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Full text of "Geschichte Finnlands"

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et-XIsıllsıllz 
sislaielaleks 


Magnus Gottirid 
Schybergson 





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REESE LIBRARY 


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OF THE 


UNIVERSITY OF CALIFORNIA. 





Class 


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Geſchichte 


Finnlands. 


Don 


M. G. Schyberajon. 


Deutfhe Bearbeitung 


von 


Fritz Arnheim. 





Gotha. 
Sriedrih Andreas Perthes. 
1896. 


— — — — 


Digitized by Google 


Dorrede des Verfaſſers. 


Nachdem ich im Jahre 1889 meine Arbeit: „Fin- 
lands Historia“ zum Abflug gebradht hatte, war es 
mein Wunſch, diefelbe in deutfhem Gewande einem grö- 
Seren Hreife zugänglich machen zu Pönnen. Als ſich mir 
daher die Möglichkeit darbot, meine Publikation, wenn 
auch in verfürzter form, als einen Band der „ Befhichte 
der europäifchen Staaten“ veröffentlicht zu fehen, 
habe ich ein folches Anerbieten gern angenonmen, zumal 
da es mir gelungen ift, in Herrn Dr. Fritz Arnheim 
einen mit der fchwedifchen Sprache fowie mit der hijtori- 
fchen Kitteratur Schwedens und Finnlands völlig vertrauten 
Bearbeiter und Überfeter meines Werkes zu gewinnen. 
Es fei mir geftattet, ihm für die aufopfernde Mühe, welche 
er meiner Arbeit gewidmet hat, auch an diefer Stelle meinen 
herzlichen Dank auszufprechen. 

Mein eigener Anteil an der vorliegenden Bearbei- 
tung hat befonders in einer nochmaligen forgfältigen Re- 


pifion des Originaltertes, unter Berüdfichtigung der neueften 


N 
202292 


VI Borrede bes Verfaſſers. 


Forſchungsergebniſſe, beftanden. Ferner ift die Darftellung 
der Ereigniffe nach 1809 von mir nicht nur durch ver- 
fchiedene Zuſätze ergänzt, fondern auch, freilih in ge 
drängter Kürze, bis zum Tode Kaifer Aleranders III. weiter: 
geführt worden, wodurch das ganze Werk einen paffenden 
Abſchluß erhalten hat. Schließlich habe ich die biblio- 
graphifchen Hinweife einer erneuten Prüfung unterzogen. 
Hoffentlich werden meine Eitate, bei denen ich möglichfte 
Genauigkeit und Sorgfältigkeit erftrebte, für die deutfchen 
Fachgenoſſen von Nutzen fein. 

Die Bearbeitung des Originaltertes hat Herr 
Dr. Fritz Arnheim allein beforgt; derfelbe ift bemüht 
gewefen, den Wortlaut der fchwedifchen Ausgabe nad) 
Möglichkeit beizubehalten. 

Die Gefchichte meines finnifchen Daterlandes zeugt im 
großen und ganzen von einer ununterbrochenen geiftigen 
und materiellen Kulturentwidelung, deren Früchte, jo oft 
es nötig gewefen ift, mit gewaffneter Hand geſchützt wor- 
den find. Da das finnifche Dolf hierbei in einer ftets leb- 
haften und täglich noch wachfenden Wechfelwirfung mit 
Deutſchland geftanden hat, darf ich wohl zuverfichtlich hoffen, 
daß eine Schilderung der Geſchicke Finnlands auf ein fym- 
pathifches Intereſſe des deutfchen Kefers rechnen kann. 


Helfingfors, im März 1896. 


mM. 6. Schybergjon. 


Dorbemerfuna des Bearbeiters. 


Wie bereits Herr Profeffor IM. G. Schybergfon in 
feiner Dorrede ausgeführt hat, bildet die vorliegende „Be: 
ſchichte Finnlands“ eine Bearbeitung feines zwei: 
bändigen Werkes „Finlands Historia‘ (Belfingfors, 
1887— 1889). Da ih mir wohl bewußt bin, daß bei 
einer Bearbeitung die perfönliche Anfchauungsweife des 
Bearbeiters eine wefentliche, oft fogar eine entfcheidende 
Rolle fpielt, fo erachte ich es für meine Pflicht, an diefer 
Stelle wenigftens mit einigen Worten die Gefichtspunfte 
anzudeuten, welche für mich bei der Bearbeitung der fchwe: 
difchen Redaktion maßgebend gewefen find. 

Die Grenzen, innerhalb welcher fich die Bearbeitung zu 
bewegen hatte, waren mir infofern ſchon vorgezeichnet, als 
die deutfche Ausgabe nur einen einzigen Band im Umfang 
von 500—650 Seiten umfaffen follte, während der urfprüng-: 
liche fchwedifche Originaltert von mehr als 1000 Seiten durd) 
Einfügung verfchiedener umfangreicher Sufäte noch be- 


trächtlich erweitert worden war. Es war mir daher von 


vıum Vorbemerkung des Bearbeiters. 


vornherein Plar, daß die Bearbeitung des fchwedifchen 
Originals im wefentlichen in einer Derfürzung desfelben 
zu beftehen hatte. Hingegen waren bezüglich des hierbei 
einzufchlagenden Weges mehrere Möglichkeiten denkbar. 
Es konnte beifpielsweife das Hauptgewicht auf den Um— 
jtand gelegt werden, daß das finnifche Dolf als foldhes 
niemals felbftändig in die politifchen Geſchicke Europas 
eingegriffen hat. War diefer Befichtspunft maßgebend, fo 
mußten diejenigen Kapitel der ſchwediſchen Ausgabe, welche 
die Entwidelung des finnifchen Gefellfhafts: und Bildungs: 
lebens fchildern, unverfürzt wiedergegeben werden, während 
ein Purzer Auszug aus denjenigen Abjchnitten genügte, 
welche die politifche Gefchichte Finnlands während feiner 
Dereinigung mit Schweden und Rußland behandeln. — 
Ebenfo Ponnte aber auch der Grundfaß in den Dorder- 
grund geftellt werden, daß ſich die Bearbeitung der „Ge: 
ſchichte Finnlands“ aufs engjte der Praris anzuſchließen 
habe, welche von den früheren Bearbeitern der „ Gefhichte 
Schwedens” in der „Befhichte der europäifhen 
Staaten” befolgt worden ift. In lesterem falle war 
die Schilderung der Känıpfe, welche fich faft ohne Unter: 
brehung auf finnifchem Boden zwifchen Schweden und 
Rußland abfpielten, wortgetreu zu überfegen, die Pulturelle 
und materielle Entwicdelung des finnifchen Volkes hingegen 
nur mit wenigen Strichen zu zeichnen. 

Um den beiden hier Purz entwicelten Gefichtspunßten 
gleihmäßig gerecht zu werden, habe ich einen Mittelweg 


Borbemerkung bed Bearbeiters. IX 


einzufchlagen verfucht. Mit Rückſicht darauf, daß die Ge— 
(dichte Finnlands, wie Herr Profeffor Schybergſon felbft 
in feiner Dorrede fagt, „von einer ununterbrochenen geiftigen 
und materiellen Kulturentwidelung zeugt“, find diejenigen 
Kapitel der fchwedifchen Ausgabe, welche über die einzelnen 
Phafen diefer Entwidelung Auffhluß geben, wenigſtens in 
der hauptſache von mir in die deutfche Bearbeitung über: 
nommen worden. Allein ebenfo wenig glaubte ich die 
blutigen Kämpfe mit Stillfchweigen übergehen zu dürfen, 
welche das finnifche Dolf zur Wahrung feiner geiftigen und 
materiellen Güter ausgefochten hat. Natürlich ließ ſich ein 
jolher Plan nur auf Koften derjenigen Partieen des 
ſchwediſchen Originals durchführen, welche einen Liber: 
blick der allgemeinen politifhen Lage Schwedens während 
feiner Dereinigung mit finnland geben. Doc glaubte 
ich diefe Teile ohne jedes Bedenken ausfcheiden zu fönnen, 
zumal da den bisher in der „Geſchichte der euro: 
päifchen Staaten“ veröffentlichten Bänden der „Ge: 
ſchichte Schwedens“ — diefelben fchließen gegenwärtig 
mit dem Jahre 1706 ab — binnen nicht allzu langer Seit 
eine Fortſetzung folgen wird. 

Bereits ein flüchtiger Blif in das nhaltsverzeichnis 
der deutfchen Ausgabe lehrt, daß die erfte Periode der 
fhwedifhen Redaktion: „Die fatholifhe Zeit“ die 
meiften Kürzungen erfahren hat. Es galt in der Bearbei- 
tung nur zu zeigen, daß der Kampf zwifchen Schweden 
und Rußland um die Herrfchaft in Finnland fofort mit 


x Borbemerfun gdes Bearbeiters. 


dem Eintreten diefes Landes in die europäifche Gemein- 
fhaft begann. Im übrigen haben die allgemeinen poli- 
tifhen Begebenheiten nur dann eine Berüdfichtigung ge- 
funden, wenn die finnifchen Zuſtände dadurch beeinflußt 
worden find. Infolge einer derartigen Behandlungsweife 
des fchwedifchen Tertes ift es mir gelungen, das Kapitel 
„Befellfhaft und Bildung während der Fatholifchen Zeit” 
beinahe vollftändig wiedergeben zu können. — Diefelbe 
Methode habe ich bei der Bearbeitung der drei nächften 
Perioden befolgt, welche fih: „Das Seitalter Guftav 
Wafas und feiner Söhne“, „Die Großmadts: 
zeit“ und „Der große nordifhe Krieg und die 
Sreiheitszeit” betiteln. Der größere Umfang der ein- 
zelnen Kapitel beruht hier teils auf dem ftets wachfenden 
Sfonomifhen Auffhwung Finnlands und dem damit zu: 
fammenhängenden, immer lebhafteren Derlangen der ruf: 
fifchen Herrfcher, fich diefes Landes zu bemächtigen, teils 
auf einigen Zuſätzen, welche Herr Profefior Schyberg: 
fon, wie auch fhon in der erften Periode, an der Hand der 
neueften Forfchungsrefultate in den urfprünglichen Tert ein: 
gefügt hat. Die fünfte Periode: „Die Zeit Buftaps III. 
und Guſtav IV. Adolfs“ ftinmt, namentlich in den 
legten Abfchnitten, mit dem fchwedifchen Original ziemlich 
wörtlich überein. Die fechjte Periode endlih: „ finnland 
während feiner Dereinigung mit Rußland“, ift, nach: 
dem Prof. Shybergfon eine durchgreifende Umarbeitung 


vorgenommen hatte, von mir wortgetreu überfeßt worden. 


Borbemerfung bed Bearbeiter. xI 


Die beiden Beilagen, welche die deutfche Ausgabe 
bringt, fehlen in dem fchwedifchen Original. Sie werden 
fiherlich für den deuffchen Kefer von einigem Intereſſe 
fein. Ebenfo hoffe ich die Benußung der deutfchen Be- 
arbeitung durh BHinzufügung eines ausführlichen In— 
haltsverzeichniffes fowie eines Perfonenregifters 
nicht unmwefentlicdy erleichtert zu haben. Schließlich darf 
ih hier wohl auch auf die Abteilung: „Zuſätze und 
Berihtigungen“ verweifen. 

Um allen etwaigen Mißverftändniffen vorzubeugen, 
habe ich ferner noch folgendes zu bemerfen: Wofern nicht 
das Gegenteil ausdrüdlich betont wird, entfprechen die 
Daten genau der fchwedifchen Feitrechnung. Der gre- 
gorianifche Kalender ift in Schweden befanntlich erft 1753 
eingeführt worden. Nur in den Jahren 1700 bis 1712, 
wo fich die fchwedifche Seitrehnung dem neuen Stil um 
einen Tag näherte, beftand eine Abweichung von dem 
julianifchen Kalender. 

Bei der Angabe von Ortsentfernungen tft unter 
dem Ausdruf „Meile“ ftets die alte fchwedifche Meile 
= 10,689 Kilometer zu verftehen. 

Bei der Schreibung der Orts: und Perfonen- 
namen wird man vielleicht ein beftimmtes Syftem ver- 
mifjen. Ich fage beifpielsweife „Savolaks“, aber „Kalir“, 
ebenfo „Wegelius“, aber „Veſtgöte“. Diefe anfcheinende 
Inkonſequenz ift jedoch eine von mir beabfichtigte. Teils 
habe ich nämlich die allgemein übliche Orthographie bei- 


xii Vorbemerkung des Bearbeiters. 


behalten, teils aber auch andeuten wollen, daß die ſchwe— 
diſche Sprache die Buchſtaben „v” und „w“ unterſchieds⸗ 
los gebraucht. Es iſt mithin, abgeſehen von den Worten 
„Vegeſack“ und „Dhael”, in allen Eigennamen der deut— 


fhen Redaktion ftets „v” wie „w“ auszufprechen. 
/ J — 


Ich ſchließe meine Vorbemerkung mit dem Wunſche, 
daß der Beifall, welcher der ſchwediſchen Originalausgabe 
in fo reihem Maße vonfeiten der Fachgelehrten und der 
Geſchichtsfreunde zuteil geworden ift, auch der vorliegen: 
den, durch Herrn Profeffior Schybergſon freundlichſt 


repidierten deutfchen Bearbeitung nicht fehlen möge. 
Berlin, 15. Mär; 1896. 


Fritz Arnheim. 


Inhaltsverzeichnis. 


Borrede des VBerfaflers 


Vorbemerkung des Benrbeiters 


Iuhaltsverzeichnis 
Einleitung 


©. 1. Finnland in peäßiftoriicher Zeit. — _ 6. 2 Sin. 
wanberung der finniihen Stämme in Finnland. — 
©. 3. Schidfal der Quänen und Bjarmier. — ©. 4. 
Lebensweije und Sitten ber Finnen in heidnifcher Zeit. — 
©. 6. Kolonifation Finnlands durch heidniſche Schweden. 


Erſte Periode. 
Die Ratbolifche Beit. 
1. Die ſchwediſche rn Der — — 
(1323) — 

S. 8. Allgemeines. — 6 9. Srihe bes Heiligen 
Kreuzzug nah Finnland. — ©. 10. Biſchof Heinrich; 
ichwierige Lage der hriftlichen Kirche in Finnland; Kämpfe 
mit Rußland. — ©. 14. Birger Jarls Kreuzzug. — 
©. 15. Kreuzzug Tyrgils Anutsfons; Kämpfe mit Now: 
gorod. — ©. 18. Inhalt und Bedeutung des Nöteborger 
Traktats. — S. %0. Finnlands kirchliche und weltliche 
Verwaltung um 1323. 


. Magnus Erifsion und feine Zeit 

S. 25. Zwiftigleiten mit Nowgorod und den — 
brüdern. — ©. 26. Magnus Erilsſons Kriege gegen 
Rußland; der ſchwarze Tod. — ©. 28. König Halon. 
Teilnahme ber Finnen an der Königswahl (15. Febr. 1362). 


XIV Inbaltsverzeihnis. 


Eeite 
3. König Albredt. Bas Zeitalter der — — 


Union bis 1434 . . - . . 30—36 
©. 30. König Albrecht in Sinnfand. & 31. % 

Sonsfon Grip. — ©. 32. Jäppe Diet. — ©. 33. 

Erich XIII. in Finnland. — ©. 34. Verhältnis zu Now: 

gorod und verichiedenen Hanfeftäbten. — ©. 35. Finn: 

lands Bifchöfe 1368— 1450. 


4. Finnland während des ne gegen die Union. 

1434—1523 . - . 36—59 
©. 36. Engelbrecht Engefbreitsfon: art Runstion 

Bonde. — ©. 37. Die Königswahl in Abo (1457). 
©. 39. Finnlands Beziehungen zu Karl Suntefon in in 
deffen letzten Lebensjahren. — ©. 41. Sten Sture d. Hl. 
als Reichsverweſer; Streitigfeiten mit Rußland, — 
©. 43. Imnere Zuftände in Finnland. — ©. 44. Der 
große ruffiihe Krieg; Wiborgs Belagerung. — ©. 51. 
Sten Sture d. Ä. abgefebt; fein Aufenthalt in Finn: 
land. — ©. 53. Svante Sture in Finnland als Reichs- 
verwefer anerfannt. — ©. 54. Erich Thuresſon Bjelle. — 
©. 55. Plünderungszüge der Dänen an ber finnijchen 
Küſte. — ©. 56. Sten Sture d. I. in Finnland, — 
©. 57. Chriftian II. und Finnland. — ©. 58. Finn: 
lands Bifchöfe 1450 — 1522. 


5. Geſellſchaft und Bildung in — während der 
fatholiihen Zeit - - -» - - 59-84 
©. 59. Die katholiſche Kirche und ihre — 
S. 62. Kloſterweſen. — S. 62. Gilden. — S. 63. Schulen u. 
Univerſitätsſtudium. — S. 64. Kirchliche Litteratur. — 
©. 65. Krankenpflege. — S. 65. Einheimiſcher und aus— 
ländiſcher Adel, deſſen Rechte, Sitten zc. — ©. 68. Die 
Städte, ihre Verwaltung, ihr Handelöverlehr. — ©. 72. 
Deutfcher Einfluß in Finnland. — ©. 74. Binnen 
bandel und Induſtrie. — ©. 74. Aderbau. — ©. Tb. 
Sitten und Sprade. — ©. 77. Zuftände in Lapp— 
marlen. — ©. 77. Die weltlide Berwaltung; Lehns— 
weien. — ©. 80. Rechtspflege; Finnlands ftaatsrechtliche 
Stellung. — ©. 81. Steuenvefen. 


Inhaltsverzeichnis. 


Zweite Periode. 


XV 


Das Beitalter Guſtav Wafas und feiner Hößne. 


1. Guſtav Waſa. Ber SEI MERITR und die Re: 
formation 
©. 85. Der Befreiungstrieg in Finnland. — &. 87. 
Anfänge der Reformation in Finnland; Peter Särti— 
lats. — ©. 89. Religiöfe Gleihgültigkeit des finnifchen 
Bolles. — S. W. Bifhof Martin Siytte. — ©. 91. 
Die firhlihe Reduktion in Finnland. — ©. 93. Schul⸗ 
weien. — S. 94. Michael Agricola, feine Bedeutung als 
Reformator und als nationalfinnifher Berfaffer. 


2. Berwaltung und Finanzweien — der Re: 
sierungszeit Guftav Waſas 


S. 97. Graf v. Hoja in Finnland. — — 98. Erich 
Flemings Verhältnis zu Guſtav. — ©. 100. Harte 


ne — — 
und die Beamten. — ©. 103. Bauernaufruhr in 


Lappvefi. — ©. 104. Handelspolitit des Königs; Städte 
gründungen; Inbuftrie. — S. 109. Steuerreformen. — 
©. 109. Kolonifation der „Erämarten“. — ©. 112. Ber: 
fuche zur Hebung der Landwirtſchaſt. 


3. Guftap Waja. Ber Arieg mit Rukland . 
©. 113. Grenzftreitigfeiten mit ben Rufjen. — ©. 117. 
Ausbruch des ruffiihen Krieges; Guſtavs Zug nad 
Finnland; Berlauf des Krieges. — ©. 120. Friedens: 
verhandlungen; Ende des Krieges. — ©. 121. Herzog 
Johanus Belehnung mit Gimlond. — 6. 123. Tod 
des Könige, TOT 


4. Erich XIV. und Johann III. 
©. 123. Herzog Johann, jeine — und * 
Pläne — ©. 124. Verlauf des Zwiſtes zwiſchen Erich 
und Johann. — S. 128. Gefangennahme Johanns in 
Abo. — S. 129. Schichſal Erichs XIV. — S. 130. Finn— 
lands Berwaltung unter Erich. — ©. 131. Begün— 
ftigung des finnijchen Adels durch Johann; Borliebe des 


Ießteren für Finnland. — ©. 132. Urfadhen und Bers 


fauf des Krieges mit Rußland. — ©. 138. Leiden bes 
finnifhen Boltes während bes Krieges. — ©. 139. Die 


Seite 


85—96 


97—113 


113— 123 


123—149 


xvi Inbaltsverzeichnis. 


Seite 
kirchlichen Zuftände in Finnland; fatbolifche Realtion; 
finnische Jeſuiten; Biſchof Ericus Erici; kirchliche Fitte- 
ratur. — ©. 143. Beſchwerden des finnifchen Volkes über 
harte Behandlung feitens der Ariftolratie jowie ber nie- 
deren Beamten. — ©. 145. Verſuch, den Übergriffen des 
finnifchen Adels zu ſteuern. — ©. 146. Wiederausbruch 
des Krieges mit Rußland. — ©. 148. Ende des ruf: 
fifhen Krieges. 


5. Ter Hampf zwiſchen Sigismund und Karl IX.; die 
Regierung Karls IX. . - . .. 149—180 
S. 149. Klas Flemings Verhältnis zu Gigiemund 
und Karl. — ©. 152. Verſchärfung der Gegenſätze zwi— 
jhen Karl und Fleming. — ©. 154. Flemings Schalten 
in Finnland; Befchwerden des finnifchen Volles über 
ibn bei Karl. — ©. 156. Wachfende Unzufriedenheit in 
Sfterbotten. — ©. 158. Ausbruh und Verlauf bes 
„Keulenkrieges“. — ©. 164. Flemings Berbalten nad 
Unterbrüdung des Aufrubrs. — S. 166. Arwid Stälarm 
als Flemings Nachfolger in Finnland; Herzog Karls 
eriter Aufenthalt daſelbſt; Zuftände nach feiner Abreife. — 
©. 169. Karl und Sigismund; unffuge Handlungsweiie 
des Ietteren gegen bie Finnen. — ©. 170. Karls Sieg 
über Sigismund und deſſen Anhänger in Finnland; 
ftrenge Beftrafung berielben. — ©. 173. Traurige Folgen 
der Thronftreitigleiten für die wirtichaftliden Zuftände in 
Finnland. — ©. 174. Karls Verhandlungen mit ben 
finnifhen Ständen. — ©. 175. Berwaltungs- und Wirt- 
ichaftsreformen. — ©. 178. Fitterarifches Leben in Finn 
land um 1600. — ©. 179. Krieg mit Rußland; Tod 
Karls IX. 


Dritte Periode. 
Die Großmachtszeit. 


1. Suftan II. Adolf : . . . . . 181—202 


©. 181. Ende bes Krieges mit Nußland. — &1 182. 
Die Zuftände in ber Provinz Kerholm. — ©. 186. Über: 
griffe des finmifchen Militärs und Adels, — ©. 187. 
Lehnsweſen. — ©. 188. Befuh des Königs in Finn- 


Inbaltsverzeichnis. xvu 


Seite 
land; Landtag zu Helfingfors (1616). — ©. 190. Ber: 


waltungsreformen. — S. 192. Gründung des Aboer 
Hofgerihts. — S. 1%. Handeldgefetsgebung; Zunft: 
weſen. — ©. 1%. Kirchliche Zuftände; Biſchof Rotho— 
vius. — ©. 198. Unterrichtsweien. — ©. 199. Armee: 
organifation; die finnischen Truppen im Dreißigjährigen 
Kriege. 
2. Die Königin CHriftine - - - - 202. 208—234 
S. 203. Die „Regierungsform“ 1634). — ©. 204. 
Per Prabe als Generalgouverneur in Finnland; fein 
Gutachten über die dortigen Zuftände. — ©. 210. Grün— 
bung ber Aboer AUniverfität; Profefforen. — ©. 214. 
Schulreformen. — ©. 216. Spradverbältnijje. — ©. 217. 
Die Litteratur. — ©. 219. Die kirchlichen Zuftände in 
Kerbolm; Gründung des Wiborger Bistums. — ©. 221. 
Samuel Erdell in Finnland. — ©. 223. Militärifche 
und abminiftrative Reformen. — ©. 224. Handelsgeſetz⸗ 
gebung; Einfuhr und Ausfuhr. — ©. 226. Städtegrün- 
dungen. — ©. 227. Binnenbandel. — ©. 228. Das 
Donationswefen und feine jozialen Folgen. 


3. Karl X. Guſtav (1654-1660) - - - - - . . 234—242 
©. 234. Krieg mit Rußland. — ©. 237 u. 239. 
Provinziallandtage in Finnland. — ©. 241. Ende und 
Folgen des Krieges. 


4. Star! XI. (1660-1699). Litteratur und — 
gegen Eude des 17. Jahrhunderts . - - - . 243—274 
©. 243. Banane gu Ze kr Bomunfgefcie 
rung. — ©. 245. Verfall der finniihen Arme. — 
©. 246. Berwaltungsmaßregeln. — ©. 247. Beginn ber 
„Rebultion“ in Finnland. — ©. 248. Die lebten finni- 
ichen Panbtaegett676=1677). — S. 251. Durdführung 
der Rebuftion in Finnland; ihre foziale Bedeutung — 
i . Ri — erwaltungs⸗ 
reformen. — ©. 261. Aderbau: Hanbel; Induftrie; 
Hungersnot; Bevöllkerungsziffer. — S. 264. Biſchof 
Terferus. — ©. 266. Biſchof Gezelius senior. — ©. 269. 
Biſchof Gezelius junior; Pietiftenverfolgung. — ©. 271. 
Kirchliche Zuftände im Stift Wiborg. — ©. 272. Wifjen- 
fchaft und Bildung gegen Ende des 17. Jahrhunderte. 





Schobergſon, Geſchichte Finnlande. II 


xy Inhaltsverzeichnis. 


Vierte Periode. 
Der große nordiſche Krieg und die 


Sireibeitszeit. 
Eeite 
1. Aarl XII. und der große nordiiche Arieg- - - - 275-309 


S. 275. Die erſten Kriegsjahre; Gründung von 
Petersburg. — ©. 279. Lybecker als finnifher Ober: 
befehlshaber; Kapitulation Wiborgs (1710). — ©. 282. 
Die Kämpfe in Oftfinnland. — ©. 283. Leiden ber fin= 
nifchen Bevöllerung. — ©. 284. Nieroth8 militäriſche 
Reformverſuche; Fortſetzung des Krieges. ’_ ©. 287. 
Zuftände in Öfterbotten. — ©. 288. Landung ber Ruſſen 
bei Helfingfors (1713). — ©. 291. Armfelt als finnischer 
Oberbefehlshaber; Gefechte bei Pälfäne (1713) und bei 
Napo (1714). — ©. 294. Kapitulation Nyſlotts; Ereig- 
nife zur See. — S. 295. Schalten der Ruſſen in Ofter: 
botten; finnischer Guerillakrieg. — ©. 297. Finniſche 
Flüchtlinge in Schweden. — ©. 298. Finnland unter 

Talfıfcher Oberberrichaft;; Verwaltung, Steuerweſen; Rechts⸗ 
pflege, kirchliche Zuftände, Schulweien, Landwirtſchaft und 
Handel. — ©. 307. Ende des Krieges; Grenzregulierung. 


2. Beginn der Freiheitszeit. Finnland 1721-1738 . 309 - 328. 
©. 309. Rückkehr der ſchwediſchen Behörden. — ©.310. 
ſFmm̃ants Juffand unmittelbar nad; bem Noftaber Frie⸗ 
ben. — S. 311. Schickſal der finniihen Gefangenen. — 
©. 312. Finnlands Verteidigungswefen. — ©. 314. 
Steuerfreiheitsbewilligung. — S. 314. Die „Königlichen 
Kommiifionen“ 1725/27. — ©. 319. Finnlande Reis: 
tagsvertretung. — ©. 320. Kanalprojelte. — ©. 321. 
Diftriftsmagazine. — ©. 322. Städtiſche Handelsgeſetz— 
gebung. — ©. 324. Beginn ber nationalfinnijchen 





9 
ESprachbewegung. — ©. 327. Die Sprachenfrage auf 
bem Reichstag von 1738/39. — — 
3. Die Herrichaft der Hutpartei 1735-156 . . . 323-375 


©. 328. Sieg der Hutpartei. — ©. 329. Finnlands 
——gerteidigungsivefen. — ©. 331. Reichstagswahl in Abo 
(1740). — ©. 332. Kriegerifhe Stimmung in Schwe— 
den; angebliche Verſchwörung gegen bie Hüte. — ©. 333. 
Kriegserflärung an Rußland; Nüftungen; Operation- 


Inbaltsverzeichnis. 


plan. — ©. 335. Schlacht bei Willmanftrand. — 
S. 336. Lewenhaupts Zug (Nov. 1741). — ©. 337. 
Kriegsereignijie in Savolatd und Karelien. — ©. 339. 
Eliſabeths Manifejt vom 17.,28. März 1742. — ©. 341. 
Rückzug der finnifh-ihwebifhen Armee; Kapitulation von 
Helfingfors; die ruffifhe Occupation. — ©. 344. Fin: 
nifhe Auswanderung nah Schweden. — ©. 345. Or— 
ganijation der ruſſiſchen Verwaltung in Finnland; Ber- 
ihärfung ber ruffifchsfinnifchen Beziehungen gegen Ende 
der Occupationszeit. — ©. 349. Der Reichstag von 
1742/43 ; die „Flüctlingstommiffion“ ; die „Finniſche Be- 
ſchwerdedeputation“. — S. 352. Die letsten Kriegsbegeben- 
heiten; der Aboer Friede. — ©. 353. Die „Finniſche Re— 
gulierungsdeputation“. — ©. 356. Grenzregulierung; Zu- 
ftände in Finnland unmittelbar nah Beendigung bes 
Krieges. — ©. 357. Steuerreform. — ©. 359. Grün: 
dung von Degerdy (Lowiſa). — ©. 359. Rofen als 
finnifcher Generalgouverneur; ruſſiſche Umtriebe in Finn— 
fand. — ©. 361. Die „Finniihe Verteidigungsdepu— 
tation“. — ©. 363. Bau ber Feitungen Sveaborg und 
Lowiſa; Flottengründung. — ©. 364. Lage der finni— 
{hen Induftrie und des finniihen Aderbaus. — ©. 366. 
Die „Finnische Ötonomiedeputation“ auf dem Reichstag 
von 1746/47. — ©. 371. Borratsmagazine; Gefundheits- 
weſen. — ©. 372. Adolf Friedrichs Aufenthalt in Finn 
land; Folgen feiner Reife auf ökonomiſchem Gebiete. — 
©. 373. Die „Finniſche Vorbereitungsdeputation“. — 
©. 374. Kanalprojette. 


4. Die Freiheitszeit. Der Niedergang der Stände: 
her richaft. 1756-1772. 

©. 375. Ebrenfvärds Abſetzung, Refabilitation ı und 
Tod. — ©. 377. Stagnation des finnischen Vertei— 
digungswefens; Kanalprojelte. — ©. 378. Die „Ber: 
teilung des Grundbeſitzes“ nad ber fogen. „großen“ 
Methode (storskifte). — S. 380. Abſchaffung des Stapel: 
zwanges; wirtihaftlicher Auffhwung Finnlands. 


11* 


375—383 


XX 


Inhaltsverzeichnis. 


Fünfte Periode. 


Die Beit Guſtavs II. und Guſtav IV. Adolfs. 


1. Guſtab III. bis zum Jahre 1786. 


©. 384. I. M. Sprengtportens Revolutionsplan und 
deſſen Ausführung. — ©. 387. Bauernunruben in Finn- 
land (1773 u. 1778/79). — ©. 389. Guftavs finnifche 
„Erilsgata* (1775). — ©. 391. Folgen der Reife: Neue 
Provinzialeinteilung; Gründung des Wafa - Hofgerichts ; 
Anlage neuer Stäbte; Kanals und Straßenbauten; Ber: 
teilung des Grunbbefites (storskifte). — ©. 3%. G. M. 
Sprengtporten® militärifche Reformpläne. — ©. 397. Res 
organifation ber Rejerve; Einführung der Pafjevolanz- 
abgabe. — ©. 399. G. M. Sprengtporten als militä= 
rifher Organifator in Savolals. — ©. 401. ©. M. 
Sprengtportens Übergang zur Oppofition. — ©. 403. 
Der Walballa-Orden; finnifchefeparatiftifche Projekte. — 
©. 405. Guſtavs Neife nah Finnland (1783); feine Zu: 
fammentunft mit Katharina 11. 


2. Die letzten — NINE —n III. (1786 


bis 1792) 

S. 406. ©. M. —— Seisftändigteits- 
projett; feine Überfieblung nad Petersburg. — ©. 408. 
Buftavs Reife nah Finnland (1787). — ©. 409. Aus: 
Bruch des Krieges mit Rußland (1788); die erften kriege— 
rifchen Begebenheiten. — ©. 411. Oppofitionelle Stim— 
mung im finn. Offiziercorpe. — ©. 412. Der Anjala- 
Bund; die Liilala-Note. — ©. 414. Jägerhorns Miffion 
in Petersburg. — ©. 415. Die Anjala-Bundesalte — 
©. 417. Guſtavs Verhalten gegenüber ben Verſchwörern. — 
©. 419. Beziehungen der Selbftänbigfeitspartei zu Guſtavs 
Bruder, Herzog Karl; Uriachen der Auflöfung bes An- 
jala-Bundes. — ©. 420. B. 3. Haftfehrs Benehmen. — 
&.421. Scheitern der Selbftändigfeitsbewegung in Savo- 
late. — ©. 4123. Königstrene der finniſchen Bevötterung; 


Beſtrafung ber Führer des Anjala:-Bundes. — ©. 423. 


Die finnifchen Abgeordneten auf dem Stodholmer Reichs— 


tage (1789). — ©. 425. Stärkung des finniſchen Ver— 


teibigungswejens 1788/89. — ©. 427. Der Land: und See- 
trieg 1789. — ©. 430. Der Land» und Seekrieg 17%. — 


Eeite 
384—406 


406—432 


Inhaltsverzeichnie. xx] 


Seite 
©. 431. Der Friede zu Wärälä. — ©. 432. Guftavs 


Tod für Finnland ein ſchmerzlicher Berluft. 


3. Guftan IV. Adolf. Die ökonomischen Zuftände in 
Finnland gegen Ende der ſchwediſchen Herricaft. 
lid der Zuftände in „Alt-Finnland“ . . . 432—453 

©. 432. Die „Armfeltide Verſchwörung“. — ©. 433. 
Guſtavs IV. finnifhe Reifen. — ©. 434. Die „Finnifche 
Hausbaltungsgefellfchaft“. — ©. 437. Kanalbauten. — 

©. 438._Finnlands wi d aeiellichaftli 
Zuftand um . — ©. 442. Die Adminiftration „Alte 
Finnlands“ nad der Bereinigung mit Rußland; wachen: 
ber Einfluß des Deutfhtums. — ©. 444. Hemmung 


bes wirtichäftfichen Aufjhwungs von „Alt-Finnfand“ durch 


das Donationsweien. — ©. eligiofe Toleranz ber 
ruff. Regierung; Schulweien; Herrjgjaft_bes Deutichtums 


im gefamten Bilbungsleden „Alt-Finnlands*. — ©. 447. 


Drganifation der GStatthalterfchaftsregierung in „Alte 
Finnland“ ; die Amtsfpraden. — ©. 448. —— 5 
zuſtand gegen End : Stäubifche 
Inpfikutionen; Gilden; Kirchen⸗ und Schulweſen. — S. 460. 
Berziveifelte Lage der Donationsbauern. — ©. 451. Mili: 


tärifche Laften. — ©. 452. „Alt: Finnlands* Wieder 
vereinigung mit dem Großfürftentum (1812). 


4. Das geiftige Leben in Finnland während der Frei: 
heitszeit und im Guſtavianiſchen Zeitalter . . . 453—468 
©. 453. Die vorherrſchende naturmwifjenichaftliche Rich- 
tung und ihre bebeutendften Vertreter. — ©. 455. Blüte 
ber nationalöfonom. u. biftor. Forſchung. — ©. 456. 
Nambafte Finnländer im Auslande. — ©. 457. 9. ©. 
Porthan und feine Schüler. — ©. 463. Die ſchwed. u. 
nationalfinn. Litteratur um 1800. — ©. 466. Schul— 
weſen. — ©. 467. Pietismus u. Rationalismus, 


5. Der ruffiich-finniiche Arieg 1808-1809 . . . . 469-514 

©. 469. Guftav IV., Alerander I. u. Napoleon I. — 
©. 474. Finnlands Berteibigungswefen beim Ausbrud 
des Krieges mit Rußland. — ©. 476. Klingfpors In— 
ftrultion; Stellung ber beiderfeitigen Heere. — ©. 477. 
Die erften kriegerifchen Begebenheiten. — ©. 479. Der 
Rüdzug der finn. Armee. — ©. 483. Die Gefechte am 
Siilajofi und bei Revolald. — ©. 485. Svartholms u. 


xXil Inhaltsverzeichnis. 


Speaborgs Kapitulation. — ©. 491. Ruſſiſche Manifeſte 
an das finn. Boll. — ©. 492. Folgen des Gefechts bei 
Pulkkila: Offenfive Sandels; Bauernerhebung in Öfter: 
botten u. auf den Aandsinfeln. — ©. 494. Guftavs IV. 
Pläne. — ©. 495. Die erften ſchwed. Landungsverſuche. — 
©. 497. Die Gefechte bei Lemo und Lappo; erfolgreicher 
Guerillafrieg gegen die Ruſſen. — ©. 500. Verteidigung 
bes Toivalapafjes durch Sandels. — ©. 501. Der Volls— 
krieg in Karelien. — ©. 502. Wiederholung der ſchwe— 
diſchen Landungsverſuche. — S. 504. Erneuter Rüdzug 
der finn. Armee; das Treffen bei Oravais; die Waffen— 
ſtillſtände von Lohtea und Oftijofi. — ©. 507. Das 
Gefecht an der Wirta-Brücke; die lebten ſchwed. Landungs— 
verſuche; Sturz Guftaus IV. — ©. 508. Die ruffiihen 
Erpebitionen nah Schweden; die Waffenftillftände von 
Aland und Seivis. — ©. 511. Schidjal der finn. Armee: 
trümmer. — ©. 512. Der Friede zu Fredritshbamm. — 
©. 514. Döbelns Abjchiedsworte zu meh. 


Sehe Periode. 


Sinnland während feiner Vereinigung mit 
Rußland. 
Seite 
1. Alexander -» . » > 2 2 2 815-6765 
©. 515. Stimmung des finn. Volkes während bes 
Krieges. — ©. 519. Rußlands Zukunftspläne inbetreff 
Finnlands (1808). — ©. 521. Die Wahlen zur „Fin: 


niihen Deputation“. — ©. 526. Die Mitglieder dei 
Deputation. — ©. 527. Die Wirkiamfeit der Deputation 
in Petersburg (1808. — ©. 530. Finnenfreundliche 
Strömungen am ruſſ. Hofe (Ende 1808). — ©. 531. 


Einberufung einer finn. Ständeverfammlung. — ©. 532. 
Eröffnung des Borgaer Landtages. — ©. 535. Aleranders 
Berfiherungsafte vom 27. März 1809; Huldigung ſeitens 
der Stände; Erlaß des Kaiſers. — ©. 538. Zufammen: 
fegung und Aufgaben des Landtages. — ©. 539. Auf- 
löfung der finn. Nationalmiliz.. — ©. 541. Bereinfahung 
des Steuerweſens; die finn. Etatsverwaltung. — ©. 542. 
Münzregulierung; Bankweſen. — S 545. Organiiation 
der höchſten Regierungsbehörde (Regierungstonieil, feit 


Inbaltsverzeichnis. XXIII 


eite 

1816 Kaiſerl. Finn. Senat). — S. 547. Ständiſche Pe— 
titionen auf dem Landtage. — S. 548. Schluß des 
Borgaͤer Landtages; Alexanders Abſchiedsrede. — ©. 550. 
Kundgebungen des finn. Nationalbewußtſeins. — ©. 552. 
Die ftaatliche Stellung Finnlands. — ©. 555. Überfiede- 
fung von Finnländern nah Schweden; Rücklehr von 
Finnländern aus Schweden. — ©. 556. Das Peters- 
burger Komitee für die finn. Angelegenheiten und feine 
erftien Mitglieder. — ©. 558. Die erften finn. General: 
gouverneure und übrigen Oberbeamten. — ©. 560. Alt: 
Fiunlands Wiedervereinigung mit Neu-Finnland (1812). — 
©. 562. Verichlechterung der Lage der Donationsbauern. — 
©. 563. Bevölkerungszahlen. — ©. 564. Helfingfors als 
Hauptitadbt Finnlands; abminiftrative Reformen. — S.565. 
Militänvefen. — ©. 566. Kirchen-, Schul- und Uni— 
verfitätsweien. — ©. 567. Aleranders finnische Reife 
(1819). — ©. 568. Beginn der Realtion in Finnland. — 
©. 569. Die finnijchepatriotifche Litteratur; Arwidsſon. — 
S. 572. Mafregelung der finnifchen Patrioten. — ©. 573. 
Hauptwerfe und Hauptvertreter der finn. wifjenichaftlichen 
Fitteratur zur Zeit Aleranders 1. 


2. Ritslaus I-:. : : > > 2 2 mn nennen. 575-597 

©. 575. Die Thronbefteigung Nitolaus’ I.; feine 
Haltung gegenüber Finnland. — ©. 577. Juftizreforme 
verſuche — ©. 578. Die höchſten Landesbeamten. — 
©. 579. Abfhaffung der Todesftrafe; neue Provinziale 
und Gtiftseinteilung; Städtegründungen; bie norwegifch- 
finnifche Grenze. — ©. 581. Wirtfehaftsreformen: Steuer: 
und Zollweſen; Geldweſen; Gröffnung des Saima— 
lanals. — ©. 584. Militär-, Kirchen- und Schulweſen; 
Zenfurverbältnijie. — ©. 586. 3. 2. Nuneberg, 3. To- 
pelius jun. und die ſchwed. Litteratur. — ©. 589. Die 
ſchwed. wifjenfchaftl. Literatur. — ©. 591. Auffhwung 
der nationalfinn. Pitteratur. — S. 593. Snellman und 
die „fennomanifche* Bewegung. — ©. 594. Neligiöie 
Strömungen. — &.595. Die finnifhe Kunft. — ©. 596. 
Finnland und der Krimfrieg bis zum Tode Nilolaus’ I. 


3. Alexander I. : : 2 2 2 2 nn 597- 625 
©. 597. Aleranders Il. Thronbejteigung. — ©. 598. 
Ende des Krimkrieges; Finnlands Opfer während des— 
jelben. — ©. 599. Aleranders Reformpläne; feine finniiche 


xxiv Inhaltsverzeichnis. 


Seite 
Reiſe (1856). — ©. 600. Liberale Kundgebungen in 


Finnland. — S. 601. Eiſenbahnbauten; Veränderungen 
im Senat; Regulierung des Münzweſens; Schulrefor: 
men. — ©. 603. Lanbtagsvorbereitungen; ber „Ianuars 
ausſchuß“. — ©. 606. Beränderungen im Senat; bie 
Sprachenverordnung vom 1. Auguft 1863. — ©. 606. 
Eröffnung des Landtages von 1863/64; Rebe des Kai- 
fer. — ©. 609. Ständiſche Petitionen. — ©. 611. Be 
ſchlüſſe des Fandtages und andere Reformen. — ©. 613. 
Neue reaktionäre Strömung. — ©. 614. Der Landtag 
von 1867; neue Landtagsorbnung; neues Kirchengefeb ; 
Regelung des Donationsweiens; Eiſenbahnpläne; Preß— 
gefet. — ©. 616. Hungersnot (1867); Schulreformen. — 
©. 618. Der Landtag von 1872. — ©. 619. Der Lands 
tag von 1877; Einführung der allgemeinen Wehrpflicht. — 
©. 620. Die Spracdenfrage; ihr Einfluß auf das finnifche 
Barteiwefen. — ©. 622. Berfchiedene Reformen; Ein— 
führung der Golbwährung; ökonomiſche Verhältniſſe. — 
©. 623. Wiſſenſchaft u. Kunft. — ©. 625. Der ruffiich- 
türfiiche Krieg (1877/78); Aleranders II. Ermordung. 


4. Überblid über den Entwidelungsgang Finnlands 
BETSSL 3 - 5 were ar tr 
©. 626. Aleranders III. Thronbeſteigung; die höchſten 
Lanbesbeamten ; Regelung der Spracdenfrage. — ©. 627. 
Die Landtage von 1882, 1885, 1888, 1891 und 1894; 
das neue GStrafgefek. — ©. 629. Die panflawiftifche 
Bewegung gegen Finnlands innere Autonomie und ihre 
Folgen. — ©. 632. Aleranders III. Tod; Nikolaus’ 11. 
Thronbefteigung. — ©. 633. Schluß. 


626—633 


Beilaaen - : > > 222. 684-636 

I. Deutfhe Ausgaben der Schriften von Joh. Ludw. 
Nuneberg und Zah. Topelius jun. 

II. Die Handelsbeziehungen zwifhen Deutfchland und 


Finnland in den Jahren 1885— 1894. 
Perſonenregiſftftferr Tl 
Bufäge und Verichtigungen - - = - > 200. 662 


mn 





Ginleitung. 


Dis weit in das Mittelalter hinein war Finnland ein der 
gebildeten Welt unbekanntes Yand, welches nicht der Hiftorifer 
oder Geograpben Aufmerkſamkeit auf ſich lenkte Die grie- 
chiſchen und römischen Schriftiteller berichten nichts über Die 
Gegenden nördlich vom Finnifchen Meerbufen. Ältere ger- 
mantiche Hiftorifer übergeben gleichfall® Finnland mit Still- 
ihmweigen oder erwähnen das Yand nur als Heimat von Ama- 
zonen und anderen jagenhaften Bölferichaften. Ein arabiicher 
Schriftiteller, Zoriji, welcher um 1150 ein geographiiches Werk 
verfaßte, erzählt, daß es in Tawaſtland (Tabaft) einige Han- 
delspläte jowie mehrere Dörfer gäbe; weiter erſtreckt fich auch 
jein Wiſſen nicht. 

Keichere Kenntnis von dem Zuftand des Landes wäh— 
rend der beidniichen Zeit verichafft uns die archäologiiche und 
prähiſtoriſche Forſchung. Die Archäologen haben gezeigt, dal; 
die älteiten Bewohner Finnlands den Gebrauch der Metalle 
noch nicht fannten, jondern ihre Geräte aus Stein oder Knochen 
verfertigten. Während der Steinzeit iſt Finnland im eine 
weitliche und im eine öftliche Region geteilt gewejen. Die im 
weitlichen Finnland gefundenen Gegenftände aus der Steinzeit 
verraten eine Verwandtichaft mit den ſtandinaviſchen Funden, 
während im öjtlichen Finnland die Steinzeit mehr mit der— 
jenigen Rußlands übereinjtimmt. Das Bronzealter war in 
Finnland von geringer Bedeutung. Nur in den Gegenden an 
der Küſte, beionders im jüdweftlichen Finnland, bat man antife 

Shvbersion, Geſchichte Finnlande. 1 


2 Einleitung. 


Gegenftände aus Bronze gefunden, aber diejelben jind vermut- 
lich nicht im Lande verfertigt, jondern aus Skandinavien ein- 
geführt worden. Die Verbindung mit Skandinavien, welche 
demnach während der Stein- und Bronzezeit lebhaft geweſen 
zu jein jcheint, blieb bei Beginn der Cijenzeit fortbeitehen, 
welche in Finnland im Yaufe der erjten Jahrhunderte n. Chr. 
begonnen haben dürfte. Hingegen wurde in der jüngeren Eijen- 
zeit der Verfehr mit dem Weften unterbrochen und der Ein- 
fluß von Oſten ber ſtärker. Erft gegen Ende der jüngeren 
Eijenzeit, furz vor der jchwediichen Eroberung, beginnen reich— 
lichere Spuren jkandinaviichen Cinfluffes fich wiederum zu 
zeigen. 

Die Stämme, deren Nachfommen heutzutage Finnland be- 
wohnen, nahmen erjt mehrere Jahrhunderte n. Chr. das Yand 
in Bejik. Vor ihnen lebten dort die Yappen — das „Saame- 
volk“, wie jie jelbft jich nannten. Dies wird durch die zahl: 
reihen Ortsnamen erwieſen, welche auch im füdlichen Finnland 
an fie erinnern, jowte durch Urkunden, welche bezeugen, daß fie 
jich noch bis weit in die biftoriiche Zeit hinein in Savolaks, 
im nördlichen Tawaſtland und in Satafunta aufhielten. 

Ihre Befieger — die Karelier, Tawajten und „Eigent- 
lichen“ Finnen, welche jümtlich den jogenannten wejtfinnifchen 
Volksſtämmen zugezählt werden — wohnten urjprünglich im 
Herzen des heutigen Ruſſiſchen Reiches. Später, in den erjten 
Jahrhunderten unjerer Zeitrechnung, waren die wejtfinnijchen 
Völferjchaften, wie die Ergebnifje der Sprachforichung dar- 
getdan haben, weiter wejtlich an der Dina angefiedelt, two fie mit 
baltiichen und gotiichen Volksſtämmen in Berührung famen. 
Der Sturm der großen Völferwanderung trieb fie nach einigen 
Jahrhunderten gen Norden in die Gebiete an der Oſtſee und 
am Finniſchen Meerbujen ’). Die Liven und Kuren nahmen 


1) Geftügt auf W. Thomfens „Beroringer mellem de finske og de 
baltiske (litauisk-lettiske) sprog‘ (Kopenhagen, 1890) bat U. 9. Snell= 
man obiges nachgewieſen in der Schrift: „Itämeren Suomalaiset itsc- 
näisyytensä aikana“ (Helfingfors, 1894). 


Einleitung. 3 


die Yandichaften in Beſitz, welche noch heute ihren Namen 
tragen. Die „Eigentlichen“ Finnen ließen fich teils in Eſth— 
land nieder, teil8 bahnten jie fich über den Finniſchen Meer: 
bujen binüber einen Weg in das jüdweftliche Finnland ). Die 
Tawaſten teilten jich in zwei Zweige, von denen jich der eine in 
Eſthland niederließ, während der andere längs der Nordküfte 
des Finniſchen Meerbuſens in das Yand weftlich vom Kymmene— 
Elf z0g, welches jpäter den Namen Tawaftland erhielt. Gleich- 
zeitig breiteten jich die Karelier in den Gebieten nördlich und 
weitfih vom Yadogajee aus. Auf jolche Weije erhielt Finnland 
jeine jeßige, in die drei Stämme der Sarelier, Tawaften und 
„Eigentlichen“ Finnen geteilte finnische Bevölkerung. Im übrigen 
waren zahlreihe Finnen in Ingermanland, im Seegebiet des 
Onega, in der Diwina-Niederung und in den nächjtgelegenen 
Gegenden von Rußland angejiedelt, wo ihre Nachkommen unter 
dem Namen Ingrier, Wepien, Woten, Karelier u. j. w. noch 
heutzutage leben. 

E8 liegt fein Zeugnis dafür vor, daß ſich die Yappen gegen 
die neuen Antömmlinge gewehrt hätten. Vielmehr finden wir 
jie bald ſowohl in Finnland als auch in Schweden, Norwegen 
und Rußland ihren mächtigeren Nachbarn tributpflichtig. 

Ein gleiches Schidjal ereilte jpäter zwei Völker finnifchen, 
und zwar vermutlich fareliichen Urjprungs, welche mehrere 
Jahrhunderte hindurch ein unabhängiges Dajein geführt hatten: 
die Quänen und die Bjarmier. Die Quänen werben zu— 
erst in einer Schrift des englifchen Königs Alfred (871— 901) 
erwähnt. Sie wohnten im nördlichiten Teile von Schwebdijch- 
Norrland; doch jcheint ſich ihr Gebiet auch auf die finnijche 
Seite hinüber (nördlich und öftlich vom Bottnijchen Meerbujen) 
erjtredt zu haben. Daß jie ein finnifcher Volksſtamm waren, 
wird, abgejehen von anderen Umftänden, dadurch befräftigt, 
dag das Wort „kvän“ noch heute die norwegische Bezeichnung 
für „Sinne“ if. Im Jahre 1271 werden jie noch erwähnt. 


1) 3. R. Aspelin, Suomen asukkaat pakanuuden aikana (Heljing- 
fors, 1885). 
1* 


4 Einleitung. 


Später wurden jie von den Norwegern, Schweden und Kare- 
liern unterjocht. Yettere bemächtigten ſich eines Teild des 
Gebiets und ließen fich dajelbit nieder. Weit mächtiger und 
einflußreicher waren die Bjarmier. Vermutlich waren ihnen 
die Lappen im weiten Umkreiſe tributpflichtig. Später er: 
hielten fie jedoch in der mächtigen Hanbelsrepublif Nowgorod 
und in der etwa 1200 gegründeten Stadt Uſtjug (an der 
Suchona, einem der beiden Quellflüffe der Dina) gefährliche 
Mitbewerber. Seit diefer Zeit wurde ihre Handelsherrichait 
immer mehr eingejchränft, und jchlieglich wurden fie von Now— 
gorod unterworfen. Der ausgedehnte Handel, den die rujjiichen 
Karelier jpäter in Finnland betrieben, war vielleicht eine Fort— 
jetung des früheren Handelsvertehrs der Bjarmier. 

Die wenig volfreichen finnischen Stämme, die in das jild- 
liche Finnland eingedrungen waren, verbrängten anfangs Die 
Lappen nur aus dem Gebiete zwiichen den großen Binnen- 
jeen und der Meerestüjte, wo jie jich folgendermaßen ver: 
teilten: die Karelier ließen jich längs des Yadoga-llfers und an 
der Küſte des Finniſchen Meerbuiens bis zum Kymmene-Elf 
nieder, die Tawaften nahmen das Yand wejtlich davon in Beſitz, 
und die Niederlaffungen der „Eigentlichen* Finnen erftrecten fich 
längs der ſüdweſtlichen Küftenftrede bis Raumo und zur Mün— 
dung des Kumo-Elis. Über ihr Yeben, ihre Sitten und Ein- 
richtungen bis zur jchwediichen Eroberung bejigen wir feine 
unmittelbaren bijtoriichen Nachrichten ; doch erteilen die Sprach- 
forſchung und die alten, jpäter unter dem Namen „Kalewala“ 
gejammelten poetijchen Sagen !) eine Antwort auf viele Fragen, 
die jich im diefer Hinficht aufdrängen. Durch Scheidung der 
uriprünglichen Ntulturwörter der heutigen Sprache von denen, 
welche jpäter durch die Berührung mit anderen, injonderheit 
germaniichen Bölfern hinzugefommen find, iſt man ferner 
auf linguiſtiſchem Wege zu dem Nejultat gelangt, daß fich 
jene Stämme, jo lange fie an ven Ufern der Wolga wohn: 


1) Diefe Gejünge find von F. A. Schiefner (Helfingfors, 1852) 
und von H. Paul (Helfingiors, 1855) in® Deutfche itbertragen worden. 


Einleitung. 5 


ten, auf demſelben Standpunkte befanden, wie die Wogulen 
und andere verwandte Völkerſchaften, die in unſeren Tagen im 
öſtlichen Rußland einen verzweifelten Kampf gegen die wach— 
ſende Ziviliſation führen ). 

Während der Wanderung nach Weſten und durch die Be— 
rührung mit anderen, gebildeteren Völkern erreichten die fin— 
niſchen Stämme, wie aus den Geſängen der ‚Kalewala“ her— 
vorgeht, eine weit höhere Kulturftufe. Alte Urkunden und 
Münzfunde bezeugen, daß Finnland jchon in heidniſcher Zeit 
Mittelpunkt für einen nicht geringen Handelsverkehr war, 
welcher wahrſcheinlich im wejentlichen in der Einfuhr von Salz 
und in der Ausfuhr von Pelzwerf bejtand. Aus den Städten 
in Norddeutichland jowie aus der berühmten Handelsſtadt 
Wisby auf Gotland famen Kaufleute, welche längs der Küſte 
des Finniſchen Meerbuſens bis zur Mündung der Newa bin 
Handel trieben. Unter den von ihmen bejuchten Handelsplägen 
war Biörkö, öftlih von der Wiborger Bucht, der befanntefte. 
Der Handel mit dem Often, welcher größtenteild von den 
Biarmiern vermittelt wurde, ging längs der Wolga, welche in 
jener Zeit eine der wichtigiten Handelsſtraßen bildete. 

Mit anderen Worten, der Bildungsgrad der Finnen der 
Vorzeit war weit höher als derjenige der afiatiichen und oſt— 
europätjchen Fiicher- und Jägervölker, jedoch niedriger als ber- 
jenige der wejteuropäiichen Völker, weshalb die Einwirfung 
der legteren auf die Finnen wejentlich werden mußte In 
erſter Linie war e8 das jchwediiche Wolf, welches fie unter 
den Einfluß des reicheren Bildungslebens von Wefteuropa 
brachte. Deuten doch zahlreiche Anzeichen darauf bin, daß fich 
die Schweden jchon in heidnifcher Zeit an der Küfte Finnlands 
auszubreiten begannen ?). 


1A. € Ahlapift, Die Kultumvörter der weftfinniichen Spracden, 
S. 264 ff. (Helfingfore, 1875). 

2) In der Schrift: „Suomalaisen kirjallisuuden historia“ (Helfing- 
fors, 1885) bat I. Krohn nacgewiefen, daß ein großer Teil der Sagen 
in der Kalewala von einer lebhaften Verbindung zwiſchen Schweden und 
Finnen zeugt fowie itandinavifchen Urſprung verrät. — Bol. im übrigen 


6 Einleitung. 


Daß ſchon in heidnifcher Zeit eine ſchwediſche Bevölkerung 
auf Aland und den angrenzenden Inſeln feſten Fuß gefaßt 
hatte, beweijen die dort gemachten Altertumsfunde und bie 
Entdefung von präbiftoriihen Gräbern. Nachdem fich die 
Schweden auf Aland angefiedelt hatten, war es für fie leicht, 
auch das jüdfinnische Küftenland zu erreichen, und in der That 
iprechen zablreihe Umſtände für eine heidniſche ſchwediſche 
Befiedelung in Nyland. Neben der Bolfstradition und den 
Altertumsfunden fommen als Zeugnis hierfür vor allem die 
Ortsnamen in Betracht, welche in großer Menge an bie 
heidniſche Zeit Schwedens erinnern. Wahricheinlich wurde 
das gejamte jeige ſchwediſche Gebiet in Nyland nicht auf ein- 
mal von jchwediichen Anfiedlern in Befig genommen, jondern 
dieje famen in einzelnen Trupps und breiteten jich im Ver- 
lauf einer langen Reihe von Jahren längs der Küſtenſtrecke 
aus, welcher fie den Namen „Nyland" gaben, da es fich für 
fie ja um ein „neues Yand“ handelte, in welches fie aus ihrer 
alten ſchwediſchen Heimat übergefiedelt waren. Michael Agrı: 
cola, welcher jelbjt in dem nyländiſchen Kirchipiel Perno ge: 
boren war, jagt in der Vorrede zu jeiner finnijchen Über: 
jegung des Neuen Teſtaments, daß die an der Hüfte Finn— 
lands angefiedelten Schweden von der heidnijchen Bevölkerung 
Schwedens oder der Inſel Gotland herſtammten; eine Angabe, 
welhe um jo größere Beachtung verdient, al8 auch Sprad- 
eigentünmlichfeiten zum Zeil auf eine Verwandtichaft mit den 
Gotländern bindeuten }). 

Bon dem Leben der in Finnland angejiedelten Schweden 
während der heidnijchen Zeit wifjen wir im übrigen nur wenig. 


M. 4. Caſtrén, Föreläsningar i finsk mythologi (Helfingfors, 1853) 
unb J. Krohn, Kertomuksia Suomen historiasta, Bd. I (Tawaftebus, 
1869). 

1) Bgl. U. DO. Freudenthal, Om svenskarnes inflyttningar till 
Finland; im Kalender „Odalmannen” (Helfingfors, 1881); O. Mon- 
telius, Sveriges hednatid, p. 278 (Stodholm, 1877); 8. 4. Bo- 
mansfon, Om Alands fornminnen (Helfingiors, 1858); U. 9. Hip— 
ping, Om svenska spräkdialekten i Nyland, in: „Acta societatis scien- 
tiarum Fennicae“ II, 1077— 1176 (Helfingior®, 1847). 


Einleitung. 7 


Bemerkenswert ericheint eine Angabe bei Agricola, fie jeten 
infolge ihrer lebhafteren Verbindung mit Schweden früher als 
die übrigen Yandesbewohner für das Chriftentum gewonnen 
worden. Hierdurch ſowie durch die Schwäche der finniichen 
Stämme läßt fich nämlich der jchnelle Sieg des Chriftentums 
über das Heidentum in dem füdlichen und weftlichen Gegenden 
Finnlands erflären. 


(Srite Periode. 
Die katholiſche Zeit. 


1. Die ſchwediſche Eroberung. Der Möteborger Friede (1323) '). 


Die hiſtoriſche Entwidelung jehreitet unter ſtändiger Wechjel- 
wirkung zwijchen den Völkern vorwärts; wobei diejelben bald 
in friedlichem Wetteifer, bald in friegeriihem Waffengang 
ihre Kräfte mejjen. Ein Bolt, welches gleich den Yappen 
und den meijten finnijchen Stämmen fern von diejem allge: 


1) Nahichlagewerfe und Quellen zur Geihichte Finnlands im Mittel: 
alter: „Registrun ecclesiae aboensis“, utg. af Reinh. Hausen (Heljing- 
fors, 1890); Gabr. Porthau, M. Pauli Juusten Chronicon Episco- 
porum Finlandensium, annotationibus et apparatu monumentorum 
illustratum, Opera selecta I. II (SHelfingior®, 1859 u. 1862); 9. ©. 
Portban, Sylloge monumentorum ad illustrandam historiam fennicam 
pertinentium (Abo, 1802—1804); A. 3. Arwidsfon, Handlingar till 
upplysning i Finlands bäfder, 10 Bände (Stodholm, 1846—1857); 
M. Aliander, Utdrag ur ryska annaler, in der Zeitfehrift „Suomi“ 
(1548), p. 1—284; E. Grönblad, Nya källor till Finlands Medel- 
tidsbistoria I (Kopenhagen, 1857); „Sceriptores rerum suecicarum medii 
aevi“, 3Bbe. (Upfala, 1818—1876); „Diplomatarium suecanum‘“, utg. 
af J. G. Liljegren, B. E. Hildebrand, E. Hildebrand och 
©. Silfverstolpe, 9 Bde. (Stodholn, 1829—1890); „Svenska medel- 
tidens rimkrönikor‘“, utg. af. G. E. Klemming. 3 Bde. (Stodholm, 
1865 — 1868); C. G. Styffe, Bidrag till Skandinaviens historia ur ut- 
ländska arkiv, 5 Bde. (Stodbolm, 1859—1884); Sven Fagerbring, 
Svea Rikes historia, 4 Bde. (Stodholm, 1769 —1788). — Abichriften 
von Urkunden im Finnifchen Staatsarchiv zu Helfingiors. 


Die Schwedische Eroberung. 9 


meinen Wettſtreit der Nationen dahinlebt, muß wegen Mangels 
an Triebfedern, welche die Kultur ins Leben rufen, entweder 
untergehen oder in veralteten Formen erſtarren. Unſerer 
Vorväter Los wurde glücklicherweiſe nicht ſo. Sie gerieten 
in Abhängigkeit von ihren weſtlichen und öſtlichen Nachbarn 
und konnten deshalb eine ſelbſtändige ſtaatliche Organiſation 
nicht begründen. Dies iſt die ſchwache Seite im hiſtoriſchen 
Leben des finniſchen Volkes geweſen. Aber hierbei trat es 
in Berührung mit den großen Kulturſtrömungen in Europa 
und gewann ſo die Kraft, in ſeiner Heimat die europäiſche 
Bildung heimiſch zu machen. 

Dies iſt der Hauptinhalt unſerer Geſchichte, in deren erſter 
Epoche Finnland zwiſchen zwei feindlichen Völkern, den Schwe— 
den und den Ruſſen, welche ſich beide einen möglichſt großen 
Teil ſeines Gebietes anzueignen ſuchen, hin und her geriſſen 
wird. Die Geſchichte hat nicht viel über dieſe Periode zu 
berichten; denn die Chroniken enthalten nur ſpärliche Nach— 
richten, und die Heiligenlegenden ſind wenig zuverläſſig, wie 
intereſſant fie auch als Zeugniſſe für die fromme Anſchauungs— 
weiſe der Vorzeit ſein mögen. 

Gegen Ende der fünfziger Jahre des 12. Jahrhunderts, 
vielleicht 1156 oder 1157, beſchloß der ſchwediſche König Erich 
Jedvardsſon (der Heilige), einen Heereszug nach Finnland zu 
unternehmen, um dieſes Land unter ſchwediſche Gewalt zu 
bringen und deſſen Bewohner zur Annahme des Chriſtentums 
zu bewegen. Die Nachrichten über ſeinen Zug ſind ſo lücken— 
haft, daß wir nicht einmal mit Sicherheit wiſſen, in welchem 
Teile Finnlands er landete. Doch ſprechen neben alten Tra— 
ditionen manche Gründe dafür, daß das Kreuz Chriſti zuerſt 
im „Eigentlichen“ Finnland, und zwar in der Nähe von Äbo, 
aufgepflanzt wurde. Nachdem Erich die Finnen beſiegt und 
einen Teil von ihnen gezwungen hatte, ſich taufen zu laſſen, 
kehrte er nah Schweden zurück, wo er bereits 1160 ſtarb '). 


1) Bgl. Vita et miracula sancti Erici regis et martyris, in: „Serip- 
tores rerum suecicarum ‘“‘ II, 










4 RE Or THE RAS \ 
, PNIVERSITY 


ALıForn\d 


10 Erſie Periode. Die tatbolifche Zeit. 


In Finnland blieb jedoch der aus England gebürtige Biſchof 
Heinrich von Upjala zurüd, welcher, wahrſcheinlich von anderen 
Prieftern und einer Heinen Heeresmacht unterftütt, bis zu ſeinem 
gewaltjamen Tod eifrig für die Ausbreitung des Ehriftentums 
thätig war }). 

Der Zug Erich8 des Heiligen war für Finnlands Zukunft 
von entjcheidender Bedeutung. Das Chriftentum in römiſch— 
fatholifchem Gewande hatte in unjerem Yande fejten Fuß ge: 
faßt, und hiermit war der Anfang zu einer näheren Verbindung 
mit dem Weiten gegeben. 

Noh war die neue Kolonie jchwach und hilfsbedürftig. 
Denn wenn auch etwas jpäter an der Mündung des Aurafluffes 
eine Feſte angelegt wurde, jo dürfte diejelbe doch weder an 
jich hinreichend ſtark noch durch eine zahlreiche Beſatzung ge- 
ſchützt geweſen jein. Die Sicherheit der chriftlichen Gemeinde 
in Finnland berubte daher im wejentlichen auf der Unterftüsung, 
welche fie aus Schweden empfangen fonnte. Dort aber waren 
infolge innerer Wirren und Spaltungen die Verhältnifje der- 
art, daß die ſchwediſche Regierung auch bei bejtem Willen den 
hriftlihen Bewohnern Finnlands bei ihren harten Kämpfen 
nicht beizuftehen vermochte. 


1) ®al. Vita et miracula sancti Henrici episcopi et martyris; in: 
„Seriptores rerum sueeicarum‘“ II, 331— 343. Ein altes Bolfslieb über 
ben Tod des beiligen Heinrich ift in ber Zeitfchrift „Suomi“ (1856), 
p. 43—56 abgedrudt. — Heinrich wurde als Schutpatron bes finnifchen 
Boltes angefeben. Zwei Feſte wurden jährlich zu feiner Ehre gefeiert, 
am 19. Januar, feinem Todestage (oder, wie man zu fagen pflegte, feinen 
Geburtstage [dies nativitatis], da er damals in ein neues, felige® Leben 
binübergegangen), und am 18. Juni, dem Tage, an weldem feine Reli— 
quien von Noufis nad Abo übergeführt wurden. Die Pradt, welche 
bei diefen Gelegenheiten in der Domkirhe zu Abo entfaltet wurbe, und 
ber Sündenablaß, welcher allen Kirchenbejuchern erteilt wurde, lockte zabl- 
reihe Perionen nad Abo. Die Bollsaniammlung brachte Handel und 
Warenaustaufch mit fih, und binnen kurzem wurben unter foldden Um— 
ſtänden die St. Heinrichsfefte die wichtigften Martttage des Landes. Noch 
heutzutage wird in Abo der Winterjabrmarkt am 19. Januar, der Sommer: 
jabrmarft am 18. Juni abgehalten. — Bgl. auch E.N. Setälä, Piispa 
Henrikin surmavirsi, in: „Vestra Finland “ II, 1—39 (Helfingfors, 1890). 


Die ſchwediſche Eroberung. 11 


Wie loie die Verbindung zwijchen Schweden und Finnland 
während des ganzen Zeitraums von 1160 bis 1248 war, 
erfieht man unter anderm daraus, daß die jchwediichen Quellen 
in diefer ganzen Zeit inbezug auf Finnland völliges Still: 
ichweigen beobachten. In ruffiihen Chroniken und päpftlichen 
Urkunden werben jedoch über Finnland jpärliche Nachrichten 
mitgeteilt, aus denen hervorgeht, daß das chriftliche Finnland 
während der genannten Epoche unaufhörlichen Angriffen jeitens 
der heidniſchen Tawaften und Karelier jowie jeitens der Bundes: 
genofjen der leßteren, der Ruſſen, ausgejegt war. Wegen ber 
fnappen Form, im welche diefe Mitteilungen meiftens gekleidet 
jind, erjcheinen diejelben dürftig genug. Gleichwohl find fie 
von hohem Wert als die einzigen Zeugniffe über unjer Volk 
während eines Zeitraums von faft hundert Jahren. 

Die Feindjeligfeiten wurden von finniſcher Seite eröffnet. 
Ruffiihe Annalen erzählen, daß jchwedijche Krieger im Jahre 
1164 bis zu der ruffiihen Stadt Yadoga vordrangen, wo 
jie jedoch volljtändig befiegt wurden )Y. Mean dürfte annehmen 
fönnen, daß die in der ruſſiſchen Chronik erwähnten „svear‘ 
aus den jchwedijchen Bejigungen Finnlands jtammten und durch 
einen Kreuzzug gegen die ungläubigen Ruſſen der ewigen 
Seligkeit teilhaftig werden wollten. 

Wenige Jahrzehnte jpäter erhoben fich die Karelier und 
die Bewohner von Nowgorod mit fanatifchem Eifer gegen die 
chriſtliche Kirche in Finnland. Im Jahre 1186 begaben jich 
Krieger aus Nowgorod unter ihrem Führer Wyſchata Wa- 
jiljewitih auf einen Plünderungszug nad Tawaſtland. Nicht 
einmal Schweden war damals vor Angriffen der Feinde jicher. 
Schwediihe Quellen berichten nämlih, daß Schweden viel 
Schaden und Unheil durch die Karelier erlitt, die ſowohl bei 
ruhiger See wie bei ftürmijchem Wetter nicht felten mit be- 
deutender Heeresmacht übers Meer in den ſchwediſchen „Schären- 
garten“ (skärgärden) und in den Mälarjee bineinjegelten, jo 
>. B. 1187 oder 1188. Im allgemeinen galten jedoch bieje 


1) M. Aliander, Utdrag ur ryska annaler; in: „Suomi‘‘ (1848). 


12 Erjte Periode. Die latholiihe Zeit. 


Heerfahrten den chriftlichen Gegenden Finnlande. Den Now: 
goroder Annalen zufolge zogen die Nowgoroder und Karelier 
1191 auf dem Seeweg ins „Yand der Tawaſten“, womit 
wahrjcheinlich der geiamte, den Kareliern nicht unterthänige 
Zeil Finnlands gemeint ift. Ein noch furchtbarerer Angriff 
eriolgte, wie die finnische Biihofschronif erzählt, im Jahre 
1198, wo die Nuffen Abo, welches bier zum erftenmal ge: 
nannt wird, miederbrannten. An der Mündung des Aura— 
flujfes war nämlich allmählich eine Stadt entjtanden, welche 
ſchon damals als die Yandeshauptitadt angejehen wurde. 

Eine von Innocenz III. im Jahr 1209 ausgefertigte Papit- 
bulfe jchilvert in büftern Farben die Yage, im welcher jich die 
chrijtlihe Gemeinde Finnlands damals befand !). Erjt dem 
durch große Willenskraft ausgezeichneten Dominifanermönd) 
Thomas, welcher von etwa 1220 bis 1245 Biſchof von Finn— 
land war, gelang es, die finnijche Kirche aus ihrem Verfall 
wiederaufzurichten ?). Später freilich wurde auch jeine erfolg- 
reihe Wirkſamkeit von ſchwerem Mißgeichief betroffen, indem 
jogar die bereits zum Chriftentum befehrten Tawaften von der 
neuen Yehre wieder abtrünnig wurden. 

Dies berubte vermutlich darauf, daß die Fürjten von Now: 
gurod, aus Furcht vor dem Vorwärtsdringen der ſchwediſchen 
Macht, die heidniſchen Finnen immer eifriger zu unterſtützen 
begannen. Demgemäß wird denn auch fortwährend von Feld: 
zügen berichtet, die von ruſſiſcher oder finniſcher Seite aus: 


1) Bgl. „Diplomatarium suecanum “ I, Nr. 136. — In der päpſt— 
lihen Bulle wird das betreffende Land „Fialandia‘ genannt. In der 
Schrift: „Biskop Thomas och Finland i hans tid“ (Helfingfors, 1838 
bi8 1839) bat ©. Nein durch forgfältige Spezialunterfuhung dar: 
getban, daß jenes Wort auf fein anderes Fand als auf Finnland bin- 
jieien kann. 

2) Aus einigen, in Bortbans „Sylloge monumentorum ‘“ jowie im 
„Diplomatarium succanum“ abgedrudten Bullen gebt bewor, daß die 
Päpſte im den zwanziger und breißiger Jahren des 13. Jahrhunderts 
jih mehr als vordem für das Schidfal Finnlands zu intereifieren be— 
gannen. Daß diefer fteigende Eifer mit der Thätigkeit des Bıihofs Thomas 
zufammenbing, läßt fi unſchwer ertennen. 


Die ſchwediſche Eroberung. 13 


gingen. In ruffiichen Quellen findet jich die Angabe, Fürſt 
Jaroslaw von Nowgorod jei jhon 1227 gegen die Tawaſten 
marſchiert, habe das ganze Yand mit Krieg überzogen und 
zahlloſe Gefangene mit jich beimgeführt. Dieje furze Bemer- 
fung deutet nicht auf eine etwaige Abficht des Fürſten, in 
Tawaſtland oder im wejtlichen Finnland feiten Fuß zu faſſen, 
jondern jein Zug jcheint vielmehr einer der im jener Zeit ge- 
wöhnlichen Plünderungszüge geweien zu fein. Übrigens rächten 
jich die chrijtlichen Finnen (oder, wie die Chronik jagt, die 
Tamwajten) jchon im folgenden Jahre durch einen Zug an den 
Padogajee und dejjen Küftengebiet. Allein während des Rück— 
zuges wurden jie von den Ingriern und Rareliern angegriffen 
und größtenteils niedergemadt. Bon 2000 Mann jollen nur 
wenige Finnland wiedergejeben haben ). Die bedeutende Stärte 
der Heeresinacht, der kühne Zug gegen einen der Hauptpunfte 
der nowgorodiſchen Herrichaft und der Umſtand, daß die Ta- 
waften als Teilnehmer an dem Kampf gegen die Nowgoroder 
genannt werden, laffen auf ein bedeutendes Kriegsunternehmen 
ichliegen, am welches Biſchof Thomas jicherlich große Hoff- 
nungen geknüpft bat, die freilich völlig getäuſcht wurden. 

Die Folgen der tatariichen Invafion in Rußland machten 
fih auch in Finnland bemerkbar. Es läßt ſich leicht ermeffen, 
daß die römijch-fatholiiche Bevölkerung Finnlands, welcher das 
Unbeil, welches Rußland betroffen, nicht unbefannt geblieben 
jein dürfte, darin einen Anlaß zum GErgreifen der Waffen er- 
blite, um jich an dem ehemals jo übermütigen, jet aber 
geihmwächten Nachbar im Often zu rächen. Schon 1240 
ftand eine beträchtliche Heeresmacht zum Zuge gen Oſten be- 
reit. Über die Ereigniffe, welche ſich nun abjpielten, berichtet 
die Nowgoroder Ehronif, daß jich die Schweden im Verein mit 
Normwegern, Sumen und Tawaften 1240 mit einer großen 
Armee, welche fich auf zahlreichen Schiffen befand, den Grenzen 
Nowgorods genähert Hätten. Nach ihrer Ankunft an der 
Newa, bei der Mündung der Iſchora, jeien jie jedoch von den 


1) Bgl. die Mitteilungen Alttandbers in „Suomi“ (1848). 


14 Erjte Periode. Die katholiſche Zeit. 


Mannen der Städte Yadoga und Nowgorod unter Fürft Ale- 
rander bejiegt worden. Im jchwediichen Quellen wird diejer 
Zug überhaupt nicht erwähnt. Indeſſen liegt fein Grund da— 
jür vor, an der Wahrheit der detaillierten Schilderung in der 
rufjiichen Chronik zu zweifeln. 

Kurze Zeit darauf erhielten die inneren Zuftände Schwe— 
dens eine jeit langer Zeit nicht mehr gefannte Feſtigkeit. 
Birger Iarl, ein mächtiger Mann aus dem Folkungergejchlecht, 
reorganifierte das Reich im Innern und faßte alsdann den 
Entihluß, einen Kreuzzug nach Often zu unternehmen, um die 
in Verfall geratene chriftliche Kirche in Finnland wieder auf: 
zurichten und neu zu ftärfen. Die Angabe der finnijchen 
Biihofschronit, daß der Kreuzzug 1249 unternommen worden 
jet, wird durch Wahrjcheinlichkeitsgrümde bekräftigt. Bezüglich 
des Landungspunktes find wir auf Bermutungen angewiejen. 
Am anjprechendften erjcheint die Annahme, daß Birger Yarl 
in einer Bucht an der Südküſte Nylands landete ). In glänzen: 
den Farben jchildert die ſchwediſche Reimchronik jenes Unter: 
nehmen, welches mit einem entjcheidenden Siege des Königs 
iiber die Tawaſten endigte und deſſen Hauptergebnis die Grün- 
dung von Tawaſtehus (Schloß Kronoborg), die Unterwerfung 
der Tawaſten jowie ihr Übertritt zum Chriftentum bildete. 
Das Werk, welches Biſchof Thomas erfolgreich begonnen, aber 
nicht durchzuführen vermocht hatte, wurde jetst gefeftigt. Der 
größte Teil der Bevölkerung Finnlands nahm das Ehriftentum 
in römiſch-katholiſcher Form an, und gleichzeitig faßten ſchwe— 
diſche Bildung, ſchwediſches Geſetz und jchwediiche bürgerliche 
Ordnung in unjerem Lande jo fefte Wurzel, daß fie jpäter 
wejentliche Beſtandteile in unjerer Entwidelung ausmachten. 
Der Name Birger Yarls ift daher auch mit unauslöfchlichen 
Yettern auf einem ber berrlichiten Blätter unjerer Gejchichte 
verzeichnet. 

Unter der Regierung Birger Yarls und feiner Söhne ging 


1) Bgl. ©. Rein, De loco, quo, arma Tavastis illaturus, appulerit 
Birgerus dux (Selfingfors, 1833). 


Die ſchwediſche Eroberung. 15 


die Entwidelung in Finnland in alter Weije vorwärts, indem 
einerjeit8 der firchliche Einfluß gefeftigt, andrerjeits der Kampf 
gegen die Rufen und Karelier fortgejegt wurde. Unter jeinem 
Enfel Birger begann ein neuer Krieg mit der Republik 
Nowgorod. Im Jahre 1293 landete der fünigliche Mar— 
ball Tyrgils Knutsſon, welcher während der Minderjährig- 
feit des Königs die Regierungsgeichäfte leitete, mit einer 
großen Heeresmacht im innerften Winkel der Wiborger Bucht, 
wo er unmittelbar zur Gründung einer Feſtung ſchritt, welche 
jtarf genug wäre, Sarelien zu bebherrichen und deſſen Ein- 
wohner unter jchwediiche Gewalt zu bringen. Dieje aus Stein 
erbaute Seite, welche auf einer vor feindlichen Angriffen ge- 
ſchützten Inſel lag, erhielt den Namen Wiborg. Tyrgils 
Knutsſon und jeine Mannen fehrten darauf nach Schweden 
heim; jedoch hinterließ er auf dem Schloß einen Vogt, wel— 
her an der Spike einer vermutlich geringen Truppe das Er- 
oberungswerf fortführte. 

Natürlich mußte ſich die Republik Nowgorod dadurch be- 
droht fühlen, daß jo nahe ihrer Grenze eine Feftung errichtet 
worden war. Der Fürſt von Nowgorod, Andrej Alerandro- 
witjch, machte denn auch jchon im März 1294 einen Verſuch 
zur Eroberung Wiborgs. Aber der Feldzug nahm einen un— 
glüdlichen Verlauf. Infolge deſſen drangen die Schweden bis 
zum Yadogajee vor, wo fie jich einer Feſte bemächtigten, welche 
von den Ruffen Korela, von den Finnen Käkiſalmi oder Kex— 
bolm genannt wurde). Schon 1295 überfielen jedoch die 
Bewohner Nowgorods die Feltung, zeritörten fie, töteten den 
Beiehlshaber Sigge Loke und nahmen alle Überlebenden von 
der Bejakung gefangen. 

Die Verhältniffe, welche zu diejer Zeit in den öftlichen 
Zeilen Finnlands herrſchten, werden durch ein Schreiben 
beleuchtet, welches König Birger am 4. März 1295 an 
Bürgermeifter und Nat von Lübeck jowie von anderen, auf 

1) Wahrſcheinlich hatte ſich an dem Plate, wo jet Kexholm liegt, 


hen früher eine Fefte befunden, welche damals von den Schweden er: 
obert und verftärft wurde. 


16 Erſte Periode. Die katbolifche Zeit. 


der Oſtſee Handel treibenden Seeftädten richtete. Aus dieſem 
Schreiben geht unter anderm auch hervor, daß die mächtigen 
Hanjeftädte nicht ohne Unruhe die Erfolge Schwedens be- 
trachteten, da fie diejelben als für ihre Handelsherrichaft ge- 
fährlih anjahen. Aber Tyrgils Knutsſon ließ ſich Hierdurch 
nicht von der Durchführung feiner Pläne abjchreden, jondern 
beichloß vielmehr, fich des Newaftromes, d. h. gerade des Mittel- 
punftes fir die Hanbelsverbindungen der Hanjejtädte mit 
Nowgorod, zu bemächtigen. Er landete an der Stelle, wo ſich 
die Ochta in die Newa ergießt, und begann daſelbſt, dicht am 
Ausfluffe der Newa aus dem Yadoga, eine Feſtung anzulegen. 
Da er geübte Handwerfer mitgenommen, ging die Arbeit raſch 
von ftatten, jo daß die Feſte, welche den jtolzen Namen „Yandes- 
krone“ (Pandsfrona) erhielt, binnen furzem jogar den Angriffen 
eines ſtarken Feindes trogen zu können ſchien ). 

Kurz darauf nahte eine ruſſiſche Heeresmacht, welche 
31000 Mann ſtark geweſen ſein ſoll. Der Feind ließ nichts 
unverſucht, um ſich der Stellung der Schweden zu bemäch— 
tigen. Nachdem ſich jedoch alle Bemühungen als vergeblich 
erwieſen hatten, mußte er wieder abziehen. Der Marſchall 
beendete nun den Bau der Feſtung, verſah dieſelbe mit Pro— 
viant und kehrte darauf nach Schweden zurück. In Lands— 
krona blieben 300 Mann unter dem Befehl des Hauptmanns 
Sten. Dieſe Schar wurde von einem traurigen Geſchick er— 
eilt. Schon von Anfang an wenig zahlreich, wurde ſie durch 
Entbehrungen und Krankheiten noch mehr geſchwächt, ſo daß 
ſchließlich nur noch eine Hand voll Leute übrig war, die im 
Sommer 1301 die Feſte gegen einen erneuten Angriff der 
Ruſſen zu verteidigen hatte. Der Feind drang in die Feſtung ein, 
zümdete fie an, der Befehlshaber wurde nebjt der Mannjchuft 
miedergemacht und Yandsfrona bis auf den Grund zerjtört ?). 
In jo unglücdlicher Weije endete der Verjuch Tyrgils Kmuts- 


11 Die Schwedifche Reimchronik, welche jich jedoch als nicht jonderlich 
zuverläſſig erweiſt, berichtet ausführlich über dieje Ereignifje. 

2) So ſchildert die Reimchronik diefe Borgänge Die kurzgefaßten 
Angaben der ruffiihen Quellen ſtimmen in der Sauptfache Damit überein. 


Die ſchwediſche Eroberung. 17 


ſons, an der Newa einen äußerſten Vorpoften des jchwebtichen 
Reichs zu errichten. 

In den folgenden Jahren nahın der Kampf mit der Re— 
publif Nowgorod unter wechjeljeitigen Plünderungs- und Raub- 
zügen jeinen Fortgang. Im Jahre 1311 zogen, ruſſiſchen 
Quellen zufolge, die Nomwgoroder gegen die Tawaften im jüd- 
lichen Finnland. Im Jahre 1313 verbrannten die Schweden 
die Stadt Ladoga, und 1317 wurde ein zweiter jchwebijcher 
Zug nach Yadoga unternommen. Im Jahre 1318 endlich 
zogen die Nowgoroder, wie die ruffiiche Ehronif meldet, übers 
Meer und eroberten die Stadt des Suomifürften Lüder nebjt 
dem dort befindlichen Biſchofsſitz. Auch die finnische Biſchofs⸗ 
chronik berichtet, daß 1318 die Stadt Äbo verbrannt und die 
Domkirche von den Ruſſen geplündert wurde ). Die Reſidenz 
ver finnischen Biichöfe, Kuuftö, wo erft fürzlich (1317) zum 
Schutze gegen feindliche Angriffe ein feites Schloß erbaut 
worden war, wurde zerftört, und es wird bejonders bervor- 
gehoben, daß die Kojtbarfeiten und Privilegienbriefe der Dom- 
firche bei diejer Gelegenheit ein Raub der Flammen wurden ?). 
Es unterliegt feinem Zweifel, daß fich alle dieje Nachrichten 
auf einen einzigen ruſſiſchen Kriegszug zurückführen lafjen, 
welcher wahrjcheinlich auf dem Seewege nah Weftfinnland er- 
folgte. Die Stadt Abo wird in der rufjiichen Erzählung 
„Lüders Stadt” genannt, da der damalige fönigliche Haupt- 
mann auf dem Schlojje zu Abo Yüder oder Lüdeke von Kyrn 
bieß. Im Jahre 1322 machten die Ruſſen einen Verjuch zur 
Eroberung Wiborgs, der Hauptfeftung im öftlichen Finnland. 
Alle Anstrengungen der Belagerer erwieſen jich indejjen erfolg- 
108, und einen Monat jpäter mußten fie unter Verluften den 
Rüdzug antreten. Nicht minder fruchtlo® verlief ein in dem— 


1) Die Domtirche zu Abo wird zum erſtenmal in einer päpſtlichen 
Bulle von 1258 erwähnt. Gingeweibt wurde jie nad ibrer Bollendung 
1300 von Magnus (1291—1308), dem erften eingeborenen Biſchof Finn- 
(ande. Gleichzeitig wurde der Bilhofsfis von NRäntämäli (St. Marie) 
nad Abo verlegt. — Das Aber Schloß wird 1308 zuerft erwähnt. 

2) R. Haujen, Kuustö slott, p. 15 (SHelfingiors, N 1883). 

Schobergion, Geihihte Finnlande. 


18 Erjte Periode. Die katboliihe Zeit. 


jelben Jahre von finnischer Seite unternommener Angriff auf 
Kerholm. 

Da der fortgeiegte Krieg nur Zerftörung und Blutvergießen 
bewirft hatte, ohne daß auf einer ber beiden Seiten irgend- 
ein nachhaltiger Erfolg erzielt worden wäre, jo begann ſich 
allgemein die Sehnjucht nach einem dauerhaften Frieden gel- 
tend zu machen. Dan einigte fich deshalb dahin, daß in 
Nöteborg (ruſſiſch: „Orechowez“), am Ausfluffe der Newa 
aus dem Yaboga, wo die Ruſſen kürzlich mit der Anlage einer 
Feſtung begonnen Hatten, ein Friedenskongreß zujammentreten 
jollte. Im Yaufe des Sommers 1323 fanden fich daſelbſt 
die Neichsräte Erich Thuresjon und Hemming Odgislasfon, 
der Schloßhauptmann Peter Jönsſon Bit af Flishult auf 
Wiborg jowie ein Geiftliher VBermundus als Delegierte 
Schwedens ein. Don Nowgorod waren, als vom Fürſten 
Jurij Danilowitſch gewählt, der Statthalter Alformius und 
der Hauptmann Abraham, jowie ferner Deputierte der Bürger: 
ichaft Nomwgorods anweſend. Außerdem beteiligten ſich noch 
als Schiedsrichter bei den Verhandlungen zwei Männer, Na— 
mens Pudwig und Fodra, Vertreter der Kaufleute auf Got- 
land, deren Hanbdelsinterejjen durch den andauernden Kriegs— 
zuftand in den Yändern am Finniſchen Meerbujen gelitten 
hatten und die deshalb ebenfall8 an dem Friedenswerk hohes 
Intereſſe bejaßen. 

Die Unterhandlungen endeten mit der Unterzeichnung eines 
vom 12. Auguft 1323 datierten Friedensinjtruments, der erjten 
Urkunde, welche Finnlands Grenzen im Oſten feftitellt. Weiter 
wurde in dem Vertrage unter anderm beftimmt, daß Kaufleute 
aus ganz Deutjchland, Lübeck, Gotland und Schweden zu Waſſer 
und zu Yande auf dem Wege über Nyen freie Verbindung mit 
Nowgorod haben jollten, ungehindert von den Schweden und 
namentlich von der Beſatzung auf Wiborg. Desgleichen follten 
die Kaufleute von Nowgorod während der Dauer des Friedens 
jicher und unbehindert nach Nyen ihren Weg ziehen dürfen. Weder 
den Schweden noch den Nowgorodern jollte e8 gejtattet fein, 
in Karelien neue Feftungen zu errichten u. j. w. u. ſ. w. 


Die ſchwediſche Eroberung. 19 


Die Grenzlinie zwijchen Schweden und Nowgorod jollte 
durch folgende Orte gehen: von der Mündung des Spiter- 
bäck ind Meer bis zum Saifluffe, der fih in den Wuoxen— 
strom ergießt, von dort nach Päiväfivi oder Solften im Wuo- 
ren, weiter durch das St. Andreä-Kirchipiel nach Torſajärvi 
im Kirchipiel Rautjärvi und nach Särkilahti jüdlich vom Saima- 
jee. Bon diejer Stelle an find die Grenzpunkte jpärlich und 
ihwer auffindbar. Als Grenzorte werden Samujalo, Siiti, 
KRarjalanfosfi und Kolumakosfi genannt. Schließlih wird 
gejagt, die Grenze jolle zum Petäjofiflufje und von dort 
zum Rajanameer (oder, wie e8 in einigen Klopieen des Friedens— 
traftats heißt, zum „Helſingemeer“) geben. Inbetreff der 
Auslegung des letten Punktes find verjchiedene Anfichten aus— 
geiprochen worden. Einige finnifche Foricher find der Mei- 
nung gewejen, man babe unter „KRajana Meer“ den „Bottnijchen 
Meerbujen“ verftanden, in deſſen nördlichen Zeil die Grenze 
mithin ausgemündet hätte Andere wiederum, unter ihnen 


* 


DO. ©. Rydberg, welcher dieſer Frage eine gründliche Unter— 
juchung gewidmet hat !), haben geglaubt, das „Kajanameer“ 
jei mit dem Eismeer identiih. Ging, gemäß dem Vertrage 
von 1323, die Grenze bis zum Bottnijchen Meerbujen, jo ift 
der Grenzfluß Petäjofi in einem der in den genannten Meer: 
buſen ſich ergießenden Gewäſſer, 3. B. im Pyhäjoki, zu juchen; 
in welchem Falle das gejamte nördliche DOfterbotten und das 
finnijche Lappmarken rujjiiches Gebiet gewejen wäre. Im 
entgegengejegten Falle müßte man ſich die Grenzlinie vom 
Maanſelkä bis zum Eismeer gezogen denken, jo daß alles Yand 
weitlich von diejer Yinie zu Schweden gehören würde. Uns 
icheinen die Gründe überwiegend zu fein, welche dafür jprechen, 
daß unter „Rajanameer“ in jenen alten Zeiten das, was wir 
beute „Eismeer“ nennen, verftanden wurde König Alfred 
von England giebt in feiner Überjegung des Orofius deſſen 
Ausdrud „Septentrionalis Oceanus“* mit „Quänſee“ wieder, 
womit er das Eismeer meint, von welchem er durch den Nor— 
1) Bgl. D. ©. Rydberg, Sverges traktater med främmande magter 


jemte andra dit hörande handlingar I, 434—513 (Stodholm, 1877). 
2* 


20 Erſte Periode. Die tatboliiche Zeit. 


weger Other genaue Nachrichten erhalten Hatte. Die Now- 
goroder, welche in lebhafter Berührung mit den Quänen jtan- 
den und wußten, daß dieje hoch oben im Norden bis zum Eis— 
meer wohnten, benannten nach ihnen vermutlich das lett- 
erwähnte Gewäſſer. Ein Verfaſſer, v. Herberftein, welcher bei 
Beginn des 16. Jahrhunderts Rußland bejuchte, jagt aus— 
drüdlich, die Ruſſen hätten Schwedens nördlichſte Beſitzungen 
am Eisineer das „Kajaniſche Yand“ genannt. Es iſt daher 
auch wahrjcheinlich, daß die Schweden „Kajanameer“ als mit 
Eismeer identisch aufgefaßt haben; eine Anficht, welche weiter da— 
durch befräftigt wird, daß die ſchwediſche Regierung, wie aus meh— 
reren Verfügungen hervorgeht, unmittelbar nach dem Nöteborger 
Frieden das nördliche Ofterbotten ala ihr eigenes Gebiet be- 
trachtete. Muß es doch wenig glaublich erjcheinen, dag Schwe- 
den jene Verordnungen erlajjen hätte, wofern das Kiüftenland 
am Bottniſchen Meerbuſen durch den Friedensvertrag rujjiiches 
Eigentum geworden wäre Gegen Ende des 15. Jahrhunderts 
wurde allerdings von ruſſiſcher Seite Anjpruch darauf erhoben, 
dag Nordichweden und das nördliche Finnland bis zu einem, 
Hanhikivi genannten Stein, der fih im Kirchipiel Salo von 
DOfterbotten befand, jowie bis zu einer Stelle Namens Bjure- 
klubbe im Kirchipiel Sfelleftei von Wefterbotten Rußland zu: 
fallen jollten. Allein bei diejer Gelegenheit berief man fich 
nicht auf den Ariedenstraftat von 1323, jondern auf alte 
Traditionen, welche jedenfalls aus weit älteren Zeiten ber- 
jtammten, als ruſſiſche Karelier in Yappland und im nördlichen 
Karelien umberftreiften. Irgendwelche Beweiſe inbezug auf 
die Grenzbeitimmungen des Traktats von 1323 fönnen dem— 
nach aus jenen Anjprüchen nicht hergeleitet werden. 


Die chriftlihe Yehre war in unjerm Yande unter gewalt- 
ſamem Blutvergießen verfündigt worden, und unjere Vorfahren 
batten diejelbe unter dem Zwange eines Machtgebots und ohne 
innere Herzensüberzeugung angencınmen. Es mußte deshalb 
lange währen, ehe das Ehriftentum auf Sitten und Gemüt 


Finnland um 1300, 4 


des Volkes einen nachhaltigen Einfluß auszuüben vermochte. 
Dennoh wäre e3 ein Irrtum, vorauszujegen, daß das Chriſten— 
tum nicht jchon damals jegensreich wirkte. Die kraftvolle rö- 
miſche Hierarchie, welche ſich in Finnland mach denjelben alf- 
gemeinen Grundjägen wie in anderen Ländern entwicelte, war 
eine Erzieherin des finnischen Volkes, welche im Namen des 
göttlichen Wortes den heidniſchen Übermut beugte. 

Ein Zeugnis unter vielen von der Bedeutung der Kirche 
für Finnland tft, daß die Grenzen Finnlands und des finniſchen 
Bistums miteinander zufammenfielen. Wo auch immer man 
den mächtigen Worten des Biſchofs zu Abo Gehoriam zollte 
und ihm Steuern zahlte, da lebte man in „Ofterland“, wie 
Finnland gewöhnlich genannt wurde, obwohl allmählich auch 
der Name „Finnland“ („Finlandia*) in Gebrauch fam. Die 
Yandichaften, welche zum Bistum Abo und zu Oſterland ge: 
rechnet wurden, waren: Aland, das „Eigentliche“ Finnland (wel- 
ches in älteren Urkunden nur Finnland oder Finlandia heißt), 
Satafınta, Nyland, Tawaſtland, das weitliche Karelien und 
das weitliche Savolaks. Wann Aland mit dem finnischen Bis- 
tum vereinigt wurde, ift nicht befannt. Vielleicht geſchah es 
während der Amtsdauer des auf Aland geborenen Bijchofs 
Ragvald II. (1309—1321). In nördlicher Richtung erjtredte 
jich das Bistum Abo bis nach Djfterbotten hinein. 

Die vornebmiten Männer des Yandes waren die Bijchöfe, 
ſowohl wegen ihres Ranges als infolge ihrer hohen Bildung. 
Indefjen fonnte der Biſchof zu Abo hinſichtlich der Äußeren 
Pracht mit anderen Kirchenfürften des Mittelalters nicht wett— 
eifern. Erjt gegen Ende diejer Periode wurde jeine Stellung 
durch die Erbauung des Schlojjes Kuuſtö und durch Boll: 
endung der Domtirche von Abo glänzend. — Dem Bijchof 
itanden jchon frühzeitig Ratgeber zur Seite, welche aus 
den eiftlichen in nächfter Umgebung des Biſchofsſitzes ge— 
wählt wurden. Allmählich erhielten diejelben höhere Befug— 
niffe, bis fie ichlieglich ein Domkapitel bildeten, welches gemein- 
ſam mit dem Biichof die Verwaltung des finniſchen Stifte 
bejorgte, und deſſen Organilation etwa 1276 näher fejtgeftellt 


22 Erſte Periode. Die latholiſche Zeit. 


wurde. — Von Klöftern gab es in jener Periode nur das 
St. Dlof-Dominifanerflofter zu Abo, welches bereit8 1249, 
gleichzeitig mit dem Kreuzzug Birger Jarls, angelegt wurde, 
eine größere Wirkſamkeit jedoch faum ausgeübt haben dürfte. 

Die weltliche Verwaltung lag nicht jelten in der Hand von 
Mitgliedern des Königshaufes, welche unter dem Titel eines 
Herzogs das Yand regierten. So wurde Benedikt, der vierte 
Sohn Birger Yarls, 1284 Herzog von Finnland. 

Die lofale Regierung wurde von den Hauptleuten auf den 
drei Sclöffern Abo, Tawaſtehus und Wiborg gehandhabt. 
Unter ihnen war der Hauptmann auf Abo, gewöhnlih „Finn: 
lands Hauptmann“ (advocatus, praefectus Finlandiae) genannt, 
der angeſehenſte. Sein Wirfungsfreis umfaßte das „Cigent- 
liche“ Finnland, Satakunta und Aland. Beachtenswert erjcheint 
ein Schriftlicher Vergleich, welcher am 31. Mai 1326 zwiichen 
dem Hauptmann auf Abo, Karl Näsktonungsion, und der Stadt 
Reval abgejchloffen wurde, und in welchem erjterer in jeinem 
eigenen Namen jowie in dem jeiner Untergebenen gelobte, daß 
alfe Streitigkeiten und Reibereien zwijchen jeinem Vorgänger, 
Ritter Matts Kettilmundsjon (geft. 1326), und den Bewoh— 
nern von Reval für alle Zukunft völlig vergejien jein jollten. 
Auch jollten die Einwohner von Reval fortan freien Zutritt 
zu allen Häfen innerhalb der Kreishauptmannjcaft Abo ſowie 
die Berechtigung haben, dort zu bleiben, von dort wegzuzieben 
und dajelbft Handel zu treiben. Der Hauptmann auf Tawaſte— 
hus bejorgte die Verwaltung in Tawaſtland und den dazu 
gehörigen unbebauten Gegenden bis zur Küfte von Öfterbotten. 
Unter dem Hauptmann zu Wiborg ftand Nyland nebſt den- 
jenigen Zeilen von Savolafs und Karelien, welche Schweden 
zugefalfen waren. Am 10. Juli 1326 erließ der Schloßvogt 
auf Wiborg, Petrus Ionsion, eine Bekanntmachung, welche mit 
dem oben erwähnten Briefe Karl Nästonungsjons faſt wörtlich 
übereinftimmt. Mit einem Worte, die Hauptleute handelten 
auch ausländiichen Mächten gegenüber jelbftändig y. In Ny— 


1) Bal. F. ©. v. Bunge, Liv-, Ejtb- und Kurländifches Urkunden: 


Finnland um 1300, 23 


fand und auf Aland werben bisweilen Unterbauptleute oder 
Bögte erwähnt. 

3m übrigen ift unjere Kenntnis von den Zuftänden in 
Finnland während jener Zeit außerordentlich mangelhaft. Daß 
ſchwediſches Geſetz und ſchwediſche Geiellichaftsorbnung ein— 
geführt wurden, geht aus den ſpäter beſtehenden Verhält— 
niſſen hervor. Allein die Geſchichte giebt uns keinen näheren 
Aufſchluß, in welcher Weiſe dies geſchah. Allerdings wird in 
Briefen der damaligen Zeit ein „jus carelicum“, ein „jus 
finnieum“, ein „jus helsingonicum“ und ein „jus suecicum* 
als in verjchiedenen Teilen Finnlands in Geltung befindlich 
erwähnt, und zwar das erjtgenannte „jus“ in den öftlichen 
Yandesgebieten, das finniſche im „Eigentlichen“ Finnland, das 
beljingiiche an der Küftenftrede von Nyland und das ſchwe— 
diſche in den Küftenjprengeln im „Eigentlichen“ Finnland. Wir 
dürfen jedoch nicht aus jenen Ausdrücen darauf jchließen, daß 
die Bewohner innerhalb der Gebiete des „jus suecicum“ und 
des „jus helsingonicum* nach ſchwediſchem und Heljinger 
Geſetz, die Anfiedler im Territorium des „jus finnicum‘“* und 
„jus carelicum“ hingegen nach eigentümlichen finnijchen Rechts— 
gebräuchen regiert worden wären. Das Wort „jus“ bedeutet 
nämlich nach dem mittelalterlihen Sprachgebrauch nicht nur 
„Recht“, jondern auch „Zins“, und jo ift jenes Wort hier zu 
verjtehen ). 

Die Bevölkerung Finnlands war noch bis weit in dieſe 
Periode hinein fast ausſchließlich in den ſüdlichen Küftengegen- 
den angefiedelt, unter denen Nyland, das „Eigentlihe” Finnland 
jowie Aland, wie man aus der Anzahl der Kirchipiele jchließen 
fann, eine etwas dichtere Bevölkerung aufwiejen. In Sata— 
funta, welches in den dreißiger Jahren ded 14. Jahrhunderts 
zum erjtenmal erwähnt wird, war Kumo der Hauptort. Das 
Land nördlich davon und die inneren Gebiete Hingegen waren 


buch nebſt Regeften II, Nr. 724—726 (Reval, 1855); DO. S. Rydberg 
1. c. 1, 518— 522, fowie „‚Historiallinen arkisto“ VI, 66 (Helfingiors, 1878). 

114. ©. Fontell, Om svenska och finska rätten (Helfingfors, 
1883 . 


24 Erſte Periode. Die katboliiche Zeit. 


Einöden, welche von Lappen, Fiichern und Jägern burchitreift 
wurden. Erſt gegen Ende dieſer Periode wurde Die eigentliche 
Anfiedelung erweitert, indem Ofterbotten durch allmählich fort- 
ichreitende Rolonijation eine feſt anſäſſige Bevölkerung erbielt. 
Hierbei war der Einfluß der „Birkarlier“, einer Handels— 
gejellichaft, welche mit den Lappen Handel trieb und diejelben 
immer mehr unter ihre Gewalt brachte, von großer Bedeutung ?). 
Aus einer Urkunde von 1328 geht nämlich hervor, daß die 
Birkarlier jeit langem um des Handels und der Steuererhebung 
willen die Lappen aufzufuchen pflegten, jowie daß andere Kolo— 
niften ihren Spuren folgten und in den Küftenländern wejtlich 
‚ und nörblih vom Bottnifchen Meerbujen ſich niederzulafien 
begannen. Vermutlich waren die Verhältniſſe öftlih vom 
Bottnifchen Meerbujen gleicher Art. Zuerjt erjchienen die Ta- 
wajten, deren Niederlaffungen, nach einer Menge von finnijchen 
Namen zu jchliefen, anfangs ſich bis an die Meeresfüfte 
erjtredten. Später wurden bdiejelben jedoch vom größten 
Teile der jüdlichen Küftenftrede durch Schweden verdrängt, 
welche aus dem jchwedischen Norrland über den Bottnijchen 
Meerbujen binüberfamen. — In den nördlichen Niederungen 
von Ofterbotten lebten vielleicht Überrefte des alten Quänvolfes 
zujammen mit jpäter angefievelten Kareliern. Letztere vermijch- 
ten fih mit Tawaſten, die von Süden gefommen waren, 
jo daß ſich Spuren fareliichen wie tawaftländischen Urjprungs 
noch Heutzutage bei der Bevölkerung im nördlichen Oſter— 
botten bemerfbar machen. 


1) Die Bedeutung des Namens „Birkarlier” ift umftritten geweſen. 
Derjelbe muß zweifel8obne von dem altſchwediſchen Worte „birk“ ab: 
geleitet werben und bebeutet „Handeldmann“ Man bat den Namen mit 
dem Namen des Kirchfpiel® Birlkala in Satakunta in Verbindung gebracht 
und angenommen, daß der Name „Birkarlar‘ dem Kirdhipiel entnommen 
ift. Dies ericheint kaum denkbar; cher könnte man vermuten, daß ſich 
Birlarlier im Kirchſpiel Birkkala niebergelajien baben, weldies dadurch 
jeinen Namen erbielt. 


Magnus Eritsion und jeine Zeit. 25 


2. Magnus Eriksfon und feine Beit. 

Nah dem Nöteborger Frieden (1323) jowie den jchon er— 
wähnten Übereintünften zwijchen der Stadt Reval und den Haupt- 
feuten auf Wiborg und Abo (1326) herrſchte zunächſt Ruhe in 
den öjtlichen Grenzgebieten des Reichs. Bald jedoch entwidelten 
ih in Nowgorod Zuftände, welche den Grenzfrieden jtörten. 
Bereits 1337 erhoben ſich, unterftügt von dem ſchwediſchen 
Schloßhauptmann Petrus Jonsſon auf Wiborg, die Einwohner 
von Nöteborg und megelten die Ruſſen nieder, worauf die Auf: 
rührer nach Wiborg flüchteten. Dies gab zu Weindjeligfeiten 
zwiſchen Wiborg und den Ruſſen in Karelien Anlaß (1338), in- 
dem die Wiborger die Vorftadt von Ladoga verbrannten, während 
die Nomwgoroder ihrerjeits einen Einfall in das ſchwediſche 
Rarelien machten. Im Yaufe des Winters jchidte Petrus 
Sonsjon infolge deffen nach Nowgorod Gejandte, welche mit der 
Erklärung beauftragt waren, daß der jchwebiiche König von 
dem Friedensbruche feine Kenntnis bejäße, jondern daß er, 
Petrus Jonsſon, auf eigene Fauft die Unruhen hervorgerufen 
babe; weshalb man um jo viel mehr zur Bewilligung eines 
Friedens geneigt jein müſſe. Die Nowgoroder gingen bierauf 
ein und jandten zwei Bevollmächtigte nah Wiborg, welche 
dajelbft in Übereinftimmung mit dem Traftat von 1323 die 
Friedensbedingungen entwarfen. Im Jahre 1339 wurden als— 
dann ruffiihe Gejandte zum König Magnus Eritsion gejchiekt, 
weicher den abgejchloffenen Vertrag bejtätigte '). — Einige 
Jahre ſpäter mijchten jich die Schloßhauptleute auf Wiborg 
und Abo, auch diesmal eigenmächtig und ohne Zuſtimmung 
ihrer Regierung, in die inneren Unruben ein, deren Schau— 
plag Ejthland war. Die dortigen Bauern hatten jich 1343 
wutentbrannt gegen ihre Herren empört und jich gleich- 
zeitig am den Hauptmann Dan Niklisjon auf Abo mit der 
Bitte um Beijtand gewandt. Für dieje Hilfe wollten fie 
jeine Unterthanen werden ſowie Reval, wenn es in ihre 


1) Bgl. Aliander, Utdrag ur ryska annaler, p. 91. 


26 Erſte Periode. Die latholiſche Zeit. 


Hände fiele, ihm überlajfen. Ein gleiches Anerbieten machten 
fie dem Hauptmann Petrus Jonsſon auf Wiborg. Die fin- 
niſchen Schloßhauptleute konnten einer ſolchen Verjuchung nicht 
widerjtehen und erteilten eine bejabende Antwort, erhielten je- 
doch glüclicherweije feine Gelegenheit, ihr Verſprechen zu er- 
füllen. Reval wurde nämlich teil8 von Dänemark unterjtügt, 
teil8 von dem Großmeifter der Schwertbrüder, welcher mit 
allen nur verfügbaren Streitfräften die Bauern angriff und 
die Flammen des Aufruhrs in Blut erfticte. Erſt bernach 
trafen die Finnen ein, deren Anführer die veränderte Sad- 
Inge bemerkte und jchlau verficherte, fie jeien keineswegs ge- 
fommen, um die Bauern zu unterftügen, jondern um Genug— 
thuung für Beleidigungen zu verlangen, welche König Walde: 
mar Atterdag von Dänemark ihrem Herrn, dem König von 
Schweden, zugefügt habe. Die Sache wurde gütlich geordnet. 
Am 21. Mat 1343 fam ein Waffenjtillftand zuftande, der am 
5. September in einen ewigen Frieden verwandelt wurde. 
Unter den Friedensbedingungen findet fich die Beſtimmung, daß 
die Vorrechte, Gejege und Freiheiten des Schlofjes Wiborg, 
jo wie fie von früher ber gewejen, in voller Kraft bejtehen 
bleiben jollten, und daß, wenn ein Schwede in Eſthland den 
Frieden bräche, jeine Angelegenheit von ſchwediſchen Edelleuten 
abgeurteilt werden ſollte. Wir wiffen nicht, welches die er- 
wähnten echte und Freiheiten des Schlojjes Wiborg waren; 
allein die angeführten Worte find beachtenswert, da jie er- 
weijen, daß ältere Verträge zwiſchen Wiborg und Reval be- 
jtanden haben }). 

Dieje kleineren VBerwidelungen waren die Vorboten eines 
großen friegerifchen Unternehmens, welches die Wiederaufnahme 
des Planes von Tyrgils Knutsſon, d. h. die Ausbreitung der 
ſchwediſchen Herrichaft bi8 an die Ufer des Ladoga und der 
Newa bezwedte. Vermutlich war König Magnus durch eine 
erneute Bitte um Hilfe aus dem ruffiichen Karelien bewogen 


1) Bgl. Grönblad, Nya källor, p. 5. Bunge, Urlundenbuch 
II, Nr. 817. 


Magnus Eriksion und jeine Zeit. 27 


worden, im Namen des heiligen Kreuzes die Bewohner jener 
Niederungen zur Unterwerfung jowie zur Annahme des fatho- 
lichen Glaubens aufzufordern. Er ftellte ein beträchtliches 
einheimijches Heer auf und ließ außerdem ausländijche Truppen 
anmerben, zu deren Anführer Graf Heinrich von Holjtein aus- 
erjehben wurde. So gerüftet, brach der König nach Finnland 
auf, jegelte durch die Oſtſee und ben finnischen Meerbujen und 
landete auf Björk. Mit der ſchwediſchen Hauptmacht zog 
er darauf nach Möteborg und eroberte ed am 6. Auguft 
1348. Nun rüfteten jich aber die Nowgoroder mit großem 
Eifer und boten alle Mannjchaft innerhalb des Yandes auf. 
König Magnus, welcher faſt eingejchloffen worden wäre, ließ 
in Nöteborg eine Bejagung zurück und jchiffte fich mit dent 
Reſte jeiner Truppen nach Schweden ein, worauf die Now- 
goroder nach jiebenmonatlicher Belagerung am 24. Februar 1349 
Nöteborg erjtürmten ?). 

Sicerlih hat König Magnus nicht ohne bitteren Gram 
jein gewaltiges friegerifches Unternehmen jcheitern jehen. Er 
würde denn auch jofort zur Erneuerung des Kampfes bereit 
geweſen jein, hätte nicht die furchtbare Seuche, welche in der 
Geſchichte Europas unter dem Namen „Schwarzer Tod“ be: 
fannt ift, damals Schweden erreicht. Am beftigjten wütete 
die Peſt dajelbjt im Jahre 1350. Bon dort ging fie wahr: 
iheinlih nah Finnland hinüber. 

Obwohl Magnus Eriksſon Hierdurch eine Zeit lang an 
der Ausführung jeiner Pläne gegen Rußland gebindert wurde, 
jo war es doch jeine Abjicht nicht, Ddenjelben ganz und gar 
zu entjagen. Im Herbſt 1350 brach er mit feiner Flotte 
und jeinen Scharen nach Finnland auf. Im Oktober lag jein 
Heer bei Narwa; aber die jpäte Jahreszeit machte ein wirf- 
jameres Auftreten gegen den Feind unmöglich. Nach einigen 
Scharmügeln zog fih der König zurüd und verbrachte den 
Winter in Efthland und Livland, wo er fich eifrig bemüht 


1) Akiander 1. c., p. 96. — Die Erzäblung der ſchwediſchen Reim- 
chronik, deren Berfafler ein Gegner des Königs war, ftunmt in ber 
Hauptſache mit dem Berichte der ruififhen Chroniken überein. 


3 Erſte Periode. Die katholische Zeit. 


zeigte, die Hanjeftädte zum Verzicht auf den Handel mit Ruß: 
land zu bewegen. Die jpäteren friegeriichen Ereigniſſe waren 
von geringer Bedeutung. Im März 1351 rüdten die Now: 
goroder unter Boriſow, dem Sohne ihres Statthalters, in 
das jchwediiche Gebiet und belagerten Wiborg. Die Vorjtadt, 
welche vor den Befejtigungen entjtanden war, wurde angezün— 
det, ein Ausfall der Bejagung zurücgejchlagen. Allmählich 
ichlief jedoch der Krieg ein, und noch in demjelben Jahre dürfte, 
vermutlich unter Bermittelung der deutſchen Schwertbrübder, 
ein Waffenftillftand in Dorpat zuftande gekommen fein. Ein 
förmlicher Friede ift, jo viel man weiß, micht abgeichloffen 
worden !). 

Der rejultatloje Krieg gegen Rußland und der Schwarze 
Tod bilden einen Wendepunkt in der Geſchichte Magnus 
Erifsjons. Bisher war jeine Regierung im großen und 
ganzen glüclich gewejen. Von nun an zogen jich jedoch ſchwere 
Wolfen über feinem Haupte zujammen Es fam zu Unruhen 
im Innern, jowie zu Streitigfeiten zwijchen ihm und jeinem 
Sohne, König Hakon von Norwegen, welche damit endigten, 
daß Hafon am 15. Februar 1362 als Mitkönig des Vaters 
in Schweden anerkannt wurde. 

Diejes Ereignis beaniprucht in der Geichichte Finnlands 
einen bejonders wichtigen Pla. An der Königswahl beteilig- 
ten jich nämlich finnische Männer, umter ihnen an erjter Stelle 
der Oberlandrichter („lagman‘) Nils Thuresſon (Bjelke) und 
Biihof Hemming ?). Dieje, für das Wohl des Yandes, deſſen 


I) Bol. ©. DO. Rydberg 1. e. Il, 170 (Stodholm, 1883). 

2) Biſchof Hemmings Leben war volljtindig dem Dienfte der finnifchen 
Nirhe geweibt. Während feiner Amtsdauer (1338—1366) verfäumte er 
nichts, was zur Erböbung des Anfchens der Kirche und zur Erweiterung 
ihrer Privilegien beizutragen vermochte. Im Jahre 1352 erließ er eine 
Kirhenordnung. Im Jahre 1354 aründete ev eine Bibliotbet an der 
Domlirhe zu Abo. In dem Donationsbrief werden 30—4V Bücher auf: 
gezählt. Diefe Gabe würde in jedem Lande koftbar geweien fein, da 
a Bücher im Mittelalter zu dem feltenften und wertvollften Gegen: 
ſtänden gehörten; beſonders bedeutungsvoll erwies fie ſich jedoch für Finn« 
land, wo litterarifche Bildung kaum Wurzel gefaßt hatte. Wahrſcheinlich 


Magnus Eritsjon und jeine Zeit. 29 


hervorragendſte Männer fie waren, eifrig bemüht, eriwirften 
über Finnlands Recht zur Teilnahme an der Königswahl eine 
Verfügung, welche mit gutem Grunde als Finnlands erftes 
Grundgeſetz bezeichnet werden fanı. Aus Ddiejer Urkunde !) 
erjehen wir, daß Finnland ſchon früher einen Oberlandesgerichts- 
bezirf („lagmansdöme*), d. h. einen juridiichen Rechtsbezirk 
gebildet hatte, wo die Rechtspflege von dem Dberlandrichter 
jowie von Rittergutöbejigern („„frälsemän *) und Bauern als Bei: 
jigern bejorgt wurde. Vermutlich waren die Bewohner Finn— 
lands aud im Beſitz der übrigen echte, welche auf ven 
Yandichaftsthingen von den jchwediichen Yandichaftsgemeinden 
ausgeübt wurden. Aber eine Befugnis, und zwar die höchite, 
das Recht der Teilnahme an der Königswahl gemäß der Vor- 
ihrift des von Magnus Erifsjon erlafjenen Yandesgejeges, 
wurde ihnen erjt jett bewilligt. Es iſt allerdings wahr, daß 
unſere Borfabren niemals Gelegenheit erhielten, jenes echt 
auf die in der Urkunde vom 15. Februar 1362 fejtgejette 
Werje auszuüben. Während der folgenden unruhigen Jahre 
hatte man feine Zeit zur Beobachtung der gejeglichen Formen 
bei der ZThronbefteigung der Könige, und wir müßten nicht, 
dag auch nur ein einziges Mal der Ruf zur Teilnahme bei 
einer in Schweden jtattfindenden Königswahl an Finnland er- 
gangen wäre. Nur zweimal gejchab es, daß jich Finnlands 
Bolt in Abo verjammelte, um eine Königewahl zu bejtätigen, 
welche ichon früher in Schweden vor jich gegangen war, und 
dazumal beteiligten jich nicht alle Gemeinden Finnlands, ſon— 
dern bloß das Volf im „Eigentlichen“ Finnland an der feierlichen 
Wahlhandlung. Außerdem nahmen 1499 die Finnen auf ge- 
jegliche Weije an der Wahl eines Ihronfolgers teil. Allein 
wenn jene Bejtimmung auch nur in geringem Maße zur An— 
wendung gelangte, jo war jie doch von großer Bedeutung, um 
Finnlands Stellung im Reiche zu bejtimmen. Es hatte fich 


ift jene Bücherſammlung lange die vornehmfte Quelle gewefen, aus welcher 
die finnische Geiftlichteit Kenntniffe und Willen fchöpfte. 

1) Ein Fakfimile der Urkunde findet fidh bei R. Hauſen, Bidrag till 
Finlands historia I, 2 (Helfingfors, 1881—1883). 


30 Erſte Periode. Die tatboliihe Zeit. 


ihon früher die Auffaffungsweije geltend gemacht, daß das 
finnische Volk nicht außerhalb des Reichskörpers jtände, jondern 
mit den übrigen &liedern des Reiches zujammen ein Ganzes 
mit gleichen Rechten aber auch mit gleichen Pflichten bildete. 
Jetzt nun wurde diefe Tradition gejeglich fejtgelegt und erhielt 
für die gejamte Zeit der Vereinigung mit Schweden rechts: 
gültige Kraft. Finnland konnte fortan nicht von ſchwediſchem 
Geſichtspunkt aus als ein erobertes Land erjcheinen, wo das 
ſchwediſche Volk mit dem echt des Schwertes regierte. Es 
war ein Bruderland, welches mit dem Hauptteil des Reiches 
Wohl und Wehe teilte. Übrigens ift zu beachten, daß jenes 
Privileg als Lohn für die Liebe und Treue angejehen wurde, 
welche Finnlands Bewohner ihrer Regierung gezollt hatten; 
ihon bier tritt der Zug von treuem Gejegesgehorjam hervor, 
welcher einen Hauptzug in unjerer Gejchichte bildet. Daß der 
Königsbrief auf Grund einer Aufforderung Nils Thuresſons 
erlaffen wurde, wird in dem Schreiben ausdrüdlich angedeutet ; 
doch iſt e8 wohl wahrjcheinlich, daß Biſchof Hemming, welcher 
bei der Wahl anweſend war und jelbjt das Aktenſtück unter: 
zeichnete, dabei mitgewirkt hat. Er teilt daher mit Nils 
Thuresſon den Rubm, daß es erlajfen wurde. 


3. König Albredt. Das Beitalter der Aalmarifchen Union 
bis 1434. 

Die inneren Unruhen, deren Schauplag Schweden auch un 
den folgenden Jahren war, führten zur Wahl Albrechts 
(18. Febr. 1364). Um für die Sache des neuen Königs zu 
wirken, wurde Nils Thuresjon Bielke noch in demjelben 
Jahre nah Finnland entjandt. Derjelbe fand jedoch in dem 
Befehlshaber auf Abo, Narve Ingevaldsſon, einen mäch— 
tigen Gegner und erlitt während der Belagerung des Schloſſes 
den Tod. Trotzdem wurde dieſelbe fortgeſetzt, und im 
Herbſt erſchien König Albrecht perſönlich, um die Belagerungs— 


König Aldredt. 81 


arbeiten zu leiten. Seine Anwejenheit in Finnland wird durch 
mehrere Briefe erhärtet, in denen er Biſchof Hemming und 
der finnischen Kirche bedeutende Vorteile zujicherte . Galt 
es doch für ihn in allererfter Linie, das Wohlwollen des mäch- 
tigen Biſchofs zu gewinnen. Auch die Gunft des Volkes juchte 
er zu erringen. So verlieh er dur Erlaß vom 5. Februar 
1365 den Bewohnern von Gammelby (Ulfsbyh am Kumo- 
fluffe) volle Stadtprivilegien ?). Narve Ingevaldsion ver- 
teibigte ſich indeffen auf Abo mit größter Tapferkeit, jo daß 
es dem König erſt jpäter gelang, fich des Schloffes zu be- 
mächtigen ?). 

Unter den Großen des Reichs, welche während der Re— 
gierung Albrechts die eigentlihe Macht in Händen hatten, war 
Do Jonsſon Grip der hervorragendjte. Er gehörte einem 
vornehmen Gejchlecht an und war mit dem verftorbenen Ober: 
landrichter in Finnland, Nils Thuresſon, verwandt. Unter 
ten Reichsräten, denen 1371 die Kegierung übertragen wurde, 
war er der angeſehenſte. Er erhielt damals die Schlöffer 
Wiborg und Tawaftehus mit den dazu gehörigen Provinzen. 
Später erwarb er die Provinzen Abo mit Aland und Korsholm 
mit Ofterbotten, jo daß er ganz Finnland befaß. Im Jahre 
1378 wird er als Oberlandrichter in Finnland erwähnt, eine 
Würde, die nah dem Tode Nils Thuresjons von Arwid 
Guſtafsſon (Sparre) bekleidet worden war. Innerhalb der 
genannten Bezirke herrjchte er als unabhängiger Regent, ſetzte 
Beamte ein, erhob Abgaben u. ſ. w. 

Nicht minder jelbjtändig trat er dem Auslande gegenüber 
auf. In feiner Eigenjchaft al8 Hauptmann über Finnland 
erflärte er zu Anfang der fiebziger Jahre der mächtigen Hanſe— 


1) Briefe vom 5. Oft. und 13 De. 1364 in: „Registrum ecelesiae 
aboensis“, No. 182—185. 

2) Bortban, Sylloge monumentoram, p. 138; Arwidsſon, 
Handlingar I, 6. 

3) Ein Brief König Albrechts vom 26. Juni 1365 ift noch „apud 
castrum Aboense“ batiert. Bgl. Styife, Bidrag till Skandinaviens 
historia 1], xt. 


32 Erſte Periode. Die katholische Zeit. 


jtadt Danzig den Krieg, und jo einflußreich war jein Wort, 
daß die Lübecker, nachdem fie hiervon Kenntnis erhalten, den 
Danzigern zur Nachgiebigfeit rieten '). Werner ftand er mit 
Reval in Unterhandlung ?), jowie auch mit Rußland. Im 
Jahre 1374 unternabm er nämlich eine Reife nach Wiborg, 
um den Frieden mit Nußland, welcher zu Pfingiten ablief, 
durch einen neuen Vertrag zu verlängern, und zwar wahr: 
icheinlih mit gutem Erfolge’). Daß indejjen der Zujtand an 
der Oſtgrenze fortwährend unrubig blieb, eriehen wir aus 
einer Bulle von 1378, in welcher PBapft Urban V. darüber 
Hagt, daß die fegerischen Ruſſen nicht jelten Einfälle in ſchwe— 
diiches Gebiet unternähmen ®). 

Nah dem Tode Bo Jonsſons (Mitte Auguft 1386) war 
der von diefem zum Schloßhauptmann auf Abo ernannte 
Jäppe Abrahamsjon Diefn der vornehmite Beamte in Finn— 
land. Wie jehr ihn die Yandesbewohner jchäßten, erweift ein 
Schreiben vom 29. Auguft 1386, im welchem die Einwohner 
im „Eigentlichen“ Finnland, welche bier, wie auch jonft häufig, 
im Namen des ganzen finnischen Volkes auftreten, darum 
bitten, jener möge anjtatt Bo Jonsjons zum Oberlandrichter 
auserjehen werden 6)). Dem König gegenüber zeigte ſich Jäppe 
entgegenfommender als die übrigen Großen, weshalb er da- 
mit belohnt wurde, daß er ungehindert die Stellung be- 
balten durfte, die er zu Yebzeiten Bo Jonsſons in Finnland 
bejefien hatte. In einem Briefe vom 23. Juni 1387 ver: 
fündigt Albrecht, Jäppe Djekn jolle das Schloß und die Pro- 
vinz Abo nebft den Vogteien Satafunta und Borgä behalten, 
bis die Kinder Bo Jonsſons mündig geworden ®), — Man 
jiebt aljo, daß das erbliche Lehnsweſen, welches urjprünglich 


1) C. ©. Styffe, Bidrag etc. I, ı.xxvi. 

2) Bunge, Urkundenbuch ꝛc. III, Nr. 1103 (Reval, 1857). 

3) 0. ©. Rydberg, Sverges traktater etc. 11, 4383q9. (Stodbolm, 
1885). 

4) Bortban |. c. p- 140. 

5) Styffel. c. I, 185. 187 (Nr. 78. 80). 

6) Stoffe l. ec. I, 193 qq. (Nr. 83). 


König Albrecht und das Zeitalter der Kalmariichen Union. 33 


der von Schweden nah Finnland verpflanzten Gejelljchafts- 
ordnung völlig fremd gewejen war, allmählich in unferm Yande 
Wurzel zu faffen begann. 

Im Jahre 1395 (Vertrag vom 15. Auguft) überlieferte 
Jäppe Diefn die Schlöffer und Provinzen, die er in feinen 
Händen hatte, dem Sohne Bo Jonsſons, Knut Bosſon !). 
Diejer trat, um jich in jeiner neugewonnenen Stellung zu 
jihern, mit den Vitalienbrüdern in Verbindung und gewährte 
denjelben Zufluchtsorte in den finnischen Gewäffern, weshalb 
man damals nicht jelten darüber klagen börte, daß Finnlands 
Bewohner die Seeräuber bei jich beherbergten und verprovian- 
tierten, oder daß die legteren in der Gegend von Wiborg, im 
Schärengarten bei Abo oder am Bottnijchen Meerbujen, wo 
Schloß Korsholm in ihre Hände fiel, Zuflucht juchten. Als 
jedoeh der Stern der PVitalienbrüder zu erbleichen begann, 
unterwarf jih Knut Bosjon rechtzeitig. In einem Briefe, ver- 
mutlich aus dem Herbſt 1398, berichtet nämlich die Königin 
Margarete, fie fei bereits in den Befik des Schloſſes Abo 
aelangt, und Knut Bosjon babe ihr veriprochen, in der erjten 
Hälfte des nächſten Jahres auch die übrigen Schlöffer in 
Finnland auszuliefern 2). Auf jolche Weiſe wurde die geieß- 
lihe Ordnung in dem Yande wiederhergeftellt, in deſſen Ge— 
ihichte nunmehr die unter dem Namen der Kalmarijchen Unton 
befannte Periode der Vereinigung der drei ſtandinaviſchen 
Königreiche ihren Anfang nimmt. 

König Erih von Pommern, genannt Erich XILL., bejuchte 
Finnland während jeiner Jtegierung zweimal (1403 und 1407). 
Während jeiner eriten Anweſenheit, am 19. Auguft 1403, 
fertigte er Stadtprivilegien für den Ort Wiborg aus, welcher 
allmählich unter dem Schutze des gleichnamigen Schloſſes 
emporaelommen war und jchon damals als Dandelsplat bobe 


1) Styffe l. ce. I, 200 (Nr. 86). 

2) Styffel. c. 11, 58 (Nr. 25). — Die oben emwähnten Schlöſſer 
waren die zu Lebzeiten Bo Jonsſons erbauten Heinen Feſtungen Raſeborg 
im weftlihen Noland, Korsbolm (früber Krpkeborg genannt) im Oſter— 
botten und Kaftelbolm auf Aland. 

Schybergſon, Geſchichte Finnlands. 3 


34 Erſte Periode. Die tatboliihe Zeit. 


Bedeutung gewonnen hatte’). Bei jeinem zweiten Bejuche, 
am 7. Dezember 1407, begabte er in Abo mehrere finniiche 
Edelleute, Wiprecht Kortumma, Olof Jönsſon, Philipp Yarsion, 
Paul Karpelan, Sune Sunesſon, Nils Tawaſt, Gunnar Trolle 
und Erich af Kumes mit Freiheitsbriefen ?). 

Der Friede mit den Nachbarn wurde in jenen Tagen, 
wenigjtens in beträchtlicherem Maße, nicht geſtört. An der 
ruffiichen Grenze fam es zu fleineren Streif- und Plün- 
derungszügen, die jedoch feinen Bruch des Friedens berbei- 
führten. Mit Efthland und Pivland wurden die durch die 
Kapereien der Vitalienbrüder abgebrochenen Handelöverbin- 
dungen wieder erneuert. Allerdings fielen nicht jelten Miß— 
helfigkeiten vor, welche das gute Verhältnis vorübergehend 
jtörten. — Beachtenswert ericheint, daß die Dauptleute in 
Finnland wie früher, jo auch jett nicht jelten auf eigene 
Hand Fragen entjchieden, welche die Stellung des Gejamtreihs 
zu den Nachbarn im Often betrafen. Als 3. B. die jogenannten 
wendiichen Hanjejtädte Straljund, Noftod, Wismar und Yüne- 
burg tm Oftober 1426 König Erich den Krieg erklärten, 
wurden trogdem ziwijchen den finnischen Hauptleuten und der 
Stadt Reval, welde als Hanſeſtadt mit den obenerwähnten 
Orten in einem Freundſchaftsverhältnis ftand, Unterbandlungen 
eröffnet, welche die Aufrechterhaltung des Handelsverkehrs zwi— 
ihen den Küftenländern auf beiden Seiten des Finniſchen 
Meerbujens beziwedten. Der Hauptmann Otto Pogewiſch auf 
Rajeborg und Hauptmann Klas Lydekesſon auf Abo erhielten 
auf ihre Anfrage bei den Behörden Nevals die Antwort, daß 
die Stadt Reval nach wie vor freundjchaftlich geſinnt jet; Die 
Bewohner der beiden Yandeshauptmannjchaften follten freien 
Handelsverkehr mit Reval unterhalten dürfen, wofern die Be- 
wohner Revals die Berechtigung erhielten, lüngs der nörd- 
lichen Küfte des Finniſchen Meerbujens von der Newa bis 


I) Arwibsfon, Handlingar I, 8 (Nr. 9). 


2) „Svenskt diplomatarium frän och med 1401“, utg. af C. Silver- 
stolpe I, No. 906—913 (Stodbolm, 1875— 1884. 


Das Zeitalter der Kalmariichen Union bis 1434. 35 


nah Stockholm Handel zu treiben. Etwas jpäter gab Chrifter 
Nilsſon auf Wiborg die Erklärung ab, daß auch er, troß der 
Zwiftigfeiten, die vorher zwiichen ihm und Reval vorgefalfen 
wären, den unimterbrochenen Fortgang des Handelsverkehrs 
nit bindern wolle). Dieſe Vorgänge, wie unbedentender 
Natur jie jcheinbar auch jein mögen, find doch von Wichtig- 
fett als Zeugnifje der lebhaften und unabläffig wachjenden Be— 
ztehungen zwijchen Finnland und Reval. Sie zeigen jerner, 
daß die finntichen Yandeshauptleute, obwohl zumeift fremder 
Abftammung, die Intereſſen des Yandes nach Möglichkeit zu 
fördern achten. 

Die Entwidelung der finniſchen Kirche jchritt im gleicher 
Richtung wie zu Yebzeiten Biichof Hemmings vorwärts. Biſchof 
Sobannes II. Petri (1368— 1370) ift der erjte finniſche Geift- 
Iihe, von welchen man weiß, daß er fich mit der wiffenjchaft- 
lichen Bildung jeiner Zeit vollfommen vertraut gemacht hatte. 
Die Bijchofschronif berichtet nämlich, er habe an der Parijer 
Untverjität die Würde eines Rektors erworben. Sein An- 
jeben wurde jedoch bei weitem von dem des Biihofs Magnus II. 
Dlai Tawaſt (1412—-1450) überftrahlt. Diefer war 1357 
auf dem Gut jeiner Vorfahren, Alasjoki im Kirchipiel Virmo, 
geboren und Glied eines der vornehmften und reichiten Ge— 
ichlechter Finnlands. Daß auch er lebhaftes Intereſſe für 
wiffenschaftlihe Bildung beiaß, lehrt die IThatjache, daß er 
ih 1398 an der blühenden Prager Hochichule den Magifter- 
grad erwarb. Nicht minder jorgte er für firchliche Ordnung, 
jromme Sitten und gute Bildung. Fleißig vifitierte er die 
Kirchen des Stift, was in den damaligen Zeiten, wo es noch 
teine gebahnten Wege gab, äußerft bejchwerlich war. Eines 
jeiner größten Verdienſte ift die Gründung des Birgittiner- 
Hofter8 Naͤdendal, deſſen Anlage 1438 beichloffen wurde ?). 


1) Bgl. Herm. Hildebrand, Liv-, Ejtb- und Kurlänbifche® Ur- 
tunbenbuch, begründet von F. G. Bunge, Bd. VII, Nr. 466. 470—471, 
527 (Riga und Moslau, 1881). 

2) C. M. Ereuß, Birgittiner-klostret i Nädendal, in: „Suomi“ 
1849), p. 197—257. — Pal. auch Lagus, Handlingar till upplys- 

3* 


— 


36 Erite Periode. Die tatboliiche Zeit. 


Durh Alter und Mühen gebeugt, verzichtete Biſchof Magnus 
1450 auf jein Amt. Zwei Jahre jpäter ftarb er im Alter 
von fünfundneunzig Jahren auf jeinem Wohnfit beim Klojter 
Näpdendal. 


4. Finnland während des Kampfes gegen die Union. 
1434 —- 1523. 


Die Union, welche von Anfang an nicht jehr fejt geweſen 
war, wurde in Schweden von Jahr zu Jahr verhaßter, wo— 
zu König Erichs Mißgriffe und Fehlichritte im nicht geringem 
Maße beitrugen. Die VBolfsbewegung, an deren Spige Engel- 
brecht Engelbreftsion trat (1434— 1436), war der erſte Aus— 
druck des neuerwachten Selbſtändigkeitsgefühls des ſchwediſchen 
Volkes. Nah dem Tode Engelbrechts juchte der aus Finn— 
land jtammende Marichall Karl Knutsſon Bonde till Fogel- 
wif!), ein bochbegabter und ehrgeiziger Mann, die Ordnung 
im Reiche aufrechtzuerbalten. Das Endergebnis war, daß er 
(Oft. 1438) in Stodholm zum Neichöverwejer erwählt und 
(29. Sept. 1439) Erich XIII. abgejetst wurde. 

Karl Knutsſon jette den Kampf gegen die Unionspartei 
energiich fort. Allein bereits auf dem Neichstage zu Arboga 
(Sept. 1440) ſah er jich zum Verzicht auf die Negierungsmwürbe 
genötigt, wogegen er freilich von aller Verantwortung für die 
Thaten jeiner Verwaltung befreit wurde und gleichzeitig Finnland 
als Yehen jowie Oland als Pfand empfing. Kurze Zeit nach der 


ning i Finlands kyrkohistorie, Ny füljd, Heft III, ©. 36 (Helfingfors, 
1836— 1839), fowie 8. G. Leinberg, De finska klostrens historia, 
in: „Skrifter utgifna af Svenska Literatursällskapet i Finland‘, 8b. XIV 
(Helfingfors, 1890). — Nachdem man lange wegen der Wabl des Ortes 
geihwanft, wurde das Klojter 1443 auf einem Gut im Kirchſpiel Reſo 
erbaut. 

1) Er war 1408 oder 1400 geboren. Sein Großvater, Tord 
Rörilsſon Bonde, war Schloßvoat auf Raſeborg und Wiborg, ſein Vater, 
Knut Tordsſon, Befehlshaber auf Schloß Abo geweien. 


Finnland während des Kanıpfes gegen die Union: 1434—1457. 87 


Krönung Chriſtophs von Baiern (14. Sept. 1441) ließ er 
jih auf Schloß Wiborg nieder, wo er im Glanze höfiſchen 
Yebens Troft für die Demütigungen juchte, die ihm wider: 
fabren waren. Aber auch ernithaften Negierungsangelegen- 
beiten widmete er jeine Aufmerkjamfeit. So fällte er z. B. 
1446 einen Schiedsjpruch in einem langwierigen Zwifte zwiſchen 
den Tawaſten und Kareliern, betreffend die Grenzicheide zwi- 
ichen den beiderjeitigen Gemeindeländereien. 

In jener Zeit wurde das friedliche Verhältnis mit Now- 
gorod durch Grenzitreitigfeiten und Streifzüge geftört. So 
wird berichtet, daß Karl Knutsjon 1444 einen Einfall in 
Ingermanland machte. Ruſſiſcherſeits rächte man fich durch 
gleichartige Angriffe. 

Am 20. Juni 1448, wenige Monate nach Chriſtophs 
Tode (6. Yan.), wurde Karl Knutsjon zum ſchwediſchen Könige 
erwählt. Die erjte neunjährige Periode jeiner Regierung war 
voll von Stürmen und Unruhen im Innern des Yandes. Im 
ver Naht vom 23./24. Februar 1457 mußte er heimlich zu 
Schiffe aus Stockholm flüchten und fieben Jahre in Danzig 
ın der Verbannung zubringen. Am 23. Juni 1457 erforen 
darauf die Mitglieder des in Stodholm verfammelten Reichs— 
tages Ehriftian von Oldenburg (Dänemark) zu feinem Nach- 
folger. 

Einige Vorgänge, welche mit der Wahl Ehriftians in Zus 
jammenbang ſtehen, jind für die Gejchichte Finnlands von 
hoher Bedeutung. Gemäß der Königsproflamation vom 
15. Februar 1362 (vgl. ©. 29) waren Briefe mit der Auf: 
forderung, die Zuſammenkunft in Stockholm mit Delegierten 
zu beichiden, nach Finnland abgegangen, dort jedoch erjt wenige 
Tage vor der Wahl jelbjt angelangt, jo daß die Finnen an 
derjelben nicht mehr teilnehmen konnten. Es war jedoch für 
die neue Regierung von großer Wichtigkeit, ſich Finnlands zu 
vergewiffern, wo Karl Knutsſon von früher ber über zabl- 
reiche Freunde verfügte. Sie entjandte daher Erich Axelsſon 
Tott nad) Abo. Diejer berief eine Verſammlung nad Abo, 
und auf jeine Aufforderung bin erklärten ſich Finnlands Stände 


38 Erſte Periode. Die tatbolifhe Zeit. 


bereit, jihd mit Schwedens Ständen über die Wahl Chrijtians 
zu einigen. Die betreffende Urkunde ift am Johannistage 
ausgefertigt, und zwar vom Bilchof in Abo Dlaus Magnı, 
vom Oberlandrichter im jüdfinnijchen Gerichtsiprengel Heinrich 
Dig, vom Oberlandrichter im nordfinniſchen Gerichtöiprengel 
Heinrich Klasſon Horn, vom Dompropft Konrad Big, vom Erz: 
diafon Nils Muffe, von der Geiftlichfeit im Bistum Abo, 
von Freigeborenen und Kittergutsbejigern, von Bürgermeiiter, 
Ratsherren und Kaufleuten der Stadt Abo fowie vom ge- 
meinen Mann in der Provinz Abo. Finnland tritt bier aljo 
als eine jelbjtändige Yandeseinheit auf, welche von den aus 
der mittelalterlichen Gejellichaftsordnung hervorgegangenen vier 
Ständen repräjentiert wird, jedoch jo, daß die bervorragenditen 
Mitglieder der geiftlichen und weltlichen Ariftofratie eine vor— 
herrichende Rolle jpielen. Sie verfaßten und unterzeichneten 
die Urfunde; wahrjcheinlich jchrieben fie auch den Beſchluß 
vor. Daß der Bürgerftand von Männern der Stadt Abe, 
der Bauernjtand von Bauern aus der Provinz Abo ver: 
treten war, berubte zweifelsohne darauf, daß man wegen 
Knappheit der Zeit die Bewohner der entfernteren Yandesteile 
nicht befragen fonnte, weshalb bo und deſſen Umgebung die 
Gejamtheit reprüjentierten. Der Inhalt der Rejolution bejtebt 
aus einem furzgefaßten Bericht über die Schritte und Maß— 
nahmen, die man in Finnland anläßlich der letzten Ereigniſſe 
in Schweden getroffen. Brieflich habe man die Nachricht von 
der Abjegung Karl Knutsſons jowie die Aufforderung zur 
Zeilnahme an der Stodholmer Wahlverfammlung empfangen. 
Da legteres jedoch nicht in Frage babe fommen können, hätten 
jih die finnischen Stände im Saale der St. Gertrudsgilde zu 
Abo veriammelt und dort einhellig beichloffen, an der alten 
Berbindung mit Schweden feitzuhalten. Aus dieſem Beweg— 
grumd und weil es empfehlenswert ericheine, daß die Ver— 
einigung zwijchen den drei nordijchen Weichen wiederum zu— 
ſtande füme, hätten die finnischen Stände der Wahl Ehriftiang zum 
ſchwediſchen König ihre Zuftimmung erteilt. Gleichzeitig bäten 
jie, daß die Gelöbniffe und Privilegien, welche König Chriftian 


Finnland während des Kampfes gegen die Union: 1457 —1468. 39 


den Bewohnern Schwedens gegeben, auch der Bevölkerung 
Finnlands zuteil werden möchten. Die in dem Schreiben vor- 
fommenden Außerungen des Mißvergnügens über Karl Knuts— 
ſons „unbillige Regierung, Habjucht und Nachläſſigkeit“ dürften 
nicht als ein Ausdruck der allgemeinen Auffafjungswetje in 
Finnland, anzujeben fein, da viele Zeugnijje dafür vorhanden 
jind, daß Karl zahlreiche Freunde in Finnland bejaß und zur 
Bevölkerung Finnlands in gutem Verhältnis jtand. Jene Aus: 
drüce waren jicher durch das Beftreben der finnijchen Großen 
hervorgerufen, die Gunft der herrſchenden Partei zu erringen '). 
Während fih auf ſolche Weije die Stände umd die leiten- 
den Männer in die neue Ordnung der Dinge fügten, leifteten 
die Schlöjfer in Finnland noch eine Zeit lang Widerjtand, und 
die Schloßvögte drohten jogar damit, ſich an Ruſſen und 
Heiden mit der Bitte um Hilfe zu wenden. Nach Furzer Zeit 
jaben jie ſich indejjen genötigt, nachzugeben. 

Der mächtigſte Mann in Finnland war jeit 1457 Erich 
Arelsion Tott, welcher Wiborg und Tawajtehus zu Yeben 
empfangen hatte und von dem erjtgenannten Schloß aus den 
Berlauf der Dinge an der öjtlichen Grenze aufmerkſam verfolgte. 
Anfang 1461 benacdhrichtigte er den Rat zu NReval, daß er 
von Nowgorod einen in drohenden Ausdrücken abgefaßten Brief 
erhalten habe, und forderte deshalb die Stadt auf, allen Han: 
velsverfehr mit Groß-Nowgorod aufzugeben. Reval jeinerjeits 
beflagte ſich jedoch brieflich bei Lübeck darüber, daß Erich 
Arelsion jedesmal, wenn er einen Zwijt mit Groß-Nowgorod 
hätte, verlange, die Hanjefaufleute jollten von ihren Handels: 
reifen nach Nyen Abjtand nehmen ?). Im Sabre 1463 kam 
König Chriſtian perfönlih nah Finnland, vermutlich um den 
Srenzfrieden zu überwachen. Aber noch in demjelben Jahre 
machten die Ruſſen einen verheerenden Einfall in das öftliche 
Finnland, und erit 1468 wurde der Grenzfriede erneuert. Am 
10. April 1468 ſchloſſen nämlich Gejandte von Nowgorod mit 
dem Vogt Erich Arelsjons, Peter Den, einen fünfjährigen 

1) Grönblad, Nya källor, p. 50. 

2) Stvife l. ec. III, 137—142 (Nr. 62. 64). 


40 Erite Periode. Die katbolifche Zeit. 


Waffenjtillftand und leijteten gleichzeitig Eriag für den an— 
gerichteten Schaden ). 

Nah der Vertreibung Ehriftians aus Stodholm (Mai 
1464) wurde Karl Knutsſon zum zweitenmale König von 
Schweden. Er hatte jedoch geringen Anlaß, dieje neue Wen- 
dung der Dinge zu preifen; denn auf allen Seiten erhoben 
ſich Gegner gegen ihn, nicht zum wenigjten in Finnland, wo 
der Biſchof von Abo, Konrad Bit (1460— 1489), von Anfang 
an eine feindjelige Gejinnung verriet. König Karl forderte 
ihn auf, ſich in Schweden einzufinden; aber der Bilchof ant- 
wortete, er könne diefen Wunſch nicht erfüllen, da, wie er jich 
ausdrüdte, die Nuffen „einen großen Aufruhr“ gegen Finn: 
land angezettelt hätten und vielleicht noch unverichämter werden 
fönnten, wenn er jich aus dem Lande entfernen würde. Statt 
jelbjt zu fommen, jandte er daher nur zwei Geiftliche aus 
jeinem Stifte, welche dem Könige feine Winjche und Gedanfen 
vortragen fjollten ?). Das Rejultat des Aufruhrs gegen König 
Karl it bekannt. Schon am 30. Januar 1465 mußte er 
einen DBergleich eingeben, in welchem er der Krone entiagte. 
Hingegen jollte er auf Lebenszeit die Schlöffer Raſeborg und 
Korsholm nebjt den dazu gehörigen Provinzen „mit allen 
föniglichen Einkünften und Rechten ohne irgendwelche Dienjt- 
leiftung oder Abgabe“ erhalten. Nach jeinem Tode jollte jeinen 
Erben der Nießbrauch und Befig der Provinz Korsholm auf 
fünfzehn Jahre zuftehen, wofern der alsdann regierende König 
oder Reichsverweſer die genannte Provinz nicht für 20 000 
Mark einlöjen wollte. Schließlich jollte Karl auf acht Jahre 
das Gut Kumo nebjt Ober: und Unter-Satakfunta, und zwar 
ebenfalls ohne Dienftleiftung oder Abgabe, empfangen ?). Die 
Bedingungen waren mithin nicht unvorteilhaft. Aber der 
Empfang, welcher Karl bei jeiner Ankunft in Finnland zuteil 
wurde, zeugte davon, wie jehr jein Einfluß gejunfen war. Konrad 
Bit verweigerte nämlich die Übergabe des Schlofjes Raſeborg, 


1) Styffel. c. III, cxxu. 
2) Arwidsſon, Handlingar V, 26 (Nr. 52). 


Finnland während des Kampfes gegen die Union: 1464—1471. 41 


welches er von König Ehriftian zu Lehen empfangen hatte, jo 
daß Karl zumächit in Abo bleiben und in dem dortigen Do- 
minifanerflofter jeine Zuflucht juchen mußte. Erft einige Monate 
jpäter fam Rajeborg in jeine Hand. 

Der im Herbft 1466 gewählte Reichsverweſer Erich Arels- 
ion zeigte jih bald geneigt, die Macht von neuem Karl Knuts- 
jon anzuvertrauen, und jo empfing diefer denn im November 
1467 zum brittenmale die jchwediiche Königskrone. Erich 
Arelsion zog jih nah Finnland zurüd, wo er al8 Herr auf 
Schloß Wiborg eine jelbjtändige und bedeutjame Wirkſamkeit 
entfaltete. Allerdings währte e8 noch einige Zeit, ehe Finn— 
land, wo Konrad Big eifrig zugunſten Chriftians thätig war, 
unter Karl Knutsjons Botmäßigfeit gelangte. Erſt als leterer 
perjönlih mit einer Heeresmacht 1468 im Yande erjchien, 
wurde die Union dort bejeitigt. Bald darauf, am 15. Meat 
1470, ftarb Karl Knutsſon. Er war in Finnland aufge- 
mwachien und hatte jpäter in dieſem Yande ausgedehnte Yehen 
bejejien, die er tüchtig verwaltet zu haben jcheint. Daß er 
jedoch Finnland bejonders geliebt hätte oder daß er deſſen 
Wohl mehr als das der übrigen Yandesteile hätte fürdern 
wollen, dafür bejigen wir fein Zeugnis. 

Auf ijeinem Totenbette vermacte Karl Anutsjon Die 
Schlöſſer, die er nicht al8 Lehen fortgegeben, dem Sohne jeiner 
Schweſter, Sten Sture. Auch jein Wunjch, daß diejer tapfere 
und der vaterländijchen Partei treu ergebene Mann jein Nach: 
folger werden möchte, ging in Erfüllung Im Juni 1470 
wurde Sten Sture zum Reichsverwejer erwählt und auf dent 
Reichstage zu Arboga am 1. Mai 1471 in diefer Würde be- 
jtätigt. 

In Finnland bewachte Erich Arelsjon Tott in jeiner Ei— 
genſchaft als Hauptinann auf den Schlöffern Wiborg und 
Tamwaftehus die jet mehr denn je zuvor von den Nuffen be- 
drohte Grenze Wir haben häufig der Unruhen gedacht, die 
unaufhörlich im öftlichen Finnland vorfielen. Ein volljtändiger 
Friede herrichte dort niemals; anderſeits erjtredten fich die 
Feindjeligfeiten jelten viele Meilen über die Grenze hinaus. 


42 Erfte Periode. Die katholiſche Zeit. 


Der Friede wurde unabläjfig erneuert, aber gewöhnlich nur 
auf fünf oder auf zehn Jahre. 

Im Jahre 1473 wurde der 1468 mit Nowgorod ge- 
ichloffene Waffenftillftand um ein Jahr verlängert '); aber es 
war zu erwarten, daß der Großfürjt Iwan III. Wajtljewitich 
(1462— 1505) von Moskau, welcher 1471 Nowgorod unter: 
worfen hatte, den Kampf wieder aufnehmen würde Grid 
Arelsjon jah dies ein und traf mit Rückſicht darauf energiiche 
Mafregeln. Er erweiterte die Feftungswerfe von Wiborg und 
umgab die Stadt mit einer fejten Mauer. Auch beichloß er 
die Gründung einer neuen Feſte zum Schuge der Anfiedelungen 
in Savolafs. Im Jahre 1475 ging man and Werf. Auf der 
Heinen Injel Kyrönjaari wurde eine Holzfejtung erbaut, die 
man jedoch bald als zu schwach befand. rich Arelsjon ließ 
jie daher jehon 1477 niederreißen und eine neue jteinerne 
Feſte erbauen, welche alfen Anforderungen der damaligen Be- 
feſtigungskunſt entſprach. Sie wurde dem Heiligen Dlof ge- 
weiht und erhielt den Namen Dlofsborg; aber bald wurde der 
Name Nyſlott („neues Schloß“) gebräuchlicher. 

Schon an und für fih war die von Erich Arelsion neuerbaute 
Burg geeignet, die Unruhe der Ruffen zu weden. Die Er: 
bitterung der legteren war indejjen um jo größer, als jie 
der Meinung waren, jene Feltung jei öftlih von der 1323 
fejtgejegten Grenzlinie und mithin innerhalb ihres eigenen 
Gebiets angelegt. Bald wimmelte e8 von Feinden in der Umgebung 
der neuen, noch unvollendeten Feſte, jo daß Erich Arelsion 
während des Baues mit vielen Schwierigfeiten zu kämpfen 
hatte 2). Über die jonftigen Eriegeriichen Ereigniffe befigen wir 
nur jpärlihde Nachrichten; doch geht aus ihnen hervor, daß 
Erih Arelsjon mit großem Gifer für die Verteidigung des 
Pandes jorgte. So unternahm er 1480 einen Einfall in 
ruffisches Gebiet und verwüſtete dasjelbe in weitem Umkreis. 


1) Bal. DO. S. Rydberg, Sverges traktater etc. III, 3258qq. 
(Stodbolm, 1895)) 

2) Bol. J. R. Aſpelin, Savonlinna 1475— 1875 (Helfingfors, 1875), 
fowie „Abo Tidningar“ (1793). 


Finnland während des Kampfes gegen die Union: 1473—1490. 48 


Gleichzeitig juchte er die Hanjeftädte zum Verzicht auf jeden 
Handelsverkehr mit Narwa und auf der Newa zu bewegen. Sein 
Tod im März 1481 war mithin ein harter Schlag für 
Finnland. 

Nach dem Tode Erich Axelsſons wurde der Krieg von 
ſeinem Bruder Lars fortgeſetzt, welcher Schloßhauptmann auf 
Raſeborg war und nunmehr den Befehl auf Schloß Wiborg 
übernahm. Schließlich wurde am 17. Januar 1482 in Wi— 
borg ein Waffenſtillſtand auf vier Jahre „von Weihnachten 
bis Weihnachten“ geſchloſſen. Nach Ablauf der vier Jahre 
ſandte Sten Sture nach Nowgorod zwei Bevollmächtigte, 
welche im November 1487 einen neuen Waffenſtillſtand ver— 
einbarten, der bis zum 6. November 1492 währen Jollte !. 

Auch die nördlichſten, noch dünn bevölkerten Niederungen 
Finnlands waren gleichzeitig der Schauplatz von blutigen Kriegs— 
ereigniſſen. Im einem Briefe der Bewohner von Jjo, Kemi 
und Yimingo (1490) wird darüber geklagt, daß die Ruſſen 
ihnen achtzig Jahre hindurch Schaden zugefügt hätten. Be— 
ionders im Yaufe der letzten Jahre jeien fie feindlichen Anz 
ariffen ausgejegt gewejen. Das gewaltjame Vorgehen der 
Ruffen wird in Farben gejchildert, die übertrieben scheinen 
könnten, bejüßen wir nicht auch andere Berichte, welche davon 
zeugen, daß es für die Wildheit des damaligen Kriegerlebens 
überhaupt feine Grenze gab ?). Wenn wir deshalb auch feine 
entiprechende Schilderung von rujffiicher Seite über das Ver— 
jahren unjerer eigenen Yandsleute haben, jo hat man doch kaum 
Anlaß, vorauszujegen, dieſelben ſeien menjchlicher gewejen. 
Übrigens wurde die gegenjeitige Erbitterung noch dadurch ge- 
steigert, Daß die Nuffen, wie früher erwähnt, ein uraltes Beſitz— 
recht auf die nördlichen Gebiete Finnlands zu haben glaubten. 

Inzwifchen waren in Finnland neue innere Streitigfeiten 
entftanden. Erich Arelsjon hatte furz vor feinem Tode jeine 
finniſchen Schlöffer Wiborg, Npilott und Tawaſtehus jeinen 

1) Styffe J c. IV, xuı. 

2) Val. Hadorpb, Tvä gambla svenska rimkrönikor. II, Bihang 
p. 343 - 347 (Stodbolm, 16706). 


44 Erite Periode. Die katboliiche Zeit. 


Brüdern Iwar und Lars vermadt. In einem Brief au 
den Neichsverwejer entwicdelte Yars die Gründe, welche diejes 
eigenmächtige Verfahren veranlaßt hätten. Die Koſten, welche 
Erich für die Befeftigung von Wiborg und Nyſlott aufge- 
wendet, ließen es doch nur billig erjcheinen, daß jene Schlöfjer 
bis auf weiteres in den Händen der Erben verblieben; auch 
wolle er der Regierung in Schweden alle Treue und Dienjt- 
willigkeit erzeigen !). Vergebens begab ſich Sten Sture perjönlich 
na Finnland, um diefe Angelegenheit zu ordnen. Erft nach) 
Yars’ Tode wurde auf Gotland im Frühling 1483 zwiſchen Sten 
Sture und Iwar eine Vereinbarung getroffen, laut welcher let: 
terer auf die finnischen Schlöffer verzichtete. Indeſſen verblieb 
Rajeborg dem Tottſchen Gejchleht und kam erſt 1487 in die 
Hände des Reichsverweſers, als die Witwe Yars Arelsions, 
Katharina Niperg, nach furzer Belagerung das Schloß dem 
Hauptmann auf Tamwaftehus, Knut Poſſe, übergab. Nunmehr 
berrichte ein Fühles Berhältnis zwijchen dem Reichsverweſer 
und dem mächtigen Tottſchen Geichlecht, das jich der däni— 
ſchen Partei zu nähern begann. 

Gleichzeitig wurden die Wolfen, welche jich an der öftlichen 
Grenze des Reichs zufammengezogen hatten, immer dunkler. 
Die Friedensverbandlungen zwiichen Rußland und Schweden 
wurden von Nils Eriksſon Ghllenſtjerna geleitet, welcher 1490 
zum Hauptmann auf Wiborg ernannt worden war. Ilm die 
jelben zu bejchleunigen, bejuchte der Reichsverweſer perſön— 
ih 1490 und 1491 Finnland, und mit lebhaften Intereſſe 
folgte auch der Nachfolger des Biichofs Konrad Bit (geit. 
1489), Magnus II. Stjerntors, ihrem Verlaufe. Diejer 
leidenschaftlich patriotiiche Mann weilte häufig in Wiborg oder 
in dejjen Nähe und nahm zujammen mit den bervorragenbditen 
Beamten des Yandes an den das Friedenswerk betreffenden 
Beratungen lebhaften Anteil. Die Hoffnungen auf einen dauer: 
haften Frieden jcheinen jedoeh von Anfang an gering gewejen 
zu jein. In einem Brief aus dem Jahre 1492 an Sten 


I) Stvffel ec. IV, 73 (Nr. 50). 


Finnland während des Kampfes gegen die Union: 1483 —145. 45 


Sture bemerkt Biſchof Magnus, man babe in einer Verſamm— 
lung der angejehenften Männer Finnlands die Frage erwogen, 
ob überhaupt ein Grund dafür vorliege, daß man von Rußland 
einen bejtändigen Frieden erwirfen jolle. Bereits früher babe 
man vergebens Verjuche in diefer Richtung getban, weshalb 
es zweckmäßiger erjcheinen könne, ſich mit einem Waffenftill- 
ftand zu begnügen. Die von Iwan III. geitellten Forderungen 
waren zudem jo drüdend, daß das Zujtandefommen einer Über: 
einfunft unmöglich erichien. Er verlangte nämlich unter anderm, 
daß die Örenze genau nad den Worten des Nöteborger Vertrages 
abgejtedt, jowie daß das Yandesgebiet, welches jich die Schwe- 
den öjtlih von der Grenze angeeignet hätten — d. h. Dlofs- 
borg, weldes auf rujfiichem Gebiete erbaut worden jei — 
ausgeliefert werden jolltee Auf finnischer Seite wollte man 
ſich jedoch eher im eine offene Fehde einlafien, als derartigen 
Anſprüchen jeine Zuftimmung erteilen. Dieje an Zwiſchen— 
fällen reihen Unterbandlungen dürften allerdings jchließlich zu 
einem Waffenitillftand auf anderthalb oder auf zwei Jahre ge: 
rührt haben. Allen hiermit war wenig gewonnen; denn es 
blieb faum zweifelhaft, daß der Krieg nach Abichluß des 
Waffenjtillftandes (1495) wieder beginnen wirde. 

Die finnischen Feſtungswerke wurden um dieſe Zeit ver: 
ſtärkt und mit Proviant jowie größerer Bejagung verieben; 
aber im Vergleich mit den gewaltigen Kriegsrüftungen der 
Rufjen waren die genannten und andere Berteidigungsmaßregeln 
doch nur geringfügig. In erfter Yinie lag die Verteidigung in 
den Händen Knut Bofjes, welcher, zuvor Hauptmann auf Ta= 
waſtehus und jpäter auf Kaſtelholm, 1495 nah dem Tode 
Nils Eriksſon Gyllenſtjernas zum Befehlshaber auf Wiborg 
auserjehen worden. war ). Schon im Sonmer 1495 machte 


1) Knut Poſſe, welcher 1467 zuerjt erwähnt wird, wurbe 1473 Reichs— 
rat. Auch als Schwager des mächtigen Erich Arelsfon Tott recht ein- 
flußreih, wird er 1474 al® Vogt desielben auf Schloß Tawaſtehus ge: 
nannt. Seitdem war feine Wirkſamkeit ausichließlih Finnland gewidmet. 
Er ftand in naher Beziehung zu Erih und Lars Arelsfon, ſchloß ſich 
jedoch nad dem Tobe des letzteren (1483) der Sache des Reichsverweſers 


46 Erfte Periode. Die fatboliiche Zeit. 


er einen Einfall in Rußland, zog ſich jedoch bald vor der ruſ— 
ſiſchen Übermacht nach Wiborg zurüd, wo ſich nunmehr die 
Mehrzahl des hohen Yandesadels, gefolgt von Kriegern und 
Knappen, verfammtelte, Darunter die beiden Oberlandrichter Hein: 
rich Big und Klas Horn, Magnus Yarsjon, Bengt Olsion, 
Hauptmann Hartivig Winholt und Arwid Olsjon. Auch Biichof 
Magnus fand ſich in Wiborg ein, wo er die Verteidigungs- 
maͤßregeln eifrig förderte, kehrte jedoch ipäter unter Zurüd- 
laffung feines bewaffneten Gefolges nach Abo heim. Etwa 
Mitte September nabte fich der Feind unter dem Befehl des 
Fürjten Danilo Schtjenjatew in der Stärfe von etwa 60000 
Mann. E$ erging der Befehl, die Bauern jollten ich zur 
Ausrüftung und Unterhaltung von Kriegern vereinigen, und 
jwar jo, daß je ein Krieger von je vier Bauern geitellt 
werden jollte; jpäter wurden alle Männer von mehr als fünf- 
zehn Jahren zum Kriegsdienſt ausgehoben. An den Reichs- 
verwejer wurde Brief auf Brief mit der Bitte um jchnelle 
und fräftige Hilfe abgejandt. Die Bejakung wehrte Jich tapfer, 
und die Sturmverjuche der Ruſſen wurden mutig abgeichlagen. 
Der Umftand, daß die Burg auf einer von Sunden mit 
jtarten Strömungen umgebenen Injel lag, jchügte die Feſtung 
einigermaßen vor ben Angriffen des Feindes, während Die 
Stadt in größerer Gefahr jchwebte. Kleinere Gefechte famen 
unabläffig vor. Unter ihnen wird bejonders das vom 12. Of- 
tober an den Stromjchnellen des Batufivi (nördlich von Wi: 
borg) in den damaligen Urkunden oft genannt. Drei Edelleute 
auf dem Schloffe, Nils Bengtsion, Winholt und Magnus 
Srille, zogen mit 100 Knappen und 800 nyländiichen Bauern 
an den genannten Ort. Plötlich ertönte der Ruf, die Ruſſen 
jeien nahe; darauf fprangen die des Kampfes ungewohnten 
Bauern in die Boote, von denen die Hälfte infolge des Ge- 
dränges und der Verwirrung unterging. Die Knappen wurden 


an und war ipäter einer der zuverläffigften Anhänger Sten Stures. Ob- 
wobl er 1490 Kaftelbolm zu Lehen empfing, finden wir ibn nach biefer 
zeit oft in Wiborg oder deſſen Nähe als Teilnehmer an den Beratungen 
über das Verhältnis zu Rußland. 


Finnland während des Kampfes gegen die Union: 1495. 47 


größtenteils von den Ruſſen niedergemegelt, und nur der tapfere 
Winholt entkam mit einigen jeiner Begleiter. Auch etwa 100 
Bauern waren gefallen ’). Unmittelbar nach diefem Erfolge 
ftürmten die Auffen von Oſten ber gegen die Mauern der 
Stadt und ftanden bereits in der Nähe des Dominikaner: 
kloſters; dann aber wurden jie mit großen Verluſten zurüd- 
geichlagen, und auch ein faft gleichzeitiger Sturm von der Weſt— 
jeite her endigte mit einer Niederlage der Ruſſen. Daß gleid;- 
wohl der Mut der Berteidiger beträchtlich gefunfen war, zeigt 
der Schlachtbericht an die jchwediichen Neichsräte, in welchem 
es unter anderm beißt: „Wir bitten Euch um des heiligen 
chriſtlichen Glaubens willen, uns Erjag zufommen zu laffen ; 
ionft ift es mit dieſem Ofterland zu Ende“. 

Über den Fortgang der Belagerung in den nächſten jechs 
Wochen haben wir feine näheren Nachrichten; doch wurde die 
Yage der DBelagerten mit jedem Tage jchlimmer. Am Anz: 
preastage (30. November 1495) bejchlojjen die Ruſſen einen 
entjcheidenden Sturm zu wagen. In drei Abteilungen rückten 
jie von drei verjchiedenen Seiten gegen die Stadt vor, erjtiegen 
die Mauer, bemächtigten jich eines Turmes und waren jchon 
im Begriffe, mit Sturmleitern in die Stadt zu dringen, als 
ſie plöglih von Furcht ergriffen wurden und in Unordnung 
zurückwichen. Der Reimchronik zufolge jollen die Ruſſen durch 
ven Rauch von Theer- und Bechtonnen, welche an der Innen— 
jeite der Mauern angezündet wurden, in Berwirrung gebracht 
worden jein. Auch wird berichtet, jene jeien durch ein St. An— 
dreas= Kreuz, welches fich in mächtigem Glanz am Himmel 
zeigte, in Schreden gejetst worden *). Die Tradition fügte jpäter 
noch einige Züge hinzu, jo daß der „Wiborger Knall” eine 
populäre Volksſage wurde, worin Knut Poſſe als ein mäch- 


1) Beriht Knut Poſſes sc. vom 14. Oktober 149. Arwibsfon, 
Handliugar VI, 84. 

2) Bol. den Brief des Bifhofs Magnus vom 6. Januar 1496 bei 
Arwidsſon, Handlingar VI, 92; €. ©. Styffe l.c. IV, cıxxxıx; 
„Svenska medeltidens rimkrönikor “, utg. afG. E. Klemming 11, 
123 - 134 (Stodbolm, 1867 —1868). 


48 Erſte Periode. Die katholiiche Zeit. 


tiger Zauberer gefeiert wird, welcher durch jeine heimlichen 
Künfte den Feind zum Fliehen brachte '). Wenige Tage jpäter 
machten jich die Ruſſen auf den Rückmarſch nach Rußland, jo 
daß kurz vor Weihnachten die Gegend bei Wiborg wieder von 
Feinden gejäubert war. 

Gleichzeitig waren auch bei Nyilott Eleinere Kriegsereig- 
niffe vor fich gegangen. Nach Aufhebung der Belagerung von 
Wiborg zog nämlich eine ruſſiſche Abteilung nach Nyſlott; 
aber die Knappen der Burg und die Yandbevölferung nötigten 
fie zum Rückzuge. 

So endigte diejes Jahr, welches unter düftern Anzeichen 
begonnen batte, glücklicher, al man hätte erwarten dürfen. 
Die Freude darüber, daß das Yand von den ungebetenen 
Säften befreit worden, gelangt in mehreren Briefen zu leb- 
baftem Ausdrud, und man bielt fich für um jo ficherer, als 
man boffen durfte, künftig nicht mehr allein dem Feinde die 
Spige bieten zu müſſen. Schwediſche nnd Finnische Männer 
batten wiederholentlich den Reichsverweſer jchriftlich aufgefor- 
dert, dem bedrängten Finnland zubilfe zu eilen, und in der 
That ſchiffte jich ein jchwediiches Heer etwa am 18. November 
1495 nah Finnland ein. Aber die jpäte Jahreszeit brachte 
eine Menge von Unzuträglichkeiten mit jih. Die Schiffe froren 
im aͤländiſchen Schärengarten ein; ein Zeil des Kriegsvolfes 
erlag der Kälte und den Entbehrungen; der Reſt fam krank 
und ermattet nach Finnland hinüber. Unter jo ungünftigen 
Berhältnifjen glaubte Sten Sture während des Winters nichts 
von Bedeutung ausrichten zu können umd ließ die Truppen 
Winterqguartiere beziehen. Cine Abteilung des Heeres wurde 
in die Kirchipiele Berne und Borgi in Nyland, eine andere 
nah Wiborg, eine dritte nach Nyſlott verlegt. Die übrigen 
bezogen im „Eigentlichen“ Finnland Wintergquartiere. 

Während man auf jolhe Weije in Finnland eine abwar: 
tende Haltung beobachtete, rüſtete jich der Feind von neuem 
zum Angriff. Ruſſiſchen Quellen zufolge zogen Ende Januar 


1) Bgl. bierzu Gabr. Yagus, Ur Viborgs stads historia I, 206 bis 
222 (Wiborg, 18931. 


Finnland während bes Kampfes gegen bie Union: 1496. 49 


1496 ruſſiſche Truppen nah Finnland, und ebenfo bezeugen 
ſchwediſche Quellen, daß ein unvermuteter Einfall der Ruffen 
Anfang 1496 erfolgte, wobei der Feind bis zur Kirche Hattula 
in der Nähe von Tawaftehus vordrang. Sten Sture war 
durch dieſen Angriff völlig überrajcht worden und außerftande 
geweien, ihn zu verhindern. Er bot jeine Mannjchaft und 
auch den gemeinen Mann auf, jo daß fich fein Heer auf 
40000 Deanıı belaufen haben dürfte Als fich jedoch jeine 
Truppen auf den Weg gegen den Feind machten, hatte fich diejer 
bereitS zurüdgezogen. So hatten aljo Sten Stures Rüftungen 
Finnland keinen Vorteil gebracht, wie die Verwüftungen in 
Karelien, Savolats und zum Zeil in Tawaftland nur allzu 
deutlich befundeten. 

Infolge der mwachjenden Unzufriedenheit in Schweden jah 
ſich Sten Sture genötigt, im März Finnland zu verlaffen, mit 
dejfen Berteidigung er Svante Nilsfon Sture und einige andere 
Hauptleute beauftragte. Sein Verjprechen, bald zurüdzufehren, 
lie fich wegen der inneren Wirren in Schweden nicht ver- 
wirklichen, obwohl inzwifchen der Krieg in Finnland mit un: 
verminderter Heftigfeit fortwütete. Diesmal war das 1495 
verichont gebliebene Dfterbotten das Ziel der ruffifchen An- 
ariffe. Die beiden Fürjten Peter und Iwan Ujchatij zogen an 
der Spige von beträchtlichen Truppenmaffen in das Kaja— 
nische Yand, welches, wie die ruſſiſche Ehronif bemerkt, von 
zehn Flüſſen (darunter Torneä, Kemi, Ulei und Siikajoki) 
durchfloffen wurde. Nähere Nachrichten über dieſen Zug be- 
igen mir micht. Gleichzeitig jpielten ſich ähnliche Ereigniffe 
bei Nyſlott ab. Knut Pofje und Svante Sture rächten fich 
darauf Durch einen Zug übers Meer nach Ingermanland, wo 
fie die Feite Imangorod angriffen. Nachdem fie die Feſtung zerftört 
hatten, da eine Verteidigung derjelben auf die Dauer jchwierig . 
oder gar unmöglich gewejen wäre, machten fich beide auf den 
Heimweg nach Wiborg, wo endlich im September auch Sten 
Sture mit 130 Schiffen anlangte. Hier kam es zwiſchen 
Sten und Svante Sture zu einem Wortwechjel, welcher für 
beide verhängnisvoll werden ſollte. Zornentbrannt verließ 

Schybergſon, Geſchichte Finnlande. 4 


50 Erfte Periode. Die katholifhe Zeit. 


legterer mit allen jeinen Mannen Finnland und fehrte nach 
Schweden zurüd. Nunmehr wollte ſich auch Sten Sture, wel: 
cher den Ausbruch eines Aufruhrs in Schweden befürchtete, 
möglichit bald wieder dorthin begeben. Biſchof Magnus juchte 
ihn auf alle Weife davon abzuhalten, indem er betonte, daß 
in ſolchem Falle „diejes Vaterland” — fo nannte er Fin: 
land — bald am Rande des Unterganges ftehen würde. Aber 
weder durch folche noch durch anderer einflußreicher Männer 
Mahnungen ließ fih Sten Sture von feinem Entichluffe ab: 
bringen "), verließ im November Wiborg und begab fich nach 
Abo, von wo er um Weihnachten mit einem Teile feiner 
Truppen nach Schweden abjegelte. Auch diesmal aljo war 
jein Aufenthalt in Finnland ohne jede Bedeutung gewejen. 
In diefem Lande war man über die Abreije des Neichs- 
verwejers faft troftlos. Glücklicherweiſe waren indeſſen jchon 
damals zriedensverbandlungen eröffnet worden, welche ein 
bejferes Reſultat erzielten, ald man zu Hoffen gewagt. Knut 
Poſſe hatte Bevollmächtigte nach Kerholm entjandt. Diejelben 
wurden mit Wohlwollen empfangen und fehrten in Begleitung 
von ruffiihen Sendboten nad Wiborg zurüd. Yegtere über: 
brachten ein Schreiben an Knut Pofje, worin mitgeteilt wurde, 
daß die Friedensverhandlungen am zwecdmäßigiten in Now: 
gorod ftattfinden würden. Die leitenden Männer im Finn— 
land jäumten nicht, diefem Winfe Folge zu leiften. Biſchof 
Maguus, Knut Poffe jowie einige andere der auf Wiborg be: 
findlichen Hauptleute bejchloffen bei einer Zuſammenkunft, einen 
Waffenftillftand nachzujuchen. Zwei Gejandte, der Domberr 
Gregorius Johannis und der Pfarrer in Perno, Cyprianus 
Andreä, begaben fich nach Nowgorod, wo fie am 3. März 
1497 einen jechsjährigen Waffenftillftandsvertrag vereinbarten, 
der am 25. März beginnen ſollte. Die Grenzjcheide zwijchen 
beiden Yändern jollte genau feftgeftellt werden und zu dieſem 
Behufe um Weihnachten eine neue Zufammenkfunft am Fluſſe 


1) ®gl. Arwidsfon, Handlingar VI, 96sq., fowie „ Handlingar 
rörande Skandinaviens historia “ XVIII, 45 (Stodbolm, 1833). 


Finnland während des Kampfes gegen die Union: 1497. 51 


Wuoren jtattfinden. Diejer Traftat bildet den Abjchluß des 
jogenannten „Großen Ruffiichen Krieges“. Wenngleich derfelbe 
Finnlands Provinzen in weitem Umkreiſe vermwüljtete, jo find 
doch mwahricheinlih die Spuren des gewaltſamen Vorgehens 
der Feinde nicht von allzu langer Dauer gewejen, da die ruj- 
ſiſche Macht nirgends feſten Fuß gefaßt hatte. Daß ſchwererem 
Unheil vorgebeugt wurde, ift Das Verdienft der Männer, welche 
damals die Verteidigung des Yandes leiteten und mit Nat 
und That zur Abwendung der Gefahr beitrugen, an allererfter 
Stelle Knut Pofjes und Magnus Stjerntors’. 

Kaum war Sten Sture nah Schweden zurüdgelehrt, als 
es zu einer offenen Erhebung gegen ihn fam. Die Anklage, 
er babe für die Verteidigung von Wiborg und Nyflott fowie 
tür die Sicherheit Finnlands nicht genügend gejorgt, wurde 
einer der Hauptvorwände jeiner Gegner, um fi von ihm 
endgültig loszufagen. Im März 1497 brach der Aufruhr 
aus. Derjelbe endigte damit, daß Sten Sture den däniſchen 
König Hans als Herrſcher Schwedens anerkennen mußte. Als 
Entichädigung empfing er unter anderm Finnland mit ſämt— 
lichen Sclöffern (Wiborg, Dlofsborg, Tawaftehus, Raſeborg, 
Abo, Kafteldolm und Korsholm) zu Lehen. Nach feinem Tode 
jolfte jeine Gemahlin Ingeborg Tott das Schloß und die 
Provinz Tawaſtehus auf Yebenszeit behalten dürfen '). 

Am 29. Mai 1499 huldigten Vertreter der verjchiedenen 
Yandichaften des Neichs dem Sohne des neuen Königs, Prinz 
Chriftian, als ihrem Thronfolger. Diefer feierliche Akt iſt 
für die Gejchichte Finnlands injofern von Interefje, ald, ge- 
mäß der föniglichen Verfügung vom 15. Februar 1362, bei 
jener Gelegenheit der Biichof, die Oberlandrichter jowie Adelige 
und Bauern aus unjerm Yande anweiend waren ?). In Finn— 
land jchaltete währenddeſſen Sten Sture, welcher 1498 nicht 
nur eine Erklärung von Bürgermeifter, Rat und Volk in Abo 
erwirkte, des Inhalts, daß niemand etwas gegen jeine Vögte 


1) Die von Sten Sture darüber ausgejtellte Urkunde vom 3. Dez. 
1497 ift gedrudt bei Grönblad, Nya källor, p. 9. 
2) Die Wablatte findet fih bei Sadorpb 1. ce. II, Bihang p. 367. 
4* 


52 Erfte Periode. Die katholiihe Zeit. 


einzumenden hätte, jondern auch einen Brief vom Biſchof 
Magnus, worin diejer bezeugte, daß das Unheil, von welchem 
Finnland im vergangenen Jahre betroffen worden, nicht einer 
Nachläſſigkeit vonjeiten Sten Stures zugejchrieben werden fünnte. 
Bald jedoch lernte Sten Sture fennen, wie abhängig” er nun- 
mehr troß jeiner umfangreichen Befigungen war, indem er 
(Juni 1499) die Schlöffer Abo, Wiborg und Nyflott nebjt 
ven dazu gehörigen Provinzen gegen jchwedijche Lehen an König 
Hans abzutreten genötigt wurde. 

Schon nach wenigen Jahren erhielt Sten Sture Gelegen- 
beit, dem Könige Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Un: 
geachtet des Waffenjtillftandes von 1497 hatten die Ruſſen 
fortwährend die üftlihen Grenzgebiete Finnlands verwüſtet. 
Im Jahre 1499 drangen fie bis nach Nyilott vor, wurden 
jedoch zurüdgejchlagen ). Anfang 1501 famen nun ruſſiſche 
Geſandte nah Stodholm, weldhe in Gegenwart des Reichs— 
rats einen lateinifchen Brief verlajen, worin Zar Iwan daran 
erinnerte, daß er auf Anraten von Hans und infolge eines 1493 
mit demſelben gejchlofjenen Vertrages Finnland angegriffen 
babe. In dem genannten Zraftat jei fetgeiegt worden, daß 
die früheren Grenzen zwijchen beiden Reichen wiederbergeftellt 
werden jollten, weshalb die Gerichtöbezirfe Savo, Jääslis und 
Äuräpää, welche vordem zu Rußland gehört hätten, wieder 
abgetreten werden müßten 2). Unzmweifelhaft hatte Hans nie- 
mals daran gedacht, zu jo weitgehenden Forderungen feine Zu— 
jtimmung zu erteilen. Gleichwohl wurde das Schreiben des 
ruffiihen Zaren eine mächtige Waffe in den Händen der 
Gegner des Königs. Im Juli kündigten fie ihm offen Treue 
und Gehorjam; er mußte das Land verlajien; am 12. No- 
vember wurde Sten Sture von neuem zum Reichsverweſer 
erwählt. Diejer begab fi im Sommer 1502 nad Finnland, 
um auch dort die Anhänger des früheren Königs zum Ge- 
borjam zu bringen. Auf Schloß Abo war Magnus Frile, 


1) Grönblad ]. c., p. 114. 117. 
2) Grönblad J. c., p. 118. 





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Finnland während des Kampfes gegen die Union: 1499—1504. 58 





auf DOlofsborg und Wiborg Erich Thuresjon Bjelke jeit 1499 
Hauptmann. Erfterer ergab fich erjt nach langwieriger Be— 
lagerung am 6. September, legterer leijtete ſchon früher dem 
neuen Reichsverweſer, nach einer perjönlichen Zuſammenkunft 
auf dem Pfarrhof Hollola im öftlichen Finnland, den Hul- 
digungseid. Im Herbit 1502 war Sten Sture unbeftritten 
Herricher in Finnland. 

Wenige Wochen nach jeinem Tode (14. Dez. 1503) wurde 
Spante Nilsfon Sture zum Neichsverwejer erforen. Die 
Bewohner Finnlands waren nicht imftande gewejen, fih an 
der Wahlbandlung (Ende Ian. 1504) zu beteiligen. Aber, wie 
1457, wurde auch jegt ihr Necht, fich über die Ordnung der 
Reichsregierung äußern zu dürfen, anerfannt. Durch zwei 
Sendboten, Iojepb Pedersſon und Bengt Bengtsfon, wurden 
fie nämlich von den Ereigniffen in Schweden in Kenntnis ge— 
jeßt, und nach ihrer Ankunft traten „Freigeborene, Edelleute, 
Kaufleute, Bauern und Anfäjjige (bokarlar)“ der Provinz Abo 
auf der Ratsftube von Abo am 3. März 1504 zu einer 
Wahlverjammlung zufammen. Ebenjo wie 1457 wurde mithin 
das gejamte Volt des Yandes von Bewohnern der Provinz 
Abo repräjentiert. Eine Meinungsverjchiedenheit jcheint nicht 
beftanden zu haben. Die VBerjammelten wählten Svante Sture 
zum Reichsverweſer und benachrichtigten die Regierung in 
Schweden davon durd ein Schreiben, worin ed u. a. hieß, 
daß fih Finnlands Bewohner ebenjo wenig wie ihre Vor: 
fahren vom Reiche Schweden trennen wollten !). Der eine der 
beiden Gejandten, Joſeph Pedersion, blieb hierauf in Abo und 
defien Umgebung, um den Einfluß des Reichsverweſers daſelbſt zu 
befeftigen. Er unterhandelte mit Mitglievern des Domkapitels 
und dem Hauptmann auf Abo, Dietrich Hansjon, befuchte einzelne 
Edelleute auf dem Yande und berief den gemeinen Mann, um 
defjen Zreugelöbnifje in den Thingverfammlungen entgegenzus 
nehmen. Sein Begleiter, Bengt Bengtsſon, begab jich nach 
Wiborg, wo er mit dem mächtigen Erich Thuresſon Bjelke zu— 


1) Grönblad L c., p. 164. 


54 Erſte Periode. Die katholiſche Zeit. 


jammentraf, welcher fich ebenfalls in die veränderte Page fügte. 
Um fich noch mehr der Treue der Finnen zu vergewiffern, begab 
fih Spante Sture im Juli 1504 perjönlih nah Finnland. 
Er übernahm den Befehl auf Kaftelholm, traf in Abo mit 
dem Biſchof und den vornehmften Männern des Landes zu- 
jammen und empfing vom Bolfe das Gelöbnis der Treue. 
Eine zwijchen ihm und Erich Thuresjon geplante Begegnung 
fonnte zwar nicht ftattfinden; jedoch erhielt er furz darauf 
überzeugende Beweiſe von der Ergebenheit desjelben. Wie 
freundichaftlih das Verhältnis zwijchen dem Hauptmann auf 
Wiborg und dem Keichöverwejer fortan war, geht daraus hervor, 
daß erjterer zum „vollmündigen und bevollmächtigten Haupt: 
mann über Finnland und Aland“ ernannt wurde, mit der 
Berechtigung, auf eigene Hand Maßnahmen zum Beſten des 
Landes zu treffen. Er zeigte ſich vollauf befähigt, die Auf: 
gaben zu erfüllen, die ihm hierdurch auferlegt wurden. Die 
Leitung der Politit Rußland gegenüber wurde von ihm mit 
Umfiht und Eifer gehandhabt. Er jtand mit den Hauptleuten 
in den ruffiihen Grenzgebieten in Unterhandlung, ſandte 
Spione aus, die ihm über den Zuftand im öftlichen Nachbar: 
lande genaue Nachrichten verjchafften, und jchlichtete die Streitig: 
fetten der Grenzbewohner, welche jtändig den Frieden zwijchen 
den Reichen zu ftören drobten. Daß 1504 und 1510 
Waffenjtillftandsverträge mit Rußland zuftande famen, tft im 
wejentlichen jein Werdienft, mochte die Yage auch fortfahrend 
unficher fein, da die in dieſen Traftaten erwähnte Grenz: 
regulierung nicht vorgenommen wurde. Auch mit ven Städten 
Neval und Narwa hielt er eine lebhafte Verbindung aufrecht, 
um Seefahrt und Handel vor den Kaperfahrzeugen zu jchügen, 
welche beftändig die Küften an der Oftfee und am Finniſchen 
Meerbujen beunrubigten. Obwohl er in allererfter Linie 
Krieger war, fehlte ihm keineswegs das Intereſſe für fried- 
lich fördernde Tätigkeit. Er ift der erjte geweſen, welcher 
den Plan einer Verbindung des Saimajees mit dem Meere 
vermittelft eines Kanals entwarf, ein Unternehmen, welches 
zwar begonnen wurde, aber nicht bis zum Ende durchgeführt 


Finnland während des Kampfes gegen die Union: 1504—1509. 55 


werben konnte). So jteht denn Erich Thuresion ebenbürtig 
zur Seite Erih Axelsſons, als ein wiürdiger Vertreter des 
mächtigen Unionsadels, dejfen Mitglieder nicht jelten in Finn» 
land wohnhaft blieben, obwohl jie aus den Gegenden des 
Weſtens herſtammten. Er ftarb im April 1512. 

In diefer Zeit war Finnland infolge des ſchwediſch-däni— 
jchen Krieges großen Gefahren ausgefegt. Im Frübjahr und 
Sommer 1507 griffen die Dänen eine Anzahl von finnifchen 
Fahrzeugen auf. Nur die Provinz Wiborg wurde durch Erich 
Thuresſons Wachſamkeit gefchügt. Auch gegen feſte Punkte 
wurden Angriffe unternommen. Mitte Juli 1507 landete ein 
von Severin Norby befehligtes Geſchwader auf Aland. Das 
Schloß Kajtelholm, auf welchen Sten Thuresjon, ein Bruder 
Erihs, das Kommando führte, mußte jich ergeben; der Feind 
jegte das Schloß in Flammen und z0g fich erſt zurüc, nach: 
dem das Yand teilweile geplündert und die Bevölkerung zur 
Erlegung eines Brandichages gezwungen worden war. rich 
Thuresjon fjandte bei der Kunde davon Schiffe und Mann: 
ichaften nach Aland und richtete an geiftliche wie weltliche Lehns— 
inbaber im ſüdlichen Finnland die Aufforderung, zur Hilfe 
herbeizueilen. Aber nunmehr war es bereits zu jpät ?). Im 
Sabre 1508 ernenerten fich die Plünderungszüige des Feindes, 
und noch jehlimmer wurde es im folgenden Jahre. In der 
Naht vom 2.3. Auguft 1509 jchlich fich der däniſche See- 
held Dtto Rud mit feinem Kriegsvolt in Abo ein. Der Feind 
jtieg auf feinen Widerftand ; die angejehenften Bürger wurden 
niedergemacht, andere in die Gefangenjchaft gejchleppt, die 
Stadt den Soldaten zum Plündern preisgegeben. In der 
Domkirche, wo im Yauf der Jahrhunderte foftbare Gefäße und 
Schmudgegenjtände angefammelt worden waren, machten bie 
Fremdlinge eine reiche Beute. Sogar Bücher von hohem 
Werte wurden mitgenommen. Die Plünderung währte fünf 
Tage; jpäter zogen die ungebetenen Säfte mit zahlreichen Ge- 


1) Grönblad |]. c., p. 136sqg. 
2) Grönbladl. c., p. 325—336; „Handlingar rörande Skandi- 
naviens historia“ XX, 137—179 (Stodbolm, 1835). 


56 Erfte Periode. Die tatbolifche Zeit. 


fangenen teil8 zur Küfte Schwedens, teil8 zur Pandzunge von 
Hangö, von wo auß fie Abo mit einer neuen Heimjuchung 
bedrohten, wofern fie nicht 12000 Markt Brandjchagungs- 
gelder und eine gleiche Summe als Löfegeld für Biſchofsmütze 
und - Stab erhalten würden. Das Klojter Nädendal entging 
nur durch Zahlung einer Geldijumme von 25 Mark der Plün- 
derung !). 

Am 2. Ianuar 1512 jtarb Svante Sture. Am 23. Juli 
wurde jein Sohn, Sten Sture der Jüngere, zum Reichsver— 
wejer gewählt. Im September fand jich diejer in Finnland 
ein, bejuchte das „Eigentlihe* Finnland und fam bis nach Sata— 
funta. Im die Provinzen Nyland und Wiborg, die er nicht 
perjönlich aufjuchen konnte, jandte er den Hauptmann auf Raſe— 
borg, Zönne Eriksſon Tott, welcher in jeinem Namen den 
Treu: und Huldigungseid der Bevölkerung in Empfang nahm. 
Tönne Eriksſon, welcher das volle Vertrauen des Reichsver— 
wejerd genoß, wurde hierauf Hauptmann auf Wiborg und 
Nyſlott und war jeitdem der vornehmjte unter den Großen 
Finnlands. Auch im folgenden Jahre bejuchte Sten Sture 
das Land, im erfter Linie behufs Bejchleunigung der damals 
mit Rußland eröffneten Friedensverhandlungen. Vier Geſandte, 
unter ihnen Nils Eskilsfon Bandr und Heinrich Stensjon 
Renhufvud, wurden abgeſchickt, um die Ratififation des Waffen- 
jtillftandsvertrags von 1510 zu erlangen. Sie brachten ihren 
Auftrag glücklich zur Durchführung; der Friede wurde von 
neuem bejtätigt und die oft genannte Örenzregulierung bis auf 
das Jahr 1518 verjchoben. Beachtenswert erjcheint, daß man 
ſchwediſcherſeits die Feſtſtellung der Grenze zwiichen beiden 
Reichen jo lange als möglich binausjchieben wollte; vermutlich 
in der Bejorgnis, Rußland würde jeine alten Anjprüche er- 
neuern. Man erwirkte deshalb auch 1517 einen weiteren Auf- 
jhub der Grenzregulierung. 


1) Grönblabd 1. c., p. 434; Porthan, Chronicon, p. 589. — 
Noch heutzutage wirb in der Kirche Eibo auf Seeland ein koſtbares Gefäß 
aufbewahrt, welches nebſt anderem geraubten Gut 1509 von Abo nach 
Dänemark gebracht wurde. 


Finnland während des Kampfes gegen die Union: 1512—1521. 57 


Am 3. Februar 1520 erlag Sten Sture den Wunden, 
die er im Kampfe mit den däniſchen Gegnern davongetragen 
hatte. Hiermit war das Schidjal Schwedens entjchieben. 
Seine Witwe, die mutige und treue Katharina Gyllenſtjerna, 
mußte am 5. September Ehrijtian II. al8 König von Schwe- 
den anerkennen. In die Kapitulation jchloß fie auch die an- 
geſehenſten ihrer Freunde in Finnland ein: Biſchof Arwid 
Kurck (1510—1522), Tönne Eriksſon Tott, Akte Göransjon 
Tott und Nils Eskilsſon Baner. 

Am 10. Juni 1520 jandte Ehriftian an die Reichsräte 
umd die übrigen angejehenen Männer des Landes ein Schreiben, 
worin er ihnen anbefahl, ſich mit dem eheften in Stodholm 
einzufinden '). Diefelben antworteten ausweichend. Die däntjche 
Herrihaft war in Finnland nicht beliebt, und man wollte jich 
daher verjelben nicht, außer für den Notfall, unterwerfen. 
Später freilich vermochte der Sendbote des Königs, Hemming 
Gadd, die Befehlshaber der finnischen Schlöffer zur Ausliefe- 
rung der Feſtungen an Chriftian zu beftimmen, worauf die 
meijten Burgen mit Kommandanten deutſcher oder dänijcher 
Herkunft bejegt wurden 2). Das Stodholmer Blutbad vom 
8. November 1520 fand auch in Finnland jein Nachipiel, in- 
dem einige der finnijchen Großen, jo z. B. Afe Göransjon 
Zott (27. Nov.) und Nils Eskilsſon Banéer (16. Dez.) hin- 
gerichtet wurden. Biſchof Arwid Kurd, welcher ſich nach 
Schloß Kuuftö zurüdgezogen hatte, juchte Hug und vorfichtig 
die Gunſt des neuen Herrichers zu gewinnen. In einem de— 
mütigen Brief vom 21. September 1521 verjicherte er den 
König jeiner Treue und gelobte, nach bejtem Vermögen ihm 
mit Rat und That behilflich fein zu wollen. Zugleich bat er um 
einige Bergünftigungen und Lehen. Unterzeichnet war der Brief 
mit den Worten: „Euer Gnaden gehorjamer Kaplan Arwid, 
von Euer Gnaden Biichof in Abo.“ Im November dankte 
Ehriftian Biſchof Arwid und den Neichsräten in Finnland für 

1) Arwidsfon, Handlingar I, 221. 

2) 9. ©. Porthan, Finlands historia under konung Kristiern 
den andres regering. Opera selecta V, 437—457 (Helfingfors, 1873). 


58 Erſte Periode. Die katboliihe Zeit. 


ihre Treue und ermahnte jie zugleich, den gemeinen Mann 
zur Ruhe anzubalten, damit fich das Volk nicht durch Guftav 
Erifsions (Wafa) Anhänger irreführen ließe. 

Mit dem Freiheitsfampfe Guſtav Waſas beginnt für Finn- 
land eine neue Epoche. Bevor wir jedoch unjere Schilderung 
der Gejchichte unjeres Yandes während des Mittelalters ab- 
ichliegen, müjfen wir einige Worte den Bijchöfen widmen, 
welche in den letten ftirmijchen Zeiten der Union an der Spike 
der finnischen Kirche jtanden. Wir finden bei letteren die— 
jelben Züge von ehrwürdigem Ernft und von Hingebung für die 
fatholifche Kirche wieder, wodurch fich ihre Vorgänger aus- 
gezeichnet hatten. — Biſchof Olaus Magni (1450— 1460) 
war im Beſitz einer umfaſſenden wiffenschaftlichen Bildung. 
Viele Jahre hindurch hatte er an der Pariſer Hochichule ſtu— 
diert und daſelbſt hervorragende Ehrenämter bekleidet ). — 
Sein Nachfolger Konrad (Kort) Bit (1460—1489) entjtammte 
einem der angejehenjten finnijchen Adelsgejchlechter. Sein Bater 
Heinrih Big war Ritter, Ratsherr, Hauptmann auf Abo und 
jchlieglih Dberlandrichter im ſüdfinniſchen Gerichtsiprengel. 
In die politischen Stürme der damaligen Zeit griff er als 
eifriger Unionsfreund ein, umd bei firchlichen Fragen wirfte 
er in katholiſch-hierarchiſchem Geiſte. — Auh Magnus III. 
Stjernfors (1489— 1500) gehörte einem der vornehmſten fin- 
niſchen Adelsgejchlechter au. Sein Bater Nikolaus Dlofsjon 
Stjernfors war Ratsherr und wird mehrmals als Vorſitzender 
im finnischen Landgericht erwähnt; jeine Mutter Clin Tawaſt 
war ebenfall® aus den Reihen der einheimijchen Ariftofratie 
hervorgegangen. An der Parijer Univerjität erwarb Magnus 
1457 den Magiftergrad. Als Beweis für das Anjehen, wel- 
ches er ſchon als Dompropft zu Abo genoß, mag angeführt 
werden, daß er nebjt allen jeinen Nachfolgern in jenem Amt 
von Kaiſer Friedrich III. zum Pfalzgrafen am Iateranijchen 
Palaft zu Wachen erwählt wurde; eine Würde, welche eine 


1) 9. Kosfinen, Olavi Maununpoika Pariisissa ja Suomalaisten 
opinkäynti ulkomailla keskiajalla (Heljingfors, 1862). 


Die Biihöfe 1450 -1523. — Geiellfchaft und Bildung. 59 


hohe und im Norden ungewöhnliche Auszeichnung bedeutete. 
Der Eifer, mit welchem er unter Aufopferung jeiner eigenen 
Einkünfte während des Großen Ruſſiſchen Krieges für die Ver- 
teidigung des Baterlandes thätig war, beweijt, daß er einer 
ber edeljten Geiſter jener im jittlicher Hinficht oft verworrenen 
Zeit war. Auch auf firchlichem Gebiete bewies er Feſtigkeit 
und Ernjt. Beachtenswert ift namentlich, daß er fich jogar 
den Übergriffen der päpftlichen Gewalt zu widerfegen wagte !). 
Über die Firchliche Wirkfamfeit jeiner Nachfolger ift nichts 
Wejentliches zu berichten. 


>. Gefellfchaft und Bildung in Finnland während der katho- 
lifchen Zeit. 

Noch am Ende der fatholifchen Zeit ftand die große Maſſe 
des finnischen Volkes in religiöjer Hinficht Faft auf dem Stand- 
punft eines Kindes. Allerdings waren Finnlands Bewohner 
im allgemeinen getauft, und wahrjcheinlich hatten die meiften 
von ihnen einmal eine Kirche bejucht jowie an den Zere— 
monteen teilgenommen, aus denen der katholiſche Gottesdienst 
größtenteils bejtand. Aber hiermit folgte nicht eine wirkliche 
Kenntnis der chriftlichen Yehre. Im Gegenteil lebte der Glaube 
an die heidnijchen Götter fort und verband jich auf eine eigen: 
tümliche Weiſe mit den chrijtlichen Neligionsbegriffen. ALS 
Zeugnis davon mag die unzweifelhaft aus dem Mittelalter 
jtammende fünfzigjte Rune in der „Kalewala” angeführt wer- 
ven. Die Unſchuld der Maria (Dlariatta) wird bier in Farben 
geichilvdert, welche der Yehre des Katholicismus über die Sünd— 
lofigteit Marias entlehnt, jedoch mit nationalfinnichen Vor— 
jtellungen vermijcht find. Die Heiligfeit wird vorzugsweije 
rein äußerlich aufgefaßt, und der ganzen Auffajjungsweiie 
jener Rune ift ein hHeidmifcher Stempel aufgedrüdt. Noch 
mehr begegnet uns dieſe Mijchung von Katholicismus und 
Heidentum in Zaubergelängen und Beijhwörungsformeln. Noch 


1) Grönblad l. ce, p. 9. 


60 Erite Periode. Die katholiſche Zeit. 


weit bis ins Zeitalter der Reformation wurden heidniſche 
Feſte, obwohl in teilweife veränderter Form, gefeiert '). Dies 
fonnte nicht anders fein. Die Geiftlihen waren größtenteils 
allzu ungebilvet, um als Lehrer des Volkes erfolgreich wirken 
zu fönnen, und beim Gottesdienjte war das belehrende Clement 
in den Hintergrund gedrängt, jelbjt da, wo in der Volksſprache 
geprebigt wurde. Übrigens zeigte ſich auch auf diefem Gebiete 
Magnus Stjernfors als der am meiften aufgeklärte unter 
unſern katholiſchen Biichöfen, indem er in einer Verfügung 
von 1492 vorjchrieb, daß der Paftor oder Kaplan in jeder 
Gemeinde am Sonntage auf der Kanzel das Vaterunſer, das 
Ave Maria, die Glaubensartifel und die Beichtformel verleien 
jolle; und zwar follten alle diefe Stüde jchriftlih in der 
Boltsiprache abgefaßt fein, damit die Mitglieder der Gemein: 
den fie auswendig lernen könnten. 

Es zeugt von der bedeutenden Machtitellung eines finni— 
ihen Biſchofs, daß Verfügungen, wie die obige, ohne vorherige 
Beitätigung jeitend der Negierung in Kraft treten konnten. 
Eine nicht minder wichtige Stüße fir jeine Macht war das 
Richteramt, welches er teils im Domkapitel, teild auf dem 
Yand im Thing ausübte. Seinem Richteripruch unterftand im 
alfererfter Yinie die Geiftlichfeit. Aber auch weltliche Berfonen 
waren dem Richterſpruch der Kirche und des Biichofs in 
Fragen unterworfen, welche mit dem fittlichen und Firchlichen 
Yeben zufammenhingen. Auf dem Lande wurde in Abwejenbeit 
des Biichofs das Nichteramt von den fogenannten Landpröpſten 
(landsprostar) ausgeübt, welche auf den Propfttbingen das 
Wort führten. 

Die glänzende öfonomijche Stellung der Biichöfe zeigte ſich 
in ihrer ganzen Pracht auf dem Scloffe Kuuftö (in natur: 
jhöner Yage anderthalb Meilen füdöftlih von Abo). Noch 
heutzutage erinnern gewaltige Trümmerbaufen an den mächtigen 
Bau, in welchem die Biichöfe Fürftlichen Hof bielten ?). 

1) 9. Rabergh, De reformatoriska ideernas utveckling i Finland 
(Helfingfors, 1880). 

2) Bol. R. Haufen, Kuustö slott (Helfinafors, 1881 — 1883). 


Geiellibaft und Bildung während der katholiſchen Zeit. 61 


Die Geiftlihen wurden vom Biſchof ernannt; doch Hatte 
die Gemeinde das Recht, gehört zu werden. In den jogenannten 
regalen Paftoraten (zur Zeit des Könige Magnus Eriksjon 
im ganzen zehn) hatte der König fich das Recht der Stellen: 
bejegung vorbehalten. Ob er aber von diefem jeinem Rechte 
wirflih Gebrauch gemacht, ift unbekannt. Jedenfalls war die 
Stellung der finnischen Kirche gegerrüber der Königsmacht in 
bobem Grade unabhängig. 

Entſprechend der Ausbreitung der Anſiedlungen vermehrte 
jih allmählich auch die Zahl der Gemeinden. Wir haben er- 
wähnt, daß ſchon zu Beginn des 14. Jahrhunderts die Kirch- 
jpiele im „Eigentlihen“ Finnland und in Nyland jowie auf Aland 
verhältnismäßig zahlreich waren. Gegen Ende des Mittelalters 
war ihre Zahl jowohl in den genannten Landjchaften wie in an- 
deren Gegenden bedeutend gejtiegen. Der bewohnte Teil unjeres 
Yandes erjtredte fich in einem weiten Bogen von der Gegend 
des Spiterbäd bis zum Kemifluffe, und zwar jo, daß die Küſte 
am dichtejten bevölkert war, während die Zahl der Kolonieen 
abnahm, je weiter man in das Innere des Yandes fam. Das 
ganze innere Yand um den Bergrüden Suomenjelfä und die 
Gewäſſer des Saima und Päijänne entbehrte noch der Kirchen, 
jo daß Die vereinjamten Anfiedler dajelbit kaum jemals Ge— 
legenheit erhielten, Gottes Wort zu hören. Zwiſchen den 
Kirchen Sysmä und Savolafs gab es noch zur Zeit des Magnus 
Tawaſt feine Behaujungen, jo daß der Biſchof, wenn ‘er die 
Kirchen vifitierte, und andere Reiſende, wenn fie jene Gegen- 
den bejuchten, die Nacht unter freiem Himmel verbringen 
mußten '). 

Leben und Wirkjamfeit der Geiftlichen wurde teil® bei den 
Biihofsvifitationen, welche wenigftens von einzelnen Bijchöfen 
bäufig unternommen wurden, teil® bei den jährlich in Abo ftatt- 
findenden und von der Geiftlichkeit zahlreich bejuchten Priejter- 


1) Näheren Auffchluß über diefe Frage giebt 8. G. Yeinberg, Fin- 
lands territoriala församlingars älder, utbildning och förgrening, in: 
„Skrifter utg. af Svenska Literatursällskapet i Finland“, Bd. III 
Helſingfors, 1886). 


62 Erſte Periode. Die katholische Zeit. 


verjammlungen überwacht. Daß übrigens der Wandel der 
Seiftlichfeit nicht jehr tadelfrei war, gebt aus mehreren 
ichriftlichen Zeugniffen der damaligen Zeit hervor. Nament— 
lid war es jchwer oder gar unmöglich, die Geiftlichen zur 
Unterwerfung unter das jtrenge Gölibatgejeß zu bewegen. 

Das Klofterweien bat in Finnland verhältnismäßig früh 
Eingang gefunden. Schon in einer alten Aufzeichnung über 
die Schidjale des Dominifanerordens im Norden heißt es: 
„1249 venit conventus in Finlandiam‘ '), Außer diejem 
von Birger Jarl gegründeten Dominikanerklojter wurden fpäter 
angelegt: ein Franzisfanerklofter in Raumo (zum erſtenmal 1449 
erwähnt), je ein Franzisfaner- und Dominikanerklofter in Wi- 
borg (1403 bezw. 1427 zuerjt genannt) 2), jowie ein (vor 1472 
erbautes) Sranzisfanerklofter auf einer Inſel im Kirchipiel Kökar, 
jüdöftlih von Aland. Im großen und ganzen mußten jedoch 
die Mönchsklöfter vor dem Glanze zurüctreten, der das früher 
erwähnte Klofter des Birgittaordens zu Nädendal umftrablte. 
Dasjelbe wurde von einer Äbtiffin, gewöhnlich einem Mitgliede 
der einheimiſchen Ariftofratie, jowie von einem Generaltonfefjor 
geleitet und verfügte über reichen Güterbefiß, bejonders im ſüd— 
wejtlichen Finnland, aber auch in weit abgelegenen Gegenden, 
wie Tawaſtland, Nyland, Karelien und Djterbotten, ja ſogar 
in Schweden *). 

Auch das Gildenwejen war in Finnland ziemlich verbreitet. 
Die meiften Gilden fanden fich natürlich in Abo: die St. Niklas, 
Dreifönigs-, St. Anna-, St. Gertruds-, St. Erasmus- und 
St. Urfulagilde. Außerdem werden erwähnt die Gilden in 
Ulfsby, Kumo, Hoittis, Kimito, die Heiliggeiftgilde in Wiborg 
und die St. Knutsgilde auf Aland. Am berühmteften war 
die von Magnus Tawaſt gejtiftete Dreifönigsgilde, welche Finn— 


1) Bgl. „Historiallinen arkisto“ Ill, 193. 

2) Bgl. „Finsk Tidskrift“ XII, 127 (Helfingfors, 1882). 

3) Über das finnische Klofterwefen vgl. 8. G. Feinberg, De finska 
klostrens historia, in: „Skrifter utg. af Svenska Literatursällskapet 
i Finland“, ®b. XIX (Helfingfors, 1890). 


Gejellihaft und Bildung während der katholiſchen Zeit. 63 


lands vornehmfte Männer unter den Geiftlichen, Adeligen und 
Bürgern zu Mitgliedern zählte ?). 

Unter der Yeitung und dem Schuge der Kirche gewann 
das Schulwejen eine nicht unbedeutende Entwidelung. Die 
ältejte Schule war die jogenannte Kathedraljchule in Abo, 
welche vermutlich jchon im Yaufe des 13. Jahrhunderts ge- 
gründet worden ift, obwohl fie erjt 1355 erwähnt wird. 
Daß der Unterricht befriedigend war, gebt daraus hervor, 
daß fih auch von Orten außerhalb Finnlands Cleven ein: 
fanden, um die genannte Lehranftalt zu bejuchen ?). Außer: 
dem gab es Stadtjchulen in Wiborg und Borgä jowie Klofter- 
ihulen, bei denen der Unterricht minder umfangreich war. 
Die Zahl der legteren it nicht bekannt. Zu Anfang des 
15. Yahrhunderts wird eine ſolche Schule beim Schwarz- 
brüderklofter zu Abo erwähnt ?). Die Schule zu Raumo tft 
von mehreren Verfaſſern mit lebhafter Anerkennung genannt 
worden; ein jpäterer Gelehrter bat indejjen dargelegt, daß 
jie nicht von Bedeutung war t). 

Diejenigen Dünglinge, welche höhere hierarchiſche Würden 
eritrebten, juchten an fremden Univerjitäten tiefere und voll: 
jtändigere wifjenjchaftliche Kenntniffe zu erlangen. Wir haben 
ſchon früher erwähnt, daß Dlaus Magni an der Parijer Hoch— 
ichule ein Anjehen genoß, welches nur höchft jelten einem Nord- 
länder zuteil wurde, und daß die meijten übrigen katholiſchen 
Biichöfe des Landes in Paris, Prag oder Yeipzig ftudiert hatten. 
Zahlreiche Yandsleute folgten ihrem Beifpiel. In den letten 
Jahrzehnten des Mittelalterd bejuchte man auch jüngere, min- 
der berühmte Hochjchulen, welche der Heimat näher lagen, jo 
3. B. Roftod und Greifswald. Arme Jünglinge konnten nur, 
wenn jie von mächtigen Bejchügern unterftügt wurden, jolche 


1) ®gl. „Historiallinen arkisto“ IV, 170. 

2) Porthan, Chronicon, p. 380. 

3) Portban, Chronicon, p. 620. 

4) K. A. Bomansſon, Hyvad betecknar „‚Cullegium Raumoense“? 
in: „Hist. Ark.“ VI, 45—70. Bol. bingegn 8. ©. Leinberg, De 
finska klostrens historia, p. 124. 


— 


64 Erſte Periode. Die katholiſche Zeit. 


Studienreijen unternehmen. Glücklicherweiſe zeigten jedoch 
die kirchlichen Leiter hierbei eine Hilfsbereitichaft, welche den 
ihönften Zug in der Gejchichte unjerer Fatholtichen Hierarchie 
bildet. Wir befigen einige recht charafteriftiiche Briefe, in 
denen Studenten ihren Bejchügern Dank jagen ). 

In der Heimat Studien mit Erfolg zu betreiben, war um 
jo jchwieriger, al8 Bücher äußerſt jelten waren. Die Biblio- 
tbei der Domkirche zu Abo, welche durch Gejchenfe von Biſchof 
Hemming, Biſchof Tawaſt und vermutlich auch von anderen 
vermehrt wurde, war die vornehmfte, enthielt jedoch, jo weit 
jih aus den vorliegenden Angaben jchliegen läßt, nur wenige 
Bücher, ſämtlich aus dem Gebiete der Theologie und des fa: 
nonijchen Rechts. — Auch die neuerfundene Buchdruckerkunſt 
war für Finnland von geringer Bedeutung. Nur zwei Bücher 
wurden im Auslande gedrudt, um in unjerm Yande Berbreitung 
zu finden, nämlich das „Missale aboense“* vom Jahre 1488 
und ein Kirchenhandbuh aus dem Jahre 1522: „Manuale 
seu exequiale secundum ritum ac consuetudinem almae 
ecclesiae aboensis‘, welch letzteres Vorſchriften über Taufen, 
Begräbnifje und einige andere firchliche VBerrichtungen enthielt ?). 
Noch weniger fonnte jich eine litterariiche Wirkſamkeit entfalten. 
Die jchriftlichen Denkmäler, die wir befigen, beſtehen aus 
Zejtamenten, Schenfungsbriefen, Gerichtsbüchern und anderen 
ähnlichen Aktenſtücken, die einen litterariichen Zweck nicht ver- 
folgten. Das einzige Zeugnis von hiſtoriſcher Schriftiteller- 
thätigfeit ift eine furze, chronifartige Lifte über die Biſchöfe bis 
auf Konrad Bit, mit Aufzeichnungen über einfache Fakta aus 
ihrer Pebensgejchichte, das jogenannte fragmentum palmsköl- 
dianum. Ein litterarbijtoriicher Name aus jenen Tagen ift. 
allerdings bis auf unſere Zeit gefommen, der des Kloſter— 
bruders in Nädendal, Jöns Budde, welcher, aus Schweden 
gebürtig, 1469 — 1500 fich fleißig in Nädendal litterarijch be- 
ichäftigte, hauptſächlich mit Übertragungen aus dem Pateinijchen 

li Grönblad, Nya källor, p. 557—562. 

2) Näbere Auffchlüffe über die beiden Bücher giebt ©. E. Klemming 
in: „Sveriges äldre liturgiska literatur“, p. 13. 38 (Stodholm, 1879). 


Geſellſchaft und Bildung während ber katholiſchen Zeit. 65 


ins Schwediſche. So überjegte er die Malkabäerbücher, die 
Bücher Eſther, Judith und Ruth jowie einige Heiligenlegenden. 
Desgleichen bearbeitete oder überſetzte er mehrere geiftliche 
Schriften anderer Berfaffer, 3. B. Bernhards von Clairvaug, 
deſſen myſtiſche Weltanjchauung er geteilt zu haben fcheint ?). 

Für die Krankenpflege, welche ebenfalls der Kirche oblag, 
gab es jeit dem 14. Jahrhundert zwei Kranfenhäufer, das 
St. Georgshoipital bei Abo für Ausfägige fowie in derjelben 
Stadt das Haus „zum heiligen Geifte“ für Arme und Krante; 
jpäter, um 1475, wurde von Erich Areldjon Zott bei Wiborg 
ein mit einer Kapelle verjehenes Hoſpital für Ausſätzige ge- 
ftiftet 2). 

Während die Geiftlichkeit auf den Gebieten des geiftigen 
Yebens die Entwidelung leitete, war der Abel innerhalb der 
verjchiedenen Zweige der weltlichen Verwaltung ber herrſchende 
Stand, indem Männern aus feinen Reihen alle wichtigeren 
Amter anvertraut waren. Aber der einheimijche Adel wurbe 
zum nicht geringen Teile von mächtigen ſchwediſchen und däniſchen 
Großen verdrängt, die während ber ftürmijchen Zeiten ber 
Union in Finnland eine Zufluchtsjtätte juchten oder aus den 
dortigen einträglichen Yehen Nuten ziehen wollten. Inſonder⸗ 
beit war die Provinz Wiborg, deren Hauptmann jeit langer 
Zeit eine unabhängige und einflußreiche Stellung bejaß, eine 
verlodende Beute. Dort berrichten Ehrifter Nilsion Wafe, 
Karl Knutsſon Bonde, Nils Eritsjon Gyllenftjerna, Erich 
Arelsjon Tott und Erich Thuresjon Bjelke, alles Männer, welche 
im erjten Gliede des glänzenden Unionsadels ftanden. Die 
Hauptleute Hans Kröpelin und Magnus Gren auf Schloß Abo, 
Otto Pogewifh auf Kaftelholm, Erich Pule auf Korsholm, 
Yard Arelsjon Tott u. ſ. w. waren ebenfall® hervorragende Ver⸗ 
treter ausländijcher Adelögeichlechter. Gewöhnlich hing ed von 
dieſen Herren und ihresgleichen ab, ob Finnland fich ber 


1) Bol. O. F. Hultman, Jöns Buddes bok, in: „Skrifter utg. af 
Svenska Literatursällskapet i Finland“, ®b. XXXI (Helfingfors, 1895). 


2) Bel. „Historiallinen Ark.“ 1I, 27. 
Schybergſon, Geſchichte Finnlands. 5 


66 Erſte Periode. Die katholiiche Zeit. 


unionellen oder aber der jchwediich-vaterländiichen Partei an- 
ſchloß. Einen durchgreifenden Einfluß auf Finnlands Ent- 
widelung übten fie, abgejehen von einigen wenigen Ausnahmen, 
freilich nicht aus. 

Darum ireten auch innerhalb der einheimiichen Ariſto— 
fratie gegen Ende des Mittelalters einige einflußreiche Ge- 
ichlechter in den Vordergrund. — Heinrich Klasjon (Diefn) 
war Sohn von Klas Lydekesſon, welcher unter der Regierung 
Erichs XIII. den Rang eines Hauptmanns auf Abo befleidet 
batte. Einer der bervorragenditen Beamten Finnlands, wird 
er als Scloßhauptmann auf Abo, Bezirksrichter im Gerichts- 
Iprengel von Nieder-Satafunta jowie als Oberlandrichter im 
nordfinnischen Gerichtsiprengel (1449 — 1458) erwähnt. Gleich: 
zeitig war er Ritter und Reichsrat. Bei den politiichen Ver- 
widelungen der damaligen Zeit trat er anfangs als Freund 
Karl Knutsſons auf, beteiligte jich aber jpäter an der Ver— 
jammlung zu Abo 1457, wo Chriſtian I. als König anerkannt 
wurde. — Sein Zeitgenojje Heinrih Bit genoß nicht ge- 
ringeres Anjehen, und jeine Lebensſchickſale waren ähnlich. Er 
war mit einer Tochter von Klas Lydekesſon vermählt md 
mithin Heinrich Klasſons Schwager. Gelegentlich der Krönung 
Chriſtophs (1441) wurde er Ritter, jpäter Oberlandrichter 
im jüdfinnifchen Gerichtsiprengel. Gleich Heinrih Klasſon 
war er ein Anhänger von Karl Knutsſon; allein auch er ging 
ganz plöglic zur Parteı König Ehriftians über und be- 
teiligte fih an der Verſammlung in Abo (24. Juni 1457). 
Er jtarb 1458. Seine Nachkommen nahmen in den nächſt— 
folgenden Generationen eine glänzende Stellung in Finnland ein. 
Der eine feiner Söhne, Erich Big, wurde Nachfolger des Va— 
ters als SOberlandrichter im ſüdfinniſchen Gerichtsiprengel, 
der andere Sohn war der Biichof Konrad Big, deſſen bedeutenden 
Einfluß als politiicher Perfönlichfeit wir früher hervorgehoben 
haben. Heinrich Big der Düngere, der Schn Erichs, war Ober: 
landrichter im nordfinniſchen Gerichtsiprengel. — Das Geſchlecht 
Tawaſt, welches jeine Ahnen von der Mitte des 14. Jahr— 
hunderts ber vechnete, beſaß einen glänzenden Vertreter in dem 


Geſellſchaft und Bildung während der katholiſchen Zeit. 67 


Biſchof Magnus Olai. Ein anderes Mitglied, Olof Nilsion 
Tawaſt, wird etwa 1440 bis 1450 al8 Hauptmann auf Schloß 
Tawaſtehus erwähnt. — Von dem Geſchlechte Horn ift nament- 
Ih Klas Henritsjon Horn zu nennen, welcher gegen Ende des 
Mittelalters Oberlandrichter im jüdfinnifchen Gerichtsiprengel 
war. — Das Gejchleht Stjernkors erreichte jeinen Höhepunkt 
in der Perjon des Biihofs Magnus II. — Das Gejchlecht 
Srille, welches jchon zu Beginn des 15. Jahrhunderts im 
Yande anſäſſig war, bejaß hervorragende Nepräjentanten in 
Chriſtian Frille (etwa 1470 Oberlandrichter im jüdfinnifchen 
Serichtsiprengel) und deſſen Sohne Magnus. — Das Ge- 
ihleht Fleming fam mit Klas Fleming nah Finnland. 
Ein jüngeres Mitglied, Joachim Fleming, war unter anderm 
Hauptmann auf Abo und nahm 1495 an dem Kampfe gegen 
Rupland teil). — Schließlich müſſen wir das Geſchlecht Kurd 
erwähnen, welches, als Arwid Kurd den Aboer Biichofsftuhl 
bejtieg, jchon viele Generationen hindurch in Finnland geblüht 
hatte. Einer jüngeren Nebenlinie (die ältere war zu Beginn 
des 15. Jahrhunderts erlojchen) entjtammte Klas Kurd, 
Richter im Gerichtsiprengel Ober-Satafunta (1463—1471) 
und Vogt auf Schloß Abo jowie eine Zeit lang Vogt in Sata- 
funta. Seine erjte Gattin, Katharina Fleming, gebar ibm 
einen Sohn Arwid, den jpäteren berühmten Biſchof. 

Als Inhaber von zehn, zwanzig oder noch mehr Gütern 
ragten die Glieder der genannten einbeimijchen &ejchlechter 
aus der Mafje der übrigen Edelleute bervor, und infolge 
ihrer Kenntnis der Berbältnifje Finnlands konnten jie ich 
leichter al8 die ausländijchen Herren die Gunjt des Volfes cr- 
werben. Daß lettered der Full war, gebt daraus hervor, 
dag die wichtigen Oberland» und VBezirksrichterftellen, deren 
Bejegung mehr oder weniger auf der Wahl des Volkes be- 
rubte, ihnen faſt jtets zufielen. Auch die Yandeshauptmanns- 
jtellen waren nicht jelten im Beſitze von Gliedern jener Ge— 
ichlechter, obwohl allerdings Ausländer gewöhnlich die beiten 


1, ®gl. Arwidsion, Handlingar V, 156; VI, 372. 


5* 


68 Erfte Periode. Die katholiihe Zeit. 


Provinzen erhielten. Außer dieſer hohen Ariftofratie gab es 
noch eine geringere Adelsklaſſe, deren Mitglieder nur ein ober 
ein paar Güter bejaßen und für diejelben durch Stellung eines 
Gewaffneten (rusttjenst) Steuerfreiheit erlangt hatten. 

Wie ftark der finniſche Adel im Mittelalter war, läßt jich 
nicht mit Sicherheit angeben. Im Yahre 1562 gab e8 gegen 
200 Adelige. Da die meiften derjelben für ein einziges Gut, 
und nur die Minderzahl für zwei, drei oder mehrere Güter 
Steuerfreiheit bejaßen, jo kann die Anzahl der weltlichen 
Nittergüter nicht bejonders groß gemwejen ſein. Nach einer 
Angabe eriftierten 1560 in Finnland 31419 Zinsbauern, 275 
Kronbauern, 327 Frohnbauern und 589 Firchenbauern '). 

Ein recht interefjantes altes Volkslied über Klas Kurd ?) 
jowie Aktenftüce, welche die Vermögensverhältnifje von adeligen 
Familien betreffen, find die einzigen Zeugniffe, durch welche wir 
erfahren, wie ſich das Leben des finnischen Adels im Mittel- 
alter geftaltete. Zumeift war es einfach, jogar dürftig, und 
nicht frei von Roheit. Dur Teilnahme an der Behandlung 
der allgemeinen Angelegenheiten hatten jich die vornehmeren Ade— 
(igen allerdings praftiiche Bildung erworben, aber im übrigen 
war jogar die Kunſt des Lejens und Schreibens jelten; Ge— 
waltthaten und eigennügige Handlungen kamen oft vor. 

Es läßt fich ſchwer entjcheiden, welche einheimijche Adels- 
geichlechter aus Finnland jtammten. Namen wie Tawaſt und 
Kurck deuten auf rein finnijchen Urjprung; das Flemingſche 
Geſchlecht ſtammte aus dem Auslande. 

Gegen Ende des Mittelalter begann auch der Bürger: 
ftand eine gewiffe Bedeutung zu erlangen, und die Stübte 
gingen einer reicheren Entwidelung entgegen. Diejelben waren 
zumeift infolge der Anforderungen der natürlichen Verhältniffe 


1) Hans Forifell, Sveriges inre historia I, tab. C. 5 (Stodholm, 
1869/70). 

2) Bgl. K. A. Bomansjons Unterfuhung barüber im „Hist. Ark.“ 
I, 1—17; das Lied felbft ift unter bem Namen „Elinan surma“ gebrudt 
in Elias Lönnrots „Kanteletar taikka Suomen kansan vanhoja 
lauluja ja virsiä“ (Helfingfors, 1840). 


Geſellſchaft und Bildung während der katholiſchen Zeit. 69 


und ohne Maßnahmen irgendeiner Behörde emporgelommen. 
Abo war jeit heibnijcher Zeit ein befuchter Handelsplatz ge- 
wejen. Später wurde der Ort Hauptfig für die chriftliche 
Hierardie und die weltliche Verwaltung, fodaß er jchnell auf- 
blühte. Die von der Stadt erlegte Steuerjumme . war, ver- 
glicden mit derjenigen der ſchwediſchen Städte, bedeutend !); 
woraus ſich ergiebt, daß Abo auch durch Volkszahl und Reich— 
tum ſeine Würde als Hauptſtadt Finnlands zu wahren wußte. 
Als man einige bejonders begünftigte Städte mit Privilegien 
vor den übrigen auszuftatten begann, ging Abo keineswegs leer 
aus. Es wurde nämlich feftgejegt, daß Fahrzeuge von Nyland, 
dem „Eigentlichen* Finnland und den Küften des Bottnijchen 
Meerbujens Abo und Stodholm bejuchen jollten, mit dem 
ausdrüdlichen Verbot, in füdlicher gelegenen Orten oder im 
Ausland ihre Waren abzufegen, wodurch Abo, neben Stod- 
bolm, ein Hauptitapelplag des ſchwediſchen Reiches wurde. 
Bereitd aus dem Jahre 1428 befigen wir ein Zeugnis von 
dem Eifer, mit welchem die ftädtiichen Behörden Abos dieje 
ihre Rechte der Stadt Reval gegenüber zur Geltung brachten ?). 
Gleichwohl war der Umfang von Abo in jener Zeit noch nicht 
groß; nur die Gegend in der Nähe der Domkirche war dicht 
bebaut. Die Häufer waren fleine Holzbauten, ſodaß die Stabt 
mebrmal® von den Flammen bi8 auf den Grund zerftört 
wurde, z. B. 1429 und 1473. — Nach Abo war Wiborg 
die bedeutendfte Stadt des Landes. Unter dem Schutze der 
von Tyrgils Knutsſon angelegten Feſtung blühten dajelbft jchon 
frühzeitig Handel und Induftrie. Aus der jpäteren Gejchichte 
der Stadt mag hervorgehoben werben, daß fie 1411 von ben 
Ruſſen in Brand geſetzt worden fein foll?). Zur Zeit Erich 
Arelsion Totts wurde fie mit einer Mauer umgeben, welche 
fih jo ftart erwies, daß Wiborg 1495 ben wiederholten 


1) Schon 1387 bezahlte Abo 400 Mark jährlich an Steuern, 1413 
zahlte es 600 Mark. 

2) Bgl. Herm. Hildebrand, Liv., Eſth- und Kurländiſches Urtunden- 
bud, Bd. VII, Nr. 745. 759. 760 (Riga und Moslau, 1881). 

3) Bortban, Chronicon etc., Opera selecta I, 354. 


70 Erſte Periode. Die latholiſche Zeit. 


Angriffen der Ruſſen zu widerjtehen vermochte. Das Schloß 
bildete jelbjtverjtändlih den Mittelpunkt dev Stadt. Be— 
deutendere Bauten waren die beiden Klöfter und das früher 
erwähnte Hojpital. Gegen Ende des Mittelalters blühte Wiborg 
jo merkbar auf, daß das nahbelegene Reval jein Wachjen mit 
Neid betrachtete und befürchtete, Wiborg fünne ein Stapel: 
plag für den rujjiihen Handel am Finniſchen Meerbuien 
werden. — In Nyland gab e8 nur eine einzige, unbe: 
deutende Stadt, Borgä, welche zum erjtenmale in der Ber: 
gleihsurfunde vom Jahre 1387 zwiichen König Albrecht und 
Jäppe Djefn erwähnt wird). Auf ihre geringe Bedeutung 
läßt jich daraus jchließen, daß die von Borg ausgehende 
Steuer in jener Urfunde auf 30 Mark fejtgejegt wird, wäh— 
rend die von Ulfsby 40 Mark betrug. — Die legtgenannte 
Stadt war ein alter Marktplag am unteren Yaufe des Kumo, 
eine halbe Meile öftlih von dem jetigen Björneborg. In 
der Umgegend war eine keineswegs geringe ſchwediſche Be— 
völferung anjäjjig, was ſich daraus entnehmen läßt, daß 
noch Heute die Dorfnamen an der Flußmündung und an der 
Küſte größtenteils ſchwediſchen Urjprungs find. Ulfsby, welches 
1365 Stabtprivilegien erhielt, war einer von den Hauptorten 
der „Birkarlier” ; doch wurde die Entwidelung der Stadt 
dur das wachſende Übergewicht von Abo gehemmt. — 
Schlieflih gab es zwei Städte, Raumo und Naͤdendal, welche 
jih unter dem Schutze der Kirche entwidelten. Raumo hatte 
jeine Blüte dem dort belegenen Franzisfanerklofter zu ver— 
danfen. Gegen Ende des Mittelalterd wurde die Stadt be- 
ſonders begünftigt. Ihre Bürger wurden 1442 mit denjelben 
Rechten und Privilegien wie die Bewohner von Abo aus— 
geitattet. Weitläuftigere Stadtprivilegien wurden für Raumo 
1444 ausgefertigt; es erhielt damals die Rechte einer Kauf: 
ftadt. Die legten Privilegien vom Jahre 1476 bewilligten 
den Einwohnern das Recht des Handels mit dem In- und 
Auslande gegen eine jährliche Abgabe von 80 Mark. — 


1) €. ©. Styffel. ec. I, 196. 


Gefellfhait und Bildung während der katholiſchen Zeit. 21 


Nädendal wurde 1443 gegründet; aber die Stadt gewann in 
keinerlei Hinficht Bedeutung. 

Die Leitung diejer Städte wurde nach deutichem Muſter 
eingerichtet. Den König repräjentierte ein Bogt. Einer der 
einflußreichiten Wögte war Dietrih Hansjon zu Abo (feit 
1494). Freilich gelang es ihm nicht, jeine Aufgaben zu 
allgemeiner Zufriedenheit zu erfüllen. Im einer Urkunde wird 
nämlich berichtet, daß gegen ihm eine „Empörung“ vonjeiten 
der Stadt erfolgt jei; wabrjcheinlich wurde der Wider— 
ſtand dadurch hervorgerufen, daß er auf irgendeine Wetje den 
Freiheiten und Vorrechten der Bürgerjchaft zu nahe getreten 
war). — Die jonjtigen ſtädtiſchen Angelegenheiten wurden 
von dem Rate gehandhabt, welcher aus von den Bürgern ge- 
wählten Vertrauensmännern beftand. Im Jahre 1324 werden 
Bürgermeifter und Rat von Abo zum erjtenmale erwähnt; 
doch war die Inftitution vermutlich viel älter. 

Alle finnijchen Städte lagen im Mittelalter an der Meeres- 
füfte, und von Anfang an war der Handel, welcher unter dem 
Einfluffe der mächtigen Hanjeftädte fräftig emporblühte, der 
Hauptmahrungszweig der Einwohner. Wir Haben aus den 
politiihen Dofumenten jener Zeit Zeugniffe für die Ber: 
bindungen friegerijcher oder friedlicher Natur zwifchen Finn- 
land und den Hanjeftädten angeführt. Ebenſo find Briefe 
mehr privater Art vorhanden, die für die lebhaften Wechjel- 
beziehungen jprechen. Ein Hauptort für den Handel Finn: 
lands war Reval, welches damals bedeutender als heutzutage 
war und einen umfafjenden Taujchverfehr mit Wiborg jowie 
mit der Yandbevölferung längs der finnijchen Südküſte unter: 
hielt. Lebhaft war auch die Verbindung mit Lübeck und Danzig. 
Nach der lettgenannten Stadt kamen beijpieläweife finnijche 
Fahrzeuge: 1474 aus „Finnland“ 2 und aus Abo 25; 1475 
aus „Finnland“ 2, aus Wiborg 2 und aus Abo 34; 1476 
aus „Finnland“ 3 und aus Abo 67. Die aus Finnland nach 
Danzig erportierten Waren beftanden in Pferden, Seehunds- 


U Srönblad |. e, p. 105. 


