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Full text of "Zeitschrift für wissenschaftliche Geographie"

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Zeitschrift für 
Wissenschaft. 
Geographie 





IOOO 
.995 



«6 





Ifirinteian Imtarraitg. 



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ZEITSCHRIFT 

FÜR 

WISSENSCHAFTLICHE GEOGRAPHIE 



unter Mitbcriicksiclitigung des 

HÖHEKEN GEOGRAPHISCHEN UNTERRICHTES 

in Verbindung mit 

TH. FISCHER, V. VON HAARDT, A. KIRCHHOFE. 
0. KRÜMMEL, J. RHIN, S. RÜGE, TU. SCIHNKE, F. WIESER, 



li«rau»gcgebcii v.»u 

J. I. KETTLEH 

(V/aimar.) 



BAND V. 



WIEN. 
EDUARD HOLZEL. 
1885. 



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1 ÖÖO 

5 A . 



t r. Wmikör * Schi<k«r<lt, k. k. HoftocWruckcr, lirüuo. 



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Inhalts-Verzeichnis des V. Jahrgangs. 



AUFSÄTZE: 



S.-it.- 

F. Wieser: Zoana Mcla 1 

It. L.iligkaYel: Namen des Ken ... (5 
(J. Hlldcnbiand: Da* Qudlgebiet der liier 

und ihr Lauf bis Immenstadt . . . 
M. Willkomm: Die (Quellen des Guadiaua 'J!> 
F. Simon j : Beitrüge zur Physiognomik 

der Alpen "!.l 

J. I. Kettlcr: Begleitworte zur Karte Uber 
die Gebiete gleicher Bcvidkernng'dic- 
wcguiig in Südwestdeutschlaiul . . 

W. SlCTor«: Die Hydrographie dos öst- 
lichen Indo-Chiu.l «9, 'JOS 

E. (Jclclcli: Die erste Heise de.« Vespueci 

und die Act«!« de la IV. Rcuuiou de 
Americanistas 85 

Dr. Diel rieh : Die geographischen Anschau- 
ungen einiger Chronisten de» XI. und 
XII. JahrhundciU 1U. 187 

II. Kelter: Die Kalaliarn . . lOil, m 31fi 

F. (i. Hahn: Bemerkungen über einige 



Seit.- 



Aufgaben der Verkehrsgeographie und 

Staatcnkundc 114, 237, .'IS!* 

A. Stelnhnnser: Dr. Hermann Wagner.« 
Tafeln der Dimensionen des Erdsphä- 
riods auf Minutendekaden erweitert . 137 
It. Langkarcl : Die Verbreitung des Haus- 

riudes in Südafrika 1 7*2 

S. Rüge: Au.« der Sturm und Drang-Pe- 
riode der Geographie .... *>V\ .".55 
VI. Konig: Moor und Torf in ihrer Be- 
ziehung zur säkularen Hebung und 
Senkuug der norwegischen und nord- 

\\ ostdeutschen Kilstc 27:) 

A. Steinhäuser : Stabius rodivivus . . -.'Hy 
E. Gelelch: Vermischte Studien zur Ge- 

sehiehte der mathm. Geographie . . 2i»l 
t'l. König: Der er*te große Alpenfomher 327 
J. J. Tschad! : Dio geographischen Na- 
men in Peru 34» 

H. Haas: l'her deu heutigen Stand der 

Olacialgeologic 305 



METHODIKjUND UNTERRICHT DER GEOGRAPHIE: 



Kiiiige Anschauungsmittel für den höheren 

geographischen rnlerrkht .... 41 

Das französische Project einer r Kc«>le na- 
tionale de geographie" 4'» 

V . v. Haardt'« Referat über die Herstellung 

von Schulwandkartcn 47 

Die i»roh> drographistheu Wandkarten Eu- 

ropa's von Bcrghnus, Haardt und Gräf 1 IG j 



S.ile 



Die Stellungnahme der Kiiuigl. Geographi- 
schen Gesellschaft in London >um geo- 
graphischen rntcrrifbt ll!l 

Die Geographie auf den sächsischen Real- 
gymnasien nach dein Gesetz von 1SH4 
(v. O. 8chueidcr) 21 »0 



BESPRECHUNGEN: 



Seite 

Edmondo de Amicls: Marroko. Wien, 

Hartleben, 188:1 (bespr. v. .1. Rein) 51 

C'ongresn' internacional de Americanistas. 
Acta* de 1a cuarta Reuniou. Madrid, 
1883 , bespr. v. K. Gelcichj . . '. 53 

Die amtliche Beschreibung von Schöng- 

King (bespr. v. K. Himly) . 57, W2 

O. Doherent«: Die Erd- und Völkerkunde 
in der Welt-Chronik des Rudolf von 
Hoheuems i bespr. v. S. Günther) . 04 



Seite 



E. Rcyhcr: Aus Toscaiia. Geologich-tech- 

nischo und kulturhistorische Studien.. 
Wien, Gerold, 1884 (besprochen von 
Th. Fischer) «5 

Ph. PauIHschke: Die geographische Er- 
forschung der Adal-Läuder und Harar's 
in Ost-Afrika (bespr. v. Zat.t ... GS 

Anonymi de situ orbis libri duo. M. Ma- 

uitius (bespr. v. V. Wiese r) . . . Iii) 



510O8D 



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4 



Inhalts- Verzeichnis. 



