbreitet. Aber jo eifrig fich auch Terſerus für die För—
derung der Volksaufklärung intereijieren mochte, jo fonnte er
fih doch nicht in allem über die bejchränften Gefichtspunfte
jeiner Zeit erheben. Er teilte nämlich die abergläubijchen
Anichauungen feiner Umgebung und befundete feinen Cifer, das
Böſe auszurotten, gelegentlich des Prozeffes, welcher bei dem
akademischen Konfiftorium gegen einen der Zauberei angeflagten
Studenten, Heinrich Eolenius, anhängig gemacht wurde. Ob-
wohl mehrere Mitglieder des Konfiftoriums einer milderen
Auffaffungsweije huldigten, jeßte er e8 durch, daß Eolenius
zum Tode verurteilt wurde. Glücklicherweiſe kam die An-
gelegenheit vor das Forum des Univerſitätskanzlers Per
Brabe, der fih mit der gewohnten Milde und Vorurteils-
Iofigfeit zugunften des Angeklagten ausſprach, jo daß dieſer
1662 nur zu einer öffentlichen Kirchenbuße verurteilt wurde.
Das Verfahren, welches Terſerus bei dieſer Angelegenheit
beobachtete, gereichte ihm bald genug zum Verderben. Im
Jahre 1663 hatte er einen werdienftlichen Kommentar zum
Katehismus publiziert, worin einige Sätze vorkamen, welche
den orthodoren Eiferern mißfielen. Einer von dieſen, der
ftreitluftige Profefior der Theologie, Enevald Svenoniug,
266 Dritte Periode. Die Großmachtszeit.
hatte nichts Eiligeres zu thun, als auf die nach jeiner An—
jicht der Kirchenlehre widerjtreitenden Säge in dem genannten
Werft aufmerkſam zu machen. Terſerus wies zwar bei einem
Disputationsaft die Beichuldigungen des Profeffors zurüd,
ereiferte jich aber und gab dadurch jeinen Gegnern An—
laß zu neuen Angriffen. Die Erledigung des Zwiftes wurde
von dem Konfijtorium an den Univerfitätsfanzler Per Brahe
überwiejen, welcher dem Biſchof wegen des oben erwähnten
Prozejjes noch grollte und daher mit aller nur möglichen
Strenge zu Werke ging. Er denunzierte Terſerus bei der
VBormundjchaftsregierung, und dieſe berief eine größtenteil® aus
Feinden des Biſchofs bejtehende Unterfuhungstommiffion, welche
1663 die vorläufige Amtsenthebung desjelben durchjegte. Ver:
gebens juchte Terjerus auf dem Neichstage von 1664 den
geiftlihen Stand umzujtimmen. Sein Geichid war im voraus
entichieden; am 25. Auguft wurde er jeines Amtes entjegt.
Seine jpäteren Erlebniffe liegen außerhalb der Gejchichte Finn-
lands; 1671 wurde er Biichof zu Yinköping und verwaltete
diejes Amt bis zu jeinem Tode (1678).
Sein Nachfolger auf dem Äboer Bijchofsjtuhle (1664
bi8 1690), Johannes Gezelius senior !), wirfte eifrig für
Erhöhung der geiftigen Bildung in Finnland. Gr bejuchte
häufig die Stiftsgemeinden, ermahnte in Hirtenbriefen bie
Seiftlichfeit unabläffig zu fleißiger Arbeit und juchte durch
Cramensvorjchriften die Bildung der Geijtlichen auf eine höhere
Stufe zu bringen. Die von ihm 1673 erlaffenen „Erinne-
rungen“ fönnen als ein bejonderes Kirchengejeg für das Bis—
tum bo angefehen werden. fleichzeitig waren jeine Blide
beftändig auf Verbefferung des Unterrichtsweſens gerichtet.
Auf dem Reichstage von 1682 unterbreitete er dem geiftlichen
Stand einen Schulordnungsentwurf („ methodus informandi “),
1) Geboren 1615 in Weitmanland, ftudierte er in Upſala und Dorpat,
wurde 1641 in der letgenannten Stadt Profeſſor des Griechiichen und
der orientalifhen Spracden. Bon 1649 bis 1660 war ev Prediger in
Schweden, darauf Generalfuperintendent in Yivfand ſowie Vrokanzler der
Dorpater Univerfität. Nach Abo fam er 1665.
Terſerus' Nachfolger Gezelius (1664— 1690). 267
welcher allerdings nicht genehmigt wurde, im Stift Abo je-
doch anjcheinend in Geltung gewejen ift ). An Eifer für
Berbeiferung des Kinderunterrichts überragte er die meijten
Zeitgenoffen. In dem Bistum gab es damals auf dem Yande
nur drei Kinderjchulen (Pädagogien): nämlich in Kimito, in
Lojo (jeit 1661), jowie in Saltvif auf Aland. Gezelius war
indefjen der Anficht, daß alle Gemeinden derartige Lehranftalten
befigen müßten. Er beabjichtigte die Einrichtung eines allge:
meinen Bolksunterricht8 mit — um einen modernen Ausdrud
zu gebrauchen — fejten Volksſchulen und unter ihnen ftehenden
ambulatorijchen Schulen, und zwar jollte fi der Unterricht
eng an die kirchliche Yehrthätigkeit anjchliegen. Das Inter:
ejfe der Geiftlichkeit jollte die Kinderſchulen auf ihrer Höhe er-
halten und die Inſpektion derjelben in den Händen der Kirche
ruben. Diejer Plan jcheiterte jedoch an der Schwierigkeit, Mittel
zum Unterhalt der Schulen jowie zur Bejoldung der Yehrer
ausfindig zu machen; erjt um vieles jpäter wurde die Frage
eines allgemeinen, geordneten Bolfsichulunterrichts von neuem
angeregt.
Bon größerer unmittelbarer Bedeutung waren die Be—
mühungen des Biſchofs, die Geiftlihen zu reger Thätigfeit
behufs Berbreitung von Kenntniffen im Volk anzujpornen.
Unabläjjig ermahnte er in feinen Zirkularjchreiben die Geift-
lichkeit, für eine allgemeinere Kenntnis des Yejens zu jorgen.
Bei jeinen häufigen Viſitationen unterjuchte er, in welchem
Maße die Gemeinden in diejer Hinficht Fortichritte gemacht
hätten, und in den oben erwähnten „Erinnerungen“ erließ er
jogar die Vorjchrift, daß „niemand zur Verlobung abmittiert
werden jollte, der nicht, abgejehen von anderen Kenntniffen,
einen guten Teil der Erklärung des Katechismus auswendig
wüßte“, eine Bejtimmung, welche jpäter in das Sirchengejeg
von 1686 aufgenommen wurde und zur Verbreitung der Kennt—
nis des Yejens wejentlich beitrug. Bon hoher Bedeutung für
1) Der „Methodus informandi‘, welcher 1683 zuerſt erſchien, ift von
W. ©. Lagus in: „Handlingar rörande Finlands Kyrkohistoria“,
ny följd, h. 2, p. 61—80 (Abo, 1836—1839) veröffentlicht worden.
208 Dritte Periode. Die Großmachtszeit.
die Volksaufklärung wurden auch die finnifchen und jchwe-
diſchen Erbauungsjchriften und religiöjen Yebhrbücher, welche
Gezelius ausarbeitete oder in neuen Auflagen herausgab. Noch
heute wird fein Heiner finnijcher Katechismus vielfach in Finn-
land angewendet. Gezelius senior fann baber als der Be-
gründer der Volfsbildung Finnlands betrachtet werden, jo, wie
biefelbe bi8 in das 19. Jahrhundert hinein fortbeftanden bat.
Auh um den höheren Glementarunterricht erwarb jich
Gezelius unvergeßliche Verdienfte. Der Mangel an Mitteln
war bie Klippe, an welcher feine Pläne auch auf diefem Ge-
biete Häufig ftrandeten; indeſſen gelang es ihm, wenigſtens
einige jeiner Wünjche durchzujegen. Die Pädagogien in Uleaͤ—
borg und Tawaftehus wurden 1682 und 1690 auf jein
Begehren in Trivialichulen umgewandelt. Gleichzeitig wurbe
die Trivialſchule in Nyfarleby erweitert und 1684 nah Waja
verlegt. Die Fürjorge des Biſchofs für eine Förderung ber
Trivialſchule oder, wie man gewöhnlich jagte, der Kathedral—
ſchule zu Abo, bethätigte fich umabläffig. Unter feiner für-
jorglichen Leitung wurde jene Lehranſtalt immer mehr ver
Mittelpunkt für den Elementarunterriht im ganzen Bistum.
Das Wiborger Gymnaſium, deſſen Unterrichtsplan umfang:
reicher war, jcheint bezüglich ver Lehrreſultate durch jene Schule
überflügelt worden zu fein, wie fich aus einem Zeugnis jchließen
läßt, welches 1688 auf Verlangen von Gezelius beim Son:
fiftorium in Abo eingereicht wurde. Ein zeitgenöffiicher Ver—
faffer rühmt die Aboer Kathedralſchule jowohl wegen der großen
Schülerzahl (300) wie auch wegen des trefflichen Unterrichts ').
Die Auffaffung des Biſchofs Gezelius von den afademijchen
Studien, welche er als Prokanzler zu beauffichtigen hatte,
wurde durch jeine theologiſche Anjchauungsweife beeinflußt.
Anstatt die Ketten zu brechen, in welche die Orthodorie die freie
Forſchung geichlagen hatte, juchte er diejelben noch zu verftärten.
Aber in anderer Hinficht übte er auch als Profanzler einen
1) D. Juslenius in feiner Difiertation: „Aboa vetus et nova“ (Abo,
1700).
Schulreformen. Gezelius d. 3. 269
wohlthätigen Einfluß aus; jo z. B., indem er in die verwicdelte
Verwaltung der Ilniverfität Ordnung bineinbrachte, von den
Profejjoren ftrenge Pflichterfüllung verlangte und für die Stu:
denten zahlreiche Yehrbücher herausgab, deren Drud in einer
von ihm gegründeten und 1668 dem Buchdruder Johann Winter
überlaffenen Buchdruckerei erfolgte. Biſchof Gezelius senior
itarb am 20. Januar 1690.
Sein Sohn und Nachfolger, Johannes Gezelius junior, war
inbezug auf Anfichten und Auffaffung feines Berufs ein ge-
treues Ebenbild des Vaters. Geboren 1647 in Dorpat, ſtu—
dierte er in Upſala und folgte fpäter jeinem Vater nach Abo,
um jich dort unter der Yeitung desjelben für den geiftlichen
Beruf vorzubereiten. Nach jeiner Rückkehr von einer mit fönig-
licher Unterftügung unternommenen, ausgedehnten Reiſe ing
Ausland wurde er 1675 in Abo als Umiverfitätslehrer an-
gejtellt. Im Jahre 1684 erfolgte jeine Beförderung zum
Superintendenten in Ingermanland, wo er eifrig für den Über-
tritt der Griechiſch-Orthodoxen zur lutheriichen Lehre wirkte;
1689 kehrte er nach Abo zurüd, um bei ber Leitung des aus—
gedehnten Bistums dem Vater zu helfen, und wurde jchließlich
der Nachfolger desjelben. Die bijchöflihe Gewalt hatte da—
mals durch das allgemeine Kirchengejeg von 1686 eine ge-
wife Einjchränfung erfahren. Gezelius fonnte deshalb auch
nicht in gleihem Maße, wie jein Vater, als kirchlicher Gejeß-
geber thätig fein; aber inbezug auf die Überwachung des kirch—
lichen Lebens zeigte er jich nicht minder eifrig als jener. Durch
Inſpektionsreiſen, Hirtenbriefe und Predigerfonferenzen juchte
auch er umter der Geiftlichfeit des Stifts einen guten Geift auf-
recht zu erhalten. Gleichzeitig jegte er die Herausgeber: und
BerfafjertHätigkeit jeines Vaters fort und veröffentlichte u. a.
1701 eine neue Auflage des finnischen Pjalmbuches. Bedeutungs-
voller als litterarifches Erzeugnis war das große Bibelwerk in
ſchwediſcher Sprache, beffen Herausgabe bereits von jeinem Vater
mit Unterftügung durch öffentliche Mittel begonnen war, fich aber
infolge ungünftiger Umftände jo verzögerte, daß der erite Band,
welcher die erjte Hälfte des Neuen Teſtamentes enthielt, erſt
270 Dritte Periode. Die Großmachtszeit.
1711, und der lebte Teil erjt 1728, d. b. lange nach dem
Tode von Gezelius junior (1718), erjchien.
Während jeiner Studienreifen in Deutichland hatte Ge-
zelius junior eine vertrauliche Bekanntſchaft mit Spener an—
geknüpft umd ich zu deſſen Anichauungen bingezogen gefühlt.
Als ſich aber jpäter die Lehren Speners in Finnland ver:
breiteten, wurde er einer der eifrigiten und rückſichtsloſeſten
Gegner derjelben. Oſterbotten war der Herd der religidjen
Schwärmere. Bon dort aus fam um 1680 Yars Ulſtadius,
Lehrer an der Uleiborger Trivialichule, nach Abo, um ein
reineres chriftliches Yeben zu predigen. Sein bis zum Wahn-
wit gejteigertes, gewaltiames Auftreten veranlaßte 1693 die
Einleitung eines Prozeffes, welcher mit jeiner Verurteilung zu
Gefängnis endigte. Zu feinen Anhängern gehörten u. a. Olof
Ulhegius und Yars Yithovius; der bervorragendjte unter ihnen
aber war der Magijter Peter Schäfer, welcher Ulſtadius an
Begabung weit übertraf und an Yeidenjchaftlichkeit ihm gleich
fam. Auf Grund eines am 28. November 1689 beim Con-
sistorium academicum eingereichten Slaubensbefenntnifjes wurde
Schäfer beim Hofgericht verklagt, welches ihn, nachdem er jeine
Lehren widerrufen und Abbitte geleiftet hatte, zu öffentlicher
Kirchenbuße verurteilte. Um diejer Strafe zu entgehen, begab
er fih ins Ausland nach Deutjchland, Frankreich, Holland,
England ſowie jehlieglih nach Amerika. Als er von dort, durch
Armut und Krankheit niedergebeugt, 1701 nach Abo zurück—
gekehrt war, verhielt er jich zumächjt ruhig. Später (1707)
veranlaßte jedoch fein Auftreten die Eröffnung einer neuen
Unterfuchung gegen ihn, welche 1709 mit jeiner Verurteilung
zu lebenslänglicher Haft endigte. Er ftarb 1728 zu Gefle im
Gefängnis. Auch gegen den Prediger in Pudasjärvi, Johann
Wegelius, welcher von einem neidijchen Kollegen fälſchlich der
Hinneigung zum Pietismus bejchuldigt worden war, bewies
Gezelius junior einen ihm zu geringer Ehre gereichenden Ver:
folgungseifer, indem er ein außerordentliches Konfiftorialgericht
einberief, welches unter jeiner Yeitung 1691 mit Wegelius in
Uleiborg ein Verbör anftellte und denjelben ohne jeden recht:
Pietiftenverfolgungen. — Das Bistum Wiborg. 21
mäßigen Grund zur Dienftenthebung verurteilte. Allerdings
wurde Wegelius auf Grund einer Bejchwerde beim Könige
jpäter wieder in jein Amt eingejegt und Gezelius wegen jeiner
übereilten Handlungsweife verwarnt. Von Anhängern der
pietijtiichen Lehren ift jchließlih Iſaak Laurbeck (geft. 1716)
zu nennen, der, obwohl er an der des Pietismus verbäch-
tigen Altdorfer Hochichule ftudiert hatte, dennoch 1702 eine
Stelle ald Adjunft der Theologie an der Aboer Univerjität er:
bielt. Da er dort bei Predigten wie bei Disputationen als eif-
riger Pietift auftrat, machte Gezelius gegen ihm einen Prozeß
anhängig, welcher 1708 dahin führte, daß Yaurbef von dem
Aboer Domkapitel zum Verluft jeiner Ämter und Titel jowie
zum Widerruf jeiner Irrlehren verurteilt wurde.
In dem Bistum Wiborg lag das Kirchenregiment, wie
ihon früher, gewöhnlich in jchwachen Händen. Cine energijche
Perjönlichkeit war Biihof Petrus Bing (1681—-1696), welcher
als Profeffor der Theologie in Abo in jeinem ortbodoren Eifer
jogar mit Enevald Svenonius gewetteifert hatte. Die von ihm
1688 in Wiborg begründete Buchdruderei, die dritte im ganzen
Yande, bejtand bis 1710, publizierte jedoch nur wenige Bücher,
da Büng von Anfang an mit feinem Unternehmen Unglück
hatte. So wurde der finnijche Katechismus, den er 1689 dort
batte druden lajjen, auf Grund einer Klage des Biſchofs Ge-
zelius junior vom Könige verboten, und alle Veriuche Bängs,
eine Aufhebung diejes Urteil zu erwirfen, blieben vergeblich ').
Gleich vielen anderen leitenden Männern der Kirche bejah
Bäng eine eigenmächtige, ftreitjüchtige Natur. So erhielt er z. B.
von Karl XI. eine jcharfe Verwarnung, weil er für die Provinz
Kexholm einen Erlaß, betreffend die Wahl von Vertretern zum
Reichstag von 1686, ausgefertigt hatte, und in jeinem letzten
1) F. 8. Pipving, Bidrag till en historia om Gymnasii boktry-
ckeriet i Wiborg, in: „Bidrag till kännedom om Finlands natur och
folk, utg. af Finska Vetenskapssocieteten“ IV, 1, 3-48 (Helfingfors,
1859). — Bgl. auch G. Lagus, Nya upplysningar om Gymnasii
boktryckeriet i Wiborg, in: „Svenska Literatursällskapets i Finland
Förhandlingar och uppsatser“ VIII, 181—194 (Heliinafors, 1894).
272 Dritte Periode. Die Großmachtszeit.
Cebensjahre wurde er zu einer Geldſtrafe und zur Yeiftung
einer Abbitte verurteilt, weil er jich bei einem Prozeß gegen
den Landeshauptmann in Wiborg, Anders Lindhjelm, Fränfender
Äußerungen bedient hatte. Seine Nachfolger Petrus Laur-
behius (1696— 1705) und David Yund (1705—1711) ver:
mochten wegen Ausbruch des Krieges mit Rußland für bie
geiftige Förderung des Stifts nicht wirkſam zu arbeiten.
Die Form des litterariichen Schaffens wurde in der da—
maligen Zeit durch die kirchliche Richtung bedingt. Die Theo-
(logie war die herrſchende Wiffenjchaft, und ihre Adepten waren
unter den Schriftftellern am meiften gefeiert. Auf dem Ge:
biete der Theologie gehörte der ſchon früher genannte Pro-
feffor Enevald Svenonius (1617—1688) !), auf demjenigen
der Philojophie der jcharffinnige Anders Thuronius zu den
hervorragenditen und probuftivften Verfaſſern. — Die berr-
ſchende theologiſche und jcholaftiiche Richtung verhinderte das
Aufblühen der klaſſiſchen Studien. Der beveutendfte Vertreter
der klaſſiſchen Richtung an der Äboer Hochſchule war der Pro-
jeffor Daniel Achrelius (1644—1692) ?). — Bon ebenjo ge-
ringer Bedeutung für das litterarifche Leben waren die hiſto—
rijchen Studien. Man verfuhr, wenn man jich einmal auf das
Gebiet der einheimifchen Gejchichte hinauswagte, völlig un—
fritijch, betrachtete Mythen und Sagen als vollgültige Wahr:
heiten oder brachte leere Vermutungen über die uralte Größe
und Macht des Nordens vor. Johannes Rudbecks berühmtes
Werk „Atlantiea‘ diente hierbei al8 Vorbild. Doch machten
jich einzelne Anzeichen bemerkbar, welche eine gejundere hiſto—
riſche Forſchung prophezeiten und als Vorläufer der reich
haltigen topographijch-hiftorijchen Litteratur des folgenden Jahr-
hunderts angejehen werben fönnen. So publizierte Georg
1) Vgl. 9. Räbergb, Teologins studium vid Abo Universitet 1,
in: „Skrifter utgifna af Svenska Literatursällskapet i Finland“ XXIII,
37—59 (Hellingfors, 1893).
2) Bol. I. U. Heitel, Filologins studium vid Äbo Universitet,
in: „Skrifter utgifna af Svenska Literatursällskapet i Finland“ XX VI,
72—79 (Helfingiors, 1894).
Finnlands Wiflenfchaft im ausgehenden 17. Jahrhundert. 278
Haveman 1694 in Dorpat eine Rebe über Wiborg, welde in
befriedigender Weife den Zuftand jener Stadt gegen Ende des
17. Jahrhunderts ſchildert. Noch beachtenswerter erjcheint die
1700 veröffentlichte Disputation: „Aboa vetus et nova“,
deren Berfaffer, Daniel Juslenius (1676—1752), zwar bie
unfritifchen Borftellungen feiner Zeit über den Urfprung und
die Älteren Schidjale feines Volkes teilt, aber deſſen Auf:
ichlüffe über die Gejchichte der Stadt Abo jowie über topo-
graphiiche und abminiftrative VBerhältniffe noch heutiges Tages
von Wert find. Die Antiquitätsforichung bejaß einen hervor—
ragenden DVertreter in dem Afjeffor im Antiquitätsfollegium,
Elia Brenner (1647—1717), welcher aus Storfyro ftammte
und der erjte war, der Finnlands Altertumstunde ftudierte.
Auf dem Gebiete der Numismatif ift feine Arbeit: „The-
saurus nummorum Sueo-Gothicorum‘“ beachtenswert. Auf
dem Felde der Naturwiffenjchaften wirkte Elias Tillandz
(1640— 1693) als Bahnbrecher. — Die Poefie bejtand noch
faft ausjchließlih aus Gelegenheitsgedichten bei Lniverfitäts-
oder Familienfeften. Der vieljeitige Daniel Achrelius verfaßte
eine nicht geringe Anzahl von lateinischen wie ſchwediſchen Ge-
dichten. Reicher begabt als Dichter war der unter dem Namen
Filfienftebt geadelte Johann Paulinus (geb. 1655 in Björneborg,
geit. 1732 als Reichsrat). Mit ihm wetteiferte an Ruf ber
in Schweden geborene Torften Rudeen (geft. 1729 als Bijchof
von Linköping), welcher als Profeffor in Abo durch feine Iatei-
nijchen und jchwediichen Poefieen zur Erhöhung des litterarifchen
Lebens an der dortigen Lniverfität beitrug. Verdienſtvolle
Dichter in finnischer Sprache waren: Johann Cajanus (geit.
1681), Anders Aſchelinus (geft. 1703), Gabriel Tuderus
(geft. 1705), ſowie 3. Lithovius (geft. 1743). Noch tiefer
in die VBolfsichichten drang das Gedicht „Hlolaulu Jesuksesta *
des Matthias Salamnius (geft. 1691), welches in einfacher,
kräftiger Sprache im Anſchluß an die Evangelien die Geburt,
das Leben und den Tod bes Heilands jchildert ').
1) S. Elmgren, Pocsins tillständ i Finland pä 1680- och 1690-
talen, in: „Lännetär“ IV, 46—71 (Helfingfors, 1869).
Schybergſon, Geſchichte Finnlanbe. 18
274 Dritte Periode. Die Großmachtszeit.
Im übrigen behauptete die nattonalfinnijche Fitteratur unter
den lateinijchen und ſchwediſchen Arbeiten noch einen beichei-
denen Platz. Mehrere Predigten jowie religiöjfe Erbauungs-
und Lehrbücher wurden in finnijcher Sprache publiziert. Von
der finniſchen Bibel erjchien 1685 eine neue Auflage, deren
Redaktion hauptſächlich der auch jonft um die Pflege des fin-
nijchen Idioms verdiente Prediger in Bemar, Heinrich Florinus
(gejt. 1705), bejorgt hatte. Zu erwähnen iſt endlich, daß eine
große Menge von königlichen Erlaffen durh Erich Juſtander
ins Finnische überjegt wurde.
Viele Zeugnifje befunden die damals in Finnland berr-
ichende Roheit der Sitten. In Ofterbotten, namentlich in
den ſchwediſchen Küftenfirchipielen, fam es nach 1670 zu einer
gewaltſamen Herenverfolgung, welche zahlreiche Opfer erheiichte.
In Waſa wurden Juli 1675 fünf, in Wöri 1676 ſechs ver
Zauberei angeflagte Weiber verbrannt ). Daß auch hochgebildete
Männer eine abergläubijche Furcht vor Hererei hegten, erweiſt
der ©. 265 erwähnte Prozeß des Biſchofs Terjerus gegen den
Studenten Eolenius. Rang- und Titelfucht waren in jener Zeit
allgemein verbreitete Schwächen und riefen häufig Hleinliches Ge-
zänt hervor. Zu den Schattenjeiten des damaligen Yebens
gehörte auch die wilde, übermütige Lebensweiſe der Studenten.
Gewaltſame Straßenauftritte in den Nächten jowie Zujammen-
rottungen gegen die Zivilbehörden waren etwas ganz Gemwöhn-
liches. Andrerjeits zeichnete fich jedoch jene Epoche durch eine
tiefe, ernjte Gottesfürchtigfeit aus, welche alle Verhältnifie
durchdrang, wenngleich vielfach auf dem Lande noch heidniſche
oder katholiſche Vorſtellungen fortlebten.
1) 4. ©. Fontell, Anteckningar rör. hexväsendet i Österbotten
pa 1670-talet, in: „Hirt. Ark.“ VIII, 105—114 (Helfingfors, 1884).
Vierte Periode.
Der große nordiſche Ktrieg und die Freiheitszeit.
l. Karl XII. und der große nordiſche Krieg ').
Finnlands Gejchichte während des großen norbifchen Krieges
it von Anfang an nichts weiter als eine Aufzählung miß-
fungener Eriegerifcher Unternehmungen und furchtbarer Heim-
ſuchungen. Schon im erften Kriegsjahre (1700) wurden die
Kräfte des Yandes mehr denn je zuvor oder nachher für die
Aufitellung von Truppenmaffen in Anjpruch genommen. Nach-
dem jich dieſe Truppen nebjt den jtehenden Regimentern (zufammen
mebr ald 14000 Mann) auf den Kriegsichauplag begeben hatten,
war ‚Finnland zunäcjt von Berteidigern entblößt. Erſt im
Herbit gelang es dem Yandeshauptmann in Nyland: Tamwaftehus,
1) Quellen und Nachſchlagewerke zur Geſchichte Finnlands unter Karl XII. :
Yrjö Kostfinen, Lähteitä Ison Vihan historiaan 1 (SHelfingfors,
1865); N. Koslinen, Suomen kansan historia, 2. Aufl. (Helfingfors,
1881); 3. Mankell, Anteckningar rör. finska armöns och Finlands
krigshistoria, Bd. I (Stodbelm, 1870); 8. DO. Findeapift, Suomen
oloista Json Vihan aikana (Helfingfors, 1886); 3. I. Tenaftröm,
Gezelii den yngres minne (Helfingfors, 1833); „Abo Tidningar‘ (1776,
1789, 1791); 3.4. Nordberg, Konung Karl XII» historia, 2 Bbe.
(Stodholn, 1740); Geijer-Carlſon, Gefhichte Schwedens :c., Bd. VI
(Gotha, 1887); „Historiska Handlingar till trycket befordrade af
Kongl. samfundet för utgifvande af handskrifter rör. Skandinaviens
historia“, ®d. IX u. X (Stodbolm, 1874 u. 1879).
18*
276 Bierte Periode. Der große norbiiche Krieg und bie Freiheitszeit
Abraham Eronhjort, den Hauptitamm einer neuen Armee zu—
fammenzubringen, welche nach Ingermanland verlegt wurde und
Srondjort zum Befehlshaber erhielt. Infolge aller dieſer
Aushebungen wurde der Volksmangel in Finnland jo groß,
daß jchon 1702 Hofeigentümer zum Militärdienſt eingezogen
werden mußten, und daß bald aus ben verjchiedenjten Yandes-
teilen Klagen erjchollen, weil zahlreiche Höfe dem Ruin ver-
fielen. Nur Ofterbotten wurde damals noch verhältnismäßig
geſchont.
Die Armee Cronhjorts belief ſich Anfang 1701 auf etwa
7000 Mann, eine Heeresmacht, welche unter tüchtiger Leitung
und günſtigen Umſtänden keineswegs zu verachten geweſen wäre.
Aber der faſt ſiebzigiährige Cronhjort entbehrte als Ober—
befehlshaber jeder Energie. Zudem war die Mannſchaft ungeübt,
ſchlecht ausgerüſtet und über ihre Trennung von der Heimat
mißvergnügt. Schon bei den erſten Scharmützeln mit dem
Feinde flohen die Soldaten und ließen ihre Offiziere im Stich.
Irgendein größerer Erfolg war deshalb von vornherein kaum
zu erwarten.
Im Auguſt 1702 zwangen die Ruſſen unter Scheremetieff
die Truppen Cronhjorts, ſich über die Newa in nördlicher
Richtung zurückzuziehen. Auch vertrieb ein ruſſiſches Geſchwa—
der die ſchwediſchen Kriegsſchiffe aus dem Ladoga. Am 28. Sep-
tember umzingelten die Ruſſen Nöteborg, welches nur von etwa
250 Mann unter Oberſtlieutenant G. W. Schlippenbach ver—
teidigt wurde. Der Kommandant und die Beſatzung wehrten
ſich heldenmütig; aber die Feſtung, welche auch von der See—
ſeite her angegriffen wurde, konnte auf die Dauer der geg—
neriſchen Artillerie nicht ſtandhalten. Am 12. Oktober machten
die Ruſſen einen Sturm; zweimal wurden ſie zurückgeſchlagen,
dann aber kapitulierten die Verteidiger der Feſtung gegen freien
Abzug. Die Nachricht vom Falle Nöteborgs wurde von den
Ruſſen mit ebenſo lebhafter Freude begrüßt, wie ſie bei den
Schweden Überraſchung und Trauer erregte. Zar Peter gab
der Feſtung den Namen Schlüfjelburg, da er erkannte, daß
der Schlüffel zu Ingermanland und den Ländern am Finni-
Die erften Jahre des norbifchen Krieges. Gründung v. St. Petersburg. 277
ihen Meerbujen in feine Hände gefallen war. Wie gefahrvolf
die Lage Finnlands war, zeigte fich bereits im März 1703,
als Scheremetieff mit 4000 Schneefhuhläufern einen Einfall
in den jüdlichen Zeil der Provinz Kerholm unternahm und
beim Dorfe Lipola eine Abteilung von 600 Mann unter dem
Major Karl v. Burghaujen faft vollftändig vernichtete. Das
Hauptziel der ruſſiſchen Beftrebungen war indefjen die Erobe-
rung von Nyenſkans, welche den Weg zu einer unmittelbaren
Verbindung mit dem Meer eröffnen ſollte. Gegen Ende April
marjchierte Scheremetieff gegen die genannte Feſte, deren Kom-
mandant, Oberftlieutenant Johann Apolloff, nah tapferem
Widerftand am 4. Mai fapitulieren mußte Die Bewohner
der Stadt Nyen flohen größtenteild® nah Wiborg, wo fie
jpäter anfäjfig wurden. Nunmehr faßte Zar Peter den fühnen
Entſchluß, mitten in Feindesland eine neue Hauptftadt zu grün-
den. Nyenſkans, welches von der Mündung der Newa allzu
weit entfernt lag, wurde zerftört; jtatt deſſen ließ der Zar auf
der Injel Yänisfaari an der Mündung der Newa jelbjt eine
Feſtung anlegen, welche St. Petersburg genannt wurde. Gleich:
zeitig breiteten fich die ruſſiſchen Truppen ungehindert in In—
germanland aus, wo noh im Mai Jama und Koporie in
ihre Hände fielen.
Erjt zu Beginn des Sommers brad Cronhjort mit feiner
Armee auf. Er näherte ſich Petersburg und zerftreute in ber
Nähe diejer Stadt an der Meeresfüfte am 11. Juni bei Lahis
eine ruſſiſche Vorpoftenabteilung, mußte fich jedoch bald auf
den Rückzug begeben. Am Spyfterbäd hatte er am 9. Juli einen
heftigen Kampf mit einer ſtarken ruſſiſchen Armee zu beftehen.
Yange bielt er mit feinen etwa 4000 Mann der feindlichen
Übermacht ftand, zog fich aber fchließlich, da er umgangen zu
werden befürchtete, in der Richtung nah Wiborg mit einem
Verluft von ungefähr 500 Toten und 200 Verwundeten zurüd.
Der im Herbft 1703 zu feinem Nachfolger ernannte Georg
Johann Maydell unternahm mehrere Angriffe gegen Petersburg
und deſſen Umgebung, um ſich der genannten Stadt zu be-
mächtigen oder wenigftend den Feind zu beunrubigen; aber
2i8 Bierte Periode. Der aroße norbiihe Krieg und die Freiheitszeit.
unglüdlicherweije waren feine Streitkräfte jo ſchwach und feine
Mittel auch im übrigen jo gering, daß er faum auf größeren
Erfolg Hoffen konnte. Im Sommer 1704 wollte er, zujammen
mit der im Finniſchen Meerbujen ftationierten Flotte, durch
eine Erpebition gegen die junge Stadt an der Newa dem be-
lagerten Narwa helfen. Allein diefer Berjuh mißlang, und
ebenjo geringen Erfolg batte ein zweiter Angriff, den er
Anfang August in gleicher Abficht unternahm. Beſſer erjchienen
die Ausfichten einer Zerjtörung der Feſtungen Kronjlott und
Kronftadt, welche der Zar 1704 zur Dedung der Mün—
dung der Newa auf der Injel Retujaari anzulegen begonnen
batte. Gegen Ende Januar 1705 wurde Oberft 8. G. Arm
felt mit 1000 Mann nach Kronftadt entjandt; derjelbe jugte
die ruſſiſchen Truppen in ihre Befejtigungen und fehrte darauf
glücklich nah Finnland Heim. Ernftlicher waren die Be—
mühungen des Admirals Ankarjtjerna, während des Sommers
auf Retufaari feiten Fuß zu faffen; aber fein Landungs—
verjuch mißlang, und die ruſſiſche Flotte war unter dem Schu
der Artillerie und der Feſtungswerke unangreifbar. Das Jahr
1706 wurde beiderſeits mit Fleineren Plünderungszügen ein—
geleitet, worauf Maydell Anfang Yuli mit 4000 Mann eine
neue Expedition gegen Petersburg unternahm, welche jedoch,
wie die im Vorjahr, rejultatlos verlief. Am 12. Oktober er:
ihien Zar Peter an der Spike einer Armee von etwa 20 000
Mann vor Wiborg. Schon war die Feſtung heftig bombar-
diert und Maydell, welcher die Verteidigungsanftalten leitete,
fejt entichloffen, die Stadt zu verlaffen, um Mannjchaften zu
ihrem Entjag aufzubieten, als plöglich zu feiner Überrajchung
der Zar in der Nacht vom 27./28. Dftober mit allen jeinen
Truppen abzog. Proviantmangel und die Bejorgnis, abge-
jchnitten zu werben, bewogen Peter, diesmal auf die Eroberung
der Schugwehr Finnlands im Oſten zu verzichten ).
Bald darauf legte Maydell den Dberbefehl nieder. Sein
Nachfolger wurde im Januar 1707 der Landeshauptmann der
1) Gabr. Lagus, Nägra förbällanden i Wiborg under stora ofre-
dens första skede (Wiborger Fycealprogramm 1886— 1887).
Die Kriegsjabre 1704 -1708. 279
Provinz Wiborg, Georg Yybeder, welcher leider bei den wich-
tigjten Entjcheidungsfämpfen eine bedauerliche Unentſchloſſenheit
und Schwäche an den Tag legte.
Während fih Karl XI. 1708 zum Einfall in Rußland
rüftete, plante Lybecker gleichzeitig einen Angriff gegen Peters-
burg '). Zu diefem Behufe erfolgten in Finnland jo umfang:
reiche Kriegsrüftungen, daß die Armee auf etwa 12000 Mann ge-
bracht wurde. Schon im Vorfrühling juchte jih Admiral Ankar—
itjerna mit der Flotte Kronftadt zu nähern, wurde jedoch durch
Gegenwind in Reval aufgehalten; ein Umſtand, deſſen fich
der ruffiiche Admiral Aprarin bediente, um mit jeinem Ge—
ſchwader an die Küfte von Nyland zu jegeln, wo er (12. Mai)
bei Borgaͤ landete. Anfangs wehrten fi die Bürger der
Stadt tapfer; aber am 14. Mai mußten fie der Übermacht
weichen, worauf die Stadt geplündert und verbrannt, die Be—
völferung teil® niedergemegelt, teild in die Gefangenjchaft weg—
geführt wurde. Erſt drei Monate jpäter brach Lybecker auf,
erreichte am 28. Auguft die Newa und überjchritt den Fluß
glücflich bei Teufina. Hingegen wagte er es nicht, auf Petersburg
loszumarjchieren, jondern zog, um Broviant für feine Truppen
zu finden, an der Stadt vorbei ins wejtliche Ingermanland.
Bei Koporie jchlug er eine ruſſiſche Abteilung; aber gerade
diejer Sieg wurde merfwürdigerweije der Anlaß zum Abbruch
der ganzen Expedition. Unter den dem Feinde abgenommenen
Papieren fand ſich nämlich ein Brief mit der Nachricht, daß
die Ruſſen binnen kurzem Lybecker mit 40000 Mann angreifen
und ihm den Rückweg abjchneiden würden. Dieje Angabe,
welche doch dem wirklichen Sachverhalt nicht im geringiten
entiprach, erichredte den General dermaßen, daß er mit feiner
ganzen Armee umfehrte, in Eilmärjchen nad) der Yandzunge
Kolkanpää (einige Meilen von Narwa) 309, wo die Flotte unter
Admiral Ankarſtjerna lag, und letzteren durch feine Bitten
1) €. Carljon bat in der „Svensk Historisk Tidskrift‘“ IX, 257
bis 261 (Stodholm, 1889) nachgemwiejen, daß bie betreffenden Operationen
nicht auf Befehl Karls XII. erfolgten, ſondern daß bie Initiative von
Iybeder ſelbſt ausging.
230 Bierte Periode. Der große norbiihe Krieg und bie Freibeitszeit.
bewog, die Erlaubnis zur Einjchiffung des Heeres zu erteilen.
Die Bagage wurde verbrannt, der Pferdebeftand (5000) ge-
tötet oder verftümmelt und die Cinjchiffung mit vajender
Schnelligkeit betrieben, obwohl fich fein Feind bliden Tieß.
Dennoch konnten nicht alle Truppen gerettet werben, ba bie
Einihiffung am 20. Oktober durch einen Sturm unterbrochen
wurde. Auf jo unglücliche Weije jchloß diefe Erpedition, deren
Zweck gewejen war, die Streitkräfte des Gegners vom Kampfe
gegen Karl XII. abzuziehen.
Im Jahre 1709 rubten die militärischen Operationen in
Finnland vollftändig, Mit unruhiger Spannung erwartete
man den Ausfall der Kämpfe in der Ufraine. ALS jpäter die
Kunde von der Niederlage bei Poltawa und von dem unglüd-
lihen Gejchi der großen ſchwediſchen Armee eintraf, wurden
bie Gemüter von einer allmählich in Verzweiflung übergehen-
den Furcht ergriffen. Man erkannte, daß es einen Kampf auf
Leben und Tod zu führen galt, bei welchem Finnland auf jeine
eigenen Kräfte angewiefen war, und die Stimmung wurde
um jo unrubiger, als die leitenden Männer im Yande unter:
einander uneinig waren und fich gegenjeitig anjchuldigten.
Auf der Verſammlung der Ständedelegierten zu Stodholm im
Frühjahr 1710 wurden Bejchwerden gegen Lybecker erhoben,
der jeit dem Zuge nach Ingermanland Gegenftand allgemeinen
Tadels war; aber die Negierung begnügte fich damit, ihm den
Generalmajor Hans Heinrich v. Yiewen beizuorbnen, welcher
erjt im Spätfrühling nach Finnland fam und auf den Gang
ber Ereigniſſe feinen merkbaren Einfluß auszuüben vermochte.
Schon im März war nämlich ein ruffiiches Heer von 18 000
Dann unter dem Oberabiniral Aprarin von Ingermanland
aus über den Finnijchen Meerbujen an die finnijche Küfte ge-
fommen und Hatte ſich Wiborg von Weſten ber gemähert.
Almählih umringten die Ruſſen diefe Stadt, jo daß die Ver—
bindung derjelben mit dem Yande volltommen unterbrochen
wurde, worauf das Bombardement begann. Lübecker, welcher
jelbjt im Weften des Landes mit der Peitung der Verteidigungs-
anftalten bejchäftigt war, hatte den Oberbefehl über die Feſtung
Der Fall Wiborgs 1710. 281
jowie die etwa 4000 Mann zählende Garnifon dem Obriften
Magnus Stiernfträle anvertraut. Alles hing davon ab, ob
die Belagerer oder die Belagerten früher Erjat erhalten wür—
den. Wie oft zuvor, jo war man auch jegt auf ruffiicher
Seite jehneller fertig. Bereits Ende April jegelte der Zar
nah Kronftadt mit einer Flotte, welche der Belagerungs-
armee Artillerie, Munition, Lebensmittel und Mannjchaften
zuführte. Am 9. und 10. Mai kam das Geſchwader nad
Trängjund. Nachdem das Belagerungscorps auf 23000 Mann
verjtärft und die Einfahrt nah Wiborg für die jchwebifche
Flotte durch Befeſtigungen gejperrt worden war, fehrte Peter
nah Kronftabt zurüd. Stjernfträle feinerjeit3 wartete bin-
gegen vergeblih auf Hilfe Die ſchwediſche Flotte Fonnte
die Durchfahrt nicht erzwingen, jondern mußte fih auf Be—
obadhtung des ruffiichen Geſchwaders bei Kronſtadt be-
ichränfen, und Lybecker, welcher zu Lande mit Aufbietung des
gemeinen Mannes und Zujammenziehung von Truppen am
Kymmenefluß bejchäftigt war, hielt ſich noch für allzu ſchwach,
um etwas gegen den Feind wagen zu fönnen. Unter jolchen
Verhältniffen wurde Wiborgs Lage von Tag zu Tag ver:
zweifelter, und jchlieglih jah ſich Stjernfträle nach tapferer
Gegenwehr genötigt, gegen das DVerfprechen freien Abzugs zu
fapitulieren (10. bis 14. Juni 1710). Deffen ungeachtet wurde
freilich die Bejagung nebſt einem großen Zeil der Bürger:
haft in die Gefangenjchaft nach Rußland geführt. Auf jolche
Weije fiel Finnlands einzige größere Feitung, welche mehr als
vier Jahrhunderte hindurch das Bollwerk diejes Yandes im
Diten gewejen war. Ganz Finnland wurde bei der Kunde
hiervon jchmerzlich ergriffen.
Bon Wiborg aus verbreitete fich die ruſſiſche Heeresmacht
über die ſüdlichen Gewäſſer des Saima, wo Willmanftrand in
die Hände der Ruſſen fiel, jowie bis zum jüblichen Zeil der
Provinz Kerholm, wo nur die gleichnamige Feſtung Widerjtand
leiften konnte. Ihr Kommandant, Oberft Johann Stjernichang,
bielt mit der Bejagung von 300—400 Mann zwei Monate
lang dem rufjischen General Bruce ftand, mußte aber nad
282 Vierte Periode, Der große nordiiche Krieg und die Freibeitszeit.
einem vierzehntägigen Bombardement am 3. September bie
Feſtung gegen freien Abzug übergeben. Hingegen oronete Karl
Armfelt, welcher nach Wiborgs Fall nah Nyjlott entjandt
worden war, die Verteidigung im mittleren Savolaks mit
gutem Erfolg. So trieb er u. a. einen Kojafentrupp von
2000 Mann zurüd, welcher unter der Führung von karelijchen
Bauern bis nah Nyflott vorgedrungen war.
Über die Geftaltung der Verhältniffe im öftlichen Finn:
land bejigen wir nur wenige, mangelhafte Nachrichten; aber
diejelben lafjen doch erkennen, daß das Los jenes Yandes-
teil® fur; nah der Croberung nicht minder traurig war,
als das jpätere Gejchid der übrigen Zeile Finnlands. Die
Umgegend Wiborgs und alle Stellen, wo fi” die Armee
des Feindes aufgehalten Hatte, waren vermwüjtet, die Bewohner
in die Wälder geflüchtet. Infolge defjen erließen die ruffiichen
Befehlshaber eine Bekanntmachung, daß die Bevölferung zurüd-
fehren und ungeftört in ihren Hütten bleiben dürfe, wofern jie
zwei Bedingungen erfüllen, d. 5. dem Zaren den Treueid
leiften und den ruffischen Behörden die Anhänger des Bauern
Kivekäs verraten würde, welche das Land durchitreiften und
den Ruſſen vielfaches Ärgernis bereiteten. Die Bewohner des
Yandes fügten fih mit wenigen Ausnahmen diefen Macht:
geboten, leijteten widerjtandslos den verlangten Treueid und
verbielten jich jenen Freiſchärlern gegenüber, welche ebenjo
wenig Freund wie Feind verjchonten, durchaus ablehnend. In
der Provinz Kerholm zeigte ſich jogar von neuem die alte
Neigung zum Anſchluß an Rußland. Noch bevor der nörd—
lihe und mittlere Teil jener Landſchaft von den Ruſſen beſetzt
war, juchten mehrere Geiftliche im voraus die Gunſt der fünf:
tigen Herren dadurch zu erwerben, daß jie ihre Gemeinde—
finder aufforderten, dem Zaren Treue zu jchwören und auch
jonjt den Wünjchen der Ruſſen entgegenzufommen. Dies machte
auf die Bevölkerung um jo größeren Eindrud, als Ddiejelbe
unter einer neuen Regierung Befreiung von der Bedrückung
jeitens der Kronpächter zu erlangen hoffte Die Bauern in
Pielis und Nurmis empörten ſich gegen ihren Pächter, den
Die Folgen der ruififhen Eroberung. 233
Major Simon Affled, und konnten nur durch militärijches Ein-
greifen wieder zum Gehoriam gebracht werden. Gleichwohl
blieb das Yand nicht von Verheerungen verjchont, wie fie in
allen von Peter eroberten Ländern ſyſtematiſch ftattfanden.
Drüdende Abgaben wurden erhoben, der gemeine Dann zum
Kriegsdienft oder zur Arbeit an den vom Zaren vorgenont-
menen Bauten genötigt; ruſſiſche Soldaten oder Koſaken
drangen in bie Dörfer, jegten die Häufer in Brand und fol
terten die Bewohner aufs graufamfte, um fie dann zu töten
oder in die Gefangenjchaft zu jchleppen. Weite Einöden zeugten
von dem jchonungslojen Vorgehen der Gegner, welches wenig
mit den der Bevölferung erteilten Zuficherungen überein-
jtimmte.
Auh im übrigen hatte der Krieg das Yand in eimen Zu:
jtand tiefer Ermattung gebracht. Alle Stände mußten jähr:
lich jtarke Kontributionen erlegen; zudem erforderten Ausrüſtung
und Unterhalt der Armee u. j. w. jchwere Opfer; jogar bie
Kirchen mußten mit einem Teil ihres Eigentums zur Bejtrei-
tung der Kriegsfoften beitragen. Die VBerarmung wurde um
jo allgemeiner, als Handel und Gejchäftsthätigfeit völlig auf:
gehört hatten oder auf ein Minimum bejchränft worden waren.
Bon dem traurigen Zuftand in den Städten erhält man eine
Vorjtellung, wenn man hört, daß die Zahl der Bürger in
Abo von 600 auf 130, und in Björneborg von 95 auf 40
gejunfen war. Noch mehr Hatte das Yand durch den Be:
völferungsmangel zu leiden, welcher in demjelben Maße jtieg,
in welchem die arbeitsfähige Mannjchaft zu militärischen Zweden
verwendet wurde. Der bei bejonders drohender Gefahr aufs
gebotene Landfturm pflegte im Kriege nicht viel Nügliches aus-
zurichten, während er die Laft, welche auf dem Land ohnehin
ihon ruhte, noch bedeutend fteigerte.e Im Frühling 1710
erfolgte ein großes, allgemeines Aufgebot zum Entjag von
Wiborg. ALS fich jpäter die Kunde vom Falle diejer Feſtung
im Lande verbreitete, gab man in leicht erflärlicher Übereilung
alles verloren. Die Behörden rüfteten ſich zur Überfiedelung
nah Schweden, und Biſchof Johann Gezelius junior, welcher
234 Vierte Periode. Der große nordiſche Krieg und die Freibeitszeit.
gerade damals an der Stodholmer Ständedelegiertenverjamm-
lung teilnahm, fehrte erft im Sommer 1711 nah Yinnland
zurüd, als fich die Verhältniffe etwas gebefjert hatten.
Zu den Leiden, welche der Krieg mit fich brachte, gejellte
fih anderes Mißgeſchick, welches das Maß der Schwierigkeiten,
mit denen das Land zu kümpfen hatte, noch vermehrte. Auf
mehrere jchlechte Jahre folgte 1709/10 ein furchtbares Not-
jahr. Die Ernte des nächjten Jahres war gut; aber nun
brach an der Küfte und in den Seeſtädten eine verheerende
Pet aus, welche aus den Dftjeeprovinzen eingejchleppt worden
war und allein in Abo 2000 Opfer Hingerafft haben ſoll.
Die allmählid um fich greifende allgemeine Unordnung
gab im Verein mit der Schwäche der Zentralregierung den
Beamten Gelegenheit, das Volk in eigennügiger Abficht zu be-
drüden. Aus allen Landesteilen vernahm man lagen dar—
über, daß Vögte und andere Steuereinnehmer ungejetliche
Abgaben forderten oder Einkünfte der Krone für fich jelber
verwendeten. Die Dffiziere und Soldaten nahmen, was ihnen
in die Hände fiel, ohne fih an Recht und Gejeg zu Fehren.
Genug, Finnland hatte bis aufs äußerſte alle Leiden durchzu-
machen, die ein unglüdlicher Krieg mit jich führt.
Schon im Frühjahr 1710 war, wie erwähnt, die Entlaffung
Lybeckers beantragt worden. Aber die Stodholmer Regierung
hatte damals gezögert, eine ſolche Maßregel zu treffen. Nun—
mehr erichien jedoch die Situation jo bedenklich, daß eine Ver-
änderung gejchehen mußte Xybeder jelbjt war amtsmüde und
wünjchte fich zurüczuziehen. Zu Beginn de8 Sommers be-
ihloß daher der Senat die Entjendung des Grafen Karl
Nieroth, welcher als Oberbefehlshaber und Generalgouverneur
in Finnland mit ausgedehnter Vollmacht die Militär- und
Zivilverwaltung handhaben und jogar nach eigenem Ermeſſen
die aus dem Land einfommenden Steuern anwenden jollte.
Karl XIL., welcher mit diefer Maßnahme völlig einverftanden
war, erteilte etwas jpäter ben finnijchen Yandeshauptleuten den
Befehl, Nieroth bei allen jeinen Anordnungen zu unterjtügen.
Am 23. September kam Nieroth nach Abo mit einer Dra-
Nieroth Generalgouverneur 1710, 285
gonerfompagnie, der einzigen Verftärkfung, womit Schweden zur
Verteidigung Finnlands beizutragen vermochte. Er entbehrte
feineswegs des Mitgefühls für die Not der Bevölkerung ; aber
er erfannte, daß die Kräfte bis aufs äußerſte angejpannt wer-
den müßten, wenn man das Yand retten wollte. Mit großer
Strenge ging er deshalb zu Werke. Die Vögte erhielten Be-
fehl, jchonungslos die Steuern einzutreiben. Mit nicht ge:
ringerem Eifer wurde die Ergänzung der jtehenden Regimenter
betrieben, jo daß die Stärke derjelben bald auf ungefähr 10 000
Mann ſtieg. Noch beachtenswerter waren jedoch Nieroths Be—
mühungen, eine georonete Volksbewaffnung zuftande zu bringen.
Während der Landfturm bisher nur gelegentlih und unge—
ordnet zu den Waffen gerufen worden war, wurde jeßt bie
ganze waffenfühige Mannjchaft in Kompagnieen eingeteilt und
unter Leitung von Landeshauptleuten, Vögten ꝛc. im Waffen-
gebrauch unterwiejen. In Abo-Björneborg wurden 10000 bis
11000 Mann auf jolche Weije zufammengebradt, in Nyland-
Tawaſtehus eine gleiche Anzahl und in Ofterbotten 7000 Mann.
Gleichzeitig erhielten die früher erwähnten Freifcharen eine
fejtere Organifation. Nieroth wollte fich derſelben als einer
irregulären Miliz bedienen, welche den Feind durch Auffangen
von Transporten und Beunrubigung aller Art in Berlegenheit
jegen jollte. Zu diefem Behufe verwandelte er jene Scharen
in jogenannte Fußdragoner, die in Kompagnieen unter jelbit-
gewählten Offizieren eingeteilt waren. Anführer wurde ber
zum Major ernannte fühne Daniel Yuuffoinen; unter ihm
ftanden die Hauptleute Zillainen, Torakka, Yongftröm, Haufeen
und andere, welche nicht jelten auch unabhängig von ihrem
Chef Streifzüge in das feindliche Gebiet unternahmen.
Diefe Maßnahmen und der Umſtand, daß Zar Beter nebjt
dem rufjiichen Hauptheer fern an der türkiſchen Grenze weilte,
bewirften, daß der Krieg 1711 für die finnijche Armee einen
vorteilhafteren Ausgang nahm als in den vorhergehenden
Jahren. Schon zu Beginn des Jahres unternahmen die Ob»
riften K. Armfelt und I. Stjernfchang, welche die Truppen in
Savolaks fommandierten, glüdlihe Streifzüge gegen feindliche
6 Vierte Periode. Der große nordiſche Krieg und die Freiheitszeit.
Abteilungen in Parikkala. Im Februar vertrieben fie die ruffiichen
Vorpoſten bei Koitjanlahti, und im März jagten fie ein ruſſiſches
Corps bei Hannuffala in die Flucht; anläßlich der letztgenannten
Waffenthat wurde Armfelt zum Generalmajor ernannt. Später
verftärfte Nierotb ihre Truppen auf 4000 Mann und erteilte
ihnen die Weifung, in jüdlicher Richtung bis nach Jääskis zu
marjchieren, wo fie leicht die Verbindungslinie zwiichen Wiborg
und Petersburg abjchneiden fönnten. Cine von den Ruſſen
in Mola aufgeführte Verſchanzung wurde am 26. April von
dem Lieutenant Joh. Heinrich Fieandt erjtürmt und zerftört.
Ebenjo wurde der Gegner durch die Fußdragoner beunruhigt,
welche unabläffig die Niederungen der Newa, das wetliche In-
germanland jowie Ejtbland durchitreiften und reiche Beute heim—
brachten. Allerdings wurde Luukkoinen im Auguft gefangen
genommen; aber troßdem nahm der Freiichärlerfrieg mit un—
verminderter Pebhaftigkeit jeinen Fortgang. Zur See war die
Page der Ruſſen noch bedenklicher, da die jchwediiche Flotte
den Finnifchen Meeerbujen völlig beherrichte und den Wiborger
Hafen geiperrt hielt. Dieſe günftigen Verhältniſſe beivogen
Nierotd, zu Beginn des Herbites mit der Hauptarmee über
den Kymmenefluß einen Vorſtoß gegen Wiborg zu machen.
Die Stadt wurde bald von allen Seiten umringt, ein größeres
Ergebnis jedoch nicht erzielt, da die ruifiiche Garnifon mit
Yebensmitteln hinreichend verjehen war und fich eine ordent-
liche Belagerung wegen des mangelnden Belagerungsmaterials
unmöglich erwies.
Der plöglihe Tod Nierotbs (25. Ian. 1712) war ein
großes Unglüf für Finnland. Zum zweitenmal wurde nun—
mehr der jchwache Fubeder zum Oberbefehlshaber der finnt-
ichen Armee ernannt. Aus Furcht vor der feindlichen Ülber-
macht räumte derſelbe jofort die vorgejchobene Pofition, welche
Nieroth eingenommen batte, und beorderte Armfelts Abteilung
aus Savolafs zum Hauptheere, welches in ein befeftigtes Yager
bei Högfors an der öftlihen Mündung des Kymmenefluſſes
verlegt wurde. Dort beabfichtigte er ftand zu halten. Als
ſich aber die gegnerijche Armee Ende Mat näherte, retirierte
Lobecker zum zweitenmal Oberbefchlsbaber (1712). OÖfterbotten. 387
er bis Hirvifosft an der weſtlichen Mündung. Hier lagen die
beiden Heere drei Monate hindurch einander gegenüber. ALS
fih der Feind Anfang September endlich anſchickte, ven Strom
zu überjchreiten, zog ſich Lybecker nach Elimä zurüd. Glück—
licherweiſe folgte ihm der Feind nicht, ſondern begab ſich auf
den Heimweg nach Wiborg. Hiermit endigten die Kriegs—
operationen dieſes Jahres.
Während der Krieg im ſüdlichen Finnland von feiner
der beiden Seiten nachdrücklich betrieben wurde, trafen im hoben
Norden Ereigniſſe ein, welche eine eigentümliche Epijode in
der Geſchichte des großen nordiſchen Krieges bilden. Bisher
war Oſterbotten von jeglicher Einwirkung des Krieges ver—
ſchont geblieben, und namentlich die Bewohner des Lehens
Kajana hatten im tiefſten Frieden gelebt. Mit den öſtlichen
Grenznachbarn war 1703 ein Vertrag geichloffen worden,
unter deffen Schuß die friedlichen Beziehungen ungeftört fort-
dauerten. Nur 1709 drangen einige ruifiiche Übelthäter ein;
aber die Ruhe war bald wieder hergeftellt. Dieje glüdlichen Zu:
ftände erfuhren durch eine unbedachtſame Maßregel ſchwediſcher
Zollbeamten gegen vier rujjiiche Grenzbauern eine bedauerliche
Unterbredung. Die übervorteilten rujjiihen Grenzbewohner
waren entjchlofjen, fich zu rächen. Sie rotteten fich zufammen
und erbielten Waffen in Kexholm, wo fich ihnen auch mehrere
ruſſiſche Offiziere und Soldaten anjchlofjen. Sie konnten hier—
auf ihre Rachepläne um jo jicherer zur Ausführung bringen, ale
fie auf Beiftand ſeitens der Bauern in Pielis rechnen durften,
die fich, wie oben erwähnt, 1710 gegen den Pächter Simon
Afflek erhoben hatten und mit Militärmacht zur Ruhe ge-
bracht worden waren, jedoch neuen Mut gefaßt hatten, nach:
dem Lybecker den bei ihnen einquartierten Trupp von 100 Rei—
tern wieder zurücgezogen hatte. Im März 1712 rückten ruſſiſche
Bauern, Soldaten und einige Offiziere nebft den Bauern von
Pielis, zufammen etwa 340 Mann, gegen Kajana, wo man zwar
vor der drohenden Gefahr gewarnt worden war, aber im Ver:
trauen auf den Grenzfrieden feine Verteidigungsanftalten getroffen
batte. Etwa 200 Dann blieben an der Grenze; der Reit er-
288 Bierte Periode. Der große norbiihe Krieg und die Freibeitszeit.
reichte am 13. März die Stadt Kajana und das Kirchipiel
Paldamo, wo alle vermwüftet und bingemordet wurde. Das
Gut des perjönlich abwejenden Majors Afflek wurde geplün-
dert, jeine Familie und Dienerjchaft in die Gefangenjchaft nach
Rußland geführt. Übrigens kam es ſchon 1713 zur Erneue-
rung des Grenzfriedend, und gleichzeitig wurden die Bewohner
gezwungen, fi der Gewalt Afflecks von neuem zu unter:
werfen ).
Obwohl es fich erwarten ließ, daß Peter, welcher 1712
einen Frieden mit der Türkei gejchloffen hatte, im folgenden
Jahre jeine Streitkräfte gegen Finnland richten würde, wurden
dennoch im Laufe des Winter8 1712/13 feine wirkſamen An-
jtalten zur Verteidigung des Landes getroffen. Anftatt der
von Nieroth begonnenen allgemeinen Volksbewaffnung wurde
befohlen, daß jeder fünfte waffenfähige Mann zum Kriegsdienſt
herangezogen werden follte,; ein Erlaß, welcher im Mat 1713
eine Ergänzung injofern erfuhr, als die Provinz Abo-Björne-
borg jeden dritten Waffenfähigen ftellen jollte. Freilich gelangte
diefer Plan nicht zur Ausführung, da jhon am 8. Mai
einige ruſſiſche Kriegsjchiffe in den Helfingforjer Hafen ge-
fommen waren, denen am 10. der Zar und Aprarin mit ein
paar Hundert Galeeren jowie ungefähr 12000 Mann Lan—
dungstruppen folgten. Obwohl Lybecker auf einen ſolchen Ans
griff feineswegs unvorbereitet war, lagen die finnijchen Regi—
menter trogdem größtenteild noch in den Winterquartieren zer—
jtreut. Die von ihm zum Schu von Helfingfors entjandte
Abteilung von 1500 Mann unter 8. Armfelt war natürlich
alfzu gering, um der feindlichen Übermacht die Spige bieten
zu können. Armfelt wehrte fich anfangs tapfer und jchlug
mehrere Angriffe der Gegner zurüd; aber er wurde in der Nacht
umgangen, jo daß die Gefahr eines längeren Verbleibens augen-
icheinlih war. Unter ſolchen Umftänden wurde im Kriegsrat
1) 8. E. F. Ignatius, Kajana läns ödeläggelse 1712, in: „Län-
netär. Album, utg. af Westfinnar“ II, 120— 146 (Helfingfors, 1861). —
A. Caftren, Kertoelmia Kajaanin läänin vaiheista, p. 58—64 (Hel-
fingfore, 1867).
Helfingfors in Afche (11. Mai 1713). 289
an welchem u. a. der Yandeshauptmann in Nyland-Tawajtehus,
Johann Ereug, der Bürgermeifter von Helfingfors, Heinrich
Tammelin, jowie der durch jeine finanziellen Opfer für das
finnifche Vaterland rühmlichjt bekannte Kriegstommiffar Heinrich
Friſius (Friſenheim) teilnahmen, der Beichluß gefaßt, die Stadt
zu verlaffen und anzuzünden, damit fie nicht mit ihren reichen
Vorräten ein Stüßpunft für die Feinde werben könnte. So
wurde denn am Morgen des 11. Mai Finnlands gegenwärtige
Hauptitadt größtenteils in Ajche gelegt, während Armfelt mit
jeinen Truppen nach Borgä retirierte, wo Lybecker einige Regi—
menter zujammengezogen hatte. Hierdurch war die nyländijche
Küfte mit dem nach Abo führenden Wege überrajchend leicht in
die Hände des Gegners geraten. Alle Gemüter wurden infolge
deſſen von Furcht und Schreden ergriffen. Man hielt alles
für verloren; zahlreihe Bewohner Südfinnlands, unter ihnen
Biſchof Gezelius, flohen nach Schweden, andere juchten in
Ofterbotten Zuflucht. Wie fehon früher, richtete fich der all-
gemeine Unwille in erjter Yinie gegen Lybecker, welcher diesmal
jogar von der Stodholmer Regierung einen jcharfen Verweis
wegen feiner mangelhaften Aufmerkjamfeit empfing. Es muß
denn auch zugegeben werden, daß die von ihm getroffenen Maß—
nahmen verjpätet und unzureichend waren. Anderjeits läßt
e8 fich jedoch nicht leugnen, daß die Haupturjache des Miß—
geſchicks damals wie auch in den folgenden Jahren der Um—
ftand war, daß die finnischen Streitkräfte denen der Gegner
an Zahl unterlegen, nicht verproviantiert und ohne einen feiten
Stüßpunft waren. Cine verlorene Hauptſchlacht wäre ihr
völliger Untergang gewejen, weshalb auch Lubeder inftruiert
worden war, fich auf eine jolche nicht einzulajfen.
Mit mehr Berechtigung läßt fich die Unficherheit und Plan-
(ofigfeit tadeln, welche Lybeder jpäter an den Tag legte. Zar
Peter hatte bejchlofjen, Armfelt nach Borgä zu folgen. Nach
Anzündung des vom euer verjchont gebliebenen Teiles der
Stadt Heljingfors jchiffte er jeine Truppen ein und landete
nad) einigen Tagen in der Borgäer Bucht, ohne auf Lybecker
zu ftoßen, welcher bei Annäherung der Rufen jchleunigft in
Schybergſon, Geſchichte Finnlande. 19
290 Bierte Periode. Der große nordiſche Krieg und die Freiheitszeit.
nördliher Richtung bis zum Kirchipiel Lampis gezogen war.
Peter marjchierte nun in öftlicher Richtung nach Forsby im
Sprengel Perno, um dort die Ankunft der Kavallerie abzu-
warten. Auch jett konnte ſich Lybecker noch nicht für einen
bejtimmten Operationsplan entjcheiden. Er entjandte den Ob-
riften De la Barre nach Yappträsf zum Schuge der dort be-
findlichen Armeemagazine, vergeudete die Zeit mit zweckloſen
Märjchen zwijchen Kostis und Yappträsf, that aber nichts,
um die Bereinigung der rujfiihen Kavallerie (8000 Mann)
mit der Hauptarmee zu verhindern. Schließlih unternahm
er auf Zureden feiner Unterbefehlshaber eine Borwärtöbewegung
nach Borgä, wo er Verjchanzungen aufwarf, um zujammen mit
der jchwedifchen Flotte zu operieren, die endlich im Finniſchen
Meerbujen angelommen war. Als aber das nunmehr voll-
zählige rufjiihe Heer unter dem Befehl des Oberadmirals
Aprarin nach Borgä marjchierte, wagte er auch diesmal nicht,
ftand zu Halten, jondern rvetirierte nach dem weiter nördlich ge-
legenen Orte Strömsberg, worauf die Ruffen ihren Marich
nah Heljingfors fortjetten, welches jie ſtark befeftigten und
zu ihrem Hauptwaffenplag machten. Anfang Auguft brach die
Hauptarmee unter perjönlicher Yeitung des Zaren nach Abo
auf. Ein Verjuch des Obriften Stjernjchang, mit 500 Dann
bei der Brüde von Karis das BVBordringen der Ruſſen bis
zur Ankunft Lybeckers aufzuhalten, mißlang, jo daß Beter,
ohne auf weiteren Widerftand zu jtoßen, am 28. Auguft 1713
Abo erreichen konnte. Die Stadt erjchien faſt ausgeftorben,
da alle, denen es nur möglich gewejen, beim Nahen des Feindes
geflohen waren. Die Univerjitätslehrer hatten die Stadt ver-
laſſen; das Hofgericht und die übrigen Behörden waren nach
Stockholm übergefiedelt. Bereits Anfang September fehrte
die ruſſiſche Armee nach Heljingfors zurüd, worauf jich Peter
nach Petersburg begab und Aprarin als Oberbefehlshaber in
dem Yande zurüdließ, deſſen Eroberung er nunmehr für ge:
fichert hielt.
Im Auguft wurde Lybeder feines Amtes entjegt und nach
Stockholm beſchieden, um fich wegen feiner Handlungsweife zu
Finnlands Eroberung durch d. Zaren Peter. Armfelt Oberbefehlshaber. 291
verantworten ). Sein Nachfolger Karl Guſtav Arımfelt (geb.
1666) jtand, im jchärfiten Gegenſatz zu dem bisherigen Ober-
befehlshaber, bei der Bevölkerung und bei den Soldaten in
böchitem Anſehen. Aber auch er vermochte nicht, weitere Erfolge
des Feindes zu hindern. Die Armee litt an dem Notwendigjten
Mangel; die Siege der Gegner und die zahlreichen nutlojen
Märſche Hatten den Mut der Offiziere und Soldaten nieber-
gedrüdt, und die letteren bejertierten aus Liebe zur Heimat
oder, um den Mühſeligkeiten des Yagerlebens zu entgehen, in
jo beträchtlicher Zahl, daß ſich die Armee um ein Drittel,
auf 6000— 7000 Mann, verminderte. Auch war auf Hilfe
aus Schweden nach wie vor nicht zu rechnen. Trotzdem juchte
Armfelt mit feiner verhältnismäßig unbedeutenden Macht nörd-
lih von Tawajtehus bei der Kirche Pälfäne in einer befejtigten
und durch Batterieen verjtärften Stellung dem weit über:
legenen Feinde die Spite zu bieten. Am 30. September fam
die ruffiiche Armee unter Aprarin und dem Fürften Michael
Saligin dorthin. Die erjten ruffiihen Angriffe mißglücten.
Am frühen Morgen des 6. Oktober gelang es indefjen Ga-
ligin, mit 7000 Mann das Yager Armfelts zu umgehen. Als
diejer die Gefahr merkte, ließ er einen Zeil des Heeres unter
Generalmajor Joh. Reinhold De la Barre an dem Engpaffe zu—
rüf und eilte mit dem Reſt an die bedrohte Stelle. In einem
mehrjtündigen, beißen Kampfe juchte er den Feind zurüdzu-
werfen, mußte aber jchließlich der Übermacht weichen. De
la Barre, welcher inzwijchen die VBerichanzungen erfolgreich
gegen Aprarin verteidigt hatte, wurde abberufen, und das ganze
Heer retirierte gen Norden. Dieſes Treffen war für die fin-
nischen Truppen das ehrenvollfte während des ganzen Krieges und
nahm nur wegen der ungefähr doppelten Übermacht der Gegner
einen ungünftigen Ausgang. Der Rüdzug war mit den größten
Strapazen und Entbehrungen für die Armee verbunden. Arme
1) Nach einem Tangmwierigen Prozeß wurde er 1717 zum Berluft von
Leben, Ehre und Eigentum verurteilt, vom König aber begnabigt. Er
ftarb 1718.
19*
292 DBierte Periode. Der große nordiſche Krieg und bie Freiheitszeit.
felt fonnte nicht, jeiner früheren Abjicht gemäß, in Tammerfors
bleiben, jondern zog mit dem größeren Teil des Heeres über
Tawaſtſkog nad) Dfterbotten, während eine Heinere Abteilung die
öftliche Richtung über Ruoveſi einſchlug. In der Gegend von
Waſa und Lappo durften die ermatteten Krieger endlich rajten.
Infolge dieſes Rüdzugs fiel das geſamte jüdliche und mittlere
dinnland in die Hand der Feinde, welche das finnifche Heer
nicht verfolgten, jondern nach Björneborg rüdten, um ihre
Herrihaft in Satakunta zu befeftigen. Erſt im Dezember zog
eine Abteilung unter General Bruce von Björneborg längs der
Küfte nach Kriftineftad, machte aber Kehrt, als fich die Finn—
länder zum Widerftand gerüftet zeigten. Gerade damals griffen
ein paar hundert Bauern aus Ilmola zu den Waffen, wählten
die beiden Studenten Gabriel und Israel Pelvdan zu An—
führern und fchlugen im Kirchjpiel Kurikka feindliche Streif-
partieen fiegreich zurüd. Diejer Fall war keineswegs vereinzelt.
Die Bevölkerung Ofterbottens, auf welcher die Hauptlaft
des Krieges fortan ruhte, bewies einen um vieles größeren
Eifer, für die Verteidigung des BVBaterlandes Leben und Gut
aufzuopfern, als die Bewohner von Südfinnland. In den
drei füdlichen Provinzen hatten die unaufhörliche Ergänzung
und Neuerrichtung von Negimentern, die drücdende Steuerlaft
jowie die Durchmärjche der Armee die Bauern derart mit-
genommen, daß fich diejelben im Augenblid der Gefahr nur
widerwillig aufbieten ließen und nach einer Niederlage wider:
ftandslos dem Sieger unterwarfen. Die Bewohner von Djter-
botten waren hingegen verhältnismäßig verjchont geblieben und
fonnten daher mit friichen Kräften den Streit aufnehmen,
welcher auch jonft ihrer Friegeriichen Natur mehr entſprach.
Die Monate, welche die finnische Armee in Winterquar:
tieren verbrachte, wurden dazu verwendet, die Truppen in
möglichft jtreitbaren Zuftand zu verjegen. Man errichtete die
jtehenden Regimenter von neuem und verjtärkte fie mit frijchen
Mannjchaften aus DOfterbotten und Savolals. Die dfterbott-
nischen Refruten wurden unter Yeitung des Landeshauptmanns
der Provinz, Lorenz Clerck, einexerziert und zu einer Truppe
Patriotismus in Öfterbotten (Ende 1713). Niederlage d. Finnen b. Napo. 293
von mehr ald 1000 Mann organifiert. Auch empfingen die
Bewohner auf dem Lande und in den Städten, ihrem Wunjche
gemäß, von Offizieren Unterweifung im Gebrauch der Waffen.
Ein großes Übel war jedoch die zunehmende Uneinigfeit unter
den höheren Armeebefehlshabern. Armfelt, Stjernſchantz und
der Anführer der Kavallerie, De la Barre, waren in den wich:
tigjten Fragen verjchiedener Meinung, was nur allzu bald zu
der entjcheidenden Niederlage beitragen jollte.
Schon Anfang Februar 1714 war die ruffiiche Armee
unter Galigin von Abo aufgebrochen, um das finniſche Heer
aufzufuchen und zu jchlagen. Trotz der Winterfälte rückten
die Ruſſen mit jo großer Schnelligkeit vorwärts, daß fie be-
reit8 Mitte Februar jenjeit8 von Kurikka fichtbar wurden.
Bei der Kunde hiervon zog Armfelt feine Truppen zufammen,
welche aus etwa 4000 Regulären jowie ungefähr 2000 Land—
Sturmpflichtigen und aufgebotenen Bauern beftanden. Er war
anfangs unſchlüſſig, ob er eine Schlacht wagen jollte, entjchloß
fich aber jchließlich dazu, teils, um ungünftige Außerungen,
welche auf dem Stodholmer Reichstage inbezug auf die fin-
nifhe Armee laut geworden waren, fügen zu trafen, teils,
weil er meinte, daß die Lage jogar durch eine Niederlage nicht
verjcehlimmert werden könnte. Drei Tage hindurch ftanden bie
finnifchen Krieger in Schnee und Eis beim Dorfe Napo am
Storkyrofluffe und warteten auf den Feind, welcher endlich am
19. Februar gegen Mittag vorrüdte. in böſes Omen war,
daß fih Oberſt Stjernfchang unter einem Kranfheitsvorwand
entfernt hatte und an dem Kampfe nicht teilnahm ). Die
Schlacht, welche von 1 bis 4 Uhr nachmittags währte, enbigte
wegen ungünftiger Witterungsverhältniffe ſowie namentlich in-
folge des feigen Verhaltens der von De la Barre fommandierten
Kavallerie mit einer entjcheidenden Niederlage der finnijchen
Armee. Armfelt, weldher an der Spike des Fußvolkes bie
1) Seit jener Zeit war Stjernihant bei der Armee minder beliebt,
Dies veranlafte ihn wahrſcheinlich, 1724 feinen Abjchied zu nehmen und
in ruffifhe Dienfte zu treten, wo er beim Kriege gegen Perfien zum
Generalmajor avancierte. Er ftarb 1729.
294 Vierte Periode. Der große nordifhe Krieg und die Freibeitgzeit.
Angriffe des Feindes jiegreich zurückgewieſen und bereits bie
Dffenfive ergriffen hatte, wurde ſchließlich von der rujjiichen
Übermacht auf allen Seiten umzingelt und jchwebte gegen
Ende des Gefechts in perjönlicher Yebensgefahr, jo daß er nicht
einmal den Rückzug ordnen konnte, welcher bald in eine plan-
(oje Flucht überging. Erft in Nyfarleby fammelte er die
Trümmer jeines Heeres, deſſen Verluft mehr als 2000 Mann,
darunter alle Infanterieoffiziere bis auf zehn, betrug.
Bon den Folgen der Niederlage wurde das ſüdliche Oſter—
botten am härteſten betroffen. Die Umgegend des Schlacht—
feldes und die Niederungen bei Waſa wurden in eine Einöde ver—
wandelt, Jakobſtad in Aſche gelegt, die Bevölkerung getötet
oder in die Gefangenſchaft nach Rußland geſchleppt, ſowie alles
Erreichbare geplündert. Erſt im März zogen die ruſſiſchen
Truppen nach Südfinnland.
Einige Monate ſpäter fiel Finnlands letzte Schutzwehr an
den Gewäſſern des Saima: die Feſtung Nyſlott. Nach einem
ſechswöchentlichen Bombardement und ſtandhafter Gegenwehr
mußte der Kommandant Johann Busk am 29. Juli gegen
freien Abzug kapitulieren. — Einen nicht minder unglücklichen
Ausgang nahm der Seekrieg im finniſchen Schärengarten. Am
26. Juli gelang es den ruſſiſchen Galeeren, die Landzunge von
Hangö zu umfahren, weil die ſchwediſchen Segelfahrzeuge in—
folge der herrſchenden Windſtille an jeder Bewegung gehindert
waren. Weſtlich davon, im Rilaxſunde, kam es zwiſchen der
ruſſiſchen Flotte und einem kleinen ſchwediſchen Geſchwader
unter dem Finnländer Nils Ehrenſkjöld zum Gefecht. Letzterer
verfügte nur über 900 Mann und 38 Kanonen, die Gegner
hingegen über 20000 Mann und 300 Kanonen. Trotzdem
weigerte er fich, ohne Kampf die Segel zu ftreichen. Helden—
mütig jchlug er mehrere Angriffe ab, und nur gering war die
Zahl der Überlebenden, die mit ihm in Gefangenjchaft gerieten.
Durch diejes Treffen, welches als erjter Seefieg der Ruſſen
von bejonderer Bebeutung war und von dem perjönlich an-
wejenden Zaren Peter durch einen Triumphzug in Petersburg
gefeiert wurde, fielen die kleineren Inſeln des Schärengartens
Der Fall von Nyflott u. der erſte Seefieg d. Rufen im Rilarfunde (1714). 295
und Aland in die Hände des Gegners. Im Auguft landete
ein ruſſiſches Heer auf der letstgenannten Injel, ohne auf Wider-
ftand zu ftoßen, da die Bevölferung mit allem beweglichen
Eigentum in Schweden Zuflucht gefucht hatte. Was noch übrig
war, wurde geplündert und zeritört, worauf die feindlichen
Truppen auf das Feſtland zurückkehrten.
Mit diefen Gefchehniffen war der Kampf, welcher Finn—
lands Kräfte bis aufs äußerste in Anspruch genommen hatte,
in der Hauptjache zum Abſchluß gelangt. Die friegerifchen
Ereignifje, von denen wir noch zu berichten haben, waren für
das Yand als Gejamtheit nicht von Bedeutung, gaben aber
dem Geſchick des nördlichen Ofterbottens ein düſteres Gepräge.
Armfelt verweilte dajelbjt im Frühjahr und Sommer, ohne
vom Feinde weiter beläjtigt zu werden, verjtärkte feine Armee
durch Aushebungen auf 6000 Mann und verlegte die Truppen
in Quartiere von Braheſtad bis Lillfyro. Im September
erhielt er jedoch von der jchwediichen Regierung, welche nun»
mehr eine Berteidigung Finnlands für hoffnungslos anſah,
den Befehl, mit feinem gejamten Heere nach Schweden bin:
überzufommen. Den abziehenden finnischen Truppen folgten
die feindlichen Scharen auf dem Fuße. Im Oktober rüdten
vier rujfiiche Dragonerregimenter und zwei Kofakenabteilungen
unter General Feodor Tſhekin in die nordöfterbottniichen Kirch»
ipiele, deren Los fich noch fürchterlicher geftaltete als dasjenige
von Sübdöfterbotten. Die Wut der Kojafen wurde nämlich
dadurch gefteigert, daß fich die Bauern hier und da zu be—
waffnetem Widerftande zufammenrotteten. Gin zweiter Um:
ftand, welcher zur Verjchlimmerung der Yage jenes Landesteils
beitrug, war, daß die ruffische Herrichaft dort den Charakter einer
nur vorübergehenden militärischen Occupatidn erhielt, weshalb die
Soldaten ihrer Raubjucht freier die Zügel Schießen laffen konnten.
Zur Sommerszeit begaben jich die rufjischen Truppen gewöhn-
lich in die Umgegend von Waſa und Kyro, um im Herbft nach
Gamla Karleby, Nykarleby und in die nördlichen Kirchipiele
beimzufehren, wobei fich ſtets neue Schreckensſcenen ereigneten.
Die Einwohner wurden teild mit den furchtbarften Folterwerf-
296 Bierte Periode. Der große nordiſche Krieg und die Freiheitszeit.
zeugen zu Tode gepeinigt, teil in die Gefangenichaft weg-
geichleppt ; viele frifteten in den tiefen Wäldern ein Flägliches
Leben oder flüchteten nach Norden bis an das Ufer des Weißen
Meeres, wo damals finnijche Kolonieen gegründet wurden. Ende
1716 und Anfang 1717 brachte man zahlreihe Männer und
Weiber, das jogenannte „Paarvolk“, nah Rußland und Liv—
land, wo fie al® Yeibeigene arbeiten mußten.
Bis in das entlegene Lehen Kajana erftredte fich bald bie
Herrichaft des Feindes. Im Ionuar 1716 begann das Bom—
bardement von Rajaneborg, welches zwei ruffiiche Abteilungen
ihon im Frühjahr 1715 vergebens zu überrumpeln gejucht
hatten. Der Kommandant, Major Ioh. Heinr. v. Fieandt,
feiftete mit jeinen 50 Mann tapfer Widerftand und wollte,
al8 Hungersnot drohte, das Schloß in die Luft fprengen,
wurbe jchließlich jedoch durch feine Umgebung dazu beftimmt,
am 24. Februar gegen das Verſprechen freien Abzugs zu kapi—
tulieren. Allein auch diesmal, wie jchon oft zuvor, brachen die
Nuffen ihr Wort und nahmen die Bejagung nebſt den in bie
Feſtung geflüchteten Yandbewohnern der Umgegend gefangen.
Im folgenden Jahre wurde Kajaneborg in die Luft geiprengt
und ift ſeitdem eine Ruine geblieben.
Auch nach vollftändiger Unterwerfung Finnlands trieben die
früher erwähnten Freifcharen, mehr zum Schaden ihrer Yande-
leute al8 des Feindes, ihr Handwerk. An der Nordgrenze
zwijchen Schweden und Finnland unternahmen die Hauptleute
Longſtröm und Kärki (Kärkifubd) wiederholentlih Streifzüge
nach Dfterbotten oder noch weiter nach Süden. Die Leiden
des Yandes wurden durch diejen Guerillafrieg noch bedeutend ge—
jteigert; verweigerten die Bauern den Freifchärlern Beiftand, jo
wurden jie von dieſen als abtrünnige Verräter der Krone
Schweden behandelt, während fie im entgegengejegten Falle die
Rache der Koſaken zu fürchten hatten. Im weftfinnijchen
Schärengarten, im „Eigentlichen“ Finnland, in Satafunta und
Nyland wirkte Stephan Löfving als Parteigänger und Kund—
ihafter der jchwebifchen Regierung. Auch er war von ber
Bevölkerung gefürchtet, welche mit den ruſſiſchen Behörden im
Der Fall von Kajaneborg (1716). Traurige Page d. finnischen Volkes. 297
Frieden zu leben begehrte. Sein Tagebuch '), worin aben-
teuerlihe Berichte mit frommen Ergüſſen abwechieln, giebt
ein anjchauliches Bild von der wilden Lebensweife jener Frei—
ſchärler.
Dem Streit, deſſen verſchiedene Abſchnitte wir geſchildert
haben, folgte eine ſechsjährige, ſtrenge feindliche Occupation,
welche die Lage des finniſchen Volkes düſterer und verzweifelter
geftaltete denn je zuvor. Die Verbindung mit dem Mutter-
lande war abgejchnitten, die Frucht jahrhundertelanger Mühen
auf geiftigem wie materiellem Gebiete verloren gegangen, bie
Bevölkerung des Landes in alle Winde zerjtreut. Ein Teil lebte
in ruſſiſcher Leibeigenſchaft, andere hatten fich nach Schweden ge-
flüchtet, der Reft war allen Yaunen des Siegers preisgegeben ?).
Beionders zahlreich waren die Yinnländer, welche fich nach
Schweden flüchteten. Bemerkenswert erjcheint, daß Karl XI.
jelber den Bewohnern der von den Feinden eroberten Bezirke
ausdrüdlich die Flucht anbefahl. Doch wäre wahrjcheinlich auch
ganz unabhängig von der Haltung der jchwediichen Regierung
die Auswanderung bedeutend gewejen, da die Furcht vor den
Ruffen jo allgemein war, daß niemand, der überhaupt Gelegen-
heit zum lieben hatte, in der Heimat bleiben wollte Schon
vor der Landung der Ruſſen in Helfingfors (1713) begann die
Auswanderung, welche auch in den folgenden Jahren ununter-
brochen fortvauerte. Im den Städten blieben nur die ärmften
Bürger und Arbeiter, während die Yandbevölferung, welche fich
nicht mit derjelben Leichtigkeit frei machen fonnte, im alfge-
meinen, d. h. mit Ausnahme des gemeinen Mannes auf Aland
und im nördlichen Oſterbotten, in der Heimat ausharren
mußte. Die Flüchtlinge hatten zumeift nur wenig Eigentum
1) Abgebrudt bei Y. Kostinen, Lähteitä Ison Vihan historiaan,
p. 393— 456 (Helfingfors, 1865).
2) No 1726 jollen fi mehr al8 1000 aus Finnland gebürtige Per-
jonen, meiftend Weiber und Kinder, als Sklaven in ber perfifhen Haupt:
ftabt Ispahan befunden haben, wohin fie vermutlich von den Ruſſen ver:
fauft worten waren. Gleichzeitig fehmachteten viele Finnländer bei ben
Kalmüden in Gefangenschaft.
298 Vierte Periode. Der große nordifche Krieg und die Freibeitzeit.
mitgenommen, jo daß ihre Yage in Schweden von Anfang ar
Schwierig und fummervolf war. Zum Teil juchten fie als
Beamte, Kaufleute, Lehrer u. ſ. w. ihren Yebensunterhalt zu
erwerben; aber die Mehrzahl erblicdte feinen anderen Ausweg,
als die private und öffentliche Milvthätigfeit in Anjpruch zu
nehmen. DBereit8 1712 wurde eine „Flüchtlingskommiſſion“
eingejett, welche bis Ende 1714 etwa 120000 Thaler (Kupfer:
münze) an etwa 1200 Familien oder einzelne Perjonen ver:
teilt Hatte, feineswegs eine jonderlich bedeutende Unterftütung.
Erſt 1722 erfolgte die Auflöfung der Kommiſſion. Im Jahre
1721 jollen mehr als 4000 Finnländer größere oder geringere
Geldunterftütung empfangen haben !).
Während auf ſolche Weife Taujende von Finnlands Söhnen
und Töchtern die Mühſale der Landesflucht oder die Yeiden
der Gefangenschaft durchkofteten, war die gejegliche Ordnung
in ihrer Heimat ganz umd gar verſchwunden. Denn für die
rufjiihen Offiziere, welche im Yande berrichten, bildete Will-
für die einzige Nichtichnur. Das höchſte Regiment lag an—
fangs in der Hand des Oberadmirals Aprarin, welcher an
Bildung die große Maffe der ruffiichen Krieger nur wenig
überragte. Derjelbe überließ jedoch jchon nach der Schlacht
bei Pälkäne den Oberbefehl dem Fürsten Michael Galigin, einem
der gebilvetiten und tüchtigften Perjönlichkeiten der damaligen
Zeit, welcher jih durch Milde und Nechtichaffenheit ein dauern:
des, danfbares Andenken in Finnland gefichert hat. Natürlich
vermochte auch er nicht überall die wilde Zügellofigfeit jeiner
Offiziere und Soldaten zu hemmen; aber vielfach milderte er
das Los der Mifhandelten und beftrafte gleichzeitig die Übel-
thäter. Ebenſo bewies er jein Wohlwollen gegen Finnland
dadurch, daß er einige Eingeborene in feinen Dienft nahm, wie
3. B. den ſchon S.292 erwähnten Studenten Gabriel Beldan, wel-
cher, nachdem er die rujfische Sprache erlernt hatte, 1717 als
1) Alten der „Flüchtlingstommilfion“ im „Schwed. Reichsarchiv“. —
P. Nordmann, Ett bidrag till Stora ofredens historia, in: „Svenska
Literatursällskapets i Finland Förhandlingar och uppsatser“ II,
118—149 (Helfingfors, 1887).
Auswanderung. Die Verwaltung Galitine. 299
Gouvernententsjefretär des Oberlandrichtere Dtto Johann
v. Tiejenhaufen nach DOfterbotten entfandt und von dort 1719
nach Abo berufen wurde, wo er als Sekretär Galitzins in fin-
nijchen Angelegenheiten thätig war und zur Linderung der Peiden
feiner Landsleute beitrug. Übrigens war auch die ?ofalvermwaltung
rein militärifch. Ruſſiſche Offiziere traten an die Stelle der
finnischen Behörden, und ihre Gebote wie Befehle waren die
einzig gültigen Gejege. Sie ließen die Bewohner dem Zaren
den Treueid leiſten und ermahnten in Proflamationen alle
Flüchtlinge zur Rückkehr, mit dem Verjprechen, daß ihnen fein
Schaden zugefügt werden jolle; eine Zuficherung, die freilich
oft genug nicht gehalten wurde !).
Das Bedürfnis eines geordneten Steuerwejens zum Unter:
halt der Armee gab den erften Anlaß dazu, daß fich die ruj-
fifche Regierung in Finnland zu organifieren begann. Anfangs
requirierten die ruſſiſchen Offiziere nach freiem Gutdünfen, was
fie brauchten ; aber in demjelben Maße, in welchem jich die ruj-
ſiſche Herrichaft 1713 umd 1714 erweiterte und befeftigte, wurde
allmählich eine neue Steuereinschägung eingeführt, welche fich
jchlieglich über das ganze Yand mit Ausnahme der nördlichen
Kirchipiele erſtreckte. Als Steuereinnehmer fungierten, ftatt
der meiftens nach Schweden geflüchteten Vögte und deren Ge-
bilfen, die im Lande zurüdgebliebenen Geiftlichen, welche jich
mit Bedauern zur Ausführung von Aufträgen genötigt jaben,
die unter den damaligen Verhältniſſen befonders verhaßt ware.
Doch gab es auch Stellen, wo jich die ruſſiſchen Soldaten jelber
baufenmweije bei den Bauern einfanden und die Steuerbeträge
einforderten.
Aus diejen Anfängen entwidelte fich eine ruſſiſche Admini-
ftration, welche 1717 zum Abjchluß gelangte. Das unter
Rußlands Oberherrichaft ftehende finnische Gebiet wurde in
1) Auf Begehren Galigins verfaßte Gabr. Peldan ein Manufkipt:
„De Fatis et Antiquitatibus Fenniae, unacum specilegiis rerum
Russicarum in historia Suecana occurrentium “, eine recht dürftige Ar-
beit. Nach Abichluß des Friedens wurde Peldan Rektor der Schule in
Waſa fowie fpäter Paftor in Ilmola, wo er 1750 ftarb.
300 Bierte Periode. Der große nordiſche Krieg und die Freibeitszeit.
zwei Verwaltungspiftrifte geteilt, von denen ber wejtliche, wel-
cher die früheren Provinzen Nyland-Tawaftehus, Abo-Björne-
borg und DOfterbotten umfaßte, mit bejonderer Fürjorge or-
ganifiert wurde, während der djtliche, welcher aus den ehe—
maligen Provinzen Wiborg und Kexholm beitand, in einem
minder geordneten Zuftand verblieb. Im dem weftlichen Be—
zirt behielt Galigin den Oberbefehl über die Kriegsmacht.
Hingegen wurde die Oberleitung der Zivilverwaltung Aprarin
anvertraut, welcher bis 1719 von Petersburg aus die finni-
ihen Angelegenheiten verwaltete, worauf biejelben von einem
in Petersburg gegründeten Reichsfammerfollegium übernommen
wurden. Bei der lettgenannten Behörde lag die Beichäftigung
mit den finnischen Angelegenheiten in allererjter Reihe in ber
Hand des früheren Kommiſſariatſekretärs bei der ſchwediſchen
Armee, Johann Schmidt, welcher 1717 in rufjische Dienjte ge-
treten war. Unter diefer Oberdireftion ſtand ein Generalgouver-
neur in Abo, der unmittelbar mit der Petersburger Behörde
verfehrte und das Land durch Oberlandrichter regierte, welche
jo gut wie vollftändig den früheren jchwedijchen Landeshaupt-
leuten entiprachen und unter Beobachtung der für die legteren
gültigen Verordnungen die Verwaltung bejorgten. Oberlandes-
gerichtödiftrifte gab es fünf, indem Abo - Björneborg in zwei
Bezirke mit Abo und Björneborg als Hauptorten und Ny—
land-Tamwaftehus ebenfall8 in zwei Diftrifte (Tawajtland mit
Borgä und Nyland mit Helfingfors) geteilt wurde, während
DOfterbotten mit Waſa als Hauptort ungeteilt blieb.
Da faft alle einheimijchen Standesperfonen nach Schweden
geflohen waren, war es feineswegs leicht, Männer ausfindig
zu machen, die zur Übernahme der neuen adminiftrativen Poften
geeignet waren. Die getroffene Auswahl erwies fich denn auch
nicht immer als glüdlih. Dies gilt infonderbeit inbezug auf
den Generalgouverneur Graf Guftan Dtto Douglas, welcher
einer der früheren Leibtrabanten Karls XII. gewejen, bei Pol-
tawa in Gefangenjchaft geraten und 1717 in vuffifche Dienfte
getreten war. Das Andenken dieſes Mannes tft durch zahl:
reihe graufame, eigennügige und unredliche Handlungen be:
DOrganifation der ruffifhen Behörben (1717). 801
fett, welche fich nur dadurch einigermaßen entſchuldigen laſſen,
daß er bloß als ausführendes Werkzeug für Petersburger Be-
fehle diente. Glücklicherweiſe konnten ihm gegenüber die Finn:
länder auf Galitzins Unterjtügung rechnen. Obwohl er bedeu—
tender Veruntreuungen überwiejen wurde, blieb er doch bis zum
Friedensſchluß auf feinem wichtigen Poften als General-
gouverneur und als Oberlandrichter in der Provinz Abo. Von
den übrigen Oberlandrichtern wiffen wir nur wenig. Bis 1719
hatten die Provinzen Helfingfors und Björneborg nur einen
Oberlandrichter, Martin Brummer ; nach Abjegung desjelben
fam Georg Fromhold v. Eſſen nach Björneborg und Karl Guft.
Liljenfeld nach Helfingfors. In Zawaftehus (Borgä) war
Berndt Ioh. v. Tieſenhauſen, in Ofterbotten Otto Job. v. Tiefen-
haufen Dberlandrichter. Yebterer wurde indefjen bereits 1718
feines Amtes enthoben, weil er allzu eifrig für das Wohl
der Bevölferung eingetreten war. Sein Nachfolger Joachim
Schmidtfelt galt für beftechlih und wurde auf Grund zahl:
reicher Bejchwerden 1720 abberufen. An jeine Stelle trat
Bolmar Adolf Stadelberg, welcher das Bertrauen der Be—
wohner in jo hohem Maße genoß, daß nach Abjchluß des
Friedens mehrere öjterbottnifche Geiftlihe um jein Verbleiben
in ſchwediſchen Dienften baten.
Die Oberlandesgerichtsbezirfe wurden zum Behuf der
Steuererhebung in Vogteien eingeteilt, indem man je 3, 4
oder 6 Kirchipiele unter einem Vogte vereinigte. Die Steuer:
erbebung wurde den Geiftlichen abgenommen und den im
Yande gebliebenen früheren Steuereinnehmern oder anderen
ichreibfundigen Perjonen übertragen. Die Stellung diejer „ruf:
ſiſchen Vögte“ war Außerft jchwierig, da die rufjiichen Be—
börden die ungejäumte Erlegung der Steuern verlangten, wäh-
rend die verarmte Bevölkerung diejelben nicht zu bezahlen ver-
mochte. Unter den Bögten jtanden die Starojten, welche aus
der Mitte der wohlhabendften Bauern ernannt wurden und
dafür verantwortlich waren, daß die Abgaben vollftändig ein-
gingen. Auch fie wurden von dem gemeinen Manne mit leb-
baftem Mißtrauen betrachtet. Unzweifelhaft machten fich dieſe
302 Bierte Periode, Der große nordiihe Krieg und die Freibeitszeit.
einbeimifchen Beamten allerhand Bebrüdungen und Ungerech—
tigfeiten jchuldig, was fich jedoch um jo weniger vermeiden
ließ, als fie von der ruſſiſchen Regierung fein Gehalt empfingen ;
übrigens wurde jpäter zugegeben, daß ſich die Leiden des Volkes
minderten, nachdem die rujfiichen Behörden finniſchen Yandes-
findern amtliche Funktionen zu übertragen begonnen hatten. Im
den Städten wurde die Steuererhbebung von den Magiftraten,
unter gleicher Berantwortlichfeit wie auf dem Lande, bejorgt.
Gleichzeitig wurde die Steuereinteilung behufs gerechterer
Verteilung der Abgaben einer NRevifion unterzogen. Von den
einzelnen Steuertiteln, welche während der ganzen Dauer der
ruffiichen Herrichaft unverändert beibehalten wurden, war ber
wichtigfte die „Drdinarkontribution *: 8 Rubel bar und
6 Tonnen 234 Metzen Getreide jährlich von jeder Steuer-
einheit („mantal“). Cine andere, nicht minder drüdende Ab-
gabe, welche bauptjächlich beim Unterhalt der Armee Verwen—
dung fand, wurde in Naturproduften erlegt. Für die Beſol—
dung der höheren Zivilbeamten mußte jede „Steuereinheit“
einen Rubel bezahlen. Die Städte erlegten jährlich eine ge-
wiffe Summe: Abo 1000, Björneborg und Borgä je 360,
Nyftad 300, Raumo 220, Nädendal 100, Waja erjt 45, jpäter
50 Rubel u. j. w. Einige Ortichaften waren außer jtanbe,
auch nur einen Pfennig zu bezahlen; und auch in den übrigen
war die Armut jo groß, daß die am fich keineswegs hohe Kon—
tribution nur mit Schwierigfeit erpreßt werden konnte. —
Außer dieſen regelmäßigen Steuern wurden bei bejonderen
Gelegenheiten allerlei Geldabgaben und Laften auferlegt. So
mußten 3. B. die Bauern, bejonders in den Küftenfprengeln,
auf Befehl des Zaren Holz fällen und an die Meerestüfte
transportieren, den ruſſiſchen Offizieren und Beamten Yebens-
mittel liefern u. j. wm. — Am bärteften empfand jedoch die
Bevölterung eine Steuer, welche Graf Douglas 1719 und
1720 eintrieb, um einige Negimenter finnifcher Soldaten dem
Zaren zur Verfügung jtellen zu fönnen. Er erteilte den Ober-
landrichtern und Vögten den Befehl, von jeder „Steuereinheit“
einen Mann auszubeben, ein Gebot, welches mit großer Härte
Steueriveien und Nechtäpflege. 808
durchgeführt wurde, indem man die Bewohner, welche jich in
bie Wälder geflüchtet hatten, mit Feuer und Schwert bedrohte,
wofern fie nicht beimfehren würden. Man jcheute fich nicht
einmal, die Kirche in Tawaſtkyro während des Gottesdienftes
zu umringen, um die Gemeinde zur Lieferung von Rekruten
zu zwingen. Auf ſolche Weile wurden 1500—2000 Mann
zufammengebracht, deren Ausrüftung die einzelnen Steuer:
einheiten bezahlen mußten; fie wurden nah Südrußland geführt,
um dort jpäter im ruſſiſchen Kriege gegen Perſien größten:
teil8 den Tod zu finden.
Die erjten Berjuche zur Ordnung der Nechtspflege erfolgten
in dem eneralgouvernement des Grafen Douglas etwa 1718.
In Abo-Björneborg wurde Jakob Callia, früher ſchwediſcher
Bogt, in Borgä-Tawaftehus Guft. Friedrich Bofin, in Oſter—
botten Jakob Roß zum Richter ernannt. Letzterer, ehemals
Bürgermeiſter in Waſa, hatte ſich unmittelbar nach der Schlacht
bei Napo in Unterhandlungen mit dem Feinde eingelaſſen,
machte jedoch jetzt durch rechtſchaffene Verwaltung des ihm
auferlegten ſchwierigen Amtes ſeinen Fehltritt wieder gut. Die
Richter, von denen man an die Oberlandrichter und den General-
gouverneur appellieren fonnte, urteilten nach ſchwediſchem Geſetz,
hielten jedoch nicht regelmäßig Thinge ab, jondern erjchienen
je nach Bedürfnis an den Orten, wo eine gerichtliche Unter—
juchung von nöten war. Beſonders thätig erwies fich das von
Galigin in Abo gegründete Kriegsgericht, welches unter jeiner
Leitung die Vergehen des Kriegsvolfes jo ftreng ahndete, daß
die Soldaten ihn ſpöttiſch „den finnischen Gott“ nannten, ein
Name, der in den Augen der Nachwelt als einer der jchönften
Ehrentitel erjcheinen muß.
Im öftlichen Finnland waren die Zuftände, jo weit man
aus den nur jpärli vorhandenen Quellen jchliegen kann,
wejentlich anders als in dem wejtlichen Generalgouvernement.
Die Verwaltung hatte dort nach wie vor einen rein mili-
tärifchen Charakter, indem die Schloßhauptleute, unter denen
der Kommandant zu Wiborg, Iwan Schuwalow, der ein-
flußreichfte war, das Land regierten. Die Steuern wurden
804 Vierte Periode. Der große norbijche Krieg und die Freiheitgzeit.
ungefähr auf diejelbe Weife wie im wejtlichen Finnland er:
hoben; aber außerdem war der gemeine Dann durch Frondienſt
in Petersburg, Kronjtadt und Wiborg hart belafte. Durch
das ruſſiſche Donationswejen, deſſen Einführung ſchon nach
dem Falle von Wiborg begann, wurde jchließlich das Funda—
ment zu Mißftänden gelegt, die erjt in unjeren Tagen be-
jeitigt worden find.
Es ift begreiflih, daß die rujjiichen Behörden, welche
mehrere Jahre hindurch die weltliche Verwaltung vernachläſſigt
hatten, den kirchlichen Inftitutionen eine noch geringere Für—
jorge wibmeten. Die Verwirrung auf kirchlichem Gebiete war
denn auch in den erften Jahren nach der Occupation ebenjo
groß wie allgemein. Die gejamte höhere Geiftlichfeit hatte
das Land verlafien. Allerdings juchte Gezelius von Stodholm
aus fein Bistum zu leiten und erftredte feine Wirkſamkeit jo-
gar auf das Stift Wiborg, deſſen Bifchof, David Lund, 1711
in gleicher Eigenjchaft nach Wexiö verjegt worden war; aber
je mehr fich die feindliche Herrichaft ausbreitete, defto weniger
vermochte er die Verbindung mit den in Finnland gebliebenen
Predigern aufrecht zu erhalten. Im Jahre 1716 war im
Stifte Abo Kuufamo das einzige Paftorat, welches noch unter
jeiner Botmäßigfeit ftand. Hierzu fam, daß die finnijchen
Geiftlichen einer barbariichen Behandlung preisgegeben waren,
wenn fie jih den Wünjchen der Rufen gegenüber nicht in
jeder Weiſe entgegenfommend verbielten. Nachdem der erjte
Sturm vorübergegangen, wurde die Situation allerdings bejjer,
jo daß fich die Geiftlichen wiederum der religiöjen Fürſorge
für ihre Gemeinden widmen fonnten; aber der Verdacht einer
Verihwörung gegen die ruſſiſche Negierung laftete auf ihnen
noch immer. So wurden 3. B. 1716 zahlreiche Prediger
wegen angeblicher Begünftigung von Hreifchärlern ins Ge-
füngnis gejtedt und die Komminifter Andreas Affren in Stor-
fyro jowie Ruth in Marmo 1718 hingerichtet, weil ein von
beiden verfaßter und für Schweden beftimmter Bericht über
die Zuftände in Finnland den Ruſſen in die Hände gefallen
war. Die höchjten Yeiter der Kirche waren die ruffiichen Befehls-
Kicchenrefoum (1717). 305
haber. Sie bejegten die erledigten Predigerftellen. Welche
Auffaffung fie von dem geiftlichen Beruf hatten, geht aus einer
Vollmacht für einen neuernannten Geiftlichen hervor, worin
diejem in allererfter Linie die Pflicht, Freifchärler aufzuipüren
und zu ergreifen, eingejchärft wird.
Diejer anarhiiche Zuftand auf kirchlichem Gebiete fand
1717 ein Ende. Galigin errichtete nämlich damals in Abo
ein Interimsfonfiftorium, deſſen VBorfigender der Propft Jakob
Ritz in Somero war, während Prediger aus Abo und nahe-
gelegenen Kirchipielen als Meitglieder fungierten. Nik, von
Geburt ein Deutjcher und früher Paftor in Ingermanland,
zeigte fich in jeiner neuen Stellung als energiicher Mann der
Kirhe, indem er die Geiftlichfeit unabläffig zu würdigem
Betragen ſowie zu eifriger Fürſorge für die Gemeinden er:
mahnte und einigen Predigern wegen ungebührlichen Verhal—
tens ſtrenge Verweije erteilte. In einem Zirkularichreiben jchrieb
er 1717 die Abhaltung von Morgen: und Abendgebeten in ſämt—
lichen Dörfern jowie die Erziehung des Volkes zur Gottesfurcht
vor, damit bie eindringende „höchſte Barbarei“ nicht überhand
nähme. Als eine Hauptaufgabe betrachtete er ferner die Ver—
mebrung der Anzahl von Geiftlichen, zumal da mehrere Gemein-
den feinen einzigen Prediger bejaßen. Die Beförderungen,
namentlich jolche zu höheren Predigerämtern, hingen allerdings
nach wie vor von den ruſſiſchen Bejehlshabern ab, welche auch
die Wollmachten auszufertigen hatten !). Cine dem Aboer
Konfiftorium nebengeordnete Stellung erhielt Barthold Vhaẽël,
welcher, im Jahre 1718 zum Prediger in Wafa jowie zum
Propft in Ojfterbotten ernannt, die Pflicht zur Vifitation und
Überwachung der dortigen Gemeinden, nicht aber das Necht
zur Ordination von Geiftlichen bejaß. In demjelben Jahre
wurde behufs Unterſuchung und Aburteilung von Firchlichen
Streitigkeiten in dem nyländiſchen jowie tawaftländijchen Anteil
des Stiftes Wiborg unter dem Präfidium des energijchen
1) 3. Tengftröm, Handlingar till upplysning i Finlands kyrko-
bistoria VI, 1—75 (Abo, 1827).
Schybergfon, Geſchichte Finnlanıde. 20
306 Pierte Periode. Der große nordiſche Krieg und die Freibeitszeit.
Pfarrers in Perno, Peter Serlahius, in Borgä ein Kon—
fiftorialgericht eingeſetzt, welches aber gleichfalls nicht zur
Drdination von Predigern berechtigt war. In den übrigen
Zeilen des Stiftes Wiborg hatte der Pajtor in Wiborg, Magnus
Alopäus, jeit 1714 die Oberaufficht über die firchlichen Ver:
hältniffe und das Recht zur Priefterordination; allein nach
jeinem Tode (1716) blieb das Kirchenregiment vernachläffigt,
bis jein Nachfolger, Ehriftian Meelartopäus, 1720 zum Bor:
figenben eines neu eingerichteten Konſiſtoriums ernannt wurde.
Ebenjo wie dem Fürften Galigin das Hauptverdienft an
der Ordnung der kirchlichen Zuftände Finnlands gebührt,
ebenjo knüpfen fich auch an feinen Namen Verſuche, das Schul-
wejen aus jeinem vollftändigen Verfall wieder aufzurichten.
Auf jeinen Befehl traten 1716 die Aboer Kathedralichule und
1717 die Zrivialichule zu Raumo von neuem in Ihätigfeit.
Auh in Wafa und Wiborg dürften Lehranftalten jowie außer:
dem in Nädendal, Nyſtad und Ekenäs Pädagogien beftanden
haben. Alle diefe Schulen bejagen damals nur eine geringe
Anzahl von Lehrkräften und Schülern; aber die Tradition
höherer Bildung wurde trogdem durch fie aufrecht erhalten,
und mancher Yüngling erwarb bier die Grundlagen zu einer
fünftigen nütlichen Wirkjamteit.
Die während der Ietten Jahre der ruſſiſchen Herrichaft
eingetretene größere Ordnung und die im allgemeinen mildere
Behandlung der Einwohner übten auf das wirtichaftliche Yeben
einen günftigen Einfluß aus. Der Aderbau begann wieder
aufzublühen, wenngleich der Ertrag bei weitem nicht dem der
früheren Zeiten entſprach. Was ferner den Handel betrifft,
welcher infolge der Flucht der meiften Kaufleute jowie wegen
Abbruchs aller überjeeifchen Beziehungen faft volljtändig auf-
gehört Hatte, jo begannen ruſſiſche und deutſche Gejchäfts-
männer, bie fih in Finnland niedergelajien hatten, allmäh—
lih den Warentaufh mit Rußland und den Djtfeeprovinzen
wieder aufzunehmen. Infonderheit gab es in Abo, Helfingfors
und Tawaſtehus zahlreiche „ruffiiche Marketender“ und in der
erftgenannten Stadt ſogar einen „ruffiichen Bürgermeifter“,
Grchulweſen und Handel unter Galitin. — Der Nyftaber Friebe (1721). 807
welcher die ruſſiſchen Kaufleute bei den Behörden vertrat. In
den legten Jahren des großen nordijchen Krieges erjchienen auch
Holländer häufiger an den Hüften Finnlands. Auf induftriellem
Gebiet ift das Emporblühen der Leinwandfabrifation, namentlich
in Borgäͤ, mit beveutendem Abſatz in Rußland beachtenswert.
Hingegen war die gegen Ende des 17. Jahrhunderts blühende
Hütteninduftrie beinahe gänzlich in Verfall geraten.
Im Außerjten Norden kam es Anfang 1719 noch zu einigen
kleineren kriegeriſchen Ereigniſſen. Nachdem der norwegiiche
Winterfeldzug Armfelts mit feiner größtenteild aus finnischen
Zruppen bejtehenden Armee einen tragtiichen Ausgang genommen
hatte, zog eine kleinere finnifche Abteilung ins nördliche Oſter—
botten und drang bis nach Uleäborg, welches jedoch bald durch
rujjiiche Dragoner und Koſaken wiedererobert wurde. Seit—
dem ftanden einige Kirchjpiele im nördlichen Ofterbotten und in
Kajana wiederum unter jchwedischer Botmäßigfeit, während
man an anderen Orten bald an jchwebdijche, bald an ruſſiſche
Behörden Steuern zahlte. Dieje Heinen Gejchehnifje blieben frei-
lich faſt unbemerkt, weil die Blicke aller auf die Unternehmungen
der rujjiichen Flotte gerichtet waren, welche 1719—1721 bie
Küften Schwedens brandichagte. Hierdurch wurden die leiten:
den Männer in Stodholm endlich zu dem Entjchluß beftimmt,
jich behufs Wiedergewinnung des Friedens ſogar den bärteften
Bedingungen zu unterwerfen. Im Frühjahr 1721 empfingen der
aus Finnland gebürtige Neichsrat Joh. Lillienſtedt (Paulinus)
und der Landeshauptmann DO. R. Strömfelt die Weijung, ſich
als Friedensunterhändler nach Nyſtad zu begeben, wo fie mit
den ruſſiſchen Delegierten Ofterman und Bruce zujammen:
trafen. Die Hauptichwierigfeit machte die Frage, wer Wiborg
befigen jollte. Schließlich gaben die Schweden, aus Furcht
vor einem ruſſiſchen Plünderungszuge, nach, worauf am 30. Auguft
1721 der Nyſtader Friede unterzeichnet wurde, in welchem
20 *
308 Bierte Periode. Der große norbiiche Krieg und die Freiheitszeit.
Schweden Livland, Ejthland, Ingermanland, Dago, Diel, Möen,
den füdlichen Teil von Kexholm jowie einen Teil der Provinz
Wiborg nebft der gleichnamigen Stadt an Nußland abtrat.
Die nähere Feltiegung der Grenze gelangte erit 1723 zum
Abſchluß. Die Grenzlinie ging von der auf ſchwediſcher Seite
befindlichen Kirche zu Vederlaks in der Nähe der Meeresküſte ſüd—
lih von der Kirche zu Säffijärvi bis in die Nähe von Wi—
borg, von dort in gerader Linie öftlih von den Kirchen zu
St. Peter und Kirvus bis an die frühere ruſſiſch-ſchwediſche
Grenze jowie längs derjelben bis zu dem Punkt, wo die Kirch:
ipiele Pariffala, Kerimäki und Keſälaks zufammenftoßen; von
dort hätte fich die Grenze in oft-norbeöftlicher Nichtung bis
zum Porojärvi-See im Gouvernement Olonez erjtreden müffen.
Da aber bei den von Oſten und von Weften vorgenommenen
Meffungen die von den Endpunften aus gezogenen Yinien nicht
zufammentrafen, wurden fie durch einen Querſtrich nördlich vom
Jänisjärvi-See miteinander verbunden. Die Grenzlinie, durch
welche die frühere Provinz Kerholm damals zwijchen Schweden
und Nußland geteilt wurde, trennt noch heute die beiden Pro-
vinzen Wiborg und Kuopio voneinander.
Auch nah Abſchluß des Friedens mußten fih Finnlands
Dewohner drüdenden Auflagen unterzteben, bevor die feind-
lichen Gäſte das Land verließen, im welchem fie acht Jahre
aeberricht hatten. Im Widerjtreit mit dem Wortlaut des
‚sriedenstraftats trieben die ruffischen Behörden die Kontri—
bution für 1721 volljtändig ein, und außerdem mußte bie
Bevölkerung den Truppen bei ihrem Abzug Vorjpann, Pro:
viant und Fourage liefern. Übrigens erfolgte die Räumung
nur langjam. Erſt am 30. September bracd der ruſſiſche
Kojafengeneral Tſhekin an der Spite feines Negiments von
Abo auf; noch Mitte Oftober hielten ruffifche Truppen das
jüdliche Oſterbotten beſetzt, und in Nyſlott blieb die rufjiiche
Beſatzung bis zum Dezember.
Auf ſolche Weife endigte die düſterſte Epoche in der Ge-
ihichte Finnlands. Dasjelbe wurde zwar mit dem Mutter-
lande wieder vereinigt, aber verwundet, blutend und zerftüdelt.
Die Feſtſetzung der Grenze. — Die neue ſchwediſche Verwaltung. 309
Seine Blüte war in geiftiger wie materieller Hinficht geknickt;
und Wiborg, jeit alter Zeit der Mittelpunkt des Handels und
des Derteidigungswejens in Oftfinnland, war in die Hände
Ruplands gefallen.
2. Beginn der Freiheitszeit. Finnland 1721—1738 9.
Die in Finnland bejtehende Verwaltung wurde bald nach
dem Frieden von Nyjtad wieder bergeftellt. Im Oktober 1721
erjchten der frühere Kriegsrat Joh. Heinr. Friſenheim (Frifius).
Derjelbe war anf Grund feiner Bekanntſchaft mit den Verhält-
nijfen in Oftfinnland zum Yandeshauptmann der neu gebildeten
Provinz Kymmenegaͤrd-Nyſlott, welche die an Rußland nicht ab:
getretenen Teile der Provinzen Wiborg und Kerholm umfaßte,
ernannt worden und hatte außerdem die Wetjung empfangen, alle
notwendigen Maßnahmen zur Ordnung der Verhältnifje Finn—
lands zu treffen *). Ende 1721 bezw. im Jahre 1722 trafen
die übrigen Yandeshauptleute ein: Peter Stiernerang in Ny—
land- Tawajtehus, Reinhold Wilhelm v. Eſſen in Ojterbotten
jowie Joh. Stiernfteot in Abo-Björneborg. Der legtgenannte,
welcher furz nach feiner Ankunft jtarb, erhielt Otto Reinhold
Ykull zum Nachfolger. — Allmählich jchritt man zur Wieder:
errichtung der Gerichtshöfe, Lehranftalten und der firchlichen
Oberbehörden. Die Aboer Akademie feierte am 26. November
1) Nachfchlagewerte und gedrudte Quellen zur Gedichte Finnlands
während der fFreibeitszeit: M. ©. Schybergion, Bidrag till Fin-
lands inre historisa 1721—1731 (Helfingfors, 1875); 8. G. Malm—
ftröm, Sveriges politiska historia frän Karl XIIs död till statshvälf-
ningen 1772, ſechs Bde. (Stodbolm, 1855 —1877); zweite, teilweife um—
gearbeitete Auflage, Bd. I u. Bd. II (Stodbolm, 1893 u. 1895); Nikl.
TZengberg, Bidrag till historien om Sveriges krig med Ryssland
ären 1741— 1743 (Lund, 1857—1858); 3. W. Arnberg, Anteckningar
om frihetstidens politiska ekonomi I. Handeln och näringarna (Upiala,
1868). — Arhivalien im „Schwed. Reichsarchiv“.
2) Nach feiner Ankunft wählte er Willmanftrand zu feiner Reſidenz.
310 Bierte Periode. Der große nordiſche Krieg und die Freibeitszeit.
1722 die Wiederaufnahme ihrer Thätigfeit durch ein Feſt, zu
welhem das Bublitum durch eine Feftichrift des Profanzlers und
Biſchofs Hermann Witte (1721— 1728) eingeladen wurde. Zum
Biihof des ehemaligen Stiftes Wiborg, deſſen Oberleitung
nunmehr nach Borgä verlegt wurde, ernannte die Regierung
Joh. Gezelius (1721—1733), das dritte Mitglied jenes Ge-
ichlechts, welches in der Gejchichte der finnijchen Kirche einen
fo hervorragenden Pla behauptet.
Den beimfehrenden Finnländern bot jich ein trauriger An—
blit dar. Der langwierige Krieg, die achtjährige feindliche
Deceupation und das vom Gegner angewandte Ausjfaugungs-
ſyſtem Hatten des Landes Wohlfahrt und Blüte zerftört. Im
nördlichen Ofterbotten fand v. Effen geradezu elende Zuftände
vor, und nicht viel beſſer jtand es im jüblichen Zeile der
Provinz. Die Kirchen waren verfallen und ihres Schmucdfes
beraubt. Die brach liegenden Bauernhöfe, deren Zahl ſich 1722
auf 1978 belief, zeugten von dem fürchterlichen Verfall des
Aderbaus. In Abo-Björneborg waren ebenfalls mehrere Kirch-
ipiele faft verödet und auf Aland die Zuftände noch betrübender,
während in Nyland-Tawaſtehus bejonders die Kirchipiele, wo
der Feind zuerft gelandet und durchmarjchiert war, hart mit-
genommen waren. In Kymmenegärd-Nyflott gab es beinahe
1500 brad liegende Höfe.
Auch die Städte waren durch Brandichagungen und andere
Auflagen, Einquartierung, Proviantlieferungen zum Unterhalt ver
ruffiihen Truppen u. f. w. ganz und gar verarmt. Die Bürger
der öjterbottnijchen Städte berechneten ihren Verluſt auf
900000 Thaler Kupfermünze Kajana war beim Friedens—
ihluß völlig verwüftet; in Vekkelaks gab e8 weder Häufer noch
Einwohner; in Tawaftehus war ein Drittel der Häufer zer:
ftört. Helfingfors beftand nach Inbrandjegung der Stadt
nur noch aus Ruinen. In Abo, welches verhältnismäßig
milde behandelt worden war, jchäßten die Bewohner ihren
Berluft auf etwa 440000 Thaler Kupfermünze.
Wie jehr fich die Tandesbevölferung infolge des Krieges
und der feindlichen Bebrüdungen vermindert hatte, läßt fich
Die Folgen des Krieges. Die Rücdkehr der Gefangenen. 311
gegenwärtig nur noch annäherungsweije berechnen. In Ofter-
botten war die Abnahme am ftärfften; in Kymmenegärb-
Nyſlott dürfte fie verhältnismäßig geringer gewejen jein. Bei
einer Bergleihung der Zahl von Steuerpflichtigen in den
Jahren 1724 und 1700 erjieht man, daß 1723 die finnifche
Bevölkerung etwa 84 Prozent der Volkszahl beim Ausbruch des
Krieges ausmachte, eine Ziffer, welche noch größere Bedeutung
erhält, wem man erwägt, wie jehr fich die Bevölkerung ver:
mebrt haben würde, wenn während jener langen Epoche Friede
geberricht Hätte. Die Zahl jümtlicher Bewohner betrug einige
Jahre nach dem Frieden, gemäß einer auf Grund der Steuer-
rolfen angejtellten Schäßung, 275—300000 Berjonen ?).
Mit lebhaftefter Spannung hatten Tauſende von Finn-
lindern, welche als Kriegsgefangene oder Leibeigene in Ruß—
land weilten, auf die Nachricht vom Abjchluß des Friedens
gewartet. Die in offenem Felde gefangenen finniſchen Sol-
daten wurden, gemäß dem Wortlaut des Friedenstraftats, ohne
Schwierigfeit freigegeben. Im November 1721 trafen bie
erjten an der Grenze Finnlands ein, und auch in den nächjten
Jahren berichten die Quellen unaufhörlihd von der Rück—
fehr finnischer Krieger und Offiziere aus dem Innern Ruß—
lands. Hingegen bat e8 den Anjchein, als habe man die Tau—
jende von Männern, Weibern und Kindern zum Verbleiben in
Rußland zwingen wollen, die in barbarifcher Weife bei ven
Plünderungszügen weggeichleppt worden waren. Yanbeshaupt-
mann Frijenheim meldete z. B. wiederholentlih, daß Finn
länder wiberrechtlih in Rußland zurücbehalten worden jeien.
Lange erwiefen fih alle Bemühungen, eine Freigebung jener
Gefangenen zuerwirken, vergeblih. Schließlih ließ man
über fie Verzeichniffe anfertigen, welche dem jchwedifchen Ge—
jandten Gedercreug in Petersburg zugeftellt wurden, damit
diejer bei der ruffischen Regierung Vorſtellungen erheben könnte.
Jet vermochte legtere die Freilaffung der unglüclichen Ge—
1) M. ©. Schyberafon, Bidrag etc., p. 28 u. 136. Die au
Grund älterer Berechnungen angegebene Bevöllerungsziffer von etwa
200000 Berfonen ift zweifelsohne allzu niebrig gegriffen.
312 Bierte Periode. Ber große nordiſche Krieg und bie Freiheitszeit.
fangenen nicht mehr zu verweigern; aber erft im Frühling 1725
trafen aus dem Gouvernement Aftrachan die 443 üiberlebenden
Männer von den 1500—2000 ein, welche Graf Douglas, wie
©. 302 erwähnt, 1719 und 1720 als Blutiteuer erpreft hatte.
Während jomit der Zuftand Finnlands in den erften
Jahren nach dem Friedensjchluß im jeglicher Hinficht ein trau-
riges Bild darbot, konnte man fich des Gedunfens nicht
erwehren, daß auch die Zufunft drohende Gefahren in ihrem
Schoße barg. Die, Sicherheit, welche Finnland gegenüber dem
öftlichen Nachbar genofjen Hatte, jo lange Schweden Kerholm,
Ingermanland, Ejtbland, Livland jowie Wiborg bejaß, war
jet verichwunden. Rußland hatte fich zu einer Militärmacht
erjten Ranges entwidelt, während Schwedens Streitkräfte ent:
fernt und diejenigen Finnlands unzureichend waren, jo daß
letsteres bei einem erneuten Kriege der Gefahr ausgejegt war,
von ruſſiſchen Truppen überjchwemmt zu werden. In diejen
Verhältniffen lag eine Mahnung, dem Verteidigungswejen un:
abläffige Fürjorge zu widmen. Um jo jchwerer trifft die
ſchwediſche Regierung der Vorwurf, daß jie der Verteidigung
Finnlands die unter jolchen Umftänden erforderliche Aufmerk—
jamfeit feineswegs widmete. Allerdings ift e8 wahr, daß Die
Neubelebung des ökonomischen Wohljtandes, des Geldweſens
und der Verwaltung bedeutende Anftrengungen erforderte, und
daß die fluge Peitung der auswärtigen Politik durch den Kanzlei-
präfidenten Arwid Bernhard Horn !) Finnland gegen unmittel-
bare Gefahren jehügte; aber dejjen ungeachtet wäre e8 wohl
möglich und in hohem Grade wünjchenswert gewejen, das
Verteidigungsweſen Finnlands zu fichern und zu vervoll-
fommnen. .
Bon den zahlreichen Kriegerjcharen, welche Finnland wäh—
rend des großen nordijchen Krieges aufgeftellt hatte, waren im
Frühjahr 1721 nurnoch 1200 Mann Infanterie und 600— 700
Mann Kavallerie übrig. Dieſe Trümmer jollten den Stamm
1) Er war 1664 auf dem Gute Wuorentafa im Kirchſpiel Halifko
geboren.
Finnlands Berteidigungswefen von Schweden vernadläifigt. 813
einer neuen finnijchen Armee bilden. Da es indefjen ſelbſt—
verjtändlih Finnlands eigenen Bewohnern unmöglich war,
unmittelbar nach ten ausgeftandenen Yeiden die finnijchen Negi-
menter zu refrutieren, wurden dieje durch ſchwediſche und
deutiche Mannjchaften ergänzt. Auf ſolche Weije vermochte
man zwei Kavallerieregimenter (Leibdragoner und Regiment
Nyland) und ſechs nfanterieregimenter (Abo, Björneborg,
Ofterbotten, Nyland, Tawaftehus, Savolaks) nebft dem Batailfon
Kymmenegärd zu errichten, welche Ende 1721 und Anfang 1722
teil8 zur See, teil auf dem Landwege nach Finnland geführt
wurden. Dieje Negimenter waren jedoch nicht im mindejten
vollzählig; auch ließ ihre Bekleidung wie ihre jonjtige Aus—
rüftung viel zu wünſchen übrig, und Artilferie gab es über:
haupt nicht. Erſt 1727 wurden einige Verbejferungen vor—
genommen, indem ein neues Kavallerieregiment (Karelien) er:
richtet '), die Ergänzung der Regimenter anbefohlen jowie
Finnland mit eigener Feldartillerie verſehen wurde.
In den erjten Jahren nach Abjchluß des Friedens war
man feineswegs blind dagegen, daß die Armee der Unter—
ſtützung von Fejtungen bedurfte; aber die Maßnahmen, welche
man zu diefem Behufe traf, waren nicht im entferntejten ge-
nügend. Nach einem Worjchlag des Hortififationsdireftorg
Arel Yöwen jollte das finnische Befeſtigungsſyſtem hauptſächlich
die Grenzorte Nyſlott, Willmanftrand und das frühere Vekke—
laks, jet Fredrikshamn genannt, umfaſſen und an leßterer Stelle
gleichzeitig ein befejtigter Hafen angelegt werden. Diejer Plan
wurde auf dem Neichstage von 1723 gutgeheißen; aber bald be-
gann die Negierung daran zu zweifeln, daß die genannten Pläge
als Stüßpunfte für die Verteidigung geeignet ſeien, weshalb
die Arbeit nur mit geringem Nachdruck betrieben wurde. Finn—
lands Verteidigung, jo hieß es auf dem Neichdtage von 1731,
müjje auf einer tüchtigen Armee und gut eingerichteten Maga—
zinen beruben. Auf dem Neichstage von 1734 war die Gleich—
1) Seit dieſer Zeit betrug die nominelle Stärke der Armee 2730 Dann
Kavallerie und 6902 Mann Infanterie.
314 Vierte Periode. Der große norbiihe Krieg und bie Freibeitszeit.
gültigfeit gegen Finnlands Berteidigungsweien noch größer.
Bergebend drangen die Befehlshaber des finnischen Heeres,
Berndt Dtto Stadelberg, jowie mehrere finnijche Neichstags-
abgeorbnete auf energijche Maßregeln zum Schutze Finnlande.
Während auf jolche Weife das BVerteidigungswejen in einem
unbefriedigenden Zuftand verblieb, fümpfte die Yandwirtjchaft in
den erjten fünf Jahren nach dem Friedensjchluß einen harten Kampf
gegen die Folgen des Krieges. Allerdings that die Regierung
alles Mögliche, um dem Aderbau aufzubelfen und der grund-
befigenden Bevölkerung ihre durch den Krieg erlittenen Verlufte
wenigſtens einigermaßen zu erjegen. Die wichtigfte hierauf bezüg-
lihe Maßnahme war die Bewilligung von Steuerfreiheit für
diejenigen Grundbefiger, deren Liegenjchaften während des Krieges
bejhädigt worden waren. Im Anjchluß an die vorgenommenen
Unterjuchungen wurden für die am meiſten gejchädigten Höfe
6—8, für die übrigen verhältnismäßig weniger Steuerfreiheite-
jahre !) feſtgeſetzt und gleichzeitig alle reftierenden Schulden bis
1722 erlajjen. Allein mehrere jchwere Mißwachsjahre (1722
bis 1727) vernichteten die Früchte dieſer Maßregeln faft voll-
jtändig. Zwar wurde durch die Regierung die größte Not ge-
lindert; aber der Mangel an Lebensmitteln war doch jo groß,
daß die Bevölkerung vielfach nach Eſthland und Rußland
auswanderte. — Die öfonomijche Yage der Städte war da—
mals, wie überhaupt immer, von der des Landvolkes abhängig.
Auch fie erhielten Steuerfreiheit, einige für 8 bis 9 Jahre;
doch konnte der Handel nicht aufblühen, jo lange der Aderbau
dantederlag.
Bejondere Aufmerkiamkeit verdienen die „Königlichen Kom:
miffionen“, welde 1725— 1727 die AZuftände in Finnland
unterjuchten. Auf Grund der Beſchwerden, welche Bertreter
der finnischen Bevölkerung 1723 auf dem Reichstage vor:
brachten, wurde nämlich die Einjegung von außerorbentlichen
Kommiſſionen beichloffen, welche in Finnland Unterjuchungen
1) Über das Verfahren bei Fefttellung ber Gteuerfreiheitsjahre val.
M. G. Schybergſon, Bidrag ete., p. 42890.
Die Pandwirtfchait in den 2Ver Jahren. Kommiffionen. 815
anjtellen, den Beſchwerden abhelfen ſowie Maßnahmen zur
Förderung der allgemeinen Wohlfahrt des Fandes in Vorjchlag
bringen jollten. Vorjigender der „Wejtlihen Kommiſſion“,
deren Wirkungsfreis Abo-Björneborg, Tawaftehus ſowie Aland
umfaßte, wurde der Präfident im Göta-Hofgericht, Baron
Germund Cederhjelm. Als Mitglieder fungierien der Affeffor
Lars Johann Ehrenmalm !) und der Oberkriegstommifjar Johann
Nigrell, als Ankläger der Bezirfsrichter Karl Guftan Norb-
berg, welcher jpäter, unter dem Namen Löwenhjelm geadelt, zu
den bervorragendften Staatsmännern der „Freiheitszeit“ gehörte.
Die „Oftlihe Kommiffion“, welche in Nyland und Kymmene—
gärd-Nyilott thätig war, hatte den Präfidenten im Bergs-
follegium, Graf Guft. Bonde, zum Borfigenden, den Affeffor
im Aboer Hofgericht, Adam Ingelet, und den Generaltriegs-
fommiffar Karl Dryſell zu Mitgliedern, den Auditeur Anders
Grönvall zum Ankläger.
Die Akten der „Weftlichen Kommiſſion“ zeugen von großer
Energie und vielleicht jogar übertriebener Strenge gegen die
zur Verantwortung gezogenen Beamten. Sowohl Norbberg
wie Ehrenmalm, welch letterer die leitende Perfönlichkeit unter
1) Lars Johann Malm war am 14. Juni 1688 in Wiborg geboren,
fundierte in Abo, wurde 1708 zum Auditeur bei der finnifchen Artillerie
ernannt, geriet 1710 bei dem Fall von Wiborg in ruſſiſche Gefangenichaft
und verfaßte während berielben einen weitläufigen Bericht über Rufland
zur Zeit des Zaren Peter. Nach allerlei Abenteuern gelang es ibm
1714 nad Stodbolm zu kommen. Nachdem er längere Zeit Handſekretär
Arwid Horns geweſen, wurde er 1717 Sefretär im Aboer Hofgericht, 1718
Aſſeſſor, 1720 unter dem Namen Ehrenmalm geadelt, 1728 Hof—
gerichtsrat, 1736 Oberlandrichter in dem Nordfinniſchen Oberlandes—
gerichtsbiftrift und 1742, klurz nad feiner Flucht nah Stockholm, Re—
vifionsielretär. Nachdem er ſeit Herbit 1745 den Landeshauptmanns—
poſten in Abo verwaltet batte, erfolgte im Januar 1747 feine Ernenung
zum Landeshauptmann daſelbſt; doch nahm er ſchon April 1749 feinen
Abſchied. Ehrenmalm, welder einer der am vieljeitigften gebildeten
Männer jener Zeit war, ftarb am 21. September 1774 in Abo. Bol.
über ihn M. ©. Schybergion, Lars Joh. Ehrenmalm, biografisk teck-
ning, in: „Svenska literatursällskapets i Finland förhandlingar och
uppsatser “ III, 120—199 (Helſingfors, 1888).
