Hedwig
Courths-Mahl...
Hans Reimann,
Hedwig
Courths-Mahler
Blau Memorial Collection
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HEDWIG COURTHS-MAHLER
Schlichte Geschichten fürs
traute Heim
Erzählt
von
HANS REIMANN
Geschmückt mit
reizenden
Bildern
von
GEORGE GROSZ
IMPORT UND EXPORT
Pauf Steegemann - Buchmacher
HANNOVER / LEIPZIG / ZÜRICH
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■
1. — 10. Auflage
Alle Rechte vorbehalten
Copy r ightl922byPaulSte e gemannVerla g Ha»novcr
Dreißig Zeichnungen im lext unu
eine Umschlagzeichnung
von GeorgeGrosz.
;
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I N HALT
Bücher und Menschen 7
Stumpfsinn 17
Der Alte 20
Freudenhaus 28
Natürliche Folgen der Presse 40
Lesestück 45
Schniedeking 47
Anekdote von Paul Steegemann 52
Undankbares Geschäft 54
Die pseudoliterarische Grippe 59
Doppelgänger 69
Eben deshalb 76
Märchen 79
In der Dorfkirche 80
Gemälde 86
Die Auto 89
Kurmärker und Pikarde 92
Der aufrechte Mensch 96
Wie man OriginaURomane lesen sollte . . 99
Das kleine Einmaleins 108
Am Sonntag III
Hänschens Schutzengel 115
Habebald in der Nacht 126
Flip 134
Mai 137
Wohltun trägt Zinsen 139
Brief der H. C~M. an R R 145
' 554770
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BÜCHER UND MENSCHEN
nennt sich eine in Leipzig erscheinende Zeit-
schrift*), die unentgeltlich an jeden in Süd-
amerika wohnenden Deutschsprechenden ge-
schickt wird. Nummer 1 des zweiten Jahr-
gangs 1921 bringt einen Artikel über deut-
sche Dichterinnen.
Es ist nicht wahr, daß er von Ricarda Huch
und Else Lasker-Schüler handelt. Auch nicht
von Alice Berend oder Lena Christ oder
Catherina Godwin oder Hans von Kahlen-
berg oder Ilse Linden.
Gott behüte. Nein, er handelt von der Hed-
wig Kurz-Malheur, der A. von Panhuys, der
Friedrich Lehne (Helene Butenschön), der
Erich Friesen und der Erich Ebenstein.
Die letzten vier sind in der ersten einen
•> Erscheint sie nod»?
7
konzentriert enthalten und interessieren uns
nicht.
Abgedruckt aber sei, was die Zeitschrift
„Bücher und Menschen" von unserer +f+
Hedwig offenbart:
„Geboren wurde diese geniale Frau als
Hedwig Mahler am 18. November 1867 zu
Nebra an der Unstrut, einem kleinen idyllisch
gelegenen Thüringer Städtchen, und hier in
einer der lieblichsten Gegenden Deutschlands
bildete sich ihr Gemüt, erwarb sie den feinen
Natursinn, der zahlreichen ihrer Werke einen
so ganz besonderen Reiz verleiht.
Späterhin nahmen die Eltern des sich
früh schon durch hervorragende
Geistesgaben auszeichnenden
Kindes ihren Wohnsitz in Leipzig.
Die junge Hedwig wuchs heran wie viele
andere junge Mädchen und dachte zunächst
weit weniger an das Grün des Dichterlor-
beers, sondern mehr wohl an das der Myrte,
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Eine C7 ourtßsmafjferin, in wefeßer der Drang mäcßtig
wird — anafog zu Seite 11. Oder: Der Weg in die
Öffentfi<£6eit.
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und so sehen wir sie, zur lieblichen Jungfrau
erblüht, bald den Lebensbund schließen mit
einem jungen Künstler F. Courths.
Chemnitz in Sachsen war es, wo die Neu-
vermählten ihren ersten Wohnsitz aufschlu-
gen. Bald aber verlegten sie ihr Domizil
nach Berlin, da der junge Meister hier rei-
chere Möglichkeiten für die Entwicklung
seines Talentes vor sich sah, als im deut-
schen Manchester.
Eine längere Reihe von Jahren war Frau
Hedwig nichts als Gattin und Mutter — sie
hatte ihrem Gemahl inzwischen zwei Töch-
ter geschenkt — , endlich aber wurde
der Drang zu mächtig in ihr, dem, was
ihre Seele bewegte, durch das Wort Aus-
druck zu geben, und so sehen wir sie im Jahre
1905 mit ihrem ersten Werke „Auf fal-
schem Boden" den Weg in die Öffentlichkeit
betreten.
Sie war somit schon eine geistig vollausge-
11
reifte Persönlichkeit, als sie mit ihrem ersten
Roman hervortrat, und so merkte man die-
sem auch keineswegs jene charakteristischen
Schwächen an, die sonst zumeist dichterischen
Erstlingen zu eignen pflegen.
H. Courths- Mahler, wie sie sich als Schrift-
stellerin nannte, stand somit von vornherein
als eine ausgeprägte literarische Erscheinung
vor der Welt da, und das günstige Urteil,
das man von Anfang an über sie fällte, be-
festigte sich mehr und mehr durch ihre näch-
sten Werke „Liselottes Heirat" und „Es irrt
der Mensch".
Wer sich für die Anfänge ihres Aufstieges
zum Parnaß sonderlich interessiert, sei auf
ihren Roman „Unser Weg ging hinauf" ver-
wiesen, der viel autobiographisches Material
enthält.
Ein Talent wie diesen eben aufgegangenen
Stern konnten sich die deutschen Familien-
zeitschriften und Tagesblätter unmöglich ent-
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gehen lassen, und so sehen wir denn bald da
und dort in deren Feuilletons Romane von
H. Courths- Mahler auftauchen — und zwar
mit dem Erfolge, daß das Erscheinen eines
solchen jeweils einen entscheidenden Einfluß
auf das Anwachsen der Abonnentenzahl aus-
übte.
Die Fähigkeit der Courths- Mahler, span-
nende Situationen zu erfinden, ist ungewöhn-
lich. Die Charakteristik der als handelnd ein-
geführten Personen ist meisterhaft; Knapp-
heit und dramatischer Aufbau vollendet ; die
Naturschilderungen hinreißend und ihr
Stil von feinster Kultur.
Sie, die sich mit jeder neuen Schöpfung neu
verjüngt und der wir noch viele Jahre fröh-
lich gedeihlichen Schaffens wünschen, hat
mehr erreich! als das, was Lessing zu Klop-
stock sagte, < lenn sie wird nicht nur gepriesen,
sie wird at-ch gele-an!
Aber neben ihr, dar hundertblättrigen
15
J
't
I
Rose, ihr, der Zentifolie im Garten
deutscher Dichtkunst, gedeihen noch
manche andere köstliche Blumen von eigen-
artiger Farbe und von berauschendem Duft."
■
16
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STUMPFSINN
Ort: Wartezimmer in einer Augenstation
Rund, oder besser : viereckig um des Warte-
zimmers Wände läuft eine Bank.
Auf der Bank sitzen sechzehn Menschen.
Die sechzehn Menschen sitzen seit Jahr und
Tag auf der Bank.
Sie sind müde, faul, verdrossen.
Sie haben sich in ihr Schicksal gefügt.
Die meisten sitzen vornübergebeugt, den Kopf
in die Hand gestützt.
Mir gegenüber hockt einer mit hellblondem
Stoppelbart ; der hat den linken Ellbogen auf
dem linken Knie und die Wange auf dem
Unken Handrücken.
Die Rechte baumelt schlaff zwischen den
auseinandergeklappten Oberschenkeln .
2 Reimann, Groteskenbuch 17
In den Fingern der Rechten steckt ein Pa-
pier von der Größe einer Postkarte.
Dieses Papier haben wir alle.
Es ist die gedruckte Anordnung des Kassen-
arztes, daß unsere Augen untersucht werden
sollen.
Fliegen summen.
Der Blonde nickt ein.
Dabei gleitet ihm das Papier aus der Hand.
Er wacht auf, bückt sich träge und hebt das
Papier auf.
Nach einer Minute nickt er wieder ein.
Das Papier entgleitet seiner Hand.
Er wacht auf, bückt sich lässig und hebt es
auf.
Fliegen summen.
Keiner achtet auf den anderen.
Ich bin der einzige, der wach ist und auf
den Blonden spannt.
Der ist wieder eingenickt.
Das Papier entgleitet seiner müden Hand;
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er bückt sich, hebt es auf und schlummert
wieder ein.
i
Ich lache leise.
Dem Blonden, der inzwischen eingenickt ist,
entgleitet das Papier. Er bückt sich wie aus
alter, unabänderlicher Gewohnheit, hebt es
auf und schläft wieder ein.
Ich stehe sacht auf und stecke ihm das Pa-
pier in die Rocktasche. Er glotzt blöde, läßt
mich gewähren und schnarcht.
Fliegen summen.
Nun ergebe auch ich mich in mein Schicksal.
Es können noch viele, viele Jahre verstrei-
chen, ehe wir untersucht werden.
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DER ALTE
Viermal am Tag fülirte mich mein
Weg an der Kathedrale vorbei.
Am Außengürtel der Stadt liegt
meine Behausung und unweit des Rats-
gebäudes der Ort meiner Tätigkeit.
Da nun das Angesicht der Kirche nach dem
Marktplatze weist, so springt mich früh-
morgens sowie nach Tische — also auf dem
Gange zu meiner Arbeitsstätte — die Rück-
seite der Kathedrale an. mittags dagegen und
des Abends die von irrsinnigen Zierraten
starrende Fassade.
Und da nun weiterhin das Gotteshaus, einem
Menschenbrecher zu vergleichen, die Mitte
der Straße einnimmt, dergestalt, daß die von
mir täglich beschrittene (ergänze: Straße)
sich notgedrungen in eine Gabelung hat fügen
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müssen und beiderseits das mächtige Gebäude
umspült, die Bauten der Bürgerlichen weit
zurückdrängend, so fühlte ich zweimal täg-
lich auf dem Hinwege und zweimal täglich
auf dem Heimwege die Frage meinen Kopf
bestürmen: „Soll ich rechts herum oder
links herum die Schritte lenken?"
Worauf es aus mir heraus antwortete : „Mach
dir das Leben nicht unnötig schwer, Hans.
Ob du rechts dich wendest oder links, ist
einerlei ; denn die beiden Wege vereinen sich,
sobald sie die Kirche umschlossen haben."
Weil mir dies einleuchtete, und weil eben-
demselben durchaus klar war, daß, endgül-
tige Beschlüsse vor einem Scheidewege zu
treffen, immerhin eine Angelegenheit sei, die
man nicht mit „Juchhei" oder „Festedruff"
lösen dürfe, daß jedoch anderseits der Fall
in meinem Falle schlicht und unverwickelt
läge, indem der Scheideweg mit nichten ein
Scheideweg sei, lief ich, ohne zu fackeln,
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rechterhand um die Kirche herum, oder auch,
wenn es mir just beliebte, zur Linken.
„Es ist ja Buxe wie Beinkleid", sagte ich
mir.
Aber ich hatte mich bitter getäuscht, und es
war keineswegs Buxe wie Beinkleid.
Als ich mir nämlich eine Woche hindurch
das harmlose Vergnügen gegönnt hatte, vier-
mal täglich den rechten Pfad einzuschla-
gen, erblickte ich eines Morgens auf dem
untersten Absatz einer Steintreppe, die von
der Seite her in den Rumpf der Kathedrale
führt, einen zerschlissenen Greis, der sieht-
lieh blind war, wenn ich mich so ausdrücken
darf, und der dennoch heimtückische Blicke
nach mir blitzte. Selten traf ich Menschen in
der Nähe der Kathedrale, und vollends auf
den Treppenstufen hatte ich noch kein leben-
des Wesen gesehen.
Das ganze Viertel, in welchem die Kirche
vor Anker liegt, ist öde und ohne Leben : ein
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verhungerter Köter oder eine scheue Katze
drücken sich vergrämt an den bleichsüchtigen
Häusern entlang, und gespenstisch klingt es,
wenn eine Frauenstimme lacht.
Wie unter Wasser.
Erst in der Dämmerung, die das Grelle und
Bunte in Schemen löst, regt sich hie und da
ein zages Strudeln.
Es hockte also ein Greis mit schmierig- stieren
Pupillen auf der Treppe, zog kriecherisch
die Trümmer eines Hutes und verfolgte auf-
merksam den Tritt meiner Füße.
Ehe ich um die Ecke bog, wendete ich mich
herzklopfend um : der zahnlückige Alte, der
mir grinsend hinterdrein geglupscht hatte,
ruckte seinen Spirituskopf blitzgeschwind ge-
radeaus und tat, als sei er die Harmlosigkeit
selbst.
Über meinen Geschäften vergaß ich ihn als-
bald, zur Mittagsstunde aber, als ich — nun
schon gewohnheitsgemäß — rechts an der
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Kirche vorüber strebte, fiel er mir wieder in
den Sinn und fast zur gleichen Sekunde in
die Augen.
Denn da saß er, blindlings und schlierig wie
eine Qualle, streckte das ehemalige Hütchen
aus und beluchste mich. — An der Ecke
drehte ich mich nicht um, sondern hastete
weiter.
Nach dem Mittagsbrot überlegte ich hin und
her, ob ich im großen Bogen die Kathedrale
umschleichen und dem Blinden entflüchten
sollte; Neugier jedoch und heftig aufbrau-
sender Mannesmut trieben meine Füße den
vertrauten Weg : und richtig, der Alte kauerte
auf seinem Platze. — Des Abends gleicher-
maßen.
Vom nächsten Tage an lief ich bald rechts,
bald links um die Kirche herum, planlos und
willkürlich, wie es mir einfiel.
Und immer saß der Blinde da und wartete
auf mich.
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Da packte mich die rote Wut. und ich schrie
ihm in die haarbebüschelten Ohren, warum
er in Dreiteufelsnamen mein Leben aus dem
Gleichgewicht bringe.
Die Worte rannen von ihm ab, als höre er
nichts.
De9 Nachts zerwühlte ich mein Bett, und
wenn ich matt und mürbe einschlief, erschien
der Krüppel mir im Traum und überwachte
meinen Schlaf.
Oh, das war unerträglich.
So konnte es nicht bleiben.
■
Ich mußte das Geheimnis dieses Menschen
in den Grund bohren . . .
Drum, als ich eines nachts die Ruhe — • trotz
„Adalin" — nicht finden konnte, machte ich
mich auf und eilte an die Kathedrale.
Blaugrün, fast wie bemoost, hing der Him-
mel; von Sternen und von Mond nichts zu
verspüren»
Gleichsam aus knittrigem Stanniol gepreßt,
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wuchtete die Kirche über die geducktenDächer
rundum.
Den Pfad zur Linken schlug ich ein, tiefst
überzeugt, den Greis auf seinem Posten an-
zutreffen.
Das Bild, wie er da blind und schweigsam
auf der Treppe hockt, hämmerte ich mit fie-
r»
brischer Wut in die Gedanken ein, damit sie
nicht allzu jäh auf tanzten, wenn er dasäße.
Und weiß der Henker : er saß da !
Kein Phantom.
Er war es wirklich.
Hart vor der Treppe machte ich kehrt und
stob, von den Furien gehetzt, rings um das
Gotteshaus — hinüber zu der zweiten Treppe :
er saß auch dort.
Da brach ich in die Knie und schleppte mich
— ich hörte Bleigewichte rasseln — zurück
zur ersten Treppe, keuchend: er saß auch
dort; stumm, schleimig, grauöam.
Er saß auf beiden Treppen, und ich ent-
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kam ihm nicht. Hier gab es kein Entrinnen.
Mit meinen letzten Kräften stürzte ich mich
auf den Kerl, ihn zu erdrosseln — ich griff
in Luft, ein wirrzerzauster Hut blieb meinen
Fingern. J
Von jener Nacht an schloß ich mich in meine
Kammer, und niemals mehr betrat ich die
Straße.
Ich wage es nicht.
Langsam geh ich zugrunde.
Der Alte wills.
27
•-
VOM
FREUDENHAUS
INS GRAFENSCHLOSS
UND RETOUR
Trei nacfi
HEDWIG COURT HS" MAHLER
bearbeitet von
MAGNUS BIRCH-HIRSCHFELD
*
ERSTER AKT
Freudenlos lebte die schöne und tugend-
reiche Anastasia Glühwurm im Freudenhause
dahin.
An ihrem Herzen nagte ein Glühwurm.
Tag und Nacht brütete sie über Flucht-
plänen.
Es war in der Spelunke „Zur goldenen
12", deren Besitzerin Rosalie Schiffbruch
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die schöne und tugendreiche Anastasia im
Blütenalter von 16 Lenzen dahin verschleppt
hatte, um sie wie ein Vampir auszusaugen.
ZWEITER AKT
Graf Kulka fühlte sich einsam, war er
doch anders als die andern.
Nach einer toll durchzechten Nacht folgte
er nur allzu widerspenstig den Lockungen
der Freunde und betrat zum ersten Male
in seinem Leben die von schwülem Atem
verpestete Atmosphäre der Kupplerin.
Ha, was war das?
Konnte, ja durfte er seinen Augen trauen?
In einem hocheleganten Kimono bot sich
dem wie vom Donner umprasselten Gra-
fen die taufrische Anastasia dar, deren
mit schwarzen Trauerrändern umwucherte
Augen den Stahl des Mitleids in seine
Mannesmannsseele bohrten, um daselbst Be-
freiung zu heischen aus diesem Sündenpfuhl.
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Kurz entschlossen schlang er seinen mit
lila Seide abgesteppten Ulster um die heiß
erschauernde Anastasia und entführte die-
selbe vermittels seines luxuriösen Mercedes-
Wagens auf seinen Landsitz in Hänichen.
DRITTER AKT
Anastasia als nunmehrige Gräfin Kulka
durchlebte sonnige Tage an der Seite ihres
umgewandelten Gatten.
Doch das Mallöhr schreitet schnell.
Gar bald war der Graf der ehelichen Zärt-
lichkeiten überdrüssig, peinigte seine Gemah-
lin bis aufs Blut und hinterging dieselbe mit
seinem Zigarrenhändler.
Mit allen Fasern ihres reinen Herzens
sann die schmählich Betrogene auf rasche
Gütertrennung von dem abscheulichen Wüst-
ling.
Die Kupplerin, die inzwischen nicht müßig
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gewesen, hatte den tollkühnen Meisterdetek-
tiv Harry Biel beauftragt, Anastasia einzu-
fallen und den schurkischen Grafen der
wohlverdienten Nemesis auszuliefern.
Harry Biel begab sich sofort ans Werk
und überredete die arglose Anastasia, in ihren
alten Wirkungskreis zurückzukehren.
Dann trat er, den Revolver in der gelade-
nen Faust, auf den Grafen zu, um den-
selben zur Strecke zu bringen.
Kaum hatte dieser Lunte gerochen, als
er sich auf seinen ungeduldig scharrenden
Apfelschimmel schwang und in maßlosem
Galopp über die Dächer der Stadt dahinraste.
Auf der Kuppel der Gasanstalt ereilte ihn
sein Schicksal in Gestalt Harry Biels, der
wie aus dem Erdboden gezaubert auftauchte,
mit nervigem Arm in die Speichen des
schweißüberströmten Rosses griff und letz-
teres unter gellendem Triumphgeschrei in die
Tiefe schmetterte.
r 35
Reumütig kehrte der Graf, der mit einigen
leichten Hautabschürfungen davongekommen
war, zu seinem Freund und Berater Birch-
Hirschfeld zurück, während die eilends her-
beigeströmte Anastasia in die Arme des Mei-
sterdetektivs stürzte, um sich von demselben
zum Altar führen zu lassen.
Harry Biel aber lieferte das Mädchen auf-
tragsgemäß in die Klauen der Kupplerin
zurück — schweren Herzens, hatte er doch
eine unüberwindliche Zuneigung zu der schö-
nen Anastasia gefaßt.
In diesem Augenblick wurden sämtliche
Freudenhäuser der Stadt auf Antrag des
Stadtverordnetenkollegiums geschlossen und
zu Privatwohnungen umgebaut.
Noch am gleichen Tage ließen sich Harry
und Anastasia einander antrauen und hielten
ihren Einzug in „Die Goldene 12", woselbst
sie einem durch nichts getrübten Lebenswan-
del frönten.
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In rascher Folge schenkte Anastasia ihrem
definitiven Gatten eine Schar blühender Kin-
der, und wenn dieselben nicht gestorben
sind, leben sie eventuell heute noch.
Sela.
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NATURLICHE FOLGEN DER
PRESSE
Im Straßengraben liegt eine Zeitung.
Ein Windstoß fährt daher, und sie raschelt.
Ein Kalb kommt, sieht die Zeitung liegen,
denkt, es sei ein Leckerbissen, und frißt sie.
Zwei Menschen gehen vorüber.
Der eine spricht: „Das wird mal eine ge-
scheite Kuh."
Der andere : „Warum ?"
„Weil es die Zeitung gefressen hat."
„Ach so, deshalb? Ich vermute eher, es
wird eine stupide Kuh werden."
Die beiden Menschen schreiten in den Tag
hinein und versenken sich in ein Gespräch
über die Presse.
Das Kalb hat die Zeitung verzehrt, ohne sich
40
Dig
durch die Reden der Wandersieute behelligen
zu lassen.
Die Zeitung hat ihm geschmeckt.
Es glotzt.
Ein Stück straßenaufwärts liegt abermals
eine Zeitung.
Es läuft hin und frißt sie.
Das Kalb fühlt sich unbeobachtet, setzt sich
auf einen Steinhaufen, kreuzt Bein mit Bein
und überlegt.
Währ end des Oberlegens käut es wieder.
Das Wiederkäuen ist eine Folge der Zei-
tungslektüre.
Das Oberlegen ebenfalls.
Der Gang der Überlegung ist folgender : „Es
hat mir gut geschmeckt. Es hat mir sehr gut
geschmeckt. Es hat mir ganz außerordent-
lich gut geschmeckt. Nicht alles schmeckt so
gut. Ich wüßte nichts, was besser schmeckte."
Das Kalb fraß seitdem nur noch bedrucktes
Zeitungspapier.