Seite 

Grftdy'» Cbcrsicbtskarte des westlichen 

Russland (bespr. v. A. Kirchhofft 120 

Attlmayer, Köttatorfer, Lnksch, Mayer, 
Saldier und Wolf: Haudbuch der 
Oceanographie und maritimen Meteo- 
rologie (bespr. v. O. Krümmel) . . 120 

Boguslawski: Haudbuch der Oceanogra- 

phic (bespr. v. O. Krümm el) . . 125 

Hoffmunn: Zur Mechanik der Meeresströ- 
mungen ( bespr. v. O. Krümmel) . 126 

Andre« and Seobel: Karte von Afrika 

(bespr. v. A. Kirchhoff) .... 121» 



Harrisse: Lea Crte Real (bespr. 
v. 8. Rüge) 130 

A Bibliograph) - of Ptolcmy'* Geography 

By .Justin Wiusor (bespr. v. Richter) 203 

Gustav Wen«: Atlas zur Landkarten-Ent- 

wurfslehro (bespr. v. Zt.) .... 204 

Major Alexander von Mechow, Karte der 

Kuaugo-Expedition (bespr. v. Zz.) . 204 

Haardts Schulwandkarto der Alpen (bespr. 

v. J. I. Kcttler) 398 



LITERATURBERICHT: 



Helle 

Geographische Arbeiten aus Fiulaud . . 132 

Der Masoaret 2(15 

Alte Geographie 303 



Seit« 



Die Insel Ssachalin nach J. S. PoljÄkow's 

Reisen in den Jahren 1R81— 1««2 269,3*7 



NOTIZEN : 



Xptto 

A. l'ntcrforclier: Zu Kgli's Aufsatz über 

die geographische Namenlehre . . .133 

II. Fritz: Das Erdbeben Midlich von 

Taunus 133 

8. Buge: Die erste biblische Darstellung 

von Hoheuskalcn der Gewächse . . 130 



A. Kirch hoff: Die Nichtcxiateuz einer 
Oxuamündung ins K aspische Meer 
während des Altertums 270 

E. Schlaglntwelt: Das Schulwesen Bri- 

tiscb-liidicn 3W 



KARTEN UND ILLUSTRATIONEN: 

Taf. 1. Karte der Gebiete gleicher Bevölkerungsbewegung in Sfldwestdeutschland. Entw. und 

bearbeitet von .1. I. K e 1 1 1 e r. 
Taf. IL— IV. Illustrationen au F. Simony's „Beitrüge zur Physiognomik der Alpen.* 
Taf. V. Kai tenbcilage au A. Steinhausers Aufsat* „Stabius redivivus." 

Taf. VI. Figiircnbeilagc zu E. Gelcichs Aufsatz r Vermischte Studien zur Geschichte der 
mathematischen Geographie." 



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Zoana Mola. 



Ein Beitrag zur Geschichte der Erdkunde in den ersten Dceennien des XVI. Jahrhunderts. 

Von Franz Wieser. 

Das bekannte Kompendium scholastischer Gelehrsamkeit „Margarita 
philosophica" von dem Karthäuserprior Gregor Reisch enthält in der 
iStraßburger Ausgabe von 1515 eine Weltkarte in Holzschnitt mit der Überschrift: 
„Typus universalis terre iuxta modernorum distinetionem et extensionem per regna 
et proviiu-ias." Trotz der ziemlich derben Zeichnung hat diese Karte bedeutenden 
historischen Wert, vor allem wegen ihrer Darstellung der neuen Welt. ') Amerika 
erscheint als ein zusammenhängender Kontinent von beträchtlicher Breiten- 
ausdehnung, der im Norden bis zum 75., im Süden bis zum 50. Grad reicht. 
Deutlich lassen sich zwei ungleiche Hälften, die durch eine schmale Brücke mit 
einander verbunden sind, unterscheiden : eine große südliche und eine kleinere 
nördliche Landmasse. Dieser Doppelkontinent ist bis unmittelbar an den linken 
Rand der Karte hinausgerttckt, so dass die westliche Erstreckung desselben 
ganz unbestimmt bleibt. Am rechten Kartenrande aber findet sich M. Polo's Insel 
Zipangri, gegenüber die Ostküste von Asien mit den Legenden „Mangi provincia", 
„Cathayo" etc. 

Wir dürfen vermuten, dass unserem Weltbilde eine Marinkarte zugrunde 
liege. Darauf deuten schon die Windnamen Magistralis, Ponens, Libcccius etc., 
hin. die bekannten Benennungen der italienischen Windrose in lateinischem 
Gewände. Die Vertausclmng von Libcccius" und „Seroccus," welche Kamen 
anstatt an den oberen, an den unteren Kartenrand gehörten, mit „Magistralis" 
und „(irecus," welche am oberen Rande stehen sollten, erklärt sich daraus, dass 
die Vorlage, wie fast alle Marinkarten jener Zeit, mit dem Süden nach oben 
orientiert war. Wir können aber die Quelle noch etwas genauer bestimmen. Das 
Bild der neuen Welt zeigt auf unserer Karte wesentlich dieselben Züge, wie auf . 
der Karte in .1. Stobnicza's „Instrnctio in Ptholemei Cosmographium" (Cracoviae 
1512), sowie auf der „Tabula terrae novae" in der Straßburger Ausgabe des 
Ptolomaeus von 1513. 2 ) Unsere Zeichnung geht also mittelbar oder unmittelbar 
auf jene portugiesische Originalkarte zurück, welche man mit Recht dem Amerigo 
Vespucci zusehreibt. *) 

Der Autor des Weltbildes in der Margarita philosophica von 
1515 hat sieh nicht genannt. Doch .ist es mehr als wahrscheinlich, dass dasselbe 
aus der Hand des loth ringischen Kosmographcn Martin Hylacomylns 
<W ald 8eemüller) stammt, desselben Mannes, der bekanntlich 1507 zuerst 
für den neuen atlantischen Kontinent den Namen Amerika in Vorschlag gebracht 
hat. Von Hylacomvlus rühren erwiesenermaßen die Karten in der eben erwähnten 



1 ) Wir geben auf Seite 2 ein genaue* Facsimile des atlautischen Teiles dieser Karte nach 
dein Exemplare der Hof- und Staatsbibliothek iu München. Ein zweite« Exemplar besitzt die 
k. Hofbibliothek in Wien (vergl. H. Ha rri sse, Hibliotheca Americana Vetustissima etc. Addition», 
Paris 1872, p. 150). — Der Karte istauf der Rückseite ein ausführlicher Text .Nova terre descriptio- 
beigedruckt, in welchem aber nur drei Erdteile erwÄhut werden und von der neuen Welt nicht 
die Rede ist. 