316 Vierte Periode. Der große nordiiche Krieg und die Freibeitgzeit.
den Kommiſſionsmitgliedern war, ließen fich nicht zu Kon—
zejfionen bewegen, wo e8 die Sache der Ordnung aufrecht zu
erhalten galt. In Abo-Björneborg, wo die Unterfuchung be-
gann, waren die Mißbräuche im wejentlichen worübergehender
Natur. Umfaſſender geftaltete jich die XThätigfeit der Kom—
mijjion in Tawaftehus, wo ungejetliche Abgaben mit einer
ſyſtematiſchen Negelmäßigfeit erhoben worden waren. Die
bier vorgebrachten Bejchwerden erinnern an die Klagen des
gemeinen Mannes zur Zeit Guftav Wajas und Johanns III.
Da es fich Far berausjtellte, daß jene Mißbräuche nicht zum
wenigjten darauf berubten, daß fich das Publifum wie die Be-
amten in völliger Unkenntnis binfichtlich des Inhalts früherer
Erlaſſe befanden, ließ die Kommilfion von den Kanzeln
herab eine Bekanntmachung verlefen, worin die ungejeßlichen
Auflagen aufgezählt wurden. Gleichzeitig wurde eine große
Zahl von Steuerbeamten mit Gefängnis oder Geldbuße be-
ſtraft. Nicht einmal die Geiftlichfeit blieb von der jtrafenden
Unterjuhung der Kommiffion verſchont. — In ihrem Eifer,
Mipftände zu befeitigen und die gejegliche Ordnung wieder
berzuftelfen, jcheute die Kommiſſion jogar nicht einen Angriff
auf den Landeshauptmann in Nyland=» Tawaftehus, Baron
Stierncerang. Letzterer verweigerte fein perjönliches Ericheinen,
worauf ein langwieriger und bitiger Schriftwechjel und
Prozeß begann, welcher 1729 damit endigte, daß der König
Stiernerank zwar freijprach, aber ihm die Warnung erteilte,
fortan bei Ausübung jeines Amtes „mit größerer Aufmerkjan-
feit und Bejonnenheit zu verfahren“. Andrerjeit3 wurde die
Kommiſſion verwarnt und Nordberg wegen rüdjichtslofer jchrift-
licher Ausdrucdsweife gegen den Yandeshauptmann zur Abbitte
jowte zu vierzehntägigem Gefängnis verurteilt.
Die „Oſtliche Kommiſſion“ begann ihre Thätigfeit in
Nyland, wo, wie an anderen Orten, jeit langem alte Miß—
bräuche fortbeftanden. Sie befreite den gemeinen Mann von
den widerrechtlich auferlegten Abgaben und beftrafte einige
Steuereinnehmer, verfuhr jedoch im allgemeinen bei ihren
Unterfuchungen ziemlich milde und überwies die Streitfragen
Das Walten der Kommiſſionen. Karelien. 317
mit Borliebe an die Yandeshauptleute, jo daß fie die Unzu—
friedenheit der Beamten nicht erregte. Auch in Kymmenegärd-
Nyjlott forderte fie zahlreiche Vögte, Steuerjchreiber und andere
Beamte vor ihr Forum. Gleichzeitig wies fie in ihrem Bericht
aus Savolaks darauf bin, daß in jemer Landſchaft die feit
1664 bejtehende, ungleiche und allzu große Steuereinihägung
das Aufblüben des Nderbaus in hohem Grade hemme und
als eine wejentliche Urſache der herrſchenden Armut anzufehen
lei. Obwohl die Kommiſſion dieſe Angelegenheit der Fürforge
der Regierung überwies, währte e8 doch noch lange, bis den
erwähnten Mißſtänden abgeholfen werden fonnte.
In noch höherem Grade waren die VBerhältniffe im nörd—
lichen Karelien von denen im übrigen Reiche verjchteden. Bis
zum Nyftader Frieden hatte jene Landſchaft zu der Provinz
Kerholm gehört und war mithin nicht als ein Teil des Groß—
fürjtentums Finnland angejeben worden. Erjt damals wurde
jie in ftaatsrechtlicher Hinficht mit Finnland verbunden; aber fie
blieb noch lange ein fremdes Glied, welches nur in geringem
Maße an der Kulturarbeit des übrigen Yandes teilnehmen
konnte. Die in Schweden und in den andern Provinzen Finn—
lands gebräuchlichen Steuertitel waren in Karelien unbefannt.
Die wichtigfte Steuer bildete bier die jeit langem übliche
„Arviorubeljteuer“, welche durch jährliche Taration feſtgeſtellt
wurde, indem der Oberpolizeibeamte (länsman) mit zwei Ge—
richtsbeijigern alljährlid im Sommer die einzelnen Kirch:
jpiele bereifte und den Wert der Ernte wie des beweglichen
Eigentums der Anjiedler einſchätzte. Da das Gutbefinden
der Einihägungsmänner ganz und gar den Steuerbetrag be-
jtimmte, fonnte ein unredlicher Steuereinnehmer dem gemeinen
Mann das gröbfte Unrecht zufügen. Die größte Unzufrieden-
beit bei der Bevölkerung erregte jedoch die Stellung, welche
die Pächter der ehemals adeligen und jet von der Krone ein-
gezogenen Güter einnahmen. Die geringe Abgabe, welche fie
an die Krone zablten, entſprach in feinerlei Weife den Yajten,
welche jie den Hofbefigern auferlegten. Letztere waren inbezug
auf Beſteuerung, Voripann, Arbeit und Frondienft der größten
318 Bierte Periode. Der große nordiihe Krieg und die Freibeitszeit.
Willtür preisgegeben und ſchwebten in bejtändiger Lebensgefahr,
weshalb fie die Kommilfion um Befreiung von jeder Ab-
bängigfeit jeitens der Pächter baten. Die Kommiſſion glaubte
bei einer jo wichtigen Sache feinen bejtimmten Beſchluß
faffen zu können; doch wurden durch ihre Berichte die Stände
auf dem Reichstag von 1726/27 zu der Reſolution veranlagt,
daß die Pachtkontrakte aufhören jollten, und daß das Yand regel:
mäßig eingefchägt werden jollte. Nur an einigen wenigen
Drten blieb jeit diefer Zeit die Pacht fortbejtehen '); der Be-
ſchluß, betreffend die Taration des Yandes, gelangte hingegen erſt
um vieles jpäter zur Ausführung. — Abgejehen von der jorg-
fältigen Unterfuchung der jozialen Berhältniffe in Sarelien
verbot die „öjtlihe Kommiſſion“ im jener Yandichaft auch alle
ungejeglichen Auflagen, bejtrafte eine nicht geringe Anzahl von
Pächtern jowie Kronftenereinnehmern und erließ, ähnlich wie
die „Wejtliche Kommijfion“, allgemeine Bekanntmachungen, be:
treffend die Einnahmen der Krone und der Geiftlichkeit.
Die Unterfuchungen der „Königlichen Kommijfionen“ waren
für die inneren Verhältniſſe Finnlands von großer Bedeutung.
Klagen über willfürliche Amtsverwaltung famen allerdings auch
nachher vor, namentlich auf den Neichstagen. Aber die Miß—
bräuche waren nicht jo umfaffender Natur, daß außerordent—
lihe Maßnahmen erforderlich gewejen wären; vielmehr über-
wies man jeit diefer Zeit derartige Fragen an die gewöhnlichen
Gerichtsbehörden.
Auch in Oſterbotten war 1729 eine „Königliche Kommiſſion“
thätig, deren Maßregeln jedoch minder durchgreifend geweſen
zu jein fcheinen. Wenigftens werden bier noch mehrere Jahre
Mißbräuche erwähnt, die im ſüdlichen Finnland ſchon abgeichafft
worden waren ?).
1) Das große Gut bes Kämmerers Print blieb in feinem und feiner
Erben Befit bis 1752, wo es für 8000 Thaler Silbermünze von der Krone
eingelöft wurde (Schreiben der Kammer-, Okonomie- und Kommerz:
deputation an die Reichsſtände, 11. Auguft 1761: „Schwed. Reichsarchiv“).
2) Auf Grund von Beichwerden, welche 1734 dem Reichstage vor:
gelegt wurden, wurde 1735 in der füblichen Vogtei Ofterbottens vor ben
Finnlands Aufblühen. Die finniſchen Reichstagsabgeorbneten. 819
Um jene Zeit begannen ſich die VBerhältniffe in Finnland
etwas lichter zu gejtalten. Mehrere gute Ernten gewährten
dem Yandınann reichen Yohn für feine Mühen, und neuer Mut
begann infolge dejjen bei dem gejamten Volke zu ermwachen.
Die auf den Neichdtagen auftauchenden Pläne zur Förde—
rung des Wohljtandes in Finnland zeugen davon, daß man
jetst nicht mehr ausichließlih zur Bekämpfung der Not des
Augenblicks gezwungen war, jondern hoffnungsvoll in die Zu:
funft blickte.
Man darf die Bedeutung der Reichstage für Finnland
nicht unterichägen. Die finnischen Reichstagsabgeordneten waren
im Vergleich mit den ſchwediſchen freilich wenig zahlreih. Die
Wahlen erfolgten in den drei bürgerliden Ständen nad)
Stiften, Städten und Gerichtsiprengeln; aber die Zahl der Wahl:
freije war in Finnland verhältnismäßig geringer ale in Schwe-
den; auch geichah es feinesmwegs jelten, daß fich mehrere Wahl—
freie behufs Eriparung der bedeutenden Koften vereinigten und
einen einzigen Mann zu ihrem gemeinjamen Vertreter aus-
erjaben. Die finnijchen Neichstagsabgeordneten bildeten des:
halb in den bürgerlichen Ständen faum mehr als ein Siebentel
oder ein Achtel der Gejamtzahl '). Beim Adel war ihre Zahl
noch geringer, weil der auf dem Yande anjäjjige Adel, zu
welchem die meijten finniſchen Adelsgeſchlechter gehörten, we—
niger Gelegenheit zum Bejuche der Reichstage hatte als die
Diftriftögericht eine umfajiende Unterfuhung über ungefetslihe Auflagen
eröffnet (Schreiben der üfterbottniichen Landeshauptleute). — Auf dem
Reichstag von 1738/39 beichlojjen die Stände, daß die finniſche Bewölterung
alle Ungeießlichleiten bei den Dijtriftsgerichten anzumelden hätte, und daß
von letzteren die Alten fofort den Panbesbauptleuten zugeftellt werben
follten (Schreiben der Stände an den König, 26. März 1739: „Schwer.
Reichsarchiv“).
1) Den gebrudten Verzeichniſſen über die Reichſstagsabgeordneten zu—
folge belief ſich die Zahl der finniſchen Vertreter bein geiſtlichen Stand
auf 4—8, beim Bürgerſtand auf 9—18, beim Bauernſtand auf 15—20.
Über Nitterfchaft und Adel läht fich feine Angabe machen, da e8 oft un:
möglich ift, zu entfcheiden, ob ein Mitglied jenes Standes dem ſchwediſchen
oder dem finnischen Adel zugezählt werben muß.
320 Vierte Periode. Der große nordiihe Krieg nnd die Freibeitszeit.
in der Hauptſtadt wohnenden Edelleute. Infolge deſſen konnten
die finnischen Abgeordneten auf den Reichstagen feine bejon-
dere Gruppe bilden. Aber bei den Fragen, welche „Finnlands
Aufblühen“, d. h. Finnlands Entwidelung inbezug auf Aderbau,
Handel und Gewerbe betrafen, ſchloſſen fie jich zu einem be-
fonderen Kreis zujammen. So legten fie 3. B. „Beichwerden“
vor, welche von ihren Wahlmännern verfaßt worden waren,
und in denen Berbejferungen verlangt wurden; jo reichten jie
ferner aus eigener Initiative „Memoriale* ein, welche die
Durchführung von Reformen bezwedten; in den finniichen
Deputationen, welche auf den jpäteren Neichstagen zur Ent:
icheidung von Fragen, betreffend die Ofonomie Finnlands, ein:
gejett wurden, pflegten die meiften Mitglieder aus Finnland zu
jtammen.
Bon den Fragen, betreffend die ökonomische Entwidelung
Finnlands, welche auf den Neichstagen die Aufmerkjamteit in
Anjpruch nahmen, war die Einrichtung einer Kanalverbindung
zwijchen den finnifchen Binnenjeeen und dem Meer eine der
frühejten. In der „Weſtlichen Kommiſſion“ betonte Ehrenmalm,
daß die mangelhaften Kommunifationsmittel das Hauptbindernis
für Finnlands Aufblüben jeien. Nachdem er eine Reiſe unter:
nommen, um jich iiber die Wafferläufe im Innern Finnlands
zu informieren, reichte er ein Projekt ein, welches die Gr-
öffnung einer jchiffbaren Wafferftraße zwifchen dem Päijänne—
See und dem Bottnijchen Meerbuien ins Auge fahte Er
und die Kommiſſion, im welcher fich allerdings fein techniſch
gebildetes Mitglied befand, glaubten, daß fich der fühne Plan
ohne jonderlich hohe Koften ausführen ließe, namentlich, wenn
Militär als Arbeitsnannichaft im Anjpruch genommen wer:
den würde. Auf dem Reichstag von 1726/27, wo jene Frage
vorfam, äußerten fich die Stünde zugunſten einer möglichſt
baldigen Ausführung des Ehrenmalmſchen Projekts; doch wurde
eine vorhergehende fachmänntiche Unterfuchung für notwendig
erachtet. Dieje fiel nicht jo günftig aus, wie Ehrenmalm ge:
hofft hatte. Der berühmte Ingenieur Polhem jchägte bie
Koften des Unternehmens auf mindeftens vier Tonnen Gold.
Kanalprojefte. 321
Ferner beantragte man, daß eine jachkundige Perjönlichkeit ar
Ort und Stelle die geographiichen Verhältniſſe unterjuchen
jolfe, da man bezüglich derielben noch in vollftändiger Unfenntnis
ichwebte. Dieſer Auftrag wurde dem Profeſſor der Matbe-
matif an der Aber Umiverfität, Nils Haſſelbom, anvertraut,
welcher jich zwar für die Frage interejjierte, aber der nötigen
technischen Kenntniſſe entbebrt zu haben jcheint. Derjelbe durch—
reilte das Yand und legte auf Grund feiner Unterfuchungen
auf den Neichstagen von 1731 und 1734 detaillierte Projekte
über eine Wafferjtraße in der von Ehrenmalm vorgeichlagenen
Richtung vor: die Koften berechnete er auf 400000 Thaler
Kupfermünze Da die Stände indefjen die Frage noch nicht
für vollftändig geklärt hielten und zudem wegen Aufbringung
der Mittel zur Ausführung des Projefts in Verlegenheit
waren, beauftragten jie Hafjelbom mit erneuten Unterjuchungen
und gaben ihm technijche Gehilfen mit, unter denen fich namentlich
der Fortififationslieutenant Karl Friedrich Nordenberg (Norden:
ſtjöld) auszeichnete. Die früheren Pläne wurden nunmehr als
wenig ausführbar befunden. Hingegen glaubte man die als Haupt:
ziel bezweckte Verbindung zwiichen den Binnengewäffern und
dem Meere durch Eröffnung einer Wafferitraße vom Päijänne,
an Tawaſtehus vorbei, bis nach Helfingfors erreichen zu können.
In einem weitläufigen Gutachten, welches Hafjelbom auf dem
Reichstag von 1740/41 einreichte, wurde die Sache von einem
ſolchen &ejichtspunft aus behandelt. Das Ergebnis war, daß
die Stände das Projekt zwar genehmigten, die zu deſſen Aus-
führung erforderlichen Mittel aber nicht anzuweiſen vermochten.
Gleichwohl war hiermit eine Anregung gegeben, welche um vieles
jpäter wieder aufgenommen wurde.
Ebenjo wenig ließ fich ein anderer, von Ehrenmalm in
der „Weftlichen Kommiſſion“ angeregter Vorſchlag unmittelbar
verwirklichen: die Einrichtung von DiftriftSmagazinen. Aller:
dings ging die Bevölferung ſämtlicher Diftrifte in der Provinz
Abo-Björneborg jchriftlih die Verpflichtung ein, daß in jedem
Kirchipiel ein Vorratshaus eingerichtet werden jollte, in welches
Schobergſon, Geſchichte Finnlande. 21
322 Bierte Periode. Der große nordiihe Krieg und die Freiheitszeit.
jeder Hof jährlich bei guten Erntejahren eine gewijje Metzen—
zahl von Roggen und Korn einzuliefern habe. Die gefammelten
Vorräte follten unter der Verwaltung von Vertrauensmännern
jtehen und in Notjahren zur Nahrung und Ausjaat ausgeltehen
werden. Man war jedoch noch allzu wenig gewohnt, an bie
Zukunft zu denken, als daß dieſer Plan hätte durchgeführt
werden fünnen. An den Stellen, wie 5. B. in Heittis, wo die
Einrichtung von Magazinen in Angriff genommen wurde, verfiel
fie bald wieder. Bon neuem Fam die Angelegenheit auf den
Neichstagen von 1734!) und 1740/41 zur Sprache, das
legte Mal in einem von Ehrenmalm verfaßten Memorial, wel-
ches auf dem Reichstag große Aufmerkjamfeit erregte ?).
Auch auf dem Gebiete der Handelsverhältnifje begannen
fich gegen Ende jener Epoche neue Ideen Bahn zu brechen,
obwohl ihre Verwirklichung auch hier einer jpäteren Zeitperiode
vorbehalten blieb. Die während des Krieges volljtändig zer-
jtörte finnische Handelsflotte war damals noch unbedeutend und
der Warenaustaufh Hauptjächlihd in holländischen Händen.
Erjt ſpäter verſahen jih die Kaufleute der Stapelplüte
Abo, Helfingfors und Fredrikshamn mit größeren Fahrzeugen,
jogenannten „Spanienfahrern “, welde Frachten ins Aus:
land brachten. Die lettgenannte Stadt, früher Vekkelaks ge-
nannt, war 1723 nach König Friedrich I. Fredrikshamn ge-
tauft und mit fünfzehnjähriger Steuerfreiheit jowie mit an-
deren Privilegien ausgeftattet worden, welche die Überleitung
des Handels in Oftfinnland von dem nunmehr an Rußland
abgetretenen Wiborg nach jenem Orte bezwedten. In Über—
einftimmung mit dem berrichenden Syſtem, welches die größeren
Städte auf Koften der Heineren begünftigte, wurden Willman-
1) Gutachten der Kammer:, Okonomie- und Kommerzdeputation über
Einrichtung von Magazinen im Reiche, abgegeben anläßlich ber vom
Bürgermeifter Alm und Major Sprengtport eingereichten Vorſchläge:
„Schwed. Reichsarchiv“.
2) Dieſes Memorial, eingereicht in Stochholm am 29. Dezember 1740,
iſt abgebrudt in: „Svenska Literatursällskapets i Finland Förband-
lingar och uppsatser“ Ill, 160—182 (Helfinafors, 1888).
Diftrittsmagazine. Vorrang der Stapelpläße. 323
ftrand und Nyjlott zu Marktplätzen erklärt, welche unter Fre-
drifshamn jtehen und ausjchließlich won deffen Bewohnern be-
jucht werden jollten. Ebenſo wurde die Frage aufgeworfen,
ob nicht eine Menge von kleineren Städten fajfiert werden jollte,
denen anjcheinend feine große Zukunft bevorftand. Bei diefer
Gelegenheit trat die Eiferfucht zwiichen den verichiedenen
Städten in bezeichnender Weije zutage. Helfingfors forderte,
daß Efenäs jeine jtädtifchen echte verlieren und Borgä zu
einem unter Helfingfors ftehenden Marktflecken umgewandelt
werden jollte. Die Stadt Abo wiünfchte die Überfiedelung
der Bürger von Nädendal. Desgleichen wurde die Kajfation
von Tawaſtehus und der öfterbottnifchen Städte beantragt.
Diefe Pläne gelangten allerdings nicht zur Ausführung; aber
troßdem war das Los jener Ortjchaften wenig beneidenswert,
bejonders das der öfterbottnijchen Städte, die ausjchließlich
mit Abo und Stockholm Handelsbeziehungen unterhalten durften.
Schon auf den erſten Neichstagen während der Freiheitszeit
versuchten jene denn auch die Aufhebung eines ſolchen Zwanges
zu erwirfen, freilich ohne Erfolg. Die Angelegenheit war
jedoch für ganz Dfterbotten eine allzu wichtige Lebensfrage,
um in Vergeffenheit zu geraten. Bereit 1738 wurde auf dem
Keichstage die Forderung eines Stapelrechts für Ofterbotten
von dem Landeshauptmann diejer Provinz, Karl Frölich, mit
großer Energie vertreten. Später reichte derjelbe bei ber
Berteidigungsdeputation ein Memorial ein, worin er unter
anderem vorjchlug, daß die erjte öfterbottnifche Stapeljtabt
bei dem Hafen Kaskö angelegt, diejer Ort befeftigt und
zur Hauptftation für eine in den Bottnijchen Meerbujen zu
verlegende Kriegsflotte gemacht werben ſolle. Für den Tall
der Genehmigung diejes Vorſchlags verpflichteten jich die öjter-
bottnifchen Städte, auf eigene Kojten Kriegsichiffe für die Krone
zu bauen. Der Antrag wurde injonderheit von dem Propft
in Tammela, Joh. Amnell, einem der hervorragendſten finni=
ichen Volksvertreter auf mehreren Reichstagen, mit großer Leb—
baftigfeit unterjtügt, aber infolge des Widerftandes der Stapel»
ftädte jchließlich, entgegen dem Wunjche der Verteidigungs—
21”
824 Bierte Periode. Der große nordiſche Krieg und die Freibeitszeit.
deputation, verworfen. Auch in dieſem Falle jollte die An—
gelegenheit jpäter von neuem aufgenommen werben.
Eine andere Frage, welche auf dem Heichdtage von
1738/59 Gegenftand der Beratung bildete, war die Forderung,
daß die Beamten in Finnland Kenntnis der finnischen Spracde
befigen jollten. Daß dieje Forderung zu Beginn der Freiheits—
zeit mit neuem Nachdruck geftellt wurde, berubte darauf, daß das
finnifche Sprachelement damals noch mehr als im vergangenen
Jahrhundert in den Hintergrund gedrängt war. Auf dem Yande
hatten allerdings während des großen nordiichen Krieges feine
jonderlich merfbaren Veränderungen inbezug auf die Spracd-
verhältnifje jtattgefunden; aber bei den höheren Klaſſen der
Yandesbevölferung hatte das Schwediiche, infolge des lang-
jährigen Verweilen zahlreicher Familien in Schweden, eine
entjchiedene Oberherrſchaft errungen.
Ein Beiipiel hierfür bieten die fommunalen und politijchen
Wahlen in Abo. Schon bei den Wahlen zum Reichstag
1726/27 trat die „ichwediiche Bürgerichaft“ der Stadt ale
eine bejondere Korporation auf, welche den Natsherrn Eric)
Edner und den Kaufmann Karl Mertben als Neichstags-
fandidaten aufftellte, während die finniihen Bürger außer
Edner den Bürger Jakob Simolin zum Abgeordneten vorjchlugen.
Obwohl die finnische Bürgerjchaft bei der Wahl jiegte, begab
fih dennoch Merthen gleichzeitig mit Edner und Simolin zum
Reichstag, wo er, mit einer Vollmacht von vierzig jchwedijchen
Bürgern Abos verjehen, im Bürgerjtand erjchien und eine
Rejolution für fich erwirkte, laut welcher er bis zur Entſchei—
bung der jtreitigen Angelegenheit im Bürgerftand Sig und
Stimme haben ſollte. Nicht nur diesmal, jondern auch bei
mehreren jpäteren Wahlen gelang es ihm durch dieſe jeine
fühne Handlungsweije, bis zum Schluß des Reichstags Die
ichwedische Bürgerichaft Abos vertreten zu dürfen. Auch im
übrigen verlor die minder gut fituierte finnische Bürgerichaft
der Stadt immer mehr an Einfluß, bis jchließlich die jchwe-
bijchen Einwohner in jo hohem Maße das Heft in Händen
hatten, daß fie fich fogar bei der Wahl eines Kaplan
Überwiegen des fchwebiichen Einfluſſes und der ichwebiihen Sprache. 325
innerhalb der Äboer finnijchen Gemeinde einmijchten. Nachdem
1734 das Necht zur Wahl von Neichstagsabgeorbneten an
24 Gleftoren übergegangen war, von denen nur 8 von der
finniſchen Bürgerjchaft gewählt wurden "), konnten die finnischen
Bürger faum mehr auf einen Reichstagsabgeordneten aus ihrer
eigenen Mitte rechnen.
Es läßt ſich annehmen, daß jich, wie in der Landeshaupt—
jtabt, jo auch in anderen Städten, welche in nationalfinnijchen
Gegenden lagen, die jchwediiche Sprache mehr denn je zuvor
ausgebreitet hatte. Die immer reichere Pflege der jchwe-
diichen Yitteratur trug außerdem zur Erhöhung ihres Anſehens
bei, während die finniiche Sprache in jener Epoche vernach-
läifigt blieb. So fonnte e8 3. B. geſchehen, daß eingeborene
Sinnländer der beim Verkehr mit dem gemeinen Mann er:
forderlichen Fähigkeit, jich in finnischer Sprache auszudrüden,
entbehrten, und noch häufiger war dies bei den eingeborenen
Schweden der Fall, welche in immer größerer Zahl in Finn—
land Anftellung juchten.
Unter ſolchen Umftänden bedurfte die finniſch redende
Zandesbevölferung einer Garantie gegen die Gefahren, welche
aus der Unkenntnis der finnischen Sprache jeitens der Be—
amten entjtehen fonnten. Zunächſt war es nötig, daß Die
königlichen Verordnungen häufiger als bisher zum Gebrauch)
für den gemeinen Dann und für die Beamten jelber ins
Finnische überjegt wurden. Auf Grund der von den „König:
lichen Kommiſſionen“ wie von der Bevölkerung geäußerten Wünſche
ließ die Regierung zahlreiche Verordnungen überjegen, deren
Inhalt ſich bejonders auf die Nechte und Pflichten der finni-
ſchen Bevölterung bezog. Die Übertragung wurde teil® von
der Geiftlichfeit der finniſchen Gemeinde zu Stodholm, teils
1) Auf Grund einer Verordnung von 1731 wurde der Modus bei der
Reihstagswahl in Abo jo geordnet, daß bie fchwebiihen Kaufleute, die
Handwerker und die finnifhe Bürgerfhaft je 8 Eleltoren auserjaben. Bal.
M. © Schybergion, Riksdagsmannavalen i Abo under frihetstiden,
in: „Svenska Literatursällskapets i Finland förhandlingar och upp-
satser ‘“ V, 24—77 (Helfingfors, 1891).
326 Bierte Periode. Der große norbiiche Krieg und die Freiheitszeit.
von einem in Stodholm angejtellten Finnländer, Johann Ma-
tbefius, bejorgt, welcher ſpäter, gemäß einer von finnijchen
Neichstagsabgeordneten auf dem Neichstage von 1734 aus—
geiprochenen Bitte, zum Königlich Finnifchen Translator er-
nannt wurde. Noch wichtiger war die Überſetzung des Gejeg-
buches von 1734 ind Finnische, welche das Äboer Hofgericht
unmittelbar nad Publikation des betreffenden Gejegbuches bean-
tragt hatte und der Landſekretär der Provinz Abo - Björne-
borg, Sammel Forjeen, 1738 zum Abſchluß brachte. Hierauf
wurde die Überjegung von werjchiedenen Autoritäten, unter denen
jih der Hofgerichtsaffeffor Gabr. Thauvonius und der jpäter
als Sekretär des Bauernftandes bei mehreren Reichstagen
jowie als Oberlandrichter des nordfinnischen Oberlandesgerichts-
bezirts befannt gewordene Regiftrator Erich Johann Paleen be-
fanden, geprüft und jchließlich 1759 zum Drude befördert ?).
Auf solche Weije erhielt die finnifch redende Bevölkerung,
welche das alte Gejeg nur bandichriftlich oder durch mündliche
Tradition gekannt batte, Gelegenheit, das neue Gejek voll:
ftändiger Fennen zu lernen, was von um fo größerer Bedeu—
tung war, al8 das Geſchworenenkollegium bei den Oberlandes-
und Diftriftsgerichten nach wie vor eine große Wolle jpielte.
Schwieriger erwies fih ein Entgegenfommen gegenüber der
jeitend der finniſchen Bevölferung auf mehreren Reichstagen
geäußerten Bitte, daß Nichterftellen bei den finnischen Ober-
landes= und Diftriktsgerichten nur an Perjonen, die der finnt-
ſchen Sprache mächtig jeien, übertragen werden jollten, oder
daß wenigjtens ein vereideter Dolmetfcher bei jedem Gericht
angeftellt werden ſollte. Der zweite Vorſchlag würde be-
deutende Koſten verurjacht haben und wurde auch jonjt für
minder zwedmäßig angejeben. Was das erjtgenannte Anjuchen
betraf, jo wurde 1731 allerdings veriprochen, daß die „ers
forderliche Fürſorge“ für die Kenntnis der finnischen Sprache
1) W. ©. Lagus, Om finska lagöfversättningar, in: „Finska
Vetenskapssocietetens Bidrag till kännedom af Finlands natur och
folk“, Bd. VI (Helfingiors, 1863).
Fürjorge für die Kenntnis der finnifchen Sprade. 327
bei den Richtern getroffen werben jollte !); aber erjt auf dem
KReihstage von 1738/39 Fam die Angelegenheit von neuem zur
Sprade, und zwar wurbe fie jet Gegenftand einer lebhaften
Debatte im Geheimen Ausſchuß. Darin waren die Mitglieder des
Ausſchuſſes einig, daß, wenn die Bewerber um ein Amt in
Finnland inbezug auf Berdienfte und ZTüchtigfeit gleich gut
wären, derjenige bevorzugt werben jolle, welcher in der finnifchen
Sprache bejfere Kenntniffe beſäße. Allein Hinfichtlich der An-
wendung diejes Grundjages brachte der Präfident im Aboer
Hofgericht (1720— 1738), der als hervorragender Staatsmann
befannte Samuel Aterbjelm, bei einer jpäteren Sigung wichtige
Einwände vor. Er betonte, daß der gefamte finnifche Schären-
garten, der größte Teil von Nyland und halb Dfterbotten von
einer ſchwediſchredenden Bevölferung bewohnt jeien, und daß
es in Finnland feinen Prediger, Kronvogt, Oberpolizeibeamten
oder Unteroffizier gäbe, der nicht gleichzeitig Schwediſch und
Finniſch verftände, jo daß bloß Richter, Oberlandrichter und
niedere Beamte in Finnland die finnische Sprache zu erlernen
brauchten. Wolfe man jchwediichen Männern jedes finnijche
Amt verichließen, jo würde dies „Mißverjtändniffe zwiſchen beiden
Nationen“ hervorrufen, und zwar Mißverftändnijfe, welche zum
größten Schaden für das Gejamtreih ausjchlagen würden.
Der Vertreter von Abo, Eſaias Wechter, verficherte, daß eine
jolche Ausjchliegung von ſchwediſchen Männern gar nicht be
abjichtigt jei; aber Äkerhjelm blieb bei feiner Anficht, daß hier
unbefugte Beitrebungen vorlägen. In einer dritten Sigung
wurde über das allgemeine Verhältnis zwifchen der ſchwediſchen
und der finnifchen „Nation“ noch'eingehender diskutiert. Heinrich
Wrede erklärte, daß er, obwohl Finnländer und finnticher
Srundbefiger, fich dennoch nicht für befugt erachte, zwijchen
Schwedens und Finnlands Vorteil einen Unterjchied zu machen;
auch könne fich Finnland nicht beflagen, e8 habe von Schweden
feine Hilfe erhalten. „Nichtspeftoweniger”, fügte er mit einer
Anjpielung auf feinen Gegner im Ausihuß, Eſaias Wechter,
1) W. ©. Lagus J. c., p. 3dsgg.
328 Vierte Periode. Der große norbiiche Krieg und die Freibeitszeit.
hinzu, „geht das Gerücht, daß einige faule Köpfe (rötägg) unter
den Finnländern erklären, jie würden jich mit dem Ruſſen
zufammenthun und die Schwedischen jchlagen, wofern man mit
ihnen jo oder jo verführe“. Wechter verlangte die Streichung
diefer Außerung aus dem Protofoll, aber Wrede erhielt fie
aufrecht ). Dieje Diskuffion it injofern beachtenswert, als
bier die finniſche Sprachenfrage zum erjtenmal in einer poli—
tiichen Verſammlung debattiert wurde. Der Beichluß, daß
bei jonft gleichen Berhältniffen größere Kenntnis der finnijchen
Sprache den Borzug geben jollte, wurde inbefjen hierdurch
nicht geändert, jondern im S 42 der Rejolution vom 16. März
1739 feftgejeßt, daß „Seine Königliche Meajeftät geneigt tft,
Richterftelfen und andere Ämter in Finnland mit ſolchen Per-
ſonen zu bejegen, welche der finniſchen Sprache mächtig jind,
injfoweit e8 die Umftände ſowie Gejchieflichfeit und Dienjtjahre
der Betreffenden gejtatten“ ?). Eine derartige Beitimmung fonnte
natürlich Feine fefte Garantie gegen die mangelhafte Kenntnis
ber finnischen Sprache jeitens der Beamten bieten. Die
ſprachlichen Mißſtände waren denn auch nach wie vor in den
tiefen Schichten des Volkes fühlbar; und je mehr fich die
Herrichaft des Schwediichen befeftigte, dejto weniger dachte mar
an Abhilfe.
3. Die Herrſchaft der Hutpartei 1738— 1756.
Auf dem Stodholmer Reichstage von 1738/39, auf welchem
die friegerifch und franzojenfreundlich gejinnte Hutpartet über
bie friedliebenden, ruffenfreundlichen „Mützen“ einen entjcheiden-
den Sieg davontrug, ließen die meiften finnischen Edelleute auf
1) Prototolle des Geh. Ausſchuſſes: „Schwed. Reichsarchiv“. — Bal.
K. U. Caftren, Suomalaisuus 1738 vuoden valtiopäivillä, in ber Zeit—
ſchrift „Kirjallinen Kuukauslehti‘“, p. 1—10 (Helfinafors, 1872).
2) R ©. Modée, Utdrag utur alle ifrän den 7. dec. 1718 ut-
komne Publiqve Handlingar, Placater, Förordningar, Resolutioner och
Publicationer II, 1405 (Stodholm, 1742).
Sieg der Hüte (1738/39). 329
das Anftiften ihrer beiden Yandsleute, der Brüder Fabian und
Heinrich Jakob Wrede, Arwid Horn und deſſen Anhänger, die
Mügen, im Stich und gingen zu den Hüten über. Ihre ein-
flußreiche Stellung gegenüber den finnijchen Reichstagsabgeord—
neten behielten die beiden Barone Wrede während des größten
Teild des Zeitraums, in welchem die Hutpartei, zu beren
Gründern und treuergebenjten Führern fie gehörten, das Heft
in Händen hatte. Minder hervorragend durch Stellung und
Geburt, aber nicht minder für die Ziele der Kriegspartei
thätig war der Baron Karl Johann Stiernftedt, welcher wäh—
rend jeiner langwierigen Gefangenjchaft in Rußland einen
unauslöjchlihen Haß gegen dieſes Land eingejogen hatte und
nunmehr den richtigen Augenblid zur Befriedigung ſeines
NRachedurftes für gekommen erachtete ). Auch der Major
Magnus Wilhelm Sprengtport war eine einflußreiche Perſön—
lichkeit unter den kriegeriſch gefinnten finnijchen Edelleuten.
Als Freund des Friedens ift einzig der Oberlandrichter im
farelijchen SOberlandesgerichtsbezirt, Karl Yillienjtjerna, zu
nennen. — Unter den finniichen Mitgliedern des geiftlichen
bezw. des Bürgerjtandes fanden fich zwei warme Anhänger des
Friedens: der Propſt in Tammela, Joh. Amnell, und der Aboer
Fabrikbeſitzer Eſaias Wechter. Auch die Haltung des Bauern-
Itandes war begreiflicherweije friedensfreundlich; aber derjelbe
übte bei Fragen, welche die auswärtige Politif betrafen, feinen
Einfluß aus.
Während der Barteiftreitigfeiten auf dem Reichsſstage von
1738/39 kam auch die Frage, betreffend das Verteidigungswejen
Finnlands, zur Beratung. Die Regierung hatte nämlich endlich
1) Sohn des früher genannten Landeshauptmanns in Abo-Bjürneborg,
Joh. Stiernftebt, war er 1686 in Wiborg geboren, fchlug zuerſt die Zivil:
beamtenlaufbabn ein, ging jedoch beim Ausbruch des großen norbiichen
Krieges zum Militär über. Nach der Schlacht bei Poltawa wurde er am
Dnujepr gefangen genommen und nad Solifamsti gebracht, wo er 13 Jabre
unter harter Behandlung zubrachte. Nach jeiner Heimtehr (1722) erbielt
er den Majorstitel und wurde 1740, als er feinen Abichied nahm, Oberit-
lieutenant.
330 Bierte Periode. Der große nordiiche Krieg und die Freiheitgzeit.
eingejehen, daß das finnische Verteidigungswejen in dem Zu:
ftand, wie e8 1727 gelaffen worden war, einen genügenden
Schuß gegen den öftlichen Nachbar keineswegs bot. Als jich Arel
Löwen 1737 zur Übernahme des Befehls über die finniiche
Armee nach Finnland begab, erhielt er daher den Auftrag,
einen Verteidigungsplan für diefes Yand zu entwerfen. In dem
Gutachten, welches er jpäter dem Reichstag überſandte, bielt
er jeinen Fortifikationsplan von 1723 infofern aufrecht, als
er Mittel zur Inftandfegung der niemals vollendeten und
damals bereits verfallenen Feſtungswerke bei Fredrikshamn,
Willmanjtrand und Nyſlott verlangte; gleichzeitig aber deutete
er einen neuen, weit glücflicheren Gedanken an. Die Haupt:
ftüße für die Verteidigung Finnlands, meinte er nunmehr, jei
in einem befeftigten Hafen zu fuchen; und zwar müſſe derjelbe
bei Helfingfors oder an einem anderen geeigneten Pla der
Süpdfüfte Finnlands angelegt werden und als Hauptitation
für eine Schärengartenflotte dienen, welche die Operationen
der Armee zu unterjtügen und die Verbindung mit Schweden
aufrecht zu erhalten babe. Dieſer Plan wurde im Schoße
der Defenjionsfommifjion von mehreren Rednern warm befür-
wortet, jtieß jedoch ſpäter im Geheimen Ausjchuß auf lebhaften
Widerjpruch, den zu befiegen Löwen und Sprengtport ver:
gebens bemüht waren. Denn damit, daß jener Ausſchuß jchließ-
ih die Vornahme von vorbereitenden Unterjuchungen ſowie
jogar den Beginn des Baues bejchloß, war nur wenig geholfen,
da Geldmittel für diefen Zweck nicht angewiejen wurden. Hin—
gegen zeigte man fich bereit, alles zu bewilligen, was einen
fünftigen Einfall auf ruffiiches Gebiet fördern könnte, und mit
Intereffe ging man deshalb auf den Vorſchlag Löwens ein, die
finnische Armee durch geworbene Truppen zu verjtärfen, welche
für alle Notfälle an der Grenze bereit ftehen jollten. Ein der-
artiger Plan erregte bei den Friedensfreunden natürlich lebhafte
Unrube. Bürgermeifter Wittftod aus Fredrikshamn und noch
mehr Ejaias Wechter betonten die Schwierigkeiten eines Truppen-
transportes im Herbſt und hoben hervor, daß es in Finnland
für die Soldaten weder Quartiere noch Proviant gäbe, und daß
Finnlands Verteidigungsweſen. 331
außerdem eine ſolche Maßregel einen feindlichen Angriff her—
vorrufen könne. Die Anhänger des Krieges ließen ſich jedoch
nicht zurückhalten. Auf Grund von Vorſtellungen ſeitens der
Reichsräte wurde der Plan zwar bis zum Frühjahr 1739
aufgeſchoben, gelangte dann aber zur Ausführung, indem zwei
ſchwediſche Regimenter nach Finnland entſandt wurden. Gemäß
einem weiteren Beſchluſſe ver Senatsmajorität vom 16. Auguſt
1739 jegelten im Herbft weitere 6000 Mann Infanterie nach
Finnland.
Der Nachfolger Yöwens als Befehlshabers der finnijchen
Armee, Generallieutenant Karl Cronſtedt, wurde durch dieſe
Maßregel in nicht geringe VBerlegenheit gebragt. Mit Ein-
ſchluß der beiden im Frühjahr angefommenen Regimenter gab
es nunmehr in Finnland etwa 7000 Mann jchwebiiche Truppen,
für deren Quartiere und Unterhalt er während des Winters
forgen jollte. Die Regierung hatte gewünjcht, daß die Sol-
daten möglichjt an einem einzigen Pla geſammelt gehalten
werben jollten; aber Gronjtedt bielt dies für unmöglich. Einen
Zeil derjelben legte er als Garniſon in die befeftigten Orte
Fredrikshamn, Willmanftrand und Nojlott, während er der
Hauptmacht zerftreute Quartiere in Nyland und Abo-Björne-
borg anwies. Durch Zwangsmaßregeln nötigte er die Bevöl—
ferung des von einer Mißernte betroffenen Landes, zu billigen
Preijen PBroviant zum Unterhalt der Mannjchaften zu liefern;
doch fonnte er es nicht verhindern, daß namentlich die Garni—
ſonstruppen viel zu leiden hatten. Noch abjchredender als
Cronſtedts Berichte über die Yage der Truppen lauteten jeine
Bemerkungen über den Zuftand der finnischen Feſtungswerke.
Die Grenzfeftungen Fredritshpamn und Willmanftrand waren
völlig in Verfall geraten und die Befetigungen bei Fredriks—
hamn außerdem jo ausgedehnt, daß fie zur Verteidigung eine
übermäßig große Bejagung erforderten !).
Die Parteizerjplitterung, welche bei den Wahlen zum Reichs—
tage von 1740/41 berrichte, verbreitete fich auch nach Finnland,
1) N. Zenaberg ]. c., p. 72sqq.
8332 Vierte Periode. Der große nordiiche Krieg und die Freibeitgzeit.
wie aus dem Verlauf der Wahl in Abo hervorgeht. Nachdem, wie
bereit ©. 325 erwähnt, das Wahlgejchäft in die Hände von Elef-
toren gelegt worden, waren die dortigen Neichstagswahlen ohne
größere Streitigfeiten vor jich gegangen; aber Diesmal jonderten
jich die Wahlmänner voneinander, indem die Eleftoren der jchwe-
bischen Kaufleute und eines Teils der Handwerker für Karl Mer—
then jtimmten, während die finniſche Bürgerſchaft und der Reſt
der Handwerker ihre Stimmen auf den jeit dem legten Reichstag
als eifriger Anhänger der Mützenpartei befannten Eſaias Wechter
vereinigten. Erjterer erhielt die Mehrheit. Die Freunde Wechters
begnügten ſich jedoch nicht mit diefem Ergebnis und brachten es
ſchließlich ſogar dahin, daß derjelbe als zweiter Reichstags:
vertreter der Stadt gewählt wurde. Indeſſen half dies wenig,
da der Yandeshauptmann Prkull nicht nur die Ausfertigung
einer Vollmacht für Wechter verweigerte, jondern ihn auch an
der Abreije aus Abo verhinderte. Auf ſolche Weife wurden
die Hüte von einem beichwerlichen Gegner befreit, während fie
andrerjeits auf Merthen als ein gefügiges Werkzeug rechnen
fonnten. Der geiftlihe Stand zählte nur vier Vertreter aus
Finnland, darunter den eifrigen Anhänger der Mügenpartet,
Joh. Amnell. Die finnijchen Edelleute jtanden wie früher
unter der Yeitung der Gebrüder Wrede und Stiernftedts. Zu
ihnen gejellte fi u. a. Karl Heinrich Sprengtport, ein Bruder
des jchon genannten Magnus Wilhelm Sprengtport. In fried-
licher Richtung wirkten Yars Joh. Ehrenmalm, der fich jedoch
in die eigentlichen PBarteifragen nicht einmijchte, und Karl Lillen—
ſtjerna, welcher jetst, wie auf dem Reichstag von 1738/39, einer
der talentvolliten Gegner der Hüte war. Unter den Vertretern
der finnischen Städte befand fich auch der Helfingforjer Bürger:
meifter Nenhorn, der fich ſchon auf dem vorigen Reichstag
den Hüten angeſchloſſen hatte.
Im Februar 1741 faßte der Geheime Ausſchuß den Be:
ihluß, den Nachfolger Eronftedts als Befehlshabers in Finn—
land (jeit 1740), Generallieutenant Heinrid Magnus von
Buddenbrod, zu beauftragen, er jolle die in Finnland ftatio-
nierten jchwediichen Truppen nebft einigen finnijchen Regimen—
Das Weitergreifen des Einflufies der Hutpartei (1741). 333
tern jowie der Artillerie, zufammen eine Armee von 10000 bis
12000 Mann, in Kantonnementsquartiere am Keltisfluß legen.
Dieje Rejolution führte zu heftigen Debatten, bis ein Ereignis in
der Nacht vom 25./26. Februar 1741 — die Gefangennahme
oh. Gyllenſtjernas *) wegen angeblicher verräteriicher Bezie—
bungen zu dem rujfischen Gefandten Mich. Beitujche in Stod-
holm — den Hüten eine bequeme Handhabe bot, ihre Wider-
jacher, die Friedensfreunde, zum Schweigen zu zwingen. Im
Anſchluß an die Verhaftung Gpllenftiernas, welcher ſpäter zum
Pranger und zu lebenslänglichem Gefängnis verurteilt wurde,
erfolgten weitere VBerhöre wegen einer angeblichen Verſchwörung
gegen die in Schweden bejtehende Staatsordnung. Unter den
Angellagten befanden jich auch zwei Finnländer, der befannte
Hiftorifer Johann Ardenholg ?) und der ſchon S. 326 genannte
Johann Mathejius *). Ihre Verurteilung zu langer Feftungshaft
wurde, wie man im Geheimen Ausichuß offenherzig einräumte,
weniger durch Rechts: als durch politiiche Zwedmäßigfeitsgründe
veranlaßt. Ob Ardenholg und Matbefius mit anderen, der
Herrichaft der Hüte überdrüffigen Finnländern in Verbindung
gejtanden haben, läßt fich jett nicht mehr ermitteln.
Durch die oben angedeuteten Maßnahmen hatten die Hüte
ihren Gegnern einen fürchterlihden Schreden eingeflößt und
jeden Widerftand gegen eine Kriegserflärung an Rußland ges
brocdhen. Die Frage war bereits jo gut wie entichieden, als
fie am 21. Juli dem Geheimen Ausſchuß zu endgültiger Ent»
scheidung überwiejen wurde. Faſt einftimmig äußerte fich der-
1) Sohn des damaligen Landesbauptmanns in Nyland.
2) Ardenbolt war 1695 in Helfingford geboren, ftand Arwid Horu
nabe und begann unter deſſen Peitung feine Beamtenlaufbahn, war jedoch
ihon auf dem Reihstag von 1738/39 Berfolgungen feitens der fiegreichen
Hüte ausgefest, die ihn feiner Amter enthoben. Nach feiner Begnadigung
1743) weilte er meiftens im Ausland und wurbe 1746 als Bibliothelar in
Kaſſel angeftellt, wo er fpäter fein berühmtes Wert: „„M&moires, concernant
Christine, reine de Suöde‘‘ veröffentlichte. Er ftarb 1777 in Stodbolm.
3) Matbefius, welcher ebenfalls 1743 begnadiat wurde, erhielt 1745
das Amt als Landſekretär in Öfterbotten und ftarb 1764 als ſtellvertre—
tender Landeshauptmann dieſer Provinz.
334 DBierte Periode. Der große nordifche Krieg und bie Freibeitszeit.
jelbe zugunjten des Krieges, und am 28. Juli 1741 erfolgte
die Kriegserflärung. Bevor ſich die Stände trennten, ließen
fie durch Delegierte die Friedensbedingungen entwerfen, nach
denen ich die Regierung bei den jpäteren Friedensverhand—
lungen zu richten hätte. Bei einem fiegreichen Ausgang jollte
man jämtliche frühere Befigungen Schwedens jowie außerdem
das Land zwiichen dem Yadoga und dem Weißen Meere for:
dern. Ginge der Krieg weniger glücflich vwonftatten, jo wollte
man fi mit Ejthland, Ingermanland und Karelien, gemäß
der Grenze von 1700, begnügen. Wenn endlich „wider alles
Vermuten“ die jchiwediiche Heeresmacht eine bedeutende Nieder:
lage erlitte, jo jollten Karelien, Kerholm, Wiborg, Peters:
burg, Nöteborg, Kronftadt und Kronjlott nebft dem ganzen Newa—
jtrom gefordert werden.
Es läßt fich nicht bejtreiten, daß der Geheime Ausschuß
in den legten Monaten der Reichstagsjejfion mit großer Energie
die Kriegsrüftungen bejchleunigte. Die aus 11 Linienjchiffen
und 4 Fregatten beftehende „Große Flotte” konnte ſich ſchon
Ende Mai unter Rayalins Befehl bei Aſpö zwiſchen Hogland
und Fredrikshamn jammeln, und im Juni traf die Scären-
gartenflotte unter Falfengren bei Kuorſalo, im Schärengarten
vor Fredritshbamn, ein. Die Beſatzung beider Flotten zu—
jammen belief fich auf 9000 Mann. Ebenſo wurden Reformen,
betreffend die Organijatton der Yandarmee, vorgenommen und
die militärischen Angelegenheiten einer mit ausgedehnter Voll:
macht verjehenen „Ausrüftungsfommiljion“ überwiejen. Ober:
befehlshaber wurde Charles Emil Yewenhaupt, Leiter des Kriegs:
fommiffariats Fabian Wrede '), Yandesbauptmann in der wich:
tigen Provinz Kummenegärd Karl oh. Stiernftedt. Eine der
ichlimmiten Pücken in dem Verteidigungswejen Finnlands war, wie
ichon oft erwähnt, der vollftändige Mangel an Feſtungswerken,
welche die Operationen der Armee und Flotte hätten unterjtügen
1) Er erbielt dieien Pojten, wie es in dem Schreiben der Stände vom
11. April 1741 beißt, „mit Rückſicht auf feine guten Eigenſchaften, und
weil er der finniihen Sprache mädtig fowie überall dort im Lande be—
lannt und neliebt wäre”. Bal. K. G. Malmftröm 1. c. III, 201.
Ausbrud des Krieges mit Rußland’ (1741). 335
fönnen. Auch im übrigen war Finnland feineswegs ein viel-
veriprechendes Kriegstheater, da infolge mehrjähriger Miß—
ernte die Nahrungsmittelpreife jehr geftiegen waren und bie
Bevölkerung nicht der Armee zu liefern vermochte, was die—
jelbe bedurfte.
Während Lewenhaupt bis zum Schluß des Reichstags in
Stodholm blieb, führte Buddenbrod, ein beherzter und pflicht-
treuer, aber der höheren ftrategiichen Begabung entbehrender
Feldherr, den Oberbejehl in Finnland. Wegen Mangels an
Proviant und Fourage war er nicht imftande gewejen, dem
Ständebeihluß vom Februar nachzufommen und die Arnıee
an der Grenze aufzuftellen; doch zog er die in Südfinn—
land zerjtreuten jchwediichen und finnijchen Regimenter zu—
jammen und ließ fie in zwei Kolonnen über den Kymmene—
fluß nach Kvarnby (dreiviertel Meilen nördlich von Fredriks—
bamın) und nach Martila (34 Meilen ſüdweſtlich von Will-
manftrand) marjchieren. Chef der Abteilung bei Dartila war
der Generalmajor Karl Heinrich Wrangel, während Bubdenbrod
jelbft die Kolonne bei Kyarnby fommandierte. Die gewählte
Stellung würde als Verteidigungspofition nicht unzweckmäßig
gewejen jein, wenn die beiden Feſtungen Fredrikshamn und
Willmanftrand, welche als Stütpunfte dienen jollten, jtürfer
gewejen wären. Hingegen zeigte es fich jofort, daß jich der
vom Geheimen Ausihuß gemünjchte unmittelbare Angriff auf
Petersburg nicht mehr bewerfftelligen ließ.
Noch vor Beendigung der Kriegsvorbereitungen auf finnijcher
Seite erjchienen nämlich ſchon die erften ruſſiſchen Abteilungen
unter dem aus Schottland gebürtigen General Jakob Keith und
ihlugen am 16. Auguft beim Dorfe SKananoja, dreiviertel
Meilen von der ſchwediſchen Grenze entfernt, auf dem Wege
von Wiborg nah Willmanftrand ein Lager auf. Die ruffijche
Armee, deren Oberbefehl am 20. Auguft der Feldmarichall Graf
Beter de Lach übernahm, beftand aus mehr als 11000 Mann,
d. h. ungefähr ebenjo viel, wie die beiden ſchwediſchen Kolonnen
zujammen zählten. Da die Schweden feinen Angriff unter-
nahmen, gingen die Ruffen in der Stärke von 10500 Mann
336 Bierte Periode. Der große nordiſche Krieg und bie Freiheitszeit.
über die Grenze und zogen am 22. Auguft bis nach Willman-
jtrand, welches eine Bejagung von etwa 400 Mann unter
dem Obriften v. Willebrand hatte. Bei der Kunde hiervon
eilte Wrangel, ohne die Ordre Buddenbrods abzuwarten, der
bedrohten Feſtung zubilfe und wählte an demjelben Abend eine
fejte Stellung bei Willmanftrand. Am 23. fam es zur Schlacht.
Anfangs war der Borteil auf jchwediicher Seite. Als aber
der linke ſchwediſche Flügel feine günftige Bofition verließ, um
auf die um vieles ftärferen Feinde loszugehen, geriet er in
Verwirrung; einzelne ZTruppenteile begannen nach der Stadt
zu fliehen, und jchließlich wurde die ganze jchwediiche Kolonne
von der ruffiihen Armee umzingelt.e Wrangel, welcher wäh—
rend des Gefechts in den erjten Reiben gekämpft hatte, mußte
verwundet feine Zuflucht in Willmanftrand juchen, welches nach
tapferer Verteidigung gegen Abend vom Feind erftürmt, ge
plündert und verbrannt wurde '), Vor der Schlacht hatte
Wrangel, welcher bei Eroberung der Feſtung in Gefangenjchaft
geriet, den Beiltand Buddenbrods erbeten. Als diejer jedoch
nach längerem Zaubern aufgebrochen war, empfing er auf
balbem Wege die Kunde von der Niederlage der Schweden ?).
Von der mit Einihluß der Beſatzung von Willmanftrand 4000
Mann zählenden Abteilung Wrangel® wurden 2300 Mann ver-
mißt, während der ruffiiche Verluſt 1800 Mann betrug.
Am 3. September kam Yewenhaupt nach Kvarnby und
übernahm den Oberbefehl. Aber e8 zeigte jich bald, daß der
prableriiche Reichstagsredner nicht der Mann war, welcher
den Sieg an die jehwedischen Fahnen zu beften vermochte.
Anftatt einen Angriff auf Wiborg zu machen, blieb er während
1) 3. Mantell, Anteckningar rörande Finska armens och Fin-
lands krigshistoria I, 269sqq. (Stodholm, 1870). — „Tvenne officiella
berättelser om segern vid Willmanstrand “, in der Zeitichrift: „Suomi “,
p. 224—236 (1854).
2) Das Berbalten Buddenbrods ift von ®. G.Lagus in der Schrift:
„Anteckningar rörande 1741 och 1742 ärens finska krig jämte Henr.
Magn. v. Buddenbrocks äreräddning“, p. 37—72 (Helfingfors, 1853)
mit guten Gründen verteidigt worden.
Wrangels Niederlage. Lewenhaupts Zug u. Waffenftillftand (1741). 887
des ganzen Herbites unthätig und legte Anfang November einen
Zeil der Armee in Winterquartiere.. Am 19. November brach
er endlich mit 6000 Mann Infanterie, 450 Dragonern und
10 Kanonen auf und z0g nad Säkkijärvi (auf dem Wege nach
Wiborg), während gleichzeitig Oberftlieutenant Karl Heinrich
Sprengtport mit 300 Dragonern und einigem Fußvolk an
Willmanjtrand vorbei in das ruſſiſche Karelien marjchierte.
Ein in den ruffiichen Grenzorten verbreitetes Kriegsmanifeft
Lewenhaupts forderte die Ruſſen auf, fich mit der ſchwediſchen
Heeresmacht zu vereinigen, deren einzige Abficht die Befreiung
Rußlands von fremdländiichem Joche jei. Diefe Belannt-
madhung übte die erhoffte Wirkung aus. Der Einfall ver
Schweden verurjachte in Petersburg allgemeine Unruhe; eine
Unruhe, welche die ruſſiſche Prinzeifin Elijabetb im Einver-
ſtändnis mit der jchmwediichen Regierung benugte, um am
25. November mit Hilfe der Garderegimenter den Zaren Iwan
jowie dejfen Eltern gefangen zu nehmen und felber den Thron
zu befteigen. Lewenhaupt hätte damals nach Petersburg rüden
und der neuen Kaiſerin Friedensbedingungen vorjchreiben
fönnen, wie jolche den Wünjchen Schwedens entiprachen. Aber
im entjcheidenden Augenbli zauderte er. Die Schwierigfeiten
eined weiteren VBordringens in der Winterfälte, ohne Troß und
Yebensmittel, erichienen ihm unüberwindlich, weshalb er jich mit
leeren Verſprechungen ruffischerjeitS begnügte und am 6. De:
zember einen Waffenftillftand auf unbeftimmte Zeit abjchloß.
Inzwijchen war die Bevölkerung, namentlich im öftlichen
Nyland und in der Provinz Kymmenegärd, unerhörten Leiden
unterworfen gewejen, indem die Kräfte des gemeinen Mannes
durch Naturallieferungen und Vorſpanndienſte aufs äußerfte
angeftrengt wurden. Inſonderheit hinterließ in diejer Hinficht
der Zug Yewenhaupts nach Säkkijärvi ein bitteres Andenfen. —
Einen nicht minder großen Anlaß zur Bejorgnis bot die faft
vollftändige Wehrlofigfeit von Savolaks und Karelien gegen
einen Angriff des Feindes. Die von den fiegreichen Ruſſen
zeritörten Erdwälle Willmanftrands hatten, obwohl von feiner
jonderlichen Bedeutung, dennoch das jüdliche Savolaks gegen
Schybergſon, Geſchichte Finnlande, 22
838 Vierte Periode. Der große nordiihe Krieg und die Freiheitszeit.
ruſſiſche Streifcorps geichügt. Det aber war nur noch Die
Feſtung Nyſlott übrig. Schon furz nach der Schlacht bei
Willmanftrand waren denn auch feindlide Scharen plündernd
in das jüdöftlihe Savolafs und die jüdlichen Teile von Nord—
farelien eingedrungen, und es ließ jich erwarten, daß fich die
Angriffe jpäter in größerem Maßjtabe wiederholen würden.
Unter diejen jchwierigen Verhältnifjen bewies Yandeshauptmann
Stiernjtedt einen patriotiichen Eifer, welcher jeine Wirkjamfeit
zu einem Yichtpunft der Gejchichte diejes jonjt jo traurigen
Krieges macht. Er eilte in jeiner Yandeshauptmannjchaft von
Ort zu Ort, rief den gemeinen Mann zur Verteidigung der
Heimat auf und belebte den gejunfenen Mut der Bevölferung.
Die bei Willmanftrand vernichteten NRegimenter wurden von
neuem errichtet, zufammen etwa 5000 Mann, von denen je-
doch der größte Teil der Hauptarmee zugeführt wurde, jo daß
faum mehr als die Rejervemannjchaften zur Verteidigung von
Savolats und Karelien zurücdblieben. Außerdem verteilte Stiern-
jtedt Waffen und Diunition unter die Benölferung, um die—
jelbe im Notfalle mafjenweije aufbieten zu Fönnen.
Als der Waffenftillftand am 6. Dezember 1741 plötzlich
von den ruſſiſchen Generalen gekündigt wurde, zeigte es fich,
daß dies nicht zum wenigjten deshalb geſchah, damit fich der
Feind noch während des Winters der Yandichaften Savolafs
und Karelien bemächtigen oder wenigſtens diejelben ausplündern
fönnte. Cine ruſſiſche Heeresabteilung von etwa 3000 Mann,
welche unter General Fermors Befehl bei Kerholm und Sorda-
vala zufammengezogen war, rüdte in den erjten Märztagen
1742 gegen Nyjlott vor, wich aber zurüd, als ein von Stiern-
jtedt entjandter Trupp ihnen am 5. März bei Kerimäki mutig
entgegentrat. Hierauf machten die ruffiichen Streifcorps unter
wilden Verwüſtungen einen Einfall in Karelien und metelten
in dem Kirchdorf Kides eine Feine finnische Patrouilfe, welcher
ji einige hundert Bauern angejchlojfen hatten, nach ver-
zweifelter Gegenwehr nieder. Vermutlich würden die Ruſſen
die jüdlichen Kirchipiele in Schwediich-Karelien ganz und gar
verheert haben, hätte nicht Stiernftedt eine größere Abteilung
Die Selbfthilfe der kareliichen Bauern unter Stiernftedt (1742). 3839
unter Hauptmann Krämer gegen Kronoborg in Ruffisch-Karelien
entjandt, um ben Feind zu zwingen, jenem Orte zubilfe zu
fommen. Diejer Plan gelang vollftändig. Gleichzeitig bildeten
die fareliihen Bauern Freifcharen unter felbft gewählten An-
führern, von denen Sallinen, Roivas und SHaapalainen die
hervorragendſten waren. Eine diefer Scharen wurde am 5. April
in dem Kirchipiel Tohmajärvi von einer weit überlegenen feind-
lichen Abteilung umringt, brach fich jedoch in gejchloffenem
Vieref einen Weg durch die Reihen des Gegners. Durch
ſolchen Widerftand abgejchredt, zogen die Ruſſen in öftlicher
Richtung in den Sprengel Ilomants, ſtießen aber bier auf
eine zweite Bauernſchar, welche beim Dorfe Ollölä noch ener-
giiheren Widerjtand leiftete.e Durch diefe beiden Scharmügel
retteten „die hurtigen karelifchen Schneeſchuhläufer“, wie Stiern-
jtedt die Bauern bezeichnete, ihr Land vor den Gewaltthätig-
feiten des Feindes. Mitte April zog Fermor mit feiner
Heeresmacht ab, worauf an jenem Teil der Grenze nur einige
militäriſche Streifzüge vorfielen, an denen jich die Farelijchen
Bauern, wie vorher, wirkſam beteiligten ?).
Am 18.28. März 1742 erließ die Kaiferin Elifabeth an
die Bewohner des Großfürftentums Finnland ein „Manifeft“.
Es wurde darin zunächjt hervorgehoben, wie ungerechtfertigt
die Stodholmer Regierung gehandelt babe, indem fie den
gegenwärtigen Krieg bervorrief, während Rußlands Beſtre—
bungen doch einzig darauf gerichtet geweſen jeien, mit feinen
Nachbarn im Frieden und in Freundfchaft zu leben. Freilich
fönnten feineswegs alle Bewohner Schwedens hierfür verant-
wortlich gemacht werden, am wenigiten die Bevölferung des
Groffürftentums, welhe um fo größere Urfache Habe, eine
ichnelle Beendigung des Krieges berbeizumünjchen, als ihr
eigenes Yand und ihre Befittiimer in allererjter Reihe von
den Leiden des Krieges betroffen werden müßten. Weiter ver-
iprach die Kaiferin, daß die Bewohner Finnland, wofern fie
1) gl. M. ©. Schybergſon, Anteckningar om försvarskriget i
Savolaks och Karelen 1741 och 1742, in: „Svenska literatursällskapets
i Finland förbandlingar och uppsatser I, 58—112 (Helfingfors, 1886).
22 *
840 Vierte Periode. Der große nordiiche Krieg und die Freiheitszeit.
die jchwedijche Armee bei ihren Kriegsoperationen nicht unter:
jtügen, jondern eine friedliche Gefinnung befunden würden, feinen
Schaden leiden, jondern in ruhigem und jicherem Beſitz ihres
Eigentums verbleiben jollten. Sie, die Kaijerin, wolle feinen
Fuß breit fremden Landes gewinnen, jondern vielmehr dazu
beitragen, daß „mehrerwähntes Fürftentum Yinnland, wofern
dasjelbe gefinnt wäre, fi von der Gewalt und Jurisdiktion
Schwedens zu befreien und loszumachen“, ald ein freies und
von feinem der beiden Zeile abhängiges Yand in den Genuß
einer eigenen, von den Bewohnern jelbit fejtgeftellten Staats»
verfaffung fäme, mit allen den Rechten, Privilegien und Frei:
beiten, welche nach dem eigenen Wunjch der Bevölkerung zu
ihrem Nugen dienen fünnten. Die Kaijerin wolle denn
auch den Bewohnern, um ſie in ihrer neuen Staatsform zu
ihügen und zu unterjtügen, mit ihren Truppen beijtehen, wann
und jo oft jene e8 jelber begehren würden. Auf jolche Weije
werde Finnland künftig „als Barriere und Grenze“ zwijchen
Rußland und Schweden dienen. Sollten die Finnländer ins
deſſen dieſes Anerbieten ablehnen und während des gegen-
wärtigen Krieges „ungzeitigen Eigenſinn“ an den Tag legen,
jo würde jich die Kaijerin, wider ihren Willen und ihre Nei-
gung, genötigt jehen, Finnland mit Feuer und Schwert ver:
wüſten zu laſſen). Diejes geſchickt abgefaßte Manifeft, welches
in Hunderten von jchwediichen, finnijchen und deutjchen Exem—
plaren verbreitet wurde, erregte unerhörtes Aufſehen; denn
einen jo kühnen Verjuch, die Unterthanen eines fremden, wenn
auch feindlichen Staates zum Bruch ihres Eides zu verloden,
hätte man fich kaum vorjtellen fünnen. Daß das Manifeſt
wenigftens einigermaßen auf die Gemüter Eindrud machte,
läßt fich vermuten, da man in Finnland für das Verſprechen
einer milden Behandlung bei einer etwaigen ruſſiſchen Occu—
pation empfänglich jein mußte Als jpäter ein Widerftand
jeitens der Bewohner Finnlands überhaupt nicht in Frage fan,
1) Das Manifeft ijt gedrudt bei W. ©. Lagus, Anteckningar ete.,
p. 22sgq. (Helfingfors, 1853).
Eliſabeths Manifeit (1742). 341
wurden allerdings die Vorjpiegelungen des Manifeftes, be-
treffend eine jelbjtändige finnifche Verfaſſung, unberückſichtigt ge-
laſſen ). Trotzdem handelt e8 fich hier um ein intereffantes Aften-
ftüd; zeugt dasjelbe do davon, daß der Plan, Finnland von
Schweden loszureißen — ein Plan, welcher mit Rückſicht auf
Finnlands Yage in der Nähe der ruffiichen Hauptftabt jederzeit
nabeliegen mußte —, ſchon damals bei den leitenden Männern
Rußlands zur Reife gelangt war. Im einer Erwiderung auf
das Manifeſt äußerte die Stodholmer Regierung am 27. April
ihre Zuverficht, daß fein Finnländer durch Verrat die Frei—
beit, welche Schwedens Staatsverfafjung gewähre, gegen bie
Ketten eintaufchen werde, welche Rußland bald nach feiner
Gewohnheit denen anlegen würde, die auf feine trügerijchen
Zufiherungen bauten. Auch wurde die Hoffnung ausgejprochen,
daß Schweden und Finnländer, jobald die Jahreszeit einen
Angriff auf Rußland geftatten würde, mit alter Einigfeit und’
Kühnheit eine Grenzmauer ruffischen Gebiets gegen alle Gewalt:
thätigfeiten errichten würden.
Dieſe Hoffnung jollte fih nur allzu bald als trügeriich
erweifen. Die Armee, welche jchon im März bei Frebrifs-
hamn zufammengezogen, ‚dann aber wieder in Winterquar-
tiere verlegt worden war, verjammelte ſich Anfang Juni
zum zweitenmal bei der genannten Stadt in der Stärfe von
12000— 14000 Mann. Am 7. Juni brachen die Rufen
(22000 Mann) unter de Lacys Befehl von Wiborg auf und
überjchritten am 13. Juni die ſchwediſche Grenze Obwohl
mithin das jchwediich-finnifche Heer zum zweitenmal einer über-
1) In Briefen vom 28. Auguft, 20. September und 28. Oftober 1742
an den General Rumjanzow äußerte fih die Kaiſerin hierüber ab:
lehnend. Bei einer Staatslonferenz in Petersburg (24. Februar 1743),
als man über die den Schweden vorzulegenden Friedensbebingungen be—
riet, fam die Frage nochmals zur Sprade. Der ehemalige Geſandte in
Stodholm, Mich. Beſtuſchew, und der Vizekanzler Alexei Beſtuſchew befür-
worteten die Verwandlung Finnlands in einen jelbftändigen Staat unter
ruififhen Schutze, konnten aber ihre Meinung nicht durchſetzen. Bal.
IR. Danielion, Die nordifhe Frage in den Jahren 1746—1751,
©. 48 ff. (Helfingfors, 1888).
342 Vierte Periode. Der große nordiiche Krieg und die Freibeitgzeit.
legenen feindlichen Macht gegenübertrat, wäre die Situation
dennoch nicht gefährlich gewejen, wofern jich nicht des ſchwe—
diſchen Hauptquartier von Anfang an die größte Unjchlüffigfeit
bemächtigt hätte. In einem Kriegsrat entjchied ſich die Mehr—
beit der Offiziere am 16. Yuni dafür, daß die Armee mit
Unterftügung der in der Nähe liegenden Flotte bei Fredriks—
hamn Widerftand leiften, jowie daß eine Vorpoftenabteilung von
2000 Dann unter Oberjt Fröberg eine vorteilhafte Pofition
bei Mendolaks (14 Meilen von Fredrikshamn, auf dem Wege
nach Wiborg) einnehmen jollte. Bereitd am 24. Juni gab jedoch
Fröberg mit Yewenhaupts Zuftimmung den Paß bei Mendolaks
preis, kehrte mit feiner Abteilung nach Fredrikshamn zurüd
und gab auf ſolche Weije das erfte Signal zu dem jchimpf-
lichen Rüdzuge der Armee. Bei einem neuen Kriegsrat waren
nämlih alle Anwejenden — mit Ausnahme Buddenbrods,
welcher verlangte, daß man bei Fredrikshamn dem Feinde
ftandhalten jolle — der Meinung, daß jene Feftung nicht einer
Verteidigung wert jet, jondern daß fich das Heer hinter den
Kymmenefluß zurüdziehen müffe, um dort eine beffere Stellung
einzunehmen. Nicht minder bedauerlich als der Beichluß jelbit
war die Art und Weije feiner Ausführung. Yewenhaupt be—
abfichtigte, in der Feltung 500 Finnen zu binterlaffen, welche
fih eine Zeit lang ſcheinbar verteidigen und erjt jpäter fapi-
tulieren fjollten, damit die Hauptarmee Gelegenheit erhielte,
fih ungeftört Hinter den Kymmeneftrom zurücdzuziehen. In—
folge der Weigerung der finnischen Truppen, länger in der
Feſtung zu verweilen, mußte er indeffen am 28. Juni dem
Kommandanten Major Ehreniparre den Befehl erteilen, die
Feftung in die Luft zu fprengen. Gleichzeitig fette das Heer
feinen Rüdzug fort, erreichte am 29. Juni Kummenegärd und
fam am 6. Juli nach Lilla Abborfors.
Mit bitterem Schmerze vernahm Stiernftedt die Nach—
richt von dem Rückzuge, welcher feine Yandeshauptmannjchaft
den Angriffen des Feindes völlig preisgab. Während bie
ruffiihe Hauptarmee Yewenhaupt verfolgte, marjchierte eine
Abteilung von 4000—6000 Mann nad) Savolats und be-
Sieg der Ruſſen (1742). 343
mächtigte jich der Kirchipiele jüdlih vom Saimajee. Anfangs
gelang es Stierntedt, das Vorbringen der Gegner zu ver:
hindern. Anfang Auguſt wurden indejjen jeine Abteilungen
zerjtreut, jo daß das ganze Land den Rufen offen ftand und
Stiernftedt perjönlich feine Zuflucht in ſterbotten fuchen
mußte. Am 9. Auguft fiel Nyflott nach dreitägiger Belagerung
in Feindeshand.
Gleichzeitig nahte die Stunde, wo fich das Geſchick der
Hauptarmee entichied. Vielleicht wäre Lewenhaupt längere Zeit
bei Abborfors geblieben, wofern fich die beiden ſchwediſchen
Geſchwader nicht zurückgezogen hätten, jo daß jeine Stellung
von der Seejeite her ungededt war. Unter ſolchen Umſtänden
hielt man die Pofition bei Abborfors für unhaltbar, weshalb das
Heer am 12. Juli jeinen Rückmarſch bis nach Borgaͤ fortjegte.
Bei Helfingfors wurde die Armee am 11. Auguſt von den
ruſſiſchen Truppen eingefchloffen. Ein fiegreiches Gefecht, welches
Major Schauman an der Spike der finnifchen Yeibdragoner
bejtand, vermochte, obwohl eine der wenigen für die jchwedijch-
finniſche Armee ehrenvollen Begebenheiten während dieſes Feld—
zuges, den gejunfenen Mut nicht mehr zu beleben oder die
völlig aufgelöfte Disziplin wieder herzuftellen. Zwar wurde
am 19. Auguft der tapfere und erfahrene Bousquet, einer der
wenigen, welche auf energijchen Widerftand gedrungen hatten,
von der Stodholmer Regierung zum Nachfolger Yewenhaupts
und Buddenbrods ernannt. Aber jet war e8 bereits zu jpät.
Die einzige traurige Aufgabe des neuen Oberbefehlshabers
bejtand darin, die Bedingungen für die Kapitulation jeiner
Armee feitzuftellen. Gemäß den SKapitulationsbedingungen !),
welhe am 24. Auguft vereinbart wurden, jollten fih u. a.
diejenigen finnijchen Regimenter, welche in Finnland zu blei—
ben wünjchten, ungehindert in ihre Heimat begeben dürfen.
Zwei Tage jpäter legten die finnijchen Negimenter, nunmehr
bloß etwa 3000 Dann, die Waffen nieder, worauf die Mann—
1) Dieielben finden fi gedrudt bei Arwidsion, Handlingar till
upplyening i Finlands häfder X, 276 (Stodholn, 1858).
844 Bierte Periode. Der große nordiſche Krieg und bie Freibeitszeit.
haften größtenteild von der Erlaubnis, in die Heimatsorte zu—
rüdzufehren, Gebrauch machten.
Die wejtlichen und nördlichen Gegenden Finnlands waren
fortan dem Feinde preisgegeben. Die Injeln und das Küſten—
gebiet fielen in die Hände der Ruffen. Am 26. Auguft über-
gab Oberftlieutenant Michael v. Büttner, ohne Widerftand
zu leiften, die finnische Feſtung Tawaſtehus. Drei Tage
jpäter wurde Abo von einigen ruſſiſchen Dragonerfompagnieen
beſetzt.
Die ſchwediſche Regierung hatte in mehreren Schreiben an
die Behörden Finnlands den Wunſch geäußert, daß die dortigen
Beamten jetzt, wo ihre Einſicht und Umſicht mehr denn je
zuvor behufs Aufrechterhaltung der Ordnung erforderlich ſei,
auf ihren Poſten verbleiben möchten. Allein die Erinnerung
an die Grauſamkeit, mit welcher die Ruſſen während des großen
nordiſchen Krieges verfahren hatten, war allzu friſch, als daß
man dieſer Aufforderung entiprocdhen hätte. Als Abo vom
Feinde bejegt wurde, hatten das Hofgerichtsperjonal, die Be—
amten der Pandeshauptmannjchaft, die Univerfitätslehrer ſowie
die meiften Geiftlichen die Stadt bereits verlaffen. Die Unter-
beamten folgten nah Meöglichfeit dem Beifpiel ihrer Vor-
gejegten, und ebenjo juchten Kaufleute wie Bürger in großer
Zahl ihre Zuflucht in Schweden. Der gemeine Mann war
freilich im allgemeinen nicht in der Yage, jofort auszumwandern;
erft nach einem Jahre trafen Bewohner von Aland und des
jüdweftlichen Schärengartend zu Tauſenden in Schweden ein.
Die noch erhaltenen Verzeichniffe über Finnländer, die in Schwe-
den angefommen waren, geben eine VBorftellung von dem Um—
fang der Auswanderung. Es geht daraus hervor, daß, wäh—
rend im Oktober 1742 nur 192 Privatperjonen oder Familien
anfamen, jich ſpäter auf jedem Fahrzeug, welches von Südfinn-
land nach Stodholm abjegelte, eine Anzahl von Flüchtlingen
befand, und zwar jelbft in den Wintermonaten. Im April 1743
belief jich die Ziffer der in den Yiften verzeichneten auf 488;
jpäter werden nur einige wenige aufgeführt, vermutlich, weil
bereits fichere Friedensausfichten vorhanden waren. Im Juli
Die Auswanderung der Bebörben und die Unterwerfung Finnlands. 345
1743 betrug die Gefamtjumme 508, wobei jedoch zu beachten
ift, daß Kinder und Dienerjchaft nicht eingerechnet wurden !).
Die große Mehrzahl derer, die in der Heimat blieben, ging
den unwillkommenen Gäften gegenüber mit großer Vorſicht
und Klugheit zuwege. Im einer vom 14. Juli 1742 da—
tierten Tagesordre hatte der ruffiiche Oberbefehlshaber de Lacy
das in dem Manifeft vom 18. März erteilte Gelöbnis
erneuert, daß die Bewohner Finnlands bei „ftillem und
ruhigem“ Verhalten feinen Schaden erleiden jollten, ſowie
gleichzeitig erflärt, daß, wer „ſich unter ruffiiche Proteftion
begeben“ wolle, bei ihm einen Schußbrief erhalten jolle. Hier-
von machte man allgemein Gebrauh, jo daß jogar aus ent-
legenen RKirchipielen des Binnenlandes Deputationen im ruſ—
fiihen Lager erichienen, um die Schutbriefe in Empfang zu
nehmen, und die ftädtiichen Behörden bei Ankunft der ruffischen
Generale denſelben entgegengingen und ſich unterwarfen ?).
Dieje Handlungsweije, welche nicht getadelt werden fann, da
die Berhältnifje jeden Widerftand unmöglich machten, ftimmte
die Sieger zugunften Finnlands und trug zweifelsohne wejentlich
dazu bei, daß ficb die Schreden des großen nordifchen Krieges
diesmal nicht wiederholten. Bielleicht jchwebte auch der Ge-
danfe dabei vor, daß es nicht zweckmäßig jei, ein Land aus—
zuplündern, welches wenigjtens teilmeije ruſſiſches Beſitztum
werden fönnte. Hierzu kam endlich, daß die Oberbefehlshaber
de Fach und Keith, ald Männer mit wefteuropäiicher Bildung,
zwedloje Gewaltmaßregeln verabjcheuten und demzufolge unter
den ruffiichen Truppen die ftrengfte Disziplin aufrecht erhiel-
ten. Im vieler Hinficht erwies fi die feindliche Occupation
allerdings als drüdend; jo wurde 3. B. zum Unterhalt der
rujfiichen Armee eine bedeutende Steuer ausgejchrieben. Ein
noch größeres Übel war, daß die Bevölferung der Kaijerin
Eltjabetb und jpäter auch dem von ihr auserfehenen Thron—
1) Akten der finnischen „Flüchtlingskommiſſion“ und ber „Beichwerbe
deputation“ im „Schwed. Neihsardiv“.
2) Ausführlicher Handelt darüber Danielion 1. c., p. 41899.
346 Bierte Periode. Der große nordiſche Krieg und die Freiheitgzeit.
erben, Peter von Holftein » Gottorp, den Eid der Treue leiſten
mußte, was übrigens im ganzen Yande widerftandslos geichab.
Die Landesverwaltung lag anfangs in ben Yänden des
Generals Keith, welcher am 7. September in Abo eintraf.
Seine Maßnahmen waren fichtlicd von dem Beſtreben geleitet,
die auf dem Volke ruhenden Yaften möglichjt zu erleichtern.
Der größere Zeil der rujfiichen Armee wurde in die Heimat
zurüdgefchidt; in Finnland blieben nur etwa 9000 Mann,
welche auf dem Yande einquartiert wurden. Die Provinz
Kymmenegärd, deren Bevölterung am meijten durch den Krieg
gelitten hatte, blieb ganz und gar von Ginquartierung befreit,
und in das Innere des Landes wurde nur eine verhältnis:
mäßig ſchwache Truppenmacht gelegt. Die Küftenftriche in-
deſſen, in denen eine Landung jchwediichen Kriegsvolkes nach
Frühlingsanfang denkbar erichien, erhielten eine größere Be—
ſatzungsmannſchaft. Nach Dfterbotten wurde im September
als Höchfter Militär: und Zivilbefehlshaber der Generalmajor
Chriſtoph Theoph. v. Kindermann mit fünf Negimentern ent-
jandt. In Birkkala begegneten demjelben Provinzialdeputierte
unter Yeitung des jchon früher (vgl. ©. 298.) genannten, nun=
mebrigen Pfarrers in Ilmola, Gabriel Peldan, welcher die in-
folge der vorbergebenden Mißernten ungünftige Yage des Yandes
jchilderte und um Yinderung der Not bat. Auf Grund dejjen em-
pfingen die öſterbottniſchen Stände die Erlaubnis, in Waſa zu—
jammenzutreten, um mit Kindermann über Mittel zum Unterhalt
der ruffiichen Truppen jowie über die Verwaltung der Yandes-
bauptmannjchaft zu beratichlagen. In der That fand eine
ſolche Zujammenfunft in den erften Oftobertagen jtatt, wobei
die Repräjentanten der Stände der rufjiichen Kaiſerin den Eid
der Treue leifteten, während Kindermann verjprach, nach ſchwe—
diſchem Geſetz zu regieren ). Am 18. Oktober trat auch in
Abo eine Verfammlung von Vertretern der in Abo-Björneborg
angefiedelten Edelleute, Geiftlihen, Bürger und Bauern zu:
jammen. Es fam bier zur Wahl einer Deputation von je
1) Kostinen, Suomen kansan historia II, 400sqq. (Helfingfors,
1882).
Die Verwaltungen Keiths und Campenhaufens. 817
zwei Mitgliedern jedes Standes, welche nah Moskau reifen
jollte, um die Ernennung des Herzogs Karl Peter Ulrich von
Holjtein zum Großfürjten Finnlands zu erbitten. Dieſe Abficht
wurde jedoch, auf Verlangen der Kaijerin Elifabeth, von den
ruſſiſchen Generalen hintertrieben ?).
Es wäre für Finnland günftig gewejen, wenn Keith die
Dberleitung behalten hätte. Aber am rujfiichen Hofe war man
der Meinung, daß eine Militärperfon nicht auf die Dauer
Angelegenheiten rein friedliher Natur handhaben dürfe. In—
folge dejfen wurde im Oktober Balthafar v. Campenhaufen *)
zum &eneralgouverneur des Landes ernannt. Sein Wirfungs-
freis war jehr ausgedehnt, da er über alles, was zur Okonomie,
Rechtspflege ſowie zum Kirchenweſen gehörte, zu entſcheiden hatte,
alle königlichen Rechte ausübte, ſelber als Präſident des Hof—
gerichts fungierte, Richter ſowie andere Beamte ernannte, re—
gale Paſtorate vergabte u. ſ. w. Nach längerem Verweilen
in Südfinnland traf er am 2. Januar 1743 in Abo ein. Die
Militärverwaltung wurde nunmehr von der Ziviladminiftration
getrennt, indem Keith den Oberbefehl über die Dccupations-
truppen, Campenhauſen aber alle übrigen Angelegenheiten über-
nahm. Die Verwaltung der Yandeshauptmannjchaften wurde
jo geordnet, daß der Landkämmerer Karl Krompein und ein
lioländifher Edelmann, QTungelman Edler von Aodlerflug, die
Verwaltung von Kymmenegärd-Nyflott und Nyland-Tawajtehus
mit dem Titel eines Oberfommiffars übernahmen, während in
Abo-Björneborg Campenhauſen jelbft die Adminiftration behielt
und in Ofterbotten Kindermann bis zum Frühjahr Zivil- und
Militärchef blieb, worauf die Zivilverwaltung einem ehemaligen
finnifchen Offizier, Hougberg, mit dem Titel eines Oberland-
richter8 übertragen wurde. Um einen ungeftörten Gang ber
Rechtspflege zu ermöglichen, wurde ferner das Aboer Hofgericht
1) Danielfon I e, p. 47.
2) Er war im Kirchſpiel Wöraä (OÖfterbotten) geboren und eine Zeit
lang im Kanzleitollegium zu Stodbolm beichäftigt, trat jedoch fpäter in
ruſſiſche Dienſte. Bol. über ihn 8. DO. Lindegpift, Pikku vihan aika
Suomessa, p. 27sq. (Tawaftehus, 1889).
348 Vierte Periode. Der große norbiihe Krieg und die Freibeitszeit.
wieder errichtet; die dortigen Nichterftellen wurden teils mit
Unterbeamten, teils mit aus Finnland gebürtigen ruffiichen
Unterthanen bejegt. Die Leitung des Hofgerichts übernahm
der Diftriftsrichter Yenäus mit dem Titel eines Vizepräfidenten.
Was ſchließlich das Kirchenregiment betraf, jo erfolgte in Abo
die Einjegung eines Konfiftoriums, deſſen Vorſitzender, der
Pfarrer und Profefjor Wallenius, gleichzeitig die bijchöfliche
Autorität in beiden Stiften ausübte.
Die Gewaltthätigkeiten während des großen nordifchen Krie—
ges, wie Plünderung von Kirchen, Fortichleppen friedlicher Be—
wohner u. ſ. w., wurden nicht wiederholt. Allerdings famen hier
und da, injonderheit in den mehr entlegenen Orten, Ungeſetzlich—
feiten vor; aber der gute Wille der ruſſiſchen Zentralbehörden,
die Aufrechterhaltung von Ordnung und Recht zu überwachen,
muß dennoch anerkannt werden. Mehr als andere hatten die
Bewohner der Rirchipiele im füdweftlihen Schärengarten An-
laß zu Bejchwerden. Gegen Frühjahr begannen nämlich die
Ruffen Galeeren zu bauen, um ihre Flotte für die Kämpfe
des fommenden Sommers zu verftärfen, wobei die Einwohner
auf den Schären und im jüdweftlichen Finnland gezwungen
wurden, Holz aus den Wäldern herbeizujchleppen und als Zimmer-
leute Frondienjte zu leiften. Noch größeres Mißvergnügen
erregte die von der ruffiichen Aominiftration angeordnete Aus-
bebung von Matrojen zur Bemannung der ruffiichen Kriegs-
Ichiffe, eine Maßnahme, welche den erteilten Zuficherungen
entjchieden zumiderlief, glüclicherweije übrigens in größerer
Ausdehnung nicht zur Ausführung gelangte. Auch jonjt be-
gannen die ruſſiſchen Befehlshaber im allgemeinen gegen Ende
der Occupationgzeit ein Mißtrauen und eine Neizbarfeit an
den Tag zu legen, welche leicht zur Ergreifung von gewaltjamen
Mapregeln hätte führen fünnen. Man befürchtete den Aus—
bruh einer Empörung und hatte in der That Grund zu
einer jolchen Befürchtung. Eine Verfchwörung war im Ent:
jtehen begriffen, welche darauf abzielte, die finnische Be—
völferung zum Abſchütteln des rujjischen Joches zu veranlaffen.
Unter der Borausfegung, daß eine ſchwediſche Truppenmacht
Die ruffiihe Decnpation. 349
von 2000—3000 Mann an der Küfte Finnlands landen und
zum Entſatz beranrüden würde, wollte man fich der Vorräte
an Proviant und Munition bemächtigen und an einem be—
jtimmten Tage das ruſſiſche Militär in allen Städten Finn-
lands überrumpeln. Als einer der Urheber diefes Planes wird.
der Dozent an der Aboer Akademie, Iſaak Roß, bezeichnet ;
doch weiß man darüber nichts Näheres. Übrigens kam eine
DBerwirklihung des Projekts um jo weniger in Frage, ale
feine jchwediiche Armee in Finnland zu landen vermochte. In—
dejjen gärte e8 unter den Bewohnern des Landes immer bef-
tiger, während gleichzeitig das Verfahren der Ruſſen, nament=
ih in den Küftenftrichen, z. B. im Kirchipiel Pargas, immer
gewaltthätiger uud rüdfichtslofer wurde. Linzweifelhaft wäre
das Los des Landes durch den geringiten Empörungsverjuch
in hohem Grade verjchlechtert worden, da alle Verjprechungen
jeitens der ruſſiſchen Regierung inbetreff milder Behandlung
auf der DVorausjegung geruht hatten, daß die Bevölkerung
Finnlands ihrerjeits völlige Ruhe beobachten und ſich in allem
den Machtgeboten der ruſſiſchen Oberberrichaft gehorjam unter:
werfen würde ’).
Während fich dieje Begebenheiten in Finnland abjpielten,
war am 20. Auguft 1742 in Stodholm ein meuer Reichstag
zujammengetreten. Trotz des Krieges fanden ſich die Vertreter
Finnlands nicht weniger zahlreich als jonft ein: jo z. B. Heinr.
und Fabian Wrede, K. 9. Stiernftedt jowie Yars Joh. Ehren-
malm; die Biſchöfe von Abo bezw. Wiborg, Ionas Fahlenius
und Daniel Juslenius; der alte Friedensfreund Joh. Amnell;
der oft genannte Ejaias Wechter, welcher anftatt Karl Merthens
in Abo gewählt worden war; dazu der Bauer Jakob Pälsjon
Heifus aus Kaitsorby im Kirchipiel Wörä, welcher, wie auf
den beiden vorigen Reichstagen, als Förderer der öfterbott-
nijchen Interefjen eine bedeutende Rolle ſpielte. Man hätte
erwarten jollen, daß die finnischen Reichstagsabgeordneten, deren
1) Bgl. W. ©. Lagus, Anteckningar ete., p. 7589q., fowie Teng=
berg, Bidrag etc. II, 161 qq.
350 Vierte Periode. Der große nordiſche Krieg und die Freiheitszeit
Heimat infolge der Mißgriffe der Kriegspartei furchtbar ges
litten batte, jett zur Mütenpartei übergehen würden; aber
(eßteres war durchaus nicht der Fall.
Eine bejondere Aufgabe der finnischen Volksvertreter war,
die Folgen des Mißgeſchicks zu mildern, welches ihre Heimat
betroffen hatte. Die bedrängte Lage, in welche die zahlreichen
nach Schweden geflohenen Finnländer bald gerieten, hatte übri-
gend die Regierung jchon frühzeitig zur Anordnung von Maß:
nahmen zu ihrer Unterftügung veranlaßt. Bereits am 6. Auguſt
1742, alſo mehrere Wochen vor der Kapitulation von Heljing-
fors, wurde 2. I. Ehrenmalm zum VBorfigenden einer „Flücht—
lingsfommiffion“ ernannt, welche Geldmittel für die notleidenden
Finnländer einfammeln und auf zwedmäßige Weije verteilen
jollte. Die ſchließlich zuſammengebrachte Summe von 90000
Ihalern (Kupfermünze) wurde im Fleineren Poſten verteilt und
auf ſolche Weije wenigftens die jchlimmfte Net gelindert.
Man erkannte jedoch, daß dies nicht genügte. Das Be:
wußtjein der verjammelten Stände, daß ihre Vorgänger in
durchaus ungerechtfertigter Weije Finnland jo gut wie preis-
gegeben hätten, und die Beforgnis, daß ganz Finnland oder ein
größerer Teil bes Yandes von Schweden losgeriffen werden
fönnte, riefen eine Fürſorge für Finnland wach, welche Jahr—
zehnte fortdauerte und mehrere wohlthätige Maßnahmen vers
anlaßte.
Um die Abfaffung von Beſchwerde- und Klagejchriften zu
erleichtern, erteilten die Stände den nach Stockholm entflohenen
Finnländern das Recht, zu beſonderen „Nationsfonferenzen“
zujammenzutreten. Die von diejen VBerfammlungen ausgeben:
den Petitionen wurden indeffen bald jo zahlreich, daß jie faum
von den gewöhnlichen Deputationen behandelt werden fonnten,
weshalb auf Vorjchlag des Adels eine „Finnische Beſchwerde—
deputation“ errichtet wurde. Diefelbe begann am 28. Februar
1743 ihre Thätigfeit und beſtand aus 30 Mitgliedern (12 Edel-
leuten und je 6 Vertretern der drei übrigen Stände), unter denen
fih jedoch nur 3 finnische Bauern befanden ; vermutlich, weil
die Finnländer überhaupt in den der Deputation überwiejenen
Die ſchwediſche Fürforge für Finnland. 351
Angelegenheiten Partei waren. Der wichtigſte Gegenſtand der
Beratungen wurde eine Schrift, worin die Finnländer um
verſchiedene Zugeſtändniſſe zu ihren Gunſten baten, vor allem
darum, daß diejenigen, welche mit Auflagen und Proviant zum
Unterhalt der ſchwediſchen Armee beigetragen, aber keine Be—
zahlung dafür erhalten oder ſonſt durch ſchwediſches Verſchul—
den Nachteil erlitten hätten, vollſtändige Vergütung erhielten,
ſowie daß über die von den Einwohnern erlittenen Verluſte
nach Abſchluß des Friedens eine Unterſuchung eröffnet werden
ſolle, um auf Grund derſelben Steuerfreiheitsjahre und Ab—
gabenerleichterungen zu gewähren. In einer zweiten Schrift
wurden dieſe Beſchwerden, unter Hinzufügung mehrerer neuen
Punkte, wiederholt und gleichzeitig zahlreiche private Bittgeſuche
ſowie Verzeichniſſe eingeliefert, welche über den Schaden, den
Privatperſonen und Ortſchaften erlitten hatten, Bericht erjtat-
teten. Denen Angaben zufolge hatten die nach Stodholm ge-
jlüchteten Finnländer Eigentum im Werte von 5435935 Tha-
lern (Kupfermünze) verloren. Die größte Schwierigfeit lag
darin, daß feine Geldmittel zur Befriedigung dieſer verjchie-
denen Anjprüche vorhanden waren. Allerdings beichloß die
Deputation, daß die Verlufte, welche die Finnländer durch un—
bezahlte Lieferungen jowie durch Verſchulden der jchwedijchen
Armee erlitten hätten, ihnen zurüderjtattet werden jollten; doch
vermochte fie feine Fonds zu diefem Zwecke aufzutreiben. Ebenſo
ieblte e8 an den erforderlichen Gelomitteln, um inbezug auf
Vergütung der beweglichen Habe der finnischen Bevölkerung
entgegenzufommen. Hingegen zeigte jich die Deputation bin:
fichtlih der Bewilligung von Steuererleichterungen freigebig
und befürmwortete namentlich auch, daß unmittelbar nach Ab-
ihluß des Friedens eine Unterſuchung über den Schaden, den
die Bewohner Finnlands an feftem Cigentum erlitten hätten,
an Ort und Stelle vorgenommen und im Anjchluß daran die
Zahl der Steuerfreiheitsjahre feftgeftellt werden jollte ').
)) Die Auferungen der Befchwerdedeputation batten unmittelbar die—
ielbe Gültigkeit, wie die Beſchlüſſe der Reichsſtände.
352 Bierte Periode. Der große nordiiche Krieg und die Freiheitszeit.
Während man auf ſolche Weije nach Auswegen juchte, um
die Spuren des Krieges zu verwifchen, entwarf man gleich-
zeitig einen Plan, welcher Finnland mit gewaffneter Hand aus
den Händen des Feindes zu reißen bezwedte. Mitte März
1743 ging Oberft Mards von Württemberg mit etwa 1000
Mann nach Aland hinüber, nahm eine dort befindliche ruſ—
ſiſche Truppenabteilung gefangen und bemächtigte ſich der Injel
jowie des gejamten umliegenden Schärengartend. Ferner mar:
jchierte der tapfere Generalmajor Freudenfelt im April über
Zornei bis in die Nähe von Uleäborg. Nachdem er jedoch
am 19. Mai den Tod dur Ertrinfen gefunden, mußte jich
jeine Abteilung wieder zurüdziehen. Unter jolchen Umftänden
hing alles von den Erfolgen der jchwediichen Flotte ab. Der
Chef des jchwediichen Galeerengejchwaders, Falfengren, machte
am 20. Mai einen Angriff auf die ruffiiche Galeerenflotte unter
Keith, wurde jedoch mit Verluſt zurückgeſchlagen und mußte
nach Degerby bei Aland vetirieren. Diejem erften Mißerfolg
folgte bald ein zweiter. Es gelang nämlich der großen ruſ—
jichen Flotte unter Feldmarſchall de Lach, die jchwebiiche
Kriegsflotte bei der Yandzunge von Hangö zu umjegeln und
ſich mit Keiths Geſchwader zu vereinigen, worauf die beiden
Feldherren, deren Fahrzeuge eine beträchtlihe Bejakung an
Bord hatten, mit einer Pandung an der jchwebiichen Küſte
und einer Wiederholung der Schredensfcenen von 1719 big
1721 drohten. Diejer Ausgang war ein harter Schlag für
die Bewohner Alands und des jüdweitlichen finnijchen Schären-
gartens, die fi vor einem Jahre dem Feind unterworfen,
beim Vormarſch der Schweden aber dieſen angejchlofjen
hatten und nunmehr der Wache des Feindes zum Opfer
zu fallen befürchteten. Scharenweije verließen jie ihre Hei—
mat und juchten in Schweden Zufluht. Gin Verzeichnis
nennt 3852 Perjonen, welche vier Tage hindurch auf allge-
meine Koften in Stodholm Unterkommen und Verpflegung
erhielten.
Glüclicherweije waren inzwijchen die in den erjten Februar—
tagen zu Abo eröffneten Friedensunterhandlungen jo weit fort-
Die zweite Deputation für finnifche Angelegenbeiten (1743). 853
geichritten, daß der Friedensjchluß jo gut wie entjchieden war.
Man einigte fich jchlieglich dahin, daß Schweden den größeren
Zeil von Savolafs behalten, hingegen die Provinz Kymmene—
gärd mit Fredrifshamn bis an den wejtlichen Arm des Kym—
menefluffes und das jüdliche Savolaks mit Willmanftrand jo-
wie Nyflott mit einem Gebiet von zwei ſchwediſchen Meilen
weitlih und nördlich von letztgenanntem Ort abtreten jollte,
wodurch der Saimaſee im großen und ganzen ein ruſſiſcher
Binnenjee wurde. Um die Bewohner der abgetretenen Landes—
teile für die Zukunft ficherzuftellen, wurde ferner bejtimmt,
daß fie feinem Gewiffenszwang in religiöfer Hinficht unter-
worfen werben jowie die Privilegien und Rechte behalten jolf-
ten, die jie unter jchwedijcher Herrichaft bejejjen Hatten. Am
16. Juni wurden die Friedenspräliminarien unterzeichnet, deren
Beftätigung durch den Aboer Frieden vom 7. Auguft 1743
erfolgte.
Kaum war der Abjchluß der Friedenspräliminarien bekannt
geworden, als der Geheime Ausſchuß die Einjegung einer
zweiten Deputation für finniſche Angelegenheiten beichloß. Dieſe
„Deputation zur Negelung der finnijchen Angelegenheiten “,
welche aus 15 größtenteils finnischen Mitgliedern beftand, trat
am 13. Juli 1743 unter Yeitung des Yandeshauptmanns von
DOfterbotten, Graf Guft. Creutz, zum erftenmal zufammen und
bielt am 10. September ihre lette Konferenz ab’). Wie jchon
S. 351 erwähnt, hatte jich die „Finniſche Bejchwerdedeputation“
zwar dafür ausgeiprochen, daß den Bewohnern Finnlands
Steuerfreiheitsjabre zu gewähren jeien, aber nicht die Grundjäge
beftimmt, nach denen dies gejchehen jollte.e Die Frage wurde
1) Außer dem Vorſitzenden find von Mitgliedern der Kommilfion zu
nennen: Der Major und ftellvertretende Landeshauptmann in Nyland,
Karl Joh. Creutz, an deſſen Stelle jpäter Oberftlieutenant K. H. Sprengt-
port trat; der Dompropft in Borga, Joh. Nylander; der Propſt in Waſa,
Claudius Hebman; der Bürgermeifter in Borgä, Gabriel Hagert; ber
Bürgermeifter in Gamla Karlebv, Erland Norden; fowie die Bauern Jal.
Pälsion aus Oſterbotten, Matt Härkänen aus Karelien und Göran
Mattsfon aus Korpo (Provinz Abo).
Schybergſon, Geſchichte Finnlands. 23
354 Vierte Periode. Der große nordifche Krieg und die Freibeitszeit.
deshalb jeitens der „Negelungsdeputation“ von neuem aufge:
nommen. Die #innländer batten in einem Memorial um
fünfjährige vollftändige Steuerfreiheit gebeten, und in ber
Deputation betonte der fareliiche Bauer Matts Härfänen, daß
feiner Heimat, welche durch das gewaltthätige Vorgehen des
Veindes furchtbar gelitten hätte, mit einigen wenigen Steuer:
freiheitsjahren nicht geholfen wäre. Noch größere Anjprüche
erhoben die finniſchen Städte, von denen die meijten zehn- bis
zwölfjährige Befreiung von allen Abgaben und Kontributionen
begehrten. Das Gutachten der Deputation lautete dahin, daß
die ftädtijchen und ländlichen Bewohner Finnlands 1744 — 1746
von Abgaben, Steuern und Kontributionen befreit bleiben jollten,
während einer bejonderen Unterjuchung die Entjcheidung dar:
über vorbehalten bleiben müffe, ob auf Grund von bejonderen
Umständen noch ausgedehntere Steuerfreiheit für einzelne Per:
jonen oder Ortichaften in Frage zu fommen habe. Der Bor:
ihlag der Deputation wurde vom Geheimen Ausjhuß gut:
geheißen und von der Regierung durch die Verordnungen vom
3. Dftober und 9. November bejtätigt. Behufs Yinderung der
Not erging außerdem die Verfügung, daß Getreide und Yebens-
mittel während der allgemeinen Steuerfreiheitsjahre nicht aus
Finnland erportiert, hingegen aus Eſthland und Livland zoll:
frei eingeführt werben bürften.
Abgejehen Hiervon, famen in der „Regelungsdeputation“
einige ragen zur Sprade, die, obwohl für den Augen
blif von geringerer Wichtigkeit, doch für die Zukunft aus:
gedehnter Landesſtriche von höchfter Bedeutung waren. Oſter—
botten, welches fich feiner wachjenden öfonomijchen Macht immer
mebr bewußt zu werden begann, jowie Savolaks und Karelien,
welhe am härteſten von dem Mißgeichi der legten Jahre
betroffen worden, waren die Gegenden, deren Bewohner in
alfererfter Linie Entgegentommen und Fürſorge verlangten.
Das Hauptziel der öfterbottnijchen Bevölkerung war die
Durchjegung der alten Forderung eines Stapelrechts, wobei fie,
wie auf dem Weichdtag von 1738, von ihrem ehemaligen
Sandeshauptmann, dem nunmehrigen Präfidenten des Aboer Hof-
Die ökonomiſchen Forderungen ber Landicaften. 355
gerichts, K. Frölich, unterftügt wurden. Obwohl fich aber die
Vertreter Ofterbottens innerhalb wie außerhalb der Depu-
tation jener Angelegenheit aufs eifrigfte annahmen, jo mußte jich
Oſterbotten jchließlich doch, wenigftens bis auf weiteres, mit
einer beträchtlichen Minderung der Kopfjteuern ſowie mit dem
Verjprechen einer Erniedrigung und gerechteren Verteilung der
übermäßig drückenden Grundfteuern begnügen.
Savolafs und Karelien begehrten zuvörderjt Unterftügung
durch Gelddarlehen zur Linderung der berrichenden Not ſowie
eine Entihädigung für das, was man während des Krieges zur
Verteidigung der Heimat und zum Unterhalt der jchwebijchen
Armee aufgewendet hatte; Forderungen, welche von dem Yandes-
bauptmann Stiernſtedt befürwortet und jeitens der Depu—
tation wie der Regierung genehmigt wurden. Schwieriger
war jedoch die Ordnung des Handelöverfehrs in diejen Land—
ichaften, zumal da diejelben nunmehr vom Saima- See ab-
geiperrt waren und ihr Erportort, Fredrifshamn, in Ruß—
lands Hände gefallen war. Allerdings erbot ſich Borgä, die
Erzeugniffe von Savolats und Karelien aufzufaufen und ihnen
die Produkte des Auslandes zuzuführen, wofern nur die Stadt
das Stapelrecht, neue Marktplätze im Innern des Yandes jo-
wie andere Vorteile erhielt. Allein biergegen protejtierten
Abo und infonderheit das eiferfüchtige Helfingfors, jo daß die
ganze Frage unentjchieden blieb.
Weiter fam bei den Konferenzen der Deputation eine
Menge von ökonomiſchen Fragen zur Spracde, jo z. B., wie
dem jchwierigiten Hindernis für Yinnlands Wohlergehen, dem
Bevölferungsmangel, abzubelfen jei. In leterer Hinficht dachte
man an eine Überführung von Koloniften aus den volkreicheren
Gegenden Schwedens nach Finnland, um dort neue Anfiede-
lungen zu begründen. Da aber die Zeit zur Beſchlußfaſſung
über diefe Fragen allzu knapp bemeſſen war, beantragte bie
Deputation die Einjegung einer „Öfonomietommiffion“, welche
den oben angedeuteten Angelegenheiten eine umfafjendere Prü-
fung angedeihen lafjen jolltee Durch diejen Vorjehlag nahm
die Deputation die Imitiative bei der Frage, betreffend das
23*
356 Vierte Periode. Der große nordiiche Krieg und die Freiheitszeit.
ökonomische Aufblühen Finnlands, einer Frage, welche in der
folgenden Zeit ein Hauptgegenftand der Aufmerkiamfeit für die
Bewohner Finnlands wurde.
Unmittelbar nach der Natififation des Friedens begannen
die ruifischen Truppen aus Finnland abzuziehen, und in den erjten
Dftobertagen hatten fie das Yard beinahe volljtändig geräumt.
Diesmal war der feindliche Bejuch von allzu furzer Dauer
gewejen, um nachhaltige Spuren bei der Verwaltung zu hinter:
laffen. Nur die neue Grenzregulierung bereitete Schwierig:
feiten. Landeshauptmann Stiernftedt, welcher jchwebijcherjeits
die langjährige und wegen Streitigfeiten oft völlig abgebrochene
Bermeffungsarbeit leitete, juchte vergebens eine für Schweden
vorteilhafte Grenzlinie an der Mündung des Kummenefluffes
zu erwirfen; hingegen gelang es ihm, das auf den Friedens
traftat feineswegs gegründete Verlangen der Ruſſen nach den
Gebieten am Puumalaſund zurückzuweiſen, jo daß diejer in
jtrategiicher wie fommerzieller Hinficht wichtige Punkt bei
Schweden verblieb. Die endgültige Grenze ging vom weit:
lichen Arm des Kymmenefluſſes und üftlih von Anjala in
nordnordwejtlicher Richtung nach Mäntyharju, von dort öftlich
durch den nördlichen Teil des Saima ſowie ſchließlich nördlich
längs des jechsundvierzigiten Yängengrades bis ins Kirchipiel
Rantaſalmi, von dort endlich in gefrümmter Yinte bis zur alten
Grenze zwiichen Schwediich- und Ruſſiſch-Karelien. Das ab:
getretene Gebtet, etwa 226 geographiiche Quabratmeilen, war
verhältnismäßig arm und verödet, jo daß der materielle Berluft
nicht als bedeutend bezeichnet werden kann. Andrerſeits rief
jedoch der Friedensſchluß zahlreiche Umwälzungen in den Grenz—
gegenden, jowohl im öffentlichen wie im privaten Leben, hervor.
Kirchipiele, welche jeit der fatholifchen Zeit zu der Krone
Schweden gehört hatten, waren jegt in verſchiedene Zeile ge-
jpalten. Einzelne Bauerngüter lagen teils auf jchwedijcher,
teils auf ruffiicher Seite. Die Kaufleute Fredrikshamns juchten
Die neue Grenze. 357
noch vergebens nach einem Plag, wo fie ihr Heim aufichlagen
fönnten. Alles dies erzeugte einen Zuftand von Unficherbeit,
welcher lange den Verhältniffen an der Oftgrenze feinen Stempel
aufdrückte }).
Slüclicherweife hatte das Yand in ökonomiſcher Hin-
ficht weniger gelitten, al8 zu befürchten gewejen war. Auf
den großen Heerjtraßen, namentlich im öftlihen Nyland und
an der Küfte, waren die Yaften freilich drückend genug gewejen ;
aber im übrigen war die feindliche Occupation in den brei
mwejtlichen Yandeshauptmannjchaften Finnlands ohne jchwerere
Schädigung vorübergegangen. Nur in Kymmenegärd, wo fich
die Bewohner in leivenjchaftlicher Vaterlandsliebe für die Ver:
teidigung der Heimat aufgeopfert hatten, hatte die Herrichaft
des Feindes einen etwas härteren Charakter angenommen.
In Karelien hatte ein großer Teil der Bevölferung während
der Occupationszeit in entlegenen Wäldern gelebt.
Da in Anbetracht dieſer VBerhältniffe die auf Vorjchlag der
„Regulierungsdeputation“ den Bewohnern Finnlands bewilligte
Steuererleichterung unverhältnismäßig groß erfchien, wurde
am 23. Auguft 1744 vom Reichsrat eine Veränderung bin:
ſichtlich der Steuerfreiheitsjahre bejchloffen. Der früher oft
genannte %. 3. Ehrenmalm erhielt den heiklen Auftrag, die
abgeänderten Beichlüffe den Finnländern möglichjt mundgerecht
zu machen. Er begann feine Verrichtung in Abo, wo er mit
um jo größerer Autorität aufzutreten vermochte, als er gerade
damals zum ftellvertretenden Landeshauptmann von Abo-Björnes
borg ernannt worden war. Die Bürger der Stadt waren
anfangs zur Zuftimmung wenig geneigt; doch gelang es ihm
durch Überredung und wiederholte Vorftellungen, am 5. No-
vember ihre Einwilligung darein zu erwirken, daß die Steuer-
freiheit nur für die Hälfte der Abgaben gelten, aber auf ſechs
1) In Sääminge und Kerimäli, wo man fi über die Grenzlinie
nicht einigen fonnte, entjtanden zwei Meine neutrale Gebiete, deren Be—
wobner feinem ber beiden Neihe Steuern zablten. Bgl. ©. G. Herme—
lin, Geografiska kartor öfver Sverige i 4 afdelningar (Stodbolm, 1797
bis 1807).
358 Vierte Periode. Der große norbiiche Krieg und die Freiheitszeit.
Jahre ausgedehnt werden ſollte. Noch jchmwieriger zeigte ſich
das in der Nähe mwohnende Landvolk, welches bijtriftöweije
einberufen wurde. Obwohl ſich Chrenmalm auf das Bei—
ipiel berief, welches die Aboer Bürgerjchaft gegeben, waren
die Vertreter des gemeinen Mannes dennoch anfangs wenig
zum Gntgegenfommen geneigt. Aber auch bier erzielten jeine
inftändigen Vorſtellungen jchlieglih ein günſtiges Reſultat,
ebenio in den übrigen Kirchipielen und Städten der Landes—
bauptmannjchaft. In Diterbotten, wo Ehrenmalm Anfang 1745
eintraf, waren die Städte zum Eingehen auf die Aboer Be-
dingungen geneigt; aber auf dem Yande jtieß er auf jtarfen
Widerftand, bejonders im jüdlichen Zeil der Yandjchaft, wo
während des Winters 1741/42 ruffiihe Truppen in beträcht-
liher Menge einquartiert gewejen waren. Nur Ilmola gab
nach, während die übrigen Kirchipiele jo gewichtige Gründe
gegen jedes Zugejtändnis geltend machten, daß Ehrenmalm auf
Erfüllung jeiner Forderungen nicht dringen zu können glaubte.
Im nördlichen Oſterbotten fette er es hingegen durch, daß
jih die geborgenen Hofbefiter anftatt der drei vollftändigen
Steuerfreiheitsjahre mit einem ganzen und vier halben be-
gnügten. In Nyland-Tawaſtehus verjtanden fich die Städte,
ausgenommen das erjt vor Furzem durch eine Feuersbrunft zer:
jtörte Zamaftehus, nach langwierigen Unterhandlungen zu Kon—
zeiftionen, während auf dem Yande nur etwa die Hälfte der
Kirchipiele auf die Bedingungen einging, welche der gemeine
Mann im nördlichen Dfterbotten angenommen hatte. — Die
Aufgabe, die Bevölkerung der entlegenen Provinz Kymmene—
gärd zu den gewünjchten Zugeftändniffen zu bewegen, wurde
dem Yandeshauptmann Stiernjtedt übertragen. Derjelbe riet
von dem in den übrigen Yandichaften eingejchlagenen Verfahren
ab und empfahl ftatt deffen eine einfache Bekanntmachung des
Inhalts, daß fortan die Hälfte des Steuerbetrags erhoben
werben jollte ?), was denn auch in der zweiten Hälfte des Jahres
1) Schreiben der Pandeshauptleute von Abo - Björneborg; Alten ber
finniichen Deputation 1746/47 ꝛc. im „Schwed. Reihsardhiv“,
Das Herabieen der Steuererleihterungen. Degerby wirb Stapelplat. 359
1745 in ber ganzen Yandeshauptmannjchaft, mit Ausnahme
der jüdlichen, gänzlich verarmten Grenzfirchipiele, geichab.
Gleichzeitig wurde eine andere ſeit dem leßten Reichstag
rubende Angelegenheit entjchteden, indem die Regierung einen
Stapelort für den Handel Oftfinnlands auserſah. Die da-
mals und auch jpäter mit großem Eifer von den Bürgern
Borgaͤs betriebene Agitation, daß ihre Stadt durch Gewährung
des Stapelrecht8 der Erportplag Oftfinnlands würde, jcheiterte
an dem Widerftande StiernftedtS und der flüchtigen Kaufleute
von Fredrikshamn. Die letsteren wollten nämlich eine eigene
neue Stadt gründen, und ihre Sache wurde von dem hervor:
ragendjten und Teichften unter ihnen, dem Ratsherrn Jakob
Forjell, jo eifrig und jo geſchickt vertreten, daß fie jchließlich
ihren Willen durchjegten. An Stelle von Lilla Abborfors, an
welches man zuerjt gedacht hatte, wurde Degerby (18 Kilometer
weitlih von der Mündung des Kymmenefluffes) zum Stapel-
platz auserſehen. Am 25. Juni 1745 erhielten die ehemaligen
Kaufleute von Fredrikshamn das Recht, fih in der neuen
Stadt niederzulafjen, welche das Stapelrecht jowie andere Vor—
teile erhielt, Nefidenz des Yandeshauptmanns wurde und durch
ihre Privilegien einige Bedeutung gewann, aber allzu weit im
Weiten lag, um als Mittelpunkt für den Handelöverfehr Dit-
finnlands dienen zu können. Im Jahre 1752 wurde die Stadt
nach der Königin Luiſe Ulrife, der Schweiter Friedrichs des
Großen, „Lowija* genannt.
Die Periode einer unumpftrittenen Herrichaft der Hüte,
welche auf dem Reichstag von 1646/47 begann, wird in ber
Geichichte Finnlands durch eine abminiftrative Veränderung be-
zeichnet, indem der finnische Generalgouverneurspoiten, welcher
jeit dem vorhergehenden Jahrhundert in Bergefjenbeit geraten
war, wieder ins Leben gerufen wurde Am 13. Februar 1747
ernannte die Regierung den Reichsrat Graf Guſtav Friedr.
v. Roſen zum finnifchen Generalgouverneur. Gegen Ende des
Maimonats begab fich derfelbe nach Abo, wo er einige Zeit blieb,
um fich jpäter in Heljingfors niederzulafien, welches nunmehr
zum militäriichen Zentralpunft Finnlands auserjehen war.
360 Bierte Periode. Der große nordiſche Krieg und die Freibeitszeit.
Obwohl v. Roſen laut Inftruftion ?) die Oberaufficht über
alfe militärifchen, administrativen und öfonomijchen Angelegen-
beiten Finnlands anvertraut war, jo mußte er doch jeine
Thätigkeit im wejentlichen auf die minder ebrenvolle Aufgabe
beiehränfen, die Intriguen zu enthüllen, welche Rußland in
Finnland anzuzetteln verjuchtee Der ruffiihe Gejandte Panin
und namentlich jein Sekretär Johann Simolin, welcher einem
finniſchen Geichlecht angehörte, thaten nämlich alles Mögliche,
um durch Beitehung und durch andere Mittel Anhänger für
Rußland zu werben, und natürlich waren ihre Blide in diejer
Hinficht bejonders auf das benachbarte Finnland gerichtet. Sie
hatten jedoch Hierbei in Finnland noch weniger Erfolg als in
Schweden ?), wie u. a. daraus hervorgeht, daß v. Roſen und die
Candeshauptleute, denen von der Regierung die jorgfältige Über-
wachung aller Machinationen anbefohlen war, wiederholentlich
bezeugten, daß alles im Yande ruhig jet, und daß fich auch
nicht die geringjte Unruhe beim Publikum verjpüren laffe Nur
einige wenige Perjonen wurden Gegenjtand gerichtlicher Ver—
folgung, u. a. der Prediger in Wünd, Thomas Pacchalenius,
welcher im Herbſt 1748 auf einen faljchen Verdacht bin nach
Stodholm gebracht, nach zwetjährigem Prozeß jedoch wegen
mangelnder Beweije freigejprochen wurde *). Ein thatjächliches
Berbrechen lag indefjen der Unterfuchung gegen ob. Heinr.
Wijkman zugrunde, welcher Bürgermeifter in Brabeftad und
1) Diefelbe, vom 5. Mai datiert, ift gebrudt in: „Svenska Literatur-
sällskapets i Finland förhandlingar och uppsatser III, 182 — 199
(Helfingfors, 1888).
2) Zu den Anhängern Ruflands in Schweden gehörten u. a. zwei
Finnländer: der Propft in Nerpes, Heinr. Job. Carlborg, und der Hofgerihts-
rat Adanı Fredenftjerna (Schüb). Adam Schütz, 1726 unter dem Namen
Fredenſtjerna geadelt, war 1685 in Wiborg geboren. Seit 1721 Aſſeſſor
im Aboer Hofgericht, ging er 1728 in gleicher Eigenfhaft an das Svea—
Hofgeriht, war 1758—1768 Präfident im Aboer Hofgeriht und dann
bis zu feinem Tode (1772) Präfident im Svea-Hofgericht. Separatijtifch-
finnifche Gefihtspunkte waren ihm übrigens fremd. Bol. I.R. Daniels
ion 1. e., p. 423sqg.
3) Bol. 8. G. Malmjtröm l. c. Ill, 335.
Roſen der letzte ſchwediſch-finniſche Generalgouverneur. 361
Richter in Savolaks geweſen war und Braheſtad auf dem
Reichſtag 1738 vertreten hatte, ſpäter jedoch in allerhand
Schwierigkeiten geriet und ſchließlich gegen das Verſprechen einer
reichlichen Entſchädigung es übernahm, in Finnland zugunſten
der Abſichten Simolins zu wirken. Im Winter 1750/51 be—
ſuchte er zu dieſem Behufe einzelne Perſonen in Savolaks
und Nyland, ohne jedoch etwas auszurichten. Gleichzeitig trat
er in Verbindung mit dem Major Hans Heinrich Boije und
dem Sekretär v. Rojens, Karl Kroof, die jcheinbar in Simoling
Sold ftanden. Im Mai 1751 wurde Wijkman, deſſen ſämt—
lihe Schritte überwacht worden waren, als Gefangener nach
Stodholm gebracht, wo er vor einen außerordentlichen Gerichts-
bof gejtellt und am 7. September 1751 hingerichtet wurde ).
Übrigens begann man bereit8 damals einzujehen, daß das
Generalgouvernement ein unnützes Berbindungsglied zwijchen
der Stodholmer Regierung und den finniſchen Behörden war,
da es nur zu ungwedmäßiger Einmijchung in die Wirkſamkeit
der Yandeshauptleute und Militärbefehlshaber führte, ohne daß
jein Nuten den dafür aufgewandten Koften auch nur im ge-
ringiten entiprochen hätte. Mit Rückſicht auf v. Roſens Alter und
Berdienjte wollte man jedoch nicht feinem Bleiben in Finnland
ein plößliche8 Ende bereiten, jondern ließ ihn dort bis zum
Juli 1754. v. Roſen ift Finnlands letter Generalgouverneur
unter ſchwediſcher Herrichaft geweſen.
Bon großer Bedeutung für Finnland war die Einberufung
einer „Verteidigungsdeputation“ auf dem Reichstag von 1746/47.
Dean Hatte um jo mehr Urfacdhe, an das finniiche Vertei—
digungswejen zu denken, als auch ausländiiche Mächte auf den
ſchwachen Zuftand desjelben aufmerkjam geworden waren. Aber
mit Recht meinte die Deputation, in welcher bejonders Graf
Heinrich v. Liewen und der Artillerie-Oberftlieutenant Auguftin
Ehrenjvärd ?) ihre Anfichten zur Geltung brachten, daß nichts
1) gl. „Historiallinen Arkisto“ IV, 24—99 (Helfingfors, 1874). —
v. Roſens Berichte an den Kanzleipräfidenten Teifin im „Schwed. Reichsarch.“.
2) Sohn eines der finnifchen Offiziere Karls XII., war er 1710 ge—
boren, betrieb umfafjende Studien unter Leitung des berühmten Ingenieure
362 Vierte Periode. Der große nordiihe Krieg und die Freibeitgzeit.
gewonnen wäre, wenn man, wie es 1721—1741 der Fall
geweien, das Geld zur Errichtung Eleiner, unbedeutender Erd—
wälle verwenden wollte, die kaum feindlichen Streifzügen wider—
jtehen könnten. Vielmehr jei eine Grenzfeftung von ſolchem
Umfang anzulegen, daß fie von 2000 Mann verteidigt wer-
den, im Notfall aber 6000 Mann oder noch mehr beherbergen
fünne. Als Pla für dieſe Feſtung nahm man von Anfang
an die neue Stadt Degerby in Ausficht. Für noch wichtiger
erachteten YPiewen und Ehrenſvärd die Wiederaufnahme des
jeit 1738 rubenden Projekts, betreffend den Bau einer großen
Seefeftung, welche als Waffen: und Sammelplag für die Armee
ſowie als Hafen für die Flotte dienen ſollte. Daß eine jolche
Feſtung an der finnischen Südfüfte liegen müſſe, hielt man für
um jo jelbftverftändlicher, als jümtliche Angriffe des Feindes
bisher in alfererfter Reihe gegen die Südküſte gerichtet gewejen
waren, und Rußland erft, nachdem es jich derjelben bemächtigt
batte, Herr über das Innere des Yandes geworden war.
Helfingfors war nach der Anficht der Deputation der für
eine ſolche Anlage zwedmäßigite Ort. Dieje allgemeinen
Grundprinzipien für Finnlands fünftiges Verteidigungswejien,
welhe von Chrenjvärd vorgelegt und von Liewen lebhaft
befürwortet wurden, fanden die Zuftimmung der Verteidigungs:
deputation und des Geheimen Ausſchuſſes, welch legterer bie
Beichlüffe am 18. März 1747 der Regierung übermittelte. —
Gleichzeitig war die Verteidigungsdeputation bemüht, durch
Ergänzung und Ausrüftung der Negimenter jowie durch Res
organijation der feit 1741 wieder in Vergeſſenheit geratenen
Rejervemannjchaften, welche jet jedoch, trotz jcheinbarer Frei—
wilfigfeit, den Charakter einer ftehenden Miliz erhielten, die
finniſche Armee wieder inftand zu jegen. Nur in Karelien
Polhem und erweiterte dann feine Kenntniffe dur Tangen Aufenthalt im
Auslande. Er war einer der wenigen, bie fidh während des Feldzuges 1741/42
durch Tapferkeit auszeichneten. Nachdem er 1745/46 unter Friedrich dem
Großen in der preufiihen Armee gedient batte, wurde er 1747 zum
Oberftlieutenant ernannt. — Baal. 8. Fr. Wärn, A. Ehrensvärd,
Minnestal i Svenska Vetenskapsakademien (Stodbolm, 1876).
Die Gründung der Feſtung Sveaborg. 363
blieb, dem Wunfche der Bevölkerung gemäß, der Landſturm
bejtehen, wie er 1742 in Wirkſamkeit getreten war. Auf folche
Weije entjtanden die jogenannten „Savolafier Freicorps“ N).
Das Hauptgewicht ruhte indeffen auf der Feitungsbauange-
fegenbeit, die mit jolchem Eifer betrieben wurde, daß eine Kom—
miljion, welcher Ehrenjvärd und Liewen angehörten, jchon im
Sommer 1747 nach Finnland ging, um an Ort und Stelle
einen Plat für die projeftierten Feſtungen auszuerjehen. Nach
ihrer Rückkehr beantragte die Kommijjion die Anlage einer
Grenzfeftung bei Degerby jowie eines großen Waffenplates auf
den Inſeln bei Helfingford. Nach Genehmigung dieſes Vor:
ichlags wurden energiiche Maßnahmen zu jchleuniger Vornahme
der Arbeiten getroffen, je vier Tonnen Gold für die nächften
vier Jahre bewilligt und, was nicht minder wichtig war, die
Leitung aller Fortififationgarbeiten an Ehrenſvärd übertragen.
Bereitd Ende 1747 begab fich dieſer nach Finnland, worauf
das aroße Unternehmen unmittelbar ins Werf gejett wurde.
Als Arbeiter waren anfangs nur finnische Soldaten, ſpäter
aber auch Truppen aus Schweden und einige geworbene Mann—
ichaften thätig. Die Zahl der Arbeiter ſchwankte zwiſchen 6000
und 12000 Mann.
Auf dem Reichstag von 1751/52 erntete Ehrenjvärd reiches
Lob für die bereits ausgeführten Arbeiten; ferner erhielt er
weitere noch größere Geldmittel zur Vollendung der Feltung,
welche 1750 den ftolzen Namen Sveaborg empfangen hatte.
Auch auf dem Reichstag von 1755/56 vermochte er die Stände
zu neuen bedeutenden Opfern für das große Ziel zu begeijtern,
und e8 wurde nunmehr u. a. die Ausdehnung der Befeftigungen
auf die Stadt Helfingfors jelbit beſchloſſen.
Gleichzeitig wurde an den BBefejtigungen bei Yowija ge-
arbeitet, wo Joh. Jakob Nordencreug unter Ehrenjvärds Ober-
aufficht den Feitungsbau leitete. Es ftellte fich jedoch bald
heraus, daß das dortige Terrain in hohem Grad ungünftig
1) K. M. Kivinen, Anteckningar om Nord-Karelska fricorpsernas
företag, p. 15—17 (Helfingfors, 1865).
364 Bierte Periode. Der große nordifche Krieg und die FFreibeitszeit.
war, weshalb der uriprüngliche Plan nur in wejentlich ver—
mindertem Umfange zur Ausführung gelangte. Hingegen wurde
die Befejtigung der vor Yowija belegenen Inſel Svartholm
energijch betrieben, und legtere bildete fortan das Hauptfeftungs-
werf an der Grenze.
Schon in feinem erjten Projett vom März 1747 batte
Ehrenjvärd als einen wejentlichen Faktor in dem Vertei—
digungsweien Finnlands bezeichnet, daß die Feſtungen mit einem
Galeerengeſchwader in Verbindung ftänden, welches die Ver—
teidigung von der Seejeite ber übernehmen ſollte. Diejer Plan
wurde von ihm auf dem Neichstag von 1755/56 mit großer
Energie wieder aufgenommen und von dem Geheimen Ausichuß
vollftändig genehmigt, indem derjelbe bejtimmte, daß das Ga—
leerengejchwader aus 90 Galeeren bejtehen jollte, darunter 30
jtetS bei Speaborg ftationierten. Der Oberbefehl über dieſe
Flotte wurde Ehrenjvärd anvertraut; doch behielt er gleich»
zeitig die Yeitung der Fortififationsarbeiten in Finnland jowie
jeinen Boften als Chef der Artillerie ?).
Auch in ökonomiſcher Hinficht war die Periode 1747—1756
für Finnland von hoher Bedeutung. Was zunächit die Grof-
induftrie betrifft, jo gab es in Öfterbotten, im weftlichen Finn-
land und in Nyland Eijenhütten in großer Anzahl. Cine noch
bedeutendere Entwidelung hatten die Sügewerfe genommen,
von denen ed 1746 in Nyland-Tawaftehus, einem Bericht des
dortigen Landeshauptmanns zufolge, 27 gab. In Ofterbotten
war die Schiffbauinduftrie in jchnellem Aufblüben begriffen.
Hingegen hatte die Kabrifation von Baumwollen-, Wollen- nud
Seidenwaren in Finnland nur in geringem Maße Wurzel ge:
faßt; bloß eine von Eſaias Wechter angelegte und vom Staate
jubventionierte Kleiderfabrit bei Abo war von nennenswerter
Bedeutung.
Bor allem aber galt es, den arg vernachläffigten Aderbau
1) Während diefer Periode (1745) wurbe bie finnische Armee nur durch
Errichtung des Savolatier Jägercorps (600 Mann) verftärt. Außerdem
lagen fortan mehrere geworbene Negimenter beftändig als Garnijons-
truppen in Speaborg und auf Spartholm.
Die Landesverteidigung Ehrenfvärds. 365
in Finnland wieder zur Blüte zu bringen. Der Verfall des-
jelben beruhte, wenigſtens teilweife, auf den Hinderniffen, welche
abminiftrative Crlaffe und Mißbräuche feiner Entwidlung
bemmend in den Weg legten. Die Steuerlaften, welche auf
dem Grund und Boden rubten, waren fo ungleich verteilt,
daß einige Landichaften (DÖfterbotten, Savolats und Aland)
dem jchweren Drude fat erlagen. Auch wurde die Gründung
von Kolonieen nicht hinreichend von der Geſetzgebung begünftigt,
welche vielmehr durch Verbot der Güterzerterlung ſowie durch
die Vorſchrift, daß nur eine bejtimmte Anzahl von Perjonen
auf jedem Gehöft wohnen dürfe, jogar die Volksvermehrung
erichwerte. Nicht minder empfand man den Mangel an
Kommunifationsmitteln jowie die geringe Zahl der Handels:
pläte als ein drüctendes Übel. Ein weiteres mächtiges Hindernis
für den Aufichwung des Aderbaus war, daß der und Wiejen
in eine unendlich große Menge von Heinen zerftreuten Loſen geteilt
waren, weshalb jich eine rationelle Bebauungsmethode als un—
möglich erwies, während andrerjeits die Wälder und Weide-
triften allen Dorfbewohnern gemeinfam gehörten, jo daß feiner
ein bejonderes Intereffe an ihrer Pflege beſaß ). Unter jolchen
Umftänden hatte der Adersmann mur geringe Hoffnung, durch
jeine Arbeit dem Boden eine reichliche Ernte abzugewinnen.
Allerdings muß betont werden, daß der Aderbau an den Küften
infolge der älteren Traditionen mit größerer Sorgfalt betrieben
wurde; aber je weiter man in das Innere des Yandes bin-
einfam, deſto häufiger ſtieß man auf Spuren der Vernachläſſigung,
und zwar namentlich im nördlichen Tawaftland, im Innern
von Ofterbotten, in Savolats und Karelien, wo das Ab—
ichwenden des Bodens allgemein üblich war.
Der Kampf gegen dieje Mißftände wurde teild von Ger
lehrten, welche die neuen nationalöfonomiichen Theorieen zur
Anwendung zu bringen juchten, teild® von Männern geführt,
welche fich ausschließlich auf ihre eigenen praftiichen Erfahrungen
jtügten. Von den erjtgenannten haben jich die Profejjoren an
1) Bol. 3. Faggot, Svenska landtbrukets hinder och bjelp, p. 40 sqq.
(Stodbolm, 1746).
366 Bierte Periode. Der große nordiſche Krieg und die Freiheitszeit.
der Aboer Univerfität, Per Adrian Gadd und Per Kalm, einen
hohen Ruf erworben.
Wie jhon ©. 355 erwähnt, war 1743 die Einjegung einer
„Finniſchen Okonomiekommiſſion“ beantragt worden, welche die
öfonomijchen Zujtände Finnlands unterjuchen und Pläne zu
ihrer Berbefjerung entwerfen ſollte. Im der That trat die
Kommilfion unter dem Vorſitz des Reichsrats DO. Cederſtröm,
an deſſen Stelle jpäter Karl Frölich trat, Anfang 1744 zus
jammen, forderte Berichte jeitens der Yandeshauptleute ein und
nahm von einzelnen Perjonen, welche fich für die Sache in-
terejfierten — 3. B. Ehrenmalm, Oberftlieutenant Anders
Johann Nordenberg (Nordenjtjöld) jowie Kapları Israel Reinius
in Laihela — umfangreiche Gutachten entgegen. Auf Grund
des auf ſolche Weije gejammelten Material verfaßte die
Kommiffion ein Memorial, in welchem fie e8 vor allem als
höchſt „nötig und unumgänglich“ bezeichnete, daß ganz Finn-
land vermefjen und topographiich aufgenommen werden müſſe.
Die Gedanken, welche fih im Schoße dieſer Kommiſſion
geltend gemacht hatten, wurden von einer „Finniſchen Neichstags-
deputation“ weiter entwidelt, welche Ende 1746 zufammentrat
und aus 30 größtenteil finniichen Mitgliedern !) (12 Edel—
leuten und je 6 Angehörigen der drei anderen Stände) bejtand.