41
Es fraß Hamburger, Berliner, Augsburger,
Kölner, Budapester, Münchener Blätter und
die Krähwinkeler Sensationspresse. Mit je
einem Roman der Hedwig Courtlis-Mahler.
Etwa eine Stunde nach jeder Zeitungslektüre
gab das Kalb hinterwärts eine falsche Mei-
nung von sich.
Aber es wurde fett von dem Papiere, sehr
fett, beängstigend fett. Bis es mit vier Jahren
zur Kuh gedieh und ein Dutzend Kälber auf
den Markt warf.
Die Kälber waren tot.
Sie hatten kein Gehirn.
Man beaugenscheinigte die Kuh.
Wasser entrann dem Euter statt Milch.
Barnum holte die Sehenswürdigkeit in sein
Panoptikum nach Groß- Buxtehude und zeigte
sie für Geld.
Die Kuh nährte sich ausschließlich von Zei-
tungspapier und vertilgte ganze Ballen von
druckwarmer Makulatur. Sie schwoll an und
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erreichte den Umfang eines ausgewachsenen
Elefanten. Sie blökte geradezu vor Presse.
Barnum mußte schließlich eine Art Ballon-
halle bauen lassen, um sie unterzubringen.
Ihre Freßgier nahm überhand.
Sie fraß eine Ladung Zeitungen nach der
anderen.
Bis sie platzte. Es gab einen hirnerschüt-
ternden Knall.
Anatomen eilten herbei und fanden eine wider-
liche Geschwulst, die sich von der Speise-
röhre bis zur Schwanzwurzel hingezogen
hatte, und die als einziges Überbleibsel aus
den Trümmern ragte.
Diese Geschwulst hatte Hirn und Magen
ersetzt ; alle geistige, alle verdauende Tätig-
keit hatte sich darin abgewickelt.
Das Gelesene war als Meinungsbrei in den
Abszeß gelangt und hierselbst verarbeitet
worden. Zur Hebung der Landwirtschaft
hatte die Kuh nichts beigetragen.
43
Diese Geschichte ist dem Tierreich ent-
nommen.
Menschen verschlingen ja keine Zeitung.
Und außerdem haben die Menschen ein Ge-
hirn.
•
44
LESESTÜCK
Das Meer er§länzte weit hinaus.
Sanft wie ein Baldachin le§te sich der Abend
auf Feld und Flur.
Bedächti§ trieb der Schäfer seine Herde
heimwärts. Auf §rüner Au* ästen friedliche
Schweine, die treuen Haustiere.
Eine klu§e Bauernmutter wendete ihr un-
ermüdliches Au§enmerk den Kuheutern zu,
indem sie durch rhythmisches Zusammen-
pressen der Hand die Sau§bewe§un§ des
Kälbchens nachzuahmen sich bemühte, wohin-
§e§en der brave Hausvater den leidi§en Mehl-
tau der Rosen durch Schwefelblüte zu be-
seiten bestrebt war, die er sor§sam über
Blätter und Dolden stäubte. Tiefer Friede
rin§sumher.
45
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Eine einsame Nachti§all schmettert ihre
spöttischen Weisen in den §eröteten Äther.
Alles atmet Glück und Beha§lichkeit.
Nur der Setzer dieser Idylle lebt in be§reif-
licher Erre§un§.
Er hat nämlich den Kasten mit den kleinen
G-Buchstaben verle§t und muß nun jedes §
mittels eines Para§raphen wieder§eben.
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SCHNIEDEKING
Schniedeking ging spazieren, und wie Schnie-
deking so spazieren ging, stach ihm ein kleines,
aber musikalisches Fräulein in die Augen.
Diesem Fräulein stieg Schniedeking nach.
Denn Schniedeking war ein Steiger.
Aber er getraute sich nicht, anzubandeln..
Schniedeking war ein platonischer Steiger.
Schniedeking stieg aem kleinen Fräulein un-
entwegbar hinterdrein.
Von halb drei bis gegen sieben.
Das reibt auf.
Gegen sieben verschwand das kleine Fräu-
lein in einem Eckhaus am Dönhoffsplatz.
Es war Nummer 16 a.
Schniedeking notierte sichre Zahl auf seiner
abschraubbaren Manschette und tappelte zu
seinem Zigarrenhändler.
■ 47
Da dieser jedoch geschlossen hatte, begab
sich Schniedeking heim und legte sich
schlafen.
Am folgenden Morgen eilte er wiederum zu
dem Zigarrenhändler und ließ sich das Adreß-
buch geben.
Dönhoffsplatz 16a. Erdgeschoß: Raufuß,
Dr. Zwing; 1. Stock: Krölund, Appelt;
2. Stock : Matthiessen ; 3. Stock : Semmel-
korn, Müller.
Hm.
Sieben Möglichkeiten.
Hm.
Was tun ?
Schniedeking verließ den Zigarrenladen und
sich auf sein sicheres Gefühl und wählte
den Namen Krölund als für kleine Fräu-
lein einwandfrei passend aus und stürmte
zum nächsten Postamt und schickte ein Tele-
gramm mit bezahlter Rückantwort an Fräu-
lein Krölund.
48
Digitized by Googl
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Das Telegramm enthielt die drei zentnernden
Worte:
„Ich liebe Sie."
Dann stiefelte Schniedeking wieder nach
Hause und legte sich erwartungsvoll auf die
e.
Schniedeking wartete vierzehn Tage.
Antwort traf nicht ein.
Wahrscheinlich war Fräulein Krölund nicht
die Gewünschte, oder sie liebte bereits einen
anderen, oder weiß Gott was.
Der Fall ist nie geklärt worden.
51
ANEKDOTE
VON PAUL STEEGEMANN
■
Seit dem Jahre 1914, wo ihm
ein Grizzly-Bär aufgebunden
wurde, seit dem Jahre 1914
sammelt Alfred Neumann, sam-
melt Neumann Streichholz-
schachteln.
■
Und zwar tut er dies mit einer Hinbrunst,
die an das Abenteuerliche streift und jeden
anderen Irdischen in die eisigen Regionen
des Selbsttodes fuhren wurde.
Neumann schreckt vor den verwegensten
Diebstählen nicht zurück, wenn es eine an-
noch unbekannte Fabrikmarke der Sammlung
einzuverleiben gilt.
Neumann scheut in Anbetracht seiner Spar-
samkeit weder Fleddern noch Bettelei.
Im Frühjahr 1922 ist es Neumann gelun-
gen, dank rastloser Tätigkeit, sage, schreibe
52
Digitized by Google
und jauchze: fünfhundert verschiedene
Streichholzschachteln zu vereinen.
Er löste die Etiketten säuberlich ab, klebte
sie in ein Album und ruhte mehrere Tage
auf seinen heiß errungenen Lorbeeren aus.
Die Verlagsbuchhandlung Paul Steegemann
in Hannover hat große Augen gemacht,
als sie am 19. März 1922 ein Paket mit
folgendem Begleitschreiben empfing:
Wie ich zur Erfahrung gehraoSt, tauschen
Sie, sehr geschätzte Tirma Steegemann,
wenn man Soo Streicß ho fzscßachtef* Eti-
ketten gesammeft hat, was mir in mehr»
jähriger Hingahe restfos gefungen ist,
diese fhen gegen einen Tußhaff um, wef*
cßen ich afs Resultat meiner Bemühungen,
die zu ermessen ich in Ihre Anheimefung
steffe, tun f ich st umgängig an meine Post"
anschrift (siehe RüchseiteJ zu gefangen
fassen höß. ersucht Ihr geziemender
Ado ff Affred Neumann.
53
UNDANKBARES GESCHÄFT
Beim Kaiser Willielm saß einmal ein Mann
und sagte, er möchte gern zweihundert Mark
geborgt haben ; ... ob er die nicht kriegen
könne.
Er sei schon überall herumgeflitzt, aber es
sei heutzutage verdammt schwer, Geld auf-
zutreiben.
Das war im Jahre 1913.
Der Kaiser lachte und ließ dem Mann zwei-
hundert Mark auszahlen.
Bedingung: 6% Zinsen und Rückerstatten
des Betrages nach Jahresfrist.
Der Mann erklärte sich einverstanden, strich
die Summe ein und sagte, er sei ein Ehren-
mann und wisse, was sich geziemt, und er
werde die zweihundert Mark pünktlich zu-
rückbezahlen.
54
Digitized by
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Hierauf vollführte er einen Kratzfuß und
fernte sich ent.
. . . Drei Jahre später traf der Kaiser den
Mann bei Aschinger, erkannte ihn sofortest,
fragte höflich, wie es ihm gehe, und wie es
mit den bewußten zweihundert Mark sei.
„Ach," sagte der Mann, „wissen Sie, die
Geschäfte gehen miserabel. Ich bin zwar von
meiner Firma reklamiert und schiebe neben-
bei . . .
„Was tun Sie?" unterbrach der Kaiser.
„Schieben tun tu ich. Tun Se man nich so
scheinheilig, Sie!"
Er täte gar nicht, versetzten S. M., sondern
er wolle sein Geld wieder haben ; er benötige
es dringend.
„Lassen Sie mir noch fünf Monate Zeit;
ja? Dann kriegen Sie Ihre lumpigen paar
Groschen auf Heller und Pfennig zurück !"
Der Kaiser gab sich zufrieden.
...Etwa ein halbes Jahr spater lief der
57
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Mann dem Kaiser auf der Galerie des Herrn-
feldtheaters in die Arme ; erst wollte er aus-
kneifen, dann aber dachte er : „Ach watt I"
S. M. gestatteten sich die Frage, wie es mit
dem Geld stünde.
„Ja, M erwiderte der Mann, „das ist so eine
Sache." Und er malte aus, wie kläglich es
ihm ergangen sei, und daß er wahrlich nichts
zu lachen gehabt hätte, und daß er sozusagen
mit einem Fuß am Hungertuche genagt
habe . . . Und zuguterletzt versuchte er, den
Kaiser nochmals um zweihundert Mark an-
zupumpen.
Da wurden S. M. krachgrob und herrschten
den Mann an, er solle machen, daß er sich
davon schere.
Und, seht ihr. so ist es: Seit jenem Tage
gab es einen Sozi mehr auf der Welt.
Moral: Kaiser-Sein war ein undankbares
Geschäft.
*
58
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DIE
PSEUDOLITERARISCHE GRIPPE
Die spanische Grippe ist ein Hochgenuß,
für den Lustbarkeitssteuer eingehoben wer-
den sollte, — ist ein Hochgenuß, dafern man
sie mit der pseudoliterarischen vergleicht.
Die spanische Krankheit trippelt vorüber,
ohne Spuren zu hinterlassen. Auch vermagst
du dich gegen sie zu schützen, indem du
rohen Knoblauch kaust. Da machen die gie-
rigsten Bakterien kurz kehrt und flitzen
schlotternd von dannen. Doch selbst wenn
du auf dies anrüchige Mittel verzichtest, dich
also mitnichten schützest, dürfte dir der spa-
nische Pips wenig anhaben. Du fällst in
ein hochinteressantes Fieber sowie in deine
Bettstatt, ruhst dich ein paar Tage aus und
59
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darfst hinterher dicke Töne reden, weil du
die Krankheit mit dem entzückenden Namen
gehabt hast.
Bei der pseudoliterarischen Grippe liegt der
Fall anders. Sie ist als solche von keinem
noch so einschlägigen Medizinalrat festzu-
stellen, verursacht keine erhöhte Körpertem-
peratur und keine Halsschmerzen, wirft dich
nicht aufs Krankenlager.
Aber sie verdummt.
Aber sie verseucht Geist und Geschmack.
Aber sie verwandelt dich aus einem (immer-
hin) Ebenbilde Gottes in einen Bullen oder,
falls du eine Dame bist, in eine Kuh.
Schleichend breitet sie sich über ganz
Deutschland aus, täglich ungezählte neue
Opfer fordernd, Männer, Frauen, Jünglinge,
Mädchen, Dienstboten, Postbeamte.
Sie wütet in unsern Landen, und dreimal
Wehe dem. der ihr verfallen* Bis an sein
unseliges Ende wird er nicht von ihr genesen,
6Q
■
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Meine LießfingsdiSterin ist die Courtfjs-Maßferl! Verstanden ?I
» *
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wird zeitlebens alles Verlogene als wahr
empfinden und am Kitsch seine Freude
haben; denn die pseudoliterarische Grippe
schlägt den Harmlosen mit Blind- und Blöd-
«
heit, und ihre Wirkung ist vergleichbar dem
bösartigen Treiben eines perversen Gärtners,
der seinen edelsten Sträuchern solange giftige
Reiser aufpfropft, bis jene ihre ursprüngliche
Beschaffenheit verlieren.
Wer es über sich gewinnt, erhalte sich
immun. Mögen meine Worte nicht tauben
Ohren gepredigt sein.
Ich erhebe meine Stimme und warne:
Die pseudöliterarische Grippe hat ihren
Herd in Leipzig, und sie heißet Hedwig
Courths-Mahler.
Die Zahl ihrer Originalromane ist wie
Schund am Meere.
Nicht genug, daß Wochenschriften, Tages-
zeitungen und Hausfrauenkäseblätter diese
Originalromane fortsetzungsweise ausspeien,
63
gelangen sie als Bücher in den Handel und
werden von jung und alt verschlungen.
In Hunderttausenden !
Und von Tag zu Tag werden von der Ori-
ginalromanschriftstellerin neue Seelen einge-
fangen, deren Schar anschwillt zu einer Un-
Heils-Armee.
. . . Brüder und Schwestern, Schwestern und
Brüder, ich bitte euch, beschwöre euch, flehe
euch kniefällig an : Haltet ein auf dem Pfade,
welch letzteren ihr betreten (wie Frau Hed-
wig Courths-Mahler schreiben würde), und
besinnet euch auf euch selbst!
(Weil Hedwig Courths-Mahler in Hundert-
tausenden gedruckt wird, hatte der Verlag
Cotta kein Papier, Goethe zu drucken.)
Haltet ein, ehe es zu spät ist !
Ich warne euch.
*
Um eingehend darzutun, wie jämmerlich die
Originalromane der Hedwig Courths-Mahler
beschaffen sind, müßte ich wenigstens einen
64
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an dieser Stelle abdrucken, und das sei unter-
lassen, da ich mit Fug vermeine, er würde
mancher „schönen" Leserin über die Maßen
gefallen. Denn das ist das Verderbliche an
ihnen : sie sind dem gutbürgerlichen Publikum
in den Mund geschrieben ; sie sind genau so
geschrieben, wie die deutsche Philistersgattin
schreiben würde, wenn sie Originalromane
schriebe. Hedwig Courths- Mahler ist die
verkörperte Spießerinnen -Engstirnigkeit und
-Phantasiearmut, aber, und das ist der sprin-
gende, dunkle Punkt : sie ist es mit Bewußt-
sein. Sie identifiziert sich beim „Dichten"
mit ihren Leserinnen und schreibt von deren
beschämlichem Standpunkt aus. Ein jeder
ihrer Sätze ist berechnet, und ihre Tätigkeit
hat mit Dichten so wenig gemeinsam, wie das
Vergolden einer Gipsbüste mit dem Meißeln
eines Marmorblocks.
Im Teufel haben wir das böse und in Frau
Hedwig Courths-Mahler das banale Prinzip
5 Reimann, Groteskenbuch 65
~s- y*»
zu erblicken. Die in Berlin fabrikmäßig ver-
goldeten Gipsbüsten pervertieren den Ge-
schmack des urteil sschwachen Volkes.
Wäh rend man nun gegen Detektiv- und Räu-
berschmarren mit Axt und Säge zu Werke
geht, steht man der echten Schundliteratur,
die gerissen alle Knalleffekte vermeidet und
nicht Gauner und Spitzbuben, auch nicht das
leibhaftige Bürgertum, sondern in begreif-
licher Vorliebe Edeldamen und Grafen schil-
dert, ohnmächtig gegenüber. Das Leben der
oberen Zehntausend wird in einer Weise ge-
malt, daß man der Meinung zuneigen möchte,
der Weltkrieg sei die tobsüchtige Revanche
der blutigen Wirklichkeit für die limonadige
Verhunzung durch die sächsische Original -
romanschriftstellerin gewesen.
Ein gutes Dutzend ihrer Werke habe ich mit
dem sachlichen Interesse des Philologen zu
mir genommen und weiß Bescheid : Nahezu
in allen jenen Originalromanen kriegen sich
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zu guter Letzt zweie, die sich auf der aller-
ersten Seite hätten haben können, es jedoch
vorziehen, sich viele Seiten lang nicht zu
kriegen. Sie kriegen sich also unter allen
Umständen, und diese Gewißheit wird einem
im ersten Kapitel zuteil. Aber in elf von
zwölf Fällen tritt ein hemmendes Moment
dazwischen, das mit einem einzigen, armseli-
gen Wörtchen aus der Welt geschafft werden
könnte, wenn — ja, wenn nicht dadurch der
ganze Roman in die Senkgrube fiele. Dies
ist der prickelnde Reiz : Man weiß mit posi-
tiver Bestimmtheit, daß die beiden todsicher
zueinander „finden", die, wenn nicht ein sau-
dummes Mißverständnis dazwischenrollte,
längst Mann und Frau wären. Ohne auf der
letzten Seite nachzublättern, darf man schwö-
ren, daß alles gut endigt, und man liest in
Siedehitze dem Schluß entgegen, weil man
es, vor Ungeduld mit den Beinen strampelnd,
partout nimmer erwarten kann, daß der herr-
5- 67
liehe Jüngling die willenlose Braut erst leise
und innig, dann aber mit stürmischer Zärt-
lichkeit auf die bebende Stirn küßt.
Haben sie sich gekriegt, fängt der eigentliche
Roman erst an, und der endet mit Totschlag
und Selbstmord.
Denn Menschen, welche dreihundert Seiten
lang eines Nichts wegen „kämpfen", kratzen
sich schon nach zweimonatigem Verheiratet-
sein die ebenmäßig geformten, mandelförmig
geschnittenen Blauaugen aus.
Es ist recht klug von Frau Hedwig Courths-
Mahler, daß sie ihre Originalromane mit der
Trauung abschließt.
Ihre „Gestalten" sind Nippesfiguren ohne
Unterleib.
68
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DER DOPPELGANGER
Ein Doppelgänger ist nicht dasselbe wie ein
Doppelläufer.
Ich mache darauf aufmerksam.
Der Doppelgänger, den ich meine, wohnt in
der Scheffelstraße.
Er hat es auf mich abgesehen.
Mir zum Schure läuft er doppelt.
Er sieht genau aus wie der Lehrer Beger,
der mir vor Jahr und Tag einzubläuen suchte,
was ein Oktogon und ein Rhombendode-
kaeder ist.
Deshalb konnte ich ihn nicht leiden.
Aber das hat sich gelegt, seit ich seinen
mathematischen Folterstunden nimmer bei-
zuwohnen brauche, und ich grüße ihn sogar
69
auf der Straße, sobald ich seiner ansichtig
werde, und gebe ihm die Patschhand und
mache ein Schwätzchen mit ihm.
Da ich den Lehrer Beger seit Monaten nicht
gesehen hatte, grüßte ich den Mann, der sein
Doppelgänger ist, ohne daß ich das gewußt
hätte.
Der Mann, der dem Lehrer Beger aufs
Haar gleicht, dankte nicht für meinen Gruß,
sondern schaute mich verständnislos an.
Ich, der ich von der Öoppelgängerei keine
Ahnung hatte, wunderte mich über das be-
fremdliche Betragen des Lehrers Beger, und
.als ich ihn einen Tag später wiederum traf,
grüßte ich selbstredend nicht, worauf der
Lehrer Beger einen schiefen Blick auf mich
strahlte und sich erstaunte ob meines Nicht-
grüßens. -
Ich kam mir komisch vor und beschloß der
mysteriösen Sache bei nächstbester Gelegen-
heit auf den Grund zu leuchten.
70
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I
Heute nun begegnete ich abermals dem Leh-
rer Beger, zweifelte allerdings im innersten
Innern, ob er es wirklich sei oder ob er am
Ende vielleicht doppelgehe.
Trotzdem schwenkte ich meinen Hut.
Er dankte nicht, blickte vielmehr krampfhaft
zur Seite.
Da sprach ich ihn unumwunden an.
Er sagte, er kenne mich nicht, und er heiße
seit Menschengedenken nicht anders denn
Tobias.
Ich bat um Entschuldigung und schritt sinnie-
rend weiter.
Da kam der Lehrer Beger.
War er's, oder war er's nicht ?
Er mußte es sein.
Denn Herr Tobias war in seiner Eigenschaft
als Doppelgänger entdoppelt.
Ich grüßte also Herrn Lehrer Beger.
Er dankte freundlich, reichte mir die Patsch-
hand und begann ein Schwätzchen mit mir.
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Ich erzählte ihm von seinem Doppelgänger,
und wir schieden in der Zuversicht, unseren
Verkehr auf der angenehmen Basis gegen-
seitigen Grüßens in feste Bahnen gelenkt zu
■
haben.
Die Geschichte ist, so leid es mir tut, noch
nicht zu Ende.
Denn am Nachmittag kreuzte Herr Tobias
meinen Weg, ohne daß ich mit Sicherheit
festzustellen vermocht hätte, ob es wirklich
Herr Tobias sei oder nur Herr Lehrer
Beger. Für alle Fälle grüßte ich ihn.
Er dankte höflich und ließ mich im Un-
klaren, wer er sei.
Ich glaube aber, es war Herr Tobias.
Was mag der Mann von mir denken?
Wie komme ich aus dem Dilemma des
Grüßens und Nichtgrüßens heraus ?
Das Einfachste wäre, ich schaffe mir eben-
falls einen Doppelgänger an und lasse die
beiden Doppelgänger sich die diversen Köpfe
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\
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zerbrechen, ob ich es selber bin oder nur
mein Doppelgänger.
Es scheint mir indessen ausgeschlosen, ein
Duplikat von mir aufzutreiben.
Auf dem Boden hängt ein Doppelläufer, den
mir mein Schwiegervater als Hochzeits-
präsent überreicht hat.
Ihn werde ich zu Rate ziehen und mich in
eine andere Welt befördern, wo es weniger
aufregend zugeht, und wo ich vor der lei-
digen Doppelgängerei sicher bin.