1 Vergl. über diese .beiden Karten F. Wies er, Magalhacns-StraAo und Austral-Contiuent auf 
den Ob. bi u des .loh. Schöner. Innsbruck 1881, p. 10 ff. Ein getreue« Faksimile der „Tabula terre 
novae* findet sieh in F. A. de Varuhageu, Nouvelles Recherche» etc. 

») O. l'cs.hcl, Gesch. d. Erdkunde. •>. Aull, von 8. Rüge, München 1877, p. 'JliO n. 
S. Rüge, Gesch. d. Zeitalters der Entdeckungen (iu W. Ouckciis Allg. Geschichte in Einzel- 
darstellungen! p. 51K!, und H. A. Sc hu mach er, Petrus Martyr der Geschichtsschreiber des Welt- 
meeres, New- York 1879, p. 143. 

Kctütr 4 , Xtiltchriß. V. BJ. 1 



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TW/S VNIVERSAtS TFRR E rVXTAMODERN 




Zoaua Mein. 



Straßburger Ausgabe des Ptoleniaeus vou 1513 bor. ') Die Weltkarte in derselben 1 ) 
führt den Titel: „Orbis tvpus universalis iuxta hydrographorum traditionein,* 
der auffallend an den unserer Karte erinnert. Auch in der Zeichnung, sowie in 
den Legenden herrscht zwischen den beiden Weltbildern eine unverkennbare 
Übereinstimmung, • — die neue AVeit abgerechnet, bezüglich welcher aber die 
bereits berührte .Tabula terrae novae* die notwendige Ergänzung bildet. — 
Martin Hylacomylus hat auch sonst Beitrüge zur Margarita philosophica des 
Gregor Keiseh geliefert, wie den Tractat Architecture et Perspective Rudimesta 
in der Straßburger Ausgabe von 1508 und in den folgenden. Er stand über- 
haupt mit dem Verleger dieser Ausgaben der Margarita philosophica Johann 
(irüiimger in Straßburg, der auch mehrere selbständige Werke des lothringischen 
Geographen gedruckt hat, in engen Beziehungen. 3 ) Es darf natürlich nicht als 
Gegenargument gegen die Autorschaft des M. Hylacoraylas angeführt werden, 
dass der neue Kontinent auf unserer Weltkarte nicht den von ihm vorgeschlagenen 
Namen „Amerika* trägt, denn es fehlt dieser auch auf den Karten des Ptole- 
maeus von 1513. 4 ) — 

Die neue AVeit auf der Karte der Margarita philosophica zeigt trotz der 
großen Übereinstimmung mit der Tabula terrae novae von 1513 doch mehrere 
selbständige Eigentümlichkeiten. So erscheint dieselbe dort — unter AA r ahrung 
der Formähnlichkeit — viel weiter gegen die Pole ausgedehnt. 5 ) AVährend weiter 
der südliche Teil des amerikanischen Kontinentes auf der Karte von 1513 
»Terra incognita* genannt ist, heißt er auf der von 1515 „Paria seu Prisilia." 
Die Bezeichnung , Brasilien" für die .terra de saneta Cruz' des P. Alv. Catral 
ist seit dem J. 1504 nachweisbar. 6 ) Der Name Paria wurde zuerst von Christ. 
Columbus auf seiner 3. Reise erkundet, und schon früh machte sich die Ansicht 
geltend, dass die damals und unmittelbar darauf von spanischen und portugiesischen 
Kapitänen im Südwesten des atlantischen Ocean entdeckten Gestade mit dem 
von Columbus gefundenen Lande Paria zusammenhiengen und einem großen 
Festlande angehörten. 7 ) 

Der nördliche Teil der neuen AA'elt, der auf der Karte des Ptolemaeus 
vou 1513 keinen eigenen Namen führt, trägt auf der Karte der Margarita philo- 
sophica von 1515 die seltsame Bezeichnung: 

I 

ZOANA MELA. 

AA'as bedeutet dieses Rätselwort und woher hat M. Hylacomylus diesen 
Namen entlehnt? 

Mau ist in der That versucht, dieses „Zoana mela u als eine willkürliche 
Bereicherung der Kartennomcnklatur, als ein reines Phantasiegebilde aufzufassen, 
wie da« z. B. H. A. Schumacher in seinem gehaltvollen Buche über Petrus 
Martyr thut. 9 ) Allein bei sorgfältiger A r ergleichung der damaligen Reiseberichte 
stoßen wir bald auf die Quelle, aus der unser Kartograph geschöpft hat. 

Wenn wir zunächst die in Deutschland gedruckten Entdeckungsberichte 
durchblättern, so findet sich wirklieh der Ausdruek .Zoanna mela u in «lern zu 
Nürnberg 1508 erschienenen Buche von Jobst Buch am er: „Newe vnbekantte 
landte Und ein newe AA'eldte in Kurtz verganger zeythe erfunden." Dort lesen 



') (lt'Avpüiic) „Martin Hvlaconiylus, Waltzemüller, hch onvragc* et sc» Kollaborateur*." 
Pari,. mi7, p. 111 ff. 