Der hervorragendjte unter den jchwediichen Mitgliedern, Propft
Jakob Serenius, reichte bereit am 29. Januar 1747 ein Gut:
achten ?) ein, im welchem er in grellen Farben Finnlands
Leiden vor und bei dem legten Kriege, die jchädlichen Folgen
der Unfenntnis der finnischen Sprache jeitens der Beamten,
die Mipbräuche innerhalb der Verwaltung u. j. w. betonte
und befürwortete, daß alfe niederen Ämter jowie der größere
Teil der Ämter am Hofgericht und bei der Univerfität mit
1) Bon den Finnländern feien genannt: Fab. Wrede; der Bifchoi Joh.
Nylander in Borgä; Jak. Forjel; Gabr. Hagert; Bürgermeifter Mollin aus
WMeaborg; die Bauern Benjamin Busk aus Tawaftland und Iat. Pälsfon
aus Öfterbotten.
2) Gebrudt in: „Historiallinen Arkisto “ VI, 164— 172 (Helfingfors,
1876).
Die Hebung ber wirtfchaftlichen Lage. 367
eingeborenen Finnländern bejegt werden und auch die ſchwe—
diichen Beamtenjtellen mehr als bisher für Finnländer zu:
gänglich jein jollten. Während diejes Gutachten von vorn-
herein auf Widerjpruch ftieß und zu Maßnahmen vonjeiten der
Stände überhaupt nicht führte, widmete die Deputation der
jeit 1742 vorliegenden Frage, betreffend die Steuerfrei-
beitsjahre, lebhaftes Intereffe. Sowohl die Städte wie die
Yandbevölferung hatten durch ihre Vertreter neue Bitt—
gejuche übermittelt, welche fich teild auf Berlängerung der
Steuerfreiheit bezogen, teils, und zwar infonderhbeit jeitens der
Bewohner der Yandeshauptmannichaft Kymmenegärd, Klagen
über Nichterfüllung der auf dem letzten Reichstag erteilten
Zwficherungen enthielten. Nach einigem Zaudern bejchloß die
Deputation, daß die von Ehrenmalm mit den drei wejtlichen
Sandeshauptmannjchaften getroffenen lÜbereinfünfte Beftand
haben jollten, abgejehen von einigen geringfügigen Abände-
rungen. Den Grundbejigern in Kymmenegärd wurden jtatt
der urjprünglich verjprochenen drei vollen Steuerfreiheitsjahre
ſechs Halbe und dem füdlichiten Diftrift völlige Steuerfreiheit
auf 6 Jahre gewährt. Gleichzeitig wurde dem gemeinen
Dann, als Entjchädigung für feine Forderungen an die Krone,
die Steuer für das lette Vierteljahr von 1743 erlaffen. Im
Übereinftimmung mit diefen VBorjchlägen, welche die Genehmigung
der Stände erhielten, trat im allgemeinen erjt mit dem Jahre
1750 wieder eine unumjchränkte Steuerpflicht ein.
Die Hauptjache blieb indefjen für die Deputation der Ab-
ichluß der Unterjuchungen der „Sinnijchen Okonomiekommiſſion“
über die Mittel zur Förderung Finnlands. Nach langwierigen
Beratungen fam jchließlich ein weitläufiges Gutachten (dat. vom
9. Yuli 1747) zuftande Zunächſt verlangte die Deputation
darin eine jtrenge Beibehaltung der alten Verbote gegen Aus-
wanderung aus der einen Provinz in eine andere jowie gegen
Überfiedelung vom Land in die Städte; hingegen befürwortete
fie die Anfiedelung von ſchwediſchen Koloniften in Finnland.
Weiter wurde, um die Sparjamfeit zu fürdern und bie furdht-
baren Wirkungen der Notjahre zu bejeitigen, die Einrichtung
368 Vierte Periode. Der große norbifhe Krieg und die Freibeitszeit.
von Vorratsmagazinen in den einzelnen Kirchipielen fowie von
Kornmagazinen von neuem empfohlen. Bedeutungsvoller waren
die Borjchläge, welche eine Verbefferung der Page der Yand-
leute durch administrative Maßnahmen bezwedten. Im Anjchluß
an den Plan der „Finnischen Okonomiekommiſſion“, betreffend eine
topograpbiiche VBermeflung und Yandesaufnahme Finnlands,
forderte die Deputatton eine allgemeine Ermäßigung der zum
Teil hoben und ungleich verteilten Grundſteuern — namentlich
im Hinblid auf die in Oſterbotten und auf Aland herrſchenden
Mißſtände —, ferner eine allgemeine und umfaſſende neue
Steuereinſchätzung des Landes, ſowie endlich eine derartige Zu—
ſammenlegung der vielen kleinen Acker- und Wieſenloſe in den
einzelnen Dorfſchaften, daß jeder Anbauer ſeinen Grundbeſitz für
ſich beſonders in einem zuſammenhängenden Stück beſitzen ſollte.
Desgleichen ſollten die großen gemeinſchaftlichen Waldgründe ſo
geteilt werden, daß die Krone wie die Privatperſonen ihre be—
jonderen Yoje erhielten und jich infolge dejjen mehr als zuvor
veranlagt fühlten, denjelben Pflege und Fürſorge angedeiben
zu laſſen. Auch im übrigen zeigte ſich die Deputation ge:
neigt, die Hindernifje aus dem Wege zu räumen, welche die
freie Entwicklung des Aderbaus hemmten. So beantragte jie
3. B., die Gründung von Kolonieen jolle dadurch gefördert werden,
daß Koloniſten foftenfrei Grundbefig auf den Gemeingütern der
Krone angewiejen befümen, und daß die Grundbefiger eine
größere Zahl von Urbeitern auf den Höfen jollten halten
dürfen, als es früher gejtattet gewejen war.
Auch die Verbeſſerung der Kommunifationsmittel durch
Gröffnung von Kanälen wurde in dem Gutachten der Depu—
tattion behandelt. Bürgermeijter Forften aus Helfingfors
batte in einem Memorial den Gedanfen wieder aufgenom-
men, daß Heliingfors durch einen Kanal mit den Fluß—
läufen bei Tawaſtehus jowie mit dem Päijännejee verbunden
werden, und daß an den Binnenjeeen die Anlegung von
Städten erfolgen ſollte. Trotz des Widerftandes des Bürger:
meiſters Gabriel Hagert zu Borgä wurde dieſes Projekt ge—
nehmigt und die Bornahme von neuen umfafjenden Terrain—
Die Befreiung von Aderbau und Handel. 369
unterfuchungen vorgejchlagen. Werner betonte die Deputation
die hohe Wichtigkeit einer Kanalverbindung zwijchen Savolaks,
Karelien und dem Innern von Ofterbotten einerjeit8 und dem
Meer andrerfeits jowie einer Gründung von Städten daſelbſt.
Aber hierbei waren in noch höherem Maße vorbereitende Unter:
juchungen erforderlih, bevor man zum Beginn der Arbeiten
jelbjt jchreiten konnte.
Bon dem Standpunkt der Deputation aus mußten natür-
lich die Schranken, welche die freie Entwidlung des Handels
jowie dadurch auch den Verkauf und die Ausfuhr der land—
wirtichaftlichen Produfte hemmten, jchädlich erjcheinen. Wie
früher handelte e8 fich in erfter Linie um Ofterbottens Stapel-
recht. In einem weitläufigen Memorial hatte der Vizebürger-
meijter Heinrich Pipping in Waſa — injonderbeit, um ben
alten Plan der Gründung einer Stapelftabt bei Kasfö durch-
zufegen — die Einrichtung von wenigftens 1 oder 2 Stapel-
ftädten in jener Yandjchaft befürwortet, wodurch auch für bie
Produkte von Savolafs und Karelien ein Exportweg gejchaffen
werden würde !). Die Deputation billigte ohne Zaudern biejen
Vorſchlag und fügte ihrerjeits den Wunjch Hinzu, daß ſämtliche
Städte Finnlands das Recht erhalten jollten, mit jeder be-
liebigen Stadt im Reiche Handel zu treiben. Behufs Förde:
rung eines lebhafteren Handels im Innern des Yandes wurde
ferner die Gründung von Städten vorgejchlagen, namentlich
in den entlegenen Landſchaften Savolats und Karelien; und
zwar jollten, bis dies gejchehen, freie Marktpläge eröffnet wer:
den, wohin der gemeine Dann jeine Waren bringen Fönnte.
An die Hauptpunfte des Gutachtens fchloffen ſich Vor—
ichläge, betreffend eine verbejjerte abminiftrative und firchliche
Einteilung des Yandes, Verbeſſerung der Forftkultur, Ordnung
der Bergbauinduftrie, Vernichtung der NRaubtiere, Förderung
der Fiſcherei ꝛc. ꝛc.
Bezeichnend für den Standpunkt der Deputation iſt, daß
1) €. ©. Palmén, Historisk framställning af den svensk-finska
handelslagstiftningen frän Gustaf Wasas regering till 1766, p. 164
(Helfingfors, 1876).
Schybergſon, Geſchichte Finnlande. 24
870 DBierte Periode. Der große norbiiche Krieg und die Freiheitszeit.
fie nicht nur die höheren Bildungsintereffen vom reinen Nüglich-
feitögefichtspunft aus betrachtete und im Zuſammenhange damit
die Einrichtung einer nationalöfonomiichen Profejjur an der
Äboer Univerfität beantragte !), jondern ſich auch dafür aus—
iprach, die Bevölkerung möge dazu angeregt werben, ihre Kinder
die ſchwediſche Sprache erlernen zu lafjen. Die in dem Gut:
achten vom 29. Ianuar verlangte Beſetzung der Ämter mit
eingeborenen Finnländern wurde hingegen nicht weiter energijch
von ihr vertreten.
Während die Vorfchläge, betreffend das Stapelrecht in
Dfterbotten, wegen des Widerftandes der Städte Stodholm und
Abo lange Zeit in den Schubladen der Kollegialbehörden liegen
blieben, wurden mehrere Maßnahmen getroffen, welche direkt
eine Förderung des Aderbaus bezwedten. So erging z. B.,
unabhängig von der finnijchen Deputation, am 30. Juni 1747
eine Verordnung, durch welche eine Zerteilung von Geböften
in größerem Maßſtabe als bisher gejtattet, jowie gleichzeitig
der wichtige Grundſatz feftgeftellt wurde, daß die dadurch ent-
ftandenen Höfe nicht mit einer neuen Steuer, fondern nur
mit dem entjprechenden Bruchteil der alten Steuer belegt werden
jollten. Werner wurde im Auguft 1747 eine Vermeſſung und
topograpbiihe Aufnahme Finnlands angeordnet. Diefelbe
begann an der ruſſiſchen Grenze und im nyländijchen Schären-
garten, weil als ein Nebenzwed eine Unterjuchung des Yandes
mit Rüdfiht auf die Verteidigung gegen Rußland ins Auge
gefaßt war, und wurde jo nachbrüdlich betrieben, daß 1760
bereitd 66 Kirchipiele vermeffen, bejchrieben und topographijch
aufgenommen waren. Von noch größerer Bedeutung war die
„geometriſche“ Vermeſſung, welche auf Grund eines Erlafjes
von 1750 um der neuen Steuerveranlagung willen unter Yeitung
des einjichtsvollen Direktors der finniichen Yandvermefjungs-
fommiffion, Ephraim Otto Rumeberg, in Ofterbotten vorge-
nommen wurbe.
1) Bereits 1746 hatte 2. 3. Ehrenmalm bie Einrichtung einer ſolchen
Profeſſur beantrag!. Dieſelbe kam in der That 1747 zuftande; ihr erfter
Inhaber war Per Kalm.
Die Landesvermeflung. Die Anlegung von VBorratsmagazinen. 871
Auf dem Reichstag von 1751/52 waren dieſe Fragen foweit
gediehen, daß eine Verteilung des Grundbeſitzes nach der jogen.
„großen“ Methode (storskifte) im Prinzip angenommen wurbe ').
Gleichzeitig juchten die Landeshauptleute die Bevölkerung
der Kirchſpiele dazu zu bewegen, fich zur Einrichtung von
Borratsmagazinen zu verpflichten. 2. I. Ehrenmalm machte
den Anfang in Abo-Björneborg, und fein Nachfolger Lillien—
berg war in dieſer Richtung nicht minder thätig. Der ge:
meine Mann zeigte ſich anfangs widerjpenftig, ließ fich jedoch
ſchließlich auf den Thingen von den Behörden zur Einwilligung
beftimmen. Ähnlich war der Verlauf in Nyland-Tawaftehus
jowie in Ofterbotten. In Kymmenegärd gelangte hingegen bie
Einrichtung von Vorratsmagazinen erft 1757/58 durch könig—
liche Verordnung zur Durchführung ; die Bewohner von Karelien
endlich ſuchten fich auch jett ihren Verpflichtungen zu entziehen,
indem fie betonten, daß ihre Grenze beftändig von rujfiichen
Streifpartieen bedroht jei, welche fich der gejammelten Vorräte
bemächtigen oder diejelben vernichten könnten.
Auch die erften Schritte zur Anbahnung einer verbejjerten
Gejundheitspflege wurden damals in Finnland gethan. Bis—
ber waren ber Brofefjor der Medizin an der Aboer Univerſität,
die Regimentsfeldſchere und ein ſogenannter Provinzialfeldſcher
in Oſterbotten die einzigen Ärzte im Lande geweſen. Im
Jahre 1750 kamen jedoch die Städte Helſingfors und Borgä
mit einigen umliegenden Kirchſpielen überein, alljährlich Gelder
zur Unterhaltung eines Provinzialarztes in Helſingfors zu⸗
ſammenzuſchießen, und dieſem Beiſpiel folgte 1753 Abo-Björne-
borg jowie 1754 Kymmenegärd. Im Jahre 1756 wurden
Mittel zur Einrichtung eines ProvinziallazarettS in Abo
1) Die erfte Verteilung bes Grundbeſitzes (storskifte) dürfte 1754 in
Öfterbotten erfolgt fein. Vgl. 8. La gu s. Om jordaskiften enligt svensk-finsk
lagstiftning, p. 64 (Helfingfors, 1857). — Unter „storskifte‘“ verſteht
man bie Zufammenziehung einer Anzahl getrennt liegender, bemfelben Bes
fiter gehörender, Heiner Grundftüde (Parzellen) zu einer geringeren Anzahl,
wobei der Boden binfichtlich feiner Beichaffenheit abgeihägt wird, jo daß
ein vergrößertes Areal minder guten Bodens als Erſatz für befieren Boden
von geringerem Umfange gegeben werden fann, ober umgelehrt.
24 *
372 Bierte Periode. Der große nordiſche Krieg und die Freiheitszeit.
bewilligt ; die Cröffnung desſelben geſchah am 1. März
1759 .
Im Yahre 1752 beſchloß König Adolf Friedrich (1751
bis 1771), der Schwager Friedrich des Großen, eine Reiſe
nah Finnland zu unternehmen, um die dortigen Bewohner
für fih zu gewinnen. Am 12. Juni verließ er Schweden,
bejuchte zunächft Aland, landete darauf bei Helfingfors, um bie
dortigen Feſtungswerke zu befichtigen, verweilte längere Zeit in
Borgaͤ und Degerby (Lowiſa) und begab fich jchließlich über
Tawaſtehus nach Abo, wo er am 10. Iuli eintraf. Die
Herrihaft der Stände hatte in Finnland, wo man fern vom
Mittelpunkt des Parteitreibens lebte, noch nicht den alten
Glanz der königlichen Macht verbunfelt, jo daß man die Auf:
richtigkeit der dem Fürſten dargebrachten Huldigungen nicht
bezweifeln darf. Der Aufenthalt des Königs war indeffen nur
von furzer Dauer; ſchon am 15. Juli verließ er Abo, um über
Dfterbotten nah Stodholm heimzufehren. Kurz nach jeiner
Ankunft daſelbſt übergab er dem Reichsrat einen NReijebericht,
worin er die finnifchen Feſtungsbauten fritifierte und jeine
Beobachtungen über die ökonomiſchen Zuftände im Sande mit-
teilte. Seine Gedanken darüber waren feineswegs jonberlich
iharfjinnig, führten aber Ende 1753 zur Einjegung einer neuen
finniſchen Okonomiekommiſſion unter dem Vorſitz G. Fr. v. Roſens.
Zur Beurteilung der finniſchen Verhältniſſe lag nunmehr ein
bei weitem reichhaltigeres Material als früher vor. Die geo—
graphiſche Landesaufnahme, die Vermeſſung des Grundes und
Bodens in Ofterbotten und die Einrichtung einer Bevölkerungs—
ftatifti hatten zu einer Erweiterung ber Kenntniffe, betreffend
die Einfünfte des Yandes jowie die Möglichkeit einer um—
faffenden Kolonijation desjelben, geführt ?).. Während man fich
1) Bol. 5. 3. Rabbes Auffäge in: „Finska läkaresällskapets Hand-
lingar I, 264sqq. u. V, 731—739 (Helfingior®, 1841—1843 u. 1853
bis 1856). — Erft 1773 erhielten bie einzelnen Provinzen ftaatlich bes
ſoldete Provinzialärzte.
2) Den von B. Bargentin in „Svenska Vetenskapsakademiens nya
Handlingar “, III, 236— 244 (Stodbolm, 1782) publigierten Tabellen zufolge
betrug 1751 die Bevöllerungsziffer des Geiamtreiches 2215639 Perfonen,
Die Regelung der Berteilung des Grundbefites (storskifte). 873
früher inbetreff des Volksmangels in Finnland nur auf uns
jihere Vermutungen hatte jtügen können, lagen jeit 1751 zu—
verläffige Zahlen vor, aus denen hervorging, daß Finnland
im Verhältnis zu jeinem Umfang weit jpärlicher bewohnt war
ale Schweden. Die Kommijfion unterließ es denn auch nicht,
in ihrem Gutachten darauf hinzuweiſen, daß Finnland kaum
doppelt jo viele Einwohner zähle wie Schonen, obwohl im Ber:
hältnis zum Areal die Bevölferungsziffer Finnlands fünfzehn
mal größer hätte jein müſſen als die der genannten Yanb-
ihaft. Da diefem Mißverhältnis nach Anficht der Kommiſſion
nur abzubelfen war, wenn die natürlichen Hilfsquellen des
Landes in vollem Maße der Bevölkerung zu gute kämen, jo
wurde eine rasche Durchführung der Verteilung des Grund-
bejiges (storskifte) und demgemäß die Sendung von zehn
neuen Feldmeſſern nach Finnland behufs Vollendung der Ver:
mejjungsarbeiten vorgeichlagen. Ferner beantragte die Kom—
miſſion, daß die Verteilung des Grundbejiges (storskifte) auf
Wunjch eines einzigen Grundbefigers im Dorfe, gleichviel ob
die anderen Bewohner es wollten oder nicht wollten, vorzu—
nehmen jei. Schließlich wurden Garantieen für die Sicherung des
Eigentumsrechts jowie dafür proponiert, daß die Grundjteuern
niemals den fünftig fejtzuftellenden Betrag überfteigen jollten.
ALS dieſes Gutachten auf dem Neichstag von 1755/56 am
17. Januar 1756 im Geheimen Ausjchuß zur Beratung gelangte,
ſchritt man zur Einfegung einer „Finniſchen Vorbereitungs—
deputation“ °). Unter den die überwiegende Mehrzahl bildenden
finnischen Mitgliedern find die Oberftlieutenants G. U. Hiärne
und K. Fr. Nordenjkjöld, die Hauptleute Otto Boije und Jakob
Nordencreug, der Propft Nils Mathefius in Pyhäjoki, die
von denen 429912 auf Finnland kamen. Abo⸗Björneborg zählte 136 643,
Nyland-Tamwaftehus 107569, Kymmenegaͤrd 100837, Dfterbotten 84863
Bewohner. Die Anzahl der Haushalte betrug in dem betreffenden Provinzen:
2111, 803, 9, 1385 in der Stadt, 14026, 10677, 109785, 8205 auf
dem Yande.
1) Bol. E. G. Palmen, Tvenne aktstycken frän frihetstiden, in:
„Hist. Ark.“ VI, 158—184 (Helfingfors, 1878).
374 Vierte Periode. Der große norbiiche Krieg und die Freibeitszeit.
Dürgermeifter Gabr. Hagert aus Borgi und Thure Hagert aus
Nyitad, ſowie der Bauer Jakob Pälsjon aus Wörd zu nennen.
Inbezug auf die geplante Verteilung des Grundbefiges (storskifte)
ſchloß fich die Deputation dem oben jkizzierten Gutachten voll:
ftändig an. Nach ihrer Meinung jollte diefe Verteilung jofort
in den Provinzen Björneborg, Tawaftehus und Dfterbotten vor
fich gehen, fowie gleichzeitig die Einjegung von „Ofonomiedepu-
tationen“ erfolgen, weldye die Arbeiten zu leiten und zu über-
wachen jowie über den Verlauf derjelben den Ständen der jpäteren
Neichstage Bericht zu erjtatten hätten. Die Stände, welche alle
dieſe Vorjchläge genehmigten und die Deputation mit der Er-
nennung der Mitglieder für die künftigen, aus je fünf Perjonen
für jede Provinz beftehenden Ofonomiedeputationen beauftragten?),
gaben außerdem der Hoffnung Ausdrud, daß Finnland hiermit
in ein neues Zeitalter öfonomijchen Wohljtandes treten werde;
und die Erfahrung jpäterer Jahre hat in der That dargethan,
daß die Verteilung des Grundbeſitzes (storskifte) eine Haupt:
bedingung für die Entwidlung des finnifchen Aderbaus war.
Das oft erwähnte Projekt einer Verbindung der Binnenjeeen
mit dem Meere durh Kanäle erachtete die Deputation für
um jo wichtiger, al8 dadurch auch die an Flüffen und Seeen
belegenen Sumpfniederungen in fruchtbare Felder verwandelt
werden fünnten. Da e8 hierbei einer energiichen Oberleitung
bedurfte, beantragte die Deputation, daß auch diefe Aufgabe
Ehrenjvärd übertragen werden jolltee Als Gehilfen wur—
den der Baumeijter Thunberg, der Fortifikationsoffizier
Nordencreug jowie der junge Dozent Samuel Chydenius ?)
1) Gutachten der Kommiifion vom 26. April 1756 und Schreiben ber
Stände an den König vom 21. Oftober 1756, Ictteres in „Hist. Ark.“
V, 173sq. publiziert. Nur in einem einzigen Punkte wurde das Gutachten
abgeändert. Die Deputation batte worgeichlagen, daß die Ofonomie-
deputationen u, a. auch als Gerichtshöfe fungieren und das Recht beſitzen
follten, die durch die Grundbeſitzregelung entjtandenen Streitigfeiten ſum—
mariich zu entfcheiden. Statt defien wurbe aber den ÖOfonomiebeputationen
nur das Recht eingeräumt, die Parteien zum Bergleich zu bringen.
2) Derielbe hatte u. a. eine Abbandblung: „De navigatione per flu-
mina et lacus patriae promovenda“ (Abo, 1751) veröffentlicht.
Ehrenjvärbs Anordnungen werben verbädtigt (1765,66). 375
an der Aboer Univerfität vorgefchlagen. Infolge der Ge-
nehmigung dieſer Propofitionen trat die Frage der „Durchfahrt“
in ein neued Stadium, indem man von bloßen Worten und
Unterjuchungen jegt zu wirklichen Stromreinigungs- und Ka—
nalifierungsarbeiten überging.
4. Die Freiheitszeit. Der Niedergang der Ständeherrfdaft
(1756 — 1772).
Infolge der Einmiſchung Schwedens in den Siebenjährigen
Krieg konnte von den zur Vollendung der finnijchen Feſtungs—
bauten im Jahre 1756 bewilligten vier Tonnen Gold (jährlich)
nur eine Tonne pro Jahr ausgezahlt werden, und eine noch
größere Schmälerung erfuhren die Etatsanjchläge für die von
Ehrenjvärd vorgejchlagene Galeerenflotte. Da letterer außer:
dem 1761/62 als Oberbefehlshaber der jchwedijchen Armee in
Pommern weilte, fehlte die Fräftige Hand, welche jene großen
Unternehmungen hätte vorwärts bringen fünnen. Schon auf
dem Reichsſtag von 1760—1762, wo die Mützen faſt die gleiche
Stärfe wie die gegnerijchen Hüte aufwiejen, wurden Stimmen
laut, welche den Nugen von Chrenjvärds Anordnungen be=
zweifelten. Aber noch war der Einfluß des letzteren jo groß,
dag er die Zuftimmung des Geheimen Ausjchuffes zu einer
unveränderten Durchführung des Berteidigungsplanes von 1756
zu erwirfen vermochte, worauf er in den nächjten Jahren mit
faft fieberhaftem Eifer an der Vollendung der Befeftigungen
und der Galeerenflotte arbeitete. Auf dem Reichstag von
1765,66 fam indejjen der Sturm, welcher lange gedroht hatte,
zum Ausbruch. Ehrenjvärd hatte fich durch jeine jelbjtändige
Stellung Neider zugezogen, und die fiegreichen Müten zögerten
nicht, die Behauptung aufzuftellen, daß die von ihm aufgewendeten
Gelder nutzlos verjchleudert worden jeien. Einer der beftigiten
Gegner der Hüte, der Aſſeſſor im Aboer Hofgericht, Samuel
Magnus Ehrenmalm (ein Sohn von L. 3. Ehrenmalm), erklärte,
876 Bierte Periode. Der große norbiiche Krieg und die Freiheitszeit.
Finnland laſſe fich nicht durch Feſtungen verteidigen, da ber
Feind an den Feſtungen vorbei in das Herz des Landes dringen
könne. Obwohl Arel v. Ferien die Maßnahmen Ehrenjvärds
warm verteidigte, jo erging doch der Mehrheitsbeichluß, daß
der Anjchlag für die Feftungsbauten auf zwei Tonnen Gold
pro Jahr herabgemindert, Ehrenjvärd die Oberaufficht entzogen
und eine Kommijfion eingejegt werden follte, um teils bie
von Ehrenſvärd ausgeführten Arbeiten zu prüfen, teil® die—
jelben fortan zu leiten. Ebenjo wurde der Bau von Ga—
leeren in Finnland eingeftellt; auch fehlte e8 nicht an weiteren
Verdächtigungen gegen Ehrenjvärd. Um jo ehrenvoller war
für legteren das Gutachten, welches die 1766 eingejetste Feſtungs—
kommiſſion im Januar 1768 abgab. Sie erflärte nämlich,
daß die Feftungsanlagen bei Speaborg in jeder Hinjicht die
„vorteilhaftejten“ jeten, „welche überhaupt hätten gemacht werden
können“. Trotzdem rubten die Arbeiten für Finnlands Ver:
teidigungswejen zumächit faft vollitändig. Erft im Jahre 1769
machten die verfammelten Stände den Fehler ihrer Vorgänger
wieder gut, indem fie Ehrenjvärd von neuem mit dem Oberbefehl
auf Speaborg und über die Galeerenflotte beirauten. Yeider war
jedoch die Thätigfeit Ehrenſpärds nur von furzer Dauer; jchon
1771 mußte er wegen Kränklichkeit um feinen Abſchied nach-
ſuchen, und im Oftober 1772 jtarb er auf feinem Landfig
Saris in der Nähe von Abo. Obwohl er Sveaborg unvoll
endet hinterließ, war die Feſtung bereits von jo großer Bedeutung,
daß die Bewohner Finnlande, im Vertrauen auf die Feſtungs—
werfe und die dort jtationierte Schärengartenflotte, nunmehr
den fommenden Zeiten mit größerer Sicherheit als zuvor ent=
gegenjeben Fonnten. Sie widmeten denn auch dem Andenken
Ehrenjvärds bei Überführung feines Leichnams nach Speaborg
eine Huldigung, die in erhebender Weiſe davon zeugte, wie
boch der geiftvolle Offizier bei Yebzeiten von feinen Yandsleuten
gejchätt worden war. Auf Guftaus III. Befehl wurde er
1773 in Sveaborg beigejeßt; ein Denkmal bezeichnet dort den
Plag, an welchem er, umgeben von jeinen Schöpfungen,
ruht.
Die Rehabilitation und der Tob Ehrenfvärbs (1772). 877
Die ©. 362 erwähnt, war auf dem Reichstag von 1746/47
die Bildung einer jtehenden Reſerve bejchlojfen worden. In den
nächjten Jahren, wo die Gefahr eines Krieges mit Rußland
drohte, machte dieje Angelegenheit ſchnelle Fortſchritte, obwohl
ſich der gemeine Mann, beſonders in Ofterbotten, wenig dazu
geneigt zeigte. Doch wurde der Wibderjtand der Bevölkerung
teil8 durch die eifrigen Bemühungen des Generalgouverneurs
und der Yandeshauptleute, namentlich Heinr. Wredes in Kymmene⸗
gard, teild auch dadurch gebrochen, daß die Regierung den Reſer—
viſten verjchiedene Vorteile, wie 3. B. Ausrüftungsgelder und Be—
freiung von der Kopffteuer, zuficherte. Die erften Mufterungen
mit der aus etwa 3000 Mann bejtebenden Reſerve wurden
1749 abgehalten '). Indeſſen fonnte die Inftitution zu feiner
bedeutenderen Entwicklung fommen, jo lange e8 feinen Oberbefehl
zur Einübung und Leitung der NRejerviften gab; und hierin
ift die Urſache dafür zu juchen, daß die ganze Einrichtung
während des letzten Jahrzehnts der Freiheitszeit faſt völlig in
Berfall geriet.
Auch die fareliichen Freicorps erhielten feine fejte Organi-
jation. Allerdings hatte Yandeshauptmann Wrede 1748 ein Ver-
zeichnis der Mannjchaften (etwa 2500 Mann) aufjtellen lafjen,
welche bei einem Angriff des Feindes freiwillig demfelben ent-
gegenzuziehen fich erboten, und Gewehre jowie Munition unter
fie verteilt. Aber auch bier wollte die Bevölferung feinen
fremden Oberbefehl dulden, jondern nur einige der Ihrigen zu
Offizieren ausbilden laffen, ein Vorſchlag, welcher den mili-
täriichen Autoritäten keineswegs bebagte. Auf dem Reichstag von
1765/66 erklärte jich der Geheime Ausschuß zwar im Prinzip
damit einverftanden, daß der gemeine Mann in Karelien nach
wie vor nur landfturmpflichtig jein jolle, verfagte aber dem Wunsch
der Bevölkerung, ausſchließlich von jelbftgewählten Offizieren
geführt zu werden, jeine Zujtimmung. Nach längerer Beratung
mit den fareliichen Reichstagsvertretern einigte man ſich jchließ-
1) Bericht v. Roiens über das finniiche Verteidigungswefen, übergeben
auf dem Reichstag von 1751/52: „Schwed. Reichsarchiv“.
378 BVierte Periode. Der große norbifche Krieg und die Freiheitszeit.
ih dahin, daß in Karelien alle waffenfähigen Männer im
Alter von 20—50 Jahren verzeichnet, in Kompagnieen eingeteilt
und von jelbjtgewählten Offizieren — ausgenommen den von
der Regierung zu ernennenden, aber von der Bevölkerung zu
bejoldenden Oberbefehlshaber — fommandiert werben jollten.
Die Verwendung der Freicorps jollte nur behufs Berteidigung
der Heimat erfolgen. in Kontraftsentwurf diejes Inhalts
fand jedoch nicht die Genehmigung der kareliſchen Bauern,
weil diejelben auch den Oberbefehlshaber der Freicorps jelber
wählen wollten ?).
Während ſich jomit auf. dem Gebiete des Verteidigungs—
wejens in dem Jahrzehnt 1760— 1770 eine gewiſſe Abſpannung
bemerfbar machte, war der Eifer für Förderung ber öko—
nomijchen Berhältniffe und des Aderbaus unvermindert.
Die Stromreinigungs- und Ranalifierungsarbeiten, welche
1756 der Leitung Ehrenſvärds unterftellt worden waren, wurden
nach der Abreije desjelben nach Deutjchland (1757) von dem
Schloßbaumeifter Thunberg, dem S. 374 genannten Samuel
Chydenius, welcher leider jedoch jchon am 11. Yuli 1757
ertranf, und von Jakob Stenius junior geleitet. Yetterer nahm
ben bereit8 von Chydenius gehegten Plan einer Verbindung der
Wafjerläufe in Nord-Savolafs mit dem Bottnifchen Meerbuſen
durch einen der großen öfterbottnijchen Ströme wieder auf und
erwirfte in ver That, daß der Reichstag von 1760/62 Geldmittel
zur Fortjeßung der Arbeiten in Südweſtfinnland wie zur Ver—
bindung des Pyhäjoki mit dem Seeſyſtem des Saima be=
willigtee Da jedoch 1762— 1765 an feiner der beiden Stellen
ein irgendwie greifbares Rejultat gewonnen wurde, ſah ſich
der Reichstag von 1765/66 zur Wiedereinziehung der bewilligten
Anjchläge veranlaßt, und es blieb einer jpäteren Zeit vor-
behalten, dieſe Pläne der Freiheitszeit zur Durchführung zu
bringen.
Um jo wichtiger war, daß die Verteilung des Grund:
1) K. ©. Malmftröm L ec. V, 437. — Schreiben ber Landeshaupt⸗
leute von Kymmenegardb 1773--1775: „Schwed. Reichsarchiv“.
Der Fortgang des Reformweſens in der Freiheitszeit. 379
bejige8 (storskifte), von welcher die Zukunft des finnifchen
Aderbaus in allererjter Linie abhängig war, ihren Fortgang
nahm, wenn auch nicht jo jchnell, wie die finnijche Deputation
auf dem Reichstag von 1755/56 es beabfichtigt hatte. Da die
Veldmefjungsoberbehörbe na wie vor eine jolche Verteilung
namentlich für Ofterbotten notwendig erachtete, wurden ſämt—
lihe Kommiſſionsfeldmeſſer Finnlands dorthin gefandt, und
es berrichte daſelbſt unter Yeitung des Direktors €. O. Runeberg
und des Vorfigenden der öfterbottnijchen Okonomiedeputation,
Hauptmann H. I. Roos, eine lebhafte Thätigfeit. So wurden
3. B. 1757—1760 vierzehn Kirchipiele geometriich vermeſſen
und bejchrieben !), detaillierte Verteilungsmethoden für vier
Kirchipiele ausgearbeitet und in einem von ihnen, Yaihela, die
Verteilung im wejentlichen durchgeführt, ferner 216 Neuanfied-
lungen begründet, 242 Giüterzerteilungen vorgenommen jowie
außerdem Tauſende von Gehöften eingeihätt. Auf Vorſchlag
der auf dem Reichstag von 1760/62 eingejegten „Finniſchen
Vorbereitungsdeputation“ 2) nahm die Verteilung des Grund-
befites in Oſterbotten unaufhaltſam ihren Fortgang, mit der
einzigen Abweichung, daß die „Okonomiedeputation“ nunmehr bie
richterliche Gewalt in erfter Inftanz erhielt. Auf dem Reichs—
tag von 1765/66 wurde die Ofonomiedeputation abgejchafft
und durch (von den Gemeindemitgliedern gewählte) Kommiſ—
fare erjeßt, ohne daß dieſe Veränderung jedoch den Wort:
gang der Verteilung gehindert hätte. Gegen Ende der Freiheitd-
zeit war die große Reform joweit fortgejchritten, daß Die
Tarationd- und PVerteilungsarbeiten in faſt ſämtlichen ſüd—
öfterbottnifchen Kirchipielen (einjchl. Wörä) größtenteils vollendet
waren. In wie hohem Maße die Kolonijation des Landes
ihon damals Hierdurch gefördert wurde, ergiebt fich aus ber
Neugründung von nicht weniger ald 772 Anfiedlungen bie
1) Wie forgfältig diefe Befchreibungen abgefaßt wurden, zeigt bie in
„Svenska vetenskapsakademiens handlingar“ XIX, 108—162 (Stod-
bolm, 1758) abgebrudte Beſchreibung des Kirchſpiels Yaibela.
2) Diefe Deputation war bie legte finnifche Deputation während ber
Freiheitszeit.
380 Vierte Periode. Der große norbiihe Krieg und die Freiheitszeit.
Ende 1770. Hingegen ruhten die Verteilungsarbeiten in den beis
den jüdlichen Provinzen lange fat gänzlich, teils infolge Mangels
an Feldmeſſern, teild wegen Mißheltigkeiten zwijchen den Oko—
nomiedeputationen und Nuneberg. Auch nach Erlaffung eines
bejonderen Berteilungsjtatuts !) für jene Provinzen (20. Nov.
1766) machte ſich dort keine jonderliche Lebhaftigkeit geltend, jo
daß fich gegen Ende der Freiheitszeit die Verteilung des Grund-
befite8 (storskifte) in jenen Gegenden noch im erjten Stadium
der Entwidelung befand.
Die Regelung der Grundbefitverhältniffe in Savolaks und
Karelien war zwar wiederbolentlich in Anregung gebracht worden,
aber wegen Mangels an Feldmeſſern umausgeführt geblieben,
jo daß die übertrieben hohe Beſteuerung in Savolaks jowie die
alte jährliche Steuertaration und die Unbejtimmtheit der Beſitz—
verhältniffe in Karelien unverändert fortbejtanden. Dieje Yand-
ihaften erforderten indeſſen immer größere Aufmerkſamkeit,
teils, weil fie jchon als Grenzgebiete einer jorgfältigeren Für—
jorge bedurften, teil8 auch, weil ihre Bevölferungszahl und ihr
ökonomiſcher Wohlſtand in raſchem Auffteigen begriffen war.
Nord: Karelien zählte 1757 bereits 27600 Bewohner. Auf
dem Reichstag von 1760/62 wurde demgemäß eine Ausdehnung
der Taration jowie der Verteilung des Grundbefites auf die
öftliche Yandeshauptmannjchaft und die Abjchaffung der jähr-
lichen Steuereinihägung in Karelien fejtgejett; auch bier jollten
Okonomiedeputationen bei der Durchführung der Reform mit:
wirfen. Allein weder die Verteilung noch die Taxation Fam
zuftande. Doc trat fortan an die Stelle der jährlichen Steuer:
einſchätzungen in Karelien eine feftjtehende, nach dem Durchjchnitt
der fünfzehn letten jährlichen Taxationen berechnete Steuer,
wodurch der bisherigen Willfür eine Schranfe gejetst wurde.
Die Frage, betreffend die Aufhebung des alten Handels—
zwangs in Finnland, war urjprünglich eine vein öfterbottnijche
Angelegenheit gewejen; aber allmählich hatte das Intereſſe dafür
in weiteren Sreijen Verbreitung gewonnen. Die Bewohner
1) Abgedruckt bei Modée, Utdrag etc. VIII, 7400sqq. (Stodholm,
1774).
Vier Städte Ofterbottens erhalten Stapelrecht (1765). 8831
von Savolaks und Karelien wiünjchten nichts fehnlicher, als
daß Ofterbotten Stapelrecht erhielte, damit fie ihre Waren
in die dortigen Häfen bringen könnten; auch flagten die am
Meere belegenen Städte Björneborg, Raumo, Borgä zc. immer
lauter über die Vorteile, welche die Stapeljtädte im Vergleich
mit ihnen jelbjt, genöjfen. Auf dem Reichstag von 1760—1762
betonte die öfterbottniche Ofonomiebeputation in einem an bie
„Finniſche Vorbereitungsfommiffion* adreifierten Gutachten, daß
neben der Berteilung des Grundbejites (storskifte) das Stapel-
recht die Hauptbedingung für Ofterbottens Emporblühen jet,
und in gleichem Sinne äußerte fich der Abgeordnete für Gamla
Karleby, Kaufmann Ber Stenhagen, in einem Memorial, welches
er dem Reichstag überreichte. Nach lebhaften Kämpfen jchien
die Angelegenheit entſchieden zu fein, da fich ſämtliche Stände,
abgejehen vom Bürgerftand, dahin einigten, daß eine An-
zahl von Städten auf beiden Seiten des Bottnifchen Meer-
bujens Stapelreht erhalten ſolle. Dem bartnädigen Wider—
itand und den Intriguen der Bürger gelang es jedoch
ſchließlich, den ihre Intereſſen gefährdenden Beihluß zu ver-
hindern !), freilich nur für diejes Mal. Die Agitation für
Aufhebung des Stapelzwanges wuchs nämlich unabläffig und
erzielte auf dem Reichstag von 1765/66 einen glänzenden
Erfolg, indem dajelbft bejchlofjen wurde, daß die vier Städte
Biörneborg, Waſa, Gamla Karleby und Uleäborg volles
Stapelrecht befommen und die übrigen öfterbottnifchen Städte
(Kriftineftad, Nyfarleby, Jakobſtad und Braheftad) aus
dem Stapelrecht der anderen Städte indireft Nuten ziehen
jollten. Die Städte Nyftad, Raumo, Nädendal, Efenäs und
Borgä erhielten die Berechtigung, beftimmte Produfte nach
allen an der Oſtſee und am finnifchen Meerbujen gelegenen,
ausländiichen Häfen zu verjchiffen jowie von dort beftimmte
Waren einzuführen. Diejer Beichluß ?), welcher durch fünig-
1) Bol. O. Fyhrvall, Om det bottniska handelstvänget, in:
„Hist. Tidskrift““ Il, 135—144 (Stodholm, 1882).
2) Gebrudt bei Modee, Utdrag etc. VIII, 7057 (Stodbolm, 1774). —
„Riksdagstidningar “ (1765/66).
882 Bierte Periode. Der große norbifche Krieg und bie Freiheitszeit.
lihen Erlaß vom 3. Dezember 1765 befannt gegeben wurde,
war für ganz Finnland ein gewaltiger Fortichritt auf dem
Weg öfonomijcher Unabhängigkeit, und injonderheit hatte bie
Bevölterung Ofterbottens Anlaß, fich darüber zu freuen. Der
geſamte Handelsverfehr im inneren und nördlichen Finnland
zog fih nunmehr an die öfterbottnijchen Küſtenſtädte, welche
auch in dem Betrieb der Schiffsrhederei eine neue Erwerbs-
quelle erhielten. — Gleichzeitig wurde der lange, hartnäckige
Kampf zwijchen den Städten und der Süftenbevölferung in
liberalem Sinne dahin entjchieden, daß die Bauern ungehindert
alfe Hafenpläge des Reiches bejuchen durften, um bort ihre
Waren und Aderbauprodufte abzujegen.
Wenn man jchlieglih in Betracht zieht, daß ſich auch
bei Privatperjonen das Bejtreben, aus den öfonomijchen Hilfs-
quellen des Landes mehr als bisher Nugen zu ziehen, immer
lebhafter geltend machte ’), und daß nicht jelten Bauern wegen
Vornahme von Kolonifationsverjuchen von dem Reichstag oder
von der Regierung Hingende Belohnung empfingen, jo wird
man zu begreifen vermögen, daß die Zahl der brach liegenden
Höfe (120) damals nicht mehr von nennenswerter Bedeutung
war. Auch die Bevölferungsziffern zeugen von einem jchnellen
Wachstum; betrug die Bevölferungszahl Finnlands nach den
ftatiftijchen Tabellen von 1772 doch bereits 578 145 Perjonen ?).
Bon den Imduftriezweigen war der Gügemwerfbetrieb in
raſchem Aufblühen begriffen. In Nyland-Tawaftehus gab es
37, in Abo-Björneborg 38 Sägewerke, und nicht geringer war
der Aufihwung in den nördlichen Provinzen. Hiermit wett-
eiferte die Eijeninduftrie. ijenhütten eriftierten in Nyland
1) Einer ber wirkſamſten Vertreter der landwirtſchaftlichen Beftrebungen
war Oberft Karl Friedr. Nordenſtjöld (1702— 1779), Stammmvater der noch
beute eriftierenden Zweige des Geſchlechts Nordenſtjöld. Er befaß Güter
in Nylanb.
2) Den früher (vol. ©. 372, Anm. 1) erwähnten Tabellen zufolge
hatte 1772 Abo-Björneborg 168622, Nyland-Tamaftehus 143028, Kymz
menegärb 143008, Ofterbotten 123487 Bewohner. Die Zahl der Haus:
baltungen betrug in ben betreffenden Provinzen: 2602, 1212, 245, 1806
in ber Stabt, 16510, 12160, 14294, 11445 auf bem Lande.
Finnlands wirtichaftliher Aufihmwung. 383
10, Abo—Björneborg 9 und in Ofterbotten 31). ferner
ift die Glashütte Avit in Somero zu erwähnen. Hingegen
waren die Imduftriezweige, welche ausländifches Nohmaterial
verarbeiteten, nach wie vor von geringer Bedeutung. In Abo
gab e8 außer der 1739 privilegierten Tuchfabril Eſaias Wechters
nur ein paar größere Fabrifanlagen: eine Zuderfabrif (1756
begründet), eine Tabakfabrik (1737 privilegiert) jowie einige
größere Gerbereien. In Helfingfors, Borgä und an mehreren
anderen Stellen erijtierten ebenfall® Tabakfabriken, die ihren
Befigern reichen Gewinn brachten. ?).
1) Nähere Angaben über diefe Eifenhütten finden fi in: „Tidningar
utg. af ett sällskap i Äbo 1772“, p. 186-190.
2) Bgl. 8. ©. Leinberg, Bidrag till kännedom om värt land,
II, 21sqqg. (Ivvästylä, 1886).
Fünfte Periode.
Die Zeit Guſtaus III. und Gujtav IV. Adolfs.
I. Guftav III. bis zum Jahre 1786 ').
Unter den „Hüten“, welche infolge der rückſichtsloſen Hand—
lungsweiſe der „Mützen“ entichloffen waren, den Sturz der
jogenannten „freien Staatsverfaflung“ herbeizuführen, machte
fih einer der ausgezeichnetiten Offiziere der finnifchen Armee,
Baron Jakob Magnus Sprengtporten ?), während des Reichstags
von 1771/72 an allererfter Stelle bemerkbar. Derjelbe näherte
fih im Frühjahr 1772 dem jungen König Guftav (1771 bie
1792) in der Abficht, denjelben zur Sprengung des Reichstags
fowie zur Übernahme der Regierung mit diktatoriicher Gewalt
zu bewegen. Mit Zuftimmung des Königs gründete er einen
aus Anhängern der Hutpartei beftehenden adeligen Reichstags:
1) Nachfchlagewerte und gebrudte Quellen zur Geſchichte Finnlands
während des erjten Teils der Regierung Guftavs III: €. ©. Geijer,
Des Königs Guſtav III. nachgelaffene und fünfzig Jahre nach feinem
Tode geöffnete Papiere, Bd. II u. III (Hamburg, 1843 u. 1845); €. T.
Obbner, Sveriges politiska bistoria under k. Gustaf IIIs regering I
[1771—1778] (Stodholm, 1885). — Urkundenfammfungen im „Schweb.
Reichsarchiv“.
2) 1727 in Finnland geboren, erhielt er ſeine militäriſche Ausbildung
in der Heimat unter U. Ehrenſpärd, wurde 1766 in ben fzreiberrnitand
erhoben und 1769 zum Obriften bes Dragonerregiments Nyland-Tawa—
jtebus fowie der farelifhen Schwabron ernannt.
I. M. Sprengtporten und der GStaatsftreih von 1772. 885
lub, welcher die Abjchaffung der Ständeherrichaft bezwedkte,
und legte fchließlich dem Monarchen einen Revolutionsplan
ungefähr folgenden Inhalts vor: Er jelbjt wollte nah Finn—
land reifen, um dort, geftügt auf feine Popularität bei ber
finnischen Armee, eine Militärrevolte ins Werf zu jegen; ber:
nach wollte er ich mit einer Heeresmacht nach Stodholm be-
geben, wo die Stände durch ihn und den König zur Annahme
einer neuen Verfafjung genötigt werden follten. Da jedoch
die Erhebung in Finnland auf unvermutete Hinderniffe ftoßen
fönnte, jollte, zur Sicherung der Ausführung des Planes,
acht Tage nach Ausbruch der Revolte auch in Schonen eine
militärifjche Erhebung erfolgen. Guſtav III. billigte biejes
Projekt und that den entjcheidenden Schritt, indem er Sprengt-
porten eine jchriftliche Ordre erteilte, worin er erflärte, er
babe jenem eine wichtige geheime VBerrichtung aufgetragen, von
deren Ausgang das Wohl des Vaterlandes in höchitem Maße
abhängig jei, weshalb er alle Maßnahmen und Anjtalten
Sprengtporteng im voraus gutheiße. Mit diefer Vollmacht
begab fih Sprengtporten am 29. Juli nach Finnland. Am
14. Auguft jchritt er zur That, indem er mit der von ihm
errichteten, unter Befehl feines Bruders Göran Magnus Sprengt-
porten jtehenden leichten Dragonerfompagnie (etwa 60 Mann)
von Borgä nach Speaborg marjchierte, um fich zunächſt dieſer
wichtigen Feſtung zu bemächtigen. Gin fleines Kommando
unter dem Kornett v. Eſſen rüdte auf dem Landwege nach
Helfingfors vor, um deſſen Verbindungen mit dem übrigen Lande
abzufchneiden, während er fich ſelbſt nebft jeinem Bruder und
der Hauptabteilung der Truppen auf dem Seeweg nach Svea—
borg begab, wo er, durch Gegenwind aufgehalten, erjt am
frühen Morgen des 16. unbemerkt landete und jich fofort
zum Herrn der Feſtung machte Nicht minder jchnell waren
die Erfolge Sprengtportens in Helfingfors. Die dort ftatio-
nierte Artilferieabteilung, der Landeshauptmann und der Ma—
giftrat leifteten willig den von Sprengtporten vorgelegten neuen
Treueid, worauf jener jofort einen Boten entjandte, um ben
König von dem glüdlichen Ausgang der EN zu be⸗
Schybergſon, Geſchichte Finnlands.
386 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs.
nachrichtigen. Nah Stodholm wollte er jich jedoch erſt nach
Durchführung der Revolution im ganzen Lande jowie nad) Be-
endigung der für eine ausgebehntere Erpedition nötigen Anftalten
begeben. Seine nächſten Maßnahmen bezwedten daher die
Sicherung der Grenze fowie die Gewinnung der dort befind-
lichen Truppen für den König. Die Generale Aug. Ehrenjvärd
und Berndt Otto Stadelberg, deren Regimenter an der Grenze
itanden, famen willig der jchriftlichen Aufforderung Sprengt-
porteng nad). Der auf jeinem Gute Ovidja im jüdweftlichen
Finnland weilende Reichsrat Esbern Chriſtian Reuterholm, einer
der Führer der „Mützen“, wurde durch Lift auf eine Dacht ge-
(ot, die ihn nach Speaborg bradte. Nur in Abo machten
fich Anzeichen von Widerftand bemerkbar, ohne daß es jedoch
zum Ausbruch eines offenen Kampfes gefommen wäre. Am
25. Auguft war Sprengtporten im Begriff, mit etwa 800 Mann
und einem Heinen Geſchwader nah Stodholm abzujegeln, als
plöglich die Kunde von den Greigniffen in Schweden eintraf,
welche mit einem Schlage der Herrichaft der Stände ein Ende
bereitet und die Staatöverfaffung der Freiheitszeit zu Grabe
getragen hatten. Trotzdem glaubte Sprengtporten feine Fahrt
fortjegen zu müffen und jegelte am 28. Auguft ab. Bei jeiner
Ankunft in Stodholm (7. Sept.) wurde er von Guftav III. in
gnädigjter Weife empfangen und zum Generallieutenant jowie
Kommandeur der füniglichen Garde und der leichten Dragoner
ernannt. Als er nach dem Tode Ehrenjvärds die Oberleitung
der Feſtungsbauten in Finnland erhielt, wünjchte er dorthin
überzufiedeln, um für die Verteidigung jeiner Heimat jorgen
zu können, die namentlich Anfang 1773 durch rufjische Kriegs—
demonjtrationen jo jehwer gefährdet erjchien, daß die finnijchen
Negimenter ergänzt, am Kymmenefluß neue Berjchanzungen
errichtet und Sveaborgs Feſtungswerke injtand gejett wurden.
Der König wünjchte jedoch, zumal da fich die Situation an der
ruffiichen Grenze bald befjer gejtaltete, Sprengtportens Ver—
bleiben in der jchwediichen Hauptjtadt. Diejer gab dem Wunſche
Gehör, jehr zu jeinem Schaden, da die Charaktere der beiden
Männer jo wenig zufammenpaßten, daß es bald zu Rei—
Die abeligen Fronbauern in Elimä (1773). 887
bereien fam, welche 1774 Sprengtporten veranlaßten, um feine
Entlaffung zu bitten. Er jtarb 1786.
Die erjten Jahre der Regierung Guftaus III. wurden in
Finnland dadurch getrübt, daß an mehreren Stellen zwijchen
den adeligen Fronbauern und deren Herren Streitigkeiten aus-
brachen, die, obwohl fie feine größere Ausdehnung erhielten,
dennoch Aufmerkjamfeit verdienen, da fie davon zeugen, daß
zwijchen dem Adel und dejjen Untergebenen eine aus früheren
Zeiten jtammende Erbitterung berrichte.
In Elimä war die Stellung der Grundbefiger-Ariftofratie
jtärter als irgendwo anders im Yande, da der größte Teil des
Kirchipiels der Wredejchen Samiliendonation von 1606 und 1608
oder anderen abeligen Gejchlechtern, wie 3. B. den Erben des
früher (©. 359 u. 366) genannten, unter dem Namen af For—
jelles geadelten Bürgermeiſters Forjell, gehörte. Ein Teil der
Untergebenen der Familie Wrede glaubte, wie ſchon (S. 253) her-
vorgehoben wurde, widerrechtlich der von den Vorfahren bejeffe-
nen Rechte beraubt zu fein; auch hatten die adeligen Fronbauern
des Kirchipiels noch andere Urjachen zu Bejchwerden, wie 3. B.
daß die Gutsbejiger und deren Verwalter willfürlich ihre eigenen
Steuereinfünfte vermehrt, ungejegliche Arbeitslaften auferlegt
hätten, und dergleichen mehr. Anfang 1773 brachen infolge deſſen
Unruhen unter den Bauern aus. Cine im Februar vom
König erlaffene Verfügung, worin fie erntlich ermahnt wurden,
ihren Gutsherren gehorjam zu fein und ihre Bejchwerden auf
gejeglihem Wege vorzubringen, hatte nur geringe Wirkung.
Vielmehr fanden ſich im Mai Deputierte zu Stodholm ein,
welche im Namen von 207 Elimä-Bauern dem König eine
Beichwerdejchrift übergaben, ohne jedoch hierauf einen an—
deren Bejcheid zu erhalten, als daß fie an die abminiftrativen
und juridiichen Beamten ihres Dijtrift8 gewieſen wurden.
Unglüdlicherweije jchlug der Landeshauptmann in Kymmene—
gärd, Baron U. H. Ramſayh, einen unrichtigen Weg ein, indem
er jofort zu gewaltiamen Mafßregeln jeine Zuflucht nahm.
Die hierdurch zur Verzweiflung gebrachten Bauern überfielen
Mitte Auguft im Verein mit Nachbarn aus den ruſſiſchen
25*
388 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs.
Grenzdörfern ein Militärfommando bei Värälä, jetten das
Gebäude, in welches ſich die Soldaten zurüdgezogen hatten, in
Brand und nötigten diefelben zur Flucht. Zur Wieder-
berjtellung der Ruhe berief Ramjay nunmehr eine ftärfere
Zruppenabteilung, welche die Verhaftung von 96 Aufrührern
vornahm. Hierauf wandten ſich die geängjtigten Bauern an
Jakob Magnus Sprengtporten, welcher damals wegen Befichtigung
der Feltungsanlagen in Finnland weilte, und baten um jeine
Vermittelung. Der volfsfreundliche General nahm fich ihrer
Sache an und jchilderte in Briefen an Guftav und an den Kanzlei—
präfidenten Ulrich Scheffer die Verhältniſſe in einem für den
Landeshauptmann wie für die Gutsbefiger minder günftigen Lichte.
Auf Grund diefer Berichte erhielt er von dem Könige, befjen
Gunſt er damals noch in hervorragendem Maße genoß, ben
Auftrag, die Unruhe zu dämpfen, eine Aufgabe, die er jo erfolg-
reich durchführte, daß Ende 1773 die gejetliche Ordnung im
Kirchipiel wieder hergeftellt war. Inbezug auf ihre rechtliche
Stellung hatten die Bauern dadurch freilich nichts gewonnen,
da der König nur injoweit ihren Wünſchen entgegenfam, als
er Ramſay nach der Yandeshauptmannjchaft Nyland-Tawaſtehus
verſetzte.
Langwieriger und gefährlicher waren die Unruhen, welche
faſt gleichzeitig auf den unter der Verwaltung des Bezirks—
richters E. F. Didron ftehenden Duncanjchen Nittergütern in
Pelgjärvi, Ilomants und Tohmajärvi ausbraden. Schon im
Sommer 1773 bejchwerten fi die Bauern durch Delegierte
beim König, und 1778 machte fich die Erbitterung in gewalt-
jamen Auftritten Luft. Auch Hier waren die Behörden und
Edelleute feineswegs frei von jegliher Schuld; aber dennoch
lautete der Spruch des Hofgericht8 ganz und gar zu Ungunften
der Bauern, von denen nicht weniger als 286 für ſchuldig be-
funden und beftraft wurden. Für wie gefahrvoll man bie
Page in Karelien hielt, gebt daraus hervor, daß Oberſt Mont—
gomery und Generaladjutant Piper beauftragt wurden, das
Urteil an der Spike einer Militärabteilung zu volljtreden.
Ende 1779 rücten fie in die Landſchaft und brachten die auf-
Die Bauernunruhen von 1778 und 1779. 389
rührerijhen Bauern zum Gehorſam. Gleichzeitige Quellen
ichieben den größten Zeil der Schuld an jenen Vorgängen auf
den Landeshauptmann D. E. Boije, der es nicht verfianden
babe, den unbändigen Kareliern Vertrauen einzuflößen.
Dieſe Mißftände waren indefjen nur lokaler Natur, während
andrerjeit8 die abminiftrativen Maßregeln zu Finnlands Gunften,
welche in den erjten Negierungsjahren Guftaus III. getroffen
wurden, die öffentlihen und privaten Verhältniffe des ge—
jamten Yandes berührten. Es gereicht dem Könige zur Ehre,
daß er mehr als irgendeiner jeiner Vorgänger für Yinnlands
Wohlergehen bemüht war, wie denn auch fein König jo häufig
wie er diejes Land bejucht und in jo warmen Worten fein Inter:
effe für das Wohl desjelben ausgejprochen hat. Die Beweg-
gründe hierfür waren mannigfaltig. Finnlands gefahrvolle Lage
an der rujjischen Grenze machte es, wie in den jpäteren Jahr—
zehnten der Freiheitszeit, zu einem Gegenstand beftändiger Sorge
für die ſchwediſche Regierung, und die wachjenden materiellen
und geiftigen Hilfsquellen des Yandes verliehen ihm eine er-
böhte Bedeutung. Vielleicht beruhte Guſtavs Vorliebe für
dinnland auch auf der Unterftügung, die er von finnifcher Seite
bei der Revolution erhalten hatte.
Bereitd kurz nach der Revolution wurden dem Könige
mehrere Memoriale überreicht, die ihn mit den Bebürfnifjen
Finnlands in Bezug auf das Verteidigungsweien wie die öfo-
nomijche Entwidelung bekannt zu machen juchten. Bon ihnen
jei bier ein „Projekt zur Verbeſſerung des allgemeinen Haus-
halts in Finnland“ vom September 1772 genannt, dejjen Ber:
faffer, der Fortififationsoberjt Friedrich Jakob Nordencreugß, die
Borzüge einer jchnellen, planmäßigen Durchführung der Grund-
bejigverteilung (storskifte), der Gründung neuer Städte im Innern
des Yandes, der Teilung der umfangreichen Yandeshauptmann=
ichaften, einer möglichft zentralen Lage der Yandeshauptmanns-
Nefidenzen u. j. w. betonte !). Gleichzeitig waren die Behör—
1) Das Memorial ift im Auszuge gebrudt im „Historisk och politisk
Mereurius“, Nr. 59, p. 470-474 (Stodbolm, 1774).
390 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs.
den mit Ausarbeitung eines neuen Grunbbefigverteilungs-
Projekts ſowie eines Landesverteidigungsplanes für Finnland
bejchäftigt. Doch wurde die Entjcheidung inbetreff diejer Fragen
aufgejchoben, bis jich der König auf der von ihm vorbereiteten
„Eriksgata“ in Finnland perfönlih über die Bebürfniffe und
Wünſche der Bevölkerung informiert hätte.
Dieje Neije erfolgte im Sommer 1775. Bei jeiner An—
funft in Abo (25. Mai) wurde der König mit lebhaften Jubel
empfangen, und gleiches geſchah jpäter in anderen Orten
des Yandes, da Guſtav überall die Sympathieen der Bevölfe-
rung durch fein liebenswürdiges Wejen zu gewinnen wußte. Von
Abo begab fich der König nach Helfingfors, wo er vom 2. big
10. uni weilte, abgejehen von einem Abftecher behufs Beſich—
tigung der Feltungswerfe bei Sveaborg. Darauf ging bie
Fahrt nach Lowiſa und Tawaftehus. Nachdem er bier am
20. Juni mit dem Direktor des finnijchen Feldmeſſungsweſens,
Erich Wetterjtedt, über das neue Grundbefigverteilungs-Projeft
beratichlagt hatte, fehrte er nach Abo zurück, um fih am
28. Juni wieder nach Stodholm zu begeben }).
Aus einer jchriftlichen Außerung des Königs läßt fich
ichließen, daß er Anlaß zu Ausftellungen gegen die Yandes-
abminiftration gefunden zu haben glaubte. Gleichwohl fieht
man nicht, daß er irgendwelche Maßregel getroffen hätte, um der
Willkür der Beamten zu fteuern. Vielmehr belobte er das
Aboer Hofgericht wegen Eifers und Unparteilichkeit in der
Nechtspflege, jowie den Landeshauptmann Rappe in Abo wegen
tüchtiger Amtsverwaltung, und gab zu erkennen, daß die Be-
feftigungen bei Sveaborg und Spartholm gemäß den feſt—
geftellten Plänen ausgeführt feien. Die finnijche Reife Guſtavs
ift mithin nicht etwa durch Anftellung von Unterjuchungen
gegen die Beamtenfchaft von Bedeutung. Aber die Verord-
nungen, welche damals bei den Konferenzen zwijchen dem König
und feinen beiden DBegleitern, den Neichsräten Ulrich Scheffer
1) Weitere Einzefbeiten über diefe Reife finden fib bei W. Lagus,
J. H. Kellgrens finska lefnadsminnen, p. 73 sqq. (Helfingfors, 1884).
Guftavs III. periönlihe Fürſorge für Finnland. 391
und Hans Heinrich v. Liewen, burchberaten wurden, waren
von durchgreifender Wichtigkeit für die Entwidelung Finnlande.
Schon während der Freiheitszeit war häufig darauf bin-
gewiefen worden, wie wünjchenswert eine Teilung der ju—
riftiichen und adminiftrativen VBerwaltungsbezirfe ſei. Dieſe
Regelung wurde einer der erjten Gegenftände der Aufmerkjam-
feit Guftavs III. Bei einer Ratskonferenz in Helfingfors
(6. Juni) verfügte er eine Teilung Finnlands in jechs Pro-
vinzen: Abo = Björneborg nebft Aland, Nyland-Tawaſtehus,
Kymmenegärd, Savolafs-Karelien, Wafa, jowie Uleäborg mit
der Lappmark Kuuſamo. Hierdurch wurde Ofterbotten in die
beiden noch heute eriftierenden Provinzen geteilt und .gleich-
zeitig die nach wie vor bejtehende adminijtrative Vereinigung des
nördlihen Savolats mit Schwediſch-Karelien jowie einem Teil
von Tawaſtland bewerkftelligt. Der Reſt von Kymmenegaͤrd
erhielt dadurch eine Erweiterung, daß ein Teil von Tawaſt—⸗
land und Nyland damit vereinigt wurde Die Reſidenz für
Savolats-Rarelien Fam ing Kirchipiel Kuopio, während die für
Kymmenegärd von Lowija ins Kirchipiel Heinola jowie die für
Nyland- Tawaftehus von Helfingfors nah Tawaſtehus verlegt
wurde. Gegen Ende des Jahres wurden die Grenzen der ſechs
Provinzen durch Erlaß definitiv feftgejtellt. Im Verlauf des
Jahres 1776 gelangte die Teilung zur Durchführung, obwohl
dabei Schwierigfeiten von einigen Landeshauptleuten, 3. B.
A. 9. Ramſay !), gemacht wurden. Die Überfieveluug der
Provinzialrefidenz von Lowiſa nach Heinola erfolgte erjt 1778. —
In engem Zuſammenhang hiermit ftand die Teilung ber ju-
riſtiſchen Bezirke. Auch diefe Frage wurde am 6. Juni ent-
fchleden, indem der König die Gründung eines neuen Hof:
gerichts zu Waſa verfügte, deffen Jurisdiktion fterbotten,
Savolafs » Karelien jowie Nord» Tawaftland umfaſſen ſollte.
Um die Durchführung diefer Maßregel zu erleichtern, wurde die
Anzahl der Mitglieder des Aboer Hofgerichts um drei vermin-
dert, welche letteren nebft fünf anderen das Perjonal des neuen
1) Infolge deifen bat Ramſay 1776 um jeine Entlafjung.
892 Fünfte Periode. Die Zeit Guftaus III. und Guftav IV. Adolfs.
Hofgerihts ausmachten, zu deſſen erſtem Präfidenten der Re—
pifionsjefretär Baron Arwid Friedr. Kurd ernannt wurde. Eine
weitere Mafßregel zur Förderung der Rechtsficherheit war bie
Vermehrung der Zahl der Oberlandesgerichtspdiftrifte von brei
auf fünf: drei unter dem Aboer und zwei unter dem Waja-
Hofgericht ?).
In dem oben erwähnten Ratskonſeil vom 6. Juni 1775
betonte Guftav auch, wie wünjchenswert es jei, daß der Unter:
nehmungsgeift und Handelsverkehr im Innern des Landes durch
Gründung neuer Städte belebt würde. Doch waren die hierauf
bezüglichen Pläne noch recht unbeftimmt, und erft nach Ein-
holung von Gutachten jeitens der Landeshauptleute und bes
Feldmeſſungsdirektors Wetterſtedt ſowie nach Beijeitelegung
mehrerer Projekte wurden definitive Beſchlüſſe gefaßt. Die
Landeshauptmanns-Reſidenz Kuopio erhielt 1782 ſtädtiſche Privi—
legien, während Heinola ſolche Rechte noch nicht empfing. Für
die Stadt Tammerfors wurde 1779 der Fundationsbrief aus—
gefertigt. Die ſchnelle Entwickelung dieſer Stadt, welche ſie zu
der hervorragendſten im Innern Finnlands gemacht hat, zeugt
davon, daß hier ein wirkliches Bedürfnis vorlag. Gleichzeitig
wurde Tawaſtehus zur Förderung des Handels an ſeine heutige
Stelle verlegt.
Nach der Anſicht des Königs ſollte die Gründung neuer
Städte mit der Eröffnung neuer Kommunikationsmittel im
Binnenlande Hand in Hand geben, und er nahm daher
die Pläne aus der Freiheitszeit, betreffend den Bau von neuen
Kanälen zwiichen den Binnenjeeen und dem Meere, wieder
auf. Wetterjtedt, deſſen Leitung die Ranalifierungsarbeiten an-
vertraut wurden, teilte allerdings die alten Vorftellungen von
ber Möglichkeit, das Seejyftem des Päijänne mit dem ſüd—
weftlichen Seeſyſtem zu verbinden und von dort aus einen
Kanal anzulegen, welcher fih in der Richtung auf Helfing-
jors hin erjtreden jollte Aber mit Huger Mäßigung machte
1) Die einzelnen Oberlandesgerichtsdiftrifte waren: der norbfinnifche,
füdfinnifche, öfterbottnifche, Kareliiche und der von Kymmenegärd.
Die Gründung neuer Städte (Tammerfors 1779). 393
er den Vorjchlag, daß zunächſt alle Kräfte auf den Bau eines
Kanals beim Dorfe Ritala in Lempälä verwendet werden follten,
damit eine Verbindung von Tammerfors mit Tawaftehus zu—
ftande Füme. Die Arbeit begann 1777, gelangte jedoch bei
Lebzeiten des Königs nicht zur Vollendung. Bon größerem
unmittelbarem Nuten waren zwei große Yandftraßen von Kuopio
nach Uleäborg und von Waſa durch das Kirchipiel Saartjärvi
nach Kuopio, deren Bau während der Regierung Guftavs II.
in Angriff genommen wurbe.
Während auf ſolche Weije Finnlands innere Gebiete einer
neuen Zukunft entgegengingen, ſahen fich die öfterbottnijchen
Städte mit einer Bejchränfung der Stapelfreiheit bedroht,
bie jie fich mit vieler Mühe erkämpft hatten. Vonſeiten der
Zollbeamten wurde nämlich darauf gedrungen, daß die jeit langer
Zeit auf der Inſel Kaskö projeftierte Stadt um der bejjeren
Zollbewahung willen Stapelort für ganz Ofterbotten werben
jollte. Doch gelang e8 den Bürgern der übrigen Städte,
durch lebhafte Proteftfundgebungen eine Entſcheidung der Frage
zu ihren Gunjten zu erwirfen. Die Stadt, deren Gründung
ſolche Unruhe verurjacht hatte, erhielt 1785 durch Privilegien
volles Stapelrecht jowie zwanzigjährige Steuerfreiheit; auch
wurde fie, gleichwie Tammerfors und Kuopio, von DBefolgung
der alten Handels- und Zunftorbnungen befreit ').
Die wejentlichjte VBorbedingung für Finnlands ökonomiſche
Entwidelung war indefjen eine volljtändige Durchführung ber
Grundbefigverteilung, welche in ven legten Jahren mit ge:
ringerer Energie betrieben worden war. Auf dieſen Punkt hielten
der König und feine Ratgeber während des ganzen Verlaufs ber
finnischen Reife ihre Blicke gerichtet, und jchließlich wurde, kurz
vor der Abreife Guftavs aus Finnland, am 27. Juni 1775,
eine Verordnung erlafjen, welche eine neue Epoche in ber Ge—
ihichte der finnijchen Grundbefitverteilung begründete. Es
wurde nämlich nunmehr feitgejeßt, daß jedes Gehöft im Ver—
bältnis zu feiner Größe und zu feinen Bebürfniffen eine gewiffe
1) Näheres bei 3. Fr. Nyftröm, Bidrag till svenska handelns och
näringarnas historia, p. 112 (Upfala, 1884).
394 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs.
Anzahl „tunnland * *) von den Waldgründen erhalten, der Reſt
aber dem Staat ausjchließlih zur Verfügung geftellt werden
follte. Der genannte Erlaß bejtimmte, daß im Öfterbotten
auf jede Steuereinheit (mantal) 600 — 1200 „tunnland *
Waldboden kommen jollten, eine Verordnung, welche 1777
auf ganz Finnland ausgedehnt wurde. Im Savolafs und Ka—
relien war weder für die oftgenannte Steuereinichägung noch
für die Grundbejigverteilung bisher etwas gejcheben. Des:
balb erfuhr der Erlaß vom 27. Juni 1775 eine Ergänzung
durch einen andern vom 28. Juli, worin eine fchleunige Vor,
nahme der Grundbefigverteilung und der Steuereinihägung in
jenen Landſchaften anbefohlen jowie ein bejonderes Gewicht
darauf gelegt wurde, daß der für die Krone übrig bleibende
Reit des Waldbodens jofort Koloniften übergeben werden jollte.
Um zur Anlegung von Kolonieen anzuregen, jollten die neuen An—
ſiedler fünfzehnjährige oder noch längere Steuerfreiheit genießen.
Der auf ſolche Weiſe feftgeftellte Grundfag einer Über—
laffung des Neftbeitandes des Waldbodens an die Krone mußte
natürlich Unzufriedenheit bei den Grunbbefigern erregen, welche
der Meinung waren, daß ein Eingriff in ihr altes Eigentums
recht an den Waldgründen gejchehen ſei. Bejonders war letsteres
in Savolafs der Fall. Es währte denn auch nicht lange, bis
der Verſuch gemacht wurde, einen Widerruf jenes Prinzips
oder wenigftens eine Vermehrung des für jede Steuereinheit
feſtgeſetzten Waldareald zu erwirfen. Mit großer Feſtigkeit
verharrte indefjen die Negierung auf dem von ihr einge-
nommenen Standpunft und gewährte nur in einigen Fällen
Mopdififationen zugunften der Grundbefiker. So gejtattete fie
1783, daß in den Kirchipielen der Landeshauptmannjchaft
Kuopio mit Nücficht auf die geringen Fortichritte des Ader-
baus ein Areal bis zum Höchjtbetrage von 1700 „tunnland
für jede Steuereinheit berechnet werden dürfte ?).
1) Unter „tunnland * verftand man in Schweden das größte Flächen:
map — 14000 Quadrat-Ellen.
2) Bol. KL. W. Gyldén, Samling af författningar rörande landt-
mäteriet (Helfingfors, 1856—1863).
Die neue Grunbbefitverteilung. 39
Beſondere Fürforge wurde dem SKolonifationswejen gewid-
met. Wiederholentlich erging an die Yandeshauptleute die Auf:
forderung, dafür zu jorgen, daß fich möglichft viele Anfiedler
auf den Waldgründen der Krone niederlaffen möchten. Ferner
wurde 1783 bejtimmt, daß Koloniften im ganzen Lande fünf:
zehniährige Steuerfreiheit genießen jollten, jowie im folgenden
Jahre ein Fonds für Anjiedler bewilligt.
Die Grundbefigverteilung wurde nach wie vor von Kom—
miffionen bejorgt, welche aus Vertretern der Kirchipiele ſo—
wie aus Feldmeſſern beftanden. Obwohl die Zahl ver Iek-
teren 1775 eine bedeutende Vermehrung erfuhr, fonnte das
gewaltige Werk doch nicht jo befchleunigt werden, wie der König
es gewünjcht hätte. Erſt 1779 vermochte man mit den vor—
bereitenden Unterjuchungen in den Provinzen Heinola und
Kuopio zu beginnen, und erjt 1783 begann in jenen Gegenden
die eigentliche Grundbefigverteilung, welche nunmehr ununter-
brochen betrieben wurde, jo daß nur die Sriegsjahre 1788
bi8 1790 eine Unterbrechung verurjachten. Die ganze Land—
ſchaft Karelien, wo die Reform mit größeren Schwierigfeiten
als anderswo verfnüpft war, blieb noch ungeteilt. Nur in den
Kirchipielen Pielis und Yibelit8 begann man mit VBermefjungen,
welche jedoch bald aufhörten.
Schon auf dem Reichstag von 1786 konnte Guftav III.
den Ständen mitteilen, daß bis Ende 1783 in der Provinz
Kuopio 219 Gehöfte jowie 1784 und 1785 weitere 78
Steuereinheiten (mantal) neu entjtanden feien. In den Pro—
vinzen Waja und Uleiborg waren 807 neue Höfe jeit 1775
eingerichtet worden. Auch in Tawaftehus war ihre Zahl be-
deutend. In Abo-Björneborg wurde die Zahl der neuen Hof:
gründungen auf 100 Steuereinheiten gejchätt. Alles in allem
hatten etwa 2000 Haushaltungen neue Wohnftätten erhalten.
Mean erfieht aus diefen Angaben, daß, wie e8 ganz natürlich
war, die inneren und nördlichen Gebiete des Yandes den
größten Nuten aus der Grundbefigverteilung zogen. In dem
zur Provinz Kuopio gehörigen Teil von Savolaks entjtanden
in den Jahren 1786—1789 482 neue Steuereinheiten. Aber
396 Fünfte Periode. Die Zeit Guftaus III. und Guftav IV. Adolfs.
nicht nur die größere Verbreitung des Aderbaus jondern auch
die Feſtigung des Cigentumsrecht8 machte die Grundbeſitz-
verteilung für jene Landſchaft jegenbringend.
Schon während der Freiheitäzeit waren die Beftrebungen,
Finnland eine beifere öfonomijche Zukunft zu verjchaffen, mit
Plänen zur Stärkung des dortigen Verteidigungsweſens ver-
bunden. Auch jet wurde die Verteidigungsfrage zu einer An—
gelegenheit erjten Ranges. Während der Jahre 1772—1775,
wo ein Krieg mit Rußland unmittelbar bevorzuftehen jchien,
wurde eifrig an der Injtandjegung der finnijchen Armee wie
der finnischen Feſtungen gearbeitet. Infolge der Anforderungen
des Augenblids wollte man indefjen die finnijchen Verteidigungs-
frage als Ganzes noch nicht zur Beratung aufnehmen oder
fich für Verbefferungen entichließen, deren Früchte fich erft in
einer entlegenen Zukunft zeigen könnten. Als der König jeine
Reiſe nah Finnland antrat, hatte fich hingegen die Yage ver-
ändert, und man konnte deshalb mit größerer Ruhe an um-
faffende Reformen denken. Es wurden denn auch wiederbolent-
lih Ratskonferenzen abgehalten, welche diejes Thema behan—
belten und bei denen mehrere Offiziere der finnifchen Armee
ihre Meinung äußerten. Unter den finnijchen Offizieren be-
gann fich damals Goran Magnus Sprengtporten )), welcher an
militärifchen Kenntniffen mit jeinem älteren Bruder Jakob Mag—
nus und mit U. Ehrenjvärd wetteifern fonnte, bemerkbar zu
machen. Guſtav befuchte ihn bei feiner Reife und fonferierte mit
ihm inbetreff der Verteidigung Finnlands. Die bei dieſer Gelegen-
beit ausgejprochenen Anfichten entwidelte G. M. Sprengtporten
jpäter in mehreren Gutachten, in denen er das ganze finnijche
DBerteidigungswejen einer burchgreifenden Kritif unterzog und
ein Syſtem von Grenzfeftungen vorjchlug, welches fich von
1) Er war am 16. Dezember 1740 in Finnland geboren, diente jeit
1757 in Finnland und fpäter im Kriege gegen Friedrich den Großen mit
Auszeihnung. Während der Ereignijje vom Auguft 1772 ftand er in
Finnland dem Älteren Bruder zur Seite und folgte ihm im September
nad Stodholm, wo er vom König zum befoldeten Oberftlieutenant bei
ben leichten Dragonern ernannt wurbe.
Das Verteidigungsweien. 397
Lowija bis nach Savolafs hinein erjtreden ſollte. Soliten in-
deſſen die Verhältniffe eine folche Ausdehnung der Befeftigungen
in Finnland nicht geftatten, jo fei zum mindeften der finni-
ſchen Armee eine umfafjende Aufmerkjamfeit zu widmen !).
Die Vorſchläge Sprengtportens, betreffend die Erweiterung
ber finnischen Befeftigungen in großem Maßjtabe, fanden feine
Berückſichtigung; wahrfcheinlich, weil die finanzielle Yage des
Staates alle derartigen Unternehmungen unmöglich machte. Nur
bei dem Schloß von Tawaſtehus wurden in ben folgenden
Jahren Fleinere Fortififationen zum Schu der dortigen Depots
und Proviantmagazine aufgeführt. Hingegen widmete man
der Reorganijation der Armee lebhafte Aufmerkjamfeit. Die
Jahre 1776 — 1782 waren in dieſer Hinficht eine Periode
fortlaufender Reformen, durch welche die Kriegstüchtigfeit der
finnijchen Armee wejentlich gefteigert wurde.
Im Jahre 1773 war der Befehl ergangen, daß die Reſerve
in gleicher Stärfe wie die Mannjchaften der Miliz » Regi-
menter errichtet werben ſollte. Als aber 1776 in allen Pro-
vinzen Mufterung angeftellt wurde, ftellte es fich heraus, daß
der Endzweck, die Schaffung einer ftehenden Nejerve für die
Armee, in keinerlei Weife erreicht war. Diejes Hägliche Re—
jultat veranlaßte einen der mit der Mufterung beauftragten
Dffiziere, den Obriften H. von Trolle, zur Vorlegung eines
die vollftändige Umbildung der Reſerve betreffenden Vorſchlags,
gemäß welchem die auf die Hälfte reduzierten Rejervebatailfone
eine fajt vollftändig der Organijation der alten Miliz-
Truppen entiprechende Reorganijation erfahren und bie ein-
zelnen Rejervefompagnieen ein DOffiziercorps erhalten jollten,
welches, wenn auch numeriſch jchwächer als das der alten Regi—
menter, dennoch binreichend wäre, den Soldaten die nötige
Disziplin beizubringen und dieſelben alljährlich vierzehn Tage
lang bei den Kompagniezufammentünften ſowie alle drei Jahre
1) „Gehorſame Anfichten über Finnlands Verteidigung“ (an ben
General Stadelberg) vom 1. Mai 1776; Sprengtporten an König Guftav,
24. September 1776: „Schweb. Reichsarchiv“.
898 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guſtav IV. Abolfs.
bei den gewöhnlichen Regimentsmanövern einzuererzieren. An—
ſtatt einer doppelt jo großen Zahl von mehr oder minder
dienftuntauglichen Nejervemannjchaften jollte aljo jedes Regi—
ment nur ein neues, aber bienfttaugliches Bataillon erhalten.
Diejer Plan gelangte mit großer Schnelligkeit zur Durchführung.
Unzweifelhaft wurde hierdurch den zur Aufftellung eines Reiters
bezw. eines Fußknechts verpflichteten Bauern eine neue Laft auf:
gebürdet, da fie die Nejervemannjchaften mit Wohnung, Koft
und Kleidung zu verjehen hatten, jo daß fich ihre Obliegen-
heiten gegen früher ungefähr um die Hälfte erhöhten. Allein
troßdem wurden bei der Durchführung der neuen Einrichtung
nirgends Schwierigkeiten erhoben. Die Nejerve, welche 1781
gemäß dem neuen Plane vollftändig organifiert war, gab ber
finnifchen Armee eine Berjtärfung von etwa 4000 Mann, jo
daß die Gejamtjtärfe nunmehr etwa 14000 Mann betrug,
abgejehen von den geworbenen Truppen, welche in Sveaborg
und Spartholm lagen.
Kurz darauf wurde eine Maßnahme getroffen, welche in
hohem Grade zur Erhöhung der Beweglichkeit der Truppen
beitrug. Es gelangte nämlich die jogenannte „Paffevolanz-
abgabe* zur Einführung, eine Abgabe, welche als bejonderer
Fonds verwaltet wurde, und deren Zwed war, die Negimenter
mit Proviant, Troß, Pferden und allen Bedürfniſſen zu ver:
jehen, wenn ber Aufbruch zu Manövern und Feldzügen erfolgte.
Da dies indefjen auch eine Veränderung der Knechtkontrakte
mit fich brachte, jo war erforderlich, daß die zur Stellung eines
Reiters oder eines Fußjoldaten verpflichteten Bauern freiwillig
ihre Einwilligung gaben. Dem Obrijten Anders de Bruce, wel-
cher im Sommer 1776 zu dieſem Behufe im Negierungsauftrage
die verjchiedenen Provinzen Finnlands bereifte, gelang es in
ber That, durch geſchickte VBorftellungen überall zu erwirfen, daß
die von ihm vorgelegten neuen Kontrakte Annahme fanden. Um
ihn für die Gejchidlichkeit zu belohnen, mit der er jeine
Aufgabe vollzogen hatte, wurde er Nachfolger U. H. Ramjays
als Landeshauptmann von Nyland-Tawaftehus. — Im Zus
jammenbang mit dieſen Reformen gejchahen unter Yeitung des
Die Paſſevolanzabgabe. 899
Reichsrats Karl Sparre weientliche Verbeſſerungen in dem
Armee-Proviantweien, jo daß die finnische Armee, welche außer-
dem noch ein bejonderes Kriegsfommiffariat und einen eigenen
Generaljtab erhielt, nunmehr völlig imftande war, auf eigene
Hand zu operieren.
An diefen Organijationsmaßregeln beteiligte ſich Göran
Sprengtporten nur als ein abjeits ftehender Ratgeber. Hingegen
war ihm ein eigenes Feld, wo er die leitende Rolle jpielte, in
Savolafs zugewiejen. Im März 1775 war er zum Obriften
des Savolakjer Infanterieregiments ernannt worden, wozu etwas
jpäter noch der Oberbefehl über das Savolatier Fußjägercorps,
die Dragoner von Karelien und Kymmenegärd, ein tawajt-
ländijches und ein nyländiſches Bataillon fowie einen Trupp
Geworbener, alles in allem eine Brigade, hinzukam. Man
hatte einjehen gelernt, daß Savolaks und Karelien nicht mehr,
wie beim Ausbruch des Krieges von 1741, einer regelmäßigen
Verteidigung entbehren fonnten. Schon die öfonomijche Ent-
widelung jener Yandjchaften verlieh ihnen eine größere Wichtig-
feit, und ebenjo wenig ließ fich verfennen, daß hier ein in ftra-
tegiiher Hinficht wunder Punkt des Verteidigungsweſens
eriftierte. Nachdem Rußland Nyjlott und Willmanftrand ge—
wonnen, hätte eine ruffische Armee ohne Schwierigfeit einen
Einfall in Schwedijch - Savolafd machen und von dort aus
auf den newuangelegten Wegen bis nach Dfterbotten vordringen
fnnen. Kaum war Sprengtporten Brigadechef geworden,
als er mit jeltener Gnergie und Gejchidlichkeit für die
Verbefjerung des Verteidigungswejens in jenen entlegenen Ge—
genden jorgte. Wenn fich auch neue VBefeftigungspläne nicht
durchführen ließen, jo mußten doch nach feiner Anjicht wenig:
jtens die Truppen gemäß den Anforderungen, welche die eigen-
tümlichen Verhältniſſe der Provinz mit fich brachten, verjtärkt,
ausgebildet und reorganijiert werden. Savolaks fei, jo meinte
er, infolge feiner abgejchiedenen Yage für den Fall eines Krieges
bei der Verteidigung wejentlich auf fich felbft angewiejen, und
ein Verteidigungsfrieg laſſe fich in jenen ſee- und bergreichen,
mit wenigen Wegen verjehenen Gegenden nur dann mit Erfolg
400 Fünfte Periode. Die Zeit Guſtavs III. und Guſtav IV. Abolis.
führen, wenn man fich auf den feinen Krieg beſchränken würde.
Unter ſolchen Umftänden feien ſämtliche Truppenteile der Bri-
gade zu einer gleichförmig organifierten Heeresabteilung zu—
fammenzufchweißen, welche durch leichte Ausrüftung, Verprovian-
tierung und Bewaffnung fowie durch Einteilung in mehrere
Heinere Kompagnieen bie für ben Heinen Krieg erforderlichen
Eigenjchaften erhielte: Beweglichkeit, Schnelligkeit und das Ver—
mögen, ſich den Anforderungen des Terrains anzupaffen. Dieje
fhon unter 9. M. Sprengtporten begonnene Organifation
wurde unter feinem Bruder Göran bei der ganzen Savolafjer
Brigade innerhalb weniger Jahre zur Durchführung gebracht.
Die nah einem Vorſchlag Sprengtportens angefertigten Ge—
wehre, die jogenannten „Sprengtportenfhen Stußer“, genoßen
in Savolafs lange ein umnbeftrittenes Anjehen. Die Reor-
ganifation wurde durch Einrichtung der Reſerve jowie ber
Paffenolanz erleichtert und durfte als vollendet bezeichnet wer-
den, nachdem die Brigade auch mit leichter Feldartillerie ver-
jehen war.
Für die bergeftalt reorganifierten Truppen wurden Manöver
angeordnet, deren Zwed war, die Soldaten an die Mühen des
Kriegslebens zu gewöhnen und ihnen eine Vorftellung von allen
Erfordernifjen für einen Feldzug ſowie den Terrainverhält-
niffen ihrer Heimat zu verichaffen. Mit Unterftügung feiner
Offiziere arbeitete Sprengtporten jelbjt ein Neglement !) für
dieje Übungen aus.
Der ichönfte Zug bei dieſer Wirkjamfeit Sprengtportens
war jedoch die Fürſorge, welche er der Ausbildung der Offi—
ziere widmete. Unter anderm richtete er auf feinem Wohnjig
Brahelinna eine Kriegsjchule ein, wo er, von einigen anderen
Dffizieren unterftügt, jüngere Söhne aus den adeligen Fami—
lien des Landes in allen zur Ausbildung von höheren Militärs
notwendigen Gegenjtänden unterrichtete. Auch verfaßte er im März
1779 einen ausführlichen Entwurf für eine von der Regierung
1) Abgedrudt in: „Krigssamlingar“, utgifna af Georg Adler-
sparre IV, 303 (Stodholm, 1794—1798).
G. M. Sprengtportens Wirten in Savolals (1775—1779). 401
zu unterbaltende Kadettenjchule in Savolaks, welche für 16 Volon—
täre des Savolakjer Regiments beftimmt fein und auf dem Kron—
gut Haapaniemi im Kirchipiel Rantaſalmi, ſüdlich von Kuopio,
errichtet werden jollte. Sein Projekt wurde genehmigt und ſofort
durchgeführt, allerdings mit der Veränderung, daß die neue Schule
nicht nur Zöglinge aus Savolaks, jondern aus ganz Finnland
aufnahm. Sie wurde 1780 in Kuopio eröffnet und im fol-
genden Jahre nach Vollendung der erforderlichen Gebäude nach
Haapaniemi verlegt. Unter Peitung des Fortififationsoffiziers
Samuel Möller, welcher jeit 1782 Chef der Lehranftalt war und
dem Unterricht eine praktiſche Richtung zu geben wußte, gewann
die Schule ein hohes Anjehen, welches jpäter auf das Kadetten-
corps von Fredrikshamn überging ’).
Dieſe Vorſchläge und Maßnahmen erwarben ihrem Urheber
ungeteilten Beifall vonfeiten König Guftavs und des Kanzlei-
präfidenten Ulrich Scheffer. In einigen anderen Fällen hin—
gegen glaubte Sprengtporten Grund zur Bejchwerde zu bejigen.
Sp fand das von ihm eingereichte Projekt, betreffend die
Vermehrung der Savolafjer Brigade durch ein neues Regiment,
feine Berüdfichtigung, und noch größer war die Enttäufchung,
die er inbezug auf das Verteidigungswejen in Karelien erfuhr.
Die militärifhe Dienftpflicht jener Landſchaft bejchränfte fich
auch damals noch auf das allgemeine Aufgebot aller Waffen-
fähigen in Kriegszeiten. Dieje Wehrpflicht war jedoch um fo
weniger genügend, als fich die Karelier hartnädig mweigerten,
jih von militärijch gebildeten Offizieren einererzieren zu laffen.
Sprengtporten beantragte daher die Errichtung eines kare—
liſchen Yägerbataillons von 600 Mann, welches mit Hilfe des
gemeinen Mannes zur Grenzverteidigung verwendet werben
jollte.e Der Plan, daß das Bataillon aus Geworbenen be-
fteben jollte, für deren Unterhalt die Bevölkerung zu jorgen
babe, wurde prinzipiell gutgeheißen und Sprengtporten damit
beauftragt, nebjt dem Landeshauptmann Boije mit den Kare-
liern hierüber zu verhandeln. Aus ihrem Rapport und den
1) Bal. 8. ©. Leinberg, Handlingar rörande Haapaniemwi krigs-
skola, in: „Finsk Militär Tidskrift 1884“ (Bihang), p. 1—97.
Schybergfon, Geſchichte Finnlande. 26
402 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs.
beigefügten PBrotofollen vom Frühjahr 1776 gebt hervor, daß
fich die Karelier, obwohl auf einigen Zuſammenkünften eine auf-
geregte Stimmung berrichte, dennoch ſchließlich dazu verpflichteten,
jährlih gewiffe Summen (zujammen 13390 Thaler Silber:
münze) zum Unterhalt des Jägercorps zu bezahlen, wofern das
legtere nur zur Verteidigung der Yandichaft verwendet werben
würde und außerdem die Landfturmpflicht der Bevölkerung
fünftig fortfiele. Trotz der Schwierigkeiten und Vorbehalte war
Sprengtporten mit diefem Refultat äußerft zufrieden und wartete
nur auf einen Regierungsbefehl, um zu den abjchliegenden Or—
gantiationsanftalten zu jchreiten. Aber im Schoße der „Bertei-
digungsfommiffion“ (försvarsberedning) war man der Meinung,
der Plan Sprengtporteng jei ad acta zu legen, da er für die Krone
nichts Vorteilhaftes enthielte. Das Endrefultat war, daß die oben—
genannte Abgabe jeit 1778 ftändig wurde, obwohl die Errichtung
des Jägercorps erft zu Beginn des Krieges gegen Rußland 1788
erfolgte. Dieſe willfürlihe Behandlung erregte die Unzufrieden-
heit der jchon früher durch die Mißftände auf den Duncanjchen
Nittergütern beunrubigten Bevölkerung und äußerte fich bei der-
jelben in den folgenden Jahren durch Mißtrauen und Gereiztheit.
Sprengtporten fühlte fich hierdurch und auch fonft verlekt.
Für feine Dienfte glaubte er nicht hinreichend belohnt zu fein.
Trotz feiner verbältnismäßigen Jugend beanfpruchte er den
Oberbefehl über die finnifche Armee oder mindeſtens eine vor-
teilhaftere Stellung, als er fie in dem entlegenen Savolaks
befleidete. Bon einer ſolchen Verſtimmung beberrjcht, bat er
um die Erlaubnis, eine Reife ins Ausland behufs Vervoll-
fommnung feiner militärischen Kenntniffe antreten zu dürfen,
eine Bitte, welche König Guftav unter Gewährung eines
reichlichen Reiſezuſchuſſes erfüllte Mit feiner Abreije (Ende
März 1779) endigte feine Wirkſamkeit in Savolats, welche
die Jahre 1775—-1779 zu einem Lichtpunkte in der Gefchichte
jener Landſchaft macht. Der jchönjte Teil feiner Laufbahn
war hiermit abgejchloffen. Auf feiner Reife wurde er in
Petersburg mit großer Auszeichnung empfangen, was auf ihn
einen nachhaltigen Eindrud machte. Nach einem mehrmonatlichen
Oppofitionelle Stimmung unter ber Ariftofratie. 403
Aufenthalt in Berlin verweilte er meiftens zu Paris, wo er
von revolutionär » republifanifchen Ideeen angeftedt wurde ?).
Im Mai 1780 erhielt Sprengtporten auf feinen ausdrücklichen
Wunſch feinen militärifchen Abjchied, um im Auguft 1781 miß-
vergnügt nach Finnland zurüdzufehren. Dort wurde er einer der
Führer unter den Evelleuten, welche Guftav III. als Feind der
Freiheit und des Vaterlandes betrachteten.
Auch bei der militärifchen Ariftofratie Finnlands, welche
infonderheit auf Speaborg die politijchen und jozialen Be—
ftrebungen der damaligen Zeit mit lebhaften Interefje ver-
folgte, hatte die oppofitionelle Stimmung Verbreitung gewonnen.
Es gehörte dort zum guten Ton, die Lift und Falſchheit
jowie den Despotismus des Königs zu tabeln. Unter denen,
welche zu den eifrigiten Tadlern gehörten, machte fich na—
mentlih Johann Anders Jägerhorn bemerkbar, ein begabter
und fenntnisreiher Mann, welcher in verjchiedener Hinficht
ein typiſcher Repräjentant der damaligen ariftofratifchen Jugend
war ?). Derjelbe gründete auf Sveaborg eine politifche Ge-
jellichaft, den „Walhallaorden“, welche fich über ganz Finnland
erjtredte. Nachdem die Mitgliederzahl auf mehr als hundert
angewachjen war, wurde fie in Komtureien, je eine für jede
finnifche Provinz, eingeteilt, von denen jede einen von Yäger-
born gewählten Ordensbruder zum Präfidenten erhielt. Bei
den Ordenszufammenfünften wurden über biftoriiche Themata
Vorträge gehalten, welche unter anjcheinend unjchuldiger Form
bittere Anjpielungen auf die beftehenden Verhältniſſe enthielten.
Diefer Orden trug dazu bei, bei der Ariftofratie Finnlands
eine unrubige und erregte Stimmung hervorzurufen; doch hatte
er feine bejondere finnifche Tendenz, da ihm jowohl aus Schwe-
den gebürtige wie einheimiiche Dffiziere angehörten.
1) Über die von ihm geplante Teilnahme am Norbamerikanifchen Freis
beitöfriege vgl. den Aufia von Th. Weftrin in: „Svenska literatur-
sällskapets i Finland förhandlingar och uppsatser“ III, 34—61 (Hel-
fingfors, 1888).
2) Er war 1757 in Nylanb geboren, wurbe 1775 Kornett und jpäter
Hauptmann bei dem Dragonerregiment von Nyland-Tawaſtehus.
26 *
404 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs.
Nur eine kleine Gruppe innerhalb des Walhallaordens
buldigte unter Göran Sprengtportens Führung Finnisch = jepa-
ratiftiichen Anfichten. Letzterer verweilte nach feiner Rückkehr
(1781) auf feinem Gute Sefta im Kirchjpiel Naftola, wo er
fich, erbittert über die Ungnade, die ihn betroffen, mit Rache:
plänen gegen König Guftav trug. In Erinnerung an den wohl-
wollenden Empfang, den er in Petersburg gefunden, trug er fich
mit Plänen, betreffend die Losreißung Finnlands von Schweden
jowie jeine Verwandlung in einen unter ruſſiſchem Schutz
jtehenden jelbjtändigen Staat, ein Gedanke, welcher die Erinne-
rung an das Manifeft der Kaiſerin Elifabetb vom Jahre
1742 (vgl. ©. 339 ff.) wieder wachruft. Wie er jelbft und
jeine Freunde ſich damals Finnlands Stellung im einzelnen
vorftellten, nachdem die alten Bande mit dem Mutterlande
gelöft worden wären, tritt nicht mit vollftändiger Klarheit zu—
tage; doch jcheint eine republifaniiche Negierungsform, welche
die Hauptmacht in die Hände des Adels legte, als das deal
vorgejchwebt zu haben, deffen Verwirklihung den Urhebern des
Planes jelbjt einen erhöhten Einfluß verjchaffen und das Glüd
ihres Vaterlandes begründen ſollte. Das Projekt, welches mit
lebhaften agitatorifchen Eifer in den Kreijen verkündet wurde,
deren Mittelpunft Sprengtporten war, gewann vermöge des
unbeftrittenen Anjehens, welches diejer genoß, am Bedeutung.
Groß ift jedoch Feineswegs die Zahl derer geweſen, die als
eigentliche Selbjtänpdigfeitseiferer bezeichnet werden können. Der
durch jeine Stellung hervorragendfte unter ihnen war ber
Landeshauptmann in Kymmenegärd, Robert Wilhelm de Geer,
welcher jedoch nicht aktiv für die Sache wirkte. Ferner ge:
bören hierher von den Führern des Walhallaordens in erjter
Linie 3. A. Jägerhorn, welcher mit Iebhafterer Überzeugungs-
treue als alle anderen das Selbftändigfeitsprojekt verfocht, jowie
ferner der mit nicht geringem litterarifchem Talent begabte
Karl Heinrih Klik und der abenteuerliche Lars Reinhold
Slanjenftjerna. Schließlich ſeien erwähnt: der verabjchiebete
Major Chriſter Wilhelm Ramſay auf Nynäs bei Heinola;
deſſen Schwiegerjohn Karl Reinhold v. Eſſen auf Paafo; ber
Der Walhalla-Orden. 405
Sohn des lettgenannten, Dietrich Adolf; der Major Berndt
Magnus Stadelberg; Otto Chrifter Boije, jowie der jugendliche
Guſtav Wilhelm Ladau.
Zur Rechtfertigung ihres Vorhabens wurde von jenen
Männern angeführt, daß die Finnländer jederzeit von den
Schweden verachtet geweſen ſeien, daß ſchon während der Frei—
heitszeit ein Plan, Finnland in Armut und Abhängigkeit zu
erhalten, entworfen worden ſei, und daß man Finnland nie—
mals mehr, als gerade unter der Regierung Guſtavs III. mit
Füßen getreten habe. Derartige Motive konnten natürlich in
einer Zeit, wo Finnland mehr denn je zuvor Gegenjtand der
Fürſorge für die Negierung war, feinen Eindrud machen, und
die Bejtrebungen der Selbftändigfeitsmänner wiejen deshalb auch
nur geringen Erfolg auf. Das Projekt wurde von der Mehr:
zahl der unzufriedenen finnischen Edelleute mit abweijender Kälte
oder mit Unwillen aufgenommen, während es bei den bürger-
lichen Ständen überhaupt feine Verbreitung gewann. Übrigens
wird berichtet, daß Sprengtporten Herzog Karl, den jüngeren
Bruder Guſtavs, jondiert habe, ob er Herricher in einem unter
ruſſiſchem Schutze jtehenden, aber unabhängigen Großfürften-
tum Finnland werden wolle; aber der Herzog habe ausweichend
geantwortet. Dies jcheint der einzige Verfuch gewejen zu fein,
ihon damals zur That zu jchreiten. Im übrigen begnügte man
fih mit einer bloßen Vorbereitung der Gemüter, zumal da
Sprengtporten Anfang 1785 das Land verließ, um in holländiſche
Dienfte zu treten. — Guſtav wußte von diefen reichsfeindlichen
Beitrebungen, erachtete diejelben jedoch nicht für jo gefährlich,
daß eine ernftliche Ahndung von nöten gewejen wäre Die
Negimentstommandeure in Finnland erhielten Befehl, fich über
alles genau zu informieren. Da aber nichts zu entdeden war,
nabm man von weiteren Unterfuchungen Abjtand.
König Guftav hatte große Vorteile von einer Zuſammen—
funft erwartet, die zwifchen ihm und der Saiferin Katha—
ring gelegentlich einer Neife ftattfinden follte, welche er im
Sommer 1783 nah Finnland zu unternehmen beabjichtigte,
um an den finniichen Qruppenmanövern teilzunehmen. Bei
406 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs.
feiner Ankunft auf dem Ererzierplag von Parola (12. Juni)
traf er die finnischen Truppen in vortreffliher Kondition; be—
fonder8 die von Sprengtporten eingeübten Corps zeichneten
fich durch Beweglichkeit aus. Hierauf weilte der König zwei
Wochen in Tamwaftehus und brach erjt Ende des Monats nad
Fredrikshamn auf, wo er vom 29. Juni bis zum 4. Juli Gaft
der Raiferin war. Die Zufammenkunft verlief nicht nad
Wunſch. Guftav und Katharina fchieden in Unfrieden von-
einander, und ſeitdem waren die Pläne Guftavs gegen Ruß—
land gerichtet.
2. Die lehten Regierungsjahre Guſtavs III. (1786—1792) ’).
Zu den Edelleuten, welche auf dem Reichstag von 1786
den Plänen des Königs entgegenarbeiteten, gehörte auch Göran
Sprengtporten, welcher nach jeiner Rückkehr aus Holland feine
Unzufriedenheit in einem Memorial zu erfennen gab, worin er
darüber Flagte, daß die Bevölkerung Finnlands durch die letzte
1) Nachſchlagewerke zur Gefchichte Finnlands in den letten Regie
rungsjahren Guſtavs III: M. Malmanen (8. M. Creuß), Anjala
förbundet (Stodholm, 1848); Yrjö Koslinen, Yrjö Maunu Sprengt-
portenista ja Suomen itsenäisyydestä (Helfingfors, 1870); 8. 8. Tiger:
ſtedt, Göran Magnus Sprengtporten (verichiedene Artifel in: „Finsk
Tidskrift‘“‘ 1877—1888); ©. Rein, Kriget i Finland 1788—17% I,
in: „Bidrag till kännedom af Finlands natur och folk“, Bd. III
(Helfingfors, 1860); „Protokoller och handlingar rörande det brottsliga
förhällande, som förekommit emot ätskillige chefs och officerare vid finska
armen under 1788 ärs campagne“, Bd. I—IV (Stodholm, 1789— 1791);
3. Mantell, Anteckningar rörande finska arméns och Finlands
krigshistoria J (Stodholm, 1870); €. G. Geijer, Des Königs Guſtav III.
nachgelafjene und fünfzig Jahre nach feinem Tode geöffnete Papiere III,
1 u. 2 (Hamburg, 1845—1846); „Minnen ur Sveriges nyare historia,
samlade af B. v. Schinkel, författade och utgifne af C. W. Berg-
man“ J, II (Stodholm, 1852); ©. v. Shank, Historia ölver kriget
mellan Sverige och Ryssland 1788— 1790 (Stodholm, 1817/18); „Stats-
rädet Joh. Alb. Ehrenströms efterlemnade historiska anteckningar “ I
(Stodholm, 1882).
G. M. Sprengtportens jeparatiftifhe Pläne. 407
Mißernte dem Hungertode verfallen, jowie daß jede Sicherheit des
Eigentums infolge der für die Grundbefigverteilung (storskifte)
fejtgejtellten Grundjäge gejchwunden fei. Er ſcheute fich alſo
nicht, eine der für Finnland nüglichjten Maßregeln als Waffe
gegen König Guftav anzuwenden. In der That war er
damals nur noch jcheinbar ſchwediſcher Unterthan, während
er fih faktifh ganz und gar in die Arme Rußlands ge-
worjen hatte. In Holland hatte er Verbindungen mit dem
dortigen ruffiihen Geſandten Kalitichew angefnüpft und leß-
terem ein Promemoria überreicht, welches die Frage betraf,
in welcher Weiſe Finnlands Selbftändigfeit zu bewerkjtelligen
jet. Gleichzeitig jehritt er zur Ausarbeitung eines Entwurfs
für eine jelbftändige finnijche Regierungsform, worin er bie
ariftofratijch-föderative Staatsverfafjung der Niederlande zum
Mufter nahm und diejelbe durch einige, hauptjächlich der Ver-
faffung der „Freiheitszeit“ entnommene Zufäge ergänzte. Der
neue Staat follte „Republif der vereinigten Provinzen Finn
lands“ genannt und von einem permanenten Kongreß regiert
werben, in welchem die Provinzen durch die einzelnen Stände
repräjentiert wären. Die Bauern jollten jedoch nicht im Kon—
greß figen, jondern durch Beſitzer von Allodialgütern (odalmän)
vertreten fein, „welche jie jelbjt auf ihren Provinzialverfamms
lungen wählen können“. Die Mitglieder des Kongreſſes
jollten von dem jedes vierte Jahr zufammentretenden Reichstag
auserjehen werben. Dieſes verwidelte Verfaffungsprojeft ift
wohl von Sprengtporten nach feiner Ankunft in Stodholm
dem bortigen ruſſiſchen Gejandten Markow überliefert worden,
welchem er auch ſonſt jchriftlich wie mündlich feine Pläne für
Finnlands Zukunft entwidelte: eine Empörung folle in Finn—
land angezettelt werden, worauf die ruffiihe Kaijerin ben
Sinnländern zu Hilfe fommen und nach errungenem Sieg
ihnen die neue Verfaffung, die fie fich jelber geben wollten,
garantieren ſolle. Sprengtportens Berficherungen in betreff
der Geneigtheit jeiner Landsleute, jih von Schweden loszu—
reißen, fanden wenig Glauben am rujfiihen Hof; aber Katha—
rina glaubte dennoch Gründe zu haben, eine ihren Intereſſen
408 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs.
fo ergebene Perfönlichkeit wie Sprengtporten in ihre Dienite
zu nehmen. Sie lud ihn durch Markows Vermittlung ein,
er möge in Rußland feine Zuflucht juchen,; ein Anerbieten,
welches Sprengtporten um jo lieber annahm, als er fich wäh-
rend eines Geſprächs mit Guſtav III. davon überzeugt hatte,
daß diejer vollftändige Kenntnis von jeinen reichsverräteriſchen
Anjchlägen beſaß. Nach einem zweimonatlichen Aufenthalt in
Finnland reifte er im September 1786 nach Petersburg, wo
er von Katharina höchſt wohlwollend empfangen, zum General-
major ernannt jowie mit mehreren anderen Gunjtbeweijen be>
bacht wurde ). Der Major Jägerhorn, mit welchem er Be—
ziehungen unterhielt, übernahm nach jeiner Abreije die Leitung
der GSelbjtändigfeitsbeftrebungen in Finnland.
Guſtav III., welcher die Abreife Sprengtportens gern ſah,
traf um dieſe Zeit mehrere Anftalten, um das Wohlwolfen der
Nation wiederzugewinnen. Cine Reife in Finnland während
des Sommers 1787, wobei der König in Begleitung des
jugendlichen Kronprinzen Guftav Adolf den Manövern der
finniſchen Negimenter auf dem Ererzierplag von Parola bei-
wohnte, war geeignet, die Ergebenheit der Finnländer für die
fönigliche Familie zu erhöhen. Aber der Adel ließ fich nicht
befänftigen. Seine hervorragendjten Mitglieder hielten fich
nach wie vor abjeits vom Hofe, wo Günftlinge, wie u. a. bie
Finnländer Guſtav Morig Armfelt, Adolf Friedrich Mund
und Johann Friedrich Aminoff, die Hauptrolfe jpielten.
In diefen Verhältniſſen lag eine wejentliche Urjache dafür,
daß Guſtav III. mit immer lebhafterem Eifer den Plan, Ruß—
land zu befriegen, verfolgte. Die Verbindungen, in welche fich
der ruffiiche Gejandte Marfow auf dem Reichstag von 1786
mit Göran Magnus Sprengtporten und mit anderen fogenannten
„Patrioten“ eingelafjen hatte, zeugten nur allzu Iebhaft dafür,
daß ſich Rußlands Abfichten nicht geändert hatten. Nachdem
1) Bol. 8. 8. Tigerftebt, Tvänne förslag till Finlands styrelse
af G. M. Sprengtporten; 8. K. Tigerftedt, G. M. Sprengtportens
plan till ästadkommande af Finlands sjelfständighet och hans inträde
i rysk tjenst (Programm bes Aboer Lyceums 1881 u. 1882).
Guftavs III. Kriegsgelüfte. 409
Schwedens Krieggmacht bedeutend verjtärft war, fchien es da—
ber den Anforderungen einer Eugen Staatskunft zu entfprechen,
daß man bei günftiger Gelegenheit Rußland angriffe, um dem
öftlichen Nachbar gegenüber eine befjere Grenze und eine mehr
gejicherte Stellung zu erhalten. Nach Beginn des rujfiich-
türfiichen Krieges (Auguft 1787) waren denn auch alle Anz
ftrengungen Guftavs auf Vorbereitung des Kampfes gerichtet.
Der entftheidende Schritt erfolgte am 22. Mai 1788, wo
ber Neichsrat, gemäß dem Wunfche des Königs, die Ausrüftung
von Heer und Flotte genehmigte. Am nächften Tag erging
an Raſumowski, den Nachfolger Markows, die Aufforderung,
Stodholm binnen acht Tagen zu verlaffen. Am 12. Juli
ichlieglich wurde ein Ultimatum in Petersburg überreicht, worin
Guſtav u. a. begehrte, die rufjische Kaiferin jolle ganz Ruſſiſch—
Finnland und Karelien jowie das Gouvernement und die Stadt
Kerbolm abtreten, jo daß fünftig der Syſterbäck die Grenze
zwijchen Rußland und Schweden bilden würde. Katharina be-
antwortete dieſe Drohung durch ein Kriegsmanifejt. Etwas
jpäter, am 23. Juli, erfolgte die ſchwediſche Kriegserklärung.
Die Hauptmafje der finniſchen Truppen, welche am 22.
Mai den Befehl zum Aufbruch an die Grenze erhalten hatten,
wurde unter dem Befehl des Yandeshauptmanns in Nyland-
Zawaftehus, Generalmajor Karl Guſtav Armfelt, in einem
Lager am Kymmenefluffe im Kirchipiel Elimä vereinigt, wäh-
rend fich die Savolakjer Brigade unter ihrem Chef, Oberft
Berndt Johann Haftfehr, bei St. Michel jammelte. Die finnijche
Armee beitand aus etwa 15000 Mann Infanterie und Kaval-
lerie, darunter ungefähr 3000 Geworbenen und 4000 Reſer—
viften. Gleichzeitig wurde die finnifche Schärengartenflotte
mit etwa 2000 Dann Bejagung in jtand gejeßt. Die ge-
jamte in Finnland aufgeftellte Yand- und Seemacht betrug
mithin ungefähr 17000 Mann. Am 9. Juni ging die ſchwediſche
Kriegsflotte, welche 5000— 6000 Matrojen und 3800 Mann
Landungstruppen an Bord hatte, unter dem Befehl des Her-
3098 Karl nach Finnland und fam am 28. Juni nah Hangö.
Zwei Wochen jpäter verließ der König Stodholm mit einem
410 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guſtav IV. Adolfs.
Geſchwader von 85 Fahrzeugen (2000 — 3000 Manı Be:
fagung) fowie 9000 Mann Truppen. Am 2. Juli landete
diefe bebeutende Heeresmacht in Helfingfors, jo daß fih nad
dem Eintreffen weiterer Verftärkungen die ganze in Finnland
verfammelte Streitmacht auf 44000 Mann belief.
Der Krieg begann in Savolaks, wo Oberſt Haftfehr am
2. Juli mit 1300 Mann gegen Nyjlott rüdte, um dieſe nur
ſchwach verteidigte Fefte zu erjtürmen. Da die Truppen jedoch
weber mit Belagerungsartilferie noch mit anderen Erforderniffen
verjeben waren, hielt man einen Sturm für allzu gewagt und
beſchloß, die Bejakung durch Blodade und Aushungerung zur
Kapitulation zu zwingen.
Zwei Wochen fpäter, am 17. Juli, fam es zwijchen der
ſchwediſchen und der ruffiichen Kriegsflotte bei Hogland zu
einem Seetreffen, welches, obgleich für die Schweden ehrenvoll,
dennoh mit Rückſicht auf die Folgen mit einer Niederlage
gleichbedeutend war. Anftatt nach Kronſtadt zu fegeln, mußte
nämlich die ſchwediſche Flotte behufs Ausbefferung der er-
littenen Schäden nach Speaborg umfehren, jo daß eine Landung
in der Nähe von Petersburg nicht mehr in Frage kommen
fonnte.
Um diefelbe Zeit marjchierten zwei finnijche Heeres:
abteilungen über die Grenze. Die eine derjelben (1100 Dann),
welche von dem Obrijten Guftav Mori Armfelt !) befehligt
wurde, machte bei Summa, 7 Werft von Fredrikshamn, Halt,
während die zweite (4000 Mann) unter dem jchon bejahrten
General Karl Guſtav Armfelt etwas nördlicher, etwa 4 Werft
von Fredrikshamn entfernt, bei Hufjula ihr Lager aufichlug.
Obwohl die jchwachen Feftungswerfe von Fredrikshamn einem
ernithaften Angriff faum hätten widerjtehen können, wollte König
Guſtav, welcher fich bei der Huffula-Armee einfand, doch bie
Ankunft einer dritten Abteilung von 6000 Schweden unter
General Siegrothd abwarten, um Fredrikshamn auch von der
1) Derfelbe war am 1. April 1757 in Finnland geboren und gehörte
zu den treueften Anhängern König Guftavs.
Das Scheitern de8 Angriffs auf Fredrilshamn (1788). 411
Geejeite und von Oſten ber angreifen zu können. Das let:
genannte Corps, welches erſt am 3. Auguft eintraf, befand
ſich bereit8 auf dem Vormarſch, als plöglich eine Botjchaft vom
König ankam, daß die Operationen bei der Hauptarmee ein-
gejtellt jeien, und daß auch Siegrotd vom Angriff Abftand
nehmen bürfe, wofern er nicht allein die Feſtung erobern zu können
glaube. Nach abgehaltenem Kriegsrat ſchiffte Siegrotb am 4.
Auguft feine Truppen wieder ein, und der Angriff auf Fredriks—
hamn unterblieb.
Die Urfache, weshalb König Guftav von feinem Vorhaben
gegen Fredrifshamn Abftand nahm, berubte teil auf feiner
Unentjchlofjenheit und Unerfahrenheit in militärischen Dingen,
teil8 aber auch auf den mißlichen VBerhältniffen bei der Armee
jelbft.
Die Unzufriedenheit über den Krieg, welche von Anfang an
bei den oppofitionell gefinnten Offizieren des Heeres allgemein
gewejen war, hatte fich deſto mehr gefteigert, je klarer es
wurde, daß Rußland völlig friedliche Abfichten gehegt hatte und
der Krieg mithin ein verfaffungswidriger Offenfivfrieg war.
Seinen eigentlichen Herd hatte der Oppofitionsgeift bei ber
Huffula-Armee, wo der Oberjt bes Aboer Infanterieregiments,
der finftere und energiiche Johann Heinrich Häſteſko, die Yei-
tung des Widerjtands gegen den König übernahm. Schon
vor dem Einmarſch in ruffiiches Gebiet reichten zahlreiche
Dffiziere ihr Abjchiedsgefuch ein. Später begann Häftejfo im
Verein mit dem Obrijten der nyländifchen Dragoner, Robert
Montgomery, und dem Obriften des Björneborger Regiments,
Sebaftian v. Otter, offen auf eine Verhinderung des VBormarjches
der Armee binzuarbeiten. Eine große Zahl der jüngeren
Offiziere ließ fih von der Unmöglichkeit oder Gefährlichkeit
weiteren Bordringens überzeugen, und e8 fehlte nicht an Ver:
juchen, auch die Soldaten aufzuwiegeln. Am 1. Auguft fanden
fich jchließlich die drei genannten Obriften beim König ein und
erhoben heftige Vorwürfe gegen deſſen Handlungsweije, indem
fie verficherten, daß die Truppen nicht zum Angriff jchreiten
wollten. Häſteſko ſoll fich bei diefer Gelegenheit jogar gegen
412 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs.
Guſtav perfönlich vergangen und ihn mit dem Verluſt der
Krone bedroht haben, wofern er fich nicht nachgiebig zeige.
Infolge diefer Unterredung ließ der König noch an demjelben
Tage die Negimenter von Abo und Björneborg antreten und
ermabnte fie in beredten Worten, ihm treu zu bleiben. Da das
einjtimmige Ja der Soldaten bewies, daß die Aufwiegelungs-
verjuche ſeitens der Anführer auf ihre Pflichttreue feine Ein—
wirfung ausgeübt hatten, beobachteten die mißvergnügten Ob-
riften zunächit ein böflicheres Betragen, forderten indefjen nach
wie vor den Rüdzug und wußten, mit Unterftügung des Gene-
rals Karl Guſtav Armfelt, ven unjchlüffigen König in der That
zum Berzicht auf den Angriff gegen Fredrikshamn zu bewegen.
Der einzige höhere Offizier, welcher energifch auf den Vor—
marjch drang, war damals Guſtav Mori Armfelt.
Dieje Verzichtleiftung auf den Angriff gegen Fredrikshamn
gab den unmittelbaren Anlaß zu dem in der Geſchichte Finn-
lands jo traurig berühmten „Anjalabund“. In tiefer Ber:
ftimmung machte jich die Huffula-Armee auf den Rückzug nad
Liifala, einem eine Meile öftlicö der Grenze, auf dem Wege
von Fredrikshamn nach Anjala gelegenen Orte. Der Feld—
zugsplan war preisgegeben, das Heer von Entbehrungen und
Leiden bedroht, und der gejegwidrige Krieg fchien nunmehr
auch zwecklos geworden zu fein. Alle diefe Umftände benutten
die wenig zahlreichen, aber fühnen und energijchen Selbjtändig-
feitsmänner, um die Offiziere des Heeres zur Pflichtvergejien-
beit und zur offenen Meuterei ihrem Herricher gegenüber zu
verleiten. Drei von ihnen, J. A. Jägerhorn, Klik und Ladau,
befleideten als Ober- bezw. Stabsadjutanten wichtige Poften bei
der Armee. Bon ihnen jpielte fortan Jägerhorn als ein bejonders
geichidter und jchlauer Parteiführer, welcher auch loyal ge-
finnte Männer feinen Zweden dienftbar zu machen wußte, Die
Hauptrolle. Obwohl das Selbftändigfeitsprojeft für ihm bie
Hauptjahe war, jtellte er doch — in der Erkenntnis, daß
dasjelbe nicht auf allgemeine Sympathieen rechnen fünne —
einen jchnellen Frieden als das zunächit erjtrebenswerte Ziel Hin,
weshalb man die friedliche Gejinnung der Armee gegenüber
Die Liifala-Note (Auguft 1788). 413
der rujjiichen Kaiferin durch eine Beſchickung zum Ausdruck
bringen und auf ſolche Weiſe Friedensverhandlungen einleiten
müſſe. Mit Leichtigkeit gewann er Häftejfo, v. Otter jowie
den Oberftlieutenant Otto Klingipor für feinen Vorjchlag.
Schwieriger war e8 hingegen, den General 8. ©. Armfelt
hierzu zu überreden. Indem fich die Verſchworenen bie büftere
Auffafjung desjelben von der Lage zunutze machten, jtellten fie
ihm vor, daß er König Guftav und dem Vaterland durch Ein-
leitung von Friedensverhandlungen mit Rußland einen neuen
Dienst zu leiften vermöge. Da auch fein Schwiegerjohn Klid
diefe Ermahnungen eifrig unterftüßte, gab der greife General,
wenn auch mit Widerftreben, jchließlich nad. Nachdem man
auf ſolche Weije einen einflußreichen Namen gewonnen hatte,
wollte man von einem weiteren Aufjchub nichts mehr wiſſen.
In der Nacht vom 8./9. Auguft entwarf Klid eine an bie
Kaiſerin Katharina gerichtete Note, welche von fieben der an-
wejenden Offiziere !) unterzeichnet wurde. Diejes unter dem
Namen „Liikala-Note“ befannte Schriftftüd enthielt nichts von
dem Gelbftändigfeitsplan, welchem die meiſten Unterzeichner
fremd gegenüberftanden, ſondern verficherte nur die Kaijerin
des der ganzen Nation gemeinjamen, aufrichtigen Wunſches,
daß ein ewiger Friede und nachbarliche Eintracht zwijchen beiden
Reichen aufrecht erhalten bleiben möge, eine Eintracht, welche
„durch Anschläge unruhiger Köpfe“ gejtört worden ſei. Behufs
Wiederberftellung des Friedens machte man der Kaiferin den
Vorſchlag, fie jolle Schweden die Grenzen, Die e8 vor dem Aboer
Frieden bejeffen, wiedergeben ſowie Verhandlungen mit ben
„Repräfentanten der Nation“ eröffnen. Jägerhorn, welcher
die Übermittelung diefer Botſchaft auf fich nahm, machte fich
am 9. Auguft auf den Weg nach Petersburg, während feine
Genoſſen vorgaben, er jet von den Ruſſen gefangen genommen
worden. Unzweifelhaft bildet dieje noch während des Krieges
in ungejegliher Yorm mit dem Feinde eröffnete Unterhand—
lung einen dunkeln led in der Geſchichte Yinnlands, und
1) Es waren dies 8. G. Armfelt, Häſteſto, v. Diter, Klingipor, Kid,
Oberftlieutenant Per Enebjelm jowie Major Guft. v. Kothen.
414 Fünfte Periode. Die Zeit Guſtavs III. und Guftav IV. Adolfs.
der Wortlaut der Note mindert feineswegs die Größe des Ver—
geben, zumal darin die Handlungsweife König Guſtavs vor
einer fremden Monarchin zum Gegenftand des Tadeld und der
Anschuldigungen gemacht wurde. Übrigens muß es Verwun-
derung erregen, daß die Unterzeichner durch eine Schrift Ver—
trauen erweden zu können vermeinten, in welcher fie einerjeits
den ihrem Herricher geleijteten Treueid brachen, gleichzeitig aber
begehrten, Rußland jolle auf die im Aboer Frieden gewonnenen
Gebietsteile verzichten.
G. Sprengtporten, mit welchem Jägerhorn ſchon im Früh:
ling wegen der finnijchen Selbjtändigfeitspläne korreſpondiert
hatte, befand fich gerade damals in Olonez, um dort bie
Vorbereitungen für einen Einfall in Savolaks zu treffen, und
erließ bafelbft eine Proflamation, worin er den Bewohnern
Finnlands Schuß gegen die ſchwediſche Tyrannei jowie die Bei:
bebaltung der finnischen echte und Freiheiten verſprach, wo—
fern fie der ruffiichen Armee feinen Widerftand leijteten. Da
er jedvoh von dem in Liikala gejchmiedeten Komplott Feine
Ahnung Hatte, traf er mit Jägerhorn nicht zujammen, als
biefer am 11. Auguft in Petersburg anlangte. Nicht minder
überrafchend waren die Anerbietungen Jägerhorns für die ruj-
ſiſche Regierung. Derjelbe ließ fich jedoch Hierdurch nicht Davon
abjchreden, die mitgebrachte Note der Kaiferin Katharina zu über:
mitteln und ihr in einer Aubdienz feine Auffaffung von der Lage
in Schweden und Finnland zu entwideln, wobei er ed auch
nicht verabjäumte, ohne Nüdjiht auf den Inhalt der Note
jeine eigenen, das Selbjtändigfeitsprojeft betreffenden Ideeen mit-
zuteilen, obwohl er hierzu doch nicht im mindejten ermächtigt
war. Seine Vorſchläge Tauteten folgendermaßen: Der Friede
jollte wiederbergeftellt und die vor der Revolution von 1772
bejtehende ſchwediſche Staatsverfaffung wieder eingeführt werben;
bie Finnländer follten allmählich von der ſchwediſchen Oberherr:
haft Iosgelöft und zu einer unabhängigen Nation mit eigener
Regierung gemacht werben; jchließlich follten die Ruſſen die im
Kriege von 1741 —43 eroberten Feftungen und Ortichaften wieder
an die Finnländer abtreten. Obwohl Sprengtporten auf Grund
Yägerborns Miffion und Katharina. 415
der Nachricht von der Ankunft feines Freundes Jägerhorn fofort
nach Petersburg kam und deſſen Forderungen eifrigft befür-
wortete, wurden die leßteren doch von Katharina und beren
Beratern mit mißtrauijcher Vorficht entgegengenommen. Die
Antwort, welche Jägerhorn jchließlih am 20. Auguft empfing,
war nicht einmal von der Kaijerin unterzeichnet und enthielt
feine beftimmten Äußerungen inbetreff des von Jägerhorn per-
jönlih vorgelegten Selbſtändigkeitsprojekts oder inbetreff der
Sriedensverhandlungen. Die Friedensfreunde, jo verlangte die
Kaijerin, müßten fich zu einer repräfentativen Körperſchaft ver-
einigen, welche dann gejegmäßig über die wahren Vorteile des
Daterlandes beichließen fünne. Erſt nachdem dies gejchehen,
jei e8 der Kaiferin möglich, ihre wohlmeinenden und edel—
mütigen Abfichten für die finnifhe Nation an den Tag zu
legen. Mündlich wurde ferner den Finnländern eingejchärft,
dag fie fich für alle Zeit von Schweden losſagen und unab-
bängig erflären müßten, wofern fie auf die Hilfe Katharinas
rechnen wollten. Außerdem wies man darauf hin, wie un-
paffend e8 jei, wenn die Unterzeichner die Abtretung des im
Aboer Frieden gewonnenen Gebiets von Rußland verlangten,
während doch vielmehr Rußland berechtigt jei, für die durch
den Friedensbruch erlittenen Schäden Genugthuung zu fordern.
Die ruffiiche Regierung erkannte alſo weder die Liikala-Note noch
die privaten Meinungsäußerungen Jägerhorns als Baſis für
Maßnahmen von ruffiiher Seite an, jondern verlangte eine
allgemeine Kundgebung der Finnländer im Sinne des Selb»
ftändigfeitöprojefts. Mit diejem Beſcheide fehrte Jägerhorn
zu feinen Genoffen zurüd, deren Auftrag er überjchritten hatte,
indem er eine feinen eigenen Gefichtspunften entiprechende Politik
getrieben. Am 13. Auguft fam er nach Anjala (auf ſchwe—
difchem Gebiete), wohin: fich die Liifala-Armee auf Befehl des
Königs zurücgezogen hatte.
Hier war in feiner Abwejenheit eine offene Meuterei gegen
Guſtav zum Ausbruch gelangt. Eine der Urjachen, weshalb
fih die mißvergnügten Offiziere der finnifchen Armee kurze
Zeit nach der Abreife Jägerhorns entjchloffen, die frühere
416 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs II. und Guftav IV. Abolis.
Geheimhaltung ihrer Pläne aufzugeben, bejtand darin, daß
die Lage der Armee jchwieriger geworben war, weil die ruf-
fiiche Kriegsflotte die ſchwediſche bei Sveaborg eingejchlofjen
hatte. Außerdem aber ging aus einem Schreiben König
Guſtavs an K. G. Armfelt hervor, daß erjterer von ben
gegen ihn gerichteten Anjchlägen Kenntnis erhalten hatte. Es
galt unter ſolchen Umftänden für die Verfchworenen, noch vor
Eintreffen der aus Petersburg erwarteten Antwort mit jchneller
Entjchlofjenheit zu handeln, möglichjt viele Freunde um ſich zu
jcharen und den König zum Abjchluß des Friedens wie zur
Einberufung eines Reichstages zu zwingen. In dieſem Sinne
verfaßte Kli eine Deklaration, in welcher zunächft, nach Her:
vorhebung der ungejetlichen Entjtehung wie des unglüdlichen
Verlaufs des Krieges, die Beziehungen Erwähnung fanden,
welche man mit Katharina eingeleitet hatte. Liebe zum Vater—
land und der dem König gejchworene Treueid habe fie genötigt,
fih an die Kaiferin zu wenden und bdiejelbe Hinfichtlich der
Gefinnung der Nation zu beruhigen. Nach ihrer Meinung jet
e8 redlicher jchwediicher Männer würdig gewejen, Mittel zu einer
Negoziation zwiichen zweit gefrönten Häuptern ausfindig zu
machen, und zwar hätten jie jelber dies um vieles eher als irgend-
eine fremde Macht thun zu können geglaubt, da fie, unter Auf-
opferung oder wenigſtens unter Gefährdung bes eigenen Vor—
teild, nur die Vaterlandsliebe und die Königstreue dabei um
Rat gefragt hätten. Im dem, was fie einmal begonnen, wollten
fie auch künftig, es Fofte was es wolle, fortfahren und zu biejem
Behufe untereinander den fejteften Bund jchließen, um in allen
Dingen, welche die öffentliche oder private Sicherheit beträfen,
einander zu raten, zu belfen und beizuftehen. Dieje unter dem
Namen „Anjala-Bundesakte“ befannt gewordene Erklärung
wurde am 12. Auguft entworfen. In den folgenden Tagen
zirfulierte bei den in Anjala lagernden Regimentern ein Erem-
plar, welches, zum Teil infolge des jeitens der Komman—
deure auf die jüngeren Offiziere ausgeübten Drudes, von 111
Dffizieren unterzeichnet wurde, darunter 8. G. Armfelt, Robert
Montgomery, Oberſt B. Leyonſtedt vom Regiment Tawaftehus,
Der Anjala-Bunbd, 417
v. Otter, Häftejfo, Oberftlieutenant €. A. Lejonhufvud, Per
Enebjelm, Klingipor fowie v. Kothen. Ein zweites Eremplar
wurde dem König überjandt, und zwar in Begleitung eines
von 8. ©. Armfelt unterzeichneten Briefes, worin der an bie
Kaijerin Katharina abgeſchickten Note eingehender gedacht war.
Der bei Ankunft der beiden Schreiben zu Kymmene wei-
lende König jah ſich demnach einem bei der Hauptarmee be-
ftehenden Bunde von Offizieren gegenüber, die unter dem ftolzen
Namen der BVBaterlandsliebe ihrem Herricher offen zu trogen
wagten. G. M. Armfelt riet dem König, er folle die Führer
des Bundes zu fich bejcheiden, verhaften und auf jolche Weife
die Konſpiration erftiden. Guſtav glaubte jedoch größere Vor—
ficht beobachten zu müffen und faßte den Entſchluß, überhaupt
feine Antwort zu erteilen, fondern die Entwidelung der Er:
eigniffe abzuwarten. Inzwiſchen griff der Geiſt des Aufruhrs
auch innerhalb der Savolafjer Brigade um fich, deren Chef,
Oberſt Haſtfehr, weil er jelber zwifchen verjchiedenen Einflüffen
ſchwankte, am 21. Auguft die Belagerung von Nyjlott aufhob.
Ebenjo erfolgten bei den in Borgä ftehenden ſchwediſchen Regi—
mentern und bei den Seeoffizieren Aufwiegelungsverjuche, wäh
rend fich gleichzeitig (25. Auguft) die ruſſiſche Flotte der Land—
zunge von Hangö bemächtigte.