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EBEN DESHALB
In einer Irrenanstalt verkehren manchmal
ganz normale Menschen.
Zum Beispiel mein kondensierter Milch-
bruder Paule,
Paule leidet am Thermometer und muß un-
unterbrochen Messungen anstellen.
Wer das kennt* findet sich ganz gut mit
Paulen ab.
Regierungsrat Sandwitsch fand sich nicht mit
Paulen ab, und Paule wanderte ins Sana-
torium.
In einem Sanatorium sind manchmal ganz
normale Menschen.
Zum Beispiel der moderne Kunstmaler
Schipf.
Diesem fiel Paules Fimmel angenehm auf.
Darum buhlte er um Paules Vertrauen.
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Eines Tages hielt sich Paule im Park des
Sanatoriums auf und stellte Messungen an.
Dies geschah in der Weise, daß Paule, der
ständig an die zwanzig Thermometer bei sich
trug, von Baum zu Baum schritt und die je-
weils ermittelten Temperaturen in ein Büch-
lein einschrieb.
Schipf trat hinzu und beobachtete den eifrig
notierenden Paule, ohne daß sich Paule hätte
stören lassen.
Nach einer reichlich bemessenen Viertel-
stunde fragte Schipf höflich, zu welchem
Behufe die Messungen erfolgten.
Paule erwiderte: „Damit ich sie in mein
Buch eintragen kann."
Schipf: „Und wozu tragen Sie das alles
in Ihr Buch ein ?"
Paule (geheimnisvoll) : „Damit ich's dann
in mein großes Buch eintragen kann."
Schipf: „Und wozu tragen Sie das alles in
Ihr großes Buch ein ?"
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Paule (leicht gekränkt und dabei überlegen) :
„Das ist ja meine fixe Idee !"
In einer Irrenanstalt verkehren manchmal
ganz normale Menschen.
Menschen, die ihren Klaps mit Bewußtsein
tragen.
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MÄRCHEN
Es war einmal ein Bahnhofsvorstand . . .
wissen Sie: so ein Mann mit prachtvoll
roter Mütze. . ., der mußte jedesmal, wenn
er einen Zug abfahren ließ, bitterlich laut-
auf weinen vor teils Trauer, teils Wehmut,
teils Schmerz.
Ein bißl a Sehnsucht in die Ferne war auch
mit hineingemanscht.
Man enthub ihn seines Postens und ver-
setzte ihn zur Güterverwaltung einer mar-
tialischen Großstadt.
Nun weint er erst recht in der Erinnerung
an die vielenvielenvielen ohne ihn und ohne
seine Gegenwart abdampfenden Züge.
Oh,
ist das traurig.
79
t
IN DER DORFKIRCHE
In einer Dorfkirche, auf der Empore, unter
stockfremden Menschen, während die Orgel
spielte, habe ich Johannes R. Bechers Ge-
dichte gelesen.
Kaleidoskop und klar Gehirn !
Hah.
Der enge Raum, mit Kränzen aus gefärbten
Fadennudeln gefüllt, fünf unerquickliche Pe
troleum-Ampeln an der Decke, platzte.
Superlativischst reckte Lotte sich.
(Ob man zu „sich" — analog zu „etwam"
. . . aus „etwas" — den Akkusativ „sim"
bilden sollte? Stelle anheim.)
Reckte Lotte sich (sim) unter dem Dichter
der neuen Zone.
„Ehre sei Gott in der Höhe."
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Der Pastor spricht's mit vergilbter Stimme.
Der Lehrer aber spielt die Orgel.
Er heißt eigentümlicherweise Maron . . .
In der Weststraße ist eine Firma, die heißt
„Morgenstern & Kotrade", das versteh ich
nicht, und in der Querstraße gibt es eine
Firma, die heißt „Pätzold & Opitz", und
gleich daneben ist eine, die heißt „Ätzold &
Popitz".
Das billige ich keinesfalls.
. . . licherweise Maron und kennt mich.
Und ich kenne ihn.
Es tut nicht gut, an der Quelle zu sitzen.
Die Kinder singen.
Wie in abendlichen Kaminen verröchelt
etwas.
Das war der Blasbalg.
,,. . . für und für, um seines Sohnes willen."
„Und abermals ist das Himmelreich ver-
gleichbar einem verborgenen Schatz . .
Für und für.
e- 83
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Die Orgel verpustet sich.
Des Pastors Stimme schwillt.
Die Sache im Westen wird gemacht.
„. . . köstliche Perle fand . . . und verkaufte
dieselbige ..."
Und : „Wir klirren rings in Blau-Luft Fen-
ster-Gittern."
Bechers Stimme dröhnt splitternd den armen
Pastor breit.
„Amen*, spricht dieser und gibt das Rennen
auf.
Becher wandelt sich tiefst in literarischen
Blätterwald und zerschmilzt elend-rot in aus-
gebrannten Kratern.
Quid sum miser tunc dicturus?
O hymnische Nebelschwaden!
O faustisch Gewolk !
Solvet saeclum in favilla.
O Enzian-Ort der Abgeseilten !
Feindselig aberum kracht die Orgel.
Der Lehrer gibt sich hin.
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Will er vor mir prahlen?
Bemänteln seine Schämigkeit ?
Und wieder singen der Kinder süße Stim-
men.
Ein Männlein battert herbei mit einem Klin-
gelbeutel.
Lotte, Gott, Johannes, o Welten unüber-
brückbar.
Wowo bin ich ?
Etwas weint aus mir, aus Johannes R.
Eimann.
Und schon besteigt, ha, der Pastor seine
Kanzel.
Nachbarin, Eure Ampulle !
GEMÄLDE
Der Blick ist nach Westen ge-
richtet.
Vor uns erhebt sich eine Bauern-
hütte, die zu sieben Achteln aus
dem Dache besteht.
Das Dach ist hellbraun und mit grünem
Moos besponnen.
Rechts des Hauses stehen inmitten fettestem
Grün üppige, uns entgegengeneigte Sonnen-
rosen. Links ein paar Kirschbäume.
Unter einem der dunklen Stämme sprüht
rotes Feuer.
Weiter links auf grünem Pfefferkraut ein
blütenweißes Hemd, zum Trocknen hinge-
legt.
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Zu beiden Seiten des Daches gleiten die
Gärten bis an schwellende, grüne Hügel, die
von Feldern in gelbliche und weiße Streifen
zerschnitten sind.
Über alledem hängt ein schwefelgelber Him-
mel, der ganz behutsam in lichtes Blau und
am Horizont, über den gestreiften Hügeln,
in warmes Dunkelblau übergeht. Seltsames
Licht.
Ist es grell?
Ist es fahl?
Es ist beides zugleich, und, während ich
schreibe, wandelt es sich in kräftiges Ocker.
Ein halb acht Uhr abends.
Im Südwesten flimmert ein Stück dünnen,
hingehauchten Regenbogens.
Das Gelb des Himmels rötet sich mehr und
mehr.
Ober den Hügeln schimmert der Horizont
grünlich. Plötzlich strahlt alles in roten Flam-
men.
87
Kein Blau, kein Grün, kein Gelb — —
alles prangt rot.
Sogar mein Schreibpapier leuchtet purpurn.
Zwei Minuten später ist alles vorüber, und
silbergrau legt sich der Abend hernieder.
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DIE AUTO
tAls sie auf mich zugefahren kam,
sagte ich laut und wehrlos:
Bitte, nicht!"
Aber ich brachte nur das Bitte
heraus.
Das Nicht blieb in meinem aufs äußerste
entsetzten Halse stecken.
Was weiß eine Auto von Menschengedanken
und Menschensprache!
Es war nämlich eine weibliche Automobile.
Sie sah ganz veilchenblau und graziös aus.
Ich könnte sie ausführlich schildern, bitte je-
doch, mir dieses auf dem Gnadenwege zu er-
lassen.
Kurz und gut : ich wurde überfahren.
Vordem hatte ich mich immer als ein zu- •
sammengehöriges Ganzes empfunden.
89
Damit war es nunmehr aus.
Ich bestand aus zwei Teilen, genau genom-
men aus drei Teilen.
Die Beine waren nämlich ab.
Haben Sie sich man nicht !
Ich weiß so gut wie Sie, daß solches eine
unappetitliche Sache ist.
Natürlich.
In meinem Un-Fall verhielt es sich allerdings
anders.
Ich darf wohl sogar von einem ästhetisch
durchaus befriedigenden Verlauf reden.
Und ich genierte mich auch nicht, von den
abgetrennten Füßen, die herrenlos und iso-
liert da lagen, Gebrauch zu machen. In der
Hast steckte ich sie aber verkehrt herum an,
mit den Absätzen nach vorn.
Dummerweise.
Nun soll ich so auf Freiersfüßen gehen?
Nein, das wird mir niemand zumuten.
Einen Tag lang war ich sehr unglücklich.
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Nachts stahl ich mich in die Garage der
herzlosen Automobile und machte ihr einen
regelrechten Antrag, wie ich das aus Romanen
gelernt hatte.
Die zierliche Automobile war gar nicht herz-
los.
Sie erhörte mich, und wir wurden ein Paar.
Nach neun Monaten genas sie einer ent-
zückenden veilchenblauen Zyklonette mit ver-
kehrt hemmen Pedalen.
Was da noch herauskommt, möchte ich nicht
wissen.
Einstweilen bin ich freilich stolz auf meine
knatternde Tochter und fahre gern auf ihr
spazieren.
Da bleiben die Leute stehen.
Es ist aber auch ein eigentümlicher Anblick.
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KURMÄRKER UND PIKARDE
Landwehrmann und Prostituierte. Der ver-
heiratete Landwehrmann B. war der Backe-
reikolonne zugeteilt und lag im Bürgerquar-
tier in Gohlis. Am 26. Januar mittags ging
er in die Stadt und lernte in der Grimma-
ischen Straße die verheiratete Prostituierte
K. kennen, die ihn mit in ihre Wohnung nach
Mockau nahm. Erst am 1. Februar traf B.
wieder bei seiner Truppe ein. Das Kriegs-
gericht der 48. Brigade hatte ihn deshalb
wegen unerlaubter Entfernung vom Truppen-
teile im Felde (§§64 — 66 des Militär-
strafgesetzbuchs) zu acht Monaten Ge-
fängnis verurteilt. B. legte Berufung ein
und gab an, er habe an einer rheumatischen
Nervenkrankheit gelitten. Er sei schon mehr-
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mals in die Revierstube gegangen, ohne daß
er untersucht worden sei. Immer sei er wie-
der fortgeschickt worden. Am 26. Januar sei
es ihm wieder sehr schlecht gegangen. Um
Tee zu holen, sei er nach der Apotheke in
die Stadt gegangen. Dort sei es ihm unwohl
geworden und Frau K. habe sich seiner an-
genommen. In -der Wohnung der K. habe er
nie richtig das Bewußtsein gehabt. Ge-
schlechtlich habe er nicht mit ihr verkehrt.
Die Prostituierte hatte auf diese Frage die
Aussage verweigert. Der sachverständige
Arzt Dr. Oeller hat bei B. kein Leiden fest-
stellen können. Die Berufung wurde darauf-
hin verworfen, weil der Angeklagte nur
zur Befriedigung der Sinnenlust dem Heere
ferngeblieben war. Die Untersuchungshaft,
in der sich B. seit 3. Februar befindet, wird
auf die Strafe nicht angerechnet.
Leipziger Volkszeitung, 4. Juni 1915.
v
95
DER AUFRECHTE MENSCH
Der neue Kürfurst von Ka-
kaduzien (jüngere Linie),
Giesebrecht der Gewap-
pelte, hatte eine Anwand-
lung, legte die Zivilkluft an,
fuhr mit der Tram (kein Fremdwort!) bis
zum Bahnhofe, löste eine Fahrkarte vierter
Klasse nach Mampedictin o. d. Tauber und
stieg bei Abfahrt des Zuges rasch in ein
Abteil erster, da er eine abermalige Anwand-
lung verspurte.
Von einem kontrollierenden Schaffner nach
dem Fahrscheine befragt, lächelte er zag und
wies ihn vor.
Als nun der Beamte den ihm gänzlich un-
bekannten Kurfürsten zur Rede und vor die
Wahl stellte, entweder die Differenz zwi-
schen den Preisen erster und vierter Klasse
auf den imaginären Tisch des Hauses zu
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legen oder auf der nächsten Station umzu-
siedeln, wurde der huhe Herr grob und ließ
das unzweideutige Wörtchen „Rindvieh" auf
den Bahnmenschen fallen, was zur Folge
hatte, daß dieser mit kernigen Redewendun-
gen nicht zurückhielt, was zur Folge hatte,
daß der Fürst ein Gleiches tat.
Und schon war die Debatte, wenn anders
ein von Beleidigungen gröbsten Kalibers
strotzendes Zwiegeschimpf „Debatte" ge-
nannt zu werden verdient, auf dem Punkt an-
gelangt, daß der Eisenbahner dem Staats-
oberhaupt mit Maulschellen aufzuwarten sich
anheischig machte, als dessen Finger das
letzte Heft der „Kakaduzischen Illustrier-
ten" aus der Brusttasche rissen, um das Um-
schlagsbild, welches Giesebrecht, den Ge-
wappelten, unseren neuen Kurfürsten, dar-
stellte, dem ahnungslosen Gegenüber unter
die Nase zu halten.
Einen schrägen Blick senkte der Schaffner
7 Reimann, Oroteskenbuch 97
auf das kurfürstliche Konterfei, einen prü-
fenden Blick stach er in den Landesherrn
selbst und versetzte : „Es scheint allerdings,
als ob Sie in der Tat der Kurfürst seien, ein
Umstand, der mich nicht erschüttert, ge-
schweige denn in die Knie brechen macht.
Die Beleidigungen, die wir uns gegenseitig
zuzufügen die Geschmacklosigkeit hatten,
werden seinerzeit (oder ihrerzeit ?) vor Ge-
richt .verantwortet werden. Auf schleunige
Nachzahlung der beregten Preisdifferenz
lege ich indessen ein schweres Gewicht, da
ich es grundsätzlich /für Schnödigkeit und
Filzerei erachte, so ein Herrscher den Säckel
des eigenen Landes prellen wollte."
Dij nächstfolgende Nummer der „Kakadu-
zischen Illustrierten" brachte als Titelbild
einen Eisenbahnschaffner mit der Unter-
schrift: „Der aufrechte Mensch."
Obenstehender Text war als Erläuterung
beigefügt.
98
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WIE MAN ORIGINAL-ROMANE
LESEN SOLLTE
Seit ich vorgeschlagen habe, die Werke
der Original - Roman - Schriftstellerin
Hedwig Courths-Mahler dem deut-
schen Volke dadurch zu verekeln, daß
man sie der heranreifenden Generation
an Stelle der Klassiker einwalkt, beden-
ken mich ein paar Rachsüchtige (denen
während der Schulzeit offenbar das un-
verdiente Glück zuteil geworden ist, einen
gescheiten Deutsch- Lehrer gehabt zu ha-
ben, aber die zu einfältig gewesen sind,
um gewahr zu werden, wie barbarisch mit
Schiller, Lessing usw. umgesprungen wurde,
oder die überhaupt keinen Schulunterricht
genossen haben) . . . bedenken mich ein paar
Rachsüchtige in erfreulicher Regelmäßig-
keit mit anonymen Sendungen, und diese Sen-
dungen bergen (haltet mich fest!) Roman -
99
beilagen, und diese Romanbeilagen (haltet
mich noch fester!) bestehen aus Teilen der
Werke der Original- Roman-Schriftstellerin
Hedwig Courths-Mahler aus Weißenfels.
Hell ist mein Entzücken.
Die „Dresdener Hausfrau" brachte beispiels-
weise den Originalroman „Arme Liane!"
und ausgerechnet die 29. Fortsetzung schneite
mir ins Haus. Was aber fange ich mit einem
Originalroman an, dessen bisheriger Verlauf
mir unbekannt ist? Antwort: Ich lese ein-
fach die Inhaltsangabe, die der Fortsetzung
vorausgedruckt ist:
„Liane Reinold, eine elternlose Waise,
wird von ihrem Onkel, dem Grafen Ra-
stenau, liebend umsorgt. Er hat ihr eine
Wohnung in Berlin nett eingerichtet und in
Frau Dr. Bartels eine Hausdame ge-
wonnen, die allerdings Liane nicht zu-
sagt. Als er der Dame ihre Entlassung mit-
teilt, erklärt sie, daß sie sein Doppelleben
100
Arme Liane i
Digitized by Google
durchschaut habe und wisse, er lebe als Ma-
joratsherr mit seiner rechtmäßigen Gattin und
einer jungen Tochter auf Schloß Rastenau.
Graf Rastenau beschließt, Liane über seine
Verhältnisse aufzuklären. Das junge Mäd-
chen ist über seine Eröffnungen bestürzt.
Als die Hausdame ihr aber nach des Grafen
Abreise ins Gesicht sagt, sie wäre seine Ge-
liebte, bricht sie fast zusammen. Planlos
irrt sie ins Freie, ein Fremder leistet ihr bei
einem leichten Ohnmachtsanfall Hilfe. Am
nächsten Tage trifft sie ihn in der Pension
wieder, in deren Schutz sie sich vorläufig
begibt. Beider Herzen neigen sich zuein-
ander. Detlev Greifenberg aber macht dem
holden Traum durch eine rasche Abreise
ein Ende. — Graf Rastenau weilt wieder auf
seinem Schloß in Thüringen. Liane, die im
Begriff steht, unbesoldet eine Gesellschafte-
rinstellung anzunehmen, erbittet dazu seine
Einwilligung, die er um so lieber erteilt, als
103
er die freiherrliche Familie
von Brinken kennt und schätzt.
Weder seine Gemahlin noch
seine reizende sechzehnjäh-
rige Tochter Steffie ahnen
etwas von der Existenz Liane Reinolds.
— Graf Detlef, der Neffe des Grafen,
berichtet in vertrauter Stunde dein tief-
betroffenen Grafen, daß er Berlin
fluchtartig verlassen habe, um nicht
die Liebe zu der bürgerlichen Liane
Reinold über sich Herr werden zu
lassen. — Einige Tage darauf trifft Liane
auf Brinkenhof als Gesellschafterin der durch
einen Unfall lahmgewordenen Hanna v. Brin-
ken ein. Im Fluge erobert sie aller
Herzen. Auf einem einsamen Waldspazier-
gang trifft sie Graf Detlev und erfährt seinen
wahren Namen und Stand. Beide sind von
dem Wiedersehen bewegt. Als Gutsnach-
bar verkehrt Graf Detlev v. Rastenau viel
104
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auf Brinkenhof. Bei einem gemeinsamen
Ausflug lernt Liane die Komtesse Steffie
v. Rastenau kennen sowie die Baronin v.
Wachau und deren Sohn. Aber zu ihrem
großen Schrecken trrW* sie auch hier ihre
ehemalige Hausdame» Frau Dr. Bartels,
die jetzt Gesellschafterin bei Frau Baronin
v. Wachau ist. Detlev begleitet auf der
Rückfahrt Komteß Steffie nach Rastenau
und bittet den Grafen Joachim, ihn auf sein
Gut in Schlesien zu schicken, damit er nicht
in Lianes Nähe weilen muß. Der Graf aber
teilt seinem Neffen mit, daß er nach rast-
losem Suchen eine Majoratsklausel gefun-
den habe, nach der eine Ehe des Majorats-
herrn mit einer Unebenbürtigen zulässig ist,
wenn diese von allen lebenden Grafen von
Rastenau als würdig befunden würde. Detlev
ist sehr glücklich. Inzwischen ist aber Frau
Dr. Bartels am Werk. Sie berichtet der
erschrockenen Baronin Wachau, daß
105
Liane die Geliebte eines verheirateten Ari-
stokraten sei. Die Baronin hält es für ge-
boten, Brinkens zu warnen und fährt mit der
Bartels nach Brinkenhof. Liane wird ge-
rufen." 1
Nachdem ich dies unter heftigen Schlagan-
fällen genossen habe, stürze ich mich auf
die 20. Fortsetzung. Sie umfaßt 16 Buch-
seiten, also einen Bogen. „Ha 1" durchzuckt
es meine schreckbetäubten Ganglienzellen,
„da hab ich ja durch das Lesen der Inhalts-
angabe 320 (in Worten: dreihundertund-
zwanzig) Seiten erspart!" Und auf Grund
dieser Erleuchtung schlage ich das Folgende
vor :
Man drucke von einem Original-
romander Hedwig Co urths- Mahler,
der beispielsweise 30 Teile umfaßt, nichts
als den Schluß und die dazu gehörige
Inhaltsangabe der 29 „einleitenden" Stücke.
Durch dieses abgekürzte Verfahren dürfte
106
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die Gemeingefährlichkeit der Originalschrift-
stellerin auf ein Minimum zurückgeführt und
vielleicht die gesamte Produktion der Wei-
ßenfelserin unterbunden werden (denn es ist
nicht ausgeschlossen, daß Originalromane
„fortsetzungs weise" entstehen). Und der
Schluß ist ja doch die Hauptsache !
107
DAS KLEINE EINMALEINS
Es war ein schöner Sommerabend.
Adam Riese saß vor seiner efeuumhegten
Hütte und rauchte aus einer langatmigen
Pfeife.
Dabei spintisierte er.
Es ging ihm etwas im Kopfe herum.
Wie er so etwa eine halbe Stunde gesessen
und gegrübelt hatte, rutschte die Sonne dem
Globus den Buckel hinunter, und es wurde
duster.
In' Adam Riese aber erstrahlte ein inneres
Licht, und er sprach :
„Jawohl, ich mache es, und zwar gleich auf
der Stelle."
Er trat in das niedere Häuschen, stiefelte
selbstvergessen in die Stube, haute mit der
knochigen Faust auf die Tischplatte und
wiederholte: „Ich mache es."
108
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Frau Riese, geb. Neumeyer, steckte die
Lampe an, während sich Adam, Papier und
Bleistift in der Hand, an den Tisch hockte.
„Es ist die höchste Eisenbahn," versetzte
Adam Riese, „das kleine Einmaleins darf
nicht länger unerfunden bleiben. Zwar werde
ich nicht zum reichen Manne daran werden,
aber ich tue der Menschheit einen unschätz-
baren Dienst und vererbe außerdem meinen
Namen auf die Nachwelt."