72 Erfte Periode. Die latholiſche Zeit. 


iped, Butter, Hafer, Leder, Häuten, Eijen, Fleiſch und Fifchen. 
Hingegen wurden Roggen, Hopfen, Malz, Bier, Spezereien und 
Induftrieerzeugniffe verjchiedenfter Art eingeführt ). 

Bisweilen geſchah es wohl, daß finnische Kaufleute nach 
den Hanjeftäbten famen, um an Ort und Gtelle jelbft zu 
faufen und zu verkaufen; aber im allgemeinen wurbe ber 
Warenaustaufh von deutſchen Handelsreifenden bejorgt, die 
unter dem Namen „ungen“ oder „Säfte“ ein nicht unbeträdt- 
liches Element der ftädtifchen Bevölkerung ausmachten. Über 
die Art und Weije, wie diefelben Handel treiben jollten, ent- 
bielt das Städtegeſetz zahlreiche Beitimmungen, welche eine 
Schädigung der Wirkjamfeit der eingeborenen Kaufleute zu 
verhindern bezwedten. Häufig ließen die Vögte oder Haupt- 
leute durch Wachtichiffe im Schärengarten die anfommenden 
Fahrzeuge vifitieren oder fie zu ihren Herren zur Unterfuchung 
bringen. Bei ſolchen Gelegenheiten dürften die „Säfte“ kaum 
ohne Erlegung einer angemejjenen Abgabe davongefommen jein. 
Wenn man ferner in Betracht zieht, daß die legteren bei der 
Hin- und Rüdfahrt von Seeräubern bedroht wurden, die in 
ben finnijchen Gewäſſern zahlreich ihrem Gewerbe nachgingen, 
jo erfieht man, daß das Yeben der „Säfte“ keineswegs frei 
von Gefahren und Mühen war. Andrerſeits bielten fich 
die „Säfte“ dafür durch ein übermütiges Leben in den finni— 
ſchen Städten ſchadlos. Nicht jelten ftörten fie durch lärmende 
Auftritte, und ein bejonders gejpanntes Verhältnis beftand 
zwifchen ihnen und der Bejatung von Abo, wie aus mehreren 
urkundlichen Zeugniffen hervorgeht ?). 

Nicht nur die eigentlichen finnifchen Handelsleute jtanden 
in Gejchäftsverbindung mit den deutſchen Kaufleuten, jondern 
auch andere Perſonen, wie Geiftliche, Hauptleute u. ſ. w. unter: 
hielten mit ihnen Handelsbeziehungen, und zwar oft von um— 


1) gl. „Finsk Tidskrift“ XIX, 377 (Helfingfors, 1885). 

2) Bol. Herm. Hildebrand 1. c., Bb. IX, Nr. 743. 766. 767. 
(Riga und Mostau, 1884), ſowie Brieflopieen im Finnifhen Staats: 
archiv. 


Gefelihaft und Bildung während der katholiſchen Zeit. 73 


faffender Art. Davon zeugt z. DB. die Handelsforrejpondenz, 
welche der Dompropft von Abo, Paul Scheel, mit mehreren 
ausländiichen Kaufherren führte. Einer der lekteren, Hans 
Ehonnert in Danzig, ftand in einem intimen Verhältnis zu 
Sceel, was unter anderem daraus hervorgeht, daß er ihm 
zwei Söhne zur Erziehung übergab. Der jüngere, Paul, über- 
bradte ein Empfehlungsjchreiben, worin der Vater hervorbob, 
daß fein Sohn im Haufe Scheeld Sprachen lernen jolle, vor 
allem die finnijche, welche für einen künftigen Kaufmann, deſſen 
Geichäftsthätigkeit fich bis nach Finnland erftreden würde, von 
hoher Wichtigkeit fei; der alte Chonnert hoffe auch, daß bie 
bei Scheel wohnenden Studenten den jungen Baul im Abfafjen 
von ſchwediſchen und lateinifchen Briefen unterrichten würden. 
Ein anderer Gejchäftsfreund Scheeld war der Händler Diof 
Yarber in Straljund. — Vermutlich bejaßen überhaupt alle 
bochjtehenden Perjonen in Finnland Gejchäftsfreunde in ben 
deutihen Städten. Sogar an die leitenden Behörden Danzigs 
und Revals wandten fie ſich, um durch diejelben direkt zu er- 
balten, was fie brauchten. Briefe der legtgenannten Art be- 
figen wir 3. B. von Knut Poſſe und Erich Thuresjon Bjelte. 

Mehrere von den deutſchen Kaufleuten und Handelsagenten, 
welche fi in den finnijchen Städten aufbielten, wurden im 
Pand anjäjfig, und da die Einwanderung von Gejchlecht zu’ 
Geſchlecht ihren Fortgang nahm, erhielt der finnijche Handels— 
ftand allmählich einen faſt völlig ausländiichen Charakter. Das 
Plattdeutiche, die offizielle Sprache der Hanjeftädte, wurde von 
den Kaufleuten des Landes allgemein bei der Korrejpondenz 
angewendet. Ausländifche (bejonders revaliche) Münzen waren 
jo allgemein gangbar, daß ein finniiher Schloßhauptmann ein- 
mal erklärte, er könne der Regierung nicht einheimijches Geld 
überjenden, da nur revaljche Münzen eingegangen jeien. Mög— 
licherweije hat dieſer überwiegend deutſche Einfluß auf die 
Entwidelung der einheimijchen Gejchäftsthätigfeit hemmend ein- 
gewirkt. Aber andrerfeits läßt es fich nicht leugnen, daß bie 
ökonomiſchen Hilfsquellen Finnlands hierdurch in weit größerer 
Ausdehnung, als es jonft der Fall gemwejen wäre, flüſſig ge- 


1 Erfte Periode. Die katholiſche Zeit. 


macht wurden, und daß die ausländischen Kaufleute einen 
Reichtum an Kapital, Intelligenz und Arbeitskraft mitbrachten, 
welcher dem Lande zu wirflidem und dauerhaften Nuten 
gereichte. 

Ein bedeutender Hanbelsverkehr wurde auch von der Bauern: 
bevölferung in den Küftengegenden und im Schärengarten be- 
trieben. Die Gejeßgebung juchte bereits frühzeitig dieſen 
Handel nah Stodholm zu leiten, und in der That wurde 
namentlich das fübweftliche Finnland die Kornkammer Stod- 
bolms. Von bejonderer Bedeutung war der durch Bauern 
vermittelte Handel für die Anjiedler an der langen Küftenftrede 
nördlid von Ulfsby, wo es feine einzige Stadt gab, die den 
Warenaustaufch Hätte vermitteln können. Oſterbotten wurde 
von zahlreichen fremden Handelsleuten bejucht, welche an ge: 
wiffer bejtimmten Plägen von der Yandbevölferung Waren 
auffauften. 

Die Induftrie war nod im erjten Stadium ihrer Entwide- 
lung. Im unfern mittelalterlichen Urkunden werden nur wenige 
Handwerker erwähnt. Die Spitenklöppelet in Raumo und bie 
Strumpfwirferei in Nädendal zeugen von der in den mittelalter- 
lichen Klöftern berrichenden Betriebjamfeit. Die Bauern an der 
Küfte nördlich von Abo wurden wegen ihrer Gejchieflichkeit im 
Anfertigen von Holzgefäßen „Vakkafinnen“ genannt. Die Er: 
zeugnifje ihres Fleißes wurden teils im eigenen Lande verkauft, 
teils nah Schweden und Deutjichland erportiert. Leinwand 
wurde von der Yandbevölferung im füdlichen Finnland ver- 
fertigt und war im Handel unter dem Namen „Abo-Leinwand“ 
bekannt. — Schließlich mag erwähnt werden, daß fich in Abo 
eine Münzwerkftatt befand, wo eine bejondere Münzjorte, die 
jogenannten Abopfennige, geprägt wurde. Obwohl gleichzeitig 
ihwediiche und deutſche Münzen im Umlauf waren, fo war 
doch der Geldmangel gewöhnlich. 

Der Aderbau, welcher immer mehr der Hauptnahrungs- 
zweig der großen Mafje der Bevölkerung wurde, machte gegen 
Ende des Mittelalters große Fortjchritte; teils deshalb, weil 
das Grundbefigrecht jo an Feitigfeit gewann, daß fich ein mehr 


Geſellſchaft und Bildung während ber latholiſchen Zeit. 15 


geordneter Aderbau ermöglichen ließ; teils dadurch, daß un— 
bebaute Yändereien urbar gemacht wurden. 

Außer den in Adern, Wiejen, Wäldern und Weiden be- 
jtehenden Yiegenjchaften, welche dem Dorfe am nächſten lagen, 
hatte man noch in der Ferne belegene Gemeindeländereien, 
welche in den Urfunden oft (entjprechend dem  finnijchen 
„erämaat‘) „Eriemarfen“ genannt werben und zum Holzichlag 
wie zum Eichhorn- und Fiſchfang benußt wurden. Die Ge- 
meindeländereien der Bewohner von Satafunta und Tawaſt— 
land lagen in Ofterbotten und in den nördlichen Teilen vom 
heutigen Tawaſtland. Die Sabvolakſer jtreiften bis in die 
Gegenden des jegigen Kuopio, Kajana oder noch weiter nörd— 
lih hinauf, wo fie mit den ruffiichen Kareliern bald in krie— 
gerijche, bald in friebliche Berührung famen. Über die „Erie- 
marken“ der Bevölferung im „Eigentlichen“ Finnland und in 
Nyland wiffen wir nichts Näheres. Wahrjcheinlich lagen jie 
den urbar gemachten Diftriften verhältnismäßig nahe. Als 
die Gemeindeländereien immer mehr aufgejucht wurden, erhielt 
das Belitrecht eine höhere Bedeutung, und es wurden jtreitige 
Anſprüche geltend gemacht, die zu gewaltiamen Konflikten 
führten. Belehrend in dieſer Hinficht find die ſchon früher 
(S. 37) erwähnten Grenzftreitigfeiten zwijchen den Bewohnern 
von Tawaftland und Savolaks, welche ein lebendiges Bild von 
der Rechtlofigkeit geben, die noch gegen Ende des Mittelalters in 
den weitausgedehnten Waldgebieten im inneren Finnland nord» 
lih vom Kumo, Pyhäjärvi, der Kirche Jämſä und von Nyſlott, 
ſowie in Ojterbotten, ausgenommen die nur einige Meilen 
breite Küftenftrede, herrſchte. Ähnliche Zwiftigfeiten, obwohl 
mehr privater Natur, kamen häufig vor, und das Beitreben 
der Gerichtshöfe ging unabläſſig darauf aus, wenigjtend eine 
gewiffe Rechtsordnung in den Wildniffen einzuführen ſowie die- 
jenigen zu jchügen, welche fich ſchon vorber Rechtsaniprüche 
der einen oder anderen Art erworben hatten. Die Zahl der 
Sandgüter war in den jüdlichen Küftenftrichen gegen Ende 
des Mittelalters ebenjo groß oder gar noch größer als viele 
Jahrhunderte fpäter, ein Umftand, welcher einen beachtens- 


16 Erjte Periode. Die katboliiche Zeit. 


werten Beweis für bie beträchtlihe Ausdehnung der Kultur 
in den füblichen bebauten Gegenden am Schluffe des 15. Jahr— 
hunderts liefert ?). 

Über die Sitten und die Lebensweiſe des finnischen Voltes 
während jener Epoche äußert ſich der ſchwediſche Hiftorifer 
Dlaus Magni in vorteilhafter Weiſe?). Seine Lobesworte 
dürften jedoch nicht der Wirklichkeit entjprochen haben. Denn 
es unterliegt faum einem Zweifel, daß fih die Bewohner 
Finnlands damals im allgemeinen in einem Zuſtande tiefjter 
Roheit befanden. Die noch vorhandenen Gerichtsbücher wim— 
meln von Angaben über gewaltſame Handlungen, welche im 
Zorn oder Raufch begangen wurden. Mögen fich diefe An- 
gaben auch nur auf einige Jahre erjtreden, jo iſt e8 doch 
jicherlich nicht unberechtigt, aus ihnen den Schluß zu ziehen, 
dag man überhaupt damals gern und häufig an das Recht 
des Stärkeren appellierte. 

Dffizielle Sprache war das Schwebiiche; es wurde im 
öffentlichen Leben und bei den Gerichtshöfen jowie als Um- 
gangsiprache in den höheren Gejellichaftstlaffen benugt. Ade— 
lige Zejtamente, Morgengabebriefe u. j. w. waren fat immer 
in ſchwediſcher Sprache abgefaßt. Einige Anzeichen deuten 
darauf bin, daß das ſchwediſche Element damals auf dem Lande 
mehr verbreitet war als heutzutage, injofern als ein Zeil ber 
Küfte von Abo bis nach Öfterbotten von einer dünn zerftreuten 
ſchwediſchen Bevölkerung bewohnt wurde. Während das ſchwe— 
diſche Idiom das mächtige VBereinigungsglied zwijchen Schweden 
und Finnland bildete, war das Yateinijche die Sprache ber 
Kirche und diente dazu, die Verbindung zwifchen Finnland und 
dem katholiſchen Weften aufrecht zu erhalten. Das Deutjche 
war die Sprache des Handels und als joldhe in den Städten 
allgemein angewendet. Das Finniſche endlih war noch un- 
bearbeitet und entbehrte völlig der litterarifchen Pflege; aber 


1) Bol. E. Lencgpift, Jämförelse emellan Karis-Lojo sockens 
tillständ i det 15 och i det 18 seculo, in: „, Äbo tidning“ (1775). 

2) Bol. DO. Magni, Historia de gentibus septentrionalibus, ®b. IV, 
Kap. 18 (Rom, 1554). 


Geſellſchaft und Bildung während der fatholifchen Zeit. 17 


in den tiefen Schichten des Bolfes pulfierte die frijche Ader 
bes Volksliedes. Die jchönften unter den finnijchen lyriſchen 
Gejängen entjtammen dem Mittelalter, und unter ven erzäblen- 
den Gedichten nehmen die Gejänge über den Heiligen Heinrich 
und über Klas Kurd einen hervorragenden Plag ein. 

In den inneren Waldungen lebte ein Volk, deſſen trau- 
riges Schidjal beweift, wie eine Iſolierung von fremdem 
Einfluffe jiher zur Schwähe und zum Untergang führen 
muß: die Lappen, welche noch gegen Ende des Mittel- 
alters ihre Wanderungen bis weit nah Tawaſtland und in 
das ſüdliche Savolals hinein ausdehnten. Nach wie vor 
jtanden fie in ftrenger Abhängigkeit von den Birkarliern, welche 
mit ihnen Handel trieben, von ihnen Steuern erhoben und dafür 
eine gewifje Abgabe an die Krone zahlte. Es wurde ihnen 
ein Eigentumsdrecht inbezug auf die Lappen zuerkannt, und fie 
durften die letteren untereinander verteilen und austaufchen 
wie anderen Beſitz. Doc gab es auch Yappen, welche unter 
dem Namen „Königslappen“ unmittelbar unter der Botmäßig- 
feit der Krone ftanden, und über welche die Birfarlier fein 
Verfügungsrecht bejaßen. Erft jeit 1424 begann die Regierung 
allmählihd in das Verhältnis der Birfarlier zu den Lappen 
einzugreifen und dieje gegen Übergriffe vonjeiten ihrer Herren 
zu jchügen. Eine nachhaltige Einbuße erlitt die Herrichaft 
der Birfarlier jpäter namentlich dadurch, daß fich im Gebiet 
der Yappen Koloniften niederließen, welche dazu durch die Re— 
gierung angeregt worden waren, indem biejelbe jchon jeit 1340 
jedem Neuanfiedler in Lappmarken freien Grundbefigerwerb 
nebjt vollftändigem Eigentumsrecht gewährte. Gegen Ende des 
15. Jahrhunderts geriet der Birkarlierbund in Verfall; jedoch 
eriftierte dieſe in der norbijchen Kolonifationsgefchichte jo merk— 
würdig daftehende Handelsgejellichaft, wenngleich mit verminder- 
tem Anſehen, noch während des ganzen 16. Jahrhunderts ?). 

Mehrere Aktenftüde deuten darauf bin, daß die Krone 
ihon im Mittelalter ein ausgedehntes VBerfügungsrecht über 


1) 9. Hildebrand, Sveriges medeltid I, 310 (Stodholm, 1879). 


78 Erſte Periode. Die katholiſche Zeit. 


die unbebauten Yändereien in Finnland hatte. — Die Macht, 
welche der König bejaß, verteilte er unter Hauptleute, die 
in jeinem Namen die verjchiedenen Dijtrifte verwalteten. 
Dieje Yehnsempfänger betrachteten ſich ausjchlieglich als perſön— 
liche Diener des Könige. Wenn fie glaubten, jie jeien vom 
Könige übervorteilt, jo hielten fie ji des Treueides gegen 
ihn entbunden, und es gab alsdann nichts, was fie hinderte, 
die Waffen zu ergreifen und gegen ihre Obrigfeit eine Fehde 
zu beginnen. Die Diftrifte, die in Finnland gewöhnlich als 
Yehen vergeben wurden, waren folgende: Aland mit dem Schloß 
Kaſtelholm; Satafunta; Korsholm, welches bis 1441 Oſter⸗ 
und Weſterbotten, ſpäter nur Oſterbotten umfaßte; Tawaſtehus 
(das heutige Tawaſtland); Raſeborg oder das weſtliche Nyland; 
Borgä oder das öſtliche Nyland, welches jedoch häufig mit 
dem Lehen Wiborg vereint war. Zu letterem gehörte ferner 
das gejamte jchwediiche Karelien, auch Nyſlott. Die Lehns— 
inhaber waren oft jchwediiche und in der Zeit der Union 
däniſche Edelleute, die nicht jelten mehrere Lehen in ihren 
Händen vereinigten. Dean wußte damals noch nichts von einem 
geordneten Kontrolliyftem innerhalb der Verwaltung, und jie 
waren deshalb nicht der Nechenichaftspflicht unterworfen; bin: 
gegen erlegten jie nicht jelten eine bejtimmte Abgabe an die 
Krone. Ihre Hauptobliegenheit war, behufs Verteidigung des 
Reichs eine hinreichende Anzahl von Kriegern auf den ihnen 
anvertrauten Schlöffern zu unterhalten und für den Unterhalt 
derjelben zu jorgen. DBemerfenswert it, daß die Haupt: 
leute auf den Schlöffern zu Abo und Wiborg eine höhere 
Amtsgewalt ausübten, indem jie die Oberaufficht über vie 
übrigen Yehnsinhaber in Finnland befaßen und jogar im Ver— 
fehr mit ausländischen Mächten nicht jelten recht jelbjtändig 
bandelten. Inſonderheit war dies der Fall bei dem Haupt: 
mann in Wiborg, welder auf eigene Hand mit der Nepublit 
Nowgorod, dem rufjiichen Zaren und der Stadt Reval Unter: 
bandlungen pflog, Waffenftillftände abſchloß oder Fehden er— 
öffnete. — Wir haben mehrmals erwähnt, daß den Großen 
des Reihe, die jih in unrubigen Zeiten eine bejenders bobe 


Gejellihaft und Bildung während der katholischen Zeit. 19 


Machtjtellung erkämpft hatten, bedeutende Lehen gegeben wur- 
den. Bejonders oft erhielten fie von den Königen finnifche 
Lehen; vermutlich, weil diejes Land fern von dem Hauptichau- 
plag der Ereignifje lag und die dort anjälfigen Vajallen daher 
für das Königtum minder gefährlih waren; vielleicht aber 
auch, weil die legteren den finnifchen Zehen, welche für ein- 
trägliher als die jchwediichen angejehen wurden, den Vorzug 
gaben. Nicht jelten wurden dieje großen Lehen auf Yebens;zeit 
und mit Erbberechtigung den Angehörigen des Inhabers über- 
tragen. 

Von geringer politiicher Bedeutung waren die fFleineren 
Yeben, welche bald mit, bald ohne Bedingung einer Steuer- 
und Nechenjchaftspflicht verliehen wurden !). Irgendein be— 
timmtes Prinzip hierbei läßt fich nicht erfennen. Beachtens- 
wert erjcheint, daß in den Yebnsbriefen fajt niemals Beſtim— 
mungen über die auf den Sclöfjern zu unterhaltende Kriegs- 
macht vorfommen. Vermutlich war man der Anjicht, daß das 
eigene Interejje den Hauptmann veranlafjen würde, möglichit 
viele Krieger in jeinem Dienfte zu halten. 

Dft behielt der König die Yeben zu jeiner unmittel- 
baren Dispofition und ließ fie von Vögten verwalten. Die 
legteren, meift finnijcher (adeliger oder unadeliger) Abjtammung, 
ftanden in einem nahen Abhängigfeitsverhältnis zu der Re— 
gierung, mußten jährlich über die Verwaltung der Yeben, 
welche jie inne hatten, Rechenſchaft ablegen und führten des— 
balb mit der Regierung einen lebhaften Briefwechjel, betreffend 
die Steuererhebung und allerlei ökonomiſche Verhältniſſe. Einen 
förmlihen Recenjchaftsberiht in modernem Sinne jcheinen 
freilich auch fie nicht abgegeben zu haben. Manchmal fungierten 
fie in Finnland als Regierungsbevollmächtigte, indem jie die 
Großen überwacten und über das Verhalten derjelben Rap— 
porte einjandten. In der legten Hälfte des 15. Jahrhunderts 
unterjchied man zwijchen den Yeben, welche immer verlieben 

1) Bgl. z. B. Arwid sſon, Handlingar ], 55; IU, 1; VIII, 12.— 
&. ©. Styffe l. ec. III, xxxvı; Grönblad, Nya källor, p. 28. 218. 
273. 392. 404. 406. 


80 Erfte Periode. Die kdatholiſche Zeit. 


werben mußten, und ſolchen, die von den Vögten des Königs 
verwaltet werden ſollten. Zu leßteren wurden 1485 bo, 
Tawaſtehus und Satakunta gerechnet; 1497 famen noch Kors- 
bolm, Raſeborg und Kaſtelholm Hinzu. Binnen kurzer Zeit 
wurden jedoch anch die meiften diefer Lehen vergeben. Überhaupt 
war das Regiment durch Hauptleute bis zum Ende des Mittel- 
alters das gewöhnliche, das durch Vögte etwas verhältnismäßig 
Celtened. Erft unter Guftan Waſa wurden die Vögte die 
wirfjamften Förderer der föniglichen Gewalt. 

In den finnischen Dokumenten des Mittelalters finden fich 
nicht jelten Aufzeichnungen darüber, daß die finnijchen Bijchöfe, 
einige der finnischen Oberlandrichter jowie andere vornehme 
Männer Finnlands die Reihsratswürde befaßen. Auf den 
allgemeinen Entwidelungsgang des ſchwediſchen Reichs übten 
jie nur geringen Einfluß, zumal da fie fi nur jelten auf 
den Berjammlungen des Reichsrats in Schweden einfinden fonn- 
ten. In Finnland war hingegen ihre Stellung hervorragend. 
Sie waren die nächſten Ratgeber der Könige und Reichsver— 
wejer, wenn dieſe das Land bejuchten. Sie waren Beifiger 
der Gerichtähöfe, welche im Namen des Königs Urteil füllten. 
Mit den „Reichsräten in Finnland“ ftand der Reichsrat in 
Schweden in Meinungsaustaufch, wenn er von den Anfichten der 
Finnen in wichtigen Reichsangelegenheiten Kenntnis zu erhalten 
wünjchte Schließlich Teiteten fie die Beratungen der Finnen, 
wenn dieje verfammelt waren, um die Rechte auszuüben, welche 
Finnlands bejondere Provinzialftellung mit fich brachte. 

In welcher Weije Finnlandse Bewohner das Recht zur 
Teilnahme an der Königswahl erhielten, und in welchem Maße 
fie diejes Recht ausübten, haben wir früher erwähnt. Wich— 
tiger vom praftijchen Gefichtspunft aus war die ihnen zu« 
ftehende Befugnis, an der Rechtspflege bei den Gerichtshöfen 
teilzunehmen. — Die Oberland- und Bezirksrichterpoften wur- 
den gejegmäßig jo bejett, daß die Bewohner des Oberlandes- 
oder Yandgerichtsiprengels drei Bertrauensmänner wählten, unter 
denen der König einen auserjah. — Das Verfahren bei den 
Oberlandes- und Yandgerichten ftimmte mit demjenigen bei den 


Geiellihait und Bildung während der fatbolifchen Zeit. 81 


königlichen Gerichtshöfen überein, indem bie Unterſuchung und 
Entſcheidung der Rechtsfragen einem Gejchworenenfolfegium 
von zwölf Ebdelleuten und Bauern überwiefen wurde, worauf 
der Richter das Urteil verfündigte. Gewöhnlich wurden jähr- 
lich drei Thinge abgehalten, das Winter-, Sommer: und Herbit- 
tbing. Die Verhandlungen erfolgten im wejentlichen mündlich 
und in der Sprache der Parteien; wenigftens wird nirgends 
erwähnt, daß eine Verdolmetſchung ftattgefunden babe. Doc 
wurde ein furzes jummartiches Brotofolf in ſchwediſcher Sprache 
geführt }). 

Die Gebiete, welche wir heute als bejondere Landſchaften 
Finnlands anjehen, jcheinen damals auf dem Wege gewejen zu 
jein, jich zu Yandeseinheiten auszubilden. Das „Eigentliche“ 
Finnland, Aland, Nyland, Zawaftland und Satafınta hatten 
beiondere Siegel, welche zur Anwendung gelangten, wenn im 
Namen diejer Gebiete und ihrer Bewohner Briefe ausgefertigt 
wurden oder wenn die Echtheit öffentlicher Urkunden bejtätigt 
mwurde ?). Die Bevölkerung im „Eigentlichen“ Finnland war 
oft veriammelt, um fich in Fragen von allgemeiner politifcher 
Bedeutung zu äußern. Auch werden verjchiedentlich Yandthinge 
auf Aland erwähnt. 

Im Zujammenbang mit der allgemeinen Organijation der 
Regierung müffen wir einen Blik auf die Steuereinnahmen 
der Krone werfen. Die Steuern waren allmählich entſtanden, 
am bäufigiten wohl durch Übereinkunft zwijchen den Steuer- 
einnnebmern und dem gemeinen Mann, wobei man fich nach 
ven bejonderen Verhältnijjen eines jeden Ortes richtete. Ein 
allgemein gültiges Steuerſyſtem gab es deshalb nicht. Mit 
Rüdjiht auf die Steuererhebung war das Yand in Diftrifte, 
die Diftrifte in adminiftrative Sprengel, welche nicht immer 


1) Unter Erich XIII. wurde ein Höchjter Gerichtsboi, das fogenannte 
Landgericht (landsrätt), errichtet, deſſen Thätigkeit aber bald aufbörte. Im 
Jahre 1435 wurde das finniiche Oberlandesgericht in zwei Teile geichieden : 
den nordfinniihen und den füdfinniichen Gerichtsfprengel. 

2) ®gl. „Hist. Ark.“ IV, 199sqq.; VI, 3148qq., ſowie Stvufie, 
Skandinavien under unionstiden, p. 322 (Stodbolm, 1880). 

Sdapbergſon, Geſchichte Finnlands. 6 


82 Erfte Periode. Die katholische Zeit. 


den Kirchenjprengeln entiprachen, und die Sprengel in Unter- 
abteilungen gejchieden, welche „Gehöfte“ (bol), „Viertel“ (fjer- 
dingar) oder (auf Aland) „Markland“ genannt wurden. Die 
Steuereintreibung erfolgte in den Diftrikten durch den „Vogt“, 
in den Sprengeln durch den „Pehnsmann“ (länsman), in den 
Unterabteilungen durch den „Hofmann“ (bolman) und „Bezirks— 
diener“ (fjerdingsman). Der Lehnsmann wurde gewöhnlich dem 
Bolt entnommen, der Hofmann wahrjcheinlich von den Steuer- 
zahlern felbft gewählt. Natürlich war e8 ebenjo für die Krone 
wie für das Volk unvorteilhaft, daß die Steuer durch jo viele 
Hände ging, zumal da das Verfahren der Steuererheber nur einer 
geringen Kontrolle unterlag. Hier war für die Willfür der 
Vögte, Yehnsmänner und Hofmänner ein weiter Spielraum, und 
es ſteht feft, daß jene von ihrer Macht nicht immer einen 
gewiffenhaften Gebrauch gemacht haben ; wie denn auch bisweilen 
bei der Regierung gegen die Steuereinnehmer Klagen anhängig 
gemacht wurden }). 

Urjprünglih waren bie weltlichen Steuern, ebenjo wie die 
firchlichen, perjönlih, indem alle Erwachjenen gewiffe Quan— 
titäten der gewöhnlichjten Produkte ablieferten. Cine Be— 
jtenerung des Grumdbefiges konnte um fo weniger in frage 
fommen, als ein privates Befigreht an Grund und Boden 
faum eritierte. Dieje Abgaben wurden nach der Kopfzahl 
erlegt. Je weiter jedoch die Urbarmachung fortichritt und bie 
Eigentumsverhältnifje jich befejtigten, defto leichter konnte man 
eine Berechnung des Eigentumswertes vornehmen und mit 
Rüdfiht darauf den Steuerbetrag bejtimmen.. Dan jchägte 
den Grund und Boden nach gewiſſen Werteinheiten (jordtal) 
ab, von denen beftimmte Steuerjummen erhoben wurden, und 
die in den verjchievenen Landesteilen verichiedene Namen 
trugen. 

Neben Kopf» und Grundfteuern wurden Grtraabgaben er: 
legt, wenn Krieg oder andere zufällige Bebürfniffe dies er- 
forderten. Der gemeine Mann war jedoch gegen willfürliche 


1) Bgl. I. W. Rofenborg, Bidrag till jordbeskattningens historia 
i Finland under medlet af 16de seklet, p. 68 (Helfingfors, 1860). 


Geſellſchaft und Bildung während ber latholiſchen Zeit. 83 


Einihägung geſchützt, da der Grundfag galt, daß ſolche Ertra- 
bewilligungen nur dann erfolgen follten, wenn das Volk jelbjt 
jeine Zuftimmung hierzu erteilt hatte. 

Am drüdendften wirkten wohl die Auflagen, welche unter 
der Form von allerlei auf dem Grund und Boden ruhenden 
Laſten erhoben wurden. Seit alteröher war es üblich, daß, 
wenn ſich der König oder feine Mannen an einem Ort auf- 
bielten, das Volk Lebensmittel und Heu für ihre Rechnung 
lieferte. Allerdings verbot Erich XII. 1414 durch Erlaß 
jeinen Vögten und Hauptleuten, bei ihren Ritten durch das 
Land den gemeinen Dann zu bejchweren; fünftig jollten ber» 
artige Auflagen nur auf bejonderen Befehl des Königs aus- 
gejchrieben werben, oder wofern er jelbft oder auch feine Gemahlin 
das Land bejuchte. Es erjcheint jedoch kaum glaublich, daß dieje 
Verfügung in einer Zeit befolgt wurde, wo häufig alter Ge- 
brauch mehr galt, als zufällige Gejegesbeftimmungen. Auch behufs 
Aufführung, Unterhaltung und PVerbefferung der Kronſchlöſſer 
mußte das Volk ungemein drüdende Abgaben erlegen; im 
übrigen war e8 verpflichtet, Wege und Brücken zu unterhalten, 
Oberlandes- und Pandrichter zu bejolden und dergleichen mehr. 

Die Steuern wurden in natura mit ben verjchiebenen 
Yandesproduften erlegt. Infolge deffen entjtanden jedoch, na= 
mentlich in der Uniongzeit, mannigfaltige Schwierigfeiten bei 
Ablieferung der einfließenden Beträge an die Zentralregierung. 
Eric XII. bejtimmte daher, daß die Steuer in barem Gelbe 
bezahlt werden ſollte. Dieſer Verſuch, die Abgaben in Geld» 
fteuern zu verwandeln, jcheint aber nur teilweife geglückt zu jein. 

Die Steuertitel, nach denen die Abgaben erlegt wurden, 
variierten in hohem Grade, je nach den lofalen Verhältniffen. 
Jedes Produft war auf die eine oder andere Weije der Be— 
jteuerung unterworfen. Nicht felten Hagte man über allzu 
hohe Befteuerung; doch war die Steuerlaft vermutlich ver- 
Hältnismäßig geringer als in jpäteren Perioden. Vor allem 
muß man bierzu in Betracht ziehen, daß die militärijche 
Dienftpflicht ziemlich Teicht war. Allerdings ſollte das Volk, 
wenn das Reich von einer unmittelbaren Gefahr bebroht 

6* 


54 Erſte Periode. Die latholiſche Zeit. 


wurde, Mann für Dann zur Verteidigung des Yandes aus- 
ziehen; jo wurden 3. B. 1495 während der Belagerung von 
Wiborg die Bewohner von Südfinnland aufgeboten. Aber 
diefe Militärpflicht war nicht eine fländige Laſt, denn die ein- 
zige reguläre Kriegsmacht beftand aus der Bejagung der 
Schlöſſer und dem Gefolge der Großen. 

In einem Nechenjchaftsbericht von 1413 wird die Steuer- 
einnabme aus der Provinz Abo auf 9832 Mark, eine fir 
jene Zeit chöchſt bedeutende Summe, angegeben; doch waren 
alfe Einfommenpoften nicht eingerechnet. In demjelben Jahre 
erlegte Satafunta 5882 Mark, Tawaſtehus 4222 Mark und 
Öfterbotten 2300 Mark’). Es lag daher auch feine über— 
treibung in den Worten Severin Norbys, daß Finnland „in- 
bezug auf den Steuerertrag der beite Zeil des Reiches 
Schweden“ jei. 


1) Bures Auszug aus Erichs XII. Steuerbuh für 1413, bei: 
R. Haufen, Bidrag till Finlands historia I, 301—319 (Helfingfors, 
1881— 1883). 


Zweite Periode. 
Das Zeitalter Gustav Waſas und jeiner Söhne. 


1. Guſtav Wafa. Der Befreiungskrieg und die Reformation). 


In Finnland beganı der Kampf gegen Chriftian II. tm 
September 1521, indem Guftav Waja nach Aland eine Heeres- 
abteilung jandte, die jedoch bald von Severin Norby vertrieben 
wurde. Gleichzeitig z0g ein Kriegshauptinann Guſtavs, Nils 
Arwidsſon, auf das Feſtland Finnlands. Biele finnijche Gegner 
der däntjchen Herrichaft vereinigten fi mit ihm, jodaß im 
November die Belagerung von Abo beginnen konnte. Der 


1) Nachfchlagewerte und gebrudte Quellen zur Geſchichte Finnlands 
während der Regierung Guftav Waſas: U. I. Arwidsfon, Hand- 
lingar etc, Bd. I—X (Stodbolm, 1848—1857); 9. ©. Portban, 
Chronicon episcoporum Finlandensium ete. Opera selecta, ®b. II 
(Helfingfors, 1862); F. Collan, De reformationis in Fennia initiis 
(Selfingfors, 1843): F. Collan, Erik Fleming, in: „Suomi“ (1844), 
p- S7—158; Finlands minnesvärda män, Bd. I (Helfingfors, 1853 bis 
1854); 9. Räbergb, De reformatoriska idéernas utveckling i Finland 
(Helfingfors, 1880); 8. Grotenfelt, Suomen kaupasta ja kaupun- 
g:ista ensimmäisten Vaasakuninkaitten aikoina (Helfingfors, 1887); 
B. Granlund, Gustaf 1s registratur, Bd. I—XVI (Stodholm, 
1861 —1895); N. I. Etdabl, Kristian Ils arkiv, Bd. I (Stodbolm, 
1835 —1836); P. E. !. Thyſelius, Handlingar till Sveriges refor- 
ınations- och kyrkohistoria under konung Gustaf 1 (Stodholm, 1841 bis 
1844); €. 3. Tegel, Herr Gustafs, fordom Sveriges konungs bistoria 
(Stedholm, 1622). 


86 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftan Waſas und feiner Söhne. 


Verteidiger des Schloffes, Junker Thomas Wolf, machte um 
die Weihnachtszeit einen erfolgreichen Ausfall und nahm den 
Druder Nils Arwidsjons, Bengt, nebjt mehreren anderen 
Schweden und Finnen gefangen. Diejelben wurden außerhalb 
ber Schloßmauern aufgehängt und einige andere Gefangene, 
darunter Tönne Eriksſon Tott und Heinrich Stensjon Ren’ 
hufwud, fpäter auf ausprüdlichen Befehl Chriſtians hingerichtet. 
Erich Fleming, welcher fich ebenfalls in des däniſchen Befehls- 
habers Gewalt befand, rettete fi und eine Anzahl jeiner 
Landsleute durch eine kühne Lift. Die Belagerung ging nur 
langjam vorwärts und mußte gänzlich aufgehoben werden, als 
Severin Norby im Frühjahr 1522 der Schloßbejagung zu— 
bilfe fam. Nils Arwidsſon, Erich Fleming und ihre Genojjen 
fehrten bald darauf mit dem Hauptteil der Armee nad Schwe- 
den zurüd. Eine fleine Abteilung unter Nils Grabbe blieb 
jedoch zurüd, welche eine lebhafte Parteigängerfebde gegen bie 
Dänen eröffnete, und, indem fie bald hier, bald dort im finni- 
ſchen Schärengarten landete, dem Feinde feineswegs geringen 
Schaden zufügte. 

Severin Norby, welcher von Ehriftian mit einem großen 
Zeile Finnlands belehnt worden war, entwarf in jener Zeit 
den Plan, Finnland zum Hauptftügpunft für die däniſche Herr: 
Ichaft zu machen. Er wollte den Oberbefehl auf Wiborg über- 
nehmen, dort mit den Ruffen in Verbindung treten, die Schwe— 
den daran verhindern, in Finnland feſten Fuß zu faffen, und 
Ihlieglih mit gefammelter Macht Guftav Waſa in Schweden 
angreifen ). Noch nachdem Chriſtians Herrichaft in Schweden 
gebrochen worden, rubte feine Hoffnung auf Finnland. Er 
ermahnte die Schloßbefehlshaber zum Ausharren und verſprach 
ihnen Beiftand, follte e8 ihn felbjt auch den Kopf koſten. Aber 
er vermochte den Untergang ber dänifchen Herrichaft in Finn- 
land nicht mehr aufzuhalten. Nachdem Guftan Waja ver: 
gebens Rolf Mattsfon und Jöns Mattsfon zur Übergabe der 


1) Brief an Ebriftian vom 7. März 1523. Efdabl, Kristian Il* 
arkiv. I. 2, 358. 


Untergang der bänifchen Herrichaft. 87 


Feftungen Wiborg und Tawaftehus aufgefordert hatte, ſandte 
er Anfang Auguft 1523 eine Heeresmaht von 400 Mann 
Fußvolt und 2000 Reitern unter dem Befehl von Erich 
Fleming und deffen Bruder Iwar nah Finnland. Ein Teil 
blieb auf Aland; die Hauptmacht aber unter Erih Fleming 
und Ioahim Feregh landete in der Nähe von Abo. Morik 
von Oldenburg, welcher die dänifchen Truppen befehligte, zog 
ihnen entgegen, wurde aber gejchlagen. Ein Teil feines Volkes 
flüchtete num nach Kuuftö, ein anderer Teil nach Abo; mit ber 
Hauptarmee z0g er jelbft fich nah Wiborg zurüd. Jetzt war 
die däniſche Herrichaft auf allen Seiten erſchüttert. Abo ergab 
fih nach kurzem Widerftande. Ebenſo fielen Kuuſtö, Kaſtel— 
bolm, Tawaſtehus, Raſeborg und Nyflott in die Hände ber 
Schweden. Wiborg, welches unter Rolf Mattsjon noch Wider- 
jtand leiftete, ergab fich im Herbit an Nils Grabbe und Erich 
Fleming. Um Weihnachten 1523 war ganz Finnland in ber 
Gewalt Guftav Wajas. 

In Schweden folgten nunmehr mehrere Aufruhrverjuche. 
In Finnland Hingegen, wo derartige innere Spaltungen 
nicht zum Ausbruch famen, war fortan die große Firchliche 
Ummälzung, die den Namen Reformation erhalten hat, die— 
jenige Angelegenheit, welche die Gemüter hauptſächlich be- 
ichäftigte. 

Guſtav Waja wußte vielleicht nicht die geiftige Bedeutung 
der Reformation vollftändig zu jchägen; aber er hatte einen 
offenen Blick für die Vorteile, welche der Staat daburch ge- 
winnen mußte Vermochte man doch nach Annahme der neuen 
Lehre, im Namen derfelben die ftolze katholiſche Geiftlichkeit zu 
beugen, die Kirchengüter einzuziehen und auf ſolche Weije bie 
Macht der Regierung zu ftärfen fowie die Staatöfinanzen zu 
ordnen. 

In Finnland konnte Guſtav Waja jeine Abfichten um jo 
leichter durchführen, als das finnische Bistum nach dem Tode 
Arwid Kurds (1522) eines Oberhirten entbehrte. Die Ber- 
waltung der biichöflichen Einkünfte lag anfangs in ben Händen 
des Hauptmanns auf Abo, Jöns Veftgöte; erft im Herbft 1523 


85 weite Periode. Das Zeitalter Guftav Wafas und feiner Söhne. 


ichritt das Domkapitel zur Wahl eines neuen Biſchofs, wobei 
die meiften Stimmen auf Erich Svension fielen, bis dahin 
Dekan des Domfapiteld zu Yinköping. Am 2. November 1523 
unterrichtete der König den Papft brieflih von der Wahl und 
jprach gleichzeitig das Verlangen aus, daß die Abgaben, welche 
früher bei der Amtsbeftätigung von Biichöfen gefordert wurden, 
erlaffen werben follten. Da der Papft nicht nachgab, wurde 
Erih Svensſon, welher vom Sommer 1524-—1527 der Yeiter 
des finnischen Bistums blieb, nur als jogenannter Wahlbiichof 
oder electus angejehen. Daß er anfangs die Gunſt Guſtavs 
bejaß, erjieht man daraus, daß diejer ihm die Fürſorge über 
mehrere Angelegenheiten öfonomijcher und politischer Art über: 
trug. Er jollte über Finnlands Verteidigung gegen Severin 
Norby wachen, mit den übrigen in Finnland befindlichen Reiche: 
räten die Erhebung der den Finnen auferlegten Steuern ver- 
anlaffen, über die Adeligen in Finnland Muſterung abhalten und 
dergleichen mehr. Erich Svensjon gehörte indefjen zu den 
Anhängern der alten Lehre, umd dies erjchien dem König um 
jo bevenflicher, als auch das Domfapitel in Abo eine ent 
ſchieden konſervative Haltung beobachtete. Auch ſonſt war die 
Stellung Erich Spensjons jchwierig. Er bat daber dar- 
um, daß ihm zu jeiner Unterftügung ein geweihter Biſchof 
ohne Stift, der Titularbijchof von Gades in Spanien, Vincen— 
tius, gegeben würde. Yetterer fand fich in der That 1526 
in Finnland ein und war jpäter jein jtändiger Gehilfe. 
Einige Zeit darauf jcheint jedoch Eric” Svensſon beim König 
in Ungnade geraten zu jein, und 1527 befand er fich wieder 
in Schweben. 

In jener Zeit begann die Arbeit für die Reform der 
Kirchenlehre durch das Auftreten des erften NReformators in 
Finnland, Peter Särkilaks. Die Biichofschronif jagt von ihm, 
er ſei der erjte gewejen, der in Schulen und in der Kirche 
von Abo treu und eifrig über die Reinigung der enangeliichen 
Yehre von der päpftlichen Abgötterei gepredigt habe. Die 
hiſtoriſche Forſchung Hat kaum etwas Weiteres über diejen 
Diann zu entdecken vermocht, welcher eben jo plöglich verſchwand, 


Peter Särkilals. 89 


wie er gekommen war, und der einen bedeutenden Namen hinterließ, 
ohne daß man über ſeine Wirkſamkeit etwas Näheres wüßte. 
Vermutlich entſtammte er dem in der Geſchichte Finnlands be— 
rühmten Geſchlecht Stjernkors und hatte ſich frühzeitig des 
Studiums halber ins Ausland begeben. An der Wittenberger 
Univerſität hatte er Luther und Melanchthon gehört und war 
dabei von dem Eifer für die neue Lehre ergriffen worden, welcher 
damals alle jugendlichen Sinne erfüllte. Dort erwarb er ſich 
auch, wie aus einer Notiz hervorgeht, den Magiſtergrad. Etwa 
1525 dürfte er in die Heimat zurückgekehrt ſein, da er in dem 
genannten Jahr als Kanonikus beim Aboer Domlkapitel er— 
wähnt wird. Vermutlich iſt er nach 1529 geſtorben ). Michael 
Agricola war einer der Männer, die durch feine Predigten von 
der neuen Lehre Kenntnis erhielten, und wahricheinlich hatten 
die meiften von denen, die in der nächjten Zukunft im Dienjte 
der finnijchen Kirche eine bedeutende Stellung einnehmen, ebenjo 
wie Agricola dur Särkilaks einen Einblif in die evangelijchen 
Slaubenswahrheiten gewonnen. 

Unzweifelhaft war die große Menge in Finnland noch 
weniger als in Schweden auf eine umfaffende kirchliche Reform 
vorbereitet. Die Maſſe des Volkes betete noch heidniſche Götter 
neben den chriftlihen an und hatte wenig Sinn für etwas 
anderes in dem Chrijtentum als für die prachtvollen Zere- 
monteen. In der Gejchichte der damaligen Zeit begegnet ung 
denn auch fein Zeugnis dafür, daß die Reformation eine Sache 
des Volkes gewejen wäre. Die Geiftlichfeit war infolge ihrer 
mangelhaften Bildung kaum in höherem Grade für die neue 
Richtung empfänglih. Nur die hervorragenditen Mitglieder 
ber Geiftlichkeit, infonderheit diejenigen, welche an einer aus- 
ländiſchen Univerfität ftudiert hatten, waren imftande, fich in- 
bezug auf die Streitfrage überhaupt eine Überzeugung zu bil— 
den. Unter ihnen dürften die älteren im allgemeinen dem 
Katholicismus ergeben geblieben jein, während das jüngere 
Geſchlecht jich mit Begeifterung den Grundjägen der Refor— 


1) Bgl. „Historiallinen ark.“ IX, 279. 


— 


— 


90 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Waſas und feiner Söhne. 


mation anſchloß. Die neue Lehre konnte fich deshalb nur 
langjam in Finnland ausbreiten, und Generationen vergingen, 
bevor man fich vollftändig bewußt wurde, daß man ein neues 
religiöfe8 Belenntnis angenommen babe. 

Nah Erich Svensſons Abreife wurde die Verwaltung des 
finnischen Bistums dem Dompropft Johannes Fleming an- 
vertraut. Es würde nahe gelegen haben, dieſen zum Nach- 
folger Erich8 zu erſehen. Der König erachtete ihn jedoch wahr- 
ſcheinlich für allzu geneigt, die alte Lehre zu verteidigen, und 
ernannte daher zum Inhaber des Plakes eine fügſamere Per— 
jönlichkeit, Martin Skytte. Derjelbe war in Finnland geboren 
und Glied eines jchon im 14. Jahrhundert im Lande an- 
jäffigen adeligen Gejchlehts. Am 5. Januar 1528 wurde er 
vom Biſchof in Weſteräs, Peter Mänsjon, zu feinem neuen 
Amte feierlich geweiht. Um die Beftätigung ſeitens des Papites 
bat er nicht nachgefucht. 

Am 2. Yuli 1528 ſchrieb Guſtav an Skytte, er jolle, 
wie er beim Antritt jeines Amts gelobt, die richtige Erklärung 
des Evangeliums zu fördern fuchen. Desgleichen erging am 
8. Oftober 1528 an die finnijche Geiftlichkeit die Aufforderung, 
das Evangelium und Gottes reines Wort zu prebigen, wobei 
die neue Bibelüberjegung als Wegweijer dienen jollte. Der 
König wies aljo die Geiftlichkeit nur im allgemeinen zur Wirk- 
jamfeit in evangelifcher Richtung an, ohne fich über das Be— 
rechtigte oder Unberechtigte in gewiffen Yehrjägen auszuſprechen. 
Martin Skytte und feine Zeitgenoffen in Finnland bejaßen 
deshalb inbezug auf die Beftimmung der Lehre und auf bie 
Ordnung des Kultus eine ziemlich große Freiheit, welcher fie 
ſich talt- und maßvoll bedienten. Allmählich gelangten einige 
Veränderungen zur Einführung, ohne daß man ganz und gar 
auf die fatholijche Betrachtungsweije verzichtete oder fich offen 
dem Lutheranertum anſchloß. Von einem Prediger Namens 
Lars Knutsfon wurde 1531 zum erjtenmal die Meffe in 
ſchwediſcher Sprache gelefen. Der Glanz, welcher den Gottes- 
bienft in der Domtirche von Abo ausgezeichnet hatte, erblich 
mit der Zeit, da fih die Einkünfte der Kirche infolge der 


Martin Shotte. 9 


kirchlichen Reduktion im Laufe der Jahre immer mehr ver- 
minberten. 

Denn wenn der König auch bei allem, was die Yehre und 
den Kultus betraf, ichonend zu Werfe ging, jo griff er andrer- 
ſeits um fo fräftiger in die ökonomiſche Stellung der Kirche 
ein. Gin bejonders berebtes Zeugnis dafür, wie jehr bie 
Macht der Hierardie von ihrer früheren Höhe herabgeſunken 
war, iſt bie Zerftörung des Schloffes Kuuftd. Am 3. Juni 
1528 forderte Guſtav das Bolt im „Eigentlichen“ Finn- 
land auf, ihm bei der Nieberreißung des genannten Schlofjes 
behilflich zu ſein )). Das Gut Kuuftö nebſt den dazu ge- 
börigen Gehöften wurde von der Krone eingezogen. In ben 
nächlten Jahren war Martin Skytte einigermaßen vor An- 
jprüchen des Königs geſchützt, aber gegen Ende feiner Lebens— 
laufbahn wurde er von einem neuen Sturm betroffen, der ihn 
des größten Teils feiner Einkünfte beraubte. Nunmehr erjchien 
ihm die königliche Ungnade jo hart, daß er 1545 feinen Ab- 
ichied begehrte, der ihm auch auf Grund feines hoben Alters 
bewilligt wurde. Gleichwohl jeßte er jeine amtliche Thätigfeit 
bis zu jeinem Tode (30. Dez. 1550) fort ?). 

Wir befigen feine eingehenden Nachrichten aus Finnland über 
die gegen die Klöfter getroffenen Maßregeln jowie über die 
Einziehung der Klojtergüter; doch läßt fich erjehen, daß bie 
meijten Klöfter in Verfall gerieten, worauf ihr Vermögen in 
der einen oder anderen Weije zu weltlichen Zwecken verwendet 
wurde. Das Dominifanerklofter in Abo brannte 1537 nieder 
und mwurbe nicht wieder aufgebaut; die Mönche fanden als 
Geiftliche in den Landgemeinden Verwendung. Im folgenden 
Jahre wurden die Mönche aus dem Franzisfanerklofter in 
Raumo vertrieben. Das Franziskaner jowie das Domini- 
fanerflojter in Wiborg war. vermutlich ſchon früher aller Befig- 
tiimer beraubt worden; wenigftens waren 1541 nur noch bie 
nadten Kloftermauern vorhanden. Auch das Klofter zu Köfar 

1) Bgl. „Gustaf Is registratur“ V, 97. 


2) Thofelius, Handlingar II, 279. 349; S. Elmgrens Artilel 
in: „Finlands minnesvärda män“ I, 134—152 (Helfingfors, 1853/54). 


92 Zweite Periode. Das Zeitalter Guſtav Wafas und feiner Söhne. 


ging jtill und unbemerkt jeinem Untergang entgegen. ur das 
berühmte Birgittinerflofter in Nädendal wurde mit größerer 
Schonung behandelt ?). — Auch die mit den Klöftern verbun— 
denen Klofterfchulen gingen gleichzeitig ein, wodurd die all- 
gemeine Bildung um jo empfindlicher gejchädigt wurde, als das 
Schulwejen auch im übrigen in Verfall geriet. 

Während des Fortgangs der Reduktion wurde das Ver— 
langen des Königs, ich von dem Eigentum der Kirche mög: 
lichjt viel anzueignen, immer lebhafter, und er fand bald 
genug Gelegenheit, auch auf Gebieten einzugreifen, die unver: 
letst hätten bleiben müjjen. So wurde 1530 der Grundiat 
einer Bejteuerung der niederen Geiftlichkeit eingeführt ?). In 
den vierziger Jahren desjelben Jahrhunderts dürfte die Ein: 
ziehung eines Teiles der zum Unterhalt der Yandgetjtlichkeit 
veranichlagten Yändereien jtattgefunden haben. Freilich war in 
Finnland die Zahl derjelben jo gering, daß ſich die Einkünfte 
der Krone in irgendwie beträchtlicherem Maße hierdurch nicht 
vermehren Fonnten. Nach der Berechnung eines jchwedtichen 
Forſchers ?) belief fich Die Anzahl der kirchlichen Güter, welche 
in Finnland von der Krone eingezogen wurden, auf 601 nebit 
42 dazu gehörigen Kathen. 

Die trübjte Erjcheinung im Verlaufe der firchlichen Re— 
duftion iſt zweifelsohne die Plünderung der Koftbarkfeiten und 
Schmudgegenftände der Kirche gegen Ende der Regierung 
Guſtav Waſas. So murden 1554 aus der Domkirche zu 
Abo 1520 Lot meift vergoldetes Silber weggeichafft und bie 
übrigen Kirchen im Lande in den folgenden Jahren einem ähn— 
lichen Berfahren unterworfen. 

Natürlich ſäumten die Privatperjonen nicht, dem Beiſpiel 
des Königs zu folgen und, ohne irgendwelche Rechtsaniprüche 
zu befigen, ji von dem Eigentum der von ihrer Höhe 
berabgeiunfenen Kirche möglichft viel anzueignen. Die 1538 


1) Brief des Könige von 12. Juni 1530. „Gustaf 1» registratur“ 
Vil. 122. 

2) „Gustaf Is registratur‘“ (27. Yuli 1530) VII, 106. 

3) 9. Forfiell, Sveriges inre bistoria, Bd. I, Tab. E. 


Rüdgang in Kirche und Schule. 95 


und jpäter von Guſtav biergegen erlaffenen Verbote dürften 
wohl faum das gemwaltiame Vorgehen der privaten Raubluſt 
verbindert haben '). 

Der Gedanke, die geijtige Aufklärung durch Unterjtügung 
der Schulen zu fördern, war dem Könige fremd. Im Gegen- 
teil machte jich in dieſer Hinficht ein Rücdichritt bemerkbar. Die 
eingegangenen Klofterichulen wurden nicht durch neue Yehr- 
anftalten erjegt. Die Heinen Schulen, welche e8 in Björne- 
borg, Raumo und Borgk gab ?), waren von geringer Be- 
deutung. Höheres Anjehen genofjen die Schule in Wiborg 
und die Rathedralichule zu Abo, welch letztere wie vordem eine 
Zentralanftalt für das finniiche Unterrichtsweſen bildete. Allein 
auch dieſe Schule befand jich nicht in demſelben blühenden 
Zuftande wie früher. Die Zahl der Yehrfräfte war geringer 
geworden, die der Schüler infolge bejonderer Umſtände in 
beftändigem Niedergange begriffen. Früher hatte man Die 
Ausfiht gehabt, von der Aboer Kathedralſchule aus in den 
Dienjt der finnischen Kirche zu treten und dort eine angejehene 
Stellung zu erreichen. Dett aber waren die Stellen, welche 
die Kirche bieten fonnte, nicht jo verlodend wie früher, und 
Söhne vornehmer Familien bejuchten deshalb nunmehr Außerft 
jelten oder gar nicht die Schule. Mancher trug auch aus 
Mißtrauen gegen die neue Yehre Bedenken, jeine Kinder Schulen 
anzuvertrauen, in denen der Neligionsunterricht eine Haupt: 
rolle ſpielte. Zudem behandelte der König die Schulzöglinge 
in einer Weije, welche wenig geeignet war, zum Studium an— 
zuregen. Er betrachtete die Schulen als im wejentlichen zur 
Erziehung von Beamten bejtimmt und erlaubte es jich nicht 
jelten, die Schüler zum Abbruch ihrer Studien zu zwingen, da— 
mit fie im feinen Dienjt träten. Unter jolchen Umjtänden 
würde die geiftige Aufklärung, die das höchſte Ziel der Refor— 
mation war, nur in geringem Maße gefördert worden jein, 
hätten fich nicht einige Jünglinge durch Studien an den Uni— 


1) Arwidsſon, Handlingar V, 364; VI, 170. 
2) Die Borgaer Schule wurde 1551 nad Helfingfors verlegt. 


94 Zweite Periode. Das Zeitalter Guſtav Wajas und feiner Söhne. 


verfitäten, welche die Hauptjige der Reformation waren, einen 
tieferen Einblid in die neue Lehre verichafft. Es ift Martin 
Skyttes unvergängliches Verdienft, daß er einen großen Zeil 
feiner Einkünfte dazu verwendete, bei dieſen Lehranftalten un— 
bemittelte Landsleute zu unterhalten, welche ſich zu fünftigen 
Dienern der finnischen Kirche ausbildeten. Die Biihofschronif 
nennt acht der Männer, welche jpäter in der finnijchen Kirche 
eine leitende Stellung einnahmen, als jolche ehemalige Schütz— 
linge Skyttes, darunter den Pfarrer in Abo, Canutus Io- 
hannis, den Rektor an der Aber Katbedralichule, Thomas 
Franzisci, den Rektor an derjelben Schule und jpäteren Biſchof 
zu Wiborg, Erich Härküpäus, den berühmten Ehroniften Paul 
Juuſten, ſowie ſchließlich den eifrigften Förderer der geiftigen 
Neformationsarbeit in unjerm Lande, Michael Agricola. 
Michael Agricola wurde etwa 1510 im Dorfe Forsby im 
Kirchipiel Perno geboren, wo jein Vater als Fiſcher lebte. 
Er wurde in der Wiborger Schule unterrichtet und jpäter 
beim Biſchof Martin Skytte in Abo angeftellt, deſſen Ver— 
trauen er fich jo erwarb, daß er der Sekretär desjelben wurde. 
Durch Anhörung der Predigten von Petrus Särkilaks erhielt 
er gleichzeitig Kenntnis von den reformatorischen Yehren. Die 
Freigebigkeit Sfyttes ermöglichte es ihm, jeine Studien an 
der Wittenberger Univerfität, wo er etwa 1535 bie 1539 
weilte, zum Abſchluß zu bringen. In einem Schreiben vom 
20. Auguft 1537 an Guſtav Wafa erwähnt er unter an— 
derm, daß er die Überjegung des Neuen Teftaments in das 
Finnifche begonnen habe !). Nachdem Agricola im Frühjahr 
1539 den Magiftergrad erworben hatte und, mit ehrenden 
Schreiben Luthers und Melanchthons verjehen, in die Heimat 
zurüdgefehrt war, begann er im Sommer 1539 feine Wirk: 
iamfeit als Rektor der Aboer Schule, ein Amt, welches bei 
den für das Schulwejen ungünftigen Verhältniffen in hohem 
Grade bejchwerlih war. Im Jahre 1548 wurde er beauf- 
tragt, dem alten und gebrechlichen Martin Skytte bei deſſen 


I) Arwibsion, Handlingar VI, 153. 161. 


Michael Agricola. 9% 


Amtsthätigkeit zur Hand zu gehen, und überließ daher bie 
Leitung der Schule dem jchon früher genannten Paul Iuuften. 
Nach dem Tode Skyttes (1550) war er deffen jelbftverftändlicher 
Nachfolger. Aber jeine Ernennung verzögerte fih, da ber 
König den Biichofsftuhl vier Jahre Hindurch unbeſetzt lieh. 
Als endlih 1554 jeine Ernennung erfolgte, wurde SKarelien, 
Savolafs, das öftliche Nyland jowie das üftlihe Tawajtland 
von den Bistum abgezweigt und die firchliche Verwaltung 
dieſes Gebietd an Paul Yuuften übertragen, der in Wiborg 
refidieren ſollte. Agricola joll mit einer jolchen Veränderung, 
welche eine Verminderung der bijchöflichen Gewalt bezwedte, 
wenig zufrieden gewejen fein, mußte fich aber dem Willen des 
Königs unterwerfen. Er widmete fih nunmehr mit leiden- 
ichaftlichem Eifer der Leitung feines Stifte. Bisweilen er- 
regte er die Unzufriedenheit des argmwöhniichen Könige. Im 
großen und ganzen jcheint ihm Guſtav Waja jedoch gewogen 
gewejen zu fein, wie unter anderm daraus hervorgeht, daß 
er zum Xeilnehmer an einer Gejandtichaft auserjehen wurde, 
welche Anfang 1557 nach Rußland abging. Auf der Rückkehr 
itarb er plöglih (9. April 1557) in der Nähe von Wiborg. 
Diefe Fakta aus dem Leben Michael Agricola zeugen von 
einer vieljeitigen und erfolgreichen Thätigfeit, laffen aber nur in 
geringem Maße die große Bedeutung von ihm als Bahnbrecher 
auf dem Felde der geiftigen Bildung erfennen. Der unver: 
gänglihe Ruhm, der in der Gejchichte der finnischen Bildungs— 
arbeit jeinen Namen umftrablt, ift von ihm hauptjächlich durch 
jeine Wirkſamkeit als Herausgeber von geiftlihen Erbauungs- 
jehriften in finnifcher Sprache jowie als Überſetzer der heili- 
gen Schriften der Bibel in das Finniſche erworben worden. 
Seine erften Arbeiten in diejer Richtung waren jein Abe-Buch 
und eine Einleitung zur Glaubenslehre, vermutlich eine finnijche 
Überfegung von Luthers Kleinem Katechismus. Bedeutungs- 
voller war jein 1544 in Stodholm gedrudtes „Gebetbuch“, 
nicht ein Gebetbuch in gewöhnlichem Sinne, fondern ein be 
jonders für die Geiftlichteit beftimmtes religiöfes Handbuch, 
welches das Notwendigfte von dem enthielt, wa zum Gottes- 


96 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Wafas und feiner Söbne. 


dienſt und zum religiöjen Yeben gehörte. Es begann mit einem 
Kalendarium nebjt aftronomijchen Zabellen und Regeln; es 
folgten dann einige Kapitel aus den Evangelien ſowie Gebete 
für alle Yebensverhältniffe und zum Schlufie das Vaterunſer 
und die Glaubensartifel nebjt Erklärungen. Teilweiſe iſt der 
Inhalt des recht weitläuftigen Buches katholiſch. Aber inbezug 
auf die Hauptſätze der Yehre iſt die Auffaſſung ſchon luthe— 
riſch. Im Iahre 1548 erichien in Stodholm Agricolas Über: 
jeßung des Neuen Teftaments. Dieſes Werf, in welchem er 
die jchwedische Bibelüberjegung ſowie die Yuthers, jedoch unter 
beftändiger Berücfichtigung des Urtertes, benugte, war fein 
Hauptwerk und während eines ganzen Jahrhunderts ſowohl 
für die Maſſe des Volkes wie für einen großen Zeil der 
Seiftlichfeit die vornehmfte Quelle zur Kenntnis von der 
hriftlichen Religion. Cr veröffentlichte dann noch 1549 ein 
Handbuch mit Formularen zur Verrichtung der firchlichen Ze— 
remonieen und ein Meßbuch, welches die Ordnung bei Ertet- 
lung des Abendmahls behandelte Schließlich überjegte er 
verjchtedene Teile des Alten Teftaments. So erichienen 1551 
die Pialmen Davids jowie ausgewählte Stüde aus den Bü— 
hern Moje und der Propheten, 1552 die Propheten Haggai, 
Sacharja und Maleachi. — In allen dieſen Schriften beobachtet 
Agricola, wenn er ein perjönliches Urteil ausipricht, eine ver- 
mittelnde Haltung. In den Hauptpunkten der Lehre ſchließt 
er fich den Neformatoren an, wäbrend er bei den minder we- 
jentlichen Punkten das Alte duldſam bejtehen läßt. 

Agricolas Schriften haben nicht nur eine religiöje, jondern 
auch eine litterariiche Bedeutung. Sie bildeten den erjten 
Anfang einer nationalfinnischen Litteratur und lange den Haupt: 
bejtandteil derjelben. Sein Finnisch war, wie natürlich, man- 
gelhaft, aber er bewies doch, daß das Finnische in einer faß— 
lihen und klaren projatichen Darftellung zur Anwendung 
gelangen fonnte. 


Finnlands VBenwaltung zur Zeit Guſtav Wafas. 97 


2. Verwaltung und Finanzwefen während der Regierungszeit 
Guſtav Wafas. 


Während des Mittelalters wurde der Befeblshaberplag auf 
Schloß Wiborg als ein bejonders wichtiger Poften angejehen 
und gewöhnlich einem der Großen des Reichs anvertraut. 
Guſtav Waſa nahm dieje Tradition wieder auf, indem er 
1525 jeinen Schwager Graf Johann von Hoja mit Wiborg 
und Nyſlott belehnte. Es jcheint jeine Abficht geweſen zu 
jein, daß jener ausländische Fürft ihn in Finnland vertreten, 
die dortige Verwaltung überwachen und die Verbindung zwi- 
ihen Finnland und der Zentralregierung aufrechterhalten jolle. 
Derjelbe wurde jpäter, für den Fall eines Krieges mit Ruß— 
land, zum Befehlshaber in Finnland auserjehen und erhielt 
1529 Kumogärd zu Lehen ). Graf von Hoja war indeſſen des 
Vertrauens umvürdig, welches ihm der Künig bewies. Schon 
1529 trat er in Beziehungen zu den Behörden in Yübed, 
und 1533 fand fich ein Bürger diejer Stadt, Hermann Möller, 
mit verräteriichen Anerbietungen in Wiborg ein. Gujtav Waja, 
welcher bezüglich diejer Pläne nicht in Unkenntnis jchwebte, 
warnte jeinen Schwager jehriftlich und forderte ihn mebjt an— 
deren finnischen Großen nah Stodholm. Der Graf zog es 
aber vor, fih mit Weib und Sind in größter Heimlichkeit 
1534 auf dem Seewege nach Reval zu begeben. Es erübrigte 
daher nunmehr nur noch, die Unterbefehlshaber auf den 
Feſtungen von Nyſlott und Wiborg zur Unterwerfung zu 
zwingen. Nyjlott fiel binnen kurzem in die Hände Erich Fle— 
mings. Wiborg wurde von Erich Fleming und Nils Grabbe 
belagert und im Auguft 1534 zur Übergabe genötigt ?). So 
endete der einzige Verſuch in Finnland, die Herrichaft Guftav 
Wajas zu brechen. 

3m übrigen wurden die Männer, welche als Vögte, Schloß— 
bejehlshaber jowie in andern Zivil- und Meilitärämtern Ver— 


1) Val. „Gustaf 1® registratur“ VI, 243. 
2) Tegelll c. II, 24; Arwidsfon, Handlingar V, 300890. 
Schybergſon, Gefhichte Finnlands. 7 


98 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Wafas und feiner Söhne. 


wendung fanden, faſt ausjchlieglich den Reihen der einheimijchen 
Ariftofratie entnommen. Innerhalb verjelben treten einige 
Sejchlechter in den Vordergrund, welche im allgemeinen nicht 
ein bejonders großes Vermögen oder ein altererbtes Anjehen 
bejaßen, deren Mitglieder fich jedoch durch treue Ergebenheit 
jowohl in als auch nach dem Befreiungsfriege das Vertrauen des 
Königs erworben hatten. Daß in Finnland der tiefte Friede 
berrjchte, während in Schweden zahlreiche Unruhen die Fugen 
der Gejellichaftsordnung zu jprengen drobten, berubte zwei— 
felsohne nicht zum wenigjten darauf, daß die Mitglieder 
jener Gejchlechter, unter denen viele, wie Erich und Iwar 
Fleming jowie Grabbe, alte Waffengefährten des Königs 
waren, diefem mit ganzer Seele anhingen und jeinen Wünjchen 
ji weder widerjegen wollten noch fonnten. Bon ihnen allen 
war Erich Fleming der vornehmfte und einflußreichite '). 
Erih Fleming war für die bedeutenden Dienjte, die er 
Guſtav Waja während des Befreiungsfrieges geleiftet hatte, 
nicht unbelohnt geblieben. Im Laufe der Jahre 1523— 1525 
wurde er zum Weichsrat und Oberlandrichter im jüdfinnijchen 
Gerichtsiprengel ernannt jowie mit Raſeborg und einigen 
fleineren Diftriften belehnt. Außerdem erbielt er mehrere 
wichtige Aufträge So ſchützte er Finnland gegen die Pläne 
Severin Norbys und war 1526 Teilnehmer an einer Ge— 
jandtjchaft, welche nach Rußland ging, um den Ausbruch eines 
Krieges zu verhüten. Aber jchon damals zeigte fich ein dunkler 
Schatten in jeiner Wirkſamkeit. Im Vertrauen auf die Gunft 
des Königs, mächtig und unabhängig, behandelte er jeine 
Unterthanen und überhaupt die niedere Bevölferung nach 
freiem Gutdünfen, oft mit tyrannijcher Härte. Im Sabre 
1529 erjchienen acht Bauern als Deputierte der Bewohner 


1) Bol. Fab. Eollan, Erik Fleming, in: „Suomi“ (1844), 
p. 87—158 und 9. 3. Tengftröm, Nägra blad ur Finlands häfder 
under konung Gustaf I» regeringstid, in: „Suomi“ (1853), p. 101 
bis 299. — Erid Fleming, deffen Geburtsjahr unbekannt tft, wird 1512 
juerft erwähnt. Sein Vater war der früher (S. 67) genannte Joachim 
Fleming. 


Erich Fleming. 99 


der Provinz Rafeborg bei Guſtav Waſa nnd brachten eine 
Menge von Beſchwerdepunkten gegen Fleming vor. Trotzdem be- 
hielt derjelbe das Vertrauen jeines Herrn, und er zeigte fich 
deſſen auch würdig, teil durch die Feſtigkeit, welche er bei der 
Berihwörung des Grafen von Hoja an den Tag legte, teils durch 
die Gejchtdlichfeit, womit er mehrere friegeriiche und diplo— 
matiſche Aufträge ausführt. Einige Jahre jpäter gab ihm 
der König freilich DBeweife von ungnädiger Gefinnung, indem 
er zwei zu Flemings Lehen gehörige Kirchipiele einem adeligen 
Günftling, Nils Boije, überlieferte. Im Juni 1537 fandte 
er ferner an Erich ein jcharfes Schreiben, worin er ihm eine 
Menge von LUlngerechtigfeiten bei der Steuererhebung vor- 
warf "). 

Da der König, wie jchon bemerkt, nach freiem Belieben 
Yeben einziehen bezw. austeilen zu können glaubte, ift es wohl 
faum als ein Beweis von bejonderer föniglicher Ungnade an— 
zujehen, daß die Provinz Raſeborg 1540 Erich Fleming 
entzogen wurde. Wenigſtens wurde die Sache nur als eine 
durch das Bedürfnis erhöhter Einkünfte zur Unterhaltung der 
Kriegsmacht veranlaßte Finanzmaßregel bingejtellt 2). Es läßt 
ſich jedoch annehmen, daß fich Erich durch den Verluft dieſes 
Hauptlebens ſchmerzlich berührt fühlte. Gleichzeitig glaubte 
man im Auslande zu der Vermutung Anlaß zu haben, daß 
Flemings Treue gegen den König nicht mehr ebenjo fejt wie 
früher jei. Der gegen Guftav Waſa feindlich gefinnte Herzog 
Albreht von Preußen jandte 1540 einen Bevollmächtigten, 
Hans Girich, zu Erich, um ihn zum Abfall zu verloden. Der 
Zweck diefer Sendung wurde jedoch bald von Nils Grabbe 
und Heinrich Klasjon Horn entdedt. Der legtgenannte zwang 
Girich zur Auslieferung jeiner Briefichaften, ftellte mit ihm 
ein Berbör an und unterrichtete jofort den König von ber 
Angelegenheit. Guſtav, deſſen angeborenes Mißtrauen durch 
eine bittere Erfahrung noch vermehrt war, glaubte anfangs, 


1) Arwidsion l. c. V, 352. 
2) Arwibsfon l. c. VI, 192, 
7* 


100 Zweite Periode. Das Zeitalter Guſtav Waſas und feiner Söhne. 


daß bier ein Verrat, ähnlich dem des Grafen von Hoja, vor- 
läge. Doch legte jich bald jein erjter aufflammender Zorn, 
und in einem jpäteren Briefe an Fleming jpricht er in wohl- 
wollendem Tone, wenngleich ein gewiffer Argwohn noch bier 
und da zum VBorjchein fommt. Noch weniger bejigt die Nach— 
welt eine Veranlaffung, zu glauben, daß Fleming gegen jeinen 
Treueid gefehlt Habe. War doch die Treue gegen den König 
ein durchgebender Zug in der ganzen Yebenslaufbahn rich 
Flemings. Im feinen legten Yebensjahren empfing derſelbe 
zahlreiche Beweife von dem Vertrauen Guſtav Wajas. In— 
bezug auf die Angelegenheiten der Heimat wurde er immer 
mehr der erite Ratgeber des Königs. An der Yeitung der 
Berbandlungen mit Rußland batte er einen wejentlichen Anteil. 
ALS Hauptmann über Raſeborg hatte er die Stadt Efenäs 
angelegt. Nunmehr beriet er mit dem König weiter über die 
Gründung einer Stadt, Sandhamn, nahe der Mündung des 
Helfingefluffes in den Finniſchen Meerbuſen ). Der Verluſt 
des Lehens Rajeborg wurde einigermaßen durch andere Ver— 
leihungen ausgeglichen ?). 

Bei den meijten Mitgliedern des Beamtenadeld in Finn— 
land zur Zeit Guftav Waſas finden wir die Charafterzüge 
wieder, welche Erich Fleming auszeichneten. — war Fle— 
ming, welcher nach Beendigung des DBefreiungsfrieges zum 
Hauptmann über Kaftelholm nebjt Aland, Reichsrat und Ober: 
landrichter ernannt wurde, war nicht weniger jtreng und ty: 
ranniſch als jein Bruder Erih, und es wurden gegen ibn, 
als Guſtav Waſa 1530 Finnland bejuchte, von den aländijchen 
Bewohnern Bejchwerden erhoben, jo daß er nur durch Ent- 
Ichuldigungen und durch das Gelöbnis, fich beſſern zu wollen, 
dem Berlufte jenes Lehens zu entgehen vermochte. Im Jahre 
1537 wurde dann allerdings Kaftelholm von der Krone ein- 
gezogen; doch jcheint dieſe Maßregel, ebenjo wie die Einziehung 
von Rajeborg, eher eine Vermehrung der Einkünfte der Krone 


1) Arwibsfon l. c. VII, 246. 
2) Arwibsfon 1. c. VI, 234. 241. 


Der Beamtenabel Finnlands. 101 


bezwedt zu haben als ein Ausdrud föntglicher Ungnade ge: 
wejen zu jein. Er ftarb, wie jein Bruder Erich, im Dezember 
1548. — Auch Guſtav Götriksſon Finde (geb. etwa 1510; 
gejt. 1566), welcher als Hauptmann auf Nyſlott jeit 1547 
für Errichtung neuer Anjiedlungen in Finnlands inneren Di: 
jtriften thätig war, wurde der Lingerechtigfeit in jeiner Eigen— 
ichaft als Richter jowie eines gewaltiamen Verfahrens gegen 
die Bauern bejchuldigt '). — Sogar das Hornjche Gejchlecht, 
welches jonft nicht weniger durch Pedlichkeit und Tauglichkeit, 
als durch Tapferfeit und glänzende Talente in der Gejchichte 
Finnlands während dieſes Jahrhunderts einen hervorragenden 
Platz behauptet, jcheint nicht völlig tadelfrei gewejen zu jein. 
So wird gegen Heinrich Klasjon Horn (1512—1595) der 
Vorwurf erhoben, er habe als Oberlandrichter im ſüdfinniſchen 
Serichtsiprengel von den Bauern eine ungerechtfertigt bobe 
Steuer erhoben ?). — Es ift wahr, daß die Dokumente, in 
denen dieſe und ähnliche Bejchuldigungen gegen den zeit: 
genöjjiichen Adel erhoben werden, tendenziös gefärbt find. Aber 
wenn auch vieles in Abrechnung gebracht wird, jo bleibt doch 
genug übrig, um mit Sicherheit erfennen zu laffen, daß der 
finniijche Beamtenadel während jener Epoche auf die Anforde- 
rungen des Gejetes und der Billigfeit feine jonderliche Rück— 
jicht nahm. 

Indeſſen war der Adel jett nicht mehr imftande, mit der: 
jelben Kühnheit und Vermeſſenheit aufzutreten wie im Mittel- 
alter. Der Graf von Hoja war der einzige Große, welcher 
Provinzen ohne Abgaben- oder Nechenjchaftspflicht beſaß. Alle 
übrigen Lehnsinhaber waren hingegen angewiejen, dem König 
eine Abgabe zu zablen und ihm über ihre Verwaltung Rede und 
Antwort zu jtehen. Auch wurde es immer mehr Sitte, daß die 
Provinzen nicht mächtigen Hauptleuten gegeben, jondern Vögten, 
die vom Könige abhängig waren, übertragen wurden. Yettere 


1) Bal. „J. Teits klagomälsregister emot adeln i Finland ar 1555 till 
1556“, utg. af K. Grotenfelt, p. 22—28 (SHelfingfors, 1894). 
2) al. „J. Teits klagomälsregister ete.“, p. 48sq. 


102 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Wafas und jeiner Söhne. 


entjtammten nicht jelten den Reihen der Ariftofratie, aber dann 
gewöhnlih den ärmeren Adelsgeſchlechtern. Noch bäufiger 
aber waren fie Männer von bürgerlicher Abfunft, die nach 
Erwerbung einer gewiffen Schulbildung ihre Carriere als 
Schreiber begonnen und ſich fpäter auch zu höheren Ämtern 
tauglich gezeigt hatten. Ihre Nechtichaffenheit war meiſtens 
noch viel weniger tadellos als die der Adeligen. Die 
Vögte und noch mehr ihre Gehilfen waren oft eine wirkliche 
Zuchtrute für das Volk. Viele Einzelheiten könnten als Zeug: 
niffe von der innerhalb der verjchiedenen Zweige der Ver— 
waltung berrichenden Korruption und Gejeglofigfeit angeführt 
werden. 

Ein Schritt zum Bejjeren war jedoch bereits gejcheben. Im 
Mittelalter waren gleichartige, vielleicht noch größere Miß— 
bräuche vorgefommen; aber es hatte faum eine Behörde ge- 
geben, an welche man fich mit einer Bejchwerde wenden fonnte. 
Setzt hingegen gingen die Männer aus dem Volk wieder und 
wieder zum Könige, um über ihre Not zu Flagen und jeine 
Hilfe zu erbitten. Wir haben jchon gejehen, wie Guſtav Waja 
anläßlich jolcher Bejchwerden Drohbriefe an die hohen Herren 
richtete. Aber auch Übergriffe von feiten der niederen Steuer: 
einnehmer wurden von ihm mit unerbittlicher Strenge geahndet. 
Bejonders in den legten Jahren feiner Regierung begann er 
über die Berwaltungsbeamten jtrenges Gericht zu halten. So 
erhielt z. B. ein Schreiber des Königs, Jakob Zeit, welcher 
einer der erbittertiten Feinde des Adels gewejen zu jein jcheint, 
den Auftrag, über die Adelsgejchlechter in Finnland und deren 
Mitglieder Unterjuchungen anzuftellen; eine Aufgabe, die er 
1555 — 1557 ausführte, und deren Rejultat in dem früher 
eitierten Bejchwerderegifter über den finnischen Adel vorliegt. 
Daß das Vertrauen des Volkes auf den Schut der Königs— 
macht durch jolde Maßregeln geſtärkt werden mußte, iſt Har 
Gerade damals begann bei der finnijchen Bevölkerung die jpäter 
zähe fejtgehaltene Überzeugung allgemein zu werden, daß die 
jicherjte Hilfe bei dem Negenten perjünlich zu erlangen jei. 
Zudem begann man, allgemeine Neglements und Verordnungen 


Das Berbältnis zwifchen König und Volt. 103 


zu erlaffen, welche die Einführung einer größeren Ordnung 
innerhalb der Verwaltung bezwedten ?). 

Kur gegen Ende der Regierung Guftav Wajas gelangte 
einmal die Unzufriedenheit mit den Beamten in einer Weije 
zum Ausbruch, welche einigermaßen an die gleichzeitigen ge- 
waltjamen Bauernbewegungen in Schweden erinnert. Zu Be— 
ginn der fünfziger Jahre herrichte im Bezirk Tappvefi der 
Provinz Wiborg große Unruhe unter der Bevölkerung, weil 
die Vermehrung der Thinge von zwei auf vier eine erneute 
Belaftung des gemeinen Mannes mit fich geführt hatte, und 
weil man vermeinte, daß auch im übrigen der Steuerbetrag er: 
böht worden jei. Schließlich wurden Deputierte zum König ge- 
ihidt, um die Bejchwerden des gemeinen Mannes vorzubringen. 
Bei der Rückkehr gaben fie vor, von dem Könige allerlei Ver— 
Iprechungen erhalten zu haben. Einer von ihnen, Mäns Nyrhi, 
nahm den Mund bejonders voll, juchte die übrigen Bauern 
an der Erlegung der Steuern zu hindern, und wagte jogar, mit 
der Streitart einen Mann zu bedrohen, der e8 thun wollte. Dies 
veranlaßte den König, im Dezember 1552 an die Bevölkerung 
von Yappvefi ein Schreiben zu enden, worin er warnend und 
in jharfem Ton erklärte, daß eine Berminderung der Steuern 
nicht in Frage fommen könne; vor allem aber jollten die 
Bauern fünftig Maͤns Nyrhi und deſſen Anhänger nicht nur 
nicht unterftügen, jondern vielmehr dabei behilflich fein, daß 
diejelben bejtraft werden fünnten. Guſtav Finde und Heinrich 
Klasion Horn wurden beauftragt, den Bauern dieſes fünigliche 
Schreiben zur Kenntnis zu bringen und gleichzeitig eine Unter— 
juchung anzuftellen. Sie beriefen das Wolf und verlajen den 
Brief des Könige. Aber nun trat Mäns Nyrhi hervor und 
protejtierte gegen das Schreiben, welches, wie er jagte, den 
vom König ihm und jeinen Gefährten erteilten Gelöbnifjen 
widerjtreite.e ine unrubige Bewegung entjtand unter ben 
Beriammelten und, als Finde und Horn die Bauern fragten, 
ob jie fich nach den Befehlen des Königs oder nach denen von 


1) Bol. 3. B. die „Verordnung, nach welcher fi die Vögte richten 
iollen“: Arwidsfon 1. c. IV, 99, 


104 „Zweite Periode. Das Zeitalter Guſtav Wafas und feiner Söhne. 


Mans Nyrhi richten wollten, antwortete einer der Geſchwore— 
nen, Multiain, daß man jährlich nur zwei Thinge abhalten 
wolle. Nunmehr galt es, durch energiiches Eingreifen einem 
Auflauf zuvorzufommen. Die beiden Edelleute, welche als Ver— 
treter des Königs fungierten, legten in der That große Geiſtes— 
gegenwart an den Tag und ließen Nyrhi und Multiain ergreifen 
ſowie unmittelbar darauf wegen ihres Verhaltens vor Gericht 
jtellen. Nicht ohne Schwierigfeit ließen fich die Geichworenen 
dazu bewegen, beide als Aufrührer zum Tode zu verurteilen. 
Als das Urteil jofort vollitredt werden jollte, wollte das 
Volt Nyrhi und Multiain mit Gewalt aus den Händen der 
Knechte befreien, und erjt nach Vollziehbung der Hinrichtung 
legte fich die Unruhe. Wie lebhafte Aufmerkiamfeit dieſe Sache 
im Lande erregt hatte, geht daraus hervor, daß ſich Bauern 
aus Jääskis, Savolafs und Tawaſtehus in Yappvefi eingefunden 
hatten, um zu bören, wie das Thing ablaufen würde, damit fie 
dann in ihrer Heimat auf Bewilligung derielben Freiheiten, 
welhe die Bauern in Pappvefi etwa zu erlangen wermöchten, 
Anspruch erbeben fünnten }). 

Ein wichtiger Gegenftand für die Fürſorge Guſtav Waſas 
war der Handel. Während zu Beginn jeiner Regierung die 
Hanjeftädte einen übermächtigen Einfluß auf die Handels— 
beziehungen des Neiches ausübten, bildete in jpäterer Zeit 
die Ausjchließung der Hanje von dem Handel mit Schweden 
einen der wichtigsten Faktoren in der inneren Bolitif des Königs. 
Die jelbftverftändliche Folge hiervon war, daß dem blühenden 
Handel Finnlands mit Reval, Riga und Danzig auf alle mög- 
liche Weiſe entgegengearbeitet wurde. Schon 1526 wurden 
Jachten ausgefandt, um finnische Seefahrer am Beſuche der 
genannten Städte zu verhindern ?). Im folgenden Jahre wurde 
jeglicher Handel mit Reval und Danzig verboten. Um den 
lebhaften Handelsverfehr der Yandbevölferung mit Neval zu 
bemmen, wurde auf Wunjch des Königs von Erich Fleming, 


1) Arwibsfon ]. c. III, 175qg. 
2) Arwidsſon J. e. IT, 161. 


Der Handel und die Hanie. 105 


vermutlich 1528, in der Nähe von NRajeborg die Stadt Efenäs 
angelegt, welche der Bevölferung alle nötigen Waren ohne Ver- 
mittelung von Reval zuführen follte Allein jo mächtig war 
der Einfluß der letteren Stadt, daß der Handel von Efenäs 
ganz und gar von ihr abhängig blieb. In den folgenden 
Jahren, 3. B. 1539 und 1541, wurden die Verbote gegen den 
Handel mit den Hanjeftäbten unabläffig wiederholt '). Am 
deutlichiten werden die Ziele einer jolchen Handelspolitif in 
einer am 1. Februar 1550 für Finnland erlaffenen „See- 
fahrts- und Handelsordnung” angegeben ?). Als für Finnland 
beionders wichtig wird dort unter anderm bezeichnet, daß ruſ— 
ſiſche Waren nicht auf dem Umweg über Reval, ſondern 
durch einen unmittelbar mit den Ruſſen jelbit einzuleitenden 
Tauſchhandel angejchafft werden jollten; zu welchem Behufe die 
Inſel Sandhamn an der nördlichen Küfte des Finniſchen Meer— 
bujens (bei dem jetigen Helfingfors) bejonders geeignet wäre. 
Auch in ipäteren Briefen wiederholt König Guſtav feine alte For— 
derung, daß injonderbeit jeglicher Handel mit Reval aufs jorg- 
fälttgjte vermieden werden müſſe. Aber dieje Schreiben zeigen 
auch, daß die Verjuche, den Handel Finnlands mit den Hanje- 
ftädten zu unterdrüden, an der Macht der alten Traditionen 
und des natürlichen Handelsbedürfniſſes jcheiterten. Die eigenen 
Vögte und Hauptleute König Guftavs waren jo wenig zu pflicht: 
getreuer Aufrechterhaltung der Handelsverordnungen geneigt, 
daß fie die legteren vielmehr unabläffig verletsten. Hier wie 
ſonſt jtand Erich Fleming an der Spike der Geſetzesübertreter. 
Trotz aller Vorwürfe und Warnungen fubr er unverbrofien 
fort, mit Reval zu handeln, und die übrigen Adeligen und 
Beamten folgten jeinem Beijpiel. 

Der in der Handelsordnung berührte Plan, zur Gründung 
einer Stadt zu schreiten, welche mit größerem Erfolg ale 
Ekenäs mit Reval wetteifern und ein Hauptort für den be- 
trächtlichen Handelsverfehr im Finniſchen Meerbujen werben 


1) Arwidsfon ]. ec. VI, 201. 
2) Arwidsſon ]. c. 1], 287. 


106 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Waſas und jeiner Söhne. 


fönnte, fand noch in bemjelben Jahre durch Gründung von 
Helfingfors jeine Verwirklichung VBermutlid war man der 
Anfiht, Sandhamn jei für eine Stadtgemeinde ein allzu 
offener Plag, und wählte deshalb eine Stelle an der Mün— 
dung des Vandafluſſes, wo noch heutzutage die jogenannte Alt- 
ftadt liegt. Schon 1550 wird die neue Stadt mehrfach er- 
wähnt, und gleichzeitig beginnt die Regierung, den Auffchwung 
der neuen Anfiedelung durch Maßregeln zu fördern, die dafür 
bezeichnend find, wie wenig man unter jenem patriarchalijchen 
Regierungsipftem auf die Freiheit und das Selbitbeftimmungs- 
recht von Privatperjonen Rücjicht nahm. Schon am 12. Juni 
1550 befahl nämlich der König, daß die Bewohner von Raumo, 
Ulfsby, Efenäs und Borgü nach Helfingfors überjiedeln jollten, 
widrigenfall8 jie ald ungehorjame Unterthanen bejtraft werden 
würden. Anjcheinend haben jedoch die Bürger der genannten 
Städte zu der anbefohlenen Ülberfiedelung wenig Neigung ges 
zeigt und nichts gethan, um der Aufforderung der Regierung 
nachzufommen. König Guftav erneuerte deshalb wiederholentlich 
jein Geheiß unter Androhung von Strafen für die Ungehor— 
jamen. Unter jolchen Umftänden war ein weiterer Widerftand 
unmöglich, und die Bürger der zum Tode verurteilten Städte 
jiedelten in der That nach Heljingfors über. Auf dieſe Weiſe 
erhielt die neue Stadt eine nach den damaligen Zeitverhält- 
niffen nicht unbeträchtliche Bevölkerung. Gleihwohl wurde 
Helfingfors nicht, wie der König wünjchte, ein Mittelpunkt 
für den Handelsverkehr im Finniſchen Meerbuſen. Reval und 
daneben Wiborg behielten ihre alte Stellung als Hauptorte des 
Handels. Guſtav Waſa erkannte jelber bei einem Bejuche der 
Stadt jeinen Irrtum und erteilte 1556 den Bürgern das 
Recht, in ihre alten Wohnorte zurüczufehren, eine Erlaubnis, 
von welcher die meisten jofort Gebrauch machten. Fortan war 
Helfingfors ein unbedeutendes Städtchen, deſſen große Zukunft 
als Hauptjtadt Finnlands niemand hätte vorausjehen können !). 


1) F. Collan, Gamla Helsingfors, in: „Finlands allmänna tid- 
ning“ (1850). — 8. Grotenfelt, Suomen kaupasta ja kaupungeista, 


Helfingfors, Abo und Wiborg. 107 


Aufs ftrengfte war es verboten, daß Privatperionen auf 
dem Yande zum Nachteil der Städte und deren Bürger der 
Landbevölferung Waren verkauften oder gegen Yandesprodufte 
eintaujchten. Doch klagten die Städte unaufhörlich darüber, 
daß ihre Privilegien in diejer Hinficht unberüdfichtigt blieben. 
Der Küftenbevölferung und den „Vakkafinnen“ war es nicht 
gejtattet, mit ihren Waren anderswohin ala nach Abo und Stod: 
bolm zu jegeln. Indeſſen mußte auch ihnen der König, in 
Abweichung von der allgemeinen Pegel, nicht jelten das Recht 
zum Bejuche von Reval und Deutichland bewilligen. 

Eine wichtige Aufgabe war die Konzentrierung des Han 
dels an gewiffen Hauptpunften. Abo genoß diesbezüglich eine 
privilegierte Stellung. Seit 1527 wurden Ulfsby und Raumo 
zu jeinem Handelsrayon gerechnet. Beachtenswert ift ein An— 
trag, welcher auf einer Verfammlung der finnischen Yandjtände 
eingebracht wurde, die fich 1547 auf Befehl König Guſtavs 
behufs Beratung über Mittel zur Förderung der finnijchen 
Städte und Landorte verfammelt hatten. Man jchlug nämlich 
vor, Abo jolle dadurch „verftärft“ werden, daß die Bewohner 
von Raumo und Nädendal nach Abo überfiedelten. Der Vor— 
jchlag gelangte nicht zur Ausführung, zeugt aber von dem 
Neide, welcher zwijchen den Städten herrichte Im öftlichen 
Finnland war und blieb Wiborg Mittelpunkt des Handels. 
Die Yandftände behielten 1547 in ihrem Gutachten nicht min- 
der die ntereffen von Wiborg als Diejenigen von Abo im 
Auge, indem fie beantragten, daß die Bewohner von Borgä, 
Ulfsby und Efenäs nach Wiborg überfiedeln follten. Doc 
dürfte auch bierbei eine Ausführung des Vorjchlags nicht in 
stage gekommen fein. Bejonders wohlwollend zeigte jich der 
König gegen Wiborg, nachdem er fich bei einem Bejuch im 
öftlihen Finnland von der hohen Bedeutung der Stadt als Sit 
des Handels mit Rußland überzeugt hatte. Er erteilte den 
Bürgern in den übrigen Städten des Reichs das echt, nach 
p. 55894q. — Im Jahre 1558 wurde Ulfsby auf Befehl Herzog Johanns 


an einen näher an der Mündung des Kumo befegenen Ort verlegt und 
erhielt bei dieler Gelegenheit den Namen Björneborg. 


108 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Wafas und feiner Söhne. 


Wiborg zu jegeln jowie jih am dem dort mit den Ruſſen 
Itattfindenden Handel zu beteiligen, und er ermahnte fie aufs 
eifrigite, Schiffe zu diefem Behufe auszurüjten ?). 

Als charakteriftiich für die landesväterliche Auffafjung des 
Königs, betreffend die Handelspolitif, mag jchließlich eine „Ver— 
ordnung über die Zufuhr für die finniſchen Städte“ vom 
17. Juni 1558 erwähnt werden, worin der König unter an— 
derm bejtimmt, daß die Bevölkerung der Provinzen Abo und 
Kumogärd mit Abo, die der Provinzen Wiborg und Npjlott 
mit Wiborg, die der Provinzen Tawaftehus, Borgä und Raſe— 
borg mit Helfingfors Handelsverkehr unterhalten jollte. Auf 
jolhe Weiſe glaubte man durch Verordnungen den freien Yauf 
des Handels regeln zu können. 

Eine eigentüimliche Stellung binfichtlich der Hanbelsverhält- 
niſſe nahm Ofterbotten ein. An den alten Hauptbandelsplägen 
hatte die Negierung Zolljtationen errichtet, wo der Handel 
gegen eine bejtimmte Abgabe betrieben werden durfte, während 
alfe übrigen Handelspläge für ungejeglich erflärt wurden. 
Segen Ende der Regierung Guſtav Waſas waren, laut einer 
alten Aufzeichnung, im nördlichen Ofterbotten Kemi, Ijo und 
Ules, im ſüdlichen Ofterbotten Karlebv, Pedersöre und Wöri 
ſolche gejegliche Häfen ?). Allein auch an anderen Pläten er- 
ichienen jährlich Handelsleute, die für das Recht, eine „Bude“ 
zu eröffnen, eine gewiffe Abgabe an die Krone zahlten. Der 
Handel wurde von Birkarliern oder von Kaufleuten aus Stod- 
holm, Abo, Ulfsby, Raumo und mehreren ichwediichen Städten 
betrieben; außerdem waren ruſſiſche Kaufleute Beſitzer zabl- 
reiher Buden °). Ein bebeutender Warenaustaufch wurde 
ichließlich durch herumziehende ruifische Karelier aus der Provinz 
Kerholm vermittelt. Allerdings beflagte ſich Guſtav Waſa 
häufig über den „Ruſſenhandel“ in Öfterbotten, allein infon- 
jequent, wie ſtets im jolchen Fragen, zeigte er fich bei anderen 


1) Brief des Königs vom 20. Dez. 1558: Arwidsſon J. c. IX, 326. 

213.9. Tengftröm J. c., p. 189. 

3) A. G. Fontell, En blick pä Österbottens tillständ är 1571 
samt gränsfejden 1573—1585; im Kalender „Valan “ (1881), p. 28. 


Öfterbotteng Handel. — Induftrie und Steuerweien Finnlands. 109 


Gelegenheiten nicht abgeneigt, den ungejeglichen Handel fort: 
bejtehen zu lajjen, wenn nur eine angemefjene Abgabe erlegt 
wurde. 

Über die industrielle Wirkſamkeit zur Zeit Guftav Wajas 
tft wenig zu jagen. Es fehlte an Kapital wie an Handfertig- 
fett. Das erjte Eiſenbergwerk wurde von Erich Fleming in 
Djamo (Kirchipiel Yojo) angelegt. Der zwölfte Teil des ge- 
wonnenen Erzes jollte, wie e8 in dem Briefe des Königs vom 
5. September 1542 heißt, letzterem zufallen. Die Anlage von 
Salpeterjiedereien erfolgte auf VBorjchlag des Hauptmanns auf 
Nyſlott, Guſtav Finde. 

Das Beſtreben, eine beſſere Ordnung zu ſchaffen und gleich— 
zeitig die Einkünfte der Krone zu vermehren, macht ſich auch 
bei den Maßnahmen Guſtav Waſas auf dem Gebiete des 
Steuerweſens bemerkbar. Bereits 1538 ſchrieb der König an 
die Bevölkerung der Provinz Kumogard, er habe die Vornahme 
einer neuen, gerechteren Steuerveranlagung anbefohlen ’). Gleich- 
lautende Botichaften ergingen an andere Provinzen, und 1540 
erhielt Heinrich Klasjon Horn den Auftrag, die Hauptleitung 
der neuen Steuertaration zu übernehmen; gleichzeitig jollte 
eine Reduktion der Beſitztümer jtattfinden, die widervechtlich 
der Krone entzogen und unter die Botmäßigfeit des Adels 
gebracht worden waren ?). In der That wurde denn auch) 
jest eine größere Ordnung im Nechenjchaftswejen eingeführt. 
Hingegen konnte die beabjichtigte gleiche Verteilung der auf 
dem Grundbeſitz ruhenden Laſten nicht durchgeführt werden. 

Bon dem Befisrecht der Krone an dem Grund und Boden 
des Neiches hatte Guftav Waja eine jehr weite Auffafjung. 
Er glaubte, daß die Krone Eigentümerin der weiten, unbebauten 
Yändereien im inneren Finnland, der jogenannten „Erämarken“, 
jei. Wir erinnern uns, wie unficher die Eigentumsverhältnifie 
in jenen Wildnifjen während des Mittelalters gewejen waren. 
Die Krone hatte allgemeine Reglements und Verordnungen 


1) Arwidsijon J. c. V, 371. 
2) Arwibsfon 1. c. VI, 159. 191. 


110 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Wafas und feiner Söhne. 


erlajfen umd ſich dadurch das Verfügungsrecht über jene Ein- 
öden angeeignet. Andrerjeits hatten jich indeſſen die Anfiedler 
der bebauten Diftrifte daran gewöhnt, auf eigene Rechnung aus 
der Jagd und dem Fiſchfang in den „Erämarfen“ Nuten zu 
ziehen. Diejes zweifelhafte und unbeftimmte Recht wurde von 
König Guftav nicht reipeftiert. Hier wie jonft mußten nach 
jeiner Anficht die privaten Interejjen vor den Anforderungen 
des allgemeinen Wohls in den Hintergrund treten. Unter 
Leitung der Regierung jollte in diejen Gegenden, die noch von 
den Renntierherden der Yappen durchitreift wurden, ein neues 
Leben aufblühen. 

Aus einem Briefe des Königs vom 6. Oftober 1551 läßt 
jich erjehen ), daß in den tawaftländijchen Erämarken, welche 
aus den weiten, noch heute dünn bevölferten Yändereien nörd— 
lich von Jämſä beftanden, ſchon damals von Ofterbotten wie 
von Tawaſtland aus der erjte Schritt zu einer feſten Kolont- 
fatton gejchehen war, daß aber dabei ebenio gewaltiame Streitig- 
feiten entjtanden waren, wie in der Mitte des 15. Jahrhun— 
derts, al8 die Bewohner von Tawajtland und Savolafs wegen 
des Befigrechts an der Wildnis zwijchen dem Saima und 
Päijänne miteinander haderten. Die Folge hiervon war, daß 
der größte Zeil des Gebiete8 den Streitenden weggenom- 
men und Neuanſiedlern aus Savolafs übergeben wurbe. Der 
König nämlich, welcher ſah, daß die Kolonijationsfrage eine 
wenig günjtige Wendung zu nehmen begann, beauftragte den 
früher erwähnten Guftav Finde mit der Leitung der Koloni— 
jation. Diejer wandte ſich zuerft an die ihm am nächjten 
jtehenden Savolafjer und fand fie zur Beſiedelung der tawaſt— 
ländiſchen „Erämark“ bereit. Die Bewohner von Tawaftland 
wurden zwar nicht volljtändig übergangen. Als aber 1552 
und jpäter der Plan zur Ausführung gelangte, trugen die 
Savolakſer einen enticheidenden Sieg davon. Mit Gewalt 
jolfen jie die Bewohner von Tawaftland vertrieben haben, und 


1) Guſtav Waſas Brief an Iſaak Nilsion Bankr. Arwidsion]. ce. 
VIII, 93. 


Die Kolonilation der Erämarten. 111 


noch heute zeugen die Volksfitten wie der Diafeft davon, daß 
die Hauptmafje der Bevölkerung aus Savolaks herſtammt. 

Minder verlodend für Koloniften war die „Erämark“ von 
Korsbolm, welche aus dem weiten Terrain beim 1lleäjee be- 
ftand. Aber Hier erwies fich die Kolonifierung um jo nötiger, 
als es galt, dem rujjiichen Einfluß entgegenzuwirfen ?). Finde, 
dem auch hier die Yeitung anvertraut war, zeigte nicht geringeren 
Eifer als in Tawaftland. Als die Savolafjer zögerten, weil 
die Nachbarſchaft von Rußland bei ihnen Befürchtungen erregte, 
begab er fich nach Ofterbotten, um den Bauern König Guſtavs 
Plan mitzuteilen, und ermahnte fie, denjelben zu fördern. Ihnen 
an erjter Stelle jollte Korsholms „Erämark“ offen ſtehen; 
auch jollten ſie in den erjten drei Jahren nach erfolgter 
Nieverlaffung Steuerfreiheit genießen. Durch diefe und andere 
verlodende Beriprechungen wurden zahlreiche Bewohner Dfter: 
bottens 1552 zur Anfiedelung in der Umgegend des Ulegäͤſees 
veranlagt, und zu ihnen gejellten jich etwa 150 Savolafier. 
Auch hier wurde die Eintracht durch Eigentumsftreitigfeiten 
gejtört. So erbitterte Kämpfe wie in den tawaftländijchen „Erä— 
marfen“ fcheinen indeffen nicht vorgefommen zu jein. Es 
war fein glücliches Los, welches diejen Koloniften bevoritand. 
Nachdem fie mehrere Jahre hindurch im Kampfe gegen eine 
harte und färgliche Natur ein Leben voller Mühen und Ent- 
bebrungen geführt, brach 1555 der jeit langem drohende Krieg 
mit Rußland aus und bereitete den Grenzbewohnern mannig- 
faltiges Unheil. Viele von den neu angelegten Höfen wurden 
zerstört. Gleichwohl hatte die Kolonijation Beſtand; fie erhielt 
1559 einen eigenen Baftor, und 1571 gab es dort bereits 184 
Bauern ?). 

Außerdem eriftierte im nördlichen Savolafs, in der heutigen 
Provinz Kuopio, die nicht minder ausgedehnte „Erämark“ von 


1) Aug. Ablgvift, Kalevalan karjalaisuus, p. 168q. (Helfingfors, 
1887). — Unter dem Einfluß des auf einer Infel am ſüdweſtlichen Ufer 
des Weißen Meeres 1429 gegründeten Kloſters Solowez begann bie griechiich- 
orthobore Lehre in jener Gegend Wurzel zu fafjen. 

2) 4. ©. Fontelll. c. p. 15. 


112 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Wafas und feiner Söhne. 


Nyſlott. Schon zu Beginn der vierziger Jahre hatte ein Vogt auf 
Nyjlott, Klemet der Schreiber, Pläne zur Kolonijation diejes 
Dijtrifts entworfen und durch Anlage eines Gehöfts in der 
Wildnis den erjten Schritt dazu gethban. Später geriet die 
Sache eine Zeit lang ins Stoden, wurde aber von Gujtav 
Finde mit gewohnter Energie wieder aufgenommen. Gr be: 
antragte nämlich, daß jenes Gehöft zu einem „Königshof“ 
erweitert und der ganze Bezirk in ein von Neuanjiedlern be- 
völfertes Kirchipiel verwandelt würde y. Der König erteilte 
jeine Genehmigung, und in den folgenden Jahren jchritt das 
Unternehmen mit jchnellen Schritten vorwärts. Schon 1552 
fonnte Finde mitteilen, daß das neue Kirchjpiel, welches den 
Namen Zavijalmi erhielt, vollftändig organifiert und eine Kirche 
dajelbjt erbaut worden je. — Bon geringerer Bedeutung war, 
daß eine Wildnis, welche jeit den rujjischen Verheerungen in 
den neunziger Jahren des 15. Jahrhunderts im Diftrikt 
Ayräpaä erijtierte und den bezeichnenden Namen „riitamaa “ 
(„Zwiftmarf”) führte, durch Fünigliche Verordnung 1553 an 
stoloniiten überlafjen wurde ?). 

Gegen Ende der Kegierung Guftav Wajas wurde die An- 
legung von Königs- oder Meierhöfen ein wichtiger Gegenjtand 
für die Yürjorge des Könige. Der Hauptziel dabei war die 
Förderung des Militärweſens. Auf diejen großen, der Krone 
gehörigen Gehöften jollten nämlich Reiter und Pferde unter- 
halten werden, welche jederzeit im Notfalle zum Kampf gegen 
ben Feind ausrüden könnten. Vielleicht trug fich der König 
auch mit dem Gedanken, daß fie als Miufterhöfe für die Heinen 
Adersleute dienen jollten. In dem 1556 für die finnijchen 


1) Arwidsfon 1. c. Il, 265. 

2) Arwidsion |. c. Ill, 201. Weitere Aufihlüjfe über die Koloni- 
jation der „Erämarlen“ wie über die Zuftände im Innern Finnlands zur 
Zeit Guftav Wajas geben H. Gebhard, Savonlinnan läänin oloista 
vuoteen 1571, in: „Bidrag till kännedom af Finlands natur och folk“, 
utg. af Finska vetenskapssocieteten. XLIX, 1—115 (Helfingfors, 1890), 
fowie 8. 9. Yallanen, Pohjois Hämeen erämaat asutns ja olot 
vuoteen 1620 (Helfingfors, 1892). 


Die Königshöfe. — Guſtav Wafa und Rußland. 118 


Bögte erlafjenen Reglement finden ſich ausprüdliche Vorſchriften 
darüber. In jedem Kirchipiel jollten die Vögte das beſte Gehöft 
in einen „Königshof“ verwandeln; namentlich jolften lettere 
in den Grenzlandichaften eingerichtet werden, wo eine ftehende 
Kriegsmacht bejonders von nöten war !). Unabläffig fam ber 
König auf diefe Angelegenheit zurüd. Binnen kurzem wurden 
denn auch zahlreiche Meierhöfe angelegt, die unter der Ver— 
waltung von föniglichen Vögten jtanden und eine Beſatzung 
von 5 bis 10 Knechten unterhielten. Man erlaubte fich bei 
diejer Gelegenheit noch größere Eingriffe in das private Eigen- 
tumsrecht als bei den Kolonifationsunternehmungen. Bauern, 
welche Gehöfte bejaßen, die zur Verwandlung in Meierhöfe 
geeignet waren, wurden gezwungen, bdiejelben gegen geringen 
Entgelt der Krone abzutreten, und ihre Beſchwerden waren in 
den meiften Fällen vergeblihd. Der militärifhe Nuten der 
Königshöfe blieb indeffen recht geringfügig Man fand bald 
das Spftem ungeeignet und nahm nad dem Tode Guftav 
Waſas ganz und gar Abftand davon. 


3. Guſtav Wafa. Der Krieg mit Rußland. 

Sobald als Guſtav Waja Finnland unter jeine Botmäßigfeit 
gebracht hatte, juchte er fich der Abfichten des öftlichen Nach- 
bars zu vergewiffern. Eine Gejandtichaft ging Ende 1523 
nach Rußland und vereinbarte am 3. April 1524 einen Traltat, 
welcher den 1510 auf 60 Jahre abgeſchloſſenen Waffenſtill— 
ſtand beftätigte. Gleichzeitig wurde beftimmt, daß fich eine 
ruffiſche Miffion zur Entgegennahme der Natififation des 
Könige nah Stockholm begeben jolle. Anfang 1525 er- 
jehienen in der That ruffiihe Gejandte in Finnland. Guftav 
ſchrieb indefjen, daß jene in Finnland unter allerlei Borwänden 
aufgehalten werben jollten, und als er jpäter den Befehl zu 
ihrer „Überjendung“ nach Schweden erteilte, dürften fie bereits 


1) Arwibsion 1. c. IV, 176. 
Schybergſon, Geſchichte Finnlande. 8 


114 Zweite Periode. Das Zeitalter Guſtav Waſas und feiner Söhne. 


nach Rußland zurücgefehrt gewejen jein ). Inzwiſchen Hatte der 
fühne Kriegshauptmann Severin Norby Unterhandlungen mit 
Rußland angefnüpft. Diefelben beunrubigten Guftav Waja, 
welcher nicht genau wußte, ob er auf die freundjchaftlichen 
Gefühle des rufjishen Zaren Waffilij bauen fünne. Er be- 
ichloß daher, durch eine neue Miſſion völlige Klarheit in 
die Berhältniffe zu bringen. Erich Fleming, der damals 
hoch in der Gunft des Königs ftand, erhielt den Auftrag, 
dieje Gejandtichaft zu leiten. Im Sommer 1526 fam er 
zum Zaren, welcher eine befriedigende Antwort erteilte. Im 
nächften Jahre wurde beiderjeits der Friedensvertrag von 1524 
ratifiziert, welchem zufolge die lange aufgejchobene Grenzregu— 
lterung „je früher, dejto beſſer“ vor fich gehen jollte ?). Hier— 
auf blieb die nachbarliche Eintracht ohne ernftlichere Störungen 
bis zum Tode des Zaren (1533) bejtehen. Unter den erjten 
Regierungsjahren jeines Nachfolgers Iwan IV. (1533—1584) 
fanden von neuem Unterhandlungen jtatt, die 1537 zu 
einem Bertrage führten, gemäß welchem 1547 eine Grenz- 
regulierung auf Grund des Nöteborger Traftats vorgenommen 
werden ſollte. Aber jchon damals begannen die Grenzverbält- 
niffe immer mehr einen beunruhigenden Charakter anzunehmen. 
Unaufbörlich begegnen ung Mitteilungen darüber, daß ruffiiche 
Streifcorps auf das finnifche Gebiet übergingen und das— 
jelbe mit rückſichtsloſer Wildheit verbeerten *). Auf finnijcher 
Seite verfuhr man wahrjcheinlich nicht weniger gewaltjant. 
War doch der Befehlshaber auf Schloß Wiborg, Nils Grabbe, 
ein Mann mit eingewurzelten friegeriichen Gewohnheiten, ber 
feine Beleidigung ungerächt ließ. Der König bielt ihn denn 
auch jchlieglih an jeinem Plage für ungeeignet und übertrug 
den Poften 1545 an Mäns Nilsſon und Guſtav Finde, 
welche ausdrüdlih die Weifung empfingen, ſich mit der 


1) Brief des Königs vom 11. Nov. 1525: „Gustaf I* registratur‘ 
V, 242. 

2) Bol. ©. ©. Rydberg, Sverges traktater etc. IV, 74—89 
(Stodholm, 1888). 

3) Tegell. c. II, 199. 


Die Grenze gegen Rußland. 115 


„Nufjengejellichaft“ möglichjt wenig jchaffen zu machen; ein 
Gebot, welches jpäter Häufig mit erneuter Kraft einge: 
jhärft wurde. Auh Zar Iwan hegte die frieblichjten Ab- 
jihten und verficherte wieder und wieder, daß er nichts 
dem ‚Friedensvertrag zuwider thun wolle. Trotzdem jtieg die 
Aufregung, weil die Grenze jo unbeftimmt war, daß ſich 
Übertretungen auf beiden Seiten faum vermeiden ließen. 
Unmittelbar beim Syſterbäck befand fich die früher genannte 
„Zwijtmarf“, auf welche die Ruſſen Anjpruch erhoben. Weiter 
gen Norden in Savolats hatten ſich finnische Koloniften 
öftlih von der urjprünglichen Grenze niedergelafjen, und noch 
unbejtimmter war die Grenzrichtung nördlid vom Suomen- 
jelfü. Im jenen Wildnifjen trafen ſchwediſche und rujfijche 
Unterthanen während der Jagd und des Fiſchfangs unauf- 
börlih zujammen, wobei blutige Gewaltthaten jelten aus— 
blieben. Die Hauptleute auf den Feſtungen Wiborg, Nyjlott, 
Nöteborg und Kerholm ergriffen Hierbei für die Ihrigen Partei, 
und auf jolche Weiſe nahmen die Konflikte, trog der Friedens— 
ermabnungen Guſtav Wajas und Iwans IV., einen immer 
größeren Umfang. Die Örenzregulierung, das einzige Mittel, 
wodurd die Erregung hätte gejtillt werben können, wurde be— 
ftändig aufgeichoben, und es läßt fich nicht leugnen, daß der 
König, aus Furcht, er fünne der verlierende Zeil werden, recht 
wenig Eifer zur Bejchleunigung der Örenzregulierung zeigte. 
Da man num auch auf ruſſiſcher Seite diesbezüglich nicht jon- 
derlich eifrig war, verfloß das Jahr 1547, ohne daß die Ver— 
tragsbejtimmung von 1537 erfüllt worden wäre, und ein neuer 
Termin im Jahre 1550 wurde ebenfalls verſäumt. Oft ge: 
ſchah e8, daß, wenn jich ſchwediſche Bevollmächtigte an der 
Grenze einfanden, die ruſſiſchen Sendboten, welche mit ihnen 
zujammentreffen jollten, nicht erjchienen waren, und umgefehrt. 

Die Yage war um jo bejorgniserregender, als ſich Finn— 
lands Berteidigungsmweien in einem wenig befriedigenden Zuftand 
befand. Die Hauptfeftung Wiborg war infolge der Nachläjjig- 
feit der Befehlshaber in Verfall geraten. Der Adel war ın 
der Erfüllung feiner militärischen Verpflichtungen jäumig, und 

8* 


116 „Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Waſas und jeiner Söhne. 


Soldtruppen waren nur in geringer Anzahl in den bebauten 
Gegenden einquartiert. Der gemeine Mann fonnte aller- 
dings in der Stunde der Gefahr aufgeboten werden, war aber 
unzuverläffig. Auf der Aboer Verfammlung (1547) wurden 
einige Verbefferungen vorgejchlagen, wie 3. B., daß Wiborgs 
Feftung umgebaut und mit tauglicher Artillerie, Munition und 
Bejagung verjehen werden jollte. Allein die Berjammelten 
mußten eingeftehen, daß man im Kriegsfalle dem Feind nicht 
in offenem Felde Widerftand leiften fünne. Auch die in den 
folgenden Jahren getroffenen Berteidigungsmaßregeln waren 
feineswegs durchgreifender Art. Eine kleine Feſte, welche 1554 
nabe der Grenze zu Kivinebb angelegt wurde, war eber darauf 
berechnet, kleinere feindliche Scharen zurückzuweiſen, als größeren 
Truppenmaſſen die Spige zu bieten. 

Inzwijchen fteigerten jich die Gewaltthätigfeiten auf beiden 
Seiten unabläjfig ). Im Sommer 1554 jandte der Nowgoroder 
Statthalter Palegkij nach Wiborg einen Bevollmächtigten, Nifita 
Kusmin, welcher von dort feine Reife nach Schweden fortjegen 
jollte, um wegen Sicherung des Grenzfriedens zu unterhandeln. 
Kurz darauf gingen viele Ruffen unter den üblichen Gewaltthaten 
über die Grenze. Die Finnen, in der Meinung, daß diejer Einfall 
auf Paletzkijs Geheiß geichehen ſei, rächten fich dafür durch einen 
blutigen Streifzug auf ruſſiſches Gebiet unter Führung des 
Vogtes Anders Nilsjon jowie durch Verhaftung Kusmins, den 
man nunmehr für einen ruſſiſchen Spion anſah, worauf (Nov. 
1554) der ruffiihe Bojar Iwan Borufffin an der Spite von 
8000 Mann die „Zwijtmarf“ bejette. Dies waren die Vor— 
boten zu den friegerijchen Greigniffen des nächſten Jahres. 
Die Schuld an dem Friedensbruche trifft erfichtlich ſowohl die 
rujfiichen wie die finniſchen Hauptleute in den Grenzprovinzen. 
Die Gereiztheit, welche der Nowgoroder Statthalter Paletzkij 
an den Tag legte, mag allerdings als die nächte Urfache des 
Friedensbruches angejehen werden ; aber andrerjeits fünnen auch 


1) M. Hongelin, Stridigheterna mellan Sverige och Ryssland 
under Gustaf Is tid (Helfingfors, 1851). 


Grenzunruben 1554 und 1555. 117 


Anders Nilsjon und jeine Genofjen feineswegs von jeder Ver- 
antwortung freigejprochen werden. In einem Briefe vom Mai 
1555 verurteilte Guftav Waja das Verhalten Nilsjons mit 
iharfen Worten ?): er wurde abgejegt und in Stodholm einem 
Verhör unterworfen. 

Eine Kriegserklärung war von feiner der beiden Geiten 
erlajjen worden. Trotzdem begannen die militärifchen Ope— 
rationen jhon Anfang 1555; und zwar zeigten fich die Ruffen, 
wie gewöhnlich, als die unternehmungsluftigeren, während man 
auf finnischer Seite eine defenfive Haltung beobachtete. Am 
18. Januar 1555 unternahmen die Ruffen einen Streifzug 
nach Finnland und drangen bis Wiborg vor, fanden jedoch 
Dajelbjt nach mehreren mißlungenen Sturmverjuchen durch Ein- 
bruch des Eiſes ein trauriges Ende. Gefahrdrohender er: 
jchien ein zweiter Angriff am 11. März. An der Spike von 
30000 Mann, die in vier Haufen geteilt waren, marjchierte 
Iwan Bibifoff über die Grenze. Das Hauptheer zog raubend 
und plündernd in die Gegend von Kivinebb, wo jedoch der 
neue dortige Vogt, Jöns Mänsfon, mit einer geringen Truppen— 
macht den Ruſſen kühn und glücklich Widerftand leiftete, jo 
daß fie etwa 600 Mann verloren. Diejer Erfolg gegen einen 
vielmals überlegenen Gegner ift die hervorragendſte Waffenthat, 
deren Andenken die Gejchichte aus jenem Kriege bewahrt bat. 
Im übrigen traf man weder in der Provinz Wiborg noch in 
der Provinz Nyſlott energiiche VBerteidigungsanftalten, jo daß 
der Feind wiederholentlich jeine Streifzüge zu erneuern ver- 
mochte. In Öfterbotten währte noch eine Zeit lang der fried- 
liche Handelsverfehr zwijchen Ruſſen und Finnen fort, aber 
auch hier wurde die Ruhe im Sommer 1555 dur Einfälle 
von rujfiicher Seite gejtört. 

Die Kunde von diefen Vorgängen beunrubigte den alten 
König tief. Binnen kurzem war fein Entſchluß gefaßt, fich 
perfönlih nah Finnland zu begeben, um zu veranlafjen, 
„daß der Landesteil Finnland einigermaßen befjer möge ver- 


lı Arwidsion ]. c. VIII, 225. 


118 Zweite Periode. Das Zeitalter Guſtav Waſas und feiner Söhne. 


jorgt und verteidigt werden, als es bisher der Fall gewejen“. 
In Begleitung feines jüngeren Sohnes Johann jegelte er Anfang 
Auguft an der Spike einer großen, mit Mannjchaften und 
Kriegsbebürfniffen verjehenen Flotte nach Finnland und landete 
am 13. Auguft in Abo, wo er längere Zeit verweilte. Schon 
früher war der tapfere Kriegsmann Jakob Bagge mit einer 
Flotte und einer Heeresabteilung an die Mündung der Newa 
behufs Refognoszierung auf feindlichem Gebiete gejandt worden, 
und unmittelbar nach der Anfunft König Guftans in Abo traf 
ein Sendbote Bagges, Dlof Skotte, mit verlodenden Nach: 
richten ein, die den jonft jo vorfichtigen Monarchen veran- 
laßten, Bagge den Befehl zu erteilen, er jolle möglichit bald 
eine Expedition auf rujfiiches Gebiet behufs Eroberung von 
Nöteborg, Kerholm und Koporie unternehmen jowie gleichzeitig 
die Mündung der Newa blodiert halten’). Am 10. Sep: 
tember brach Bagge mit der Flotte und einer Armee im der 
Stärfe von etwa 4000 Mann von Wiborg auf. Die Flotte 
ftand unter jeinem eigenen Kommando, während das Heer von 
Männern befebligt wurde, welche fich jpäter einen glänzenden 
Namen in der Striegsgeichichte Finnlands erworben baben: 
Nils Boije von Gennäs, Heinrich Klasion Horn von Kankas 
und Klas Kriftersion Horn von Aminne Cs fehlte mithin 
nicht an tauglichen Anführern, aber im übrigen war die Ex— 
pebition jchlecht ausgerüftet und die Mannjchaft wenig friegs- 
gewohnt. Am 15. September gelangte das Heer nach Nöte- 
borg und schlug zu Füßen des Schlofjes ein Yager auf, 
während gleichzeitig die Flotte die Newa beraufiegeltee Da 
jedoch alle Sturmverjuche mißlangen, Proviant auf längere 
Zeit fehlte und die feindlichen Truppen vorwärts drangen, 
beſchloß man jchließlih, ohne irgendwelchen Erfolg errungen 
zu haben, in die Heimat zurüczufehren. Das Landheer jtieß 
während des Rückzuges jechs Meilen von Nöteborg entjernt 
auf eine ruffiiche Armee, welche fih auf 20000 Reiter md 
ebenfo viel Fußvolf belaufen haben joll. Aber trotz der Über— 


1) Erlaß vom 21. Auguft 1555: Arwidefon 1. c. III, 230. 


Guſtav Wafa in Finnland und der Grenztrieg (1555). 119 


macht des Feindes griffen ihm die Finnen gutes Mutes an, 
jagten ihn in die Flucht und verfolgten ihn eine weite Strede. 
Darauf wurde der Rückmarſch ungeftört nach Finnland fort- 
geſetzt, wo das Heer gleichzeitig mit der nur mühſam geretteten 
Flotte ankam ?). 

In der nächjtfolgenden Zeit war der König eifrig bemüht, 
die Verteidigungskraft Finnlands zu ftärfen, jo daß die an 
der jüböftlihen Grenze verfammelte Truppenmacht jchließlich 
6— 8000 Mann, darunter 6 Fahnen Reiterei, betrug. Gleich- 
zeitig wurde der gemeine Mann zur Verteidigung des Vater: 
landes aufgeboten. In ganz Finnland jollte in jedem Kirch- 
jpiel eine bewaffnete Truppenabteilung mit Proviant für zwei 
Monate aufgeftellt werden, und zwar jollten je vier Mann 
einen fünften ftellen, die Adeligen, Geiftlichen, Yehnsmänner 
und anderen Beamten hingegen jo viele Reiter ausrüften, 
wie ein jeder nach äußerftem Bermögen aufbringen Fönnte. 
Bon den Bewohnern der Provinzen Wiborg und Nyſlott wur- 
den noch größere Opfer verlangt; jie jollten bereit jein, jofort 
auf die erjte Aufforderung bin Mann für Mann gegen den 
Feind zu ziehen ?). 

Der König machte indejfen bald die Erfahrung, daß jene 
Maßregeln noch nicht genügten, um dem Angriff des Feindes 
die Spige bieten oder das Yand gegen DVerheerungen ſchützen 
zu fönnen. Ende 1555 wurden nämlich bei Nowgorod be- 
trächtliche Streitkräfte zujammengezogen, die unter Anführung 
der Fürſten Schtjenjatjew und Palegfij in Finnland einfielen. 
Man war nicht darauf vorbereitet, fich mit einem jo jtarken 
Gegner (50000 Mann nebjt 15 Kanonen) zu mefjen. Die 
Schanze von Kivinebb fiel in die Hände der Ruſſen, die bier: 
auf, ohne ernjtlichen Widerftand zu finden, unter den üb— 
lihen Verwüſtungen bis nah Wiborg vorrücdten und am 
22. Januar 1556 die Beichießung eröffneten. Zwar erlitten 


1) Tegel l. e. DJ, 318sgqg. 

2) Offener Brief Guſtav Wafas vom 20. Nov. 1555 an die Bewohner 
der Provinzen Abo, Kumogard, Tawaftebus, Nafeborg, Borga und Wis 
Cora: Arwidsion ]. ec. VIII, 315. 


120 Zweite Periode. Das Zeitalter Guſtav Wajas und feiner Söhne. 


die Mauern dadurch feinen Schaden, aber da fich die ganze 
Umgebung in Feindeshänden befand und die Ruſſen ihre 
Streifzüge bis zu den Gewäfjern des Saima ausdehnten, jo 
war die Lage ded Ortes, wo Mäns Jönsſon Natt och Dag 
und Göran Gyllenſtjerna das Kommando führten, ſehr be- 
drohlich. Aber jett, wie zur Zeit Knut Pofjes, war es, als 
ob eine unfichtbare Macht über Finnlands Geſchick gewacht und 
das Yand gejchügt hätte. Denn jchon am 24. Januar nahmen 
die Gegner von der Belagerung Abjtand und machten fich 
ganz plöglich auf den Rüdzug nach Rußland. Während des- 
jelben wurden die Diftrikte Finnlands wiederum jchonungslos 
geplündert !). Faſt gleichzeitig war eine ruſſiſche Abteilung in 
das Rirchipiel Tavifalmi eingerüct, wo ebenfall8 einige Dörfer 
angezündet und verwüſtet wurden ?). 

Bereit8 Ende 1555 hatte Zar Iwan König Guftan eine 
Zufammenfunft am Spfterbäd bebufs Schlichtung aller ftrei- 
tigen Punkte vorgefchlagen. Doc hatte Guftav diejen Vor: 
ihlag zurüdgewiejen, weil er in übermütiger und fränfender 
Form gejchehen war. Im Februar 1556 wurden nun neue 
Sriedensvorjchläge von dem ruſſiſchen Statthalter in Now- 
gorod, Michael Glinskoj, gemacht ’). Diesmal fonnte man 
infolge der ernten Lage das Friedensangebot faum ablehnen, 
und demgemäß jchrieb Guſtav Waja an die Befehlshaber des 
bei Wiborg ftehenden Heeres, er ſei nicht abgeneigt, die Sache 
zum Vergleich fommen zu lajjen, wofern nur die Grenzen un: 
verändert blieben. Gleichzeitig Außerte er den Wunſch, der 
Waffenftillftand möge ſofort abgejchloffen werden, damit die 
Veindfeligfeiten ein Ende fänden t). 

Die erfte Wirkung diejer Erklärungen war, daß die Kämpfe 
Ihon im März aufbörten, und daß den beiderjeitigen Grenz— 
bewohnern die Vornahme von Plünderungszügen in den beider: 


1) Atiander l. c., p. 191. 

2) Thure Belle und Guftav Finde an den König, 23. Januar 1556: 
Arwidsfon l. c. IV, 9. 

3) Arwidsion 1. c. IV, 130. 

4) Brief vom 14. März 1556: Arwidsſon I. ce. IV, 146. 


Der Friede mit Rußland. 121 


jeitigen Gebieten unterjfagt wurde. Auch jchritt man zur An- 
ordnung von Grenzzujammenfünften, um in einzelnen Streit: 
punkten einen DBergleich zumwege zu bringen und einen dauer: 
haften Waffenſtillſtand feftzufegen. Am 27. September traten 
Vertreter der Provinzen Nyſlott und Kerholm zufammen, 
und am 15. Oktober wurde in Alakylä beim Spiterbäd ein 
Grenzfriede zwijchen den Bewohnern der Provinzen Nöteborg 
und Wiborg geichloffen. Gleichzeitig wurden bie eigentlichen 
Sriedensunterhandlungen eröffnet. Der Prediger in Abo, Knut 
Johansſon, wurde Yuli 1556 mit PBräliminärvorichlägen zum 
Zaren geſchickt und fehrte mit einer Antwort zurüd, die, ob- 
wohl in dem üblichen übermütigen Tone gehalten, zur Fort: 
ſetzung der Unterhandlungen einlud. ine neue Gejandtichaft 
ging nah Rußland und vereinbarte in Moskau im März 
1557 einen vierzigjährigen Frieden, welcher 1558 in Stock— 
holm ratifiziert wurde. Die Grenzen blieben die alten, und 
trog der von den Ruſſen fortgejegt erhobenen Einwände be- 
bielt Schweden die ftreitigen Gebiete !). 

König Guftav hatte fih Anfang März 1557, vermutlich 
zu jeiner eigenen Sicherheit, nach Aland begeben, wo er etwa 
zwei Monate auf Schloß Kaftelholm verbrachte. Nachdem er 
darauf das füdmeftliche Finnland bejucht Hatte, verließ er am 
1. Juli 1557 dieſes Yand, welches er nie wiederjehen jollte. Seine 
Anwejenbeit in Finnland war eifrig der Förderung des Yandes- 
wohlftandes gewidmet. Wir bejigen von ihm aus den Jahren 
1555— 1557 zahlreiche Schreiben, welche die Pflege des Ader- 
baus, des Handels und der Induftrie betreffen jowie eine Ein- 
ſchränkung des Übermuts und des ungefeglichen Vorgehens 
der Beamten bezweden. Am intereffanteften ift der Brief vom 
27. Juni 1556, fraft deijen der König dem Herzog Johann 
jowie den männlichen Erben desjelben Abo, Kumogird nebit 
Nerpes jowie Aland zu Lehen gab. Dieſe Diftrikte jollten je- 


1) O. ©. Rydberg 1. c. IV, 306—312. — Bgl. aud) I. Fors- 
man, Ruotsin ja Venäjän väliset suhteet 1497—1560, p. 143 (Hel- 
fingfors, 1895). 


122 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Wafas und jeiner Söhne. 


doch auf feinerlei Weiſe vom Reiche Schweden abgejondert 
werben, jondern letterem nach wie vor inforporiert bleiben; 
weshalb Johann auch verpflichtet fein jollte, bei einem Thron 
wechjel dem neuen König den Eid der Treue zu leiten ſowie 
mit Rat und That beizutragen, daß von dem Neiche Schaden 
und Verderben abgewehrt würde. Zu den Gründen, welche 
den König zu einer ſolchen Maßregel bewogen, gehörte nament: 
ih auch, daß nach feiner Meinung Finnland allzu jehr entfernt 
war, al® daß die Yeitung des Yandes von Stodholm aus mit 
Energie hätte überwacht werden fünnen. Er wollte deshalb einen 
bejonderen Regenten für das Yand einjegen, und jo erhielt denn 
Johann mit fast föniglicher Autorität die Aufficht über die Re— 
gierung des gejamten Yanbes, und zwar auch außerhalb ber 
Grenzen jeines Herzogtums In einem offenen Briefe vom 
29. Juni 1556 erflärt Guſtav, er babe während jeines 
Aufenthalts in Finnland gefunden, daß jeinen armen Unterthanen 
dajelbjt oft Unrecht und Gewalt zugefügt worden jet, weil er 
weder perjönlich habe anweſend jein können noch eine geeignete 
Perion beſeſſen babe, die den Befehl über ganz Finnland führen 
fünnte. Damit e8 nun aber jemand gäbe, zu dem Finnlands 
Bewohner in ihren berechtigten Angelegenheiten ihre Zuflucht 
nehmen und bei welchem jie erforderlichen Falls Nat, Hilfe 
und Beiltand juchen fönnten, jo habe er jenen Sobn Johann 
beordert, die Oberaufficht über ganz Finnland zu führen, 
und ihn ermächtigt, im Namen des Königs zu berrichen umd 
zu befehlen, zu verbieten und zu gewähren, al® ob letterer 
perjönlich zugegen jet. An demjelben Tage wurde Herzog 
Johann beauftragt, mit föniglicher Gewalt über das in Finn— 
land stehende Kriegsvolk zu berrichen und zu gebieten ’). Im 
folgenden Sabre erfuhr jein Yehen durch Hinzufügung der Pro- 
vinz Nafeborg eine weitere Vermehrung. Gleichwohl börte 
Guſtav nicht auf, perjönlih in die Negierung Finnlands ein: 
zugreifen. Nach wie vor jandte er unaufhörlih an Herzog 
Johann, die Hauptleute und andere Beamte des Yandes Briefe, 


1) Vgl. Arwidsion J. c. IV, 233 gg. 


Guſtav Waſa und fein Sobn Herzog Johann. 123 


in denen er, wie früher, die größten wie die kleinſten Dinge 
entſchied. Herzog Johann ſeinerſeits war gleichfalls nicht un— 
thätig. Er beſuchte fleißig verſchiedene Landesteile, doch übte 
er zu Lebzeiten des Vaters keinen durchgreifenden Einfluß aus. 

Gebeugt durch die Bürde der Jahre ſtand König Guſtav 
am Ende ſeiner Lebenslaufbahn. Noch einmal berief er die 
Reichsſtände, welche ſich im Juni 1660 zu Stockholm in großer 
Zahl einfanden, unter ihnen viele Vertreter des finniſchen 
Adels. Wenige Monate ſpäter, am 29. September 1560, 
ſtarb er. In Finnland wie in Schweden wird ſein Name für 
alle Zeiten mit Ehrfurcht genannt werden. 


4. Erich XIV. und Iohann III.) 


Schon zu Lebzeiten des Vaters dürfte Herzog Johann der 
Gedanke, daß das Herzogtum Finnland in ein ſelbſtändiges 
Fürſtentum verwandelt werden müſſe, nicht fremd geweſen ſein. 
Demgemäß war denn auch der Treueid, den ihm einige der 
vornehmſten Mitglieder des finniſchen Adels leiſteten, in ſo 
ſchwebenden Ausdrücken abgefaßt, daß ſogar ein bewaffneter 
Widerſtand gegen den Herrſcher des Reiches darunter einbe— 
griffen ſein fonnte ?). Bereits dieſes deutet auf weitumfaſſende, 
ehrgeizige Pläne hin, welche ohne Zweifel von der nächſten 
Umgebung des jungen Fürſten noch geichürt wurden. 


1) Gedrudte Quellen und Nahfchlagewerte zur Geſchichte Finnlands 
während ber Regierung Eribs XIV. und Sobanns III: 4. 3. Arwids— 
fon, Handlingar ete., Bd. X (Stodholm, 1857); 9. &. Portban, 
Chronicon episcoporum Finlandensium ete., Opera selecta, Bd. II (Hel- 
fingfors, 1862); K. A. Bomansſon, Hertig Johan och hans tid (Helfing- 
fors, 1862); W. Tavaftitjerna, Lisätietoja Suomen sotahistoriaan 
Juhana III» hallituksen alkuvuosilta (Helfingfors, 1875); S. Elmgrens 
Biograpbieen über Paul Junften und Eric Eritsion, in: „Finlands 
minnesvärda män I, 325—362, IT, 1—50; EI. Annerjtedbt, Grund- 
läggningen af det svenska väldet i Liffland ären 1558—1563 (llpfala, 
1868); — Regiftratur Johanns III im Schwed. Reihsardiv zu Stodbolnt. 

2 KA Bomansion l.c,p. 9. 


124 Zmeite Periode. Das Zeitalter Guſtav Waſas und feiner Söhne. 


Bon den einheimifchen Ratgebern des Herzogs war Klas 
Kriftersfon Horn der hervorragendſte. Er war etiva 1517 
auf dem Schlofje Abo geboren, wo fein Vater, Chrijter Klasſon 
Horn von Aminne, al8 Vogt fungierte. Während der Kriege 
in Finnland nahm er als Artillerie-Feldoberſt an der Vertei— 
digung von Wiborg wirfjamen Anteil. Im Sabre 1557 er- 
hielt er das Statthalteramt über Wiborgs Schloß und Provinz. 
Unter den Mitglievern des finnifchen Adels nahm er eine 
glänzende Stelle ein, jowohl vermöge feiner Tapferkeit und Ein- 
ficht, wie vermöge der Charafterfeftigfeit, die er unter wechjel- 
vollen Verhältniffen an den Tag legte. — Auch jein Oheim 
Heinrih Klasjon Horn von Kankas hatte während der Regie- 
rung Guſtav Waſas eine bedeutende Stellung errungen. Seit 
1549 war er Oberlandrichter in Sübdfinnland. — Mit ihm 
wetteiferte an Anfehen Hermann PBedersjon Fleming von Villnäs 
und Lehtis !), welcher jchon 1556 in des Herzogs Dienft 
trat, ihn aber ebenjo, wie Heinrich Horn es that, verließ, als 
ein Konflift zwifchen dem Herzog und König Erich bevor- 
jtand. 

Es währte nämlich nicht lange, bis die Eiferjucht zwijchen 
beiden Brüdern in offenem Zwift zum Ausbruch gelangte. 
Mit Bedauern fahen Iohann und deſſen vertraute Natgeber 
König Erih in Livland feiten Fuß faffen, wo fie jelbjt Er— 
oberungen zu machen gehofft hatten. So fam es denn jchließ- 
lich dahin, daß der Herzog den bevenflichen Entſchluß faßte, 
jih mit Polen, deſſen Stellung zu Schweden tagtäglich feind- 
jeliger wurde, zu verbünden, indem er um die Hand ber 
Prinzeffin Katharina Iagellonica, der Schwefter des polnijchen 
Königs Sigismund Auguft, anhielt, obwohl König Erich jeine 
Unzufriedenheit über den polnischen Heiratsplan immer ener— 
giſcher äußerte und jchließlich denfelben verbot. Nach der An— 
funft Johanns in Wilna wurde troßdem der Heiratsfontraft 
unterzeichnet und am 4. Oftober 1562 die Hochzeit gefeiert. 


1) Hermann Fleming gebörte zu einem jüngeren Zweige des Fleming 
ſchen Geſchlechts. 


Herzog Johann und Polen. 1% 


Als Yeibgedinge für jeine Gemahlin beftimmte der Herzog Aland 
nebft dem Schloſſe Kaftelholm, die Stadt Raumo jowie die 
Kirchipiele Yetala und Lappo. Wichtiger war, daß der Lieb— 
lingsplan Johanns, in den Beſitz Iivländifcher Diftrikte zu 
gelangen, nunmehr verwirklicht wurde. Er lieh nämlich Sigis— 
mund Auguft eine Summe von 12000 Thalern und erhielt 
dafiir fieben livländiſche Schlöffer zum Pfande, welche zwijchen 
den ron den Polen und Schweden occupierten Gebieten lagen, 
und die Johann bis zur Wiedererftattung der ganzen Summe 
behalten jollte, wofern fie nicht innerhalb acht Jahren ein- 
gelöft wären. Auf ſolche Weije wollte ſich der Herzog, nach— 
dem die Feindjeligfeiten zwijchen Schweden und Polen bereits 
begonnen hatten, als neutrale Macht zwijchen die Kämpfer 
werfen, eine Stellung, die fi um jo weniger haltbar erwies, 
als er durch das Band der Unterthanentreue mit einem biejer 
beiden Kämpfer verbunden war. Schon das Geldvarlehen an 
Polen bildete eine an ein Verbrechen grenzende Handlungs— 
weiſe und wurde als jolche denn auch von König Erich be- 
trachtet. 

Die Neuvermählten kehrten auf dem Landweg über Riga 
und Reval nach Finnland zurüd. Über das Yeben, welches 
in der nun folgenden Zeit auf dem Schloſſe Abo geführt 
wurde, bejigen wir nur dürftige Nachrichten, welche indejjen 
erfennen laffen, daß man am herzoglichen Hofe einen fürft- 
lichen Prunk und Staat entjaltete ). Während jich aber 
der Herzog und jeine Gemahlin ihres jungen Cheglüds er- 
freuten, zog von Schweden ber ein drohendes Unwetter herauf. 
Schon Anfang 1563 forderte König Erich ausdrücklich, der 
Herzog jolle auf die livländiſchen Schlöffer Verzicht leiſten 
und bejtimmt erklären, ob er zu Polen oder zu Schweden 
halten wolle. Der Herzog erwiderte, er jei nicht geneigt, auf 
die Schlöffer zu verzichten, die er zum Pfand erhalten; übri- 
gens könne er die Urſache von Erichs Argwohn nicht begreifen, 
da er ja jederzeit gegen König und Reich Treue bewiejen ?). 

1) ®gl. $ant, De luxu Johannis ducis Finlandiae (Upiala, 1797). 

2) €. Annerftebt, Grundläggningen etc., p. W. 





UNIVERSITY . 
., Or Ä 

each, 'FORNI\E 
— — — 





126 Zweite Beriode. Das Zeitalter Guftav Waſas und feiner Söhne. 


In dieſem bitteren Ton wurde der Briefwechjel fortgeführt, 
bis ein Ereignis eintrat, welches den Streit zum offenen Aus— 
bruch brachte. Einer der früheren Diener Herzog Johanns, 
der finnijche Edelmann Johann Bertilsjon, trat nämlich Früh— 
jahr 1563 in Upland auf, äußerte fich in verächtlichen Worten 
über König Erich und machte dunkle Andeutungen, daß jeın 
Herr ſich bis zur nächſten Michaelimejje der Regierung be- 
mächtigen werde. Er wurde gefangen genommen und der 
Zortur unterworfen, worauf er befannte, daß er vom Herzog 
ausgejandt jei, um einen Aufruhr gegen den König anzuitellen. 
Nunmehr jehritt Erich zu energiihen Maßregeln gegen den 
Bruder. In einem Schreiben vom 23. April 1563 forderte 
er Johann auf, fich innerhalb drei Wochen in Stodholm zu 
verantworten. leichzeitig erging an die Stände der Befehl, 
jih am 1. Juni in der Hauptſtadt des Reiches einzufinden. 
Was Finnland betraf, jo jehrieb der König vor, daß die Vögte 
im Fürſtentum wie in den übrigen dortigen Provinzen je drei 
billig dentende Bauern „ernennen“ jollten, welche fich nebſt 
vier Geiftlichen aus jedem Diftrift und zwei angejehenen Bür- 
gern aus jeder Kaufftadt nach Stodholm begeben jollten. Im 
einem Brief an den Statthalter in Wiborg, Jakob Hen- 
riksſon Häjtesfo, Klagte der König ferner über die Anjchläge 
jeined Bruders und ermahnte zur Wachjamteit gegenüber dem- 
jelben. Endlich jandte er zwei zuverläjjige Männer, rich 
Guftafsjon Stenbod und Iwar Mänsjon Stjerntors, nad 
Finnland, um dort jeine Intereffen zu vertreten. Jene bemäch— 
tigten jich zweier vertrauten Ratgeber des Herzogs, welche 
nach ihrer Überführung nah Stodholm gegen ihren Herrn 
zu zeugen genötigt wurden. 

Jet erjt wurde es Johann Kar, in einer wie mißlichen 
Yage er fi befand. Er hatte auf feines Bruders Langmut 
und auf feine mächtigen Verbindungen im In- und Auslande 
gebaut, aber plötzlich merfte er, daß er einjam der ganzen 
Macht des Reichs gegenüberftand. Er berief jeine Rat— 
geber, unter ihnen Heinrich Klasjon Horn und Hermann 
Fleming; allein auch fie hielten die Lage für verzweifelt. 


König Erih XIV. und Herzog Iobann. 127 


Der erjtere befürmwortete eine Flucht Johanns und jeiner Ge- 
mahlin nah Danzig ')., Der Herzog ging auf diejen Nat je- 
doch nicht ein, jondern zog es vor, mit gewaffneter Hand König 
Erih die Spige zu bieten. Aber hierbei wollten die finnijchen 
Ratgeber, jo feierlich fie auch ihre früher dem Herzog ge- 
leifteten Treueide erneuert hatten ?), dieſem nicht zur Seite 
jtehen, jondern fie wandten ſich nach Schweden, wo fie jpäter, auf 
dem Stodholmer Reichstage, jogar gegen ihren Herrn aus— 
jagten. Ihrem Beijpiel folgten fajt alle Mitglieder des höheren 
finniichen Adels, welche jich ehedem Johann angejchloffen hatten. 

Am 7. Duni erklärten die in Stodholm verjammelten 
Stände, Iohann habe „Yeben, Gut und Erbrecht“ vermwirft. 
Allerdings wurde ihm nod Gelegenheit geboten, ſich mit dem 
König auszujöhnen. Zwei Sendboten, Hogenjtild Bjelke und 
Dlof Henritsjon, kamen nämlich nach Finnland, um im Namen 
des Königs dem Herzog einen Vergleich anzubieten, wojern er 
ſich fünftig nicht mehr mit den allgemeinen Neichsangelegen- 
heiten befaſſen, nicht ohne Einwilligung Erichs jein Fürftentum 
verlajien, auf das Recht freier Münzprägung verzichten wolle 
und bdergleihen mehr. Da indejjen nicht anzunehmen war, 
daß jih Johann in jo demütigende Beitimmungen fügen würde, 
jo erging am 13. Juni ein Befehl an die Bewohner des 
Herzogtums, am Kampfe gegen den Herzog teilzunehmen, 
welcher nicht nur Finnland vom Reiche habe loslöjen, jon- 
dern auch Erich der königlichen Würde entkleiden wollen. Schliep- 
ih nahm der König diejenigen Finnen aus dem Herzogtum, 
welche den Reichstag bejucht hatten, gegenüber einer vonjeiten 
des Herzogs möglichen Rache in jeinen bejonderen Schuß ?). 
Die gleichzeitig nach Finnland entjandte Truppenmacht belief jich 
auf etwa 1000 Reiter und 9000 Mann Fußvolf unter dem Befehl 
von Heinr. Klasjon Horn, Herm. Fleming, Iwar Mängjon 


1) $ryrell, Handlingar rörande Sveriges historia III, 24 (Stod: 
bolm, 1839). 

2) Erflärung Heinr. Klasions vom 6. Juni 1562: Bomansjon, 
Hertig Johan etc., p. 10. 

3) Arwidsſon J. c. X, Tösgg. 


128 Zweite Periode. Das Zeitalter Gnitav Wajas und feiner Söhne. 


(Stjerntors), Klas Eritsjon Fleming jowie anderen Edelleuten, 
die vordem größtenteild in des Herzogs Dienſten gejtanden. 

MWenngleih Johann jeine Unterwerfung unter die leßten 
Bedingungen Erichs ftolzen Sinnes verweigerte, jo fonnte er 
fich doch nicht verhehlen, daß die Kriegsmacht, über welche er 
verfügte, der des Bruders nicht zu widerftehen vermochte. Er 
wandte jich daher an die Gejamtheit der Bevölkerung in feinem 
Fürftentum und begehrte ihren energijchen Beijtand, indem er 
das Volk zur Zeit der Heinrichsmefje nach Abo berief und in 
einer Rede den Verſammelten Harzumachen juchte, daß er jelbit 
alles gethan habe, um die Eintracht mit dem Bruder aufrecht- 
zuerhalten. Als er jchlieglich fragte, ob ihm die VBerjammelten 
beiftehen wollten, da der König ihm jo viel Unrecht zugefügt 
babe, antworteten jie mit ja, jchwuren ihm einen Eid und 
„bejiegelten“ denjelben '). Daß fih Johann joldhergeftalt an 
das Volk wandte, zeigt, daß er das Vertrauen besjelben zu 
bejigen glaubte, und in der That ift es wahrjcheinlich, daß 
jih der junge Fürft dur Milde und Freigebigkeit Sympa— 
thieen erworben hatte. Aber nur zu bald ftellte es fich her— 
aus, daß die Gefühle des Volkes ein allzu loderer Boden waren, 
als daß irgendetwas von Beitand darauf hätte erbaut werben 
fünnen. 

Die Truppen des Königs zogen ſich nämlich bereits bei 
Abo zujammen, deffen Belagerung Anfang Juli begann. Der 
Herzog, welcher weder aus Polen noch anderswoher auf Ent- 
ja hoffen konnte, ſah ſich bei der Verteidigung ausjchließlich 
auf die Schloßbejagung angewiejen, welche etwas über 1000 
Mann betrug, zumeiit Schweden und Finnen, aber auch eine An- 
zahl Deutiche und Polen. Es gelang Johann, einen Sturmverfuch 
abzujchlagen, und wahrjcheinlich würde die Belagerung geraume 
Zeit erfordert haben, wäre nicht unter der Bejagung eine 
Meuterei entjtanden. Die jchwediichen Soldaten äußerten laut, 
der Herzog jet, wie jie jelbt, ein Unterthan des Königs. Sie 


1) Magn. Sveberus, Stockholms magasin III, 31—37 (Stod- 
bolm, 1781). 


Johann gefangen (1563) und König (1568). 129 


drohten, den Herzog nebjt jeiner Gemahlin an Erich ausliefern 
zu wollen, und flüchteten zahlreich ins fünigliche Yager. Da 
die Yage auf jolche Weije mit jevem Tage verzweifelter wurde, 
fapitulierte Johann jchlieglih am 12. Auguft 1563. 

Im Jahre 1567 erhielt Herzog Johann, der jeit 1563 
auf Schloß Gripsholm in Schweden das traurige Los eines 
Gefangenen geführt hatte, jeine Freiheit wieder. Gleichwohl 
war er jeined Yebens nicht jicher, da der Verfolgungswahnjinn 
König Erichs, defjen bedauernswerte Opfer jchon 1567 einige 
Mitglieder des hochangejehenen Gejchlechts der Sture geworden 
waren, im Frühjahr 1568 zu erneutem Ausbruch gelangte. 
Unter jolchen Umſtänden reifte bei dem Herzog und feinem 
jüngeren Bruder Karl der Entjichluß, an der Spike des höchſt 
unzufrtedenen Adels eine Erhebung gegen Erich ins Werk zu 
jegen. Die Verſchwörung gelang, und am 29. September 1568, 
wenige Wochen nach der Vermählung des Königs mit der 
Korporalstochter Katharina Miänsdotter, fiel legterer im die 
Hände der Brüder. 

Als der Aufruhr ausbrach, hatte Erich jeinen Kriegshaupt- 
mann Iwar Mänsſon Stjernfors nah Finnland geſchickt, um 
Hilfe zu ſchaffen; dieſer erflärte fich aber, da er ſah, daß 
Erihs Stern im Niedergange begriffen jei, zugunften Johanns 
und brachte Schloß Abo in die Hände desjelben. Neben ihm 
erhielt Hans Yarsjon Björnram den Oberbefehl im Yande. 
Der einzige finniiche Edelmann, gegen den Johann jeit alter 
Zeit Groll gehegt zu haben jcheint, und dejjen Widerjtand 
er befürchtete, war der hochverdiente Befehlshaber in Ejthland, 
Heinrich Klasjon Horn. Demgemäß befahl er denn auch, daß 
die nächiten Anverwandten Horns in Finnland gefangen ge- 
nommen und als Unterpfand für jeine Treue bewacht werden 
jollten. Gleichzeitig wurde Heinrich Klasſon anbefohlen, jich 
niemals ohne bejonderen Befehl vor den Augen des Könige 
bliden zu laſſen und fich bis auf weiteres auf jeinen finniſchen 
Gütern aufzuhalten. König Johanns Befürchtungen waren 
jedoch wenig begründet; denn Heinrich Klasſon lieferte, ohne 

Schobergſon, Geſchichte Finnlande. 9 


130 „Zweite Periode. Das Zeitalter Guſtav Waias und jeiner Söbne. 


Schwierigfeiten zu machen, die ſchwediſchen Befigungen in Ejth- 
land und Livland an die Bevollmächtigten Johanns aus !). 

Das Schidjal König Erich, welcher am 25. Januar 1569 
auf dem Stodholmer Reichstage für abgeſetzt erflärt wurde, 
war tief traurig. Nach einer harten Gefangenjchaft in Stod- 
bolm wurde er im Juli 1570 nach Finnland gebracht, wo er 
zunächft auf Schloß Abo, jeit 1571 auf Kaftelholm als Ge- 
fangener weilte. Da wiederholentlich Verſchwörungen zu jeinen 
Gunften entdeckt wurden, brachte man ihn jchließlich nach Schwe- 
den zurüd. Am 26. Februar 1577 ftarb er auf Schloß Orbyhus 
in Upland, vermutlich durch Gift, welches ihm König Johann 
hatte beibringen laffen. Seine Tochter Sigrid vermählte jich 
jpäter mit einem der vornehmiten finntjchen Edelleute, dem Ober- 
landrichter im nordfinnifchen Gerichtsiprengel, Heinr. Klasſon 
Tott. Die verwitwete Königin Katharina erhielt von Johann 
bedeutende Leben, u. a. den Königshof Liukſiala im Kirchipiel 
Kangajala mit 26 dazu gehörigen Gehöften. 

Finnland war unter Erich in derjelben Weije verwaltet 
worden, wie unter der Regierung jeines Vaters. Im den 
erjten Jahren jtand Guftav Finde an der Spike der Yandes- 
regierung. Im den Jahren 1564 und 1565 fungierte Jakob 
Henriksjon Häſtesko in Finnland als „Gubernator“; doch trat 
gegen Ende des legtgenannten Jahres Finde wieder in jein altes 
Amt ein, um e8 bis zu jeinem Tode (1566) in verdienftvoller Weije 
auszuüben. Seine Nachfolger, zunächft (bi8 1568) Iwar Mäns- 
jon Stjernfors jowie jpäter Nils Boije und Hans Yarsion 
Björnram, haben feine bemerkenswerten Spuren ihrer Thätigfeit 
binterlaffen. Cine bejtimmte amtliche Gewalt jcheinen jene 
Männer nicht bejejjen zu haben; jie ragten aus der Mitte der 
übrigen Hauptleute nur deshalb hervor, weil die Regierung 
in allererjter Reihe an fie ihre Befehle richtete und auf ihre 
Außerungen ein bejonderes Gewicht legte. Außer den alten 
Klagen über Willfür der Vögte und Beamten vernimmt man 


1) Bgl. Arwidsionl.c. X, 169 und Thure Annerftedt, Svenska 
väldet i Liffland 1564—1570, p. 42 (Gothenburg, 1877). 


Finnlands Berwaltung unter Erih XIV. und Iobann III. 131 


jegt auch neue Bejchwerden, welche durch die Folgen der von 
Erich eingejchlagenen Großmachtspolitif hervorgerufen worden 
waren. Die Truppen nämlich, welche nah Ejthland und Livland 
gejandt wurden, pflegten durch Finnland zu marjchieren oder 
dort, zu großer Beläftigung der Einwohner, Winterquartiere 
zu beziehen. 

Unter Johann III. wurde Finnlands erſte Grafichaft ge- 
jtiftet. Bei feiner Krönung verlieh der König der Witwe bes 
im Kampfe gegen Erich gefallenen Sten Eriksſon Lejonhufvud, 
Ebba Yejonhufvud, den gräflichen Titel, und am 25. Dezember 
1569 fertigte er für fie einen Schenfungsbrief auf die Grafichaft 
Rajeborg aus, welche durch die Schenkungsurfunde vom 
25. Juni 1571 noch erweitert wurde, jo daß fie die Stadt und 
das Gut Efenäs, die Kirchipiele Karis und Ingo jowie den 
Hof Zotula im Sprengel Yojo mit allen daſelbſt befindlichen 
Zind-, Kron-, Präbende-, Klofter- und Kirchbauern umfaßte. 
Im Jahre 1585 erhielt der ältefte Sohn der Gräfin, Arel, 
das Lehen. Gleichzeitig empfing Klas Eriksſon Fleming, welcher 
bald großen Ruf gewann und jchon damals ein bedeutender 
Mann war, den Titel eines Freiherrn zu Vik nebjt einem 
Lehen, welches ungefähr 150 Gehöfte in den Kirchipielen 
Sjundei (Nyland) und Portas (Tawajtland) in jich jchloß. Die 
Grafen und Freiherren erhielten eine ausgedehnte juridifche 
und abminiftrative Gewalt, wodurch ihre Beſitztümer faft zu 
wirflichen Fürftentümern wurden ). 

Diejenigen Mitglieder der finnifchen Ariftofratie, zu denen 
Johann in einem geipannten Verhältnis geitanden, juchte er 
an ſich zu feſſeln. Heinr. Klasjon Horn und Herm. Fleming 
hatten allen Anlaß, jeinen Zorn zu fürchten, wurden aber, 
nachdem jich die erften Befürchtungen des neuen Königs ge- 


1) Bgl. A. G. Ablavift, Om aristokratien under Johan den tredjes 
regering, p. 8—10 (lpfala, 1864) und ©. Forsgren, Bidrag till 
Svenska gref och friherreskapens historia, Bd. I (Stodholm, 1885). — 
Zwei finnijche Edelleute, Lars Fleming (der Sohn von Iwar Fleming) und 
Klas Kriftersion Horn, waren bereit8 1561 von Erih XIV. in ben 


Freiberrenftand erhoben worden. 
9* 


132 Zweite Periode. Das Zeitalter Gujtav Waſas und jeiner Söhne. 


legt hatten, von ihm mit Achtung behandelt und mit wich: 
tigen Staatlichen Aufträgen betraut. Auch gegen die übrigen 
Edelleute, welche an der Belagerung von Abo 1563 teilge- 
nommen hatten, zeigte Johann Milde. 

Das Yand, in welchem Johann den größten Zeil jeiner 
Jugend verbracht Hatte, scheint ihm auch nach der Thron: 
bejteigung ebenjo lieb wie früher gewejen zu jein. So jchrieb 
er beiipielsweife 1571 beim Ausbruch des ruifischen Strieges, 
dal; Finnland nicht „außerhalb des Reiches“ jtände, „jondern 
der größte und vornehmfte, zur Krone Schweden gehörige 
Yandesteil* wäre; gleichzeitig lobte er die Bewohner Finnlandg, 
weil fie jederzeit dem jchwediichen Reiche treu und geborjam 
geblieben, weshalb ed auch nicht chriftlich jein würde, fie hilf- 
[08 den Händen der Heiden preiszugeben '). Die wohlwollende 
Sefinnung, die in diejen und anderen Worten des Königs ?) 
zum Ausdrud gelangte, hatte indefjen für Finnland nur geringen 
Nugen. Im Gegenteil war die Regierungszeit Johanns II. 
für dies Yand wegen friegeriicher Wirren und innerer Miß— 
verhältniſſe unruhig und unbeilvoll. 

Der wunde Punkt in der Stellung Johanns war das 
Verhältnis zu Rußland. Zar Iwan IV., genannt der Schred- 
liche, hatte das Gebiet jeines Neiches beträchtlich erweitert und 
wandte nunmehr jeine vaubgierigen Blide gen Wejten. Per— 
jönliher Groll gegen Johann machte ihm die Thronver— 
ünderung in Schweden bejonders unliebjam. War doch diejer 
jein begümjtigter Rival gewejen, als fie ſich beide um die 
Hand von Katharina Jagellonica bewarben. Später hatte er, 
icheinbar mit Erfolg, von Erih XIV. das Verjprechen der 
Auslieferung Katharinens zu erwirken verjucht; ein Ver— 
langen, welches Johann als einen ihm zugefügten groben Schimpf 
betrachten mußte. Hierzu fam, daß anderjeits die Gejandten 
Iwans, die jich in Stodholm eingefunden hatten, um Katharina 
in Empfang zu nehmen, von dem erbitterten Volke mißhandelt 


1) „Abo tidning‘ (1782), p. 335. 
2) NReichsregiftratur, den 24. Oft. 1574: „Schwed. Reihsarhiv“. 


Iobann und Iwan IV. 133 


und auf der Rückreiſe lange in Finnland fejtgebalten worden 
waren. Unter jolden Umſtänden kann es faum befremben, 
daß ſich der beiderſeitige Unwille in Schmähbriefen gewaltiam 
Luft machte. Es gereicht Johann aber zur Ehre, daß er noch 
einmal (Sommer 1569) durch Abjendung einer Yegation, an 
welcher u. a. auch der Biichof von Abo, Paul Iuuften ) teil- 
nahm, einen ernſthaften Verſuch zur Aufrechterhaltung des 
Friedens machte. Doch jcheiterte diefe Sendung, deren aben- 
teuerlide Schickſale Juuſten in einer ausführlichen Ytelation 
beichrieben bat ?), zum Teil an dem unvorfichtigen Auftreten der 
Sejandten, namentlich aber an der geringen Friedensneigung 
Iwans. 

Als die Geſandten nach langer Gefangenſchaft im Februar 
1572 heimkehrten, hatte der Krieg zwiſchen Schweden und 
Rußland ſchon mehr als ein Jahr fortgedauert. Er wurde 
hauptſächlich in Eſthland und Ingermanland ausgefochten, ver— 
zweigte ſich aber unabläſſig nach Finnland, deſſen Zuſtände 
auch ſonſt dadurch beeinflußt wurden. Bald rückten feindliche 
Haufen plündernd in das Land, bald wurde letzteres von ſchwe— 
diſchen und ausländiſchen Truppen durchzogen, die Unterhalt 
forderten, bald wiederum wurden die eigenen Mannen des 
Yandes aufgeboten, um gegen den Feind zu ziehen *). 

Eine vom Könige ausgefertigte Inftruftion, betreffend Die 
Veitung des Krieges in Finnland, zeugt hinreichend davon, daß der 
arößte Teil des Yandes fich jelber überlaffen war. Die Heeres- 
abteilungen jollten bet Wiborg und Nyſlott zuſammengezogen, 
dieje Feitungen verjtärkt und mit dem erforderlichen Provtant 
verieben werden. Die Bevölkerung der Provinzen Wiborg und 
Nyſlott wurde angewieien, bei einem Cinfalle der Ruſſen mit 
ihrer Habe im den genannten Feſtungen Schut zu juchen. 


1) Paul Juuften wurde 1563 Nachfolger von Peter Follingius auf 
dem Aboer Biichofsftuhle. Vgl. unten, S. 139, Anm. 2, und ©. 140. 

2) Abgedrudt bei Porthan 1. c. Opera selecta III, 383—419. 

3) Eine detaillierte Schilderung der kriegerifchen Ereignifie in Finnland 
bis 1575 giebt W. Tavaitftierna, Lisätietoja Suomen sotahistoriaan 
Juhana III hallituksen alkuvuosilta (Helſingfors, 1875). 


134 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Waſas und feiner Söhne. 


Diejenigen, welche ſich nicht auf ſolche Weiſe retten fönnten, 
jolften fich nach Norden oder in die Provinz Borgi begeben. 
Später jollte der Yandjturm zujammentreten, und zwar aus 
den Provinzen Nyilott, Wiborg und Borga alle fampifähigen 
Streiter, jowie aus den Provinzen Tawaſtehus, Abo, Najeborg 
und Satafunta jeder fünfte Mann’). 

Schon zur Weihnachtszeit 1570 und im Februar 1571 
zeigten fich in Finnland bier und da ruſſiſche Streifcorps, und 
im März 1571 erfolgte ein dritter Einfall. Allerdings wurde 
noch 1571 das einheimijche Kriegsvolk durch Verſtärkungen 
aus Schweden auf etwa 8400 Mann zu Fuß umd 2400 Reiter 
gebracht, aber umglüclicherweiie erhielt Guſtav Bandr, ein 
junger, unerfahrener Edelmann ohne jtrategiiche Begabung, 
den Oberbefehl, unter Übergehung des alten und erprobten 
Heinrih Klasjon Horn. Die Unthätigfeit Bandrs im Frühjahr 
1572, während die Rufjen von neuem das jchwediiche Karelien 
durchitreiften, erregte jedoch die Unzufriedenheit Johannes, und 
der Oberbefehl in Finnland wurde Herm. Fleming übertragen ?). 
Diejer unternahm Ende 1572 und Anfang 1573 einen Zug 
in die Umgegend von Kexholm. Doc fehlte auch jett ein 
allgemeiner Plan bei der Yeitung des Krieges. Durch die 
Plünderungszüge aber wurde nichts anderes ausgerichtet, als 
daß der alte Haß zwijchen den Grenzbewohnern zu neuem 
Yeben erwachte und die Früchte Ianajähriger Bemühungen ver 
nichtet wurden. 

Unter diejen Umjtänden wiünjchten die leitenden Männer 
in Finnland nichts jehnlicher als eine Cinftellung der Kriegs— 
operationen. Da auch die rujfiichen Befehlshaber dazu bereit 
waren, wurde bereits Ende 1573 ein Waffenftillftand geichlojjen, 
welcher bis zum Juni 1574 währte Gleichzeitig wurde Die 
Frage einer am Spfterbäd abzuhaltenden Friedenskonferenz 
angeregt, und nach langwierigen Unterbandlungen fam eine Zu— 


1) Brief an Hans Parsfon Björnram, 4. Dezember 1570: „Schwer. 
Reichsarchiv“. 
2) Die Vollmacht Flemings iſt vom 6. Sept. 1572 daliert. 


Der Krieg mit Rufland 1570—1573 und 1577—1581. 135 


jammenfunft im Juli 1575 wirklich dort zuftande. Es wurde 
ein zwetjähriger Waffenftillftand vereinbart, welcher am 20. Juli 
1575 beginnen und nur für Finnland, nicht aber für Eſthland 
oder Livland Gültigkeit haben jolfte. 

Während Finnland auf ſolche Weife eine Zeit lang vom 
Kriege verichont blieb, nahm der Kampf ſüdlich vom Finniichen 
Meerbuien jeinen Fortgang. Indeſſen traten feine bemerfens- 
werten Ereigniſſe auf dem Kriegsichauplaße ein, bis der Zar An- 
fang 1577 eine bedeutende Heeresmacht aufbot, um Reval, den 
eigentlihen Stügpunft der ſchwediſchen Herichaft, zu erobern. 
Die Folge hiervon war, daß der 1575 abgeſchloſſene Waffenitilf- 
ftand vor jeinem Ablauf von den Rufen gebrochen wurde, 
indem während der Belagerung Revals (Februar 1577) ta— 
tariiche Reiter über das Eis nach Finnland gingen und längs 
der nyländiſchen Küſtenſtrecke plünderten. Die Befehlshaber 
in Finnland, Klas Atesion Tott und Hermann Fleming, ver 
jagten jedoch die ummwillfommenen Gäſte, bevor jie großen 
Schaden hatten anrichten fünnen. In den nächjten Jahren wur— 
den von beiden Seiten Kriegszüge unternommen, die nicht von 
hoher Bedeutung waren; aber 1580 nahm der Krieg eine 
neue, für Schweden bejonders vorteilhafte Wendung. Nach 
Hein. Klasſon Horn hatte damals der Franzoſe Pontus de la 
Sardie den Oberbefehl über die in Finnland wie in den Djt- 
jeeprovinzen befindlichen Truppen erhalten. Zunächſt wandte 
fich derjelbe gegen die Feſtung Kerbolm. Ende Oftober 1580 
rücte eine bedeutende Heeresmacht unter De la Gardies Ober- 
befehl, während Hermann Fleming, Heinrih v. Minnen und 
Arwid Henrifsion Tawaſt als Unteranführer fungierten, gegen 
jenen Plag, und jchon am 5. November fapitulierte diefer. Der 
in der damaligen Kriegsgeichichte oft genannte Goran Boije 
wurde der erfte jchwediiche Statthalter auf der Feſte Kerbolm. 

Das folgende Jahr 1581 brachte eine Reihe von glänzenden 
Siegen. Die Sicherung Eſthlands und die Eroberung des 
weitlihen Ingermanlands waren die Ergebnifje des Feldzuges, 
welcher zur Stärfung von Schwedens Macht und Autorität 
wejentlich beitrug. Stolz über den Erfolg, vielleicht auch 


186 „Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Waſas und jeiner Söhne. 


dankbar gegen die finnischen Truppen und Befehlshaber, welche 
ihn batten erringen belfen, verlied Johann III. Finnland den 
Titel eines Großfürftentums ). — In Finnland z0g der zum 
Hauptmann auf Nyflott ernannte Klas Hermansjon Fleming 
1581 mit 1500 Bauern, 500 Knechten und 56 Reitern über 
Dribvefi und Kidesjärvi in das Ornegagebiet und verwüſtete 
alles bis zum Aleranderflofter, worauf er über Impilaks und 
Sordavala nah Nyilott heimkehrte?). Die Nuffen ihrerjeits 
rüdten in das von den Schweden erit jüngjt eroberte fareliiche 
Pand und gingen dabei noch jchonungslojer und gewaltiamer 
zumwege, da der Zar wollte, daß die Provinz Kerbolm, wenn 
jie Schweden zufiele, eine möglichit wertlofe Beute wäre. Ein 
Angriff auf Kerholm wurde indefjen erfolgreich zurückgeſchlagen. 

In Ofterbotten, welches diesmal wie jo oft feine beiondere 
Kriegsgeichichte aufzumeiien hatte, war in den erjten Kriegs— 
jahren die Ruhe nicht geftört worden und der friedliche Ver: 
kehr zwijchen den Grenzbewohnern ununterbrochen fortgegangen. 
Aber im Frühling 1573 begann der Kriegslärm auch bis in 
jene Gegenden zu dringen. Leider gaben die Bewohner von 
Ofterbotten jelber hierzu Veranlaffung. Sie miichten jich 
in Streitigfeiten, welche im nördlichen Savolaks vor fich 
gingen, wobei fie auch über die ruſſiſche Grenze zogen und 
in weiten Umkreiſe Verheerung anrichteten. Hiermit war 
das Zeichen zu einem wilden Ausbruch der Rachiucht gegeben. 
Im Herbft 1574 juchten die Ruſſen die „Erämark“ von lei 
mit Feuer und Schwert beim, und das Jahr 1575 verfloß 
unter gegenjeitigen Plünderungszügen. Während der Dauer 
des Waffenftillftandes wurden die friedlichen Beziehungen zu— 


1) In einem Briefe vom 11. Juli 1581 dürfte fih Johann zum erften- 
male „Großfürſt über Finnland und Karelien“ genannt baben. Bgl. „Hi- 
storiallinen arkisto“ VIII, 343. 


2) Klas Hermansjon Flemings Memoriale chronicum seu index 
rerum memorabilium ab anno 1380 add. 10. Sept. 1591, in: E. Grön— 
bfab6 „Urkunder upplysande Finlands öden och tillständ i slutet af 
16: de och början af 17: de ärhundradet“. Andra flocken I, 6 Helſing— 
fors, 1856). 


Finnland „Großfürſtentum“ (1581). Waffeuſtillſt. m. Rußland (1583). 187 


nächjt wieder angefnüpft. Da aber König Iohann, von dem 
Gedanken an eine Eroberung Yapplands verleitet, jpäter von 
neuem den Beginn der Feindſeligkeiten anbefahl, wurden die 
Ebenen von Dfterbotten jeit 1578 wiederum mit Strömen 
Blutes übergofjen. Trogdem wurde erft im November 1579 
die Kriegsleitung in den nördlichen Gebieten einem „alten 
Knechthauptmann” Namens Hans Garp anvertraut, welcher 
den Auftrag erhielt, mit aufgebotenem Volk im nächjten Früb- 
jahr in das ruffiiche Lappland einzurüden; und als diejes 
Unternehmen unglüdlich ablief, verlor die Regierung jede 
Luft, die Bevölkerung Ofterbottens weiter zu unterftügen, wo— 
durch der Ffriegeriiche Mut ver letteren jehr gedämpft wurbde- 
In den folgenden Jahren wird denn auch von Kriegszügen 
gen Oſten nichts erwähnt, während die Ruffen unabläffig ihre 
Einfälle erneuerten. Die „Erämark“ von Ulei, das Küſten— 
land bis zum Kirchipiel Yimingo jowie die Flußthäler des 
Kemi und Tornesi wurden alljährlich verwüftet, und vergebens 
juchte die Bevölkerung den eigenen Herd zu verteidigen '). 
Auch auf dem Hauptfriegsichauplag waren die Jahre 1582 
und 1583 für die jchwediichen Waffen wenig erfolgreih. Da 
unter jolchen Umftänden die Zwedlofigfeit einer Fortſetzung 
des Krieges augenicheinlich war, famen die Monarchen beider 
Yänder jchließlich dahin überein, daß an der Mündung des 
Plinjafluffes in der Nähe von Narwa am 31. Juli 1583 eine 
Sriedensfonferenz abgehalten werden jollte. Man verabredete 
dort einen dreijährigen Waffenftillftand, welcher am 29. Juni 
1583 beginnen jolltee Innerhalb dieſer drei Jahre jollten 
Schweden wie Ruſſen im Bejite der von ihnen eroberten Plätze 
bleiben. Im folgenden Jahre ftarb Zar Iwan, und e8 begann 
eine Periode innerer Wirren in Rußland. Da fich bei einer 
neuen Konferenz im Herbit 1585 ebenfalls ein förmlicher Friede 
nicht vereinbaren ließ, jo wurde der Waffenftillitand bis 1590 
verlängert. In der „Erämarf“ von Wlei jowie im Küſten— 


DW. ©. Fontell, En blick pa Österbottens tillständ är 1571 
samt gränsfejden 1573— 1585, im Kalender „Valan“, p. 64 qq. (Helfing- 
fors, 1881). 


188 Zweite Periode. Tas Zeitalter Guſtav Waſas und jeiner Söhne. 


gebiet von Ofterbotten erfolgten jevoh noch 1585 — 1586 
Plünderungszüge '). 

Wir haben im Vorbergebenden nur zum Teil erwähnt, 
was die Bewohner Finnlands während des rujjiichen Krieges 
zu leiden hatten. Noch drüdender waren vielleicht die Laſten, 
die ihnen durch die zügelloje Wildheit der einheimijchen, ſchwe— 
dischen und deutichen Soldaten ſowie durch andere Beichwerungen, 
die der Krieg mit fich brachte, auferlegt wurden. Cine bejonders 
fürchterlihe Plage für die Bevölkerung war das jogenannte 
„Burglager“. Zur Zeit Guftav Wajas wurden die Soldaten 
bei Geiſtlichen, Edelleuten, Yehnsmännern und andern in einer 
bejonders vorteilhaften Stellung befindlichen Yeuten einquartiert, 
während die übrigen Erfordernijje für ihren Unterhalt in der 
Form von Steuerabgaben ausgejchrieben wurden, deren Er— 
bebung die gewöhnlichen Steuereinnehmer der Krone bejorgten. 
Schon damals Hagte das Volk über Bedrüdung: aber um 
vieles jchlimmer wurde es, als unter Erich XIV. und Johann IIT., 
vermutlich um eine schnellere Befriedigung der Bedürfniſſe 
der Soldaten zu ermöglichen, die Veränderung eingeführt 
wurde, daß die Soldaten jelber den Zins eintrieben. Selbit- 
verjtändlich erbielten die undisziplinterten Krieger hierdurch 
eine furchtbare Gewalt über die Bevölkerung, von welcher jie 
häufig weit mehr erpreßten, als ihnen geießlich zufam. Die 
offizielle Korreſpondenz der damaligen Zeit ijt denn auch 
reich an Berichten über die Yeiden, welche dem gemeinen 
Mann zugefügt wurden. Die wiederholten Ermahnungen 
Johanns ?) fruchteten wenig. Die Lage der Benölferung war 
bereits in den erften Kriegsjahren verzweifelt. Im Jahre 
1575 erhoben fich die Bauern in HvittiS und Yoimtjoft und 
vertrieben die in „Burglager“ verlegten Reiter ?). Später wird 

1) Diefe Züge erſtreckten fih bis nad Limingo. Bericht des Paftors 
Heinrih Yaurentius im Kirchſpiel Limingo über die Verheerungen ber 
Rufen in Öfterbotten 1585— 1586: „Finniſches Staatsarchiv“. 

2) Bal. 3. B. die Briefe des Königs vom 22. Oft. 1574 und 21. Juli 
1580: „Schweb. Reichsarchiv“. 


3) Jobann an Hermann Flemina, 5. Januar 1576: „Schwed. Reichs— 
archiv“. 


Kriegsleiden und -Laſten. 139 


erwähnt, ein Bauer habe mit einem „Keulenheer” gedroht, 
welches wegen der dem gemeinen Dann zugefügten Beleidigungen 
Rache nehmen werde !). Ienes Wort deutet auf die Ereignifje 
bin, die künftig während des „Keulenkrieges“ eintreffen joll- 
ten, zu welchem der Mißbrauch des „Burglagers“ eine we- 
jentliche Urjache bildete. Die drückenden Steuern und Poſt— 
fuhren (skjutsfärder) trugen gleichfall8 zur Verſchlimmerung 
der jchwierigen Yage des Volks bei. Freie Beförderung war 
benen bewilligt, die in Negierungsaufträgen reiten; aber 
mancher, welcher in Privatangelegenheiten reiſte oder nicht ein- 
mal Kronbeamter war, benußte dies, um von den Bauern un- 
rechtmäßigerweije freie Weiterbeförderung zu verlangen, ins— 
bejondere der Adel. Drohbriefe des Königs halfen wenig, 
einerjeits, weil die Macht des Adels infolge des Krieges in 
schnellem Wachstum begriffen war, anderjeits, weil der König 
unaufbörlich der Dienfte der Edelleute bedurfte und infolge 
dejjen nicht mit dem nötigen Ernfte dem Unfug zu jteuern 
vermochte. 

Auch auf dem Gebiete des firchlichen Lebens war die da- 
malige Zeit voll von Unruhe und Berwirrung Während 
aber in Stodholm und Upfala der Streit gegen die fatholijche 
Reaktion mit leidenjchaftliher Gewalt geführt wurde, merfte 
man in dem weit entfernten Finnland faum einige jchwache 
Anzeichen davon. Als die Fatholifch-liturgiichen Pläne zuerjt 
in Schweden auftauchten, war der greife und durch die Ge- 
fangenjchaft in Rußland körperlich wie geiftig gebrochene 
Paul Juuſten Biſchof im Stifte Abo ?), während Erich 
Härkäpäus den Biſchofsſtuhl zu Wiborg inne hatte. Beide 


1, Johann an Klas Akesſon Tott, 26. Febr. 1578: „Schweb. Neichs- 
archiv“. 

2) Paul Juuſten (geb. um 1517) ſtudierte in Wiborg und Abo, 
wurde 1540 zum Geiftlichen geweibt und begab ſich 1543 auf Martin 
Styttes Koften behufs Fortiegung jeiner Studien nad Wittenberg. Nach 
feiner Rücklehr (1547) wurde er Reltor an der Schule zu Abo (1548 bis 
1554), darauf erfter Biichof im Stifte Wiborg, welches er 1563 mit dem 
Aboer Biſchofsſtuhle vertaufchte. 


140 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Waſas und feiner Söhne, 


gehörten zu derjenigen Generation finniſcher Neformatoren, 
welche allerdings aus der Schule Puthers und Melanchthong 
hervorgegangen war, aber doch nur mit Gelafienheit und 
ohne Streitluft für die Befeftigung der Reformation wirkte. 
Juuſten ift als Schriftiteller nicht ohne Bedeutung. Seine 
finnifche Bifhofschronif, Chronicon episcoporum Finlanden- 
sium, eine mit Benutzung älterer Aufzeichnungen abgefaßte 
furze Schilderung der Schiefale der finniichen Biichöfe, be- 
fit noch heutigen Tages großen Wert als eines der wenigen 
übrig gebliebenen Denkmäler aus der älteren Geſchichte Finn— 
lands. Eine lateinijche Poftille, welche er während jeiner Ge— 
fangenjchaft in Moskau zum Gebrauch für die Prediger jeines 
Stifts ausarbeitete, wird als verdienftlich gerühmt, it jedoch 
niemals gedruckt worden und findet ſich jet nicht einmal 
mebr bandichriftlich erhalten ’). Für die Gemeinden verfaßte 
er ein Meßbuch und einen Katechismus, beide in finnifcher 
Spracde. Allein troß feiner Gelehrſamkeit und feines Eifers 
war Juuſten nicht eine hinreichend energiiche Perjönlichkeit, 
um Johann bei dejien papiftiichen Beftrebungen Widerjtand 
leiten zu fönnen. Nach jeinem Tode (22. Auguſt 1576) war 
der Biſchofsſtuhl von Abo mehrere Jahre hindurch verwaift, 
und ebenjo blieb nach dem Ableben von Härkäpäus (4. Februar 
1578) das biichöfliche Amt in Wibora unbejegt; zweifelschne, 
weil der König auf jolche Weije freiere Hand zur Durchführung 
jeiner Ubjichten zu haben hoffte. Grit am 4. Augujt 1579 
wurde der Dompropit zu Abo, Heinrich Knutsſon, bis auf weiteres 
zum Superintendenten im Stifte Abo verordnet. Die vielen Gunſt— 
beweije, die er von Johann empfing, jcheinen darauf binzudeuten, 
daß er den fatholiichen Tendenzen nicht abgeneigt war. Gerade 
damals richteten die Jeſuiten ihren Blick auch auf Finnland, in 
der Hoffnung, daſelbſt einen neuen Stammfit für den Katholi— 
cismus zu finden. Der päpftliche Yegat in Schweden, Poſſevino, 


1) Der Zitel dev Schrift lautete: „Explicationes evangeliorum do- 
minicalium et praceipuarum feriarum totius anni“. — Bgl. dazu: „Abo 
domkapitels eirkulärbref“, utg. af J Tengström och V.G. Lagus, 
p: 6 (Abo, 1896). 


Katboliiche Umtriebe (um 1580). 141 


betont in jeinen Briefen mehrmals, wie wünjchenswert es jet, 
daß finnische Bünglinge zum Eintritt in die Jejuitenjeminare 
zu Braunsberg und Olmüt bewogen werden möchten, und 
er weiſt darauf bin, daß der erjtgenannte Ort für einen jolchen 
Zwed bejonders geeignet erjcheine, weil er in der Nähe von 
Danzig läge, wo fich zahlreiche finnische Familien um des 
faufmänntjchen Betriebs und anderer Urjachen willen aufbielten. 
Söhne dieſer Familien fünnten in Braunsberg zu fünftigen 
fatholiichen Mijjionaren im der Heimat auferzogen werden. 
Olmütz wiederum, welches weiter entfernt jei, bejiße andere 
Vorzüge. Dorthin könnten Jünglinge gejandt werden, die 
nach ihrem Übertritt zum Katholicismus Verfolgungen jeitens 
der Ihrigen ausgejegt wären ’). Im den Aufzeichnungen, die 
wir über Schüler am jenen beiden fatholischen Yehranjtalten 
befiten, werden in der That einige junge Finnländer erwähnt. 
Der hervorragendite von den Schülern der Olmüger Schule 
war 1580 der acdhtundzwanzigjührige Dlaus Sondergelteus 
aus Finnland, der jeit 1579 den dortigen Unterricht genoß. 
Früher war er protejtantifcher Geiftlicher und ein heftiger Feind 
der katholiſchen Kirche geweien, allein jett hoffte man viel von 
jeinem Eifer für die Belehrung Finnlands. Er hatte einen 
Auftrag erhalten, welcher beweijt, daß jich die Jeſuiten mit 
der finniſch jprechenden Bevölferung Finnlands in Berbin- 
dung zu jeßen gedachten. Er jollte eine finnische Gram— 
matik schreiben und ven katholiſchen Katechismus in Das 
Finniſche überjegen. Valentinus Thoma aus Finnland trat 
1580 in das Braunsberger Dejuitenjeminar, wurde 1587 
nah Wilna gejchieft und erhielt jpäter ein Amt am polntjchen 
Königshofe ?)., An dem letgenannten Seminar gab es 1585 
drei Finnländer: Johannes Yufjoila, der jpäter Geiftlicher 
wurde, Joachim, welcher im den Jeſuitenorden eintrat, und 


1) Theiner, Schweden und feine Stellung zum heiligen Stuhl unter 
Johann III, Sigismund III. und Karl IX., I, 534 (Augsburg, 1838). — 
Dal. auch K. ©. Yeinberg, Om finske studerande i jesuitcollegier; 
in: „Hist. Ark.“ XI, 156—221 (Heljingfors, 1891). 

2) Bgl. über Thomä „ Historiallinen Arkisto‘‘ VII, 158. 


142 Zweite Periode. Das Zeitalter Guſtav Waſas und feiner Söhne. 


Michael Juſtäi, über deſſen jpäteres Geſchick wir feine nähere 
Kenntnis befigen 1). — In derjelben Zeit bemühte man jich 
um Wiederaufrichtung des Kloſters Nüdendal, welches da— 
mals nur noch von vier Nonnen bewohnt und dermaßen ver: 
fallen war, daß das Kloſterdach einzuftürzen drohte Im 
Jahre 1575 befahl König Johann, daß die Kirchipiele der 
Nahbarichaft zum Wiederaufbau des Klofters beitragen joll- 
ten ?). Noch eifriger zeigte fich hierin die Königin Katha— 
rina Jagellonica ?). Das Klofter blühte jedoch nicht wieder auf, 
die leiste Abtiſſin, Birgitta Knutsdotter Kurd, jtarb 1577, 
und wenige Jahre jpäter eriftierte mur noch eine einzige 
Nonne. — Nachdem das Bistum Abo jieben Jahre und das 
Bistum Wiborg fünfundeinhalb Jahr verwaiſt gewejen, beichloß 
Sobann auf die bis 1554 übliche Ordnung der firchlichen 
Dberleitung Finnlands zurüdzugreifen, indem er die Yeitung 
beider Stifte einer einzigen Perjönlichfeit anvertraute, jedoch 
jo, daß die beiden Bistümer nicht zufammengejchlagen wurden, 
jondern daß der Biſchof von Abo auch die bifchöflichen 
Amtsgejchäfte in Wiborg, deſſen Biſchofſtuhl unbejegt blieb, 
zu vollziehen hatte. Der wichtige Poften wurde am 8. Sep: 
tember 1583 an Gricus Erici übertragen, welder um 1545 
auf dem Gehöft Sorola im Kirchipiel Yetala geboren war. 
Derjelbe erwies jich als eifriger Förderer der katholiſchen 
Beitrebungen *) und jtieß hierbei nur auf geringen Widerjtand, 
da die Mehrzahl der finnijchen Geiftlichen noch nicht einen 
fejten rveligöjen Standpunft geiwonnen hatte. Außerdem waren 
in Finnland noch viele Zeremonieen aus fatholifcher Zeit 


1) Theiner l. ec. II, 315. 318. 327. 

2) Johann an die Nonnen von Nädendal, 8. Aug. 1576. „Schwed. 
Reichsarchiv“. 

3) Katharina an die Nonnen von Nadendal, 20. Mai 1575: Spe— 
gel, Skriftliga bevis hörande till Svenska kyrkohistorien ete., p. 116 
(Upfala, 1716). 

4) &8 beißt von ibm: „M. Ericus Gevaliae ludirector, Finlandiae 
consecratus antistes, Catholica fere pompa Upsaliae VIII Septembris, 
sub quo per Ecelesias Finlandiae Liturgia capit incrementum“: 
Meffenius, Scondia illustrata X, 33 (Stodbolm, 1703). 





Das kirchliche Yeben. Der Adel. 145 


gebräuchlich, jo daß die Veränderung an vielen Stellen kaum 
merfbar gewejen jein dürfte. Anderjeit8 muß jedoch zugegeben 
werden, daß Ericus in der Fürjorge für die Gemeinden Finn— 
lands, wo er wenigitens die äußere Ordnung aufrecht zu er- 
halten juchte, Ernjt und Eifer zeigte. 

Ein beachtenswerter finnijcher Schriftjteller jener Zeit war 
der Rektor an der Aboer Schule, Jakob Persſon Suomalainen 
(Finno), welcher auf Befehl Iohanns II. 1580—1583 in 
finnijher Sprache ein Gebetbuch, einen Katechismus und ein 
Pſalmbuch veröffentlichte. Sein Pſalmbuch verrät feineswegs 
größere poetijche Begabung, hat aber teilweije allen jpäteren 
Pialmbuchbearbeitungen in finniſcher Sprache zu Grunde ger 
legen. Er jtarb 1588. 

Während auf dem kirchlichen Gebiete die Unruhe zunahm, 
war die Macht der Arijtofratie in unabläffigem Wachstum be- 
griffen, und insbejondere errang der einheimijche finnijche Adel 
eine Stellung, die jih mit jeinem Einfluß zur Unionszeit 
und unter der Regierung Guſtav Wajas gar nicht vergleichen 
ließ. Die großen ausländijchen Kriege, welche dicht an den 
Grenzen Finnlands geführt wurden, bereiteten den finnijchen 
Edelleuten reiche Gelegenheit, fich auszuzeichnen. Die Familien 
Horn und Fleming hatten in faft erblicher Reihenfolge den 
Befehl über die Kriegsheere. Klas Alesſon Tott, Iwar Mäng- 
jon Stjerntors, Göran Boije, Bengt Severinsjon Yuuften 
u. ſ. w. nehmen ebenfalls in der damaligen Kriegsgeichichte einen 
bedeutenden Plag ein, und außer ihnen gab e8 Hunderte von 
anderen finnifchen Adeligen, welche ji in den Feldzügen 
durh Mut und Pflichttreue Anjehen erworben hatten. Biele 
von letteren empfingen von der Krone Yehen zur Belohnung; 
denn eine andere Form, erwiejene Dienſte zu vergelten, gab es 
bei dem völligen Geldmangel in der königlichen Schagfammer 
faum. Andere bereicherten jich durch Raub, Beute und Er: 
preſſungen. In demjelben Maße, in welchem ſich die Edelleute 
Reichtümer erworben hatten, waren fie auch im jtande, ber 
armen Krone Gold, Silber und Geld vorzuftreden, wofür fie 
als Pfand Güter mit dem Recht der Steuererhebung erhielten. 


144 Zweite Periode. Das Zeitalter Guſtav Waſas und jeiner Söhne. 


Wie vorteilhaft dieje Handelsbeziehungen mit der Krone waren, 
zeigt ein Verzeichnis von Gütern und Höfen, welche auf jolche 
Weije dem finnijchen Adel zum Unterpfande gegeben worden 
waren. Es iſt erjichtlich, daß jene im ganzen Yande zerjtreuten 
Pfandgüter die joziale Machtitellung des Adels in hohem 
Grade fteigerten ). Außerdem it zu beachten, daß der finnijche 
Adel damals noch wenig Beeinträchtigung durch die ſchwediſche 
hohe Ariftofratie erfuhr. Allerdings hatte fih Johann das 
Recht vorbehalten, faſt alle Nichterpoften in Finnland mit 
jeinen Höflingen zu bejegen, und demzufolge wurden jene wich- 
tigen Stellen, welche bisher von einheimijchen Edelleuten be- 
fleivet worden waren, bisweilen an Schweden verliehen; aber 
dies war eher Ausnahme als Regel. 

Der emporjtrebende finniihe Adel war mit den von 
Sohann III. erlajfenen, weitumfajjenden Adelsprivilegien noch 
nicht zufrieden, sondern juchte jich weitere Vorrechte an— 
jumaßen, unter Berufung auf das alte Herfommen, welches 
in Finnland vielfach als mit dem gejchriebenen Geſetz gleich- 
bedeutend erachtet wurde, jowie mit Nücjicht darauf, daß jie 
in eimem der Gefahr ausgejegten Grenzlande lebten. Sie 
verlangten das echt freier Pojtbeförderung (skjuts) für jich 
jelbjt wie für ihre Yandbauern. Sie verboten legteren, Steuern 
zu zahlen oder die zum Unterhalt der Diftriktsrichter be- 
jtimmten Abgaben zu erlegen, und behielten vielmehr die Steuern 
ihrer Bauern für eigene Rechnung. Sie begehrten jogar 
Befreiung von der Erlegung des Zehnten an die Geiftlichkeit. 
Der König wies ihre Anjprüche mit Unwillen zurüd; doch 
ließen jich die Mißbräuche nicht bejeitigen, und Finnland blieb 
das gelobte Yand der Bauernpladerei. 

Der beftändige Kriegszuftand hatte einer auf der Grenze 
jwijchen der eigentlichen Arijtofratie und den Bauern jtehende 
Klaſſe, den jogenannten „Knappen“, erhöhte Bedeutung ver: 
ltehen. Schon jeit langer Zeit, jogar vor dem Regierungs— 
antritt Guſtav Wajas, hatte man Bauern Steuerfreiheit für 


1) „Register uppa the gods och gärdar, som adeln hafver till 
underpant i Finland“. „Schmwed. Reihsardiv“. 


ii 


Die Bebrüdung der Bauern. 145 


ihre Güter als Belohnung für ihre Kriegsdienfte gewährt. 
Diejer Gebrauh gewann jpäter unter Erih XIV. und Jo— 
bann III., wo alle Mittel zur Berftärfung der Kriegsmacht 
Anwendung fanden, immer mehr Verbreitung. Es gab viele 
hunderte jolcher Knappen, die namentlich in den Provinzen 
Wiborg und Nyjlott, aber auch in anderen Yanbesteilen an— 
gefiedelt waren. Die Steuerbefreiung brachte feine Standes- 
veränderung ober einen Genuß der ſonſtigen Adelsprivilegien 
mit fich; indeffen erhoben fich die Knappen um jo leichter über 
die jteuerpflichtige Bevölkerung, als die Standesgrenzen noch 
nicht genau beftimmt waren. Sie behandelten die Bauern 
nicht weniger übermütig, als e8 die Edelleute thaten ). — 
Auch die niederen abminijtrativen Beamten machten fich nach 
alter Gewohnheit die wehrloje Tage der Bauern zu nuße. 
Sie glaubten gegen die legteren um jo jtrenger verfahren zu 
müffen, als diejelben, wenn jich die Gelegenheit darbot, fich 
häufig auch der Erfüllung ihrer gejeglichen Verpflichtungen zu 
entziehen trachteten. 

Der gemeine Mann unterließ es nicht, beim König über 
die drüdende Lage Klage zu führen. Beachtenswert erjcheint 
eine Bejchwerdejchrift, welche 1589 von etwa 300 Männern 
aus dem Bolfe eingereicht wurde, die jih nah Stodholm 
begeben hatten, um dort Hilfe zu ſuchen. Die Schrift, worin 
u. a. auf die Beſtechlichkeit der Richter hingewieſen wird, 
ihließt mit einer Betonung der Befürchtungen, daß die Bauern 
in Finnland gleich denen in Pivland gänzlich dem Verderben 
anheimfallen würden ?). 

Der König juchte mündlich wie jchriftlich den Mißbräuchen 
zu ſteuern und die gejegliche Ordnung wieder herzuſtellen. 
Daß indejjen hierdurch wenig ausgerichtet wurde, geht daraus 
bervor, daß fich diejelben Klagen häufig wiederholten, wobei 
auch die höchften Beamten des Yandes micht frei von Be— 


1) Bol. dazu W. ©. Lagus, Undersökningar om Finska adelns 
gods och ätter, p. 549sqq. (Helfingfors, 1857—1860). 

2) Vgl. Arwidsion 1. c. VI, 344; VII, xıv. 

Schybergſon, Geſchichte Finnlande. 10 


146 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Wajas und feiner Söhne. 


ichuldigungen blieben. Im Sabre 1587 wurde Graf Arel 
Lejonhufvud zum Statthalter in den Gerichtsiprengeln von 
Nord: und Süpdfinnland ernannt, während der Farelijche 
Gerichtsiprengel, welcher die Provinzen Wiborg, Nyſlott und 
Kymmenegärd umfaßte, unter Klas Afesjon Totts Botmäßig— 
feit jtand. Bei diejer Gelegenheit erhielt Graf Arel den 
Auftrag, auf alle Ungejeglichkeiten ftrenge Obacht zu geben, 
zu welchem Behufe ihm ein Kämmerer, Joen Yoensjon, nebſt 
drei Kammerjchreibern mitgegeben wurde. Da fich indefjen 
auch diejer Ausweg wenig zwedmäßig erwies, nahm Johann 
zu jtrengeren Mitteln jeine Zuflucht und erteilte 1588 dem 
Grafen den Befehl, ohne Scheu alle Vögte und Diftrift- 
jchreiber, welche jeit zwei Jahren im Dienft gemwejen, jo- 
wie ihre Untervögte und Unterjchreiber gefangen nehmen zu 
laffen. Wie die Sache ver finnijchen Vögte jpäter ablief, 
wiffen wir nicht; daß dem Übel durch Lejonhufvuds Maß— 
nahmen nicht abgeholfen wurde, erjcheint indeffen um jo glaub- 
licher, als er jelbft einer der jchlimmften Quälgeifter der 
Bauern war !). 

Alle dieje inneren Spaltungen waren um jo gefährlicher, 
als Anfang 1590 der Krieg mit Rußland von neuem ent- 
brannte. Es wurden große Anjtrengungen gemacht, um die 
Herrichaft der Ruſſen am Weißen Meere zu brechen oder wenig— 
jtens Schweden dajelbjt fejten Fuß zu verichaffen. Der Haupt- 
mann in Ofter- und Wefterbotten, Per Bagge, gründete 1590 
an der Mündung des lei eine Feſtung, welche dazu beftimmt 
war, jowohl als Mittelpunkt für die Verteidigung Oſterbottens 
wie als Waffenplag für eine Qiruppenabteilung zu dienen, 
welche mit Unterftügung von Bauern aus Wefter- und Ofter- 
botten die ruſſiſchen Gebiete am Weißen Meere angreifen 
jollte. Ende 1590 drangen Bauernjcharen unter Führung des 
Bauern Bejainen aus Jjo in das ruffiiche Lappmarken und 


1) Bgl. 3. B. Holger Andersjons Beichwerbefhrift im „Finniſchen 
Staatsarchiv“ jowie Grönblad, Urkunder upplysande Finlands öden 
och tillständ i slutet af 16de och början af 17 de ärhundradet I, 3, 121. 
Anhang (Helfingfors, 1846). 


Neuer Krieg mit Rußland (1590— 1592). 147 


wagten jogar einen Angriff auf die Stadt Kola in der Nähe 
der Küjte des Eismeeres; doch fonnte die Stadt nicht erobert 
werden. Während des Rückzuges wurde der tapfere Veſainen 
von einem ruſſiſchen Gefangenen ermordet. Kurz darauf er- 
folgte ein zweiter vergeblicher Angriff auf Kola jeitens einer 
regulären Truppenmacht unter Hans Larsfon. Dieje fleineren 
Angriffe waren die Vorboten zu einem größeren Kriegszuge 
im September 1591. Der greife Per Bagge erteilte nämlich 
jeinem Sohne Sven Persſon Bagge den Oberbefehl über eine 
600— 1000 Mann ſtarke Heeresabteilung, welche, gefolgt von 
Bauern aus den Niederungen am Uleä-See, längs den ruffiichen 
Strömen ans Ufer des Weißen Meeres marjchierte. Indeſſen 
mußten ſich Sven Persjon und jeine Genofjen zurüdziehen, 
obne jich eines fejten Plages bemächtigt zu haben. 

Anfang 1592 jtanden den Bewohnern Finnlande neue 
harte Prüfungen bevor. Im Januar famen beträchtliche ruj- 
ſiſche Streitkräfte in die Gegend von Wiborg, wo alles 
von ihnen eingeäfchert wurde, bis die Truppen Klas Fle— 
mings fie zum Rückzuge nötigten. Gleichzeitig rüdten ruj- 
jiihe Truppen unter dem Fürſten Gregor Wolkonski in die 
oft beimgejuchten Küjtengebiete von Limingo, Siifaiofi und 
Salo. Ber und Sven Bagge begaben ſich in die erjt vor 
furzem angelegte Feſtung Uleä, welche der Feind nicht an- 
jugreifen wagte. Gleichwohl machten die Ruffen reiche Beute 
und zogen fich erft beim Nahen eines ftarken Bauernaufgebots 
zurück '). j 

Dieje Greigniffe übten auf die allgemeine Stellung der 
itreitenden Mächte feinen Cinfluß aus, wurden jedoch von 
Bedeutung für Ojfterbotten, deffen Bauern, unter Berufung 
auf die von ihnen bewiejene Tapferkeit, Befreiung von dem 
drüdenden „Burglager” begehrten und im Juli 1592 in der 
That erhielten. Johann erließ nämlich einen Brief, des In— 


1) ®gl. „Handlingar rör. Skandinaviens historia‘“ XXXVIII, 92 gg. 
(Stodbolm, 1857); M. Atiander 1. c., p. 238; fowie Altenftüde im 
„Finniſchen Staatsarchiv“. 

10* 


145 Zweite Periode. Das Zeitalter Guſtav Wafas und feiner Söhne. 


halts, daß der gemeine Mann in Ofterbotten vom Burglager 
und von Kriegsfteuern verjchont bleiben und nur zum Unter- 
halt der „Knechte“ verpflichtet fein jollte, „welche dort vom 
Lande aufgeftellt find und als Yandwehr gebraucht werden“. 
Gleichzeitig jollten die Bauern bereit jein, erforderlichenfalls 
dem Feinde Widerftand zu leiften. Hierauf gründeten die 
Bauern von Oſterbotten ihren Anjpruh auf Befreiung von 
militäriſcher Einguartierung, welcher jpäter eine wejentliche 
Urſache zum Ausbruch des „Keulenkrieges“ bildete. 

Man war nunmehr auf beiden Seiten einer Fehde über- 
drüſſig, welche beide Neiche ermüdete, ohne zu entjcheidenden 
Rejultaten zu führen. Im Sommer 1592 wurden daher Ber: 
bandlungen eröffnet, die im Januar 1593 mit Abjchluß eines 
zweijährigen Waffenjtilljtandes endigten. Nah Ablauf des— 
jelben traten Friedensbevollmächtigte beider Parteien im Dorfe 
Zeufina bei Narwa zujammen, wo am 18. Mai 1592 ein 
Friede vereinbart wurde, gemäß welchem Schweden im Beſitz 
von Ejthland und Narwa bleiben, hingegen auf die Provinz 
Kerholm jowie auf Ingermanland verzichten jollte. Später wurde 
durch Kommifjare die Grenze zwijchen Rußland und Finnland 
fejtgejtellt, wobei durch Vertrag vom 25. März 1596 die 
Grenzlinie zwijchen Ofterbotten und Schwediſch-Lappland einer: 
jeit8 jowie den Provinzen Nowgorod und Karelien anderjeits jo 
bejtimmt wurde, daß der weftliche Teil der Kirchipiele Kuu— 
jamo und Enare an Schweden fiel ’). Allerdings zügerte Klas 
Fleming mit der Auslieferung von Kerholm an die Ruſſen, 
jo daß dieſe wichtige Feſtung erjt nach jeinem Tode (1597) 
in die Hände derjelben gelangte. 

Obwohl Finnland nicht der eigentliche Schauplaß der kriege— 
rijchen Ereignifje geweien, jondern nur zeitweije von feindlichen 


1) Später wurden durch Kolonifation einige öftlih von der Grenze 
liegende Gebiete unbemerkt für Schweden gewonnen, fo daß die Grenze 
ihre gegenwärtige Richtung erhielt. Bgl. 8. E. F. Ignatius’ Mit: 
teilungen im „Historiallinen Ark.“ V, 10sq., fowie ©. Ingman, 
Tutkimuksia Pobjoismaiden historiassa vuosilta 1595— 1635, p. 1—21 
(Helfingfors, 1890). 


Friede mit Rukland und Tod König Iohanns (1592). 149 


Heeriharen heimgejucht worden war, machten jich die Wir- 
fungen des Krieges bei der mun folgenden Entwidelung doch 
jtarf bemerkbar. Die verödeten Bauernhöfe bilden jeit jener 
Zeit eine traurige, ftehende Rubrik in den NRechenjchaftsberichten 
der Vögte, und die Militär- und Adelsherrichaft kam fortan 
mit gewaltiger Kraft zur Geltung. 


5. Der Kampf zwifchen Sigismund und Karl IX.; die Re— 
gierung Karls IX. '). 


Aın 17. November 1592 ftarb König Johann III. Den Er: 
eigniffen, die fich nach jeinem Tode in Schweden abjpielten, folgte 
der Marichall Klas Fleming in Finnland mit geipannter Auf- 
merkſamkeit. Diejer Mann, deſſen Geſtalt fich feit jener Zeit 
zu einer der machtvolliten entwidelte, welche Finnlands Gejchichte 
aufzumerien bat, war um 1540 geboren. Er war einer 
der Edelleute, welche Herzog Johann 1563 im Schloffe zu 


1) Quellen und Nachſchlagewerke zur Gefchichte Finnlands unter Sigis- 
mund und Karl IX.: E. Grönblad, Urkunder ete, I, 1—3; II, 1 
Helſingfors, 1843— 1856); E. Grönblad, Utrum comitia ordinum Fen- 
niae habita sint Arctopoli 1602 an non. Dissertatio critico-historica 
Helſingfors, 1843—1847); 9. Kostinen, Nuijasota, sen syyt ja 
tapaukset, 2. Aufl. (Heljingfors, 1877); 9. E. Baaranen, Handlingar 
upplysande Finlands historia under Karl IX® tid, Bd. I—III (Helfing- 
fors, 1863— 1866); 3. E. Baaranen, Öfversigt af Finlands tillständ 
i början af 17de seklet (Helfingfors, 1860); Ion. Wermwing, Konung 
Sigismunds och konung Karl IX historier (Stodbolm, 1746—1747); 
Joh. Widelindi, Thet svenska i Ryssland tijo ährs Krijgz historie 
(Stodbolm, 1671); € W. Beraman, Handlingar rörande söndringen 
mellan hertig Karl och rädsherrarne, in: „Historiskt Bibliotek “, utg. 
af C. Silfverstolpe II, 255—354 (Stodholm, 1876); ©. 3. Boë— 
tbins, Om den svenska högadeln under k. Sigismunds regering 
(Stodbolm, 1877); ©. 3. Boötbius, Hertig Karls och svenska riks- 
radets samregering, in: „Svensk Historisk Tidskrift“, utg. g. E. Hil- 
debrand IV, 15—%; V, 21—96; VI, 51—82 u. 92—122 (Stod- 
bolm, 1884—1886). — Ungedrudte Quellen: Kopien und Originals 
urfunden im „Finniihen Staatsardiv“. 


150 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftan Waſas und jeiner Söhne. 


Abo belagerten, jchloß fich jedoch ſpäter während des Aufruhrs 
gegen Erich dem Herzog an und wurde, wie ©. 131 erwähnt, 
bei der Krönung Johanns in den Freiherrnitand erhoben. In— 
folge jeiner Abjtammung, feines Reichtums und jeiner Vermäh— 
lung mit Ebba Stenbod, einer Schweiter der dritten Gemahlin 
Guſtav Wajas, nahm er eine bedeutende Stellung ein und wurde 
mit mannigfaltigen, bejonders militärtjchen Aufträgen betraut. 
Nachdem er fich während der Anwejenheit des Königs in Reval 
(Sommer 1589) das umeingejchränfte Bertrauen desjelben 
erworben, jtieg er von Würde zu Würde, wodurch er jich den 
unverföhnlichen Haß der jchwedijchen Reichsräte zuzog. Auch 
unter der finniſchen Ariftofratie, die durch jeine Beteiligung 
an den Intriguen gegen den hbelvdenmütigen Verteidiger von 
Reval und Narwa, Karl Horn, gereizt worden war, hatte er 
zahlreiche Feinde. Überhaupt bejaß er nicht die Eigenjchaften, 
welche geeignet find, Ergebenheit zu erweden. Nur die Sol- 
daten, für deren Wohl er auf Kojten der Bauern emfig bemüht 
war, hegten Vertrauen zu ihm. Diejer hervorragende Dann ge- 
wann nunmehr einen mächtigen Einfluß auf Finnlands Gejchid. 
Sofort nah dem Tode König Johanns hatte er Mif- 
trauen gegen die Abfichten des Herzogs Karl von Söderman— 
land gefaßt. Als Ietterer eine Berfammlung nach Upſala 
einberufen hatte (Anfang 1593), ließ er alle Wege und Über: 
fahrtsorte zwijchen Schweden und Finnland bejegen, damit 
niemand ohne jein Wiffen na oder von Schweden hinüber- 
fommen könne Dem Kriegsvolk wurde der Eid auferlegt, nur 
dem Sohne Johannes, König Sigismund von Polen, Gehorſam 
zu leiften und feinem die Feſtungen zu öffnen, deſſen Treue 
gegen den König dem geringften Zweifel unterworfen wäre. 
Dieje und andere Maßnahmen Flemings erregten den leb- 
baftejten Verdruß des Herzogs und veranlaßten ihn, brieflich 
wie dur Sendboten in jcharfen Worten zu betonen, daß 
Sleming nicht das Recht bejäße, jich allein mit Fragen zu 
befajjen, deren Enticheidung dem Herzog, dem Neichsrat und 
den Ständen gemeinjam zuftehe. Er jolle fih in Stodholm 
einfinden, um mit dem Herzog und dem Neichsrat über die 


Klas Eritsfon Fleming. 151 


öffentlichen Angelegenheiten zu beratjchlagen. Die Sendboten 
Karls Hatten auch den Befehl, das Kriegsvolf dem Marſchall 
abfpenftig zu machen. Fleming antwortete auf dieje und andere 
Forderungen des Herzogs zunächft in demütigem Tone, ohne 
allerdings jachlich nachzugeben; aber je näher der Frühling 
beranfam, deſto troßiger und bejtimmter wurden die Ausdrücke, 
in denen er jeinen fejten Borjag zu erfennen gab, daß er 
nur König Sigismund gehorchen werde. Er fonnte eine jo 
fühne Sprade um jo eher führen, als ihm der König am 
29. Mat 1593 die ausgedehnteften VBollmachten für die Hand- 
babung der Regierung in Finnland erteilt hatte. 

Nicht nur gegenüber den Anjprüchen des Reichsrats, jondern 
auch gegenüber jeinen eigenen heimlichen und offenen Wiber- 
jachern in Finnland erhielt Fleming durch den oben erwähnten 
föniglichen Erlaß eine fejte Stütze. Cine Spaltung, gewalt- 
jamer als jede frühere oder jpätere, war im Ausbruch begriffen, 
wobei ſich der größte Teil des Yandes Herzog Karl anjchlof. 
Ein nicht geringer Zeil des Adels, darunter der greife Hein- 
rih Horn und deſſen Sohn Karl Henriksjon, denen Fleming 
jeit langem verhaßt war, fnüpfte Beziehungen mit dem Herzog 
an; die Geiftlichkeit, die faft vollzählig den Beichluß der 
Upfalaer Berjammlung vom 20. März 1593 unterzeichnet 
hatte, erblicte in Herzog Karl einen Verteidiger der wahren 
Religion; bei dem gemeinen Mann jchließlich,, welcher für 
die großen Meinungsverjchiedenheiten fein Verſtändnis bejaß, 
berrichte eine immer heftigere Unzufriedenheit über das „Burg: 
lager“, deſſen Laſt fich nach Abſchluß des Waffenftillftandes mit 
Rußland vom Januar 1593 nicht vermindert, jondern im Gegen- 
teil vermehrt hatte. In Rautalampi im nördlichen Tawajtlanıd 
war bereits ein Aufftand gegen die einquartierten Reiter aus- 
gebrochen, welcher erjt nach der perjönlichen Ankunft Flemings 
unterbrüdt wurde. Dett aber, wo der Marjchall in den Beſitz 
der königlichen Vollmacht gelangt war, vermochte er mit Unter: 
ſtützung der bedeutenden Truppenmacht, die ihm zur Ver— 
fügung jtand, diefer Bewegung ruhig die Spige zu bieten. 

Während jih Sigismund in Schweden aufhielt (30. Sep- 


152 „weite Periode. Das Zeitalter Guftav Wafas und feiner Söhne. 


tember 1593 bis Auguft 1594), war Klas Fleming, welcher 
damals in jeiner Würde ald Admiral, Reichsmarſchall, höchiter 
Befehlshaber der Kriegsmacht jowie Statthalter iiber Finnland 
nochmals vom König beftätigt wurde, unabläjfig an der Seite 
desjelben und trug nach Kräften dazu bei, jeinen Argwohn 
gegen den Herzog zu ſchüren. Auch nach der Heimfehr nach 
Finnland zeigte ſich Fleming feſt entjchloffen, jeine frühere 
Handlungsweiſe auch künftig beizubehaltten, wobei er mehr 
als vordem auf die finnijchen Edelleute bauen zu können hoffte, 
da viele derjelben bei der Krönung des Königs (19. Februar 
1594) von diejem durch Gnadenbeweije gewonnen worden waren. 

Kaum war Herzog Karl im September 1594 vom Reichs— 
rat zum Neichsverwejer ernannt worden, als er jeine Macht 
auch auf Finnland auszudehnen verjuchte. Er richtete an Klas 
Fleming die Aufforderung, jich in Stodholm behufs Teilnahme 
an den Beratungen des Reichsrats einzufinden, den Befehl 
über die Krieggmacht aufzugeben und jeine Kriegsichiffe nach) 
Schweden hinüber zu jenden. Er ging jogar noch einen Schritt 
weiter, indem er durch Erlaß vom 14. Oftober 1594 bie 
Soldaten in Finnland beinahe offen zum Abfall vom Marichall 
aufforderte. Die lettgenannte Maßregel empörte Fleming in 
hohem Grade, und er gab jeinem Unwillen in einem in jchroffen 
Worten abgefaßten Schreiben Ausdrud. Er fünne, jo erklärte 
er u. a. Finnland nicht in einer Zeit werlaffen, wo ed noch 
unficher jei, ob künftig Krieg oder Friede am der öftlichen 
Grenze berrichen werde; im übrigen jei er fein „Fuhrmann“ 
(skjutsbonde), den man dahin rufen fünne, wohin es einem 
behage. Dieje fräftige Sprache jchredte den Herzog zumächit 
davon ab, in das Wirkungsgebiet des Marichalls Eingriffe zu 
machen. Yeßterer regierte in Finnland nach wie vor völlig eigen- 
mächtig und war um jo weniger zu irgendwelcher Nachgtebigfeit 
geneigt, als der König jeine Handlungswetie ganz und gar 
bilfigte und jeine Machtbefugnifie noch erweiterte. 

Die Beichlüffe des Neichstages, welcher am 30. September 
1595 in Söderföping zujammentrat, und auf welchem die Parteı 
Sigismunds eine vernichtende Niederlage erlitt, gaben erneuten 


Herzog Karl und Fleming. 153 


Anlaß zu Zwiftigfeiten zwijchen dem Herzog und dem Marjchalt. 
Da nur wenige finnijche Vertreter anmwejend gewejen, war nicht 
zu hoffen, daß der für die Stellung Karls äußerſt vorteilhafte 
Reichstagsbeichluß in Finnland befannt werden oder gar Ge- 
borjam finden würde, wofern die finnijchen Stände von den 
Vorgängen auf dem Neichstage nicht bejonders in Kenntnis 
gejegt würden. Mit Rückſicht darauf bejchloß der Herzog die 
Abjendung einer aus Karl Henrifsjon Horn ſowie zwei ſchwe— 
diichen Edelleuten beſtehenden Deputation, welche beauftragt 
war, den Reichstagsbeichluß in Finnland fund zu machen und 
die Genehmigung desjelben zu erwirfen; außerdem jolften jene 
Männer die im Lande begangenen Ungejetlichkeiten gerichtlich 
abnden und den gemeinen Mann vom „Burglager“ befreien. 
Die Sendboten gelangten im Januar 1596 nach Abo, wo fie in 
einer von Fleming einberufenen Verſammlung der vornehmiten 
finniſchen Edelleute ihr Anliegen vorbrachten und den Reichs— 
tagsbejchluß verlajen. Hierbei entjtand ein heftiger Wort: 
wechjel zwiichen ihnen und dem Marjchall, welcher Karl Horn 
auf Grund einiger von diefem geäußerten unvorfichtigen Worte 
für einen Majeftätsverbrecher erklärte, der nicht länger einen 
offiziellen Auftrag verrichten dürfe. Die gewaltſame Ent: 
jernung Karl Horns jagte den Anwejenden einen jo großen 
Schreden ein, daß fie jich jämtlich widerjtandslos den Wünjchen 
des Marjchalls fügten. Eine Antwort wurde abgefaßt, welche 
in formeller Hinficht allerdings ausweichend war, fachlich jedoch 
eine volfftändige Ablehnung bedeutete. Über den Zweck diejer 
Erklärung konnte ein Zweifel um jo weniger obwalten, als 
eine große Anzahl von Adeligen kurz darauf infolge einer von 
Fleming ausgehenden Aufforderung einen förmlichen Proteft 
gegen den Reichstagsbeichluß von Söderköping unterzeichnete. 
Mit diejem Beſcheide mußten ſich die Sendboten begnügen; 
fie kehrten heim, da jie fich auch im übrigen zur Erfüllung 
ihrer Aufträge außer ftande geiehen hatten. 

Herzog Karl wollte nunmehr zu den Waffen greifen, um 
die Anerkennung des Bejchluffes jeitens Flemings mit Gewalt 
zu erzwingen, ftieß jedoch dabei auf den Wiberftand des Reichs— 


154 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Waſas und feiner Söhne. 


rates, welcher bei einem friegerifchen Unternehmen gegen Finn— 
land, infolge der mit Sicherheit zu erwartenden Parteinahme 
König Sigismunds für Fleming, den Ausbruch eines allgemeinen 
Bürgerfrieges befürchtete. Nicht minder aber wurde Karl durch 
das Gefühl der eigenen Schwäche zunächſt an der Ausführung 
feiner Abjichten gehindert. | 

Inzwifchen rüftete Klas Fleming mit ganzer Kraft, um allen 
Gefahren gewachien fein zu fünnen. Das Schloß Abo wurde 
befeftigt, die Flotte verſtärkt und in der Umgegend von Abe 
eine bedeutende Kriegsmacht verjammelt. Aber wenn der 
Marſchall auch getroft feinen Blick nah Weften richten konnte, 
jo waren bingegen die inneren Zuftände in Finnland geeignet, 
ihm ernftlichen Kummer zu verurfachen. Allerdings war es 
ihm geglücdt, den Widerjtand des Adels zu unterbrüden, 
jo daß nur einige wenige Familien, darunter die Horn jowie 
die Brüder Klas und Yars Hermansjon Fleming von Will: 
näs, nunmehr einen zweifelhaften Standpunft einnahmen; 
aber bei der &eijtlichfeit und den Bauern war die Un— 
zufriedenbeit in bejtändigem Wachjen begriffen. Die finntjchen 
Prediger, welche mit Yeib und Seele der protejtantiichen 
Lehre ergeben waren und in dem Bejchluffe von Söderköping 
eine neue Stüße für diejelbe erblicdten, begannen unter Leitung 
des Biſchofs Ericus Erict kirchliche Reformen durchzuführen. 
Klas Fleming, welcher feine ausgeiprochene religiöfe Überzeugung 
bejejfen zu haben jcheint, fich aber den Fatholiich-reaftionären 
Beitrebungen anjchloß, fette den Geijtlichen heftigen Wider: 
jtand entgegen und unterlieg es jogar nicht, die Volfsmajje, 
welche die alten firchlichen Gebräuche mit Ehrfurcht betrachtete, 
gegen jene aufzubegen. Auf dem Aboer Herbjtmarfte 1596 
juchte er jie jogar zum Gegenjtand des Geſpöttes für den 
gememen Mann zu machen. Da er außerdem fatboltichen 
Predigern und anderen aus Schweden entflohenen Katholiken 
eine Zufluchtsftätte in Finnland gewährte, wuchs der Unwille 
der evangelischen Geiftlichfeit gegen ihn unabläſſig. An vielen 
Orten wandten die Prediger ihren mächtigen Einfluß auf die 
Bevölferung an, um diejelbe zu heimlichen Verbindungen mit 


Finnlands Unzufriedenheit mit Flemings Berwaltung. 155 


Herzog Karl aufzufordern. Trotzdem ift die Urfache des nun: 
mehr ausbrechenden Bürgerfrieges nicht jowohl in den religiöjen 
Spaltungen zu juchen, welche die damalige Zeit erfüllten, als 
vielmehr in dem finanziellen Drud, welcher jeit der Regierung 
Johanns III. auf dem Volke gelaftet und jich nach jeinem 
Zode noch vermehrt hatte. Wir haben erwähnt, daß fich ſchon 
während des rufjiichen Krieges die Drohung mit einem „Keulen- 
heer“ Hatte vernehmen lafjen. Nach dem Waffenftillftand von 
1593 waren die Laſten behufs Unterhaltung des Kriegsheeres 
noch gejteigert worden, und nicht minder ſah fich die Bevöl— 
ferung in ihrer Hoffnung betrogen, daß der Friedensſchluß von 
1595 irgendwelche Erleichterung mit fich bringen werde. Fle— 
ming aber fonnte die in Finnland jtehende Truppenmacht nicht 
zu einer Zeit vermindern, wo ein Kampf gegen Herzog Karl 
zu erwarten war, und infolge Geldmangel® erblidte er feinen 
anderen Ausweg als den, jeine Knechte bei den Bauern ein- 
zuquartieren, umd zwar unter dem VBorwande, daß das Ver: 
hältnis zu Rußland erjt nach endgültiger Yeititellung ver 
Grenzrichtung als gefichert betrachtet werden könne. Viel— 
leicht noch jchlimmer war, daß er nicht mit genügender 
Strenge unter jeinen Knechten die Disziplin aufrecht erhielt. 
Bon allen Seiten wurde darüber geklagt, daß jich die einquar- 
tierten Soldaten Gewaltthätigfeiten gegen den gemeinen Mann 
zu Schulden kommen ließen, und vergeblich waren alle an 
Fleming gerichteten Bejchwerden. 

Unter ſolchen Umftänden begann die Bevölferung Finn— 
lands ihren Blid nah Schweden zu richten. Schon 1503 
erichienen Bauern aus einer großen Anzahl von finniſchen 
Kirchipielen bei Herzog Karl, um Befreiung vom „Burglager“ 
und von den über die Maßen drücdenden Abgaben zu fordern. 
Zwar verjuchte Fleming alles, um die Kläger an der Über: 
fahrt nach Schweden zu verhindern, aber deſſen ungeachtet 
ihlichen jich nicht wenige Bauern an jeinen Wachtpoften vor: 
über und entwarfen bei der Stodholmer Regierung die bitterjtegg 
Schilderungen von den heimatlichen AZuftänden. Auch im 
Dftober 1596 wurden von den Bauern der Provinz Nyſlott 


156 „Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Waſas und jeiner Söbne. 


Beichwerden eingereicht, und in ihre Klagen jtimmten Bauern 
aus Nordfinnland jowie aus den Provinzen Kummenegärd und 
Wiborg ein. 

Die Anfchuldigungen gegen den Marſchall waren zmweifels- 
ohne dem Herzog Außerft willfommen. Cr erteilte bereitwillig 
Schut- und reiheitsbriefe, durch welche er die Bevölkerung 
einzelner Kirchipiele und Provinzen vom „Burglager“ ſowie 
von ungerechten Abgaben befreite. Durch einen für das ganze 
Pand gültigen Erlaß wurden in Finnland das „Burglager“ und 
andere Yajten abgejchafft, bis die anläßlich des Söderköpinger 
Reichstages nach Finnland geichicten Sendboten eine allgemeine 
Unterfuchung angejtellt hätten. Die Briefe Herzog Karls fanden 
troß der Borfichtsmaßregeln Flemings ihren Weg auch bis in 
die entlegenften Gegenden, hatten aber feine andere Wirkung, als 
daß jich die Unruhe noch jteigerte. Die Erprefjungen erjchienen 
nämlich nunmehr nicht nur drückend, jondern auch ungejelich. 

Beiondere Umſtände bewirften, daß die Unzufriedenheit 
in Ofterbotten einen gewaltjameren Charakter annahm als 
in den übrigen Landesteilen. Die Bauern in Ofterbotten 
waren darüber ftolz, daß fich ihr Gebiet, wo e8 feine Nitter- 
güter gab, niemals vor der Macht des Adels gebeugt hatte; 
nicht minder betrachteten fie die Befreiung vom „Burglager“, 
die jie jich kürzlich erwirkt hatten, als ein wertvolles Vorzugs— 
recht. Diejer beiden Vorrechte jahen fie fich indefjen nunmehr 
beraubt. Wie in anderen finnischen Yandjchaften begann näm— 
lich ein Knappen- Adel emporzufommen, indem fich Beamte 
und reiche Bauern dur Ausrüftung von Neitern für den 
Dienjt der Krone Steuerfreiheit erwarben. Hierdurch wurde die 
bisherige joziale Gleichheit gefährdet, und ſchon deshalb waren 
die „Knappen“ verhaßt; aber jie wurden dies noch mehr, als 
jie ihre Knechte und Pferde bei den Bauern einquartierten. 
Noh größer wurde die Unzufriedenheit, als Fleming nach 
Abſchluß des Waffenftillftandes mit Rußland im Frühjahr 
4593 in jenen Landſchaften ftarke Abteilungen einquartierte. 
Da von diefen an Gewalttbaten gewöhnten Kriegern nichts 
für heilig erachtet wurde und der Marichall jede Beichwerde 


Gärung in Öfterbotten. 157 


abwies, wandten ji die Bauern an Herzog Karl, welcher im 
Juni 1593 ihr Recht der Befreiung vom „Burglager“ be: 
fräftigte. Einige Zeit hindurch genojjen jie hierauf Er- 
leichterung, aber binnen furzem erwirkte Fleming einen fönig- 
lichen Erlaß, daß jie nicht minder als andere Bauern jener 
Saft unterworfen jein jollten. Die Bauern von Ojterbotten, 
von deren Gejichtspunft aus die Handlungsweije des Mar: 
ihalls ein ſchreiendes Unrecht bedeutete, jandten von neuem 
Deputierte mit Hilfsgejuchen an den Herzog, und diejer erließ 
wiederholentlih Schug- und Freiheitsbriefe, deren Überbringer 
jedoch von den Reitern Flemings mit Gewalt vertrieben wurden. 

Unter denen, die dazu beitrugen, die Wut der Bevölferung 
zum Ausbruch zu bringen, war ein Kaufmann in Pedersöre, 
Hans Hansjon Fordell, am einflußreichiten. Diejer Mann 
war Mitglied eines der angejehenften Gejchlechter in Djter- 
botten und Sohn von Hans Fordell senior, welcher jchon unter 
Guſtav Waſa, Erih XIV. und Johann II. durch umfaſſende 
Handelsthätigfeit und jeine jenen Königen geleifteten Dienjte 
einen mächtigen Einfluß gewonnen hatte. Sein Reichtum war jo 
groß, daß er 1570—1573 dem König die für damalige Zeiten 
hohe Summe von 6000 XThalern vorjtreden fonnte, ein 
Darlehn, welches Johann nur zum Teil abzuzahlen vermochte, 
jo daß die Familie Fordell noch nah dem 1573 erfolgten 
Tode des Vaters rüdjtändige Forderungen bei der Krone 
hatte’). Die Reichtümer und den Einfluß erbte der Sohn, 
welcher jich unter dem Cindrud des gewaltjamen Verfahrens 
von Fleming und dejjen Anhängern eifrig der Sache jeiner 
Landsleute annahm. Er war einer von denen, welche 1595 die 
Beichwerden der Bauern dem Herzog eröffneten, und beteiligte 
ih am dem Söderköpinger Reichstag. Nach jeiner Rückkehr ın 
die Heimat wurde er von Fleming verfolgt und mußte nach 
Schweden flüchten, wo er der jtändige Vertreter der öſter— 


1) Th. Weftrin, Bidrag till slägten Fordells historia, in: „Svenska 
literatursällskapets i Finland förhandlingar och uppsatser “ I, 52—57 
(Helfingfors, 1886). 


158 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Wafas und feiner Söhne. 


bottnifchen Bevölkerung war und, im Beſitze jämtlicher Siegel 
der öfterbottnifchen Kirchipiele, unabläffig die Beichwerdeichriften 
derjelben beim Herzog einreichte. Sein Gut Pinonäs wurde von 
Flemings Reitern geplündert, aber er ließ fich nicht dadurch 
abichreden. Auf jein Anraten gingen die Bewohner von Dfter: 
botten auf den Straßen Stodholms klagend einher, unter Ber: 
wünjchungen gegen den Marjchall und der Drohung, ſich den 
Ruſſen unterwerfen zu wollen, wofern fie nicht Hilfe erhielten. 
Vermutlich war c8 auch Hans Fordell, welcher einen Erlaß vom 
30. Oftober 1596 erwirfte, worin Herzog Karl fie aufforderte, 
fich nicht nach den Befehlen Flemings zu richten. Einige Tage 
ipäter hatten Fordell und deſſen Genofjen, darunter ein Bauer 
Namens Bengt Pouttu aus dem Kirchipiel Groß-Kyro, Audienz 
beim Herzog, um von ihm bewaffnete Hilfe aus Schweden zu 
erbitten. Ein ſolches Verſprechen fonnte der Herzog nicht er- 
teilen; doch forderte er die Bauern auf, jelber gegen ihre 
Unterdrüder die Waffen zu ergreifen. 

Hierauf ſcheint ein fleißiger Meinungsaustauſch zwiſchen 
Schweden und Öfterbotten ſowie zwiſchen Oſterbotten und den 
übrigen Landſchaften Finnlands ftattgefunden zu haben, wobei der 
Plan für die künftige Erhebung allmählich fejtgeftellt wurde. 
Gleichzeitig fam es zum Ausbruch Fleinerer Qumulte, welche 
den allgemeinen Aufruhr anfündigten. Am 25. November 1596 
wurde eine Anzahl Bauern bei der Kirche von Groß - Kyro 
von Knechten und Reitern gefangen genommen, um auf Schloß 
Abo gejchafft zu werden. Aber während der Nacht jammelten 
jich die Freunde der Gefangenen, überrajchten die Soldaten 
und befreiten die Ihrigen. Ein paar Wochen jpäter erhob 
jich wiederum eine Bauernichar in derjelben Gegend und zer- 
jtörte einige Gehöfte, welche im Bejige von Flemings An- 
bängern waren. Hierauf berrichte während einiger Wochen 
in den Dijtriften des nördlichen Oſterbottens Ruhe, welche 
der von Fleming in jene Yandjchaften neu entjandte Vogt Ab- 
raham Melchiorsſon benugte, um durch das Verſprechen einer 
Yinderung der Steuerlaften eine Beruhigung der Gemüter zu 
verjuchen. Aber er täufchte jich im der Hoffnung, hierdurch 


Der Ausbruch des Keulentrieges (1596). 159 


weiterem Unheil vorbeugen zu fünnen. Denn ſchon war der 
Plan feftgeitellt, nach welchem die Bauern zur That über- 
gingen. Sie wollten ſich Mann für Mann erheben und gen 
Abo vorrüden. Auf dem Marjche ſollten die Gehöfte des 
Adels und des Kriegsvolfes mit einigen wenigen Ausnahmen 
verwüjtet und ihre Bewohner niedergemegelt werden. Nach 
der Ankunft bei Abo jollten fich die Bauern des dortigen 
Schloſſes bemächtigen ; auch jollten gleichzeitig andere Scharen 
nah Tawaſtland und Savolaks marjchieren, jo daß jich die Er- 
bebung über das gejamte Finnland verbreiten würde. Die Geift- 
lichen, welche in Dfterbotten jo mächtig wie „Negenten“ waren, 
jhürten eifrig die Flamme des Aufruhrs, enthielten fich jedoch 
gleih anderen Perjonen von höherem Stande des öffentlichen 
Auftretens, jo daß die Leitung des Aufftandes denjenigen 
Bauern zufiel, welche ſich durch ihren eifrigen Widerftand 
gegen jede Bedrüdung und durch ihre Bejchwerden darüber be- 
fannt gemacht hatten. Die Bewaffnung war jelbjtverjtändlich 
außerft bunt. Mancher trug die von den Vätern ererbte 
Flinte, mancher Pfeil und Bogen; e8 gab aber auch einige, 
welche nur mit Keulen, Spießen oder Arten ausgerüjtet waren. 
Schon früher war es üblich gemwejen, derartige ungeorbnete 
Scharen „Keulenheere“ zu benennen; ein Ausprud, welcher 
auch jetst Anwendung fand. Der Bauernaufruhr erhielt des- 
balb den Namen: „Keulentrieg“. 