*> Eine verkleinerte Abbildung dieser Weltkarte enthalt 8. Rngc, Gesch. d. Zeitalter« der 
Entdeckungen. 

'i Vcrgl. D'Avexae eodem Wo. 

*) D'Avez ae <1. v. p. 154} bemerkt HOgar: „Aint»i Waltr.emfiller, qni avait eu 1507 propose 
de donncr au uoveau monde Ic nom du pretendu deeoiivrour Americ, avait nlteriourement reconnu 
min en our, et corrige eu 1513, »iuou plu» töt, »un appreriatiou premicre! II ctait trop tard. - — 

*) Auf der Tabula terrae novae erstreckt nicli Amerika nur vom 35. Grad s. Mr. Iii* *ufn 
55. n. Hr. 

Cf. A. P. Tielc: De vcutiging der Portugeezen in Indio — ITHMI, in der Zeitschrift 
„De Gids* 1875, Nr. 8, uud Fr. Wieser 1. c. p. 1)3 f. 

', S. u. A. Petrus Martyr, Oeean. Dee. I. Hb. (J. 
•) 1. c p. 186. 

1* 



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4 



Zoana Mela. 



wir im 85. und 80. Kapitel, in denen von der ersten Reise des Christ. Columbus 
die Rede ist, folgenden Passus: 

„— — do sahen sie lande vnd funden sechs Inseln, vnther welchen 

warn zwo, die warn einer vnerhörteu grosse, Vnd ist eine genant Spagnola, die 
andere Zoanna mela. — Das 80. Capittel, von disen yetzgemelteu grossen 
zwayen Inseln, das ist Zoanna mela, vnd Spagnola. Aigentlieh kunthen wir 
nicht wissen, ob Zoanna ein Insel were, als wir aber dahin kamen in die nehe, 
vnd schifften daselbst vmbtere an dem Strame. in dem monat Nouember, das 
ist in dem wintermonde, do horten wir in den allerdicksten weiden die Nacht- 
gallen singen, Vnd funden zumal sere grosse flüsse von süssem waßer, vnd vast 
gute vnd grosse gestatte oder porthe. Als wir also der inassen schieffteu an dem 
strame der jnseln Zoanna, mer dann acht hundert welische meyle, Vnd funden 
keyn ende, noch ein zaychen des endes, gedachten wir, es were vestes lande." — 

Das Buch Buchamers ist bekanntlich nur eine Übersetzung der berühmten 
Sammlung von Entdeckungsberichten des Frau c. da Mostalboddo „Paesi 
novamente retrovati etc.," welche zu Vicenza im J. 1507 erschien, 
ßuchamer hat die Stelle über Zoanna mela getreu aus seiner Vorlage herüber- 
genommen. Iiier lautet sie folgendermaßen: 

, — — — — uetero terra, et discoprirno vj isole do de lequale de grandeza 
iuaudita: una chiatna spagnola, laltra la zoanna mela. 1 ) — Doe grandissimc 
Isole cum Ii soi nome cap. 8G. Zoanna non hebero bencerto che lafusse isola. 
Ma zonti che foro ala zoanna scorendo quella per costa, Sentirono cuntare dal 
mese de Nouembre fra densissimi boschi rusignoli etc.* 

Kapitel 84 — 113 der „Paesi novamente retrovati, K welche das vierte Buch 
dieser Sammlung bilden, sind aber wieder nur eine Reproduktion der Flugschrift 
„Libretto de tutta la Navigation" etc., Veuezia 1504, und diese bietet 
in Kapitel 2 und 3 die betreffende Stelle wörtlich gleichlautend mit der Leseart 
der Paesi nov. retrov. 2 ) 

Auch das „Libretto" ist keine primäre Quelle, sondern nur ein Auszug aus 
der ersten oceanischen Dekade des Petrus Martyr von Anghiera. 3 ) Im 
ersten Buche derselben findet sich folgende Formulierung, welche allen bisher 
besprochenen Redaktionen zugrunde liegt: 

„Patefecit navigatione hac prima sex tantum insulas, atque ex iis duas 
inauditae magnitudinis : quarum alteram Hispaniolam, Jo an na in alt er am 
vocitavit: scd Joannam esse insulam non pro certo habuit etc. 144 ) 

Aus den angeführten Textstellen erhellt unmittelbar, dass unter „Zoamt 
mela" nichts anderes zu verstehen ist, als die Insel Cuba, welche Christ. 
Columbus dein spanischen Infanten Don Juan zu Ehren Juana nannte. 5 ) Der 
große Entdecker schreibt darüber selbst in seinem Briefe vom 15. Februar 1403: 

„ — — — yo falle" muy minhas islas pobladas cougente sin nümero. y dellas 
todas he tomado posesion por bub Altczas con pregos y bandera Real entendida, 
y no nie fue contradicho. A la primera que yo falle puse nombre San Salvador, 
a conmemoracion de su Alta Magestad, el cual muravillosamcnte todo esto ha 
dado : las indios la Uaman Guanahani. A la segunda puse nombre la isla de 
Santa Maria de Concepcion: ä la tercera Ferdinnndina: a la cuarta la Isabela: 
ä la cniinta isla Juana, 4> ase & cada una nombre nuovo. Cuando yo Ucgue 
a la Juana segui la costa della a poniente, y la falle tan grande que pense 
que seria tierra firme la provincia de Catayo etc." 6 ) 

') Nach der Schreibweise „Zoaua mela* (mit um- einem n) auf unserer Karte zu schließen, 
dürfte M. Hylacomylus elier deu italienischen Text vor »ich gehabt habeu. Au« Kapitel 105 und 
106 der „Pn»»i uovameutc retrovati 14 scheint er auch »eine Kenntnis von dem Fcstlaude „Varia* 
geschöpft ssn babeu. 