Und Adam Riese erfand das kleine Einmal-
eins.
„Einmal eins ist selbstverständlich eins. Und
zwei mal zwei gibt vier, und drei mal drei
ist drei und drei und drei, also neun. Und
neun mal neun? Das ist 18, 26, 35, 44,
53, 62, 71 . . . sehr einfach 9 mal 9 gleich
71. Ich hatte mir die Geschichte schwieriger
vorgestellt. Jetzt brauche ich bloß noch die
Zahlen zwischen drei und neun auszuknobeln,
und dann hab' ich's geschafft."
109
Frau Riese strickte auf dem Kanapee und
staunte.
„Nehmen wir einmal 5 mal 7. 7 mal 7 ist . . .
einen Momang ! . . . ist 48, und 5 mal 7, das
ist zwei mal weniger, nämlich 13. Jetzt ziehe
ich die 13 von der 48 ab, und dann weiß
ich, wieviel 5 mal 7 ist. 48 weniger 13 macht
26 Rest 1, ... folglich ist 5 mal 7 gleich 26
Rest 1, das ist ein Kinderspiel.
Nun will ich spaßeshalber rasch noch aus-
rechnen, wieviel 8 mal 4 ist.
■
Die 8 zerlege ich zu diesem Zwecke in 2
mal 4. 8 mal 4 ist infolgedessen 2 mal 4
mal 4. 4 mal 4 ist 37, und die 37 zweimal
genommen ergibt genau 100. Hurra! 8 mal
4 ist 100!..."
Adam Riese erstrahlte über das ganze Po-
nem* Seine Gattin fragte: „Adamchen,
willst du nicht auch noch das große Ein-
maleins austüfteln?"
Aber Adam hatte keine Lust mehr.
110
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AM SONNTAG
Von einem Hündchen hat mir geträumt, das
war vor lauter Magerkeit nicht imstande, drei
Schritt weit zu laufen.
Es hatte, zierlich und degeneriert, einen
schmalen, spitzigen Windhundsschädel, und
seine Gliedmaßen waren von der nämlichen
Länge wie Leib und Schwanz.
Stets stand es auf drei Beinen, während das
vierte, meist das linke Hinterbein, vor dem
entsprechenden Vorderbeine hing.
Die drei Beine konzentrierte es derart
krampfig auf einem Flecke, daß zwischen
ihnen, dem Leib und der Erde, nicht Raum
gewesen wäre für ein Streichholz.
Es beschnubberte zitterig den Boden, das
eine Hinterbein nervös zwischen die vorde-
ren gehängt.
in
Seine Farbe war ein unwahrscheinliches
Hellgelb, und die Zehen erschienen mir haar-
sträubend sorgfältig detailliert.
Dieses Hündchen hat mir geträumt.
Wie erschrak ich heute, Sonntag, als ich
nichts ahnend und in friedlicher Verfassung
mich zum Fenster hinausbeugte und eben
jenes geträumte Hündchen auf der gegen-
überliegenden Straßenseite umherschnubbern
sah.
Und, um das Maß voll zu machen, tauchte
ein kleines Gassenmädel auf — mitten im
Juli, an einem Sonntag! — und sang mit
sieghaft schmetternder Stimme: „Allähäs
schläft — einsaham wacht — nur das traute,
hochhei . . hört plötzlich auf, hinkt ganz
kläglich und humpelt lautlos in den nächsten
Hausflur, um nie wieder zu erscheinen.
Auch das Hündchen war entschwunden.
112
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HÄNSCHENS SCHUTZENGEL
Eine von Allmutter Sonne ausgebrütete
Jugendgejchichte
tine bis zu ansehnlicher Höhe emporwindend,
liegt die Hütte eines im nahen Steinbruch
beschäftigten Vorarbeiters namens Theodo-
sius Reimann, von nimmer rastendem Eppich
umrankt.
Aus dem Schornstein steigen leichte Rauch-
wölkchen, die Vorboten künftiger Küchen-
genüsse.
""^S Am Ostausgange des Dörf-
v f chens, dort, wo die Landstraße,
; \ welche nach der nur wenige Kilo-
/ / meter entfernten Residenzstadl
führt, sich in kühner Serpen-
115
Hei, wie das lustig bruzzelt und prickelt.
Die Mutter ist's, die gute, welche am Kamin
steht, ihrem Theodosius einen Pfannekuchen
zu bereiten, denn der Dienst ist anstrengend,
gilt es doch für denselben, bis zum Abend
auszuharren.
Nun nimmt der Vater Abschied von seiner
Familie, um sich an sein Tagewerk zu
machen.
Zärtlich drückt er Eusepia, der Gattin, einen
Kuß auf das vom Morgentau noch feuchte
Haar und tätschelt dem kleinen Hans die
Wangen, welcher noch von festem Schlum-
mer umfesselt ist, einem Murmeltier gleich.
' Dann schultert er den frisch gedengelten
Rucksack und begibt sich, die letzten Spuren
des labenden Morgentrunkes aus dem von
der Sonne gedörrten Schnurrbart wischend,
an die Arbeit, nicht ohne zuvor aus geringer
Entfernung von seiner Hütte, die ihm der
Ertrag seiner regen Hände eingetragen, rück-
116
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schauend, mit dem allezeit blitzsauberen
Schnupftuch ein Ade zu winken.
Frohgemut schritt er in den jungen Tag hin-
ein, ein munteres Lied vor sich hinträllernd,
alles, was er gewünscht, war ihm in über-
reichem Maße zuteil geworden: ein Haus,
vor welchem er abends in Ruhe sein Pfeif-
chen schmauchen konnte, ein blühender Gar-
ten mit gar mancherlei Gemüsesorten, ein
Weib, das ihm rechtschaffen und treu zur
Seite stund, und sein Lebensschiff über die
sich in den Weg stellenden Klippen hinweg-
steuern half, und ein Knäblein, so fröhlich
und liebreizend, daß er nicht müde ward,
dankerfüllte Blicke zum Himmel hinauf-
zusenden, welcher ihm alles in reicher Fülle
verliehen.
Er ahnte nicht, was ilim im Laufe des Tages
bevorstehen sollte !
117
Um die Mittagszeit hatte Hänschens Mutter
unten im Dorfe zu tun, um für den morgigen
Freudentag, der sich darin äußerte, daß sich
Theodosius* Geburt zum 40. Male jährte,
einen Kuchen zu backen.
Nachdem sie den mit Bleisoldaten spielenden
Hans ermahnt hatte, brav zu sein und sich
zu gedulden, bis ihre Rückkehr stattfinde,
verließ sie die Hütte, welche sie sorgsam
abschloß, nahm ein im Laufe des Vormit-
tags eingerührtes Kuchenblech, sowie eine
gefüllte Aschform und begab sich auf den
bei kräftigem Ausschreiten etwa halbstündigen
Weg zum Bäcker.
Es mochte eine geraume Frist verstrichen
sein, als Hänschen Durst verspürte, zu wel-
chem Zwecke ihm die fürsorgliche Mutter
seine Lieblingstasse mit Milch gefüllt und
bereitgestellt hatte.
Es war dies ein bei einer Versteigerung wohl-
feil erworbenes Porzellangefäß mit Schnurr-
118
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bartschutz, welche des Bübchens Entzücken
wachgerufen und ersterem die Tasse zu dau-
erndem Gebrauch überantwortet worden war.
Hierauf stieg Hänschen durch das offene
Fenster, damit die frische Luft bessere Zu-
fuhr habe, denn die Mutter mochte nicht,
daß ihr Liebling in der stickigen Stube atme,
und kletterte mit großer Mühe über den
Zaun des väterlichen Grundstücks, die Tasse
in der Hand.
Hinter Reimanns Hütte floß der reißende
Mühlgraben, um seine aufschäumenden Flu-
ten unweit des Städtchens mit dem Flusse
zu vereinigen.
Längst schon gehörte Hänschens geheime
Sehnsucht der Mühle an mit ihren Rädern
und dem dadurch angetriebenen Dampfsäge-
werk, dessen Geräusche durch die Stille des
Waldes herüberdrangen und mit magischer
Gewalt das jugendliche Gemüt anlockten.
Hänschen wanderte den schnell dahingur-
119
gelnden Bach aufwärts, wo sich seine Spur
alsbald im Dickicht verlor und verschwand
derselbe unseren Augen.
Niemand vermag sich das die Mutter er-
fassende Entsetzen auszumalen, als sie ah-
nungslos heimkehrte, um das Töpfchen mit
dem Guß zu holen, welches sie in ihrem
nur allzu begreiflichen Eifer vergessen hatte.
Mit vor Bangigkeit eingeschnürter Kehle rief
sie den Namen ihres Lieblings, um seiner
habhaft zu werden.
Lag doch die Möglichkeit offen, daß ihm
ein Leids widerfahren oder er anderweitig
verunglücken konnte.
Nach stundenlangem Umherirren erreichte
sie die Mühle und nahm mit schreckens-
bleichem Haar etwas Weißes wahr, wel-
ches sie bei näherem Hinzutreten als Häns-
chens Milchtasse entpuppte.
120
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Mit fiebernden Händen hob sie dieselbe auf.
dicht vor, ihr gähnte der Mühlteich, welcher
schon so manches Opfer in seinen Schlund
gelockt hatte, und stellte zu ihrer nicht ge-
ringen Überraschung fest, daß der Henkel
der Tasse fehlte.
Die Mutter, welche längst eine Hoffnung,
ihren Sohn lebend wiederzufinden, aufge-
geben hatte, irrte weiter, nicht wissend, was
sie tat.
Aber ihre Ausdauer ward belohnt.
Unter dem Mast einer Starkstromleitung lag
Hänschen friedlich im Grase in vor Über-
müdung eingeschlummertem Zustand, den
Henkel seiner Tasse krampfhaft umschlun-
gen haltend.
Schier überglücklich vor Freude nahm ihn
die Mutter auf und trug den Knaben, ohne
aufzuwachen, nach Hause, wo sie ihm einen
Kamillentee bereitete und denselben zu Bett
brachte.
121
Wie strahlte der Vater, als er, spät abends
helmgekehrt, von der wunderbaren Rettung
seines Sohnes erfuhr, wäre es doch eine
kleine Mühe gewesen, in den verrufenen
Mühlteich zu stürzen.
„Des Kindes Schutzengel" schloß die Mut-
ter ihre Erzählung nicht ohne Rührung, „hat
ihn behütet.
Wir wollen demselben ewige Dankbarkeit
bewahren!"
*
Jemand stand draußen vorm Fen-
ster und lauschte dem Bericht der
Frau Reimann.
Als sie geendet hatte, klopfte er
an die Tür, trat ins Zimmer und
sprach: „Guten Abend, meine Herrschaften !
Ich bin der Schutzengel des Knaben!"
„Wie das ?" entfuhr es dem verdutzten Vater.
„Ich habe Ihren Hans bewacht und bin ihm
122
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nicht von der Seite gewichen. Als er am
Mühlteich vorüberirrte, habe ich ihn mit gü-
tiger Hand beiseite geführt und Schlummer
auf ihn herniedergesenkt, damit ihm nichts
Böses widerfahre."
Die Eltern mochten nicht glauben, ihres Kin-
des Schutzengel leibhaftig vor sich zu haben
und erkundigten sich, warum er keine Flügel
trage. „Flügel sind unmodern und hinder-
lich," erwiderte der Engel. „Ich bediene
mich gern einer diskreten Verkleidung, um
so unauffällig wie möglich arbeiten zu
können.
Reimanns erholten sich gemach von ihrem
Staunen .
Dann fragte die sparsame Mutter, warum
denn der Schutzengel geduldet habe, daß die
schöne Tasse entzweigegangen sei.
„Ich konnte es leider nicht verhindern," ant-
wortete der Engel, „aber ich gestatte Ihnen,
die Kosten der Tasse von dem mir zustehen-
123
den Honorar abzuziehen und bitte Sie, um
Weiterungen zu vermeiden, mir dasselbe aus-
zuzahlen. Ich liquidiere 500 Mark."
Die Eltern kamen nach kurzer Beratung
überein, als Schadenersatz für die zer-
brochene Tasse den gleichen Betrag zu be-
anspruchen.
Da erboste sich der Schutzengel und sagte,
es sei eine Unverschämtheit, 500 Mark für
die Tasse zu verlangen, und er werde sich's
künftig überlegen, ob er überhaupt den kleinen
Reimann noch beschutzengeln werde.
Da griff der Vater nach dem Besenstiel und
schrie, er halte die ganze Geschichte für
einen aufgelegten Schwindel.
Da nahm der Schutzengel Reißaus und rief
zurück: er lehne jede Verantwortung für
kommende Eventualitäten ab.
Da schmetterte die Mutter : sie bedanke sich
schön für einen Schutzengel, der bloß an-
deren Leuten Geld abknöpfen wolle. ,
124
4
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Nun hatte Hans keinen Schutzengel mehr.
Er geriet auf Abwege, verirrte sich im
Sumpf der Großstadt, wurde vom Gym-
nasium geschwenkt, rasselte durchs Exa-
men, wendete sich der Schriftstellerei zu,
verfertigte höchst fragwürdige Skizzen,
machte diverse Mädchen unglücklich, be-
kam einen Granatsplitter ans linke Auge,
ließ sich mit dem Verleger Steegemann ein,
trat in Kabaretts auf und endete als In-
genieur der Leipziger Dünger- Export- Ge-
sellschaft. Dixi.
125
HABEBALD IN DER NACHT
Skizzikato mot einigen Druckfehlern
Habebald ... ja, was meinen Sie eigentlich :
was hat Hababeld eigentlach geführt ?
Bidet ?
Einen Lebenswandel.
Ungelugen : Habebald hat einen Lebsnwandel
gaführt, Es ist schlimm, aber es läßt such
nicht leugnen.
Und dieser Lebenswandel härte auf den ko-
seboblen Namen „Marietta".
Mariette scilicet Krause (jung, hieß, schnudd-
üg).
Marietta . . . Marietta und (&) Habebald
Aber aus ists und gschehn und vorbei und da-
hin : Marietta ist desertiert und hat den guten
Habegald in der Rolle des valasenenen Leh-
mann zurückbelassen.
126
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HaBeSafcf Bat einen Leßenswancfef gcifüßrt . . .
Digitized byC
Und, wie der Mensh shon ist: Habebald
fühlt sich glöcklich als Verlassener und führt
keinen Lebsnwandel nicht mehr.
Nun gut.
Habebald steht mitten in der Nacht, steht
inmitten einer schwarzen Nacht, steht in
tunkler Nacht und singet auf zum Himmel
hinauf, der aus cirka hunderttausend Stern-
lein auf ihn hinunterblinzelt.
Habebald singt.
Me kann beim besten Wollen nicht sagen,
daß Habebgald schön singt.
Im Ganzundgegenteil : er singt kotzmiserabel.
Der Himmel ist geduldlig (insganzbesondere
der nächtige!) und läßt sich einen Batzen
vorsingen.
Aber der Staat ist nicht geduldlig.
Unnachdsichtbar geht er vor gegen Stören-
friede.
Denn warum ?
Sehr einfach: nächtlicherweile singen, das
9 Reimann, Groteskenbuch 129
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paast nichtv in den behördlich vorgeschritte-
nen Streifen.
Habebald erregt durch sein gewaltigliches
Singen die Aufmerksamkeit des Staates, wel-
cher durch einen Polizeierich ordnungsgemäß
vertreten ist.
Das überströmende Weltbegückungsgefühl . . .
! Obacht! Nicht zum Thema gehörig! Da
fallt mir etwam ein!
Im Juli 1918 lernte ich in Peronne (auf dem
Etappenmagazin) einen Inspektor kennen, der
hieß schrecklicherweile „Gück", und zu
dem mußte ich stets, wann ich seiner an-
habhaft wurde, mußte ich stets sagen, ob ich
wullte oder aber nicht : immer mußte ich zu
dem sagen : „Guck und Gas, wie bald bricht
das."
Dies recht nebenbei.
Et jeht weita.
Also :
Das überströmende Weltbegückungsgefühl un-
130
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seres Habebald ercrießt sich in breiter Me-
lodie, ergießt sich in dem bewährten Liede
„Steh ich in funstrer Matternacht . .
Sternauf gestiegen sind die ersten Verse, und
der Sänger schmellert mit gesträubetrer
Gesangsvereinsvorsitzendenstimme : „Lied
fällt!", um nunmehr o den letzten Vers der
sentimental zermaserten Brust zu enthäm-
mern.
13a . .
Da . . . tritt der Polizeriereich mit geladenem
Schußrevolver an ihm heran und bemerkt
mit klassikeskem Pathos : „Hak oder
ich schieße!"
Habebald, als der weitaus Klügere, gibt nach
und kleinst bei.
Der Polizeierich jehonnen behält ihn schärf ts
im OOge des Gesetzes.
Des bieren Habebold Weltbegücktheitsgeful
ist überübermächtig und muß soch Luft
sch5ffen.
»• 131
Infolgedessen : ,
Habebald steuert auf eine Straße los, in
welchselbiger etlache Laternen unausgelösch-
terweise dem Funzeln überantwortet sind.
Unter einer diesbrzüglachen Laterne erspäht
er (Habebald) (der Glückliche!) eine An-
sammlung von mehren jungen Damen.
Ackacke !
Aber wie sagt doch mit Recht jener Latei-
ner ? : O quae mututio rereum I
Nämlich : die hungen Damen entpuppen sich
in der Nahe als eine einzige vom Umfang
mindestens dreier.
Habebald (o sancta Corpulentia, „pilules
orientaux", o Schreck !) wankt an der Dame
vorüber, wankt vorüber, wankt dahinschma-
turaulirtgaublich.
Die Dame ist eine eingefleichte Hetäre
(quasi, quasorum, quasobus) undc knistert
elektrischmpiekt den schlotterichten Habe-
bald mit vergif tsgeschwollenm Glutbilck zer
132
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-
und zischelt: „Komm Dickerchen, bei mir
kannste dir den Tod holen!"
Dem Ärmsten bricht der Schwitz aus, er
brabbelt „Danke, halten Sie unwidderuflich
bedeckt !" und galoppiert durch die Nacht . . .
galoppiert dahin . . . galpoiertzwgiarief f uto-
leander.
Bedeutungsam streicht der Ploizeierich a)
den geknebelten Bart b) durch die Wellen.
[Sammelt Obstkerne I]
133
I
FLIP
Als Flip auf die Welt kam, hatte
er einen Pflock bei sich und ein
Auge und eine Ziffer.
Diese drei Dinge benutzte er ab-
wechselnd.
Den Pflock, um ihn zurückzustecken.
Das Auge, um es zuzudrücken.
Die Ziffer — es war eine 5 — , um sie ge-
rade sein zu lassen.
Flip wuchs heran, ward mannbar, trat hin-
ein ins feindliche Leben.
Und immer steckte er einen Pflock zurück,
oder er drückte ein Auge zu, oder er ließ 5
gerade sein.
Manchmal verwechselte er die Geschichte.
Ließ den Pflock gerade sein, drückte die 5
zu und steckte sein Auge zurück.
134
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Aber das kam selten vor.
Meist machte er es richtig.
Flip wurde älter und älter.
Der Pflock nutzte sich bis zur Schadhaftig-
keit ab, das Auge bekam den organischen
Schwund, die 5 krümmte sich mehr und
mehr.
Und eines Abends, als Flip wieder einmal
5 gerade sein lassen wollte, war aus der
Ziffer eine Trichine geworden.
Flip bemerkte dies mit Besorgnis; suchte,
ein Auge darob zuzudrücken ; aber das Auge
war von dem vielen. Zudrücken ausgequetscht
wie eine Zypresse.
Anstatt sich nun ordnungsgemäß zu erbosen,
steckte Pflip einen Flock zurück — das
heißt: er gedachte, einen Flock zurückzu-
stecken, vermochte jedoch angesichts der Tat-
sache, daß er seines Auges verlustig ge-
gangen war, den Flock mitnichten ausfindig
zu machen, und er hätte selben ausfindig zu
135
I
machen nie und nimmermehr vermocht, sin-
temalen der Flock gänzlich zu Urschleim ge-
worden war.
Da gestand sich Flip ein, daß sein Leben
den Kulminationspunkt der Verpfuschtheit
erreicht hatte.
Und auch alle grünen Zweige rings, auf die
er eventuell hätte kommen können, waren
dicht besetzt mit Persönlichkeiten, die weder
einen Pflock zurückzustecken, noch ein Auge
zuzudrücken, noch 5 gerade sein zu lassen
pflegten.
Flip weinte sich in ein Likörglas, ward
Mampe, steckte einen Strohhalm hinein und
sog sich selm in der mörderischen Absicht
auf, die letzte Spur seines Erdenwallens zu
tilgen.
Es gelang ihm sozusagen voll und ganz.
Womit ich unter vielen Grüßen schließe.
Und Flip auch.
136
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MAI
Spätnachmittag im Johannapark.
Auf der grasgrünen Bildfläche taucht auf
Onkel Kriemichen, das Unikum. Er wiegt
brutto drei Zentner, fletscht eine Orchidee
von augenbeizender Pracht im Knopfloch
und führt einen mit Steuermarke versehenen
Stuhl wie einen Hund an der Leine hinter
sich her. !
Onkel Kriemichen bleibt stehen, steigt mit
der Grandezza eines Kalodonts auf den
Stuhl hinauf, zückt ein Fernrohr und kuckt
durch eben dieses scharf nach Osten.
Ein Reichswehrhauptmann beobachtet das.
Der Onkel kuckt unablässig durch sein Fern-
rohr. Die Orchidee schreit.
Herzhaft tritt der Reichswehrdeichhaupt-
mann hinzu und herrscht den Onkel voll.
Onkel sagt: „Tiefgefühltesten Glückwunsch
zum Jahreswechsel von Hans zu Hans!"
137
Nichts da.
Der Reichswehrdeichhauptmann fragt stirn-
beulend, warum und wieso, und: was der
Onkel da droben bezwecke mit seinem Fern-
rohr.
Menschen sammeln sich zuhauf . •
Antwortet der Onkel : „Ich warte den Mond-
aufgang ab, Herr."
Gibt der Reichswehrhaupthahn zurück : „Sie
sind wohl ? ? ?"