Ganz Dfterbotten befand fih in Gärung; aber nur in den 
jüdlichen Kirchijpielen der Provinz (Kyro, Ilmola und Yappo) 
erhoben jih die Bauern Mann für Mann, um gen Süden 
zu ziehen. Die Küftengebiete und die nördlich belegenen Kirch- 
jpiele wurden von dem Unternehmen benachrichtigt, und es kam 
von ihnen einige Verjtärfung; aber bejonders zahlreich war die 
Streitmacht, welche jich jammelte, nicht. Urjprünglich dürften 
faum mehr als 1000 Mann ausgezogen fein; allein während 
des Mariches nach Süden vermehrte ſich die Schar unabläjjig 
durch Zulauf aus den durchzogenen Kirchipielen, jo daß jchließ- 
lich einige taufend Mann in Bewegung waren. Hätte die 
ganze Abteilung zufammengebalten, jo wäre jie jchreden- 


160 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Waſas und feiner Söhne. 


erregend genug gewejen; aber gemäß dem urjprünglichen Plane 
teilten jih die Bauern in verjchtedene Haufen, von denen jeder 
einzelne allzu ſchwach war, um einem waffengeübten Gegner ernit= 
lichen Widerftand leiften zu fünnen. Cine Abteilung zog gen 
Dften nah Savolats und Tawaftland, eine andere längs der 
Küfte nach Ulfsby ; die Hauptmacht marjchierte auf dem Wege, 
welcher vom jüdlichen Ofterbotten durch den Tamwaftwald in die 
Kirchipiele Tawaſt-Kyro, Karkku und Birkkala führt. 

Zum Anführer der legtgenannten Abteilung wurde Jakob 
Ilkkainen oder Ilkka aus Ilmola gewählt; neben ihm wird auch 
Ari Kontjas als Führer erwähnt. Der Aufbruch erfolgte 
Mitte Dezember. Unter Verbrennung und Plünderung der ade: 
ligen Gehöfte rüdten die Bauern vorwärts, ohne auf Wider- 
ſtand zu jtoßen, und gelangten etwa am 20. Dezember 1596 
nach Birkfala, wo fie auf dem Hofe Nokia ein Yager aufichlugen. 
Hier vereinigte ſich mit den Bauern eine Hleinere Schar, welche 
auf eimem öftlicheren Wege gefommen war. Der Angriff einer 
Zruppenabteilung unter Knut Jönsſon Kurd wurde abgejchlagen. 
Allein der Mut der Bauern war nicht von langer Dauer. 
Kaum hatte nämlich Klas Fleming von dem Ausbruch des 
Aufruhrs Kunde erhalten, ald er an der Spite von einigen 
taujend Mann Reitern und Fußvolk nebjt mehreren Kanonen 
aufbrah. Kurz nach Weihnachten gelangte er nach Birkkala, 
wo er am 31. Dezember bei Nokia die Bauern angriff und 
diejelben durch Artilleriefeuer in Verwirrung brachte. Fleming 
zeigte fi zur Milde geneigt, bot ihmen freien Abzug an, 
wofern jie Ilkka und ihre übrigen Führer auslieferten, und 
veriprach ihnen jogar vorläufige Befreiung vom „YBurglager“. 
Diejes Anerbieten wurde von den Bauern angenommen; aber 
faum batte Ilkka von der ihm drohenden Gefahr gehört, als er 
voller Schreden die Flucht ergriff. Da die Bauern infolge 
deffen die Bedingung für eine friedliche Übereinfunft mit dem 
Marſchall nicht zu erfüllen vermochten, löften fie jich am Neu— 
jahrstage in wilder Flucht auf und wurden mehrere Meilen 
weit von Flemings Neitern verfolgt, die eine große Anzahl 
töteten oder gefangen nahmen. 


Der Bauernaufrußr in Finnland Januar 1597. 161 


Ebenjo unglüdlich endigte der Zug der längs der Küſte 
vorrüdenden Bauern. Ihnen hatte fich der ſchon früher (S. 158) 
erwähnte Bengt Pouttu angejchlofjen, während die Haupt- 
führung einem Manne Namens Miärten Tommola anvertraut 
war. Unter Verwüftung von adeligen Höfen famen die Bauern 
bis nach Ulfsby; dort jedoch wurden fie von Arel Kurd ge- 
ichlagen und zerjtreut. 

Durch dieſe Ereignifje war das Hauptziel” der Bauern, 
der Vorwärtsmarſch nach Abo, verfehlt worden, und ein gleiches 
Los ereilte binnen furzem die Heinen Scharen, welche gen Oſten 
nach Rautalampi gezogen waren. Hier wurden fie durch die jtreit- 
Iuftigen Bewohner von Rautalampi, welche fich jchon 1593 gegen 
Flemings Knechte erhoben Hatten, verjtärkt und teilten fich in 
jwei Haufen, von denen der eine gegen das jüdliche Tawaſt— 
land, der andere nach Groß: Savolafs marjchierte. Die erjt- 
genannte Schar, welche jchließlih bis auf 400 Mann jtieg, 
verbreitete Schreden bis in das Kirchipiel Hollola. Dort 
jtieß jie aber (Mitte Januar 1597) auf den Marjchall, welcher 
nach jeinem Siege bei Nokia den Bauern eiligit entgegengezogen 
war, und wurde beim Dorfe Nyyſtelä im Kirchipiel Padas- 
jofi von Iwar Arwidsjon Tawaſt an der Spike von Flemings 
Vorhut graufam niedergemegelt. Gefährlicher erſchien hingegen 
der Bauernaufruhr in Savolaks. Hier führte der Hauptmann 
auf Nyſlott, Götrif Finde, ein Sohn des hochverdienten Guftav 
Finde, den Oberbefehl. Er hatte die tüchtigen Eigenschaften 
jeines Vaters geerbt und waltete jeines Amtes mit Eifer und 
Geſchicklichkeit; auch zeichnete er fich vor den übrigen Großen 
der damaligen Zeit durch- jeine Fürſorge für die hartbedrückte 
Bevölkerung vorteilhaft aus. Als er Anfang Januar 1597 
Kunde davon erhielt, daß Bauern aus Ofterbotten und Rauta— 
lampi in das jübliche und mittlere Savolaks eingebrochen 
jeien, befand er fich in einer höchſt werwidelten Page. Die 
Bejagung auf Nyjlott war äußerſt gering, und jeine Hoffnung, 
bei ven Bauern, auf deren alte Ergebenheit für jeine Perjon 
er baute, Unterftügung zu finden, vwerwirflichte fich feines- 
wegs, indem dieſelben überall Neigung zum Anjchluß an die 

Schpbergion, Geſchichte Finnlande. 11 


162 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Waſas und feiner Söhne. 


Aufrührer befundeten und nur eine Minderzahl feinen Ermah— 
nungen Folge leiftete.e Die Lage wurde ferner dadurch er- 
ichwert, daß die Feſtung Kerholm noch nicht an die Ruffen 
ausgeliefert war, jo daß fich die leteren unzufrieden zeigten, 
und der Blick Findes daher beftändig auf die Zuftände an der 
öftlichen Grenze gerichtet jein mußte. Die „Keulenmänner“ teilten 
fih in zwei Kolonnen, von denen die eine nach St. Michel 
zog, während die andere durch Jorois bis nach Jokkas vor- 
drang. Winde, der zu jchwach war, um auf eigene Kauft zum 
Angriff jchreiten zu fönnen, jandte Boten auf Boten an bie 
Befehlshaber in Wiborg und Kerholm mit der Bitte um 
Hilfe und erhielt auch binnen furzem bedeutende Verſtärkung. 
Nunmehr wurden die Bauernhaufen hier, ebenjo wie in Tawaſt— 
(and und Satakunta, ſchnell zerjtreut. Am 23. Januar 1597 
jtieß ein Trupp Reiter und Knechte unter Per Paͤlsſon Juuften 
beim Pfarrhof von St. Michel auf die eine Bauernichar. 
Diejelbe verteidigte ji mutig, fonnte jedoch nicht auf Die 
Dauer jtandhalten und fapitulierte gegen das Verſprechen, daß 
ihr Leben verjchont bliebe. Diejes VBerjprechen gab man ihnen 
indeſſen nur, um ſie hinterher zu betrügen: faft jämtlich wur— 
den fie jchonungslos niedergemegelt. Die zweite nördliche 
Kolonne, welche unter Heinen Gefechten ihre Stellung in Jorois 
bartnädig verteidigt hatte, zog ſich einige Tage jpäter erjchredt 
zurück und zerftreute ſich nach verjchtedenen Seiten hin. Die 
Handlungsweije, welche Götrif Finde hernach beobachtete, bildet 
einen tröftlihen Zug in der ſonſt düftern Gefchichte der da- 
maligen Zeit. Er juchte nämlich dem Rachedurſt der Truppen 
zu jteuern, was ihm freilich nur teilweiſe gelang. 

Anfang Februar 1597 waren die Bauern auf allen Seiten 
zurüdgeichlagen und vernichtet. Ihre Erbebung war in vieler 
Hinfiht den gewaltigen Bauernaufftänden ähnlich gewejen, 
welche am Schlufje des Mittelalters und zu Beginn der neuen 
Zeit an vielen Stellen in den jüdlichen Ländern Europas zum 
Ausbruch gelangt waren. Ebenſo wie fih die Bauern in 
Deutjchland, Frankreich und England voller Wut zum Kampfe 
gegen den Feudalismus erhoben, ebenjo juchten fie in Finnland 


Der Aufftand in Öfterbotten Februar 1597. 163 


unter Plündern und Brennen die Militärgewalt zu vernichten, 
welche ihre bürgerliche wie ökonomiſche Griftenz bedrohte. 
Glücklicherweiſe waren jedoch die Mißftände in Finnland mehr 
als in den Feudalſtaaten worübergehender Art. 

Klas Flemings erſte Maßregel nach errungenem Siege war 
die Beitrafung der Yeiter der öfterbottnifchen Aufrührer. Der 
Vogt Abraham Melchiorsjon, welcher beim Ausbruch des Auf- 
ruhrs entflohen war, fehrte mit einer Schar von Reitern in das 
jübliche Ofterbotten zurück. Jakob Ilkka, Yrjö Kontjas jowie 
einige andere „Keulenhauptleute“ wurden nach ihrer Gefangen- 
nahme gemäß der damaligen barbariichen Sitte zu Tode ge- 
martert. Bengt PBouttu wurde nach Abo gebracht, wo er auf 
dem Schloffe ftarb. Aber kaum war dies gejchehen, als bie 
Flamme des Aufruhrs von neuem auf einer Seite aufloderte, 
wo fich die Bevölkerung bisher ruhig verhalten hatte, nämlich in 
den nordöfterbottnifchen Küftenjprengeln nördlich von Karleby. 
Der militäriihe Drud hatte auf ihnen minder ſchwer gelaftet, 
und fie waren daher nicht jofort bereit gewejen, zu den Waffen 
zu greifen, wenngleich fie dem Unternehmen ihrer jüdlichen 
Yandsleute lebhaftes Interejfe entgegenbrachten. Als nun aber 
die Kunde von der Niederlage der Bauernheere jowie von dem 
unglüdlichen Los Ilkkas und feiner Helfershelfer bei ihnen ein— 
traf, befürchteten fie, daß fich auch in ihrer eigenen Yandjchaft 
die Bedrüdungen fteigern würden, und griffen deshalb zu den 
Waffen. Gleichzeitig gelangte in jene Gegend ein von Herzog 
Karl entjandter neuer Vogt, Israel Larsſon, welcher, jedenfalls 
in Übereinftimmung mit den Wünjchen des Herzogs, Abra- 
ham Melchiorsſon die Macht ftreitig zu machen ſuchte. Er 
bielt zu Pebersöre mit dem gemeinen Mann ein Thing ab, 
und binnen kurzem befanden fich alle Kirchipiele von Kemi 
bis Karleby in vollftändigem Aufruhr. Als Abraham Mel- 
hiorsjon hiervon Nachricht erhielt, eilte er mit fünfzig Knechten 
gen Norden, geriet aber bei der Kirche von Karleby in einen 
Hinterhalt. Durch diejen Erfolg ermutigt, zogen die Bauern 
na Süden, um die Bewohner von Dfterbotten zu einer neuen 


Erhebung zu beivegen, fchlugen unter Israel Yarsjon bei Groß- 
11* 


164 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Wafas und feiner Söhne. 


Kyro und Ilmola ein Lager auf und riefen die waffenfähigen 
Männer aus ganz Ofterbotten zuſammen. Sogar die jchwe- 
diſchen Küfteniprengel mußten, allerdings wider ihren Willen, 
Bewaffnete ftellen, jo daß das Volfsheer jchlieglich einige tau- 
jend Mann betrug. 

Klas Fleming that alles Mögliche, um diejer neuen Er— 
bebung vorzubeugen. Er jchrieb an die ſchwediſchen Kirchipiele, 
dankte ihnen dafür, daß fie König Sigismund treu geblieben, 
und ermabnte fie, bei ihrer Treue zu verharren. Gleichzeitig 
warnte er die übrigen Yandesbewohner, ſich nicht von den 
Berrätern betbören zu laffen. Da aber die Bauern nicht Ge: 
borjam leifteten, jammelte .er etwa 1500 Mann und rüdte 
mit ihnen durch den Tawajtwald in die öfterbottnijche Ebene, wo 
er beim Ilmolafluſſe auf die Bauernjcharen ſtieß. Er forderte 
diejelben auf, von ihrem Unternehmen Abjtand zu nehmen; aber 
nur die Bauern aus den jchwediichen Kirchipielen gingen zu 
ihm über. Die übrigen antworteten mit Schüffen auf jeine 
Reiter und waren jogar unvorjichtig genug, ihre Verhaue zu 
verlajien. Kaum hatten fie fih auf jolche Weije bloßgeftellt, 
als fie von Fleming Truppen umringt und zum Zeil (etwa 
500 Mann) gefangen genommen, zum Teil niedergemegelt 
wurden; der Reſt rettete jich in die Wälder. Das Treffen 
am Ilmolafluſſe vom 24. Februar 1597 war entjcheibend. 
Ganz Öfterbotten unterwarf fich nunmehr dem fiegreichen Mar: 
ihall, während der herzogliche Vogt Israel Yarsjon eiligit 
nach Schweden entflod. 

Klas Fleming war allzu jehr Staatsmann, um jeinen Er: 
folg einzig als Mittel zur Rache an den Befiegten anzujehen. 
Allerdings gejtattete er jeinen Truppen Gewaltthätigfeiten gegen 
die Bewohner in der Nähe des Schlachtfeldes; aber jein Haupt: 
ziel war doch die möglichit jchnelle Wiederherſtellung des Frie- 
dens in Finnland, damit er jpäter feine Kräfte zum Kampfe 
gegen Herzog Karl verwenden könnte. Er ließ einige Geiftliche 
und Bauern aus den nächſten Kirchipielen zu jich rufen und 
machte ihnen in ftrengen Worten Vorjtellungen wegen ihrer Treu— 
lofigfeit gegen Sigismund, fügte ihnen jedoch nichts Böſes zur, 


Das Ende des Keulentrieges März 1597. Flemings Tod (April 1597). 165 


jondern ließ fie heimziehen. Auch wurden die meiften Gefangenen 
jreigelajfen und nur einige der am meiften Schuldigen zum 
Berhör auf Schloß Abo gebracht. Diefe Huge Handlungsweije 
batte die beabjichtigte Wirkung. Ende März war die Flamme 
des Aufruhrs überall erlojchen; der „Keulenkrieg“ hatte ein 
Ende gefunden. Wie viele Menjchenleben während des Auf: 
ruhrs verloren gegangen, läßt fich nicht einmal annähernd be- 
rechnen. Sicherlich jind indeffen ältere Angaben, denen zufolge 
faft 11000 Mann umgekommen jein jollen, bedeutend über: 
trieben; der Meenjchenverluft belief fich faum auf mehr als 
2— 3000 Mann. Auch die Berwüftung, welche mit dem Vor- 
marjch der „Keulenmänner“ verbunden war, nahm einen ge— 
ringeren Umfang an, als man jich vorgeftellt hat; denn da 
dieje im allgemeinen die dichter bevölferten Yandjchaften nicht 
erreichten, hatten fie feine Gelegenheit, eine größere Zahl von 
Herrenfigen zu zerftören. Am jchlimmften war Ilmola, Groß- 
Kyro und anderen nahegelegenen Kirchipielen, welche den Haupt: 
berd des Aufruhrs gebildet hatten, mitgejpielt worden. Hier 
mußten jpäter beträchtliche Steuererleichterungen bewilligt wer- 
den. Die traurige Erinnerung an den Aufruhr bat fich von 
Generation zu Generation fortgepflanzt, und der Kampf zwifchen 
Klas Fleming und den „Keulenmännern“ bat, vielleicht weniger 
um jeiner jelbjt willen al wegen des gewaltigen Hintergrundes 
jtreitiger Grundjäge, einen hervorragenden Plag in der Ge— 
ihichte Finnlands erhalten. 

Es war dem Marjchall nicht vergönnt, fich jeines Sieges 
lange zu erfreuen. Während er fich in Südfinnland eifrig mit 
Rüftungen zum Kampfe gegen Herzog Karl bejchäftigte, er- 
frankte er plöglih und ftarb in der Nacht des 12.13. April 
1597. Es ift nicht wahrjcheinlich, daß er bei längerer Lebens— 
zeit den Greignifjen eine andere Richtung hätte geben können, 
als fie jpäter in der That einjchlugen ; aber unzweifelhaft würde 
fih der Sieg des Herzogs verzögert haben, wenn Flemings 
Schwert zugunften Sigismunds in die Wagjchale gelegt worden 
wäre. 

Sleihwohl war die Stellung der königlichen Partei in 


166 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Wajas und feiner Söhne. 


Finnland nunmehr jo ftark, daß auch nach dem Tode des Mar: 
ſchalls fein Verjuch gemacht wurde, ihre Herrichaft zu brechen. 
Seine Witwe, Ebba Stenbod, bewies bei der Aufrechterhal- 
tung des Werkes ihres Gemahls männliche Entjchloffen: 
beit und fand Unterjtügung bei den vornehmften Kriegshaupt- 
leuten, injonderheit bei dem Aomiral Bengt Severinsjon 
Juuſten. „So lange unjer Blut warm ift, follen der Herzog 
und jeine Bevollmächtigten nicht ihren Einzug in das Schloß 
Abo Halten“: äußerte er im Ratsſaale von Abo zum Volke. 
An den König wurden Boten entjandt mit der Nachricht 
vom Tode Flemings jowie mit der Bitte, er möge einen 
neuen Oberbefehlshaber ernennen. Sigismund antwortete am 
20. Juni (n. St.), er habe Arwid Eriksſon Stälarm zum Statt: 
halter in Finnland ſowie zum Befehlshaber der finnijchen 
Streitmacht auserjehen. Stälarn war nach dem Ableben des 
Marſchalls unzweifelhaft der für einen ſolchen Poften am 
meiften geeignete. Hatte er doch während des rujjiichen Krieges 
und jpäter große militäriſche ZTüchtigfeit bewiejen. Die ge: 
bieterijche Energie Flemings, welche die Umgebung des Mar- 
Ihalls früher zum Gehorjam gleichjam gezwungen hatte, bejaß 
er allerdings nicht. Mit Erlaubnis des Königs überlieferte er 
am 3. September 1597 Kexholm den Ruſſen, wodurd ver 
Friede an der Oſtgrenze gefichert wurde. Hingegen machte er 
feinen Verſuch, Ofterbotten wiederzugewinnen, wo Hans Hansjon 
von Monikfala, ein fühner PBarteigänger, jchon gegen Ende des 
Frühlings die königlichen Beamten verdrängt und im Namen 
des Herzogs den Befehl übernommen hatte. Seine Aufmerf- 
jamfeit war nämlich vollftändig auf Schweden gerichtet, wo 
Herzog Karl nunmehr endlich entjchloffen war, im die finnifchen 
Zuftände einzugreifen. 

Im Auguft 1597 brach der Herzog mit Heer und Flotte 
auf, bemächtigte ſich Alands und Fam Anfang September in 
den Schärengarten vor Abo. Arwid Stälarm und Bengt 
Severinsfon Juuſten rüfteten fich eifrig zur Verteidigung, 
fonnten jedoch nicht verhindern, daß der Herzog nach einem 
Heinen Gefecht am 7. September bei Ruskiafallio, ſüdlich von 


Das Bordringen Herzog Karls (Herbit 1597). 167 


Abo, landete und am 9. September bis Kuppis vorrüdte. Die 
finntjche Reiterei, welche ihm dort entgegentrat, wurde burch 
einige Kanonenjchüffe in Verwirrung gebracht und flüchtete gen 
Norden längs des Weges nach Tawaftehus. Vergebens ſuchte 
Arwid Stälarm die Seinen aufzuhalten; die Unzuverläffigfeit 
der Truppen nötigte ihn jogar, fich noch weiter zurückzu— 
ziehen und Schloß Abo unentfegt zu laffen. Infolge beffen 
fonnte der Herzog zur Belagerung jenes Schlofjes jchreiten. 
Die dortigen Befehlshaber, Bengt Severinsjon Juuften und 
Hans Eriksjon von Brinkfala, waren, gleich ihrer adeligen Um— 
gebung, entjchlojjen, ſich bis aufs Außerfte zu verteidigen; nicht 
minder zeigten die auf dem Schlofje eingejchlojjenen adeligen 
Frauen, unter ihnen Ebba Stenbod, männliden Mut. Allein 
die Zuverficht der Soldaten janf von Tag zu Tage, und ber 
jchleichende Verrat machte jich bei ihnen mehr und mehr geltend, 
jo daß das Schloß am 30. September übergeben werden mußte. 

Es wäre für Herzog Karl leicht gewejen, ſich auch der 
übrigen finnifchen Schlöffer und des Innern des Yandes zu 
bemächtigen; aber die Beſorgnis vor den Gefahren, welche 
Schweden bedrohten, hinderte ihn am Bleiben, und er be- 
gnügte jich daher damit, das, was er gewonnen, zu befejtigen, 
jo weit die Verhältniffe es geftatteten. In einem Schreiben 
vom 2. Dftober, in finnifcher Sprache, wandte er fich, anläß- 
lich einer früheren Proflamation Arwid Stälarmd, an das 
finnifche Volt. Sein Ziel, jo jagte er, jet, daß jedem jeine 
Rechte erhalten blieben und daß der Schwächere gegen ben 
Stärkeren geichügt werde, während Staͤlarm und deſſen Helfers- 
belfer nur auf das Verderben des Meiches binarbeiteten. Die 
Bevölkerung müffe daher den Plänen derſelben nah Kräften 
entgegenarbeiten. Um die hohen Gejellichaftsflafjen für fich zu 
gewinnen, berief der Herzog ferner eine Verſammlung nad 
Abo, wo Vertreter des Adels, der Geiftlichfeit, des Bürger: 
ftandes und der Armee ihm als Erbfürften des Reiches und 
als Reichsverweſer huldigten und erklärten, daß Stälarm und 
deffen Genofjen zur Unterwerfung zu zwingen jeien, wofern fie 
nicht einen Vergleich eingehen würden. Für wie ſchwach aber ber 


168 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Wafas und feiner Söhne. 


Herzog trogdem feine Stellung in Finnland anſah, geht daraus 
hervor, daß er weder den Oberbefehl auf dem Schloß Abo 
einem feiner Vertrauten überließ, noch dasjelbe mit einer zu— 
verläfjigen Garnijon verjah, jondern zu Befehlshabern drei 
finnifche Edelleute ernannte: Klas und Lars Hermansjon Fle— 
ming jowie Göran Henrifsjon Horn, welche perjönliche Gegner 
von Klas Fleming gewejen waren und deshalb eine abwartende 
Haltung beobachtet hatten, ohne jedoch mit König Sigismund 
zu brechen; die Truppenmacht, über welche fie zu verfügen 
hatten, beftand nur aus den Soldaten, welche bei der Kapi— 
tulation zum Herzog übergegangen waren. 

Nah Karls Abreife (Ende Dft. 1597) hatten die Ber- 
bältniffe in Finnland eine Zeit lang etwas Schwankendes. Die 
Ergebenheit der großen Menge für Schweden und die evan- 
geliihe Sache war durch jeine Gegenwart gejtärft worden; 
aber eigentliche Volksbewegungen gelangten nunmehr nicht zum 
Ausbruch, teil wegen der durch den „Keulenkrieg“ hervor— 
gerufenen Niedergeſchlagenheit, teild auch, weil König Sigis— 
mund das „Burglager” jowie andere Steuern zu erlaffen ver- 
Iprochen hatte. Andrerſeits fonnte ſich der Model nicht von der 
Borftellung losmachen, daß Sigismund der einzige gejetliche 
Landesherrſcher ſei, und auch diejenigen, welche jich beim Be— 
juche des Herzogs demjelben genähert Hatten, begannen deshalb 
jegt aufs neue, Verbindungen mit der Föniglichen Partei anzu— 
fnüpfen. Das Berbalten der Befehlshaber auf Abo iſt ım 
dieſer Hinficht bezeichnend. Erft forderten fie Arwid Staͤlarm 
zur Unterwerfung auf; als aber diejer erflürte, er wolle eher 
jterben al8 den feiner Obrigfeit gejchworenen Eid brechen, 
übergaben fie ſchon am Weihnachtsabend 1597 Schloß Abo 
an Stälarm. Die Stellung des leßteren wurde um jo feiter, 
als ich ihm die Einwohner des jüdlichen Ofterbotten im Ianuar 
1598 unterwarfen, weil fie mit Hans Hansjon von Monikkala 
unzufrieden waren, welcher jie faum minder bebrüdte, als 
e8 früher die Vögte Flemings gethan hatten. Hingegen ver- 
weigerte die Bevölkerung im nördlichen Ofterbotten ihre Unter- 
werfung unter Sigismund. 


Schwanten zwiihen Karl und Sigismund 1598. 169 


3m Juli 1598 unternahm Stälarm mit einer Flotte und 
einem Heere von etwa 3000 Mann einen Zug an die Küfte 
von Upland, um Sigismund im Kampfe gegen den Herzog zu 
unterftügen. Obwohl er unverrichteter Sache heimtehren mußte, 
ließ er den Mut nicht finken, jondern war darauf bedacht, 
möglichjt bald jeine Streitmacht zum zweitenmal nach Schweden 
binüberzuführen. Um feine Stellung in Finnland zu fichern, 
ließ er im September 1598 einen Teil feiner Truppen in 
das jübliche Öfterbotten marjchieren, wo ber herzogliche Be— 
tehlshaber gefangen genommen wurde, worauf fich der größte 
Teil von Dfterbotten dem König unterwarf. Nach diejem 
Erfolg brach Stälarm zum zweitenmal nad Schweden auf und 
gelangte Anfang Oktober nah Stodholm. Nunmehr war e8 
jedoch zu jpät. Sigismund war nämlich inzwijchen (25. Sep- 
tember) bei Stängebro von Karl befiegt worden, jo daß fich 
Stälarm von neuem unverrichteter Dinge nach Finnland zurüd- 
ziehen mußte. 

Die Handlungsweije, welche Sigismund bernach beobachtete, 
war faum mehr als jeine früheren Maßnahmen geeignet, den 
finnifchen Edelleuten größere Zuverjicht einzuflößen. Er jandte 
ihnen weder Geld noch Hilfstruppen und zeigte ihnen gegen= 
über ein Mißtrauen, welches ihre aufopfernde Treue wenig 
verdient hatte. So trennte er beijpielsweije die Statthalter- 
ihaft von dem Oberbefehl über die Kriegsmacht, indem er 
Stälarm im Beſitze der erfteren beließ, jedoch Arel Kurd zum 
Kriegsoberften ernannte. Ferner erteilte der König oft die 
grauſamſten Befehle. Die Bevölkerung Finnlands jollte mit 
rüdjichtslofer Härte behandelt und das Eigentum eines jeden, 
der mit dem Herzog oder der Partei desſelben irgendwelche 
Gemeinjchaft Hätte, den Soldaten zur Vernichtung überlaffen 
werden. Der zur Milde geneigte Arwid Stälarm unterließ 
jedoch die Ausführung diefer Befehle, die um fo überflüjfiger 
waren, als fich irgendeine bemerfbare Bewegung vonjeiten des 
Volkes damals nicht verfpüren ließ. Der lange Kriegszuftand, 
der Bauernfrieg und die beftändig von beiden Seiten aus- 
gehenden Ermahnungen hatten das finnische Volk jo ermattet, 


170 Zweite Periode. Das Zeitalter Guſtav Wafas und feiner Söhne. 


daß es ſich nunmehr willig jedem unterwarf, der die Macht 
in Händen hatte. 

Trotz dieſer jchwierigen Verbältniffe blieben Adel und 
Kriegsvolf mit erftaunliher Zähigkeit König Sigismund treu. 
Sie wagten jogar Anfang 1599 zum Kampfe gegen den Herzog 
zu fchreiten. Im Januar bemächtigte ſich Stälarn des Schloffes 
Kaſtelholm auf Aland, wo er Salomon Ile zum Befehlshaber 
einjegte. Nicht minder war jeine Aufmerkfjamfeit auf das 
nördliche Ofterbotten gerichtet, wohin Karl einen Mönd Na: 
mens Auguftinus Larsſon geſchickt hatte. 

Das Ende mußte indefjen für die Freunde des Königs 
in Finnland unvorteilhaft werden, zumal da Sigismund es 
nach wie vor unterließ, ihnen Verftärkungen zu jenden. Die 
Entſcheidung war benn auch jchon nahe. Auf dem Reichstage 
zu Stodholm hatten die Stände am 24. Yuli 1599 Sigis- 
mund für abgejett erklärt. Gleichzeitig war die Stellung 
Finnlands, welche ſchon auf verſchiedenen Neichstagen Gegen: 
ftand der Beratung gewejen war, noch einmal einer ernjtlichen 
Prüfung unterzogen worden. Die Yinnländer, jo hieß es in dem 
Reichstagsbeſchluſſe, jeien zu verjchiedenen Zeiten gütli und 
ernftlih zur Genüge ermahnt worden, fich mit den Reichs— 
ftänden zu vereinigen und fich nach ihnen zu richten, jo daß 
man vollauf berechtigt jet, ihnen gegenüber mit unerbittlicher 
Strenge zu verfahren. Da fie jedoch nicht ſämtlich in gleicher 
Weiſe jehuldig, ſondern vielfach nur verführt jeien, jo joll- 
ten fich noch einmal einige Vertreter jedes Standes bebufs 
Ermahnung der Finnländer in Finnland einfinden. Wollten 
die Finnländer dann einige der Ihrigen mit jenen zufammen 
nach Schweden ſchicken, um im Namen der anderen eine Über- 
einkunft zu treffen, jo werde man von einem Kriege gegen fie 
Abjtand nehmen. Thäten fie dies jedoch nicht, jo werde man 
fie für offenbare Feinde anfehen, welche nach Kräften verfolgt 
werben follten. 

Ende Yuli 1599 fegelte die ſchwediſche Flotte mit einer 
bedeutenden Heeresmacht nach Finnland. Der Admiral Joachim 
Scheel wurde abgejandt, um Kaftelholm zu belagern, deſſen 


Das Sinten ber königlichen Macht 1599. 111 


Bejagung anfangs alle Aufforderungen, fich zu ergeben, mutig 
zurüdwies, am 31. Juli aber durch das Feuer der ſchwediſchen 
Kanonen zur Unterwerfung gezwungen wurde. Die Dannjchaft 
wurde den jchwebiichen Truppen einverleibt, der Befehlshaber, 
Salomon Ille, jamt den übrigen Offizieren vor ein Kriegs— 
gericht geftellt und zum Tode verurteilt. Kurz nachher er: 
teilten die finnijchen Herren in Abo einer aus Vertretern der 
vier Stände beftehenden Deputation, welche fie gemäß dem Stod- 
bolmer Reihstagsbejchluffe zum letztenmal zur freiwilligen Unter: 
werfung aufforderte, eine abweijende Antwort. Herzog Karl, 
welcher nunmehr perjönlich den Oberbefehl über die ſchwediſche 
Streitmadht übernommen hatte, ging infolge deſſen mit aller Kraft 
an die Durchführung des Kampfes. Er teilte jeine Armee 
in zwei Abteilungen, von denen die eine unter Admiral Scheel 
zur Belagerung des Schloſſes Abo ſchritt, während die andere 
unter jeiner eigenen Führung am 17. Auguft bei Kärknäs im 
Kirchipiel Sagu, füdweftlih von Abo, landete. Ein Meines 
Gefecht mit Neitern der föniglichen Partei (18. Aug.) bei einer 
Brüdfe auf dem Wege von PBemar nach Halikko fiel zu des 
Herzogs Vorteil aus. Von den finnijchen Truppen blieben nur 
400—500 Mann unter Stälarm in Abo, während die Haupt- 
arımee unter Arel Kurck auf dem Wege nach Tawaftehus gen 
Oſten marjchierte, um ſich mit den aus Ejthland erwarteten 
Grjagtruppen zu vereinigen. Der Herzog folgte jedoch Kurd 
auf dem Fuße und griff jeine Abteilung am 29. Auguft im 
Kirchſpiel St. Märten an, wo die Finnländer nach Fräftigem 
Widerjtand übermannt und zerftreut wurden, jo daß Kurd 
nur jchwache Trümmer nach Wiborg zu führen vermochte Es 
bedurfte nur eines ſolchen Mißerfolgs, um den bereit8 ge- 
junfenen Mut der königlichen Partei vollends zu brechen. Als 
Joachim Scheel den Herren auf Schloß Abo und Stälarm die 
Kunde von der Niederlage übermitteln ließ, glaubten fie frei- 
ih nicht daran, jondern bejchloffen, die Verteidigung fort- 
zujegen. Als ſich die Nachricht aber beftätigte, erkannten fie, 
daß alle weiteren Anftrengungen überflüjfig jeien, und fapitu- 
lierten nach längeren Verhandlungen Ende September. Die 


172 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Wafas und feiner Söhne. 


Dejagung wurde in die Dienfte des Herzogs genommen. Hin- 
gegen juchten die Anführer vergebens die Verzeihung des Sie- 
gers zu erlangen; der Herzog verjtand ſich bloß dazu, daß 
das Schidjal Stälarms und der Freunde desjelben von dem 
Beſchluſſe der Stände abhängig jein jolle. Im öftlichen Finn- 
land war der Gang der Ereigniſſe nicht minder jchnelf und 
entjcheidend. Der Herzog brach, nachdem er jich in Hel- 
jingfors einer Anzahl Kriegsichiffe bemächtigt und einige An- 
hänger Sigismunds dem Henker überliefert hatte, nach Wi- 
borg auf, defjen Belagerung am 21. September begann. Die 
durch die Reſte der Kurdjchen Abteilung jowie durch ein 
Hilfscorps aus Ejthland verftärkte Beſatzung war hinreichend 
ſtark, um einen langen Widerftand leiften zu fönnen; aber bier 
wie überall fehlte der füniglichen Partei die den Sieg be- 
dDingende moralijche Energie. Die Bürger Wiborgs fnüpften 
Beziehungen mit dem Herzog an umd öffneten eines der Stadt: 
tbore, jo daß die befeftigte Stadt mit der Beſatzung in feine 
Hände fiel. Am nächjten Tage, dem 23. September, ergab jich 
auch das Schloß, wo Arwid Henrifsjon und defjen Sohn Iwar 
Arwidsjon Tawaft jowie Yard Maͤrtensſon Ereuß den Befehl 
führten. Bald darauf fiel Nyflott, wo der greife, Fluge Götrif 
Finde nach wie vor fommanbdierte. Nach einem Feldzuge von 
faum zwei Monaten war Herzog Karl jomit Anfang Oftober 
1599 unbeftritten Herr über ganz Finnland. 

Es würde Herzog Karl zur Ehre gereicht haben, hätte er 
in der Stunde des Sieges den Befiegten Gnade zuteil werden 
laſſen; aber eine jolche Handlungsweije entſprach jeinem rück— 
fichtslofen, herben Charakter keineswegs. Ebenſo wie er Sa— 
fomon Ile und deſſen Kameraden jowie die in Heljingfors 
gefangenen Streiter hatte hinrichten laſſen, ebenjo ließ er in 
MWiborg die obengenannten Führer nebft anderen adeligen und 
bürgerlichen Männern föpfen. Als er Anfang November nad 
Abo gefommen war, jeßte er ferner, unter Bruch jeines Ge— 
löbniſſes, eine aus Edelleuten, höheren Offizieren ſowie dem 
Bürgermeiſter und Ratsherren in Abo beſtehende außerordent— 
liche Gerichtskommiſſion ein, vor welcher der Prozeß gegen 


Karls Sieg Oktober 1599. 173 


Arwid Stilarm und dejfen Freunde am 7. November begann. 
Natürlih fällten die vom Herzoge abhängigen Nichter ein 
Zodesurteil über die Angeklagten, deren Bitte um Aufjchub 
der Urteilsvollftrefung bis zum Zufammentreten des Reichs— 
tages bei Karl fein Gehör fand. Nur Arel Kurd und Arwid 
Stälarn wurden nach Schweden gebracht, wo der leßtere nach 
einem wechjeluolfen Leben 1620 jeine Tage beſchloß, während 
erjterer jein Alter in Ruhe verbringen durfte. Nicht einmal 
die Geijtlichfeit entging der Rache des Herzogs. So wurde 
3. B. der Biſchof Ericus Erici nah Schweden gebracht und 
einige Zeit hindurch an der Ausübung jeines Amtes verhindert, 
wie er denn überhaupt wegen jeiner angeblichen katholiſchen 
Geſinnung bis zum Tode des Herzogs für diejen ein Gegen- 
ſtand des Mißtrauens blieb. 

Auf jolhe Weije endete eine Periode, die zu den trau- 
rigjten gehört, welche das finnifche Volk durchgemacht hat. Die 
lange ruſſiſche Fehde, deren Greignifje fich teilweije auf finni— 
ihem Boden abjpielten, und der unbeilvolle „Keulenfrieg“ 
hatten Berödung über Finnland gebracht. Später Hatte die 
Militärherrichaft mehrere Jahre ungeftört gejchaltet, bis 
fie endlich durch Herzog Karls ftarfen Arm zu Boden ge: 
worfen wurde. Die Folgen alles diejes Unheils waren furcht- 
bar. Die ſchon vorher große Zahl der verödeten Gehöfte 
hatte jich jo vermehrt, daß es jahrhundertelanger Arbeit be- 
durfte, bevor jie wieder bebaut werden konnten. Durch mehrere 
ungünjtige Ernten zur Verzweiflung gebracht, begann die fin- 
niſche Bevölkerung teils nah Rußland, teild nah Schweden 
auszumandern. Eine durch Hunger und Krieg hervorgerufene 
Pet wütete im Lande und trug ebenfall8 zur Verminderung der 
Bevölterungsziffer bei). Die Unoronung innerhalb der Ad- 


1) Nah den im Stodholmer Reihsarhiv befindlichen Regiftern betrug 
die Zahl der Bauern, Hinterfaffen nnd Koloniften in Finnland 1566 
rund 35500, 1580 etwa 33400 und 1590 circa 31600, was eine fort= 
dauernde Berminderung ergiebt. Die Zahl der Fronbauern batte fi 
hingegen in den Jahren 1566—1580 —1593 von 1008—2310— 2441 
gefteigert, wa® ebenfalls für die Entwidelung bezeihnend ift. A. G. Fon 


174 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Wafas und feiner Söhne. 


miniftration hatte infolge der langen Trennung von Schweden 
alljährlich noch zugenommen. Der Adel brachte die Bauern» 
böfe unter jeine Botmäßigfeit, bedrückte jeine eigenen Unter- 
jaffen und forderte noch lauter denn vorher den Genuß von 
Vorredten, die in Schweden unbefannt waren. Die Vögte 
und Steuererheber endlich beraubten die Bauern des geringen 
Reſtes ihrer Habe. 

Dies war der Zuftand in Finnland, als Herzog Karl nad 
einem im allgemeinen wenig erfolgreichen Feldzuge in Yivland 
gegen Sigismund am 20. November 1601 an der ſüdfinniſchen 
Küfte landete. Sofort nach feiner Ankunft in Abo berief er 
alle Mitglieder des Adels und der Nitterichaft jowie Ritt— 
meijter, Hauptleute, Vögte, Schreiber, Richter nebjt anderen 
Beamten dorthin, um mit ihnen zu beraten. Um die Neu— 
jahrszeit 1602 traten 58 Edelleute nebft einer Anzahl Bürgerlichen 
zu einer Verfammlung zujammen, welche einige Wochen währte. 
Das Hauptthema, um welches fich die Verhandlungen bier 
drehten, war die Frage, betreffend die Stellung und die Privi- 
fegien des finnijchen Adels. Obwohl fich der Herzog weigerte, 
die finnischen Adelsprivilegien zu beftätigen, weil fie fich nicht 
auf jchriftlihe Dokumente ftügten, jo ſchloß doch die Ber- 
jammlung mit einer freundjchaftlichen Annäherung zwijchen dem 
Herzog und den finntjchen Ariftofraten, welche noch einige Jahre 
zuvor jeine Feinde gewejen waren. Sie gaben eine jchriftliche 
ZTreuverficherung ab, und der Herzog, welcher während bes 
livländiſchen Krieges ihre kriegeriſche Tüchtigfeit kennen gelernt 
hatte und ihrer Dienfte nach wie vor bedurfte, gelobte ihnen bie 
Erhaltung der Vorrechte, die fie von früheren Königen em— 
pfangen hätten, jowie eine freigebige Begabung mit Ämtern und 
Lehen. Schon vorher hatte er ihnen die eingezogenen Güter zurüd- 


tell fhäkt in dem Aufſatz: „Finlands folkmängd 1571, jemförd med 
Sveriges“ („Finsk Tidskrift“ XVII, 100-106; Helfingfors, 1885) 
die Bevöllerungsziffer für 1571 auf 207 000— 241 000 Perfonen, während 
I. E. Baaranen in ber Schrift „Landtdagen i Helsingfors 1616 “ 
(Helfingfors, 1862) die Anficht vertritt, daß Finnland zu Beginn ber 
Regierung Guſtav Adolfs nicht mehr als 200000 Einwohner beiefien habe. 


Herzog Karls Verhältnis zu Finnland 1601 und 1602. 175 


erjtattet, und furz darauf gab er mehreren der noch in Gefangen 
ichaft befindlichen finnischen Edelleute die Freiheit wieder. Die 
finniſche Ariftofratie gewann mithin aufs neue die Gunft 
des Pegenten, und mehrere ihrer Mitglieder jpielten hernach 
eine bedeutende Rolle im Reichsdienſt; aber jie verlor ihre 
bejondere Stellung und verjchmolz jeit dieſer Zeit mehr 
und mehr mit dem zahlreicheren und mächtigeren jchwebijchen 
Adel. 

Über die Verhandlungen mit den in der Verſammlung 
anmwejenden Bürgerlichen wiffen wir kaum etwas anderes, als 
daß der Herzog einen Vorjchlag, betreffend eine von den bürger- 
lichen Ständen zu erlegende Hilfsfteuer, einbrachte. Unzweifel— 
haft benußte Herzog Karl jedoch ihre Anmejenheit auch dazu, 
jih im einzelnen über den Zuftand des Landes zu informieren ; 
wie denn auch die zahlreichen im Laufe des Jahres ausge- 
fertigten Erlaſſe inbetreff der verjchiedenen Verwaltungszweige 
zum nicht geringen Teile den Ratichlägen jener Männer ent- 
Iprangen. Die Ordnung des Kriegswejens, die Unterdrüdung 
der Mißbräuche bei der niederen Adminiftration jowie bie 
Kolonifierung des Yandes bildeten die Hauptpunfte, welche in 
jenen Verfügungen berührt wurden. 

Um den Iioländifchen Krieg energijch betreiben zu können, hatte 
jich der Herzog genötigt gejehen, fein Heer unaufhörlich durch Aus— 
jchreibungen zu verftärfen. Wiederholentlih wurden aus Finn— 
land 2000 Mann und noch mehr requiriert; ein Zwang, der 
um jo drücdender wirkte, al8 dabei vielfah Mißbrauch und 
Unterjchleif betrieben wurde. Der Herzog juchte nun durch 
befjere Organifation und ftrengere Kontrolle die Kriegsdienft- 
laft zu erleichtern. Bor allem iſt beachtenswert, daß er das 
„Burglager” abjichaffte, indem er fejtjete, daß den Reitern 
und Knechten die jährliche Kronrente von gewiffen Gütern zum 
Unterhalt angewiejen werben ſollte. leichzeitig wurden bie 
Bauern in gewöhnlich aus zehn Männern beftehende „Rotten- 
ſchichten“ (rotelag) eingeteilt, von denen der am leichtejten Ent- 
behrliche ald Soldat ausgehoben wurde. Es begegnet ung 
mithin jchon hier ein Anfang der Organifation, welche jpäter 


176 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Waſas und feiner Söhne, 


durch das jogenannte „Rottenſyſtem“ (roteringsverk) zur Aus— 
führung gelangte ’). 

Um die Kolonifation des Yandes zu fördern, jchidte der 
Herzog Perjonen im Lande umber, die fich über die verödeten 
Höfe und über unbebaute Triften, welche in SKrongüter ver- 
wanpelt werben könnten, genau unterrichten und Maßnahmen 
behufs Urbarmachung diefer Diftrifte treffen follten; und zwar 
jolften den SKolonijten gewiffe Steuerfreiheitsjahre gewährt 
werden. Ebenſo jollte nichts unterlaffen werden, was die Kul- 
tivierung der jogenannten „Erämarken“ befördern fönnte. 
Zwei Vertrauensmänner des Herzogs, Maͤns Olofsjon und Olof 
Göransſon, wurden beauftragt, die ganze „Erämark“ von 
Sääksmäki bis nach Ulei zu bereifen und dabei das Eigen— 
tumsrecht der Bewohner an Wald und Weide fejtzuftellen. 

Die Mittel, welche der Herzog anmwandte, um in bie nie 
dere Verwaltung Ordnung zu bringen und dem eigennütigen, 
gewaltjamen Vorgehen der Steuereinnehmer vorzubeugen, waren 
itrengfter Art. Die meiften Vögte jowie deren Unterbeamte 
wurden verabjchiedet, nach Schloß Abo gebracht und von dort 
jpäter nach Schweden geführt, um über ihre Verwaltung 
Rechenichaft abzulegen. Einige wurden bingerichtet und ihre 
Nachfolger mit gleicher Strafe bedroht, wenn fie nicht all- 
jährlich genau ihre Steuereinnahmen angeben würden. Auch 
über die bei der Steuererhebung benutten Maße und Gewichte 
wurde eine allgemeine Unterjuchung angeftelit. 

Nachdem Herzog Karl Anfang Februar 1602 Abo verlajjen 
hatte und nach Bjürneborg gefommen war, erließ er (9. Yebr.) 
eine „Verordnung, wie ſich die Vögte bier im Yande verhalten 


1) Auch Anzeichen einer beginnenden „Rüfthaltereinrichtung“ (rusthälls- 
inrättning) machten fich bereits bemerkbar. So befreite Karl 3.8. 1602 
zweiundneunzig Sronbauern in Jääslis von Abgaben, wogegen fich jene 
verpflichteten, je einen Neiter auszurüften. Ferner wurde Steuerfreibeit 
fowie das Recht, ein für alle gemeinfames Wappenfchild zu führen, allen 
denen zugefihert, die fih zum Reichsdienſt gegen den Feind bereit cv: 
Härten. Bol. W. G. Lagus, Undersökningar om finska adelns gods 
och ätter, p. 549sqq. (Helfingfors, 1857 — 1860). 


Der Erlaf; Herzog Karla. 177 


jollen“, welche nicht ohne Grund al8 der Ausgangspunft für 
die Arbeit bezeichnet worden iſt, welche im Laufe des 17. Jahr: 
hunderts behufs Gründung einer befferen Organijation inner: 
balb der Verwaltung Finnlands ausgeführt wurde. Im der 
Einleitung zu jenem Aktenſtück klagt Herzog Karl darüber, daß 
in Sinnland größere Unordnung als jonft irgendwo im Reiche 
berriche, und er findet die Urjache darin, daß die Könige nicht 
jo häufig, wie e8 notwendig geweſen, Gelegenheit gehabt hätten, 
nach Finnland hinüberzufommen und zu jehen, wie dort ge- 
wirtjichaftet würde. Hierauf beftimmt die Verordnung in dem 
früher erwähnten Sinne, wie e8 bei Ausbebungen und beim 
Unterhalt des Kriegsvolfes zugehen jolle. Ferner wird u. a. 
ausführlich von den im Land anzumwendenden Maßen und Ge- 
wichten geiprochen und fejtgejetst, daß Edelleute, Geiftliche, Vögtere. 
unter feiner Bedingung die Höfe der Bauern unter ihre Bot- 
mäßigfeit bringen dürften. Schließlich bejchäftigt ſich Die 
Berordnung mit den Pflichten der Vögte und Steuererheber. 
Genug, ein ernjtes Bejtreben, über die Wirkjamfeit der Be— 
amten eine Kontrolle einzuführen jowie die Rechte und Pflichten 
der verjchiedenen Gejellichaftsflaffen fejtzuftellen, harakterifiert 
jenen Erlaß. Freilich läßt fich nicht leugnen, daß die Wir- 
fungen der vom Herzog erteilten VBorjchriften nicht jelten jeinen 
quten Abfichten wenig entiprachen. Die Urjache hierzu Tag 
darin, daß es ihm ebenſo wenig wie feinen Vorgängern ge— 
lang, innerhalb der höheren Adminiftration eine feite Ordnung 
zu begründen. Die Hauptleute, welche an der Spike ber 
Militär- und Zivilverwaltung in den einzelnen Landjchaften 
jtanden, entbebrten einer Inftruftion und wurden von dem 
Herzog jo beargmwöhnt, daß er wiederbolentlich die ihnen zukom— 
mende Amtsgewalt vorübergehend an Kommiſſionen übertrug, 
deren Eingreifen in die Berwaltung der Vögte oft mehr zum 
Schaden als zum Nuten gereichte, da die Kojten ihrer Reife 
auf der Bevölkerung lafteten und die Mißbräuche bald nachher 
von neuem üppig emporjproßten. 

Während jomit die Admintjtration im großen und ganzen 
mangelhaft blieb, wurden im einzelnen einige nützliche Maß- 

Schybergfon, Geſchichte Finnlands. 12 


178 Zweite Periode. Das Zeitalter Guſtav Wafas und feiner Söhne. 


nahmen durchgeführt. Inſonderheit war Dfterbotten Gegen: 
ftand der Fürjorge der Negierung. Die 1605 bezw. 1606 
gegründeten Städte Uleaäborg und Waja !) zeugen noch heut: 
zutage durch ihren lebhaften Handel von ihres Begründers 
icharfem Blick für die Erforderniffe des fommerziellen Ye- 
bens. Im Jahre 1608 wurde eine Kommijjion unter Yeitung 
des Kämmerers Johann Ottesſon (Klöfverblad) eingeſetzt, 
welche durch eine neue Steuereinihäsung den häufigen Be— 
ſchwerden der Bewohner Ofterbotteng iiber Ungerechtigkeit und 
Ungleichheit in der Einihätung abhelfen jolltee Der Auftrag 
wurde rajch erledigt, freilich weniger jorgfältig, als die Wichtig- 
feit der Sache es verlangt hätte. Gleichwohl blieb die Tara- 
tion Ottesſons bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts bejtehen. 
Nicht minder wichtig waren die Maßnahmen, welche jene Yand- 
ſchaft gegen feindliche Verwüſtungen zu ſchützen bezwecten. Die 
bei Uleäborg vorgenommenen Befejtigungsarbeiten wurden aller: 
dings bald wieder eingeftellt; aber gleichzeitig (1605) empfing 
der Befehlshaber in Dfterbotten, Iſaak Behm, den Auftrag, 
in der Wildnis, wo fich die Sotlamo » Seeen einen Weg zum 
Ulei-See bahnen, eine jtarke Feſte anzulegen, welche 1607 ven 
Namen Kajaneborg erhielt. Sogar bis in das entlegene Yapp- 
land erjtredte jich die Fürjorge Karls. Von ſeinem Eifer für 
das Wohl des Yandes zeugt nicht minder, daß er den Plan 
Erich Thuresſon Bjelkes, den Saima durch einen Kanal mit 
dem Meere zu verbinden, wieder aufnahm. Der greife Bengt 
Severinsjon Juuſten wurde 1607 mit der Yeitung diejes Unter— 
nehmens beauftragt, welches jedoch durch jeinen Tod (1609) 
eine Unterbrechung erlitt und später nicht mehr fortgeſetzt 
wurde. 

Auch auf litterariſchem Gebiete deuteten einige ſchwache und 
ſporadiſche Anzeichen darauf hin, daß der langen Dämmerung, 
welche ſeit der Zeit Agricolas und Juuſtens geherrſcht hatte, 
ein hellerer Tag folgen würde. Unter dem Vorſitz des Biſchofs 

1) Über die Gründung der Stadt Waſa vgl. H. E. Aspelin, Wasa 


stads historia (Nilolaiftad, 1892—1894). — Die Stadt hieß uriprüng- 
lich (6i8 1611) Muftaiaari. 


Öfterbotten un 1600. Die letzten Jahre Karls IX. 179 


Ericus Erici wurde 1602 ein Komitd eingejegt, um die ganze 
Bibel ind Finnifche zu übertragen. Über die Thätigfeit ber 
Kommiffion ift nichts weiter bekannt; möglicherweife wurde 
jedoch bier die jpätere finnische Bibelüberjegung vorbereitet. 
Einige Zeit vorher überjegte der Pfarrer in Kajalofi, Ljungo 
Thomasjon, das Landesgeſetz in das Finnische. Die Arbeit, 
deren große Bedeutung für die Nechtsiprehung in Finnland 
der Überſetzer in einer Dedikation fir den Negenten mit Necht 
betonte, wurde dem Herzog 1602 übergeben und gewann deſſen 
Beifall. Der Anfang der Übertragung wurde 1603 gebrudt, 
aber jpäter geriet das Internehmen ins Stoden. Cine von 
junge 1609 verfaßte Überjegung des Städtegeſetzes blieb 
ebenfalls ungedrudt. — Ein Vertreter Finnlands in der wifjen- 
ihaftlihen Welt war zu jener Zeit der bei den Zeitgenoffen 
wegen jeiner tiefen Gelehriamfeit berühmte Naturforicher und 
Mathematiker Siegfried Aron Forfius. Nach 1550 in Hel— 
jingfors geboren, jtudierte derjelbe an der Aboer Kathedral— 
ihule und in Deutichland, lenkte jpäter die Aufmerkjamteit 
Karls auf fich, wurde zum Feldprediger ernannt und erbielt 
1601 den wichtigen Auftrag, in Lappland durch Meffungen 
und Objervationen die Yage der verjchiedenen Orte zu be- 
jtimmen. Seit 1608 Profeſſor der Aftrologie (!) in LUpiala, 
jiedelte er 1610 nach Stodholm über, wo er den Titel eines 
föniglihen Aftronomen empfing und Prediger an der Rid— 
darholmskirche war. Sclieglih ging er als Prediger nach 
Efenäs, wo er 1627 ftarb. 

Die letzten Yebensjahre Karls, welcher 1604 zum Könige 
gewählt und 1607 gekrönt worden war, waren namentlich 
dem Kampfe gegen Rußland gewidmet. Diejer Krieg, an wel— 
chem zahlreiche finniſche Edelleute und Soldaten teilnahmen, 
bat Für Finnland namentlich deshalb eine bejondere Bedeu- 
tung, weil Kerholm am 2. März 1611 in die Hände des 
Schwedenkönigs fiel. Noch nicht vierzehn Jahre waren ver- 
floffen, jeitdem jene wichtige Feftung an Rußland ausgeliefert 
worden war; jest aber wurde Kexholm nebſt dejjen Um— 


gegend fir einen Zeitraum von hundert Jahren mit Schweden 
12* 


180 Zweite Periode. Das Zeitalter Guftav Mafas und feiner Söhne. 


vereinigt, wodurch Finnland eine mächtige Schugwehr im DOften 
erbielt. 

Gleichzeitig wurden die Pläne von 1589— 1591, betreffend 
die Gründung einer jchwedifchen Herrihaft am Eis- und am 
Weißen Meere, wieder aufgenommen. Auf Karls IX. Befehl 
rücfte der Hauptmann Balgar Bäd im Winter 1611 durch Lapp— 
land an die Küfte des Eismeeres, wurde jedoch bei einem An— 
griff auf die Stadt Kola zurücgeichlagen. Ebenſo unglüdlich 
verlief eim gleichzeitiger Zug gegen das jüdlicher gelegene Soma. 
Damals wie ſchon früher bildete das Klofter Solovez einen 
fräftigen Stützpunkt für die ruſſiſche Herrichaft im jenen Ge— 
genden '). 

Am 30. Dftober 1611 ftarb Karl IX. Ihm hat es Finn— 
land zu danken, daß ſich die protejtantiiche Religion als 
Grundlage des Fortichritts in Bildung und guter Sitte be- 
feftigt bat ?). 


1) M. A. Caftren, Utdrag ur Solovetska klosterkrönikan, in: 
„Nordiska resor och forskningar“ V, 21-38 (Helfingfore, 1858). — 
Näbere Details bei ©. Ingman, Tutkimuksia Pobjoissuomen histo- 
riassa, p. 31—40 (Helfingfors, 1890). 

2) Zur Zeit Karls IX. und auf Grund feiner Aufforderung fiedelten bereits 
jeit Beginn der achtziger Jahre des 16. Jahrhunderts zabfreihe Finnländer 
nah Schweden über. Sie ließen fih anfangs in Wermland, Nerite und 
Södermanland nieder, verbreiteten fich aber fpäter in einer Anzabl von 
mehreren Zaufenden auch im anderen, nördlicher gelegenen ſchwediſchen 
Landichaften. Die Auswanderung dauerte unter der Regierung Guftav 
Adolfs fort; aber gegen Mitte des 17. Jahrhunderts beganıı man, die 
Koloniften für läftig anzuichen und ihnen deshalb allerband Unbehaglich- 
feiten zuzufügen. Ihre Nachkommen haben bis auf den beutigen Tag 
Sprade und Sitten ibrer Borfabren bewahrt. Bol. P. Norbmann, 
Finnarne i mellersta Sverige (Helfingfors, 1888). 


Dritte Periode. 
Die Großmachtszeit. 


I. Guflav II. Adolf’). 


Der jchwediicheruffiiche Krieg, welcher in den erſten Re— 
gterungsjahren Guſtav Adolfs fortdauerte, führte auch zu 
einigen friegerijchen Ereignijjen an der finnischen Grenze. Im 
Sommer 1614 rüdte eine ruſſiſche Abteilung gegen Kerholm, 
wurde jedoch von Hans Mund bei Uuguniemi zurüdgejchlagen. 
Gleichzeitig brachen ruſſiſche Truppen plündernd in Ofterbotten 
ein, wurden indeffen von dem Befehlshaber auf Uleäborg, 
Erih Hare, in die Flucht getrieben. Yetterer ſchloß darauf 
einen Waffenjtillftand, wodurd der Krieg im hoben Norden 
ein Ende nahın. — Am 27. Februar 1617 wurde nach langen 
Unterhandlungen in dem Dorfe Stolbowa, in der Nähe 
ber befeftigten Stadt Yadoga, der Friede zwiichen Schwe- 


1; Quellen und Nacfchlagewerte zur Geihichte Finnlands unter Guftav 
II. Adolf: „Handlingar upplysande Finlands historia under Gustaf 11. 
Adolfs tid‘“, samlade af J. E. Vaaranen, utg. af Finska stats- 
arkivet, ®b. I und II (Heljingfors, 1874 und 1878); 9. E. Vaa— 
ranen, Landtdagen i Helsingfors 1616 och Finlands dävarande till- 
ständ (Helfingfors, 1862); 93. Tengftröm, Vita et merita episcopi 
Jsaaci B. Rothovii (Abo, 1796-1813); K. R. Melander, Kuvaus 
Suomen oloista vuosina 1617—1634 (Heljingfors, 1887); J. Hallen- 
berg, Svea Rikes historia under Gustaf II. Adolfs den stores rege- 
ring (Stodholm, 1790— 1796). — Urkunden im Schwed. Reihsardiv. 


182 Dritte Periode. Die Großmachtsgeit. 


den und Rußland abgejchlojfen, durch den erjtered Die Pro- 
vinz Kexholm nebft der Feltung gleichen Namens jowie In— 
germanland mit den Feſtungen Nöteborg, Jama, Swan: 
gorod und Koporie erhielt. Später wurden bei der Grenzab- 
jtedung zwijchen der Provinz Kerholm und dem Onegalande 
von ruffifcher Seite zahlreiche Schwierigkeiten erhoben, welche 
bi8 1621 die endgültige Feſtſtellung dev Grenze verhinderten. 
Erſt nachdem Guftan Adolf auf die Diftrifte NRepola und 
Purojärvi verzichtet hatte, erhielt die Provinz Kexholm die- 
jenige Grenze im Often, welche noch heute Finnland von Ruß— 
land trennt. Auf den Grenzftein in Salmi, nörblih von 
Ladoga, ließ Guſtav Adolf die Infchrift ſetzen: „Auc regni 
posuit fines Gustavus Adolphus, Rex Suecorum, fausto nu- 
mine duret opus“. Der große König ahnte nicht, daß das 
Bollwerk, welches jein Vater und er zum Schute Schwedens 
und Finnlands im Oſten errichtet hatten, im Verlaufe von 
weniger als Hundert Jahren vernichtet jein jollte. 

Finnland Hatte zu den errungenen Siegen wejentlich bei- 
getragen und fi dabei große Opfer auferlegt. Der Vor: 
teil, welcher ihm durch den Friedensschluß zuteil wurde, ließ 
ji aber auch nicht Hoch genug jchäken. Finnland durfte 
jih nunmehr friedlichen Aufgaben widmen, ohne beftändig 
den Überfall eines jchonungslojen, barbarijchen Gegners be- 
fürchten zu müffen. Hingegen darf man nicht etwa glau— 
ben, daß die Erweiterung der Reichsgrenzen im Oſten bes- 
halb mit Freuden begrüßt worden wäre, weil fie den Anſchluß 
an ein naheſtehendes Volkselement beventete. Die Bewohner 
ber Provinz Kerholm, welche heutzutage einen lebenskräftigen 
Teil des finnifchen Volkes ausmachen, blieben nämlich nach der 
Eroberung ihren weftlichen Nachbarn ebenjo fremd wie vordem. 
Die Gleichheit der Sprache bedeutete damals weniger als die 
Ungleichheit der Religion, welche lange Zeit eine unüberfteigbare 
Sceidewand zwifchen den Bewohnern jener Landſchaft und 
der Bevölkerung Finnlands gebildet hat. Die Sitten und In- 
jtitutionen waren zudem in Kexholm wejentlich anderer Art, 
und die Stellung, welche die neue Provinz im Reiche erhielt, 


Die Anfänge Guftav II. Adolfs. Die Provinz Kerholm. 188 


bildete ein weitere Hindernis für eine Annäherung. Sie 
wurde, gleichiwie Ingermanland, Eftbland ſowie jpäter Yivland, 
als ein jchwedisches Nebenland angejehen, und ihre Bewohner 
erhielten daher nicht das Recht, Vertreter zu den ſchwediſchen 
Reihstagen zu jenden. Hierdurch waren fie nicht nur theo— 
retiih von dem eigentlichen jchwediichen Staatskörper aus— 
geichlofjen, jondern auch des von den Finnländern fleißig be— 
nugten Rechts beraubt, auf den Reichstagen ihre Klagen und 
Beichwerden vorzubringen. 

Die Provinz Kerholm hatte nach der Eroberung der Re— 
publif Nowgorod durch den rujjiihen Großfürften Iwan Wa— 
filjewitjch (um 1470) dem großen ruſſiſchen eich angehört 
und war mit dejjen übrigen Provinzen inbezug auf die Ver— 
waltung gleichgeftellt gewejen. Der Statthalter in Kexholm 
(ruſſiſch: Korela) regierte die Landſchaft, und ihm zur Seite 
Itanden Subalternbeamte. Die Adminiftration jcheint jchlapp 
und an Unordnungen reich gewejen zu jein. Hingegen hatte 
die griechiich-orthodore Lehre, welche nach der Angabe ruſſiſcher 
Chroniken jeit 1227 in jenen Gegenden verfündigt worden war, 
fejte Wurzel gefaßt und einen gewaltigen Einfluß gewonnen. 
Zwar beftanden die heidniſchen Neligionsgebräuche faft umer- 
ihüttert neben der chriftlichen Yehre, da die Dogmen des 
griechiichen Glaubens, welche in einer der Bevölferung un— 
verftändlichen Sprache gelehrt wurden, jener fremd blieben. 
Aber das Vertrauen zu den griechiichen Geiftlichen wuchs von 
Jahr zu Jahr, und die Zahl der religiöjfen Inftitutionen mehrte 
fih. Zur Zeit Iohanns III. gab e8 in der Provinz Kerholm 
7 Paftorate, 26 Kapellen umd nicht weniger als 10 Klöfter, 
von denen die noch heute bejtehenden Klöfter Walamo und 
Konewez im Ladoga die vornehmften waren '). In ökono— 
miſcher Hinficht machten jich Fortichritte nicht jonderlich be- 


1) 8. 8. Tigerftebt, Bidrag till Kexholms läns historia under 
drottning Kristinas tid 1V, 27 sqq. (Aboer Gymnafialprogramm, 1878). — 
Walamo wurde 992 von den Mönden Sergius und German, Konewez 
1393 von dem Möndye Arfeni aus Nowgorod gegründet. Bal. F. P. 
v. &norring, Gamla Finland, p. 245 und 254 (Abo, 1833). 


184 Dritte Periode. Die Großmachtszeit. 


merfbar. Die einzige Stadt, Kerbolm, war unbedeutend. Hin— 
gegen wurde, wie jchon früher erwähnt, von den Bauern jeit 
alters ein recht jchwungbafter Handel mit Finnland, bejon- 
ders mit jterbotten, betrieben. Der Aderbau war nur in 
den jüdlichen Dijtriften am Ufer des Yabogajees einigermaßen 
entwidelt. 

Während des Krieges und auch, nachdem Kerholm in die 
Hände der Schweden gefallen war, hatte in der Provinz ein bet- 
nahe gejeglojer Zuftand geberricht. Raub, Mord und Gemalt- 
thätigfeiten wurden in höchſten Map jowohl von den Schwe- 
den wie von den Anhängern Rußlands verübt. Nach dem 
Friedensſchluſſe wollte die jchwediiche Regierung ernitlich die 
Einführung einer geordneten Berwaltung in jener Yandjchaft 
betreiben und jandte deshalb 1618 eine aus Hans Mund, 
Gorgenius Henrifsion und Andreas Bureus bejtebende Inter: 
ſuchungskommiſſion dorthin, welche der Regierung den Zuftand 
der Adminijtration jowie die moraliihe und materielle Lage 
der Benölferung in düfteren Farben jchilderte. Ein jchreiender 
Mißbrauch war namentlich von dem Befehlshaber auf Schloß 
Kerholm, Sven Jonsſon, durch Verteilung von jogenannten 
Sreizetteln, und zwar oft an grobe Verbrecher, behufs Wieder: 
bevölferung der durch Flucht der Einwohner nah Rußland 
verödeten Yandesjtreden getrieben worden. Im übrigen kam 
eine Menge von groben Unterjchleifen im Steuererhebungswejen 
an den Tag. Bei der Beltrafung verfuhr die Kommiſſion 
höchſt jchonungsvoll. Der Statthalter Jonsſon wurde aller- 
dings jofort abgejett, aber jeine Nachfolger waren faum mehr 
als er imftande, eine feſte Ordnung in jener Provinz einzu: 
führen !). Yettere blieb allerdings, gleichwie Ingermanland, von 
der jchweren Bürde befreit, welche durch die Aushebung von 
Knechten auf der Bevölferung Schwedens und Finnlands lajtete; 
vielleicht deshalb, weil die Regierung den unzuverläjfigen Be— 
wohnern nicht die Waffen in die Hand drüden wollte Aber 


1) Der Bericht der Kommiſſion ift gedrudt bei Baaranen, Hand- 
lingar etc. 1I, 256sgq. 


Die Provinz Kexholm. 185 


trogdem nahm die durch Unzufriedenheit mit den Verhältniffen 
veranlaßte Auswanderung nah Rußland ununterbrochen ihren 
Fortgang. Die durch Kriege und andere Angelegenheiten in 
Anjpruch genommene Regierung hatte weder Zeit noch Mittel, 
bejjere Zuftände in jener Provinz herzuftellen. Die Mißbräuche 
in der Verwaltung, wo uns eine bunte Mifchung von er: 
erbten ruffiichen jowie von einigen aus Schweden neu ein- 
geführten Formen und Behörden begegnet, dauerten auch 
fort, nachdem die Provinz Kerholm der Jurisdiktion des neu- 
begründeten Abver Hofgerichts unterftellt worden war. Im 
Steuerwejen wurden die alten Steuern beibehalten, gleichzeitig 
aber neue Yajten auferlegt, unter denen jich die Iron bejonders 
drüdend erwies. Die Regierung hatte nicht einmal bei ihren 
Bemühungen, den Handel vorwärts zu bringen, einen jichtbaren 
Erfolg aufzumeijen. Der Hauptort Kerholm erhielt 1624 das 
Recht, zollfrei Waren auf der Newa nah Deutjchland zu 
exportieren, nebjt anderen Vorrechten, ohne daß jedoch der 
Handel der Stadt dadurch größere Bedeutung gewonnen hätte. 
Bei Taipale, jüdlich von Kerholm an der Mündung des Su: 
vanto im den Yadogajee, wurde eine neue Stadt angelegt, welche 
bald im Berfall geriet, und in Salmi ein Marktflecken 
eingerichtet, welcher eine Zeit lang einen eigenen Birrgermeifter 
bejaß, um 1650 jedoch wieder im ein gewöhnliches Bauern- 
dorf verwandelt wurde. 

Die kirchlichen Verhältnifje trugen namentlich dazu bei, bei 
den Einwohnern der Provinz Kerholm eine bittere Stimmung 
gegen ihre neue Obrigkeit zu unterhalten. Unmittelbar nad) 
dem Frieden zu Stolbowa begann die jchwedijche Regierung 
an der Belehrung ihrer neuen griechijch = fatholiichen Unter— 
tbanen zur lutheriſchen Lehre zu arbeiten. Sie befahl dem 
Biihof in dem 1618 eingerichteten Stifte Wiborg, Dlof Eli— 
mäus, unter deſſen Aufjicht die Provinz Kexholm gejtellt wurde, 
die griechiſch-katholiſchen Bekenner ihrem Unglauben abwendig 
zu machen. Neue lutherijche Paſtorate wurden in der Provinz 
eingerichtet. Beim Ableben von griechijch = fatholifchen Geiſt— 
lichen juchte man die Gemeinde zur Annahme von neuen, durch 


186 Dritte Periode. Die Großmachtszeit. 


lutheriſche Prediger unterrichteten Paftoren zu zwingen; Tuthe- 
riſche Erbauungsichriften und Luthers Katechismus wurden 
ing Ruſſiſche überjegt und auf Kojten des Staats gedrudt; 
ichlieglich wurde befohlen, daß die orthodoren Bekenner, auch 
wenn fie ihrer alten Religion treu blieben, dennoch jeden Sonn- 
tag den Iutherijchen Predigten beimohnen jollten. Dieje Maß— 
nahmen und Erlaffe unterhielten bei der Bevölkerung eine fort: 
währende Unrube, ohne zu dem gewünjchten Rejultat zu führen. 
Die Iutherifchen Geiftlichen, welche in jene entlegene Gegend 
entjandt wurden, jtanden inbezug auf Bildung und Sitten auf 
niedriger Stufe, weshalb jie nicht jene Achtung einzuflößen 
vermochten, welche die Griechiih-Orthodoren zur Preisgebung 
ihrer ererbten Religion hätte bewegen fünnen. Die Zahl der 
Lutheraner vermehrte ſich nur durch beftändige Einwanderung 
aus Finnland. 

Während auf jolhe Weije die neuerworbene öftliche Pro- 
vinz in einer Sonderjtellung verblieb, waren die Zuftände in 
Finnland jelbft während des Krieges und in der erjten Zeit nach 
Abſchluß des Friedens wenig erfreulich. Gleichwie während des 
ruffiichen Krieges unter Johann III. begingen die Soldaten 
und ihre Befehlshaber, wenn jie das Yand durchzogen und da= 
jelbft einquartiert waren, fürchterliche Gewaltthätigfeiten, ohne 
durch den ftrafenden Arm der Gerechtigteit erreicht zu werden. 
Noch 1620 wird von Gewaltthaten gröbfter Art berichtet. 
Als der Statthalter in Abo, Karl Eriksjon DO renftjerna, in 
dem genannten Jahre das Kirchipiel Rautalampi im nördlichen 
Zawaftland bejuchte, beklagten jich nämlich die Bauern bei ihm 
darüber, daß ein Hauptmann Namens Lars Urbansjon an der 
Spige von 70 Mann die gräßlichften Miffethaten bei ihnen 
begangen hätte, und fie ftellten trogig die Erneuerung des 
„Keulenkriegs“ im Ausficht, wofern ihre Beſchwerden nicht 
Gehör und Abhilfe fänden !). 

Ebenſo wie Guſtav Adolf außer ftande war, den Übermut der 


1) Bgl. einige von 3. E. Baaranen in ber Zeitichrift „Suomi“ 
(1859), p. 79, mitgeteilte Urkunden. 


Finnland un 1620. 187 


Knechte zu zügeln, ebenfo mußte er auch gegenüber den Über: 
griffen der Edelleute und der grauſamen Behandlung ihrer Hinter: 
jaffen die Augen jchließen. Der größte Bauernpeiniger war 
Sten Lejonhufvud, Graf zu Rajeborg und Sohn des wegen 
ähnlicher Unthaten berüchtigten Arel Lejonhufvud '). Aber für 
alle jeine Verbrechen wurde er nur durch Warnungen und Er- 
mahnungen gejtraft. Die livländiichen Ebdelleute, welche in 
Finnland Yehen empfingen, verfuhren kaum minder hart gegen 
ihre dortigen Bauern als gegen die Yeibeigenen in ihrer Heimat, 
jo vor allem Joachim Berndes, welcher im öftlichen Nyland 
Lehen bejaß. Allein auch ihm gegenüber war der König macht- 
los. Nicht weniger gaben die „Knappen“, deren Anzahl, wie 
früher erwähnt, durch einen Erlaß Karls IX. großen Zuwachs 
erfahren hatte, zu beftändigen Klagen Anlaß. 

Während diefe Mißbräuche wenigſtens teilweiie worüber: 
gehender Art waren, begann das Lehnsweſen eine Richtung 
einzujchlagen, welche im Yaufe mehrerer Generationen tief ein— 
greifende joziale Schwierigkeiten hervorrief. Die großen Heer: 
führer, wie Jakob De la Gardie und Evert Horn, empfingen 
größere Bezirke zu Lehen; Dffiziere niederen Ranges erhielten 
das Recht, die Nenten einer geringeren Zahl von Gütern für 
fich einzuziehen, und der Sold für Reiter und Knechte wurde 
nach Bodenerträgen berechnet, welche beftimmten Gelveinfünften 
entiprachen. Bei dem Regierungsantritt Guftav Adolfs war 
infolge befien der größte Teil der Einkünfte weggegeben. Ver— 
gebens juchte der König in den erften Jahren die Yehen wieder 
an die Krone zu bringen. Raum hatte er einen darauf bezüglichen 
Befehl erlaffen, als er fich jelbft genötigt fah, in ausgedehnten 
Umfange neue Lehen auszuteilen. Die Yehnsinhaber benugten ihre 
Stellung zu rüdjichtslofer Bedrüdung der Bauern, von denen 
fie Zins erhoben. Auch Pfandverjchreibungen und Verpachtung 
von Kronrenten an einflußreiche Männer famen häufig vor. 
So erhielt Iafob De la Gardie 1618 die Provinz Kerholm 


1) „Handlingar rörande Skandinaviens historia “ VIII, 19 (Stod- 
bolm, 1820). 


138 Dritte Periode. Die Gropmachtszeit. 


jowie Ingermanland zur Pacht, mit dem echt, bajelbjt die 
Kroneinkünfte einzuziehen. Diejer Pachtmodus, mit welchem 
die Handhabung der ganzen Steuererhebung verbunden war, 
blieb bis 1629 beſtehen. 

Unter ſolchen Umftänden war es ein Glüd, daß Guſtav Adolf 
infolge der Kriege mit Rußland und Polen mehrmals Finn- 
land bejuchte und dabei nicht nur vielen privaten Bejchwerben 
abhalf, jondern ich auch eine genaue Kenntnis von den Zu— 
jtänden im Yande verſchaffte. Zum eritenmal gejchab Dies 
1614, als er von Ende März bis Anfang Mai in Abo ver- 
weilte und darauf Heljingfors, Borgä, Tjuſterby in Perno 
ſowie Wiborg aufjuchte. Er erließ bei diejer Gelegenheit eine 
Menge von Schuß: und Privilegienbriefen jowie Verordnungen, 
unter ihnen ein „Mandat, betreffend das Verfahren von Vögten 
und Schreibern gegenüber den Bewohnern von Yinnland“. 
Guſtav Adolf giebt darin zu, daß die Vorichriften Karls IX. 
über die Sronfteuererhebung jchon in Bergeffenbeit geraten 
jeten, verjucht diefelben wieder ins Leben zu rufen und befiehlt 
namentlich, daß nicht das Geringjte an die Vögte und Schreiber 
geliefert werden jollte, ohne daß dieſe jofort darüber eine 
Quittung gäben. Noch viel wichtiger geftaltete jich der zweite 
Beſuch des Königs (1616), indem derſelbe die finnijchen 
Stände einberief und mit ihnen über die allgemeinen Angelegen- 
beiten berist. Anfang Januar fam er aus Eſthland nach 
Wiborg, von wo aus er die Reiſe nach Heljingfors fortiegte. 
Dort hatten fich die Stände Finnlands zahlreich eingefunden. 
Unter den Edelleuten traten neben Arel Oxenſtjerna, welcher 
dem Könige gefolgt war, Vertreter der Gejchlechter hervor, 
welche bei den Greigniffen der legten Jahre eine bedeutende 
Rolle gejpielt hatten, z. B. Göran Boije, Johann De la Garbie, 
Axel Kurd, Gödick Finde, Klas Yarsion Fleming, Ake Staͤl— 
arm, Krifter und Heinrich Klasſon Horn u. j. w. Die Geift- 
lichkeit wurde durch Biſchof Ericus Erici und zwanzig Paſtoren 
repräjentiert. Außerdem waren zehn Offiziere im Namen 
des Militärs ſowie Vertreter der finnijchen Städte und des 
gemeinen Mannes aus verjchiedenen Yandespiftriften erſchienen. 


Guſtav Adoli in Finnland 1614 und 1616. 189 


Die Berjammlung wurde von Guftav Adolf am 22. Januar 
mit einer Rede eröffnet, worin er zunächit bervorbob, daß er 
ihon lange eine Gelegenheit berbeigejehnt habe, jich über 
den Zuftand Finnlands zu umterrichten, was fich jedoch in- 
folge mehrerer Hinderniſſe erſt jett habe ermöglichen laſſen. 
Ferner dankte er den Anweſenden dafür, daß fie feinem Rufe 
gefolgt jeien, und jchilderte alsdanıı ausführlich die Stellung 
des Reiches zu den fremden Mächten ’). Nach diejer Rede, 
welche ficher einen nachhaltigen Eindruck hinterließ, legte er 
einige Propofitionen vor, welche zehn Tage lang Gegenftand 
der Beratung bei den Ständen bildeten. Über die bei dieſer 
Gelegenheit geäußerten Anfichten wiffen wir nichts Näheres; 
daß jedoch das Bejtreben, mit aufopferndem Eifer dem König 
entgegenzufommen, die Gemüter beberrichte, gebt aus dem von 
2. Februar datierten Beichluffe hervor. Die finnischen Stände 
gelobten nämlich, für König und Baterland Gut ımd Blut zu 
opfern ſowie jederzeit willig alles zu thun, was die Anschläge 
Sigismunds und der Anhänger desjelben vernichten könne. 
Gleichzeitig gaben fie der Hoffnung Ausdrud, daß die im Gange 
befindlichen Unterhandlungen mit Rußland zu dem gewünjchten 
Rejultat führen möchten, und verpflichteten jich, im entgegen- 
geſetzten Falle nach Äußerftem Vermögen dem öftlichen Nachbar 
allen möglichen Widerftand zu leiften. Der dritte Punkt in 
der Antwort der Stände bezog fich auf den alten Mißbrauch, 
welcher mit dem freien „Vorſpann“ (skjuts) getrieben wurde. „ 
Die finnischen Stände erflärten danfbar ihre Zuftimmung zu 
der auf dem Neichstage zu Orebro 1614 feftgefeßten neuen 
Ordnung, gemäß welcher nur die Sendboten des Königs jo- 
wie einiger anderer bochgejtellten Perjonen und Behörden ohne 
Bezahlung Vorſpann erhalten fjollten, und zwar mur dan, 
wenn jie in Negierungsaufträgen reifen würden und mit dem 
gehörigen Paſſe verjehen wären. In dem vierten Punfte ver- 
pflichteten ſich ſchließlich die Stände, welche fih „Wir, bie 


1) Bal. Konung Gustaf II Adolfs skrifter, utg. af C. G. Styffe, 
p. 124 (Stodbolm, 1861). 


1% Dritte Periode. Die Großmachtszeit. 


unterzeichneten Näte des Neiches Schweden und Yandjtände im 
Großfürftentum Finnland“ nannten, in ihrem eigenen Namen 
und in demjenigen ihrer Landsleute zu unmittelbarer Erlegung 
einer drückenden Kriegsjteuer, welche von ſämtlichen Ständen 
gezahlt werden jollte. An dieje Verhandlungen der VBerjamm- 
lung jchließt fich ein ebenfall8 vom 2. Februar datiertes Schrift: 
jtüct, welches an jümtliche Stände Schwedens gerichtet war, 
und worin die finnischen Stände ihre Mitbrüder in Schweden 
aufforderten, gleich ihnen jelbjt patriotiiche Aufopferungsfähig- 
feit zu beweijen. 

Nachdem Guſtav Adolf einige Tage jpäter eine Antwort auf 
die von den Städten des Landes erhobenen Beſchwerden er- 
teilt hatte, begab er ſich nach Abo, wo er, abgejehen von einer 
furzen Unterbrehung durch eine Reife nach Björneborg, bis 
Ende Mai blieb. Gleichzeitig ſetzte er Kommiſſionen ein, welche 
im Yaufe des Frühjahrs den gemeinen Mann zu Diftrifts- 
thingen einberiefen, die Zuftände daſelbſt unterjuchten und bie 
Schuldigen bejtraften. Unzweifelhaft wurde auf jolche Weiie 
vielen einzelnen Mißſtänden abgebolfen; eine dauernde Ver— 
bejjerung rief indefjen diejes Eingreifen der Königsmacht nicht 
hervor. Die mächtigen Edelleute, welche mehr als alle anderen 
eine Strafe verdient hatten, erjchienen nicht zu dem Unter— 
juchungen und legten geringes Gewicht auf die ihnen erteilten 
Warnungen. 

, Die umfafjenden Reformen, welche jich damals in Schwe- 

den auf dem Gebiete der Verwaltung vollzogen !), waren auch 
für Finnland von der größten Bedeutung. Finnlands Unglüc 
war es gemwejen, daß infolge der vom Zentrum der Regierung 


1) In der ichwebiichen NeichStanzlei wurde damals ein finnifcher „re- 
ferendarius* angeftellt, welcher die finnifchen Beſchwerdeſachen mit Bei- 
biffe eines Schreibers zu bearbeiten hatte. Letzterer konnte wobl ficher 
finniſch jprechen oder es wenigftens verfteben. Dieje Beamten beforgten 
die finniſchen Überiegungen von Verordnungen in ölonomiichen und Ber— 
waltungsangelegenbeiten. Bgl. die Kanzleiorbnung von 1620 bei Styffe, 
Samling af instruktioner rörande den eivila förvaltningen i Sverige 
och Finland (Stodbolm, 1856). 


Berwaltungsreiormen. 191 


entfernten Lage des Landes Übergriffe der Beamten und Ade— 
ligen nicht befannt geworden und noch weniger von der Re— 
gierung geahndet worden waren, weshalb die Mißbräuche durch 
die Macht der Gewohnheit beinahe eine gejegliche Weihe er- 
halten hatten. Das perjönliche Regiment der Könige hatte 
allerdings oft für den Augenblick den Übermut gehemmt, das 
Böſe indejjen keineswegs mit der Wurzel ausgerottet. Die 
jtändige Kontrolle, welche durh Errichtung der zentralen Be- 
börden jowie durch jorgfältige Organifation der Wirkſamkeit 
der untergeordneten Behörden eingeführt wurde, mußte unter 
jolden Umftänden in hohem Grade wohlthätig wirken. 

Die finnischen Yandeshauptleute wurden nunmehr mit der 
gejamten Berwaltung der Hauptmannjchaften betraut und er- 
bielten eine ausgedehnte Amtsbefugnis, betreffend die Einſetzung, 
Überwachung und Beitrafung der Unterbenmten. Gleichzeitig 
wurde ihnen anbefohlen, der Regierung regelmäßig einen 
Rechenichaftsbericht über die Steuereinnahmen jowie über den 
Zujtand der Provinzen zu erjtatten ). Da troßdem fort: 
während aus Finnland Klagen einliefen, aus denen hervorging, 
daß die Verwaltung der Hauptmannjchaften den Abjichten Guſtav 
Adolfs feineswegs vollftändig entiprach, ernannte diejer im Juni 
1623 den Neichsrat Nils Bjelfe zum Generalgouverneur oder 
„gubernator‘“* über die drei jüdlichen Provinzen Finnlande. 
Bielfe, welcher 1628 auch die Oberaufjicht über die Kriegs- 
macht des Yandes erhielt, beſaß eine höhere Amtsgewalt als 
die Gubernatoren, welche jeit der Regierung Erichs XIV. vor: 
übergebend eingejegt worden waren, hinterließ aber feine 
bemerfenswerte Spur jeiner Thätigkeit. Die Regierung, welche 
öfters Anlaß hatte, ihm Nachläffigfeit vorzumwerfen, entjanbte, 
wie e8 früher üblich gemwejen, häufig außerordentliche Kommij- 
fionen nach Finnland, um mit Übergehung des Generalgouver- 
neurs Regierungsaufträge zur Ausführung zu bringen. Als 
jedoch Bjelfe 1631 als Gubernator durch den Neichsrat Ga- 


1) €. ©. Styffe, Samling af instruktioner för tjenstemän vid 
landtregeringen i Sverige och Finland, p. 9sqgq. (Stodbolm, 1852). 


192 Dritte Periode. Die Grofmachtszeit. 


briel Bengtsion Orenftjerna erjett wurde, legte die Regierung 
legterem ans Herz, die „zahlreichen und unnügen Kommiffare, 
welche bisher angewandt worden find“, abzuichaffen, da bie: 
jelben der Bevölferung mehr bejchwerlich als nützlich geweien 
ſeien. 

Es hatte ſich bald herausgeſtellt, daß das Svea-Hofgericht 
nicht imſtande war, die Rechtspflege in Finnland hinreichend 
zu überwachen. Seine Urteile wurden in Finnland nicht voll— 
ſtreckt und die „Schutzbriefe“, welche einzelnen Perſonen erteilt 
worden waren, offen mißachtet. Es iſt in dieſer Hinſicht bezeich— 
nend, daß ſich der Fiskal Karl Olofsſon 1622 nach Finnland be— 
gab, um u. a. über die dem Hofgericht bewiejene Mifachtung eine 
Unterfuchung anzuftellen. Außerdem war es für die Finnländer 
mit Schwierigkeiten und Koſten verknüpft, nach Stodholm zu 
reifen, um dort ihr Necht wahrzunehmen. Dies gab den Anlaß 
dazu, daß durch Verfügung vom 15. Juni 1623 ein neues Hof: 
gericht in Abo eingerichtet wurde, welches in Finnland und in 
der Provinz Kexholm diejelbe Gerichtsbarfeit, wie das Svea— 
Hofgeriht in Schweden, ausüben jollte ). Zum erjten Präfi- 
denten des neuen HofgerichtS wurde der Gubernator Nils Bjelke 
ernannt; unter den Beifigern jind Hermann Fleming und Yars 
Garpelan zu nennen; den wichtigen Poften des Advofatfisfals 
erbielt der ſchon früher erwähnte Johann Dttesion. Am 
31. Oftober 1623 trat das Aboer Hofgericht zum  erftenmal 
zuſammen. Seit diefem Zeitpunkt begann ſich das Nichtertum 
in Finnland aus dem Verfall, in welchem es fich lange be- 
funden, wieder zu erheben. Doch war es der Wunfch der 
Regierung, daß das Hofgericht bei der Beftrafung von Ge: 
jegesübertretungen feitens der hohen Herren und von Verſäum— 
niſſen jeitens der Nichter vorjichtig zumwerfe gehen jollte. Der 
Nachfolger Vieles auf dem Präfidentenpoften, Bror Anderson 
KRälamb, fungierte nur von 1630 bis 1631, worauf die Stelle 
mit einem Sohne des Landes, Jöns Kurck, bejeßt wurde. 


1) Bgl. W. ©. Lagus, Äbo hofrätts historia intill den 12. nor. 
1823 (Helfingfors, 1834). 


Die Gründung des Aboer Hoigerichts (1623). 198 


Diejer Mann, eine der intereffantejten Perjönlichfeiten Finn— 
lands während jener Epoche, hatte jich durch Studien an deut- 
ſchen Univerſitäten jowie durch Reifen in Wefteuropa eine aus- 
gezeichnete Bildung erworben. Später befleidete er militärifche 
Amter und Statthalterpoften, ohne jedoch feine Studien in der 
einheimischen Gejegesfunde abzubrehen. Mit Rüdjicht darauf 
wurde er im November 1631 zum Präfidenten des Hofgerichts 
ernannt; und dies Amt bat er von 1632 big zu jeinem Tode 
(1652) verwaltet. Reichsrat wurde er 1633, und 1651 
Sreiherr von Lempälä ’). Durch Reichtum, Abftammung und 
Einfluß war er der erfte der damaligen finnischen Edelleute. 
Man jagte, daß man „zu Hofe“ gehe, wenn man ihm in feiner 
prächtigen Wohnung aufwartete. Seine vechtöwiffenjchaftlichen 
Kenntnifje wie jeine Bekanntſchaft mit Finnlands Vorzeit und 
der finnischen Sprache erhöhten das Anjehen des jungen Hof: 
gerichtS und trugen dazu bei, der Wirkjamfeit desjelben eine 
tete Richtung zu geben. 

Wie Guftav Waſa betrachtete e8 auch Guftan Adolf als 
jeine Hauptaufgabe, den ausländijchen Handelseinfluß möglichit 
auszujchliegen. Deshalb begünftigte er auch einige größere, für 
den Handel günjtig gelegene Ortjchaften, in der Hoffnung, in 
ihnen ein Gegengewicht gegen die ausländiichen Seeſtädte zu 
finden. Als „Stapeljtädte” jollten fie das Vorrecht befigen, 
jowohl aftiv wie pajjiv mit dem Auslande Handel zu treiben. 
Solche Stapelitädte waren in Finnland Abo und Wiborg; 
außerdem erhielten Heljingfors und Borgi das Recht, den 
Bejuh ausländischer Kaufleute empfangen zu dürfen. Die 
übrigen Städte wurden im zwei Kategorieen eingeteilt: jolche, 
welche auf eigenen Schiffen ausländiiche Häfen bejuchen durf— 
ten, und jolche, welche von jeder Handelöbeziehung mit dem 
Auslande Abjtand nehmen mußten. Zu der erftgenannten Klaſſe 
wurden Björneborg, Raumo, Ekenäs, Kerholm jowie das im 
April 1617 im Kirchipiel Nykyrka neuangelegte Nyſtad ge: 
rechnet. Zur zweiten Kategorie gehörten die öjterbottniichen 


1) Hier lag Lauklo, das Stammgut Kurds. 
Schybergſon, Geſchichte Finnlande. 13 


194 Dritte Periode. Die Großmachtszeit. 


Städte Uleäborg und Waja. Yebtere, wie alle etwaigen künf— 
tigen Städte in ſterbotten jollten nur untereinander fowie 
mit Stodhelm und Abo, welch letzteres als der alte Mittel- 
punft für Finnlands Handel begünftigt wurde, fommerzielle 
Verbindungen unterhalten dürfen. 

Bon Anfang an erwies es fich jedoch unmöglich, den leb— 
haften Handelsverfehr zur See zu hemmen, den die finnijche 
Küftenbevölferung feit alter Zeit teils mit einheimijchen Städ- 
ten, teils mit Stofholm und dem Auslande betrieb. Man 
hatte den Handel der jogenannten „Vakkafinnen“ in Nylkyrka— 
Yetala jowie in anderen in der Nähe gelegenen Kirchipielen nach 
Nyſtad verlegen wollen, ſah fich jedoch zum Verzicht auf einen 
jolchen Plan genötigt. Ebenjo erhielt die übrige Küjtenbevöl- 
ferung im „Eigentlichen“ Finnland und in Nyland ihr Handels: 
recht befräftigt. lm dem maritimen Handel der Küftenbewohner 
in Ofterbotten entgegenzawirfen, wurden bafelbft im September 
1620 zwei neue Städte, Gamla Karleby und Nyfarleby, an- 
gelegt; aber auch in diefem Yandesteil gelang es nicht, die 
natürliche Entwidelung des Handels zu hemmen. 

Ebenjo wenig vermochte man jeden Handelsverfehr auf 
dem Yande zu verbieten. Das Volf konnte jeine Waren nicht 
regelmäßig in die Städte bringen; in Finnland, wo jümtliche 
Städte an der Küfte lagen, waren die Entfernungen allzu groß 
dazu. Es wurde deshalb die Zahl der jogenannten Frei: 
märfte auf dem Pande vermehrt, auf denen der gemeine Mann 
an gewiffen Tagen feine Waren mit den jtäbtiichen Handels— 
leuten tauſchte. Schon auf dem Heljingforjer Yandtage be- 
willigte Guſtav Adolf ſolche Handelstage in großer Zahl, und 
jpäter wetteiferten die Städte darum, für eigene Rechnung 
neue Freimärkte zu erlangen und ihre Mitbewerber von ihnen 
auszujchliegen. Dieje Freimärkte waren freilich ein mangel— 
bafter Erjag für den vollftändigen Mangel an Städten im 
Innern des Landes. Andrerjeits legte man ein großes Ge- 
wicht darauf, daß jeder jonftige Handel auf dem Lande auf: 
hörte. Die auf dem Yande wohnenden Kaufleute follten in 
die Städte ziehen, wenn fie ihrem Gewerbe fünftig nach- 


Hebung des Handels und Regelung des Handwerks. 1% 


gehen wollten, und diejer Befehl wurde auch auf die Birfarlier 
ausgedehnt, deren alter Handelsverfehr infolge deffen zugrunde 
ging. Im großen und ganzen waren jedoch die eifrigen Be— 
mübungen der Regierung vergeblih. Denn von diejer Zeit 
an bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts hört man unabläffig 
Klagen über Verlegung der Regierungsverfügungen. Auch der 
von ruffiihen Kaufleuten jeit uralten Zeiten betriebene Haufier- 
bandel nahm jeinen Fortgang. Die Regierung hatte Uleäborg 
zum ausjchließlichen Marktplag hierfür machen wollen, konnte 
jedoch die ruffischen Handelsleute nicht verhindern, auch auf 
dem Yande einen umfafjenden Handel zu treiben. 

Mit der Ordnung der fommerziellen Beziehungen ging die 
Regelung des ftädtiichen Handwerks durch Zunftordnungen 
Hand in Hand. Im Jahre 1621 erging der Befehl, daß 
jedes Handwerk zunftmäßig geordnet werden jollte. Die Ältefte 
finnifche Zunftorbnung dürfte die der Schneiderzunft in Abo 
vom Sabre 1625 fein, deren Beflimmungen ein lebendiges 
Bild von dem Geifte ftrenger Zucht entwerfen, welcher nun— 
mehr bei den Handwerfern eingeführt wurde. Als Ganzes 
erinnert jene Zunftorbnung lebhaft an ältere Stodholmer 
Borbilder '). 

Dieſes Beftreben, eine jorgfältig feſtgeſetzte Organifation ein- 
zuführen, machte fih damals nicht nur auf allen Gebieten des 
praftijchen Lebens geltend, jondern begann auch innerhalb der 
finnischen Kirche in den Vordergrund zu treten. Biſchof Ericus 
Erici wurde nach dem Tode Karls IX. von Guſtav Adolf in 
Önaden aufgenommen und fand an dem Reichskanzler Arel Oxen— 
itjerna einen Bejhüger. Die Muße, die ihm hierdurch vergönnt 
war, benußte er zur Herausgabe von religiöfen Schriften in 
finnischer Sprache und nahm auf jolche Weije die jchönen 
Traditionen aus der Zeit Michael Agricolas und Paul Juuſtens 
wieder auf. Im Jahre 1614 veröffentlichte er einen weit- 


1) €. v. Bonsborff, Bidrag till Abo stads historia. Serie I, 2, 
p. 165 (Helfingfors, 1885). Bgl. auch v. Bonsdorff, Abo stads hi- 
storia under 17de geklet I, in: „Bidrag till Äbo stads historia.“ Serie II, 
Heft 1—4 (Helfingfors, 1889— 1894). 

13* 


1% Dritte Periode. Die Großmachtszeit. 


läuftigen Katechismus, mit deſſen Ausarbeitung er ſich ſchon 
jeit langem bejchäftigt hatte, und welcher ſowohl wegen Selb- 
jtändigfeit des Gedankenganges wie auch wegen YLeichtverftänd- 
lichkeit der Sprache gerühmt wird. Ein Auszug davon war 
ein Heinerer, für ben erften Kinderunterricht bejtimmter Ka— 
techismus, der mehrere Auflagen erlebte. Cine noch be- 
merfenswertere Arbeit ift jeine finniſche Poftilfe, welche 1621 
und 1625 in zwei Zeilen erjchien und faft zwei Jahrhunderte 
hindurch innerhalb der finnifchen Predigtlitteratur ein wegen 
Einfachheit und Klarheit des Inhalts hochgeichägtes Haupt: 
werf blieb. Schlieglih jet von den Schriften des Ericus 
Erici eine finnifche Überſetzung des jchwediichen Kirchenhand- 
buches genannt. 

Während die jchriftjtelleriiche Thätigkeit des greijen Ober- 
birten immer umfafjender wurde, minderte fich freilich bei ihm 
die Fähigfeit, jein Bistum zu regieren. Mehrere Mißbräuche 
batten ich teil aus älterer Zeit erhalten, teils jpäter in die 
finniſche Kirche eingefchlihen. Die Geiftlichen verjchafften jich 
ungejegliche Cinnahmen, gingen ihren Gemeindekindern mit 
ichlechtem Beijpiel voran und verfäumten ihre Amtspflichten. 
Gricus Erici unterließ es, mit Energie diejen Verſehen zu 
jteuern; auch juchte er nicht mit dem Eifer, wie die Regierung 
e8 gewünjcht hätte, die in der finnischen Kirche noch eriftieren- 
den Überrefte von fatholijchen Gebräuchen augzurotten. Dan 
ging bereit damit um, ihm einen Gehilfen beizuordnen, als 
er im Sommer 1625 jtarb. Zweiundvierzig Jahre, aljo 
länger als irgendeiner jeiner Vorgänger, hatte er die Yeitung 
des Stiftes Abo gehandhabt’). Während jeines Negiments 
verminderte fich das Gebiet des Bistums Abo, indem, wie 
ihon früher erwähnt, 1618 das Stift Wiborg abgezweigt 
wurde, welches das öftliche Nyland und Tawaftland, die Haupt: 
mannjchaft Wiborg, die Provinz Kexholm jowie vorläufig auch 
Ingermanland umfaßte. Der erjte Bijchof des neuen Stiftes 
war Olof Elimäus. 


1) Bol. S. Elmgren, Erik Erikson, in: „Finlands minnesvärda 
män “ 1], 1—50. 


Tod des Biſchofs Ericus Erici (1625). Sein Nachfolger Rotbovius. 197 


Yange zögerte die Regierung mit der Wahl eines Nach: 
folgers, bis jie jchlieglih am 6. März 1627 den Pajtor in 
Nyköping, Iſaak Nothovius, welcher 1627 auf dem Stock— 
bolmer Reichstage von der Geiftlichkeit für eim jolches Amt 
empfohlen worden war, zum Inhaber der bifchöflichen Würde in 
Abo ernannte. Rothovius (geb. 1570 in Smäland), welcher an 
norddeutjchen Univerfitäten jtudiert und in Wittenberg ben 
Meagiftergrad erworben hatte, bejaß viele von den Eigenjchaften, 
deren jein Vorgänger entbehrt hatte, war ein kraftvoller Pre- 
diger, ein warmer und umerjchrodener Berfechter des luthe— 
riſchen Bekenntniſſes und ein bis zur Strenge eifriger Vor— 
aejegter. 

Nah jeiner Ankunft in Abo widmete jih Rothovius von 
Anfang an mit unermüdlichem Eifer der Aufgabe, die Kirchen- 
zucht zu verbefjern und einen befferen firchlichen Geift einzu- 
führen. Unabläffig unternahm er BVifitationsreijen in dem 
Stifte, wobei er mit ſcharfem Auge jowohl die Amtsverwal- 
tung der Geiftlichen wie ihren fittlichen Lebenswandel prüfte. 
Außerdem hielt er alljährlich ein- oder zweimal Synodal- 
verfammlungen ab, bei denen gedrudte Thejen über irgend- 
einen Artifel des Augsburgiichen Bekenntniffes bejprochen wur— 
den. Gleichzeitig fanden über die kirchlichen Zuftände Bera— 
tungen jtatt, deren Frucht der Erlaß von Hirtenbriefen und 
Verordnungen („constitutiones‘*) bildete. Dieje „constitutiones* 
geben uns ein lebendiges Bild von dem jtrengen, oft Heinlich 
reglementierenden Geifte, durch den das Klirchenregiment des 
Biſchofs Rothovius ausgezeichnet war }). 

Der praftiiche Blick des Biſchofs erfannte indejjen, daß 
Vorſchriften und Strafbeftimmungen feine dauerhafte Wirkung 
ausüben fönnten, wofern nicht das Unterrichtswejen verbejjert 
würde, namentlich, um taugliche Geiftliche für die Gemeinden 
auszubilden. Bei diefem Beſtreben wurde er durch eine in 
hohem Grade wohlwollende Stimmung bei Guſtav Adolf und 
der Umgebung desjelben wirkſam unterjtütt. 


1) 3. Tengitröm u. V. G. Lagus, Samling af Äbo domkapitels 
eirculärbref, p. 36sqq. (Abo, 1836). 


1%8 Dritte Periode. Die Großmachtszeit. 


Die Schulen Finnlands hatten damals den Verfall, in den 
fie unter Guſtav Waja geraten waren, faum erjt überwunden. 
Es gab fünf vom Staate unterhaltene Unterrichtsanftalten: 
die Äboer Kathedralſchule fowie die Schulen in Helfingfors, 
Wiborg, Raumo und Björneborg; außerdem werden Kinder— 
ihulen in Borgä, Efenäs, Nädendal und Wleiborg erwähnt. 
Ein wichtiger Fortjchritt war es, daß alle Städte, welche nicht 
Zrivial- oder Kathedraljchulen bejaßen, zur Unterhaltung von 
Kleinjchulen oder „Pädagogien“, in denen der Unterricht von 
einem oder von zwei Lehrern erteilt wurde, verpflichtet wurden. 
Auf Grund diefer Vorfchrift, deren Wirkungen fich bis weit in 
unjer Jahrhundert hinein erjtredten, traten an mehreren Orten, 
u. a. in den neuangelegten Städten Nyftad, Gamla SKarlebv, 
Nykarleby und Kexholm derartige anjpruchsloje Anftalten in 
Thätigkeit. Eine höhere und volljtändigere Elementarbildung 
wurde indeffen nach wie vor bloß in den Schulen won Abo 
und Wiborg erteilt. Die Aboer Kathedralichule, welche über 
veichlichere Lehrkräfte verfügte, lodte eine große Zahl von 
Schülern an; aber auch hier war das Studium mangelhaft und 
der beinahe einzige Unterrichtsgegenjtand das Yateinijche, welches 
zudem in einer höchſt unpraftiichen Weije gelehrt wurde. Im 
Jahre 1629 beantragte nun Nothovius die Gründung eines 
„Gymnaſiums“ in Abo, und im Ianuar 1630 fand diejer 
Borichlag die Genehmigung Guſtav Adolf. Die alte Kathe- 
draljchule wurde durch ein „Pädagogium“ erjegt, und ihre 
Einkünfte nebjt anderen Summen wurden zur Unterhaltung 
der neuen Anstalt verwendet, deren Unterrichtsgebiet, verglichen 
mit dem der alten Sathedralichule, beträchtlich erweitert war, 
und auf welcher man die Lehrmethoden von dem bisherigen 
jteifen Formalismus zu befreien juchte. Diejes Gymnafium, 
welches 1640 in eine afademijche Hochichule verwandelt wurde, 
ift von Bedeutung als erjter Neformverjuch beim Schulunter: 
richt ſowie als Vorbote des reicheren wijjenjchaftlichen Lebens, 
welches mit der Gründung der Univerjität zu Abo begann. 

Auch auf militäriichem Gebiet machten fich Reformen be- 
merfbar. Die Hauptjtärfe der Armee bejtand nunmehr aus 


Reformen in Schule und Heer. 199 


Fußregimentern, welche faft alljährlich durch Aushebungen vwer- 
jtärft und ergänzt wurden. Anfangs wurde von einer beftimmten 
Anzahl Perjonen, am häufigften 10—15 Zinsbauern bzw. 
20—30 Fronbauern, je ein Knecht ausgehoben. Seit 1642 
galt jedoch als Prinzip, daß eine gewifje Anzahl von Höfen (‚rote‘) 
je einen Knecht ausrüftete, welcher gegen Bezahlung den Kriegs: 
dienft verrichtete ). So lange die Aushebungen nach dem 
erjtgenannten Modus erfolgten, wurden die Bewohner der ver- 
ſchiedenen Ort- und Landſchaften in jehr ungleihem Verhält— 
nis davon betroffen. Die Provinzen Wiborg und Nüflott 
waren aus unbekannter Urjache am bärteften belaftet. In den 
Jahren 1637 bis 1640 wurden 3. B. dajelbjt 678, 780, 651 
und 687 Knechte ausgehoben, während die Provinzen Abo und 
Bijörneborg troß ihrer größeren Bevölferungsziffer nur 557, 
361, 508 und 398 Mann jtellten. Aus den öftlichen Pandes- 
teilen vernahbm man denn auch unaufhörlich Klagen. Aus 
Furcht vor der Aushebung flüchtete die Bevölkerung haufen- 
weiſe nach Kerholm, Ingermanland, Livland und Schweden. 
Überhaupt war das finnische Nekrutenkontingent verhältnis— 
mäßig jtärfer als das jchwediiche. In den Jahren 1639 und 
1640 wurden im ganzen 5427 und 5337 Mann ausgeboben. 
darunter 2048 bezw. 1821 Winnländer. Finnland ftellte ſo— 
mit 25 bezw. der Gejamtzahl, obwohl die Bevölferungs- 
ziffer Finnlands faum mehr als "/s der ganzen Bevölferungs- 
zahl von Schweden - Finnland betragen haben dürfte ?). Erit 
nachdem die Aushebung von der „Hofzahl* (rote) abhängig ge- 
worden, wurde die Verteilung gleihmäßiger und die Yajt min— 
der drüdend. Das Kontingent aus den Provinzen Wiborg 


1) Th. Wijlander, Öfversigt af Svenska krigsförfattningens 
historiska utveckling frän äldre tider till indelningsverkets afslutande 
1733, p. 150 (Stodholm, 1866). 

2) Die Provinz Kerbolm, wo feine Aushebungen ftattfanden, ift bier 
nicht einbegriffen. Die Ungleichheit dürfte zum Zeil darauf berubt haben, 
daß bie fteuerfreien Höfe, die, verglichen mit den Kronbufen und Zins- 
böfen, nur halb jo viel zu den Aushebungen beitrugen, in Schweden zahl— 
reicher waren als in Finnland. 


200 Dritte Periode. Die Großmachtszeit. 


und Nyjlott erfuhr eine wejentliche Verminderung, und in 
ganz Finnland wurden 1642—1648 jährlich etwa 1300 Dann 
ausgehoben !). 

Die auf jolche Weije zufjammengebrachte Mannichaft wurde 
zur Ergänzung der finnifchen Fußregimenter verwendet, welche 
damals eine feſte Organijation erhielten und nach den Land— 
ichaften, aus denen die Soldaten jtammten, benannt wurden. Im 
Jahre 1624 befahl Guſtav Adolf, daß das finniſche Fußvolf, 
welches noch 1616 nur aus etwa 3500 Mann bejtanden hatte, 
aber ſpäter durch Aushebung auf bedeutend mehr als das 
Doppelte verjtärkt worden war, in 3 Regimenter mit je 
24 KRompagnieen eingeteilt werben jollte Binnen furzem wur: 
den jedoch aus taftiichen Gründen die großen Regimenter in 
fleinere von je 8 Kompagnieen aufgelöf. Im Jahre 1625 
bejtanden 8 jolcher Fleinen Regimenter, zujammen über 9000 
Dann. In den Jahren 1631—1647 betrug die gejamte In— 
fanterie des ſchwediſchen Reichs 34 000— 37000 Mann, dar: 
unter 12000—13000 Finnländer. Finnlands Kontingent war 
aljo, verglichen mit der Bevölferungsziffer, größer als dasjenige 
Schweden. 

Die Einteilung der Kavallerie in fefte Formationen ging 
langjamer vonftatten als die der Infanterie. Erſt 1635 wer: 
den drei finnijche Reiterregimenter erwähnt, welche jpäter be— 
ftehen blieben: die Regimenter von Abo, Nyland und Wiborg. 
Jedes derjelben beftand in der legten Zeit des Dreißigjährigen 
Krieges aus 1200 Mann. Die ganze Kavallerie des Reichs 
belief fich auf 11000 Mann. Auch bier war aljo die Stärfe 
der Finnländer verhältnismäßig größer als die der Schweden ?). — 

1) In dem Zeitraum 1642—1648 waren e8 1447, 1344, 1317, 
1239, 1439 und 1302 Mann. Pgl. den im „Schwediſchen Reihsardiv“ 


befindliden „Extract öfver utskrifningar“. Für das Jahr 1646 feblt 
eine Angabe. 

2) 3. Mantell, Anteckningar rörande finska armens och Finlands 
krigshistoria I, 56sqq. (Stodholm, 1870); vgl. auh I. Mankell, 
Uppgifter rörande svenska krigsmaktens styrka, sammansättning och 
fördelning sedan slutet af 1500 talet jemte öfversigt af svenska krigs- 
historiens vigtigaste händelser under samma tid (Stodholm, 1865). 


Das finniſche Heer im Dreißigjährigen Kriege. 201 


Im Jahre 1625 wurde Guſtav Horn !) zum Befehlshaber über 
alle finnischen Truppen zu Fuß und zu Roß ernannt, wodurd) 
diefer ausgezeichnete Feldherr Gelegenheit erhielt, den finnijchen 
Kegimentern jene Disziplin einzuflößen, welche fpäter während 
des Dreißigjährigen Krieges ihren Ruhm begründete. 

Eine bejondere Organifation bejtand in mehreren an ber 
Meeresküſte gelegenen Kirchipielen, welche, ftatt Reitern und 
Knechten, Matrojen für die Flotte ftellten. Im Jahre 1624 er- 
ging ein Erlaß, betreffend die Errichtung von 2 Matroſenkom— 
pagnieen im weftfinnijchen Schärengartenjowie von 1 Kompagnie 
auf Aland; auch die finnijchen Städte gaben ein paar Hundert 
Bootsleute her. — Gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges 
batte Finnland eine bewaffnete Macht von 17000—18000 
Mann, eine unerhörte Yaft für ein Land, deſſen Bevöl- 
ferungsziffer, mit Abrechnung der Provinz Kerholm, welche an 
der Kriegslaſt nicht beteiligt war, kaum 300000 Geelen 
überjtiegen haben dürfte. Unter jolchen Berhältniffen war es 
ein großer Borteil für Finnland, daß es nicht unmittelbar 
vom Kriege betroffen wurde, jondern daß die friedliche Arbeit 
ihren Fortgang nehmen fonnte, während die Nachrichten von 
den Heldenthaten des Heeres aus Deutjchland anlangten. Im 
übrigen ift zu beachten, daß die einheimijchen Truppen nur 
zum Zeil an den Feldzügen auf ausländiichem Boden teil- 
nahmen. Finnlands Anteil an der aftiven Stärke wechjelte 
zwiſchen 3000 und 5000 Mann. 

Am 22. Yuli 1630 trafen die auf den Kriegsichauplag im 
Deutjichland gerufenen finnischen Truppen, zwei Regimenter 
Fußvolk und fieben Reiterfompagnieen, unter den Befehl Guftav 
Horns in Stettin ein ?). Die Tapferkeit, welche die finnischen 
Reiter bei Burgſtall und Werben (18. und 27. Juli 1631) 

1) Guftav Karlsjon Horn war am 22, Oftober 1592 auf Schloß Or- 
byhus in Upland (Schweden) geboren und wurde 1651 zum ®rafen von 
Björneborg ernannt. Er ftarb am 10. Mai 1657 in Stara. 

2) Die Angabe A. Fryxells (Berättelser ur svenska historia VI, 
233, 4. Aufl.; Stodbolm, 1847), daß 70 finnifche Reiter Guſtav Adolf 


bei Demmin vom Tode errettet hätten, gehört, wie aus gleichzeitigen Briefen 
bervorgebt, in das Neich der Yegenbe. 


202 Dritte Periode. Die Großmadhtsgeit. 


an den Tag legten, erwarb ihmen das bejondere Vertrauen 
Guſtav Adolfs. Sie hatten fpäter bei Gefechten ſtets den 
Ehrenplag an dem äußerjten rechten Flügel des erjten Treffens, 
wo der Hauptanfall gegen die feindlichen Heere zu erfolgen 
pflegte. Die Gegner nannten fie „Haffapäliter“ nach dem 
Gtreitruf „Hakkaa päälle*. An ihrer Spige gewann Torften 
Torſtensſon Stälhandsfe jeinen Ruf als einer der bejten Offiziere 
ber damaligen Zeit 9). Ein anderer hervorragender finnijcher 
Heerführer war Afe Henrifsfon Tott 2). Auch nach dem Tode des 
Königs (6. Nov. 1632) jehen wir die finnischen Truppen faft 
in allen größeren Schlachten eine bedeutende Rolle jpielen. 

Die Regierungsvertreter in Finnland juchten während des 
Krieges die Bevölkerung eifrig zu bewegen, fich willig den Laſten 
zu unterziehen, welche der Krieg mit jich brachte So ent- 
hielten die Briefe des Biſchofs Rothovius an die Geiftlichkeit 
nicht jelten Nachrichten von den errungenen Siegen und Er- 
mahnungen zur Opferwilligfeit für das Vaterland. Trotzdem 
war die Friedensſehnſucht allgemein. Wie gefürchtet der Kriegs: 
bienft war, geht daraus hervor, daß die Zahl der fahnen- 
flüchtigen finnischen Rekruten unabläffig zunahm. Vergebens er: 
ließ Guſtav Adolf am 6. November 1631 ein ftrenges Mandat 
dagegen. Die Zahl der Fahnenflüchtigen belief fich jchlieglich auf 
mehrere Zaujende. Die Nachricht vom Abſchluß des Weſtfäliſchen 
Friedens wurde daher auch in Finnland mit lebhafter Freude 
begrüßt. 

1) Er war 1594 im Kichhfpiel Borga geboren, wurde 1629 Oberſt— 
lieutenant bei der Reiterei von Nyland =» Tawaftebus, 1642 General, ftarb 
jedoch ſchon 1644 in Habersleben. Seine Witwe, Chriſtina Horn, ver- 
mehrte, einem Wunfche ihres verftorbenen Gemahls zufolge, die Bibliothet 
ber Aboer Akademie, indem fie dieſer Hochſchule die Bücerfammlung 
des Bifhois von Aarhus (etwa 900 Bände) ſchenkte. Lebtere war Stäl- 
handske als Kriegsbeute zugeiallen. 

2) Sohn von Heinrich Klasfon Tott und Sigrid Waſa, der Tochter 
Erihs XIV. und Karin Mänsdotters. Er war 1598 geboren, gewann 
duch jeine Unerfchrodenbeit das Vertrauen Guſtav Adolfs, dem ev nad 
Deutihland folgte, in hohem Maße, wurde 1630 Befehlshaber der Neiterei 
und 1631 Feldmarfchall, kehrte jedoch 1633 in die finniſche Heimat zurüd, 
wo er 1640 ftarb. 


Die Regierungsform von 1034. 203 


2. Die Königin Chriftine '). 


Die „Regierungsform“, welche 1634 auf Antrag des Reichs— 
fanzler8 und der Bormundichaftsregierung von den Reichs— 
jtänden angenommen wurde, enthielt auch mehrere Bejtim- 
mungen, welche Finnland betrafen. Das Hofgericht zu Abe 
jollte fortan aus einem Neichsrat, al8 Präfidenten, und je 
ſechs Cdelleuten bezw. Bürgerlichen, als Beifigern, außer 
den jonftigen Beamten, bejtehen. Ferner wurde dinnland in 
vier Hauptmannjchaften eingeteilt: die Hauptmannſchaft Abo, 
welche das „Eigentliche” Finnland, Satakunta jowie Aland um: 
faßte; Tawaſtland mit Nyland; die Provinzen Wiborg, Ny— 
slott und Kymmenegärd; endlich Oſterbotten. Über die eigen- 
tümliche Stellung der Provinz Kexholm ift im vorigen Abjchnitt 
berichtet worden. Die finnijchen Gerichtsjprengel wurden auf 
drei fejtgejeßt: der von Nordfinnland mit Aland und Oſter— 
botten, der von Südfinnland mit Tawaſtland und Nyland, 
jowie der von Sarelien, welcher auch die Provinz Kerholm in 
ih ſchloß. Der letstgenannte Gerichtsiprengel wird jchon 1578 
erwähnt; doch war der dortige Oberlandrichterpoften nicht 
regelmäßig bejegt und kann erſt ſeit diefer Zeit als endgültig 
eingerichtet angejehen werden ?). 

I) Quellen und Nachichlagewerte zur Geſchichte Finnlands zur Zeit 
der Königin Chriftine: K. 8. Tigerftedt, Administratio Fenniae Petri 
Brahe, comitis, gubernatoris et in Fennia primum commorantis (Hel- 
fingfors, 1846); 8. 8. Tigerftedt, Adumbratio status urbium fenni- 
carum annis 1638 —1640 (Helfingiors, 1847); 8. 8. Tigerjtedt, 
Handlingar rörande Finlands historia kring medlet af 17de ärhun- 
dradet (Helfingfors, 1849— 1850); 8. 8. Tigerftedt, Bref frän gene- 
ralguvernörer och landshöfdingar i Finland, förnämligast under 
drottning Kristinas tid, Bd. 1 (Abo, 1869); K. K. Tigerftebt, Ur 
Per Brahes brefvexling, Bd. I u. II (Helfingfors, 1880; Abo, 1888); K. 8. 
a Bröderne Cröell, in: „Finsk Tidskrift“ VIII, 187 sqgq. 

u. 257 8qg. (Helfingiors, 1880); 3. Tengſtröm, Vita et merita M. 
Isaaci B. Rothovii (Abo, 1796— 1813); C. T. Odhner, Sveriges inre 
historia under drottning Kristinas förmyndare (Stodbolm, 1865). 

2) Bol. V. ©. Lagus, Undersökning om karelska lagsagans upp- 
komst, in: „Acta societatis scientiarum Fenniae“ III, 355 —369 
Helſingfors, 1852). 


204 Dritte Periode. Die Großmachtszeit. 


Die 1634 fejtgeftellte Organifation wurde in detaillierten 
Inftruftionen für die verjchiedenen Amtsbehörden zur weiteren 
Durchführung gebracht. Seit diefer Zeit gab es für Finn— 
land und die Ojftjeeprovinzen in der Stodholmer Rechnungs- 
fammer eine bejondere Abteilung, wo der finnijche Etat all: 
jährlich aufgeftellt wurde *). Über die Regulierung der Landes: 
verwaltung giebt ung die Inftruftion Aufſchluß, welche 1637 
dem Sandeshauptmann in Abo, Melchior Falkenberg, erteilt 
wurde. Derjelbe jollte die Bewohner der Yandeshauptmann- 
ichaft zur Beobachtung der LUnterthanentreue anhalten, ihre 
Wohlfahrt fördern und Schaden, Unglück wie Gefahren von 
ihnen abwenden. Ferner jollte er die Kriegsverwaltung, Nechts- 
pflege und Kirche überwachen, ohne fich jedoch unbefugt in die 
Angelegenheiten der Militär», Gerichts- und Kirchenbehörden 
einzumijchen. Schließlich hatte er die allgemeine Ordnung auf: 
recht zu erhalten, darauf zu jehen, daß die ſtädtiſchen Bürger 
jowie die übrigen Yandesbewohner ihren Erwerbszweigen richtig 
oblagen, die Kroneinfünfte zu erheben u. j. w. Als Gebilfen 
wurden ihm ein Sekretär und ein Kämmerer beigegeben. 

Nachdem der Nachfolger Nils Bjelfes, Gabriel Bengtsjon 
Orenftjerna, Finnland verlaffen hatte, um das Amt des Reiche: 
ichagmetjters zu übernehmen, war der dortige Generalgouver: 
neurpoften unbejett geblieben, und es scheint die Abficht be: 
jtanden zu haben, denjelben vorläufig nicht zu bejegen; aber 
die Finnländer beflagten fich darüber, daß e8 nunmehr niemand 
gäbe, der die Verwaltung überwache. Auf Grund deſſen wurde 
die Abjendung eines Neichsrats nach Finnland angeregt, um 
dajelbft Unterjuchungen anzuftellen; ſpäter wurde jedoch biejer 
Plan verworfen, und man einigte jich vielmehr dahin, daß ein 
neuer Öeneralgouverneur ernannt und demjelben eine jo große 
Amtögewalt zuerteilt werden jollte, daß er im Lande eine beſſere 
Ordnung begründen fünnt. Am 7. Juni 1637 wurde Graf 
Per Abrahamsſon Brabe zum Generalgouverneur ernannt; 
durh Erlaß vom 27. Dftober empfing er die Oberleitung der 


1) Außerdem gab e8 eine Rechnungstammer in Abo. 


Graf Brabe Generalgouverneur (1637). 205 


Zivil- und Militärverwaltung in Finnland jowie in Kexholm. 
Oſterbotten wurde nicht zu feinem Verwaltungsbezirk gerechnet ; 
aber er unterließ es, wie wir jehen werden, keineswegs, auch 
dieſem Yandesteil jeine Aufmerkfjamfeit zu widmen. Gleich: 
zeitig erhielten die Provinzen Abo und Wiborg in Melchior 
Salfenberg und Erich Gyllenftjerna neue, zuverläffige Yandes- 
bauptleute. 

Graf Per Abrahamsjon Brabe war am 18. Februar 1602 
geboren. Sein Gejchlecht hatte jeit den Tagen der Kalma— 
riſchen Union zu der höchſten Pandesariftofratie gehört und 
war mit dem Königshauje verwandt. Nach einem längeren 
Studium an der Gießener Univerfität verbrachte Brahe meh- 
rere Jahre unter Reifen in Wejteuropa, wodurch er fich eine 
gründliche Bildung erwarb und mehr als die meiften Edelleute 
jeiner Zeit die Wiffenjchaften jchägen und lieben lernte. Nach 
jeiner Rückkehr gewann er die Gunft und das Bertrauen 
Guſtav Adolfs, der ihn 1630 zum Neichsrat ernannte und 
dejjen treuer Begleiter er während der Feldzüge in Preußen 
und Deutichland (bis 1631) war. Nach des Königs Tode 
gehörte er zu den leitenden Männern im Reichsrate, wo er 
dem ibermächtigen Einfluſſe des Gejchlehts der Oxenſtjerna 
entgegengearbeitet haben joll. Dem älteren Reichskanzler be- 
zeugte er jedoch jtets Ehrfurcht und Achtung, jo daß es zum 
Bruche zwijchen beiden nicht fam. Die Urjache dafür, daß 
ihm der Generalgouverneurs - Pojten in Finnland anvertraut 
wurde, ijt deshalb weniger in dem Wunjch, ihn von der Re— 
gierung zu entfernen, als vielmehr in dem Bertrauen zu 
juchen , welches die übrigen Neichsräte in jeine hervorragende 
adminiftrative Begabung jetten. Cr jelbjt bat im Reichsrate 
jeine Amtsbrüder um Nachficht wegen jeiner Unerfahrenheit und 
betonte gleichzeitig das Hindernis, welches jeine Unkenntnis 
der finnischen Sprache in den Weg lege; allein unzweifelhaft 
hätte trogdem für den wichtigen Poften feine geeignetere Per— 
jönlichfeit gefunden werden fünnen. Mit einer hoben Auf: 
faffung von der Stellung der Ariftofratie verband er nämlich 
ein tiefes Verftändnis für ihre Pflichten gegen das Vaterland. 


206 Dritte Periode. Die Großmachtszeit. 


Außerdem war es für ihn ein großer Vorteil, daß er durch 
jeine Abjtammung Hoch über allen übrigen Vertrauensmännern 
der Regierung in Finnland ftand, jo daß ſogar der Präfident 
Jöns Kurck und der Biſchof Iſaak Rothovius feinen Vorrang 
anerfennen mußten. 

In alfererfter Linie hielt jih Per Brahe für verpflichtet, 
die verjchiedenen Yandesorte aufzujuchen, um die Beſchwerden 
dev Bevölkerung entgegenzunehmen und denjelben abzubelfen, 
die Mißbräuche innerhalb der Verwaltung zu befeitigen und 
jich jelbjt über die Zuftände zu informieren. Nachdem er am 
21. November 1637 in Abo angefommen war und dort zwei 
Monate verweilt hatte, unternahm er am 20. Januar 1638 
eine ausgedehnte Reife durch die jüdlichen und öftlichen Yandes- 
teile. Dieje ging über Tawaftehus, St. Michel und Nyjlott 
nach Kerholm; von dort aus fehrte er über Wiborg und Ny— 
land nach Abo zurüd. Nach feiner Heimkehr (2. Mai) über- 
jandte er der Regierung einen Bericht über die finnischen Zu— 
jtände, welcher in gleich hohem Grade von jeinem Eifer für 
das Wohl des Landes wie von jeinem Scharfblid für die Be— 
dürfniffe Finnlands und die Mittel zu ihrer Befriedigung zeugt. 
Jenem Bericht zufolge hatte der Graf die beſte Zuverficht be- 
treff8 der natürlichen Hilfsquellen des Yandes und betreffs der 
Möglichkeit, eine reichere ökonomiſche Entwidelung für dasjelbe 
zu erreichen. Überhaupt war er der Meinung, daß die wirf- 
lich guten Anlagen des Volkes leicht gewedt werden und zur 
Reife gelangen könnten, wofern nur den Mängeln in den firch- 
lichen und bürgerlichen Inftitutionen abgeholfen jowie den Yandes- 
bewohnern eine beffere Erziehung und ein befferer Unterricht 
gegeben werben würde. Die kirchlichen Zuftände jeien im Stifte 
Abo noch verhältnismäßig beffer. Doch gäbe e8 auch dort 
Geiftliche, welche ihren Zuhörern den Weg zum after und 
zur Untugend zeigten. Bor allem müßten die ausgedehnten 
Gemeinden geteilt werden. Der Biſchof im Stifte Wiborg, 
Gabriel Melartopäus, jei frank, bejahrt, von der Geiftlichkeit 
ichlecht unterjtügt und deshalb nicht imftande, die lutheriſchen 
Gemeinden zu überwachen, noch weniger aber dem „ruffifchen 


Brabes Programm (1638). 207 


Sauerteig“, wie der Graf die griechiſchen Glaubensbekenner in 
Kerholm nannte, entgegenzuarbeiten. Die Landeshauptleute, 
inſonderheit die in früheren Jahren ernannten, jeien ;ur Er— 
füllung ihrer Pflichten gewillt, aber ihre Vögte, gleichwie bie 
Richter, jchlecht, jaumjelig und untauglih. Allerdings thäte 
man nunmehr alles Mögliche, um beffere Beamten zu befom- 
men; aber dies jei wegen des Mangels an tüchtigen Perjonen 
im Land oft unmöglich. Aus dieſen allgemeinen Bemer- 
fungen zog Brahe den Schlußiak, daß die erfte Bedingung für 
ein Aufblühen Finnlands die Gründung einer Hochichule in Abo, 
mehrerer Schulen in den Städten jowie Heiner Kinderſchulen 
überall auf dem Lande jei. Auf die Stiftung einer Akademie 
fam der Graf unaufhörlich zurüd. Dies war und blieb der 
Edpfeiler jeines Reformprogramms. 

Neben diejen allgemeinen Gefichtspunften, welche Finnlands 
gefamte Fünftige Kulturentwidelung betreffen, enthält der Be— 
richt auch mehrere VBorjchläge, welche mehr die augenblidlichen 
Verhältniffe in Betracht ziehen. Der Umfang der Landes— 
bauptmannjchaften hinderte die Yandeshauptleute, ihre Bezirke 
ordentlich zu beauffichtigen, und machte der Bevölferung das 
Vorbringen ihrer Bejchwerden ſchwer, wenn nicht gar unmög- 
ih. Brahe beantragte deshalb eine Teilung der Provinzen ; 
wenigftens injofern, als auf den Schlöffern Tawaftehus und 
Nyſlott Unterhauptleute eingelegt werden jollten, welche fich mit 
der Verwaltung von Tawaftland und Savolaks zu befafjen hätten. 
In jedem) Diftrift jollte e8 nur einen Steuereinnehmer geben, 
Damit der gemeine Dann nicht, wie e8 bisher der Fall ge- 
weien, vollftändig ausgeplündert würde. ine Erleichterung im 
Steuerwejen ließe fich auch dadurch erzielen, daß bie zahlreichen 
bisher fteuerpflichtigen Waren auf einige wenige Hauptprodufte 
bejchränft wirden, wodurch das ganze Tarationswejen zum 
Vorteil der Bevölkerung wie der Krone vereinfacht werben 
fönnte. Gin ſchon früher von Brahe vorgebrachter Plan, be- 
treffend eine Änderung des furchtbar drüdenden Aushebungs- 
wejens, wurde jet durch ihm von neuem angeregt. Nach jeiner 
Anficht ſollte nämlich eine beftimmte Anzahl von Höfen dazu 


208 Dritte Periode. Die Großmachtszeit. 


verpflichtet fein, einen Knecht ftändig zu unterhalten, damit die 
Stärke der Regimenter jederzeit diejelbe bleiben und die Un— 
gleichheit, mit welcher die Aushebungen den gemeinen Mann 
trafen, vermieden werden könnte. Was den Handelöverfehr 
betraf, jo waren nach des Grafen Meinung Abo und Wiborg, 
namentlich der lettgenannte Ort, hoffnungsvolle Handelsitädte. 
Helfingfors müfje nah Sandö verlegt und jeine Bevölferungs- 
ziffer durch Überfievelung ter Bewohner von Borgi vermehrt 
werden. Um den Binnenhandel lebhafter zu gejtalten, jollten 
alljährlich allgemeine Märfte an einem geeigneten Ort in 
Ober » Satafunta jowie bei Tamwaftehus und Nyjlott angeordnet 
werden. Schlieglich nahm Brahe den jeit der Regierungszeit 
Karls IX. jchlummernden Plan einer Verbindung des Saima 
mit dem Meere wieder auf. Nach feinem Dafürbalten Tier 
ſich der jchon exiftierende „Graben“ mit geringen Koften und 
ohne Gefahr einer Überjhwenmung jchiffbar machen. Gleich— 
zeitig trug er fich mit dem Gedanfen einer Verbindung des 
Saima-Seeſyſtems mit den Gewäfjern des Päijänne und des 
Pyhäjärvi, wodurch neue, ausgedehnte Kommunifationswege im 
Innern des Yandes gejchaffen werben jollten. — Genug, fait 
alle Fragen, welche ſpäter bei der inneren finnischen Entwice- 
lungsarbeit vorfamen, wurden in dem obigen intereffanten Gut— 
achten berührt und mit jcharfem Blick beleuchtet °). 

Auch hernach unternahm Per Brahe mehrere Reifen in 
verjchiedene Yandesteile. Im Sommer 1638 bejuchte er die 
Küftengegenden von Abo bis Björneborg. Anfang 1639 begab 
er jich wiederum nach Nyjlott, Wiborg und Kexholm, im Juni 
desjelben Jahres über Tamwaftehus und Nyjlott auf dem See- 
wege nach Yibelit3 und Pielisjärvi, und von dort auf ruffisches 
Gebiet, um fich über die Zuftände im ruſſiſchen Karelien zu 
unterrichten. Alsdann ging die Fahrt über Kajana, den Ules- 
jee jowie auf dem gefährlichen Wege längs den Stromſchnellen 
des WMleäfluffes nach Uleaͤborg. Keine hochgeſtellte Perjünlichkeit 


1) Bgl. „Handlingar rörande Skandinaviens historia“ XXXI, 
427— 442 (Stodholm, 1850). 


Graf Brabes Verwaltung. 209 


hatte jemals zuvor jene Gegenden befucht, deren eigentümliche 
Zuftände Brahe nach feiner Rückkehr von Äbo aus in einem 
vor furzem aufgefundenen Bericht an die Regierung jchilderte '). 
Anfang 1640 reifte er nochmals durch Nyland nach Kexholm 
und von dort über Nyjlott bis nach Idenſalmi und Kuopio. 
Eine Fahrt nach Heljingfors im Juli 1640 war jeine leßte 
Reife während der erften Periode feines Aufenthalts in Finn- 
land. Schon am 7. Augujt begab er fich nah Stodholm, um 
dort feinen Sig im Reichsrat wieder einzunehmen. 

Die Verdienſte, die er ich al8 Generalgouverneur erworben, 
trugen dazu bei, daß er 1641 Reichsdroſt und in jolcher 
Eigenjchaft eines der Mitglieder der VBormundjchaftsregierung 
wurde. Auch in feiner neuen. Stellung übte er einen mäch- 
tigen Einfluß auf die Geftaltung der Geſchicke Finnland 
aus. Seine umfafjende Kenntnis der Orte, Zuftände und 
BVerjönlichkeiten in Finnland machten ihn zu einem jelbjtver- 
jtändlichen Bertreter der finnischen Interefien bei der Regie— 
rung. Die Finnländer wandten jih an ihn, um Schu und 
Hilfe zu erlangen. Nicht minder ließ e8 Brahe ſich perjönlich 
angelegen jein, die Verbindung mit jenen wenigjtens brieflich 
aufrecht zu erhalten. Die Worte in feinem „&edenfbuch“ : 
„sch war mit dem Lande und das Land mit mir zufrieden“, 
zeugen von dem gegenfeitigen Vertrauen, welches zwijchen ihm 
und den Bewohnern Finnlands herrichte. 

Nachdem die Königin Chriftine (8. Dez. 1644) jelber die 
Regierung übernommen hatte, wurde Per Brahe (1648) zum 
zweitenmale zum eneralgouverneur ernannt und bei dieſer Ge- 
legenheit Ofterbotten mit feinem Verwaltungsbezirk vereinigt, 
während Kerholm, welches nunmehr mit Ingermanland ein be- 
ionderes Generalgouvernement bildete, nicht dazu gehörte. In 
der ihm erteilten Inftruftion vom 9. Mai 1648 wurde be- 
ionderes Gewicht darauf gelegt, daß neue Städte an paſſen— 
den Stellen angelegt jowie daß Abo, Helfingfors und Wiborg 

1) Der Bericht ift von P. Norbmann in: „Svenska Literatur- 
sällskapets i Finland Förhandlingar och uppsatser“ VIII, 274—282 


Helſingfors, 1894) veröffentlicht worben. 
Shybergion, Geſchichte Finnlande. 14 


210 Dritte Periode. Die Großmachtszeit. 


in ihrer Entwidelung gefördert werden jollten *). Im Überein- 
ftimmung hiermit richtete Brahe nach feiner Ankunft in Abo 
(18. Juni) fein Hauptaugenmerk auf die Förderung der kom— 
merzielfen Intereffen. Zu diefem Behufe begab er ſich Anfang 
1649 über Nyland, Wiborg und Nyſlott nach Kuopio, jowie 
von dort über Kajana nach Uleiborg, um alsdann längs der 
Küfte beimzufehren. Während dieſer Reiſe bejuchte er bei- 
nabe ſämtliche Städte Finnlands. Cine kürzere Reiſe ins 
Innere des Yandes unternahm er Anfang 1650. Später begab 
er fi nach Schweden, um der Krönung der Königin beizu- 
wohnen. Im Januar 1651 trat er von dort den Rückweg 
an, welcher über Torneä, Uleä, Kajana und Kuopio erfolgte. 
Im September 1651 verließ er Finnland für immer; doc 
behielt er den Poften eines Generalgouverneurs bis zum 14. Ja— 
nuar 1654. 

Unter den Reſultaten der Wirkſamkeit Brabes ift in aller- 
erjter Pinie die Gründung der Akademie von Abo zu nennen. 
Das Bedürfnis einer ſolchen Bildungsanftalt für Finnland 
war augenjcheinlich, zumal da nur eine geringe Anzahl finnischer 
Sünglinge imftande war, an deutichen Univerfitäten zu ftudieren. 
Nur vermittelft einer eigenen Univerjität fonnten tüchtige Kräfte 
für den Dienft der Kirche wie des Staates gewonnen werden. 
Schon früher hatte man denn auch fein Augenmerk darauf 
gerichtet. Trotzdem würde die Frage vermutlich noch lange 
geruht haben, hätte nicht Per Brahe mit der ihm eigentiim- 
lichen Energie eingegriffen und jeine Pläne durchgejegt. Er 
fand hierbei das größte Entgegenfommen jeitens der Negie- 
rung, welche bereits am 18. Dftober 1638 ermiderte, daß die 
Einrichtung der Univerfität notwendig fei, und daß der General- 
gouverneur deshalb jchleunigft mit Biſchof Rothovius über die 
Bejegung der Lehrſtühle beraten jolle. Am 26. März 1640 
wurde die Stiftungsurfunde für die neue Univerjität ausge- 
fertigt, welche das Recht zur Promotion von Doftoren und 


1) € © Styffe, Samling af instruktioner för tjänstemän vid 
landtregeringen etc., p. 225 sqg. 


Die Gründung der Univerfität Abo (1640). 211 


Magiftern jowie alle Vorrechte und Freiheiten erhielt, die der 
Upjalaer Akademie erteilt worden waren. Am 15. Juli 1640 
erfolgte die feierliche Einweihung. In allen Gemeinden des 
Landes wurde an diefem Tag ein Feſtgottesdienſt abgehalten, 
und in einem Zirkular an die Lanbesgeiftlichfeit erinnerte 
Rothovius daran, daß jeit Erjchaffung der Welt dem finntjchen 
Bolfe feine größere Wohlthat widerfahren jet, als jett durch 
Stiftung der Univerfität. In Abo verfammelten fich die neu- 
ernannten Profefjoren, Biichof Rothovius jowie alle Behörden 
und Korporationen der Stadt am frühen Morgen bei Per 
Brahe auf dem Schloffe. Auf einem dem Grafen gehörigen 
Fahrzeug jegelte man nach der Stadt, worauf fich die Schar 
in feierliher Prozejjion mit einer Eskorte von 1000 Reitern 
in das zum Sitz der Univerjität bejtimmte frühere Gym— 
nafium begab. Hier erflärte Brahe in einer ſchwediſchen Rede 
Beranlaflung und Zweck der neuen Univerſitätsgründung, wo— 
bei er die Wichtigkeit diefer neuen Yehranftalt für Finnland 
bejonder8 betonte. Nachdem er im Namen der Königin bie 
Univerfität für eröffnet erklärt hatte, ernannte er im Auftrag 
der Regierung Rothovius zum Univerfitäts-Profanzler, eine 
Würde, welche jich während der ganzen Zeit, wo bie Aboer 
Akademie in Wirkſamkeit war, auf die Nachfolger des Biſchofs 
Rothovius vererbt bat '). 

Die Oberaufficht über die neue Lehranftalt beſaß Per 
Brabe, obwohl er erjt 1646 förmlich zum Univerfitätsfanzler 
ernannt wurde; er befleidete diefen Poften bis zu feinem Tode 
(1680). Er verwaltete fein Amt mit liebevollem Eifer und 
mit einer Unparteilichfeit, die ihn Hoch über den Fleinlichen 
Streitigkeiten und Zäntereien der akademiſchen Lehrer ftehen 
ließ. Manches Titterarifche Unternehmen, welches von ber 
Univerfität ausging, wurde durch feine Fürſorge hervorgerufen 
oder gefördert. Energiſch trat er jederzeit zugunften der Uni— 


1) Eine ausführliche Schilverung des Einweihungsfeſtes findet ſich ge- 
drudt in: „Consistorii academici vid Abo universitet äldre proto- 
koller, utgifna af Finska historiska samfundet“, p. 5sqq. (Helfingfors, 
1883— 1887). 

14* 


212 Dritte Periode. Die Großmachtszeit. 


verfität ein, wenn es erforderlich wurde. Auf Koften der Ala- 
bemie wurde aus Weſteräs der Buchdruder Petrus Wald be- 
rufen, welcher 1642 in Abo die erfte Buchdruderei Finnlands 
begründete. Gleichzeitig fam ein gewifjer Yars Jauchius aus 
Lübeck als afademijcher Buchhändler nah Finnland. 

ALS die Akademie Mitte Auguft 1640 ihre Thätigfeit be- 
gann, waren nur 44 Studenten anwejend; aber jchon nach 
zwei Jahren betrug die Zahl der Studierenden beinahe 500, 
von denen beträchtlich mehr als die Hälfte aus Schweden 
ftammte. Im Jahre 1643 gab es an der Univerſität 9 jo- 
genannte Landſchafts- oder Nationsvereinigungen, 6 ſchwediſche 
und 3 finnifche '). Auch jpäter, bis zur Trennung von Schwe- 
den, locte die in hohem Anjehen jtehende Akademie eine große 
Zahl ſchwediſcher Studenten an, von denen nicht wenige in 
Finnland anjäjfig wurden. Gleich den großen Univerſitäten 
des Weftens bildete auch die Äboer Hochichule eine Welt für 
fih, indem das akademiſche Konfiftorium ſowohl über die Stu- 
denten wie über die Lehrer und andere im Univerſitätsdienſt 
jtehende Perſonen die richterliche Gewalt ausübte. Die Rechts— 
Händel, welche die Zeit des Konjiftoriums größtenteil® in An- 
ſpruch nahmen, geben ein anfchauliches Bild von der damals 
bei den Studenten berrjchenden Roheit und Sittenlojigfeit ’). 

Bei ihrer Gründung hatte die Afademie 10 Profefforen, 
und zwar 3 Theologen, 1 Juriften jowie 6 Vertreter von ver- 
ſchiedenen Lehrzweigen der philoſophiſchen Fakultät ?). Nur 
zwei: der Profefjor der Botanik und Phyſik, Georg Alanus, 
und der Profefjor der griechiichen und hebräiſchen Sprache, 
Martin Stodius, waren Finnländer; die übrigen ftammten 
aus Schweden. Der erjte Univerjitätsreftor, Eskil Peträus, 
bat ſich durch jeine Kenntnis des Finniſchen einen hervorragen- 


1) Bol. ©. Granfelt, Västfinska afdelningens historia I (de 
västfinska nationerna 1640—1722), in: „Västra Finland“ I, 4—95 
(Helfingfors, 1890), und A. Snellman, Pohjalaisen osakunnan historia, 
Bd. I u. II (Helfingfors, 1890— 1891). 

2) Erich Achrelius wurbe 1641 zum Profefjor der Mebizin ernannt; 
doch vermochte er nicht, die mebiziniihen Stubien in Flor zu bringen. 


* SE LIB RAR 
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UNIVERSITY 
Or A\ 
CALIFORN 







9 








Die Univerfität Abo. 213 


den Plag in der finnischen Yitteraturgefchichte erworben !). Er 
war der hervorragendſte der vier Männer, welche die Regierung 
beauftragt Hatte, die ganze Bibel ins Finnifhe zu über- 
jegen, und ihm ift im wejentlichen die Schnelligfeit zu ver- 
danfen, womit jenes große Unternehmen betrieben und 1642 
glüdlih zu Ende geführt wurde. Auf Brahes Aufforderung 
verfaßte er jpäter die erjte (Tateinifche) Grammatif der fin- 
niichen Sprache: „Linguae fennicae brevis institutio*, welche 
1649 erſchien. Als Theologe war er ein eifriger Anhänger der 
reinen lutbherijchen Lehre, wovon jeine in Form von afabe- 
miſchen Disputationen 1649— 1657 veröffentlichten „Medi- 
tationes“ ein deutliches Zeugnis ablegen. Infolge feines kraft- 
vollen, ernjten Charakters flößte er feiner Umgebung unum- 
ſchränktes Vertrauen ein, weshalb er auch nach dem Tode 
des Rothovius zum Nachfolger desjelben erwählt wurde. Als 
Biſchof von Abo ermahnte er in jeinen Zirkularbriefen die Geift- 
Itchfeit zur Rechtgläubigfeit fowie zur Bekämpfung des noch all- 
gemein verbreiteten Aberglaubens. — Reich begabt war auch der 
Theologieprofeffor Johann Terjerus ?), welcher bis 1647 in 
Abo eine Fehrthätigfeit ausübte. Seine fpäteren ſtürmiſchen 
Yebensichidjale Hängen mit jeiner Wirkjamfeit als Nachfolgers 
des Peträus auf dem Äboer Biihofsftuhle zufammen. — Der 
unter dem Namen Stjernhööf jpäter geadelte Profeſſor der 
Zurisprudenz, Iohann Dalekarl ®), ift jederzeit als einer ber 
bervorragendjten wiffenjchaftlicden Talente des Nordens an- 
erfannt worden und war die bebeutendjte Perjönlichteit der 
Univerfität bei ihrer Stiftung. Seine Arbeit: „De jure 


1) Estil Peträus, geb. 1593 in Wermland, ftudierte in Upfala und 
Deutfchland, wurde 1630 Oberlehrer am Aboer Gymnaſium, 1640 Pro: 
fefior an der dortigen Umiverfität und 1652 Biichof ebenbaielbit. Er 
ftarb 1657. 

2) Geboren 1605 in Dalelarlien, ftubierte er in Upfala fowie im 
Deutichland, wo er Anhänger des Calirtus wurde. 

3) Geboren 1596 in Dalelarlien, ftubierte er in Upiala und Roftod, 
wurde 1630 zum Afjefjor am Aboer Hofgericht, 1640 auch zum Profeſſor 
an der dortigen Univerſität ernannt. Er ſtarb 1675. 


214 Dritte Periode. Die Großmachtszeit. 


Sveonum et Gothorum vetusto“*, eine hiſtoriſche Schilderung 
der Entjtehung und Entwidelung des jchwediichen Rechts, war 
epochemachend. — Der unter dem Namen Gyldenſtolpe ge: 
abelte Profeſſor der Politif und Geſchichte, Michael Vexio— 
nius ?), war eine vieljeitig gebildete Perjönlichfeit mit um— 
faffenden Kenntnifjen in der Philofophie, Gejchichte und Juris: 
prudenz. Die bedeutendfte jeiner zahlreihen Schriften iſt das 
auf Beranlafjung Brahes verfaßte „Epitome descriptionis 
Sueciae, Gothiae, Fenningiae et subjectarum provinciarum‘“, 
in welchem einige Kapitel auch Finnland gewidmet find. — 
Der Profeffor der Mathematif, Simon Kexlerus (geb. 1602 
in Nerife, gejt. 1669) war ein verdienjtvoller Verfaſſer mathe: 
matijcher Lehrbücher jowie außerdem als Aftronom ein Ver— 
treter der naturwiffenjchaftlichen Studien. Auf legterem Ge— 
biete bewegte er jich jedoch in einer veralteten Nichtung, indem 
er die Lehre des Kopernifus befümpfte und, gleichwie Sieg— 
fried Forfius (vgl. ©. 179), an die Möglichkeit glaubte, auf 
aftronomischem Wege fünftige Ereigniffe vorausjagen zu können. 
Noch mehr als Kerlerus war Martin Stodius ?) in dem my— 
ftiichen Aberglauben der damaligen Zeit befangen. 

Dieje Andeutungen dürften genügen, um eine Vorjtellung 
von den geiftigen Kräften zu geben, welche Finnland durch 
Gründung der Univerfität zugeführt wurden. Allein Per Brahe 
erfannte, daß die Hochjchule eines feſten Rückhalts entbehren 
würde, wofern fie jich nicht auf einen verbefjerten Scul- 
unterricht ftügen könnte. Sein Augenmerf war daher unab- 
läjfig auf Vermehrung der Yehranftalten jowie auf Berbefjerung 


1) Geboren 1609 in Smäland, ftubierte er in Upiala und Marburg. 
Im Jahre 1647 erhielt er den Auftrag, neben feiner früheren ordentlichen 
Profefjur auch der juriftiichen Profefjur als extraordinarius vorzufteben. 
Diefe beiden Ämter verfab er bis 1657, wo er als Aſſeſſor in das Aboer 
Hofgerit eintrat. Er ftarb 1670. 

2) Geboren am 3. November 1590 in Abo, wurde er in Wittenberg 
zum Magiſter promoviert, war fpäter Lehrer in Abo und Wiborg, feit 
1633 Oberlebrer amı Aboer Gymnaſium. Nah 20jähriger Dienftleiftung 
an ber Univerfität erbielt er 1660 jeinen Abſchied und ftarb 1675. Er 
war Mitarbeiter an ber finnifchen Bibelüberiehung. 


Hebung des Schulweſens. 215 


ihrer Organiſation gerichtet. Seine Vorſchläge fanden die 
Zuſtimmung der Regierung. Schon 1638 faßte er den Ent— 
ſchluß, in Abo, Bijörneborg und Helſingfors vierklaſſige 
höhere Schulen, die ſogenannten „Trivialſchulen“, einzurichten. 
Die Aboer Trivialſchule, welche einen Erſatz für das bei Stif— 
tung der Akademie aufgehobene Gymnaſium und Pädagogium 
bildete, begann 1641 ihre Thätigkeit und gewann ein der ehe— 
maligen Kathedralſchule entſprechendes Anſehen. Die Trivial— 
ſchulen in Björneborg und Helſingfors wurden 1640 bezw. 
1641 eingerichtet. Auch Oſterbotten erhielt 1641 ſeine erſte 
höhere Lehranſtalt, nämlich eine Trivialſchule in Nykarleby. 
Die Wiborger Schule, welche nur notdürftig den Bildungsbedürf— 
niſſen im öſtlichen Finnland entſprach, wurde 1641 zu einer 
mit einem zweiklaſſigen Gymnaſium verbundenen Trivialſchule 
umgewandelt; die Naturwiſſenſchaften wurden jedoch in den 
Lehrplan dieſer Anſtalt nicht aufgenommen. Auch auf die 
niedere Elementarbildung richtete Per Brahe ſeine Blicke. Er 
ließ in Tawaſtehus und Nyſlott „gute“ Pädagogien einrichten; 
das ſchon früher in Kexholm beſtehende Pädagogium wurde 
erweitert; ſpäter bekamen Kajana, Brahea, Brabeftad und die 
meiſten übrigen neu angelegten Städte ſolche kleinere Elemen— 
tarſchulen. Die Organiſation, welche das Schulweſen hierdurch 
inbezug auf Anzahl der Lehranſtalten ſowie deren gegenſeitiges 
Verhältnis erhielt, blieb mit einigen wenigen Erweiterungen 
und Veränderungen zwei Jahrhunderte lang beſtehen; während 
dieſer ganzen langen Zeit beherrſchte ſomit der Geiſt Per Brahes 
das Erziehungsweſen Finnlands. Auch auf dem Lande begann 
man auf Verbreitung von Kenntniſſen hinzuarbeiten, was durch 
die Teilung von zahlreichen ausgedehnten, im Innern des 
Yandes gelegenen Gemeinden erleichtert wurde; jogar in den nörd— 
lichten Gegenden des Stiftes Abo wurden für die Lappen zwei 
Kirchen gegründet, die eine in Enare, die andere in Kemiträsk. 
Gleichzeitig erfolgte die Stiftung der erſten Volksſchulen, 1639 
im Kirchſpiel Saltvik auf Aland, in den vierziger Jahren im 
Kirchipiel Perno und 1649 in Kimito, welches Arel Orxenitjerna 
als Baronie zu Lehen erhalten hatte. Dieſe von einem ein- 


216 Dritte Periode. Die Großmachtszeit. 


zigen Lehrer geleiteten Schulen waren der erjte Keim des 
in unjern Tagen jo reich entwidelten finniſchen Volksſchul— 
weſens. 

Alle, dieſe Reformen auf dem Gebiete des Schulweſens 
wirkten nicht nur erhebend und jtärkend auf die Bildung des 
finniſchen Volkes, jondern veränderten auch in gewiſſer Hin- 
ficht die Bildungsrichtung. Die litterarifhe und wiljenjchaft- 
liche Verbindung mit Schweden, welche bisher nur jchwach und 
zufällig gewejen war, wurde nunmehr immer lebhafter und 
vieljeitiger. Allerdings war das Yateinijche nicht minder an der 
Univerfität wie in der Schule offiziell vorherrichend ; aber die 
Männer, welche die höhere Bildung vertraten, waren doch 
größtenteild Schweden, welche fih im täglichen Yeben ihrer 
Mutterſprache bedienten. Die zahlreichen Studenten aus Schwe- 
den und bie fortvauernde Zentralijation der Verwaltung trugen 
ebenfall8 zu einem jolchen Rejultat bei. In dem Hofgericht, 
im Generalgouvernement und in allen Verwaltungszweigen gab 
e8 hervorragende Männer, deren Bildung völlig weſtländiſch 
war. AnderjeitS zogen die jeit alter Zeit in Finnland an— 
jäjfigen, reichen Adelsgejchlechter aus Finnland weg. Die Mit- 
glieder der Gejchlechter Fleming, Horn, Ereug, Tott und Kurck 
beſaßen freilih noh Güter in Finnland und wurden nicht 
jelten mit Yandeshauptmannspoften und anderen wichtigeren 
Ämtern in der alten Heimat betraut; aber im allgemeinen 
verfloß das Leben dieſer bochariftokratiichen Herren in Schwes 
den, wo fie wichtige abminijtrative Poften befleiveten. An 
ihre Stelle trat ein ziviler Beamtenftand, welcher, unter ſtarker 
Vermiſchung mit Schweden, jeine Ausbildung hauptſächlich an 
der Univerfität Abo und bei den einheimijchen Behörden em= 
pfing. Nicht jelten wurden die angejebenjten Mitglieder 
diejer Klafje geadelt; aber der jelbftändige und eigenwillige 
Geift, welcher fich bei den großen Gejchlechtern von Generation 
auf Generation vererbt hatte, war ihnen fremd. In der Armee 
überwog einige Jahrzehnte lang das deutſche Element; jpäter 
wurde jedoch das Verhältnis bier dasjelbe, wie bei dem zivilen 
Beamtenftand. Bei dem Bürgerftand, namentlich in Abo, machte 


Das Verhältnis zu Schweden. 217 


ſich das Schwediſche ebenfalld immer mehr geltend. Eine 
niht geringe Anzahl der bedeutenditen Raufmannsfamilien 
ſtammte allerdingd aus Deutjchland ; aber ihre Nachkommen 
in zweiten oder drittem Grade bebienten fich gewöhnlich des 
Schwediſchen als ihrer täglichen Umgangsiprache. 

Dieje zentralifierende Richtung, welche Finnland eine rei- 
here Bildung verjchaffte und allmählich innerhalb deſſen 
Grenzen eine immer größere Nechtsficherheit jchuf, brachte 
jedoch die bis zum heutigen Tage fühlbare Ungelegenheit mit fich, 
daß die Beamten der Bevölkerung entfremdet wurden, nament— 
ih dem überwiegenden, Finniſch redenden Teil derjelben. 
Allerdings legte die Regierung bei der Bejegung von Ämtern 
in Finnland immer höheres Gewicht darauf, daß die Bewerber 
der finnijchen Sprache mächtig waren. Aber andrerjeits war 
e8 jchwierig, verdienten Männern nur wegen mangelhafter 
Sprachkenntnis die Beförderung zu verjagen, weshalb man 
bisweilen von dem im allgemeinen gültigen Prinzip abwich. 
Gegen Ende des Jahrhunderts begann der gemeine Mann in 
jeinen Reichstagsbejchwerden auf Bejeitigung dieſes Mißftandes 
zu dringen, was jedoch kaum gejchehen konnte, da Finnland 
weder in abminijtrativer noch in juridiſcher Hinficht eine ab— 
gejonderte Stellung im Reiche einnahm. Anders verhielt es 
ſich bei der Kirche; es ereignete fich höchſt jelten, daß die Ob- 
but über eine finnifch redende Gemeinde einem Prediger an- 
vertraut wurde, welcher ſich nicht fehlerfrei jeinen Gemeinde: 
findern gegenüber ausdrüden konnte. 

Innerhalb der Fitteratur, welche unter dem Cinfluß der 
Aboer Hochſchule und ihrer Buchdruckerei aufzublühen begann, 
jpielte das Lateiniſche lange eine entſchieden herrſchende Rolle; 
doch begann fich die ſchwediſche Sprache, bejonders auf reli- 
giöjem Gebiete, einen Weg zu bahnen. — Finnlands Gejchichte 
wurde von dem geiftvollen aber unbändigen Johannes Meſſe— 
nius bearbeitet, welcher, papiftifcher Umtriebe verdächtigt, 1616 
bis 1635 in ftrengem Gewahrjam auf dem Sclofje Kajane- 
borg jaß und dann nach Uleäborg gebracht wurde, wo er jchon 
1636 ftarb. In der Gefangenjchaft beichäftigte fich dieſer 


218 Dritte Periode. Die Großmachtsgeit. 


Gelehrte mit einer umfaſſenden hiſtoriſchen Schriftjtellerthätigfeit, 
welche fich auch auf Finnlands Gejchichte eritredte. Das zehnte 
Buch feines großen Werfes „Scondia illustrata“ iſt nämlich 
Finnland und den Dftieeprovinzen gewidmet; außerdem be— 
handelte er die Vorgeſchichte Finnlands bis 1628 in einer 
furzgefaßten „Reimchronik über Finnland und deffen Bewohner“, 
welche erjt 1774 gedrudt wurde Ihm gebührt der Ruhm, 
ber erjte gewejen zu jein, welcher erkannte, daß die Gejchichte 
Finnlands als ein jelbjtändiges Forſchungsgebiet betrachtet werden 
fünne. — Innerhalb der nationalfinnijchen Fitteratur bildet die 
finniſche Bibelüberjegung die jchönfte Frucht des erwachenden 
Eifers für die religiöfe Aufklärung des Volkes. Iſaak Rothovius 
und das Abver Domkapitel wandten fich mit der Bitte an die 
Regierung, daß fie die Initiative zur Übertragung der ganzen 
Bibel in das Finnische ergreifen möge. Schon am 10. April 
1638 gaben die VBormünder Chriftinens hierzu ihre Ein- 
willigung und ernannten ein Bibelüberjegungstomitd, welches 
aus Eskil Peträus, Martin Stodius, dem Prediger Heinrich 
Hoffman in Masku, ſowie dem Paſtor Gregorius Matthiä 
Favorinus in Piikis beftand. Im Jahre 1642 erjchien die Über: 
jegung in Stodholm, ein jtarfer Band von 370 Bogen. Auf 
allgemeine Koften wurde fie für die Kirchen der Gemeinden 
erjtanden und erhielt dadurch jofort große Verbreitung. Neben 
der Bibel, welche auf Luthers deutjcher Bibelüberjegung jowie 
den früheren Übertragungen Agricolas fußte, wurde feit diejer 
Zeit auch das Pjalmbuch ein Gaft in den Hütten der finntjch 
redenden Bauern. in neues finnifches Pialmbuch, eine er- 
weiterte und verbeſſerte Auflage des von Jakob Finno edierten, 
wurde nämlich zu Beginn der Regierung Guftav Adolfs von dem 
Prediger Hemmingius in Masku veröffentlicht, welcher 1616 auch 
die während des Mittelalter8 beim Gottesdienft angewandten 
lateinifchen Palmen in finnifcher Übertragung publizierte. Die 
zweite Auflage des oben erwähnten Pjalmenbuchs erjchien 1639; 
jpäter wurden in Furzem Zwijchenraum neue Auflagen dieſes 
Werfes ediert, welches defto unentbehrlicher wurde, je mehr fich 
bie Pejefühigfeit verbreitete. Hingegen ftieß die Erledigung ber 


Die finniihe Bibelüberſetzung (1642). 219 


jeit der Zeit Karls IX. ruhenden Frage, betreffend die Über— 
jegung der Gejege ins Finnische, auf unüberwindliche Schwierig- 
feiten, und die finnijch redende Bevölkerung mußte fich nach wie 
vor mit der Gejetesfenntnis begnügen, welche durch die An— 
wejenheit der Geichworenen und des gemeinen Mannes bei ben 
Thingen erworben wurde. 

In Verbindung mit diefen Bildungsbeftrebungen müſſen 
wir die Bemühungen erwähnen, welche auf die Belehrung der 
griechijchskatholiichen Belenner der Provinz Kexholm zur luthe- 
riichen Lehre binzielten. Per Brahe entwarf einen neuen Plan 
zur Erreichung eines jolchen Zweds. Er riet von dem früher 
beobachteten Verfahren ab, die orthodoren Geiftlichen bei ihrem 
Ableben durch lutheriſche Prediger zu eriegen, da ihm dies 
allzu rüdfichtslos und auch geeignet erjchien, die fortbauernd 
jtarfe Auswanderung nah Rußland noch zu vermehren. Statt 
dejjen jchlug er vor, daß man das Bekehrungswerk durch die 
griechijch = orthodoren Geiſtlichen ſelbſt betreiben jolle. An— 
jcheinend müßten diejelben in ihrer alten Stellung als griechiſch— 
fatholijche Prediger verbleiben, faktiſch aber für die luthe- 
riiche Religion arbeiten, wodurch fich die Veränderung allmäh- 
(ih und unmerflich, aber ficher vollziehen werde. Die An- 
zahl Iutherifcher Kirchen mit Iutherifchen Yehrern müſſe fort- 
während vermehrt werden; aber lettere jollten fich nicht an 
dem Bekehrungswerk beteiligen, jondern fich nur um die aus 
Finnland eingewanderten Yutheraner befümmern. Diejer Plan, 
welcher mit der maßvollen Sinnesart Per Brahes überein- 
ſtimmte, veriprach anfangs nicht geringen Erfolg. Die große 
Maſſe der griechijch- orthodporen Bevölkerung blieb allerdings 
bartnädig dem von ihren Vätern ererbten Glauben treu, aber 
die Geiftlichen zeigten fich nicht abgeneigt, der Regierung ent: 
gegenzufommen. Ihre ökonomiſche Stellung war äußert ge: 
drückt, und nicht wenige von ihnen verpflichteten fich daher, gegen 
einen gewiſſen, geringen Entgelt für die Abfichten der Regierung 
zu wirken. Um jene dabei zu unterftügen, ließ man einen 
finniſchen Katechismus mit ruſſiſchen Buchftaben druden, und 
zu gleichem Behufe ließ Per Brahe finnische Katechismen und 


220 Dritte Periode. Die Großmachtszeit. 


Bibeln unter das Volk verteilen. Aber das Endergebnis ent- 
ſprach den Wünſchen der Regierung feineswegd. Die ortho- 
doren Geiftlichen, welche gewonnen wurden, waren unzuver— 
läjfige Berfonen, welche auf ihre Umgebung feinen nachhaltigen 
Einfluß auszuüben vermocdten. Der bervorragendite unter 
ihnen, Joachim Zerentjeff, wurde wegen allerlei Unfugs in 
einen Skandalprozeß verwidelt, aus welchem ihn nur der mäch— 
tige Einfluß Brahes retten Fonnte. Weder er noch jeine Amts— 
brüder vermochten eine größere Anzahl Proſelyten zu machen, 
und auch die wenigen griechiich-orthodoren Bekenner, welche ihrem 
Glauben abtrünnig wurden, waren dem Protejtantismus nicht 
jonderlich zugethan. Einer von ihnen antwortete, als er vor 
Gericht nach jeinem religiöjen Bekenntnis gefragt wurde, er 
jtehe gerade in der Mitte und halte fich weder vollftändig 
zur ruffiichen noch zur lutheriſchen Religion. Es kam jogar 
vor, daß Yutheraner zum orthodoren Glauben übertraten. 
Schließlich begann man einzujehen, daß auf dem von der Re— 
gierung eingejchlagenen Wege nichts auszurichten jei. Der 
1645 zum Generalgouverneur über Ingermanland und Kex— 
holm ernannte Karl Mörner bob hervor, daß die Griechiich- 
Orthodoxen troß aller angewandten Mühe nicht von ihrer 
Religion abipenftig gemacht werben könnten; ebenjo wenig könne 
man bdiejelben ohne großen Schaden aus dem Lande vertreiben; 
es ſei daher am beiten, jie ungeftört bei ihrer Religionsaus— 
übung zu belajfen. Diejer einfichtsuolle Nat verballte jedoch 
ungebört. In jeinem Berichte (1638) ſchob Brahe, vielleicht 
nicht ohne Grund, das geringe Anjehen, welches die lutheriſche 
Kirche in der Provinz Kerbolm genoß, auf die Schwäche und 
Unwirkſamkeit der Firchlichen Oberleitung in Wiborg. Der 
erſte Bifchof in dieſem neu eingerichteten Stift, Olof Elimäus 
(1618— 1629), wirkte eifrig für Teilung der ausgedehnten 
Sprengel und veröffentlichte auf eigene Koften eine neue Auf» 
lage der Pialmen Jakob Finnos (1621) und des von Ericus 
Erici ins Finniſche überjegten Kirchenhandbuchs (1629). Aber 
jeine Nachfolger Nikolaus Garelius (1630—1632) und Ga— 
briel Melartopäus (1633 — 1641) waren greife, franfe Männer, 


Die griechifch-fatboliichen Kerholmer. — Der Fistal Cröell. 221 


welche nicht wirkſam einzugreifen vermochten. Schließlich er- 
hielt das Stift in Petrus Bjugg (1642 —1656) einen ener- 
giſchen Bijchof, welcher die bejtehenden Mißbräuche abzujchaffen 
juchte und dus Aufblühen des Wiborger Gymnaſiums wejent- 
lich förderte; aber auch er hatte geringen Erfolg bei jeinen 
Bemühungen, die verwidelten firchlichen Verhältniffe in den 
öftlichen Zeilen des Stifts zu ordnen, von welchem 1641 In- 
germanland abgezweigt worden war !). 

Die beftändige Kontrolle, welche der Generalgouverneur der 
Verwaltung widmete, und die Vorjchriften, welche er inbetreff 
des Steuertarationswejens erteilte ?), bewirften allmählich die 
Befeftigung der gejetlichen Ordnung, vermochten indefjen noch 
nicht alle Mißbräuche auszurotten. In Finnland wie anderswo 
bedurfte e8 der Arbeit vieler Generationen, bis das Gejek 
überall und von allen geachtet und befolgt wurde. Davon 
zeugt u. a. die Gejchichte des Kammerfisfald Samuel Eröelf. 
Derjelbe entftammte einer wohlhabenden Wiborger Kaufmanns- 
familie, widmete ſich jedoch der zivilen Beamtenlaufbahn. Ob- 
wohl er jich al8 Handjekretär bei der Provinzialregierung in 
Wiborg viele Ungerechtigkeiten hatte zujchulden fommen lajjen 
und zum Amtsverluft verurteilt worden war, erfolgte doch 1646 
jeine Ernennung zum Fiskal des Kammerkollegiums in den 
Provinzen Wiborg und Nyilott, in welcher Eigenjchaft er über 
das Verhalten der dortigen Beamtenmwelt eine Unterſuchung 
anzuſtellen Hatte. In mehrfacher Hinficht war er für einen jolchen 
Auftrag geeignet. Energiich, fraftvoll und in abminiftrativen 
Fragen erfahren, war er mehr als die meiften imftande, abmini- 
ftrative Schäden aufzudecken; aber andrerjeits war er rückſichtslos, 
leidenſchaftlich und gehäffig, jo daß er fich viele zu Feinden 
machte. Kaum hatte er jeine Unterjuchung begonnen, al® er 


1) Bjugg war 1587 in Söberlöping geboren. Seine verbienftwollen 
und ausführlihen Statuten von 1654 für das Wiborger Gymnaftum find 
gebrudt bei 8. ©. Peinberg, Handlingar rörande finska skolväsendets 
historia I, 377—408 (Iyväskylä, 1884). 

2) Die Inftruftionen von 1648 und 1650 an bie Fanbesbauptleute 
wieberbofen alte und geben neue Borfchriften. 


222 Dritte Periode. Die Großmadhtszeit. 


jofort das Kammerkollegium davon benachrichtigte, daß die 
Steuererbeber in der Provinz Wiborg im böchjten Maße ver- 
brecheriijh und eigennügig zu Werke gingen. Nicht einmal 
den Landeshauptmann Johann Roſenhane, der ihn perjünlich 
beleidigt hatte, verichonte er mit feinen Angriffen. Darauf 
fette er feine Unterjuchungen in der Provinz Nyjlott fort, wo 
die Zuftände nach feiner Meinung noch jchlimmer waren. 
Nyſlott war damals auf Brahes Antrag von der Provinz 
Wiborg abgezweigt worden und hatte in der Perſon des Ob- 
riften Michael Jordan einen bejonderen Hauptmann erhalten, 
den Cröell als einen der jchlimmjten Krondiebe bezeichnete. 
Jordan machte gegen den fühnen Fiskal einen Prozeß bei dem 
Aboer Hofgericht anhängig, wurde jedoch der won ihm be— 
gangenen LUngejetlichfeiten überführt und 1651 jeines Amtes 
entjetst, obwohl Per Brabe für ihn Partei nahm. Im Jahre 
1647 wurde Eröell zum Fiskal in Kerholm und Ingerman- 
land ernannt und erhielt dadurch ein noch danfbareres Feld 
für jeine Wirkfamfeit. Jene beiden Provinzen ftanden ſeit 
1642 unter einem gemeinjamen Generalgouverneur, Karl Mör— 
ner, während Reinhold Metſtake Landeshauptmann auf Ker- 
holm war. Nach feiner Ankunft in Kerholm (Anfang 1648) 
griff Eröell mit gewohnter Schnelligkeit in die Verhältniſſe 
ein. Er wanderte von Kirchipiel zu Kirchipiel, berief den ge- 
meinen Dann, hörte deſſen Klagen an, benachrichtigte das 
Kammerkollegium von dem, was er von der Bevölkerung er- 
fahren, befreite lettere von Abgaben, die ihm ungerecht dünkten, 
und betrug jich, wie Mörner fih ausdrüdte, als ob er ein 
„zweiter Yandesregent“ gemwejen wäre. Die Angelegenheit wurde 
dem Aboer Hofgericht überwiejen, und ein langwieriger Prozeß 
entitand, wobei im Laufe der Zeit mehrfache Unterfuchungen 
in der Provinz angeftellt wurden, ohne daß eine völlige Klarheit 
gewonnen wäre Metitafe nahm jeinen Abjchied, und Mörner 
wurde als Präfident an das Dorpater Hofgericht verfegt; aber 
auch ihreNtachfolger hatten unter den boshaften Anklagen Eröells 
zu leiden. Schließlich wurde aber der Kammerfiskal von der 
Rache der empörten Beamten ereilt und Anfang 1653 als 


Berwaltungsmarimen Brahes, 223 


Gefangener auf das Schloß Kexholm gebracht, wo er mehrere 
Jahre ohne Unterfuchung oder Verurteilung verblieb. Erft 
nach drei Jahren erhielt er die Freiheit wieder. Er hatte 
über das Ziel hinausgeichoffen, und jeine Thätigfeit gereichte 
daher der Bevölkerung, deren Sache er fich angenommen, nicht 
zum Nuten. Die ungerechten Beamten waren gereizt wor- 
den, die Mißbräuche blieben beftehen, und die Regierung ftand 
dem machtlos gegenüber. Der Ausweg, den man jchließ- 
(ich inbezug auf die Provinz Kerbolm wählte, war kaum als 
glücklich zu bezeichnen. Die Regierung ſchenkte nämlich das 
ganze Gebiet einer Anzahl von Edelleuten, von deren Verwal: 
tern die Bevölkerung völlig abhängig wurde !). 

Die abweijende Haltung, welche Brahe gegen Cröell beob- 
achtete, ift für jeine Auffaffung bezeichnend. Aber andrerjeits 
unterließ er es nicht, Die Initiative zu umfaffenden abminiftra= 
tiven Neformen zu ergreifen. Vor allem fejfelte der bisherige 
Aushebungsmodus jeine Aufmerkjamfeit. Sein Vorichlag, daß 
die Aushebungen durch jtändiges Halten von Knechten erſetzt 
werden jollten, gewann nicht die Zuftimmung der Regierung, 
da diejelbe nicht auf die Möglichkeit, die Stärke der Armee nad) 
Bedürfnis zu erhöhen, verzichten wollte; aber fie willigte doch 
darein, daß die Rekrutierung im öftlichen Finnland Fünftig nicht 
nach der „Perſonen-“ jondern nach der „Höfezahl“ erfolgen jollte 
(vgl. ©. 199). In Verbindung hiermit wurde die Militär- 
dienftpflicht allmählich von einer perjönlichen Laſt in eine Geld» 
jteuer umgewandelt. Ferner kam e8 1640 zur Einjegung einer 
Kommiifion, welche feftjtellte, welche Dörfer und Sirchipiele 
Matrojen für die Flotte liefern follten. Auch die Küftenjtädte 
stellten Bootsleute. — Schließlich ift die Teilung der Provinzen 
zu erwähnen. Nyland erhielt 1640 einen eigenen Yandeshaupt- 
mann, Satafınta 1641 unter dem Namen „Provinz Björne- 
borg“ eine bejondere Verwaltung; Savolafs bildete jeit 1641 


1) In Kexholm und Ingermanland wurden, ähnlich wie in Eſthland 
und Livland, Adelslandtage abgehalten, auf denen ber Abel nicht felten 
mit trotigem Übermut dem Generalgouverneur entgegentrat. 


224 Dritte Periode. Die Großmachtszeit. 


eine bejondere Provinz Nyſlott. Später griff man jedoch auf 
die frühere Provinzialeinteilung zurüd. 

Im Jahre 1638 wurde für Finnland eine regelmäßige Pojt- 
verbindung gejchaffen. Auf Brahes Vorſchlag empfing nämlich 
Sten von Stenhujen damals den Auftrag zur Errichtung einer 
Poſt von Stodholm über Aland nach Abo, jowie von dort über 
Tawaftehus und Helfingfors nad Wiborg und Kerholm. Einige 
Jahre jpäter fam eine Poftverbindung zwifchen Abo und den 
Städten an der finnijchen Weftküfte zuftande. Auch einige an- 
dere abminiftrative Reformmaßregeln wurden getroffen; 1638 
erfolgte die Ernennung eines Forſtmeiſters zur Pflege der 
finniſchen Kronwälder: ein gewiſſer Heinrich Zeit erhielt als 
Bergmeifter die Oberaufficht über die Bergwerfe des Landes. 
Bon größerer Bedeutung war, daß jchon vor der Ankunft 
Brabes (1634) ſchwediſche Feldmeſſer nach Finnland kamen. 

Für die Förderung des Handels interejjierten jich die Re— 
gterung und der Generalgouverneur lebhaft; aber unglüdlicher- 
weife ließen fie fich hierbei von den früheren Grundjägen leiten. 
Am 20. November 1636 murde eine neue Verordnung erlaffen, 
in welcher das Beftreben, den Handel der beiden „Hauptitäbte“ 
Stodholm und Abo zu ſchützen und zu fördern, auf die Spite 
getrieben ift. Zugunſten dieſer beiden privilegierten Stapel- 
jtädte jollte der ausländische Handel der übrigen am Bott: 
nischen Meerbuſen gelegenen Städte vollftändig vernichtet wer- 
den. Auf wiederholte Bitten und auf Brahes Anraten er- 
bielten jedoh Raumo, Björneborg und Nyſtad 1641 die 
Erlaubnis, Holzgefäße ins Ausland zu erportieren und von 
dort Salz einzuführen. Gleichzeitig wurde an der Südküſte 
eine neue Stapeljtadt, Helfingfors, gegründet. Die Regierung, 
welche an der nyländiſchen Küfte einen bedeutenden Export- und 
Importplag für Tawaftland zu erhalten wünſchte, erteilte nämlich 
Brahe den Auftrag, eine Stelle hierfür auszufuchen, worauf 
jener die bei Alt-Heljingfors belegene Injel Sandö in Vor: 
ſchlag brachte. Am 13. November 1638 wurden demgemäß 
für den neuen Ort Stabtprivilegien ausgefertigt, durch welche 
den Bewohnern freier kommerzieller Verkehr mit dem In= und 


Finnlands Handel um 1640. 225 


Auslande, jowie zwölfjährige Steuerfreiheit zugejichert wurde. 
Später wurde jedoch der ausgewählte Pla für ungeeignet be- 
funden und deshalb die neue Stadt 1640 nach der Landzunge 
verlegt, wo fich heutigen Tages Finnlands Hauptſtadt befindet. 
Die Regierung hoffte, daß Neu-Helfingfors durch Überfiedelung 
der Bewohner von Alt-Heljingfors und Borgä bevölkert werben 
würde. Die Bürger der erftgenannten Stadt ließen ſich in 
ver That überreden, und auf dem Reichstage von 1644 wird 
Alt» Helfingfors zum lettenmal als Stadt erwähnt. Allein 
die Einwohner von Borgä waren nicht jo nachgiebig, jondern 
blieben der alten Heimat treu, obwohl diejelbe ihres Stapel: 
rechts beraubt worden war, und juchten der neuen Stapeljtadt 
jeden nur möglichen Nachteil zuzufügen. 

Unter den drei Stapelftädten Finnlands war nunmehr Abo 
als Sit mehrerer hoher Behörden und der Univerſität die 
vornehmite. Ihr Handeldumjag war beträchtlich, ganz ab» 
gejehen von den bejtändig wachjenden Handelöbeziehungen mit 
Stodholm, über welche feine Angaben vorliegen. Im Jahre 
1640 wurden in Abo Waren im Werte von 96079 Thalern 
Silbermünze eingeführt, während die Ausfuhr einen Wert von 
70967 Thalern erreichte. Die Bevölferung der Stadt belief 
fi auf etwa 5000 Seelen. — Mit Abo wetteiferte Wiborg, 
welches inbezug auf den Export jogar die Yandeshauptjtadt 
übertraf und den Worten Brahes zufolge imjtande war, den 
ganzen Handelöverfehr von Kerbolm, Rußland, Ingerman- 
land, Ejthland und der Gegenden am Saimajee an jich zu 
ziehen. An der Südküſte des leßteren, in Lappſtrand (dem 
heutigen Willmanftrand), hielten die Wiborger Kaufleute jähr— 
lih im September einen Markt ab, welcher drei Wochen 
währte; bier fanden jich die Bewohner des Binnenlandes zahl- 
reich ein, um ihre Waren, in allererjter Linie Waldesprobdufte, 
zu veräußern. Im Jahre 1640 wurde der Export Wiborgs 
auf 162782 Thaler geichägt, ver Import, hauptjächlic Salz, 
auf 69097 Thaler. Die Zahl der Einwohner, unter denen 
es, wie in früheren Zeiten, viele deutjche Kaufleute gab, dürfte 
etwa 3000 Perjonen betragen haben. — Helſingfors blieb, 

Schybergſon, Geſchichte Finnland. 15 


226 Dritte Periode. Die Großmachtszeit. 


obwohl es große Bergünftigungen erhalten hatte und Reſidenz des 
Yandesbauptmanns war, verhältnismäßig lang eine unbedeutende 
Stadt. Der Wert der Einfuhr und Ausfuhr wurde 1640 
auf 15595 bezw. 17677 Thaler berechnet. Noch zwanzig 
Sabre nach der Gründung belief ſich die Bevölkerungsziffer 
nur auf etwa 1000 Seelen. Erſt nach der Gründung von 
Speaborg in der Mitte des nächſten Jahrhunderts begann die 
gegenwärtige Yandeshauptitadt aufzublüben. 

Die auf den Handel mit der Yandbevölferung angewie- 
jenen Städte hielten ſich mühſam. Borgä ging raſch berg- 
ab. Ekenäs und Nüpvendal blieben ebenjo unbedeutend wie 
früher. Beffer erging e8 Nyftad, Raumo und Bjöcneborg, 
denen der Export von Holzgefüßen geftattet worden war. In 
Oſterbotten waren Waſa, die Nefidenz des Landeshauptmanns, 
und Uleiborg die Hauptortichaften. Doch begannen mit ihnen 
Nykarleby und Gamla Karleby zu rivalifieren. Am Ladoga 
jiechte Kerholm allmählich bin ?). 

Durch einen Erlaß vom Jahre 1648 war Brahe aus— 
drüclich zur Gründung neuer Städte im Innern des Landes 
aufgefordert worden. Schon früher hatte er in diejer Rich— 
tung zu wirfen begonnen, und nun jegte er jeine Thätigkeit 
mit ſolchem Eifer fort, daß fich die Anzahl der Städte in 
Finnland binnen kurzem beinahe verdoppelte. Hierbei wählte 
er möglichft Ortichaften, welche ſchon vorher dichter befiedelt 
oder als Marktpläge für den Handel von Bedeutung waren. 
Die Feſtungen Nvjlott und Tawaſtehus und der Wiborgifche 
Handelsplag Yappftrand erhielten 1639, 1650 bezw. 1649 
jtädtiiche Privilegien. An der Küfte des finnischen Meerbujens 


1) Bon den Städten Finnlands batte Abo (1658) 2811, Wiborg 
(1658) 1628, Helfingfors (1663) 641, Nyſtad (1656) 486, Uleäbora 
(1653) 474, Borgä (1655) 407, Waſa (1653) 380 , Björneborg (1656) 
365, Gamla Karlebv und Nykarleby (1663) 339 und 337, Etenäs (1655) 
122 und Nädendal (1656) 101 Steuerpflichtige. — Über Kexholm Tiegen 
feine Angaben vor. — Bol. 8. E. F. Ignatius, Finlands historia 
under Karl X Gustafs regering (Helfingfor®, 1865), fowie die Angaben 
desſelben Bf. im „Historiallinen Arkisto“ II, 64—77 (Helfingiors, 1868). 


Städtenründungen. 227 


wurde 1653 die Stadt Belfelafs angelegt, welche 1723 den 
Namen Fredrifshamn empfing. Im öftlichen Finnland fuchte 
man namentlich dem umfangreichen Binnenhandel der griechifchen 
Karelier oder „Ruſſen“ entgegenzuarbeiten, welche jich alljährlich 
um die Weihnachtszeit von Kerholm, der Gegend des Onega 
und der Küfte des Weißen Meeres her zahlreich in Dfterbotten 
einfanden. Zu dieſem Behufe wurden mehrere neue Städte 
angelegt, welche nebjt den aus der Zeit Guſtav Adolfs her— 
ſtammenden Fleinen Ortichaften Taipale und Salmi Stapel» 
pläge für den Warenaustaufch der Ruſſen werden jollten. So 
wurde 1643 Sordavala auf Brahes Vorſchlag gegründet, 
ferner 1651 Rajana jowie 1653 Brahea. Auf gleiche Weije 
juchte man den Handelsverfehr der öfterbottnifchen Küften- 
bevölferung zu unterbinden, welcher troß eines dagegen er- 
laffenen Berbots von 1640 unaufhaltiam fortging. Per Brahe 
gründete in feinem Leben 1649 die Städte Brabeftad und 
Kriftineftad, Ebba Brahe, die Witwe Jakob de la Gardies, 
1653 Jakobſtad. Mehrere dieſer Ortichaften eriftierten nur 
furze Zeit, und auch die übrigen erreichten feine nennenswerte 
Blüte. 

Auh nach der Gründung der neuen Städte waren bie 
Entfernungen zwijchen den einzelnen Städten beträchtlich und 
die Kommunifationen mangelhaft. Um dieſem Übelftand ab- 
zubelfen, blieben bie alten Yandmärfte beftehen, während gleich- 
zeitig zahlreiche neue Märfte eingerichtet wurden, jo daß fich 
das Pand mit einem Syftem von Märkten verjchiedener Art 
bededte. Die Menge von Spezialbeftimmungen und Privi- 
legien, welche infolge deſſen erteilt wurden, rief einen beftän- 
digen Krieg zwifchen den Städten hervor, welche ihre Vor: 
rechte mit gegenfeitiger Eiferjucht betrachteten und unabläffig 
danach firebten, einander von dem Handel auf dem Lande zu 
verdrängen. 

Ale diefe Maßnahmen führten jedoch nicht zu dem er- 
jtrebten Ziele. Brahe flagte darüber, daß jeine Erlaffe feine 
Wirkung Hätten. Nach wie vor unternahmen ftädtifche Bürger 
ausgedehnte Handelsreifen auf das Land. Ebenjo nahm ber 


15 * 


228 Dritte Periode. Die Großmachtszeit. 


Handel der Ruſſen jeinen früheren Fortgang, ohne daß fich 
diejelben, wie die Regierung es wünſchte, mit Uleäborg als 
Stapelftadt begnügten. Auch die öfterbottnijche Bevölkerung 
ließ ſich nicht daran Kindern, auf eigenen Schiffen Abo und 
namentlihd Stodholm aufzujuchen. 

Die bejtändige Finanznot der Regierung bewirkte, daß die- 
jelbe im Privilegienwejen noch einen Schritt weiter ging, 
indem jie einzelne Handeldzweige gegen eine beftimmte Abgabe 
an Handelsgejellichaften überließ. Die für Finnland wichtigfte 
Gejellihaft war Die 1648 geftiftete „Norbländiiche Theer— 
bandelsfompagnie*. Urſprünglich waren nur Stodholmer Teil: 
baber in der Gejellichaft; jpäter aber erhielten auch Kaufleute 
der drei finnijchen Stapeljtädte das echt, in die Kompagnie 
einzutreten, welche lange einen großen Gewinn abwarf und in 
Blüte ftand. 

Bon tiefgreifendem Einfluß auf die Zuftände in Finnland 
erwies fich die Freigebigkeit, mit welcher die Königin Chriftine 
Grafjichaften, Baronieen und andere Lehen dem Adel jchentte. 
Border Hatte es in Finnland nur die dem ejchlechte der 
Lejonhufvud gehörige Grafichaft Rafeborg gegeben, welche, jeit 
1649 bedeutend erweitert, aus 700 Höfen im weftlichen Ny— 
land bejtand und jährlich eine Rente von etwa 11 500 Thalern 
abwarf. Außerdem eriftierten zwei Baronieen: Aminne, welches 
jedoch nur ein Rittergut mit freiherrlidem Titel war, ſowie 
das 1614 an Arel Orenftjerna verliehene Kimito, welches 
jpäter 396 Höfe mit einer Rente von etwa 7500 Thalern 
umfaßte. Im den Jahren 1646 — 1653 wuchs die Zahl 
jolcher fürftlichen Beſitzungen auf 9 Grafichaften und 18 Baro- 
nieen, welche während eines Mannesalterd dem  jozialen 
Yeben in Finnland ein eigentüimliches Gepräge verliehen. Der 
natürlide Sohn Guſtav Adolfs, Guftav Guftafsjon, er: 
bielt 1646 die Grafichaft Wajaborg, welche aus der Stadt 
Nyftad und 704 Höfen in den SKirchipielen Yetala und Ny— 
fyrta beftand und etwa 13600 Thaler jährlid an Zinſen 
einbrachte. Die Baronie Korpo mit 142 Höfen wurde 1649 
an Nils Bjelke, die Grafjchaft Björneborg mit der Stadt 


Landſchenkungen an Adelige. 229 


gleihen Namens und 362 Höfen in Kumo, Ulfsby und Hoittis 
(ungefähr 8000 Thaler jährliche Rente) 1651 an Guftav 
Karlsjon Horn, die Baronie Poimijofi mit 110 Höfen 1651 
an Arwid Wittenberg !) verliehen. In noch größerer Aus- 
dehnung als die Provinzen Abo und Björneborg wurde Ofter- 
botten in Anſpruch genommen. Gabriel Bengtsjon Orenftjerna 
empfing 1651 und 1652 die Grafjchaft Korsholm-Waſa, welche 
454 „mantal“ ?) in Muftajaari, Storkyro und Lillkyro nebit 
der Stadt Waſa umfafte Die Grafſchaft Karleborg, welche 
an Klas Äkesſon Tott fiel, beftand aus 361 mantal in den 
Sprengeln Nykarleby, Wörä, Lappo und Ilmola nebft der 
Stadt Nyfarleby ?). Außerdem entftanden dort folgende Ba— 
ronieen: Laihela mit 192 mantal in den Kirchſpielen Laihela 
und Malar; Wörd mit 81 mantal; Gamla Karleby mit 
der Stadt gleichen Namens jowie 111 mantal in dem 
Kirchipiel; Ikalaborg mit 149 mantal in Kalajoki; Pyhä— 
joi mit 85 mantal; Limingo mit 129 mantal; Sarlö 
mit 36 mantal; Uleäborg mit 78 mantal jowie Jjo mit 
147 mantal. Größer und beachtenswerter als alle bieje 
war jedoch die Baronie Kajana, welhe am 18. September 
1650 nebjt den Kirchipielen Idenſalmi und Kuopio im nörb- 
lihen Savolaks an Ber Brahe verliehen wurde. Diejes ſchon von 


1) Geboren etwa 1600 im Kirchſpiel Borgä, trat er 1622 in bie 
Armee ein, nahm mit Auszeihnung an dem Feldzügen in Polen und 
Deutfhland teil, war 1641 einer der Oberbefehlshaber der ichwebifchen 
Armee in Deutichland, wurde 1651 zum Freiherrn von Yoimijoli und 
1652 zum Grafen von Nyborg ernannt. Seit 1655 Feldmarſchall, 
fommandierte er die Schweden im Kampfe gegen Polen, wobei er in Ge— 
fangenichaft geriet. Auf der Feitung Zamosc endete 1657 fein thatenreiches 
Leben. 

2) „Mantal‘ war ein Steuermaß, welche einem Grunbftüd auf: 
erlegt wurde, beifen fteuerpflichtige Oberfläche 300—600 Helftar (mehr ober 
minder, je nad ben Kulturverhältniſſen des Bodens) betrug. Kleineren 
Grundftüden wurden entiprechende Bruchteile des ganzen Steuermaßes 
auferlegt. 

3) Bl. E. W. Bergman, Nägra blad ur Carleborgs grefskaps 
historia, in: „Svenska Literatursällskapets i Finland Förhandlingar 
och uppsatser“ VIII, 31—89 (Helfingfors, 1894). 


230 Dritte Periode. Die Großmachtszeit. 


Anfang an ausgedehnte Gebiet erfuhr 1652 eine weitere Ver— 
größerung, indem die neuangelegte Stadt Braheſtad jowie zahl- 
reiche Güter im Kirchjpiel Salo und der ganze Dorfbezirk („po- 
gost‘*) Pielisjärnt in Kexholm durch Ankauf mit der Baronie 
Brahes vereinigt wurden, welche nunmehr 1550 Höfe mit einer 
jährlichen Rente von etwa 10300 Thalern zählte. In der Pro- 
vinz Kerholm wurden außerdem 1650—1652 verliehen: die 
Grafſchaften Kronoborg (im Dorfbezirf Kurkijofi); Nyborg 
(in Yuuga und Uguniemi), Sordavala (mit der Stadt gleichen 
Namens) umd Salmi; ferner die Baronieen Orneholm (in 
Rautus mit der Stadt Taipale), Pohäjärvi, Tohmajärvt, 
Pibelit8 und Kides. Neben diejen Leben, welche mit allen 
gräflichen oder freiherrlichen Privilegien ausgeftattet waren, 
gab e8 auch joldhe, welche den Inhabern nur das Recht zur 
Annahme des Freiherrntiteld gewährten: die alte Befitung 
der Familie Wrede, Elimä; ferner Yempälä, welches aus etwa 
100 dem Präfidenten Jöns Kurd gejchenften Höfen in den 
Kirchipielen Lempälä und Tyrvis bejtand; Björkö mit 141 
Höfen, ein Gejchenf für Hans Wachtmeifter; jowie das Pehen 
Nerpes, welches die Gebrüder Yilljehööf innehatten. Schließlich 
ift zu erwähnen, daß fich Arwid Forbus !) Freiherr von Kumo 
nennen durfte, Klas Tott fich Freiherr von Sjundby titulierte 
und Chriſtoph Karl Schlippenbach den Titel eines Freiherrn 
zu Liukſiala beſaß. Mit diefen Titeln waren jedoch feine 
wirklichen freiherrlichen Nechte verknüpft ?). 

Die Vorrechte der Grafen und Barone bejtanden in aller- 
erjter Linie in der Erhebung faſt fjümtlicher Kroneinkünfte. 


1) Geboren 1598 im Kirchſpiel Borga, diente er während der Kriege 
in Polen und Deutfchland, wurde 1630 Oberftlicutenant, zeichnete fich 
während des Dreifigjährigen Krieges häufig aus, erbielt 1652 den Titel 
eines Freiberen zu Kumo, 1658 den Rang eines Generals, beteiligte fich 
an der Belagerung von Kopenbagen und wurde bierauf Oberbefehlshaber 
ber in Südſchweden befindlichen Truppen. Er ftarb 1665. 

2) Bol. E. v. Bonsdorff, Om donationerna och fürläningarna 
samt frälseköpen i Finland under drottning Kristinas regering (Hels 
fingiors, 1886). 


Graffchaften und Baronieen. 231 


Doch durften die Steuern auf feinerlei Weije erhöht oder ver- 
mehrt werden. Wenn es in dem Leben feine Kaufftadt gab, 
bejagen die Grafen und Freiherren das Recht zur Gründung 
einer ſolchen jowie zur Erteilung der erforderlichen Privilegien. 
An Abgaben für die Krone und an Aushebungen beteiligten 
jich die gräflichen und freiberrlichen Bauern nur halb jo viel, 
wie die Kron- und Zinsbauern. Die Grafen und Barone 
waren verpflichtet, ihren Unterthanen gegenüber entweder jelbjt 
oder durch Vertreter die Rechtspflege zu handhaben. Bon den 
Diſtrikts- und Ratsgerichten appellierte man an die Grafen 
und Barone, von diejen an die Obergerichte ; nur beftimmte grobe 
Verbrechen jollten der königlichen Gerichtsgewalt unterworfen 
jein. Während eines Krieges jollten Grafen und Barone für 
je 500 Marf Rente einen Knecht nebjt Pferd ſtellen; in Frie— 
dengzeiten wurde dieje Yajt um die Hälfte erleichtert. Schließ— 
lich iſt zu beachten, daß fich die eigentlichen Grafichaften 
und Baronieen innerhalb der männlichen Yinie nach dem Rechte 
der Erjtgeburt vererbten. 

Die Grafichaften und Baronieen bildeten indejfen nur 
einen Zeil der adeligen Donationen in Finnland; denn außer: 
dem wurden noch zahlreiche größere oder Heinere Schenkungen 
unter verjchiedenen Bedingungen an Perjonen verteilt, die jich 
auf die eine oder andere Weije um das Neich verdient gemacht 
hatten. Am vorteilhafteften war der Beſitz von Allodialgütern, 
mit Erbrecht in männlicher und weiblicher Yinie jowie mit 
dem echt der Wiederveräußerung. Weit gewöhnlicher waren 
jedoh Schenkungen, welche jich, gemäß den auf dem Norr- 
föpinger Reichstage (1604) feftgeftellten Grundjägen, ohne Erſt— 
geburtsrecht innerhalb der männlichen Linie vwererbten, nach 
deren Erlöjchen aber der Krone wieder zufallen jollten. Doc 
fonnte das Lehen den Töchtern und deren männlichen Erben 
üiberlafjen werden, wenn ſie Männer heirateten, die imjtande 
waren, der Krone Dienfte zu leiten. Verhältnismäßig jelten 
wurden abelige Lehen auf Lebens- oder beliebige Zeit erteilt; 
gewöhnlich dienten fie dann als Penfion für verdiente Männer 
oder als Unterhalt für Witwen. An Wert entiprachen mehrere 


232 Dritte Periode. Die Großmachtszeit. 


diefer Schenkungen den Grafichaften und Baronien. So 
beſaß 3. B. Brahe neben jeiner Baronie in den Kirchipielen 
Pargas, St. Märtens und Kriſtina bedeutende adelige Lehen, 
deren gewöhnliche Rente auf 6430 Thaler gejchägt wurde. Die 
Lehen der Erben Iatob De In Gardies in Ofterbotten und Ker- 
holm brachten mehr als 7100 Thaler an Zinfen ein. Guftav 
Evertsjon Horn bejaß an verjchiedenen Orten Donationen im 
Werte von etwa 7400 Thalern. Die gefamte gewöhnliche Rente 
der mit adeligen Prärogativen verliehenen Güter, abgejehen von 
den Grafichaften und Baronieen, betrug bei der Thronentjagung 
der Königin Chriftine (6. Juni 1654) etwa 192000 Thaler, 
nämlich in Abo-Björneborg rund 66000, in Nyland-Ta- 
waſtehus 52700, in Wiborg-Nyflott 47290, in Oſterbotten 
14000 und in Kerholm 12000 Thaler. Das Bild diejer 
unmäßigen Verſchwendung ftaatlihen Eigentums tritt voll= 
jtändig hervor, wenn man erwägt, daß außerdem eine Menge 
von Gütern verkauft oder verpfändet worden war. Man hat 
berechnet, daß 1654 drei Fünftel des Bodens in Finnland, 
abgejehen von den alten Rittergütern des Adels, der Krone 
entzogen waren, während in Kexholm Kronbeſitz jo gut wie 
gar nicht mehr eriftierte. 

Die Inhaber größerer Lehen verweilten, mochten fie nun 
ichwebifcher oder finnischer Abkunft jein, meift außerhalb 
Finnlands. Schlöffer wurden nur jelten erbaut; auf ven 
Edelfigen wohnten bürgerliche Berwalter, welche die Steuern 
erhoben und ihre Herren repräjentierten. Hierin lag auch der 
Grund, weshalb die adeligen Herren im allgemeinen größere 
ökonomiſche oder abminiftrative Reformen in den Lehen nicht 
anordneten, jondern die alten Berhältniffe unverändert fort: 
beftehen ließen. Auch bier bildete Ber Brahe eine Ausnahme. 
Mit unabläffiger Aufmerkſamkeit beobachtete er die Zuftände 
in jeinen finnifchen Lehen und richtete für diejelben eine nach 
dem Borbild feiner ſchwediſchen Grafihaft Wifingborg an- 
georbniete eigentümliche Verwaltung ein. Die höchften Be— 
amten (ber Kommandant auf SKajaneborg, der PVizebiftrikts- 
richter, der Bezirksrichter, der Kämmerer, der Yuchführer jo- 


Brahes Baronie Kajana. 238 


wie die Vögte) in den verjchiedenen Sprengeln bildeten zu— 
jammen ein Kollegium, welches unter gegenjeitiger Kontrolle 
und gemeinjamer Berantwortlichkeit die Verwaltung bejorgte. 
Man kam alljährlich im Februar in Rajana zu einem „Konvent“ 
zujammen, welcher mehrere Tage dauerte und auf welchem 
über Maßnahmen zum Beften der Leben beratjchlagt wurde. 
Man prüfte die Rechnungen und die Verwaltung der ver: 
floffenen Jahre; Briefe des Grafen wurden verlejen, Zwiſtig— 
feiten zwijchen den Beamten gejchlichtet, neue Beamten vor: 
geichlagen u. ſ. w. Dieje Konvente, auf denen auch die Ver: 
walter der nicht in der Baronie belegenen finniſchen Lehen 
und Donationen Brahes Rechenichaft ablegten, blieben ununter- 
brochen' bi8 1679 beftehen und trugen wirkſam zur Aufrecht- 
erhaltung der Ordnung fowie zur Negelmäßigfeit in ber Ver— 
waltung bei. Bei minder wichtigen Fragen wurden jofort Be- 
ichlüffe gefaßt, unter Vorausfegung der Zuftimmung „Seiner 
Hochgräflichen Gnaden“; wichtigere Fragen wurden indeſſen Brabe 
zur Entſcheidung vorgelegt. Durch die Konventsprotofolle jowie 
durch den Briefwechjel mit jeinen Beamten war Brahe in der 
Lage, von den Zuftänden in jeinen Lehen genaue Kenntnis zu 
haben und für das Wohl jeiner Untergebenen eifrig bedacht jein 
zu fönnen. In den neu angelegten Städten Kajana, Braben und 
Brabeftad wurden 3. B. Pädagogien für den Kinderumterricht 
eingerichtet. Ferner erwirfte Brabe für die Bewohner der Baronie 
Befreiung von der Aushebung, indem er ich zum ſtändigen 
Unterhalt von 20 Soldaten auf Kajaneborg jowie von 30 Dra— 
gonern verpflichtete. Ferner jollten alle waffenpflichtigen Männer 
in Kriegszeiten zur Verteidigung der Grenze ausrüden, und 
zwar unter dem Befehl von Bauernlieutenants und Hauptleuten, 
welche auch während des Friedens die Bauern im Gebraud) 
der Waffen unterwiejen. Infolge aller diefer Maßnahmen wurde 
Per Brahes VBerwaltungszeit eine Epoche ſchneller Entwidelung 
für jene Gegenden, und man prie® mit gutem Grunde bie 
vortreffliche Ordnung, welche in der Baronie Kajana herrichte '). 


NM. ©. Schybergion, Konventen i gr. Per Brahes finska för- 


234 Dritte Periode. Die Großmachtszeit. 


Im allgemeinen war indeffen das Lehnsweſen ein Un— 
glüd für Finnland. In dem finnischen Etat, welcher früher 
einen nicht geringen überſchuß abgeworfen hatte, trat nunmehr 
alljährlich ein Defizit ein, worüber Brahe bei feinem zweiten 
Aufenthalt in Finnland häufig klagte. Noch beveutungsvoller 
aber waren die fozialen Folgen des Donationswejens Die 
den Grafen und Baronen zuftehende Gerichtsbarkeit und die 
hausherrliche Gewalt des Adels machten die Bevölferung immer 
mehr von den „Herrichaften” abhängig. Im einer Reichstags— 
bejchwerbejchrift aus Nyland baten die Reichstagsbauern um 
die Erteilung von Negierungsjchugbriefen vor ihrer Rückreiſe 
nach Finnland, weil ihre Herrichaften fie mit dem Tode be— 
drobten. Diele Edelleute, vor allem Brahe, befleißigten jich 
allerdings einer fürjorglichen Handhabung der Rechtspflege. 
Aber im allgemeinen wurde darüber geklagt, daß der Adel 
jeine Untergebenen ungejeglich bedrücke. Tauſende von jelb- 
tändigen Bauern jchwebten bejtändig in der Gefahr, ihre Un— 
abhängigfeit zu verlieren oder mit Liſt und Gewalt von ihren 
Höfen vertrieben zu werden. Klagten jie dann bei den Ge— 
richten, jo erhielten jie jelten echt. Unter jolchen Umftänden 
läßt jich begreifen, daß einzelne Bauern, wie Brahe am 3. Mai 
1651 an Axel Oxenftjerna jchrieb, aufrühreriiche Worte im 
Munde führten. 


3. Karl X. Guſtav (1654—1660)'). 
Während der Regierung Karl X. Guſtavs wurde Finnland 
von einem Unheil betroffen, welches glüclicherweije jchnell 
vorüberging, aber troßdem in jeiner Gejchichte einen wich- 


läningar, in: „Svenska Literatursällskapets i Finland Förhandlingar 
och uppsatser“ IV, 29—54 (Helfingfors, 1889). 

1) Quellen und Nachſchlagewerlke zur Geichichte Finnlands unter Karl X. 
Guſtav: 8. 8. Tigerftedt, Ur Per Brahes brefvexling I (Helfingfors, 
1880), II (Abo, 1888); 8. 8. Tigerftedt, Bidrag till Kexholms läns 
historia VI (Aboer Lycealprogramm, 18777.); 8. E. 5. Ignatius, Fin- 


Karl X. Guſtav und Rußland. 235 


tigen Plag einnimmt. Rußland, welches jeit dem Frieden von 
Stolbowa willig die Überlegenheit Schwedens anerkannt hatte, 
benugte nämlich die jchwierige Yage, in welche König Karl 
Guſtav 1656 geraten war, um über Schwedens öſtliche Pro- 
vinzen berzufallen. Am 3. Juni 1656 überjchritten die ruſ— 
jiihen Truppen die Grenze von Ingermanland und Kexholm. 

Der größte Teil der finnijchen Kriegsmacht, welche etwa 
9700 Mann Infanterie und 3600 Mann Kavallerie außer 
der geworbenen Mannjchaft und den Moelsreitern zählte, lag 
damals in den Feſtungen der Dftjeeprovinzen von Riga bie 
Kerholm. Finnland war hingegen mehr denn je zuvor oder 
nachher von Truppen entblößt. Während jeine Söhne helden— 
mütig auf fremdem Boden kümpften, ftanden zur Verteidigung 
der Heimat nur wenige hundert Mann bereit, größtenteils 
Adelsreiter und Garnifonstruppen in Wiborg, Nyjlott, Ta— 
waftehus und Abo. 

Ein wunder Punkt war außerdem die Provinz Kexholm, 
wo die Ruſſen nicht nur infolge der Übermacht ihrer Waffen, 
jondern auch wegen der Glaubensverwandtichaft auf Er— 
folge vechnen konnten. Die dortigen Zuftände waren fort- 
dauernd ebenjo unbefriedigend, wie zur Zeit Cröells. Im 
Jahre 1654 hatte der König den Sohn Evert Karlsſon Horns, 
Guſtav Evertsjon, zum Generalgouverneur über Ingermanland 
und Kexholm ernannt. Derjelbe fand die dortigen Zuftände 
erbärmlich, und noch mehr Sorge bereitete ihm die religiöfe 
Spaltung. Allmählich Hatte ſich nämlich das Verhältnis der 
Anhänger der beiden Bekenntniſſe verſchoben, da die Griechijch- 
Orthodoxen trog aller Gegenbemühungen der Regierung bei- 
nahe ſämtlich nach Rußland ausgewandert waren, wo jie von 
der Geijtlichfeit und den Behörden unterjtügt wurden, während 
fich andrerjeit8 Koloniften aus dem Weften angefiedelt hatten, 
am häufigften aus Bejorgnis vor Aushebungen, von denen 


lands historia ete.; P. Nordmann, Nya bidrag till finska krigs- 
historien 1656, in: „Finsk Tidskrift“ XXV, 40—52 (Helfingfors, 1888); 
Geijer-Carlſon, Geſchichte Schwedens, Bd. IV (Gotba, 1855). 


236 Dritte Periode. Die Großmachtszeit. 


die Bewohner Ingermanlands und Kexholms befreit waren. 
Infolge deſſen beftand nunmehr die Bevölkerung in den ſüd— 
lichen Dorfdiftrikten der Provinz größtenteils aus Yutheranern, 
während die Griechiſch-Katholiſchen in den nördlichen Gegen 
den von Kronoborg bis Bielisjärvi die Majorität bildeten. 
Guſtav Horn ahnte, daß ſich die ganze griechijch - orthodore 
Bevölferung bei einem Friedensbruch mit Rußland gegen 
Schweden erheben würde, und jeine Vorahnung beftätigte 
fih nur allzu bald. 

Die Ruffen rüdten in zwei Abteilungen in das Land. 
Die eine, ſüdliche, marjchierte nach Nöteborg, wo die Hauptarmee 
blieb, während ſich ein kleineres Detachement eiligft auf den 
Weg nach der fleinen, 1611 angelegten Feſtung Nyenjkans ?) 
machte. Letztere wurde erobert, die Stadt Nyen geplündert 
und in Brand gejtedt (5. Juni 1656), die Bevölkerung, ſo— 
weit fie nicht geflohen, bingemordet. Kurz darauf rüdte eine 
Heinere ruffiiche Heeresmacht nach dem Städtchen Taipale am 
Ufer des Yadogajees. Schon jett zeigte es fih, daß der Krieg 
im wejentlichen den Charakter eines Neligionsfrieges erhalten 
würde Ein Teil der Griechiich- Orthodoren griff nämlich zu 
den Waffen und jchloß jich den Ruffen an, während andere 
ihnen Lebensmittel zuführten. Die Yutheraner ließen jich teil» 
weile zur Annahme der Taufe nach griechiichem Ritus bes 
jtimmen, aber die meijten flüchteten in die tiefen Wälder. 
Noch größeren Erfolg hatte der zumeift aus Reitern bejtehende 
Trupp, welcher von Dlonez nördlih vom Yadoga vorrüdte. 
Bei der Ankunft der Abteilung erhoben jich die griechiich- 
fatholiichen Bauern allgemein, vereinigten ſich mit den Ruſſen 
und plünderten die Güter ihrer Herren. Sorbavala fiel in 
die Hände des Feindes. 

Man befürchtete, daß ganz Finnland eine Beute der Ruſſen 
werden würde; und wie in früheren Tagen griffen daher bie 
Bauern zu den Waffen, um unter der Yeitung der Landes— 


1) Bgl. C. v. Bonsborfi, Nyen och Nyenskans, in: „Acta so- 
cietatis scientiarum Fennicae‘“ XVIII, 349-505 (Selfingfors, 1891). 


Kerholms Griehiih-Katboliiche. VBerteidigungsmaßregein. 287 


bauptleute Haus und Herd gegen die unwillfommenen Gäſte 
zu verteidigen. Da der. Landeshauptmann zu Wiborg, Arel 
Stälarm, kurz vorher gejtorben war, übernahm der Schloß- 
hauptmann Aron Iohansjon Klöfverftjöld den Befehl. Später 
ernannte Horn den Obriſten Chriſtoph Burmeifter zum Leiter 
der Verteidigung in Wiborg und deſſen Umgegend. An- 
fang Juli erachtete legterer die Yage bereits für jo gefichert, 
daß er einen Zug an den Yabogafee zum Entjag der vom 
Feinde umringten Feſte Kerholm wagte. Zwar mißglückte 
jein Verſuch, ſich diefer Stadt zu nähern; aber auf dem 
Rückzuge fügte jeine aus 200 Neitern, 200 Dragonern und 
800 Bauern bejtehende Abteilung (14. Juli) den Ruſſen, welche 
200 Tote verloren, an der Kirche von Rautus eine fühl- 
bare Niederlage bei. 

Gleichzeitig entflammte der Krieg im Norden. Cine ruj- 
ſiſche Heeresabteilung, welcher ſich aufrühreriiche orthodore 
Bauern anjchlojjen, rückte unter wilden Gewaltthaten gegen Nyſlott 
vor. Ohne Widerjtand zu finden, plünderte fie die Kirchipiele 
Sääminge und Kerimäfi, verbrannte die Stadt Nyjlott und 
ſchritt zur Belagerung des alten Schlofjes. Weniger erfolg- 
reich war der Einfall eines rujfischen Streifcorps in das Lehen 
Rajana, da fi die von Brahe eingeführte Schugeinrichtung 
mit Dragonern und Landſturm als vollfommen zwedmäßig 
erwies. 

Erſt nachdem die Bewohner der öſtlichen Grenze während 
eines Monats allein dem Angriff der Gegner getrogt hatten, 
begann eine größere Regelmäßigkeit inbezug auf die Bertei- 
digung einzutreten. Auf Befehl des Reichsrats beriefen die 
Landeshauptleute Vertreter der Stände in ben einzelnen Pro— 
vinzen zu Provinzialverfammlungen, auf denen die Aushebung 
von Kriegsvolf und die Eintreibung von Kriegsjteuern bewilligt 
wurde; nur in der Provinz Wiborg traten die Stände nicht 
zufammen. Der greife Ber Brahe erbot fich zur Übernahme 
des Oberbefehls über die Finnländer ; aber Karl Guftav hatte 
ihon früher den Grafen von Raſeborg, Feldmarſchall Guftav 
Adolf Lejonhufvud, damit betraut. Nachdem derjelbe, gefolgt 


238 Dritte Periode. Die Großmachtsgeit. 


von einem Regiment Wiborger Kavallerie unter Befehl des 
Seneralmajors Erich Kruje, Ende Juli 1656 aus Pivland in 
Finnland eingetroffen war, jammelte er die dort befindlichen 
regulären Truppen bei Wiborg, um Kerholm und Nöteborg 
zu entjegen. 

In Kexholm Hatte der Kommandant Dlof Bengtsjon jeit 
dem 3. Juli durch Fleinere Ausfälle den Ruffen Schaden zu- 
gefügt und jie bei einem Sturmverjuh am 14. Auguft zurüd- 
geichlagen. Der Feind beſchloß nun, die Beſatzung durch 
Hunger zur Ergebung zu zwingen. Aber dieje Abficht wurde 
von Pejonhufvud Ddurchkreuzt, welcher mit 1600 Mann am 
28. Auguft anlangte und die tapfere Bejakung mit allen Er- 
forderniffen zur Fortjegung der Verteidigung verſah. Am 
26. September mußten die Gegner unter großen Berluften 
den Rückzug antreten. Schon früher waren fie von Nyſlott 
vertrieben worden; nur die Belagerung von Nöteborg dauerte 
fort, wo der Befehlshaber Franz Grave nicht weniger mann 
haft als Dlof Bengtsjon der Übermacht Widerftand geleiftet 
hatte. Lejonhufvud, deſſen Armee fich mit den Truppen Horns 
vereinigt hatte, eilte nunmehr der bedrängten Feſtung zubilfe, 
während jich gleichzeitig ein kleines ſchwediſches Gejchwader 
unter dem BVizeadmiral Karl Guftav Wrangel näherte. Aus 
Beſorgnis vor diejer vereinten Heeresmacht hoben die Ruſſen 
am 17. November 1656 die Belagerung auf. Gegen Ende 
des Jahres war mithin der Feind auf allen Seiten zurüd- 
gewieſen. Einige verwüftete Grenzdiftrifte waren die einzigen 
Zeugniffe von der Heimjuchung durch die Ruſſen. Der Ruhm 
eines jolchen Ausgangs gebührt an allereriter Stelle den Schloß- 
befehlshabern Burmeifter, Bengtsjon und Grave; aber auch 
Horn und Lejonhufvud hatten Geiftesgegenwart und Ent— 
ichloffenheit gezeigt. Nach dem Tode des lekteren (22. Nor. 
1656) übernahm Horn !) den Oberbefehl über die finnijche 
Armee, welche nunmehr 2500 — 3000 Mann zählte. Mit 


1) Geboren 1614, wurbe er 1635 Hauptmann, 1640 Oberft, 1647 
Generalmajor, 1653 NReichsrat und 1663 Felbmarihall; er ftarb 1666. 


Rückzug der Rufen Ende 1656. 239 


dem größten Teil diejes Heeres rückte Erich Kruſe Anfang 
Januar 1657 dur Salmi gegen die Stadt Olonez. Doc 
wagte er diejelbe nicht anzugreifen, jondern begnügte jich mit 
Plünderungen im ruſſiſchen Gebiet. 

Gegen Ende April traten auf die Aufforderung des Re— 
gierungstommiffars Horn die Vertreter der Landeshauptmann— 
ichaft Abo in der gleichnamigen Stadt zufammen. Als Land— 
marschall fungierte der Wizepräfident im Aboer Hofgericht, 
Johann Mund von Fulkila; „Sprecher“ der Geiftlichfeit war 
Biihof Eskil Peträus. Die Verfammlung wurde von Horn 
im Namen des Königs mit einer längeren Rede eröffnet. Dar- 
auf erfolgte die Verlefung der königlichen Propofition, welche 
die Stellung des Neiches zu den fremden Mächten jchilverte 
und mit einem Anfuchen um Gewährung von Nefruten und 
Steuern zur Durchführung des Krieges endigte. Nachdem 
der Generalgouverneur den Delegierten der drei höheren Stände 
weitere Aufichlüffe über die politische Page gegeben hatte, be- 
gannen die ftändifchen Beratungen, in welche Horn unabläffig 
eingriff. Unter feiner Einwirkung willigten die Vertreter in 
ihrer Antwort vom 13. Mai an die Regierung darein, daß 
die 1655 genehmigten Steuern bis 1660 nach wie vor gezahlt 
werden jollten. Gleichzeitig unterwarfen fich die Stände einer 
erneuten Nefrutierungslaft. Die für 1658 bewilligten Aus— 
bebungen jolften nämlich ſchon im laufenden Jahre erfolgen, 
im Jahre 1658 hingegen feine Aushebungen jtattfinden. Bei 
einer Fortſetzung des Krieges jollten 1659 und 1660 neue 
Rekrutierungen vorgenommen werben. Bei den Fronbauern 
jollten 1658 je 15, 1659 und 1660 je 20 Höfe einen Refruten 
jtellen, während bei den Kron- und Zinsbauern je 10 Höfe 
einen Knecht auszurüften veriprachen. Bon Abo begab fich 
Guſtav Horn nach Heljingfors, wo fi die Stände der Pro- 
vinz Nyland-Tamwaftehus in der erften Hälfte des Junimonats 
verjammelten. Landmarſchall war der Affeffor im Aboer Hof- 
gericht -Ehriftian Roſenkrantz; als Sprecher der Geiftlichkeit 
fungierte der Paftor in Perno, Zacharias Stahäus. Schließ- 
lich fam Horn Anfang Yuli in Wiborg mit den Repräſen— 


240 Dritte Periode. Die Großmachtszeit. 


tanten der Provinzen Wiborg, Nyjlott und Kymmenegaͤrd zu— 
jammen. Die Obliegenheiten des Landmarſchalls verjah bier 
der Schloßhauptmann Klöfverstjöld, und Sprecher der Geift- 
lichkeit war der Paftor in Jääskis, Chriftian Winter, da ber 
Wiborger Bichofsftuhl nach dem Tode Petrus Bjuggs (1656) 
noch feinen Nachfolger erhalten hatte. In ZTorneit tagten bie 
Stände Öfter- und Wefterbottens ; die Leitung der Verhand— 
lungen lag in den Händen der Reichsräte Karl Mörner und Erich 
Sparre; vertreten waren bier übrigens nur die drei bürgerlichen 
Stände. Bei allen diejen Zuſammenkünften juchten die jtändijchen 
Vertreter anfangs möglichit viel von den Forderungen der 
Regierung abzuhandeln, genehmigten jie jedoch jchließlich in 
der Hauptjache unter dem Drude der Kommiſſare, jo daß die 
in Helfingfors, Wiborg und Zornei gefaßten Nejolutionen 
im großen und ganzen mit den in Abo vereinbarten Beſchlüſſen 
übereinftimmten ’). Es ift für die jchwierige Yage der Stände 
wie für die überwiegende Macht der Regierung denſelben 
gegenüber bezeichnend, daß man auf die von ihnen an die 
Refrutierungen für 1658 gefnüpften Bedingungen feine Rück— 
jiht nahm, jondern die Aushebungen für 1659 und 1660 
bereit8 1658 vornahm; nach Angabe des Generalgouverneurs 
unter Zuftimmung der Bevölferung, was jedoch faum der Fall 
gewejen jein dürfte Ferner wurden 1659 und 1660 Mann- 
ihaften ausgehoben. Zrogdem erreichte die Zahl der Aus: 
gehobenen nicht die gleiche Höhe, wie während des Dreißig- 
jährigen Krieges. Denn die Bevölferung, welche willig zu 
den Waffen griff, wenn die Heimat vom Feinde mit Ver— 
beerung bedroht wurde, flüchtete in die Wildnis, wenn Aus- 
bebungen erfolgen jollten, jo daß bei ſolchen Gelegenheiten die 
Dörfer oft vollfommen ausgeftorben waren ?). 

1) Die Landtagsbeichlüffe find gedrudt bei Stiernman, Alla Riks- 
dagars och mötens beslut II, 1292 ſowie III, 343—373 [Bihang] 
Stocholm, 1728—1743). 

2) Es wurden in Finnland 1655 —1660 ausgehoben: 890, 889, 1502, 
1283, 865 und 944 Mann. Die erhöhte Zahl adeliger Lehen war ein 


weientliher Grund dafür, daß die Aushebungen jet minder ergiebia 
waren als vorbem. 


Homs Mafregeln zur Durhführung und das Ende des Krieges. 241 


Guſtav Horn Hätte gern die von ihm gejammelten Streit- 
fräfte zum Schutze Finnlands bei fich behalten, ſah fich aber 
zu feinem Bebauern durch wiederholte Befehle des Königs 
dazu genötigt, ven größten Teil feines Kriegsvolfes in die Dft- 
jeeprovinzen zu ſenden. &lüdlicherweije erneuerten fich bie 
Angriffe der Rufen jedoch nunmehr nicht mit gleichem Nach— 
drud wie 1656. Die Mißerfolge hatten die Luſt des Zaren 
an der Weiterführung des Krieges abgekühlt; auch herrſchte 
eine verheerende Peſt, welche fih in den DOftjeeprovinzen aus- 
breitete und in Finnland ebenfalls zahlreiche Opfer forderte. Im 
Auguft 1657 machten die Ruſſen einen Einfall in den nörb- 
lihen Zeil der Provinz Kerholm und begannen zum zweiten- 
mal die Belagerung der gleichnamigen Feſtung, wurden jedoch 
durh die Wachjamfeit und Entjchloffenheit Horns zurüd- 
getrieben. Cbenjo brachten bewaffnete Bauern einer bis in 
das Lehen Kajana vorgejchobenen ruſſiſchen Abteilung eine 
Niederlage bei. Im nächſten Jahre erfolgte von finnijcher 
Seite ein Angriff gegen die Küftengegenden am Weißen Meere, 
welcher indefjen um jo leichter zurüdgewiejen wurde, als Die 
Mönche des Kloſters Solovez ſchon vorher wirkſame Ver— 
teidigungsanftalten getroffen hatten. Mit größerer Cnergie 
wurde der Krieg in Ingermanland betrieben. Krifter Klasjon 
Horn, der Nachfolger Guftav Evertsjons als Generalgouver- 
neur über Ingermanland und Kerholm, leitete wirkſam bie 
Verteidigung gegen eine ruſſiſche Abteilung unter General 
Govanski, welche im Februar 1658 Narwa eingeichloffen und 
Nyenjfans angegriffen hatte. 

Während fich dieſe Ereigniffe abjpielten, hatte Karl Guftav 
nichts jehnlicher gewünſcht als eine möglichft jchleunige Be— 
endigung des Krieges mit dem öftlichen Nachbar. Gegen Ende 
1657 waren denn auch bereits Wriedensunterhandlungen er: 
öffnet worden, welche am 20. Dezember 1658 zum Abſchluß 
eines dreijährigen Waffenftilljtandes führten. Am 21. Juni 
1661 wurde der Friede zu Kardis gejchlojfen, gemäß welchem 
Rußland alle während des Krieges eroberten Ortjchaften in 
Livland und Efthland wieder an Schweden ausliefern mußte. 

Sähybergfon, Geſchichte Finnland. 16 


242 Dritte Periode. Die Großmachtszeit. 


Die friegeriichen Ereigniffe in Finnland, welche bet dent 
allgemeinen Schlachtenlärm im Norden kaum Beachtung fanden, 
übten eine große und nachhaltige Einwirkung auf die Zuftände 
in den öjtlichen Gebieten diejes Yandes. Wir haben erwähnt 
(S. 236), wie die Griechiich- Orthodoren in Kerholm die An- 
funft der ruſſiſchen Truppen freudig begrüßten, jich ihnen 
anjchloffen und im Verein mit ihnen unter wilden Berheerungen 
ihre lutheriſchen Nachbarn überfielen. Als fich jpäter das Blatt 
wendete und die ruljischen Truppen vertrieben waren, wur— 
den jene für ihre Handlungsweije grauſam beftraft. Guſtav 
Horn lebte der feften Überzeugung, daß die Anhänger des 
orthodoxen Bekenntniſſes, weil jie niemals mit ihren Anſchlägen 
gegen die jchwedijche Obrigkeit aufhören würden, jümtlich ver: 
trieben und durch lutheriſche Einwanderer erſetzt werden müßten. 
Durch harte Behandlung jagte er den Griechiich - Katholijchen 
in der Provinz Kexholm einen jolhen Schred ein, daß 1656 
und 1657 von dort, einer Aufzeichnung zufolge, 4107 Yamilien 
nach Rußland flüchteten, worauf die Auswanderung bis zum 
Abſchluß des Waffenjtillftandes fortdauerte. Hierdurch ver: 
minderte ſich die Zahl der Griechiich - Katholiichen in Ser: 
bolm auf einige wenige, deren Nachlommen noch heutzutage 
in mehreren öjtlichen Kirchipielen leben. Statt ihrer wan— 
derten allmählich Koloniiten aus Nyland und Savolats ein, 
die zujammen mit den älteren Anjiedlern die Hauptmafje der 
Bevölkerung bildeten. Das mächtige Hindernis für eine nähere 
Berbindung zwijchen Kexholm und Finnland: die religiöfe Ver- 
ichiedenheit, war durch dieſe gewaltiame Entwidelung über: 
wunden. Noch blieb die mit Ingermanland zu einem General» 
gouvernement vereinte Provinz Kerholm ein auf Neichstagen 
unvertretenes Nebenland; noch waren die administrativen und 
öfonomiichen Zuftände von denen Finnlands völlig verichieden 
und blieben e8 auch, nachdem die Krone die großen Lehen 
wieder eingezogen hatte; aber trogdem verſchmolz jene Yand- 
ichaft allmählich mehr und mehr mit dem übrigen Lande. 


Karls XI. Jugend. 243 


4. Sarl XI. (1660—1697). Litteratur und Bildung gegen 
Eude des 17. Jahrhunderts ’). 


Bei der Bormundichaftsregierung, welche während der 
Minderjährigfeit Karls XI. die Geſchicke des ſchwediſchen Reiches 
leitete, bejaßen die Intereffen Finnlands mehr Vertreter als 
je zuvor oder hernach. Per Brahe nahm als Neichsproft oft 
das Wort, wenn Fragen, welche Finnland betrafen, auf der 
Tagesordnung ftanden; fo erklärte er u. a. einmal, „daß es 
nicht unnüg wäre, wenn fich unjer junger König einige Kennt- 
nis im der finniichen Sprache verjchaffen würde“. Außerdem 
jagen im Neichsrat Mitglieder der Gejchlehter Creutz, Horn, 
Kurck und Fleming, welche zumeijt durch Abftammung und Grund- 
bejig an die Heimat gefejfelt waren. Sie fanden nicht jelten 
Verwendung bei der Vorbereitung von finnischen Angelegenheiten 
oder bet der Sendung von Rommijfionen nach Finnland, ins- 


1) Quellen und Nacjchlagewerte zur Gefhichte Finnlands unter 
Karl XI: Geijer-Carlion, Geihihte Schwedens, Bd. 4u.5 (Gotha, 
1855— 1874); W. Tham, Bidrag till svenska riksdagarnas och re- 
geringsformernas historia, ®b.I u. II (Stodholm, 1845—1847); Hand- 
lingar rör. Skandinaviens historia XXXI, 443— 496 (Stodbolm, 1850); 
W. E. Svedelius, Om reduktionen af krono- och adeliga gods under 
k. Karl X Gustafs och Karl Xl® regering (llpfala, 1849 -1851). — 
Litterarbiitoriiche Arbeiten: J. Tengftröm, Minne öfver Johannes Elai 
Terserus (Abo, 1795); 9. 9. Tengſtröm, Johan Gezelii den äldres 
minne (Abo, 1825); J. J. Zengitröm, Gezelii den yngres minne (Hel— 
fingfors, 1833); 9.9. Tengitröm, Kronologiska förteckningar och an- 
teckningar öfver finska universitetets samt öfver fakulteternas med- 
lemmar och adjunkter Helſingfors, 1836 —1838); I. Tengftröm und 
W. &. Lagus, Samling af domkapitlets i Abo cirkulärbref 1564 till 
1700 (Abo, 1836); I. Tengftröm u. W. ©. Lagus, Handlingar till 
upplysning i Finlands kyrkohistoria (Abo, 1821—1832); S. ©. EIm- 
gren, Öfversigt af Finlands litteratur I u. IL (Helfingiors, 1861 u. 
1865); M. Atiander, Historiska upplysningar om de religiösa rörel- 
serna i Finland, ®d. I (Helfingiors, 1857); M. 3. Alopäus, Borgä 
gyinnasii historia (Abo, 1804—1817); 93. Krobn, Suomenkielinen 
runollisuus ruotsin vallan aikana (Helfingfors, 1862). — Handichriftliche 
Quellen im „Schwed. Reichsarchiv“. 

16* 


214 Dritte Periode. Die Großmachtszeit. 


bejondere Lorenz Ereug senior !), auf deſſen Worte man bei 
Militär: und Kameralfragen hohes Gewicht legte. Der ber: 
vorragendfte Beamte und Vertreter der Regierung in Yinn- 
land war jeit 1664 der Generalgouverneur Hermann Fleming ?). 
Zum Gehilfen erhielt er u. a. einen der jchwedifchen und 
finnifchen Sprache völlig mächtigen „referendarius“ 8). Ojter: 
botten, welches uriprünglich nicht zu feinem Verwaltungsbezirk 
gehörte, wurde 1665 damit vereinigt. Da Finnland für Fle— 
ming ein Verbannungsort war, konnten die Nejultate jeiner 
Wirkſamkeit nicht von jonderliher Bedeutung werden. Nur 
dem VBerteidigungswejen widmete er größere Aufmerkſamkeit: 
aber jeine darauf bezüglichen Vorſchläge ftanden mit feinen An- 
jichten inbetreff einer Neduftion des Donationswejens in Ein: 
Hang und waren deshalb der Wegierung minder behaglich. 
Schon 1669 wurde denn auch im Neichsrat die Frage auf: 
geworfen, ob fich nicht die Einziehung des Generalgouverneur- 
pojtens in Finnland empfehle In allererjter Yinie handelte 
e8 jich hierbei um Erjparnisrüdjichten; aber während der De- 
batte wurden auch andere Gejichtspunfte hervorgehoben, welche 
teild die Perjon des Generalgouverneurs, teild die Stellung 
Finnlands im allgemeinen betrafen. Da jchließlich alle Reichs- 
räte der Aufhebung des Amtes eines finnijchen Generalgouver- 
neurs zuftimmten, erfolgte noch in bemjelben Jahre die Ab- 
berufung Flemings. 

.» Geboren 1615, wurde er 1649 Landeshauptmann in ber Provinz 
Abo⸗Björneborg, 1654 nebit feinem jüngeren Bruder Ernft Johann in 
den Freiherrenftand erhoben und 1660 zum Reichsrat ernannt; 1675 er— 
folgte feine Emennung zum Admiral, Als Befehlshaber ber Flotte farb 
er am 1. Juni 1676 in der befannten Seeſchlacht bei Oland. 

2) Hermann Klasſon Fleming war 1619 in dem Kirchſpiel Lemo 
(norbweitlihd von Abo) auf dem Stammgut Willnäs geboren, welches ihm 
fpäter gehörte und auf welchem er häufig verweilte; 1646 wurde er Ad— 
miral, 1650 Reichs- und Admiralitätsrat fowie Oberftattbalter von Stod- 
bolm, 1652 Kammerrat und 1653 Präfident de8 Kammerlollegiums; 1651 
wurde er zum Freiherrn von Libelits ernannt, 1657 zum Oberlandrichter 
des lüdfinniichen Gerichtsfprengels. Er ftarb 1673 in Stodholm. 