Mit Ungeduld hatten die Anjala-Männer auf die Rückkehr
Jägerhorns aus Petersburg gewartet. Als aber derſelbe
endlich am 23. Auguft eintraf, ſahen fie fich in ihren Hoffnungen
betrogen. Den Vorſchlag einer Friedensverhandlung hatte die
Kaiſerin unter allerlei Vorwänden bei Seite gejchoben, und,
was fie hinfichtlich der Selbjtändigfeit Finnlands unter ruſſiſchem
Schute geäußert, war den meijten Unterzeichnern ber Yiifala-
Note und noch mehr den übrigen Offizieren befremdend
oder verhaßt. Daß die Kaiſerin es unterlajjen, ihre Ant»
wort jelber zu unterzeichnen, bewies ferner, in wie geringem
Maße auf ihre Unterftügung zu rechnen war. Unter jol-
hen Umftänden wurde Oberftlieutenant Lejonhufvud damit
betraut, dem König einen von Karl Guſtav Armfelt unter-
zeichneten Brief (vom 24. Auguft) zu überreichen, worin bie
Schybergfon, Geſchichte Finnlands. 27
418 Fünfte Periode. Die Zeit Guftaus III. und Guftav IV. Abolfs.
Verfehwörer, unter Hinwetfung auf die friedliche Gefinnung
Katharinens, den König um Cinberufung der Reichsjtände
behufs weiterer Übereinkunft erjuchten. Lejonhufvud erreichte
Guſtav, welcher fich damals auf dem Rückwege nach Schweden
befand, in Yowija, erhielt aber von dem Monarchen eine ab-
weifende Antwort, indem er das Schreiben unerbrochen mit der
Erklärung, daß er nicht mit Rebellen unterhandeln wolle, zurück—
gab und außerdem ein Abbitteformular überreichte, welches
Lejonhufvud feinen Genofjen mitteilen ſollte. Dies war die
letzte perſönliche Berührung Guftavs mit den Anjala- Männern,
welche, unverbürgten Gerüchten zufolge, feine Abreife zu ver:
hindern beabfichtigten, jedoch nicht die dazu nötige Entjchlofjen-
beit bejaßen.
Der König hatte richtig berechnet, daß nach feiner Ent-
fernung der Anjala-Bund feine eigentliche Lebenskraft ein-
büßen werde. Freilich blieb derſelbe auch nachher bejtehen
und gewann zuerjt jogar noch an Ausdehnung. Da die Ber:
jchworenen indeffen auf den Monarchen perjönlich nicht einzu—
wirken vermochten und von ruffiicher Seite feine Unterſtützung
erhielten, entbehrte die Bewegung eines beftimmten Zieles und
jchlief im Laufe der Zeit gänzlich ein, unter dem Einfluß bes
allgemeinen Unwillens, den das Verhalten der Offiziere jo-
wohl in Schweden wie in Finnland hervorgerufen hatte.
Zu derjelben Zeit, wo Lejonhufvud den König in Lowiſa
aufjuchte, bemühten ſich die Anjala-Männer, unter den
Offizieren der übrigen ſchwediſchen und finnijchen Heeres—
abteilungen Anhänger zu werben. Zu diefem Behufe wurde
am 25. Auguft ein neues Schriftitüd oder „Aovertiffement“
verfaßt, welches einen Bericht über die bereits getroffenen
Maßregeln nebft einer Erläuterung der zu verfechtenden Be-
jtrebungen enthielt. Diejes Advertiffement wurde der Savo—
lakſer Brigade und den in Nyland einquartierten ſchwediſchen
Negimentern überfandt, unter welch legteren eine andere, ebenfalls
den Abjchluß des Friedens jowie die Einberufung der Stände
fordernde Deklaration zirkulierte.e Die Bewegung verbreitete
fih von dem einen Regiment zum andern, und nur wenige
Die Haltung Herzog Karls von Södermanland. 419
Dffiziere waren beherzt genug, fich jeglicher Verbindung mit
den jogenannten PBatrioten zu entziehen, deren eigentliche Hoff:
nung auf dem Herzog Karl v. Södermanland berubte.
Diefer wenig charakterfefte Fürft hatte bei Übernahme des
Oberbefehls über die in Finnland ftehende Armee (27. Auguft)
von jeinem föniglichen Bruder den ausprüdlichen Befehl erhal-
ten, weder Vorſchlägen in betreff der Einberufung eines Reichs—
tages Gehör zu jchenfen, noch Högfors zu räumen, wo bie
Schweden auf ruffishem Gebiet eine ftrategijch wichtige, ver-
Ihanzte Pofition inne hatten, noch auch endlich mit Rußland
einen Waffenftillftand abzufchliegen. Als ihm jedoch die Ver-
ihworenen am 3. September ihre Wünfche unterbreiteten, zeigte
er fich, merfwürdig genug, geneigt, ihre Abfichten zu fördern,
indem er feinen Bruder Guftan mehrmals brieflihd um Ein-
berufung der Stände bittflehend anging; freilich vergebens. Wich-
tiger war, daß er ſich mit dem rufjischen Militärfommando in
Waffenftillftandsverhandlungen einließ, wobei G. M. Sprengt-
porten, der inzwijchen aus Petersburg bei der ruffiichen Grenz-
armee eingetroffen war, nebſt anderen Offizieren Katharina II.
repräjentierte, während Jägerhorn und Montgomery die Pro-
pofitionen der Schweden vorlegten. Wohl wiffend, wie eifrig
die jchwediichen Dffiziere einen Waffenftilfftand herbeijehnten,
der für fie eine Vorbedingung zur Durchführung ihrer übrigen
Pläne zu fein fchien, ftellte Sprengtporten jofort in über-
mütigem Tone das Berlangen, daß fich die ſchwediſchen Trup—
pen von Högfors entfernen jollten, da erſt dann der Waffen:
jtillftand bewilligt werden fünne. Nachdem fich ein aus ſchwe—
diſchen wie finnischen Offizieren beftehender Kriegsrat zu gunften
der Räumung von Högfors ausgejprochen hatte, gab Herzog
Karl in der That dieje Pofition preis (25. September). Dan er-
wartete nunmehr ſchwediſcherſeits, daß der Waffenftillftand
unmittelbar nachfolgen werde; aber hierin täujchte man fich.
Die Katjerin, welche ebenfo wie Sprengtporten auf Grund der
Borjpiegelungen I. A. Jägerhorns glaubte, daß die Selbjtändig-
feitSpartei eine bedeutende Verbreitung unter den Offizieren
der finnischen Armee bejüße, meinte jegt verlangen zu können,
27*
40 Fünfte Periode. Die Zeit Guftaus III. und Guſtav IV. Adolfs.
daß jene die bisher Rußland gegenüber beobachtete, un—
ihlüffige Haltung aufgeben und fich offen von Schweden los—
jagen follten y. In einem Schreiben an 8. ©. Armfelt,
welcher fich, obwohl ohne Kommando, noch immer bei der Armee
aufbielt, verlangte Sprengtporten in Übereinftimmung mit
diefer Auffaffung, die Anjala-Männer jollten einen bejonderen
finnischen Reichstag einberufen, um daſelbſt die Selbjtändigfeit
Finnlands unter ruffishem Schuge zu proflamieren. Diejer
Brief gab dem Anjala-Bund den Todesſtoß. Die wenigen
Difiziere, welche fih mit den Gelbjtändigfeitsplänen befaßt
hatten, wurden jeitdem mit Unwillen und Mißtrauen von den
übrigen ſchwediſchen und finnifchen Kameraden betrachtet, da
diejelben von einer Selbftändigfeit Finnlands nichts hatten wiſſen
wollen, fondern nur den Abjchluß des Friedens und die Ein-
berufung des Neichstages gefordert hatten. Der Bund jelbjt
geriet in vollftändige Auflöfung, nachdem Herzog Karl Anfang
Ditober den NRegimentern der Anjala- Armee die Wetjung
erteilt hatte, ſich voneinander zu trennen und Winters
quartiere zu beziehen.
Einen Beweis dafür, wie jehr das Nechtsbewußtjein in
jener Zeit gejchwächt worden war, liefert das Verhalten des
Chefs der Savolafjer Brigade, Berndt Johann Haftfehr,
welcher nach Aufhebung der Belagerung von Nyſlott (21. Auguft)
den Entſchluß faßte, fih durch Anjchluß an die Selbjtändig-
feitSpartei zu retten und durch Anerbietung feiner Dienjte bei
Katharina perjönliche Vorteile zu erlangen. Mit Sprengt-
porten, dem er brieflih jein lebhaftes Intereſſe für die
Grundlegung der Selbjtändigfeit Finnlands verficherte, traf er
mehrmals zujammen; auch nahm er Gejchente der ruſſi—
ichen Kaijerin an. Als aber der Anjala- Bund jpäter feiner
Auflöjung entgegenging, gab er fich den Anjchein eines Königs—
freundes und trat als Denunziant der Anjala » Männer auf,
obwohl er nah wie vor Verbindungen mit Rußland unter-
1) Bgl. C. T. Od hner, Ett bidrag till Anjala förbundets historia,
in: „Svensk Histor. Tidskrift“ II, 70—76 (Stodbolm, 1882).
Die Auflöfung des Anjala-Bundes. 421
hielt. Die Entdedung diejes niedrigen Spiels führte im Januar
1789 zu feiner Verhaftung.
Bon größerer Bedeutung waren die Anjchläge, welche von
den eigentlichen Selbjtändigfeitsmännern betrieben wurden.
Letztere verzichteten auch nach Auflöjung des Anjala-Bundes
feineswegs auf die Hoffnung einer Verwirklichung ihrer Pläne.
J. 4. Jägerhorn, welcher vorgab, daß er noch immer ruffijcher
Kriegsgefangener jet, aber auf Ehrenwort die Erlaubnis zum
Verweilen in der Heimat erhalten habe, ließ fich in Savolaks
nieder, wo er einige ſeit langem als Anhänger der Selb»
ftändigfeitspläne befannte Gutsbefiger um jich verfammelte und
mit ihnen eine Art von Konföderation bildete, welche unter
dem Schute Katharinens die Selbftändigkeit Finnlands bewerf-
ftelfigen folltee Unter den Genoffen Jägerhorns find nament-
ih R.W. de Geer, B. M. Stadelberg, L. R. Glanjenftjerna,
der verabichiedete Major Joh. Tandefelt auf Efenäs bei Borgä,
Major Ramjay jowie der Gutsbefiger Boije auf Sandnäs zu
nennen. Über ihre Beratungen, welde mit um fo größerer
Freiheit gejcheben fonnten, al8 der Oberbefehlshaber in Savolaks,
Haftfehr, für ihren Beſchützer galt, befist man feine nähere
Kenntnis; doch jcheinen die Verſchwörer an die Möglichkeit
der Einberufung eines Savolakſer Landichaftstages gedacht
zu haben, wofern die genannte Provinz in die Hände der
Ruſſen fiele. Im Namen der Konföderierten verfaßte Jäger—
born ein an die Kaijerin Katharina gerichtetes Promemoria,
worin er die Vorausjegungen bezeichnete, unter denen man
eine Verbindung mit Rußland für möglich erachtet. Das
Groffürftentum Finnland follte für ein freies und vollfommen
unabhängiges Land erklärt werden; unter Sprengtportens
Befehl ſollten alsdann ruſſiſche Truppen zur Unterjtügung
der Konföderation in Finnland einmarjchieren; endlich jollte
Rußland dem neuen Staate Subfidien bewilligen, während
diefer fich erforderlichenfall8 zur Unterftügung Rußlands mit
Truppen und Kriegsichiffen verpflichtete. Unter ſolchen Be—
dingungen erflärten fich die Konföderierten bereit, ihre Waffen
mit denen Rußlands zu vereinigen. Mit Sprengtporten
422 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Abolfs.
wurden fortdauernd Beziehungen unterhalten, und eine von
legterem verfaßte Schrift „An das Vaterland“, welche zu
gunften der Konföderierten auf die öffentlihe Meinung ein-
zuwirfen fuchte, fand in Finnland Verbreitung. Bald wurde
jedoch der Ausführung aller diefer Pläne eine Grenze gejekt.
Sägerhorn wurde nach Schweden bejchieden, 309 e8 aber vor,
ſich am 26. November heimlich über die Grenze nach Petersburg
zu begeben. Seinem Beifpiel folgten im Jan. 1789 die faum
minder fompromittierten 8. H. Klid und ©. W. Yadau, im
Februar 2. R. Slanjenftjerna und Dietrich Adolf v. Eſſen. Der
Kreis, welcher in Finnland das Gelbftändigfeitsprojeft ver-
treten hatte, war hierdurch gebrochen. Allerdings verjuchten
Jägerhorn und Sprengtporten noch in Petersburg durch Gut-
achten, welche fie Katharina übermittelten, das Projekt zu neuem
Leben zu erweden, aber vergebens. Denn die rufjischen Staate-
männer zweifelten nunmehr daran, daß jene Bejtrebungen irgend-
welche fejte Grundlage in der öffentlichen Meinung Finnlande
hätten oder überhaupt einen Vorteil für Rußland herbeiführen
könnten. Es läßt fich nicht leugnen, daß ein Teil der Selbſtändig—
feitsmänner, wenigjtens der ſchwärmeriſch angelegte Jägerhorn,
wirklich auf dem von ihnen betretenen Wege Finnlands Wohl
fördern zu fünnen glaubte. Da fie aber ungejetliche Anjchläge
im Verein mit den Feinden des DVaterlandes ald Mittel dazu
gewählt Hatten, wurde ihre Stellung binnen furzem unbaltbar
und eine fortgejette Wirkjamfeit in ihrer Heimat unmöglich.
Inzwiſchen waren die militärijchen Operationen in Finn—
land eingejtellt worden, nachdem fich die ruſſiſchen Kriegs:
fahrzeuge in den legten DOftobertagen von Sveaborg und Hangö
an die ruſſiſche Küfte zurücgezogen hatten. Der mit bedeu—
tenden Anftrengungen und großen Hoffnungen begonnene Feld-
zug hatte in militäriicher Hinficht zu feinem Ergebnis geführt,
veranlaßte aber verhängnisvolle innere Umwälzungen, durch
welche die ſchwediſche Verfafjung eine im wejentlichen noch
heutzutage in Finnland beſtehende Geftaltung erhielt.
Die Botjchaft von der Meuterei bei der Armee und von
dem finniſchen Selbjtändigfeitsprojeft rief bei dem finnijchen
Das Ende der finnifchen Selbftänbigfeitsbeftrebungen. 423
Volke eine lebhafte Bewegung zu gunften Guſtavs hervor. Die
Geiftlichen, die Bürgerfchaft und der gemeine Mann wett-
eiferten darin, ihre Ergebenheit für den König und ihren Ab-
ſcheu vor den aufrührerifchen Offizieren zu befunden. Dieje
Gefühle gelangten während der Reiſe Guftavs von Lowiſa nach
Abo in mannigfaltiger Weije zum Ausdrud. Im royaliftifchem
Sinne gejchriebene Gedichte fanden auf dem Lande Verbreitung.
Eine Flugihrift, worin die Handlungsweije der Anjala-Männer
in den büfterften Farben gejchildert wurde, erjchien in ſchwe—
diiher Sprache jowie in drei finnifchen Auflagen.
Unter folchen Umftänden fonnte der König nunmehr den
Kampf gegen feine adeligen Gegner mit Energie aufnehmen.
Das erſte Zeichen war, daß die hervorragendften Anjala-Männer
— K. ©. Armfelt, Häfteffo, v. Otter, Montgomery, Leyonſtedt,
Enebjelm, Klingipor, fowie Armfelts Adjutant, Magn. Wild.
v. Törne — Anfang 1789 verhaftet und im März nach Stod-
bolm gebracht wurden. Haftfehr, fein Adjutant Otto Karl
Fieandt und G. v. Kothen teilten ihr Los. Das Urteil vom
19. April 1790 Iautete auf Todesftrafe; doch wurde Diele
Strafe für die meijten vom König gemildert. Nur Hälteifo,
welcher fich gegen den König perjönlich während der Unter—
redung vom 1. Auguft 1788 vergangen batte, fand am
8. September 1790 in Stodholm den Tod durch Hentershand.
Auh die nah Rußland entflohenen Selbjtändigfeitsmänner
Jägerhorn, Klid, Glanjenftjerna, Yadau und v. Eſſen wurden
im Oftober 1789 in contumaciam zum Xode verurteilt.
Was G. M. Sprengtporten betrifft, jo betrachtete man ihn,
obwohl er ſchon früher in ruffische Dienfte getreten war, nicht
als von jeinen Pflichten Schweden gegenüber befreit, jondern
forderte ihn nach jeiner Teilnahme an der Schlacht bei Porras-
ſalmi vor das Aboer Hofgericht, welches ihn am 9. Februar 1790
in contumaciam ebenfall8 zum Tode verurteilte.
Am 26. Januar 1789 eröffnete König Guftav den
Reichstag zu Stodholm mit einer Rede, worin er unter
anderm den Bewohnern Finnlands für die Treue dankte,
die fie ihm bewiejen, fowie für die Zeichen von Ergebenheit,
424 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV, Adolfs.
die er von ihnen empfangen. Dieje bievere Nation dürfe
feineswegs mit einigen wenigen Treuloſen, Verführten und
Berbrechern verwechjelt werben, welche teil jchon dem Arm
der Gerechtigkeit überliefert, teil8 der drohenden Beftrafung
entronnen feien. Dieſe vertrauensvollen Worte wurden vonjeiten
der BVertreter Finnlands durch treue, loyale Gefinnung er-
wider. Die finnischen Bauernrepräfentanten, deren Zahl
jet auf 22 gejtiegen war, zeigten fich infonderheit dem Yandes-
berricher ergeben. Guftav dankte für die von ihnen am
2. März überreichte Adrefje in gnädigen Worten und gelobte,
alles zu thun für des finnifchen Volkes „Sicherheit, Schuß
und Beibehaltung der Vereinigung, welche mehr als 500 Jahre
zwiichen Schweden und Finnland bejtanden und des Reiches
wie des Großfürftentums Sicherheit, Stärke und Gedeihen be-
wirft bat, einer Vereinigung, von welcher Finnlands Religion,
feine Gejete, fein Handel und jein Wohlſtand herrühren“.
Diefe Auferung zeugt von dem guten Verhältnis, welches zwifchen
dem Könige und den finnischen Bauern herrſchte. Auch die
finnische Geiftlichfeit, an deren Spitze Bijchof Jakob Gabolin
zu Abo ftand, zeigte fich eifrig royaliſtiſch gefinnt. Ebenſo
waren die Vertreter der Städte geichäftig, dem König ihre
Ergebenheit zu befunden. So erklärte 3. B. der Bürgermeifter
E. 3. Fagerftröm aus Uleäborg am 4A. Februar, daß bei den
finnifehen Bürgern der Gedanke, die Selbjtändigfeit des Landes
und deffen Trennung von Schweden zu wünjchen, nicht auf-
fommen könne. Andere Mitglieder des Bürgerftandes befundeten
ihr Einverftändnis mit jenen Worten, u. a. der Bürgermeifter
Lars Sadlen von Björneborg, obwohl er geheimer Beziehungen
mit den Anjala- Männern verdächtig war. Einige finniſche
Abgeordneten, 3. B. der einflußreihe Kaufmann Peter Johann
Bladh aus Kaskö und der Bürgermeifter I. F. Norrmen aus
Raumo, wünfchten freilich in gewifjen Fragen größere Garantieen
gegen die abjolute Gewalt des Könige. Zu der Oppofition
gehörte der Kaufmann Heinrih Rahm aus Gamla Karleby.
Unter den äußerſt jpärlich vertretenen finnijchen Edelleuten
war namentlich der Ajfefjor am Hofgericht zu Wafa, Georg:
Die Erftartung der Stellung des Königs (1789). 425
Wilhelm Lode, ald Oppofitionsmann bekannt, weshalb er jchon
bei Beginn des Neichstages durch königlichen Befehl zur Rück—
fehr in die Heimat genötigt wurde.
Während des Winters 1788/89 herrſchte in Finnland ein
allgemeiner Eifer, zur Verteidigung des Baterlandes beizutragen.
Zahlreiche Kirchipiele erklärten fich zur Aufftellung der Land—
wehr bereit. Die Bürger von Abo unterwarfen fich beträcht-
lihen Geldopfern für Kriegsrüftungen und Unterhaltung ber
Armee. Die Landeshauptleute in Kuopio und Ofterbotten, Simon
Wilhelm und Johann Friedrich Carpelan, forgten für Organi-
jation des Verteidigungswejens an der Grenze von Rarelien
und Ofterbotten. Schon im April 1788 hatte man den Kareliern
die Abichaffung der Jägerabgabe verfprochen, wenn fie Land—
webrtruppen aufjtellen wollten; aber jene zeigten fich nur dazu
bereit, nah Sitte der Vorfahren mit dem Aufgebot aller
Waffenfähigen die Grenze gegen den Feind zu verteidigen. Auf
Grund deſſen wurden jchon im Herbft 1788 Bauernpatrouilfen
an die Grenze geſchickt; aber erſt nachdem S. W. Carpeları
gegen Ende des Jahres zum Nachfolger Haftfehrs als Ober-
befehlshaber in Karelien ernannt worden war, erhielt dieſes
Bauernaufgebot eine feſte Organijation, indem fich die Bauern,
obwohl wiberwillig, der Leitung und Cinererzierung durch
Offiziere unterwarfen. Später mußten fie fich auch darein
finden, daß zwei Kompagnieen Karelifcher Jäger gebildet ſo—
wie andere ‘reguläre Truppen in der Landſchaft einquartiert
wurden. In der Provinz Uleäiborg gab es Hingegen während
des Srieges Feine reguläre Heeresmacht, jo daß der Schutz
der Grenze ganz und gar den Bewohnern überlaffen war.
Bereits im Sommer 1788 verpflichtete fi daher auch die
Bevölkerung des Lehens Kajana zur Aufftellung eines Miliz-
Bataillons von 307 Mann und eines Landwehrbataillons von
300 Dann, wofern fie von der Steuertaration jowie von ber
mit der Grundbeſitzverteilung (storskifte) zufammenbängenden
Abtrennung von Waldgründen befreit würde. Nach Ge-
nehmigung biefer Forderung betrieb Pandeshauptmann J. %.
Carpelan die Organijation der neuen Truppen mit jolchem
426 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV, Adolfs.
Eifer, daß diejelben gegen Frühjahr 1789 Friegsbereit waren.
Gleichzeitig unternahm er ausgedehnte Reiſen in der Provinz
(Oktober und November 1788), um die Bevölferung zur Organi-
jation von Freifcharen zu beftimmen. Überall fand er das größte
Entgegenfommen. Die Kirchipielgemeinden verſprachen die Auf-
jtellung von 2041 Dann, die Stadt Kajana erbot fich zu 45 Mann.
Im Sommer 1789 bejuchte er die nördlichften Kirchipiele Kemi-
träsf und Kuuſamo, welche bisher von jeglicher Wehrpflicht
befreit waren, fich aber jetst unter denfelben Bedingungen wie das
Lehen Kajana zur Stellung von 104 Mann verbanden. Ber:
mutlich waren e8 im wefentlichen diefe Verteidigungsanftalten,
welche den Feind von der Vornahme der früher zu Kriegs—
zeiten üblichen Streifzüge längs der öftlichen Grenze abjchredten.
Während des ganzen Krieges blieben jene nördlichen Gebiete
von Heimfuchungen verichont, jo daß I. 3. Earpelan jchließlich
1790 mit etwa 1300 Mann der Armee in Südfinnland zu—
bilfe zu fommen vermochte.
Mit diefen Bemühungen der Bevölkerung und der Be-
amten gingen die ber Militärbefehlshaber Hand in Hand.
Die Wichtigkeit einer Befeftigung der Yandzunge von Hangö
war im Sommer 1788 fichtlih zu Tage getreten, indem
durch Stationierung der feindlichen Flotte dajelbjt die Ver—
bindung zwijchen Schweden und Finnland eine nicht ums
wejentliche Unterbrechung erlitten hatte. Um dies künftig zu
verhindern, bejchloß man im Herbit 1788 den Bau Heinerer
Befeftigungen an jener Stelle. Im April 1789 begann bie
Errichtung von gedeckten Batterieen auf vier bei der Land—
zunge von Hangd befindlichen Feljeninjeln.. Major 9. ©.
v. Kierting, welcher die Arbeit mit jo unermüdlichem Eifer aus—
führte, daß die vier Baftionen jchon im Juni 1789 fertig
waren, wurde der erjte Kommandant der mit etwa 40 Kanonen
verjehenen Seefeftung ). In Savolats wurde der Puumala-
Sund befejtigt, jowie ein Heines Kanonenjchaluppengejchiwader
1) Aufzeichnungen über die Befeftigungen bei Hangd von DO. Berg:
fröm: Manuftript im „Schwed. Kriegsarchiv“.
Finnlands Berteidigungswejen wirb verbeſſert (1788/89). 427
erbaut, welches auf den Gewäſſern des Saima operieren jolfte.
Das Savolafjer Yägercorps erhielt eine Verſtärkung von
400 Mann. Am wichtigften war jedoch der veränderte Geift
bei dem Offiziercorps der Armee. Schon im Dezember 1788
fonnte der Nachfolger Herzog Karls als Oberbefehlshabers der
in Finnland ftehenden Truppen, General Mejerfelt, in einem
Zirfular verfihern, daß das Heer König und Vaterland nicht
im Stiche lafjen werde.
Auch 1789 waren die in Finnland befindlichen Truppen
in zwei Hauptabteilungen geichieden: die Savolakſer Brigade
unter Oberft v. Stedingf (etwa 5000 Mann) und die Hauptarmee,
welche anfangs unter Mejerfelts, jpäter unter König Guſtavs
Kommando an verjchiedenen Orten beim Kymmenefluffe ftand.
Die Ruffen, welche früher als die Schweden zum Beginn
des Feldzuges gerüftet waren, gedachten auf Vorſchlag Sprengt-
porteng zunächjt in den jüdweftlichen Winkel von Savolaks
gegen die Verbindungslinie der beiden Heeresabteilungen vor:
zurüden und die Savolaffer Brigade, nachdem fie von der
Hauptarmee getrennt worden, zu vernichten, wodurch Savolaks
und Karelien in die Hand Rußlands gefallen wären. G. M.
Sprengtporten, welcher den Oberbefehl über die Expedition
erftrebt Hatte, fich jedoch mit einem Unterbefehlshaberpoſten
begnügen mußte, hoffte bei diejer Gelegenheit im Verein mit
feinen ihn begleitenden Kameraden, den Flüchtlingen Jägerhorn,
Klik, Ladau, Glanjenftjerna und v. Eſſen, die Selbftindigfeits-
bejtrebungen zu neuem Leben ermweden zu fönnen. Anfang
Juni marjchierten die Ruſſen (7”—8000 Dann) unter Gene—
ral Miceljon gegen die völlig unvorbereiteten Savolaffer
Truppen, von denen ſich nur gegen 430 Mann bei Kyro,
jüblih von Kriſtina, zu fammeln vwermochten, welche nach
einem beftigen Gefecht in Unordnung retirieren mußten, worauf
der Feind auf dem Wege nah St. Michel vorrückte. Trotz
jeiner numerischen Schwäche entichloß fich jedoch der Brigade—
chef v. Stedingk, den Ruſſen an dem jchmalen Porrasjalmi-
Sunde die Spite zu bieten. Der heftige Kampf, welcher bier
am 12. und 13. Juni ftatt fand und, obwohl die Finnen
428 Fünfte Periode. Die Zeit Guftaus III. und Guftav IV. Abolfs.
faft vierundzwanzig Stunden einem beinahe zehnmal ftärferen
Gegner gegenüberftanden, damit enbigte, daß fich die Ruſſen
mit einem Verluſte von etwa 900 Mann zurüdziehen mußten,
rettete Savolaks. Die Savolafjer Brigade, welche hier ihre
Bluttaufe empfing, gewann Zeit, fich zu ſammeln; die Ver:
wundung ihres früheren Chefs G. M. Sprengtporten, welder
zu dem Feind übergegangen war, erjchien den Soldaten als
eine gerechte Strafe des Himmels; überhaupt wurde ber Geift
innerhalb der gejamten Armee durch dieſen unverbofften
Erfolg geftärkt, den erften ehrenvollen Sieg, der jeit den
Tagen Karls XII. errungen war. Allerdings begann General
Micheljon bald von neuem vorzubringen und umging nach
einem fleineren Gefecht am 19. Juni die Stellung bei Por:
rasjalmi; aber es gelang der Brigade, ſich durch einen
geſchickten Rückzug beinahe ohne Verluft nach Jorois zurüd-
zubringen, wo v. Stedingf eine feite Pofition wählte, die der
Feind nicht anzugreifen wagte. Vergebens fuchte I. A. Jäger:
born in den Sirchjpielen, welche zeitweife in die Hand ber
Nuffen fielen, eine Selbjtändigfeitspartei zu ftande zu bringen.
Unterdeſſen hatte die Hauptarmee unter König Guftav eine
Dffenfiobewegung gegen Willmanftrand gemacht. Nach Über:
ſchreitung des Kymmenefluſſes (25. Juni) ftieß fie am 28.
Juni bei Uttismalm auf eine ruffische Heeresabteilung, welche
in die Flucht gefchlagen wurde. Anftatt aber nun geradewegs
auf Willmanftrand loszugehen, machte der König eine Schwen-
fung nah Süden, um die in der Nähe von Fredrikshamn
jtehenden Truppen anzugreifen. Nach einem Fleineren Ge—
fecht erfolgte am 3. Juli die Beſetzung von Liikala; kurz
darauf drang bie jüdliche Abteilung der Hauptarmee unter
Mejerfelt von Abborfors über die Phttisinjel vor und ver-
trieb jchließlich die Ruſſen aus Högfors. Inzwiſchen ſtand
der König lange unthätig in Liikala, jo daß der Feind den
größten Teil feiner Truppen nah Süden heranziehen fonnte
und der Chef der nördlichen Abteilung des ſchwediſchen
Hauptbeeres, General Kaulbars, als er auf Befehl des Könige
mit einer jchwachen Abteilung auf dem Wege nah Willman—
Der Sieg am Porrasfalmijunde und die Unthätigleit der Hauptarmee. 429
ſtrand vorrüdte, nach hartnädigem Widerftand am 15. Yuli bei
Kaipiais gejchlagen und zum Rückzug hinter den Kymmenefluß
gezwungen wurde. Diejer Mißerfolg nötigte Guſtav, fich Ende
Juli behufs Sicherftellung der Hauptabteilung nach Anjala
und Wärälä zurückzuziehen.
Mittlerweile hatte der Führer der Savolakſer Brigade,
v. Stedingf, die DOffenfive wieder aufgenommen, indem er, nach
Bertreibung des Feindes aus Jokkis, über Nantajalmi gegen Ny—
jlott vorrüdte. Bei Parkumäki, wo er auf eine ruffiiche Ab-
teilung von 2000 Mann unter General Schulg jtieß, kam e8 am
20. Juli zu einem dreiftündigen, heißen Streit, bei welchem die
Savolakſer Brigade von neuem ihren Mut und ihre Stand:
baftigfeit glänzend bewies. Die Savolafjer Yäger, das
Björneborger Regiment unter Oberjtlieutenant Ehrnroth und
die Truppen aus Oſterbotten zeichneten ſich bejonders aus
und vermochten jchließlich die ruſſiſche Abteilung vollftändig
zu zerjprengen. Mit einem Berluft von 650 Mann mußte
fie die Wapljtatt verlaffen, während die Savolakſer Brigade
nur etwa 180 Mann eingebüßt hatte. Indeſſen waren die
Volgen des Sieges nicht von hoher Bedeutung, zumal da ein
Verſuch der Schweden, fich der vom Feinde eroberten Schanzen
am Puumala-Sunde wieder zu bemächtigen, fehlichlug.
Die Unthätigkeit der Hauptarmee während der letzten
Sommerwochen und im Herbjte berubte im wejentlichen darauf,
daß ihre Operationen durch die ſchwediſchen Gejchwader nicht
gefördert werden konnten. Allerdings war die finniſche Schären-
flotte, welche in dem Sohn A. Ehrenjvärds, Karl Auguft,
einen tüchtigen Chef erhalten Hatte, in Svenskſund vor der
öftlihden Mündung des Kymmenefluſſes ftationiert, um die
Bewegungen der Yandarmee zu unterjtügen und den öftlichen
Schärengarten zu deden. Hier wurde fie jedoch am 24. Aug.
von dem weit überlegenenen ruſſiſchen Schärengejchwader ange-
griffen und nach tapferer Verteidigung gezwungen, bei ber
Feſtung Spartholm Schuß zu fuchen. Infolgedeffen mußte
die Armee ihre legten Bejigungen auf ruſſiſchem Boden,
Högfors und Kyınmenegärd, preisgeben und jich nach Abbor-
430 Fünfte Periode. Die Zeit Guftans III. und Guftav IV. Adolf.
ford zurüdziehen. Ein Verſuch des Feindes, auf Elgsö im
Schärengarten von Ingo feiten Fuß zu faffen, wurde von
G. M. Armfelt vereitelt, welcher am 30. September den dort
befindlichen ruffijchen Poften durch eine kühne Überrumplung
vertrieb.
Obwohl Guftan 1790 Hauptjächlich zur See zu operieren
beabfichtigte, begann die Kampagne dieſes Jahres in den erften
Frühlingswochen doch mit einem Vorſtoß zu Lande. In Süd—
Savolaks war unter G. M. Armfelt8 und Göran Heinrich Jäger—
horns Leitung eine neue Brigade gebildet worden, welche auf Vor—
ichlag des lettgenannten am 15. April die ruffiiche Pofition bei
Partakoski und Kärnäkoski, zwei in der Nähe der Grenze auf dem
Wege von St. Michel nah Willmanftrand belegenen Päſſen, an-
griff. Die unvorbereiteten ruſſiſchen Truppen erlitten eine voll-
ftändige Niederlage. Diejer Erfolg gewann dadurch noch größere
Bedeutung, daß der König jelber am 29. April etwas füdlicher
bei Walkiala fiegte, jo daß fich eine neue Ausficht auf ein
Bordringen nah Willmanftrand darbot. Außerdem wurden
überlegene ruſſiſche Streitkräfte am 30. April von ©. 9.
Jägerhorn jowie ein Anfall des Feindes gegen die Pofition
der Savolakſer Brigade bei Pirtimäft (nörblih von Puumala)
am 5. Mat dur v. Stedingk fiegreich zurückgewieſen. Die
Früchte dieſer Waffenerfolge gingen indefjen größtenteils durch
die Ereigniffe am Kymmenefluſſe verloren, wo ebenfalls am
5. Mai das befeftigte jchwediiche Lager bei Anjala in bie
Hand der Ruſſen fiel. Nunmehr richtete fih die Haupt-
aufmerkjamfeit auf diejen Punkt, wo mehrere größere und
Heinere Gefechte vorfielen, bis die Schweden endlich in den
legten Maitagen den Feind zum Rückzug über die Grenze
nötigten. Auf ſolche Weije war der richtige Zeitpunft für eine
wirkſame DOffenfivbewegung unwiederbringlich dahin, weshalb
jih die jchwediichen Generale, nachdem ein Angriff G. M.
Armfelts gegen Savitaipale am 4. Juni mißlungen war, mit der
Verteidigung der gewonnenen Stellungen begnügten und zunächſt
den Ausfall des Krieges zur See abwarteten.
Am 15. Mai war eine Abteilung der ruſſiſchen Schären-
Der Krieg und der Friede mit Rußland im Jahr 1790. 431
gartenflotte vor Fredrifshamn von den Schweden gejchlagen
worden. Hingegen mißglückte der Verfuch, die Feftung Fredrifs-
hamn durch ein Bombardement zur Übergabe zu zwingen, fo
daß ein weitere Vorbringen des ſchwediſchen Schärengarten-
geſchwaders mit großen Gefahren verknüpft war. Trotzdem
avancierte legtered, mit dem König an Bord, bis zum Björko-
Sunde an der öftlihen Mündung der Wiborger Bucht, wohin
auch die Kriegsflotte beordert wurde. Hier wurden bie
ſchwediſchen Geſchwader von der großen ruſſiſchen Kriegsflotte
cerniert, jo daß ihnen, nachdem ein VBerjuch, durch den be-
fejtigten Trängjund nah Wiborg vorzudringen, feblgejchlagen
war, bald fein anderer Ausweg übrig blieb, als fich mit
dem Mut der Verzweiflung durchzufchlagen. Am Morgen des
3. Juli begann dieſer denkwürdige Rüdzug, auf welchem es
den ſchwediſchen Geichwadern gelang, wenngleich mit bedeuten—
den Berluften, zu entkommen ). Die jchwebiiche Kriegsflotte,
welche etwa ein Drittel ihres Beſtandes eingebüßt hatte, zog
fih nah. Speaborg zurüd, wo fie bis zum Ende des
Krieges eingejchloffen blieb. Die ſchwediſche Schärengarten-
flotte, welche troß ihrer Verluſte eine neue Pofition bei
Svenskſund gewählt hatte, wurde bier am 9. Juli wieber-
holentlih von den Ruſſen angegriffen, errang jedoch einen
glänzenden Sieg, welcher die ruſſiſche Schärenflotte faſt voll-
ſtändig vernichtete, indem von der Bejagung der letteren 6500
Mann in die Hände der Schweden gerieten und etwa 3000
Mann getötet oder verwundet wurden.
Unter ſolchen Umftänden war man nicht nur auf ſchwediſcher,
jondern auch auf ruffifcher Seite zum Frieden geneigt. Am
14. Auguft 1790 wurde zwijchen Schweden und Rußland
der Friede zu Wärälä abgejchloffen, welcher für beide Reiche
den status quo ante bellum feftjegtee Die Eroberung von
Ruffiich- Finnland, welche Guſtav III bei Beginn des Krieges
als Ziel worgefchwebt hatte, war mithin nicht gelungen; doch
fonnte dies wenigjtens zum Teil dem Anjala-Bunde zugejchrieben
1) Der Berluft an Mannfchaften betrug auf beiden ſchwediſchen Se:
ſchwadern zufammen ungefähr 5000 Mann.
432 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Abolfe.
werden. Für die Bewohner Finnlands war das Ergebnis:
"des Krieges injofern beruhigend, als es fich gezeigt Hatte,
daß die neue Organifation der Verteidigung dem Feind bei
Sommerfeldzügen erfolgreich die Spige zu bieten vermochte.
Daß Rußland einen Winterfeldzug unternehmen könnte, bei
welchem Finnland ganz und gar von Schweden tjoliert jein
würde, hielt man für unmöglich.
Am 29. März 1792 erlag Guftav ILL. der Mörderkugel Joh.
Jak. Andarftröms, die ihn 13 Tage vorher im Stodholmer
Opernhauſe getroffen hatte. In Finnlands Gejchichte wird der
Name des Königs jederzeit mit Anerkennung genannt werden,
wegen des Wohlwollens, welches er dem finnifchen Volk ent:
gegengebracht, wegen der großen Hoffnungen, mit denen er fich
in bezug auf die Zukunft Yinnlands getragen, und wegen der
Mafnahmen, die er zur geijtigen wie materiellen Förderung
der finnischen Nation getroffen hatte.
3. Guſtav IV. Adolf. Die ökonomifchen Zuflände in
Finnland gegen Ende der fdhwedifchen Herrſchaft. Uberblick
der Zuſtände in „Alt-Finnland“ ?).
Die Vormundjchaftsregierung Herzog Karls v. Söder—
manland und feines allmächtigen Günftlings, des Barons
1) Quellen und Nachſchlagewerle zur Geſchichte Finnlands während
ber Regierung Gujtav IV. Adolfs und zur Geichichte von „Alt-Finnland“ :
„Minnen ur Sveriges nyare historia, samlade af B. v. Schinkel,
författade och utgifne af C. W. Bergman“, Bd. III-V (Stodholm,
1853—1854); E, Tegner, G. M. Armfelt, Bd. Iu. Il (Stodbolm, 1883
bis 1884); Zopograpbifhe Difjertationen und biftoriihe Auffäge im:
„Abo Tidningar“. — $. P. v. Knorring, Gaula Finland eller det
fordna Viborgska gouvernementet I (Abo, 1833); M. Aliander, Om
donationerna i Viborgs län (Helfingfors, 1864); M. Aliander, Skol-
värket inom foroa Viborgs och nu varande Borgä stift, in: „Bidrag
till kännedom af Finlands natur och folk, utgifna af Finska vetens-
kapssocieteten“, Bd. IX (Helfingfors, 1866); Rob. Yagus, Om Gamla
Finlands rättsliga förhällanden vid reunionen 1811, in: „Juridiskt
Der Tob Guftavs III. (1792). — Die Armfeltiche Verſchwörung. 438
Guſtav Adolf Reuterholm !), erregte bei den fogenannten
„Buftavianern“, zu denen u. a. die Finnländer G. M. Armfelt,
Johann Albert Ehrenſtröm und Johann Friedrich Aminoff gehörten,
lebhafte Verftimmung. Dieje Unzufriedenheit ging jchließlich
joweit, daß ein Verſchwörungsplan entworfen wurde, welcher
den Sturz der in Schweden bejtehenden Regierung mit ruffifcher
Unterftügung bezweckte. Obwohl der ruſſiſche Gejandte in
Stodholm, Stadelberg, den Guftavianern große Hoffnungen
machte und die Kaiferin Katharina Armfelt wie deffen Freunden
großes Wohlwollen bezeugte, jo wollte man doch rufficherfeits
nicht bejtimmte Verpflichtungen übernehmen, weshalb Armfelt
nach der Wbberufung Stadelbergg auf alle verbrecherifchen
Anschläge verzichtete. Die Entdedung diefer „Armfeltjchen
Verſchwörung“ führte troßdem zu verbhängnisvollen Folgen
für die daran Beteiligten. Chrenftröom und Aminoff wurden
lange in harter Gefangenfchaft gehalten, während Armfelt von
jeinem damaligen Aufenthaltsorte Neapel nah Rußland zu
fliehen vermochte, wo er bis 1800 in dem entlegenen Kaluga
ein zurücgezogened Dajein führte, um alsdann von neuem
eine hervorragende Rolle zu jpielen.
König Guftav IV. Adolf, welcher am 1. November 1796
nach eingetretener Volljährigkeit die Regierung übernahm,
begte für Finnland das gleihe Wohlwollen wie fein Vater,
wenn auch feine Gefühle nicht gleich lebhaft zum Ausdrud
gelangten. Zweimal befuchte er Finnland: zuerft Ende 1800
und Anfang 1801 bei der Rückkehr von Petersburg, das
andere Mal im Sommer 1802 in Begleitung feiner Gemahlin.
Nach der Landung in Abo (11. Iuni) befuchte das Königspaar den
Ererzierplag von Parola, wo die finnischen Truppen verfammelt
Album“ III, 129sgq., IV, 4özgg. (Helfingfors, 1861— 1862); DO. Han=
nilainen, Vanban Suomen eli Viipurin läänin oloista 1811» vuosisadalla
(Helfingfors, 1888); I. R. Danielfon, Viborgs äterförening med
det öfriga Finland (Helfingfors,1894). — Urkunden im „Schwed. Reichs—
archiv“.
1) Reuterholm (1756—1813) war auf ben Gute Swidja in Finnland
geboren.
Schybergſon, Geſchichte Finnlande. 28
434 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolie.
waren, ferner Helfingford und die öftliche Grenze, worauf es
nach Abo zurückkehrte, um dort bis zum 8. Auguſt zu bleiben.
Cine bejondere Bedeutung erhielt dieſer Beſuch dadurch, daß
der König den Grundftein zu einem neuen, prächtigen Gebäude
für die Aboer Univerfität legte. Lettere, welche Männer wie
Porthan, Calonius, Franzen, Jakob Tengftröm, Johann Gabdolin,
G. G. Hällſtröm nnd ©. I. Hartman zu ihren Lehrern zählte,
bildete in jenen Tagen den Mittelpunkt des geiftigen Lebens
für das ganze Yand und genoß im gefamten Norden hohes
Anjehen. Mit Rückſicht auf den blühenden Zuftand der Hoc-
ichule äußerte König Guſtav IV. damals die Abficht, jeinen
Sohn Karl Guftav, welcher den Titel „Großherzog von
Finnland“ führte, dereinft an der Aboer Univerfität erziehen
zu laſſen; doch jtarb der junge Prinz bereit 1805.
Während die jchönwiffenjchaftlichen und gelehrten Be—
jtrebungen ihren Hauptfig an der Aboer Univerfität hatten,
gelangte der Eifer für die ökonomiſche Entwidlung des Yandes
dur Stiftung der „Finniſchen Haushaltungsgejellichaft“ zum
Ausdrud. Diejer Gejellichaft, welche in ihrer erjten Sitzung
(1. November 1797) den Biichof Jakob Gadolin zum Vorſitzenden
und den Oberlandrichter Dlof Wibelius zum Sekretär wählte,
traten von Anfang an 125 Finnländer der verjchiedeniten
Stände bei: jo z. B. die PBrofefforen H. ©. Porthan, Johann
Gadolin, Gabriel Bonsdorff und 3. Pipping, der Vermeffungs-
oberdireftor Alfving, der Kammerrat A. I. Winter, der Bergwerfs-
befiger 8. 5. Bremer und der Hofgerihtsrat Samuel Magnus
Ehrenmalm. Die Vereinigung gab fich eine jelbftändige Or-
ganijation, tellte fich aber unter den Schuß der Regierung,
um von leßterer pekuniäre Unterſtützung für ihre Zwecke
genießen zu fünnen. Am 4. Februar 1798 nahm der König die
„Königlib Finniſche Hausbaltungsgejellichaft“ unter feinen
unmittelbaren Schuß und beftätigte ihre Statuten. Die Ge-
jelljcyaft wurde mithin gleichzeitig eine freie Hochſchule zur
Förderung der öfonomijchen Interefjen und ein Organ für
die den Wohlftand Finnlands bezwedenden Bejtrebungen der
Regierung.
Guſtav IV. Adolfs Selbftregierung. Finniſche Hausbaltungsgefellichaft. 435
Der allgemeine Charakter der Thätigfeit der „Finniſchen
Haushalturgsgefellichaft“ ift durch ihre noch Heute im unver:
änderter Richtung weitergehende Arbeit befannt. Indeſſen ift
auf einige Unternehmungen bejonders hinzuweiſen, bei denen
die während der erjten Jahre ihres Beſtehens befonders große
Rührigkeit der Gejellichaft zum Ausdrud fam. ine der
erjten Aufgaben, welche fich die Vereinigung ftellte, war eine
vollftändige ökonomiſche Beichreibung Finnlands, zu welchem
Behufe ein Schema für Kirchipielbefchreibungen angefertigt
und verteilt wurde. Die Materialien für dieſes umfafjende
Werf waren jchon zum Zeil gejammelt, ald das Unternehmen
durch Ausbruch des Krieges von 1808/9 eine Lnterbrechung
erfuhr. Erfolgreicher erwiejen fich die Bemühungen der Ge-
jellichaft für allgemeine Verbreitung der Kartoffel in Finnland,
wo die Kartoffelpflanze erjt nach der Heimfehr der finnijchen
Soldaten aus dem Siebenjührigen Kriege befannt geworden
war. Die Vereinigung, welche jeit ihrer Stiftung Ddiejer
Sade ihre Aufmerkiamfeit gewidmet hatte, bat die Regierung
1800 um Geldmittel zur Ermöglichung einer allgemeineren
Kartoffelfultur. Da die Regierung, ftatt der begehrten 600
Reichsthaler, jogar 1000 jährlich bewilligte, ſah man fich in
der Yage, energifch vorzugehen. Schriften, welche Angaben
über den Nuten der Kartoffel und über ihren Anbau ent-
hielten, wurden verbreitet, Kartoffelpflanzen, namentlich in den
inneren und nördlicheren Yanvdesgebieten, zur Ausſaat verteilt
und Privatperjonen aufgefordert, bei dem gemeinen Mann
für den Kartoffelbau Propaganda zu machen. Dieje Be-
jtrebungen waren von großen und jchnellen Erfolgen begleitet.
Schon 1807 fonnte die Gejellihaft auf Grund von Berichten
der Yandeshauptleute mitteilen, daß die Kartoffel allgemein
Eingang gefunden babe, und daß e8 nur noch in Savolaks
und SKarelien beionderer Maßnahmen zur Förderung des An-
baus bedürfe.
Eine der Vereinigung nicht minder am Herzen liegende
Angelegenheit war die Einführung der noch faft völlig unbe-
fannten VBaccination. Die zu diefem Behufe 1803 von der
28 *
436 Fünfte Periode. Die Zeit Guftaus III. und Guftav IV. Adolfs.
Regierung alljährlich bewilligten 2000 Reichsthaler wurden
zu populären Impfichriften, zur Ausfendung von Baccinateuren
in alle Zandesteile jowie zur Belohnung für glücklich bewerf-
jtelligte Impfungen verwendet. Um auch für die Zukunft
eine fortdauernde allgemeine Vaccination zu ermöglichen, be-
antragte die Gejellichaft, daß zur Erlangung des Küfteramtes
Vertigfeit im Impfen eine Bedingung jein jollte; ein Vor—
ichlag, welcher die Genehmigung der Regierung fand. Diefer
Baccinationsmodus war noch bis vor kurzem in Finnland in
Geltung.
Auf Veranlaffung der Regierung erteilte die Gejelfichaft
ferner ein Gutachten über Mittel zur Verbreitung der Hand—
fertigfeit in den nördlichen und inneren Teilen Finnlande.
Sie warnte darin vor Maßnahmen, welche das Handwerk zu
einem fabritmäßig betriebenen und von Kapitaliften abhängigen
Gewerbezweig machen könnten, während dasjelbe durch an—
dauernden Unterricht allmählich zum Aufblühen gebracht und
neben dem Aderbau zu einem wichtigen Nebenerwerbszweige
für die inneren Pandesdiftrifte geftaltet werben könnte. Im
Zuſammenhang hiermit wurden auf Antrag der Vereinigung
zur Unterftügung der Flachs- und Hanfkultur in Karelien und
Savolaks vonjeiten der Regierung je 500 Neichsthaler auf
drei Jahre bewilligt.
Schließlich ift von Unternehmungen, welche die Gejelljchaft
mit Unterftügung der Regierung zuftande bringen wollte, die
Gründung einer Disfonto- oder Darlehnsfaffe in Abo zu
erwähnen. Diejelbe begann am 1. Auguft 1806 mit einem
Grundkapital von 150000 Neichsthalern und einer gleich
hoben, von der ſchwediſchen Staatsbank vorgeftredten Summe
ihre Thätigkeit, welcher jedoch der Krieg von 1808 ſchnell ein
Ende bereitete.
Wie lebhaften Anteil das Publitum an den Beftrebungen
der Gejellichaft nahm, geht nicht minder aus den wertvollen
Beiträgen hervor, welche aus allen Landesteilen für bie
„Publikationen“ des Vereins geliefert wurden, als aus den ber
Geſellſchaft zufallenden Schenfungen. So fah fich die Gefell-
Die Einführung der Kartoffel, der Impfung umd andere Reformen. 487
ichaft 3. B. durch das Teftament des Aſſeſſors Gabriel Ahlınan
1798 im ftande, in Birkfala, Mefjuby und andern in der Nähe
von Tammerfors liegenden Kirchipielen die „Ahlmanjchen Schu:
lien“ zu gründen, welche unter der Bevölkerung eines ausge—
dehnten Gebietes innerhalb der Provinzen Abo und Tawaftehus
bi8 auf unjere Tage Aufklärung und Kenntniffe verbreitet haben.
Ebenso teftamentierte Brofeffjor Johann Bilmark einen bedeutenden
Teil feines Vermögens der Gejellichaft‘ als Kolonifationsfonds
für den gemeinen Mann. Cine beträchtliche teftamentarifche
Dispofition des Apotheker Anders Svahn jchlieglih war zur
Förderung wohlthätiger oder öfonomifcher Unternehmungen
beftimmt.
Unabhängig von der „Finniſchen Haushaltungsgefellichaft“
nahm die Regierung damals die alten Stromreinigungs- und
Durchfahrtöpläne wieder auf. Die durch Erlaß vom 17. De-
zember 1799 einberufene Stromreinigungsdireftion, zu deren
erften Mitgliedern Graf W. M. Klingjpor, der Landeshaupt-
mann E. ©. v. Willebrand in Abo-Björneborg, Oberft Johann
Friedrich Aminoff, Kammerrat A. I. Winter jowie Profefjor
9. ©. Porthan gehörten, erhielt nämlich den Auftrag zur
Vornahme von Stromreinigungsarbeiten im Kumofluffe, zu
welchem Zwed ihr 6000 Reichsthaler jährlich und eine Arbeits-
mannſchaft von 500 Mann Miliztruppen während der
Sommermonate zur Verfügung geftellt wurden. Ein von ber
Direktion vorgelegtes Projekt, betreffend die Umgehung der zahl:
reihen Stromjchnellen des Kumoflufjes oberhalb des Dorfes
NYliftaro und der Kirche von Kumo vermittelft eines Kanals,
fand die Zuftimmung der Regierung.” Die Arbeit begann
1803 und wurde darauf jeden Sommer fortgejekt, ſodaß
Profeffor Gabriel Bonsdorff, welcher 1807 das Unternehmen lei:
tete, verfichern zu fönnen glaubte, daß der Kanal vielleicht
ihon im nächiten Jahr eröffnet werden fünnte. Kurz darauf
begann jedoch der Krieg mit Rußland, welcher nicht nur die
Arbeit unterbrach, jondern auch bewirkte, daß das Unternehmen
überhaupt aufgegeben wurbe.
Es bedarf nur eines flüchtigen Einblids in Kirchſpiel—
438 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs.
beſchreibungen jowie in jtatiftifche Mitteilungen vom Ende des
18. und vom Beginn des 19. Jahrhunderts, um zu erfennen,
daß fih das finnische Volk nunmehr einen feften ökonomiſchen
Wohlſtand erworben hatte. In allererfter Linie hatte ver Acker—
bau einen Aufſchwung genommen, wobei die Grundbefigverteilung
(storskifte) und die damit zufammenbängenden Kolonifationen die
am mächtigften wirkenden Triebfedern gewejen waren. Während
Finnlands Getreideproduftion bisher oft dem Bedürfnis keines—
wegs entiprochen hatte, wurden im letten Jahrzehnt des
vorigen Jahrhunderts alljährlich etwa 45000 Tonnen Getreide
erportiert. Die ZTrodenlegung von Sümpfen und Moräjten
wurde im ganzen Land eifrig und erfolgreich betrieben. Die
Betriebsmethoden beim Aderbau waren noch immer jehr ver-
ſchieden. Abo-Björneborg und Waſa hatten in biejer Hinficht
einen entichiedenen Vorſprung. Die nyländiichen Bauern be-
fümmerten fih mehr um Handel und Schiffahrt, während
fie fih in bezug auf rationelle Pflege des Aderbaus mit den
Bewohnern der beiden genannten Provinzen nicht zu mefjen
vermochten. Was Tawaſtland betrifft, jo war die uralte
Flachskultur in den Kirchipielen Yängelmäfi, Meffuby, Orivefi
u. ſ. mw. eine ertragreiche Nahrungsquelle. In den Bezirken
Keuru, Saarijärvi, Nautalampi und in anderen nördlichen Re—
gionen von Tawajtland und Savolaks jowie im Lehen Kajana
nebjt dejfen Umgebung herrichte das früher übliche Abſchwen—
den des Bodens, troß der Beitrebungen der Gejetgebung,
dasjelbe zu verhindern oder wenigjtens einzujchränfen, noch
immer vor; doch war auch hier der Kornertrag teilweije
reichlich, fo daß z. B. Savolaks die Kornkammer Ofterbottens
genannt wurde. Im der Provinz Uleäborg war die Theer-
brennerei ein mit dem Aderbau an Bedeutung wetteifernder
Nahrungszweig. ine bejondere Region bildete schließlich
Nord-Karelien, wo die Grundbefigverteilung noch beinahe voll-
ftändig unbelannt war. Zwar hatte die Bevölkerung das
Recht erhalten, auf eigene Hand Befitverteilungen zu bewerk—
ftelligen; aber noch waren hier wie in Kemiträsf und in
Kuufamo ausgedehnte Waldgründe ungeteilt. Landſtraßen waren
Die wirtichaftliche Lage um 1800. 439
in Nord-Karelien eine erjt in den legten Jahrzehnten ein-
geführte Neuigfeit ?).
Ebenjo wie der Standpunft des Aderbaus in den ver:
ſchiedenen Landesteilen verjchieden war, ebenjo verhielt es fich
auch mit den Sitten, Gewohnheiten und der Lebensweife des
gemeinen Mannes. Der Küftenbewohner, welcher durch den
namentlih mit Stodholm lebhaften Handels- und Schiffe-
verfehr jowie durch die bei den zahlreichen Berg: und Säge—
werfen berrjchende Thätigfeit häufig Gelegenheit zum Verdienen
hatte, war lebhafter, beweglicher und unternehmungsluftiger
al8 der Bewohner des Binnenlandes ?).
Der gemeine Mann zeichnete fich durch Gottesfürchtigkeit,
Kedlichkeit, Gehorſam gegen die Geſetze und dur Treue
gegen König und Obrigkeit aus. Ein augenfälliger Fehler
war indeffen ein bittere8 Mißtrauen gegen Standesperjonen
und Beamte, ein Mißtrauen, welches fich freilich minder in
den mehr bebauten, jüdlichen und weftlichen als in den
nördlichen und öftlichen Landesftrichen geltend machte. Der
wejentlichfte Grund dazu lag in den abminiftrativen Miß—
bräuchen, deren Drud am meiften auf den von den Zentral-
punkten entfernten Gegenden laftete. Am ſchärfſten trat dieſer
Zug in Karelien hervor’). Das Mißtrauen wurde durch
die Unkenntnis einiger, bejonders höherer Beamten in der
Finniſchen Sprache gejteigert und Hat fich bei einem Zeil
des finnischen Volkes bis auf den heutigen Tag erhalten.
Unter den Imduftriezweigen auf dem Lande hatten bie
Hütten- und die Sägeinduftrie, wie beim Ende ber Freiheitszeit,
1) Bol. Erih Tuneld, Inledning till geographien öfver Sverige,
p. 242—534 (7. Auflage; 1794). — Norb:ftareliens erfte große Land—
ſtraße ging von Kerimäti durch die Kicchfpiele Kefälats, Kides, Tohma—
järvi, Jlomants und Pielis nah Maanielfä.
2) Lencavift, Jämförelse mellan äkerbruket i Karislojo och Ori-
vesi socknar, in: „Abo Tidningar“ (1775), p. 169, 181, (1776) p. 15,
36, 41, 49 u. 57.
3) O. F. Wetterboff, Militärisk beskrifning öfver Karelen: Manu—
fript in der Stodholmer Könige. Bibliothek.
440 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs.
die größte Bedeutung, wenngleich ſich eine beträchtliche Ver—
mehrung der Induftrieanlagen nicht bemerkbar machte. Der
Hauptfig der genannten Induftrieen war nad wie vor bie
füdliche Küftenftrede zwifchen Abo und dem Kymmenefluſſe
In Nyland gab es folgende Hüttenwerle: Strömfors in
Elimä, Forsby in Perno, Fagervif in Ingo, Spartä in
Karis, Billnäs (zwei Hütten), Fisfars und Antjfog in Pojo,
Stogby in Tenala und Kellontosfi jowie Orijärvi in Kisko;
im Abo-Björneborg: Kostis, Kuftö und Tykö in Bjerno, Dal
und Björkboda in Kimito, Kirjakfala in Usfela, Männäis in
Nykyrka, Kauttna in Eura jowie Fredrifsfors und Frebrifs-
berg in Ulfsby; in der Provinz Waſa: Orisberg in Storkyro
und Kimo fowie Oravais in Wörd; im Innern des Landes,
wo der Mangel an Kommunifationsmitteln den Abſatz hin—
derte, war fortdauernd Strömsdal in Nilſiä das einzige
Eifenhüttenwerf. Bon Gflashütten jeien außer dem alten
Avik in Somero genannt: Notijö in Urdiala, Forsnäs in
Ulfsby und Nyby in der Nähe von Ufleiborg; in Yärvenoja
nicht weit von Abo befand fich eine größere Papierfabrif. Im
übrigen gab es im ganzen Lande größere und Heinere Mühlen,
Ziegeleien, Salpeterfiedereien u. j. w. Schiffbau wurde im
Schärengarten und überall an der Küfte infofern betrieben, als
die Bevölferung die zahlreichen Eleineren Fahrzeuge, welche
ihre Produkte in die finnifhen Städte und nah Schweden
brachten, jelber verfertigte; eime eigentliche Schiffbauinduftrie
bejtand indeffen nur in den Küftenfirchipielen der Provinz
Waſa.
Der ſteigende Wohlſtand auf dem Lande übte eine lebhafte
Einwirkung auf die Städte, deren Handel und Induſtrie,
namentlich an der Küſte, einen ſchnellen Aufſchwung nahm.
Ein entſchiedenes Übergewicht über die übrigen Städte beſaß
Abo, deſſen Bevölferung 1791—1800 von 8504 auf 11300
Perjonen (einjchließlih 486 Mann Befagung) ſtieg. Der
Handelsverfehr beſtand Hauptfächlid im Import vom Aus-
lande (1781 im Werte von 104987 Reichsthalern) jowie im
Handel mit Stodholm. Die Stadt beſaß zwei Schiffewerften,
Finnfands Induftrie und Handel um 1800. 441
zweit Zabaffabrifen, eine Zuderfabrif, drei Seidenwaren-
fabrifen, zwei Quchfabrifen, eine Borzellanfabrif und eine
Segeltuchfabril. Der Einwohnerzahl nach die zweite Stabt
war Helfingfors, welches jeit der Gründung von Speaborg einen
großen Aufjhwung genommen hatte und (1805) 4337 Be-
mwohner zählte. Der Import wurde 1787 auf 46111 Reiche:
thaler geſchätzt; auch bier gab es mehrere Fabriken. Uleaͤ—
borg mit 3345 Bewohnern übertraf Helfingfors an Lebhaftig-
feit des Handelsverkehrs. Der Wert der Waren, welche
auf den zahlreichen nördlichen Strömen hierher geichafft und
dann exportiert wurden, war beträchtlich; die Salzeinfuhr
betrug jährlich 8—9000 Tonnen. Hierauf folgten Waſa mit
2538 und Björneborg mit 2510 Einwohnern. Die übrigen
Seeftädte hatten nach den jtatiftiichen Tabellen von 1805
folgende DBewölferungsziffer: Borgi 2038, Yowija 1960,
Gamla Karleby 1710, Nyftab 1682, Raumo 1673, Efenäs
1260, Braheftad 1169, Kriftineftad 1152, Jakobſtad 1088,
Nykarleby 765, Nüdendal 705 und Kaskö 358. Beachtens-
wert erjcheint die Größe der Handelsflotte auch in den
fleineren Seejtädten. Ein Hauptbeftandteil der Einfuhr war
überall Salz; der Export beftand im allgemeinen in Wald—
und Aderbauproduften; doch erportierte Abo auch Eifen und
Induftrieerzeugnijfe. Die nenangelegten Städte im Binnen-
lande waren faum noch etwas anderes als Feine Marktfleden.
Tawaftehus beſaß 1689, Kuopio 819, Tammerfors 602,
Heinola 422 und Kajana 313 Einwohner.
Die ftatiftiihen Tabellen ergeben, daß die Vollksvermeh—
rung ohne Unterbrechung fortdauerte. Während 1795 bie
Bevölferungsziffer 760965 Seelen betrug, ſtieg fie 1800
bi8 1807 von 834829 auf 914565 Perfonen; während eines
halben Jahrhunderts hatte fie fich verdoppelt. Am ftärkten
war die Voltsvermehrung in den am fpärlichiten bevölferten
Provinzen Uleäborg, Waſa und Kuopio geweien. Schwediſch—
Karelien, welches in den dreißiger Jahren des 18. Jahr-
hunderts faum mehr ald 15—20000 Bewohner zählte, hatte
deren nunmehr 56376. Von den 895773 Bewohnern Finn-
442 Fünfte Periode, Die Zeit Gujtavs II. und Guſtav IV. Adolis.
lands im Jahre 1805 famen auf Abo-Björneborg rund 207 000,
auf Nyland» Tawaftehus 186000, auf Kuopio 144000, auf
Waſa 141000, auf Heinola 122000 und auf Uleiborg 92000.
Die ftädtifche Bevölkerung bildete mit 43500 Seelen jaft
5 Prozent der gefamten Einwohnerzahl.
Bei einem Blick auf die Zuſtände in den durch die
Friedensverträge zu Nyftad 1721 und Abo 1743 mit Ruß:
land vereinigten Gebieten der ehemaligen Provinzen Kexholm,
Wiborg und Kymmenegaͤrd ſehen wir, daß fich die dortige
Entwidlung im wejentlih anderer Nichtung bewegt hatte als
in dem Großfürftentum Finnland.
Die von Peter nach dem Fall Wiborgs in den Provinzen
Wiborg und Kexholm 1710 eingeführte militärijche Ber:
waltung wurde auch nach dem Frieden von 1721 mehrere
Jahre faſt unverändert beibehalten Y. Als Oberbefehlshaber
(Woiwode) ſtand Oberſt Iwan Schuwalow, ein tüchtiger und
um das Wohl der Bewohner bemühter Mann, an der Spitze
der Regierung, welche im übrigen von den Zentralbehörden
in Petersburg verwaltet wurde. Das ſchwediſche Geſetz behielt
ſeine Gültigkeit. Im Nyſtader Frieden war allerdings ein dar—
auf bezüglicher Vorbehalt zu gunſten der abgetretenen Gebiete
von Kexholm und Wiborg nicht gemacht worden; aber
allmählich und faſt unmerklich brach ſich bei den Behörden die
Auffaſſungsweiſe Bahn, daß die im Friedenstraktat befind—
lihen Bejtimmungen über Efthland und Livland auch für die
Gebiete nördlih vom Finniſchen Meerbuſen Gültigkeit haben
müßten. Dieje Anficht befeftigte ſich durch Beſchlüſſe ver-
ichiedener Behörden und machte jich im den dreißiger Jahren
1) Gabr. Lagus, Nägra förhällanden i Wiborg under ryska oc-
cupationen (Programm bes Wiborger Klaſſiſchen Pyceums 1888— 1889)
giebt verſchiedene Notizen über die dortige ruffiiche Mominiftration feit 1719.
Die ruſſiſchen Teile Finnlands jeit 1721. 443
des 18. Jahrhunderts immer unbeftrittener geltend. Den im
Aboer Frieden 1743 abgetretenen Candesteilen war durch den
Friedenstraftat jelbft die Beibehaltung ihrer alten Gewohnheits-
rechte und Privilegien zugefichert worden, weshalb daſelbſt auch
alle juridifchen Entjcheidungen nach dem Geſetzbuch von 1734
gefällt wurden. Eine Verfügung von 1763 bejtimmte, daß
jene Geſetzbuch bei Kapitalverbrechen auch in Wiborg - Ker-
holm Anwendung finden follte. Ebenſo ging man bei Steuer-
fragen auf die Verhältniſſe unter ſchwediſcher Zeit zurüd.
Bei einer 1728 — 1729 unter Leitung des Affefjord Anton
v. Sala vorgenommenen Steuerrevifion wurden nämlich
die Steuern gemäß den von früher ber gültigen Grund—
fügen feftgeftellt, wobei die Bodenrente verhältnismäßig niedrig
berechnet wurde. Diejelbe Berechnung blieb zum Vorteil der
Bevölkerung im wejentlichen auch bei jpäteren Reviſionen be-
fteben.
In den dreißiger Jahren des vorigen Sahrhunderts trat
der Wiborger Diftrift in nahe administrative Verbindung mit
Efthland und Livland, da man der Meinung war, die Zuftände
in Ruſſiſch-Finnland jeien denen in Ejthland und Livland fo
ahnlih, daß erjteres bequem denjelben Zentralverwaltungs-
behörden wie jene unterftellt werden fönne Dem 1731 für
Lioland und Efthland eingerichteten Reichslammerkontor zu
Petersburg wurde denn auch jchon im nächften Jahre die Er-
ledigung der Kameraljachen des Wiborger Diftrifts übermwiefen.
Ferner verordnete ein Erlaß von 1735, daß für die Gerichte
des Wiborger Diftrifts das Neichsjuftizkollegium für livländiſche
und ejthländiiche Angelegenheiten in Petersburg die höhere
Inſtanz bilden folltee Seitdem gewann der deutſch-ruſſiſche
Beamtenadel der DOftjeeprovinzen einen mächtigen Einfluß in
Ruſſiſch-Finnland. Die Höheren Beamtenpoften wurden bald
fait ausjchließlih mit Deutſchen beſetzt. Deutſche Sprache
und deutſche Bildung ſchufen ſich hier im Norden einen
äußerſten Vorpoſten und wurden die Brücke, welche jene ent—
legenen Landesſtriche mit Weſteuropa verband. Andrerſeits
wurde freilich hierdurch die Kluft noch erweitert, welche ver:
444 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guſtav IV. Abolie.
möge der politifchen Abjonderung zwijchen der dortigen Be—
völferung und ihren ehemaligen Brüdern in Schwediſch-Finn—
fand entjtanden war.
Durch den Äboer Frieden (1743) erhielt Ruffisch- Finnland
eine Gebietderweiterung und einen nicht geringen Zuwachs an
geiftigen wie materiellen Kräften. Infolge deffen trat in ad—
miniftrativer Hinficht eine erhöhte Weftigfeit in ber Organi-
jation der einheimifchen Behörden ein. Im Jahre 1744
wurden die Provinzen Wiborg, Kerholm und Kymmenegärd zu
einem Gouvernement unter Leitung eine® Gouverneurs ver-
einigt, dem ein Nat jowie je ein Sefretär in der ruffiichen
und der jchwediichen Abteilung der Gouvernementsdireftion zur
Seite ſtand. Subalternbehörden waren die PBrovinzialfanzleien
zu Wiborg für Wiborg-Kexholm jowie zu Willmansftrand für
Kyınmenegärd, jede unter Oberaufficht eines Statthalters.
Außerdem gab es in Wiborg, Kerholm und Willmanftrand
Rentlammern, denen ſechs SKommifjariate (Kronvogteien)
untergeordnet waren. Alle diefe Beamten ſollten fich nach
den in Schweden für die betreffenden Beamten beftehenven
Inftruftionen richten. Das Gerichtswejen wurde ebenfalls
nach ſchwediſchem Vorbild durch Errichtung von Oberlandes-,
Diftrifts- und Nathausgerichten (in den Städten) ſowie eines
Untergerihts in Willmanftrand geordnet. Alle dieſe Be—
börden ftanden unter dem deutſchen Reichskammerkontor und
dem deutſchen Neichsjuftiztollegium in Petersburg. Als Amts-
iprache wurde Schwedisch, Deutih und Ruſſiſch in bunteſter
Miſchung gebrauht. Die zum größten Teil einheimijchen
Subalternbeamten und die Richter, welche in Abo ftudiert
hatten, jprachen Schwediſch. Bei den höheren Regierungs-
behörden war die deutſche Sprache vorherrſchend. Bei der
Gouvernementsdirektion war Ruffifch die offizielle Sprache.
Diefe Verwaltungsorganifation war um jo mehr eine
wirkliche Verbeſſerung, als fie auf verfchiedenen Gebieten die
ſchwediſchen Formen wieder aufnahm. Aber die Vorteile einer
jolden Reform wurden in nicht geringem Maße durch das
Donationswefen vereitelt, welches auf die fozialen und öfono-
Das ruffiihe Donationsweien. 445
mifchen Verhältnijje der Provinz höchſt verderblich einwirfte.
Unmittelbar nah dem Halle Wiborgs verteilte nämlich Zar
Peter mit jo freigebiger Hand Donationen innerhalb des er-
oberten finnischen Gebiets, daß letteres binnen wenigen
Jahren faſt vollftändig verfchenft war, zumeift an ruſſiſche
Zivil und Militärbeamten. Zwar wurden 1720 alle Leben
wieder eingezogen, welche weitlich vom Wege zwijchen Wiborg
und Kerholm lagen; vielleicht, weil der Zar dieſen Landſtrich
beim Friedensihluß an Schweden wieder abzutreten gedachte.
Aber bald, injonderheit 1726— 1728, vermehrte fich wieder bie
Zahl der Schenkungen. Anfangs wurden die Yehen auf be-
liebige oder auf Yebenszeit verliehen; jpäter wurde jedoch bie
erbliche Verleihung für ewige Zeiten üblih. Gegen Ende des
Jahrhunderts erfolgte die Verteilung umfangreicher Gebiete
unter der Form der Kronpacht.
Die Bauern auf diefen Donationsgütern waren, unter
dem Schuße des gültigen ſchwediſchen Geſetzes, perjönlich frei
und auch in öfonomijcher Hinficht unabhängig. Sie bezahlten
ihren Herren eine durch Abſchätzung des Grundbeſitzes feft-
gejtellte Abgabe, wovon zwei Drittel den Donataren und ein
Drittel der Krone zufielen; aber im übrigen waren die Herren
nicht berechtigt, fich in ihren privaten Haushalt einzumijchen
oder über ihr bewegliches Eigentum zu verfügen. Gleichwohl
verjchlechterte fich die Yage der Donationsbauern mit jedem
Tage. Die Donatare überließen die Verwaltung nämlich
Vögten, welche, ohne im allgemeinen von der jtrafenden Hand
des Geſetzes ereilt zu werden, die Bauern bedrücdten und
um jo übermütiger waren, als fie häufig nicht bloß als Diener
ihres Herrn jondern gewijjermaßen auch als öffentliche Be—
amte fungierten, indem fie für Rechnung der Krone bie
Steuererhebung vollzogen und die Bolizeigewalt auf den Gütern
ausübten. Ihre eigennügige und willfürliche Handlungsweije
bildete einen Hauptgrund dafür, daß die Provinz nicht den—
jelben öfonomijchen Aufſchwung nahm, wie Schwebifch-Finn-
land. Im übrigen erjcheint beachtenswert, daß die ruffiichen
Behörden infolge ihrer geringen Kenntnis der ſchwediſchen
446 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guſtav IV. Adolis.
hiſtoriſchen Entwidlung das Eigentumsrecht der Zinsbauern
ebenjo wenig rejpeftierten, wie das der Kronbauern.
Ein unjchätbares Glüd war, daß die ruffiiche Regierung
in religiöjer Hinficht völlige Toleranz beobachtete und der luthe-
riſchen Kirche nicht minder als der griechiſch-orthodoxen Unter:
ftügung und Schuß gewährte. Die Iutherifche Geiftlichfeit war
dem in Wiborg 1720 errichteten Konfiftorium (vgl. ©. 306) und
feit 1743 einem zweiten für die neugeivonnenen Gebiete ge-
ſchaffenen Konfiftorium zu Fredrikshamn jubordiniert. Jedes
derjelben bejtand aus einem Dompropft als Borjigenden,
vier Mitgliedern und einem Sekretär. Die lutheriichen Geift-
lichen waren faft ausichließlich Landeskinder, die an der Aboer
Univerfität ihre Ausbildung empfangen batten. Sie genojjen,
abgejehen von einigen Ausnahmen, Achtung und vermochten
erfolgreih die Konkurrenz; mit den zahlreichen griechtich-
katholischen Prieftern und Mönchen zu befteben, welche einem
Dompropit in Wiborg fowie der Petersburger Heiligen Synode
unterjtellt waren. Härter wurde das Yos der Schule unter
dem rujjiichen Regime. Die während des großen nordijchen
Krieges in Verfall geratenen Yebhranftalten wurden nicht von
neuem errichtet, jo daß jeit 1710 lange Zeit in der Provinz
Wiborg feine auf Staatskoften unterhaltene, öffentliche Schule
eriftierte. Erjt 1745 fam eine Schulordnung zu Stande, wodurch
in Wiborg eine fünfflaffige Kathedralichule gegründet wurde,
in welcher, gleichwie in den jchwediichen Trivialichulen, das
Lateiniſche die Hauptrolle jpielte, aber auch Ruſſiſch, Deutich,
Franzöſiſch und Schwedijch zu den Yehrgegenftänden gehörte.
Gleichzeitig erfolgte die Gründung einer zweiflafjigen Trivial—
ichule in Fredrikshamn jowie von Pädagogien in Willman-
ftrand, Nyjlott und Kexholm. In allen diejen Schulen wurde
die Unterrichtsiprache allmählich die deutjche, jo daß das
Deutjhe die Herrichaft in dem gejamten Bildungsleben der
Provinz gewann.
Im Jahre 1766 berief die Kaijerin Katharina Deputierte
aus Rußlands verjchiedenen Provinzen, u. a. auch aus Ruſ—
jifch - Finnland, um eine Gejegfommilfion zu bilden, welche
Die ruffiichen Verwaltungsbehörden von 1766-1797. 447
ein einheitliches Syſtem für die Nechtspflege wie für die Ad—
minijtration ausarbeiten ſollte. ine teilweiſe Ausführung
dieje8 Planes bildete das Statthalterichaftsftatut von 1775,
welches 1784 auch in Ruffiich - Finnland zur Einführung ge-
langte. Der Grundgedanke des neuen Verwaltungsſyſtems, wo—
durch zahlreiche Einrichtungen aus jchwediicher Zeit verſchwan—
den, war die Kollegialität der höheren wie niederen abmini-
jtrativen und judizialen Injtitutionen. Im Zujammenbang
biermit erfolgte die Einjegung vieler neuer Beamten, meiftens
deuticher oder ruſſiſcher Abkunft, welche das Volk bedrüdten und
ausjogen. Das hervorragendite diejer Kollegen war die Statt:
balterichaftsregierung in Wiborg unter Vorſitz eines General:
gonverneurs oder (in dejjen Abwejenbeit) eines Zivilgouverneurs
oder endlich (bei der Abwejenheit beider) eines Vicegouverneurs.
Der erſte Generalgouverneur war Brinz Friedrich Wilhelm Karl
v. Württemberg (1783— 1788), fein Nachfolger Graf Bruce;
jpäter blieb der Poſten häufig unbejegt. Der höchſte Militärbefehl
lag in den Händen eines Militärgouverneurs. Im übrigen
bejtand die Statthalterichaftsregierung aus zwei Räten, einem
Affeffor, einem Gouvernementsprofurator, zwei Fiskalen, zwei
GSefretären jowie Subalternbeamten. Das Steuererhebungsmwejen
und die Ofonomie verwalteten der Wiborger Kameralhof und
eine Rentkammer in jeder der ſechs Provinzialftädte Werner
wurde die gejamte Nechtspflege in die Städte verlegt und zu
diejem Behufe das Gouvernement in jech8 Kreiſe mit den Haupt-
ſtädten Wiborg, Kerholm, Sordavala, Willmanjtrand, Fredriks—
hamn und Nyſlott eingeteilt. Jede SKreisjtadt erhielt je ein
Untergericht für öfonomijche und Kreispolizeifachen jowie für
Angelegenheiten, welche die Geiftlichfeit und die Bauern betrafen ;
außerdem gab es in Wiborg ein Kreisgericht als Untergericht
für Angelegenheiten, die den Adel jomwie deſſen Donations-
und Lehngüter betrafen. Die zweite Inftanz bildeten zwei Ober-
gerichte zu Wiborg; als letzte Inftanz fungierte das Wiborger
Tribunal, welches unmittelbar dem Petersburger Senat jubor-
diniert war. Schließlich fanden fich mehrere Spezialbehörden:
das adelige Vormundſchaftsamt in Wiborg, ein Pupillenkollegium
448 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs.
in ben jechs Hauptjtädten, das Kollegium für allgemeine Wohl-
fahrtseinrichtungen in Wiborg, das „Gewiffensgericht* eben-
dafelbjt für Angelegenheiten von bejonders delifater Natur,
der Gouvernementsmagiftrat in Wiborg jowie Stadtmagiftrate.
Hierdurch erhöhte fich die Zahl der Beamten bis auf 284.
Bei den Gerichtshöfen wurden die Städte durch Vertrauens—
männer vertreten, welche den ſchwediſchen Gejchworenen ent:
ſprachen. Außerdem gab es in Wiborg wie in den übrigen
Städten jtarfe Polizeifommandos. Die Statthalterjchafte:
regierung, welche infolge der zahlreichen verjchiedenen Inftanzen
auf die Entſcheidung der Angelegenheiten lähmend einwirkte
und der zahlreichen Beamtenfchaft einen noch größeren lÜber-
mut einflößte, wurde bereit8 furz mach der Thronbefteigung
Pauls I. (1796) abgejchafft, und ein gleiches Los ereilte 1797
die übrigen 1784 eingeführten Behörden mit Ausnahme der
Gouvernementsregierung. Die Wiborger Statthalterjchaft
bildete fortan ein in ſechs Yandfommiffariate eingeteilte® „Finn—
ländiſches Gouvernement“. Das Yuftizkollegium, die Dijtrikts-
und Oberlandesgerichte wurden ebenfall8 von neuem eingerichtet,
jo daß die Rechtspflege wieder die Formen vor 1784 annahm.
Die Zahl der Beamten minderte fich infolge diejer Reform;
aber die Beamtenberrichaft laſtete fortfahrend drüdend auf der
Bevölkerung diejes Landſtrichs bis zu feiner Wiedervereinigung
mit Schwediſch-Finnland.
Die Sprachverwirrung wuchs durch dieſe abmintftrativen
Veränderungen, da die meueingerichteten Poften meiſtens mit
Ausländern bejegt wurden. Die offizielle Sprade der Gou—
vernementsleitung war und blieb die ruſſiſche. Die Mehrzahl
der übrigen adminiftrativen und legislativen Behörden, jogar
die Konjijtorien, bedienten fich jo gut wie ausjchließlich der
deutſchen Sprache. Das Schwediiche wurde bald nur noch von
einem Zeil der Untergerichte angewandt.
Auch jonft begegnet uns eine eigentümlihe Miſchung von
ſchwediſchen, deutjchen und ruſſiſchen Gejellichaftsformen und
Bildungselementen.
Der Adel, welcher nach der Eroberung nur jchwach ver:
Neuer Adel. Die drei Gilden. Die Geiftlichteit. 449
treten war, weil nur einige alte Adelsfamilien im Lande geblieben
waren und die Donationsinhaber im allgemeinen nicht auf
ihren Gütern weilten, wurde dadurch verjtärft, daß Bürger:
liche, welche beim Militär den Offiziersgrad erworben hatten,
jowie höhere Beamte durch Faiferliche Ufaje von 1721 und
1722 in den erblichen Adeljtand erhoben wurden. Zur Zeit
der Statthalterjchaftsregierung gab es ein Berfammlungshaus
für den Adel, wo in jedem dritten Jahr unter dem Prä—
fivium eines Adelsmarichalls eine Zuſammenkunft veranftaltet
wurde. Die neuen Adelsgejchlechter waren übrigens faſt aus⸗
ſchließlich deutſcher Abkunft.
Der größtenteils aus deutſchen ſowie aus ruſſiſchen (viel-
fach Teibeigenen) Kaufleuten beſtehende Bürgerftand erbielt
1785 eine eigentümliche Organtjation vermöge eines Erlaſſes,
welcher die Kaufleute nach ihrem Bermögen in drei Klaſſen
oder „Gilden“ jchied. Kaufleute der erften Gilde durften mit
dem Inland und Ausland Handel treiben jowie Fabriken an—
legen, Kaufleute der zweiten Gilde nur ausländiichen Handels-
verfehr pflegen, die Kaufleute der dritten Gilde jchließlich
mußten jich mit Kram- und Stleinhandel begnügen.
Die lebhaften Beziehungen zwifchen den Geiftlichen in
Schwediih- und Ruffiich- Finnland wurden 1794 durch eine
Verfügung der ruſſiſchen Regierung gehemmt, daß zu Geift-
lichen möglichft nur Berjonen aus Nuffisch- Finnland ſelbſt
oder aus dem übrigen Provinzen des Kaijerreihs gewählt
werben jollten. Ein weiterer Ukas von 1798 bejtimmte, daß
ruffische Unterthanen fünftig nicht mehr an ausländijchen Uni—
verjitäten ftudieren dürften, weshalb Kandidaten der Theologie
aus Ruſſiſch-Finnland fortan nicht im ftande waren, fich
an der Aboer Hochichule auszubilden. Auf ihre eigenen
Yehranftalten angewiejen, fonnte die Provinz ein Fraftvolles
Bildungsleben um jo weniger aufrecht erhalten, als auch auf
dem Gebiete des Unterrichtsweſens eine beftändige Unruhe
berrichte. Auf Grund des neuen ruffischen Voltsjchulreglements
von 1786 wurden 1788 auch im Finnländiichen Gouvernement
jämtliche Schulen aufgelöft. An ihre Stelle traten eine vier-
Schybergſon, Gefhichte Finnlande. 29
450 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Abolfs.
Haffige Normalichule (Kathedralichule) in Wiborg, eine drei—
Haffige Normaljchule in Fredrikshamn jowie zweiklajjige Volks—
ichulen in den übrigen Städten. Dieje dem Oberjchuldiref-
torium in Petersburg untergeordneten Yebranftalten waren
obne Ausnahme jowohl Hinfichtlich der Lehrkräfte wie der Unter-
richtsinethoden unzureichend, weshalb 1805 eine Reorganiſation
des Unterrichtswejens erfolgte, indem die Schulen der Aufficht
einer bei der Dorpater Univerjität eingerichteten Schulkommiſſion
unterworfen und derart umgebildet wurden, daß jchlieglich ein
Gymnaſium (in Wiborg), je drei größere und Kleinere Kreis—
ichulen, ſechs Clementarjchulen und fieben Mädchenſchulen in
Ruſſiſch-Finnland eriftierten. Nur bei dem Wiborger Gym—
naſium wurde ein völlig in ſich abgejchlojfener Unterricht erteilt ;
die Unterrichtsiprache blieb das Deutjche.
Die Bevölkerung vermochte ſich um jo weniger in intellek—
tueller und moralifcher Hinfiht emporzuarbeiten, als ich
ihre joziale Lage andauernd verjchlechterte.e in Erlaß von
1783 verfügte, daß die Bauern nur mit Zuftimmung des
Kameralhofes die Kommune oder das Dorf verlaffen dürften,
wo fie in die Steuerrolle eingetragen waren. Abgeſehen
davon, daß die Bauern hierdurch an die Scholle gebunden
wurden, jo wurde auch ihre perjünliche Freiheit durch Die
Sutsbefiger auf allerlei Weije, meijtens mit Unterftügung der
Gerichtshöfe und Behörden, eingejchränft und die Zahl der
Abgaben und Fronen ohne Rückſicht auf ältere Beitimmungen
vermehrt. Die Bauern machten wiederbolentlich ihrer Ver—
zweiflung in blutigen Tumulten Luft. So zum Beijpiel auf
den Gütern Jaakimvaara, Barikfala und Kronoborg, wo die
Vögte der Befigerin, Frau Stawronsfi, 1779 willkürlich die
Steuern erhöht hatten. Nach Zurücdweifung der biergegen ein—
gereichten Klage verweigerten die Bauern die Bezahlung der
Steuern, leifteten der Polizei erfolgreichen Widerjtand und
wurden erſt durch Cinjchreiten der Militärmacht zur Ruhe
gebracht. Ein anderer Konflikt entjtand 1785 auf dem Gute
Zaubila des Barons Andreas Freederifs, wo ſich die Bauern
über ungejegliche Vermehrung der Frone bejchwerten, aber
Das Schulwefen. Die Berjchlimmerung der fozialen Lage. 451
von den Gerichtshöfen die Antwort erhielten, daß Baron
Freederils, wofern fich die Bauern nicht mit ihm in Güte
vergleichen würden, berechtigt jein jolle, fie von ihren Höfen
zu vertreiben. Während des nun folgenden Prozefjes, welcher
durch die Widerjpenjtigfeit der Bauern entjtand, erjchien der
für die Gejchichte des Donationsweiens wichtige Ukas vom
15. Februar (a. St.) 1798, welcher u. a. feitiegte, daß die
Untergerichte für den Fall eines Nichtvergleih8 die Steuern
und Fronen der Hinterjaffen beftimmen follten. Geſtützt auf
diefe Verordnung, erwirkte Baron Freederiks außerordentlich
vorteilhafte Bedingungen, welche 1801 von dem Petersburger
Senat bejtätigt und als „Zaubila-Kontraft“ fortan auf meh—
reren Donationsgütern bei Steuererhebungen zur Richtichnur
genommen wurden. Im April 1811 wurde jedoch der „Zaus
bila-Kontraft“ infolge der fehlenden Zuftimmung der Bauern
für ungültig erklärt. Kurz darauf erfolgte die Wieder:
vereinigung des ganzen Yandftrihs mit Wejtfinnland, worauf
die Donationsfrage in ein neues Entwidlungsjtadium trat.
Die Militärlaft war lange für die Bewohner von Ruf-
jiich- Finnland verhältnismäßig leicht, da fie von Aushebungen
und Wehrpflichtsjwang befreit waren und auch die in ber
Provinz ftehende ruſſiſche Heeresmacht nicht bejonders ſtark
war. Dies änderte fich jedoch nach dem Kriege von 1788
bis 1790. Die Zahl der ruffiihen Truppen wurde vermehrt,
jo daß die Einquartierung und andere Yeiltungen für die Be—
bürfniffe der Truppen auf dem Yande wie auf den Städten
drüdend zu laften begannen. Werner erfolgte die Anlegung
von neuen Befeftigungen bei Davidsftad und Svenskſund jowie
von Fleineren Verjchanzungen an der jchwediichen Grenze, und
die Errichtung einer Kanonenbootflottille auf dem Saimajee,
wodurch ebenfalls die Bevölkerung neubelaftet wurde Am
bärteften wirkte jedoch die Einführung der Zwangsaushebung
zum ruſſiſchen Meilitärdienft, zu welchem Bebufe 1797 die
Kirchipiele in Nefrutenbezirfe von je 500 Mann eingeteilt
wurden. Jährlich verfügte die Negierung, wieviel Rekruten
aus jedem Bezirk ausgehoben werden jollten, worauf die
29 #
— ——
452 Fünfte Periode. Die Zeit Guſtavs III. und Guftav IV. Adolfs.
Behörden zu bejtimmen hatten, wer in bie ruſſiſchen Regi—
menter eingereiht werden jolle. Von 1797 bis 1811 wurden
5733 Mann in Ruffiich- Finnland ausgehoben und der ruſſiſchen
Armee einverleibt.
Der humane Geift, welcher jeit der Thronbefteigung
Aleranders I. in den rufjiichen Regierungskreiſen berrichte,
machte fih auch in Ruſſiſch-Finnland geltend und rief Neform-
verjuche hervor; aber die Mißftände waren allzu tief einge-
wurzelt, um ohne eine durchgreifende Neorganijation aus:
gerottet werben zu fünnen. Cine Kommifjion, welche aus dem
Senator Theils als Vorfigenden und dem Generalmajor Kop—
jew, dem Oberprofurator Rejanow jowie den Staatsräten
Emine und Bolgarsfi als Mitgliedern bejtand, erhielt 1802
den Auftrag, VBorjchläge zur Förderung des Wohljtandes im
„Finnländiſchen Gouvernement“ zu machen. Allein nach acht-
jähriger Thätigkeit mußte ſich die Kommijfion auflöjen, ohne
daß ihre Projekte Annahme gefunden hätten.
Aus alledem ergiebt fich, wie viel bejjer das Los der Be—
wohner von Schwedifch: Finnland war, als das der mit
Rußland vereinigten Gebiete. Nachdem das Groffürftentum,
unter Beibehaltung feiner alten Verfaffung und feiner alten
Sejete, 1809 mit Rußland vereinigt worden war, erichien
e8 daher wünjchenswert, die Bewohner von Nuffisch- Finnland
gleicher Wohlthaten teilhaftig zu machen. „Die Bewohner
Neu -» Finnlands*, jo heißt es in einem Gutachten G. M.
Armfelts, „welche jeben, in welcher Yage fich ihre Brüder auf
der anderen Seite des Kymmenefluſſes befinden, wollen dieſe
in ihre Bruderarme nehmen, und fie wünjchen, daß auch jene
das Glück einer freien Verfaſſung, der Gerechtigfeit und hu—
maner Gejete genießen möchten. Mit Ungeduld erwarten fie
diefe Vereinigung mit ihren Brüdern, von denen fie lange
durch ein graufames Geſchick getrennt gewejen find“ !). Diejer
1) „Röflexions sur la Reunion de l’Ancienne et de la Nouvelle
Finlande“, auszüglih in: „Finsk Tidskrift‘‘ XXIV, 430 (Helfingfors,
1888); vollftändig abgebrudt bei I. R. Danielfon, Viborgs läns
äterförening ete., p. 90—102.
Die Bereinigung Alt und Neu-Finnlands (1811). 453
Wunſch wurde durch die Verordnungen vom 11. und 31. De-
zember (a. St.) 1811 erfüllt, welche „Alt-Finnland“ mit dem
Großfürftentum wieder vereinigten. Die unnatürliche Grenz-
jcheide, welche durch die Friedensverträge von 1721 und 1743
entitanden war, fiel, und eine Epoche neuer Entwidelung begann
für das ehemalige „Finnländiſche Gouvernement“.
4. Das geiflige Leben in Finnland während der Freiheitszeit
und im Öuftavianifchen Beitalter ').
Nah dem großen nordiſchen Kriege währte es lange,
bis die finnifche Univerfität wieder aufblühte Erſt in den
dreißiger Jahren des 18. Jahrhunderts trat eine neue Blüte—
zeit ein, welche gegen Ende der ſchwediſchen Herrichaft ihren
Höhepunkt erreichte. Die auf der Hocjchule herrſchende
Nichtung war von Anfang an eine andere als in ber vor—
bergehenden Epoche. An die Stelle der Theologie und der
ſcholaſtiſchen Philojophie, auf denen die Bildung des ver-
gangenen Jahrhunderts beinahe ganz und gar gerubt hatte,
traten nunmehr die Naturwiffenjchaften jowie jpäter die hiſto—
riſchen Forjchungsgebiete, während e8 an bedeutenden Ver—
1) Quellen und Nachſchlagewerke zur Litteraturgefchichte Finnlands im
18. Jahrhundert: S. G. Elmgren, Öfversigt af Finlands litteratur
I, 11 (Helfingfors, 1861 u. 1865); 9. 3. Tengftröm, Kronologiska
förteckningar och anteckningar öfver finska universitetets forna cancel-
lerer, procancellerer samt öfver faculteternas medlemmar och adjunkter
frän universitetets stiftelse inemot dess andra sekularär (Heljingfors,
1836—1838); ©. Yagus, Den svensk-finska litteraturens utveckling
frän utgängen af det Gustavianska tidehvarfvet till Runebergs fürsta
uppträdande I, II (Borgä, 1866; Abo, 1867); W. Lagus, Skalden
Joh. Henr. Kellgrens finska lefnadsminnen (Helfingfors, 1884); M. ©.
Schybergſon, Drag ur ärkebiskop Jak. Tengströms literära lif, in:
„Svenska Literatursällskapets i Finland Förhandlingar och uppsatser“
III, 1—28 (Selfingfors, 1888); 3. Krobn, Suomenkielinen runolli-
suus ruotsinvallan aikana ynnä kuvaelia suomalaisuuden historiasta
(Helfingfors, 1862).
454 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftao IV. Adolfs.
tretern der Orthodoxie völlig fehlte. Sogar die Bijchofs-
würde in Abo wurde von Männern befleidet, welche fich nicht
auf dem Gebiete tbeologiicher Gelehrſamkeit, ſondern als
Naturforicher Ruhm uud Anfehen erworben hatten, wie 3. 8.
Johann Browallius und Karl Friedrich Mennander.
Browallius (geboren in Weſteraͤs 1707), einer der tüchtigjten
Schüler von Linné und einer ber eifrigften Anhänger der Hut-
partei, hatte fich bereit8 vor jeiner Ernennung zum Profeffor der
Phyſik in Abo (1737) durch naturwifienschaftliche Schriften be-
merkbar gemacht. Auch in feinem neuen Wirkungsfreis zu Abo
förderte er mit unermübdlichem Eifer das naturwiffenjchaftliche
Studium, für welches vermöge feiner Thätigfeit eine neue Epoche
in Finnland begann. Daß er, obwohl nicht ein Dann der Kirche
in gewöhnlichem Sinne, dennoch als Biſchof (1749—55) für
bie Entwidlung des religiöjen Lebens rege Fürjorge bewies, gebt
daraus hervor, daß auf feine Veranlafjung eine neue finnijche
Auflage der Bibel erſchien. — Sein Nachfolger auf dem
Aboer Bifchofsftuhl wie auf dem Gebiete naturwiffenjchaftlicher
Studien war ein anderer bedeutender Schüler Linnds, K. Fr.
Mennander (geboren 1712 in Stodholm), welcher 1746 zum
Profeffor der Phyſik in Abo jowie 1757 nach einem beftigen
Wahltampfe, da ein großer Teil der Geiftlichfeit für den
Profeffor Jakob Gadolin ftimmte, zum Biſchof des Stiftes
Abo gewählt wurde. Beachtenswert erjcheint, daß fich fein
Forjchungseifer auch auf die Sammlung von biftorifchen Ur-
kunden erjtredte, und daß er als einer der erjten die praftijch-
vaterländiiche und ökonomiſche Richtung einzufchlagen begann,
welche jpäter der finnischen Pitteratur ein eigentiimliches Ge-
präge verlieh. Seit 1775 Erzbiſchof in Upfala, ftarb er 1786
daſelbſt.
Von ſonſtigen Vertretern der Naturwiſſenſchaft iſt nament—
lich Jakob Gadolin (1719 — 1802) zu nennen, deſſen wiſſen—
ſchaftlicher und politiſcher Thätigkeit bereits früher häufig
Erwähnung gethan worden iſt. Derſelbe ſtarb als Biſchof von
Abo; dieſes Amt hatte er ſeit 1788 bekleidet. Als hervor—
ragende mediziniſche Schriftſteller waren die beiden Profeſſoren
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ORN : :
€ Leben Finnlands im 18. Jahrhundert. 45
der Medizin an der Aboer Hochichule, Johann Leche (1704
bi8 1764) und Johann Haartman (1725—1787), thätig ?).
Das Intereffe für die naturwiffenjchaftlichen Studien ver-
band jich bald mit dem Beftreben, zur Förderung des Vater:
landes nüßliche ökonomische Entdefungen mit Hilfe der Natur-
wiffenjchaften zu machen. Die Litteratur trat bier in nabe
Berührung mit den Beftrebungen für Finnlands Kolonifation,
Vermehrung der Bevölferung und Förderung der Induftrie,
welche ihren Hauptjig auf den Neichstagen hatten. Wie jchon
©. 370 erwähnt, war auf Verlangen der Finnifchen Deputation
während des Neichstages von 1746/47 eine Profeffur für Na-
tionalöfonomie 1747 errichtet worden. hr erjter Inhaber
wurde ein finnischer Schüler Linnds, Per Kalm (1716— 1779),
welcher fich nach feiner Rückkehr von einer langen Studienreije
in Nordamerifa (1748—1751) eifrig und erfolgreich bemühte,
den nationalöfonomijchen Studien an der Univerfität Eingang
und Freunde zu verfchaffen. Gin mit Kalm nabverwanbter
Geift war Peter Hadrian Gadd (1727 — 1797), welcher 1755
zum Inſpektor der Salpeterjiedereien in Abo-Björneborg, 1756
zum „Provinzial-Schäfer* und 1761 zum Univerfitätsprofeffor
der Chemie ernannt wurde. Seine zahlreichen Schriften be—
handeln fast ausjchlieglih Fragen, betreffend den Aderbau,
das Klima, die Bodenbejchaffenheit Finnlands u. j. w. Ein
praftifches Beftreben zeigt fich auch darin, daß er, abweichend
von dem akademiſchen Brauch, in ſchwediſcher Sprache jchrieb,
um unmittelbar auf ein größeres Publifum wirken zu fönnen. —
Ihren Höhepunkt erreichten die nationalöfonomijchen Beſtre—
bungen in den Brüdern Samuel Ehydenius (1727—1757)
und Anders Chydenius (1729— 1803).
Das naturwiffenichaftlihe und nationalöfonomijche Inter-
eſſe wirkte befruchtend auf die vaterländifche Geſchichtsforſchung,
1) Über Joh. Haartman vgl. L. W. Fagerlund und Rob, Tiger-
ftebt, Medieinens studium vid Äbo universitet, in: „Skrifter utgifna
af Svenska Literatursällskapet i Finland“ XVI, 104—134 (Helfing-
fors, 1890).
456 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfe.
welche allmählich, wenn auch langſam, aufzublühen begann.
Bahnbrechend wirkten in dieſer Hinficht bejonders die beiden
Hiftorifer Algot Scarin und Johannes Bilmark. Scarin (1684
bis 1771) war in Skara geboren und hatte in Upſala jtudiert,
blieb jedoch nach feiner Ernennung zum Geichichtsprofeffor in
Abo (1722) bis zu feinem Tod in Finnland wohnhaft. Von
jeinen zahlreichen lateiniſchen Schriften erjcheinen zwei bejon-
ders beachtenswert: „Über den Urjprung des alten Wareger:
volfes“, worin er als einer der erjten die Anjicht verfocht, daß
die Begründer des Ruſſiſchen Reiches aus Schweden ftammten,
und: „Über.den Heiligen Heinrich, den Apoſtel der Finnen“, worin
er die jpärlichen Mitteilungen über den erften ſchwediſchen Kreuz-
zug nach Finnland jammelte. Scarin war ein gewijjenhafter und
gelehrter Forjcher, jein Stil aber jowohl im Schwedijchen wie
im SLateinifchen jchwerfällig und dunkel. Sein Schüler und
Nachfolger Johannes Bilmarf (1728 — 1801), welcher ebenfalls
in Sfara geboren war, publizierte u. a. eine auf umfaffenden
Quelfenftudien fußende Gejchichte der Aboer Univerfität jowie
Anmerkungen zu Paul Juuſtens Biſchofschronik, beide in latei—
niſcher Sprache ). — Scarin und Bilmarf teilen außerdem
mit Mennander, Kalm, Gadd und anderen das Verdienjt, ihre
Schüler zur Behandlung von topographiichen, Hiftorifchen und
öfonomischen Verhältniffen der Heimat angeregt zu haben. In
Disputationen, Zeitungen jowie in Bublifationen gelehrter Ge—
jellichaften erjchienen Schilderungen über zahlreiche Yandjchaften,
Städte und Kirchipiele Finnlands. Bon diejen Schriften, welche
noch heute einen wertvollen Beitrag zur Topographie Finn—
lands bilden, jei B. N. Matheſius' „De Ostrobothnia “* (Ups
jala, 1734) genannt.
Einige aus Finnland gebürtige Gelehrte waren damals auch
in fremden Ländern thätig, u. a. der ©. 333 genannte Johann
1) Bol. M. G. Schybergſon, Historiens studium vid Äbo uni-
versitet, in: „Skrifter utg. af Svenska Literatursällskapet i Finland“
XIX, 36—98 (Helfingfors, 1891). — Scarins Briefe bat M. G. Schy—
bergfon im „Historiallinen Ark.“ XII, 232—364 u. XIII, 292—342
(Helfingfors, 1893— 1894) veröffentlicht.
Nambafte Gelehrte der Univerfität Abo. 457
Ardenholg (1695 — 1777), welcher noch 1756 mit patriotifchem
Eifer in einer Brojhüre unrichtige Angaben einer holländiſchen
Zeitjchrift über die Finnländer rektifizierte und in feinem Teſta—
ment die Aboer Hochichule mit wertvollen Schenfungen be-
dachte. Ein Opfer ihres Berufs waren die beiden finnifchen
Forjchungsreifenden Peter Forſkäl (1732 — 1763) und Erich
Yarman (1738—1796), welche in Ajien ihren Tod fanden. —
Der finnische Mathematiker und Ajtronom Anders Iohann
Lexell (1740—1784) wurde 1763 zum Dozent der Mathe:
matif in Abo ernannt, folgte jedoch 1768 einem Ruf nach Peters-
burg, wo er jeit 1771 als Profejfor der Aftronomie an der
Akademie der Wiffenjchaften wirkte, obwohl Guftav III. ihn
1775 durch Ernennung zum Profeſſor der Mathematit in Abo
wieder an jein Vaterland zu fejjeln juchte. Wenige Söhne Finn-
lands haben einen gleich großen europätichen Ruf erworben,
wie diejer Schüler und Freund des berühmten Mathematifers
Euler. — Bon Dictern, welche jich frühzeitig in Schweden
niederließen, aber in ihren Gedichten Finnlands Natur und
Volk verherrlichten, jeien Dafob Freſe (geboren in Wiborg; 1690
bi8 1729) und der noch mehr als Dichter denn als Staatsmann
gefeierte Graf Guſtav Philipp Creutz (1731—1785) genannt.
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts war die größte Zierde
der Aboer Univerfität Heinrich Gabriel Porthan !), welcher ala
Univerfitätslehrer, Gejchichtsforicher und Patriot einen tief-
gehenden Einfluß ausübte Im feinen Vorleſungen behandelte
er vor zahlreihen Zuhörern philojophiiche, hiſtoriſche und
litterarsenchklopädiftifche Themata; auch veranftaltete er Kurje
in der Archäologie, Numismatif jowie (befonders bei Beginn
jeiner Yaufbahn) im Griechiichen; einmal wöchentlich pflegte er
jogar an der Hand der Zeitungen den Studenten von den Ge—
ichehnifjen im Auslande zu berichten, um dadurch das Intereſſe
1) Er war auf dem Pfarrhof Wiitafaari in Tawaftland am 8. Nov.
1739 geboren, wurde 1754 Student in Abo, 1760 Magister der Pbilojopbie,
1762 Dozent der Eloquenz, 1764 Univerfitätsbibliotbefar und 1777 pro-
fessor eloquentiae. Im Jahre 1779 beiuchte er die bedeutendften Uni—
verfitäten Norbbeutichlandse. Er ftarb am 16. März 1804.
458 Fünfte Periode. Die Zeit Guſtavs III. und Guftav IV. Adolfs.
für die allgemeinen europätichen Fragen wachzurufen. Im übrigen
interejfierte er fich bis auf die Eleinften Details für die Studien
und Arbeiten ver Studierenden, jo daß er gewijjermaßen der Vater
der Studentengenerationen wurde, welche zu feiner Zeit die Uni—
verfität bejuchten. Während diefe Seite feiner Wirkſamkeit nur
noch in der Tradition fortlebt, Hat er durch feine wiſſenſchaft—
lichen Arbeiten feinem Volk einen Schatz für ewige Zeiten
binterlaffen. Bon Anfang an wurde jeine Aufmerkjamfeit auf
Finnlands Vorzeit, deffen frühere Kolonijation ſowie deſſen
ſprachliche und geographiiche Verbältniffe gelenkt. Bereits
1766 veröffentlichte er das erjte Heft der Abhandlung: „De
poesi fennica “, einer Schrift, welche, obwohl unvolfendet, lange
das Hauptwerk über die finnifche Volkspoefie geblieben ift.
Porthan giebt Hier zum erftenmal eine Schilderung der eigen-
tümlichen Form wie der verjchiedenen Arten der finnijchen
Bolfspoefie und beleuchtet jeine Darftellung durch Auszüge aus
gedructen oder im Volksmunde noch fortlebenden Gedichten.
Seine jpäteren Forſchungen über Mythologie und Sprade
der Finnländer famen nicht zum wenigjten feinen Schülern
zugute, unter denen fi Ganander und Pencgvift im wejent-
lichen auf das von Porthan mitgeteilte Material ftügten. Selber
begann diejer die finnifche Grammatif in einer Schrift: „De
praecipuis dialectis linguae fennicae‘“* zu behandeln, wovon
jedoh nur ein Zeil (1801) erjchien. Während Porthan auf
diefem Gebiet als Bahnbrecher wirkte, welcher den Nachfolgern
die einzujchlagende Richtung wies, erhielt er Gelegenheit, rei=
here und reifere Früchte auf dem Felde der finnijchen Ge—
ſchichtsforſchung darzubieten. Seine Thätigfeit als eines Beamten
bei der Univerfitätsbibliothef, welcher er auch nach jeiner Er-
nennung zum Profefjor fortgejeßt jeine Fürſorge widmete, ver:
anlaßte ihn zur Veröffentlichung der Schrift: „ Historia biblio-
thecae regiae academiae aboensis“ (1771 — 1795), welche viele
Auffchlüffe über die früheren Schickſale der Univerfität ſowie über
das litterariiche Leben an derjelben in älterer Zeit enthielt.
Den Namen des Vaters der finnischen Gejchichte hat fich aber
Portdan in alfererfter Linie durch die Arbeit: „M. Pauli
Heinrih Gabriel Porthan (1739 - 1804). 459
Juusten Chronicon episcoporum annotationibus et sylloge
monumentorum illustratum * erworben. Bereits Bilmarf
hatte, wie erwähnt, feine Aufmerkfjamfeit auf Juuſtens, für die
ältere finnische Gejchichte wichtige Chronif gerichtet, und viel-
leicht ift e8 fein Beifpiel gewejen, welches Porthan zu einer
neuen Herausgabe derjelben mit erläuternden Anmerkungen an—
geregt hat. Die Arbeit jchwoll jchlieglich zu einer Reihe von
56 Disputationen an, welche 1784— 1800 erjchienen und jo gut
wie ſämtliche damals zugängliche Aufichlüffe über Finnlands
Schidjale bi8 zum Tode Paul Juuſtens (1576) enthielten.
Das Material entftammte zumeift dem jogenannten „Schwarz-
buch der Aboer Domtirche“, aber auch anderen Sammlungen.
In formeller Hinficht blieb das Werk wenig zugänglich, da e8
nicht die Form einer fortlaufenden hiſtoriſchen Darftellung,
jondern die von kritiſchen Aufzeichnungen und Noten erhielt und
außerdem wegen feiner Abfaffung in lateinifcher Sprache einem
großen Teil des Publifums nicht verftändlich war. Trotzdem
übte e8 einen unermeßlichen Einfluß aus. Erſt jet zeigte es
fich, daß das finnische Volk eine Gejchichte bejaß, welche zwar
feine großen Helventhaten und fein jelbjtändiges politifches Leben
aufzuweijen hatte, aber offenbarte, wie ſich dieſes Volk unter dem
Einfluß zahlreicher Umſtände, welche auf jeine Natur, feine Auf:
faffungsweife und feine Beftrebungen einwirkten, entwidelt hatte.
Eine Menge von loſen Vermutungen und phantaftiichen Vor—
ftellungen über die Zuftände verfloffener Zeiten wurde bejeitigt,
und an ihre Stelle trat die Wirklichkeit in ihrer jchlichten
Wahrheit. Zu diefem Hauptwerk gejellten fich jpäter mehrere
Kleinere Abhandlungen Porthans in Disputationsform, zum
Teil auch in periodifchen Schriften, jo 3. B. über die Bir-
farlier, über die Quänen, über den Zuftand des finnijchen
Volks bei der Unterwerfung unter ſchwediſche Herrichaft, über
Finnlands Geſchichte während der Regierung Chriftians II.
u. ſ. w. Unter den von Porthan publizierten Urkundenjamm-
lungen ift ferner das „Sylloge monumentorum‘“ (1802—1804)
zu nennen, eine mit guter Auswahl zufammengeftellte Kollektion
der wichtigften Urkunden, betreffend Finnlands Gejchichte im
460 Fünfte Periode. Die Zeit Guftaus III. und Guftav IV. Adolf.
Mittelalter. Durch diefe Werke wurde das Fundament gelegt,
auf welchem die finnische Gejchichtsforichung bis zum heutigen
Tage ruht.
Auf feinen Reifen im Yande und auf brieflichem Wege hatte
Porthan einen reichen Vorrat von Notizen über Finnlands
Geographie gejammelt, welche er nicht felber veröffentlichte,
jondern anderen zur Verwendung bei ihren Arbeiten mit-
teilte. So beteiligte er jich an einer Umarbeitung der Finn—
land betreffenden Kapitel in Erich Tunelds Werk: „Einleitung
zur Geographie Schwedens”, welches 1794 in einer fiebenten
Auflage erichien und für die geographiiche Kenntnis Finnlands
von bleibendem Werte wurde. Auch lieferte er Beiträge zu
den finnischen Karten in ©. ©. Hermelins großem „Atlas des
Neiches Schweden”, deren Ausarbeitung feinem Wunſche ge-
mäß dem Yinnländer 8. PB. Hällitröm übertragen wurde.
Schließlich war Porthan der erjte in Finnland, welcher im
Dienfte der periodiichen Preffe thätig war. In Abo wurde
nänlich 1770 eine gelehrte Gejellihaft, der „Aurora-Bund“,
geftiftet, welche unter dem Titel: „Zeitungen, herausgegeben
von einer Geſellſchaft in Abo“ 1771—1778, 1782, 1789 und
jeit 1791 fortlaufend ein Wochenblatt berausgab '). Porthan
war lange Redakteur der Zeitung und lieferte auch, nachdem
er die Yeitung an andere abgegeben hatte, Hiftoriiche Urkunden
ſowie Auffäge über Finnlands Vorzeit als Beiträge. Im übrigen
enthielt das Blatt nationalöfonomijche Artikel, Gedichte u. ſ. w.,
während eine Erörterung politifcher Fragen ausgejchloffen war.
Eine unter dem Namen „Allgemeine Litteraturzeitung“ von
Jakob Tengſtröm, Portdan, Franzen und anderen Univerji-
tätslehrern 1803 gegründete gelehrte Zeitjchrift mit einem
umfajjenden Programm mußte ſchon Ende desjelben Jahres
aufhören, zum Teil wegen Schwierigkeiten vonjeiten der Poſt—
1) Die Gejellihaft „Aurora“, war derart organifiert, daß die Mit»
glieder in verichiedene Grade eingeteilt waren. Die Statuten find ges
brucdt bei Aug. Hjelt, Nägra bidrag till Auroraförbundets historia,
in: „Hist. Ark.“ IX, 146—182 (Helfingfors, 1886). Die Zuiammentünfte
bes Bundes fanden 1780 ein Enbe.
Portban und fein Kreis. 461
verwaltung, zum Teil aber auch infolge Mißtrauens vonjeiten
der Regierung.
Beitrebungen, welche das Wohl Finnlands ins Auge faßten,
fonnten auf Porthans Unterftügung und Mitwirkung rechnen,
auch wenn fie auf dem Gebiete des praftijchen Lebens lagen.
So war er Mitglied der 1799 eingeſetzten Stromreinigungs-
fommisfion und nahm von Anfang an thätigen Anteil an den
Arbeiten der „Finniſchen Haushaltungsgefellichaft”. Aber während
er in den verjchiedenften Richtungen für des Vaterlandes Wohl
wirfte, blidte er, wie aus feinen Briefen hervorgeht, mit Weh—
mut in die Zukunft. Gleich den meiften feiner Zeitgenofjen
glaubte er, Finnlands Entwidelung jei abhängig von der Ber:
einigung mit Schweden, und er abnte, daß die Stürme der
damaligen Zeit dieje Bereinigung zerreißen und fein Baterland
furchtbaren Gefahren preisgeben würden. Won biejer feiner
Auffaffung zeugen Briefe an M. Calonius, in denen er u. a.
in jcharfen Worten jeinen Unwillen gegen Goran Magnus
Sprengtporten äußert ). Der Tod eriparte es ihm, ein
Augenzeuge des Unglüds zu fein, welches binnen furzem feine
Heimat ereilte, der er ein Yeben voll von liebevoller, hingeben-
der Arbeit gewidmet hatte.
An Porthan ſchloß fich ein Kreis jüngerer Verfaſſer und
Forſcher. Chrijtfried Ganander (1741 — 1790) jchrieb auf
Grund des ihm von Porthan übergebenen Materials in jchwe-
diicher Sprache ein Yerifon über die finnifche und lappiſche
Mythologie: „Mythologia fennica* (1789). Er beabjichtigte
außerdem die Herausgabe eines finniſch-ſchwediſchen Lexikons,
welches jedoch nur bandjchriftlich den Forſchern zugänglich ge—
worden iſt. Ein anfipruchslojer Geiftlicher, welcher fich eben-
falls mit Forſchungen zur Vorgefchichte des finniſchen Volkes
befchäftigte, war Erich Lencqviſt (1719— 1808). Derjelbe ver-
öffentlichte in den „Äbo-Tidningar“ mehrere, durch forgfältige
Einzelunterfuchungen ausgezeichnete, hiſtoriſche und topographiſche
1) Bgl. „H. G. Porthans bref till M. Calonius, utg. af W.Lagus“
Helſingfors, 1886).
462 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guſtav IV. Adolfs.
Aufjäte, während die Früchte feiner umfafjenden Studien über
beidnijche Religionsgebräuche der Finnländer von jeinem Sohn
Erich Chriſtian Lencqviſt in einer lateinifchen Abhandlung
über den theoretiſchen und praftiichen Aberglauben der Finnen
der Vorzeit zufammengefaßt wurden. Der begabtefte Schüler
Porthans war indeſſen Jakob Tengitröm !) (1755 — 1832),
welcher als Hiftorifer mit feinem Lehrer inbezug auf Sorg-
fältigfeit des Studiums wetteiferte und ihn als Schriftiteller
durch die Gabe, der Darjtellung eine abgerundete und anziehende
Form zu geben, noch übertraf. Während eines zweijährigen
Aufenthalts in Stodholm (1779 — 1781) jammelte er im
wejentlihen da8 Material zu zwei intereffanten, biftorijch-
biographifchen Arbeiten: „Erinnerungsjtudie über Johannes
Elai Terſerus“ (1795) und „Vita et merita Is. Rothovii “
(1796— 1813). Gleichzeitig jpielte der ungewöhnlich vieljeitige
Gelehrte als Abgeordneter auf dem Norrföpinger Reichstage
(1800) eine beveutende Rolle und nahm an den national-
öfonomijchen wie publiziftifchen Beftrebungen in Finnland wirk—
jamen Anteil. Infolge jeiner Ernennung zum Nachfolger Jakob
Gadolins auf dem Aboer Biſchofsſtuhl (1803) war er erfter
Bertreter der finnijchen Geiftlichfeit bei den Ereigniſſen von
1809. — Unter Porthans Leitung bildete jich auch der Dom—
propft und jpätere Biihof zu Borgä, Magnus Jakob Alopäus
(1743— 1818; Biſchof jeit 1809) zum biftorifchen Forjcher
aus. Seine Gejchichte des Borgaer Gymnaſiums (1804— 1817)
ift wegen Reichhaltigfeit und Zuverläffigfeit der biographiichen
Angaben eine wichtige Quelle für jpätere Forjcher geworden. —
Zur Porthanſchen Schule darf auch der Arzt Friedrih Wil-
helm Radloff (1766— 1838) gerechnet werben, deſſen Bejchrei-
bung von Aland (1795) wertvolle hiſtoriſche und topographifche
Notizen enthält.
Die Rechtswiſſenſchaft Hatte einen ausgezeichneten Vertreter
in Matthias Calonius ?) (1737—1817), einem der bervor-
1) Er war 1755 in Gamla Karleby geboren, wurde 1783 Adjunft der
Theologie, 1790 Profefior, 1803 Biſchof zu Abo und farb 1832.
2) Er war 1737 in Saarijärvi geboren, wurde 1764 Dozent, 1778 Pro-
Tengftröm, Calonius und andere Männer von Ruf. 463
ragendjten Yuriften, welche je im Norden gewirkt haben. In
jeltenem Maße vereinte er theoretijche Kenntniffe mit praf-
tiicher Tüchtigfeit und gewann einen hohen Ruf als juriftiicher
Schriftjteller wie als Richter. Im letterer Eigenjchaft war
er 1793—1800 beim Höchjten Gerichtshof tätig. Bei der
Drganifation des finnifchen Staatswejens nach 1808 griff er
im Verein mit Tengjtröm wirkjam ein.
Die naturwifjenschaftlichen Traditionen aus der Freiheits-
zeit beſaßen auch in den legten Jahrzehnten der Vereinigung
mit Schweden mehrere beveutende Vertreter. Johann Gado—
lin !) war einer der Männer, welche die moderne chemijche
Wiffenjchaft begründen halfen, und mit ihm wetteiferte Guſtav
Gabriel Hällftröm ?) an Anjehen. Die Heiltunft bejaß her—
vorragende Vertreter in Gabriel Erih v. Haartman (1757
bi8 1815) und Gabriel v. Bonsborff (1762—1831). Ein
bedeutender Mathematiker war der Profeffor Johann Heinrich
Yindgvift (1743—1798). Gleichzeitig arbeitete der Univerſi—
tätsbibliothefar Gabriel Israel Hartman (1776— 1809), beein-
flußt durch die deutſche Philojophie, an der Begründung eines
jelbjtändigen philoſophiſchen Syſtems.
Die ſchwediſche Sprache, welche durch das reiche Empor—
blühen der ſchwediſchen Litteratur und durch die lebhafteren
perjönlichen Beziehungen mit Schweden immer weitere Ver—
breitung erlangt hatte, war nunmehr in der Yitteratur vor—
berrichend, mit Ausnahme der noch gewöhnlich lateiniſch
geichriebenen akademiſchen Differtationen. — Die Dicht:
funft in ſchwediſchem Gewande faßte Wurzel in Finnlands
feffor der Rechte fowie 1809 Profurator im NRegierungstonfeil. Er ftarb
1817. — Vgl. A. J. Arwidsfon, Mathiae Calonii opera omnia, 5 Bbe.
Stockhholm, 1829—1836). Th. Sederbolm veröffentlichte dazu 1870
einen Ergänzungsband, welcher Calonius’ wichtigfte Amtserlafje enthält.
1) Geboren 1760 in Abo, wurde er 1785 aufßerordentlicher und 1797
ordentlicher Profefior der Chemie daſelbſt. Nach dem Brande von Abo
(1827) zog er fi auf jein Landgut im Kirchipiel Wirmo zurüd, wo er
1852 ſtarb.
2) Er war 1775 in Ilmola geboren, wurbe 1796 Dozent und 1801
Profefior der Phyſik. Er ftarb 1844.
464 Fünfte Periode. Die Zeit Guſtavs II. und Guſtav IV. Adolfs.
Boden. So publizierte Johann Heinrih Kellgren, welcher
einige Jahre an der Aboer Hochſchule dozierte, ın den älteren
Jahrgängen der „Abo-Tidningar“ einige jeiner bekannten
Dichtungen, und auch fein Freund, der Dozent und jpütere
Bibliothefar Abraham Niklas Clevberg (jpäter unter dem
Namen Edelcrang in den Moeljtand erhoben; 1754— 1821)
erntete bereit8 vor jeiner Überjiedelung nach Stodholm leb—
baften Beifall für jeine rhetorischen Gedichte. Am tiefften in-
deſſen und innerlichiten gelangte die poetijche Auffaffung der
damaligen Zeit in den Gedichten Franz Michael Franzens (geb.
in Uleäborg 1772, 7 1847) zum Ausdrud. Die jchönften der-
jelben verfaßte er, während er als Dozent (1791—1798) und
Profeffor (1798 —1811) an der Aboer Univerfität thätig war,
und das finnische Volk darf ihn daher zu den Seinigen zählen,
obwohl er 1811 nah Schweden überfiedelte.
Im Gegenſatz bierzu entwidelte fich die finnifch = nationale
Fitteratur während jener Periode nur ſchwach und langiam,
jo daß einige jprachwiffenichaftliche Arbeiten, geistliche Erbauungs-
ichriften und nationalöfonomijche Volksbücher beinahe alles find,
was uns auf diefem Gebiet begegnet. Wie unvollftändig die
Kenntnis der finnischen Sprache war, geht daraus hervor, daß
die gegen Ende des 17. Jahrhunderts entitandene Vorjtellung
von einer nahen Berwandtichaft des Finniſchen mit Dem
Griechiſchen oder Hebrätfchen lange und zähe von den Sprach—
forichern feitgehalten wurde. Der in Verbindung mit den Er-
eignifjen des großen nordiſchen Krieges bereits ©. 305 erwähnte
Propſt Barthold Vhaël (1667 — 1723) wurde beiſpielsweiſe von
diejer Anſchauungsweiſe bei Ausarbeitung feiner „Grammatica
fennica“ geleitet, welche 1733 erjchten. Derjelben Anficht Huldigte
Daniel Yuslenius !), welcher unter dem Xitel: „Suomalaisen
1) Er war 1676 in Wirmo geboren. Obwohl er während jeiner
Studienzeit mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen batte, vermochte
er fih dennoch eingebende Kenntniſſe, namentlih in Hebräifchen und
Griehiihen, zu erwerben. Durch feine Abhandlungen „Aboa vetus et
nova“ (1700) und „Vindieiae Fennorum “ (1703) tenfte er die Aufmerf:
famteit auf jih und wurde 1712 zum Profeiior ernannt. Im folgenden
Die finnifchenationale Fitteratur. 465
sananlugun coetus“* 1745 ein finnifch = lateinifch = fchwedifches
Wörterbuch edierte, welches bis 1826 die einzige berartige
Arbeit blieb. Zu derjelben Richtung gehörte der Propft Nils
Idman in Hpitti8 (1716—1790), welcher 1774 einen auch
ins Franzöſiſche überjegten „Verſuch, die Gemeinfchaft zwijchen
ber finnijchen und griechiichen Sprache zu zeigen“ veröffent-
lichte. Ferner juchte Karl Guftan Weman (1740—1803) 1767
in einer lateinifchen Abhandlung, welche ihm die Ernennung
zum Dozenten der finnischen Sprache verjchaffte, die Ähnlichkeit
der bebräifchen und finnifchen Sprache darzuthun. Erſt durch
die Arbeiten Porthans und feiner Schüler wurde die Irrigfeit
biejer Annahmen nachgewiefen. — Ein hochverdienter finnijch-
nationaler Dichter war der Pfarrer Abraham Achrenius (1706
bis 1769) in Noufis, deffen geiftliche Lieder bis weit in unſer
Jahrhundert hinein im Volksmunde fortlebten. Ein produk—
tiver Volksdichter war Thomas Ragvaldsſon, deſſen Verſe
flugſchriftlich im Lande Verbreitung fanden. Als religiöſer
Proſaſchriftſteller übte der pietiſtiſche Prediger Johann Wegelius
junior (1693 — 1764) in Uleäaborg durch eine Poſtille: „Pyhä
evangeliumillinen valkeus“, welche 1747 -1749 erſchien und
mehrere Auflagen erlebte, einen bedeutenden Einfluß aus. Auch
der Kaplan Anders Björkqpiſt (1741 — 1809) in Wehmo ver—
öffentlichte 1801 unter dem Titel: „Uskon harjoitus autuuteen“
eine Poſtille, welche in mehreren Auflagen erſchien. Von Volks—
büchern ſeien zwei Arbeiten Gananders über Hausarzneilehre
und das in neun Auflagen ſeit 1791 publizierte Phyſikaliſche
Handbuch J. Froſterus': „Hyödyllinen huvitus luomisen
töista“ genannt. Eine von dem Pfarrer A. Lizelius in Wirmo
1775 herausgegebene Zeitung: „Suomalaiset tietosanomat
ging bereit8 1776 wegen Mangels an Abonnenten ein. Bon
großer Bedeutung war, daß die Negierung immer mehr für
Überjegung von Verordnungen und Gejegen ing Finniſche jorgte,
Jahre flüchtete er nah Schweden und kehrte erft 1722 nad Abo zurüd, mo
er 1734 zum Bifhof von Borga gewählt wurde. Im Jahre 1742 floh
er nochmals nah Schweden, wo er 1752 als Biſchof zu Skara ftarb.
Schybergfon, Geſchichte Finnlande. 30
466 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guſtav IV. Abolie.
und daß das allgemeine Gele nunmehr endlich in finnifcher
Überjegung erjchien.
Auf dem Felde des Elementar- und Volksſchulweſens wurde
der durch die großen Reformen des 17. Jahrhunderts ge-
wonnene Standpunkt fajt unverändert aufrecht erhalten. Cine
neue Schulordnung von 1724 behielt die alte Einteilung der
Schulen in Pädagogien, Trivialichulen und Gymnaſien mit
Tehrplänen, welche denen des 17. Jahrhunderts faſt voll-
ftändig entjprachen. Auch erfolgte nicht die Errichtung neuer
größerer Yebhranftalten, mit Ausnahme des Borgier Gym—
nafiums, welche8 1724 an die Stelle des früheren Wiborger
Gymnaſiums trat’). Gleichwohl fehlte e8 während der Frei-
beitözeit feineswegs an Verjuchen zur Reformierung des Unter:
richtsweſens. So wurde auf Grund der auf verjchiedenen
Reihstagen geäußerten Wünjche eine „Erziehungstommijfion“
1745 zur Ausarbeitung von dem entjprechenden Vorjchlägen
eingejeßt. Beachtenswert ift das lebhafte Cingreifen Joh.
Browallius’ in diefer Frage. Er überreichte der Kommiſſion
eine Schrift: „Unvorgreifliche Gedanken über das Unter:
richtswefen bei den Gymnaſien und Schulen im Reiche“,
worin er eifrig befürmwortete, daß der Unterricht, welcher bis—
ber im weſentlichen die Ausbildung zum geiftlichen Berufe
durch lateiniſche Studien bezwedt Hatte, jo reformiert werden
jolfe, daß er für verſchiedene Stände und Berufe zu allge:
meinem Nuten gereichen fünne. In gleicher Richtung äußerte fich
das Aboer Domkapitel 2). Alle diefe Pläne fcheiterten jedoch an
dem Widerjtande der Geiftlichkeit, und die Erziehungskommiſſion
1) Das Pädagogium in Lowiſa wurde 1760 in eine Meinere Trivial-
fhule umgewandelt. Anftatt der Wiborger Trivialfchule wurde nad bem
Noftader Frieden eine foldhe in Nyſlott begründet, weldhe 1732 von dort
nach Willmanftrand, 1743 nad St. Michel, 1749 nah Rantajalmi und
1788 nad Kuopio verlegt wurbe.
2) Bol. 8. ©. Leinberg, Handlingar rörande finska skolväsendets
historia I, 114sqq. (Ivvästylä, 1884). Seit 1801 ftanden die Lehr:
anftalten unter Aufficht eines „Kanzlers“ Gille, weldher 1806 bie Errich—
tung eines päbdagogiihen Seminars bei ber Aboer Hochſchule anordnete.
Vgl. 8. ©. Leinberg J. c. II, 435 (Iyvästylä, 1887).
Das Schulmefen und die Erziebungstommiffion (1745/66). 467
Töfte fih 1766 auf, ohne daß irgend eine Unterrichtsreform
aus ihren Arbeiten hervorgegangen wäre. Nur an der Kriegs—
fhule zu Haapaniemi wurden neue real-wifjenfchaftliche Unter-
richtspläne eingeführt. Etwas jpäter wurde die Gründung eines
fejten Volksſchulunterrichts, mit befonderen Schulhäufern und
von der Bevölkerung befoldeten Lehrern, angeregt; aber die
Landeshauptleute und Konfiftorien erklärten 1769 in ihren
Gutachten, unter Anerkennung des guten Zweds, daß die Be-
völferung weder neue Laften zu ſolchem Behufe tragen könne
noh die Notwendigfeit größerer Schuleinrichtungen einjähe,
und daß außerdem die Gemeinden meiſtens allzu ausgedehnt
jeien, als daß feſte Schulen von Nuten fein könnten. Unter
ſolchen Umftänden verlief die Angelegenheit während der Re—
gierung Guſtavs III. völlig im Sande !). Einen bemerfens-
werten Fortſchritt im Volksſchulweſen bildete indeffen die Er-
nennung „ambulatorijcher“ Lehrer, welche von Dorf zu Dorf
wanderten, um den Kindern Unterricht im Leſen und im Kate—
chismus zu erteilen. Ein Erlaß vom 10. Auguft 1762 bejtimmte,
daß in den Gemeinden, wo wegen ber großen Ausdehnung
die Küfter nicht den Sinderunterricht bejorgen könnten, die
Bewohner auf Anftellung befonderer Kinderlehrer bedacht fein
jolften 2). Erft in den legten Jahren des 18. Jahrhunderts
wurde die Aufmerkjamfeit wiederum auf die Gründung feiter
Schulen gelenft, nachdem Aſſeſſor Ahlman, wie jhon ©. 437
erwähnt worden ift, einen bedeutenden Fonds für joldhe Zwede
der „Finniſchen Haushaltungsgefellichaft“ tejtiert Hatte.
Während der Unterricht beinahe volljtändig Sache der
Geijtlichfeit blieb, begann die Autorität derjelben in Glaubens-
fragen jowohl beim Volke wie innerhalb der gebildeten Klaffen
erjehüttert zu werben. Der Pietismus verbreitete jich unter
verfchiedenen, mehr oder minder ber Staatsfirche feindlichen
1) Bol. 8. ©. Lein berg, Märkliga skeden i vär folkundervisnings
äldre historia (Ivväskylä, 1885).
2) ®gl. $ 13 der „Resolution pä svenska och finska presterskapets
besvär‘, abgebrudt bei Modée, Utdrag etc. VII, 5297.
30%
468 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs.
Formen, in immer weiteren Kreijen. Schon in den zwanziger
Jahren des 18. Jahrhunderts machten fich die beiden Brüder
Jakob und Erich Eriksſon im Kirchipiel Kelviä (Ofterbotten)
als Anhänger feparatiftiicher Lehren bemerkbar und wurden
des Landes verwiejen. Auch der Bauer Jakob Jakobsſon Kär-
mäki in Laihela und die Witwe Katharina Asplund in Nykar—
leby verfündeten Lehren, die von den Glaubensjägen der
Kirche abwichen. Zu einer um die Mitte des Jahrhunderts
im füblichen Oſterbotten verbreiteten myſtiſch-religiöſen Rich—
tung, welche jich auf die Schriften des deutſchen Philojophen
Jakob Böhme jtüte, gehörte u. a. Anna Rogel in Saftmola
(1751— 1784), deren Predigten der neuen Sekte eine zahlreiche
Anhängerſchaft zuführten. Im Jahre 1798 begann ein religiöfer
Schwärmer, Jakob Wallenberg, im Kirchipiel Lappo myſtiſche
Lehren zu verbreiten, wurde aber, da er die bürgerliche Ehe
verleugnete und jeine Anhänger zu unfittlichem Lebenswandel
verleitete, ind Gefängnis geworfen. Zu feinen Genofjen
zählte u. a. Elias Hänninen in Kangasniemi, welcher das
bürgerliche Gejellichaftsgejeß für ungültig erklärte und Güter-
gemeinschaft predigte '), — Unter den höheren Klaffen ver-
breitete ſich die rationaliftiiche Anjchauungsweife, und Briefe
aus den legten Dezennien des Jahrhunderts beweijen, daß
jogar die Rouſſeauſche Naturlehre Anhänger in Finnland
bejaß. Nahe verwandt mit der im Auslande kurz vor Aus-
bruch der Revolution verbreiteten myſtiſchen Strömung war
auch die Neigung für Geijterjeherei, welche ihren Hauptjig
am Hofe Guſtavs III. und Herzog Karls von Södermanland
hatte, wo der Finnländer Guftav Björnram (1746—-1801) als
Geifterbejhwörer hohes Anjehen genoß. Ähnlichen myſtiſchen
Grübeleien gab fich Auguft Nordenjtjölod (1745 — 1792) hin,
dejjen Yeben, wie das Björnrams, größtenteils in Schweden
verfloß.