„Allerdings," bestätigt der Onkel und rich-
tet sein Rohr auf den pensionsberechtigten
Reichswehrhauptkerl, klettert sodann mit
Hinterlassung von Grazie den Stuhl hin-
unter und zieht Leine und den Stuhl hinter
sich an derselben her.
Fünf Minuten später sieht man der Örtlich-
keit nimmer an, was sich zugetragen hat.
Das normale Leben ist wieder in seine be-
rechtigten Rechte getreten.
138
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WOHLTUN TRAGT ZINSEN
Sieben Minuten nach halb zwei
war es, als Frau Katte auf-
wachte.
Sie hatte ein Geräusch gehört,
wie wenn eine Tür geöffnet
würde.
Nachdem sie eine Weile in das nächtliche
Dunkel gelauscht hatte, stieß sie ihren Mann
an, der im Bette neben ihr ruhig atmend lag,
und zischelte hastig: „Kurt, im Wohnzim-
mer ist jemand !"
Kurt stieß einen Seufzer hervor, schnitt ein
mordsdummes Gesicht, das man allerd ings
infolge der Dunkelheit nicht sah, wälzte sich
auf die andere Seite und schlummerte weiter.
139
Olga hatte sich aufgerichtet und horchte mit
gestrafften Sinnen.
Es war ihr, als habe etwas leicht an einen
Stuhl gestoßen.
Sie rüttelte ihren Gatten.
„Kurt, es ist jemand im Wohnzimmer!"
Kurt stöhnte aus dem Schlaf, brabbelte vor
sich hin, wurde unhöflich, fragte: „Was
willste V
„Es ist jemand im Wohnzimmer!"
„Unsinn !" sprach Katte und erwachte voll-
ends.
Der Frau rann es wie Eisschokolade über
den ehelichen Rücken.'
Sie lauschte mit angehaltenem Atem.
Kurt desgleichen.
Richtig : Aus dem Wohnzimmer drang ein
fremdes Geräusch, ein befremdendes Ge-
räusch — ein Geräusch, das nicht vom Hei-
nerle herrührte.
Heinerle war seit wenigen Wochen auf der
140
Digitized
Welt, der erste Sprößling des jungen Paares.
Seine Wiege stand drin in der Stube, damit
die Mutter nachts über Ruhe hatte.
Das brave Kind bekam abends um zehn das
letzte Mal die Brust und schlief bis zum
Morgen, wo es mit dem siebenten Glocken-
schlag zu plärren anhob in seiner Eigenschaft
als Herzensschnuckelchen.
Da knarrte die Diele.
Frau Katte war gelähmt.
Der Gatte fühlte sich zu feig, tapfer zu sein.
Nicht einmal Licht anzuzünden, getraute er
sich.
In den Vogesen und an der Somme hatte er
seinen Mann gestellt, itzt aber wußte er nicht,
was tun.
Sollte er dem Eindringling im Hemd gegen-
übertreten? Mit der Klystierspritze schie-
ßen ? Das Waschbecken als Wurf waf f e ver-
wenden ?
141
Der Einbrecher blickte sich wäh-
renddem in der Stube um.
Im grellen Trichter seiner elek-
trischen Latuchte stand die
Wiege des Bübchens.
Er beugte sich über den Korb, dämpfte den
Lichtschein durch ein sorglich übergestülptes
Schnupftuch und betrachtete den einsamen
Schläfer, den unschuldsvollen.
Auch er hatte daheim ein Kindchen, einen
Säugling, ein Herzensschnuckelchen, um
dessentwillen er ausgezogen war.
Gewiß, es war nicht recht, was er plante,
aber war er nicht deshalb vom Wege der
Tugend abgewichen, um für sein Ein und
Alles zu stehlen?
Er war es.
In breit ausladender Sentimentalität entquoll
ihm eine Zähre, welche er mit zittrigem Fin-
ger ergriff, um dieselbe ad acta zu legen.
Dann jedoch deponierte er einen Hundert-
142
Digitized by Google
i
markschein, den Rest seiner gesamten Habe,
an der Wiege des Kindes, warf einen letzten
zärtlichen Blick auf die traute Stätte und
verließ auf hastigen Socken die Wohnung
des glücklichen Ehepaares.
Katte hatte kaum die Tür ins Schloß schnap-
pen hören, als ein großer Mut in ihm ent-
brannte.
Er zündete Licht an, sprang Hals über Knopf
aus dem Bett und fegte ins Wohnzimmer.
„Olga!" rief er und konnte kaum die ge-
waltig im Busen emporschäumende Rührung
meistern, „kom\ o komm' und sieh, was uns
bescheret worden !"
Olga wetzte herbei, sank in tiefes Staunen
ob des einbrecherseits gestifteten Betrages,
und, als ahne sie, was in des Fremden In-
terieur sich abgespielt, steckte sie den Hun-
dertmarkschein in einen Briefumschlag, tat
einen Scheck auf dreitausend Mark dazu, be-
schwerte das Päckchen mit ihrem güldenen
143
Annband und warf das Ganze im selben
Augenblick zum Fenster hinab, wo der
Einbrecher die Straße betrat.
Kurt Katte, der begreiflicherweise seiner
Gattin nicht nachstehen wollte, nestelte Uhr
nebst Kette aus der Weste und feuerte beides
zu dem selig in die Knie brechenden Men-
schen hinunter, der mit heißen Segenswün-
schen für das Gedeihen Heineries den
Schauplatz verließ.
Kurt und Olga aber begaben sich, von diver-
sen edlen Regungen aufgeweicht, in die Arme
jenes Gottes zurück, welchen die alten Grie-
chen Orpheum zu benennen pflegten.
144
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BRIEF der H. C.-M. an H. R.
I
Sehr geehrter Herr Reimann !
Was hat Sie eigentlich so furchtbar gegen
mich erbost, daß Sie immer Reklame für
mich machen ?
Sie haben sich schon einmal bemüht, im
Zwiebelfisch mich abzuschlachten, noch dazu
in der sehr honetten Gesellschaft von Rudolf
Herzog, Paul Oskar Hoecker, Rudolf Stratz
und Walter Bloem.
Sie nannten diese Herren in Ihrer ungeheu-
ren Geischtreichigkeit „männliche Hedwigs"
und nannten unsere Literatur „Schundlitera-
tur".
Auf den literarischen Höhen, auf denen Sie
voltigieren, können und wollen wir uns nicht
10 R ei mann, Groteskenbuch 145
tummeln, dazu sind wir nicht schwindelfrei
genug.
Ich habe mir nämlich Ihr schönes gelbes
Buch „Die Dame mit den schönen Beinen"
gekauft und fühle mich vollständig zerschmet-
tert von der Fülle von Geist, die mir daraus
entgegenleuchtet.
Da kann ich -freilich nicht mit.
Auch kann ich Ihrem paradiesischen Ideal
„Essen, Schlafen und unartigsein" nicht nach-
streben, weil ich noch viel anderes zu tun
habe.
Aber ich würde mich brennend gern auch ein-
mal mit einer Groteske nach Ihren berühmten
Mustern versuchen.
Da sind der Phantasie gar keine Grenzen ge-
steckt. Z. B. würde ich dann schreiben : „Es
war einmal ein riesengroßer Geist, der sich
über alle anderen erhaben dünkte und allen
Menschen seine Meinung aufzwingen wollte,
so sehr sie sich auch wehrten. Es war ein
146 • «
-
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Kopf ohne Körper und Beine. Er pendelte
wochenlang in den gelben Feldern des Neides
und fraß sich toll und voll an erbarmungslos
hingeschlachteten kleinen Geistern — bis er
platzte und ein gelbes Buch von sich gab.
Auf der ersten Seite dieses Buches stand in
leuchtenden Lettern „Ich". Und das genügte.
Andere Bücher brauchte die Welt danach
nicht mehr."
Wie gefällt Ihnen das? Besser als „Arme
Liane" ? Ich werde schon noch von Ihnen
lernen, verzagen Sie nicht.
Sie hoffen wohl darauf, daß ich Ihnen den
Scharf richterdienst vergelte und auch meiner-
seits eine Antwort auf Sie loslasse ?
Nein, hochverehrter, nie hoch genug zu ver-
ehrender Herr Reimann.
Ich bin ungeheuer rachgierig und tue Ihnen
diesen Gefallen nicht, denn ich würde dann
Reklame für Sie machen, wie Sie es kosten-
los für mich tun.
10* 147
Seit Sie mir die Ehre erweisen, mich in ver-
schiedenen Intervallen wegen meiner harm-
losen Märchen, mit denen ich meinem Publi-
kum einige sorglose Stunden zu schaffen suche,
anzupöbeln, werden diese noch mehr gekauft
als bisher, was freilich meinem Verleger be-
deutend mehr Vergnügen macht als mir.
Jedenfalls fühle ich mich veranlaßt, Ihnen
meinen tiefgefühlten Dank zu stammeln und
Ihnen im Geiste tiefergriffen die Hand zu
drücken.
Gott lohne es Ihnen, edler Mann.
In gebührender Demut und Verehrung, großer
Meister, Ihre noch nicht ganz zerschmetterte
Hedwig Courths-Mahler.
148
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{ \ f
i
Auf WicJerselin !
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Digitized b
$an$ fXeimann
i|t ber£ero$ be* bunten allerlei, ber er(le Stratege
ber Äomif, ber SWetfler ber ©roteäfe.
($efpfd)e Sanbe^cimng.)
03 i tte lütnfccn
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$ant<S<S)kbcfyütty$an$ Jeimann
©aö wilbe SSolf ber ©acbfen ^at einen unenb*
liefen $or$ug: <Sobalb fid) nämlich SHngeborige
eineö anberen beutfeben ©tammeö ober ftmbe*
einmal lächerlich üorfommen, bann brauchen fie
bloß gen ©acfjfen ju benfen, um fieb 31t erinnern,
bafj alle Srnbaber lächerlicher (Stgenfcbaften neben
einem eckten Sachen immer 6tümper feigen
muffen.
3n ber Zat, bort finb bie 9Renfd)en t?on einer
fabelhaften ßomif.
©eroöbnlicb tft eö aber fo, bag ein ©achfe, roenn
er feinen Junbuö an (gtammeöfomiC einmal enfc
beeft bat, au$ feinem #er$en eine SBörbergrube
macht unb feine pbigfeit, bie 2Belt bureb febnur*
rigeö SBefen. ju erfreuen, peinlich^ verbirgt.
Mnberö ber ©acfjfe #an$ Jeimann, ber t>er*
hehlt feine ©äebfifebfeit nicht, barum ift er ber
befle beutfehe Jpumorijl biefer Xage geworben.
<£r ifl ber ehrlichfte ©obn feineö SSolfeö, ben ich
Fenne.
£r beherrfcht alle SKegijler beö Spaßhaften, er
fchreibt eine Föftfiche Satire, erlefene SMalete
ftubi'en, ijl ein üKenfcbenFenner roie wenige, $tt>ei*
felloö ijl er ber wigigfte ^arobijl unter ben -Jett*
152
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genoffen, feine eigentliche (Sigenfcbaft aber ift bie
melancbolifdje Sronie.
<£r bat »kl 23onbommie, baö ift ba$ Söourgeoife,
er ^at t>iel ©atirifcfyeö, baö iji baö Unbourgeoife
an t'bm.
Sebenfallö ift er immer \)öd)ft erbau(id), gleich
t>iel, ob man feine böcbfiergögltcben ©Triften
(bei ©teegemann, Jpannooer, wiegt) lieft, ober
ibn felbft bort.
(£r ifl ein UniFum.
2Äan wirb u)n einmal ben beutfd)en 9ttarP Stroain
nennen.
£e§ bin id) genug.
Sßir böben ibn alle gern.
Jpierjulanbe, mo fo wenig wie in ©adjfen ber
©piefjer fiel) über feine allerinnerffre Ulfigfeit flar
ifl, bat fiety ber ©paffrogel beliebt für alle Reiten
gemacht.
3m ©piegel t?on Jpanö Jeimann Pommen wir unö
alle läcberlicb t>or, aber wir ertragen eö febr gut.
2Bir benfen immer, er meint ja bie ^ac^fen, ntcfyt
unö.
Die $omiP ifl baju erfunben roorben, bamit bie
gro§e 2ebenötragif einen 2luögleicb fyat.
ü8on biefer XragiP weifj Jeimann baö meifie.
SSeil er fie niebt öerjebweigt, fonbern graaiöö mit
©pafjbaftem beliebtet ifl er ein SReiffcer, ber auö*
föbnt unb üergnügltd) macfyt. (Sarmftäbter ^tgO
153
£an6 Jeimann : 3wei Sßege ins
SftarrenfyauS
©u getyjl in eine (Eifenroarenfjanblung.
2rn eine <£ifenroarentyanblung !
©er SBertaufer, ein junger SÄann mit Kneifer,
ijt allein im Saben. <£r eilt fcerbei unb fragt,
mornit er bienen fönne.
£u fagfh ,,3d) möchte bie ,@efä(>r(icf>en
fdjaften', bie »Haisons dangereuses* öon @f>oberlo$
be £aclo$ in ber jnmbänbigen 2tuögabe be$ Jpp*
perion*S3erlageö/'
£>er junge Sttann fiefjt bid) am (Er ^at nid)t t>er*
ftonben.
Du roieberljolft: ,,3d) möchte bie ,@efätyrlid)en
Üliebfefjaften', »liaisons dangereuses', erfcfyienen im
JpppperionsS3erlag — gebunben."
©er junge -Kann fjat nicfyt wrftonben.
©u roieberfrolft langfam unb mit ^acfjbrucf: ,,3fd)
möchte bie ,©efäf>rlicfyen Siebfcftaften* von (S^ober*
(o$ be 2acloö — bie 2luögabe in jmei söänben
— fie ifl bei #anö t>on SBeber erfcf)ienen/'
©er junge SRann, jögernb: „21$, — baö tft —
ein — S3ud)?"
Sur „©emi^ ©ogar jmeu Unb icf) fcabe bie Beiben
Sfönbe t>or oierje&n Sagen befallt. @te ftnb fcof*
fentlid) injnnfctyen eingetroffen/'
©er junge SÄann, (;ilfloö: „2Bir führen — mir
£aben . . ♦ Sie muffen . ♦ ♦ ba mujj icf; . ♦ "
154
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Bu: „Sa, wenn eö nocf) nicfyt eingetroffen ift,
fo beftetten <3ie eö bitte umgetyenb: @boberlo$
be Eactoö, ,@efäfyrltcfye Siebfcf)aften', Bluögabe in
jmei 23änben, Jpr;perion*$erlag — Jpanö t>on
SBebcr/'
Bern jungen SWann wirb angjt unb bange, <£r
fagt: „£aö ift bocl) eine (Sifenroaten&anblung —
frier."
Bu: „SWit alten Tupfern/'
Ber junge Sftann : „Grine ©fenmarenfranblung ♦
Bu: „3a. 3n ber Übertragung t>on Jranj 251 ei/'
©er junge SOTann beroegt bie Jpctnbe, fiefrt bi$
plöglicfr grog an, fagt „ginen SHugenblicf" unb
t>erfc^minbet
gr läuft, fo fd)nelt ifrn feine güfje tragen, jum
3nfraber bcö ©efefjäfteö in baö Kontor. Aufgeregt
berichtet er, ein 33errücfter fei im Saben.
Ber 3nbaber beö @efcfyäfte$ rutfefrt t>on feinem
Brefrfeffel, jlrafft bte 2Be(le unb gürtet fid) mit
Energie. — SRit eifernem «ölicf tritt er an biefr
freran — im Jpintergrunbe ber SBerfäufer —
unb fragt — mit Eünftlicfy liebreicher Stimme:
„2öa$ ftefrt $u S^rcn Bienften, mein Jperr?"
Bu (\ati)l\dj): „3$ möchte einen (Schrauben*
äiefrer."
cf)bem bu biefy mit Rapier, SMeifHft unb einem
3efrnmarfc6d>ein t>erfefren frajt, gefrft bu in ein
erjWaffigeö £utgefcfräft.
155
Du fagfl n\d)t ©uten Xag.
Du fagfl überhaupt mcf)tö.
deinen SÄucf*.
€me SSerfäuferin fragt nad) betnem 25cge^r*
Du 3iefcfl gemäc^tcf) Rapier unb 2tfeiflift au*
ber £afd)e unb fcfyreibjl: „3$ münfd[)c einen
fleifen, fcfyroarjen #ut."
Daö Jräulem mißt btd) mit einem neugterigsmtl*
ben SMtcfe unb fte&t bte Kummer betneö Jputeö
nadf).
„Sofort" fagt fte unb gefjt Jpüte tyolen.
Du fte^fb fte mit ben anbem $erfäuferinmn
tufd^elm
@te Fommt jurücf unb probiert btr #üte auf.
Du mmmfl roieber bem Rapier jur Jpanb unb
fcfyretöfh
„S3ttte eine Äletmgfeit größer!"
Daö gräuletn nieft ernfltyaft.
(Snbltcf) fcafl bu einen paffenben gefunben.
„tiefer gefällt mir red)t gut Sei) roerbe ü)n
behalten/' fcftretbjl bu auf.
6te f cfjlägt btr ben Jput ein. (3n eine Xüte!)
Du beja^lft wortlos.
Du roenbefl btc£ jur Xüt.
2ttte fefjen btr nad).
Du öffnejl bte Sur unb fagfl fefcr fcöfttd):
„@uten £ag!"
(Qluä : £>ie Ttame mit ben febönen deinen, ©roteren »on Jpanä
Jeimann. 22. 2lufl. Umfd)lagjeid)n. »on Grmil <preetoriuä.)
156
9>eter Kanter: <2Ba6 finb 9itppe$2
umoriften haben aufcinanber ftetö eine mächtige
3But. Jpanö Jeimann unb ich jum Söeifpiel —
wir ftnb fchretfltch höflich Rammen,
ffienn mir und feben, lächeln wir unö an — (fo,
nach ber SÄelobie : ,,2Baö an bem eigentlich Forntfcf)
ift, baö möchte icf) auch mal wiffen. (£ö muß wohl
fo eine 2lrt Malberübmtbeit fein...!")-
Unb bann grüßen wir unö wteber furchtbar freunb*
lieh. 9tur wenn bie SKebe auf ben großen Sftetfler
beö unfreiwilligen Jpumorö f ommt : auf Schlatt jerö
<£rich — bann fchweigen mir ehrfürchtig (tili.
SDenn ba tonnen mir alle 23eibe nicht mit
2Baö ich fagen wollte: ffiißt 3h*V ^aö 9ttppe$
ftnb? 9tfppeä ift, wenn man eö alö $inb entjwei*
wirft unb man befommt Prügel. Unb wenn einer
je — wie ^ajaureF in (Stuttgart — ein ©egen*
beifptel^unmer aufbaut, etwa einen fächfifchen
^alon: bann bürfen bie ,oächfifcfm Miniaturen',
bie Jpanö Jeimann foeben fyat erfcheinen laffen,
nicht fehlen.
3ch weiß nicht einmal, waö fie Foften, aber für
eine SKarF meht werbet 3h* immer noch lachen,
baö ift gewiß.
Wlit ben StaleFtfchnurren t(l ba$ fo eine ©acf;e.
3Ber nicht in ber SoFalität geboren ift, ober wer
ftc$ nid)t feftr einfügen Fann, bem werben bie
,£)berfcf)lefifd[>en (Schnurren* von geliy ßonbjiolFa,
bem wirb »Söä* von bem Hannoveraner Xf^eobore
le ©inge — bem werben Dbntjeö unb 2äufcl)en
Fein Säcfjeln ablocFen.
<£rjlenö enthält baö 23ucf) ben (SjrtraFt SKetmann*
fcfyer ©ajconiFa, unb biefer wieberum enthält bie
Jperjgofe bcö fäcf>fifcf>en 23orjerö in SReinFultur.
©acfyfen, ein £anb, baö in völliger SöerFennung
ber Xatfacfyen nietyt an ben „geinbbunb" abge*
treten worben ifl, verrat jum ©lue! aucl) jebem
UnFunbigen feine ©cele burdf) bie ©pracfye.
„@eele" — ifl übertrieben; aber „©pracfye" ift
eö auef).
3n lefcter, formvollenbeter (Scf>tf)eit Fann 9tei*
mann btefe SOTitteilungdart fcf)riftlicfy wiebergeben*
9Kan verficht bie f;olben Saute überhaupt nur,
wenn man fie \id) felbft laut vorlieft.
,£>e ©abje* unb ,<5d>bte§r' i}aU iä) mir minbeften*
$ef>n mal laut vorgelefen.
£(me Sachen gingö nie.
2Bte ba mifjtrauifcfj, gebanFenfaul unb lautreid)
immer (Siner um ben 2lnbern fjerumrebet, wie ba
auö 9lkf)tt ©ebanFen wie SMafen herauf jleigen unb
Serplafcen: baö ijt ganj wunbervoll beobachtet.
Unb me^r: mit jener epigrammattfcf)en SSerFür*
158
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jung rotebergegeben, in bcc fo etroaö allein mög*
lid) Jjl
gaft alle* in bcm 23ud)e tjt ganj erjler ©üte*
2lnefboten y 2Bt(3cf;en — am netteren fanb icf) jene,
bte, nne bie ©egenb, gar feine 8pi§e auf weifen;
ba$ ©efpräd) fängt an, rinnt fo fort, fcört auf . ♦ •
S3rtllant bte 23ebanblung ber ©pracfye; fie ijt fo
„pfleglich bebanbelt" (rote baö unfre #ämorrfyoi*
barter in ben ßuftuöminifterien nennen), bafj
man #an$ Jeimann auf ein Säfcrfcfybielcfyen für
fäcffctye SKäbcroetfe in (Eonneroig ju berufen benn
boety nicf)t länger Jägern bürfte.
Söe&or bte SReberoenbung erflraf)lt: „Sglooroe,
frä()jnb." ,,©t§ aromr od) gee SSunbr bei bäf)n
2Öäbbr!" — ftefct al* ßHanjteiftung ba: ,S5aul
%alV. 2>aö ijt mef;r alö @pag.