3) C. ©. Styffe, Samling af instruktioner für landtregeringen etc., 
p- 260. 


Herm. Fleming letster Generalgouverneur Finnlands (1664—1669). 245 


Obwohl e8 der Regierung an Kenntnis der finnifchen Zuſtände 
und an Wohlwollen für das Yand feineswegs mangelte, war jerte 
Epoche dennoch nicht durch befonders beachtenswerte Maßnahmen 
auf dem Gebiete der inneren Verwaltung Finnlands ausgezeichnet. 
Die während des Krieges fehr geichwächte finnifche Armee 
wurde nach dem Frieden in 3 Kavallerie- (Abo, Nyland und 
Wiborg) fowie 8 Infanterieregimenter (Öfterbotten, Björne- 
borg, Abo, Tawaftehus, Weft-Nyland, Oft-Nyland, Savolafs 
und Wiborg) eingeteilt. Außerdem gab e8 ein leichtes Dragoner- 
regiment (Wiborg) und einige jogenannte Koloniefompagnieen, 
welhe aus geworbenen Garnijonstruppen beftanden. Die 
Kavallerieregimenter waren vollzählig und ſogar überzählig, 
während das Dragonerregiment und noch mehr die Fußregi- 
menter bedenkliche Türken aufwiejen. Einer Aufzeichnung vom 
Jahre 1665 zufolge zählte die gejamte Heeresmacht etwa 6500 
Mann zu Fuß und 4500 Mann zu Pferde. Die Kavallerie- 
regimenter verurjachten der Wegierung die meiſte Sorge. 
Im Jahre 1668 wurde eine aus den Neichsräten Heinrich 
Horn und Lorenz Creutz ſowie dem Kriegsfommifjar Erich 
Andersſon Rojendahl beftehende Generalmufterungs - Kommij- 
ſion nach Finnland entjandt, um die Mißbräuche, welche fich 
inbezug auf die zum Unterhalt der Kavallerie angewiefenen 
Höfe eingeichlichen hatten, genau zu umterfuchen. Die Kom- 
miſſion führte ihre Aufträge anjcheinend mit Sorgfalt aus; 
aber ſchon binnen furzem ftellte es fich heraus, daß fie eher zur 
Minderung als zur Vermehrung des Unterhalts für die Kriegs- 
macht beigetragen hatte. Aufflärend ift in diefer Hinficht ein 
weitläufiges Gutachten Herm. Flemings über die finnifche Armee 
(4. Mai 1669), worin er bervorbob, daß die Reiterhöfe und 
Milizgüter teils völlig dem Heere entzogen, teils jo gejchwächt 
worden jeien, daß fie nicht einmal in Friedenszeiten, geſchweige 
denn während eines Krieges, ihre Obliegenheiten erfüllen Fönnten. 
Die von Fleming behufs Befeitigung dieſer Mißſtände ge- 
machten Vorfchläge, welche in ihren jchließlichen Konſequenzen 
zu einer Neform, ähnlich der fpäter unter dem abjoluten Re— 
giment Karls XI. bewerfftelligten, geführt baben würden, wur— 


246 Dritte Periode. Die Großmachtszeit. 


den jedoch von dem Neichsrat verworfen, weil ihre Durch: 
führung angeblich mit allzu großen Schwierigkeiten verknüpft 
gewefen wäre und allzu lange Zeit erfordert hätte. Noch 1672 
ftand die Regierung in diefer Frage auf demjelben Standpunkt 
wie vorher. Erft infolge eines von Yorenz Creutz eingereichten 
Berihts „über den fchlechten Zuftand der Armee in Finnland“ 
wurden jett endlich die einzig zweckmäßigen Bejchlüffe, be- 
treffend die Wiedereinziehung der verichenften Milizböfe „ohne 
Anſehung der Perion“, gefaßt. Die Ausführung diejer Reſo— 
lution blieb dann freilich Karl XI. perjönlich vorbehalten. 

In noch höherem Grade gerieten die finniichen Fußregi— 
menter in Verfall. Weder den Offizieren noch der Mann- 
ihaft wurde der Sold volljtändig ausgezahlt; mancher erhielt 
auch nicht einen Pfennig. Noch bevenklicher aber war, daß 
fih die Zahl der Mannjchaften von Jahr zu Jahr ver- 
minderte, weil die Aushebungen nicht genügend Soldaten zur 
Dedung des Abgangs brachten. Auf Grund ftändiicher Be— 
ihlüffe wurden 1664, 1666, 1668 und 1672 feine Aus— 
bebungen vorgenommen; 1670 waren die drei jüdlichen Pro- 
vinzen Finnlands und 1671 Dfterbotten wegen ſchwerer Miß— 
ernte davon befreit. Hierzu fam, daß die Ausbebungen min- 
der ertragreich waren als vordem. Der Adel juchte nämlich 
unter allerlei Vorwänden jeine Bauern vorzuenthalten, und 
die übrige Bevölkerung flüchtete beim Naben der Aushebungs- 
fommijjare, zumeijt auf die adeligen Herrenfite, welche von der 
Aushebung befreit waren. 

Mit größerer Energie jorgte die Regierung für die För— 
derung des allgemeinen Wirtichaftswejens. Eifrig ſuchte fie die 
zahlreichen und im ganzen Lande zerftreuten brach liegenden Höfe 
für den Aderbau von neuem zu erjchließen, indem fie 3. B. 
Steuerfreiheitsjahre denen veriprach, welche jene Höfe wieder 
bebauen wollten. Auf ſolche Weije wurde eine große Zahl 
diejer Höfe in der That wieder urbar gemacht. Nicht jelten 
war indeffen der Erfolg mehr jcheinbar als wirklich; denn 
es geſchah Häufig, daß jene Koloniften ihre Höfe verließen, 
wenn die Freibeitsjahre abgelaufen waren und fie daher ber 


Finnlands Heer, Wirtfchaft und Verkehr um 1670. 247 


Krone Steuern bezahlen jollten. — Der Berfehr erfuhr eine 
träftige Förderung. Überall im füdlichen Finnland und in den 
finntichen Küftendijtriften wurden Wege angelegt, teils um bie 
Küftenortichaften miteinander zu verbinden, teil8 um die Kom- 
munifation zwijchen ihnen und dem Innern des Yandes zu 
vermitteln. Die Fortichritte waren denn auch augenjcheinlich. 
Der Landeshauptmann in Nyland-Tawaftehus, Ernſt Johann 
Greuß ?), einer der bervorragendjten damaligen Beamten Finn: 
lands, berichtete 1662, man fönne ſich nunmehr bequem im 
Wagen nach den meijten Ortichaften feiner Yandeshauptmannjchaft 
begeben. Der Landeshauptmann Johann Graan in Ofterbotten 
verficherte ein Gleiches; nur in den nördlichiten Sprengeln 
jeiner Provinz fehle e8 noch an Yandwegen. Gleichzeitig (1664) 
wurde durch Statut bei dem Pojtbeförderungs- und Poſt— 
jtationswejen eine bisher unbekannte Ordnung eingeführt, welche 
allen Mißbräuchen ein Ende machte. In Savolafs, wo ber 
Aderbau noch auf einer wenig entwidelten Stufe ftand, ge- 
langte 1664 eine allgemeine Regelung der Grundbefit- und 
Steuerverhältniffe zur Durchführung. Unglüclicherweije ging 
bie zu dieſem Behufe nach Finnland entjandte Yandvermefjungs- 
fommijfion jedoch allzu haftig und oberflächlich zu Werke, jo 
daß noch lange nachher aus Savolaks Beſchwerden über un— 
gerechte Verteilung und allzu große Schwere der Steuerlaft 
einliefen ?). 

Am 18. Dezember 1672 übernahm der inzwijchen mündig 
gewordene König Karl XI. jelber die Zügel der Regierung. 
Sofort merkte man, daß eine neue Zeit begonnen hatte. Schon 
Januar 1673 faßten der Neichsrat und das Reduktions— 
follegium den Beichluß, daß die Reduktion der Donationen in 
Finnland mit aller Energie betrieben werden jolle, da jonft der 


I) Geboren 1619, wurde er 1652 Landeshauptmann in Rylands 
Tawaftehus, 1666 in Abo-Bjürneborg, 1667 in Weftmanland, 1654 reis 
herr, 1674 Neihsrat und Präfident bes Aber Hofgerichtß ; er ftarb 1684 
in Abo. 

2) Dieſe Steuereinfhätung erftredte fih nicht auf Per Brabes Be- 
ſitzungen im nördlichen Savolals. 


248 Dritte Periode. Die Großmachtszeit. 


„Ruin und totale Untergang“ der finniſchen Militärmacht zu 
befürchten jei'). Demgemäß wurde den Pandeshauptleuten jchrift- 
lich der Befehl überjandt, fofort ihre Anftalten zu treffen. Die 
Reduktion, welche eigentlich erft jett in Finnland begann, wurde 
mit jo großem Nachdrud betrieben, daß ſchon 1673 der größte 
Zeil der Milizböfe und Güteranteile eingezogen oder wenig- 
jtens unter den Gütern verzeichnet war, welche fünftig an bie 
Krone zurüdfallen jollten. Das Los der öfterbottnijchen Graf: 
ſchaften und Baronieen jowie der übrigen in biefem Yandes- 
teil belegenen Donationen wurde Dezember 1674 dahin ent: 
ſchieden, daß alfe in Ofterbotten befindlichen Donationsgüter 
eingezogen werben jollten. Die Einziehung erfolgte 1675; 
doch glücdte e8 Per Brahe, feine Befigungen Kajana uud Salo 
zu retten, indem er diejelben unter vorteilhaften Bedingungen 
von der Regierung gegen einige ihm gehörige Pfandgüter 
in der jchwediichen Provinz Bohus eintauſchte. Mit der 
Bernichtung der Adelsherrichaft im größten Teil von Ofterbotten 
und mit der Reduktion zahlreicher Nittergüter in dem übrigen 
Yande ging die Wiederherftellung der Kavallerieorganijation 
Hand in Hand, wobei Lorenz Creutz, diesmal mit größerem 
Erfolg, als Regierungstommiffar fungierte. Nachdem er 1673 
und 1674 die ihm zur Verfügung jtehenden Güter unter die 
Neiterregimenter verteilt hatte, konnte er melden, daß noch eine 
Anzahl Güter übrig fei, deren Rente auf feinen Vorjchlag 
zur Yöhnung des Fußvolkes verwendet wurde. 

Während die finniſchen Krieger in der Ebene Schonens 
gegen die Dänen kämpften, verjammelten fich Vertreter Des 
finnifhen Volls, um Mannichaften zur Verſtärkung der 
Armee zu bewilligen. Vom 26. bis 31. Auguft 1676 tagten 
die finniſchen Stände unter Leitung des Feldmarſchalls Arel 
Julius De la Gardie, welcher feit dem 10. Dezember 1674 
Dberbefeblshaber über die in Finnland und Ingermanland ftehen- 
den Truppen war und als Befiger von Kumogärd und anderen 
finnischen Gütern die Verhältniffe im Lande hinreichend kannte. 


1) Protokoll des Reichsrats vom 13. Januar 1673. „Schwediſches 
Reichsarchiv“. 


Beginn von Karls XI. Selbitregierung (1672). Verſtärkung be8 Heeres. 249 


ALS Landmarſchall fungierte der Vizepräfident im Aboer Hof- 
gericht, Guſtav Graß. Der Verlauf war derjelbe wie auf ben 
Sandtagen von 1657. De la Gardie jchilderte in jeiner „Pro— 
pofition“ die bedrängte Rage des Reiches und die Notwendig- 
feit neuer Anftrengungen zu deſſen Verteidigung, worauf bie 
Stände Reiter und Fußvolk zu liefern veriprachen. Die Ver- 
pflichtung des Adels zur Stellung von Reitern wurde diesmal 
mehr denn je zuvor oder nachher in Anjpruch genommen. Die 
reicheren Edelleute übernahmen außer der gewöhnlichen Yeiftung 
die Aufftellung von 2 Knechten zu Pferde; von den minder 
Wohlhabenden follten je 3 ein Gleiches thun. Auch die Geift- 
lichkeit erflärte jich bereit, durch Ausrüftung von 165 Reitern 
für das Bistum Abo und 80 Neitern für das Stift Wiborg 
„Seiner Königlihen Majeftät unter die Arme zu greifen“. 
Die Bürgerjchaft, welche ſchon vorher die doppelte Zahl von 
Matroſen geliefert hatte, veriprach, den Abgang an Seeleuten 
unmittelbar zu erjegen. Die Bauern willigten in eine dop— 
pelte Aushebung, indem die Mannjchaft für 1677 ſchon im 
laufenden Jahr ausgehoben werden jollte. Hingegen machten 
fie den Vorbehalt, daß 1677 feine Aushebung erfolgen jolle '). 

Mitte September wurde in der Stadt Koporie unter Lei— 
tung des Generalgouverneurs Johann Jakob Taube ein Yand- 
tag für Ingermanland und Kexholm abgehalten, an welchem 
gegen die fonftige Gewohnheit nicht nur Edelleute, jondern 
auch Bürgerliche teilnahmen. Hier waren die Blide faſt aus- 
ichlieglich auf die Verteidigung der Heimat gegen Rußland ge- 
richtet, defien drohende Sprache einen plöglicden Angriff be- 
fürchten ließ. In letterem Falle gelobten die Adeligen, insge- 
jamt mit ihren Dienern zu Pferde ins Feld zu rücken, während 
fih die Bauern bereit erklärten, al® Yandfturm, und zwar 
jeder fiebente oder zehnte Mann, dem Feinde entgegenzuziehen. 


1) Schon 1671 batten die Stände ber einzelnen Provinzen auf ben 
betr. Provinziallandtagen eine Kriegsbeibilfe bewilligt. Nähere Aufichlüffe 
bierüber ſowie über die Panbtage von 1676 und 1677 bei C. v. Bons- 
dorff, Landskapsmöten i Finland pä 1670-talet, in: „Hist. Ark.“ 
XI, 222—257 (Helfingfors, 1891). 


0 Dritte Periode. Die Großmachtszeit. 


Der Vorbehalt der finnischen Bevölkerung, betreffend die 
Befreiung von jeder Aushebung für 1677, wurde, genau wie 
während der Regierungszeit Karl Guſtavs, von der Regierung 
nicht anerkannt; vielmehr begann diejelbe ſchon im Yaufe 
des Frühjahrs 1677 auf die Aufftellung neuer Mannichaft in 
Finnland zu dringen. In einem Schreiben vom 25. April 
an die Landeshauptleute räumte der Reichsrat allerdings ein, 
daß die auf den Landtagen von 1676 übernommenen Ber: 
pflichtungen bereits erfüllt jeten, forderte aber gleichzeitig jene 
auf, die Stände nach Provinzen einzuberufen und ihnen vor— 
zuftellen, daß die bedrohte Yage des Neiches neue Opfer er- 
heiſche. Damit die von der Regierung geforderte Aushebung 
jedes jechiten Mannes (nach der „Höfezahl *) nicht allzu un— 
billig erjchiene, veriprach der Reicherat, daß die nunmehr aus- 
gehobenen Mannjchaften nicht aus dem Yande geführt, jondern 
zu deſſen Verteidigung verwendet jowie, nachdem die Gefahr 
vorbei, ihrer militärischen Dienftpflicht entledigt werden jollten, 
Wejentlih jchärfer äußerte fich bezüglich diejer Angelegenheit 
Karl XI. jelber in einem Schreiben vom 9. Mai an die 
Yandeshauptleute. Infolge deſſen beriefen die legteren Ende Mai 
und Anfang Juni Provinzialverfammlungen, auf denen jedoch 
nur Vertreter des Adels und der Bauern, d. b. derjenigen 
Stände, auf denen die Kriegslaft vornehmlich ruhte, anwejend 
waren; übrigens wurden die Edelleute, welche größtenteils im 
Felde fümpften, mit wenigen Ausnahmen von ihren Gutsver— 
waltern repräjentiert. Die Yandeshauptleute jtiegen auf nicht 
geringen Widerftand, inionderbeit bei den Bauern, erwirften 
jedoch in der Hauptiache die Zuftimmung zu den Winjchen 
der Negierung. In Abo, wo Edelleute und Bauern vom 26. 
bi8 28. Mai tagten, verpflichtete man fich zur Aufftellung eines 
Mannes von jedem jechiten Hofe jowie bei großer Gefahr 
zur Verteidigung des Baterlandes durch alle Waffenfähigen. 
In Helfingfors wurde am 12, Juni ein gleichartiger Beſchluß 
gefaßt. In Wiborg, wo man am 8. und 9. Juni verjammelt 
war, verſprach man die Aufjtellung jedes zehnten Mannes von 
den Fron- Sowie jedes achten Mannes von den übrigen Bauern. 


Die letzten Provinziallandtage in Finnland (1677). 251 


In Ofterbotten, wo der adelige Grundbeſitz jo gut wie voll— 
itändig von der Krone eingezogen war, berief der Yandes- 
bauptmann Dietrihd Wrangel bloß Vertreter des gemeinen 
Mannes auf den 25. Mai zur Zujammenktunft in Korsholm. 
Hier machte ich eine noch größere Mipftimmung als anders- 
wo bemerkbar. Die nur in geringer Zahl Anwejenden Hagten 
über Mißernte, Armut ꝛc. und ließen fich nicht dazu herbei, 
mehr als den zehnten Mann nach der „Berjonenzahl“ zu be- 
willigen. Dieſes Reſultat befriedigte jedoch die Regierung 
feineswegs, jo daß Wrangel neue Verhandlungen eröffnen 
mußte, um unter Anwendung feiner ganzen Autorität jchließlich 
die Bewilligung jedes fiebenten Mannes durchzujegen. Dieſe 
Berjammlungen find als die legten in Finnland abgehaltenen 
Provinziallandtage von Intereffe. In den zunächſt folgenden 
Jahren famen derartige Zuſammenkünfte nicht in Frage, und 
jpäter wurden fie durch die fortgeſetzte Zentraliſation der Re— 
gterung überflüſſig. 

Der mißlungene Feldzug des Feldmarſchalls Heinrich Horn 
von Yivland nach Oftpreußen 1678—1679, bei welchem vor- 
nehmlich finnische Truppen verwendet wurden, war das lekte 
friegeriiche Llnternehmen der Schweden gegen Brandenburg. 
Bald darauf fam es in Saint Germain zum Abjchluß des 
Friedens. 

Schon während des Krieges hatte, wie früher erwähnt, 
die Güterreduftion in Finnland ihren Anfang genommen. Aber 
erit die Beſchlüſſe des Stodholmer Reichstags von 1680 gaben 
dem Donationswejen in Finnland den Todesſtoß. An aller- 
erjter Stelle jollten, jenen Bejchlüffen zufolge, die Grafichaften 
und Baronieen eingezogen werden. Wie ſehr man fich in 
Finnland mit der Ausführung der Neichstagsrejolution beeilte, 
lehrt die Thatjache, daß der Landeshauptmann in Abo, Harald 
Dre, ihon am 26. März 1681 berichten konnte, er habe die 
Grafichaften Wajaborg nnd Björneborg, die Baronieen Kimito, 
Korpo und Lempälä jowie den Königshof Kumo wieder der 
Krone einverleibt; ein gleiches Los ereilte etwas jpäter Die 
Baronie Loimijofi. Am 18. Februar 1681 wurde die Graf- 


252 Dritte Periode. Die Großmachtszeit. 


ſchaft Nafeborg, welche mehr als 110 Jahre mit einigen Unter- 
brechungen dem Gejchlecht der Lejonhufvud gehört hatte, von 
dem Landeshauptmann Arel Roſenhane in Helfingfors ein- 
gezogen. Björkö und Kajana nebſt Salo fielen durch Beſchluß 
der Reduktionskommiſſion vom 21. April und 6. Oktober 
1681 an die Krone zurück, desgleichen Per Brahes Lehen 
Kuopio und Idenſalmi in Savolaks. Die in Finnland ein— 
gezogenen Grafſchaften und Baronieen ergaben zuſammen gegen 
57000 Thaler jährlich an Zinſen. In Kexholm, wo eine 
bejondere Kommiſſion thätig war, wurden alfe Grafichaften 
und Baronieen durch Fönigliche Nefolution vom 25. September 
1682 für Aroneigentum erflär. Der Diftrift Pielisjärei 
dürfte zufammen mit den übrigen Braheſchen Gütern eingezogen 
worden fein. 

Auf ſolche Weife verſchwanden jene fürftlichen Beſitzungen. 
Die Reduktion wurde als eine Befreiung von den Laften, welche 
die „Herrichaften“ ihren Lntergebenen auferlegt hatten, von 
den finnischen Bauern mit Genugthuung begrüßt. In der Pro- 
vinz Kerholm geftalteten fich Hingegen die Verhältniſſe andere. 
Während die in Finnland eingezuogenen Güter unmittelbar 
unter die Botmäßigfeit der Krone famen und fomit als ge- 
wöhnliche Kronhufen oder Zinshöfe angejehen wurden, blieben 
nämlih die großen Güterfomplere in Kexholm unverändert 
beſtehen. Anfangs wurden fie von Kroninfpeftoren verwaltet, 
jeit 1684 jedoch Pächtern überlaffen, welche Fontraftlich bie 
Zinfen einnahmen und der Krone eine gewiffe Abgabe dafür 
bezahlten. Bon den Herrenfigen aus traten dieſe Pächter mit 
einer Machtvollfommenheit auf, welche derjenigen der früheren 
abeligen Verwalter entiprach; und nicht felten behandelten fie bie 
Bauern fogar mit noch größerer Härte. 

Eines der Territorien, deren Befig mit dem freiherrlichen 
Titel verbunden war, wurde nur zum Teil eingezogen: bie 
Donation für das Wredeſche Geſchlecht Elimä. Der Landes— 
hauptmann Fabian Wrede erwirfte nämlich durch feinen mäch- 
tigen Einfluß eine Refolution, worin Karl XI. erflärte, daß 
der erjte Inhaber der Donation fein eigenes Leben für bie 


Einziehung der Krondonationen. Die Wredefhen Bauern auf Elimä. 2583 


Befreiung Karls IX. geopfert habe; weshalb er, der König, 
Fabian Wrede und deſſen Nachkommen „für ewige Zeiten“ den 
Beſitz jener Schenkung bejtätigen wolle ). Die Donation blieb 
demgemäß größtenteil® beftehen; hingegen verlor die Familie 
Wrede, welche übrigens jene Schenkung niemals mit freiherr- 
lihen Privilegien bejejjen hatte, jpäter das Necht, den Titel 
der Freiherren zu Elimä zu führen ?). Die Kunde von dieſer 
Konfirmation war ein harter Schlag für die Bauern in Elimä 
und namentlich für eine Anzahl von ehemals jelbftändigen An- 
jiedlern, welche lange, obwohl vergebens, darüber geklagt hatten, 
daß ſie widerrechtlich zu adeligen Sronbauern gemacht worden 
jeien. Die Unzufriedenheit gelangte bald offen zum Ausbruch. 
Anfang 1685 meuterten die Elimä-Bauern, vermweigerten bie 
Leiftung ihrer Steuern und Fronen und widerjegten fich mit 
Gewalt den Berjuchen der Kronbeamten, jie zum Gehorjam 
zu bringen. Um jene Unruhen zu unterbrüden, welche fich 
auch auf die nahgelegenen Güter des Generals Ferſen aus- 
dehnten, gab der König den Befehl, die Rädelsführer nach 
Schloß Wiborg zu bringen, wo fie mit Arbeit auf den Schloß: 
wällen ihr Vergeben jühnen jollten. Diejes jtrenge Verfahren 
erfticte jedoch den Geijt des Aufruhrs keineswegs; jchon 1686 
fam es zu neuen Unruhen, und einige Bauern wagten fich jo- 
gar nah Stodholm, um Karl XI. eine Beſchwerdeſchrift zu 
überreichen. Diejer Schritt gereichte ihnen aber zu geringem 
Nugen; denn der König befahl, daß die Überbringer ftreng 
beftraft werden jollten ?). Trotzdem lebten die ihres Beſitz— 
rechts beraubten Bauern in Elimä nach wie vor der Hoff: 


1) Refolution vom 7. Januar 1682: „Schwebiiches Reihsardiv“. — 
Zwei fpätere Konfirmationen vom 29. Januar und 28. Februar 1683 
zugunften Fabian Wrede, feines Bruders Guftan Johann ſowie ihres 
Betters Fabian find gebrudt bei W. ©. Lagus, Finska adelns gods och 
ätter, p. 392 qq. 

2) Karl XI. verbot nämlich 1688 den Grafen und Baronen, in ihren 
Titeln fernerbin den Namen ihrer früheren Leben zu führen. 

3) Reichsregiftratur, 30. März 1685 und 11. Dezember 1686: 
„Schwed. Reichsarchiv“. 


254 Dritte Periode. Die Großmachtszeit. 


nung, das, was fie verloren hatten, wiederzuerhalten; noch 
neunzig Jahre ſpäter brachen in jenen Gegenden Unruhen aus, 
von denen jpäter die Rede jein joll. 

Während die Grafichaften und Baronieen der Reduktions— 
kommiſſion nur geringe Schwierigfeiten bereiteten, war die Re— 
duftion der füniglichen Herrenfige und Metereien jowie ber 
auf Grund der Norrköpinger Reichstagsbejchlüffe verliehenen 
Güter mit allerhand langwierigen Unterjuchungen verknüpft, 
jo daß in Finnland erſt wenige derartige Güter wieder ein: 
gezogen waren, als die Reduktion durch die Beſchlüſſe des 
Reichstages von 1683 eine noch größere Ausdehnung erhielt. Nach 
einem von Karl XI. ausgefertigten Erlajfe jollten nämlich nun— 
mehr alle Güter eingezogen werden, die früher einmal der 
Krone gehört hatten. Damit dieſe umfajjende Reduktion 
ichneller vor fich gehen fünnte, wurden Kommifjare eingejett, 
welche im Verein mit den Yandeshanptleuten Unterjuchungen 
in den verjchiedenen Yandichaften amftellen und, mit aus- 
gedehnter Vollmacht verjeben, das Reduktionswerk bejchleunigen 
jollten. Kommiſſare für die drei ſüdlichen Provinzen Finn: 
lands wurden der Bizepräfident im Aboer Hofgericht, Guſtav 
Graß, und der Oberlandrichter Johann Creutz; in Oſterbotten, 
wo die Reduktion im weſentlichen ſchon zum Abſchluß gediehen 
war, ſollte der Landeshauptmann Dietrich Wrangel die letzte 
Hand ans Werk legen. Hierauf wurde nun in Finnland die 
Reduktion mit ſolchem Eifer betrieben, daß ſie 1687 beinahe 
vollendet war. Einem in dem genannten Jahre der Regierung über— 
reichten ſummariſchen Bericht zufolge waren bei den Reduktionen 
von 1680 bis 1683 in Abo-Björneborg Güter mit einer jähr— 
lichen Rente von 109328 Thalern, in Nyland-Tawaſtehus mit 
68059 Ihalern, in der Provinz Wiborg mit 16000 Thalern 
und in Ofterbotten die Donation Brahes mit einem jährlichen 
Ertrage von 4442 Thalern eingezogen worden. Der Gelamt- 
betvag für Finnland belief ſich mithin auf 197829 Thaler. 
Die entiprechende Summe für die Provinz Ingermanland: 
Kexholm wurde auf 188174 Thaler angegeben. 

Sogar bis auf die Geiftlichkeit und den Bauernjtand er- 


Ausdehnung d. Reduftionsverfabrens. Die Entftebung eines Dienftadels. 256 


jtreeften jich jpäter die Reduktionen. Für Finnland waren die- 
jelben freilich von geringerer Bedeutung; 1689 — 1693 er- 
reichten die Einziehungen nur einen Wert von 9207 Thalern 
und in den folgenden Jahren bis 1697 nur einen jolchen von 
11303 Thalern. 

Beionders wichtig war für Finnland die Reduktion in 
jozialer Hinficht. Die mächtigen fremden Donationsinhaber, 
welche größtenteils nicht einmal durch die Bande, welche aus 
der Liebe zur Geburtsftätte entipringen, am ihre Beſitzungen 
gefejjelt waren, wurden ihrer Gebiete beraubt. Gleichzeitig 
gerieten die Gejchlechter Ereug, Kurd, Horn und Fleming, 
welche jeit dem vorhergehenden Jahrhundert innerhalb des ein- 
beimtjchen finniſchen Adels die leitende Rolle geipielt hatten, 
in eine verhältnismäßig unbedeutende Stellung; denn die allo- 
dialen Nittergüter, welche fie behielten, waren gering an 
Zahl und wenig einträglih. Nur die Familie Wrede bildete 
noch im folgenden Jahrhundert wegen ihres großen Grund» 
bejiges eime Ausnahme Hiervon. An die Stelle des alten 
Grundbeſitzadels traten neue Gejchlechter, deren Mitglieder mehr 
oder minder ausjchließlich von dem Gehalt abhängig waren, 
welches jie als Zivil» oder Meilitärbeamten empfingen. Aus 
diejem Dienjtadel jind die meiiten gegenwärtigen Gejchlechter der 
Ritterſchaft Finnlands hervorgegangen. 

Die Güter und Gelder, welche durch die Reduktion ge- 
wonnen worden Waren, wurden meijtenteil® für das Bertei- 
digungsweien verwendet. Während des letzten Krieges hatte 
fih eine Menge von Keiterhöfen unfähig gezeigt, den Forde— 
rungen der Regierung gemäß zwei- oder dreimal neue Mann— 
Ihaften zu jtellen. Dieje Mängel machten eine Reform er- 
forderlih, und, wie jo häufig, fand Karl XI. auch jet 
einen Dann, welcher fich zur Ausführung jeiner Abjichten 
geeignet erwies. Schon im Dezember 1677 entjandte er den 
Obriften Karl Falkenberg nach Finnland und erteilte ihm den 
Auftrag, die Kriegsrüftungen zu leiten, die Donationshöfe 
wieder einzuziehen umd mit ihrer Hilfe die ganze Militär- 
organijation zu verbeflern. Im Januar 1680 erhielt er eine 


36 Dritte Periode. Die Großmachtszeit. 


neue Inftruftion ?), welcher zufolge er die Verteilung der drei 
Savallerieregimenter in den Provinzen Abo, Nyland und Wiborg 
jo organijieren jollte, daß fie für die Zukunft Bejtand haben 
fönnte 2). Gleichzeitig wurde er zum Direktor eines in Finn— 
land eingerichteten Milizkontors ernannt, welches alle ökono— 
mijchen Angelegenheiten der finnifchen Truppen erledigen jolite. 
Die mühjame Arbeit einer Reorganijation der finnijchen Ka— 
vallerie blieb Hierauf drei Jahre lang in den Händen Falken— 
bergs. Sie wurde in demjelben Maß, in welchem die Reduktion 
größere Mittel gewährte, ausgedehnt und war bereits weit 
vorwärts gejchritten, als Falkenberg Anfang 1683 die legten 
in Abo -Björneborg und Nyland- Tawaftehus auszuführenden 
Maßnahmen dem Kriegstommiffar Johann Gripenberg jowie 
den Yandeshauptleuten der genannten Provinzen überließ, wäh— 
rend er jelbjt feine Wirkjamkeit auf die Provinz Wiborg be- 
ichräntte, deren Yandeshauptmann er jeit 1681 war. So weit 
man aus den in den Schreiben der Yandeshauptleute vor: 
fommenden Abgaben zu jchliegen vermag, war die Reorgani— 
jation in Wiborg 1684, in Abo» Björneborg 1685 und in 
Nyland-Tawajtehus 1686 zum Abſchluß gediehen; jedoch wur: 
den auch noch jpäter bis zum Ende der Regierung Karls XI. 
unabläjjig Revifionen und VBerbefjerungen vorgenommen. Bei der 
„Einteilung“ (indelning) wurde jo verfahren, daß gewiffe, durch 
gute Bejchaffenheit des Bodens und durch großen Umfang aus: 
gezeichnete Güter zu Reiterhöfen auserjehen wurden, deren ganze 
Rente zum Unterhalt von Reitern Verwendung fand. — Gleich: 
zeitig erfolgte eine Reviſion der 1640 eingerichteten Matroſen— 
organijation, wobei die Anzahl der Matrojenhöfe eine bedeu- 
tende Einjchränkung erfuhr, indem nur eine Strede von einer 
halben Meile längs der Küſte hierfür veranjchlagt wurde ?). 

1) Die frühere Inftruftion ift vom 5. Dezember 1677 batiert. 
„Schwed. Reichsarchiv“. 

2) Bgl. Gahm-Persſon, Kongl. stadgar angüende Svea rikes 
landtmilice I, 189q. (Stodholm, 1762). 

3) Gemäß einer Übereintunft mit der Krone hörten bie finnifchen 


Städte 1682 mit der Stellung von Matrofen auf und erlegten ftatt befjen 
eine jährliche Batanzabyabe. 


Reorganifation d. Reiterei. Schaffen einer frändig. Fußtruppe (1681/82). 57 


Beim Abſchluß der Kavalleriereorganijation beftand die 
finniſche Reiterei, abgejehen von der „Adelsfahne”, aus den 
drei Regimentern von Abo, Nyland und Wiborg, jedes zu 
1000 Mann. Die alten Dragonerregimenter wurden abge- 
ſchafft; jpäter nahm man jedoch den von den Vormündern 
Karls XI. mit lebhaften Intereffe verfolgten Plan wieder auf, 
die brach liegenden Höfe zur Verftärkfung der Reiterei anzuwenden. 
Oberjtlieutenant Nils Grotenfelt übernahm 1686 die Errichtung 
von zwei Dragonerfompagnieen (zufammen 300 Mann) auf den 
brach liegenden Höfen in den Provinzen Wiborg und Nyſlott. 
Diejes Unternehmen hatte indeffen benjelben Ausgang wie bie 
früheren gleicher Art. Die Höfe waren allzu wenig ertrag- 
rei, um den Dragonern Unterhalt gewähren zu fünnen, und 
wurden jpäter an die Kavallerieregimenter zur Komplettierung 
abgegeben. 

Während die mühjame Arbeit der Ordnung des Kavallerie- 
weſens noch fortdauerte, war man zu einer nicht minder um— 
faffenden Reform, betreffend die Organijation der Fußregi- 
menter, gejchritten. Der Zwed diefer Reform war einerjeits 
die Förderung des Vorteild der Krone durch Aufrechterhaltung 
einer im Krieg wie im Frieden ſtets gleich ſtarken, ſtehenden 
Kriegsmacht, andrerjeits ein Entgegenfommen gegenüber ben 
Wünjchen des gemeinen Mannes durch Abjchaffung der ge- 
fürchteten Aushebungen. Während die adeligen Yronbauern 
bisher nur Halb jo viel wie die Kron- und Zinsbauern an 
den Aushebungen teilgenommen hatten, wurden jie jegt mit 
ihnen gleichgeftellt. Die Provinz Wiborg war eine der erften, 
wo das ftändige Halten von Kriegsfnechten zur Durchführung 
gelangte. Schon 1681 — 1682 traf Walfenberg mit den 
Bauern jeiner Tandeshauptmannjchaft eine darauf bezügliche 
Vereinbarung, wobei diejelben, wenngleich nicht ohne Schwierig- 
feit, darauf eingingen, für je vier Höfe einen Knecht zu ftelfen. 
Später (1682) wurde diefer Vorſchlag den Reichstagsſtänden 
unterbreitet und von ihnen genehmigt. Trotzdem glaubte man 
nicht eher ang Werk gehen zu können, als bis fich die Bevölkerung 
der verfchiedenen Landjchaften der Krone gegenüber kontraktlich 

Schybergſon, Geſchichte Finnlands. 17 


8 Dritte Periode. Die Großmachtszeit. 


zur Aufrechterhaltung der Reform verpflichtet hätte. Die 
Reichstagsvertreter aus den Provinzen Abo, Heljingfors und 
Waſa zeigten ſich widerwillig und gaben eine ausweichende 
Antwort. Aber im Laufe der folgenden Jahre wurde der Wider— 
ftand durch die Yandeshauptleute gebrochen. Im Sommer 1684 
berichtete der Landeshauptmann in Abo, Lorenz Creutz junior, 
der gemeine Mann habe bloß den Vorbehalt gemacht, daß die 
Zahl ver Höfe, welche ſich zur Stellung je eines Soldaten ver- 
einigen jollten, mit Rücjicht auf die VBerarmung des Yandes 
durh Mißwachs und anderes Unglüdf größer werden jollte 
als in Schweden. Anfang 1685 fonnte der Yandeshauptmann 
in Heljingfors, Arel Rojenhane, ein Gleiches mitteilen. 
Karl XI. bejtimmte nunmehr, daß die in den drei jüblichen 
Provinzen Finnlands ftehenden 6 Nußregimenter aus je 1000 
Mann betehen jollten; eine Zahl, welche anfangs den Yandes- 
bauptleuten im Verhältnis zu den Höfen allzu groß erichien, 
jchließlich jedoch erreicht wurde. Im Jahre 1692 entwarf 
Lorenz Greug junior im Verein mit den Yandeshauptleuten 
in Helfingfors und Wiborg, Karl Bonde und Anders 
Yindbjelm, ein Projekt, welchem zufolge ich in den Yandeshaupt- 
mannjchaften Abo und Helfingfors je 2 oder 3, in Wiborg 
je 3 oder 4 Höfe zum jtändigen Halten eines Kriegsinechts 
vereinigen ſollten ). Nachdem diejer Vorjchlag genehmigt 
worden war, jchritt man zu abjchliegenden Maßnahmen. “Die 
Yandeshauptleute unternahmen 1694 und 1695 Reifen in ihren 
Verwaltungsbezirfen, riefen die Grundbefiger zujammen, legten 
Kontraftsentwürfe vor und ließen diejelben von Vertretern der 
betreffenden Kirchipiele unterjchreiben. Nur in Savolaks machte 
fich einiger Widerjtand bemerkbar, da die frühere lbereinfunft 
von 1681 günftigere Bedingungen im Vergleich mit den jett 
von der Regierung geforderten fejtgejtellt hatte; aber auch bier 
gab man jich bald zufrieden. 

Die Yandeshauptleute gaben ihrer Freude über das „nütz— 
liche“ Halten von Knechten, welches fie fir den gemeinen Mann 


1) Bol. Gahbm:Persion ]. c. III, 325. 


Das Aufbören der Ausbebungen, mit Ausnahme von Öfterbotten. 259 


weit vorteilhafter als die früheren drüdenden Aushebungen 
bielten, lebhaften Ausdruck. Aus einzelnen Andeutungen ihrer 
Berichte geht indeſſen hervor, daß fih die Bauern nur mit 
großen Bedenken und unter ftarfem Drude zur Zuftimmung 
bewegen liegen. Allmählich wurde freilich die neue Einrichtung 
dem Volfe lieb, und zwar in demjelben Maß, in welchem jie 
mit den Gewohnheiten und der Anjchauungsweiie der Bevöl— 
ferung verſchmolz. Daß ſie im Laufe der Zeit für Finn— 
land bejonders vorteilhaft wurde, läßt fich nicht bezweifeln. 
Der Soldat, welcher nicht zum &arnijondienfte herangezogen 
wurde, jondern als Hinterſaſſe und Arbeiter in der Heimat 
blieb, war im Frieden ein thätiger und fajt immer geachteter 
Zeilnehmer an der fortdauernden Kolonifationsarbeit und im 
Krieg in hohem Grade zur Verteidigung der Heimat befähigt, 
an welche er durch mannigfaltige Bande gefefjelt war. Von 
militäriichem Gefichtspunft aus ift tadelnd bemerkt worden, 
daß die neue Organijation, welche die Stärke der Regimenter 
ein= für allemal fejtitellte, wegen Mangels einer Rejerve eine 
Verſtärkung in Kriegszeiten nicht ermöglichte. 

In Ofterbotten erlitt die Neformfrage infolge des ener- 
giichen Widerjtandes jeitens der Bevölferung einen Aufichub 
von fünfzig Jahren. Schon am 16. März 1681 hielt Yandes- 
bauptmann Wrangel in Salo eine Verjammlung ab, um auf 
den gemeinen Mann einzuwirken: aber die Bauern verweigerten 
ihre Einwilligung und überjandten König Karl XI. eine Bittichrift, 
worin jie betonten, die volfarme Yandichaft jei nicht imftande, 
jtet8 ihr Regiment in gleicher Stärfe beizubehalten und, wofern 
dasjelbe im Kriege vernichtet werden würde, jofort ein neues 
aufzuftellen:; lieber wollten jie das alte Aushebungsſyſtem bei— 
behalten jehen. Diejer Wunſch wurde von dem König erfüllt ); 
das Ofterbottnifche Regiment, die einzige von jener Yandjchaft 
aufgejtelfte Truppe, blieb nach wie vor in Feſtungsgarniſon 


1) Vgl. Gabm=Persion 1. ec. I, 214. — Brief bes Königs von 
11. Januar 1683: „Schweb. Reihsarhiv”. 
17 * 


260 Dritte Periode. Die Großmachtszeit. 


und wurde durch Aushebungen auf dem Beſtand von 1200 
Mann erhalten ?). 

In dem Lehen Kajana erhielt das Verteidigungswejen eine 
noch abweichendere Form. Die jpärliche Bevölkerung diejes 
Landesteils entbehrte keineswegs Friegeriicher Anlagen, war 
iedoh mehr zu kühnen Parteigängerfehden, wie jie mit den 
ruſſiſchen Grenzbewohnern geführt wurden, als zu regelmäßigen 
Kriegsdienfte geneigt. Die durch Per Brahe erwirfte Be- 
freiung von Aushebungen hatten die Bauern als ein Eoftbares 
Borrecht betrachtet, welches ihnen um jo weniger genommen 
werden dürfe, als jie fich während des Krieges 1656 —1657 
mannbaft verteidigt hätten. Bei den Aushebungen 1676 bis 
1678 flohen die waffenfähigen Einwohner faſt jämtlich, jo daß 
fih nur Geiftlihe und Beamte auf den Aushebungspläten 
einfanden. Eine fortgejetste Anordnung von Aushebungen er- 
ichien unter jolchen Umſtänden völlig zwedlos, und Landes» 
hauptmann Wrangel beantragte deshalb jchon damals eine 
Befreiung davon unter geeigneten Gegenbedingungen. Nach— 
dem er mit Erlaubnis Karls XI. weitere Unterhandlungen 
mit den Bauern gepflogen hatte, fam e8 am 10. März 1681 
zu einer Übereinkunft, die im Januar 1683 beftätigt wurde, 
und in welcher jich die Bevölkerung gegen das Berfprechen 
einer Befreiung vom Kriegsdienft und von Aushebungen dazu 
verpflichtete, eine mäßige Abgabe zu erlegen, Yand und Grenze 
mit Außerjten Kräften zu verteidigen, die Feſtung Kajana, 
welche „gleichſam Schloß und Schlüffel für Norrland und das 
Großfürſtentum Finnland“ bilde, zu unterhalten und in Kriegs- 
zeiten 150 Mann zur Verteidigung diejer Feſte zu jtellen ?). 
Die 150 Mann jtarke Kajanakompagnie wurde jpäter regel- 
mäßig unter Yeitung eines bejonderen Hauptmanns einererziert. 


1) Über die Annahme der neuen Organifation in OÖfterbotten (1733) 
vgl. M. G. Schybergfon, Bidrag till Finlands inre historia 1721 
till 1731, p. 123sqg. (Helfingiors, 1875). 

2) Der Kontrakt ift gedrudt bei Gabm=Persion ]. c. I, 215. — 
Bol. 8. A. Caftren, Kertoelmia Kajaanin läänin vaiheista, p. 25—27 
Helſingfors, 1867), 


Die Kajanakompagnie. — Staatliche Reformen Karls XI. 261 


In den legten Lebensjahren Karls XI. beftand die finnifche 
Armee, ohne Einrechnung der Kajanafompagnie und des fin- 
niichen Adelsfähnleins, aus 3000 Mann Kavallerie und 7200 
Dann Infanterie. Dieſe Zahl, welche beveutend niedriger 
war als die Truppenmaffen, die Finnland während der großen 
Kriege aufgeftellt hatte, überftieg keineswegs die Yeiftungs- 
fähigkeit des Landes mit jeiner damaligen Bevölferungsziffer 
von etwa 450000 Perſonen. — In der Provinz Kerholm 
blieb die Bevölkerung von jeglicher Milttärdienftpflicht befreit. 

Gleichwie bei Organifation der Armee, ſuchte Karl XI. 
auch bei der Verwaltung des Staates und der Kirche eine 
fefte Ordnung einzuführen. So wurde 3. B. der Yanbes- 
hauptmann in Abo, Harald Ore, welcher von Falkenberg 
wegen unrichtigen Verfahrens bei den Aushebungen jowie wegen 
anderer Dienftvergehen angeklagt worden war, genötigt, um 
jeinen Abjchied einzufommen. Vögte, Rentichreiber und andere 
Steuereinnehmer mußten, wie während der Regierung Karls IX., 
nicht jelten wegen verfäumter Pflichterfüllung ins Gefängnis 
wandern. Trotzdem klagte man noch in den legten Jahren 
des Königs über Übergriffe feitens der niederen Beamten, was 
immerhin davon zeugt, daß die Mißbräuche noch nicht voll- 
jtändig ausgerottet waren. 

Der lange Friede, den Finnland ſeit 1679 genoß, war für 
den allgemeinen Wohlftand äußerst jegensreih. Die Koloni- 
jation der brach liegenden Bauernhöfe wurde dadurch gefördert, 
daß die Negierung nicht nur den Neuanfiedlern größere Frei- 
heiten und Vorteile gewährte, jondern auch Landeshauptleute 
wie Vögte zu fräftiger Förderung der Kolonifation aufforderte '). 
Den Angaben der Landeshauptleute zufolge minderte fich denn 
auch die Zahl der brach liegenden Höfe von Jahr zu Jahr. 
An der Provinz Abo-Björneborg gab es 1683 noch 1078 
brach liegende Höfe, 1688 hingegen nur 750, und 1692 nur 
280, in dem lettgenannten Jahr in der Provinz Nyland nur 


1) Schreiben des Königs an Harald Ore, 13. Oft. 1681: „Schweb. 
Reichsarchiv“. 





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262 Dritte Periode. Die Großmachtszeit. 


268, was auf eine gleiche Verminderung jehliegen läßt. In 
ver Provinz Wiborg, welche noch an den Folgen des Krieges 
1656— 1658 jowie der Auswanderung nach Kerholm und In— 
germanland litt, waren die brach liegenden Höfe am zahlreichiten ; 
aber auch dort machte jich ein jchneller Fortſchritt bemerkbar. 
In Savolats gab e8 1694 nur 70 brach liegende Bauernhöfe. 
Gleichzeitig vergrößerte ji der Umfang des bebauten Areals 
durch Neuanfiedelungen. Daß die früher dünn bevölferte 
„Erämark“ jeit diefer Zeit in größerer Ausdehnung kultiviert 
wurde, gebt daraus hervor, daß im nördlichen Satafunta, in 
Tawaftland, Savolats und Ofterbotten zahlreiche neue Kirchen— 
gemeinden entjtanden. Koloniften ließen fich jogar in Kuuſamo, 
Kittilä und an anderen Stellen in Lappmarken nieder, wo jie 
neben Steuerfreiheit auch Befreiung vom Kriegsdienfte genojien. 
Die Entwidelung des Handels wurde nach wie vor durch die 
reglementierende Gejeßgebung gehemmt. Beionders häufig finden 
fih in den damaligen Urkunden Klagen über die Theerhandels- 
gejellichaften, welche den Handel mit diejer Haupterportware 
Finnlands beherrichten ). Hingegen kämpfte die Bevölkerung 
der Schären erfolgreich für Freiheit des Handel und der 
Schiffahrt. — Auf dem Gebiete des induftriellen Lebens ift 
das Anwachien des Hüttenbetriebs beachtenswert. Finnlands 
älteftes Hüttenwerk ift Svartä (im Kirchipiel Karis), welches 
zur Zeit Karls IX. angelegt wurde, um für Rechnung der 
Krone das Eijenerz in der Grube Djamo zu bearbeiten. 
Während der Regierung Chriftinens wurde Svartä an Jakob 
Wolle, einen auf vielen Gebieten thätigen Geſchäftsmann, über: 
laffen, welcher auch das Hüttenwerk Antskog in Tenala anlegte. 
Von anderen Hüttenwerfen jeien genannt: Billnäs und Fiskars 
in Pojo, Fagervik in Ingo, Orisberg in Storkyro, Kauttua 
in Eura, Kirjaffala in lstela, Tykö und Kosfis in Bijerno, 
Dahl in Kimito, Skogby und Trollshofda in Tenala, Ström- 
fors in Pyttis, Joa in Nykyrka (Provinz Wiborg), ſowie dag 

1) Über die Schidjale der Theerhandelstompagnieen bis zum Aufhören 


des Monopols (1715) vgl. O. Fyhrvall s Abhandlung in der „Historiskt 
Bibliotek‘“ (1880). Nur 1682—1689 war der Theerbandel freigeneben. 


Reue Induſtrieen. Mißernten. 263 


Kupferhüttenwerk Kärtelä in Karis-Pojo, wo das Erz aus der 
Kupfergrube Orijärvi bearbeitet wurde. Yorenz Creutz senior 
und jein Sohn Yorenz Creutz junior ?), welche beide ihre Yaufbahn 
al8 Beamte des Bergfollegiums begannen, waren eifrige För— 
derer der Hütten- und Grubeninduftrie in Finnland. Daneben 
entjtanden zwei bedeutende Bolksinduftrieen, die Salpeterberei- 
tung und der Schiffbau. Die Salpeterfabrifation war in der 
erften Hälfte des Jahrhunderts in Salpeterfiedereien betrieben 
worden, welche die Krone eingerichtet hatte, wurde aber nunmehr 
der Bevölkerung überlajjen, welche ſich, von Kroninjtrufteuren 
unterwiejen, namentlich in Ofterbotten mit Erfolg dieſem Er- 
werbszweig widmete. In derjelben Yandichaft geftaltete jich 
gleichzeitig der Schiffbau zu einer einträglichen Einnahmequelle. 
Das Handelshaus Mommorna in Stodholm richtete ſchon zur 
Zeit der Vormundjchaftsregierung in Pedersöre eine größere 
Sciffswerfte ein, und jpäter wurden bier wie in ben ans 
grenzenden Kirchipielen in großer Zahl Schiffe für Rechnung 
der Krone gebaut. 

Dieſe glüdlihe üfonomijhe Gntwidelung wurde durch 
aturereigniffe unterbrochen, welche die Früchte der Bemü— 
bungen einer ganzen Generation auf einmal vernichteten. 
Die Jahre 1674 — 1677 und 1686 — 1688 brachten Miß— 
ernten im ganzen Yande. Noch härtere Prüfungen hatte 
Finnland 1695 und 1696 zu beitehen. Schon gegen Ende 
des leßtgenannten Jahres war die Not jo groß geworden, daß 
die Bevölterung Dfterbottens nach Karelien, Rußland und 
anderen Orten auszumwandern begann, und kaum bejjer waren 
die Zuftände in Nyland-Tawajtehus. Der Hungersnot folgte 
eine heftige Seuche, welche noch mehr Opfer dahinraffte. Im 
März und April 1697 ftieg die Not bis zu einer fürchter- 
lichen Höhe. Ganze Dörfer verödeten, und in einer Vogtei 
itarben im Yaufe des Jahres mehr ald 5000 Perjonen. Alle 


1) Lorenz Ereuß junior war 1646 geboren; 1666 wurde er Aſſeſſor 
im Berglollegium, 1683 Fandeshauptmann in Abo. Yebteres Amt vers 
waltete er bis zu feinem Tode (1698). 


264 Tritte Periode. Die Großmachtszeit. 


Gejellichaftsklaffen hatten von der Hungersnot zu leiden. Aus 
Verzweiflung wurden an vielen Orten Diebftähle und Gewalt- 
thätigfeiten verübt, jo daß die Yandeshauptleute befürchteten, 
die gejetlihe Ordnung werde nicht aufrecht erhalten werben 
fönnen. Glücklicherweiſe fiel die Ernte im Herbſt reichlich 
aus, jo daß die jchwere Heimjuchung nunmehr endlich über- 
ftanden war. 

Einer Älteren Angabe zufolge belief fich die Zahl der im 
Stifte Abo Geftorbenen vom September 1696 bis zum Sep: 
tember 1697 auf mehr al8 60 000 '). In Nyland-Tawaftehus 
jolfen etwa 28000, in Ofterbotten etwa 19000 Berjonen ge: 
ftorben jein. Für das ganze Yand dürfte der Verluft die un- 
erbörte Ziffer von gegen 100000 Menſchen erreicht haben, 
jo daß ſich die Bevölferungsmenge von etwa 450000 auf 
etwa 350000 Seelen verminderte. Gleichzeitig geriet eine große 
Zahl von Bauernhöfen in Verfall. Aus der Provinz Kexholm, 
wo die Hungersnot nicht minder verbeerend wütete, fehlen 
näbere Angaben ?). 


Die Yeitung der geiftigen Entwidelungsarbeit lag, wie vor: 
dem, in den Händen der Bijchöfe. Im Abo begegnen wir in 
ber zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts einer Weihe von 
tüchtigen Bijchöfen, unter denen der jchon ©. 213 genannte 
Johann Terjerus jowohl wegen feiner bedeutenden Berjönlich- 
feit wie vermöge feiner wechjelvollen Lebensſchickſale einen her— 
vorragenden Plag einnimmt. Durch Fönigliche Gnade und zu 
nicht geringer überraſchung der Stiftsgeiftlichfeit, deren Wahl 
auf den Domprediger Alanıs in Abo gefallen war, wurde er 


1) „Abo Tidningar“, No. 38—40 u. No. 42 (1793). 

2) Mit der Hungersnot ftanden vermutlich Unruhen in Zufanmenbang, 
welche 1697 zwiichen den Bauern in ben Kirchipielen Pielis und Libelits 
einerfeits umd dem bortigen Pächtern anbrerfeits ausbraden. Nur durch 
Einfchreiten des Militärs konnten die Bauern zur Ruhe gebracht werben. 
®gl. „Hist. Ark.“ VIII, 336. 


Der Aboer Biſchof Terferus. 265 


1658 zum Nachfolger des Peträus ernannt. Mit Rückſicht 
auf diefen Umftand war er bei feiner Rückkehr nach Abo, das 
er 1647 verlaffen hatte, anfangs nicht jonderlich willtommen, 
gewann aber bald durch Fraftuolles Auftreten, Begabung und 
Arbeitjamfeit einen mächtigen Einfluß. Bei Bifitationsreijen 
juchte er die Zuftände in den Gemeinden fennen zu lernen, er» 
mahnte die unter dem milden Negiment des Peträus über- 
mütig geworbene Geiftlichfeit zu gewifjenhafter und treuer Er- 
fülfung ihrer Pflichten und hielt in Öfterbotten wie in Abo 
(3.8. 1660) Predigerfonferenzen ab, bei denen verjchiedene Maß- 
nahmen zum Bejten der Gemeinden getroffen wurden, nament- 
lich inbezug auf die allgemeine Bildung. Nach einer Angabe 
des Terjerus war die Kenntnis des Lejens jchon damals bei 
der jüngeren Bevölkerung Ofterbottens, auf Aland und in 
einigen Gemeinden des Schärengartens bei Abo faſt allgemein 
verbreitet. Aber jo eifrig fich auch Terſerus für die För— 
derung der Volksaufklärung intereijieren mochte, jo fonnte er 
fih doch nicht in allem über die bejchränften Gefichtspunfte 
jeiner Zeit erheben. Er teilte nämlich die abergläubijchen 
Anichauungen feiner Umgebung und befundete feinen Cifer, das 
Böſe auszurotten, gelegentlich des Prozeffes, welcher bei dem 
akademischen Konfiftorium gegen einen der Zauberei angeflagten 
Studenten, Heinrich Eolenius, anhängig gemacht wurde. Ob- 
wohl mehrere Mitglieder des Konfiftoriums einer milderen 
Auffaffungsweije huldigten, jeßte er e8 durch, daß Eolenius 
zum Tode verurteilt wurde. Glücklicherweiſe kam die An- 
gelegenheit vor das Forum des Univerſitätskanzlers Per 
Brabe, der fih mit der gewohnten Milde und Vorurteils- 
Iofigfeit zugunften des Angeklagten ausſprach, jo daß dieſer 
1662 nur zu einer öffentlichen Kirchenbuße verurteilt wurde. 
Das Verfahren, welches Terſerus bei dieſer Angelegenheit 
beobachtete, gereichte ihm bald genug zum Verderben. Im 
Jahre 1663 hatte er einen werdienftlichen Kommentar zum 
Katehismus publiziert, worin einige Sätze vorkamen, welche 
den orthodoren Eiferern mißfielen. Einer von dieſen, der 
ftreitluftige Profefior der Theologie, Enevald Svenoniug, 


266 Dritte Periode. Die Großmachtszeit. 


hatte nichts Eiligeres zu thun, als auf die nach jeiner An— 
jicht der Kirchenlehre widerjtreitenden Säge in dem genannten 
Werft aufmerkſam zu machen. Terſerus wies zwar bei einem 
Disputationsaft die Beichuldigungen des Profeffors zurüd, 
ereiferte jich aber und gab dadurch jeinen Gegnern An— 
laß zu neuen Angriffen. Die Erledigung des Zwiftes wurde 
von dem Konfijtorium an den Univerfitätsfanzler Per Brahe 
überwiejen, welcher dem Biſchof wegen des oben erwähnten 
Prozejjes noch grollte und daher mit aller nur möglichen 
Strenge zu Werke ging. Er denunzierte Terſerus bei der 
VBormundjchaftsregierung, und dieſe berief eine größtenteil® aus 
Feinden des Biſchofs bejtehende Unterfuhungstommiffion, welche 
1663 die vorläufige Amtsenthebung desjelben durchjegte. Ver: 
gebens juchte Terjerus auf dem Neichstage von 1664 den 
geiftlihen Stand umzujtimmen. Sein Geichid war im voraus 
entichieden; am 25. Auguft wurde er jeines Amtes entjegt. 
Seine jpäteren Erlebniffe liegen außerhalb der Gejchichte Finn- 
lands; 1671 wurde er Biichof zu Yinköping und verwaltete 
diejes Amt bis zu jeinem Tode (1678). 

Sein Nachfolger auf dem Äboer Bijchofsjtuhle (1664 
bi8 1690), Johannes Gezelius senior !), wirfte eifrig für 
Erhöhung der geiftigen Bildung in Finnland. Gr bejuchte 
häufig die Stiftsgemeinden, ermahnte in Hirtenbriefen bie 
Seiftlichfeit unabläffig zu fleißiger Arbeit und juchte durch 
Cramensvorjchriften die Bildung der Geijtlichen auf eine höhere 
Stufe zu bringen. Die von ihm 1673 erlaffenen „Erinne- 
rungen“ fönnen als ein bejonderes Kirchengejeg für das Bis— 
tum bo angefehen werden. fleichzeitig waren jeine Blide 
beftändig auf Verbefferung des Unterrichtsweſens gerichtet. 
Auf dem Reichstage von 1682 unterbreitete er dem geiftlichen 
Stand einen Schulordnungsentwurf („ methodus informandi “), 


1) Geboren 1615 in Weitmanland, ftudierte er in Upſala und Dorpat, 
wurde 1641 in der letgenannten Stadt Profeſſor des Griechiichen und 
der orientalifhen Spracden. Bon 1649 bis 1660 war ev Prediger in 
Schweden, darauf Generalfuperintendent in Yivfand ſowie Vrokanzler der 
Dorpater Univerfität. Nach Abo fam er 1665. 


Terſerus' Nachfolger Gezelius (1664— 1690). 267 


welcher allerdings nicht genehmigt wurde, im Stift Abo je- 
doch anjcheinend in Geltung gewejen ift ). An Eifer für 
Berbeiferung des Kinderunterrichts überragte er die meijten 
Zeitgenoffen. In dem Bistum gab es damals auf dem Yande 
nur drei Kinderjchulen (Pädagogien): nämlich in Kimito, in 
Lojo (jeit 1661), jowie in Saltvif auf Aland. Gezelius war 
indefjen der Anficht, daß alle Gemeinden derartige Lehranftalten 
befigen müßten. Er beabjichtigte die Einrichtung eines allge: 
meinen Bolksunterricht8 mit — um einen modernen Ausdrud 
zu gebrauchen — fejten Volksſchulen und unter ihnen ftehenden 
ambulatorijchen Schulen, und zwar jollte fi der Unterricht 
eng an die kirchliche Yehrthätigkeit anjchliegen. Das Inter: 
ejfe der Geiftlichkeit jollte die Kinderſchulen auf ihrer Höhe er- 
halten und die Inſpektion derjelben in den Händen der Kirche 
ruben. Diejer Plan jcheiterte jedoch an der Schwierigkeit, Mittel 
zum Unterhalt der Schulen jowie zur Bejoldung der Yehrer 
ausfindig zu machen; erjt um vieles jpäter wurde die Frage 
eines allgemeinen, geordneten Bolfsichulunterrichts von neuem 
angeregt. 

Bon größerer unmittelbarer Bedeutung waren die Be— 
mühungen des Biſchofs, die Geiftlihen zu reger Thätigfeit 
behufs Berbreitung von Kenntniffen im Volk anzujpornen. 
Unabläjjig ermahnte er in feinen Zirkularjchreiben die Geift- 
lichkeit, für eine allgemeinere Kenntnis des Yejens zu jorgen. 
Bei jeinen häufigen Viſitationen unterjuchte er, in welchem 
Maße die Gemeinden in diejer Hinficht Fortichritte gemacht 
hätten, und in den oben erwähnten „Erinnerungen“ erließ er 
jogar die Vorjchrift, daß „niemand zur Verlobung abmittiert 
werden jollte, der nicht, abgejehen von anderen Kenntniffen, 
einen guten Teil der Erklärung des Katechismus auswendig 
wüßte“, eine Bejtimmung, welche jpäter in das Sirchengejeg 
von 1686 aufgenommen wurde und zur Verbreitung der Kennt— 
nis des Yejens wejentlich beitrug. Bon hoher Bedeutung für 

1) Der „Methodus informandi‘, welcher 1683 zuerſt erſchien, ift von 


W. ©. Lagus in: „Handlingar rörande Finlands Kyrkohistoria“, 
ny följd, h. 2, p. 61—80 (Abo, 1836—1839) veröffentlicht worden. 


208 Dritte Periode. Die Großmachtszeit. 


die Volksaufklärung wurden auch die finnifchen und jchwe- 
diſchen Erbauungsjchriften und religiöjen Yebhrbücher, welche 
Gezelius ausarbeitete oder in neuen Auflagen herausgab. Noch 
heute wird fein Heiner finnijcher Katechismus vielfach in Finn- 
land angewendet. Gezelius senior fann baber als der Be- 
gründer der Volfsbildung Finnlands betrachtet werden, jo, wie 
biefelbe bi8 in das 19. Jahrhundert hinein fortbeftanden bat. 

Auh um den höheren Glementarunterricht erwarb jich 
Gezelius unvergeßliche Verdienfte. Der Mangel an Mitteln 
war bie Klippe, an welcher feine Pläne auch auf diefem Ge- 
biete Häufig ftrandeten; indeſſen gelang es ihm, wenigſtens 
einige jeiner Wünjche durchzujegen. Die Pädagogien in Uleaͤ— 
borg und Tawaftehus wurden 1682 und 1690 auf jein 
Begehren in Trivialichulen umgewandelt. Gleichzeitig wurbe 
die Trivialſchule in Nyfarleby erweitert und 1684 nah Waja 
verlegt. Die Fürjorge des Biſchofs für eine Förderung ber 
Trivialſchule oder, wie man gewöhnlich jagte, der Kathedral— 
ſchule zu Abo, bethätigte fich umabläffig. Unter feiner für- 
jorglichen Leitung wurde jene Lehranſtalt immer mehr ver 
Mittelpunkt für den Elementarunterriht im ganzen Bistum. 
Das Wiborger Gymnaſium, deſſen Unterrichtsplan umfang: 
reicher war, jcheint bezüglich ver Lehrreſultate durch jene Schule 
überflügelt worden zu fein, wie fich aus einem Zeugnis jchließen 
läßt, welches 1688 auf Verlangen von Gezelius beim Son: 
fiftorium in Abo eingereicht wurde. Ein zeitgenöffiicher Ver— 
faffer rühmt die Aboer Kathedralſchule jowohl wegen der großen 
Schülerzahl (300) wie auch wegen des trefflichen Unterrichts '). 

Die Auffaffung des Biſchofs Gezelius von den afademijchen 
Studien, welche er als Prokanzler zu beauffichtigen hatte, 
wurde durch jeine theologiſche Anjchauungsweife beeinflußt. 
Anstatt die Ketten zu brechen, in welche die Orthodorie die freie 
Forſchung geichlagen hatte, juchte er diejelben noch zu verftärten. 
Aber in anderer Hinficht übte er auch als Profanzler einen 


1) D. Juslenius in feiner Difiertation: „Aboa vetus et nova“ (Abo, 
1700). 


Schulreformen. Gezelius d. 3. 269 


wohlthätigen Einfluß aus; jo z. B., indem er in die verwicdelte 
Verwaltung der Ilniverfität Ordnung bineinbrachte, von den 
Profejjoren ftrenge Pflichterfüllung verlangte und für die Stu: 
denten zahlreiche Yehrbücher herausgab, deren Drud in einer 
von ihm gegründeten und 1668 dem Buchdruder Johann Winter 
überlaffenen Buchdruckerei erfolgte. Biſchof Gezelius senior 
itarb am 20. Januar 1690. 

Sein Sohn und Nachfolger, Johannes Gezelius junior, war 
inbezug auf Anfichten und Auffaffung feines Berufs ein ge- 
treues Ebenbild des Vaters. Geboren 1647 in Dorpat, ſtu— 
dierte er in Upſala und folgte fpäter jeinem Vater nach Abo, 
um jich dort unter der Yeitung desjelben für den geiftlichen 
Beruf vorzubereiten. Nach jeiner Rückkehr von einer mit fönig- 
licher Unterftügung unternommenen, ausgedehnten Reiſe ing 
Ausland wurde er 1675 in Abo als Umiverfitätslehrer an- 
gejtellt. Im Jahre 1684 erfolgte jeine Beförderung zum 
Superintendenten in Ingermanland, wo er eifrig für den Über- 
tritt der Griechiſch-Orthodoxen zur lutheriichen Lehre wirkte; 
1689 kehrte er nach Abo zurüd, um bei ber Leitung des aus— 
gedehnten Bistums dem Vater zu helfen, und wurde jchließlich 
der Nachfolger desjelben. Die bijchöflihe Gewalt hatte da— 
mals durch das allgemeine Kirchengejeg von 1686 eine ge- 
wife Einjchränfung erfahren. Gezelius fonnte deshalb auch 
nicht in gleihem Maße, wie jein Vater, als kirchlicher Gejeß- 
geber thätig fein; aber inbezug auf die Überwachung des kirch— 
lichen Lebens zeigte er jich nicht minder eifrig als jener. Durch 
Inſpektionsreiſen, Hirtenbriefe und Predigerfonferenzen juchte 
auch er umter der Geiftlichfeit des Stifts einen guten Geift auf- 
recht zu erhalten. Gleichzeitig jegte er die Herausgeber: und 
BerfafjertHätigkeit jeines Vaters fort und veröffentlichte u. a. 
1701 eine neue Auflage des finnischen Pjalmbuches. Bedeutungs- 
voller als litterarifches Erzeugnis war das große Bibelwerk in 
ſchwediſcher Sprache, beffen Herausgabe bereits von jeinem Vater 
mit Unterftügung durch öffentliche Mittel begonnen war, fich aber 
infolge ungünftiger Umftände jo verzögerte, daß der erite Band, 
welcher die erjte Hälfte des Neuen Teſtamentes enthielt, erſt 


270 Dritte Periode. Die Großmachtszeit. 


1711, und der lebte Teil erjt 1728, d. b. lange nach dem 
Tode von Gezelius junior (1718), erjchien. 

Während jeiner Studienreifen in Deutichland hatte Ge- 
zelius junior eine vertrauliche Bekanntſchaft mit Spener an— 
geknüpft umd ich zu deſſen Anichauungen bingezogen gefühlt. 
Als ſich aber jpäter die Lehren Speners in Finnland ver: 
breiteten, wurde er einer der eifrigiten und rückſichtsloſeſten 
Gegner derjelben. Oſterbotten war der Herd der religidjen 
Schwärmere. Bon dort aus fam um 1680 Yars Ulſtadius, 
Lehrer an der Uleiborger Trivialichule, nach Abo, um ein 
reineres chriftliches Yeben zu predigen. Sein bis zum Wahn- 
wit gejteigertes, gewaltiames Auftreten veranlaßte 1693 die 
Einleitung eines Prozeffes, welcher mit jeiner Verurteilung zu 
Gefängnis endigte. Zu feinen Anhängern gehörten u. a. Olof 
Ulhegius und Yars Yithovius; der bervorragendjte unter ihnen 
aber war der Magijter Peter Schäfer, welcher Ulſtadius an 
Begabung weit übertraf und an Yeidenjchaftlichkeit ihm gleich 
fam. Auf Grund eines am 28. November 1689 beim Con- 
sistorium academicum eingereichten Slaubensbefenntnifjes wurde 
Schäfer beim Hofgericht verklagt, welches ihn, nachdem er jeine 
Lehren widerrufen und Abbitte geleiftet hatte, zu öffentlicher 
Kirchenbuße verurteilte. Um diejer Strafe zu entgehen, begab 
er fih ins Ausland nach Deutjchland, Frankreich, Holland, 
England ſowie jehlieglih nach Amerika. Als er von dort, durch 
Armut und Krankheit niedergebeugt, 1701 nach Abo zurück— 
gekehrt war, verhielt er jich zumächjt ruhig. Später (1707) 
veranlaßte jedoch fein Auftreten die Eröffnung einer neuen 
Unterfuchung gegen ihn, welche 1709 mit jeiner Verurteilung 
zu lebenslänglicher Haft endigte. Er ftarb 1728 zu Gefle im 
Gefängnis. Auch gegen den Prediger in Pudasjärvi, Johann 
Wegelius, welcher von einem neidijchen Kollegen fälſchlich der 
Hinneigung zum Pietismus bejchuldigt worden war, bewies 
Gezelius junior einen ihm zu geringer Ehre gereichenden Ver: 
folgungseifer, indem er ein außerordentliches Konfiftorialgericht 
einberief, welches unter jeiner Yeitung 1691 mit Wegelius in 
Uleiborg ein Verbör anftellte und denjelben ohne jeden recht: 


Pietiftenverfolgungen. — Das Bistum Wiborg. 21 


mäßigen Grund zur Dienftenthebung verurteilte. Allerdings 
wurde Wegelius auf Grund einer Bejchwerde beim Könige 
jpäter wieder in jein Amt eingejegt und Gezelius wegen jeiner 
übereilten Handlungsweife verwarnt. Von Anhängern der 
pietijtiichen Lehren ift jchließlih Iſaak Laurbeck (geft. 1716) 
zu nennen, der, obwohl er an der des Pietismus verbäch- 
tigen Altdorfer Hochichule ftudiert hatte, dennoch 1702 eine 
Stelle ald Adjunft der Theologie an der Aboer Univerjität er: 
bielt. Da er dort bei Predigten wie bei Disputationen als eif- 
riger Pietift auftrat, machte Gezelius gegen ihm einen Prozeß 
anhängig, welcher 1708 dahin führte, daß Yaurbef von dem 
Aboer Domkapitel zum Verluft jeiner Ämter und Titel jowie 
zum Widerruf jeiner Irrlehren verurteilt wurde. 

In dem Bistum Wiborg lag das Kirchenregiment, wie 
ihon früher, gewöhnlich in jchwachen Händen. Cine energijche 
Perjönlichkeit war Biihof Petrus Bing (1681—-1696), welcher 
als Profeffor der Theologie in Abo in jeinem ortbodoren Eifer 
jogar mit Enevald Svenonius gewetteifert hatte. Die von ihm 
1688 in Wiborg begründete Buchdruderei, die dritte im ganzen 
Yande, bejtand bis 1710, publizierte jedoch nur wenige Bücher, 
da Büng von Anfang an mit feinem Unternehmen Unglück 
hatte. So wurde der finnijche Katechismus, den er 1689 dort 
batte druden lajjen, auf Grund einer Klage des Biſchofs Ge- 
zelius junior vom Könige verboten, und alle Veriuche Bängs, 
eine Aufhebung diejes Urteil zu erwirfen, blieben vergeblich '). 
Gleich vielen anderen leitenden Männern der Kirche bejah 
Bäng eine eigenmächtige, ftreitjüchtige Natur. So erhielt er z. B. 
von Karl XI. eine jcharfe Verwarnung, weil er für die Provinz 
Kexholm einen Erlaß, betreffend die Wahl von Vertretern zum 
Reichstag von 1686, ausgefertigt hatte, und in jeinem letzten 


1) F. 8. Pipving, Bidrag till en historia om Gymnasii boktry- 
ckeriet i Wiborg, in: „Bidrag till kännedom om Finlands natur och 
folk, utg. af Finska Vetenskapssocieteten“ IV, 1, 3-48 (Helfingfors, 
1859). — Bgl. auch G. Lagus, Nya upplysningar om Gymnasii 
boktryckeriet i Wiborg, in: „Svenska Literatursällskapets i Finland 
Förhandlingar och uppsatser“ VIII, 181—194 (Heliinafors, 1894). 


272 Dritte Periode. Die Großmachtszeit. 


Cebensjahre wurde er zu einer Geldſtrafe und zur Yeiftung 
einer Abbitte verurteilt, weil er jich bei einem Prozeß gegen 
den Landeshauptmann in Wiborg, Anders Lindhjelm, Fränfender 
Äußerungen bedient hatte. Seine Nachfolger Petrus Laur- 
behius (1696— 1705) und David Yund (1705—1711) ver: 
mochten wegen Ausbruch des Krieges mit Rußland für bie 
geiftige Förderung des Stifts nicht wirkſam zu arbeiten. 

Die Form des litterariichen Schaffens wurde in der da— 
maligen Zeit durch die kirchliche Richtung bedingt. Die Theo- 
(logie war die herrſchende Wiffenjchaft, und ihre Adepten waren 
unter den Schriftftellern am meiften gefeiert. Auf dem Ge: 
biete der Theologie gehörte der ſchon früher genannte Pro- 
feffor Enevald Svenonius (1617—1688) !), auf demjenigen 
der Philojophie der jcharffinnige Anders Thuronius zu den 
hervorragenditen und probuftivften Verfaſſern. — Die berr- 
ſchende theologiſche und jcholaftiiche Richtung verhinderte das 
Aufblühen der klaſſiſchen Studien. Der beveutendfte Vertreter 
der klaſſiſchen Richtung an der Äboer Hochſchule war der Pro- 
jeffor Daniel Achrelius (1644—1692) ?). — Bon ebenjo ge- 
ringer Bedeutung für das litterarifche Leben waren die hiſto— 
rijchen Studien. Man verfuhr, wenn man jich einmal auf das 
Gebiet der einheimifchen Gejchichte hinauswagte, völlig un— 
fritijch, betrachtete Mythen und Sagen als vollgültige Wahr: 
heiten oder brachte leere Vermutungen über die uralte Größe 
und Macht des Nordens vor. Johannes Rudbecks berühmtes 
Werk „Atlantiea‘ diente hierbei al8 Vorbild. Doch machten 
jich einzelne Anzeichen bemerkbar, welche eine gejundere hiſto— 
riſche Forſchung prophezeiten und als Vorläufer der reich 
haltigen topographijch-hiftorijchen Litteratur des folgenden Jahr- 
hunderts angejehen werben fönnen. So publizierte Georg 


1) Vgl. 9. Räbergb, Teologins studium vid Abo Universitet 1, 
in: „Skrifter utgifna af Svenska Literatursällskapet i Finland“ XXIII, 
37—59 (Hellingfors, 1893). 

2) Bol. I. U. Heitel, Filologins studium vid Äbo Universitet, 
in: „Skrifter utgifna af Svenska Literatursällskapet i Finland“ XX VI, 
72—79 (Helfingiors, 1894). 


Finnlands Wiflenfchaft im ausgehenden 17. Jahrhundert. 278 


Haveman 1694 in Dorpat eine Rebe über Wiborg, welde in 
befriedigender Weife den Zuftand jener Stadt gegen Ende des 
17. Jahrhunderts ſchildert. Noch beachtenswerter erjcheint die 
1700 veröffentlichte Disputation: „Aboa vetus et nova“, 
deren Berfaffer, Daniel Juslenius (1676—1752), zwar bie 
unfritifchen Borftellungen feiner Zeit über den Urfprung und 
die Älteren Schidjale feines Volkes teilt, aber deſſen Auf: 
ichlüffe über die Gejchichte der Stadt Abo jowie über topo- 
graphiiche und abminiftrative VBerhältniffe noch heutiges Tages 
von Wert find. Die Antiquitätsforichung bejaß einen hervor— 
ragenden DVertreter in dem Afjeffor im Antiquitätsfollegium, 
Elia Brenner (1647—1717), welcher aus Storfyro ftammte 
und der erjte war, der Finnlands Altertumstunde ftudierte. 
Auf dem Gebiete der Numismatif ift feine Arbeit: „The- 
saurus nummorum Sueo-Gothicorum‘“ beachtenswert. Auf 
dem Felde der Naturwiffenjchaften wirkte Elias Tillandz 
(1640— 1693) als Bahnbrecher. — Die Poefie bejtand noch 
faft ausjchließlih aus Gelegenheitsgedichten bei Lniverfitäts- 
oder Familienfeften. Der vieljeitige Daniel Achrelius verfaßte 
eine nicht geringe Anzahl von lateinischen wie ſchwediſchen Ge- 
dichten. Reicher begabt als Dichter war der unter dem Namen 
Filfienftebt geadelte Johann Paulinus (geb. 1655 in Björneborg, 
geit. 1732 als Reichsrat). Mit ihm wetteiferte an Ruf ber 
in Schweden geborene Torften Rudeen (geft. 1729 als Bijchof 
von Linköping), welcher als Profeffor in Abo durch feine Iatei- 
nijchen und jchwediichen Poefieen zur Erhöhung des litterarifchen 
Lebens an der dortigen Lniverfität beitrug. Verdienſtvolle 
Dichter in finnischer Sprache waren: Johann Cajanus (geit. 
1681), Anders Aſchelinus (geft. 1703), Gabriel Tuderus 
(geft. 1705), ſowie 3. Lithovius (geft. 1743). Noch tiefer 
in die VBolfsichichten drang das Gedicht „Hlolaulu Jesuksesta * 
des Matthias Salamnius (geft. 1691), welches in einfacher, 
kräftiger Sprache im Anſchluß an die Evangelien die Geburt, 
das Leben und den Tod bes Heilands jchildert '). 

1) S. Elmgren, Pocsins tillständ i Finland pä 1680- och 1690- 
talen, in: „Lännetär“ IV, 46—71 (Helfingfors, 1869). 

Schybergſon, Geſchichte Finnlanbe. 18 


274 Dritte Periode. Die Großmachtszeit. 


Im übrigen behauptete die nattonalfinnijche Fitteratur unter 
den lateinijchen und ſchwediſchen Arbeiten noch einen beichei- 
denen Platz. Mehrere Predigten jowie religiöjfe Erbauungs- 
und Lehrbücher wurden in finnijcher Sprache publiziert. Von 
der finniſchen Bibel erjchien 1685 eine neue Auflage, deren 
Redaktion hauptſächlich der auch jonft um die Pflege des fin- 
nijchen Idioms verdiente Prediger in Bemar, Heinrich Florinus 
(gejt. 1705), bejorgt hatte. Zu erwähnen iſt endlich, daß eine 
große Menge von königlichen Erlaffen durh Erich Juſtander 
ins Finnische überjegt wurde. 

Viele Zeugnifje befunden die damals in Finnland berr- 
ichende Roheit der Sitten. In Ofterbotten, namentlich in 
den ſchwediſchen Küftenfirchipielen, fam es nach 1670 zu einer 
gewaltſamen Herenverfolgung, welche zahlreiche Opfer erheiichte. 
In Waſa wurden Juli 1675 fünf, in Wöri 1676 ſechs ver 
Zauberei angeflagte Weiber verbrannt ). Daß auch hochgebildete 
Männer eine abergläubijche Furcht vor Hererei hegten, erweiſt 
der ©. 265 erwähnte Prozeß des Biſchofs Terjerus gegen den 
Studenten Eolenius. Rang- und Titelfucht waren in jener Zeit 
allgemein verbreitete Schwächen und riefen häufig Hleinliches Ge- 
zänt hervor. Zu den Schattenjeiten des damaligen Yebens 
gehörte auch die wilde, übermütige Lebensweiſe der Studenten. 
Gewaltſame Straßenauftritte in den Nächten jowie Zujammen- 
rottungen gegen die Zivilbehörden waren etwas ganz Gemwöhn- 
liches. Andrerjeits zeichnete fich jedoch jene Epoche durch eine 
tiefe, ernjte Gottesfürchtigfeit aus, welche alle Verhältnifie 
durchdrang, wenngleich vielfach auf dem Lande noch heidniſche 
oder katholiſche Vorſtellungen fortlebten. 


1) 4. ©. Fontell, Anteckningar rör. hexväsendet i Österbotten 
pa 1670-talet, in: „Hirt. Ark.“ VIII, 105—114 (Helfingfors, 1884). 


Vierte Periode. 
Der große nordiſche Ktrieg und die Freiheitszeit. 


l. Karl XII. und der große nordiſche Krieg '). 


Finnlands Gejchichte während des großen norbifchen Krieges 
it von Anfang an nichts weiter als eine Aufzählung miß- 
fungener Eriegerifcher Unternehmungen und furchtbarer Heim- 
ſuchungen. Schon im erften Kriegsjahre (1700) wurden die 
Kräfte des Yandes mehr denn je zuvor oder nachher für die 
Aufitellung von Truppenmaffen in Anjpruch genommen. Nach- 
dem jich dieſe Truppen nebjt den jtehenden Regimentern (zufammen 
mebr ald 14000 Mann) auf den Kriegsichauplag begeben hatten, 
war ‚Finnland zunäcjt von Berteidigern entblößt. Erſt im 
Herbit gelang es dem Yandeshauptmann in Nyland: Tamwaftehus, 


1) Quellen und Nachſchlagewerke zur Geſchichte Finnlands unter Karl XII. : 
Yrjö Kostfinen, Lähteitä Ison Vihan historiaan 1 (SHelfingfors, 
1865); N. Koslinen, Suomen kansan historia, 2. Aufl. (Helfingfors, 
1881); 3. Mankell, Anteckningar rör. finska armöns och Finlands 
krigshistoria, Bd. I (Stodbelm, 1870); 8. DO. Findeapift, Suomen 
oloista Json Vihan aikana (Helfingfors, 1886); 3. I. Tenaftröm, 
Gezelii den yngres minne (Helfingfors, 1833); „Abo Tidningar‘ (1776, 
1789, 1791); 3.4. Nordberg, Konung Karl XII» historia, 2 Bbe. 
(Stodholn, 1740); Geijer-Carlſon, Gefhichte Schwedens :c., Bd. VI 
(Gotha, 1887); „Historiska Handlingar till trycket befordrade af 
Kongl. samfundet för utgifvande af handskrifter rör. Skandinaviens 


historia“, ®d. IX u. X (Stodbolm, 1874 u. 1879). 
18* 


276 Bierte Periode. Der große norbiiche Krieg und bie Freiheitszeit 


Abraham Eronhjort, den Hauptitamm einer neuen Armee zu— 
fammenzubringen, welche nach Ingermanland verlegt wurde und 
Srondjort zum Befehlshaber erhielt. Infolge aller dieſer 
Aushebungen wurde der Volksmangel in Finnland jo groß, 
daß jchon 1702 Hofeigentümer zum Militärdienſt eingezogen 
werden mußten, und daß bald aus ben verjchiedenjten Yandes- 
teilen Klagen erjchollen, weil zahlreiche Höfe dem Ruin ver- 
fielen. Nur Ofterbotten wurde damals noch verhältnismäßig 
geſchont. 

Die Armee Cronhjorts belief ſich Anfang 1701 auf etwa 
7000 Mann, eine Heeresmacht, welche unter tüchtiger Leitung 
und günſtigen Umſtänden keineswegs zu verachten geweſen wäre. 
Aber der faſt ſiebzigiährige Cronhjort entbehrte als Ober— 
befehlshaber jeder Energie. Zudem war die Mannſchaft ungeübt, 
ſchlecht ausgerüſtet und über ihre Trennung von der Heimat 
mißvergnügt. Schon bei den erſten Scharmützeln mit dem 
Feinde flohen die Soldaten und ließen ihre Offiziere im Stich. 
Irgendein größerer Erfolg war deshalb von vornherein kaum 
zu erwarten. 

Im Auguſt 1702 zwangen die Ruſſen unter Scheremetieff 
die Truppen Cronhjorts, ſich über die Newa in nördlicher 
Richtung zurückzuziehen. Auch vertrieb ein ruſſiſches Geſchwa— 
der die ſchwediſchen Kriegsſchiffe aus dem Ladoga. Am 28. Sep- 
tember umzingelten die Ruſſen Nöteborg, welches nur von etwa 
250 Mann unter Oberſtlieutenant G. W. Schlippenbach ver— 
teidigt wurde. Der Kommandant und die Beſatzung wehrten 
ſich heldenmütig; aber die Feſtung, welche auch von der See— 
ſeite her angegriffen wurde, konnte auf die Dauer der geg— 
neriſchen Artillerie nicht ſtandhalten. Am 12. Oktober machten 
die Ruſſen einen Sturm; zweimal wurden ſie zurückgeſchlagen, 
dann aber kapitulierten die Verteidiger der Feſtung gegen freien 
Abzug. Die Nachricht vom Falle Nöteborgs wurde von den 
Ruſſen mit ebenſo lebhafter Freude begrüßt, wie ſie bei den 
Schweden Überraſchung und Trauer erregte. Zar Peter gab 
der Feſtung den Namen Schlüfjelburg, da er erkannte, daß 
der Schlüffel zu Ingermanland und den Ländern am Finni- 


Die erften Jahre des norbifchen Krieges. Gründung v. St. Petersburg. 277 


ihen Meerbujen in feine Hände gefallen war. Wie gefahrvolf 
die Lage Finnlands war, zeigte fich bereits im März 1703, 
als Scheremetieff mit 4000 Schneefhuhläufern einen Einfall 
in den jüdlichen Zeil der Provinz Kerholm unternahm und 
beim Dorfe Lipola eine Abteilung von 600 Mann unter dem 
Major Karl v. Burghaujen faft vollftändig vernichtete. Das 
Hauptziel der ruſſiſchen Beftrebungen war indefjen die Erobe- 
rung von Nyenſkans, welche den Weg zu einer unmittelbaren 
Verbindung mit dem Meer eröffnen ſollte. Gegen Ende April 
marjchierte Scheremetieff gegen die genannte Feſte, deren Kom- 
mandant, Oberftlieutenant Johann Apolloff, nah tapferem 
Widerftand am 4. Mai fapitulieren mußte Die Bewohner 
der Stadt Nyen flohen größtenteild® nah Wiborg, wo fie 
jpäter anfäjfig wurden. Nunmehr faßte Zar Peter den fühnen 
Entſchluß, mitten in Feindesland eine neue Hauptftadt zu grün- 
den. Nyenſkans, welches von der Mündung der Newa allzu 
weit entfernt lag, wurde zerftört; jtatt deſſen ließ der Zar auf 
der Injel Yänisfaari an der Mündung der Newa jelbjt eine 
Feſtung anlegen, welche St. Petersburg genannt wurde. Gleich: 
zeitig breiteten fich die ruſſiſchen Truppen ungehindert in In— 
germanland aus, wo noh im Mai Jama und Koporie in 
ihre Hände fielen. 

Erjt zu Beginn des Sommers brad Cronhjort mit feiner 
Armee auf. Er näherte ſich Petersburg und zerftreute in ber 
Nähe diejer Stadt an der Meeresfüfte am 11. Juni bei Lahis 
eine ruſſiſche Vorpoftenabteilung, mußte fich jedoch bald auf 
den Rückzug begeben. Am Spyfterbäd hatte er am 9. Juli einen 
heftigen Kampf mit einer ſtarken ruſſiſchen Armee zu beftehen. 
Yange bielt er mit feinen etwa 4000 Mann der feindlichen 
Übermacht ftand, zog fich aber fchließlich, da er umgangen zu 
werden befürchtete, in der Richtung nah Wiborg mit einem 
Verluft von ungefähr 500 Toten und 200 Verwundeten zurüd. 

Der im Herbft 1703 zu feinem Nachfolger ernannte Georg 
Johann Maydell unternahm mehrere Angriffe gegen Petersburg 
und deſſen Umgebung, um ſich der genannten Stadt zu be- 
mächtigen oder wenigftend den Feind zu beunrubigen; aber 


2i8 Bierte Periode. Der aroße norbiihe Krieg und die Freiheitszeit. 


unglüdlicherweije waren feine Streitkräfte jo ſchwach und feine 
Mittel auch im übrigen jo gering, daß er faum auf größeren 
Erfolg Hoffen konnte. Im Sommer 1704 wollte er, zujammen 
mit der im Finniſchen Meerbujen ftationierten Flotte, durch 
eine Erpebition gegen die junge Stadt an der Newa dem be- 
lagerten Narwa helfen. Allein diefer Berjuh mißlang, und 
ebenjo geringen Erfolg batte ein zweiter Angriff, den er 
Anfang August in gleicher Abficht unternahm. Beſſer erjchienen 
die Ausfichten einer Zerjtörung der Feſtungen Kronjlott und 
Kronftadt, welche der Zar 1704 zur Dedung der Mün— 
dung der Newa auf der Injel Retujaari anzulegen begonnen 
batte. Gegen Ende Januar 1705 wurde Oberft 8. G. Arm 
felt mit 1000 Mann nach Kronftadt entjandt; derjelbe jugte 
die ruſſiſchen Truppen in ihre Befejtigungen und fehrte darauf 
glücklich nah Finnland Heim. Ernftlicher waren die Be— 
mühungen des Admirals Ankarjtjerna, während des Sommers 
auf Retufaari feiten Fuß zu faffen; aber fein Landungs— 
verjuch mißlang, und die ruſſiſche Flotte war unter dem Schu 
der Artillerie und der Feſtungswerke unangreifbar. Das Jahr 
1706 wurde beiderſeits mit Fleineren Plünderungszügen ein— 
geleitet, worauf Maydell Anfang Yuli mit 4000 Mann eine 
neue Expedition gegen Petersburg unternahm, welche jedoch, 
wie die im Vorjahr, rejultatlos verlief. Am 12. Oktober er: 
ihien Zar Peter an der Spike einer Armee von etwa 20 000 
Mann vor Wiborg. Schon war die Feſtung heftig bombar- 
diert und Maydell, welcher die Verteidigungsanftalten leitete, 
fejt entichloffen, die Stadt zu verlaffen, um Mannjchaften zu 
ihrem Entjag aufzubieten, als plöglich zu feiner Überrajchung 
der Zar in der Nacht vom 27./28. Dftober mit allen jeinen 
Truppen abzog. Proviantmangel und die Bejorgnis, abge- 
jchnitten zu werben, bewogen Peter, diesmal auf die Eroberung 
der Schugwehr Finnlands im Oſten zu verzichten ). 

Bald darauf legte Maydell den Dberbefehl nieder. Sein 
Nachfolger wurde im Januar 1707 der Landeshauptmann der 


1) Gabr. Lagus, Nägra förbällanden i Wiborg under stora ofre- 
dens första skede (Wiborger Fycealprogramm 1886— 1887). 


Die Kriegsjabre 1704 -1708. 279 


Provinz Wiborg, Georg Yybeder, welcher leider bei den wich- 
tigjten Entjcheidungsfämpfen eine bedauerliche Unentſchloſſenheit 
und Schwäche an den Tag legte. 

Während fih Karl XI. 1708 zum Einfall in Rußland 
rüftete, plante Lybecker gleichzeitig einen Angriff gegen Peters- 
burg '). Zu diefem Behufe erfolgten in Finnland jo umfang: 
reiche Kriegsrüftungen, daß die Armee auf etwa 12000 Mann ge- 
bracht wurde. Schon im Vorfrühling juchte jih Admiral Ankar— 
itjerna mit der Flotte Kronftadt zu nähern, wurde jedoch durch 
Gegenwind in Reval aufgehalten; ein Umſtand, deſſen fich 
der ruffiiche Admiral Aprarin bediente, um mit jeinem Ge— 
ſchwader an die Küfte von Nyland zu jegeln, wo er (12. Mai) 
bei Borgaͤ landete. Anfangs wehrten fi die Bürger der 
Stadt tapfer; aber am 14. Mai mußten fie der Übermacht 
weichen, worauf die Stadt geplündert und verbrannt, die Be— 
völferung teil® niedergemegelt, teild in die Gefangenjchaft weg— 
geführt wurde. Erſt drei Monate jpäter brach Lybecker auf, 
erreichte am 28. Auguft die Newa und überjchritt den Fluß 
glücflich bei Teufina. Hingegen wagte er es nicht, auf Petersburg 
loszumarjchieren, jondern zog, um Broviant für feine Truppen 
zu finden, an der Stadt vorbei ins wejtliche Ingermanland. 
Bei Koporie jchlug er eine ruſſiſche Abteilung; aber gerade 
diejer Sieg wurde merfwürdigerweije der Anlaß zum Abbruch 
der ganzen Expedition. Unter den dem Feinde abgenommenen 
Papieren fand ſich nämlich ein Brief mit der Nachricht, daß 
die Ruſſen binnen kurzem Lybecker mit 40000 Mann angreifen 
und ihm den Rückweg abjchneiden würden. Dieje Angabe, 
welche doch dem wirklichen Sachverhalt nicht im geringiten 
entiprach, erichredte den General dermaßen, daß er mit feiner 
ganzen Armee umfehrte, in Eilmärjchen nad) der Yandzunge 
Kolkanpää (einige Meilen von Narwa) 309, wo die Flotte unter 
Admiral Ankarſtjerna lag, und letzteren durch feine Bitten 


1) €. Carljon bat in der „Svensk Historisk Tidskrift‘“ IX, 257 
bis 261 (Stodholm, 1889) nachgemwiejen, daß bie betreffenden Operationen 
nicht auf Befehl Karls XII. erfolgten, ſondern daß bie Initiative von 
Iybeder ſelbſt ausging. 


230 Bierte Periode. Der große norbiihe Krieg und bie Freibeitszeit. 


bewog, die Erlaubnis zur Einjchiffung des Heeres zu erteilen. 
Die Bagage wurde verbrannt, der Pferdebeftand (5000) ge- 
tötet oder verftümmelt und die Cinjchiffung mit vajender 
Schnelligkeit betrieben, obwohl fich fein Feind bliden Tieß. 
Dennoch konnten nicht alle Truppen gerettet werben, ba bie 
Einihiffung am 20. Oktober durch einen Sturm unterbrochen 
wurde. Auf jo unglücliche Weije jchloß diefe Erpedition, deren 
Zweck gewejen war, die Streitkräfte des Gegners vom Kampfe 
gegen Karl XII. abzuziehen. 

Im Jahre 1709 rubten die militärischen Operationen in 
Finnland vollftändig, Mit unruhiger Spannung erwartete 
man den Ausfall der Kämpfe in der Ufraine. ALS jpäter die 
Kunde von der Niederlage bei Poltawa und von dem unglüd- 
lihen Gejchi der großen ſchwediſchen Armee eintraf, wurden 
bie Gemüter von einer allmählich in Verzweiflung übergehen- 
den Furcht ergriffen. Man erkannte, daß es einen Kampf auf 
Leben und Tod zu führen galt, bei welchem Finnland auf jeine 
eigenen Kräfte angewiefen war, und die Stimmung wurde 
um jo unrubiger, als die leitenden Männer im Yande unter: 
einander uneinig waren und fich gegenjeitig anjchuldigten. 
Auf der Verſammlung der Ständedelegierten zu Stodholm im 
Frühjahr 1710 wurden Bejchwerden gegen Lybecker erhoben, 
der jeit dem Zuge nach Ingermanland Gegenftand allgemeinen 
Tadels war; aber die Negierung begnügte fich damit, ihm den 
Generalmajor Hans Heinrich v. Yiewen beizuorbnen, welcher 
erjt im Spätfrühling nach Finnland fam und auf den Gang 
ber Ereigniſſe feinen merkbaren Einfluß auszuüben vermochte. 
Schon im März war nämlich ein ruffiiches Heer von 18 000 
Dann unter dem Oberabiniral Aprarin von Ingermanland 
aus über den Finnijchen Meerbujen an die finnijche Küfte ge- 
fommen und Hatte ſich Wiborg von Weſten ber gemähert. 
Almählih umringten die Ruſſen diefe Stadt, jo daß die Ver— 
bindung derjelben mit dem Yande volltommen unterbrochen 
wurde, worauf das Bombardement begann. Lübecker, welcher 
jelbjt im Weften des Landes mit der Peitung der Verteidigungs- 
anftalten bejchäftigt war, hatte den Oberbefehl über die Feſtung 


Der Fall Wiborgs 1710. 281 


jowie die etwa 4000 Mann zählende Garnifon dem Obriften 
Magnus Stiernfträle anvertraut. Alles hing davon ab, ob 
die Belagerer oder die Belagerten früher Erjat erhalten wür— 
den. Wie oft zuvor, jo war man auch jegt auf ruffiicher 
Seite jehneller fertig. Bereits Ende April jegelte der Zar 
nah Kronftadt mit einer Flotte, welche der Belagerungs- 
armee Artillerie, Munition, Lebensmittel und Mannjchaften 
zuführte. Am 9. und 10. Mai kam das Geſchwader nad 
Trängjund. Nachdem das Belagerungscorps auf 23000 Mann 
verjtärft und die Einfahrt nah Wiborg für die jchwebifche 
Flotte durch Befeſtigungen gejperrt worden war, fehrte Peter 
nah Kronftabt zurüd. Stjernfträle feinerjeit3 wartete bin- 
gegen vergeblih auf Hilfe Die ſchwediſche Flotte Fonnte 
die Durchfahrt nicht erzwingen, jondern mußte fih auf Be— 
obadhtung des ruffiichen Geſchwaders bei Kronſtadt be- 
ichränfen, und Lybecker, welcher zu Lande mit Aufbietung des 
gemeinen Mannes und Zujammenziehung von Truppen am 
Kymmenefluß bejchäftigt war, hielt ſich noch für allzu ſchwach, 
um etwas gegen den Feind wagen zu fönnen. Unter jolchen 
Verhältniffen wurde Wiborgs Lage von Tag zu Tag ver: 
zweifelter, und jchlieglih jah ſich Stjernfträle nach tapferer 
Gegenwehr genötigt, gegen das DVerfprechen freien Abzugs zu 
fapitulieren (10. bis 14. Juni 1710). Deffen ungeachtet wurde 
freilich die Bejagung nebſt einem großen Zeil der Bürger: 
haft in die Gefangenjchaft nach Rußland geführt. Auf jolche 
Weije fiel Finnlands einzige größere Feitung, welche mehr als 
vier Jahrhunderte hindurch das Bollwerk diejes Yandes im 
Diten gewejen war. Ganz Finnland wurde bei der Kunde 
hiervon jchmerzlich ergriffen. 

Bon Wiborg aus verbreitete fich die ruſſiſche Heeresmacht 
über die ſüdlichen Gewäſſer des Saima, wo Willmanftrand in 
die Hände der Ruſſen fiel, jowie bis zum jüblichen Zeil der 
Provinz Kerholm, wo nur die gleichnamige Feſtung Widerjtand 
leiften konnte. Ihr Kommandant, Oberft Johann Stjernichang, 
bielt mit der Bejagung von 300—400 Mann zwei Monate 
lang dem rufjischen General Bruce ftand, mußte aber nad 


282 Vierte Periode, Der große nordiiche Krieg und die Freibeitszeit. 


einem vierzehntägigen Bombardement am 3. September bie 
Feſtung gegen freien Abzug übergeben. Hingegen oronete Karl 
Armfelt, welcher nach Wiborgs Fall nah Nyjlott entjandt 
worden war, die Verteidigung im mittleren Savolaks mit 
gutem Erfolg. So trieb er u. a. einen Kojafentrupp von 
2000 Mann zurüd, welcher unter der Führung von karelijchen 
Bauern bis nah Nyflott vorgedrungen war. 

Über die Geftaltung der Verhältniffe im öftlichen Finn: 
land bejigen wir nur wenige, mangelhafte Nachrichten; aber 
diejelben lafjen doch erkennen, daß das Los jenes Yandes- 
teil® fur; nah der Croberung nicht minder traurig war, 
als das jpätere Gejchid der übrigen Zeile Finnlands. Die 
Umgegend Wiborgs und alle Stellen, wo fi” die Armee 
des Feindes aufgehalten Hatte, waren vermwüjtet, die Bewohner 
in die Wälder geflüchtet. Infolge defjen erließen die ruffiichen 
Befehlshaber eine Bekanntmachung, daß die Bevölferung zurüd- 
fehren und ungeftört in ihren Hütten bleiben dürfe, wofern jie 
zwei Bedingungen erfüllen, d. 5. dem Zaren den Treueid 
leiften und den ruffischen Behörden die Anhänger des Bauern 
Kivekäs verraten würde, welche das Land durchitreiften und 
den Ruſſen vielfaches Ärgernis bereiteten. Die Bewohner des 
Yandes fügten fih mit wenigen Ausnahmen diefen Macht: 
geboten, leijteten widerjtandslos den verlangten Treueid und 
verbielten jich jenen Freiſchärlern gegenüber, welche ebenjo 
wenig Freund wie Feind verjchonten, durchaus ablehnend. In 
der Provinz Kerholm zeigte ſich jogar von neuem die alte 
Neigung zum Anſchluß an Rußland. Noch bevor der nörd— 
lihe und mittlere Teil jener Landſchaft von den Ruſſen beſetzt 
war, juchten mehrere Geiftliche im voraus die Gunſt der fünf: 
tigen Herren dadurch zu erwerben, daß jie ihre Gemeinde— 
finder aufforderten, dem Zaren Treue zu jchwören und auch 
jonjt den Wünjchen der Ruſſen entgegenzufommen. Dies machte 
auf die Bevölkerung um jo größeren Eindrud, als Ddiejelbe 
unter einer neuen Regierung Befreiung von der Bedrückung 
jeitens der Kronpächter zu erlangen hoffte Die Bauern in 
Pielis und Nurmis empörten ſich gegen ihren Pächter, den 


Die Folgen der ruififhen Eroberung. 233 


Major Simon Affled, und konnten nur durch militärijches Ein- 
greifen wieder zum Gehoriam gebracht werden. Gleichwohl 
blieb das Yand nicht von Verheerungen verjchont, wie fie in 
allen von Peter eroberten Ländern ſyſtematiſch ftattfanden. 
Drüdende Abgaben wurden erhoben, der gemeine Dann zum 
Kriegsdienft oder zur Arbeit an den vom Zaren vorgenont- 
menen Bauten genötigt; ruſſiſche Soldaten oder Koſaken 
drangen in bie Dörfer, jegten die Häufer in Brand und fol 
terten die Bewohner aufs graufamfte, um fie dann zu töten 
oder in die Gefangenjchaft zu jchleppen. Weite Einöden zeugten 
von dem jchonungslojen Vorgehen der Gegner, welches wenig 
mit den der Bevölferung erteilten Zuficherungen überein- 
jtimmte. 

Auh im übrigen hatte der Krieg das Yand in eimen Zu: 
jtand tiefer Ermattung gebracht. Alle Stände mußten jähr: 
lich jtarke Kontributionen erlegen; zudem erforderten Ausrüſtung 
und Unterhalt der Armee u. j. w. jchwere Opfer; jogar bie 
Kirchen mußten mit einem Teil ihres Eigentums zur Bejtrei- 
tung der Kriegsfoften beitragen. Die VBerarmung wurde um 
jo allgemeiner, als Handel und Gejchäftsthätigfeit völlig auf: 
gehört hatten oder auf ein Minimum bejchränft worden waren. 
Bon dem traurigen Zuftand in den Städten erhält man eine 
Vorjtellung, wenn man hört, daß die Zahl der Bürger in 
Abo von 600 auf 130, und in Björneborg von 95 auf 40 
gejunfen war. Noch mehr Hatte das Yand durch den Be: 
völferungsmangel zu leiden, welcher in demjelben Maße jtieg, 
in welchem die arbeitsfähige Mannjchaft zu militärischen Zweden 
verwendet wurde. Der bei bejonders drohender Gefahr aufs 
gebotene Landfturm pflegte im Kriege nicht viel Nügliches aus- 
zurichten, während er die Laft, welche auf dem Land ohnehin 
ihon ruhte, noch bedeutend fteigerte.e Im Frühling 1710 
erfolgte ein großes, allgemeines Aufgebot zum Entjag von 
Wiborg. ALS fich jpäter die Kunde vom Falle diejer Feſtung 
im Lande verbreitete, gab man in leicht erflärlicher Übereilung 
alles verloren. Die Behörden rüfteten ſich zur Überfiedelung 
nah Schweden, und Biſchof Johann Gezelius junior, welcher 


234 Vierte Periode. Der große nordiſche Krieg und die Freibeitszeit. 


gerade damals an der Stodholmer Ständedelegiertenverjamm- 
lung teilnahm, fehrte erft im Sommer 1711 nah Yinnland 
zurüd, als fich die Verhältniffe etwas gebefjert hatten. 

Zu den Leiden, welche der Krieg mit fich brachte, gejellte 
fih anderes Mißgeſchick, welches das Maß der Schwierigkeiten, 
mit denen das Land zu kümpfen hatte, noch vermehrte. Auf 
mehrere jchlechte Jahre folgte 1709/10 ein furchtbares Not- 
jahr. Die Ernte des nächjten Jahres war gut; aber nun 
brach an der Küfte und in den Seeſtädten eine verheerende 
Pet aus, welche aus den Dftjeeprovinzen eingejchleppt worden 
war und allein in Abo 2000 Opfer Hingerafft haben ſoll. 

Die allmählid um fich greifende allgemeine Unordnung 
gab im Verein mit der Schwäche der Zentralregierung den 
Beamten Gelegenheit, das Volk in eigennügiger Abficht zu be- 
drüden. Aus allen Landesteilen vernahm man lagen dar— 
über, daß Vögte und andere Steuereinnehmer ungejetliche 
Abgaben forderten oder Einkünfte der Krone für fich jelber 
verwendeten. Die Dffiziere und Soldaten nahmen, was ihnen 
in die Hände fiel, ohne fih an Recht und Gejeg zu Fehren. 
Genug, Finnland hatte bis aufs äußerſte alle Leiden durchzu- 
machen, die ein unglüdlicher Krieg mit jich führt. 

Schon im Frühjahr 1710 war, wie erwähnt, die Entlaffung 
Lybeckers beantragt worden. Aber die Stodholmer Regierung 
hatte damals gezögert, eine ſolche Maßregel zu treffen. Nun— 
mehr erichien jedoch die Situation jo bedenklich, daß eine Ver- 
änderung gejchehen mußte Xybeder jelbjt war amtsmüde und 
wünjchte fich zurüczuziehen. Zu Beginn de8 Sommers be- 
ihloß daher der Senat die Entjendung des Grafen Karl 
Nieroth, welcher als Oberbefehlshaber und Generalgouverneur 
in Finnland mit ausgedehnter Vollmacht die Militär- und 
Zivilverwaltung handhaben und jogar nach eigenem Ermeſſen 
die aus dem Land einfommenden Steuern anwenden jollte. 
Karl XIL., welcher mit diefer Maßnahme völlig einverftanden 
war, erteilte etwas jpäter ben finnijchen Yandeshauptleuten den 
Befehl, Nieroth bei allen jeinen Anordnungen zu unterjtügen. 

Am 23. September kam Nieroth nach Abo mit einer Dra- 


Nieroth Generalgouverneur 1710, 285 


gonerfompagnie, der einzigen Verftärkfung, womit Schweden zur 
Verteidigung Finnlands beizutragen vermochte. Er entbehrte 
feineswegs des Mitgefühls für die Not der Bevölkerung ; aber 
er erfannte, daß die Kräfte bis aufs äußerſte angejpannt wer- 
den müßten, wenn man das Yand retten wollte. Mit großer 
Strenge ging er deshalb zu Werke. Die Vögte erhielten Be- 
fehl, jchonungslos die Steuern einzutreiben. Mit nicht ge: 
ringerem Eifer wurde die Ergänzung der jtehenden Regimenter 
betrieben, jo daß die Stärke derjelben bald auf ungefähr 10 000 
Mann ſtieg. Noch beachtenswerter waren jedoch Nieroths Be— 
mühungen, eine georonete Volksbewaffnung zuftande zu bringen. 
Während der Landfturm bisher nur gelegentlih und unge— 
ordnet zu den Waffen gerufen worden war, wurde jeßt bie 
ganze waffenfühige Mannjchaft in Kompagnieen eingeteilt und 
unter Leitung von Landeshauptleuten, Vögten ꝛc. im Waffen- 
gebrauch unterwiejen. In Abo-Björneborg wurden 10000 bis 
11000 Mann auf jolche Weije zufammengebradt, in Nyland- 
Tawaſtehus eine gleiche Anzahl und in Ofterbotten 7000 Mann. 
Gleichzeitig erhielten die früher erwähnten Freifcharen eine 
fejtere Organifation. Nieroth wollte fich derſelben als einer 
irregulären Miliz bedienen, welche den Feind durch Auffangen 
von Transporten und Beunrubigung aller Art in Berlegenheit 
jegen jollte. Zu diefem Behufe verwandelte er jene Scharen 
in jogenannte Fußdragoner, die in Kompagnieen unter jelbit- 
gewählten Offizieren eingeteilt waren. Anführer wurde ber 
zum Major ernannte fühne Daniel Yuuffoinen; unter ihm 
ftanden die Hauptleute Zillainen, Torakka, Yongftröm, Haufeen 
und andere, welche nicht jelten auch unabhängig von ihrem 
Chef Streifzüge in das feindliche Gebiet unternahmen. 

Diefe Maßnahmen und der Umſtand, daß Zar Beter nebjt 
dem rufjiichen Hauptheer fern an der türkiſchen Grenze weilte, 
bewirften, daß der Krieg 1711 für die finnijche Armee einen 
vorteilhafteren Ausgang nahm als in den vorhergehenden 
Jahren. Schon zu Beginn des Jahres unternahmen die Ob» 
riften K. Armfelt und I. Stjernfchang, welche die Truppen in 
Savolaks fommandierten, glüdlihe Streifzüge gegen feindliche 


6 Vierte Periode. Der große nordiſche Krieg und die Freiheitszeit. 


Abteilungen in Parikkala. Im Februar vertrieben fie die ruffiichen 
Vorpoſten bei Koitjanlahti, und im März jagten fie ein ruſſiſches 
Corps bei Hannuffala in die Flucht; anläßlich der letztgenannten 
Waffenthat wurde Armfelt zum Generalmajor ernannt. Später 
verftärfte Nierotb ihre Truppen auf 4000 Mann und erteilte 
ihnen die Weifung, in jüdlicher Richtung bis nach Jääskis zu 
marjchieren, wo fie leicht die Verbindungslinie zwiichen Wiborg 
und Petersburg abjchneiden fönnten. Cine von den Ruſſen 
in Mola aufgeführte Verſchanzung wurde am 26. April von 
dem Lieutenant Joh. Heinrich Fieandt erjtürmt und zerftört. 
Ebenjo wurde der Gegner durch die Fußdragoner beunruhigt, 
welche unabläffig die Niederungen der Newa, das wetliche In- 
germanland jowie Ejtbland durchitreiften und reiche Beute heim— 
brachten. Allerdings wurde Luukkoinen im Auguft gefangen 
genommen; aber troßdem nahm der Freiichärlerfrieg mit un— 
verminderter Pebhaftigkeit jeinen Fortgang. Zur See war die 
Page der Ruſſen noch bedenklicher, da die jchwediiche Flotte 
den Finnifchen Meeerbujen völlig beherrichte und den Wiborger 
Hafen geiperrt hielt. Dieſe günftigen Verhältniſſe beivogen 
Nierotd, zu Beginn des Herbites mit der Hauptarmee über 
den Kymmenefluß einen Vorſtoß gegen Wiborg zu machen. 
Die Stadt wurde bald von allen Seiten umringt, ein größeres 
Ergebnis jedoch nicht erzielt, da die ruifiiche Garnifon mit 
Yebensmitteln hinreichend verjehen war und fich eine ordent- 
liche Belagerung wegen des mangelnden Belagerungsmaterials 
unmöglich erwies. 

Der plöglihe Tod Nierotbs (25. Ian. 1712) war ein 
großes Unglüf für Finnland. Zum zweitenmal wurde nun— 
mehr der jchwache Fubeder zum Oberbefehlshaber der finnt- 
ichen Armee ernannt. Aus Furcht vor der feindlichen Ülber- 
macht räumte derſelbe jofort die vorgejchobene Pofition, welche 
Nieroth eingenommen batte, und beorderte Armfelts Abteilung 
aus Savolafs zum Hauptheere, welches in ein befeftigtes Yager 
bei Högfors an der öftlihen Mündung des Kymmenefluſſes 
verlegt wurde. Dort beabfichtigte er ftand zu halten. Als 
ſich aber die gegnerijche Armee Ende Mat näherte, retirierte 


Lobecker zum zweitenmal Oberbefchlsbaber (1712). OÖfterbotten. 387 


er bis Hirvifosft an der weſtlichen Mündung. Hier lagen die 
beiden Heere drei Monate hindurch einander gegenüber. ALS 
fih der Feind Anfang September endlich anſchickte, ven Strom 
zu überjchreiten, zog ſich Lybecker nach Elimä zurüd. Glück— 
licherweiſe folgte ihm der Feind nicht, ſondern begab ſich auf 
den Heimweg nach Wiborg. Hiermit endigten die Kriegs— 
operationen dieſes Jahres. 

Während der Krieg im ſüdlichen Finnland von feiner 
der beiden Seiten nachdrücklich betrieben wurde, trafen im hoben 
Norden Ereigniſſe ein, welche eine eigentümliche Epijode in 
der Geſchichte des großen nordiſchen Krieges bilden. Bisher 
war Oſterbotten von jeglicher Einwirkung des Krieges ver— 
ſchont geblieben, und namentlich die Bewohner des Lehens 
Kajana hatten im tiefſten Frieden gelebt. Mit den öſtlichen 
Grenznachbarn war 1703 ein Vertrag geichloffen worden, 
unter deffen Schuß die friedlichen Beziehungen ungeftört fort- 
dauerten. Nur 1709 drangen einige ruifiiche Übelthäter ein; 
aber die Ruhe war bald wieder hergeftellt. Dieje glüdlichen Zu: 
ftände erfuhren durch eine unbedachtſame Maßregel ſchwediſcher 
Zollbeamten gegen vier rujjiiche Grenzbauern eine bedauerliche 
Unterbredung. Die übervorteilten rujjiihen Grenzbewohner 
waren entjchlofjen, fich zu rächen. Sie rotteten fich zufammen 
und erbielten Waffen in Kexholm, wo fich ihnen auch mehrere 
ruſſiſche Offiziere und Soldaten anjchlofjen. Sie konnten hier— 
auf ihre Rachepläne um jo jicherer zur Ausführung bringen, ale 
fie auf Beiftand ſeitens der Bauern in Pielis rechnen durften, 
die fich, wie oben erwähnt, 1710 gegen den Pächter Simon 
Afflek erhoben hatten und mit Militärmacht zur Ruhe ge- 
bracht worden waren, jedoch neuen Mut gefaßt hatten, nach: 
dem Lybecker den bei ihnen einquartierten Trupp von 100 Rei— 
tern wieder zurücgezogen hatte. Im März 1712 rückten ruſſiſche 
Bauern, Soldaten und einige Offiziere nebft den Bauern von 
Pielis, zufammen etwa 340 Mann, gegen Kajana, wo man zwar 
vor der drohenden Gefahr gewarnt worden war, aber im Ver: 
trauen auf den Grenzfrieden feine Verteidigungsanftalten getroffen 
batte. Etwa 200 Dann blieben an der Grenze; der Reit er- 


288 Bierte Periode. Der große norbiihe Krieg und die Freibeitszeit. 


reichte am 13. März die Stadt Kajana und das Kirchipiel 
Paldamo, wo alle vermwüftet und bingemordet wurde. Das 
Gut des perjönlich abwejenden Majors Afflek wurde geplün- 
dert, jeine Familie und Dienerjchaft in die Gefangenjchaft nach 
Rußland geführt. Übrigens kam es ſchon 1713 zur Erneue- 
rung des Grenzfriedend, und gleichzeitig wurden die Bewohner 
gezwungen, fi der Gewalt Afflecks von neuem zu unter: 
werfen ). 

Obwohl es fich erwarten ließ, daß Peter, welcher 1712 
einen Frieden mit der Türkei gejchloffen hatte, im folgenden 
Jahre jeine Streitkräfte gegen Finnland richten würde, wurden 
dennoch im Laufe des Winter8 1712/13 feine wirkſamen An- 
jtalten zur Verteidigung des Landes getroffen. Anftatt der 
von Nieroth begonnenen allgemeinen Volksbewaffnung wurde 
befohlen, daß jeder fünfte waffenfähige Mann zum Kriegsdienſt 
herangezogen werden follte,; ein Erlaß, welcher im Mat 1713 
eine Ergänzung injofern erfuhr, als die Provinz Abo-Björne- 
borg jeden dritten Waffenfähigen ftellen jollte. Freilich gelangte 
diefer Plan nicht zur Ausführung, da jhon am 8. Mai 
einige ruſſiſche Kriegsjchiffe in den Helfingforjer Hafen ge- 
fommen waren, denen am 10. der Zar und Aprarin mit ein 
paar Hundert Galeeren jowie ungefähr 12000 Mann Lan— 
dungstruppen folgten. Obwohl Lybecker auf einen ſolchen Ans 
griff feineswegs unvorbereitet war, lagen die finnijchen Regi— 
menter trogdem größtenteild noch in den Winterquartieren zer— 
jtreut. Die von ihm zum Schu von Helfingfors entjandte 
Abteilung von 1500 Mann unter 8. Armfelt war natürlich 
alfzu gering, um der feindlichen Übermacht die Spige bieten 
zu können. Armfelt wehrte fich anfangs tapfer und jchlug 
mehrere Angriffe der Gegner zurüd; aber er wurde in der Nacht 
umgangen, jo daß die Gefahr eines längeren Verbleibens augen- 
icheinlih war. Unter ſolchen Umftänden wurde im Kriegsrat 


1) 8. E. F. Ignatius, Kajana läns ödeläggelse 1712, in: „Län- 
netär. Album, utg. af Westfinnar“ II, 120— 146 (Helfingfors, 1861). — 
A. Caftren, Kertoelmia Kajaanin läänin vaiheista, p. 58—64 (Hel- 
fingfore, 1867). 


Helfingfors in Afche (11. Mai 1713). 289 


an welchem u. a. der Yandeshauptmann in Nyland-Tawajtehus, 
Johann Ereug, der Bürgermeifter von Helfingfors, Heinrich 
Tammelin, jowie der durch jeine finanziellen Opfer für das 
finnifche Vaterland rühmlichjt bekannte Kriegstommiffar Heinrich 
Friſius (Friſenheim) teilnahmen, der Beichluß gefaßt, die Stadt 
zu verlaffen und anzuzünden, damit fie nicht mit ihren reichen 
Vorräten ein Stüßpunft für die Feinde werben könnte. So 
wurde denn am Morgen des 11. Mai Finnlands gegenwärtige 
Hauptitadt größtenteils in Ajche gelegt, während Armfelt mit 
jeinen Truppen nach Borgä retirierte, wo Lybecker einige Regi— 
menter zujammengezogen hatte. Hierdurch war die nyländijche 
Küfte mit dem nach Abo führenden Wege überrajchend leicht in 
die Hände des Gegners geraten. Alle Gemüter wurden infolge 
deſſen von Furcht und Schreden ergriffen. Man hielt alles 
für verloren; zahlreihe Bewohner Südfinnlands, unter ihnen 
Biſchof Gezelius, flohen nach Schweden, andere juchten in 
Ofterbotten Zuflucht. Wie fehon früher, richtete fich der all- 
gemeine Unwille in erjter Yinie gegen Lybecker, welcher diesmal 
jogar von der Stodholmer Regierung einen jcharfen Verweis 
wegen feiner mangelhaften Aufmerkjamfeit empfing. Es muß 
denn auch zugegeben werden, daß die von ihm getroffenen Maß— 
nahmen verjpätet und unzureichend waren. Anderjeits läßt 
e8 fich jedoch nicht leugnen, daß die Haupturjache des Miß— 
geſchicks damals wie auch in den folgenden Jahren der Um— 
ftand war, daß die finnischen Streitkräfte denen der Gegner 
an Zahl unterlegen, nicht verproviantiert und ohne einen feiten 
Stüßpunft waren. Cine verlorene Hauptſchlacht wäre ihr 
völliger Untergang gewejen, weshalb auch Lubeder inftruiert 
worden war, fich auf eine jolche nicht einzulajfen. 

Mit mehr Berechtigung läßt fich die Unficherheit und Plan- 
(ofigfeit tadeln, welche Lybeder jpäter an den Tag legte. Zar 
Peter hatte bejchlofjen, Armfelt nach Borgä zu folgen. Nach 
Anzündung des vom euer verjchont gebliebenen Teiles der 
Stadt Heljingfors jchiffte er jeine Truppen ein und landete 
nad) einigen Tagen in der Borgäer Bucht, ohne auf Lybecker 
zu ftoßen, welcher bei Annäherung der Rufen jchleunigft in 

Schybergſon, Geſchichte Finnlande. 19 


290 Bierte Periode. Der große nordiſche Krieg und die Freiheitszeit. 


nördliher Richtung bis zum Kirchipiel Lampis gezogen war. 
Peter marjchierte nun in öftlicher Richtung nach Forsby im 
Sprengel Perno, um dort die Ankunft der Kavallerie abzu- 
warten. Auch jett konnte ſich Lybecker noch nicht für einen 
bejtimmten Operationsplan entjcheiden. Er entjandte den Ob- 
riften De la Barre nach Yappträsf zum Schuge der dort be- 
findlichen Armeemagazine, vergeudete die Zeit mit zweckloſen 
Märjchen zwijchen Kostis und Yappträsf, that aber nichts, 
um die Bereinigung der rujfiihen Kavallerie (8000 Mann) 
mit der Hauptarmee zu verhindern. Schließlih unternahm 
er auf Zureden feiner Unterbefehlshaber eine Borwärtöbewegung 
nach Borgä, wo er Verjchanzungen aufwarf, um zujammen mit 
der jchwedifchen Flotte zu operieren, die endlich im Finniſchen 
Meerbujen angelommen war. Als aber das nunmehr voll- 
zählige rufjiihe Heer unter dem Befehl des Oberadmirals 
Aprarin nach Borgä marjchierte, wagte er auch diesmal nicht, 
ftand zu Halten, jondern rvetirierte nach dem weiter nördlich ge- 
legenen Orte Strömsberg, worauf die Ruffen ihren Marich 
nah Heljingfors fortjetten, welches jie ſtark befeftigten und 
zu ihrem Hauptwaffenplag machten. Anfang Auguft brach die 
Hauptarmee unter perjönlicher Yeitung des Zaren nach Abo 
auf. Ein Verjuch des Obriften Stjernjchang, mit 500 Dann 
bei der Brüde von Karis das BVBordringen der Ruſſen bis 
zur Ankunft Lybeckers aufzuhalten, mißlang, jo daß Beter, 
ohne auf weiteren Widerftand zu jtoßen, am 28. Auguft 1713 
Abo erreichen konnte. Die Stadt erjchien faſt ausgeftorben, 
da alle, denen es nur möglich gewejen, beim Nahen des Feindes 
geflohen waren. Die Univerjitätslehrer hatten die Stadt ver- 
laſſen; das Hofgericht und die übrigen Behörden waren nach 
Stockholm übergefiedelt. Bereits Anfang September fehrte 
die ruſſiſche Armee nach Heljingfors zurüd, worauf jich Peter 
nach Petersburg begab und Aprarin als Oberbefehlshaber in 
dem Yande zurüdließ, deſſen Eroberung er nunmehr für ge: 
fichert hielt. 

Im Auguft wurde Lybeder feines Amtes entjegt und nach 
Stockholm beſchieden, um fich wegen feiner Handlungsweife zu 


Finnlands Eroberung durch d. Zaren Peter. Armfelt Oberbefehlshaber. 291 


verantworten ). Sein Nachfolger Karl Guſtav Arımfelt (geb. 
1666) jtand, im jchärfiten Gegenſatz zu dem bisherigen Ober- 
befehlshaber, bei der Bevölkerung und bei den Soldaten in 
böchitem Anſehen. Aber auch er vermochte nicht, weitere Erfolge 
des Feindes zu hindern. Die Armee litt an dem Notwendigjten 
Mangel; die Siege der Gegner und die zahlreichen nutlojen 
Märſche Hatten den Mut der Offiziere und Soldaten nieber- 
gedrüdt, und die letteren bejertierten aus Liebe zur Heimat 
oder, um den Mühſeligkeiten des Yagerlebens zu entgehen, in 
jo beträchtlicher Zahl, daß ſich die Armee um ein Drittel, 
auf 6000— 7000 Mann, verminderte. Auch war auf Hilfe 
aus Schweden nach wie vor nicht zu rechnen. Trotzdem juchte 
Armfelt mit feiner verhältnismäßig unbedeutenden Macht nörd- 
lih von Tawajtehus bei der Kirche Pälfäne in einer befejtigten 
und durch Batterieen verjtärften Stellung dem weit über: 
legenen Feinde die Spite zu bieten. Am 30. September fam 
die ruffiiche Armee unter Aprarin und dem Fürften Michael 
Saligin dorthin. Die erjten ruffiihen Angriffe mißglücten. 
Am frühen Morgen des 6. Oktober gelang es indefjen Ga- 
ligin, mit 7000 Mann das Yager Armfelts zu umgehen. Als 
diejer die Gefahr merkte, ließ er einen Zeil des Heeres unter 
Generalmajor Joh. Reinhold De la Barre an dem Engpaffe zu— 
rüf und eilte mit dem Reſt an die bedrohte Stelle. In einem 
mehrjtündigen, beißen Kampfe juchte er den Feind zurüdzu- 
werfen, mußte aber jchließlich der Übermacht weichen. De 
la Barre, welcher inzwijchen die VBerichanzungen erfolgreich 
gegen Aprarin verteidigt hatte, wurde abberufen, und das ganze 
Heer retirierte gen Norden. Dieſes Treffen war für die fin- 
nischen Truppen das ehrenvollfte während des ganzen Krieges und 
nahm nur wegen der ungefähr doppelten Übermacht der Gegner 
einen ungünftigen Ausgang. Der Rüdzug war mit den größten 
Strapazen und Entbehrungen für die Armee verbunden. Arme 


1) Nach einem Tangmwierigen Prozeß wurde er 1717 zum Berluft von 
Leben, Ehre und Eigentum verurteilt, vom König aber begnabigt. Er 
ftarb 1718. 

19* 


292 DBierte Periode. Der große nordiſche Krieg und bie Freiheitszeit. 


felt fonnte nicht, jeiner früheren Abjicht gemäß, in Tammerfors 
bleiben, jondern zog mit dem größeren Teil des Heeres über 
Tawaſtſkog nad) Dfterbotten, während eine Heinere Abteilung die 
öftliche Richtung über Ruoveſi einſchlug. In der Gegend von 
Waſa und Lappo durften die ermatteten Krieger endlich rajten. 
Infolge dieſes Rüdzugs fiel das geſamte jüdliche und mittlere 
dinnland in die Hand der Feinde, welche das finnifche Heer 
nicht verfolgten, jondern nach Björneborg rüdten, um ihre 
Herrihaft in Satakunta zu befeftigen. Erſt im Dezember zog 
eine Abteilung unter General Bruce von Björneborg längs der 
Küfte nach Kriftineftad, machte aber Kehrt, als fich die Finn— 
länder zum Widerftand gerüftet zeigten. Gerade damals griffen 
ein paar hundert Bauern aus Ilmola zu den Waffen, wählten 
die beiden Studenten Gabriel und Israel Pelvdan zu An— 
führern und fchlugen im Kirchjpiel Kurikka feindliche Streif- 
partieen fiegreich zurüd. Diejer Fall war keineswegs vereinzelt. 
Die Bevölkerung Ofterbottens, auf welcher die Hauptlaft 
des Krieges fortan ruhte, bewies einen um vieles größeren 
Eifer, für die Verteidigung des BVBaterlandes Leben und Gut 
aufzuopfern, als die Bewohner von Südfinnland. In den 
drei füdlichen Provinzen hatten die unaufhörliche Ergänzung 
und Neuerrichtung von Negimentern, die drücdende Steuerlaft 
jowie die Durchmärjche der Armee die Bauern derart mit- 
genommen, daß fich diejelben im Augenblid der Gefahr nur 
widerwillig aufbieten ließen und nach einer Niederlage wider: 
ftandslos dem Sieger unterwarfen. Die Bewohner von Djter- 
botten waren hingegen verhältnismäßig verjchont geblieben und 
fonnten daher mit friichen Kräften den Streit aufnehmen, 
welcher auch jonft ihrer Friegeriichen Natur mehr entſprach. 
Die Monate, welche die finnische Armee in Winterquar: 
tieren verbrachte, wurden dazu verwendet, die Truppen in 
möglichft jtreitbaren Zuftand zu verjegen. Man errichtete die 
jtehenden Regimenter von neuem und verjtärkte fie mit frijchen 
Mannjchaften aus DOfterbotten und Savolals. Die dfterbott- 
nischen Refruten wurden unter Yeitung des Landeshauptmanns 
der Provinz, Lorenz Clerck, einexerziert und zu einer Truppe 


Patriotismus in Öfterbotten (Ende 1713). Niederlage d. Finnen b. Napo. 293 


von mehr ald 1000 Mann organifiert. Auch empfingen die 
Bewohner auf dem Lande und in den Städten, ihrem Wunjche 
gemäß, von Offizieren Unterweifung im Gebrauch der Waffen. 
Ein großes Übel war jedoch die zunehmende Uneinigfeit unter 
den höheren Armeebefehlshabern. Armfelt, Stjernſchantz und 
der Anführer der Kavallerie, De la Barre, waren in den wich: 
tigjten Fragen verjchiedener Meinung, was nur allzu bald zu 
der entjcheidenden Niederlage beitragen jollte. 

Schon Anfang Februar 1714 war die ruffiiche Armee 
unter Galigin von Abo aufgebrochen, um das finniſche Heer 
aufzufuchen und zu jchlagen. Trotz der Winterfälte rückten 
die Ruſſen mit jo großer Schnelligkeit vorwärts, daß fie be- 
reit8 Mitte Februar jenjeit8 von Kurikka fichtbar wurden. 
Bei der Kunde hiervon zog Armfelt feine Truppen zufammen, 
welche aus etwa 4000 Regulären jowie ungefähr 2000 Land— 
Sturmpflichtigen und aufgebotenen Bauern beftanden. Er war 
anfangs unſchlüſſig, ob er eine Schlacht wagen jollte, entjchloß 
fich aber jchließlich dazu, teils, um ungünftige Außerungen, 
welche auf dem Stodholmer Reichstage inbezug auf die fin- 
nifhe Armee laut geworden waren, fügen zu trafen, teils, 
weil er meinte, daß die Lage jogar durch eine Niederlage nicht 
verjcehlimmert werden könnte. Drei Tage hindurch ftanden bie 
finnifchen Krieger in Schnee und Eis beim Dorfe Napo am 
Storkyrofluffe und warteten auf den Feind, welcher endlich am 
19. Februar gegen Mittag vorrüdte. in böſes Omen war, 
daß fih Oberſt Stjernfchang unter einem Kranfheitsvorwand 
entfernt hatte und an dem Kampfe nicht teilnahm ). Die 
Schlacht, welche von 1 bis 4 Uhr nachmittags währte, enbigte 
wegen ungünftiger Witterungsverhältniffe ſowie namentlich in- 
folge des feigen Verhaltens der von De la Barre fommandierten 
Kavallerie mit einer entjcheidenden Niederlage der finnijchen 
Armee. Armfelt, weldher an der Spike des Fußvolkes bie 


1) Seit jener Zeit war Stjernihant bei der Armee minder beliebt, 
Dies veranlafte ihn wahrſcheinlich, 1724 feinen Abjchied zu nehmen und 
in ruffifhe Dienfte zu treten, wo er beim Kriege gegen Perfien zum 
Generalmajor avancierte. Er ftarb 1729. 


294 Vierte Periode. Der große nordifhe Krieg und die Freibeitgzeit. 


Angriffe des Feindes jiegreich zurückgewieſen und bereits bie 
Dffenfive ergriffen hatte, wurde ſchließlich von der rujjiichen 
Übermacht auf allen Seiten umzingelt und jchwebte gegen 
Ende des Gefechts in perjönlicher Yebensgefahr, jo daß er nicht 
einmal den Rückzug ordnen konnte, welcher bald in eine plan- 
(oje Flucht überging. Erft in Nyfarleby fammelte er die 
Trümmer jeines Heeres, deſſen Verluft mehr als 2000 Mann, 
darunter alle Infanterieoffiziere bis auf zehn, betrug. 

Bon den Folgen der Niederlage wurde das ſüdliche Oſter— 
botten am härteſten betroffen. Die Umgegend des Schlacht— 
feldes und die Niederungen bei Waſa wurden in eine Einöde ver— 
wandelt, Jakobſtad in Aſche gelegt, die Bevölkerung getötet 
oder in die Gefangenſchaft nach Rußland geſchleppt, ſowie alles 
Erreichbare geplündert. Erſt im März zogen die ruſſiſchen 
Truppen nach Südfinnland. 

Einige Monate ſpäter fiel Finnlands letzte Schutzwehr an 
den Gewäſſern des Saima: die Feſtung Nyſlott. Nach einem 
ſechswöchentlichen Bombardement und ſtandhafter Gegenwehr 
mußte der Kommandant Johann Busk am 29. Juli gegen 
freien Abzug kapitulieren. — Einen nicht minder unglücklichen 
Ausgang nahm der Seekrieg im finniſchen Schärengarten. Am 
26. Juli gelang es den ruſſiſchen Galeeren, die Landzunge von 
Hangö zu umfahren, weil die ſchwediſchen Segelfahrzeuge in— 
folge der herrſchenden Windſtille an jeder Bewegung gehindert 
waren. Weſtlich davon, im Rilaxſunde, kam es zwiſchen der 
ruſſiſchen Flotte und einem kleinen ſchwediſchen Geſchwader 
unter dem Finnländer Nils Ehrenſkjöld zum Gefecht. Letzterer 
verfügte nur über 900 Mann und 38 Kanonen, die Gegner 
hingegen über 20000 Mann und 300 Kanonen. Trotzdem 
weigerte er fich, ohne Kampf die Segel zu ftreichen. Helden— 
mütig jchlug er mehrere Angriffe ab, und nur gering war die 
Zahl der Überlebenden, die mit ihm in Gefangenjchaft gerieten. 
Durch diejes Treffen, welches als erjter Seefieg der Ruſſen 
von bejonderer Bebeutung war und von dem perjönlich an- 
wejenden Zaren Peter durch einen Triumphzug in Petersburg 
gefeiert wurde, fielen die kleineren Inſeln des Schärengartens 


Der Fall von Nyflott u. der erſte Seefieg d. Rufen im Rilarfunde (1714). 295 


und Aland in die Hände des Gegners. Im Auguft landete 
ein ruſſiſches Heer auf der letstgenannten Injel, ohne auf Wider- 
ftand zu ftoßen, da die Bevölferung mit allem beweglichen 
Eigentum in Schweden Zuflucht gefucht hatte. Was noch übrig 
war, wurde geplündert und zeritört, worauf die feindlichen 
Truppen auf das Feſtland zurückkehrten. 

Mit diefen Gefchehniffen war der Kampf, welcher Finn— 
lands Kräfte bis aufs äußerste in Anspruch genommen hatte, 
in der Hauptjache zum Abſchluß gelangt. Die friegerifchen 
Ereignifje, von denen wir noch zu berichten haben, waren für 
das Yand als Gejamtheit nicht von Bedeutung, gaben aber 
dem Geſchick des nördlichen Ofterbottens ein düſteres Gepräge. 
Armfelt verweilte dajelbjt im Frühjahr und Sommer, ohne 
vom Feinde weiter beläjtigt zu werden, verjtärkte feine Armee 
durch Aushebungen auf 6000 Mann und verlegte die Truppen 
in Quartiere von Braheſtad bis Lillfyro. Im September 
erhielt er jedoch von der jchwediichen Regierung, welche nun» 
mehr eine Berteidigung Finnlands für hoffnungslos anſah, 
den Befehl, mit feinem gejamten Heere nach Schweden bin: 
überzufommen. Den abziehenden finnischen Truppen folgten 
die feindlichen Scharen auf dem Fuße. Im Oktober rüdten 
vier rujfiiche Dragonerregimenter und zwei Kofakenabteilungen 
unter General Feodor Tſhekin in die nordöfterbottniichen Kirch» 
ipiele, deren Los fich noch fürchterlicher geftaltete als dasjenige 
von Sübdöfterbotten. Die Wut der Kojafen wurde nämlich 
dadurch gefteigert, daß fich die Bauern hier und da zu be— 
waffnetem Widerftande zufammenrotteten. Gin zweiter Um: 
ftand, welcher zur Verjchlimmerung der Yage jenes Landesteils 
beitrug, war, daß die ruffische Herrichaft dort den Charakter einer 
nur vorübergehenden militärischen Occupatidn erhielt, weshalb die 
Soldaten ihrer Raubjucht freier die Zügel Schießen laffen konnten. 
Zur Sommerszeit begaben jich die rufjischen Truppen gewöhn- 
lich in die Umgegend von Waſa und Kyro, um im Herbft nach 
Gamla Karleby, Nykarleby und in die nördlichen Kirchipiele 
beimzufehren, wobei fich ſtets neue Schreckensſcenen ereigneten. 
Die Einwohner wurden teild mit den furchtbarften Folterwerf- 


296 Bierte Periode. Der große nordiſche Krieg und die Freiheitszeit. 


zeugen zu Tode gepeinigt, teil in die Gefangenichaft weg- 
geichleppt ; viele frifteten in den tiefen Wäldern ein Flägliches 
Leben oder flüchteten nach Norden bis an das Ufer des Weißen 
Meeres, wo damals finnijche Kolonieen gegründet wurden. Ende 
1716 und Anfang 1717 brachte man zahlreihe Männer und 
Weiber, das jogenannte „Paarvolk“, nah Rußland und Liv— 
land, wo fie al® Yeibeigene arbeiten mußten. 

Bis in das entlegene Lehen Kajana erftredte fich bald bie 
Herrichaft des Feindes. Im Ionuar 1716 begann das Bom— 
bardement von Rajaneborg, welches zwei ruffiiche Abteilungen 
ihon im Frühjahr 1715 vergebens zu überrumpeln gejucht 
hatten. Der Kommandant, Major Ioh. Heinr. v. Fieandt, 
feiftete mit jeinen 50 Mann tapfer Widerftand und wollte, 
al8 Hungersnot drohte, das Schloß in die Luft fprengen, 
wurbe jchließlich jedoch durch feine Umgebung dazu beftimmt, 
am 24. Februar gegen das Verſprechen freien Abzugs zu kapi— 
tulieren. Allein auch diesmal, wie jchon oft zuvor, brachen die 
Nuffen ihr Wort und nahmen die Bejagung nebſt den in bie 
Feſtung geflüchteten Yandbewohnern der Umgegend gefangen. 
Im folgenden Jahre wurde Kajaneborg in die Luft geiprengt 
und ift ſeitdem eine Ruine geblieben. 

Auch nach vollftändiger Unterwerfung Finnlands trieben die 
früher erwähnten Freifcharen, mehr zum Schaden ihrer Yande- 
leute al8 des Feindes, ihr Handwerk. An der Nordgrenze 
zwijchen Schweden und Finnland unternahmen die Hauptleute 
Longſtröm und Kärki (Kärkifubd) wiederholentlih Streifzüge 
nach Dfterbotten oder noch weiter nach Süden. Die Leiden 
des Yandes wurden durch diejen Guerillafrieg noch bedeutend ge— 
jteigert; verweigerten die Bauern den Freifchärlern Beiftand, jo 
wurden jie von dieſen als abtrünnige Verräter der Krone 
Schweden behandelt, während fie im entgegengejegten Falle die 
Rache der Koſaken zu fürchten hatten. Im  weftfinnijchen 
Schärengarten, im „Eigentlichen“ Finnland, in Satafunta und 
Nyland wirkte Stephan Löfving als Parteigänger und Kund— 
ihafter der jchwebifchen Regierung. Auch er war von ber 
Bevölkerung gefürchtet, welche mit den ruſſiſchen Behörden im 


Der Fall von Kajaneborg (1716). Traurige Page d. finnischen Volkes. 297 


Frieden zu leben begehrte. Sein Tagebuch '), worin aben- 
teuerlihe Berichte mit frommen Ergüſſen abwechieln, giebt 
ein anjchauliches Bild von der wilden Lebensweife jener Frei— 
ſchärler. 

Dem Streit, deſſen verſchiedene Abſchnitte wir geſchildert 
haben, folgte eine ſechsjährige, ſtrenge feindliche Occupation, 
welche die Lage des finniſchen Volkes düſterer und verzweifelter 
geftaltete denn je zuvor. Die Verbindung mit dem Mutter- 
lande war abgejchnitten, die Frucht jahrhundertelanger Mühen 
auf geiftigem wie materiellem Gebiete verloren gegangen, bie 
Bevölkerung des Landes in alle Winde zerjtreut. Ein Teil lebte 
in ruſſiſcher Leibeigenſchaft, andere hatten fich nach Schweden ge- 
flüchtet, der Reft war allen Yaunen des Siegers preisgegeben ?). 

Beionders zahlreich waren die Yinnländer, welche fich nach 
Schweden flüchteten. Bemerkenswert erjcheint, daß Karl XI. 
jelber den Bewohnern der von den Feinden eroberten Bezirke 
ausdrüdlich die Flucht anbefahl. Doch wäre wahrjcheinlich auch 
ganz unabhängig von der Haltung der jchwediichen Regierung 
die Auswanderung bedeutend gewejen, da die Furcht vor den 
Ruffen jo allgemein war, daß niemand, der überhaupt Gelegen- 
heit zum lieben hatte, in der Heimat bleiben wollte Schon 
vor der Landung der Ruſſen in Helfingfors (1713) begann die 
Auswanderung, welche auch in den folgenden Jahren ununter- 
brochen fortvauerte. Im den Städten blieben nur die ärmften 
Bürger und Arbeiter, während die Yandbevölferung, welche fich 
nicht mit derjelben Leichtigkeit frei machen fonnte, im alfge- 
meinen, d. h. mit Ausnahme des gemeinen Mannes auf Aland 
und im nördlichen Oſterbotten, in der Heimat ausharren 
mußte. Die Flüchtlinge hatten zumeift nur wenig Eigentum 


1) Abgebrudt bei Y. Kostinen, Lähteitä Ison Vihan historiaan, 
p. 393— 456 (Helfingfors, 1865). 

2) No 1726 jollen fi mehr al8 1000 aus Finnland gebürtige Per- 
jonen, meiftend Weiber und Kinder, als Sklaven in ber perfifhen Haupt: 
ftabt Ispahan befunden haben, wohin fie vermutlich von den Ruſſen ver: 
fauft worten waren. Gleichzeitig fehmachteten viele Finnländer bei ben 
Kalmüden in Gefangenschaft. 


298 Vierte Periode. Der große nordifche Krieg und die Freibeitzeit. 


mitgenommen, jo daß ihre Yage in Schweden von Anfang ar 
Schwierig und fummervolf war. Zum Teil juchten fie als 
Beamte, Kaufleute, Lehrer u. ſ. w. ihren Yebensunterhalt zu 
erwerben; aber die Mehrzahl erblicdte feinen anderen Ausweg, 
als die private und öffentliche Milvthätigfeit in Anjpruch zu 
nehmen. DBereit8 1712 wurde eine „Flüchtlingskommiſſion“ 
eingejett, welche bis Ende 1714 etwa 120000 Thaler (Kupfer: 
münze) an etwa 1200 Familien oder einzelne Perjonen ver: 
teilt Hatte, feineswegs eine jonderlich bedeutende Unterftütung. 
Erſt 1722 erfolgte die Auflöfung der Kommiſſion. Im Jahre 
1721 jollen mehr als 4000 Finnländer größere oder geringere 
Geldunterftütung empfangen haben !). 

Während auf ſolche Weife Taujende von Finnlands Söhnen 
und Töchtern die Mühſale der Landesflucht oder die Yeiden 
der Gefangenschaft durchkofteten, war die gejegliche Ordnung 
in ihrer Heimat ganz umd gar verſchwunden. Denn für die 
rufjiihen Offiziere, welche im Yande berrichten, bildete Will- 
für die einzige Nichtichnur. Das höchſte Regiment lag an— 
fangs in der Hand des Oberadmirals Aprarin, welcher an 
Bildung die große Maffe der ruffiichen Krieger nur wenig 
überragte. Derjelbe überließ jedoch jchon nach der Schlacht 
bei Pälkäne den Oberbefehl dem Fürsten Michael Galigin, einem 
der gebilvetiten und tüchtigften Perjönlichkeiten der damaligen 
Zeit, welcher jih durch Milde und Nechtichaffenheit ein dauern: 
des, danfbares Andenken in Finnland gefichert hat. Natürlich 
vermochte auch er nicht überall die wilde Zügellofigfeit jeiner 
Offiziere und Soldaten zu hemmen; aber vielfach milderte er 
das Los der Mifhandelten und beftrafte gleichzeitig die Übel- 
thäter. Ebenſo bewies er jein Wohlwollen gegen Finnland 
dadurch, daß er einige Eingeborene in feinen Dienft nahm, wie 
3. B. den ſchon S.292 erwähnten Studenten Gabriel Beldan, wel- 
cher, nachdem er die rujfische Sprache erlernt hatte, 1717 als 


1) Alten der „Flüchtlingstommilfion“ im „Schwed. Reichsarchiv“. — 
P. Nordmann, Ett bidrag till Stora ofredens historia, in: „Svenska 
Literatursällskapets i Finland Förhandlingar och uppsatser“ II, 
118—149 (Helfingfors, 1887). 


Auswanderung. Die Verwaltung Galitine. 299 


Gouvernententsjefretär des Oberlandrichtere Dtto Johann 
v. Tiejenhaufen nach DOfterbotten entfandt und von dort 1719 
nach Abo berufen wurde, wo er als Sekretär Galitzins in fin- 
nijchen Angelegenheiten thätig war und zur Linderung der Peiden 
feiner Landsleute beitrug. Übrigens war auch die ?ofalvermwaltung 
rein militärifch. Ruſſiſche Offiziere traten an die Stelle der 
finnischen Behörden, und ihre Gebote wie Befehle waren die 
einzig gültigen Gejege. Sie ließen die Bewohner dem Zaren 
den Treueid leiſten und ermahnten in Proflamationen alle 
Flüchtlinge zur Rückkehr, mit dem Verjprechen, daß ihnen fein 
Schaden zugefügt werden jolle; eine Zuficherung, die freilich 
oft genug nicht gehalten wurde !). 

Das Bedürfnis eines geordneten Steuerwejens zum Unter: 
halt der Armee gab den erften Anlaß dazu, daß fich die ruj- 
fifche Regierung in Finnland zu organifieren begann. Anfangs 
requirierten die ruſſiſchen Offiziere nach freiem Gutdünfen, was 
fie brauchten ; aber in demjelben Maße, in welchem jich die ruj- 
ſiſche Herrichaft 1713 umd 1714 erweiterte und befeftigte, wurde 
allmählich eine neue Steuereinschägung eingeführt, welche fich 
jchlieglich über das ganze Yand mit Ausnahme der nördlichen 
Kirchipiele erſtreckte. Als Steuereinnehmer fungierten, ftatt 
der meiftens nach Schweden geflüchteten Vögte und deren Ge- 
bilfen, die im Lande zurüdgebliebenen Geiftlichen, welche jich 
mit Bedauern zur Ausführung von Aufträgen genötigt jaben, 
die unter den damaligen Verhältniſſen befonders verhaßt ware. 
Doch gab es auch Stellen, wo jich die ruſſiſchen Soldaten jelber 
baufenmweije bei den Bauern einfanden und die Steuerbeträge 
einforderten. 

Aus diejen Anfängen entwidelte fich eine ruſſiſche Admini- 
ftration, welche 1717 zum Abjchluß gelangte. Das unter 
Rußlands Oberherrichaft ftehende finnische Gebiet wurde in 


1) Auf Begehren Galigins verfaßte Gabr. Peldan ein Manufkipt: 
„De Fatis et Antiquitatibus Fenniae, unacum specilegiis rerum 
Russicarum in historia Suecana occurrentium “, eine recht dürftige Ar- 
beit. Nach Abichluß des Friedens wurde Peldan Rektor der Schule in 
Waſa fowie fpäter Paftor in Ilmola, wo er 1750 ftarb. 


300 Bierte Periode. Der große nordiſche Krieg und die Freibeitszeit. 


zwei Verwaltungspiftrifte geteilt, von denen ber wejtliche, wel- 
cher die früheren Provinzen Nyland-Tawaftehus, Abo-Björne- 
borg und DOfterbotten umfaßte, mit bejonderer Fürjorge or- 
ganifiert wurde, während der djtliche, welcher aus den ehe— 
maligen Provinzen Wiborg und Kexholm beitand, in einem 
minder geordneten Zuftand verblieb. Im dem weftlichen Be— 
zirt behielt Galigin den Oberbefehl über die Kriegsmacht. 
Hingegen wurde die Oberleitung der Zivilverwaltung Aprarin 
anvertraut, welcher bis 1719 von Petersburg aus die finni- 
ihen Angelegenheiten verwaltete, worauf biejelben von einem 
in Petersburg gegründeten Reichsfammerfollegium übernommen 
wurden. Bei der lettgenannten Behörde lag die Beichäftigung 
mit den finnischen Angelegenheiten in allererjter Reihe in ber 
Hand des früheren Kommiſſariatſekretärs bei der ſchwediſchen 
Armee, Johann Schmidt, welcher 1717 in rufjische Dienjte ge- 
treten war. Unter diefer Oberdireftion ſtand ein Generalgouver- 
neur in Abo, der unmittelbar mit der Petersburger Behörde 
verfehrte und das Land durch Oberlandrichter regierte, welche 
jo gut wie vollftändig den früheren jchwedijchen Landeshaupt- 
leuten entiprachen und unter Beobachtung der für die legteren 
gültigen Verordnungen die Verwaltung bejorgten. Oberlandes- 
gerichtödiftrifte gab es fünf, indem Abo - Björneborg in zwei 
Bezirke mit Abo und Björneborg als Hauptorten und Ny— 
land-Tamwaftehus ebenfall8 in zwei Diftrifte (Tawajtland mit 
Borgä und Nyland mit Helfingfors) geteilt wurde, während 
DOfterbotten mit Waſa als Hauptort ungeteilt blieb. 

Da faft alle einheimijchen Standesperfonen nach Schweden 
geflohen waren, war es feineswegs leicht, Männer ausfindig 
zu machen, die zur Übernahme der neuen adminiftrativen Poften 
geeignet waren. Die getroffene Auswahl erwies fich denn auch 
nicht immer als glüdlih. Dies gilt infonderbeit inbezug auf 
den Generalgouverneur Graf Guftan Dtto Douglas, welcher 
einer der früheren Leibtrabanten Karls XII. gewejen, bei Pol- 
tawa in Gefangenjchaft geraten und 1717 in vuffifche Dienfte 
getreten war. Das Andenken dieſes Mannes tft durch zahl: 
reihe graufame, eigennügige und unredliche Handlungen be: 


DOrganifation der ruffifhen Behörben (1717). 801 


fett, welche fich nur dadurch einigermaßen entſchuldigen laſſen, 
daß er bloß als ausführendes Werkzeug für Petersburger Be- 
fehle diente. Glücklicherweiſe konnten ihm gegenüber die Finn: 
länder auf Galitzins Unterjtügung rechnen. Obwohl er bedeu— 
tender Veruntreuungen überwiejen wurde, blieb er doch bis zum 
Friedensſchluß auf feinem wichtigen Poften als General- 
gouverneur und als Oberlandrichter in der Provinz Abo. Von 
den übrigen Oberlandrichtern wiffen wir nur wenig. Bis 1719 
hatten die Provinzen Helfingfors und Björneborg nur einen 
Oberlandrichter, Martin Brummer ; nach Abjegung desjelben 
fam Georg Fromhold v. Eſſen nach Björneborg und Karl Guft. 
Liljenfeld nach Helfingfors. In Zawaftehus (Borgä) war 
Berndt Ioh. v. Tieſenhauſen, in Ofterbotten Otto Job. v. Tiefen- 
haufen Dberlandrichter. Yebterer wurde indefjen bereits 1718 
feines Amtes enthoben, weil er allzu eifrig für das Wohl 
der Bevölferung eingetreten war. Sein Nachfolger Joachim 
Schmidtfelt galt für beftechlih und wurde auf Grund zahl: 
reicher Bejchwerden 1720 abberufen. An jeine Stelle trat 
Bolmar Adolf Stadelberg, welcher das Bertrauen der Be— 
wohner in jo hohem Maße genoß, daß nach Abjchluß des 
Friedens mehrere öjterbottnifche Geiftlihe um jein Verbleiben 
in ſchwediſchen Dienften baten. 

Die Oberlandesgerichtsbezirfe wurden zum Behuf der 
Steuererhebung in Vogteien eingeteilt, indem man je 3, 4 
oder 6 Kirchipiele unter einem Vogte vereinigte. Die Steuer: 
erbebung wurde den Geiftlichen abgenommen und den im 
Yande gebliebenen früheren Steuereinnehmern oder anderen 
ichreibfundigen Perjonen übertragen. Die Stellung diejer „ruf: 
ſiſchen Vögte“ war Außerft jchwierig, da die rufjiichen Be— 
börden die ungejäumte Erlegung der Steuern verlangten, wäh- 
rend die verarmte Bevölkerung diejelben nicht zu bezahlen ver- 
mochte. Unter den Bögten jtanden die Starojten, welche aus 
der Mitte der wohlhabendften Bauern ernannt wurden und 
dafür verantwortlich waren, daß die Abgaben vollftändig ein- 
gingen. Auch fie wurden von dem gemeinen Manne mit leb- 
baftem Mißtrauen betrachtet. Unzweifelhaft machten fich dieſe 


302 Bierte Periode, Der große nordiihe Krieg und die Freibeitszeit. 


einbeimifchen Beamten allerhand Bebrüdungen und Ungerech— 
tigfeiten jchuldig, was fich jedoch um jo weniger vermeiden 
ließ, als fie von der ruſſiſchen Regierung fein Gehalt empfingen ; 
übrigens wurde jpäter zugegeben, daß ſich die Leiden des Volkes 
minderten, nachdem die rujfiichen Behörden finniſchen Yandes- 
findern amtliche Funktionen zu übertragen begonnen hatten. Im 
den Städten wurde die Steuererhbebung von den Magiftraten, 
unter gleicher Berantwortlichfeit wie auf dem Lande, bejorgt. 

Gleichzeitig wurde die Steuereinteilung behufs gerechterer 
Verteilung der Abgaben einer NRevifion unterzogen. Von den 
einzelnen Steuertiteln, welche während der ganzen Dauer der 
ruffiichen Herrichaft unverändert beibehalten wurden, war ber 
wichtigfte die „Drdinarkontribution *: 8 Rubel bar und 
6 Tonnen 234 Metzen Getreide jährlich von jeder Steuer- 
einheit („mantal“). Cine andere, nicht minder drüdende Ab- 
gabe, welche bauptjächlich beim Unterhalt der Armee Verwen— 
dung fand, wurde in Naturproduften erlegt. Für die Beſol— 
dung der höheren Zivilbeamten mußte jede „Steuereinheit“ 
einen Rubel bezahlen. Die Städte erlegten jährlich eine ge- 
wiffe Summe: Abo 1000, Björneborg und Borgä je 360, 
Nyftad 300, Raumo 220, Nädendal 100, Waja erjt 45, jpäter 
50 Rubel u. j. w. Einige Ortichaften waren außer jtanbe, 
auch nur einen Pfennig zu bezahlen; und auch in den übrigen 
war die Armut jo groß, daß die am fich keineswegs hohe Kon— 
tribution nur mit Schwierigfeit erpreßt werden konnte. — 
Außer dieſen regelmäßigen Steuern wurden bei bejonderen 
Gelegenheiten allerlei Geldabgaben und Laften auferlegt. So 
mußten 3. B. die Bauern, bejonders in den Küftenfprengeln, 
auf Befehl des Zaren Holz fällen und an die Meerestüfte 
transportieren, den ruſſiſchen Offizieren und Beamten Yebens- 
mittel liefern u. j. wm. — Am bärteften empfand jedoch die 
Bevölterung eine Steuer, welche Graf Douglas 1719 und 
1720 eintrieb, um einige Negimenter finnifcher Soldaten dem 
Zaren zur Verfügung jtellen zu fönnen. Er erteilte den Ober- 
landrichtern und Vögten den Befehl, von jeder „Steuereinheit“ 
einen Mann auszubeben, ein Gebot, welches mit großer Härte 


Steueriveien und Nechtäpflege. 808 


durchgeführt wurde, indem man die Bewohner, welche jich in 
bie Wälder geflüchtet hatten, mit Feuer und Schwert bedrohte, 
wofern fie nicht beimfehren würden. Man jcheute fich nicht 
einmal, die Kirche in Tawaſtkyro während des Gottesdienftes 
zu umringen, um die Gemeinde zur Lieferung von Rekruten 
zu zwingen. Auf ſolche Weile wurden 1500—2000 Mann 
zufammengebracht, deren Ausrüftung die einzelnen Steuer: 
einheiten bezahlen mußten; fie wurden nah Südrußland geführt, 
um dort jpäter im ruſſiſchen Kriege gegen Perſien größten: 
teil8 den Tod zu finden. 

Die erjten Berjuche zur Ordnung der Nechtspflege erfolgten 
in dem eneralgouvernement des Grafen Douglas etwa 1718. 
In Abo-Björneborg wurde Jakob Callia, früher ſchwediſcher 
Bogt, in Borgä-Tawaftehus Guft. Friedrich Bofin, in Oſter— 
botten Jakob Roß zum Richter ernannt. Letzterer, ehemals 
Bürgermeiſter in Waſa, hatte ſich unmittelbar nach der Schlacht 
bei Napo in Unterhandlungen mit dem Feinde eingelaſſen, 
machte jedoch jetzt durch rechtſchaffene Verwaltung des ihm 
auferlegten ſchwierigen Amtes ſeinen Fehltritt wieder gut. Die 
Richter, von denen man an die Oberlandrichter und den General- 
gouverneur appellieren fonnte, urteilten nach ſchwediſchem Geſetz, 
hielten jedoch nicht regelmäßig Thinge ab, jondern erjchienen 
je nach Bedürfnis an den Orten, wo eine gerichtliche Unter— 
juchung von nöten war. Beſonders thätig erwies fich das von 
Galigin in Abo gegründete Kriegsgericht, welches unter jeiner 
Leitung die Vergehen des Kriegsvolfes jo ftreng ahndete, daß 
die Soldaten ihn ſpöttiſch „den finnischen Gott“ nannten, ein 
Name, der in den Augen der Nachwelt als einer der jchönften 
Ehrentitel erjcheinen muß. 

Im öftlichen Finnland waren die Zuftände, jo weit man 
aus den nur jpärli vorhandenen Quellen jchliegen kann, 
wejentlich anders als in dem wejtlichen Generalgouvernement. 
Die Verwaltung hatte dort nach wie vor einen rein mili- 
tärifchen Charakter, indem die Schloßhauptleute, unter denen 
der Kommandant zu Wiborg, Iwan Schuwalow, der ein- 
flußreichfte war, das Land regierten. Die Steuern wurden 


804 Vierte Periode. Der große norbijche Krieg und die Freiheitgzeit. 


ungefähr auf diejelbe Weife wie im wejtlichen Finnland er: 
hoben; aber außerdem war der gemeine Dann durch Frondienſt 
in Petersburg, Kronjtadt und Wiborg hart belafte. Durch 
das ruſſiſche Donationswejen, deſſen Einführung ſchon nach 
dem Falle von Wiborg begann, wurde jchließlich das Funda— 
ment zu Mißftänden gelegt, die erjt in unjeren Tagen be- 
jeitigt worden find. 

Es ift begreiflih, daß die rujjiichen Behörden, welche 
mehrere Jahre hindurch die weltliche Verwaltung vernachläſſigt 
hatten, den kirchlichen Inftitutionen eine noch geringere Für— 
jorge wibmeten. Die Verwirrung auf kirchlichem Gebiete war 
denn auch in den erften Jahren nach der Occupation ebenjo 
groß wie allgemein. Die gejamte höhere Geiftlichfeit hatte 
das Land verlafien. Allerdings juchte Gezelius von Stodholm 
aus fein Bistum zu leiten und erftredte feine Wirkſamkeit jo- 
gar auf das Stift Wiborg, deſſen Bifchof, David Lund, 1711 
in gleicher Eigenjchaft nach Wexiö verjegt worden war; aber 
je mehr fich die feindliche Herrichaft ausbreitete, defto weniger 
vermochte er die Verbindung mit den in Finnland gebliebenen 
Predigern aufrecht zu erhalten. Im Jahre 1716 war im 
Stifte Abo Kuufamo das einzige Paftorat, welches noch unter 
jeiner Botmäßigfeit ftand. Hierzu fam, daß die finnijchen 
Geiftlichen einer barbariichen Behandlung preisgegeben waren, 
wenn fie jih den Wünjchen der Rufen gegenüber nicht in 
jeder Weiſe entgegenfommend verbielten. Nachdem der erjte 
Sturm vorübergegangen, wurde die Situation allerdings bejjer, 
jo daß fich die Geiftlichen wiederum der religiöjen Fürſorge 
für ihre Gemeinden widmen fonnten; aber der Verdacht einer 
Verihwörung gegen die ruſſiſche Negierung laftete auf ihnen 
noch immer. So wurden 3. B. 1716 zahlreiche Prediger 
wegen angeblicher Begünftigung von Hreifchärlern ins Ge- 
füngnis gejtedt und die Komminifter Andreas Affren in Stor- 
fyro jowie Ruth in Marmo 1718 hingerichtet, weil ein von 
beiden verfaßter und für Schweden beftimmter Bericht über 
die Zuftände in Finnland den Ruſſen in die Hände gefallen 
war. Die höchjten Yeiter der Kirche waren die ruffiichen Befehls- 


Kicchenrefoum (1717). 305 


haber. Sie bejegten die erledigten Predigerftellen. Welche 
Auffaffung fie von dem geiftlichen Beruf hatten, geht aus einer 
Vollmacht für einen neuernannten Geiftlichen hervor, worin 
diejem in allererfter Linie die Pflicht, Freifchärler aufzuipüren 
und zu ergreifen, eingejchärft wird. 

Diejer anarhiiche Zuftand auf kirchlichem Gebiete fand 
1717 ein Ende. Galigin errichtete nämlich damals in Abo 
ein Interimsfonfiftorium, deſſen VBorfigender der Propft Jakob 
Ritz in Somero war, während Prediger aus Abo und nahe- 
gelegenen Kirchipielen als Meitglieder fungierten. Nik, von 
Geburt ein Deutjcher und früher Paftor in Ingermanland, 
zeigte fich in jeiner neuen Stellung als energiicher Mann der 
Kirhe, indem er die Geiftlichfeit unabläffig zu würdigem 
Betragen ſowie zu eifriger Fürſorge für die Gemeinden er: 
mahnte und einigen Predigern wegen ungebührlichen Verhal— 
tens ſtrenge Verweije erteilte. In einem Zirkularichreiben jchrieb 
er 1717 die Abhaltung von Morgen: und Abendgebeten in ſämt— 
lichen Dörfern jowie die Erziehung des Volkes zur Gottesfurcht 
vor, damit bie eindringende „höchſte Barbarei“ nicht überhand 
nähme. Als eine Hauptaufgabe betrachtete er ferner die Ver— 
mebrung der Anzahl von Geiftlichen, zumal da mehrere Gemein- 
den feinen einzigen Prediger bejaßen. Die Beförderungen, 
namentlich jolche zu höheren Predigerämtern, hingen allerdings 
nach wie vor von den ruſſiſchen Bejehlshabern ab, welche auch 
die Wollmachten auszufertigen hatten !). Cine dem Aboer 
Konfiftorium nebengeordnete Stellung erhielt Barthold Vhaẽël, 
welcher, im Jahre 1718 zum Prediger in Wafa jowie zum 
Propft in Ojfterbotten ernannt, die Pflicht zur Vifitation und 
Überwachung der dortigen Gemeinden, nicht aber das Necht 
zur Ordination von Geiftlichen bejaß. In demjelben Jahre 
wurde behufs Unterſuchung und Aburteilung von Firchlichen 
Streitigkeiten in dem nyländiſchen jowie tawaftländijchen Anteil 
des Stiftes Wiborg unter dem Präfidium des energijchen 


1) 3. Tengftröm, Handlingar till upplysning i Finlands kyrko- 
bistoria VI, 1—75 (Abo, 1827). 
Schybergfon, Geſchichte Finnlanıde. 20 


306 Pierte Periode. Der große nordiſche Krieg und die Freibeitszeit. 


Pfarrers in Perno, Peter Serlahius, in Borgä ein Kon— 
fiftorialgericht eingeſetzt, welches aber gleichfalls nicht zur 
Drdination von Predigern berechtigt war. In den übrigen 
Zeilen des Stiftes Wiborg hatte der Pajtor in Wiborg, Magnus 
Alopäus, jeit 1714 die Oberaufficht über die firchlichen Ver: 
hältniffe und das Recht zur Priefterordination; allein nach 
jeinem Tode (1716) blieb das Kirchenregiment vernachläffigt, 
bis jein Nachfolger, Ehriftian Meelartopäus, 1720 zum Bor: 
figenben eines neu eingerichteten Konſiſtoriums ernannt wurde. 

Ebenjo wie dem Fürften Galigin das Hauptverdienft an 
der Ordnung der kirchlichen Zuftände Finnlands gebührt, 
ebenjo knüpfen fich auch an feinen Namen Verſuche, das Schul- 
wejen aus jeinem vollftändigen Verfall wieder aufzurichten. 
Auf jeinen Befehl traten 1716 die Aboer Kathedralichule und 
1717 die Zrivialichule zu Raumo von neuem in Ihätigfeit. 
Auh in Wafa und Wiborg dürften Lehranftalten jowie außer: 
dem in Nädendal, Nyſtad und Ekenäs Pädagogien beftanden 
haben. Alle diefe Schulen bejagen damals nur eine geringe 
Anzahl von Lehrkräften und Schülern; aber die Tradition 
höherer Bildung wurde trogdem durch fie aufrecht erhalten, 
und mancher Yüngling erwarb bier die Grundlagen zu einer 
fünftigen nütlichen Wirkjamteit. 

Die während der Ietten Jahre der ruſſiſchen Herrichaft 
eingetretene größere Ordnung und die im allgemeinen mildere 
Behandlung der Einwohner übten auf das wirtichaftliche Yeben 
einen günftigen Einfluß aus. Der Aderbau begann wieder 
aufzublühen, wenngleich der Ertrag bei weitem nicht dem der 
früheren Zeiten entſprach. Was ferner den Handel betrifft, 
welcher infolge der Flucht der meiften Kaufleute jowie wegen 
Abbruchs aller überjeeifchen Beziehungen faft volljtändig auf- 
gehört Hatte, jo begannen ruſſiſche und deutſche Gejchäfts- 
männer, bie fih in Finnland niedergelajien hatten, allmäh— 
lih den Warentaufh mit Rußland und den Djtfeeprovinzen 
wieder aufzunehmen. Infonderheit gab es in Abo, Helfingfors 
und Tawaſtehus zahlreiche „ruffiiche Marketender“ und in der 
erftgenannten Stadt ſogar einen „ruffiichen Bürgermeifter“, 


Grchulweſen und Handel unter Galitin. — Der Nyftaber Friebe (1721). 807 


welcher die ruſſiſchen Kaufleute bei den Behörden vertrat. In 
den legten Jahren des großen nordijchen Krieges erjchienen auch 
Holländer häufiger an den Hüften Finnlands. Auf induftriellem 
Gebiet ift das Emporblühen der Leinwandfabrifation, namentlich 
in Borgäͤ, mit beveutendem Abſatz in Rußland beachtenswert. 
Hingegen war die gegen Ende des 17. Jahrhunderts blühende 
Hütteninduftrie beinahe gänzlich in Verfall geraten. 


Im Außerjten Norden kam es Anfang 1719 noch zu einigen 
kleineren kriegeriſchen Ereigniſſen. Nachdem der norwegiiche 
Winterfeldzug Armfelts mit feiner größtenteild aus finnischen 
Zruppen bejtehenden Armee einen tragtiichen Ausgang genommen 
hatte, zog eine kleinere finnifche Abteilung ins nördliche Oſter— 
botten und drang bis nach Uleäborg, welches jedoch bald durch 
rujjiiche Dragoner und Koſaken wiedererobert wurde. Seit— 
dem ftanden einige Kirchjpiele im nördlichen Ofterbotten und in 
Kajana wiederum unter jchwedischer Botmäßigfeit, während 
man an anderen Orten bald an jchwebdijche, bald an ruſſiſche 
Behörden Steuern zahlte. Dieje Heinen Gejchehnifje blieben frei- 
lich faſt unbemerkt, weil die Blicke aller auf die Unternehmungen 
der rujjiichen Flotte gerichtet waren, welche 1719—1721 bie 
Küften Schwedens brandichagte. Hierdurch wurden die leiten: 
den Männer in Stodholm endlich zu dem Entjchluß beftimmt, 
jich behufs Wiedergewinnung des Friedens ſogar den bärteften 
Bedingungen zu unterwerfen. Im Frühjahr 1721 empfingen der 
aus Finnland gebürtige Neichsrat Joh. Lillienſtedt (Paulinus) 
und der Landeshauptmann DO. R. Strömfelt die Weijung, ſich 
als Friedensunterhändler nach Nyſtad zu begeben, wo fie mit 
den ruſſiſchen Delegierten Ofterman und Bruce zujammen: 
trafen. Die Hauptichwierigfeit machte die Frage, wer Wiborg 
befigen jollte. Schließlich gaben die Schweden, aus Furcht 
vor einem ruſſiſchen Plünderungszuge, nach, worauf am 30. Auguft 
1721 der Nyſtader Friede unterzeichnet wurde, in welchem 

20 * 


308 Bierte Periode. Der große norbiiche Krieg und die Freiheitszeit. 


Schweden Livland, Ejthland, Ingermanland, Dago, Diel, Möen, 
den füdlichen Teil von Kexholm jowie einen Teil der Provinz 
Wiborg nebft der gleichnamigen Stadt an Nußland abtrat. 
Die nähere Feltiegung der Grenze gelangte erit 1723 zum 
Abſchluß. Die Grenzlinie ging von der auf ſchwediſcher Seite 
befindlichen Kirche zu Vederlaks in der Nähe der Meeresküſte ſüd— 
lih von der Kirche zu Säffijärvi bis in die Nähe von Wi— 
borg, von dort in gerader Linie öftlih von den Kirchen zu 
St. Peter und Kirvus bis an die frühere ruſſiſch-ſchwediſche 
Grenze jowie längs derjelben bis zu dem Punkt, wo die Kirch: 
ipiele Pariffala, Kerimäki und Keſälaks zufammenftoßen; von 
dort hätte fich die Grenze in oft-norbeöftlicher Nichtung bis 
zum Porojärvi-See im Gouvernement Olonez erjtreden müffen. 
Da aber bei den von Oſten und von Weften vorgenommenen 
Meffungen die von den Endpunften aus gezogenen Yinien nicht 
zufammentrafen, wurden fie durch einen Querſtrich nördlich vom 
Jänisjärvi-See miteinander verbunden. Die Grenzlinie, durch 
welche die frühere Provinz Kerholm damals zwijchen Schweden 
und Nußland geteilt wurde, trennt noch heute die beiden Pro- 
vinzen Wiborg und Kuopio voneinander. 

Auch nah Abſchluß des Friedens mußten fih Finnlands 
Dewohner drüdenden Auflagen unterzteben, bevor die feind- 
lichen Gäſte das Land verließen, im welchem fie acht Jahre 
aeberricht hatten. Im Widerjtreit mit dem Wortlaut des 
‚sriedenstraftats trieben die ruffischen Behörden die Kontri— 
bution für 1721 volljtändig ein, und außerdem mußte bie 
Bevölkerung den Truppen bei ihrem Abzug Vorjpann, Pro: 
viant und Fourage liefern. Übrigens erfolgte die Räumung 
nur langjam. Erſt am 30. September bracd der ruſſiſche 
Kojafengeneral Tſhekin an der Spite feines Negiments von 
Abo auf; noch Mitte Oftober hielten ruffifche Truppen das 
jüdliche Oſterbotten beſetzt, und in Nyſlott blieb die rufjiiche 
Beſatzung bis zum Dezember. 

Auf ſolche Weife endigte die düſterſte Epoche in der Ge- 
ihichte Finnlands. Dasjelbe wurde zwar mit dem Mutter- 
lande wieder vereinigt, aber verwundet, blutend und zerftüdelt. 


Die Feſtſetzung der Grenze. — Die neue ſchwediſche Verwaltung. 309 


Seine Blüte war in geiftiger wie materieller Hinficht geknickt; 
und Wiborg, jeit alter Zeit der Mittelpunkt des Handels und 
des Derteidigungswejens in Oftfinnland, war in die Hände 
Ruplands gefallen. 


2. Beginn der Freiheitszeit. Finnland 1721—1738 9. 


Die in Finnland bejtehende Verwaltung wurde bald nach 
dem Frieden von Nyjtad wieder bergeftellt. Im Oktober 1721 
erjchten der frühere Kriegsrat Joh. Heinr. Friſenheim (Frifius). 
Derjelbe war anf Grund feiner Bekanntſchaft mit den Verhält- 
nijfen in Oftfinnland zum Yandeshauptmann der neu gebildeten 
Provinz Kymmenegaͤrd-Nyſlott, welche die an Rußland nicht ab: 
getretenen Teile der Provinzen Wiborg und Kerholm umfaßte, 
ernannt worden und hatte außerdem die Wetjung empfangen, alle 
notwendigen Maßnahmen zur Ordnung der Verhältnifje Finn— 
lands zu treffen *). Ende 1721 bezw. im Jahre 1722 trafen 
die übrigen Yandeshauptleute ein: Peter Stiernerang in Ny— 
land- Tawajtehus, Reinhold Wilhelm v. Eſſen in Ojterbotten 
jowie Joh. Stiernfteot in Abo-Björneborg. Der legtgenannte, 
welcher furz nach feiner Ankunft jtarb, erhielt Otto Reinhold 
Ykull zum Nachfolger. — Allmählich jchritt man zur Wieder: 
errichtung der Gerichtshöfe, Lehranftalten und der firchlichen 
Oberbehörden. Die Aboer Akademie feierte am 26. November 


1) Nachfchlagewerte und gedrudte Quellen zur Gedichte Finnlands 
während der fFreibeitszeit: M. ©. Schybergion, Bidrag till Fin- 
lands inre historisa 1721—1731 (Helfingfors, 1875); 8. G. Malm— 
ftröm, Sveriges politiska historia frän Karl XIIs död till statshvälf- 
ningen 1772, ſechs Bde. (Stodbolm, 1855 —1877); zweite, teilweife um— 
gearbeitete Auflage, Bd. I u. Bd. II (Stodbolm, 1893 u. 1895); Nikl. 
TZengberg, Bidrag till historien om Sveriges krig med Ryssland 
ären 1741— 1743 (Lund, 1857—1858); 3. W. Arnberg, Anteckningar 
om frihetstidens politiska ekonomi I. Handeln och näringarna (Upiala, 
1868). — Arhivalien im „Schwed. Reichsarchiv“. 

2) Nach feiner Ankunft wählte er Willmanftrand zu feiner Reſidenz. 


310 Bierte Periode. Der große nordiſche Krieg und die Freibeitszeit. 


1722 die Wiederaufnahme ihrer Thätigfeit durch ein Feſt, zu 
welhem das Bublitum durch eine Feftichrift des Profanzlers und 
Biſchofs Hermann Witte (1721— 1728) eingeladen wurde. Zum 
Biihof des ehemaligen Stiftes Wiborg, deſſen Oberleitung 
nunmehr nach Borgä verlegt wurde, ernannte die Regierung 
Joh. Gezelius (1721—1733), das dritte Mitglied jenes Ge- 
ichlechts, welches in der Gejchichte der finnijchen Kirche einen 
fo hervorragenden Pla behauptet. 

Den beimfehrenden Finnländern bot jich ein trauriger An— 
blit dar. Der langwierige Krieg, die achtjährige feindliche 
Deceupation und das vom Gegner angewandte Ausjfaugungs- 
ſyſtem Hatten des Landes Wohlfahrt und Blüte zerftört. Im 
nördlichen Ofterbotten fand v. Effen geradezu elende Zuftände 
vor, und nicht viel beſſer jtand es im jüblichen Zeile der 
Provinz. Die Kirchen waren verfallen und ihres Schmucdfes 
beraubt. Die brach liegenden Bauernhöfe, deren Zahl ſich 1722 
auf 1978 belief, zeugten von dem fürchterlichen Verfall des 
Aderbaus. In Abo-Björneborg waren ebenfalls mehrere Kirch- 
ipiele faft verödet und auf Aland die Zuftände noch betrübender, 
während in Nyland-Tawaſtehus bejonders die Kirchipiele, wo 
der Feind zuerft gelandet und durchmarjchiert war, hart mit- 
genommen waren. In Kymmenegärd-Nyflott gab es beinahe 
1500 brad liegende Höfe. 

Auch die Städte waren durch Brandichagungen und andere 
Auflagen, Einquartierung, Proviantlieferungen zum Unterhalt ver 
ruffiihen Truppen u. f. w. ganz und gar verarmt. Die Bürger 
der öjterbottnijchen Städte berechneten ihren Verluſt auf 
900000 Thaler Kupfermünze Kajana war beim Friedens— 
ihluß völlig verwüftet; in Vekkelaks gab e8 weder Häufer noch 
Einwohner; in Tawaftehus war ein Drittel der Häufer zer: 
ftört. Helfingfors beftand nach Inbrandjegung der Stadt 
nur noch aus Ruinen. In Abo, welches verhältnismäßig 
milde behandelt worden war, jchäßten die Bewohner ihren 
Berluft auf etwa 440000 Thaler Kupfermünze. 

Wie jehr fich die Tandesbevölferung infolge des Krieges 
und der feindlichen Bebrüdungen vermindert hatte, läßt fich 


Die Folgen des Krieges. Die Rücdkehr der Gefangenen. 311 


gegenwärtig nur noch annäherungsweije berechnen. In Ofter- 
botten war die Abnahme am ftärfften; in Kymmenegärb- 
Nyſlott dürfte fie verhältnismäßig geringer gewejen jein. Bei 
einer Bergleihung der Zahl von Steuerpflichtigen in den 
Jahren 1724 und 1700 erjieht man, daß 1723 die finnifche 
Bevölkerung etwa 84 Prozent der Volkszahl beim Ausbruch des 
Krieges ausmachte, eine Ziffer, welche noch größere Bedeutung 
erhält, wem man erwägt, wie jehr fich die Bevölkerung ver: 
mebrt haben würde, wenn während jener langen Epoche Friede 
geberricht Hätte. Die Zahl jümtlicher Bewohner betrug einige 
Jahre nach dem Frieden, gemäß einer auf Grund der Steuer- 
rolfen angejtellten Schäßung, 275—300000 Berjonen ?). 

Mit lebhaftefter Spannung hatten Tauſende von Finn- 
lindern, welche als Kriegsgefangene oder Leibeigene in Ruß— 
land weilten, auf die Nachricht vom Abjchluß des Friedens 
gewartet. Die in offenem Felde gefangenen finniſchen Sol- 
daten wurden, gemäß dem Wortlaut des Friedenstraftats, ohne 
Schwierigfeit freigegeben. Im November 1721 trafen bie 
erjten an der Grenze Finnlands ein, und auch in den nächjten 
Jahren berichten die Quellen unaufhörlihd von der Rück— 
fehr finnischer Krieger und Offiziere aus dem Innern Ruß— 
lands. Hingegen bat e8 den Anjchein, als habe man die Tau— 
jende von Männern, Weibern und Kindern zum Verbleiben in 
Rußland zwingen wollen, die in barbarifcher Weife bei ven 
Plünderungszügen weggeichleppt worden waren. Yanbeshaupt- 
mann Frijenheim meldete z. B. wiederholentlih, daß Finn 
länder wiberrechtlih in Rußland zurücbehalten worden jeien. 
Lange erwiefen fih alle Bemühungen, eine Freigebung jener 
Gefangenen zuerwirken, vergeblih. Schließlih ließ man 
über fie Verzeichniffe anfertigen, welche dem jchwedifchen Ge— 
jandten Gedercreug in Petersburg zugeftellt wurden, damit 
diejer bei der ruffischen Regierung Vorſtellungen erheben könnte. 
Jet vermochte legtere die Freilaffung der unglüclichen Ge— 


1) M. ©. Schyberafon, Bidrag etc., p. 28 u. 136. Die au 
Grund älterer Berechnungen angegebene Bevöllerungsziffer von etwa 
200000 Berfonen ift zweifelsohne allzu niebrig gegriffen. 


312 Bierte Periode. Ber große nordiſche Krieg und bie Freiheitszeit. 


fangenen nicht mehr zu verweigern; aber erft im Frühling 1725 
trafen aus dem Gouvernement Aftrachan die 443 üiberlebenden 
Männer von den 1500—2000 ein, welche Graf Douglas, wie 
©. 302 erwähnt, 1719 und 1720 als Blutiteuer erpreft hatte. 

Während jomit der Zuftand Finnlands in den erften 
Jahren nach dem Friedensjchluß im jeglicher Hinficht ein trau- 
riges Bild darbot, konnte man fich des Gedunfens nicht 
erwehren, daß auch die Zufunft drohende Gefahren in ihrem 
Schoße barg. Die, Sicherheit, welche Finnland gegenüber dem 
öftlichen Nachbar genofjen Hatte, jo lange Schweden Kerholm, 
Ingermanland, Ejtbland, Livland jowie Wiborg bejaß, war 
jet verichwunden. Rußland hatte fich zu einer Militärmacht 
erjten Ranges entwidelt, während Schwedens Streitkräfte ent: 
fernt und diejenigen Finnlands unzureichend waren, jo daß 
letsteres bei einem erneuten Kriege der Gefahr ausgejegt war, 
von ruſſiſchen Truppen überjchwemmt zu werden. In diejen 
Verhältniffen lag eine Mahnung, dem Verteidigungswejen un: 
abläffige Fürjorge zu widmen. Um jo jchwerer trifft die 
ſchwediſche Regierung der Vorwurf, daß jie der Verteidigung 
Finnlands die unter jolchen Umftänden erforderliche Aufmerk— 
jamfeit feineswegs widmete. Allerdings ift e8 wahr, daß Die 
Neubelebung des ökonomischen Wohljtandes, des Geldweſens 
und der Verwaltung bedeutende Anftrengungen erforderte, und 
daß die fluge Peitung der auswärtigen Politik durch den Kanzlei- 
präfidenten Arwid Bernhard Horn !) Finnland gegen unmittel- 
bare Gefahren jehügte; aber dejjen ungeachtet wäre e8 wohl 
möglich und in hohem Grade wünjchenswert gewejen, das 
Verteidigungsweſen Finnlands zu fichern und zu vervoll- 
fommnen. . 

Bon den zahlreichen Kriegerjcharen, welche Finnland wäh— 
rend des großen nordijchen Krieges aufgeftellt hatte, waren im 
Frühjahr 1721 nurnoch 1200 Mann Infanterie und 600— 700 
Mann Kavallerie übrig. Dieſe Trümmer jollten den Stamm 


1) Er war 1664 auf dem Gute Wuorentafa im Kirchſpiel Halifko 
geboren. 


Finnlands Berteidigungswefen von Schweden vernadläifigt. 813 


einer neuen finnijchen Armee bilden. Da es indefjen ſelbſt— 
verjtändlih Finnlands eigenen Bewohnern unmöglich war, 
unmittelbar nach ten ausgeftandenen Yeiden die finnijchen Negi- 
menter zu refrutieren, wurden dieje durch ſchwediſche und 
deutiche Mannjchaften ergänzt. Auf ſolche Weije vermochte 
man zwei Kavallerieregimenter (Leibdragoner und Regiment 
Nyland) und ſechs nfanterieregimenter (Abo, Björneborg, 
Ofterbotten, Nyland, Tawaftehus, Savolaks) nebft dem Batailfon 
Kymmenegärd zu errichten, welche Ende 1721 und Anfang 1722 
teil8 zur See, teil auf dem Landwege nach Finnland geführt 
wurden. Dieje Negimenter waren jedoch nicht im mindejten 
vollzählig; auch ließ ihre Bekleidung wie ihre jonjtige Aus— 
rüftung viel zu wünſchen übrig, und Artilferie gab es über: 
haupt nicht. Erſt 1727 wurden einige Verbejferungen vor— 
genommen, indem ein neues Kavallerieregiment (Karelien) er: 
richtet '), die Ergänzung der Regimenter anbefohlen jowie 
Finnland mit eigener Feldartillerie verſehen wurde. 

In den erjten Jahren nach Abjchluß des Friedens war 
man feineswegs blind dagegen, daß die Armee der Unter— 
ſtützung von Fejtungen bedurfte; aber die Maßnahmen, welche 
man zu diefem Behufe traf, waren nicht im entferntejten ge- 
nügend. Nach einem Worjchlag des Hortififationsdireftorg 
Arel Yöwen jollte das finnische Befeſtigungsſyſtem hauptſächlich 
die Grenzorte Nyſlott, Willmanftrand und das frühere Vekke— 
laks, jet Fredrikshamn genannt, umfaſſen und an leßterer Stelle 
gleichzeitig ein befejtigter Hafen angelegt werden. Diejer Plan 
wurde auf dem Neichstage von 1723 gutgeheißen; aber bald be- 
gann die Negierung daran zu zweifeln, daß die genannten Pläge 
als Stüßpunfte für die Verteidigung geeignet ſeien, weshalb 
die Arbeit nur mit geringem Nachdruck betrieben wurde. Finn— 
lands Verteidigung, jo hieß es auf dem Neichdtage von 1731, 
müjje auf einer tüchtigen Armee und gut eingerichteten Maga— 
zinen beruben. Auf dem Neichstage von 1734 war die Gleich— 


1) Seit dieſer Zeit betrug die nominelle Stärke der Armee 2730 Dann 
Kavallerie und 6902 Mann Infanterie. 


314 Vierte Periode. Der große norbiihe Krieg und bie Freibeitszeit. 


gültigfeit gegen Finnlands Berteidigungsweien noch größer. 
Bergebend drangen die Befehlshaber des finnischen Heeres, 
Berndt Dtto Stadelberg, jowie mehrere finnijche Neichstags- 
abgeorbnete auf energijche Maßregeln zum Schutze Finnlande. 

Während auf jolche Weife das BVerteidigungswejen in einem 
unbefriedigenden Zuftand verblieb, fümpfte die Yandwirtjchaft in 
den erjten fünf Jahren nach dem Friedensjchluß einen harten Kampf 
gegen die Folgen des Krieges. Allerdings that die Regierung 
alles Mögliche, um dem Aderbau aufzubelfen und der grund- 
befigenden Bevölkerung ihre durch den Krieg erlittenen Verlufte 
wenigſtens einigermaßen zu erjegen. Die wichtigfte hierauf bezüg- 
lihe Maßnahme war die Bewilligung von Steuerfreiheit für 
diejenigen Grundbefiger, deren Liegenjchaften während des Krieges 
bejhädigt worden waren. Im Anjchluß an die vorgenommenen 
Unterjuchungen wurden für die am meiſten gejchädigten Höfe 
6—8, für die übrigen verhältnismäßig weniger Steuerfreiheite- 
jahre !) feſtgeſetzt und gleichzeitig alle reftierenden Schulden bis 
1722 erlajjen. Allein mehrere jchwere Mißwachsjahre (1722 
bis 1727) vernichteten die Früchte dieſer Maßregeln faft voll- 
jtändig. Zwar wurde durch die Regierung die größte Not ge- 
lindert; aber der Mangel an Lebensmitteln war doch jo groß, 
daß die Bevölkerung vielfach nach Eſthland und Rußland 
auswanderte. — Die öfonomijche Yage der Städte war da— 
mals, wie überhaupt immer, von der des Landvolkes abhängig. 
Auch fie erhielten Steuerfreiheit, einige für 8 bis 9 Jahre; 
doch konnte der Handel nicht aufblühen, jo lange der Aderbau 
dantederlag. 

Bejondere Aufmerkiamkeit verdienen die „Königlichen Kom: 
miffionen“, welde 1725— 1727 die AZuftände in Finnland 
unterjuchten. Auf Grund der Beſchwerden, welche Bertreter 
der finnischen Bevölkerung 1723 auf dem Reichstage vor: 
brachten, wurde nämlich die Einjegung von außerorbentlichen 
Kommiſſionen beichloffen, welche in Finnland Unterjuchungen 


1) Über das Verfahren bei Fefttellung ber Gteuerfreiheitsjahre val. 
M. G. Schybergſon, Bidrag ete., p. 42890. 


Die Pandwirtfchait in den 2Ver Jahren. Kommiffionen. 815 


anjtellen, den Beſchwerden abhelfen ſowie Maßnahmen zur 
Förderung der allgemeinen Wohlfahrt des Fandes in Vorjchlag 
bringen jollten. Vorjigender der „Wejtlihen Kommiſſion“, 
deren Wirkungsfreis Abo-Björneborg, Tawaftehus ſowie Aland 
umfaßte, wurde der Präfident im Göta-Hofgericht, Baron 
Germund Cederhjelm. Als Mitglieder fungierien der Affeffor 
Lars Johann Ehrenmalm !) und der Oberkriegstommifjar Johann 
Nigrell, als Ankläger der Bezirfsrichter Karl Guftan Norb- 
berg, welcher jpäter, unter dem Namen Löwenhjelm geadelt, zu 
den bervorragendften Staatsmännern der „Freiheitszeit“ gehörte. 
Die „Oftlihe Kommiffion“, welche in Nyland und Kymmene— 
gärd-Nyilott thätig war, hatte den Präfidenten im Bergs- 
follegium, Graf Guft. Bonde, zum Borfigenden, den Affeffor 
im Aboer Hofgericht, Adam Ingelet, und den Generaltriegs- 
fommiffar Karl Dryſell zu Mitgliedern, den Auditeur Anders 
Grönvall zum Ankläger. 

Die Akten der „Weftlichen Kommiſſion“ zeugen von großer 
Energie und vielleicht jogar übertriebener Strenge gegen die 
zur Verantwortung gezogenen Beamten. Sowohl Norbberg 
wie Ehrenmalm, welch letterer die leitende Perfönlichkeit unter 


1) Lars Johann Malm war am 14. Juni 1688 in Wiborg geboren, 
fundierte in Abo, wurde 1708 zum Auditeur bei der finnifchen Artillerie 
ernannt, geriet 1710 bei dem Fall von Wiborg in ruſſiſche Gefangenichaft 
und verfaßte während berielben einen weitläufigen Bericht über Rufland 
zur Zeit des Zaren Peter. Nach allerlei Abenteuern gelang es ibm 
1714 nad Stodbolm zu kommen. Nachdem er längere Zeit Handſekretär 
Arwid Horns geweſen, wurde er 1717 Sefretär im Aboer Hofgericht, 1718 
Aſſeſſor, 1720 unter dem Namen Ehrenmalm geadelt, 1728 Hof— 
gerichtsrat, 1736 Oberlandrichter in dem Nordfinniſchen Oberlandes— 
gerichtsbiftrift und 1742, klurz nad feiner Flucht nah Stockholm, Re— 
vifionsielretär. Nachdem er ſeit Herbit 1745 den Landeshauptmanns— 
poſten in Abo verwaltet batte, erfolgte im Januar 1747 feine Ernenung 
zum Landeshauptmann daſelbſt; doch nahm er ſchon April 1749 feinen 
Abſchied. Ehrenmalm, welder einer der am vieljeitigften gebildeten 
Männer jener Zeit war, ftarb am 21. September 1774 in Abo. Bol. 
über ihn M. ©. Schybergion, Lars Joh. Ehrenmalm, biografisk teck- 
ning, in: „Svenska literatursällskapets i Finland förhandlingar och 
uppsatser “ III, 120—199 (Helſingfors, 1888). 


316 Vierte Periode. Der große nordiiche Krieg und die Freibeitgzeit. 


den Kommiſſionsmitgliedern war, ließen fich nicht zu Kon— 
zejfionen bewegen, wo e8 die Sache der Ordnung aufrecht zu 
erhalten galt. In Abo-Björneborg, wo die Unterfuchung be- 
gann, waren die Mißbräuche im wejentlichen worübergehender 
Natur. Umfaſſender geftaltete jich die XThätigfeit der Kom— 
mijjion in Tawaftehus, wo ungejetliche Abgaben mit einer 
ſyſtematiſchen Negelmäßigfeit erhoben worden waren. Die 
bier vorgebrachten Bejchwerden erinnern an die Klagen des 
gemeinen Mannes zur Zeit Guftav Wajas und Johanns III. 
Da es fich Far berausjtellte, daß jene Mißbräuche nicht zum 
wenigjten darauf berubten, daß fich das Publifum wie die Be- 
amten in völliger Unkenntnis binfichtlich des Inhalts früherer 
Erlaſſe befanden, ließ die Kommilfion von den Kanzeln 
herab eine Bekanntmachung verlefen, worin die ungejeßlichen 
Auflagen aufgezählt wurden. Gleichzeitig wurde eine große 
Zahl von Steuerbeamten mit Gefängnis oder Geldbuße be- 
ſtraft. Nicht einmal die Geiftlichfeit blieb von der jtrafenden 
Unterjuhung der Kommiffion verſchont. — In ihrem Eifer, 
Mipftände zu befeitigen und die gejegliche Ordnung wieder 
berzuftelfen, jcheute die Kommiſſion jogar nicht einen Angriff 
auf den Landeshauptmann in Nyland=» Tawaftehus, Baron 
Stierncerang. Letzterer verweigerte fein perjönliches Ericheinen, 
worauf ein langwieriger und bitiger Schriftwechjel und 
Prozeß begann, welcher 1729 damit endigte, daß der König 
Stiernerank zwar freijprach, aber ihm die Warnung erteilte, 
fortan bei Ausübung jeines Amtes „mit größerer Aufmerkjan- 
feit und Bejonnenheit zu verfahren“. Andrerjeit3 wurde die 
Kommiſſion verwarnt und Nordberg wegen rüdjichtslofer jchrift- 
licher Ausdrucdsweife gegen den Yandeshauptmann zur Abbitte 
jowte zu vierzehntägigem Gefängnis verurteilt. 

Die „Oſtliche Kommiſſion“ begann ihre Thätigfeit in 
Nyland, wo, wie an anderen Orten, jeit langem alte Miß— 
bräuche fortbeftanden. Sie befreite den gemeinen Mann von 
den widerrechtlich auferlegten Abgaben und beftrafte einige 
Steuereinnehmer, verfuhr jedoch im allgemeinen bei ihren 
Unterfuchungen ziemlich milde und überwies die Streitfragen 


Das Walten der Kommiſſionen. Karelien. 317 


mit Borliebe an die Yandeshauptleute, jo daß fie die Unzu— 
friedenheit der Beamten nicht erregte. Auch in Kymmenegärd- 
Nyjlott forderte fie zahlreiche Vögte, Steuerjchreiber und andere 
Beamte vor ihr Forum. Gleichzeitig wies fie in ihrem Bericht 
aus Savolaks darauf bin, daß in jemer Landſchaft die feit 
1664 bejtehende, ungleiche und allzu große Steuereinihägung 
das Aufblüben des Nderbaus in hohem Grade hemme und 
als eine wejentliche Urſache der herrſchenden Armut anzufehen 
lei. Obwohl die Kommiſſion dieſe Angelegenheit der Fürforge 
der Regierung überwies, währte e8 doch noch lange, bis den 
erwähnten Mißſtänden abgeholfen werden fonnte. 

In noch höherem Grade waren die VBerhältniffe im nörd— 
lichen Karelien von denen im übrigen Reiche verjchteden. Bis 
zum Nyftader Frieden hatte jene Landſchaft zu der Provinz 
Kerholm gehört und war mithin nicht als ein Teil des Groß— 
fürjtentums Finnland angejeben worden. Erjt damals wurde 
jie in ftaatsrechtlicher Hinficht mit Finnland verbunden; aber fie 
blieb noch lange ein fremdes Glied, welches nur in geringem 
Maße an der Kulturarbeit des übrigen Yandes teilnehmen 
konnte. Die in Schweden und in den andern Provinzen Finn— 
lands gebräuchlichen Steuertitel waren in Karelien unbefannt. 
Die wichtigfte Steuer bildete bier die jeit langem übliche 
„Arviorubeljteuer“, welche durch jährliche Taration feſtgeſtellt 
wurde, indem der Oberpolizeibeamte (länsman) mit zwei Ge— 
richtsbeijigern alljährlid im Sommer die einzelnen Kirch: 
jpiele bereifte und den Wert der Ernte wie des beweglichen 
Eigentums der Anjiedler einſchätzte. Da das Gutbefinden 
der Einihägungsmänner ganz und gar den Steuerbetrag be- 
jtimmte, fonnte ein unredlicher Steuereinnehmer dem gemeinen 
Mann das gröbfte Unrecht zufügen. Die größte Unzufrieden- 
beit bei der Bevölkerung erregte jedoch die Stellung, welche 
die Pächter der ehemals adeligen und jet von der Krone ein- 
gezogenen Güter einnahmen. Die geringe Abgabe, welche fie 
an die Krone zablten, entſprach in feinerlei Weife den Yajten, 
welche jie den Hofbefigern auferlegten. Letztere waren inbezug 
auf Beſteuerung, Voripann, Arbeit und Frondienft der größten 


318 Bierte Periode. Der große nordiihe Krieg und die Freibeitszeit. 


Willtür preisgegeben und ſchwebten in bejtändiger Lebensgefahr, 
weshalb fie die Kommilfion um Befreiung von jeder Ab- 
bängigfeit jeitens der Pächter baten. Die Kommiſſion glaubte 
bei einer jo wichtigen Sache feinen bejtimmten Beſchluß 
faffen zu können; doch wurden durch ihre Berichte die Stände 
auf dem Reichstag von 1726/27 zu der Reſolution veranlagt, 
daß die Pachtkontrakte aufhören jollten, und daß das Yand regel: 
mäßig eingefchägt werden jollte. Nur an einigen wenigen 
Drten blieb jeit diefer Zeit die Pacht fortbejtehen '); der Be- 
ſchluß, betreffend die Taration des Yandes, gelangte hingegen erſt 
um vieles jpäter zur Ausführung. — Abgejehen von der jorg- 
fältigen Unterfuchung der jozialen Berhältniffe in Sarelien 
verbot die „öjtlihe Kommiſſion“ im jener Yandichaft auch alle 
ungejeglichen Auflagen, bejtrafte eine nicht geringe Anzahl von 
Pächtern jowie Kronftenereinnehmern und erließ, ähnlich wie 
die „Wejtliche Kommijfion“, allgemeine Bekanntmachungen, be: 
treffend die Einnahmen der Krone und der Geiftlichkeit. 

Die Unterfuchungen der „Königlichen Kommijfionen“ waren 
für die inneren Verhältniſſe Finnlands von großer Bedeutung. 
Klagen über willfürliche Amtsverwaltung famen allerdings auch 
nachher vor, namentlich auf den Neichstagen. Aber die Miß— 
bräuche waren nicht jo umfaffender Natur, daß außerordent— 
lihe Maßnahmen erforderlich gewejen wären; vielmehr über- 
wies man jeit diefer Zeit derartige Fragen an die gewöhnlichen 
Gerichtsbehörden. 

Auch in Oſterbotten war 1729 eine „Königliche Kommiſſion“ 
thätig, deren Maßregeln jedoch minder durchgreifend geweſen 
zu jein fcheinen. Wenigftens werden bier noch mehrere Jahre 
Mißbräuche erwähnt, die im ſüdlichen Finnland ſchon abgeichafft 
worden waren ?). 


1) Das große Gut bes Kämmerers Print blieb in feinem und feiner 
Erben Befit bis 1752, wo es für 8000 Thaler Silbermünze von der Krone 
eingelöft wurde (Schreiben der Kammer-, Okonomie- und Kommerz: 
deputation an die Reichsſtände, 11. Auguft 1761: „Schwed. Reichsarchiv“). 

2) Auf Grund von Beichwerden, welche 1734 dem Reichstage vor: 
gelegt wurden, wurde 1735 in der füblichen Vogtei Ofterbottens vor ben 


Finnlands Aufblühen. Die finniſchen Reichstagsabgeorbneten. 819 


Um jene Zeit begannen ſich die VBerhältniffe in Finnland 
etwas lichter zu gejtalten. Mehrere gute Ernten gewährten 
dem Yandınann reichen Yohn für feine Mühen, und neuer Mut 
begann infolge dejjen bei dem gejamten Volke zu ermwachen. 
Die auf den Neichdtagen auftauchenden Pläne zur Förde— 
rung des Wohljtandes in Finnland zeugen davon, daß man 
jetst nicht mehr ausichließlih zur Bekämpfung der Not des 
Augenblicks gezwungen war, jondern hoffnungsvoll in die Zu: 
funft blickte. 

Man darf die Bedeutung der Reichstage für Finnland 
nicht unterichägen. Die finnischen Reichstagsabgeordneten waren 
im Vergleich mit den ſchwediſchen freilich wenig zahlreih. Die 
Wahlen erfolgten in den drei bürgerliden Ständen nad) 
Stiften, Städten und Gerichtsiprengeln; aber die Zahl der Wahl: 
freije war in Finnland verhältnismäßig geringer ale in Schwe- 
den; auch geichah es feinesmwegs jelten, daß fich mehrere Wahl— 
freie behufs Eriparung der bedeutenden Koften vereinigten und 
einen einzigen Mann zu ihrem gemeinjamen Vertreter aus- 
erjaben. Die finnijchen Neichstagsabgeordneten bildeten des: 
halb in den bürgerlichen Ständen faum mehr als ein Siebentel 
oder ein Achtel der Gejamtzahl '). Beim Adel war ihre Zahl 
noch geringer, weil der auf dem Yande anjäjjige Adel, zu 
welchem die meijten finniſchen Adelsgeſchlechter gehörten, we— 
niger Gelegenheit zum Bejuche der Reichstage hatte als die 


Diftriftögericht eine umfajiende Unterfuhung über ungefetslihe Auflagen 
eröffnet (Schreiben der üfterbottniichen Landeshauptleute). — Auf dem 
Reichstag von 1738/39 beichlojjen die Stände, daß die finniſche Bewölterung 
alle Ungeießlichleiten bei den Dijtriftsgerichten anzumelden hätte, und daß 
von letzteren die Alten fofort den Panbesbauptleuten zugeftellt werben 
follten (Schreiben der Stände an den König, 26. März 1739: „Schwer. 
Reichsarchiv“). 

1) Den gebrudten Verzeichniſſen über die Reichſstagsabgeordneten zu— 
folge belief ſich die Zahl der finniſchen Vertreter bein geiſtlichen Stand 
auf 4—8, beim Bürgerſtand auf 9—18, beim Bauernſtand auf 15—20. 
Über Nitterfchaft und Adel läht fich feine Angabe machen, da e8 oft un: 
möglich ift, zu entfcheiden, ob ein Mitglied jenes Standes dem ſchwediſchen 
oder dem finnischen Adel zugezählt werben muß. 


320 Vierte Periode. Der große nordiihe Krieg nnd die Freibeitszeit. 


in der Hauptſtadt wohnenden Edelleute. Infolge deſſen konnten 
die finnischen Abgeordneten auf den Reichstagen feine bejon- 
dere Gruppe bilden. Aber bei den Fragen, welche „Finnlands 
Aufblühen“, d. h. Finnlands Entwidelung inbezug auf Aderbau, 
Handel und Gewerbe betrafen, ſchloſſen fie jich zu einem be- 
fonderen Kreis zujammen. So legten fie 3. B. „Beichwerden“ 
vor, welche von ihren Wahlmännern verfaßt worden waren, 
und in denen Berbejferungen verlangt wurden; jo reichten jie 
ferner aus eigener Initiative „Memoriale* ein, welche die 
Durchführung von Reformen bezwedten; in den finniichen 
Deputationen, welche auf den jpäteren Neichstagen zur Ent: 
icheidung von Fragen, betreffend die Ofonomie Finnlands, ein: 
gejett wurden, pflegten die meiften Mitglieder aus Finnland zu 
jtammen. 

Bon den Fragen, betreffend die ökonomische Entwidelung 
Finnlands, welche auf den Neichstagen die Aufmerkjamteit in 
Anjpruch nahmen, war die Einrichtung einer Kanalverbindung 
zwijchen den finnifchen Binnenjeeen und dem Meer eine der 
frühejten. In der „Weſtlichen Kommiſſion“ betonte Ehrenmalm, 
daß die mangelhaften Kommunifationsmittel das Hauptbindernis 
für Finnlands Aufblüben jeien. Nachdem er eine Reiſe unter: 
nommen, um jich iiber die Wafferläufe im Innern Finnlands 
zu informieren, reichte er ein Projekt ein, welches die Gr- 
öffnung einer jchiffbaren Wafferftraße zwifchen dem Päijänne— 
See und dem Bottnijchen Meerbuien ins Auge fahte Er 
und die Kommiſſion, im welcher fich allerdings fein techniſch 
gebildetes Mitglied befand, glaubten, daß fich der fühne Plan 
ohne jonderlich hohe Koften ausführen ließe, namentlich, wenn 
Militär als Arbeitsnannichaft im Anjpruch genommen wer: 
den würde. Auf dem Reichstag von 1726/27, wo jene Frage 
vorfam, äußerten fich die Stünde zugunſten einer möglichſt 
baldigen Ausführung des Ehrenmalmſchen Projekts; doch wurde 
eine vorhergehende fachmänntiche Unterfuchung für notwendig 
erachtet. Dieje fiel nicht jo günftig aus, wie Ehrenmalm ge: 
hofft hatte. Der berühmte Ingenieur Polhem jchägte bie 
Koften des Unternehmens auf mindeftens vier Tonnen Gold. 


Kanalprojefte. 321 


Ferner beantragte man, daß eine jachkundige Perjönlichkeit ar 
Ort und Stelle die geographiichen Verhältniſſe unterjuchen 
jolfe, da man bezüglich derielben noch in vollftändiger Unfenntnis 
ichwebte. Dieſer Auftrag wurde dem Profeſſor der Matbe- 
matif an der Aber Umiverfität, Nils Haſſelbom, anvertraut, 
welcher jich zwar für die Frage interejjierte, aber der nötigen 
technischen Kenntniſſe entbebrt zu haben jcheint. Derjelbe durch— 
reilte das Yand und legte auf Grund feiner Unterfuchungen 
auf den Neichstagen von 1731 und 1734 detaillierte Projekte 
über eine Wafferjtraße in der von Ehrenmalm vorgeichlagenen 
Richtung vor: die Koften berechnete er auf 400000 Thaler 
Kupfermünze Da die Stände indefjen die Frage noch nicht 
für vollftändig geklärt hielten und zudem wegen Aufbringung 
der Mittel zur Ausführung des Projefts in Verlegenheit 
waren, beauftragten jie Hafjelbom mit erneuten Unterjuchungen 
und gaben ihm technijche Gehilfen mit, unter denen fich namentlich 
der Fortififationslieutenant Karl Friedrich Nordenberg (Norden: 
ſtjöld) auszeichnete. Die früheren Pläne wurden nunmehr als 
wenig ausführbar befunden. Hingegen glaubte man die als Haupt: 
ziel bezweckte Verbindung zwiichen den Binnengewäffern und 
dem Meere durch Eröffnung einer Wafferitraße vom Päijänne, 
an Tawaſtehus vorbei, bis nach Helfingfors erreichen zu können. 
In einem weitläufigen Gutachten, welches Hafjelbom auf dem 
Reichstag von 1740/41 einreichte, wurde die Sache von einem 
ſolchen &ejichtspunft aus behandelt. Das Ergebnis war, daß 
die Stände das Projekt zwar genehmigten, die zu deſſen Aus- 
führung erforderlichen Mittel aber nicht anzuweiſen vermochten. 
Gleichwohl war hiermit eine Anregung gegeben, welche um vieles 
jpäter wieder aufgenommen wurde. 

Ebenjo wenig ließ fich ein anderer, von Ehrenmalm in 
der „Weftlichen Kommiſſion“ angeregter Vorſchlag unmittelbar 
verwirklichen: die Einrichtung von DiftriftSmagazinen. Aller: 
dings ging die Bevölferung ſämtlicher Diftrifte in der Provinz 
Abo-Björneborg jchriftlih die Verpflichtung ein, daß in jedem 
Kirchipiel ein Vorratshaus eingerichtet werden jollte, in welches 

Schobergſon, Geſchichte Finnlande. 21 


322 Bierte Periode. Der große nordiihe Krieg und die Freiheitszeit. 


jeder Hof jährlich bei guten Erntejahren eine gewijje Metzen— 
zahl von Roggen und Korn einzuliefern habe. Die gefammelten 
Vorräte follten unter der Verwaltung von Vertrauensmännern 
jtehen und in Notjahren zur Nahrung und Ausjaat ausgeltehen 
werden. Man war jedoch noch allzu wenig gewohnt, an bie 
Zukunft zu denken, als daß dieſer Plan hätte durchgeführt 
werden fünnen. An den Stellen, wie 5. B. in Heittis, wo die 
Einrichtung von Magazinen in Angriff genommen wurde, verfiel 
fie bald wieder. Bon neuem Fam die Angelegenheit auf den 
Neichstagen von 1734!) und 1740/41 zur Sprache, das 
legte Mal in einem von Ehrenmalm verfaßten Memorial, wel- 
ches auf dem Reichstag große Aufmerkjamfeit erregte ?). 

Auch auf dem Gebiete der Handelsverhältnifje begannen 
fich gegen Ende jener Epoche neue Ideen Bahn zu brechen, 
obwohl ihre Verwirklichung auch hier einer jpäteren Zeitperiode 
vorbehalten blieb. Die während des Krieges volljtändig zer- 
jtörte finnische Handelsflotte war damals noch unbedeutend und 
der Warenaustaufh Hauptjächlihd in holländischen Händen. 
Erjt ſpäter verſahen jih die Kaufleute der Stapelplüte 
Abo, Helfingfors und Fredrikshamn mit größeren Fahrzeugen, 
jogenannten „Spanienfahrern “, welde Frachten ins Aus: 
land brachten. Die lettgenannte Stadt, früher Vekkelaks ge- 
nannt, war 1723 nach König Friedrich I. Fredrikshamn ge- 
tauft und mit fünfzehnjähriger Steuerfreiheit jowie mit an- 
deren Privilegien ausgeftattet worden, welche die Überleitung 
des Handels in Oftfinnland von dem nunmehr an Rußland 
abgetretenen Wiborg nach jenem Orte bezwedten. In Über— 
einftimmung mit dem berrichenden Syſtem, welches die größeren 
Städte auf Koften der Heineren begünftigte, wurden Willman- 


1) Gutachten der Kammer:, Okonomie- und Kommerzdeputation über 
Einrichtung von Magazinen im Reiche, abgegeben anläßlich ber vom 
Bürgermeifter Alm und Major Sprengtport eingereichten Vorſchläge: 
„Schwed. Reichsarchiv“. 

2) Dieſes Memorial, eingereicht in Stochholm am 29. Dezember 1740, 
iſt abgebrudt in: „Svenska Literatursällskapets i Finland Förband- 
lingar och uppsatser“ Ill, 160—182 (Helfinafors, 1888). 


Diftrittsmagazine. Vorrang der Stapelpläße. 323 


ftrand und Nyjlott zu Marktplätzen erklärt, welche unter Fre- 
drifshamn jtehen und ausjchließlich won deffen Bewohnern be- 
jucht werden jollten. Ebenſo wurde die Frage aufgeworfen, 
ob nicht eine Menge von kleineren Städten fajfiert werden jollte, 
denen anjcheinend feine große Zukunft bevorftand. Bei diefer 
Gelegenheit trat die Eiferfucht zwiichen den verichiedenen 
Städten in bezeichnender Weije zutage. Helfingfors forderte, 
daß Efenäs jeine jtädtifchen echte verlieren und Borgä zu 
einem unter Helfingfors ftehenden Marktflecken umgewandelt 
werden jollte. Die Stadt Abo wiünfchte die Überfiedelung 
der Bürger von Nädendal. Desgleichen wurde die Kajfation 
von Tawaſtehus und der öfterbottnifchen Städte beantragt. 
Diefe Pläne gelangten allerdings nicht zur Ausführung; aber 
troßdem war das Los jener Ortjchaften wenig beneidenswert, 
bejonders das der öfterbottnijchen Städte, die ausjchließlich 
mit Abo und Stockholm Handelsbeziehungen unterhalten durften. 
Schon auf den erſten Neichstagen während der Freiheitszeit 
versuchten jene denn auch die Aufhebung eines ſolchen Zwanges 
zu erwirfen, freilich ohne Erfolg. Die Angelegenheit war 
jedoch für ganz Dfterbotten eine allzu wichtige Lebensfrage, 
um in Vergeffenheit zu geraten. Bereit 1738 wurde auf dem 
Keichstage die Forderung eines Stapelrechts für Ofterbotten 
von dem Landeshauptmann diejer Provinz, Karl Frölich, mit 
großer Energie vertreten. Später reichte derjelbe bei ber 
Berteidigungsdeputation ein Memorial ein, worin er unter 
anderem vorjchlug, daß die erjte öfterbottnifche Stapeljtabt 
bei dem Hafen Kaskö angelegt, diejer Ort befeftigt und 
zur Hauptftation für eine in den Bottnijchen Meerbujen zu 
verlegende Kriegsflotte gemacht werben ſolle. Für den Tall 
der Genehmigung diejes Vorſchlags verpflichteten jich die öjter- 
bottnifchen Städte, auf eigene Kojten Kriegsichiffe für die Krone 
zu bauen. Der Antrag wurde injonderheit von dem Propft 
in Tammela, Joh. Amnell, einem der hervorragendſten finni= 
ichen Volksvertreter auf mehreren Reichstagen, mit großer Leb— 
baftigfeit unterjtügt, aber infolge des Widerftandes der Stapel» 
ftädte jchließlich, entgegen dem Wunjche der Verteidigungs— 
21” 


824 Bierte Periode. Der große nordiſche Krieg und die Freibeitszeit. 


deputation, verworfen. Auch in dieſem Falle jollte die An— 
gelegenheit jpäter von neuem aufgenommen werben. 

Eine andere Frage, welche auf dem Heichdtage von 
1738/59 Gegenftand der Beratung bildete, war die Forderung, 
daß die Beamten in Finnland Kenntnis der finnischen Spracde 
befigen jollten. Daß dieje Forderung zu Beginn der Freiheits— 
zeit mit neuem Nachdruck geftellt wurde, berubte darauf, daß das 
finnifche Sprachelement damals noch mehr als im vergangenen 
Jahrhundert in den Hintergrund gedrängt war. Auf dem Yande 
hatten allerdings während des großen nordiichen Krieges feine 
jonderlich merfbaren Veränderungen inbezug auf die Spracd- 
verhältnifje jtattgefunden; aber bei den höheren Klaſſen der 
Yandesbevölferung hatte das Schwediiche, infolge des lang- 
jährigen Verweilen zahlreicher Familien in Schweden, eine 
entjchiedene Oberherrſchaft errungen. 

Ein Beiipiel hierfür bieten die fommunalen und politijchen 
Wahlen in Abo. Schon bei den Wahlen zum Reichstag 
1726/27 trat die „ichwediiche Bürgerichaft“ der Stadt ale 
eine bejondere Korporation auf, welche den Natsherrn Eric) 
Edner und den Kaufmann Karl Mertben als Neichstags- 
fandidaten aufftellte, während die finniihen Bürger außer 
Edner den Bürger Jakob Simolin zum Abgeordneten vorjchlugen. 
Obwohl die finnische Bürgerjchaft bei der Wahl jiegte, begab 
fih dennoch Merthen gleichzeitig mit Edner und Simolin zum 
Reichstag, wo er, mit einer Vollmacht von vierzig jchwedijchen 
Bürgern Abos verjehen, im Bürgerjtand erjchien und eine 
Rejolution für fich erwirkte, laut welcher er bis zur Entſchei— 
bung der jtreitigen Angelegenheit im Bürgerftand Sig und 
Stimme haben ſollte. Nicht nur diesmal, jondern auch bei 
mehreren jpäteren Wahlen gelang es ihm durch dieſe jeine 
fühne Handlungsweije, bis zum Schluß des Reichstags Die 
ichwedische Bürgerichaft Abos vertreten zu dürfen. Auch im 
übrigen verlor die minder gut fituierte finnische Bürgerichaft 
der Stadt immer mehr an Einfluß, bis jchließlich die jchwe- 
bijchen Einwohner in jo hohem Maße das Heft in Händen 
hatten, daß fie fich fogar bei der Wahl eines Kaplan 


Überwiegen des fchwebiichen Einfluſſes und der ichwebiihen Sprache. 325 


innerhalb der Äboer finnijchen Gemeinde einmijchten. Nachdem 
1734 das Necht zur Wahl von Neichstagsabgeorbneten an 
24 Gleftoren übergegangen war, von denen nur 8 von der 
finniſchen Bürgerjchaft gewählt wurden "), konnten die finnischen 
Bürger faum mehr auf einen Reichstagsabgeordneten aus ihrer 
eigenen Mitte rechnen. 

Es läßt ſich annehmen, daß jich, wie in der Landeshaupt— 
jtabt, jo auch in anderen Städten, welche in nationalfinnijchen 
Gegenden lagen, die jchwediiche Sprache mehr denn je zuvor 
ausgebreitet hatte. Die immer reichere Pflege der jchwe- 
diichen Yitteratur trug außerdem zur Erhöhung ihres Anſehens 
bei, während die finniiche Sprache in jener Epoche vernach- 
läifigt blieb. So fonnte e8 3. B. geſchehen, daß eingeborene 
Sinnländer der beim Verkehr mit dem gemeinen Mann er: 
forderlichen Fähigkeit, jich in finnischer Sprache auszudrüden, 
entbehrten, und noch häufiger war dies bei den eingeborenen 
Schweden der Fall, welche in immer größerer Zahl in Finn— 
land Anftellung juchten. 

Unter ſolchen Umftänden bedurfte die finniſch redende 
Zandesbevölferung einer Garantie gegen die Gefahren, welche 
aus der Unkenntnis der finnischen Sprache jeitens der Be— 
amten entjtehen fonnten. Zunächſt war es nötig, daß Die 
königlichen Verordnungen häufiger als bisher zum Gebrauch) 
für den gemeinen Dann und für die Beamten jelber ins 
Finnische überjegt wurden. Auf Grund der von den „König: 
lichen Kommiſſionen“ wie von der Bevölkerung geäußerten Wünſche 
ließ die Regierung zahlreiche Verordnungen überjegen, deren 
Inhalt ſich bejonders auf die Nechte und Pflichten der finni- 
ſchen Bevölterung bezog. Die Übertragung wurde teil® von 
der Geiftlichfeit der finniſchen Gemeinde zu Stodholm, teils 


1) Auf Grund einer Verordnung von 1731 wurde der Modus bei der 
Reihstagswahl in Abo jo geordnet, daß bie fchwebiihen Kaufleute, die 
Handwerker und die finnifhe Bürgerfhaft je 8 Eleltoren auserjaben. Bal. 
M. © Schybergion, Riksdagsmannavalen i Abo under frihetstiden, 
in: „Svenska Literatursällskapets i Finland förhandlingar och upp- 
satser ‘“ V, 24—77 (Helfingfors, 1891). 


326 Bierte Periode. Der große norbiiche Krieg und die Freiheitszeit. 


von einem in Stodholm angejtellten Finnländer, Johann Ma- 
tbefius, bejorgt, welcher ſpäter, gemäß einer von finnijchen 
Neichstagsabgeordneten auf dem Neichstage von 1734 aus— 
geiprochenen Bitte, zum Königlich Finnifchen Translator er- 
nannt wurde. Noch wichtiger war die Überſetzung des Gejeg- 
buches von 1734 ind Finnische, welche das Äboer Hofgericht 
unmittelbar nad Publikation des betreffenden Gejegbuches bean- 
tragt hatte und der Landſekretär der Provinz Abo - Björne- 
borg, Sammel Forjeen, 1738 zum Abſchluß brachte. Hierauf 
wurde die Überjegung von werjchiedenen Autoritäten, unter denen 
jih der Hofgerichtsaffeffor Gabr. Thauvonius und der jpäter 
als Sekretär des Bauernftandes bei mehreren Reichstagen 
jowie als Oberlandrichter des nordfinnischen Oberlandesgerichts- 
bezirts befannt gewordene Regiftrator Erich Johann Paleen be- 
fanden, geprüft und jchließlich 1759 zum Drude befördert ?). 
Auf solche Weije erhielt die finnifch redende Bevölkerung, 
welche das alte Gejeg nur bandichriftlich oder durch mündliche 
Tradition gekannt batte, Gelegenheit, das neue Gejek voll: 
ftändiger Fennen zu lernen, was von um fo größerer Bedeu— 
tung war, al8 das Geſchworenenkollegium bei den Oberlandes- 
und Diftriftsgerichten nach wie vor eine große Wolle jpielte. 
Schwieriger erwies fih ein Entgegenfommen gegenüber der 
jeitend der finniſchen Bevölferung auf mehreren Reichstagen 
geäußerten Bitte, daß Nichterftellen bei den finnischen Ober- 
landes= und Diftriktsgerichten nur an Perjonen, die der finnt- 
ſchen Sprache mächtig jeien, übertragen werden jollten, oder 
daß wenigjtens ein vereideter Dolmetfcher bei jedem Gericht 
angeftellt werden ſollte. Der zweite Vorſchlag würde be- 
deutende Koſten verurjacht haben und wurde auch jonjt für 
minder zwedmäßig angejeben. Was das erjtgenannte Anjuchen 
betraf, jo wurde 1731 allerdings veriprochen, daß die „ers 
forderliche Fürſorge“ für die Kenntnis der finnischen Sprache 


1) W. ©. Lagus, Om finska lagöfversättningar, in: „Finska 
Vetenskapssocietetens Bidrag till kännedom af Finlands natur och 
folk“, Bd. VI (Helfingiors, 1863). 


Fürjorge für die Kenntnis der finnifchen Sprade. 327 


bei den Richtern getroffen werben jollte !); aber erjt auf dem 
KReihstage von 1738/39 Fam die Angelegenheit von neuem zur 
Sprade, und zwar wurbe fie jet Gegenftand einer lebhaften 
Debatte im Geheimen Ausſchuß. Darin waren die Mitglieder des 
Ausſchuſſes einig, daß, wenn die Bewerber um ein Amt in 
Finnland inbezug auf Berdienfte und ZTüchtigfeit gleich gut 
wären, derjenige bevorzugt werben jolle, welcher in der finnifchen 
Sprache bejfere Kenntniffe beſäße. Allein Hinfichtlich der An- 
wendung diejes Grundjages brachte der Präfident im Aboer 
Hofgericht (1720— 1738), der als hervorragender Staatsmann 
befannte Samuel Aterbjelm, bei einer jpäteren Sigung wichtige 
Einwände vor. Er betonte, daß der gefamte finnifche Schären- 
garten, der größte Teil von Nyland und halb Dfterbotten von 
einer ſchwediſchredenden Bevölferung bewohnt jeien, und daß 
es in Finnland feinen Prediger, Kronvogt, Oberpolizeibeamten 
oder Unteroffizier gäbe, der nicht gleichzeitig Schwediſch und 
Finniſch verftände, jo daß bloß Richter, Oberlandrichter und 
niedere Beamte in Finnland die finnische Sprache zu erlernen 
brauchten. Wolfe man jchwediichen Männern jedes finnijche 
Amt verichließen, jo würde dies „Mißverjtändniffe zwiſchen beiden 
Nationen“ hervorrufen, und zwar Mißverftändnijfe, welche zum 
größten Schaden für das Gejamtreih ausjchlagen würden. 
Der Vertreter von Abo, Eſaias Wechter, verficherte, daß eine 
jolche Ausjchliegung von ſchwediſchen Männern gar nicht be 
abjichtigt jei; aber Äkerhjelm blieb bei feiner Anficht, daß hier 
unbefugte Beitrebungen vorlägen. In einer dritten Sigung 
wurde über das allgemeine Verhältnis zwifchen der ſchwediſchen 
und der finnifchen „Nation“ noch'eingehender diskutiert. Heinrich 
Wrede erklärte, daß er, obwohl Finnländer und finnticher 
Srundbefiger, fich dennoch nicht für befugt erachte, zwijchen 
Schwedens und Finnlands Vorteil einen Unterjchied zu machen; 
auch könne fich Finnland nicht beflagen, e8 habe von Schweden 
feine Hilfe erhalten. „Nichtspeftoweniger”, fügte er mit einer 
Anjpielung auf feinen Gegner im Ausihuß, Eſaias Wechter, 


1) W. ©. Lagus J. c., p. 3dsgg. 


328 Vierte Periode. Der große norbiiche Krieg und die Freibeitszeit. 


hinzu, „geht das Gerücht, daß einige faule Köpfe (rötägg) unter 
den Finnländern erklären, jie würden jich mit dem Ruſſen 
zufammenthun und die Schwedischen jchlagen, wofern man mit 
ihnen jo oder jo verführe“. Wechter verlangte die Streichung 
diefer Außerung aus dem Protofoll, aber Wrede erhielt fie 
aufrecht ). Dieje Diskuffion it injofern beachtenswert, als 
bier die finniſche Sprachenfrage zum erjtenmal in einer poli— 
tiichen Verſammlung debattiert wurde. Der Beichluß, daß 
bei jonft gleichen Berhältniffen größere Kenntnis der finnijchen 
Sprache den Borzug geben jollte, wurde inbefjen hierdurch 
nicht geändert, jondern im S 42 der Rejolution vom 16. März 
1739 feftgejeßt, daß „Seine Königliche Meajeftät geneigt tft, 
Richterftelfen und andere Ämter in Finnland mit ſolchen Per- 
ſonen zu bejegen, welche der finniſchen Sprache mächtig jind, 
injfoweit e8 die Umftände ſowie Gejchieflichfeit und Dienjtjahre 
der Betreffenden gejtatten“ ?). Eine derartige Beitimmung fonnte 
natürlich Feine fefte Garantie gegen die mangelhafte Kenntnis 
ber finnischen Sprache jeitens der Beamten bieten. Die 
ſprachlichen Mißſtände waren denn auch nach wie vor in den 
tiefen Schichten des Volkes fühlbar; und je mehr fich die 
Herrichaft des Schwediichen befeftigte, dejto weniger dachte mar 
an Abhilfe. 


3. Die Herrſchaft der Hutpartei 1738— 1756. 


Auf dem Stodholmer Reichstage von 1738/39, auf welchem 
die friegerifch und franzojenfreundlich gejinnte Hutpartet über 
bie friedliebenden, ruffenfreundlichen „Mützen“ einen entjcheiden- 
den Sieg davontrug, ließen die meiften finnischen Edelleute auf 


1) Prototolle des Geh. Ausſchuſſes: „Schwed. Reichsarchiv“. — Bal. 
K. U. Caftren, Suomalaisuus 1738 vuoden valtiopäivillä, in ber Zeit— 
ſchrift „Kirjallinen Kuukauslehti‘“, p. 1—10 (Helfinafors, 1872). 

2) R ©. Modée, Utdrag utur alle ifrän den 7. dec. 1718 ut- 
komne Publiqve Handlingar, Placater, Förordningar, Resolutioner och 
Publicationer II, 1405 (Stodholm, 1742). 


Sieg der Hüte (1738/39). 329 


das Anftiften ihrer beiden Yandsleute, der Brüder Fabian und 
Heinrich Jakob Wrede, Arwid Horn und deſſen Anhänger, die 
Mügen, im Stich und gingen zu den Hüten über. Ihre ein- 
flußreiche Stellung gegenüber den finnijchen Reichstagsabgeord— 
neten behielten die beiden Barone Wrede während des größten 
Teild des Zeitraums, in welchem die Hutpartei, zu beren 
Gründern und treuergebenjten Führern fie gehörten, das Heft 
in Händen hatte. Minder hervorragend durch Stellung und 
Geburt, aber nicht minder für die Ziele der Kriegspartei 
thätig war der Baron Karl Johann Stiernftedt, welcher wäh— 
rend jeiner langwierigen Gefangenjchaft in Rußland einen 
unauslöjchlihen Haß gegen dieſes Land eingejogen hatte und 
nunmehr den richtigen Augenblid zur Befriedigung ſeines 
NRachedurftes für gekommen erachtete ). Auch der Major 
Magnus Wilhelm Sprengtport war eine einflußreiche Perſön— 
lichkeit unter den kriegeriſch gefinnten finnijchen Edelleuten. 
Als Freund des Friedens ift einzig der Oberlandrichter im 
farelijchen SOberlandesgerichtsbezirt, Karl Yillienjtjerna, zu 
nennen. — Unter den finniichen Mitgliedern des geiftlichen 
bezw. des Bürgerjtandes fanden fich zwei warme Anhänger des 
Friedens: der Propſt in Tammela, Joh. Amnell, und der Aboer 
Fabrikbeſitzer Eſaias Wechter. Auch die Haltung des Bauern- 
Itandes war begreiflicherweije friedensfreundlich; aber derjelbe 
übte bei Fragen, welche die auswärtige Politif betrafen, feinen 
Einfluß aus. 

Während der Barteiftreitigfeiten auf dem Reichsſstage von 
1738/39 kam auch die Frage, betreffend das Verteidigungswejen 
Finnlands, zur Beratung. Die Regierung hatte nämlich endlich 


1) Sohn des früher genannten Landeshauptmanns in Abo-Bjürneborg, 
Joh. Stiernftebt, war er 1686 in Wiborg geboren, fchlug zuerſt die Zivil: 
beamtenlaufbabn ein, ging jedoch beim Ausbruch des großen norbiichen 
Krieges zum Militär über. Nach der Schlacht bei Poltawa wurde er am 
Dnujepr gefangen genommen und nad Solifamsti gebracht, wo er 13 Jabre 
unter harter Behandlung zubrachte. Nach jeiner Heimtehr (1722) erbielt 
er den Majorstitel und wurde 1740, als er feinen Abichied nahm, Oberit- 
lieutenant. 