1) Bel. M. Akiander, De religiösa rörelserna i Finland, I—IV
(Helfingfors, 1857—1863).
Moftifche Neigungen. — Die napoleonifche Zeit. 469
5. Der ruſſiſch-ſinniſche Arieg 1808—1809 ').
Unter der Wucht des gewaltigen Genius Napoleons fanten
Throne, ftürzten Reiche zufammen. Es war Har, daß ein
feindliher Zufammenftoß mit jenem rüdfichtslofen Herrſcher für
Schweden verberblich werden mußte, und eine kluge ſchwediſche
Politif hätte daher darauf ausgehen müffen, eine ftrenge Neu-
tralität mit freumdfchaftlicher Annäherung an Rußland zu be-
obachten. In der That war eine derartige Anjchauungsweife im
ben erften Regierungsjahren Guſtav IV. Adolfs dem König und
feinen Ratgebern keineswegs fremd, wie denn auch am 16. Dezember
1800 in Gegenwart des Königs zwijchen Schweden und Rußland,
unter Vorausjegung des Beitritts von Preußen und Dänemarf,
1) Gedruckte Duellen und Nachſchlagewerlke zur Geichichte des Krieges von
1808/9: 3. Mantel, Anteckningar rörande finska armens och Fin-
lands krigshistoria särskildt med afseende pä krigen mellan Sverge och
Ryssland ären 1788 —1790 samt 1808—1809, ®b. II (Stodholm, 1870) ;
Mihailowsli-Danilemsti, Beskrifning öfver finska kriget 1808—9.
Öfversättning frän ryskan (Tawaftehus, 1850); G. A. Montgomerp,
Historia öfver kriget mellan Sverige och Ryssland ären 1808—1809,
Bb. I u. II (Örebro, 1842); PB. v. Sudtelen, Kriget mellan Sverige
och Ryssland ären 1808/9. Öfversättning af R. F. G. Wrede (Stodbolm,
1835); 3. 3. Burman, Anteckningar förda under tiden frän 1785
till är 1816, jemte relation om Savolaksbrigadens operationer under
1808 och 1809 ärs krig (Stodholm, 1865); 8. 3. Holm, Anteckningar
öfver fälttägen mot Ryssland ären 1808—1809 (Stodholm, 1836);
€. €. Bladh, Minnen frän finska kriget ären 1808—1809 (Stodholm,
1849); 3. ©. 3. Randen, Bonderesningen i svenska Österbotten, en
episod frän 1808 ärs finska krig (Stodholm, 1882); 8. M. Kivinen,
Anteckningar om Nord-Karelska fricorpsernas företag 1808 — 1809
Ben 1865); 8. U. Bomansfon, Skildring af folkrörelsen pä
land 1808, en scen ur Suomis sista strid (Stodholm, 1852); K. 4.
Brafel, Anteckningar öfver 1789—1790 samt 1808—1809 ärens fält-
täg i Finland (Helfingfors, 1862); 8. 8. Zlobin, De diplomatiska
förbindelserna mellan Sverige och Ryssland 1801—1809, öfvers. af
H. Hjärne (Stodholm, 1880); „Sveriges krig 1808 och 1809, utg. af
generalstabens krigshistoriska afdelning“ Bd. I u. TI (Stodholm, 1890
unb 1895) u. f. w.
470 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs.
zu Petersburg ein Vertrag abgejchlojfen wurde, welcher bie
Grundjäge der bewaffneten Neutralität von 1780 von neuem
aufjtellte. Dieje freundjchaftlichen Beziehungen zum Peters-
burger Hofe wurden indejjen durch die Palaftrevolution unter-
brochen, welde im März 1801 zur Ermordung Pauls und
zur Thronbefteigung Aleranders J. führte. Allerdings ftand
Guftav IV. Adolf in nahem Verwandtichaftsverhältnis zu dem
neuen Zaren infolge feiner VBermählung mit Friederife Doro-
thea Wilhelmine v. Baden, einer Schweiter ver Gemahlin
Aleranders; aber deſſen weiche, milde Perjönlichkeit war dem
jteifen, abftoßenden König wenig ſympathiſch und feine Politik
nicht geeignet, das gegenjeitige Vertrauen zu ftärfen. Alerander
überließ nämlich die neutralen Mächte ihrem Geſchick, näherte
jih England und jchloß mit diefer Macht ein Bündnis. Schwe-
den folgte notgedrungen jeinem Beiſpiel; allein Gujtav ver-
mochte die Demütigung nicht zu vergeffen, welche Rußlands
Unzuverläßlichfeit ihm bereitet hatte. Seine Unzufriedenheit
mit dem öftlichen Nachbar gab ſich unaufhörlich zu erkennen,
nicht jelten bei den unbedeutendften Anläffen. So geriet er
in lebhafte Erregung, als er bei jeinem Bejuch in Finnland
(1802) bemerfte, daß die Grenzbrüde bei Abborfors zur
Hälfte mit den ſchwediſchen, zur Hälfte mit den ruſſiſchen
Farben bemalt war. Da er die Brüde für einen ausjchließ-
lich ſchwediſchen Beſitz anjah, befahl er, fie jolle mit ſchwe—
diſchen Farben übermalt und auf Koften Schwedens unter-
halten werden. Dieſes eigenmächtige Verfahren reizte die
Ruſſen derart, daß fie in der folgenden Nacht die Brücke mit
den rujfiichen Farben anftreichen ließen, worauf die lächerliche
Spielerei lange fortwährte. Diejer unbedeutende Zwiſt hätte
beinahe einen Friedensbruch verurjacht, weshalb denn auch im
Frühjahr 1803 ftarke Rüftungen in Rußland wie in Schweden
erfolgten. Schließlih vermochte man den König zum Nach—
geben zu bewegen, worauf das freundichaftlihe Verhältnis
wieder hergeftellt wurde; aber dieſe Verwicklungen ließen nichts
Gutes für die Zukunft ahnen, wofern ernftere Urjachen zur
Uneinigfeit vorhanden wären.
Das Berhältnis zwiichen Guftav IV. Adolf und Aleranber I. 471
3m Jahre 1803 unternahm Guſtav IV. Adolf eine Reife
nach Baden und verweilte alsdann mehr al8 18 Monate auf
deutſchem Boden. Als er heimkam, hegte er eine wejentlich
veränderte Anjhauung in betreff der Richtung, welche
Schweden in Bezug auf jeine auswärtige Politif einzufchlagen
habe. Die während jeiner Anwejenheit in Baden erfolgte,
völferrechtöwidrige Verhaftung und Hinrichtung des Herzogs
von Enghien hatte auf ihn einen unauslöjchlichen Eindrud
gemadt. Er löſte alle Verbindungen mit Frankreich, ver-
weigerte die Anerkennung der franzöfiichen Regierung und war
entichlofjen, die gejamte Kraft Schwedens zur Bekämpfung
Napoleons zu verwenden, den er in myſtiſch-religiöſer Grübelei
als das in der Offenbarung Johannis genannte Tier betrach-
tete, eine Vorjtellung, welche er mit der ihm angeborenen
Zähigkeit in den jpäteren Jahren jeiner Regierung beibehielt.
Ohne Bedenken trat er der großen Koalition bei, welche Eng-
land, Rußland und DOfterreich gegen Napoleon eingingen, und
verpflichtete fih, an der Spige einer fchwebiichen, burch
rujfiiche und englifche Truppen verftärkten Armee von Schwe-
diſch-Pommern aus einen Feldzug gegen Napoleon zu eröffnen.
Als er fich aber zu dieſem Zwecke 1805 nach Deutjchland
begab, bewies er jeine völlige Unfähigfeit als Feloherr. Seine
Maßnahmen waren planlos und einander wiberjprechend, To
daß er noch nichts ausgerichtet hatte, als es Napoleon bereits
gelungen war, Ofterreicher wie Ruſſen zu ſchlagen und ben
Krieg zu jeinen Gunften zu entjcheiven. Nach der Nieder:
lage Preußens bei Jena und Auerftädt Hätte Guſtav die Un—
möglichfeit einer weiteren Kriegführung gegen die Übermacht
Napoleons erfennen müſſen; aber anftatt Frieden zu fchließen,
erneuerte er vielmehr den Kampf, deſſen Folge war, daß
Schwediih- Pommern vollftändig in die Hände des Feindes fiel.
Allein bald ftand ein Krieg nicht nur mit Frankreich,
jondern auh mit Rußland und Dänemark bevor, wofern
Guſtav an jeiner bisherigen Politik fejthalten wollte In dem
Tilſiter Frieden (7. Juli 1807) hatte fich Alerander Napoleon
gegenüber dazu verpflichtet, mit Gngland zu brechen und
472 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs.
Dänemark wie Schweden zum Anſchluß an das Kontinental-
ſyſtem zu bewegen. Wahrjcheinlicd war bei den Zujammen-
fünften zwifchen den beiden Kaiſern auch die Rede davon, daß fich
Rußland für den Fall, daß ſich Guſtav diefem Übereinfommen
nicht fügte, Finnlands bemächtigen jollte. Alerander jcheute alſo
nicht Davor zurück, fich durch einen gewaltjamen Angriff gegen bie-
jenige Macht, welche noch joeben an jeiner Seite gefochten
hatte, feinem neuen Bundesgenoffen gefällig zu ermweijen. Ber-
mutlich lodte ihn die Ausficht, durch Eroberung Finnlands
das Werk Peters des Großen zu vollenden und ein Ziel zu
erreichen, welches der ruffiichen Staatsfunft lange vorgejchwebt
batte. Unter fjolchen Umſtänden wäre kluges Nachgeben das
einzige Rettungsmittel gewejen; aber Guſtav wollte dies nicht
einjeben, jondern bejchloß, im Vertrauen auf feine gerechte
Sache und den Beiftand höherer Mächte der Übermacht die
Spitze zu bieten.
Alerander ſäumte nicht, Guſtav darauf aufmerffam zu machen,
daß die Fortdauer der ſchwediſch-ruſſiſchen Freundjchaft völlig
davon abhängig fein würde, ob Schweden feinen Anjchluß an
den Zilfiter Vertrag vollzöge. Am 24. September (a. St.)
1807 benachrichtigte er den König brieflic von der neuen Ge-
ftaltung der politiichen Verhältniffe und ließ ihm gleichzeitig
durch den ruſſiſchen Gefandten zu Stodholm, David Alo-
päus, auffordern, er möge das Bündnis mit England
kündigen und gemäß den Verträgen von 1780 und 1800
zur Sperrung der Oftiee für die Kriegsflotten diejes Staates
beitragen. Gleichzeitig meldete der ſchwediſche Gefandte in
Petersburg, v. Stedingk, daß fih Rußland zu einem Angriff
auf Finnland rüfte, und daß am faiferlichen Hofe drohende
Reden über eine nahe bevorftehende Teilung Schwedens zwiſchen
Rußland und Dänemark laut würden. Schließlich erklärte
bie ruffiiche Regierung in einem Schreiben vom 30. Dezem-
ber (a. St.) 1807, daß fich der Kaifer, wofern der jchwe-
diſche König nicht auf feine Forderungen eine bejtimmt be-
jabende Antwort erteilen würde, genötigt ſähe, zur Sicherung
feines Reiches „alle Mittel zu ergreifen, welche die Vorjehung
Die Folgen von Tilfit. Der Bruch mit Rußland. 473
ihm zur Verfügung geftellt“. Obwohl fich bergeftalt ein Ab-
grund vor den Füßen Guftaus IV. öffnete, that dieſer nichts,
um bie Gefahr abzuwehren. Seine Antworten waren anfangs
unbeftimmt und zweideutig; und ſchließlich, nachdem er fichere
Hoffnung auf Englands Unterftügung erhalten hatte, gab er
die lakoniſche Erklärung ab, Schweden fünne die unbegründeten
Anſprüche Rußlands nicht anerkennen. Hiermit war der
Würfel gefallen. Guſtav hatte fih, ohne Rückſicht auf die
Warnungen feiner Ratgeber, dafür entjchloffen, mit England
als einzigem Bundesgenoſſen beinahe dem gejamten europäiſchen
Kontinent zu trogen. Es kann zweifelhaft ericheinen, welcher
Art das Geſchick Finnlands ſchließlich geweſen wäre, wenn
Guſtav einen anderen Beichluß gefaßt hätte; aber jo viel fteht
feft, daß durch die Halsjtarrigkeit des Königs Finnlands
Trennung von Schweden bejchleunigt worden ift.
Auf Grund des erwähnten Schriftwechjels hielt fich Ale-
rander für berechtigt, ohne Abgabe einer fürmlichen Kriegs—
erflärung feine Truppen in Finnland einrüden zu Tafjen.
Zunächſt hieß es denn auch, der Krieg bezwecke feineswegs
eine Schädigung Schwedens, jondern jet einzig eine Vorfichts-
maßregel zur Sicherung Rußlands gegen Angriffe Gleich-
wohl jchwebte man in Stodholm keineswegs in Unkenntnis
über das, was bevorftand, da dv. Stedingk Ende Januar und
Anfang Februar die beftimmte Meldung machte, daß ein
ftarfes ruffiiches Heer zum Einmarih in Finnland bereit
ftände. Es wäre demnach nur natürlich geweſen, baß ber
König mit allem Eifer Anftalten getroffen hätte, um Finnland
beizuftehen. Aber nichts Derartige geſchah. Von den etwa
40000 in Schweden befindlichen regulären Soldaten brach
nicht ein einziger auf, um Finnlands Berteidigungspofition
zu verftärken. Dies beruhte auf zwei Urfachen. inerjeits
drohte den Schweden der Übergang eines franzöſiſch-däniſchen
Heeres von den däniſchen Infeln nah Schonen, eine Gefahr,
welche allerdings dadurch bejeitigt wurde, daß fich ein englijches
Geſchwader im dänischen Sunde vor Anfer legte. Andrer-
feit8 aber entwarf Guftav hernach einen Plan zur Eroberung
474 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs.
Norwegens und jammelte zu dieſem Zwecke die jchwebijchen
Truppen in Schonen und an der Weſtgrenze. Obwohl das
Unternehmen infolge jchlechter Anordnungen faum über das
erjte Stadium hinaus fam, jo war doch die Folge davon, daß
Finnland fich ſelbſt überlaffen blieb und allein den von Oſten
ber fommenden Stoß aushalten mußte.
War Finnlands Verteidigungswejen derart entwidelt, daß
ed wenigitens während eines kurzen Feldzuges und bis zum
Eintreffen von Hilfe aus Schweden die Angriffe des Feindes
zurüczuweijen vermochte? Daß die Fortififationen nicht genügen
fonnten, war augenjcheinlih. Die Seefeftungen Spartholm
und Sveaborg waren hauptjächlich deshalb erbaut worden, um
während einer Sommercampagne die Verbindung mit Schweden
aufrecht zu erhalten; bei einem Winterfeldzuge vermochten fie
hingegen den Feind nicht am Eindringen ind Yand zu ver-
hindern. Ein Winterfeldzug aber war es juft, den die Ruſſen
unter Benugung der Yehren der neuen Kriegsfunft vorbereiteten.
Dean hatte oft auf diefen Diangel bingewiejen und 1793 in
der That mit der Anlegung einer Landfeſtung bei Williffala im
Kirchipiel Elimä begonnen ; aber wegen Geldmangels und Uneinig-
feit zwijchen den verjchiedenen Militärbehörden war die Arbeit
ihon im folgenden Jahre niedergelegt worden. Hingegen be=
fand fich die finnijche Armee ſowohl hinfichtlich der numerijchen
Stärke wie der Bewaffnung in befferem Zuftande denn je zuvor.
Die Zahl der geworbenen Truppen hatte fich bedeutend erhöht.
So war das Kareliſche Jägercorps auf 600 und das Savo-
latjer Jäger-Regiment auf 1206 Mann gebracht jowie ein
neues, nach feinem Chef Adlercreug benannte Regiment von
1800 Mann errichtet worden. Anfang 1808 bejtand bie
finniijhe Armee aus 8199 Mann Infanterie, 750 Dann
Kavallerie, 4050 Mann Reſerve und 6013 Gemworbenen, aljo
zujammen 19012 Mann, jowie außerdem 753 Mann neu—
ausgehobener, ungeübter Infanteriemannjchaften in der Provinz
Waja !). Die Paffevolanzmittel waren vollfommen ausreichend
1) Über Finnlands Armee und Berteidigungswefen finden ſich ein=
Finnlands BVerteidigungsweien im Jahre 1807/8. 475
gewejen, um die Negimenter mit Troß und SKriegsmaterial
zu verjehen, und, was Übung wie Disziplin betraf, waren die
finniſchen Regimenter die beften im Reiche. Das Offizier-
corps hatte jich feine Sporen im Kriege von 1788—1790
verdient, wo mehrere der Regiments - Kommandeure eine be—
deutende Rolle gejpielt Hatten: 3. B. der Unterchef des Ny—
ländifchen und jpätere Chef des Björneborger Regiments,
Georg Karl v. Döbeln, leicht erfenntlih durch die ſchwarze
Binde, welche er nach jeiner Verwundung in dem Gefecht bei
Porrasjalmi an der Stirn trug; ferner Karl Johann Adler-
creuß, der wegen jeines heiteren und biederen Charakters
bei Offizieren wie Soldaten Außerft beliebt war; jowie jchließlich
die Kommandeure des Savolakſer Regiments und Savolafjer
Sägerregiments, Johann Adam Cronftedt und Johann Auguft
Sandels. Weniger glücklich waren die oberjten Befehlshaber-
pojten bejegt. Der Höchltlommandierende, Graf Wilhelm
Morig Klingjpor, hatte fih als Beamter beim Kriegs—
Kommiffariat Verdienfte erworben, aber auf dem Felde der
Ehre bisher Friegerifche Lorbeeren nicht geerntet. Der Ober:
befehlshaber während Klingſpors Abwejenheit in Schweden,
General- Lieutenant Karl Nathaniel v. Klerder, war ein
tüchtiger Militär, jedoch bereit8 mehr als 73 Jahre alt.
Der Befehlshaber auf Speaborg, Admiral Karl Dlof Eron-
ſtedt, bejaß infolge jeines Anteils am Siege der Schären-
gartenflotte beit Svenskjund einen guten Namen; aber nunmehr
jollte e8 fich zeigen, daß er des ihm anvertrauten wichtigen
Poftens unwürdig war.
Jedenfalls hatte man unter ſolchen Umftänden feinen Anlaß,
zu verzweifeln oder ohne Widerjtand Finnland dem Feinde zu
überlafjen. Allein unjeligerweife herrſchte in Stodholm wie
in Finnland die Vorftellung, daß der Feind mit einer über:
legenen Heeresmacht von 60000 Mann im Anmarjch und
daher ein jchleuniger Rüdzug das einzige Mittel zur Rettung
gehende Mitteilungen im dem jchwebifchen Generalftabswert: „Sveriges
krig ären 1808 och 1809“, ®b. 1 u. II (Stodholm, 1890 u. 1895).
476 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guſtav IV. Adolf.
der finnischen Armee jei. So dachte namentlich König Guſtav IV.,
welcher völlig den Kopf verlor, als er die Eventualität, welche
fo lange zu erwarten gemwejen war, vor der Thüre ftehen jab.
Diejelbe Meinung begte Klingipor, welcher, als er den Auftrag
zur Leitung des Berteidigungsfrieges in Finnland empfing,
offen erflärte, „daß er es nicht auf fich nähme, das Land
gegen Rußlands Übermacht zu verteidigen“. Sogar die In-
ftruftion für Klingſpor, die ihm bei feiner Abreife von Stod-
holm nach Finnland mitgegeben wurde, empfahl eine Krieg:
führung, die hauptfächlih im Zurücdweichen vor dem Feinde
beftand. Es hieß darin: „Die Aufmerkſamkeit ſoll vornehm-
lih darauf gerichtet fein, von ber Armee zu retten, was
gerettet werben fann, in die Feſtungen Sveaborg und Spart-
bolm foviel Truppen Hineinzuwerfen, als der bortige Spiel-
raum zuläßt, und ben Reſt der finnifchen Armee in möglichiter
Ordnung nach Ofterbotten zu führen, bis nach Eintreffen des
Eisganges andere Anftalten zur Wiebereroberung des Landes
getroffen werden können“. Ein Zuſatz lautete jedoch, der Be—
fehlshaber ſolle nach Möglichkeit „dem eindringenden Feinde
Hinderniffe in den Weg legen und Widerftand leiften jowie
nicht eher, als bis die Not es erheifcht, den Rüdzug antreten“,
jo daß Klingipor mithin ermächtigt war, dem Feinde, wenn-
gleich mit großer Vorficht entgegenzutreten.
Inzwifchen hatte jedoch der Krieg in Finnland bereits
begonnen. Die aus 24000 Mann beftehende ruffiiche An—
griffsarmee unter dem Oberbefehl des Grafen Friedrich Wil-
belm v. Buxhövden nahte im Februar der finnischen Grenze
in zwei Abteilungen, von denen die eine (16000 Mann)
unter ben General - Lieutenants Kamenski und Bagration bei
Abborfors und Keltis über den Kymmeneftrom ging, während
bie zweite umter General= Lieutenant Tutſchkow in Savolaks
einzufallen beorbdert war !). Bei dem ruffiichen Heere befand
1) Als Gebilfen Burbövdens fungierten in Zivilfachen ber Gouverneur
bes Wiborger Gouvernements, Emine, und ber frübere Anhänger des An-
jalabundes, Guſtav Wilhelm Ladau.
Die Inftrultion für Klingipor. Der Beginn des Feldzuges (Febr. 1808). 477
jih der greiie G. M. Sprengtporten, welcher, ohne einen
militärifchen Posten zu befleiden, als heimlicher Unterhändler
verwendet wurde und während eines ungefähr einmonatlichen
Aufenthalts in Finnland von neuem Verbindungen mit feinen
ehemaligen Landsleuten anzulnüpfen juchte !). Die Abficht der
ruſſiſchen Generale war, die finnijchen Truppen zu zerftreuen,
bevor fie ſich gejammelt hätten; aber hierin verrechneten fie
fih, da Klerder, welcher durch v. Stedingk von dem bevor-
jtehenden Einmarſch des Feindes Kunde erhalten hatte, ſchleu—
nigjt jeinen Regimentern befahl, ſich zufammenzuziehen, was
mit großer Schnelligkeit gejchah. Die Truppen waren folgender-
maßen verteilt: die Hauptabteilung unter Klerckers Befehl jam-
melte ſich in zwei Brigaden unter den Obriften Adlerecreutz
und Palmfelt beim Kymmeneftrom, während die Savolaljer
Brigade unter Johann Adam Eronjtedt bei St. Michel und
Warkaus Aufftellung nahm; außerdem ftanden Heine Detache-
ments in Karelien und Ofterbotten. Die übrigen, aus Land—
wehr oder geworbenen Regimentern bejtehenden Corps wurden
in die Feſtungen Speaborg (6865 Mann), Spvartholm
(746 Mann) und Hango (250 Mann) gelegt. Sowohl
Offiziere wie Soldaten wußten, daß fie einem Kampf für
Haus und Herd entgegengingen, und jchöpften aus dieſem
Bewußtjein Kraft zum Ertragen auch der jchwerjten Leiden.
Die Einzelheiten des Krieges find von hervorragenden Zeit-
genofjen und fürjorglichen Forjchern gejammelt und der Nach-
welt bewahrt, jein eigentümlich nationale8 Gepräge von dem
Dichter Iohann Ludwig Runeberg in unfterblichen Gejängen
verberrlicht worden. Hier foll nur eine allgemeine Überficht
der wichtigften Friegeriichen Ereigniffe gegeben werben.
Am 21. Februar ging Graf Buxhövden mit den Divifionen
Bagration und Kamensfi bei bitterer Winterfälte über den
Kymmenefluß. Gleichzeitig (18. und 22. Februar) erließ er
1) Bol 8 8 Tigerftedts Bemerkungen in „Finsk Tidskrift“
XXIV, 166 (Helfingiors, 1888) fowie die Einleitung zu Danielfons
„Handlingar rörande förvaltningen i Finland är 1808“, Bd. I (Hel-
jingfors, 1893).
478 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs.
zwei Proflamationen: die eine an die Bewohner Finnlands,
die andere an bie finnifche Armee. Im der erftgenannten
wurde bie finnische Bevölkerung davon benachrichtigt, daß Zar
Alerander beichloffen Habe, Finnland bis auf weiteres in
Befig zu nehmen, und daß mit Rüdficht darauf die Vertreter
des Landes in Abo zufammenfommen follten, um über alles
das zu beraten, was für die Wohlfahrt des Landes gejchehen
fünnte. Die Einwohner wurden aufgefordert, nicht, wie es
früher üblich geweien, Haus und Hof zu verlaffen, da die
Ruffen nicht als Feinde jondern als Freunde und Beſchützer
fümen. Die Beamten jollten jämtlih, mit Ausnahme derer,
die ihren Einfluß auf das Volk zur Aufwiegelung desjelben
mißbrauchen würden, in Amt und Würden verbleiben. Der
zweite Erlaß ermahnte die finnijche Armee, die Ruſſen nicht als
Feinde zu empfangen, da fie nur behufs Aufrechterbaltung von
Ruhe und Frieden in das Land gefommen wären; die Sol-
daten follten daher die Waffen niederlegen und in die Heimat
zurüdfehren. Für jedes den Ruffen ausgelieferte Gewehr jollte
eine Belohnung gezahlt werden. Buxhövden mußte jedoch
bald einjehen, daß dieſe Bekanntmachungen völlig nutlos
waren. „Die Bevölkerung“, äußert ein ruſſiſcher Hiftorifer,
„unterwarf fi nur dem Zwang und der Übermacht“, und
die Armee beantwortete die an fie gerichtete Aufforderung
damit, daß fie bei mehreren kleineren Gefechten entjchloffen
dem Feinde zu Leibe ging. Bei Elimä hielten die Nyländijchen
Jäger am 21. Februar ftand, bis die Vorräte gerettet
waren; am 24. Februar verteidigten ſich die Obriſten
H. H. Gripenberg und v. Döbeln an der Spite des Nyländijchen
Regiments und der Nyländiichen Dragoner bei Forsby lange
wider ben Weind, und an demſelben Tage jchlug Oberft
Fleming bei Artjjö und Salmela überlegene Truppenmajfen
der Ruffen zurüd; am 27. Februar widerftand Adlercreuß
in einer vorteilhaften Pofition bei Orimattila erfolgreich einem
Angriff der Hauptmaht Bagrations; am 28. Februar end-
lih lieferte das Regiment Tawaſtehus als Nachhut ein
ebrenvolles Gefecht bei Dferois. Da indeffen die Klerderiche
Klerders Kampfluft und Klingipors Rüdzug (März 1808). 479
Armee allzu Schwach war, um dem doppelt jo ftarfen Feinde
die Spike bieten zu können, machte fie fich, gefolgt von etwa
der Hälfte des feindlichen Heeres, auf den Rückzug nach
Tamwaftehus, während der Reſt der ruffiichen Truppen zur
Belagerung von Speaborg und Spartholm ſowie zur Be-
jegung von Güdfinnland verwendet wurde. Im Vertrauen
auf die Kampfluft feiner Soldaten und ihr brennendes Ver—
langen nach Verteidigung ihrer Heimat wollte Klerder bei
Zamwaftehus ftand halten und dem nunmehr bloß um einige
1000 Mann überlegenen Gegner eine Schlacht liefern, eine
Abficht, die von den Offizieren und Gemeinen der Armee mit
lautem Beifall begrüßt wurde. Mon rechnete auf einen
Kampf für den 2. März Allein am 1. März traf der
Höchſtkommandierende, Klingjpor, im Hauptquartier ein und
widerjette fich im Kriegsrat energijch einem jolchen Plane, da
ſich nach feiner Meinung bei einem Siege nur ein unbedeu—
tender Vorteil erzielen ließe, während eine Niederlage den
völligen Untergang der Armee herbeiführen würde. Vergebens
ſetzte der fiebzigjährige Klerder für einen glüclichen Ausgang
feinen Kopf zum Pfande. Geſtützt auf feine Injtruftion,
wußte Klingipor feine Meinung zur Geltung zu bringen, fo
daß die Armee, unter Preisgebung der Feſtungswerke und des
Schloſſes von Tawaftehus wie der dort befindlichen, bedeutenden
Kriegsvorräte, am 5. und 6. März den Rüdzug in nördlicher
Richtung fortjete.
Die Militärjchriftfteller Haben diefen Schritt Klingipors
verjchieden beurteilt. Ein Teil hat die Anficht vertreten, daß
zu Beginn des Krieges, wo die Truppen noch friſchen Mutes
waren, eine Feldſchlacht hätte gewagt werben müſſen, und daß
der Krieg hierdurch eine glüclichere Wendung hätte nehmen
fönnen. Andere wiederum haben den Rückzug verteidigt, ba
er durch den Mangel an einer binreichenden Reſerve für den
Fall einer Niederlage ſowie dadurch, daß die Armee feine
Feftung zum Stüßpunft hatte, bedingt worden fei. eben:
falf8 bildet für Klingſpor feine Inftruftion einen Ent—
jchuldigungsgrund. Hingegen läßt fich die Art und Weije, in
480 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs II. und Guſtav IV. Abolis.
welder er den Rüdzug bewerkitelligte, nicht rechtfertigen.
Anjtatt den kürzeren öftlihen Weg über Iyväskylä zu nehmen,
wodurch die Verbindung mit der Savolakſer Brigade aufrecht
erhalten worden wäre, wählte er nämlich den um vieles
längeren Weg an der Küfte; wahrjcheinlich, weil dort leichter
Proviant zu erhalten war. Ein noch weit jchlimmeres Ver—
jehen aber war, daß er fich feine zuverläjjige Kunde von der
Stärfe des Feindes verjchaffte, infolgedefjen legteren für weit
überlegen hielt und aus Bejorgnis, er fönne umgangen und
abgejchnitten werden, den Marſch derart bejchleunigte, daß
ber Rückzug einer Flucht glich. Es war für Die tapferen
Krieger bejchwerlich, bei ftrengfter Winterfälte durch die vom
Sturme zujammengewehten Schneehaufen ohne Raſt vorwärts
zu marjchieren; aber weit jchmerzlicher war es doch für jie,
daß fie ohne Schwertjtreich die Heimat im Stiche lafjen mußten,
für deren Rettung fie mutig und unerjchroden ihr Herzblut
zu opfern bereit waren.
Während des Rückzuges war Klingipors Armee in zwei
Abteilungen geteilt, von denen die eine unter jeinem eigenen
Kommando über Hvitti8 und Björneborg auf den großen
Küftenweg gelangte, um dann auf demjelben nach Norden zu
ziehen, während die andere unter Adlercreug über Tammer—
fors, Ikalis und Ilmola ihren Weg nahm. Der Marjch ging
beinahe ohne Störung von ftatten. Das bedeutendfte Gefecht
war ein Scharmügel beim Dorfe Haiftila im Kirchipiel Ulfsby
(17. März), wo Klingipors Nahhut am Kumofluffe jtand hielt,
bis die in Björneborg aufgejpeicherten Kriegsvorräte in Sicher:
beit gebracht waren. Auch nach der Bereinigung beider Ab-
teilungen bei Nyfarleby (27. März) wurde der Rüdzug mit
unveränderter Haft fortgejegt, jo daß die Armee in jechs Tagen
den Weg nach Gamla Karleby zurüdlegte, wo Klingipor jeinen
Truppen endlich einige Raſt gönnte. Während des Rückmarſches
erhielt Klingipor bedeutende Verſtärkungen, während fich bie
feindliche Armee durch Detachierung einiger Corps nad Süd—
finnland unabläffig verminderte, jo daß jchließlich die zurüd-
weichende finnijche Armee beträchtlich ftärfer war als das auf
Die kriegerifchen Ereigniſſe in Savolals. 481
der Verfolgung begriffene feindliche Heer. Gleichwohl glaubte
Buxhövden durch Abjchneidung des Rückzuges Klingipor zur
Kapitulation zwingen zu können und erteilte dem Generalmajor
Tutſchkow den Befehl, mit dem größten Zeil der ruſſiſchen
Savolakskolonne von Savolaks aus über Iyväskylä nach Waſa
zu marjchieren. Allein vor Ankunft derjelben war Klingipor
entfommen und konnte deshalb unbehindert den Rüdzug fort-
jegen.
Etwas jpäter als am Kymmeneflufje hatten die friegerifchen
Operationen in Savolaks begonnen, wo Tutſchkow am 28. Fe—
bruar mit jeiner Hauptmacht bei Nyjlott über die Grenze ge-
gangen und bis nach Jokkas vorgedrungen war. Johann N.
Eronftedt, welcher den größten Zeil der Savolakſer Brigade
in einer Stärfe von etwa 2900 Mann bei St. Michel zu-
jammengezogen hatte, ſah fich zur Behauptung dieſer Pofition
um fo weniger imftande, als ein kleineres ruffifches Detache-
ment unter Generalmajor Bulatow von Willmanftrand aus im
Anmarſch gegen Kriftina begriffen war. Bon zwei Geiten
bedroht, zog er über Piekſämäki nach Warkaus, wo fich die
Savolafjer Rejervemannjchaft mit der Brigade vereinigte. Da
er um dieſe Zeit von Klingipor Befehl erhielt, einen Kampf
möglichjt zu vermeiden und nach Uleäborg zu retirieren, um
fih dort der Hauptarmee anzujchließen, ſetzte er den March
bis nach Leppävirta fort, von wo er fih am 11. März nach einem
furzen Gefecht mit den jchwächeren ruſſiſchen Truppen zurüd-
320g. Am 15. März marjcierte die Brigade von Kuopio, wo
fich zwei farelijche Jägerbataillone zu ihr gefellten, nach dem
nördlich von der Stadt gelegenen ZToivalapaß. Bei dieſer
Gelegenheit zeichnete fich der tapfere Hauptmann Joachim Zacha—
rias Dunder aus, welcher bei Iynkkä an der Spite der aus
nur 300 Dann beftehenden Nachhut der gefamten gegnerijchen
Macht ftandhielt und darauf in ebenſo geſchickter wie mutiger
Weife die Wiedervereinigung mit der Brigade bewerfitelligte.
Überhaupt vollzog ſich der Rückzug bei der Savolakjer Bri-
gabe mit größerer Befonnenheit und geringerer Übereilung als
bei der Hauptarmee. Nachdem Tutſchkow, wie jchon erwähnt,
Schybergſon, Geſchichte Finnlande, 31
482 Fünfte Periode. Die Zeit Guftans IL. und Guftav IV. Adolfs.
unter Zurüdlaffung Bulatows jowie eines Heineren Detachements
aufgebrochen war, um fich mit der ruffiichen Weltarmee zu
vereinigen, erfolgte der Rückzug ungeftört über Idenſalmi nach
Uleäborg, wo die Brigade am 29. März anlangte.
Der jchnelle Rückzug der finnifchen Truppen hatte bei
Buxhövden die Vorftellung erwedt, daß dieſelben jeder Wiber-
ftandsfraft entbehrten, und daß er daher den Winterfeldzug
mit ihrer Vertreibung aus Finnland zum Abjchluß bringen
fünne. Demgemäß erteilte er den Befehlshabern der vereinigten
Weſtarmee, Rajewski und Tutſchkow, die Weifung, Klingjpor
weiter zu verfolgen und fich Uleäborgs zu bemächtigen. Die
vereinigte Stärke berjelben betrug nur 5000—6000 Mann,
und die finnijche Armee, welche einjchließlich der Savolakſer
Brigade auf etwa 12000 Mann angewachfen war, wäre mit-
bin jederzeit zu ihrer Zurüdwerfung imftande gewejen; trogbem
ſetzte Klingfpor auf Grund des ein- für allemal von ihm
feftgeftellten Planes den Rüdzug fort. Freilich bewiejen der ver-
langfamte Mari und die Kühndeit, mit welcher der Nachtrab
dem Feinde häufig zuleibe ging, daß ſich die Befürchtungen
gemindert hatten, und daß man zu ahnen begann, wie es fich
in Wirflichfeit mit der Stärke des Feindes verhielt. Am
16. April ftieß die ruſſiſche Vorhut unter dem kühnen Obriften
Kulnew in der Nähe von Pyhäjoki mit dem finnijchen Nachtrab
zujammen; es kam bei Mpperilä, Wiret und Pyhäjoki zu Ge-
fechten, in denen die Finnländer unter tapferem Wiberftande
bem Gegner erhebliche Verlufte beibrachten, aber dennoch, ge
mäß dem Klingiporjchen Befehle, den Rückzug fortjegen mußten.
Hierbei wurde der Chef des Generalitabs, Löwenhjelm, ver-
wunbet und geriet in Gefangenjchaft, worauf der allgemein
beliebte Karl Johann Adlercreug diejen Poften erhielt. Wäh—
rend des jpäteren Verlaufs des Feldzuges wurde Aolercreug
immer einflußreicher, jo daß er als der eigentliche Führer der
Armee angejehen werben fonnte. Nicht minder wichtig war,
daß v. Döbeln Kommandeur der Adlercreugjchen Brigade wurde
und infolge deſſen feinen militärifchen Scharfblid mehr denn
zuvor geltend zu machen vermochte.
Der Rückmarſch bis zum Gefecht am Siikajoki (18. April 1808). 488
Die beiden ebengenannten Helden teilen miteinander das
Verdienſt, daß bier im Hohen Norden dem VBormarjch ber
Ruffen endlich ein Ziel gejegt wurde. Am 18. April befand
fih die geſamte finnifche Armee auf dem Rückmarſch über den
Siikajokifluß. Hier wurde bie Döbelnjche Brigade, welche die
Nachhut bildete, um 1 Uhr Nachmittags in ihrer Pofition
ſüdlich vom Fluß angegriffen, leiftete jedoch, um den Rückzug
bes Heeres zu deden, energijchen Wiberftand und retirierte erft
4 Uhr Nachmittags auf das nörblihe Flußufer. Hierauf
jollte nun der Rückzug fortgefegt werben. Als aber Adlerereutz
plöglich bemerkte, daß die ruffiihe Schlachtlinie gerade im
Zentrum ſchwach fei, erteilte er 6 Uhr Abends dem Major Ernft
Guft. v. Herten bei der nyländifchen Jägerkompagnie jowie dem
Lieutenant Kihlſtröm, welcher eine Kompagnie des Regiments
Tawaſtehus führte, den Befehl, das von den Ruſſen beſetzte
jüblihe Ufer zu erftürmen und fich des den Fluß beherrichen-
den Kirchdorf zu bemächtigen. Die beiden Offiziere rückten
raſch vorwärts und jäuberten, nachdem der Angriff durch die
Regimenter Abo und Tawaſtehus unterftügt worden war,
binnen wenigen Stunden im Abenddunkel den Pla vom Feinde.
Die Finnländer hatten im Gefecht 200 Mann an Toten und
Verwundeten eingebüßt, während der Berluft des Gegners
150 Tote und Verwundete jowie 260 Gefangene betrug. Die
wejentlichfte Bedeutung diefes Erfolges lag darin, daß derſelbe
die Vorftellung von der liberlegenheit der Ruſſen befeitigte,
den Finnländern neue Zuverficht einflößte und Klingjpor endlich
zum Standhalten beftimmte. Im dieſem Sinne ift das Gefecht
am Siikajoki ein Wendepunkt in der Geſchichte des Krieges.
Allerdings blieb die Wahlftatt nicht lange in den Händen ber
Finnländer. Klingfpor ließ nämlich feine Truppen etwas weiter
nördlich bei Limingo und Lumijofi Quartiere beziehen, während
fich die Ruffen, denen fich jetzt auch Bulatow Binzugefellt Hatte,
am Siikajokifluffe lagerten. Eine Woche hindurch beobachteten
die beiden Heere einander in biefer Pofition, bis Adlercreutz
jchließlich zum Angriff überging. Auf die Nachricht Hin, daß
fich Bulatow mit etwa 2000 Mann in einer tfolierten Pofition
31*
4854 Fünfte Periode. Die Zeit Guſtavs III. und Guftan IV. Adolfs.
bei Revolaks am Siikajoki, zwei Meilen von den übrigen ruj-
fiihen Truppen entfernt, befände, ſandte er Cronſtedt mit
1800 Mann nach dem jüdöftlih von Bulatows Stellung ge:
legenen Dorfe Paavola, mit dem Befehl, von bier aus die
Abteilung Bulatows im Rüden anzugreifen, während er per-
fönlich diejelbe mit einem Fleineren Detachement in der Front
beunrubigen wollte Am frühen Morgen des 27. April jollte
der Ungriff gleichzeitig von beiden Seiten ber erfolgen. In
der Nacht erjchien Adlercreug mit nur 150 Mann, welche
mehrere Stunden lang die Aufmerkſamkeit des Feindes ab-
lentten, bis fie um 6 Uhr zum Rüdzug genötigt wurden.
Adlercreug benachrichtigte Eronftedt hiervon, in der Meinung,
derjelbe werde nunmehr von dem Angriff abjtehen; allein jener
ließ fich nicht abjchreden, jondern ging mutig auf den Feind
[08, welcher einen beträchtlichen Zeil feiner Truppen Aodlercreuß
entgegengeichict hatte und daher verhältnismäßig ſchwach war.
Morgens 8 Uhr begannen Cronſtedts Savolaffer und Kare-
lier den Anfturm gegen die Ruffen, welche in dem auf einer
Anhöhe gelegenen Pfarrhof Pofto gefaßt hatten. Etwa 9 Uhr
wurde dieſer Pla erftürmt, wobei ein heftiges Handgemenge
entjtand. Jeder Widerftand erwies fich als vergeblih. Der
ruſſiſche General jelber fiel verwundet in die Hände der Finn:
länder, und feine ganze Kolonne wurde mit einem Verluft von
600— 700 Mann auseinander geiprengt. Diefer durch bie
Kühnheit Eronftedts und die Tapferkeit jeiner Soldaten er-
fochtene Sieg hatte wichtigere ftrategiiche Folgen als der Kampf
am Siifajofi. Die Feinde, deren Schlachtlinie durchbrochen
war und die nahe daran waren, umgangen zu werden, mußten
in Eilmärjchen nah Gamla Karleby rien, wo Rajewsti und
Tutſchkow vorläufig blieben, während Klingipor vorfichtig und
langjam ihnen folgte.
Jetzt eröffnete fih eine neue Siegesbahn für die finnische
Armee, welche nach langen Leiden und Mübjalen mit frober
Hoffnung an die Wiedereroberung ihrer Heimatsorte in Mittel-
finnland ging. Allein die Freude wurde bald durch die trüben
Nachrichten gedämpft, melde aus Südfinnland anlangten.
Sieg von Revolals (27. April). Übergabe von Svartbolm (18. März) 485
Während die Armee den alten Ruf finnischer Treue und Mann:
baftigfeit mit Ehren wahrte, hatte in den Feſtungen am finni—
ſchen Meerbufen der Verrat fein Spiel getrieben und dieſelben
faft ohne Schwertjtreich in die Hände des Gegners gebracht.
Burxhövden Hatte eingejehen, daß alle jeine Erfolge nur von
geringer Dauer jein fünnten, wofern nicht Sveaborg und
Spartholm, welche beim Anbruch des Sommers einen feſten
Stüßpunkt für die ſchwediſchen Hilfstruppen bieten follten, in
jeine Hände fümen. Er behielt daher den größten Zeil feiner
Zruppen im füblichen Teil des Landes und jehritt unmittelbar
zur Belagerung der beiden Feſtungen.
Das bei der Grenze gelegene Svartholm hatte eine Be—
jagung von ungefähr 700 Mann und entbehrte weder der Muni—
tion noch der Yebensmittel, jo daß ſich ein langer Wiberftand
hätte erwarten lajjen, zumal da e8 dem rujfiichen Belagerungs-
corps von etwa 2000 Mann unter Generalmajor Muchanow
an Belagerungsartilferie fehlte. Die Gegner unternahmen
deshalb auch nicht einmal einen Scheinangriff gegen die Feſtung;
hingegen waren jie um jo gejchäftiger in der Eröffnung von Ka—
pitulationsunterhandlungen. Anfangs wurden ihre Forderungen
abgewiejen; aber nach weiterem PBarlamentieren jowie nach einer
mehrtägigen Kanonade änderte man den Ton, und am 18. März
wurde die noch völlig unverjehrte Feſtung mit Kanonen, Pro—
viant und Munition von dem Befehlshaber, Major Karl
Magnus Gripenberg, an den Gegner ausgeliefert. Die Truppen
wurden als Kriegsgefangene betrachtet; doch durften die Finn—
länder in ihre Heimat zurückehren. Ein ruffiiher Verfaſſer
jagt: „Aus der Korrejpondenz des Grafen Buxhövden läßt ſich
ihließen, daß bei der Eroberung Svartholms diejelben Mittel
wie bei Speaborg zur Anwendung gelangten, wenngleich zuver-
läffige Beweife hierfür nicht aufzufinden find“. Daß ein ernt-
licher Widerftandsverjuch nicht erfolgte, kann vielleicht als ein
Beweis für die Schuld des Kommandeurs aufgefaßt werben,
welcher übrigens jelber anerkannt hat, daß der Einfluß Göran
M. Sprengtportens auf feine Handlungsweiſe einwirkte ?).
1) gl. „Historiallinen Ark.“ VIII, 367 (Helfingfors, 1884).
486 Fünfte Periode. Die Zeit Guſtavs II. und Guſtav IV. Abolfe.
Einige Tage jpäter fielen die Küfte von Südweſtfinnland
und der Schärengarten in die Hand der Ruſſen. Die Heinen
Baftionen auf den Feljeninjeln bei der Hangder Landzunge er-
gaben fi am 21. März, und am nächſten Tage bejegten die
Ruffen Abo, welches nach Verbrennung der Ranonenjchaluppen
und Fahrzeuge der Schärengartenflotte jowie nach Vernichtung
des jonftigen Kriegsmaterial® von ber ſchwachen Bejakung
geräumt worden war. Anfang April landeten 700 Mann
unter Oberft Wuitjch auf Aland und beſetzten, ohne auf Wider—
ftand zu ftoßen, die äländijchen Injeln. Sogar Gotland wurde
von den ruffiichen Truppen occupiert.
Die Hauptaufmerkjamkeit war inbeffen auf Speaborg ge-
richtet, welches jett zum erjtenmal von feiner Widerftandsfraft
gegen einen feindlichen Angriff Probe ablegen jollte. Admiral
Cronſtedt Hatte feine Anftalten zur Verteidigung oder Zer-
ftörung von Helfingfors getroffen, jo daß dieſe Stadt am 2. März
faft wiberftandslos in die Hand der Wuffen geriet und in
einen Waffenplag für die Belagerungstruppen des Feindes ver-
wandelt wurde. Ebenjo verabjäumte Eronftebt, einen Ausfall
aus der Feſtung zu machen, was beim Beginn der Belagerung,
wo bie Nuffen keineswegs zahlreich waren, mit gutem Erfolg
hätte gejchehen fünnen, während jpäter die Belagerungsarmee
auf etwa 6500 Mann anwuchs. Hingegen zeigte Eronjtebt
großen Eifer, die Feftungswerkte an den ſchadhaften Stellen
auszubefjern.
Die Belagerungsarbeiten jtanden unter Leitung des General-
lieutenants Paul v. Suchtelen, welcher die Feſtung vom 19.
bi8 zum 21. März ununterbrochen bejchießen ließ. Letztere
antwortete mit lebhaften Gejchügfeuer, welches die Ruſſen
nicht wenig behelligte. Hierdurch wurde Suchtelen zur Er-
öffnung von Verhandlungen mit Cronſtedt veranlaft. Er
machte demjelben, angeblich von dem Wunjch bejeelt, die Stadt
vor Zerftörung zu retten, ven Vorjchlag, daß die Beſchießung
von ber Feitung aus aufhören jolle, wogegen ſich die Auffen
dazu verpflichten wiürben, auf der Stabtjeite feine Batterieen
aufzumwerfen. In der That willigte Eronftebt barein, obwohl
Die Belagerung von Sveaborg. 487
durch eine jolche Übereinkunft den Ruſſen erfichtliche Vorteile ein-
geräumt wurben, indem fich diefelben nunmehr der gewiffermaßen
neutralifierten Stabt ungeftört für ihre Zwecke bedienen konnten.
Während der Konferenzen, welche bei diejer Gelegenheit ftatt-
fanden, hatte Suchtelen, wie er jelbft jagt, gemerkt, daß „bie
moralijche Kraft einiger jchwebiicher Befehlshaber nicht der that-
jächlichen Widerftandsfähigfeit der Feſtung entiprach“, eine Ent-
bedung, „welche ihm als Leitftern bei den Maßnahmen diente,
durch welche er die Übergabe der Feftung bejchleunigte“. Sein
Helferspelfer war hierbei namentlih der Hofrat Hagelftröm,
ein Schwede, welcher in ruſſiſche Dienfte getreten war und
wohl ſchon jeit langer Zeit Verbindungen mit Offizieren ber
Feſtung unterhielt ). Auch Helene Charlotte Reuterjtjöld, die
Gemahlin des Kommandeurs auf dem Fort Lilla Ofter Svartö,
Hauptmann Karl Wilhelm Reuterſtjöld, veranlaßte zahlreiche
Offiziere, wider das Gebot der Pflicht zu handeln ?).
An 28. März begann die Ranonade von neuem und währte
bis zum 1. April, jedoch ohne die Feftung zu beichädigen; auch
juchten die Gegner durch Heine, aber lärmende Scheingefechte,
welche bejonders zur Nachtzeit erfolgten, die Bejatung zu be—
belligen und zu ermüben. Zugleich wurden aus dem ruffijchen
Hauptquartier an den Kommandanten unabläffig Zeitungen und
Nachrichten überjandt, welche Berichte von der unglüdlichen Lage
Schwedens enthielten. Bulletins vom ruſſiſchen Heere, Profla-
mationen, Samilienbriefe, kurz alles, was die Sinne in Erregung
verjegen konnte, wurde täglich in der Feſtung verbreitet und neue
gierig gelefen. Bald jcheute man fich fogar nicht, unter die Offi-
ziere, bejonders die Negimentsfommandeure, bedeutende Geld—
jummen zu verteilen. Wer die Männer waren, die auf jolche Weiſe
bie ſtärkſte Feftung ihres Vaterlandes und ihre perjönliche Ehre
verfauften, ift nicht befannt geworden. Klar jcheint jedoch zu
1) Über das Verhalten desfelben vgl. „Finsk Tidskrift“ XIX, 293
(Helfingfore, 1885).
2) Bol. 3. R. Danieljons Mitteilungen in der Zeitichrift „Valvoja“
III, 510 (Helfingfors, 1883) fowie „Sveriges krig 1808 och 1809“ II,
286—365 (Stodholm, 1895).
488 Fünfte Periode. Die Zeit Guſtavs III. und Guſtav IV. Adolfs.
fein, daß unter den Anhängern der ruſſiſchen Interefjen in ber
Feſtung der Oberft Friedrich Adolf Yägerhorn, ein begabter
Mann und Bruder des früher genannten Revolutionäre Johann
Anders Yägerhorn, die leitende Perjönlichfeit war. Derſelbe
befand fich ftetS im Gefolge jeined Verwandten Eronftedt und
ipielte überall die Rolle eines vertrauten Ratgeber besjelben.
Sein Name deutet auch darauf bin, daß zwifchen ben ver-
räterifchen Umtrieben auf Speaborg und den Selbjtändigkeits-
plänen in den achtziger Jahren des 18. Jahrhunderts ein un—
mittelbarer Zufammenbang bejtand. Cronſtedt, welcher jpäter
von der rujfiichen Regierung belohnt wurde, jcheint während
der Belagerung feine Geldgejchente angenommen zu haben.
Allein Suchtelen wußte fich geichiett des Umftandes zu bedienen,
daß jener jeit langem mit der am uber befindlichen Negie-
rung in Schweden und mit dem von berjelben befolgten poli=
tiſchen Syftem unzufrieden war, um bie Treue des unzuver—
läffigen Mannes zum Wanten zu bringen. Auch jchredte er
ihn durch Drohungen inbetreff der Zerftörungen, welche eine
fortdauernde Kanonade in der Feſtung verurjachen würde, jo-
iwie inbetreff des Schickſals, welches feinen eigenen, in ber
Feſtung eingejchloffenen Angehörigen bevorftände ').
Nah Hinreichender Bearbeitung der Stimmung innerhalb
der Feſtung entjandte Suchtelen am 2. April einen Parla-
mentär, um Eronftedt zur Kapitulation aufzufordern, und zwar
jollte zwiichen Belagerern und Belagerten ein Waffenftillftand
bis zum 3. Mai ftatthaben und an letzterem Tage die Über-
gabe der Feſtung erfolgen, wofern bis dahin fein Entjag ein-
getroffen wäre. ALS diefer Vorschlag noch an demjelben Tage
dem bauptjächlich aus den Regimentstommandeuren beftehenden
Kriegsrate vorgelegt wurde, erhoben einige der Anwejenden
Einſprache; aber der Kommandant unterbrach fie mit eifrigen
Vorftellungen über die jehwierige Lage der Feltung, ihren un—
genügenden Kugelvorrat, die mangelhafte Übung der Truppen
jowie die immer heftigeren Angriffe des Gegners, und bewies
1) P. v. Sudtelen, Kriget mellan Sverige och Ryssland ären
1808 och 1809, p. 54—70.
Die Kapitulationsverbandlungen über Sveaborg. 489
hierdurch, wie lebhaft fein Wunjch nach einem Abjchluß der
Kapitulation war. Am nächften Tag, an welchem bie Ent-
ſcheidung erfolgen follte, wollten jich die Obriften Wärnbjelm,
Gutowsky fowie einige andere dem Vorjchlag widerjegen, wur-
den jedoch von dem Kommandanten jowie Oberjt Jägerhorn
niebergejchrieen. Der letztere drohte jogar mit gerichtlicher
Ahndung, wofern die Annahme der Kapitulation nicht er-
folgen würde. Unter ſolchem Drude vonfeiten des Höchit-
fommanbdierenden und jeines Vertrauensmanne® nahm man
den Vorſchlag jchlieglih im Prinzip an und unterzog darauf
die angebotenen Bedingungen einer Prüfung im einzelnen.
Cronſtedt juchte zu beweifen, daß die Ankunft von Entjat-
truppen aus Schweden bis zum 3. Mai möglich fei, und er-
wirkte durch feinen Einfluß die Annahme diejes Hauptpunftes.
Noh größer wurde die Unruhe, als der Kommandant die
Forderung des Feindes mitteilte, daß die Heineren Injelfeftungen
Laͤngörn, Lilla Ofter Svartö und Wefter Spartö, als Unter:
pfand für den Waffenftillftand, ſofort abgetreten werben
jollten. Aber auch bier wurde jegliche Oppofition durch das
energijche Eingreifen Eronftebts und Jägerhorns zum Schweigen
gebracht. So fam es denn dahin, daß der Kriegsrat die ruf-
ſiſchen Bedingungen en bloc annahm, jo daß nur noch bie
Unterzeichnung der Kapitulation erübrigte, was am 6. April
auf der Injel Laͤnnan, außerhalb der Feltung, geſchah. Wofern
bi8 zum 3. Mat 12 Uhr Mittags ein jchwebijches Hilfs—
geſchwader von mindeftens fünf Linienjchiffen in den Hafen
von Speaborg nicht eingelaufen wäre, follte die Feſtung den
Ruffen überliefert werden; ferner jollte die Räumung der oben-
genannten Eleineren Injeln jofort erfolgen ).
Das Meer bei Sveaborg ift felten vor dem 3. Mai völlig
eißfrei, und es war daher faum denkbar, daß eine jchwebijche
Flotte bis zu diefem Zeitpunkt in den Hafen der Feltung zu
1) Detaillierte Auffchlüffe über die Belagerung und ben Fall von
Speaborg giebt das von I. DO. I. Ranken im „Historiallinen Ark.“
VI, 71—98 (Helfingfors, 1878) publizierte Tagebuh bes Majors
v. Hauswolff.
4M Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolie.
gelangen vermochte. Der Bertrag bedeutete mithin dasjelbe
wie eine Übergabe von Speaborg. Cronftedt und feine Ge
finnungsgenoffen dachten denn auch nicht mehr an Verteidigung,
jondern einzig daran, ihre Untergebenen an einem Bruch des
Übereinfommens zu verhindern. Die Stimmung unter den
Subalternoffizieren und ber Mannſchaft wurde nämlich befto
erbitterter, je näher der Tag ber Übergabe heranrüdte. Unter
den Offizieren war mehrmals von Meuterei und Gefangen:
nahme bes Kommandeurs die Rede; aber das Anjehen, welches
derjelbe jeit langem genoß, ſowie Mangel an Einigkeit hinderte
die Ausführung eines folchen Planes. Freilich konnte Eron-
ftebt in den legten Tagen nur durch Verhaftungen in größtem
Mapftabe feine Autorität aufrecht erhalten. Im den Tagen
vom 4. biß 6. Mai räumten die Truppen die Feſtung. „Ver—
zweiflung und Trauer war auf den Angefichtern der Menge
zu leſen; Offiziere, Gemeine, Frauen, alle weinten fie“: jo
berichtet ein Augenzeuge. Die ſchwediſchen Soldaten blieben
Kriegsgefangene, während die finnifchen in die Heimat zurüd-
fehren durften. Die Zahl der Mannfchaften, welche das Ge-
wehr ftredten, belief fih auf 6000—7000 Mann; auch fielen
2000 Kanonen nebjt bedeutenden Proviant- und Munitions-
vorräten in die Hand der Ruſſen. Seiner Inftruftion zumider
hatte Cronſtedt jogar die Verbrennung der im Hafen liegenden
Schärengartenflotte unterlaffen, jo dag 110 Sriegsfahrzeuge
eine Beute des Gegners wurden.
In Finnland und Schweden vernahm man die Nachricht
von diefem Greigniffe mit Beftürzung und Erbitterung. Eron-
jtebt wurde vor einem Kriegsgericht angeklagt, ftellte fich jedoch
demjelben nicht, jondern juchte fein Verhalten nur in einer
ihwachen Verteidigungsjchrift zu rechtfertigen. Er lebte fortan
bi8 zu jeinem Tode (1820) auf Hertonäs bei Helfingfors,
gebeugt durch die Verachtung, deren Gegenftand er war. In
Petersburg wurde hingegen ein raufchendes Siegesfeft anläßlich
der Kapitulation Sveaborgs gefeiert. Das Wert Peters des
Großen war vollendet, der Schlüffel Finnlands in den Beſitz
der Rufjen gelangt.
Die Übergabe von Sveaborg (Mai 1808). 491
Bereits vorher Hate der ruffiiche Hof feine wahren Ab-
fichten verraten und am 28. März ein Manifeft erlafien, worin
u. a. bie nach dem Einfall der Ruſſen erfolgte Verhaftung des
rufſiſchen Gejandten Alopäus zu Stodholm als Urfache des
Krieges bezeichnet, jowie gleichzeitig erklärt wurde, daß das
eroberte finnijche Gebiet für alle Zeiten mit dem rujfifchen
Reiche vereinigt bleiben und daher den Bewohnern der Eid
der Treue abgeforbert werben jolle. Eine weitere Profla-
mation vom 31. März verbieß, daß „in dem jett eroberten
Finnland nicht das in Rußland übliche Rekrutierungsipften
eingeführt“, ſondern die finnische Urmee, nachdem die Bevöl—
ferung Finnlands den Treu- und Huldigungseid geleiftet hätte,
unverändert auf dem alten Fuß beibehalten werben ſolle. Der
Sieger behandelte das Land nunmehr wie fein Eigentum, und
unter Androhung harter Strafen wurde die Bevölkerung ge-
zwungen, auf den Thingen, in ben Kirchen oder an anderen
öffentlichen Orten ihm Treue zu ſchwören.
Anfang Mai 1808 waren mithin die Ausfichten fiir Finn—
land und deſſen jehwer geprüfte Bewohner die allertrübiten.
Faft das ganze Land fowie alle Feftungen befanden fich in der
Hand des Gegners. Hoch im Norden ftand ein Heer, welches
allerdings Proben von Mannhaftigkeit und unerjchütterlicher
Baterlandsliebe abgelegt hatte, jedoch allzu jchwach erjchien, um
wiederzugewinnen, was verloren gegangen war. Und doch gab
e8 noch eine Möglichkeit, eine beffere Wendung herbeizuführen.
Mit Eintritt des Sommers war es nämlich leicht, Entjag-
truppen nach Finnland zu bringen und mit verftärkter Kraft
den Kampf wieder aufzunehmen. Wir werben indeffen jehen,
daß auch diefe Hoffnung an den wenig zwedmäßigen Maß-
nahmen Guſtavs IV. zu Schanden mwurbe.
Nah dem Siege bei Revolals zog Klingfpor mit vier
Brigaden (zufammen 10000 Mann) nah Süden; aber jein
Bortrab gelangte nicht weiter als bis Himango im nordweſt—
lihen Winkel der Provinz Waja, wo der Vormarjch aufhörte,
da die jchlechte Bejchaffenheit der Wege infolge Auftauens des
gefrorenen Erbbodens jowie infolge Austretens der Flüffe und
492 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guſtav IV. Adolfs.
Ströme unüberwindlihe Hinderniffe zu bereiten jchien. Die
Armee blieb deshalb ſechs Wochen in ihrer Pofition bei Hi-
mango und nördlich davon, während das nur etwa 5000 Mann
ſtarke rujfiiche Heer ruhig in Gamla Karleby auf Verftärkung
wartete. Inzwiſchen war eine neugebildete fünfte Brigade
(etwa 3000 Mann) unter Oberjt Sandels von der Haupt:
armee betachiert und auf den Weg von Kuopio nach Uleäborg
beordert worden. Während der größte Teil behufs Einerer-
zierung zurüd blieb, marjchierte Sandel8 mit dem Reſt (gegen
1300 Mann) weiter vorwärts, wobei fich herausstellte, daß
die durch die Jahreszeit und die jchlechte Beſchaffenheit der
Wege verurjachten Hinderniffe durchaus nicht unüberwindlich
waren.
Bei Pulkkila ſtand ein ruffiiches Detachement von 500 Mann
unter Oberſt Obuchow, welches infolge des Rückzugs der ruj-
fiihen Hauptarmee in eine ijolierte Pofition geraten war.
Diefen Umftand benußte Sandels, indem er am 2. Mai bie
feindliche Abteilung von 400 Mann unter Major Fahlander
umgehen ließ, während er perjönlich diejelbe gleichzeitig mit
einem etwas geringeren Trupp von Norden und Oſten ber
angriff. Vergebens juchte fich Obuchow durchzujchlagen. Sein
ganzes Detachement wurde teil® niedergemacht, teils gefangen
genommen, und er jelbjt mußte fich, verwundet, ergeben. Diejes
Gefecht, wo nur verhältnismäßig geringfügige Truppenabtei-
lungen gegeneinander fämpften, hatte wichtigere Folgen als bie
meijten anderen Treffen während des Krieges. Der Weg über
Idenſalmi nach Kuopio ftand nunmehr Sandels offen, und
biejer zögerte nicht, fich feines Vorteils jchnell zu bedienen.
Unter Zerftreuung Eleinerer ruffischer Datachements jowie Ab-
fangung ruſſiſcher Vorräte erreichte feine Vorhut am 6. Mat
Idenſalmi. Hier jchloffen fih Bauernicharen freiwillig an,
das erſte Zeichen der Volkserhebungen, welche jpäter überall
ftattfanden, wo nur immer die Bauern imftande waren, bie
Waffen zu ergreifen. Hierauf jandte Sandels eine Abteilung
von 150 Mann unter dem Hauptmann Karl Wilhelm Malm
nach Kuopio. Berftärkt durch etwa 300 mit allerlei Waffen
Sandels’ Sieg über Obuchow (2. Mai 1808). 493
ausgerüftete Bauern, überrumpelte derſelbe am 12. Mai die
in jener Stabt befindliche ruffiiche Beſatzung, welche mehr als
300 Mann nebjt beträchtlichen Vorräten einbüßte. Kaum
hatte Sandels von der fühnen That Malms Kunde erhalten,
jo eilte er ihm mit feiner ganzen Brigade zuhilfe. Bon
Kuopio, wo er am 20. Mai anlangte, marjchierte er in ſüd—
licher Richtung nah Warkaus und entjandte Malm weiter in
das ſüdweſtliche Savolafs, wo bdiefer bis in die Nähe von
St. Michel vordrang. Gegen Ende Mai waren mehr als
1000 Ruſſen getötet, verwundet oder gefangen genommen, be-
deutende Kriegsvorräte abgefangen fowie der größte Teil von
Savolafs von Feinden gefäubert. Dieſer fchnelle Vormarjch
beunruhigte die rujfiichen Generale um jo mehr, als die Volts-
erbebung mit jedem Tage größere Ausdehnung gewann. Die
Bauern bewaffneten fich mit Knütteln, Senfen und alten Flinten,
und orbneten fich jcharenweije unter dem Kommando von Offi-
zieren und Gemeinen, die aus den preisgegebenen Feſtungen
heimgeſandt waren, aber jet von neuem zu den Waffen griffen.
Durch die unerwarteten Erfolge Sandels' erfchredt, traf Bur-
bövden Anftalten zur Konzentration beträchtlicher Truppen—
maffen in Savolaks. Bald rüdten etwa 8000 Mann unter
dem enerallieutenant Barclay de Tolly gegen die zerftreuten
und jchwachen Detachements Sandels’. Diefer fammelte jchleu-
nigit jeine Brigade und retirierte mit ihr unter zahlreichen
Gefechten bis zum Toivala-Paß, nördlich von Kuopio, wo er
in einer gut gewählten Pofition mit einer Heeresmacht von
etwa 2500 Mann mehrere Monate Hindurch ber feindlichen
Übermacht trogte. Am 19. Iuni hielt Barclay de Tolly feinen
Einzug in Kuopio, wo er zunächſt Halt machte.
Während Sandel8 unerfehroden in Savolaks vorbrang,
fpielten fich gleichzeitig auf Aland Vorgänge ab, welche den
Nuffen in nicht geringem Maß Abbruch thaten. Die dortigen
Befehlshaber Hatten nicht berücjichtigt, daß das Eis auf dem
Alandsmeer auseinandergetrieben werden und fich infolge deſſen
die Möglichkeit einer Hilfsjendung aus Schweden barbieten
würde, während das Eis auf der finnijchen Seite nicht trag-
494 Fünfte Periode. Die Zeit Guſtavs IH. und Guftan IV. Adolfs.
fähig wäre, jo daß fie fich weder auf das Feſtland zurückziehen
noch von dort Entfag erhalten könnten. Diejer Mangel an
Borausficht rächte ſich ſchwer. Am 6. Mai erjchienen drei
Heine ſchwediſche Kriegsfahrzeuge unter Lieutenant Kapfelmann
bei der füdlichen Spige der Injel, während gleichzeitig Pro-
Hamationen verbreitet wurben, welche zur Grbebung auf:
forderten. Dies wirkte auf die friedlichen Injelbewohner gleich
einem zündenben Funfen. Zwei beherzte Männer, ver Oberpolizei-
beamte Erich Aren in Finftröm und der Pfarradbjunft Heinrich
Johann Gummerus in demjelben Kirchipiel, ftellten fich an bie
Spite des gemeinen Mannes, der am 6. und 7. Mai in allen
Kirchſpielen Alands zu den Waffen griff und die zerftreuten
ruffiichen Poften zu Gefangenen machte. Inzwijchen befand fich
die ruffiiche Hauptabteilung auf Kumlinge unter dem Kommando
des Obriften Wuitſch, der die Gefahr erſt merkte, als ſich
das Heine ſchwediſche Geichwader nahtee Am 10. Mai fam
e8 hier zum Kampf zwijchen den Ruſſen, welche 470 Mann
ftarf waren, und Kapfelmann ſowie den aͤländiſchen Bauern,
welche von Gummerus und Aren befehligt wurden und beren
Zahl fih auf 450 Mann belief. Unverzagt landeten bie
Bauern, jchritten zum Angriff auf den Pfarrhof, welcher das
ruſſiſche Hauptquartier bildete, und jagten den Feinden, bie fich
von einer weit beträchtlicheren, regulären Qiruppenmacht be-
droht wähnten, einen derartigen Schred ein, daß fie die Waffen
nieberlegten und jich ergaben. Am folgenden Tage wurde ein
ruffifcher Poften auf Brändö gefangen genommen. So wurbe
durch die jchnelle Entjchloffenheit der Bauern der Aländifche
Schärengarten innerhalb weniger Tage von dem Gegner ge:
jäubert, was von nicht geringer Wichtigkeit war, da fich Lan-
bungen an ber finnijchen Küfte mit Leichtigkeit auf den äländi-
ſchen Inſeln vorbereiten ließen. Kurz darauf wurbe auch
Gotland von den Schweden wiebererobert.
Anläßlich dieſer Mißerfolge begehrte Buxhövden von Kaifer
Alerander Verftärkungen. Er erhielt 11000 Mann, jo daß
bie in Finnland befindliche ruſſiſche Heeresmacht auf 34000
Mann ftieg. Indeffen verbefjerte fich hierdurch die Lage Bur-
Die Säuberung bes Alänbiihen Schärengartens. 4%
hövdens feineswegs, da ber größte Teil der neuen Truppen
zur Hemmung des Vormarſches von Sandels in Savolaks
verwendet wurde. Hingegen bot das Eintreffen des Sommters
ben Schweben einige Vorteile, welche, wofern fie richtig ver-
wertet worden wären, auf den Ausgang bes Krieges eine
weſentliche Wirkung hätten ausüben fönnen. “Die vereinigte
ſchwediſche und englifche Flotte beherrjchte das Meer; denn
die ruſſiſche Flotte war, trog der BVerftärfung durch das in
Sveaborg eroberte Gejchwader, verhältnismäßig ſchwach. Die
Streitfräfte Schwedens hätten daher ohne jede Schwierigkeit
nah Finnland Hinübergejchafft werden können. Außer ben
regulären Truppen, bie fih auf 50000 Mann beliefen, hatte
Guſtav IV. die aus 30000 Jünglingen im Alter von 19 bis
25 Jahren beftehende jogenannte „Landwehr“ aufgeboten. Man
hätte erwarten dürfen, daß ein beträchtlicher Teil dieſer Sol-
baten Finnland zur Hilfe gejandt worden wäre; aber bies
geſchah keineswegs. Hartnädig beharrte der König vielmehr
auf jeinem Plan einer Landung an ber jeeländijchen Küfte
jowie einer Eroberung Norwegens, und bildete zu diefem Zweck
Armeeen in Südſchweden, während nur 5000 Mann nad
dinnland gingen, welche zudem noch in verjchiedene Kolonnen
geteilt waren. Obwohl Guftav jomit perjönlich eine wirkſame
Unterftügung Finnlands bei defjen Kampfe verabjäumte, hoffte
er viel von der finnifchen Bevölkerung, an welche die Auf:
forderung erging, zu den Waffen zu greifen und dem Gegner
auf alle Weife Schaden zuzufügen. Es unterliegt feinem Zweifel,
daß Die patriotifche Opferwilligfeit der finnifchen Bauern ein
jchweres Gewicht in die Wagjchale hätte werfen können, wenn
fie mit Waffen und Munition verjehen und von zahlreichen
regulären Truppen unterftügt worden wären. Aber weder das
eine noch das andere geſchah. Zwar erhoben fich Hier und
dort die durch die ruffiichen Befehlshaber ver Gewehre beraub-
ten Bauern; aber ungeübt und faft unbewaffnet, fügten fie fich
jelber zumeift mehr Schaden zu als dem Weine.
Auf die Nachricht Hin, daß ein ſchwediſches Landungscorps
in der Gegend von Wafa zu erwarten fei, entjchloß ſich Kling-
496 Fünfte Periode. Die Zeit Guftaus III. und Guſtav IV. Adolfs.
ſpor Anfang Juni zum Aufbruch mit feinen nunmehr aus—
gerubten Truppen, deren Stärke fich auf etwa 9000 Mann
belief. Am 8. Juni überrafchte Oberftlieutenant Otto v. Fieandt
mit dem Vortrab bei Perho einen ruffischen Poſten und be-
mächtigte fich großer Proviantvorräte. Dies fette Rajewski,
welcher über beinahe 7000 Mann verfügte, dermaßen in
Scähreden, daß er von Gamla Karleby feine Hauptmacht nach
Waſa, Lillkyro und Lappo birigierte, während die Vorhut in
Nykarleby blieb. Klingipor detachierte num eine Abteilung von
ungefähr 700 Mann unter v. Fieandt auf den über Perho und
Lintulats nach Iyväskylä führenden Weg, während er jelbit,
wie gewöhnlich, langſam auf der Küftenftraße binterdreinzog.
Am 24. Juni wich die ruſſiſche Vorhut unter Jankowitſch bei
Nyfarleby nach kurzem Gefechte zurüd, worauf die finnijchen
Truppen bis nach Oravais vordrangen.
Gleichzeitig landete ein Corps von 1100 Mann unter dem
Generaladjutanten Bergenfträle nördlich von Waja und rüdte
am 25. Juni in die Stadt, wo ein heftiges Handgemenge
entftand. Diejer erjte Yandungsverfuh mißlang jedoch, da
das ruffiiche Detachement in Wafa zahlreiche Entjagtruppen
erhielt. Diejelben nötigten die Schweden zum Rückzug und ftraf-
ten durch gewaltjame Plünderung wie graufame Mißhandlung
die ftädtifchen Bewohner, welche, wie fie glaubten, in geheimer
Verbindung mit den Yandungstruppen gejtanden. Im Zus
jammenbang hiermit loderte die Flamme des Bauernfrieges
in den Kirchipielen an der jüdlichen Küſte Oſterbottens auf.
Schon bei der Yandung hatten fich einige Hundert Bauern
Bergenfträle angejchloffen; aber eine noch größere Ausdehnung
gewann dieſe Bewegung dadurch, daß eine Schar von 50 Dann
unter Hauptmann Ridderhjerta und Lieutenant Jakobsſon mit
einem Kriegsihiff nah Süden ging, um fih an die Spike
der Erhebung zu ftellen. Innerhalb weniger Tage waren
mehrere taufend, größtenteil® mit Senjen und Stangen be-
waffnete Bauern in Solf, Malar und Nerpes auf den Beinen.
Die Kofafen wurden überall, wo man auf fie ftieß, überfallen
und auch Standesperjonen, welche den von den ruffiichen Be—
Die Bauernerbebungen und Landungsverſuche im Sommer 1808. 497
fehlshabern vorgejchriebenen Eid geleiftet hatten, eingejperrt
Nachdem die Bauern auf ſolche Weife über ein umfangreiches.
Gebiet Herr geworden, legten jie in Solf und am Finby—
fluffe Berichanzungen an; aber in Ermangelung jeglicher Unter-
ftügung jeitend der Hauptarmee wären fie völlig überwältigt
worden, wofern nicht der Feind, in der Annahme, daß ihre
Erhebung von einem größeren regulären Truppendetachement
unterftügt würde, fie lange in Frieden gelafjen hätte. Erft am
20. Juli erfolgte ein ernftlicher Angriff gegen die an ber
Finbybrücke befindliche Abteilung. Boll Schreden flüchteten
die Bauern vor den gefürchteten Koſaken; glüdlicherweije kam
indeſſen jchließlich eine Kompagnie regulärer Soldaten ihnen
zubilfe, jo daß die Finnländer den Platz behaupteten.
Einige Tage vor dem Gefecht bei Waja wurde ein Lan
bungsverjuch in der Nähe von Abo gemacht. Unter dem
Schut eines aus Kanonenbooten und anderen Heinen Fahr⸗
zeugen beftehenden Geſchwaders landete am 19. Juni ein
Corps von mehr als 2000, jedoch größtenteild ungeübten Sol-
daten dreiviertel Meilen füdöftlich von Abo an der Landzunge
von Yemo. Führer des Detachements, welchem fi” Bauern
aus den Infeltirchipielen anjchloffen, war der tapfere General-
major v. Vegefad. Die Schweden rüdten eilig vorwärts,
ftießen jedoch am Abend auf eine ruſſiſche Kolonne, jo daß fich
während der hellen Sommernacht ein heftiger Kampf entipann,
welcher nur um Mitternacht eine anderthalbftündige Unter-
bredung fand. Trotz des mörberifchen Kugelregens avancierten
die Schweden unabläffig und ftanden bereits in der Nähe von
Abo, als die Ruffen am Morgen des 20. Juni fo beträdt-
liche Verſtärkungen erhielten, daß fich v. Begejad wieder ein-
ihiffen mußte. Hier, gleichwie bei Waja, war das Landungs⸗
corps allzu ſchwach gewejen, um etwas Wejentliche® ausrichten
zu fönnen.
Dieje Ereigniffe zeigten, daß das finniſche Hauptheer auf
eine einigermaßen bebeutende Diverfion nicht rechnen fonnte;
und in der hierdurch veranlaßten Unjchlüffigkeit hat man bie
Erklärung dafür zu juchen, daß Rlingipor und — ob⸗
Schybergſon, Geſchichte Finnlande.
498 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guſtav IV. Adolfs.
wohl fie der Armee Rajewskis überlegen waren, dennoch mehrere
Wochen unthätig blieben. Auf ihrem linken Flügel zog fich
v. Fieandt nach einer Niederlage bei Lintulaks (3. Juli) nach Perhe
und fpäter auf Ofver Wetil zurüd. Gleichzeitig marjchierte
Rajewski an den wichtigen Straßenfreuzungspunft bei Yappo
Storby, wo er jeine Kolonne konzentrierte. Adlercreug erkannte,
daß ein energifcher Angriff gegen Rajewskis Poſition gleich-
zeitig diefen zum Rückzug nötigen und v. Fieandt Luft machen
fönne, und trog der Bedenken Klingſpors wußte er mit jeiner
Anficht durchzudringen. Rajewski war mit etwa 1500 Mann
im Vormarſch begriffen, als er (14. Juli) auf Adlerereutz
jtieß, dejien Stärke etwa 6000 Mann betragen haben bürfte.
Den Savolakſer Truppen unter Cronſtedt, welche den Kampf
eröffneten, gelang e8, die Gegner bi8 an das Dorf Lappo
zurüdzumwerfen, von wo diejelben durch v. Döbeln mit den Björne-
borgern nach einem furchtbaren Handgemenge vertrieben wurden.
Rajewski wählte nunmehr, um nicht umgangen zu werden, eine
neue Stellung und zog fich jpäter, als er bemerkte, daß jich
das gejamte finnijche Heer zu einem meuen Angriff oronete,
geihicdt auf den nah Tammerfors führenden Weg zurüd.
Sein Berluft belief fih auf 400 Mann, während die Finnen
180 Mann eingebüßt hatten. Nicht der Verluſt auf beiden
Seiten ijt e8 jedoch, welcher das Treffen bei Yappo zu einem
der bemerfenswerteften Greigniffe des Krieges macht, jondern
vielmehr die vorteilhafte Stellung, welche das finnijche Heer
jetst gewann. Rajewski, deſſen numerifche Schwäche offen zu—
tage getreten war, zog in Gilmärjchen nach Kuortane und
Alavo. Die Schwache Abteilung v. Fieandts wurde vom
feindlihen Drud erlöft und war wiederum imftande, vor—
zurüden. Während der Streit bisher dem Beſitz von Nord»
finnland gegolten Hatte, waren es nunmehr die bevölferten
Diftrifte von Mittelfinnland, die fich den tapferen Kriegern bei
ihrer Umkehr öffneten.
Wie jehr der Erfolg auch im ben Reihen der gemeinen
Soldaten den Mut belebte und die Unternehmungsluft förderte,
das erweijen die Unternehmungen, welche Feldwebel Joh. Jakob
Die Siege von Lappo (14. Juli) und Alavo (17. Auguft 1808). 499
Roth vom Björneborger Regiment und fein Kamerad, Feld—
webel Karl Joh. Spof, in Scene festen. Mit nur 40 Mann
zogen dieje beiden Männer nach Ruovefi, wo fie im Rüden der
ryſſiſchen Armee mit Unterſtützung von Bauern ſowie von Sol-
daten der Sveaborger Garnijon einen für den Gegner äußert
gefährlichen Guerilfafrieg begannen, feine Transporte und Vor—
räte wegnahmen und jeine Wachtpoften überrumpelten. In einigen
Heinen Böten begaben fie ſich nach Viſuveſi, wo ein breiter
Sund den Weg von Wafa nach Tammerfors freuzt. Nachdem
fie bier die über den Sund führende Brüde in Brand gefteckt
hatten, marjchierten fie auf verftedten Pfaden bis nach Ruoveſi,
wo fie eine andere Brücke verbrannten, die am Ufer liegenden
Kähne mit fi nahmen und von einer Fleinen Inſel aus
häufig Streifzüge auf den Straßen der Umgegend unternahmen.
Sogar das ruffiihe Detachement in Tammerfors wagten fie
zu beunrubigen. Hierdurch wurde Rajewski von feinen Ver—
bindungen abgejchnitten, jeiner Proviantmagazine beraubt und
jein Rüdzug nad Tammerfors unmöglich gemacht. Er juchte
daher feine Armee durch eine jchleunige Netraite über Iyväs—
fylä nach Tawaſtehus zu retten; aber vor feiner Ankunft an
letstgenannter Stelle wurde ihm der Oberbefehl entzogen und
dem entichloffenen &enerallieutenant Kamensfi übertragen,
welcher das Heer bei Jämſä Halt machen ließ.
Im füdweftlichen DOfterbotten waren die zu einer georb-
neten Landwehr organifierten Bauern durch eine Freiſchar
unterftügt worden, welche Hauptmann Gyllenbögel auf Aland
aus Aländischen Yandwehrmännern ſowie finnijchen Bauern
formiert hatte. Gleichzeitig rückte eine Abteilung der Haupt-
armee unter v. Döbeln vor, um jene Gebiete von Feinden
zu fäubern, fiegte in einem Ffleinen Treffen bei Kauhajoki
(10. Auguft) und vereinigte ſich im Kirchſpiel Lappfjärd mit
Gyllenbögels Kolonne, worauf fih die Ruſſen unter Orlow-
Denijow in die Richtung von Björneborg zurüdzogen.
Dieje Offenſive im Südweſten veranlaßte Klingipor, welcher
jeit dem 14. Juli unbeweglih in feinem Hauptquartier bei
Lappo geblieben war, ebenfall® dazu, einen Schritt vorwärts
32*
500 Fünfte Periode. Die Zeit Guftaus III. und Guftav IV. Adolfs.
zu thun. Um in dieſelbe Höhe mit den im Kirchipiel Rappfjärd
vorrüdenden Truppen zu gelangen, erteilte er nämlich Adler—
creuß den Befehl zur Bejegung von Alavo, wo die Ruffen,
ermutigt durch Klingſpors Zaudern, von neuem Fuß gefaßt
hatten. Am 17. Auguft fam es zum Gefecht bei Alano, wo
Adlerereutz und Cronſtedt nach mehrjtündigem heißem Kampfe
den Feind zum Weichen brachten und ihn bis nach Wirdois
und Etjeri verfolgten. Auch nach diefem Siege gab Klingipor,
jeiner Gewohnheit getreu, den Gegnern Gelegenheit, jich wieder
zu jammeln und Verſtärkungen heranzuziehen.
Nachdem wir der finmiichen Hauptarmee bis zum End—
punft ihrer ehrenvollen, aber Furzen Siegeslaufbahn gefolat
find, müſſen wir einen Blick auf die Borgänge werfen, die
fich inzwifchen im fernen Oſten des ausgedehnten Kriegsichau-
plaßes abgeſpielt hatten.
Nachdem ſich Sandels Mitte Juni mit jeiner Brigade in
die feſte Bofition bei Toivala zurüdgezogen Hatte, plante jein
Gegner Barclay de Tolly mit jeiner Hauptmacht einen Zug
nah Weften zur Berftärfung der Rajewskiſchen Kolonne.
Allein durch die Wachſamkeit und Kühnheit Sandels’ wurde
er an der Ausführung diefer Abjicht gehindert. Derſelbe
ſchritt nämlich wiederholentlih zu Angriffen, welche dem
Feinde Schreden einflößten und ihm die Vorftellung beibrachten,
daß das Detachement bei Toivala bejonders ftarf jet. Im
der Naht vom 25.26. Juni erfolgte bei Kuopio an zwei
Stellen eine Landung; gleichzeitig bemächtigte ſich der kühne
3. 3. Dunder eines großen feindlichen Transports, und am
1. Juli wurde der Angriff auf Kuopio erneuert. Bei
diefer Kunde machte Barclay de Tolly, welcher bereits im
Abzuge begriffen war, fehrt und ſchickte nur eine kleinere
Abteilung nach Weiten. Während des ganzen Sommers hielt
darauf Sandel® mit jeiner nur aus 2000 Mann beftehenden
Kolonne ein ruſſiſches Corps von 5000 Mann in Schadh,
da der Gegner feinen ernftlichen Angriff gegen die Finnen
wagte, welche in der Bejchaffenheit des Geländes, in der
Ergebenheit der Bevölkerung und in der Belanntichaft der
Sandels’ Verteidigung von Toivala (Juli bis Sept. 1808). 501
Offiziere mit den Lokalverhältniſſen treffliche Bundesgenoſſen
bejaßen. Allerdings wurde die Lage Sandels’ jchwieriger,
nachdem es dem Gegner gelungen war, eine Flottille von
Kanonenbooten in den Kallaveſiſee bineinzubringen; aber
troßdem behauptete er jih bis Ende September in jeiner
Stellung Militärjchriftjteller haben der Hartnädigen Ver-⸗
teidigung des Toivalapaſſes vor allen anderen ftrategifchen
Unternehmungen während diejes Krieges den höchſten Preis
zuerkannt.
Die Verteidigung von Toivala hatte zur Folge, daß fich
der Krieg auch auf das bisher verjchont gebliebene Karelien
ausbehnte. Dort hatte der gemeine Mann beim Ausbruch
des Krieges nach der Sitte der Vorfahren zum Schutze der
Heimat einen Landſturm organifiert; und zwar geſchah Dies
freiwillig, da ja jeit Errichtung der Farelifchen Jägerbataillone
jede Verpflichtung dazu fortgefallen war. Im Februar und
März verpflichteten fich die Bewohner der Kirchipiele Iſomants
und Pielisjärvi zur Unterhaltung einer ftändigen Grenzwehr
jowie zur Aufbietung aller Waffenfähigen bei der erften Kunde
von einem Cinfall des Feindes. Cine Anzahl von Bajonetten,
die jeit dem Kriege von 1788 — 1790 aufbewahrt worden waren,
wurde bervorgeholt, der Kommandeur der Savolakſer Brigade,
Eronftedt, lieferte Waffen und Munition zur Ausrüftung des
gemeinen Mannes, und diejenigen Bewohner, denen feine
anderen Gewehre zur Verfügung ftanden, begnügten fich mit
Lotbüchſen. Der kühne, unternehmungsluftige Bauer Olof
Tiainen übernahm im Verein mit dem jungen Gutsbefiger
Iſaak Stenius die Führung der Bauernicharen.
Die diejer Voltsbewaffnung innewohnende Gewalt fam zur
Geltung, als die Ruſſen, welche das DVergebliche ihrer Be—
mühungen in betreff Toivalas eingejehen hatten, einen Plan
zur Umgehung diefer Pofition durch einen Seitenangriff von
Karelien aus entwarfen und demgemäß dem Generalmajor
Alerejew den Befehl erteilten, von Sorbavala über Pelgjärvi
in jene Landſchaft zu ziehen. Kaum war nämlich die Kunde
biervon zu den Ohren Tiainens gebrungen, jo bot berjelbe
502 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guſtav IV. Adolfjs.
feine Scharen auf und dirigierte fie nah Mönninvaara, auf
dem Wege von Joenſuu nach Pielisjärvi, wo fie am 31. Juli,
unter dem Schuge von Noggenfeldern und Gebüjchen, eine
anrücende feindliche Kavalleriefolonne angriffen und in Die
Flucht jagten. Indeſſen war es nur der rechte gegnerijche
Flügel, welcher bier zurüdgejchlagen wurde, während Die
Hauptmacht Alerejews über den Pielisflug und Joenſuu nach
Weiten z0g 8. W. Malm, der zur Abwehr der hier dro-
benden Gefahr mit 240 Dann und einigen Kanonen von
Sandels den Bauern zur Hilfe gejandt wurde, erfüllte jchnell
den ihm gewordenen Auftrag Mit Unterftügung von
400 Bauern jiegte er am 10. Auguft bei der Kirche von
Pelgjärvi, worauf Alerejew nach Sorbovala zurüdwich, während
Malm gegen die Ufer des Ladogaſees vordrang. Yange wagte
er jedoch nicht im diejer vorgejchobenen Pofition zu bleiben,
jondern zog fich, in Erwartung erneuter Angriffe von jeiten des
Veindes, über die ſchwediſche Grenze zurüd. Als die Ruſſen
zwei Wochen jpäter mit bebeutend jtärferen Streitkräften
nabten, retirierte er zunächft wor der Übermacht nach Joenſuu,
wo er fich während einer Woche verteidigte, und wich dann,
von mehreren Seiten bedroht, nah Taipale zurüd, wo er
eine Verſtärkung von etwa 300 Mann erhielt. Hier trogte
er, gleichwie Sandels bei Toivala, dem Feinde, bis die
Sandelsſche Brigade den Rüdzug begann. Nicht minder hart-
nädig hielten Tiainen, Stenius und deren Bauern öſtlich von
Pielisjärvi ftand. Am 9. September wurden fie bei Worna
von den Ruſſen unter Oberſt v. Gerngroß zum Weichen
gebracht, jchlugen denjelben jedoch bereit8 am 11. September
bei Jauhiainen zurüd. Ihr energifcher Widerftand ſchreckte die
Ruſſen von weiteren Angriffen auf Schwedijch-Karelien ab, wo
Tiainen und deſſen bewaffnete Scharen bis Ende Dftober Herren
des Yandes blieben.
Während die finnische Armee im ſüdlichen Ofterbotten
und im nördlichen Tawaſtland auf dem Vormarſch begriffen
war und mit gutem Erfolg in Savolaks und Karelien eine
Defenfivftellung behauptete, leitete König Guftav IV. perſönlich
Der Kampf in Karelien. Gujtav IV. vor Abo. 03
die Kriegführung im Aboer Schärengarten. Nachdem er infolge
jeiner Umeinigfeit mit General Moore, welcher an der Spike
einer englijchen Armee in Schweden angelangt war, der Hilfe
Englands verluftig gegangen war, hatte er auf feinen alten
Yieblingsplan eined Angriffs gegen Dänemark und Norwegen
verzichtet. Statt deffen begab er fich zu der vor Abo liegenden
ſchwediſchen Schärengartenflotte und formierte zugleih auf
Aland eine finnische Südarmee, welche bei Landungen an der
finniſchen Küfte Verwendung finden ſollte. Seine Bläne wurden
jedoch jchon in ihrem erften Stadium dadurch gefreuzt, daß fich
die beiden Abteilungen der rujjiihen Schärengartenflotte, von
denen die eine bei Sveaborg, die andere bei Abo ftationiert
gewejen war, am 2. Augujt nach einem Gefecht im Sunde von
Sandöjtröm in der Nähe von Kimito vereinigten, worauf die
rujfiihe Schärengartenflotte der jchwedijchen überlegen war und
erfolgreich die Küſte beiwachte.
Unter jolchen Umftänden hätte König Gujtav die Unmöglich-
feit fortgejegter Yandungsverfuche einjehen und die Vereinigung
des aͤländiſchen Corps mit der finniſchen Hauptarmee, deren
Chef, Klingſpor, wiederholentlich um Verſtärkung gebeten hatte,
ins Werf jegen müſſen. Allein nichts derartiges geſchah. Eine
Heine ſchwediſche Abteilung, welche unter v. Vegeſack bei Björne-
borg landen jollte, aber jtatt deſſen im Kirchipiel Yappfjärd lan—
dete, vereinigte ſich allerdings mit dem daſelbſt ftehenden De-
tachement der Hauptarmee und erfocht am 29. Auguft einen Sieg
über die Ruffen unter Bibifow. Allein im übrigen gewährte der
König nicht die mindefte Unterftügung. „Mein Wille und
ausdrüdlicher Befehl ift, daß Finnland verteidigt werben joll“:
jo jchrieb er am 22. Auguft an Klingſpor; jedoch, wie dies
geichehen jollte, darüber gab er nichts Näheres an. Die
jonderbare Haltung des Königs war um jo verderblicher, als
Burböpden in diefem entjcheidenden Augenblid jo beträchtliche
Verftärkungen empfing, daß die Zahl der unter feinem Kom-
mando jtehenden Landtruppen nunmehr auf 44000 Mann an—
wuchs, während die Finnländer mit Einjhluß der Savolafjer
Drigade faum 15000 Mann zählten. Wenn auch Buxhövden
504 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs.
einen Zeil feines Heeres zur Bewachung ber Küfte verwenden
mußte, jo war boch jeine Operationsarmee dermaßen ftarf,
daß die Schlachtlinie der Finnen früher oder ſpäter burdh-
brochen werden mußte.
Der erjte Stoß traf v. Fieandt, welcher am 21. Auguft
bei Karftula, auf dem Wege nach Iyväskylä, wo er mit
1700 Mann eine verjchanzte Pofition innehatte, von über:
legenen ruſſiſchen Streitkräften unter Wlaftow angegriffen und
nach tapferem Widerftande zum Weichen gebracht wurbe, jo
daß er erft in Ofver-Wetil die Trümmer jeiner auseinander:
gejprengten Kolonne zu jammeln vermochte. Dieje Niederlage
brab die Kraft der finnifchen Armee zu offenfiver Krieg—
führung und vernichtete die Reſultate aller ihrer Anftrengungen.
Sofort gab Klingfpor, der fi durch den Rückzug Fieanbts
im Rüden und auf jeinem linken Flügel ungevedt ſah, feinen
vorgejchobenen Detachements den ‚Befehl zum Zurüdweichen
jowie zur Konzentration der Hauptmacht von 5000 Mann
unter Adlercreug in einer durch Verjchanzungen und von Natur
befeftigten Stellung bei Ruona im Kirchſpiel Kuortane. Nach
einem Vorpoſtengefecht bei der Kirche von Kuortane (am
31. Auguft) wurde Adlercreug am 1. September in der Näbe
von Ruona von doppelt überlegenen Streitkräften unter Ka—
menski angegriffen, jchlug diejelben aber nach zwoölfftündigem
Kampfe zurüd. Da er fich jedoch zu einer weiteren Behaup-
tung jener Pofition für allzu ſchwach erachtete, retirierte er
nah dem gleichfall8 befeftigten Salmi. Hier fam es am
2. September zu einem erneuten Kampfe, welchem jedoch ein
Rückzugsbefehl Klingipors ein Ende machte. Nachdem der in-
zwijchen zum Feldmarſchall ernannte Höchſtkommandierende einen
Brief König Guftans mit der Botichaft, daß auf Hilfe nicht
zu rechnen jei, empfangen hatte, geriet er nämlich in völlige
Berzweiflung und ließ alfe jeine Detachements in bejchleunigtem
Marſche nach Norden umkehren. Tiefes Gefühl der Bitterkeit
bejchlich die Krieger, als fie fich auf ſolche Weiſe für ihre ftand-
bafte Tapferkeit belohnt ſahen. Mit jedem neuen Tagemarſch
ſank der Mut bei Offizieren und Gemeinen. Beinahe wäre das
Neuer Rüdzug bis zur Niederlage von Oravais (14. Sept. 1808). 505
gejamte Heer durch eine Abteilung, welche Kamensfi auf einem
Seitenwege nah Nykarleby entjandte, abgejchnitten und zur
Kapitulation genötigt worden, hätte nicht v. Döbeln, ent-
jchloffen wie immer, am 13. September den Feind bei Jutas
angegriffen und zur Umkehr gezwungen. Hierdurch wurde ber
Weg nah Norden frei; aber bevor der letzte hoffnungslofe
Rückmarſch begann, wollte man noch einmal das Waffenglüc
verjuchen. Am 14. September faßte Adlercreuß bei Oravais,
auf dem Wege zwiichen Wafa und Nylarleby, in einer ftarfen
Stellung Poſto. Die Zahl jeiner Truppen belief fih auf
4—5000 Mann, von denen mehr als die Hälfte Schweben
unter v. Vegeſacks Befehl und der Reſt Finnländer waren. Am
frühen Morgen wurden die VBorpoften von Kulnew angegriffen;
ftandhaft kämpften fie bis 11 Uhr vormittags, um fich alsdann
auf die Hauptpofition zurüdzuziehen. Hierauf begann das
eigentliche Gefecht, welches mit wechjelndem Glücke den ganzen
Tag fortdauerte, bis der Feind jchließlich zurücdgetrieben
wurde. ALS fich aber Adlercreug und v. Vegejad nunmehr zum
Berlafjen ihrer feſten Pofition jowie zur Verfolgung der weichen-
den Rufjen verleiten ließen, jtießen ihre unvorfichtig vorrüdenden
Kolonnen auf die ruffiiche Reſerve, welche im Sturmichritt
beraneilte und fie in Unordnung brachte. Vergebens juchte
Adlercreug feine Scharen zu ordnen. Unter wilden Tumult
währte das Treffen bis in die Nacht hinein, wo die Stellung
Adlercreug’ von den Ruffen genommen wurde, welde etwa
7000 Mann ins Gefecht geführt hatten. Der Kampf bei
Dravais war der blutigfte während des ganzen Krieges.
Der Berluft belief jih auf mehr als 2000 Dann und war
auf beiden Seiten fajt gleich groß. Infolge ihrer Ermattung
gingen die Ruſſen nur langjam an die Verfolgung der Finn-
länder, jo daß dieſe unbehindert den Rückzug fortjegen fonnten.
Gleihwohl wurden die Folgen des Gefechts entjcheidend für
den Ausgang des Krieges. Der moraliſche Mut ber befiegten
Truppen war durch die troß der unerbörteften Anftrengungen
erlittenen Mißerfolge völlig gebrochen, und die Scharen, welche,
„gehüllt in Lumpen und größtenteils ohne Fußbefleidung, fich
506 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs.
auf den durchweichten Wegen dahin jchleppten, während große
Haufen von Kranfen und Berwundeten vor ihnen einherzogen oder
ihnen folgten“, glichen wenig den mutigen Streitern, welche im
Frühjahr in die Ebenen Djterbottens hinabgefommen waren.
Glüclicherweife glaubte Burhövden den Feldzug nicht zu einer
Zeit fortjegen zu können, wo die Straßen infolge des Herbit-
regens zerjtört waren und die hart mitgenommtenen ruſſiſchen
Truppen in hohem Grade der Ruhe bedurften, und bot daher
einen Waffenjtillftand an. Mit Freuden wurde diejer Bor:
ihlag angenommen, und am 29. September in Yobtei auf
unbejtinmte Zeit mit achttägiger Kündigungsfrift ein Waffen-
ftillfftand abgejchloffen, gemäß welchem ſich die jchwedijchen
Truppen in Ofterbotten nach Himingo und in Savolaks auf das
Gebiet nördlich von der Idenſalmikirche zurüdziehen jollten.
Hierdurch wurde die Hauptarmee gerettet, welche fi nunmehr
während mehr als eines Monats ausruhen fonnte. Weniger
willfommen war der Waffenftillftand für Sandels, welder
allerdings die nach dem Nüdzuge des Hauptheeres unbaltbar
gewordene Bofition bei Toivala geräumt, jedoch ftatt deſſen
eine neue verjchanzte Stellung bei Palois, füdli von der
Sdenjalmifirche, bezogen hatte, die er jet im Stiche lafjen
mußte.
Der greife Klerder, welcher anftatt des abberufenen Feld—
marjchalls Klingipor während des Waffenjtillftandes den Ober-
befehl übernommen hatte, zeigte fich jegt nicht mehr ebenjo
unternehmungsluftig wie in den erjten SKriegsmonaten. ALS
der Waffenftillftand am 23. Oftober von Kamensfi gekündigt
worden war, und Die friegerijchen Operationen Anfang No—
vember von neuem begannen, wich er mit großer Schnellig-
feit bi8 an den Siikajoki zurüd, wo er wiederum einen
Waffenjtillftand anbot. Jetzt wollte aber der Feind auf feine
anderen Bedingungen als auf die volljtändige Räumung Finn:
lands eingeben, und die finnijchen Generale mußten ſich darein
fügen. Am 19. November fam in Olkijoki ein Waffenftill-
ftand zu ſtande, welcher eine Einftellung der Feindjeligfeiten
in Ofterbotten wie in Savolafs bis zum 12. Januar 1809
Die Waffenftillftände von Lohteaà und Oltijoti (Sept. u. Nov. 1808). 507
feftiegte jowie gleichzeitig bejtimmte, daß fich die finnische Armee
auf das Gebiet weitlih vom Kemifluffe zurücziehen jollte.
Auf eine rühmlichere Weije endete der Feldzug des Jahres
für die Sandelsjche Brigade. Hier hatte der Waffenſtillſtand
am 27. Oktober aufgehört, worauf Tutjchfow, der nunmehrige
Chef der rujjishen Savolafs-Armee, jofort einen Angriff auf
die befeſtigte Stellung Sandels’ bei der Wirta-Brüde, nördlich
von Idenſalmi, unternahm. Obwohl legterer nur über
1100— 1200 Dann gegen einen fünfmal ftärkeren Feind ver-
fügte, entjchloß er fich doch, im Vertrauen auf die vorteil
bafte Pojition, zum Standhalten. Und er hatte ich ebenjo
wenig wie jonjt getäufcht. Zwar bemächtigte fich der Feind
nach einer heftigen Sanonade der über einen Sund an das
Ufer führenden Brüde, wo die Finnländer ftanden, und drohte
bereit8 mit einer Eroberung ihrer Verjchanzungen. Aber in
dieſem entjcheidenden Augenblid ftürmte Oberjt Fahlander mit
einigen Bataillonen vor, vertrieb die Auffen vom Ufer und
warf fie gegen die Brüde zurüd. Die Nacht trennte die
Kämpfer. Nach diejer legten glänzenden Waffenthat wählte
Sandels eine neue Pofition bei Salahmi, wo er von den
Ruſſen unbehelligt blieb. Später wurde er indejjen zu ber
auf dem Rückzuge befindlichen Armee beordert und mußte mit-
bin den Schauplag jo vieler ruhmreicher Thaten preisgeben.
Nunmehr unterwarfen fih auch die fareliichen Bauern den
ruffiichen Behörden. Der fühne Ziainen, welchen die Ruſſen
eifrig nachſpürten, flüchtete nad Schweden.
Gleichzeitig fand der Krieg im jüdwejtlichen Schärengarten
ein Ende. Nachdem nämlich im September zwei Yandungsver-
juche bei Lokalaks und Helfinge, jüdlich von Nyjtad, mißlungen
waren, blieb König Guſtav IV. bis Anfang November auf Aland
und kehrte darauf nah Stodholm zurüd, wo nunmehr all:
gemeiner Umwille über den unthätigen Monarchen berrichte.
ALS die winterliche Schneedede über Finnland ausgebreitet
lag, war bejjen fünftiges Schidjal entſchieden. Nur der König,
obwohl er doch nur wenig für die Verteidigung Finnlands
gethan Hatte, hielt noch hartnädig an dem Gedanfen einer
508 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs.
Wiedereroberung des Landes feit. Im übrigen erfannte man in
Finnland wie in Schweden die Undurchführbarkeit eines jolchen
Planes. In Schweden wünjchte man auch unter harten Be-
dingungen Frieden zu jchließen; in Finnland bildete die Orb-
nung der durch die Eroberung neu eingetretenen Verhältniſſe
die Hauptaufgabe.
Die jpäteren Kriegsereignifje übten daher auch nur einen
geringen Einfinß auf die Geftaltung der Verhältniſſe Finnlands
aus. Gleichwohl müffen fie in unjere Erzählung aufgenommen
werben, weil die Trümmer ber finnijchen Armee bier ihrem
unglüdlicden Ende entgegengingen. Wie es heißt, ſollen Ale-
rander und Napoleon im Herbſt 1808 auf dem Erfurter
Kongreß über eine Teilung Schwedens zwijchen Rußland
und Dänemark beratichlagt haben. Sicher ift, daß ber Zar
hoffte, jeine Heere würden während bes Feldzuges von 1809
nicht nur tief in das eigentliche Schweden eindringen, ſondern
fih auch Stodholms bemächtigen. Als Buxhövden derartige
Pläne für allzu weitjchweifend erachtete, wurde er abberufen
und als Höchftlommandierender durch den General Bogdan
Knorring erjegt, welcher auf Befehl des Zaren drei Armeeen
formierte, von denen die erfte über Aland nach Stockholm,
die zweite von Waſa nach mes, die dritte von Uleäborg
nad Tornei rüden ſollte. Als die Rüftungen für dieſe Expe-
ditionen beendigt waren, hatte jedoch jchon der Monat März
begonnen, jo daß es zweifelhaft erjchien, ob das Eis auf dem
Alandsmeer noch feſt genug fein würde, um die ruffiichen
Zruppen binüberzubringen oder ihnen im Ball eines Miß-
erfolges den Rüdzug zu ermöglichen. Ein anderer Umftand,
welcher auf den Gang des Krieges wejentlichen Einfluß aus-
übte, war, daß Guſtav IV. Adolf am 13. März 1809 in
Stodholm von einigen Verſchwörern, unter denen K. I. Adler-
creug eine der bebeutendften Rollen jpielte, verhaftet und zur
Abdankung genötigt wurde, worauf der kriegeriſche Eifer auf
beiden Seiten ermattete und die Anknüpfung von Friedens—
unterbandlungen erfolgte.
Die für die Expedition nach Aland beftimmte ruffijche
Die Ereigniffe bis zum Mänder Waffenjtiliftand (21. März 1809). 509
Armee verließ am 10. März das Feſtland und marjchierte
unter Fürft Bagrations Kommando in verjchiedenen Kolonnen
nach jener Injel, auf welcher der Befehlshaber, v. Döbeln,
eifrig die Verteidigung organifierte und den bereits abgefühlten
Kriegseifer der Bevölkerung nochmals anzufachen bemüht war.
Aber bevor er Gelegenheit erhielt, dem Feinde die Spige zu
bieten, empfing er die Botjchaft von der in Stodholm ge-
ichehenen Umwälzung nebjt dem Befehl, ſich auf das jchwebijche
Feftland zurüczuziehen. Er retirierte daher nach Grißlehamn,
auf Schritt und Tritt von der rufjiichen Vorhut unter Kulnew
verfolgt, welcher jogar eine Nacht in jenem Städtchen ver-
brachte. Die ruffiihe Hauptmacht folgte indefjen nicht hinter-
drein, weil die Nachricht von der Eröffnung von Friedens—
verhandlungen eingetroffen war und außerdem ein jüdlicher
Wind das Eis auf dem Meere zu jprengen drohte. Kulnew
wurde zurücdbeordert und am 21. März ein Waffenftillftand
abgejchloffen, gemäß welchem die Kriegsoperationen auf allen
Zeilen des Kriegstheaters aufhören jollten. Bevor jedoch
diefer Vertrag im Norden bekannt wurde, waren dort Er-
eignijfe eingetroffen, welches feineswegs ein günftiges Zeugnis
von der Widerftandsfraft Schwedens gegen feindliche Angriffe
ablegten.
Am 17. März begab fich die rujjiihe Waja-Armee auf
den Weg und erreichte nach einem bejchwerlichen Marjch über
das Eis am 21. März die jchwebiiche Küfte in der Nähe
von mes. Hier ftand I. A. Eronftebt mit einer finnijchen
Heeresabteilung von 1000 Mann. Dur die umerwartete
Ankunft der Ruffen völlig überrafht und zum Widerſtand
allzu ſchwach, ſchloß Eronftent mit Barclay de Tolly eine
Übereinkunft, welcher zufolge Umeä nebft deffen Umgebung von
den Ruſſen bejegt werben, das finnifche Detachement aber fich
ungehindert zurüdziehen ſollte. Schon nach wenigen Tagen
indeffen empfing Barclay de Tolly die Nachricht vom Abjchluß
des Aländer Waffenftillftandes nebſt dem Befehl zur Rückkehr
nach Finnland, und trat daher auf demjelben Weg, auf
welchem er gefommen, den Rüdmarih an. Der fühne Zug
510 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs.
hatte aljo feineswegs zu einem unmittelbaren Nejultat geführt;
aber mittelbar trug er zu dem Unheil bei, welches bei Kalix
im nörblichjten Schweden den Hauptteil der noch übrig ge-
bliebenen finnifchen Armee ereilte.
Nah Abſchluß der Konvention von Olkijoki hatten die
ichwergeprüften Krieger unter Entbehrungen und Mühſalen in
der Winterfälte Tornei erreicht, wo fie in der Stadt und
in deren Umgebung Quartier bezogen; allein auch bier war
ihre Lage durchaus nicht jorgenfrei, da fich gegen Ende des
Feldzuges eine peftartige Krankheit unter ihnen verbreitete,
welche unabläffig Opfer forderte. Was ihnen am teuerften
war: Heimat, Weib, Kinder und Freunde, hatten fie ver-
laffen müffen; fein Wunder, daß fie unter jolchen Umſtänden
den Strapazen eines neuen Feldzuges nicht mit friicher Hoff-
nung entgegenjeben konnten. Gin Heiner Zeil der Truppen
wurde, wie bereits erwähnt, unter I. A. Eronftents Kommando
nach Umes geichikt, während die übrigen unter Generalmajor
Hans Heinrich Gripenberg in der Gegend von Torneä blieben.
Am 18. März wurde der Waffenftillftand von Olkijoki ge-
fündigt, und gleichzeitig empfing Gripenberg die Nachricht vom
Anmarjch einer rujfiihen Armee unter Graf Schumwalow, deren
Stärke fih in Wahrheit auf 4—5000 Mann belief, nach
Gripenbergs Meinung jedoh 7—800U Mann zählen mußte.
Gripenberg, der fein Corps bei Kalix zuiammengezogen hatte,
befand fich dort in einer Pofition, welche ihm jelbft und einem
großen Zeil der höheren Offiziere verzweifelt erjchien. Der
überlegenen ruſſiſchen Armee wirkſamen Widerftand zu leiften,
hielt man für ein Ding der Unmöglichkeit und, nachdem
die Runde von der Ankunft Barclay de Tollys in Umei an-
gelangt war, glaubte man auch, daß der Rückzug abge-
Schnitten jei. Unter ſolchen Umftänden berief Gripenberg, nach
Eingang der Botichaft vom Abjchluß einer Konvention zwijchen
Cronſtedt und Barclay de Tolly, einen Kriegsrat, in welchem
die meijten feiner Anficht beipflichteten, daß die Armee, da
das Begehren eines Waffenftillftandes abjchlägig beſchieden
worden jei, fapitulieren müſſe. So wurde denn am 25. März
Die Kapitulation von Seivis (25. März 1809). 511
die Kapitulation zu Seivis geichloffen, laut welcher bie
finniſchen und schwedischen Truppen nach Ablieferung ihrer
Gewehre jowie nach Abgabe des Ehrenworts, nicht vor Ab—
ihluß des Friedens Kriegsdienfte zu leiften, in ihre Heimat
zurüctehren follten. Am nächiten Tage fam die Kunde von
dem früheren Abjchluß eines allgemeinen Waffenftillftandes, jo
daß jelbftverftändlich die Kapitulation nicht hätte zur Aus—
führung gelangen dürfen. Allein Schuwalow war anderer
Meinung und Gripenberg ſchwach genug, der Forderung des-
jelben nachzugeben. Bei einem Zeil der Offiziere war bie
Rede davon, anftatt Gripenbergs einen anderen Chef zu
wählen; aber niemand wollte fich zur Übernahme eines jolchen
Poſtens verftehen, jo daß die lbereinfunft widerftandslos
durchgeführt wurde. Das fapitulierende Heer beftand, abge:
jehen von zahlreichen Kranken, aus etwa 3000 Mann. Nur
widerwillig und mit Schmerz unterwarfen ſich Mannjchaften
und Offiziere. Biele Soldaten zerbrachen ihre Waffen und
zertraten unter ihren Füßen die Fahnen, um welche fie fich
in den Tagen des Glückes und der Not geichart hatten. —
Anläßlih dieſes bedauernswerten Ereigniſſes, welches das
nörblide Schweden in die Hände des tfeindes lieferte, ift
Gripenberg des Verrats bejchuldigt worden; doch haben neuere
Forſcher diefe Anſchuldigung widerlegt. Allerdings läßt fich nicht
beftreiten, daß eraus VBerzagtheit von vornherein alles verloren
gab, noch bevor er von den Vorgängen bei mes völlige Kunde
erhalten hatte.
Von der ehemaligen finniſchen Armee erijtierte nach dieſem
Mißgeſchick nur noch das Cronſtedtſche Corps, welches als
jogenannte „finnische Brigade“ die Vorhut der jchwediichen
Nordarmee bildete. Beim Wiederbeginn des Krieges im Mai
wurde die am iweiteften vorgejchobene Abteilung unter Major
Furumark bei Skelfeftei (15. Mai) vom Feind umzingelt
und zur Ergebung gezwungen. Der Reſt der Finnen beteiligte
fih an dem Treffen bei Hörnefors (5. Juli), wo die Armee
unter Sandels von den Ruſſen zurüdgedrängt wurde Hier
bildete Dunder mit einem Bataillon der Savolafjer die
512 Fünfte Periode. Die Zeit Guſtavs III. und Guftav IV. Adolis.
Nachhut. Trotz des ihm erteilten Rüdzugsbefehls harrte diejer
unerjchrodene Mann aus, bis er vom Gegner umringt war,
und beantwortete alsdann die Aufforderung zur Kapitulation
damit, daß er jeine Truppen eine Salve gegen die ihn um-
zingelnden Ruffen abgeben ließ, worauf natürlich” auch dieſe
ein Schnellfeuer eröffneten, welches Dunder tot zu Boden
jtredte. Seine Kolonne zerjtreute fich hierauf, unter Zurüd-
lafjung des verehrten Führers, welcher fie in jo zahlreichen
Gefechten zum Siege geführt hatte. Trotzdem gejtaltete fich die
Lage des ruffiichen Heeres in Wejterbotten bedenklich, da eine
vereinigte jchwediich-englifche Flotte den bottnijchen Meerbujen
beberrichte und die Zufuhr von der Seejeite abjchnitt. Auch
entſchloß fich die ſchwediſche Regierung gleichzeitig zur Yandung
einer Truppenmacht nördlich von Umeä, um die dort befindliche
ruffiiche Kolonne unter Kamensft, wenn möglich, gefangen zu
nehmen. Allerdings gelang es legterem, jih am 19. und
20. Auguft bei Säfvar durchzufchlagen; doch mußte er in
nördlicher Richtung bis nach Piteä retirieren, während zugleich
die englijche Flotte den finnischen Meerbujen beherrichte, an
verjchiedenen Stellen Truppenlandungen vornahm und an der
Landzunge von Porkkala eine Batterie aufführte.
Zur Zeit diefer friegerijchen Begebenheiten waren die Frie—
densverhandlungen bereit8 joweit vorwärts gejchritten, daß ber
Abſchluß des Friedens nicht mehr zweifelhaft erjchien. Als
Beratungsort hatte man Fredrikshamn gewählt, wo Schweden
durch v. Stedingf und Stöldebrand, Rußland durch den Minifter
des Auswärtigen, Rumjanzow, und durch D. Alopäus vertreten
wurde Daß Finnland vollftändig abzutreten jei, betrachtete
man als entjchieden ; Hingegen fümpften die ſchwediſchen Bevoll⸗
mächtigten lange dafür, daß Aland jowie der ganze ſchwediſche
Teil von Wefterbotten bi8 an den Kemifluß bei Schweden
verbleiben jolle, während die ruſſiſchen Delegierten unter feiner
Bedingung auf Aland verzichten wollten und außerdem eine
Ausdehnung der Grenze in Wefterbotten bis an den Kalixfluß
forderten. Die geringen Erfolge der jchwedijchen Armee in
Wejterbotten bewirkten indeſſen zuguterlegt, daß die Schweden
Dunders Tod. Giege in Wefterbotten. Der Friede (1809). 518
auf die aͤländiſchen Inſeln werzichteten, während fich die
Ruffen ihrerjeitS mit dem Torneäfluß als der Grenze in
Wejterbotten begnügten. Nach Erledigung dieſer Punkte wurde
am 17. September 1809 der Friedensvertrag zu Fredrikshamn
unterzeichnet, welchem zufolge der ſchwediſche König allen An-
jprüchen auf die finnijchen Provinzen Kymmenegärd, Nyland-
Tawaſtehus, Abo-Björneborg nebft den aͤländiſchen Inſeln,
Savolaks-Karelien, Waſa-Uleäborg ſowie Weſterbotten bis
zum Torneäfluß entſagte und gleichzeitig ſeinen Anſchluß an das
Kontinentalſyſtem erklärte ’). Im übrigen erfcheint der Artikel VI
des Traktats bejonders beachtenswert, des Inhalts, daß fich
der König von Schweden der ihm anders obliegenden heiligen
Pflicht für überhoben erachte, zu gunften feiner ehemaligen
Unterthanen irgendwelche Vorbehalte zu machen, ba ber
Kaiſer von Rußland bereits die unzweideutigiten Beweiſe von
ber Gerechtigkeit und Milde gegeben habe, womit er über bie
Bewohner des von ihm neugewonnenen Landes zu berrjchen
gewilft fei, indem er ihnen edelmütig, aus freien Stüden und
eigener Neigung die freie Ausübung ihrer Religion jowie
ihrer Gigentumsrehte und Privilegien zugefichert hätte.
Durch dieſen Artikel, welcher auf die Vorgänge Hinbeutete,
welche fich vor kurzem zu Borgä abgejpielt hatten, verzichtete
Schweden auf jede Fünftige Einmiſchung in die Angelegenheiten
Vinnlande 2).
1) Einzelheiten über die Friebensverhanblungen giebt 8. Ordin,
Iloxopenie Punaanzin I, 434-486 (Petersburg, 1889). Der
Traktat ſelbſt (ruſſiſch) ift daſelbſt als Beilage Nr. 125 gedrudt; ber ſchwe⸗
biiche Text findet fich in ber Zeitfchrift „Suomi“, p. 355 —866 (1843).
2) Während der Berhandlungen hatte v. Stedingk energifch die Aufnahme
eines Artilels gefordert, welcher Finnland freie Religionsausübung ſowie
bie Beibehaltung feiner Geſetze und Privilegien zuſichern follte. Allein biefe®
Berlangen wies Rumjanzow mit der Begründung zurüd, daß jene Frage
bie innere Verwaltung beträfe und daher nicht Gegenftand eines biplo=
matifchen Übereintommens werben könne, abgefehen davon, baf ber Zar
bereits im eigener Perfon den Treueid ber Finnländer entgegengenommen
und in feiner Eigenſchaft als ihr Souverän ihre Stänbeverfammlung er-
öffnet habe. Schließlih mußte v. Stedingl nachgeben, und e8 blieb bei
ber oben erwähnten Formulierung.
Schybergſon, Geſchichte Finnlande. 33
514 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs.
Döbelns traurige Aufgabe war ed, am 8. Öftober in
Umei das Häuflein finniſcher Krieger aufzulöfen, welches
beim Abſchluß des Friedens noch auf ſchwediſchem Boden
ftand. In männlichen, fernigen Worten gedachte der Sieger
von Jutas des Friedens, welcher Finnland von Schweden
trennen jollte, erinnerte an die Feldſchlachten, in denen die
finnische Armee ruhmreich den Feind zurückgewieſen hatte, und
gab der Hoffnung Ausdrud, daß eine auf den gemeinjamen
Erinnerungen berubende Freundſchaft auch künftig jederzeit
zwijchen den durch die Macht der politiichen Verhältniſſe
getrennten Brüdern öftlih und weſtlich vom Bottnijchen
Meerbuſen herrichen werde. „Wenn ihr“, jo jagte er, „in
euere Heimat zurücgefehrt feid, jo übermittelt euerer Nation
den Dank des jchwediichen Volkes. Seid davon überzeugt,
daß ihr, wenn ihr auch mit zerfetten Kleidern, mit zer:
ichofjenen und verftümmelten Gliedmaßen heimfehrt, wenigſtens
die koſtbare Zierde einer rechtjchaffenen Kriegerſeele mitbringt.
Feinde des jchwediichen Mutterlandes könnt ihr niemals
werben, deſſen bin ich ficher; aber bleibt auch ſtets Freunde
Schwedens. Sollte die Macht der neuen Oberberrichaft euch
an der Ausübung diejes eueres Wunjches und Willens ver-
hindern, jo laffet das Mutterland euere8 Segens mit ber
ftummen Sprache des Herzens und der Gedanken teilhaftig
werden! Grinnert euere Kinder daran! Wir aber werben
alsdann von Gejchlecht zu Gejchlecht euch jegnen, euch hoch—
achten!“ Schlieflih bat er jie beim Scheiden, nach ihrer
Rückkehr in die Heimat der in ehrenvollem Kampfe gefallenen
Helden fegnend und trauernd zu gedenken.
Dieje Abjchiedsworte v. Döbelns find die jchönfte Erinnerung
an ein Heer, welches allerdings nach hartem Kampfe von
dem beimatlichen Boden vertrieben wurde, aber durch feine
pflichtgetreue Handlungsweije feinen Pandsleuten ein rühmliches
Beifpiel gegeben hat und die Söhne Finnlands von Gene-
ration zu Generation zu bingebender Aufopferung für ihr
Vaterland mahnt.
Sechite Beriode.
Finnland während jeiner Bereinigung mit
Rußland.
l. Alexander 1. ').
Während die finniſche Armee einen ehrenvollen, aber ver—
zweifelten Kampf gegen einen überlegenen Feind ausfocht, ſah
das finnische Volk mit Bangen der Zufunft entgegen, die ſich
1) Quellen und Nahfchlagewerle zur Gefchichte Finnlands unter Ale:
ranber I.: „Proklamationer, manifester och förordningar 1808/9“ (Flug:
fchriften); „Protokoll bällna hos höglofliga Ridderskapet och adeln vid
landtdagen i Borgä 1809“, utg. af J. R. de la Chapelle, Heft I
und II (Helfingfors, 1862); „„Vällofliga Borgarständets protocoller vid
landtdagen i Borgä är 1809“, (Helfingfors, 1886); „Protocoller hällna
hos det hedervärda Bondeständet vid landtdagen är 1809“ (Hel-
fingfors, 1893); 9. Tengftröm, Berättelse om Borgä landtdag,
utg. i förening med Äbo domkapitels eirkulärbref 1809 (Stodholm,
1810); „Samling af placater, förorduingar, manifester och päbud samt
andra allmänna handlingar, hvilka i Storfurstendömet Finland sedan
1808 ärs början frän trycket utkommit * (Helfingfors, 1831); 9. Kos—
tinen, Correspondance officielle de George Magnus Sprengtporten
1808,9 (Helfingfors, 1882); „, Handlinga rrörande förvaltningen i Finland
är 1808“, Bd. Iu. II (Helfingfors, 1893 u. 1895); Rob. Caftren, Finska
deputationen 1808/9 (Helfingfors, 1879); Rob. Eaftren, Skildringar
ur Finlands nyare historia (Heljingfors, 1881 — 1882); Elof Tegner,
33*
516 Sechſte Periode. Finnland während feiner Vereinigung mit Rußland.
niemals jo büfter und fo unbejtimmt gezeigt hatte, wie jekt,
wo eine endgültige Trennung von Schweden bevorftand. Mehr
als ſechs Jahrhunderte Hatte Finnland mit Schweden Glüd
und Unglüd geteilt. Schwediſche Miffionare Hatten das
Ehriftentum zuerſt in Finnlands Gefilden verkündigt, und
durch die Vereinigung mit Schweden war der Weg für bie
Reformation gebahnt worden. Schwediſches Gejeg und jchwe-
diſche Gejellichaftsorbnung hatten feite Wurzel gefaßt, und im
Zufammenhang damit Achtung vor den Menjchenrechten und
vor der bürgerlichen Freiheit. Die ſchwediſche Sprache war
ein mächtiges Bildungsmittel für das finnische Volk und ein
Berbindungsglied zwijchen Finnland und dem übrigen Europa
geworden. Alle diefe Bande follten nun durch die Gewalt bes
Schwertes zerriffen werden. Bildung, Religion und gejell-
ichaftlihe Zuftände, alle dieje koſtbarſten Güter jchwebten in
Gefahr.
Die Gefühle, welche inmitten der bürgerlichen Geſellſchaft
Finnlands damals herrſchten, fanden kräftigen Ausdruck in
einer Programmrede, die Matthias Calonius anläßlich des
Rektoratswechſels an der Äboer Univerſität am 21. Juni 1808,
alfo in einer Zeit veröffentlichte, wo fih ganz Sübdfinnland
bereit3 in den Händen der Nuffen befand. Nachdem er an-
erkannt hatte, daß die Sieger, bejonders der Oberbefehlshaber
Graf Buxhövden, die Yandesbewohner im allgemeinen ſchonend
behandelt hätten, äußerte er: „Wenn wir aber auch mithin gut
und milde behandelt worden find, jo find doch viele Umftände
übrig geblieben, welche bei der jetigen umficheren Page ber
Dinge ung in Unruhe gehalten und unter der Laft der fchwerften
G. M. Armfelt, 3b. III (Stodholm, 1887); 8. Orbin, Ilokopenie
Dunsanaiu, Bd. I u. II (Petersburg, 1889); 3. R. Danielfon,
Finnlands Bereinigung mit dem Ruſſiſchen Reiche (Helfingfor, 1891);
I. R. Danielion, Finlands inre sjelfständighet (Borgä, 1892);
I. R. Danielfon, Viborgs läns äterförening med det öfriga Fin-
land (Helfingfors, 1894); M. ©. Schybergſon, Mikaöl Speranski,
in: „Finsk Tidskrift“ XXXV, 407—422; XXXVI, 3—26, 81—102,
182—203 (Helfingfors, 1893— 1894). — Urkunden im „Finniſchen Staats:
archiv“.
Der Übergang in ruififche Herrfchaft (1808). 517
Bekümmerniſſe niedergebrüct haben. Es giebt nämlich in jedem
wobleingerichteten Staate zwijchen dem Regenten und ben Unter—
thanen ein zartes, aus unendlich vielen feinen Fäden zufammen-
gewebtes Band, welches durch gegenjeitige Liebe und gegen
jeitige Pflichten beide miteinander aufs engfte verfnüpft. Daß
dieſe funftvolle und fejtgefügte Kette jchon bei dem erjten
Schlag des Mißgeſchicks zerreißen jollte, ohne daß ein Gefühl
der Trauer über den jchnellen Wechjel und der Wunſch nach
Rückkehr zu dem alten Zuftand in dem Herzen der Unterthanen
fortlebte, das ift etwas, was, folange wir Menjchen find,
niemal® oder doch wenigitens höchſt jelten gejchehen wird.
Mag das Kriegsglüd e8 auch gewollt haben, daß der Leib
in die Gewalt des Feindes gerät und genötigt wird, dahin zu
gehen, wohin deſſen Befehle ihn rufen, jo wird doch die von
dem Glück und den Ereigniffen weniger abhängige Seele nad)
wie vor das jein, was fie gewejen ift, nämlich mit unbejtech-
licher Treue und unerjchütterlihem Gehorſam ihrem gejeß-
mäßigen König ergeben. Denn jo lange der Ausgang bes
Streited noch ungewiß ift, und bis zum Zuftandefommen eines
Vertrages, durch den der Regent jelber jeinen Nechten entjagt,
hängt es nicht von dem Gutbefinden des Unterthanen ab, jich als
jolcher jeinen Pflichten zu entziehen und die Bande, die ihn mit
jeinem Vaterlande verbinden, abzuftreifen, wofern er fich nicht mit
dem jchamlojen Verbrechen des Verrats befleden will“. Dieſe
männlichen und mutigen Worte des berühmten Nechtsgelehrten
fanden im ganzen Lande Wiederhall und wurden als ein Aus—
drud der nationalen Empfindung begrüßt. Nicht minder kraft—
voll äußerte fich der Landeshauptmann in Kuopio, Dlof Wi—
belius, anläßlich einer am 2. April 1808 von Buxhövden aus-
gefertigten Proflamation, laut welcher die in der Armee
fümpfenden finnischen Offiziere — unter Androhung des Ver—
Iuftes ihrer Bejoldung und ihres beweglichen wie unbeweglichen
Eigentums, wenn fie die Armee nach Schweden begleiten
würden — innerhalb einer gewifjen Frist in ihre Heimat
zurücfehren jollten. Gegen diejen Befehl proteftierte Wibelius
in einem Schreiben an Buxhövden, worin er daran erinnerte,
518 Sechfte Periode. Finnland während feiner Vereinigung mit Rußland.
daß nach den Landesgeſetzen, welche die Sieger aufrecht zu
erhalten gelobt hätten, wehrloje Frauen und Kinder nicht um
der Abweſenden willen leiden dürften. „Die mir anbefohlenen
Konfiskationen und VBerpachtungen“, jo fügte er hinzu, „een
das ganze Land in Schreden und Verzweiflung. Ich appelliere
an Ew. Excellenz Gerechtigfeit, Edelmut und erhabene Ge-
finnung, Sie mögen Sich die Yeiden vorftellen, in welche un—
ihuldige Angehörige der finnischen Nation allgemein verwidelt
werden würden“. Die oben erwähnte Maßregel wurde jpäter
inhibiert, Wibelius aber folgte, als die Armee Sandels’ im
Herbit nach Norden retirierte, den abziehenden Truppen nach
Schweden.
Hinfichtlich der gegen die ruffiichen Behörden zu beobach-
tenden Handlungsweife war man indefjen feineswegs vollfommen
einig. Die unteren Klaſſen, bejonders der gemeine Manır,
betrachteten e8 als ein Gebot der Pflicht gegen König und
Baterland, dem Gegner bis aufs äußerfte Widerftand zu leiten.
An vielen Drten verweigerten die Bauern die von den ruj-
ſiſchen Behörden geforderte Leiftung des Treueides; auch haben
wir jchon erwähnt, wie fie fich in den inneren und nördlichen
Landespiftriften zum Aufruhr erhoben, wo nur immer ein
Heiner Hoffnungsihimmer bervorleuchtete. Hingegen waren
die gebildeten Klaffen — der Adel, die Geiftlichfeit und bie
Mehrzahl der Beamten — mehr geneigt, fich einem ihnen
unvermeidlich erjcheinenden Geſchick mit Nefignation zu unter-
werfen. Nach den Friedensverträgen von Nyſtad und Abo
hatten die urteilsfähigen Männer in Yinnland zu ahnen be:
gonnen, daß die Verbindung mit Schweden früher oder jpäter
gelöft werben würde, eine Vorftellung, welche ſich in demjelben
Map, in welchem Rußlands Macht wuchs, mehr und mehr
befeſtigte. Mancher hielt daher jchon beim Ausbruch des
Krieges die Verteidigung für hoffnungslos, und in diejer
Betrachtungsweife lag im wefentlichen die Urjache, weshalb
jene Klaffen nicht, wie bei früheren ruffifchen Invafionen, nach
Schweden flüchteten. Freilich verhinderte bei Beginn des
Krieges die Iahreszeit jeglichen Fluchtverſuch, und fpäter ftelfte
Die Haltung der Bauern, der Gebildeten (1808). 519
es jich heraus, daß man nicht, wie vordem, Anlaß hatte, von feiten
der Feinde ein barbarijches Vorgehen befürchten zu müfjen.
Dennoch würde eine Auswanderung, wenngleich in geringerem
Maßſtabe, ficherlich erfolgt fein, Hätte man auf eine Rückkehr
unter dem Schute jchwediicher Armeeen hoffen dürfen. —
Die zurücgebliebenen Beamten beobachteten im allgemeinen eine
ehrenvolle Haltung und juchten zur Aufrechterhaltung der gejek-
lichen Ordnung jowie zum Schuß von Leben und Eigentum der
Bewohner beizutragen. Von den einflußreichen Perjonen des
Yandes gingen Biſchof Jakob Tengftröm und der Yandeshaupt-
mann in Abo, Knut v. Troil, im Entgegenfommen gegenüber dem
Sieger am weiteften. Mit Tengftröm fnüpfte Alerander I. ſchon
im Frühling 1808 Verbindungen an, welche jpäter vermitteljt per-
jönlicher Zuſammenkünfte und auf brieflichen Wege ihren Fort-
gang nahmen. Der Bijchof, welcher mehrere Beweije des faijer-
lichen Wohlwollens empfing, verwendete feinen Einfluß bei der
Geiftlichfeit dazu, im Sinne der ungeftörten Aufrechterhaltung
der Ruhe zu wirken. So forderte er z. DB. in einem Zirfular-
jhreiben vom 1. Juni 1808 die Geiftlichen auf, ihre Zuhörer
zu ermahnen, daß jie in Ruhe und Frieden ihrem gewöhnlichen
Berufe und Gewerbe nachgehen und fich aller verbrecherijchen
Unternehmungen enthalten jollten. Anläßlich jeiner Bemühungen,
das Volk zu gehorjamer Unterwerfung unter die Befehle der
ruffiihen Behörden zu bejtimmen, erhielt v. Troil ſchon im
Mai 1808 einen ruffiichen Orden. Guftav IV. Adolf freilich
erHlärte ihn feines Amtes verluftig und verordnete gleichzeitig
in einem am 6. Juli 1808 an Bord der Schärengartenflotte
erlafjenen Tagesbefehl, daß der aus den Händen bes Geg—
ners befreite Zeil der Yandeshauptmannjchaft Abo von dem
übrigen Lande abgejondert und dem Spean-Hofgericht jowie dem
Upfalaer Konfiftorium jubordiniert werden jolle.