*) Ich haiic da« einzige bis jetzt bekannte Exemplar des „Libretto," da« sich auf der Biblio- 
leca ManiaiiÄ iu Veuedig befindet, geuau mit der Viceutiuer Racoltn kollationiert. 

3 ) Vergl. .1. Morel Ii, Lcttera rarissima di Christ. Colombo. Dassano 1810, p. 4H ff. (in den 
Operette I., p. 290 ff.}, und H. A. Schumacher, 1. c p. 5 ff. — 

*) Fe tri Martyris ab Angleria etc. de rebus Oceauicis et Orbe novo deeades tres etc. 
Itaseier Ausgabe vou 15H3, f. 1 b. 

5 i Cf. A. v. Humboldt, Kritische Untersuchungen etc. II., p. 124 u. 141, und O. Pesche), 
Gesch. d. Zeitalter» der Entdeckungen p. 209. 

*, Dieser Brief wurde nach dem im Real-Archive zu Siinauias befindlichen Originale publiciert. 



Zoana Mela. O 

Der erste Teil der rätselhaften Bezeichnung „Zoana mela* ist damit 
erklärt: „Zoana* ist nur die venezianische Form für „Juana* oder 
Johanna. 

Noch bleibt aber der zweite Teil zu deuten; was he.ilit „mela"? 

Wie man sieht, kommt dieser Ausdruck weder in dem Briefe des Chr. 
Columbus, noch in den Dekaden des Petrus Martyr vor. Er taucht zuerst im 
„Libretto de tutta la Navigation^ auf, und zwar findet er sich dort im Texte 
nur ein einzigesmal, nämlich am Schlüsse des zweiten Kapitels, und ebenso in 
den „Paesi novamente retrovati, u die, wie erwähnt, mit dem Libretto wörtlich 
Ubereinstimmen, nur am Schlüsse des Kapitels 85.') Im weiteren Verlaufe der 
Erzählung wird das Land, dessen Insel natur dem Entdecker so fraglich erschien 
immer nur „Zoanna" genannt. 1 ) 

Man möchte vielleicht vermuten, dass „mela 1 ' ein Druckfehler für „insula" 
sei: allein dieses Wort passt nicht in den logischen Zusammenhang der Stelle. 
Fassen wir aber den Wortlaut der Original-Redaktion bei Petrus Martyr: 
„.fnannam alterain vocitavit, sed Joannam esse insulam non pro certo habriet, " 
genau ins Auge, so scheint uhb des Rätsels Lösung aus dem Wörtchen sed 
zu winken. Musste nicht die italienische Übersetzung dieser Stelle ursprünglich 
gelautet haben: ,1' altra la zoanna, ma la zoanna non habere ben certo 
ehe la fusse isola?" Infolge einer ungeschickten Kapitel-Einteilung in dem 
früher zusammenhängenden Texte wurde dann das verlesene .mela* als Eigen- 
name aufgefasst und zu dem vorangehenden „Zoanna* geschlagen. 

Unsere Vermutung wird in sehr willkommener Weise bestätiget durch den 
Wortlaut einer Handschrift auf der Biblioteca Municipale zu Ferrara, welche die ita- 
lienische Bearbeitung der ersten Dekade des Petrus Martyr in einer ursprünglicheren 
Redaktion enthält, als das Libretto. a ) Hier zeigt der Text in der That noch keine 
Kapitel-Einteilung, und die inkriminierte Stelle präsentiert sich da folgend ermaßen : 

„Et in questa prima navigatione scopersono sei insule sole do delle quali 
de grandecia inaudita, una chiamo la Spagnola, 1' altra la Zoanna. Ma la 
Zoanna non ebbe ben certo che la fussi in sola." 4 ) 

Der wunderliehe Name .Zoanna inela tt verdankt also einem Lesefehler in 
Verbindung mit der im Libretto willkürlich durchgeführten Kapitel- Einteilung 
seinen Ursprung. 

Die Verwendung dieser Bezeichnung für das Festland auf der Karte der 
Margarita philosophica von 1515 entspricht den Vorstellungen des Christ. Columbus 
über den kontinentalen Charakter Cuba's. 5 ) Antiquiert ist diese Darstellung 

vou M. F. de Xavarrcte, Colecciou de los viajes y des cnbrimiente* etc. 2* Ed., Madrid 1K">K. 
I.. |>. JIM ff., iiud nach dein einzigen noch erhaltenen Eicmplare des alteu Drucke», da« in di>r 
llibliotcca Aiubrosiaua »u Mailand aufbewahrt wird, in G. Dnilli«, Bihliotcca Rnra, Vol. XVI., 
_l,ettero Autografc di Christ. Colomho, uuovameute stampate." Milano 18G3. — Über die verschie- 
denen Ausgaben der Colurnbus-Briefe vergl. H. Har risse, Bibüotheca Americana Vetustissiina. 
New- York 18«fi. 

't Außerdem bringen beide Werke den vollen Namen „Zoauua. mela- auch in dem Register. 