3Bie biefer spiattenbruber mitten in ber 9ta$t,
um 3roet, fein ©efpräd) beginnt: „©uubr SJtottn,
td) bin näfmtlidj ä greigeijt!" — unb rote er bann
fofort baju übergebt, *>on feinen brei Operationen
an ber J^anb unb jener anbern am 23etn ju erjätys
len, unb bann, wie er überhaupt geartet fei, an
ber <See(e beifpielöbalber unb am ©araggber:
baS erinnert in feiner üHifcfyung t>on ^erjenögüte,
©ebanfenfprüngen unb S5efoffen^ett an Raupte
mannö <Scf)Iucr\
Diefe Srucffac^en finb befte Siteratur.
159
<£in folcheö S3uc^, bat ganje 2anbffrtcf)e erftärt
unb t^re S&wobner, ©Ott behüte, btö aufö Jpemb
aufyteht, Fonnte nur einer tflujWeren, unb ber
hatö aud) illuffriert: ©eorge ©ro§.
(£d war ein Steffen für ihn.
(£r h<*tö noch fanft gemacht: mtlbe nrie ber 23ei*
fchlaf eineö Kommanbicrenben ©enerate ijt ber
3eichenftift bahingefabren unb (at babet ©achfenö
SKann, grau unb Kinb fd)onungöloö getrof^
fem »
Der ©pießer lac^t gern über fid), wenn ber $er*
lachte eine ©eneration aurücfltegt, unb ntemanb
ijt unter 23rnierten freunbltcfyen 2Cpplaufe$ fo ge*
wif wie ber ©ptgroegfche. Kleinbürger»
@ro§ f)at ben auch t>on (;eute beim Kragen, bei
ber Krawatte, beim Söauch genommen — unb ber
©d)äbel mit ber Einbuchtung auf Seite 50 ift
Jjpelfferichö ©efolgmann ein für attemal.
(Schabe, ba§ er ,£ie Saloufien*, biefe wunber*
t>oUe ©ef Richte beö ^rooinjüatfc^eö, nicht bebte
bert ^at.
Unb um euch jum Schluß Saune ju machen, bafj
55>r baö 33ud) bei ^aul (Steegemann bejWU —
eine (fajt Fofcher jubereitete) 9tofme bem
©ucfjen: „De Saabfehn. SÖemmr ä 23aar Saabfehn
habb, unn ber eene ig weef unn mr fyabb bloß
ben anbrn — ba nubjen een alte beebe nifchbl"
- Cfl (Die ©eltbü&ne 1922, 21.)
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©d)fcicjjr" Setcfinung oon ©forge ©rodg. 5Iuö t>en „@äd)ftfd)en
^Plintaturcu" oon £auä Jeimann
Digitized by Google
$at\6 «Keimann: <5d)Mef3r
„©cinnffc* bä(>n?" — „9tee."
„Dctyn gännfbe nid)?" — „3tee."
„©tff fo ä gleenr ©tggt!" — „9tee."
„9tabierlidf> gännfbe bä(m!" — „S^ee/'
„2>ctyr fabb ß jäbjb enne ©mibe gegoofb!" —
„Däfm gennfbe nicfc?"
„SBarbe maf). ©iff mr balbe wie fo. 2Bof>nbe
bctyr md^ frie^r in br ©oblgarbnfctybraaße?"
„©ä^n meen td>!" — „©iff fo d gleenr Stggr?"
„2>aö tff b%l" — „ffia* tff bnn mibb bäfm?"
„9la, £ee, bctyr grijjb aromr frletctyb ©rän^e!"
„ffiarum bnn? Sffn bäf>r boob?"
„9tu tu tumme* 2u^br, bä&r iff bocty nic$ boob!"
„2Barum gtijjbn bä^r nad)rb ©ränje?"
„9lu, roeefjbe bnn ba$ ntcfy? X>äi)t tff bocfy in
©cfytbjn&erctne unn tn Sunwercine unn in br
©ongforbjaft unn tn frettmtttjn geierroärggäüeretne
...unb jäbab tff bctyr aud) noc^ tn ©afbroerbö*
weine ..."
„2Baö be ntc^ faacfcfb!"
„2fam>r bäfjr grijjb aroror ftfeicfjb ©ränjc!"
„©e mecnfb wob, roennt fcfybätbb?"
„•ittu n>enn bnn fonfb!"
„Sa gann bctyr lacfyn!"
(9lu* jpani Stomamt: Sfof)ftfd)e DKniaturfn, 83b. I. «Wit
14 3eid)itungen von ©eorge ©ro$|. 25. Auflage. 9b. Ii in
93orbeteitung.)
162
£an$ Jeimann: <5emttof offen
$n großen 6aale beö dDemifctyen Saborato*
riumö brannte gegen SWitternactyt nodf) £icfyt. 2luf
bem 2lrbeit$tifche beö *prmatbojenten Dr. £er*
mann ©tänFer funfeite allerlei d)emifcf;eö ©erat
Der junge Sorfcif)er, ein femmelblonber Jpüne t>on
etwa breiig 3abren, fyattt \\d) eben in bem wirren
ßlefhüpp von 8pri§en, klammern, Lübeln unb
Döhren, baö auf bem 2lrbettötifd>e wucherte, eine
Sichtung gerobet. 3n feinem blaffen ©eficfyte
fpielte fiebernbe Sftöte. ^nrifcfyen Daumen unb
Zeigefinger ber linfen Jpanb f>ie(t er eine Heine
Äriftallfdjale, beren fcfytmmernben Sn^alt er eif*
^9/ i<* 9^9 mit ber 2upe mujterte. @r traute
feinen Slugen Faum. Sollte eö bieömal geglücft
fein? £ro§ wo$enlanger, hödjjt öerwicf elter £pe*
rationen, bie er auf @runb ber neugewonnenen
(Erfahrungen immer wieber abänberte, fyattt er nie
bewirten Fönnen, ba§ bie in ber fdf>wär$lictyen
glüffigFeit jappelnben 6emttoFoFFen ftcfytbar jum
ä*orfd)ein Famen. Diesmal fcatte er fid) nun in
einem befHmmten <5tanbe be$ 23etfuc^ö mit nie*
beren Temperaturen begnügt, bafür aber auch
bieömal wieber brei SÄonate länger auf bie ju er*
^ielenbe Vernichtung ber ifraelitifchen Batterien
burch £eutonenhlut warten muffen. Unb fiehe ba,
163
fd)on äußerlich unterfchieb fich bieömal ba$ Snb*
erjeugniö t>on bem früheren burcf) bie rötlichere
Jarbe! 3* ttern ^ öoc Erregung, mit verhaltenem
Atem fegte er sorfichtig baö Raichen, baö eine
gan^e Schöpfung in feinem, alfo beö 6chälchen$,
©chofje barg, auö ber Jpanb. Unb in rätfelhafter
©ebanFenoerbinbung mit feinem gegenwärtigen
£un trat ihm plö(3ach bte @tunbe oor bie (Seele,
bie fein fonnigeö SugenbglücF wie mit beulen*
fchlägen 3ertrümmerte,
©ein SSater, Armanb ©tänFer, befaß tettö ein
Abonnement auf bie $reu3$ettung, teilö ein Fleine*
Bauerngut, baö er fich borgen für borgen im
(Schweiße feineö Angefichtö erworben, ©o war
er ber erfte 25auer ber ©egenb, ber mit Fünfte
liebem AmmoniaF arbeitete. An ben lanbwirt*
fchaftltchen (Stubien beö Saterö nahm Jpermann,
ber im benachbarten (Stäbtchen baö ßtymnafium
befugte, ben lebf;afteftcn Xtii. ©o mehrte fich
ber ffiohlftonb ber gamilie oon 3af)r $u 3ai)x,
btö etneö £ßerfonntagö, alö Amanb (StänFer mit
SBetb unb $inb eben auä ber Kirche Farn, ber 3RaF*
ler ©chloime Semfofm erfcfjien unb mit beweglichen
J^anbbewegungen bem SSater barlegte, wie töricht
e$ oon ihm fei, fiel) fo langfam emporjuquälen.
Ser S5auer SJloggenFamp, beffen @ut an beö
©tänFerö grenje, flehe, wie er ja f elber wtffe,
164
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t>or bem Juföntmenbruc^. (Scbon fett brei Sohren
Fönne er bte Jinfen ntc^t bejahtem (£r fet bereite
mit tym einig geworben, if>m baä ©itt jum
#npotbeFemt>ert abkaufen. 2Benn er bte rücF*
jlänbigen $\n\m übernähme, fei er bereit, bte
#npotbeFen flebenjulaffen unb ben SReft beö
Äaufpretfeö auf baö nunmehr tterboppelte ©ut
einzutragen. 3n je^n, böcbfienö fünfjebn 3abwn
fei er fo Eigentümer beö ©uteö.
Wlit eleFtrifterten 2lugen i)atk ber 58ater juge*
bört. Jpermann, ber breijebn Sabre alt war, ser*
ftonb oon ber @ad)e nichts, aber fein Vertrauen
ju bem Später unb ju fieb felber war fo grenjen*
Io$, bafj er ben ^^"f^bintmel t>oller feigen
fab. Die STOutter üoflenbö, bte tbren ©obn im
©eifte febon alö &tttergutöbeft£er erbiete, Jörte
ntdbt auf, tbrem Spanne jujureben, unb brdngte
tyn, baö 9iad)bargut $u erroerben, tnbem fie fagte:
„SWann, nu macb ocFe!" 2llö Seöifobn ben näcf;*
flen ©onntag wieber erfd^ten, marb ber Jpanbel
abgesoffen. 3« bämifdK* @d)abenfreube leucfc
teten bte blutunterlaufenen Pupillen beö ffiucfyer*
juben. Sie @d)u(ben rouebfen inö Snblofe. Saä
neue SBirtfcbaftögebäube brannte jroei Sage, ebe
bte Jeuer&erftcberung in $raft trat, ab, ba bet
Sater baö S3argelb niebt $ur #anb fyattt, um
rechtzeitig bie Prämie $u $ab(em Unter ben Sttn*
165
bern btad) £eu#uflen ouö, bte Jj?ü$ner beFamen
ben Rotlauf, bie ^ferbe fielen um rote bie SJtoben,
bie SOhrtter fiecfyte ba^trt, ein ©ewitterfhtrm &er*
fcerte bie büron gelber, betratet 30g fic^ ©allen?
ffeine ju unb mugte tobFranF na$ tfarlöbab reifen.
#fle$ tt>ar ba$ 2BerF beö habgierigen Sutern
3>n $arl$bab begegneten fid) ber FranFe Sanbroirt
unb ber ©dplotme 2et>ifobn» Sfött einem 3Butfd)rei
fprang ber fonfl fo befonnene 2lmanb ©tänFer
bem Suben in SKenfcfjengejlalt an ben Jpatö,
würgte ifm, unb warf tyn, nämlid) ben Jpalä,
Jpalö über $opf eine fyofy @teintreppe fynab, an
beren golgen er wenige Sage fpater in tyim*
tücFifd)er 51bfic^t ftorb. J)er $aier mürbe ju
©efängniö öerurteilt ©ie iKutter Farn unter ben
Jpammer. 2llö ber Sater t>on ihrem £obe erfuhr,
frag er grüne ©eife. ^ermann aber fagte ben
unbeugfamen (Jntfc^lug, bie Königin ber 9taturs
»iffenf^aften $u fhibierem
^inunb^njanjig 3afjre war er alt, alö er mit
einer Differtation über bie JDywbation ber £»bro*
muFonfäure summa cum laude fein SoFtorejamen
unb Furj barauf ba$ ©taatöejramen beflanb. 9tad>
trier Söhren ^abtltttcrte er fiel) alö 9)rfoatbojent.
9hm fottte ba$ eigentliche geben erfl beginnen!
$Borfid)tig nahm er bie (Schale, wieber $ur Jpanb*
2Baö war ba$? @otte$ SBunberl Sie fcalbmonb*
166
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förmig geFurtrten ©emitof offen Ratten \\<fy unter
ber ©inwirFung ber arifcfyen SölutFörpercfyen, bte
bem SKebaFtionöftob ber „£ägfid)en 3*unbfd>au"
abgezapft worben waren, angjtf flotter nb in bie
linFe <£cFe ber ßriflallfcfyale gebrüdt £aö arifcfye
33 lut tyatte bie £>bertyanb gewonnen! 9Äit einer
spinjette fifd)te Jpermann ©tänFer bie jübifdjen
23aFterien au$ ber JIüffigFeit unb trocFnete fie
w>rfi$tig über ber immer brennenben 23unfen*
flamme. 3e£t Farn ber grofje 2lugenbIicF, ben
er feit ÜWonaten erfefjnt. 3e£t foUtc fidj erweifen,
ob feine Vermutungen ^utreffenb waren ober nidfrt
©er ©efebrte berührte ben $nopf einer Dingel*
Sofort erfc^ien 23rummer, fein greifer Siener,
ein an 2lriofF(erofe erFranFteö $anindf)en an ber
Seine füfcrenb. ©tänFer na&m ba$ Xter beim
©cfropf unb impfte e$ unter ftänbtg wacfyfenber
©pannung mit ben eben gewonnenen jübifdjen
S3aFterien. Die SBirFung war eine überrafctyenbe*
£>aö ^anin^en wiegte bebäctytig ben $opf, geffc
Futterte unterwürfig mit ben SBorberpfoten unb
flanb augenfd)einlicfy ttollFommen im Söanne einer
frembrafftgen Wlaä)t &)t fid) «Brummer t»n
feinem <£ntfe§en erholt f)atte, pacFte ba$ amn*
djen Rapier unb Stfeijlift, um einige fd)wierige
Aufgaben auö ber ^erjent* unb Jinf^inörec^nutig
fpielenb ju töfen. •
167
<5tanPer war fpracftfoö. Saß bie Sfnfijierung fo
raf$ t>on fktten geben würbe, ^atte er nie $u
träumen gewagt Um ficf)er 311 geben, fragte
©tanPer baö $anind)en, wie e$ beiffc» 3?n tybtfe
ifd)en Settern fd)rieb baö Xier ben tarnen „35a*
rud> SSeflcbenblütb" unb ben Anfang be$ $t>U
nibre*©ebeteö auf. hierauf ergriff e$, ein tä)t
jübifebeö ßennjeieben, ba$ Jpafenpanier. £>bwobt
e$ ein $anind)en war.
gaffungäfoä über bie wiffenfd)aftficbe Kragweite
feiner Entbecfung braef) ©tänPer jufammen.
jDiefe ©rote «ff e fcilbf f ba$ erjTe Kapitel aui „ £> i e T> i n t e
rotbev bad 35 tut ttoti Mrtttr ©utibrr". Cao. 9Iuf(aae.>
(£tite ©attre auf ben bffannten anttfenuttfeben JRoman „3)te
€tönbe tmber ba$ 3$lut" t?on 2lrtur£)inter.
Äajtmtr <£bfd)mti>: £an$ Jeimann
(Jm groteöPer ©egenfpieler gegen ben StbiPer ijl
ber 9J?arionettenjie^er. $an$ Jeimann bereitet
bie Entthronung beö ^)eter 2fltenberg &or. 3n uns
ja^igen Pleinen Kapiteln wirb bie SBelt gezeigt.
£r hat wobf Peine Mbficbt, Peine £enben$, aber
er erreicht ba$, wa6 ba$ gut gemalte ©roteäFe
immer fpiegelt: Krauer über bie ©innlofigPett
ber 2Beft, 9tad)benPKcbPeit über ben 2Biberfprud>
ber Singe. S^enb ein ft)mböfifd)er Jpintergrunb,
irgenb ein ©djmerj flebt hinter bem Sachen. Sie
168
Digihzed
2ufl biefeö Slutorö am 2lrtifKfcf)en tfl außerorbent*
lid) groß, begabt, in tollen SBirbeln ju jeicfjnett,
barjutfeHen, ju verwerfen unb parobieren, mifc
braucht er ftin unb wieber fein SCalent. Sie 23e*
gabung felbft ift groft. Sie ©ef)möglicf)feit fiarf
gefefjärft. ^angen^aft angepaeft ergibt fidfj tym
bie 2Birflicf)feit £r fpießt fie auf, er zerreißt
fie, immer fcat er £empo, in taufenb Überfd)ta*
gungen unb Sperrungen erreicht er atemlos feine
Pointe. Die Arbeiten finb jtenograpfjifcfj gemacht,
©pielereien $um Steil, Heine ganj furje Kapitel,
triefenb t?or #ofrn auf baö bürgerliche, wie in
SSitrinen freifelftaft um bie eigene 2lcf)fe gebrefyte
gtguren, bie Bewegungen magern Einfall tollt
über Einfall, ein (Stoff, mit füfcnen ganj fnap*
pen Furien ©trieben befcanbelt, erhalt fofort SBtrf*
lictyfeit. ©ofort fe£t fiefj ibm tnfueller <£inbrucf
in geifligen um, fofort fonfhruiert er ben SBibet*
fprucjj, baö groteöfe Clement Sin ejpreffiomffe
fd)er 9>ctcr Attenberg, nid)t füg unb fentimental,
audjj nicfjt fo weife wie biefer, aber btfftger, ge«
fjäffiger, fctyärfer unb fpifcerl (*r ifl feineöweg*
ofcne Sidfrterifcfceö, wenn au# baä ©anje feine
Sichtung ifl» £ocf> ift eö mefjr alö toller ©c^erj.
ßultfoiert fann ba$ ©eure ftdf> fetyr t>erforgfä(*
tigen, t>ernac$läffigt fann eö fidf) tjerfcfyleifen. ©aö
ifl bie Jrage ber fommenben Sifaiplin. Sorber*
169
fcanb bleibt nur baö sjtyänomen fefouftellen. Saju
Fommt, bafj, wer oorfjer einzelnes Fannte, oer*
blufft ijt burc^ bie Spenge. 2Ba* fonfl alö ©anae*
bei ©cfjöntycit im ©etail enutert, wirFt tyier otel
ftörFer. Die rieftge Saune, Satire unb Vielfältige
feit jeigt fid> erfl in ber bunten plle. Hin
Jafcfyingöbafl mit tobernften SJJaöfen, ber mit
9>ritfdje unb 9)fauenfeber toinbfctynell ben (Sin*
tretenben fd)lägt, tyn entlagt, taufenb <5ad)en
um $n brefct, i(m verblüfft, erweitert, plöglic^
©cfyaurigeö fef)n lägt im 93tlbe, ba$ S5ilb weg*
^iefct unb lactyt, aber boety traurig maetyt am
<Snbe, (JranFfurter >3tg.)
Jeimann : ©a6 verbotene 25ud)
J^)orp 6d)netber unb griebel Stüter finb bicFe
greunbe*
@ie fi§en in ber £)berterj auf berfelben 23anF.
@ie teilen greub unb 2eib, grü&jtücföbemmen unb
Xafcfyengelb. Unb ftc treiben gemeinfame Seftüre«
5lber roä^renb ber jltlkjarte Jriebel gütige unb
oernünftige Sltern fcat, fextf^t Jg>orjl mit ©runb
über bte nriflFürlicl)e Strenge feiner Butter, beren
eraief;erifcf)e £ätigfeit auöfcfjlieglicfy im Verbieten
befielt, unb über baö jä^ornige ©cfyrecfgefpenfl
feineö veralteten Vaterö.
Jporft barf überhaupt nicfytö. 2Baö ü)m ber
Vater nietyt oerboten fcat, baö oerbietet ü)m gemifj*
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lid) bte tpranmfctye 9Äama; unb wenn ber wafcfc
lappige Sater bafnnter Fommt, bag feine grau
verboten hat, waö er $u »erbieten unterließ fo
verbietet er eö boppelt unb beeifach, um fein 2ln*
fehen gu erhohen.
©er arme Jporfl barf überhaupt nicht*.
Sie golge baüon ijl, bag ber im $ern muntere
23ub ju Jpaufe ben Ducfmäufer fpielt unb fich
gewiffer €>chulftunben alä 33entttö bebtent, um
ben aufgefpetcherten Überfluß an unverbrauchter
StüpelbaftigFeit abjulaffen.
<§o fjaben fich lefcbm bte klagen auö ber @d)ule
gemehrt, unb ber *profeffor fyat geäußert, ber
©djnetber fei ein richtiger Hümmel geworben ; wenn
baö fo weiter gehe mit ihm, flehe er für nicht* ;
mit bem jungen nebme eö bereinfl ein £nbe
mit ©chreefen.
Sie Altern finb auger Sfcanb unb 93anb. @ie
rauben ihrem <5ohn bie legten, ^armtofe^en grefe
betten unb überwachen fein £un unb treiben
peinlicher al* ein bejahter 9)riDatfpi§el.
Jporft barf nicht auf bie <5tra$e; friegt fein
£af*hengelb mehr; mu§ mit bem SSÄäbchen in
ber tfüdjc effen; ber in 2luöftdjt gepellte 23efueb
einer <Sd)ülerauffübrung be* (stabttheater* fällt
in* Söaffer.
Um biefe $t\t gefdjab eö, ba§ griebel SRitter
au* ber 8chulbibliothef einen Söanb <£id)enborff
entließ
171
£>er Gricfjenborff gefiel ü)m, unb er Faufte fiefj
Don feinem Safctyengelb baö 2fteclam*23änbcfyen
9tr. 2354: (Sicfrenborff, 2luö bem fceben eine*
Xaugenicfjtö.
ftacbbem gricbet baö jterlid^e ©efd)idf)tcfjen ge*
(efen ^atte, na^m er e$ unb »eretyrte eö bem
4>orfL
JS>orft legte baö 23üd(jtem ahnungslos auf feinen
«r6ei««W.
erfolgte eine tfataffropbe, a($ bie 9Rama flaub*
wifcbenberweife £orfte (Stube betrat unb mit
ityrem fieberen 23(tcF für Verbotenes baS öerbädp
tiot^rötltc^c Söänbcben entbecFte.
„2tuS bem Seben eines £augenicf)tS ! —
©ofo! 2ltfo fotebe 23üd?er tieft ber Aerr ©obnü
3faS folgen 23üc$ern lernt er?! SBarte, mein
8ürfcbd)en!"
Unb bie @d)tage praf fetten. £orft fc^rie; benn
baS S5ucb ftog tbm im @)efid)t tytum.
©obann trat ber £!d)fen$temer in 2lFtion.
©aS SBücbtein felbft b^uc^te fein Seben im Noblen?