Schon damals waren Kaiſer Alerander und deſſen Um—
gebung mit Plänen zur Ordnung der Fünftigen Stellung
Finnlands befchäftigt. Alerander, ein bochbegabter Fürft, wel-
her in ungewöhnlihem Maße die Gabe bejaß, alle, die fich
ihm nahten, fih zu Freunden zu machen, war gerade in
520 Sechſte Periode. Finnland während feiner Vereinigung mit Rußland,
jener Zeit ein warmer Anhänger der freifinnigen Ideen
des 18. Jahrhunderts und bejaß zudem in dem Gtaats-
jefretär Michael Speransfi einen einfichtigen Ratgeber, deſſen
gefamte Wirkjamfeit auf liberale Reformen hinzielte. Diejer
am faijerlihen Hofe herrſchende Geift erftredte ſich auch auf
fremde, mit Rußland vereinigte Nationen. In Finnland bot
fih ein Feld zur Anwendung einer jolchen Staatskunft. Dem-
gemäß waren denn auch die ruſſiſchen Behörden jchon bei
Beginn des Feldzuges von 1808, als e8 noch hieß, Finnland
jolfe nur bis auf weiteres mit Rußland vereinigt werden, darauf
bedacht, gemeinjam mit ben Vertretern Finnlands die Verhält-
niffe des Landes zu ordnen. Buxhövdens früher (S. 478) er—
wähnte Proflamation vom 18. Februar 1808 forderte die Be-
wohner Finnlands auf, „thunlichſt Schnell“ und „in der gejeglichen
Ordnung, wie e8 bei euern gewöhnlichen Neichstagen üblich ift,
Deputierte aus jeder Provinz“ zu wählen, „welche fich in ber
Stadt Abo einzufinden haben, um über alles das zu beratichlagen,
was zu des Landes Wohlfahrt fernerhin gejcheben kann“.
Der greife G. M. Sprengtporten, welcher jeit Beginn des Krieges
den ruſſiſchen Behörden als Berater inbezug auf finnijche An—
gelegenheiten zur Seite ftand und, wie S.477 erwähnt, perjönlich
einige Zeit in Finnland weilte jowie die Erfolge der ruſſiſchen
Armee mit Jubel begrüßte, verlangte in mehreren Gutachten vom
März und April die Einberufung der finnifchen Stände. Das
Intereſſe, welches er bei dieſer Angelegenheit befundete, bildet einen
Lichtpunft in feiner Lebensgeſchichte. Später wurde jedoch der
Gedanfe an eine finnifche Ständeverjammlung beijeite ge—
hoben, da diejenigen Männer in der Umgebung Aleranders,
welche Finnland ohne jeden Vorbehalt mit Rußland einverleibt
zu jehen wünjchten, unter dem Eindruck der jchnell aufeinander
folgenden Siege die Oberhand gewannen. Der Ton in den
ruſſiſchen Proflamationen hatte fi” nunmehr verändert. In
dem ©. 491 genannten Manifeft vom 28. März 1808 erklärte
ber Raifer, daß er den occupierten Teil Finnlands für immer
mit Rußland vereinigen wolle. Die zunächit folgenden ruſſiſchen
Bekanntmachungen jind von einem milden Geift erfüllt und
Rußlands Haltung Finnland gegenüber (1808). 521
geloben den Finnländern mehrere Vorteile. Die behufs Abzahlung
ber ſchwediſchen Staatsjchuld ausgejchriebene Steuer wird
darin erlaffen, Finnland von der in Rußland gebräuchlichen
Rekrutierung befreit, den Beamten und den vier Ständen bie
unverfümmerte Beibehaltung aller alten Rechte und Privilegien
zugefichert und als Bedingung nur verlangt, daß die Bevölkerung
dem Zaren den Eid der Treue ſchwören fowie fich den ruf-
fiihen Behörden gegenüber friedlich und gehorſam verhalten
jolle. Die verjprochene Ständeverfammlung wird hingegen
entweder gar nicht oder nur vorübergehend berührt. In einer
Deklaration vom 20. April Heißt e8, daß die geplante Zu—
ſammenkunft von Deputierten zu Abo wegen der Schwierigfeit,
die zu erörternden ragen zu bejtimmen, wegen der Menge
der zu erlebigenden Aufgaben jowie wegen der ungeeigneten
Jahreszeit „noch nicht ihren Zweck erfüllen würde“. Ir einem
Manifeft vom 5.17. Juni endlich erflärt Alerander, daß er
„die Provinz Finnland für ewige Zeiten mit dem ruifischen
Reiche vereinigt“ Habe; und er fügt hinzu: „Die Bewohner
des nunmehr eroberten Finnlands haben von Stund an einen
Pla& unter den dem ruſſiſchen Scepter unterworfenen Völker—
ſchaften erhalten“, und „von dieſem gewaltigen Ganzen kann
nur der Wille und Beſchluß des Allmächtigen fie löjen“. Das
Gelöbnis einer milden Behandlung und einer Beibehaltung der
alten Konftitution jowie der Privilegien des Yandes wird auch
in dieſer Urkunde wiederholt, dagegen die Frage, betreffend
die Einberufung der Volksvertretung, unerörtert gelaffen.
Allerdings wollte man der Bevölkerung Finnlands Gelegen-
heit geben, fich über die Bebürfnifje und Verhältniſſe des Yandes
auszufprechen, aber nicht vwermittelft einer vollftändigen, unter
gejetlichen Formen wirkenden Ständeverfammlung, jondern durch
eine geringe Zahl von nach Petersburg berufenen Deputierten.
Am 21. Juni 1808 erhielt Burhönden den Befehl, die zur
Abjendung einer ſolchen „Finniſchen Deputation“ nach Peters-
burg erforderlichen Anftalten zu treffen; am 1. Juli fegte jener
die Pandeshauptleute der von den Ruſſen occupierten Provinzen
biervon in Kenntnis und erteilte gleichzeitig Vorfchriften über
522 Sechſte Periode. Finnland während feiner Vereinigung mit Rußland.
den Modus bei der Deputiertenwahl. Jeder Yandeshauptmann
jollte in jeiner Provinz 10—12 Edelleute einberufen, welche
dann aus ihrer Mitte einen Provinzialabgeorbneten auszueriehen
hätten; die Wahl von Repräfentanten der Geiftlichfeit ſollte
von den Bijchöfen und Konfiftorien vorgenommen werben; bie
Magiftrate jollten je einen Delegierten für jede Stabt ernennen,
worauf die Delegierten in den Provinzialhauptftädten behufs
Wahl eines Bürgerdeputierten für jeve Provinz zufammentreten
jollten ; jchlieglich jollten fich die ehemaligen Reichstagsabgeord—
neten des Bauernjtandes bei den Landeshauptleuten verjammeln
und unter ſich Deputierte wählen. Cine auf jolche Weife und
unter Mißachtung der gejetlichen Formen entjtandene, wenig
zahlreiche Nepräjentation war nicht geeignet, das finnijche Volk
in befriedigender Weije zu vertreten, und die Verftimmung
über Buxhöpdens Erlaß wurde um jo allgemeiner, als bie
von ihm gebrauchten Worte zu der Vermutung Anlaß gaben,
daß die Deputation als eine Nationalvertretung betrachtet
werden jollte. Zu den übrigen Bedenken gejellte ſich außer:
dem der Widerwille dagegen, daß man, während die eigenen
Landsleute noch gegen den Yeind Fämpften, einen Schritt
thun follte, der als eine ungehörige Annäherung an den rujs
fischen Monarchen ausgelegt werden konnte. Buxhövdens Erlaß
rief daher einen Widerftand hervor, welcher bezeichnend dafür
ift, wie die Finnländer in jener jchweren Zeit die Lage des
Landes auffaßten. Auch unter den neuen Verhältnifjen wollte
man jo weit als möglich die während ber Vereinigung mit
Schweden entjtandene und ausgebildete Staatsverfaffung aufs
recht erhalten, da alle Veränderungen Gefahren in fich zu
bergen jchienen, deren Umfang fich nicht vorausſehen ließ. Eine
fonjervative Denfungsart ift der Grundzug in ber Gejchichte
der „Finniſchen Deputation“ jowie des jpäteren Borgäer Yand-
tages. Diejer Standpunkt wurde mit einer Konjequenz jowie
gleichzeitig mit einer Moderation feftgehalten, welche die Ges
ftaltung des Schidjald von Finnland wejentlich beeinflußte.
In den Provinzen Nyland-Tawaftehus und Kymmenegärd
fügte man fich zwar ben Befehlen Burbhövdens, betreffend bie
Die Finniihe Deputation (1808). 523
Deputiertenwahl, jedoch nur mit Widerjtreben und mit dem
Vorbehalt, daß die alten Geſetze und die frühere gejellichaft-
liche Ordnung unverändert beftehen bleiben jollten, ſowie unter
dem Ausdrud der Hoffnung, daß die ftändifchen Vertreter
fünftig unter vollftändiger Beobachtung der bei den Reichs—
tagen üblichen Formen einberufen werben jollten. In Abo
bingegen, wo man den Zeitereigniffen mit größerer Wachjam-
feit folgte, juchten die einberufenen Wahlmänner die VBollziehung
der ihnen anvertrauten Wahl möglichft lange Hinzuzögern. Auf Ge-
heiß des Landeshauptmanng v. Troil traten daſelbſt am 1. Auguſt
1808 zwölf Mitglieder der Nitterfchaft und des Adels, ſechs
Nepräfentanten für die Städte des Yandes jowie einer ber
früheren Neichstagsabgeordnieten der Provinz, der Gerichtd-
beifiger Guſtav Caven aus dem Kirchipiel Uskela, zuſammen.
Daß man bereitd im voraus die zu beobachtende Handlungs-
weiſe fejtgeftellt hatte, gebt daraus hervor, daß fich drei Edel—
leute, der Hofgerichtsrat Samuel Ehrenmalm, der Major Karl
Rehbinder und der Oberlandrichter A. 3. v. Willebrand, mit
ichriftlichen Deflarationen eingefunden hatten, worin jie nach-
drüclich betonten, daß das Verfahren, welches man bei Zu—
jammenjegung der Deputation einzujchlagen beabfichtige, den
gejegmäßigen Privilegien der Nitterjchaft und des Adels zu-
widerlaufen würde, da jenen Privilegien zufolge die capita
familiarum die Repräjentation des Adels bilden müßten, wäh-
rend die zur Zeit einberufenen Repräjentanten weder jümtlich
capita familiarum noch auch wenigjtens Mitglieder verichiedener
Gejchlechter ſeien. Es jei daher ein für die Zufunft bevenf-
licher Präzedenzfall, wenn man zu der verlangten Wahl jchritte.
Diefen Erklärungen jchloffen fich die übrigen Anweſenden an,
worauf die VBerjammlung dem Landeshauptmann ein Gutachten
überreichte, worin fie die Vornahme einer Wahl ablehnte. Im
gleihem Sinne äußerten fich die Vertreter der Städte. Sie
beriefen fich auf die ftäbtifchen Privilegien, denen zufolge fie
in Stapel» und Seeftädte ſowie Städte ohne Stapelrecht mit
verjchiedenen Gerechtiamen eingeteilt gewejen ſeien, weshalb
auch jede Stadt bisher das Recht zu einer bejonderen Re—
524 Sechſte Periode. Finnland während feiner Vereinigung mit Rufland.
präfentation auf den Neichstagen bejeffen habe. Ein einziger
Deputierter fünne hingegen rechtlich nicht die Städte der Pro-
vinz repräjentieren. Cine nicht minder feite Haltung beob—
achtete der Gerichtöbeifiger Caven, welcher erklärte, er ſei nicht
von feinen Mitbrüdern gewählt und deshalb auch nicht berech-
tigt, in der Deputation feinen Stand zu vertreten, „deſſen
uraltes Recht e8 gewejen, durch eine unerzwungene Wahl jein
unumjchränftes Vertrauen demjenigen zuzumenden, welcher ſich
im Namen des Standes der höchſten Macht nahen und deſſen
Wünſche vor dem Throne ſelbſt zum Ausdruck bringen joll“.
Der Eifer für Aufrechterhaltung der Standesprivilegien, wel:
cher fich in dieſen Äußerungen befundete, war wohl keineswegs
ganz und gar erheuchelt, da die ſtändiſchen Inftitutionen da—
mals noch feſt eingewurzelt waren; aber der Grundgedanfe bei
dem Widerjtand war doch ein anderer, zwar nicht offen aus—
gejprochener, jedoch aus den Aufzeichnungen der Zeitgenofjen
erfichtlicher. Man befürchtete, die Deputation würde als eine
Nationalvertretung angejehen werden, und die gejegmäßige Re—
präjentation könnte auch Fünftig durch Ginberufung ſolcher
Deputierten erjett werben.
Hinfichtlich des legteren Punktes wurde man einigermaßen
durch eine Proflamation beruhigt, welche Graf Buxhövden
einige Wochen jpäter erließ. Auf die ihm durch v. Troil über-
mittelten Gutachten der Deputierten erteilte er am 26. Auguft
eine Antwort, worin er ausdrücdlich bemerkte, daß es fich jett
nicht „um Einberufung eines Reichstages“ handle, „jondern nur
darım, durch eine Deputation Sr. Kaijerl. Majeftät unter-
thänigft vorzutragen, was zum Nuten und zur Förderung des
Landes bei deſſen jeiger Lage etwa gefchehen kann“. Gleich—
zeitig aber wies er die Landeshauptleute an, dafür Sorge zu
tragen, daß innerhalb acht Tagen Deputierte des Adels, Bürger:
und Bauernftandes gewählt würden, und zwar unter Androhung
der Faiferlichen Ungnade, wofern jolches nicht geichähe. Diejem
erneuten Befehl konnte um jo weniger Widerftand geleijtet
werden, als die Wahlen in den zwei anderen jüdlichen Provinzen
bereit8 vor fich gegangen waren. Am 5. September famen
Die Vornahme der Wahlen (1808). 525
daher die Wahlmänner von neuem in Abo zufammen und
ichritten zur Wahl; doch erteilten die Edelleute dem von ihnen
augerjehenen Deputierten, Major Karl Mannerheim, gleich-
zeitig eine Inftruftion, welche davon zeugt, daß fie, wenn fie
fih auch dem Meachtgebot des ruſſiſchen Befehlshabers fügten,
dennoch an dem Standpunkt fefthielten, den fie von Anfang an
eingenommen hatten. Sie beauftragten ihn nämlich mit ber
Erflärung, daß nur gefegmäßig gewählte Repräfentanten das
foftbare Recht der Unterbreitung von Vorſchlägen zum Beſten
des Landes ausüben dürften. Außerdem follte er darauf hin—
wirfen, daß die Oberbehörde des Landes ungeftört in ihrem
früheren Zuftand verbliebe.
Die Wahlen der Geiftlichfeit Hatten ſchon früher in beiden
Stiften ftattgefunden. Das Borgäer Konfiftorium erhob feine
Schwierigkeiten, erteilte jedoch feinem Vertreter, dem Propft
Iwar Wallenius, die Weifung, auf Beibehaltung der alten
Landesgeſetze ſowie darauf zu dringen, daß die Erledigung aller
ragen, welche die Grundgejege des Landes berührten, bis zum
Zufammentreten des vom Kaifer verfprochenen Landtages ver-
ſchoben werden follten. Das Aboer Konfijtorium ſchob die
Vornahme der Wahldandlung möglichit Iange hinaus, ſah fich
aber jchließlich, infolge eines erneuten Befehls vonſeiten Bux—
hövdens, genötigt, am 31. August einen Deputierten zu ernennen ;
doch betonten mehrere Mitglieder bei dieſer Gelegenheit, daß
fie unter militärifhem Drude handelten und nur ber Über-
macht nicht fruchtlofen Widerftand leiften wollten. In ber
Inftruftion, welche fie dem von ihnen erforenen Prediger in
Ulfsby, Profeffor Friedrich Le Bell, mitgaben, kam dus Be—
jtreben, die alte ftaatliche und kirchliche Ordnung aufrecht zu
erhalten, noch jchärfer zum Ausbrud als in anderen gleich»
zeitigen Schriftjtüden. Er follte, jo hieß es darin, „im Ein-
verftändnis mit feinen Kollegen und unter peinlichjter Rückſicht⸗
nahme auf das Geſetz ſowie auf alle rechtmäßig erworbenen
Privilegien, Freiheiten und Rechte der betreffenden Stände
nichts anderes vorbringen und vorjchlagen als das, was zu
bes Höcften Ehre, zur unverbrüdlichen Bewahrung unjerer
525 Sechſte Periode. Finnland während feiner Vereinigung mit Rußland.
hriftlich-Iutheriichen Religion ſowie zum wahren Wohl des
Baterlandes am beften und am wirkjamjten beizutragen ver—
wag“.
Nah Vollziehung der Wahlen in den drei füdlichen Pro-
vinzen Abo-Björneborg, Nyland-Tawaftehus und Kymmenegärd
beftand die „Finnische Deputation“ aus folgenden Mitgliedern:
den Edelleuten Major Freiherr Karl Erich Mannerbeim,
Kriegsrat Per Chriſtian Silfverjtjöld und Erpeditiongjefretär
Karl Friedrih Rotkirch; den Pröpften Friedrih Ye Bell in
Ufsby und Iwar Wallenius in Hauho; den Kaufleuten Jean
Gabriel Tjäder aus Abo und Erich Vorgftröm aus Helfing-
fors jowie dem Bürgermeifter Jonas Garlftedt aus Lowiſa;
den Bauern Guſtav Caven aus Uskela, Japhet Mickelsſon
Kaitala aus Lampis und Bengt Pettersſon Laurikainen aus dem
Kirchſpiel St. Michel. Zu dieſen geſellte ſich noch der Kauf—
mann Johann Heinrich Lindert aus Borgaͤ, welcher auf Bux—
hövdens ausdrücklichen Befehl gewählt worden war. Hingegen
betrachtete man den Hofgerichtsafjeffor Robert Heinrich Reh—
Binder und den Profefjor der Medizin, Gabriel Erich Haartman,
welche ebenfalls auf Grund bejonderer Erlafje zu Deputierten
für das Aboer Hofgericht und die dortige Univerfität aus-
erjehen worden waren, als außerhalb der eigentlichen Depu-
tation ftehend, an deren Zujammenfünften fie nicht teil-
nahmen. ine bejondere Stellung behaupteten auch die Ver—
treter der Provinzen Waſa und Uleaͤborg, welche infolge der
lange andauernden friegeriichen Unruhen erſt im November
1808 und Januar 1809 gewählt bezw. einberufen wurden:
nämlich der Edelmann, Hofgerichtsjefretär Karl Arwid Krabbe;
die Pröpfte Nils Aeimeläus in Storkyro und Matts Gaftren
in Kemi; die Kaufleute Hermann Höcdert aus Wafa und Karl
Magnus Engman aus Wleäborg; jowie die Bauern Per Person
Klodars aus Nykarleby und Matth. Abrahamsſon Pikkarainen
aus Ulei. Dieje, welche in Petersburg erſt anlangten, als bie
übrigen Deputierten ihre Aufgabe faſt jchon erledigt hatten,
überreichten verjchiedene Memoriale, worin fie über die Yeiden
klagten, von denen Dfterbotten während des Krieges heim-
Die Mitglieder der Deputation von 1808. 527
gejucht worden war. Schließlich ſei erwähnt, daß in der
Provinz Kuopio feine Vertreter gewählt wurden, und daß der
Generalmajor Erih Guftav v. Willebrand, welcher mehrere
Jahre Vorfigender der finnischen Stromreinigungsftommiifion
gewejen war, die Aufforderung erhielt, fich gleichzeitig mit den
Mitgliedern der Deputation in Petersburg einzufinden, um
die nötigen Aufjchlüffe zu geben.
Die Abreiie der jüdfinnischen Deputierten verzögerte fich
infolge der gerade damals ftattfindenden Erfurter Zuſammen—
funft zwijchen Alerander und Napoleon, und erjt gegen Ende
Dftober 1808 famen fie nach Petersburg. Aber auch dann
noch währte e8 bis weit in den November hinein, bevor
die Kommiſſion in Thätigfeit trat. Am 12. November ver-
jammelte fie fich zum erjtenmal, und zwar unter Yeitung des
von Buxhövden zum Vorfigenden ernannten Majors Manner-
beim. Yeßterer war 1759 in Schweden geboren, in den acht-
ziger Iahren als Major des Aboer Infanterie - Regiments
nah Finnland verjegt worden und hatte fich jpäter dem
Anjalabund angejchloffen, ohne jedoch zu den Gelbjtändig-
feitsmännern zu gehören; 1790 wurde er zum Tode verurteilt,
von Guſtav III. jedoch begnadigt. Nachdem er 1796 jeinen
militäriſchen Abjchied genommen, lebte er als Grundbefiger in
der Nähe von Abo. Im jeiner Eigenschaft als Präfident der
Finniſchen Deputation bewies der jcharffinnige und feingebildete
Mann bereits bei der erjten Sigung, daß er Far erkannte,
was die Lage erforderte. Im Übereinftimmung mit den An-
fichten, welche auf den Aboer Wahlverfammlungen Taut ge:
worden waren, erinnerte er feine Kollegen daran, daß fie ohne
Rückſichtnahme auf die gültigen Bejtimmungen gewählt worden
jeten und fich deshalb weder als eine Volksrepräſentation be-
trachten könnten, noch auch das Necht beſäßen, ſich über Ände—
rung der Landesgejege, über Befteuerung u. j. w. zu äußern.
Vielmehr müffe fih die Deputation darauf bejchränfen, dem
Kaijer ihre Ehrfurcht zu bezeugen und, wenn berjelbe es ge-
bieten jollte, Ratſchläge darüber zu geben, was fich behufs
Grleichterung der auf dem Pande ruhenden Yaften thun ließe;
528 Sechſte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland.
jedoch unter dem ausdrüdlichen Vorbehalt, daß ihren Äuße—
rungen eine auch nur einigermaßen umfafjende Bedeutung nicht
zugejchrieben werben dürfe. Sämtliche Mitglieder der Depu-
tation erklärten ihre Zuftimmung zu dieſer Auffaffung, aus-
genommen der Borgäer Deputierte Lindert, welcher damals und
auch jpäter, ohne freilich Unterftügung zu finden, die Erklärung
abgab, er halte fich für vollfommen berechtigt, als Reichstags-
abgeorbneter aufzutreten. Diefen von ihr aufgeftellten Plan
für ihre Handlungsweije bielt die Deputation mit ftrenger
Konjequenz aufrecht. ALS fie am 30. November Audienz beim
Kaifer Hatte, hielt Mannerheim eine Rede in franzöfijcher
Sprache, worin er daran erinnerte, daß die Bevölkerung Finn-
lands eine freie, nur durch die Gejee gebundene Nation aus-
mache, und worin er ferner dem Kaiſer für deſſen Gelöbnis
dankte, daß ihre Religion, ihre Gefege, Freiheiten und echte
ungejchmälert erhalten bleiben follten. In demjelben Sinne
forderten die Deputierten in einem Memorial vom 1. Dezember
bie Einberufung der gejegmäßigen Repräſentation Finnlands.
Das ſchon jeit langer Zeit von der „Finniſchen Deputation“
porbereitete Memorial hob hervor, daß die Deputierten, da fie
nach einem von den Grundgejegen abweichenden Modus ge-
wählt worden jeien, nur inbezug auf öfonomijche Angelegen-
beiten Rat und Aufjchlüffe erteilen, ſich aber nicht in Be-
ratungen einlaffen fönnten, welche nur den in gejegmäßiger
Form einberufenen Ständen zukämen. Es ſchloß mit der Bitte,
der Kaiſer möge „eine allgemeine Zufammtentunft der Stände
des Landes“ anordnen, „um die Stimmen der Nation in den-
jenigen Angelegenheiten zu vernehmen, welche das Wohl aller
und das gemeinfame Beſte betreffen“. Dieſes Memorial wurbe
in franzöfifcher Überjegung dem Leiter des Auswärtigen Mi-
niſteriums zu Petersburg, Graf Soltitow, zugeftellt, um
von dieſem Kaiſer Alerander übermittelt zu werben. Zehn
Zage jpäter wurde basjelbe durch ein Schreiben des nunmehr
zum Generalgouverneur ernannten Göran Magnus Sprengt:
porten beantwortet, welches erkennen ließ, daß die Befürch—
tungen, betreffend den urjprünglichen Zwed der Deputation,
Der Wunſch nad einer Ständeverfammlung. 529
feineswegs unbegründet gewejen waren, gleichzeitig aber auch
bezeugte, daß der Gedanke einer Vertretung der Stände durch
jene Deputation jegt aufgegeben war. Der Kaiſer, jo jchrieb
Sprengtporten, habe eingejehen, daß die Deputation nicht jo voll-
jtändig, wie er es gewünſcht und erftrebt hätte, feiner väterlichen
Sürforge entgegenfommen fünne, und deshalb die Einberufung
eines allgemeinen Yandtages beichloffen. Die Deputation jolle
ſich daher darauf beichränfen, den Kaiſer über die Lage des
Pandes zu informieren und anzugeben, was er zur Unter—
ſtützung feiner neuen Unterthanen thun könne.
Nachdem die Deputation dergeftalt das Gelöbnis einer Ein-
berufung der Stände erwirft hatte, war der wejentlichite Teil
ihrer Aufgabe erfüllt. Was in ihrer Macht ftand, um Finn-
land jeine alten Inftitutionen zu bewahren, hatte fie gethan,
und fie beſchränkte jich demnach fortan darauf, einige fleinere
Maßnahmen anzuregen, welche infolge des Krieges und ber
während desſelben eingetroffenen Veränderungen geboten er-
ſchienen. Im erjter Linie forderte fie Sicherung von Leben
und Eigentum der Bewohner, ftrenge Handhabung der Gejeke
jowie das geheiligte Recht, daß die Vollziehung einer Strafe
nicht ohne Unterfuhung und gerichtliches Urteil erfolgen dürfe.
Ferner beantragte fie die Errichtung einer aus Einheimiſchen
gebildeten proviforijchen Regierung, die Berbefferung des Kurſes
des ruſſiſchen Papiergelves, eine Erleichterung der bejchwerlichen
Vorjpannverpflichtung u. j. w. Auf diefe Punkte erhielt die De-
putation am 7. Januar 1809 durch ein Schreiben Sprengtporteng
eine wohlwollende Antwort Aleranders, worin die meijten Be—
ſchwerden den zuftändigen Behörden zur Entſcheidung überwiejen
wurden. Hierauf kehrten die Deputierten in ihre Heimat zurüd.
Durch den Takt und die Klugheit, welche fie unter jo ver-
widelten Berbältniffen an den Tag legten, Haben ſie jih An—
ſpruch auf Anerkennung von jeiten der Nachwelt erworben. Be—
reits auf dem Borgaͤer Landtage bezeugte der Adel dem Vor-
figenden der Deputation, Karl Mannerheim, anläßlich ihrer
patriotifchen Handlungsweije feine Achtung und Erfenntlichkeit.
Auch im übrigen begann es damals Far zu werden, daß
Schybergſon, Geſchichte Finnlande, 34
530 Sechſte Periode. Finnland während jeiner Vereinigung mit Rußland.
fih Finnlands Los glücklicher geftalten jollte, ald man un-
mittelbar nach der ruſſiſchen Invafion zu vermuten Anlaß ge:
habt hatte. Die tapfere und ftandhafte Verteidigung des Vater:
landes durch das finnifche Heer hatte auf die Sieger Eindrud
gemacht und eine nähere Bekanntichaft mit dem Volke jowie
mit deſſen Inftitutionen Vertrauen erwedt. Hierin kann man
die Urfachen ber für Finnland günftigeren Stimmung erbliden,
welche fih Ende 1808 an dem Petersburger Hofe geltend
machte. Einige Perfonalveränderungen fündigten den Umfchwung
an. Bisher hatte Buxhövden im Verein mit einem im Yuli
1808 eingejetten Komitee von Zivil- und Militirbeamten bie
Regierung Finnlands in Händen gehabt; und zwar befanden
fih unter jenen, abgejehen von einem Mitglieve des Aboer
Hofgerichts, ausjchließlich Ruſſen oder Finnländer, welche früher
in ruſſiſche Dienfte getreten waren. Die Oberaufficht über bie
Zivilverwaltung war dem Zivilgouverneur in Ruſſiſch-Finn—
land, R. Emine, übertragen gewejen. Jetzt gingen indefjen bie
finniſchen Angelegenheiten in andere Hände über. Burhövden,
welcher in Ungnade fiel, wurde abberufen und an jeiner Stelle
der General Bogdan Knorring zum Oberbefehlshaber der in
Finnland ftehenden Kriegsmacht ernannt. Gleichzeitig (1. Dez.
1808) wurde Goran Magnus Sprengtporten damit beauftragt,
unter dem Titel „SGeneralgouverneur“ die Verwaltung Finn-
lands zu leiten, eine Maßregel, durch welche Alerander, der
nicht wußte, wie wenig wohlwollend die Stimmung in Finn-
land gegen jenen war, ben Finnländern feine Gewogenheit be-
weijen wollte. An demſelben Tage genehmigte der Kaijer einen
auf fein Geheiß von Göran Magnus Sprengtporten, dem ruf:
ſiſchen Kriegsminifter Araktichejew und dem General Knorring
ausgearbeiteten Entwurf, betreffend die fünftige Organifation
der Regierung Finnlands. Diefem Projekt zufolge jollte ber
Generalgouverneur außer feinen jonftigen weitgehenden Befugniffen
auch in einem, im verjchievene Departements geteilten Negie-
rungskomitee den Borfik Haben. Zugleich hieß es darin, daß
eine „allgemeine, aus Deputierten aller Klaſſen beftehende kon—
ftitutionelfe Berfammlung* im Januar 1809 in Lowiſa zus
G. M. Sprenatporten, Speransti und Rebbinder. 531
fammentreten jolle, um die Anfichten und Bebürfniffe der Nation
fundzuthun ). Ein Umftand erjcheint hierbei bejonders be-
merfenswert. Gemäß dem von ben brei oben genannten Ver:
trauensmännern entworfenen Plane follte die Berichterftattung
über finniſche Angelegenheiten beim Kaifer den ruffiichen Mi-
niftern zufteben, welche auch dem Generalgouverneur die Vor—
ſchriften des Monarchen zu übermitteln hätten. Durch eigen-
bändige Randbemerkung befahl indejjen Alerander, daß bie
Vorftellungen des Generalgouverneurs direkt an ihn perjönlich
zu richten jeien, und daß deshalb ein bejonderer Funktionär für
die finnischen Angelegenheiten in Petersburg angeftellt werben
jollte. Hierzu wurde Speransfi auserjehen, welcher damals
auf der Höhe feines Einfluffes beim Kaijer ftand. Anfang
Januar 1809 wurde er zum „Staatsjefretär für finnische
Angelegenheiten” in Petersburg ernannt ; Freiherr Robert Heinrich
Rehbinder erhielt den Auftrag, ihn als Adjunft bei der Be-
arbeitung der finniſchen Angelegenheiten zu unterftügen. Die
Anftalten, welche in der nächften Zeit zum Beften Finnlands
getroffen wurden, find nicht zum wenigjten dem Einfluß biejer
beiden Männer zuzufchreiben.
Die veriprochene Ständeverfammlung wurde von Alerander
durch einen Erlaß vom 20. Januar / 1. Februar 1809 folgen-
ben Inhalts einberufen:
„Nachdem dur die Fügung der Vorjehung und durch die glüd-
Iihen Erfolge Unferer Waffen Finnland für immer mit Unferm Kaijer-
reihe vereinigt worden ift, bildet das Wohl feiner Bewohner einen
der wichtigſten Gegenftände Unferer Fürforge. Überzeugt davon, ba
bebufs Crreihung dieſes Uns fo ſehr am Herzen liegenden Ziels
alle Stände Finnlands hierbei keine Mühe jparen werden, um Un-
fern hohen Abfichten entgegenzulommen, jo haben Wir infolge
deſſen angeordnet und befehlen hiermit, baß, gemäß ber Lanbesver-
fafjung, ein allgemeiner Landtag am 10./22. März biejes Jahres
in der Stadt Borgä abgehalten werden fol. Mit Rüdjicht darauf
baben ſich jämtlihe Bevollmädtigte der Stände dorthin zu begeben,
in ber Art und Weife, wie bie Reichstagsſatzungen ed vorjchreiben,
N K. 8. Tigerftedt, Tvänne förslag till Finlands styrelse af
G. M. Sprengtporten (Aboer Pycealprogramım, 1881).
34*
5932 Sechſte Periode. Finnland während feiner Vereinigung mit Rußland.
um über bie Angelegenheiten zu beraten, bie ihnen zur Beratung zu
überweiſen Wir für gut befinden“. Alerander.
Die alte Bezeichnung „Reichstag“ wurde in dieſer Urkunde
durch „Yandtag“ erjett, zum Zeichen deſſen, daß die finnijche
Repräſentation nicht dem ſchwediſchen Reichstage gleichgeftellt
werden fünnte. Daß Borgd und nicht die urjprünglich dazu
beftimmte Stadt Yowija Sit des Yandtage® wurde, beruhte
auf rein zufälligen Zwecdmäßigfeitsgründen. Die Einberufung
erwedte bei den Landesbewohnern gemifchte Gefühle. Das
finnische Volt war noch nicht von feiner Treupflicht Schweden
gegenüber befreit, dejjen Regierung ein Monarch leitete, dem
die Finnländer den Eid der Treue geichworen hatten; bie
Wahl von Vertretern, die mit dem Sieger über die Zufunft
Finnlands beratichlagen jollten, war deshalb formell ein Treu—
bruch. Aber wenn überhaupt, jo bildete in dieſem Falle die
Not ein zwingendes Geſetz. Da die Verbindung mit Schweden
faftifch gelöft war, wäre e8 widerfinnig gewejen, wenn man es
unterlafjen hätte, den wohlwollenden Abfichten Kaiſer Aleranders
entgegenzufommen. Deshalb jchritt man ohne Widerjtand,
freilich auch ohne Eifer, zur Vollziefung der Wahlen. Kurz
darauf wurden die alten Berpflichtungen Schweden gegenüber
gewijjermaßen auch in formeller Hinficht durch die ſchwediſche
Thronrevolution vom 13. März 1809 aufgehoben, durch welche
Guſtav IV. Adolf für abgeſetzt erflärt und fein Oheim, Herzog
Karl v. Södermanland (Karl XIIT.), auf den Thron Schwedens
erhoben wurde. Diejer Umſtand trug dazu bei, daß jich die im
Borgä verjammelten Stände leichter mit den veränderten Ver-
bältniffen auszuſöhnen vermochten.
Am 25. März wurde der PYandtag in Borgä unter Beobachtung
der jeit uralter Zeit üblichen Zeremonieen durch „Ausblaſen“ er-
öffnet, und am folgenden Tage konftituierten fich die Stände unter
dem Borfig des Yandmarjchalls bezw. ihrer „Sprecher“. Zum
Landmarſchall war der ehemalige Yandeshauptmann der Provinz
Kymmenegärd, R.W. De Geer, ernannt worden, welcher fich 1788
der Revolutionspartet angeſchloſſen und nach feiner Entlaffung
auf jeine Güter (1789) zurüdgezogen hatte. Seine jegt von
Der Yandtag in Borgä (1809). 533
neuem beginnende öffentliche Wirkjamfeit wurde nicht bejon-
ders bdurchgreifend. Weit einflußreiher war der Sprecher
der Geijtlichfeit, Biſchof Jakob Tengſtröm, welcher auf dem
Landtage jeine Beſtrebungen fortjegte, die Schwierigkeiten bei
dem Übergang Finnlands in die neuen Verhältniffe möglichit
auszugleichen. Sprecher beim Bürger» und beim Bauern-
ftand waren der Kaufmann Chriftian Trapp aus Abo und
der ehemalige Reichstagsabgeoronete Per Persſon Klodars
aus dem Kirchipiel Nykarleby, während einer ber hervor—
ragendjten Beamten des Landes, der Bürgermeijter in Borgä
und Gerichtöbeijiger Anders Yabian Orräus, als Sekre—
tür des Bauernjtandes fungierte. Die verjammelten Re—
präjentanten waren keineswegs zahlreich. Obwohl der Adel
durch ein befonderes Ausjchreiben eine Anzahl abwejender Mit-
gliever zum Erſcheinen zu bejtimmen vermochte, konnte bie
Zahl der Eingejchriebenen doch nur bis auf etwa 70 gebracht
werden, von denen fich viele bereits vor Schluß des Reichstages
entfernten. Die Geiftlichfeit zählte, mit Einjchluß des Spre-
here, 8, der Bürgerftand 19 und der Bauernftand 30 Mit-
glieder. Die einflußreichiten Nebner und Ausjchußmitglieder
auf dem Neichstage waren: beim Adel K. Mannerheim, Hof:
gerichtörat Karl Eduard GEyldenſtolpe und Oberlandrichter
Johann Ehriftoph v. Morian; bei der Geiftlichfeit, abgejehen
vom Sprecher, der Dompropft und jpätere Biſchof von Borgi,
Magnus Jakob Alopäus, Profeffor Johann Gabdolin und
Profeffor Guſtav Gabriel Hälfftröm; beim Bürgerjtand endlich
der Vertreter für Kastö, Peter Johann Bladh, welcher als
Neichstagsabgeorbneter feit 1786 auf ſämtlichen Neichstagen
eine bedeutende Holle gejpielt hatte.
Die nächften Tage nah „Ausblajen“ des Landtages er:
hielten dadurch ein fetliche8 Gepräge, daß ſich Kaiſer Alerander
am 27. März behufs perjönlicher Eröffnung des Landtages
in Borgi einfand. Am 28. März eröffnete er, nachdem er
dem Gottesdienft in der Domkirche beigewohnt Hatte, in einem
ber Yehrjäle des Gymnaſiums, welcher in einen Feſtſaal
umgewandelt war, die Sigung in franzöfiicher Sprache mit
534 Sechſte Periode. Finnland während feiner Vereinigung mit Rußland.
folgender Rede, welche von Sprengtporten ins Schwebijche
überjett wurde:
„Durch Schidung der Vorſehung dazu berufen, über ein gutes
und ben Gejegen gehorfames Voll zu berrichen, habe Jh gewünſcht,
beflen Vertreter um Mich verfammelt zu jehen.
„Ih babe euch zu jehen gewünjht, um euch einen neuen Be—
weis von Meinen Bemühungen für die Wohlfahrt euers Vaterlandes
zu geben. Ich babe gelobt, euere BVerfaflung, euere Grundgefege
aufrechtzuerhalten; euere Berufung hierher bildet eine Bürgſchaft für
Mein Gelöbnis.
„Dieſe Ständeverfjammlung jol der Ausgangepunlt für euere
politiihe Eriftenz werden; fie beabfihtigt eine Stärkung der Bande,
welhe euch an bie neue Ordnung ber Dinge felleln, eine Bervoll-
ftändigung ber Rechte, welche das Kriegsglück Mir zuerteilt hat, durch
Rechte, welche teurer für Mein Herz find, und mit Meinen Grund»
jägen mehr übereinftimmen, indem fie aus den Gefühlen ber Liebe
und der Anhänglichkeit entipringen.
„SH werde euch Meine NAbfichten inbetreff der Behandlungs»
gegenftände für euere Zufammenkunft zu erkennen geben. hr werbet
barin den Geiſt wiederfinden, welcher fie eingegeben bat.
„Möge die Liebe zum Baterlande, die Liebe zur Ordnung und
eine unerſchütterliche Übereinftimmung ber Anfhauungen euere Ber
ratungen bejeelen; dann wird der Segen bes Himmels euch beſchert
fein und eud bei euern Aufgaben leiten und erleudten“.
Der Yandmarjchall und die Sprecher antworteten hierauf im
Namen ihrer Stände, indem fie deren Dankbarkeit für die Milde
bezeugten, welche Kaiſer Alexander gegen die Bewohner Finnlands
bewiejen. Schließlich trat der Präſident des Äboer Hofgerichts,
Freiherr Adolf Tandefelt, hervor, welcher dazu auserjehen war,
bei diejer Gelegenheit die Gejchäfte des Reichskanzlers zu
verjeben, und jchritt zur Verlefung der vier Propofitionen,
welhe den Ständen zur Behandlung überwiejen wurden.
Die Einleitung der betreffenden Propojitionen lautete folgender-
maßen:
„Wenn Seine Kaijerlihe Majeftät die Stände Finnlands zu
einem allgemeinen Landtag einberufen haben, jo haben Sie hiermit
ein feierlihes Zeugnis Ihrer hochgefinnten Abfichten ablegen wollen,
die Religion, die Gejege, die Verfaſſung des Landes, die Rechte und
Privilegien aller Stände im allgemeinen und jedes Bürgers im be
jonderen unverlümmert aufrechtzuerhalten“.
Die Verfiherung der finnijhen Konftitution durch Alerander (1809). 585
Am folgenden Tage, dem 29. März, huldigten die Stände
dem Kaijer als ihrem Yandesregenten. Man verjammelte fich in
der Domtfirche, wo der Generalgouverneur Sprengtporten bie
Stände davon benachrichtigte, daß der Zar eine „Verſicherung“,
betreffend die Aufrechterhaltung der Konftitution Finnlands,
unterzeichnet babe. Dieſes Dokument, welches von ihm in
ſchwediſcher Überſetzung vorgeleſen wurde, lautete, wie folgt:
„Wir Alexander J. von Gottes Gnaden Kaiſer und Selbſt-
herrſcher über ganz Rußland ꝛc ⁊c., Großfürſt von Finnland ꝛc. ꝛc.,
thun kund und zu wiſſen: Nachdem Wir nach der Schickung der
Vorſehung das Großfürſtentum Finnland in Beſitz genommen, haben
Wir hiermittelſt die Religion und die Grundgeſetze des Landes be—
kräftigen und beſtätigen wollen, ſamt ben Privilegien und Geredt-
jamen, die ein jeder Stand im bejagten Großfürftentum infonderheit
und alle feine Bewohner im allgemeinen, ſowohl höhere wie niebdere,
bisher gemäß der Konftitution genoſſen haben; und Wir geloben, alle
diefe Vorrechte und Gejege feit und unverrüdt in ihrer vollen Kraft
aufrechtzuerhalten. Zu mehrerer Gewißheit haben Wir dieſe Ber-
fiherungsafte mit Unſerer eigenhändigen Unterfchrift verfehen. Gegeben
in Borgä, den 15./27. März 1809“,
Das Driginal ift höchſteigenhändig unterfhrieben: Alerander.
Nah Berlefung der Urfunde dankten der Landmarſchall
und die Stände dem Kaiſer, wobei fie beſonders hervorhoben,
daß die Beftätigung der finnischen Konftitution eine Vor—
bedingung für das künftige Glück des Landes je. Weiter
huldigten die Stände dem Zaren, indem jeder Stand für fich
den von dem Präfidenten Tandefelt vorgeiprochenen Qireueid
leiftete, welcher das Gelöbnis enthielt, „für unfere rechte
Obrigkeit zu haben und zu halten den großmächtigften Fürften,
AUlerander I, Kaiſer und Selbjtherricher über ganz Rußland
und Großfürjt von Finnland, jowie unverbrüchlich die Grund-
gejee und die Konftitution des Landes aufrecht zu erhalten,
jo wie fie gegenwärtig angenommen und in Geltung jind“.
Schließlich hielt der Zar an die Stände folgende, vom
Generalgouverneur in jchwediicher Sprache wiebergegebene,
franzöfiiche Anſprache:
„Mit liebevoller Rührung nehme Jh den Treu» und Huldigungs-
556 Sechfte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland.
eid entgegen, ben Finnlands Bewohner Mir joeben durch ihre gejek-
mäßig ermwählten Vertreter gejhmworen haben.
„Die Bande, welde Mich mit ihnen vereinigen, find durch bieje
freiwilligen Beweiſe ihrer Anhänglichleit befeitigt und durch bieje feier-
liche Bereinigungsalte gebeiligt worden, und fie werden dadurch noch
foftbarer für Mein Herz, noch mehr mit Meinen Grundjägen über-
einſtimmend.
„Indem Ich gelobte, ihre Religion und ihre Grundgeſetze ihnen
zu erhalten, habe Ich den Wert befunden wollen, den Jh duf auf
richtige Äußerungen von Liebe und Vertrauen lege.
„Ich bitte Gott, den Allmädtigen, Er möge Mir Kraft und
Meisheit verleihen, dieſes achtungswerte Volt gemäß feinen Gejegen
und gemäß ber umerjchütterlihen Orbnung der ewigen Geredhtigleit
zu regieren“ ").
Nachdem der Kaiſer jeine Rede beendet hatte, trat ein
Herold auf und rief mit lauter Stimme: „Es lebe Alerander I.,
Kaifer über ganz Rußland und Großfürft von Finnland“,
worauf ein Dankgebet von der Kanzel herab verlejen und unter
dem Schall der Pauken und Trompeten das Tedeum gejungen
wurde. Unter jolhen Zeremonieen gaben fich der Regent und
die Stände ihre gegenjeitigen Gelöbnijje, welche bis auf den
heutigen Tag die Grundpfeiler der konftitutionellen Entwidlung
dinnlands gebildet haben. Die Anwejenden empfanden bie
Bedeutjamfeit jenes Moments, Einer von ihmen bezeichnete
in den von ihm hinterlafjenen Aufzeichnungen die Faijerliche
Verjiherungsakte als Finnlands Magna Charta.
Auch bei minder feierlichen Gelegenheiten fand der Monarch
während jeines AufentHalts in Borgä Gelegenheit, die finnijchen
Repräſentanten fennen zu lernen, und jchon damals gewann
er burch jein mildes, leutjeliges Wejen die Herzen vieler. Bejon-
ders mag noch erwähnt werden, daß die Stände ihm zu Ehren
1) Dem gebrudten Zeremoniell zufolge jollte der Berlefung ber faijer=
lihen Berjiherungsalte bie Huldigung vorhergeben. Das Zeremonicll
wurbe jedoch in biefem Punkte geändert, wie aus den Memorial- und
Konzeptprotolollen ber Geiftlichteit fowie aus anderen Umſtänden hervor—
geht. Vgl. hierüber 9. Borenius, Om tillgängen vid kejsar Alexander 1
bylining af Finlands stäuder d. 29. Mars 1809, in: „Tidskrift, utg.
af Juridiska föreningen i Finland“, p. 1—17 (1894).
Finnland huldigt Alerander (1809). 537
einen Ball veranftalteten, während er jeinerjeits Vertreter der
Stände einlud, an der faiferlichen Tafel zu ſpeiſen. Im noch
weiteren Kreijen fam der mächtige Eindruck, den die Perjönlichkeit
Kaijer Aleranders ausübte, auf einer Reife zur Geltung, welche
er unmittelbar darauf nach Abo unternahm. Am 30. März
brah er von Borgä auf, bejuchte Helfingfors und gelangte
am 1. April nach der Hauptjtadt Finnlands, wo er von den
Eimvoßnern feftlich begrüßt wurde. Nachdem er am folgenden
Tage das Schloß befichtigt, einer Sikung des Hofgerichts
beigewohnt Hatte und auf ber Univerfität in Proja wie in
gebundener Rede begrüßt worden war, bejuchte er Abends einen
von der Bürgerichaft veranftalteten Ball. Am 3. April erfolgte
die Rüdreije, zumächft nach Borgä, wo er fih am 4. April
aufbielt, und von dort über Yowija nach Petersburg. In Borgä
erließ er eine vom 23. März/4. April datierte Proflamation,
in welcher jäntliche Bewohner Finnlands von der Berficherungs-
afte vom 27. März jowie von dem jeitend der Stände ge-
leifteten Treu- und Huldigungseid in Kenntnis gejegt wurden.
In diejer Bekanntmachung, welche in allen Kirchen verlejen
und angejchlagen wurde, hieß es:
„Indem Wir Finnlands Stände zu einem allgemeinen Landtag
verjammelt und ihren Treueid entgegengenommen haben, wollten Wir
bei dieſer Gelegenheit durch einen feierlien, in ihrer Gegenwart aus-
gefertigten und in dem Heiligtum bes Höchſten verlündigten Alt ihnen
die Beibehaltung ihrer Religion und Grundgejege befräftigen und ver-
fihern, jomwie die der Freiheiten und Gerechtſame, die jeder Stand im
bejonderen und alle Bewohner Finnlands im allgemeinen bis auf
den heutigen Tag genofien haben. Indem Wir nun bierburh Un-
feren treuen Unterthanen in Finnland den bejagten Alt übergeben,
wollen Wir ihnen gleichzeitig zur Kenntnis bringen: Da Wir die
uralten Gebräuche dieſes Landes beibehalten und Uns danach gerichtet
baben, jehen Wir den Treueid, den die Stände im allgemeinen und
die Deputierten des Bauernftandes im bejonderen in ihrem eigenen
und im Namen ihrer Brüder in der Heimat freiwillig und unge
jwungen geleiftet haben, als bindend und verpflichtend an für jeden
Bewohner Finnlande, ohne alle Ausnahme. Bolllommen überzeugt
davon, daß dieſes gute und rebliche Volk ftet8 gegen Uns und Unſere
Nachfolger diefelbe Treue und unentwegte Ergebenheit hegen wird,
538 Sechſte Periode. Finnland während jeiner Vereinigung mit Rußland.
wodurch es ſich immer aufgezeichnet hat, wollen wir nicht unterlaffen,
mit dem Beiftande des Höchſten demſelben ſtets Beweiſe Unſerer be—
ſtändigen väterlichen Fürſorge für ſein Gedeihen und Wohlergehen zu
geben“.
Dieſe Worte, in denen die Anhänglichkeit des Monarchen für
das finniſche Volk unverfälſcht zum Ausdruck gelangte, wirkten
gleich allen ſeinen Außerungen und Maßnahmen beruhigend auf
die große Menge, deren tiefe Verſtimmung einer vertrauens—
volleren Auffaffungsart zu weichen begann.
Durch die Gelöbniffe und Verficherungen, welche Alerander I.
und Finnlands Stände miteinander austaufchten, wurde bie
Stellung Finnlands gefeftigt und der Zufammenhang zwijchen
deſſen vergangener und fünftiger Entwicklung geſichert. Doch
war noch eine langwierige Arbeit von Nöten, um die Regierung
und die Verwaltung in Übereinſtimmung mit den neuen Ver—
hältniſſen zu organiſieren. Der Anfang hierzu geſchah ſeitens
der in Borgaͤ verſammelten Stände. Nach der Abreiſe des
Kaiſers wurden zwei Landtagsausſchüſſe gewählt: der Zivil—
und Okonomieausſchuß, welcher den Major Iohann Rein—
hold NRehbinder, den Vater R. H. Rehbinders, zum Vorſitzen⸗
den erhielt, jowie der unter Mannerheims Leitung jtehende
Finanzausſchuß. Dem erfteren Ausſchuß wurden die beiden
faijerlichen Propofitionen „Über die militärifche Organijation
des Landes“ und „Über die Erhebung der Kronfteuern“, dem
fegtgenannten die dritte Propofition „Über das Münz- und
Geldwejen“ überwiefen. Die vierte Propofition „Über ven
Regierungstonfeil” wurde dagegen noch nicht zur Beratung
aufgenommen, da es darin hieß, daß ein detaillierter Vorjchlag
in diejer Angelegenheit den Ständen jpäter zugejtellt werden
jollte. Die in allgemeinen Ausdrüden abgefaßten Propofitionen
gewährten den Ständen feine genügende Anleitung bei ihrer
Arbeit, und ihre Aufgabe war defto jchwieriger, al8 auch im
übrigen feine Vorarbeiten vorlagen. Um jo größere Anerfen-
nung gebührt ihnen für das, was trogdem von ihnen geleiftet
wurde. Im folgenden wollen wir wenigjtens die Hauptzüge
Die Arbeiten des Landtages von 1809. 559
der Ausihußgutachten und Ständeäußerungen jowie die dadurch
veranlaßten Regierungsmaßnahmen anführen.
In der Propofition „Über die militärische Organifation
des Yandes“ erklärte der Kaifer-Großfürft, er wolle allerdings
die bereit8 anerkannten und angenommenen Grundlagen für bie
finnifche Armee beibehalten, da ein nationales Heer die befte
Schutwehr für die Sicherheit eines Yandes und zugleich von
allen Verteidigungsanftalten für die Bewohner am wenigijten
drüdend jei; doch jolle die Nationalmiliz bis auf weiteres
aufgelöft und das für ihren Unterhalt verwendete Geld ber
Kronſchatzlammer überwiejen werden. Gleichzeitig verficherte
Alerander, daß außer der Nationalmiliz jowie den geworbenen
Truppen, die fünftig vielleicht einberufen werden könnten, feine
mit Zwang verbundene Rekrutierung oder militäriiche Aus-
bebung in Finnland ftatthaben ſollte. Anläßlich dieſer Propo—
fition hob der Zivil- und Okonomieausſchuß in erjter Linie her—
vor, wie wünjchenswert es fei, daß die Zeit, während welcher
die Nationalmiliz aufgelöft fein jollte, bis zu einem bejtimmten
weiter entfernten Termin verlängert würde, oder am beiten
für alle Zukunft Gültigkeit hätte. Finnland babe nunmehr
einen Angriff von mächtigen auswärtigen Feinden nicht zu bes
fürchten und bebürfe daher auch nicht mehr einer größeren
bewaffneten Macht zu feiner Verteidigung. Sollte aud) mög-
licher Weije eine ſchwediſche Heeresmacht fünftig Finnland ans
greifen, jo könnte dennoch derjelben feine finnische Armee ent-
gegengejtellt werden. „Noch lange wird die Sinnedart des
finnischen Volkes“, jo äußerte ſich der Ausschuß freimütig,
„derartig jein, daß jich dieſes Volk jchwerlich darein fin—
den dürfte, die Waffen gegen feine ehemaligen Brüder zu
erheben; und dieſe Gefinnung, weit davon entfernt, jtrafbar
zu jein, muß vielmehr Achtung erweden, da fie genährt und
geftärft wird durch eine nur jpät ſchwindende Erinnerung an
den wohlthätigen Schuß, welcher der Nation unter vollem
Genuß ihrer bürgerlichen Rechte Jahrhunderte hindurch ver-
gönnt geweſen ift. Daß dies die Gefühle der Nation find,
bält der Ausihuß für eine ausgemachte Sache; und jomit er-
540 Schfte Periode. Finnland während jeiner Vereinigung mit Rußland.
breiftet fich der Ausſchuß, jeinerjeit8 unterthänigjt zu dem Edel—
mut und der Milde des neuen erhabenen Negenten des Yandes
die feſte Zuverficht zu begen, daß dieſer Umjtand, da er mit
Würde und wahrheitsgemäß in aller Unterthänigfeit vorgeftellt
ift, nicht ungnädig aufgenommen, jondern vielmehr als ein
Beweis der Offenberzigkeit aufgefaßt wird, mit welcher bie
Landesftände infolge ihres Eifers für das allgemeine Wohl
und für ihre Unterthanenpflichten Seiner Kaiferlichen Maje—
jtät entgegenzufommen bereit find“. Der Ausſchuß beantragte
baber, die Stände follten darum bitten, daß Finnland von
ber Verpflichtung, eine Nationalmiliz aufzuftellen und zu unter:
balten, für ewige Seiten befreit werden jollte, oder daß
wenigſtens ein Zeitraum von 50 Jahren feftgejegt würde, big
zu deſſen Ablauf die finniſche Meilizarmee nicht wiebererrichtet
werben dürfe. Gleichzeitig baten die Stände darum, daß bei
einer künftigen Neueinberufung der finnijchen Nationaltruppen
jowohl Mannjchaften wie Offiziere den eigenen Bürgern Finn-
lands entnommen, und daß dieſe Truppen nicht außerhalb
der Grenzen Finnlands verwendet werben jollten. Zwar
empfingen die Stände ebenjo wenig bezüglich dieſes wie anderer
Punkte eine direkte Antwort auf ihre Vorftellungen; aber am
27. März und am 1. Auguft 1810 wurden Verordnungen
erlaffen, welche im Verein mit einigen jpäteren Verfügungen
die Angelegenheit regelten. Seitdem war das finnische Volt
während zweier Meenjchenalter jo gut wie waffenlos, was
auf die Dauer vom politifchen Gefichtspunft aus bedenklich
fein konnte, in öfonomijcher Hinficht dagegen eine Erleichterung
von großer Bedeutung war. Bon den durch die Auflöfung der
Armee für das Staatsbudget gewonnenen Einkünften wurde der
jogenannte „Milizfonds“ gebildet. Das Milizwejen (indelnings-
verk), welches in einem Zeitraum von anderthalb Jahrhunderten
immer tiefere Wurzel gejchlagen hatte und immer mehr mit
den Gewohnheiten des Volkes verwachien war, bejaß fortan
nur eine famerale Bedeutung. Die Milizjoldaten waren jeit
biefer Zeit nicht mehr wie früher ein einflußreiches und
geachtetes Element der Yandbevölferung; nur einige taujend
Die Auflöfung der Nationalmili.. Das Steuerweien (1810). 541
verabjchiebete Krieger erinnerten an Finnlands, in mannig-
faltigen Kämpfen erprobte Milizarmee.
Die zweite faiferliche Propofition „Über die Erhebung der
Kronfteuern“ betätigte die Abjchaffung der „Bewilligungsfteuer“
(bevillning), der Accife jomwie der Yandzölfe, die ſchon im Früh—
jahr erlaffen worden waren; auch wurden die Stände gleich-
zeitig aufgefordert, Vorjchläge, betreffend eine Vereinfachung
des Steuererhebungsmweiens durch VBermandlung der mannig-
faltigen Heinen Naturalabgaben in gewiffe einfache Kopffteuern,
zu machen. Die Schlußworte der Propofition, in denen Raijer
Alerander I. wiederum feiner Auffaffung von der politijchen
Page Finnlands Ausdrud verlieh, lauteten, wie folgt:
„Weit davon entfernt, au3 den allgemeinen Cinlünften in Finn—
land irgendwelchen perjönliden Nugen ziehen zu wollen, betradten
Seine Kaiſerliche Majeftät diefelben nicht anders denn als ein Mittel,
das allgemeine Beſte des Landes dadurch zu fördern; um jedoch dieſes
Ziel zu erreihen und um eine Regierung bejolden und aufredt er—
balten zu können, melde Tüdhtigfeit und Eifer mit Redlichkeit und
Uneigennügigfeit vereinigt, dazu bedarf es ber erforberlihen Mittel,
und dies um fo mehr, ala, was das allgemeine Budget und Ein-
nahmemejen eine® Landes betrifft, deflen innere Verwaltung niemals
frei und jelbftändig fein ann, es ſei denn, daß dasſelbe die nötigen
Mittel und Ausmege zur Befriedigung feiner Bedürfniſſe befigt”.
Die in der Propofition vorgeichlagene Umwandlung ber
Naturalabgaben bereitete dem Zivil- und Okonomieausſchuß
eine langwierige, mühſame Arbeit, jo daß feine Anträge erit
Mitte Juli den Ständen unterbreitet werden fonnten. Bei der
Reduktion der Naturalabgaben in eine geringe Zahl von Kopf-
jteuern befolgte man den Grundſatz, daß die Grunbdfteuer eines
jeden Gehöfts in der jeit alter Zeit beftehenden Höhe bei-
behalten und den verichiedenen Erwerbszweigen ber Landorte
angepaßt werben follte Gleichwohl dürfte die im Verlaufe
weniger Monate vorgenommene Einjchätung nicht vollkommen
richtig gewejen jein, weshalb die Erledigung der Frage von
der Regierung aufgefchoben wurde und fpäter bi8 1840 gänz-
lich rubte. Im übrigen wurden ein paar Heinere VBereinfachungen
und Berbefjerungen im Steuererhebungswejen proponiert. —
542 Schite Periode. Finnland während feiner Vereinigung mit Rußland.
Eine noch wichtigere Aufgabe des Ausſchuſſes beſtand in ber
Ausarbeitung eines Etatdentwurfs für die neugebildete finnijche
Etatöverwaltung, auf Grund einer ungefähren Berechnung der
fünftigen Einnahmen und Ausgaben. Die jährlichen Einfünfte
unter ſchwediſcher Herrichaft wurden auf 513442 Reichsthaler
(etwa 3 Mill. finniſche Mark) gefchätt, wovon 229958 Reichs—
thaler für Finnlands eigene Bebürfniffe verwendet wurden.
Hierbei waren jedoch die Einkünfte aus dem großen Seezoll
(ungefähr 56000 Reichsthaler) und die der Poftvermwaltung
(etwa 6000 Reichsthaler) nicht einbegriffen. Da mithin auf
einen beträchtlichen Überfchuß zu rechnen war, beantragte der
Ausſchuß die Errichtung einiger neuer Ämter und Stiftungen,
befonder8 für das Geſundheitsweſen, jowie eine Erhöhung
der Beamtengehälter und glaubte dennoch den jährlichen Über:
ihuß auf 195 252 Neichsthaler veranjchlagen zu können, welche
zur Bejoldung des neuen Regierungsfonfeil®, zu anderen un:
vorbergejehenen Ausgaben jowie zu gemeinnügigen Anftalten
und Einrichtungen verwendet werden jollten. Bei der Dis—
fuffion wurden in den verjchiedenen Ständen mehrere Bedenken
gegen dieſes Projekt des Ausſchuſſes geäußert; doch wollten die
Stände Feine Detailveränderungen vorjchlagen, ſondern faßten
einhellig den Beichluß, die Staatsmittel behufs Anwendung
zum Beſten des Landes der Regierung zu überlaffen. Beſonders
glaubten fie von dem Eifer Kaiſer Aleranders für alle Auf-
Härung eine angemeffene Unterftügung für die Univerfität Abo
erwarten zu bürfen. Die von den Ständen gehegte Hoff:
nung, betreffend einen überſchuß aus den Staatsmitteln, ging
in den nächften Jahrzehnten nicht in Erfüllung, da die Ein-
fünfte infolge des Krieges und ber veränderten wirtſchaft—
lichen Verhältniffe einen wejentlich geringeren Betrag ergaben,
als man berechnet hatte. Die Regierung Finnlands befand fich
daher nicht felten in peinlicher Verlegenheit, bis jchlieglich in
ben vierziger Jahren das Gleichgewicht im Budget bergeftelft
wurde.
Die dritte kaiſerliche Propoſition „Über das Miünz- und
Geldweſen“ erinnerte furz daran, daß bei dem Geldweſen
Der finnifhe Etat. Die Münzregelung (1810). 548
Finnlands unter den neuen Verhältniſſen viele Schwierigkeiten
aus dem Wege zu räumen jeien, und richtete deshalb an bie
Stände die Aufforderung, Mittel und Wege vorzufchlagen,
durch welche das Recht des einzelnen mit der allgemeinen Yage
der Dinge in Übereinftimmung gebracht werben fünne Mit
biefen Worten fpielte man darauf an, daß nach ber
ruſſiſchen Occupation zwei verjchiedene Münzjorten, der ſchwe—
diſche Banfreichsthaler und der ruffifche Speziesrubel, im Um—
lauf waren, während außerdem jchwebiiches und ruffijches
Papiergeld vorfam. Es galt num, die Relation zwijchen diejen
verfchiedenen Geldjorten zu beftimmen ſowie feftzuftellen, in
welchem Umfang diefelben benutt werden bürften. Der Finanz-
ausſchuß befürmortete in feinem Gutachten über dieſe belifate
Frage, daß der Silberrubel die Hauptmünze Finnlands werben
jollte, weil die auf dem Decimalſyſtem aufgebaute Rechnung
nach Rubeln zwedmäßiger ei, als die nach Reichsthalern; ganz
abgefehen davon, daß Finnland nicht gut eine andere Münze,
als die in Rußland gültige, annehmen fünne. Doc müſſe das
ſchwediſche Silbergeld nach wie vor als gejetliches Bezahlungs-
mittel jowohl bei der Sronfteuererhebung wie im Privat-
verfehr zugelaffen werben. Ebenſo ſollte ſchwediſches Papier:
geld nach einem beftimmten, fejtgejetten Kurſe gangbar jein,
während das ruffiiche, deſſen Wert fortwährend wechjelte, nach
den Petersburger Kurjen Gültigkeit haben ſollte. Im Bürger-
ftande fprach ſich Bladh dafür aus, daß das ſchwediſche Gelb
auch künftig Finnlands Hauptmünze bliebe, da nach jeiner
Anficht der Warenaustaufh mit Schweden auh in Zukunft
lebhafter jein würde, als der Handelöverfehr mit Rußland.
Die Mehrheit des Bürgerftandes teilte diefe jeine Meinung;
aber die übrigen Stände billigten die Anfichten des Ausſchuſſes.
Der Abel forderte im Gegenteil ſogar, daß jchwebiiches Geld
zwar zur Liquidierung im Privatverfehr verwendet, aber nicht
an den Kronkaffen entgegengenommen werben dürfe; eine An-
fit, welche, obwohl fie von den anderen Ständen nicht geteilt
wurde, dennoch durch die am 29. Dezember 1809 ausge—
fertigte Verordnung „Über das Münzweſen in Finnland“ zum
544 Sechſte Periode. Finnland während jeiner Bereinigung mit Rußland.
Beſchluß erhoben wurde, indem es darin hieß, daß „alle Ein-
fünfte der Krone von Beginn des Jahres 1810 an nur in
kaiſerlicher Silbermünze oder in Bankzetteln zu erlegen
ſind“. Diejer Erlaß gejtattete die Verwendung ſchwediſchen
Geldes im Privatverfehr; aber jhon am 12. Oktober 1810
erjchien eine neue Verfügung, welcher zufolge alle Berechnung
in ſchwediſcher Münze fortan aufhören, und demgemäß ber
Preis aller Waren in kaiſerlich ruffiihem Gelde bejtimmt
werben, ſowie jede Bezahlung feitens der Käufer in gleicher
Münze erfolgen jolle. Die kommerziellen Beziehungen zu
Schweden wurden jedoch mit folcher Lebhaftigkeit wieder ange—
fnüpft, und das Bedürfnis ſchwediſchen Geldes war fo groß,
daß fich jener Erlaß nicht aufrecht erhalten ließ, jondern
ſchwediſches Geld nach wie vor allgemein zirfulierte. Die Re—
gierung ſah fich daher genötigt, durch Verordnung vom
30. Dezember 1812 wenigſtens die teilweije Erlegung der
Kronfteuer in ſchwediſchem Gelde zu geftatten. Die Gejeß-
gebung in diefer Frage war jpäter andauernd jchwanfend, und
die Verwirrung in den Münzverbältniffen wurde daher immer
größer. Daß Finnland eine eigene Münze erhalten würde,
war noch für die meiften eine Hoffnung, deren Verwirklichung
man faum vorausjeben konnte. Indefjen wollte man wenigjtens
durch eine eigene „Nationale Wechjel- und Yeibbant * zur
Feftigung des Geldweſens beitragen. Die Banf follte, den Vor:
ichlägen des Ausjchuffes zufolge, mit einem Fonds verjehen
werden, welcher ausreichend wäre, um dem Lande das nötige
Betriebskapital zu verichaffen, und durch Garantie jeitens der
Stände wie durch Kontrolle jeitens ftändifcher Bevollmächtigen
Feftigfeit und Vertrauen gewinnen. Mit der Bank follte eine
Disfonto-Einrichtung, an welcher teils die Banf, teils private
Aftienbefiger beteiligt jein jollten, verbunden ſowie gleichzeitig
eine bejondere Münzwerkftatt errichtet werben. Um alles dies
zu ermöglichen, jollte man bei Kaiſer Alerander um eine unver—
zinsliche Anleihe nachjuchen. Der Vorjchlag fand die Zuftimmung
der Stände, wurde jedoch jpäter auf Antrag des Regierungs-
fonjeil8 abgeändert, welcher bier wie bei anderen Fragen ber
Die Bank von Finnland. Die höcfte Behörde. 545
Anficht war, daß die Außerungen der Stände mehr als Ratſchläge
denn als Entſcheidungen zu betrachten ſeien. Das Reglement für
das „Wechſel-⸗, Leih- und Depoſitionskontor im Großfürſtentum
Finnland“ vom 12. Dezember 1811 machte nämlich die Bank
zu einer ausſchließlich unter Leitung der Regierung ſtehenden
und von der Kontrolle der Stände unabhängigen Inſtitution,
welche zudem zur Unterftügung ihrer Finanzoperationen nicht
die erforderliche metalliiche VBaluta, jondern nur 2 Millionen
Rubel in ruſſiſchen Banfaffignaten empfing. ine leitende
Stellung in bezug auf das Münzwejen des Landes, wie man
dies bezwedt Hatte, gewann die neue Cinrichtung erft viel
jpäter. Ebenjo wenig famen die beantragten Münz- und
Diskonto-Einrichtungen zu ftande. Die Bank begann ihre Thätig-
feit in Abo, wurde jedoch 1819 nach Helfingfors verlegt.
In den letten Tagen des Landtages wurde jchließlich die
vierte Faijerliche Propofition „Über den Negierungstonfeil“
Gegenftand der ftändifchen Beratungen. Schon am 17.29. März
berief Kaiſer Alerander ein Komitee, welche aus dem Biſchof
Zengitröm als Vorfigendem und dem Freiherrn Mannerheim,
Aſſeſſor Gyldenftolpe, Profeſſor Guſtav Gadolin jowie Frei-
herrn Robert Heinrich Rehbinder als Mitgliedern beſtand
und damit beauftragt war, ein Reglement für eine, in ver—
ſchiedene Abteilungen geſchiedene und unter Leitung des General-
gouverneurs jtehende, höchſte finniſche Regierungsbehörde aus:
zuarbeiten. Calonius, welcher nunmehr feine referierte Hal-
tung gegenüber der neuen Staatsleitung aufgegeben hatte,
empfing, obwohl er nicht, wie bie übrigen, in Borgä weilte,
durch einen Brief Speranstis vom 22. März (a. St.) die
Aufforderung, feine Anfichten bezüglich diefer Frage dem Komitee
mitzuteilen. Der „Plan für die allgemeine ftaatliche Organi—
jation Finnlands“, den das Komitee bauptjächlih an ber Hand
eines von Calonius ausgearbeiteten Entwurfs verfaßte, wurde
in alfen wejentlichen Punkten gut geheißen und am 14. Juli
dem Landtage vorgelegt. Die darin vorgefchlagene Organi—
jation der Regierungsoberbehörde war feineswegs völlig neu und
fremd, da fich das Projekt in vielen Punften den jeit 1789
Schybergfon, Geſchichte Finnlande. 35
546 Sechſte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland.
in Schweden beftehenden Inftitutionen des „Höchiten Gerichts-
bofes“ und der „Behörde zur Vorbereitung der allgemeinen
Reichsangelegenheiten“ anjchloß. Die Stände fonnten daher
auch ohne Einfegung einer bejonderen Kommijfion im Yaufe
weniger Tage die Prüfung des Vorjchlages erledigen, welcher
nur bei einigen Fleineren Detail eine Abänderung erfuhr und
alsdann am 18. Auguft als jogenanntes „Reglement für den Re—
gierungskonjeil im Großfürftentum Finnland“ publiziert wurde.
Dur dieſes Reglement wurde die OÖberleitung Finnlands
„einem aus zwei Departements bejtehenden Regierungskonſeil“
anvertraut, „von denen das eine für die eigentliche Rechts—
pflege (Suftizdepartement) und das andere für die verjchiedenen
Zweige des allgemeinen Staatshaushalts (Ofonomiedepartement)
beftimmt ift“. Vorſitzender im Konfeil jollte der General-
gouverneur, von den Mitgliedern bie eine Hälfte Edelleute,
die andere Bürgerliche fein. Die Wahl jollte nur für eine
dreijährige Periode erfolgen, die Unabhängigkeit der Mitglieder
indeffen daburch gewahrt bleiben, daß jie ihre früheren Amter
beibehielten. ALS ein dem Konſeil beigeorbnetes Mitglied ſollte
endlih ein Profurator fungieren, welcher beauftragt war, bie
Aufrechterhaltung der Gefege zu überwachen. Das Ofonomie-
departement wurde in 5 Unterabteilungen gejchieden: bie
Kanzleierpebition (fpäter Zivilerpedition), die Kammer- und
Rechnungserpedition, die Expedition für die Miliz - Armee
(jpäter Milizerpebition), die Winanzerpebition und die Erpe-
bition für die geiftlichen Angelegenheiten.
In der Propofition „Über den Regierungskonſeil“ hatte
Alerander den Ständen das Vorjchlagsrecht für die Mitglieder
des Konſeils eingeräumt, weshalb die Stände in den lekten
Tagen der Landtagsſeſſion Vorfchlagsliften auffegten, worin an
allererjter Stelle Männer figurierten, welche auf dem Landtag
eine bedeutende Rolle gejpielt hatten. Am 6./18. Auguft wur:
den folgende 14, von den Ständen vorgefchlagene Berfonen zu
Mitgliedern der Landesregierung in deren erfter Zufammen-
jegung ernannt: für das Yuftizbepartement der Präfident im
Aboer Hofgericht, Freiherr A. A. Tandefelt, der Oberland:
Der Regierungstonieil von 1809. 647
richter A. 3. v. Wilfebrand, die Hofgerichtsräte K. Carp, 9. 9.
Wallerian und K. Gyldenftolpe, der unter dem Namen Edelheim
geabelte Oberlandrichter F. V. Krogius ſowie der Bezirks-
richter E. Ervaft; für das Ofonomiedepartement der nunmehr
in den Grafenftand erhobene R. W. De Geer, K. v. Troil,
Mannerheim, die Kämmerer E. Tulindberg und H. 8. Norben-
jvan, der Erpebitiongjefretär K. F. Rotkirch fowie der Super-
fargo P. 3. Bladh. Zum erften Inhaber des wichtigen Pro—
furatorpoftens wurde M. Calonius ernannt. Von allen diejen
lehnte nur Bladh den Eintritt in den Regierungskonſeil ab.
Einige andere der von den Ständen Vorgeſchlagenen, welche
nicht ihren Sit unter den Senatsmitgliedern erhielten — der
Freiherr Aſſeſſor A. G. Mellin, Oberlandrichter A. F. Orräus,
der Auditeur 8. I. Idman und der Bergmeifter E. Lundſtröm —
wurden als Vortragende dem Regierungskonſeil beigeordnet.
Legterer, welcher am 2. Oktober 1809 zum erftenmale zu=
jammentrat, erbielt durch Erlaß vom 21. Februar 1816 den
Namen „Kaiferlih Finniſcher Senat“.
Die Sorgen und Befümmernifje, welche das finnijche Volf
damals bebrüdten, gelangten in Beſchwerden oder Petitionen
zum Ausdrud, die nach altem Brauche die Wünſche und Be—
bürfniffe eines einzelnen Standes bezw. aller Stände gemeinjam
aufzählten. Faft ſämtlich berührten fie die infolge des Krieges
entitandenen Schwierigkeiten und baten um Abhilfe und Linderung
berjelben. Man begehrte Schadenerjag für das Unheil, welches
während des Krieges Privatperjonen betroffen hatte, ſowie
Maßnahmen zur Sicherung von Leben und Eigentum, welche
an vielen Orten infolge der Gewaltthätigfeiten des ruſſiſchen
Militärs gefährdet gewejen waren. Beim Adel äußerten fich
viele Stimmen zu gunften einer geficherten und ausfömmlichen
Zufunft des finnischen Militärs. „Steht e8 und wohl an“,
fo rief der Landeshauptmann von Troil bei der Beratung
aus, „unfer Herz biejen tapferen Söhnen, dieſen Helden zu
verjchließen, die unfern Namen zu Ehren brachten, die ihn
unfterblich machten und die nun ohne jeden Vorbehalt heim-
kehren, um als friedliche Mitbürger ihren neuen Pflichten bis
35*
548 Sechſte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland.
aufs Auferfte treu zu ſein?“ Der ganze Adelſtand war ber
gleihen Meinung und die übrigen Stände ebenfalls. Auf
Grund dieſer Forderungen erging am 27. März 1810 ein
Manifeft, durch welches den Offizieren und Unteroffizieren ber
finnifchen Armee zugefichert wurde, daß fie bei Auflöjung des
Heeres ihre alten Gerechtjame behalten jollten. Nicht minder
febhaften Anteil nahmen die Stände an dem Gejchid der
Offiziere und Soldaten, die in ruſſiſche Gefangenjchaft geraten
waren; jämtliche Stände vereinigten fich zu der Bitte, jene
jollten unverzüglich freigelaffen werden und ungehindert in ihre
Heimat zurüdfehren dürfen. Die Bejorgnis davor, daß die
wirtjchaftlihen Intereffen Finnlands in bezug auf jeine Be—
ztehungen zu Schweden bei dem künftigen Friedensſchluß nicht
forgfam genug gewahrt werden möchten, veranlaßte ferner
die Stände zu dem Erjuchen, einen Ausſchuß einjegen zu
bürfen, welcher über das, was im diefer Hinficht vorzunehmen
jei, Vorjchläge machen jolle; ein Verlangen, welches freilich
unbeantwortet blieb. Eine der merkwürdigſten Petitionen endlich
war bie des Bauernftandes „Über das Recht, fich auch in Zukunft
jederzeit in allen, jogar in den an Allerhöchiten Ort gelangen
den öffentlichen Schriftjtüden, Supplifen und Prozeßordnungen
der bisher gebräuchlichen jchwediichen Sprache bedienen zu
dürfen“. Dieje Forderung, welcher auch der geiftliche Stand
zuftimmte, war durch die Beſorgnis vor Einführung des
Ruffiichen, als offizieller Sprache bei den Behörden, hervor—
gerufen. Hier wie bei anderen Gelegenheiten machte fich ein
fonjervativer Zug in den Bejtrebungen der Stände bemerkbar.
Da fih Veränderungen augenjcheinlich als gefahrvoll erweijen
fonnten, bielt man im großen wie im Kleinen pietätvoll an
den alten Formen feft.
Während des Landtages hatte Kaifer Alerander die Ab-
jicht geäußert, fich beim Schluß der Sejjion perjönlich einfinden
zu wollen, und dieſem Verjprechen gemäß verabjchiedete er
denn auch in eigener Perſon am 19. Yuli die Stände. Nach
Abhaltung eines Gottesdienftes in der Domkirche ging bie
Schlußzeremonie im Gymnaſium vor fih, wo die Sprecher
Der Landtagsabſchied (1809). 549
furze Anſprachen an den Monarchen hielten, worauf der Prä—
fivent Tandefelt die Antwort der Stände auf die Propofitionen
Kaiſer Aleranderd verlas. Schlieglich bekräftigte dieſer die
von ihm bereitS bei Beginn des Landtages erteilten Gelöbnifje
und Zuficherungen mit folgenden, denhvürdigen Worten:
„Indem Ich Finnlands Stände zu einem allgemeinen Landtag
einberief, babe Jh die Gedanken und Wünſche der Nation inbezug
auf das wahre Wohl des Landes kennen lernen wollen.
„Ich babe euere Aufmerkjamleit auf Gegenftände von höchſter
Bedeutung für die allgemeine Wohlfahrt gerichtet. Überzeugt von
der Neblichleit euerer Geſinnungen, wie auch Meiner reinen Ab»
fihten bewußt, babe Ich euern Beratungen die volllommenite Frei-
beit gelaflen. Keine Madtiprühe, Feine fremde ungehörige Beein-
fluffung haben euere Überlegungen beeinträdtigt. Ich babe über
ihren freien, ungeftörten Verlauf gewacht und, obwohl abwejend, war
Ich doch ftet3 bei euh mit Meinen Wünſchen für den Erfolg euerer
Arbeiten.
„Die Antworten und Gutachten, die Ich jegt von euch erhalten,
jeugen nicht minder von Klugheit wie von Vaterlandsliebe. Ich
werbe fie in gnädige Erwägung ziehen bei dem wichtigen Werke, welches
Ich für euer Wohl vorbereite.
„Euere Arbeiten hören von dieſer Stunde an auf; aber aud)
nad) euerer Entfernung babt Ihr wichtige Pflichten zu erfüllen.
„zragt daS gegenfeitige Vertrauen, welches bei eueren Beratungen
geberricht bat, in ben Schoß euerer Heimitätten und prägt e3 ben
Gemütern euerer Mitbürger ein. Flößt ihnen die gleihe Denkweiſe,
die gleiche Überzeugung von den wichtigſten Punkten euerer poli-
tiſchen GEriftenz ein: von der Heiligkeit euerer Gejege, von ber per-
fönlihen Sicherheit und von der unverleglihen Achtung eueres Eigen»
tumsrechts.
„Dieſes edle und loyale Volk wird alsdann die Vorſehung ſegnen,
welche die gegenwärtige Ordnung der Dinge feſtgeſtellt hat. Künftig
erhoben unter die Zahl der Nationen, unter dem Schutze feiner Ge-
jepe, wird es jeiner früheren Regierung nur gedenken, um die Freund-
Ihaftsverbindungen zu pflegen, melde der Friede wiederherftellen wird.
„Und Ih, Ich werde die jchönfte Frucht Meiner Fürjorge ge
erntet haben, wenn ch ſehen werde, wie dieſes Volk, ungeftört von
außen, frei im Innern, fi unter der Hut der Gejege und Sitten
bem Aderbau und der Induſtrie widmen und durch die Thatſache
feines Wohlftandes Meinen Abfihten Gerechtigkeit widerfahren lafien
und fein 208 fegnen wird“.
550 Sechſie Periode. Finnland während jeiner Bereinigung mit Rußland.
Noch einmal verjammelten jich die Stände, um Abichieds-
grüße auszutaufchen. Beim Adel äußerte Graf Karl Guft. Ereuß,
die Nachwelt werde fich bei Durchforſchung der früheren Zeit
dereinft davon überzeugen, „daß Finnlands Stände bei ihrer
Zuſammenkunft von 1809 das Wohl des Vaterlandes zu ihrer
einzigen und wahren Richtſchnur genommen und einhellig bie
Erreihung diejes Zieles angeftrebt haben“. Im Bürgerjtand
erflärte P. 3. Bladh u. a.: „Kein Unparteiifcher wird fich
darüber wundern, daß fich bei der Beratung über jo unge-
wöhnliche und velifate Dinge Mangel an Kenntnis, Einficht
und Erfahrung unter uns gezeigt hat. Eher dürfte fich die
Nachwelt über das wundern, was wir in einer höchft Fritijchen
Epoche haben durchjegen fünnen, obwohl wir der Routine und
des Beiftandes von Behörden entbehrten und auf unzureichende
Aufflärungen von Beamten jowie auf lückenhafte, zerjtreute
Urkunden in den Landorten angewiejen waren, als darüber,
daß es nicht in vollfommenerer Weije gejchehen ift. Aber
Einigkeit macht ftarf, geteilte Arbeit ift halbe Arbeit, und
in jchwierigen VBerhältniffen führt die gemeinjame Wohlfahrt
die Gemüter zufammen“. Nicht vergebens appellierten die
Pandtagsabgeorbneten vor ihrer Trennung an das Urteil der
Nachwelt. Spätere Generationen haben anerkannt, daß jene
mit der durch die jchwierigen Verhältniffe gebotenen Mäßigung
und Klugheit handelten, namentlich injofern, als fie davon
Abftand nahmen, Anfichten laut werden zu laſſen, welche An-
jtoß Hätten erregen fönnen, oder Reformen zu fordern, welche
fich in jener Übergangsperiode nicht wohl durchführen ließen.
Yinnlands Bewohner hatten als ſchwediſche Unterthanen
unter denjelben Geſetzen geftanden, wie die übrige Bevölkerung
des Reiches; aber Finnlands abgefonderte Lage hatte feinem
Schickſal einen eigentümlichen Stempel aufgedrüdt, und häufig
waren die Finnen jowohl bei der friedlichen Arbeit für bie
Wohlfahrt des Landes wie beim Kampf für defjen Verteidigung
ihren Weg allein gegangen. Vermöge der finnischen Sprache
Die nationale Gefinnung ber Übergangszeit. 551
beſaß der größere Teil des Volkes den ihm eigentümlichen
nationalen Charakter, und auch bei der ſchwediſchen Bevölkerung
an der Küſte ſowie bei den ſchwediſch redenden höheren Geſell—
ſchaftsklaſſen machten ſich viele eigentümliche Züge bemerkbar.
In der ſchwediſchen Zeit hatte dies dadurch Ausdruck gefunden,
daß in Verordnungen und öffentlichen Äußerungen der gemeine
Mann Finnlands und das finnijche Volk neben dem gemeinen
Mann Schwedens und dem fchwediichen Volke bejonders auf-
geführt worden waren. Auf jolchen, aus der hiftorischen Ent:
widelung bervorgegangenen Berbältniffen beruhte es, daß auch
unter den veränderten VBerhältniffen von Anfang an ein vater-
ländiſches Selbitbewußtjein vorhanden war, welches zwar
noch der Stärkung bedurfte, aber jchon damals die Baſis
ausmachte, auf welcher die neue Staatsorganijation aufgebaut
wurde.
Zeitgenöjjiische Briefe und Aufzeichnungen geben uns eine
Vorftellung von dem Eindrud, den der Landtag zu Borg
und die furz darauf erfolgenden Ereigniffe bei den leitenden
Männern in Finnland Hinterliegen. Ginftimmig priejen fie
den Edelmut, mit welchem Alerander Finnlands Konjtitution,
Geſetze, Freiheiten und Gerechtiame bekräftigt hatte; aber gleich-
zeitig erkannten fie, daß die Arbeit fünftiger Generationen er:
forderlich jei, um das erjt begonnene Werk zu vollenden. Wo—
jern nicht, jo heißt es in einem Briefe Biſchof Tengſtröms,
die Nachfommen den Mut und die Befähigung bejäßen, das,
was gewonnen worden, aufrechtzuerhalten und zu verteidigen,
jo werde ſich Finnlands Gejchid binnen kurzem ebenjo traurig
geftalten, wie das des Wiborger Gouvernements. Die Bei-
behaltung eines hohen Standpunkte in der Pflege von Bil-
dung und Sitte erjcheine hierbei am wichtigjten. „Das hohe
Maß von Aufklärung und liberaler Gejinnung“, heißt es in
jenem Schreiben weiter, „welches die Nation glüclicherweife
gegenwärtig beſitzt . . ., iſt das einzige irgendwie wertvolle
Bollwerk, welches die Schwäche zu ihrem Schute gegen bie
Übermacht zu errichten vermag, und dennoch wird diejes Boll-
werk, wenn es richtig befeftigt und in Stand gehalten wird,
552 Sechfte Periode. Finnland während jeiner Bereinigung mit Rußland.
jederzeit, auch bei ungünftigeren Konjunfturen, rejpeftiert wer-
den“ ").
Man hatte in jener Übergangszeit mit ihren noch vielfach
unbeftimmten Formen feinen Anlaß, eine jorgfältige Definition
der neuen ftaatlichen Stellung Finnlands zu verfuchen. Die Worte
„Staat“, „Ronftitution* und „Verfaffung“ wurden angewendet,
um zu befunden, daß Finnland eine eigene Eriftenz als Staat
ſowie eine Konftitution bejaß, welche die Freiheit feiner Be—
wohner ficherte. Die Worte Sperangfis in feinem Bericht an
Alerander über feine amtliche Thätigfeit (1811): „Finnland
ift ein Staat und nicht ein Gouvernement. Mithin kann es
nicht nebenher und zujammen mit einer Menge von laufenden
Geſchäften regiert werben“ ?), diefe Worte laſſen erfennen,
daß feine Auffafjung bdiejelbe war, wie die Mannerheims,
Tengftröms und anderer einbeimijcher Staatsmänner. Man
mußte fich indefjen darein finden, daß die Autonomie des Groß-
fürftentums als eines Staates in einzelnen Fällen Eintrag erlitt.
So beftand 3. B. die 1809 einberufene Kommiffion für finnifche
Angelegenheiten, welche fich nicht nur mit den Verhältniſſen in
Ruſſiſch-Finnland, jondern auch mit denen im Großfürftentum
zu befafien hatte, größtenteils aus ruffiichen Beamten. Man
hoffte, daß die Zeit das, was im biefer Hinficht noch unreif
war, zur Reife bringen werde, und man baute auf Kaiſer
Alerander, deſſen Wille, die auf dem Borgäier Yandtage be-
gründete Staatsordnung aufrechtzuerhalten, oft zum Ausdruck
gelangte.
Unter den zahlreichen hierauf bezüglichen Hußerungen des
Zaren find der Ingreß zu dem Manifeft, betreffend das finniſche
Militär, vom 27. März 1810 und die ſchon früher (S. 547)
erwähnte Befanntmachung vom 21. Februar 1816 wegen ihrer
Ausführlichkeit und Deutlichfeit beſonders beachtenswert. Die
Einleitungsworte der erftgenannten Verordnung lauten:
1) 3. Tengſtröm an R. H. Rebbinder, 11. Mai 1816: „Finniſches
Staatsardiv“,
2) Korff, Kusun rpawa Cnepancraro, p. 264 (Petersburg,
1861).
Die ftaatlihe Stellung bes Großfürftentums, 553
„Bon ber Stunde an, da die Vorjehung Uns Finnland Geſchick
anvertraut bat, ift es Unfer Vorſatz gemwejen, diejes Land in einer
Weiſe zu regieren, die mit ber Freiheit der Nation und ben in ihrer
Konftitution ihr gemährleiiteten Rechten übereinftimmt.
„Die Beweiſe von Ergebenheit, die Uns die Einwohner nad
bem Treueib, den fie Uns aus volllommen freiem Willen angeboten,
burd) ihre beim Landtag verfammelten Bevollmächtigten geliefert haben,
fonnten nicht anders als biefen Borjag bei Uns befeitigen.
„Ale die bisher erlaflenen Verordnungen binfichtli der inneren
Regierung des Landes find nur eine Folge und eine Anwendung
dieſes Grundſatzes gemwejen. Die Beibehaltung der Religion und
der Gejege, bie Berufung der Stände zu einem allgemeinen Landtag, bie
Einrichtung eines Negierungstonjeild im Schoße der Nation, die un-
geftörte Erhaltung ber rechtſprechenden und vollziehenden Gewalt bilden
binreihende Beweiſe hierfür, um der finnischen Nation ihre politische
Griftenz und die damit verbundenen Rechte zu fihern”.
Der zweite Erlaß lautet im wejentlichen folgendermaßen:
„Ta jeit der Vereinigung des Großfürftentums Finnland mit
Unjerem Reiche das Gedeihen dieſes Landes ftetö einen teueren Gegen:
ftand Unferer Neigung und Fürforge gebildet hat, jo haben Wir in-
folge defjen bei jeder Gelegenheit nur durch Maßregeln, die das all-
gemeine Wohl bezweden, Unjere finniſchen Unterthanen zu der Treue
und Ergebenheit zu verpflichten verjudht, die Wir als ihre von ber
Borjehung eingejegte Obrigleit von ihnen zu fordern das Recht haben,
und von weldier Wir aud mehrere untrüglide Beweiſe empfangen
haben, wie Wir mit Befriedigung anerfennen. Überzeugt, daß bie
Verfaſſung und die Geſetze, die, übereinitimmend mit dem Charalter,
den Sitten und der Bildung des finniſchen Volkes, während einer
langen Neihe von Jahren die Grundlage ihrer bürgerliden Freiheit
und Ruhe ausgemadt haben, nicht ohne Schaden für diejelben ein.
geihränlt oder umgeftürzt werden könnten, haben Wir, jeit der erften
Stunde Unferer Regierung über dieſes Land, nicht allein diefe Ver—
faffung und dieſe Gejege mit den jedem finniſchen Mitbürger infolge
davon zufommenden Freiheiten und Rechten aufs feierlichite beftätigt,
fondern auch nad vorheriger Überlegung mit den verfammelten Ständen
deö Landes eine befondere Regierung verordnet, bie, unter dem Namen
Unferes Regierungslonſeils aus finnischen Männern zujammengejegt,
biöher in Unjerm Namen die zivile Verwaltung des Landes und bie
Rechtſprechung in legter Inſtanz bejorgt bat, unabhängig von jeder
anderen Madıt als derjenigen der Geſetze ſowie derjenigen, die Wir
auf Grund derfelben ala Regent ſelbſt ausüben. Auf ſolche Weife
haben Wir ſowohl die Cefinnung an den Tag legen wollen, bie Uns
554 Sechſte Periode. Finnland während jeiner Vereinigung mit Rußland.
binfichtlih Unjerer finnischen Unterthanen geleitet bat und fürberhin
leiten wird, und zugleih für ewige Zeiten die Berficherung, betreffend
die Beibehaltung ihrer bejonderen Berfaflung unter Unferem und Un-
jerer Nachfolger Scepter, befräftigen wollen; und... jo haben Wir,
um noch mehr die Abfichten hervorzuheben, die Wir mit der Ein-
rihtung der obengenannten Lolalregierung dieſes Landes und deren
unmittelbarem Berhältnis zu Unjerer Perſon im Auge gehabt, es
für angemefjen gefunden, derjelben, in Übercinjtimmung mit dem Nas
men für bie höchſten Regierungsämter in Unjerm Saijerreihe und
dem bamit kürzlich vereinigten Königreih Polen, die Benennung: Unſer
Senat für Finnland beizulegen, ohne Veränderung jebod ihrer gegen-
wärtigen Organijation und noch weniger der Verfaſſung und der Ge-
jege, die Wir für Finnland beftätigt haben und hiermit nod weiter in
allen Punkten befräftigen. Indem Wir zugleih aufs energiſchſte ver
fihern, daß die Mitglieder diefes Unferes finnifhen Senats in Zu:
funft jo wie bisher nur unter eingeborenen ober naturalifierten finni«
ſchen Mitbürgern auserjehen werben follen, gebieten und befehlen Wir
bemnad jämtlihen Unjeren finniſchen Untertbanen und denen e3
ſonſt zulommt, den Maßregeln Folge zu leilten, die von Unjerm ehe
maligen Regierungslonfeil in Finnland unter feiner nunmehrigen Be-
nennung: Kaiferlider Senat in Unjerm Namen und Unſerm Auftrage
getroffen werden“.
Erwähnenswert find auch folgende Worte in einem Schreiben
Aleranders vom 26. September 1810 an den finnijchen General:
gouverneur Steinheil:
„Bei der Ordnung der Verhältnifje Finnlands ift es Meine Ab-
fiht gemwejen, diefem Bolt eine politiiche Erijtenz zu verjhaffen, fo
dab es nicht als ein von Rußland erobertes, fondern als ein mit
demjelben durch jeinen eigenen, offenbaren Vorteil verbundenes Land
angejehen werden möge; deshalb find nit nur feine bürgerlichen,
jondern aud feine politiſchen Gejege in Kraft geblieben” ?).
Einige Jahre nach dem Borgaͤer Yandtage ordnete Ale
rander 1. die Stellung Polens zu Rußland nach den gleichen
Grundjägen, wie fie in Finnland angewendet worden waren.
Infolge deſſen hat der vierte Artikel der Grundgejege des
Kaijerreichs Rußland folgenden Wortlaut: „Mit dem Kaijerlich
Ruffiihen Throne jind die Throne des Königreichs Polen und
des Großfürftentums Finnland ungzertrennlich vereinigt“. Auch
1) Bgl. J. R. Danie lſon, Finlands inre själfständighet, p. 68— 74
Helſingfors, 1892).
Der Erlaß von 1816. — Die Schwebenfreunbe. 559
hierdurch wird die Stellung Finnlands als eines zu dem Ruſ—
ſiſchen Reiche gehörenden, eigenen Staatsorganismus gefenn-
zeichnet.
Einige Männer juchten fich in jener Zeit auf Grund äußerer
Berhältnifje oder aus Liebe zu Schweden daſelbſt ein neues Feld
für ihre Wirfjamfeit. So blieb z. 3. Karl Johann Adlercreug
in Schweden, wo er in den wenigen, ihm noch bejchiedenen
Yebensjahren (1757 — 1815) als Staatsmann wie ald Krieger
wichtige Aufgaben vollführte. Zahlreiche finnijche Offiziere folg-
ten feinem Beijpiel, und nicht gering war die Zahl der Finn-
länder, welche jpäter nach Schweden gingen, um Anftellung in
ſchwediſchem Kriegsdienft zu juchen. Ein herber Schlag für das
litterarifche Leben Finnlands war, daß Franz Mich. Franzen 1811
als Prediger im Paftorat Kumla und Mitglied der Schwedijchen
Akademie nah Schweden überjievelte. Gbendajelbjt gewannen
auh der Maler Alerander Yauräus (1783 —1823) und ber
Komponift Bernhard Heinrih Erujell (1775—1838) hohes
Anfehen. Von in Finnland geborenen und nah Schweden
übergejiedelten höheren Beamten jeien Gabriel Poppius (1770
bis 1856) und Karl David Skogman (1786 — 1856) ge:
nannt, welche zur Förderung der ſchwediſchen Induſtrie bei-
trugen. Mancher hielt e8 damals noch für möglih, daß die
zwijchen Schweden und Finnland gelöfte Verbindung durch
irgendeine gewaltjame Veränderung, an denen die Gejchichte
der damaligen Zeit reich war, wiederhergeitellt werden könnte.
Allein dieje Hoffnung ging nicht in Erfüllung. Der franzöfiiche
Marjchall Bernadotte (Karl XIV. Johann), welcher 1810 zum
ſchwediſchen Thronfolger ernannt worden war, entwarf einen neuen
Plan für die auswärtige Politit Schwedens. Er fnüpfte mit
Alerander Beziehungen an und verjprach demjelben feinen Bei-
jtand in dem gegen Napoleon bevorftehenden Kampf unter ber
Bedingung, daß Schweden von Dänemark Norwegen erhalten
jolfte. Bei einer Zufammentunft in Abo ſchloß er am 30. Auguft
1812 ein Bündnis mit Alerander, beteiligte ſich 1813 an dem
556 Sechite Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland.
Feldzuge gegen Napoleon und erwarb jchlieglich (1814) durch
den Kieler Frieden Norwegen, welches allerdings erft, nachdem
feine Stellung als jelbftändiges Reich mit eigenem Grundgejet
gewährleiftet worden war, mit Schweden vereinigt wurde. Seit
diefer Zeit verzichtete man in Schweden auf jeden Gedanken
an eine Wiedereroberung Finnlands.
Eine Folge der veränderten Berhältniffe in Schweden war
u. a. daß die finnifchen Teilnehmer an der Konjpiration von
1793 gegen Neuterholms Regime aus Mißvergnügen über ben
Sturz der Guftavianifchen Dynaftie ihre Zuflucht in Finnland
juchten. Johann Friedrih Aminoff (1756 — 1842) ließ ſich
bereit8 1809 in der Heimat jeiner Väter nieder. Guſtav
Morig Armfelt, welcher nach feiner Begnadigung durch
Guftan IV. Adolf 1801 nah Schweden zurüdfgefehrt und als
Feldherr 1805—1807 in Pommern fowie 1808 an der nor—
wegiichen Grenze thätig gewejen war, hatte ich als Guftavianer
das Mißtrauen der neuen ſchwediſchen Regierung zugezogen
und wurde im März 1811 aus Stodholm verbannt. Anfang
April fam er nach Finnland und wurde im Mat nach Peters-
burg berufen, wo er fich als begeifterter Anhänger des Legitimi—
tätsprinzips und als erbitterter Gegner Napoleons das Ver:
trauen Aleranders erwarb und mit Gunftbeweijen überhäuft
wurde. Auch Iohann Albert Ehrenftröom (1762 — 1847),
welcher im Herbft 1811 dem Beijpiel Aminoffs und Armfelts
folgte, gewann durch feine legitimiſtiſche Gefinnung die Sym—
pathieen Alexanders. Als Borfigender des in Heljingfors ge:
bildeten Neubaufomitees wirkte er jpäter in verdienftlicher Weile
beim Wiederaufbau der 1808 durch eine Feuersbrunſt faft
völlig zerftörten neuen Hauptſtadt Finnlande.
Wie ſchon erwähnt, lag die Berichterftattung über finnijche
Angelegenheiten beim Kaifer jeit Anfang 1809 in den Händen
Michael Speransfis und deſſen Adjunkten in finnifchen An—
gelegenheiten, R. H. Rehbinder; doch wurde außerdem am
18./30. Dftober 1809 eine Kommijjion für finnländifche An—
gelegenheiten ernannt, welche Fragen zu prüfen hatte, die das
neueroberte Finnland wie das ſchon feit früherer Zeit mit
Das Komitee für die finnifchen Angelegenheiten. 557
Rußland vereinigte Finnländijche Gouvernement betrafen, deſſen
Wiedervereinigung mit Finnland vorbereitet werden jolite ?).
Diefe größtenteild aus Finnland mehr oder weniger fernjtehen-
den Berjönlichkeiten zujammengejegte Kommijfion entiprach je
doch ihrer Aufgabe nur wenig; daher jchlug Speranski die Er-
richtung einer „das in Petersburg mit Rückſicht auf die finni-
ichen Angelegenheiten verordnete Komitee“ benannten, neuen Be—
börde vor, welche auf Grund eines von G. M. Armfelt auf-
gejetsten Projekts durch Inftruftion vom 6. November 1811
organtfiert wurde, während gleichzeitig eine Verordnung vom
7. November die Auflöjung der Finnländiichen Kommiſſion
anbefahl. Das Komitee, welches die von der unmittelbaren
Entjcheivung des Regenten abhängigen finnijchen Angelegenheiten
zu prüfen und vorzubereiten hatte, jollte aus dem Vorſitzenden
jowie mindeſtens drei, vom Kaijer unter den Bewohnern Finn-
lands auserjehenen Mitgliedern beftehen. Dem Komitee wurde
ein Staatsjefretär zur Seite geftellt, welcher jowohl als Mit-
glied an den Arbeiten des Komitees teilzunehmen als auch über
finnische Angelegenheiten dem Kaiſer Bericht zu erjtatten hatte.
Der erfte Vorfikende des Komitee war der 1812 in ben
Grafenftand erhobene Guftav Mor. Armfelt, welcher feit jeiner
Ankunft in Petersburg (1811) bis zu feinem Tode (1814)
als Günftling Aleranders I. bei allen Finnland betreffenden
1) M. Aliander (Om donationerna i Wiborgs län, p. 135) jowie
andere find der Meinung gewefen, die Kommiffion fei nur zur Behand—
lung derjenigen Fragen eingefetst worden, welche bie Berhältnifie von „Alte
Finnland” betrafen. Die Aliander unbelannt gebliebene Inftrultion won
18./30. Oltober nennt jebody ausdrüdlich eine „zweifache Aufgabe” für die
Kommilfion, nämlich 1) in Rüdficht auf die Verwaltung des kürzlich er—
oberten Finnlands „die Fragen zu prüfen und zu erwägen, welche ihr auf
Unfer Gebeiß künftig vorgelegt werben“, fowie 2) „in Anfehung ber Ber-
einigung bes ehemaligen Finnländifhen Gouvernements” die Nachrichten
zu prüfen, welche der Wirlliche Staatsrat Emine ihr zugehen laſſen werbe.
Die Mitglieder der Finnländiſchen Kommiffion waren, jener Inftruftion
zufolge: Baron Heifing, Geh. Rat Teils, der Wirt. Staatsrat Emine,
Staatsrat Friccius, Baron Rehbinder ſowie ber ehemalige ſchwediſche
Oberfilientenant Jägerhorn. Emine war Kanzleichef und Sekretär.
558 Sechſte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland.
Frageu einen entjcheidenden Einfluß ausübte und, obwohl nicht
jelten Taunenhaft und willfürlih, zum wirklichen Vorteil des
Baterlandes von jeiner Stellung Gebrauch machte. Die leb—
hafte organifatorifche Thätigfeit, durch welche der Schluß des
Jahres 1811 jowie der Beginn des folgenden Jahres aus-
gezeichnet war, berubte auf feinem Eingreifen in ben Yauf der
Dinge. Die erften Mitglieder des Komitees waren außer ihm:
Johann Friedrich Aminoff, Jakob Wilhelm Hifinger, Guftav
v. Roſenkampf und Karl Johann Walldeen. Zum Staatsjelretär
wurde Robert Heinrich Rehbinder ernannt. Nach dem Tode
Armfelt8 wurde Knut v. Troil Borfigender des Finniſchen
Komitees; doch nahm derjelbe nach einer mehrjährigen Be—
urlaubung jchon 1821 den Abjchied (geft. 1825). Unterdeſſen
war der bereit8 1809 bedeutende Einfluß des Staatsjekretärg
Rehbinder (1777— 1841) noch unabläffig im Steigen begriffen.
Seine warme Vaterlandsliebe, fein redlicher Charakter und
feine umfaſſenden Kenntnifje im Verein mit einer nie ermüben-
den Arbeitskraft jicherten ihm das Bertrauen ber finnifchen
Staatsmänner und Aleranders I. jowie nach deſſen Tode Nifo-
laus’ I. Die fleinen Mißverftändniffe, welche manchmal zwijchen
den Behörden in Finnland und in Petersburg entftanden,
wurden burch jeinen Zaft und feine Gejchidlichkeit glücklich
ausgeglichen.
Schon vor Schluß des Borgaͤer Landtages war ber erjte
Generalgouverneur Finnlands während biefer Epoche, Göran
Magnus Sprengtporten, von feinem Poften abgegangen. Unter
jeinen eigenen Landsleuten hatte er zahlreiche Gegner gefunden,
und die rufjischen Beamten, mit denen er in Berührung kam,
fühlten fich durch fein hochmütiges Wejen verlegt. Ein Zwiſt
mit General Bogdan Knorring wegen einer Wohnung, welche
Sprengtporten in Abo beziehen wollte, veranlaßte ein Faijer-
liches Warnungsjchreiben. Bald darauf Hielt er fich für
ungerechtfertigt übergangen, al8 er weder zum Vorfigenden
noch zum Mitglied des Komitees ernannt wurde, welches ben
Entwurf zum Wegierungstonfeil (vgl. S. 545) ausarbeitete.
Seine Beſchwerde bei Speransfi wurde von dieſem nicht
G. M. Sprengtportens Abſchied (1809). Die Oberbeamten. 559
nur zurüdgewiejen, ſondern berjelbe erklärte auch, weil jener
unbefugtermaßen auf die Thätigfeit der verfammelten Stände
einzuwirken verjucht hatte, in Worten, welche von jeiner
liberalen Auffaffung zeugen, daß auch der Schein einer
Einwirkung auf die Stände vermieden werden müſſe. „Bis-
weilen“, jo jagte er, „erjchredt der Schatten von Autorität,
und jicherlich ift e8 gegenwärtig nicht angemefjen, ein jolches
Mißtrauen wachzurufen, wo e8 einzig gilt, das Vertrauen zu
ftärfen und zu befeftigen“. Dieſe Beweije von Ungnade be-
wogen Sprengtporten, am 4. Mai 1809 jein Abjchiedsgejuch
einzureichen, welches im Juni bewilligt wurde. Den Reit feines
Lebens verbrachte er in der Zurüdgezogenheit des Privatleben
(gejt. 1819). Finnlands Vereinigung mit Rußland, welche
das Ziel jeiner Beftrebungen gewejen war, hatte ihm jomit
nur während einer furzen Zeit einen unmittelbaren Einfluß
auf die Gejchide Finnlands bereitet. Sein Nachfolger, General
Michael Barclay de Tolly, wurde jchon 1810 als Kriegs—
minifter nach Petersburg berufen und ein Mitglied des deutſch—
eithländiichen Adels, General Fabian Steinheil, zum General:
gouverneur ernannt. Diejer wohlmeinende und gutherzige Dann
erwarb fich allgemeine Sympathie während bes langen Zeit-
raums (1810— 1823), in welchem er jenen Poſten befleibete.
Zu Beginn feiner Amtsverwaltung, am 12. Februar 1812,
wurde die noch Heute für das Generalgouvernement gültige
Inftruftion erlaffen. — Unter den einheimijchen höheren Be—
amten gab es einige, welche durch ihre hervorragende Tüchtig-
feit wirkſam dazu beitrugen, daß innerhalb der finnijchen Ver—
waltung gute Traditionen auffamen und fich weiter entwidelten.
In alfererfter Reihe jeien Karl Ed. Gyldenſtolpe (1770 bis
1831) und Karl Erich Mannerbeim (1759 —1837) genannt,
der erjtere zunächft Mitglied und 1822— 1831 jtellvertretender
Vorfigender im Yuftizdepartement, letterer anfangs Mitglied
und 1822—1826 ftellvertretender Vorfigender im Okonomie—
departement. In noch höherem Grabe als jene erwarb ſich
Matthias Calonius als Prokurator Anfpruch auf die Erkennt:
lichfeit und Dankbarkeit feiner Landsleute. Die Aufgabe, die
560 Sechſte Periode. Finnland während jeiner Vereinigung mit Rußland.
Aufrechterhaltung der Gejege zu überwachen, war infolge ber
Störungen, welche der Übergang in die neuen Verhältniſſe
bervorrief, jowie wegen der Neigung zu ungefeglicher Willkür,
welche unter dem Volk und bejonders bei den Beamten um
jich gegriffen hatte, in den Jahren unmittelbar nach dem Kriege
noch jehwieriger und verwidelter als jonft. Hier hatte Calo—
nius ein Feld, wo ſich jein Scarfblid und fein feiter Cha—
rafter wirkſam zu bethätigen vermochte, und er unterließ es
denn auch nicht, Beamte zur Nechenjchaft zu ziehen, welche
das Volk bedrüdt oder ihre Befugniſſe überjchritten hatten,
und ruffiiche Behörden zurechtzuweiien, die fich gegen die Ge—
jeße des Landes aus Unkenntnis oder Mißachtung vergangen
hatten. Mit befonderem Nachdruck trat er gegen die Profe-
Iytenmacherei vonjeiten der griechiſch-katholiſchen Prediger auf.
Nachdem er 1816 wegen jeined Hohen Alters Abſchied ge-
nommen, ftarb er 1817. Auf jeinem Grab auf dem Kirchhof
von Nummis bei Abo wurde ihm ein Gebenfftein errichtet,
dejfen Kojten durch eine Nationaljubjfription gededt wurden. —
Unter den Yandeshauptleuten Finnlands in damaliger Zeit
fanden fich einige, wie 5. B. der Yandeshauptmann Ehren—
jtolpe in Uleäborg, welche der einheimijchen Regierung durch
Eigenfinn und Willfür Ungelegenheiten bereiteten. Andere hin—
gegen, darunter die Gebrüder Friedrih Guftav und Karl
Johann Stjernvall in Nyland-Tawaftehus und Wiborg, waren
tüchtige und bei Ausübung ihres Berufs eifrige Männer. Der
eine war neben 9. A. Ehrenftröm beim Wiederaufbau von
Heljingfors thätig; der andere hatte die Hauptleitung bei der
umfaffenden Organijationsarbeit, welche erforderlich war, als
„Alt-Finnland“ in den finnischen Staatsförper eingefügt wer:
den jollte.
Die lettgenannte Angelegenheit war die wichtigfte von
allen, die den finnifchen Staatsmännern oblagen, nachdem bie
erjten notwendigen Organijationsanftalten getroffen worben
waren. Bereits unmittelbar nach der Eroberung Finnlands war
Kaiſer Alerander darauf bedacht gewejen, mit dem Lande bie
Gebiete zu vereinigen, welche von demſelben durch die Friedens-
Die Wiebervereinigung von Alt mit NeusFinnland (1812). 561
verträge von 1721 und 1743 losgetrennt worden waren, und
er hatte demgemäß die Finnländiſche Kommiffion mit der Vor—
bereitung dieſer Veränderung beauftragt. Allein der Plan
jtieß innerhalb der ruffischen Umgebung Aleranders auf Wider-
ftand und wurbe erjt verwirklicht, al8 G. M. Armfelt in
Peterdburg eingetroffen war. Letzterer ging hierbei, wie jo
häufig, raſch und entjchloffen zumege, freilich ohne alle vor—
liegenden Schwierigkeiten, beſonders inbetreff der Stellung der
Donationsbauern, hinreichend zu prüfen ?). Auf feinen Antrag
wurde die Verordnung vom 11./23. Dezember 1811 erlaffe'u
laut welcher das Finnländifche Gouvernement am 1. Januar
1812 dem Großfürftentum einverleibt werden jollte, und
zwar jo, daß die Staatseinkfünfte aus jenem Gouvernement in
die allgemeine Kaffe Finnlands fließen follten. Zugleich wurde
fejtgejegt, daß die Provinz in jubizialer Hinficht dem Aboer Hof:
gericht und in geiftlichen Angelegenheiten dem Borgäer Stift jub-
orbiniert fein, jowie daß der Negierungsfonfeil ein Komitee zur
Ausarbeitung von Vorjchlägen, betreffend die Organifation ber
Provinz in Übereinftimmung mit dem übrigen Finnland, ein-
jegen ſollte. In einem jpäteren Manifeft vom 31. Dezember
(a. St.) 1811 wurde u. a. erflärt, daß die Stände der Pro-
vinz Wiborg das Nepräfentationsreht auf den Reichstagen,
gemäß den einjchlägigen Beftimmungen der finnifchen Kon—
ftitution, befigen, fowie daß Rechte und Pflichten der Grund-
befiger allmählich in Übereinftimmung mit den Verhältniffen
im übrigen Finnland geordnet werden jollten. Am 14. Februar
1812 erging fchließlich eine Injtruftion für das vom Re—
gierungstonjeil eingejegte Organifationsfomitee, zu deſſen Vor—
figendem der Landeshauptmann K. 3. Stjernvall ernannt wurde.
Das ausgedehnte Gebiet von „Alt- Finnland“, welches der-
geftalt mit dem übrigen Finnland wieder vereinigt wurde, hatte,
wie ſchon erwähnt, in den verfloffenen 90 Jahren wechjelvolfe
Schickſale durchgemacht, durch welche die Bewohner ihren frü-
beren Landsleuten öftlich vom Kymmenefluß entfrembet worden
1) Bgl. 3. R. Danielfon, Viborgs läns äterförening etc. p. 139
bis 150.
Schybergſon, Geſchichte Finnlande. 36
562 Sechſte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland.
waren, jo daß bei der Verjchmelzungsarbeit große Schwierig-
feiten überwunden werden mußten. Die für das Komitee hier—
bei maßgebenden Grundjäge wurden in dem Schlußrechenichafts-
bericht vom 31. Dezember 1813, wie folgt, angegeben: Das
Komitee habe jeine Aufmerkjamfeit auf die infolge der neu
binzutretenden Yandjchaft entjtehenden Pflichten des Landes
gerichtet und demzufolge die Vorjchriften der für Finnland
gültigen Gejete jo angewendet, daß jie bei ihrer Ausführung
nüglich, beliebt und trog der totalen Änderung von Gewohn-
beiten und Gebräuchen mit der früheren Auffafjung von.
Rechten und Pflichten möglichit wenig im Widerjpruch jein
jollten, wie e8 nur immer die allgemeine Sicherheit und das
Eigentumsrecht geftatten könnten. — Wie durchgreifend die Reor—
ganijation war, erjieht man daraus, daß das Beamtenperjonal
der Bezirksregierung von 217 auf 89 berabgemindert wurde.
Für den Handelsjtand machte das Komitee den Borjchlag,
daß die Gildeneinteilung der Handelsjocietät, unter Abjchaffung
der Gildenabgaben jowie der den verjchiedenen Klaffen eingeräum—
ten Vorrechte, aufgehoben werden jolle, damit alle Kaufleute
in Zukunft gleiche Rechte genöffen. Auch im übrigen jollte die
in den Städten des Großfürjtentums gültige Ordnung zur Ein:
führung gelangen. Die Grundjteuern wurden nach dem nied-
rigen, durch die Steuerrevifionen von 1728 und jpäterer Jahre
jejtgeftellten Sage beibehalten, der in ruſſiſcher Zeit durch läftige
Berordnungen gebemmte Sügewerfbetrieb freigegeben. Die
firchlichen VBerhältnifjfe wurden jo geordnet, daß man die luthe—
riſchen Gemeinden, unter Aufhebung der Konfiftorien von Wi-
borg und Fredrifshamn, dem Borgier Konfiftorium jubordi-
nierte, wogegen die griechijchen Gemeinden nach wie vor von
den in Wiborg und Petersburg eingerichteten, griechiſch-katho—
lichen geiftlihen Behörben abhängen jollten. Die Schulen
wurden unverändert gelaffen; in der Schule blieb Deutſch die
herrſchende Sprache bis 1841, wo die in dem übrigen Finn
land gültige Schulorganifation zur Einführung fam.
Die wichtige Frage, betreffend die Stellung der Donations-
bauern, erhielt feineswegs eine befriedigende Löſung. Eine
Die Berfchmelzungsarbeit (1812). Die Donationsbauen. 568
Verordnung von 1817 erklärte, daß die Donatare die Dona-
tionen mit allen Rechten, welche früher der Krone zugehört
hätten, bejigen jollten. Die Donatare waren indeffen hiermit
noch nicht zufriedengeftellt, jondern forderten neue Vorrechte
und wußten in der That infolge ihres mächtigen Einfluffes in
Petersburg jchließlih ihre Anſprüche durchzufegen. Unter dem
Borjig des Generalgouverneurs Zakrewski wurde 1825 ein
Komitee einberufen, welches den Auftrag erhielt, „für die Do-
natare ein ausgedehnteres Dispoſitions- und Cigentumsrecht
vorzujchlagen, welches die Kommiffion für zwedmäßig und als
nicht unmittelbar auf das Recht eines dritten einwirkend anſehen
kann“. Die Kommiffion, in welcher Zafrewsti zugunften ber
Intereffen der Gutsbefiger wirkſam arbeitete, erteilte ein Gut:
achten, welches die Rechte der Bauern ganz und gar unberüd-
fichtigt ließ, und in Übereinftimmung hiermit wurde 1826 eine
Berfügung erlaffen, welche die Bauern des Befigrechts an den
Höfen beraubte. Der Mehrzahl der Donationen wurde bie
Eigenfchaft eines Rittergutes und demzufolge den Hinterjaffen
nur diejenigen Rechte zuerkannt, welche ihnen, gleichwie ben
Fronlandbauern in Finnland, durch Abſchluß von Kontrakten
mit den Eigentümern zukämen. Doch durften ſie bis 1837,
unter Beobachtung der früher feſtgeſtellten Pflichten, auf ihren
Hufen verbleiben ). Unſerer Zeit iſt es vorbehalten geweſen,
den Mißſtänden abzuhelfen, welche dieſe andauernde Verſchlechte—
rung der Lage der Donationsbauern hervorrief.
Die materielle Kraft Finnlands erfuhr durch die Ver—
einigung mit Alt-Finnland einen beträchtlichen Zuwachs. Die
Bevölkerungszahl des Großfürſtentums, welche 1807 auf
914565 Seelen geſtiegen war, hatte ſich während des Krieges
derart vermindert, daß fie 1810 nur auf 863268 und 1814 auf
897403 Perſonen gejchägt wurde. Nunmehr (1815) belief
fie fih jedoch, unter Einrechnung der Bewohner von Alt-
Finnland, auf 1095955 Seelen. Der Gewinn an geiftiger
1) €. ©. Palmen, Lisiä labjoitusmaakysymyksen historiaan, in:
„Historiallinen Ark.“ XIV, 1—160 (Helfingfors, 1895).
36 *
564 Sechſte Periode. Finnland während jeiner Bereinigung mit Rußland.
Kraft war hingegen infolge der abweichenden Bildungsver-
bältniffe jowie wegen der gebrüdten Yage der Bewohner in
Alt-Finnland lange minder bemerkbar. Graf Rehbinder begte
bezüglih der Zukunft jenes Gebiets jo geringe Hoffnungen,
daß er 1826 beantragte: die drei Kerholmjchen Gerichts-
jprengel, welche erft 1617 unter ſchwediſche Oberberrichaft
gefommen und durch Abftammung, Sitten wie Inftitutionen
von dem übrigen Finnland volljtändig geſchieden waren, jowie
die drei Petersburg zunächſt gelegenen Kirchipiele Kivinebb,
Mohla und Walkjärvi follten von Finnland abgetrennt und mit
Rußland vereinigt werden. Der Vorjchlag wurde jedoch vom
Senat verworfen, und feitdem war nicht mehr davon die Rebe.
Schon 1809 wurde die Frage aufgeworfen, die Hauptitabt
aus Abo zu verlegen, deſſen alte ſchwediſche Traditionen und
deffen Entfernung von Petersburg e8 unter den neuen Ber:
hältniffen minder geeignet erjcheinen ließen, den Mittelpunft
für die finnische Verwaltung zu bilden. Im Jahre 1812
wurde Helfingford zur neuen Hauptſtadt Finnlands auser-
jehen. Ein Komitee wurde einberufen, welches, wie bereits er-
wähnt, unter J. A. Ehrenftröms Leitung der Stadt ein ihrer
fünftigen Beftimmung würdiges Ausjehen geben jollte. Frei—
gebig jchenkte Alerander 550000 Rubel zur Bildung eines
Brandichadenerfagfonds für tie Einwohner der Stabt, eine
Million Rubel zu einem Fonds für zinsfreie Anleihen und
für Neubauten, jowie 400000 Rubel in Banfaffignaten für
einen Regulierungsfonds. Mit diefen Mitteln bewerfftelligte
Ehrenftröm, deſſen Gefhmadsrichtung in der Schule Guſtavs III.
ausgebildet worden war, eine gelungene Llmgejtaltung des
Äußeren von Helfingfors, wobei er durch den genialen Erbauer
des Senatsgebäudes, der Univerfitätsbaulichkeiten und anderer
monumentaler Paläfte, Karl Ludwig Engel (1778—1840),
unterftügt wurde, welcher 1815 auf Ehrenftröms Vorſchlag
eine Berufung als Architekt bei der Umgeftaltungsarbeit erhalten
hatte. Im Jahre 1817 wurde Helfingfors zur Hauptitabt
Finnlands erflärt, und am 1. Oftober 1819 bielt der Senat
jeine erfte Seifion dajelbft.
Helfingfors Hauptftabt (1817). ine finnifche Armee. 565
Auch eine Menge von Zentralbehörden wurde, entiprechend
den Rollegien in Stodholm, errichtet, jo 3. B. 1811 das
Collegium medicum, die Pojtdireltion und die Oberbehörde
für öffentliche Bauten, jo ferner 1812 die Oberbehörde für
Lotſen- und Leuchtfeuerweſen jowie die Oberbehörde für Yandes-
vermefjung. Ebenfalls 1812 trat die Generalzollpireftion in
Thätigfeit, unter gleichzeitiger Regulierung der Zollverhältniffe.
Im Jahre 1816 wurde die Verfügung erlaffen, daß fich alle
in Finnland angefiedelten, im jchwedijchen Ritterhaus in-
troduzierten Adelsgeſchlechter im Finniſchen Nitterhaus einzu-
zeichnen hätten, welch letzteres 1818 eine bejondere Direktion
erhielt.
Seit dem Sommer 1811 war die Errichtung einer eigenen
finnifchen Armee für G. M. Armfelt, 8. I. Stjernvall und an-
dere ihnen nabeftehende finnijche Staatsmänner eine Hauptjache.
Die Stellung und befondere ftaatlihe Organifation Finnlands,
jeine Pflichten gegenüber dem mächtigen Reich, mit welchem
es vereinigt war, jowie jchließlich die Stätkung des National-
bewußtjeing jchien die Errichtung eigener Truppen zu erbeiichen,
welche jedoch bloß zur Verteidigung des eigenen Landes ver-
wendet werden dürften. Gleichzeitig damit ſollte auch die
ruſſiſche Kinquartierung in Finnland vermindert werben
oder ganz und gar aufhören. Hinfichtli des geeignetjten
Weges zur Aufftellung einer einheimijchen Armee war man
inbefjen verjchiedener Meinung, indem die einen allgemeine
Wehrpflicht, die anderen geworbene Truppen vorjchlugen ?).
Da e8 fich jpäter zeigte, daß Alerander einer finnischen Armee-
organijation in umfaffendem Maßſtab abgeneigt war, mußte
man von dem urjprünglich ind Auge gefaßten, großen, patrio-
tijchen Ziel Abjtand nehmen und fi mit einem Notbehelf
begnügen, welcher nur beabjichtigte, die loyalen Empfindungen
der Finnländer für den Zaren an den Tag zu legen. Im
1) Bol. R. Caftren, Militära frägor i Finland efter 1809, in:
„Helsingfors Dagblad“ (März bis Mai 1879); G. U. Gripenberg,
Anteckningar rörande den 1812 uppsatta finska militärens historia, in:
„Finsk militärtidskrift“, p. 77 qq. (Helfingfors, 1892).
566 Sechfte Periode. Finnland während feiner Vereinigung mit Rußland.
September 1812, als der Krieg zwijchen Alerander und Na—
poleon in das Stadium der Entjcheidung getreten war, wurde
die Aufftellung von drei geworbenen finnijchen Yägerregimentern
(zufammen 3600 Mann) anbefohlen, die jedoch nur dann ins
Feld rücen follten, wenn der Feind Finnland oder die an ber
Oſtſee belegenen Yändergebiete des Kaijerreichs angreifen würbe.
Dieje Truppen, welche wegen ihrer geringen militärifchen Übung
den Spottnamen „Kartoffeljäger“ erhielten, wurden 1827 in
ſechs Scharfjchügenbataillone umgewandelt, 1830 jedoch auf:
gelöft. Die von G. M. Sprengtporten in Haapantemi gegrün-
bete Kriegsjchule, welche während des Krieges in Verfall
geraten war, wurbe 1812 als topographiiches Corps wieder
ins Leben gerufen, nach Zerjtörung der Baulichkeiten infolge
einer Feuersbrunſt 1819 nach Fredrikshamn verlegt und bier
unter dem Namen „Finniſches Kadettencorps“ veorganifiert.
Auf dem Gebiete des Kirchen- und Schulweſens ift zu er-
wähnen, daß das Bistum Abo 1817 in ein Erzitift verwandelt
wurde, welches in Jakob Tengftröm feinen erften Erzbiichof er-
bielt, und daß die Finnische Bibelgejellichaft 1812 ihre ſegens—
reihe Thätigfeit aufnahm. Für das Wohl der Univerfität
war beren Profanzler Tengjtröm eifrig thätig. Er erwirfte
für diejelbe einen neuen erhöhten Etat, jo daß die Zahl der
Lehrkräfte mehr als verdoppelt werden konnte. Die Univerfität
bejaß jeitdem 20 ordentliche Profefforen ſowie 19 Adjunkten.
Die neuen Stellen fonnten nicht immer mit völlig geeig-
neten Perjönlichkeiten bejett werden; troßdem war hierdurch
eine neue, reichere Entwidlung des Univerfitätslebens ermög-
licht worden. Nachdem Tengjtröm 1817 auf feinen Wunſch
feine Entlafjung als Profanzler empfangen hatte, wurde diejer
Poften nicht wieder bejett, jondern (1821) die Aufficht über
die Hochſchule Johann Friedrich Aminoff mit dem Titel eines
Vizekanzler übertragen. Das Amt des Kanzlers wurbe
1809— 1812 von Speransti, dann von G. M. Armfelt bis
zu deſſen Tode bekleidet. Seit 1816 war es in Händen bes je-
weiligen Thronfolgerse. — Innerhalb des Elementarunterrichts
erfolgten feine Reformen, jondern die alten, aus dem 17. Jahr:
Abo Erzitift (11817). Die Univerfität. Die Neiie Aleranders (1819). 567
hundert ftammenben Yehranftalten mit ihrem wenig zahlreichen
und Schlecht beſoldeten Lehrperſonal blieben beftehen. Cine
Kommiffion, welche 1814 zur Organijation der öffentlichen
Unterrichtsanftalten einberufen wurde, übermittelte 1826 einen
darauf bezüglichen Entwurf, welcher jedoch Tiegen blieb, vielleicht
bauptjächlich deshalb, weil die unzureichenden Etatsmittel feine
umfaffenden Reformen geftatteten.
In immer höherem Maße gelang es Alexander, die treue
Hingebung, welche das finnifche Volf feit uralter Zeit feinen
Herrſchern entgegengebracht hatte, auf fich zu übertragen.
Beſonders bedeutungsvoll erwies ſich in dieſer Hinficht eine
Reife, welche er kurz vor Beginn des Herbftes 1819 durch
das Innere Finnlands unternahm. Anfang Auguft begab er
fih von St. Petersburg nach Archangel und von dort, längs des
nördlichen Lfer8 des Ladoga-Sees über Salmi, Sorbavala
und Walamo nach Kuopio, wo er am 25. Yuguft mit R. H. Reh:
binder zujammentraf. Von bier brach er am 28. Auguft auf,
reifte nach Idenſalmi und unternahm won der Boftitation
Niſſilä in Idenſalmi aus eine romantische Fahrt über Seeen
und durh Wildniffe bis nah Kajana. Nah Niffilä zurüd-
gekehrt, jette er die Neife über Uleiborg bis Tornet und von
dort längs der Küfte bis nach Abo fort, wo er am 7. Sep-
tember fejtlich empfangen wurde. Über Tawaftehus, Tammer-
fors und Helfingfors fehrte der Kaiſer jchlieglih Mitte Sep-
tember nach Petersburg zurüd. In QTammerfors, wo bie
mächtigen Wafferfälle feine Bewunderung erregten, äußerte er
den Wunsch, daß die Wafferfraft Fünftig durch Anlegung von
Fabriken nugbar gemacht werden möge, was dazu VBeranlaffung
gab, daß Tammerfors am 1. Auguft 1821 zum Nang einer
Freiftadt erhoben wurde, und zwar mit jenen bedeutenden
Dorrechten und Privilegien, welche jpäter das Aufblühen dieſes
Ortes zur Folge hatten. Überall, wo ſich der „milde“ Ale-
ander zeigte, hatte er jich die Liebe des Volfes erworben, Die
oft in umgefünftelter Form zum Ausdrud gelangte). Obwohl
1) ®gl. „Kejsar Alexander Is resa i Finland 1819“ (Helfingiore,
1892).
568 Sechſte Periode. Finnland während feiner Vereinigung mit Rußland.
aber Kaiſer Aleranders Wohlwollen für Finnland bis zu feinem
Lebensende unverändert blieb, jo entfernte fich derſelbe doch
von den freifinnigen Grundfägen, die er früher bei verfchiedenen
Anläffen, namentlich auf dem Borgäer Landtag, ausgejprochen
batte. Er wurde von dem reaftionären Geift ergriffen, welcher
nah dem Sturze Napoleons in ganz Europa die Runde machte.
In Rußland wurde hierdurch die Abjegung und Verbannung
Sperangfis (März 1812) veranlaßt, worauf Männer, welche
deſſen Beftrebungen bekämpft hatten, in der Umgebung Ale-
randers den Haupteinfluß gewannen. In Finnland war eine
Folge der veränderten Denkungsart des Kaifers, daß bie
Volfsvertretung jeit dem Borgaͤer Landtage nicht wieder ein-
berufen wurde. Zweimal war die Rede davon, daß bie
finniichen Stände zufammentreten jollten, um über jchwebende
Tragen ihr Gutachten abzugeben. In den Jahren 1811 und
1812, als die Errichtung einer jelbftändigen finnijchen Armee
ventiliert wurde, äußerte fich neben anderen auch G. M. Arm:
felt zu gunften einer Einberufung des Yandtages; allein ber
Kaiſer erteilte nicht feine Einwilligung hierzu. Im Jahre 1819
handelte e8 fich ebenfalls um die militärijchen Inftitutionen ;
aber gleichzeitig hegten die finnijchen Staatsmänner auch die
Hoffnung, daß eine umfafjende Reform der gejamten Staats-
verfaffung Finnlands zur Durchführung würde gelangen können.
Der Staatsjetretär R. H. Rehbinder wirkte für die Einbe-
rufung der Stände, und in der That jchien der Zar anfangs
dazu geneigt; allein jpäter erfuhr der Vorſchlag infolge von
nicht näher bekannten Umftänden eine Ablehnung !).
In dem General Arjeni Zakrewski erhielt Finnland einen
Generalgouverneur (1823—1831), welcher fih in die durch
die fonjtitutionelle Stellung Finnlands vorgejchriebenen Formen
nicht finden wollte. Die Spannung zwiichen ihm und dem
Senat ging jchließlich jo weit, daß fich letterer genötigt jah,
in einer von ſämtlichen Mitgliedern unterzeichneten Adreſſe
1) Bol. R. Caftren, Landtdagsplaner under Alexander J., in:
„Skildringar ur Finlands nyare historia“ I], 355-382 (Helfingsfors,
1882).
Die Realtion. 569
dagegen zu proteftieren, daß ſich der Generalgouverneur,
mit Übergehung des Senats wie des Petersburger Komitees,
unmittelbar an den Kaiſer gewandt und deſſen Entjcheidungen
eingeholt babe. „In Erwartung der höchſten NRejolution Ew.
Kaijerl. Majeftät“, jo hieß es am Schluß des Schreibens,
„muß ſich der Senat befjen enthalten, fünf Schreiben des
Generalgouverneurs zur Vollziehung zu bringen, jowie auch
jedes weitere Schreiben, welches jener General in gleicher Form
und mit gleicher Tendenz dem Senat etwa künftig zuftellen
jollte“. Der Schritt des Senats erzielte die gewünſchte Wir-
fung, indem Alerander die betreffenden Verordnungen dem
Komitee für die Finnifchen Angelegenheiten zur Behandlung
überwies; allein auch noch jpäter fam es zu Meinungs-
verjchiedenheiten zwijchen dem Generalgouverneur und den
übrigen Regierungsgemwalten ').
Der bei Alerander und in deſſen Umgebung berrichende
reaktionäre Geift machte fich auch auf der Univerfität bemerkbar.