330 Bierte Periode. Der große nordiiche Krieg und die Freiheitgzeit. 


eingejehen, daß das finnische Verteidigungswejen in dem Zu: 
ftand, wie e8 1727 gelaffen worden war, einen genügenden 
Schuß gegen den öftlichen Nachbar keineswegs bot. Als jich Arel 
Löwen 1737 zur Übernahme des Befehls über die finniiche 
Armee nach Finnland begab, erhielt er daher den Auftrag, 
einen Verteidigungsplan für diefes Yand zu entwerfen. In dem 
Gutachten, welches er jpäter dem Reichstag überſandte, bielt 
er jeinen Fortifikationsplan von 1723 infofern aufrecht, als 
er Mittel zur Inftandfegung der niemals vollendeten und 
damals bereits verfallenen Feſtungswerke bei Fredrikshamn, 
Willmanjtrand und Nyſlott verlangte; gleichzeitig aber deutete 
er einen neuen, weit glücflicheren Gedanken an. Die Haupt: 
ftüße für die Verteidigung Finnlands, meinte er nunmehr, jei 
in einem befeftigten Hafen zu fuchen; und zwar müſſe derjelbe 
bei Helfingfors oder an einem anderen geeigneten Pla der 
Süpdfüfte Finnlands angelegt werden und als Hauptitation 
für eine Schärengartenflotte dienen, welche die Operationen 
der Armee zu unterjtügen und die Verbindung mit Schweden 
aufrecht zu erhalten babe. Dieſer Plan wurde im Schoße 
der Defenjionsfommifjion von mehreren Rednern warm befür- 
wortet, jtieß jedoch ſpäter im Geheimen Ausjchuß auf lebhaften 
Widerjpruch, den zu befiegen Löwen und Sprengtport ver: 
gebens bemüht waren. Denn damit, daß jener Ausſchuß jchließ- 
ih die Vornahme von vorbereitenden Unterjuchungen ſowie 
jogar den Beginn des Baues bejchloß, war nur wenig geholfen, 
da Geldmittel für diefen Zweck nicht angewiejen wurden. Hin— 
gegen zeigte man fich bereit, alles zu bewilligen, was einen 
fünftigen Einfall auf ruffiiches Gebiet fördern könnte, und mit 
Intereffe ging man deshalb auf den Vorſchlag Löwens ein, die 
finnische Armee durch geworbene Truppen zu verjtärfen, welche 
für alle Notfälle an der Grenze bereit ftehen jollten. Ein der- 
artiger Plan erregte bei den Friedensfreunden natürlich lebhafte 
Unrube. Bürgermeifter Wittftod aus Fredrikshamn und noch 
mehr Ejaias Wechter betonten die Schwierigkeiten eines Truppen- 
transportes im Herbſt und hoben hervor, daß es in Finnland 
für die Soldaten weder Quartiere noch Proviant gäbe, und daß 


Finnlands Verteidigungsweſen. 331 


außerdem eine ſolche Maßregel einen feindlichen Angriff her— 
vorrufen könne. Die Anhänger des Krieges ließen ſich jedoch 
nicht zurückhalten. Auf Grund von Vorſtellungen ſeitens der 
Reichsräte wurde der Plan zwar bis zum Frühjahr 1739 
aufgeſchoben, gelangte dann aber zur Ausführung, indem zwei 
ſchwediſche Regimenter nach Finnland entſandt wurden. Gemäß 
einem weiteren Beſchluſſe ver Senatsmajorität vom 16. Auguſt 
1739 jegelten im Herbft weitere 6000 Mann Infanterie nach 
Finnland. 

Der Nachfolger Yöwens als Befehlshabers der finnijchen 
Armee, Generallieutenant Karl Cronſtedt, wurde durch dieſe 
Maßregel in nicht geringe VBerlegenheit gebragt. Mit Ein- 
ſchluß der beiden im Frühjahr angefommenen Regimenter gab 
es nunmehr in Finnland etwa 7000 Mann jchwebiiche Truppen, 
für deren Quartiere und Unterhalt er während des Winters 
forgen jollte. Die Regierung hatte gewünjcht, daß die Sol- 
daten möglichjt an einem einzigen Pla geſammelt gehalten 
werben jollten; aber Gronjtedt bielt dies für unmöglich. Einen 
Zeil derjelben legte er als Garniſon in die befeftigten Orte 
Fredrikshamn, Willmanftrand und Nojlott, während er der 
Hauptmacht zerftreute Quartiere in Nyland und Abo-Björne- 
borg anwies. Durch Zwangsmaßregeln nötigte er die Bevöl— 
ferung des von einer Mißernte betroffenen Landes, zu billigen 
Preijen PBroviant zum Unterhalt der Mannjchaften zu liefern; 
doch fonnte er es nicht verhindern, daß namentlich die Garni— 
ſonstruppen viel zu leiden hatten. Noch abjchredender als 
Cronſtedts Berichte über die Yage der Truppen lauteten jeine 
Bemerkungen über den Zuftand der finnischen Feſtungswerke. 
Die Grenzfeftungen Fredritshpamn und Willmanftrand waren 
völlig in Verfall geraten und die Befetigungen bei Fredriks— 
hamn außerdem jo ausgedehnt, daß fie zur Verteidigung eine 
übermäßig große Bejagung erforderten !). 

Die Parteizerjplitterung, welche bei den Wahlen zum Reichs— 
tage von 1740/41 berrichte, verbreitete fich auch nach Finnland, 


1) N. Zenaberg ]. c., p. 72sqq. 


8332 Vierte Periode. Der große nordiiche Krieg und die Freibeitgzeit. 


wie aus dem Verlauf der Wahl in Abo hervorgeht. Nachdem, wie 
bereit ©. 325 erwähnt, das Wahlgejchäft in die Hände von Elef- 
toren gelegt worden, waren die dortigen Neichstagswahlen ohne 
größere Streitigfeiten vor jich gegangen; aber Diesmal jonderten 
jich die Wahlmänner voneinander, indem die Eleftoren der jchwe- 
bischen Kaufleute und eines Teils der Handwerker für Karl Mer— 
then jtimmten, während die finniſche Bürgerſchaft und der Reſt 
der Handwerker ihre Stimmen auf den jeit dem legten Reichstag 
als eifriger Anhänger der Mützenpartei befannten Eſaias Wechter 
vereinigten. Erjterer erhielt die Mehrheit. Die Freunde Wechters 
begnügten ſich jedoch nicht mit diefem Ergebnis und brachten es 
ſchließlich ſogar dahin, daß derjelbe als zweiter Reichstags: 
vertreter der Stadt gewählt wurde. Indeſſen half dies wenig, 
da der Yandeshauptmann Prkull nicht nur die Ausfertigung 
einer Vollmacht für Wechter verweigerte, jondern ihn auch an 
der Abreije aus Abo verhinderte. Auf ſolche Weife wurden 
die Hüte von einem beichwerlichen Gegner befreit, während fie 
andrerjeits auf Merthen als ein gefügiges Werkzeug rechnen 
fonnten. Der geiftlihe Stand zählte nur vier Vertreter aus 
Finnland, darunter den eifrigen Anhänger der Mügenpartet, 
Joh. Amnell. Die finnijchen Edelleute jtanden wie früher 
unter der Yeitung der Gebrüder Wrede und Stiernftedts. Zu 
ihnen gejellte fi u. a. Karl Heinrich Sprengtport, ein Bruder 
des jchon genannten Magnus Wilhelm Sprengtport. In fried- 
licher Richtung wirkten Yars Joh. Ehrenmalm, der fich jedoch 
in die eigentlichen PBarteifragen nicht einmijchte, und Karl Lillen— 
ſtjerna, welcher jetst, wie auf dem Reichstag von 1738/39, einer 
der talentvolliten Gegner der Hüte war. Unter den Vertretern 
der finnischen Städte befand fich auch der Helfingforjer Bürger: 
meifter Nenhorn, der fich ſchon auf dem vorigen Reichstag 
den Hüten angeſchloſſen hatte. 

Im Februar 1741 faßte der Geheime Ausſchuß den Be: 
ihluß, den Nachfolger Eronftedts als Befehlshabers in Finn— 
land (jeit 1740), Generallieutenant Heinrid Magnus von 
Buddenbrod, zu beauftragen, er jolle die in Finnland ftatio- 
nierten jchwediichen Truppen nebft einigen finnijchen Regimen— 


Das Weitergreifen des Einflufies der Hutpartei (1741). 333 


tern jowie der Artillerie, zufammen eine Armee von 10000 bis 
12000 Mann, in Kantonnementsquartiere am Keltisfluß legen. 
Dieje Rejolution führte zu heftigen Debatten, bis ein Ereignis in 
der Nacht vom 25./26. Februar 1741 — die Gefangennahme 
oh. Gyllenſtjernas *) wegen angeblicher verräteriicher Bezie— 
bungen zu dem rujfischen Gefandten Mich. Beitujche in Stod- 
holm — den Hüten eine bequeme Handhabe bot, ihre Wider- 
jacher, die Friedensfreunde, zum Schweigen zu zwingen. Im 
Anſchluß an die Verhaftung Gpllenftiernas, welcher ſpäter zum 
Pranger und zu lebenslänglichem Gefängnis verurteilt wurde, 
erfolgten weitere VBerhöre wegen einer angeblichen Verſchwörung 
gegen die in Schweden bejtehende Staatsordnung. Unter den 
Angellagten befanden jich auch zwei Finnländer, der befannte 
Hiftorifer Johann Ardenholg ?) und der ſchon S. 326 genannte 
Johann Mathejius *). Ihre Verurteilung zu langer Feftungshaft 
wurde, wie man im Geheimen Ausichuß offenherzig einräumte, 
weniger durch Rechts: als durch politiiche Zwedmäßigfeitsgründe 
veranlaßt. Ob Ardenholg und Matbefius mit anderen, der 
Herrichaft der Hüte überdrüffigen Finnländern in Verbindung 
gejtanden haben, läßt fich jett nicht mehr ermitteln. 

Durch die oben angedeuteten Maßnahmen hatten die Hüte 
ihren Gegnern einen fürchterlihden Schreden eingeflößt und 
jeden Widerftand gegen eine Kriegserflärung an Rußland ges 
brocdhen. Die Frage war bereits jo gut wie entichieden, als 
fie am 21. Juli dem Geheimen Ausſchuß zu endgültiger Ent» 
scheidung überwiejen wurde. Faſt einftimmig äußerte fich der- 


1) Sohn des damaligen Landesbauptmanns in Nyland. 

2) Ardenbolt war 1695 in Helfingford geboren, ftand Arwid Horu 
nabe und begann unter deſſen Peitung feine Beamtenlaufbahn, war jedoch 
ihon auf dem Reihstag von 1738/39 Berfolgungen feitens der fiegreichen 
Hüte ausgefest, die ihn feiner Amter enthoben. Nach feiner Begnadigung 
1743) weilte er meiftens im Ausland und wurbe 1746 als Bibliothelar in 
Kaſſel angeftellt, wo er fpäter fein berühmtes Wert: „„M&moires, concernant 
Christine, reine de Suöde‘‘ veröffentlichte. Er ftarb 1777 in Stodbolm. 

3) Matbefius, welcher ebenfalls 1743 begnadiat wurde, erhielt 1745 
das Amt als Landſekretär in Öfterbotten und ftarb 1764 als ſtellvertre— 
tender Landeshauptmann dieſer Provinz. 


334 DBierte Periode. Der große nordifche Krieg und bie Freibeitszeit. 


jelbe zugunjten des Krieges, und am 28. Juli 1741 erfolgte 
die Kriegserflärung. Bevor ſich die Stände trennten, ließen 
fie durch Delegierte die Friedensbedingungen entwerfen, nach 
denen ich die Regierung bei den jpäteren Friedensverhand— 
lungen zu richten hätte. Bei einem fiegreichen Ausgang jollte 
man jämtliche frühere Befigungen Schwedens jowie außerdem 
das Land zwiichen dem Yadoga und dem Weißen Meere for: 
dern. Ginge der Krieg weniger glücflich vwonftatten, jo wollte 
man fi mit Ejthland, Ingermanland und Karelien, gemäß 
der Grenze von 1700, begnügen. Wenn endlich „wider alles 
Vermuten“ die jchiwediiche Heeresmacht eine bedeutende Nieder: 
lage erlitte, jo jollten Karelien, Kerholm, Wiborg, Peters: 
burg, Nöteborg, Kronftadt und Kronjlott nebft dem ganzen Newa— 
jtrom gefordert werden. 

Es läßt fich nicht bejtreiten, daß der Geheime Ausschuß 
in den legten Monaten der Reichstagsjejfion mit großer Energie 
die Kriegsrüftungen bejchleunigte. Die aus 11 Linienjchiffen 
und 4 Fregatten beftehende „Große Flotte” konnte ſich ſchon 
Ende Mai unter Rayalins Befehl bei Aſpö zwiſchen Hogland 
und Fredrikshamn jammeln, und im Juni traf die Scären- 
gartenflotte unter Falfengren bei Kuorſalo, im Schärengarten 
vor Fredritshbamn, ein. Die Beſatzung beider Flotten zu— 
jammen belief fich auf 9000 Mann. Ebenſo wurden Reformen, 
betreffend die Organijatton der Yandarmee, vorgenommen und 
die militärischen Angelegenheiten einer mit ausgedehnter Voll: 
macht verjehenen „Ausrüftungsfommiljion“ überwiejen. Ober: 
befehlshaber wurde Charles Emil Yewenhaupt, Leiter des Kriegs: 
fommiffariats Fabian Wrede '), Yandesbauptmann in der wich: 
tigen Provinz Kummenegärd Karl oh. Stiernftedt. Eine der 
ichlimmiten Pücken in dem Verteidigungswejen Finnlands war, wie 
ichon oft erwähnt, der vollftändige Mangel an Feſtungswerken, 
welche die Operationen der Armee und Flotte hätten unterjtügen 


1) Er erbielt dieien Pojten, wie es in dem Schreiben der Stände vom 
11. April 1741 beißt, „mit Rückſicht auf feine guten Eigenſchaften, und 
weil er der finniihen Sprache mädtig fowie überall dort im Lande be— 
lannt und neliebt wäre”. Bal. K. G. Malmftröm 1. c. III, 201. 


Ausbrud des Krieges mit Rußland’ (1741). 335 


fönnen. Auch im übrigen war Finnland feineswegs ein viel- 
veriprechendes Kriegstheater, da infolge mehrjähriger Miß— 
ernte die Nahrungsmittelpreife jehr geftiegen waren und bie 
Bevölkerung nicht der Armee zu liefern vermochte, was die— 
jelbe bedurfte. 

Während Lewenhaupt bis zum Schluß des Reichstags in 
Stodholm blieb, führte Buddenbrod, ein beherzter und pflicht- 
treuer, aber der höheren ftrategiichen Begabung entbehrender 
Feldherr, den Oberbejehl in Finnland. Wegen Mangels an 
Proviant und Fourage war er nicht imftande gewejen, dem 
Ständebeihluß vom Februar nachzufommen und die Arnıee 
an der Grenze aufzuftellen; doch zog er die in Südfinn— 
land zerjtreuten jchwediichen und finnijchen Regimenter zu— 
jammen und ließ fie in zwei Kolonnen über den Kymmene— 
fluß nach Kvarnby (dreiviertel Meilen nördlich von Fredriks— 
bamın) und nach Martila (34 Meilen ſüdweſtlich von Will- 
manftrand) marjchieren. Chef der Abteilung bei Dartila war 
der Generalmajor Karl Heinrich Wrangel, während Bubdenbrod 
jelbft die Kolonne bei Kyarnby fommandierte. Die gewählte 
Stellung würde als Verteidigungspofition nicht unzweckmäßig 
gewejen jein, wenn die beiden Feſtungen Fredrikshamn und 
Willmanftrand, welche als Stütpunfte dienen jollten, jtürfer 
gewejen wären. Hingegen zeigte es fich jofort, daß jich der 
vom Geheimen Ausihuß gemünjchte unmittelbare Angriff auf 
Petersburg nicht mehr bewerfftelligen ließ. 

Noch vor Beendigung der Kriegsvorbereitungen auf finnijcher 
Seite erjchienen nämlich ſchon die erften ruſſiſchen Abteilungen 
unter dem aus Schottland gebürtigen General Jakob Keith und 
ihlugen am 16. Auguft beim Dorfe SKananoja, dreiviertel 
Meilen von der ſchwediſchen Grenze entfernt, auf dem Wege 
von Wiborg nah Willmanftrand ein Lager auf. Die ruffijche 
Armee, deren Oberbefehl am 20. Auguft der Feldmarichall Graf 
Beter de Lach übernahm, beftand aus mehr als 11000 Mann, 
d. h. ungefähr ebenjo viel, wie die beiden ſchwediſchen Kolonnen 
zujammen zählten. Da die Schweden feinen Angriff unter- 
nahmen, gingen die Ruffen in der Stärke von 10500 Mann 


336 Bierte Periode. Der große nordiſche Krieg und bie Freiheitszeit. 


über die Grenze und zogen am 22. Auguft bis nach Willman- 
jtrand, welches eine Bejagung von etwa 400 Mann unter 
dem Obriften v. Willebrand hatte. Bei der Kunde hiervon 
eilte Wrangel, ohne die Ordre Buddenbrods abzuwarten, der 
bedrohten Feſtung zubilfe und wählte an demjelben Abend eine 
fejte Stellung bei Willmanftrand. Am 23. fam es zur Schlacht. 
Anfangs war der Borteil auf jchwediicher Seite. Als aber 
der linke ſchwediſche Flügel feine günftige Bofition verließ, um 
auf die um vieles ftärferen Feinde loszugehen, geriet er in 
Verwirrung; einzelne ZTruppenteile begannen nach der Stadt 
zu fliehen, und jchließlich wurde die ganze jchwediiche Kolonne 
von der ruffiihen Armee umzingelt.e Wrangel, welcher wäh— 
rend des Gefechts in den erjten Reiben gekämpft hatte, mußte 
verwundet feine Zuflucht in Willmanftrand juchen, welches nach 
tapferer Verteidigung gegen Abend vom Feind erftürmt, ge 
plündert und verbrannt wurde '), Vor der Schlacht hatte 
Wrangel, welcher bei Eroberung der Feſtung in Gefangenjchaft 
geriet, den Beiltand Buddenbrods erbeten. Als diejer jedoch 
nach längerem Zaubern aufgebrochen war, empfing er auf 
balbem Wege die Kunde von der Niederlage der Schweden ?). 
Von der mit Einihluß der Beſatzung von Willmanftrand 4000 
Mann zählenden Abteilung Wrangel® wurden 2300 Mann ver- 
mißt, während der ruffiiche Verluſt 1800 Mann betrug. 

Am 3. September kam Yewenhaupt nach Kvarnby und 
übernahm den Oberbefehl. Aber e8 zeigte jich bald, daß der 
prableriiche Reichstagsredner nicht der Mann war, welcher 
den Sieg an die jehwedischen Fahnen zu beften vermochte. 
Anftatt einen Angriff auf Wiborg zu machen, blieb er während 


1) 3. Mantell, Anteckningar rörande Finska armens och Fin- 
lands krigshistoria I, 269sqq. (Stodholm, 1870). — „Tvenne officiella 
berättelser om segern vid Willmanstrand “, in der Zeitichrift: „Suomi “, 
p. 224—236 (1854). 

2) Das Berbalten Buddenbrods ift von ®. G.Lagus in der Schrift: 
„Anteckningar rörande 1741 och 1742 ärens finska krig jämte Henr. 
Magn. v. Buddenbrocks äreräddning“, p. 37—72 (Helfingfors, 1853) 
mit guten Gründen verteidigt worden. 


Wrangels Niederlage. Lewenhaupts Zug u. Waffenftillftand (1741). 887 


des ganzen Herbites unthätig und legte Anfang November einen 
Zeil der Armee in Winterquartiere.. Am 19. November brach 
er endlich mit 6000 Mann Infanterie, 450 Dragonern und 
10 Kanonen auf und z0g nad Säkkijärvi (auf dem Wege nach 
Wiborg), während gleichzeitig Oberftlieutenant Karl Heinrich 
Sprengtport mit 300 Dragonern und einigem Fußvolk an 
Willmanjtrand vorbei in das ruſſiſche Karelien marjchierte. 
Ein in den ruffiichen Grenzorten verbreitetes Kriegsmanifeft 
Lewenhaupts forderte die Ruſſen auf, fich mit der ſchwediſchen 
Heeresmacht zu vereinigen, deren einzige Abficht die Befreiung 
Rußlands von fremdländiichem Joche jei. Diefe Belannt- 
madhung übte die erhoffte Wirkung aus. Der Einfall ver 
Schweden verurjachte in Petersburg allgemeine Unruhe; eine 
Unruhe, welche die ruſſiſche Prinzeifin Elijabetb im Einver- 
ſtändnis mit der jchmwediichen Regierung benugte, um am 
25. November mit Hilfe der Garderegimenter den Zaren Iwan 
jowie dejfen Eltern gefangen zu nehmen und felber den Thron 
zu befteigen. Lewenhaupt hätte damals nach Petersburg rüden 
und der neuen Kaiſerin Friedensbedingungen vorjchreiben 
fönnen, wie jolche den Wünjchen Schwedens entiprachen. Aber 
im entjcheidenden Augenbli zauderte er. Die Schwierigfeiten 
eined weiteren VBordringens in der Winterfälte, ohne Troß und 
Yebensmittel, erichienen ihm unüberwindlich, weshalb er jich mit 
leeren Verſprechungen ruffischerjeitS begnügte und am 6. De: 
zember einen Waffenftillftand auf unbeftimmte Zeit abjchloß. 
Inzwijchen war die Bevölkerung, namentlich im  öftlichen 
Nyland und in der Provinz Kymmenegärd, unerhörten Leiden 
unterworfen gewejen, indem die Kräfte des gemeinen Mannes 
durch Naturallieferungen und Vorſpanndienſte aufs äußerfte 
angeftrengt wurden. Inſonderheit hinterließ in diejer Hinficht 
der Zug Yewenhaupts nach Säkkijärvi ein bitteres Andenfen. — 
Einen nicht minder großen Anlaß zur Bejorgnis bot die faft 
vollftändige Wehrlofigfeit von Savolaks und Karelien gegen 
einen Angriff des Feindes. Die von den fiegreichen Ruſſen 
zeritörten Erdwälle Willmanftrands hatten, obwohl von feiner 
jonderlichen Bedeutung, dennoch das jüdliche Savolaks gegen 
Schybergſon, Geſchichte Finnlande, 22 


838 Vierte Periode. Der große nordiihe Krieg und die Freiheitszeit. 


ruſſiſche Streifcorps geichügt. Det aber war nur noch Die 
Feſtung Nyſlott übrig. Schon furz nach der Schlacht bei 
Willmanftrand waren denn auch feindlide Scharen plündernd 
in das jüdöftlihe Savolafs und die jüdlichen Teile von Nord— 
farelien eingedrungen, und es ließ jich erwarten, daß fich die 
Angriffe jpäter in größerem Maßjtabe wiederholen würden. 
Unter diejen jchwierigen Verhältnifjen bewies Yandeshauptmann 
Stiernjtedt einen patriotiichen Eifer, welcher jeine Wirkjamfeit 
zu einem Yichtpunft der Gejchichte diejes jonjt jo traurigen 
Krieges macht. Er eilte in jeiner Yandeshauptmannjchaft von 
Ort zu Ort, rief den gemeinen Mann zur Verteidigung der 
Heimat auf und belebte den gejunfenen Mut der Bevölferung. 
Die bei Willmanftrand vernichteten NRegimenter wurden von 
neuem errichtet, zufammen etwa 5000 Mann, von denen je- 
doch der größte Teil der Hauptarmee zugeführt wurde, jo daß 
faum mehr als die Rejervemannjchaften zur Verteidigung von 
Savolats und Karelien zurücdblieben. Außerdem verteilte Stiern- 
jtedt Waffen und Diunition unter die Benölferung, um die— 
jelbe im Notfalle mafjenweije aufbieten zu Fönnen. 

Als der Waffenftillftand am 6. Dezember 1741 plötzlich 
von den ruſſiſchen Generalen gekündigt wurde, zeigte es fich, 
daß dies nicht zum wenigjten deshalb geſchah, damit fich der 
Feind noch während des Winters der Yandichaften Savolafs 
und Karelien bemächtigen oder wenigſtens diejelben ausplündern 
fönnte. Cine ruſſiſche Heeresabteilung von etwa 3000 Mann, 
welche unter General Fermors Befehl bei Kerholm und Sorda- 
vala zufammengezogen war, rüdte in den erjten Märztagen 
1742 gegen Nyjlott vor, wich aber zurüd, als ein von Stiern- 
jtedt entjandter Trupp ihnen am 5. März bei Kerimäki mutig 
entgegentrat. Hierauf machten die ruffiichen Streifcorps unter 
wilden Verwüſtungen einen Einfall in Karelien und metelten 
in dem Kirchdorf Kides eine Feine finnische Patrouilfe, welcher 
ji einige hundert Bauern angejchlojfen hatten, nach ver- 
zweifelter Gegenwehr nieder. Vermutlich würden die Ruſſen 
die jüdlichen Kirchipiele in Schwediich-Karelien ganz und gar 
verheert haben, hätte nicht Stiernftedt eine größere Abteilung 


Die Selbfthilfe der kareliichen Bauern unter Stiernftedt (1742). 3839 


unter Hauptmann Krämer gegen Kronoborg in Ruffisch-Karelien 
entjandt, um ben Feind zu zwingen, jenem Orte zubilfe zu 
fommen. Diejer Plan gelang vollftändig. Gleichzeitig bildeten 
die fareliihen Bauern Freifcharen unter felbft gewählten An- 
führern, von denen Sallinen, Roivas und SHaapalainen die 
hervorragendſten waren. Eine diefer Scharen wurde am 5. April 
in dem Kirchipiel Tohmajärvi von einer weit überlegenen feind- 
lichen Abteilung umringt, brach fich jedoch in gejchloffenem 
Vieref einen Weg durch die Reihen des Gegners. Durch 
ſolchen Widerftand abgejchredt, zogen die Ruſſen in öftlicher 
Richtung in den Sprengel Ilomants, ſtießen aber bier auf 
eine zweite Bauernſchar, welche beim Dorfe Ollölä noch ener- 
giiheren Widerjtand leiftete.e Durch diefe beiden Scharmügel 
retteten „die hurtigen karelifchen Schneeſchuhläufer“, wie Stiern- 
jtedt die Bauern bezeichnete, ihr Land vor den Gewaltthätig- 
feiten des Feindes. Mitte April zog Fermor mit feiner 
Heeresmacht ab, worauf an jenem Teil der Grenze nur einige 
militäriſche Streifzüge vorfielen, an denen jich die Farelijchen 
Bauern, wie vorher, wirkſam beteiligten ?). 

Am 18.28. März 1742 erließ die Kaiferin Elifabeth an 
die Bewohner des Großfürftentums Finnland ein „Manifeft“. 
Es wurde darin zunächjt hervorgehoben, wie ungerechtfertigt 
die Stodholmer Regierung gehandelt babe, indem fie den 
gegenwärtigen Krieg bervorrief, während Rußlands Beſtre— 
bungen doch einzig darauf gerichtet geweſen jeien, mit feinen 
Nachbarn im Frieden und in Freundfchaft zu leben. Freilich 
fönnten feineswegs alle Bewohner Schwedens hierfür verant- 
wortlich gemacht werden, am wenigiten die Bevölferung des 
Groffürftentums, welhe um fo größere Urfache Habe, eine 
ichnelle Beendigung des Krieges berbeizumünjchen, als ihr 
eigenes Yand und ihre Befittiimer in allererjter Reihe von 
den Leiden des Krieges betroffen werden müßten. Weiter ver- 
iprach die Kaiferin, daß die Bewohner Finnland, wofern fie 

1) gl. M. ©. Schybergſon, Anteckningar om försvarskriget i 


Savolaks och Karelen 1741 och 1742, in: „Svenska literatursällskapets 
i Finland förbandlingar och uppsatser I, 58—112 (Helfingfors, 1886). 
22 * 


840 Vierte Periode. Der große nordiiche Krieg und die Freiheitszeit. 


die jchwedijche Armee bei ihren Kriegsoperationen nicht unter: 
jtügen, jondern eine friedliche Gefinnung befunden würden, feinen 
Schaden leiden, jondern in ruhigem und jicherem Beſitz ihres 
Eigentums verbleiben jollten. Sie, die Kaijerin, wolle feinen 
Fuß breit fremden Landes gewinnen, jondern vielmehr dazu 
beitragen, daß „mehrerwähntes Fürftentum Yinnland, wofern 
dasjelbe gefinnt wäre, fi von der Gewalt und Jurisdiktion 
Schwedens zu befreien und loszumachen“, ald ein freies und 
von feinem der beiden Zeile abhängiges Yand in den Genuß 
einer eigenen, von den Bewohnern jelbit fejtgeftellten Staats» 
verfaffung fäme, mit allen den Rechten, Privilegien und Frei: 
beiten, welche nach dem eigenen Wunjch der Bevölkerung zu 
ihrem Nugen dienen fünnten. Die Kaijerin wolle denn 
auch den Bewohnern, um ſie in ihrer neuen Staatsform zu 
ihügen und zu unterjtügen, mit ihren Truppen beijtehen, wann 
und jo oft jene e8 jelber begehren würden. Auf jolche Weije 
werde Finnland künftig „als Barriere und Grenze“ zwijchen 
Rußland und Schweden dienen. Sollten die Finnländer ins 
deſſen dieſes Anerbieten ablehnen und während des gegen- 
wärtigen Krieges „ungzeitigen Eigenſinn“ an den Tag legen, 
jo würde jich die Kaijerin, wider ihren Willen und ihre Nei- 
gung, genötigt jehen, Finnland mit Feuer und Schwert ver: 
wüſten zu laſſen). Diejes geſchickt abgefaßte Manifeft, welches 
in Hunderten von jchwediichen, finnijchen und deutjchen Exem— 
plaren verbreitet wurde, erregte unerhörtes Aufſehen; denn 
einen jo kühnen Verjuch, die Unterthanen eines fremden, wenn 
auch feindlichen Staates zum Bruch ihres Eides zu verloden, 
hätte man fich kaum vorjtellen fünnen. Daß das Manifeſt 
wenigftens einigermaßen auf die Gemüter Eindrud machte, 
läßt fich vermuten, da man in Finnland für das Verſprechen 
einer milden Behandlung bei einer etwaigen ruſſiſchen Occu— 
pation empfänglich jein mußte Als jpäter ein Widerftand 
jeitens der Bewohner Finnlands überhaupt nicht in Frage fan, 


1) Das Manifeft ijt gedrudt bei W. ©. Lagus, Anteckningar ete., 
p. 22sgq. (Helfingfors, 1853). 


Eliſabeths Manifeit (1742). 341 


wurden allerdings die Vorjpiegelungen des Manifeftes, be- 
treffend eine jelbjtändige finnifche Verfaſſung, unberückſichtigt ge- 
laſſen ). Trotzdem handelt e8 fich hier um ein intereffantes Aften- 
ftüd; zeugt dasjelbe do davon, daß der Plan, Finnland von 
Schweden loszureißen — ein Plan, welcher mit Rückſicht auf 
Finnlands Yage in der Nähe der ruffiichen Hauptftabt jederzeit 
nabeliegen mußte —, ſchon damals bei den leitenden Männern 
Rußlands zur Reife gelangt war. Im einer Erwiderung auf 
das Manifeſt äußerte die Stodholmer Regierung am 27. April 
ihre Zuverficht, daß fein Finnländer durch Verrat die Frei— 
beit, welche Schwedens Staatsverfafjung gewähre, gegen bie 
Ketten eintaufchen werde, welche Rußland bald nach feiner 
Gewohnheit denen anlegen würde, die auf feine trügerijchen 
Zufiherungen bauten. Auch wurde die Hoffnung ausgejprochen, 
daß Schweden und Finnländer, jobald die Jahreszeit einen 
Angriff auf Rußland geftatten würde, mit alter Einigfeit und’ 
Kühnheit eine Grenzmauer ruffischen Gebiets gegen alle Gewalt: 
thätigfeiten errichten würden. 

Dieſe Hoffnung jollte fih nur allzu bald als trügeriich 
erweifen. Die Armee, welche jchon im März bei Frebrifs- 
hamn zufammengezogen, ‚dann aber wieder in Winterquar- 
tiere verlegt worden war, verjammelte ſich Anfang Juni 
zum zweitenmal bei der genannten Stadt in der Stärfe von 
12000— 14000 Mann. Am 7. Juni brachen die Rufen 
(22000 Mann) unter de Lacys Befehl von Wiborg auf und 
überjchritten am 13. Juni die ſchwediſche Grenze Obwohl 
mithin das jchwediich-finnifche Heer zum zweitenmal einer über- 


1) In Briefen vom 28. Auguft, 20. September und 28. Oftober 1742 
an den General Rumjanzow äußerte fih die Kaiſerin hierüber ab: 
lehnend. Bei einer Staatslonferenz in Petersburg (24. Februar 1743), 
als man über die den Schweden vorzulegenden Friedensbebingungen be— 
riet, fam die Frage nochmals zur Sprade. Der ehemalige Geſandte in 
Stodholm, Mich. Beſtuſchew, und der Vizekanzler Alexei Beſtuſchew befür- 
worteten die Verwandlung Finnlands in einen jelbftändigen Staat unter 
ruififhen Schutze, konnten aber ihre Meinung nicht durchſetzen. Bal. 
IR. Danielion, Die nordifhe Frage in den Jahren 1746—1751, 
©. 48 ff. (Helfingfors, 1888). 


342 Vierte Periode. Der große nordiiche Krieg und die Freibeitgzeit. 


legenen feindlichen Macht gegenübertrat, wäre die Situation 
dennoch nicht gefährlich gewejen, wofern jich nicht des ſchwe— 
diſchen Hauptquartier von Anfang an die größte Unjchlüffigfeit 
bemächtigt hätte. In einem Kriegsrat entjchied ſich die Mehr— 
beit der Offiziere am 16. Yuni dafür, daß die Armee mit 
Unterftügung der in der Nähe liegenden Flotte bei Fredriks— 
hamn Widerftand leiften, jowie daß eine Vorpoftenabteilung von 
2000 Dann unter Oberjt Fröberg eine vorteilhafte Pofition 
bei Mendolaks (14 Meilen von Fredrikshamn, auf dem Wege 
nach Wiborg) einnehmen jollte. Bereitd am 24. Juni gab jedoch 
Fröberg mit Yewenhaupts Zuftimmung den Paß bei Mendolaks 
preis, kehrte mit feiner Abteilung nach Fredrikshamn zurüd 
und gab auf ſolche Weije das erfte Signal zu dem jchimpf- 
lichen Rüdzuge der Armee. Bei einem neuen Kriegsrat waren 
nämlih alle Anwejenden — mit Ausnahme Buddenbrods, 
welcher verlangte, daß man bei Fredrikshamn dem Feinde 
ftandhalten jolle — der Meinung, daß jene Feftung nicht einer 
Verteidigung wert jet, jondern daß fich das Heer hinter den 
Kymmenefluß zurüdziehen müffe, um dort eine beffere Stellung 
einzunehmen. Nicht minder bedauerlich als der Beichluß jelbit 
war die Art und Weije feiner Ausführung. Yewenhaupt be— 
abfichtigte, in der Feltung 500 Finnen zu binterlaffen, welche 
fih eine Zeit lang ſcheinbar verteidigen und erjt jpäter fapi- 
tulieren fjollten, damit die Hauptarmee Gelegenheit erhielte, 
fih ungeftört Hinter den Kymmeneftrom zurücdzuziehen. In— 
folge der Weigerung der finnischen Truppen, länger in der 
Feſtung zu verweilen, mußte er indeffen am 28. Juni dem 
Kommandanten Major Ehreniparre den Befehl erteilen, die 
Feftung in die Luft zu fprengen. Gleichzeitig fette das Heer 
feinen Rüdzug fort, erreichte am 29. Juni Kummenegärd und 
fam am 6. Juli nach Lilla Abborfors. 

Mit bitterem Schmerze vernahm Stiernftedt die Nach— 
richt von dem Rückzuge, welcher feine Yandeshauptmannjchaft 
den Angriffen des Feindes völlig preisgab. Während bie 
ruffiihe Hauptarmee Yewenhaupt verfolgte, marjchierte eine 
Abteilung von 4000—6000 Mann nad) Savolats und be- 


Sieg der Ruſſen (1742). 343 


mächtigte jich der Kirchipiele jüdlih vom Saimajee. Anfangs 
gelang es Stierntedt, das Vorbringen der Gegner zu ver: 
hindern. Anfang Auguſt wurden indejjen jeine Abteilungen 
zerjtreut, jo daß das ganze Land den Rufen offen ftand und 
Stiernftedt perjönlich feine Zuflucht in ſterbotten fuchen 
mußte. Am 9. Auguft fiel Nyflott nach dreitägiger Belagerung 
in Feindeshand. 

Gleichzeitig nahte die Stunde, wo fich das Geſchick der 
Hauptarmee entichied. Vielleicht wäre Lewenhaupt längere Zeit 
bei Abborfors geblieben, wofern fich die beiden ſchwediſchen 
Geſchwader nicht zurückgezogen hätten, jo daß jeine Stellung 
von der Seejeite her ungededt war. Unter ſolchen Umſtänden 
hielt man die Pofition bei Abborfors für unhaltbar, weshalb das 
Heer am 12. Juli jeinen Rückmarſch bis nach Borgaͤ fortjegte. 
Bei Helfingfors wurde die Armee am 11. Auguſt von den 
ruſſiſchen Truppen eingefchloffen. Ein fiegreiches Gefecht, welches 
Major Schauman an der Spike der finnifchen Yeibdragoner 
bejtand, vermochte, obwohl eine der wenigen für die jchwedijch- 
finniſche Armee ehrenvollen Begebenheiten während dieſes Feld— 
zuges, den gejunfenen Mut nicht mehr zu beleben oder die 
völlig aufgelöfte Disziplin wieder herzuftellen. Zwar wurde 
am 19. Auguft der tapfere und erfahrene Bousquet, einer der 
wenigen, welche auf energijchen Widerftand gedrungen hatten, 
von der Stodholmer Regierung zum Nachfolger Yewenhaupts 
und Buddenbrods ernannt. Aber jet war e8 bereits zu jpät. 
Die einzige traurige Aufgabe des neuen Oberbefehlshabers 
bejtand darin, die Bedingungen für die Kapitulation jeiner 
Armee feitzuftellen. Gemäß den SKapitulationsbedingungen !), 
welhe am 24. Auguft vereinbart wurden, jollten fih u. a. 
diejenigen finnijchen Regimenter, welche in Finnland zu blei— 
ben wünjchten, ungehindert in ihre Heimat begeben dürfen. 
Zwei Tage jpäter legten die finnijchen Negimenter, nunmehr 
bloß etwa 3000 Dann, die Waffen nieder, worauf die Mann— 


1) Dieielben finden fi gedrudt bei Arwidsion, Handlingar till 
upplyening i Finlands häfder X, 276 (Stodholn, 1858). 


844 Bierte Periode. Der große nordiſche Krieg und bie Freibeitszeit. 


haften größtenteild von der Erlaubnis, in die Heimatsorte zu— 
rüdzufehren, Gebrauch machten. 

Die wejtlichen und nördlichen Gegenden Finnlands waren 
fortan dem Feinde preisgegeben. Die Injeln und das Küſten— 
gebiet fielen in die Hände der Ruffen. Am 26. Auguft über- 
gab Oberftlieutenant Michael v. Büttner, ohne Widerftand 
zu leiften, die finnische Feſtung Tawaſtehus. Drei Tage 
jpäter wurde Abo von einigen ruſſiſchen Dragonerfompagnieen 
beſetzt. 

Die ſchwediſche Regierung hatte in mehreren Schreiben an 
die Behörden Finnlands den Wunſch geäußert, daß die dortigen 
Beamten jetzt, wo ihre Einſicht und Umſicht mehr denn je 
zuvor behufs Aufrechterhaltung der Ordnung erforderlich ſei, 
auf ihren Poſten verbleiben möchten. Allein die Erinnerung 
an die Grauſamkeit, mit welcher die Ruſſen während des großen 
nordiſchen Krieges verfahren hatten, war allzu friſch, als daß 
man dieſer Aufforderung entiprocdhen hätte. Als Abo vom 
Feinde bejegt wurde, hatten das Hofgerichtsperjonal, die Be— 
amten der Pandeshauptmannjchaft, die Univerfitätslehrer ſowie 
die meiften Geiftlichen die Stadt bereits verlaffen. Die Unter- 
beamten folgten nah Meöglichfeit dem Beifpiel ihrer Vor- 
gejegten, und ebenjo juchten Kaufleute wie Bürger in großer 
Zahl ihre Zuflucht in Schweden. Der gemeine Mann war 
freilich im allgemeinen nicht in der Yage, jofort auszumwandern; 
erft nach einem Jahre trafen Bewohner von Aland und des 
jüdweftlichen Schärengartend zu Tauſenden in Schweden ein. 
Die noch erhaltenen Verzeichniffe über Finnländer, die in Schwe- 
den angefommen waren, geben eine VBorftellung von dem Um— 
fang der Auswanderung. Es geht daraus hervor, daß, wäh— 
rend im Oktober 1742 nur 192 Privatperjonen oder Familien 
anfamen, jich ſpäter auf jedem Fahrzeug, welches von Südfinn- 
land nach Stodholm abjegelte, eine Anzahl von Flüchtlingen 
befand, und zwar jelbft in den Wintermonaten. Im April 1743 
belief jich die Ziffer der in den Yiften verzeichneten auf 488; 
jpäter werden nur einige wenige aufgeführt, vermutlich, weil 
bereits fichere Friedensausfichten vorhanden waren. Im Juli 


Die Auswanderung der Bebörben und die Unterwerfung Finnlands. 345 


1743 betrug die Gefamtjumme 508, wobei jedoch zu beachten 
ift, daß Kinder und Dienerjchaft nicht eingerechnet wurden !). 

Die große Mehrzahl derer, die in der Heimat blieben, ging 
den unwillkommenen Gäften gegenüber mit großer Vorſicht 
und Klugheit zuwege. Im einer vom 14. Juli 1742 da— 
tierten Tagesordre hatte der ruffiiche Oberbefehlshaber de Lacy 
das in dem Manifeft vom 18. März erteilte Gelöbnis 
erneuert, daß die Bewohner Finnlands bei „ftillem und 
ruhigem“ Verhalten feinen Schaden erleiden jollten, ſowie 
gleichzeitig erflärt, daß, wer „ſich unter ruffiiche Proteftion 
begeben“ wolle, bei ihm einen Schußbrief erhalten jolle. Hier- 
von machte man allgemein Gebrauh, jo daß jogar aus ent- 
legenen RKirchipielen des Binnenlandes Deputationen im ruſ— 
fiihen Lager erichienen, um die Schutbriefe in Empfang zu 
nehmen, und die ftädtiichen Behörden bei Ankunft der ruffischen 
Generale denſelben entgegengingen und ſich unterwarfen ?). 
Dieje Handlungsweije, welche nicht getadelt werden fann, da 
die Berhältnifje jeden Widerftand unmöglich machten, ftimmte 
die Sieger zugunften Finnlands und trug zweifelsohne wejentlich 
dazu bei, daß ficb die Schreden des großen nordifchen Krieges 
diesmal nicht wiederholten. Bielleicht jchwebte auch der Ge- 
danfe dabei vor, daß es nicht zweckmäßig jei, ein Land aus— 
zuplündern, welches wenigjtens teilmeije ruſſiſches Beſitztum 
werden fönnte. Hierzu kam endlich, daß die Oberbefehlshaber 
de Fach und Keith, ald Männer mit wefteuropäiicher Bildung, 
zwedloje Gewaltmaßregeln verabjcheuten und demzufolge unter 
den ruffiichen Truppen die ftrengfte Disziplin aufrecht erhiel- 
ten. Im vieler Hinficht erwies fi die feindliche Occupation 
allerdings als drüdend; jo wurde 3. B. zum Unterhalt der 
rujfiichen Armee eine bedeutende Steuer ausgejchrieben. Ein 
noch größeres Übel war, daß die Bevölferung der Kaijerin 
Eltjabetb und jpäter auch dem von ihr auserfehenen Thron— 


1) Akten der finnischen „Flüchtlingskommiſſion“ und ber „Beichwerbe 
deputation“ im „Schwed. Neihsardiv“. 
2) Ausführlicher Handelt darüber Danielion 1. c., p. 41899. 


346 Bierte Periode. Der große nordiſche Krieg und die Freiheitgzeit. 


erben, Peter von Holftein » Gottorp, den Eid der Treue leiſten 
mußte, was übrigens im ganzen Yande widerftandslos geichab. 

Die Landesverwaltung lag anfangs in ben Yänden des 
Generals Keith, welcher am 7. September in Abo eintraf. 
Seine Maßnahmen waren fichtlicd von dem Beſtreben geleitet, 
die auf dem Volke ruhenden Yaften möglichjt zu erleichtern. 
Der größere Zeil der rujfiichen Armee wurde in die Heimat 
zurüdgefchidt; in Finnland blieben nur etwa 9000 Mann, 
welche auf dem Yande einquartiert wurden. Die Provinz 
Kymmenegärd, deren Bevölterung am meijten durch den Krieg 
gelitten hatte, blieb ganz und gar von Ginquartierung befreit, 
und in das Innere des Landes wurde nur eine verhältnis: 
mäßig ſchwache Truppenmacht gelegt. Die Küftenftriche in- 
deſſen, in denen eine Landung jchwediichen Kriegsvolkes nach 
Frühlingsanfang denkbar erichien, erhielten eine größere Be— 
ſatzungsmannſchaft. Nach Dfterbotten wurde im September 
als Höchfter Militär: und Zivilbefehlshaber der Generalmajor 
Chriſtoph Theoph. v. Kindermann mit fünf Negimentern ent- 
jandt. In Birkkala begegneten demjelben Provinzialdeputierte 
unter Yeitung des jchon früher (vgl. ©. 298.) genannten, nun= 
mebrigen Pfarrers in Ilmola, Gabriel Peldan, welcher die in- 
folge der vorbergebenden Mißernten ungünftige Yage des Yandes 
jchilderte und um Yinderung der Not bat. Auf Grund dejjen em- 
pfingen die öſterbottniſchen Stände die Erlaubnis, in Waſa zu— 
jammenzutreten, um mit Kindermann über Mittel zum Unterhalt 
der ruffiichen Truppen jowie über die Verwaltung der Yandes- 
bauptmannjchaft zu beratichlagen. In der That fand eine 
ſolche Zujammenfunft in den erften Oftobertagen jtatt, wobei 
die Repräjentanten der Stände der rufjiichen Kaiſerin den Eid 
der Treue leifteten, während Kindermann verjprach, nach ſchwe— 
diſchem Geſetz zu regieren ). Am 18. Oktober trat auch in 
Abo eine Verfammlung von Vertretern der in Abo-Björneborg 
angefiedelten Edelleute, Geiftlihen, Bürger und Bauern zu: 
jammen. Es fam bier zur Wahl einer Deputation von je 


1) Kostinen, Suomen kansan historia II, 400sqq. (Helfingfors, 
1882). 


Die Verwaltungen Keiths und Campenhaufens. 817 


zwei Mitgliedern jedes Standes, welche nah Moskau reifen 
jollte, um die Ernennung des Herzogs Karl Peter Ulrich von 
Holjtein zum Großfürjten Finnlands zu erbitten. Dieſe Abficht 
wurde jedoch, auf Verlangen der Kaijerin Elifabeth, von den 
ruſſiſchen Generalen hintertrieben ?). 

Es wäre für Finnland günftig gewejen, wenn Keith die 
Dberleitung behalten hätte. Aber am rujfiichen Hofe war man 
der Meinung, daß eine Militärperfon nicht auf die Dauer 
Angelegenheiten rein friedliher Natur handhaben dürfe. In— 
folge dejfen wurde im Oktober Balthafar v. Campenhaufen *) 
zum &eneralgouverneur des Landes ernannt. Sein Wirfungs- 
freis war jehr ausgedehnt, da er über alles, was zur Okonomie, 
Rechtspflege ſowie zum Kirchenweſen gehörte, zu entſcheiden hatte, 
alle königlichen Rechte ausübte, ſelber als Präſident des Hof— 
gerichts fungierte, Richter ſowie andere Beamte ernannte, re— 
gale Paſtorate vergabte u. ſ. w. Nach längerem Verweilen 
in Südfinnland traf er am 2. Januar 1743 in Abo ein. Die 
Militärverwaltung wurde nunmehr von der Ziviladminiftration 
getrennt, indem Keith den Oberbefehl über die Dccupations- 
truppen, Campenhauſen aber alle übrigen Angelegenheiten über- 
nahm. Die Verwaltung der Yandeshauptmannjchaften wurde 
jo geordnet, daß der Landkämmerer Karl Krompein und ein 
lioländifher Edelmann, QTungelman Edler von Aodlerflug, die 
Verwaltung von Kymmenegärd-Nyflott und Nyland-Tawajtehus 
mit dem Titel eines Oberfommiffars übernahmen, während in 
Abo-Björneborg Campenhauſen jelbft die Adminiftration behielt 
und in Ofterbotten Kindermann bis zum Frühjahr Zivil- und 
Militärchef blieb, worauf die Zivilverwaltung einem ehemaligen 
finnifchen Offizier, Hougberg, mit dem Titel eines Oberland- 
richter8 übertragen wurde. Um einen ungeftörten Gang ber 
Rechtspflege zu ermöglichen, wurde ferner das Aboer Hofgericht 


1) Danielfon I e, p. 47. 

2) Er war im Kirchſpiel Wöraä (OÖfterbotten) geboren und eine Zeit 
lang im Kanzleitollegium zu Stodbolm beichäftigt, trat jedoch fpäter in 
ruſſiſche Dienſte. Bol. über ihn 8. DO. Lindegpift, Pikku vihan aika 
Suomessa, p. 27sq. (Tawaftehus, 1889). 


348 Vierte Periode. Der große norbiihe Krieg und die Freibeitszeit. 


wieder errichtet; die dortigen Nichterftellen wurden teils mit 
Unterbeamten, teils mit aus Finnland gebürtigen ruffiichen 
Unterthanen bejegt. Die Leitung des Hofgerichts übernahm 
der Diftriftsrichter Yenäus mit dem Titel eines Vizepräfidenten. 
Was ſchließlich das Kirchenregiment betraf, jo erfolgte in Abo 
die Einjegung eines Konfiftoriums, deſſen Vorſitzender, der 
Pfarrer und Profefjor Wallenius, gleichzeitig die bijchöfliche 
Autorität in beiden Stiften ausübte. 

Die Gewaltthätigkeiten während des großen nordifchen Krie— 
ges, wie Plünderung von Kirchen, Fortichleppen friedlicher Be— 
wohner u. ſ. w., wurden nicht wiederholt. Allerdings famen hier 
und da, injonderheit in den mehr entlegenen Orten, Ungeſetzlich— 
feiten vor; aber der gute Wille der ruſſiſchen Zentralbehörden, 
die Aufrechterhaltung von Ordnung und Recht zu überwachen, 
muß dennoch anerkannt werden. Mehr als andere hatten die 
Bewohner der Rirchipiele im füdweftlihen Schärengarten An- 
laß zu Bejchwerden. Gegen Frühjahr begannen nämlich die 
Ruffen Galeeren zu bauen, um ihre Flotte für die Kämpfe 
des fommenden Sommers zu verftärfen, wobei die Einwohner 
auf den Schären und im jüdweftlichen Finnland gezwungen 
wurden, Holz aus den Wäldern herbeizujchleppen und als Zimmer- 
leute Frondienjte zu leiften. Noch größeres Mißvergnügen 
erregte die von der ruffiichen Aominiftration angeordnete Aus- 
bebung von Matrojen zur Bemannung der ruffiichen Kriegs- 
Ichiffe, eine Maßnahme, welche den erteilten Zuficherungen 
entjchieden zumiderlief, glüclicherweije übrigens in größerer 
Ausdehnung nicht zur Ausführung gelangte. Auch jonjt be- 
gannen die ruſſiſchen Befehlshaber im allgemeinen gegen Ende 
der Occupationgzeit ein Mißtrauen und eine Neizbarfeit an 
den Tag zu legen, welche leicht zur Ergreifung von gewaltjamen 
Mapregeln hätte führen fünnen. Man befürchtete den Aus— 
bruh einer Empörung und hatte in der That Grund zu 
einer jolchen Befürchtung. Eine Verfchwörung war im Ent: 
jtehen begriffen, welche darauf abzielte, die finnische Be— 
völferung zum Abſchütteln des rujjischen Joches zu veranlaffen. 
Unter der Borausfegung, daß eine ſchwediſche Truppenmacht 


Die ruffiihe Decnpation. 349 


von 2000—3000 Mann an der Küfte Finnlands landen und 
zum Entſatz beranrüden würde, wollte man fich der Vorräte 
an Proviant und Munition bemächtigen und an einem be— 
jtimmten Tage das ruſſiſche Militär in allen Städten Finn- 
lands überrumpeln. Als einer der Urheber diefes Planes wird. 
der Dozent an der Aboer Akademie, Iſaak Roß, bezeichnet ; 
doch weiß man darüber nichts Näheres. Übrigens kam eine 
DBerwirklihung des Projekts um jo weniger in Frage, ale 
feine jchwediiche Armee in Finnland zu landen vermochte. In— 
dejjen gärte e8 unter den Bewohnern des Landes immer bef- 
tiger, während gleichzeitig das Verfahren der Ruſſen, nament= 
ih in den Küftenftrichen, z. B. im Kirchipiel Pargas, immer 
gewaltthätiger uud rüdfichtslofer wurde. Linzweifelhaft wäre 
das Los des Landes durch den geringiten Empörungsverjuch 
in hohem Grade verjchlechtert worden, da alle Verjprechungen 
jeitens der ruſſiſchen Regierung inbetreff milder Behandlung 
auf der DVorausjegung geruht hatten, daß die Bevölkerung 
Finnlands ihrerjeits völlige Ruhe beobachten und ſich in allem 
den Machtgeboten der ruſſiſchen Oberberrichaft gehorjam unter: 
werfen würde ’). 

Während fich dieje Begebenheiten in Finnland abjpielten, 
war am 20. Auguft 1742 in Stodholm ein meuer Reichstag 
zujammengetreten. Trotz des Krieges fanden ſich die Vertreter 
Finnlands nicht weniger zahlreich als jonft ein: jo z. B. Heinr. 
und Fabian Wrede, K. 9. Stiernftedt jowie Yars Joh. Ehren- 
malm; die Biſchöfe von Abo bezw. Wiborg, Ionas Fahlenius 
und Daniel Juslenius; der alte Friedensfreund Joh. Amnell; 
der oft genannte Ejaias Wechter, welcher anftatt Karl Merthens 
in Abo gewählt worden war; dazu der Bauer Jakob Pälsjon 
Heifus aus Kaitsorby im Kirchipiel Wörä, welcher, wie auf 
den beiden vorigen Reichstagen, als Förderer der öfterbott- 
nijchen Interefjen eine bedeutende Rolle ſpielte. Man hätte 
erwarten jollen, daß die finnischen Reichstagsabgeordneten, deren 


1) Bgl. W. ©. Lagus, Anteckningar ete., p. 7589q., fowie Teng= 
berg, Bidrag etc. II, 161 qq. 


350 Vierte Periode. Der große nordiſche Krieg und die Freiheitszeit 


Heimat infolge der Mißgriffe der Kriegspartei furchtbar ges 
litten batte, jett zur Mütenpartei übergehen würden; aber 
(eßteres war durchaus nicht der Fall. 

Eine bejondere Aufgabe der finnischen Volksvertreter war, 
die Folgen des Mißgeſchicks zu mildern, welches ihre Heimat 
betroffen hatte. Die bedrängte Lage, in welche die zahlreichen 
nach Schweden geflohenen Finnländer bald gerieten, hatte übri- 
gend die Regierung jchon frühzeitig zur Anordnung von Maß: 
nahmen zu ihrer Unterftügung veranlaßt. Bereits am 6. Auguſt 
1742, alſo mehrere Wochen vor der Kapitulation von Heljing- 
fors, wurde 2. I. Ehrenmalm zum VBorfigenden einer „Flücht— 
lingsfommiffion“ ernannt, welche Geldmittel für die notleidenden 
Finnländer einfammeln und auf zwedmäßige Weije verteilen 
jollte. Die ſchließlich zuſammengebrachte Summe von 90000 
Ihalern (Kupfermünze) wurde im Fleineren Poſten verteilt und 
auf ſolche Weije wenigftens die jchlimmfte Net gelindert. 

Man erkannte jedoch, daß dies nicht genügte. Das Be: 
wußtjein der verjammelten Stände, daß ihre Vorgänger in 
durchaus ungerechtfertigter Weije Finnland jo gut wie preis- 
gegeben hätten, und die Beforgnis, daß ganz Finnland oder ein 
größerer Teil bes Yandes von Schweden losgeriffen werden 
fönnte, riefen eine Fürſorge für Finnland wach, welche Jahr— 
zehnte fortdauerte und mehrere wohlthätige Maßnahmen vers 
anlaßte. 

Um die Abfaffung von Beſchwerde- und Klagejchriften zu 
erleichtern, erteilten die Stände den nach Stockholm entflohenen 
Finnländern das Recht, zu beſonderen „Nationsfonferenzen“ 
zujammenzutreten. Die von diejen VBerfammlungen ausgeben: 
den Petitionen wurden indeffen bald jo zahlreich, daß jie faum 
von den gewöhnlichen Deputationen behandelt werden fonnten, 
weshalb auf Vorjchlag des Adels eine „Finnische Beſchwerde— 
deputation“ errichtet wurde. Diefelbe begann am 28. Februar 
1743 ihre Thätigfeit und beſtand aus 30 Mitgliedern (12 Edel- 
leuten und je 6 Vertretern der drei übrigen Stände), unter denen 
fih jedoch nur 3 finnische Bauern befanden ; vermutlich, weil 
die Finnländer überhaupt in den der Deputation überwiejenen 


Die ſchwediſche Fürforge für Finnland. 351 


Angelegenheiten Partei waren. Der wichtigſte Gegenſtand der 
Beratungen wurde eine Schrift, worin die Finnländer um 
verſchiedene Zugeſtändniſſe zu ihren Gunſten baten, vor allem 
darum, daß diejenigen, welche mit Auflagen und Proviant zum 
Unterhalt der ſchwediſchen Armee beigetragen, aber keine Be— 
zahlung dafür erhalten oder ſonſt durch ſchwediſches Verſchul— 
den Nachteil erlitten hätten, vollſtändige Vergütung erhielten, 
ſowie daß über die von den Einwohnern erlittenen Verluſte 
nach Abſchluß des Friedens eine Unterſuchung eröffnet werden 
ſolle, um auf Grund derſelben Steuerfreiheitsjahre und Ab— 
gabenerleichterungen zu gewähren. In einer zweiten Schrift 
wurden dieſe Beſchwerden, unter Hinzufügung mehrerer neuen 
Punkte, wiederholt und gleichzeitig zahlreiche private Bittgeſuche 
ſowie Verzeichniſſe eingeliefert, welche über den Schaden, den 
Privatperſonen und Ortſchaften erlitten hatten, Bericht erjtat- 
teten. Denen Angaben zufolge hatten die nach Stodholm ge- 
jlüchteten Finnländer Eigentum im Werte von 5435935 Tha- 
lern (Kupfermünze) verloren. Die größte Schwierigfeit lag 
darin, daß feine Geldmittel zur Befriedigung dieſer verjchie- 
denen Anjprüche vorhanden waren. Allerdings beichloß die 
Deputation, daß die Verlufte, welche die Finnländer durch un— 
bezahlte Lieferungen jowie durch Verſchulden der jchwedijchen 
Armee erlitten hätten, ihnen zurüderjtattet werden jollten; doch 
vermochte fie feine Fonds zu diefem Zwecke aufzutreiben. Ebenſo 
ieblte e8 an den erforderlichen Gelomitteln, um inbezug auf 
Vergütung der beweglichen Habe der finnischen Bevölkerung 
entgegenzufommen. Hingegen zeigte jich die Deputation bin: 
fichtlih der Bewilligung von Steuererleichterungen freigebig 
und befürmwortete namentlich auch, daß unmittelbar nach Ab- 
ihluß des Friedens eine Unterſuchung über den Schaden, den 
die Bewohner Finnlands an feftem Cigentum erlitten hätten, 
an Ort und Stelle vorgenommen und im Anjchluß daran die 
Zahl der Steuerfreiheitsjahre feftgeftellt werden jollte '). 


)) Die Auferungen der Befchwerdedeputation batten unmittelbar die— 
ielbe Gültigkeit, wie die Beſchlüſſe der Reichsſtände. 


352 Bierte Periode. Der große nordiiche Krieg und die Freiheitszeit. 


Während man auf ſolche Weije nach Auswegen juchte, um 
die Spuren des Krieges zu verwifchen, entwarf man gleich- 
zeitig einen Plan, welcher Finnland mit gewaffneter Hand aus 
den Händen des Feindes zu reißen bezwedte. Mitte März 
1743 ging Oberft Mards von Württemberg mit etwa 1000 
Mann nach Aland hinüber, nahm eine dort befindliche ruſ— 
ſiſche Truppenabteilung gefangen und bemächtigte ſich der Injel 
jowie des gejamten umliegenden Schärengartend. Ferner mar: 
jchierte der tapfere Generalmajor Freudenfelt im April über 
Zornei bis in die Nähe von Uleäborg. Nachdem er jedoch 
am 19. Mai den Tod dur Ertrinfen gefunden, mußte jich 
jeine Abteilung wieder zurüdziehen. Unter jolchen Umftänden 
hing alles von den Erfolgen der jchwediichen Flotte ab. Der 
Chef des jchwediichen Galeerengejchwaders, Falfengren, machte 
am 20. Mai einen Angriff auf die ruffiiche Galeerenflotte unter 
Keith, wurde jedoch mit Verluſt zurückgeſchlagen und mußte 
nach Degerby bei Aland vetirieren. Diejem erften Mißerfolg 
folgte bald ein zweiter. Es gelang nämlich der großen ruſ— 
jichen Flotte unter Feldmarſchall de Lach, die jchwebiiche 
Kriegsflotte bei der Yandzunge von Hangö zu umjegeln und 
ſich mit Keiths Geſchwader zu vereinigen, worauf die beiden 
Feldherren, deren Fahrzeuge eine beträchtlihe Bejakung an 
Bord hatten, mit einer Pandung an der jchwebiichen Küſte 
und einer Wiederholung der Schredensfcenen von 1719 big 
1721 drohten. Diejer Ausgang war ein harter Schlag für 
die Bewohner Alands und des jüdweitlichen finnijchen Schären- 
gartens, die fi vor einem Jahre dem Feind unterworfen, 
beim Vormarſch der Schweden aber dieſen angejchlofjen 
hatten und nunmehr der Wache des Feindes zum Opfer 
zu fallen befürchteten. Scharenweije verließen jie ihre Hei— 
mat und juchten in Schweden Zufluht. Gin Verzeichnis 
nennt 3852 Perjonen, welche vier Tage hindurch auf allge- 
meine Koften in Stodholm Unterkommen und Verpflegung 
erhielten. 

Glüclicherweije waren inzwijchen die in den erjten Februar— 
tagen zu Abo eröffneten Friedensunterhandlungen jo weit fort- 


Die zweite Deputation für finnifche Angelegenbeiten (1743). 853 


geichritten, daß der Friedensjchluß jo gut wie entjchieden war. 
Man einigte fich jchlieglich dahin, daß Schweden den größeren 
Zeil von Savolafs behalten, hingegen die Provinz Kymmene— 
gärd mit Fredrifshamn bis an den wejtlichen Arm des Kym— 
menefluffes und das jüdliche Savolaks mit Willmanftrand jo- 
wie Nyflott mit einem Gebiet von zwei ſchwediſchen Meilen 
weitlih und nördlich von letztgenanntem Ort abtreten jollte, 
wodurch der Saimaſee im großen und ganzen ein ruſſiſcher 
Binnenjee wurde. Um die Bewohner der abgetretenen Landes— 
teile für die Zukunft ficherzuftellen, wurde ferner bejtimmt, 
daß fie feinem Gewiffenszwang in religiöfer Hinficht unter- 
worfen werben jowie die Privilegien und Rechte behalten jolf- 
ten, die jie unter jchwedijcher Herrichaft bejejjen Hatten. Am 
16. Juni wurden die Friedenspräliminarien unterzeichnet, deren 
Beftätigung durch den Aboer Frieden vom 7. Auguft 1743 
erfolgte. 

Kaum war der Abjchluß der Friedenspräliminarien bekannt 
geworden, als der Geheime Ausſchuß die Einjegung einer 
zweiten Deputation für finniſche Angelegenheiten beichloß. Dieſe 
„Deputation zur Negelung der finnijchen Angelegenheiten “, 
welche aus 15 größtenteils finnischen Mitgliedern beftand, trat 
am 13. Juli 1743 unter Yeitung des Yandeshauptmanns von 
DOfterbotten, Graf Guft. Creutz, zum erftenmal zufammen und 
bielt am 10. September ihre lette Konferenz ab’). Wie jchon 
S. 351 erwähnt, hatte jich die „Finniſche Bejchwerdedeputation“ 
zwar dafür ausgeiprochen, daß den Bewohnern Finnlands 
Steuerfreiheitsjabre zu gewähren jeien, aber nicht die Grundjäge 
beftimmt, nach denen dies gejchehen jollte.e Die Frage wurde 


1) Außer dem Vorſitzenden find von Mitgliedern der Kommilfion zu 
nennen: Der Major und ftellvertretende Landeshauptmann in Nyland, 
Karl Joh. Creutz, an deſſen Stelle jpäter Oberftlieutenant K. H. Sprengt- 
port trat; der Dompropft in Borga, Joh. Nylander; der Propſt in Waſa, 
Claudius Hebman; der Bürgermeifter in Borgä, Gabriel Hagert; ber 
Bürgermeifter in Gamla Karlebv, Erland Norden; fowie die Bauern Jal. 
Pälsion aus Oſterbotten, Matt Härkänen aus Karelien und Göran 
Mattsfon aus Korpo (Provinz Abo). 

Schybergſon, Geſchichte Finnlands. 23 


354 Vierte Periode. Der große nordifche Krieg und die Freibeitszeit. 


deshalb jeitens der „Negelungsdeputation“ von neuem aufge: 
nommen. Die #innländer batten in einem Memorial um 
fünfjährige vollftändige Steuerfreiheit gebeten, und in ber 
Deputation betonte der fareliiche Bauer Matts Härfänen, daß 
feiner Heimat, welche durch das gewaltthätige Vorgehen des 
Veindes furchtbar gelitten hätte, mit einigen wenigen Steuer: 
freiheitsjahren nicht geholfen wäre. Noch größere Anjprüche 
erhoben die finniſchen Städte, von denen die meijten zehn- bis 
zwölfjährige Befreiung von allen Abgaben und Kontributionen 
begehrten. Das Gutachten der Deputation lautete dahin, daß 
die ftädtijchen und ländlichen Bewohner Finnlands 1744 — 1746 
von Abgaben, Steuern und Kontributionen befreit bleiben jollten, 
während einer bejonderen Unterjuchung die Entjcheidung dar: 
über vorbehalten bleiben müffe, ob auf Grund von bejonderen 
Umständen noch ausgedehntere Steuerfreiheit für einzelne Per: 
jonen oder Ortichaften in Frage zu fommen habe. Der Bor: 
ihlag der Deputation wurde vom Geheimen Ausjhuß gut: 
geheißen und von der Regierung durch die Verordnungen vom 
3. Dftober und 9. November bejtätigt. Behufs Yinderung der 
Not erging außerdem die Verfügung, daß Getreide und Yebens- 
mittel während der allgemeinen Steuerfreiheitsjahre nicht aus 
Finnland erportiert, hingegen aus Eſthland und Livland zoll: 
frei eingeführt werben bürften. 

Abgejehen Hiervon, famen in der „Regelungsdeputation“ 
einige ragen zur Sprade, die, obwohl für den Augen 
blif von geringerer Wichtigkeit, doch für die Zukunft aus: 
gedehnter Landesſtriche von höchfter Bedeutung waren. Oſter— 
botten, welches fich feiner wachjenden öfonomijchen Macht immer 
mebr bewußt zu werden begann, jowie Savolaks und Karelien, 
welhe am härteſten von dem Mißgeichi der legten Jahre 
betroffen worden, waren die Gegenden, deren Bewohner in 
alfererfter Linie Entgegentommen und Fürſorge verlangten. 

Das Hauptziel der öfterbottnijchen Bevölkerung war die 
Durchjegung der alten Forderung eines Stapelrechts, wobei fie, 
wie auf dem Weichdtag von 1738, von ihrem ehemaligen 
Sandeshauptmann, dem nunmehrigen Präfidenten des Aboer Hof- 


Die ökonomiſchen Forderungen ber Landicaften. 355 


gerichts, K. Frölich, unterftügt wurden. Obwohl fich aber die 
Vertreter Ofterbottens innerhalb wie außerhalb der Depu- 
tation jener Angelegenheit aufs eifrigfte annahmen, jo mußte jich 
Oſterbotten jchließlich doch, wenigftens bis auf weiteres, mit 
einer beträchtlichen Minderung der Kopfjteuern ſowie mit dem 
Verjprechen einer Erniedrigung und gerechteren Verteilung der 
übermäßig drückenden Grundfteuern begnügen. 

Savolafs und Karelien begehrten zuvörderjt Unterftügung 
durch Gelddarlehen zur Linderung der berrichenden Not ſowie 
eine Entihädigung für das, was man während des Krieges zur 
Verteidigung der Heimat und zum Unterhalt der jchwebijchen 
Armee aufgewendet hatte; Forderungen, welche von dem Yandes- 
bauptmann Stiernſtedt befürwortet und jeitens der Depu— 
tation wie der Regierung genehmigt wurden. Schwieriger 
war jedoch die Ordnung des Handelöverfehrs in diejen Land— 
ichaften, zumal da diejelben nunmehr vom Saima- See ab- 
geiperrt waren und ihr Erportort, Fredrifshamn, in Ruß— 
lands Hände gefallen war. Allerdings erbot ſich Borgä, die 
Erzeugniffe von Savolats und Karelien aufzufaufen und ihnen 
die Produkte des Auslandes zuzuführen, wofern nur die Stadt 
das Stapelrecht, neue Marktplätze im Innern des Yandes jo- 
wie andere Vorteile erhielt. Allein biergegen protejtierten 
Abo und infonderheit das eiferfüchtige Helfingfors, jo daß die 
ganze Frage unentjchieden blieb. 

Weiter fam bei den Konferenzen der Deputation eine 
Menge von ökonomiſchen Fragen zur Spracde, jo z. B., wie 
dem jchwierigiten Hindernis für Yinnlands Wohlergehen, dem 
Bevölferungsmangel, abzubelfen jei. In leterer Hinficht dachte 
man an eine Überführung von Koloniften aus den volkreicheren 
Gegenden Schwedens nach Finnland, um dort neue Anfiede- 
lungen zu begründen. Da aber die Zeit zur Beſchlußfaſſung 
über diefe Fragen allzu knapp bemeſſen war, beantragte bie 
Deputation die Einjegung einer „Öfonomietommiffion“, welche 
den oben angedeuteten Angelegenheiten eine umfafjendere Prü- 
fung angedeihen lafjen jolltee Durch diejen Vorjehlag nahm 
die Deputation die Imitiative bei der Frage, betreffend das 

23* 


356 Vierte Periode. Der große nordiiche Krieg und die Freiheitszeit. 


ökonomische Aufblühen Finnlands, einer Frage, welche in der 
folgenden Zeit ein Hauptgegenftand der Aufmerkiamfeit für die 
Bewohner Finnlands wurde. 


Unmittelbar nach der Natififation des Friedens begannen 
die ruifischen Truppen aus Finnland abzuziehen, und in den erjten 
Dftobertagen hatten fie das Yard beinahe volljtändig geräumt. 
Diesmal war der feindliche Bejuch von allzu furzer Dauer 
gewejen, um nachhaltige Spuren bei der Verwaltung zu hinter: 
laffen. Nur die neue Grenzregulierung bereitete Schwierig: 
feiten. Landeshauptmann Stiernftedt, welcher jchwebijcherjeits 
die langjährige und wegen Streitigfeiten oft völlig abgebrochene 
Bermeffungsarbeit leitete, juchte vergebens eine für Schweden 
vorteilhafte Grenzlinie an der Mündung des Kummenefluffes 
zu erwirfen; hingegen gelang es ihm, das auf den Friedens 
traftat feineswegs gegründete Verlangen der Ruſſen nach den 
Gebieten am Puumalaſund zurückzuweiſen, jo daß diejer in 
jtrategiicher wie fommerzieller Hinficht wichtige Punkt bei 
Schweden verblieb. Die endgültige Grenze ging vom weit: 
lichen Arm des Kymmenefluſſes und üftlih von Anjala in 
nordnordwejtlicher Richtung nach Mäntyharju, von dort öftlich 
durch den nördlichen Teil des Saima ſowie ſchließlich nördlich 
längs des jechsundvierzigiten Yängengrades bis ins Kirchipiel 
Rantaſalmi, von dort endlich in gefrümmter Yinte bis zur alten 
Grenze zwiichen Schwediich- und Ruſſiſch-Karelien. Das ab: 
getretene Gebtet, etwa 226 geographiiche Quabratmeilen, war 
verhältnismäßig arm und verödet, jo daß der materielle Berluft 
nicht als bedeutend bezeichnet werden kann. Andrerſeits rief 
jedoch der Friedensſchluß zahlreiche Umwälzungen in den Grenz— 
gegenden, jowohl im öffentlichen wie im privaten Leben, hervor. 
Kirchipiele, welche jeit der fatholifchen Zeit zu der Krone 
Schweden gehört hatten, waren jegt in verſchiedene Zeile ge- 
jpalten. Einzelne Bauerngüter lagen teils auf jchwedijcher, 
teils auf ruffiicher Seite. Die Kaufleute Fredrikshamns juchten 


Die neue Grenze. 357 


noch vergebens nach einem Plag, wo fie ihr Heim aufichlagen 
fönnten. Alles dies erzeugte einen Zuftand von Unficherbeit, 
welcher lange den Verhältniffen an der Oftgrenze feinen Stempel 
aufdrückte }). 

Slüclicherweife hatte das Yand in ökonomiſcher Hin- 
ficht weniger gelitten, al8 zu befürchten gewejen war. Auf 
den großen Heerjtraßen, namentlich im öftlihen Nyland und 
an der Küfte, waren die Yaften freilich drückend genug gewejen ; 
aber im übrigen war die feindliche Occupation in den brei 
mwejtlichen Yandeshauptmannjchaften Finnlands ohne jchwerere 
Schädigung vorübergegangen. Nur in Kymmenegärd, wo fich 
die Bewohner in leivenjchaftlicher Vaterlandsliebe für die Ver: 
teidigung der Heimat aufgeopfert hatten, hatte die Herrichaft 
des Feindes einen etwas härteren Charakter angenommen. 
In Karelien hatte ein großer Teil der Bevölferung während 
der Occupationszeit in entlegenen Wäldern gelebt. 

Da in Anbetracht dieſer VBerhältniffe die auf Vorjchlag der 
„Regulierungsdeputation“ den Bewohnern Finnlands bewilligte 
Steuererleichterung unverhältnismäßig groß erfchien, wurde 
am 23. Auguft 1744 vom Reichsrat eine Veränderung bin: 
ſichtlich der Steuerfreiheitsjahre bejchloffen. Der früher oft 
genannte %. 3. Ehrenmalm erhielt den heiklen Auftrag, die 
abgeänderten Beichlüffe den Finnländern möglichjt mundgerecht 
zu machen. Er begann feine Verrichtung in Abo, wo er mit 
um jo größerer Autorität aufzutreten vermochte, als er gerade 
damals zum ftellvertretenden Landeshauptmann von Abo-Björnes 
borg ernannt worden war. Die Bürger der Stadt waren 
anfangs zur Zuftimmung wenig geneigt; doch gelang es ihm 
durch Überredung und wiederholte Vorftellungen, am 5. No- 
vember ihre Einwilligung darein zu erwirken, daß die Steuer- 
freiheit nur für die Hälfte der Abgaben gelten, aber auf ſechs 


1) In Sääminge und Kerimäli, wo man fi über die Grenzlinie 
nicht einigen fonnte, entjtanden zwei Meine neutrale Gebiete, deren Be— 
wobner feinem ber beiden Neihe Steuern zablten. Bgl. ©. G. Herme— 
lin, Geografiska kartor öfver Sverige i 4 afdelningar (Stodbolm, 1797 
bis 1807). 


358 Vierte Periode. Der große norbiiche Krieg und die Freiheitszeit. 


Jahre ausgedehnt werden ſollte. Noch jchmwieriger zeigte ſich 
das in der Nähe mwohnende Landvolk, welches bijtriftöweije 
einberufen wurde. Obwohl ſich Chrenmalm auf das Bei— 
ipiel berief, welches die Aboer Bürgerjchaft gegeben, waren 
die Vertreter des gemeinen Mannes dennoch anfangs wenig 
zum Gntgegenfommen geneigt. Aber auch bier erzielten jeine 
inftändigen Vorſtellungen jchlieglih ein günſtiges Reſultat, 
ebenio in den übrigen Kirchipielen und Städten der Landes— 
bauptmannjchaft. In Diterbotten, wo Ehrenmalm Anfang 1745 
eintraf, waren die Städte zum Eingehen auf die Aboer Be- 
dingungen geneigt; aber auf dem Yande jtieß er auf jtarfen 
Widerftand, bejonders im jüdlichen Zeil der Yandjchaft, wo 
während des Winters 1741/42 ruffiihe Truppen in beträcht- 
liher Menge einquartiert gewejen waren. Nur Ilmola gab 
nach, während die übrigen Kirchipiele jo gewichtige Gründe 
gegen jedes Zugejtändnis geltend machten, daß Ehrenmalm auf 
Erfüllung jeiner Forderungen nicht dringen zu können glaubte. 
Im nördlichen Oſterbotten fette er es hingegen durch, daß 
jih die geborgenen Hofbefiter anftatt der drei vollftändigen 
Steuerfreiheitsjahre mit einem ganzen und vier halben be- 
gnügten. In Nyland-Tawaſtehus verjtanden fich die Städte, 
ausgenommen das erjt vor Furzem durch eine Feuersbrunft zer: 
jtörte Zamaftehus, nach langwierigen Unterhandlungen zu Kon— 
zeiftionen, während auf dem Yande nur etwa die Hälfte der 
Kirchipiele auf die Bedingungen einging, welche der gemeine 
Mann im nördlichen Dfterbotten angenommen hatte. — Die 
Aufgabe, die Bevölkerung der entlegenen Provinz Kymmene— 
gärd zu den gewünjchten Zugeftändniffen zu bewegen, wurde 
dem Yandeshauptmann Stiernjtedt übertragen. Derjelbe riet 
von dem in den übrigen Yandichaften eingejchlagenen Verfahren 
ab und empfahl ftatt deffen eine einfache Bekanntmachung des 
Inhalts, daß fortan die Hälfte des Steuerbetrags erhoben 
werben jollte ?), was denn auch in der zweiten Hälfte des Jahres 


1) Schreiben der Pandeshauptleute von Abo - Björneborg; Alten ber 
finniichen Deputation 1746/47 ꝛc. im „Schwed. Reihsardhiv“, 


Das Herabieen der Steuererleihterungen. Degerby wirb Stapelplat. 359 


1745 in ber ganzen Yandeshauptmannjchaft, mit Ausnahme 
der jüdlichen, gänzlich verarmten Grenzfirchipiele, geichab. 

Gleichzeitig wurde eine andere ſeit dem leßten Reichstag 
rubende Angelegenheit entjchteden, indem die Regierung einen 
Stapelort für den Handel Oftfinnlands auserſah. Die da- 
mals und auch jpäter mit großem Eifer von den Bürgern 
Borgaͤs betriebene Agitation, daß ihre Stadt durch Gewährung 
des Stapelrecht8 der Erportplag Oftfinnlands würde, jcheiterte 
an dem Widerftande StiernftedtS und der flüchtigen Kaufleute 
von Fredrikshamn. Die letsteren wollten nämlich eine eigene 
neue Stadt gründen, und ihre Sache wurde von dem hervor: 
ragendjten und Teichften unter ihnen, dem Ratsherrn Jakob 
Forjell, jo eifrig und jo geſchickt vertreten, daß fie jchließlich 
ihren Willen durchjegten. An Stelle von Lilla Abborfors, an 
welches man zuerjt gedacht hatte, wurde Degerby (18 Kilometer 
weitlih von der Mündung des Kymmenefluffes) zum Stapel- 
platz auserſehen. Am 25. Juni 1745 erhielten die ehemaligen 
Kaufleute von Fredrikshamn das Recht, fih in der neuen 
Stadt niederzulafjen, welche das Stapelrecht jowie andere Vor— 
teile erhielt, Nefidenz des Yandeshauptmanns wurde und durch 
ihre Privilegien einige Bedeutung gewann, aber allzu weit im 
Weiten lag, um als Mittelpunkt für den Handelöverfehr Dit- 
finnlands dienen zu können. Im Jahre 1752 wurde die Stadt 
nach der Königin Luiſe Ulrife, der Schweiter Friedrichs des 
Großen, „Lowija* genannt. 

Die Periode einer unumpftrittenen Herrichaft der Hüte, 
welche auf dem Reichstag von 1646/47 begann, wird in ber 
Geichichte Finnlands durch eine abminiftrative Veränderung be- 
zeichnet, indem der finnische Generalgouverneurspoiten, welcher 
jeit dem vorhergehenden Jahrhundert in Bergefjenbeit geraten 
war, wieder ins Leben gerufen wurde Am 13. Februar 1747 
ernannte die Regierung den Reichsrat Graf Guſtav Friedr. 
v. Roſen zum finnifchen Generalgouverneur. Gegen Ende des 
Maimonats begab fich derfelbe nach Abo, wo er einige Zeit blieb, 
um fich jpäter in Heljingfors niederzulafien, welches nunmehr 
zum militäriichen Zentralpunft Finnlands auserjehen war. 


360 Bierte Periode. Der große nordiſche Krieg und die Freibeitszeit. 


Obwohl v. Roſen laut Inftruftion ?) die Oberaufficht über 
alfe militärifchen, administrativen und öfonomijchen Angelegen- 
beiten Finnlands anvertraut war, jo mußte er doch jeine 
Thätigkeit im wejentlichen auf die minder ebrenvolle Aufgabe 
beiehränfen, die Intriguen zu enthüllen, welche Rußland in 
Finnland anzuzetteln verjuchtee Der ruffiihe Gejandte Panin 
und namentlich jein Sekretär Johann Simolin, welcher einem 
finniſchen Geichlecht angehörte, thaten nämlich alles Mögliche, 
um durch Beitehung und durch andere Mittel Anhänger für 
Rußland zu werben, und natürlich waren ihre Blide in diejer 
Hinficht bejonders auf das benachbarte Finnland gerichtet. Sie 
hatten jedoch Hierbei in Finnland noch weniger Erfolg als in 
Schweden ?), wie u. a. daraus hervorgeht, daß v. Roſen und die 
Candeshauptleute, denen von der Regierung die jorgfältige Über- 
wachung aller Machinationen anbefohlen war, wiederholentlich 
bezeugten, daß alles im Yande ruhig jet, und daß fich auch 
nicht die geringjte Unruhe beim Publikum verjpüren laffe Nur 
einige wenige Perjonen wurden Gegenjtand gerichtlicher Ver— 
folgung, u. a. der Prediger in Wünd, Thomas Pacchalenius, 
welcher im Herbſt 1748 auf einen faljchen Verdacht bin nach 
Stodholm gebracht, nach zwetjährigem Prozeß jedoch wegen 
mangelnder Beweije freigejprochen wurde *). Ein thatjächliches 
Berbrechen lag indefjen der Unterfuchung gegen ob. Heinr. 
Wijkman zugrunde, welcher Bürgermeifter in Brabeftad und 


1) Diefelbe, vom 5. Mai datiert, ift gebrudt in: „Svenska Literatur- 
sällskapets i Finland förhandlingar och uppsatser III, 182 — 199 
(Helfingfors, 1888). 

2) Zu den Anhängern Ruflands in Schweden gehörten u. a. zwei 
Finnländer: der Propft in Nerpes, Heinr. Job. Carlborg, und der Hofgerihts- 
rat Adanı Fredenftjerna (Schüb). Adam Schütz, 1726 unter dem Namen 
Fredenſtjerna geadelt, war 1685 in Wiborg geboren. Seit 1721 Aſſeſſor 
im Aboer Hofgericht, ging er 1728 in gleicher Eigenfhaft an das Svea— 
Hofgeriht, war 1758—1768 Präfident im Aboer Hofgeriht und dann 
bis zu feinem Tode (1772) Präfident im Svea-Hofgericht. Separatijtifch- 
finnifche Gefihtspunkte waren ihm übrigens fremd. Bol. I.R. Daniels 
ion 1. e., p. 423sqg. 

3) Bol. 8. G. Malmjtröm l. c. Ill, 335. 


Roſen der letzte ſchwediſch-finniſche Generalgouverneur. 361 


Richter in Savolaks geweſen war und Braheſtad auf dem 
Reichſtag 1738 vertreten hatte, ſpäter jedoch in allerhand 
Schwierigkeiten geriet und ſchließlich gegen das Verſprechen einer 
reichlichen Entſchädigung es übernahm, in Finnland zugunſten 
der Abſichten Simolins zu wirken. Im Winter 1750/51 be— 
ſuchte er zu dieſem Behufe einzelne Perſonen in Savolaks 
und Nyland, ohne jedoch etwas auszurichten. Gleichzeitig trat 
er in Verbindung mit dem Major Hans Heinrich Boije und 
dem Sekretär v. Rojens, Karl Kroof, die jcheinbar in Simoling 
Sold ftanden. Im Mai 1751 wurde Wijkman, deſſen ſämt— 
lihe Schritte überwacht worden waren, als Gefangener nach 
Stodholm gebracht, wo er vor einen außerordentlichen Gerichts- 
bof gejtellt und am 7. September 1751 hingerichtet wurde ). 

Übrigens begann man bereit8 damals einzujehen, daß das 
Generalgouvernement ein unnützes Berbindungsglied zwijchen 
der Stodholmer Regierung und den finniſchen Behörden war, 
da es nur zu ungwedmäßiger Einmijchung in die Wirkſamkeit 
der Yandeshauptleute und Militärbefehlshaber führte, ohne daß 
jein Nuten den dafür aufgewandten Koften auch nur im ge- 
ringiten entiprochen hätte. Mit Rückſicht auf v. Roſens Alter und 
Berdienjte wollte man jedoch nicht feinem Bleiben in Finnland 
ein plößliche8 Ende bereiten, jondern ließ ihn dort bis zum 
Juli 1754. v. Roſen ift Finnlands letter Generalgouverneur 
unter ſchwediſcher Herrichaft geweſen. 

Bon großer Bedeutung für Finnland war die Einberufung 
einer „Verteidigungsdeputation“ auf dem Reichstag von 1746/47. 
Dean Hatte um jo mehr Urfacdhe, an das finniiche Vertei— 
digungswejen zu denken, als auch ausländiiche Mächte auf den 
ſchwachen Zuftand desjelben aufmerkjam geworden waren. Aber 
mit Recht meinte die Deputation, in welcher bejonders Graf 
Heinrich v. Liewen und der Artillerie-Oberftlieutenant Auguftin 
Ehrenjvärd ?) ihre Anfichten zur Geltung brachten, daß nichts 


1) gl. „Historiallinen Arkisto“ IV, 24—99 (Helfingfors, 1874). — 
v. Roſens Berichte an den Kanzleipräfidenten Teifin im „Schwed. Reichsarch.“. 
2) Sohn eines der finnifchen Offiziere Karls XII., war er 1710 ge— 
boren, betrieb umfafjende Studien unter Leitung des berühmten Ingenieure 


362 Vierte Periode. Der große nordiihe Krieg und die Freibeitgzeit. 


gewonnen wäre, wenn man, wie es 1721—1741 der Fall 
geweien, das Geld zur Errichtung Eleiner, unbedeutender Erd— 
wälle verwenden wollte, die kaum feindlichen Streifzügen wider— 
jtehen könnten. Vielmehr jei eine Grenzfeftung von ſolchem 
Umfang anzulegen, daß fie von 2000 Mann verteidigt wer- 
den, im Notfall aber 6000 Mann oder noch mehr beherbergen 
fünne. Als Pla für dieſe Feſtung nahm man von Anfang 
an die neue Stadt Degerby in Ausficht. Für noch wichtiger 
erachteten YPiewen und Ehrenſvärd die Wiederaufnahme des 
jeit 1738 rubenden Projekts, betreffend den Bau einer großen 
Seefeftung, welche als Waffen: und Sammelplag für die Armee 
ſowie als Hafen für die Flotte dienen ſollte. Daß eine jolche 
Feſtung an der finnischen Südfüfte liegen müſſe, hielt man für 
um jo jelbftverftändlicher, als jümtliche Angriffe des Feindes 
bisher in alfererfter Reihe gegen die Südküſte gerichtet gewejen 
waren, und Rußland erft, nachdem es jich derjelben bemächtigt 
batte, Herr über das Innere des Yandes geworden war. 
Helfingfors war nach der Anficht der Deputation der für 
eine ſolche Anlage zwedmäßigite Ort. Dieje allgemeinen 
Grundprinzipien für Finnlands fünftiges Verteidigungswejien, 
welhe von Chrenjvärd vorgelegt und von Liewen lebhaft 
befürwortet wurden, fanden die Zuftimmung der Verteidigungs: 
deputation und des Geheimen Ausſchuſſes, welch legterer bie 
Beichlüffe am 18. März 1747 der Regierung übermittelte. — 
Gleichzeitig war die Verteidigungsdeputation bemüht, durch 
Ergänzung und Ausrüftung der Negimenter jowie durch Res 
organijation der feit 1741 wieder in Vergeſſenheit geratenen 
Rejervemannjchaften, welche jet jedoch, trotz jcheinbarer Frei— 
wilfigfeit, den Charakter einer ftehenden Miliz erhielten, die 
finniſche Armee wieder inftand zu jegen. Nur in Karelien 


Polhem und erweiterte dann feine Kenntniffe dur Tangen Aufenthalt im 
Auslande. Er war einer der wenigen, bie fidh während des Feldzuges 1741/42 
durch Tapferkeit auszeichneten. Nachdem er 1745/46 unter Friedrich dem 
Großen in der preufiihen Armee gedient batte, wurde er 1747 zum 
Oberftlieutenant ernannt. — Baal. 8. Fr. Wärn, A. Ehrensvärd, 
Minnestal i Svenska Vetenskapsakademien (Stodbolm, 1876). 


Die Gründung der Feſtung Sveaborg. 363 


blieb, dem Wunfche der Bevölkerung gemäß, der Landſturm 
bejtehen, wie er 1742 in Wirkſamkeit getreten war. Auf folche 
Weije entjtanden die jogenannten „Savolafier Freicorps“ N). 

Das Hauptgewicht ruhte indeffen auf der Feitungsbauange- 
fegenbeit, die mit jolchem Eifer betrieben wurde, daß eine Kom— 
miljion, welcher Ehrenjvärd und Liewen angehörten, jchon im 
Sommer 1747 nach Finnland ging, um an Ort und Stelle 
einen Plat für die projeftierten Feſtungen auszuerjehen. Nach 
ihrer Rückkehr beantragte die Kommijjion die Anlage einer 
Grenzfeftung bei Degerby jowie eines großen Waffenplates auf 
den Inſeln bei Helfingford. Nach Genehmigung dieſes Vor: 
ichlags wurden energiiche Maßnahmen zu jchleuniger Vornahme 
der Arbeiten getroffen, je vier Tonnen Gold für die nächften 
vier Jahre bewilligt und, was nicht minder wichtig war, die 
Leitung aller Fortififationgarbeiten an Ehrenſvärd übertragen. 
Bereitd Ende 1747 begab fich dieſer nach Finnland, worauf 
das aroße Unternehmen unmittelbar ins Werf gejett wurde. 
Als Arbeiter waren anfangs nur finnische Soldaten, ſpäter 
aber auch Truppen aus Schweden und einige geworbene Mann— 
ichaften thätig. Die Zahl der Arbeiter ſchwankte zwiſchen 6000 
und 12000 Mann. 

Auf dem Reichstag von 1751/52 erntete Ehrenjvärd reiches 
Lob für die bereits ausgeführten Arbeiten; ferner erhielt er 
weitere noch größere Geldmittel zur Vollendung der Feltung, 
welche 1750 den ftolzen Namen Sveaborg empfangen hatte. 
Auch auf dem Reichstag von 1755/56 vermochte er die Stände 
zu neuen bedeutenden Opfern für das große Ziel zu begeijtern, 
und e8 wurde nunmehr u. a. die Ausdehnung der Befeftigungen 
auf die Stadt Helfingfors jelbit beſchloſſen. 

Gleichzeitig wurde an den BBefejtigungen bei Yowija ge- 
arbeitet, wo Joh. Jakob Nordencreug unter Ehrenjvärds Ober- 
aufficht den Feitungsbau leitete. Es ftellte fich jedoch bald 
heraus, daß das dortige Terrain in hohem Grad ungünftig 


1) K. M. Kivinen, Anteckningar om Nord-Karelska fricorpsernas 
företag, p. 15—17 (Helfingfors, 1865). 


364 Bierte Periode. Der große nordifche Krieg und die FFreibeitszeit. 


war, weshalb der uriprüngliche Plan nur in wejentlich ver— 
mindertem Umfange zur Ausführung gelangte. Hingegen wurde 
die Befejtigung der vor Yowija belegenen Inſel Svartholm 
energijch betrieben, und legtere bildete fortan das Hauptfeftungs- 
werf an der Grenze. 

Schon in feinem erjten Projett vom März 1747 batte 
Ehrenjvärd als einen wejentlichen Faktor in dem Vertei— 
digungsweien Finnlands bezeichnet, daß die Feſtungen mit einem 
Galeerengeſchwader in Verbindung ftänden, welches die Ver— 
teidigung von der Seejeite ber übernehmen ſollte. Diejer Plan 
wurde von ihm auf dem Neichstag von 1755/56 mit großer 
Energie wieder aufgenommen und von dem Geheimen Ausichuß 
vollftändig genehmigt, indem derjelbe bejtimmte, daß das Ga— 
leerengejchwader aus 90 Galeeren bejtehen jollte, darunter 30 
jtetS bei Speaborg ftationierten. Der Oberbefehl über dieſe 
Flotte wurde Ehrenjvärd anvertraut; doch behielt er gleich» 
zeitig die Yeitung der Fortififationsarbeiten in Finnland jowie 
jeinen Boften als Chef der Artillerie ?). 

Auch in ökonomiſcher Hinficht war die Periode 1747—1756 
für Finnland von hoher Bedeutung. Was zunächit die Grof- 
induftrie betrifft, jo gab es in Öfterbotten, im weftlichen Finn- 
land und in Nyland Eijenhütten in großer Anzahl. Cine noch 
bedeutendere Entwidelung hatten die Sügewerfe genommen, 
von denen ed 1746 in Nyland-Tawaftehus, einem Bericht des 
dortigen Landeshauptmanns zufolge, 27 gab. In Ofterbotten 
war die Schiffbauinduftrie in jchnellem Aufblüben begriffen. 
Hingegen hatte die Kabrifation von Baumwollen-, Wollen- nud 
Seidenwaren in Finnland nur in geringem Maße Wurzel ge: 
faßt; bloß eine von Eſaias Wechter angelegte und vom Staate 
jubventionierte Kleiderfabrit bei Abo war von nennenswerter 
Bedeutung. 

Bor allem aber galt es, den arg vernachläffigten Aderbau 


1) Während diefer Periode (1745) wurbe bie finnische Armee nur durch 
Errichtung des Savolatier Jägercorps (600 Mann) verftärt. Außerdem 
lagen fortan mehrere geworbene Negimenter beftändig als Garnijons- 
truppen in Speaborg und auf Spartholm. 


Die Landesverteidigung Ehrenfvärds. 365 


in Finnland wieder zur Blüte zu bringen. Der Verfall des- 
jelben beruhte, wenigſtens teilweife, auf den Hinderniffen, welche 
abminiftrative Crlaffe und Mißbräuche feiner Entwidlung 
bemmend in den Weg legten. Die Steuerlaften, welche auf 
dem Grund und Boden rubten, waren fo ungleich verteilt, 
daß einige Landichaften (DÖfterbotten, Savolats und Aland) 
dem jchweren Drude fat erlagen. Auch wurde die Gründung 
von Kolonieen nicht hinreichend von der Geſetzgebung begünftigt, 
welche vielmehr durch Verbot der Güterzerterlung ſowie durch 
die Vorſchrift, daß nur eine bejtimmte Anzahl von Perjonen 
auf jedem Gehöft wohnen dürfe, jogar die Volksvermehrung 
erichwerte. Nicht minder empfand man den Mangel an 
Kommunifationsmitteln jowie die geringe Zahl der Handels: 
pläte als ein drüctendes Übel. Ein weiteres mächtiges Hindernis 
für den Aufichwung des Aderbaus war, daß der und Wiejen 
in eine unendlich große Menge von Heinen zerftreuten Loſen geteilt 
waren, weshalb jich eine rationelle Bebauungsmethode als un— 
möglich erwies, während andrerjeits die Wälder und Weide- 
triften allen Dorfbewohnern gemeinfam gehörten, jo daß feiner 
ein bejonderes Intereffe an ihrer Pflege beſaß ). Unter jolchen 
Umftänden hatte der Adersmann mur geringe Hoffnung, durch 
jeine Arbeit dem Boden eine reichliche Ernte abzugewinnen. 
Allerdings muß betont werden, daß der Aderbau an den Küften 
infolge der älteren Traditionen mit größerer Sorgfalt betrieben 
wurde; aber je weiter man in das Innere des Yandes bin- 
einfam, deſto häufiger ſtieß man auf Spuren der Vernachläſſigung, 
und zwar namentlich im nördlichen Tawaftland, im Innern 
von Ofterbotten, in Savolats und Karelien, wo das Ab— 
ichwenden des Bodens allgemein üblich war. 

Der Kampf gegen dieje Mißftände wurde teild von Ger 
lehrten, welche die neuen nationalöfonomiichen Theorieen zur 
Anwendung zu bringen juchten, teild® von Männern geführt, 
welche fich ausschließlich auf ihre eigenen praftiichen Erfahrungen 
jtügten. Von den erjtgenannten haben jich die Profejjoren an 


1) Bol. 3. Faggot, Svenska landtbrukets hinder och bjelp, p. 40 sqq. 
(Stodbolm, 1746). 


366 Bierte Periode. Der große nordiſche Krieg und die Freiheitszeit. 


der Aboer Univerfität, Per Adrian Gadd und Per Kalm, einen 
hohen Ruf erworben. 

Wie jhon ©. 355 erwähnt, war 1743 die Einjegung einer 
„Finniſchen Okonomiekommiſſion“ beantragt worden, welche die 
öfonomijchen Zujtände Finnlands unterjuchen und Pläne zu 
ihrer Berbefjerung entwerfen ſollte. Im der That trat die 
Kommilfion unter dem Vorſitz des Reichsrats DO. Cederſtröm, 
an deſſen Stelle jpäter Karl Frölich trat, Anfang 1744 zus 
jammen, forderte Berichte jeitens der Yandeshauptleute ein und 
nahm von einzelnen Perjonen, welche fich für die Sache in- 
terejfierten — 3. B. Ehrenmalm, Oberftlieutenant Anders 
Johann Nordenberg (Nordenjtjöld) jowie Kapları Israel Reinius 
in Laihela — umfangreiche Gutachten entgegen. Auf Grund 
des auf ſolche Weije gejammelten Material verfaßte die 
Kommiffion ein Memorial, in welchem fie e8 vor allem als 
höchſt „nötig und unumgänglich“ bezeichnete, daß ganz Finn- 
land vermefjen und topographiich aufgenommen werden müſſe. 

Die Gedanken, welche fih im Schoße dieſer Kommiſſion 
geltend gemacht hatten, wurden von einer „Finniſchen Neichstags- 
deputation“ weiter entwidelt, welche Ende 1746 zufammentrat 
und aus 30 größtenteil finniichen Mitgliedern !) (12 Edel— 
leuten und je 6 Angehörigen der drei anderen Stände) bejtand. 
Der hervorragendjte unter den jchwediichen Mitgliedern, Propft 
Jakob Serenius, reichte bereit am 29. Januar 1747 ein Gut: 
achten ?) ein, im welchem er in grellen Farben Finnlands 
Leiden vor und bei dem legten Kriege, die jchädlichen Folgen 
der Unfenntnis der finnischen Sprache jeitens der Beamten, 
die Mipbräuche innerhalb der Verwaltung u. j. w. betonte 
und befürwortete, daß alfe niederen Ämter jowie der größere 
Teil der Ämter am Hofgericht und bei der Univerfität mit 


1) Bon den Finnländern feien genannt: Fab. Wrede; der Bifchoi Joh. 
Nylander in Borgä; Jak. Forjel; Gabr. Hagert; Bürgermeifter Mollin aus 
WMeaborg; die Bauern Benjamin Busk aus Tawaftland und Iat. Pälsfon 
aus Öfterbotten. 

2) Gebrudt in: „Historiallinen Arkisto “ VI, 164— 172 (Helfingfors, 
1876). 


Die Hebung ber wirtfchaftlichen Lage. 367 


eingeborenen Finnländern bejegt werden und auch die ſchwe— 
diichen Beamtenjtellen mehr als bisher für Finnländer zu: 
gänglich jein jollten. Während diejes Gutachten von vorn- 
herein auf Widerjpruch ftieß und zu Maßnahmen vonjeiten der 
Stände überhaupt nicht führte, widmete die Deputation der 
jeit 1742 vorliegenden Frage, betreffend die Steuerfrei- 
beitsjahre, lebhaftes Intereffe. Sowohl die Städte wie die 
Yandbevölferung hatten durch ihre Vertreter neue Bitt— 
gejuche übermittelt, welche fich teild auf Berlängerung der 
Steuerfreiheit bezogen, teils, und zwar infonderhbeit jeitens der 
Bewohner der Yandeshauptmannichaft Kymmenegärd, Klagen 
über Nichterfüllung der auf dem letzten Reichstag erteilten 
Zwficherungen enthielten. Nach einigem Zaudern bejchloß die 
Deputation, daß die von Ehrenmalm mit den drei wejtlichen 
Sandeshauptmannjchaften getroffenen lÜbereinfünfte Beftand 
haben jollten, abgejehen von einigen geringfügigen Abände- 
rungen. Den Grundbejigern in Kymmenegärd wurden jtatt 
der urjprünglich verjprochenen drei vollen Steuerfreiheitsjahre 
ſechs Halbe und dem füdlichiten Diftrift völlige Steuerfreiheit 
auf 6 Jahre gewährt. Gleichzeitig wurde dem gemeinen 
Dann, als Entjchädigung für feine Forderungen an die Krone, 
die Steuer für das lette Vierteljahr von 1743 erlaffen. Im 
Übereinftimmung mit diefen VBorjchlägen, welche die Genehmigung 
der Stände erhielten, trat im allgemeinen erjt mit dem Jahre 
1750 wieder eine unumjchränkte Steuerpflicht ein. 

Die Hauptjache blieb indefjen für die Deputation der Ab- 
ichluß der Unterjuchungen der „Sinnijchen Okonomiekommiſſion“ 
über die Mittel zur Förderung Finnlands. Nach langwierigen 
Beratungen fam jchließlich ein weitläufiges Gutachten (dat. vom 
9. Yuli 1747) zuftande Zunächſt verlangte die Deputation 
darin eine jtrenge Beibehaltung der alten Verbote gegen Aus- 
wanderung aus der einen Provinz in eine andere jowie gegen 
Überfiedelung vom Land in die Städte; hingegen befürwortete 
fie die Anfiedelung von ſchwediſchen Koloniften in Finnland. 
Weiter wurde, um die Sparjamfeit zu fürdern und bie furdht- 
baren Wirkungen der Notjahre zu bejeitigen, die Einrichtung 


368 Vierte Periode. Der große norbifhe Krieg und die Freibeitszeit. 


von Vorratsmagazinen in den einzelnen Kirchipielen fowie von 
Kornmagazinen von neuem empfohlen. Bedeutungsvoller waren 
die Borjchläge, welche eine Verbefferung der Page der Yand- 
leute durch administrative Maßnahmen bezwedten. Im Anjchluß 
an den Plan der „Finnischen Okonomiekommiſſion“, betreffend eine 
topograpbiiche VBermeflung und Yandesaufnahme Finnlands, 
forderte die Deputatton eine allgemeine Ermäßigung der zum 
Teil hoben und ungleich verteilten Grundſteuern — namentlich 
im Hinblid auf die in Oſterbotten und auf Aland herrſchenden 
Mißſtände —, ferner eine allgemeine und umfaſſende neue 
Steuereinſchätzung des Landes, ſowie endlich eine derartige Zu— 
ſammenlegung der vielen kleinen Acker- und Wieſenloſe in den 
einzelnen Dorfſchaften, daß jeder Anbauer ſeinen Grundbeſitz für 
ſich beſonders in einem zuſammenhängenden Stück beſitzen ſollte. 
Desgleichen ſollten die großen gemeinſchaftlichen Waldgründe ſo 
geteilt werden, daß die Krone wie die Privatperſonen ihre be— 
jonderen Yoje erhielten und jich infolge dejjen mehr als zuvor 
veranlagt fühlten, denjelben Pflege und Fürſorge angedeiben 
zu laſſen. Auch im übrigen zeigte ſich die Deputation ge: 
neigt, die Hindernifje aus dem Wege zu räumen, welche die 
freie Entwicklung des Aderbaus hemmten. So beantragte jie 
3. B., die Gründung von Kolonieen jolle dadurch gefördert werden, 
daß Koloniſten foftenfrei Grundbefig auf den Gemeingütern der 
Krone angewiejen befümen, und daß die Grundbefiger eine 
größere Zahl von Urbeitern auf den Höfen jollten halten 
dürfen, als es früher gejtattet gewejen war. 

Auch die Verbeſſerung der Kommunifationsmittel durch 
Gröffnung von Kanälen wurde in dem Gutachten der Depu— 
tattion behandelt. Bürgermeijter Forften aus Helfingfors 
batte in einem Memorial den Gedanfen wieder aufgenom- 
men, daß Heliingfors durch einen Kanal mit den Fluß— 
läufen bei Tawaſtehus jowie mit dem Päijännejee verbunden 
werden, und daß an den Binnenjeeen die Anlegung von 
Städten erfolgen ſollte. Trotz des Widerftandes des Bürger: 
meiſters Gabriel Hagert zu Borgä wurde dieſes Projekt ge— 
nehmigt und die Bornahme von neuen umfafjenden Terrain— 


Die Befreiung von Aderbau und Handel. 369 


unterfuchungen vorgejchlagen. Werner betonte die Deputation 
die hohe Wichtigkeit einer Kanalverbindung zwijchen Savolaks, 
Karelien und dem Innern von Ofterbotten einerjeit8 und dem 
Meer andrerfeits jowie einer Gründung von Städten daſelbſt. 
Aber hierbei waren in noch höherem Maße vorbereitende Unter: 
juchungen erforderlih, bevor man zum Beginn der Arbeiten 
jelbjt jchreiten konnte. 

Bon dem Standpunkt der Deputation aus mußten natür- 
lich die Schranken, welche die freie Entwidlung des Handels 
jowie dadurch auch den Verkauf und die Ausfuhr der land— 
wirtichaftlichen Produfte hemmten, jchädlich erjcheinen. Wie 
früher handelte e8 fich in erfter Linie um Ofterbottens Stapel- 
recht. In einem weitläufigen Memorial hatte der Vizebürger- 
meijter Heinrich Pipping in Waſa — injonderbeit, um ben 
alten Plan der Gründung einer Stapelftabt bei Kasfö durch- 
zufegen — die Einrichtung von wenigftens 1 oder 2 Stapel- 
ftädten in jener Yandjchaft befürwortet, wodurch auch für bie 
Produkte von Savolafs und Karelien ein Exportweg gejchaffen 
werden würde !). Die Deputation billigte ohne Zaudern biejen 
Vorſchlag und fügte ihrerjeits den Wunjch Hinzu, daß ſämtliche 
Städte Finnlands das Recht erhalten jollten, mit jeder be- 
liebigen Stadt im Reiche Handel zu treiben. Behufs Förde: 
rung eines lebhafteren Handels im Innern des Yandes wurde 
ferner die Gründung von Städten vorgejchlagen, namentlich 
in den entlegenen Landſchaften Savolats und Karelien; und 
zwar jollten, bis dies gejchehen, freie Marktpläge eröffnet wer: 
den, wohin der gemeine Dann jeine Waren bringen Fönnte. 

An die Hauptpunfte des Gutachtens fchloffen ſich Vor— 
ichläge, betreffend eine verbejjerte abminiftrative und firchliche 
Einteilung des Yandes, Verbeſſerung der Forftkultur, Ordnung 
der Bergbauinduftrie, Vernichtung der NRaubtiere, Förderung 
der Fiſcherei ꝛc. ꝛc. 

Bezeichnend für den Standpunkt der Deputation iſt, daß 


1) €. ©. Palmén, Historisk framställning af den svensk-finska 
handelslagstiftningen frän Gustaf Wasas regering till 1766, p. 164 
(Helfingfors, 1876). 

Schybergſon, Geſchichte Finnlande. 24 


870 DBierte Periode. Der große norbiiche Krieg und die Freiheitszeit. 


fie nicht nur die höheren Bildungsintereffen vom reinen Nüglich- 
feitögefichtspunft aus betrachtete und im Zuſammenhange damit 
die Einrichtung einer nationalöfonomiichen Profejjur an der 
Äboer Univerfität beantragte !), jondern ſich auch dafür aus— 
iprach, die Bevölkerung möge dazu angeregt werben, ihre Kinder 
die ſchwediſche Sprache erlernen zu lafjen. Die in dem Gut: 
achten vom 29. Ianuar verlangte Beſetzung der Ämter mit 
eingeborenen Finnländern wurde hingegen nicht weiter energijch 
von ihr vertreten. 

Während die Vorfchläge, betreffend das Stapelrecht in 
Dfterbotten, wegen des Widerftandes der Städte Stodholm und 
Abo lange Zeit in den Schubladen der Kollegialbehörden liegen 
blieben, wurden mehrere Maßnahmen getroffen, welche direkt 
eine Förderung des Aderbaus bezwedten. So erging z. B., 
unabhängig von der finnijchen Deputation, am 30. Juni 1747 
eine Verordnung, durch welche eine Zerteilung von Geböften 
in größerem Maßſtabe als bisher gejtattet, jowie gleichzeitig 
der wichtige Grundſatz feftgeftellt wurde, daß die dadurch ent- 
ftandenen Höfe nicht mit einer neuen Steuer, fondern nur 
mit dem entjprechenden Bruchteil der alten Steuer belegt werden 
jollten. Werner wurde im Auguft 1747 eine Vermeſſung und 
topograpbiihe Aufnahme Finnlands angeordnet. Diefelbe 
begann an der ruſſiſchen Grenze und im nyländijchen Schären- 
garten, weil als ein Nebenzwed eine Unterjuchung des Yandes 
mit Rüdfiht auf die Verteidigung gegen Rußland ins Auge 
gefaßt war, und wurde jo nachbrüdlich betrieben, daß 1760 
bereitd 66 Kirchipiele vermeffen, bejchrieben und topographijch 
aufgenommen waren. Von noch größerer Bedeutung war die 
„geometriſche“ Vermeſſung, welche auf Grund eines Erlafjes 
von 1750 um der neuen Steuerveranlagung willen unter Yeitung 
des einjichtsvollen Direktors der finniichen Yandvermefjungs- 
fommiffion, Ephraim Otto Rumeberg, in Ofterbotten vorge- 
nommen wurbe. 

1) Bereits 1746 hatte 2. 3. Ehrenmalm bie Einrichtung einer ſolchen 


Profeſſur beantrag!. Dieſelbe kam in der That 1747 zuftande; ihr erfter 
Inhaber war Per Kalm. 


Die Landesvermeflung. Die Anlegung von VBorratsmagazinen. 871 


Auf dem Reichstag von 1751/52 waren dieſe Fragen foweit 
gediehen, daß eine Verteilung des Grundbeſitzes nach der jogen. 
„großen“ Methode (storskifte) im Prinzip angenommen wurbe '). 

Gleichzeitig juchten die Landeshauptleute die Bevölkerung 
der Kirchſpiele dazu zu bewegen, fich zur Einrichtung von 
Borratsmagazinen zu verpflichten. 2. I. Ehrenmalm machte 
den Anfang in Abo-Björneborg, und fein Nachfolger Lillien— 
berg war in dieſer Richtung nicht minder thätig. Der ge: 
meine Mann zeigte ſich anfangs widerjpenftig, ließ fich jedoch 
ſchließlich auf den Thingen von den Behörden zur Einwilligung 
beftimmen. Ähnlich war der Verlauf in Nyland-Tawaftehus 
jowie in Ofterbotten. In Kymmenegärd gelangte hingegen bie 
Einrichtung von Vorratsmagazinen erft 1757/58 durch könig— 
liche Verordnung zur Durchführung ; die Bewohner von Karelien 
endlich ſuchten fich auch jett ihren Verpflichtungen zu entziehen, 
indem fie betonten, daß ihre Grenze beftändig von rujfiichen 
Streifpartieen bedroht jei, welche fich der gejammelten Vorräte 
bemächtigen oder diejelben vernichten könnten. 

Auch die erften Schritte zur Anbahnung einer verbejjerten 
Gejundheitspflege wurden damals in Finnland gethan. Bis— 
ber waren ber Brofefjor der Medizin an der Aboer Univerſität, 
die Regimentsfeldſchere und ein ſogenannter Provinzialfeldſcher 
in Oſterbotten die einzigen Ärzte im Lande geweſen. Im 
Jahre 1750 kamen jedoch die Städte Helſingfors und Borgä 
mit einigen umliegenden Kirchſpielen überein, alljährlich Gelder 
zur Unterhaltung eines Provinzialarztes in Helſingfors zu⸗ 
ſammenzuſchießen, und dieſem Beiſpiel folgte 1753 Abo-Björne- 
borg jowie 1754 Kymmenegärd. Im Jahre 1756 wurden 
Mittel zur Einrichtung eines ProvinziallazarettS in Abo 

1) Die erfte Verteilung bes Grundbeſitzes (storskifte) dürfte 1754 in 
Öfterbotten erfolgt fein. Vgl. 8. La gu s. Om jordaskiften enligt svensk-finsk 
lagstiftning, p. 64 (Helfingfors, 1857). — Unter „storskifte‘“ verſteht 
man bie Zufammenziehung einer Anzahl getrennt liegender, bemfelben Bes 
fiter gehörender, Heiner Grundftüde (Parzellen) zu einer geringeren Anzahl, 
wobei der Boden binfichtlich feiner Beichaffenheit abgeihägt wird, jo daß 
ein vergrößertes Areal minder guten Bodens als Erſatz für befieren Boden 


von geringerem Umfange gegeben werden fann, ober umgelehrt. 
24 * 


372 Bierte Periode. Der große nordiſche Krieg und die Freiheitszeit. 


bewilligt ; die Cröffnung desſelben geſchah am 1. März 
1759 . 

Im Yahre 1752 beſchloß König Adolf Friedrich (1751 
bis 1771), der Schwager Friedrich des Großen, eine Reiſe 
nah Finnland zu unternehmen, um die dortigen Bewohner 
für fih zu gewinnen. Am 12. Juni verließ er Schweden, 
bejuchte zunächft Aland, landete darauf bei Helfingfors, um bie 
dortigen Feſtungswerke zu befichtigen, verweilte längere Zeit in 
Borgaͤ und Degerby (Lowiſa) und begab fich jchließlich über 
Tawaſtehus nach Abo, wo er am 10. Iuli eintraf. Die 
Herrihaft der Stände hatte in Finnland, wo man fern vom 
Mittelpunkt des Parteitreibens lebte, noch nicht den alten 
Glanz der königlichen Macht verbunfelt, jo daß man die Auf: 
richtigkeit der dem Fürſten dargebrachten Huldigungen nicht 
bezweifeln darf. Der Aufenthalt des Königs war indeffen nur 
von furzer Dauer; ſchon am 15. Juli verließ er Abo, um über 
Dfterbotten nah Stodholm heimzufehren. Kurz nach jeiner 
Ankunft daſelbſt übergab er dem Reichsrat einen NReijebericht, 
worin er die finnifchen Feſtungsbauten fritifierte und jeine 
Beobachtungen über die ökonomiſchen Zuftände im Sande mit- 
teilte. Seine Gedanken darüber waren feineswegs jonberlich 
iharfjinnig, führten aber Ende 1753 zur Einjegung einer neuen 
finniſchen Okonomiekommiſſion unter dem Vorſitz G. Fr. v. Roſens. 
Zur Beurteilung der finniſchen Verhältniſſe lag nunmehr ein 
bei weitem reichhaltigeres Material als früher vor. Die geo— 
graphiſche Landesaufnahme, die Vermeſſung des Grundes und 
Bodens in Ofterbotten und die Einrichtung einer Bevölkerungs— 
ftatifti hatten zu einer Erweiterung ber Kenntniffe, betreffend 
die Einfünfte des Yandes jowie die Möglichkeit einer um— 
faffenden Kolonijation desjelben, geführt ?).. Während man fich 

1) Bol. 5. 3. Rabbes Auffäge in: „Finska läkaresällskapets Hand- 
lingar I, 264sqq. u. V, 731—739 (Helfingior®, 1841—1843 u. 1853 
bis 1856). — Erft 1773 erhielten bie einzelnen Provinzen ftaatlich bes 
ſoldete Provinzialärzte. 

2) Den von B. Bargentin in „Svenska Vetenskapsakademiens nya 
Handlingar “, III, 236— 244 (Stodbolm, 1782) publigierten Tabellen zufolge 
betrug 1751 die Bevöllerungsziffer des Geiamtreiches 2215639 Perfonen, 


Die Regelung der Berteilung des Grundbefites (storskifte). 873 


früher inbetreff des Volksmangels in Finnland nur auf uns 
jihere Vermutungen hatte jtügen können, lagen jeit 1751 zu— 
verläffige Zahlen vor, aus denen hervorging, daß Finnland 
im Verhältnis zu jeinem Umfang weit jpärlicher bewohnt war 
ale Schweden. Die Kommijfion unterließ es denn auch nicht, 
in ihrem Gutachten darauf hinzuweiſen, daß Finnland kaum 
doppelt jo viele Einwohner zähle wie Schonen, obwohl im Ber: 
hältnis zum Areal die Bevölferungsziffer Finnlands fünfzehn 
mal größer hätte jein müſſen als die der genannten Yanb- 
ihaft. Da diefem Mißverhältnis nach Anficht der Kommiſſion 
nur abzubelfen war, wenn die natürlichen Hilfsquellen des 
Landes in vollem Maße der Bevölkerung zu gute kämen, jo 
wurde eine rasche Durchführung der Verteilung des Grund- 
bejiges (storskifte) und demgemäß die Sendung von zehn 
neuen Feldmeſſern nach Finnland behufs Vollendung der Ver: 
mejjungsarbeiten vorgeichlagen. Ferner beantragte die Kom— 
miſſion, daß die Verteilung des Grundbejiges (storskifte) auf 
Wunjch eines einzigen Grundbefigers im Dorfe, gleichviel ob 
die anderen Bewohner es wollten oder nicht wollten, vorzu— 
nehmen jei. Schließlich wurden Garantieen für die Sicherung des 
Eigentumsrechts jowie dafür proponiert, daß die Grundjteuern 
niemals den fünftig fejtzuftellenden Betrag überfteigen jollten. 

ALS dieſes Gutachten auf dem Neichstag von 1755/56 am 
17. Januar 1756 im Geheimen Ausjchuß zur Beratung gelangte, 
ſchritt man zur Einfegung einer „Finniſchen Vorbereitungs— 
deputation“ °). Unter den die überwiegende Mehrzahl bildenden 
finnischen Mitgliedern find die Oberftlieutenants G. U. Hiärne 
und K. Fr. Nordenjkjöld, die Hauptleute Otto Boije und Jakob 
Nordencreug, der Propft Nils Mathefius in Pyhäjoki, die 


von denen 429912 auf Finnland kamen. Abo⸗Björneborg zählte 136 643, 
Nyland-Tamwaftehus 107569, Kymmenegaͤrd 100837, Dfterbotten 84863 
Bewohner. Die Anzahl der Haushalte betrug in dem betreffenden Provinzen: 
2111, 803, 9, 1385 in der Stadt, 14026, 10677, 109785, 8205 auf 
dem Yande. 

1) Bol. E. G. Palmen, Tvenne aktstycken frän frihetstiden, in: 
„Hist. Ark.“ VI, 158—184 (Helfingfors, 1878). 


374 Vierte Periode. Der große norbiiche Krieg und die Freibeitszeit. 


Dürgermeifter Gabr. Hagert aus Borgi und Thure Hagert aus 
Nyitad, ſowie der Bauer Jakob Pälsjon aus Wörd zu nennen. 
Inbezug auf die geplante Verteilung des Grundbefiges (storskifte) 
ſchloß fich die Deputation dem oben jkizzierten Gutachten voll: 
ftändig an. Nach ihrer Meinung jollte diefe Verteilung jofort 
in den Provinzen Björneborg, Tawaftehus und Dfterbotten vor 
fich gehen, fowie gleichzeitig die Einjegung von „Ofonomiedepu- 
tationen“ erfolgen, weldye die Arbeiten zu leiten und zu über- 
wachen jowie über den Verlauf derjelben den Ständen der jpäteren 
Neichstage Bericht zu erjtatten hätten. Die Stände, welche alle 
dieſe Vorjchläge genehmigten und die Deputation mit der Er- 
nennung der Mitglieder für die künftigen, aus je fünf Perjonen 
für jede Provinz beftehenden Ofonomiedeputationen beauftragten?), 
gaben außerdem der Hoffnung Ausdrud, daß Finnland hiermit 
in ein neues Zeitalter öfonomijchen Wohljtandes treten werde; 
und die Erfahrung jpäterer Jahre hat in der That dargethan, 
daß die Verteilung des Grundbeſitzes (storskifte) eine Haupt: 
bedingung für die Entwidlung des finnifchen Aderbaus war. 
Das oft erwähnte Projekt einer Verbindung der Binnenjeeen 
mit dem Meere durh Kanäle erachtete die Deputation für 
um jo wichtiger, al8 dadurch auch die an Flüffen und Seeen 
belegenen Sumpfniederungen in fruchtbare Felder verwandelt 
werden fünnten. Da e8 hierbei einer energiichen Oberleitung 
bedurfte, beantragte die Deputation, daß auch diefe Aufgabe 
Ehrenjvärd übertragen werden jolltee Als Gehilfen wur— 
den der Baumeijter Thunberg, der Fortifikationsoffizier 
Nordencreug jowie der junge Dozent Samuel Chydenius ?) 


1) Gutachten der Kommiifion vom 26. April 1756 und Schreiben ber 
Stände an den König vom 21. Oftober 1756, Ictteres in „Hist. Ark.“ 
V, 173sq. publiziert. Nur in einem einzigen Punkte wurde das Gutachten 
abgeändert. Die Deputation batte worgeichlagen, daß die Ofonomie- 
deputationen u, a. auch als Gerichtshöfe fungieren und das Recht beſitzen 
follten, die durch die Grundbeſitzregelung entjtandenen Streitigfeiten ſum— 
mariich zu entfcheiden. Statt defien wurbe aber den ÖOfonomiebeputationen 
nur das Recht eingeräumt, die Parteien zum Bergleich zu bringen. 

2) Derielbe hatte u. a. eine Abbandblung: „De navigatione per flu- 
mina et lacus patriae promovenda“ (Abo, 1751) veröffentlicht. 


Ehrenjvärbs Anordnungen werben verbädtigt (1765,66). 375 


an der Aboer Univerfität vorgefchlagen. Infolge der Ge- 
nehmigung dieſer Propofitionen trat die Frage der „Durchfahrt“ 
in ein neued Stadium, indem man von bloßen Worten und 
Unterjuchungen jegt zu wirklichen Stromreinigungs- und Ka— 
nalifierungsarbeiten überging. 


4. Die Freiheitszeit. Der Niedergang der Ständeherrfdaft 
(1756 — 1772). 

Infolge der Einmiſchung Schwedens in den Siebenjährigen 
Krieg konnte von den zur Vollendung der finnijchen Feſtungs— 
bauten im Jahre 1756 bewilligten vier Tonnen Gold (jährlich) 
nur eine Tonne pro Jahr ausgezahlt werden, und eine noch 
größere Schmälerung erfuhren die Etatsanjchläge für die von 
Ehrenjvärd vorgejchlagene Galeerenflotte. Da letterer außer: 
dem 1761/62 als Oberbefehlshaber der jchwedijchen Armee in 
Pommern weilte, fehlte die Fräftige Hand, welche jene großen 
Unternehmungen hätte vorwärts bringen fünnen. Schon auf 
dem Reichsſtag von 1760—1762, wo die Mützen faſt die gleiche 
Stärfe wie die gegnerijchen Hüte aufwiejen, wurden Stimmen 
laut, welche den Nugen von Chrenjvärds Anordnungen be= 
zweifelten. Aber noch war der Einfluß des letzteren jo groß, 
dag er die Zuftimmung des Geheimen Ausjchuffes zu einer 
unveränderten Durchführung des Berteidigungsplanes von 1756 
zu erwirfen vermochte, worauf er in den nächjten Jahren mit 
faft fieberhaftem Eifer an der Vollendung der Befeftigungen 
und der Galeerenflotte arbeitete. Auf dem Reichstag von 
1765,66 fam indejjen der Sturm, welcher lange gedroht hatte, 
zum Ausbruch. Ehrenjvärd hatte fich durch jeine jelbjtändige 
Stellung Neider zugezogen, und die fiegreichen Müten zögerten 
nicht, die Behauptung aufzuftellen, daß die von ihm aufgewendeten 
Gelder nutzlos verjchleudert worden jeien. Einer der beftigiten 
Gegner der Hüte, der Aſſeſſor im Aboer Hofgericht, Samuel 
Magnus Ehrenmalm (ein Sohn von L. 3. Ehrenmalm), erklärte, 


876 Bierte Periode. Der große norbiiche Krieg und die Freiheitszeit. 


Finnland laſſe fich nicht durch Feſtungen verteidigen, da ber 
Feind an den Feſtungen vorbei in das Herz des Landes dringen 
könne. Obwohl Arel v. Ferien die Maßnahmen Ehrenjvärds 
warm verteidigte, jo erging doch der Mehrheitsbeichluß, daß 
der Anjchlag für die Feftungsbauten auf zwei Tonnen Gold 
pro Jahr herabgemindert, Ehrenjvärd die Oberaufficht entzogen 
und eine Kommijfion eingejegt werden follte, um teils bie 
von Ehrenſvärd ausgeführten Arbeiten zu prüfen, teil® die— 
jelben fortan zu leiten. Ebenjo wurde der Bau von Ga— 
leeren in Finnland eingeftellt; auch fehlte e8 nicht an weiteren 
Verdächtigungen gegen Ehrenjvärd. Um jo ehrenvoller war 
für legteren das Gutachten, welches die 1766 eingejetste Feſtungs— 
kommiſſion im Januar 1768 abgab. Sie erflärte nämlich, 
daß die Feftungsanlagen bei Speaborg in jeder Hinjicht die 
„vorteilhaftejten“ jeten, „welche überhaupt hätten gemacht werden 
können“. Trotzdem rubten die Arbeiten für Finnlands Ver: 
teidigungswejen zumächit faft vollitändig. Erft im Jahre 1769 
machten die verfammelten Stände den Fehler ihrer Vorgänger 
wieder gut, indem fie Ehrenjvärd von neuem mit dem Oberbefehl 
auf Speaborg und über die Galeerenflotte beirauten. Yeider war 
jedoch die Thätigfeit Ehrenſpärds nur von furzer Dauer; jchon 
1771 mußte er wegen Kränklichkeit um feinen Abſchied nach- 
ſuchen, und im Oftober 1772 jtarb er auf feinem Landfig 
Saris in der Nähe von Abo. Obwohl er Sveaborg unvoll 
endet hinterließ, war die Feſtung bereits von jo großer Bedeutung, 
daß die Bewohner Finnlande, im Vertrauen auf die Feſtungs— 
werfe und die dort jtationierte Schärengartenflotte, nunmehr 
den fommenden Zeiten mit größerer Sicherheit als zuvor ent= 
gegenjeben Fonnten. Sie widmeten denn auch dem Andenken 
Ehrenjvärds bei Überführung feines Leichnams nach Speaborg 
eine Huldigung, die in erhebender Weiſe davon zeugte, wie 
boch der geiftvolle Offizier bei Yebzeiten von feinen Yandsleuten 
gejchätt worden war. Auf Guftaus III. Befehl wurde er 
1773 in Sveaborg beigejeßt; ein Denkmal bezeichnet dort den 
Plag, an welchem er, umgeben von jeinen Schöpfungen, 
ruht. 


Die Rehabilitation und der Tob Ehrenfvärbs (1772). 877 


Die ©. 362 erwähnt, war auf dem Reichstag von 1746/47 
die Bildung einer jtehenden Reſerve bejchlojfen worden. In den 
nächjten Jahren, wo die Gefahr eines Krieges mit Rußland 
drohte, machte dieje Angelegenheit ſchnelle Fortſchritte, obwohl 
ſich der gemeine Mann, beſonders in Ofterbotten, wenig dazu 
geneigt zeigte. Doch wurde der Wibderjtand der Bevölkerung 
teil8 durch die eifrigen Bemühungen des Generalgouverneurs 
und der Yandeshauptleute, namentlich Heinr. Wredes in Kymmene⸗ 
gard, teild auch dadurch gebrochen, daß die Regierung den Reſer— 
viſten verjchiedene Vorteile, wie 3. B. Ausrüftungsgelder und Be— 
freiung von der Kopffteuer, zuficherte. Die erften Mufterungen 
mit der aus etwa 3000 Mann bejtebenden Reſerve wurden 
1749 abgehalten '). Indeſſen fonnte die Inftitution zu feiner 
bedeutenderen Entwicklung fommen, jo lange e8 feinen Oberbefehl 
zur Einübung und Leitung der NRejerviften gab; und hierin 
ift die Urſache dafür zu juchen, daß die ganze Einrichtung 
während des letzten Jahrzehnts der Freiheitszeit faſt völlig in 
Berfall geriet. 

Auch die fareliichen Freicorps erhielten feine fejte Organi- 
jation. Allerdings hatte Yandeshauptmann Wrede 1748 ein Ver- 
zeichnis der Mannjchaften (etwa 2500 Mann) aufjtellen lafjen, 
welche bei einem Angriff des Feindes freiwillig demfelben ent- 
gegenzuziehen fich erboten, und Gewehre jowie Munition unter 
fie verteilt. Aber auch bier wollte die Bevölferung feinen 
fremden Oberbefehl dulden, jondern nur einige der Ihrigen zu 
Offizieren ausbilden laffen, ein Vorſchlag, welcher den mili- 
täriichen Autoritäten keineswegs bebagte. Auf dem Reichstag von 
1765/66 erklärte jich der Geheime Ausschuß zwar im Prinzip 
damit einverftanden, daß der gemeine Mann in Karelien nach 
wie vor nur landfturmpflichtig jein jolle, verfagte aber dem Wunsch 
der Bevölkerung, ausſchließlich von jelbftgewählten Offizieren 
geführt zu werden, jeine Zujtimmung. Nach längerer Beratung 
mit den fareliichen Reichstagsvertretern einigte man ſich jchließ- 


1) Bericht v. Roiens über das finniiche Verteidigungswefen, übergeben 
auf dem Reichstag von 1751/52: „Schwed. Reichsarchiv“. 


378 BVierte Periode. Der große norbifche Krieg und die Freiheitszeit. 


ih dahin, daß in Karelien alle waffenfähigen Männer im 
Alter von 20—50 Jahren verzeichnet, in Kompagnieen eingeteilt 
und von jelbjtgewählten Offizieren — ausgenommen den von 
der Regierung zu ernennenden, aber von der Bevölkerung zu 
bejoldenden Oberbefehlshaber — fommandiert werben jollten. 
Die Verwendung der Freicorps jollte nur behufs Berteidigung 
der Heimat erfolgen. in Kontraftsentwurf diejes Inhalts 
fand jedoch nicht die Genehmigung der kareliſchen Bauern, 
weil diejelben auch den Oberbefehlshaber der Freicorps jelber 
wählen wollten ?). 

Während ſich jomit auf. dem Gebiete des Verteidigungs— 
wejens in dem Jahrzehnt 1760— 1770 eine gewiſſe Abſpannung 
bemerfbar machte, war der Eifer für Förderung ber öko— 
nomijchen Berhältniffe und des Aderbaus unvermindert. 

Die Stromreinigungs- und Ranalifierungsarbeiten, welche 
1756 der Leitung Ehrenſvärds unterftellt worden waren, wurden 
nach der Abreije desjelben nach Deutjchland (1757) von dem 
Schloßbaumeifter Thunberg, dem S. 374 genannten Samuel 
Chydenius, welcher leider jedoch jchon am 11. Yuli 1757 
ertranf, und von Jakob Stenius junior geleitet. Yetterer nahm 
ben bereit8 von Chydenius gehegten Plan einer Verbindung der 
Wafjerläufe in Nord-Savolafs mit dem Bottnifchen Meerbuſen 
durch einen der großen öfterbottnijchen Ströme wieder auf und 
erwirfte in ver That, daß der Reichstag von 1760/62 Geldmittel 
zur Fortjeßung der Arbeiten in Südweſtfinnland wie zur Ver— 
bindung des Pyhäjoki mit dem Seeſyſtem des Saima be= 
willigtee Da jedoch 1762— 1765 an feiner der beiden Stellen 
ein irgendwie greifbares Rejultat gewonnen wurde, ſah ſich 
der Reichstag von 1765/66 zur Wiedereinziehung der bewilligten 
Anjchläge veranlaßt, und es blieb einer jpäteren Zeit vor- 
behalten, dieſe Pläne der Freiheitszeit zur Durchführung zu 
bringen. 

Um jo wichtiger war, daß die Verteilung des Grund: 


1) K. ©. Malmftröm L ec. V, 437. — Schreiben ber Landeshaupt⸗ 
leute von Kymmenegardb 1773--1775: „Schwed. Reichsarchiv“. 


Der Fortgang des Reformweſens in der Freiheitszeit. 379 


bejige8 (storskifte), von welcher die Zukunft des finnifchen 
Aderbaus in allererjter Linie abhängig war, ihren Fortgang 
nahm, wenn auch nicht jo jchnell, wie die finnijche Deputation 
auf dem Reichstag von 1755/56 es beabfichtigt hatte. Da die 
Veldmefjungsoberbehörbe na wie vor eine jolche Verteilung 
namentlich für Ofterbotten notwendig erachtete, wurden ſämt— 
lihe Kommiſſionsfeldmeſſer Finnlands dorthin gefandt, und 
es berrichte daſelbſt unter Yeitung des Direktors €. O. Runeberg 
und des Vorfigenden der öfterbottnijchen Okonomiedeputation, 
Hauptmann H. I. Roos, eine lebhafte Thätigfeit. So wurden 
3. B. 1757—1760 vierzehn Kirchipiele geometriich vermeſſen 
und bejchrieben !), detaillierte Verteilungsmethoden für vier 
Kirchipiele ausgearbeitet und in einem von ihnen, Yaihela, die 
Verteilung im wejentlichen durchgeführt, ferner 216 Neuanfied- 
lungen begründet, 242 Giüterzerteilungen vorgenommen jowie 
außerdem Tauſende von Gehöften eingeihätt. Auf Vorſchlag 
der auf dem Reichstag von 1760/62 eingejegten „Finniſchen 
Vorbereitungsdeputation“ 2) nahm die Verteilung des Grund- 
befites in Oſterbotten unaufhaltſam ihren Fortgang, mit der 
einzigen Abweichung, daß die „Okonomiedeputation“ nunmehr bie 
richterliche Gewalt in erfter Inftanz erhielt. Auf dem Reichs— 
tag von 1765/66 wurde die Ofonomiedeputation abgejchafft 
und durch (von den Gemeindemitgliedern gewählte) Kommiſ— 
fare erjeßt, ohne daß dieſe Veränderung jedoch den Wort: 
gang der Verteilung gehindert hätte. Gegen Ende der Freiheitd- 
zeit war die große Reform joweit fortgejchritten, daß Die 
Tarationd- und PVerteilungsarbeiten in faſt ſämtlichen ſüd— 
öfterbottnifchen Kirchipielen (einjchl. Wörä) größtenteils vollendet 
waren. In wie hohem Maße die Kolonijation des Landes 
ihon damals Hierdurch gefördert wurde, ergiebt fich aus ber 
Neugründung von nicht weniger ald 772 Anfiedlungen bie 


1) Wie forgfältig diefe Befchreibungen abgefaßt wurden, zeigt bie in 
„Svenska vetenskapsakademiens handlingar“ XIX, 108—162 (Stod- 
bolm, 1758) abgebrudte Beſchreibung des Kirchſpiels Yaibela. 

2) Diefe Deputation war bie legte finnifche Deputation während ber 
Freiheitszeit. 


380 Vierte Periode. Der große norbiihe Krieg und die Freiheitszeit. 


Ende 1770. Hingegen ruhten die Verteilungsarbeiten in den beis 
den jüdlichen Provinzen lange fat gänzlich, teils infolge Mangels 
an Feldmeſſern, teild wegen Mißheltigkeiten zwijchen den Oko— 
nomiedeputationen und Nuneberg. Auch nach Erlaffung eines 
bejonderen Berteilungsjtatuts !) für jene Provinzen (20. Nov. 
1766) machte ſich dort keine jonderliche Lebhaftigkeit geltend, jo 
daß fich gegen Ende der Freiheitszeit die Verteilung des Grund- 
befite8 (storskifte) in jenen Gegenden noch im erjten Stadium 
der Entwidelung befand. 

Die Regelung der Grundbefitverhältniffe in Savolaks und 
Karelien war zwar wiederbolentlich in Anregung gebracht worden, 
aber wegen Mangels an Feldmeſſern umausgeführt geblieben, 
jo daß die übertrieben hohe Beſteuerung in Savolaks jowie die 
alte jährliche Steuertaration und die Unbejtimmtheit der Beſitz— 
verhältniffe in Karelien unverändert fortbejtanden. Dieje Yand- 
ihaften erforderten indeſſen immer größere Aufmerkſamkeit, 
teils, weil fie jchon als Grenzgebiete einer jorgfältigeren Für— 
jorge bedurften, teil8 auch, weil ihre Bevölferungszahl und ihr 
ökonomiſcher Wohlſtand in raſchem Auffteigen begriffen war. 
Nord: Karelien zählte 1757 bereits 27600 Bewohner. Auf 
dem Reichstag von 1760/62 wurde demgemäß eine Ausdehnung 
der Taration jowie der Verteilung des Grundbefites auf die 
öftliche Yandeshauptmannjchaft und die Abjchaffung der jähr- 
lichen Steuereinihägung in Karelien fejtgejett; auch bier jollten 
Okonomiedeputationen bei der Durchführung der Reform mit: 
wirfen. Allein weder die Verteilung noch die Taxation Fam 
zuftande. Doc trat fortan an die Stelle der jährlichen Steuer: 
einſchätzungen in Karelien eine feftjtehende, nach dem Durchjchnitt 
der fünfzehn letten jährlichen Taxationen berechnete Steuer, 
wodurch der bisherigen Willfür eine Schranfe gejetst wurde. 

Die Frage, betreffend die Aufhebung des alten Handels— 
zwangs in Finnland, war urjprünglich eine vein öfterbottnijche 
Angelegenheit gewejen; aber allmählich hatte das Intereſſe dafür 
in weiteren Sreijen Verbreitung gewonnen. Die Bewohner 


1) Abgedruckt bei Modée, Utdrag etc. VIII, 7400sqq. (Stodholm, 
1774). 


Vier Städte Ofterbottens erhalten Stapelrecht (1765). 8831 


von Savolaks und Karelien wiünjchten nichts fehnlicher, als 
daß Ofterbotten Stapelrecht erhielte, damit fie ihre Waren 
in die dortigen Häfen bringen könnten; auch flagten die am 
Meere belegenen Städte Björneborg, Raumo, Borgä zc. immer 
lauter über die Vorteile, welche die Stapeljtädte im Vergleich 
mit ihnen jelbjt, genöjfen. Auf dem Reichstag von 1760—1762 
betonte die öfterbottniche Ofonomiebeputation in einem an bie 
„Finniſche Vorbereitungsfommiffion* adreifierten Gutachten, daß 
neben der Berteilung des Grundbejites (storskifte) das Stapel- 
recht die Hauptbedingung für Ofterbottens Emporblühen jet, 
und in gleichem Sinne äußerte fich der Abgeordnete für Gamla 
Karleby, Kaufmann Ber Stenhagen, in einem Memorial, welches 
er dem Reichstag überreichte. Nach lebhaften Kämpfen jchien 
die Angelegenheit entſchieden zu fein, da fich ſämtliche Stände, 
abgejehen vom Bürgerftand, dahin einigten, daß eine An- 
zahl von Städten auf beiden Seiten des Bottnifchen Meer- 
bujens Stapelreht erhalten ſolle. Dem bartnädigen Wider— 
itand und den Intriguen der Bürger gelang es jedoch 
ſchließlich, den ihre Intereſſen gefährdenden Beihluß zu ver- 
hindern !), freilich nur für diejes Mal. Die Agitation für 
Aufhebung des Stapelzwanges wuchs nämlich unabläffig und 
erzielte auf dem Reichstag von 1765/66 einen glänzenden 
Erfolg, indem dajelbft bejchlofjen wurde, daß die vier Städte 
Biörneborg, Waſa, Gamla Karleby und Uleäborg volles 
Stapelrecht befommen und die übrigen öfterbottnifchen Städte 
(Kriftineftad, Nyfarleby, Jakobſtad und Braheftad) aus 
dem Stapelrecht der anderen Städte indireft Nuten ziehen 
jollten. Die Städte Nyftad, Raumo, Nädendal, Efenäs und 
Borgä erhielten die Berechtigung, beftimmte Produfte nach 
allen an der Oſtſee und am finnifchen Meerbujen gelegenen, 
ausländiichen Häfen zu verjchiffen jowie von dort beftimmte 
Waren einzuführen. Diejer Beichluß ?), welcher durch fünig- 


1) Bol. O. Fyhrvall, Om det bottniska handelstvänget, in: 
„Hist. Tidskrift““ Il, 135—144 (Stodholm, 1882). 

2) Gebrudt bei Modee, Utdrag etc. VIII, 7057 (Stodbolm, 1774). — 
„Riksdagstidningar “ (1765/66). 


882 Bierte Periode. Der große norbifche Krieg und bie Freiheitszeit. 


lihen Erlaß vom 3. Dezember 1765 befannt gegeben wurde, 
war für ganz Finnland ein gewaltiger Fortichritt auf dem 
Weg öfonomijcher Unabhängigkeit, und injonderheit hatte bie 
Bevölterung Ofterbottens Anlaß, fich darüber zu freuen. Der 
geſamte Handelsverfehr im inneren und nördlichen Finnland 
zog fih nunmehr an die öfterbottnijchen Küſtenſtädte, welche 
auch in dem Betrieb der Schiffsrhederei eine neue Erwerbs- 
quelle erhielten. — Gleichzeitig wurde der lange, hartnäckige 
Kampf zwijchen den Städten und der Süftenbevölferung in 
liberalem Sinne dahin entjchieden, daß die Bauern ungehindert 
alfe Hafenpläge des Reiches bejuchen durften, um bort ihre 
Waren und Aderbauprodufte abzujegen. 

Wenn man jchlieglih in Betracht zieht, daß ſich auch 
bei Privatperjonen das Bejtreben, aus den öfonomijchen Hilfs- 
quellen des Landes mehr als bisher Nugen zu ziehen, immer 
lebhafter geltend machte ’), und daß nicht jelten Bauern wegen 
Vornahme von Kolonifationsverjuchen von dem Reichstag oder 
von der Regierung Hingende Belohnung empfingen, jo wird 
man zu begreifen vermögen, daß die Zahl der brach liegenden 
Höfe (120) damals nicht mehr von nennenswerter Bedeutung 
war. Auch die Bevölferungsziffern zeugen von einem jchnellen 
Wachstum; betrug die Bevölferungszahl Finnlands nach den 
ftatiftijchen Tabellen von 1772 doch bereits 578 145 Perjonen ?). 

Bon den Imduftriezweigen war der Gügemwerfbetrieb in 
raſchem Aufblühen begriffen. In Nyland-Tawaftehus gab es 
37, in Abo-Björneborg 38 Sägewerke, und nicht geringer war 
der Aufihwung in den nördlichen Provinzen. Hiermit wett- 
eiferte die Eijeninduftrie. ijenhütten eriftierten in Nyland 


1) Einer ber wirkſamſten Vertreter der landwirtſchaftlichen Beftrebungen 
war Oberft Karl Friedr. Nordenſtjöld (1702— 1779), Stammmvater der noch 
beute eriftierenden Zweige des Geſchlechts Nordenſtjöld. Er befaß Güter 
in Nylanb. 

2) Den früher (vol. ©. 372, Anm. 1) erwähnten Tabellen zufolge 
hatte 1772 Abo-Björneborg 168622, Nyland-Tamaftehus 143028, Kymz 
menegärb 143008, Ofterbotten 123487 Bewohner. Die Zahl der Haus: 
baltungen betrug in ben betreffenden Provinzen: 2602, 1212, 245, 1806 
in ber Stabt, 16510, 12160, 14294, 11445 auf bem Lande. 


Finnlands wirtichaftliher Aufihmwung. 383 


10, Abo—Björneborg 9 und in Ofterbotten 31). ferner 
ift die Glashütte Avit in Somero zu erwähnen. Hingegen 
waren die Imduftriezweige, welche ausländifches Nohmaterial 
verarbeiteten, nach wie vor von geringer Bedeutung. In Abo 
gab e8 außer der 1739 privilegierten Tuchfabril Eſaias Wechters 
nur ein paar größere Fabrifanlagen: eine Zuderfabrif (1756 
begründet), eine Tabakfabrik (1737 privilegiert) jowie einige 
größere Gerbereien. In Helfingfors, Borgä und an mehreren 
anderen Stellen erijtierten ebenfall® Tabakfabriken, die ihren 
Befigern reichen Gewinn brachten. ?). 


1) Nähere Angaben über diefe Eifenhütten finden fi in: „Tidningar 
utg. af ett sällskap i Äbo 1772“, p. 186-190. 

2) Bgl. 8. ©. Leinberg, Bidrag till kännedom om värt land, 
II, 21sqqg. (Ivvästylä, 1886). 


Fünfte Periode. 
Die Zeit Guſtaus III. und Gujtav IV. Adolfs. 


I. Guftav III. bis zum Jahre 1786 '). 


Unter den „Hüten“, welche infolge der rückſichtsloſen Hand— 
lungsweiſe der „Mützen“ entichloffen waren, den Sturz der 
jogenannten „freien Staatsverfaflung“ herbeizuführen, machte 
fih einer der ausgezeichnetiten Offiziere der finnifchen Armee, 
Baron Jakob Magnus Sprengtporten ?), während des Reichstags 
von 1771/72 an allererfter Stelle bemerkbar. Derjelbe näherte 
fih im Frühjahr 1772 dem jungen König Guftav (1771 bie 
1792) in der Abficht, denjelben zur Sprengung des Reichstags 
fowie zur Übernahme der Regierung mit diktatoriicher Gewalt 
zu bewegen. Mit Zuftimmung des Königs gründete er einen 
aus Anhängern der Hutpartei beftehenden adeligen Reichstags: 


1) Nachfchlagewerte und gebrudte Quellen zur Geſchichte Finnlands 
während des erjten Teils der Regierung Guftavs III: €. ©. Geijer, 
Des Königs Guſtav III. nachgelaffene und fünfzig Jahre nach feinem 
Tode geöffnete Papiere, Bd. II u. III (Hamburg, 1843 u. 1845); €. T. 
Obbner, Sveriges politiska bistoria under k. Gustaf IIIs regering I 
[1771—1778] (Stodholm, 1885). — Urkundenfammfungen im „Schweb. 
Reichsarchiv“. 

2) 1727 in Finnland geboren, erhielt er ſeine militäriſche Ausbildung 
in der Heimat unter U. Ehrenſpärd, wurde 1766 in ben fzreiberrnitand 
erhoben und 1769 zum Obriften bes Dragonerregiments Nyland-Tawa— 
jtebus fowie der farelifhen Schwabron ernannt. 


I. M. Sprengtporten und der GStaatsftreih von 1772. 885 


lub, welcher die Abjchaffung der Ständeherrichaft bezwedkte, 
und legte fchließlich dem Monarchen einen Revolutionsplan 
ungefähr folgenden Inhalts vor: Er jelbjt wollte nah Finn— 
land reifen, um dort, geftügt auf feine Popularität bei ber 
finnischen Armee, eine Militärrevolte ins Werf zu jegen; ber: 
nach wollte er ich mit einer Heeresmacht nach Stodholm be- 
geben, wo die Stände durch ihn und den König zur Annahme 
einer neuen Verfafjung genötigt werden follten. Da jedoch 
die Erhebung in Finnland auf unvermutete Hinderniffe ftoßen 
fönnte, jollte, zur Sicherung der Ausführung des Planes, 
acht Tage nach Ausbruch der Revolte auch in Schonen eine 
militärifjche Erhebung erfolgen. Guſtav III. billigte biejes 
Projekt und that den entjcheidenden Schritt, indem er Sprengt- 
porten eine jchriftliche Ordre erteilte, worin er erflärte, er 
babe jenem eine wichtige geheime VBerrichtung aufgetragen, von 
deren Ausgang das Wohl des Vaterlandes in höchitem Maße 
abhängig jei, weshalb er alle Maßnahmen und Anjtalten 
Sprengtporteng im voraus gutheiße. Mit diefer Vollmacht 
begab fih Sprengtporten am 29. Juli nach Finnland. Am 
14. Auguft jchritt er zur That, indem er mit der von ihm 
errichteten, unter Befehl feines Bruders Göran Magnus Sprengt- 
porten jtehenden leichten Dragonerfompagnie (etwa 60 Mann) 
von Borgä nach Speaborg marjchierte, um fich zunächſt dieſer 
wichtigen Feſtung zu bemächtigen. Gin fleines Kommando 
unter dem Kornett v. Eſſen rüdte auf dem Landwege nach 
Helfingfors vor, um deſſen Verbindungen mit dem übrigen Lande 
abzufchneiden, während er fich ſelbſt nebft jeinem Bruder und 
der Hauptabteilung der Truppen auf dem Seeweg nach Svea— 
borg begab, wo er, durch Gegenwind aufgehalten, erjt am 
frühen Morgen des 16. unbemerkt landete und jich fofort 
zum Herrn der Feſtung machte Nicht minder jchnell waren 
die Erfolge Sprengtportens in Helfingfors. Die dort ftatio- 
nierte Artilferieabteilung, der Landeshauptmann und der Ma— 
giftrat leifteten willig den von Sprengtporten vorgelegten neuen 
Treueid, worauf jener jofort einen Boten entjandte, um ben 
König von dem glüdlichen Ausgang der EN zu be⸗ 
Schybergſon, Geſchichte Finnlands. 


386 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs. 


nachrichtigen. Nah Stodholm wollte er jich jedoch erſt nach 
Durchführung der Revolution im ganzen Lande jowie nad) Be- 
endigung der für eine ausgebehntere Erpedition nötigen Anftalten 
begeben. Seine nächſten Maßnahmen bezwedten daher die 
Sicherung der Grenze fowie die Gewinnung der dort befind- 
lichen Truppen für den König. Die Generale Aug. Ehrenjvärd 
und Berndt Otto Stadelberg, deren Regimenter an der Grenze 
itanden, famen willig der jchriftlichen Aufforderung Sprengt- 
porteng nad). Der auf jeinem Gute Ovidja im jüdweftlichen 
Finnland weilende Reichsrat Esbern Chriſtian Reuterholm, einer 
der Führer der „Mützen“, wurde durch Lift auf eine Dacht ge- 
(ot, die ihn nach Speaborg bradte. Nur in Abo machten 
fich Anzeichen von Widerftand bemerkbar, ohne daß es jedoch 
zum Ausbruch eines offenen Kampfes gefommen wäre. Am 
25. Auguft war Sprengtporten im Begriff, mit etwa 800 Mann 
und einem Heinen Geſchwader nah Stodholm abzujegeln, als 
plöglich die Kunde von den Greigniffen in Schweden eintraf, 
welche mit einem Schlage der Herrichaft der Stände ein Ende 
bereitet und die Staatöverfaffung der Freiheitszeit zu Grabe 
getragen hatten. Trotzdem glaubte Sprengtporten feine Fahrt 
fortjegen zu müffen und jegelte am 28. Auguft ab. Bei jeiner 
Ankunft in Stodholm (7. Sept.) wurde er von Guftav III. in 
gnädigjter Weife empfangen und zum Generallieutenant jowie 
Kommandeur der füniglichen Garde und der leichten Dragoner 
ernannt. Als er nach dem Tode Ehrenjvärds die Oberleitung 
der Feſtungsbauten in Finnland erhielt, wünjchte er dorthin 
überzufiedeln, um für die Verteidigung jeiner Heimat jorgen 
zu können, die namentlich Anfang 1773 durch rufjische Kriegs— 
demonjtrationen jo jehwer gefährdet erjchien, daß die finnijchen 
Negimenter ergänzt, am Kymmenefluß neue Berjchanzungen 
errichtet und Sveaborgs Feſtungswerke injtand gejett wurden. 
Der König wünjchte jedoch, zumal da fich die Situation an der 
ruffiichen Grenze bald befjer gejtaltete, Sprengtportens Ver— 
bleiben in der jchwediichen Hauptjtadt. Diejer gab dem Wunſche 
Gehör, jehr zu jeinem Schaden, da die Charaktere der beiden 
Männer jo wenig zufammenpaßten, daß es bald zu Rei— 


Die abeligen Fronbauern in Elimä (1773). 887 


bereien fam, welche 1774 Sprengtporten veranlaßten, um feine 
Entlaffung zu bitten. Er jtarb 1786. 

Die erjten Jahre der Regierung Guftaus III. wurden in 
Finnland dadurch getrübt, daß an mehreren Stellen zwijchen 
den adeligen Fronbauern und deren Herren Streitigkeiten aus- 
brachen, die, obwohl fie feine größere Ausdehnung erhielten, 
dennoch Aufmerkjamfeit verdienen, da fie davon zeugen, daß 
zwijchen dem Adel und dejjen Untergebenen eine aus früheren 
Zeiten jtammende Erbitterung berrichte. 

In Elimä war die Stellung der Grundbefiger-Ariftofratie 
jtärter als irgendwo anders im Yande, da der größte Teil des 
Kirchipiels der Wredejchen Samiliendonation von 1606 und 1608 
oder anderen abeligen Gejchlechtern, wie 3. B. den Erben des 
früher (©. 359 u. 366) genannten, unter dem Namen af For— 
jelles geadelten Bürgermeiſters Forjell, gehörte. Ein Teil der 
Untergebenen der Familie Wrede glaubte, wie ſchon (S. 253) her- 
vorgehoben wurde, widerrechtlich der von den Vorfahren bejeffe- 
nen Rechte beraubt zu fein; auch hatten die adeligen Fronbauern 
des Kirchipiels noch andere Urjachen zu Bejchwerden, wie 3. B. 
daß die Gutsbejiger und deren Verwalter willfürlich ihre eigenen 
Steuereinfünfte vermehrt, ungejegliche Arbeitslaften auferlegt 
hätten, und dergleichen mehr. Anfang 1773 brachen infolge deſſen 
Unruhen unter den Bauern aus. Cine im Februar vom 
König erlaffene Verfügung, worin fie erntlich ermahnt wurden, 
ihren Gutsherren gehorjam zu fein und ihre Bejchwerden auf 
gejeglihem Wege vorzubringen, hatte nur geringe Wirkung. 
Vielmehr fanden ſich im Mai Deputierte zu Stodholm ein, 
welche im Namen von 207 Elimä-Bauern dem König eine 
Beichwerdejchrift übergaben, ohne jedoch hierauf einen an— 
deren Bejcheid zu erhalten, als daß fie an die abminiftrativen 
und juridiichen Beamten ihres Dijtrift8 gewieſen wurden. 
Unglüdlicherweije jchlug der Landeshauptmann in Kymmene— 
gärd, Baron U. H. Ramſayh, einen unrichtigen Weg ein, indem 
er jofort zu gewaltiamen Mafßregeln jeine Zuflucht nahm. 
Die hierdurch zur Verzweiflung gebrachten Bauern überfielen 
Mitte Auguft im Verein mit Nachbarn aus den ruſſiſchen 

25* 


388 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs. 


Grenzdörfern ein Militärfommando bei Värälä, jetten das 
Gebäude, in welches ſich die Soldaten zurüdgezogen hatten, in 
Brand und nötigten diefelben zur Flucht. Zur Wieder- 
berjtellung der Ruhe berief Ramjay nunmehr eine ftärfere 
Zruppenabteilung, welche die Verhaftung von 96 Aufrührern 
vornahm. Hierauf wandten ſich die geängjtigten Bauern an 
Jakob Magnus Sprengtporten, welcher damals wegen Befichtigung 
der Feltungsanlagen in Finnland weilte, und baten um jeine 
Vermittelung. Der volfsfreundliche General nahm fich ihrer 
Sache an und jchilderte in Briefen an Guftav und an den Kanzlei— 
präfidenten Ulrich Scheffer die Verhältniſſe in einem für den 
Landeshauptmann wie für die Gutsbefiger minder günftigen Lichte. 
Auf Grund diefer Berichte erhielt er von dem Könige, befjen 
Gunſt er damals noch in hervorragendem Maße genoß, ben 
Auftrag, die Unruhe zu dämpfen, eine Aufgabe, die er jo erfolg- 
reich durchführte, daß Ende 1773 die gejetliche Ordnung im 
Kirchipiel wieder hergeftellt war. Inbezug auf ihre rechtliche 
Stellung hatten die Bauern dadurch freilich nichts gewonnen, 
da der König nur injoweit ihren Wünſchen entgegenfam, als 
er Ramſay nach der Yandeshauptmannjchaft Nyland-Tawaſtehus 
verſetzte. 

Langwieriger und gefährlicher waren die Unruhen, welche 
faſt gleichzeitig auf den unter der Verwaltung des Bezirks— 
richters E. F. Didron ftehenden Duncanjchen Nittergütern in 
Pelgjärvi, Ilomants und Tohmajärvi ausbraden. Schon im 
Sommer 1773 bejchwerten fi die Bauern durch Delegierte 
beim König, und 1778 machte fich die Erbitterung in gewalt- 
jamen Auftritten Luft. Auch Hier waren die Behörden und 
Edelleute feineswegs frei von jegliher Schuld; aber dennoch 
lautete der Spruch des Hofgericht8 ganz und gar zu Ungunften 
der Bauern, von denen nicht weniger als 286 für ſchuldig be- 
funden und beftraft wurden. Für wie gefahrvoll man bie 
Page in Karelien hielt, gebt daraus hervor, daß Oberſt Mont— 
gomery und Generaladjutant Piper beauftragt wurden, das 
Urteil an der Spike einer Militärabteilung zu volljtreden. 
Ende 1779 rücten fie in die Landſchaft und brachten die auf- 


Die Bauernunruhen von 1778 und 1779. 389 


rührerijhen Bauern zum Gehorſam. Gleichzeitige Quellen 
ichieben den größten Zeil der Schuld an jenen Vorgängen auf 
den Landeshauptmann D. E. Boije, der es nicht verfianden 
babe, den unbändigen Kareliern Vertrauen einzuflößen. 

Dieſe Mißftände waren indefjen nur lokaler Natur, während 
andrerjeit8 die abminiftrativen Maßregeln zu Finnlands Gunften, 
welche in den erjten Negierungsjahren Guftaus III. getroffen 
wurden, die öffentlihen und privaten Verhältniffe des ge— 
jamten Yandes berührten. Es gereicht dem Könige zur Ehre, 
daß er mehr als irgendeiner jeiner Vorgänger für Yinnlands 
Wohlergehen bemüht war, wie denn auch fein König jo häufig 
wie er diejes Land bejucht und in jo warmen Worten fein Inter: 
effe für das Wohl desjelben ausgejprochen hat. Die Beweg- 
gründe hierfür waren mannigfaltig. Finnlands gefahrvolle Lage 
an der rujjischen Grenze machte es, wie in den jpäteren Jahr— 
zehnten der Freiheitszeit, zu einem Gegenstand beftändiger Sorge 
für die ſchwediſche Regierung, und die wachjenden materiellen 
und geiftigen Hilfsquellen des Yandes verliehen ihm eine er- 
böhte Bedeutung. Vielleicht beruhte Guſtavs Vorliebe für 
dinnland auch auf der Unterftügung, die er von finnifcher Seite 
bei der Revolution erhalten hatte. 

Bereitd kurz nach der Revolution wurden dem Könige 
mehrere Memoriale überreicht, die ihn mit den Bebürfnifjen 
Finnlands in Bezug auf das Verteidigungsweien wie die öfo- 
nomijche Entwidelung bekannt zu machen juchten. Bon ihnen 
jei bier ein „Projekt zur Verbeſſerung des allgemeinen Haus- 
halts in Finnland“ vom September 1772 genannt, dejjen Ber: 
faffer, der Fortififationsoberjt Friedrich Jakob Nordencreugß, die 
Borzüge einer jchnellen, planmäßigen Durchführung der Grund- 
bejigverteilung (storskifte), der Gründung neuer Städte im Innern 
des Yandes, der Teilung der umfangreichen Yandeshauptmann= 
ichaften, einer möglichft zentralen Lage der Yandeshauptmanns- 
Nefidenzen u. j. w. betonte !). Gleichzeitig waren die Behör— 


1) Das Memorial ift im Auszuge gebrudt im „Historisk och politisk 
Mereurius“, Nr. 59, p. 470-474 (Stodbolm, 1774). 


390 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs. 


den mit Ausarbeitung eines neuen Grunbbefigverteilungs- 
Projekts ſowie eines Landesverteidigungsplanes für Finnland 
bejchäftigt. Doch wurde die Entjcheidung inbetreff diejer Fragen 
aufgejchoben, bis jich der König auf der von ihm vorbereiteten 
„Eriksgata“ in Finnland perfönlih über die Bebürfniffe und 
Wünſche der Bevölkerung informiert hätte. 

Dieje Neije erfolgte im Sommer 1775. Bei jeiner An— 
funft in Abo (25. Mai) wurde der König mit lebhaften Jubel 
empfangen, und gleiches geſchah jpäter in anderen Orten 
des Yandes, da Guſtav überall die Sympathieen der Bevölfe- 
rung durch fein liebenswürdiges Wejen zu gewinnen wußte. Von 
Abo begab fich der König nach Helfingfors, wo er vom 2. big 
10. uni weilte, abgejehen von einem Abftecher behufs Beſich— 
tigung der Feltungswerfe bei Sveaborg. Darauf ging bie 
Fahrt nach Lowiſa und Tawaftehus. Nachdem er bier am 
20. Juni mit dem Direktor des finnijchen Feldmeſſungsweſens, 
Erich Wetterjtedt, über das neue Grundbefigverteilungs-Projeft 
beratichlagt hatte, fehrte er nach Abo zurück, um fih am 
28. Juni wieder nach Stodholm zu begeben }). 

Aus einer jchriftlichen Außerung des Königs läßt fich 
ichließen, daß er Anlaß zu Ausftellungen gegen die Yandes- 
abminiftration gefunden zu haben glaubte. Gleichwohl fieht 
man nicht, daß er irgendwelche Maßregel getroffen hätte, um der 
Willkür der Beamten zu fteuern. Vielmehr belobte er das 
Aboer Hofgericht wegen Eifers und Unparteilichkeit in der 
Nechtspflege, jowie den Landeshauptmann Rappe in Abo wegen 
tüchtiger Amtsverwaltung, und gab zu erkennen, daß die Be- 
feftigungen bei Sveaborg und Spartholm gemäß den feſt— 
geftellten Plänen ausgeführt feien. Die finnijche Reife Guſtavs 
ift mithin nicht etwa durch Anftellung von Unterjuchungen 
gegen die Beamtenfchaft von Bedeutung. Aber die Verord- 
nungen, welche damals bei den Konferenzen zwijchen dem König 
und feinen beiden DBegleitern, den Neichsräten Ulrich Scheffer 


1) Weitere Einzefbeiten über diefe Reife finden fib bei W. Lagus, 
J. H. Kellgrens finska lefnadsminnen, p. 73 sqq. (Helfingfors, 1884). 


Guftavs III. periönlihe Fürſorge für Finnland. 391 


und Hans Heinrich v. Liewen, burchberaten wurden, waren 
von durchgreifender Wichtigkeit für die Entwidelung Finnlande. 

Schon während der Freiheitszeit war häufig darauf bin- 
gewiefen worden, wie wünjchenswert eine Teilung der ju— 
riftiichen und adminiftrativen VBerwaltungsbezirfe ſei. Dieſe 
Regelung wurde einer der erjten Gegenftände der Aufmerkjam- 
feit Guftavs III. Bei einer Ratskonferenz in Helfingfors 
(6. Juni) verfügte er eine Teilung Finnlands in jechs Pro- 
vinzen: Abo = Björneborg nebft Aland, Nyland-Tawaſtehus, 
Kymmenegärd, Savolafs-Karelien, Wafa, jowie Uleäborg mit 
der Lappmark Kuuſamo. Hierdurch wurde Ofterbotten in die 
beiden noch heute eriftierenden Provinzen geteilt und .gleich- 
zeitig die nach wie vor bejtehende adminijtrative Vereinigung des 
nördlihen Savolats mit Schwediſch-Karelien jowie einem Teil 
von Tawaſtland bewerkftelligt. Der Reſt von Kymmenegaͤrd 
erhielt dadurch eine Erweiterung, daß ein Teil von Tawaſt—⸗ 
land und Nyland damit vereinigt wurde Die Reſidenz für 
Savolats-Rarelien Fam ing Kirchipiel Kuopio, während die für 
Kymmenegärd von Lowija ins Kirchipiel Heinola jowie die für 
Nyland- Tawaftehus von Helfingfors nah Tawaſtehus verlegt 
wurde. Gegen Ende des Jahres wurden die Grenzen der ſechs 
Provinzen durch Erlaß definitiv feftgejtellt. Im Verlauf des 
Jahres 1776 gelangte die Teilung zur Durchführung, obwohl 
dabei Schwierigfeiten von einigen Landeshauptleuten, 3. B. 
A. 9. Ramſay !), gemacht wurden. Die Überfieveluug der 
Provinzialrefidenz von Lowiſa nach Heinola erfolgte erjt 1778. — 
In engem Zuſammenhang hiermit ftand die Teilung ber ju- 
riſtiſchen Bezirke. Auch diefe Frage wurde am 6. Juni ent- 
fchleden, indem der König die Gründung eines neuen Hof: 
gerichts zu Waſa verfügte, deffen Jurisdiktion fterbotten, 
Savolafs » Karelien jowie Nord» Tawaftland umfaſſen ſollte. 
Um die Durchführung diefer Maßregel zu erleichtern, wurde die 
Anzahl der Mitglieder des Aboer Hofgerichts um drei vermin- 
dert, welche letteren nebft fünf anderen das Perjonal des neuen 


1) Infolge deifen bat Ramſay 1776 um jeine Entlafjung. 


892 Fünfte Periode. Die Zeit Guftaus III. und Guftav IV. Adolfs. 


Hofgerihts ausmachten, zu deſſen erſtem Präfidenten der Re— 
pifionsjefretär Baron Arwid Friedr. Kurd ernannt wurde. Eine 
weitere Mafßregel zur Förderung der Rechtsficherheit war bie 
Vermehrung der Zahl der Oberlandesgerichtspdiftrifte von brei 
auf fünf: drei unter dem Aboer und zwei unter dem Waja- 
Hofgericht ?). 

In dem oben erwähnten Ratskonſeil vom 6. Juni 1775 
betonte Guftav auch, wie wünjchenswert es jei, daß der Unter: 
nehmungsgeift und Handelsverkehr im Innern des Landes durch 
Gründung neuer Städte belebt würde. Doch waren die hierauf 
bezüglichen Pläne noch recht unbeftimmt, und erft nach Ein- 
holung von Gutachten jeitens der Landeshauptleute und bes 
Feldmeſſungsdirektors Wetterſtedt ſowie nach Beijeitelegung 
mehrerer Projekte wurden definitive Beſchlüſſe gefaßt. Die 
Landeshauptmanns-Reſidenz Kuopio erhielt 1782 ſtädtiſche Privi— 
legien, während Heinola ſolche Rechte noch nicht empfing. Für 
die Stadt Tammerfors wurde 1779 der Fundationsbrief aus— 
gefertigt. Die ſchnelle Entwickelung dieſer Stadt, welche ſie zu 
der hervorragendſten im Innern Finnlands gemacht hat, zeugt 
davon, daß hier ein wirkliches Bedürfnis vorlag. Gleichzeitig 
wurde Tawaſtehus zur Förderung des Handels an ſeine heutige 
Stelle verlegt. 

Nach der Anſicht des Königs ſollte die Gründung neuer 
Städte mit der Eröffnung neuer Kommunikationsmittel im 
Binnenlande Hand in Hand geben, und er nahm daher 
die Pläne aus der Freiheitszeit, betreffend den Bau von neuen 
Kanälen zwiichen den Binnenjeeen und dem Meere, wieder 
auf. Wetterjtedt, deſſen Leitung die Ranalifierungsarbeiten an- 
vertraut wurden, teilte allerdings die alten Vorftellungen von 
ber Möglichkeit, das Seejyftem des Päijänne mit dem ſüd— 
weftlichen Seeſyſtem zu verbinden und von dort aus einen 
Kanal anzulegen, welcher fih in der Richtung auf Helfing- 
jors hin erjtreden jollte Aber mit Huger Mäßigung machte 


1) Die einzelnen Oberlandesgerichtsdiftrifte waren: der norbfinnifche, 
füdfinnifche, öfterbottnifche, Kareliiche und der von Kymmenegärd. 


Die Gründung neuer Städte (Tammerfors 1779). 393 


er den Vorjchlag, daß zunächſt alle Kräfte auf den Bau eines 
Kanals beim Dorfe Ritala in Lempälä verwendet werden follten, 
damit eine Verbindung von Tammerfors mit Tawaftehus zu— 
ftande Füme. Die Arbeit begann 1777, gelangte jedoch bei 
Lebzeiten des Königs nicht zur Vollendung. Bon größerem 
unmittelbarem Nuten waren zwei große Yandftraßen von Kuopio 
nach Uleäborg und von Waſa durch das Kirchipiel Saartjärvi 
nach Kuopio, deren Bau während der Regierung Guftavs II. 
in Angriff genommen wurbe. 

Während auf ſolche Weije Finnlands innere Gebiete einer 
neuen Zukunft entgegengingen, ſahen fich die öfterbottnijchen 
Städte mit einer Bejchränfung der Stapelfreiheit bedroht, 
bie jie fich mit vieler Mühe erkämpft hatten. Vonſeiten der 
Zollbeamten wurde nämlich darauf gedrungen, daß die jeit langer 
Zeit auf der Inſel Kaskö projeftierte Stadt um der bejjeren 
Zollbewahung willen Stapelort für ganz Ofterbotten werben 
jollte. Doch gelang e8 den Bürgern der übrigen Städte, 
durch lebhafte Proteftfundgebungen eine Entſcheidung der Frage 
zu ihren Gunjten zu erwirfen. Die Stadt, deren Gründung 
ſolche Unruhe verurjacht hatte, erhielt 1785 durch Privilegien 
volles Stapelrecht jowie zwanzigjährige Steuerfreiheit; auch 
wurde fie, gleichwie Tammerfors und Kuopio, von DBefolgung 
der alten Handels- und Zunftorbnungen befreit '). 

Die wejentlichjte VBorbedingung für Finnlands ökonomiſche 
Entwidelung war indefjen eine volljtändige Durchführung ber 
Grundbefigverteilung, welche in ven legten Jahren mit ge: 
ringerer Energie betrieben worden war. Auf dieſen Punkt hielten 
der König und feine Ratgeber während des ganzen Verlaufs ber 
finnischen Reife ihre Blicke gerichtet, und jchließlich wurde, kurz 
vor der Abreife Guftavs aus Finnland, am 27. Juni 1775, 
eine Verordnung erlafjen, welche eine neue Epoche in ber Ge— 
ihichte der finnijchen Grundbefitverteilung begründete. Es 
wurde nämlich nunmehr feitgejeßt, daß jedes Gehöft im Ver— 
bältnis zu feiner Größe und zu feinen Bebürfniffen eine gewiffe 

1) Näheres bei 3. Fr. Nyftröm, Bidrag till svenska handelns och 
näringarnas historia, p. 112 (Upfala, 1884). 


394 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs. 


Anzahl „tunnland * *) von den Waldgründen erhalten, der Reſt 
aber dem Staat ausjchließlih zur Verfügung geftellt werden 
follte. Der genannte Erlaß bejtimmte, daß im Öfterbotten 
auf jede Steuereinheit (mantal) 600 — 1200 „tunnland * 
Waldboden kommen jollten, eine Verordnung, welche 1777 
auf ganz Finnland ausgedehnt wurde. Im Savolafs und Ka— 
relien war weder für die oftgenannte Steuereinichägung noch 
für die Grundbejigverteilung bisher etwas gejcheben. Des: 
balb erfuhr der Erlaß vom 27. Juni 1775 eine Ergänzung 
durch einen andern vom 28. Juli, worin eine fchleunige Vor, 
nahme der Grundbefigverteilung und der Steuereinihägung in 
jenen Landſchaften anbefohlen jowie ein bejonderes Gewicht 
darauf gelegt wurde, daß der für die Krone übrig bleibende 
Reit des Waldbodens jofort Koloniften übergeben werden jollte. 
Um zur Anlegung von Kolonieen anzuregen, jollten die neuen An— 
ſiedler fünfzehnjährige oder noch längere Steuerfreiheit genießen. 

Der auf ſolche Weiſe feftgeftellte Grundfag einer Über— 
laffung des Neftbeitandes des Waldbodens an die Krone mußte 
natürlich Unzufriedenheit bei den Grunbbefigern erregen, welche 
der Meinung waren, daß ein Eingriff in ihr altes Eigentums 
recht an den Waldgründen gejchehen ſei. Bejonders war letsteres 
in Savolafs der Fall. Es währte denn auch nicht lange, bis 
der Verſuch gemacht wurde, einen Widerruf jenes Prinzips 
oder wenigftens eine Vermehrung des für jede Steuereinheit 
feſtgeſetzten Waldareald zu erwirfen. Mit großer Feſtigkeit 
verharrte indefjen die Negierung auf dem von ihr einge- 
nommenen Standpunft und gewährte nur in einigen Fällen 
Mopdififationen zugunften der Grundbefiker. So gejtattete fie 
1783, daß in den Kirchipielen der Landeshauptmannjchaft 
Kuopio mit Nücficht auf die geringen Fortichritte des Ader- 
baus ein Areal bis zum Höchjtbetrage von 1700 „tunnland 
für jede Steuereinheit berechnet werden dürfte ?). 


1) Unter „tunnland * verftand man in Schweden das größte Flächen: 
map — 14000 Quadrat-Ellen. 

2) Bol. KL. W. Gyldén, Samling af författningar rörande landt- 
mäteriet (Helfingfors, 1856—1863). 


Die neue Grunbbefitverteilung. 39 


Beſondere Fürforge wurde dem SKolonifationswejen gewid- 
met. Wiederholentlich erging an die Yandeshauptleute die Auf: 
forderung, dafür zu jorgen, daß fich möglichft viele Anfiedler 
auf den Waldgründen der Krone niederlaffen möchten. Ferner 
wurde 1783 bejtimmt, daß Koloniften im ganzen Lande fünf: 
zehniährige Steuerfreiheit genießen jollten, jowie im folgenden 
Jahre ein Fonds für Anjiedler bewilligt. 

Die Grundbefigverteilung wurde nach wie vor von Kom— 
miffionen bejorgt, welche aus Vertretern der Kirchipiele ſo— 
wie aus Feldmeſſern beftanden. Obwohl die Zahl ver Iek- 
teren 1775 eine bedeutende Vermehrung erfuhr, fonnte das 
gewaltige Werk doch nicht jo befchleunigt werden, wie der König 
es gewünjcht hätte. Erſt 1779 vermochte man mit den vor— 
bereitenden Unterjuchungen in den Provinzen Heinola und 
Kuopio zu beginnen, und erjt 1783 begann in jenen Gegenden 
die eigentliche Grundbefigverteilung, welche nunmehr ununter- 
brochen betrieben wurde, jo daß nur die Sriegsjahre 1788 
bi8 1790 eine Unterbrechung verurjachten. Die ganze Land— 
ſchaft Karelien, wo die Reform mit größeren Schwierigfeiten 
als anderswo verfnüpft war, blieb noch ungeteilt. Nur in den 
Kirchipielen Pielis und Yibelit8 begann man mit VBermefjungen, 
welche jedoch bald aufhörten. 

Schon auf dem Reichstag von 1786 konnte Guftav III. 
den Ständen mitteilen, daß bis Ende 1783 in der Provinz 
Kuopio 219 Gehöfte jowie 1784 und 1785 weitere 78 
Steuereinheiten (mantal) neu entjtanden feien. In den Pro— 
vinzen Waja und Uleiborg waren 807 neue Höfe jeit 1775 
eingerichtet worden. Auch in Tawaftehus war ihre Zahl be- 
deutend. In Abo-Björneborg wurde die Zahl der neuen Hof: 
gründungen auf 100 Steuereinheiten gejchätt. Alles in allem 
hatten etwa 2000 Haushaltungen neue Wohnftätten erhalten. 
Mean erfieht aus diefen Angaben, daß, wie e8 ganz natürlich 
war, die inneren und nördlichen Gebiete des Yandes den 
größten Nuten aus der Grundbefigverteilung zogen. In dem 
zur Provinz Kuopio gehörigen Teil von Savolaks entjtanden 
in den Jahren 1786—1789 482 neue Steuereinheiten. Aber 


396 Fünfte Periode. Die Zeit Guftaus III. und Guftav IV. Adolfs. 


nicht nur die größere Verbreitung des Aderbaus jondern auch 
die Feſtigung des Cigentumsrecht8 machte die Grundbeſitz- 
verteilung für jene Landſchaft jegenbringend. 

Schon während der Freiheitäzeit waren die Beftrebungen, 
Finnland eine beifere öfonomijche Zukunft zu verjchaffen, mit 
Plänen zur Stärkung des dortigen Verteidigungsweſens ver- 
bunden. Auch jet wurde die Verteidigungsfrage zu einer An— 
gelegenheit erjten Ranges. Während der Jahre 1772—1775, 
wo ein Krieg mit Rußland unmittelbar bevorzuftehen jchien, 
wurde eifrig an der Injtandjegung der finnijchen Armee wie 
der finnischen Feſtungen gearbeitet. Infolge der Anforderungen 
des Augenblids wollte man indefjen die finnijchen Verteidigungs- 
frage als Ganzes noch nicht zur Beratung aufnehmen oder 
fich für Verbefferungen entichließen, deren Früchte fich erft in 
einer entlegenen Zukunft zeigen könnten. Als der König jeine 
Reiſe nah Finnland antrat, hatte fich hingegen die Yage ver- 
ändert, und man konnte deshalb mit größerer Ruhe an um- 
faffende Reformen denken. Es wurden denn auch wiederbolent- 
lih Ratskonferenzen abgehalten, welche diejes Thema behan— 
belten und bei denen mehrere Offiziere der finnifchen Armee 
ihre Meinung äußerten. Unter den finnijchen Offizieren be- 
gann fich damals Goran Magnus Sprengtporten )), welcher an 
militärifchen Kenntniffen mit jeinem älteren Bruder Jakob Mag— 
nus und mit U. Ehrenjvärd wetteifern fonnte, bemerkbar zu 
machen. Guſtav befuchte ihn bei feiner Reife und fonferierte mit 
ihm inbetreff der Verteidigung Finnlands. Die bei dieſer Gelegen- 
beit ausgejprochenen Anfichten entwidelte G. M. Sprengtporten 
jpäter in mehreren Gutachten, in denen er das ganze finnijche 
DBerteidigungswejen einer burchgreifenden Kritif unterzog und 
ein Syſtem von Grenzfeftungen vorjchlug, welches fich von 


1) Er war am 16. Dezember 1740 in Finnland geboren, diente jeit 
1757 in Finnland und fpäter im Kriege gegen Friedrich den Großen mit 
Auszeihnung. Während der Ereignijje vom Auguft 1772 ftand er in 
Finnland dem Älteren Bruder zur Seite und folgte ihm im September 
nad Stodholm, wo er vom König zum befoldeten Oberftlieutenant bei 
ben leichten Dragonern ernannt wurbe. 


Das Verteidigungsweien. 397 


Lowija bis nach Savolafs hinein erjtreden ſollte. Soliten in- 
deſſen die Verhältniffe eine folche Ausdehnung der Befeftigungen 
in Finnland nicht geftatten, jo fei zum mindeften der finni- 
ſchen Armee eine umfafjende Aufmerkjamfeit zu widmen !). 

Die Vorſchläge Sprengtportens, betreffend die Erweiterung 
ber finnischen Befeftigungen in großem Maßjtabe, fanden feine 
Berückſichtigung; wahrfcheinlich, weil die finanzielle Yage des 
Staates alle derartigen Unternehmungen unmöglich machte. Nur 
bei dem Schloß von Tawaſtehus wurden in ben folgenden 
Jahren Fleinere Fortififationen zum Schu der dortigen Depots 
und Proviantmagazine aufgeführt. Hingegen widmete man 
der Reorganijation der Armee lebhafte Aufmerkjamfeit. Die 
Jahre 1776 — 1782 waren in dieſer Hinficht eine Periode 
fortlaufender Reformen, durch welche die Kriegstüchtigfeit der 
finnijchen Armee wejentlich gefteigert wurde. 

Im Jahre 1773 war der Befehl ergangen, daß die Reſerve 
in gleicher Stärfe wie die Mannjchaften der Miliz » Regi- 
menter errichtet werben ſollte. Als aber 1776 in allen Pro- 
vinzen Mufterung angeftellt wurde, ftellte es fich heraus, daß 
der Endzweck, die Schaffung einer ftehenden Nejerve für die 
Armee, in keinerlei Weife erreicht war. Diejes Hägliche Re— 
jultat veranlaßte einen der mit der Mufterung beauftragten 
Dffiziere, den Obriften H. von Trolle, zur Vorlegung eines 
die vollftändige Umbildung der Reſerve betreffenden Vorſchlags, 
gemäß welchem die auf die Hälfte reduzierten Rejervebatailfone 
eine fajt vollftändig der Organijation der alten Miliz- 
Truppen entiprechende Reorganijation erfahren und bie ein- 
zelnen Rejervefompagnieen ein DOffiziercorps erhalten jollten, 
welches, wenn auch numeriſch jchwächer als das der alten Regi— 
menter, dennoch binreichend wäre, den Soldaten die nötige 
Disziplin beizubringen und dieſelben alljährlich vierzehn Tage 
lang bei den Kompagniezufammentünften ſowie alle drei Jahre 


1) „Gehorſame Anfichten über Finnlands Verteidigung“ (an ben 
General Stadelberg) vom 1. Mai 1776; Sprengtporten an König Guftav, 
24. September 1776: „Schweb. Reichsarchiv“. 


898 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guſtav IV. Abolfs. 


bei den gewöhnlichen Regimentsmanövern einzuererzieren. An— 
ſtatt einer doppelt jo großen Zahl von mehr oder minder 
dienftuntauglichen Nejervemannjchaften jollte aljo jedes Regi— 
ment nur ein neues, aber bienfttaugliches Bataillon erhalten. 
Diejer Plan gelangte mit großer Schnelligkeit zur Durchführung. 
Unzweifelhaft wurde hierdurch den zur Aufftellung eines Reiters 
bezw. eines Fußknechts verpflichteten Bauern eine neue Laft auf: 
gebürdet, da fie die Nejervemannjchaften mit Wohnung, Koft 
und Kleidung zu verjehen hatten, jo daß fich ihre Obliegen- 
heiten gegen früher ungefähr um die Hälfte erhöhten. Allein 
troßdem wurden bei der Durchführung der neuen Einrichtung 
nirgends Schwierigkeiten erhoben. Die Nejerve, welche 1781 
gemäß dem neuen Plane vollftändig organifiert war, gab ber 
finnifchen Armee eine Berjtärfung von etwa 4000 Mann, jo 
daß die Gejamtjtärfe nunmehr etwa 14000 Mann betrug, 
abgejehen von den geworbenen Truppen, welche in Sveaborg 
und Spartholm lagen. 

Kurz darauf wurde eine Maßnahme getroffen, welche in 
hohem Grade zur Erhöhung der Beweglichkeit der Truppen 
beitrug. Es gelangte nämlich die jogenannte „Paffevolanz- 
abgabe* zur Einführung, eine Abgabe, welche als bejonderer 
Fonds verwaltet wurde, und deren Zwed war, die Negimenter 
mit Proviant, Troß, Pferden und allen Bedürfniſſen zu ver: 
jehen, wenn ber Aufbruch zu Manövern und Feldzügen erfolgte. 
Da dies indefjen auch eine Veränderung der Knechtkontrakte 
mit fich brachte, jo war erforderlich, daß die zur Stellung eines 
Reiters oder eines Fußjoldaten verpflichteten Bauern freiwillig 
ihre Einwilligung gaben. Dem Obrijten Anders de Bruce, wel- 
cher im Sommer 1776 zu dieſem Behufe im Negierungsauftrage 
die verjchiedenen Provinzen Finnlands bereifte, gelang es in 
ber That, durch geſchickte VBorftellungen überall zu erwirfen, daß 
die von ihm vorgelegten neuen Kontrakte Annahme fanden. Um 
ihn für die Gejchidlichkeit zu belohnen, mit der er jeine 
Aufgabe vollzogen hatte, wurde er Nachfolger U. H. Ramjays 
als Landeshauptmann von Nyland-Tawaftehus. — Im Zus 
jammenbang mit dieſen Reformen gejchahen unter Yeitung des 


Die Paſſevolanzabgabe. 899 


Reichsrats Karl Sparre weientliche Verbeſſerungen in dem 
Armee-Proviantweien, jo daß die finnische Armee, welche außer- 
dem noch ein bejonderes Kriegsfommiffariat und einen eigenen 
Generaljtab erhielt, nunmehr völlig imftande war, auf eigene 
Hand zu operieren. 

An diefen Organijationsmaßregeln beteiligte ſich Göran 
Sprengtporten nur als ein abjeits ftehender Ratgeber. Hingegen 
war ihm ein eigenes Feld, wo er die leitende Rolle jpielte, in 
Savolafs zugewiejen. Im März 1775 war er zum Obriften 
des Savolakjer Infanterieregiments ernannt worden, wozu etwas 
jpäter noch der Oberbefehl über das Savolatier Fußjägercorps, 
die Dragoner von Karelien und Kymmenegärd, ein tawajt- 
ländijches und ein nyländiſches Bataillon fowie einen Trupp 
Geworbener, alles in allem eine Brigade, hinzukam. Man 
hatte einjehen gelernt, daß Savolaks und Karelien nicht mehr, 
wie beim Ausbruch des Krieges von 1741, einer regelmäßigen 
Verteidigung entbehren fonnten. Schon die öfonomijche Ent- 
widelung jener Yandjchaften verlieh ihnen eine größere Wichtig- 
feit, und ebenjo wenig ließ fich verfennen, daß hier ein in ftra- 
tegiiher Hinficht wunder Punkt des Verteidigungsweſens 
eriftierte. Nachdem Rußland Nyjlott und Willmanftrand ge— 
wonnen, hätte eine ruffische Armee ohne Schwierigfeit einen 
Einfall in Schwedijch - Savolafd machen und von dort aus 
auf den newuangelegten Wegen bis nach Dfterbotten vordringen 
fnnen. Kaum war Sprengtporten Brigadechef geworden, 
als er mit jeltener Gnergie und Gejchidlichkeit für die 
Verbefjerung des Verteidigungswejens in jenen entlegenen Ge— 
genden jorgte. Wenn fich auch neue VBefeftigungspläne nicht 
durchführen ließen, jo mußten doch nach feiner Anjicht wenig: 
jtens die Truppen gemäß den Anforderungen, welche die eigen- 
tümlichen Verhältniſſe der Provinz mit fich brachten, verjtärkt, 
ausgebildet und reorganijiert werden. Savolaks fei, jo meinte 
er, infolge feiner abgejchiedenen Yage für den Fall eines Krieges 
bei der Verteidigung wejentlich auf fich felbft angewiejen, und 
ein Verteidigungsfrieg laſſe fich in jenen ſee- und bergreichen, 
mit wenigen Wegen verjehenen Gegenden nur dann mit Erfolg 


400 Fünfte Periode. Die Zeit Guſtavs III. und Guſtav IV. Abolis. 


führen, wenn man fich auf den feinen Krieg beſchränken würde. 
Unter ſolchen Umftänden feien ſämtliche Truppenteile der Bri- 
gade zu einer gleichförmig organifierten Heeresabteilung zu— 
fammenzufchweißen, welche durch leichte Ausrüftung, Verprovian- 
tierung und Bewaffnung fowie durch Einteilung in mehrere 
Heinere Kompagnieen bie für ben Heinen Krieg erforderlichen 
Eigenjchaften erhielte: Beweglichkeit, Schnelligkeit und das Ver— 
mögen, ſich den Anforderungen des Terrains anzupaffen. Dieje 
fhon unter 9. M. Sprengtporten begonnene Organifation 
wurde unter feinem Bruder Göran bei der ganzen Savolafjer 
Brigade innerhalb weniger Jahre zur Durchführung gebracht. 
Die nah einem Vorſchlag Sprengtportens angefertigten Ge— 
wehre, die jogenannten „Sprengtportenfhen Stußer“, genoßen 
in Savolafs lange ein umnbeftrittenes Anjehen. Die Reor- 
ganifation wurde durch Einrichtung der Reſerve jowie ber 
Paffenolanz erleichtert und durfte als vollendet bezeichnet wer- 
den, nachdem die Brigade auch mit leichter Feldartillerie ver- 
jehen war. 

Für die bergeftalt reorganifierten Truppen wurden Manöver 
angeordnet, deren Zwed war, die Soldaten an die Mühen des 
Kriegslebens zu gewöhnen und ihnen eine Vorftellung von allen 
Erfordernifjen für einen Feldzug ſowie den Terrainverhält- 
niffen ihrer Heimat zu verichaffen. Mit Unterftügung feiner 
Offiziere arbeitete Sprengtporten jelbjt ein Neglement !) für 
dieje Übungen aus. 

Der ichönfte Zug bei dieſer Wirkjamfeit Sprengtportens 
war jedoch die Fürſorge, welche er der Ausbildung der Offi— 
ziere widmete. Unter anderm richtete er auf feinem Wohnjig 
Brahelinna eine Kriegsjchule ein, wo er, von einigen anderen 
Dffizieren unterftügt, jüngere Söhne aus den adeligen Fami— 
lien des Landes in allen zur Ausbildung von höheren Militärs 
notwendigen Gegenjtänden unterrichtete. Auch verfaßte er im März 
1779 einen ausführlichen Entwurf für eine von der Regierung 


1) Abgedrudt in: „Krigssamlingar“, utgifna af Georg Adler- 
sparre IV, 303 (Stodholm, 1794—1798). 


G. M. Sprengtportens Wirten in Savolals (1775—1779). 401 


zu unterbaltende Kadettenjchule in Savolaks, welche für 16 Volon— 
täre des Savolakjer Regiments beftimmt fein und auf dem Kron— 
gut Haapaniemi im Kirchipiel Rantaſalmi, ſüdlich von Kuopio, 
errichtet werden jollte. Sein Projekt wurde genehmigt und ſofort 
durchgeführt, allerdings mit der Veränderung, daß die neue Schule 
nicht nur Zöglinge aus Savolaks, jondern aus ganz Finnland 
aufnahm. Sie wurde 1780 in Kuopio eröffnet und im fol- 
genden Jahre nach Vollendung der erforderlichen Gebäude nach 
Haapaniemi verlegt. Unter Peitung des Fortififationsoffiziers 
Samuel Möller, welcher jeit 1782 Chef der Lehranftalt war und 
dem Unterricht eine praktiſche Richtung zu geben wußte, gewann 
die Schule ein hohes Anjehen, welches jpäter auf das Kadetten- 
corps von Fredrikshamn überging ’). 

Dieſe Vorſchläge und Maßnahmen erwarben ihrem Urheber 
ungeteilten Beifall vonfeiten König Guftavs und des Kanzlei- 
präfidenten Ulrich Scheffer. In einigen anderen Fällen hin— 
gegen glaubte Sprengtporten Grund zur Bejchwerde zu bejigen. 
Sp fand das von ihm eingereichte Projekt, betreffend die 
Vermehrung der Savolafjer Brigade durch ein neues Regiment, 
feine Berüdfichtigung, und noch größer war die Enttäufchung, 
die er inbezug auf das Verteidigungswejen in Karelien erfuhr. 
Die militärifhe Dienftpflicht jener Landſchaft bejchränfte fich 
auch damals noch auf das allgemeine Aufgebot aller Waffen- 
fähigen in Kriegszeiten. Dieje Wehrpflicht war jedoch um fo 
weniger genügend, als fich die Karelier hartnädig mweigerten, 
jih von militärijch gebildeten Offizieren einererzieren zu laffen. 
Sprengtporten beantragte daher die Errichtung eines kare— 
liſchen Yägerbataillons von 600 Mann, welches mit Hilfe des 
gemeinen Mannes zur Grenzverteidigung verwendet werben 
jollte.e Der Plan, daß das Bataillon aus Geworbenen be- 
fteben jollte, für deren Unterhalt die Bevölkerung zu jorgen 
babe, wurde prinzipiell gutgeheißen und Sprengtporten damit 
beauftragt, nebjt dem Landeshauptmann Boije mit den Kare- 
liern hierüber zu verhandeln. Aus ihrem Rapport und den 

1) Bal. 8. ©. Leinberg, Handlingar rörande Haapaniemwi krigs- 
skola, in: „Finsk Militär Tidskrift 1884“ (Bihang), p. 1—97. 

Schybergfon, Geſchichte Finnlande. 26 


402 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs. 


beigefügten PBrotofollen vom Frühjahr 1776 gebt hervor, daß 
fich die Karelier, obwohl auf einigen Zuſammenkünften eine auf- 
geregte Stimmung berrichte, dennoch ſchließlich dazu verpflichteten, 
jährlih gewiffe Summen (zujammen 13390 Thaler Silber: 
münze) zum Unterhalt des Jägercorps zu bezahlen, wofern das 
legtere nur zur Verteidigung der Yandichaft verwendet werben 
würde und außerdem die Landfturmpflicht der Bevölkerung 
fünftig fortfiele. Trotz der Schwierigkeiten und Vorbehalte war 
Sprengtporten mit diefem Refultat äußerft zufrieden und wartete 
nur auf einen Regierungsbefehl, um zu den abjchliegenden Or— 
gantiationsanftalten zu jchreiten. Aber im Schoße der „Bertei- 
digungsfommiffion“ (försvarsberedning) war man der Meinung, 
der Plan Sprengtporteng jei ad acta zu legen, da er für die Krone 
nichts Vorteilhaftes enthielte. Das Endrefultat war, daß die oben— 
genannte Abgabe jeit 1778 ftändig wurde, obwohl die Errichtung 
des Jägercorps erft zu Beginn des Krieges gegen Rußland 1788 
erfolgte. Dieſe willfürlihe Behandlung erregte die Unzufrieden- 
heit der jchon früher durch die Mißftände auf den Duncanjchen 
Nittergütern beunrubigten Bevölkerung und äußerte fich bei der- 
jelben in den folgenden Jahren durch Mißtrauen und Gereiztheit. 

Sprengtporten fühlte fich hierdurch und auch fonft verlekt. 
Für feine Dienfte glaubte er nicht hinreichend belohnt zu fein. 
Trotz feiner verbältnismäßigen Jugend beanfpruchte er den 
Oberbefehl über die finnifche Armee oder mindeſtens eine vor- 
teilhaftere Stellung, als er fie in dem entlegenen Savolaks 
befleidete. Bon einer ſolchen Verſtimmung beberrjcht, bat er 
um die Erlaubnis, eine Reife ins Ausland behufs Vervoll- 
fommnung feiner militärischen Kenntniffe antreten zu dürfen, 
eine Bitte, welche König Guftav unter Gewährung eines 
reichlichen Reiſezuſchuſſes erfüllte Mit feiner Abreije (Ende 
März 1779) endigte feine Wirkſamkeit in Savolats, welche 
die Jahre 1775—-1779 zu einem Lichtpunkte in der Gefchichte 
jener Landſchaft macht. Der jchönjte Teil feiner Laufbahn 
war hiermit abgejchloffen. Auf feiner Reife wurde er in 
Petersburg mit großer Auszeichnung empfangen, was auf ihn 
einen nachhaltigen Eindrud machte. Nach einem mehrmonatlichen 


Oppofitionelle Stimmung unter ber Ariftofratie. 403 


Aufenthalt in Berlin verweilte er meiftens zu Paris, wo er 
von revolutionär » republifanifchen Ideeen angeftedt wurde ?). 
Im Mai 1780 erhielt Sprengtporten auf feinen ausdrücklichen 
Wunſch feinen militärifchen Abjchied, um im Auguft 1781 miß- 
vergnügt nach Finnland zurüdzufehren. Dort wurde er einer der 
Führer unter den Evelleuten, welche Guftav III. als Feind der 
Freiheit und des Vaterlandes betrachteten. 

Auch bei der militärifchen Ariftofratie Finnlands, welche 
infonderheit auf Speaborg die politijchen und jozialen Be— 
ftrebungen der damaligen Zeit mit lebhaften Interefje ver- 
folgte, hatte die oppofitionelle Stimmung Verbreitung gewonnen. 
Es gehörte dort zum guten Ton, die Lift und Falſchheit 
jowie den Despotismus des Königs zu tabeln. Unter denen, 
welche zu den eifrigiten Tadlern gehörten, machte fich na— 
mentlih Johann Anders Jägerhorn bemerkbar, ein begabter 
und fenntnisreiher Mann, welcher in verjchiedener Hinficht 
ein typiſcher Repräjentant der damaligen ariftofratifchen Jugend 
war ?). Derjelbe gründete auf Sveaborg eine politifche Ge- 
jellichaft, den „Walhallaorden“, welche fich über ganz Finnland 
erjtredte. Nachdem die Mitgliederzahl auf mehr als hundert 
angewachjen war, wurde fie in Komtureien, je eine für jede 
finnifche Provinz, eingeteilt, von denen jede einen von Yäger- 
born gewählten Ordensbruder zum Präfidenten erhielt. Bei 
den Ordenszufammenfünften wurden über biftoriiche Themata 
Vorträge gehalten, welche unter anjcheinend unjchuldiger Form 
bittere Anjpielungen auf die beftehenden Verhältniſſe enthielten. 
Diefer Orden trug dazu bei, bei der Ariftofratie Finnlands 
eine unrubige und erregte Stimmung hervorzurufen; doch hatte 
er feine bejondere finnifche Tendenz, da ihm jowohl aus Schwe- 
den gebürtige wie einheimiiche Dffiziere angehörten. 


1) Über die von ihm geplante Teilnahme am Norbamerikanifchen Freis 
beitöfriege vgl. den Aufia von Th. Weftrin in: „Svenska literatur- 
sällskapets i Finland förhandlingar och uppsatser“ III, 34—61 (Hel- 
fingfors, 1888). 

2) Er war 1757 in Nylanb geboren, wurbe 1775 Kornett und jpäter 
Hauptmann bei dem Dragonerregiment von Nyland-Tawaſtehus. 

26 * 


404 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs. 


Nur eine kleine Gruppe innerhalb des Walhallaordens 
buldigte unter Göran Sprengtportens Führung Finnisch = jepa- 
ratiftiichen Anfichten. Letzterer verweilte nach feiner Rückkehr 
(1781) auf feinem Gute Sefta im Kirchjpiel Naftola, wo er 
fich, erbittert über die Ungnade, die ihn betroffen, mit Rache: 
plänen gegen König Guftav trug. In Erinnerung an den wohl- 
wollenden Empfang, den er in Petersburg gefunden, trug er fich 
mit Plänen, betreffend die Losreißung Finnlands von Schweden 
jowie jeine Verwandlung in einen unter ruſſiſchem Schutz 
jtehenden jelbjtändigen Staat, ein Gedanke, welcher die Erinne- 
rung an das Manifeft der Kaiſerin Elifabetb vom Jahre 
1742 (vgl. ©. 339 ff.) wieder wachruft. Wie er jelbft und 
jeine Freunde ſich damals Finnlands Stellung im einzelnen 
vorftellten, nachdem die alten Bande mit dem Mutterlande 
gelöft worden wären, tritt nicht mit vollftändiger Klarheit zu— 
tage; doch jcheint eine republifaniiche Negierungsform, welche 
die Hauptmacht in die Hände des Adels legte, als das deal 
vorgejchwebt zu haben, deffen Verwirklihung den Urhebern des 
Planes jelbjt einen erhöhten Einfluß verjchaffen und das Glüd 
ihres Vaterlandes begründen ſollte. Das Projekt, welches mit 
lebhaften agitatorifchen Eifer in den Kreijen verkündet wurde, 
deren Mittelpunft Sprengtporten war, gewann vermöge des 
unbeftrittenen Anjehens, welches diejer genoß, am Bedeutung. 
Groß ift jedoch Feineswegs die Zahl derer geweſen, die als 
eigentliche Selbjtänpdigfeitseiferer bezeichnet werden können. Der 
durch jeine Stellung hervorragendfte unter ihnen war ber 
Landeshauptmann in Kymmenegärd, Robert Wilhelm de Geer, 
welcher jedoch nicht aktiv für die Sache wirkte. Ferner ge: 
bören hierher von den Führern des Walhallaordens in erjter 
Linie 3. A. Jägerhorn, welcher mit Iebhafterer Überzeugungs- 
treue als alle anderen das Selbftändigfeitsprojekt verfocht, jowie 
ferner der mit nicht geringem litterarifchem Talent begabte 
Karl Heinrih Klik und der abenteuerliche Lars Reinhold 
Slanjenftjerna. Schließlich ſeien erwähnt: der verabjchiebete 
Major Chriſter Wilhelm Ramſay auf Nynäs bei Heinola; 
deſſen Schwiegerjohn Karl Reinhold v. Eſſen auf Paafo; ber 


Der Walhalla-Orden. 405 


Sohn des lettgenannten, Dietrich Adolf; der Major Berndt 
Magnus Stadelberg; Otto Chrifter Boije, jowie der jugendliche 
Guſtav Wilhelm Ladau. 

Zur Rechtfertigung ihres Vorhabens wurde von jenen 
Männern angeführt, daß die Finnländer jederzeit von den 
Schweden verachtet geweſen ſeien, daß ſchon während der Frei— 
heitszeit ein Plan, Finnland in Armut und Abhängigkeit zu 
erhalten, entworfen worden ſei, und daß man Finnland nie— 
mals mehr, als gerade unter der Regierung Guſtavs III. mit 
Füßen getreten habe. Derartige Motive konnten natürlich in 
einer Zeit, wo Finnland mehr denn je zuvor Gegenjtand der 
Fürſorge für die Negierung war, feinen Eindrud machen, und 
die Bejtrebungen der Selbftändigfeitsmänner wiejen deshalb auch 
nur geringen Erfolg auf. Das Projekt wurde von der Mehr: 
zahl der unzufriedenen finnischen Edelleute mit abweijender Kälte 
oder mit Unwillen aufgenommen, während es bei den bürger- 
lichen Ständen überhaupt feine Verbreitung gewann. Übrigens 
wird berichtet, daß Sprengtporten Herzog Karl, den jüngeren 
Bruder Guſtavs, jondiert habe, ob er Herricher in einem unter 
ruſſiſchem Schutze jtehenden, aber unabhängigen Großfürften- 
tum Finnland werden wolle; aber der Herzog habe ausweichend 
geantwortet. Dies jcheint der einzige Verfuch gewejen zu fein, 
ihon damals zur That zu jchreiten. Im übrigen begnügte man 
fih mit einer bloßen Vorbereitung der Gemüter, zumal da 
Sprengtporten Anfang 1785 das Land verließ, um in holländiſche 
Dienfte zu treten. — Guſtav wußte von diefen reichsfeindlichen 
Beitrebungen, erachtete diejelben jedoch nicht für jo gefährlich, 
daß eine ernftliche Ahndung von nöten gewejen wäre Die 
Negimentstommandeure in Finnland erhielten Befehl, fich über 
alles genau zu informieren. Da aber nichts zu entdeden war, 
nabm man von weiteren Unterfuchungen Abjtand. 

König Guftav hatte große Vorteile von einer Zuſammen— 
funft erwartet, die zwifchen ihm und der Saiferin Katha— 
ring gelegentlich einer Neife ftattfinden follte, welche er im 
Sommer 1783 nah Finnland zu unternehmen beabjichtigte, 
um an den finniichen Qruppenmanövern teilzunehmen. Bei 


406 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs. 


feiner Ankunft auf dem Ererzierplag von Parola (12. Juni) 
traf er die finnischen Truppen in vortreffliher Kondition; be— 
fonder8 die von Sprengtporten eingeübten Corps zeichneten 
fich durch Beweglichkeit aus. Hierauf weilte der König zwei 
Wochen in Tamwaftehus und brach erjt Ende des Monats nad 
Fredrikshamn auf, wo er vom 29. Juni bis zum 4. Juli Gaft 
der Raiferin war. Die Zufammenkunft verlief nicht nad 
Wunſch. Guftav und Katharina fchieden in Unfrieden von- 
einander, und ſeitdem waren die Pläne Guftavs gegen Ruß— 
land gerichtet. 


2. Die lehten Regierungsjahre Guſtavs III. (1786—1792) ’). 


Zu den Edelleuten, welche auf dem Reichstag von 1786 
den Plänen des Königs entgegenarbeiteten, gehörte auch Göran 
Sprengtporten, welcher nach jeiner Rückkehr aus Holland feine 
Unzufriedenheit in einem Memorial zu erfennen gab, worin er 
darüber Flagte, daß die Bevölkerung Finnlands durch die letzte 


1) Nachſchlagewerke zur Gefchichte Finnlands in den letten Regie 
rungsjahren Guſtavs III: M. Malmanen (8. M. Creuß), Anjala 
förbundet (Stodholm, 1848); Yrjö Koslinen, Yrjö Maunu Sprengt- 
portenista ja Suomen itsenäisyydestä (Helfingfors, 1870); 8. 8. Tiger: 
ſtedt, Göran Magnus Sprengtporten (verichiedene Artifel in: „Finsk 
Tidskrift‘“‘ 1877—1888); ©. Rein, Kriget i Finland 1788—17% I, 
in: „Bidrag till kännedom af Finlands natur och folk“, Bd. III 
(Helfingfors, 1860); „Protokoller och handlingar rörande det brottsliga 
förhällande, som förekommit emot ätskillige chefs och officerare vid finska 
armen under 1788 ärs campagne“, Bd. I—IV (Stodholm, 1789— 1791); 
3. Mantell, Anteckningar rörande finska arméns och Finlands 
krigshistoria J (Stodholm, 1870); €. G. Geijer, Des Königs Guſtav III. 
nachgelafjene und fünfzig Jahre nach feinem Tode geöffnete Papiere III, 
1 u. 2 (Hamburg, 1845—1846); „Minnen ur Sveriges nyare historia, 
samlade af B. v. Schinkel, författade och utgifne af C. W. Berg- 
man“ J, II (Stodholm, 1852); ©. v. Shank, Historia ölver kriget 
mellan Sverige och Ryssland 1788— 1790 (Stodholm, 1817/18); „Stats- 
rädet Joh. Alb. Ehrenströms efterlemnade historiska anteckningar “ I 
(Stodholm, 1882). 


G. M. Sprengtportens jeparatiftifhe Pläne. 407 


Mißernte dem Hungertode verfallen, jowie daß jede Sicherheit des 
Eigentums infolge der für die Grundbefigverteilung (storskifte) 
fejtgejtellten Grundjäge gejchwunden fei. Er ſcheute fich alſo 
nicht, eine der für Finnland nüglichjten Maßregeln als Waffe 
gegen König Guftav anzuwenden. In der That war er 
damals nur noch jcheinbar ſchwediſcher Unterthan, während 
er fih faktifh ganz und gar in die Arme Rußlands ge- 
worjen hatte. In Holland hatte er Verbindungen mit dem 
dortigen ruffiihen Geſandten Kalitichew angefnüpft und leß- 
terem ein Promemoria überreicht, welches die Frage betraf, 
in welcher Weiſe Finnlands Selbftändigfeit zu bewerkjtelligen 
jet. Gleichzeitig jehritt er zur Ausarbeitung eines Entwurfs 
für eine jelbftändige finnijche Regierungsform, worin er bie 
ariftofratijch-föderative Staatsverfafjung der Niederlande zum 
Mufter nahm und diejelbe durch einige, hauptjächlich der Ver- 
faffung der „Freiheitszeit“ entnommene Zufäge ergänzte. Der 
neue Staat follte „Republif der vereinigten Provinzen Finn 
lands“ genannt und von einem permanenten Kongreß regiert 
werben, in welchem die Provinzen durch die einzelnen Stände 
repräjentiert wären. Die Bauern jollten jedoch nicht im Kon— 
greß figen, jondern durch Beſitzer von Allodialgütern (odalmän) 
vertreten fein, „welche jie jelbjt auf ihren Provinzialverfamms 
lungen wählen können“. Die Mitglieder des Kongreſſes 
jollten von dem jedes vierte Jahr zufammentretenden Reichstag 
auserjehen werben. Dieſes verwidelte Verfaffungsprojeft ift 
wohl von Sprengtporten nach feiner Ankunft in Stodholm 
dem bortigen ruſſiſchen Gejandten Markow überliefert worden, 
welchem er auch ſonſt jchriftlich wie mündlich feine Pläne für 
Finnlands Zukunft entwidelte: eine Empörung folle in Finn— 
land angezettelt werden, worauf die ruffiihe Kaijerin ben 
Sinnländern zu Hilfe fommen und nach errungenem Sieg 
ihnen die neue Verfaffung, die fie fich jelber geben wollten, 
garantieren ſolle. Sprengtportens Berficherungen in betreff 
der Geneigtheit jeiner Landsleute, jih von Schweden loszu— 
reißen, fanden wenig Glauben am rujfiihen Hof; aber Katha— 
rina glaubte dennoch Gründe zu haben, eine ihren Intereſſen 


408 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs. 


fo ergebene Perfönlichkeit wie Sprengtporten in ihre Dienite 
zu nehmen. Sie lud ihn durch Markows Vermittlung ein, 
er möge in Rußland feine Zuflucht juchen,; ein Anerbieten, 
welches Sprengtporten um jo lieber annahm, als er fich wäh- 
rend eines Geſprächs mit Guſtav III. davon überzeugt hatte, 
daß diejer vollftändige Kenntnis von jeinen reichsverräteriſchen 
Anjchlägen beſaß. Nach einem zweimonatlichen Aufenthalt in 
Finnland reifte er im September 1786 nach Petersburg, wo 
er von Katharina höchſt wohlwollend empfangen, zum General- 
major ernannt jowie mit mehreren anderen Gunjtbeweijen be> 
bacht wurde ). Der Major Jägerhorn, mit welchem er Be— 
ziehungen unterhielt, übernahm nach jeiner Abreije die Leitung 
der GSelbjtändigfeitsbeftrebungen in Finnland. 

Guſtav III., welcher die Abreife Sprengtportens gern ſah, 
traf um dieſe Zeit mehrere Anftalten, um das Wohlwolfen der 
Nation wiederzugewinnen. Cine Reife in Finnland während 
des Sommers 1787, wobei der König in Begleitung des 
jugendlichen Kronprinzen Guftav Adolf den Manövern der 
finniſchen Negimenter auf dem Ererzierplag von Parola bei- 
wohnte, war geeignet, die Ergebenheit der Finnländer für die 
fönigliche Familie zu erhöhen. Aber der Adel ließ fich nicht 
befänftigen. Seine hervorragendjten Mitglieder hielten fich 
nach wie vor abjeits vom Hofe, wo Günftlinge, wie u. a. bie 
Finnländer Guſtav Morig Armfelt, Adolf Friedrich Mund 
und Johann Friedrich Aminoff, die Hauptrolfe jpielten. 

In diefen Verhältniſſen lag eine wejentliche Urjache dafür, 
daß Guſtav III. mit immer lebhafterem Eifer den Plan, Ruß— 
land zu befriegen, verfolgte. Die Verbindungen, in welche fich 
der ruffiiche Gejandte Marfow auf dem Reichstag von 1786 
mit Göran Magnus Sprengtporten und mit anderen fogenannten 
„Patrioten“ eingelafjen hatte, zeugten nur allzu Iebhaft dafür, 
daß ſich Rußlands Abfichten nicht geändert hatten. Nachdem 


1) Bol. 8. 8. Tigerftebt, Tvänne förslag till Finlands styrelse 
af G. M. Sprengtporten; 8. K. Tigerftedt, G. M. Sprengtportens 
plan till ästadkommande af Finlands sjelfständighet och hans inträde 
i rysk tjenst (Programm bes Aboer Lyceums 1881 u. 1882). 


Guftavs III. Kriegsgelüfte. 409 


Schwedens Krieggmacht bedeutend verjtärft war, fchien es da— 
ber den Anforderungen einer Eugen Staatskunft zu entfprechen, 
daß man bei günftiger Gelegenheit Rußland angriffe, um dem 
öftlichen Nachbar gegenüber eine befjere Grenze und eine mehr 
gejicherte Stellung zu erhalten. Nach Beginn des rujfiich- 
türfiichen Krieges (Auguft 1787) waren denn auch alle Anz 
ftrengungen Guftavs auf Vorbereitung des Kampfes gerichtet. 

Der entftheidende Schritt erfolgte am 22. Mai 1788, wo 
ber Neichsrat, gemäß dem Wunfche des Königs, die Ausrüftung 
von Heer und Flotte genehmigte. Am nächften Tag erging 
an Raſumowski, den Nachfolger Markows, die Aufforderung, 
Stodholm binnen acht Tagen zu verlaffen. Am 12. Juli 
ichlieglich wurde ein Ultimatum in Petersburg überreicht, worin 
Guſtav u. a. begehrte, die rufjische Kaiferin jolle ganz Ruſſiſch— 
Finnland und Karelien jowie das Gouvernement und die Stadt 
Kerbolm abtreten, jo daß fünftig der Syſterbäck die Grenze 
zwijchen Rußland und Schweden bilden würde. Katharina be- 
antwortete dieſe Drohung durch ein Kriegsmanifejt. Etwas 
jpäter, am 23. Juli, erfolgte die ſchwediſche Kriegserklärung. 

Die Hauptmafje der finniſchen Truppen, welche am 22. 
Mai den Befehl zum Aufbruch an die Grenze erhalten hatten, 
wurde unter dem Befehl des Yandeshauptmanns in Nyland- 
Zawaftehus, Generalmajor Karl Guſtav Armfelt, in einem 
Lager am Kymmenefluffe im Kirchipiel Elimä vereinigt, wäh- 
rend fich die Savolakjer Brigade unter ihrem Chef, Oberft 
Berndt Johann Haftfehr, bei St. Michel jammelte. Die finnijche 
Armee beitand aus etwa 15000 Mann Infanterie und Kaval- 
lerie, darunter ungefähr 3000 Geworbenen und 4000 Reſer— 
viften. Gleichzeitig wurde die finnifche Schärengartenflotte 
mit etwa 2000 Dann Bejagung in jtand gejeßt. Die ge- 
jamte in Finnland aufgeftellte Yand- und Seemacht betrug 
mithin ungefähr 17000 Mann. Am 9. Juni ging die ſchwediſche 
Kriegsflotte, welche 5000— 6000 Matrojen und 3800 Mann 
Landungstruppen an Bord hatte, unter dem Befehl des Her- 
3098 Karl nach Finnland und fam am 28. Juni nah Hangö. 
Zwei Wochen jpäter verließ der König Stodholm mit einem 


410 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guſtav IV. Adolfs. 


Geſchwader von 85 Fahrzeugen (2000 — 3000 Manı Be: 
fagung) fowie 9000 Mann Truppen. Am 2. Juli landete 
diefe bebeutende Heeresmacht in Helfingfors, jo daß fih nad 
dem Eintreffen weiterer Verftärkungen die ganze in Finnland 
verfammelte Streitmacht auf 44000 Mann belief. 

Der Krieg begann in Savolaks, wo Oberſt Haftfehr am 
2. Juli mit 1300 Mann gegen Nyjlott rüdte, um dieſe nur 
ſchwach verteidigte Fefte zu erjtürmen. Da die Truppen jedoch 
weber mit Belagerungsartilferie noch mit anderen Erforderniffen 
verjeben waren, hielt man einen Sturm für allzu gewagt und 
beſchloß, die Bejakung durch Blodade und Aushungerung zur 
Kapitulation zu zwingen. 

Zwei Wochen fpäter, am 17. Juli, fam es zwijchen der 
ſchwediſchen und der ruffiichen Kriegsflotte bei Hogland zu 
einem Seetreffen, welches, obgleich für die Schweden ehrenvoll, 
dennoh mit Rückſicht auf die Folgen mit einer Niederlage 
gleichbedeutend war. Anftatt nach Kronſtadt zu fegeln, mußte 
nämlich die ſchwediſche Flotte behufs Ausbefferung der er- 
littenen Schäden nach Speaborg umfehren, jo daß eine Landung 
in der Nähe von Petersburg nicht mehr in Frage kommen 
fonnte. 

Um diefelbe Zeit marjchierten zwei finnijche Heeres: 
abteilungen über die Grenze. Die eine derjelben (1100 Dann), 
welche von dem Obrijten Guftav Mori Armfelt !) befehligt 
wurde, machte bei Summa, 7 Werft von Fredrikshamn, Halt, 
während die zweite (4000 Mann) unter dem jchon bejahrten 
General Karl Guſtav Armfelt etwas nördlicher, etwa 4 Werft 
von Fredrikshamn entfernt, bei Hufjula ihr Lager aufichlug. 
Obwohl die jchwachen Feftungswerfe von Fredrikshamn einem 
ernithaften Angriff faum hätten widerjtehen können, wollte König 
Guſtav, welcher fich bei der Huffula-Armee einfand, doch bie 
Ankunft einer dritten Abteilung von 6000 Schweden unter 
General Siegrothd abwarten, um Fredrikshamn auch von der 


1) Derfelbe war am 1. April 1757 in Finnland geboren und gehörte 
zu den treueften Anhängern König Guftavs. 


Das Scheitern de8 Angriffs auf Fredrilshamn (1788). 411 


Geejeite und von Oſten ber angreifen zu können. Das let: 
genannte Corps, welches erſt am 3. Auguft eintraf, befand 
ſich bereit8 auf dem Vormarſch, als plöglich eine Botjchaft vom 
König ankam, daß die Operationen bei der Hauptarmee ein- 
gejtellt jeien, und daß auch Siegrotd vom Angriff Abftand 
nehmen bürfe, wofern er nicht allein die Feſtung erobern zu können 
glaube. Nach abgehaltenem Kriegsrat ſchiffte Siegrotb am 4. 
Auguft feine Truppen wieder ein, und der Angriff auf Fredriks— 
hamn unterblieb. 

Die Urfache, weshalb König Guftav von feinem Vorhaben 
gegen Fredrifshamn Abftand nahm, berubte teil auf feiner 
Unentjchlofjenheit und Unerfahrenheit in militärischen Dingen, 
teil8 aber auch auf den mißlichen VBerhältniffen bei der Armee 
jelbft. 

Die Unzufriedenheit über den Krieg, welche von Anfang an 
bei den oppofitionell gefinnten Offizieren des Heeres allgemein 
gewejen war, hatte fich deſto mehr gefteigert, je klarer es 
wurde, daß Rußland völlig friedliche Abfichten gehegt hatte und 
der Krieg mithin ein verfaffungswidriger Offenfivfrieg war. 
Seinen eigentlichen Herd hatte der Oppofitionsgeift bei ber 
Huffula-Armee, wo der Oberjt bes Aboer Infanterieregiments, 
der finftere und energiiche Johann Heinrich Häſteſko, die Yei- 
tung des Widerjtands gegen den König übernahm. Schon 
vor dem Einmarſch in ruffiiches Gebiet reichten zahlreiche 
Dffiziere ihr Abjchiedsgefuch ein. Später begann Häftejfo im 
Verein mit dem Obrijten der nyländifchen Dragoner, Robert 
Montgomery, und dem Obriften des Björneborger Regiments, 
Sebaftian v. Otter, offen auf eine Verhinderung des VBormarjches 
der Armee binzuarbeiten. Eine große Zahl der jüngeren 
Offiziere ließ fih von der Unmöglichkeit oder Gefährlichkeit 
weiteren Bordringens überzeugen, und e8 fehlte nicht an Ver: 
juchen, auch die Soldaten aufzuwiegeln. Am 1. Auguft fanden 
fich jchließlich die drei genannten Obriften beim König ein und 
erhoben heftige Vorwürfe gegen deſſen Handlungsweije, indem 
fie verficherten, daß die Truppen nicht zum Angriff jchreiten 
wollten. Häſteſko ſoll fich bei diefer Gelegenheit jogar gegen 


412 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs. 


Guſtav perfönlich vergangen und ihn mit dem Verluſt der 
Krone bedroht haben, wofern er fich nicht nachgiebig zeige. 
Infolge diefer Unterredung ließ der König noch an demjelben 
Tage die Negimenter von Abo und Björneborg antreten und 
ermabnte fie in beredten Worten, ihm treu zu bleiben. Da das 
einjtimmige Ja der Soldaten bewies, daß die Aufwiegelungs- 
verjuche ſeitens der Anführer auf ihre Pflichttreue feine Ein— 
wirfung ausgeübt hatten, beobachteten die mißvergnügten Ob- 
riften zunächit ein böflicheres Betragen, forderten indefjen nach 
wie vor den Rüdzug und wußten, mit Unterftügung des Gene- 
rals Karl Guſtav Armfelt, ven unjchlüffigen König in der That 
zum Berzicht auf den Angriff gegen Fredrikshamn zu bewegen. 
Der einzige höhere Offizier, welcher energifch auf den Vor— 
marjch drang, war damals Guſtav Mori Armfelt. 

Dieje Verzichtleiftung auf den Angriff gegen Fredrikshamn 
gab den unmittelbaren Anlaß zu dem in der Geſchichte Finn- 
lands jo traurig berühmten „Anjalabund“. In tiefer Ber: 
ftimmung machte jich die Huffula-Armee auf den Rückzug nad 
Liifala, einem eine Meile öftlicö der Grenze, auf dem Wege 
von Fredrikshamn nach Anjala gelegenen Orte. Der Feld— 
zugsplan war preisgegeben, das Heer von Entbehrungen und 
Leiden bedroht, und der gejegwidrige Krieg fchien nunmehr 
auch zwecklos geworden zu fein. Alle diefe Umftände benutten 
die wenig zahlreichen, aber fühnen und energijchen Selbjtändig- 
feitsmänner, um die Offiziere des Heeres zur Pflichtvergejien- 
beit und zur offenen Meuterei ihrem Herricher gegenüber zu 
verleiten. Drei von ihnen, J. A. Jägerhorn, Klik und Ladau, 
befleideten als Ober- bezw. Stabsadjutanten wichtige Poften bei 
der Armee. Bon ihnen jpielte fortan Jägerhorn als ein bejonders 
geichidter und jchlauer Parteiführer, welcher auch loyal ge- 
finnte Männer feinen Zweden dienftbar zu machen wußte, Die 
Hauptrolle. Obwohl das Selbftändigfeitsprojeft für ihm bie 
Hauptjahe war, jtellte er doch — in der Erkenntnis, daß 
dasjelbe nicht auf allgemeine Sympathieen rechnen fünne — 
einen jchnellen Frieden als das zunächit erjtrebenswerte Ziel Hin, 
weshalb man die friedliche Gejinnung der Armee gegenüber 


Die Liifala-Note (Auguft 1788). 413 


der rujjiichen Kaiferin durch eine Beſchickung zum Ausdruck 
bringen und auf ſolche Weiſe Friedensverhandlungen einleiten 
müſſe. Mit Leichtigkeit gewann er Häftejfo, v. Otter jowie 
den Oberftlieutenant Otto Klingipor für feinen Vorjchlag. 
Schwieriger war e8 hingegen, den General 8. ©. Armfelt 
hierzu zu überreden. Indem fich die Verſchworenen bie büftere 
Auffafjung desjelben von der Lage zunutze machten, jtellten fie 
ihm vor, daß er König Guftav und dem Vaterland durch Ein- 
leitung von Friedensverhandlungen mit Rußland einen neuen 
Dienst zu leiften vermöge. Da auch fein Schwiegerjohn Klid 
diefe Ermahnungen eifrig unterftüßte, gab der greife General, 
wenn auch mit Widerftreben, jchließlich nad. Nachdem man 
auf ſolche Weije einen einflußreichen Namen gewonnen hatte, 
wollte man von einem weiteren Aufjchub nichts mehr wiſſen. 
In der Nacht vom 8./9. Auguft entwarf Klid eine an bie 
Kaiſerin Katharina gerichtete Note, welche von fieben der an- 
wejenden Offiziere !) unterzeichnet wurde. Diejes unter dem 
Namen „Liikala-Note“ befannte Schriftftüd enthielt nichts von 
dem Gelbftändigfeitsplan, welchem die meiſten Unterzeichner 
fremd gegenüberftanden, ſondern verficherte nur die Kaijerin 
des der ganzen Nation gemeinjamen, aufrichtigen Wunſches, 
daß ein ewiger Friede und nachbarliche Eintracht zwijchen beiden 
Reichen aufrecht erhalten bleiben möge, eine Eintracht, welche 
„durch Anschläge unruhiger Köpfe“ gejtört worden ſei. Behufs 
Wiederberftellung des Friedens machte man der Kaiferin den 
Vorſchlag, fie jolle Schweden die Grenzen, Die e8 vor dem Aboer 
Frieden bejeffen, wiedergeben ſowie Verhandlungen mit ben 
„Repräfentanten der Nation“ eröffnen. Jägerhorn, welcher 
die Übermittelung diefer Botſchaft auf fich nahm, machte fich 
am 9. Auguft auf den Weg nach Petersburg, während feine 
Genoſſen vorgaben, er jet von den Ruſſen gefangen genommen 
worden. Unzweifelhaft bildet dieje noch während des Krieges 
in ungejegliher Yorm mit dem Feinde eröffnete Unterhand— 
lung einen dunkeln led in der Geſchichte Yinnlands, und 


1) Es waren dies 8. G. Armfelt, Häſteſto, v. Diter, Klingipor, Kid, 
Oberftlieutenant Per Enebjelm jowie Major Guft. v. Kothen. 


414 Fünfte Periode. Die Zeit Guſtavs III. und Guftav IV. Adolfs. 


der Wortlaut der Note mindert feineswegs die Größe des Ver— 
geben, zumal darin die Handlungsweife König Guſtavs vor 
einer fremden Monarchin zum Gegenftand des Tadeld und der 
Anschuldigungen gemacht wurde. Übrigens muß es Verwun- 
derung erregen, daß die Unterzeichner durch eine Schrift Ver— 
trauen erweden zu können vermeinten, in welcher fie einerjeits 
den ihrem Herricher geleijteten Treueid brachen, gleichzeitig aber 
begehrten, Rußland jolle auf die im Aboer Frieden gewonnenen 
Gebietsteile verzichten. 

G. Sprengtporten, mit welchem Jägerhorn ſchon im Früh: 
ling wegen der finnijchen Selbjtändigfeitspläne korreſpondiert 
hatte, befand fich gerade damals in Olonez, um dort bie 
Vorbereitungen für einen Einfall in Savolaks zu treffen, und 
erließ bafelbft eine Proflamation, worin er den Bewohnern 
Finnlands Schuß gegen die ſchwediſche Tyrannei jowie die Bei: 
bebaltung der finnischen echte und Freiheiten verſprach, wo— 
fern fie der ruffiichen Armee feinen Widerftand leijteten. Da 
er jedvoh von dem in Liikala gejchmiedeten Komplott Feine 
Ahnung Hatte, traf er mit Jägerhorn nicht zujammen, als 
biefer am 11. Auguft in Petersburg anlangte. Nicht minder 
überrafchend waren die Anerbietungen Jägerhorns für die ruj- 
ſiſche Regierung. Derjelbe ließ fich jedoch Hierdurch nicht Davon 
abjchreden, die mitgebrachte Note der Kaiferin Katharina zu über: 
mitteln und ihr in einer Aubdienz feine Auffaffung von der Lage 
in Schweden und Finnland zu entwideln, wobei er ed auch 
nicht verabjäumte, ohne Nüdjiht auf den Inhalt der Note 
jeine eigenen, das Selbjtändigfeitsprojeft betreffenden Ideeen mit- 
zuteilen, obwohl er hierzu doch nicht im mindejten ermächtigt 
war. Seine Vorſchläge Tauteten folgendermaßen: Der Friede 
jollte wiederbergeftellt und die vor der Revolution von 1772 
bejtehende ſchwediſche Staatsverfaffung wieder eingeführt werben; 
bie Finnländer follten allmählich von der ſchwediſchen Oberherr: 
haft Iosgelöft und zu einer unabhängigen Nation mit eigener 
Regierung gemacht werben; jchließlich follten die Ruſſen die im 
Kriege von 1741 —43 eroberten Feftungen und Ortichaften wieder 
an die Finnländer abtreten. Obwohl Sprengtporten auf Grund 


Yägerborns Miffion und Katharina. 415 


der Nachricht von der Ankunft feines Freundes Jägerhorn fofort 
nach Petersburg kam und deſſen Forderungen eifrigft befür- 
wortete, wurden die leßteren doch von Katharina und beren 
Beratern mit mißtrauijcher Vorficht entgegengenommen. Die 
Antwort, welche Jägerhorn jchließlih am 20. Auguft empfing, 
war nicht einmal von der Kaijerin unterzeichnet und enthielt 
feine beftimmten Äußerungen inbetreff des von Jägerhorn per- 
jönlih vorgelegten Selbſtändigkeitsprojekts oder inbetreff der 
Sriedensverhandlungen. Die Friedensfreunde, jo verlangte die 
Kaijerin, müßten fich zu einer repräfentativen Körperſchaft ver- 
einigen, welche dann gejegmäßig über die wahren Vorteile des 
Daterlandes beichließen fünne. Erſt nachdem dies gejchehen, 
jei e8 der Kaiferin möglich, ihre wohlmeinenden und edel— 
mütigen Abfichten für die finnifhe Nation an den Tag zu 
legen. Mündlich wurde ferner den Finnländern eingejchärft, 
dag fie fich für alle Zeit von Schweden losſagen und unab- 
bängig erflären müßten, wofern fie auf die Hilfe Katharinas 
rechnen wollten. Außerdem wies man darauf hin, wie un- 
paffend e8 jei, wenn die Unterzeichner die Abtretung des im 
Aboer Frieden gewonnenen Gebiets von Rußland verlangten, 
während doch vielmehr Rußland berechtigt jei, für die durch 
den Friedensbruch erlittenen Schäden Genugthuung zu fordern. 
Die ruffiiche Regierung erkannte alſo weder die Liikala-Note noch 
die privaten Meinungsäußerungen Jägerhorns als Baſis für 
Maßnahmen von ruffiiher Seite an, jondern verlangte eine 
allgemeine Kundgebung der Finnländer im Sinne des Selb» 
ftändigfeitöprojefts. Mit diejem Beſcheide fehrte Jägerhorn 
zu feinen Genoffen zurüd, deren Auftrag er überjchritten hatte, 
indem er eine feinen eigenen Gefichtspunften entiprechende Politik 
getrieben. Am 13. Auguft fam er nach Anjala (auf ſchwe— 
difchem Gebiete), wohin: fich die Liifala-Armee auf Befehl des 
Königs zurücgezogen hatte. 

Hier war in feiner Abwejenheit eine offene Meuterei gegen 
Guſtav zum Ausbruch gelangt. Eine der Urjachen, weshalb 
fih die mißvergnügten Offiziere der finnifchen Armee kurze 
Zeit nach der Abreife Jägerhorns entjchloffen, die frühere 


416 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs II. und Guftav IV. Abolis. 