Faften aus, wobtn eS üon ben etbifcb-patbettfcfyen
#anben ber erjiefcungSbejfrebten SJtoma gefd)Ieu«
bert worben war,
Mbenbä Farn ber Später beim.
dt war noef) nietyt jur Xür herein, ba warb tym
fcfyon bie $unbe, baß fein mißratener Menget
etwas ganj Unglaubliches angefleht habe.
Sa, was war benn nun fefan wieber mit bem
grüben?
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Jpefce, er hatte fich ba$ Xagebud) etneö £au*
gcnic^tö $ugelegt, roahrfebeinlich, um barauä
neue glegel^afttgEeiten ju profitieren unb feine
SÄanieren ju oerbeffern.
Jr>err Sdjneiber unterfucfjt ben gatf nid)t erjl.
<£r fchimpft unb wettert, ba§ bie SBanbe roatfeln
unb baö gan^e Jpauö aufflügig wirb*
Sem Jporft hilft eö nichts, ba§ er fertig be*
teuert, feine 3 C ^^ fa &*m (glimmen 23uche ge*
lefen ju haben.
Der SSater friegt ihn beim $antbafen unb bläut
ben jugenblichen ^intern ganj fürchterlich burch*
— — 9lad) bem Ülbenbeffen hält eö £errn
Scbneiber nicht mehr ju Jpaufe. (Sr läuft t>or
SÄitteilungöbebürfniö über. <£r mufj eö in bie
2Belt binauöpofaunen, roaö für einen Saufejun*
gen er jum $tnb bot.
<£r eilt fpornflrctc^ö in fein StammloFal unb be?
richtet atemlos oon bem f chänblichen treiben jetneä
Sobneö.
„SSiffen Sie, roorauö ber Riegel feine jtenntniffe
begebt? Sötfjen Sie, roaö ber Schweinigel febroar*
tet? — lan foüte eö nicht für möglich ^altcnl
— SSiffen Sie, waö meine fitau ihm ^eute au*
ben gähnen gerütft l;at? 2)aö Xagebuch eine*
Eebemanneö l"
Sie SKunbe fHmmt in bie entrüjhmg beö fd)roer
geprüften Saterö ein, jaja, bie Sfugenb t?on beut*
173
autage; unb ber 2lmt$rictyter 23tctfd^nctbcr bemerft
tief finnig : „@i et, baö finb ^cbicffalöfctyläge!" —
Etliche Sage' nad) bem 8Fanbal erftmbigt
ftd^ #err @ctyneiber bei feiner (Gattin nadj Xitel
unb SBerfaffer beö obfjönen 8d>möferö. Siefe er*
innert firfj bunfel, unb nach mancherlei gorfcheit
unb 5 ra 9 en fwb SBerfaffer unb Xitel eruiert
Safj baö t>erbotene SKachroerf bei bem foliben
SÄeclam erfcfjienen fein föitne, vermutet Jperr
@cf)neiber nid)t
(£r beflellt ben ©c^enborff in alter JpeimltcfyFett
bei einem roilbfremben 23ud)hänbler, welcher ihm
ein fojtfpieligeö Exemplar einer £u;u$*2iebbabers
auögafe auffängt
Jperr 6df>neiber t>erfcf)tingt gierig baö anflögige
S3ud) auf feiner tfanjlei. 2lllein fc^on bie erften
23tffen blieben ihm im Slawen flecfcn ♦ . ♦ ♦ er
burd)blättert bie leiten.... fein ©efictyt wirb
lang unb länger.. unb feine 2But ift grenjen*
loö, ba§ ber Xejrt nicht erfüllt, roaö bie Ober?
fdjrtft ju oerfprechen feiern
Die Erbitterung auf feinen Sohn wächfl utrges
beuerlich; benn er ift im Snnerflen überzeugt,
baf ber Saufej'unge baö 23ud) lebiglich be^alb
eingefchmuggelt hat, um feine Eltern ju prellen.
E$ fegte eine zweite bracht ^rugel.
(5lu$ : „ »erboten« Q3ud)", SReue ©roteäf en oon Jpati*
Jeimann.)
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„2)a$ tyauterftu'd)", Umfdjtaflicidjuung »on
©eorge ©ro$a
>
I
$an& Jeimann : ©er Äay v J
Jtanjöftfch gab ^rofeffoc SRamötbaler.
Sa$ war ein ganj Keine* 9Sännc^cn, aber ein
arroganter, eingebtlbeter Patron.
<£r bie§ SKamötyaler, fein ^pigname jebod) lautete
Saligula. (£tjlenö beö cäfarifctyen Öluftrctcnö, $wefe
tenö feiner unberechenbaren Saunen wegen unb
brittenö, weil er in mutigen ©tief eichen einher
florierte*
Stuf bie Sauer war „(Saliguta" $u lang unb
umjlänblich, unb eö wfcfjliff — pbilofogifd>
ntc^t einwanbfrei — $u „Rat".
Saö 2Bort „Stamötbaler" fpracf> fein <5c$üler
auö; alle rebeten per &a?»
Sag er ein ^flaumenmännc^en war, fagte id)
bereite
2Baö u)m an ©rögc abging, fud&te er burcty im*
ponierenbeö Auftreten unb fco^e Slbfäge gut 3U
magern
(Sr war graufam unb gebärbete fidj wie eine
©ott&ett.
2Ber in feinen ©tunben niefte ober fonflwie ein
unbebeutenbeö ©eräufcf) t>on ficty gab, ber würbe
unweigerlich in 2lrrefl geftecft.
Sie golge biefer befpotifctyen Übergebung war,
bafj im „granjofifchen" ber tollfie SRabau Doli*
176
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fubrt mürbe. 3Jton öerjtanb mitunter fein eigenes
2Bort md)t.
@o fonnte Feiner betraft werben.
ging laut ber beim $ar, unb gearbeitet würbe
nicbt,
2Bir vertrieben unä bie $t\t mit Jeej unb Sur;
benn ernfl nahmen wir ben Keinen Sflann nicbt.
2Ber ibn al$ franjöfifcben Sebrer gehabt ^at, ber
bat gelernt, wie man bie ©lübftrümpfe auf ben
©aölampen Faput macbt, unb wie man ba$ SÄülps
fen unb ben ©djlicrauf naturgetreu imitiert, aber
granjöftfcb fyat er nicbt gelernt
Ser $ar polterte beim (Sprechen, wie wenn jemanb
eine SBenbeltreppe bwunterEullert, unb fein britteä
SBort war „©cbweunereu".
Sr biftierte fortgefegt ©traffrunben unb fperrte
bie ganje klaffe inö Äarjer; er t>erma§ fid), bie
Herren Leiter ju beftellen unb beim SMtor 25e?
febwerbe ju fübren alle* baö, um fid) in
feiner f tastbaren ©röge aufjufpielen. Unterneb'
men tat er jebod) niebtö. <£ö war alleö blofj
Siebereu
SBenn er fein artig war unb un$ parierte, gelten
wir 23urgfrieben.
(£r trug meift ju einem febwarjen fRodt, ber um
ben 9}ac!en oon einem Äranje frtfeber ©flippen
gefcbmücft war, eine graue #ofe, bie ber beim*
12 Reimann, Qroteskenbuch
177
liefen s 3ef!immung biente, feine mieFrigen Steine
länger erfcfyeinen $u laffen, alä fie in JBirFlid;*
Feit waren; bte fidj inbeö in ForFjtefyerförmigen
SBinbungen biö auf bte ©tiefeldjen ju ringeln
Pflegte.
2luf ben ©tief eld)en war niemals nicfyt Fein ©taufe
cfyen ju erblicFen; fie gtänjten unb funFelten wie
ber in ben ©etylipö gefpießte S3rillant, ein Fojfc
bare* grbftücF t>on einem Urafm unb Kartoffel?
große*
SBenn ber Äajc fein £afd;entud> auö ber linFen
Slußtntafctye beö SRocFeö 30g, wogte eine betäubenbe
ffiolFe orbinären *Parfümö burefy ben SKaunu
Xrogbem rod) er bejlänbig na<$ SBacfyolber.
©ein 23art fcing wie ein 23a£en angebrannte^
©auerFraut unter ber Flobigen 9tafe unb war mit
einem 2Red;aniömu$ serfe&en, fo baß er gejhäubt
werben Fonnte.
©er Äajr fcinFte ein wenig, wenn aucf> mit um
leugbarer @ra$ie unb einem ©c$uß ©elbjtge*
fallen*
6r war twn maßlofer SitelFeit, unabläffig auf
fdjöne ^ofen bebad;t, liebte bte abgerunbeten S5e=
wegungen unb Rupfte gern. ©enno$ fuc&te er
fnnwteberum burety pomphafte ©ebärben ju blen*
ben unb burd) 2Buc$t ju erfd)üttern.
©eine ©tunben »erliefen äußerft geräufc^t>olL 2Ber
•178
afrnungöloö t>on braugen tyereingefcfjneit wäre, ber
&atte rnmeinen mögen, einer ^irfuöoorfWlung
bet'aumo&nen ober in eine äRenagerie geraten $u
fein*
©cfyon efce ber $ay baö «ftlaffenjtmmer betrat,
warb irgenbein Unfug auögefcecft.
Sie Älinfe mürbe mit 3uc!pufoer bejtreut ober
ber ©tufyl &or bie Xür gefegt ober ein 2Beg bis
jum g)ult mit Konfetti marftert
Unter bem $at(>eber ftanben mtnbeflenö föter*
flauen ober alte, t>on $u&au$ entroenbete Xaffen
unb Zopfe.
©aö ^)ult war mit Äreibe befcf)mtert, an ben
Äampen fingen beForatfoe ^apierfctylangen, an
ber £afel 5£urnfd)u&e ober ein gei>eimntöt>oUer
©trumpf.
Segt fam ber Äajr tyereingefteljt, roe$ nacty SBacfc
olber unb plaujte bte £ür brö&nenb JU,
©cfyon ftürjte ein Funftooll auf bem oberen ^fojten
befejtfgted ©teincfyen herunter.
©er Äay tändelte auf baö ^obium fcfyon
fragte eine Kfttg gelegte ßnallerbfe.
©er Äay wollte tyla§ nehmen, aber ber ©tutyl
war feftgenagelt.
Aufgebracht unb mit bieten Könen — baö 2Bort
„@d)meunereu" war beutlicfj ^erau^uftören —
gab er fein 2Rigfallen Funb, serliejj ben um
* , 179
roirtlichen 3#ron unb fHeg herunter, um Jich in
unfrer SKitte, banbigenb; aufzuhalten,
(?r warf einen 23licf auf bie JBanbtafel: fein
©pifcname bebeefte bie fchroarje $läd)t.
Allenthalben roar „ßay" 3U Iefcn» 2ln ben ©ans
mit $ohle getrieben; an ben genftern mit ©etfe
ober Jarbe.
SSon ba, &on bort, auö ber eefe, überallher tönte
e6 „Äay"l
©ein 5lame mar in aller STOunbe.
einer jupfte ihn am SKocf fcf;og :
SBuppbich fchoß er herum unb brüllte: „@ö
glögöl!"
Der 23öferotcht begehrte auf: „3ch weiß oon
nichts, Jperr sprofeffor!"
„Sögen @ö nücht!"
„2lber £err *)>rofeffor, ich oerfichere Shnen . .
,ßö bommer 3onge @ö!"
„£err ^rofeffor, ich oerfichere 3(men ehren*
mörtlich../'
„9latörltch fönb <5ö bör grööler göroöfenl"
„£err g>rofefjor, ich f d) ö r ' eö 3hnen . ♦ ."
£>er 9ieß beö furjmetligen -Jrotegefprächö erftiefte
in einer Lawine t>on ©eheul unb ©ejauL
2llfo rettrierte ber $ay, auf Haltung bebaetyt, nac$
bem freien $)la§ annfe^er erfler 25anfreihe unb
180
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Äatfceber unb tummelte fid) allba mit läctyertid)er
©efprei^ett.
©er Unterricht begann, eine gäbet öon Lafontaine
war au überfegen.
granPe wirb aufgerufen.
2lllgemeineö #allo.
granfe fcat fein S3ucf).
dt wirb i^m ein* geborgt
granfe wei§ nic&t, welche gabel.
e$ wirb ü)m gegeigt
granfe $at'$.
6r lief* bie Überfdjrift.
SÄtt einem SWale fpielt jemanb liebttd) auf einer
SftunbfjarmomFa unb jerreifjt auf biöfrete %xt
bie wiffenfcftaftlicfye Stimmung.
©er Äa; laufet anbacfytig unb riecht nac$ SBacfc
olber.
©er SKufifant $at geenbet, ein 33eif allögetrampel
erfler jDrbnung erfolgt, unb granfe &at unter*
beffen bie fe&lenben SSoFabeln im 2Börter6u#e
nad)gefd)lagen unb in ben Xt?t gef trieben,
©er Lafontaine wirb wieber jur #anb genommen,
unb bie ©tunbe ge&t weiter.
€iner melbet fic$: er mäc&te frinau*.
6r barf.
Äaum ijl er brausen, fo wollen fünf anbere
$inou&
181
©ie f ollen warten, befiehlt ber Äajr, bte ber erffc
jurücf ift*
©te fönnen nic^t warten, öerficfyern fte* ©ie feien
fetywer franf. (Siner l;at — jutn Gtoubtum ber
klaffe — ben Surcfyfall; ein anberer behauptet,
tt fei tym eine 2eiflenbrüfe gefd;wollem £>b er
fie t>orweifen folle?
Der tfar lägt bie £orbe f>inau$, in SSeforgnte,
baö Unheil möchte fdjlimmer werben, wenn er
fie beibehalte.
Der Lafontaine wirb wieber jur #anb genom*
men, unb bie ©tunbe nimmt tyren Umgang.
granfe fcat bie $t\t auögenüfct
6r überfegt ot;ne jjebweben ge&Ier*
Sa melbet ftd; wieber einer: er muffe unter allen
Umflänben fcinau*.
©er Äaj läßt iljn nic&t
©er Schüler, ed'ijt Stockau*, befielt auf feinem
ffitllem
£>er Äar paniert fid) mit #ar#eraigFeit unb
jeigt \\d) entfetyloffen, aud bem ^weifampfe alö
©teger bert>or£uge$em
93acf^auö beteuert, ein är$tlic$e$ ütttefl beibringen
$u wollen.
(©ein Sater ifl Dr. med.)
<Sr müffe unter allen Umflänben &ütau&
SDer Jtar ift unerbittlich»
182
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23acf(muö wirft \i$ mit einem ©cfyreie ber S3er*
aweiflung in bie 23anf unb tyebt an, ergreifend
fc^Iuc^jen.
«Da gewährt tym $ay feinen ffiillen.
©er Lafontaine wirb wieber jur Jpanb genommen,
bie ©tunbe gef)t weiter»
Jranfe ü&erfegt fliefjenb.
Sa ftetyt einer auf: Sö fei öieUeicfyt ratfam, wenn
tr nad) ben hinaufgegangenen fäfte; benen fönne
ein Un&etl jugetfoßen fein,
©er $a; gemattet ed großmütig,
Rad) unb naety leert bie klaffe; bie #älfte
ber <5d)üler tft braugen ober üielmebr „unten''*
©te fifcen beim JJauömann unb paffen
retten.
Schließlich wirb ber 9)rimu$ au$gefanbt, bie 23er*
feftwunbenen aurücfyubeorbern.
©er ^rimuä lägt ficf> unten beim #auömann,
ftörmifch begrüßt, nteber, unb bie #auömann$*
frau bringt tym ein @la$ 3Ri(cf) unb eine belegte
©emmel.
Jwei SRtnuten öor ®cfyluß ber ©tunbe treffen
fte alle miteinanber wieber ein mit gräfc
Itd^ oerjogenen ©entern unb bie Xafc^entüc^er
in ben 2Runb gepfropft, um ni#t t>or ©elfter
&u plagen.
183
Dftmalö gefd)af> es and), bag im ©egen*
teil fein eitriger fctnauSmugtc»
Sann würbe „SSä'nteSftücfen" gefpielt
"£)ie Ultimi fingen an, bic in ber SÄitte ©ifcenben
rücften nad), unb bic (£rften fd)loffen,
Sie ^unfl war bic, bafj fämtlid)e S5änfc o$ne
^wifcfyenraum an bie SRücfwanb bcö ^(affenjtm*
merö gefdfjoben werben mußten; bte legte S5anF
flanb fd)lie§lid) eingefeilt in ber äußerten <£cfe*
2>urd) baö ^ac^rürfen ber übrigen entfianb »or
bem tyultt eine 2lrt Xanjplag: unb auf btefem
bewegte fiel) ber $ax mit 2lnmut unb unfähig,
einaufd)reiten.
(Siner unferer gred)flen braute gelegentlich feinen
älteren 23ruber, ber ebenfalls @d)üler beö $ajt
war, mit unb fegte ihn auf ben 9>la§ eineö, ber
infolge ÄranFheit fehlte,
©er Äay unternahm nicht* bagegeit
(Schriftliche J?auöaufgaben ju ftellen, wagte
er feiten*
Utwergepd) ifl mir ein „Zßfeme", baö wir über
bie 9>fingftferien aufbefommen hatten*
Sh* eä jurüdgegeben würbe, erfd)ien ber Äajf in
ber klaffe, rod) nad) ffiacholber unb öerfünbete:
gönfohn ©cooler Ratten bie gleite Arbeit ab*
geliefert* SBenn fich biefe Jönfjehn freiwillig in
ber nächften $)aufe am 2ehrcr$immer einfönben
184
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w6rben, wolle er üon einer böfeöptönarifdjen S3e*
jlrafung abfeiern
3n ber ^aufe umlagerten achtunbjwanjig SKann
bad 2ebreraimmer / nämlich bie ganje klaffe.
£>er 9>rimuö, ber bie Arbeit überfefct hatte, war
anftanböbalber mitgegangen«
hineingefallen wäre ich auch beinahe ein*
mal, unb ba$ war folgenbermafjen:
SKein 9lachbar fcatte einfl, in ber 2lbficht, etwa*
Unerhörtes anzufallen, eine ©iefjfanne mitge*
bracht; eine ©iefftanne, wie man fie im #au$*
halt für bie S3lumen auf bem Jenfterftmä Der*
wenbet; eine fd)öne, banbltdje ©iegfanne.
©tefer ©ieftfanne bemächtigte ich mich unb t>er*
fteefte fie unter ber 23anf*
2Bäf>renb ber SeHtüre einer ßom&bie ättolfere*
flach weh tor #af«/ unb ich fchleuberte baä
grüne Sing mit groger jftaft an bie SCür.
Sie SBtrfung war einzigartig*
©enn ba* blecherne ©erat vollführte einen mör*
bertfehen SRabau, unb 2ehrer wie Äameraben fufc
ren entfegt in bie #öb* unb glofcten entgeiflert.
3emanb flöh«te (grtmbloö): „#ilfe! — 3$ bin
getroffen l"
Unter allfeitiger Teilnahme unfererfeitö fchritt ber
Äajr nach bem ©chirmjlänber, unter ben bie ©iefc
lanne geflütjt war, hob beti öetbächtige SDtöbet
185
auf unb fcmfte, alö ob er'ö t>erau!tionieren wolle,
burd> bie klaffe. Stuf mid) $u*
Jeimann, baö waren ©ö!"
„9tein, Jperr ^rofeffori"
gr wf erlang mid) mit ben S3licfen, flräubte ben
23art unb roety me£r benn je naety 8Bacf)olber,
©inen nad) bem anbern fragte er, wie ein 3fm
quifitor, ob er eö gewefen fei
Äeiner antwortete 3a.
23etm ^rimuö, ben er bonetterweife au*lte§, fpradfr
er:
„Äannmör jömanb erflören, n>ö baö pafföfcrt
öfi?"
@in ©c^taumeier serfünbete, bie ©ießfanne fcabe
bereit* tjor ber ©tunbe auf bem ©cftirmflanbet
gelegen unb fei $5c$fht>a(rfc$einlic$ „einfach &er*
untergefallen".
3Rit Xreu^erjigFeit warb bteö üon allen ©eiten
betätigt, unb ber Aay, objwar er fctbft an fold)e
Sfööglidjfeiten nicfyt glaubte, beruhigte fiety*
Sie ©tunbe wäre glatt abgelaufen, wenn nietyt
Ungetüm ber Übermütige, eine #anbt>oH Tupfer*
gelb praffelnb an bic SBanbtafel geworfen ^ätte.
£)at erbofle ben &ax berart, baß er fic$ auf«
bläßte, unb f^weigenb bte Älaffc t>erlieg, bie
©ieftfanne in ber #anb wie eine ßoflbarfeit
$erauögefriegt fcätte er freiließ ben £äter feine**
186
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falls, wenn er md)t bie Jpilfe beö fc^arfftitnigen
SOtotftematiffe^rerö in 2lnfprud) genommen ^ätte.
Dem war bie* ein gefunbeneö Jreffen.
©e&r feiern ging er t>or:
©einer 23ered)ming nad) Famen nur biejenigen in
33etrad)t, beren 23etragen*3enfur fd)led)ter trat
Drei SKann Ratten bie 2», einer $atte bie 2 unb
einer bie 3.
Die fünf führte er nad) @d)ulfd)lufi in bie Slula
unb »erteilte fie in bem oben SRaume, bamit fie
fid) md)t t>erflänbigen fömtten. <Sr felbft fe§te fid)
an baä Harmonium unb nafcm 9Rann für 2ttamt
in* ©ebet
Sebeö SBort fhnograpl)terte er nad).
2tlö er alle Derart fcatte, flappte er fein S3ud)
$u unb entließ bie fünf»
SIm folgenben borgen befleflte er in ben Raufen
bie nid)t vernommenen breiuttbjroanjig in ben
Äonferenjfaal unb fragte jeben einjeln, ob er
irgenbeinen Äameraben t>on bem ©erbaute, bie
Pfennige getoorfen ju tyaben, freifpred)en Jönne.
2luf btefe SBeife ernne* et* fid), ba§ ein gemiffer
Ungetüm unb ein getuiffer Sfteimamt nid)t t>on
bem 83erbacfyte freisprechen feien; benn jeglid&er
$atte smei ober brei tarnen ber Unbeteiligten
angegeben*
187
31m fetten £age faufte fidj> ber SHat^emattfpro^
feffor unö betbe, inbem er miefj in$ ©efangö*
aimmer fperrte unb ben Ungetüm in bie SSibliotbef*
9tad) einer SBeile fam er ju mir geftörmt unb
fcfynob: „Ungetüm $at gejtanben, baß ©te'ö ge*
mefen finb! @eben Sie'* au?''