Einige an fich unbedeutende Auftritte, an denen fich die afabe-
miſche Jugend beteiligte, hatten Anlaß zu der Befürchtung ge-
geben, daß fich die revolutionär = liberalen Lehren, welche bei
der Jugend auf mehreren ausländijchen Univerfitäten verbreitet
waren, auch bei der Äboer Afademie eingefehlichen hätten ; wes-
balb 3. Fr. Aminoff, welcher 1821—1827 Vizelanzler der Uni—
verfität war, gegen Univerfitätslehrer wie Studenten verjchiedene
ftrenge Maßnahmen traf.
Auf dem Gebiete des litterarijchen Lebens trat nach 1809
eine Periode der Mutlofigfeit und der Stagnation ein, eine
natürliche Folge des Umftandes, daß bie litterariiche Wechjel-
wirfung mit Schweden geſchwächt oder gehemmt worden war.
Die überlebenden Schriftjteller und Forſcher aus der Zeit
Porthans hatten nur wenige oder gar feine Schüler um fich
geſchart, und es ift bezeichnend, daß die einzige Zeitung bes
Landes, „Abo Allmänna Tidning“, jeit 1810 offizielled Organ
1) Der in kräftigen Ausbrüden geichidt abgefaßte Proteft findet fich
gebrudt bei R. Caftren, Skildringar etc. I. 382 qq.
570 Sechſte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland.
der Regierung war. Auf jolche Weiſe verfloß ein Jahrzehnt.
Dann aber begann an der Univerfität ein frifcheres Titterarijches
Leben emporzublüben, welches in mehreren kurz bintereinander
erjcheinenden Zeitungen und Zeitfchriften feinen Ausbrud fand.
„Aura“ wurde 1817 und 1818 in zwei Heften von Profefjor
3. G. Linjen herausgegeben, worauf „Mnemosyne‘ folgte, wel-
ches unter der Redaktion Linjens und %. Bergboms 1819—1822
wöchentlich zweimal erichien. „Turun Viikkosanomat‘“ wurde
1820 von R. v. Beder begründet. Das von Adolf Iwar Ar-
widsſon 1821 herausgegebene „Abo Morgonblad‘ wurde ſchon im
September desjelben Jahres als mißliebig von der Regierung
unterdrüdt, während „, Äbo Underrättelser “, abgejehen von
einer mehrjährigen Unterbrechung, von 1824 bis auf uniere
Zeit erjchienen find. Dieſe Publifationen, welche nur ſpär—
lihe Mitteilungen über die Tagesereigniffe brachten, verfolgten
gleichzeitig eine Afthetijche und eine patriotiiche Tendenz. Die
jungen Dichter, welche darin an die Offentlichfeit traten, und
unter denen A. I. Arwidsjon jowie der jpätere Profeffor des
Griechischen, Arel Gabriel Sjöftröm (1794— 1846), die bedeu-
tendjten waren, jchloffen fich der ſchwediſchen neuromantifchen
(phosphoriftiichen) Schule an, die aus den dunflen Er-
innerungen des Mittelalter8 oder aus der Sagenwelt neue
Stoffe für die Dichtfunft zu holen fuchte; doch ſchlug dieſe
Richtung Feine feſte Wurzel, und ihre Erzeugniffe fielen bald
der Bergefienheit anheim. Bemerfenswerter waren die Äußer—
ungen über das Baterland und die vaterländiihe Bildung
wegen der neuen, von dem Patriotismus des Porthanfchen
Zeitalter8 abweichenden Auffafjungsweife, welche darin zum
Ausdruck gelangte. Für Porthan und feine Zeitgenoffen war
Finnland, obwohl ihre Arbeit faft ausfchlieflich deſſen Vorzeit
und defjen Zuftänden galt, doch nur eine Provinz des ſchwediſchen
Reiches gewejen, während unter den veränderten politifchen
Verhältniffen das Vaterland nunmehr als ein Ganzes für fich
auftrat, als etwas, welches jelbjtändig eine immer reichere,
geiftige und politiiche Entwidlung erreichen müßte. Von diefem
Gefichtspunft aus erſchien das für Finnland Eigentümliche
Das Erwachen des Nationalgefübls (1820): Arwidsſon. 571
bejonders geeignet, den Gegenftand der Aufmerkſamkeit zu
bilden und als die Grundlage, auf welcher die Arbeit für das
Baterland fußen müßte, behütet zu werben. ‘Die verjchiedenen
Beitrebungen, welche jpäter innerhalb der Bildungsverhältniffe
und des politijchen Lebens in Finnland zutage getreten find, waren
bei jener Bewegung noch vereinigt oder mit einander vermengt,
jo daß das Wort „Fennomanie“, womit die Richtung 1810 in
der ſchwediſchen Zeitichrift „Lyceum“* bezeichnet wurbe, Damals
eine allgemeinere Bedeutung und Ausdehnung befaß als in
jpäteren Zeiten. Der hervorragendſte und eifrigite Vertreter
diejes neuerwachten Baterlandsgefühle war der Dozent A. 3.
Arwidsjon (1791 — 1858; geftorben auf einer Reiſe zu
Wiborg). Im „Äbo Morgonblad“ charafterifierte derjelbe
Nationalität und nationalen Geift als ein Gefühl, welches ung
mit geheimer, aber unmwiderftehlicher Gewalt an die Nation
fettet, im welcher wir zur Welt gefommen find; und noch
energijcher äußerte er fich in dem Aufſatz: „Betrachtungen“,
welcher 1822 in „Mnemosyne“* erjchien. Crbittert über bie
Sleichgültigfeit für alles VBaterländifche jagt er: „Wir wollen
alles jein, nur nicht Finnen; wir wünjchen alles zu wiſſen,
fennen alle Sprachen der Welt, nur nicht unſere eigene.
Wir wollen Himmel und Erde mit allen ihren Geheimniffen
erforihen, aber nicht die Blume jehen, welche duftend zu
unjeren Füßen ſprießt“. „Wir glauben und befennen, daß es
nach unjerer Meinung jchleht um das Vaterland bejtellt ift,
wofern nicht das Volk einen Ummandlungsprozeß vollzieht,
wofern nicht ein newer, frijcher Geift allen feinen Mitgliedern
eingeflößt wird. Die Liebe zur väterlichen Heimat, zu deren
Sprache und zu deren Ehre muß von neuem erwachen“. Im
„Abo Morgonblad‘ forderte ferner der Lehrer des Ruſſiſchen
an der Univerfität, Erih Guſtav Ehrſtröm, die Einführung
der finnischen Sprache bei den Schulen und Behörden, da bie
Erlangung nationaler Einheit als Vorbedingung jprachliche
Einheit vorausjege; allein dieſe Anregung verhallte damals
noch wirfungslos.
Diefe Außerungen, welche zwar einen im wejentlichen
572 Sechſte Periode. Finnland während feiner Vereinigung mit Rußland.
litterariihen Charakter bejaßen, aber doch durch ihre liberale
und nationale Färbung an die freifinnigen Bewegungen an den
Univerfitäten von Wefteuropa erinnerten, behagten den boben
Vorgeſetzten keineswegs, am allerwenigften dem Vizekanzler
3. %. Aminoff. Sein Unwille richtete fich namentlich gegen
A. J. Arwidsſon. In einigen, 1820 in der Stodholmer
Zeitung „Nya Extraposten“ veröffentlichten Aufſätzen hatte
derjelbe die in Finnland berrfchenden Zuftände gerügt. Später
hatte man, wie bereit8 erwähnt, fich zur Unterbrüdung jeiner
Zeitung „Äbo Morgonblad“ veranlaßt geſehen. Als er jchließ-
lich Anfang 1822 in der Zeitjchrift „ Mnemosyne “* den Auf:
jat „Betrachtungen“ publizierte, worin er die Offiziere bes
Landes lächerlich machte, wurde er ohne weitere Unterfuchung
durch ein Faiferliches Nejkript für immer von der Aboer Uni-
verjität verwiejen. Er fiedelte 1823 nah Schweden über, wo
er zum Bibliothefar an der Stodholmer Königl. Bibliothef
ernannt wurde und burch Herausgabe des früher oft von ung
citierten Urfundenwerfs: „Handlingar till upplysning i Fin-
lands häfder“ jein andauerndes Intereffe für Finnland an den
Tag legte ').
Zwei Aboer Univerfitätsprofefforen waren ebenfall® einer
Berfolgung ausgejeßt. Der in Schweden geborene Brofeffor der
Jurisprudenz, A. E. Afzelius (1779—1850; geft. in Riga), ſah
fih 1822 genötigt, feinen Abjchied zu nehmen. Seine jpäteren
Schickſale zeugten von der während der Regierung Nikolaus’ I.
zunehmenden Reaktion. Wahrſcheinlich infolge feines Auftretens als
Sachwalters der Donationsbauern in der Provinz Wiborg erregte
er das Mißvergnügen einflußreicher Perjönlichkeiten, welche in
Petersburg ihm entgegenarbeiteten. Anfang 1831 wurbe er als
politiich verdächtig zum Verlaſſen des Yandes innerhalb dreier
Wochen gezwungen und, als er fich bei der Überfahrt nad) Schwe-
den verjpätete, auf Aland ergriffen jowie, ohne einer Unterjuchung
unterworfen zu werden, nah Wjätka in Oftrußland gebracht;
1) Bol. 8. ©. Eſtlander, Arwidsson som publicist i Abo, in:
„Svenska literatursällskapets i Finland förbandlingar och uppsatser “
VIII, 90 -180 (Helfingfors, 1894).
|
Der Patrioten Mafregelung (1822). Die Tengftröm u. a. Gelehrte. 573
auch ftand er bis zu feinem Tod unter Bolizeiauffiht. Das
gejegwidrige Verfahren gegen ihn machte auf das Publikum
einen peinlichen Eindrud. — Der Brofeffor der griechiſchen und
orientalifchen Sprache endlich, Johann Bonsdorff (1772 — 1840),
welcher fih zu gunften Arwidsſons geäußert und auch jonft
Aminoffs Ungnade zugezogen hatte, erhielt 1823 einen ftändigen
Urlaub, ohne an die Univerfität zurückkehren zu bürfen.
Infolge folder reaftionären Maßnahmen verftummten die
Stimmen, welche die öffentliche Meinung zu erhöhter Lebhaftig—
feit anzuregen verjucht hatten. Aber die emfige vaterländifche
Arbeit auf den Gebieten der Wiffenjchaft und Litteratur nahm
unter Wiederaufnahme der Traditionen aus der Porthanjchen
Zeit ihren Fortgang. ALS Nachfolger Porthans innerhalb ber
vaterländifchen Gefchichtsforichung wirkten Jakob Tengſtröm,
deffen an biftorifhen und topographifchen Aufichlüffen reiche
„Abhandlung über die Amtsverwaltung und Bejoldung der
Geiftlihen im Stifte Abo“ 1821—1825 erſchien, und der
Profeffor der Philofophie, Johann Jakob Tengitröm (1787 bis
1858), deſſen treffliche „Gedächtnisſchrift über Johann Geze-
lius fenior“ (1825) den Anfang einer reichen jchriftftellerifchen
Thätigfeit auf biographiſchem und hiſtoriſchem Gebiete bildete.
In demjelben Jahre begann der jpätere Gejchichtsprofefjor
Gabriel Rein (1800—1867) die Serie feiner Abhandlungen
zur Gejhichte Finnlands im Mittelalter, während der Pro:
feffor der Jurisprudenz, Wilhelm Gabriel Lagus (1786— 1859),
ſpäter als Hiftorifcher Verfaffer und Forjcher an die Offentlich-
feit trat. Cinzelunterfuchungen zur Gejchichte der finniſchen
Fitteratur publizierte der Profeffor und Univerfitätsbiblio-
thefar ſowie jpätere Chef des Departements für geiftliche An—
gelegenheiten, Friedrich Wilhelm Pipping (1783—1868).
Den erften Verſuch, einen allgemeinen Ülberbli der finnifchen
Vorzeit zu geben, machte der Greifswalder Profeffor Fr.
Rühs, indem er 1809 die deutiche Schrift: „Finnland und
feine Bewohner“ publizierte, welche 1827 in ſchwediſcher Über:
jegung von Arwidsfon in Geftalt einer umgearbeiteten und er-
weiterten Auflage veröffentlicht wurde; ein Auszug daraus
574 Sechſte Periode. Finnland während jeiner Bereinigung mit Rußland.
war Arwidsſons „Lehrbuch der Gejchichte Finnlands“ (1832).
Auf dem Felde der finnischen Sprachforſchung waren mehrere
Gelehrte thätig. Guſtav Renvall, jpäter Propft in Ulfsby
(1781— 1841), publizierte 1826 auf Koſten des ruffijchen
Reichskanzlers Graf Rumjanzow ein finnijch = lateinijch-
deutiches Lexikon: „Lexicon linguae Fennicae“, und trug
wirffam zur Feftjtellung der Grammatif und Orthographie
der finnischen Sprache bei. Der Adjunkt der Gejchichte
Reinhold v. Beder (1788—1858) fümpfte für Anwendung
des Oftfinnifchen als Schriftiprache und gab 1824 eine ver-
dienftvolle finniiche Grammatit heraus. Anders Johann Sjö-
gren (1794— 1855), welcher in Petersburg ald Mitglied der
dortigen Akademie ftarb, bejchäftigte ſich mit eingehenden
Forſchungen über die in Rußland wohnenden finnijchen Volks—
jtämme. Karl Arel Gottlund, Univerfitätsleftor der finni-
ichen Sprache (1796— 1875), veröffentlichte 1818 die erjte ge-
drudte Sammlung altfinnijcher Heldengejänge, wirkte in den
zwanziger Jahren für Verbeſſerung der Lage der finnifchen
Anfiedler in Wermland und bahnte den Weg für Anwendung
des Finniſchen in gelehrten und jchönwiffenichaftlichen Arbeiten
durch Publikation der zweibändigen Zeitichrift „Otava“ (1831
bis 1832), welche Aufjäge über die Vorzeit und Ethnographie
Finnlands nebſt Gedichten mehrerer Berfaffer enthielt. Der
ſtädtiſche Oberarzt in Nyfarleby, Zach. Topelius senior (1781
bis 1831), begann 1822 die Herausgabe feiner Sammlungen von
finnischen Runen. Karl Niklas Keckman, Univerfitätsleftor der
finnifchen Sprade (1793 — 1838), war als Publizift und
Überjeger thätig. Die fcherzhaften und didaktiſchen Gedichte
des Wiborger Magijtratsjefretärs Jakob Juden (1781— 1855)
fanden zahlreiche Yejer, und der Volksdichter Baavo Korhonen
aus Rautalampi (1775— 1840) wurde durch jeine Lieder über
Themata aus dem Leben ber niederen Bevölkerungsſchichten
auch außerhalb feiner engeren Heimat bekannt. Während
der Litteratur und Sprachforſchung ein Intereffe entgegenge-
bracht wurde, welches die bald darauf eintretende, noch reichere
Entwidlung bereits anzulündigen jchien, waren die Natur=
Die Litteratur in den 20er Jahren. — Nitolaus 1. 57h
wifjenjchaften und die öfonomijchen Beftrebungen, welche im
verfloffenen Jahrhundert viele begabte Jünger gefunden hatten,
verhältnismäßig vernachläffigt. Im Jahre 1821 begründete
der Profejjor der Zoologie Karl Reinhold Sahlberg (1779 bis
1860), dejfen Schrift „Insecta fennica * auch im Ausland
Aufjehen erregte, die Gejelljchaft: „Pro fauna et flora fennica“.
Sleih ihm war Karl Guſtav Mannerheim (1797—1854) ein
bedeutender Entomolog. Einer der berühmteften Aftronomen
Europas, der Deutſche F. W. A. Argelander, gehörte 1823 bis
1837 als Objervator und Profejjor zum Lehrkörper der finnischen
Univerfität. Als Profefjor der Medizin wirkte der in Elffar-
leby geborene Schwede Israel Hoafjer (1790— 1860) 1817 big
1829 an der Univerfität. Später (1839) verfocht derielbe in
der Abhandlung: „Über den Borgäer Landtag“ die jelbftändige
politiihe Stellung Finnlande. Als nationalöfonomiicher Ver—
fajjer ift der Sekretär der „Finniſchen Hanshaltungsgejellichaft“,
Karl Chriſtian Böcker (1796— 1841), zu nennen. Die eigent-
liche Volkslitteratur war noch, wie früher, faſt ausjchließlich
religiöjen Inhalts. Anläßlich der Feier des Sälularfeſtes der
lutheriſchen Reformation wurde 1817 die Finnifch-evangelijche
Gejellichaft begründet, welche die Verbreitung Hleinerer Schriften
riftlihen Inhalts unter der Bevölkerung bezwedte.
2. Wikolaus 1 ').
Ganz unerwartet gelangte nach Finnland die Kunde von
dem am 1. Dezember 1825 zu Taganrog in Südrußland er-
1) Quellen und Nachſchlagewerke zur Geſchichte Finnlands unter Nilo-
laus I.: „Finlands författningssamling“; R. 9. Rebbinder, Under-
dänig berättelse angäende Storfurstendömet Finlands tillständ och
förvaltniug ifrän och med 1826 intill närvarande tid (Helfingfors,
1836); ©. Rein, Inbjudningsskrift till Alexandersuniversitetets i Hel-
singfors sorgefest öfver kejsar Nikolai I. (Helfingfors, 1855). — Bgl.
auch: „Kinnland im 19. Jahrhundert. In Wort und Bild dargeftellt von
finnländifhen Schriftftellern und Künfilern“ , herausgegeben unter Leitung
L. Mechelins (Helfingfors, 1894).
576 Sechfte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland.
folgten Hinfcheiden Kaifer Aleranders I. Derjelbe hinterließ
feinen Sohn; doch überlebten ihn zwei Brüder, Konftantin und
Nikolaus. Der ältere von beiden, Konftantin, hatte, um fich
mit der Gräfin Grudzynska vermählen zu fönnen, ſchon 1822
der Thronfolge entjagt, und dieſer Verzicht war von Alerander
anerkannt jowie 1823 durch ein Manifeſt beftätigt worden,
welches den jüngeren Bruder, Nikolaus, zum Tihronfolger
ernannte. Dieſes Manifeft war jedoch geheim gehalten worden
und Nikolaus unbekannt geblieben, weshalb lettterer — er be—
fand fich beim Tod Aleranders in Petersburg, während Kon-
ſtantin als Generalijfimus Polens in Warjchau weilte — jelber
dem älteren Bruder buldigte und die Ordre erließ, daß bem-
jelben im ganzen Reiche der Treueid geleiftet werben jolle.
Auch in Helfingfors Huldigten die oberen Behörden Ronjtantin
(12. Dezember). Erſt nah Empfang eines Schreibens, in
welchem Konftantin von neuem ausbrüdlich auf die Thronfolge
verzichtete, verkündete Nikolaus in einem Manifeft vom
24. Dezember jeine Thronbefteigung, worauf er den Treueid
von jeiten der Bewohner des Reiches entgegennahm. An vemjelben
Tag erjhien der Staatsjefretär Rehbinder beim Kaifer und
erwirkte deſſen Unterjchrift für eine „Negentenverficherung“
(24. Dezember), worin derſelbe, gleich Alerander J. gelobte,
gemäß der Verfaffung die Religion und die Grundgejege Finn-
lands aufrechtzuerbalten, jamt den VBorrechten und Privilegien,
in deren Genuß fich die Stände jowie jeder einzelne befänden.
Am 30. Dezember leifteten der Senat und die Behörden in
Helfingfors Nikolaus I. den Huldigungseid.
Einige geheimrevolutionäre Gejellichaften, welche fich gegen
Schluß der Regierung Uleranders unter dem ruffiichen Offizier:
corps gebildet Hatten, benugten die Unruhe jener Tage zu
einem Verſuch, die bejtehende Staatsregierung umzuftürzen
und eine fonftitutionelle Regierung einzuführen. Diefer Auf-
rubrverjuch, deſſen jchnelle Unterdrückung im wejentlichen ber
Willenskraft und Entjchloffenheit des Kaifers zugufchreiben
war, bejtimmte im nicht geringem Maße den Charakter der
Regierung Nikolaus’ I. Er wurde ein Gegner freifinniger
Finnland Lonfervativ unter Nitolaus. 677
Neformen, in denen er eine Gefahr für die gejegliche Ordnung
erblidte. Dieje jeine Denkungsart, die ihn zum Führer
der fonjervativen Bejtrebungen in Rußland und im übrigen
Europa machte, übte ihren Einfluß auch auf die finnijchen
Berhältniffe aus.
Eine Einberufung der Stände fam faum mehr in Frage,
obwohl die Berechtigung dazu nicht jelten in öffentlichen
Schriftſtücken hervorgehoben wurde. Das kommunale Leben
war, bejonders auf dem Lande, jchon im ſchwediſcher Zeit in
Verfall geraten und blieb es auch jet. Bon um fo größerer
Bedeutung waren bie Oberbehörben; allein deren Beſtreben
ging, abgejehen von einigen wenigen Ausnahmen, mehr darauf
aus, die alten Formen aufrechtzuerhalten, als etwas Neues
zu ſchaffen. Bisweilen wurden auf abminiftrativem Wege
Beitimmungen erlaffen, welche Fragen betrafen, die ben
Ständen und der Regierung zu gemeinjamer Behandlung hätten
überwiejen werden müffen. Aber im allgemeinen blieb bie
Regierung Fkonftitutionell = gejeglih, und Nikolaus I. jelber,
welcher von jeinem konjervativen Standpunkt aus die Aufrecht-
erbaltung der gejetlich beſtehenden Staatsorbnung als eine
Hauptſache anjah, unterließ es jelten, bei Meinungsverjchieben-
beiten die fonftitutionell richtigere Meinung gutzubeißen.
Ein beachtenswertes Zeugnis dafür bildet der 1835 be-
ginnende Verſuch zu einer umfafjenden Kodififation der fin-
nifchen Gejege im Zuſammenhang mit einer Kodififation der
Geſetze des Zarenreiches. Unter dem Vorfig des Profurators
im Kaiſerl. Senat (1822—1854), Karl Johann Walleen
(1781— 1867), wurde eine Gejetfommiffion einberufen, welche
den Auftrag erhielt, einen juftematiichen Auszug aus den VBerord-
nungen, betreffend Finnlands Rechtöpflege und Adminiftration,
abzufafjen, ohne jedoch dabei etwas in den gültigen Reglements
zu verändern. Die Arbeiten der Geſetzkommiſſion wurden
jpäter einem Revifionsfomitee zur Prüfung überwiejen, welches
tadelte, daß die Gejeglommiffion ihre ſyſtematiſche Zufammen-
faffung auch auf das Geſetz von 1734 ausgedehnt habe, wobei
Schybergſon, Geſchichte Finnlande. 37
578 Sechſte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland.
letzteres binfichtlich jeiner Aufftellung zerbrödelt und in bezug
auf feinen Inhalt modifiziert worden fe. Das Nevifions-
fomitee jowie die Profefforen der Yurisprudenz W. G. Lagus
und 9. I. Nordftröm, welche auf Wunſch des Komitees ihr
Gutachten abgaben, betonten, daß das Gejeß von 1734 von
den Ständen auf einem allgemeinen Reichstage gutgeheißen
und angenommen worden jet und deshalb auch nur auf gleiche
Weife abgeändert werben fünne. Es iſt bezeichnend, daß dieſe
grundgefegmäßige Auffaffung die Zuftimmung des Kaiſers
Nikolaus I. fand.
Die Form der Vorbereitung von finnischen Angelegenheiten
in Petersburg erfuhr kurz nach der Thronbefteigung Nikolaus’
durch Auflöfung des Komitees für finnifche Angelegenheiten
(17. März 1826) eine Veränderung; bierauf repräfentierte
der Staatsſekretär, welcher 1834 den Titel „Minifter-
ftaatsjefretär“ empfing, mit Beihilfe eines Adjunkten und
einer Kanzlei Finnland bei dem Monarchen. Auf dieſem
Poſten wirkte R. H. Rehbinder mit nimmer erlahmender Vater-
landsliebe bis zu feinem Tode (1841). Im Jahre 1842
wurde das wichtige Amt einem Sohne von G. M. Armfelt,
dem Grafen Alerander Armfelt (1794—1876), anvertraut,
welcher dasjelbe, unter Befolgung der Grundjäge feines Vor:
gängers, geſchickt und taktvoll verſah. — Graf Arjeni Za-
krewskti nahm 1831 jeinen Abjchied als Generalgouverneur,
und zu feinem Nachfolger wurde noch in demſelben Jahre der
Admiral Fürft Alerander Menſchikow auserjehen. Diefer,
welcher Hoch in des Monarchen Gunft ftand und ein treuer
Anhänger von dejjen Regierungsiyftem war, wurde bald durch
alferlei Aufträge dem Yande entzogen und behielt feinen Wohn:
fig in Petersburg, wo er indeffen noch immer einen oft ent-
jcheidenden Einfluß auf die finnischen Angelegenheiten ausübte.
Während feiner Abwejenheit wurde der Generalgouverneur-
poften von den Adjunften General Alerander Amatus Theslew
(1833— 1847), Freiherr Platon Rokaſſowski (1848-—1854)
und Graf Friedrih Wilhelm Nembert Berg (1854—1855)
verwaltet. Auf Fürft Menjchilow folgte 1855 Graf Berg, weldher
Rebbinder, Menſchikow, Haartman u. a. Oberbeamte. 579
bis 1862 Generalgouverneur blieb. — Unter den Mitgliedern
des Senats war der in juriftiichen und öfonomifchen Dingen
erfahrene Anders Heinrich Falck (1772—1851), welcher 1820
bis 1833 als Finanzchef und 1828— 1833 auch als Vorfigender
im Ofonomiedepartement fungierte, am einflußreichften. Nach
jeiner Entlaffung (1833) gewann Yard Gabriel v. Haartman
(1789 — 1859) eine noch beveutendere Stellung innerhalb der
Regierung. Seit 1811 Expeditionsjefretär bei dem Komitee
für die finnischen Angelegenheiten zu Petersburg, war er 1819
Mitglied desjelben geworden und 1825—1830 Adjunkt des
Minifterftaatsfefretärs gewejen. Später hatte er fich als Mit-
glied im Dfonomiedepartement des Senats, ald Fandeshaupt-
mann von Abo-Björneborg fowie als Vorſitzender in mehreren
wichtigen Komitees eine umfaffende amtliche Erfahrung er-
worben. Nach jeiner Ernennung zum Chef der Finanzerpedition
(1840) fowie zum PVizepräfidenten im Ofonomiedepartement
(1841) galt er bis zum Schluffe jeiner öffentlichen Laufbahn
(1858) als der anerkannte Führer des finnischen Beamten:
tums. Pflichtgetreu und einſichtsvoll bethätigte er fich wirf-
fam bei allem, was in damaliger Zeit zur materiellen För—
derung Finnlands geſchah. Streng Ffonjervativ in feinen
Grundanjchauungen, war er ein tupijcher Repräjentant ber
zur Zeit Nikolaus’ I. innerhalb der Regierung berrichenden
Richtung.
Mehrere größere und Fleinere Maßnahmen, welche durch
die Erforderniffe der vorwärts fchreitenden gejellichaftlichen
Entwidlung bedingt waren, zeugten von der Fürſorge ber
Regierung für das Wohl des Landes. Im Yahre 1826
wurde ein Manifeft erlaffen, worin der Kaifer erklärte, daß
er fünftig ein Todesurteil nicht mehr beftätigen wolle, wofern
das Berbrechen nicht von einer für das Vaterland und den
Thron befonders gefährlichen Beichaffenheit gewejen jei. In
den übrigen Fällen follte der Miffethäter zur Strafarbeit und
Deportation nach Sibirien verurteilt werden. Seitdem ift bie
Todesjtrafe in Finnland nicht mehr zur Anwendung gelangt.
Im folgenden Jahre wurde verfügt, daß diejenigen griechijch-
37*
580 Sechſte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland.
katholiſchen Glaubensbelenner, welche das finniſche Bürgerrecht
erworben hätten, zu finnifchen Zivil- und Militärämtern un-
gehindert zugelaffen werden jollten. Um eine ſolche Maßregel
treffen zu fönnen, wäre die Einwilligung der Stände gejeß-
mäßig erforderlich gewejen. Dies erkannte Kaifer Nikolaus denn
auch in der Einleitung des Manifeftes an; doch hielt er die
Veränderung für jo wichtig und fo ſehr dur die An-
forderungen der Billigkeit geboten, daß fie nicht aufgehoben
werben könne, „obwohl die Umſtände und Unjere übrigen
Regierungsgefchäfte e8 Uns nicht ermöglichen, die Land—
ftände des Großfürftentums gegenwärtig einzuberufen“. —
Infolge einer Provinzialreorganifation wurde 1831 die Provinz
Nyland- Tawaftehus in zwei Yandeshauptmannjchaften mit
den Refidenzen Helfingfors und Tawaſtehus eingeteilt; die
Provinz Kymmenegärd trat an die neugebildete Tandeshaupt-
mannjchaft Nyland einige Diftrikte im Südweſten ab, wurde
aber im Nordoften erweitert, indem Teile der Provinz Kuopio
nebſt der Stadt Nyjlott damit vereinigt wurden; die Pro-
vinzialrefiven; wurde von Heinola nah St. Michel verlegt,
weshalb die Provinz nunmehr den Namen „Provinz Sankt
Michel“ empfing. Gleichzeitig (1837) wurde der Titel „Yandes-
bauptmann“ durch „Gouverneur“ erjegt. — Der jehnelle Gang
der Rechtspflege wurde 1839 durch Errichtung eines neuen
Wiborger HofgerichtS gefördert, deſſen Yurisdiktion die Pro—
vinzen Wiborg, Kuopio und St. Michel umfaßte. Das Kirchen-
wejen erfuhr ebenfalld (1850) einen Aufſchwung durch Los—
trennung der Provinzen Kuopio und Uleäborg von den alten
Stiften und ihre Vereinigung zu einem dritten Bistum, dem
Stift Kuopio, deſſen erjter Biſchof Robert Balentin Frofterus
(1795 —1885) war. — Zur Förderung des Handels im
Innern des Landes wurden vier Städte gegründet: Iyväskylä
(1837), St. Michel (1838), Heinola (1839) und Joenſuu an
der Mündung des Bielisfluffes (1848). Die Stadt Abo,
welche am 4. und 5. September 1827 faft vollftändig nieder:
brannte, wurde wieberaufgebaut, wobei die Regierung die
Einwohner reichlich unterftügte. Die Stadt Wafa, welche
Die wichtigften Regierungsalte unter Nikolaus. 581
1852 gleichfalls in Flammen aufging, wurde 1862 an ihre
jegige, durch die Lage an dem Meere für die Seefahrt günftige
Stelle verlegt. Gleichzeitig erhielt die Stabt offiziell den
Namen „Nilolaiftad“ ; doch bat ſich der alte Name, ausge:
nommen in offiziellen Schriftjtüden, bis heute erhalten. —
Der Aderbau war in rajcher Entwidlung begriffen und erfuhr
unabläffige Pflege. Die Trodenlegung der Sümpfe wurde
anempfohlen, Aderbaudarlehen bewilligt und die Verteilung
des Grundbefiges zu Ende geführt. Im Sabre 1836 er-
folgte die Gründung des landwirtichaftlichen Inftituts von
Muftiala. Die Folgen einiger ſchwerer Mißernten wurden
durch die thatlräftige Hilfe der Regierung gemildert. Hingegen
war leßtere nicht im jtande, die Interejfen Finnlands bei der
Teilung hinreichend zu wahren, welche, betreffend den joge-
nannten „gemeinjamen“ Diftrikt zwijchen dem Warangerfjord
und der Fiſcherhalbinſel im nörblichften Lappmarken, im Jahre
1827 von den Regierungen Norwegens und Rußlands vorge:
nommen wurde, und burch welche der Patsjoki-Fluß und ber
Jakobſtrom als Grenze zwifchen den beiberfeitigen Ländern
feftgejegt wurden. Auch die Grenze Finnlands in jenen
Gegenden wurde bei dieſer Gelegenheit feftgeftellt; aber man
unterließ es, den finnischen Lappen ihr altes, jchon im Ström-
jtaber Zraftat von 1751 gewährleiftetes Recht vorzubehalten,
welches ihnen, unbefchadet der Grenze, die Ausübung der Vieh-
zucht und Fifcherei in ganz Lappmarken bis and Meer ein-
räumte. Die Folge hiervon war, daß die norwegijche Re—
gierung binnen furzem die Grenze für die finnifchen Lappen
jperrte. Vergebens fuchte die finnifche Regierung jpäter ihr
Verſäumnis nachzubolen, und ebenjo fruchtlos erwies ſich die
von ihr für die norwegijchen Lappen 1852 angeorbnete Grenz-
Iperre.
Bedeutungsvoll waren die öfonomijchen Reformen, welche
auf 2. ©. v. Haartmans Veranlaffung und unter feiner
Leitung zur Durchführung gelangten. Sein Verdienſt ift bie
Löſung der fehwierigen Frage, betreffend die Vereinfachung
der Steuererhebung durch Verwandlung der mannigfaltigen,
582 Sechſte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland.
Heinen Naturallieferungen in einige wenige, einfache und für
die Steuerzahler möglihft wenig drüdende Steuerartikel.
Durch eine Verordnung von 1840 wurde nämlich die Boden—
rente in fünf verjchiedene Rubriten — Getreide, Hafer, Butter,
Talg und bare Gelder — eingeteilt. Zugleich erfolgte eine
allgemeine Prüfung der Grundfteuern und infolge davon die
Aufftellung neuer Grundbücer. Bei den langjährigen Ar-
beiten, welche dieje Angelegenheit erforderte, war an allererjter
Stelle der Senatsfümmerer Johann Gabriel v. Bonsdorff
(1795— 1873) thätig, welcher fich als DVerfaffer des Werkes
„Die Kameralrehtswiffenichaft im Großfürftentum Finnland“
(1833) einen Namen gemacht bat. Gleichzeitig kam eine um:
faffende Reform der Zollverhältniffe zu ftande. Im den
erften Jahrzehnten nach der Vereinigung mit Rußland wurde
ein Zollivftem befolgt, welches darauf abzielte, die Einfuhr
von Produkten des Auslandes möglichjt zu verhindern. Nur
aus Schweden und Rußland durften Waren gegen einen ge-
ringen Zoll oder zollfrei importiert werden. Durch ein 1839
ausgefertigtes Cchiffahrtsreglement jowie durch eine in dem—
jelben Jahre publizierte Zolltare, worin der Einfuhrzoll für
eine Menge von Waren berabgejegt wurde, gab man nun
mehr endlich die prohibitiven Grundfäge auf. Eine große Un—
bequemlichfeit war hierbei, daß das Zollſyſtem Finnlands nicht
auf einen von Rußland unabhängigen Fuß geftellt werben
fonnte; aber auch diejes Hindernis wußte v. Haartman burch
jwedentiprechende Anordnungen teilweije zu befeitigen, jo u. a.
durch Erlaß einer balboffiziellen Zolltare mit geringeren Zoll:
fügen als in der offiziell gültigen. Cine beträchtliche Steigerung
des Handelsverkehrs wurde durch dieſe Maßnahmen zu wege
gebracht ). Am allerwichtigften war jedoch die jogenannte
„Münzrealijation“ von 1840, durch welche v. Haartman der
Verwirrung ein Ende machte, welche dadurch entjtanden war,
daß eine Menge verjchiedener Sorten von ſchwediſchem und
1) Bgl. darüber $r. Neovius, Finlands utrikesliandel och tullin-
komster, in: „Finsk Tidskrift XXIII, 81—100 (Helfingfors, 1887).
Steuer- und Zollreformen; die Münzrealifation (1840). 583
ruſſiſchem Papier: und Silbergeld im Yande zirkulierte. Trotz
der Anjtalten, welche getroffen worden waren, um den rujjijchen
©Silberrubel allgemein gangbar zu machen, furfierten nämlich
ſchwediſche Banknoten nach wie vor und hatten an verjchiedenen
Stellen des flachen Landes ausjchlieglih Gültigfeit, weshalb
ein Erlaß von 1822, des Inhalts, daß die allgemeinen Ab-
gaben nur in ruffiiher Münze erlegt werben dürften, viele
Schwierigkeiten, injonderheit für ben gemeinen Mann, mit
fih bradte. Kine kaum geringere Unbequemlichkeit beftand
darin, daß der Wert des ruffiichen Papiergelves, der joge-
nannten „Banfaffignaten”, unaufhörlich wechjelte.e Um dem
Geldwejen Feſtigkeit zu verleihen, wurde nunmehr beftimmt,
daß der Silberrubel künftig die in Finnland gültige Münz—
jorte jein jolltee Die von der finnischen Bank ausgegebenen
Rubelnoten jollten ftet8 von der Bank in Silber eingelöft
werden und deshalb der metalliiche Fonds der Bank mindeſtens
in dem Verhältnis 7:15 dem im Umlauf befindlichen Noten-
betrage entjprechen. Gleichzeitig wurden die im Lande ver-
breiteten ſchwediſchen Banknoten unter für das Publikum gün—
ftigen Bedingungen eingelöft und an die Schwediſche Reichs—
banf überjandt. Hiermit ftand eine Reorganijation der Finn—
ländiſchen Bank in Zufammenhang, welche biejer die für
Aufrechterhaltung des Kreditweſens erforderliche metallijche
Baluta verjchaffte. Die Feſtigkeit, welche das Geldwejen auf
ſolche Weije erhielt, war jedoch nicht von langer Dauer, da
die Finnländiſche Bank angewiefen wurde, die Noten der
ruffiihen Bank gleich ihren eigenen anzunehmen, jo daß bie
Bank von dem wechjelnden Werte des ruffiichen Papiergeldes
abhängig wurde. Infolge deſſen erlitt die Stabilität der
Münzverhältniffe ſchon während des Krimkrieges eine jolche
Störung, daß ſich die Finnländifche Bank zur Einftellung
ihrer Zahlungen in Silber genötigt fah. Obwohl aber mit-
hin jpäter eine mehr durchgreifende Münzreform erforder-
lih wurde, jo bebeutete doch die Münzrealijation immerhin
einen bedeutenden Fortſchrit. — Durch diefe Maßnahmen
und durch den Geift ftrenger Ordnung, welcher v. Haartmans
584 Sechfte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland.
Finanzverwaltung auszeichnete, vermehrten ſich die Hilfsquellen
des Staates und deſſen Krebit derart, daß ein gewaltiges
nationales Unternehmen ermöglicht wurde, nämlich der Bau
des Saima-Ranals, welcher die feit dem Mittelalter geplante
Berbindung zwifchen dem Saimaſee und dem Meere verwirklichte.
Die Arbeit nahm 1845 unter Leitung des für die finnifchen
Ranalbauten unermüdlich thätigen Karl Roſenkampff (1793 bie
1846) ihren Anfang, und am 7. September 1856 wurde der
Kanal eröffnet, womit eine Epoche ſchneller fommerzieller Ent-
widelung für Oftfinnland begann. Die Koften betritt man teil-
weife durch Ausgabe jogenannter „Saima-Noten“, d. h. zins-
tragender Staatsobligationen, welche nach ſechs Jahren von ber
Etatöverwaltung eingelöft wurden. Auch in diefem Falle wurden,
wie bei mehreren anderen, auf der Initiative v. Haartmans
berubenden Maßnahmen, die Erforberniffe des repräfentativen
Staatsſyſtems unberüdfichtigt gelaffen; aber die Energie und
Umſicht, die er bei feiner vielfeitigen Thätigfeit an den Tag
legte, verdienen troßdem Anerkennung.
Die finanzielle Stellung des Staates war um jo mehr ge-
fichert, al8 deſſen Einkünfte durch das Verteidigungswejen nach
wie vor nur in geringem Maß in Anfpruch genommen wurden.
Eine 1818 gebildete Übungstompagnie, welche jpäter zu einem
Bataillon ergänzt wurde, erhielt 1827 den Namen „Finniſches
Scharfſchützen-Lehrbataillon“ und 1829 unter dem Namen
„Binnisches Scharfichügenbataillon der Leibgarde“ den Rang
als Garde. Seit 1830 war dieſes Bataillon die einzige Yand-
truppe Finnlandse. Im den Jahren 1830 und 1853 wurben
die erjte und zweite Matrojenabteilung („sjöekipage‘‘) er-
richtet, welche gleich dem Garbebataillon aus geworbenen Mann-
ſchaften bejtanden. Erft nach Ausbruch des Krimfrieges wurden
dem Lande größere militärifhe Opfer auferlegt.
Die Wirkſamkeit der Kirche nahm in den altererbten Formen
ihren Fortgang. Erzbiihof I. Tengftröms Nachfolger war
Erih Gabriel Melartin (1780—1847), welcher ebenfalls das
Bertrauen des Monarchen genoß. Später folgten Ed. Bergen-
heim (1798 —1884) und Zorften Thure Renvall (geb. 1817).
Der Saimasfanal (1845—1856). Schulreformen. 585
Innerhalb des Elementarunterrichts gelangten Verbeſſerungen
zur Einführung, welche wenigftens einigermaßen die ausjchließ-
liche Herrichaft des Lateinijchen bejeitigten. Im Jahre 1828
wurde in Abo ein Gymnafium errichtet, 1841 und 1843 eine
Neueinteilung der Schulen vorgenommen und deren Anzahl
gleichzeitig vermehrt. Die Schulen erhielten neue Namen:
1) niedere Glementarjchulen, an denen bie erjten Elemente
wiffenjchaftlicher Bildung gelehrt wurden; 2) höhere Elementar-
ſchulen für die Anfangsgründe einer höheren Elementarbildung
und 3) Gymnaſien zur Vollendung der Elementarbildung. Im
Helfingfors und Abo wurde eine öffentliche Mädchenſchule er-
richtet. Die Unterrichtsiprahe in den Schulen war das
Schwedische. Das unter Leitung des Dozenten Arel Adolf
Laurell (1801 — 1852) in Helfingfors 1831 gegründete Privat-
Iyceum wurde ein Mittelpunkt für die Ausbildung von neuen,
verbeſſerten Lehrmethoden. Behufs Erhöhung der technijchen
Fachbildung jchritt man 1848 zur Errichtung von technifchen
Realſchulen in Helſingfors, Abo und Waſa. Sonntagsſchulen
für die ſtädtiſchen Handwerler wurden 1842 eröffnet. Hin—
gegen war das Verſtändnis für die Aufgaben und für die
Bedeutung der Volksſchule bei den Leitern der Regierung noch
nicht erwacht, ſo daß, wie vordem, der von den Geiſtlichen
erteilte Unterricht und ambulatoriſche Schulen beinahe aus—
ſchließlich für die Volkserziehung ſorgten. Im übrigen hatten
alle, die für die geiſtige Entwickelung arbeiteten, infolge der
ftrengen Zenſur, welche jede freifinnige Meinungsäußerung ver-
binderte, mit mannigfaltigen Schwierigfeiten zu fümpfen. Im
Jahre 1329 wurde ein Zenjurfomitee jowie in allen Städten
des Landes untergeordnete Zenforen ernannt, welche die Ver—
öffentlihung aller Druderzeugniffe zu verbieten hatten, wofern
diejelben als irgendwie jchädlich angejehen werben könnten.
Später wurde die Zenfur noch durch mehrere Berordnungen
verſchärft und gleichzeitig der Leitung des Generalgouverneurg
fubordiniert. Einer gleihen Anjchauungsweije entiprang ein
1850 ausgefertigtes Verbot, die finnische Sprache in anderen
Drudichriften anzuwenden als im denjenigen, welche religiöfe
586 Sechſte Periode. Finnland während feiner Vereinigung mit Rußland.
Erbauung oder ökonomiſche Förderung bezwedten. Dieje durch
die am reaktionärften gefinnten Mitglieder der Regierung ver-
anlaßte Verfügung gelangte indeffen niemals ftreng zur Durch—
führung, geriet bald in Vergefjenheit und wurde 1860 wieder
aufgehoben. Bald darauf (1851) gab die Errichtung einer Uni—
verjitätsprofeffur der finnischen Sprache einen Fräftigen Impuls
zur Vervollkommnung der finnijchen Litteratur. Während jede
unbefangene Prüfung der Mißftände im öffentlichen Leben all-
mählich durch die Zenſur zum Schweigen gebracht wurde, wib-
meten fich die VBerfaffer mit deſto lebhafterem Eifer der jchön-
wiffenjchaftlichen und gelehrten Publiziftit, und das Publitum
folgte ihnen hierbei mit wachjendem Intereffe. Die Zeit des
Zenfurzwanges wurde auf folche Weije zu einer Glanzperiode
ber finnifchen Litteraturgefchichte und erhielt eine eigentümliche
Färbung durch die patriotiſche Stimmung, welche faſt alle
litterarifche Werke durchdrang. Die Vorliebe für das National-
Einheimifche, welche bereit8 in den zwanziger Jahren auf—
gefommen war, machte fich um jo lebhafter geltend, als man
mehr denn zuvor von dem wefteuropäijchen Bildungsleben ge-
trennt und infolge deffen ausjchließlich auf die eigenen Hilfs-
quellen angewiejen war.
Den Mittelpunkt des litterarifchen Lebens bildete nach wie
vor die Univerfität, welche nach dem Brande der Stadt Abo
1827 nach Helfingfors verlegt wurde, wo fich die Lehrſäle im
Herbjt 1828 von neuem aufthaten. Bei der zweihunbert-
jährigen Yubelfeier der Univerfität (1840), welcher u. a. der
greife F. M. Franzen beimohnte, fam in mannigfaltiger Weile
zum Ausdruck, wie hoch die Univerfität in der Gunft ber
öffentlihen Meinung ftand. Namentlich bei den jüngeren
Univerfitätslehrern zeigte fich ein lebhaftes Intereſſe für
ſchönwiſſenſchaftliches Schriftftellertum, und aus ihren Reihen
gingen faſt ſämtliche Dichter und ſchönwiſſenſchaftliche Verfaſſer
der damaligen Zeit hervor.
Die einfachen, aber formvollendeten, patriotiſchen Dich—
tungen Johann Ludwig Runebergs (geboren am 5. Februar
Die Zenfur. Die Univerfität. Der Dichter Runeberg (1804 —1877). 587
1804 in Jakobſtad) waren der jchönjte Ausdruck der poe-
tiichen Richtung jenes Zeitalterd. Schon die Iyrijchen Jugend—
gedichte Runebergs, unter denen die Sammlung „Idylle
und Epigramme“ wahre Perlen von hohem Werte enthält,
erwedten durch ihren innerlihen Ton und ihre edle Form
große Hoffnungen. Bald wurde jedoch die epifche Dichtung
jein Hauptgebiet. In den „Elhihügen“ (1832) gab er eine
meifterhaft ausgeführte Schilderung des Volfslebens im nörd-
lichen Tawaſtland. Durch die idylliſch angelegte Dichtung
„Hanna“ (1836), worin er eine Liebesgeſchichte aus einem finni-
ihen Pfarrhof berichtet, wurde er ein populärer Dichter. In
fritiichen Aufjägen verfocdht er im „Helsingfors Morgonblad
gegenüber der unklaren Gefühlsichwärmerei der Romantiker
das Ideal einer Haren Form und eines aus dem Yeben ge-
griffenen, edlen Inhalts. Auch nachdem er die Univerfität,
wo er feit 1830 als Dozent wirkte, verlaffen hatte, um eine
DOberlehrerftelle in Borga zu übernehmen (1837), erjchienen
zahlreiche Produkte jeines poetijchen Genius. In der Dichtung
„Der Weihnachtsabend“ (1841) jchilderte er das Leben auf
einem finnifchen Herrenfige mit deſſen patriarchaliichen Zu—
ftänden. In der poetifchen Erzählung „Nadeschda“ (1841)
zeichnete er ein ergreifendes Bild des rujfiichen Yebens zur Zeit
Ratharinas IL, während das Thema des Gedichtes „König
Fjalar“ (1844) der nordifchen Wilingerzeit und der oſſianiſchen
Heldenwelt entnommen war. Seine hohe vaterländijche Be—
deutung gewann Auneberg jedoch erjt, als er die in der Tra—
bition bereit8 halb verblichene Erinnerung an den Krieg von
1808/9 in poetiiher Form behandelte. In zwei Sammlungen
(1848 und 1860) erjchienen feine „Erzählungen des Fähnrichs
Stäl“, eine patriotijche Gemäldegalerie, wo der Zroßjunge
und die Tochter des Köthners nicht minder ald der Landes—
bauptmann und der General als Repräfentanten der Bater-
landsliebe auftreten, welche während des Krieges von 1808/9
alle Gemüter erfüllte. Dieje bald tragijch - ergreifenden, bald
bumoriftifchen Geſänge wurden von alt und jung begeiftert
aufgenommen. Das Einleitungsgedicht „Unjer Land“ („Värt
588 Sechſte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland.
land‘), der edelſte Ausdruck einer anipruchslojen und leiden-
ichaftlihen Vaterlandsliebe, wurde in ber herrlichen Kom—
pofition von Fr. Pacius zur Nationaldymne des finnijchen
Bolfes. Der legte Abſchnitt in Runebergs dichterifcher Thätig-
feit war der dramatifchen Kunft gewidmet. Gin bürgerliches
Luftipiel „Kann nicht!” (1862) und eine Tragödie mit dem flaj-
ſiſchen Titel „Die Könige auf Salamis* (1863) waren bie
letzten Erzeugniffe feines Dichtergenius. Kurz nach Beendigung
des leßtgenannten Stüdes wurde er durch einen Schlaganfall
ans Krankenlager gefejjelt. Er ftarb am 6. Mai 1877 zu
Borgä. Im Jahre 1885 errichtete das finnische Volk in
Helfingfors feinem größten Dichter ein Denkmal ?).
An der Seite Rumebergs wirkten mehrere andere, zwar
minder reich begabte, aber doch bedeutende Dichter: der Pro-
feffor der Phyſik, Johann Jakob Nervander (1805—1848),
ber Profeffor der Afthetik, Friedrich Eygnäus (1807—1881) ?),
und der Pfarrer in Storkyro, Lars Jakob Stenbäd (1811
bi8 1870). Einer etwas jüngeren Generation gehörte ber
Geſchichtsprofeſſor Zacharias Topelius junior (geb. 1818) an.
Als Lyriker („Haideblüten *“ und „Neue Blätter “), Novellift
(„Erzählungen des Feldſchers“), Publizift („Helsingfors Tid-
ningar“), Dramatifer („Regina v. Emmerig“) und BVBerfaffer
von Kinderbüchern („Das Buch der Natur“, „Das Buch über unfer
Land“ und „Lejung für Kinder“) trug derjelbe zur Stärkung ber
vaterländifchen Gefinnung bei ?). Ferner find zu erwähnen : der
humoriſtiſche Dichter Jakob Gabriel Leiftenius (1821 -1858),
Karl Wilhelm Törnegren (1817 — 1860), Emil v. Ovanten (geb.
1827) und Joſeph Yulius Wedjell (geb. 1838), welcher 1862
1) Bol. u. a. Peſchier, Iohann Ludwig Nuneberg (Stuttgart,
1881), fowie bie bis 1837 reichende Arbeit I. E. Strömbergs:
„Biografiska anteckningar om J. L. Runeberg “, Heft 1—3 (Helfingfors,
1880—89). — Über die beutihen Musgaben ber Werke Runebergs vol.
Beilage J.
2) Bol. €. Nervander, Minne af Fredrik Cygnaeus (Helfingfors,
1892).
3) Über die deutſchen Ausgaben ber Werke Topelius’ vgl. Beilage I.
Andere Dichter. Die Finnische Wiſſenſchaftsſozietät. 589
das Trauerjpiel „Daniel Hort“ verfaßte. Sarah Elifabeth Wadlin
(1790— 1846), geftorben in Stodholm, veröffentlichte 1844
Erzählungen unter dem Titel: „Hundert Erinnerungen aus
Ofterbotten“. Auch die Gemahlin Runebergs, Friederike Char-
flotte (1807— 1879), publizierte Romane jowie novelfiftiiche
Skizzen.
Die wiffenfchaftliche Arbeit erhielt 1838 einen Mittelpunft
in der „Finniſchen Wiffenfchaftsjozietät“, deren Publikationen
anfangs nicht minder Hiftorifch = litterarifcher wie naturwiffen-
ichaftlich-mathematiicher Art waren. Als hiſtoriſche Verfaffer
und Forjcher wirkten die früher genannten Dünger der Bor-
thanſchen Schule: Johann Yatob Tengftröm, welcher 1833
eine „Gedächtnisſchrift iiber Gezelius junior“ und 1836 „Ehro-
nologijche Aufzeichnungen über die Profanzler und Lehrer der
Univerfität“ publizierte; ferner Gabriel Rein; Wilhelm Gabriel
Lagus, deſſen erfter Teil der „Geſchichte des Aboer Hof:
gerichts“ 1834 erjchien; jorwie endlich Friedrich Wilhelm Pip-
ping, welcher mit umermübdlichem Eifer Drudjchriften in finni—
jher Sprache jammelte, 1856—1857 ein Verzeichnis derjelben
berausgab, jowie außerdem Notizen über Finnlands Kalender und
Buchdruckereien zujammenftelltee Zu ihnen gejellte fich der
Profeffor der ruſſiſchen Sprade, Matth. Akiander (1802 bie
1871), namentlich) als Spezialforjcher auf dem Felde ber firch-
lichen umd religiöfen Entwidelung. Seine Schrift: „Hiftoriiche
Aufjchlüffe über die religiöfen Bewegungen in Finnland“ kam
1857—1863 heraus. Anders Johann Hipping (1788—1862)
veröffentlichte Hiftorifche, linguiſtiſche ſowie topographiiche Ab-
bandlungen. Jakob Ed. Aug. Grönblad (1814— 1864), Fabian
Collan (1817 — 1851) und Karl Konftantin Tigerftedt (geb. 1822)
jammelten in dänifchen und ſchwediſchen Archiven Quellenurfunden
zur Gefchichte Finnlands im Mittelalter, aus der Zeit Guftav
Wajas und während der Epoche, wo Schweden eine Groß—
macht war. Auf den Gebieten der Yitteratur- und der Kirchen-
gefchichte arbeitete Sven Gabriel Elmgren (geb. 1817). Die
Zeitichrift „Suomi der Finnifchen Litteraturgejellichaft (jeit
1841) enthielt neben fprachwifjenjchaftlichen Aufjägen auch
590 Sechſte Periode. Finnland während jeiner Bereinigung mit Rußland.
mehrere Beiträge biftorifchen Inhalts. Johann Jakob Nord-
ſtröm (1801— 1874), welcher 1846 nach Schweden überjiebelte
und als Direktor des Stodholmer Reichsarchivs ftarb, erwarb
durch jeine „Beiträge zur Gefchichte der ſchwediſchen Gefell-
ihaftsverfafjung“ (1839—1840) hohes Anjehen als juridijch-
biftorifcher Verfaffer. Von den übrigen juridiſchen Schrift-
ftellern jeien Iohann Philipp Palmen (geb. 1811), Robert
Lagus (1827— 1863), Karl Guftav Ehrftröm (1822— 1886)
und Johann Wilhelm Rofenborg (1823— 1871) genannt. Ges
trieben von feiner vaterländijchen Gefinnung, unternahm Matth.
Aler. Caſtren (1813— 1852; jeit 1851 Profeffor der finnt-
jchen Sprache) 1841—1849 ausgedehnte und mühevolle Reifen
durch das Europäiſche Rußland und durch Sibirien, um Sprache
und Yebensverhältniffe der dort wohnenden finnijchen Volks—
ftämme zu jtudieren. Die Rejultate feiner Wirkſamkeit, welche
in einer Menge von jprachwiffenichaftlichen, zum Zeil auch
ins Deutjche übertragenen Studien niedergelegt und teilweije
in dem Werk: „Nordifche Reifen und Forfchungen“ (1852
bis 1858) zum Abdrud gelangt find, wurden für bie fin-
niſch-ugriſche Sprach» und ethnographiſche Forſchung von grund-
legender Bedeutung. Gleichzeitig ging Georg Auguft Wallin
(1811—1852; Profefjor der orientaliijhen Sprachen) nach
Ägypten und Arabien, wo er fich zu einem gründlichen Kenner
von Litteratur und Sprache der orientaliichen Völkerſchaften
ausbildete. Hervorragende Philologen waren auch der Pro-
feffor des Yateiniihen, Ed. I. V. v. Brundr (1816 — 1871)
jowie der Hafjiich-orientalifche Philologe und Litterarbiftorifer
I. J. Wild. Yagus (geb. 1821). Auf den verjchiedenen Ge:
bieten der naturmwiffenjchaftlihen Forſchung begann fich eben-
fall8 ein blühendes Yeben zu entfalten. Wir nennen bier nur
den Profefjor der Zoologie Aler. v. Norbmann (1803—1866),
den Mineralogen und Oberintendanten für Bergweſen, Nils
Guft. Nordenitjöld (1792 — 1867), den Chemiker Adolf Eduard
Arppe (1818—1894) und den Botaniker William Nylander
(geb. 1822). Bon Ärzten ift der Anatom Evert Iul. Bonsdorff
(geb. 1810) zu erwähnen. Sam. Guft. Erufell (1810— 1858),
Caftren u. a. Die Finnische Pitteraturgefellihaft (Lönnrot). 591
befannt durch die von ihm entdeckte Anwendbarkeit der gal-
vaniſchen Clektrizität im Dienfte der ärztlichen Kunft, ver-
brachte den fpäteren Zeil feines Lebens in Rußland. Die
„Binnifche Ärztegeſellſchaft“ verdankt ihre Gründung (1835)
ber Initiative des Profeffors und jpäteren Medizinaldirektorg
Karl Daniel v. Haartman (1792— 1877).
Das ſchwediſche Idiom blieb die Sprache der gebildeten
Klaffen, jo daß faft alle Originalwerfe von ſchönwiſſenſchaft—
lichem und patriotijch = wifjenjchaftlihem Wert in jchwedifcher
Mundart abgefaßt waren. Gleichzeitig aber wuchs der jchon
in den zwanziger Jahren erwachte Eifer für eine VBervolltomm-
nung der finnifchen Sprade und für eine Sammlung ber
Erzeugniffe der finnischen Volkspoefie. Im Jahre 1831 wurde die
„Finniſche Pitteraturgejellichaft” gegründet, deren erfter Sekretär,
Elias Lönnrot (1802—1884; 1833 Kreisphyſikus in Kajana;
1853 —1862 Univerfitätsprofeffor der finnischen Sprade und
Litteratur) lange ihr thätigfter Arbeiter war und durch feine
Schriften der Begründer der nationalfinnifchen Pitteratur wurde.
Um das Werft von Zad. Topelius senior (vgl. ©. 574)
zu vollenden, unternahm er wieberholentlih Forſchungsreiſen
in die öftlichen Kirchipiele von Finniſch-Karelien jowie in bie
in ber Nähe liegenden Diftrikte von Ruifisch - Karelien, und
unabläffig brachte er aus jenen Gegenden neue, reiche Schäße
beim. Unterbeffen wurde bei ihm der Gedanke rege, daß die
Gedichte, welche die Sampo-Mythe behandelten, fragmentarifche
Epifoden eines poetifchen Ganzen feien, deſſen Einheit fich
vermittelft einer zufammenfaffenden Redaktion wiederberftellen
ließe. Infolge des ſchnellen Fortjchritts feiner Arbeiten in dieſer
Richtung konnte die Finnische Litteraturgejellichaft bereits 1835
die erfte Auflage des finnischen Nationalepos „Kalewala“ (vgl.
©. 4, Anm. 1) publizieren, deffen Erjcheinen mit freudiger Über-
raſchung begrüßt wurde. Später veröffentlichte er die Iyrifchen
Volkslieder der Nationalfinnen „Kanteletar“ (1840), ihre
Sprichwörter (1842), ihre Rätfel (1844) ſowie ihre Zauberjprüche
(1880), ſämtlich im Verlage der Finnifchen Litteraturgefell-
ſchaft. Diefe Arbeiten, welche ein völlig neues Bild von dem
592 Sechſte Periode. Finnland während jeiner Bereinigung mit Rußland.
geiftigen Leben der Finnen der Vorzeit entrollten, wurden bie
Grundpfeiler der jungen nationalfinnifchen Litteratur. Ihnen
entnehmen die nationalfinnifchen VBerfaffer noch heute eine Menge
von Worten, Bildern und Borftellungen. Auch als Uni—
verfitätslehrer, Überfeger von wiffenfchaftlichen Fehrbüchern ins
Finniſche jowie als Verfaſſer von ſprachwiſſenſchaftlichen Ar-
beiten ſuchte Lönnrot auf eine Feſtigung und Vervollkommnung
der finniſchen Schriftſprache hinzuarbeiten.
Das Beiſpiel Lönnrots erweckte bei dem jungen Geſchlecht
einen enthuſiaſtiſchen Eifer, es ihm nachzuthun. D. E. D. Eu—
ropäus (1820—1884) beſchäftigte ſich neben anderen erfolgreich
mit Sammlung von alten finnijcehen Volksliedern. Erich Rudbeck
(1830— 1867) veröffentlichte unter dem Pfeudonym Salmelainen
außer anderen Publikationen auch die finnischen Volksſagen.
Guftav Erih Euren (1818—1872) und Guftav Adolf Avellan
(1785—1859) juchten die finniſchen Sprachgeſetze feftzuftellen.
Auguft Engelbrecht Ahlqviſt (1826— 1889), welcher als Rönn-
rots Nachfolger 1863— 1888 Profeſſor der finnischen Sprache
und Litteratur war, jammelte auf Forjchungsreifen in Rußland
das Material zu Arbeiten über die Sprachen der in Rußland
wohnenden finnischen Völferjchaften. Seine Unterfuchung: „Die
Kulturwörter der weſtfinniſchen Sprachen“ (1871; deutſche
Überjegung 1875) befitt einen hiftorifchen Wert, indem fie auf
ſprachlichem Wege feitzuftellen jucht, welche Rulturgegenftände
den Finnen der Vorzeit befannt gewejen waren. ferner war
er bemüht, in grammatifalifchen Arbeiten den Wortihag ber
finnifchen Sprache zu ordnen. Im feinen, unter dem Pſeudo—
nym A. Offanen publizierten Dichtungen (,„Säkeniä) trat die
finniſche Dichtkunft in bisher ungekannter Schönheit zutage.
Schönmwiffenjchaftliche Berfaffer waren auch der Lyrifer Samuel
Guft. Berg (1803— 1853), der Tragödiendichter Jak. Friebr.
Lagervall (1787 — 1865) ſowie die Luſtſpieldichter Peter Hanni-
fainen (geb. 1813) und Anders Warelius (geb. 1821). Von
Volksdichtern, deren Gelegenheitögebichte zum Zeil im Drud
erjchienen, find Peter Maktonen, Olli Kymäläinen, Bengt Lyy—
tinen, Antti Puhakka u. ſ. w. zu nennen. Im populärer finnischer
Kalewala und anderes Finniſch-Vaterländiſche. 503
Proja verfaßte Joh. Friedr. Cajan (1815—1877) eine Gejchichte
Finnlands, während Anders Warelius Volksſchriften vermifchten
Inhalts publizierte und Paul Tikfanen (1823— 1873) der von
ihm und einigen anderen 1847 gegründeten Zeitung „Suo-
metar‘ durch unverbroffene Arbeit weite Verbreitung ver:
Ichaffte.
Die drüdenden Zenjurverhältnifje hinderten den Philofophen
und Publiziſten Joh. Wild. Snellman (1806—1881) feines-
wegsd daran, die Nation zu neuem politifchen und nationalen
Leben zu erweden. Schon in jeiner Jugend hatte fich derjelbe als
Dozent der Philojophie an der Helfingforjer Univerfität jowie
als Berfafjer der Schriften: „Verſuch einer jpefulativen Ent-
widelung der Idee der Perjönlichkeit* (Tübingen, 1841) und
„Die Lehre vom Staate” (1842) bekannt gemacht. Als er, nach
mehrjährigen Aufenthalt in Deutjchland und Schweden, 1842 in
die Heimat zurüdgelehrt war, erhielt er eine Anjtellung in Kuopio
als Schulreltor. Hier begann er feine politifche Thätigfeit. Seit
1844 gab er das Wochenblatt „Saima“ heraus, in welchem er
allgemeine vaterländijche Fragen mit Schärfe und Energie
erörterte. Die freimütige Haltung des Blattes erregte bas
Mißfallen der vorgejegten Behörden und veranlaßte jeine Unter-
drüdung (1846). Allein jchon 1847 begann Snellman mit
der Herausgabe der Monatsſchrift: „Litteraturblatt für all»
gemeine bürgerliche Bildung“, worin er nach wie vor jeine An-
fihten unerjchroden verfoht. Sein vaterländijches Programm
umfaßte politijche, öfonomijche und Unterrichtsreformen; aber
vornehmlich waren doch jeine Blide auf die Sprachverhältniffe
des Landes gerichtet. Im der Umwandlung bes finnijchen
Idioms von einer Sprache des gemeinen Mannes, welche für
die höheren Bildungsbeftrebungen der Bedeutung entbehrte, in
eine herrſchende Bildungs und Unterrichtsiprache erblidte er das
Hauptmittel zur Sicherung von Finnlands Zukunft, da eine ein-
beimifche Kultur nur von einer „neuen Generation“ gejchaffen
werden könne, welche unter der Einwirkung einer nationalfinnijchen
Bildung aufgewachjen jei. Jene Außerungen wurden jpäter
Schybergſon, Geſchichte Finnlands. 38
5994 Sechſte Periode. Finnland während jeiner Bereinigung mit Rußland.
die Parole bei dem finniſchen Spracenftreit; allein damals
machte fich noch feine Parteienjcheidung bei der Sprachenfrage
bemerkbar. Mancher hielt Snellmans „fennomaniſche“ Nationali-
tätstheorie für allzu radikal; hingegen brachten die gebildeten
Klaſſen der pofitiven Arbeit für die aufblühende nationalfinnifche
itteratur überall Wohlwollen entgegen. Im Jahre 1849
fiedelte Snellman nach Heljingfors über, wo er nach wie vor
jeine publiziftiiche Thätigkeit in ſchwediſcher Sprache fortießte.
Seit 1856 Profejjor der Philojophie an der dortigen Uni—
verjität, wurde er 1863 zum Senator ernannt.
Auf dem Gebiete des religiöjen und firchlichen Lebens
berrichte in den dreißiger und vierziger Jahren infolge der
pietiftiichen Bewegung lebhafte Unruhe. Der Bauer Paavo
Ruotjalainen aus Savolaks (1777—1852) erwarb fih um
1820 als Berfündiger einer neuen Heilslehre großen Anhang,
und in gleihem Sinne wirkte der Pfarrer Heinrich Nengpift,
deſſen Auffaffung fih von derjenigen Nuotjalainens dadurch
unterjchied, daß er noch höheren Wert als jener auf den fitt-
lichen Lebenswandel legte, welcher die „Erlöften“ auszeichnen
müffe. In den dreißiger Jahren traten Jonas Lagus, Nils
Guſtav Malmberg und andere öfterbottnijche Prediger mit
Ruotjalainen in Verbindung, und gleichzeitig fand der Pietis—
mus auch Eingang an der Univerfität, von deren theologijch
gebildeten Männern Lars Jakob Stenbäd, Prof. Anders Wild.
Ingman (1819— 1877) und Prof. Karl Guftan v. Eſſen (1815
bis 1895) eifrige Anhänger der „Erlöften” waren. Bon den
Schriften, welche jene herausgaben, jei das „Evangelifche Wochen-
blatt“ (1839—1840) genannt. Zu einem offenen Bruche mit der
Staatsfirche, gegen deren Dogmenglauben fich die Beftrebungen
der Pietiften richteten, kam es jedoch nicht. Etwas jpäter trat
eine wejentlih hiervon abweichende religiöfe Bewegung, die
fogenannte „evangeliſche“, an die Offentlichfeit; eine Bewegung,
deren Anhänger unter Führung Friedrich Gabriel Hedbergs
(1811—1895) auf die Kraft des Glaubens, unmittelbar jelig .
zu machen, das Hauptgewicht legten. Wider alle dieje erklärte
Prof. Arel Friedr. Granfelt (1815— 1892) in jeiner „Chriftlichen
Snellman. Die Pietiften. Die Kunft. 595
Dogmatik“ (1861), daß die wiffenjchaftliche Kritif auf dogma—
tiſchem Gebiete berechtigt jei, und daß die chriftliche Lehre
von wiſſenſchaftlichem Gefichtspunft aus bewiefen und erklärt
werben könne.
Die Kunſt war noch eine fremde Pflanze, welche auf finni—
ſchem Boden nicht recht Wurzel faffen wollte. Der Intendant
des Baufomtors, Charles Baffi, ſchuf 1815 den herrlichen
Feftfaal der Aboer Akademie; Hingegen zeugten die von dem
Bildhauer Erich Kainberg (1771—1816) an den Wänden des
Saales ausgeführten Basrelief3 von einer recht geringen Kunft-
fertigfeit. Der aus Finnland gebürtige Aler. Yauräus (1788
bis 1823) ließ fich frühzeitig in Schweden nieder und wurde
bald einer der hervorragendften Maler dieſes Yandes. Der
Maler Guftan Wilhelm Finnberg (1784— 1833), welcher wegen
mangelnder Aufmunterung feine Anlagen nicht zur Entwidelung
zu bringen vermochte, ſtarb ebenfall8 in Stodholm. Die
großen Neubauten in Helfingfors gewährten Karl Ludw. Engel
(1778— 1840) die Möglichkeit, feinem in Deutichland aus—
gebildeten Geſchmack für den Rennaiffanceftil in bedeutenden
Aufgaben freien Spielraum zu laffen. Allein erft nad Stif-
tung des „Finniſchen Kunſtvereins“ (1846), welche hauptjäch-
lich auf Anregung einiger Univerfitätslehrer, u. a. des Profefjors
Nils Abraham Gylden, erfolgte, begann ein größeres Intereffe
für die einheimijche Kunft bei dem Publitum zu erwachen. Be—
deutende Maler waren: Robert Wilhelm Efman (1808— 1873),
die Brüder Magnus (1805-—1868) und Ferdinand v. Wright
(geb. 1822), jowie der hochbegabte Pandichaftsmaler Werner Holm-
berg (1830— 1860). — Bon Komponijten find Friedrich Auguft
Ehritröm, Konrad Grewe ſowie an alfererjter Stelle der aus
Hamburg gebürtige Friedrih Pactus (1809— 1891) zu nennen,
deffen Oper: „Die Jagd König Karls“ als das erfte Anzeichen
einer neuen Epoche des einheimifchen Mufiklebens mit Be—
geifterung begrüßt wurde. Zum Danf dafür, daß infolge feiner
Dirigententhätigfeit das mufifalifche Yeben in Helfingfors einen
ichnelfen Aufihwung nahm, ift ihm 1895 dafelbft ein Denk—
mal errichtet worden.
38*
596 Sechſte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland.
Während des Krimfrieges blieb Finnland von den Leiden
des Krieges keineswegs verjchont. Im Frühjahr 1854 er-
ſchien in der Dftjee ein von Admiral Napier befehligtes eng—
liſches Geſchwader, welchem fih im Juni franzöfifche Kriegs:
ichiffe zugejellten. Die feindlichen Flotten, welche im Finnijchen
Meerbufen ihre Hauptitation hatten, wagten weder Sveaborg
noch Kronftadt anzugreifen, wo die ruſſiſche Flotte Zuflucht
gejucht hatte, jondern mußten ſich auf die Verheerung ver-
ichiedener Punkte an der finnijchen Küfte bejchränfen. Am
19. und 20. Mai wurden einige englijche Fahrzeuge bei Hpit-
jand zum Nüdzuge genötigt, und einige Tage fpäter von den
Forts auf der Yandzunge Hangö Schüffe mit dem Gegner
gewechjelt. Ebenſo beveutungslo8 vom militäriſchen Gejichts-
punft und nur darauf berechnet, ven Landesbewohnern Furcht
einzuflößen, war ein Berheerungszug, den der englijche Admiral
Plumridge Ende Mai und Anfang Juni längs der Küfte des
Bottnifchen Meerbuſens unternahm. Am 30. Mai landete
eine englische Abteilung bei Braheſtad, wo die Schiffswerfte,
die Pechfiederei und die im Hafen liegenden Fahrzeuge in Brand
gejtekt wurden. in Gleiches geſchah am 1. Juni in Uleäborg.
Am 7. Juni trieb hingegen eine Kleine ruſſiſche Kolonne mit
Unterftügung von einigen in aller Eile aufgebotenen Frei—
willigen die Engländer bei Gamla Karleby zurüd, wobei
mehrere engliiche Barkafjen in den Grund gebohrt jowie eine
Anzahl von Feinden gefangen genommen wurden. Im Yuli
verbrannten die Engländer Bretterftapelpläge an der Miün-
dung des Kemiflufjes. Dieje geringen Erfolge befriebigten
indejfen Feineswegs die Regierungen Englands und Frankreichs,
welche durch ein Unternehmen in großem Stile dem Feldzuge
bes Jahres 1854 in jenen Gegenden einen höheren Glanz zu
verleihen mwünjchten. Deshalb wurde ein franzöfijches Yan-
dungscorps unter Baraguay d’Hillierd in die Oſtſee entjandt,
welches am 8. Auguft auf Aland Iandete und mit Unterftütung
der Kanonen der vereinigten Flotte einen Angriff auf die zu
Beginn der Regierung Nikolaus’ erbaute Feſte Bomarſund
machte. Am 10. begann das Bombardement, und am 16.
Der Krimkrieg (1854). — Uleranber II. 697
mußte die Feftung fapitulieren. Der Kommandant, General
Bodisco, und etwas mehr ald 2000 Mann, darunter 2 Kom-
pagnieen des AÄboer Scharfſchützenbataillons, gerieten hierbei in
Gefangenschaft. Am 2. September wurden die Feſtungswerke
in die Luft gejprengt. Ende Auguſt erfchienen einige feind-
liche Fahrzeuge vor Abo, beſchoſſen die Batterieen auf Runfala
und zerftörten jchließlih die Befeftigungen auf der Hangöer
Landzunge. Hiermit endigte die Oftfeecampagne von 1854,
welche im Bergleih mit den großen kriegeriſchen Ereigniffen
im Süden von nur geringer Bedeutung gewejen war.
Die kriegerifchen Mißerfolge verbitterten die legten Lebens—
tage des Kaiſers Nikolaus I. und haben vielleicht zur Bejchlen-
nigung feines Todes beigetragen, welder am 2. Mär; 1855
erfolgte. Obwohl die Zeit jeiner Regierung für Finnland
arm an Äußeren Ereignifjen gewejen war, jo waren andrerfeits
doch die geiftigen Kräfte der Nation in reicher Entwidelung
begriffen, und es bedurfte daher nur einer Veränderung der
Außeren Berhältniffe, damit fi der wachſende Thatendrang
auch auf dem Gebiete des politifchen Yebens bemerkbar machte.
3. Alerander IL. °).
Nah dem Tode Nikolaus’ I. wurde der Thron von feinem
Sohne Alerander II. bejtiegen, welcher ſchon früher als Thron-
1) Quellen und Nadichlagewerte zur Geſchichte Finnlands unter Ale
rander II.: Ed. Bergb, Vär styrelse och vära landtdagar 1. u. II
(Helfingfors, 1884 — 1888); Aug. Shauman, Frän sex ärtionden i
Finland I u. II (Helfingfors, 1892—1893); W. E. Svedelius, Om
Finlands landtdagar och landtdagsordningen gifven 1869 (Atab. Pro-
gramm; Upfala, 1872); 8. ©. Ebrftröm, Kort öfversigt af Finlands
lagstiftning under ären 1860—1875, in: „Tidskrift för lagstiftning
och förvaltning, utg. af Chr. Naumann“, p. 482—522 (Stodholm,
1876); R. Montgomery, Notice sur les travaux de la diete du
grand-duch& de Finlande 1863—1879, in: „Annuaire de la societe
de legislation comparde“, p. 727—756 (Paris, 1880); „Landtdags-
handlingar‘“; „Finlands författningssamling “.
598 Sechſte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland.
folger und Univerjitätsfanzler Finnland bejucht und fich bei
diejer Gelegenheit die Sympathieen der Bevölkerung erworben
hatte. Derjelbe erließ am 3. März 1855 an die Bewohner
Finnlands die „Verjicherung“, die Religion und die Grund»
gejege des Landes nebjt den Privilegien und Gerechtjamen der
Stände wie der Privatperjonen beibehalten zu wollen. Am
5. März wurde ihm in Helfingfors der Treu: und Huldigungs-
eid geleijtet, worauf jich eine Deputation nach Petersburg begab,
um den neuen Monarchen anläßlich feiner Thronbefteigung zu
beglüdwünjchen. An demjelben Tag erfolgte die Ernennung des
Thronfolgers Nikolaus (1843 —1865) zum Univerfitätsfanzler.
Graf F. W. NR. Berg, welcher zur Zeit des Thronwechjels
jtellvertretender Generalgouverneur in Finnland gewejen war,
erhielt am 8. März an Stelle des verabjchiedeten Fürjten Men-
ihifow endgültig den Generalgouverneurspojiten.
Der neue Herricher Alerander II. wünjchte mit den Weft-
mächten Frieden zu jchließen. Da man fich aber über die Be—
dingungen nicht zu einigen vermochte, nahm der Krieg, deſſen
Hauptereigniffe fih nach wie vor in der Krim abjpielten, jeinen
Fortgang. Auf dem nördlichen Kriegsichauplage waren die Vor—
gänge von noch geringerer Bedeutung als im vorhergehenden
Sabre. Die franzöfiich-englifche Flotte unter Dundas und Penaud
entfandte bisweilen Schiffe, welche im Juni und Yult bei Kotka, wo
einige Gebäude niedergebrannt wurden, jowie bei Nyjtad, Raumo
und Wiborg Yandungsverjuche machten. Die von den Ruſſen
preisgegebenen Befeftigungen bei Svartholm wurden in die Luft
geiprengt. Das Hauptereignid war das Vombardement von
Speaborg. Am 7. und 8. Auguft erjchien die gegnerijche
Flotte auf der Rhede vor Sveaborg. Am folgenden Tage
wurde ein heftige Feuer gegen die Feſtungswerke eröffnet,
welches ohne Unterbrechung bis zum Morgen des 11. Auguit
(46 Stunden) fortdauerte. Die aus Holz und Ziegeln auf:
geführten Bauten wurden zerjtört; dagegen blieben die Be—
fejtigungen völlig intakt, jo daß fich der Feind zurüdzog,
ohne einen Sturmverjuch zu wagen. Heljingfors, welches wäh—
rend jener Tage in offenbarer Gefahr jchwebte, blieb glüd-
Der Krimkrieg (1855). 599
licherweife verjchont. Hierauf begnügte jih der Feind mit
einer Blodade der finnischen Küfte und zog ſich im Herbſt
gänzlich zurüd. Am 30. März 1856 wurde der Parijer Friebe
geichloffen, welcher u. a. die für Finnland wichtige Beſtimmung
enthielt, daß Rußland in Zufunft die Aandsinjeln nicht mehr
jollte befeftigen dürfen.
Die Ausgaben und Opfer, welche Finnland während des
Krieges auferlegt wurden, waren beträchtlid. Die Miliz:
Armee hatte man teilweife wieder aufgeftellt. Im Juni 1854
erging der Befehl zur Bildung von je einem Scharfſchützen—
bataillon (zu 600 Mann) in den Provinzen Abo - Björneborg
und Waja-Uleiborg, wobei jedoch die Yaften dadurch gemildert
wurden, daß die Etatöverwaltung die Koften für Bekleidung
und Bewaffnung der Soldaten jowie für den Unterhalt der
Truppen während des Krieges übernahm. Später wurden
einige weitere Scharfſchützenbataillone errichtet und eine Kanonen-
ihaluppenflottilfe zur Küftenverteidigung ausgerüftet. Hierzu
famen noch Militärtransportfoften jowie andere Ertraausgaben.
Die Gejamtausgabe der finnischen Etatsverwaltung für Kriegs:
zwede wurde von %. G. v. Haartman auf ungefähr 2800 000
Rubel gejchägt, eine Summe, welche teilweije durch eine Staats—
anleihe aufgebracht worden war. Der Verluft, den Brivatperjonen
durch Beſchlagnahme von Handelsfahrzeugen vonjeiten der Geg-
ner, dur Stodung des Handels, durch Verheerungen an
ber Küſte u. ſ. w. erlitten hatten, belief jich ebenfalls auf be-
trächtlihe Summen. Dennoch herrſchten nach dem Friedens:
ichluffe feineswegs Meutlofigfeit und Ermattung. Im Gegen:
teil machte fich auf allen Gebieten eine bisher ungelannte Yeb-
baftigfeit und Thatenluft bemerkbar, aus welcher ſchließlich die
Wiederbelebung des konftitutionellen Staatslebens in Finnland
als die köſtlichſte Frucht hervorging.
Kaijer Alerander IL., deſſen erjte Regierungsjahre in Ruß—
land durch eine Menge liberaler Reformen ausgezeichnet waren,
machte im März 1856 eine Reife nah Südfinnland und über-
nabn am 24. März jelber das Präfidium im Senat, bei
welcher Gelegenheit er eine franzöfiiche Note verlas, worin er
600 Sechſte Periode. Finnland während jeiner Bereinigung mit Rußland.
dem Senat ans Herz legte, Vorſchläge zur Förderung bes
Handel und der Schiffahrt zu machen, Mittel zur Hebung
der Landesinduftrie anzugeben, Entwürfe zur Organifation
von Volksbildungsſchulen in den Landgemeinden auszuarbeiten,
die Einjegung eines Komiteed zur Aufftellung von Plänen,
betreffend die Verbefferung der Kommunifationswege vermittelt
neuer Kanäle und Eijenbahnen, vorzubereiten, jowie einen Ent-
wurf, betreffend eine Gehaltöverbefjerung für die niederen
Beamten des Landes, abzufaffen. Diefes Faiferliche Diktamen
brachte einen friſchen Zug in die NRegierungsbehörden und in
die Beamten hinein, welche ſich mit Sachverftändigen aus den
verſchiedenen Teilen des Landes in Verbindung jegten, um über
den Zuftand und die Bedürfniſſe der Bevölkerung Aufſchluß
zu erhalten. Vor dem Herrſcherthrone wurde Finnland wie
bisher durch den Minifterjtaatsjetretär Graf Aler. Armfelt
vertreten, dejjen vaterländifche Gefinnung und gewinnende Per-
fönlichkeit fi unter den neuen PVerhältniffen noch mehr als
früher bethätigen fonnte. Ihm zur Seite jtand ein Komitee
für die finnifchen Angelegenheiten, welches durch Verordnung
vom 8. April 1857 organifiert wurde und aus dem Adjunften
des Staatsjefretärs nebft drei anderen Mitgliedern zuſammen—
gejegt war. Auch der Generalgouverneur Graf Berg, ein
zwar eigenwilliger, aber energijcher und thätiger Mann, juchte
die öfonomifche Wohlfahrt des Landes zu fördern und bejtimmte
u. a. während einer Reife in Finnland (Sommer 1856)
Pläge, die jich für Aderbaufchulen eigneten.
Bei der Bevölkerung erwachten lebhafte Hoffnungen, und
diefelben famen Klar und energijch in einer Rede zum Ausdruck,
welche der Theologieprofeffor und jpätere Biichof des Stiftes
Borgä, Franz Ludwig Schauman (1810—1877), bei einem
Feſte hielt, welches die Univerfität am 20. September 1856
anläßlich der am 7. September erfolgten Krönung Aleran-
ders II. feierte. „Der erfte Wunſch“, jagte er, „welcher fich im
gegenwärtigen Augenblid in der Bruft des finnischen Volkes
regt, ift der, daß es als finniſches Volt weiterbeftehen und fich
weiterentwideln darf, daß wir Finnländer, obwohl unter dem—
Nationale Wünſche (1856). Die erfte Eijenbahn (1862). 601
jelben Regenten mit dem großen ruſſiſchen Reiche vereinigt,
ftet8 Finnländer fein und bleiben, oder mit anderen Worten,
daß wir frei unfere Nationalität weiterentwideln dürfen“. Werner
forderte er, daß die finnifhe Sprache als Bildungsiprache
anerfannt werden jolle, und betonte die Notwendigkeit einer
Weiterentwidelung der von Schweden ererbten Gejeße und
Inftitutionen durch gemeinfame Arbeit der Regierung und der
Volksvertretung. „Ein lebhafter Wunſch“, Außerte er, „regt
fih in der Bruft des finnischen Volkes, daß bald und jpäter
öfters, je nachdem die Verhältniffe e8 erfordern fünnen, ben
Ständen des Landes Gelegenheit bereitet werden möge, fich zu
ſolchem Zwede in der Ordnung, wie e8 das Grundgeſetz vor-
jchreibt, zu verfammeln“. Schließlich verweilte er bei dem
Bedürfnis einer erweiterten Preßfreiheit. Mit Jubel wurde
die Rede von dem Publitum wie von der periodijchen Preffe
begrüßt, welche in den nächjten Jahren durch mehrere neue
Organe, jo z. ®. „Helsingfors Dagblad‘“ (feit 1861), einen
Zuwachs empfing.
Mehrere bedeutende wirtichaftliche Unternehmungen famen
durch die Initiative des Staates oder von Privatperjonen zu—
Stande. Schon während der Regierung Nitolaus’ I. hatte man
die Frage einer Eifenbahnanlage zwifchen Helfingfors und Ta-
waftehus angeregt. Diefer Plan wurde jett wieder aufge-
nommen und 1858—1862 zur Ausführung gebracht, jo daß
im Mär; 1862 bie erjte finnifche Eifenbahn dem Verkehr
übergeben werden fonnte. Die Koften der Anlage beliefen fich
auf etwa 14700000 (finnische) Mark. Auf Veranlaffung von
Privatperfonen, namentlich Heinrich Borgftröms junior (1830
bis 1865), entſtanden in Helfingfors der Hhpothefenverein für
landwirtichaftlihe Darlehen und die Vereinsbank für öffent-
liches Krebitwejen, welche 1860 bezw. 1862 ihre Thätigfeit
begannen. In dem Ofonomiedepartement des Senats wurbe
1860 eine Abteilung für Aderbau und öffentliche Arbeiten ein-
gerichtet. Der alte Chef der Finanzerpedition und ftellver-
tretende Vorfigende im Ofonomiedepartement des Senats,
Lars Gabriel v. Haartman, hielt feine Stellung innerhalb der
602 Sechſte Periode Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland.
Regierung wie bei der öffentlichen Meinung für erjchüttert.
In einem an den Senat gerichteten Diktamen (Sept. 1856)
erläuterte er die von ihm als Finanzchef befolgten Grundjäge
und bob hervor, wie er die ſich ihm darbietenden Schwierig-
feiten erfolgreich überwunden habe. Allein er fonnte das frühere
Bertrauen nicht wiedergewinnen und ſah fich deshalb veranlagt,
1858 jeine Entlafjung zu nehmen. Schon im nächjten Jahre
ftarb er, einer der bebeutendften Repräjentanten des alten Re—
gimes. Die Leitung der WFinanzverwaltung übernahm nad
feiner Verabjchiedung Karl Fabian Theod. Yangenjkjöld (1810
bi8 1863), ein feingebildeter Staatsmann, durch bejjen ener-
giſches Eingreifen verjchiedene wichtige Maßnahmen veranlaßt
wurden. So erwirfte er 1859 eine neue, die finntjch = ruj-
ſiſchen Handelsbeziehungen betreffende Verordnung, welche den
Erzeugniffen der finnifchen Induftrie ein erweitertes Abſatz—
gebiet in Rußland verichafftee In demjelben Jahre wurde
durch einen auf das Handwerks- und Manufakturwejen be
züglihen Erlaß, welcher den Innungszwang wejentlich milverte,
die Gewerbefreiheit erweitert. Der ftaatlihe Forſthaushalt
wurde unter wirfjamer Unterftügung vonjeiten des Chefs für
das Forjtwejen, Klas Wild. Gylden (1802 — 1872), nach neuen
Grundjägen organifiert. Das Jahr 1859 brachte auch die
Eröffnung des Forftinftituts auf Evois. Der Sägewerfbetrieb
erlangte Befreiung von zablreihen Abgaben und damit zu—
jammenhängenden Kontrollbeftimmungen. Vor allem aber tft
der Name Langenjtjölds aufs engfte mit der neuen Münzreform
verknüpft, welche dadurch veranlaßt wurde, daß „Finnlands
Bank“ bisher verpflichtet war, nicht nur ihre eigenen, jondern
auch die im Lande furjierenden ruffischen Noten gegen Silber
einzulöjen. Letztere waren infolge des Krimfrieges im Werte
gefallen und hatten einen Zwangsfurs, weshalb die Bank jchon
1854 die Silbereinwechjelung fiftiert hatte. Das einzige Mittel
biergegen war für Finnland die Erlangung einer bejonderen
Münzeinheit. Dies geſchah 1860, wo „Mark“ und „Penni*
(in Silber) Finnlands eigene Geldjorten wurden. Cine be-
jondere finniſche Münzwerkjtatt wurde eingerichtet und im
Langenftjöld als Nachfolger Haartmans, 603
Dezember 1862 verfügt, daß vom 1. Juli 1863 an in den
Rechnungsbüchern der Krone und im Privatverfehr nach Mark
und Penni gerechnet werben ſollte. VBollftändig gelangte jene
Neform freilich erjt nach Yangenjtjölds Tode durch feinen Nach:
folger 3. W. Snellman zur Durchführung.
Bon Maßnahmen zur Pflege der geiftigen Bildung find zu
erwähnen: die Einrichtung einer Univerfitätsprofeffur für Sitten:
lehre und Syſtem der Wiſſenſchaften (1856), welche I. W. Snell:
man übertragen wurde; die Gründung der erjten vollftändigen
Elementarjchule mit finnischer Unterrichtsiprache zu Iyväskylä
(1858) und die Eröffnung des erjten Voltsjchuljeminars eben-
dajelbit (1863). Der Paftor und fpätere Oberinjpeftor ber
Boltsihulen, Uno Cygnäus (1810 — 1888), ging 1858 im
Auftrag der Regierung zum Studium des Volksſchulweſens
ins Ausland und entwarf nach feiner Rückkehr einen Volks—
ihulorgantjationsplan, welcher 1862 genehmigt wurde. Die
endgültige Reorganijation des Volksſchulweſens begann indeſſen
erſt 1866. Die Volksjchulen wurden nunmehr zu kommu—
nalen Unterrichtsanftalten gemacht, welche ftaatliche Unterftügung
empfingen und unter ftaatlicher Kontrolle ftanden.
Inzwijchen erwartete man mit Unruhe, immwieweit Die
Regierung die Hoffnungen der Nation in demjenigen Punkte
befriedigen würde, welcher in der Rede 3. L. Schaumang und
bei anderen Gelegenheiten bejonders betont worden war: der
Einberufung der Stände. Daß man ſich in feiner Hoffnung nicht
täufchen würde, jchien aus einer Negierungsfundgebung vom
31. Mai 1859 bervorzugehen des Inhalts, daß Kaijer Alerander
— in Anbetracht deſſen, daß fich mehrere Fragen, welche die
geiftige und materielle Entwidelung Finnlands nahe angingen,
gemäß den Grundgejegen des Großfürftentums nicht auf abmini-
jtrativem Weg endgültig löjen ließen — dem Generalgouver-
neur und dem Senat anbefohlen habe, dieſe wichtige Angelegen-
beit jorgfältig in Erwägung zu ziehen und Seiner Majejtät
ein Verzeichnis von jolchen Fragen zu übermitteln. Auf Grund
diejer Verordnung wählten die Mitglieder des Senats aus
ihrer Mitte Kommijfionen, welche über Fünftige Angelegenheiten
604 Sechſte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland.
des Landtags beratichlagen follten. Im ein neues Stadium
trat die ganze Frage durch ein kaiſerliches Meanifeft vom
10. April 1861, welchem zufolge ein aus Delegierten der vier
Stände des Landes beftehender Ausſchuß einberufen werden
follte, um fich über die von der Regierung vorgelegten Ber-
faffungsvorfchläge jowie über die zeitweilige Ordnung der
Verhältniſſe bis zu einer künftigen Einberufung des Landtages
gutachtlich zu äußern. Die Kompetenzen des Ausjchuffes wur-
den im $ 7 jenes Manifeftes folgendermaßen definiert: „Nach:
dem Wir über die bei Uns fomit eingelaufenen Vorftellungen
unterthänige Gutachten vonfeiten des Senats und des General-
gouverneurs des Großfürftentums eingefordert haben, wollen
Wir, mit Gültigkeit bis zum nächjtbevorftehenden Yandtag,
in Gnaden diejenigen Vorſchläge des Ausjchuffes beftätigen,
welche, nach Unferer Überzeugung, in der That den wahren
Bedürfniffen des Yandes entiprechen und deſſen Wohl fördern“.
Diefe Worte erwedten die Vermutung, daß man die grund-
geſetzmäßige Repräfentation bis auf weiteres durch eine In—
ftitution zu erjeßen beabfichtige, welche in den Geſetzen bes
Landes nicht vorgeſehen war. Unter jolchen Umſtänden ent-
ftand im Land eine allgemeine Unruhe Wie wenig man auch)
gewohnt jein mochte, öffentlich jeine Anfichten auszuſprechen,
jo zögerte man dennoch nicht, gegen das Manifeft aufzutreten.
Binnen wenigen Tagen war in Helfingfors eine große Zahl
von Bürgern aus verfchiedenen Teilen des Landes verfammelt,
welche eine an Kaiſer Alerander gerichtete Adreffe unterzeichneten,
worin dieſer gebeten wurbe, bei Gejeßgebungsfragen, welche
vor das Forum der Stände gehörten, die Wirffamfeit des
Ausichuffes auf eine Vorbereitung folcher Fragen für den
Landtag zu bejchränfen. Eine Überreihung der Adreffe kam
jedoch nicht in Frage, da gleichzeitig in der Auffafjungsweife
der Regierung binfichtlih der Ausſchußfrage ein Umjchwung
eingetreten war.
ALS das Manifeft am 18. April im Senate vorgetragen
wurde, faßte die Majorität der Mitglieder den Beichluß, dem
Monarchen ihre unterthänige Dankbarkeit in Worten zu be-
Ein Landesausſchuß und jeine Kompetenzen. 605
zeugen, welche zwar der Hoffnung einer baldigen Einberufung
der Stände Ausdruck gaben, jedoch die Gejegmäßigfeit des
Ausihußmanifeftes nicht in Zweifel zogen. Cine aus ben
Senatoren Karl Dlof Eronftedt, Ber Jonas Törngpift, Berndt
Federley, Harald Viktor Furuhjelm und Adolf Friedr. Mund
beftehende Minderheit verfaßte hingegen eine Rejervation, worin
hervorgehoben wurde, daß ſich der Wortlaut des Manifeſtes
ungezwungen jo auslegen lafje, al8 ob der Ausjchuß ein Recht
befigen jollte, welches grundgejegmäßig nur einem allgemeinen
Landtag zukäme. Dean bäte daher um eine Erflärung, welches
jedes Mißverjtändnis in dieſer Hinficht bejeitigen könne. Die
Minderheit fand Unterftügung bei dem Prokurator Karl Eduard
Gadd, welcher im Senat zu Protokoll erklärte: Nach jeiner
Anſicht wäre es zweifelsohne für alle Klafjen des finnifchen
Volkes höchſt wünjchenswert gewejen, daß auch die übrigen
Senatsmitglievder dem Anſuchen der Minderheit zugeftimmt
hätten.
Die Äußerungen, welche das Ausjchußmanifeft veranlafte,
machten auf die finniſchen Staatsmänner in Petersburg nicht
geringen Eindrud, da fie eine jo jtarfe Erregung der öffent:
lichen Meinung nicht erwartet hatten. Sie erwirften denn auch
ein faiferliches Rejkript vom 24. April 1861 an den Borfigen-
den des Ausihuffes, Senator Sebaftian Gripenberg, worin
Alerander IL. in bezug auf die Kompetenz des Ausſchuſſes be-
jtimmte, daß derjelbe bei denjenigen Fragen, welche ſich bloß
auf grundgejegmäßigem Wege löjen ließen, nur Vorjchläge in
betreff der den Landftänden vworzulegenden Propofitionen zu
machen babe.
Die noch teilweife vorhandenen Befürchtungen, welche viel-
fach bei den Wahlen von Ausjhußmitgliedern zum Ausbrud
gelangten, wurden vollends durch zwei weitere Nejfripte an
Gripenberg (vom 23. Auguft 1861 und 17. Januar 1862)
zerjtreut, welche den vorbereitenden Charakter der Gejchäfte des
Ausichuffes nochmals befräftigten. Arch Hieß es in dem zweiten
Schreiben ausdrüdlih, daß ein allgemeiner Yandtag einberufen
werden jolle, jobald die nötigen vorbereitenden Anjtalten ge-
606 Sechſte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland.
troffen worden feier. Am 20. Auguft 1862 traten bierauf
die gewählten Deputierten, je 12 für jeden Stand, in Helfing-
fors zufammen. Da e8 indejjen die Aufgabe des Ausjchuffes
nicht war, bezüglich der vorgelegten 54 Propofitionen eine
Löſung ausfindig zu machen, fordern nur Gefichtspunfte vor-
zubringen, welche die Arbeiten des fommenden Yandtages er:
leichtern fünnten, jo waren die Verhandlungen nicht jonderlich
bedeutungsvol. Am 6. März hatte diefer jogenannte „Januar:
ausſchuß“ feine Thätigfeit beendigt.
Ende 1861 war der Generalgouverneur Graf Berg, welder
durch ftrenge Handhabung der Zenjur das Miffallen des Pub-
likums erregt hatte, feines Amtes enthoben und durh Baron
Platon Rokaſſowski (1861— 1866) erjett worden. Eine andere
wichtige Veränderung der Zufammenjegung der Regierung be-
ſtand darin, daß Langenjfjöld im April aus Gejundheitsrüd-
fichten jeinen Abjchied als Chef der Finanzerpedition nahm und
J. W. Snellman zum Nachfolger erhielt, welcher nunmehr
das einflußreichite Mitglied des Senats wurde. Gelegentlich
eines Faiferlihen Bejuches in Finnland ermwirkte jener am
30. Juli 1863 in Tawaſtehus die Zuftimmung Aleranders 1.
zu einer Sprachenverorbnung, welche am 1. Auguft zur Ver—
öffentlichung gelangte, und worin bejtimmt wurde, daß das
Schwedifche zwar nach wie vor Finnlands offizielle Sprache
bleiben, das Finnifche aber bei allem, was die eigentliche
finnifche Pandesbenölferung unmittelbar anginge, als gleich-
berechtigt mit dem Schwedischen angejehen werden jollte; und
zwar jollte dieſes Necht des finnischen Idioms auch inbezug auf
die von den Gerichtshöfen und Behörden ausgehenden Erlaffe
jpätefteng Ende 1883 in Sraft treten. ine weitere Ver:
ordnung vom 20. Februar 1865 erteilte nähere Einzelbeftim-
mungen bierüber.
Schon am 18. Juni 1863 war die langerwartete Landtags—
einberufung verfügt worden, und die Gedanfen aller waren
nunmehr auf die bedeutungsvolfe Stunde gerichtet, wo der Yand-
tag eröffnet werden ſollte. Kaiſer Alexander II. fand fich bei
diefem Anlaffe perjönlich in Helfingfors ein und hieß die Stände
Snellmans Spradenverorbnung. Der Pandtag von 1863. 607
am 18. September in franzöjiiher Sprade mit folgenden
Worten willkommen:
„Dertreter des Großfürftentumsd Finnland!
„Wenn Ih euch bier verfammelt ſehe, jo fühle Ih Mich glüdlich,
dab Jh Meine Wünſche und euere Hoffnungen habe erfüllen können.
„Zange ift Meine Aufmerkſamkeit auf eine Reihe für des Landes
Wohl höchſt wichtiger Fragen gerichtet geweſen, melde fih nad und
nad erhoben, aber nicht entjchieden werben lonnten, weil ihre Löjung
von der Mitwirlung der Stände abhing. Wichtige Staatägründe,
die Ih allein zu beurteilen hatte, haben während Meiner eriten
NRegierungsjahre Mich gehindert, die Stände des Großfürftentums ein-
zuberufen. Allein Ich habe doch fo zeitig vorbereitende Maßnahmen hierzu
ergreifen laffen, daß Ich jept, wo Fein zwingender Grund zu längerem
Aufihub mehr vorliegt, euch verfammeln konnte, um, nad Anhörung
Meines Senats für Finnland, euch die Geſetzesvorſchläge und übrigen
Angelegenheiten vorzulegen, welche den Gegenftand euerer Beratungen
während diejes Landtages bilden jollen.
„In Anbetracht der großen Wichtigkeit diefer Fragen babe Ich
diefelben im voraus von Männern prüfen laſſen, die durch das Ber»
trauen des Landes hierzu auserjehen waren. Tie Öffentlichkeit ber
Berhandlungen diefer Berfammlung bat euch Gelegenheit gegeben,
ihon im voraus die Gegenftände für euere Beratungen kennen zu
lernen und über fie nadzudenfen, indem ihr mit den Anfichten und
Bedürfniffen der Nation zurate ginget. folge defien muß es euch
möglich fein, ungeadtet ded Umfanges und der Bedeutung der Fragen
euere Arbeiten innerhalb der von dem Grundgejege tür das Bur
jammenjein der Stände vorgejchriebenen Zeit abzuſchließen.
„Aus den Berichten über die Einnahmen und Ausgaben des Landes,
die Ich euch übergeben laſſen will, werdet ihr erſehen, daß die Einkünfte
des Staates ſtets zur Dedung der laufenden Ausgaben hinreichend ge»
wejen find, jowie daß ein bedeutender Zuwachs der intirelten Steuern,
welcher für den jteigenden Wohlitand des Volkes vorteilhaft zeugt,
geitattet hat, immer größere Summen zur Beförderung feiner geiftigen
und materiellen Intereſſen anzuwenden.
„Bloß zur Beftreitung der Kriegäfoften von 1855 und 1856
jowie zur Bezahlung der Eiſenbahn zwiſchen Helſingfots und Ta-
waſtehus habe Jh der Regierung des Großfüritentums bie Aufnahme
von Staatsanleihen geftattet. Auch betreffs diefer ſoll euch ein Be—
richt vorgelegt werden, welcher ausweiſt, daß Binjen und Amorti—
fterung derjelben aus den gegenwärtigen Staatseinkünften beitritten
werden können. Mein Wille ift jedoch, daß in Zukunft feine Staats-
anleihe ohne Mitwirkung der Stände des Großfürftentums aufgenommen
608 Sechſte Periode. Finnland während jeiner Vereinigung mit Rußland.
werben joll, wofern nicht ein plöglicher feindliher Angriff oder ein
anderes unvorhergejehenes allgemeine® Unglüd ſolches unumgänglich
nötig machen jollte.
„Die neuen Bewilligungen, bie Ich auf biefem Landtage von euch
verlange, bezweden denn auch einzig neue Maßnahmen zur Erhöhung
ber allgemeinen Bildung und des Wohlſtandes. Euch überlafje Ich
e3, über bie Zmwedmäßigleit und den Umfang diefer Maßregeln frei
zu entſcheiden.
„Mehrere Beftimmungen in den Grundgefegen bes Großfürften-
tums find nicht mehr auf die BVerhältniffe anwendbar, wie fie durch
defien Bereinigung mit dem Saiferreihe geworden find; andere ent-
behren der erforderlihen Deutlichleit und Beſtimmtheit. Da Ich diefe
Mängel bejeitigt zu ſehen wünſche, werde Jh Vorſchläge inbetreff
befonderer Erklärungen und Zuſätze zu denjelben entwerfen laflen,
um fie beim nächſten Landtage, den Ich nad drei Jahren einzube-
rufen beabfidhtige, den Ständen zur Prüfung vorzulegen. Indem Ich
an den fonftitutionellen monarchiſchen Grundſätzen feithalte, melde
von der Überzeugung des finnischen Volkes getragen werden und mit
den Gefegen und Inſtitutionen des Landes verwadjen find, will Ich
durh genannte Vorſchläge das Selbitbeiteuerungsrecht, welches die
Stände gegenwärtig grundgejegmäßig befigen, weiter ausdehnen jowie
deögleihen den Ständen das Recht, Geſetzesvorſchläge zu machen,
weldes ihnen jeit alter zugehört bat, wiedergeben, indem JH Mir
gleihwohl die Jnitiative bei Fragen vorbehalte, welche die Grundgeſetze
betreffen.
„Ihr kennt Meine Gefinnung und Meine Wünſche für das Glüd
und Gedeihen der Völler, welche die Borjehung Meiner Fürjorge an-
vertraut hat. Keine Handlung von Meiner Seite kann das Ber-
trauen geſtört haben, welches zwiſchen Regent und Volk hertſchen muß.
Möge diejes Vertrauen zwiſchen Mir und dem reblihen und getreuen
finniſchen Bolte fernerhin mie bisher das fichere Vereinigungsband
zwiſchen Uns bilden. Es wird alddann kräftig dazu beitragen, das
Glüd diefes Volles zu fördern, das Meinem Herzen ftet3 teuer bleibt,
und Mir einen weiteren Anlaß bieten, euch zu periodiſch wiebder-
fehrenden Landtagen einzuberufen.
„Es ift euere Sade, Vertreter des Großfürftentums, buch
Mürdigkeit, Mäßigung und Ruhe bei eueren Beratungen zu befunben,
daß freie Inftitutionen, weit davon entfernt, ſchädlich zu fein, viel»
mehr eine Bürgihaft für die Orbnung und das Wohlbefinden bei
demjenigen Volle bilden, welches im Einverjtändnis mit feinem Regenten
und mit praftiihem Verftand an der Entwidelung feiner Wohlfahrt
arbeitet“.
Aleranders II. konftitutionelle Gefinnung. 669
Dieje Hochherzigen Worte wurden nicht nur von den ver-
jammelten Repräjentanten, jondern auch von dem gejamten
finniichen Wolfe, welches vertrauensvoll einer neuen Zeit
fräftiger Fonftitutionelfer Entwidlung entgegenfab, mit Jubel
begrüßt.
Da mehr ald 50 Jahre verfloffen waren, ſeitdem fich
die Vertreter Finnlands zum Tettenmale in Borgäi verjam-
melt hatten, jo war ed natürlich, daß fih 1863 bei ben
Ständen eine gewiſſe Unficherheit bezüglich der Formen für
die Yandtagsarbeit bemerfbar machte. Doch wurden dieſe
Schwierigfeiten dadurch gemindert, daß der Profeffor des
Staatsrechts, Johann Wilhelm Nofenborg, 1863 eine Schrift
„Über Reichstage“ veröffentlichte, welche dem Publifum über
die jeitalters auf den Reichstagen angewandte Arbeitsmethode
Aufihluß gab. Auch wurde der Fortgang der Arbeit durch
das taktvolle Benehmen erleichtert, welches die von der Re—
gierung ernannten „Sprecher“ an den Tag legten. Es waren
dies: der Yandmarjchall Baron Johann Morig Nordenftam,
ftelfvertretender VBorfigender im Okonomiedepartement des Se-
nats; der Erzbiichof Ed. Bergenheim; der Polizeibürgermeifter
von Wiborg, Robert Iſidor Orn; der Bauer Auguft Mäti-
peska aus Ruoveſi.
Die Wünſche, mit denen ſich die Bevölkerung in bezug auf
Verbeſſerungen auf verſchiedenen Gebieten des Geſellſchaftslebens
trug, fanden ihren Ausdruck in zahlreichen durch die Landtags—
abgeordneten überreichten Petitionen, von denen viele zwar
nur lokale Verhältniſſe betrafen, andere aber wichtige Prin—
zipienfragen berührten. Bei ihrer Behandlung traten nicht
ſelten Meinungsverſchiedenheiten zutage, indem die Konſer—
vativen dem Eifer der Reformfreunde einen Dämpfer aufzu—
ſetzen ſuchten; allein von einer eigentlichen Parteienſcheidung
war nichts zu merken. Beim Adel wurden von dem Lieute—
nant Guſtav Johann Silfverfvan und dem Bezirksrichter
Auguft Friedrich Yärnefelt Petitionen vorgelegt, denen zufolge
der Erlaß von Berordnungen über Zollauflagen künftig von
der Mitwirkung der Stände im Vereine mit der Negierung
Schybergfon, Geſchichte Finnlands. 39
610 Sechite Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland.
abhängig gemacht werden jolltee Bei den Debatten hierüber
in den verjchiedenen Ständen wurde dargethan, daß die Zoll
gejeggebung erjt im Gujtavianijchen Zeitalter Sache der Re—
gierung geworden jei, und daß bei SZollabgaben, gleichwie bei
anderen Steuern, das jtändijche Steuerbewilligungsredht in Kraft
treten müſſe. Einige Redner hoben jedoch hervor, daß die
Zölle, als von den rujfiichen Zollverhältniffen abhängig, ſchwer—
(ih von den Ständen geregelt werden könnten, und daß das
Recht des Monarchen durch Mitbeteiligung der Stände Eintrag
erleiden würde. Die Stände faßten bezüglich diejer Frage
abweichende Beſchlüſſe, jo daß eine Ständepetition überhaupt
nicht zujtande fam. Ebenſo wenig führten die Petitionen, be-
treffend eine Reform der höchjten Behörden jowie den Erlaß
einer neuen Nitterhausordnung, zu einem direkten Ergebnis.
Die Geiftlichfeit und der Bauernjtand beantragten in bejonderen
Petitionen die Anwendung des finnijchen Idioms als Kurial—
ſprache und in den gelehrten Schulen. Bemerkenswert war die
Debatte, welche beim Adel anläßlich der Petitionen entjtand, in
denen Landſekretär Aler. Bernd. v. Weißenberg und Profeſſor
Knut Felix v. Willebrand die Aufhebung der adeligen Standes-
privilegien, mit Ausnahme des Repräjentationsrechts, verlangten.
Der Senator Otto Reinhold v. Schulten meinte, die Auf:
bebung diejer Vorrechte jei mit der Niederreißung des auf der
Ständeeinteilung gegründeten Gejellichaftsgebäudes gleichbedeu—
tend, während die Petenten betonten, daß die Adelsprivilegien
infolge der inzwiichen eingetretenen Entwidlung der Gejell-
ihaftsverhältnijje eine Ungerechtigkeit jeien, welche die Stellung
der Ariftofratie eher jchwäche als jtärfe. Die Mehrheit des Adels
beichloß, daß eine Petition in obigem Sinne abgehen jolle. Obwohl
eine Maßregel jeitens der Regierung unmittelbar hierdurch nicht
veranlagt wurde, jo fann jene Petition doch als der Ausgangs:
' punkt für mehrere Reformen angejehen werden, welche den
Adel jeiner bejonderen Borrechte allmählich beraubten, jo 3.8.
des „Forum privilegiatum“, der Befreiung von verjchiedenen
‚ Abgaben jowie des Rechts, ausftehende Zinjen und Kontribu-
' tionen jelber von den Untergebenen auszupfänden. Eine Bro-
Die Wünſche des Landes und die Arbeiten feiner Vertreter (1863). 611
pofition, betreffend die Aufhebung des Rechts des Adels auf
ausſchließlichen Befig von Nittergütern, wurde vom Adel ge-
nehmigt (vgl. die Verordnung vom 2. April 1864).
Mehr als durch die Petitionen wurde das Nejultat des
Landtages durch die Negierungspropofitionen bejtimmt, welche,
nachdem jie von den Ständen mit größeren oder geringeren
Änderungen angenommen worden waren, umfaffende Reformen
auf mehreren Gebieten des gejellichaftlichen Lebens veran-
laßten.
Unter den Zweden, zu deren Ausführung die Regierung
Gelder von den Ständen begehrte, nahmen die Vollendung
der bereitS projeftierten Volksſchulorganiſation und die Er-
weiterung des begonnenen Eijenbahnneges den erjten Plag ein.
Die Stände bewilligten Mittel zur Beſoldung des Volksſchul—
lehrerperjonals, zum Unterhalte der Volksſchulſeminare, zur
Leitung des Volksſchulweſens jomwie zum Baue neuer Eiſen—
bahnen. Bon jümtlihen Ständen jollte bis zum nächjten
Landtag eine Einfommen- und Gewerbefteuer erhoben werben.
In bezug auf die übrigen Zeile des StaatsbudgetS war bie
Wirkjamkeit des Landtages noch von wenig eingreifender Natur.
Die finanzielle Yage des Staates wurde dem Staatsausſchuß
dargelegt, welcher jeinerjeitS eine Überſicht der Einkünfte feit
1860 ausarbeitete. Ausftellungen wurden vonjeiten des Aus-
ichuffes nicht erhoben; auch fam es bei den Ständen hinficht-
lich diejer Frage überhaupt nicht zu einer Diskujfion. Erſt bei
den jpäteren Yandtagen wurde der Einfluß der Repräjentation
auf die Regelung des Staatsbudgets durchgreifender.
Auch zur Verbeſſerung der wirtjchaftlichen Yage der Do—
nationsbauern in den Provinzen Wiborg und St. Michel begehrte
die Regierung Mittel. Auf Grund deſſen baten die Stünde
um eine Unterjuchung der Bejchaffenheit des Rechts der Dona—
tare auf jene Gehöfte. Da indefjen die Regierung hierzu nicht
ihre Zuftimmung geben wollte, jo rubte die wichtige Frage
bis zum nächjten Landtage.
Ferner beantragte die Regierung die Abjchaffung der
Branntweinbrennerei für den Hausbedarf und deren Erjegung
39*
612 Sechſte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland.
durch eine der Kontrolle und Befteuerung unterworfene Fabrif-
induftrie. Der Bauernjtand juchte fich jo lange als möglich
dieſer Veränderung zu widerjegen, mußte jedoch jchlieglich dem
von den übrigen Ständen ausgeübten Drucke weichen.
Das fommumale Yeben hatte fih in den Yandgemeinden
jeit dem 17. Jahrhundert im Zuftand vollfommenen Siechtums
befunden, und infolge dejfen war eine Menge wichtiger lofaler
Intereſſen vernachläffigt worden. Um den Sinn für Selbit-
verwaltung in den Gemeinden wieder wachzurufen, beantragte
die Regierung die Errichtung einer „Kommunalftimme“ (Ge—
meinderates) und eines Kommunalbeifiger-Kollegiums für jede
Gemeinde. Die Stände genehmigten in der Hauptiache den
Regierungsvorichlag, und durch Verordnung vom 6. Februar
1865 gelangten die noch heute gültigen Formen für das fom-
munale Leben in den Yandgemeinden zur Einführung.
Sowohl in der früher erwähnten Rede F. L. Schaumans
wie bei anderen Gelegenheiten hatte der Wunſch der Bevöl—
ferung nach Abjchaffung der Zenjur und nach einer gejeß-
lich bejtimmten Preßfreiheit Ausdruf gefunden. Auf Grund
dejjen legte die Regierung eine die Preßfreibeit betreffende
Propofition vor, worin veriprochen wurde, daß, wofern fich
die Stände mit der Regierung binfichtlich diefer Frage einigen
würden, das von ihnen ausgearbeitete Preßgeſetz bis zum
Schluffe des nächſten Yandtages die Kraft eines von Herrſcher
und Ständen fetgejtellten allgemeinen Geſetzes befiten jollte.
Die Stände beantragten in dem Negierungsentwurfe mehrere
Abänderungen, erflärten jedoch, fie wollten, wenn jene feine
Zuftimmung fünden, lieber den Entwurf in unveränderter
Geſtalt annehmen, als die bisher gültige Preßgeſetzgebung bei-
behalten. Infolge deffen wurde am 18. Juli 1865 ein Preß-
gejeg erlaffen, welches bis zum Scluffe des Yandtages von
1867 in Geltung war.
Bon Veränderungen, welche innerhalb der zivilrechtlichen
Geſetzgebung durch Zufammenwirfen von Regierung und
Ständen durchgeführt wurden, ift u. a. die Beſtimmung zu
erwähnen, daß eine Frau mit 25 Jahren mündig fein follte,
Kommunale, Preß-, zivilrechtliche, Münz- u. a. Reformen. 613
jedobh durch Anmeldung beim Gerichte ſchon mit 21 Jahren
für mündig erklärt werden könnte. Zugleich wurde durch ein
Geſetz vom 31. DOftober 1864 das Recht der Eltern, ihren
Töchtern das Eingehen einer Ehe zu unterjagen, für diejenigen
Töchter aufgehoben, welche das Alter von 21 Jahren über-
ichritten hatten. Ein Gejeg vom 19. Dezember 1864 ferner
verfügte die Einjegung von Bormundjchaftsfollegien zum Schutz
der Unmündigen und erleichterte die Verteilung der fejten und
beweglichen Habe. Ein Gejeg vom 15. Januar 1866 jchließ-
ih organifierte die Gründung von Privatbanten.
Nach einer fiebenmonatlihen Dauer jchloß die Landtags:
jeffion am 15. April 1864, bei welcher Gelegenheit in der
von Kaifer Alerander unterzeichneten Schlußrede das bei Er-
öffnung erteilte Verſprechen, betreffend die Einberufung eines
neuen Landtages nach drei Jahren, wiederholt wurde.
In den nächjten Jahren wurde die Aufmerkjamteit des Pub-
likums befonders durch die Münzreform in Anjpruch genommen,
welde unter 9. W. Snellmans energifcher Leitung Schritt
vor Schritt ihren Fortgang nahm, bis jchließli die Ver—
ordnung vom 8. November 1865 das Metallgeld für das
einzige gejegliche Zahlungsmittel im Yande erklärte. Hierdurch
gewann das Geldweſen eine früher ungefannte Beftändigfeit.
Das Jahr 1864 brachte, auf Grund eines von dem Pro-
fefjor der Pädagogik, Zacharias Joach. Cleve (geb. 1820),
fowie mehreren Schulmännern ausgearbeiteten Entwurfs, bie
Stiftung einer ſchwediſchen Normaljchule in Heljingfors.
Dies war der Anfang zu umfaffenden Reformen im Elementar:
unterricht.
Am 1. Mai 1866 wurde der Generalgouverneur Ro—
faffowsti entlaffen und Graf Nikolaus Adlerberg (1866— 1881)
zu jeinem Nachfolger ernannt. Die liberale Strömung, welche
bis dahin am ruffiichen Hofe geherricht Hatte, begann in
diefer Zeit reaftionären Tendenzen zu weichen. Der Auf»
rubr, welcher 1863 in Polen ausgebrochen war, jowie Atten-
tate auf das Leben Aleranders verbüfterten die perjönliche
Stimmung desjelben. Inter dem Eindrud ſolcher Verhältniſſe
614 Sehfte Periode. Finnland während jeiner Bereinigung mit Rußland.
war Graf Adlerberg nicht geneigt, den freijinnigen Beftrebungen
in Finnland feine Unterftügung zu leihen.
Am 22. Ianuar 1867 traten die Stände von neuem zu—
fammen. Mehrere Petitionsanträge, teilmeife von umfafjender
Natur, wurden auch diesmal eingereicht; doch bildeten mehr als
auf dem Landtag von 1863/64 die Propofitionen der Regierung
den Hauptgegenftand der ftändifchen Beratungen.
Schon während des vorhergehenden Landtages hatte Kaiſer
Alerander ein Komitee einberufen laſſen, welches Entwürfe für
eine Verfaffungsreform jowie für eine neue Landtagsordnung
ausarbeiten ſollte. Der Vorſchlag des Komitees bezüglich einer
neuen Verfaſſung führte zu feiner Maßregel; hingegen wurde
ein von dem Komitee verfaßter Entwurf für eine neue Land—
tagsordnung den Ständen vorgelegt. Es fand fich darin Die
Beitimmung, daß fih die Stände jedes fünfte Jahr ober
aber, wenn e8 ber Kaiſer für gut befände, auch noch öfters zu
verjammeln hätten. Bon den übrigen Punkten ſei der Fort—
fall der bisherigen Klaffeneinteilung auf dem Nitterhaus er-
wähnt, welche feit langer Zeit von der Zeitftrömung für ver-
altet erklärt worden, aber noch auf den Yandtagen von
1863/64 und 1867 zur Anwendung gekommen war. Des-
gleichen wurde das Wahlrecht und die Wählbarfeit bei den
bürgerlichen Ständen bedeutend erweitert. Mancher Repräjen-
tant hätte noch größere Veränderungen gewünjcht; allein man
nahm von Forderungen Abftand, durch welche die Enticheidung
verzögert und die Hauptjache, die Periodizität der Landtage,
aufs Spiel hätte gefetst werden fünnen. Am 15. April 1869
wurde die Landtagsordnung nebft den von den Ständen ein-
gefügten Änderungen, und zwar mit der Gültigkeit eines
unumftößlichen Grundgejeges, beftätigt und von dem gejamten
Bolfe, welches darin eine neue Bürgſchaft für die fonftitu-
tionelle Zukunft Finnlands erblictte, mit Jubel begrüßt. Im
Zufammenhang mit der Landtagsordnung wurde am 21. April
1869 eine neue Ritterhausorbnung erlaffen.
Der Entwurf zu einem neuen Sirchengejege, ftatt des
veralteten von 1686, welcher nach langwierigen Vorbereitungen
Der Landtag von 1867. 615
in der Hauptfadhe von F. 2. Schauman ausgearbeitet worben
war, wurde ebenfall® den Ständen vorgelegt und von dieſen
mit einigen Abänderungen angenommen. Das Sirchengeiek
vom 6. Dezember 1869 ſchuf in Geftalt der „Kircheniunode“
eine befondere Repräſentation für die Kirche und bewirkte die
Einführung einer neuen Organijation bei den Konfiftorien der
Bistümer. Im Zuſammenhang hiermit wurde der Elementar-
unterricht der Firchlichen Verwaltungsiphäre entzogen und einer
befonderen Behörde überwiejen.
Die feit dem vorhergehenden Yandtage ruhende Frage,
betreffend die Donationsgüter in Oftfinnland, wurde wieder
aufgenommen. Die Regierung verlangte nämlich Geldmittel,
um für Rechnung des finnischen Staates die Donationsgüter in
den Provinzen Wiborg und St. Michel anzufaufen und ben
Bauern das Eigentumsrecht für ihre Geböfte zu verjchaffen.
Die Stände genehmigten zu diefem Zwed die Aufnahme einer
Staatsanleihe von 4 Millionen (finnische) Marf. Die joge-
nannte „Donationsfrage* bat jpäter allmählich ihre Löſung
dadurch gefunden, daß die Bauern unter gewiffen Bedingungen
die Gehöfte vom Staate einlöften. — Die von den Ständen
auf dem Yandtage von 1863/64 berechneten Steuerjummen
waren zum großen Zeile nicht eingefommen und infolgedejjen
die projeftierten Eifenbahnbauten nicht zur Ausführung gelangt.
Nunmehr aber beantragte die Regierung den Bau einer Linie
Riihimäki-Petersburg, und die Stände wiejen die hierfür er-
forderlihen Mittel an. Die Arbeit an bdiefer neuen, langen
Eijenbahnlinie begann im Februar 1868 und war im September
1870 vollendet. Die ruffiiche Etatöverwaltung übernahm ein
Drittel der Anlagefoften; doch wurde die Bahn unter finnifche
Leitung geitellt. Im Jahre 1882 löfte der finnische Staat den
ruffiihen Anteil an der Bahn ein.
Die Frage, betreffend die Teilnahme der Stände an ber
Verwaltung der Finnifchen Banf, war wegen mangelnder
lbereinftimmung zwifchen der Regierung und den Ständen
auf dem Landtage von 1863/64 ungelöft geblieben. Jetzt end»
lich wurde fie durch Verorbnung vom 9. Dezember 1867 dahin
616 Sechſte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland.
entichieden, daß die Stände vermittelft der von ihnen gewählten
Bankbevollmächtigten das Aufjichtsrecht über die Thätigfeit der
Bank fowie das Verfügungsrecht über die Banfüberjchüffe
erbielten.
Die Prozegordnung wurde, fraft Verordnung vom 27. April
1868, durch Abſchaffung der ftädtijchen Untergerichte und der
Dberlandesgerichte vereinfacht. Desgleichen befreite ein Erlaß
vom 24. Yebruar 1868 Handel und Gewerbe von einer Menge
bemmender Gejegbeftimmungen.
Endlih beantragte die Regierung ein neues Preßgejek,
welches, wie das frühere, proviſoriſch fein und verjuchsweije
bis zum 1. Januar 1869 gelten jolle. Später werde es
von der Haltung der Prefje abhängen, ob Seine Kaiſerliche
Majeftät die Verfügung weiterbejtehen lafjen oder aber für
gut befinden wolle, wieder von Seinem vollen Recht Gebrauch
zu machen und inbezug auf Ordnung und Beauffichtigung der
Prefje allein Seine Verordnungen zu treffen. Anläßlich diefer
Propofition, welche im übrigen mehrere für die Prefje gefähr-
lihe Abänderungen der Beitimmungen des Gejekes von 1865
enthielt, entjtand inſonderheit beim Adel eine lebhafte Debatte,
in deren Verlaufe ſich u. a. der Profeffor der Yurisprudenz,
Rob. Aug. Montgomery (geb. 1834), Ernft Linder und Robert
Lagerborg (1835— 1882) für Verwerfung der Propojition aus—
ſprachen, während andere, zum Beiſpiel J. W. Snellman, aus
Zwedmäßigfeitsgründen die Annahme befürworteten. Das
Refultat war in allen Ständen verneinend, weshalb die noch
heute gültige „Verordnung über die Preßangelegenheiten in
Vinnland“ vom 31. Mat 1867 auf abminiftrativem Wege von
der Regierung erlaſſen wurde.
An demjelben Tage wurde der Landtag aufgelöftl. In der
vom Generalgouverneur verlefenen Schlußrede beklagte Kaiſer
Ulerander, daß bei einigen wichtigen Fragen bezüglich feiner Ab-
fihten Mißverftändniffe entjtanden jeien, weshalb er zu Maß-
regeln babe jchreiten müfjen, die er gern zu vermeiden gewünſcht
hätte.
In diejer Zeit hatte Finnland eine der härteſten Kriſen
Die Prefverorbnung von 1867. Die Not im Winter 1867/68. 617
durchzumachen, von denen e8 je betroffen worden war. Schon
in mehreren vorhergehenden Jahren, bejonders 1865 und 1866,
batten jchlechte oder fehlgejchlagene Ernten die Hoffnungen des
Landmannes zu Schanden gemacht. Nun folgten ein kalter,
langer Winter und ein Fühler, regnerijcher Sommer. In der
Nacht zum 4. September 1867 trat im ganzen Lande Froft
ein, welcher die im Wachstum zurüdgebliebenen Saaten ver-
nichtete. Die Bemühungen des Staates und vieler Privat:
perfonen, der drohenden Hungersnot vorzubeugen, erwiejen
fih um jo vergeblicher, als der frühzeitige Beginn des
Winterd den Getreidetransport zur See unmöglich) machte.
Der Chef der Finanzverwaltung, I. W. Snellman, juchte durch
Anordnung öffentlicher Arbeiten den Notleidenden Hilfe zu
ihaffen, und der Staat kaufte große Quantitäten Getreide
auf, namentlih zur Verteilung in den nördlichen Provinzen.
Trogdem ftieg die Not unabläſſig. Scharen von Bettlern
durchzogen das Land, und ihnen auf dem Fuße folgte der ge—
wöhnliche Begleiter der Hungersnot, eine verheerende Typhus—
epidemie. Wie jehr fich die Bevölferungsziffer verminderte,
gebt daraus hervor, daß Finnland Ende 1865 noch 1843000,
Ende 1868 hingegen nur 1736000 Bewohner zählte. Glück—
licherweije fiel die Ernte 1868 reichlich aus.
Im Sommer 1868 erbat und erhielt der Finanzchef I. W.
Snellman jeinen Abjchied, weil er den vom Generalgouverneur
Graf Aolerberg warm befürworteten Bau der Cijenbahn
Petersburg-Riihimäfi für unzwedmäßig angejehen hatte. Ob—
wohl er während jeiner Laufbahn als Staatsmann mit vielen
Schwierigfeiten hatte kämpfen müffen, war ihm doch die Durch»
führung wichtiger Reformen gelungen ?).
Ein Erlaß vom 24. November 1869 verordnete Die durch
Trennung der Schule von der Kirche nötig gewordene Errich-
tung einer Schuloberbehörde. Den Boften eines Borfigenden
erhielt Freiherr Kaſimir v. Kothen (1807—1880), welcher
1) Bgl. über Snellmann bie bis 1855 reichende Schrift: „Johan
Vilbelm Snellman, tecknad af Tb. Rein“, Bd. I (Helfingfors, 1895).
618 Sechſte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland.
früher Gouverneur der Provinz Wiborg jowie Senator gewejen
war, zulett aber ein Amt in Rußland befleivet hatte. Gleich—
zeitig (1869) wurde derjelbe Univerſitäts-Vizekanzler. Unter
feiner Leitung fam die jeit Anfang der jechziger Jahre ange-
bahnte Reform des Glementarunterrichts in ein fchnelleres
Tempo und fand ihren Abſchluß mit der noch heute gültigen
Schulordnung vom 8. Auguft 1872, welcher zufolge Knaben:
fchulen (Lyeeen und Realjchulen) in vermehrter Anzahl und
mit neuen Pehrplänen errichtet wurten. Seine eigenmächtige
Handlungsweije erregte jedoch auf vielen Seiten Unzufrieden-
beit. Äußerungen, welche auf dem Yandbtage von 1872 gegen
ihn laut wurden, veranlaßten denn auch Ende 1873 jeine
Abberufung aus Finnland. — Ein Erlaß vom 28. Juni 1870
verfügte die Organijation eines ftatiftiichen Bureaus, beffen
eriter VBorfteher KarlEm. Ferdinand Ignatius (geb. 1837) wurde.
Auf der am 6. Februar 1872 eröffneten und am 16. Juni
desjelben Jahres gejchloffenen Ständeverfjammlung machte fich
die vielfach hHerrichende Unruhe durch Petitionen bemerkbar,
welche jedoch im allgemeinen nicht zu den gewünjchten Ergeb-
niffen führten. Die Stände baten um Vorlegung eines Preß-
gejeßentwurfs; allein die während des Yandtages von Kaiſer
Alerander erteilte Antwort lautete ablehnend. Bei allen
Ständen wurden Petitionen eingebracht, welche das Recht der
Stände zur Beteiligung an der Schulgejeßgebung ſowie den
Aufichub der im Gange befindlichen Reorganijation des Schul-
wejens betrafen; aber die Regierung verfagte ihre Zuftimmung.
Von den Rednern, welche fich in diefer von dem Publikum mit
geipannter Aufmerkjamfeit verfolgten Frage gegen das beftehende
Schulregime äußerten, jeien I. W. Snellman beim Adel, 3. 2.
Schauman bei der Geiftlichkeit, fowie Agathon Meurman (geb.
1826) beim Bauernftand genannt. Ein von Leopold Mechelin
im Bürgerſtand vorgelegter Petitionsentwurf, welcher die Be-
teiligung der Stände an der Regelung des Staatsbudgets
forderte, wurde von dem Petenten zurücigezogen, nachdem ber
Landmarſchall fowie die „Sprecher“ der Geiftlichkeit und bes
Bauernftandes eine Vorlegung der Petition verweigert hatten.
Der Landtag von 1872. Graf Armfelt ftirbt (1876). 619
Ebenjo wenig führte das Verlangen des Landtages nah Er-
richtung eines bejonderen Höchſten Gerichtshofes zu einer
Maßregel jeitend der Regierung. Doch wurde anläßlich diefer
Petition der Profurator angemwiejen, über Handhabung der
Rechtspflege und der Gejete den Ständen auf jedem Landtage
Bericht zu ertatten.
Unter ven von der Regierung proponierten Gejeten, welche
das Ergebnis der Arbeiten des Landtages bildeten, ift an
alfererjter Stelle der Erlaß vom 8. Dezember 1873 über die
ſtädtiſche Kommunalverwaltung zu nennen, welchem zufolge nach
dem 1. Januar 1875 der Kommunalrat oder Stabtverorbnete
an die Stelle der bisherigen Stabtälteften traten. Auch das
Anjuchen der Regierung um Bewilligung von Geldern zur
Anbahnung von Reformen auf dem Gebiete des Gefängnis-
wejend wurde genehmigt. Werner trat ftatt des Seegejetes
von 1667 am 9. Juni 1873 ein neues Seegejek in Kraft.
Endlih garantierten die Stände eine Staatsanleihe zum Bau
einer Eifenbahnlinie Tawaftehus-Tammerfors-Abo, welche im
Sommer 1876 dem Verkehr übergeben wurde !).
Im Januar 1876 ftarb Graf Alerander Armfelt, welcher
während eines Zeitraumes von 34 Jahren die Intereffen
Finnlands vor dem Herricherthrone geſchickt vertreten hatte.
Sein Nachfolger wurde Freiherr Karl Knut Em. Stjernvall-
Walleen (1806 — 1890), welcher jeit 1857 den Poften eines Ad-
junften des Minifterftaatsfefretärs bekleidet und bei den Reformen
mitgewirft hatte, die anfangs der fechziger Jahre zur Durch—
führung gelangt waren. — Gleichfalls 1876, im Sommer,
wurde in Helfingfors eine allgemeine finnische Induſtrieaus—
ftellung eröffnet, welche in erfreulicher Weife von dem wirt-
ſchaftlichen Aufſchwung Finnlands zeugte.
Am 27. Januar 1877 verfammelten fih die Stände
wiederum zu einem Landtage, welcher, unterbrochen durch bie
1) Ungefähr zu bderfelben Zeit wurben aud zwei von Privatgefell-
haften erbaute Eifenbahnen eröffnet: 1873 die Linie Hangö-Hypinge und
1875 bie Linie Kervo-Borgä. Die erftgenannte Linie ging 1875 durch
Ankauf in den Bejit des Staates über.