J .i In der lateinischen Bearbeitung de« Paesi nov. retrov., welche der Mailänder Mönch 
Ari'li. Madriguauo unter dem Titel „ltincrariiiin Portugalleusium- etc. (Mediolani ITjOH) publi- 
eierte, ist der Zusatz „mela** auch au dieser einen Stelle wcggelasseu ; er schreibt einfach: „ei«<|uo 
noiniiia indidit, alterain inpauam, joaunam alterain nuneupavit.- Dasselbe ist auch der Fall im 
„Novu» Orbis- vou S. GrynaeiiH (Basilcae lölj'j), der einfach die Kcdactiou des A. Madriguano 
reproduciert. Wenn Fr. Kunstmauu („die Entdeckung Amerika«- — Monuineuta «aecularia der 
Mllnchcncr Akademie d. W. 1851» — p. ICSI > bemerkt, im ltinerarinm Portugalleusium und bei 
S. Grynaeu* »ei der Name „Zoana mela- bereit« durch einen anderen erneut, so beruht darnach 
dem oben Gesagten auf einer misverständlichen Auffassung. 

s ) Da« Fcrrareser Mauu«kript enthält nebst dem Auszüge au« der ernten Dekade des Petrus 
Martyr noch den Brief ile« Amer. Vcspueci au Lorcnzo di P. Fracedi Medici (Iber «eine dritte Rei«c, 
weiter die „lettcra rarissima- des Christ. Columbus (Iber .sein« vierte Expedition, und den Brief 
dejt Hier. Viauello über eine spätere Reise de« A. Vespneci. Die Haudsehrift wurde von Gin». 
Ferraro publiciert in der „Seeita di citrio.sita letteraria," Di«p. 144 (Bologua 1875); «eine Edition 
ist freilieh eino völlig unkritische. 

*) In der Publikation von (J i u «. Ferra r o, welche unter dem Titel „Relazionc dellc Heiopcrte 
fatte da C. Colomho, A. Vespueei e da attri dal 1492— MUß» erschien, steht die citiertc .Stelle p. '-»4. 

*i Vergl. darüber u. a. A. v. Humboldt, kritische Untersuchungen IL. p. 172 ff. und 
O. Peschel, Gesch. d. Zeitalters d. Entdeckungen p. 20b. — Auf der Weltkarte vou Ruyscb in 
der römischen Ausgabe de« Ptoleinaeus von lfiOH repräsentiert Cuba das Festlaud, und nur Npaguola 
ist al» Intel eingetragen. 



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0 Das prähistorische europaische K« u uud die Namen des jetzigen. 

insoferne, als auf derselben Kart«? Cuba neben diesem Festlande als Insel ein- 
gezeichnet erseheint, freilieh unter dem Kamen Isabella, ebenso wie auf der 
Tabula terrae novae von 151JJ. ') — 

Der misverständliche Ausdruck Zoana mela hat glücklicherweise in der 
Kartographie des XVI. Jahrhunderts nicht viel weiteres Unheil angerichtet. Die 
Weltkarte von 1515 wurd.e noch in einigeu späteren Ausgaben der Margarita 
philosophica reproduciert, z. B. in der von dem gelehrten französischen Kosnio- 
graphen Or. Finaeus besorgten Ausgabe, Basel lf>35. -) Eine kolorierte band 
schriftliche Kopie unserer Karte findet sich in einem Kollektionen-Buche des 
Nürnberger Kosmographen Job. Schöner, im Besitze der k. Hof-Bibliothek in 
Wien. *) Schöner weicht nur in der Orthographie einzelner Namen von seiner 
Vorlage ab; die fälschliche Bezeichnung beider großen Antillen-Inseln mit 
demselben Namen n Isabelln u auf der Karte von lölö hat er dahin berichtiget, 
dass er die östliche ,Snagnola tf benante. Der nördliche Teil des amerikanischen 
Festlandes heilit auch bei ihm „Zoana inela. U4 l Auf seinem Globus von 1520 
aber nannte Schöner dieses Festland .Terra de Cuba.**) Dieselbe Bezeich- 
nung begegnet uns auch uoeh später auf der Weltkarte, welche Seb. Münster 
für die bekannte Sammlung von Reiseberichten «Novus Orbis* von S. (Jrvnaeus 
(Basel 15'52) entwarf. So hartnäckig erhielt sich der verhängnisvolle Irrtum des 
großen genuesischen Entdeckers in den Vorstellungen nachfolgender Geographen. 



Das prähistorische europäische Ren und die Namen des jetzigen. 

Von Dr. Langkatel. 

Eiue Umschau in den das nördliche Eismeer umgrenzenden Ländern zeigt 
uns, wie eng die Existenz des Menschen in manchen Gegenden geknüpft ist 
an die des Ren, sei es im wilden Zustande oder als eines Haustieres. Von 
dem halbverdauten Inhalt seines Magens an und den harten Knochen des Beines, 
dessen Poren unter der Lüne so klein und eng gestellt sind, dass seine Dich- 
tigkeit und Festigkeit, gerade in dieser Anordnung der Knocheninasse begründet, 
durch mühsame Bearbeitung der Knochensplitter treffliche Bolzen, Pfeile und 
Nadeln schafft, sind alle Teile dieses cireuinpolaren Tieres dem Menschen 
von größter Wichtigkeit. 

Wenn wir uns das Bild Europas vergegenwärtigen, wie es uns aus der 
Tertiärzeit jüngst Ziegler (Ein geogr. Text zur geolog. Karte der Erde) in 
seinem Atlas, und während der Eiszeiten Habenicht in Peterm. Mitth. 187H, 
Tafel (> (vgl. 1876, Taf. ö) geben, so werden uns die Veranlassungen nicht 
allein für die verschiedenen Abänderungen des jetzt in der polaren und subpolaren 
Zone verbreiteten Rens, sondern auch für das allmähliche Verschwinden desselben 
aus den centralen Teilen Europas klarer vor die Augen treten. Die nachfolgenden 
Zeilen beabsichtigen, die weithin zerstreute neuen.' Literatur über die haupt- 
sächlichsten Fundorte des prähistorischen Ren, geordnet nach den einzelnen 
Ländern, zusammenzustellen, jedoch mit fast völligem Ausschluss der allgemein 

•) Auf der obeu besprocheneu Karte Stobim-zas von löl'J dagegen steht der Nanu- Isabella 
auf dem nördlichen Kontinente, während Cuba unbenamit bleibt. Der Name, Isahelln wurde übrigens 
von Chr. Columbus einer der Knhama-luselu gegeben. 