3c^ gab'* a«-
3$ wußte nietyt, baß er ba* umgefeftrte 2Banot>er
foeben bei Ungetüm angewanbt, unb baß auc£
biefer bie £at eingeftanben tyatte.
älö er über unfer Jpaupt jroei ©tunben Äarjer
»erhängte, serfic^erte Ungetüm, er gana allein
fei ber 5tdter geroefen, mocauf ber geroiffe Sei«
mann in bie fettige Beteuerung auöbracty, er
gana allein fei ber Sater geroefen.
nmr ein ebler SBettjheit
2Ba* wollte ber SRatfcemattFer tun?
<Sr ließ und beibe ffraffrei auögetyen; benn ber
Aay Ubmuptttt, eö Fönne nur einer bie ©cfyroeu*
nereu mit ben Äopfermönjen oeröbt fjaben.
©eitbem tyerrfctyte jeboefy ein gefpannteö Serfcältnfe
awifc^en bem Äajr unb mir, unb icfc mußte auf
ber $ut fein*
SKeine fcatigFeit in ben franaöfifäen ®tunben
befctyränFte \id) in ber golgeaett barauf, baß id),
wenn eö mir gerabe einfiel, mit t>er(lellter Stirn?
me „Äay!" brüllte.
188
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©aö batte xd) mir bermaßen angewöhnt, baf ic$
unlängft, alö id) jufällig mit bem Äar in ein
unb berfelben (SleFtrifdjen fufcr — id) ^atte tyn
feit Dielen 3abren ntc^t gefe^en, unb ba faß er
mir gegenüber: arrogant, eitel wie je unb pene?
tränt naefy ffiacfyolber buftenb — bag id) an mic£
galten mußte, um nicf)t laut „$ay" $u rufen*
%d) &abe mid) bann üotfidf>tö£alber auf bie fyin*
tere Plattform gebellt
CHu*: „T>a$ ^aufcibud)", ©efdncf)tfn »om ©omnafium.)
©:r geborene fentimcntalifc^roig'o;* £)berfellner
beö ffiirtöbaufeö an ber 2abn." ftanu?
Unb: „Söenn er 5lrfeni! fdfjrieb ober backte, war
eö boppelfoblenfaureö Patron/' ©er ift baö?
£)aö jagt über (Sroerö £an$ Jeimann, in feinem
mißigflen S3uc$. 2lber fo (jaben mir lange md)t
gelacht
Diefe 9)arobie ift fafr fcfjon Seicfyenfctyänbung,
£roerö, eine nette Heine Sournaliflenbegabung au*
ber $tit beö ©pätnataralidmuö, fafr balb auö ben
Abrechnungen feiner Verleger unb auö ben Briefen
jener 23erebrertnnen, bie ntd^t alle werben, ba§
<£ine$ fidj in 2)eutfc^lanb — unb trielleid)t auf
ber ganzen 2Belt — immer lo(;nt: bmd) i)tim*
189
lt$e Mnbeutungen mit fatanifdjen Saftern $u prun?
Fen. gibt lafierbafte 9Kenfd)en; foldje, bte
fctyreiben, finb feiten borunter; unb gar folctye,
bte mit (Smpfcaf* t?on tyren gapern fcbreiben,
bürfte eö gar nidjt geben. Denn wefentltdj an
einem 3Kenfcf>en ift baö, waö $m felbffoerjlänb*
licfy ift, baö, wo&on er überhaupt fein SBefen*
mac^t, weil U tym ittatur ift (Der SKarqui*
be ©abe aäfclt ntc^t — benn in folgen gälten
ift audj f einreiben eine 23efriebtgung.) 2lber mir
wollen ben Vollbart wieber abhängen,
Der 25(onbtn ifl ein <pofeur. Söerni er bebeuten*
ber wäre, müfjte eö ganj luftig fein, auö feinett
fdütytn jufammenjufhllen, womit er, perfön*
lieft ober al$ SRomanbelb wfleibet, umberprogt:
mit Duellen, mit SBeibern jeber ©attung, mit
fejruellen Anomalien, mit tollfüftnen £aten. Um
angenehm, bag nid)t$ bat>on waftr i|t: ein paar
6ooF4Reifen, amertfamfctye, frier nicftt nacfouprü*
fenbe SJaterlanbö^ropaganba (SBirfung gleich
9tufl) — eö ift nid&t t>iel mit tfrm. Sie SKebenö*
arten, mit benen man bürgerliche JppftertFerinnen
aufregt, fcfrreibt ein begabter SÄenfd), wenn er baö
wollte, im (Schlaf* <£r &ätte bocfr fteferenbar
bleiben follen. Senn er tfl gefcftaffen, einem
©tammtifcfr beö &mtögertcf)tö ©riefen monaie*
lang ©efpräcfröftoff $u bieten. SKan fagt mir, eö
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fei i&m (Srnji mit feinem ©efd)reibe- »Ifo
nic#t einmal ein 33luffl
Stefem (£bfd)mieb beö ©rauenö £at #anö Stet
mann ben ©arauö gemacht @o nngig ift feit
iKeprtnFö ,£iUgenlei' deiner angepflaumt toorben.
©cfyon bie üftacfyafymung ber t>on bem ©atamfer
bevorzugten erfcfjrecflidE) gelehrten SRotten (^lural
t>on: SKotto) finb entjücfenb* <&o nad) ber Sttelo*
bie: <£rfhn$ Fenntö deiner, unb zweitens mirbS
fcfton imponieren» Jeimann: „33nut ifl ein gan*
befonbrer ©oft Scucffefcler (XXIL Safcrfcunbert),
— Agnis est felicis urbis lumen inoccidum.
$etru$ Samtanonu*, (Srjbifäof t>on Sttomaroeö,
— Montez, montez, voilä Pechelle! 2t* be Sßuffet,
SKinjemann in $>ariö/' Unb ber 5£eyt ift ein
einiger groger 2a$er.
Stbgefefcen t>on ben SBortfptelen, t>on benen einige
ausgezeichnet finb, bie aber im ganjen ermüben,
unb bie Jeimann gar ni$t nötig fcat — abge*
fefjen bat>on fällt man au$ bem Sachen ntc^t
mel;r tyerauö. 2Uleö $at er gefaßt: biefeö alberne
SBort „irgenbnrie", ba$ (Sroerö unb anbere \d)kd)U
geutlletonifien anwenben, um bem Sing einen
©ctyug SRpfM ju geben; bie lächerliche Ober*
betonung ber ©ejrualttät; bie Siuhmeöfanfare eine*
föniglich preu§ifd;en üeretbtgten 23eifchläferö —
„feine perücrfe ©razie" rühmt bem Sroerö £>lga
191
SBo&lbrücf na$, bte tt wiffen mu% gin paar
groben:
„€r big feine wunben Zippen, jlieg in bat finn?
lid;e öluto/' „... bag er in ©l 9)afo mit einem
tejanifdjen ^u^retter um Äopf unb ©cfywanj ge*
würfelt unb babei ben $opf verloren babe.."
„Sr faß ba, ewerfle &or fieft {nn..." Unb am
©cfylufj, meU ja ber SÄetfier audj nie wfeblt,
anzugeben, wofcin alleö tyn fein ©atmon geführt
fcabe, ein Serjeic^niö fäc^ ( tf^>er (Stationen, auf
benen btefeö jöuety entjtanben fei... kleinere
Einfügungen: im S^ug hinter SBurjen, grauen*
abtetl."
£;efeö unbegabte ©tüc! ©aubemi^6, bat niefct
einmal feine Quellen anflanbig »erarbeiten Eann
(bafcer folefy ein ©djmarren wie ber »Xeufelö*
jager*), M eö fcter orbentlid) abbefommen.
Unb wie gut bte 9>arobie ijl, bafür ein Ärtte*
dum:
3$ fenne ben »öampir* ntctyt unb &abe mtd^
bod) fetyetfig gelacht. Unb au$ für ben Sefer,
ber nie einen Vornan t>on Swerö genoffen fcat,
wirb auö SWmannö $)ra$tbanb bte $unbe von
einer ulftgen $rufe auffielen: SSon einem, btr
auöjog, bat ©rufein 31t lehren, unb ber ein pri*
mitfoeö £änöcfyen geblieben ift fein Sebelang.
(Die 2Beltbüfcne, 1922.)
192
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£an6 SKeimmro :
©ewate / £arjer / Xtlftter
vm.
Innocentia, quidquid id eat, timeo Danaoa,
et doca ferentea, ite domum taturae, venit
heaperus, ite, capeilae, innocentiae lere prä-
«dium e«t unb bennmbfrnb imterge&n.
3. SB. @tf)niüer, (Süarifte be tyarno.
„3)em 3«bra tropfe ber tropfen."
Sielt, be. 93eba.
©er 6orgen fjar, &at aud) Sifor.
2B. Q5ufö, @ef. ©ebid)te.
£ulu Hatzte in bie JJänbe: unter ben fangen
beä ©labiatorenmarfcfte* jogen Ästeten herein,
fte Ratten Fetn Zxilot an, nur einen ganj formalen
<§c$ur£ um bie 2enben, f treppten ben tnternatio*
naten ütyeinlanber ju einem tfran, tefeftigten
ifcn, liegen tyn fcinab auf bie 2foenue, in ein 9(uto,
trgenbttne.
£u(u rief bem Gfrauffeur einen tarnen $u, baö
Sfuto tafle lo$, fcielt t>or bem Älutyaud ber SKonb*
frauen, trgenbwo.
Sine @c$ar t>on 2Bei&ern (Hrjte auf bie Straße,
tankte unb fprang einen itanj, ber bacd)antifcfy
n>ilb nrirfte*
13 Reimann, Qroteskenbuch 193
ülber md)t auf granF <£mtt.
8te Ratten naefte Söeine,. 2lrme unb Warfen, tru*
gen um ben Seib bünne <5cf)leter in allen Jarben.
Mu öffnete tfjren beutet, warf $onfeft in bie
Sa warfen fioty bie 9Käbd)en auf bie <£rbe, rafften
auf, fo rafefy fte nur greifen Fonnten, fnüllten
ifyv ©ewanb jur ^djurje, fammelten bie Bonbon*
hinein.
2luf Suluö 2BinF [prangen »ier SKonbweiber gerbet,
feftfeppten ben angeblichen 9ter$enmenfcfyen in$
innere beö «£aufe$, in einen <©aal, ber fid) an*
fetylofi an einen Wintergarten, fjier flanben »tele
3elte, bte fidj brängten, eineö bicfyt an baö an*
bere.
©er @aal war fe^r bunfel, nur rot umhängte
Rampen warfen £ier unb bort ein fpärlidfje* %id)t
2>te STOonbwetber jogen ben SEÖillenlofen in baö
SWttetylt, öffneten ben ©urt i^ter eng anlte*
genben 23rofatgewänber, löften eine geberfpange
frorn an ber 23ruft — ba fprangen biö unter bie
$m'e bie JpaFen, alle jugleic^, unb bie (Silber*
Fleiber flogen auf naef) Uibm ©etten, wie
SKufdjeln: völlig naeft lagen ifcre Seiber oor if>m
— Weber #emben Ratten fte an nodf) Strümpfe*
©raupen lief ein (EjrtrablattüerFäufer vorüber unb
fcfyrie bie neuejle Oleuigfett auä: bie Deutzen,
194
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bie bis md) @f;äfonö für SRarne vorgcbrungcn
waren, Ratten fief) hinter bie SÄarne ^urücfgcs
$ogen.
„2Ber Wjl bu?" fragte eine ber SKonbanen ben
fdjweigfamen ©afL
„Scf; bin ber Vampir/' fagte er fcfytfctyt.
„2öaö tutf bu afe folc^er?"
„3m 93tocFf>au* ftefjt, bag Stampijr bie flamme
Benennung folcfyer Verdorbener ift, bie nacfytö
ü)rem ©rabe entjleigen, um Sebenben baö S5lut
au^ufaugen» @o weit f)ab td^'ö nod) nicfyt ges
bracht $orber{>anb begnüge icf) mief) bamit, einen
Vornan fonjtpteren, ber mir 350 000 Watt
einbringen wirb/'
,,©a wiffen wir aber immer noety ntc^t, waö bu
tufr"
„3$ (ebe uon 6timu(antien. Wlit Fletnflen Sofcn
@trt)c$mn fing icf) an, erffc in <puuxrform, bann
in Rillen, fpäter fjabe id> Sigitalin t>erfud)t, 2ltro^
pin, ©eflerin, Coffein, ßofain, 2lnbrenalin, £)pi*
um, ^anatogenitalin, <£rbaf, ©ibol, ^ebeco unb
Söiomalj, jebcö f)ie(t mid) aufrecht für eine 3Beüe,
nur fe^r wenig fcaff mir Jperoin unb Seanbrin,-
unb fröflig jwecfloö fcf)ien 2Morp(>wm unb $\x\fy
^ornfalj» Sagegen vermag mid) SHrfenif für SDte
nuten frifd) ju Ratten, aud) ?)erfi( unb 9tigrin,
wenn id) e$ in geringen ©ofen neßme/'
is* 195
Sie fcier SKonbeufen lächelten ttampironifcfy, glaub;
ten tym nid)t, burc$fc$auten ü)n al* SHuffdjneiber
grimmigflen tfaliberö.
Seife* (Sprechen ^örte matt au* ben 9ladj>bar*
jeltetu
5ranF Frodj auf allen SSieren ju einer (Seiten*
roanb, lauerte bur# ein Fleine* 2octy.
@ne ber 3Ronbali*Fen belehrte ü)n-
£* waren überall @u<flöc$er in ben 3eltroän*
bem
Mu ^atte ba* au*gebac£t
<£* müffe ü;n roenigjlen* aufregen, ju fefjen —
fanb fie»
gfamF fa& burety ba*
Sie Köster eine* 3Rifliarbär* lag auf bem Steps
piclj, fattc ein awälfjctyrige* 3Rä'bc$en bei ftc&,
30g bem $inbe ©djutye au* unb (Strümpfe,
flüjlerte leife, Fügte bie kleine, ftreifte tyr baß
©ewano hinunter —
JranF Frod> $u einer anbern ©eitenwanb, fafc
burefr ba*
Sin fcfylanFe* SBeib, ©rogmutter feit ^mei S^ren,
richtete fid) f)alb auf, föob fidj ju einem Slfc^anti
£tn, bie 2lrme nad) hinten auögejtrecft, ba| ü)rer
mann>eifjfd)on $)rac$t $ett $erau*lactyte, 50g bie
Steine au* bem Stui, gab fie ü;m auf ben
@c$ofj
196
§184
granF Frod) ju bcr brüten @eitenroanb, 51t bcr
fünften, achten, naf;m «papierbfocF unb 23leiflift,
notierte»
«Daö nriirbe ein faftigeä Kapitel — —
2ulu trat neben tyn, fagte: „9hm, mie gefällt
bir mein tffetb?"
(Sr behaute fie, fagtc : ,,©ib beiner @d)neibertn
einen Äufj t>on mir!"
<Sie lehnte fiel) an il)n, fagte : „(*ö ift fet;r be*
quem, mein Äleib — unb e$ tyat ein ©efaim*
niö!"
<£r fd)rieb weiter, fagte: ,,-iJtu wenn fd)on/'
2ö war «£opfen unb äBafy t>erforen.
Mu backte: „2Ba* fang td) mit tf;m an? SP
er tatfäcfylid) perwä unb icl) merFe felog» nid)t$?
2ffl tr am Snbe gar Fein Sroerö, fonbern ein
<pert>ett>erö?"
ix,
•g) ar jer
2Bai* nüfcet mid) ein fcf)öttet 9Räbd)en,
wenn anbre trin (parieren gofjn?
$almub, 3oma ?o(. 478, Saanitfc.
@ie war nebbich eine bluome ju €>aron
unb eine fd)»arje.rofe im $ale. ^„^ e ^ eb#
©ie fci)icfte bie t>ier SWonbFälber {jinauä, ent*
fernte fid), falte ifaen SeifcS&auffeur, Heg bie
Uibtn allein.
197
I ■
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Jranf mujlertc ifm t>on oben bid unten.
2)er Chauffeur war fcfyon ein 6cfyauflütf, fcfjlanF,
gut geroadjfen, ein rechter lieber üjunge, fabetyaft
rafiert, gut gepubert
(£r lächelte bem Vampir t>erfüf;rerifd) ju, fucfyte
ftcf; an ifm tyeran$u&irfdf)en.
&er SBampir faute ßhtmmi, fein neuefteö Safter.
<£$ fjunbertfünfunbfiebjigte bem @f>auffeur aus
allen *J)oren.
2)er Vampir rührte fid) nicfyt
Sa fdjlug ifjm ber Chauffeur aufö 9lafenbcin,
lieg tyn fletyn, fcfjritt rafd) tyinauö.
£er Vampir fianb ba — mit offenem 9ftaul —
gii^lte gut, ba§ er ungeheuer blöb auäfaf) in
biefer SJHnute, 50g fein £afcf>entu$ —
x.
Silfiter
„93nut ijt ein ganj befonbrer ©aft."
Srucffe&ler (XXn. SaMunbert)
„Grine ber älteflen biefer 3auberformeln gibt
ein ^Wittel, wie man p(o$fid)e Siebe in eben--
fo großen JJajj oerroanbelt."
Jponfton ©. QSrabp.
$ra!tat über magifaV Wormeln auf
@umero*9lffprifd)en ÄeüWen.
„SKifct) be$ unb trinfe e$ in rotem 2Bein; ba
fiefjft bu, mennfle ©djroeiu Ijaft, ben ©runb
alter Singe." 2{tf>{M M {uf> 3ffe
runbfleiniania.
8ulu fyatte bie (Sjene buref) einö ber ©ucflöcfyer
beobachtet, fanb ü)n o^nniäc^rtg am Stoben liegen,
198
nafmt ben ^apierbtocf, (aö, roa$ er fett Xagen
fo eifrig gefrtgeft.
„Sie ganje 2Belt ifl ©obom. Xiere finb mir unb
muffen Xiere fuci)en. 3n <St)tfago gelten fiel)
fiebert Gfnnefen ein 9ttfpferb — alö grau. 3«
©unntob, ber SHiefentocfyter, Farn £>bin alö 2Burm,
unb bie Jpeilige Jungfrau t3efuct)te ein Xäuberict).
3n Berlin UU ein Sftegierungöoberrat, ber ffccft
feiner Jrau, wenn er 23ebarf f)at, einen Warfen
Jpüi)nerfebern in ben 6terj, lagt fie (aut gacfern.
9>rofeffor Jparrtman in Baltimore lebt fetteten
mit einer Äffin in wilber £f)c. Rein Falabrifct)er
3iegenf)irt in ben s J>prenäen ober ber $)ampa, ber
nict)t unter ben ©eigen feine £(mönelba i)at Ser*
gleiche ^terju #errn 2(nge(o in meinem ftanbarb
roorf „Die Xeufelöjägcr". $om golbenen gfel
beö Slpulejuö angefangen btö ju ben $ranict)en
beö 3bt)Fuö ifl baö, roaö bie 3flenfct)en fobomitiftf)
nennen, baö einzig 9iatüriia)e* !Uti helfen ftorb,
vertrat ein groger 9teufunb(änber feine §tette
bei ber fct)önen Eabtj Hamilton/'
0o ging eö feitentang fort.
Die SRetye, in £>f)nmact)t ju faden, war je(3t an
2ufa.
(sie tat eö mcf;t.
5(ber fie fpract): „ffienn bie Söiejler Literatur
199
fabrizieren Formten, würben fte nie unb nimmer*
me&r Derartigen £>recf t>erdffentltd)en." ;
@ie befprengte ben SRepräfentanten mobernett
6cf)rifttumö mit fflaffer, lief tl)n sunt 2fato
tranfportieren, ful)r mit i&m jum Mr^t
(Drei Kapitel au* Jpan» dtetmannä SßaroDie: „Gr wer», ein
garantiert oertoa^rlofler ©d)unbroman in Sumpen, fttfydttn,
5Ha>d)en unb Unterhofen, »on SBampir) 20. Auflage.
Bücher von Ha ns Reimann
erschienen hei Paul Steegemann in Hannover
Di« Dame mit den schönen
Beinen.
Grotesken. Uroschlagzeichnung
von Emil Prcetorin«. 28, ver-
änderte Auflage.
Du verbotene Book.
Neue Grotesken, Umschlag-
zeichnung von Emil Preetorius.
17, verändert« Auflage.
Das Paukerbuck.
Geschickten vom Gymnasium.
Umschlagzeichnung von George
Gross. 15. veränderte Auflage.
Ewers.
Ein garantiert verwahrloster
Sekundroman in Lumpen, Fetz-
chen, Märschen und Unter-
hosen von Hann« Heins Vampir.
20. Auflege.
Die Dinte wider de« Blut.
Arthur Sünder, 30. Auflage.
Hedwig Courths-Mahler,
Schlichte Geschichten fürs trau-
te Heim. Mit 30 reizenden
Bildern von George Gross.
10.
Sächsische Miniaturen.
Bandl. Grotesken in sächsischer
Sprach«. 25. Auflage. Mit
14 Zeichnung, v. George Gross.
Band II. In Vork«reitung.
Der König.
In Memoriam Friedrich August
den König
Im Druck.
Hunder t jähriger Kalender.
Ein literarischer Zeitweiser fürs
deutsche Volk. Im Druck.
Größenwahn.
Eine Anthologie neuer Chan-
sons fürs Kabarett. Im Druck.
Pax.
Friedliche Geschichten. Bis auf
wenige Exemplare vergriffen ;
erscheint nicht neu.
D e r F 1 o h.
Grotesken aus der Kriegsseit.
Bis auf wenige Exemplare
griffen ; erscheint nicht n«i
Kaktuss«.
Ausgewählte Grotesken. Bis
auf wenige Exemplare vergrif-
Die Preise sind durch jed/ gute Buchhandlung*
oder durch den Verlag (Rückporto) zu erfahren.
Pa ul Steeg emann Ve rfa g / Ha nnover
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