620 Sechſte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland.
Sommermonate, bis zum 24. Januar 1878 währte Unter
den von der Regierung eingebrachten Gejegesvorjchlägen war
diesmal der wichtigfte eine Propofition, welche die Reform
des finnijchen Verteidigungsweſens betraf.
Die während des Krimkrieges errichteten Miliz. Bataillone
waren 1867 aufgelöft worden, und feitvem bildete wieder das
finnische Gardebataillon in Helfingfors Finnlands einzige mili—
tärifche Truppe. Die Veränderungen in der Militärorganijation,
welche inzwijchen in faſt jämtlichen Staaten Europas vorge-
nommen worden waren, erbeijchten indefjen nunmehr auch
höhere militärifche Anftrengungen von finnifcher Seite. Unter
ſolchen Umſtänden beantragte die Regierung die Errichtung
einer neuen finnijchen Armee auf der Grundlage der allgemeinen
Wehrpflicht. Einige Redner in den Ständen waren allerdings
der Meinung, daß die Miliz-Armee, wenn auch in ver:
änderter Geftalt, wieder errichtet werden müffe, oder daß Die
Entſcheidung der wichtigen Frage einen Aufjchub bis zur
fünftigen Ständeverjammlung erfahren folle. Allein die meijten
befürworteten den Regierungsvorjchlag, welcher in allen Ständen
in der Hauptjache genehmigt wurde. Nach dem Wehrgejek
vom 27. Dezember 1878 find alle finnischen Bürger zwijchen
21 und 40 Jahren zur militärijchen Dienftleiftung bei den aktiven
Truppen, bei der Rejerve oder bei der Landwehr verpflichtet.
Durch Auslojung wird beftimmt, welcher Wehrpflichtige aftıv
dienen fol. Die aktive Wehrpflicht währt drei Jahre, fann jedoch
auf Grund bejonderer Umſtände gefürzt werden. Das Friedens-
fontingent der aktiven Armee wurde auf 5000 Dann fejtgejeßt.
Wie ſchon ©. 606 erwähnt, hatte der perjönliche Einfluß I. W.
Snellmans den Erlaß der Sprachenverorbnung vom 1. Auguft
1863 erwirkt. Bett beantragte nun der Geſchichtsprofeſſor
Georg 3. Forsman, der Yandtag möge Kaijer Alerander bitten,
daß dem Senat anbefohlen werde, unverzüglid Maßnahmen
zu treffen, durch welche „die Rechte der finnischen Sprache“
jpäteftend 1883, wie die finnische Sprachverordnung dies zu—
gefihert habe, bei den Gerichten und Behörden zur vollen
Geltung fommen fönnten. Der Adel und der Bürgerftand
Der Landtag von 1877. Das Wehrgeſetz. Forsman. 621
verwarfen dieſe und andere gleichartige Petitionen, aber bie
Geiftlichkeit und der Bauernftand bejchloffen, ihre Wünfche in
diefer Hinfiht dem Monarchen beſonders vorzutragen. Im
anderen Petittionsentwürfen verlangten Freunde der finnijchen
Sprache die Vermehrung der Anzahl von Clementarfchulen
mit finnischer Unterrichtsiprache, indem fie hervorhoben, daß
fih derartige Schulen nur in Iyväskylä, Kuopio, Joenſuu
und Tawaftehus befänden, während mehrere Provinzen folcher
Schulen völlig entbehrten. Nach heftigen Debatten ergab fich
ichließlich eine Mehrheit für eine Stände-Betition, deren Inhalt
im wejentlichen folgender war: Der Unterricht in der zweiten
Landesiprabe auf den Glementarjchulen fei mit größerem
Nachdruck als bisher zu betreiben, u. a. durch ihre Anwendung
als Lnterrichtsiprache in einigen Gegenftänden auf höheren
Klaffen; auch müßten in Orten mit finnischer Bevölkerung
finnifche, in folchen mit ſchwediſcher Bevölkerung ſchwediſche
Schulen errichtet werden, fowie außerdem in größeren Städten
und in Städten mit gemifchten Sprachverhältniffen Schulen
beiderlei Art beftehen. Auf Grund diefer Petition wurde ein
Sculfomitee eingejegt, welches 1879— 1880 tagte; allein bie
Vorſchläge desjelben, welche auf eine durchgreifende Reform
der Schulorganifation ausgingen, wurden nicht genehmigt.
Hingegen erfolgte unter Berufung auf die Hußerungen des
Landtages in mehreren Städten die Gründung von privaten
finnifchen Lyceen, welche fpäter der Staat übernahm. Die”
Folge hiervon war ein lebhafter Andrang vonſeiten ver Parid-
benölferung zu der gefehrten Schule und zur Univerfität.
Bei der Behandlung dieſer Fragen hatte es fich heraus:
geftellt, einen wie großen Einfluß die „fennomaniſche“ Partei
unter der Peitung des damaligen (feit 1863) Univerſitäts—
profejfors und jpäteren (feit 1882) Senators, Georg 3. Fors-
man (geb. 1830; unter dem Namen Yrjö-Koskinen 1884
in den Adelftand erhoben), errungen hatte. Dies veranlaßte
ihre Gegner, fich ebenfall® in Parteigruppen zufammen-
zufchließen. Die „liberale Partei” fchrieb auf ihre Fahne
die Arbeit für das gemeinfame Vaterland, unbejchadet der
622 Sechſte Periode. Finnland während feiner Vereinigung mit Rußland.
Sprachverjchiedenheiten, und entwidelte ihre Prinzipien 1880
in einem Programm, deſſen DVerfafjer der damalige (1874 bis
1882) Univerfitätsprofejjor des Staatsrechts und jpätere (1882
bi8 1891) Senator 2. Mechelin (geb. 1839; 1876 in den Abel-
itand erhoben) war. Die „ſuecomaniſche Partei”, deren Mit-
glieder oft nach einer ihrer Zeitungen „Wikinger“ genannt
wurden, betrachteten die Aufrechterhaltung des ſchwediſchen
Kulturelements in Finnland als ihre Hauptaufgabe. Seit
diejer Zeit nahm die Spracenfrage die Aufmerkſamkeit des
Publifums mehr und mehr in Anjpruch.
Auch jonft find einige weitere Gejege von allgemeiner Be-
deutung als Frucht des Landtages von 1877/78 zu erwähnen.
Dur Berordnung vom 20. März 1879 wurde das Yandtags-
wahlrecht im Bürgerjtand auch auf andere ftädtifche Bürger,
ald Gewerbetreibende ausgedehnt. Ein Erlaß vom 27. Juni
1878 erteilte, unbejchadet jonftiger ſtandes-, ſtadt- und land»
rechtlicher Beltimmungen, Männern und Frauen gleiches Erb-
‚ und Chegüterreht. Durch Verfügung vom 31. März 1879
\ erhielt jeder männliche und jeder weibliche finnijche Bürger die
| Bereitigung zur freien Ausübung jeder Profejjion. Ein
Erlaß vom 17. März 1879 machte die Regelung der Armen-
verjorgung von den freien Anordnungen der Gemeinden ab-
bängig. Schließlich trat an die Stelle der bisherigen Silber-
währung die Goldwährung; eine Maßregel, welche teils durch
den jinfenden Wert des Silbers im Vergleich mit dem Golde,
teil8 aber auch dadurch veranlaßt wurde, daß mehrere
Yänder, mit denen Finnland in Handelsbeziehungen jtand, zur
Goldwährung übergegangen waren. Nach Genehmigung der be—
treffenden Regierungspropofition vwonjeiten der Stände jowie
nach Anordnung der erforderlichen worbereitenden Schritte be=
ſtimmte ein Erlaß vom 9. Auguft 1877, daß das Münzwejen
Finnlands fortan auf Gold als einzigen Wertmejjer gegründet
jein jollte.
Auf wirtjchaftlichem Gebiete begann mit dem Jahre 1869
eine Periode reicher Entwidelung infolge einer Reihe von guten
Ernten jowie vorteilhaften Konjunkturen, infonderheit beim Holz-
Die Fennomanen, Liberalen und Suecomanen. 623
handel. Zur Förderung der Landwirtſchaft trug die immer
größere Ausdehnung der Viehzucht wejentlich bei. Der Han-
delöverfehr mit dem Ausland jtieg während bes Zeitraums
1870—1882 von 124,9 auf 286,92 Millionen (finnifche) Mark,
indem fich der Import von 74,9 auf 167,05 und der Export
von 50 auf 119,87 Millionen vermehrte). Neue Kredit:
einrichtungen waren: die „Nordijche Aftienbanf für Handel und
Induftrie“ (1873) und die „Waſa-Aktienbank“ (1879). In dein
Polytechnifchen Inftitut, welches bereits früher gegründet war,
aber erſt 1879 jeine endgültige Organifation erbielt, erjtand
eine Hochſchule für techniiche Berufe. Behufs Förderung des
Kunftgewerbes erfolgte 1871 die Stiftung einer Kunſthand—
fertigfeitsjchule (slöjdskola), welche u. a. unter Leitung Profeffor
Karl Guftav Eftlanvers jtand und 1875 in die Hände des „Ber:
eins für Kunftfleig in Finnland“ überging. Desgleichen wurden
in verjchievenen Städten Induſtrieſchulen errichtet. — Die
Staatsjchuld, welche fih Anfang 1881 auf 65 Millionen (fin-
niſche) Mark belief, war größtenteild zum Bau von Eijen-
bahnen verwendet worden.
Auf dem wifjenjchaftlichen Arbeitsfelde nahm die Thätigfeit
in ziemlich unveränderter Richtung, aber mit beträchtlich ver-
mebrten Arbeitskräften, ihren Fortgang. Von philojophiichen
Schriftjtellern find K. G. Th. Rein (geb. 1838) und A. W. Bolin
(geb. 1835) zu nennen, von denen der leßtere u. a. die Abhand-
lungen: „Yubwig Feuerbach, jein Wirken und feine Zeitgenofjen“
(Stuttgart, 1891) und „Spinoza. Ein Kultur- und Yebens-
bild“ (Berlin, 1894) veröffentlichte. Des hiſtoriſchen For—
ihers und Verfaſſers G. 3. Forsman, deſſen „&ejchichte
Finnlands“ 1874 auch in deutſcher Überjegung erjchien, ift
bereits früher (S. 620f.) gedacht worden. Jul. Leop. Friedr.
Krohn (1835— 1888) leiftete als Dichter in finnischer Sprade
(unter dem Pjeudonym Suonio), als Bublizift, als Überjeger
jowie als Litterarhiftorifer Bedeutendes und war u. a. ber
Begründer der vergleichenden Kalewala-Forſchung. Ebenſo
1) Fr. Neovius, Finlands utrikeshandel och tullinkormster,
in: „Finsk Tidskrift“ XXIII, 253 (Helfingfors, 1887).
624 Sechſte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland.
fönnen Otto Donner (geb. 1835) und Arel Olof Freuden-
tbal (geb. 1836) als namhafte finnijche Vertreter der ver-
gleihenden Sprahforihung genannt werden. Karl Guſt.
Eftlander (geb. 1834), der Verfaſſer der Schrift: „Geſchichte
der bildenden Künfte* (1867), wirkte al8 Kunſthiſtoriker und
Krititer. Die mathematijche Forſchung beſaß einen ausgezeich-
neten Vertreter in Yorenz Leonh. Yindelöf (geb. 1827). Hervor-
ragende naturwiffenjchaftliche Gelehrte waren der aus Stod-
bolm gebürtige Bryologe Sertus Otto Yindberg (1835 — 1889),
fowie die Ärzte Jak. Aug. Eitlander (1831— 1881) und Otto
Ed. Aug. Hjelt (geb. 1823), von denen letterer eine Gefchichte
der Naturwiffenichaften und eine der Medizinalverwaltung ver:
öffentlichte. Nils Adolf Erich Nordenjtjöld (geb. 1832), welcher
in Finnland feine Yaufbahn begann, jpäter jedoch nach Schwe-
den überfiedelte, erwarb fich als geographiſcher Entdeder einen
Weltruf. Schließlich jei erwähnt, daß 1862 die „Juridiſche
Bereinigung”, 1870 die „Vereinigung für finnifche Altertümer“,
1875 die „Finniſche Hiftorifche Gejellichaft“ und 1885 die
„Schwedijche Fitteraturgejellichaft in Finnland“ gegründet wurde.
Innerhalb der Schönlitteratur berrichten noch lange die Tra-
ditionen der vorhergehenden Epoche, an allererjter Stelle ver:
treten durch 3. Topelius junior, welcher nach wie vor als Lyriker,
Novellift und Kinderjchriftteller eine große Produktivität ent-
faltete. Von Dichtern in ſchwediſcher Mundart ſeien die Pyrifer
Anders Theod. Yindh (geb. 1833), Karl Rob. Malmftröm (geb.
1830) und Wild. Gabr. Yagus (geb. 1837) genannt, von
denen letterer auch als Dramatiker, Yitterarbiftorifer und
Geichichtsforjcher thätig war. Raphael Hertberg (geb. 1845)
machte fich als Überjeger von Gedichten, namentlich finnischen
Volfsliedern, einen Namen. Als Dramatifer und Roman:
ichriftjteller in finnischer Sprache ift Aleris Stenvall (1834
bis 1872), welder unter dem Pjeudonym Kivi jchrieb, er:
wähnenswert. Das nationalfinnifche Theater, welches 1872 in
Helfingfors durch Karl Bergbom gegründet wurde, bejaß in
Ida Aalberg (geb. 1858) eine Schaufpielerin von bedeutendem
Ruf. Der Bauer P. Pätvärinta (geb. 1827) verfaßte Schil-
Wiſſenſchaft, Pitteratur und Kunft (1870/95). 625
derungen aus dem Leben des gemeinen Mannes. Bedeutende Ver:
treter des neueren jozialen und realiftifchen Romans waren neben
dem nationalfinniſchen Schriftjteller Johann Brofeldt (geb. 1861;
Pjeudonyin: Abo) die beiden ſchwediſchen Verfaffer Karl Aug.
Tawaſtſtjerna (geb. 1860) und Johann Jakob Ahrenberg (geb.
1847), von deren Werfen einige auch im deutſcher Sprache
erichienen find. Beſonders vielfeitig war Karl Eollan (1828
bis 1871), welcher nicht nur als Publizift und als Überfeger
von Gedichten ind Schwediiche, jondern auch als begabter
Liederfomponift eine lebhafte Thätigkeit entfaltet. - Auf Ini—
tiative des Komponiften Martin Wegelius (geb. 1846) wurde
1882 das „Mufifinftitut“ zu Helfingfors gegründet.
Nicht minder nahmen die bildenden Künfte nunmehr einen
bedeutenden Pla innerhalb des Bildungslebens der Nation
ein. Hervorragende Künftler waren: die Yandjchaftsmaler Berndt
Adolf Lindholm (geb. 1841) und Magn. Hialmar Munſterhjelm
(geb. 1840); die Hiftorien= und Genremaler Eric) Joh. Föfgren
(1825—1885), Adolf v. Beder (geb. 1831), Karl Emanuel
Jansſon (1846— 1874), Alb. Guſtav Ariftives Edelfelt (geb.
1854), Gunnar Berndtſon (1854—1895) und Arel Gallen
(geb. 1865); die Bildhauer Karl Äneas Sjöftrand (geb. 1828
in Stodholm), Walt. Magn. Nuneberg (geb. 1838) und W. Wall:
gren (geb. 1855).
In dem Kriege von 1877/78 gegen die Zürfei nahm die
fumifshe Garde mit Auszeichnung an dem Kampf auf ber
Balfanhalbinjel teil; aber im übrigen wurde durch ben Krieg
eine Störung in den Berhältniffen Finnlands nicht veranlaßt.
Nah Beendigung des Krieges nahm die nihiliftifche Bewegung
in Rußland immer größere Dimenfionen an, bis ihr jchließlich
der Kaijer felbft zum Opfer fiel. Am 13. März 1881 wurbe
Alerander II. in Petersburg ermordet. In dankbarer Erinnerung
jeines Wirfens wurde ihm auf Veranlaffung der Stände 1894
in Helfingfors ein von Nuneberg verfertigtes Denftmal errichtet.
Schybergſon, Geſchichte Finnland, 40
626 Sechite Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland.
4. Überblick über den Entwickelungsgang Finnlands feit 1881 ').
Es ift Sache der künftigen Gejchichtichreibung, eingehender
zu jchildern, wie das jetst lebende Gejchlecht jeine Aufgabe er—
füllt und für das Wohl des Vaterlandes gewirkt hat. Hier
follen nur die wichtigften Fakta aus der neueften Gejchichte
Finnlands angeführt werden.
Am 14. März 1881 unterzeichnete Alerander III, Ale—
randers II. Sohn und Nachfolger, jeine „NRegentenverjicherung“
für die Bewohner Finnlands. In demjelben Jahr erbielt der
Generalgouverneur Graf Aodlerberg jeinen Abjchied, und an
feine Stelle trat Graf Feodor Heiden. Auch der Mintjter-
jtaatsjefretär Stjernvall-Walleen nahm 1881 feinen Abjchied,
worauf Baron Theod. Bruun (1822— 1888) zu jeinem Nach—
folger ernannt wurde. Nach feinem XQode bekleidete dieſen
Poften anfangs der bisherige Adjunft des Miniſterſtaatsſekretärs,
General Joh. Kafimir Ehrnroth (geb. 1833), ſowie nach deſſen
Verabſchiedung (1891) jein Adjunkt, General Waldemar Karl
v. Dähn. Ebenfall8 1891 erfolgte die Auflöfung des Komitees
für finnische Ungelegenheiten in Petersburg. Schließlich fei
erwähnt, daß 1882 jowohl der Führer der „fennomanijchen“
Partei, Nrjö-Kosfinen, wie auch der liberale 2. Mechelin als
Mitglieder in den Senat berufen wurben.
Die Frage, betreffend die offizielle Stellung der finnijchen
Sprache, wurde, ohne Mitwirfung der Stände, durch einen
Erlaß vom 29. Dezember 1883 entjchieden, welcher verfügte,
daß amtliche Ausfertigungen vonjeiten der vorgejegten Behörden
und Gerichtshöfe an die betreffenden Prozefjierenden in der—
jenigen Sprache zu gejchehen haben, in welcher das Protokoll
bei den Kommunalverhandlungen des betreffenden Ortes ge-
führt wird. Cine jpätere Verordnung vom 4. April 1887
beftimmte, daß fich die niederen Behörden bei Führung der
Protofolfe und bei der Korreiponden; mit anderen Amts—
1) Bgl. Ed. Bergh, Finland under det första ärtiondet af kejsar
Alesander IIIs regering (Helfingfors, 1893—1894).
Aleranders III. Regierungsantritt (1881). 627
gewalten der „kommunalen Sprache“ des betreffenden Ortes
bedienen jollen. Die höheren Behörden dürfen hingegen bier:
bei eine der beiden Yandesiprachen, ganz nach Belieben, wählen.
Da der in der Yandtagsordnnung vorausgejette Zwiſchen—
raum von fünf Jahren für allzu groß befunden wurde, um
die Kontinuität in der Wirkſamkeit der Stände aufrecht zu er—
halten, jo wurden während der Kegierung Aleranders III. alle
drei Jahre (1882, 1885, 1888, 1891 und 1894) Stände:
verfammlungen abgehalten. Die Fragen, welche auf ihnen zur
Entfcheidung gelangten, waren im allgemeinen nicht von jo
durchgreifender Art wie diejenigen, welche auf den vorher:
gehenden Yandtagen vorgefommen waren; doch führte jeder
Yandtag zu bedeutenden Fortjchritten im der Geſetzgebung und
der wirtjchaftlichen Entwidelung ').
Auf Fonftitutionellem Gebiet ift zu erwähnen, daß ben
Ständen das Recht bewilligt wurde, Motionen, d. 5. völlig
ausgearbeitete Gejeßesvorjchläge, einzubringen. in diesbezüg—
licher Antrag war bereit8 1882 eingebracht worden; doch
wurde die Frage erjt auf dem Yandbtage von 1885 definitiv
entſchieden.
Der Entwurf eines Geſetzes für Diſſidenten, welches durch
das Kirchengeſetz von 1869 erforderlich geworden war, bildete
auf mehreren Ständeverſammlungen Gegenſtand der Beratung,
bis ſchließlich die Stände 1888 in der Hauptſache eine von
der Regierung ihnen vorgelegte Propoſition annahmen, welche
den Diſſidenten Religionsfreiheit, wenn auch in ſehr begrenzter
Form, gewährte.
Die Organiſation der Armee erfuhr auf dem Landtag von
1888 eine Erweiterung durch Annahme eines Regierungs—
entwurfs, betreffend die Errichtung einheimiſcher Kavallerie.
Gleichzeitig wurde das Friedenskontingent der Armee auf 5600
Mann erbößt.
Die Ausdehnung des Eiſenbahnnetzes nahm einen beträcht-
1) Über die Handelsbeziehungen zwiſchen Deutſchland und Finland in
ben Jahren 1885—1894 vgl. Beilage II.
40 *
63 Sechfte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland,
lichen Zeil der Zeit und Fürjorge der Stände in Anſpruch.
Auf dem Landtag von 1882 beſchloß man den Bau einer von
der Wajalinie abzweigenden Bahn nach Uleiborg, welche 1886
fertiggeftellt wurde. Die Linie Tammerfors-Waſa gelangte 1883
zur Eröffnung. Der Yandtag von 1885 bewilligte Mittel für
eine Bahn zwifchen der Petersburger Yinie und Kuopio, welche
1889 dem Berfehr übergeben wurde. Auf dem Landtag von
1888 endlich befürworteten die Stände den Bau der Yinten
Wiborg- Sorbavala - Ioenjun und Qammerfors - Björneborg,
welche 1894 und 1895 eröffnet wurden. Die von den Stän—
den garantierte Staatsjchuld hat fich durch diefe Kommuni—
fationsanlagen nur unbeträchtlich vermehrt, da lettere größten-
teil8 aus den gemachten Erjparnifjen beftritten wurden.
Auch einige Mafregeln zur Entwidelung der Bildungs-
anftalten find der Einwirkung und Thätigkeit der Stände zu
verdanken. Ein Erlaß vom 23. Auguft 1883 verfügte Die
Gründung von Neallyceen mit dem Recht zur Erteilung des
Abiturientenzeugnifjes. Ferner erfolgten die Reorganijation der
Mädchenjchulen, die Errichtung von mehreren neuen Mädchen:
ichulen mit finnischer Unterrichtsiprache jowie die Stiftung
zweier weiblichen Fortbildungsjchulen in Heljingfors, die eine
mit fchwedifcher, die andere mit finnijcher Unterrichtsiprache
(Verordnung vom 27. Nov. 1885). Die Auffiht über die
Altertumspentmäler des Yandes wurde 1884 einer archäologi-
ihen Kommiſſion ſowie dem Staatsarhäologen Johann Rein:
hold Aspelin (geb. 1842) anvertraut.
Eine Reform von tief einjchneidender Bedeutung bildete der
neue Strafgejegentiwurf, welcher nach langwierigen vorbereiten-
den Arbeiten dem Yandtag von 1885 vorgelegt, damals jedoch
nicht bi8 zum Ende durchberaten wurde. Im Jahre 1888
wurde er von den Ständen von neuem geprüft und darauf an—
genommen; allein gerade als das Gejeg veröffentlicht werden
follte, erhob der rujjiishe Senator N. ©. Tagantzew von rujjiich-
ftaatsrechtlichem Gefichtspunft aus Einwände gegen basjelbe,
und die Folge hiervon war eine erneute Prüfung des Geſetzes
durch eine Konferenz, welche unter dem Vorſitz des ruſſiſchen
Der Strafgefeßentwunf (1885/94). Ruſſiſche Polemit. 629
Juſtizminiſters Manaſſein tagte und aus ruffifchen wie finni-
ihen Beamten bejtand. Das Gutachten der Konferenz veranlaßte
ein Manifeft vom 13. Dezember 1890, woburd das neue
Strafgejeg juspendiert wurde. Auf den Landtagen von 1891
und 1894 genehmigten die Stände einige Abänderungen bei
den Punkten, gegen weldhe Ausftellungen erhoben worden waren;
worauf das Geſetz jchlieglih am 21. April 1894 von Raijer
Alexander III. fanftioniert wurde.
Dieje Schwierigkeiten bei der Strafgejeßfrage hingen mit
den Angriffen zufammen, welche die mächtige ruffiiche National»
partei damals gegen Finnland richtete. In mehreren rujfiichen
Blättern erjchienen Artikel gegen Finnland, welche bald bie
Aufhebung der von Alerander I. der finnischen Nation gewähr:
leifteten VBerfaffung und inneren Selbjtändigfeit forderten, bald
wiederum zu beweijen verjuchten, daß Alerander I. dem er-
oberten Lande nur eine gewiffe abminijtrative Autonomie babe
einräumen wollen.
Die finnischen Zeitungen ſäumten nicht, diefe Anfälle zurüd-
zuweifen, und die Zeitungspolemif fand ihren Wiederhall auch
in ber ausländijchen Preſſe. Mehrere deutjche Blätter äußerten
ſich mißbilligend über die Angriffe der ruffischen Preſſe gegen
Finnland. Auch publizierte der engliſche Geſchichtsſchreiber
E. 4. Freeman in „Macmillans Magazine“ (Mär; 1892)
eine wertvolle Brojchüre zur Verteidigung der beftehenden fin-
nischen Staatsorganijation.
Nachdem einer der Anhänger der ruffiichen Nationalpartet,
K. Ordin, 1889 fein jchon früher von uns citiertes Buch:
„Finnlands Eroberung“ veröffentlicht hatte, nahm die Polemif
einen mehr wifjenjchaftlichen Charakter an. Jene Arbeit ent:
behrt im ftiliftifcher Hinficht Feineswegs des Verdienſtes und
enthält zudem teilweife neue Materialien zur Beleuchtung der
politifhen Stellung Finnlands in den Jahren 1808 und 1809;
allein ihr tendenziöjer Zwed tritt überall zutage, namentlich
bei der Behandlung des Borgaͤer Yandtaged. Zur Widerlegung
bes Ordinſchen Buches gab der Heljingforjer Univerfitätsprofeffor
der Gefchichte, Joh. Richard Danieljon (geb. 1853), 1890
630 Sechſte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland.
eine (auch insg Deutiche und Engliſche überjegte) Broſchüre:
„Finnlands Bereinigung mit dem Ruſſiſchen Reiche“ heraus
worin er mit Schärfe die Oberflächlichfeit und Falſchheit der
Auffaffung Ordins darlegt.
Bereitd 1886 hatte der Senator X. Mechelin in der Arbeit:
„Precis du droit public du grand-duche de Finlande“* von
der finnischen Staatsverfafjung eine gedrängte Schilderung
gegeben, welche er jpäter (1889) in dem Werke: „Das Staats:
recht des Großfürftentums Finnland“ (Marquardſens „Hand-
buch des öffentlichen Nechts der Gegenwart in Monographieen“ )
weiter ausführt. Die von Mechelin gegebene Definition Finn—
lands als eines mit Rußland in einer Realunion vereinigten
Staates wurde von ruſſiſchen Staatsrechtslehrern, u.a. Korkunow,
welche Finnland als eine bloß privilegierte ruſſiſche Provinz
bezeichneten, lebhaft angegriffen. Als ein bedeutender Beitrag
von finnischer Seite im Berlaufe diefer Diskuffion ift die Arbeit
des Stantörechtslehrers Profeffor R. Hermanjon (1892) zu
nennen, welcher auf Grund der neueren jtaatsrechtlichen For—
Ihungsmethode Finnlands Selbjtändigkeit ald Staat nachweiit.
"Auch von der Negterung wurde die Frage, betreffend bie
Staatsverfaffung Finnlands jowie deffen Stellung zu Rußland,
erörtert. Im Jahre 1885 erfolgte unter dem Vorſitz A. B.
v. Weigenbergs die Einſetzung eines aus finnischen Mitgliedern
bejtehenden Komitees behufs ſyſtematiſcher Zujammenftellung
der auf Finnlands ftaatsrechtliche Verhältniffe bezüglichen Be:
jtimmungen ; doch wurde der von diejer Kommiſſion ausgearbet-
tete Entwurf für eine finnijche „Regierungsform“ xujfiicher:-
feit8 verworfen. Ferner legte in einem „Örundgejegkodififattong
fomitee “, welches 1891 unter dem Präfidium des früheren
ruſſiſchen Finanzminiſters Bunge in Petersburg tagte und aus
rufjjischen wie finnijchen Beamten beſtand, der Generalgouverneur
Graf Heiden ein „Reglement für die Provinzen des Groß—
fürjtentums Finnland“ vor, welches eine volljtändige Nicht:
beachtung der politischen Berfaffung Finnlands bedeutete.
Im Januar 1890 erging die Bekanntmachung, daß Kaijer
Alerander die Ernennung von drei verjchiedenen, aus finnt-
Finnland Staat oder Provinz ? 631
ihen und ruffischen hohen Beamten zufammengejegten Kommiſ-—
jionen anbefohlen babe, welche unter dem Vorſitz des Grafen
Heiden Vorſchläge ausarbeiten jollten, in welcher Weije das Boft-,
Zoll-e und Münzwejen Finnlands mit den entjprechenden Ein»
richtungen im Kaiferreich in Übereinftimmung gebracht werben
fünnte. Dieje Maßregel erregte bei dem finnijchen Volke die
peinlichjte Unruhe, welche noch dadurch vergrößert wurde, daß
der Yandmarjchall und die „Sprecher“ des Yandtages von
1888 nicht empfangen wurden, als fie fih im Mat 1890 in
Petersburg einfanden, um Kaiſer Alexander die in Finnland
berrichenden Beſorgniſſe auseinanderzujegen. Die Beratungen
der drei Kommijfionen begannen unmittelbar. Die Refultate
der Thätigfeit der Poſtkommiſſion traten in einem Manifeſt
vom 12. Juni 1890 zutage, welches bejtimmte, daß „die Lei-
tung des finnischen Poftwefens bei dem Minifterium des Innern
im Saijerreich ſowie bei der Oberbehörde für Poft und Telegraphie
ihren Konzentrationspunft haben ſoll“. Gleichzeitig erhielten
Senator 2. Mecdelin und ber Profurator A. B. v. Weißenberg,
welche insbejondere jene Maßnahme abzuwenden verfucht Hatten,
auf Wunſch ihre Entlafjung und empfingen vonfeiten der Bevöl—
ferung zahlreiche Beweife der Sympathie. — Die Thätigfeit der
übrigen Kommijfionen führte nicht zu dDurchgreifenden Maßregeln.
Als die Stände im Januar 1891 zufammentraten, unter:
ließen fie es nicht, bei dem Monarchen im Hinblid auf bie
im Lande berrjchenden Befürchtungen vorftellig zu werden. In
den Reden, mit denen der Landmarſchall Viktor v. Haart-
man (1830—1895) und die „Sprecher“ der drei bürgerlichen
Stände die kaiſerliche Begrüßungsrede beantworteten, betonten
fie, daß die legtverfloffenen Jahre für das finnifche Volk eine
Zeit der Bekümmernis und unerwarteter Prüfungen gewejen
jeien. Daß der Kaiſer auf dieſe Äußerungen Gewicht legte,
ging daraus hervor, daß der „Sprecher" des Bauernjtandes,
Karl Joh. Slotte, auf Grund eines vom Monarchen geäußerten
Wunſches den Auftrag erhielt, über die Urfachen der bei beim
gemeinen Manne berrichenden gedrückten Stimmung einen aus-
führlichen Bericht zu erjtatten. Slotte verfaßte Hierauf eine
632 Schite Periode. Finnland während jeiner Vereinigung mit Rußland.
in offenem, loyalem Tone gehaltene Erklärung, welche zur Folge
hatte, daß den Ständen fpäter ein vom 28. Februar 1891
datiertes Kaijerliches Reſtript übermittelt wurde, welches vie
Gemüter zu beruhigen fuchte.
In Petitionen entwidelten die Stände die Wünſche des
finniſchen Volkes Hinfichtli der Ordnung des finnischen Poſt—
und Zollwejens. Anläßlich des Poftmanifejts baten die Stände,
baß der Kaifer „geruben möge, durch eine gnädige Verord—
nung zu erklären, daß das finnische Voll auch inbezug auf das
Poftweien des Landes fein im Grundgejeg gewährleiftetes, von
den Monarchen des Reiches befräftigtes Recht einer Verwaltung
durch eigene Amtsgewalten genießen ſoll“. Inbetreff des Zoll-
wejens petitionierten die Stände, daß „die durch Grundgeſetz
feftgeftellte eigene Verwaltung des finnijchen Zollweſens bei—
behalten werden, jowie daß das finnifche Volk nach wie vor im
Genuß eines feinen Bebürfniffen und feiner Steuerfraft an-
gepaßten Zolltarifs bleiben möge“.
Obwohl durch dieje Petitionen feine unmittelbaren Schritte
der Regierung veranlaßt wurden, jo übte doch das ebenjo be-
jcheidene wie entjchlofjene Auftreten des Yandtages auf den Gang
des Fonftitutionellen Konflikts einen jo bedeutenden Eindrud aus,
daß eine für Finnland vorteilhaftere Wendung eintrat.
Bezüglich der oben erwähnten Grundgeſetzkodifikationsfrage
bejchloffen die Stände 1894 die Abjendung einer Petition an
ben Kaiſer, worin fie um die ungefchmälerte Beibehaltung
der grundgejegmäßigen Berfaffung baten.
Am 1. November 1894 ftarb Alerander III. in Yivabia.
Sein Sohn und Nachfolger, Nikolaus II., unterzeichnete ‚am
6. November 1894 feine „Regentenverficherung“ für die Be—
wohner Finnlande, worin er, gleich feinen Vorgängern, gelobte, er
wolle „die Religion und die Grundgejege des Landes befräftigen
und beftätigen, ſamt den Privilegien und echten, die ein jeder
Stand in bejagtem Großfürftentum infonderheit und alfe feine
Bewohner im gemeinen, jowohl höhere wie niedere, bisher nach
ber Verfaſſung dieſes Landes genofjen haben“.
Nitolaus II. (ſeit 1894). 633
Wir ftehen am Endpunfte unjerer Schilderung der Gejchichte
Finnlands. Das finnische Volk ift nicht jelbjtändig anderen
Völkern gegenüber aufgetreten und bat auch nicht in den all
gemeinen Gang der Entwidelung entjcheidend eingegriffen. Aber
e8 hat Einöden urbar gemacht, fein Vaterland verteidigt, da—
jelbft für die Leuchte der Bildung Bahn gebrochen jowie
freie bürgerliche Institutionen gegründet. Seine allerdings noch
jugendliche ftaatlihe Organijation hat fi, getragen von dem
Patriotismus der Bevölkerung, lebenskräftig gezeigt und wird
mit der fortdauernden Entwidelung der geiftigen wie materiellen
Hilfsquellen des Landes noch größere Feſtigkeit gewinnen.
Beilage 1.
Deutſche Ausgaben der Schriften von Ioh. Ludw. Kuneberg
1
13)
und Dad). Topelius junior.
(Vgl. ©. 588.)
Die wichtigften Überfeßungen der Werte Nuncbergs find folgende:
Epifhe Dichtungen. Aus dem Schwebiichen überjeht von Wol—
rad Eigenbrodbt. Mit Einleitung, Anmerkungen und biblio-
grapbifchen Anbang; 2 Bände (Halle, 1891).
Die Könige auf Salamis. Traueripiel, übertragen von Her—
mann Paul (Helfingiors, 1869).
) Die Könige auf Salamis. Überfegt von W. Denhardt
(Yeipzig, 1875).
Der Weibnahtsabend. Gedicht. Deutfche Überfegung von
8. E. Elfjtröm (Wiborg, 1852).
Der Weibnahtsabend. überſetzt von E. F. N. (Helfingiers,
1870).
Hanna. Ein Gedicht, Überfegt von Johann van der Smiifen.
(Mitau, 1850).
Hanna. Epiiches Gedicht, überfett von A. Kluge Deſſau, 1877).
König Fjalar. Epos in 5 Gefängen. Deutfh von Ida Meves
geb. Lappe (Leipzig, 1877).
' Kann nicht! Familienbild in 2 Aufzügen. Ins Deutfche über:
tragen von 8. E. Elfftröm (Wiborg, 1863; 2. Aufl. 1871).
Das Grab von Perbo. Epifches Gedicht in 2 Gefängen, über:
jet von 8. E. Elfftröm (Helfingfors, 1845).
Nabeihda. Aus dem Schwebifhen von Selma Mobnite
(Leipzig, 1867; 2. Aufl. Halle, 1879).
Fähnrich Stahls Erzäblungen. Ind Deutfche übertragen
von Charlotte v. Liebeherr (Roftod, 1884).
Didtungen Deutih von Hans Wadhenbuien. Bd. Iu. 11
14)
Beilage I. 635
(Leipzig, 1852). |Entbält: 1) Die Sagen bes Fähnrichs Stahl,
2) Nabeichba. |
Drei Picder aus „Fänrik Stäls sägner“. Ins Deutfche
überfeßt von ©. Borgftröm (Karlſtad, 1877).
15) Kleine Erzäblungen. Aus dem Schwebiiden von C. F. Schiri
(Leipzig u. Peſth, 1856).
16) Nordiſche Blüten. Aus dem Schwebifchen von Auguft Kluge
Deſſau. 1873).
17) Ausgewählte Gedichte. Deutih von M. Vogel (Leipzig, 1878).
18) Didtungen. Aus dem Schwebiihen von Ida Meves geb.
Lappe. 3b. I u. II (Stodbolm u. Yeipzig, 1852 u. 1853).
Bon den deutfchen Ausgaben der Schriften Topelius' find folgende
zu nennen:
1) Erzählungen und Abenteuer eines alten finnländifhen
Feldſcherers. Bd. I -II (Wurzen 1855).
2) Des Feldſchers Erzählungen. Erfter Zuflus. Guſtav Adolf
und ber Dreißigjäbrige Krieg (Leipzig, 1880).
3) Shwedifhes Märchenbuch. Deutih von Alma v. Pode—
wils (Wiesbaden, 1885).
4) Märden und Erzählungen für Kinder, überjett von. Febr
(Gotha, 1885).
5) Eine Reife in Finnland. Aus dem Schwedifchen überjeßt von
9. Paul (Helfingfors, 1885).
6) Jugendträume Aus dem Schwebiihen von DO. Gleiß (Güters-
ob, 1885).
7 Die Herzogin von Finnland. Aus dem Schwediſchen von
D. Gleiß (Gütersloh, 1885). |
8) Der Handfhuh des Königs. Bon DO. Gleiß (Gütersloh, 1886).
9) Das goldene Gefpenft. Aus dem Schwebifhen von DO. Gleiß
Gütersloh, 1886).
10) Bernas Roſen. Aus dem Schwediſchen von O. Gleiß (Güters-
(ob, 1887).
11) Die grüne Kammer auf Finnais Ans dem Schwediſchen
von D. Gleiß (Gütersloh, 1887).
Mr. 6—11 a. u. d. Titel: Aus bobem Norden. Bd. I—-VI (Gü-
tersloh, 1885 — 87).
12) Aus Finnland. Novellen, Studien und Schilderungen, überjeßt
von Elifabeth Longé. Bd. I u. 11 (Gotba, 1888).
Beilage 1.
Die Handelsbeziehungen zwiſchen Deutfdland und Finnland
in den Iahren 1885 —1894 ').
(Bl. ©. 627.)
— —
Finulands Einfuhr aus Deutſchland.
Prozentſatz der
Jahr. Sa in Marl ſinniſch. Zotaleinfuhr Finnlande.
1885—1889 | 31129000 27,8%
(durchſchnittlich) | durchſchnittlich) (durhfehnittlich)
1890 44 782 000 311%,
1891 46836 000 319%,
1892 42421000 | 29,1%
1893 36146 000 23,6’,
1894 | 49014000 35,3 %/,
Finnlands Ausfuhr nah Dentjchland.
Prozentfats der
Totalausfuhr Finnlands.
Jahr. Wert in Mark (finniich). |
|
1885—1889 | 6 326 000 | 127,
(durchſchnittlich)/ durchſchnittlich) durchſchmttlich)
1890 | 5987000 | 65%
1891 | 7313000 | 10%
1892 | 8.054.000
8,6%
1893 7844000 6,8%,
1894 | 8977000 6%
1) Nah einer Zufammenftellung im Statiftiihen Bureau zu Helfingfors.
»Perfonenregifter.
A.
Aalberg, Ida (fin. Schau- Ablavifit Okſanen), Auguſt
ſpielerin) 624 Engelbrecht (Prof. ber finn.
Abraham (rufj. Hauptmann) 18, ı Sprade u. Fitteratur) 502.
Achrelius, Daniel (finn. Prof. Abo f. Brofeldt.
d. flafj. Philologie und Dieter) Abrenberg, Johann Jakob (finn.
272, 273, Schriftfteller) 625.
Achrelius, Erich (finn. Prof. d. Aliander, Matthias (finn. Prof.
Medizin) 212. d.ruſſ. Sprache; Hiftoriter) 557.589.
Ahrenius, Abraham (Pfarrer Alanus, Georg (fin. Dompropft
u, nationalfinn. Dichter) 465. u. Prof. db. Botanit u. Phyſilk)
Adlerberg, Nikolaus, Graf(finn. 212, 264,
Gen.-Gouverneur) 613. 614.617. | Albrecht .. von Schweden)
626. 30-32. 70.
Adlerecreutz, KarlIobann (Gen. Albrecht (Herzogvon Preußen) 99.
Adjutant der finn. Armee; finn. Alerander je Newstij) (Fürft von
Staatsmann) 474. 475. 477 Nowgorod) 14.
478, 480, 482 —484,. 497. 498, | Aleranber]. (Zar von Rußland;
500. 504. 505. 508. 5655. Groffürft von Finnland) 452.
Adlerflug, Tunbelmann Edler v. 470—473, 478, 494. 508. 51D.
(ruſſ. Oberkommiſſar) 347. 519—521. 527-539, 541. 542,
Adolf Friedrid (König von 544 —546. 548, 549, 552. 5i4
Schweden) 372. bis 558. 560. 561. B64—560,
Aeimeläus, Nils (Propft; finn. , 576. 629.
Abgeordneter) 526. ‚ Mlerander 11. (Zar von Ruß—
Affled, Simon (Major; finn. land; Großfürft von Finnland)
Gutsbejiger) 283. 287. 288, 597—600. 603 - 606. 613. 614.
Alfren, Andreas (finn. Geiftl.) 304. 616. 618. 620, 625. 626.
Aizelius, A. E. (finn. Prof. d. Alexander II. (Zar von Ruß
Jurisprudenz) 572, ' land; Großfürft von Finnland)
Agricola, Midael (fin. Refor- 626. 627. 629—632.
mator, Biſchof u. Gelebrter) && Alexejew (rufj. General:Major)
7. 89. 94—9%. 178. 19%. 218. b01. 502.
Ahlman, Gabriel (finn. Afjeffor) Alformius(StatthaltervonNow-
437. 467. gorod) 18.
638
Alfred der Große (König von |
England) 3. 19,
Alfving (finn. Bermefjungsober:
direktor) 434.
Alm (finn. Bürgermeifter) 322.
Alopäus, David (rufj. Geiandter
in Schweden) 472, 491. 512.
Alopäus, Magnus (finn. Geift-
licher) 306.
Alopaus, Magnus Jakob (finn.
Biſchof) 462, 533.
(finn.
Staatsmann) 408. 433.
437. Daß. 508, D66. D69. 572. |
573.
Amnell, Iobann (finn. Propft u.
Abgeordneter) 323, 329, 332. 349,
Anckarſtröm, Iob. Jak. (Mörder
Guſtavs III) 432,
Andersfon, Holger 146,
Andrej Alerandrowitfe
(Fürft von Nowgorod) 15.
Ankarſtjerna ſſchwed. Admiral)
278. 279.
Apoltoff, _— (finn. Oberjt=
lieutenant) 277.
Aprarin, Feodor, Graf v. (ruſſ.
Oberadmirat, Statthalter in Finn-
land) 279. 280. 288. 290. 291,
298. 300.
Araltfhejew, Alexei, Graf v.
(uff. Kriegsminifter) 530.
Ardenbolk, Johann (finn. Hifto-
rifer) 333. 457.
Aren, Ei (finn. Oberpolizei-
Beamter) 494.
Argelander, 5. W. A. deutſch.
Armfelt,
| Armfelt,
Aminoff, Iobann Friedrih, Graf
Perionenregifter.
Prof. der Aſtronomie in Finnland)
575,
Alerander, Graf (finn.
Minifterftaatsielretär) 578. 600.
619.
Armfelt, Guftav Morik, Graf
(fhwed. General, finn. Staats—
mann) 408. 410. 412, 417. 430.
435. 452, 556 — 558. 5b6L. 5bD.
h66. 568. 578.
Karl Guftav (fin.
Gen.:Major) 278. 282. 285, 286,
288. 289. 291 —293. 295. 3u7,
Armfelt, Karl Guftav (fin.
General; Mitglied des Anjala-
Bundes) 409. 410. 412. 413.
Arppe, Adolf Eduard (finn. Che—
|
|
miler) 590,
Arieni (rufj. Mönd) 188.
Arwid Guftafsion j. Sparre.
Arwidsion, Aboli Iwar (finn.
Dozent und Schriftiteller, ſchwed.
Bibliotbefar; Hiftorifer) 570—574.
Arwidsion, Bengt ſſchwed.
Kriegshauptmann) 86.
Arwidsſon, Nils (ſchwed. Kriegs:
hauptmann) 85, 86,
Aſchelinus, Anders (national:
finn. Dichter) 273.
Aspelin, Iobann Reinhold (finn.
Staatsarchäolon) 628.
Asplund, Katharina (finn. Set:
tiererin) 468.
Avellan, Guftan Adolf (finn.
Schriftiteller) 592,
B.
Bäck, Baltzar (finn. Hauptmann)
Bagge, Jakob ſſchwed. Feldherr)
118.
Bagge, Per (finn. Hauptmann)
146,
Bagge, Sven Persion (finn.
Krieger) 147,
Bagration, Peter, Fürft (ruii.
Gen.:Lientenant) 476—478. 509.
Baner, Guſtav (Feldherr; ſchwed.
Neihsrat) 134.
Baner, Iſaak Nilsion 110.
Banker, Nils Estilsfon (Edelmann)
56. 57,
Barayguaybd'’Hilliers, Adille,
Graf (franz. Marichall) 596.
Barclay de Tolly, —
Si — en
B ai aifi, — OR. Architelt)
Be — Adolf v. (finn. Maler)
625.
Beder, Reinhold v. (finn. Adjunkt
d. Gefchichte) 570, 574,
PBerfonenregifter.
Behm, Iſaal (finn. Befehlshaber)
178
Benedikt (Herzog von Finnland)
22.
Bengts 4 on, Bengt(ichweb. Send:
bote) 53.
Bengtsfon,
mann) 46.
Bengtsfon, Dlof (Beichlsbaber)
238.
Berg, Friebrih Wilhelm Nembert,
Graf (finn. Generalgouverneur)
578. 600. 606.
Nils (finn. Edel:
Berg, Samuel Guftav (nationals
finn. Dichter) 592,
Bergbom, F. (finn. Prof. d.
Philoſ. u. Publizift) 570,
Bergbom, Karl
direftor) 624.
Berg — eim, Eduard (finn. Erz—
bifhof) 584. 609.
.. (ihwed. General:
abjutant) 496.
Bernabotte ſ. Karl XIV.
Sobann.
Berndes, Joachim (Kivländifcher
Edelmann) 187.
639
Bitz, Konrad | (finn. la
38. 40. 41, 44, 58. 64. bb.
Bjelfe, Erid Thuresfon (jchweb.
Neichsrat) 18.
Bijelte, Erich Thuresion
hbauptmann) 53—55. 65.
178.
Bjelke, Hogenitild, Freiherr
(ſchwed. Neichsrat) 127.
Bjelke, Nils (chwed. Reichsrat;
Gubernator in Finnland) 191.
204. 228,
Bjelte, Nils Thuresfon (Ober:
landrichter) 28. 30. 31.
Bjelte, Sten Thuresſon (Schloß—
hauptmann) 55.
| Bjelte, Thure ſchwed. Reichsrat)
(finn. Theater: 120.
Bijdrkavift, Anders (Kaplan;
nationalfinn. Schriftiteller) 46h.
Björnram, Guftav (finn. Aben-
teurer) 468.
Bijdrnram, Hans farsfon (finn.
Gubernator) 129. 130. 134.
Bjugg, Petrus (finn. Biſchof)
221. 240,
Bladh, Peter Johann (finn.
Berndtion, Gunnar (finn.Daler)
625.
Bernbard v.Clairveaur(Miy-
ftifer) 65.
Bertilsjon, Job.
mann) 126.
Beſtuſchew-Rjumin, Alexei,
Graf (ruſſ. Reichsvizelanzler) 341
Beſtuſchew-Rjumin, Michael,
(finn. Edel-
Kaufmann u. Abgeordneter) 44
533. DM 547, 550.
Bo Jonsfon f. Grip.
Böder, Karl Chriftian finn.
Nationalötonom) 575.
Bodis co (ij. General) 597.
Boije,
Graf — — in Schwe⸗
den) 333
Bibikow, — (ruſſ. Ges
neral) 508.
Bilmart, Johann (finn. Ge:
ſchichtoprof. ) 437. 456. 459.
Birger Jarl u. von Schwe⸗
ben) 14. 22.
Birger ——
von Schweden) 15.
2. Eric (finn. Oberlanbrichter)
84 Heinrich, senior (finn. Ober-
(andrichter) 38. 58, 66.
Big, Heinrich, junior (fin. Ober:
(andrichter) 46. 66.
(König
Böhme, Jakob deutſch. Philoſoph)
468,
Goran (finn. Edelmann
u. Statthalter) 135. 143. 188,
' Boije, Hans Heinrich (finn. Major)
361,
1 ı Boijev. Gennäs, Nils (finn.
Iwan (uff. Feldherr)
|
|
Edelmann, Gubernator u. Feld⸗
berr) 99. 118. 130.
Boije, Dtto (finn. Hauptmann
u. Abgeordneter) 373.
Boije, Otto Ehrifter (finn. Guts⸗
befiger; Mitglied des Anjala—
Bundes) 405, 421,
Boije,D. €. (finn. Landeshaupt⸗
mann) 389, 401.
Bolin, Andreas Wilhelm (finn.
Prof. d. Philoiophie) 623,
Bolgarsti (rufj. Staatsrat) 452.
Bonde, Guftav, Graf (Präfident
im ichweb. Bergtollegium) 315.
640 Perſonenregiſter.
Bonde, Karl, Graf (Landeshaupt⸗ Brofeldt |Aho], Job. national⸗
mann) 258. ı fin. Schriftſteller) 625,
Bonde, Karl Knutsfon j. Karl | Browallius, Job. (finn. Biſchof:
VIII. &nutsjon. Vrof. d. Phyſik: Abgeordneter)
Bonde, Knut Tordsfon (Schloß- 4545.466.
bauptmann) 36. Bruce (rufj. General) 281. 292,
Bonde, Tord Röritsfon (finn. 307.
Schloßhauptmann) 36, ' Bruce Graf (mij. Gen.-Gouver-
Bäng, Petrus (fin. Biichof) 27L neur in Alt⸗-Finnland) 447.
Bonsdorff, Evert Julius (finm. | Brummer, Martin (finn. Ober:
Anatom) 590. landrichter) 301.
Bonsdorff, Gabriel v. (finn. : Brundr, E&. J. W. v. (finn.
Prof. d. Medizin) 434. 437, 463, Prof. der Philologie) 590.
Bonsdorff, Iobann (finn. Prof. Bruun, Theodor, Freiherr vd.
d. Philologie) 573. ſinn. Minifterftaatsielretär) 626.
Bonsdorif, Job. Gabriel, Freie Budde, Jöns (Mönd u. Gelehr-
berrv. (finn. Staatstämmerer)582. , ter) 64,
Borgftröm, Erih (finn. Kaufe Bubbenbrod, Heinrih Magnus,
mann u. Abgeordneter) 526, Freiherr v. (ſchwed. Gen.Lieute⸗
Borgſtröm, Heinrich, junior (finn. nant) 3323.6335. 3315.. 342
Kaufmann) 601 343,
Boriſow (rufj. Felbherr) 28. Bulatow (ruf. Gen.Major) 481
Borufffin, Iwan (ruſſ. Bojar) | Bis 484. ,
116. Bunge (rufj. Finanzminifter) 630,
Bofin, Guſtav Friedrich finn. Burens, Andreas (jchrved. Kom:
—
Nichter) 303, miſſar) 184, \
Bätv. Flisbult, Peter Jins- Burgbaufen, Karl v. (finn.
fon (ſchwed. Neichsrat) 18, ' Major) 277.
Bousquet (ſchwed. Feldberr) 343. | Burmeifter, Chriftopb (finn.
Brahe, Ebba (Gemahlin Iatob Oberſt) 237. 238.
De la Gardies) 227, ' Bust, Benjamin (finn. Bauer u.
Brabe, Per Abrabamsfon, Graf | Abgeordneter) 366.
(finn. Generalgouvernenr und Bust, Joh. (finn. Schloßtomman=
Staatsmann) 204—211. 213 bis dant) 294.
215. 219, 220. 222—227. 229. Büttner, Michael v. (Oberfilieute-
230, 232—234. 237. 243. 247. nant) 344. ,
248. 252, 24. 260. 265. 366. Burbövben, Friebrih Wilhelm,
Bremer, 8. F. (finn. Bergwerls- Graf v. (xuſſ. Höchſtlomman—
478. 481. 482.
befiter) 434. bierenber)
Brenner, Elias (fin. Aſſeſſor; 485. 493—495. 503. 506. BOB.
Gelebrter) 273. 6. 517. 520 —522. 524—527.
Brinklala, Hans Gritsfon v. 0.
(finn. Befehlshaber) 167.
6.
(S. auch &.)
Eainberg, Erich (finn. Bild⸗ Ealirtus, Georg (deuti. Brof.
bauer) 595. d. Theologie) 213.
Sajan,Iobann Friedrid (national- ; Callia, Jakob (finn. Richter)
finn. Hiftorifer) 593. 303.
Cajanus, Jobann (nationaffinn. Calonius, Matthias (finn. Prof.
Dichter) 273. dr. Jurisprudenz u. Staatsprofu-
Perjonenregiiter.
rator) 434. 461—463. 516. 545. |
547. 559. 560.
Gampenhaujen, Baltbajar v.
(ruf. Gen.-Gouverneur in Finns
land) 347.
Canutus Jobannis
Geiſtlicher) 94.
Carelius, Nikolaus (finn. Biſchof)
220.
Carlborg, Heinrid Johann (finn.
Propft u. Abgeordneter) 360,
Carlſtedt, Jonas (finn. Bürger⸗
meiſter u. Abgeordneter) 526,
Carp, K. (finn. Hofgerichtsrat u.
Mitgl. d. Regierungskonſeils) 547.
Carpelan, Johann Friedrich,
Freiherr (finn. Landeshauptmann)
425. 426,
(finn.
Carpelan, Yars
richtsrat) 192.
Garpelan, Simon Wilhelm, Frei:
berr (finn. Land tmann)425.
Caftren, Matthias (fin. Propft
u. Abgeordneter) 526,
Caftren, Matthias Alerander
(Prof. d. finn. Sprade) 590,
(finn. Hofge-
Caveén, Guftav (finn. Geridhts-
beifiger u. Abgeordneter) 523.
624. 526.
Gebdbercreuß, Hermann, Baron
(ſchwed. Geiandter in Petersburg)
al
Gederbjelm, Germund, Freiberr
ſchwed. Hofgerichts = Präfident)
315
Gederfirröm, Dlof,
(ichiwed. Reichſsrat) 366.
Freiberr
Chonnert, Hans (finn. Kauf:
mann) 73.
Chonnert, Paul (Sohn d. Vo—
rigen)
Chrifter Nilsfon, f. Baia.
EhbriftianL von Dldenburg
{Unionslönig) 37—41. 66.
Chriſtian N. (Unionstönig) DL
57. 85. 86. 469.
Chriftine (Königin von Schwe—
— 203. 209. 218. 228 232,
EChriftopb von Bavern (Ani—
onstönig) 37. 66.
Chydenius, Anders (finn. Geift-
licher u. nat.=öfon. Publizift) 455,
Chydenius, Samuel (finn. Do-
Schybergſon, Geſchichte Finnlande.
641
zent d. Nationalötonomie) 374.
378,
455,
Elerd, Lorenz (finn. Landeshaupt⸗
mann) 292,
Clevberg [Edelcrank], Ab
rabam Niklas (finn. Dichter;
Dozent und Bibliothetar) 464.
Cleve, Zacharias Joachim (finn.
Prof. d. Pädagogik) 613
Collan, Fabian (finn. Hiſtoriker
589,
Collan, Karl (finn. Überſetzer u.
Komponift) 624,
Creutz, Ernſt Johann, Freiherr
(finn. Landeshauptmann) 244.
247.
Creutz, Guſtav, Graf (finn. Yan-
beshbauptmann) 353.
Creutz, Guftav Philipp, Graf
(finn. Dichter u. Staatsmann)
457,
Creutz, Johann, Graf (finn. Lan—
deshauptmann) 254. 289.
Ereuß, Karl Guftav, Graf (finn.
Abgeordneter) 550.
Creutz, Karl Johann, Graf (finn.
Major ıL Abgeordneter) 363
Creutz, Lars Maͤrtensſon (finn.
Edelmann u. Befehlshaber) 172
Creutz, Lorenz senior, Freiherr
(finn. Landeshauptmann) 244 bis
246. 248. 263
Creutz, Porenz junior, Freiherr (finn.
Landeshauptmann) 258. 263,
Erdell, Samuel (finn. Kammer:
fistal) '221—223. 235.
Eronbhjort, Abrabam (finn.
aaa u. Feldherr)
276.
Cronſtedt, Johann Adam, Graf
(Gen.:Major) 475, 477, 481.484,
498. 500. 501. 509-511.
Eronftebt, Karl (Gen. = fieu-
tenant) 331. 332.
Cronſtedt, Karl Dlof, Freiherr
(finn. Senator) 605.
Eronftedt, Karl Olof (finn. Ad⸗
miral) 475, 486. 488—490.
Erujell, Bernbard Heinrich (finn.
Komponift) 555.
Erufell, Samuel Guftav (finn.
Arzt) 590.
C gnäus, Friedrich (finn. Prof.
d. Aftbetif) 588,
41
42 Perſonenregiſter.
Cygnäus, Uno (finn. Paſtor u. | Eyprianus, Anbdreae (finn. Geift-
Bollsihul-Oberinfpeltor) 603, lider u. Senbbote) 50,
D.
Dähn, Waldemar Karl v. (ruſſ. | Dela Gardie, — Freiherr
General u. finn. Miniſterſtaats⸗ (ſchwed. Befboberf) 138,
felretär) 626. Didron, E. F. (finn. Beirks-
— Johann ſ. Stjern— richter) 388,
Dieln, Heinrih Klasfon (fin.
on, Johann Richard Oberlandrichter) 66.
(finn. Prof. d. Geichichte) 629. Dijeln, Yäppe Abrabamsfon —
De Bruce, Anders (finn. Oberft) Schloßhauptmann) 32. 33. 70.
398, Dijeln, Peter (finn. Schloßvogt) 39.
De Geer, Robert Wilhelm, Graf | Döbeln, Georg Karl v. (fin.
(finn. Yandeshauptmann, Mit- Oberft u. Patriot) 475, 478.
glieb d. Anjala-Bundes, Abgeorrd-> 482, 483, 498, 499, 505, 509,
neter u. Senator) 404. 421. 532.
547.
De Lacy, Peter, Graf (rufj. Feld»
marſchall) 335. 341. 345. 352,
514.
Donner, Dtto (finn. Prof. der
Philologie) 624,
Douglas, Guftav Dtto, Graf
De la Barre, Johann Reinhold (rufj. Gen.-Gouverneur in Finn
(finn. Gen.-:Major) 290, 291,293. land) 300, 302. 303. 312.
De la Gardie, Arel Julius, | Dryſell, Karl (finn. Gen.Kriegs—
= (ſchwed. Feldmarſchall) 248, lommiſſar) 315,
Duncker, Joachim Zacharias (finn.
De la Gardie, Jalob, Graf Hauptmann u. Patriot) 481.500,
(ichweb. Felbmarichall) 187. 227. |
De la Gardie, Johann, Freiherr |
188, |
bl.
' Dundas, Richard (engl. Aomiral)
598.
Edelcrank f. Elevberg.
Edelfelt, Albert Guftav Ariftides
(finn. Maler) 625.
Edelbeim f. Krogius, Ehrenſvärd, Auguſtin, Grai
Edner, Erich (finn. Ratsherr u. | (finn. Feldmarſchall; Ingenieur,
Ehrenftröm, Johann Albert
(finn. Patriot) 433. 556. 560.
Abgeordneter) 324. Patriot 2c.) 361— 364. 374— 376.
Ehrenmalm [Malm], Lars 378. 384. 386. 396. 429.
Johann (finn. Landeshauptmann) | Ehbrenjvärd, Karl Auguft, Graf
315. 320-322, 332. 349, 350. (finn. Admiral) 429,
357, 358. 366. 367. 370, 871. | Ebrnroth (finn. Oberſtlieutenant
429,
375.
Ehrenmalm, Samuel Magnus Ehrnroth, Johann Kaſimir v.
(finn. Hofgerichtsrat) 375. 434.528 (finn. Minifterftaatsielretär) 626.
Ehrenstjold, Nils (finn. Ad- | Ebhrjtrom, Erich Guftav (fin.
miral) 294, Univerfitätslebrer u. Publizift)
Ebhrenfparre (finn. Major) 342. | 571.
Ehrenftolpe (finn. Landeshaupt- | Ehrftröm, Friebrih Auguft (fun.
mann) 560, Komponift) 595.
Berfonenregifter.
Ehrftröm, Karl Guftav (fin.
Juriſt) 590.
Elman, Robert Wilhelm (finn.
Maler) 595.
Elimäus, Dlof ıfinn. Biſchof)
185. 196. 220.
Eliſabeth (KRaiferin v. Rußland)
337, 339. 345. 347. 404.
Elmgren, Sven Gabriel (finn.
Fitterar= u. Kirchenbiftorifer) 589.
Emine, R. (rmfj. Staatsrat u.
Zivilgouverneur in Finnland)
452. 476. 530. 557.
Enebjelm, Ber v. (fin. Oberft-
— u. Verſchwörer) 413.
Engel, Karl Ludwig (finn. Ardi:
telt) 564. 595.
Engelbredt Engelbrekts—
jon (ſchwed. Patriot) 36.
Engbien, Herzog von 47l.
Engman, Karl Magnus (finn.
Kaufmann u. Abgeordneter) 526.
Goleniuß, — (finn. Stu:
dent) 265. 274.
Erid der Heilige (König von
Schweden) 9. 10.
Erich XIII. (von Bommern)
(Unionstönig) 33. 34. 36. 66.
81. 83. 84,
Erid XIV. (König v. Schweben)
123— 132. > 138. 145. 150. 157.
Erich Arelsfon f. Tott.
— — — — — — — —
Erich Spensſon (fin. Wahl—
bifchof) 88. 20,
Erich Thuresion f. Bjelke.
Ericus Erici (finn. Bifchof)
142, 143. 154. 173, 179, 188.
195. 196. 220,
Eritsjon, Eric (finn. Setierer)
468,
Eritsfon, Jalob (finn. Seltierer)
468,
Ervajt, €. (finn. Bezirksrichter u.
Senator)
Effen, Dietrib Adoli v. (finn.
Kornett u. VBerihmwörer) 385, 405
422, 423. 427,
Effen, Georg Frombold v. (finn.
DOberlandrichter) 301,
Effen, Karl Guftav v. (fin, Prof.
d. Theologie) 594.
Eſſen, Karl Reinhold v. (finn.
Gutsbeſitzer u. Verihmwörer) 404.
Effen, Reinhold Wilhelm, Frei-
herr v. (fin. Landeshauptmann)
3u9, 310,
Eftlander, ‚Karl Guſtav (finn
Prof. d. Aſthetil) 623. 624,
Eftlander, Jakob Auguft (fin.
Prof. d. Medizin) 624,
Euler, Leonhard deutſch. Prof. d.
Matbematit) 457.
Euren, Guſtav Erich finn.
Sprachforſcher) 592,
Europäus, D. € D. (finn.
Spradforicher) 592.
F.
Fagerſtröm, C. J. (finn. Bür- Federley, Berndt (finn. Senator)
germeiſter u. Abgeordneter) 424. 605.
Fahlander (finn, Oberft) 492. Feregh, Joachim ſſchwed. Befehls:
507, ) 87.
Fahlenius, Jonas (finn. Biſchof)
349,
Fald, Andreas Heinrih (Abtei:
lungschef im finn. Senat) 579.
sallenberg, Karl (finn. Landes |
bauptmann) 255 - 257. 261.
Naltenberg, Melchior (finn. Lan—
desbauptmann) 204. 2UD,
Faltengren, Abrabam (jchwed.
Admiral) 334. 352.
Naporinuß,
finn. @eiftlicher) 218,
Gregoriug Matthiä |
Serien,
Fieandt,
baber)
Fermor, Wilhelm, Graf v. (ii.
General) 338. 339.
Arel, Graf v.
Staatsmann) 376.
(ſchwed.
Ferſen, Johann Reinhold, Frei—
herr v. (ſchwed. General) 253.
Johann Heinrich v.
(finn. Major) 286. 296,
Fieandt, Otto v. (fin, Oberſt⸗
504,
lientenant) 46. 498.
Fieandt, Dtto Karl (finn. Ad—
jutant und VBerichwörer) 428.
41*
644
Finde, Gödik (finn. Edelmann)
188,
Fincke, Götrik (finn Schloßbaupt-
mann) 161. 162. 172,
Finde, Guftav Götrilsion (finn.
Schlofbauptmann) 101. 103,
109—112. 114. 120. 130, 161.
Sinnberg, Guftav Wilbelm (finn.
Maler) 595.
Sinno ſ. Suomalainen.
Fleming, Erich (fin, Oberlanb-
vichter, Feldberr u. Neichsrat) 86,
87. 97—101. 104. 105. 109.
114,
Fleming, nn (finn. Sof:
gerichtsajjefjor) 192.
Fleming, Hermann Klasion,
Freiherr (finn. Gen.-Gouverneur)
244, 245.
Fleming, Hermann WPebersion
(finn. Feldherr u. Edelmann)
138,
Fleming, Iwar (fin. Edelmann
u. Felbberr) 87. 98. 100. 131.
Fleming, Joachim (finn. Edel—
mann u. Schloßhauptmann) 67.
98,
Fleming, Johannes (Dompropft)
30.
Fleming, Katbarina (Gemahlin
Klas Kurds) 67.
Fleming, Klas (finn. Edelmann)
67,
Nleming, Klas Erifsfon, Frei:
berr (ſchwed. Feldmarſchall u.
Reihsabmiral; finn. Oberbefehls-
baber) 128. 131. 147 — 158.
160. 161. 163—166. 168,
Fleming, Klas Hermansfon,
(finn. Yelbberr) 136. 154. 168.
Fleming, Klas Larson (finn.
Befehlshaber) 188.
Fleming, Lars —
(finn. Edelmann) 154.
Fleming, Lars Iwarsſon (finn.
Edelmann) 131.
sleming (finn. Oberft) 478.
Florinus, Heinrich (finn. Geift-
licher u. Schriftiteller) 274.
ra (Abgejandter aus Wisby)
Follingius, Peter (finn. Biichof)
133.
Perſonenregiſter.
Forbus, Arwid, Freiherr (finn.
Feldherr) 230,
Fordell, Hans (finn. Kaufmann)
157.
Fordell, Hans Hansion (finn.
Kaufmann) 157. 158.
Horfeen, Samuel (fin. Land—
jefretär i. Überfeter) 326.
Forſell v. Forſelles,, Jatob
(finn. Bürgermeiſter u. Abgeord—
neter) 359. 366. 387,
Forfius, Siegfried Aron (finn.
Afıronom) 179,
Forstäl, Peter (finn. Forſchungs—
reijender) 457,
Forsman |Mrjö-Kosfinen),
Georg Zacharias (finn Prof. d.
Geſchichte; Senator u. national
u Bolititer) 620. 621. 625.
Forften (finn. Bürgermeifter u.
Abgeordneter) 368.
Franzen, Franz Michael (finn.
Prof.; Biſchof u. Dichter) 434.
Fredenftjerna [Shük], Adam
(finn. Hofgerichtspräfident) 360.
Freederits, Andreas, Baron
(finn. Gutsbejiger) 450. 451.
Freeman, E 4. (engl. Prof. d.
Geſchichte u. Publizift) 629,
B reje, Jakob (finn. Dichter) 457.
reudenfelt (ſhwed. Gen—
Major) 352.
Freudentbal, Are Olof —
Prof. d. ſchwed. Sprade) 624
Friccius (rufj. Staatsrat) 557.
Friederite Dorothea Wil—
helmine [von Baden] (Ge—
mahlin Guſtavs 1V.) 470,
Friedrich L (König v. Schweden
322
Friedrich II. (König v. Preußen
359, 362, 372. 396,
Friedrich ILI. (Römiicher Kaiſer
58.
Friedrich Wilhelm Karl
v. Württemberg (ruij. Ge—
neralgouverneur in Alt-Finnland)
447.
Frille, Chriſtian (finn. Ober:
landrichter) 67.
Frille, Magnus (finn. Schloß⸗
hauptmann) 46. 52. 67,
Perfonenregifter.
Friefenbeim [Frifius], Hein-
le Landeshauptmann) 289.
Fröberg (finn. Oberft) 342.
Frölich, Karl, Graf(finn. Yandes-
hauptmann) 323, 355. 366.
Frofterus, 9. (nationalfinn.
Schhriftfteller) 465.
Sad, Hemming (ſchwed. Geift-
licher u. Staatsmann) 57.
Gadd, Karl Eduard (finn. Staats:
prohurator) 605,
Gadd, Peter Hadrian (finn. Prof.
d. Chemie) 366. 465. 456,
Gadolin, Guftav {finn. Prof.)
. 545,
Gadolin, Jalob (finn. Biſchof
und Profeſſor) 424. 434. 454,
462.
Gabolin, Jobann (finn. Prof.
d. Chemie) 434. 463. 533.
Galikin, Michael, Fürft (ruſſ.
Generalgouverneur in Finnland)
291. 295. 298—301. 303. 305,
306,
Gallen, Arel (finn. Maler) 625.
Sanander, GChrififried (finn.
Spradforfher u. Schriftfteller)
458. 461. 465.
. ‚Hans (finn, Befehlshaber)
German (ruſſ. Mönd) 183.
Gerngroß, v. (cruſſ. Oberſt)
Gezelius, Johannes finn. Bi—
ſchof) 310.
Gezelius senior, Johannes
(finn. Biſchof) 266—269. 573,
Gezelius junior, Johannes
(finn. Biſchof) 269—271. 283,
289. 304. 589,
— Hans (preuf. Sendbote)
Slanienftjerna,
bold (finn. Verſchwörer) 404,
421—423. 427,
Slinstoj, Michael (rujj Statt:
balter in Nomwgorod) 120.
Göransſon, Dlof (ichwed. Kom:
miffar) 176.
Lars Nein= |
Frofterus, Robert Balentin (fin.
Biſchof) 580,
Surubjelm, Harald Biktor (finn.
Senator) 605.
| Furumard (finn. Major) 511,
|
©.
Gottlund, Karl Are (finn.
Univerfitätsleltor und Publizift)
574.
Govansti (rufi. General) 241,
Graan, Johann (finn. Landes—
bauptmann) 247.
Grabbe, Nils en Feldherr)
86. 87, 97—99. 114,
Granfelt, Arel Friedrih (fin.
Prof. d. Theologie) 594.
Graf, Guftav (finn. Hofgerichts-
vizepräfident und Panbtagsmar-
ball) 249. 254.
Grave, Franz (Scloßlomman:
dant) 238.
Gregorius, Johannis (finn.
Geijtlicher) 50,
Gren, Magnus (Schloßhaupt-
mann) 65.
Grewe, Konrad (finn. Komponift)
9
Grip, Bo Jonsſon (Magnat und
Oberlandrichter) 31—33.
Gripenberg, Hans Heinrich
(finn. Gen.: Major) 478. 510.511,
Gripenberg, Johann (Kriegs:
lommiſſar)
Gripenberg, Karl
(finn. Major) 485.
Magnus
Grivenberg, Sebaftian (finn.
Cenator) 605,
Gripbufvud, Knut Bosfon
(Magnat) 33.
Grönblad, Jakob Eduard Auguft
(finn. Hiftoriter) 589,
Grönvall, Anders (finn. Aubdi-
teur und Kommiffar) 315.
Grotenfelt, Nils (finn. Öberit-
lieutnant) 257,
Grudzynska (poln. Gräfin, Ge:
mablin d. Großfürften Konftantin)
576,
646 Berjonenregifter.
Gummerus, Heinrich ._— Gplten, Clas Wilhelm (Chef d.
(finn. Geiftliher u. Patriot) 494, finn. Forftverwaltung) 602,
on L [Bafa] (König v. | Goldén, Nils Abraham (fin.
Schweben) 53.80. 85-88, 90-95. Prof. d. grieh. Sprade) 595.
97—100. 102—115. 117—124. | Gpldenftolpe, Karl Eduard
138. 143. 144. 150, 157. 193. (finn. Hofgerichtsrat n. Senator)
198. 316. 589. 633. 545. 547. 559.
Guftav Il. Adolf (König v. | Gyldenſtolpe [Berioniußj,
Schweden) 174. 180—182. 186 Michael (finn. Prof. db. Geich.)214.
bis 191. 193—19. 197. 198. | Gyllenbögel (finn. Hauptmann)
499.
200-202, 205. 218, 227. 228,
Guſtav III. (König v. Schweden) | Gyllenftjerna (Lanbesbaupt-
376. 384—393. 395—397. 401 mann) 333,
bis 419, 423. 424. 427—432. Gyullenſtjerna, Chriſtine (Ge-
457. 467. 468. 527. 564. mahlin Sten Stures junior) 57.
Guſtav IV. Adolf (König v. | Gpllenftjerna, Erih (Panbes-
Schweden) 334. 408. 432—434. bauptmanın) 205.
469—473, 476, 91. 495. 502 | ®pllenftierna, Göran (Felb-
bis 504. 507. 508, 519. 532, 566. berr) 120.
Guftav Erilsjon vgl. Gu=- | Gpyllenftierna, Johann (Ebdel-
ftav LWaſa. | mann) 333.
Guftav Guftanpsion, Graf Gyllenſtjerna, Nils Erilsion
228, | (Schlofhauptmann) 44. 45, 65.
Gutowski (finn. Oberft) 489,
Haapalainen (fin Bauern: | Hannilainen, Peter (nationals
anführer) 339. finn. Schriftfteller) 592.
Haartman, Jobann (fin. Prof. | Hänninen, Elias (finn. Seltierer)
d. Medizin) 455, 468,
Haartman en v.(finn. | Hans (Unionstönig) 51. 52,
Prof. d. Meb.) 463. 526, Hansfon, Dietrib (finn. Haupt-
Haartman, Karl her v. (finn. mann) 53. TL
Medizinaldireltor) 5IL Hare, Erich (finn. Befehlshaber)
Haartman,tars Gabriel, Freiberr 181.
v. (Bizepräfident im fin. Senat) | Härkänen, Matts (finn. Bauer
579. 581— 599. 60L u. Abgeordneter) 353, 354.
Haartman, Viktor v. (finn. | Härkäpäus, Eric (fin. Biſchof)
Fandtagsmarfchall) 631. 94. 139, 140.
Hagelftröm (rufj. Hofrat) 487, | Hartman, Gabriel Israel (fin.
Hagert, Gabriel (finn. Bürger: Univerfitätsbibliotbelar u. Pbilo-
meifter u. Abgeorbneter) 353. jopb) 434. 463,
6. 368. 374. Haffelbom, Nils (finn. Prof.)
Hagert, Thure (fin. Bürger:
321,
meifter u. Abgeordneter) 374. Häftefto, Jakob Henriksfon (finn.
Halon Maanusfon (König v. Gubernator) 126. 130,
Schweden) 28, Häfteito, Johann Heinrich (finn.
Hällſtröm, Guftao Gabriel (finn. Oberſt u. Verichtwörer) 411. 413.
Prof. d. Phyſik u. Abgeordneter) 417. 423.
434. 463, 533. Haftfehr, Berndt Johann ſſchwed.
Hällfiröm, Karl Peter (finn. Oberſt u. Berfchwörer) 4U9. 410.
Kartograpb) 460, 417. 420. 421. 425, 425.
Berfonentegifter. 647
Haufeen (finn. Bauernbaupt: | Hoffman, — (finn. Geiſt⸗
mann) 285 liher u. Gelehrter) 218,
HSauswolff, Hans Guftad v. | Holmberg, Werner (finn. Maler)
(finn. Major) 489, 59.
Haveman, Georg (Gelehrter) | Hoja, Johann, Graf v. ſſchwed.
273.
Hedber 8; — Gabriel (finn.
Propſt) 5
Hedman, Tlaubins ( (finn. Propft
u. Abgeordneter) 353.
Heiden, Feodor, Graf (finn.
Generalgouverneur) 626. 630,
631,
Heiling, Baron (ruf. Staats-
beamter) 557.
Heitus, Jakob Pälsion (finn.
Bauer u. Abgeorbneter) 349.
3b3. 366. 374,
Heinridifinn. Biichof) 10.77, 456.
Sei nrid (Graf v. Holftein) 27.
demming | (finn. Bifchof) 28. 30,
31, 35.
os Heinrih (fin.
Geiftliher und Gelebrter) 218.
Henrilsfon, — (ſchwed.
Kommiſſar) 184.
H riks er on, Dlof (ſchwed. Send:
bote) 127,
Herberftein, Freiherr v. (deutſch.
Staatsmann u. Hiftoriler) 20,
Hermanſon, R. — Prof. d.
Staatsrehte) 630.
Hermelin, Samuel Guftav,
— ſchwed. Kartograph)
H — 53 Raphael (finn. Schrift⸗
ſteller) 624.
Hertzen, Ernſt Guſtav v. (finn.
Major) 483.
Hipping, Anders Johann (finn.
Hiftoriter) 589.
Hifinger, Jalob Ra (finn,
Staatsmann) 558.
Hjärne, ©. N. (finn. a -
tenant u. Abgeorbneter) 373,
Hielt, Otto Eduard zen (finn.
Prof. d. Medizin) 624,
Hödert, Hermann (finn. Kauf:
mann u. Abgeordneter) 526.
Magnat) 97. 99. 101.
Horn, Amid Bernhard, Graf
(ſchwed. Staatsmann) 312. 315.
329. 333.
u in, are Gemahlin Stäl:
ande
Horn, Sn Karlsfon (jchweb.
Feldherr) 187. 235,
Horn, Göran Henrilsfon (finn.
Befehlshaber) 168,
Horn, Guſtav Evertsfon, Freiherr
(fin. Generalgouverneur) 232,
238. 239. 241. 242.
Horn,
Graf
(firn, Seldherr) 201. 229,
Horn, Heinrich (ſchwed. Reichsrat)
245. 2bl.
Guftav Karlsſon,
Horn, Heinrich Klasſon (Statt:
halter in Finnland; nn 99.
103. 109. 118. 124. 126.
191. 120. 181. 134. 185, 161.
|
|
|
I
|
| 1
| Horn, Heinrich Klasfon (finn.
Oberlandrichter) 38.
| Horn, Heinrih Klasfon (finn.
Magnat) 188.
Horn, Karl Henrilsion (finn.
Feldherr) 150. 151. 158.
154.
H J rn, Klas (fin. Oberlandrichter
Por Klas — (finn.
Oberlandrichter) 67.
Horn, Klas Kriftersfon, Freiherr
re Admiral u. Felbberr) 118.
124. 131.
Horn, —
Schloßvog t)
Horn, er — on (General⸗
— 188,
Hou ons berg (finn. Oberlandrichter)
Klasfon (finn.
| Huafer Israel (Prof. d. Med.)
648 Perfonenregifter.
J.
Idman, K. 3 (Auditenr; finn. — Anders Wilhelm (finn.
Staatsbeamter) 547, Prof. d. Theologie) 594.
Idman, Nils (finn. Propft u. Ingevaldefon, Name (finn.
Spracdgelebrter) 465. Shloßhauptmann) 30. 31.
Idriſi (arab. Schriftfteller) 1. Innocenz III. (Papft) 12.
Ignatius, Karl Emil Ferdinand | Iwan IIl. (Zar v. Rußland) 42.
(finn. Statiftiter u. Senator) 618. 45. 52. 189.
Ilkta [Ilffainen], Jalob (finn. | Iwan IV. (Zar v. —
Bauernführer) 160. 163, 114. 115. 120. 132, 137,
Ile, Salomon (finn. Schloß: | Iwan VI. (Zar v. Rußland)
bauptmann) 170—172. B:
Ingelet, Adam (finn. Hofge— | war Arelsfon, j. Tott.
richtsaſſeſſor) 315.
Jägerhorn, — Adolf . obansjon, Knut (finn. Geiſt—
(nn. Oberft) 488. 489. 557. r licher u. Sendbote) 121.
Jägerhorn, Göran Heinrich Jonsſon, Petrus ( er Schloß⸗
(finn. Generaladjutant) 430. hauptmann) 22. 25. 2
Jägerborn, Johann Anders | Jönsſon, Dlof (finn. —
(finn. Major u. Berichwörer) 34.
403. 404. 408. 412—415, 417. | Jons ſon, Sven (finn. Schlof;-
419. 421—423. 427. 428. 488, hauptmann) 184.
Salobsjon(finn. Lieutenant) 496, | Jordan, Michael (finn. Oberft u.
Jankowitſch (ruf. Beiehlshaber) Schloßhauptmann) 222,
' Juden, Jalob (fin. —
Jansſon, Karl Emanuel (finn. ſekretär u. Dichter) 574.
Maler) 625. Jurij Danilowitfh (Für v.
Järnefelt, Auguft Friedrich (finn. Nomwgorod) 18.
Bezirksrihter u. Abgeordneter) | Iuslenius, Daniel (finn. Bifchof
609. u. Gelehrter) 268. 273. 349, 464.
J ar slam (Fürft v. Nomwgorod) | Juſſoila, Johannes (finn. Iefuit)
141.
Jauhius, Lars (Buchhändler) | Iuftander, Erich (finn. Schrift-
212. fteller) 274.
Joachim (finn. Iefuit) 141. Juuſten, Bengt Sewerinsion (finn.
Joensſon, Joen (finn. Kam: ; Admiral u. Feldherr) 143. 166.
merer) ' 167 178
Johaun III. (König v. se. Juuſten, Paul (finn. Biſchof u.
118. 121-134. 136
ben) 107. 118. | Hiftoritr) 4. 9%. 133. 139,
bis 140. 142—147. 149. 150. 140, 179, 195, 456. 459,
155. 157. 183. 186. 316. Juuſten, Ber V Pälsion (finn. Be-
Johannes II., Petri (finn. Bi— ſeblohaber) 162
ſchof) 35. |
ſt.
Kaitala, Japhet Michelsſon (finn. | — ruſſ. Geſandter in
Bauer u. Abgeordneter) 526. ı Holland) 407.
Berjonenregifter.
Kaln, Ber (finn. Prof. d. Na—
en 366. 370. 455.
Kamensti (rufj. Gen.fieutenant)
476. 477. 499. 504—506. 512.
Kapfelmann ſſchwed. Lieutenant)
KärkilKärkiſudd(finn Bauern—
hauptmann) 296.
Karl VIII. Knutsſon (König
v. Schweden) 36—41. 65. 66.
Karl IX. (König v. Schweden)
129, 149—158. 163-180. 187,
188. 195. 208. 219. 253. 261.262,
Karl X. Guſtav (Königv. Schwe—
den) 234. 235. 237. 241. 250,
Karl XI. (König v. Schweden)
243, 245—247, 250. 252 — 261.
271.
Karl XII. (König v. Schweden)
361. 428,
Karl XIII. (König v. Schweden)
468, 532,
Karl XIV. Johann [Berna=
botte) (König v. Schweden) 555.
Karl Guſtav (Sohn Guftaus IV.
v. Schweden) 434.
Karl Peter Ulrich vgl. Beter III.
Kärmäli, Ialob Jalobsſon (finn.
Seltierer) 468.
Karpelan, Paul (finn. Gel:
mann) 34.
Katharina II. (Kailerin v. Ruß—
land) 405-409. 413—422. 433,
446. 587.
Katharina Jagellonica (Ges
ar Sobanns 111.) 124. 132.
Katharina Mansdotter (Ge
mablin Erichs X1V.) 129. 130,
202,
Kaulbars (ſchwed. General) 428.
Kedman, Karl Niklas (finn.
Univerfitätsleftor und Publizift)
574,
Keith, Jalob (xuſſ. u. preuß.
Br 33h. 345—347.
Kellgren,, Johann Heinrich (Do-
zent in Abo u. Dichter) 464.
Kettilmundsfon, Matte (finn.
Schloßhauptmann) 22,
— — — — — — — — —— ———— — —
649
Kerlerus, Simon (finn. Prof.
d. Matbhematit) 214.
Ki — ing, H. G. v. (finn. Major)
Kihlſtröm (finn. Lieutenant) 483,
Kindermann, Chriſtoph Theo-
phil v. (ruſſ. Gen.:Major) 346.
347.
Kivi f. Stenvall.
Klemet (finn. Schreiber) 112.
Klerder, Karl Natbaniel v. (fin.
Gen.:Lientenant) 475, 477—419.
506.
Klik, Karl Heinrib (finn. Ber:
fhwörer) 404, 412. 413, 416.
422. 423. 427.
Klingfpor, Dtto (finn. Oberit-
lieutenant u. Verſchwörer) 413.
417, 423,
Klingipor, Wilhelm Morik,
Graf (finn. Feldmarfhall) 437.
475. 476. 479—484. 491. 496
bis 500. 503. 504. 506,
Klodars, Per Persion (fini.
Sprecher d. Bauernftanbes) 526.
533.
Klöfverblad, j. Ottesfon.
KlöfverstjöLld, Aron Johansſon
(finn. Schloßbauptmann) 237.
240.
Knorring, Bogban (rujj. Gene-
ral) 508. 530. 558.
Knut Bosſon, ſ. Griphuf—
vud.
Knutsſon, Heinrich (finn. Donts
propft) 140. u
Knutsfon, Lars (finn. Geiſtlicher)
90.
Konſtantin (rufj. Großfürſt) 676
Kontſas, Arjd (finn. Bauern—
anführer) 160. 163,
Kopernitus, Nikolaus (Mathe—
matifer u. Aftronom) 214.
Kopjemw (rufjj. Gen.:Major) 452,
Korhonen, Paavo (nationalfinn.
Bolksdichter) 574.
Korkunow (rufj. Staatsredhts-
lehrer) 630.
Kortumme, Wipredt (fin. Edel:
mann)
Kothen, Guftav v. (fin. Major
u. Berjchiwörer) 413, 417, 423.
Kotben, Kafımir, Freiherr v.
(finn.Senatoru. Gouverneur) 617.
Krabbe, Karl Arwid (finn. Hofs
aa tet u. Abgeordneter)
Krämer (finn. Hauptmann) Fe
Krogius [Edelbeim]), ®
—— Oberlandrichter u. Senator)
Krohn [Suonio), Julius Yeo-
pold Friedrich (Prof. d. finn.
Sprade) 623.
Krompein, Karl (finn.. Land—
fümmerer) 347.
Kroot, Karl (finn. Eelretär) 36L.
Kröpelin, Hans (finn. Schloß:
bauptmann) 65.
Krufe, Erich (ſchwed. Gen.-Major)
238.
Kulmem (rufj. Oberft) 482. 505.
509.
Kumes, Erid v. (finn. Edelmann) |
34.
8.
Ladau, Guſtav Wilhelm (finn.
Verſchwörer) 405. 412, 422, 423.
427. 476,
!agerborg, Robert (fin. Pub:
Tizift u. Abgeorbneter) 616.
Tagervall, Jalob Friedrich (ma-
tionalfinn. Dichter) 592,
!agus, Jonas (finn. Pietift u.
Prediger) 594.
Lagus, 3 3 Wilhelm. (finn.
Prof. d. Philologie) 590.
Lagus, Nobert (finn. Rechtsge—
febrter) 590,
Yagus, Wilhelm Gabriel (finn.
Prof. d. Jurisprudenz; Hıftoriter)
573, 578. 589,
Lagus, Wilhelm Gabriel (finn.
Dichter u. Hiftoriter) 624,
Yangenfljöld, Karl Fabian
Theodor (finn. Senator u. Staats⸗
mann) 602. 606,
Ya 2 er, Olof (deutfh. Kaufmann)
Lars Arelsfon, f. Tott.
Larsſon, Auguſtinus ſcſchwed.
Mönch u. Sendbote) 170.
Laref Et Hans (finn. Befehls:
baber) 147.
Yarsion,
Israel (finn. Bogt)
163. 164.
Berjonenregifter.
Kurd, Arwid (finn. Biſchof) 57.
67.
87.
Kurd, Arwid Friedrich, Baron
(fin. Hofgerichtspräfident) 392.
Kurd, Arel (finn. Feldherr) 161.
169, 171—173. 188.
Kurd, Birgitta Knutsdotter (finn.
Abtiffin) 142.
Kurd, Jöns, Freiherr (finn. a
gerißtepeäfibent 192. 193. 206.
Kurd, Klas (finn. Edelmann,
Nichter u. Boat) 67. 68. 77.
Kurd, Knut Jönsſon (finn. Be:
fehlshaber) 160,
Kusmin, Nitita (ruſſ. Abge-
janbter) 116.
Kymäläüinen, Di (national:
finnifcher Bollsdichter) 592,
Kyrn, Lüder Lüdecke] v. (finn.
Schloßhauptmann) 17.
Larsſon, Magnus (finn. Edel
mann) 46.
Larsfon, Philipp (finn. Ebel
manıt) 34.
Lauräus, Alerander (finn. und
ihweb. Dialer) 655. 595.
Faurbedius, Petrus (finn.
Biſchof) 272.
Laurbed, Iſaak (finn. Univer-
jitätsadjunft u. Pietift) 271.
Laurell, Arel Adolf (finn. Do:
zent) 585,
?aurentius, Heinrich
Geiftliher) ©. 138,
taurilainen, Bengt Petersfon
(finn. Bauer u. Abgeordneter) 526.
Laxman, Eric (finn. Naturforſcher
u. Reiiender) 457.
LeBell, Friedrib (finn. Propit
u. Abgeordneter) 525, 526.
(finn.
Leche, Johann (finn. Prof. d. Me:
bizin) 455,
Leiftenius, Ialob Gabriel (finn.
Dichter) 588,
Lejonhufvud, Arel, Graf (finn.
Statthalter) 131. 146. 187.
Lejonhufvud, Ebba, Gräfin
(Mutter des Vorbergebenden
131
Lejonbufvud, © 9, Graf
Perfonenvegifter, 6
— Oberſtlieutenant u. Ver- Linien, —* G. (finn, Prof. u.
ſchwörer) 417. 418, Publiz if) 570.
Lejonhufvud, Guſtav Mobolf, eitbovins. Lars (finn. Pietift)
Graf (ſchwed. Feldmarſchall) 237.
238, ı Litbovius, 3. (nationalfinn:
Lejonhufvud, Sten Arelsfon, Boltsdichter) 272.
Graf (finn. Magnat) 187, Lizelius, A. (nationalfinn. Pnb-
Lejonbufvud, Sten Eriksſon, liziſt; Prediger) 465.
Freiherr (fchwed. Feldherr) 131. Sjungo, — (finn. Ge⸗
Lenäus (finn. Bezirksrichter) 348. lebrter) 179,
Tencgvift, Erich (finn. Geift: | Tode, Georg Wilhelm (finn. Hof-
lider u. Forider) 458. 461, geritsafiefr u. Abgeordneter)
Lencgvift, Erih Ehriftian (finn.
Gelehrter) 462, Lö fore " — Johann finn.
——— — (finn. Kund⸗
— —
Lewenhaupt, Charles Emil,
Graf (ſchwediſcher Feldmarſchall)
334—837. 342, 343,
ſchafter
Lexell, Anders Johann (finn. Loke, — (finn. Schloßbefehls⸗
Prof. d. Mathematik) 457. haber) 15.
Levonftedt, V. (jchwed. Oberftu. | Longftröm (finn. Bauernbaupt-
Verſchwörer) 416. 423, ‚mann) 285. 296,
Liewen, Hans Heinrich v. ſſchwed. Fönnrot, Elias (Prof. d. finn.
General u. Reichsrat) 280, 361 | Sprade) 691. 592.
bis 363. 391. Löwen, Arel — Fortifilations
Liljenfeld, Karl Guſtav (finn. direftor) 313. 330. 331.
Oberlandrichter) 301. !öwenbjelm, ſ. aub Nord:
Lillienberg (finn. Landeshaupt—
manın)
rillienftedt Paulinus), Jo—
hann (Reichsrat, finn. Dichter)
273. 307.
I
Lillienftjerna, Karl (finn. Ober:
fandrichter u. Abgeorb.) 329. 332,
Lindberg, Gertus Otto (finn.
Bryolog) 624.
Lindelöf, Lorenz Leonhard (finn.
Mathematiker) 624,
Linder, Ernſt (finn. Edelmann u,
Abgeordneter) 616.
Lindert, Johann Heinrich (finn.
Kaufmann u. Abgeordneter) 326
berg.
Löwenhjelm, Guſtav Karl, Graf
(ſchwed. Generalftabschef) 482.
Lüder Lüdeke v. Kyrnh, f.
Kyrn.
Ludwig (Abgeſandter von Wisby)
18,
Luiſe Ulrite (Königin v. Schwe—
den, Schweſter Friedrichs d. Gr.)
Lund, David (finn. Biſchoh) 272.
tun dft röm,. (finn. Bergmeifter)
547.
Luther, Martin (deutfh. Refor:
mator) 89, 94—96. 186.
Lindh, Anders Theodor (finn. 218.
Dichter) 624.
Lindbjelm, Anders (finn. Pan
deshauptmann) 258. 272.
Lindholm, Berndt Adolf (finn.
Luukkoinen, Daniel (finnijcher
Bauernanführer) 285. 286.
Lybecker, Georg dv. (ihmeb. Ge:
neral) 279 —281,
‚Maler) 625. Lydekesſon, Klas (finn. Schloß«
Lindgpvift, Iohann Heinrich (finn. "hauptmann) 34.
Prof. d. Mathematif) 463. Lyytinen, Bengt (nationalfinı.
Linne, Karl v. (ſchwed. Botanifer) Vollodichter 592,
454. 455,
652
Berfonenregifter.
Magnus] (finn. Bifhof) 17.
Magnus 11. Dlai, ſ. Tawaſt.
Magnus 111, ij. Stiern-
kors.
Magnus Eriksſon (König v.
Schweden) 25—29. 61.
Mätipesta, Auguit (finn. Spre-
cher d. Bauernftandes) 609.
Mattonen, Peter (nationalfinn.
Bollsdichter) 592.
Malm, f. auch Ehrenmalm.
Malm, Karl Wilhelm —
Hauptmann) 492. 493. 502,
Malmberg, Nils Guftav (finn.
Prediger u. Pietift) 594.
Malmftröm, Karl Robert (finn.
Dichter) 624,
Manaffein, Nikolai (rujj. Juſtiz—
minifter) 629,
Mannerbeim, Karl Erid, Graf
(finn. Staatsmann u. Senator)
525—529. 533. 538. 545. 547.
552. 559,
Mannerbeim, Karl Guftav,
Graf (finn. Entomolog) 575.
Margaretbe (Unionskönigin) 33.
Markow ſruſſ. Gefandter in Schwes
den) 407—409.
Marquardſen, Heinrich (deutſch.
Prof. d. Jurisprudenz) 630.
Matheſins, Johann (finn. Bes
amter) 326. 333
Matbejius, Nils (finn. Propft
u. Abgeordneter) 373,
Matbefius, Peter Nils (finn.
Gelehrter) 456.
Mattsſon, Göran (finn. Bauer
u. Abgeordneter) 353.
Mattsf : n Jöns (finn. Befehls:
baber) 8
Mattsſo J Rolf (finn. Befehls—
haber) 86. 87.
Mavdell, Georg Johann ſſchwed.
Hödhfttommandierender) 277. 278.
Mechelin, Leopold (finn. Senator,
Staatsrechtslehrer u. Politiker)
Mejerfelt, Johann Auguft, Graf
(ſchwed. General) 427, 428.
Melandtbon, Philipp Min
Neformator) 89. 94. 140.
Melartin, — Gabriel (finn.
Erzbiſchof) 584.
Melartopäus, Chriſtian (finn.
Konfiftorialpräfident) 306.
ER, Gabriel (finn.
Biſchof) 206. 220,
Melchiorsſon, Abraham (finn.
Bogt) 158. 163.
Mellin, U. G., Freiherr (finn.
Hofgerichtsafleflor) 547.
Mennander, Karl Friedrich
(finn. Biſchof u. Prof. d. Phyſik)
454. 456.
Menfhitow, Alerander, Fürft
(Admiral, finn. Gen.-Gouverneur)
578. 598.
Mertben, Karl (finn. Kaufmanı
u. Abgeordneter) 324. 332. 349.
M it enins, Johannes (Hiftorifer)
Metftale, Reinhold (finn. Lan—
deshbauptmann) 222.
Meurman, Agatbon (national:
finniicher Politifer) 618.
Mihelion (ruf. General) 427.
428,
Michael Juſtäi (finn. Jeſuit)
142,
Minden, Heinrih vw. (ichwer.
Feldherr) 135.
Möller, Hermann (Bürger von
Lübech 97,
Möller, — finn. Fortis
filationsoffizier u. Lehrer) 401.
Mollin (fnn. Bürgermeiſter u.
Abgeordneter) 366.
Mommorna ſcſchwed. Handels—
baus) 263,
Moniltala, Hans Hansſon v.
(finn. Befehlshaber) 166. 168.
Mänsjon, Jöns (finn. Boatı
117.
Mänsion, Peter ſſchwed. Biichof)
90.
Montgomery, Nobert (finn.
Oberſt u. Verihwörer) 338, 411.
416. 419. 423,
Montgomery, Robert (finn.
Prof. d. Jurisprudenz u. Abge—
ordneter) 616.
Moore (engl. General) 503.
- Morian,
Perfonenregifter.
Johann Chriſtoph v.
(finn. Oberlandrichter und Ab—
geordneter) 533,
Moritz v. Oldenburg (bän.
Feldherr) 87.
Mörner, Karl (finn. General—
gouverneur) 220. 222. 240.
Muchanow (rufj. Gen.:Maj.) 485.
Diulle, Nils (finn. Geiftlicher) 38.
Multiain (finn. Bauer) 104,
}
|
Mund, Adolf Friedrich, Freiherr
(Günftling Guſtavs III) 408.
Mund, Adolf Friedrid (finn. Se—
nator) 605.
Mund, Hans (finn. Edelmann ı.
Kommiljar) 181. 184.
Munckv. Fulkila, Johann (finn.
Hofgerichtspizepräfident) 239.
Munfterhbjielm, Magnus Hals
mar (finn. Maler) 625.
N.
Napier, Charles, Sir (engl. Ad—
ıniral) 596,
Napoleon L (Kailer von Frank:
reich) 469. 471. 508. 527. 558.
556. Abb. 568,
Nästonungsfon, Karl (finn.
Schloßhauptmann) 22,
Natt ob Dag, Mäns Jönsſon
(finn. Befehlsbaber) 120.
Nervander, Jobann Jakob (fin.
Prof. d. Phyſil) 588.
Nierotb, Karl, Graf (ichwer.
Feldberr) 284— 286. 288,
Nigrell, Iobann (finn. Ober:
friegstommifjar) 315.
Nillision, Dan. (finn. Schloß:
bauptmann) 25.
Nikolaus (rujj. Großfürft; Sobn
Aleranders 11.) 508.
Nitolans L (Zar von Ruß—
land, Großfirft von Finnland)
558..572. 575—580. 597. 6OL
Nitolaus1l1. (Zarvon Rußland,
Groffürft von Finnland) 632,
Nils Estilsion, ij. Bank.
Nils Thureſſon, f. Bijelte.
Nilsjon, Anders (finn. Bogt)
116. 117.
Nilsſon, Mans (finn. Schloß:
bauptmann) 114.
Niperk, Katharina (Gemahlin
Lars Arelsfon Totts) 44.
Norby, Severin (dan. Seeheld)
bö. 84—8tb. 88. 98, 114,
Norbberg [Löwenbjelm],
Karl Guftan (ſchwed. Gtaats-
mann) 315. 316.
Nordenberg, f.
ſtjöld.
Norden—
Nordencreutz, Friedrich Jalob
(finn. Fortifilationsoberſt) 389.
Nordencreuk, Johann Jakob
(finn. Hauptmann) 363. 373.374.
Nordenjtjold |Rorbenberg),
Anders Johann (finn. Oberft-
lieutenant) 366.
Nordenftjöld, Auguft (finn.
Abenteurer) 468,
Nordenstjold Nordenbergl,
Karl Friedrich (finn. Oberftlieute:
nant) 321. 373 382,
Nordenftjöld, Nils AdolfErich,
Baron (finn. u. ſchwed. Polar:
foricher) 624.
Nordenſkjöld, Nils Guftav
(finn. Mineralog) 590.
Nordenftam, Johann Morik,
Baron (finn. Yandtagsmarichall)
609.
Nordenivan,H.K. (fin. Känı-
merer u. Senator) 547,
Nordpmann, Alerander v. (finn.
Prof. d. Zoologie) 590.
Nordftröm, Johann Jakob (finn.
Prof. d. Jurisprudenz und Po-
nr ſchwed. Archivdirektor) 578,
Noreen, Erland (finn. Bürger-
meiſter u. Abgeordneter) 353.
Norrmeéên, 3 F (finn. Bürger—
meiſter u. Abgeordneter) 424
Nylander, Johann (finn. Biſchof
366.
353.
Nylander, William (fin. Bota-
niker)
Nyrhi, Mäns (finn. Bauer) 103.
104, .
Berjonenregifter.
2.0.0.
Obuchow (rufj. Oberft) 492.
Öbgislasfon, Hemming (jchweb.
Reichsrat) 18.
Aterbjelm, Samuel, Freiherr
(finn. Hofgerichtspräfident, ſchwed.
Staatsmann u. Reichsrat) 327.
Okſanen, A., ſ. Ablgpift.
Olaus Magni (finn. Biſchof)
38. 58. 63,
Dlaus Magni ſſchwed. Hifto-
riter) 76,
DLlof, Sauft (Kirchenheiliger) 42,
Dlofsfon, Karl (Fisfal u. Kom—
miſſar) 192,
Dlofsfon, Mäns (ſchwed. Kom⸗
mifjar) 176.
Dlsjon, Awid (finn. Edelm.) 46.
Olsſon, Bengt(finn.Edelmann)46. |
K. (ruſſ. Hiftoriter) 629.
Drlow-Denijow (rufj. Feld»
499,
berr)
Örn, Robert Iſidor (finn. Bürgers |
meifter u. Spreder d. Bürger- |
ftandes) 609,
Drofius, Paulus (rim. Schrift:
fteller) 19.
Orräus, Anders Fabian (finn.
Bürgermeifter, Oberlandrichter,
a u. Staatsmann) 533,
Staatsmann) 307,
Dtber (Mormweger) 20,
| Dtter, Sebaftian v. (finn. Oberft
u. Verſchwörer 411.413. 417.423.
Dttesjon [Klodfverblab], Jo—
| hann (finn. Hofgerichtsfistal) 178.
| _ 192.
Dre, Harald 2 Landeshaupt⸗
| mann) 251. 2
Drenftjerna, He, Graf (ſchwed.
Reihslanzler) 158. 195. 205.
215.
1
oter DOfterman, Anbreas, Graf (mii.
|
225. 234.
ı DOrenftjerna, Gabriel Bengtsfon,
| * finn. Gubernator) 192. 204.
| 229,
!
DOrenjtjerna, Karl
(finn. Statthalter) 186.
Eritsfon,
P.
Pacchalenius, Thomas (finn.
Prediger) 360,
Bacius, Friedrich (finn. Kom—
ponift) 588. 595.
Päivärinta, P.
Boltsdichter) 624,
Paleen, Erih Johann (finnifcher
Oberlandrichter) 326.
Paletzkij (rufj. Statthalter) 116.
1
Palmen, Johann Pbilipp, Freiherr
(finn. Senator u. Redhtsgel.) 590.
PBalmfelt (finn. Oberft) 477.
Banin, = Graf (ruf. Staats-
mann) 360,
Paul L (Zar von Rußland) 448,
470,
(nationalfinn.
ee Joh.,
Bebersion, Joſeph chwediſcher
Sendbote) 53.
Peldan, Gabriel (finn. Prediger |
u. Beamter) 292, 298. 299. 346, |
j. Filliens |
Peldan, Israel (finn. Student)
292.
Penaud (franz Momiral) 398,
Peter L (Zar von Rußland) 276
bis 278. 281. 283, 285. %
bi8 290. 294. 315. 442, 445,
472. 4%,
Peter Ill. (Zar von Rußland)
346. 347,
Peträus, Estfil (finn. Biſchof)
Pitkarainen, Matts Abrabams-
fon (finn. Bauer u. Abgeordneter)
526.
Piper, Peter Bernhard (ſchwed.
General-Adjutant) 388,
Pipping, Friedrih Wilhelm (finn.
Prof., — —— u.
Senator) 573, D=4,
Pipping, Seinrich (finn. Bize-
vbürgermeiſter u. Ab ee
Pipping, 3 (fin Prof.
Medizin) 434
BPerfonenregifter.
P umridge (engliiher Admiral)
596.
Pogewiſch, Otto (finn. Schloß⸗
hauptmann) 34 65.
Polhem, Gabriel (ſchwed. In—
Poppius, Gabriel (finn. Na—
tionalötkonom) 555.
Porthan, Heinrich Gabriel (finn.
|
|
|
er d. — und — |
437. 457—462, 465. 569, |
520. 573. 50.
|
Bof A mut — er
45. 47, 4 . 73,.120.
| got evino, — — Jeſuit
u. päpſtl. Legat) 14L.
Pouttu, Bengt (finn. Bauern-
anfüßrer) 158. 161. 163,
Prink (ſchwed. Kämmerer; fin.
Grundbefiter) 318,
Puhakka, Antti (nationalfinıt.
Volksdichter) 592,
Puke, Erih (finn. Schloßhaupt⸗
mann) 6
Q.
Quanten, Emil v. (finn. Dichter u. Polititer) 588,
R.
Radloff, Friedrich Wilhelm (finn.
Arzt u. Schriftfteller, 462,
Ragvald 11. (finn. Biſchof) 21.
Ragvaldsfon, Thomas (natio-
nalfinn. Vollsdichter) 465.
Rahm, Heinrih (finn. Kaufmann
u. Abgeordneter) 424.
Rajewski 8 Feldherr) 482,
484, 496.
Ramſay, A.H. Baron (finn. Lan⸗
beshauptm ) 387. 388. 391. 398,
Ramſay, Chrifter Wilhelm (finn.
Major u. Berfchwörer) 404. 421.
Rappe, Chriftopber Johann, Frei:
herr (finn. Landeshauptmann) 390,
Rafumomwsti, Graf (rufj. Ge
fandter in Stodholm) 409,
Rayalin, Thomas v. ſcſchwed.
Admiral) 334.
Nebbinder, Johann Reinhold
(finn. Major u. Abgeordneter) 538,
Nehbinder,
u. Abgeordneter) 523.
Nehbinder, Robert Heinrich, Graf
(finn. Hofgeridtsrat, Politiker u.
en 526, 531.
538. 545. 552, 5656558. 664,
b67. 568. 576. 578.
Nein, Gabriel (finn. Prof. d. Ge—
ſchichte) 573. 589.
Rein, 8 ©. Th. (finn. Prof. d.
Philoſ.) 623,
Renhufvud, Heinrih Stensſon
(finn. Befehlshaber) 56. 86.
ı Renborn, Olof Bidenius (finn.
Karl (finn. Major |
Renvall,
Bürgermeifter u. Abgeorbn.) 332.
Rengpift, Heinrich (finn. Pre-
biger, Pietift) 594.
Renvall, Guftav (finn. Propft
u. Sprachforſcher) 574.
Torften Thure (finn.
Erzbifchof) 584.
Refanomw (rujj. Oberprofurator)
452,
Reuterholm, Esbern Chriſtian,
Freiherr (ſchwed. Reichsrat) 386,
Reuterhohm, Guſtav Adolf, Frei:
berr (ſchwed. Staatsmann) 433.
556.
Reuterſkjöld, Helene Charlotte
487,
Reuterftjöld, Karl Wilhelm
(Gemahl d. Borigen; finn. Haupt⸗
mann) 487.
Ridderhjerta, Gabriel Friedrich
(finn. Hauptmann) 496.
Ritz, Jakob (finn. Propft) 305.
Rogel, Anna (finn. Sektiererin)
468.
Roivas (finn. Bauernanführer)
Rokaſſowski, Platon, un
(finn. Gen. =» Gouverneur) 578.
606.
613.
Reinius, Israel (finn. Kaplan) | Rälamb, Bror —— finn.
366.
\
I
Hofgerihtspräfident) 192,
Roos, H. J. (fin. Hauptmann)
379,
Rofen, Gujtav Friedrich, Graf v.
(finn. Gen.-Gouverneur) 359 bis
361. 372, 377.
Rofenborg, Iob. Wilhelm (finn.
Prof. d. Jurisprudenz) 590. 609.
Rojendabl,
(finn. Kriegstommijjar) 245.
Roſenhane, Arel (finn. Landes:
bauptmann) 252, 258.
Rofenbane, Johann (finnifcher
Pandesbauptmann) 222,
Roſenkampf, Guftav v. (finn.
Staatsbeamter) 558.
Roſenkampff, Karl,
(finn. Ingenieur) 584.
Roſenkrantz, Chriſtian (finn.
Hofgerichtsaſſeſſor und Abgeord—
neter) 239,
Roß, Iſaak (finn,
adjunkt) 349,
Roß, Jakob (finn. Richter) 303.
Roth, Johann Jakob (finn. Feld—
webel) 498.
Rothovius, Iſaal (finn. —
197. 198. 202. 206. 210. 211.
213. 218. 462.
Rotkirch, Karl Friedrich (finn.
Baron
Univerfitäts-
Erpeditionsiefretär u. Senator)
h26, 547,
Sadlen, Yard (fin. Bürger:
meifter u. Abgeoröneter) 424,
Sablberg, Karl Reinhold (finn. |
Prof. d. Zoologie) 575,
Zalamnius, Mattbias (natio-
nalfinn. Dichter) 273.
Sallinen (finn. Bauernanführer) |
339,
Salmelainen, j. Rudbeck.
Saltza, Anton v.
in Alt-Finnland) 443,
Sandels, — Auguſt (finn.
Oberſt) 475. 492. 493, 495.
500—502. 506. 507. 511. 518. |
Peter (finn. Refor-
Särkilaks,
mator) 88. 89. 94.
Scarin, Algot (fin. Prof. der
Seichichte) 456.
Schäfer, Peter (finn. Pietift) 270,
Erih Anbersfon |
(uff. Affeffor
Perjonenregifter.
| Roufjeau, Jean Jacques (franz.
Philoſoph) 468.
Nud, Dtto (dän. Seeheld) 5A.
Rudbed|Salmelainen], Erid
(nationalfinn. Schriftfteller) 592.
ı Nudbed, Johann ſſchwed. Biſchof
| u. Gelehrter) 272.
Nudeen, Torſten (finn. Prof.
u. Dichter; ſchwed. Bilchof) 273.
Rühs, Friedrich (deutich. Prof. d
Geſchichte) 573,
Rumjanzow, Wlerander (rufi.
General u. Diplomat) 341.
Rumjanzow, Nikolai, Graf (rufi.
Auswärtiger Minifter) 512. 513,
574,
|
!
Runeberg, Ephraim Otto (finn.
Feldmeſſungsdirektor) 370, 379.
380.
Nuneberg, Johann n eubwig (finn.
Dichter) 477,
Nuneberg, Frieverite Charlotte
(finn. Shhriftftellerin) 589.
Nuneberg, Walter Magnus (finn.
Bildbauer) 625.
Ruotſalainen,
Pietift) 594.
Ruth (finn. Geiftlicher) 304.
Rodberg, Dlof Simon ſſchwed.
Hiftorifer) 19.
Paavo (fine.
©.
. Schaumau (fin. Major) 343,
Shauman, franz Ludwig (finn.
Prof. d. Theologie, Bifhof u.
Politifer) 600. 603, 612, 615.
ı „ g18. R
ı Scheel, Joachim (ſchwed. Admiral)
ı _120 171
Scheel, Paul (finn. Dompropft
73.
Scheffer, Ulrich, Graf (ſchwed.
Staatsmann) 388. 390. 401.
Scheremetjew, Boris, Graf
(ruſſ. General) 276. 277.
Schlippenbach, Chriſtoph Karl,
Graf (ſchwed. Diplomat) 230,
| Schlippenbad, Guftav —
Graf (finn. Oberftlieutenant) 276.
Schmidt,
300.
Johann (rufj. Beamter)
Perfonenregifter.
Schmidtfelt, Joachim
Oberlandrichter) 301.
Schtjenjatemw, — Fürſt
(ruff. Feldherr) 46,
Schtjenjatew, Fürft (ruff. Feld:
119,
berr
Schulten, Dtto Reinhold, Freiherr
v. (finn. Senator) 610,
eauit (rufj. General) 429,
Schütz, — .
— ern
Säumcten, Iwan (vujf.
General) 303. 442,
Esumais, Peter, Graf ſruſſ.
General) 510. 511.
Serenius, Iatob (fin. Propft
u. Politiker) 366.
Sergius (uſſ. Mönd) 183.
eg Peter (ſchwed. Geift-
licher) 306,
Siegroth (ſchwed. General) 410.
4ll.
Sigismund (König v, Schweben
u. Polen) 164—166.
168 —170. 172 174. 189.
Sigismund Auguſt (König
von Polen) 124. 125.
Sigrid Wafa (Todt. Erichs XIV.)
130. 202,
Per Chriftian
finn. Abgeordneter)
Silfverſtjöld,
Kriegsrat;
526.
Silfverivan,
(Lieutenant;
609,
Cimolin, Yalob (finn, Bürger
u. Abgeordneter) 324.
Guftav Johann
finn. Abgeordneter) |
Simolin, Johann (rufj. Sekretär) |
Sjögren, Anders Johann (fin.
Spradforider) 575.
Sjöftrand, Karl Aneas (finn.
Bildhauer) 625.
|
Sjöftröm, Arel Gabriel (finn. |
Brof. d. Philologie u. Dichter) 570,
Stawronsti, Frau (finn. Gut®-
befierin) 450.
Stjöldebrand, Anders fFried-
ri, Graf (ſſchwed. Staatsmann) |
512,
Stogman, Karl David (finn.
u. ſchwed. Beamter) 555,
Stotte, Dlof (ſchwed. Senbbote)
118.
Schybergion, Geſchichte Finnlande.
657
(finn. | Skytte, Martin (finn. Bifdof)
©. 91 94 9
9».
Slotte, Karl Johann (finn. Ab»
georbneter) 631.
Snellman, Johann Wilhelm
(finn. Bolitifer und De
Senator) 593. 594. 603. 606.
613.
| 616—618. 620,
Soltikow, Fürft (rufj. Staats-
Freden- D28,
Oberft
mann)
Sondergelteus, Dlaus (finn.
Jeſuit) 141,
Sparre, Awid Guftafsfon (finn.
Oberlandrichter) 31.
Sparre, wi Freiberr (ſchwed.
Reihsrat) 240.
Sparre, Karl, Freibere (ſchwed.
Neichsrat) 399,
Spener, er Jalob (deutſch.
Pietiſt) 270,
Speranski, Michael, Graf (mi.
Staatsmann) 520. 531. 545,
552. 556—558. 566. 568.
en Karl Johann (finn. Feld-
webel) 499.
Sprengtport, Karl Heinrich
(finn. Oberftlieutenant u. Ab:
georbneter) 332. 337, 358.
Sprengtport, Magnus Wilhelm
(finn. Major u. Abgeordneter)
322. 329. 330. 332,
Sprengtporten, Göran Magnus,
Graf (finn. Oberft; rujj. General;
finn. Gen, = Gouverneur; finn.
Politiler u. Verſchwörer) 385,
396. 397. 399—408, 414, 419
Sprengtp orten, Jakob Magnus,
Baron (finn. Gen.-Fieutenant u.
Politifer) 384 — 388,
396. 400,
' Stahäus, Zaharias (finn. Paftor
u. Abgeordneter) 239.
Stadelberg, Berndt Magnus
(finn. Major u. VBerfhwörer) 405,
421,
ao. Berndt Otto (finn.
General) 314. 386. 397.
Stadelberg, Bolmar
(finn. Oberlandrichter) 301.
Stadelberg (ruf. Gefandter in
Stodbolm) 433,
Adolf
Stedingk, Kurt Bogislaus Chri-
42
655
ftopb, Graf v. (ſchwed. Oberft, Ge—
fanbdter in Petersburg) 427—430.
472. 473. 477, 512. 513.
Steinbeil, Fabian, Graf (finn.
Gen.-Gouverneur) 554. 559.
Sten (finn. Hauptmann) 16,
Sten Thuresion, ſ. Bjelke.
Berionenregifter.
HG Johann (fin.
Stenbäd, Yars Jakob (finnifcher |
Dichter u. Prediger) 588. 594,
Stenbod, Ebba (Gemahlin Klas
Flemings) 150, 166. 167.
Stenbod, Erich Guſtavsſon (ſchwe—
diſcher Edelmann) 126,
Stenbhbagen, Per (finn. Kauf:
mann u. Abgeordneter) 381.
Stenhufen, Sten v. 224.
Stenius, Ifaal (finn. Gute:
befier u. Patriot) 501. 502,
' Stälarm,
a Salob (jun.) (finn. |
Propit) 378.
Stenvall [Kivi), Aleris (natio-
nalfinn. Scriftfteller) 624,
Stiernceranb, Peter, Baron
(finn. Landeshauptmann) 309, |
Stiernftedbt, Iobann (finnifcher
Landeshauptmann) 309. 329,
Stiernftedt, Karl Iobann, Baron |
(finn. Landeshauptmann) 329,
Stjernbööt [Dalelarl], Io:
hann (finn. Prof. d. Jurisprudenz)
213,
Stjernkors,
Iwar Mänsfon
(finniſcher Feldherr) 126 — 130, |
143.
Stjernkors, Magnus III. (finn.
Bifhof) 44—47. 50-52. 58.
60. 67.
(finn. Ratsherr) 58.
z.
Tagankew, N. ©. (ruf. Se
nator) 628,
Svenonius,
Stjernkors, Nilolaus Olofsſon
Oberſt) 281 285, 290. 293.
Stjernfträle, Magnus (finn.
Oberſt) 281.
Stjernvall, Friedrich Guftav
(finn. Fandesbauptmann) 560.
Stjernvall, Karl Johann (finn.
Landeshauptmann) 560. b61. 565.
Stijernvall:Wallcen, Karl
Knut Emil, Freiberr (finn. Mi—
nifterftaatsiefretär) 619. 626.
Stodius, Martin (finn. Prof.
d. Theologie), 212. 214. 218.
Ate (finn. Edelmann)
188.
Stäalarm, Amid Erifsion (finn.
Feldherr) 166 — 173.
Stälarm, Arel (finn.
hauptmann) 237.
Stälbandste, Torften Torftens-
fon (finn. General) 202.
Strömfelt,DO.R. (finn. Landes»
bauptmann) 307.
Sture, Sten, sen. (ſchwed. Reichs:
verweier) 41, 43-46. 48—53.
Sture, Sten, jun. (ſchwed. Reiche:
verwefer) 6. 57
Sture, Svante Nilsion ſſchwed.
Neichsverwefer) 49. 53. DA. 56.
Sudtelen, Paul, Graf van (rufl.
General) 486 —488.
Sunesjon, Sune (finn. Ebel:
mann) 34.
Suomalainen/Finno], Jalob
Persſon (finn. Schriftfteller) 143.
Landes:
Suonio,
Spahn,
437.
j. Krohn.
Anders (finn. Apotbeler)
Enewald (finn.
Prof. d. Theologie) 265. 271.
272.
und Senator) 534. 535. 546.
549
TZammelin, — (finnifcher Tandeteit, son (finn. Major
Bürgennei
Tanbdefelt, Adolf, Freiherr (fin.
Hofgerichtspräfident, Abgeordneter
Berihwörer) 421.
T ub e, Johann Jakob (Gen.Gou⸗
verneur in Ingermanland) 249.
Perſonenregiſter.
Tawaſt, Arwid Henriksſon (finn.
Befehlshaber) 135. 172,
Tawaſt, Elin 58.
Tamwajt, Iwar ger on (fin.
Befehlshaber) 161. 172.
Tawaſt, Magnus II. Olai (finn.
Bifhof) 35. 36. GL 62. 64 67,
Tawait, Nils (finn. Edelmann) 34.
Tawaſt, Dlof Nilsfon (finnifcher
Schloßbauptmann) 67.
Tawaftftjerna, Karl Auguft
(finn. Schriftfteller) 625,
Teit, Heinrich (finn. Bergmeifter)224.
Teit, Jakob ſſchwed. Beamter) 102,
Tengftröm, Yalob (finn. Prof.
u. Erzbiſchof; Hiftorifer) 434,
460. 462. 463. 519. 533. 545.
Tengftröm, Johann Jalob (finn.
Prof. d. Philofopbie u. Hiftoriter)
67). 589,
Terentjew, Joachim (rufj.-ortho:
dorer Geiftlicher) 220,
Terierus, Johann (finn. Bifchof)
Teffin, Karl Guſtav, Graf (jchwed.
Staatsmann) 361.
Thauvonius, Gabriel (fin.
Hofgerichtsaſſeſſor) 326,
Theils Au Seh. Rat u. Se
nator) 452. 557,
Thestew, Alerander Amatus (vufj.
General, finn. Adjunktd. Minifter:
ftaatsfetretärs) 578.
Thomas (finn. Biſchof) 12—1A.
Thomas Francisci (finnifcher
Geiftlicher) 94.
Thomasfon, j. Fjungo.
Thunberg (finn. Ingenieur) 374,
378,
Thuronius, Anders (finn. Prof.
d. Philoſophie) 272.
Tiainen, Olof (finn. Bauern-
Anführer) 501. 502, 507,
Tiejenbaufen, Berndt Johann v.
(fin. Oberlandrichter) 301.
Tiejenbaujfen, Otto Johann v.
(finn. Oberlandrichter) 299, 301,
Tigerftebt, KarlKonftantin (finn.
Hiftorifer) 589.
TZiltanen, Paul (nationalfinn.
Pubtizift) 593.
Tillainen (finn. Bauernhaupt—
mann) 285.
|
659
Tillandz, Elias (finn. Prof. d.
Naturwiffenichaften) 273,
Tjäder, Jean Gabriel (finnifcher
Kaufmann und Abgeorbneter)
b26.
Tommola, Märten (finn. Bauern
anführer) 161.
Tönne Erilsfon, f. Tott.
Topelius, Zacarias, sen. (finn.
Arzt u. Gelehrter) 574. 591.
Topelius, Zadarias, jun. (fin.
Prof. Ba Geſchichte u. Dichter)
Tora — (finn, Bauernhauptmann)
285.
Törne, Magnus Wilhelm v. (finn.
Offizier) 423.
Törnegren, Karl Wilhelm (fin.
Dichter) 588.
Zörngpvift, Per Jonas (finn. Se:
nator) 604.
Tott, Erich Arelsion — a.
hauptmann) 37. 89, 4
—— — an N
Oberlandrichter) 130,
Tott, Ingeborg — Sten
Stures d. Älteren) SL.
Tott, — Axelsſon (finn. Edel⸗
mann) 44.
Tott, Klas Aesfon (finn. Feld-
herr) 135. 139. 146,
Tott, Klas Alesfon, Graf (fin.
Lehnsinhaber) 229. 230.
Tott, Lars Arelsion (finn. Schloß:
bauptmanı 43—45. bb.
Tott, Ale Göransfon (finn. Edel:
mann),
Tott, te Henrilsſon (finn. Feld:
marfcalt) ) 202,
‚ Zönne Eriksſon (finnifcher
Schloßhauptmann) 56. 67. 86.
Trapp, Ehriftian (finn. Kaufmann
u. Sprecher d. Bürgerftanbes) 533,
Troil, Knut, Freiherr v. (fin.
Landeshauptmann u.Staatsmann)
519. 523. 524. 547. 558.
Trolle, Gunnar (finn. Edelmann)
34,
Trolle, De (finn. Oberft) 397,
T Ipetin eodor (ruſſ. General)
205. 308.
Tuderus, Gabriel (nationalfinn.
Dichter) 273.
42 *
660 Perjonenregifter.
Zulindberg, E. (fin. Kämmerer | Tutſchkow (rjj. General) 476.
u. Mitglied d. Reg.-Konſ.) 547. 481. 482. 484. 507
Zunelb, Erich (fchwed. Geograph) | Tyrgils Knutsſon (fehweb.
460. | Reihsmarichall) 15. 16. 26. 69.
ll.
— Olof (fin. Pietiſt) | en F Lars (finn. Haupt-
mann) 186.
— Lars (finn. Pietiſt) Uſchatij, Iwan (ruſſ. Fürſt) 49.
270 | Ufhatij, Peter (ruff. Fürft) 49.
——— V. (röm. Papſt) 3
V. W.
Wachtmeiſter, Hans, Freiherr | MWegelius, Johann, sen. (finn.
(finn. Lehnsinhaber) 230. Geiſtlicher; Pietift) 270. 271.
Wackin, Sarab Elifabetb (finn. Wegelius, Johann, jun. (fin.
Schriftftellerin) 589. \ Geiftliher und Berfafler) 465.
m Petrus (ſchwed. Buchdruckey, Wegelius, Martin (finn. Kom:
poniſt) 625.
— IV. Atterdag (König | Vegeſack, Ernſt v. (ſchwed. Ge—
von Dänemark) 26. neral) 497. 503. 505.
BalentinusThomä (finn. Je | Weißenberg, Alexander Bern—
fuit) 141. hard v. (finn. Landſekretär u.
Walleen, Karl Johann (fin. Senator) 610. 630. 631.
Senatsprolurator) 558. 577. Weman, Karl Guftav (finn. Geijt-
Wallenberg, Jakob (finn. Pietift) liher u. Sprachgelehrter) 465.
468. Bermundus (fhweb. Geiftlicher
Wallenius, Iwar (finn. Propft u. Gefandter) 18.
u. Abgeordneter) 525. 526. Befainen (fin. Bauernanführer)
Wallenius, 9. (finn. Prof. 146. 147.
b. Theolog ie) 348. Veſtgöte, Jöns (finn. Schloß:
Ballerian, H.H. (finn.Hofgerichts- bauptmann) 87.
rat u. Mitgl. d. Reg.Konf.) 547. | Wetterftedt, Erih v. (finn.
Wallgren, M. (finn. Bildhauer) Feldmejjungsdireftor) 390. 392.
625. Berionius, Michael, f. Gyl—
Wallin, Georg Auguft (finn. benjtolpe.
Prof. d. Philologie) 590. Bbael, Barthold (finn. Geiſt—
Warelius, Anders (nationalfinn. licher) 305. 464.
Berfafjer) 592. 593. Wibelius, Dlof (finn. Ober:
Bargentin,P.(ichrwed. Aitronom | Tandrichter u. Landeshauptmann)
u. Statiftiler) 372. 434. 517. 518.
Wärnhjelm (finn. Oberft) 489. Wijtman, Johann Heinrich (finn.
Waſa, Chriſter Nilsfon (finn. Bürgermeifter, Richter u. Politiker)
Schloßhauptmann) 35. 65. 360. 361.
Waſſilij (xuſſ. Zar) 114. Willebrand,v. (finn. Oberft)336.
Wechter, Eſaias (fin. Babril | Willebrand, U. F. v. (finn.
befiter u. Abgeorbnieter) 327 bis Dberlandrigter u. Senator) 523.
330. 332. 349. 364. 383. 547.
Weckſell, Joſeph Julius ıfinn. Willebrand, E ©. v. (finn.
Dichter) 588. | Landeshauptmann) 437. 527,
Perfonenregifter. 661
nn Knut Selig, Freiher Wrangel, Karl Guftav, Graf
v. (finn. ‚Prof. u. Abgeorbn.) 610. (ihwed. Feldmarſchall) 238.
Bincentiuß ( (Titularbifhof von | Wrangel, Karl Heinrich, Freiherr
Gades) 88. (finn. Gen.:Major) 335. 336.
Winbolt, Hartwig (finn. Edel- Wrede, Fabian, Freiherr (finn.
mann u. Befehlshaber) 46. 47. Grunbbejiter) 253.
Winter, 4.9. (finn. Kammerrat ; Wrede, Fabian, Freiherr (Lieutes
u. Nationalötonom) 434. 437. | nant; finn. Grundbefiter) 253.
Winter, Chriftian (finn. Paſtor Wrede, Fabian, Freiberr (finn.
u. Abgeordneter) 240. Politiker) 329. 332. 334. 349.
Binter, Johann (Buhbruder) | 366.
269. Wrede, Guftav Johann, Freiherr
Witte, Hermann (finn. Bifchof) 310. (finn. Grundbeſitzer) 253.
Wittenberg, Arwid, Graf (finn. | Wrede, Heinrich Jalob, Freiherr
Gutsbeſitzer; Feldherr) 229. (finn. Politifer) 327—329. 332.
Wittſtock (finn. Bürgermeifter u. | 349. 377.
Abgeordneter) 330. My Ferbinand v. (finn. Ma—
Wlaftow (ruff. Befehlshaber) 504. ler) 595.
W il Thomas (finn. Befehlshaber) RT: Magnus v. (fin. Ma—
ler) 5
Wolkonski, Gregor (ruff. Fürft) aulıe (cuſſ. Oberft) 486. 494.
147. Württemberg, Mards v. (ſchwe⸗
Wolle, Iatob/finn. Kaufmann) 262. difcher Oberft) 352.
Wrangel, Dietrih, Graf (finn. | Wyſchata, Wafiljewitih (xuff.
Ba) 251. 254. Feldherr) 11.
59. 260.
).
Yrjö-Koskinen, f. Fors- | MPrlull, Otto Reinhold, Freiherr
man. ffinn. Landeshauptm.) 309. 332,
3.
Zakrewski, Arieni, Graf (ruſſ. General; finn. Gen.-&ouverneur) 563.
568. 578.
Bufäße und Werichtigungen.
Seite 6, Zeile 3 von unten: ftatt Alands lies Älands.
„ 18
„30,
„36,
" 57,
„ 57,
„ 124,
„ 135,
—
„183,
* 209 —
„ 339,
„ 415,
„424,
„ 428,
” 440,
” 455,
"
13
7
”
oben:
unten:
unten:
oben:
oben:
unten:
unten:
oben:
unten:
oben:
unten:
unten:
oben:
oben:
oben:
unten:
”
”
aflies von.
Bielke lies Bjelke.
till lies von.
Katharina lies Chriſtine.
Gadd lies Gad.
verbünden lies verbinden.
v. Minnen lies v. Minden.
1603 lies 1610.
Gymnafialprogramm lies Ly—
cealprogramm.
mit mir zufrieden lie mit mir
recht zufrieden.
18./28. März lie817./28.Mär;.
13. Auguſt lies 23. Auguft.
fiuniſchen lies finniſchen.
zurückzubringen lies zurückzu—
ziehen.
Kauttna lies Kauttua.
bier ift folgende Anmerkung hinzuzufügen:
Über die wechfeloollen Lebensichicjale des Prebigers in Gamla Karleby,
Anders Chybenius, vgl. E. G. Palmen, Politiska skrifter af Anders
Chydenius, med en historisk inledning änyo utgifna; 2 Bde. (Helfing-
fors, 1877—1880). — Im Betracht fommen befonders ®b. I, S. XVI
bi8 CLXXV,
Seite 462, Zeile 11 von oben: ftatt jammelte er im wefentliden
fies begann er feine Laufs
babn als Hiftorifer. Später
fammelte er
Zufäge und Berichtigungen. 663
Seite 466, Zeile 3 von unten: ftatt eines „Kanzlers“ Gille, wel—
502,
511,
524,
525,
526,
526,
509,
569,
5%,
606,
617,
625,
641,
650
”
13
oben:
unten:
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oben:
unten:
unten:
unten:
unten:
"
her lies einer „Kanzlers—
Bilde“, welde
Sorbovala lies Sorbavala.
Furumart lies Furumard.
zwei ließ beiden.
jollten lies ſollte.
Matte lics Mattbias.
Mattb. lies Matts.
erſchreckt lies ſchreckt
Abo lies Abo
Ed. J. V. v. Brunér lies Ed. 9.
W. v. Brunér.
April lies April 1863.
Snellmann lies Snellman.
DB. Wallgren lies Martin
Ballgren.
finn. Kaufmann lies Kauf:
mann in Danzig.
Theodor, Freiberr.
— — de.
— ——
_— . —
THIS BOOK IS DUE ON THE LAST DATE
STAMPED BELOW
AN INITIAL FINE OF 25 CENTS
WILL BE ASSESSED FOR FAILURE TO RETURN
THIS BOOK ON THE DATE DUE. THE PENALTY
WILL INCREASE TO 50 CENTS ON THE FOURTH
DAY AND TO $1.00 ON THE SEVENTH DAY
OVERDUE.
FEB10 i961
LD 21-100m-8,’34
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