Geheimhaltung ihrer Pläne aufzugeben, bejtand darin, daß 
die Lage der Armee jchwieriger geworben war, weil die ruf- 
fiiche Kriegsflotte die ſchwediſche bei Sveaborg eingejchlofjen 
hatte. Außerdem aber ging aus einem Schreiben König 
Guſtavs an K. G. Armfelt hervor, daß erjterer von ben 
gegen ihn gerichteten Anjchlägen Kenntnis erhalten hatte. Es 
galt unter ſolchen Umftänden für die Verfchworenen, noch vor 
Eintreffen der aus Petersburg erwarteten Antwort mit jchneller 
Entjchlofjenheit zu handeln, möglichjt viele Freunde um ſich zu 
jcharen und den König zum Abjchluß des Friedens wie zur 
Einberufung eines Reichstages zu zwingen. In dieſem Sinne 
verfaßte Kli eine Deklaration, in welcher zunächft, nach Her: 
vorhebung der ungejetlichen Entjtehung wie des unglüdlichen 
Verlaufs des Krieges, die Beziehungen Erwähnung fanden, 
welche man mit Katharina eingeleitet hatte. Liebe zum Vater— 
land und der dem König gejchworene Treueid habe fie genötigt, 
fih an die Kaiferin zu wenden und bdiejelbe Hinfichtlich der 
Gefinnung der Nation zu beruhigen. Nach ihrer Meinung jet 
e8 redlicher jchwediicher Männer würdig gewejen, Mittel zu einer 
Negoziation zwiichen zweit gefrönten Häuptern ausfindig zu 
machen, und zwar hätten jie jelber dies um vieles eher als irgend- 
eine fremde Macht thun zu können geglaubt, da fie, unter Auf- 
opferung oder wenigſtens unter Gefährdung bes eigenen Vor— 
teild, nur die Vaterlandsliebe und die Königstreue dabei um 
Rat gefragt hätten. Im dem, was fie einmal begonnen, wollten 
fie auch künftig, es Fofte was es wolle, fortfahren und zu biejem 
Behufe untereinander den fejteften Bund jchließen, um in allen 
Dingen, welche die öffentliche oder private Sicherheit beträfen, 
einander zu raten, zu belfen und beizuftehen. Dieje unter dem 
Namen „Anjala-Bundesakte“ befannt gewordene Erklärung 
wurde am 12. Auguft entworfen. In den folgenden Tagen 
zirfulierte bei den in Anjala lagernden Regimentern ein Erem- 
plar, welches, zum Teil infolge des jeitens der Komman— 
deure auf die jüngeren Offiziere ausgeübten Drudes, von 111 
Dffizieren unterzeichnet wurde, darunter 8. G. Armfelt, Robert 
Montgomery, Oberſt B. Leyonſtedt vom Regiment Tawaftehus, 


Der Anjala-Bunbd, 417 


v. Otter, Häftejfo, Oberftlieutenant €. A. Lejonhufvud, Per 
Enebjelm, Klingipor fowie v. Kothen. Ein zweites Eremplar 
wurde dem König überjandt, und zwar in Begleitung eines 
von 8. ©. Armfelt unterzeichneten Briefes, worin der an bie 
Kaijerin Katharina abgeſchickten Note eingehender gedacht war. 

Der bei Ankunft der beiden Schreiben zu Kymmene wei- 
lende König jah ſich demnach einem bei der Hauptarmee be- 
ftehenden Bunde von Offizieren gegenüber, die unter dem ftolzen 
Namen der BVBaterlandsliebe ihrem Herricher offen zu trogen 
wagten. G. M. Armfelt riet dem König, er folle die Führer 
des Bundes zu fich bejcheiden, verhaften und auf jolche Weife 
die Konſpiration erftiden. Guſtav glaubte jedoch größere Vor— 
ficht beobachten zu müffen und faßte den Entſchluß, überhaupt 
feine Antwort zu erteilen, fondern die Entwidelung der Er: 
eigniffe abzuwarten. Inzwiſchen griff der Geiſt des Aufruhrs 
auch innerhalb der Savolafjer Brigade um fich, deren Chef, 
Oberſt Haſtfehr, weil er jelber zwifchen verjchiedenen Einflüffen 
ſchwankte, am 21. Auguft die Belagerung von Nyjlott aufhob. 
Ebenjo erfolgten bei den in Borgä ftehenden ſchwediſchen Regi— 
mentern und bei den Seeoffizieren Aufwiegelungsverjuche, wäh 
rend fich gleichzeitig (25. Auguft) die ruſſiſche Flotte der Land— 
zunge von Hangö bemächtigte. 

Mit Ungeduld hatten die Anjala-Männer auf die Rückkehr 
Jägerhorns aus Petersburg gewartet. Als aber derſelbe 
endlich am 23. Auguft eintraf, ſahen fie fich in ihren Hoffnungen 
betrogen. Den Vorſchlag einer Friedensverhandlung hatte die 
Kaiſerin unter allerlei Vorwänden bei Seite gejchoben, und, 
was fie hinfichtlich der Selbjtändigfeit Finnlands unter ruſſiſchem 
Schute geäußert, war den meijten Unterzeichnern ber Yiifala- 
Note und noch mehr den übrigen Offizieren befremdend 
oder verhaßt. Daß die Kaiſerin es unterlajjen, ihre Ant» 
wort jelber zu unterzeichnen, bewies ferner, in wie geringem 
Maße auf ihre Unterftügung zu rechnen war. Unter jol- 
hen Umftänden wurde Oberftlieutenant Lejonhufvud damit 
betraut, dem König einen von Karl Guſtav Armfelt unter- 
zeichneten Brief (vom 24. Auguft) zu überreichen, worin bie 

Schybergfon, Geſchichte Finnlands. 27 


418 Fünfte Periode. Die Zeit Guftaus III. und Guftav IV. Abolfs. 


Verfehwörer, unter Hinwetfung auf die friedliche Gefinnung 
Katharinens, den König um Cinberufung der Reichsjtände 
behufs weiterer Übereinkunft erjuchten. Lejonhufvud erreichte 
Guſtav, welcher fich damals auf dem Rückwege nach Schweden 
befand, in Yowija, erhielt aber von dem Monarchen eine ab- 
weifende Antwort, indem er das Schreiben unerbrochen mit der 
Erklärung, daß er nicht mit Rebellen unterhandeln wolle, zurück— 
gab und außerdem ein Abbitteformular überreichte, welches 
Lejonhufvud feinen Genofjen mitteilen ſollte. Dies war die 
letzte perſönliche Berührung Guftavs mit den Anjala- Männern, 
welche, unverbürgten Gerüchten zufolge, feine Abreife zu ver: 
hindern beabfichtigten, jedoch nicht die dazu nötige Entjchlofjen- 
beit bejaßen. 

Der König hatte richtig berechnet, daß nach feiner Ent- 
fernung der Anjala-Bund feine eigentliche Lebenskraft ein- 
büßen werde. Freilich blieb derſelbe auch nachher bejtehen 
und gewann zuerjt jogar noch an Ausdehnung. Da die Ber: 
jchworenen indeffen auf den Monarchen perjönlich nicht einzu— 
wirken vermochten und von ruffiicher Seite feine Unterſtützung 
erhielten, entbehrte die Bewegung eines beftimmten Zieles und 
jchlief im Laufe der Zeit gänzlich ein, unter dem Einfluß bes 
allgemeinen Unwillens, den das Verhalten der Offiziere jo- 
wohl in Schweden wie in Finnland hervorgerufen hatte. 

Zu derjelben Zeit, wo Lejonhufvud den König in Lowiſa 
aufjuchte, bemühten ſich die Anjala-Männer, unter den 
Offizieren der übrigen ſchwediſchen und finnijchen Heeres— 
abteilungen Anhänger zu werben. Zu diefem Behufe wurde 
am 25. Auguft ein neues Schriftitüd oder „Aovertiffement“ 
verfaßt, welches einen Bericht über die bereits getroffenen 
Maßregeln nebft einer Erläuterung der zu verfechtenden Be- 
jtrebungen enthielt. Diejes Advertiffement wurde der Savo— 
lakſer Brigade und den in Nyland einquartierten ſchwediſchen 
Negimentern überfandt, unter welch legteren eine andere, ebenfalls 
den Abjchluß des Friedens jowie die Einberufung der Stände 
fordernde Deklaration zirkulierte.e Die Bewegung verbreitete 
fih von dem einen Regiment zum andern, und nur wenige 


Die Haltung Herzog Karls von Södermanland. 419 


Dffiziere waren beherzt genug, fich jeglicher Verbindung mit 
den jogenannten PBatrioten zu entziehen, deren eigentliche Hoff: 
nung auf dem Herzog Karl v. Södermanland berubte. 

Diefer wenig charakterfefte Fürft hatte bei Übernahme des 
Oberbefehls über die in Finnland ftehende Armee (27. Auguft) 
von jeinem föniglichen Bruder den ausprüdlichen Befehl erhal- 
ten, weder Vorſchlägen in betreff der Einberufung eines Reichs— 
tages Gehör zu jchenfen, noch Högfors zu räumen, wo bie 
Schweden auf ruffishem Gebiet eine ftrategijch wichtige, ver- 
Ihanzte Pofition inne hatten, noch auch endlich mit Rußland 
einen Waffenftillftand abzufchliegen. Als ihm jedoch die Ver- 
ihworenen am 3. September ihre Wünfche unterbreiteten, zeigte 
er fich, merfwürdig genug, geneigt, ihre Abfichten zu fördern, 
indem er feinen Bruder Guftan mehrmals brieflihd um Ein- 
berufung der Stände bittflehend anging; freilich vergebens. Wich- 
tiger war, daß er ſich mit dem rufjischen Militärfommando in 
Waffenftillftandsverhandlungen einließ, wobei G. M. Sprengt- 
porten, der inzwijchen aus Petersburg bei der ruffiichen Grenz- 
armee eingetroffen war, nebſt anderen Offizieren Katharina II. 
repräjentierte, während Jägerhorn und Montgomery die Pro- 
pofitionen der Schweden vorlegten. Wohl wiffend, wie eifrig 
die jchwediichen Dffiziere einen Waffenftilfftand herbeijehnten, 
der für fie eine Vorbedingung zur Durchführung ihrer übrigen 
Pläne zu fein fchien, ftellte Sprengtporten jofort in über- 
mütigem Tone das Berlangen, daß fich die ſchwediſchen Trup— 
pen von Högfors entfernen jollten, da erſt dann der Waffen: 
jtillftand bewilligt werden fünne. Nachdem fich ein aus ſchwe— 
diſchen wie finnischen Offizieren beftehender Kriegsrat zu gunften 
der Räumung von Högfors ausgejprochen hatte, gab Herzog 
Karl in der That dieje Pofition preis (25. September). Dan er- 
wartete nunmehr ſchwediſcherſeits, daß der Waffenftillftand 
unmittelbar nachfolgen werde; aber hierin täujchte man fich. 
Die Katjerin, welche ebenfo wie Sprengtporten auf Grund der 
Borjpiegelungen I. A. Jägerhorns glaubte, daß die Selbjtändig- 
feitSpartei eine bedeutende Verbreitung unter den Offizieren 


der finnischen Armee bejüße, meinte jegt verlangen zu können, 
27* 


40 Fünfte Periode. Die Zeit Guftaus III. und Guſtav IV. Adolfs. 


daß jene die bisher Rußland gegenüber beobachtete, un— 
ihlüffige Haltung aufgeben und fich offen von Schweden los— 
jagen follten y. In einem Schreiben an 8. ©. Armfelt, 
welcher fich, obwohl ohne Kommando, noch immer bei der Armee 
aufbielt, verlangte Sprengtporten in Übereinftimmung mit 
diefer Auffaffung, die Anjala-Männer jollten einen bejonderen 
finnischen Reichstag einberufen, um daſelbſt die Selbjtändigfeit 
Finnlands unter ruffishem Schuge zu proflamieren. Diejer 
Brief gab dem Anjala-Bund den Todesſtoß. Die wenigen 
Difiziere, welche fih mit den Gelbjtändigfeitsplänen befaßt 
hatten, wurden jeitdem mit Unwillen und Mißtrauen von den 
übrigen ſchwediſchen und finnifchen Kameraden betrachtet, da 
diejelben von einer Selbftändigfeit Finnlands nichts hatten wiſſen 
wollen, fondern nur den Abjchluß des Friedens und die Ein- 
berufung des Neichstages gefordert hatten. Der Bund jelbjt 
geriet in vollftändige Auflöfung, nachdem Herzog Karl Anfang 
Ditober den NRegimentern der Anjala- Armee die Wetjung 
erteilt hatte, ſich voneinander zu trennen und Winters 
quartiere zu beziehen. 

Einen Beweis dafür, wie jehr das Nechtsbewußtjein in 
jener Zeit gejchwächt worden war, liefert das Verhalten des 
Chefs der Savolafjer Brigade, Berndt Johann Haftfehr, 
welcher nach Aufhebung der Belagerung von Nyſlott (21. Auguft) 
den Entſchluß faßte, fih durch Anjchluß an die Selbjtändig- 
feitSpartei zu retten und durch Anerbietung feiner Dienjte bei 
Katharina perjönliche Vorteile zu erlangen. Mit Sprengt- 
porten, dem er brieflih jein lebhaftes Intereſſe für die 
Grundlegung der Selbjtändigfeit Finnlands verficherte, traf er 
mehrmals zujammen; auch nahm er Gejchente der ruſſi— 
ichen Kaijerin an. Als aber der Anjala- Bund jpäter feiner 
Auflöjung entgegenging, gab er fich den Anjchein eines Königs— 
freundes und trat als Denunziant der Anjala » Männer auf, 
obwohl er nah wie vor Verbindungen mit Rußland unter- 


1) Bgl. C. T. Od hner, Ett bidrag till Anjala förbundets historia, 
in: „Svensk Histor. Tidskrift“ II, 70—76 (Stodbolm, 1882). 


Die Auflöfung des Anjala-Bundes. 421 


hielt. Die Entdedung diejes niedrigen Spiels führte im Januar 
1789 zu feiner Verhaftung. 

Bon größerer Bedeutung waren die Anjchläge, welche von 
den eigentlichen Selbjtändigfeitsmännern betrieben wurden. 
Letztere verzichteten auch nach Auflöjung des Anjala-Bundes 
feineswegs auf die Hoffnung einer Verwirklichung ihrer Pläne. 
J. 4. Jägerhorn, welcher vorgab, daß er noch immer ruffijcher 
Kriegsgefangener jet, aber auf Ehrenwort die Erlaubnis zum 
Verweilen in der Heimat erhalten habe, ließ fich in Savolaks 
nieder, wo er einige ſeit langem als Anhänger der Selb» 
ftändigfeitspläne befannte Gutsbefiger um jich verfammelte und 
mit ihnen eine Art von Konföderation bildete, welche unter 
dem Schute Katharinens die Selbftändigkeit Finnlands bewerf- 
ftelfigen folltee Unter den Genoffen Jägerhorns find nament- 
ih R.W. de Geer, B. M. Stadelberg, L. R. Glanjenftjerna, 
der verabichiedete Major Joh. Tandefelt auf Efenäs bei Borgä, 
Major Ramjay jowie der Gutsbefiger Boije auf Sandnäs zu 
nennen. Über ihre Beratungen, welde mit um fo größerer 
Freiheit gejcheben fonnten, al8 der Oberbefehlshaber in Savolaks, 
Haftfehr, für ihren Beſchützer galt, befist man feine nähere 
Kenntnis; doch jcheinen die Verſchwörer an die Möglichkeit 
der Einberufung eines Savolakſer Landichaftstages gedacht 
zu haben, wofern die genannte Provinz in die Hände der 
Ruſſen fiele. Im Namen der Konföderierten verfaßte Jäger— 
born ein an die Kaijerin Katharina gerichtetes Promemoria, 
worin er die Vorausjegungen bezeichnete, unter denen man 
eine Verbindung mit Rußland für möglich erachtet. Das 
Groffürftentum Finnland follte für ein freies und vollfommen 
unabhängiges Land erklärt werden; unter Sprengtportens 
Befehl ſollten alsdann ruſſiſche Truppen zur Unterjtügung 
der Konföderation in Finnland einmarjchieren; endlich jollte 
Rußland dem neuen Staate Subfidien bewilligen, während 
diefer fich erforderlichenfall8 zur Unterftügung Rußlands mit 
Truppen und Kriegsichiffen verpflichtete. Unter ſolchen Be— 
dingungen erflärten fich die Konföderierten bereit, ihre Waffen 
mit denen Rußlands zu vereinigen. Mit Sprengtporten 


422 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Abolfs. 


wurden fortdauernd Beziehungen unterhalten, und eine von 
legterem verfaßte Schrift „An das Vaterland“, welche zu 
gunften der Konföderierten auf die öffentlihe Meinung ein- 
zuwirfen fuchte, fand in Finnland Verbreitung. Bald wurde 
jedoch der Ausführung aller diefer Pläne eine Grenze gejekt. 
Sägerhorn wurde nach Schweden bejchieden, 309 e8 aber vor, 
ſich am 26. November heimlich über die Grenze nach Petersburg 
zu begeben. Seinem Beifpiel folgten im Jan. 1789 die faum 
minder fompromittierten 8. H. Klid und ©. W. Yadau, im 
Februar 2. R. Slanjenftjerna und Dietrich Adolf v. Eſſen. Der 
Kreis, welcher in Finnland das Gelbftändigfeitsprojeft ver- 
treten hatte, war hierdurch gebrochen. Allerdings verjuchten 
Jägerhorn und Sprengtporten noch in Petersburg durch Gut- 
achten, welche fie Katharina übermittelten, das Projekt zu neuem 
Leben zu erweden, aber vergebens. Denn die rufjischen Staate- 
männer zweifelten nunmehr daran, daß jene Bejtrebungen irgend- 
welche fejte Grundlage in der öffentlichen Meinung Finnlande 
hätten oder überhaupt einen Vorteil für Rußland herbeiführen 
könnten. Es läßt fich nicht leugnen, daß ein Teil der Selbſtändig— 
feitsmänner, wenigjtens der ſchwärmeriſch angelegte Jägerhorn, 
wirklich auf dem von ihnen betretenen Wege Finnlands Wohl 
fördern zu fünnen glaubte. Da fie aber ungejetliche Anjchläge 
im Verein mit den Feinden des DVaterlandes ald Mittel dazu 
gewählt Hatten, wurde ihre Stellung binnen furzem unbaltbar 
und eine fortgejette Wirkjamfeit in ihrer Heimat unmöglich. 

Inzwiſchen waren die militärijchen Operationen in Finn— 
land eingejtellt worden, nachdem fich die ruſſiſchen Kriegs: 
fahrzeuge in den legten DOftobertagen von Sveaborg und Hangö 
an die ruſſiſche Küfte zurücgezogen hatten. Der mit bedeu— 
tenden Anftrengungen und großen Hoffnungen begonnene Feld- 
zug hatte in militäriicher Hinficht zu feinem Ergebnis geführt, 
veranlaßte aber verhängnisvolle innere Umwälzungen, durch 
welche die ſchwediſche Verfafjung eine im wejentlichen noch 
heutzutage in Finnland beſtehende Geftaltung erhielt. 

Die Botjchaft von der Meuterei bei der Armee und von 
dem finniſchen Selbjtändigfeitsprojeft rief bei dem finnijchen 


Das Ende der finnifchen Selbftänbigfeitsbeftrebungen. 423 


Volke eine lebhafte Bewegung zu gunften Guſtavs hervor. Die 
Geiftlichen, die Bürgerfchaft und der gemeine Mann wett- 
eiferten darin, ihre Ergebenheit für den König und ihren Ab- 
ſcheu vor den aufrührerifchen Offizieren zu befunden. Dieje 
Gefühle gelangten während der Reiſe Guftavs von Lowiſa nach 
Abo in mannigfaltiger Weije zum Ausdrud. Im royaliftifchem 
Sinne gejchriebene Gedichte fanden auf dem Lande Verbreitung. 
Eine Flugihrift, worin die Handlungsweije der Anjala-Männer 
in den büfterften Farben gejchildert wurde, erjchien in ſchwe— 
diiher Sprache jowie in drei finnifchen Auflagen. 

Unter folchen Umftänden fonnte der König nunmehr den 
Kampf gegen feine adeligen Gegner mit Energie aufnehmen. 
Das erſte Zeichen war, daß die hervorragendften Anjala-Männer 
— K. ©. Armfelt, Häfteffo, v. Otter, Montgomery, Leyonſtedt, 
Enebjelm, Klingipor, fowie Armfelts Adjutant, Magn. Wild. 
v. Törne — Anfang 1789 verhaftet und im März nach Stod- 
bolm gebracht wurden. Haftfehr, fein Adjutant Otto Karl 
Fieandt und G. v. Kothen teilten ihr Los. Das Urteil vom 
19. April 1790 Iautete auf Todesftrafe; doch wurde Diele 
Strafe für die meijten vom König gemildert. Nur Hälteifo, 
welcher fich gegen den König perjönlich während der Unter— 
redung vom 1. Auguft 1788 vergangen batte, fand am 
8. September 1790 in Stodholm den Tod durch Hentershand. 
Auh die nah Rußland entflohenen Selbjtändigfeitsmänner 
Jägerhorn, Klid, Glanjenftjerna, Yadau und v. Eſſen wurden 
im Oftober 1789 in contumaciam zum Xode verurteilt. 
Was G. M. Sprengtporten betrifft, jo betrachtete man ihn, 
obwohl er ſchon früher in ruffische Dienfte getreten war, nicht 
als von jeinen Pflichten Schweden gegenüber befreit, jondern 
forderte ihn nach jeiner Teilnahme an der Schlacht bei Porras- 
ſalmi vor das Aboer Hofgericht, welches ihn am 9. Februar 1790 
in contumaciam ebenfall8 zum Tode verurteilte. 

Am 26. Januar 1789 eröffnete König Guftav den 
Reichstag zu Stodholm mit einer Rede, worin er unter 
anderm den Bewohnern Finnlands für die Treue dankte, 
die fie ihm bewiejen, fowie für die Zeichen von Ergebenheit, 


424 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV, Adolfs. 


die er von ihnen empfangen. Dieje bievere Nation dürfe 
feineswegs mit einigen wenigen Treuloſen, Verführten und 
Berbrechern verwechjelt werben, welche teil jchon dem Arm 
der Gerechtigkeit überliefert, teil8 der drohenden Beftrafung 
entronnen feien. Dieſe vertrauensvollen Worte wurden vonjeiten 
der BVertreter Finnlands durch treue, loyale Gefinnung er- 
wider. Die finnischen Bauernrepräfentanten, deren Zahl 
jet auf 22 gejtiegen war, zeigten fich infonderheit dem Yandes- 
berricher ergeben. Guftav dankte für die von ihnen am 
2. März überreichte Adrefje in gnädigen Worten und gelobte, 
alles zu thun für des finnifchen Volkes „Sicherheit, Schuß 
und Beibehaltung der Vereinigung, welche mehr als 500 Jahre 
zwiichen Schweden und Finnland bejtanden und des Reiches 
wie des Großfürftentums Sicherheit, Stärke und Gedeihen be- 
wirft bat, einer Vereinigung, von welcher Finnlands Religion, 
feine Gejete, fein Handel und jein Wohlſtand herrühren“. 
Diefe Auferung zeugt von dem guten Verhältnis, welches zwifchen 
dem Könige und den finnischen Bauern herrſchte. Auch die 
finnische Geiftlichfeit, an deren Spitze Bijchof Jakob Gabolin 
zu Abo ftand, zeigte fich eifrig royaliſtiſch gefinnt. Ebenſo 
waren die Vertreter der Städte geichäftig, dem König ihre 
Ergebenheit zu befunden. So erklärte 3. B. der Bürgermeifter 
E. 3. Fagerftröm aus Uleäborg am 4A. Februar, daß bei den 
finnifehen Bürgern der Gedanke, die Selbjtändigfeit des Landes 
und deffen Trennung von Schweden zu wünjchen, nicht auf- 
fommen könne. Andere Mitglieder des Bürgerftandes befundeten 
ihr Einverftändnis mit jenen Worten, u. a. der Bürgermeifter 
Lars Sadlen von Björneborg, obwohl er geheimer Beziehungen 
mit den Anjala- Männern verdächtig war. Einige finniſche 
Abgeordneten, 3. B. der einflußreihe Kaufmann Peter Johann 
Bladh aus Kaskö und der Bürgermeifter I. F. Norrmen aus 
Raumo, wünfchten freilich in gewifjen Fragen größere Garantieen 
gegen die abjolute Gewalt des Könige. Zu der Oppofition 
gehörte der Kaufmann Heinrih Rahm aus Gamla Karleby. 
Unter den äußerſt jpärlich vertretenen finnijchen Edelleuten 
war namentlich der Ajfefjor am Hofgericht zu Wafa, Georg: 


Die Erftartung der Stellung des Königs (1789). 425 


Wilhelm Lode, ald Oppofitionsmann bekannt, weshalb er jchon 
bei Beginn des Neichstages durch königlichen Befehl zur Rück— 
fehr in die Heimat genötigt wurde. 

Während des Winters 1788/89 herrſchte in Finnland ein 
allgemeiner Eifer, zur Verteidigung des Baterlandes beizutragen. 
Zahlreiche Kirchipiele erklärten fich zur Aufftellung der Land— 
wehr bereit. Die Bürger von Abo unterwarfen fich beträcht- 
lihen Geldopfern für Kriegsrüftungen und Unterhaltung ber 
Armee. Die Landeshauptleute in Kuopio und Ofterbotten, Simon 
Wilhelm und Johann Friedrich Carpelan, forgten für Organi- 
jation des Verteidigungswejens an der Grenze von Rarelien 
und Ofterbotten. Schon im April 1788 hatte man den Kareliern 
die Abichaffung der Jägerabgabe verfprochen, wenn fie Land— 
webrtruppen aufjtellen wollten; aber jene zeigten fich nur dazu 
bereit, nah Sitte der Vorfahren mit dem Aufgebot aller 
Waffenfähigen die Grenze gegen den Feind zu verteidigen. Auf 
Grund deſſen wurden jchon im Herbft 1788 Bauernpatrouilfen 
an die Grenze geſchickt; aber erſt nachdem S. W. Carpeları 
gegen Ende des Jahres zum Nachfolger Haftfehrs als Ober- 
befehlshaber in Karelien ernannt worden war, erhielt dieſes 
Bauernaufgebot eine feſte Organijation, indem fich die Bauern, 
obwohl wiberwillig, der Leitung und Cinererzierung durch 
Offiziere unterwarfen. Später mußten fie fich auch darein 
finden, daß zwei Kompagnieen Karelifcher Jäger gebildet ſo— 
wie andere ‘reguläre Truppen in der Landſchaft einquartiert 
wurden. In der Provinz Uleäiborg gab es Hingegen während 
des Srieges Feine reguläre Heeresmacht, jo daß der Schutz 
der Grenze ganz und gar den Bewohnern überlaffen war. 
Bereits im Sommer 1788 verpflichtete fi daher auch die 
Bevölkerung des Lehens Kajana zur Aufftellung eines Miliz- 
Bataillons von 307 Mann und eines Landwehrbataillons von 
300 Dann, wofern fie von der Steuertaration jowie von ber 
mit der Grundbeſitzverteilung (storskifte) zufammenbängenden 
Abtrennung von Waldgründen befreit würde. Nach Ge- 
nehmigung biefer Forderung betrieb Pandeshauptmann J. %. 
Carpelan die Organijation der neuen Truppen mit jolchem 


426 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV, Adolfs. 


Eifer, daß diejelben gegen Frühjahr 1789 Friegsbereit waren. 
Gleichzeitig unternahm er ausgedehnte Reiſen in der Provinz 
(Oktober und November 1788), um die Bevölferung zur Organi- 
jation von Freifcharen zu beftimmen. Überall fand er das größte 
Entgegenfommen. Die Kirchipielgemeinden verſprachen die Auf- 
jtellung von 2041 Dann, die Stadt Kajana erbot fich zu 45 Mann. 
Im Sommer 1789 bejuchte er die nördlichften Kirchipiele Kemi- 
träsf und Kuuſamo, welche bisher von jeglicher Wehrpflicht 
befreit waren, fich aber jetst unter denfelben Bedingungen wie das 
Lehen Kajana zur Stellung von 104 Mann verbanden. Ber: 
mutlich waren e8 im wefentlichen diefe Verteidigungsanftalten, 
welche den Feind von der Vornahme der früher zu Kriegs— 
zeiten üblichen Streifzüge längs der öftlichen Grenze abjchredten. 
Während des ganzen Krieges blieben jene nördlichen Gebiete 
von Heimfuchungen verichont, jo daß I. 3. Earpelan jchließlich 
1790 mit etwa 1300 Mann der Armee in Südfinnland zu— 
bilfe zu fommen vermochte. 

Mit diefen Bemühungen der Bevölkerung und der Be- 
amten gingen die ber Militärbefehlshaber Hand in Hand. 
Die Wichtigkeit einer Befeftigung der Yandzunge von Hangö 
war im Sommer 1788 fichtlih zu Tage getreten, indem 
durch Stationierung der feindlichen Flotte dajelbjt die Ver— 
bindung zwijchen Schweden und Finnland eine nicht ums 
wejentliche Unterbrechung erlitten hatte. Um dies künftig zu 
verhindern, bejchloß man im Herbit 1788 den Bau Heinerer 
Befeftigungen an jener Stelle. Im April 1789 begann bie 
Errichtung von gedeckten Batterieen auf vier bei der Land— 
zunge von Hangd befindlichen Feljeninjeln.. Major 9. ©. 
v. Kierting, welcher die Arbeit mit jo unermüdlichem Eifer aus— 
führte, daß die vier Baftionen jchon im Juni 1789 fertig 
waren, wurde der erjte Kommandant der mit etwa 40 Kanonen 
verjehenen Seefeftung ). In Savolats wurde der Puumala- 
Sund befejtigt, jowie ein Heines Kanonenjchaluppengejchiwader 


1) Aufzeichnungen über die Befeftigungen bei Hangd von DO. Berg: 
fröm: Manuftript im „Schwed. Kriegsarchiv“. 


Finnlands Berteidigungswejen wirb verbeſſert (1788/89). 427 


erbaut, welches auf den Gewäſſern des Saima operieren jolfte. 
Das Savolafjer Yägercorps erhielt eine Verſtärkung von 
400 Mann. Am wichtigften war jedoch der veränderte Geift 
bei dem Offiziercorps der Armee. Schon im Dezember 1788 
fonnte der Nachfolger Herzog Karls als Oberbefehlshabers der 
in Finnland ftehenden Truppen, General Mejerfelt, in einem 
Zirfular verfihern, daß das Heer König und Vaterland nicht 
im Stiche lafjen werde. 

Auch 1789 waren die in Finnland befindlichen Truppen 
in zwei Hauptabteilungen geichieden: die Savolakſer Brigade 
unter Oberft v. Stedingf (etwa 5000 Mann) und die Hauptarmee, 
welche anfangs unter Mejerfelts, jpäter unter König Guſtavs 
Kommando an verjchiedenen Orten beim Kymmenefluffe ftand. 
Die Ruffen, welche früher als die Schweden zum Beginn 
des Feldzuges gerüftet waren, gedachten auf Vorſchlag Sprengt- 
porteng zunächjt in den jüdweftlichen Winkel von Savolaks 
gegen die Verbindungslinie der beiden Heeresabteilungen vor: 
zurüden und die Savolaffer Brigade, nachdem fie von der 
Hauptarmee getrennt worden, zu vernichten, wodurch Savolaks 
und Karelien in die Hand Rußlands gefallen wären. G. M. 
Sprengtporten, welcher den Oberbefehl über die Expedition 
erftrebt Hatte, fich jedoch mit einem Unterbefehlshaberpoſten 
begnügen mußte, hoffte bei diejer Gelegenheit im Verein mit 
feinen ihn begleitenden Kameraden, den Flüchtlingen Jägerhorn, 
Klik, Ladau, Glanjenftjerna und v. Eſſen, die Selbftindigfeits- 
bejtrebungen zu neuem Leben ermweden zu fönnen. Anfang 
Juni marjchierten die Ruſſen (7”—8000 Dann) unter Gene— 
ral Miceljon gegen die völlig unvorbereiteten Savolaffer 
Truppen, von denen ſich nur gegen 430 Mann bei Kyro, 
jüblih von Kriſtina, zu fammeln vwermochten, welche nach 
einem beftigen Gefecht in Unordnung retirieren mußten, worauf 
der Feind auf dem Wege nah St. Michel vorrückte. Trotz 
jeiner numerischen Schwäche entichloß fich jedoch der Brigade— 
chef v. Stedingk, den Ruſſen an dem jchmalen Porrasjalmi- 
Sunde die Spite zu bieten. Der heftige Kampf, welcher bier 
am 12. und 13. Juni ftatt fand und, obwohl die Finnen 


428 Fünfte Periode. Die Zeit Guftaus III. und Guftav IV. Abolfs. 


faft vierundzwanzig Stunden einem beinahe zehnmal ftärferen 
Gegner gegenüberftanden, damit enbigte, daß fich die Ruſſen 
mit einem Verluſte von etwa 900 Mann zurüdziehen mußten, 
rettete Savolaks. Die Savolafjer Brigade, welche hier ihre 
Bluttaufe empfing, gewann Zeit, fich zu ſammeln; die Ver: 
wundung ihres früheren Chefs G. M. Sprengtporten, welder 
zu dem Feind übergegangen war, erjchien den Soldaten als 
eine gerechte Strafe des Himmels; überhaupt wurde ber Geift 
innerhalb der gejamten Armee durch dieſen unverbofften 
Erfolg geftärkt, den erften ehrenvollen Sieg, der jeit den 
Tagen Karls XII. errungen war. Allerdings begann General 
Micheljon bald von neuem vorzubringen und umging nach 
einem fleineren Gefecht am 19. Juni die Stellung bei Por: 
rasjalmi; aber es gelang der Brigade, ſich durch einen 
geſchickten Rückzug beinahe ohne Verluft nach Jorois zurüd- 
zubringen, wo v. Stedingf eine feite Pofition wählte, die der 
Feind nicht anzugreifen wagte. Vergebens fuchte I. A. Jäger: 
born in den Sirchjpielen, welche zeitweife in die Hand ber 
Nuffen fielen, eine Selbjtändigfeitspartei zu ftande zu bringen. 

Unterdeſſen hatte die Hauptarmee unter König Guftav eine 
Dffenfiobewegung gegen Willmanftrand gemacht. Nach Über: 
ſchreitung des Kymmenefluſſes (25. Juni) ftieß fie am 28. 
Juni bei Uttismalm auf eine ruffische Heeresabteilung, welche 
in die Flucht gefchlagen wurde. Anftatt aber nun geradewegs 
auf Willmanftrand loszugehen, machte der König eine Schwen- 
fung nah Süden, um die in der Nähe von Fredrikshamn 
jtehenden Truppen anzugreifen. Nach einem Fleineren Ge— 
fecht erfolgte am 3. Juli die Beſetzung von Liikala; kurz 
darauf drang bie jüdliche Abteilung der Hauptarmee unter 
Mejerfelt von Abborfors über die Phttisinjel vor und ver- 
trieb jchließlich die Ruſſen aus Högfors. Inzwiſchen ſtand 
der König lange unthätig in Liikala, jo daß der Feind den 
größten Teil feiner Truppen nah Süden heranziehen fonnte 
und der Chef der nördlichen Abteilung des ſchwediſchen 
Hauptbeeres, General Kaulbars, als er auf Befehl des Könige 
mit einer jchwachen Abteilung auf dem Wege nah Willman— 


Der Sieg am Porrasfalmijunde und die Unthätigleit der Hauptarmee. 429 


ſtrand vorrüdte, nach hartnädigem Widerftand am 15. Yuli bei 
Kaipiais gejchlagen und zum Rückzug hinter den Kymmenefluß 
gezwungen wurde. Diejer Mißerfolg nötigte Guſtav, fich Ende 
Juli behufs Sicherftellung der Hauptabteilung nach Anjala 
und Wärälä zurückzuziehen. 

Mittlerweile hatte der Führer der Savolakſer Brigade, 
v. Stedingf, die DOffenfive wieder aufgenommen, indem er, nach 
Bertreibung des Feindes aus Jokkis, über Nantajalmi gegen Ny— 
jlott vorrüdte. Bei Parkumäki, wo er auf eine ruffiiche Ab- 
teilung von 2000 Mann unter General Schulg jtieß, kam e8 am 
20. Juli zu einem dreiftündigen, heißen Streit, bei welchem die 
Savolakſer Brigade von neuem ihren Mut und ihre Stand: 
baftigfeit glänzend bewies. Die Savolafjer Yäger, das 
Björneborger Regiment unter Oberjtlieutenant Ehrnroth und 
die Truppen aus Oſterbotten zeichneten ſich bejonders aus 
und vermochten jchließlich die ruſſiſche Abteilung vollftändig 
zu zerjprengen. Mit einem Berluft von 650 Mann mußte 
fie die Wapljtatt verlaffen, während die Savolakſer Brigade 
nur etwa 180 Mann eingebüßt hatte. Indeſſen waren die 
Volgen des Sieges nicht von hoher Bedeutung, zumal da ein 
Verſuch der Schweden, fich der vom Feinde eroberten Schanzen 
am Puumala-Sunde wieder zu bemächtigen, fehlichlug. 

Die Unthätigkeit der Hauptarmee während der letzten 
Sommerwochen und im Herbjte berubte im wejentlichen darauf, 
daß ihre Operationen durch die ſchwediſchen Gejchwader nicht 
gefördert werden konnten. Allerdings war die finniſche Schären- 
flotte, welche in dem Sohn A. Ehrenjvärds, Karl Auguft, 
einen tüchtigen Chef erhalten Hatte, in Svenskſund vor der 
öftlihden Mündung des Kymmenefluſſes ftationiert, um die 
Bewegungen der Yandarmee zu unterjtügen und den öftlichen 
Schärengarten zu deden. Hier wurde fie jedoch am 24. Aug. 
von dem weit überlegenenen ruſſiſchen Schärengejchwader ange- 
griffen und nach tapferer Verteidigung gezwungen, bei ber 
Feſtung Spartholm Schuß zu fuchen. Infolgedeffen mußte 
die Armee ihre legten Bejigungen auf ruſſiſchem Boden, 
Högfors und Kyınmenegärd, preisgeben und jich nach Abbor- 


430 Fünfte Periode. Die Zeit Guftans III. und Guftav IV. Adolf. 


ford zurüdziehen. Ein Verſuch des Feindes, auf Elgsö im 
Schärengarten von Ingo feiten Fuß zu faffen, wurde von 
G. M. Armfelt vereitelt, welcher am 30. September den dort 
befindlichen ruffijchen Poften durch eine kühne Überrumplung 
vertrieb. 

Obwohl Guftan 1790 Hauptjächlich zur See zu operieren 
beabfichtigte, begann die Kampagne dieſes Jahres in den erften 
Frühlingswochen doch mit einem Vorſtoß zu Lande. In Süd— 
Savolaks war unter G. M. Armfelt8 und Göran Heinrich Jäger— 
horns Leitung eine neue Brigade gebildet worden, welche auf Vor— 
ichlag des lettgenannten am 15. April die ruffiiche Pofition bei 
Partakoski und Kärnäkoski, zwei in der Nähe der Grenze auf dem 
Wege von St. Michel nah Willmanftrand belegenen Päſſen, an- 
griff. Die unvorbereiteten ruſſiſchen Truppen erlitten eine voll- 
ftändige Niederlage. Diejer Erfolg gewann dadurch noch größere 
Bedeutung, daß der König jelber am 29. April etwas füdlicher 
bei Walkiala fiegte, jo daß fich eine neue Ausficht auf ein 
Bordringen nah Willmanftrand darbot. Außerdem wurden 
überlegene ruſſiſche Streitkräfte am 30. April von ©. 9. 
Jägerhorn jowie ein Anfall des Feindes gegen die Pofition 
der Savolakſer Brigade bei Pirtimäft (nörblih von Puumala) 
am 5. Mat dur v. Stedingk fiegreich zurückgewieſen. Die 
Früchte dieſer Waffenerfolge gingen indefjen größtenteils durch 
die Ereigniffe am Kymmenefluſſe verloren, wo ebenfalls am 
5. Mai das befeftigte jchwediiche Lager bei Anjala in bie 
Hand der Ruſſen fiel. Nunmehr richtete fih die Haupt- 
aufmerkjamfeit auf diejen Punkt, wo mehrere größere und 
Heinere Gefechte vorfielen, bis die Schweden endlich in den 
legten Maitagen den Feind zum Rückzug über die Grenze 
nötigten. Auf ſolche Weije war der richtige Zeitpunft für eine 
wirkſame DOffenfivbewegung unwiederbringlich dahin, weshalb 
jih die jchwediichen Generale, nachdem ein Angriff G. M. 
Armfelts gegen Savitaipale am 4. Juni mißlungen war, mit der 
Verteidigung der gewonnenen Stellungen begnügten und zunächſt 
den Ausfall des Krieges zur See abwarteten. 

Am 15. Mai war eine Abteilung der ruſſiſchen Schären- 


Der Krieg und der Friede mit Rußland im Jahr 1790. 431 


gartenflotte vor Fredrifshamn von den Schweden gejchlagen 
worden. Hingegen mißglückte der Verfuch, die Feftung Fredrifs- 
hamn durch ein Bombardement zur Übergabe zu zwingen, fo 
daß ein weitere Vorbringen des ſchwediſchen Schärengarten- 
geſchwaders mit großen Gefahren verknüpft war. Trotzdem 
avancierte legtered, mit dem König an Bord, bis zum Björko- 
Sunde an der öftlihen Mündung der Wiborger Bucht, wohin 
auch die Kriegsflotte beordert wurde. Hier wurden bie 
ſchwediſchen Geſchwader von der großen ruſſiſchen Kriegsflotte 
cerniert, jo daß ihnen, nachdem ein VBerjuch, durch den be- 
fejtigten Trängjund nah Wiborg vorzudringen, feblgejchlagen 
war, bald fein anderer Ausweg übrig blieb, als fich mit 
dem Mut der Verzweiflung durchzufchlagen. Am Morgen des 
3. Juli begann dieſer denkwürdige Rüdzug, auf welchem es 
den ſchwediſchen Geichwadern gelang, wenngleich mit bedeuten— 
den Berluften, zu entkommen ). Die jchwebiiche Kriegsflotte, 
welche etwa ein Drittel ihres Beſtandes eingebüßt hatte, zog 
fih nah. Speaborg zurüd, wo fie bis zum Ende des 
Krieges eingejchloffen blieb. Die ſchwediſche Schärengarten- 
flotte, welche troß ihrer Verluſte eine neue Pofition bei 
Svenskſund gewählt hatte, wurde bier am 9. Juli wieber- 
holentlih von den Ruſſen angegriffen, errang jedoch einen 
glänzenden Sieg, welcher die ruſſiſche Schärenflotte faſt voll- 
ſtändig vernichtete, indem von der Bejagung der letteren 6500 
Mann in die Hände der Schweden gerieten und etwa 3000 
Mann getötet oder verwundet wurden. 

Unter ſolchen Umftänden war man nicht nur auf ſchwediſcher, 
jondern auch auf ruffifcher Seite zum Frieden geneigt. Am 
14. Auguft 1790 wurde zwijchen Schweden und Rußland 
der Friede zu Wärälä abgejchloffen, welcher für beide Reiche 
den status quo ante bellum feftjegtee Die Eroberung von 
Ruffiich- Finnland, welche Guſtav III bei Beginn des Krieges 
als Ziel worgefchwebt hatte, war mithin nicht gelungen; doch 
fonnte dies wenigjtens zum Teil dem Anjala-Bunde zugejchrieben 


1) Der Berluft an Mannfchaften betrug auf beiden ſchwediſchen Se: 
ſchwadern zufammen ungefähr 5000 Mann. 


432 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Abolfe. 


werden. Für die Bewohner Finnlands war das Ergebnis: 
"des Krieges injofern beruhigend, als es fich gezeigt Hatte, 
daß die neue Organifation der Verteidigung dem Feind bei 
Sommerfeldzügen erfolgreich die Spige zu bieten vermochte. 
Daß Rußland einen Winterfeldzug unternehmen könnte, bei 
welchem Finnland ganz und gar von Schweden tjoliert jein 
würde, hielt man für unmöglich. 

Am 29. März 1792 erlag Guftav ILL. der Mörderkugel Joh. 
Jak. Andarftröms, die ihn 13 Tage vorher im Stodholmer 
Opernhauſe getroffen hatte. In Finnlands Gejchichte wird der 
Name des Königs jederzeit mit Anerkennung genannt werden, 
wegen des Wohlwollens, welches er dem finnifchen Volk ent: 
gegengebracht, wegen der großen Hoffnungen, mit denen er fich 
in bezug auf die Zukunft Yinnlands getragen, und wegen der 
Mafnahmen, die er zur geijtigen wie materiellen Förderung 
der finnischen Nation getroffen hatte. 


3. Guſtav IV. Adolf. Die ökonomifchen Zuflände in 
Finnland gegen Ende der fdhwedifchen Herrſchaft. Uberblick 
der Zuſtände in „Alt-Finnland“ ?). 


Die Vormundjchaftsregierung Herzog Karls v. Söder— 
manland und feines allmächtigen Günftlings, des Barons 


1) Quellen und Nachſchlagewerle zur Geſchichte Finnlands während 
ber Regierung Gujtav IV. Adolfs und zur Geichichte von „Alt-Finnland“ : 
„Minnen ur Sveriges nyare historia, samlade af B. v. Schinkel, 
författade och utgifne af C. W. Bergman“, Bd. III-V (Stodholm, 
1853—1854); E, Tegner, G. M. Armfelt, Bd. Iu. Il (Stodbolm, 1883 
bis 1884); Zopograpbifhe Difjertationen und biftoriihe Auffäge im: 
„Abo Tidningar“. — $. P. v. Knorring, Gaula Finland eller det 
fordna Viborgska gouvernementet I (Abo, 1833); M. Aliander, Om 
donationerna i Viborgs län (Helfingfors, 1864); M. Aliander, Skol- 
värket inom foroa Viborgs och nu varande Borgä stift, in: „Bidrag 
till kännedom af Finlands natur och folk, utgifna af Finska vetens- 
kapssocieteten“, Bd. IX (Helfingfors, 1866); Rob. Yagus, Om Gamla 
Finlands rättsliga förhällanden vid reunionen 1811, in: „Juridiskt 


Der Tob Guftavs III. (1792). — Die Armfeltiche Verſchwörung. 438 


Guſtav Adolf Reuterholm !), erregte bei den fogenannten 
„Buftavianern“, zu denen u. a. die Finnländer G. M. Armfelt, 
Johann Albert Ehrenſtröm und Johann Friedrich Aminoff gehörten, 
lebhafte Verftimmung. Dieje Unzufriedenheit ging jchließlich 
joweit, daß ein Verſchwörungsplan entworfen wurde, welcher 
den Sturz der in Schweden bejtehenden Regierung mit ruffifcher 
Unterftügung bezweckte. Obwohl der ruſſiſche Gejandte in 
Stodholm, Stadelberg, den Guftavianern große Hoffnungen 
machte und die Kaiferin Katharina Armfelt wie deffen Freunden 
großes Wohlwollen bezeugte, jo wollte man doch rufficherfeits 
nicht bejtimmte Verpflichtungen übernehmen, weshalb Armfelt 
nach der Wbberufung Stadelbergg auf alle verbrecherifchen 
Anschläge verzichtete. Die Entdedung diefer „Armfeltjchen 
Verſchwörung“ führte troßdem zu verbhängnisvollen Folgen 
für die daran Beteiligten. Chrenftröom und Aminoff wurden 
lange in harter Gefangenfchaft gehalten, während Armfelt von 
jeinem damaligen Aufenthaltsorte Neapel nah Rußland zu 
fliehen vermochte, wo er bis 1800 in dem entlegenen Kaluga 
ein zurücgezogened Dajein führte, um alsdann von neuem 
eine hervorragende Rolle zu jpielen. 

König Guftav IV. Adolf, welcher am 1. November 1796 
nach eingetretener Volljährigkeit die Regierung übernahm, 
begte für Finnland das gleihe Wohlwollen wie fein Vater, 
wenn auch feine Gefühle nicht gleich lebhaft zum Ausdrud 
gelangten. Zweimal befuchte er Finnland: zuerft Ende 1800 
und Anfang 1801 bei der Rückkehr von Petersburg, das 
andere Mal im Sommer 1802 in Begleitung feiner Gemahlin. 
Nach der Landung in Abo (11. Iuni) befuchte das Königspaar den 
Ererzierplag von Parola, wo die finnischen Truppen verfammelt 


Album“ III, 129sgq., IV, 4özgg. (Helfingfors, 1861— 1862); DO. Han= 
nilainen, Vanban Suomen eli Viipurin läänin oloista 1811» vuosisadalla 
(Helfingfors, 1888); I. R. Danielfon, Viborgs äterförening med 
det öfriga Finland (Helfingfors,1894). — Urkunden im „Schwed. Reichs— 
archiv“. 

1) Reuterholm (1756—1813) war auf ben Gute Swidja in Finnland 
geboren. 

Schybergſon, Geſchichte Finnlande. 28 


434 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolie. 


waren, ferner Helfingford und die öftliche Grenze, worauf es 
nach Abo zurückkehrte, um dort bis zum 8. Auguſt zu bleiben. 
Cine bejondere Bedeutung erhielt dieſer Beſuch dadurch, daß 
der König den Grundftein zu einem neuen, prächtigen Gebäude 
für die Aboer Univerfität legte. Lettere, welche Männer wie 
Porthan, Calonius, Franzen, Jakob Tengftröm, Johann Gabdolin, 
G. G. Hällſtröm nnd ©. I. Hartman zu ihren Lehrern zählte, 
bildete in jenen Tagen den Mittelpunkt des geiftigen Lebens 
für das ganze Yand und genoß im gefamten Norden hohes 
Anjehen. Mit Rückſicht auf den blühenden Zuftand der Hoc- 
ichule äußerte König Guſtav IV. damals die Abficht, jeinen 
Sohn Karl Guftav, welcher den Titel „Großherzog von 
Finnland“ führte, dereinft an der Aboer Univerfität erziehen 
zu laſſen; doch jtarb der junge Prinz bereit 1805. 

Während die jchönwiffenjchaftlichen und gelehrten Be— 
jtrebungen ihren Hauptfig an der Aboer Univerfität hatten, 
gelangte der Eifer für die ökonomiſche Entwidlung des Yandes 
dur Stiftung der „Finniſchen Haushaltungsgejellichaft“ zum 
Ausdrud. Diejer Gejellichaft, welche in ihrer erjten Sitzung 
(1. November 1797) den Biichof Jakob Gadolin zum Vorſitzenden 
und den Oberlandrichter Dlof Wibelius zum Sekretär wählte, 
traten von Anfang an 125 Finnländer der verjchiedeniten 
Stände bei: jo z. B. die PBrofefforen H. ©. Porthan, Johann 
Gadolin, Gabriel Bonsdorff und 3. Pipping, der Vermeffungs- 
oberdireftor Alfving, der Kammerrat A. I. Winter, der Bergwerfs- 
befiger 8. 5. Bremer und der Hofgerihtsrat Samuel Magnus 
Ehrenmalm. Die Vereinigung gab fich eine jelbftändige Or- 
ganijation, tellte fich aber unter den Schuß der Regierung, 
um von leßterer pekuniäre Unterſtützung für ihre Zwecke 
genießen zu fünnen. Am 4. Februar 1798 nahm der König die 
„Königlib Finniſche Hausbaltungsgejellichaft“ unter feinen 
unmittelbaren Schuß und beftätigte ihre Statuten. Die Ge- 
jelljcyaft wurde mithin gleichzeitig eine freie Hochſchule zur 
Förderung der öfonomijchen Interefjen und ein Organ für 
die den Wohlftand Finnlands bezwedenden Bejtrebungen der 
Regierung. 


Guſtav IV. Adolfs Selbftregierung. Finniſche Hausbaltungsgefellichaft. 435 


Der allgemeine Charakter der Thätigfeit der „Finniſchen 
Haushalturgsgefellichaft“ ift durch ihre noch Heute im unver: 
änderter Richtung weitergehende Arbeit befannt. Indeſſen ift 
auf einige Unternehmungen bejonders hinzuweiſen, bei denen 
die während der erjten Jahre ihres Beſtehens befonders große 
Rührigkeit der Gejellichaft zum Ausdrud fam. ine der 
erjten Aufgaben, welche fich die Vereinigung ftellte, war eine 
vollftändige ökonomiſche Beichreibung Finnlands, zu welchem 
Behufe ein Schema für Kirchipielbefchreibungen angefertigt 
und verteilt wurde. Die Materialien für dieſes umfafjende 
Werf waren jchon zum Zeil gejammelt, ald das Unternehmen 
durch Ausbruch des Krieges von 1808/9 eine Lnterbrechung 
erfuhr. Erfolgreicher erwiejen fich die Bemühungen der Ge- 
jellichaft für allgemeine Verbreitung der Kartoffel in Finnland, 
wo die Kartoffelpflanze erjt nach der Heimfehr der finnijchen 
Soldaten aus dem Siebenjührigen Kriege befannt geworden 
war. Die Vereinigung, welche jeit ihrer Stiftung Ddiejer 
Sade ihre Aufmerkiamfeit gewidmet hatte, bat die Regierung 
1800 um Geldmittel zur Ermöglichung einer allgemeineren 
Kartoffelfultur. Da die Regierung, ftatt der begehrten 600 
Reichsthaler, jogar 1000 jährlich bewilligte, ſah man fich in 
der Yage, energifch vorzugehen. Schriften, welche Angaben 
über den Nuten der Kartoffel und über ihren Anbau ent- 
hielten, wurden verbreitet, Kartoffelpflanzen, namentlich in den 
inneren und nördlicheren Yanvdesgebieten, zur Ausſaat verteilt 
und Privatperjonen aufgefordert, bei dem gemeinen Mann 
für den Kartoffelbau Propaganda zu machen. Dieje Be- 
jtrebungen waren von großen und jchnellen Erfolgen begleitet. 
Schon 1807 fonnte die Gejellihaft auf Grund von Berichten 
der Yandeshauptleute mitteilen, daß die Kartoffel allgemein 
Eingang gefunden babe, und daß e8 nur noch in Savolaks 
und SKarelien beionderer Maßnahmen zur Förderung des An- 
baus bedürfe. 

Eine der Vereinigung nicht minder am Herzen liegende 
Angelegenheit war die Einführung der noch faft völlig unbe- 
fannten VBaccination. Die zu diefem Behufe 1803 von der 

28 * 


436 Fünfte Periode. Die Zeit Guftaus III. und Guftav IV. Adolfs. 


Regierung alljährlich bewilligten 2000 Reichsthaler wurden 
zu populären Impfichriften, zur Ausfendung von Baccinateuren 
in alle Zandesteile jowie zur Belohnung für glücklich bewerf- 
jtelligte Impfungen verwendet. Um auch für die Zukunft 
eine fortdauernde allgemeine Vaccination zu ermöglichen, be- 
antragte die Gejellichaft, daß zur Erlangung des Küfteramtes 
Vertigfeit im Impfen eine Bedingung jein jollte; ein Vor— 
ichlag, welcher die Genehmigung der Regierung fand. Diefer 
Baccinationsmodus war noch bis vor kurzem in Finnland in 
Geltung. 

Auf Veranlaffung der Regierung erteilte die Gejelfichaft 
ferner ein Gutachten über Mittel zur Verbreitung der Hand— 
fertigfeit in den nördlichen und inneren Teilen Finnlande. 
Sie warnte darin vor Maßnahmen, welche das Handwerk zu 
einem fabritmäßig betriebenen und von Kapitaliften abhängigen 
Gewerbezweig machen könnten, während dasjelbe durch an— 
dauernden Unterricht allmählich zum Aufblühen gebracht und 
neben dem Aderbau zu einem wichtigen Nebenerwerbszweige 
für die inneren Pandesdiftrifte geftaltet werben könnte. Im 
Zuſammenhang hiermit wurden auf Antrag der Vereinigung 
zur Unterftügung der Flachs- und Hanfkultur in Karelien und 
Savolaks vonjeiten der Regierung je 500 Neichsthaler auf 
drei Jahre bewilligt. 

Schließlich ift von Unternehmungen, welche die Gejelljchaft 
mit Unterftügung der Regierung zuftande bringen wollte, die 
Gründung einer Disfonto- oder Darlehnsfaffe in Abo zu 
erwähnen. Diejelbe begann am 1. Auguft 1806 mit einem 
Grundkapital von 150000 Neichsthalern und einer gleich 
hoben, von der ſchwediſchen Staatsbank vorgeftredten Summe 
ihre Thätigkeit, welcher jedoch der Krieg von 1808 ſchnell ein 
Ende bereitete. 

Wie lebhaften Anteil das Publitum an den Beftrebungen 
der Gejellichaft nahm, geht nicht minder aus den wertvollen 
Beiträgen hervor, welche aus allen Landesteilen für bie 
„Publikationen“ des Vereins geliefert wurden, als aus den ber 
Geſellſchaft zufallenden Schenfungen. So fah fich die Gefell- 


Die Einführung der Kartoffel, der Impfung umd andere Reformen. 487 


ichaft 3. B. durch das Teftament des Aſſeſſors Gabriel Ahlınan 
1798 im ftande, in Birkfala, Mefjuby und andern in der Nähe 
von Tammerfors liegenden Kirchipielen die „Ahlmanjchen Schu: 
lien“ zu gründen, welche unter der Bevölkerung eines ausge— 
dehnten Gebietes innerhalb der Provinzen Abo und Tawaftehus 
bi8 auf unjere Tage Aufklärung und Kenntniffe verbreitet haben. 
Ebenso teftamentierte Brofeffjor Johann Bilmark einen bedeutenden 
Teil feines Vermögens der Gejellichaft‘ als Kolonifationsfonds 
für den gemeinen Mann. Cine beträchtliche teftamentarifche 
Dispofition des Apotheker Anders Svahn jchlieglih war zur 
Förderung wohlthätiger oder öfonomifcher Unternehmungen 
beftimmt. 

Unabhängig von der „Finniſchen Haushaltungsgefellichaft“ 
nahm die Regierung damals die alten Stromreinigungs- und 
Durchfahrtöpläne wieder auf. Die durch Erlaß vom 17. De- 
zember 1799 einberufene Stromreinigungsdireftion, zu deren 
erften Mitgliedern Graf W. M. Klingjpor, der Landeshaupt- 
mann E. ©. v. Willebrand in Abo-Björneborg, Oberft Johann 
Friedrich Aminoff, Kammerrat A. I. Winter jowie Profefjor 
9. ©. Porthan gehörten, erhielt nämlich den Auftrag zur 
Vornahme von Stromreinigungsarbeiten im Kumofluffe, zu 
welchem Zwed ihr 6000 Reichsthaler jährlich und eine Arbeits- 
mannſchaft von 500 Mann Miliztruppen während der 
Sommermonate zur Verfügung geftellt wurden. Ein von ber 
Direktion vorgelegtes Projekt, betreffend die Umgehung der zahl: 
reihen Stromjchnellen des Kumoflufjes oberhalb des Dorfes 
NYliftaro und der Kirche von Kumo vermittelft eines Kanals, 
fand die Zuftimmung der Regierung.” Die Arbeit begann 
1803 und wurde darauf jeden Sommer fortgejekt, ſodaß 
Profeffor Gabriel Bonsdorff, welcher 1807 das Unternehmen lei: 
tete, verfichern zu fönnen glaubte, daß der Kanal vielleicht 
ihon im nächiten Jahr eröffnet werden fünnte. Kurz darauf 
begann jedoch der Krieg mit Rußland, welcher nicht nur die 
Arbeit unterbrach, jondern auch bewirkte, daß das Unternehmen 
überhaupt aufgegeben wurbe. 

Es bedarf nur eines flüchtigen Einblids in Kirchſpiel— 


438 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs. 


beſchreibungen jowie in jtatiftifche Mitteilungen vom Ende des 
18. und vom Beginn des 19. Jahrhunderts, um zu erfennen, 
daß fih das finnische Volk nunmehr einen feften ökonomiſchen 
Wohlſtand erworben hatte. In allererfter Linie hatte ver Acker— 
bau einen Aufſchwung genommen, wobei die Grundbefigverteilung 
(storskifte) und die damit zufammenbängenden Kolonifationen die 
am mächtigften wirkenden Triebfedern gewejen waren. Während 
Finnlands Getreideproduftion bisher oft dem Bedürfnis keines— 
wegs entiprochen hatte, wurden im letten Jahrzehnt des 
vorigen Jahrhunderts alljährlich etwa 45000 Tonnen Getreide 
erportiert. Die ZTrodenlegung von Sümpfen und Moräjten 
wurde im ganzen Land eifrig und erfolgreich betrieben. Die 
Betriebsmethoden beim Aderbau waren noch immer jehr ver- 
ſchieden. Abo-Björneborg und Waſa hatten in biejer Hinficht 
einen entichiedenen Vorſprung. Die nyländiichen Bauern be- 
fümmerten fih mehr um Handel und Schiffahrt, während 
fie fih in bezug auf rationelle Pflege des Aderbaus mit den 
Bewohnern der beiden genannten Provinzen nicht zu mefjen 
vermochten. Was Tawaſtland betrifft, jo war die uralte 
Flachskultur in den Kirchipielen Yängelmäfi, Meffuby, Orivefi 
u. ſ. mw. eine ertragreiche Nahrungsquelle. In den Bezirken 
Keuru, Saarijärvi, Nautalampi und in anderen nördlichen Re— 
gionen von Tawajtland und Savolaks jowie im Lehen Kajana 
nebjt dejfen Umgebung herrichte das früher übliche Abſchwen— 
den des Bodens, troß der Beitrebungen der Gejetgebung, 
dasjelbe zu verhindern oder wenigjtens einzujchränfen, noch 
immer vor; doch war auch hier der Kornertrag teilweije 
reichlich, fo daß z. B. Savolaks die Kornkammer Ofterbottens 
genannt wurde. Im der Provinz Uleäborg war die Theer- 
brennerei ein mit dem Aderbau an Bedeutung wetteifernder 
Nahrungszweig. ine bejondere Region bildete schließlich 
Nord-Karelien, wo die Grundbefigverteilung noch beinahe voll- 
ftändig unbelannt war. Zwar hatte die Bevölkerung das 
Recht erhalten, auf eigene Hand Befitverteilungen zu bewerk— 
ftelligen; aber noch waren hier wie in Kemiträsf und in 
Kuufamo ausgedehnte Waldgründe ungeteilt. Landſtraßen waren 


Die wirtichaftliche Lage um 1800. 439 


in Nord-Karelien eine erjt in den legten Jahrzehnten ein- 
geführte Neuigfeit ?). 

Ebenjo wie der Standpunft des Aderbaus in den ver: 
ſchiedenen Landesteilen verjchieden war, ebenjo verhielt es fich 
auch mit den Sitten, Gewohnheiten und der Lebensweife des 
gemeinen Mannes. Der Küftenbewohner, welcher durch den 
namentlih mit Stodholm lebhaften Handels- und Schiffe- 
verfehr jowie durch die bei den zahlreichen Berg: und Säge— 
werfen berrjchende Thätigfeit häufig Gelegenheit zum Verdienen 
hatte, war lebhafter, beweglicher und unternehmungsluftiger 
al8 der Bewohner des Binnenlandes ?). 

Der gemeine Mann zeichnete fich durch Gottesfürchtigkeit, 
Kedlichkeit, Gehorſam gegen die Geſetze und dur Treue 
gegen König und Obrigkeit aus. Ein augenfälliger Fehler 
war indeffen ein bittere8 Mißtrauen gegen Standesperjonen 
und Beamte, ein Mißtrauen, welches fich freilich minder in 
den mehr bebauten, jüdlichen und weftlichen als in den 
nördlichen und öftlichen Landesftrichen geltend machte. Der 
wejentlichfte Grund dazu lag in den abminiftrativen Miß— 
bräuchen, deren Drud am meiften auf den von den Zentral- 
punkten entfernten Gegenden laftete. Am ſchärfſten trat dieſer 
Zug in Karelien hervor’). Das Mißtrauen wurde durch 
die Unkenntnis einiger, bejonders höherer Beamten in der 
Finniſchen Sprache gejteigert und Hat fich bei einem Zeil 
des finnischen Volkes bis auf den heutigen Tag erhalten. 

Unter den Imduftriezweigen auf dem Lande hatten bie 
Hütten- und die Sägeinduftrie, wie beim Ende ber Freiheitszeit, 


1) Bol. Erih Tuneld, Inledning till geographien öfver Sverige, 
p. 242—534 (7. Auflage; 1794). — Norb:ftareliens erfte große Land— 
ſtraße ging von Kerimäti durch die Kicchfpiele Kefälats, Kides, Tohma— 
järvi, Jlomants und Pielis nah Maanielfä. 

2) Lencavift, Jämförelse mellan äkerbruket i Karislojo och Ori- 
vesi socknar, in: „Abo Tidningar“ (1775), p. 169, 181, (1776) p. 15, 
36, 41, 49 u. 57. 

3) O. F. Wetterboff, Militärisk beskrifning öfver Karelen: Manu— 
fript in der Stodholmer Könige. Bibliothek. 


440 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs. 


die größte Bedeutung, wenngleich ſich eine beträchtliche Ver— 
mehrung der Induftrieanlagen nicht bemerkbar machte. Der 
Hauptfig der genannten Induftrieen war nad wie vor bie 
füdliche Küftenftrede zwifchen Abo und dem Kymmenefluſſe 
In Nyland gab es folgende Hüttenwerle: Strömfors in 
Elimä, Forsby in Perno, Fagervif in Ingo, Spartä in 
Karis, Billnäs (zwei Hütten), Fisfars und Antjfog in Pojo, 
Stogby in Tenala und Kellontosfi jowie Orijärvi in Kisko; 
im Abo-Björneborg: Kostis, Kuftö und Tykö in Bjerno, Dal 
und Björkboda in Kimito, Kirjakfala in Usfela, Männäis in 
Nykyrka, Kauttna in Eura jowie Fredrifsfors und Frebrifs- 
berg in Ulfsby; in der Provinz Waſa: Orisberg in Storkyro 
und Kimo fowie Oravais in Wörd; im Innern des Landes, 
wo der Mangel an Kommunifationsmitteln den Abſatz hin— 
derte, war fortdauernd Strömsdal in Nilſiä das einzige 
Eifenhüttenwerf. Bon Gflashütten jeien außer dem alten 
Avik in Somero genannt: Notijö in Urdiala, Forsnäs in 
Ulfsby und Nyby in der Nähe von Ufleiborg; in Yärvenoja 
nicht weit von Abo befand fich eine größere Papierfabrif. Im 
übrigen gab es im ganzen Lande größere und Heinere Mühlen, 
Ziegeleien, Salpeterfiedereien u. j. w. Schiffbau wurde im 
Schärengarten und überall an der Küfte infofern betrieben, als 
die Bevölferung die zahlreichen Eleineren Fahrzeuge, welche 
ihre Produkte in die finnifhen Städte und nah Schweden 
brachten, jelber verfertigte; eime eigentliche Schiffbauinduftrie 
bejtand indeffen nur in den Küftenfirchipielen der Provinz 
Waſa. 

Der ſteigende Wohlſtand auf dem Lande übte eine lebhafte 
Einwirkung auf die Städte, deren Handel und Induſtrie, 
namentlich an der Küſte, einen ſchnellen Aufſchwung nahm. 
Ein entſchiedenes Übergewicht über die übrigen Städte beſaß 
Abo, deſſen Bevölferung 1791—1800 von 8504 auf 11300 
Perjonen (einjchließlih 486 Mann Befagung) ſtieg. Der 
Handelsverfehr beſtand Hauptfächlid im Import vom Aus- 
lande (1781 im Werte von 104987 Reichsthalern) jowie im 
Handel mit Stodholm. Die Stadt beſaß zwei Schiffewerften, 


Finnfands Induftrie und Handel um 1800. 441 


zweit Zabaffabrifen, eine Zuderfabrif, drei Seidenwaren- 
fabrifen, zwei Quchfabrifen, eine Borzellanfabrif und eine 
Segeltuchfabril. Der Einwohnerzahl nach die zweite Stabt 
war Helfingfors, welches jeit der Gründung von Speaborg einen 
großen Aufjhwung genommen hatte und (1805) 4337 Be- 
mwohner zählte. Der Import wurde 1787 auf 46111 Reiche: 
thaler geſchätzt; auch bier gab es mehrere Fabriken. Uleaͤ— 
borg mit 3345 Bewohnern übertraf Helfingfors an Lebhaftig- 
feit des Handelsverkehrs. Der Wert der Waren, welche 
auf den zahlreichen nördlichen Strömen hierher geichafft und 
dann exportiert wurden, war beträchtlich; die Salzeinfuhr 
betrug jährlich 8—9000 Tonnen. Hierauf folgten Waſa mit 
2538 und Björneborg mit 2510 Einwohnern. Die übrigen 
Seeftädte hatten nach den jtatiftiichen Tabellen von 1805 
folgende DBewölferungsziffer: Borgi 2038, Yowija 1960, 
Gamla Karleby 1710, Nyftab 1682, Raumo 1673, Efenäs 
1260, Braheftad 1169, Kriftineftad 1152, Jakobſtad 1088, 
Nykarleby 765, Nüdendal 705 und Kaskö 358. Beachtens- 
wert erjcheint die Größe der Handelsflotte auch in den 
fleineren Seejtädten. Ein Hauptbeftandteil der Einfuhr war 
überall Salz; der Export beftand im allgemeinen in Wald— 
und Aderbauproduften; doch erportierte Abo auch Eifen und 
Induftrieerzeugnijfe. Die nenangelegten Städte im Binnen- 
lande waren faum noch etwas anderes als Feine Marktfleden. 
Tawaftehus beſaß 1689, Kuopio 819, Tammerfors 602, 
Heinola 422 und Kajana 313 Einwohner. 

Die ftatiftiihen Tabellen ergeben, daß die Vollksvermeh— 
rung ohne Unterbrechung fortdauerte. Während 1795 bie 
Bevölferungsziffer 760965 Seelen betrug, ſtieg fie 1800 
bi8 1807 von 834829 auf 914565 Perfonen; während eines 
halben Jahrhunderts hatte fie fich verdoppelt. Am ftärkten 
war die Voltsvermehrung in den am fpärlichiten bevölferten 
Provinzen Uleäborg, Waſa und Kuopio geweien. Schwediſch— 
Karelien, welches in den dreißiger Jahren des 18. Jahr- 
hunderts faum mehr ald 15—20000 Bewohner zählte, hatte 
deren nunmehr 56376. Von den 895773 Bewohnern Finn- 


442 Fünfte Periode, Die Zeit Gujtavs II. und Guſtav IV. Adolis. 


lands im Jahre 1805 famen auf Abo-Björneborg rund 207 000, 
auf Nyland» Tawaftehus 186000, auf Kuopio 144000, auf 
Waſa 141000, auf Heinola 122000 und auf Uleiborg 92000. 
Die ftädtifche Bevölkerung bildete mit 43500 Seelen jaft 
5 Prozent der gefamten Einwohnerzahl. 


Bei einem Blick auf die Zuſtände in den durch die 
Friedensverträge zu Nyftad 1721 und Abo 1743 mit Ruß: 
land vereinigten Gebieten der ehemaligen Provinzen Kexholm, 
Wiborg und Kymmenegaͤrd ſehen wir, daß fich die dortige 
Entwidlung im wejentlih anderer Nichtung bewegt hatte als 
in dem Großfürftentum Finnland. 

Die von Peter nach dem Fall Wiborgs in den Provinzen 
Wiborg und Kexholm 1710 eingeführte militärijche Ber: 
waltung wurde auch nach dem Frieden von 1721 mehrere 
Jahre faſt unverändert beibehalten Y. Als Oberbefehlshaber 
(Woiwode) ſtand Oberſt Iwan Schuwalow, ein tüchtiger und 
um das Wohl der Bewohner bemühter Mann, an der Spitze 
der Regierung, welche im übrigen von den Zentralbehörden 
in Petersburg verwaltet wurde. Das ſchwediſche Geſetz behielt 
ſeine Gültigkeit. Im Nyſtader Frieden war allerdings ein dar— 
auf bezüglicher Vorbehalt zu gunſten der abgetretenen Gebiete 
von Kexholm und Wiborg nicht gemacht worden; aber 
allmählich und faſt unmerklich brach ſich bei den Behörden die 
Auffaſſungsweiſe Bahn, daß die im Friedenstraktat befind— 
lihen Bejtimmungen über Efthland und Livland auch für die 
Gebiete nördlih vom Finniſchen Meerbuſen Gültigkeit haben 
müßten. Dieje Anficht befeftigte ſich durch Beſchlüſſe ver- 
ichiedener Behörden und machte jich im den dreißiger Jahren 


1) Gabr. Lagus, Nägra förhällanden i Wiborg under ryska oc- 
cupationen (Programm bes Wiborger Klaſſiſchen Pyceums 1888— 1889) 
giebt verſchiedene Notizen über die dortige ruffiiche Mominiftration feit 1719. 


Die ruſſiſchen Teile Finnlands jeit 1721. 443 


des 18. Jahrhunderts immer unbeftrittener geltend. Den im 
Aboer Frieden 1743 abgetretenen Candesteilen war durch den 
Friedenstraftat jelbft die Beibehaltung ihrer alten Gewohnheits- 
rechte und Privilegien zugefichert worden, weshalb daſelbſt auch 
alle juridifchen Entjcheidungen nach dem Geſetzbuch von 1734 
gefällt wurden. Eine Verfügung von 1763 bejtimmte, daß 
jene Geſetzbuch bei Kapitalverbrechen auch in Wiborg - Ker- 
holm Anwendung finden follte. Ebenſo ging man bei Steuer- 
fragen auf die Verhältniſſe unter ſchwediſcher Zeit zurüd. 
Bei einer 1728 — 1729 unter Leitung des Affefjord Anton 
v. Sala vorgenommenen Steuerrevifion wurden nämlich 
die Steuern gemäß den von früher ber gültigen Grund— 
fügen feftgeftellt, wobei die Bodenrente verhältnismäßig niedrig 
berechnet wurde. Diejelbe Berechnung blieb zum Vorteil der 
Bevölkerung im wejentlichen auch bei jpäteren Reviſionen be- 
fteben. 

In den dreißiger Jahren des vorigen Sahrhunderts trat 
der Wiborger Diftrift in nahe administrative Verbindung mit 
Efthland und Livland, da man der Meinung war, die Zuftände 
in Ruſſiſch-Finnland jeien denen in Ejthland und Livland fo 
ahnlih, daß erjteres bequem denjelben Zentralverwaltungs- 
behörden wie jene unterftellt werden fönne Dem 1731 für 
Lioland und Efthland eingerichteten Reichslammerkontor zu 
Petersburg wurde denn auch jchon im nächften Jahre die Er- 
ledigung der Kameraljachen des Wiborger Diftrifts übermwiefen. 
Ferner verordnete ein Erlaß von 1735, daß für die Gerichte 
des Wiborger Diftrifts das Neichsjuftizkollegium für livländiſche 
und ejthländiiche Angelegenheiten in Petersburg die höhere 
Inſtanz bilden folltee Seitdem gewann der deutſch-ruſſiſche 
Beamtenadel der DOftjeeprovinzen einen mächtigen Einfluß in 
Ruſſiſch-Finnland. Die Höheren Beamtenpoften wurden bald 
fait ausjchließlih mit Deutſchen beſetzt. Deutſche Sprache 
und deutſche Bildung ſchufen ſich hier im Norden einen 
äußerſten Vorpoſten und wurden die Brücke, welche jene ent— 
legenen Landesſtriche mit Weſteuropa verband. Andrerſeits 
wurde freilich hierdurch die Kluft noch erweitert, welche ver: 


444 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guſtav IV. Abolie. 


möge der politifchen Abjonderung zwijchen der dortigen Be— 
völferung und ihren ehemaligen Brüdern in Schwediſch-Finn— 
fand entjtanden war. 

Durch den Äboer Frieden (1743) erhielt Ruffisch- Finnland 
eine Gebietderweiterung und einen nicht geringen Zuwachs an 
geiftigen wie materiellen Kräften. Infolge deffen trat in ad— 
miniftrativer Hinficht eine erhöhte Weftigfeit in ber Organi- 
jation der einheimifchen Behörden ein. Im Jahre 1744 
wurden die Provinzen Wiborg, Kerholm und Kymmenegärd zu 
einem Gouvernement unter Leitung eine® Gouverneurs ver- 
einigt, dem ein Nat jowie je ein Sefretär in der ruffiichen 
und der jchwediichen Abteilung der Gouvernementsdireftion zur 
Seite ſtand. Subalternbehörden waren die PBrovinzialfanzleien 
zu Wiborg für Wiborg-Kexholm jowie zu Willmansftrand für 
Kyınmenegärd, jede unter Oberaufficht eines Statthalters. 
Außerdem gab es in Wiborg, Kerholm und Willmanftrand 
Rentlammern, denen ſechs SKommifjariate (Kronvogteien) 
untergeordnet waren. Alle diefe Beamten ſollten fich nach 
den in Schweden für die betreffenden Beamten beftehenven 
Inftruftionen richten. Das Gerichtswejen wurde ebenfalls 
nach ſchwediſchem Vorbild durch Errichtung von Oberlandes-, 
Diftrifts- und Nathausgerichten (in den Städten) ſowie eines 
Untergerihts in Willmanftrand geordnet. Alle dieſe Be— 
börden ftanden unter dem deutſchen Reichskammerkontor und 
dem deutſchen Neichsjuftiztollegium in Petersburg. Als Amts- 
iprache wurde Schwedisch, Deutih und Ruſſiſch in bunteſter 
Miſchung gebrauht. Die zum größten Teil einheimijchen 
Subalternbeamten und die Richter, welche in Abo ftudiert 
hatten, jprachen Schwediſch. Bei den höheren Regierungs- 
behörden war die deutſche Sprache vorherrſchend. Bei der 
Gouvernementsdirektion war Ruffifch die offizielle Sprache. 

Diefe Verwaltungsorganifation war um jo mehr eine 
wirkliche Verbeſſerung, als fie auf verfchiedenen Gebieten die 
ſchwediſchen Formen wieder aufnahm. Aber die Vorteile einer 
jolden Reform wurden in nicht geringem Maße durch das 
Donationswefen vereitelt, welches auf die fozialen und öfono- 


Das ruffiihe Donationsweien. 445 


mifchen Verhältnijje der Provinz höchſt verderblich einwirfte. 
Unmittelbar nah dem Halle Wiborgs verteilte nämlich Zar 
Peter mit jo freigebiger Hand Donationen innerhalb des er- 
oberten finnischen Gebiets, daß letteres binnen wenigen 
Jahren faſt vollftändig verfchenft war, zumeift an ruſſiſche 
Zivil und Militärbeamten. Zwar wurden 1720 alle Leben 
wieder eingezogen, welche weitlich vom Wege zwijchen Wiborg 
und Kerholm lagen; vielleicht, weil der Zar dieſen Landſtrich 
beim Friedensihluß an Schweden wieder abzutreten gedachte. 
Aber bald, injonderheit 1726— 1728, vermehrte fich wieder bie 
Zahl der Schenkungen. Anfangs wurden die Yehen auf be- 
liebige oder auf Yebenszeit verliehen; jpäter wurde jedoch bie 
erbliche Verleihung für ewige Zeiten üblih. Gegen Ende des 
Jahrhunderts erfolgte die Verteilung umfangreicher Gebiete 
unter der Form der Kronpacht. 

Die Bauern auf diefen Donationsgütern waren, unter 
dem Schuße des gültigen ſchwediſchen Geſetzes, perjönlich frei 
und auch in öfonomijcher Hinficht unabhängig. Sie bezahlten 
ihren Herren eine durch Abſchätzung des Grundbeſitzes feft- 
gejtellte Abgabe, wovon zwei Drittel den Donataren und ein 
Drittel der Krone zufielen; aber im übrigen waren die Herren 
nicht berechtigt, fich in ihren privaten Haushalt einzumijchen 
oder über ihr bewegliches Eigentum zu verfügen. Gleichwohl 
verjchlechterte fich die Yage der Donationsbauern mit jedem 
Tage. Die Donatare überließen die Verwaltung nämlich 
Vögten, welche, ohne im allgemeinen von der jtrafenden Hand 
des Geſetzes ereilt zu werden, die Bauern bedrücdten und 
um jo übermütiger waren, als fie häufig nicht bloß als Diener 
ihres Herrn jondern gewijjermaßen auch als öffentliche Be— 
amte fungierten, indem fie für Rechnung der Krone bie 
Steuererhebung vollzogen und die Bolizeigewalt auf den Gütern 
ausübten. Ihre eigennügige und willfürliche Handlungsweije 
bildete einen Hauptgrund dafür, daß die Provinz nicht den— 
jelben öfonomijchen Aufſchwung nahm, wie Schwebifch-Finn- 
land. Im übrigen erjcheint beachtenswert, daß die ruffiichen 
Behörden infolge ihrer geringen Kenntnis der ſchwediſchen 


446 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guſtav IV. Adolis. 


hiſtoriſchen Entwidlung das Eigentumsrecht der Zinsbauern 
ebenjo wenig rejpeftierten, wie das der Kronbauern. 

Ein unjchätbares Glüd war, daß die ruffiiche Regierung 
in religiöjer Hinficht völlige Toleranz beobachtete und der luthe- 
riſchen Kirche nicht minder als der griechiſch-orthodoxen Unter: 
ftügung und Schuß gewährte. Die Iutherifche Geiftlichfeit war 
dem in Wiborg 1720 errichteten Konfiftorium (vgl. ©. 306) und 
feit 1743 einem zweiten für die neugeivonnenen Gebiete ge- 
ſchaffenen Konfiftorium zu Fredrikshamn jubordiniert. Jedes 
derjelben bejtand aus einem Dompropft als Borjigenden, 
vier Mitgliedern und einem Sekretär. Die lutheriichen Geift- 
lichen waren faft ausichließlich Landeskinder, die an der Aboer 
Univerfität ihre Ausbildung empfangen batten. Sie genojjen, 
abgejehen von einigen Ausnahmen, Achtung und vermochten 
erfolgreih die Konkurrenz; mit den zahlreichen griechtich- 
katholischen Prieftern und Mönchen zu befteben, welche einem 
Dompropit in Wiborg fowie der Petersburger Heiligen Synode 
unterjtellt waren. Härter wurde das Yos der Schule unter 
dem rujjiichen Regime. Die während des großen nordijchen 
Krieges in Verfall geratenen Yebhranftalten wurden nicht von 
neuem errichtet, jo daß jeit 1710 lange Zeit in der Provinz 
Wiborg feine auf Staatskoften unterhaltene, öffentliche Schule 
eriftierte. Erjt 1745 fam eine Schulordnung zu Stande, wodurch 
in Wiborg eine fünfflaffige Kathedralichule gegründet wurde, 
in welcher, gleichwie in den jchwediichen Trivialichulen, das 
Lateiniſche die Hauptrolle jpielte, aber auch Ruſſiſch, Deutich, 
Franzöſiſch und Schwedijch zu den Yehrgegenftänden gehörte. 
Gleichzeitig erfolgte die Gründung einer zweiflafjigen Trivial— 
ichule in Fredrikshamn jowie von Pädagogien in Willman- 
ftrand, Nyjlott und Kexholm. In allen diejen Schulen wurde 
die Unterrichtsiprache allmählich die deutjche, jo daß das 
Deutjhe die Herrichaft in dem gejamten Bildungsleben der 
Provinz gewann. 

Im Jahre 1766 berief die Kaijerin Katharina Deputierte 
aus Rußlands verjchiedenen Provinzen, u. a. auch aus Ruſ— 
jifch - Finnland, um eine Gejegfommilfion zu bilden, welche 


Die ruffiichen Verwaltungsbehörden von 1766-1797. 447 


ein einheitliches Syſtem für die Nechtspflege wie für die Ad— 
minijtration ausarbeiten ſollte. ine teilweiſe Ausführung 
dieje8 Planes bildete das Statthalterichaftsftatut von 1775, 
welches 1784 auch in Ruffiich - Finnland zur Einführung ge- 
langte. Der Grundgedanke des neuen Verwaltungsſyſtems, wo— 
durch zahlreiche Einrichtungen aus jchwediicher Zeit verſchwan— 
den, war die Kollegialität der höheren wie niederen abmini- 
jtrativen und judizialen Injtitutionen. Im Zujammenbang 
biermit erfolgte die Einjegung vieler neuer Beamten, meiftens 
deuticher oder ruſſiſcher Abkunft, welche das Volk bedrüdten und 
ausjogen. Das hervorragendite diejer Kollegen war die Statt: 
balterichaftsregierung in Wiborg unter Vorſitz eines General: 
gonverneurs oder (in dejjen Abwejenbeit) eines Zivilgouverneurs 
oder endlich (bei der Abwejenheit beider) eines Vicegouverneurs. 
Der erſte Generalgouverneur war Brinz Friedrich Wilhelm Karl 
v. Württemberg (1783— 1788), fein Nachfolger Graf Bruce; 
jpäter blieb der Poſten häufig unbejegt. Der höchſte Militärbefehl 
lag in den Händen eines Militärgouverneurs. Im übrigen 
bejtand die Statthalterichaftsregierung aus zwei Räten, einem 
Affeffor, einem Gouvernementsprofurator, zwei Fiskalen, zwei 
GSefretären jowie Subalternbeamten. Das Steuererhebungsmwejen 
und die Ofonomie verwalteten der Wiborger Kameralhof und 
eine Rentkammer in jeder der ſechs Provinzialftädte Werner 
wurde die gejamte Nechtspflege in die Städte verlegt und zu 
diejem Behufe das Gouvernement in jech8 Kreiſe mit den Haupt- 
ſtädten Wiborg, Kerholm, Sordavala, Willmanjtrand, Fredriks— 
hamn und Nyſlott eingeteilt. Jede SKreisjtadt erhielt je ein 
Untergericht für öfonomijche und Kreispolizeifachen jowie für 
Angelegenheiten, welche die Geiftlichfeit und die Bauern betrafen ; 
außerdem gab es in Wiborg ein Kreisgericht als Untergericht 
für Angelegenheiten, die den Adel jomwie deſſen Donations- 
und Lehngüter betrafen. Die zweite Inftanz bildeten zwei Ober- 
gerichte zu Wiborg; als letzte Inftanz fungierte das Wiborger 
Tribunal, welches unmittelbar dem Petersburger Senat jubor- 
diniert war. Schließlich fanden fich mehrere Spezialbehörden: 
das adelige Vormundſchaftsamt in Wiborg, ein Pupillenkollegium 


448 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs. 


in ben jechs Hauptjtädten, das Kollegium für allgemeine Wohl- 
fahrtseinrichtungen in Wiborg, das „Gewiffensgericht* eben- 
dafelbjt für Angelegenheiten von bejonders delifater Natur, 
der Gouvernementsmagiftrat in Wiborg jowie Stadtmagiftrate. 
Hierdurch erhöhte fich die Zahl der Beamten bis auf 284. 
Bei den Gerichtshöfen wurden die Städte durch Vertrauens— 
männer vertreten, welche den ſchwediſchen Gejchworenen ent: 
ſprachen. Außerdem gab es in Wiborg wie in den übrigen 
Städten jtarfe Polizeifommandos. Die Statthalterjchafte: 
regierung, welche infolge der zahlreichen verjchiedenen Inftanzen 
auf die Entſcheidung der Angelegenheiten lähmend einwirkte 
und der zahlreichen Beamtenfchaft einen noch größeren lÜber- 
mut einflößte, wurde bereit8 furz mach der Thronbefteigung 
Pauls I. (1796) abgejchafft, und ein gleiches Los ereilte 1797 
die übrigen 1784 eingeführten Behörden mit Ausnahme der 
Gouvernementsregierung. Die Wiborger Statthalterjchaft 
bildete fortan ein in ſechs Yandfommiffariate eingeteilte® „Finn— 
ländiſches Gouvernement“. Das Yuftizkollegium, die Dijtrikts- 
und Oberlandesgerichte wurden ebenfall8 von neuem eingerichtet, 
jo daß die Rechtspflege wieder die Formen vor 1784 annahm. 
Die Zahl der Beamten minderte fich infolge diejer Reform; 
aber die Beamtenberrichaft laſtete fortfahrend drüdend auf der 
Bevölkerung diejes Landſtrichs bis zu feiner Wiedervereinigung 
mit Schwediſch-Finnland. 

Die Sprachverwirrung wuchs durch dieſe abmintftrativen 
Veränderungen, da die meueingerichteten Poften meiſtens mit 
Ausländern bejegt wurden. Die offizielle Sprade der Gou— 
vernementsleitung war und blieb die ruſſiſche. Die Mehrzahl 
der übrigen adminiftrativen und legislativen Behörden, jogar 
die Konjijtorien, bedienten fich jo gut wie ausjchließlich der 
deutſchen Sprache. Das Schwediiche wurde bald nur noch von 
einem Zeil der Untergerichte angewandt. 

Auch jonft begegnet uns eine eigentümlihe Miſchung von 
ſchwediſchen, deutjchen und ruſſiſchen Gejellichaftsformen und 
Bildungselementen. 

Der Adel, welcher nach der Eroberung nur jchwach ver: 


Neuer Adel. Die drei Gilden. Die Geiftlichteit. 449 


treten war, weil nur einige alte Adelsfamilien im Lande geblieben 
waren und die Donationsinhaber im allgemeinen nicht auf 
ihren Gütern weilten, wurde dadurch verjtärft, daß Bürger: 
liche, welche beim Militär den Offiziersgrad erworben hatten, 
jowie höhere Beamte durch Faiferliche Ufaje von 1721 und 
1722 in den erblichen Adeljtand erhoben wurden. Zur Zeit 
der Statthalterjchaftsregierung gab es ein Berfammlungshaus 
für den Adel, wo in jedem dritten Jahr unter dem Prä— 
fivium eines Adelsmarichalls eine Zuſammenkunft veranftaltet 
wurde. Die neuen Adelsgejchlechter waren übrigens faſt aus⸗ 
ſchließlich deutſcher Abkunft. 

Der größtenteils aus deutſchen ſowie aus ruſſiſchen (viel- 
fach Teibeigenen) Kaufleuten beſtehende Bürgerftand erbielt 
1785 eine eigentümliche Organtjation vermöge eines Erlaſſes, 
welcher die Kaufleute nach ihrem Bermögen in drei Klaſſen 
oder „Gilden“ jchied. Kaufleute der erften Gilde durften mit 
dem Inland und Ausland Handel treiben jowie Fabriken an— 
legen, Kaufleute der zweiten Gilde nur ausländiichen Handels- 
verfehr pflegen, die Kaufleute der dritten Gilde jchließlich 
mußten jich mit Kram- und Stleinhandel begnügen. 

Die lebhaften Beziehungen zwifchen den Geiftlichen in 
Schwediih- und Ruffiich- Finnland wurden 1794 durch eine 
Verfügung der ruſſiſchen Regierung gehemmt, daß zu Geift- 
lichen möglichft nur Berjonen aus Nuffisch- Finnland ſelbſt 
oder aus dem übrigen Provinzen des Kaijerreihs gewählt 
werben jollten. Ein weiterer Ukas von 1798 bejtimmte, daß 
ruffische Unterthanen fünftig nicht mehr an ausländijchen Uni— 
verjitäten ftudieren dürften, weshalb Kandidaten der Theologie 
aus Ruſſiſch-Finnland fortan nicht im ftande waren, fich 
an der Aboer Hochichule auszubilden. Auf ihre eigenen 
Yehranftalten angewiejen, fonnte die Provinz ein Fraftvolles 
Bildungsleben um jo weniger aufrecht erhalten, als auch auf 
dem Gebiete des Unterrichtsweſens eine beftändige Unruhe 
berrichte. Auf Grund des neuen ruffischen Voltsjchulreglements 
von 1786 wurden 1788 auch im Finnländiichen Gouvernement 
jämtliche Schulen aufgelöft. An ihre Stelle traten eine vier- 

Schybergſon, Gefhichte Finnlande. 29 


450 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Abolfs. 


Haffige Normalichule (Kathedralichule) in Wiborg, eine drei— 
Haffige Normaljchule in Fredrikshamn jowie zweiklajjige Volks— 
ichulen in den übrigen Städten. Dieje dem Oberjchuldiref- 
torium in Petersburg untergeordneten Yebranftalten waren 
obne Ausnahme jowohl Hinfichtlich der Lehrkräfte wie der Unter- 
richtsinethoden unzureichend, weshalb 1805 eine Reorganiſation 
des Unterrichtswejens erfolgte, indem die Schulen der Aufficht 
einer bei der Dorpater Univerjität eingerichteten Schulkommiſſion 
unterworfen und derart umgebildet wurden, daß jchlieglich ein 
Gymnaſium (in Wiborg), je drei größere und Kleinere Kreis— 
ichulen, ſechs Clementarjchulen und fieben Mädchenſchulen in 
Ruſſiſch-Finnland eriftierten. Nur bei dem Wiborger Gym— 
naſium wurde ein völlig in ſich abgejchlojfener Unterricht erteilt ; 
die Unterrichtsiprache blieb das Deutjche. 

Die Bevölkerung vermochte ſich um jo weniger in intellek— 
tueller und moralifcher Hinfiht emporzuarbeiten, als ich 
ihre joziale Lage andauernd verjchlechterte.e in Erlaß von 
1783 verfügte, daß die Bauern nur mit Zuftimmung des 
Kameralhofes die Kommune oder das Dorf verlaffen dürften, 
wo fie in die Steuerrolle eingetragen waren. Abgeſehen 
davon, daß die Bauern hierdurch an die Scholle gebunden 
wurden, jo wurde auch ihre perjünliche Freiheit durch Die 
Sutsbefiger auf allerlei Weije, meijtens mit Unterftügung der 
Gerichtshöfe und Behörden, eingejchränft und die Zahl der 
Abgaben und Fronen ohne Rückſicht auf ältere Beitimmungen 
vermehrt. Die Bauern machten wiederbolentlich ihrer Ver— 
zweiflung in blutigen Tumulten Luft. So zum Beijpiel auf 
den Gütern Jaakimvaara, Barikfala und Kronoborg, wo die 
Vögte der Befigerin, Frau Stawronsfi, 1779 willkürlich die 
Steuern erhöht hatten. Nach Zurücdweifung der biergegen ein— 
gereichten Klage verweigerten die Bauern die Bezahlung der 
Steuern, leifteten der Polizei erfolgreichen Widerjtand und 
wurden erſt durch Cinjchreiten der Militärmacht zur Ruhe 
gebracht. Ein anderer Konflikt entjtand 1785 auf dem Gute 
Zaubila des Barons Andreas Freederifs, wo ſich die Bauern 
über ungejegliche Vermehrung der Frone bejchwerten, aber 


Das Schulwefen. Die Berjchlimmerung der fozialen Lage. 451 


von den Gerichtshöfen die Antwort erhielten, daß Baron 
Freederils, wofern fich die Bauern nicht mit ihm in Güte 
vergleichen würden, berechtigt jein jolle, fie von ihren Höfen 
zu vertreiben. Während des nun folgenden Prozefjes, welcher 
durch die Widerjpenjtigfeit der Bauern entjtand, erjchien der 
für die Gejchichte des Donationsweiens wichtige Ukas vom 
15. Februar (a. St.) 1798, welcher u. a. feitiegte, daß die 
Untergerichte für den Fall eines Nichtvergleih8 die Steuern 
und Fronen der Hinterjaffen beftimmen follten. Geſtützt auf 
diefe Verordnung, erwirkte Baron Freederiks außerordentlich 
vorteilhafte Bedingungen, welche 1801 von dem Petersburger 
Senat bejtätigt und als „Zaubila-Kontraft“ fortan auf meh— 
reren Donationsgütern bei Steuererhebungen zur Richtichnur 
genommen wurden. Im April 1811 wurde jedoch der „Zaus 
bila-Kontraft“ infolge der fehlenden Zuftimmung der Bauern 
für ungültig erklärt. Kurz darauf erfolgte die Wieder: 
vereinigung des ganzen Yandftrihs mit Wejtfinnland, worauf 
die Donationsfrage in ein neues Entwidlungsjtadium trat. 
Die Militärlaft war lange für die Bewohner von Ruf- 
jiich- Finnland verhältnismäßig leicht, da fie von Aushebungen 
und Wehrpflichtsjwang befreit waren und auch die in ber 
Provinz ftehende ruſſiſche Heeresmacht nicht bejonders ſtark 
war. Dies änderte fich jedoch nach dem Kriege von 1788 
bis 1790. Die Zahl der ruffiihen Truppen wurde vermehrt, 
jo daß die Einquartierung und andere Yeiltungen für die Be— 
bürfniffe der Truppen auf dem Yande wie auf den Städten 
drüdend zu laften begannen. Werner erfolgte die Anlegung 
von neuen Befeftigungen bei Davidsftad und Svenskſund jowie 
von Fleineren Verjchanzungen an der jchwediichen Grenze, und 
die Errichtung einer Kanonenbootflottille auf dem Saimajee, 
wodurch ebenfalls die Bevölkerung neubelaftet wurde Am 
bärteften wirkte jedoch die Einführung der Zwangsaushebung 
zum ruſſiſchen Meilitärdienft, zu welchem Bebufe 1797 die 
Kirchipiele in Nefrutenbezirfe von je 500 Mann eingeteilt 
wurden. Jährlich verfügte die Negierung, wieviel Rekruten 


aus jedem Bezirk ausgehoben werden jollten, worauf die 
29 # 


— —— 


452 Fünfte Periode. Die Zeit Guſtavs III. und Guftav IV. Adolfs. 


Behörden zu bejtimmen hatten, wer in bie ruſſiſchen Regi— 
menter eingereiht werden jolle. Von 1797 bis 1811 wurden 
5733 Mann in Ruffiich- Finnland ausgehoben und der ruſſiſchen 
Armee einverleibt. 

Der humane Geift, welcher jeit der Thronbefteigung 
Aleranders I. in den rufjiichen Regierungskreiſen berrichte, 
machte fih auch in Ruſſiſch-Finnland geltend und rief Neform- 
verjuche hervor; aber die Mißftände waren allzu tief einge- 
wurzelt, um ohne eine durchgreifende Neorganijation aus: 
gerottet werben zu fünnen. Cine Kommifjion, welche aus dem 
Senator Theils als Vorfigenden und dem Generalmajor Kop— 
jew, dem Oberprofurator Rejanow jowie den Staatsräten 
Emine und Bolgarsfi als Mitgliedern bejtand, erhielt 1802 
den Auftrag, VBorjchläge zur Förderung des Wohljtandes im 
„Finnländiſchen Gouvernement“ zu machen. Allein nach acht- 
jähriger Thätigkeit mußte ſich die Kommijfion auflöjen, ohne 
daß ihre Projekte Annahme gefunden hätten. 

Aus alledem ergiebt fich, wie viel bejjer das Los der Be— 
wohner von Schwedifch: Finnland war, als das der mit 
Rußland vereinigten Gebiete. Nachdem das Groffürftentum, 
unter Beibehaltung feiner alten Verfaffung und feiner alten 
Sejete, 1809 mit Rußland vereinigt worden war, erichien 
e8 daher wünjchenswert, die Bewohner von Nuffisch- Finnland 
gleicher Wohlthaten teilhaftig zu machen. „Die Bewohner 
Neu -» Finnlands*, jo heißt es in einem Gutachten G. M. 
Armfelts, „welche jeben, in welcher Yage fich ihre Brüder auf 
der anderen Seite des Kymmenefluſſes befinden, wollen dieſe 
in ihre Bruderarme nehmen, und fie wünjchen, daß auch jene 
das Glück einer freien Verfaſſung, der Gerechtigfeit und hu— 
maner Gejete genießen möchten. Mit Ungeduld erwarten fie 
diefe Vereinigung mit ihren Brüdern, von denen fie lange 
durch ein graufames Geſchick getrennt gewejen find“ !). Diejer 


1) „Röflexions sur la Reunion de l’Ancienne et de la Nouvelle 
Finlande“, auszüglih in: „Finsk Tidskrift‘‘ XXIV, 430 (Helfingfors, 
1888); vollftändig abgebrudt bei I. R. Danielfon, Viborgs läns 
äterförening ete., p. 90—102. 


Die Bereinigung Alt und Neu-Finnlands (1811). 453 


Wunſch wurde durch die Verordnungen vom 11. und 31. De- 
zember (a. St.) 1811 erfüllt, welche „Alt-Finnland“ mit dem 
Großfürftentum wieder vereinigten. Die unnatürliche Grenz- 
jcheide, welche durch die Friedensverträge von 1721 und 1743 
entitanden war, fiel, und eine Epoche neuer Entwidelung begann 
für das ehemalige „Finnländiſche Gouvernement“. 


4. Das geiflige Leben in Finnland während der Freiheitszeit 
und im Öuftavianifchen Beitalter '). 


Nah dem großen nordiſchen Kriege währte es lange, 
bis die finnifche Univerfität wieder aufblühte Erſt in den 
dreißiger Jahren des 18. Jahrhunderts trat eine neue Blüte— 
zeit ein, welche gegen Ende der ſchwediſchen Herrichaft ihren 
Höhepunkt erreichte. Die auf der Hocjchule herrſchende 
Nichtung war von Anfang an eine andere als in ber vor— 
bergehenden Epoche. An die Stelle der Theologie und der 
ſcholaſtiſchen Philojophie, auf denen die Bildung des ver- 
gangenen Jahrhunderts beinahe ganz und gar gerubt hatte, 
traten nunmehr die Naturwiffenjchaften jowie jpäter die hiſto— 
riſchen Forjchungsgebiete, während e8 an bedeutenden Ver— 


1) Quellen und Nachſchlagewerke zur Litteraturgefchichte Finnlands im 
18. Jahrhundert: S. G. Elmgren, Öfversigt af Finlands litteratur 
I, 11 (Helfingfors, 1861 u. 1865); 9. 3. Tengftröm, Kronologiska 
förteckningar och anteckningar öfver finska universitetets forna cancel- 
lerer, procancellerer samt öfver faculteternas medlemmar och adjunkter 
frän universitetets stiftelse inemot dess andra sekularär (Heljingfors, 
1836—1838); ©. Yagus, Den svensk-finska litteraturens utveckling 
frän utgängen af det Gustavianska tidehvarfvet till Runebergs fürsta 
uppträdande I, II (Borgä, 1866; Abo, 1867); W. Lagus, Skalden 
Joh. Henr. Kellgrens finska lefnadsminnen (Helfingfors, 1884); M. ©. 
Schybergſon, Drag ur ärkebiskop Jak. Tengströms literära lif, in: 
„Svenska Literatursällskapets i Finland Förhandlingar och uppsatser“ 
III, 1—28 (Selfingfors, 1888); 3. Krobn, Suomenkielinen runolli- 
suus ruotsinvallan aikana ynnä kuvaelia suomalaisuuden historiasta 
(Helfingfors, 1862). 


454 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftao IV. Adolfs. 


tretern der Orthodoxie völlig fehlte. Sogar die Bijchofs- 
würde in Abo wurde von Männern befleidet, welche fich nicht 
auf dem Gebiete tbeologiicher Gelehrſamkeit, ſondern als 
Naturforicher Ruhm uud Anfehen erworben hatten, wie 3. 8. 
Johann Browallius und Karl Friedrich Mennander. 

Browallius (geboren in Weſteraͤs 1707), einer der tüchtigjten 
Schüler von Linné und einer ber eifrigften Anhänger der Hut- 
partei, hatte fich bereit8 vor jeiner Ernennung zum Profeffor der 
Phyſik in Abo (1737) durch naturwifienschaftliche Schriften be- 
merkbar gemacht. Auch in feinem neuen Wirkungsfreis zu Abo 
förderte er mit unermübdlichem Eifer das naturwiffenjchaftliche 
Studium, für welches vermöge feiner Thätigfeit eine neue Epoche 
in Finnland begann. Daß er, obwohl nicht ein Dann der Kirche 
in gewöhnlichem Sinne, dennoch als Biſchof (1749—55) für 
bie Entwidlung des religiöjen Lebens rege Fürjorge bewies, gebt 
daraus hervor, daß auf feine Veranlafjung eine neue finnijche 
Auflage der Bibel erſchien. — Sein Nachfolger auf dem 
Aboer Bifchofsftuhl wie auf dem Gebiete naturwiffenjchaftlicher 
Studien war ein anderer bedeutender Schüler Linnds, K. Fr. 
Mennander (geboren 1712 in Stodholm), welcher 1746 zum 
Profeffor der Phyſik in Abo jowie 1757 nach einem beftigen 
Wahltampfe, da ein großer Teil der Geiftlichfeit für den 
Profeffor Jakob Gadolin ftimmte, zum Biſchof des Stiftes 
Abo gewählt wurde. Beachtenswert erjcheint, daß fich fein 
Forjchungseifer auch auf die Sammlung von biftorifchen Ur- 
kunden erjtredte, und daß er als einer der erjten die praftijch- 
vaterländiiche und ökonomiſche Richtung einzufchlagen begann, 
welche jpäter der finnischen Pitteratur ein eigentiimliches Ge- 
präge verlieh. Seit 1775 Erzbiſchof in Upfala, ftarb er 1786 
daſelbſt. 

Von ſonſtigen Vertretern der Naturwiſſenſchaft iſt nament— 
lich Jakob Gadolin (1719 — 1802) zu nennen, deſſen wiſſen— 
ſchaftlicher und politiſcher Thätigkeit bereits früher häufig 
Erwähnung gethan worden iſt. Derſelbe ſtarb als Biſchof von 
Abo; dieſes Amt hatte er ſeit 1788 bekleidet. Als hervor— 
ragende mediziniſche Schriftſteller waren die beiden Profeſſoren 


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*56 or TH 
(nversnv) 
{ 28 r 4 
ORN : : 
€ Leben Finnlands im 18. Jahrhundert. 45 





der Medizin an der Aboer Hochichule, Johann Leche (1704 
bi8 1764) und Johann Haartman (1725—1787), thätig ?). 

Das Intereffe für die naturwiffenjchaftlichen Studien ver- 
band jich bald mit dem Beftreben, zur Förderung des Vater: 
landes nüßliche ökonomische Entdefungen mit Hilfe der Natur- 
wiffenjchaften zu machen. Die Litteratur trat bier in nabe 
Berührung mit den Beftrebungen für Finnlands Kolonifation, 
Vermehrung der Bevölferung und Förderung der Induftrie, 
welche ihren Hauptjig auf den Neichstagen hatten. Wie jchon 
©. 370 erwähnt, war auf Verlangen der Finnifchen Deputation 
während des Neichstages von 1746/47 eine Profeffur für Na- 
tionalöfonomie 1747 errichtet worden. hr erjter Inhaber 
wurde ein finnischer Schüler Linnds, Per Kalm (1716— 1779), 
welcher fich nach feiner Rückkehr von einer langen Studienreije 
in Nordamerifa (1748—1751) eifrig und erfolgreich bemühte, 
den nationalöfonomijchen Studien an der Univerfität Eingang 
und Freunde zu verfchaffen. Gin mit Kalm nabverwanbter 
Geift war Peter Hadrian Gadd (1727 — 1797), welcher 1755 
zum Inſpektor der Salpeterjiedereien in Abo-Björneborg, 1756 
zum „Provinzial-Schäfer* und 1761 zum Univerfitätsprofeffor 
der Chemie ernannt wurde. Seine zahlreichen Schriften be— 
handeln fast ausjchlieglih Fragen, betreffend den Aderbau, 
das Klima, die Bodenbejchaffenheit Finnlands u. j. w. Ein 
praftifches Beftreben zeigt fich auch darin, daß er, abweichend 
von dem akademiſchen Brauch, in ſchwediſcher Sprache jchrieb, 
um unmittelbar auf ein größeres Publifum wirken zu fönnen. — 
Ihren Höhepunkt erreichten die nationalöfonomijchen Beſtre— 
bungen in den Brüdern Samuel Ehydenius (1727—1757) 
und Anders Chydenius (1729— 1803). 

Das naturwiffenichaftlihe und nationalöfonomijche Inter- 
eſſe wirkte befruchtend auf die vaterländifche Geſchichtsforſchung, 


1) Über Joh. Haartman vgl. L. W. Fagerlund und Rob, Tiger- 
ftebt, Medieinens studium vid Äbo universitet, in: „Skrifter utgifna 
af Svenska Literatursällskapet i Finland“ XVI, 104—134 (Helfing- 
fors, 1890). 


456 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfe. 


welche allmählich, wenn auch langſam, aufzublühen begann. 
Bahnbrechend wirkten in dieſer Hinficht bejonders die beiden 
Hiftorifer Algot Scarin und Johannes Bilmark. Scarin (1684 
bis 1771) war in Skara geboren und hatte in Upſala jtudiert, 
blieb jedoch nach feiner Ernennung zum Geichichtsprofeffor in 
Abo (1722) bis zu feinem Tod in Finnland wohnhaft. Von 
jeinen zahlreichen lateiniſchen Schriften erjcheinen zwei bejon- 
ders beachtenswert: „Über den Urjprung des alten Wareger: 
volfes“, worin er als einer der erjten die Anjicht verfocht, daß 
die Begründer des Ruſſiſchen Reiches aus Schweden ftammten, 
und: „Über.den Heiligen Heinrich, den Apoſtel der Finnen“, worin 
er die jpärlichen Mitteilungen über den erften ſchwediſchen Kreuz- 
zug nach Finnland jammelte. Scarin war ein gewijjenhafter und 
gelehrter Forjcher, jein Stil aber jowohl im Schwedijchen wie 
im SLateinifchen jchwerfällig und dunkel. Sein Schüler und 
Nachfolger Johannes Bilmarf (1728 — 1801), welcher ebenfalls 
in Sfara geboren war, publizierte u. a. eine auf umfaffenden 
Quelfenftudien fußende Gejchichte der Aboer Univerfität jowie 
Anmerkungen zu Paul Juuſtens Biſchofschronik, beide in latei— 
niſcher Sprache ). — Scarin und Bilmarf teilen außerdem 
mit Mennander, Kalm, Gadd und anderen das Verdienjt, ihre 
Schüler zur Behandlung von topographiichen, Hiftorifchen und 
öfonomischen Verhältniffen der Heimat angeregt zu haben. In 
Disputationen, Zeitungen jowie in Bublifationen gelehrter Ge— 
jellichaften erjchienen Schilderungen über zahlreiche Yandjchaften, 
Städte und Kirchipiele Finnlands. Bon diejen Schriften, welche 
noch heute einen wertvollen Beitrag zur Topographie Finn— 
lands bilden, jei B. N. Matheſius' „De Ostrobothnia “* (Ups 
jala, 1734) genannt. 

Einige aus Finnland gebürtige Gelehrte waren damals auch 
in fremden Ländern thätig, u. a. der ©. 333 genannte Johann 


1) Bol. M. G. Schybergſon, Historiens studium vid Äbo uni- 
versitet, in: „Skrifter utg. af Svenska Literatursällskapet i Finland“ 
XIX, 36—98 (Helfingfors, 1891). — Scarins Briefe bat M. G. Schy— 
bergfon im „Historiallinen Ark.“ XII, 232—364 u. XIII, 292—342 
(Helfingfors, 1893— 1894) veröffentlicht. 


Nambafte Gelehrte der Univerfität Abo. 457 


Ardenholg (1695 — 1777), welcher noch 1756 mit patriotifchem 
Eifer in einer Brojhüre unrichtige Angaben einer holländiſchen 
Zeitjchrift über die Finnländer rektifizierte und in feinem Teſta— 
ment die Aboer Hochichule mit wertvollen Schenfungen be- 
dachte. Ein Opfer ihres Berufs waren die beiden finnifchen 
Forjchungsreifenden Peter Forſkäl (1732 — 1763) und Erich 
Yarman (1738—1796), welche in Ajien ihren Tod fanden. — 
Der finnische Mathematiker und Ajtronom Anders Iohann 
Lexell (1740—1784) wurde 1763 zum Dozent der Mathe: 
matif in Abo ernannt, folgte jedoch 1768 einem Ruf nach Peters- 
burg, wo er jeit 1771 als Profejfor der Aftronomie an der 
Akademie der Wiffenjchaften wirkte, obwohl Guftav III. ihn 
1775 durch Ernennung zum Profeſſor der Mathematit in Abo 
wieder an jein Vaterland zu fejjeln juchte. Wenige Söhne Finn- 
lands haben einen gleich großen europätichen Ruf erworben, 
wie diejer Schüler und Freund des berühmten Mathematifers 
Euler. — Bon Dictern, welche jich frühzeitig in Schweden 
niederließen, aber in ihren Gedichten Finnlands Natur und 
Volk verherrlichten, jeien Dafob Freſe (geboren in Wiborg; 1690 
bi8 1729) und der noch mehr als Dichter denn als Staatsmann 
gefeierte Graf Guſtav Philipp Creutz (1731—1785) genannt. 

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts war die größte Zierde 
der Aboer Univerfität Heinrich Gabriel Porthan !), welcher ala 
Univerfitätslehrer, Gejchichtsforicher und Patriot einen tief- 
gehenden Einfluß ausübte Im feinen Vorleſungen behandelte 
er vor zahlreihen Zuhörern philojophiiche, hiſtoriſche und 
litterarsenchklopädiftifche Themata; auch veranftaltete er Kurje 
in der Archäologie, Numismatif jowie (befonders bei Beginn 
jeiner Yaufbahn) im Griechiichen; einmal wöchentlich pflegte er 
jogar an der Hand der Zeitungen den Studenten von den Ge— 
ichehnifjen im Auslande zu berichten, um dadurch das Intereſſe 


1) Er war auf dem Pfarrhof Wiitafaari in Tawaftland am 8. Nov. 
1739 geboren, wurde 1754 Student in Abo, 1760 Magister der Pbilojopbie, 
1762 Dozent der Eloquenz, 1764 Univerfitätsbibliotbefar und 1777 pro- 
fessor eloquentiae. Im Jahre 1779 beiuchte er die bedeutendften Uni— 
verfitäten Norbbeutichlandse. Er ftarb am 16. März 1804. 


458 Fünfte Periode. Die Zeit Guſtavs III. und Guftav IV. Adolfs. 


für die allgemeinen europätichen Fragen wachzurufen. Im übrigen 
interejfierte er fich bis auf die Eleinften Details für die Studien 
und Arbeiten ver Studierenden, jo daß er gewijjermaßen der Vater 
der Studentengenerationen wurde, welche zu feiner Zeit die Uni— 
verfität bejuchten. Während diefe Seite feiner Wirkſamkeit nur 
noch in der Tradition fortlebt, Hat er durch feine wiſſenſchaft— 
lichen Arbeiten feinem Volk einen Schatz für ewige Zeiten 
binterlaffen. Bon Anfang an wurde jeine Aufmerkjamfeit auf 
Finnlands Vorzeit, deffen frühere Kolonijation ſowie deſſen 
ſprachliche und geographiiche Verbältniffe gelenkt. Bereits 
1766 veröffentlichte er das erjte Heft der Abhandlung: „De 
poesi fennica “, einer Schrift, welche, obwohl unvolfendet, lange 
das Hauptwerk über die finnifche Volkspoefie geblieben ift. 
Porthan giebt Hier zum erftenmal eine Schilderung der eigen- 
tümlichen Form wie der verjchiedenen Arten der finnijchen 
Bolfspoefie und beleuchtet jeine Darftellung durch Auszüge aus 
gedructen oder im Volksmunde noch fortlebenden Gedichten. 
Seine jpäteren Forſchungen über Mythologie und Sprade 
der Finnländer famen nicht zum wenigjten feinen Schülern 
zugute, unter denen fi Ganander und Pencgvift im wejent- 
lichen auf das von Porthan mitgeteilte Material ftügten. Selber 
begann diejer die finnifche Grammatif in einer Schrift: „De 
praecipuis dialectis linguae fennicae‘“* zu behandeln, wovon 
jedoh nur ein Zeil (1801) erjchien. Während Porthan auf 
diefem Gebiet als Bahnbrecher wirkte, welcher den Nachfolgern 
die einzujchlagende Richtung wies, erhielt er Gelegenheit, rei= 
here und reifere Früchte auf dem Felde der finnijchen Ge— 
ſchichtsforſchung darzubieten. Seine Thätigfeit als eines Beamten 
bei der Univerfitätsbibliothef, welcher er auch nach jeiner Er- 
nennung zum Profefjor fortgejeßt jeine Fürſorge widmete, ver: 
anlaßte ihn zur Veröffentlichung der Schrift: „ Historia biblio- 
thecae regiae academiae aboensis“ (1771 — 1795), welche viele 
Auffchlüffe über die früheren Schickſale der Univerfität ſowie über 
das litterariiche Leben an derjelben in älterer Zeit enthielt. 
Den Namen des Vaters der finnischen Gejchichte hat fich aber 
Portdan in alfererfter Linie durch die Arbeit: „M. Pauli 


Heinrih Gabriel Porthan (1739 - 1804). 459 


Juusten Chronicon episcoporum annotationibus et sylloge 
monumentorum illustratum * erworben. Bereits Bilmarf 
hatte, wie erwähnt, feine Aufmerkfjamfeit auf Juuſtens, für die 
ältere finnische Gejchichte wichtige Chronif gerichtet, und viel- 
leicht ift e8 fein Beifpiel gewejen, welches Porthan zu einer 
neuen Herausgabe derjelben mit erläuternden Anmerkungen an— 
geregt hat. Die Arbeit jchwoll jchlieglich zu einer Reihe von 
56 Disputationen an, welche 1784— 1800 erjchienen und jo gut 
wie ſämtliche damals zugängliche Aufichlüffe über Finnlands 
Schidjale bi8 zum Tode Paul Juuſtens (1576) enthielten. 
Das Material entftammte zumeift dem jogenannten „Schwarz- 
buch der Aboer Domtirche“, aber auch anderen Sammlungen. 
In formeller Hinficht blieb das Werk wenig zugänglich, da e8 
nicht die Form einer fortlaufenden hiſtoriſchen Darftellung, 
jondern die von kritiſchen Aufzeichnungen und Noten erhielt und 
außerdem wegen feiner Abfaffung in lateinifcher Sprache einem 
großen Teil des Publifums nicht verftändlich war. Trotzdem 
übte e8 einen unermeßlichen Einfluß aus. Erſt jet zeigte es 
fich, daß das finnische Volk eine Gejchichte bejaß, welche zwar 
feine großen Helventhaten und fein jelbjtändiges politifches Leben 
aufzuweijen hatte, aber offenbarte, wie ſich dieſes Volk unter dem 
Einfluß zahlreicher Umſtände, welche auf jeine Natur, feine Auf: 
faffungsweife und feine Beftrebungen einwirkten, entwidelt hatte. 
Eine Menge von loſen Vermutungen und phantaftiichen Vor— 
ftellungen über die Zuftände verfloffener Zeiten wurde bejeitigt, 
und an ihre Stelle trat die Wirklichkeit in ihrer jchlichten 
Wahrheit. Zu diefem Hauptwerk gejellten fich jpäter mehrere 
Kleinere Abhandlungen Porthans in Disputationsform, zum 
Teil auch in periodifchen Schriften, jo 3. B. über die Bir- 
farlier, über die Quänen, über den Zuftand des finnijchen 
Volks bei der Unterwerfung unter ſchwediſche Herrichaft, über 
Finnlands Geſchichte während der Regierung Chriftians II. 
u. ſ. w. Unter den von Porthan publizierten Urkundenjamm- 
lungen ift ferner das „Sylloge monumentorum‘“ (1802—1804) 
zu nennen, eine mit guter Auswahl zufammengeftellte Kollektion 
der wichtigften Urkunden, betreffend Finnlands Gejchichte im 


460 Fünfte Periode. Die Zeit Guftaus III. und Guftav IV. Adolf. 


Mittelalter. Durch diefe Werke wurde das Fundament gelegt, 
auf welchem die finnische Gejchichtsforichung bis zum heutigen 
Tage ruht. 

Auf feinen Reifen im Yande und auf brieflichem Wege hatte 
Porthan einen reichen Vorrat von Notizen über Finnlands 
Geographie gejammelt, welche er nicht felber veröffentlichte, 
jondern anderen zur Verwendung bei ihren Arbeiten mit- 
teilte. So beteiligte er jich an einer Umarbeitung der Finn— 
land betreffenden Kapitel in Erich Tunelds Werk: „Einleitung 
zur Geographie Schwedens”, welches 1794 in einer fiebenten 
Auflage erichien und für die geographiiche Kenntnis Finnlands 
von bleibendem Werte wurde. Auch lieferte er Beiträge zu 
den finnischen Karten in ©. ©. Hermelins großem „Atlas des 
Neiches Schweden”, deren Ausarbeitung feinem Wunſche ge- 
mäß dem Yinnländer 8. PB. Hällitröm übertragen wurde. 
Schließlich war Porthan der erjte in Finnland, welcher im 
Dienfte der periodiichen Preffe thätig war. In Abo wurde 
nänlich 1770 eine gelehrte Gejellihaft, der „Aurora-Bund“, 
geftiftet, welche unter dem Titel: „Zeitungen, herausgegeben 
von einer Geſellſchaft in Abo“ 1771—1778, 1782, 1789 und 
jeit 1791 fortlaufend ein Wochenblatt berausgab '). Porthan 
war lange Redakteur der Zeitung und lieferte auch, nachdem 
er die Yeitung an andere abgegeben hatte, Hiftoriiche Urkunden 
ſowie Auffäge über Finnlands Vorzeit als Beiträge. Im übrigen 
enthielt das Blatt nationalöfonomijche Artikel, Gedichte u. ſ. w., 
während eine Erörterung politifcher Fragen ausgejchloffen war. 
Eine unter dem Namen „Allgemeine Litteraturzeitung“ von 
Jakob Tengſtröm, Portdan, Franzen und anderen Univerji- 
tätslehrern 1803 gegründete gelehrte Zeitjchrift mit einem 
umfajjenden Programm mußte ſchon Ende desjelben Jahres 
aufhören, zum Teil wegen Schwierigkeiten vonjeiten der Poſt— 


1) Die Gejellihaft „Aurora“, war derart organifiert, daß die Mit» 
glieder in verichiedene Grade eingeteilt waren. Die Statuten find ges 
brucdt bei Aug. Hjelt, Nägra bidrag till Auroraförbundets historia, 
in: „Hist. Ark.“ IX, 146—182 (Helfingfors, 1886). Die Zuiammentünfte 
bes Bundes fanden 1780 ein Enbe. 


Portban und fein Kreis. 461 


verwaltung, zum Teil aber auch infolge Mißtrauens vonjeiten 
der Regierung. 

Beitrebungen, welche das Wohl Finnlands ins Auge faßten, 
fonnten auf Porthans Unterftügung und Mitwirkung rechnen, 
auch wenn fie auf dem Gebiete des praftijchen Lebens lagen. 
So war er Mitglied der 1799 eingeſetzten Stromreinigungs- 
fommisfion und nahm von Anfang an thätigen Anteil an den 
Arbeiten der „Finniſchen Haushaltungsgefellichaft”. Aber während 
er in den verjchiedenften Richtungen für des Vaterlandes Wohl 
wirfte, blidte er, wie aus feinen Briefen hervorgeht, mit Weh— 
mut in die Zukunft. Gleich den meiften feiner Zeitgenofjen 
glaubte er, Finnlands Entwidelung jei abhängig von der Ber: 
einigung mit Schweden, und er abnte, daß die Stürme der 
damaligen Zeit dieje Bereinigung zerreißen und fein Baterland 
furchtbaren Gefahren preisgeben würden. Won biejer feiner 
Auffaffung zeugen Briefe an M. Calonius, in denen er u. a. 
in jcharfen Worten jeinen Unwillen gegen Goran Magnus 
Sprengtporten äußert ). Der Tod eriparte es ihm, ein 
Augenzeuge des Unglüds zu fein, welches binnen furzem feine 
Heimat ereilte, der er ein Yeben voll von liebevoller, hingeben- 
der Arbeit gewidmet hatte. 

An Porthan ſchloß fich ein Kreis jüngerer Verfaſſer und 
Forſcher. Chrijtfried Ganander (1741 — 1790) jchrieb auf 
Grund des ihm von Porthan übergebenen Materials in jchwe- 
diicher Sprache ein Yerifon über die finnifche und lappiſche 
Mythologie: „Mythologia fennica* (1789). Er beabjichtigte 
außerdem die Herausgabe eines finniſch-ſchwediſchen Lexikons, 
welches jedoch nur bandjchriftlich den Forſchern zugänglich ge— 
worden iſt. Ein anfipruchslojer Geiftlicher, welcher fich eben- 
falls mit Forſchungen zur Vorgefchichte des finniſchen Volkes 
befchäftigte, war Erich Lencqviſt (1719— 1808). Derjelbe ver- 
öffentlichte in den „Äbo-Tidningar“ mehrere, durch forgfältige 
Einzelunterfuchungen ausgezeichnete, hiſtoriſche und topographiſche 


1) Bgl. „H. G. Porthans bref till M. Calonius, utg. af W.Lagus“ 
Helſingfors, 1886). 


462 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guſtav IV. Adolfs. 


Aufjäte, während die Früchte feiner umfafjenden Studien über 
beidnijche Religionsgebräuche der Finnländer von jeinem Sohn 
Erich Chriſtian Lencqviſt in einer lateinifchen Abhandlung 
über den theoretiſchen und praftiichen Aberglauben der Finnen 
der Vorzeit zufammengefaßt wurden. Der begabtefte Schüler 
Porthans war indeſſen Jakob Tengitröm !) (1755 — 1832), 
welcher als Hiftorifer mit feinem Lehrer inbezug auf Sorg- 
fältigfeit des Studiums wetteiferte und ihn als Schriftiteller 
durch die Gabe, der Darjtellung eine abgerundete und anziehende 
Form zu geben, noch übertraf. Während eines zweijährigen 
Aufenthalts in Stodholm (1779 — 1781) jammelte er im 
wejentlihen da8 Material zu zwei intereffanten, biftorijch- 
biographifchen Arbeiten: „Erinnerungsjtudie über Johannes 
Elai Terſerus“ (1795) und „Vita et merita Is. Rothovii “ 
(1796— 1813). Gleichzeitig jpielte der ungewöhnlich vieljeitige 
Gelehrte als Abgeordneter auf dem Norrföpinger Reichstage 
(1800) eine beveutende Rolle und nahm an den national- 
öfonomijchen wie publiziftifchen Beftrebungen in Finnland wirk— 
jamen Anteil. Infolge jeiner Ernennung zum Nachfolger Jakob 
Gadolins auf dem Aboer Biſchofsſtuhl (1803) war er erfter 
Bertreter der finnijchen Geiftlichfeit bei den Ereigniſſen von 
1809. — Unter Porthans Leitung bildete jich auch der Dom— 
propft und jpätere Biihof zu Borgä, Magnus Jakob Alopäus 
(1743— 1818; Biſchof jeit 1809) zum biftorifchen Forjcher 
aus. Seine Gejchichte des Borgaer Gymnaſiums (1804— 1817) 
ift wegen Reichhaltigfeit und Zuverläffigfeit der biographiichen 
Angaben eine wichtige Quelle für jpätere Forjcher geworden. — 
Zur Porthanſchen Schule darf auch der Arzt Friedrih Wil- 
helm Radloff (1766— 1838) gerechnet werben, deſſen Bejchrei- 
bung von Aland (1795) wertvolle hiſtoriſche und topographifche 
Notizen enthält. 

Die Rechtswiſſenſchaft Hatte einen ausgezeichneten Vertreter 
in Matthias Calonius ?) (1737—1817), einem der bervor- 


1) Er war 1755 in Gamla Karleby geboren, wurde 1783 Adjunft der 
Theologie, 1790 Profefior, 1803 Biſchof zu Abo und farb 1832. 
2) Er war 1737 in Saarijärvi geboren, wurde 1764 Dozent, 1778 Pro- 


Tengftröm, Calonius und andere Männer von Ruf. 463 


ragendjten Yuriften, welche je im Norden gewirkt haben. In 
jeltenem Maße vereinte er theoretijche Kenntniffe mit praf- 
tiicher Tüchtigfeit und gewann einen hohen Ruf als juriftiicher 
Schriftjteller wie als Richter. Im letterer Eigenjchaft war 
er 1793—1800 beim Höchjten Gerichtshof tätig. Bei der 
Drganifation des finnifchen Staatswejens nach 1808 griff er 
im Verein mit Tengjtröm wirkjam ein. 

Die naturwifjenschaftlichen Traditionen aus der Freiheits- 
zeit beſaßen auch in den legten Jahrzehnten der Vereinigung 
mit Schweden mehrere beveutende Vertreter. Johann Gado— 
lin !) war einer der Männer, welche die moderne chemijche 
Wiffenjchaft begründen halfen, und mit ihm wetteiferte Guſtav 
Gabriel Hällftröm ?) an Anjehen. Die Heiltunft bejaß her— 
vorragende Vertreter in Gabriel Erih v. Haartman (1757 
bi8 1815) und Gabriel v. Bonsborff (1762—1831). Ein 
bedeutender Mathematiker war der Profeffor Johann Heinrich 
Yindgvift (1743—1798). Gleichzeitig arbeitete der Univerſi— 
tätsbibliothefar Gabriel Israel Hartman (1776— 1809), beein- 
flußt durch die deutſche Philojophie, an der Begründung eines 
jelbjtändigen philoſophiſchen Syſtems. 

Die ſchwediſche Sprache, welche durch das reiche Empor— 
blühen der ſchwediſchen Litteratur und durch die lebhafteren 
perjönlichen Beziehungen mit Schweden immer weitere Ver— 
breitung erlangt hatte, war nunmehr in der Yitteratur vor— 
berrichend, mit Ausnahme der noch gewöhnlich lateiniſch 
geichriebenen akademiſchen Differtationen. — Die Dicht: 
funft in ſchwediſchem Gewande faßte Wurzel in Finnlands 


feffor der Rechte fowie 1809 Profurator im NRegierungstonfeil. Er ftarb 
1817. — Vgl. A. J. Arwidsfon, Mathiae Calonii opera omnia, 5 Bbe. 
Stockhholm, 1829—1836). Th. Sederbolm veröffentlichte dazu 1870 
einen Ergänzungsband, welcher Calonius’ wichtigfte Amtserlafje enthält. 

1) Geboren 1760 in Abo, wurde er 1785 aufßerordentlicher und 1797 
ordentlicher Profefior der Chemie daſelbſt. Nach dem Brande von Abo 
(1827) zog er fi auf jein Landgut im Kirchipiel Wirmo zurüd, wo er 
1852 ſtarb. 

2) Er war 1775 in Ilmola geboren, wurbe 1796 Dozent und 1801 
Profefior der Phyſik. Er ftarb 1844. 


464 Fünfte Periode. Die Zeit Guſtavs II. und Guſtav IV. Adolfs. 


Boden. So publizierte Johann Heinrih Kellgren, welcher 
einige Jahre an der Aboer Hochſchule dozierte, ın den älteren 
Jahrgängen der „Abo-Tidningar“ einige jeiner bekannten 
Dichtungen, und auch fein Freund, der Dozent und jpütere 
Bibliothefar Abraham Niklas Clevberg (jpäter unter dem 
Namen Edelcrang in den Moeljtand erhoben; 1754— 1821) 
erntete bereit8 vor jeiner Überjiedelung nach Stodholm leb— 
baften Beifall für jeine rhetorischen Gedichte. Am tiefften in- 
deſſen und innerlichiten gelangte die poetijche Auffaffung der 
damaligen Zeit in den Gedichten Franz Michael Franzens (geb. 
in Uleäborg 1772, 7 1847) zum Ausdrud. Die jchönften der- 
jelben verfaßte er, während er als Dozent (1791—1798) und 
Profeffor (1798 —1811) an der Aboer Univerfität thätig war, 
und das finnische Volk darf ihn daher zu den Seinigen zählen, 
obwohl er 1811 nah Schweden überfiedelte. 

Im Gegenſatz bierzu entwidelte fich die finnifch = nationale 
Fitteratur während jener Periode nur ſchwach und langiam, 
jo daß einige jprachwiffenichaftliche Arbeiten, geistliche Erbauungs- 
ichriften und nationalöfonomijche Volksbücher beinahe alles find, 
was uns auf diefem Gebiet begegnet. Wie unvollftändig die 
Kenntnis der finnischen Sprache war, geht daraus hervor, daß 
die gegen Ende des 17. Jahrhunderts entitandene Vorjtellung 
von einer nahen Berwandtichaft des Finniſchen mit Dem 
Griechiſchen oder Hebrätfchen lange und zähe von den Sprach— 
forichern feitgehalten wurde. Der in Verbindung mit den Er- 
eignifjen des großen nordiſchen Krieges bereits ©. 305 erwähnte 
Propſt Barthold Vhaël (1667 — 1723) wurde beiſpielsweiſe von 
diejer Anſchauungsweiſe bei Ausarbeitung feiner „Grammatica 
fennica“ geleitet, welche 1733 erjchten. Derjelben Anficht Huldigte 
Daniel Yuslenius !), welcher unter dem Xitel: „Suomalaisen 


1) Er war 1676 in Wirmo geboren. Obwohl er während jeiner 
Studienzeit mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen batte, vermochte 
er fih dennoch eingebende Kenntniſſe, namentlih in Hebräifchen und 
Griehiihen, zu erwerben. Durch feine Abhandlungen „Aboa vetus et 
nova“ (1700) und „Vindieiae Fennorum “ (1703) tenfte er die Aufmerf: 
famteit auf jih und wurde 1712 zum Profeiior ernannt. Im folgenden 


Die finnifchenationale Fitteratur. 465 


sananlugun coetus“* 1745 ein finnifch = lateinifch = fchwedifches 
Wörterbuch edierte, welches bis 1826 die einzige berartige 
Arbeit blieb. Zu derjelben Richtung gehörte der Propft Nils 
Idman in Hpitti8 (1716—1790), welcher 1774 einen auch 
ins Franzöſiſche überjegten „Verſuch, die Gemeinfchaft zwijchen 
ber finnijchen und griechiichen Sprache zu zeigen“ veröffent- 
lichte. Ferner juchte Karl Guftan Weman (1740—1803) 1767 
in einer lateinifchen Abhandlung, welche ihm die Ernennung 
zum Dozenten der finnischen Sprache verjchaffte, die Ähnlichkeit 
der bebräifchen und finnifchen Sprache darzuthun. Erſt durch 
die Arbeiten Porthans und feiner Schüler wurde die Irrigfeit 
biejer Annahmen nachgewiefen. — Ein hochverdienter finnijch- 
nationaler Dichter war der Pfarrer Abraham Achrenius (1706 
bis 1769) in Noufis, deffen geiftliche Lieder bis weit in unſer 
Jahrhundert hinein im Volksmunde fortlebten. Ein produk— 
tiver Volksdichter war Thomas Ragvaldsſon, deſſen Verſe 
flugſchriftlich im Lande Verbreitung fanden. Als religiöſer 
Proſaſchriftſteller übte der pietiſtiſche Prediger Johann Wegelius 
junior (1693 — 1764) in Uleäaborg durch eine Poſtille: „Pyhä 
evangeliumillinen valkeus“, welche 1747 -1749 erſchien und 
mehrere Auflagen erlebte, einen bedeutenden Einfluß aus. Auch 
der Kaplan Anders Björkqpiſt (1741 — 1809) in Wehmo ver— 
öffentlichte 1801 unter dem Titel: „Uskon harjoitus autuuteen“ 
eine Poſtille, welche in mehreren Auflagen erſchien. Von Volks— 
büchern ſeien zwei Arbeiten Gananders über Hausarzneilehre 
und das in neun Auflagen ſeit 1791 publizierte Phyſikaliſche 
Handbuch J. Froſterus': „Hyödyllinen huvitus luomisen 
töista“ genannt. Eine von dem Pfarrer A. Lizelius in Wirmo 
1775 herausgegebene Zeitung: „Suomalaiset tietosanomat 
ging bereit8 1776 wegen Mangels an Abonnenten ein. Bon 
großer Bedeutung war, daß die Negierung immer mehr für 
Überjegung von Verordnungen und Gejegen ing Finniſche jorgte, 


Jahre flüchtete er nah Schweden und kehrte erft 1722 nad Abo zurüd, mo 

er 1734 zum Bifhof von Borga gewählt wurde. Im Jahre 1742 floh 

er nochmals nah Schweden, wo er 1752 als Biſchof zu Skara ftarb. 
Schybergfon, Geſchichte Finnlande. 30 


466 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guſtav IV. Abolie. 


und daß das allgemeine Gele nunmehr endlich in finnifcher 
Überjegung erjchien. 

Auf dem Felde des Elementar- und Volksſchulweſens wurde 
der durch die großen Reformen des 17. Jahrhunderts ge- 
wonnene Standpunkt fajt unverändert aufrecht erhalten. Cine 
neue Schulordnung von 1724 behielt die alte Einteilung der 
Schulen in Pädagogien, Trivialichulen und Gymnaſien mit 
Tehrplänen, welche denen des 17. Jahrhunderts faſt voll- 
ftändig entjprachen. Auch erfolgte nicht die Errichtung neuer 
größerer Yebhranftalten, mit Ausnahme des Borgier Gym— 
nafiums, welche8 1724 an die Stelle des früheren Wiborger 
Gymnaſiums trat’). Gleichwohl fehlte e8 während der Frei- 
beitözeit feineswegs an Verjuchen zur Reformierung des Unter: 
richtsweſens. So wurde auf Grund der auf verjchiedenen 
Reihstagen geäußerten Wünjche eine „Erziehungstommijfion“ 
1745 zur Ausarbeitung von dem entjprechenden Vorjchlägen 
eingejeßt. Beachtenswert ift das lebhafte Cingreifen Joh. 
Browallius’ in diefer Frage. Er überreichte der Kommiſſion 
eine Schrift: „Unvorgreifliche Gedanken über das Unter: 
richtswefen bei den Gymnaſien und Schulen im Reiche“, 
worin er eifrig befürmwortete, daß der Unterricht, welcher bis— 
ber im weſentlichen die Ausbildung zum geiftlichen Berufe 
durch lateiniſche Studien bezwedt Hatte, jo reformiert werden 
jolfe, daß er für verſchiedene Stände und Berufe zu allge: 
meinem Nuten gereichen fünne. In gleicher Richtung äußerte fich 
das Aboer Domkapitel 2). Alle diefe Pläne fcheiterten jedoch an 
dem Widerjtande der Geiftlichkeit, und die Erziehungskommiſſion 


1) Das Pädagogium in Lowiſa wurde 1760 in eine Meinere Trivial- 
fhule umgewandelt. Anftatt der Wiborger Trivialfchule wurde nad bem 
Noftader Frieden eine foldhe in Nyſlott begründet, weldhe 1732 von dort 
nach Willmanftrand, 1743 nad St. Michel, 1749 nah Rantajalmi und 
1788 nad Kuopio verlegt wurbe. 

2) Bol. 8. ©. Leinberg, Handlingar rörande finska skolväsendets 
historia I, 114sqq. (Ivvästylä, 1884). Seit 1801 ftanden die Lehr: 
anftalten unter Aufficht eines „Kanzlers“ Gille, weldher 1806 bie Errich— 
tung eines päbdagogiihen Seminars bei ber Aboer Hochſchule anordnete. 
Vgl. 8. ©. Leinberg J. c. II, 435 (Iyvästylä, 1887). 


Das Schulmefen und die Erziebungstommiffion (1745/66). 467 


Töfte fih 1766 auf, ohne daß irgend eine Unterrichtsreform 
aus ihren Arbeiten hervorgegangen wäre. Nur an der Kriegs— 
fhule zu Haapaniemi wurden neue real-wifjenfchaftliche Unter- 
richtspläne eingeführt. Etwas jpäter wurde die Gründung eines 
fejten Volksſchulunterrichts, mit befonderen Schulhäufern und 
von der Bevölkerung befoldeten Lehrern, angeregt; aber die 
Landeshauptleute und Konfiftorien erklärten 1769 in ihren 
Gutachten, unter Anerkennung des guten Zweds, daß die Be- 
völferung weder neue Laften zu ſolchem Behufe tragen könne 
noh die Notwendigfeit größerer Schuleinrichtungen einjähe, 
und daß außerdem die Gemeinden meiſtens allzu ausgedehnt 
jeien, als daß feſte Schulen von Nuten fein könnten. Unter 
ſolchen Umftänden verlief die Angelegenheit während der Re— 
gierung Guſtavs III. völlig im Sande !). Einen bemerfens- 
werten Fortſchritt im Volksſchulweſen bildete indeffen die Er- 
nennung „ambulatorijcher“ Lehrer, welche von Dorf zu Dorf 
wanderten, um den Kindern Unterricht im Leſen und im Kate— 
chismus zu erteilen. Ein Erlaß vom 10. Auguft 1762 bejtimmte, 
daß in den Gemeinden, wo wegen ber großen Ausdehnung 
die Küfter nicht den Sinderunterricht bejorgen könnten, die 
Bewohner auf Anftellung befonderer Kinderlehrer bedacht fein 
jolften 2). Erft in den legten Jahren des 18. Jahrhunderts 
wurde die Aufmerkjamfeit wiederum auf die Gründung feiter 
Schulen gelenft, nachdem Aſſeſſor Ahlman, wie jhon ©. 437 
erwähnt worden ift, einen bedeutenden Fonds für joldhe Zwede 
der „Finniſchen Haushaltungsgefellichaft“ tejtiert Hatte. 
Während der Unterricht beinahe volljtändig Sache der 
Geijtlichfeit blieb, begann die Autorität derjelben in Glaubens- 
fragen jowohl beim Volke wie innerhalb der gebildeten Klaffen 
erjehüttert zu werben. Der Pietismus verbreitete jich unter 
verfchiedenen, mehr oder minder ber Staatsfirche feindlichen 


1) Bol. 8. ©. Lein berg, Märkliga skeden i vär folkundervisnings 
äldre historia (Ivväskylä, 1885). 
2) ®gl. $ 13 der „Resolution pä svenska och finska presterskapets 
besvär‘, abgebrudt bei Modée, Utdrag etc. VII, 5297. 
30% 


468 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs. 


Formen, in immer weiteren Kreijen. Schon in den zwanziger 
Jahren des 18. Jahrhunderts machten fich die beiden Brüder 
Jakob und Erich Eriksſon im Kirchipiel Kelviä (Ofterbotten) 
als Anhänger feparatiftiicher Lehren bemerkbar und wurden 
des Landes verwiejen. Auch der Bauer Jakob Jakobsſon Kär- 
mäki in Laihela und die Witwe Katharina Asplund in Nykar— 
leby verfündeten Lehren, die von den Glaubensjägen der 
Kirche abwichen. Zu einer um die Mitte des Jahrhunderts 
im füblichen Oſterbotten verbreiteten myſtiſch-religiöſen Rich— 
tung, welche jich auf die Schriften des deutſchen Philojophen 
Jakob Böhme jtüte, gehörte u. a. Anna Rogel in Saftmola 
(1751— 1784), deren Predigten der neuen Sekte eine zahlreiche 
Anhängerſchaft zuführten. Im Jahre 1798 begann ein religiöfer 
Schwärmer, Jakob Wallenberg, im Kirchipiel Lappo myſtiſche 
Lehren zu verbreiten, wurde aber, da er die bürgerliche Ehe 
verleugnete und jeine Anhänger zu unfittlichem Lebenswandel 
verleitete, ind Gefängnis geworfen. Zu feinen Genofjen 
zählte u. a. Elias Hänninen in Kangasniemi, welcher das 
bürgerliche Gejellichaftsgejeß für ungültig erklärte und Güter- 
gemeinschaft predigte '), — Unter den höheren Klaffen ver- 
breitete ſich die rationaliftiiche Anjchauungsweife, und Briefe 
aus den legten Dezennien des Jahrhunderts beweijen, daß 
jogar die Rouſſeauſche Naturlehre Anhänger in Finnland 
bejaß. Nahe verwandt mit der im Auslande kurz vor Aus- 
bruch der Revolution verbreiteten myſtiſchen Strömung war 
auch die Neigung für Geijterjeherei, welche ihren Hauptjig 
am Hofe Guſtavs III. und Herzog Karls von Södermanland 
hatte, wo der Finnländer Guftav Björnram (1746—-1801) als 
Geifterbejhwörer hohes Anjehen genoß. Ähnlichen myſtiſchen 
Grübeleien gab fich Auguft Nordenjtjölod (1745 — 1792) hin, 
dejjen Yeben, wie das Björnrams, größtenteils in Schweden 
verfloß. 


1) Bel. M. Akiander, De religiösa rörelserna i Finland, I—IV 
(Helfingfors, 1857—1863). 


Moftifche Neigungen. — Die napoleonifche Zeit. 469 


5. Der ruſſiſch-ſinniſche Arieg 1808—1809 '). 


Unter der Wucht des gewaltigen Genius Napoleons fanten 
Throne, ftürzten Reiche zufammen. Es war Har, daß ein 
feindliher Zufammenftoß mit jenem rüdfichtslofen Herrſcher für 
Schweden verberblich werden mußte, und eine kluge ſchwediſche 
Politif hätte daher darauf ausgehen müffen, eine ftrenge Neu- 
tralität mit freumdfchaftlicher Annäherung an Rußland zu be- 
obachten. In der That war eine derartige Anjchauungsweife im 
ben erften Regierungsjahren Guſtav IV. Adolfs dem König und 
feinen Ratgebern keineswegs fremd, wie denn auch am 16. Dezember 
1800 in Gegenwart des Königs zwijchen Schweden und Rußland, 
unter Vorausjegung des Beitritts von Preußen und Dänemarf, 


1) Gedruckte Duellen und Nachſchlagewerlke zur Geichichte des Krieges von 
1808/9: 3. Mantel, Anteckningar rörande finska armens och Fin- 
lands krigshistoria särskildt med afseende pä krigen mellan Sverge och 
Ryssland ären 1788 —1790 samt 1808—1809, ®b. II (Stodholm, 1870) ; 
Mihailowsli-Danilemsti, Beskrifning öfver finska kriget 1808—9. 
Öfversättning frän ryskan (Tawaftehus, 1850); G. A. Montgomerp, 
Historia öfver kriget mellan Sverige och Ryssland ären 1808—1809, 
Bb. I u. II (Örebro, 1842); PB. v. Sudtelen, Kriget mellan Sverige 
och Ryssland ären 1808/9. Öfversättning af R. F. G. Wrede (Stodbolm, 
1835); 3. 3. Burman, Anteckningar förda under tiden frän 1785 
till är 1816, jemte relation om Savolaksbrigadens operationer under 
1808 och 1809 ärs krig (Stodholm, 1865); 8. 3. Holm, Anteckningar 
öfver fälttägen mot Ryssland ären 1808—1809 (Stodholm, 1836); 
€. €. Bladh, Minnen frän finska kriget ären 1808—1809 (Stodholm, 
1849); 3. ©. 3. Randen, Bonderesningen i svenska Österbotten, en 
episod frän 1808 ärs finska krig (Stodholm, 1882); 8. M. Kivinen, 
Anteckningar om Nord-Karelska fricorpsernas företag 1808 — 1809 
Ben 1865); 8. U. Bomansfon, Skildring af folkrörelsen pä 

land 1808, en scen ur Suomis sista strid (Stodholm, 1852); K. 4. 
Brafel, Anteckningar öfver 1789—1790 samt 1808—1809 ärens fält- 
täg i Finland (Helfingfors, 1862); 8. 8. Zlobin, De diplomatiska 
förbindelserna mellan Sverige och Ryssland 1801—1809, öfvers. af 
H. Hjärne (Stodholm, 1880); „Sveriges krig 1808 och 1809, utg. af 
generalstabens krigshistoriska afdelning“ Bd. I u. TI (Stodholm, 1890 
unb 1895) u. f. w. 


470 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs. 


zu Petersburg ein Vertrag abgejchlojfen wurde, welcher bie 
Grundjäge der bewaffneten Neutralität von 1780 von neuem 
aufjtellte. Dieje freundjchaftlichen Beziehungen zum Peters- 
burger Hofe wurden indejjen durch die Palaftrevolution unter- 
brochen, welde im März 1801 zur Ermordung Pauls und 
zur Thronbefteigung Aleranders J. führte. Allerdings ftand 
Guftav IV. Adolf in nahem Verwandtichaftsverhältnis zu dem 
neuen Zaren infolge feiner VBermählung mit Friederife Doro- 
thea Wilhelmine v. Baden, einer Schweiter ver Gemahlin 
Aleranders; aber deſſen weiche, milde Perjönlichkeit war dem 
jteifen, abftoßenden König wenig ſympathiſch und feine Politik 
nicht geeignet, das gegenjeitige Vertrauen zu ftärfen. Alerander 
überließ nämlich die neutralen Mächte ihrem Geſchick, näherte 
jih England und jchloß mit diefer Macht ein Bündnis. Schwe- 
den folgte notgedrungen jeinem Beiſpiel; allein Gujtav ver- 
mochte die Demütigung nicht zu vergeffen, welche Rußlands 
Unzuverläßlichfeit ihm bereitet hatte. Seine Unzufriedenheit 
mit dem öftlichen Nachbar gab ſich unaufhörlich zu erkennen, 
nicht jelten bei den unbedeutendften Anläffen. So geriet er 
in lebhafte Erregung, als er bei jeinem Bejuch in Finnland 
(1802) bemerfte, daß die Grenzbrüde bei Abborfors zur 
Hälfte mit den ſchwediſchen, zur Hälfte mit den ruſſiſchen 
Farben bemalt war. Da er die Brüde für einen ausjchließ- 
lich ſchwediſchen Beſitz anjah, befahl er, fie jolle mit ſchwe— 
diſchen Farben übermalt und auf Koften Schwedens unter- 
halten werden. Dieſes eigenmächtige Verfahren reizte die 
Ruſſen derart, daß fie in der folgenden Nacht die Brücke mit 
den rujfiichen Farben anftreichen ließen, worauf die lächerliche 
Spielerei lange fortwährte. Diejer unbedeutende Zwiſt hätte 
beinahe einen Friedensbruch verurjacht, weshalb denn auch im 
Frühjahr 1803 ftarke Rüftungen in Rußland wie in Schweden 
erfolgten. Schließlih vermochte man den König zum Nach— 
geben zu bewegen, worauf das freundichaftlihe Verhältnis 
wieder hergeftellt wurde; aber dieſe Verwicklungen ließen nichts 
Gutes für die Zukunft ahnen, wofern ernftere Urjachen zur 
Uneinigfeit vorhanden wären. 


Das Berhältnis zwiichen Guftav IV. Adolf und Aleranber I. 471 


3m Jahre 1803 unternahm Guſtav IV. Adolf eine Reife 
nach Baden und verweilte alsdann mehr al8 18 Monate auf 
deutſchem Boden. Als er heimkam, hegte er eine wejentlich 
veränderte Anjhauung in betreff der Richtung, welche 
Schweden in Bezug auf jeine auswärtige Politif einzufchlagen 
habe. Die während jeiner Anwejenheit in Baden erfolgte, 
völferrechtöwidrige Verhaftung und Hinrichtung des Herzogs 
von Enghien hatte auf ihn einen unauslöjchlichen Eindrud 
gemadt. Er löſte alle Verbindungen mit Frankreich, ver- 
weigerte die Anerkennung der franzöfiichen Regierung und war 
entichlofjen, die gejamte Kraft Schwedens zur Bekämpfung 
Napoleons zu verwenden, den er in myſtiſch-religiöſer Grübelei 
als das in der Offenbarung Johannis genannte Tier betrach- 
tete, eine Vorjtellung, welche er mit der ihm angeborenen 
Zähigkeit in den jpäteren Jahren jeiner Regierung beibehielt. 
Ohne Bedenken trat er der großen Koalition bei, welche Eng- 
land, Rußland und DOfterreich gegen Napoleon eingingen, und 
verpflichtete fih, an der Spige einer fchwebiichen, burch 
rujfiiche und englifche Truppen verftärkten Armee von Schwe- 
diſch-Pommern aus einen Feldzug gegen Napoleon zu eröffnen. 
Als er fich aber zu dieſem Zwecke 1805 nach Deutjchland 
begab, bewies er jeine völlige Unfähigfeit als Feloherr. Seine 
Maßnahmen waren planlos und einander wiberjprechend, To 
daß er noch nichts ausgerichtet hatte, als es Napoleon bereits 
gelungen war, Ofterreicher wie Ruſſen zu ſchlagen und ben 
Krieg zu jeinen Gunften zu entjcheiven. Nach der Nieder: 
lage Preußens bei Jena und Auerftädt Hätte Guſtav die Un— 
möglichfeit einer weiteren Kriegführung gegen die Übermacht 
Napoleons erfennen müſſen; aber anftatt Frieden zu fchließen, 
erneuerte er vielmehr den Kampf, deſſen Folge war, daß 
Schwediih- Pommern vollftändig in die Hände des Feindes fiel. 

Allein bald ftand ein Krieg nicht nur mit Frankreich, 
jondern auh mit Rußland und Dänemark bevor, wofern 
Guſtav an jeiner bisherigen Politik fejthalten wollte In dem 
Tilſiter Frieden (7. Juli 1807) hatte fich Alerander Napoleon 
gegenüber dazu verpflichtet, mit Gngland zu brechen und 


472 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs. 


Dänemark wie Schweden zum Anſchluß an das Kontinental- 
ſyſtem zu bewegen. Wahrjcheinlicd war bei den Zujammen- 
fünften zwifchen den beiden Kaiſern auch die Rede davon, daß fich 
Rußland für den Fall, daß ſich Guſtav diefem Übereinfommen 
nicht fügte, Finnlands bemächtigen jollte. Alerander jcheute alſo 
nicht Davor zurück, fich durch einen gewaltjamen Angriff gegen bie- 
jenige Macht, welche noch joeben an jeiner Seite gefochten 
hatte, feinem neuen Bundesgenoffen gefällig zu ermweijen. Ber- 
mutlich lodte ihn die Ausficht, durch Eroberung Finnlands 
das Werk Peters des Großen zu vollenden und ein Ziel zu 
erreichen, welches der ruffiichen Staatsfunft lange vorgejchwebt 
batte. Unter fjolchen Umſtänden wäre kluges Nachgeben das 
einzige Rettungsmittel gewejen; aber Guſtav wollte dies nicht 
einjeben, jondern bejchloß, im Vertrauen auf feine gerechte 
Sache und den Beiftand höherer Mächte der Übermacht die 
Spitze zu bieten. 

Alerander ſäumte nicht, Guſtav darauf aufmerffam zu machen, 
daß die Fortdauer der ſchwediſch-ruſſiſchen Freundjchaft völlig 
davon abhängig fein würde, ob Schweden feinen Anjchluß an 
den Zilfiter Vertrag vollzöge. Am 24. September (a. St.) 
1807 benachrichtigte er den König brieflic von der neuen Ge- 
ftaltung der politiichen Verhältniffe und ließ ihm gleichzeitig 
durch den ruſſiſchen Gefandten zu Stodholm, David Alo- 
päus, auffordern, er möge das Bündnis mit England 
kündigen und gemäß den Verträgen von 1780 und 1800 
zur Sperrung der Oftiee für die Kriegsflotten diejes Staates 
beitragen. Gleichzeitig meldete der ſchwediſche Gefandte in 
Petersburg, v. Stedingk, daß fih Rußland zu einem Angriff 
auf Finnland rüfte, und daß am faiferlichen Hofe drohende 
Reden über eine nahe bevorftehende Teilung Schwedens zwiſchen 
Rußland und Dänemark laut würden. Schließlich erklärte 
bie ruffiiche Regierung in einem Schreiben vom 30. Dezem- 
ber (a. St.) 1807, daß fich der Kaifer, wofern der jchwe- 
diſche König nicht auf feine Forderungen eine bejtimmt be- 
jabende Antwort erteilen würde, genötigt ſähe, zur Sicherung 
feines Reiches „alle Mittel zu ergreifen, welche die Vorjehung 


Die Folgen von Tilfit. Der Bruch mit Rußland. 473 


ihm zur Verfügung geftellt“. Obwohl fich bergeftalt ein Ab- 
grund vor den Füßen Guftaus IV. öffnete, that dieſer nichts, 
um bie Gefahr abzuwehren. Seine Antworten waren anfangs 
unbeftimmt und zweideutig; und ſchließlich, nachdem er fichere 
Hoffnung auf Englands Unterftügung erhalten hatte, gab er 
die lakoniſche Erklärung ab, Schweden fünne die unbegründeten 
Anſprüche Rußlands nicht anerkennen. Hiermit war der 
Würfel gefallen. Guſtav hatte fih, ohne Rückſicht auf die 
Warnungen feiner Ratgeber, dafür entjchloffen, mit England 
als einzigem Bundesgenoſſen beinahe dem gejamten europäiſchen 
Kontinent zu trogen. Es kann zweifelhaft ericheinen, welcher 
Art das Geſchick Finnlands ſchließlich geweſen wäre, wenn 
Guſtav einen anderen Beichluß gefaßt hätte; aber jo viel fteht 
feft, daß durch die Halsjtarrigkeit des Königs Finnlands 
Trennung von Schweden bejchleunigt worden ift. 

Auf Grund des erwähnten Schriftwechjels hielt fich Ale- 
rander für berechtigt, ohne Abgabe einer fürmlichen Kriegs— 
erflärung feine Truppen in Finnland einrüden zu Tafjen. 
Zunächſt hieß es denn auch, der Krieg bezwecke feineswegs 
eine Schädigung Schwedens, jondern jet einzig eine Vorfichts- 
maßregel zur Sicherung Rußlands gegen Angriffe Gleich- 
wohl jchwebte man in Stodholm keineswegs in Unkenntnis 
über das, was bevorftand, da dv. Stedingk Ende Januar und 
Anfang Februar die beftimmte Meldung machte, daß ein 
ftarfes ruffiiches Heer zum Einmarih in Finnland bereit 
ftände. Es wäre demnach nur natürlich geweſen, baß ber 
König mit allem Eifer Anftalten getroffen hätte, um Finnland 
beizuftehen. Aber nichts Derartige geſchah. Von den etwa 
40000 in Schweden befindlichen regulären Soldaten brach 
nicht ein einziger auf, um Finnlands Berteidigungspofition 
zu verftärken. Dies beruhte auf zwei Urfachen. inerjeits 
drohte den Schweden der Übergang eines franzöſiſch-däniſchen 
Heeres von den däniſchen Infeln nah Schonen, eine Gefahr, 
welche allerdings dadurch bejeitigt wurde, daß fich ein englijches 
Geſchwader im dänischen Sunde vor Anfer legte. Andrer- 
feit8 aber entwarf Guftav hernach einen Plan zur Eroberung 


474 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs. 


Norwegens und jammelte zu dieſem Zwecke die jchwebijchen 
Truppen in Schonen und an der Weſtgrenze. Obwohl das 
Unternehmen infolge jchlechter Anordnungen faum über das 
erjte Stadium hinaus fam, jo war doch die Folge davon, daß 
Finnland fich ſelbſt überlaffen blieb und allein den von Oſten 
ber fommenden Stoß aushalten mußte. 

War Finnlands Verteidigungswejen derart entwidelt, daß 
ed wenigitens während eines kurzen Feldzuges und bis zum 
Eintreffen von Hilfe aus Schweden die Angriffe des Feindes 
zurüczuweijen vermochte? Daß die Fortififationen nicht genügen 
fonnten, war augenjcheinlih. Die Seefeftungen Spartholm 
und Sveaborg waren hauptjächlich deshalb erbaut worden, um 
während einer Sommercampagne die Verbindung mit Schweden 
aufrecht zu erhalten; bei einem Winterfeldzuge vermochten fie 
hingegen den Feind nicht am Eindringen ind Yand zu ver- 
hindern. Ein Winterfeldzug aber war es juft, den die Ruſſen 
unter Benugung der Yehren der neuen Kriegsfunft vorbereiteten. 
Dean hatte oft auf diefen Diangel bingewiejen und 1793 in 
der That mit der Anlegung einer Landfeſtung bei Williffala im 
Kirchipiel Elimä begonnen ; aber wegen Geldmangels und Uneinig- 
feit zwijchen den verjchiedenen Militärbehörden war die Arbeit 
ihon im folgenden Jahre niedergelegt worden. Hingegen be= 
fand fich die finnijche Armee ſowohl hinfichtlich der numerijchen 
Stärke wie der Bewaffnung in befferem Zuftande denn je zuvor. 
Die Zahl der geworbenen Truppen hatte fich bedeutend erhöht. 
So war das Kareliſche Jägercorps auf 600 und das Savo- 
latjer Jäger-Regiment auf 1206 Mann gebracht jowie ein 
neues, nach feinem Chef Adlercreug benannte Regiment von 
1800 Mann errichtet worden. Anfang 1808 bejtand bie 
finniijhe Armee aus 8199 Mann Infanterie, 750 Dann 
Kavallerie, 4050 Mann Reſerve und 6013 Gemworbenen, aljo 
zujammen 19012 Mann, jowie außerdem 753 Mann neu— 
ausgehobener, ungeübter Infanteriemannjchaften in der Provinz 
Waja !). Die Paffevolanzmittel waren vollfommen ausreichend 


1) Über Finnlands Armee und Berteidigungswefen finden ſich ein= 


Finnlands BVerteidigungsweien im Jahre 1807/8. 475 


gewejen, um die Negimenter mit Troß und SKriegsmaterial 
zu verjehen, und, was Übung wie Disziplin betraf, waren die 
finniſchen Regimenter die beften im Reiche. Das Offizier- 
corps hatte jich feine Sporen im Kriege von 1788—1790 
verdient, wo mehrere der Regiments - Kommandeure eine be— 
deutende Rolle gejpielt Hatten: 3. B. der Unterchef des Ny— 
ländifchen und jpätere Chef des Björneborger Regiments, 
Georg Karl v. Döbeln, leicht erfenntlih durch die ſchwarze 
Binde, welche er nach jeiner Verwundung in dem Gefecht bei 
Porrasjalmi an der Stirn trug; ferner Karl Johann Adler- 
creuß, der wegen jeines heiteren und biederen Charakters 
bei Offizieren wie Soldaten Außerft beliebt war; jowie jchließlich 
die Kommandeure des Savolakſer Regiments und Savolafjer 
Sägerregiments, Johann Adam Cronftedt und Johann Auguft 
Sandels. Weniger glücklich waren die oberjten Befehlshaber- 
pojten bejegt. Der Höchltlommandierende, Graf Wilhelm 
Morig Klingjpor, hatte fih als Beamter beim Kriegs— 
Kommiffariat Verdienfte erworben, aber auf dem Felde der 
Ehre bisher Friegerifche Lorbeeren nicht geerntet. Der Ober: 
befehlshaber während Klingſpors Abwejenheit in Schweden, 
General- Lieutenant Karl Nathaniel v. Klerder, war ein 
tüchtiger Militär, jedoch bereit8 mehr als 73 Jahre alt. 
Der Befehlshaber auf Speaborg, Admiral Karl Dlof Eron- 
ſtedt, bejaß infolge jeines Anteils am Siege der Schären- 
gartenflotte beit Svenskjund einen guten Namen; aber nunmehr 
jollte e8 fich zeigen, daß er des ihm anvertrauten wichtigen 
Poftens unwürdig war. 

Jedenfalls hatte man unter ſolchen Umftänden feinen Anlaß, 
zu verzweifeln oder ohne Widerjtand Finnland dem Feinde zu 
überlafjen. Allein unjeligerweife herrſchte in Stodholm wie 
in Finnland die Vorftellung, daß der Feind mit einer über: 
legenen Heeresmacht von 60000 Mann im Anmarjch und 
daher ein jchleuniger Rüdzug das einzige Mittel zur Rettung 


gehende Mitteilungen im dem jchwebifchen Generalftabswert: „Sveriges 
krig ären 1808 och 1809“, ®b. 1 u. II (Stodholm, 1890 u. 1895). 


476 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guſtav IV. Adolf. 


der finnischen Armee jei. So dachte namentlich König Guſtav IV., 
welcher völlig den Kopf verlor, als er die Eventualität, welche 
fo lange zu erwarten gemwejen war, vor der Thüre ftehen jab. 
Diejelbe Meinung begte Klingipor, welcher, als er den Auftrag 
zur Leitung des Berteidigungsfrieges in Finnland empfing, 
offen erflärte, „daß er es nicht auf fich nähme, das Land 
gegen Rußlands Übermacht zu verteidigen“. Sogar die In- 
ftruftion für Klingſpor, die ihm bei feiner Abreife von Stod- 
holm nach Finnland mitgegeben wurde, empfahl eine Krieg: 
führung, die hauptfächlih im Zurücdweichen vor dem Feinde 
beftand. Es hieß darin: „Die Aufmerkſamkeit ſoll vornehm- 
lih darauf gerichtet fein, von ber Armee zu retten, was 
gerettet werben fann, in die Feſtungen Sveaborg und Spart- 
bolm foviel Truppen Hineinzuwerfen, als der bortige Spiel- 
raum zuläßt, und ben Reſt der finnifchen Armee in möglichiter 
Ordnung nach Ofterbotten zu führen, bis nach Eintreffen des 
Eisganges andere Anftalten zur Wiebereroberung des Landes 
getroffen werden können“. Ein Zuſatz lautete jedoch, der Be— 
fehlshaber ſolle nach Möglichkeit „dem eindringenden Feinde 
Hinderniffe in den Weg legen und Widerftand leiften jowie 
nicht eher, als bis die Not es erheifcht, den Rüdzug antreten“, 
jo daß Klingipor mithin ermächtigt war, dem Feinde, wenn- 
gleich mit großer Vorficht entgegenzutreten. 

Inzwifchen hatte jedoch der Krieg in Finnland bereits 
begonnen. Die aus 24000 Mann beftehende ruffiiche An— 
griffsarmee unter dem Oberbefehl des Grafen Friedrich Wil- 
belm v. Buxhövden nahte im Februar der finnischen Grenze 
in zwei Abteilungen, von denen die eine (16000 Mann) 
unter ben General - Lieutenants Kamenski und Bagration bei 
Abborfors und Keltis über den Kymmeneftrom ging, während 
bie zweite umter General= Lieutenant Tutſchkow in Savolaks 
einzufallen beorbdert war !). Bei dem ruffiichen Heere befand 


1) Als Gebilfen Burbövdens fungierten in Zivilfachen ber Gouverneur 
bes Wiborger Gouvernements, Emine, und ber frübere Anhänger des An- 
jalabundes, Guſtav Wilhelm Ladau. 


Die Inftrultion für Klingipor. Der Beginn des Feldzuges (Febr. 1808). 477 


jih der greiie G. M. Sprengtporten, welcher, ohne einen 
militärifchen Posten zu befleiden, als heimlicher Unterhändler 
verwendet wurde und während eines ungefähr einmonatlichen 
Aufenthalts in Finnland von neuem Verbindungen mit feinen 
ehemaligen Landsleuten anzulnüpfen juchte !). Die Abficht der 
ruſſiſchen Generale war, die finnijchen Truppen zu zerftreuen, 
bevor fie ſich gejammelt hätten; aber hierin verrechneten fie 
fih, da Klerder, welcher durch v. Stedingk von dem bevor- 
jtehenden Einmarſch des Feindes Kunde erhalten hatte, ſchleu— 
nigjt jeinen Regimentern befahl, ſich zufammenzuziehen, was 
mit großer Schnelligkeit gejchah. Die Truppen waren folgender- 
maßen verteilt: die Hauptabteilung unter Klerckers Befehl jam- 
melte ſich in zwei Brigaden unter den Obriften Adlerecreutz 
und Palmfelt beim Kymmeneftrom, während die Savolaljer 
Brigade unter Johann Adam Eronjtedt bei St. Michel und 
Warkaus Aufftellung nahm; außerdem ftanden Heine Detache- 
ments in Karelien und Ofterbotten. Die übrigen, aus Land— 
wehr oder geworbenen Regimentern bejtehenden Corps wurden 
in die Feſtungen Speaborg (6865 Mann), Spvartholm 
(746 Mann) und Hango (250 Mann) gelegt. Sowohl 
Offiziere wie Soldaten wußten, daß fie einem Kampf für 
Haus und Herd entgegengingen, und jchöpften aus dieſem 
Bewußtjein Kraft zum Ertragen auch der jchwerjten Leiden. 
Die Einzelheiten des Krieges find von hervorragenden Zeit- 
genofjen und fürjorglichen Forjchern gejammelt und der Nach- 
welt bewahrt, jein eigentümlich nationale8 Gepräge von dem 
Dichter Iohann Ludwig Runeberg in unfterblichen Gejängen 
verberrlicht worden. Hier foll nur eine allgemeine Überficht 
der wichtigften Friegeriichen Ereigniffe gegeben werben. 

Am 21. Februar ging Graf Buxhövden mit den Divifionen 
Bagration und Kamensfi bei bitterer Winterfälte über den 
Kymmenefluß. Gleichzeitig (18. und 22. Februar) erließ er 


1) Bol 8 8 Tigerftedts Bemerkungen in „Finsk Tidskrift“ 
XXIV, 166 (Helfingiors, 1888) fowie die Einleitung zu Danielfons 
„Handlingar rörande förvaltningen i Finland är 1808“, Bd. I (Hel- 
jingfors, 1893). 


478 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs. 


zwei Proflamationen: die eine an die Bewohner Finnlands, 
die andere an bie finnifche Armee. Im der erftgenannten 
wurde bie finnische Bevölkerung davon benachrichtigt, daß Zar 
Alerander beichloffen Habe, Finnland bis auf weiteres in 
Befig zu nehmen, und daß mit Rüdficht darauf die Vertreter 
des Landes in Abo zufammenfommen follten, um über alles 
das zu beraten, was für die Wohlfahrt des Landes gejchehen 
fünnte. Die Einwohner wurden aufgefordert, nicht, wie es 
früher üblich geweien, Haus und Hof zu verlaffen, da die 
Ruffen nicht als Feinde jondern als Freunde und Beſchützer 
fümen. Die Beamten jollten jämtlih, mit Ausnahme derer, 
die ihren Einfluß auf das Volk zur Aufwiegelung desjelben 
mißbrauchen würden, in Amt und Würden verbleiben. Der 
zweite Erlaß ermahnte die finnijche Armee, die Ruſſen nicht als 
Feinde zu empfangen, da fie nur behufs Aufrechterbaltung von 
Ruhe und Frieden in das Land gefommen wären; die Sol- 
daten follten daher die Waffen niederlegen und in die Heimat 
zurüdfehren. Für jedes den Ruffen ausgelieferte Gewehr jollte 
eine Belohnung gezahlt werden. Buxhövden mußte jedoch 
bald einjehen, daß dieſe Bekanntmachungen völlig nutlos 
waren. „Die Bevölkerung“, äußert ein ruſſiſcher Hiftorifer, 
„unterwarf fi nur dem Zwang und der Übermacht“, und 
die Armee beantwortete die an fie gerichtete Aufforderung 
damit, daß fie bei mehreren kleineren Gefechten entjchloffen 
dem Feinde zu Leibe ging. Bei Elimä hielten die Nyländijchen 
Jäger am 21. Februar ftand, bis die Vorräte gerettet 
waren; am 24. Februar verteidigten ſich die Obriſten 
H. H. Gripenberg und v. Döbeln an der Spite des Nyländijchen 
Regiments und der Nyländiichen Dragoner bei Forsby lange 
wider ben Weind, und an demſelben Tage jchlug Oberft 
Fleming bei Artjjö und Salmela überlegene Truppenmajfen 
der Ruffen zurüd; am 27. Februar widerftand Adlercreuß 
in einer vorteilhaften Pofition bei Orimattila erfolgreich einem 
Angriff der Hauptmaht Bagrations; am 28. Februar end- 
lih lieferte das Regiment Tawaſtehus als Nachhut ein 
ebrenvolles Gefecht bei Dferois. Da indeffen die Klerderiche 


Klerders Kampfluft und Klingipors Rüdzug (März 1808). 479 


Armee allzu Schwach war, um dem doppelt jo ftarfen Feinde 
die Spike bieten zu können, machte fie fich, gefolgt von etwa 
der Hälfte des feindlichen Heeres, auf den Rückzug nach 
Tamwaftehus, während der Reſt der ruffiichen Truppen zur 
Belagerung von Speaborg und Spartholm ſowie zur Be- 
jegung von Güdfinnland verwendet wurde. Im Vertrauen 
auf die Kampfluft feiner Soldaten und ihr brennendes Ver— 
langen nach Verteidigung ihrer Heimat wollte Klerder bei 
Zamwaftehus ftand halten und dem nunmehr bloß um einige 
1000 Mann überlegenen Gegner eine Schlacht liefern, eine 
Abficht, die von den Offizieren und Gemeinen der Armee mit 
lautem Beifall begrüßt wurde. Mon rechnete auf einen 
Kampf für den 2. März Allein am 1. März traf der 
Höchſtkommandierende, Klingjpor, im Hauptquartier ein und 
widerjette fich im Kriegsrat energijch einem jolchen Plane, da 
ſich nach feiner Meinung bei einem Siege nur ein unbedeu— 
tender Vorteil erzielen ließe, während eine Niederlage den 
völligen Untergang der Armee herbeiführen würde. Vergebens 
ſetzte der fiebzigjährige Klerder für einen glüclichen Ausgang 
feinen Kopf zum Pfande. Geſtützt auf feine Injtruftion, 
wußte Klingipor feine Meinung zur Geltung zu bringen, fo 
daß die Armee, unter Preisgebung der Feſtungswerke und des 
Schloſſes von Tawaftehus wie der dort befindlichen, bedeutenden 
Kriegsvorräte, am 5. und 6. März den Rüdzug in nördlicher 
Richtung fortjete. 

Die Militärjchriftfteller Haben diefen Schritt Klingipors 
verjchieden beurteilt. Ein Teil hat die Anficht vertreten, daß 
zu Beginn des Krieges, wo die Truppen noch friſchen Mutes 
waren, eine Feldſchlacht hätte gewagt werben müſſen, und daß 
der Krieg hierdurch eine glüclichere Wendung hätte nehmen 
fönnen. Andere wiederum haben den Rückzug verteidigt, ba 
er durch den Mangel an einer binreichenden Reſerve für den 
Fall einer Niederlage ſowie dadurch, daß die Armee feine 
Feftung zum Stüßpunft hatte, bedingt worden fei. eben: 
falf8 bildet für Klingſpor feine Inftruftion einen Ent— 
jchuldigungsgrund. Hingegen läßt fich die Art und Weije, in 


480 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs II. und Guſtav IV. Abolis. 


welder er den Rüdzug bewerkitelligte, nicht rechtfertigen. 
Anjtatt den kürzeren öftlihen Weg über Iyväskylä zu nehmen, 
wodurch die Verbindung mit der Savolakſer Brigade aufrecht 
erhalten worden wäre, wählte er nämlich den um vieles 
längeren Weg an der Küfte; wahrjcheinlich, weil dort leichter 
Proviant zu erhalten war. Ein noch weit jchlimmeres Ver— 
jehen aber war, daß er fich feine zuverläjjige Kunde von der 
Stärfe des Feindes verjchaffte, infolgedefjen legteren für weit 
überlegen hielt und aus Bejorgnis, er fönne umgangen und 
abgejchnitten werden, den Marſch derart bejchleunigte, daß 
ber Rückzug einer Flucht glich. Es war für Die tapferen 
Krieger bejchwerlich, bei ftrengfter Winterfälte durch die vom 
Sturme zujammengewehten Schneehaufen ohne Raſt vorwärts 
zu marjchieren; aber weit jchmerzlicher war es doch für jie, 
daß fie ohne Schwertjtreich die Heimat im Stiche lafjen mußten, 
für deren Rettung fie mutig und unerjchroden ihr Herzblut 
zu opfern bereit waren. 

Während des Rückzuges war Klingipors Armee in zwei 
Abteilungen geteilt, von denen die eine unter jeinem eigenen 
Kommando über Hvitti8 und Björneborg auf den großen 
Küftenweg gelangte, um dann auf demjelben nach Norden zu 
ziehen, während die andere unter Adlercreug über Tammer— 
fors, Ikalis und Ilmola ihren Weg nahm. Der Marjch ging 
beinahe ohne Störung von ftatten. Das bedeutendfte Gefecht 
war ein Scharmügel beim Dorfe Haiftila im Kirchipiel Ulfsby 
(17. März), wo Klingipors Nahhut am Kumofluffe jtand hielt, 
bis die in Björneborg aufgejpeicherten Kriegsvorräte in Sicher: 
beit gebracht waren. Auch nach der Bereinigung beider Ab- 
teilungen bei Nyfarleby (27. März) wurde der Rüdzug mit 
unveränderter Haft fortgejegt, jo daß die Armee in jechs Tagen 
den Weg nach Gamla Karleby zurüdlegte, wo Klingipor jeinen 
Truppen endlich einige Raſt gönnte. Während des Rückmarſches 
erhielt Klingipor bedeutende Verſtärkungen, während fich bie 
feindliche Armee durch Detachierung einiger Corps nad Süd— 
finnland unabläffig verminderte, jo daß jchließlich die zurüd- 
weichende finnijche Armee beträchtlich ftärfer war als das auf 


Die kriegerifchen Ereigniſſe in Savolals. 481 


der Verfolgung begriffene feindliche Heer. Gleichwohl glaubte 
Buxhövden durch Abjchneidung des Rückzuges Klingipor zur 
Kapitulation zwingen zu können und erteilte dem Generalmajor 
Tutſchkow den Befehl, mit dem größten Zeil der ruſſiſchen 
Savolakskolonne von Savolaks aus über Iyväskylä nach Waſa 
zu marjchieren. Allein vor Ankunft derjelben war Klingipor 
entfommen und konnte deshalb unbehindert den Rüdzug fort- 
jegen. 

Etwas jpäter als am Kymmeneflufje hatten die friegerifchen 
Operationen in Savolaks begonnen, wo Tutſchkow am 28. Fe— 
bruar mit jeiner Hauptmacht bei Nyjlott über die Grenze ge- 
gangen und bis nach Jokkas vorgedrungen war. Johann N. 
Eronftedt, welcher den größten Zeil der Savolakſer Brigade 
in einer Stärfe von etwa 2900 Mann bei St. Michel zu- 
jammengezogen hatte, ſah fich zur Behauptung dieſer Pofition 
um fo weniger imftande, als ein kleineres ruffifches Detache- 
ment unter Generalmajor Bulatow von Willmanftrand aus im 
Anmarſch gegen Kriftina begriffen war. Bon zwei Geiten 
bedroht, zog er über Piekſämäki nach Warkaus, wo fich die 
Savolafjer Rejervemannjchaft mit der Brigade vereinigte. Da 
er um dieſe Zeit von Klingipor Befehl erhielt, einen Kampf 
möglichjt zu vermeiden und nach Uleäborg zu retirieren, um 
fih dort der Hauptarmee anzujchließen, ſetzte er den March 
bis nach Leppävirta fort, von wo er fih am 11. März nach einem 
furzen Gefecht mit den jchwächeren ruſſiſchen Truppen zurüd- 
320g. Am 15. März marjcierte die Brigade von Kuopio, wo 
fich zwei farelijche Jägerbataillone zu ihr gefellten, nach dem 
nördlich von der Stadt gelegenen ZToivalapaß. Bei dieſer 
Gelegenheit zeichnete fich der tapfere Hauptmann Joachim Zacha— 
rias Dunder aus, welcher bei Iynkkä an der Spite der aus 
nur 300 Dann beftehenden Nachhut der gefamten gegnerijchen 
Macht ftandhielt und darauf in ebenſo geſchickter wie mutiger 
Weife die Wiedervereinigung mit der Brigade bewerfitelligte. 
Überhaupt vollzog ſich der Rückzug bei der Savolakjer Bri- 
gabe mit größerer Befonnenheit und geringerer Übereilung als 
bei der Hauptarmee. Nachdem Tutſchkow, wie jchon erwähnt, 

Schybergſon, Geſchichte Finnlande, 31 


482 Fünfte Periode. Die Zeit Guftans IL. und Guftav IV. Adolfs. 


unter Zurüdlaffung Bulatows jowie eines Heineren Detachements 
aufgebrochen war, um fich mit der ruffiichen Weltarmee zu 
vereinigen, erfolgte der Rückzug ungeftört über Idenſalmi nach 
Uleäborg, wo die Brigade am 29. März anlangte. 

Der jchnelle Rückzug der finnifchen Truppen hatte bei 
Buxhövden die Vorftellung erwedt, daß dieſelben jeder Wiber- 
ftandsfraft entbehrten, und daß er daher den Winterfeldzug 
mit ihrer Vertreibung aus Finnland zum Abjchluß bringen 
fünne. Demgemäß erteilte er den Befehlshabern der vereinigten 
Weſtarmee, Rajewski und Tutſchkow, die Weifung, Klingjpor 
weiter zu verfolgen und fich Uleäborgs zu bemächtigen. Die 
vereinigte Stärke berjelben betrug nur 5000—6000 Mann, 
und die finnijche Armee, welche einjchließlich der Savolakſer 
Brigade auf etwa 12000 Mann angewachfen war, wäre mit- 
bin jederzeit zu ihrer Zurüdwerfung imftande gewejen; trogbem 
ſetzte Klingfpor auf Grund des ein- für allemal von ihm 
feftgeftellten Planes den Rüdzug fort. Freilich bewiejen der ver- 
langfamte Mari und die Kühndeit, mit welcher der Nachtrab 
dem Feinde häufig zuleibe ging, daß ſich die Befürchtungen 
gemindert hatten, und daß man zu ahnen begann, wie es fich 
in Wirflichfeit mit der Stärke des Feindes verhielt. Am 
16. April ftieß die ruſſiſche Vorhut unter dem kühnen Obriften 
Kulnew in der Nähe von Pyhäjoki mit dem finnijchen Nachtrab 
zujammen; es kam bei Mpperilä, Wiret und Pyhäjoki zu Ge- 
fechten, in denen die Finnländer unter tapferem Wiberftande 
bem Gegner erhebliche Verlufte beibrachten, aber dennoch, ge 
mäß dem Klingiporjchen Befehle, den Rückzug fortjegen mußten. 
Hierbei wurde der Chef des Generalitabs, Löwenhjelm, ver- 
wunbet und geriet in Gefangenjchaft, worauf der allgemein 
beliebte Karl Johann Adlercreug diejen Poften erhielt. Wäh— 
rend des jpäteren Verlaufs des Feldzuges wurde Aolercreug 
immer einflußreicher, jo daß er als der eigentliche Führer der 
Armee angejehen werben fonnte. Nicht minder wichtig war, 
daß v. Döbeln Kommandeur der Adlercreugjchen Brigade wurde 
und infolge deſſen feinen militärifchen Scharfblid mehr denn 
zuvor geltend zu machen vermochte. 


Der Rückmarſch bis zum Gefecht am Siikajoki (18. April 1808). 488 


Die beiden ebengenannten Helden teilen miteinander das 
Verdienſt, daß bier im Hohen Norden dem VBormarjch ber 
Ruffen endlich ein Ziel gejegt wurde. Am 18. April befand 
fih die geſamte finnifche Armee auf dem Rückmarſch über den 
Siikajokifluß. Hier wurde bie Döbelnjche Brigade, welche die 
Nachhut bildete, um 1 Uhr Nachmittags in ihrer Pofition 
ſüdlich vom Fluß angegriffen, leiftete jedoch, um den Rückzug 
bes Heeres zu deden, energijchen Wiberftand und retirierte erft 
4 Uhr Nachmittags auf das nörblihe Flußufer. Hierauf 
jollte nun der Rückzug fortgefegt werben. Als aber Adlerereutz 
plöglich bemerkte, daß die ruffiihe Schlachtlinie gerade im 
Zentrum ſchwach fei, erteilte er 6 Uhr Abends dem Major Ernft 
Guft. v. Herten bei der nyländifchen Jägerkompagnie jowie dem 
Lieutenant Kihlſtröm, welcher eine Kompagnie des Regiments 
Tawaſtehus führte, den Befehl, das von den Ruſſen beſetzte 
jüblihe Ufer zu erftürmen und fich des den Fluß beherrichen- 
den Kirchdorf zu bemächtigen. Die beiden Offiziere rückten 
raſch vorwärts und jäuberten, nachdem der Angriff durch die 
Regimenter Abo und Tawaſtehus unterftügt worden war, 
binnen wenigen Stunden im Abenddunkel den Pla vom Feinde. 
Die Finnländer hatten im Gefecht 200 Mann an Toten und 
Verwundeten eingebüßt, während der Berluft des Gegners 
150 Tote und Verwundete jowie 260 Gefangene betrug. Die 
wejentlichfte Bedeutung diefes Erfolges lag darin, daß derſelbe 
die Vorftellung von der liberlegenheit der Ruſſen befeitigte, 
den Finnländern neue Zuverficht einflößte und Klingjpor endlich 
zum Standhalten beftimmte. Im dieſem Sinne ift das Gefecht 
am Siikajoki ein Wendepunkt in der Geſchichte des Krieges. 
Allerdings blieb die Wahlftatt nicht lange in den Händen ber 
Finnländer. Klingfpor ließ nämlich feine Truppen etwas weiter 
nördlich bei Limingo und Lumijofi Quartiere beziehen, während 
fich die Ruffen, denen fich jetzt auch Bulatow Binzugefellt Hatte, 
am Siikajokifluffe lagerten. Eine Woche hindurch beobachteten 
die beiden Heere einander in biefer Pofition, bis Adlercreutz 
jchließlich zum Angriff überging. Auf die Nachricht Hin, daß 
fich Bulatow mit etwa 2000 Mann in einer tfolierten Pofition 

31* 


4854 Fünfte Periode. Die Zeit Guſtavs III. und Guftan IV. Adolfs. 


bei Revolaks am Siikajoki, zwei Meilen von den übrigen ruj- 
fiihen Truppen entfernt, befände, ſandte er Cronſtedt mit 
1800 Mann nach dem jüdöftlih von Bulatows Stellung ge: 
legenen Dorfe Paavola, mit dem Befehl, von bier aus die 
Abteilung Bulatows im Rüden anzugreifen, während er per- 
fönlich diejelbe mit einem Fleineren Detachement in der Front 
beunrubigen wollte Am frühen Morgen des 27. April jollte 
der Ungriff gleichzeitig von beiden Seiten ber erfolgen. In 
der Nacht erjchien Adlercreug mit nur 150 Mann, welche 
mehrere Stunden lang die Aufmerkſamkeit des Feindes ab- 
lentten, bis fie um 6 Uhr zum Rüdzug genötigt wurden. 
Adlercreug benachrichtigte Eronftedt hiervon, in der Meinung, 
derjelbe werde nunmehr von dem Angriff abjtehen; allein jener 
ließ fich nicht abjchreden, jondern ging mutig auf den Feind 
[08, welcher einen beträchtlichen Zeil feiner Truppen Aodlercreuß 
entgegengeichict hatte und daher verhältnismäßig ſchwach war. 
Morgens 8 Uhr begannen Cronſtedts Savolaffer und Kare- 
lier den Anfturm gegen die Ruffen, welche in dem auf einer 
Anhöhe gelegenen Pfarrhof Pofto gefaßt hatten. Etwa 9 Uhr 
wurde dieſer Pla erftürmt, wobei ein heftiges Handgemenge 
entjtand. Jeder Widerftand erwies fich als vergeblih. Der 
ruſſiſche General jelber fiel verwundet in die Hände der Finn: 
länder, und feine ganze Kolonne wurde mit einem Verluft von 
600— 700 Mann auseinander geiprengt. Diefer durch bie 
Kühnheit Eronftedts und die Tapferkeit jeiner Soldaten er- 
fochtene Sieg hatte wichtigere ftrategiiche Folgen als der Kampf 
am Siifajofi. Die Feinde, deren Schlachtlinie durchbrochen 
war und die nahe daran waren, umgangen zu werden, mußten 
in Eilmärjchen nah Gamla Karleby rien, wo Rajewsti und 
Tutſchkow vorläufig blieben, während Klingipor vorfichtig und 
langjam ihnen folgte. 

Jetzt eröffnete fih eine neue Siegesbahn für die finnische 
Armee, welche nach langen Leiden und Mübjalen mit frober 
Hoffnung an die Wiedereroberung ihrer Heimatsorte in Mittel- 
finnland ging. Allein die Freude wurde bald durch die trüben 
Nachrichten gedämpft, melde aus Südfinnland anlangten. 


Sieg von Revolals (27. April). Übergabe von Svartbolm (18. März) 485 


Während die Armee den alten Ruf finnischer Treue und Mann: 
baftigfeit mit Ehren wahrte, hatte in den Feſtungen am finni— 
ſchen Meerbufen der Verrat fein Spiel getrieben und dieſelben 
faft ohne Schwertjtreich in die Hände des Gegners gebracht. 

Burxhövden Hatte eingejehen, daß alle jeine Erfolge nur von 
geringer Dauer jein fünnten, wofern nicht Sveaborg und 
Spartholm, welche beim Anbruch des Sommers einen feſten 
Stüßpunkt für die ſchwediſchen Hilfstruppen bieten follten, in 
jeine Hände fümen. Er behielt daher den größten Zeil feiner 
Zruppen im füblichen Teil des Landes und jehritt unmittelbar 
zur Belagerung der beiden Feſtungen. 

Das bei der Grenze gelegene Svartholm hatte eine Be— 
jagung von ungefähr 700 Mann und entbehrte weder der Muni— 
tion noch der Yebensmittel, jo daß ſich ein langer Wiberftand 
hätte erwarten lajjen, zumal da e8 dem rujfiichen Belagerungs- 
corps von etwa 2000 Mann unter Generalmajor Muchanow 
an Belagerungsartilferie fehlte. Die Gegner unternahmen 
deshalb auch nicht einmal einen Scheinangriff gegen die Feſtung; 
hingegen waren jie um jo gejchäftiger in der Eröffnung von Ka— 
pitulationsunterhandlungen. Anfangs wurden ihre Forderungen 
abgewiejen; aber nach weiterem PBarlamentieren jowie nach einer 
mehrtägigen Kanonade änderte man den Ton, und am 18. März 
wurde die noch völlig unverjehrte Feſtung mit Kanonen, Pro— 
viant und Munition von dem Befehlshaber, Major Karl 
Magnus Gripenberg, an den Gegner ausgeliefert. Die Truppen 
wurden als Kriegsgefangene betrachtet; doch durften die Finn— 
länder in ihre Heimat zurückehren. Ein ruffiiher Verfaſſer 
jagt: „Aus der Korrejpondenz des Grafen Buxhövden läßt ſich 
ihließen, daß bei der Eroberung Svartholms diejelben Mittel 
wie bei Speaborg zur Anwendung gelangten, wenngleich zuver- 
läffige Beweife hierfür nicht aufzufinden find“. Daß ein ernt- 
licher Widerftandsverjuch nicht erfolgte, kann vielleicht als ein 
Beweis für die Schuld des Kommandeurs aufgefaßt werben, 
welcher übrigens jelber anerkannt hat, daß der Einfluß Göran 
M. Sprengtportens auf feine Handlungsweiſe einwirkte ?). 


1) gl. „Historiallinen Ark.“ VIII, 367 (Helfingfors, 1884). 


486 Fünfte Periode. Die Zeit Guſtavs II. und Guſtav IV. Abolfe. 


Einige Tage jpäter fielen die Küfte von Südweſtfinnland 
und der Schärengarten in die Hand der Ruſſen. Die Heinen 
Baftionen auf den Feljeninjeln bei der Hangder Landzunge er- 
gaben fi am 21. März, und am nächſten Tage bejegten die 
Ruffen Abo, welches nach Verbrennung der Ranonenjchaluppen 
und Fahrzeuge der Schärengartenflotte jowie nach Vernichtung 
des jonftigen Kriegsmaterial® von ber ſchwachen Bejakung 
geräumt worden war. Anfang April landeten 700 Mann 
unter Oberft Wuitjch auf Aland und beſetzten, ohne auf Wider— 
ftand zu ftoßen, die äländijchen Injeln. Sogar Gotland wurde 
von den ruffiichen Truppen occupiert. 

Die Hauptaufmerkjamkeit war inbeffen auf Speaborg ge- 
richtet, welches jett zum erjtenmal von feiner Widerftandsfraft 
gegen einen feindlichen Angriff Probe ablegen jollte. Admiral 
Cronſtedt Hatte feine Anftalten zur Verteidigung oder Zer- 
ftörung von Helfingfors getroffen, jo daß dieſe Stadt am 2. März 
faft wiberftandslos in die Hand der Wuffen geriet und in 
einen Waffenplag für die Belagerungstruppen des Feindes ver- 
wandelt wurde. Ebenjo verabjäumte Eronftebt, einen Ausfall 
aus der Feſtung zu machen, was beim Beginn der Belagerung, 
wo bie Nuffen keineswegs zahlreich waren, mit gutem Erfolg 
hätte gejchehen fünnen, während jpäter die Belagerungsarmee 
auf etwa 6500 Mann anwuchs. Hingegen zeigte Eronjtebt 
großen Eifer, die Feftungswerkte an den ſchadhaften Stellen 
auszubefjern. 

Die Belagerungsarbeiten jtanden unter Leitung des General- 
lieutenants Paul v. Suchtelen, welcher die Feſtung vom 19. 
bi8 zum 21. März ununterbrochen bejchießen ließ. Letztere 
antwortete mit lebhaften Gejchügfeuer, welches die Ruſſen 
nicht wenig behelligte. Hierdurch wurde Suchtelen zur Er- 
öffnung von Verhandlungen mit Cronſtedt veranlaft. Er 
machte demjelben, angeblich von dem Wunjch bejeelt, die Stadt 
vor Zerftörung zu retten, ven Vorjchlag, daß die Beſchießung 
von ber Feitung aus aufhören jolle, wogegen ſich die Auffen 
dazu verpflichten wiürben, auf der Stabtjeite feine Batterieen 
aufzumwerfen. In der That willigte Eronftebt barein, obwohl 


Die Belagerung von Sveaborg. 487 


durch eine jolche Übereinkunft den Ruſſen erfichtliche Vorteile ein- 
geräumt wurben, indem fich diefelben nunmehr der gewiffermaßen 
neutralifierten Stabt ungeftört für ihre Zwecke bedienen konnten. 
Während der Konferenzen, welche bei diejer Gelegenheit ftatt- 
fanden, hatte Suchtelen, wie er jelbft jagt, gemerkt, daß „bie 
moralijche Kraft einiger jchwebiicher Befehlshaber nicht der that- 
jächlichen Widerftandsfähigfeit der Feſtung entiprach“, eine Ent- 
bedung, „welche ihm als Leitftern bei den Maßnahmen diente, 
durch welche er die Übergabe der Feftung bejchleunigte“. Sein 
Helferspelfer war hierbei namentlih der Hofrat Hagelftröm, 
ein Schwede, welcher in ruſſiſche Dienfte getreten war und 
wohl ſchon jeit langer Zeit Verbindungen mit Offizieren ber 
Feſtung unterhielt ). Auch Helene Charlotte Reuterjtjöld, die 
Gemahlin des Kommandeurs auf dem Fort Lilla Ofter Svartö, 
Hauptmann Karl Wilhelm Reuterſtjöld, veranlaßte zahlreiche 
Offiziere, wider das Gebot der Pflicht zu handeln ?). 

An 28. März begann die Ranonade von neuem und währte 
bis zum 1. April, jedoch ohne die Feftung zu beichädigen; auch 
juchten die Gegner durch Heine, aber lärmende Scheingefechte, 
welche bejonders zur Nachtzeit erfolgten, die Bejatung zu be— 
belligen und zu ermüben. Zugleich wurden aus dem ruffijchen 
Hauptquartier an den Kommandanten unabläffig Zeitungen und 
Nachrichten überjandt, welche Berichte von der unglüdlichen Lage 
Schwedens enthielten. Bulletins vom ruſſiſchen Heere, Profla- 
mationen, Samilienbriefe, kurz alles, was die Sinne in Erregung 
verjegen konnte, wurde täglich in der Feſtung verbreitet und neue 
gierig gelefen. Bald jcheute man fich fogar nicht, unter die Offi- 
ziere, bejonders die Negimentsfommandeure, bedeutende Geld— 
jummen zu verteilen. Wer die Männer waren, die auf jolche Weiſe 
bie ſtärkſte Feftung ihres Vaterlandes und ihre perjönliche Ehre 
verfauften, ift nicht befannt geworden. Klar jcheint jedoch zu 


1) Über das Verhalten desfelben vgl. „Finsk Tidskrift“ XIX, 293 
(Helfingfore, 1885). 

2) Bol. 3. R. Danieljons Mitteilungen in der Zeitichrift „Valvoja“ 
III, 510 (Helfingfors, 1883) fowie „Sveriges krig 1808 och 1809“ II, 
286—365 (Stodholm, 1895). 


488 Fünfte Periode. Die Zeit Guſtavs III. und Guſtav IV. Adolfs. 


fein, daß unter den Anhängern der ruſſiſchen Interefjen in ber 
Feſtung der Oberft Friedrich Adolf Yägerhorn, ein begabter 
Mann und Bruder des früher genannten Revolutionäre Johann 
Anders Yägerhorn, die leitende Perjönlichfeit war. Derſelbe 
befand fich ftetS im Gefolge jeined Verwandten Eronftedt und 
ipielte überall die Rolle eines vertrauten Ratgeber besjelben. 
Sein Name deutet auch darauf bin, daß zwifchen ben ver- 
räterifchen Umtrieben auf Speaborg und den Selbjtändigkeits- 
plänen in den achtziger Jahren des 18. Jahrhunderts ein un— 
mittelbarer Zufammenbang bejtand. Cronſtedt, welcher jpäter 
von der rujfiichen Regierung belohnt wurde, jcheint während 
der Belagerung feine Geldgejchente angenommen zu haben. 
Allein Suchtelen wußte fich geichiett des Umftandes zu bedienen, 
daß jener jeit langem mit der am uber befindlichen Negie- 
rung in Schweden und mit dem von berjelben befolgten poli= 
tiſchen Syftem unzufrieden war, um bie Treue des unzuver— 
läffigen Mannes zum Wanten zu bringen. Auch jchredte er 
ihn durch Drohungen inbetreff der Zerftörungen, welche eine 
fortdauernde Kanonade in der Feſtung verurjachen würde, jo- 
iwie inbetreff des Schickſals, welches feinen eigenen, in ber 
Feſtung eingejchloffenen Angehörigen bevorftände '). 

Nah Hinreichender Bearbeitung der Stimmung innerhalb 
der Feſtung entjandte Suchtelen am 2. April einen Parla- 
mentär, um Eronftedt zur Kapitulation aufzufordern, und zwar 
jollte zwiichen Belagerern und Belagerten ein Waffenftillftand 
bis zum 3. Mai ftatthaben und an letzterem Tage die Über- 
gabe der Feſtung erfolgen, wofern bis dahin fein Entjag ein- 
getroffen wäre. ALS diefer Vorschlag noch an demjelben Tage 
dem bauptjächlich aus den Regimentstommandeuren beftehenden 
Kriegsrate vorgelegt wurde, erhoben einige der Anwejenden 
Einſprache; aber der Kommandant unterbrach fie mit eifrigen 
Vorftellungen über die jehwierige Lage der Feltung, ihren un— 
genügenden Kugelvorrat, die mangelhafte Übung der Truppen 
jowie die immer heftigeren Angriffe des Gegners, und bewies 


1) P. v. Sudtelen, Kriget mellan Sverige och Ryssland ären 
1808 och 1809, p. 54—70. 


Die Kapitulationsverbandlungen über Sveaborg. 489 


hierdurch, wie lebhaft fein Wunjch nach einem Abjchluß der 
Kapitulation war. Am nächften Tag, an welchem bie Ent- 
ſcheidung erfolgen follte, wollten jich die Obriften Wärnbjelm, 
Gutowsky fowie einige andere dem Vorjchlag widerjegen, wur- 
den jedoch von dem Kommandanten jowie Oberjt Jägerhorn 
niebergejchrieen. Der letztere drohte jogar mit gerichtlicher 
Ahndung, wofern die Annahme der Kapitulation nicht er- 
folgen würde. Unter ſolchem Drude vonfeiten des Höchit- 
fommanbdierenden und jeines Vertrauensmanne® nahm man 
den Vorſchlag jchlieglih im Prinzip an und unterzog darauf 
die angebotenen Bedingungen einer Prüfung im einzelnen. 
Cronſtedt juchte zu beweifen, daß die Ankunft von Entjat- 
truppen aus Schweden bis zum 3. Mai möglich fei, und er- 
wirkte durch feinen Einfluß die Annahme diejes Hauptpunftes. 
Noh größer wurde die Unruhe, als der Kommandant die 
Forderung des Feindes mitteilte, daß die Heineren Injelfeftungen 
Laͤngörn, Lilla Ofter Svartö und Wefter Spartö, als Unter: 
pfand für den Waffenftillftand, ſofort abgetreten werben 
jollten. Aber auch bier wurde jegliche Oppofition durch das 
energijche Eingreifen Eronftebts und Jägerhorns zum Schweigen 
gebracht. So fam es denn dahin, daß der Kriegsrat die ruf- 
ſiſchen Bedingungen en bloc annahm, jo daß nur noch bie 
Unterzeichnung der Kapitulation erübrigte, was am 6. April 
auf der Injel Laͤnnan, außerhalb der Feltung, geſchah. Wofern 
bi8 zum 3. Mat 12 Uhr Mittags ein jchwebijches Hilfs— 
geſchwader von mindeftens fünf Linienjchiffen in den Hafen 
von Speaborg nicht eingelaufen wäre, follte die Feſtung den 
Ruffen überliefert werden; ferner jollte die Räumung der oben- 
genannten Eleineren Injeln jofort erfolgen ). 

Das Meer bei Sveaborg ift felten vor dem 3. Mai völlig 
eißfrei, und es war daher faum denkbar, daß eine jchwebijche 
Flotte bis zu diefem Zeitpunkt in den Hafen der Feltung zu 


1) Detaillierte Auffchlüffe über die Belagerung und ben Fall von 
Speaborg giebt das von I. DO. I. Ranken im „Historiallinen Ark.“ 
VI, 71—98 (Helfingfors, 1878) publizierte Tagebuh bes Majors 
v. Hauswolff. 





4M Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolie. 


gelangen vermochte. Der Bertrag bedeutete mithin dasjelbe 
wie eine Übergabe von Speaborg. Cronftedt und feine Ge 
finnungsgenoffen dachten denn auch nicht mehr an Verteidigung, 
jondern einzig daran, ihre Untergebenen an einem Bruch des 
Übereinfommens zu verhindern. Die Stimmung unter den 
Subalternoffizieren und ber Mannſchaft wurde nämlich befto 
erbitterter, je näher der Tag ber Übergabe heranrüdte. Unter 
den Offizieren war mehrmals von Meuterei und Gefangen: 
nahme bes Kommandeurs die Rede; aber das Anjehen, welches 
derjelbe jeit langem genoß, ſowie Mangel an Einigkeit hinderte 
die Ausführung eines folchen Planes. Freilich konnte Eron- 
ftebt in den legten Tagen nur durch Verhaftungen in größtem 
Mapftabe feine Autorität aufrecht erhalten. Im den Tagen 
vom 4. biß 6. Mai räumten die Truppen die Feſtung. „Ver— 
zweiflung und Trauer war auf den Angefichtern der Menge 
zu leſen; Offiziere, Gemeine, Frauen, alle weinten fie“: jo 
berichtet ein Augenzeuge. Die ſchwediſchen Soldaten blieben 
Kriegsgefangene, während die finnifchen in die Heimat zurüd- 
fehren durften. Die Zahl der Mannfchaften, welche das Ge- 
wehr ftredten, belief fih auf 6000—7000 Mann; auch fielen 
2000 Kanonen nebjt bedeutenden Proviant- und Munitions- 
vorräten in die Hand der Ruſſen. Seiner Inftruftion zumider 
hatte Cronſtedt jogar die Verbrennung der im Hafen liegenden 
Schärengartenflotte unterlaffen, jo dag 110 Sriegsfahrzeuge 
eine Beute des Gegners wurden. 

In Finnland und Schweden vernahm man die Nachricht 
von diefem Greigniffe mit Beftürzung und Erbitterung. Eron- 
jtebt wurde vor einem Kriegsgericht angeklagt, ftellte fich jedoch 
demjelben nicht, jondern juchte fein Verhalten nur in einer 
ihwachen Verteidigungsjchrift zu rechtfertigen. Er lebte fortan 
bi8 zu jeinem Tode (1820) auf Hertonäs bei Helfingfors, 
gebeugt durch die Verachtung, deren Gegenftand er war. In 
Petersburg wurde hingegen ein raufchendes Siegesfeft anläßlich 
der Kapitulation Sveaborgs gefeiert. Das Wert Peters des 
Großen war vollendet, der Schlüffel Finnlands in den Beſitz 
der Rufjen gelangt. 


Die Übergabe von Sveaborg (Mai 1808). 491 


Bereits vorher Hate der ruffiiche Hof feine wahren Ab- 
fichten verraten und am 28. März ein Manifeft erlafien, worin 
u. a. bie nach dem Einfall der Ruſſen erfolgte Verhaftung des 
rufſiſchen Gejandten Alopäus zu Stodholm als Urfache des 
Krieges bezeichnet, jowie gleichzeitig erklärt wurde, daß das 
eroberte finnijche Gebiet für alle Zeiten mit dem rujfifchen 
Reiche vereinigt bleiben und daher den Bewohnern der Eid 
der Treue abgeforbert werben jolle. Eine weitere Profla- 
mation vom 31. März verbieß, daß „in dem jett eroberten 
Finnland nicht das in Rußland übliche Rekrutierungsipften 
eingeführt“, ſondern die finnische Urmee, nachdem die Bevöl— 
ferung Finnlands den Treu- und Huldigungseid geleiftet hätte, 
unverändert auf dem alten Fuß beibehalten werben ſolle. Der 
Sieger behandelte das Land nunmehr wie fein Eigentum, und 
unter Androhung harter Strafen wurde die Bevölkerung ge- 
zwungen, auf den Thingen, in ben Kirchen oder an anderen 
öffentlichen Orten ihm Treue zu ſchwören. 

Anfang Mai 1808 waren mithin die Ausfichten fiir Finn— 
land und deſſen jehwer geprüfte Bewohner die allertrübiten. 
Faft das ganze Land fowie alle Feftungen befanden fich in der 
Hand des Gegners. Hoch im Norden ftand ein Heer, welches 
allerdings Proben von Mannhaftigkeit und unerjchütterlicher 
Baterlandsliebe abgelegt hatte, jedoch allzu jchwach erjchien, um 
wiederzugewinnen, was verloren gegangen war. Und doch gab 
e8 noch eine Möglichkeit, eine beffere Wendung herbeizuführen. 
Mit Eintritt des Sommers war es nämlich leicht, Entjag- 
truppen nach Finnland zu bringen und mit verftärkter Kraft 
den Kampf wieder aufzunehmen. Wir werben indeffen jehen, 
daß auch diefe Hoffnung an den wenig zwedmäßigen Maß- 
nahmen Guſtavs IV. zu Schanden mwurbe. 

Nah dem Siege bei Revolals zog Klingfpor mit vier 
Brigaden (zufammen 10000 Mann) nah Süden; aber jein 
Bortrab gelangte nicht weiter als bis Himango im nordweſt— 
lihen Winkel der Provinz Waja, wo der Vormarjch aufhörte, 
da die jchlechte Bejchaffenheit der Wege infolge Auftauens des 
gefrorenen Erbbodens jowie infolge Austretens der Flüffe und 


492 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guſtav IV. Adolfs. 


Ströme unüberwindlihe Hinderniffe zu bereiten jchien. Die 
Armee blieb deshalb ſechs Wochen in ihrer Pofition bei Hi- 
mango und nördlich davon, während das nur etwa 5000 Mann 
ſtarke rujfiiche Heer ruhig in Gamla Karleby auf Verftärkung 
wartete. Inzwiſchen war eine neugebildete fünfte Brigade 
(etwa 3000 Mann) unter Oberjt Sandels von der Haupt: 
armee betachiert und auf den Weg von Kuopio nach Uleäborg 
beordert worden. Während der größte Teil behufs Einerer- 
zierung zurüd blieb, marjchierte Sandel8 mit dem Reſt (gegen 
1300 Mann) weiter vorwärts, wobei fich herausstellte, daß 
die durch die Jahreszeit und die jchlechte Beſchaffenheit der 
Wege verurjachten Hinderniffe durchaus nicht unüberwindlich 
waren. 

Bei Pulkkila ſtand ein ruffiiches Detachement von 500 Mann 
unter Oberſt Obuchow, welches infolge des Rückzugs der ruj- 
fiihen Hauptarmee in eine ijolierte Pofition geraten war. 
Diefen Umftand benußte Sandels, indem er am 2. Mai bie 
feindliche Abteilung von 400 Mann unter Major Fahlander 
umgehen ließ, während er perjönlich diejelbe gleichzeitig mit 
einem etwas geringeren Trupp von Norden und Oſten ber 
angriff. Vergebens juchte fich Obuchow durchzujchlagen. Sein 
ganzes Detachement wurde teil® niedergemacht, teils gefangen 
genommen, und er jelbjt mußte fich, verwundet, ergeben. Diejes 
Gefecht, wo nur verhältnismäßig geringfügige Truppenabtei- 
lungen gegeneinander fämpften, hatte wichtigere Folgen als bie 
meijten anderen Treffen während des Krieges. Der Weg über 
Idenſalmi nach Kuopio ftand nunmehr Sandels offen, und 
biejer zögerte nicht, fich feines Vorteils jchnell zu bedienen. 
Unter Zerftreuung Eleinerer ruffischer Datachements jowie Ab- 
fangung ruſſiſcher Vorräte erreichte feine Vorhut am 6. Mat 
Idenſalmi. Hier jchloffen fih Bauernicharen freiwillig an, 
das erſte Zeichen der Volkserhebungen, welche jpäter überall 
ftattfanden, wo nur immer die Bauern imftande waren, bie 
Waffen zu ergreifen. Hierauf jandte Sandels eine Abteilung 
von 150 Mann unter dem Hauptmann Karl Wilhelm Malm 
nach Kuopio. Berftärkt durch etwa 300 mit allerlei Waffen 


Sandels’ Sieg über Obuchow (2. Mai 1808). 493 


ausgerüftete Bauern, überrumpelte derſelbe am 12. Mai die 
in jener Stabt befindliche ruffiiche Beſatzung, welche mehr als 
300 Mann nebjt beträchtlichen Vorräten einbüßte. Kaum 
hatte Sandels von der fühnen That Malms Kunde erhalten, 
jo eilte er ihm mit feiner ganzen Brigade zuhilfe. Bon 
Kuopio, wo er am 20. Mai anlangte, marjchierte er in ſüd— 
licher Richtung nah Warkaus und entjandte Malm weiter in 
das ſüdweſtliche Savolafs, wo bdiefer bis in die Nähe von 
St. Michel vordrang. Gegen Ende Mai waren mehr als 
1000 Ruſſen getötet, verwundet oder gefangen genommen, be- 
deutende Kriegsvorräte abgefangen fowie der größte Teil von 
Savolafs von Feinden gefäubert. Dieſer fchnelle Vormarjch 
beunruhigte die rujfiichen Generale um jo mehr, als die Volts- 
erbebung mit jedem Tage größere Ausdehnung gewann. Die 
Bauern bewaffneten fich mit Knütteln, Senfen und alten Flinten, 
und orbneten fich jcharenweije unter dem Kommando von Offi- 
zieren und Gemeinen, die aus den preisgegebenen Feſtungen 
heimgeſandt waren, aber jet von neuem zu den Waffen griffen. 
Durch die unerwarteten Erfolge Sandels' erfchredt, traf Bur- 
bövden Anftalten zur Konzentration beträchtlicher Truppen— 
maffen in Savolaks. Bald rüdten etwa 8000 Mann unter 
dem enerallieutenant Barclay de Tolly gegen die zerftreuten 
und jchwachen Detachements Sandels’. Diefer fammelte jchleu- 
nigit jeine Brigade und retirierte mit ihr unter zahlreichen 
Gefechten bis zum Toivala-Paß, nördlich von Kuopio, wo er 
in einer gut gewählten Pofition mit einer Heeresmacht von 
etwa 2500 Mann mehrere Monate Hindurch ber feindlichen 
Übermacht trogte. Am 19. Iuni hielt Barclay de Tolly feinen 
Einzug in Kuopio, wo er zunächſt Halt machte. 

Während Sandel8 unerfehroden in Savolaks vorbrang, 
fpielten fich gleichzeitig auf Aland Vorgänge ab, welche den 
Nuffen in nicht geringem Maß Abbruch thaten. Die dortigen 
Befehlshaber Hatten nicht berücjichtigt, daß das Eis auf dem 
Alandsmeer auseinandergetrieben werden und fich infolge deſſen 
die Möglichkeit einer Hilfsjendung aus Schweden barbieten 
würde, während das Eis auf der finnijchen Seite nicht trag- 


494 Fünfte Periode. Die Zeit Guſtavs IH. und Guftan IV. Adolfs. 


fähig wäre, jo daß fie fich weder auf das Feſtland zurückziehen 
noch von dort Entfag erhalten könnten. Diejer Mangel an 
Borausficht rächte ſich ſchwer. Am 6. Mai erjchienen drei 
Heine ſchwediſche Kriegsfahrzeuge unter Lieutenant Kapfelmann 
bei der füdlichen Spige der Injel, während gleichzeitig Pro- 
Hamationen verbreitet wurben, welche zur Grbebung auf: 
forderten. Dies wirkte auf die friedlichen Injelbewohner gleich 
einem zündenben Funfen. Zwei beherzte Männer, ver Oberpolizei- 
beamte Erich Aren in Finftröm und der Pfarradbjunft Heinrich 
Johann Gummerus in demjelben Kirchipiel, ftellten fich an bie 
Spite des gemeinen Mannes, der am 6. und 7. Mai in allen 
Kirchſpielen Alands zu den Waffen griff und die zerftreuten 
ruffiichen Poften zu Gefangenen machte. Inzwijchen befand fich 
die ruffiiche Hauptabteilung auf Kumlinge unter dem Kommando 
des Obriften Wuitſch, der die Gefahr erſt merkte, als ſich 
das Heine ſchwediſche Geichwader nahtee Am 10. Mai fam 
e8 hier zum Kampf zwijchen den Ruſſen, welche 470 Mann 
ftarf waren, und Kapfelmann ſowie den aͤländiſchen Bauern, 
welche von Gummerus und Aren befehligt wurden und beren 
Zahl fih auf 450 Mann belief. Unverzagt landeten bie 
Bauern, jchritten zum Angriff auf den Pfarrhof, welcher das 
ruſſiſche Hauptquartier bildete, und jagten den Feinden, bie fich 
von einer weit beträchtlicheren, regulären Qiruppenmacht be- 
droht wähnten, einen derartigen Schred ein, daß fie die Waffen 
nieberlegten und jich ergaben. Am folgenden Tage wurde ein 
ruffifcher Poften auf Brändö gefangen genommen. So wurbe 
durch die jchnelle Entjchloffenheit der Bauern der Aländifche 
Schärengarten innerhalb weniger Tage von dem Gegner ge: 
jäubert, was von nicht geringer Wichtigkeit war, da fich Lan- 
bungen an ber finnijchen Küfte mit Leichtigkeit auf den äländi- 
ſchen Inſeln vorbereiten ließen. Kurz darauf wurbe auch 
Gotland von den Schweden wiebererobert. 

Anläßlich dieſer Mißerfolge begehrte Buxhövden von Kaifer 
Alerander Verftärkungen. Er erhielt 11000 Mann, jo daß 
bie in Finnland befindliche ruſſiſche Heeresmacht auf 34000 
Mann ftieg. Indeffen verbefjerte fich hierdurch die Lage Bur- 


Die Säuberung bes Alänbiihen Schärengartens. 4% 


hövdens feineswegs, da ber größte Teil der neuen Truppen 
zur Hemmung des Vormarſches von Sandels in Savolaks 
verwendet wurde. Hingegen bot das Eintreffen des Sommters 
ben Schweben einige Vorteile, welche, wofern fie richtig ver- 
wertet worden wären, auf den Ausgang bes Krieges eine 
weſentliche Wirkung hätten ausüben fönnen. “Die vereinigte 
ſchwediſche und englifche Flotte beherrjchte das Meer; denn 
die ruſſiſche Flotte war, trog der BVerftärfung durch das in 
Sveaborg eroberte Gejchwader, verhältnismäßig ſchwach. Die 
Streitfräfte Schwedens hätten daher ohne jede Schwierigkeit 
nah Finnland Hinübergejchafft werden können. Außer ben 
regulären Truppen, bie fih auf 50000 Mann beliefen, hatte 
Guſtav IV. die aus 30000 Jünglingen im Alter von 19 bis 
25 Jahren beftehende jogenannte „Landwehr“ aufgeboten. Man 
hätte erwarten dürfen, daß ein beträchtlicher Teil dieſer Sol- 
baten Finnland zur Hilfe gejandt worden wäre; aber bies 
geſchah keineswegs. Hartnädig beharrte der König vielmehr 
auf jeinem Plan einer Landung an ber jeeländijchen Küfte 
jowie einer Eroberung Norwegens, und bildete zu diefem Zweck 
Armeeen in Südſchweden, während nur 5000 Mann nad 
dinnland gingen, welche zudem noch in verjchiedene Kolonnen 
geteilt waren. Obwohl Guftav jomit perjönlich eine wirkſame 
Unterftügung Finnlands bei defjen Kampfe verabjäumte, hoffte 
er viel von der finnifchen Bevölkerung, an welche die Auf: 
forderung erging, zu den Waffen zu greifen und dem Gegner 
auf alle Weife Schaden zuzufügen. Es unterliegt feinem Zweifel, 
daß Die patriotifche Opferwilligfeit der finnifchen Bauern ein 
jchweres Gewicht in die Wagjchale hätte werfen können, wenn 
fie mit Waffen und Munition verjehen und von zahlreichen 
regulären Truppen unterftügt worden wären. Aber weder das 
eine noch das andere geſchah. Zwar erhoben fich Hier und 
dort die durch die ruffiichen Befehlshaber ver Gewehre beraub- 
ten Bauern; aber ungeübt und faft unbewaffnet, fügten fie fich 
jelber zumeift mehr Schaden zu als dem Weine. 

Auf die Nachricht Hin, daß ein ſchwediſches Landungscorps 
in der Gegend von Wafa zu erwarten fei, entjchloß ſich Kling- 


496 Fünfte Periode. Die Zeit Guftaus III. und Guſtav IV. Adolfs. 


ſpor Anfang Juni zum Aufbruch mit feinen nunmehr aus— 
gerubten Truppen, deren Stärke fich auf etwa 9000 Mann 
belief. Am 8. Juni überrafchte Oberftlieutenant Otto v. Fieandt 
mit dem Vortrab bei Perho einen ruffischen Poſten und be- 
mächtigte fich großer Proviantvorräte. Dies fette Rajewski, 
welcher über beinahe 7000 Mann verfügte, dermaßen in 
Scähreden, daß er von Gamla Karleby feine Hauptmacht nach 
Waſa, Lillkyro und Lappo birigierte, während die Vorhut in 
Nykarleby blieb. Klingipor detachierte num eine Abteilung von 
ungefähr 700 Mann unter v. Fieandt auf den über Perho und 
Lintulats nach Iyväskylä führenden Weg, während er jelbit, 
wie gewöhnlich, langſam auf der Küftenftraße binterdreinzog. 
Am 24. Juni wich die ruſſiſche Vorhut unter Jankowitſch bei 
Nyfarleby nach kurzem Gefechte zurüd, worauf die finnijchen 
Truppen bis nach Oravais vordrangen. 

Gleichzeitig landete ein Corps von 1100 Mann unter dem 
Generaladjutanten Bergenfträle nördlich von Waja und rüdte 
am 25. Juni in die Stadt, wo ein heftiges Handgemenge 
entftand. Diejer erjte Yandungsverfuh mißlang jedoch, da 
das ruffiiche Detachement in Wafa zahlreiche Entjagtruppen 
erhielt. Diejelben nötigten die Schweden zum Rückzug und ftraf- 
ten durch gewaltjame Plünderung wie graufame Mißhandlung 
die ftädtifchen Bewohner, welche, wie fie glaubten, in geheimer 
Verbindung mit den Yandungstruppen gejtanden. Im Zus 
jammenbang hiermit loderte die Flamme des Bauernfrieges 
in den Kirchipielen an der jüdlichen Küſte Oſterbottens auf. 
Schon bei der Yandung hatten fich einige Hundert Bauern 
Bergenfträle angejchloffen; aber eine noch größere Ausdehnung 
gewann dieſe Bewegung dadurch, daß eine Schar von 50 Dann 
unter Hauptmann Ridderhjerta und Lieutenant Jakobsſon mit 
einem Kriegsihiff nah Süden ging, um fih an die Spike 
der Erhebung zu ftellen. Innerhalb weniger Tage waren 
mehrere taufend, größtenteil® mit Senjen und Stangen be- 
waffnete Bauern in Solf, Malar und Nerpes auf den Beinen. 
Die Kofafen wurden überall, wo man auf fie ftieß, überfallen 
und auch Standesperjonen, welche den von den ruffiichen Be— 


Die Bauernerbebungen und Landungsverſuche im Sommer 1808. 497 


fehlshabern vorgejchriebenen Eid geleiftet hatten, eingejperrt 
Nachdem die Bauern auf ſolche Weife über ein umfangreiches. 
Gebiet Herr geworden, legten jie in Solf und am Finby— 
fluffe Berichanzungen an; aber in Ermangelung jeglicher Unter- 
ftügung jeitend der Hauptarmee wären fie völlig überwältigt 
worden, wofern nicht der Feind, in der Annahme, daß ihre 
Erhebung von einem größeren regulären Truppendetachement 
unterftügt würde, fie lange in Frieden gelafjen hätte. Erft am 
20. Juli erfolgte ein ernftlicher Angriff gegen die an ber 
Finbybrücke befindliche Abteilung. Boll Schreden flüchteten 
die Bauern vor den gefürchteten Koſaken; glüdlicherweije kam 
indeſſen jchließlich eine Kompagnie regulärer Soldaten ihnen 
zubilfe, jo daß die Finnländer den Platz behaupteten. 

Einige Tage vor dem Gefecht bei Waja wurde ein Lan 
bungsverjuch in der Nähe von Abo gemacht. Unter dem 
Schut eines aus Kanonenbooten und anderen Heinen Fahr⸗ 
zeugen beftehenden Geſchwaders landete am 19. Juni ein 
Corps von mehr als 2000, jedoch größtenteild ungeübten Sol- 
daten dreiviertel Meilen füdöftlich von Abo an der Landzunge 
von Yemo. Führer des Detachements, welchem fi” Bauern 
aus den Infeltirchipielen anjchloffen, war der tapfere General- 
major v. Vegefad. Die Schweden rüdten eilig vorwärts, 
ftießen jedoch am Abend auf eine ruſſiſche Kolonne, jo daß fich 
während der hellen Sommernacht ein heftiger Kampf entipann, 
welcher nur um Mitternacht eine anderthalbftündige Unter- 
bredung fand. Trotz des mörberifchen Kugelregens avancierten 
die Schweden unabläffig und ftanden bereits in der Nähe von 
Abo, als die Ruffen am Morgen des 20. Juni fo beträdt- 
liche Verſtärkungen erhielten, daß fich v. Begejad wieder ein- 
ihiffen mußte. Hier, gleichwie bei Waja, war das Landungs⸗ 
corps allzu ſchwach gewejen, um etwas Wejentliche® ausrichten 
zu fönnen. 

Dieje Ereigniffe zeigten, daß das finniſche Hauptheer auf 
eine einigermaßen bebeutende Diverfion nicht rechnen fonnte; 
und in der hierdurch veranlaßten Unjchlüffigkeit hat man bie 
Erklärung dafür zu juchen, daß Rlingipor und — ob⸗ 

Schybergſon, Geſchichte Finnlande. 


498 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guſtav IV. Adolfs. 


wohl fie der Armee Rajewskis überlegen waren, dennoch mehrere 
Wochen unthätig blieben. Auf ihrem linken Flügel zog fich 
v. Fieandt nach einer Niederlage bei Lintulaks (3. Juli) nach Perhe 
und fpäter auf Ofver Wetil zurüd. Gleichzeitig marjchierte 
Rajewski an den wichtigen Straßenfreuzungspunft bei Yappo 
Storby, wo er jeine Kolonne konzentrierte. Adlercreug erkannte, 
daß ein energifcher Angriff gegen Rajewskis Poſition gleich- 
zeitig diefen zum Rückzug nötigen und v. Fieandt Luft machen 
fönne, und trog der Bedenken Klingſpors wußte er mit jeiner 
Anficht durchzudringen. Rajewski war mit etwa 1500 Mann 
im Vormarſch begriffen, als er (14. Juli) auf Adlerereutz 
jtieß, dejien Stärke etwa 6000 Mann betragen haben bürfte. 
Den Savolakſer Truppen unter Cronſtedt, welche den Kampf 
eröffneten, gelang e8, die Gegner bi8 an das Dorf Lappo 
zurüdzumwerfen, von wo diejelben durch v. Döbeln mit den Björne- 
borgern nach einem furchtbaren Handgemenge vertrieben wurden. 
Rajewski wählte nunmehr, um nicht umgangen zu werden, eine 
neue Stellung und zog fich jpäter, als er bemerkte, daß jich 
das gejamte finnijche Heer zu einem meuen Angriff oronete, 
geihicdt auf den nah Tammerfors führenden Weg zurüd. 
Sein Berluft belief fih auf 400 Mann, während die Finnen 
180 Mann eingebüßt hatten. Nicht der Verluſt auf beiden 
Seiten ijt e8 jedoch, welcher das Treffen bei Yappo zu einem 
der bemerfenswerteften Greigniffe des Krieges macht, jondern 
vielmehr die vorteilhafte Stellung, welche das finnijche Heer 
jetst gewann. Rajewski, deſſen numerifche Schwäche offen zu— 
tage getreten war, zog in Gilmärjchen nach Kuortane und 
Alavo. Die Schwache Abteilung v. Fieandts wurde vom 
feindlihen Drud erlöft und war wiederum imftande, vor— 
zurüden. Während der Streit bisher dem Beſitz von Nord» 
finnland gegolten Hatte, waren es nunmehr die bevölferten 
Diftrifte von Mittelfinnland, die fich den tapferen Kriegern bei 
ihrer Umkehr öffneten. 

Wie jehr der Erfolg auch im ben Reihen der gemeinen 
Soldaten den Mut belebte und die Unternehmungsluft förderte, 
das erweijen die Unternehmungen, welche Feldwebel Joh. Jakob 


Die Siege von Lappo (14. Juli) und Alavo (17. Auguft 1808). 499 


Roth vom Björneborger Regiment und fein Kamerad, Feld— 
webel Karl Joh. Spof, in Scene festen. Mit nur 40 Mann 
zogen dieje beiden Männer nach Ruovefi, wo fie im Rüden der 
ryſſiſchen Armee mit Unterſtützung von Bauern ſowie von Sol- 
daten der Sveaborger Garnijon einen für den Gegner äußert 
gefährlichen Guerilfafrieg begannen, feine Transporte und Vor— 
räte wegnahmen und jeine Wachtpoften überrumpelten. In einigen 
Heinen Böten begaben fie ſich nach Viſuveſi, wo ein breiter 
Sund den Weg von Wafa nach Tammerfors freuzt. Nachdem 
fie bier die über den Sund führende Brüde in Brand gefteckt 
hatten, marjchierten fie auf verftedten Pfaden bis nach Ruoveſi, 
wo fie eine andere Brücke verbrannten, die am Ufer liegenden 
Kähne mit fi nahmen und von einer Fleinen Inſel aus 
häufig Streifzüge auf den Straßen der Umgegend unternahmen. 
Sogar das ruffiihe Detachement in Tammerfors wagten fie 
zu beunrubigen. Hierdurch wurde Rajewski von feinen Ver— 
bindungen abgejchnitten, jeiner Proviantmagazine beraubt und 
jein Rüdzug nad Tammerfors unmöglich gemacht. Er juchte 
daher feine Armee durch eine jchleunige Netraite über Iyväs— 
fylä nach Tawaſtehus zu retten; aber vor feiner Ankunft an 
letstgenannter Stelle wurde ihm der Oberbefehl entzogen und 
dem entichloffenen &enerallieutenant Kamensfi übertragen, 
welcher das Heer bei Jämſä Halt machen ließ. 

Im füdweftlichen DOfterbotten waren die zu einer georb- 
neten Landwehr organifierten Bauern durch eine Freiſchar 
unterftügt worden, welche Hauptmann Gyllenbögel auf Aland 
aus Aländischen Yandwehrmännern ſowie finnijchen Bauern 
formiert hatte. Gleichzeitig rückte eine Abteilung der Haupt- 
armee unter v. Döbeln vor, um jene Gebiete von Feinden 
zu fäubern, fiegte in einem Ffleinen Treffen bei Kauhajoki 
(10. Auguft) und vereinigte ſich im Kirchſpiel Lappfjärd mit 
Gyllenbögels Kolonne, worauf fih die Ruſſen unter Orlow- 
Denijow in die Richtung von Björneborg zurüdzogen. 

Dieje Offenſive im Südweſten veranlaßte Klingipor, welcher 
jeit dem 14. Juli unbeweglih in feinem Hauptquartier bei 


Lappo geblieben war, ebenfall® dazu, einen Schritt vorwärts 
32* 


500 Fünfte Periode. Die Zeit Guftaus III. und Guftav IV. Adolfs. 


zu thun. Um in dieſelbe Höhe mit den im Kirchipiel Rappfjärd 
vorrüdenden Truppen zu gelangen, erteilte er nämlich Adler— 
creuß den Befehl zur Bejegung von Alavo, wo die Ruffen, 
ermutigt durch Klingſpors Zaudern, von neuem Fuß gefaßt 
hatten. Am 17. Auguft fam es zum Gefecht bei Alano, wo 
Adlerereutz und Cronſtedt nach mehrjtündigem heißem Kampfe 
den Feind zum Weichen brachten und ihn bis nach Wirdois 
und Etjeri verfolgten. Auch nach diefem Siege gab Klingipor, 
jeiner Gewohnheit getreu, den Gegnern Gelegenheit, jich wieder 
zu jammeln und Verſtärkungen heranzuziehen. 

Nachdem wir der finmiichen Hauptarmee bis zum End— 
punft ihrer ehrenvollen, aber Furzen Siegeslaufbahn gefolat 
find, müſſen wir einen Blick auf die Borgänge werfen, die 
fich inzwifchen im fernen Oſten des ausgedehnten Kriegsichau- 
plaßes abgeſpielt hatten. 

Nachdem ſich Sandels Mitte Juni mit jeiner Brigade in 
die feſte Bofition bei Toivala zurüdgezogen Hatte, plante jein 
Gegner Barclay de Tolly mit jeiner Hauptmacht einen Zug 
nah Weften zur Berftärfung der Rajewskiſchen Kolonne. 
Allein durch die Wachſamkeit und Kühnheit Sandels’ wurde 
er an der Ausführung diefer Abjicht gehindert. Derſelbe 
ſchritt nämlich wiederholentlih zu Angriffen, welche dem 
Feinde Schreden einflößten und ihm die Vorftellung beibrachten, 
daß das Detachement bei Toivala bejonders ftarf jet. Im 
der Naht vom 25.26. Juni erfolgte bei Kuopio an zwei 
Stellen eine Landung; gleichzeitig bemächtigte ſich der kühne 
3. 3. Dunder eines großen feindlichen Transports, und am 
1. Juli wurde der Angriff auf Kuopio erneuert. Bei 
diefer Kunde machte Barclay de Tolly, welcher bereits im 
Abzuge begriffen war, fehrt und ſchickte nur eine kleinere 
Abteilung nach Weiten. Während des ganzen Sommers hielt 
darauf Sandel® mit jeiner nur aus 2000 Mann beftehenden 
Kolonne ein ruſſiſches Corps von 5000 Mann in Schadh, 
da der Gegner feinen ernftlichen Angriff gegen die Finnen 
wagte, welche in der Bejchaffenheit des Geländes, in der 
Ergebenheit der Bevölkerung und in der Belanntichaft der 


Sandels’ Verteidigung von Toivala (Juli bis Sept. 1808). 501 


Offiziere mit den Lokalverhältniſſen treffliche Bundesgenoſſen 
bejaßen. Allerdings wurde die Lage Sandels’ jchwieriger, 
nachdem es dem Gegner gelungen war, eine Flottille von 
Kanonenbooten in den Kallaveſiſee bineinzubringen; aber 
troßdem behauptete er jih bis Ende September in jeiner 
Stellung Militärjchriftjteller haben der Hartnädigen Ver-⸗ 
teidigung des Toivalapaſſes vor allen anderen ftrategifchen 
Unternehmungen während diejes Krieges den höchſten Preis 
zuerkannt. 

Die Verteidigung von Toivala hatte zur Folge, daß fich 
der Krieg auch auf das bisher verjchont gebliebene Karelien 
ausbehnte. Dort hatte der gemeine Mann beim Ausbruch 
des Krieges nach der Sitte der Vorfahren zum Schutze der 
Heimat einen Landſturm organifiert; und zwar geſchah Dies 
freiwillig, da ja jeit Errichtung der Farelifchen Jägerbataillone 
jede Verpflichtung dazu fortgefallen war. Im Februar und 
März verpflichteten fich die Bewohner der Kirchipiele Iſomants 
und Pielisjärvi zur Unterhaltung einer ftändigen Grenzwehr 
jowie zur Aufbietung aller Waffenfähigen bei der erften Kunde 
von einem Cinfall des Feindes. Cine Anzahl von Bajonetten, 
die jeit dem Kriege von 1788 — 1790 aufbewahrt worden waren, 
wurde bervorgeholt, der Kommandeur der Savolakſer Brigade, 
Eronftedt, lieferte Waffen und Munition zur Ausrüftung des 
gemeinen Mannes, und diejenigen Bewohner, denen feine 
anderen Gewehre zur Verfügung ftanden, begnügten fich mit 
Lotbüchſen. Der kühne, unternehmungsluftige Bauer Olof 
Tiainen übernahm im Verein mit dem jungen Gutsbefiger 
Iſaak Stenius die Führung der Bauernicharen. 