*■> Cf. H. Harrisse. Hibliotheca Americ.uia Vet. p. :141. 

») Miscellau. Cod. Nr. aöO'i. 

*) Dass diese hau<lsehriftliehe Karte wirklich nur eine Kopie der Weltkarte der Maryarita 
philosophica von 1:">lf> ist, beweist n. a. die Kiutragung, welche nicli auf ihr am westlichen Knude 
unter dem •*(). Grad n. Hr. findet: „isle est t>9 in impressione." Ohne Zweifel enthält diese Notiz 
eiuen Hinweis auf die gedruckte Vorlage: sie bezieht sich wahrscheinlich nur darauf, da«s der 
Windname „Foncns. - welchen Schöner wegen Kaummangcls im Iniieni <ler Karte anbrachte, auf 
dem Originale außerhalb der westlichen Kartengrcnze »tcht. 

s } .loh. Schöner hat auf seinem frühesten Globus vom .1. l. r >l.'i das uordatnerikauisehe Fest- 
land „Parias- genannt, welchen Namen er dann auf «lern Globus von 1.VJ0 nach dem südamerikanischen 
Konüuent verlegte. Ks ist nicht unwahrscheinlich, dass Schöner r.u beiden Namensänderungen durch 
die vou ihm inzw ischen kennen gelernte uud Kopierte Weltkarte der Margarita philosophica von 
lMf» veranlasst worden ist. Vergl. die Abbildungen bei F. W. Ghillauy: ^Gesell, d. Seefahrers 
Kitter Martin Hehaim,- Nürnberg IST»!, und Fr. Wieser: „Magalhaes-Straße u. Austral-Contiueut 
auf den Globen des Job. Schöner," Innsbruck 1SS1, Tafel I. und II. — 



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Das prähistorische europäische Ken uu«l die Naineu des jetzigen. 



7 

* 



bekannten Werke und größeren Abhandlungen von Lyell, Gervais, Lartet, 
Nilsson, Heer, Rütimeyer, Rob. Hartinann, Brandt, Struck mann u. a. 

Spanien. Frankreich. Belgien.') 

In Spanien ist das Ren noch nicht nachgewiesen worden; die quaternare 
Fauna von Gibraltar besatt es nicht (Corresp. 1873, 75; Tchihatchef, Spanien, 
Algier, Tunis 21). 

In Frankreich lebte dies Tier in der nach ihm benannten Periode, war 
ein Zeitgenosse des Löwen und wurde wie das Wildpferd von den Höhlenfranzosen 
gejagt (Zeitschr. Gesch. Erdk. I., 360; Arch. VII., 64. 135: Peschel, enrop. Staaten- 
kunde I., 80, Völkerkunde 39; Behin I., 465). Vom Ren wurden Reste gefunden 
bei Toulouse (Arch. V., 366) und in den Knochenbreccien der Pyrenäen (I)esor, 
Pfahlbauten des Neuenburger Sees 130: Arch. IV., 365). Die Angabe, dass es 
in diesem Scheidegebirge noch im 14. Jahrhundert gelebt habe (Arch. II. 48, 126: 
Mitth. des Ver. für Erdk. in Leipzig 1880, 5; Petcrm. 1867, 202: Caru. Gesch. 
der Zool., 182) beruht auf unrichtiger Interpretation einer Stelle im Miroir 
Gastons III., (Zeitschr. Ethn. IL, 229). Renreste fanden sich in der Caverne de 
Bize (Arch. IL, 117), in Höhlen der nördlichen Dauphinee, bei Lyon (Arch. V., 361). 
Bei Solutre müssen den erhaltenen Resten zufolge sehr viele gelebt haben (Arch. 
V., 363; Ausland 1873, 276); spärlich sind sie in den alten Begräbnisstätten im 
Perigord, in den Höhlen von Chaffaud (Vienno), in der Umgegend von Alice, 
bei Mont Dole, bei St. Malo, im Mayenne-Departement, in der quaternären Fauna 
von Paris (Arch. V., 365 ; 6. Versamral. d. deut Ges. f. Anthr. 1875, 66; 
Arch. IX., 121 ; V., 340). Gervais* Annahme, dass das Ren als Haustier 
mit nordischen Völkern (Lappen, Finnen) bis nach Sudfrankreich gekommen 
sein möchte, ist schon deshalb unstatthaft, weil das zahme Ren nicht ohne den 
Hund gedacht werden kann, von einem Wachthunde dort und aus jener Zeit 
aber jede Spur fehlt. 

Über Renfunde in Belgien berichten Zeitschr. Ges. Erdk. L, 360; Arch. V., 
71: VII., 135; Xavier de Reul, Tage de la pierre. 

Grottbritannien. 

Als diese Insel noch mit dem Festlande zusammenhieng, wanderte dorthin 
mit dem Moschusochsen, Mammut, Rhinoceros tichorhinus, dem Löwen u. a. auch 
das Ren (Arch. V., 356; VII., 135). Man begegnet ihm in pleistocänen Ab- 
lagerungen bei Windyknoll, Tenbv (Pembrokeshire), in der Ziegelerde des 
Wilevthales bei Salisbury, in Höhlen der Gower Halbinsel (Südwales), bei 
Folkestone (Arch. XL, 121, 131: Behm I. 465; VI., 431: Lyell, Alter des 
Menschengeschlechts 115; Falconer, Palaeont. Meinoirs IL, 525, 568, 411). In 
Schottland, wo Elenreste seltner, aber doch häutiger als die des Ren sind (Beitr. 
zur Kenntn. des russ. Reiches VI., 1883, 203), soll es noch bis zum 12. Jahr- 
hunderte sich erhalten haben (Arch. IL, 126;Peterm. 1867, 202: Zeitsch. Geogr. 
III., 180). In England war es schon zur Rönierzeit verschwunden (Arch. IL, 374). 