Die diejer Voltsbewaffnung innewohnende Gewalt fam zur 
Geltung, als die Ruſſen, welche das DVergebliche ihrer Be— 
mühungen in betreff Toivalas eingejehen hatten, einen Plan 
zur Umgehung diefer Pofition durch einen Seitenangriff von 
Karelien aus entwarfen und demgemäß dem Generalmajor 
Alerejew den Befehl erteilten, von Sorbavala über Pelgjärvi 
in jene Landſchaft zu ziehen. Kaum war nämlich die Kunde 
biervon zu den Ohren Tiainens gebrungen, jo bot berjelbe 


502 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guſtav IV. Adolfjs. 


feine Scharen auf und dirigierte fie nah Mönninvaara, auf 
dem Wege von Joenſuu nach Pielisjärvi, wo fie am 31. Juli, 
unter dem Schuge von Noggenfeldern und Gebüjchen, eine 
anrücende feindliche Kavalleriefolonne angriffen und in Die 
Flucht jagten. Indeſſen war es nur der rechte gegnerijche 
Flügel, welcher bier zurüdgejchlagen wurde, während Die 
Hauptmacht Alerejews über den Pielisflug und Joenſuu nach 
Weiten z0g 8. W. Malm, der zur Abwehr der hier dro- 
benden Gefahr mit 240 Dann und einigen Kanonen von 
Sandels den Bauern zur Hilfe gejandt wurde, erfüllte jchnell 
den ihm gewordenen Auftrag Mit Unterftügung von 
400 Bauern jiegte er am 10. Auguft bei der Kirche von 
Pelgjärvi, worauf Alerejew nach Sorbovala zurüdwich, während 
Malm gegen die Ufer des Ladogaſees vordrang. Yange wagte 
er jedoch nicht im diejer vorgejchobenen Pofition zu bleiben, 
jondern zog fich, in Erwartung erneuter Angriffe von jeiten des 
Veindes, über die ſchwediſche Grenze zurüd. Als die Ruſſen 
zwei Wochen jpäter mit bebeutend jtärferen Streitkräften 
nabten, retirierte er zunächft wor der Übermacht nach Joenſuu, 
wo er fich während einer Woche verteidigte, und wich dann, 
von mehreren Seiten bedroht, nah Taipale zurüd, wo er 
eine Verſtärkung von etwa 300 Mann erhielt. Hier trogte 
er, gleichwie Sandels bei Toivala, dem Feinde, bis die 
Sandelsſche Brigade den Rüdzug begann. Nicht minder hart- 
nädig hielten Tiainen, Stenius und deren Bauern öſtlich von 
Pielisjärvi ftand. Am 9. September wurden fie bei Worna 
von den Ruſſen unter Oberſt v. Gerngroß zum Weichen 
gebracht, jchlugen denjelben jedoch bereit8 am 11. September 
bei Jauhiainen zurüd. Ihr energifcher Widerftand ſchreckte die 
Ruſſen von weiteren Angriffen auf Schwedijch-Karelien ab, wo 
Tiainen und deſſen bewaffnete Scharen bis Ende Dftober Herren 
des Yandes blieben. 

Während die finnische Armee im ſüdlichen Ofterbotten 
und im nördlichen Tawaſtland auf dem Vormarſch begriffen 
war und mit gutem Erfolg in Savolaks und Karelien eine 
Defenfivftellung behauptete, leitete König Guftav IV. perſönlich 


Der Kampf in Karelien. Gujtav IV. vor Abo. 03 


die Kriegführung im Aboer Schärengarten. Nachdem er infolge 
jeiner Umeinigfeit mit General Moore, welcher an der Spike 
einer englijchen Armee in Schweden angelangt war, der Hilfe 
Englands verluftig gegangen war, hatte er auf feinen alten 
Yieblingsplan eined Angriffs gegen Dänemark und Norwegen 
verzichtet. Statt deffen begab er fich zu der vor Abo liegenden 
ſchwediſchen Schärengartenflotte und formierte zugleih auf 
Aland eine finnische Südarmee, welche bei Landungen an der 
finniſchen Küfte Verwendung finden ſollte. Seine Bläne wurden 
jedoch jchon in ihrem erften Stadium dadurch gefreuzt, daß fich 
die beiden Abteilungen der rujjiihen Schärengartenflotte, von 
denen die eine bei Sveaborg, die andere bei Abo ftationiert 
gewejen war, am 2. Augujt nach einem Gefecht im Sunde von 
Sandöjtröm in der Nähe von Kimito vereinigten, worauf die 
rujfiihe Schärengartenflotte der jchwedijchen überlegen war und 
erfolgreich die Küſte beiwachte. 

Unter jolchen Umftänden hätte König Gujtav die Unmöglich- 
feit fortgejegter Yandungsverfuche einjehen und die Vereinigung 
des aͤländiſchen Corps mit der finniſchen Hauptarmee, deren 
Chef, Klingſpor, wiederholentlich um Verſtärkung gebeten hatte, 
ins Werf jegen müſſen. Allein nichts derartiges geſchah. Eine 
Heine ſchwediſche Abteilung, welche unter v. Vegeſack bei Björne- 
borg landen jollte, aber jtatt deſſen im Kirchipiel Yappfjärd lan— 
dete, vereinigte ſich allerdings mit dem daſelbſt ftehenden De- 
tachement der Hauptarmee und erfocht am 29. Auguft einen Sieg 
über die Ruffen unter Bibifow. Allein im übrigen gewährte der 
König nicht die mindefte Unterftügung. „Mein Wille und 
ausdrüdlicher Befehl ift, daß Finnland verteidigt werben joll“: 
jo jchrieb er am 22. Auguft an Klingſpor; jedoch, wie dies 
geichehen jollte, darüber gab er nichts Näheres an. Die 
jonderbare Haltung des Königs war um jo verderblicher, als 
Burböpden in diefem entjcheidenden Augenblid jo beträchtliche 
Verftärkungen empfing, daß die Zahl der unter feinem Kom- 
mando jtehenden Landtruppen nunmehr auf 44000 Mann an— 
wuchs, während die Finnländer mit Einjhluß der Savolafjer 
Drigade faum 15000 Mann zählten. Wenn auch Buxhövden 


504 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs. 


einen Zeil feines Heeres zur Bewachung ber Küfte verwenden 
mußte, jo war boch jeine Operationsarmee dermaßen ftarf, 
daß die Schlachtlinie der Finnen früher oder ſpäter burdh- 
brochen werden mußte. 

Der erjte Stoß traf v. Fieandt, welcher am 21. Auguft 
bei Karftula, auf dem Wege nach Iyväskylä, wo er mit 
1700 Mann eine verjchanzte Pofition innehatte, von über: 
legenen ruſſiſchen Streitkräften unter Wlaftow angegriffen und 
nach tapferem Widerftande zum Weichen gebracht wurbe, jo 
daß er erft in Ofver-Wetil die Trümmer jeiner auseinander: 
gejprengten Kolonne zu jammeln vermochte. Dieje Niederlage 
brab die Kraft der finnifchen Armee zu offenfiver Krieg— 
führung und vernichtete die Reſultate aller ihrer Anftrengungen. 
Sofort gab Klingfpor, der fi durch den Rückzug Fieanbts 
im Rüden und auf jeinem linken Flügel ungevedt ſah, feinen 
vorgejchobenen Detachements den ‚Befehl zum Zurüdweichen 
jowie zur Konzentration der Hauptmacht von 5000 Mann 
unter Adlercreug in einer durch Verjchanzungen und von Natur 
befeftigten Stellung bei Ruona im Kirchſpiel Kuortane. Nach 
einem Vorpoſtengefecht bei der Kirche von Kuortane (am 
31. Auguft) wurde Adlercreug am 1. September in der Näbe 
von Ruona von doppelt überlegenen Streitkräften unter Ka— 
menski angegriffen, jchlug diejelben aber nach zwoölfftündigem 
Kampfe zurüd. Da er fich jedoch zu einer weiteren Behaup- 
tung jener Pofition für allzu ſchwach erachtete, retirierte er 
nah dem gleichfall8 befeftigten Salmi. Hier fam es am 
2. September zu einem erneuten Kampfe, welchem jedoch ein 
Rückzugsbefehl Klingipors ein Ende machte. Nachdem der in- 
zwijchen zum Feldmarſchall ernannte Höchſtkommandierende einen 
Brief König Guftans mit der Botichaft, daß auf Hilfe nicht 
zu rechnen jei, empfangen hatte, geriet er nämlich in völlige 
Berzweiflung und ließ alfe jeine Detachements in bejchleunigtem 
Marſche nach Norden umkehren. Tiefes Gefühl der Bitterkeit 
bejchlich die Krieger, als fie fich auf ſolche Weiſe für ihre ftand- 
bafte Tapferkeit belohnt ſahen. Mit jedem neuen Tagemarſch 
ſank der Mut bei Offizieren und Gemeinen. Beinahe wäre das 


Neuer Rüdzug bis zur Niederlage von Oravais (14. Sept. 1808). 505 


gejamte Heer durch eine Abteilung, welche Kamensfi auf einem 
Seitenwege nah Nykarleby entjandte, abgejchnitten und zur 
Kapitulation genötigt worden, hätte nicht v. Döbeln, ent- 
jchloffen wie immer, am 13. September den Feind bei Jutas 
angegriffen und zur Umkehr gezwungen. Hierdurch wurde ber 
Weg nah Norden frei; aber bevor der letzte hoffnungslofe 
Rückmarſch begann, wollte man noch einmal das Waffenglüc 
verjuchen. Am 14. September faßte Adlercreuß bei Oravais, 
auf dem Wege zwiichen Wafa und Nylarleby, in einer ftarfen 
Stellung Poſto. Die Zahl jeiner Truppen belief fih auf 
4—5000 Mann, von denen mehr als die Hälfte Schweben 
unter v. Vegeſacks Befehl und der Reſt Finnländer waren. Am 
frühen Morgen wurden die VBorpoften von Kulnew angegriffen; 
ftandhaft kämpften fie bis 11 Uhr vormittags, um fich alsdann 
auf die Hauptpofition zurüdzuziehen. Hierauf begann das 
eigentliche Gefecht, welches mit wechjelndem Glücke den ganzen 
Tag fortdauerte, bis der Feind jchließlich zurücdgetrieben 
wurde. ALS fich aber Adlercreug und v. Vegejad nunmehr zum 
Berlafjen ihrer feſten Pofition jowie zur Verfolgung der weichen- 
den Rufjen verleiten ließen, jtießen ihre unvorfichtig vorrüdenden 
Kolonnen auf die ruffiiche Reſerve, welche im Sturmichritt 
beraneilte und fie in Unordnung brachte. Vergebens juchte 
Adlercreug feine Scharen zu ordnen. Unter wilden Tumult 
währte das Treffen bis in die Nacht hinein, wo die Stellung 
Adlercreug’ von den Ruffen genommen wurde, welde etwa 
7000 Mann ins Gefecht geführt hatten. Der Kampf bei 
Dravais war der blutigfte während des ganzen Krieges. 
Der Berluft belief jih auf mehr als 2000 Dann und war 
auf beiden Seiten fajt gleich groß. Infolge ihrer Ermattung 
gingen die Ruſſen nur langjam an die Verfolgung der Finn- 
länder, jo daß dieſe unbehindert den Rückzug fortjegen fonnten. 
Gleihwohl wurden die Folgen des Gefechts entjcheidend für 
den Ausgang des Krieges. Der moraliſche Mut ber befiegten 
Truppen war durch die troß der unerbörteften Anftrengungen 
erlittenen Mißerfolge völlig gebrochen, und die Scharen, welche, 
„gehüllt in Lumpen und größtenteils ohne Fußbefleidung, fich 


506 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs. 


auf den durchweichten Wegen dahin jchleppten, während große 
Haufen von Kranfen und Berwundeten vor ihnen einherzogen oder 
ihnen folgten“, glichen wenig den mutigen Streitern, welche im 
Frühjahr in die Ebenen Djterbottens hinabgefommen waren. 
Glüclicherweife glaubte Burhövden den Feldzug nicht zu einer 
Zeit fortjegen zu können, wo die Straßen infolge des Herbit- 
regens zerjtört waren und die hart mitgenommtenen ruſſiſchen 
Truppen in hohem Grade der Ruhe bedurften, und bot daher 
einen Waffenjtillftand an. Mit Freuden wurde diejer Bor: 
ihlag angenommen, und am 29. September in Yobtei auf 
unbejtinmte Zeit mit achttägiger Kündigungsfrift ein Waffen- 
ftillfftand abgejchloffen, gemäß welchem ſich die jchwedijchen 
Truppen in Ofterbotten nach Himingo und in Savolaks auf das 
Gebiet nördlich von der Idenſalmikirche zurüdziehen jollten. 
Hierdurch wurde die Hauptarmee gerettet, welche fi nunmehr 
während mehr als eines Monats ausruhen fonnte. Weniger 
willfommen war der Waffenftillftand für Sandels, welder 
allerdings die nach dem Nüdzuge des Hauptheeres unbaltbar 
gewordene Bofition bei Toivala geräumt, jedoch ftatt deſſen 
eine neue verjchanzte Stellung bei Palois, füdli von der 
Sdenjalmifirche, bezogen hatte, die er jet im Stiche lafjen 
mußte. 

Der greife Klerder, welcher anftatt des abberufenen Feld— 
marjchalls Klingipor während des Waffenjtillftandes den Ober- 
befehl übernommen hatte, zeigte fich jegt nicht mehr ebenjo 
unternehmungsluftig wie in den erjten SKriegsmonaten. ALS 
der Waffenftillftand am 23. Oftober von Kamensfi gekündigt 
worden war, und Die friegerijchen Operationen Anfang No— 
vember von neuem begannen, wich er mit großer Schnellig- 
feit bi8 an den Siikajoki zurüd, wo er wiederum einen 
Waffenjtillftand anbot. Jetzt wollte aber der Feind auf feine 
anderen Bedingungen als auf die volljtändige Räumung Finn: 
lands eingeben, und die finnijchen Generale mußten ſich darein 
fügen. Am 19. November fam in Olkijoki ein Waffenftill- 
ftand zu ſtande, welcher eine Einftellung der Feindjeligfeiten 
in Ofterbotten wie in Savolafs bis zum 12. Januar 1809 


Die Waffenftillftände von Lohteaà und Oltijoti (Sept. u. Nov. 1808). 507 


feftiegte jowie gleichzeitig bejtimmte, daß fich die finnische Armee 
auf das Gebiet weitlih vom Kemifluffe zurücziehen jollte. 

Auf eine rühmlichere Weije endete der Feldzug des Jahres 
für die Sandelsjche Brigade. Hier hatte der Waffenſtillſtand 
am 27. Oktober aufgehört, worauf Tutjchfow, der nunmehrige 
Chef der rujjishen Savolafs-Armee, jofort einen Angriff auf 
die befeſtigte Stellung Sandels’ bei der Wirta-Brüde, nördlich 
von Idenſalmi, unternahm. Obwohl legterer nur über 
1100— 1200 Dann gegen einen fünfmal ftärkeren Feind ver- 
fügte, entjchloß er fich doch, im Vertrauen auf die vorteil 
bafte Pojition, zum Standhalten. Und er hatte ich ebenjo 
wenig wie jonjt getäufcht. Zwar bemächtigte fich der Feind 
nach einer heftigen Sanonade der über einen Sund an das 
Ufer führenden Brüde, wo die Finnländer ftanden, und drohte 
bereit8 mit einer Eroberung ihrer Verjchanzungen. Aber in 
dieſem entjcheidenden Augenblid ftürmte Oberjt Fahlander mit 
einigen Bataillonen vor, vertrieb die Auffen vom Ufer und 
warf fie gegen die Brüde zurüd. Die Nacht trennte die 
Kämpfer. Nach diejer legten glänzenden Waffenthat wählte 
Sandels eine neue Pofition bei Salahmi, wo er von den 
Ruſſen unbehelligt blieb. Später wurde er indejjen zu ber 
auf dem Rückzuge befindlichen Armee beordert und mußte mit- 
bin den Schauplag jo vieler ruhmreicher Thaten preisgeben. 
Nunmehr unterwarfen fih auch die fareliichen Bauern den 
ruffiichen Behörden. Der fühne Ziainen, welchen die Ruſſen 
eifrig nachſpürten, flüchtete nad Schweden. 

Gleichzeitig fand der Krieg im jüdwejtlichen Schärengarten 
ein Ende. Nachdem nämlich im September zwei Yandungsver- 
juche bei Lokalaks und Helfinge, jüdlich von Nyjtad, mißlungen 
waren, blieb König Guſtav IV. bis Anfang November auf Aland 
und kehrte darauf nah Stodholm zurüd, wo nunmehr all: 
gemeiner Umwille über den unthätigen Monarchen berrichte. 

ALS die winterliche Schneedede über Finnland ausgebreitet 
lag, war bejjen fünftiges Schidjal entſchieden. Nur der König, 
obwohl er doch nur wenig für die Verteidigung Finnlands 
gethan Hatte, hielt noch hartnädig an dem Gedanfen einer 


508 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs. 


Wiedereroberung des Landes feit. Im übrigen erfannte man in 
Finnland wie in Schweden die Undurchführbarkeit eines jolchen 
Planes. In Schweden wünjchte man auch unter harten Be- 
dingungen Frieden zu jchließen; in Finnland bildete die Orb- 
nung der durch die Eroberung neu eingetretenen Verhältniſſe 
die Hauptaufgabe. 

Die jpäteren Kriegsereignifje übten daher auch nur einen 
geringen Einfinß auf die Geftaltung der Verhältniſſe Finnlands 
aus. Gleichwohl müffen fie in unjere Erzählung aufgenommen 
werben, weil die Trümmer ber finnijchen Armee bier ihrem 
unglüdlicden Ende entgegengingen. Wie es heißt, ſollen Ale- 
rander und Napoleon im Herbſt 1808 auf dem Erfurter 
Kongreß über eine Teilung Schwedens zwijchen Rußland 
und Dänemark beratichlagt haben. Sicher ift, daß ber Zar 
hoffte, jeine Heere würden während bes Feldzuges von 1809 
nicht nur tief in das eigentliche Schweden eindringen, ſondern 
fih auch Stodholms bemächtigen. Als Buxhövden derartige 
Pläne für allzu weitjchweifend erachtete, wurde er abberufen 
und als Höchftlommandierender durch den General Bogdan 
Knorring erjegt, welcher auf Befehl des Zaren drei Armeeen 
formierte, von denen die erfte über Aland nach Stockholm, 
die zweite von Waſa nach mes, die dritte von Uleäborg 
nad Tornei rüden ſollte. Als die Rüftungen für dieſe Expe- 
ditionen beendigt waren, hatte jedoch jchon der Monat März 
begonnen, jo daß es zweifelhaft erjchien, ob das Eis auf dem 
Alandsmeer noch feſt genug fein würde, um die ruffiichen 
Zruppen binüberzubringen oder ihnen im Ball eines Miß- 
erfolges den Rüdzug zu ermöglichen. Ein anderer Umftand, 
welcher auf den Gang des Krieges wejentlichen Einfluß aus- 
übte, war, daß Guſtav IV. Adolf am 13. März 1809 in 
Stodholm von einigen Verſchwörern, unter denen K. I. Adler- 
creug eine der bebeutendften Rollen jpielte, verhaftet und zur 
Abdankung genötigt wurde, worauf der kriegeriſche Eifer auf 
beiden Seiten ermattete und die Anknüpfung von Friedens— 
unterbandlungen erfolgte. 

Die für die Expedition nach Aland beftimmte ruffijche 


Die Ereigniffe bis zum Mänder Waffenjtiliftand (21. März 1809). 509 


Armee verließ am 10. März das Feſtland und marjchierte 
unter Fürft Bagrations Kommando in verjchiedenen Kolonnen 
nach jener Injel, auf welcher der Befehlshaber, v. Döbeln, 
eifrig die Verteidigung organifierte und den bereits abgefühlten 
Kriegseifer der Bevölkerung nochmals anzufachen bemüht war. 
Aber bevor er Gelegenheit erhielt, dem Feinde die Spige zu 
bieten, empfing er die Botjchaft von der in Stodholm ge- 
ichehenen Umwälzung nebjt dem Befehl, ſich auf das jchwebijche 
Feftland zurüczuziehen. Er retirierte daher nach Grißlehamn, 
auf Schritt und Tritt von der rufjiichen Vorhut unter Kulnew 
verfolgt, welcher jogar eine Nacht in jenem Städtchen ver- 
brachte. Die ruffiihe Hauptmacht folgte indefjen nicht hinter- 
drein, weil die Nachricht von der Eröffnung von Friedens— 
verhandlungen eingetroffen war und außerdem ein jüdlicher 
Wind das Eis auf dem Meere zu jprengen drohte. Kulnew 
wurde zurücdbeordert und am 21. März ein Waffenftillftand 
abgejchloffen, gemäß welchem die Kriegsoperationen auf allen 
Zeilen des Kriegstheaters aufhören jollten. Bevor jedoch 
diefer Vertrag im Norden bekannt wurde, waren dort Er- 
eignijfe eingetroffen, welches feineswegs ein günftiges Zeugnis 
von der Widerftandsfraft Schwedens gegen feindliche Angriffe 
ablegten. 

Am 17. März begab fich die rujjiihe Waja-Armee auf 
den Weg und erreichte nach einem bejchwerlichen Marjch über 
das Eis am 21. März die jchwebiiche Küfte in der Nähe 
von mes. Hier ftand I. A. Eronftebt mit einer finnijchen 
Heeresabteilung von 1000 Mann. Dur die umerwartete 
Ankunft der Ruffen völlig überrafht und zum Widerſtand 
allzu ſchwach, ſchloß Eronftent mit Barclay de Tolly eine 
Übereinkunft, welcher zufolge Umeä nebft deffen Umgebung von 
den Ruſſen bejegt werben, das finnifche Detachement aber fich 
ungehindert zurüdziehen ſollte. Schon nach wenigen Tagen 
indeffen empfing Barclay de Tolly die Nachricht vom Abjchluß 
des Aländer Waffenftillftandes nebſt dem Befehl zur Rückkehr 
nach Finnland, und trat daher auf demjelben Weg, auf 
welchem er gefommen, den Rüdmarih an. Der fühne Zug 


510 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs. 


hatte aljo feineswegs zu einem unmittelbaren Nejultat geführt; 
aber mittelbar trug er zu dem Unheil bei, welches bei Kalix 
im nörblichjten Schweden den Hauptteil der noch übrig ge- 
bliebenen finnifchen Armee ereilte. 

Nah Abſchluß der Konvention von Olkijoki hatten die 
ichwergeprüften Krieger unter Entbehrungen und Mühſalen in 
der Winterfälte Tornei erreicht, wo fie in der Stadt und 
in deren Umgebung Quartier bezogen; allein auch bier war 
ihre Lage durchaus nicht jorgenfrei, da fich gegen Ende des 
Feldzuges eine peftartige Krankheit unter ihnen verbreitete, 
welche unabläffig Opfer forderte. Was ihnen am teuerften 
war: Heimat, Weib, Kinder und Freunde, hatten fie ver- 
laffen müffen; fein Wunder, daß fie unter jolchen Umſtänden 
den Strapazen eines neuen Feldzuges nicht mit friicher Hoff- 
nung entgegenjeben konnten. Gin Heiner Zeil der Truppen 
wurde, wie bereits erwähnt, unter I. A. Eronftents Kommando 
nach Umes geichikt, während die übrigen unter Generalmajor 
Hans Heinrich Gripenberg in der Gegend von Torneä blieben. 
Am 18. März wurde der Waffenftillftand von Olkijoki ge- 
fündigt, und gleichzeitig empfing Gripenberg die Nachricht vom 
Anmarjch einer rujfiihen Armee unter Graf Schumwalow, deren 
Stärke fih in Wahrheit auf 4—5000 Mann belief, nach 
Gripenbergs Meinung jedoh 7—800U Mann zählen mußte. 
Gripenberg, der fein Corps bei Kalix zuiammengezogen hatte, 
befand fich dort in einer Pofition, welche ihm jelbft und einem 
großen Zeil der höheren Offiziere verzweifelt erjchien. Der 
überlegenen ruſſiſchen Armee wirkſamen Widerftand zu leiften, 
hielt man für ein Ding der Unmöglichkeit und, nachdem 
die Runde von der Ankunft Barclay de Tollys in Umei an- 
gelangt war, glaubte man auch, daß der Rückzug abge- 
Schnitten jei. Unter ſolchen Umftänden berief Gripenberg, nach 
Eingang der Botichaft vom Abjchluß einer Konvention zwijchen 
Cronſtedt und Barclay de Tolly, einen Kriegsrat, in welchem 
die meijten feiner Anficht beipflichteten, daß die Armee, da 
das Begehren eines Waffenftillftandes abjchlägig beſchieden 
worden jei, fapitulieren müſſe. So wurde denn am 25. März 


Die Kapitulation von Seivis (25. März 1809). 511 


die Kapitulation zu Seivis geichloffen, laut welcher bie 
finniſchen und schwedischen Truppen nach Ablieferung ihrer 
Gewehre jowie nach Abgabe des Ehrenworts, nicht vor Ab— 
ihluß des Friedens Kriegsdienfte zu leiften, in ihre Heimat 
zurüctehren follten. Am nächiten Tage fam die Kunde von 
dem früheren Abjchluß eines allgemeinen Waffenftillftandes, jo 
daß jelbftverftändlich die Kapitulation nicht hätte zur Aus— 
führung gelangen dürfen. Allein Schuwalow war anderer 
Meinung und Gripenberg ſchwach genug, der Forderung des- 
jelben nachzugeben. Bei einem Zeil der Offiziere war bie 
Rede davon, anftatt Gripenbergs einen anderen Chef zu 
wählen; aber niemand wollte fich zur Übernahme eines jolchen 
Poſtens verftehen, jo daß die lbereinfunft widerftandslos 
durchgeführt wurde. Das fapitulierende Heer beftand, abge: 
jehen von zahlreichen Kranken, aus etwa 3000 Mann. Nur 
widerwillig und mit Schmerz unterwarfen ſich Mannjchaften 
und Offiziere. Biele Soldaten zerbrachen ihre Waffen und 
zertraten unter ihren Füßen die Fahnen, um welche fie fich 
in den Tagen des Glückes und der Not geichart hatten. — 
Anläßlih dieſes bedauernswerten Ereigniſſes, welches das 
nörblide Schweden in die Hände des tfeindes lieferte, ift 
Gripenberg des Verrats bejchuldigt worden; doch haben neuere 
Forſcher diefe Anſchuldigung widerlegt. Allerdings läßt fich nicht 
beftreiten, daß eraus VBerzagtheit von vornherein alles verloren 
gab, noch bevor er von den Vorgängen bei mes völlige Kunde 
erhalten hatte. 

Von der ehemaligen finniſchen Armee erijtierte nach dieſem 
Mißgeſchick nur noch das Cronſtedtſche Corps, welches als 
jogenannte „finnische Brigade“ die Vorhut der jchwediichen 
Nordarmee bildete. Beim Wiederbeginn des Krieges im Mai 
wurde die am iweiteften vorgejchobene Abteilung unter Major 
Furumark bei Skelfeftei (15. Mai) vom Feind umzingelt 
und zur Ergebung gezwungen. Der Reſt der Finnen beteiligte 
fih an dem Treffen bei Hörnefors (5. Juli), wo die Armee 
unter Sandels von den Ruſſen zurüdgedrängt wurde Hier 
bildete Dunder mit einem Bataillon der Savolafjer die 


512 Fünfte Periode. Die Zeit Guſtavs III. und Guftav IV. Adolis. 


Nachhut. Trotz des ihm erteilten Rüdzugsbefehls harrte diejer 
unerjchrodene Mann aus, bis er vom Gegner umringt war, 
und beantwortete alsdann die Aufforderung zur Kapitulation 
damit, daß er jeine Truppen eine Salve gegen die ihn um- 
zingelnden Ruffen abgeben ließ, worauf natürlich” auch dieſe 
ein Schnellfeuer eröffneten, welches Dunder tot zu Boden 
jtredte. Seine Kolonne zerjtreute fich hierauf, unter Zurüd- 
lafjung des verehrten Führers, welcher fie in jo zahlreichen 
Gefechten zum Siege geführt hatte. Trotzdem gejtaltete fich die 
Lage des ruffiichen Heeres in Wejterbotten bedenklich, da eine 
vereinigte jchwediich-englifche Flotte den bottnijchen Meerbujen 
beberrichte und die Zufuhr von der Seejeite abjchnitt. Auch 
entſchloß fich die ſchwediſche Regierung gleichzeitig zur Yandung 
einer Truppenmacht nördlich von Umeä, um die dort befindliche 
ruffiiche Kolonne unter Kamensft, wenn möglich, gefangen zu 
nehmen. Allerdings gelang es legterem, jih am 19. und 
20. Auguft bei Säfvar durchzufchlagen; doch mußte er in 
nördlicher Richtung bis nach Piteä retirieren, während zugleich 
die englijche Flotte den finnischen Meerbujen beherrichte, an 
verjchiedenen Stellen Truppenlandungen vornahm und an der 
Landzunge von Porkkala eine Batterie aufführte. 

Zur Zeit diefer friegerijchen Begebenheiten waren die Frie— 
densverhandlungen bereit8 joweit vorwärts gejchritten, daß ber 
Abſchluß des Friedens nicht mehr zweifelhaft erjchien. Als 
Beratungsort hatte man Fredrikshamn gewählt, wo Schweden 
durch v. Stedingf und Stöldebrand, Rußland durch den Minifter 
des Auswärtigen, Rumjanzow, und durch D. Alopäus vertreten 
wurde Daß Finnland vollftändig abzutreten jei, betrachtete 
man als entjchieden ; Hingegen fümpften die ſchwediſchen Bevoll⸗ 
mächtigten lange dafür, daß Aland jowie der ganze ſchwediſche 
Teil von Wefterbotten bi8 an den Kemifluß bei Schweden 
verbleiben jolle, während die ruſſiſchen Delegierten unter feiner 
Bedingung auf Aland verzichten wollten und außerdem eine 
Ausdehnung der Grenze in Wefterbotten bis an den Kalixfluß 
forderten. Die geringen Erfolge der jchwedijchen Armee in 
Wejterbotten bewirkten indeſſen zuguterlegt, daß die Schweden 


Dunders Tod. Giege in Wefterbotten. Der Friede (1809). 518 


auf die aͤländiſchen Inſeln werzichteten, während fich die 
Ruffen ihrerjeitS mit dem Torneäfluß als der Grenze in 
Wejterbotten begnügten. Nach Erledigung dieſer Punkte wurde 
am 17. September 1809 der Friedensvertrag zu Fredrikshamn 
unterzeichnet, welchem zufolge der ſchwediſche König allen An- 
jprüchen auf die finnijchen Provinzen Kymmenegärd, Nyland- 
Tawaſtehus, Abo-Björneborg nebft den aͤländiſchen Inſeln, 
Savolaks-Karelien, Waſa-Uleäborg ſowie Weſterbotten bis 
zum Torneäfluß entſagte und gleichzeitig ſeinen Anſchluß an das 
Kontinentalſyſtem erklärte ’). Im übrigen erfcheint der Artikel VI 
des Traktats bejonders beachtenswert, des Inhalts, daß fich 
der König von Schweden der ihm anders obliegenden heiligen 
Pflicht für überhoben erachte, zu gunften feiner ehemaligen 
Unterthanen irgendwelche Vorbehalte zu machen, ba ber 
Kaiſer von Rußland bereits die unzweideutigiten Beweiſe von 
ber Gerechtigkeit und Milde gegeben habe, womit er über bie 
Bewohner des von ihm neugewonnenen Landes zu berrjchen 
gewilft fei, indem er ihnen edelmütig, aus freien Stüden und 
eigener Neigung die freie Ausübung ihrer Religion jowie 
ihrer Gigentumsrehte und Privilegien zugefichert hätte. 
Durch dieſen Artikel, welcher auf die Vorgänge Hinbeutete, 
welche fich vor kurzem zu Borgä abgejpielt hatten, verzichtete 
Schweden auf jede Fünftige Einmiſchung in die Angelegenheiten 
Vinnlande 2). 

1) Einzelheiten über die Friebensverhanblungen giebt 8. Ordin, 
Iloxopenie Punaanzin I, 434-486 (Petersburg, 1889). Der 
Traktat ſelbſt (ruſſiſch) ift daſelbſt als Beilage Nr. 125 gedrudt; ber ſchwe⸗ 
biiche Text findet fich in ber Zeitfchrift „Suomi“, p. 355 —866 (1843). 

2) Während der Berhandlungen hatte v. Stedingk energifch die Aufnahme 
eines Artilels gefordert, welcher Finnland freie Religionsausübung ſowie 
bie Beibehaltung feiner Geſetze und Privilegien zuſichern follte. Allein biefe® 
Berlangen wies Rumjanzow mit der Begründung zurüd, daß jene Frage 
bie innere Verwaltung beträfe und daher nicht Gegenftand eines biplo= 
matifchen Übereintommens werben könne, abgefehen davon, baf ber Zar 
bereits im eigener Perfon den Treueid ber Finnländer entgegengenommen 
und in feiner Eigenſchaft als ihr Souverän ihre Stänbeverfammlung er- 
öffnet habe. Schließlih mußte v. Stedingl nachgeben, und e8 blieb bei 
ber oben erwähnten Formulierung. 

Schybergſon, Geſchichte Finnlande. 33 


514 Fünfte Periode. Die Zeit Guftavs III. und Guftav IV. Adolfs. 


Döbelns traurige Aufgabe war ed, am 8. Öftober in 
Umei das Häuflein finniſcher Krieger aufzulöfen, welches 
beim Abſchluß des Friedens noch auf ſchwediſchem Boden 
ftand. In männlichen, fernigen Worten gedachte der Sieger 
von Jutas des Friedens, welcher Finnland von Schweden 
trennen jollte, erinnerte an die Feldſchlachten, in denen die 
finnische Armee ruhmreich den Feind zurückgewieſen hatte, und 
gab der Hoffnung Ausdrud, daß eine auf den gemeinjamen 
Erinnerungen berubende Freundſchaft auch künftig jederzeit 
zwijchen den durch die Macht der politiichen Verhältniſſe 
getrennten Brüdern öftlih und weſtlich vom Bottnijchen 
Meerbuſen herrichen werde. „Wenn ihr“, jo jagte er, „in 
euere Heimat zurücgefehrt feid, jo übermittelt euerer Nation 
den Dank des jchwediichen Volkes. Seid davon überzeugt, 
daß ihr, wenn ihr auch mit zerfetten Kleidern, mit zer: 
ichofjenen und verftümmelten Gliedmaßen heimfehrt, wenigſtens 
die koſtbare Zierde einer rechtjchaffenen Kriegerſeele mitbringt. 
Feinde des jchwediichen Mutterlandes könnt ihr niemals 
werben, deſſen bin ich ficher; aber bleibt auch ſtets Freunde 
Schwedens. Sollte die Macht der neuen Oberberrichaft euch 
an der Ausübung diejes eueres Wunjches und Willens ver- 
hindern, jo laffet das Mutterland euere8 Segens mit ber 
ftummen Sprache des Herzens und der Gedanken teilhaftig 
werden! Grinnert euere Kinder daran! Wir aber werben 
alsdann von Gejchlecht zu Gejchlecht euch jegnen, euch hoch— 
achten!“ Schlieflih bat er jie beim Scheiden, nach ihrer 
Rückkehr in die Heimat der in ehrenvollem Kampfe gefallenen 
Helden fegnend und trauernd zu gedenken. 

Dieje Abjchiedsworte v. Döbelns find die jchönfte Erinnerung 
an ein Heer, welches allerdings nach hartem Kampfe von 
dem beimatlichen Boden vertrieben wurde, aber durch feine 
pflichtgetreue Handlungsweije feinen Pandsleuten ein rühmliches 
Beifpiel gegeben hat und die Söhne Finnlands von Gene- 
ration zu Generation zu bingebender Aufopferung für ihr 
Vaterland mahnt. 


Sechite Beriode. 


Finnland während jeiner Bereinigung mit 
Rußland. 


l. Alexander 1. '). 


Während die finniſche Armee einen ehrenvollen, aber ver— 
zweifelten Kampf gegen einen überlegenen Feind ausfocht, ſah 
das finnische Volk mit Bangen der Zufunft entgegen, die ſich 


1) Quellen und Nahfchlagewerle zur Gefchichte Finnlands unter Ale: 
ranber I.: „Proklamationer, manifester och förordningar 1808/9“ (Flug: 
fchriften); „Protokoll bällna hos höglofliga Ridderskapet och adeln vid 
landtdagen i Borgä 1809“, utg. af J. R. de la Chapelle, Heft I 
und II (Helfingfors, 1862); „„Vällofliga Borgarständets protocoller vid 
landtdagen i Borgä är 1809“, (Helfingfors, 1886); „Protocoller hällna 
hos det hedervärda Bondeständet vid landtdagen är 1809“ (Hel- 
fingfors, 1893); 9. Tengftröm, Berättelse om Borgä landtdag, 
utg. i förening med Äbo domkapitels eirkulärbref 1809 (Stodholm, 
1810); „Samling af placater, förorduingar, manifester och päbud samt 
andra allmänna handlingar, hvilka i Storfurstendömet Finland sedan 
1808 ärs början frän trycket utkommit * (Helfingfors, 1831); 9. Kos— 
tinen, Correspondance officielle de George Magnus Sprengtporten 
1808,9 (Helfingfors, 1882); „, Handlinga rrörande förvaltningen i Finland 
är 1808“, Bd. Iu. II (Helfingfors, 1893 u. 1895); Rob. Caftren, Finska 
deputationen 1808/9 (Helfingfors, 1879); Rob. Eaftren, Skildringar 
ur Finlands nyare historia (Heljingfors, 1881 — 1882); Elof Tegner, 

33* 


516 Sechſte Periode. Finnland während feiner Vereinigung mit Rußland. 


niemals jo büfter und fo unbejtimmt gezeigt hatte, wie jekt, 
wo eine endgültige Trennung von Schweden bevorftand. Mehr 
als ſechs Jahrhunderte Hatte Finnland mit Schweden Glüd 
und Unglüd geteilt. Schwediſche Miffionare Hatten das 
Ehriftentum zuerſt in Finnlands Gefilden verkündigt, und 
durch die Vereinigung mit Schweden war der Weg für bie 
Reformation gebahnt worden. Schwediſches Gejeg und jchwe- 
diſche Gejellichaftsorbnung hatten feite Wurzel gefaßt, und im 
Zufammenhang damit Achtung vor den Menjchenrechten und 
vor der bürgerlichen Freiheit. Die ſchwediſche Sprache war 
ein mächtiges Bildungsmittel für das finnische Volk und ein 
Berbindungsglied zwijchen Finnland und dem übrigen Europa 
geworden. Alle diefe Bande follten nun durch die Gewalt bes 
Schwertes zerriffen werden. Bildung, Religion und gejell- 
ichaftlihe Zuftände, alle dieje koſtbarſten Güter jchwebten in 
Gefahr. 

Die Gefühle, welche inmitten der bürgerlichen Geſellſchaft 
Finnlands damals herrſchten, fanden kräftigen Ausdruck in 
einer Programmrede, die Matthias Calonius anläßlich des 
Rektoratswechſels an der Äboer Univerſität am 21. Juni 1808, 
alfo in einer Zeit veröffentlichte, wo fih ganz Sübdfinnland 
bereit3 in den Händen der Nuffen befand. Nachdem er an- 
erkannt hatte, daß die Sieger, bejonders der Oberbefehlshaber 
Graf Buxhövden, die Yandesbewohner im allgemeinen ſchonend 
behandelt hätten, äußerte er: „Wenn wir aber auch mithin gut 
und milde behandelt worden find, jo find doch viele Umftände 
übrig geblieben, welche bei der jetigen umficheren Page ber 
Dinge ung in Unruhe gehalten und unter der Laft der fchwerften 


G. M. Armfelt, 3b. III (Stodholm, 1887); 8. Orbin, Ilokopenie 
Dunsanaiu, Bd. I u. II (Petersburg, 1889); 3. R. Danielfon, 
Finnlands Bereinigung mit dem Ruſſiſchen Reiche (Helfingfor, 1891); 
I. R. Danielion, Finlands inre sjelfständighet (Borgä, 1892); 
I. R. Danielfon, Viborgs läns äterförening med det öfriga Fin- 
land (Helfingfors, 1894); M. ©. Schybergſon, Mikaöl Speranski, 
in: „Finsk Tidskrift“ XXXV, 407—422; XXXVI, 3—26, 81—102, 
182—203 (Helfingfors, 1893— 1894). — Urkunden im „Finniſchen Staats: 
archiv“. 


Der Übergang in ruififche Herrfchaft (1808). 517 


Bekümmerniſſe niedergebrüct haben. Es giebt nämlich in jedem 
wobleingerichteten Staate zwijchen dem Regenten und ben Unter— 
thanen ein zartes, aus unendlich vielen feinen Fäden zufammen- 
gewebtes Band, welches durch gegenjeitige Liebe und gegen 
jeitige Pflichten beide miteinander aufs engfte verfnüpft. Daß 
dieſe funftvolle und fejtgefügte Kette jchon bei dem erjten 
Schlag des Mißgeſchicks zerreißen jollte, ohne daß ein Gefühl 
der Trauer über den jchnellen Wechjel und der Wunſch nach 
Rückkehr zu dem alten Zuftand in dem Herzen der Unterthanen 
fortlebte, das ift etwas, was, folange wir Menjchen find, 
niemal® oder doch wenigitens höchſt jelten gejchehen wird. 
Mag das Kriegsglüd e8 auch gewollt haben, daß der Leib 
in die Gewalt des Feindes gerät und genötigt wird, dahin zu 
gehen, wohin deſſen Befehle ihn rufen, jo wird doch die von 
dem Glück und den Ereigniffen weniger abhängige Seele nad) 
wie vor das jein, was fie gewejen ift, nämlich mit unbejtech- 
licher Treue und unerjchütterlihem Gehorſam ihrem gejeß- 
mäßigen König ergeben. Denn jo lange der Ausgang bes 
Streited noch ungewiß ift, und bis zum Zuftandefommen eines 
Vertrages, durch den der Regent jelber jeinen Nechten entjagt, 
hängt es nicht von dem Gutbefinden des Unterthanen ab, jich als 
jolcher jeinen Pflichten zu entziehen und die Bande, die ihn mit 
jeinem Vaterlande verbinden, abzuftreifen, wofern er fich nicht mit 
dem jchamlojen Verbrechen des Verrats befleden will“. Dieſe 
männlichen und mutigen Worte des berühmten Nechtsgelehrten 
fanden im ganzen Lande Wiederhall und wurden als ein Aus— 
drud der nationalen Empfindung begrüßt. Nicht minder kraft— 
voll äußerte fich der Landeshauptmann in Kuopio, Dlof Wi— 
belius, anläßlich einer am 2. April 1808 von Buxhövden aus- 
gefertigten Proflamation, laut welcher die in der Armee 
fümpfenden finnischen Offiziere — unter Androhung des Ver— 
Iuftes ihrer Bejoldung und ihres beweglichen wie unbeweglichen 
Eigentums, wenn fie die Armee nach Schweden begleiten 
würden — innerhalb einer gewifjen Frist in ihre Heimat 
zurücfehren jollten. Gegen diejen Befehl proteftierte Wibelius 
in einem Schreiben an Buxhövden, worin er daran erinnerte, 


518 Sechfte Periode. Finnland während feiner Vereinigung mit Rußland. 


daß nach den Landesgeſetzen, welche die Sieger aufrecht zu 
erhalten gelobt hätten, wehrloje Frauen und Kinder nicht um 
der Abweſenden willen leiden dürften. „Die mir anbefohlenen 
Konfiskationen und VBerpachtungen“, jo fügte er hinzu, „een 
das ganze Land in Schreden und Verzweiflung. Ich appelliere 
an Ew. Excellenz Gerechtigfeit, Edelmut und erhabene Ge- 
finnung, Sie mögen Sich die Yeiden vorftellen, in welche un— 
ihuldige Angehörige der finnischen Nation allgemein verwidelt 
werden würden“. Die oben erwähnte Maßregel wurde jpäter 
inhibiert, Wibelius aber folgte, als die Armee Sandels’ im 
Herbit nach Norden retirierte, den abziehenden Truppen nach 
Schweden. 

Hinfichtlich der gegen die ruffiichen Behörden zu beobach- 
tenden Handlungsweife war man indefjen feineswegs vollfommen 
einig. Die unteren Klaſſen, bejonders der gemeine Manır, 
betrachteten e8 als ein Gebot der Pflicht gegen König und 
Baterland, dem Gegner bis aufs äußerfte Widerftand zu leiten. 
An vielen Drten verweigerten die Bauern die von den ruj- 
ſiſchen Behörden geforderte Leiftung des Treueides; auch haben 
wir jchon erwähnt, wie fie fich in den inneren und nördlichen 
Landespiftriften zum Aufruhr erhoben, wo nur immer ein 
Heiner Hoffnungsihimmer bervorleuchtete. Hingegen waren 
die gebildeten Klaffen — der Adel, die Geiftlichfeit und bie 
Mehrzahl der Beamten — mehr geneigt, fich einem ihnen 
unvermeidlich erjcheinenden Geſchick mit Nefignation zu unter- 
werfen. Nach den Friedensverträgen von Nyſtad und Abo 
hatten die urteilsfähigen Männer in Yinnland zu ahnen be: 
gonnen, daß die Verbindung mit Schweden früher oder jpäter 
gelöft werben würde, eine Vorftellung, welche ſich in demjelben 
Map, in welchem Rußlands Macht wuchs, mehr und mehr 
befeſtigte. Mancher hielt daher jchon beim Ausbruch des 
Krieges die Verteidigung für hoffnungslos, und in diejer 
Betrachtungsweife lag im wefentlichen die Urjache, weshalb 
jene Klaffen nicht, wie bei früheren ruffifchen Invafionen, nach 
Schweden flüchteten. Freilich verhinderte bei Beginn des 
Krieges die Iahreszeit jeglichen Fluchtverſuch, und fpäter ftelfte 


Die Haltung der Bauern, der Gebildeten (1808). 519 


es jich heraus, daß man nicht, wie vordem, Anlaß hatte, von feiten 
der Feinde ein barbarijches Vorgehen befürchten zu müfjen. 
Dennoch würde eine Auswanderung, wenngleich in geringerem 
Maßſtabe, ficherlich erfolgt fein, Hätte man auf eine Rückkehr 
unter dem Schute jchwediicher Armeeen hoffen dürfen. — 
Die zurücgebliebenen Beamten beobachteten im allgemeinen eine 
ehrenvolle Haltung und juchten zur Aufrechterhaltung der gejek- 
lichen Ordnung jowie zum Schuß von Leben und Eigentum der 
Bewohner beizutragen. Von den einflußreichen Perjonen des 
Yandes gingen Biſchof Jakob Tengftröm und der Yandeshaupt- 
mann in Abo, Knut v. Troil, im Entgegenfommen gegenüber dem 
Sieger am weiteften. Mit Tengftröm fnüpfte Alerander I. ſchon 
im Frühling 1808 Verbindungen an, welche jpäter vermitteljt per- 
jönlicher Zuſammenkünfte und auf brieflichen Wege ihren Fort- 
gang nahmen. Der Bijchof, welcher mehrere Beweije des faijer- 
lichen Wohlwollens empfing, verwendete feinen Einfluß bei der 
Geiftlichfeit dazu, im Sinne der ungeftörten Aufrechterhaltung 
der Ruhe zu wirken. So forderte er z. DB. in einem Zirfular- 
jhreiben vom 1. Juni 1808 die Geiftlichen auf, ihre Zuhörer 
zu ermahnen, daß jie in Ruhe und Frieden ihrem gewöhnlichen 
Berufe und Gewerbe nachgehen und fich aller verbrecherijchen 
Unternehmungen enthalten jollten. Anläßlich jeiner Bemühungen, 
das Volk zu gehorjamer Unterwerfung unter die Befehle der 
ruffiihen Behörden zu bejtimmen, erhielt v. Troil ſchon im 
Mai 1808 einen ruffiichen Orden. Guftav IV. Adolf freilich 
erHlärte ihn feines Amtes verluftig und verordnete gleichzeitig 
in einem am 6. Juli 1808 an Bord der Schärengartenflotte 
erlafjenen Tagesbefehl, daß der aus den Händen bes Geg— 
ners befreite Zeil der Yandeshauptmannjchaft Abo von dem 
übrigen Lande abgejondert und dem Spean-Hofgericht jowie dem 
Upfalaer Konfiftorium jubordiniert werden jolle. 

Schon damals waren Kaiſer Alerander und deſſen Um— 
gebung mit Plänen zur Ordnung der Fünftigen Stellung 
Finnlands befchäftigt. Alerander, ein bochbegabter Fürft, wel- 
her in ungewöhnlihem Maße die Gabe bejaß, alle, die fich 
ihm nahten, fih zu Freunden zu machen, war gerade in 


520 Sechſte Periode. Finnland während feiner Vereinigung mit Rußland, 


jener Zeit ein warmer Anhänger der freifinnigen Ideen 
des 18. Jahrhunderts und bejaß zudem in dem Gtaats- 
jefretär Michael Speransfi einen einfichtigen Ratgeber, deſſen 
gefamte Wirkjamfeit auf liberale Reformen hinzielte. Diejer 
am faijerlihen Hofe herrſchende Geift erftredte ſich auch auf 
fremde, mit Rußland vereinigte Nationen. In Finnland bot 
fih ein Feld zur Anwendung einer jolchen Staatskunft. Dem- 
gemäß waren denn auch die ruſſiſchen Behörden jchon bei 
Beginn des Feldzuges von 1808, als e8 noch hieß, Finnland 
jolfe nur bis auf weiteres mit Rußland vereinigt werden, darauf 
bedacht, gemeinjam mit ben Vertretern Finnlands die Verhält- 
niffe des Landes zu ordnen. Buxhövdens früher (S. 478) er— 
wähnte Proflamation vom 18. Februar 1808 forderte die Be- 
wohner Finnlands auf, „thunlichſt Schnell“ und „in der gejeglichen 
Ordnung, wie e8 bei euern gewöhnlichen Neichstagen üblich ift, 
Deputierte aus jeder Provinz“ zu wählen, „welche fich in ber 
Stadt Abo einzufinden haben, um über alles das zu beratichlagen, 
was zu des Landes Wohlfahrt fernerhin gejcheben kann“. 
Der greife G. M. Sprengtporten, welcher jeit Beginn des Krieges 
den ruſſiſchen Behörden als Berater inbezug auf finnijche An— 
gelegenheiten zur Seite ftand und, wie S.477 erwähnt, perjönlich 
einige Zeit in Finnland weilte jowie die Erfolge der ruſſiſchen 
Armee mit Jubel begrüßte, verlangte in mehreren Gutachten vom 
März und April die Einberufung der finnifchen Stände. Das 
Intereſſe, welches er bei dieſer Angelegenheit befundete, bildet einen 
Lichtpunft in feiner Lebensgeſchichte. Später wurde jedoch der 
Gedanfe an eine finnifche Ständeverjammlung beijeite ge— 
hoben, da diejenigen Männer in der Umgebung Aleranders, 
welche Finnland ohne jeden Vorbehalt mit Rußland einverleibt 
zu jehen wünjchten, unter dem Eindruck der jchnell aufeinander 
folgenden Siege die Oberhand gewannen. Der Ton in den 
ruſſiſchen Proflamationen hatte fi” nunmehr verändert. In 
dem ©. 491 genannten Manifeft vom 28. März 1808 erklärte 
ber Raifer, daß er den occupierten Teil Finnlands für immer 
mit Rußland vereinigen wolle. Die zunächit folgenden ruſſiſchen 
Bekanntmachungen jind von einem milden Geift erfüllt und 


Rußlands Haltung Finnland gegenüber (1808). 521 


geloben den Finnländern mehrere Vorteile. Die behufs Abzahlung 
ber ſchwediſchen Staatsjchuld ausgejchriebene Steuer wird 
darin erlaffen, Finnland von der in Rußland gebräuchlichen 
Rekrutierung befreit, den Beamten und den vier Ständen bie 
unverfümmerte Beibehaltung aller alten Rechte und Privilegien 
zugefichert und als Bedingung nur verlangt, daß die Bevölkerung 
dem Zaren den Eid der Treue ſchwören fowie fich den ruf- 
fiihen Behörden gegenüber friedlich und gehorſam verhalten 
jolle. Die verjprochene Ständeverfammlung wird hingegen 
entweder gar nicht oder nur vorübergehend berührt. In einer 
Deklaration vom 20. April Heißt e8, daß die geplante Zu— 
ſammenkunft von Deputierten zu Abo wegen der Schwierigfeit, 
die zu erörternden ragen zu bejtimmen, wegen der Menge 
der zu erlebigenden Aufgaben jowie wegen der ungeeigneten 
Jahreszeit „noch nicht ihren Zweck erfüllen würde“. Ir einem 
Manifeft vom 5.17. Juni endlich erflärt Alerander, daß er 
„die Provinz Finnland für ewige Zeiten mit dem ruifischen 
Reiche vereinigt“ Habe; und er fügt hinzu: „Die Bewohner 
des nunmehr eroberten Finnlands haben von Stund an einen 
Pla& unter den dem ruſſiſchen Scepter unterworfenen Völker— 
ſchaften erhalten“, und „von dieſem gewaltigen Ganzen kann 
nur der Wille und Beſchluß des Allmächtigen fie löjen“. Das 
Gelöbnis einer milden Behandlung und einer Beibehaltung der 
alten Konftitution jowie der Privilegien des Yandes wird auch 
in dieſer Urkunde wiederholt, dagegen die Frage, betreffend 
die Einberufung der Volksvertretung, unerörtert gelaffen. 
Allerdings wollte man der Bevölkerung Finnlands Gelegen- 
heit geben, fich über die Bebürfnifje und Verhältniſſe des Yandes 
auszufprechen, aber nicht vwermittelft einer vollftändigen, unter 
gejetlichen Formen wirkenden Ständeverfammlung, jondern durch 
eine geringe Zahl von nach Petersburg berufenen Deputierten. 
Am 21. Juni 1808 erhielt Burhönden den Befehl, die zur 
Abjendung einer ſolchen „Finniſchen Deputation“ nach Peters- 
burg erforderlichen Anftalten zu treffen; am 1. Juli fegte jener 
die Pandeshauptleute der von den Ruſſen occupierten Provinzen 
biervon in Kenntnis und erteilte gleichzeitig Vorfchriften über 


522 Sechſte Periode. Finnland während feiner Vereinigung mit Rußland. 


den Modus bei der Deputiertenwahl. Jeder Yandeshauptmann 
jollte in jeiner Provinz 10—12 Edelleute einberufen, welche 
dann aus ihrer Mitte einen Provinzialabgeorbneten auszueriehen 
hätten; die Wahl von Repräfentanten der Geiftlichfeit ſollte 
von den Bijchöfen und Konfiftorien vorgenommen werben; bie 
Magiftrate jollten je einen Delegierten für jede Stabt ernennen, 
worauf die Delegierten in den Provinzialhauptftädten behufs 
Wahl eines Bürgerdeputierten für jeve Provinz zufammentreten 
jollten ; jchlieglich jollten fich die ehemaligen Reichstagsabgeord— 
neten des Bauernjtandes bei den Landeshauptleuten verjammeln 
und unter ſich Deputierte wählen. Cine auf jolche Weife und 
unter Mißachtung der gejetlichen Formen entjtandene, wenig 
zahlreiche Nepräjentation war nicht geeignet, das finnijche Volk 
in befriedigender Weije zu vertreten, und die Verftimmung 
über Buxhöpdens Erlaß wurde um jo allgemeiner, als bie 
von ihm gebrauchten Worte zu der Vermutung Anlaß gaben, 
daß die Deputation als eine Nationalvertretung betrachtet 
werden jollte. Zu den übrigen Bedenken gejellte ſich außer: 
dem der Widerwille dagegen, daß man, während die eigenen 
Landsleute noch gegen den Yeind Fämpften, einen Schritt 
thun follte, der als eine ungehörige Annäherung an den rujs 
fischen Monarchen ausgelegt werden konnte. Buxhövdens Erlaß 
rief daher einen Widerftand hervor, welcher bezeichnend dafür 
ift, wie die Finnländer in jener jchweren Zeit die Lage des 
Landes auffaßten. Auch unter den neuen Verhältnifjen wollte 
man jo weit als möglich die während ber Vereinigung mit 
Schweden entjtandene und ausgebildete Staatsverfaffung aufs 
recht erhalten, da alle Veränderungen Gefahren in fich zu 
bergen jchienen, deren Umfang fich nicht vorausſehen ließ. Eine 
fonjervative Denfungsart ift der Grundzug in ber Gejchichte 
der „Finniſchen Deputation“ jowie des jpäteren Borgäer Yand- 
tages. Diejer Standpunkt wurde mit einer Konjequenz jowie 
gleichzeitig mit einer Moderation feftgehalten, welche die Ges 
ftaltung des Schidjald von Finnland wejentlich beeinflußte. 
In den Provinzen Nyland-Tawaftehus und Kymmenegärd 
fügte man fich zwar ben Befehlen Burbhövdens, betreffend bie 


Die Finniihe Deputation (1808). 523 


Deputiertenwahl, jedoch nur mit Widerjtreben und mit dem 
Vorbehalt, daß die alten Geſetze und die frühere gejellichaft- 
liche Ordnung unverändert beftehen bleiben jollten, ſowie unter 
dem Ausdrud der Hoffnung, daß die ftändifchen Vertreter 
fünftig unter vollftändiger Beobachtung der bei den Reichs— 
tagen üblichen Formen einberufen werben jollten. In Abo 
bingegen, wo man den Zeitereigniffen mit größerer Wachjam- 
feit folgte, juchten die einberufenen Wahlmänner die VBollziehung 
der ihnen anvertrauten Wahl möglichft lange Hinzuzögern. Auf Ge- 
heiß des Landeshauptmanng v. Troil traten daſelbſt am 1. Auguſt 
1808 zwölf Mitglieder der Nitterfchaft und des Adels, ſechs 
Nepräfentanten für die Städte des Yandes jowie einer ber 
früheren Neichstagsabgeordnieten der Provinz, der Gerichtd- 
beifiger Guſtav Caven aus dem Kirchipiel Uskela, zuſammen. 
Daß man bereitd im voraus die zu beobachtende Handlungs- 
weiſe fejtgeftellt hatte, gebt daraus hervor, daß fich drei Edel— 
leute, der Hofgerichtsrat Samuel Ehrenmalm, der Major Karl 
Rehbinder und der Oberlandrichter A. 3. v. Willebrand, mit 
ichriftlichen Deflarationen eingefunden hatten, worin jie nach- 
drüclich betonten, daß das Verfahren, welches man bei Zu— 
jammenjegung der Deputation einzujchlagen beabfichtige, den 
gejegmäßigen Privilegien der Nitterjchaft und des Adels zu- 
widerlaufen würde, da jenen Privilegien zufolge die capita 
familiarum die Repräjentation des Adels bilden müßten, wäh- 
rend die zur Zeit einberufenen Repräjentanten weder jümtlich 
capita familiarum noch auch wenigjtens Mitglieder verichiedener 
Gejchlechter ſeien. Es jei daher ein für die Zufunft bevenf- 
licher Präzedenzfall, wenn man zu der verlangten Wahl jchritte. 
Diefen Erklärungen jchloffen fich die übrigen Anweſenden an, 
worauf die VBerjammlung dem Landeshauptmann ein Gutachten 
überreichte, worin fie die Vornahme einer Wahl ablehnte. Im 
gleihem Sinne äußerten fich die Vertreter der Städte. Sie 
beriefen fich auf die ftäbtifchen Privilegien, denen zufolge fie 
in Stapel» und Seeftädte ſowie Städte ohne Stapelrecht mit 
verjchiedenen Gerechtiamen eingeteilt gewejen ſeien, weshalb 
auch jede Stadt bisher das Recht zu einer bejonderen Re— 


524 Sechſte Periode. Finnland während feiner Vereinigung mit Rufland. 


präfentation auf den Neichstagen bejeffen habe. Ein einziger 
Deputierter fünne hingegen rechtlich nicht die Städte der Pro- 
vinz repräjentieren. Cine nicht minder feite Haltung beob— 
achtete der Gerichtöbeifiger Caven, welcher erklärte, er ſei nicht 
von feinen Mitbrüdern gewählt und deshalb auch nicht berech- 
tigt, in der Deputation feinen Stand zu vertreten, „deſſen 
uraltes Recht e8 gewejen, durch eine unerzwungene Wahl jein 
unumjchränftes Vertrauen demjenigen zuzumenden, welcher ſich 
im Namen des Standes der höchſten Macht nahen und deſſen 
Wünſche vor dem Throne ſelbſt zum Ausdruck bringen joll“. 
Der Eifer für Aufrechterhaltung der Standesprivilegien, wel: 
cher fich in dieſen Äußerungen befundete, war wohl keineswegs 
ganz und gar erheuchelt, da die ſtändiſchen Inftitutionen da— 
mals noch feſt eingewurzelt waren; aber der Grundgedanfe bei 
dem Widerjtand war doch ein anderer, zwar nicht offen aus— 
gejprochener, jedoch aus den Aufzeichnungen der Zeitgenofjen 
erfichtlicher. Man befürchtete, die Deputation würde als eine 
Nationalvertretung angejehen werden, und die gejegmäßige Re— 
präjentation könnte auch Fünftig durch Ginberufung ſolcher 
Deputierten erjett werben. 

Hinfichtlich des legteren Punktes wurde man einigermaßen 
durch eine Proflamation beruhigt, welche Graf Buxhövden 
einige Wochen jpäter erließ. Auf die ihm durch v. Troil über- 
mittelten Gutachten der Deputierten erteilte er am 26. Auguft 
eine Antwort, worin er ausdrücdlich bemerkte, daß es fich jett 
nicht „um Einberufung eines Reichstages“ handle, „jondern nur 
darım, durch eine Deputation Sr. Kaijerl. Majeftät unter- 
thänigft vorzutragen, was zum Nuten und zur Förderung des 
Landes bei deſſen jeiger Lage etwa gefchehen kann“. Gleich— 
zeitig aber wies er die Landeshauptleute an, dafür Sorge zu 
tragen, daß innerhalb acht Tagen Deputierte des Adels, Bürger: 
und Bauernftandes gewählt würden, und zwar unter Androhung 
der Faiferlichen Ungnade, wofern jolches nicht geichähe. Diejem 
erneuten Befehl konnte um jo weniger Widerftand geleijtet 
werden, als die Wahlen in den zwei anderen jüdlichen Provinzen 
bereit8 vor fich gegangen waren. Am 5. September famen 


Die Vornahme der Wahlen (1808). 525 


daher die Wahlmänner von neuem in Abo zufammen und 
ichritten zur Wahl; doch erteilten die Edelleute dem von ihnen 
augerjehenen Deputierten, Major Karl Mannerheim, gleich- 
zeitig eine Inftruftion, welche davon zeugt, daß fie, wenn fie 
fih auch dem Meachtgebot des ruſſiſchen Befehlshabers fügten, 
dennoch an dem Standpunkt fefthielten, den fie von Anfang an 
eingenommen hatten. Sie beauftragten ihn nämlich mit ber 
Erflärung, daß nur gefegmäßig gewählte Repräfentanten das 
foftbare Recht der Unterbreitung von Vorſchlägen zum Beſten 
des Landes ausüben dürften. Außerdem follte er darauf hin— 
wirfen, daß die Oberbehörde des Landes ungeftört in ihrem 
früheren Zuftand verbliebe. 

Die Wahlen der Geiftlichfeit Hatten ſchon früher in beiden 
Stiften ftattgefunden. Das Borgäer Konfiftorium erhob feine 
Schwierigkeiten, erteilte jedoch feinem Vertreter, dem Propft 
Iwar Wallenius, die Weifung, auf Beibehaltung der alten 
Landesgeſetze ſowie darauf zu dringen, daß die Erledigung aller 
ragen, welche die Grundgejege des Landes berührten, bis zum 
Zufammentreten des vom Kaifer verfprochenen Landtages ver- 
ſchoben werden follten. Das Aboer Konfijtorium ſchob die 
Vornahme der Wahldandlung möglichit Iange hinaus, ſah fich 
aber jchließlich, infolge eines erneuten Befehls vonſeiten Bux— 
hövdens, genötigt, am 31. August einen Deputierten zu ernennen ; 
doch betonten mehrere Mitglieder bei dieſer Gelegenheit, daß 
fie unter militärifhem Drude handelten und nur ber Über- 
macht nicht fruchtlofen Widerftand leiften wollten. In ber 
Inftruftion, welche fie dem von ihnen erforenen Prediger in 
Ulfsby, Profeffor Friedrich Le Bell, mitgaben, kam dus Be— 
jtreben, die alte ftaatliche und kirchliche Ordnung aufrecht zu 
erhalten, noch jchärfer zum Ausbrud als in anderen gleich» 
zeitigen Schriftjtüden. Er follte, jo hieß es darin, „im Ein- 
verftändnis mit feinen Kollegen und unter peinlichjter Rückſicht⸗ 
nahme auf das Geſetz ſowie auf alle rechtmäßig erworbenen 
Privilegien, Freiheiten und Rechte der betreffenden Stände 
nichts anderes vorbringen und vorjchlagen als das, was zu 
bes Höcften Ehre, zur unverbrüdlichen Bewahrung unjerer 


525 Sechſte Periode. Finnland während feiner Vereinigung mit Rußland. 


hriftlich-Iutheriichen Religion ſowie zum wahren Wohl des 
Baterlandes am beften und am wirkjamjten beizutragen ver— 
wag“. 

Nah Vollziehung der Wahlen in den drei füdlichen Pro- 
vinzen Abo-Björneborg, Nyland-Tawaftehus und Kymmenegärd 
beftand die „Finnische Deputation“ aus folgenden Mitgliedern: 
den Edelleuten Major Freiherr Karl Erich Mannerbeim, 
Kriegsrat Per Chriſtian Silfverjtjöld und Erpeditiongjefretär 
Karl Friedrih Rotkirch; den Pröpften Friedrih Ye Bell in 
Ufsby und Iwar Wallenius in Hauho; den Kaufleuten Jean 
Gabriel Tjäder aus Abo und Erich Vorgftröm aus Helfing- 
fors jowie dem Bürgermeifter Jonas Garlftedt aus Lowiſa; 
den Bauern Guſtav Caven aus Uskela, Japhet Mickelsſon 
Kaitala aus Lampis und Bengt Pettersſon Laurikainen aus dem 
Kirchſpiel St. Michel. Zu dieſen geſellte ſich noch der Kauf— 
mann Johann Heinrich Lindert aus Borgaͤ, welcher auf Bux— 
hövdens ausdrücklichen Befehl gewählt worden war. Hingegen 
betrachtete man den Hofgerichtsafjeffor Robert Heinrich Reh— 
Binder und den Profefjor der Medizin, Gabriel Erich Haartman, 
welche ebenfalls auf Grund bejonderer Erlafje zu Deputierten 
für das Aboer Hofgericht und die dortige Univerfität aus- 
erjehen worden waren, als außerhalb der eigentlichen Depu- 
tation ftehend, an deren Zujammenfünften fie nicht teil- 
nahmen. ine bejondere Stellung behaupteten auch die Ver— 
treter der Provinzen Waſa und Uleaͤborg, welche infolge der 
lange andauernden friegeriichen Unruhen erſt im November 
1808 und Januar 1809 gewählt bezw. einberufen wurden: 
nämlich der Edelmann, Hofgerichtsjefretär Karl Arwid Krabbe; 
die Pröpfte Nils Aeimeläus in Storkyro und Matts Gaftren 
in Kemi; die Kaufleute Hermann Höcdert aus Wafa und Karl 
Magnus Engman aus Wleäborg; jowie die Bauern Per Person 
Klodars aus Nykarleby und Matth. Abrahamsſon Pikkarainen 
aus Ulei. Dieje, welche in Petersburg erſt anlangten, als bie 
übrigen Deputierten ihre Aufgabe faſt jchon erledigt hatten, 
überreichten verjchiedene Memoriale, worin fie über die Yeiden 
klagten, von denen Dfterbotten während des Krieges heim- 


Die Mitglieder der Deputation von 1808. 527 


gejucht worden war. Schließlich ſei erwähnt, daß in der 
Provinz Kuopio feine Vertreter gewählt wurden, und daß der 
Generalmajor Erih Guftav v. Willebrand, welcher mehrere 
Jahre Vorfigender der finnischen Stromreinigungsftommiifion 
gewejen war, die Aufforderung erhielt, fich gleichzeitig mit den 
Mitgliedern der Deputation in Petersburg einzufinden, um 
die nötigen Aufjchlüffe zu geben. 

Die Abreiie der jüdfinnischen Deputierten verzögerte fich 
infolge der gerade damals ftattfindenden Erfurter Zuſammen— 
funft zwijchen Alerander und Napoleon, und erjt gegen Ende 
Dftober 1808 famen fie nach Petersburg. Aber auch dann 
noch währte e8 bis weit in den November hinein, bevor 
die Kommiſſion in Thätigfeit trat. Am 12. November ver- 
jammelte fie fich zum erjtenmal, und zwar unter Yeitung des 
von Buxhövden zum Vorfigenden ernannten Majors Manner- 
beim. Yeßterer war 1759 in Schweden geboren, in den acht- 
ziger Iahren als Major des Aboer Infanterie - Regiments 
nah Finnland verjegt worden und hatte fich jpäter dem 
Anjalabund angejchloffen, ohne jedoch zu den Gelbjtändig- 
feitsmännern zu gehören; 1790 wurde er zum Tode verurteilt, 
von Guſtav III. jedoch begnadigt. Nachdem er 1796 jeinen 
militäriſchen Abjchied genommen, lebte er als Grundbefiger in 
der Nähe von Abo. Im jeiner Eigenschaft als Präfident der 
Finniſchen Deputation bewies der jcharffinnige und feingebildete 
Mann bereits bei der erjten Sigung, daß er Far erkannte, 
was die Lage erforderte. Im Übereinftimmung mit den An- 
fichten, welche auf den Aboer Wahlverfammlungen Taut ge: 
worden waren, erinnerte er feine Kollegen daran, daß fie ohne 
Rückſichtnahme auf die gültigen Bejtimmungen gewählt worden 
jeten und fich deshalb weder als eine Volksrepräſentation be- 
trachten könnten, noch auch das Necht beſäßen, ſich über Ände— 
rung der Landesgejege, über Befteuerung u. j. w. zu äußern. 
Vielmehr müffe fih die Deputation darauf bejchränfen, dem 
Kaijer ihre Ehrfurcht zu bezeugen und, wenn berjelbe es ge- 
bieten jollte, Ratſchläge darüber zu geben, was fich behufs 
Grleichterung der auf dem Pande ruhenden Yaften thun ließe; 


528 Sechſte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland. 


jedoch unter dem ausdrüdlichen Vorbehalt, daß ihren Äuße— 
rungen eine auch nur einigermaßen umfafjende Bedeutung nicht 
zugejchrieben werben dürfe. Sämtliche Mitglieder der Depu- 
tation erklärten ihre Zuftimmung zu dieſer Auffaffung, aus- 
genommen der Borgäer Deputierte Lindert, welcher damals und 
auch jpäter, ohne freilich Unterftügung zu finden, die Erklärung 
abgab, er halte fich für vollfommen berechtigt, als Reichstags- 
abgeorbneter aufzutreten. Diefen von ihr aufgeftellten Plan 
für ihre Handlungsweije bielt die Deputation mit ftrenger 
Konjequenz aufrecht. ALS fie am 30. November Audienz beim 
Kaifer Hatte, hielt Mannerheim eine Rede in franzöfijcher 
Sprache, worin er daran erinnerte, daß die Bevölkerung Finn- 
lands eine freie, nur durch die Gejee gebundene Nation aus- 
mache, und worin er ferner dem Kaiſer für deſſen Gelöbnis 
dankte, daß ihre Religion, ihre Gefege, Freiheiten und echte 
ungejchmälert erhalten bleiben follten. In demjelben Sinne 
forderten die Deputierten in einem Memorial vom 1. Dezember 
bie Einberufung der gejegmäßigen Repräſentation Finnlands. 
Das ſchon jeit langer Zeit von der „Finniſchen Deputation“ 
porbereitete Memorial hob hervor, daß die Deputierten, da fie 
nach einem von den Grundgejegen abweichenden Modus ge- 
wählt worden jeien, nur inbezug auf öfonomijche Angelegen- 
beiten Rat und Aufjchlüffe erteilen, ſich aber nicht in Be- 
ratungen einlaffen fönnten, welche nur den in gejegmäßiger 
Form einberufenen Ständen zukämen. Es ſchloß mit der Bitte, 
der Kaiſer möge „eine allgemeine Zufammtentunft der Stände 
des Landes“ anordnen, „um die Stimmen der Nation in den- 
jenigen Angelegenheiten zu vernehmen, welche das Wohl aller 
und das gemeinfame Beſte betreffen“. Dieſes Memorial wurbe 
in franzöfifcher Überjegung dem Leiter des Auswärtigen Mi- 
niſteriums zu Petersburg, Graf Soltitow, zugeftellt, um 
von dieſem Kaiſer Alerander übermittelt zu werben. Zehn 
Zage jpäter wurde basjelbe durch ein Schreiben des nunmehr 
zum Generalgouverneur ernannten Göran Magnus Sprengt: 
porten beantwortet, welches erkennen ließ, daß die Befürch— 
tungen, betreffend den urjprünglichen Zwed der Deputation, 


Der Wunſch nad einer Ständeverfammlung. 529 


feineswegs unbegründet gewejen waren, gleichzeitig aber auch 
bezeugte, daß der Gedanke einer Vertretung der Stände durch 
jene Deputation jegt aufgegeben war. Der Kaiſer, jo jchrieb 
Sprengtporten, habe eingejehen, daß die Deputation nicht jo voll- 
jtändig, wie er es gewünſcht und erftrebt hätte, feiner väterlichen 
Sürforge entgegenfommen fünne, und deshalb die Einberufung 
eines allgemeinen Yandtages beichloffen. Die Deputation jolle 
ſich daher darauf beichränfen, den Kaiſer über die Lage des 
Pandes zu informieren und anzugeben, was er zur Unter— 
ſtützung feiner neuen Unterthanen thun könne. 

Nachdem die Deputation dergeftalt das Gelöbnis einer Ein- 
berufung der Stände erwirft hatte, war der wejentlichite Teil 
ihrer Aufgabe erfüllt. Was in ihrer Macht ftand, um Finn- 
land jeine alten Inftitutionen zu bewahren, hatte fie gethan, 
und fie beſchränkte jich demnach fortan darauf, einige fleinere 
Maßnahmen anzuregen, welche infolge des Krieges und ber 
während desſelben eingetroffenen Veränderungen geboten er- 
ſchienen. Im erjter Linie forderte fie Sicherung von Leben 
und Eigentum der Bewohner, ftrenge Handhabung der Gejeke 
jowie das geheiligte Recht, daß die Vollziehung einer Strafe 
nicht ohne Unterfuhung und gerichtliches Urteil erfolgen dürfe. 
Ferner beantragte fie die Errichtung einer aus Einheimiſchen 
gebildeten proviforijchen Regierung, die Berbefferung des Kurſes 
des ruſſiſchen Papiergelves, eine Erleichterung der bejchwerlichen 
Vorjpannverpflichtung u. j. w. Auf diefe Punkte erhielt die De- 
putation am 7. Januar 1809 durch ein Schreiben Sprengtporteng 
eine wohlwollende Antwort Aleranders, worin die meijten Be— 
ſchwerden den zuftändigen Behörden zur Entſcheidung überwiejen 
wurden. Hierauf kehrten die Deputierten in ihre Heimat zurüd. 
Durch den Takt und die Klugheit, welche fie unter jo ver- 
widelten Berbältniffen an den Tag legten, Haben ſie jih An— 
ſpruch auf Anerkennung von jeiten der Nachwelt erworben. Be— 
reits auf dem Borgaͤer Landtage bezeugte der Adel dem Vor- 
figenden der Deputation, Karl Mannerheim, anläßlich ihrer 
patriotifchen Handlungsweije feine Achtung und Erfenntlichkeit. 

Auch im übrigen begann es damals Far zu werden, daß 

Schybergſon, Geſchichte Finnlande, 34 


530 Sechſte Periode. Finnland während jeiner Vereinigung mit Rußland. 


fih Finnlands Los glücklicher geftalten jollte, ald man un- 
mittelbar nach der ruſſiſchen Invafion zu vermuten Anlaß ge: 
habt hatte. Die tapfere und ftandhafte Verteidigung des Vater: 
landes durch das finnifche Heer hatte auf die Sieger Eindrud 
gemacht und eine nähere Bekanntichaft mit dem Volke jowie 
mit deſſen Inftitutionen Vertrauen erwedt. Hierin kann man 
die Urfachen ber für Finnland günftigeren Stimmung erbliden, 
welche fih Ende 1808 an dem Petersburger Hofe geltend 
machte. Einige Perfonalveränderungen fündigten den Umfchwung 
an. Bisher hatte Buxhövden im Verein mit einem im Yuli 
1808 eingejetten Komitee von Zivil- und Militirbeamten bie 
Regierung Finnlands in Händen gehabt; und zwar befanden 
fih unter jenen, abgejehen von einem Mitglieve des Aboer 
Hofgerichts, ausjchließlich Ruſſen oder Finnländer, welche früher 
in ruſſiſche Dienfte getreten waren. Die Oberaufficht über bie 
Zivilverwaltung war dem Zivilgouverneur in Ruſſiſch-Finn— 
land, R. Emine, übertragen gewejen. Jetzt gingen indefjen bie 
finniſchen Angelegenheiten in andere Hände über. Burhövden, 
welcher in Ungnade fiel, wurde abberufen und an jeiner Stelle 
der General Bogdan Knorring zum Oberbefehlshaber der in 
Finnland ftehenden Kriegsmacht ernannt. Gleichzeitig (1. Dez. 
1808) wurde Goran Magnus Sprengtporten damit beauftragt, 
unter dem Titel „SGeneralgouverneur“ die Verwaltung Finn- 
lands zu leiten, eine Maßregel, durch welche Alerander, der 
nicht wußte, wie wenig wohlwollend die Stimmung in Finn- 
land gegen jenen war, ben Finnländern feine Gewogenheit be- 
weijen wollte. An demſelben Tage genehmigte der Kaijer einen 
auf fein Geheiß von Göran Magnus Sprengtporten, dem ruf: 
ſiſchen Kriegsminifter Araktichejew und dem General Knorring 
ausgearbeiteten Entwurf, betreffend die fünftige Organifation 
der Regierung Finnlands. Diefem Projekt zufolge jollte ber 
Generalgouverneur außer feinen jonftigen weitgehenden Befugniffen 
auch in einem, im verjchievene Departements geteilten Negie- 
rungskomitee den Borfik Haben. Zugleich hieß es darin, daß 
eine „allgemeine, aus Deputierten aller Klaſſen beftehende kon— 
ftitutionelfe Berfammlung* im Januar 1809 in Lowiſa zus 


G. M. Sprenatporten, Speransti und Rebbinder. 531 


fammentreten jolle, um die Anfichten und Bebürfniffe der Nation 
fundzuthun ). Ein Umftand erjcheint hierbei bejonders be- 
merfenswert. Gemäß dem von ben brei oben genannten Ver: 
trauensmännern entworfenen Plane follte die Berichterftattung 
über finniſche Angelegenheiten beim Kaifer den ruffiichen Mi- 
niftern zufteben, welche auch dem Generalgouverneur die Vor— 
ſchriften des Monarchen zu übermitteln hätten. Durch eigen- 
bändige Randbemerkung befahl indejjen Alerander, daß bie 
Vorftellungen des Generalgouverneurs direkt an ihn perjönlich 
zu richten jeien, und daß deshalb ein bejonderer Funktionär für 
die finnischen Angelegenheiten in Petersburg angeftellt werben 
jollte. Hierzu wurde Speransfi auserjehen, welcher damals 
auf der Höhe feines Einfluffes beim Kaijer ftand. Anfang 
Januar 1809 wurde er zum „Staatsjefretär für finnische 
Angelegenheiten” in Petersburg ernannt ; Freiherr Robert Heinrich 
Rehbinder erhielt den Auftrag, ihn als Adjunft bei der Be- 
arbeitung der finniſchen Angelegenheiten zu unterftügen. Die 
Anftalten, welche in der nächften Zeit zum Beften Finnlands 
getroffen wurden, find nicht zum wenigjten dem Einfluß biejer 
beiden Männer zuzufchreiben. 

Die veriprochene Ständeverfammlung wurde von Alerander 
durch einen Erlaß vom 20. Januar / 1. Februar 1809 folgen- 
ben Inhalts einberufen: 


„Nachdem dur die Fügung der Vorjehung und durch die glüd- 
Iihen Erfolge Unferer Waffen Finnland für immer mit Unferm Kaijer- 
reihe vereinigt worden ift, bildet das Wohl feiner Bewohner einen 
der wichtigſten Gegenftände Unferer Fürforge. Überzeugt davon, ba 
bebufs Crreihung dieſes Uns fo ſehr am Herzen liegenden Ziels 
alle Stände Finnlands hierbei keine Mühe jparen werden, um Un- 
fern hohen Abfichten entgegenzulommen, jo haben Wir infolge 
deſſen angeordnet und befehlen hiermit, baß, gemäß ber Lanbesver- 
fafjung, ein allgemeiner Landtag am 10./22. März biejes Jahres 
in der Stadt Borgä abgehalten werden fol. Mit Rüdjicht darauf 
baben ſich jämtlihe Bevollmädtigte der Stände dorthin zu begeben, 
in ber Art und Weife, wie bie Reichstagsſatzungen ed vorjchreiben, 


N K. 8. Tigerftedt, Tvänne förslag till Finlands styrelse af 
G. M. Sprengtporten (Aboer Pycealprogramım, 1881). 
34* 


5932 Sechſte Periode. Finnland während feiner Vereinigung mit Rußland. 


um über bie Angelegenheiten zu beraten, bie ihnen zur Beratung zu 
überweiſen Wir für gut befinden“. Alerander. 

Die alte Bezeichnung „Reichstag“ wurde in dieſer Urkunde 
durch „Yandtag“ erjett, zum Zeichen deſſen, daß die finnijche 
Repräſentation nicht dem ſchwediſchen Reichstage gleichgeftellt 
werden fünnte. Daß Borgd und nicht die urjprünglich dazu 
beftimmte Stadt Yowija Sit des Yandtage® wurde, beruhte 
auf rein zufälligen Zwecdmäßigfeitsgründen. Die Einberufung 
erwedte bei den Landesbewohnern gemifchte Gefühle. Das 
finnische Volt war noch nicht von feiner Treupflicht Schweden 
gegenüber befreit, dejjen Regierung ein Monarch leitete, dem 
die Finnländer den Eid der Treue geichworen hatten; bie 
Wahl von Vertretern, die mit dem Sieger über die Zufunft 
Finnlands beratichlagen jollten, war deshalb formell ein Treu— 
bruch. Aber wenn überhaupt, jo bildete in dieſem Falle die 
Not ein zwingendes Geſetz. Da die Verbindung mit Schweden 
faftifch gelöft war, wäre e8 widerfinnig gewejen, wenn man es 
unterlafjen hätte, den wohlwollenden Abfichten Kaiſer Aleranders 
entgegenzufommen. Deshalb jchritt man ohne Widerjtand, 
freilich auch ohne Eifer, zur Vollziefung der Wahlen. Kurz 
darauf wurden die alten Berpflichtungen Schweden gegenüber 
gewijjermaßen auch in formeller Hinficht durch die ſchwediſche 
Thronrevolution vom 13. März 1809 aufgehoben, durch welche 
Guſtav IV. Adolf für abgeſetzt erflärt und fein Oheim, Herzog 
Karl v. Södermanland (Karl XIIT.), auf den Thron Schwedens 
erhoben wurde. Diejer Umſtand trug dazu bei, daß jich die im 
Borgä verjammelten Stände leichter mit den veränderten Ver- 
bältniffen auszuſöhnen vermochten. 

Am 25. März wurde der PYandtag in Borgä unter Beobachtung 
der jeit uralter Zeit üblichen Zeremonieen durch „Ausblaſen“ er- 
öffnet, und am folgenden Tage konftituierten fich die Stände unter 
dem Borfig des Yandmarjchalls bezw. ihrer „Sprecher“. Zum 
Landmarſchall war der ehemalige Yandeshauptmann der Provinz 
Kymmenegärd, R.W. De Geer, ernannt worden, welcher fich 1788 
der Revolutionspartet angeſchloſſen und nach feiner Entlaffung 
auf jeine Güter (1789) zurüdgezogen hatte. Seine jegt von 


Der Yandtag in Borgä (1809). 533 


neuem beginnende öffentliche Wirkjamfeit wurde nicht bejon- 
ders bdurchgreifend. Weit einflußreiher war der Sprecher 
der Geijtlichfeit, Biſchof Jakob Tengſtröm, welcher auf dem 
Landtage jeine Beſtrebungen fortjegte, die Schwierigkeiten bei 
dem Übergang Finnlands in die neuen Verhältniffe möglichit 
auszugleichen. Sprecher beim Bürger» und beim Bauern- 
ftand waren der Kaufmann Chriftian Trapp aus Abo und 
der ehemalige Reichstagsabgeoronete Per Persſon Klodars 
aus dem Kirchipiel Nykarleby, während einer ber hervor— 
ragendjten Beamten des Landes, der Bürgermeijter in Borgä 
und Gerichtöbeijiger Anders Yabian Orräus, als Sekre— 
tür des Bauernjtandes fungierte. Die verjammelten Re— 
präjentanten waren keineswegs zahlreich. Obwohl der Adel 
durch ein befonderes Ausjchreiben eine Anzahl abwejender Mit- 
gliever zum Erſcheinen zu bejtimmen vermochte, konnte bie 
Zahl der Eingejchriebenen doch nur bis auf etwa 70 gebracht 
werden, von denen fich viele bereits vor Schluß des Reichstages 
entfernten. Die Geiftlichfeit zählte, mit Einjchluß des Spre- 
here, 8, der Bürgerftand 19 und der Bauernftand 30 Mit- 
glieder. Die einflußreichiten Nebner und Ausjchußmitglieder 
auf dem Neichstage waren: beim Adel K. Mannerheim, Hof: 
gerichtörat Karl Eduard GEyldenſtolpe und Oberlandrichter 
Johann Ehriftoph v. Morian; bei der Geiftlichfeit, abgejehen 
vom Sprecher, der Dompropft und jpätere Biſchof von Borgi, 
Magnus Jakob Alopäus, Profeffor Johann Gabdolin und 
Profeffor Guſtav Gabriel Hälfftröm; beim Bürgerjtand endlich 
der Vertreter für Kastö, Peter Johann Bladh, welcher als 
Neichstagsabgeorbneter feit 1786 auf ſämtlichen Neichstagen 
eine bedeutende Holle gejpielt hatte. 

Die nächften Tage nah „Ausblajen“ des Landtages er: 
hielten dadurch ein fetliche8 Gepräge, daß ſich Kaiſer Alerander 
am 27. März behufs perjönlicher Eröffnung des Landtages 
in Borgi einfand. Am 28. März eröffnete er, nachdem er 
dem Gottesdienft in der Domkirche beigewohnt Hatte, in einem 
ber Yehrjäle des Gymnaſiums, welcher in einen Feſtſaal 
umgewandelt war, die Sigung in franzöfiicher Sprache mit 


534 Sechſte Periode. Finnland während feiner Vereinigung mit Rußland. 


folgender Rede, welche von Sprengtporten ins Schwebijche 
überjett wurde: 


„Durch Schidung der Vorſehung dazu berufen, über ein gutes 
und ben Gejegen gehorfames Voll zu berrichen, habe Jh gewünſcht, 
beflen Vertreter um Mich verfammelt zu jehen. 

„Ih babe euch zu jehen gewünjht, um euch einen neuen Be— 
weis von Meinen Bemühungen für die Wohlfahrt euers Vaterlandes 
zu geben. Ich babe gelobt, euere BVerfaflung, euere Grundgefege 
aufrechtzuerhalten; euere Berufung hierher bildet eine Bürgſchaft für 
Mein Gelöbnis. 

„Dieſe Ständeverfjammlung jol der Ausgangepunlt für euere 
politiihe Eriftenz werden; fie beabfihtigt eine Stärkung der Bande, 
welhe euch an bie neue Ordnung ber Dinge felleln, eine Bervoll- 
ftändigung ber Rechte, welche das Kriegsglück Mir zuerteilt hat, durch 
Rechte, welche teurer für Mein Herz find, und mit Meinen Grund» 
jägen mehr übereinftimmen, indem fie aus den Gefühlen ber Liebe 
und der Anhänglichkeit entipringen. 

„SH werde euch Meine NAbfichten inbetreff der Behandlungs» 
gegenftände für euere Zufammenkunft zu erkennen geben. hr werbet 
barin den Geiſt wiederfinden, welcher fie eingegeben bat. 

„Möge die Liebe zum Baterlande, die Liebe zur Ordnung und 
eine unerſchütterliche Übereinftimmung ber Anfhauungen euere Ber 
ratungen bejeelen; dann wird der Segen bes Himmels euch beſchert 
fein und eud bei euern Aufgaben leiten und erleudten“. 


Der Yandmarjchall und die Sprecher antworteten hierauf im 
Namen ihrer Stände, indem fie deren Dankbarkeit für die Milde 
bezeugten, welche Kaiſer Alexander gegen die Bewohner Finnlands 
bewiejen. Schließlich trat der Präſident des Äboer Hofgerichts, 
Freiherr Adolf Tandefelt, hervor, welcher dazu auserjehen war, 
bei diejer Gelegenheit die Gejchäfte des Reichskanzlers zu 
verjeben, und jchritt zur Verlefung der vier Propofitionen, 
welhe den Ständen zur Behandlung überwiejen wurden. 
Die Einleitung der betreffenden Propojitionen lautete folgender- 
maßen: 

„Wenn Seine Kaijerlihe Majeftät die Stände Finnlands zu 
einem allgemeinen Landtag einberufen haben, jo haben Sie hiermit 
ein feierlihes Zeugnis Ihrer hochgefinnten Abfichten ablegen wollen, 
die Religion, die Gejege, die Verfaſſung des Landes, die Rechte und 
Privilegien aller Stände im allgemeinen und jedes Bürgers im be 
jonderen unverlümmert aufrechtzuerhalten“. 


Die Verfiherung der finnijhen Konftitution durch Alerander (1809). 585 


Am folgenden Tage, dem 29. März, huldigten die Stände 
dem Kaijer als ihrem Yandesregenten. Man verjammelte fich in 
der Domtfirche, wo der Generalgouverneur Sprengtporten bie 
Stände davon benachrichtigte, daß der Zar eine „Verſicherung“, 
betreffend die Aufrechterhaltung der Konftitution Finnlands, 
unterzeichnet babe. Dieſes Dokument, welches von ihm in 
ſchwediſcher Überſetzung vorgeleſen wurde, lautete, wie folgt: 

„Wir Alexander J. von Gottes Gnaden Kaiſer und Selbſt- 
herrſcher über ganz Rußland ꝛc ⁊c., Großfürſt von Finnland ꝛc. ꝛc., 
thun kund und zu wiſſen: Nachdem Wir nach der Schickung der 
Vorſehung das Großfürſtentum Finnland in Beſitz genommen, haben 
Wir hiermittelſt die Religion und die Grundgeſetze des Landes be— 
kräftigen und beſtätigen wollen, ſamt ben Privilegien und Geredt- 
jamen, die ein jeder Stand im bejagten Großfürftentum infonderheit 
und alle feine Bewohner im allgemeinen, ſowohl höhere wie niebdere, 
bisher gemäß der Konftitution genoſſen haben; und Wir geloben, alle 
diefe Vorrechte und Gejege feit und unverrüdt in ihrer vollen Kraft 
aufrechtzuerhalten. Zu mehrerer Gewißheit haben Wir dieſe Ber- 
fiherungsafte mit Unſerer eigenhändigen Unterfchrift verfehen. Gegeben 
in Borgä, den 15./27. März 1809“, 


Das Driginal ift höchſteigenhändig unterfhrieben: Alerander. 


Nah Berlefung der Urfunde dankten der Landmarſchall 
und die Stände dem Kaiſer, wobei fie beſonders hervorhoben, 
daß die Beftätigung der finnischen Konftitution eine Vor— 
bedingung für das künftige Glück des Landes je. Weiter 
huldigten die Stände dem Zaren, indem jeder Stand für fich 
den von dem Präfidenten Tandefelt vorgeiprochenen Qireueid 
leiftete, welcher das Gelöbnis enthielt, „für unfere rechte 
Obrigkeit zu haben und zu halten den großmächtigften Fürften, 
AUlerander I, Kaiſer und Selbjtherricher über ganz Rußland 
und Großfürjt von Finnland, jowie unverbrüchlich die Grund- 
gejee und die Konftitution des Landes aufrecht zu erhalten, 
jo wie fie gegenwärtig angenommen und in Geltung jind“. 
Schließlich hielt der Zar an die Stände folgende, vom 
Generalgouverneur in jchwediicher Sprache wiebergegebene, 
franzöfiiche Anſprache: 


„Mit liebevoller Rührung nehme Jh den Treu» und Huldigungs- 


556 Sechfte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland. 


eid entgegen, ben Finnlands Bewohner Mir joeben durch ihre gejek- 
mäßig ermwählten Vertreter gejhmworen haben. 

„Die Bande, welde Mich mit ihnen vereinigen, find durch bieje 
freiwilligen Beweiſe ihrer Anhänglichleit befeitigt und durch bieje feier- 
liche Bereinigungsalte gebeiligt worden, und fie werden dadurch noch 
foftbarer für Mein Herz, noch mehr mit Meinen Grundjägen über- 
einſtimmend. 

„Indem Ich gelobte, ihre Religion und ihre Grundgeſetze ihnen 
zu erhalten, habe Ich den Wert befunden wollen, den Jh duf auf 
richtige Äußerungen von Liebe und Vertrauen lege. 

„Ich bitte Gott, den Allmädtigen, Er möge Mir Kraft und 
Meisheit verleihen, dieſes achtungswerte Volt gemäß feinen Gejegen 
und gemäß ber umerjchütterlihen Orbnung der ewigen Geredhtigleit 
zu regieren“ "). 


Nachdem der Kaiſer jeine Rede beendet hatte, trat ein 
Herold auf und rief mit lauter Stimme: „Es lebe Alerander I., 
Kaifer über ganz Rußland und Großfürft von Finnland“, 
worauf ein Dankgebet von der Kanzel herab verlejen und unter 
dem Schall der Pauken und Trompeten das Tedeum gejungen 
wurde. Unter jolhen Zeremonieen gaben fich der Regent und 
die Stände ihre gegenjeitigen Gelöbnijje, welche bis auf den 
heutigen Tag die Grundpfeiler der konftitutionellen Entwidlung 
dinnlands gebildet haben. Die Anwejenden empfanden bie 
Bedeutjamfeit jenes Moments, Einer von ihmen bezeichnete 
in den von ihm hinterlafjenen Aufzeichnungen die Faijerliche 
Verjiherungsakte als Finnlands Magna Charta. 

Auch bei minder feierlichen Gelegenheiten fand der Monarch 
während jeines AufentHalts in Borgä Gelegenheit, die finnijchen 
Repräſentanten fennen zu lernen, und jchon damals gewann 
er burch jein mildes, leutjeliges Wejen die Herzen vieler. Bejon- 
ders mag noch erwähnt werden, daß die Stände ihm zu Ehren 


1) Dem gebrudten Zeremoniell zufolge jollte der Berlefung ber faijer= 
lihen Berjiherungsalte bie Huldigung vorhergeben. Das Zeremonicll 
wurbe jedoch in biefem Punkte geändert, wie aus den Memorial- und 
Konzeptprotolollen ber Geiftlichteit fowie aus anderen Umſtänden hervor— 
geht. Vgl. hierüber 9. Borenius, Om tillgängen vid kejsar Alexander 1 
bylining af Finlands stäuder d. 29. Mars 1809, in: „Tidskrift, utg. 
af Juridiska föreningen i Finland“, p. 1—17 (1894). 


Finnland huldigt Alerander (1809). 537 


einen Ball veranftalteten, während er jeinerjeits Vertreter der 
Stände einlud, an der faiferlichen Tafel zu ſpeiſen. Im noch 
weiteren Kreijen fam der mächtige Eindruck, den die Perjönlichkeit 
Kaijer Aleranders ausübte, auf einer Reife zur Geltung, welche 
er unmittelbar darauf nach Abo unternahm. Am 30. März 
brah er von Borgä auf, bejuchte Helfingfors und gelangte 
am 1. April nach der Hauptjtadt Finnlands, wo er von den 
Eimvoßnern feftlich begrüßt wurde. Nachdem er am folgenden 
Tage das Schloß befichtigt, einer Sikung des Hofgerichts 
beigewohnt Hatte und auf ber Univerfität in Proja wie in 
gebundener Rede begrüßt worden war, bejuchte er Abends einen 
von der Bürgerichaft veranftalteten Ball. Am 3. April erfolgte 
die Rüdreije, zumächft nach Borgä, wo er fih am 4. April 
aufbielt, und von dort über Yowija nach Petersburg. In Borgä 
erließ er eine vom 23. März/4. April datierte Proflamation, 
in welcher jäntliche Bewohner Finnlands von der Berficherungs- 
afte vom 27. März jowie von dem jeitend der Stände ge- 
leifteten Treu- und Huldigungseid in Kenntnis gejegt wurden. 
In diejer Bekanntmachung, welche in allen Kirchen verlejen 
und angejchlagen wurde, hieß es: 


„Indem Wir Finnlands Stände zu einem allgemeinen Landtag 
verjammelt und ihren Treueid entgegengenommen haben, wollten Wir 
bei dieſer Gelegenheit durch einen feierlien, in ihrer Gegenwart aus- 
gefertigten und in dem Heiligtum bes Höchſten verlündigten Alt ihnen 
die Beibehaltung ihrer Religion und Grundgejege befräftigen und ver- 
fihern, jomwie die der Freiheiten und Gerechtſame, die jeder Stand im 
bejonderen und alle Bewohner Finnlands im allgemeinen bis auf 
den heutigen Tag genofien haben. Indem Wir nun bierburh Un- 
feren treuen Unterthanen in Finnland den bejagten Alt übergeben, 
wollen Wir ihnen gleichzeitig zur Kenntnis bringen: Da Wir die 
uralten Gebräuche dieſes Landes beibehalten und Uns danach gerichtet 
baben, jehen Wir den Treueid, den die Stände im allgemeinen und 
die Deputierten des Bauernftandes im bejonderen in ihrem eigenen 
und im Namen ihrer Brüder in der Heimat freiwillig und unge 
jwungen geleiftet haben, als bindend und verpflichtend an für jeden 
Bewohner Finnlande, ohne alle Ausnahme. Bolllommen überzeugt 
davon, daß dieſes gute und rebliche Volk ftet8 gegen Uns und Unſere 
Nachfolger diefelbe Treue und unentwegte Ergebenheit hegen wird, 


538 Sechſte Periode. Finnland während jeiner Vereinigung mit Rußland. 


wodurch es ſich immer aufgezeichnet hat, wollen wir nicht unterlaffen, 
mit dem Beiftande des Höchſten demſelben ſtets Beweiſe Unſerer be— 
ſtändigen väterlichen Fürſorge für ſein Gedeihen und Wohlergehen zu 
geben“. 


Dieſe Worte, in denen die Anhänglichkeit des Monarchen für 
das finniſche Volk unverfälſcht zum Ausdruck gelangte, wirkten 
gleich allen ſeinen Außerungen und Maßnahmen beruhigend auf 
die große Menge, deren tiefe Verſtimmung einer vertrauens— 
volleren Auffaffungsart zu weichen begann. 

Durch die Gelöbniffe und Verficherungen, welche Alerander I. 
und Finnlands Stände miteinander austaufchten, wurde bie 
Stellung Finnlands gefeftigt und der Zufammenhang zwijchen 
deſſen vergangener und fünftiger Entwicklung geſichert. Doch 
war noch eine langwierige Arbeit von Nöten, um die Regierung 
und die Verwaltung in Übereinſtimmung mit den neuen Ver— 
hältniſſen zu organiſieren. Der Anfang hierzu geſchah ſeitens 
der in Borgaͤ verſammelten Stände. Nach der Abreiſe des 
Kaiſers wurden zwei Landtagsausſchüſſe gewählt: der Zivil— 
und Okonomieausſchuß, welcher den Major Iohann Rein— 
hold NRehbinder, den Vater R. H. Rehbinders, zum Vorſitzen⸗ 
den erhielt, jowie der unter Mannerheims Leitung jtehende 
Finanzausſchuß. Dem erfteren Ausſchuß wurden die beiden 
faijerlichen Propofitionen „Über die militärifche Organijation 
des Landes“ und „Über die Erhebung der Kronfteuern“, dem 
fegtgenannten die dritte Propofition „Über das Münz- und 
Geldwejen“ überwiefen. Die vierte Propofition „Über ven 
Regierungstonfeil” wurde dagegen noch nicht zur Beratung 
aufgenommen, da es darin hieß, daß ein detaillierter Vorjchlag 
in diejer Angelegenheit den Ständen jpäter zugejtellt werden 
jollte. Die in allgemeinen Ausdrüden abgefaßten Propofitionen 
gewährten den Ständen feine genügende Anleitung bei ihrer 
Arbeit, und ihre Aufgabe war defto jchwieriger, al8 auch im 
übrigen feine Vorarbeiten vorlagen. Um jo größere Anerfen- 
nung gebührt ihnen für das, was trogdem von ihnen geleiftet 
wurde. Im folgenden wollen wir wenigjtens die Hauptzüge 


Die Arbeiten des Landtages von 1809. 559 


der Ausihußgutachten und Ständeäußerungen jowie die dadurch 
veranlaßten Regierungsmaßnahmen anführen. 

In der Propofition „Über die militärische Organifation 
des Yandes“ erklärte der Kaifer-Großfürft, er wolle allerdings 
die bereit8 anerkannten und angenommenen Grundlagen für bie 
finnifche Armee beibehalten, da ein nationales Heer die befte 
Schutwehr für die Sicherheit eines Yandes und zugleich von 
allen Verteidigungsanftalten für die Bewohner am wenigijten 
drüdend jei; doch jolle die Nationalmiliz bis auf weiteres 
aufgelöft und das für ihren Unterhalt verwendete Geld ber 
Kronſchatzlammer überwiejen werden. Gleichzeitig verficherte 
Alerander, daß außer der Nationalmiliz jowie den geworbenen 
Truppen, die fünftig vielleicht einberufen werden könnten, feine 
mit Zwang verbundene Rekrutierung oder militäriiche Aus- 
bebung in Finnland ftatthaben ſollte. Anläßlich dieſer Propo— 
fition hob der Zivil- und Okonomieausſchuß in erjter Linie her— 
vor, wie wünjchenswert es fei, daß die Zeit, während welcher 
die Nationalmiliz aufgelöft fein jollte, bis zu einem bejtimmten 
weiter entfernten Termin verlängert würde, oder am beiten 
für alle Zukunft Gültigkeit hätte. Finnland babe nunmehr 
einen Angriff von mächtigen auswärtigen Feinden nicht zu bes 
fürchten und bebürfe daher auch nicht mehr einer größeren 
bewaffneten Macht zu feiner Verteidigung. Sollte aud) mög- 
licher Weije eine ſchwediſche Heeresmacht fünftig Finnland ans 
greifen, jo könnte dennoch derjelben feine finnische Armee ent- 
gegengejtellt werden. „Noch lange wird die Sinnedart des 
finnischen Volkes“, jo äußerte ſich der Ausschuß freimütig, 
„derartig jein, daß jich dieſes Volk jchwerlich darein fin— 
den dürfte, die Waffen gegen feine ehemaligen Brüder zu 
erheben; und dieſe Gefinnung, weit davon entfernt, jtrafbar 
zu jein, muß vielmehr Achtung erweden, da fie genährt und 
geftärft wird durch eine nur jpät ſchwindende Erinnerung an 
den wohlthätigen Schuß, welcher der Nation unter vollem 
Genuß ihrer bürgerlichen Rechte Jahrhunderte hindurch ver- 
gönnt geweſen ift. Daß dies die Gefühle der Nation find, 
bält der Ausihuß für eine ausgemachte Sache; und jomit er- 


540 Schfte Periode. Finnland während jeiner Vereinigung mit Rußland. 


breiftet fich der Ausſchuß, jeinerjeit8 unterthänigjt zu dem Edel— 
mut und der Milde des neuen erhabenen Negenten des Yandes 
die feſte Zuverficht zu begen, daß dieſer Umjtand, da er mit 
Würde und wahrheitsgemäß in aller Unterthänigfeit vorgeftellt 
ift, nicht ungnädig aufgenommen, jondern vielmehr als ein 
Beweis der Offenberzigkeit aufgefaßt wird, mit welcher bie 
Landesftände infolge ihres Eifers für das allgemeine Wohl 
und für ihre Unterthanenpflichten Seiner Kaiferlichen Maje— 
jtät entgegenzufommen bereit find“. Der Ausſchuß beantragte 
baber, die Stände follten darum bitten, daß Finnland von 
ber Verpflichtung, eine Nationalmiliz aufzuftellen und zu unter: 
balten, für ewige Seiten befreit werden jollte, oder daß 
wenigſtens ein Zeitraum von 50 Jahren feftgejegt würde, big 
zu deſſen Ablauf die finniſche Meilizarmee nicht wiebererrichtet 
werben dürfe. Gleichzeitig baten die Stände darum, daß bei 
einer künftigen Neueinberufung der finnijchen Nationaltruppen 
jowohl Mannjchaften wie Offiziere den eigenen Bürgern Finn- 
lands entnommen, und daß dieſe Truppen nicht außerhalb 
der Grenzen Finnlands verwendet werben jollten. Zwar 
empfingen die Stände ebenjo wenig bezüglich dieſes wie anderer 
Punkte eine direkte Antwort auf ihre Vorftellungen; aber am 
27. März und am 1. Auguft 1810 wurden Verordnungen 
erlaffen, welche im Verein mit einigen jpäteren Verfügungen 
die Angelegenheit regelten. Seitdem war das finnische Volt 
während zweier Meenjchenalter jo gut wie waffenlos, was 
auf die Dauer vom politifchen Gefichtspunft aus bedenklich 
fein konnte, in öfonomijcher Hinficht dagegen eine Erleichterung 
von großer Bedeutung war. Bon den durch die Auflöfung der 
Armee für das Staatsbudget gewonnenen Einkünften wurde der 
jogenannte „Milizfonds“ gebildet. Das Milizwejen (indelnings- 
verk), welches in einem Zeitraum von anderthalb Jahrhunderten 
immer tiefere Wurzel gejchlagen hatte und immer mehr mit 
den Gewohnheiten des Volkes verwachien war, bejaß fortan 
nur eine famerale Bedeutung. Die Milizjoldaten waren jeit 
biefer Zeit nicht mehr wie früher ein einflußreiches und 
geachtetes Element der Yandbevölferung; nur einige taujend 


Die Auflöfung der Nationalmili.. Das Steuerweien (1810). 541 


verabjchiebete Krieger erinnerten an Finnlands, in mannig- 
faltigen Kämpfen erprobte Milizarmee. 

Die zweite faiferliche Propofition „Über die Erhebung der 
Kronfteuern“ betätigte die Abjchaffung der „Bewilligungsfteuer“ 
(bevillning), der Accife jomwie der Yandzölfe, die ſchon im Früh— 
jahr erlaffen worden waren; auch wurden die Stände gleich- 
zeitig aufgefordert, Vorjchläge, betreffend eine Vereinfachung 
des Steuererhebungsmweiens durch VBermandlung der mannig- 
faltigen Heinen Naturalabgaben in gewiffe einfache Kopffteuern, 
zu machen. Die Schlußworte der Propofition, in denen Raijer 
Alerander I. wiederum feiner Auffaffung von der politijchen 
Page Finnlands Ausdrud verlieh, lauteten, wie folgt: 


„Weit davon entfernt, au3 den allgemeinen Cinlünften in Finn— 
land irgendwelchen perjönliden Nugen ziehen zu wollen, betradten 
Seine Kaiſerliche Majeftät diefelben nicht anders denn als ein Mittel, 
das allgemeine Beſte des Landes dadurch zu fördern; um jedoch dieſes 
Ziel zu erreihen und um eine Regierung bejolden und aufredt er— 
balten zu können, melde Tüdhtigfeit und Eifer mit Redlichkeit und 
Uneigennügigfeit vereinigt, dazu bedarf es ber erforberlihen Mittel, 
und dies um fo mehr, ala, was das allgemeine Budget und Ein- 
nahmemejen eine® Landes betrifft, deflen innere Verwaltung niemals 
frei und jelbftändig fein ann, es ſei denn, daß dasſelbe die nötigen 
Mittel und Ausmege zur Befriedigung feiner Bedürfniſſe befigt”. 


Die in der Propofition vorgeichlagene Umwandlung ber 
Naturalabgaben bereitete dem Zivil- und Okonomieausſchuß 
eine langwierige, mühſame Arbeit, jo daß feine Anträge erit 
Mitte Juli den Ständen unterbreitet werden fonnten. Bei der 
Reduktion der Naturalabgaben in eine geringe Zahl von Kopf- 
jteuern befolgte man den Grundſatz, daß die Grunbdfteuer eines 
jeden Gehöfts in der jeit alter Zeit beftehenden Höhe bei- 
behalten und den verichiedenen Erwerbszweigen ber Landorte 
angepaßt werben follte Gleichwohl dürfte die im Verlaufe 
weniger Monate vorgenommene Einjchätung nicht vollkommen 
richtig gewejen jein, weshalb die Erledigung der Frage von 
der Regierung aufgefchoben wurde und fpäter bi8 1840 gänz- 
lich rubte. Im übrigen wurden ein paar Heinere VBereinfachungen 
und Berbefjerungen im Steuererhebungswejen proponiert. — 


542 Schite Periode. Finnland während feiner Vereinigung mit Rußland. 


Eine noch wichtigere Aufgabe des Ausſchuſſes beſtand in ber 
Ausarbeitung eines Etatdentwurfs für die neugebildete finnijche 
Etatöverwaltung, auf Grund einer ungefähren Berechnung der 
fünftigen Einnahmen und Ausgaben. Die jährlichen Einfünfte 
unter ſchwediſcher Herrichaft wurden auf 513442 Reichsthaler 
(etwa 3 Mill. finniſche Mark) gefchätt, wovon 229958 Reichs— 
thaler für Finnlands eigene Bebürfniffe verwendet wurden. 
Hierbei waren jedoch die Einkünfte aus dem großen Seezoll 
(ungefähr 56000 Reichsthaler) und die der Poftvermwaltung 
(etwa 6000 Reichsthaler) nicht einbegriffen. Da mithin auf 
einen beträchtlichen Überfchuß zu rechnen war, beantragte der 
Ausſchuß die Errichtung einiger neuer Ämter und Stiftungen, 
befonder8 für das Geſundheitsweſen, jowie eine Erhöhung 
der Beamtengehälter und glaubte dennoch den jährlichen Über: 
ihuß auf 195 252 Neichsthaler veranjchlagen zu können, welche 
zur Bejoldung des neuen Regierungsfonfeil®, zu anderen un: 
vorbergejehenen Ausgaben jowie zu gemeinnügigen Anftalten 
und Einrichtungen verwendet werden jollten. Bei der Dis— 
fuffion wurden in den verjchiedenen Ständen mehrere Bedenken 
gegen dieſes Projekt des Ausſchuſſes geäußert; doch wollten die 
Stände Feine Detailveränderungen vorjchlagen, ſondern faßten 
einhellig den Beichluß, die Staatsmittel behufs Anwendung 
zum Beſten des Landes der Regierung zu überlaffen. Beſonders 
glaubten fie von dem Eifer Kaiſer Aleranders für alle Auf- 
Härung eine angemeffene Unterftügung für die Univerfität Abo 
erwarten zu bürfen. Die von den Ständen gehegte Hoff: 
nung, betreffend einen überſchuß aus den Staatsmitteln, ging 
in den nächften Jahrzehnten nicht in Erfüllung, da die Ein- 
fünfte infolge des Krieges und ber veränderten wirtſchaft— 
lichen Verhältniffe einen wejentlich geringeren Betrag ergaben, 
als man berechnet hatte. Die Regierung Finnlands befand fich 
daher nicht felten in peinlicher Verlegenheit, bis jchlieglich in 
ben vierziger Jahren das Gleichgewicht im Budget bergeftelft 
wurde. 

Die dritte kaiſerliche Propoſition „Über das Miünz- und 
Geldweſen“ erinnerte furz daran, daß bei dem Geldweſen 


Der finnifhe Etat. Die Münzregelung (1810). 548 


Finnlands unter den neuen Verhältniſſen viele Schwierigkeiten 
aus dem Wege zu räumen jeien, und richtete deshalb an bie 
Stände die Aufforderung, Mittel und Wege vorzufchlagen, 
durch welche das Recht des einzelnen mit der allgemeinen Yage 
der Dinge in Übereinftimmung gebracht werben fünne Mit 
biefen Worten fpielte man darauf an, daß nach ber 
ruſſiſchen Occupation zwei verjchiedene Münzjorten, der ſchwe— 
diſche Banfreichsthaler und der ruffifche Speziesrubel, im Um— 
lauf waren, während außerdem jchwebiiches und ruffijches 
Papiergeld vorfam. Es galt num, die Relation zwijchen diejen 
verfchiedenen Geldjorten zu beftimmen ſowie feftzuftellen, in 
welchem Umfang diefelben benutt werden bürften. Der Finanz- 
ausſchuß befürmortete in feinem Gutachten über dieſe belifate 
Frage, daß der Silberrubel die Hauptmünze Finnlands werben 
jollte, weil die auf dem Decimalſyſtem aufgebaute Rechnung 
nach Rubeln zwedmäßiger ei, als die nach Reichsthalern; ganz 
abgefehen davon, daß Finnland nicht gut eine andere Münze, 
als die in Rußland gültige, annehmen fünne. Doc müſſe das 
ſchwediſche Silbergeld nach wie vor als gejetliches Bezahlungs- 
mittel jowohl bei der Sronfteuererhebung wie im Privat- 
verfehr zugelaffen werben. Ebenſo ſollte ſchwediſches Papier: 
geld nach einem beftimmten, fejtgejetten Kurſe gangbar jein, 
während das ruffiiche, deſſen Wert fortwährend wechjelte, nach 
den Petersburger Kurjen Gültigkeit haben ſollte. Im Bürger- 
ftande fprach ſich Bladh dafür aus, daß das ſchwediſche Gelb 
auch künftig Finnlands Hauptmünze bliebe, da nach jeiner 
Anficht der Warenaustaufh mit Schweden auh in Zukunft 
lebhafter jein würde, als der Handelöverfehr mit Rußland. 
Die Mehrheit des Bürgerftandes teilte diefe jeine Meinung; 
aber die übrigen Stände billigten die Anfichten des Ausſchuſſes. 
Der Abel forderte im Gegenteil ſogar, daß jchwebiiches Geld 
zwar zur Liquidierung im Privatverfehr verwendet, aber nicht 
an den Kronkaffen entgegengenommen werben dürfe; eine An- 
fit, welche, obwohl fie von den anderen Ständen nicht geteilt 
wurde, dennoch durch die am 29. Dezember 1809 ausge— 
fertigte Verordnung „Über das Münzweſen in Finnland“ zum 


544 Sechſte Periode. Finnland während jeiner Bereinigung mit Rußland. 


Beſchluß erhoben wurde, indem es darin hieß, daß „alle Ein- 
fünfte der Krone von Beginn des Jahres 1810 an nur in 
kaiſerlicher Silbermünze oder in Bankzetteln zu erlegen 
ſind“. Diejer Erlaß gejtattete die Verwendung ſchwediſchen 
Geldes im Privatverfehr; aber jhon am 12. Oktober 1810 
erjchien eine neue Verfügung, welcher zufolge alle Berechnung 
in ſchwediſcher Münze fortan aufhören, und demgemäß ber 
Preis aller Waren in kaiſerlich ruffiihem Gelde bejtimmt 
werben, ſowie jede Bezahlung feitens der Käufer in gleicher 
Münze erfolgen jolle. Die kommerziellen Beziehungen zu 
Schweden wurden jedoch mit folcher Lebhaftigkeit wieder ange— 
fnüpft, und das Bedürfnis ſchwediſchen Geldes war fo groß, 
daß fich jener Erlaß nicht aufrecht erhalten ließ, jondern 
ſchwediſches Geld nach wie vor allgemein zirfulierte. Die Re— 
gierung ſah fich daher genötigt, durch Verordnung vom 
30. Dezember 1812 wenigſtens die teilweije Erlegung der 
Kronfteuer in ſchwediſchem Gelde zu geftatten. Die Gejeß- 
gebung in diefer Frage war jpäter andauernd jchwanfend, und 
die Verwirrung in den Münzverbältniffen wurde daher immer 
größer. Daß Finnland eine eigene Münze erhalten würde, 
war noch für die meiften eine Hoffnung, deren Verwirklichung 
man faum vorausjeben konnte. Indefjen wollte man wenigjtens 
durch eine eigene „Nationale Wechjel- und Yeibbant * zur 
Feftigung des Geldweſens beitragen. Die Banf follte, den Vor: 
ichlägen des Ausjchuffes zufolge, mit einem Fonds verjehen 
werden, welcher ausreichend wäre, um dem Lande das nötige 
Betriebskapital zu verichaffen, und durch Garantie jeitens der 
Stände wie durch Kontrolle jeitens ftändifcher Bevollmächtigen 
Feftigfeit und Vertrauen gewinnen. Mit der Bank follte eine 
Disfonto-Einrichtung, an welcher teils die Banf, teils private 
Aftienbefiger beteiligt jein jollten, verbunden ſowie gleichzeitig 
eine bejondere Münzwerkftatt errichtet werben. Um alles dies 
zu ermöglichen, jollte man bei Kaiſer Alerander um eine unver— 
zinsliche Anleihe nachjuchen. Der Vorjchlag fand die Zuftimmung 
der Stände, wurde jedoch jpäter auf Antrag des Regierungs- 
fonjeil8 abgeändert, welcher bier wie bei anderen Fragen ber 


Die Bank von Finnland. Die höcfte Behörde. 545 


Anficht war, daß die Außerungen der Stände mehr als Ratſchläge 
denn als Entſcheidungen zu betrachten ſeien. Das Reglement für 
das „Wechſel-⸗, Leih- und Depoſitionskontor im Großfürſtentum 
Finnland“ vom 12. Dezember 1811 machte nämlich die Bank 
zu einer ausſchließlich unter Leitung der Regierung ſtehenden 
und von der Kontrolle der Stände unabhängigen Inſtitution, 
welche zudem zur Unterftügung ihrer Finanzoperationen nicht 
die erforderliche metalliiche VBaluta, jondern nur 2 Millionen 
Rubel in ruſſiſchen Banfaffignaten empfing. ine leitende 
Stellung in bezug auf das Münzwejen des Landes, wie man 
dies bezwedt Hatte, gewann die neue Cinrichtung erft viel 
jpäter. Ebenjo wenig famen die beantragten Münz- und 
Diskonto-Einrichtungen zu ftande. Die Bank begann ihre Thätig- 
feit in Abo, wurde jedoch 1819 nach Helfingfors verlegt. 

In den letten Tagen des Landtages wurde jchließlich die 
vierte Faijerliche Propofition „Über den Negierungstonfeil“ 
Gegenftand der ftändifchen Beratungen. Schon am 17.29. März 
berief Kaiſer Alerander ein Komitee, welche aus dem Biſchof 
Zengitröm als Vorfigendem und dem Freiherrn Mannerheim, 
Aſſeſſor Gyldenftolpe, Profeſſor Guſtav Gadolin jowie Frei- 
herrn Robert Heinrich Rehbinder als Mitgliedern beſtand 
und damit beauftragt war, ein Reglement für eine, in ver— 
ſchiedene Abteilungen geſchiedene und unter Leitung des General- 
gouverneurs jtehende, höchſte finniſche Regierungsbehörde aus: 
zuarbeiten. Calonius, welcher nunmehr feine referierte Hal- 
tung gegenüber der neuen Staatsleitung aufgegeben hatte, 
empfing, obwohl er nicht, wie bie übrigen, in Borgä weilte, 
durch einen Brief Speranstis vom 22. März (a. St.) die 
Aufforderung, feine Anfichten bezüglich diefer Frage dem Komitee 
mitzuteilen. Der „Plan für die allgemeine ftaatliche Organi— 
jation Finnlands“, den das Komitee bauptjächlih an ber Hand 
eines von Calonius ausgearbeiteten Entwurfs verfaßte, wurde 
in alfen wejentlichen Punkten gut geheißen und am 14. Juli 
dem Landtage vorgelegt. Die darin vorgefchlagene Organi— 
jation der Regierungsoberbehörde war feineswegs völlig neu und 
fremd, da fich das Projekt in vielen Punften den jeit 1789 

Schybergfon, Geſchichte Finnlande. 35 


546 Sechſte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland. 


in Schweden beftehenden Inftitutionen des „Höchiten Gerichts- 
bofes“ und der „Behörde zur Vorbereitung der allgemeinen 
Reichsangelegenheiten“ anjchloß. Die Stände fonnten daher 
auch ohne Einfegung einer bejonderen Kommijfion im Yaufe 
weniger Tage die Prüfung des Vorjchlages erledigen, welcher 
nur bei einigen Fleineren Detail eine Abänderung erfuhr und 
alsdann am 18. Auguft als jogenanntes „Reglement für den Re— 
gierungskonjeil im Großfürftentum Finnland“ publiziert wurde. 
Dur dieſes Reglement wurde die OÖberleitung Finnlands 
„einem aus zwei Departements bejtehenden Regierungskonſeil“ 
anvertraut, „von denen das eine für die eigentliche Rechts— 
pflege (Suftizdepartement) und das andere für die verjchiedenen 
Zweige des allgemeinen Staatshaushalts (Ofonomiedepartement) 
beftimmt ift“. Vorſitzender im Konfeil jollte der General- 
gouverneur, von den Mitgliedern bie eine Hälfte Edelleute, 
die andere Bürgerliche fein. Die Wahl jollte nur für eine 
dreijährige Periode erfolgen, die Unabhängigkeit der Mitglieder 
indeffen daburch gewahrt bleiben, daß jie ihre früheren Amter 
beibehielten. ALS ein dem Konſeil beigeorbnetes Mitglied ſollte 
endlih ein Profurator fungieren, welcher beauftragt war, bie 
Aufrechterhaltung der Gefege zu überwachen. Das Ofonomie- 
departement wurde in 5 Unterabteilungen gejchieden: bie 
Kanzleierpebition (fpäter Zivilerpedition), die Kammer- und 
Rechnungserpedition, die Expedition für die Miliz - Armee 
(jpäter Milizerpebition), die Winanzerpebition und die Erpe- 
bition für die geiftlichen Angelegenheiten. 

In der Propofition „Über den Regierungskonſeil“ hatte 
Alerander den Ständen das Vorjchlagsrecht für die Mitglieder 
des Konſeils eingeräumt, weshalb die Stände in den lekten 
Tagen der Landtagsſeſſion Vorfchlagsliften auffegten, worin an 
allererjter Stelle Männer figurierten, welche auf dem Landtag 
eine bedeutende Rolle gejpielt hatten. Am 6./18. Auguft wur: 
den folgende 14, von den Ständen vorgefchlagene Berfonen zu 
Mitgliedern der Landesregierung in deren erfter Zufammen- 
jegung ernannt: für das Yuftizbepartement der Präfident im 
Aboer Hofgericht, Freiherr A. A. Tandefelt, der Oberland: 


Der Regierungstonieil von 1809. 647 


richter A. 3. v. Wilfebrand, die Hofgerichtsräte K. Carp, 9. 9. 
Wallerian und K. Gyldenftolpe, der unter dem Namen Edelheim 
geabelte Oberlandrichter F. V. Krogius ſowie der Bezirks- 
richter E. Ervaft; für das Ofonomiedepartement der nunmehr 
in den Grafenftand erhobene R. W. De Geer, K. v. Troil, 
Mannerheim, die Kämmerer E. Tulindberg und H. 8. Norben- 
jvan, der Erpebitiongjefretär K. F. Rotkirch fowie der Super- 
fargo P. 3. Bladh. Zum erften Inhaber des wichtigen Pro— 
furatorpoftens wurde M. Calonius ernannt. Von allen diejen 
lehnte nur Bladh den Eintritt in den Regierungskonſeil ab. 
Einige andere der von den Ständen Vorgeſchlagenen, welche 
nicht ihren Sit unter den Senatsmitgliedern erhielten — der 
Freiherr Aſſeſſor A. G. Mellin, Oberlandrichter A. F. Orräus, 
der Auditeur 8. I. Idman und der Bergmeifter E. Lundſtröm — 
wurden als Vortragende dem Regierungskonſeil beigeordnet. 
Legterer, welcher am 2. Oktober 1809 zum erftenmale zu= 
jammentrat, erbielt durch Erlaß vom 21. Februar 1816 den 
Namen „Kaiferlih Finniſcher Senat“. 

Die Sorgen und Befümmernifje, welche das finnijche Volf 
damals bebrüdten, gelangten in Beſchwerden oder Petitionen 
zum Ausdrud, die nach altem Brauche die Wünſche und Be— 
bürfniffe eines einzelnen Standes bezw. aller Stände gemeinjam 
aufzählten. Faft ſämtlich berührten fie die infolge des Krieges 
entitandenen Schwierigkeiten und baten um Abhilfe und Linderung 
berjelben. Man begehrte Schadenerjag für das Unheil, welches 
während des Krieges Privatperjonen betroffen hatte, ſowie 
Maßnahmen zur Sicherung von Leben und Eigentum, welche 
an vielen Orten infolge der Gewaltthätigfeiten des ruſſiſchen 
Militärs gefährdet gewejen waren. Beim Adel äußerten fich 
viele Stimmen zu gunften einer geficherten und ausfömmlichen 
Zufunft des finnischen Militärs. „Steht e8 und wohl an“, 
fo rief der Landeshauptmann von Troil bei der Beratung 
aus, „unfer Herz biejen tapferen Söhnen, dieſen Helden zu 
verjchließen, die unfern Namen zu Ehren brachten, die ihn 
unfterblich machten und die nun ohne jeden Vorbehalt heim- 
kehren, um als friedliche Mitbürger ihren neuen Pflichten bis 

35* 


548 Sechſte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland. 


aufs Auferfte treu zu ſein?“ Der ganze Adelſtand war ber 
gleihen Meinung und die übrigen Stände ebenfalls. Auf 
Grund dieſer Forderungen erging am 27. März 1810 ein 
Manifeft, durch welches den Offizieren und Unteroffizieren ber 
finnifchen Armee zugefichert wurde, daß fie bei Auflöjung des 
Heeres ihre alten Gerechtjame behalten jollten. Nicht minder 
febhaften Anteil nahmen die Stände an dem Gejchid der 
Offiziere und Soldaten, die in ruſſiſche Gefangenjchaft geraten 
waren; jämtliche Stände vereinigten fich zu der Bitte, jene 
jollten unverzüglich freigelaffen werden und ungehindert in ihre 
Heimat zurüdfehren dürfen. Die Bejorgnis davor, daß die 
wirtjchaftlihen Intereffen Finnlands in bezug auf jeine Be— 
ztehungen zu Schweden bei dem künftigen Friedensſchluß nicht 
forgfam genug gewahrt werden möchten, veranlaßte ferner 
die Stände zu dem Erjuchen, einen Ausſchuß einjegen zu 
bürfen, welcher über das, was im diefer Hinficht vorzunehmen 
jei, Vorjchläge machen jolle; ein Verlangen, welches freilich 
unbeantwortet blieb. Eine der merkwürdigſten Petitionen endlich 
war bie des Bauernftandes „Über das Recht, fich auch in Zukunft 
jederzeit in allen, jogar in den an Allerhöchiten Ort gelangen 
den öffentlichen Schriftjtüden, Supplifen und Prozeßordnungen 
der bisher gebräuchlichen jchwediichen Sprache bedienen zu 
dürfen“. Dieje Forderung, welcher auch der geiftliche Stand 
zuftimmte, war durch die Beſorgnis vor Einführung des 
Ruffiichen, als offizieller Sprache bei den Behörden, hervor— 
gerufen. Hier wie bei anderen Gelegenheiten machte fich ein 
fonjervativer Zug in den Bejtrebungen der Stände bemerkbar. 
Da fih Veränderungen augenjcheinlich als gefahrvoll erweijen 
fonnten, bielt man im großen wie im Kleinen pietätvoll an 
den alten Formen feft. 

Während des Landtages hatte Kaifer Alerander die Ab- 
jicht geäußert, fich beim Schluß der Sejjion perjönlich einfinden 
zu wollen, und dieſem Verjprechen gemäß verabjchiedete er 
denn auch in eigener Perſon am 19. Yuli die Stände. Nach 
Abhaltung eines Gottesdienftes in der Domkirche ging bie 
Schlußzeremonie im Gymnaſium vor fih, wo die Sprecher 


Der Landtagsabſchied (1809). 549 


furze Anſprachen an den Monarchen hielten, worauf der Prä— 
fivent Tandefelt die Antwort der Stände auf die Propofitionen 
Kaiſer Aleranderd verlas. Schlieglich bekräftigte dieſer die 
von ihm bereitS bei Beginn des Landtages erteilten Gelöbnifje 
und Zuficherungen mit folgenden, denhvürdigen Worten: 


„Indem Ich Finnlands Stände zu einem allgemeinen Landtag 
einberief, babe Jh die Gedanken und Wünſche der Nation inbezug 
auf das wahre Wohl des Landes kennen lernen wollen. 

„Ich babe euere Aufmerkjamleit auf Gegenftände von höchſter 
Bedeutung für die allgemeine Wohlfahrt gerichtet. Überzeugt von 
der Neblichleit euerer Geſinnungen, wie auch Meiner reinen Ab» 
fihten bewußt, babe Ich euern Beratungen die volllommenite Frei- 
beit gelaflen. Keine Madtiprühe, Feine fremde ungehörige Beein- 
fluffung haben euere Überlegungen beeinträdtigt. Ich babe über 
ihren freien, ungeftörten Verlauf gewacht und, obwohl abwejend, war 
Ich doch ftet3 bei euh mit Meinen Wünſchen für den Erfolg euerer 
Arbeiten. 

„Die Antworten und Gutachten, die Ich jegt von euch erhalten, 
jeugen nicht minder von Klugheit wie von Vaterlandsliebe. Ich 
werbe fie in gnädige Erwägung ziehen bei dem wichtigen Werke, welches 
Ich für euer Wohl vorbereite. 

„Euere Arbeiten hören von dieſer Stunde an auf; aber aud) 
nad) euerer Entfernung babt Ihr wichtige Pflichten zu erfüllen. 

„zragt daS gegenfeitige Vertrauen, welches bei eueren Beratungen 
geberricht bat, in ben Schoß euerer Heimitätten und prägt e3 ben 
Gemütern euerer Mitbürger ein. Flößt ihnen die gleihe Denkweiſe, 
die gleiche Überzeugung von den wichtigſten Punkten euerer poli- 
tiſchen GEriftenz ein: von der Heiligkeit euerer Gejege, von ber per- 
fönlihen Sicherheit und von der unverleglihen Achtung eueres Eigen» 
tumsrechts. 

„Dieſes edle und loyale Volk wird alsdann die Vorſehung ſegnen, 
welche die gegenwärtige Ordnung der Dinge feſtgeſtellt hat. Künftig 
erhoben unter die Zahl der Nationen, unter dem Schutze feiner Ge- 
jepe, wird es jeiner früheren Regierung nur gedenken, um die Freund- 
Ihaftsverbindungen zu pflegen, melde der Friede wiederherftellen wird. 

„Und Ih, Ich werde die jchönfte Frucht Meiner Fürjorge ge 
erntet haben, wenn ch ſehen werde, wie dieſes Volk, ungeftört von 
außen, frei im Innern, fi unter der Hut der Gejege und Sitten 
bem Aderbau und der Induſtrie widmen und durch die Thatſache 
feines Wohlftandes Meinen Abfihten Gerechtigkeit widerfahren lafien 
und fein 208 fegnen wird“. 


550 Sechſie Periode. Finnland während jeiner Bereinigung mit Rußland. 


Noch einmal verjammelten jich die Stände, um Abichieds- 
grüße auszutaufchen. Beim Adel äußerte Graf Karl Guft. Ereuß, 
die Nachwelt werde fich bei Durchforſchung der früheren Zeit 
dereinft davon überzeugen, „daß Finnlands Stände bei ihrer 
Zuſammenkunft von 1809 das Wohl des Vaterlandes zu ihrer 
einzigen und wahren Richtſchnur genommen und einhellig bie 
Erreihung diejes Zieles angeftrebt haben“. Im Bürgerjtand 
erflärte P. 3. Bladh u. a.: „Kein Unparteiifcher wird fich 
darüber wundern, daß fich bei der Beratung über jo unge- 
wöhnliche und velifate Dinge Mangel an Kenntnis, Einficht 
und Erfahrung unter uns gezeigt hat. Eher dürfte fich die 
Nachwelt über das wundern, was wir in einer höchft Fritijchen 
Epoche haben durchjegen fünnen, obwohl wir der Routine und 
des Beiftandes von Behörden entbehrten und auf unzureichende 
Aufflärungen von Beamten jowie auf lückenhafte, zerjtreute 
Urkunden in den Landorten angewiejen waren, als darüber, 
daß es nicht in vollfommenerer Weije gejchehen ift. Aber 
Einigkeit macht ftarf, geteilte Arbeit ift halbe Arbeit, und 
in jchwierigen VBerhältniffen führt die gemeinjame Wohlfahrt 
die Gemüter zufammen“. Nicht vergebens appellierten die 
Pandtagsabgeorbneten vor ihrer Trennung an das Urteil der 
Nachwelt. Spätere Generationen haben anerkannt, daß jene 
mit der durch die jchwierigen Verhältniffe gebotenen Mäßigung 
und Klugheit handelten, namentlich injofern, als fie davon 
Abftand nahmen, Anfichten laut werden zu laſſen, welche An- 
jtoß Hätten erregen fönnen, oder Reformen zu fordern, welche 
fich in jener Übergangsperiode nicht wohl durchführen ließen. 


Yinnlands Bewohner hatten als ſchwediſche Unterthanen 
unter denjelben Geſetzen geftanden, wie die übrige Bevölkerung 
des Reiches; aber Finnlands abgefonderte Lage hatte feinem 
Schickſal einen eigentümlichen Stempel aufgedrüdt, und häufig 
waren die Finnen jowohl bei der friedlichen Arbeit für bie 
Wohlfahrt des Landes wie beim Kampf für defjen Verteidigung 
ihren Weg allein gegangen. Vermöge der finnischen Sprache 


Die nationale Gefinnung ber Übergangszeit. 551 


beſaß der größere Teil des Volkes den ihm eigentümlichen 
nationalen Charakter, und auch bei der ſchwediſchen Bevölkerung 
an der Küſte ſowie bei den ſchwediſch redenden höheren Geſell— 
ſchaftsklaſſen machten ſich viele eigentümliche Züge bemerkbar. 
In der ſchwediſchen Zeit hatte dies dadurch Ausdruck gefunden, 
daß in Verordnungen und öffentlichen Äußerungen der gemeine 
Mann Finnlands und das finnijche Volk neben dem gemeinen 
Mann Schwedens und dem fchwediichen Volke bejonders auf- 
geführt worden waren. Auf jolchen, aus der hiftorischen Ent: 
widelung bervorgegangenen Berbältniffen beruhte es, daß auch 
unter den veränderten VBerhältniffen von Anfang an ein vater- 
ländiſches Selbitbewußtjein vorhanden war, welches zwar 
noch der Stärkung bedurfte, aber jchon damals die Baſis 
ausmachte, auf welcher die neue Staatsorganijation aufgebaut 
wurde. 

Zeitgenöjjiische Briefe und Aufzeichnungen geben uns eine 
Vorftellung von dem Eindrud, den der Landtag zu Borg 
und die furz darauf erfolgenden Ereigniffe bei den leitenden 
Männern in Finnland Hinterliegen. Ginftimmig priejen fie 
den Edelmut, mit welchem Alerander Finnlands Konjtitution, 
Geſetze, Freiheiten und Gerechtiame bekräftigt hatte; aber gleich- 
zeitig erkannten fie, daß die Arbeit fünftiger Generationen er: 
forderlich jei, um das erjt begonnene Werk zu vollenden. Wo— 
jern nicht, jo heißt es in einem Briefe Biſchof Tengſtröms, 
die Nachfommen den Mut und die Befähigung bejäßen, das, 
was gewonnen worden, aufrechtzuerhalten und zu verteidigen, 
jo werde ſich Finnlands Gejchid binnen kurzem ebenjo traurig 
geftalten, wie das des Wiborger Gouvernements. Die Bei- 
behaltung eines hohen Standpunkte in der Pflege von Bil- 
dung und Sitte erjcheine hierbei am wichtigjten. „Das hohe 
Maß von Aufklärung und liberaler Gejinnung“, heißt es in 
jenem Schreiben weiter, „welches die Nation glüclicherweife 
gegenwärtig beſitzt . . ., iſt das einzige irgendwie wertvolle 
Bollwerk, welches die Schwäche zu ihrem Schute gegen bie 
Übermacht zu errichten vermag, und dennoch wird diejes Boll- 
werk, wenn es richtig befeftigt und in Stand gehalten wird, 


552 Sechfte Periode. Finnland während jeiner Bereinigung mit Rußland. 


jederzeit, auch bei ungünftigeren Konjunfturen, rejpeftiert wer- 
den“ "). 

Man hatte in jener Übergangszeit mit ihren noch vielfach 
unbeftimmten Formen feinen Anlaß, eine jorgfältige Definition 
der neuen ftaatlichen Stellung Finnlands zu verfuchen. Die Worte 
„Staat“, „Ronftitution* und „Verfaffung“ wurden angewendet, 
um zu befunden, daß Finnland eine eigene Eriftenz als Staat 
ſowie eine Konftitution bejaß, welche die Freiheit feiner Be— 
wohner ficherte. Die Worte Sperangfis in feinem Bericht an 
Alerander über feine amtliche Thätigfeit (1811): „Finnland 
ift ein Staat und nicht ein Gouvernement. Mithin kann es 
nicht nebenher und zujammen mit einer Menge von laufenden 
Geſchäften regiert werben“ ?), diefe Worte laſſen erfennen, 
daß feine Auffafjung bdiejelbe war, wie die Mannerheims, 
Tengftröms und anderer einbeimijcher Staatsmänner. Man 
mußte fich indefjen darein finden, daß die Autonomie des Groß- 
fürftentums als eines Staates in einzelnen Fällen Eintrag erlitt. 
So beftand 3. B. die 1809 einberufene Kommiffion für finnifche 
Angelegenheiten, welche fich nicht nur mit den Verhältniſſen in 
Ruſſiſch-Finnland, jondern auch mit denen im Großfürftentum 
zu befafien hatte, größtenteils aus ruffiichen Beamten. Man 
hoffte, daß die Zeit das, was im biefer Hinficht noch unreif 
war, zur Reife bringen werde, und man baute auf Kaiſer 
Alerander, deſſen Wille, die auf dem Borgäier Yandtage be- 
gründete Staatsordnung aufrechtzuerhalten, oft zum Ausdruck 
gelangte. 

Unter den zahlreichen hierauf bezüglichen Hußerungen des 
Zaren find der Ingreß zu dem Manifeft, betreffend das finniſche 
Militär, vom 27. März 1810 und die ſchon früher (S. 547) 
erwähnte Befanntmachung vom 21. Februar 1816 wegen ihrer 
Ausführlichkeit und Deutlichfeit beſonders beachtenswert. Die 
Einleitungsworte der erftgenannten Verordnung lauten: 


1) 3. Tengſtröm an R. H. Rebbinder, 11. Mai 1816: „Finniſches 
Staatsardiv“, 

2) Korff, Kusun rpawa Cnepancraro, p. 264 (Petersburg, 
1861). 


Die ftaatlihe Stellung bes Großfürftentums, 553 


„Bon ber Stunde an, da die Vorjehung Uns Finnland Geſchick 
anvertraut bat, ift es Unfer Vorſatz gemwejen, diejes Land in einer 
Weiſe zu regieren, die mit ber Freiheit der Nation und ben in ihrer 
Konftitution ihr gemährleiiteten Rechten übereinftimmt. 

„Die Beweiſe von Ergebenheit, die Uns die Einwohner nad 
bem Treueib, den fie Uns aus volllommen freiem Willen angeboten, 
burd) ihre beim Landtag verfammelten Bevollmächtigten geliefert haben, 
fonnten nicht anders als biefen Borjag bei Uns befeitigen. 

„Ale die bisher erlaflenen Verordnungen binfichtli der inneren 
Regierung des Landes find nur eine Folge und eine Anwendung 
dieſes Grundſatzes gemwejen. Die Beibehaltung der Religion und 
der Gejege, bie Berufung der Stände zu einem allgemeinen Landtag, bie 
Einrichtung eines Negierungstonjeild im Schoße der Nation, die un- 
geftörte Erhaltung ber rechtſprechenden und vollziehenden Gewalt bilden 
binreihende Beweiſe hierfür, um der finnischen Nation ihre politische 
Griftenz und die damit verbundenen Rechte zu fihern”. 


Der zweite Erlaß lautet im wejentlichen folgendermaßen: 


„Ta jeit der Vereinigung des Großfürftentums Finnland mit 
Unjerem Reiche das Gedeihen dieſes Landes ftetö einen teueren Gegen: 
ftand Unferer Neigung und Fürforge gebildet hat, jo haben Wir in- 
folge defjen bei jeder Gelegenheit nur durch Maßregeln, die das all- 
gemeine Wohl bezweden, Unjere finniſchen Unterthanen zu der Treue 
und Ergebenheit zu verpflichten verjudht, die Wir als ihre von ber 
Borjehung eingejegte Obrigleit von ihnen zu fordern das Recht haben, 
und von weldier Wir aud mehrere untrüglide Beweiſe empfangen 
haben, wie Wir mit Befriedigung anerfennen. Überzeugt, daß bie 
Verfaſſung und die Geſetze, die, übereinitimmend mit dem Charalter, 
den Sitten und der Bildung des finniſchen Volkes, während einer 
langen Neihe von Jahren die Grundlage ihrer bürgerliden Freiheit 
und Ruhe ausgemadt haben, nicht ohne Schaden für diejelben ein. 
geihränlt oder umgeftürzt werden könnten, haben Wir, jeit der erften 
Stunde Unferer Regierung über dieſes Land, nicht allein diefe Ver— 
faffung und dieſe Gejege mit den jedem finniſchen Mitbürger infolge 
davon zufommenden Freiheiten und Rechten aufs feierlichite beftätigt, 
fondern auch nad vorheriger Überlegung mit den verfammelten Ständen 
deö Landes eine befondere Regierung verordnet, bie, unter dem Namen 
Unferes Regierungslonſeils aus finnischen Männern zujammengejegt, 
biöher in Unjerm Namen die zivile Verwaltung des Landes und bie 
Rechtſprechung in legter Inſtanz bejorgt bat, unabhängig von jeder 
anderen Madıt als derjenigen der Geſetze ſowie derjenigen, die Wir 
auf Grund derfelben ala Regent ſelbſt ausüben. Auf ſolche Weife 
haben Wir ſowohl die Cefinnung an den Tag legen wollen, bie Uns 


554 Sechſte Periode. Finnland während jeiner Vereinigung mit Rußland. 


binfichtlih Unjerer finnischen Unterthanen geleitet bat und fürberhin 
leiten wird, und zugleih für ewige Zeiten die Berficherung, betreffend 
die Beibehaltung ihrer bejonderen Berfaflung unter Unferem und Un- 
jerer Nachfolger Scepter, befräftigen wollen; und... jo haben Wir, 
um noch mehr die Abfichten hervorzuheben, die Wir mit der Ein- 
rihtung der obengenannten Lolalregierung dieſes Landes und deren 
unmittelbarem Berhältnis zu Unjerer Perſon im Auge gehabt, es 
für angemefjen gefunden, derjelben, in Übercinjtimmung mit dem Nas 
men für bie höchſten Regierungsämter in Unjerm Saijerreihe und 
dem bamit kürzlich vereinigten Königreih Polen, die Benennung: Unſer 
Senat für Finnland beizulegen, ohne Veränderung jebod ihrer gegen- 
wärtigen Organijation und noch weniger der Verfaſſung und der Ge- 
jege, die Wir für Finnland beftätigt haben und hiermit nod weiter in 
allen Punkten befräftigen. Indem Wir zugleih aufs energiſchſte ver 
fihern, daß die Mitglieder diefes Unferes finnifhen Senats in Zu: 
funft jo wie bisher nur unter eingeborenen ober naturalifierten finni« 
ſchen Mitbürgern auserjehen werben follen, gebieten und befehlen Wir 
bemnad jämtlihen Unjeren finniſchen Untertbanen und denen e3 
ſonſt zulommt, den Maßregeln Folge zu leilten, die von Unjerm ehe 
maligen Regierungslonfeil in Finnland unter feiner nunmehrigen Be- 
nennung: Kaiferlider Senat in Unjerm Namen und Unſerm Auftrage 
getroffen werden“. 


Erwähnenswert find auch folgende Worte in einem Schreiben 
Aleranders vom 26. September 1810 an den finnijchen General: 
gouverneur Steinheil: 

„Bei der Ordnung der Verhältnifje Finnlands ift es Meine Ab- 
fiht gemwejen, diefem Bolt eine politiiche Erijtenz zu verjhaffen, fo 
dab es nicht als ein von Rußland erobertes, fondern als ein mit 
demjelben durch jeinen eigenen, offenbaren Vorteil verbundenes Land 
angejehen werden möge; deshalb find nit nur feine bürgerlichen, 
jondern aud feine politiſchen Gejege in Kraft geblieben” ?). 

Einige Jahre nach dem Borgaͤer Yandtage ordnete Ale 
rander 1. die Stellung Polens zu Rußland nach den gleichen 
Grundjägen, wie fie in Finnland angewendet worden waren. 
Infolge deſſen hat der vierte Artikel der Grundgejege des 
Kaijerreichs Rußland folgenden Wortlaut: „Mit dem Kaijerlich 
Ruffiihen Throne jind die Throne des Königreichs Polen und 
des Großfürftentums Finnland ungzertrennlich vereinigt“. Auch 

1) Bgl. J. R. Danie lſon, Finlands inre själfständighet, p. 68— 74 
Helſingfors, 1892). 


Der Erlaß von 1816. — Die Schwebenfreunbe. 559 


hierdurch wird die Stellung Finnlands als eines zu dem Ruſ— 
ſiſchen Reiche gehörenden, eigenen Staatsorganismus gefenn- 
zeichnet. 


Einige Männer juchten fich in jener Zeit auf Grund äußerer 
Berhältnifje oder aus Liebe zu Schweden daſelbſt ein neues Feld 
für ihre Wirfjamfeit. So blieb z. 3. Karl Johann Adlercreug 
in Schweden, wo er in den wenigen, ihm noch bejchiedenen 
Yebensjahren (1757 — 1815) als Staatsmann wie ald Krieger 
wichtige Aufgaben vollführte. Zahlreiche finnijche Offiziere folg- 
ten feinem Beijpiel, und nicht gering war die Zahl der Finn- 
länder, welche jpäter nach Schweden gingen, um Anftellung in 
ſchwediſchem Kriegsdienft zu juchen. Ein herber Schlag für das 
litterarifche Leben Finnlands war, daß Franz Mich. Franzen 1811 
als Prediger im Paftorat Kumla und Mitglied der Schwedijchen 
Akademie nah Schweden überjievelte. Gbendajelbjt gewannen 
auh der Maler Alerander Yauräus (1783 —1823) und ber 
Komponift Bernhard Heinrih Erujell (1775—1838) hohes 
Anfehen. Von in Finnland geborenen und nah Schweden 
übergejiedelten höheren Beamten jeien Gabriel Poppius (1770 
bis 1856) und Karl David Skogman (1786 — 1856) ge: 
nannt, welche zur Förderung der ſchwediſchen Induſtrie bei- 
trugen. Mancher hielt e8 damals noch für möglih, daß die 
zwijchen Schweden und Finnland gelöfte Verbindung durch 
irgendeine gewaltjame Veränderung, an denen die Gejchichte 
der damaligen Zeit reich war, wiederhergeitellt werden könnte. 
Allein dieje Hoffnung ging nicht in Erfüllung. Der franzöfiiche 
Marjchall Bernadotte (Karl XIV. Johann), welcher 1810 zum 
ſchwediſchen Thronfolger ernannt worden war, entwarf einen neuen 
Plan für die auswärtige Politit Schwedens. Er fnüpfte mit 
Alerander Beziehungen an und verjprach demjelben feinen Bei- 
jtand in dem gegen Napoleon bevorftehenden Kampf unter ber 
Bedingung, daß Schweden von Dänemark Norwegen erhalten 
jolfte. Bei einer Zufammentunft in Abo ſchloß er am 30. Auguft 
1812 ein Bündnis mit Alerander, beteiligte ſich 1813 an dem 


556 Sechite Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland. 


Feldzuge gegen Napoleon und erwarb jchlieglich (1814) durch 
den Kieler Frieden Norwegen, welches allerdings erft, nachdem 
feine Stellung als jelbftändiges Reich mit eigenem Grundgejet 
gewährleiftet worden war, mit Schweden vereinigt wurde. Seit 
diefer Zeit verzichtete man in Schweden auf jeden Gedanken 
an eine Wiedereroberung Finnlands. 

Eine Folge der veränderten Berhältniffe in Schweden war 
u. a. daß die finnifchen Teilnehmer an der Konjpiration von 
1793 gegen Neuterholms Regime aus Mißvergnügen über ben 
Sturz der Guftavianifchen Dynaftie ihre Zuflucht in Finnland 
juchten. Johann Friedrih Aminoff (1756 — 1842) ließ ſich 
bereit8 1809 in der Heimat jeiner Väter nieder. Guſtav 
Morig Armfelt, welcher nach feiner Begnadigung durch 
Guftan IV. Adolf 1801 nah Schweden zurüdfgefehrt und als 
Feldherr 1805—1807 in Pommern fowie 1808 an der nor— 
wegiichen Grenze thätig gewejen war, hatte ich als Guftavianer 
das Mißtrauen der neuen ſchwediſchen Regierung zugezogen 
und wurde im März 1811 aus Stodholm verbannt. Anfang 
April fam er nach Finnland und wurde im Mat nach Peters- 
burg berufen, wo er fich als begeifterter Anhänger des Legitimi— 
tätsprinzips und als erbitterter Gegner Napoleons das Ver: 
trauen Aleranders erwarb und mit Gunftbeweijen überhäuft 
wurde. Auch Iohann Albert Ehrenftröom (1762 — 1847), 
welcher im Herbft 1811 dem Beijpiel Aminoffs und Armfelts 
folgte, gewann durch feine legitimiſtiſche Gefinnung die Sym— 
pathieen Alexanders. Als Borfigender des in Heljingfors ge: 
bildeten Neubaufomitees wirkte er jpäter in verdienftlicher Weile 
beim Wiederaufbau der 1808 durch eine Feuersbrunſt faft 
völlig zerftörten neuen Hauptſtadt Finnlande. 

Wie ſchon erwähnt, lag die Berichterftattung über finnijche 
Angelegenheiten beim Kaifer jeit Anfang 1809 in den Händen 
Michael Speransfis und deſſen Adjunkten in finnifchen An— 
gelegenheiten, R. H. Rehbinder; doch wurde außerdem am 
18./30. Dftober 1809 eine Kommijjion für finnländifche An— 
gelegenheiten ernannt, welche Fragen zu prüfen hatte, die das 
neueroberte Finnland wie das ſchon feit früherer Zeit mit 


Das Komitee für die finnifchen Angelegenheiten. 557 


Rußland vereinigte Finnländijche Gouvernement betrafen, deſſen 
Wiedervereinigung mit Finnland vorbereitet werden jolite ?). 
Diefe größtenteild aus Finnland mehr oder weniger fernjtehen- 
den Berjönlichkeiten zujammengejegte Kommijfion entiprach je 
doch ihrer Aufgabe nur wenig; daher jchlug Speranski die Er- 
richtung einer „das in Petersburg mit Rückſicht auf die finni- 
ichen Angelegenheiten verordnete Komitee“ benannten, neuen Be— 
börde vor, welche auf Grund eines von G. M. Armfelt auf- 
gejetsten Projekts durch Inftruftion vom 6. November 1811 
organtfiert wurde, während gleichzeitig eine Verordnung vom 
7. November die Auflöjung der Finnländiichen Kommiſſion 
anbefahl. Das Komitee, welches die von der unmittelbaren 
Entjcheivung des Regenten abhängigen finnijchen Angelegenheiten 
zu prüfen und vorzubereiten hatte, jollte aus dem Vorſitzenden 
jowie mindeſtens drei, vom Kaijer unter den Bewohnern Finn- 
lands auserjehenen Mitgliedern beftehen. Dem Komitee wurde 
ein Staatsjefretär zur Seite geftellt, welcher jowohl als Mit- 
glied an den Arbeiten des Komitees teilzunehmen als auch über 
finnische Angelegenheiten dem Kaiſer Bericht zu erjtatten hatte. 
Der erfte Vorfikende des Komitee war der 1812 in ben 
Grafenftand erhobene Guftav Mor. Armfelt, welcher feit jeiner 
Ankunft in Petersburg (1811) bis zu feinem Tode (1814) 
als Günftling Aleranders I. bei allen Finnland betreffenden 


1) M. Aliander (Om donationerna i Wiborgs län, p. 135) jowie 
andere find der Meinung gewefen, die Kommiffion fei nur zur Behand— 
lung derjenigen Fragen eingefetst worden, welche bie Berhältnifie von „Alte 
Finnland” betrafen. Die Aliander unbelannt gebliebene Inftrultion won 
18./30. Oltober nennt jebody ausdrüdlich eine „zweifache Aufgabe” für die 
Kommilfion, nämlich 1) in Rüdficht auf die Verwaltung des kürzlich er— 
oberten Finnlands „die Fragen zu prüfen und zu erwägen, welche ihr auf 
Unfer Gebeiß künftig vorgelegt werben“, fowie 2) „in Anfehung ber Ber- 
einigung bes ehemaligen Finnländifhen Gouvernements” die Nachrichten 
zu prüfen, welche der Wirlliche Staatsrat Emine ihr zugehen laſſen werbe. 
Die Mitglieder der Finnländiſchen Kommiffion waren, jener Inftruftion 
zufolge: Baron Heifing, Geh. Rat Teils, der Wirt. Staatsrat Emine, 
Staatsrat Friccius, Baron Rehbinder ſowie ber ehemalige ſchwediſche 
Oberfilientenant Jägerhorn. Emine war Kanzleichef und Sekretär. 


558 Sechſte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland. 


Frageu einen entjcheidenden Einfluß ausübte und, obwohl nicht 
jelten Taunenhaft und willfürlih, zum wirklichen Vorteil des 
Baterlandes von jeiner Stellung Gebrauch machte. Die leb— 
hafte organifatorifche Thätigfeit, durch welche der Schluß des 
Jahres 1811 jowie der Beginn des folgenden Jahres aus- 
gezeichnet war, berubte auf feinem Eingreifen in ben Yauf der 
Dinge. Die erften Mitglieder des Komitees waren außer ihm: 
Johann Friedrich Aminoff, Jakob Wilhelm Hifinger, Guftav 
v. Roſenkampf und Karl Johann Walldeen. Zum Staatsjelretär 
wurde Robert Heinrich Rehbinder ernannt. Nach dem Tode 
Armfelt8 wurde Knut v. Troil Borfigender des Finniſchen 
Komitees; doch nahm derjelbe nach einer mehrjährigen Be— 
urlaubung jchon 1821 den Abjchied (geft. 1825). Unterdeſſen 
war der bereit8 1809 bedeutende Einfluß des Staatsjekretärg 
Rehbinder (1777— 1841) noch unabläffig im Steigen begriffen. 
Seine warme Vaterlandsliebe, fein redlicher Charakter und 
feine umfaſſenden Kenntnifje im Verein mit einer nie ermüben- 
den Arbeitskraft jicherten ihm das Bertrauen ber finnifchen 
Staatsmänner und Aleranders I. jowie nach deſſen Tode Nifo- 
laus’ I. Die fleinen Mißverftändniffe, welche manchmal zwijchen 
den Behörden in Finnland und in Petersburg entftanden, 
wurden burch jeinen Zaft und feine Gejchidlichkeit glücklich 
ausgeglichen. 

Schon vor Schluß des Borgaͤer Landtages war ber erjte 
Generalgouverneur Finnlands während biefer Epoche, Göran 
Magnus Sprengtporten, von feinem Poften abgegangen. Unter 
jeinen eigenen Landsleuten hatte er zahlreiche Gegner gefunden, 
und die rufjischen Beamten, mit denen er in Berührung kam, 
fühlten fich durch fein hochmütiges Wejen verlegt. Ein Zwiſt 
mit General Bogdan Knorring wegen einer Wohnung, welche 
Sprengtporten in Abo beziehen wollte, veranlaßte ein Faijer- 
liches Warnungsjchreiben. Bald darauf Hielt er fich für 
ungerechtfertigt übergangen, al8 er weder zum Vorfigenden 
noch zum Mitglied des Komitees ernannt wurde, welches ben 
Entwurf zum Wegierungstonfeil (vgl. S. 545) ausarbeitete. 
Seine Beſchwerde bei Speransfi wurde von dieſem nicht 


G. M. Sprengtportens Abſchied (1809). Die Oberbeamten. 559 


nur zurüdgewiejen, ſondern berjelbe erklärte auch, weil jener 
unbefugtermaßen auf die Thätigfeit der verfammelten Stände 
einzuwirken verjucht hatte, in Worten, welche von jeiner 
liberalen Auffaffung zeugen, daß auch der Schein einer 
Einwirkung auf die Stände vermieden werden müſſe. „Bis- 
weilen“, jo jagte er, „erjchredt der Schatten von Autorität, 
und jicherlich ift e8 gegenwärtig nicht angemefjen, ein jolches 
Mißtrauen wachzurufen, wo e8 einzig gilt, das Vertrauen zu 
ftärfen und zu befeftigen“. Dieſe Beweije von Ungnade be- 
wogen Sprengtporten, am 4. Mai 1809 jein Abjchiedsgejuch 
einzureichen, welches im Juni bewilligt wurde. Den Reit feines 
Lebens verbrachte er in der Zurüdgezogenheit des Privatleben 
(gejt. 1819). Finnlands Vereinigung mit Rußland, welche 
das Ziel jeiner Beftrebungen gewejen war, hatte ihm jomit 
nur während einer furzen Zeit einen unmittelbaren Einfluß 
auf die Gejchide Finnlands bereitet. Sein Nachfolger, General 
Michael Barclay de Tolly, wurde jchon 1810 als Kriegs— 
minifter nach Petersburg berufen und ein Mitglied des deutſch— 
eithländiichen Adels, General Fabian Steinheil, zum General: 
gouverneur ernannt. Diejer wohlmeinende und gutherzige Dann 
erwarb fich allgemeine Sympathie während bes langen Zeit- 
raums (1810— 1823), in welchem er jenen Poſten befleibete. 
Zu Beginn feiner Amtsverwaltung, am 12. Februar 1812, 
wurde die noch Heute für das Generalgouvernement gültige 
Inftruftion erlaffen. — Unter den einheimijchen höheren Be— 
amten gab es einige, welche durch ihre hervorragende Tüchtig- 
feit wirkſam dazu beitrugen, daß innerhalb der finnijchen Ver— 
waltung gute Traditionen auffamen und fich weiter entwidelten. 
In alfererfter Reihe jeien Karl Ed. Gyldenſtolpe (1770 bis 
1831) und Karl Erich Mannerbeim (1759 —1837) genannt, 
der erjtere zunächft Mitglied und 1822— 1831 jtellvertretender 
Vorfigender im Yuftizdepartement, letterer anfangs Mitglied 
und 1822—1826 ftellvertretender Vorfigender im Okonomie— 
departement. In noch höherem Grabe als jene erwarb ſich 
Matthias Calonius als Prokurator Anfpruch auf die Erkennt: 
lichfeit und Dankbarkeit feiner Landsleute. Die Aufgabe, die 


560 Sechſte Periode. Finnland während jeiner Vereinigung mit Rußland. 


Aufrechterhaltung der Gejege zu überwachen, war infolge ber 
Störungen, welche der Übergang in die neuen Verhältniſſe 
bervorrief, jowie wegen der Neigung zu ungefeglicher Willkür, 
welche unter dem Volk und bejonders bei den Beamten um 
jich gegriffen hatte, in den Jahren unmittelbar nach dem Kriege 
noch jehwieriger und verwidelter als jonft. Hier hatte Calo— 
nius ein Feld, wo ſich jein Scarfblid und fein feiter Cha— 
rafter wirkſam zu bethätigen vermochte, und er unterließ es 
denn auch nicht, Beamte zur Nechenjchaft zu ziehen, welche 
das Volk bedrüdt oder ihre Befugniſſe überjchritten hatten, 
und ruffiiche Behörden zurechtzuweiien, die fich gegen die Ge— 
jeße des Landes aus Unkenntnis oder Mißachtung vergangen 
hatten. Mit befonderem Nachdruck trat er gegen die Profe- 
Iytenmacherei vonjeiten der griechiſch-katholiſchen Prediger auf. 
Nachdem er 1816 wegen jeined Hohen Alters Abſchied ge- 
nommen, ftarb er 1817. Auf jeinem Grab auf dem Kirchhof 
von Nummis bei Abo wurde ihm ein Gebenfftein errichtet, 
dejfen Kojten durch eine Nationaljubjfription gededt wurden. — 
Unter den Yandeshauptleuten Finnlands in damaliger Zeit 
fanden fich einige, wie 5. B. der Yandeshauptmann Ehren— 
jtolpe in Uleäborg, welche der einheimijchen Regierung durch 
Eigenfinn und Willfür Ungelegenheiten bereiteten. Andere hin— 
gegen, darunter die Gebrüder Friedrih Guftav und Karl 
Johann Stjernvall in Nyland-Tawaftehus und Wiborg, waren 
tüchtige und bei Ausübung ihres Berufs eifrige Männer. Der 
eine war neben 9. A. Ehrenftröm beim Wiederaufbau von 
Heljingfors thätig; der andere hatte die Hauptleitung bei der 
umfaffenden Organijationsarbeit, welche erforderlich war, als 
„Alt-Finnland“ in den finnischen Staatsförper eingefügt wer: 
den jollte. 

Die lettgenannte Angelegenheit war die wichtigfte von 
allen, die den finnifchen Staatsmännern oblagen, nachdem bie 
erjten notwendigen Organijationsanftalten getroffen worben 
waren. Bereits unmittelbar nach der Eroberung Finnlands war 
Kaiſer Alerander darauf bedacht gewejen, mit dem Lande bie 
Gebiete zu vereinigen, welche von demſelben durch die Friedens- 


Die Wiebervereinigung von Alt mit NeusFinnland (1812). 561 


verträge von 1721 und 1743 losgetrennt worden waren, und 
er hatte demgemäß die Finnländiſche Kommiffion mit der Vor— 
bereitung dieſer Veränderung beauftragt. Allein der Plan 
jtieß innerhalb der ruffischen Umgebung Aleranders auf Wider- 
ftand und wurbe erjt verwirklicht, al8 G. M. Armfelt in 
Peterdburg eingetroffen war. Letzterer ging hierbei, wie jo 
häufig, raſch und entjchloffen zumege, freilich ohne alle vor— 
liegenden Schwierigkeiten, beſonders inbetreff der Stellung der 
Donationsbauern, hinreichend zu prüfen ?). Auf feinen Antrag 
wurde die Verordnung vom 11./23. Dezember 1811 erlaffe'u 
laut welcher das Finnländifche Gouvernement am 1. Januar 
1812 dem Großfürftentum einverleibt werden jollte, und 
zwar jo, daß die Staatseinkfünfte aus jenem Gouvernement in 
die allgemeine Kaffe Finnlands fließen follten. Zugleich wurde 
fejtgejegt, daß die Provinz in jubizialer Hinficht dem Aboer Hof: 
gericht und in geiftlichen Angelegenheiten dem Borgäer Stift jub- 
orbiniert fein, jowie daß der Negierungsfonfeil ein Komitee zur 
Ausarbeitung von Vorjchlägen, betreffend die Organifation ber 
Provinz in Übereinftimmung mit dem übrigen Finnland, ein- 
jegen ſollte. In einem jpäteren Manifeft vom 31. Dezember 
(a. St.) 1811 wurde u. a. erflärt, daß die Stände der Pro- 
vinz Wiborg das Nepräfentationsreht auf den Reichstagen, 
gemäß den einjchlägigen Beftimmungen der finnifchen Kon— 
ftitution, befigen, fowie daß Rechte und Pflichten der Grund- 
befiger allmählich in Übereinftimmung mit den Verhältniffen 
im übrigen Finnland geordnet werden jollten. Am 14. Februar 
1812 erging fchließlich eine Injtruftion für das vom Re— 
gierungstonjeil eingejegte Organifationsfomitee, zu deſſen Vor— 
figendem der Landeshauptmann K. 3. Stjernvall ernannt wurde. 
Das ausgedehnte Gebiet von „Alt- Finnland“, welches der- 
geftalt mit dem übrigen Finnland wieder vereinigt wurde, hatte, 
wie ſchon erwähnt, in den verfloffenen 90 Jahren wechjelvolfe 
Schickſale durchgemacht, durch welche die Bewohner ihren frü- 
beren Landsleuten öftlich vom Kymmenefluß entfrembet worden 

1) Bgl. 3. R. Danielfon, Viborgs läns äterförening etc. p. 139 


bis 150. 
Schybergſon, Geſchichte Finnlande. 36 


562 Sechſte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland. 


waren, jo daß bei der Verjchmelzungsarbeit große Schwierig- 
feiten überwunden werden mußten. Die für das Komitee hier— 
bei maßgebenden Grundjäge wurden in dem Schlußrechenichafts- 
bericht vom 31. Dezember 1813, wie folgt, angegeben: Das 
Komitee habe jeine Aufmerkjamfeit auf die infolge der neu 
binzutretenden Yandjchaft entjtehenden Pflichten des Landes 
gerichtet und demzufolge die Vorjchriften der für Finnland 
gültigen Gejete jo angewendet, daß jie bei ihrer Ausführung 
nüglich, beliebt und trog der totalen Änderung von Gewohn- 
beiten und Gebräuchen mit der früheren Auffafjung von. 
Rechten und Pflichten möglichit wenig im Widerjpruch jein 
jollten, wie e8 nur immer die allgemeine Sicherheit und das 
Eigentumsrecht geftatten könnten. — Wie durchgreifend die Reor— 
ganijation war, erjieht man daraus, daß das Beamtenperjonal 
der Bezirksregierung von 217 auf 89 berabgemindert wurde. 
Für den Handelsjtand machte das Komitee den Borjchlag, 
daß die Gildeneinteilung der Handelsjocietät, unter Abjchaffung 
der Gildenabgaben jowie der den verjchiedenen Klaffen eingeräum— 
ten Vorrechte, aufgehoben werden jolle, damit alle Kaufleute 
in Zukunft gleiche Rechte genöffen. Auch im übrigen jollte die 
in den Städten des Großfürjtentums gültige Ordnung zur Ein: 
führung gelangen. Die Grundjteuern wurden nach dem nied- 
rigen, durch die Steuerrevifionen von 1728 und jpäterer Jahre 
jejtgeftellten Sage beibehalten, der in ruſſiſcher Zeit durch läftige 
Berordnungen gebemmte Sügewerfbetrieb freigegeben. Die 
firchlichen VBerhältnifjfe wurden jo geordnet, daß man die luthe— 
riſchen Gemeinden, unter Aufhebung der Konfiftorien von Wi- 
borg und Fredrifshamn, dem Borgier Konfiftorium jubordi- 
nierte, wogegen die griechijchen Gemeinden nach wie vor von 
den in Wiborg und Petersburg eingerichteten, griechiſch-katho— 
lichen geiftlihen Behörben abhängen jollten. Die Schulen 
wurden unverändert gelaffen; in der Schule blieb Deutſch die 
herrſchende Sprache bis 1841, wo die in dem übrigen Finn 
land gültige Schulorganifation zur Einführung fam. 

Die wichtige Frage, betreffend die Stellung der Donations- 
bauern, erhielt feineswegs eine befriedigende Löſung. Eine 


Die Berfchmelzungsarbeit (1812). Die Donationsbauen. 568 


Verordnung von 1817 erklärte, daß die Donatare die Dona- 
tionen mit allen Rechten, welche früher der Krone zugehört 
hätten, bejigen jollten. Die Donatare waren indeffen hiermit 
noch nicht zufriedengeftellt, jondern forderten neue Vorrechte 
und wußten in der That infolge ihres mächtigen Einfluffes in 
Petersburg jchließlih ihre Anſprüche durchzufegen. Unter dem 
Borjig des Generalgouverneurs Zakrewski wurde 1825 ein 
Komitee einberufen, welches den Auftrag erhielt, „für die Do- 
natare ein ausgedehnteres Dispoſitions- und Cigentumsrecht 
vorzujchlagen, welches die Kommiffion für zwedmäßig und als 
nicht unmittelbar auf das Recht eines dritten einwirkend anſehen 
kann“. Die Kommiffion, in welcher Zafrewsti zugunften ber 
Intereffen der Gutsbefiger wirkſam arbeitete, erteilte ein Gut: 
achten, welches die Rechte der Bauern ganz und gar unberüd- 
fichtigt ließ, und in Übereinftimmung hiermit wurde 1826 eine 
Berfügung erlaffen, welche die Bauern des Befigrechts an den 
Höfen beraubte. Der Mehrzahl der Donationen wurde bie 
Eigenfchaft eines Rittergutes und demzufolge den Hinterjaffen 
nur diejenigen Rechte zuerkannt, welche ihnen, gleichwie ben 
Fronlandbauern in Finnland, durch Abſchluß von Kontrakten 
mit den Eigentümern zukämen. Doch durften ſie bis 1837, 
unter Beobachtung der früher feſtgeſtellten Pflichten, auf ihren 
Hufen verbleiben ). Unſerer Zeit iſt es vorbehalten geweſen, 
den Mißſtänden abzuhelfen, welche dieſe andauernde Verſchlechte— 
rung der Lage der Donationsbauern hervorrief. 

Die materielle Kraft Finnlands erfuhr durch die Ver— 
einigung mit Alt-Finnland einen beträchtlichen Zuwachs. Die 
Bevölkerungszahl des Großfürſtentums, welche 1807 auf 
914565 Seelen geſtiegen war, hatte ſich während des Krieges 
derart vermindert, daß fie 1810 nur auf 863268 und 1814 auf 
897403 Perſonen gejchägt wurde. Nunmehr (1815) belief 
fie fih jedoch, unter Einrechnung der Bewohner von Alt- 
Finnland, auf 1095955 Seelen. Der Gewinn an geiftiger 


1) €. ©. Palmen, Lisiä labjoitusmaakysymyksen historiaan, in: 
„Historiallinen Ark.“ XIV, 1—160 (Helfingfors, 1895). 


36 * 


564 Sechſte Periode. Finnland während jeiner Bereinigung mit Rußland. 


Kraft war hingegen infolge der abweichenden Bildungsver- 
bältniffe jowie wegen der gebrüdten Yage der Bewohner in 
Alt-Finnland lange minder bemerkbar. Graf Rehbinder begte 
bezüglih der Zukunft jenes Gebiets jo geringe Hoffnungen, 
daß er 1826 beantragte: die drei Kerholmjchen Gerichts- 
jprengel, welche erft 1617 unter ſchwediſche Oberberrichaft 
gefommen und durch Abftammung, Sitten wie Inftitutionen 
von dem übrigen Finnland volljtändig geſchieden waren, jowie 
die drei Petersburg zunächſt gelegenen Kirchipiele Kivinebb, 
Mohla und Walkjärvi follten von Finnland abgetrennt und mit 
Rußland vereinigt werden. Der Vorjchlag wurde jedoch vom 
Senat verworfen, und feitdem war nicht mehr davon die Rebe. 

Schon 1809 wurde die Frage aufgeworfen, die Hauptitabt 
aus Abo zu verlegen, deſſen alte ſchwediſche Traditionen und 
deffen Entfernung von Petersburg e8 unter den neuen Ber: 
hältniffen minder geeignet erjcheinen ließen, den Mittelpunft 
für die finnische Verwaltung zu bilden. Im Jahre 1812 
wurde Helfingford zur neuen Hauptſtadt Finnlands auser- 
jehen. Ein Komitee wurde einberufen, welches, wie bereits er- 
wähnt, unter J. A. Ehrenftröms Leitung der Stadt ein ihrer 
fünftigen Beftimmung würdiges Ausjehen geben jollte. Frei— 
gebig jchenkte Alerander 550000 Rubel zur Bildung eines 
Brandichadenerfagfonds für tie Einwohner der Stabt, eine 
Million Rubel zu einem Fonds für zinsfreie Anleihen und 
für Neubauten, jowie 400000 Rubel in Banfaffignaten für 
einen Regulierungsfonds. Mit diefen Mitteln bewerfftelligte 
Ehrenftröm, deſſen Gefhmadsrichtung in der Schule Guſtavs III. 
ausgebildet worden war, eine gelungene Llmgejtaltung des 
Äußeren von Helfingfors, wobei er durch den genialen Erbauer 
des Senatsgebäudes, der Univerfitätsbaulichkeiten und anderer 
monumentaler Paläfte, Karl Ludwig Engel (1778—1840), 
unterftügt wurde, welcher 1815 auf Ehrenftröms Vorſchlag 
eine Berufung als Architekt bei der Umgeftaltungsarbeit erhalten 
hatte. Im Jahre 1817 wurde Helfingfors zur Hauptitabt 
Finnlands erflärt, und am 1. Oftober 1819 bielt der Senat 
jeine erfte Seifion dajelbft. 


Helfingfors Hauptftabt (1817). ine finnifche Armee. 565 


Auch eine Menge von Zentralbehörden wurde, entiprechend 
den Rollegien in Stodholm, errichtet, jo 3. B. 1811 das 
Collegium medicum, die Pojtdireltion und die Oberbehörde 
für öffentliche Bauten, jo ferner 1812 die Oberbehörde für 
Lotſen- und Leuchtfeuerweſen jowie die Oberbehörde für Yandes- 
vermefjung. Ebenfalls 1812 trat die Generalzollpireftion in 
Thätigfeit, unter gleichzeitiger Regulierung der Zollverhältniffe. 
Im Jahre 1816 wurde die Verfügung erlaffen, daß fich alle 
in Finnland angefiedelten, im jchwedijchen Ritterhaus in- 
troduzierten Adelsgeſchlechter im Finniſchen Nitterhaus einzu- 
zeichnen hätten, welch letzteres 1818 eine bejondere Direktion 
erhielt. 

Seit dem Sommer 1811 war die Errichtung einer eigenen 
finnifchen Armee für G. M. Armfelt, 8. I. Stjernvall und an- 
dere ihnen nabeftehende finnijche Staatsmänner eine Hauptjache. 
Die Stellung und befondere ftaatlihe Organifation Finnlands, 
jeine Pflichten gegenüber dem mächtigen Reich, mit welchem 
es vereinigt war, jowie jchließlich die Stätkung des National- 
bewußtjeing jchien die Errichtung eigener Truppen zu erbeiichen, 
welche jedoch bloß zur Verteidigung des eigenen Landes ver- 
wendet werden dürften. Gleichzeitig damit ſollte auch die 
ruſſiſche Kinquartierung in Finnland vermindert werben 
oder ganz und gar aufhören. Hinfichtli des geeignetjten 
Weges zur Aufftellung einer einheimijchen Armee war man 
inbefjen verjchiedener Meinung, indem die einen allgemeine 
Wehrpflicht, die anderen geworbene Truppen vorjchlugen ?). 
Da e8 fich jpäter zeigte, daß Alerander einer finnischen Armee- 
organijation in umfaffendem Maßſtab abgeneigt war, mußte 
man von dem urjprünglich ind Auge gefaßten, großen, patrio- 
tijchen Ziel Abjtand nehmen und fi mit einem Notbehelf 
begnügen, welcher nur beabjichtigte, die loyalen Empfindungen 
der Finnländer für den Zaren an den Tag zu legen. Im 


1) Bol. R. Caftren, Militära frägor i Finland efter 1809, in: 
„Helsingfors Dagblad“ (März bis Mai 1879); G. U. Gripenberg, 
Anteckningar rörande den 1812 uppsatta finska militärens historia, in: 
„Finsk militärtidskrift“, p. 77 qq. (Helfingfors, 1892). 


566 Sechfte Periode. Finnland während feiner Vereinigung mit Rußland. 


September 1812, als der Krieg zwijchen Alerander und Na— 
poleon in das Stadium der Entjcheidung getreten war, wurde 
die Aufftellung von drei geworbenen finnijchen Yägerregimentern 
(zufammen 3600 Mann) anbefohlen, die jedoch nur dann ins 
Feld rücen follten, wenn der Feind Finnland oder die an ber 
Oſtſee belegenen Yändergebiete des Kaijerreichs angreifen würbe. 
Dieje Truppen, welche wegen ihrer geringen militärifchen Übung 
den Spottnamen „Kartoffeljäger“ erhielten, wurden 1827 in 
ſechs Scharfjchügenbataillone umgewandelt, 1830 jedoch auf: 
gelöft. Die von G. M. Sprengtporten in Haapantemi gegrün- 
bete Kriegsjchule, welche während des Krieges in Verfall 
geraten war, wurbe 1812 als topographiiches Corps wieder 
ins Leben gerufen, nach Zerjtörung der Baulichkeiten infolge 
einer Feuersbrunſt 1819 nach Fredrikshamn verlegt und bier 
unter dem Namen „Finniſches Kadettencorps“ veorganifiert. 
Auf dem Gebiete des Kirchen- und Schulweſens ift zu er- 
wähnen, daß das Bistum Abo 1817 in ein Erzitift verwandelt 
wurde, welches in Jakob Tengftröm feinen erften Erzbiichof er- 
bielt, und daß die Finnische Bibelgejellichaft 1812 ihre ſegens— 
reihe Thätigfeit aufnahm. Für das Wohl der Univerfität 
war beren Profanzler Tengjtröm eifrig thätig. Er erwirfte 
für diejelbe einen neuen erhöhten Etat, jo daß die Zahl der 
Lehrkräfte mehr als verdoppelt werden konnte. Die Univerfität 
bejaß jeitdem 20 ordentliche Profefforen ſowie 19 Adjunkten. 
Die neuen Stellen fonnten nicht immer mit völlig geeig- 
neten Perjönlichkeiten bejett werden; troßdem war hierdurch 
eine neue, reichere Entwidlung des Univerfitätslebens ermög- 
licht worden. Nachdem Tengjtröm 1817 auf feinen Wunſch 
feine Entlafjung als Profanzler empfangen hatte, wurde diejer 
Poften nicht wieder bejett, jondern (1821) die Aufficht über 
die Hochſchule Johann Friedrich Aminoff mit dem Titel eines 
Vizekanzler übertragen. Das Amt des Kanzlers wurbe 
1809— 1812 von Speransti, dann von G. M. Armfelt bis 
zu deſſen Tode bekleidet. Seit 1816 war es in Händen bes je- 
weiligen Thronfolgerse. — Innerhalb des Elementarunterrichts 
erfolgten feine Reformen, jondern die alten, aus dem 17. Jahr: 


Abo Erzitift (11817). Die Univerfität. Die Neiie Aleranders (1819). 567 


hundert ftammenben Yehranftalten mit ihrem wenig zahlreichen 
und Schlecht beſoldeten Lehrperſonal blieben beftehen. Cine 
Kommiffion, welche 1814 zur Organijation der öffentlichen 
Unterrichtsanftalten einberufen wurde, übermittelte 1826 einen 
darauf bezüglichen Entwurf, welcher jedoch Tiegen blieb, vielleicht 
bauptjächlich deshalb, weil die unzureichenden Etatsmittel feine 
umfaffenden Reformen geftatteten. 

In immer höherem Maße gelang es Alexander, die treue 
Hingebung, welche das finnifche Volf feit uralter Zeit feinen 
Herrſchern entgegengebracht hatte, auf fich zu übertragen. 
Beſonders bedeutungsvoll erwies ſich in dieſer Hinficht eine 
Reife, welche er kurz vor Beginn des Herbftes 1819 durch 
das Innere Finnlands unternahm. Anfang Auguft begab er 
fih von St. Petersburg nach Archangel und von dort, längs des 
nördlichen Lfer8 des Ladoga-Sees über Salmi, Sorbavala 
und Walamo nach Kuopio, wo er am 25. Yuguft mit R. H. Reh: 
binder zujammentraf. Von bier brach er am 28. Auguft auf, 
reifte nach Idenſalmi und unternahm won der Boftitation 
Niſſilä in Idenſalmi aus eine romantische Fahrt über Seeen 
und durh Wildniffe bis nah Kajana. Nah Niffilä zurüd- 
gekehrt, jette er die Neife über Uleiborg bis Tornet und von 
dort längs der Küfte bis nach Abo fort, wo er am 7. Sep- 
tember fejtlich empfangen wurde. Über Tawaftehus, Tammer- 
fors und Helfingfors fehrte der Kaiſer jchlieglih Mitte Sep- 
tember nach Petersburg zurüd. In QTammerfors, wo bie 
mächtigen Wafferfälle feine Bewunderung erregten, äußerte er 
den Wunsch, daß die Wafferfraft Fünftig durch Anlegung von 
Fabriken nugbar gemacht werden möge, was dazu VBeranlaffung 
gab, daß Tammerfors am 1. Auguft 1821 zum Nang einer 
Freiftadt erhoben wurde, und zwar mit jenen bedeutenden 
Dorrechten und Privilegien, welche jpäter das Aufblühen dieſes 
Ortes zur Folge hatten. Überall, wo ſich der „milde“ Ale- 
ander zeigte, hatte er jich die Liebe des Volfes erworben, Die 
oft in umgefünftelter Form zum Ausdrud gelangte). Obwohl 


1) ®gl. „Kejsar Alexander Is resa i Finland 1819“ (Helfingiore, 
1892). 


568 Sechſte Periode. Finnland während feiner Vereinigung mit Rußland. 


aber Kaiſer Aleranders Wohlwollen für Finnland bis zu feinem 
Lebensende unverändert blieb, jo entfernte fich derſelbe doch 
von den freifinnigen Grundfägen, die er früher bei verfchiedenen 
Anläffen, namentlich auf dem Borgäer Landtag, ausgejprochen 
batte. Er wurde von dem reaftionären Geift ergriffen, welcher 
nah dem Sturze Napoleons in ganz Europa die Runde machte. 
In Rußland wurde hierdurch die Abjegung und Verbannung 
Sperangfis (März 1812) veranlaßt, worauf Männer, welche 
deſſen Beftrebungen bekämpft hatten, in der Umgebung Ale- 
randers den Haupteinfluß gewannen. In Finnland war eine 
Folge der veränderten Denkungsart des Kaifers, daß bie 
Volfsvertretung jeit dem Borgaͤer Landtage nicht wieder ein- 
berufen wurde. Zweimal war die Rede davon, daß bie 
finniichen Stände zufammentreten jollten, um über jchwebende 
Tragen ihr Gutachten abzugeben. In den Jahren 1811 und 
1812, als die Errichtung einer jelbftändigen finnijchen Armee 
ventiliert wurde, äußerte fich neben anderen auch G. M. Arm: 
felt zu gunften einer Einberufung des Yandtages; allein ber 
Kaiſer erteilte nicht feine Einwilligung hierzu. Im Jahre 1819 
handelte e8 fich ebenfalls um die militärijchen Inftitutionen ; 
aber gleichzeitig hegten die finnijchen Staatsmänner auch die 
Hoffnung, daß eine umfafjende Reform der gejamten Staats- 
verfaffung Finnlands zur Durchführung würde gelangen können. 
Der Staatsjetretär R. H. Rehbinder wirkte für die Einbe- 
rufung der Stände, und in der That jchien der Zar anfangs 
dazu geneigt; allein jpäter erfuhr der Vorſchlag infolge von 
nicht näher bekannten Umftänden eine Ablehnung !). 

In dem General Arjeni Zakrewski erhielt Finnland einen 
Generalgouverneur (1823—1831), welcher fih in die durch 
die fonjtitutionelle Stellung Finnlands vorgejchriebenen Formen 
nicht finden wollte. Die Spannung zwiichen ihm und dem 
Senat ging jchließlich jo weit, daß fich letterer genötigt jah, 
in einer von ſämtlichen Mitgliedern unterzeichneten Adreſſe 

1) Bol. R. Caftren, Landtdagsplaner under Alexander J., in: 


„Skildringar ur Finlands nyare historia“ I], 355-382 (Helfingsfors, 
1882). 


Die Realtion. 569 


dagegen zu proteftieren, daß ſich der Generalgouverneur, 
mit Übergehung des Senats wie des Petersburger Komitees, 
unmittelbar an den Kaiſer gewandt und deſſen Entjcheidungen 
eingeholt babe. „In Erwartung der höchſten NRejolution Ew. 
Kaijerl. Majeftät“, jo hieß es am Schluß des Schreibens, 
„muß ſich der Senat befjen enthalten, fünf Schreiben des 
Generalgouverneurs zur Vollziehung zu bringen, jowie auch 
jedes weitere Schreiben, welches jener General in gleicher Form 
und mit gleicher Tendenz dem Senat etwa künftig zuftellen 
jollte“. Der Schritt des Senats erzielte die gewünſchte Wir- 
fung, indem Alerander die betreffenden Verordnungen dem 
Komitee für die Finnifchen Angelegenheiten zur Behandlung 
überwies; allein auch noch jpäter fam es zu Meinungs- 
verjchiedenheiten zwijchen dem Generalgouverneur und den 
übrigen Regierungsgemwalten '). 

Der bei Alerander und in deſſen Umgebung berrichende 
reaktionäre Geift machte fich auch auf der Univerfität bemerkbar. 
Einige an fich unbedeutende Auftritte, an denen fich die afabe- 
miſche Jugend beteiligte, hatten Anlaß zu der Befürchtung ge- 
geben, daß fich die revolutionär = liberalen Lehren, welche bei 
der Jugend auf mehreren ausländijchen Univerfitäten verbreitet 
waren, auch bei der Äboer Afademie eingefehlichen hätten ; wes- 
balb 3. Fr. Aminoff, welcher 1821—1827 Vizelanzler der Uni— 
verfität war, gegen Univerfitätslehrer wie Studenten verjchiedene 
ftrenge Maßnahmen traf. 

Auf dem Gebiete des litterarijchen Lebens trat nach 1809 
eine Periode der Mutlofigfeit und der Stagnation ein, eine 
natürliche Folge des Umftandes, daß bie litterariiche Wechjel- 
wirfung mit Schweden geſchwächt oder gehemmt worden war. 
Die überlebenden Schriftjteller und Forſcher aus der Zeit 
Porthans hatten nur wenige oder gar feine Schüler um fich 
geſchart, und es ift bezeichnend, daß die einzige Zeitung bes 
Landes, „Abo Allmänna Tidning“, jeit 1810 offizielled Organ 


1) Der in kräftigen Ausbrüden geichidt abgefaßte Proteft findet fich 
gebrudt bei R. Caftren, Skildringar etc. I. 382 qq. 


570 Sechſte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland. 


der Regierung war. Auf jolche Weiſe verfloß ein Jahrzehnt. 
Dann aber begann an der Univerfität ein frifcheres Titterarijches 
Leben emporzublüben, welches in mehreren kurz bintereinander 
erjcheinenden Zeitungen und Zeitfchriften feinen Ausbrud fand. 
„Aura“ wurde 1817 und 1818 in zwei Heften von Profefjor 
3. G. Linjen herausgegeben, worauf „Mnemosyne‘ folgte, wel- 
ches unter der Redaktion Linjens und %. Bergboms 1819—1822 
wöchentlich zweimal erichien. „Turun Viikkosanomat‘“ wurde 
1820 von R. v. Beder begründet. Das von Adolf Iwar Ar- 
widsſon 1821 herausgegebene „Abo Morgonblad‘ wurde ſchon im 
September desjelben Jahres als mißliebig von der Regierung 
unterdrüdt, während „, Äbo Underrättelser “, abgejehen von 
einer mehrjährigen Unterbrechung, von 1824 bis auf uniere 
Zeit erjchienen find. Dieſe Publifationen, welche nur ſpär— 
lihe Mitteilungen über die Tagesereigniffe brachten, verfolgten 
gleichzeitig eine Afthetijche und eine patriotiiche Tendenz. Die 
jungen Dichter, welche darin an die Offentlichfeit traten, und 
unter denen A. I. Arwidsjon jowie der jpätere Profeffor des 
Griechischen, Arel Gabriel Sjöftröm (1794— 1846), die bedeu- 
tendjten waren, jchloffen fich der ſchwediſchen neuromantifchen 
(phosphoriftiichen) Schule an, die aus den dunflen Er- 
innerungen des Mittelalter8 oder aus der Sagenwelt neue 
Stoffe für die Dichtfunft zu holen fuchte; doch ſchlug dieſe 
Richtung Feine feſte Wurzel, und ihre Erzeugniffe fielen bald 
der Bergefienheit anheim. Bemerfenswerter waren die Äußer— 
ungen über das Baterland und die vaterländiihe Bildung 
wegen der neuen, von dem Patriotismus des Porthanfchen 
Zeitalter8 abweichenden Auffafjungsweife, welche darin zum 
Ausdruck gelangte. Für Porthan und feine Zeitgenoffen war 
Finnland, obwohl ihre Arbeit faft ausfchlieflich deſſen Vorzeit 
und defjen Zuftänden galt, doch nur eine Provinz des ſchwediſchen 
Reiches gewejen, während unter den veränderten politifchen 
Verhältniffen das Vaterland nunmehr als ein Ganzes für fich 
auftrat, als etwas, welches jelbjtändig eine immer reichere, 
geiftige und politiiche Entwidlung erreichen müßte. Von diefem 
Gefichtspunft aus erſchien das für Finnland Eigentümliche 


Das Erwachen des Nationalgefübls (1820): Arwidsſon. 571 


bejonders geeignet, den Gegenftand der Aufmerkſamkeit zu 
bilden und als die Grundlage, auf welcher die Arbeit für das 
Baterland fußen müßte, behütet zu werben. ‘Die verjchiedenen 
Beitrebungen, welche jpäter innerhalb der Bildungsverhältniffe 
und des politijchen Lebens in Finnland zutage getreten find, waren 
bei jener Bewegung noch vereinigt oder mit einander vermengt, 
jo daß das Wort „Fennomanie“, womit die Richtung 1810 in 
der ſchwediſchen Zeitichrift „Lyceum“* bezeichnet wurbe, Damals 
eine allgemeinere Bedeutung und Ausdehnung befaß als in 
jpäteren Zeiten. Der hervorragendſte und eifrigite Vertreter 
diejes neuerwachten Baterlandsgefühle war der Dozent A. 3. 
Arwidsjon (1791 — 1858; geftorben auf einer Reiſe zu 
Wiborg). Im „Äbo Morgonblad“ charafterifierte derjelbe 
Nationalität und nationalen Geift als ein Gefühl, welches ung 
mit geheimer, aber unmwiderftehlicher Gewalt an die Nation 
fettet, im welcher wir zur Welt gefommen find; und noch 
energijcher äußerte er fich in dem Aufſatz: „Betrachtungen“, 
welcher 1822 in „Mnemosyne“* erjchien. Crbittert über bie 
Sleichgültigfeit für alles VBaterländifche jagt er: „Wir wollen 
alles jein, nur nicht Finnen; wir wünjchen alles zu wiſſen, 
fennen alle Sprachen der Welt, nur nicht unſere eigene. 
Wir wollen Himmel und Erde mit allen ihren Geheimniffen 
erforihen, aber nicht die Blume jehen, welche duftend zu 
unjeren Füßen ſprießt“. „Wir glauben und befennen, daß es 
nach unjerer Meinung jchleht um das Vaterland bejtellt ift, 
wofern nicht das Volk einen Ummandlungsprozeß vollzieht, 
wofern nicht ein newer, frijcher Geift allen feinen Mitgliedern 
eingeflößt wird. Die Liebe zur väterlichen Heimat, zu deren 
Sprache und zu deren Ehre muß von neuem erwachen“. Im 
„Abo Morgonblad‘ forderte ferner der Lehrer des Ruſſiſchen 
an der Univerfität, Erih Guſtav Ehrſtröm, die Einführung 
der finnischen Sprache bei den Schulen und Behörden, da bie 
Erlangung nationaler Einheit als Vorbedingung jprachliche 
Einheit vorausjege; allein dieſe Anregung verhallte damals 
noch wirfungslos. 

Diefe Außerungen, welche zwar einen im wejentlichen 


572 Sechſte Periode. Finnland während feiner Vereinigung mit Rußland. 


litterariihen Charakter bejaßen, aber doch durch ihre liberale 
und nationale Färbung an die freifinnigen Bewegungen an den 
Univerfitäten von Wefteuropa erinnerten, behagten den boben 
Vorgeſetzten keineswegs, am allerwenigften dem Vizekanzler 
3. %. Aminoff. Sein Unwille richtete fich namentlich gegen 
A. J. Arwidsſon. In einigen, 1820 in der Stodholmer 
Zeitung „Nya Extraposten“ veröffentlichten Aufſätzen hatte 
derjelbe die in Finnland berrfchenden Zuftände gerügt. Später 
hatte man, wie bereit8 erwähnt, fich zur Unterbrüdung jeiner 
Zeitung „Äbo Morgonblad“ veranlaßt geſehen. Als er jchließ- 
lich Anfang 1822 in der Zeitjchrift „ Mnemosyne “* den Auf: 
jat „Betrachtungen“ publizierte, worin er die Offiziere bes 
Landes lächerlich machte, wurde er ohne weitere Unterfuchung 
durch ein Faiferliches Nejkript für immer von der Aboer Uni- 
verjität verwiejen. Er fiedelte 1823 nah Schweden über, wo 
er zum Bibliothefar an der Stodholmer Königl. Bibliothef 
ernannt wurde und burch Herausgabe des früher oft von ung 
citierten Urfundenwerfs: „Handlingar till upplysning i Fin- 
lands häfder“ jein andauerndes Intereffe für Finnland an den 
Tag legte '). 

Zwei Aboer Univerfitätsprofefforen waren ebenfall® einer 
Berfolgung ausgejeßt. Der in Schweden geborene Brofeffor der 
Jurisprudenz, A. E. Afzelius (1779—1850; geft. in Riga), ſah 
fih 1822 genötigt, feinen Abjchied zu nehmen. Seine jpäteren 
Schickſale zeugten von der während der Regierung Nikolaus’ I. 
zunehmenden Reaktion. Wahrſcheinlich infolge feines Auftretens als 
Sachwalters der Donationsbauern in der Provinz Wiborg erregte 
er das Mißvergnügen einflußreicher Perjönlichkeiten, welche in 
Petersburg ihm entgegenarbeiteten. Anfang 1831 wurbe er als 
politiich verdächtig zum Verlaſſen des Yandes innerhalb dreier 
Wochen gezwungen und, als er fich bei der Überfahrt nad) Schwe- 
den verjpätete, auf Aland ergriffen jowie, ohne einer Unterjuchung 
unterworfen zu werden, nah Wjätka in Oftrußland gebracht; 


1) Bol. 8. ©. Eſtlander, Arwidsson som publicist i Abo, in: 
„Svenska literatursällskapets i Finland förbandlingar och uppsatser “ 
VIII, 90 -180 (Helfingfors, 1894). 


| 


Der Patrioten Mafregelung (1822). Die Tengftröm u. a. Gelehrte. 573 


auch ftand er bis zu feinem Tod unter Bolizeiauffiht. Das 
gejegwidrige Verfahren gegen ihn machte auf das Publikum 
einen peinlichen Eindrud. — Der Brofeffor der griechiſchen und 
orientalifchen Sprache endlich, Johann Bonsdorff (1772 — 1840), 
welcher fih zu gunften Arwidsſons geäußert und auch jonft 
Aminoffs Ungnade zugezogen hatte, erhielt 1823 einen ftändigen 
Urlaub, ohne an die Univerfität zurückkehren zu bürfen. 
Infolge folder reaftionären Maßnahmen verftummten die 
Stimmen, welche die öffentliche Meinung zu erhöhter Lebhaftig— 
feit anzuregen verjucht hatten. Aber die emfige vaterländifche 
Arbeit auf den Gebieten der Wiffenjchaft und Litteratur nahm 
unter Wiederaufnahme der Traditionen aus der Porthanjchen 
Zeit ihren Fortgang. ALS Nachfolger Porthans innerhalb ber 
vaterländifchen Gefchichtsforichung wirkten Jakob Tengſtröm, 
deffen an biftorifhen und topographifchen Aufichlüffen reiche 
„Abhandlung über die Amtsverwaltung und Bejoldung der 
Geiftlihen im Stifte Abo“ 1821—1825 erſchien, und der 
Profeffor der Philofophie, Johann Jakob Tengitröm (1787 bis 
1858), deſſen treffliche „Gedächtnisſchrift über Johann Geze- 
lius fenior“ (1825) den Anfang einer reichen jchriftftellerifchen 
Thätigfeit auf biographiſchem und hiſtoriſchem Gebiete bildete. 
In demjelben Jahre begann der jpätere Gejchichtsprofefjor 
Gabriel Rein (1800—1867) die Serie feiner Abhandlungen 
zur Gejhichte Finnlands im Mittelalter, während der Pro: 
feffor der Jurisprudenz, Wilhelm Gabriel Lagus (1786— 1859), 
ſpäter als Hiftorifcher Verfaffer und Forjcher an die Offentlich- 
feit trat. Cinzelunterfuchungen zur Gejchichte der finniſchen 
Fitteratur publizierte der Profeffor und Univerfitätsbiblio- 
thefar ſowie jpätere Chef des Departements für geiftliche An— 
gelegenheiten, Friedrich Wilhelm Pipping (1783—1868). 
Den erften Verſuch, einen allgemeinen Ülberbli der finnifchen 
Vorzeit zu geben, machte der Greifswalder Profeffor Fr. 
Rühs, indem er 1809 die deutiche Schrift: „Finnland und 
feine Bewohner“ publizierte, welche 1827 in ſchwediſcher Über: 
jegung von Arwidsfon in Geftalt einer umgearbeiteten und er- 
weiterten Auflage veröffentlicht wurde; ein Auszug daraus 


574 Sechſte Periode. Finnland während jeiner Bereinigung mit Rußland. 


war Arwidsſons „Lehrbuch der Gejchichte Finnlands“ (1832). 
Auf dem Felde der finnischen Sprachforſchung waren mehrere 
Gelehrte thätig. Guſtav Renvall, jpäter Propft in Ulfsby 
(1781— 1841), publizierte 1826 auf Koſten des ruffijchen 
Reichskanzlers Graf Rumjanzow ein  finnijch = lateinijch- 
deutiches Lexikon: „Lexicon linguae Fennicae“, und trug 
wirffam zur Feftjtellung der Grammatif und Orthographie 
der finnischen Sprache bei. Der Adjunkt der Gejchichte 
Reinhold v. Beder (1788—1858) fümpfte für Anwendung 
des Oftfinnifchen als Schriftiprache und gab 1824 eine ver- 
dienftvolle finniiche Grammatit heraus. Anders Johann Sjö- 
gren (1794— 1855), welcher in Petersburg ald Mitglied der 
dortigen Akademie ftarb, bejchäftigte ſich mit eingehenden 
Forſchungen über die in Rußland wohnenden finnijchen Volks— 
jtämme. Karl Arel Gottlund, Univerfitätsleftor der finni- 
ichen Sprache (1796— 1875), veröffentlichte 1818 die erjte ge- 
drudte Sammlung altfinnijcher Heldengejänge, wirkte in den 
zwanziger Jahren für Verbeſſerung der Lage der finnifchen 
Anfiedler in Wermland und bahnte den Weg für Anwendung 
des Finniſchen in gelehrten und jchönwiffenichaftlichen Arbeiten 
durch Publikation der zweibändigen Zeitichrift „Otava“ (1831 
bis 1832), welche Aufjäge über die Vorzeit und Ethnographie 
Finnlands nebſt Gedichten mehrerer Berfaffer enthielt. Der 
ſtädtiſche Oberarzt in Nyfarleby, Zach. Topelius senior (1781 
bis 1831), begann 1822 die Herausgabe feiner Sammlungen von 
finnischen Runen. Karl Niklas Keckman, Univerfitätsleftor der 
finnifchen Sprade (1793 — 1838), war als Publizift und 
Überjeger thätig. Die fcherzhaften und didaktiſchen Gedichte 
des Wiborger Magijtratsjefretärs Jakob Juden (1781— 1855) 
fanden zahlreiche Yejer, und der Volksdichter Baavo Korhonen 
aus Rautalampi (1775— 1840) wurde durch jeine Lieder über 
Themata aus dem Leben ber niederen Bevölkerungsſchichten 
auch außerhalb feiner engeren Heimat bekannt. Während 
der Litteratur und Sprachforſchung ein Intereffe entgegenge- 
bracht wurde, welches die bald darauf eintretende, noch reichere 
Entwidlung bereits anzulündigen jchien, waren die Natur= 


Die Litteratur in den 20er Jahren. — Nitolaus 1. 57h 


wifjenjchaften und die öfonomijchen Beftrebungen, welche im 
verfloffenen Jahrhundert viele begabte Jünger gefunden hatten, 
verhältnismäßig vernachläffigt. Im Jahre 1821 begründete 
der Profejjor der Zoologie Karl Reinhold Sahlberg (1779 bis 
1860), dejfen Schrift „Insecta fennica * auch im Ausland 
Aufjehen erregte, die Gejelljchaft: „Pro fauna et flora fennica“. 
Sleih ihm war Karl Guſtav Mannerheim (1797—1854) ein 
bedeutender Entomolog. Einer der berühmteften Aftronomen 
Europas, der Deutſche F. W. A. Argelander, gehörte 1823 bis 
1837 als Objervator und Profejjor zum Lehrkörper der finnischen 
Univerfität. Als Profefjor der Medizin wirkte der in Elffar- 
leby geborene Schwede Israel Hoafjer (1790— 1860) 1817 big 
1829 an der Univerfität. Später (1839) verfocht derielbe in 
der Abhandlung: „Über den Borgäer Landtag“ die jelbftändige 
politiihe Stellung Finnlande. Als nationalöfonomiicher Ver— 
fajjer ift der Sekretär der „Finniſchen Hanshaltungsgejellichaft“, 
Karl Chriſtian Böcker (1796— 1841), zu nennen. Die eigent- 
liche Volkslitteratur war noch, wie früher, faſt ausjchließlich 
religiöjen Inhalts. Anläßlich der Feier des Sälularfeſtes der 
lutheriſchen Reformation wurde 1817 die Finnifch-evangelijche 
Gejellichaft begründet, welche die Verbreitung Hleinerer Schriften 
riftlihen Inhalts unter der Bevölkerung bezwedte. 


2. Wikolaus 1 '). 


Ganz unerwartet gelangte nach Finnland die Kunde von 
dem am 1. Dezember 1825 zu Taganrog in Südrußland er- 


1) Quellen und Nachſchlagewerke zur Geſchichte Finnlands unter Nilo- 
laus I.: „Finlands författningssamling“; R. 9. Rebbinder, Under- 
dänig berättelse angäende Storfurstendömet Finlands tillständ och 
förvaltniug ifrän och med 1826 intill närvarande tid (Helfingfors, 
1836); ©. Rein, Inbjudningsskrift till Alexandersuniversitetets i Hel- 
singfors sorgefest öfver kejsar Nikolai I. (Helfingfors, 1855). — Bgl. 
auch: „Kinnland im 19. Jahrhundert. In Wort und Bild dargeftellt von 
finnländifhen Schriftftellern und Künfilern“ , herausgegeben unter Leitung 
L. Mechelins (Helfingfors, 1894). 


576 Sechfte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland. 


folgten Hinfcheiden Kaifer Aleranders I. Derjelbe hinterließ 
feinen Sohn; doch überlebten ihn zwei Brüder, Konftantin und 
Nikolaus. Der ältere von beiden, Konftantin, hatte, um fich 
mit der Gräfin Grudzynska vermählen zu fönnen, ſchon 1822 
der Thronfolge entjagt, und dieſer Verzicht war von Alerander 
anerkannt jowie 1823 durch ein Manifeſt beftätigt worden, 
welches den jüngeren Bruder, Nikolaus, zum Tihronfolger 
ernannte. Dieſes Manifeft war jedoch geheim gehalten worden 
und Nikolaus unbekannt geblieben, weshalb lettterer — er be— 
fand fich beim Tod Aleranders in Petersburg, während Kon- 
ſtantin als Generalijfimus Polens in Warjchau weilte — jelber 
dem älteren Bruder buldigte und die Ordre erließ, daß bem- 
jelben im ganzen Reiche der Treueid geleiftet werben jolle. 
Auch in Helfingfors Huldigten die oberen Behörden Ronjtantin 
(12. Dezember). Erſt nah Empfang eines Schreibens, in 
welchem Konftantin von neuem ausbrüdlich auf die Thronfolge 
verzichtete, verkündete Nikolaus in einem Manifeft vom 
24. Dezember jeine Thronbefteigung, worauf er den Treueid 
von jeiten der Bewohner des Reiches entgegennahm. An vemjelben 
Tag erjhien der Staatsjefretär Rehbinder beim Kaifer und 
erwirkte deſſen Unterjchrift für eine „Negentenverficherung“ 
(24. Dezember), worin derſelbe, gleich Alerander J. gelobte, 
gemäß der Verfaffung die Religion und die Grundgejege Finn- 
lands aufrechtzuerbalten, jamt den VBorrechten und Privilegien, 
in deren Genuß fich die Stände jowie jeder einzelne befänden. 
Am 30. Dezember leifteten der Senat und die Behörden in 
Helfingfors Nikolaus I. den Huldigungseid. 

Einige geheimrevolutionäre Gejellichaften, welche fich gegen 
Schluß der Regierung Uleranders unter dem ruffiichen Offizier: 
corps gebildet Hatten, benugten die Unruhe jener Tage zu 
einem Verſuch, die bejtehende Staatsregierung umzuftürzen 
und eine fonftitutionelle Regierung einzuführen. Diefer Auf- 
rubrverjuch, deſſen jchnelle Unterdrückung im wejentlichen ber 
Willenskraft und Entjchloffenheit des Kaifers zugufchreiben 
war, bejtimmte im nicht geringem Maße den Charakter der 
Regierung Nikolaus’ I. Er wurde ein Gegner freifinniger 


Finnland Lonfervativ unter Nitolaus. 677 


Neformen, in denen er eine Gefahr für die gejegliche Ordnung 
erblidte. Dieje jeine Denkungsart, die ihn zum Führer 
der fonjervativen Bejtrebungen in Rußland und im übrigen 
Europa machte, übte ihren Einfluß auch auf die finnijchen 
Berhältniffe aus. 

Eine Einberufung der Stände fam faum mehr in Frage, 
obwohl die Berechtigung dazu nicht jelten in öffentlichen 
Schriftſtücken hervorgehoben wurde. Das kommunale Leben 
war, bejonders auf dem Lande, jchon im ſchwediſcher Zeit in 
Verfall geraten und blieb es auch jet. Bon um fo größerer 
Bedeutung waren bie Oberbehörben; allein deren Beſtreben 
ging, abgejehen von einigen wenigen Ausnahmen, mehr darauf 
aus, die alten Formen aufrechtzuerhalten, als etwas Neues 
zu ſchaffen. Bisweilen wurden auf abminiftrativem Wege 
Beitimmungen erlaffen, welche Fragen betrafen, die ben 
Ständen und der Regierung zu gemeinjamer Behandlung hätten 
überwiejen werden müffen. Aber im allgemeinen blieb bie 
Regierung Fkonftitutionell = gejeglih, und Nikolaus I. jelber, 
welcher von jeinem konjervativen Standpunkt aus die Aufrecht- 
erbaltung der gejetlich beſtehenden Staatsorbnung als eine 
Hauptſache anjah, unterließ es jelten, bei Meinungsverjchieben- 
beiten die fonftitutionell richtigere Meinung gutzubeißen. 

Ein beachtenswertes Zeugnis dafür bildet der 1835 be- 
ginnende Verſuch zu einer umfafjenden Kodififation der fin- 
nifchen Gejege im Zuſammenhang mit einer Kodififation der 
Geſetze des Zarenreiches. Unter dem Vorfig des Profurators 
im Kaiſerl. Senat (1822—1854), Karl Johann Walleen 
(1781— 1867), wurde eine Gejetfommiffion einberufen, welche 
den Auftrag erhielt, einen juftematiichen Auszug aus den VBerord- 
nungen, betreffend Finnlands Rechtöpflege und Adminiftration, 
abzufafjen, ohne jedoch dabei etwas in den gültigen Reglements 
zu verändern. Die Arbeiten der Geſetzkommiſſion wurden 
jpäter einem Revifionsfomitee zur Prüfung überwiejen, welches 
tadelte, daß die Gejeglommiffion ihre ſyſtematiſche Zufammen- 
faffung auch auf das Geſetz von 1734 ausgedehnt habe, wobei 

Schybergſon, Geſchichte Finnlande. 37 


578 Sechſte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland. 


letzteres binfichtlich jeiner Aufftellung zerbrödelt und in bezug 
auf feinen Inhalt modifiziert worden fe. Das Nevifions- 
fomitee jowie die Profefforen der Yurisprudenz W. G. Lagus 
und 9. I. Nordftröm, welche auf Wunſch des Komitees ihr 
Gutachten abgaben, betonten, daß das Gejeß von 1734 von 
den Ständen auf einem allgemeinen Reichstage gutgeheißen 
und angenommen worden jet und deshalb auch nur auf gleiche 
Weife abgeändert werben fünne. Es iſt bezeichnend, daß dieſe 
grundgefegmäßige Auffaffung die Zuftimmung des Kaiſers 
Nikolaus I. fand. 

Die Form der Vorbereitung von finnischen Angelegenheiten 
in Petersburg erfuhr kurz nach der Thronbefteigung Nikolaus’ 
durch Auflöfung des Komitees für finnifche Angelegenheiten 
(17. März 1826) eine Veränderung; bierauf repräfentierte 
der Staatsſekretär, welcher 1834 den Titel „Minifter- 
ftaatsjefretär“ empfing, mit Beihilfe eines Adjunkten und 
einer Kanzlei Finnland bei dem Monarchen. Auf dieſem 
Poſten wirkte R. H. Rehbinder mit nimmer erlahmender Vater- 
landsliebe bis zu feinem Tode (1841). Im Jahre 1842 
wurde das wichtige Amt einem Sohne von G. M. Armfelt, 
dem Grafen Alerander Armfelt (1794—1876), anvertraut, 
welcher dasjelbe, unter Befolgung der Grundjäge feines Vor: 
gängers, geſchickt und taktvoll verſah. — Graf Arjeni Za- 
krewskti nahm 1831 jeinen Abjchied als Generalgouverneur, 
und zu feinem Nachfolger wurde noch in demſelben Jahre der 
Admiral Fürft Alerander Menſchikow auserjehen. Diefer, 
welcher Hoch in des Monarchen Gunft ftand und ein treuer 
Anhänger von dejjen Regierungsiyftem war, wurde bald durch 
alferlei Aufträge dem Yande entzogen und behielt feinen Wohn: 
fig in Petersburg, wo er indeffen noch immer einen oft ent- 
jcheidenden Einfluß auf die finnischen Angelegenheiten ausübte. 
Während feiner Abwejenheit wurde der Generalgouverneur- 
poften von den Adjunften General Alerander Amatus Theslew 
(1833— 1847), Freiherr Platon Rokaſſowski (1848-—1854) 
und Graf Friedrih Wilhelm Nembert Berg (1854—1855) 
verwaltet. Auf Fürft Menjchilow folgte 1855 Graf Berg, weldher 


Rebbinder, Menſchikow, Haartman u. a. Oberbeamte. 579 


bis 1862 Generalgouverneur blieb. — Unter den Mitgliedern 
des Senats war der in juriftiichen und öfonomifchen Dingen 
erfahrene Anders Heinrich Falck (1772—1851), welcher 1820 
bis 1833 als Finanzchef und 1828— 1833 auch als Vorfigender 
im Ofonomiedepartement fungierte, am einflußreichften. Nach 
jeiner Entlaffung (1833) gewann Yard Gabriel v. Haartman 
(1789 — 1859) eine noch beveutendere Stellung innerhalb der 
Regierung. Seit 1811 Expeditionsjefretär bei dem Komitee 
für die finnischen Angelegenheiten zu Petersburg, war er 1819 
Mitglied desjelben geworden und 1825—1830 Adjunkt des 
Minifterftaatsfefretärs gewejen. Später hatte er fich als Mit- 
glied im Dfonomiedepartement des Senats, ald Fandeshaupt- 
mann von Abo-Björneborg fowie als Vorſitzender in mehreren 
wichtigen Komitees eine umfaffende amtliche Erfahrung er- 
worben. Nach jeiner Ernennung zum Chef der Finanzerpedition 
(1840) fowie zum PVizepräfidenten im Ofonomiedepartement 
(1841) galt er bis zum Schluffe jeiner öffentlichen Laufbahn 
(1858) als der anerkannte Führer des finnischen Beamten: 
tums. Pflichtgetreu und einſichtsvoll bethätigte er fich wirf- 
fam bei allem, was in damaliger Zeit zur materiellen För— 
derung Finnlands geſchah. Streng Ffonjervativ in feinen 
Grundanjchauungen, war er ein tupijcher Repräjentant ber 
zur Zeit Nikolaus’ I. innerhalb der Regierung berrichenden 
Richtung. 

Mehrere größere und Fleinere Maßnahmen, welche durch 
die Erforderniffe der vorwärts fchreitenden gejellichaftlichen 
Entwidlung bedingt waren, zeugten von der Fürſorge ber 
Regierung für das Wohl des Landes. Im Yahre 1826 
wurde ein Manifeft erlaffen, worin der Kaifer erklärte, daß 
er fünftig ein Todesurteil nicht mehr beftätigen wolle, wofern 
das Berbrechen nicht von einer für das Vaterland und den 
Thron befonders gefährlichen Beichaffenheit gewejen jei. In 
den übrigen Fällen follte der Miffethäter zur Strafarbeit und 
Deportation nach Sibirien verurteilt werden. Seitdem ift bie 
Todesjtrafe in Finnland nicht mehr zur Anwendung gelangt. 
Im folgenden Jahre wurde verfügt, daß diejenigen griechijch- 

37* 


580 Sechſte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland. 


katholiſchen Glaubensbelenner, welche das finniſche Bürgerrecht 
erworben hätten, zu finnifchen Zivil- und Militärämtern un- 
gehindert zugelaffen werden jollten. Um eine ſolche Maßregel 
treffen zu fönnen, wäre die Einwilligung der Stände gejeß- 
mäßig erforderlich gewejen. Dies erkannte Kaifer Nikolaus denn 
auch in der Einleitung des Manifeftes an; doch hielt er die 
Veränderung für jo wichtig und fo ſehr dur die An- 
forderungen der Billigkeit geboten, daß fie nicht aufgehoben 
werben könne, „obwohl die Umſtände und Unjere übrigen 
Regierungsgefchäfte e8 Uns nicht ermöglichen, die Land— 
ftände des Großfürftentums gegenwärtig einzuberufen“. — 
Infolge einer Provinzialreorganifation wurde 1831 die Provinz 
Nyland- Tawaftehus in zwei Yandeshauptmannjchaften mit 
den Refidenzen Helfingfors und Tawaſtehus eingeteilt; die 
Provinz Kymmenegärd trat an die neugebildete Tandeshaupt- 
mannjchaft Nyland einige Diftrikte im Südweſten ab, wurde 
aber im Nordoften erweitert, indem Teile der Provinz Kuopio 
nebſt der Stadt Nyjlott damit vereinigt wurden; die Pro- 
vinzialrefiven; wurde von Heinola nah St. Michel verlegt, 
weshalb die Provinz nunmehr den Namen „Provinz Sankt 
Michel“ empfing. Gleichzeitig (1837) wurde der Titel „Yandes- 
bauptmann“ durch „Gouverneur“ erjegt. — Der jehnelle Gang 
der Rechtspflege wurde 1839 durch Errichtung eines neuen 
Wiborger HofgerichtS gefördert, deſſen Yurisdiktion die Pro— 
vinzen Wiborg, Kuopio und St. Michel umfaßte. Das Kirchen- 
wejen erfuhr ebenfalld (1850) einen Aufſchwung durch Los— 
trennung der Provinzen Kuopio und Uleäborg von den alten 
Stiften und ihre Vereinigung zu einem dritten Bistum, dem 
Stift Kuopio, deſſen erjter Biſchof Robert Balentin Frofterus 
(1795 —1885) war. — Zur Förderung des Handels im 
Innern des Landes wurden vier Städte gegründet: Iyväskylä 
(1837), St. Michel (1838), Heinola (1839) und Joenſuu an 
der Mündung des Bielisfluffes (1848). Die Stadt Abo, 
welche am 4. und 5. September 1827 faft vollftändig nieder: 
brannte, wurde wieberaufgebaut, wobei die Regierung die 
Einwohner reichlich unterftügte. Die Stadt Wafa, welche 


Die wichtigften Regierungsalte unter Nikolaus. 581 


1852 gleichfalls in Flammen aufging, wurde 1862 an ihre 
jegige, durch die Lage an dem Meere für die Seefahrt günftige 
Stelle verlegt. Gleichzeitig erhielt die Stabt offiziell den 
Namen „Nilolaiftad“ ; doch bat ſich der alte Name, ausge: 
nommen in offiziellen Schriftjtüden, bis heute erhalten. — 
Der Aderbau war in rajcher Entwidlung begriffen und erfuhr 
unabläffige Pflege. Die Trodenlegung der Sümpfe wurde 
anempfohlen, Aderbaudarlehen bewilligt und die Verteilung 
des Grundbefiges zu Ende geführt. Im Sabre 1836 er- 
folgte die Gründung des landwirtichaftlichen Inftituts von 
Muftiala. Die Folgen einiger ſchwerer Mißernten wurden 
durch die thatlräftige Hilfe der Regierung gemildert. Hingegen 
war leßtere nicht im jtande, die Interejfen Finnlands bei der 
Teilung hinreichend zu wahren, welche, betreffend den joge- 
nannten „gemeinjamen“ Diftrikt zwijchen dem Warangerfjord 
und der Fiſcherhalbinſel im nörblichften Lappmarken, im Jahre 
1827 von den Regierungen Norwegens und Rußlands vorge: 
nommen wurde, und burch welche der Patsjoki-Fluß und ber 
Jakobſtrom als Grenze zwifchen den beiberfeitigen Ländern 
feftgejegt wurden. Auch die Grenze Finnlands in jenen 
Gegenden wurde bei dieſer Gelegenheit feftgeftellt; aber man 
unterließ es, den finnischen Lappen ihr altes, jchon im Ström- 
jtaber Zraftat von 1751 gewährleiftetes Recht vorzubehalten, 
welches ihnen, unbefchadet der Grenze, die Ausübung der Vieh- 
zucht und Fifcherei in ganz Lappmarken bis and Meer ein- 
räumte. Die Folge hiervon war, daß die norwegijche Re— 
gierung binnen furzem die Grenze für die finnifchen Lappen 
jperrte. Vergebens fuchte die finnifche Regierung jpäter ihr 
Verſäumnis nachzubolen, und ebenjo fruchtlos erwies ſich die 
von ihr für die norwegijchen Lappen 1852 angeorbnete Grenz- 
Iperre. 

Bedeutungsvoll waren die öfonomijchen Reformen, welche 
auf 2. ©. v. Haartmans Veranlaffung und unter feiner 
Leitung zur Durchführung gelangten. Sein Verdienſt ift bie 
Löſung der fehwierigen Frage, betreffend die Vereinfachung 
der Steuererhebung durch Verwandlung der mannigfaltigen, 


582 Sechſte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland. 


Heinen Naturallieferungen in einige wenige, einfache und für 
die Steuerzahler möglihft wenig drüdende Steuerartikel. 
Durch eine Verordnung von 1840 wurde nämlich die Boden— 
rente in fünf verjchiedene Rubriten — Getreide, Hafer, Butter, 
Talg und bare Gelder — eingeteilt. Zugleich erfolgte eine 
allgemeine Prüfung der Grundfteuern und infolge davon die 
Aufftellung neuer Grundbücer. Bei den langjährigen Ar- 
beiten, welche dieje Angelegenheit erforderte, war an allererjter 
Stelle der Senatsfümmerer Johann Gabriel v. Bonsdorff 
(1795— 1873) thätig, welcher fich als DVerfaffer des Werkes 
„Die Kameralrehtswiffenichaft im Großfürftentum Finnland“ 
(1833) einen Namen gemacht bat. Gleichzeitig kam eine um: 
faffende Reform der Zollverhältniffe zu ftande. Im den 
erften Jahrzehnten nach der Vereinigung mit Rußland wurde 
ein Zollivftem befolgt, welches darauf abzielte, die Einfuhr 
von Produkten des Auslandes möglichjt zu verhindern. Nur 
aus Schweden und Rußland durften Waren gegen einen ge- 
ringen Zoll oder zollfrei importiert werden. Durch ein 1839 
ausgefertigtes Cchiffahrtsreglement jowie durch eine in dem— 
jelben Jahre publizierte Zolltare, worin der Einfuhrzoll für 
eine Menge von Waren berabgejegt wurde, gab man nun 
mehr endlich die prohibitiven Grundfäge auf. Eine große Un— 
bequemlichfeit war hierbei, daß das Zollſyſtem Finnlands nicht 
auf einen von Rußland unabhängigen Fuß geftellt werben 
fonnte; aber auch diejes Hindernis wußte v. Haartman burch 
jwedentiprechende Anordnungen teilweije zu befeitigen, jo u. a. 
durch Erlaß einer balboffiziellen Zolltare mit geringeren Zoll: 
fügen als in der offiziell gültigen. Cine beträchtliche Steigerung 
des Handelsverkehrs wurde durch dieſe Maßnahmen zu wege 
gebracht ). Am allerwichtigften war jedoch die jogenannte 
„Münzrealijation“ von 1840, durch welche v. Haartman der 
Verwirrung ein Ende machte, welche dadurch entjtanden war, 
daß eine Menge verjchiedener Sorten von ſchwediſchem und 


1) Bgl. darüber $r. Neovius, Finlands utrikesliandel och tullin- 
komster, in: „Finsk Tidskrift XXIII, 81—100 (Helfingfors, 1887). 


Steuer- und Zollreformen; die Münzrealifation (1840). 583 


ruſſiſchem Papier: und Silbergeld im Yande zirkulierte. Trotz 
der Anjtalten, welche getroffen worden waren, um den rujjijchen 
©Silberrubel allgemein gangbar zu machen, furfierten nämlich 
ſchwediſche Banknoten nach wie vor und hatten an verjchiedenen 
Stellen des flachen Landes ausjchlieglih Gültigfeit, weshalb 
ein Erlaß von 1822, des Inhalts, daß die allgemeinen Ab- 
gaben nur in ruffiiher Münze erlegt werben dürften, viele 
Schwierigkeiten, injonderheit für ben gemeinen Mann, mit 
fih bradte. Kine kaum geringere Unbequemlichkeit beftand 
darin, daß der Wert des ruffiichen Papiergelves, der joge- 
nannten „Banfaffignaten”, unaufhörlich wechjelte.e Um dem 
Geldwejen Feſtigkeit zu verleihen, wurde nunmehr beftimmt, 
daß der Silberrubel künftig die in Finnland gültige Münz— 
jorte jein jolltee Die von der finnischen Bank ausgegebenen 
Rubelnoten jollten ftet8 von der Bank in Silber eingelöft 
werden und deshalb der metalliiche Fonds der Bank mindeſtens 
in dem Verhältnis 7:15 dem im Umlauf befindlichen Noten- 
betrage entjprechen. Gleichzeitig wurden die im Lande ver- 
breiteten ſchwediſchen Banknoten unter für das Publikum gün— 
ftigen Bedingungen eingelöft und an die Schwediſche Reichs— 
banf überjandt. Hiermit ftand eine Reorganijation der Finn— 
ländiſchen Bank in Zufammenhang, welche biejer die für 
Aufrechterhaltung des Kreditweſens erforderliche metallijche 
Baluta verjchaffte. Die Feſtigkeit, welche das Geldwejen auf 
ſolche Weije erhielt, war jedoch nicht von langer Dauer, da 
die Finnländiſche Bank angewiefen wurde, die Noten der 
ruffiihen Bank gleich ihren eigenen anzunehmen, jo daß bie 
Bank von dem wechjelnden Werte des ruffiichen Papiergeldes 
abhängig wurde. Infolge deſſen erlitt die Stabilität der 
Münzverhältniffe ſchon während des Krimkrieges eine jolche 
Störung, daß ſich die Finnländifche Bank zur Einftellung 
ihrer Zahlungen in Silber genötigt fah. Obwohl aber mit- 
hin jpäter eine mehr durchgreifende Münzreform erforder- 
lih wurde, jo bebeutete doch die Münzrealijation immerhin 
einen bedeutenden Fortſchrit. — Durch diefe Maßnahmen 
und durch den Geift ftrenger Ordnung, welcher v. Haartmans 


584 Sechfte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland. 


Finanzverwaltung auszeichnete, vermehrten ſich die Hilfsquellen 
des Staates und deſſen Krebit derart, daß ein gewaltiges 
nationales Unternehmen ermöglicht wurde, nämlich der Bau 
des Saima-Ranals, welcher die feit dem Mittelalter geplante 
Berbindung zwifchen dem Saimaſee und dem Meere verwirklichte. 
Die Arbeit nahm 1845 unter Leitung des für die finnifchen 
Ranalbauten unermüdlich thätigen Karl Roſenkampff (1793 bie 
1846) ihren Anfang, und am 7. September 1856 wurde der 
Kanal eröffnet, womit eine Epoche ſchneller fommerzieller Ent- 
widelung für Oftfinnland begann. Die Koften betritt man teil- 
weife durch Ausgabe jogenannter „Saima-Noten“, d. h. zins- 
tragender Staatsobligationen, welche nach ſechs Jahren von ber 
Etatöverwaltung eingelöft wurden. Auch in diefem Falle wurden, 
wie bei mehreren anderen, auf der Initiative v. Haartmans 
berubenden Maßnahmen, die Erforberniffe des repräfentativen 
Staatsſyſtems unberüdfichtigt gelaffen; aber die Energie und 
Umſicht, die er bei feiner vielfeitigen Thätigfeit an den Tag 
legte, verdienen troßdem Anerkennung. 

Die finanzielle Stellung des Staates war um jo mehr ge- 
fichert, al8 deſſen Einkünfte durch das Verteidigungswejen nach 
wie vor nur in geringem Maß in Anfpruch genommen wurden. 
Eine 1818 gebildete Übungstompagnie, welche jpäter zu einem 
Bataillon ergänzt wurde, erhielt 1827 den Namen „Finniſches 
Scharfſchützen-Lehrbataillon“ und 1829 unter dem Namen 
„Binnisches Scharfichügenbataillon der Leibgarde“ den Rang 
als Garde. Seit 1830 war dieſes Bataillon die einzige Yand- 
truppe Finnlandse. Im den Jahren 1830 und 1853 wurben 
die erjte und zweite Matrojenabteilung („sjöekipage‘‘) er- 
richtet, welche gleich dem Garbebataillon aus geworbenen Mann- 
ſchaften bejtanden. Erft nach Ausbruch des Krimfrieges wurden 
dem Lande größere militärifhe Opfer auferlegt. 

Die Wirkſamkeit der Kirche nahm in den altererbten Formen 
ihren Fortgang. Erzbiihof I. Tengftröms Nachfolger war 
Erih Gabriel Melartin (1780—1847), welcher ebenfalls das 
Bertrauen des Monarchen genoß. Später folgten Ed. Bergen- 
heim (1798 —1884) und Zorften Thure Renvall (geb. 1817). 


Der Saimasfanal (1845—1856). Schulreformen. 585 


Innerhalb des Elementarunterrichts gelangten Verbeſſerungen 
zur Einführung, welche wenigftens einigermaßen die ausjchließ- 
liche Herrichaft des Lateinijchen bejeitigten. Im Jahre 1828 
wurde in Abo ein Gymnafium errichtet, 1841 und 1843 eine 
Neueinteilung der Schulen vorgenommen und deren Anzahl 
gleichzeitig vermehrt. Die Schulen erhielten neue Namen: 
1) niedere Glementarjchulen, an denen bie erjten Elemente 
wiffenjchaftlicher Bildung gelehrt wurden; 2) höhere Elementar- 
ſchulen für die Anfangsgründe einer höheren Elementarbildung 
und 3) Gymnaſien zur Vollendung der Elementarbildung. Im 
Helfingfors und Abo wurde eine öffentliche Mädchenſchule er- 
richtet. Die Unterrichtsiprahe in den Schulen war das 
Schwedische. Das unter Leitung des Dozenten Arel Adolf 
Laurell (1801 — 1852) in Helfingfors 1831 gegründete Privat- 
Iyceum wurde ein Mittelpunkt für die Ausbildung von neuen, 
verbeſſerten Lehrmethoden. Behufs Erhöhung der technijchen 
Fachbildung jchritt man 1848 zur Errichtung von technifchen 
Realſchulen in Helſingfors, Abo und Waſa. Sonntagsſchulen 
für die ſtädtiſchen Handwerler wurden 1842 eröffnet. Hin— 
gegen war das Verſtändnis für die Aufgaben und für die 
Bedeutung der Volksſchule bei den Leitern der Regierung noch 
nicht erwacht, ſo daß, wie vordem, der von den Geiſtlichen 
erteilte Unterricht und ambulatoriſche Schulen beinahe aus— 
ſchließlich für die Volkserziehung ſorgten. Im übrigen hatten 
alle, die für die geiſtige Entwickelung arbeiteten, infolge der 
ftrengen Zenſur, welche jede freifinnige Meinungsäußerung ver- 
binderte, mit mannigfaltigen Schwierigfeiten zu fümpfen. Im 
Jahre 1329 wurde ein Zenjurfomitee jowie in allen Städten 
des Landes untergeordnete Zenforen ernannt, welche die Ver— 
öffentlihung aller Druderzeugniffe zu verbieten hatten, wofern 
diejelben als irgendwie jchädlich angejehen werben könnten. 
Später wurde die Zenfur noch durch mehrere Berordnungen 
verſchärft und gleichzeitig der Leitung des Generalgouverneurg 
fubordiniert. Einer gleihen Anjchauungsweije entiprang ein 
1850 ausgefertigtes Verbot, die finnische Sprache in anderen 
Drudichriften anzuwenden als im denjenigen, welche religiöfe 


586 Sechſte Periode. Finnland während feiner Vereinigung mit Rußland. 


Erbauung oder ökonomiſche Förderung bezwedten. Dieje durch 
die am reaktionärften gefinnten Mitglieder der Regierung ver- 
anlaßte Verfügung gelangte indeffen niemals ftreng zur Durch— 
führung, geriet bald in Vergefjenheit und wurde 1860 wieder 
aufgehoben. Bald darauf (1851) gab die Errichtung einer Uni— 
verjitätsprofeffur der finnischen Sprache einen Fräftigen Impuls 
zur Vervollkommnung der finnijchen Litteratur. Während jede 
unbefangene Prüfung der Mißftände im öffentlichen Leben all- 
mählich durch die Zenſur zum Schweigen gebracht wurde, wib- 
meten fich die VBerfaffer mit deſto lebhafterem Eifer der jchön- 
wiffenjchaftlichen und gelehrten Publiziftit, und das Publitum 
folgte ihnen hierbei mit wachjendem Intereffe. Die Zeit des 
Zenfurzwanges wurde auf folche Weije zu einer Glanzperiode 
ber finnifchen Litteraturgefchichte und erhielt eine eigentümliche 
Färbung durch die patriotiſche Stimmung, welche faſt alle 
litterarifche Werke durchdrang. Die Vorliebe für das National- 
Einheimifche, welche bereit8 in den zwanziger Jahren auf— 
gefommen war, machte fich um jo lebhafter geltend, als man 
mehr denn zuvor von dem wefteuropäijchen Bildungsleben ge- 
trennt und infolge deffen ausjchließlich auf die eigenen Hilfs- 
quellen angewiejen war. 


Den Mittelpunkt des litterarifchen Lebens bildete nach wie 
vor die Univerfität, welche nach dem Brande der Stadt Abo 
1827 nach Helfingfors verlegt wurde, wo fich die Lehrſäle im 
Herbjt 1828 von neuem aufthaten. Bei der zweihunbert- 
jährigen Yubelfeier der Univerfität (1840), welcher u. a. der 
greife F. M. Franzen beimohnte, fam in mannigfaltiger Weile 
zum Ausdruck, wie hoch die Univerfität in der Gunft ber 
öffentlihen Meinung ftand. Namentlich bei den jüngeren 
Univerfitätslehrern zeigte fich ein lebhaftes Intereſſe für 
ſchönwiſſenſchaftliches Schriftftellertum, und aus ihren Reihen 
gingen faſt ſämtliche Dichter und ſchönwiſſenſchaftliche Verfaſſer 
der damaligen Zeit hervor. 

Die einfachen, aber formvollendeten, patriotiſchen Dich— 
tungen Johann Ludwig Runebergs (geboren am 5. Februar 


Die Zenfur. Die Univerfität. Der Dichter Runeberg (1804 —1877). 587 


1804 in Jakobſtad) waren der jchönjte Ausdruck der poe- 
tiichen Richtung jenes Zeitalterd. Schon die Iyrijchen Jugend— 
gedichte Runebergs, unter denen die Sammlung „Idylle 
und Epigramme“ wahre Perlen von hohem Werte enthält, 
erwedten durch ihren innerlihen Ton und ihre edle Form 
große Hoffnungen. Bald wurde jedoch die epifche Dichtung 
jein Hauptgebiet. In den „Elhihügen“ (1832) gab er eine 
meifterhaft ausgeführte Schilderung des Volfslebens im nörd- 
lichen Tawaſtland. Durch die idylliſch angelegte Dichtung 
„Hanna“ (1836), worin er eine Liebesgeſchichte aus einem finni- 
ihen Pfarrhof berichtet, wurde er ein populärer Dichter. In 
fritiichen Aufjägen verfocdht er im „Helsingfors Morgonblad 
gegenüber der unklaren Gefühlsichwärmerei der Romantiker 
das Ideal einer Haren Form und eines aus dem Yeben ge- 
griffenen, edlen Inhalts. Auch nachdem er die Univerfität, 
wo er feit 1830 als Dozent wirkte, verlaffen hatte, um eine 
DOberlehrerftelle in Borga zu übernehmen (1837), erjchienen 
zahlreiche Produkte jeines poetijchen Genius. In der Dichtung 
„Der Weihnachtsabend“ (1841) jchilderte er das Leben auf 
einem finnifchen Herrenfige mit deſſen patriarchaliichen Zu— 
ftänden. In der poetifchen Erzählung „Nadeschda“ (1841) 
zeichnete er ein ergreifendes Bild des rujfiichen Yebens zur Zeit 
Ratharinas IL, während das Thema des Gedichtes „König 
Fjalar“ (1844) der nordifchen Wilingerzeit und der oſſianiſchen 
Heldenwelt entnommen war. Seine hohe vaterländijche Be— 
deutung gewann Auneberg jedoch erjt, als er die in der Tra— 
bition bereit8 halb verblichene Erinnerung an den Krieg von 
1808/9 in poetiiher Form behandelte. In zwei Sammlungen 
(1848 und 1860) erjchienen feine „Erzählungen des Fähnrichs 
Stäl“, eine patriotijche Gemäldegalerie, wo der Zroßjunge 
und die Tochter des Köthners nicht minder ald der Landes— 
bauptmann und der General als Repräfentanten der Bater- 
landsliebe auftreten, welche während des Krieges von 1808/9 
alle Gemüter erfüllte. Dieje bald tragijch - ergreifenden, bald 
bumoriftifchen Geſänge wurden von alt und jung begeiftert 
aufgenommen. Das Einleitungsgedicht „Unjer Land“ („Värt 


588 Sechſte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland. 


land‘), der edelſte Ausdruck einer anipruchslojen und leiden- 
ichaftlihen Vaterlandsliebe, wurde in ber herrlichen Kom— 
pofition von Fr. Pacius zur Nationaldymne des finnijchen 
Bolfes. Der legte Abſchnitt in Runebergs dichterifcher Thätig- 
feit war der dramatifchen Kunft gewidmet. Gin bürgerliches 
Luftipiel „Kann nicht!” (1862) und eine Tragödie mit dem flaj- 
ſiſchen Titel „Die Könige auf Salamis* (1863) waren bie 
letzten Erzeugniffe feines Dichtergenius. Kurz nach Beendigung 
des leßtgenannten Stüdes wurde er durch einen Schlaganfall 
ans Krankenlager gefejjelt. Er ftarb am 6. Mai 1877 zu 
Borgä. Im Jahre 1885 errichtete das finnische Volk in 
Helfingfors feinem größten Dichter ein Denkmal ?). 

An der Seite Rumebergs wirkten mehrere andere, zwar 
minder reich begabte, aber doch bedeutende Dichter: der Pro- 
feffor der Phyſik, Johann Jakob Nervander (1805—1848), 
ber Profeffor der Afthetik, Friedrich Eygnäus (1807—1881) ?), 
und der Pfarrer in Storkyro, Lars Jakob Stenbäd (1811 
bi8 1870). Einer etwas jüngeren Generation gehörte ber 
Geſchichtsprofeſſor Zacharias Topelius junior (geb. 1818) an. 
Als Lyriker („Haideblüten *“ und „Neue Blätter “), Novellift 
(„Erzählungen des Feldſchers“), Publizift („Helsingfors Tid- 
ningar“), Dramatifer („Regina v. Emmerig“) und BVBerfaffer 
von Kinderbüchern („Das Buch der Natur“, „Das Buch über unfer 
Land“ und „Lejung für Kinder“) trug derjelbe zur Stärkung ber 
vaterländifchen Gefinnung bei ?). Ferner find zu erwähnen : der 
humoriſtiſche Dichter Jakob Gabriel Leiftenius (1821 -1858), 
Karl Wilhelm Törnegren (1817 — 1860), Emil v. Ovanten (geb. 
1827) und Joſeph Yulius Wedjell (geb. 1838), welcher 1862 


1) Bol. u. a. Peſchier, Iohann Ludwig Nuneberg (Stuttgart, 
1881), fowie bie bis 1837 reichende Arbeit I. E. Strömbergs: 
„Biografiska anteckningar om J. L. Runeberg “, Heft 1—3 (Helfingfors, 
1880—89). — Über die beutihen Musgaben ber Werke Runebergs vol. 
Beilage J. 

2) Bol. €. Nervander, Minne af Fredrik Cygnaeus (Helfingfors, 
1892). 

3) Über die deutſchen Ausgaben ber Werke Topelius’ vgl. Beilage I. 


Andere Dichter. Die Finnische Wiſſenſchaftsſozietät. 589 


das Trauerjpiel „Daniel Hort“ verfaßte. Sarah Elifabeth Wadlin 
(1790— 1846), geftorben in Stodholm, veröffentlichte 1844 
Erzählungen unter dem Titel: „Hundert Erinnerungen aus 
Ofterbotten“. Auch die Gemahlin Runebergs, Friederike Char- 
flotte (1807— 1879), publizierte Romane jowie novelfiftiiche 
Skizzen. 

Die wiffenfchaftliche Arbeit erhielt 1838 einen Mittelpunft 
in der „Finniſchen Wiffenfchaftsjozietät“, deren Publikationen 
anfangs nicht minder Hiftorifch = litterarifcher wie naturwiffen- 
ichaftlich-mathematiicher Art waren. Als hiſtoriſche Verfaffer 
und Forjcher wirkten die früher genannten Dünger der Bor- 
thanſchen Schule: Johann Yatob Tengftröm, welcher 1833 
eine „Gedächtnisſchrift iiber Gezelius junior“ und 1836 „Ehro- 
nologijche Aufzeichnungen über die Profanzler und Lehrer der 
Univerfität“ publizierte; ferner Gabriel Rein; Wilhelm Gabriel 
Lagus, deſſen erfter Teil der „Geſchichte des Aboer Hof: 
gerichts“ 1834 erjchien; jorwie endlich Friedrich Wilhelm Pip- 
ping, welcher mit umermübdlichem Eifer Drudjchriften in finni— 
jher Sprache jammelte, 1856—1857 ein Verzeichnis derjelben 
berausgab, jowie außerdem Notizen über Finnlands Kalender und 
Buchdruckereien zujammenftelltee Zu ihnen gejellte fich der 
Profeffor der ruſſiſchen Sprade, Matth. Akiander (1802 bie 
1871), namentlich) als Spezialforjcher auf dem Felde ber firch- 
lichen umd religiöfen Entwidelung. Seine Schrift: „Hiftoriiche 
Aufjchlüffe über die religiöfen Bewegungen in Finnland“ kam 
1857—1863 heraus. Anders Johann Hipping (1788—1862) 
veröffentlichte Hiftorifche, linguiſtiſche ſowie topographiiche Ab- 
bandlungen. Jakob Ed. Aug. Grönblad (1814— 1864), Fabian 
Collan (1817 — 1851) und Karl Konftantin Tigerftedt (geb. 1822) 
jammelten in dänifchen und ſchwediſchen Archiven Quellenurfunden 
zur Gefchichte Finnlands im Mittelalter, aus der Zeit Guftav 
Wajas und während der Epoche, wo Schweden eine Groß— 
macht war. Auf den Gebieten der Yitteratur- und der Kirchen- 
gefchichte arbeitete Sven Gabriel Elmgren (geb. 1817). Die 
Zeitichrift „Suomi der Finnifchen Litteraturgejellichaft (jeit 
1841) enthielt neben fprachwifjenjchaftlichen Aufjägen auch 


590 Sechſte Periode. Finnland während jeiner Bereinigung mit Rußland. 


mehrere Beiträge biftorifchen Inhalts. Johann Jakob Nord- 
ſtröm (1801— 1874), welcher 1846 nach Schweden überjiebelte 
und als Direktor des Stodholmer Reichsarchivs ftarb, erwarb 
durch jeine „Beiträge zur Gefchichte der ſchwediſchen Gefell- 
ihaftsverfafjung“ (1839—1840) hohes Anjehen als juridijch- 
biftorifcher Verfaffer. Von den übrigen juridiſchen Schrift- 
ftellern jeien Iohann Philipp Palmen (geb. 1811), Robert 
Lagus (1827— 1863), Karl Guftav Ehrftröm (1822— 1886) 
und Johann Wilhelm Rofenborg (1823— 1871) genannt. Ges 
trieben von feiner vaterländijchen Gefinnung, unternahm Matth. 
Aler. Caſtren (1813— 1852; jeit 1851 Profeffor der finnt- 
jchen Sprache) 1841—1849 ausgedehnte und mühevolle Reifen 
durch das Europäiſche Rußland und durch Sibirien, um Sprache 
und Yebensverhältniffe der dort wohnenden finnijchen Volks— 
ftämme zu jtudieren. Die Rejultate feiner Wirkſamkeit, welche 
in einer Menge von jprachwiffenichaftlichen, zum Zeil auch 
ins Deutjche übertragenen Studien niedergelegt und teilweije 
in dem Werk: „Nordifche Reifen und Forfchungen“ (1852 
bis 1858) zum Abdrud gelangt find, wurden für bie fin- 
niſch-ugriſche Sprach» und ethnographiſche Forſchung von grund- 
legender Bedeutung. Gleichzeitig ging Georg Auguft Wallin 
(1811—1852; Profefjor der orientaliijhen Sprachen) nach 
Ägypten und Arabien, wo er fich zu einem gründlichen Kenner 
von Litteratur und Sprache der orientaliichen Völkerſchaften 
ausbildete. Hervorragende Philologen waren auch der Pro- 
feffor des Yateiniihen, Ed. I. V. v. Brundr (1816 — 1871) 
jowie der Hafjiich-orientalifche Philologe und Litterarbiftorifer 
I. J. Wild. Yagus (geb. 1821). Auf den verjchiedenen Ge: 
bieten der naturmwiffenjchaftlihen Forſchung begann fich eben- 
fall8 ein blühendes Yeben zu entfalten. Wir nennen bier nur 
den Profefjor der Zoologie Aler. v. Norbmann (1803—1866), 
den Mineralogen und Oberintendanten für Bergweſen, Nils 
Guft. Nordenitjöld (1792 — 1867), den Chemiker Adolf Eduard 
Arppe (1818—1894) und den Botaniker William Nylander 
(geb. 1822). Bon Ärzten ift der Anatom Evert Iul. Bonsdorff 
(geb. 1810) zu erwähnen. Sam. Guft. Erufell (1810— 1858), 


Caftren u. a. Die Finnische Pitteraturgefellihaft (Lönnrot). 591 


befannt durch die von ihm entdeckte Anwendbarkeit der gal- 
vaniſchen Clektrizität im Dienfte der ärztlichen Kunft, ver- 
brachte den fpäteren Zeil feines Lebens in Rußland. Die 
„Binnifche Ärztegeſellſchaft“ verdankt ihre Gründung (1835) 
ber Initiative des Profeffors und jpäteren Medizinaldirektorg 
Karl Daniel v. Haartman (1792— 1877). 

Das ſchwediſche Idiom blieb die Sprache der gebildeten 
Klaffen, jo daß faft alle Originalwerfe von ſchönwiſſenſchaft— 
lichem und patriotijch = wifjenjchaftlihem Wert in jchwedifcher 
Mundart abgefaßt waren. Gleichzeitig aber wuchs der jchon 
in den zwanziger Jahren erwachte Eifer für eine VBervolltomm- 
nung der finnifchen Sprade und für eine Sammlung ber 
Erzeugniffe der finnischen Volkspoefie. Im Jahre 1831 wurde die 
„Finniſche Pitteraturgejellichaft” gegründet, deren erfter Sekretär, 
Elias Lönnrot (1802—1884; 1833 Kreisphyſikus in Kajana; 
1853 —1862 Univerfitätsprofeffor der finnischen Sprade und 
Litteratur) lange ihr thätigfter Arbeiter war und durch feine 
Schriften der Begründer der nationalfinnifchen Pitteratur wurde. 
Um das Werft von Zad. Topelius senior (vgl. ©. 574) 
zu vollenden, unternahm er wieberholentlih Forſchungsreiſen 
in die öftlichen Kirchipiele von Finniſch-Karelien jowie in bie 
in ber Nähe liegenden Diftrikte von Ruifisch - Karelien, und 
unabläffig brachte er aus jenen Gegenden neue, reiche Schäße 
beim. Unterbeffen wurde bei ihm der Gedanke rege, daß die 
Gedichte, welche die Sampo-Mythe behandelten, fragmentarifche 
Epifoden eines poetifchen Ganzen feien, deſſen Einheit fich 
vermittelft einer zufammenfaffenden Redaktion wiederberftellen 
ließe. Infolge des ſchnellen Fortjchritts feiner Arbeiten in dieſer 
Richtung konnte die Finnische Litteraturgejellichaft bereits 1835 
die erfte Auflage des finnischen Nationalepos „Kalewala“ (vgl. 
©. 4, Anm. 1) publizieren, deffen Erjcheinen mit freudiger Über- 
raſchung begrüßt wurde. Später veröffentlichte er die Iyrifchen 
Volkslieder der Nationalfinnen „Kanteletar“ (1840), ihre 
Sprichwörter (1842), ihre Rätfel (1844) ſowie ihre Zauberjprüche 
(1880), ſämtlich im Verlage der Finnifchen Litteraturgefell- 
ſchaft. Diefe Arbeiten, welche ein völlig neues Bild von dem 


592 Sechſte Periode. Finnland während jeiner Bereinigung mit Rußland. 


geiftigen Leben der Finnen der Vorzeit entrollten, wurden bie 
Grundpfeiler der jungen nationalfinnifchen Litteratur. Ihnen 
entnehmen die nationalfinnifchen VBerfaffer noch heute eine Menge 
von Worten, Bildern und Borftellungen. Auch als Uni— 
verfitätslehrer, Überfeger von wiffenfchaftlichen Fehrbüchern ins 
Finniſche jowie als Verfaſſer von ſprachwiſſenſchaftlichen Ar- 
beiten ſuchte Lönnrot auf eine Feſtigung und Vervollkommnung 
der finniſchen Schriftſprache hinzuarbeiten. 

Das Beiſpiel Lönnrots erweckte bei dem jungen Geſchlecht 
einen enthuſiaſtiſchen Eifer, es ihm nachzuthun. D. E. D. Eu— 
ropäus (1820—1884) beſchäftigte ſich neben anderen erfolgreich 
mit Sammlung von alten finnijcehen Volksliedern. Erich Rudbeck 
(1830— 1867) veröffentlichte unter dem Pfeudonym Salmelainen 
außer anderen Publikationen auch die finnischen Volksſagen. 
Guftav Erih Euren (1818—1872) und Guftav Adolf Avellan 
(1785—1859) juchten die finniſchen Sprachgeſetze feftzuftellen. 
Auguft Engelbrecht Ahlqviſt (1826— 1889), welcher als Rönn- 
rots Nachfolger 1863— 1888 Profeſſor der finnischen Sprache 
und Litteratur war, jammelte auf Forjchungsreifen in Rußland 
das Material zu Arbeiten über die Sprachen der in Rußland 
wohnenden finnischen Völferjchaften. Seine Unterfuchung: „Die 
Kulturwörter der weſtfinniſchen Sprachen“ (1871; deutſche 
Überjegung 1875) befitt einen hiftorifchen Wert, indem fie auf 
ſprachlichem Wege feitzuftellen jucht, welche Rulturgegenftände 
den Finnen der Vorzeit befannt gewejen waren. ferner war 
er bemüht, in grammatifalifchen Arbeiten den Wortihag ber 
finnifchen Sprache zu ordnen. Im feinen, unter dem Pſeudo— 
nym A. Offanen publizierten Dichtungen (,„Säkeniä) trat die 
finniſche Dichtkunft in bisher ungekannter Schönheit zutage. 
Schönmwiffenjchaftliche Berfaffer waren auch der Lyrifer Samuel 
Guft. Berg (1803— 1853), der Tragödiendichter Jak. Friebr. 
Lagervall (1787 — 1865) ſowie die Luſtſpieldichter Peter Hanni- 
fainen (geb. 1813) und Anders Warelius (geb. 1821). Von 
Volksdichtern, deren Gelegenheitögebichte zum Zeil im Drud 
erjchienen, find Peter Maktonen, Olli Kymäläinen, Bengt Lyy— 
tinen, Antti Puhakka u. ſ. w. zu nennen. Im populärer finnischer 


Kalewala und anderes Finniſch-Vaterländiſche. 503 


Proja verfaßte Joh. Friedr. Cajan (1815—1877) eine Gejchichte 
Finnlands, während Anders Warelius Volksſchriften vermifchten 
Inhalts publizierte und Paul Tikfanen (1823— 1873) der von 
ihm und einigen anderen 1847 gegründeten Zeitung „Suo- 
metar‘ durch unverbroffene Arbeit weite Verbreitung ver: 
Ichaffte. 

Die drüdenden Zenjurverhältnifje hinderten den Philofophen 
und Publiziſten Joh. Wild. Snellman (1806—1881) feines- 
wegsd daran, die Nation zu neuem politifchen und nationalen 
Leben zu erweden. Schon in jeiner Jugend hatte fich derjelbe als 
Dozent der Philojophie an der Helfingforjer Univerfität jowie 
als Berfafjer der Schriften: „Verſuch einer jpefulativen Ent- 
widelung der Idee der Perjönlichkeit* (Tübingen, 1841) und 
„Die Lehre vom Staate” (1842) bekannt gemacht. Als er, nach 
mehrjährigen Aufenthalt in Deutjchland und Schweden, 1842 in 
die Heimat zurüdgelehrt war, erhielt er eine Anjtellung in Kuopio 
als Schulreltor. Hier begann er feine politifche Thätigfeit. Seit 
1844 gab er das Wochenblatt „Saima“ heraus, in welchem er 
allgemeine vaterländijche Fragen mit Schärfe und Energie 
erörterte. Die freimütige Haltung des Blattes erregte bas 
Mißfallen der vorgejegten Behörden und veranlaßte jeine Unter- 
drüdung (1846). Allein jchon 1847 begann Snellman mit 
der Herausgabe der Monatsſchrift: „Litteraturblatt für all» 
gemeine bürgerliche Bildung“, worin er nach wie vor jeine An- 
fihten unerjchroden verfoht. Sein vaterländijches Programm 
umfaßte politijche, öfonomijche und Unterrichtsreformen; aber 
vornehmlich waren doch jeine Blide auf die Sprachverhältniffe 
des Landes gerichtet. Im der Umwandlung bes finnijchen 
Idioms von einer Sprache des gemeinen Mannes, welche für 
die höheren Bildungsbeftrebungen der Bedeutung entbehrte, in 
eine herrſchende Bildungs und Unterrichtsiprache erblidte er das 
Hauptmittel zur Sicherung von Finnlands Zukunft, da eine ein- 
beimifche Kultur nur von einer „neuen Generation“ gejchaffen 
werden könne, welche unter der Einwirkung einer nationalfinnijchen 
Bildung aufgewachjen jei. Jene Außerungen wurden jpäter 

Schybergſon, Geſchichte Finnlands. 38 


5994 Sechſte Periode. Finnland während jeiner Bereinigung mit Rußland. 


die Parole bei dem finniſchen Spracenftreit; allein damals 
machte fich noch feine Parteienjcheidung bei der Sprachenfrage 
bemerkbar. Mancher hielt Snellmans „fennomaniſche“ Nationali- 
tätstheorie für allzu radikal; hingegen brachten die gebildeten 
Klaſſen der pofitiven Arbeit für die aufblühende nationalfinnifche 
itteratur überall Wohlwollen entgegen. Im Jahre 1849 
fiedelte Snellman nach Heljingfors über, wo er nach wie vor 
jeine publiziftiiche Thätigkeit in ſchwediſcher Sprache fortießte. 
Seit 1856 Profejjor der Philojophie an der dortigen Uni— 
verjität, wurde er 1863 zum Senator ernannt. 

Auf dem Gebiete des religiöjen und firchlichen Lebens 
berrichte in den dreißiger und vierziger Jahren infolge der 
pietiftiichen Bewegung lebhafte Unruhe. Der Bauer Paavo 
Ruotjalainen aus Savolaks (1777—1852) erwarb fih um 
1820 als Berfündiger einer neuen Heilslehre großen Anhang, 
und in gleihem Sinne wirkte der Pfarrer Heinrich Nengpift, 
deſſen Auffaffung fih von derjenigen Nuotjalainens dadurch 
unterjchied, daß er noch höheren Wert als jener auf den fitt- 
lichen Lebenswandel legte, welcher die „Erlöften“ auszeichnen 
müffe. In den dreißiger Jahren traten Jonas Lagus, Nils 
Guſtav Malmberg und andere öfterbottnijche Prediger mit 
Ruotjalainen in Verbindung, und gleichzeitig fand der Pietis— 
mus auch Eingang an der Univerfität, von deren theologijch 
gebildeten Männern Lars Jakob Stenbäd, Prof. Anders Wild. 
Ingman (1819— 1877) und Prof. Karl Guftan v. Eſſen (1815 
bis 1895) eifrige Anhänger der „Erlöften” waren. Bon den 
Schriften, welche jene herausgaben, jei das „Evangelifche Wochen- 
blatt“ (1839—1840) genannt. Zu einem offenen Bruche mit der 
Staatsfirche, gegen deren Dogmenglauben fich die Beftrebungen 
der Pietiften richteten, kam es jedoch nicht. Etwas jpäter trat 
eine wejentlih hiervon abweichende religiöfe Bewegung, die 
fogenannte „evangeliſche“, an die Offentlichfeit; eine Bewegung, 
deren Anhänger unter Führung Friedrich Gabriel Hedbergs 
(1811—1895) auf die Kraft des Glaubens, unmittelbar jelig . 
zu machen, das Hauptgewicht legten. Wider alle dieje erklärte 
Prof. Arel Friedr. Granfelt (1815— 1892) in jeiner „Chriftlichen 


Snellman. Die Pietiften. Die Kunft. 595 


Dogmatik“ (1861), daß die wiffenjchaftliche Kritif auf dogma— 
tiſchem Gebiete berechtigt jei, und daß die chriftliche Lehre 
von wiſſenſchaftlichem Gefichtspunft aus bewiefen und erklärt 
werben könne. 

Die Kunſt war noch eine fremde Pflanze, welche auf finni— 
ſchem Boden nicht recht Wurzel faffen wollte. Der Intendant 
des Baufomtors, Charles Baffi, ſchuf 1815 den herrlichen 
Feftfaal der Aboer Akademie; Hingegen zeugten die von dem 
Bildhauer Erich Kainberg (1771—1816) an den Wänden des 
Saales ausgeführten Basrelief3 von einer recht geringen Kunft- 
fertigfeit. Der aus Finnland gebürtige Aler. Yauräus (1788 
bis 1823) ließ fich frühzeitig in Schweden nieder und wurde 
bald einer der hervorragendften Maler dieſes Yandes. Der 
Maler Guftan Wilhelm Finnberg (1784— 1833), welcher wegen 
mangelnder Aufmunterung feine Anlagen nicht zur Entwidelung 
zu bringen vermochte, ſtarb ebenfall8 in Stodholm. Die 
großen Neubauten in Helfingfors gewährten Karl Ludw. Engel 
(1778— 1840) die Möglichkeit, feinem in Deutichland aus— 
gebildeten Geſchmack für den Rennaiffanceftil in bedeutenden 
Aufgaben freien Spielraum zu laffen. Allein erft nad Stif- 
tung des „Finniſchen Kunſtvereins“ (1846), welche hauptjäch- 
lich auf Anregung einiger Univerfitätslehrer, u. a. des Profefjors 
Nils Abraham Gylden, erfolgte, begann ein größeres Intereffe 
für die einheimijche Kunft bei dem Publitum zu erwachen. Be— 
deutende Maler waren: Robert Wilhelm Efman (1808— 1873), 
die Brüder Magnus (1805-—1868) und Ferdinand v. Wright 
(geb. 1822), jowie der hochbegabte Pandichaftsmaler Werner Holm- 
berg (1830— 1860). — Bon Komponijten find Friedrich Auguft 
Ehritröm, Konrad Grewe ſowie an alfererjter Stelle der aus 
Hamburg gebürtige Friedrih Pactus (1809— 1891) zu nennen, 
deffen Oper: „Die Jagd König Karls“ als das erfte Anzeichen 
einer neuen Epoche des einheimifchen Mufiklebens mit Be— 
geifterung begrüßt wurde. Zum Danf dafür, daß infolge feiner 
Dirigententhätigfeit das mufifalifche Yeben in Helfingfors einen 
ichnelfen Aufihwung nahm, ift ihm 1895 dafelbft ein Denk— 


mal errichtet worden. 
38* 


596 Sechſte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland. 


Während des Krimfrieges blieb Finnland von den Leiden 
des Krieges keineswegs verjchont. Im Frühjahr 1854 er- 
ſchien in der Dftjee ein von Admiral Napier befehligtes eng— 
liſches Geſchwader, welchem fih im Juni franzöfifche Kriegs: 
ichiffe zugejellten. Die feindlichen Flotten, welche im Finnijchen 
Meerbufen ihre Hauptitation hatten, wagten weder Sveaborg 
noch Kronftadt anzugreifen, wo die ruſſiſche Flotte Zuflucht 
gejucht hatte, jondern mußten ſich auf die Verheerung ver- 
ichiedener Punkte an der finnijchen Küfte bejchränfen. Am 
19. und 20. Mai wurden einige englijche Fahrzeuge bei Hpit- 
jand zum Nüdzuge genötigt, und einige Tage fpäter von den 
Forts auf der Yandzunge Hangö Schüffe mit dem Gegner 
gewechjelt. Ebenſo beveutungslo8 vom militäriſchen Gejichts- 
punft und nur darauf berechnet, ven Landesbewohnern Furcht 
einzuflößen, war ein Berheerungszug, den der englijche Admiral 
Plumridge Ende Mai und Anfang Juni längs der Küfte des 
Bottnifchen Meerbuſens unternahm. Am 30. Mai landete 
eine englische Abteilung bei Braheſtad, wo die Schiffswerfte, 
die Pechfiederei und die im Hafen liegenden Fahrzeuge in Brand 
gejtekt wurden. in Gleiches geſchah am 1. Juni in Uleäborg. 
Am 7. Juni trieb hingegen eine Kleine ruſſiſche Kolonne mit 
Unterftügung von einigen in aller Eile aufgebotenen Frei— 
willigen die Engländer bei Gamla Karleby zurüd, wobei 
mehrere engliiche Barkafjen in den Grund gebohrt jowie eine 
Anzahl von Feinden gefangen genommen wurden. Im Yuli 
verbrannten die Engländer Bretterftapelpläge an der Miün- 
dung des Kemiflufjes. Dieje geringen Erfolge befriebigten 
indejfen Feineswegs die Regierungen Englands und Frankreichs, 
welche durch ein Unternehmen in großem Stile dem Feldzuge 
bes Jahres 1854 in jenen Gegenden einen höheren Glanz zu 
verleihen mwünjchten. Deshalb wurde ein franzöfijches Yan- 
dungscorps unter Baraguay d’Hillierd in die Oſtſee entjandt, 
welches am 8. Auguft auf Aland Iandete und mit Unterftütung 
der Kanonen der vereinigten Flotte einen Angriff auf die zu 
Beginn der Regierung Nikolaus’ erbaute Feſte Bomarſund 
machte. Am 10. begann das Bombardement, und am 16. 


Der Krimkrieg (1854). — Uleranber II. 697 


mußte die Feftung fapitulieren. Der Kommandant, General 
Bodisco, und etwas mehr ald 2000 Mann, darunter 2 Kom- 
pagnieen des AÄboer Scharfſchützenbataillons, gerieten hierbei in 
Gefangenschaft. Am 2. September wurden die Feſtungswerke 
in die Luft gejprengt. Ende Auguſt erfchienen einige feind- 
liche Fahrzeuge vor Abo, beſchoſſen die Batterieen auf Runfala 
und zerftörten jchließlih die Befeftigungen auf der Hangöer 
Landzunge. Hiermit endigte die Oftfeecampagne von 1854, 
welche im Bergleih mit den großen kriegeriſchen Ereigniffen 
im Süden von nur geringer Bedeutung gewejen war. 

Die kriegerifchen Mißerfolge verbitterten die legten Lebens— 
tage des Kaiſers Nikolaus I. und haben vielleicht zur Bejchlen- 
nigung feines Todes beigetragen, welder am 2. Mär; 1855 
erfolgte. Obwohl die Zeit jeiner Regierung für Finnland 
arm an Äußeren Ereignifjen gewejen war, jo waren andrerfeits 
doch die geiftigen Kräfte der Nation in reicher Entwidelung 
begriffen, und es bedurfte daher nur einer Veränderung der 
Außeren Berhältniffe, damit fi der wachſende Thatendrang 
auch auf dem Gebiete des politifchen Yebens bemerkbar machte. 


3. Alerander IL. °). 


Nah dem Tode Nikolaus’ I. wurde der Thron von feinem 
Sohne Alerander II. bejtiegen, welcher ſchon früher als Thron- 


1) Quellen und Nadichlagewerte zur Geſchichte Finnlands unter Ale 
rander II.: Ed. Bergb, Vär styrelse och vära landtdagar 1. u. II 
(Helfingfors, 1884 — 1888); Aug. Shauman, Frän sex ärtionden i 
Finland I u. II (Helfingfors, 1892—1893); W. E. Svedelius, Om 
Finlands landtdagar och landtdagsordningen gifven 1869 (Atab. Pro- 
gramm; Upfala, 1872); 8. ©. Ebrftröm, Kort öfversigt af Finlands 
lagstiftning under ären 1860—1875, in: „Tidskrift för lagstiftning 
och förvaltning, utg. af Chr. Naumann“, p. 482—522 (Stodholm, 
1876); R. Montgomery, Notice sur les travaux de la diete du 
grand-duch& de Finlande 1863—1879, in: „Annuaire de la societe 
de legislation comparde“, p. 727—756 (Paris, 1880); „Landtdags- 
handlingar‘“; „Finlands författningssamling “. 


598 Sechſte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland. 


folger und Univerjitätsfanzler Finnland bejucht und fich bei 
diejer Gelegenheit die Sympathieen der Bevölkerung erworben 
hatte. Derjelbe erließ am 3. März 1855 an die Bewohner 
Finnlands die „Verjicherung“, die Religion und die Grund» 
gejege des Landes nebjt den Privilegien und Gerechtjamen der 
Stände wie der Privatperjonen beibehalten zu wollen. Am 
5. März wurde ihm in Helfingfors der Treu: und Huldigungs- 
eid geleijtet, worauf jich eine Deputation nach Petersburg begab, 
um den neuen Monarchen anläßlich feiner Thronbefteigung zu 
beglüdwünjchen. An demjelben Tag erfolgte die Ernennung des 
Thronfolgers Nikolaus (1843 —1865) zum Univerfitätsfanzler. 
Graf F. W. NR. Berg, welcher zur Zeit des Thronwechjels 
jtellvertretender Generalgouverneur in Finnland gewejen war, 
erhielt am 8. März an Stelle des verabjchiedeten Fürjten Men- 
ihifow endgültig den Generalgouverneurspojiten. 

Der neue Herricher Alerander II. wünjchte mit den Weft- 
mächten Frieden zu jchließen. Da man fich aber über die Be— 
dingungen nicht zu einigen vermochte, nahm der Krieg, deſſen 
Hauptereigniffe fih nach wie vor in der Krim abjpielten, jeinen 
Fortgang. Auf dem nördlichen Kriegsichauplage waren die Vor— 
gänge von noch geringerer Bedeutung als im vorhergehenden 
Sabre. Die franzöfiich-englifche Flotte unter Dundas und Penaud 
entfandte bisweilen Schiffe, welche im Juni und Yult bei Kotka, wo 
einige Gebäude niedergebrannt wurden, jowie bei Nyjtad, Raumo 
und Wiborg Yandungsverjuche machten. Die von den Ruſſen 
preisgegebenen Befeftigungen bei Svartholm wurden in die Luft 
geiprengt. Das Hauptereignid war das Vombardement von 
Speaborg. Am 7. und 8. Auguft erjchien die gegnerijche 
Flotte auf der Rhede vor Sveaborg. Am folgenden Tage 
wurde ein heftige Feuer gegen die Feſtungswerke eröffnet, 
welches ohne Unterbrechung bis zum Morgen des 11. Auguit 
(46 Stunden) fortdauerte. Die aus Holz und Ziegeln auf: 
geführten Bauten wurden zerjtört; dagegen blieben die Be— 
fejtigungen völlig intakt, jo daß fich der Feind zurüdzog, 
ohne einen Sturmverjuch zu wagen. Heljingfors, welches wäh— 
rend jener Tage in offenbarer Gefahr jchwebte, blieb glüd- 


Der Krimkrieg (1855). 599 


licherweife verjchont. Hierauf begnügte jih der Feind mit 
einer Blodade der finnischen Küfte und zog ſich im Herbſt 
gänzlich zurüd. Am 30. März 1856 wurde der Parijer Friebe 
geichloffen, welcher u. a. die für Finnland wichtige Beſtimmung 
enthielt, daß Rußland in Zufunft die Aandsinjeln nicht mehr 
jollte befeftigen dürfen. 

Die Ausgaben und Opfer, welche Finnland während des 
Krieges auferlegt wurden, waren beträchtlid. Die Miliz: 
Armee hatte man teilweife wieder aufgeftellt. Im Juni 1854 
erging der Befehl zur Bildung von je einem Scharfſchützen— 
bataillon (zu 600 Mann) in den Provinzen Abo - Björneborg 
und Waja-Uleiborg, wobei jedoch die Yaften dadurch gemildert 
wurden, daß die Etatöverwaltung die Koften für Bekleidung 
und Bewaffnung der Soldaten jowie für den Unterhalt der 
Truppen während des Krieges übernahm. Später wurden 
einige weitere Scharfſchützenbataillone errichtet und eine Kanonen- 
ihaluppenflottilfe zur Küftenverteidigung ausgerüftet. Hierzu 
famen noch Militärtransportfoften jowie andere Ertraausgaben. 
Die Gejamtausgabe der finnischen Etatsverwaltung für Kriegs: 
zwede wurde von %. G. v. Haartman auf ungefähr 2800 000 
Rubel gejchägt, eine Summe, welche teilweije durch eine Staats— 
anleihe aufgebracht worden war. Der Verluft, den Brivatperjonen 
durch Beſchlagnahme von Handelsfahrzeugen vonjeiten der Geg- 
ner, dur Stodung des Handels, durch Verheerungen an 
ber Küſte u. ſ. w. erlitten hatten, belief jich ebenfalls auf be- 
trächtlihe Summen. Dennoch herrſchten nach dem Friedens: 
ichluffe feineswegs Meutlofigfeit und Ermattung. Im Gegen: 
teil machte fich auf allen Gebieten eine bisher ungelannte Yeb- 
baftigfeit und Thatenluft bemerkbar, aus welcher ſchließlich die 
Wiederbelebung des konftitutionellen Staatslebens in Finnland 
als die köſtlichſte Frucht hervorging. 

Kaijer Alerander IL., deſſen erjte Regierungsjahre in Ruß— 
land durch eine Menge liberaler Reformen ausgezeichnet waren, 
machte im März 1856 eine Reife nah Südfinnland und über- 
nabn am 24. März jelber das Präfidium im Senat, bei 
welcher Gelegenheit er eine franzöfiiche Note verlas, worin er 


600 Sechſte Periode. Finnland während jeiner Bereinigung mit Rußland. 


dem Senat ans Herz legte, Vorſchläge zur Förderung bes 
Handel und der Schiffahrt zu machen, Mittel zur Hebung 
der Landesinduftrie anzugeben, Entwürfe zur Organifation 
von Volksbildungsſchulen in den Landgemeinden auszuarbeiten, 
die Einjegung eines Komiteed zur Aufftellung von Plänen, 
betreffend die Verbefferung der Kommunifationswege vermittelt 
neuer Kanäle und Eijenbahnen, vorzubereiten, jowie einen Ent- 
wurf, betreffend eine Gehaltöverbefjerung für die niederen 
Beamten des Landes, abzufaffen. Diefes Faiferliche Diktamen 
brachte einen friſchen Zug in die NRegierungsbehörden und in 
die Beamten hinein, welche ſich mit Sachverftändigen aus den 
verſchiedenen Teilen des Landes in Verbindung jegten, um über 
den Zuftand und die Bedürfniſſe der Bevölkerung Aufſchluß 
zu erhalten. Vor dem Herrſcherthrone wurde Finnland wie 
bisher durch den Minifterjtaatsjetretär Graf Aler. Armfelt 
vertreten, dejjen vaterländifche Gefinnung und gewinnende Per- 
fönlichkeit fi unter den neuen PVerhältniffen noch mehr als 
früher bethätigen fonnte. Ihm zur Seite jtand ein Komitee 
für die finnifchen Angelegenheiten, welches durch Verordnung 
vom 8. April 1857 organifiert wurde und aus dem Adjunften 
des Staatsjefretärs nebft drei anderen Mitgliedern zuſammen— 
gejegt war. Auch der Generalgouverneur Graf Berg, ein 
zwar eigenwilliger, aber energijcher und thätiger Mann, juchte 
die öfonomifche Wohlfahrt des Landes zu fördern und bejtimmte 
u. a. während einer Reife in Finnland (Sommer 1856) 
Pläge, die jich für Aderbaufchulen eigneten. 

Bei der Bevölkerung erwachten lebhafte Hoffnungen, und 
diefelben famen Klar und energijch in einer Rede zum Ausdruck, 
welche der Theologieprofeffor und jpätere Biichof des Stiftes 
Borgä, Franz Ludwig Schauman (1810—1877), bei einem 
Feſte hielt, welches die Univerfität am 20. September 1856 
anläßlich der am 7. September erfolgten Krönung Aleran- 
ders II. feierte. „Der erfte Wunſch“, jagte er, „welcher fich im 
gegenwärtigen Augenblid in der Bruft des finnischen Volkes 
regt, ift der, daß es als finniſches Volt weiterbeftehen und fich 
weiterentwideln darf, daß wir Finnländer, obwohl unter dem— 


Nationale Wünſche (1856). Die erfte Eijenbahn (1862). 601 


jelben Regenten mit dem großen ruſſiſchen Reiche vereinigt, 
ftet8 Finnländer fein und bleiben, oder mit anderen Worten, 
daß wir frei unfere Nationalität weiterentwideln dürfen“. Werner 
forderte er, daß die finnifhe Sprache als Bildungsiprache 
anerfannt werden jolle, und betonte die Notwendigkeit einer 
Weiterentwidelung der von Schweden ererbten Gejeße und 
Inftitutionen durch gemeinfame Arbeit der Regierung und der 
Volksvertretung. „Ein lebhafter Wunſch“, Außerte er, „regt 
fih in der Bruft des finnischen Volkes, daß bald und jpäter 
öfters, je nachdem die Verhältniffe e8 erfordern fünnen, ben 
Ständen des Landes Gelegenheit bereitet werden möge, fich zu 
ſolchem Zwede in der Ordnung, wie e8 das Grundgeſetz vor- 
jchreibt, zu verfammeln“. Schließlich verweilte er bei dem 
Bedürfnis einer erweiterten Preßfreiheit. Mit Jubel wurde 
die Rede von dem Publitum wie von der periodijchen Preffe 
begrüßt, welche in den nächjten Jahren durch mehrere neue 
Organe, jo z. ®. „Helsingfors Dagblad‘“ (feit 1861), einen 
Zuwachs empfing. 

Mehrere bedeutende wirtichaftliche Unternehmungen famen 
durch die Initiative des Staates oder von Privatperjonen zu— 
Stande. Schon während der Regierung Nitolaus’ I. hatte man 
die Frage einer Eifenbahnanlage zwifchen Helfingfors und Ta- 
waftehus angeregt. Diefer Plan wurde jett wieder aufge- 
nommen und 1858—1862 zur Ausführung gebracht, jo daß 
im Mär; 1862 bie erjte finnifche Eifenbahn dem Verkehr 
übergeben werden fonnte. Die Koften der Anlage beliefen fich 
auf etwa 14700000 (finnische) Mark. Auf Veranlaffung von 
Privatperfonen, namentlich Heinrich Borgftröms junior (1830 
bis 1865), entſtanden in Helfingfors der Hhpothefenverein für 
landwirtichaftlihe Darlehen und die Vereinsbank für öffent- 
liches Krebitwejen, welche 1860 bezw. 1862 ihre Thätigfeit 
begannen. In dem Ofonomiedepartement des Senats wurbe 
1860 eine Abteilung für Aderbau und öffentliche Arbeiten ein- 
gerichtet. Der alte Chef der Finanzerpedition und ftellver- 
tretende Vorfigende im Ofonomiedepartement des Senats, 
Lars Gabriel v. Haartman, hielt feine Stellung innerhalb der 


602 Sechſte Periode Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland. 


Regierung wie bei der öffentlichen Meinung für erjchüttert. 
In einem an den Senat gerichteten Diktamen (Sept. 1856) 
erläuterte er die von ihm als Finanzchef befolgten Grundjäge 
und bob hervor, wie er die ſich ihm darbietenden Schwierig- 
feiten erfolgreich überwunden habe. Allein er fonnte das frühere 
Bertrauen nicht wiedergewinnen und ſah fich deshalb veranlagt, 
1858 jeine Entlafjung zu nehmen. Schon im nächjten Jahre 
ftarb er, einer der bebeutendften Repräjentanten des alten Re— 
gimes. Die Leitung der WFinanzverwaltung übernahm nad 
feiner Verabjchiedung Karl Fabian Theod. Yangenjkjöld (1810 
bi8 1863), ein feingebildeter Staatsmann, durch bejjen ener- 
giſches Eingreifen verjchiedene wichtige Maßnahmen veranlaßt 
wurden. So erwirfte er 1859 eine neue, die finntjch = ruj- 
ſiſchen Handelsbeziehungen betreffende Verordnung, welche den 
Erzeugniffen der finnifchen Induftrie ein erweitertes Abſatz— 
gebiet in Rußland verichafftee In demjelben Jahre wurde 
durch einen auf das Handwerks- und Manufakturwejen be 
züglihen Erlaß, welcher den Innungszwang wejentlich milverte, 
die Gewerbefreiheit erweitert. Der ftaatlihe Forſthaushalt 
wurde unter wirfjamer Unterftügung vonjeiten des Chefs für 
das Forjtwejen, Klas Wild. Gylden (1802 — 1872), nach neuen 
Grundjägen organifiert. Das Jahr 1859 brachte auch die 
Eröffnung des Forftinftituts auf Evois. Der Sägewerfbetrieb 
erlangte Befreiung von zablreihen Abgaben und damit zu— 
jammenhängenden Kontrollbeftimmungen. Vor allem aber tft 
der Name Langenjtjölds aufs engfte mit der neuen Münzreform 
verknüpft, welche dadurch veranlaßt wurde, daß „Finnlands 
Bank“ bisher verpflichtet war, nicht nur ihre eigenen, jondern 
auch die im Lande furjierenden ruffischen Noten gegen Silber 
einzulöjen. Letztere waren infolge des Krimfrieges im Werte 
gefallen und hatten einen Zwangsfurs, weshalb die Bank jchon 
1854 die Silbereinwechjelung fiftiert hatte. Das einzige Mittel 
biergegen war für Finnland die Erlangung einer bejonderen 
Münzeinheit. Dies geſchah 1860, wo „Mark“ und „Penni* 
(in Silber) Finnlands eigene Geldjorten wurden. Cine be- 
jondere finniſche Münzwerkjtatt wurde eingerichtet und im 


Langenftjöld als Nachfolger Haartmans, 603 


Dezember 1862 verfügt, daß vom 1. Juli 1863 an in den 
Rechnungsbüchern der Krone und im Privatverfehr nach Mark 
und Penni gerechnet werben ſollte. VBollftändig gelangte jene 
Neform freilich erjt nach Yangenjtjölds Tode durch feinen Nach: 
folger 3. W. Snellman zur Durchführung. 

Bon Maßnahmen zur Pflege der geiftigen Bildung find zu 
erwähnen: die Einrichtung einer Univerfitätsprofeffur für Sitten: 
lehre und Syſtem der Wiſſenſchaften (1856), welche I. W. Snell: 
man übertragen wurde; die Gründung der erjten vollftändigen 
Elementarjchule mit finnischer Unterrichtsiprache zu Iyväskylä 
(1858) und die Eröffnung des erjten Voltsjchuljeminars eben- 
dajelbit (1863). Der Paftor und fpätere Oberinjpeftor ber 
Boltsihulen, Uno Cygnäus (1810 — 1888), ging 1858 im 
Auftrag der Regierung zum Studium des Volksſchulweſens 
ins Ausland und entwarf nach feiner Rückkehr einen Volks— 
ihulorgantjationsplan, welcher 1862 genehmigt wurde. Die 
endgültige Reorganijation des Volksſchulweſens begann indeſſen 
erſt 1866. Die Volksjchulen wurden nunmehr zu kommu— 
nalen Unterrichtsanftalten gemacht, welche ftaatliche Unterftügung 
empfingen und unter ftaatlicher Kontrolle ftanden. 

Inzwijchen erwartete man mit Unruhe, immwieweit Die 
Regierung die Hoffnungen der Nation in demjenigen Punkte 
befriedigen würde, welcher in der Rede 3. L. Schaumang und 
bei anderen Gelegenheiten bejonders betont worden war: der 
Einberufung der Stände. Daß man ſich in feiner Hoffnung nicht 
täufchen würde, jchien aus einer Negierungsfundgebung vom 
31. Mai 1859 bervorzugehen des Inhalts, daß Kaijer Alerander 
— in Anbetracht deſſen, daß fich mehrere Fragen, welche die 
geiftige und materielle Entwidelung Finnlands nahe angingen, 
gemäß den Grundgejegen des Großfürftentums nicht auf abmini- 
jtrativem Weg endgültig löjen ließen — dem Generalgouver- 
neur und dem Senat anbefohlen habe, dieſe wichtige Angelegen- 
beit jorgfältig in Erwägung zu ziehen und Seiner Majejtät 
ein Verzeichnis von jolchen Fragen zu übermitteln. Auf Grund 
diejer Verordnung wählten die Mitglieder des Senats aus 
ihrer Mitte Kommijfionen, welche über Fünftige Angelegenheiten 


604 Sechſte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland. 


des Landtags beratichlagen follten. Im ein neues Stadium 
trat die ganze Frage durch ein kaiſerliches Meanifeft vom 
10. April 1861, welchem zufolge ein aus Delegierten der vier 
Stände des Landes beftehender Ausſchuß einberufen werden 
follte, um fich über die von der Regierung vorgelegten Ber- 
faffungsvorfchläge jowie über die zeitweilige Ordnung der 
Verhältniſſe bis zu einer künftigen Einberufung des Landtages 
gutachtlich zu äußern. Die Kompetenzen des Ausjchuffes wur- 
den im $ 7 jenes Manifeftes folgendermaßen definiert: „Nach: 
dem Wir über die bei Uns fomit eingelaufenen Vorftellungen 
unterthänige Gutachten vonfeiten des Senats und des General- 
gouverneurs des Großfürftentums eingefordert haben, wollen 
Wir, mit Gültigkeit bis zum nächjtbevorftehenden Yandtag, 
in Gnaden diejenigen Vorſchläge des Ausjchuffes beftätigen, 
welche, nach Unferer Überzeugung, in der That den wahren 
Bedürfniffen des Yandes entiprechen und deſſen Wohl fördern“. 
Diefe Worte erwedten die Vermutung, daß man die grund- 
geſetzmäßige Repräfentation bis auf weiteres durch eine In— 
ftitution zu erjeßen beabfichtige, welche in den Geſetzen bes 
Landes nicht vorgeſehen war. Unter jolchen Umſtänden ent- 
ftand im Land eine allgemeine Unruhe Wie wenig man auch) 
gewohnt jein mochte, öffentlich jeine Anfichten auszuſprechen, 
jo zögerte man dennoch nicht, gegen das Manifeft aufzutreten. 
Binnen wenigen Tagen war in Helfingfors eine große Zahl 
von Bürgern aus verfchiedenen Teilen des Landes verfammelt, 
welche eine an Kaiſer Alerander gerichtete Adreffe unterzeichneten, 
worin dieſer gebeten wurbe, bei Gejeßgebungsfragen, welche 
vor das Forum der Stände gehörten, die Wirffamfeit des 
Ausichuffes auf eine Vorbereitung folcher Fragen für den 
Landtag zu bejchränfen. Eine Überreihung der Adreffe kam 
jedoch nicht in Frage, da gleichzeitig in der Auffafjungsweife 
der Regierung binfichtlih der Ausſchußfrage ein Umjchwung 
eingetreten war. 

ALS das Manifeft am 18. April im Senate vorgetragen 
wurde, faßte die Majorität der Mitglieder den Beichluß, dem 
Monarchen ihre unterthänige Dankbarkeit in Worten zu be- 


Ein Landesausſchuß und jeine Kompetenzen. 605 


zeugen, welche zwar der Hoffnung einer baldigen Einberufung 
der Stände Ausdruck gaben, jedoch die Gejegmäßigfeit des 
Ausihußmanifeftes nicht in Zweifel zogen. Cine aus ben 
Senatoren Karl Dlof Eronftedt, Ber Jonas Törngpift, Berndt 
Federley, Harald Viktor Furuhjelm und Adolf Friedr. Mund 
beftehende Minderheit verfaßte hingegen eine Rejervation, worin 
hervorgehoben wurde, daß ſich der Wortlaut des Manifeſtes 
ungezwungen jo auslegen lafje, al8 ob der Ausjchuß ein Recht 
befigen jollte, welches grundgejegmäßig nur einem allgemeinen 
Landtag zukäme. Dean bäte daher um eine Erflärung, welches 
jedes Mißverjtändnis in dieſer Hinficht bejeitigen könne. Die 
Minderheit fand Unterftügung bei dem Prokurator Karl Eduard 
Gadd, welcher im Senat zu Protokoll erklärte: Nach jeiner 
Anſicht wäre es zweifelsohne für alle Klafjen des finnifchen 
Volkes höchſt wünjchenswert gewejen, daß auch die übrigen 
Senatsmitglievder dem Anſuchen der Minderheit zugeftimmt 
hätten. 

Die Äußerungen, welche das Ausjchußmanifeft veranlafte, 
machten auf die finniſchen Staatsmänner in Petersburg nicht 
geringen Eindrud, da fie eine jo jtarfe Erregung der öffent: 
lichen Meinung nicht erwartet hatten. Sie erwirften denn auch 
ein faiferliches Rejkript vom 24. April 1861 an den Borfigen- 
den des Ausihuffes, Senator Sebaftian Gripenberg, worin 
Alerander IL. in bezug auf die Kompetenz des Ausſchuſſes be- 
jtimmte, daß derjelbe bei denjenigen Fragen, welche ſich bloß 
auf grundgejegmäßigem Wege löjen ließen, nur Vorjchläge in 
betreff der den Landftänden vworzulegenden Propofitionen zu 
machen babe. 

Die noch teilweife vorhandenen Befürchtungen, welche viel- 
fach bei den Wahlen von Ausjhußmitgliedern zum Ausbrud 
gelangten, wurden vollends durch zwei weitere Nejfripte an 
Gripenberg (vom 23. Auguft 1861 und 17. Januar 1862) 
zerjtreut, welche den vorbereitenden Charakter der Gejchäfte des 
Ausichuffes nochmals befräftigten. Arch Hieß es in dem zweiten 
Schreiben ausdrüdlih, daß ein allgemeiner Yandtag einberufen 
werden jolle, jobald die nötigen vorbereitenden Anjtalten ge- 


606 Sechſte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland. 


troffen worden feier. Am 20. Auguft 1862 traten bierauf 
die gewählten Deputierten, je 12 für jeden Stand, in Helfing- 
fors zufammen. Da e8 indejjen die Aufgabe des Ausjchuffes 
nicht war, bezüglich der vorgelegten 54 Propofitionen eine 
Löſung ausfindig zu machen, fordern nur Gefichtspunfte vor- 
zubringen, welche die Arbeiten des fommenden Yandtages er: 
leichtern fünnten, jo waren die Verhandlungen nicht jonderlich 
bedeutungsvol. Am 6. März hatte diefer jogenannte „Januar: 
ausſchuß“ feine Thätigfeit beendigt. 

Ende 1861 war der Generalgouverneur Graf Berg, welder 
durch ftrenge Handhabung der Zenjur das Miffallen des Pub- 
likums erregt hatte, feines Amtes enthoben und durh Baron 
Platon Rokaſſowski (1861— 1866) erjett worden. Eine andere 
wichtige Veränderung der Zufammenjegung der Regierung be- 
ſtand darin, daß Langenjfjöld im April aus Gejundheitsrüd- 
fichten jeinen Abjchied als Chef der Finanzerpedition nahm und 
J. W. Snellman zum Nachfolger erhielt, welcher nunmehr 
das einflußreichite Mitglied des Senats wurde. Gelegentlich 
eines Faiferlihen Bejuches in Finnland ermwirkte jener am 
30. Juli 1863 in Tawaſtehus die Zuftimmung Aleranders 1. 
zu einer Sprachenverorbnung, welche am 1. Auguft zur Ver— 
öffentlichung gelangte, und worin bejtimmt wurde, daß das 
Schwedifche zwar nach wie vor Finnlands offizielle Sprache 
bleiben, das Finnifche aber bei allem, was die eigentliche 
finnifche Pandesbenölferung unmittelbar anginge, als gleich- 
berechtigt mit dem Schwedischen angejehen werden jollte; und 
zwar jollte dieſes Necht des finnischen Idioms auch inbezug auf 
die von den Gerichtshöfen und Behörden ausgehenden Erlaffe 
jpätefteng Ende 1883 in Sraft treten. ine weitere Ver: 
ordnung vom 20. Februar 1865 erteilte nähere Einzelbeftim- 
mungen bierüber. 

Schon am 18. Juni 1863 war die langerwartete Landtags— 
einberufung verfügt worden, und die Gedanfen aller waren 
nunmehr auf die bedeutungsvolfe Stunde gerichtet, wo der Yand- 
tag eröffnet werden ſollte. Kaiſer Alexander II. fand fich bei 
diefem Anlaffe perjönlich in Helfingfors ein und hieß die Stände 


Snellmans Spradenverorbnung. Der Pandtag von 1863. 607 


am 18. September in franzöjiiher Sprade mit folgenden 
Worten willkommen: 


„Dertreter des Großfürftentumsd Finnland! 

„Wenn Ih euch bier verfammelt ſehe, jo fühle Ih Mich glüdlich, 
dab Jh Meine Wünſche und euere Hoffnungen habe erfüllen können. 

„Zange ift Meine Aufmerkſamkeit auf eine Reihe für des Landes 
Wohl höchſt wichtiger Fragen gerichtet geweſen, melde fih nad und 
nad erhoben, aber nicht entjchieden werben lonnten, weil ihre Löjung 
von der Mitwirlung der Stände abhing. Wichtige Staatägründe, 
die Ih allein zu beurteilen hatte, haben während Meiner eriten 
NRegierungsjahre Mich gehindert, die Stände des Großfürftentums ein- 
zuberufen. Allein Ich habe doch fo zeitig vorbereitende Maßnahmen hierzu 
ergreifen laffen, daß Ich jept, wo Fein zwingender Grund zu längerem 
Aufihub mehr vorliegt, euch verfammeln konnte, um, nad Anhörung 
Meines Senats für Finnland, euch die Geſetzesvorſchläge und übrigen 
Angelegenheiten vorzulegen, welche den Gegenftand euerer Beratungen 
während diejes Landtages bilden jollen. 

„In Anbetracht der großen Wichtigkeit diefer Fragen babe Ich 
diefelben im voraus von Männern prüfen laſſen, die durch das Ber» 
trauen des Landes hierzu auserjehen waren. Tie Öffentlichkeit ber 
Berhandlungen diefer Berfammlung bat euch Gelegenheit gegeben, 
ihon im voraus die Gegenftände für euere Beratungen kennen zu 
lernen und über fie nadzudenfen, indem ihr mit den Anfichten und 
Bedürfniffen der Nation zurate ginget. folge defien muß es euch 
möglich fein, ungeadtet ded Umfanges und der Bedeutung der Fragen 
euere Arbeiten innerhalb der von dem Grundgejege tür das Bur 
jammenjein der Stände vorgejchriebenen Zeit abzuſchließen. 

„Aus den Berichten über die Einnahmen und Ausgaben des Landes, 
die Ich euch übergeben laſſen will, werdet ihr erſehen, daß die Einkünfte 
des Staates ſtets zur Dedung der laufenden Ausgaben hinreichend ge» 
wejen find, jowie daß ein bedeutender Zuwachs der intirelten Steuern, 
welcher für den jteigenden Wohlitand des Volkes vorteilhaft zeugt, 
geitattet hat, immer größere Summen zur Beförderung feiner geiftigen 
und materiellen Intereſſen anzuwenden. 

„Bloß zur Beftreitung der Kriegäfoften von 1855 und 1856 
jowie zur Bezahlung der Eiſenbahn zwiſchen Helſingfots und Ta- 
waſtehus habe Jh der Regierung des Großfüritentums bie Aufnahme 
von Staatsanleihen geftattet. Auch betreffs diefer ſoll euch ein Be— 
richt vorgelegt werden, welcher ausweiſt, daß Binjen und Amorti— 
fterung derjelben aus den gegenwärtigen Staatseinkünften beitritten 
werden können. Mein Wille ift jedoch, daß in Zukunft feine Staats- 
anleihe ohne Mitwirkung der Stände des Großfürftentums aufgenommen 


608 Sechſte Periode. Finnland während jeiner Vereinigung mit Rußland. 


werben joll, wofern nicht ein plöglicher feindliher Angriff oder ein 
anderes unvorhergejehenes allgemeine® Unglüd ſolches unumgänglich 
nötig machen jollte. 

„Die neuen Bewilligungen, bie Ich auf biefem Landtage von euch 
verlange, bezweden denn auch einzig neue Maßnahmen zur Erhöhung 
ber allgemeinen Bildung und des Wohlſtandes. Euch überlafje Ich 
e3, über bie Zmwedmäßigleit und den Umfang diefer Maßregeln frei 
zu entſcheiden. 

„Mehrere Beftimmungen in den Grundgefegen bes Großfürften- 
tums find nicht mehr auf die BVerhältniffe anwendbar, wie fie durch 
defien Bereinigung mit dem Saiferreihe geworden find; andere ent- 
behren der erforderlihen Deutlichleit und Beſtimmtheit. Da Ich diefe 
Mängel bejeitigt zu ſehen wünſche, werde Jh Vorſchläge inbetreff 
befonderer Erklärungen und Zuſätze zu denjelben entwerfen laflen, 
um fie beim nächſten Landtage, den Ich nad drei Jahren einzube- 
rufen beabfidhtige, den Ständen zur Prüfung vorzulegen. Indem Ich 
an den fonftitutionellen monarchiſchen Grundſätzen feithalte, melde 
von der Überzeugung des finnischen Volkes getragen werden und mit 
den Gefegen und Inſtitutionen des Landes verwadjen find, will Ich 
durh genannte Vorſchläge das Selbitbeiteuerungsrecht, welches die 
Stände gegenwärtig grundgejegmäßig befigen, weiter ausdehnen jowie 
deögleihen den Ständen das Recht, Geſetzesvorſchläge zu machen, 
weldes ihnen jeit alter zugehört bat, wiedergeben, indem JH Mir 
gleihwohl die Jnitiative bei Fragen vorbehalte, welche die Grundgeſetze 
betreffen. 

„Ihr kennt Meine Gefinnung und Meine Wünſche für das Glüd 
und Gedeihen der Völler, welche die Borjehung Meiner Fürjorge an- 
vertraut hat. Keine Handlung von Meiner Seite kann das Ber- 
trauen geſtört haben, welches zwiſchen Regent und Volk hertſchen muß. 
Möge diejes Vertrauen zwiſchen Mir und dem reblihen und getreuen 
finniſchen Bolte fernerhin mie bisher das fichere Vereinigungsband 
zwiſchen Uns bilden. Es wird alddann kräftig dazu beitragen, das 
Glüd diefes Volles zu fördern, das Meinem Herzen ftet3 teuer bleibt, 
und Mir einen weiteren Anlaß bieten, euch zu periodiſch wiebder- 
fehrenden Landtagen einzuberufen. 


„Es ift euere Sade, Vertreter des Großfürftentums, buch 
Mürdigkeit, Mäßigung und Ruhe bei eueren Beratungen zu befunben, 
daß freie Inftitutionen, weit davon entfernt, ſchädlich zu fein, viel» 
mehr eine Bürgihaft für die Orbnung und das Wohlbefinden bei 
demjenigen Volle bilden, welches im Einverjtändnis mit feinem Regenten 
und mit praftiihem Verftand an der Entwidelung feiner Wohlfahrt 
arbeitet“. 


Aleranders II. konftitutionelle Gefinnung. 669 


Dieje Hochherzigen Worte wurden nicht nur von den ver- 
jammelten Repräjentanten, jondern auch von dem gejamten 
finniichen Wolfe, welches vertrauensvoll einer neuen Zeit 
fräftiger Fonftitutionelfer Entwidlung entgegenfab, mit Jubel 
begrüßt. 

Da mehr ald 50 Jahre verfloffen waren, ſeitdem fich 
die Vertreter Finnlands zum Tettenmale in Borgäi verjam- 
melt hatten, jo war ed natürlich, daß fih 1863 bei ben 
Ständen eine gewiſſe Unficherheit bezüglich der Formen für 
die Yandtagsarbeit bemerfbar machte. Doch wurden dieſe 
Schwierigfeiten dadurch gemindert, daß der Profeffor des 
Staatsrechts, Johann Wilhelm Nofenborg, 1863 eine Schrift 
„Über Reichstage“ veröffentlichte, welche dem Publifum über 
die jeitalters auf den Reichstagen angewandte Arbeitsmethode 
Aufihluß gab. Auch wurde der Fortgang der Arbeit durch 
das taktvolle Benehmen erleichtert, welches die von der Re— 
gierung ernannten „Sprecher“ an den Tag legten. Es waren 
dies: der Yandmarjchall Baron Johann Morig Nordenftam, 
ftelfvertretender VBorfigender im Okonomiedepartement des Se- 
nats; der Erzbiichof Ed. Bergenheim; der Polizeibürgermeifter 
von Wiborg, Robert Iſidor Orn; der Bauer Auguft Mäti- 
peska aus Ruoveſi. 

Die Wünſche, mit denen ſich die Bevölkerung in bezug auf 
Verbeſſerungen auf verſchiedenen Gebieten des Geſellſchaftslebens 
trug, fanden ihren Ausdruck in zahlreichen durch die Landtags— 
abgeordneten überreichten Petitionen, von denen viele zwar 
nur lokale Verhältniſſe betrafen, andere aber wichtige Prin— 
zipienfragen berührten. Bei ihrer Behandlung traten nicht 
ſelten Meinungsverſchiedenheiten zutage, indem die Konſer— 
vativen dem Eifer der Reformfreunde einen Dämpfer aufzu— 
ſetzen ſuchten; allein von einer eigentlichen Parteienſcheidung 
war nichts zu merken. Beim Adel wurden von dem Lieute— 
nant Guſtav Johann Silfverfvan und dem Bezirksrichter 
Auguft Friedrich Yärnefelt Petitionen vorgelegt, denen zufolge 
der Erlaß von Berordnungen über Zollauflagen künftig von 
der Mitwirkung der Stände im Vereine mit der Negierung 

Schybergfon, Geſchichte Finnlands. 39 


610 Sechite Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland. 


abhängig gemacht werden jolltee Bei den Debatten hierüber 
in den verjchiedenen Ständen wurde dargethan, daß die Zoll 
gejeggebung erjt im Gujtavianijchen Zeitalter Sache der Re— 
gierung geworden jei, und daß bei SZollabgaben, gleichwie bei 
anderen Steuern, das jtändijche Steuerbewilligungsredht in Kraft 
treten müſſe. Einige Redner hoben jedoch hervor, daß die 
Zölle, als von den rujfiichen Zollverhältniffen abhängig, ſchwer— 
(ih von den Ständen geregelt werden könnten, und daß das 
Recht des Monarchen durch Mitbeteiligung der Stände Eintrag 
erleiden würde. Die Stände faßten bezüglich diejer Frage 
abweichende Beſchlüſſe, jo daß eine Ständepetition überhaupt 
nicht zujtande fam. Ebenſo wenig führten die Petitionen, be- 
treffend eine Reform der höchjten Behörden jowie den Erlaß 
einer neuen Nitterhausordnung, zu einem direkten Ergebnis. 
Die Geiftlichfeit und der Bauernjtand beantragten in bejonderen 
Petitionen die Anwendung des finnijchen Idioms als Kurial— 
ſprache und in den gelehrten Schulen. Bemerkenswert war die 
Debatte, welche beim Adel anläßlich der Petitionen entjtand, in 
denen Landſekretär Aler. Bernd. v. Weißenberg und Profeſſor 
Knut Felix v. Willebrand die Aufhebung der adeligen Standes- 
privilegien, mit Ausnahme des Repräjentationsrechts, verlangten. 
Der Senator Otto Reinhold v. Schulten meinte, die Auf: 
bebung diejer Vorrechte jei mit der Niederreißung des auf der 
Ständeeinteilung gegründeten Gejellichaftsgebäudes gleichbedeu— 
tend, während die Petenten betonten, daß die Adelsprivilegien 
infolge der inzwiichen eingetretenen Entwidlung der Gejell- 
ihaftsverhältnijje eine Ungerechtigkeit jeien, welche die Stellung 
der Ariftofratie eher jchwäche als jtärfe. Die Mehrheit des Adels 
beichloß, daß eine Petition in obigem Sinne abgehen jolle. Obwohl 
eine Maßregel jeitens der Regierung unmittelbar hierdurch nicht 
veranlagt wurde, jo fann jene Petition doch als der Ausgangs: 
' punkt für mehrere Reformen angejehen werden, welche den 
Adel jeiner bejonderen Borrechte allmählich beraubten, jo 3.8. 
des „Forum privilegiatum“, der Befreiung von verjchiedenen 
‚ Abgaben jowie des Rechts, ausftehende Zinjen und Kontribu- 
' tionen jelber von den Untergebenen auszupfänden. Eine Bro- 


Die Wünſche des Landes und die Arbeiten feiner Vertreter (1863). 611 


pofition, betreffend die Aufhebung des Rechts des Adels auf 
ausſchließlichen Befig von Nittergütern, wurde vom Adel ge- 
nehmigt (vgl. die Verordnung vom 2. April 1864). 

Mehr als durch die Petitionen wurde das Nejultat des 
Landtages durch die Negierungspropofitionen bejtimmt, welche, 
nachdem jie von den Ständen mit größeren oder geringeren 
Änderungen angenommen worden waren, umfaffende Reformen 
auf mehreren Gebieten des gejellichaftlichen Lebens veran- 
laßten. 

Unter den Zweden, zu deren Ausführung die Regierung 
Gelder von den Ständen begehrte, nahmen die Vollendung 
der bereitS projeftierten Volksſchulorganiſation und die Er- 
weiterung des begonnenen Eijenbahnneges den erjten Plag ein. 
Die Stände bewilligten Mittel zur Beſoldung des Volksſchul— 
lehrerperjonals, zum Unterhalte der Volksſchulſeminare, zur 
Leitung des Volksſchulweſens jomwie zum Baue neuer Eiſen— 
bahnen. Bon jümtlihen Ständen jollte bis zum nächjten 
Landtag eine Einfommen- und Gewerbefteuer erhoben werben. 
In bezug auf die übrigen Zeile des StaatsbudgetS war bie 
Wirkjamkeit des Landtages noch von wenig eingreifender Natur. 
Die finanzielle Yage des Staates wurde dem Staatsausſchuß 
dargelegt, welcher jeinerjeitS eine Überſicht der Einkünfte feit 
1860 ausarbeitete. Ausftellungen wurden vonjeiten des Aus- 
ichuffes nicht erhoben; auch fam es bei den Ständen hinficht- 
lich diejer Frage überhaupt nicht zu einer Diskujfion. Erſt bei 
den jpäteren Yandtagen wurde der Einfluß der Repräjentation 
auf die Regelung des Staatsbudgets durchgreifender. 

Auch zur Verbeſſerung der wirtjchaftlichen Yage der Do— 
nationsbauern in den Provinzen Wiborg und St. Michel begehrte 
die Regierung Mittel. Auf Grund deſſen baten die Stünde 
um eine Unterjuchung der Bejchaffenheit des Rechts der Dona— 
tare auf jene Gehöfte. Da indefjen die Regierung hierzu nicht 
ihre Zuftimmung geben wollte, jo rubte die wichtige Frage 
bis zum nächjten Landtage. 

Ferner beantragte die Regierung die Abjchaffung der 


Branntweinbrennerei für den Hausbedarf und deren Erjegung 
39* 


612 Sechſte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland. 


durch eine der Kontrolle und Befteuerung unterworfene Fabrif- 
induftrie. Der Bauernjtand juchte fich jo lange als möglich 
dieſer Veränderung zu widerjegen, mußte jedoch jchlieglich dem 
von den übrigen Ständen ausgeübten Drucke weichen. 

Das fommumale Yeben hatte fih in den Yandgemeinden 
jeit dem 17. Jahrhundert im Zuftand vollfommenen Siechtums 
befunden, und infolge dejfen war eine Menge wichtiger lofaler 
Intereſſen vernachläffigt worden. Um den Sinn für Selbit- 
verwaltung in den Gemeinden wieder wachzurufen, beantragte 
die Regierung die Errichtung einer „Kommunalftimme“ (Ge— 
meinderates) und eines Kommunalbeifiger-Kollegiums für jede 
Gemeinde. Die Stände genehmigten in der Hauptiache den 
Regierungsvorichlag, und durch Verordnung vom 6. Februar 
1865 gelangten die noch heute gültigen Formen für das fom- 
munale Leben in den Yandgemeinden zur Einführung. 

Sowohl in der früher erwähnten Rede F. L. Schaumans 
wie bei anderen Gelegenheiten hatte der Wunſch der Bevöl— 
ferung nach Abjchaffung der Zenjur und nach einer gejeß- 
lich bejtimmten Preßfreiheit Ausdruf gefunden. Auf Grund 
dejjen legte die Regierung eine die Preßfreibeit betreffende 
Propofition vor, worin veriprochen wurde, daß, wofern fich 
die Stände mit der Regierung binfichtlich diefer Frage einigen 
würden, das von ihnen ausgearbeitete Preßgeſetz bis zum 
Schluffe des nächſten Yandtages die Kraft eines von Herrſcher 
und Ständen fetgejtellten allgemeinen Geſetzes befiten jollte. 
Die Stände beantragten in dem Negierungsentwurfe mehrere 
Abänderungen, erflärten jedoch, fie wollten, wenn jene feine 
Zuftimmung fünden, lieber den Entwurf in unveränderter 
Geſtalt annehmen, als die bisher gültige Preßgeſetzgebung bei- 
behalten. Infolge deffen wurde am 18. Juli 1865 ein Preß- 
gejeg erlaffen, welches bis zum Scluffe des Yandtages von 
1867 in Geltung war. 

Bon Veränderungen, welche innerhalb der zivilrechtlichen 
Geſetzgebung durch Zufammenwirfen von Regierung und 
Ständen durchgeführt wurden, ift u. a. die Beſtimmung zu 
erwähnen, daß eine Frau mit 25 Jahren mündig fein follte, 


Kommunale, Preß-, zivilrechtliche, Münz- u. a. Reformen. 613 


jedobh durch Anmeldung beim Gerichte ſchon mit 21 Jahren 
für mündig erklärt werden könnte. Zugleich wurde durch ein 
Geſetz vom 31. DOftober 1864 das Recht der Eltern, ihren 
Töchtern das Eingehen einer Ehe zu unterjagen, für diejenigen 
Töchter aufgehoben, welche das Alter von 21 Jahren über- 
ichritten hatten. Ein Gejeg vom 19. Dezember 1864 ferner 
verfügte die Einjegung von Bormundjchaftsfollegien zum Schutz 
der Unmündigen und erleichterte die Verteilung der fejten und 
beweglichen Habe. Ein Gejeg vom 15. Januar 1866 jchließ- 
ih organifierte die Gründung von Privatbanten. 

Nach einer fiebenmonatlihen Dauer jchloß die Landtags: 
jeffion am 15. April 1864, bei welcher Gelegenheit in der 
von Kaifer Alerander unterzeichneten Schlußrede das bei Er- 
öffnung erteilte Verſprechen, betreffend die Einberufung eines 
neuen Landtages nach drei Jahren, wiederholt wurde. 

In den nächjten Jahren wurde die Aufmerkjamteit des Pub- 
likums befonders durch die Münzreform in Anjpruch genommen, 
welde unter 9. W. Snellmans energifcher Leitung Schritt 
vor Schritt ihren Fortgang nahm, bis jchließli die Ver— 
ordnung vom 8. November 1865 das Metallgeld für das 
einzige gejegliche Zahlungsmittel im Yande erklärte. Hierdurch 
gewann das Geldweſen eine früher ungefannte Beftändigfeit. 
Das Jahr 1864 brachte, auf Grund eines von dem Pro- 
fefjor der Pädagogik, Zacharias Joach. Cleve (geb. 1820), 
fowie mehreren Schulmännern ausgearbeiteten Entwurfs, bie 
Stiftung einer ſchwediſchen Normaljchule in Heljingfors. 
Dies war der Anfang zu umfaffenden Reformen im Elementar: 
unterricht. 

Am 1. Mai 1866 wurde der Generalgouverneur Ro— 
faffowsti entlaffen und Graf Nikolaus Adlerberg (1866— 1881) 
zu jeinem Nachfolger ernannt. Die liberale Strömung, welche 
bis dahin am ruffiichen Hofe geherricht Hatte, begann in 
diefer Zeit reaftionären Tendenzen zu weichen. Der Auf» 
rubr, welcher 1863 in Polen ausgebrochen war, jowie Atten- 
tate auf das Leben Aleranders verbüfterten die perjönliche 
Stimmung desjelben. Inter dem Eindrud ſolcher Verhältniſſe 


614 Sehfte Periode. Finnland während jeiner Bereinigung mit Rußland. 


war Graf Adlerberg nicht geneigt, den freijinnigen Beftrebungen 
in Finnland feine Unterftügung zu leihen. 

Am 22. Ianuar 1867 traten die Stände von neuem zu— 
fammen. Mehrere Petitionsanträge, teilmeife von umfafjender 
Natur, wurden auch diesmal eingereicht; doch bildeten mehr als 
auf dem Landtag von 1863/64 die Propofitionen der Regierung 
den Hauptgegenftand der ftändifchen Beratungen. 

Schon während des vorhergehenden Landtages hatte Kaiſer 
Alerander ein Komitee einberufen laſſen, welches Entwürfe für 
eine Verfaffungsreform jowie für eine neue Landtagsordnung 
ausarbeiten ſollte. Der Vorſchlag des Komitees bezüglich einer 
neuen Verfaſſung führte zu feiner Maßregel; hingegen wurde 
ein von dem Komitee verfaßter Entwurf für eine neue Land— 
tagsordnung den Ständen vorgelegt. Es fand fich darin Die 
Beitimmung, daß fih die Stände jedes fünfte Jahr ober 
aber, wenn e8 ber Kaiſer für gut befände, auch noch öfters zu 
verjammeln hätten. Bon den übrigen Punkten ſei der Fort— 
fall der bisherigen Klaffeneinteilung auf dem Nitterhaus er- 
wähnt, welche feit langer Zeit von der Zeitftrömung für ver- 
altet erklärt worden, aber noch auf den Yandtagen von 
1863/64 und 1867 zur Anwendung gekommen war. Des- 
gleichen wurde das Wahlrecht und die Wählbarfeit bei den 
bürgerlichen Ständen bedeutend erweitert. Mancher Repräjen- 
tant hätte noch größere Veränderungen gewünjcht; allein man 
nahm von Forderungen Abftand, durch welche die Enticheidung 
verzögert und die Hauptjache, die Periodizität der Landtage, 
aufs Spiel hätte gefetst werden fünnen. Am 15. April 1869 
wurde die Landtagsordnung nebft den von den Ständen ein- 
gefügten Änderungen, und zwar mit der Gültigkeit eines 
unumftößlichen Grundgejeges, beftätigt und von dem gejamten 
Bolfe, welches darin eine neue Bürgſchaft für die fonftitu- 
tionelle Zukunft Finnlands erblictte, mit Jubel begrüßt. Im 
Zufammenhang mit der Landtagsordnung wurde am 21. April 
1869 eine neue Ritterhausorbnung erlaffen. 

Der Entwurf zu einem neuen Sirchengejege, ftatt des 
veralteten von 1686, welcher nach langwierigen Vorbereitungen 


Der Landtag von 1867. 615 


in der Hauptfadhe von F. 2. Schauman ausgearbeitet worben 
war, wurde ebenfall® den Ständen vorgelegt und von dieſen 
mit einigen Abänderungen angenommen. Das Sirchengeiek 
vom 6. Dezember 1869 ſchuf in Geftalt der „Kircheniunode“ 
eine befondere Repräſentation für die Kirche und bewirkte die 
Einführung einer neuen Organijation bei den Konfiftorien der 
Bistümer. Im Zuſammenhang hiermit wurde der Elementar- 
unterricht der Firchlichen Verwaltungsiphäre entzogen und einer 
befonderen Behörde überwiejen. 

Die feit dem vorhergehenden Yandtage ruhende Frage, 
betreffend die Donationsgüter in Oftfinnland, wurde wieder 
aufgenommen. Die Regierung verlangte nämlich Geldmittel, 
um für Rechnung des finnischen Staates die Donationsgüter in 
den Provinzen Wiborg und St. Michel anzufaufen und ben 
Bauern das Eigentumsrecht für ihre Geböfte zu verjchaffen. 
Die Stände genehmigten zu diefem Zwed die Aufnahme einer 
Staatsanleihe von 4 Millionen (finnische) Marf. Die joge- 
nannte „Donationsfrage* bat jpäter allmählich ihre Löſung 
dadurch gefunden, daß die Bauern unter gewiffen Bedingungen 
die Gehöfte vom Staate einlöften. — Die von den Ständen 
auf dem Yandtage von 1863/64 berechneten Steuerjummen 
waren zum großen Zeile nicht eingefommen und infolgedejjen 
die projeftierten Eifenbahnbauten nicht zur Ausführung gelangt. 
Nunmehr aber beantragte die Regierung den Bau einer Linie 
Riihimäki-Petersburg, und die Stände wiejen die hierfür er- 
forderlihen Mittel an. Die Arbeit an bdiefer neuen, langen 
Eijenbahnlinie begann im Februar 1868 und war im September 
1870 vollendet. Die ruffiiche Etatöverwaltung übernahm ein 
Drittel der Anlagefoften; doch wurde die Bahn unter finnifche 
Leitung geitellt. Im Jahre 1882 löfte der finnische Staat den 
ruffiihen Anteil an der Bahn ein. 

Die Frage, betreffend die Teilnahme der Stände an ber 
Verwaltung der Finnifchen Banf, war wegen mangelnder 
lbereinftimmung zwifchen der Regierung und den Ständen 
auf dem Landtage von 1863/64 ungelöft geblieben. Jetzt end» 
lich wurde fie durch Verorbnung vom 9. Dezember 1867 dahin 


616 Sechſte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland. 


entichieden, daß die Stände vermittelft der von ihnen gewählten 
Bankbevollmächtigten das Aufjichtsrecht über die Thätigfeit der 
Bank fowie das Verfügungsrecht über die Banfüberjchüffe 
erbielten. 

Die Prozegordnung wurde, fraft Verordnung vom 27. April 
1868, durch Abſchaffung der ftädtijchen Untergerichte und der 
Dberlandesgerichte vereinfacht. Desgleichen befreite ein Erlaß 
vom 24. Yebruar 1868 Handel und Gewerbe von einer Menge 
bemmender Gejegbeftimmungen. 

Endlih beantragte die Regierung ein neues Preßgejek, 
welches, wie das frühere, proviſoriſch fein und verjuchsweije 
bis zum 1. Januar 1869 gelten jolle. Später werde es 
von der Haltung der Prefje abhängen, ob Seine Kaiſerliche 
Majeftät die Verfügung weiterbejtehen lafjen oder aber für 
gut befinden wolle, wieder von Seinem vollen Recht Gebrauch 
zu machen und inbezug auf Ordnung und Beauffichtigung der 
Prefje allein Seine Verordnungen zu treffen. Anläßlich diefer 
Propofition, welche im übrigen mehrere für die Prefje gefähr- 
lihe Abänderungen der Beitimmungen des Gejekes von 1865 
enthielt, entjtand inſonderheit beim Adel eine lebhafte Debatte, 
in deren Verlaufe ſich u. a. der Profeffor der Yurisprudenz, 
Rob. Aug. Montgomery (geb. 1834), Ernft Linder und Robert 
Lagerborg (1835— 1882) für Verwerfung der Propojition aus— 
ſprachen, während andere, zum Beiſpiel J. W. Snellman, aus 
Zwedmäßigfeitsgründen die Annahme befürworteten. Das 
Refultat war in allen Ständen verneinend, weshalb die noch 
heute gültige „Verordnung über die Preßangelegenheiten in 
Vinnland“ vom 31. Mat 1867 auf abminiftrativem Wege von 
der Regierung erlaſſen wurde. 

An demjelben Tage wurde der Landtag aufgelöftl. In der 
vom Generalgouverneur verlefenen Schlußrede beklagte Kaiſer 
Ulerander, daß bei einigen wichtigen Fragen bezüglich feiner Ab- 
fihten Mißverftändniffe entjtanden jeien, weshalb er zu Maß- 
regeln babe jchreiten müfjen, die er gern zu vermeiden gewünſcht 
hätte. 

In diejer Zeit hatte Finnland eine der härteſten Kriſen 


Die Prefverorbnung von 1867. Die Not im Winter 1867/68. 617 


durchzumachen, von denen e8 je betroffen worden war. Schon 
in mehreren vorhergehenden Jahren, bejonders 1865 und 1866, 
batten jchlechte oder fehlgejchlagene Ernten die Hoffnungen des 
Landmannes zu Schanden gemacht. Nun folgten ein kalter, 
langer Winter und ein Fühler, regnerijcher Sommer. In der 
Nacht zum 4. September 1867 trat im ganzen Lande Froft 
ein, welcher die im Wachstum zurüdgebliebenen Saaten ver- 
nichtete. Die Bemühungen des Staates und vieler Privat: 
perfonen, der drohenden Hungersnot vorzubeugen, erwiejen 
fih um jo vergeblicher, als der frühzeitige Beginn des 
Winterd den Getreidetransport zur See unmöglich) machte. 
Der Chef der Finanzverwaltung, I. W. Snellman, juchte durch 
Anordnung öffentlicher Arbeiten den Notleidenden Hilfe zu 
ihaffen, und der Staat kaufte große Quantitäten Getreide 
auf, namentlih zur Verteilung in den nördlichen Provinzen. 
Trogdem ftieg die Not unabläſſig. Scharen von Bettlern 
durchzogen das Land, und ihnen auf dem Fuße folgte der ge— 
wöhnliche Begleiter der Hungersnot, eine verheerende Typhus— 
epidemie. Wie jehr fich die Bevölferungsziffer verminderte, 
gebt daraus hervor, daß Finnland Ende 1865 noch 1843000, 
Ende 1868 hingegen nur 1736000 Bewohner zählte. Glück— 
licherweije fiel die Ernte 1868 reichlich aus. 

Im Sommer 1868 erbat und erhielt der Finanzchef I. W. 
Snellman jeinen Abjchied, weil er den vom Generalgouverneur 
Graf Aolerberg warm befürworteten Bau der Cijenbahn 
Petersburg-Riihimäfi für unzwedmäßig angejehen hatte. Ob— 
wohl er während jeiner Laufbahn als Staatsmann mit vielen 
Schwierigfeiten hatte kämpfen müffen, war ihm doch die Durch» 
führung wichtiger Reformen gelungen ?). 

Ein Erlaß vom 24. November 1869 verordnete Die durch 
Trennung der Schule von der Kirche nötig gewordene Errich- 
tung einer Schuloberbehörde. Den Boften eines Borfigenden 
erhielt Freiherr Kaſimir v. Kothen (1807—1880), welcher 


1) Bgl. über Snellmann bie bis 1855 reichende Schrift: „Johan 
Vilbelm Snellman, tecknad af Tb. Rein“, Bd. I (Helfingfors, 1895). 


618 Sechſte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland. 


früher Gouverneur der Provinz Wiborg jowie Senator gewejen 
war, zulett aber ein Amt in Rußland befleivet hatte. Gleich— 
zeitig (1869) wurde derjelbe Univerſitäts-Vizekanzler. Unter 
feiner Leitung fam die jeit Anfang der jechziger Jahre ange- 
bahnte Reform des Glementarunterrichts in ein fchnelleres 
Tempo und fand ihren Abſchluß mit der noch heute gültigen 
Schulordnung vom 8. Auguft 1872, welcher zufolge Knaben: 
fchulen (Lyeeen und Realjchulen) in vermehrter Anzahl und 
mit neuen Pehrplänen errichtet wurten. Seine eigenmächtige 
Handlungsweije erregte jedoch auf vielen Seiten Unzufrieden- 
beit. Äußerungen, welche auf dem Yandbtage von 1872 gegen 
ihn laut wurden, veranlaßten denn auch Ende 1873 jeine 
Abberufung aus Finnland. — Ein Erlaß vom 28. Juni 1870 
verfügte die Organijation eines ftatiftiichen Bureaus, beffen 
eriter VBorfteher KarlEm. Ferdinand Ignatius (geb. 1837) wurde. 

Auf der am 6. Februar 1872 eröffneten und am 16. Juni 
desjelben Jahres gejchloffenen Ständeverfjammlung machte fich 
die vielfach hHerrichende Unruhe durch Petitionen bemerkbar, 
welche jedoch im allgemeinen nicht zu den gewünjchten Ergeb- 
niffen führten. Die Stände baten um Vorlegung eines Preß- 
gejeßentwurfs; allein die während des Yandtages von Kaiſer 
Alerander erteilte Antwort lautete ablehnend. Bei allen 
Ständen wurden Petitionen eingebracht, welche das Recht der 
Stände zur Beteiligung an der Schulgejeßgebung ſowie den 
Aufichub der im Gange befindlichen Reorganijation des Schul- 
wejens betrafen; aber die Regierung verfagte ihre Zuftimmung. 
Von den Rednern, welche fich in diefer von dem Publikum mit 
geipannter Aufmerkjamfeit verfolgten Frage gegen das beftehende 
Schulregime äußerten, jeien I. W. Snellman beim Adel, 3. 2. 
Schauman bei der Geiftlichkeit, fowie Agathon Meurman (geb. 
1826) beim Bauernftand genannt. Ein von Leopold Mechelin 
im Bürgerſtand vorgelegter Petitionsentwurf, welcher die Be- 
teiligung der Stände an der Regelung des Staatsbudgets 
forderte, wurde von dem Petenten zurücigezogen, nachdem ber 
Landmarſchall fowie die „Sprecher“ der Geiftlichkeit und bes 
Bauernftandes eine Vorlegung der Petition verweigert hatten. 


Der Landtag von 1872. Graf Armfelt ftirbt (1876). 619 


Ebenjo wenig führte das Verlangen des Landtages nah Er- 
richtung eines bejonderen Höchſten Gerichtshofes zu einer 
Maßregel jeitend der Regierung. Doch wurde anläßlich diefer 
Petition der Profurator angemwiejen, über Handhabung der 
Rechtspflege und der Gejete den Ständen auf jedem Landtage 
Bericht zu ertatten. 

Unter ven von der Regierung proponierten Gejeten, welche 
das Ergebnis der Arbeiten des Landtages bildeten, ift an 
alfererjter Stelle der Erlaß vom 8. Dezember 1873 über die 
ſtädtiſche Kommunalverwaltung zu nennen, welchem zufolge nach 
dem 1. Januar 1875 der Kommunalrat oder Stabtverorbnete 
an die Stelle der bisherigen Stabtälteften traten. Auch das 
Anjuchen der Regierung um Bewilligung von Geldern zur 
Anbahnung von Reformen auf dem Gebiete des Gefängnis- 
wejend wurde genehmigt. Werner trat ftatt des Seegejetes 
von 1667 am 9. Juni 1873 ein neues Seegejek in Kraft. 
Endlih garantierten die Stände eine Staatsanleihe zum Bau 
einer Eifenbahnlinie Tawaftehus-Tammerfors-Abo, welche im 
Sommer 1876 dem Verkehr übergeben wurde !). 

Im Januar 1876 ftarb Graf Alerander Armfelt, welcher 
während eines Zeitraumes von 34 Jahren die Intereffen 
Finnlands vor dem Herricherthrone geſchickt vertreten hatte. 
Sein Nachfolger wurde Freiherr Karl Knut Em. Stjernvall- 
Walleen (1806 — 1890), welcher jeit 1857 den Poften eines Ad- 
junften des Minifterftaatsfefretärs bekleidet und bei den Reformen 
mitgewirft hatte, die anfangs der fechziger Jahre zur Durch— 
führung gelangt waren. — Gleichfalls 1876, im Sommer, 
wurde in Helfingfors eine allgemeine finnische Induſtrieaus— 
ftellung eröffnet, welche in erfreulicher Weife von dem wirt- 
ſchaftlichen Aufſchwung Finnlands zeugte. 

Am 27. Januar 1877 verfammelten fih die Stände 
wiederum zu einem Landtage, welcher, unterbrochen durch bie 


1) Ungefähr zu bderfelben Zeit wurben aud zwei von Privatgefell- 
haften erbaute Eifenbahnen eröffnet: 1873 die Linie Hangö-Hypinge und 
1875 bie Linie Kervo-Borgä. Die erftgenannte Linie ging 1875 durch 
Ankauf in den Bejit des Staates über. 


620 Sechſte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland. 


Sommermonate, bis zum 24. Januar 1878 währte Unter 
den von der Regierung eingebrachten Gejegesvorjchlägen war 
diesmal der wichtigfte eine Propofition, welche die Reform 
des finnijchen Verteidigungsweſens betraf. 

Die während des Krimkrieges errichteten Miliz. Bataillone 
waren 1867 aufgelöft worden, und feitvem bildete wieder das 
finnische Gardebataillon in Helfingfors Finnlands einzige mili— 
tärifche Truppe. Die Veränderungen in der Militärorganijation, 
welche inzwijchen in faſt jämtlichen Staaten Europas vorge- 
nommen worden waren, erbeijchten indefjen nunmehr auch 
höhere militärifche Anftrengungen von finnifcher Seite. Unter 
ſolchen Umſtänden beantragte die Regierung die Errichtung 
einer neuen finnijchen Armee auf der Grundlage der allgemeinen 
Wehrpflicht. Einige Redner in den Ständen waren allerdings 
der Meinung, daß die Miliz-Armee, wenn auch in ver: 
änderter Geftalt, wieder errichtet werden müffe, oder daß Die 
Entſcheidung der wichtigen Frage einen Aufjchub bis zur 
fünftigen Ständeverjammlung erfahren folle. Allein die meijten 
befürworteten den Regierungsvorjchlag, welcher in allen Ständen 
in der Hauptjache genehmigt wurde. Nach dem Wehrgejek 
vom 27. Dezember 1878 find alle finnischen Bürger zwijchen 
21 und 40 Jahren zur militärijchen Dienftleiftung bei den aktiven 
Truppen, bei der Rejerve oder bei der Landwehr verpflichtet. 
Durch Auslojung wird beftimmt, welcher Wehrpflichtige aftıv 
dienen fol. Die aktive Wehrpflicht währt drei Jahre, fann jedoch 
auf Grund bejonderer Umſtände gefürzt werden. Das Friedens- 
fontingent der aktiven Armee wurde auf 5000 Dann fejtgejeßt. 

Wie ſchon ©. 606 erwähnt, hatte der perjönliche Einfluß I. W. 
Snellmans den Erlaß der Sprachenverorbnung vom 1. Auguft 
1863 erwirkt. Bett beantragte nun der Geſchichtsprofeſſor 
Georg 3. Forsman, der Yandtag möge Kaijer Alerander bitten, 
daß dem Senat anbefohlen werde, unverzüglid Maßnahmen 
zu treffen, durch welche „die Rechte der finnischen Sprache“ 
jpäteftend 1883, wie die finnische Sprachverordnung dies zu— 
gefihert habe, bei den Gerichten und Behörden zur vollen 
Geltung fommen fönnten. Der Adel und der Bürgerftand 


Der Landtag von 1877. Das Wehrgeſetz. Forsman. 621 


verwarfen dieſe und andere gleichartige Petitionen, aber bie 
Geiftlichkeit und der Bauernftand bejchloffen, ihre Wünfche in 
diefer Hinfiht dem Monarchen beſonders vorzutragen. Im 
anderen Petittionsentwürfen verlangten Freunde der finnijchen 
Sprache die Vermehrung der Anzahl von Clementarfchulen 
mit finnischer Unterrichtsiprache, indem fie hervorhoben, daß 
fih derartige Schulen nur in Iyväskylä, Kuopio, Joenſuu 
und Tawaftehus befänden, während mehrere Provinzen folcher 
Schulen völlig entbehrten. Nach heftigen Debatten ergab fich 
ichließlich eine Mehrheit für eine Stände-Betition, deren Inhalt 
im wejentlichen folgender war: Der Unterricht in der zweiten 
Landesiprabe auf den Glementarjchulen fei mit größerem 
Nachdruck als bisher zu betreiben, u. a. durch ihre Anwendung 
als Lnterrichtsiprache in einigen Gegenftänden auf höheren 
Klaffen; auch müßten in Orten mit finnischer Bevölkerung 
finnifche, in folchen mit ſchwediſcher Bevölkerung ſchwediſche 
Schulen errichtet werden, fowie außerdem in größeren Städten 
und in Städten mit gemifchten Sprachverhältniffen Schulen 
beiderlei Art beftehen. Auf Grund diefer Petition wurde ein 
Sculfomitee eingejegt, welches 1879— 1880 tagte; allein bie 
Vorſchläge desjelben, welche auf eine durchgreifende Reform 
der Schulorganifation ausgingen, wurden nicht genehmigt. 
Hingegen erfolgte unter Berufung auf die Hußerungen des 
Landtages in mehreren Städten die Gründung von privaten 
finnifchen Lyceen, welche fpäter der Staat übernahm. Die” 
Folge hiervon war ein lebhafter Andrang vonſeiten ver Parid- 
benölferung zu der gefehrten Schule und zur Univerfität. 
Bei der Behandlung dieſer Fragen hatte es fich heraus: 
geftellt, einen wie großen Einfluß die „fennomaniſche“ Partei 
unter der Peitung des damaligen (feit 1863) Univerſitäts— 
profejfors und jpäteren (feit 1882) Senators, Georg 3. Fors- 
man (geb. 1830; unter dem Namen Yrjö-Koskinen 1884 
in den Adelftand erhoben), errungen hatte. Dies veranlaßte 
ihre Gegner, fich ebenfall® in Parteigruppen zufammen- 
zufchließen. Die „liberale Partei” fchrieb auf ihre Fahne 
die Arbeit für das gemeinfame Vaterland, unbejchadet der 


622 Sechſte Periode. Finnland während feiner Vereinigung mit Rußland. 


Sprachverjchiedenheiten, und entwidelte ihre Prinzipien 1880 
in einem Programm, deſſen DVerfafjer der damalige (1874 bis 
1882) Univerfitätsprofejjor des Staatsrechts und jpätere (1882 
bi8 1891) Senator 2. Mechelin (geb. 1839; 1876 in den Abel- 
itand erhoben) war. Die „ſuecomaniſche Partei”, deren Mit- 
glieder oft nach einer ihrer Zeitungen „Wikinger“ genannt 
wurden, betrachteten die Aufrechterhaltung des ſchwediſchen 
Kulturelements in Finnland als ihre Hauptaufgabe. Seit 
diejer Zeit nahm die Spracenfrage die Aufmerkſamkeit des 
Publifums mehr und mehr in Anjpruch. 

Auch jonft find einige weitere Gejege von allgemeiner Be- 
deutung als Frucht des Landtages von 1877/78 zu erwähnen. 
Dur Berordnung vom 20. März 1879 wurde das Yandtags- 
wahlrecht im Bürgerjtand auch auf andere ftädtifche Bürger, 
ald Gewerbetreibende ausgedehnt. Ein Erlaß vom 27. Juni 
1878 erteilte, unbejchadet jonftiger ſtandes-, ſtadt- und land» 
rechtlicher Beltimmungen, Männern und Frauen gleiches Erb- 

‚ und Chegüterreht. Durch Verfügung vom 31. März 1879 

\ erhielt jeder männliche und jeder weibliche finnijche Bürger die 

| Bereitigung zur freien Ausübung jeder Profejjion. Ein 
Erlaß vom 17. März 1879 machte die Regelung der Armen- 
verjorgung von den freien Anordnungen der Gemeinden ab- 
bängig. Schließlich trat an die Stelle der bisherigen Silber- 
währung die Goldwährung; eine Maßregel, welche teils durch 
den jinfenden Wert des Silbers im Vergleich mit dem Golde, 
teil8 aber auch dadurch veranlaßt wurde, daß mehrere 
Yänder, mit denen Finnland in Handelsbeziehungen jtand, zur 
Goldwährung übergegangen waren. Nach Genehmigung der be— 
treffenden Regierungspropofition vwonjeiten der Stände jowie 
nach Anordnung der erforderlichen worbereitenden Schritte be= 
ſtimmte ein Erlaß vom 9. Auguft 1877, daß das Münzwejen 
Finnlands fortan auf Gold als einzigen Wertmejjer gegründet 
jein jollte. 

Auf wirtjchaftlichem Gebiete begann mit dem Jahre 1869 
eine Periode reicher Entwidelung infolge einer Reihe von guten 
Ernten jowie vorteilhaften Konjunkturen, infonderheit beim Holz- 


Die Fennomanen, Liberalen und Suecomanen. 623 


handel. Zur Förderung der Landwirtſchaft trug die immer 
größere Ausdehnung der Viehzucht wejentlich bei. Der Han- 
delöverfehr mit dem Ausland jtieg während bes Zeitraums 
1870—1882 von 124,9 auf 286,92 Millionen (finnifche) Mark, 
indem fich der Import von 74,9 auf 167,05 und der Export 
von 50 auf 119,87 Millionen vermehrte). Neue Kredit: 
einrichtungen waren: die „Nordijche Aftienbanf für Handel und 
Induftrie“ (1873) und die „Waſa-Aktienbank“ (1879). In dein 
Polytechnifchen Inftitut, welches bereits früher gegründet war, 
aber erſt 1879 jeine endgültige Organifation erbielt, erjtand 
eine Hochſchule für techniiche Berufe. Behufs Förderung des 
Kunftgewerbes erfolgte 1871 die Stiftung einer Kunſthand— 
fertigfeitsjchule (slöjdskola), welche u. a. unter Leitung Profeffor 
Karl Guftav Eftlanvers jtand und 1875 in die Hände des „Ber: 
eins für Kunftfleig in Finnland“ überging. Desgleichen wurden 
in verjchievenen Städten Induſtrieſchulen errichtet. — Die 
Staatsjchuld, welche fih Anfang 1881 auf 65 Millionen (fin- 
niſche) Mark belief, war größtenteild zum Bau von Eijen- 
bahnen verwendet worden. 

Auf dem wifjenjchaftlichen Arbeitsfelde nahm die Thätigfeit 
in ziemlich unveränderter Richtung, aber mit beträchtlich ver- 
mebrten Arbeitskräften, ihren Fortgang. Von philojophiichen 
Schriftjtellern find K. G. Th. Rein (geb. 1838) und A. W. Bolin 
(geb. 1835) zu nennen, von denen der leßtere u. a. die Abhand- 
lungen: „Yubwig Feuerbach, jein Wirken und feine Zeitgenofjen“ 
(Stuttgart, 1891) und „Spinoza. Ein Kultur- und Yebens- 
bild“ (Berlin, 1894) veröffentlichte. Des hiſtoriſchen For— 
ihers und Verfaſſers G. 3. Forsman, deſſen „&ejchichte 
Finnlands“ 1874 auch in deutſcher Überjegung erjchien, ift 
bereits früher (S. 620f.) gedacht worden. Jul. Leop. Friedr. 
Krohn (1835— 1888) leiftete als Dichter in finnischer Sprade 
(unter dem Pjeudonym Suonio), als Bublizift, als Überjeger 
jowie als Litterarhiftorifer Bedeutendes und war u. a. ber 
Begründer der vergleichenden Kalewala-Forſchung. Ebenſo 


1) Fr. Neovius, Finlands utrikeshandel och tullinkormster, 
in: „Finsk Tidskrift“ XXIII, 253 (Helfingfors, 1887). 


624 Sechſte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland. 


fönnen Otto Donner (geb. 1835) und Arel Olof Freuden- 
tbal (geb. 1836) als namhafte finnijche Vertreter der ver- 
gleihenden Sprahforihung genannt werden. Karl Guſt. 
Eftlander (geb. 1834), der Verfaſſer der Schrift: „Geſchichte 
der bildenden Künfte* (1867), wirkte al8 Kunſthiſtoriker und 
Krititer. Die mathematijche Forſchung beſaß einen ausgezeich- 
neten Vertreter in Yorenz Leonh. Yindelöf (geb. 1827). Hervor- 
ragende naturwiffenjchaftliche Gelehrte waren der aus Stod- 
bolm gebürtige Bryologe Sertus Otto Yindberg (1835 — 1889), 
fowie die Ärzte Jak. Aug. Eitlander (1831— 1881) und Otto 
Ed. Aug. Hjelt (geb. 1823), von denen letterer eine Gefchichte 
der Naturwiffenichaften und eine der Medizinalverwaltung ver: 
öffentlichte. Nils Adolf Erich Nordenjtjöld (geb. 1832), welcher 
in Finnland feine Yaufbahn begann, jpäter jedoch nach Schwe- 
den überfiedelte, erwarb fich als geographiſcher Entdeder einen 
Weltruf. Schließlich jei erwähnt, daß 1862 die „Juridiſche 
Bereinigung”, 1870 die „Vereinigung für finnifche Altertümer“, 
1875 die „Finniſche Hiftorifche Gejellichaft“ und 1885 die 
„Schwedijche Fitteraturgejellichaft in Finnland“ gegründet wurde. 

Innerhalb der Schönlitteratur berrichten noch lange die Tra- 
ditionen der vorhergehenden Epoche, an allererjter Stelle ver: 
treten durch 3. Topelius junior, welcher nach wie vor als Lyriker, 
Novellift und Kinderjchriftteller eine große Produktivität ent- 
faltete. Von Dichtern in ſchwediſcher Mundart ſeien die Pyrifer 
Anders Theod. Yindh (geb. 1833), Karl Rob. Malmftröm (geb. 
1830) und Wild. Gabr. Yagus (geb. 1837) genannt, von 
denen letterer auch als Dramatiker, Yitterarbiftorifer und 
Geichichtsforjcher thätig war. Raphael Hertberg (geb. 1845) 
machte fich als Überjeger von Gedichten, namentlich finnischen 
Volfsliedern, einen Namen. Als Dramatifer und Roman: 
ichriftjteller in finnischer Sprache ift Aleris Stenvall (1834 
bis 1872), welder unter dem Pjeudonym Kivi jchrieb, er: 
wähnenswert. Das nationalfinnifche Theater, welches 1872 in 
Helfingfors durch Karl Bergbom gegründet wurde, bejaß in 
Ida Aalberg (geb. 1858) eine Schaufpielerin von bedeutendem 
Ruf. Der Bauer P. Pätvärinta (geb. 1827) verfaßte Schil- 


Wiſſenſchaft, Pitteratur und Kunft (1870/95). 625 


derungen aus dem Leben des gemeinen Mannes. Bedeutende Ver: 
treter des neueren jozialen und realiftifchen Romans waren neben 
dem nationalfinniſchen Schriftjteller Johann Brofeldt (geb. 1861; 
Pjeudonyin: Abo) die beiden ſchwediſchen Verfaffer Karl Aug. 
Tawaſtſtjerna (geb. 1860) und Johann Jakob Ahrenberg (geb. 
1847), von deren Werfen einige auch im deutſcher Sprache 
erichienen find. Beſonders vielfeitig war Karl Eollan (1828 
bis 1871), welcher nicht nur als Publizift und als Überfeger 
von Gedichten ind Schwediiche, jondern auch als begabter 
Liederfomponift eine lebhafte Thätigkeit entfaltet. - Auf Ini— 
tiative des Komponiften Martin Wegelius (geb. 1846) wurde 
1882 das „Mufifinftitut“ zu Helfingfors gegründet. 

Nicht minder nahmen die bildenden Künfte nunmehr einen 
bedeutenden Pla innerhalb des Bildungslebens der Nation 
ein. Hervorragende Künftler waren: die Yandjchaftsmaler Berndt 
Adolf Lindholm (geb. 1841) und Magn. Hialmar Munſterhjelm 
(geb. 1840); die Hiftorien= und Genremaler Eric) Joh. Föfgren 
(1825—1885), Adolf v. Beder (geb. 1831), Karl Emanuel 
Jansſon (1846— 1874), Alb. Guſtav Ariftives Edelfelt (geb. 
1854), Gunnar Berndtſon (1854—1895) und Arel Gallen 
(geb. 1865); die Bildhauer Karl Äneas Sjöftrand (geb. 1828 
in Stodholm), Walt. Magn. Nuneberg (geb. 1838) und W. Wall: 
gren (geb. 1855). 


In dem Kriege von 1877/78 gegen die Zürfei nahm die 
fumifshe Garde mit Auszeichnung an dem Kampf auf ber 
Balfanhalbinjel teil; aber im übrigen wurde durch ben Krieg 
eine Störung in den Berhältniffen Finnlands nicht veranlaßt. 
Nah Beendigung des Krieges nahm die nihiliftifche Bewegung 
in Rußland immer größere Dimenfionen an, bis ihr jchließlich 
der Kaijer felbft zum Opfer fiel. Am 13. März 1881 wurbe 
Alerander II. in Petersburg ermordet. In dankbarer Erinnerung 
jeines Wirfens wurde ihm auf Veranlaffung der Stände 1894 
in Helfingfors ein von Nuneberg verfertigtes Denftmal errichtet. 


Schybergſon, Geſchichte Finnland, 40 


626 Sechite Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland. 


4. Überblick über den Entwickelungsgang Finnlands feit 1881 '). 


Es ift Sache der künftigen Gejchichtichreibung, eingehender 
zu jchildern, wie das jetst lebende Gejchlecht jeine Aufgabe er— 
füllt und für das Wohl des Vaterlandes gewirkt hat. Hier 
follen nur die wichtigften Fakta aus der neueften Gejchichte 
Finnlands angeführt werden. 

Am 14. März 1881 unterzeichnete Alerander III, Ale— 
randers II. Sohn und Nachfolger, jeine „NRegentenverjicherung“ 
für die Bewohner Finnlands. In demjelben Jahr erbielt der 
Generalgouverneur Graf Aodlerberg jeinen Abjchied, und an 
feine Stelle trat Graf Feodor Heiden. Auch der Mintjter- 
jtaatsjefretär Stjernvall-Walleen nahm 1881 feinen Abjchied, 
worauf Baron Theod. Bruun (1822— 1888) zu jeinem Nach— 
folger ernannt wurde. Nach feinem XQode bekleidete dieſen 
Poften anfangs der bisherige Adjunft des Miniſterſtaatsſekretärs, 
General Joh. Kafimir Ehrnroth (geb. 1833), ſowie nach deſſen 
Verabſchiedung (1891) jein Adjunkt, General Waldemar Karl 
v. Dähn. Ebenfall8 1891 erfolgte die Auflöfung des Komitees 
für finnische Ungelegenheiten in Petersburg. Schließlich fei 
erwähnt, daß 1882 jowohl der Führer der „fennomanijchen“ 
Partei, Nrjö-Kosfinen, wie auch der liberale 2. Mechelin als 
Mitglieder in den Senat berufen wurben. 

Die Frage, betreffend die offizielle Stellung der finnijchen 
Sprache, wurde, ohne Mitwirfung der Stände, durch einen 
Erlaß vom 29. Dezember 1883 entjchieden, welcher verfügte, 
daß amtliche Ausfertigungen vonjeiten der vorgejegten Behörden 
und Gerichtshöfe an die betreffenden Prozefjierenden in der— 
jenigen Sprache zu gejchehen haben, in welcher das Protokoll 
bei den Kommunalverhandlungen des betreffenden Ortes ge- 
führt wird. Cine jpätere Verordnung vom 4. April 1887 
beftimmte, daß fich die niederen Behörden bei Führung der 
Protofolfe und bei der Korreiponden; mit anderen Amts— 


1) Bgl. Ed. Bergh, Finland under det första ärtiondet af kejsar 
Alesander IIIs regering (Helfingfors, 1893—1894). 


Aleranders III. Regierungsantritt (1881). 627 


gewalten der „kommunalen Sprache“ des betreffenden Ortes 
bedienen jollen. Die höheren Behörden dürfen hingegen bier: 
bei eine der beiden Yandesiprachen, ganz nach Belieben, wählen. 

Da der in der Yandtagsordnnung vorausgejette Zwiſchen— 
raum von fünf Jahren für allzu groß befunden wurde, um 
die Kontinuität in der Wirkſamkeit der Stände aufrecht zu er— 
halten, jo wurden während der Kegierung Aleranders III. alle 
drei Jahre (1882, 1885, 1888, 1891 und 1894) Stände: 
verfammlungen abgehalten. Die Fragen, welche auf ihnen zur 
Entfcheidung gelangten, waren im allgemeinen nicht von jo 
durchgreifender Art wie diejenigen, welche auf den vorher: 
gehenden Yandtagen vorgefommen waren; doch führte jeder 
Yandtag zu bedeutenden Fortjchritten im der Geſetzgebung und 
der wirtjchaftlichen Entwidelung '). 

Auf Fonftitutionellem Gebiet ift zu erwähnen, daß ben 
Ständen das Recht bewilligt wurde, Motionen, d. 5. völlig 
ausgearbeitete Gejeßesvorjchläge, einzubringen. in diesbezüg— 
licher Antrag war bereit8 1882 eingebracht worden; doch 
wurde die Frage erjt auf dem Yandbtage von 1885 definitiv 
entſchieden. 

Der Entwurf eines Geſetzes für Diſſidenten, welches durch 
das Kirchengeſetz von 1869 erforderlich geworden war, bildete 
auf mehreren Ständeverſammlungen Gegenſtand der Beratung, 
bis ſchließlich die Stände 1888 in der Hauptſache eine von 
der Regierung ihnen vorgelegte Propoſition annahmen, welche 
den Diſſidenten Religionsfreiheit, wenn auch in ſehr begrenzter 
Form, gewährte. 

Die Organiſation der Armee erfuhr auf dem Landtag von 
1888 eine Erweiterung durch Annahme eines Regierungs— 
entwurfs, betreffend die Errichtung einheimiſcher Kavallerie. 
Gleichzeitig wurde das Friedenskontingent der Armee auf 5600 
Mann erbößt. 

Die Ausdehnung des Eiſenbahnnetzes nahm einen beträcht- 


1) Über die Handelsbeziehungen zwiſchen Deutſchland und Finland in 
ben Jahren 1885—1894 vgl. Beilage II. 
40 * 


63 Sechfte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland, 


lichen Zeil der Zeit und Fürjorge der Stände in Anſpruch. 
Auf dem Landtag von 1882 beſchloß man den Bau einer von 
der Wajalinie abzweigenden Bahn nach Uleiborg, welche 1886 
fertiggeftellt wurde. Die Linie Tammerfors-Waſa gelangte 1883 
zur Eröffnung. Der Yandtag von 1885 bewilligte Mittel für 
eine Bahn zwifchen der Petersburger Yinie und Kuopio, welche 
1889 dem Berfehr übergeben wurde. Auf dem Landtag von 
1888 endlich befürworteten die Stände den Bau der Yinten 
Wiborg- Sorbavala - Ioenjun und Qammerfors - Björneborg, 
welche 1894 und 1895 eröffnet wurden. Die von den Stän— 
den garantierte Staatsjchuld hat fich durch diefe Kommuni— 
fationsanlagen nur unbeträchtlich vermehrt, da lettere größten- 
teil8 aus den gemachten Erjparnifjen beftritten wurden. 

Auch einige Mafregeln zur Entwidelung der Bildungs- 
anftalten find der Einwirkung und Thätigkeit der Stände zu 
verdanken. Ein Erlaß vom 23. Auguft 1883 verfügte Die 
Gründung von Neallyceen mit dem Recht zur Erteilung des 
Abiturientenzeugnifjes. Ferner erfolgten die Reorganijation der 
Mädchenjchulen, die Errichtung von mehreren neuen Mädchen: 
ichulen mit finnischer Unterrichtsiprache jowie die Stiftung 
zweier weiblichen Fortbildungsjchulen in Heljingfors, die eine 
mit fchwedifcher, die andere mit finnijcher Unterrichtsiprache 
(Verordnung vom 27. Nov. 1885). Die Auffiht über die 
Altertumspentmäler des Yandes wurde 1884 einer archäologi- 
ihen Kommiſſion ſowie dem Staatsarhäologen Johann Rein: 
hold Aspelin (geb. 1842) anvertraut. 

Eine Reform von tief einjchneidender Bedeutung bildete der 
neue Strafgejegentiwurf, welcher nach langwierigen vorbereiten- 
den Arbeiten dem Yandtag von 1885 vorgelegt, damals jedoch 
nicht bi8 zum Ende durchberaten wurde. Im Jahre 1888 
wurde er von den Ständen von neuem geprüft und darauf an— 
genommen; allein gerade als das Gejeg veröffentlicht werden 
follte, erhob der rujjiishe Senator N. ©. Tagantzew von rujjiich- 
ftaatsrechtlichem Gefichtspunft aus Einwände gegen basjelbe, 
und die Folge hiervon war eine erneute Prüfung des Geſetzes 
durch eine Konferenz, welche unter dem Vorſitz des ruſſiſchen 


Der Strafgefeßentwunf (1885/94). Ruſſiſche Polemit. 629 


Juſtizminiſters Manaſſein tagte und aus ruffifchen wie finni- 
ihen Beamten bejtand. Das Gutachten der Konferenz veranlaßte 
ein Manifeft vom 13. Dezember 1890, woburd das neue 
Strafgejeg juspendiert wurde. Auf den Landtagen von 1891 
und 1894 genehmigten die Stände einige Abänderungen bei 
den Punkten, gegen weldhe Ausftellungen erhoben worden waren; 
worauf das Geſetz jchlieglih am 21. April 1894 von Raijer 
Alexander III. fanftioniert wurde. 

Dieje Schwierigkeiten bei der Strafgejeßfrage hingen mit 
den Angriffen zufammen, welche die mächtige ruffiiche National» 
partei damals gegen Finnland richtete. In mehreren rujfiichen 
Blättern erjchienen Artikel gegen Finnland, welche bald bie 
Aufhebung der von Alerander I. der finnischen Nation gewähr: 
leifteten VBerfaffung und inneren Selbjtändigfeit forderten, bald 
wiederum zu beweijen verjuchten, daß Alerander I. dem er- 
oberten Lande nur eine gewiffe abminijtrative Autonomie babe 
einräumen wollen. 

Die finnischen Zeitungen ſäumten nicht, diefe Anfälle zurüd- 
zuweifen, und die Zeitungspolemif fand ihren Wiederhall auch 
in ber ausländijchen Preſſe. Mehrere deutjche Blätter äußerten 
ſich mißbilligend über die Angriffe der ruffischen Preſſe gegen 
Finnland. Auch publizierte der engliſche Geſchichtsſchreiber 
E. 4. Freeman in „Macmillans Magazine“ (Mär; 1892) 
eine wertvolle Brojchüre zur Verteidigung der beftehenden fin- 
nischen Staatsorganijation. 

Nachdem einer der Anhänger der ruffiichen Nationalpartet, 
K. Ordin, 1889 fein jchon früher von uns citiertes Buch: 
„Finnlands Eroberung“ veröffentlicht hatte, nahm die Polemif 
einen mehr wifjenjchaftlichen Charakter an. Jene Arbeit ent: 
behrt im ftiliftifcher Hinficht Feineswegs des Verdienſtes und 
enthält zudem teilweife neue Materialien zur Beleuchtung der 
politifhen Stellung Finnlands in den Jahren 1808 und 1809; 
allein ihr tendenziöjer Zwed tritt überall zutage, namentlich 
bei der Behandlung des Borgaͤer Yandtaged. Zur Widerlegung 
bes Ordinſchen Buches gab der Heljingforjer Univerfitätsprofeffor 
der Gefchichte, Joh. Richard Danieljon (geb. 1853), 1890 


630 Sechſte Periode. Finnland während feiner Bereinigung mit Rußland. 


eine (auch insg Deutiche und Engliſche überjegte) Broſchüre: 
„Finnlands Bereinigung mit dem Ruſſiſchen Reiche“ heraus 
worin er mit Schärfe die Oberflächlichfeit und Falſchheit der 
Auffaffung Ordins darlegt. 

Bereitd 1886 hatte der Senator X. Mechelin in der Arbeit: 
„Precis du droit public du grand-duche de Finlande“* von 
der finnischen Staatsverfafjung eine gedrängte Schilderung 
gegeben, welche er jpäter (1889) in dem Werke: „Das Staats: 
recht des Großfürftentums Finnland“ (Marquardſens „Hand- 
buch des öffentlichen Nechts der Gegenwart in Monographieen“ ) 
weiter ausführt. Die von Mechelin gegebene Definition Finn— 
lands als eines mit Rußland in einer Realunion vereinigten 
Staates wurde von ruſſiſchen Staatsrechtslehrern, u.a. Korkunow, 
welche Finnland als eine bloß privilegierte ruſſiſche Provinz 
bezeichneten, lebhaft angegriffen. Als ein bedeutender Beitrag 
von finnischer Seite im Berlaufe diefer Diskuffion ift die Arbeit 
des Stantörechtslehrers Profeffor R. Hermanjon (1892) zu 
nennen, welcher auf Grund der neueren jtaatsrechtlichen For— 
Ihungsmethode Finnlands Selbjtändigkeit ald Staat nachweiit. 

"Auch von der Negterung wurde die Frage, betreffend bie 
Staatsverfaffung Finnlands jowie deffen Stellung zu Rußland, 
erörtert. Im Jahre 1885 erfolgte unter dem Vorſitz A. B. 
v. Weigenbergs die Einſetzung eines aus finnischen Mitgliedern 
bejtehenden Komitees behufs ſyſtematiſcher Zujammenftellung 
der auf Finnlands ftaatsrechtliche Verhältniffe bezüglichen Be: 
jtimmungen ; doch wurde der von diejer Kommiſſion ausgearbet- 
tete Entwurf für eine finnijche „Regierungsform“ xujfiicher:- 
feit8 verworfen. Ferner legte in einem „Örundgejegkodififattong 
fomitee “, welches 1891 unter dem Präfidium des früheren 
ruſſiſchen Finanzminiſters Bunge in Petersburg tagte und aus 
rufjjischen wie finnijchen Beamten beſtand, der Generalgouverneur 
Graf Heiden ein „Reglement für die Provinzen des Groß— 
fürjtentums Finnland“ vor, welches eine volljtändige Nicht: 
beachtung der politischen Berfaffung Finnlands bedeutete. 

Im Januar 1890 erging die Bekanntmachung, daß Kaijer 
Alerander die Ernennung von drei verjchiedenen, aus finnt- 


Finnland Staat oder Provinz ? 631 


ihen und ruffischen hohen Beamten zufammengejegten Kommiſ-— 
jionen anbefohlen babe, welche unter dem Vorſitz des Grafen 
Heiden Vorſchläge ausarbeiten jollten, in welcher Weije das Boft-, 
Zoll-e und Münzwejen Finnlands mit den entjprechenden Ein» 
richtungen im Kaiferreich in Übereinftimmung gebracht werben 
fünnte. Dieje Maßregel erregte bei dem finnijchen Volke die 
peinlichjte Unruhe, welche noch dadurch vergrößert wurde, daß 
der Yandmarjchall und die „Sprecher“ des Yandtages von 
1888 nicht empfangen wurden, als fie fih im Mat 1890 in 
Petersburg einfanden, um Kaiſer Alexander die in Finnland 
berrichenden Beſorgniſſe auseinanderzujegen. Die Beratungen 
der drei Kommijfionen begannen unmittelbar. Die Refultate 
der Thätigfeit der Poſtkommiſſion traten in einem Manifeſt 
vom 12. Juni 1890 zutage, welches bejtimmte, daß „die Lei- 
tung des finnischen Poftwefens bei dem Minifterium des Innern 
im Saijerreich ſowie bei der Oberbehörde für Poft und Telegraphie 
ihren Konzentrationspunft haben ſoll“. Gleichzeitig erhielten 
Senator 2. Mecdelin und ber Profurator A. B. v. Weißenberg, 
welche insbejondere jene Maßnahme abzuwenden verfucht Hatten, 
auf Wunſch ihre Entlafjung und empfingen vonfeiten der Bevöl— 
ferung zahlreiche Beweife der Sympathie. — Die Thätigfeit der 
übrigen Kommijfionen führte nicht zu dDurchgreifenden Maßregeln. 

Als die Stände im Januar 1891 zufammentraten, unter: 
ließen fie es nicht, bei dem Monarchen im Hinblid auf bie 
im Lande berrjchenden Befürchtungen vorftellig zu werden. In 
den Reden, mit denen der Landmarſchall Viktor v. Haart- 
man (1830—1895) und die „Sprecher“ der drei bürgerlichen 
Stände die kaiſerliche Begrüßungsrede beantworteten, betonten 
fie, daß die legtverfloffenen Jahre für das finnifche Volk eine 
Zeit der Bekümmernis und unerwarteter Prüfungen gewejen 
jeien. Daß der Kaiſer auf dieſe Äußerungen Gewicht legte, 
ging daraus hervor, daß der „Sprecher" des Bauernjtandes, 
Karl Joh. Slotte, auf Grund eines vom Monarchen geäußerten 
Wunſches den Auftrag erhielt, über die Urfachen der bei beim 
gemeinen Manne berrichenden gedrückten Stimmung einen aus- 
führlichen Bericht zu erjtatten. Slotte verfaßte Hierauf eine 


632 Schite Periode. Finnland während jeiner Vereinigung mit Rußland. 


in offenem, loyalem Tone gehaltene Erklärung, welche zur Folge 
hatte, daß den Ständen fpäter ein vom 28. Februar 1891 
datiertes Kaijerliches Reſtript übermittelt wurde, welches vie 
Gemüter zu beruhigen fuchte. 

In Petitionen entwidelten die Stände die Wünſche des 
finniſchen Volkes Hinfichtli der Ordnung des finnischen Poſt— 
und Zollwejens. Anläßlich des Poftmanifejts baten die Stände, 
baß der Kaifer „geruben möge, durch eine gnädige Verord— 
nung zu erklären, daß das finnische Voll auch inbezug auf das 
Poftweien des Landes fein im Grundgejeg gewährleiftetes, von 
den Monarchen des Reiches befräftigtes Recht einer Verwaltung 
durch eigene Amtsgewalten genießen ſoll“. Inbetreff des Zoll- 
wejens petitionierten die Stände, daß „die durch Grundgeſetz 
feftgeftellte eigene Verwaltung des finnijchen Zollweſens bei— 
behalten werden, jowie daß das finnifche Volk nach wie vor im 
Genuß eines feinen Bebürfniffen und feiner Steuerfraft an- 
gepaßten Zolltarifs bleiben möge“. 

Obwohl durch dieje Petitionen feine unmittelbaren Schritte 
der Regierung veranlaßt wurden, jo übte doch das ebenjo be- 
jcheidene wie entjchlofjene Auftreten des Yandtages auf den Gang 
des Fonftitutionellen Konflikts einen jo bedeutenden Eindrud aus, 
daß eine für Finnland vorteilhaftere Wendung eintrat. 

Bezüglich der oben erwähnten Grundgeſetzkodifikationsfrage 
bejchloffen die Stände 1894 die Abjendung einer Petition an 
ben Kaiſer, worin fie um die ungefchmälerte Beibehaltung 
der grundgejegmäßigen Berfaffung baten. 

Am 1. November 1894 ftarb Alerander III. in Yivabia. 
Sein Sohn und Nachfolger, Nikolaus II., unterzeichnete ‚am 
6. November 1894 feine „Regentenverficherung“ für die Be— 
wohner Finnlande, worin er, gleich feinen Vorgängern, gelobte, er 
wolle „die Religion und die Grundgejege des Landes befräftigen 
und beftätigen, ſamt den Privilegien und echten, die ein jeder 
Stand in bejagtem Großfürftentum infonderheit und alfe feine 
Bewohner im gemeinen, jowohl höhere wie niedere, bisher nach 
ber Verfaſſung dieſes Landes genofjen haben“. 


Nitolaus II. (ſeit 1894). 633 


Wir ftehen am Endpunfte unjerer Schilderung der Gejchichte 
Finnlands. Das finnische Volk ift nicht jelbjtändig anderen 
Völkern gegenüber aufgetreten und bat auch nicht in den all 
gemeinen Gang der Entwidelung entjcheidend eingegriffen. Aber 
e8 hat Einöden urbar gemacht, fein Vaterland verteidigt, da— 
jelbft für die Leuchte der Bildung Bahn gebrochen jowie 
freie bürgerliche Institutionen gegründet. Seine allerdings noch 
jugendliche ftaatlihe Organijation hat fi, getragen von dem 
Patriotismus der Bevölkerung, lebenskräftig gezeigt und wird 
mit der fortdauernden Entwidelung der geiftigen wie materiellen 
Hilfsquellen des Landes noch größere Feſtigkeit gewinnen. 


Beilage 1. 


Deutſche Ausgaben der Schriften von Ioh. Ludw. Kuneberg 


1 


13) 


und Dad). Topelius junior. 
(Vgl. ©. 588.) 


Die wichtigften Überfeßungen der Werte Nuncbergs find folgende: 


Epifhe Dichtungen. Aus dem Schwebiichen überjeht von Wol— 
rad Eigenbrodbt. Mit Einleitung, Anmerkungen und biblio- 
grapbifchen Anbang; 2 Bände (Halle, 1891). 


Die Könige auf Salamis. Traueripiel, übertragen von Her— 


mann Paul (Helfingiors, 1869). 


) Die Könige auf Salamis. Überfegt von W. Denhardt 


(Yeipzig, 1875). 

Der Weibnahtsabend. Gedicht. Deutfche Überfegung von 
8. E. Elfjtröm (Wiborg, 1852). 

Der Weibnahtsabend. überſetzt von E. F. N. (Helfingiers, 
1870). 

Hanna. Ein Gedicht, Überfegt von Johann van der Smiifen. 
(Mitau, 1850). 

Hanna. Epiiches Gedicht, überfett von A. Kluge Deſſau, 1877). 
König Fjalar. Epos in 5 Gefängen. Deutfh von Ida Meves 
geb. Lappe (Leipzig, 1877). 


' Kann nicht! Familienbild in 2 Aufzügen. Ins Deutfche über: 


tragen von 8. E. Elfftröm (Wiborg, 1863; 2. Aufl. 1871). 
Das Grab von Perbo. Epifches Gedicht in 2 Gefängen, über: 
jet von 8. E. Elfftröm (Helfingfors, 1845). 

Nabeihda. Aus dem Schwebifhen von Selma Mobnite 
(Leipzig, 1867; 2. Aufl. Halle, 1879). 

Fähnrich Stahls Erzäblungen. Ind Deutfche übertragen 
von Charlotte v. Liebeherr (Roftod, 1884). 

Didtungen Deutih von Hans Wadhenbuien. Bd. Iu. 11 


14) 


Beilage I. 635 


(Leipzig, 1852). |Entbält: 1) Die Sagen bes Fähnrichs Stahl, 
2) Nabeichba. | 

Drei Picder aus „Fänrik Stäls sägner“. Ins Deutfche 
überfeßt von ©. Borgftröm (Karlſtad, 1877). 


15) Kleine Erzäblungen. Aus dem Schwebiiden von C. F. Schiri 
(Leipzig u. Peſth, 1856). 

16) Nordiſche Blüten. Aus dem Schwebifchen von Auguft Kluge 
Deſſau. 1873). 

17) Ausgewählte Gedichte. Deutih von M. Vogel (Leipzig, 1878). 
18) Didtungen. Aus dem Schwebiihen von Ida Meves geb. 
Lappe. 3b. I u. II (Stodbolm u. Yeipzig, 1852 u. 1853). 

Bon den deutfchen Ausgaben der Schriften Topelius' find folgende 

zu nennen: 

1) Erzählungen und Abenteuer eines alten finnländifhen 
Feldſcherers. Bd. I -II (Wurzen 1855). 

2) Des Feldſchers Erzählungen. Erfter Zuflus. Guſtav Adolf 
und ber Dreißigjäbrige Krieg (Leipzig, 1880). 

3) Shwedifhes Märchenbuch. Deutih von Alma v. Pode— 
wils (Wiesbaden, 1885). 

4) Märden und Erzählungen für Kinder, überjett von. Febr 
(Gotha, 1885). 

5) Eine Reife in Finnland. Aus dem Schwedifchen überjeßt von 
9. Paul (Helfingfors, 1885). 

6) Jugendträume Aus dem Schwebiihen von DO. Gleiß (Güters- 
ob, 1885). 

7 Die Herzogin von Finnland. Aus dem Schwediſchen von 

D. Gleiß (Gütersloh, 1885). | 

8) Der Handfhuh des Königs. Bon DO. Gleiß (Gütersloh, 1886). 

9) Das goldene Gefpenft. Aus dem Schwebifhen von DO. Gleiß 
Gütersloh, 1886). 

10) Bernas Roſen. Aus dem Schwediſchen von O. Gleiß (Güters- 
(ob, 1887). 

11) Die grüne Kammer auf Finnais Ans dem Schwediſchen 
von D. Gleiß (Gütersloh, 1887). 

Mr. 6—11 a. u. d. Titel: Aus bobem Norden. Bd. I—-VI (Gü- 
tersloh, 1885 — 87). 

12) Aus Finnland. Novellen, Studien und Schilderungen, überjeßt 


von Elifabeth Longé. Bd. I u. 11 (Gotba, 1888). 


Beilage 1. 


Die Handelsbeziehungen zwiſchen Deutfdland und Finnland 
in den Iahren 1885 —1894 '). 
(Bl. ©. 627.) 


— — 


Finulands Einfuhr aus Deutſchland. 


Prozentſatz der 





Jahr. Sa in Marl ſinniſch. Zotaleinfuhr Finnlande. 

1885—1889 | 31129000 27,8% 
(durchſchnittlich) | durchſchnittlich) (durhfehnittlich) 

1890 44 782 000 311%, 

1891 46836 000 319%, 

1892 42421000 | 29,1% 

1893 36146 000 23,6’, 

1894 | 49014000 35,3 %/, 





Finnlands Ausfuhr nah Dentjchland. 






Prozentfats der 
Totalausfuhr Finnlands. 





Jahr. Wert in Mark (finniich). | 


| 


1885—1889 | 6 326 000 | 127, 


(durchſchnittlich)/ durchſchnittlich) durchſchmttlich) 
1890 | 5987000 | 65% 
1891 | 7313000 | 10% 


1892 | 8.054.000 


8,6% 
1893 7844000 6,8%, 
1894 | 8977000 6% 


1) Nah einer Zufammenftellung im Statiftiihen Bureau zu Helfingfors. 


»Perfonenregifter. 


A. 


Aalberg, Ida (fin. Schau- Ablavifit Okſanen), Auguſt 
ſpielerin) 624 Engelbrecht (Prof. ber finn. 
Abraham (rufj. Hauptmann) 18, ı Sprade u. Fitteratur) 502. 
Achrelius, Daniel (finn. Prof. Abo f. Brofeldt. 
d. flafj. Philologie und Dieter) Abrenberg, Johann Jakob (finn. 
272, 273, Schriftfteller) 625. 
Achrelius, Erich (finn. Prof. d. Aliander, Matthias (finn. Prof. 


Medizin) 212. d.ruſſ. Sprache; Hiftoriter) 557.589. 
Ahrenius, Abraham (Pfarrer Alanus, Georg (fin. Dompropft 
u, nationalfinn. Dichter) 465. u. Prof. db. Botanit u. Phyſilk) 


Adlerberg, Nikolaus, Graf(finn. 212, 264, 

Gen.-Gouverneur) 613. 614.617. | Albrecht .. von Schweden) 
626. 30-32. 70. 

Adlerecreutz, KarlIobann (Gen. Albrecht (Herzogvon Preußen) 99. 
Adjutant der finn. Armee; finn. Alerander je Newstij) (Fürft von 
Staatsmann) 474. 475. 477 Nowgorod) 14. 

478, 480, 482 —484,. 497. 498, | Aleranber]. (Zar von Rußland; 


500. 504. 505. 508. 5655. Groffürft von Finnland) 452. 
Adlerflug, Tunbelmann Edler v. 470—473, 478, 494. 508. 51D. 

(ruſſ. Oberkommiſſar) 347. 519—521. 527-539, 541. 542, 
Adolf Friedrid (König von 544 —546. 548, 549, 552. 5i4 

Schweden) 372. bis 558. 560. 561. B64—560, 
Aeimeläus, Nils (Propft; finn. , 576. 629. 

Abgeordneter) 526. ‚ Mlerander 11. (Zar von Ruß— 
Affled, Simon (Major; finn. land; Großfürft von Finnland) 

Gutsbejiger) 283. 287. 288, 597—600. 603 - 606. 613. 614. 


Alfren, Andreas (finn. Geiftl.) 304. 616. 618. 620, 625. 626. 
Aizelius, A. E. (finn. Prof. d. Alexander II. (Zar von Ruß 
Jurisprudenz) 572, ' land; Großfürft von Finnland) 
Agricola, Midael (fin. Refor- 626. 627. 629—632. 
mator, Biſchof u. Gelebrter) && Alexejew (rufj. General:Major) 
7. 89. 94—9%. 178. 19%. 218. b01. 502. 
Ahlman, Gabriel (finn. Afjeffor) Alformius(StatthaltervonNow- 
437. 467. gorod) 18. 


638 


Alfred der Große (König von | 


England) 3. 19, 
Alfving (finn. Bermefjungsober: 
direktor) 434. 
Alm (finn. Bürgermeifter) 322. 
Alopäus, David (rufj. Geiandter 
in Schweden) 472, 491. 512. 
Alopäus, Magnus (finn. Geift- 
licher) 306. 

Alopaus, Magnus Jakob (finn. 
Biſchof) 462, 533. 
(finn. 


Staatsmann) 408. 433. 


437. Daß. 508, D66. D69. 572. | 


573. 
Amnell, Iobann (finn. Propft u. 
Abgeordneter) 323, 329, 332. 349, 
Anckarſtröm, Iob. Jak. (Mörder 
Guſtavs III) 432, 
Andersfon, Holger 146, 
Andrej Alerandrowitfe 
(Fürft von Nowgorod) 15. 
Ankarſtjerna ſſchwed. Admiral) 
278. 279. 


Apoltoff, _— (finn. Oberjt= 
lieutenant) 277. 

Aprarin, Feodor, Graf v. (ruſſ. 
Oberadmirat, Statthalter in Finn- 
land) 279. 280. 288. 290. 291, 
298. 300. 

Araltfhejew, Alexei, Graf v. 
(uff. Kriegsminifter) 530. 

Ardenbolk, Johann (finn. Hifto- 
rifer) 333. 457. 

Aren, Ei (finn. Oberpolizei- 
Beamter) 494. 

Argelander, 5. W. A. deutſch. 


Armfelt, 





| Armfelt, 
Aminoff, Iobann Friedrih, Graf 


Perionenregifter. 


Prof. der Aſtronomie in Finnland) 
575, 


Alerander, Graf (finn. 
Minifterftaatsielretär) 578. 600. 
619. 


Armfelt, Guftav Morik, Graf 
(fhwed. General, finn. Staats— 
mann) 408. 410. 412, 417. 430. 
435. 452, 556 — 558. 5b6L. 5bD. 
h66. 568. 578. 

Karl Guftav (fin. 
Gen.:Major) 278. 282. 285, 286, 
288. 289. 291 —293. 295. 3u7, 

Armfelt, Karl Guftav (fin. 
General; Mitglied des Anjala- 
Bundes) 409. 410. 412. 413. 


Arppe, Adolf Eduard (finn. Che— 


| 
| 


miler) 590, 

Arieni (rufj. Mönd) 188. 

Arwid Guftafsion j. Sparre. 

Arwidsion, Aboli Iwar (finn. 
Dozent und Schriftiteller, ſchwed. 
Bibliotbefar; Hiftorifer) 570—574. 

Arwidsion, Bengt ſſchwed. 
Kriegshauptmann) 86. 

Arwidsſon, Nils (ſchwed. Kriegs: 
hauptmann) 85, 86, 

Aſchelinus, Anders (national: 
finn. Dichter) 273. 

Aspelin, Iobann Reinhold (finn. 
Staatsarchäolon) 628. 

Asplund, Katharina (finn. Set: 
tiererin) 468. 

Avellan, Guftan Adolf (finn. 
Schriftiteller) 592, 


B. 


Bäck, Baltzar (finn. Hauptmann) 


Bagge, Jakob ſſchwed. Feldherr) 
118. 


Bagge, Per (finn. Hauptmann) 
146, 

Bagge, Sven Persion (finn. 
Krieger) 147, 


Bagration, Peter, Fürft (ruii. 
Gen.:Lientenant) 476—478. 509. 

Baner, Guſtav (Feldherr; ſchwed. 
Neihsrat) 134. 

Baner, Iſaak Nilsion 110. 


Banker, Nils Estilsfon (Edelmann) 
56. 57, 

Barayguaybd'’Hilliers, Adille, 
Graf (franz. Marichall) 596. 

Barclay de Tolly, — 
Si — en 

B ai aifi, — OR. Architelt) 

Be — Adolf v. (finn. Maler) 
625. 


Beder, Reinhold v. (finn. Adjunkt 
d. Gefchichte) 570, 574, 


PBerfonenregifter. 


Behm, Iſaal (finn. Befehlshaber) 
178 

Benedikt (Herzog von Finnland) 
22. 


Bengts 4 on, Bengt(ichweb. Send: 
bote) 53. 
Bengtsfon, 
mann) 46. 
Bengtsfon, Dlof (Beichlsbaber) 
238. 


Berg, Friebrih Wilhelm Nembert, 
Graf (finn. Generalgouverneur) 
578. 600. 606. 


Nils (finn. Edel: 


Berg, Samuel Guftav (nationals 


finn. Dichter) 592, 

Bergbom, F. (finn. Prof. d. 
Philoſ. u. Publizift) 570, 

Bergbom, Karl 
direftor) 624. 

Berg — eim, Eduard (finn. Erz— 
bifhof) 584. 609. 

.. (ihwed. General: 
abjutant) 496. 

Bernabotte ſ. Karl XIV. 
Sobann. 

Berndes, Joachim (Kivländifcher 
Edelmann) 187. 


639 


Bitz, Konrad | (finn. la 
38. 40. 41, 44, 58. 64. bb. 

Bjelfe, Erid Thuresfon (jchweb. 
Neichsrat) 18. 

Bijelte, Erich Thuresion 
hbauptmann) 53—55. 65. 
178. 


Bjelke, Hogenitild, Freiherr 
(ſchwed. Neichsrat) 127. 
Bjelke, Nils (chwed. Reichsrat; 
Gubernator in Finnland) 191. 
204. 228, 
Bjelte, Nils Thuresfon (Ober: 
landrichter) 28. 30. 31. 
Bjelte, Sten Thuresſon (Schloß— 
hauptmann) 55. 


| Bjelte, Thure ſchwed. Reichsrat) 
(finn. Theater: 120. 


Bijdrkavift, Anders (Kaplan; 
nationalfinn. Schriftiteller) 46h. 

Björnram, Guftav (finn. Aben- 
teurer) 468. 

Bijdrnram, Hans farsfon (finn. 
Gubernator) 129. 130. 134. 


Bjugg, Petrus (finn. Biſchof) 
221. 240, 
Bladh, Peter Johann (finn. 


Berndtion, Gunnar (finn.Daler) 
625. 


Bernbard v.Clairveaur(Miy- 
ftifer) 65. 
Bertilsjon, Job. 
mann) 126. 
Beſtuſchew-Rjumin, Alexei, 
Graf (ruſſ. Reichsvizelanzler) 341 
Beſtuſchew-Rjumin, Michael, 


(finn. Edel- 


Kaufmann u. Abgeordneter) 44 
533. DM 547, 550. 
Bo Jonsfon f. Grip. 
Böder, Karl Chriftian finn. 
Nationalötonom) 575. 


Bodis co (ij. General) 597. 


Boije, 


Graf — — in Schwe⸗ 


den) 333 
Bibikow, — (ruſſ. Ges 
neral) 508. 


Bilmart, Johann (finn. Ge: 
ſchichtoprof. ) 437. 456. 459. 

Birger Jarl u. von Schwe⸗ 
ben) 14. 22. 

Birger —— 
von Schweden) 15. 

2. Eric (finn. Oberlanbrichter) 


84 Heinrich, senior (finn. Ober- 
(andrichter) 38. 58, 66. 

Big, Heinrich, junior (fin. Ober: 
(andrichter) 46. 66. 


(König 


Böhme, Jakob deutſch. Philoſoph) 
468, 


Goran (finn. Edelmann 
u. Statthalter) 135. 143. 188, 


' Boije, Hans Heinrich (finn. Major) 
361, 


1 ı Boijev. Gennäs, Nils (finn. 
Iwan (uff. Feldherr) 


| 
| 


Edelmann, Gubernator u. Feld⸗ 
berr) 99. 118. 130. 

Boije, Dtto (finn. Hauptmann 
u. Abgeordneter) 373. 

Boije, Otto Ehrifter (finn. Guts⸗ 
befiger; Mitglied des Anjala— 
Bundes) 405, 421, 

Boije,D. €. (finn. Landeshaupt⸗ 
mann) 389, 401. 

Bolin, Andreas Wilhelm (finn. 
Prof. d. Philoiophie) 623, 

Bolgarsti (rufj. Staatsrat) 452. 

Bonde, Guftav, Graf (Präfident 
im ichweb. Bergtollegium) 315. 


640 Perſonenregiſter. 
Bonde, Karl, Graf (Landeshaupt⸗ Brofeldt |Aho], Job. national⸗ 


mann) 258. ı fin. Schriftſteller) 625, 
Bonde, Karl Knutsfon j. Karl | Browallius, Job. (finn. Biſchof: 
VIII. &nutsjon. Vrof. d. Phyſik: Abgeordneter) 
Bonde, Knut Tordsfon (Schloß- 4545.466. 
bauptmann) 36. Bruce (rufj. General) 281. 292, 
Bonde, Tord Röritsfon (finn. 307. 
Schloßhauptmann) 36, ' Bruce Graf (mij. Gen.-Gouver- 


Bäng, Petrus (fin. Biichof) 27L neur in Alt⸗-Finnland) 447. 
Bonsdorff, Evert Julius (finm. | Brummer, Martin (finn. Ober: 
Anatom) 590. landrichter) 301. 
Bonsdorff, Gabriel v. (finn. : Brundr, E&. J. W. v. (finn. 
Prof. d. Medizin) 434. 437, 463, Prof. der Philologie) 590. 
Bonsdorff, Iobann (finn. Prof. Bruun, Theodor, Freiherr vd. 
d. Philologie) 573. ſinn. Minifterftaatsielretär) 626. 
Bonsdorif, Job. Gabriel, Freie Budde, Jöns (Mönd u. Gelehr- 
berrv. (finn. Staatstämmerer)582. , ter) 64, 
Borgftröm, Erih (finn. Kaufe Bubbenbrod, Heinrih Magnus, 
mann u. Abgeordneter) 526, Freiherr v. (ſchwed. Gen.Lieute⸗ 
Borgſtröm, Heinrich, junior (finn. nant) 3323.6335. 3315.. 342 
Kaufmann) 601 343, 
Boriſow (rufj. Felbherr) 28. Bulatow (ruf. Gen.Major) 481 
Borufffin, Iwan (ruſſ. Bojar) | Bis 484. , 
116. Bunge (rufj. Finanzminifter) 630, 
Bofin, Guſtav Friedrich finn. Burens, Andreas (jchrved. Kom: 


— 


Nichter) 303, miſſar) 184, \ 
Bätv. Flisbult, Peter Jins- Burgbaufen, Karl v. (finn. 
fon (ſchwed. Neichsrat) 18, ' Major) 277. 


Bousquet (ſchwed. Feldberr) 343. | Burmeifter, Chriftopb (finn. 
Brahe, Ebba (Gemahlin Iatob Oberſt) 237. 238. 

De la Gardies) 227, ' Bust, Benjamin (finn. Bauer u. 
Brabe, Per Abrabamsfon, Graf | Abgeordneter) 366. 

(finn. Generalgouvernenr und Bust, Joh. (finn. Schloßtomman= 

Staatsmann) 204—211. 213 bis dant) 294. 

215. 219, 220. 222—227. 229. Büttner, Michael v. (Oberfilieute- 

230, 232—234. 237. 243. 247. nant) 344. , 

248. 252, 24. 260. 265. 366. Burbövben, Friebrih Wilhelm, 
Bremer, 8. F. (finn. Bergwerls- Graf v. (xuſſ. Höchſtlomman— 

478. 481. 482. 


befiter) 434. bierenber) 
Brenner, Elias (fin. Aſſeſſor; 485. 493—495. 503. 506. BOB. 
Gelebrter) 273. 6. 517. 520 —522. 524—527. 
Brinklala, Hans Gritsfon v. 0. 


(finn. Befehlshaber) 167. 


6. 


(S. auch &.) 
Eainberg, Erich (finn. Bild⸗ Ealirtus, Georg (deuti. Brof. 
bauer) 595. d. Theologie) 213. 


Sajan,Iobann Friedrid (national- ; Callia, Jakob (finn. Richter) 
finn. Hiftorifer) 593. 303. 

Cajanus, Jobann (nationaffinn. Calonius, Matthias (finn. Prof. 
Dichter) 273. dr. Jurisprudenz u. Staatsprofu- 


Perjonenregiiter. 


rator) 434. 461—463. 516. 545. | 
547. 559. 560. 
Gampenhaujen, Baltbajar v. 
(ruf. Gen.-Gouverneur in Finns 
land) 347. 
Canutus Jobannis 
Geiſtlicher) 94. 
Carelius, Nikolaus (finn. Biſchof) 


220. 
Carlborg, Heinrid Johann (finn. 
Propft u. Abgeordneter) 360, 
Carlſtedt, Jonas (finn. Bürger⸗ 
meiſter u. Abgeordneter) 526, 
Carp, K. (finn. Hofgerichtsrat u. 
Mitgl. d. Regierungskonſeils) 547. 

Carpelan, Johann Friedrich, 
Freiherr (finn. Landeshauptmann) 
425. 426, 


(finn. 


Carpelan, Yars 
richtsrat) 192. 
Garpelan, Simon Wilhelm, Frei: 

berr (finn. Land tmann)425. 
Caftren, Matthias (fin. Propft 

u. Abgeordneter) 526, 
Caftren, Matthias Alerander 

(Prof. d. finn. Sprade) 590, 


(finn. Hofge- 


Caveén, Guftav (finn. Geridhts- 
beifiger u. Abgeordneter) 523. 
624. 526. 


Gebdbercreuß, Hermann, Baron 
(ſchwed. Geiandter in Petersburg) 


al 

Gederbjelm, Germund, Freiberr 
ſchwed. Hofgerichts = Präfident) 
315 


Gederfirröm, Dlof, 
(ichiwed. Reichſsrat) 366. 


Freiberr 


Chonnert, Hans (finn. Kauf: 
mann) 73. 

Chonnert, Paul (Sohn d. Vo— 
rigen) 


Chrifter Nilsfon, f. Baia. 

EhbriftianL von Dldenburg 
{Unionslönig) 37—41. 66. 

Chriſtian N. (Unionstönig) DL 
57. 85. 86. 469. 

Chriftine (Königin von Schwe— 
— 203. 209. 218. 228 232, 


EChriftopb von Bavern (Ani— 
onstönig) 37. 66. 
Chydenius, Anders (finn. Geift- 
licher u. nat.=öfon. Publizift) 455, 
Chydenius, Samuel (finn. Do- 


Schybergſon, Geſchichte Finnlande. 





641 
zent d. Nationalötonomie) 374. 
378, 


455, 

Elerd, Lorenz (finn. Landeshaupt⸗ 
mann) 292, 

Clevberg [Edelcrank], Ab 
rabam Niklas (finn. Dichter; 
Dozent und Bibliothetar) 464. 

Cleve, Zacharias Joachim (finn. 
Prof. d. Pädagogik) 613 

Collan, Fabian (finn. Hiſtoriker 
589, 


Collan, Karl (finn. Überſetzer u. 
Komponift) 624, 

Creutz, Ernſt Johann, Freiherr 
(finn. Landeshauptmann) 244. 
247. 

Creutz, Guſtav, Graf (finn. Yan- 
beshbauptmann) 353. 

Creutz, Guftav Philipp, Graf 
(finn. Dichter u. Staatsmann) 
457, 


Creutz, Johann, Graf (finn. Lan— 
deshauptmann) 254. 289. 

Ereuß, Karl Guftav, Graf (finn. 
Abgeordneter) 550. 
Creutz, Karl Johann, Graf (finn. 
Major ıL Abgeordneter) 363 
Creutz, Lars Maͤrtensſon (finn. 
Edelmann u. Befehlshaber) 172 

Creutz, Lorenz senior, Freiherr 
(finn. Landeshauptmann) 244 bis 
246. 248. 263 


Creutz, Porenz junior, Freiherr (finn. 
Landeshauptmann) 258. 263, 
Erdell, Samuel (finn. Kammer: 
fistal) '221—223. 235. 
Eronbhjort, Abrabam (finn. 

aaa u. Feldherr) 


276. 
Cronſtedt, Johann Adam, Graf 
(Gen.:Major) 475, 477, 481.484, 
498. 500. 501. 509-511. 
Eronftebt, Karl (Gen. = fieu- 
tenant) 331. 332. 
Cronſtedt, Karl Dlof, Freiherr 
(finn. Senator) 605. 
Eronftedt, Karl Olof (finn. Ad⸗ 
miral) 475, 486. 488—490. 
Erujell, Bernbard Heinrich (finn. 
Komponift) 555. 
Erufell, Samuel Guftav (finn. 
Arzt) 590. 
C gnäus, Friedrich (finn. Prof. 
d. Aftbetif) 588, 
41 


42 Perſonenregiſter. 


Cygnäus, Uno (finn. Paſtor u. | Eyprianus, Anbdreae (finn. Geift- 
Bollsihul-Oberinfpeltor) 603, lider u. Senbbote) 50, 


D. 


Dähn, Waldemar Karl v. (ruſſ. | Dela Gardie, — Freiherr 
General u. finn. Miniſterſtaats⸗ (ſchwed. Befboberf) 138, 
felretär) 626. Didron, E. F. (finn. Beirks- 
— Johann ſ. Stjern— richter) 388, 
Dieln, Heinrih Klasfon (fin. 
on, Johann Richard Oberlandrichter) 66. 
(finn. Prof. d. Geichichte) 629. Dijeln, Yäppe Abrabamsfon — 
De Bruce, Anders (finn. Oberft) Schloßhauptmann) 32. 33. 70. 
398, Dijeln, Peter (finn. Schloßvogt) 39. 
De Geer, Robert Wilhelm, Graf | Döbeln, Georg Karl v. (fin. 
(finn. Yandeshauptmann, Mit- Oberft u. Patriot) 475, 478. 
glieb d. Anjala-Bundes, Abgeorrd-> 482, 483, 498, 499, 505, 509, 
neter u. Senator) 404. 421. 532. 
547. 


De Lacy, Peter, Graf (rufj. Feld» 
marſchall) 335. 341. 345. 352, 





514. 

Donner, Dtto (finn. Prof. der 
Philologie) 624, 

Douglas, Guftav Dtto, Graf 

De la Barre, Johann Reinhold (rufj. Gen.-Gouverneur in Finn 
(finn. Gen.-:Major) 290, 291,293. land) 300, 302. 303. 312. 

De la Gardie, Arel Julius, | Dryſell, Karl (finn. Gen.Kriegs— 
= (ſchwed. Feldmarſchall) 248, lommiſſar) 315, 


Duncker, Joachim Zacharias (finn. 
De la Gardie, Jalob, Graf Hauptmann u. Patriot) 481.500, 
(ichweb. Felbmarichall) 187. 227. | 


De la Gardie, Johann, Freiherr | 
188, | 


bl. 
' Dundas, Richard (engl. Aomiral) 
598. 


Edelcrank f. Elevberg. 

Edelfelt, Albert Guftav Ariftides 
(finn. Maler) 625. 

Edelbeim f. Krogius, Ehrenſvärd, Auguſtin, Grai 

Edner, Erich (finn. Ratsherr u. | (finn. Feldmarſchall; Ingenieur, 


Ehrenftröm, Johann Albert 
(finn. Patriot) 433. 556. 560. 





Abgeordneter) 324. Patriot 2c.) 361— 364. 374— 376. 
Ehrenmalm [Malm], Lars 378. 384. 386. 396. 429. 
Johann (finn. Landeshauptmann) | Ehbrenjvärd, Karl Auguft, Graf 
315. 320-322, 332. 349, 350. (finn. Admiral) 429, 
357, 358. 366. 367. 370, 871. | Ebrnroth (finn. Oberſtlieutenant 
429, 


375. 
Ehrenmalm, Samuel Magnus Ehrnroth, Johann Kaſimir v. 
(finn. Hofgerichtsrat) 375. 434.528 (finn. Minifterftaatsielretär) 626. 
Ehrenstjold, Nils (finn. Ad- | Ebhrjtrom, Erich Guftav (fin. 
miral) 294, Univerfitätslebrer u. Publizift) 
Ebhrenfparre (finn. Major) 342. | 571. 
Ehrenftolpe (finn. Landeshaupt- | Ehrftröm, Friebrih Auguft (fun. 
mann) 560, Komponift) 595. 


Berfonenregifter. 


Ehrftröm, Karl Guftav (fin. 
Juriſt) 590. 

Elman, Robert Wilhelm (finn. 
Maler) 595. 

Elimäus, Dlof ıfinn. Biſchof) 
185. 196. 220. 


Eliſabeth (KRaiferin v. Rußland) 
337, 339. 345. 347. 404. 
Elmgren, Sven Gabriel (finn. 
Fitterar= u. Kirchenbiftorifer) 589. 
Emine, R. (rmfj. Staatsrat u. 
Zivilgouverneur in Finnland) 
452. 476. 530. 557. 
Enebjelm, Ber v. (fin. Oberft- 
— u. Verſchwörer) 413. 


Engel, Karl Ludwig (finn. Ardi: 
telt) 564. 595. 

Engelbredt Engelbrekts— 
jon (ſchwed. Patriot) 36. 

Engbien, Herzog von 47l. 

Engman, Karl Magnus (finn. 
Kaufmann u. Abgeordneter) 526. 

Goleniuß, — (finn. Stu: 
dent) 265. 274. 

Erid der Heilige (König von 
Schweden) 9. 10. 

Erich XIII. (von Bommern) 
(Unionstönig) 33. 34. 36. 66. 
81. 83. 84, 

Erid XIV. (König v. Schweben) 
123— 132. > 138. 145. 150. 157. 


Erich Arelsfon f. Tott. 


— — — — — — — — 


Erich Spensſon (fin. Wahl— 
bifchof) 88. 20, 

Erich Thuresion f. Bjelke. 

Ericus Erici (finn. Bifchof) 
142, 143. 154. 173, 179, 188. 
195. 196. 220, 

Eritsjon, Eric (finn. Setierer) 


468, 
Eritsfon, Jalob (finn. Seltierer) 
468, 


Ervajt, €. (finn. Bezirksrichter u. 
Senator) 

Effen, Dietrib Adoli v. (finn. 
Kornett u. VBerihmwörer) 385, 405 
422, 423. 427, 

Effen, Georg Frombold v. (finn. 
DOberlandrichter) 301, 

Effen, Karl Guftav v. (fin, Prof. 
d. Theologie) 594. 

Eſſen, Karl Reinhold v. (finn. 
Gutsbeſitzer u. Verihmwörer) 404. 

Effen, Reinhold Wilhelm, Frei- 
herr v. (fin. Landeshauptmann) 
3u9, 310, 

Eftlander, ‚Karl Guſtav (finn 
Prof. d. Aſthetil) 623. 624, 
Eftlander, Jakob Auguft (fin. 

Prof. d. Medizin) 624, 

Euler, Leonhard deutſch. Prof. d. 

Matbematit) 457. 


Euren, Guſtav Erich finn. 
Sprachforſcher) 592, 
Europäus, D. € D. (finn. 


Spradforicher) 592. 


F. 


Fagerſtröm, C. J. (finn. Bür- Federley, Berndt (finn. Senator) 
germeiſter u. Abgeordneter) 424. 605. 


Fahlander (finn, Oberft) 492. Feregh, Joachim ſſchwed. Befehls: 
507, ) 87. 


Fahlenius, Jonas (finn. Biſchof) 
349, 


Fald, Andreas Heinrih (Abtei: 
lungschef im finn. Senat) 579. 


sallenberg, Karl (finn. Landes | 


bauptmann) 255 - 257. 261. 
Naltenberg, Melchior (finn. Lan— 
desbauptmann) 204. 2UD, 
Faltengren, Abrabam (jchwed. 
Admiral) 334. 352. 
Naporinuß, 
finn. @eiftlicher) 218, 


Gregoriug Matthiä | 


Serien, 


Fieandt, 


baber) 


Fermor, Wilhelm, Graf v. (ii. 


General) 338. 339. 
Arel, Graf v. 
Staatsmann) 376. 


(ſchwed. 


Ferſen, Johann Reinhold, Frei— 


herr v. (ſchwed. General) 253. 
Johann Heinrich v. 
(finn. Major) 286. 296, 


Fieandt, Otto v. (fin, Oberſt⸗ 
504, 


lientenant) 46. 498. 


Fieandt, Dtto Karl (finn. Ad— 


jutant und VBerichwörer) 428. 
41* 


644 


Finde, Gödik (finn. Edelmann) 
188, 


Fincke, Götrik (finn Schloßbaupt- 
mann) 161. 162. 172, 

Finde, Guftav Götrilsion (finn. 
Schlofbauptmann) 101. 103, 
109—112. 114. 120. 130, 161. 

Sinnberg, Guftav Wilbelm (finn. 
Maler) 595. 

Sinno ſ. Suomalainen. 

Fleming, Erich (fin, Oberlanb- 
vichter, Feldberr u. Neichsrat) 86, 
87. 97—101. 104. 105. 109. 
114, 

Fleming, nn (finn. Sof: 
gerichtsajjefjor) 192. 

Fleming, Hermann Klasion, 
Freiherr (finn. Gen.-Gouverneur) 
244, 245. 


Fleming, Hermann WPebersion 
(finn. Feldherr u. Edelmann) 


138, 

Fleming, Iwar (fin. Edelmann 
u. Felbberr) 87. 98. 100. 131. 
Fleming, Joachim (finn. Edel— 
mann u. Schloßhauptmann) 67. 

98, 


Fleming, Johannes (Dompropft) 
30. 


Fleming, Katbarina (Gemahlin 
Klas Kurds) 67. 

Fleming, Klas (finn. Edelmann) 
67, 


Nleming, Klas Erifsfon, Frei: 
berr (ſchwed. Feldmarſchall u. 
Reihsabmiral; finn. Oberbefehls- 
baber) 128. 131. 147 — 158. 
160. 161. 163—166. 168, 

Fleming, Klas Hermansfon, 
(finn. Yelbberr) 136. 154. 168. 

Fleming, Klas Larson (finn. 
Befehlshaber) 188. 

Fleming, Lars — 
(finn. Edelmann) 154. 

Fleming, Lars Iwarsſon (finn. 
Edelmann) 131. 

sleming (finn. Oberft) 478. 

Florinus, Heinrich (finn. Geift- 
licher u. Schriftiteller) 274. 

ra (Abgejandter aus Wisby) 


Follingius, Peter (finn. Biichof) 
133. 





Perſonenregiſter. 


Forbus, Arwid, Freiherr (finn. 
Feldherr) 230, 

Fordell, Hans (finn. Kaufmann) 
157. 


Fordell, Hans Hansion (finn. 
Kaufmann) 157. 158. 

Horfeen, Samuel (fin. Land— 
jefretär i. Überfeter) 326. 

Forſell v. Forſelles,, Jatob 
(finn. Bürgermeiſter u. Abgeord— 
neter) 359. 366. 387, 

Forfius, Siegfried Aron (finn. 
Afıronom) 179, 

Forstäl, Peter (finn. Forſchungs— 
reijender) 457, 

Forsman |Mrjö-Kosfinen), 
Georg Zacharias (finn Prof. d. 
Geſchichte; Senator u. national 
u Bolititer) 620. 621. 625. 


Forften (finn. Bürgermeifter u. 
Abgeordneter) 368. 

Franzen, Franz Michael (finn. 
Prof.; Biſchof u. Dichter) 434. 


Fredenftjerna [Shük], Adam 
(finn. Hofgerichtspräfident) 360. 

Freederits, Andreas, Baron 
(finn. Gutsbejiger) 450. 451. 

Freeman, E 4. (engl. Prof. d. 
Geſchichte u. Publizift) 629, 

B reje, Jakob (finn. Dichter) 457. 


reudenfelt (ſhwed. Gen— 
Major) 352. 
Freudentbal, Are Olof — 


Prof. d. ſchwed. Sprade) 624 
Friccius (rufj. Staatsrat) 557. 
Friederite Dorothea Wil— 

helmine [von Baden] (Ge— 

mahlin Guſtavs 1V.) 470, 
Friedrich L (König v. Schweden 

322 


Friedrich II. (König v. Preußen 
359, 362, 372. 396, 
Friedrich ILI. (Römiicher Kaiſer 


58. 
Friedrich Wilhelm Karl 


v. Württemberg (ruij. Ge— 
neralgouverneur in Alt-Finnland) 


447. 

Frille, Chriſtian (finn. Ober: 
landrichter) 67. 

Frille, Magnus (finn. Schloß⸗ 
hauptmann) 46. 52. 67, 


Perfonenregifter. 


Friefenbeim [Frifius], Hein- 
le Landeshauptmann) 289. 


Fröberg (finn. Oberft) 342. 

Frölich, Karl, Graf(finn. Yandes- 
hauptmann) 323, 355. 366. 

Frofterus, 9. (nationalfinn. 
Schhriftfteller) 465. 


Sad, Hemming (ſchwed. Geift- 
licher u. Staatsmann) 57. 

Gadd, Karl Eduard (finn. Staats: 
prohurator) 605, 

Gadd, Peter Hadrian (finn. Prof. 
d. Chemie) 366. 465. 456, 

Gadolin, Guftav {finn. Prof.) 


. 545, 

Gadolin, Jalob (finn. Biſchof 
und Profeſſor) 424. 434. 454, 
462. 


Gabolin, Jobann (finn. Prof. 
d. Chemie) 434. 463. 533. 

Galikin, Michael, Fürft (ruſſ. 
Generalgouverneur in Finnland) 
291. 295. 298—301. 303. 305, 


306, 

Gallen, Arel (finn. Maler) 625. 

Sanander, GChrififried (finn. 
Spradforfher u. Schriftfteller) 
458. 461. 465. 

. ‚Hans (finn, Befehlshaber) 


German (ruſſ. Mönd) 183. 
Gerngroß, v. (cruſſ. Oberſt) 


Gezelius, Johannes finn. Bi— 
ſchof) 310. 

Gezelius senior, Johannes 
(finn. Biſchof) 266—269. 573, 

Gezelius junior, Johannes 
(finn. Biſchof) 269—271. 283, 
289. 304. 589, 

— Hans (preuf. Sendbote) 


Slanienftjerna, 
bold (finn. Verſchwörer) 404, 
421—423. 427, 

Slinstoj, Michael (rujj Statt: 
balter in Nomwgorod) 120. 

Göransſon, Dlof (ichwed. Kom: 
miffar) 176. 


Lars Nein= | 


Frofterus, Robert Balentin (fin. 
Biſchof) 580, 

Surubjelm, Harald Biktor (finn. 
Senator) 605. 


| Furumard (finn. Major) 511, 


| 


©. 


Gottlund, Karl Are (finn. 
Univerfitätsleltor und Publizift) 


574. 

Govansti (rufi. General) 241, 

Graan, Johann (finn. Landes— 
bauptmann) 247. 

Grabbe, Nils en Feldherr) 
86. 87, 97—99. 114, 

Granfelt, Arel Friedrih (fin. 
Prof. d. Theologie) 594. 

Graf, Guftav (finn. Hofgerichts- 
vizepräfident und Panbtagsmar- 
ball) 249. 254. 


Grave, Franz (Scloßlomman: 


dant) 238. 

Gregorius, Johannis (finn. 
Geijtlicher) 50, 

Gren, Magnus (Schloßhaupt- 
mann) 65. 


Grewe, Konrad (finn. Komponift) 
9 


Grip, Bo Jonsſon (Magnat und 
Oberlandrichter) 31—33. 
Gripenberg, Hans Heinrich 
(finn. Gen.: Major) 478. 510.511, 
Gripenberg, Johann (Kriegs: 
lommiſſar) 
Gripenberg, Karl 
(finn. Major) 485. 


Magnus 


Grivenberg, Sebaftian (finn. 
Cenator) 605, 
Gripbufvud, Knut Bosfon 


(Magnat) 33. 

Grönblad, Jakob Eduard Auguft 
(finn. Hiftoriter) 589, 

Grönvall, Anders (finn. Aubdi- 
teur und Kommiffar) 315. 

Grotenfelt, Nils (finn. Öberit- 
lieutnant) 257, 

Grudzynska (poln. Gräfin, Ge: 
mablin d. Großfürften Konftantin) 
576, 


646 Berjonenregifter. 


Gummerus, Heinrich ._— Gplten, Clas Wilhelm (Chef d. 
(finn. Geiftliher u. Patriot) 494, finn. Forftverwaltung) 602, 
on L [Bafa] (König v. | Goldén, Nils Abraham (fin. 
Schweben) 53.80. 85-88, 90-95. Prof. d. grieh. Sprade) 595. 
97—100. 102—115. 117—124. | Gpldenftolpe, Karl Eduard 
138. 143. 144. 150, 157. 193. (finn. Hofgerichtsrat n. Senator) 
198. 316. 589. 633. 545. 547. 559. 
Guftav Il. Adolf (König v. | Gyldenſtolpe [Berioniußj, 
Schweden) 174. 180—182. 186 Michael (finn. Prof. db. Geich.)214. 
bis 191. 193—19. 197. 198. | Gyllenbögel (finn. Hauptmann) 
499. 


200-202, 205. 218, 227. 228, 
Guſtav III. (König v. Schweden) | Gyllenftjerna (Lanbesbaupt- 
376. 384—393. 395—397. 401 mann) 333, 
bis 419, 423. 424. 427—432. Gyullenſtjerna, Chriſtine (Ge- 
457. 467. 468. 527. 564. mahlin Sten Stures junior) 57. 
Guſtav IV. Adolf (König v. | Gpllenftjerna, Erih (Panbes- 
Schweden) 334. 408. 432—434. bauptmanın) 205. 
469—473, 476, 91. 495. 502 | ®pllenftierna, Göran (Felb- 
bis 504. 507. 508, 519. 532, 566. berr) 120. 
Guftav Erilsjon vgl. Gu=- | Gpyllenftierna, Johann (Ebdel- 
ftav LWaſa. | mann) 333. 
Guftav Guftanpsion, Graf Gyllenſtjerna, Nils Erilsion 
228, | (Schlofhauptmann) 44. 45, 65. 
Gutowski (finn. Oberft) 489, 


Haapalainen (fin Bauern: | Hannilainen, Peter (nationals 
anführer) 339. finn. Schriftfteller) 592. 

Haartman, Jobann (fin. Prof. | Hänninen, Elias (finn. Seltierer) 
d. Medizin) 455, 468, 

Haartman en v.(finn. | Hans (Unionstönig) 51. 52, 


Prof. d. Meb.) 463. 526, Hansfon, Dietrib (finn. Haupt- 
Haartman, Karl her v. (finn. mann) 53. TL 

Medizinaldireltor) 5IL Hare, Erich (finn. Befehlshaber) 
Haartman,tars Gabriel, Freiberr 181. 


v. (Bizepräfident im fin. Senat) | Härkänen, Matts (finn. Bauer 
579. 581— 599. 60L u. Abgeordneter) 353, 354. 
Haartman, Viktor v. (finn. | Härkäpäus, Eric (fin. Biſchof) 
Fandtagsmarfchall) 631. 94. 139, 140. 
Hagelftröm (rufj. Hofrat) 487, | Hartman, Gabriel Israel (fin. 
Hagert, Gabriel (finn. Bürger: Univerfitätsbibliotbelar u. Pbilo- 
meifter u. Abgeorbneter) 353. jopb) 434. 463, 
6. 368. 374. Haffelbom, Nils (finn. Prof.) 
Hagert, Thure (fin. Bürger: 


321, 

meifter u. Abgeordneter) 374. Häftefto, Jakob Henriksfon (finn. 
Halon Maanusfon (König v. Gubernator) 126. 130, 

Schweden) 28, Häfteito, Johann Heinrich (finn. 
Hällſtröm, Guftao Gabriel (finn. Oberſt u. Verichtwörer) 411. 413. 

Prof. d. Phyſik u. Abgeordneter) 417. 423. 

434. 463, 533.  Haftfehr, Berndt Johann ſſchwed. 
Hällfiröm, Karl Peter (finn. Oberſt u. Berfchwörer) 4U9. 410. 

Kartograpb) 460, 417. 420. 421. 425, 425. 


Berfonentegifter. 647 
Haufeen (finn. Bauernbaupt: | Hoffman, — (finn. Geiſt⸗ 
mann) 285 liher u. Gelehrter) 218, 
HSauswolff, Hans Guftad v. | Holmberg, Werner (finn. Maler) 
(finn. Major) 489, 59. 
Haveman, Georg (Gelehrter) | Hoja, Johann, Graf v. ſſchwed. 


273. 
Hedber 8; — Gabriel (finn. 
Propſt) 5 
Hedman, Tlaubins ( (finn. Propft 
u. Abgeordneter) 353. 


Heiden, Feodor, Graf (finn. 
Generalgouverneur) 626. 630, 
631, 


Heiling, Baron (ruf. Staats- 
beamter) 557. 

Heitus, Jakob Pälsion (finn. 
Bauer u. Abgeorbneter) 349. 
3b3. 366. 374, 

Heinridifinn. Biichof) 10.77, 456. 

Sei nrid (Graf v. Holftein) 27. 

demming | (finn. Bifchof) 28. 30, 
31, 35. 


os Heinrih (fin. 
Geiftliher und Gelebrter) 218. 
Henrilsfon, — (ſchwed. 
Kommiſſar) 184. 
H riks er on, Dlof (ſchwed. Send: 
bote) 127, 


Herberftein, Freiherr v. (deutſch. 
Staatsmann u. Hiftoriler) 20, 
Hermanſon, R. — Prof. d. 

Staatsrehte) 630. 


Hermelin, Samuel Guftav, 
— ſchwed. Kartograph) 


H — 53 Raphael (finn. Schrift⸗ 
ſteller) 624. 

Hertzen, Ernſt Guſtav v. (finn. 
Major) 483. 

Hipping, Anders Johann (finn. 
Hiftoriter) 589. 

Hifinger, Jalob Ra (finn, 
Staatsmann) 558. 

Hjärne, ©. N. (finn. a - 
tenant u. Abgeorbneter) 373, 

Hielt, Otto Eduard zen (finn. 
Prof. d. Medizin) 624, 

Hödert, Hermann (finn. Kauf: 
mann u. Abgeordneter) 526. 


Magnat) 97. 99. 101. 
Horn, Amid Bernhard, Graf 
(ſchwed. Staatsmann) 312. 315. 


329. 333. 

u in, are Gemahlin Stäl: 

ande 

Horn, Sn Karlsfon (jchweb. 
Feldherr) 187. 235, 

Horn, Göran Henrilsfon (finn. 
Befehlshaber) 168, 

Horn, Guſtav Evertsfon, Freiherr 
(fin. Generalgouverneur) 232, 

238. 239. 241. 242. 
Horn, 


Graf 
(firn, Seldherr) 201. 229, 
Horn, Heinrich (ſchwed. Reichsrat) 
245. 2bl. 


Guftav Karlsſon, 


Horn, Heinrich Klasſon (Statt: 
halter in Finnland; nn 99. 
103. 109. 118. 124. 126. 


191. 120. 181. 134. 185, 161. 


| 
| 
| 
I 
| 
| 1 
| Horn, Heinrich Klasfon (finn. 
Oberlandrichter) 38. 
| Horn, Heinrih Klasfon (finn. 
Magnat) 188. 
Horn, Karl Henrilsion (finn. 
Feldherr) 150. 151. 158. 
154. 


H J rn, Klas (fin. Oberlandrichter 


Por Klas — (finn. 
Oberlandrichter) 67. 
Horn, Klas Kriftersfon, Freiherr 
re Admiral u. Felbberr) 118. 
124. 131. 


Horn, — 
Schloßvog t) 
Horn, er — on (General⸗ 
— 188, 
Hou ons berg (finn. Oberlandrichter) 


Klasfon (finn. 


| Huafer Israel (Prof. d. Med.) 


648 Perfonenregifter. 


J. 


Idman, K. 3 (Auditenr; finn. — Anders Wilhelm (finn. 


Staatsbeamter) 547, Prof. d. Theologie) 594. 
Idman, Nils (finn. Propft u. Ingevaldefon, Name (finn. 
Spracdgelebrter) 465. Shloßhauptmann) 30. 31. 


Idriſi (arab. Schriftfteller) 1. Innocenz III. (Papft) 12. 

Ignatius, Karl Emil Ferdinand | Iwan IIl. (Zar v. Rußland) 42. 
(finn. Statiftiter u. Senator) 618. 45. 52. 189. 

Ilkta [Ilffainen], Jalob (finn. | Iwan IV. (Zar v. — 
Bauernführer) 160. 163, 114. 115. 120. 132, 137, 

Ile, Salomon (finn. Schloß: | Iwan VI. (Zar v. Rußland) 
bauptmann) 170—172. B: 

Ingelet, Adam (finn. Hofge— | war Arelsfon, j. Tott. 
richtsaſſeſſor) 315. 


Jägerhorn, — Adolf . obansjon, Knut (finn. Geiſt— 
(nn. Oberft) 488. 489. 557. r licher u. Sendbote) 121. 
Jägerhorn, Göran Heinrich Jonsſon, Petrus ( er Schloß⸗ 


(finn. Generaladjutant) 430. hauptmann) 22. 25. 2 
Jägerborn, Johann Anders | Jönsſon, Dlof (finn. — 

(finn. Major u. Berichwörer) 34. 

403. 404. 408. 412—415, 417. | Jons ſon, Sven (finn. Schlof;- 

419. 421—423. 427. 428. 488, hauptmann) 184. 
Salobsjon(finn. Lieutenant) 496, | Jordan, Michael (finn. Oberft u. 
Jankowitſch (ruf. Beiehlshaber) Schloßhauptmann) 222, 

' Juden, Jalob (fin. — 

Jansſon, Karl Emanuel (finn. ſekretär u. Dichter) 574. 

Maler) 625. Jurij Danilowitfh (Für v. 
Järnefelt, Auguft Friedrich (finn. Nomwgorod) 18. 

Bezirksrihter u. Abgeordneter) | Iuslenius, Daniel (finn. Bifchof 

609. u. Gelehrter) 268. 273. 349, 464. 
J ar slam (Fürft v. Nomwgorod) | Juſſoila, Johannes (finn. Iefuit) 


141. 
Jauhius, Lars (Buchhändler) | Iuftander, Erich (finn. Schrift- 
212. fteller) 274. 
Joachim (finn. Iefuit) 141. Juuſten, Bengt Sewerinsion (finn. 
Joensſon, Joen (finn. Kam: ; Admiral u. Feldherr) 143. 166. 
merer) ' 167 178 
Johaun III. (König v. se. Juuſten, Paul (finn. Biſchof u. 
118. 121-134. 136 





ben) 107. 118. | Hiftoritr) 4. 9%. 133. 139, 
bis 140. 142—147. 149. 150. 140, 179, 195, 456. 459, 
155. 157. 183. 186. 316. Juuſten, Ber V Pälsion (finn. Be- 
Johannes II., Petri (finn. Bi— ſeblohaber) 162 
ſchof) 35. | 
ſt. 


Kaitala, Japhet Michelsſon (finn. | — ruſſ. Geſandter in 
Bauer u. Abgeordneter) 526. ı Holland) 407. 


Berjonenregifter. 


Kaln, Ber (finn. Prof. d. Na— 
en 366. 370. 455. 


Kamensti (rufj. Gen.fieutenant) 
476. 477. 499. 504—506. 512. 
Kapfelmann ſſchwed. Lieutenant) 


KärkilKärkiſudd(finn Bauern— 
hauptmann) 296. 

Karl VIII. Knutsſon (König 
v. Schweden) 36—41. 65. 66. 
Karl IX. (König v. Schweden) 

129, 149—158. 163-180. 187, 
188. 195. 208. 219. 253. 261.262, 
Karl X. Guſtav (Königv. Schwe— 
den) 234. 235. 237. 241. 250, 
Karl XI. (König v. Schweden) 
243, 245—247, 250. 252 — 261. 


271. 
Karl XII. (König v. Schweden) 


361. 428, 
Karl XIII. (König v. Schweden) 


468, 532, 

Karl XIV. Johann [Berna= 
botte) (König v. Schweden) 555. 

Karl Guſtav (Sohn Guftaus IV. 
v. Schweden) 434. 

Karl Peter Ulrich vgl. Beter III. 

Kärmäli, Ialob Jalobsſon (finn. 
Seltierer) 468. 

Karpelan, Paul (finn. Gel: 
mann) 34. 

Katharina II. (Kailerin v. Ruß— 
land) 405-409. 413—422. 433, 
446. 587. 

Katharina Jagellonica (Ges 
ar Sobanns 111.) 124. 132. 


Katharina Mansdotter (Ge 
mablin Erichs X1V.) 129. 130, 
202, 


Kaulbars (ſchwed. General) 428. 

Kedman, Karl Niklas (finn. 
Univerfitätsleftor und Publizift) 
574, 


Keith, Jalob (xuſſ. u. preuß. 
Br 33h. 345—347. 


Kellgren,, Johann Heinrich (Do- 
zent in Abo u. Dichter) 464. 
Kettilmundsfon, Matte (finn. 

Schloßhauptmann) 22, 


— — — — — — — — —— ———— — — 


649 


Kerlerus, Simon (finn. Prof. 
d. Matbhematit) 214. 
Ki — ing, H. G. v. (finn. Major) 


Kihlſtröm (finn. Lieutenant) 483, 

Kindermann, Chriſtoph Theo- 
phil v. (ruſſ. Gen.:Major) 346. 
347. 


Kivi f. Stenvall. 

Klemet (finn. Schreiber) 112. 

Klerder, Karl Natbaniel v. (fin. 
Gen.:Lientenant) 475, 477—419. 


506. 

Klik, Karl Heinrib (finn. Ber: 
fhwörer) 404, 412. 413, 416. 
422. 423. 427. 


Klingfpor, Dtto (finn. Oberit- 
lieutenant u. Verſchwörer) 413. 


417, 423, 

Klingipor, Wilhelm Morik, 
Graf (finn. Feldmarfhall) 437. 
475. 476. 479—484. 491. 496 
bis 500. 503. 504. 506, 

Klodars, Per Persion (fini. 
Sprecher d. Bauernftanbes) 526. 
533. 

Klöfverblad, j. Ottesfon. 

KlöfverstjöLld, Aron Johansſon 
(finn. Schloßbauptmann) 237. 
240. 


Knorring, Bogban (rujj. Gene- 
ral) 508. 530. 558. 

Knut Bosſon, ſ. Griphuf— 
vud. 

Knutsſon, Heinrich (finn. Donts 
propft) 140. u 
Knutsfon, Lars (finn. Geiſtlicher) 

90. 


Konſtantin (rufj. Großfürſt) 676 

Kontſas, Arjd (finn. Bauern— 
anführer) 160. 163, 

Kopernitus, Nikolaus (Mathe— 
matifer u. Aftronom) 214. 

Kopjemw (rufjj. Gen.:Major) 452, 

Korhonen, Paavo (nationalfinn. 
Bolksdichter) 574. 

Korkunow (rufj. Staatsredhts- 
lehrer) 630. 

Kortumme, Wipredt (fin. Edel: 
mann) 
Kothen, Guftav v. (fin. Major 

u. Berjchiwörer) 413, 417, 423. 
Kotben, Kafımir, Freiherr v. 
(finn.Senatoru. Gouverneur) 617. 


Krabbe, Karl Arwid (finn. Hofs 
aa tet u. Abgeordneter) 


Krämer (finn. Hauptmann) Fe 
Krogius [Edelbeim]),  ® 
—— Oberlandrichter u. Senator) 


Krohn [Suonio), Julius Yeo- 
pold Friedrich (Prof. d. finn. 
Sprade) 623. 

Krompein, Karl (finn.. Land— 
fümmerer) 347. 

Kroot, Karl (finn. Eelretär) 36L. 

Kröpelin, Hans (finn. Schloß: 
bauptmann) 65. 

Krufe, Erich (ſchwed. Gen.-Major) 
238. 


Kulmem (rufj. Oberft) 482. 505. 
509. 


Kumes, Erid v. (finn. Edelmann) | 
34. 


8. 


Ladau, Guſtav Wilhelm (finn. 
Verſchwörer) 405. 412, 422, 423. 
427. 476, 


!agerborg, Robert (fin. Pub: 
Tizift u. Abgeorbneter) 616. 

Tagervall, Jalob Friedrich (ma- 
tionalfinn. Dichter) 592, 

!agus, Jonas (finn. Pietift u. 
Prediger) 594. 

Lagus, 3 3 Wilhelm. (finn. 
Prof. d. Philologie) 590. 

Lagus, Nobert (finn. Rechtsge— 
febrter) 590, 

Yagus, Wilhelm Gabriel (finn. 
Prof. d. Jurisprudenz; Hıftoriter) 
573, 578. 589, 


Lagus, Wilhelm Gabriel (finn. 
Dichter u. Hiftoriter) 624, 


Yangenfljöld, Karl Fabian 
Theodor (finn. Senator u. Staats⸗ 
mann) 602. 606, 


Ya 2 er, Olof (deutfh. Kaufmann) 


Lars Arelsfon, f. Tott. 

Larsſon, Auguſtinus ſcſchwed. 
Mönch u. Sendbote) 170. 

Laref Et Hans (finn. Befehls: 
baber) 147. 

Yarsion, 


Israel (finn. Bogt) 
163. 164. 





Berjonenregifter. 


Kurd, Arwid (finn. Biſchof) 57. 
67. 


87. 

Kurd, Arwid Friedrich, Baron 
(fin. Hofgerichtspräfident) 392. 

Kurd, Arel (finn. Feldherr) 161. 
169, 171—173. 188. 

Kurd, Birgitta Knutsdotter (finn. 
Abtiffin) 142. 

Kurd, Jöns, Freiherr (finn. a 
gerißtepeäfibent 192. 193. 206. 


Kurd, Klas (finn. Edelmann, 
Nichter u. Boat) 67. 68. 77. 
Kurd, Knut Jönsſon (finn. Be: 

fehlshaber) 160, 


Kusmin, Nitita (ruſſ. Abge- 
janbter) 116. 
Kymäläüinen, Di (national: 


finnifcher Bollsdichter) 592, 
Kyrn, Lüder Lüdecke] v. (finn. 
Schloßhauptmann) 17. 


Larsſon, Magnus (finn. Edel 

mann) 46. 

Larsfon, Philipp (finn. Ebel 
manıt) 34. 

Lauräus, Alerander (finn. und 
ihweb. Dialer) 655. 595. 

Faurbedius, Petrus (finn. 
Biſchof) 272. 

Laurbed, Iſaak (finn. Univer- 
jitätsadjunft u. Pietift) 271. 

Laurell, Arel Adolf (finn. Do: 
zent) 585, 

?aurentius, Heinrich 
Geiftliher) ©. 138, 

taurilainen, Bengt Petersfon 
(finn. Bauer u. Abgeordneter) 526. 

Laxman, Eric (finn. Naturforſcher 
u. Reiiender) 457. 

LeBell, Friedrib (finn. Propit 
u. Abgeordneter) 525, 526. 


(finn. 


Leche, Johann (finn. Prof. d. Me: 


bizin) 455, 

Leiftenius, Ialob Gabriel (finn. 
Dichter) 588, 

Lejonhufvud, Arel, Graf (finn. 
Statthalter) 131. 146. 187. 

Lejonhufvud, Ebba, Gräfin 
(Mutter des  Vorbergebenden 
131 


Lejonbufvud, © 9, Graf 


Perfonenvegifter, 6 


— Oberſtlieutenant u. Ver- Linien, —* G. (finn, Prof. u. 
ſchwörer) 417. 418, Publiz if) 570. 

Lejonhufvud, Guſtav Mobolf, eitbovins. Lars (finn. Pietift) 
Graf (ſchwed. Feldmarſchall) 237. 
238, ı Litbovius, 3. (nationalfinn: 


Lejonhufvud, Sten Arelsfon, Boltsdichter) 272. 
Graf (finn. Magnat) 187, Lizelius, A. (nationalfinn. Pnb- 
Lejonbufvud, Sten Eriksſon, liziſt; Prediger) 465. 
Freiherr (fchwed. Feldherr) 131. Sjungo, — (finn. Ge⸗ 
Lenäus (finn. Bezirksrichter) 348. lebrter) 179, 
Tencgvift, Erich (finn. Geift: | Tode, Georg Wilhelm (finn. Hof- 
lider u. Forider) 458. 461, geritsafiefr u. Abgeordneter) 


Lencgvift, Erih Ehriftian (finn. 
Gelehrter) 462, Lö fore " — Johann finn. 
——— — (finn. Kund⸗ 


— — 


Lewenhaupt, Charles Emil, 
Graf (ſchwediſcher Feldmarſchall) 
334—837. 342, 343, 


ſchafter 
Lexell, Anders Johann (finn. Loke, — (finn. Schloßbefehls⸗ 
Prof. d. Mathematik) 457. haber) 15. 
Levonftedt, V. (jchwed. Oberftu. | Longftröm (finn. Bauernbaupt- 
Verſchwörer) 416. 423, ‚mann) 285. 296, 


Liewen, Hans Heinrich v. ſſchwed. Fönnrot, Elias (Prof. d. finn. 

General u. Reichsrat) 280, 361 | Sprade) 691. 592. 

bis 363. 391. Löwen, Arel — Fortifilations 
Liljenfeld, Karl Guſtav (finn. direftor) 313. 330. 331. 
Oberlandrichter) 301. !öwenbjelm, ſ. aub Nord: 
Lillienberg (finn. Landeshaupt— 
manın) 
rillienftedt Paulinus), Jo— 
hann (Reichsrat, finn. Dichter) 
273. 307. 

I 


Lillienftjerna, Karl (finn. Ober: 
fandrichter u. Abgeorb.) 329. 332, 

Lindberg, Gertus Otto (finn. 
Bryolog) 624. 

Lindelöf, Lorenz Leonhard (finn. 
Mathematiker) 624, 

Linder, Ernſt (finn. Edelmann u, 
Abgeordneter) 616. 

Lindert, Johann Heinrich (finn. 
Kaufmann u. Abgeordneter) 326 


berg. 
Löwenhjelm, Guſtav Karl, Graf 
(ſchwed. Generalftabschef) 482. 
Lüder Lüdeke v. Kyrnh, f. 


Kyrn. 
Ludwig (Abgeſandter von Wisby) 
18, 


Luiſe Ulrite (Königin v. Schwe— 
den, Schweſter Friedrichs d. Gr.) 


Lund, David (finn. Biſchoh) 272. 
tun dft röm,. (finn. Bergmeifter) 
547. 


Luther, Martin (deutfh. Refor: 
mator) 89, 94—96. 186. 
Lindh, Anders Theodor (finn. 218. 
Dichter) 624. 
Lindbjelm, Anders (finn. Pan 
deshauptmann) 258. 272. 
Lindholm, Berndt Adolf (finn. 


Luukkoinen, Daniel (finnijcher 
Bauernanführer) 285. 286. 

Lybecker, Georg dv. (ihmeb. Ge: 
neral) 279 —281, 


‚Maler) 625. Lydekesſon, Klas (finn. Schloß« 
Lindgpvift, Iohann Heinrich (finn. "hauptmann) 34. 
Prof. d. Mathematif) 463. Lyytinen, Bengt (nationalfinı. 


Linne, Karl v. (ſchwed. Botanifer) Vollodichter 592, 
454. 455, 


652 


Berfonenregifter. 


Magnus] (finn. Bifhof) 17. 

Magnus 11. Dlai, ſ. Tawaſt. 

Magnus 111, ij. Stiern- 
kors. 

Magnus Eriksſon (König v. 
Schweden) 25—29. 61. 

Mätipesta, Auguit (finn. Spre- 
cher d. Bauernftandes) 609. 

Mattonen, Peter (nationalfinn. 
Bollsdichter) 592. 

Malm, f. auch Ehrenmalm. 

Malm, Karl Wilhelm — 
Hauptmann) 492. 493. 502, 

Malmberg, Nils Guftav (finn. 
Prediger u. Pietift) 594. 

Malmftröm, Karl Robert (finn. 
Dichter) 624, 

Manaffein, Nikolai (rujj. Juſtiz— 
minifter) 629, 

Mannerbeim, Karl Erid, Graf 
(finn. Staatsmann u. Senator) 
525—529. 533. 538. 545. 547. 
552. 559, 

Mannerbeim, Karl Guftav, 
Graf (finn. Entomolog) 575. 

Margaretbe (Unionskönigin) 33. 

Markow ſruſſ. Gefandter in Schwes 
den) 407—409. 

Marquardſen, Heinrich (deutſch. 
Prof. d. Jurisprudenz) 630. 

Matheſins, Johann (finn. Bes 
amter) 326. 333 

Matbejius, Nils (finn. Propft 
u. Abgeordneter) 373, 

Matbefius, Peter Nils (finn. 
Gelehrter) 456. 

Mattsſon, Göran (finn. Bauer 
u. Abgeordneter) 353. 

Mattsf : n Jöns (finn. Befehls: 
baber) 8 

Mattsſo J Rolf (finn. Befehls— 
haber) 86. 87. 

Mavdell, Georg Johann ſſchwed. 
Hödhfttommandierender) 277. 278. 

Mechelin, Leopold (finn. Senator, 
Staatsrechtslehrer u. Politiker) 

Mejerfelt, Johann Auguft, Graf 
(ſchwed. General) 427, 428. 

Melandtbon, Philipp Min 
Neformator) 89. 94. 140. 


Melartin, — Gabriel (finn. 
Erzbiſchof) 584. 

Melartopäus, Chriſtian (finn. 
Konfiftorialpräfident) 306. 


ER, Gabriel (finn. 
Biſchof) 206. 220, 

Melchiorsſon, Abraham (finn. 
Bogt) 158. 163. 


Mellin, U. G., Freiherr (finn. 
Hofgerichtsafleflor) 547. 

Mennander, Karl Friedrich 
(finn. Biſchof u. Prof. d. Phyſik) 
454. 456. 


Menfhitow, Alerander, Fürft 
(Admiral, finn. Gen.-Gouverneur) 
578. 598. 

Mertben, Karl (finn. Kaufmanı 
u. Abgeordneter) 324. 332. 349. 

M it enins, Johannes (Hiftorifer) 


Metftale, Reinhold (finn. Lan— 
deshbauptmann) 222. 

Meurman, Agatbon (national: 
finniicher Politifer) 618. 

Mihelion (ruf. General) 427. 
428, 

Michael Juſtäi (finn. Jeſuit) 
142, 

Minden, Heinrih vw. (ichwer. 
Feldherr) 135. 

Möller, Hermann (Bürger von 
Lübech 97, 

Möller, — finn. Fortis 
filationsoffizier u. Lehrer) 401. 
Mollin (fnn. Bürgermeiſter u. 

Abgeordneter) 366. 
Mommorna ſcſchwed. Handels— 
baus) 263, 
Moniltala, Hans Hansſon v. 


(finn. Befehlshaber) 166. 168. 
Mänsjon, Jöns (finn. Boatı 


117. 
Mänsion, Peter ſſchwed. Biichof) 
90. 


Montgomery, Nobert (finn. 
Oberſt u. Verihwörer) 338, 411. 
416. 419. 423, 

Montgomery, Robert (finn. 
Prof. d. Jurisprudenz u. Abge— 
ordneter) 616. 

Moore (engl. General) 503. 


- Morian, 


Perfonenregifter. 


Johann Chriſtoph v. 
(finn. Oberlandrichter und Ab— 
geordneter) 533, 

Moritz v. Oldenburg (bän. 
Feldherr) 87. 

Mörner, Karl (finn. General— 
gouverneur) 220. 222. 240. 

Muchanow (rufj. Gen.:Maj.) 485. 

Diulle, Nils (finn. Geiftlicher) 38. 

Multiain (finn. Bauer) 104, 


} 


| 


Mund, Adolf Friedrich, Freiherr 
(Günftling Guſtavs III) 408. 
Mund, Adolf Friedrid (finn. Se— 

nator) 605. 
Mund, Hans (finn. Edelmann ı. 
Kommiljar) 181. 184. 
Munckv. Fulkila, Johann (finn. 
Hofgerichtspizepräfident) 239. 
Munfterhbjielm, Magnus Hals 
mar (finn. Maler) 625. 


N. 


Napier, Charles, Sir (engl. Ad— 
ıniral) 596, 

Napoleon L (Kailer von Frank: 
reich) 469. 471. 508. 527. 558. 
556. Abb. 568, 

Nästonungsfon, Karl (finn. 
Schloßhauptmann) 22, 

Natt ob Dag, Mäns Jönsſon 
(finn. Befehlsbaber) 120. 

Nervander, Jobann Jakob (fin. 
Prof. d. Phyſil) 588. 

Nierotb, Karl, Graf (ichwer. 
Feldberr) 284— 286. 288, 

Nigrell, Iobann (finn. Ober: 
friegstommifjar) 315. 

Nillision, Dan. (finn. Schloß: 
bauptmann) 25. 

Nikolaus (rujj. Großfürft; Sobn 
Aleranders 11.) 508. 

Nitolans L (Zar von Ruß— 
land, Großfirft von Finnland) 
558..572. 575—580. 597. 6OL 

Nitolaus1l1. (Zarvon Rußland, 
Groffürft von Finnland) 632, 

Nils Estilsion, ij. Bank. 

Nils Thureſſon, f. Bijelte. 

Nilsjon, Anders (finn. Bogt) 
116. 117. 

Nilsſon, Mans (finn. Schloß: 
bauptmann) 114. 
Niperk, Katharina (Gemahlin 

Lars Arelsfon Totts) 44. 

Norby, Severin (dan. Seeheld) 
bö. 84—8tb. 88. 98, 114, 

Norbberg [Löwenbjelm], 
Karl Guftan (ſchwed. Gtaats- 
mann) 315. 316. 

Nordenberg, f. 
ſtjöld. 


Norden— 


Nordencreutz, Friedrich Jalob 
(finn. Fortifilationsoberſt) 389. 
Nordencreuk, Johann Jakob 

(finn. Hauptmann) 363. 373.374. 
Nordenjtjold |Rorbenberg), 
Anders Johann (finn. Oberft- 
lieutenant) 366. 
Nordenftjöld, Auguft (finn. 
Abenteurer) 468, 
Nordenstjold Nordenbergl, 
Karl Friedrich (finn. Oberftlieute: 
nant) 321. 373 382, 
Nordenftjöld, Nils AdolfErich, 
Baron (finn. u. ſchwed. Polar: 
foricher) 624. 
Nordenſkjöld, Nils Guftav 
(finn. Mineralog) 590. 
Nordenftam, Johann Morik, 
Baron (finn. Yandtagsmarichall) 
609. 


Nordenivan,H.K. (fin. Känı- 
merer u. Senator) 547, 

Nordpmann, Alerander v. (finn. 
Prof. d. Zoologie) 590. 

Nordftröm, Johann Jakob (finn. 
Prof. d. Jurisprudenz und Po- 
nr ſchwed. Archivdirektor) 578, 


Noreen, Erland (finn. Bürger- 
meiſter u. Abgeordneter) 353. 
Norrmeéên, 3 F (finn. Bürger— 
meiſter u. Abgeordneter) 424 
Nylander, Johann (finn. Biſchof 

366. 


353. 

Nylander, William (fin. Bota- 
niker) 

Nyrhi, Mäns (finn. Bauer) 103. 
104, . 


Berjonenregifter. 


2.0.0. 


Obuchow (rufj. Oberft) 492. 

Öbgislasfon, Hemming (jchweb. 
Reichsrat) 18. 

Aterbjelm, Samuel, Freiherr 
(finn. Hofgerichtspräfident, ſchwed. 
Staatsmann u. Reichsrat) 327. 

Okſanen, A., ſ. Ablgpift. 

Olaus Magni (finn. Biſchof) 
38. 58. 63, 


Dlaus Magni ſſchwed. Hifto- 
riter) 76, 

DLlof, Sauft (Kirchenheiliger) 42, 

Dlofsfon, Karl (Fisfal u. Kom— 
miſſar) 192, 

Dlofsfon, Mäns (ſchwed. Kom⸗ 
mifjar) 176. 

Dlsjon, Awid (finn. Edelm.) 46. 


Olsſon, Bengt(finn.Edelmann)46. | 


K. (ruſſ. Hiftoriter) 629. 
Drlow-Denijow (rufj. Feld» 
499, 


berr) 
Örn, Robert Iſidor (finn. Bürgers | 
meifter u. Spreder d. Bürger- | 


ftandes) 609, 


Drofius, Paulus (rim. Schrift: 
fteller) 19. 

Orräus, Anders Fabian (finn. 
Bürgermeifter, Oberlandrichter, 
a u. Staatsmann) 533, 


Staatsmann) 307, 
Dtber (Mormweger) 20, 
| Dtter, Sebaftian v. (finn. Oberft 
u. Verſchwörer 411.413. 417.423. 
Dttesjon [Klodfverblab], Jo— 
| hann (finn. Hofgerichtsfistal) 178. 
| _ 192. 
Dre, Harald 2 Landeshaupt⸗ 
| mann) 251. 2 
Drenftjerna, He, Graf (ſchwed. 
Reihslanzler) 158. 195. 205. 
215. 


1 
oter DOfterman, Anbreas, Graf (mii. 
| 


225. 234. 

ı DOrenftjerna, Gabriel Bengtsfon, 
| * finn. Gubernator) 192. 204. 
| 229, 
! 


DOrenjtjerna, Karl 
(finn. Statthalter) 186. 


Eritsfon, 


P. 


Pacchalenius, Thomas (finn. 
Prediger) 360, 

Bacius, Friedrich (finn. Kom— 
ponift) 588. 595. 

Päivärinta, P. 
Boltsdichter) 624, 

Paleen, Erih Johann (finnifcher 
Oberlandrichter) 326. 

Paletzkij (rufj. Statthalter) 116. 
1 


Palmen, Johann Pbilipp, Freiherr 
(finn. Senator u. Redhtsgel.) 590. 

PBalmfelt (finn. Oberft) 477. 

Banin, = Graf (ruf. Staats- 
mann) 360, 

Paul L (Zar von Rußland) 448, 
470, 


(nationalfinn. 


ee Joh., 


Bebersion, Joſeph chwediſcher 
Sendbote) 53. 


Peldan, Gabriel (finn. Prediger | 
u. Beamter) 292, 298. 299. 346, | 


j. Filliens | 


Peldan, Israel (finn. Student) 
292. 

Penaud (franz Momiral) 398, 

Peter L (Zar von Rußland) 276 

bis 278. 281. 283, 285. % 

bi8 290. 294. 315. 442, 445, 


472. 4%, 
Peter Ill. (Zar von Rußland) 
346. 347, 
Peträus, Estfil (finn. Biſchof) 
Pitkarainen, Matts Abrabams- 
fon (finn. Bauer u. Abgeordneter) 





526. 

Piper, Peter Bernhard (ſchwed. 

General-Adjutant) 388, 
Pipping, Friedrih Wilhelm (finn. 

Prof., — —— u. 

Senator) 573, D=4, 

Pipping, Seinrich (finn. Bize- 
vbürgermeiſter u. Ab ee 
Pipping, 3 (fin Prof. 

Medizin) 434 


BPerfonenregifter. 


P umridge (engliiher Admiral) 
596. 


Pogewiſch, Otto (finn. Schloß⸗ 
hauptmann) 34 65. 
Polhem, Gabriel (ſchwed. In— 


Poppius, Gabriel (finn. Na— 
tionalötkonom) 555. 
Porthan, Heinrich Gabriel (finn. 


| 





| 
| 


er d. — und — | 
437. 457—462, 465. 569, | 


520. 573. 50. 


| 


Bof A mut — er 
45. 47, 4 . 73,.120. 

| got evino, — — Jeſuit 
u. päpſtl. Legat) 14L. 

Pouttu, Bengt (finn. Bauern- 
anfüßrer) 158. 161. 163, 

Prink (ſchwed. Kämmerer; fin. 
Grundbefiter) 318, 

Puhakka, Antti (nationalfinıt. 
Volksdichter) 592, 

Puke, Erih (finn. Schloßhaupt⸗ 
mann) 6 


Q. 


Quanten, Emil v. (finn. Dichter u. Polititer) 588, 


R. 


Radloff, Friedrich Wilhelm (finn. 


Arzt u. Schriftfteller, 462, 
Ragvald 11. (finn. Biſchof) 21. 
Ragvaldsfon, Thomas (natio- 

nalfinn. Vollsdichter) 465. 
Rahm, Heinrih (finn. Kaufmann 

u. Abgeordneter) 424. 
Rajewski 8 Feldherr) 482, 

484, 496. 


Ramſay, A.H. Baron (finn. Lan⸗ 
beshauptm ) 387. 388. 391. 398, 

Ramſay, Chrifter Wilhelm (finn. 
Major u. Berfchwörer) 404. 421. 

Rappe, Chriftopber Johann, Frei: 
herr (finn. Landeshauptmann) 390, 

Rafumomwsti, Graf (rufj. Ge 
fandter in Stodholm) 409, 

Rayalin, Thomas v. ſcſchwed. 
Admiral) 334. 

Nebbinder, Johann Reinhold 
(finn. Major u. Abgeordneter) 538, 

Nehbinder, 
u. Abgeordneter) 523. 

Nehbinder, Robert Heinrich, Graf 
(finn. Hofgeridtsrat, Politiker u. 
en 526, 531. 
538. 545. 552, 5656558. 664, 
b67. 568. 576. 578. 

Nein, Gabriel (finn. Prof. d. Ge— 
ſchichte) 573. 589. 

Rein, 8 ©. Th. (finn. Prof. d. 
Philoſ.) 623, 


Renhufvud, Heinrih Stensſon 
(finn. Befehlshaber) 56. 86. 


ı Renborn, Olof Bidenius (finn. 


Karl (finn. Major | 





Renvall, 


Bürgermeifter u. Abgeorbn.) 332. 

Rengpift, Heinrich (finn. Pre- 
biger, Pietift) 594. 

Renvall, Guftav (finn. Propft 
u. Sprachforſcher) 574. 

Torften Thure (finn. 
Erzbifchof) 584. 

Refanomw (rujj. Oberprofurator) 
452, 

Reuterholm, Esbern Chriſtian, 
Freiherr (ſchwed. Reichsrat) 386, 

Reuterhohm, Guſtav Adolf, Frei: 
berr (ſchwed. Staatsmann) 433. 
556. 


Reuterſkjöld, Helene Charlotte 
487, 


Reuterftjöld, Karl Wilhelm 
(Gemahl d. Borigen; finn. Haupt⸗ 
mann) 487. 

Ridderhjerta, Gabriel Friedrich 
(finn. Hauptmann) 496. 

Ritz, Jakob (finn. Propft) 305. 

Rogel, Anna (finn. Sektiererin) 
468. 

Roivas (finn. Bauernanführer) 

Rokaſſowski, Platon, un 
(finn. Gen. =» Gouverneur) 578. 

606. 


613. 
Reinius, Israel (finn. Kaplan) | Rälamb, Bror —— finn. 
366. 


\ 
I 


Hofgerihtspräfident) 192, 


Roos, H. J. (fin. Hauptmann) 
379, 


Rofen, Gujtav Friedrich, Graf v. 
(finn. Gen.-Gouverneur) 359 bis 
361. 372, 377. 

Rofenborg, Iob. Wilhelm (finn. 
Prof. d. Jurisprudenz) 590. 609. 

Rojendabl, 
(finn. Kriegstommijjar) 245. 

Roſenhane, Arel (finn. Landes: 
bauptmann) 252, 258. 

Rofenbane, Johann (finnifcher 
Pandesbauptmann) 222, 

Roſenkampf, Guftav v. (finn. 
Staatsbeamter) 558. 

Roſenkampff, Karl, 
(finn. Ingenieur) 584. 

Roſenkrantz, Chriſtian (finn. 
Hofgerichtsaſſeſſor und Abgeord— 
neter) 239, 

Roß, Iſaak (finn, 
adjunkt) 349, 

Roß, Jakob (finn. Richter) 303. 

Roth, Johann Jakob (finn. Feld— 
webel) 498. 

Rothovius, Iſaal (finn. — 
197. 198. 202. 206. 210. 211. 

213. 218. 462. 

Rotkirch, Karl Friedrich (finn. 


Baron 


Univerfitäts- 


Erpeditionsiefretär u. Senator) 


h26, 547, 


Sadlen, Yard (fin. Bürger: 
meifter u. Abgeoröneter) 424, 


Sablberg, Karl Reinhold (finn. | 


Prof. d. Zoologie) 575, 
Zalamnius, Mattbias (natio- 
nalfinn. Dichter) 273. 


Sallinen (finn. Bauernanführer) | 
339, 


Salmelainen, j. Rudbeck. 

Saltza, Anton v. 
in Alt-Finnland) 443, 

Sandels, — Auguſt (finn. 
Oberſt) 475. 492. 493, 495. 


500—502. 506. 507. 511. 518. | 
Peter (finn. Refor- 


Särkilaks, 
mator) 88. 89. 94. 

Scarin, Algot (fin. Prof. der 
Seichichte) 456. 

Schäfer, Peter (finn. Pietift) 270, 


Erih Anbersfon | 


(uff. Affeffor 


Perjonenregifter. 


| Roufjeau, Jean Jacques (franz. 
Philoſoph) 468. 
Nud, Dtto (dän. Seeheld) 5A. 
Rudbed|Salmelainen], Erid 
(nationalfinn. Schriftfteller) 592. 

ı Nudbed, Johann ſſchwed. Biſchof 

| u. Gelehrter) 272. 

Nudeen, Torſten (finn. Prof. 
u. Dichter; ſchwed. Bilchof) 273. 

Rühs, Friedrich (deutich. Prof. d 
Geſchichte) 573, 

Rumjanzow, Wlerander (rufi. 
General u. Diplomat) 341. 
Rumjanzow, Nikolai, Graf (rufi. 

Auswärtiger Minifter) 512. 513, 

574, 

| 

! 


Runeberg, Ephraim Otto (finn. 
Feldmeſſungsdirektor) 370, 379. 


380. 
Nuneberg, Johann n eubwig (finn. 
Dichter) 477, 
Nuneberg, Frieverite Charlotte 
(finn. Shhriftftellerin) 589. 
Nuneberg, Walter Magnus (finn. 
Bildbauer) 625. 
Ruotſalainen, 
Pietift) 594. 
Ruth (finn. Geiftlicher) 304. 
Rodberg, Dlof Simon ſſchwed. 
Hiftorifer) 19. 


Paavo (fine. 


©. 


. Schaumau (fin. Major) 343, 

 Shauman, franz Ludwig (finn. 
Prof. d. Theologie, Bifhof u. 
Politifer) 600. 603, 612, 615. 


ı „ g18. R 

ı Scheel, Joachim (ſchwed. Admiral) 

ı _120 171 

Scheel, Paul (finn. Dompropft 
73. 


Scheffer, Ulrich, Graf (ſchwed. 
Staatsmann) 388. 390. 401. 
Scheremetjew, Boris, Graf 

(ruſſ. General) 276. 277. 
Schlippenbach, Chriſtoph Karl, 
Graf (ſchwed. Diplomat) 230, 
| Schlippenbad, Guftav — 

Graf (finn. Oberftlieutenant) 276. 
Schmidt, 
300. 


Johann (rufj. Beamter) 


Perfonenregifter. 


Schmidtfelt, Joachim 
Oberlandrichter) 301. 
Schtjenjatemw, — Fürſt 

(ruff. Feldherr) 46, 
Schtjenjatew, Fürft (ruff. Feld: 
119, 


berr 

Schulten, Dtto Reinhold, Freiherr 
v. (finn. Senator) 610, 

eauit (rufj. General) 429, 
Schütz, — . 
— ern 
Säumcten, Iwan (vujf. 

General) 303. 442, 

Esumais, Peter, Graf ſruſſ. 
General) 510. 511. 

Serenius, Iatob (fin. Propft 
u. Politiker) 366. 

Sergius (uſſ. Mönd) 183. 

eg Peter (ſchwed. Geift- 


licher) 306, 
Siegroth (ſchwed. General) 410. 
4ll. 


Sigismund (König v, Schweben 
u. Polen) 164—166. 
168 —170. 172 174. 189. 

Sigismund Auguſt (König 
von Polen) 124. 125. 

Sigrid Wafa (Todt. Erichs XIV.) 
130. 202, 


Per Chriftian 
finn. Abgeordneter) 


Silfverſtjöld, 
Kriegsrat; 
526. 


Silfverivan, 
(Lieutenant; 
609, 


Cimolin, Yalob (finn, Bürger 
u. Abgeordneter) 324. 


Guftav Johann 
finn. Abgeordneter) | 


Simolin, Johann (rufj. Sekretär) | 


Sjögren, Anders Johann (fin. 
Spradforider) 575. 

Sjöftrand, Karl Aneas (finn. 
Bildhauer) 625. 


| 


Sjöftröm, Arel Gabriel (finn. | 


Brof. d. Philologie u. Dichter) 570, 
Stawronsti, Frau (finn. Gut®- 

befierin) 450. 
Stjöldebrand, Anders fFried- 


ri, Graf (ſſchwed. Staatsmann) | 
512, 


Stogman, Karl David (finn. 
u. ſchwed. Beamter) 555, 

Stotte, Dlof (ſchwed. Senbbote) 
118. 


Schybergion, Geſchichte Finnlande. 


657 


(finn. | Skytte, Martin (finn. Bifdof) 
©. 91 94 9 


9». 

Slotte, Karl Johann (finn. Ab» 
georbneter) 631. 

Snellman, Johann Wilhelm 
(finn. Bolitifer und De 
Senator) 593. 594. 603. 606. 
613. 


| 616—618. 620, 
Soltikow, Fürft (rufj. Staats- 
Freden- D28, 


Oberft 


mann) 

Sondergelteus, Dlaus (finn. 
Jeſuit) 141, 

Sparre, Awid Guftafsfon (finn. 


Oberlandrichter) 31. 

Sparre, wi Freiberr (ſchwed. 
Reihsrat) 240. 

Sparre, Karl, Freibere (ſchwed. 
Neichsrat) 399, 

Spener, er Jalob (deutſch. 
Pietiſt) 270, 

Speranski, Michael, Graf (mi. 
Staatsmann) 520. 531. 545, 
552. 556—558. 566. 568. 

en Karl Johann (finn. Feld- 
webel) 499. 

Sprengtport, Karl Heinrich 
(finn. Oberftlieutenant u. Ab: 
georbneter) 332. 337, 358. 

Sprengtport, Magnus Wilhelm 
(finn. Major u. Abgeordneter) 
322. 329. 330. 332, 

Sprengtporten, Göran Magnus, 
Graf (finn. Oberft; rujj. General; 
finn. Gen, = Gouverneur; finn. 


Politiler u. Verſchwörer) 385, 
396. 397. 399—408, 414, 419 


Sprengtp orten, Jakob Magnus, 
Baron (finn. Gen.-Fieutenant u. 
Politifer) 384 — 388, 


396. 400, 
' Stahäus, Zaharias (finn. Paftor 


u. Abgeordneter) 239. 

Stadelberg, Berndt Magnus 
(finn. Major u. VBerfhwörer) 405, 
421, 


ao. Berndt Otto (finn. 
General) 314. 386. 397. 

Stadelberg, Bolmar 
(finn. Oberlandrichter) 301. 

Stadelberg (ruf. Gefandter in 
Stodbolm) 433, 


Adolf 


Stedingk, Kurt Bogislaus Chri- 
42 


655 


ftopb, Graf v. (ſchwed. Oberft, Ge— 
fanbdter in Petersburg) 427—430. 
472. 473. 477, 512. 513. 
Steinbeil, Fabian, Graf (finn. 
Gen.-Gouverneur) 554. 559. 
Sten (finn. Hauptmann) 16, 
Sten Thuresion, ſ. Bjelke. 


Berionenregifter. 


HG Johann (fin. 


Stenbäd, Yars Jakob (finnifcher | 


Dichter u. Prediger) 588. 594, 
Stenbod, Ebba (Gemahlin Klas 
Flemings) 150, 166. 167. 
Stenbod, Erich Guſtavsſon (ſchwe— 
diſcher Edelmann) 126, 
Stenbhbagen, Per (finn. Kauf: 
mann u. Abgeordneter) 381. 
Stenhufen, Sten v. 224. 
Stenius, Ifaal (finn. Gute: 
befier u. Patriot) 501. 502, 


' Stälarm, 


a Salob (jun.) (finn. | 
Propit) 378. 
Stenvall [Kivi), Aleris (natio- 


nalfinn. Scriftfteller) 624, 


Stiernceranb, Peter, Baron 
(finn. Landeshauptmann) 309, | 


Stiernftedbt, Iobann (finnifcher 
Landeshauptmann) 309. 329, 


Stiernftedt, Karl Iobann, Baron | 


(finn. Landeshauptmann) 329, 
Stjernbööt [Dalelarl], Io: 
hann (finn. Prof. d. Jurisprudenz) 
213, 
Stjernkors, 


Iwar Mänsfon 


(finniſcher Feldherr) 126 — 130, | 
143. 


Stjernkors, Magnus III. (finn. 
Bifhof) 44—47. 50-52. 58. 
60. 67. 


(finn. Ratsherr) 58. 


z. 


Tagankew, N. ©. (ruf. Se 
nator) 628, 


Svenonius, 
Stjernkors, Nilolaus Olofsſon 


Oberſt) 281 285, 290. 293. 
Stjernfträle, Magnus (finn. 
Oberſt) 281. 
Stjernvall, Friedrich Guftav 
(finn. Fandesbauptmann) 560. 
Stjernvall, Karl Johann (finn. 
Landeshauptmann) 560. b61. 565. 
Stijernvall:Wallcen, Karl 
Knut Emil, Freiberr (finn. Mi— 
nifterftaatsiefretär) 619. 626. 
Stodius, Martin (finn. Prof. 
d. Theologie), 212. 214. 218. 
Ate (finn. Edelmann) 
188. 

Stäalarm, Amid Erifsion (finn. 
Feldherr) 166 — 173. 
Stälarm, Arel (finn. 

hauptmann) 237. 
Stälbandste, Torften Torftens- 
fon (finn. General) 202. 
Strömfelt,DO.R. (finn. Landes» 
bauptmann) 307. 

Sture, Sten, sen. (ſchwed. Reichs: 
verweier) 41, 43-46. 48—53. 
Sture, Sten, jun. (ſchwed. Reiche: 

verwefer) 6. 57 
Sture, Svante Nilsion ſſchwed. 
Neichsverwefer) 49. 53. DA. 56. 
Sudtelen, Paul, Graf van (rufl. 
General) 486 —488. 
Sunesjon, Sune (finn. Ebel: 
mann) 34. 
Suomalainen/Finno], Jalob 
Persſon (finn. Schriftfteller) 143. 


Landes: 


Suonio, 
Spahn, 
437. 


j. Krohn. 
Anders (finn. Apotbeler) 


Enewald (finn. 


Prof. d. Theologie) 265. 271. 
272. 


und Senator) 534. 535. 546. 
549 


TZammelin, — (finnifcher Tandeteit, son (finn. Major 


Bürgennei 
Tanbdefelt, Adolf, Freiherr (fin. 
Hofgerichtspräfident, Abgeordneter 


Berihwörer) 421. 


T ub e, Johann Jakob (Gen.Gou⸗ 


verneur in Ingermanland) 249. 


Perſonenregiſter. 


Tawaſt, Arwid Henriksſon (finn. 
Befehlshaber) 135. 172, 


Tawaſt, Elin 58. 
Tamwajt, Iwar ger on (fin. 
Befehlshaber) 161. 172. 


Tawaſt, Magnus II. Olai (finn. 
Bifhof) 35. 36. GL 62. 64 67, 
Tawait, Nils (finn. Edelmann) 34. 
Tawaſt, Dlof Nilsfon (finnifcher 
Schloßbauptmann) 67. 
Tawaftftjerna, Karl Auguft 
(finn. Schriftfteller) 625, 
Teit, Heinrich (finn. Bergmeifter)224. 
Teit, Jakob ſſchwed. Beamter) 102, 
Tengftröm, Yalob (finn. Prof. 
u. Erzbiſchof; Hiftorifer) 434, 
460. 462. 463. 519. 533. 545. 
Tengftröm, Johann Jalob (finn. 
Prof. d. Philofopbie u. Hiftoriter) 
67). 589, 


Terentjew, Joachim (rufj.-ortho: 
dorer Geiftlicher) 220, 
Terierus, Johann (finn. Bifchof) 


Teffin, Karl Guſtav, Graf (jchwed. 
Staatsmann) 361. 

Thauvonius, Gabriel (fin. 
Hofgerichtsaſſeſſor) 326, 

Theils Au Seh. Rat u. Se 
nator) 452. 557, 

Thestew, Alerander Amatus (vufj. 
General, finn. Adjunktd. Minifter: 
ftaatsfetretärs) 578. 

Thomas (finn. Biſchof) 12—1A. 

Thomas Francisci (finnifcher 
Geiftlicher) 94. 

Thomasfon, j. Fjungo. 

Thunberg (finn. Ingenieur) 374, 
378, 


Thuronius, Anders (finn. Prof. 
d. Philoſophie) 272. 

Tiainen, Olof (finn. Bauern- 
Anführer) 501. 502, 507, 

Tiejenbaufen, Berndt Johann v. 
(fin. Oberlandrichter) 301. 

Tiejenbaujfen, Otto Johann v. 
(finn. Oberlandrichter) 299, 301, 

Tigerftebt, KarlKonftantin (finn. 
Hiftorifer) 589. 

TZiltanen, Paul (nationalfinn. 
Pubtizift) 593. 

Tillainen (finn. Bauernhaupt— 
mann) 285. 


| 


659 


Tillandz, Elias (finn. Prof. d. 
Naturwiffenichaften) 273, 

Tjäder, Jean Gabriel (finnifcher 
Kaufmann und Abgeorbneter) 


b26. 
Tommola, Märten (finn. Bauern 
anführer) 161. 
Tönne Erilsfon, f. Tott. 
Topelius, Zacarias, sen. (finn. 
Arzt u. Gelehrter) 574. 591. 
Topelius, Zadarias, jun. (fin. 
Prof. Ba Geſchichte u. Dichter) 


Tora — (finn, Bauernhauptmann) 


285. 

Törne, Magnus Wilhelm v. (finn. 
Offizier) 423. 

Törnegren, Karl Wilhelm (fin. 
Dichter) 588. 

Zörngpvift, Per Jonas (finn. Se: 
nator) 604. 

Tott, Erich Arelsion — a. 
hauptmann) 37. 89, 4 


—— — an N 
Oberlandrichter) 130, 

Tott, Ingeborg — Sten 
Stures d. Älteren) SL. 

Tott, — Axelsſon (finn. Edel⸗ 
mann) 44. 

Tott, Klas Aesfon (finn. Feld- 
herr) 135. 139. 146, 

Tott, Klas Alesfon, Graf (fin. 
Lehnsinhaber) 229. 230. 

Tott, Lars Arelsion (finn. Schloß: 

bauptmanı 43—45. bb. 

Tott, Ale Göransfon (finn. Edel: 
mann), 

Tott, te Henrilsſon (finn. Feld: 
marfcalt) ) 202, 

‚ Zönne Eriksſon (finnifcher 
Schloßhauptmann) 56. 67. 86. 
Trapp, Ehriftian (finn. Kaufmann 

u. Sprecher d. Bürgerftanbes) 533, 
Troil, Knut, Freiherr v. (fin. 
Landeshauptmann u.Staatsmann) 
519. 523. 524. 547. 558. 
Trolle, Gunnar (finn. Edelmann) 
34, 


Trolle, De (finn. Oberft) 397, 
T Ipetin eodor (ruſſ. General) 
205. 308. 


Tuderus, Gabriel (nationalfinn. 
Dichter) 273. 
42 * 


660 Perjonenregifter. 


Zulindberg, E. (fin. Kämmerer | Tutſchkow (rjj. General) 476. 
u. Mitglied d. Reg.-Konſ.) 547. 481. 482. 484. 507 

Zunelb, Erich (fchwed. Geograph) | Tyrgils Knutsſon (fehweb. 
460. | Reihsmarichall) 15. 16. 26. 69. 


ll. 


— Olof (fin. Pietiſt) | en F Lars (finn. Haupt- 
mann) 186. 
— Lars (finn. Pietiſt) Uſchatij, Iwan (ruſſ. Fürſt) 49. 
270 | Ufhatij, Peter (ruff. Fürft) 49. 
——— V. (röm. Papſt) 3 


V. W. 


Wachtmeiſter, Hans, Freiherr | MWegelius, Johann, sen. (finn. 
(finn. Lehnsinhaber) 230. Geiſtlicher; Pietift) 270. 271. 
Wackin, Sarab Elifabetb (finn. Wegelius, Johann, jun. (fin. 
Schriftftellerin) 589. \  Geiftliher und Berfafler) 465. 
m Petrus (ſchwed. Buchdruckey, Wegelius, Martin (finn. Kom: 


poniſt) 625. 
— IV. Atterdag (König | Vegeſack, Ernſt v. (ſchwed. Ge— 
von Dänemark) 26. neral) 497. 503. 505. 
BalentinusThomä (finn. Je | Weißenberg, Alexander Bern— 
fuit) 141. hard v. (finn. Landſekretär u. 
Walleen, Karl Johann (fin. Senator) 610. 630. 631. 
Senatsprolurator) 558. 577. Weman, Karl Guftav (finn. Geijt- 


Wallenberg, Jakob (finn. Pietift) liher u. Sprachgelehrter) 465. 
468. Bermundus (fhweb. Geiftlicher 
Wallenius, Iwar (finn. Propft u. Gefandter) 18. 





u. Abgeordneter) 525. 526. Befainen (fin. Bauernanführer) 
Wallenius, 9. (finn. Prof. 146. 147. 
b. Theolog ie) 348. Veſtgöte, Jöns (finn. Schloß: 


Ballerian, H.H. (finn.Hofgerichts- bauptmann) 87. 
rat u. Mitgl. d. Reg.Konf.) 547. | Wetterftedt, Erih v. (finn. 
Wallgren, M. (finn. Bildhauer) Feldmejjungsdireftor) 390. 392. 
625. Berionius, Michael, f. Gyl— 
Wallin, Georg Auguft (finn. benjtolpe. 


Prof. d. Philologie) 590. Bbael, Barthold (finn. Geiſt— 
Warelius, Anders (nationalfinn. licher) 305. 464. 

Berfafjer) 592. 593. Wibelius, Dlof (finn. Ober: 
Bargentin,P.(ichrwed. Aitronom | Tandrichter u. Landeshauptmann) 


u. Statiftiler) 372. 434. 517. 518. 

Wärnhjelm (finn. Oberft) 489. Wijtman, Johann Heinrich (finn. 

Waſa, Chriſter Nilsfon (finn. Bürgermeifter, Richter u. Politiker) 
Schloßhauptmann) 35. 65. 360. 361. 

Waſſilij (xuſſ. Zar) 114. Willebrand,v. (finn. Oberft)336. 

Wechter, Eſaias (fin. Babril | Willebrand, U. F. v. (finn. 
befiter u. Abgeorbnieter) 327 bis Dberlandrigter u. Senator) 523. 
330. 332. 349. 364. 383. 547. 

Weckſell, Joſeph Julius ıfinn. Willebrand, E ©. v. (finn. 
Dichter) 588. | Landeshauptmann) 437. 527, 


Perfonenregifter. 661 


nn Knut Selig, Freiher Wrangel, Karl Guftav, Graf 
v. (finn. ‚Prof. u. Abgeorbn.) 610. (ihwed. Feldmarſchall) 238. 
Bincentiuß ( (Titularbifhof von | Wrangel, Karl Heinrich, Freiherr 


Gades) 88. (finn. Gen.:Major) 335. 336. 
Winbolt, Hartwig (finn. Edel- Wrede, Fabian, Freiherr (finn. 
mann u. Befehlshaber) 46. 47. Grunbbejiter) 253. 

Winter, 4.9. (finn. Kammerrat ; Wrede, Fabian, Freiherr (Lieutes 
u. Nationalötonom) 434. 437. | nant; finn. Grundbefiter) 253. 
Winter, Chriftian (finn. Paſtor Wrede, Fabian, Freiberr (finn. 

u. Abgeordneter) 240. Politiker) 329. 332. 334. 349. 
Binter, Johann (Buhbruder) | 366. 
269. Wrede, Guftav Johann, Freiherr 


Witte, Hermann (finn. Bifchof) 310. (finn. Grundbeſitzer) 253. 
Wittenberg, Arwid, Graf (finn. | Wrede, Heinrich Jalob, Freiherr 


Gutsbeſitzer; Feldherr) 229. (finn. Politifer) 327—329. 332. 
Wittſtock (finn. Bürgermeifter u. | 349. 377. 

Abgeordneter) 330. My Ferbinand v. (finn. Ma— 
Wlaftow (ruff. Befehlshaber) 504. ler) 595. 


W il Thomas (finn. Befehlshaber) RT: Magnus v. (fin. Ma— 


ler) 5 
Wolkonski, Gregor (ruff. Fürft) aulıe (cuſſ. Oberft) 486. 494. 
147. Württemberg, Mards v. (ſchwe⸗ 





Wolle, Iatob/finn. Kaufmann) 262. difcher Oberft) 352. 
Wrangel, Dietrih, Graf (finn. | Wyſchata, Wafiljewitih (xuff. 
Ba) 251. 254. Feldherr) 11. 
59. 260. 


). 


Yrjö-Koskinen, f. Fors- | MPrlull, Otto Reinhold, Freiherr 
man. ffinn. Landeshauptm.) 309. 332, 


3. 


Zakrewski, Arieni, Graf (ruſſ. General; finn. Gen.-&ouverneur) 563. 
568. 578. 


Bufäße und Werichtigungen. 


Seite 6, Zeile 3 von unten: ftatt Alands lies Älands. 


„ 18 
„30, 
„36, 
" 57, 
„ 57, 
„ 124, 
„ 135, 
— 
„183, 


* 209 — 


„ 339, 
„ 415, 
„424, 
„ 428, 


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13 


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oben: 


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oben: 
oben: 


oben: 
unten: 


” 


” 


aflies von. 

Bielke lies Bjelke. 

till lies von. 

Katharina lies Chriſtine. 
Gadd lies Gad. 

verbünden lies verbinden. 

v. Minnen lies v. Minden. 
1603 lies 1610. 
Gymnafialprogramm lies Ly— 
cealprogramm. 

mit mir zufrieden lie mit mir 
recht zufrieden. 

18./28. März lie817./28.Mär;. 
13. Auguſt lies 23. Auguft. 
fiuniſchen lies finniſchen. 
zurückzubringen lies zurückzu— 
ziehen. 

Kauttna lies Kauttua. 


bier ift folgende Anmerkung hinzuzufügen: 

Über die wechfeloollen Lebensichicjale des Prebigers in Gamla Karleby, 
Anders Chybenius, vgl. E. G. Palmen, Politiska skrifter af Anders 
Chydenius, med en historisk inledning änyo utgifna; 2 Bde. (Helfing- 
fors, 1877—1880). — Im Betracht fommen befonders ®b. I, S. XVI 
bi8 CLXXV, 


Seite 462, Zeile 11 von oben: ftatt jammelte er im wefentliden 


fies begann er feine Laufs 
babn als Hiftorifer. Später 
fammelte er 


Zufäge und Berichtigungen. 663 


Seite 466, Zeile 3 von unten: ftatt eines „Kanzlers“ Gille, wel— 


502, 
511, 
524, 
525, 
526, 
526, 
509, 
569, 
5%, 


606, 
617, 
625, 
641, 


650 


” 


13 


oben: 


unten: 
unten: 
unten: 
unten: 
unten: 


oben: 


unten: 
unten: 


oben: 


unten: 
unten: 


unten: 


unten: 


" 


her lies einer „Kanzlers— 
Bilde“, welde 

Sorbovala lies Sorbavala. 
Furumart lies Furumard. 
zwei ließ beiden. 

jollten lies ſollte. 

Matte lics Mattbias. 

Mattb. lies Matts. 

erſchreckt lies ſchreckt 

Abo lies Abo 

Ed. J. V. v. Brunér lies Ed. 9. 
W. v. Brunér. 

April lies April 1863. 
Snellmann lies Snellman. 
DB. Wallgren lies Martin 
Ballgren. 

finn. Kaufmann lies Kauf: 
mann in Danzig. 

Theodor, Freiberr. 





— — de. 


— —— 
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