I tal i cn. 

Die Wege, welche das Ren nach dieser Halbinsel einschlug (Arch. VII., 64: 
Zeitschr. Ethn. IV., 100), mögen zum Teil wol dieselben gewesen sein wie die, 
auf welchen das Elen nach den neuen Forschungen Köppens dorthin gelangte. 
Sie würden auch das Vorkommen des Ren in der Knochenbreccie des Libanon 
erklären (Arch. VII., 64; Behm IL, 240; Ausland 1872, 1075). 

Schweiz. 

Aus der Schweiz ist das Ren nach und nach mit dem Abnehmen des 
Eises verschwunden; in den dortigen Pfahlbauten, wohin sich nicht aus Angst 

') Die Abkürzungen für die wiederholt citierten Zeitschriften sind folgende: CorrAtpotidenshlntt 
der deutschen Gesellschaft ftlr Anthropologe. Zeitgehritt der {rVsellschaft für AVrfkunde. ,4reAiv für 
Anthropologie. Behm, geograph. Jahrbuch. Petermanns Mittheilungen. Petermann, KrgKusungshefte. 
Zeitschr. fflr wissenschaftliche Geogr. Zeitschr. für irtAwologie. 



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8 Das prähistorische europäische Ken um! die Naiueu des jetzigen. 

vor wilden Tieren die Menschen flüchteten, „um bei Zahnweh und Gicht 
Weltgeschichte zu machen- (Scheffel), linden sich keine Spuren mehr von ihm 
(Zeitschr. Kthn. IV., 100: Corresp. 1872, 31; 1874, 79; Zeitschr. Geogr. III., 170;. 
Renreste lau den sich im Kesslerloch bei Thayingen (Schaffhausen), in der Knoehen- 
lagerstätte von Pahren im Reuss. Oberlande, wo mit ihm und dein Mammut 
und Auerochs der Mensch zusammen lebte, und bei Renken im Kanton Zürich 
(Fraas in Deutsche Revue IV., 333: Arch. IV., 154 ; Heer, Urwelt der Schwei/. 512 : 
Ausland 1800, 1080). Ob die in den Höhlen von Sale.ve und Villeneuve am 
Genfer-See gefundenen Reste dem wilden oder gezähmten Tiere angehörten, 
darilber war man längere Zeit in Ungewissheit (Arch. VI., 01). Bildliche Dar- 
stellungen auf Knochen und Geweihstucken erhielt man in Schaffhausen (Zeitschr. 
Ges. Erd. I., 300; Ausland 1878, 75; Zeitschr. Ethno. VI., [77]; Corresp. 1874, 93. 
Arch. VIII., 128). 

Deutschland. Böhmen. Polen. 

In Deutschland ergaben die Untersuchungen von Fraas bei Sehussenried 
zwischen Fried richshafen und Ulm, dass unter dem Torf im Grus* sich Reste 
einer Kulturschicht befinden mit Knochen des Ren und Feuersteingerateii. 
Die armseligen, schwäbischen Vorahuen jagten dasselbe (Kjcrulf, Eiszeit 2* : 
Kinkeliu, Eiszeit 54; Arch. II., 33. Zeitschr. Ethn. XV., |275|). Es gehört zur 
quaternären Fauna des Donauthales, Langenbrunn bei Sigmaringen (Arch. IX., 
85, 135): vom Jagdtiero stammen die Reste in der Höhle Hohlefels im schwäbischeu 
Achtthale, wo auch Knochen vom Bos moschatus sich fanden (Arch. V., 132), 
aus seinen Knochensplittern wurden Bolzen, Pfeile, Nadeln verfertigt (a. a. O. 190), 
in einor menschlichen Niederlassung aus der Rcnzcit im Löss des Rheinthaies 
bei Munzingen unweit Freiburg (Arch. IL, 89) und auf dein Lavafelde bei 
Andernach unter der Bimsteiuschicht neben Thongefäßen (Bericht der Köln. 
Zeitung in den Hamburger Nachrichten vom 31. 0. 1883; Ausland 1883, 783). 
In der Räuberhöhle am Schelmengraben (bayr. Oberpfalz) zeigen sich nur 
wenige Renreste (Arch. V., 335). Sudlich von München fand man dessen Spuren 
in einer Torfschicht (Nöggerath, der Torf 19; Petermann Nr. 70, 02). Ob «las 
Tier auch in den Pfahlbauten am Starnberger-See vorkommt, blieb unentschieden 
im Arch. VIII., 27. Hauptjagdtier war es in Westfalen (Aich. IL, 114; Zeitschr. 
Ethn. IV., [192]; Hosius, Beitr. z. Kenntn. der diluv. u. alluv. Bildungen der 
Ebene von Münster 25). Ob man sieh unter Casars bos cervi figura das Ren 
oder einen andern Geweihträger zu denken habe, darüber giengen die Ansichten 
von Cuviers hist. des sc nat. L, 218, 338 an sehr auseinander (Arch. IL, 4*, 
114, 120; Peschel, europ. Staatenknnde L, 84: Zeitschr. Geogr III., 180; Nehring 
in Illustr. Zeitschr. f. Länder- u. Völkerkunde 1878, Nr. 0. u. 7). Die durch 
Alfr. Neh rings gründliche Forschungen bei Thiele und Westeregeln aufgedeckte 
ouaternäre Fauna zeigt besonders in den tiefsten Etagen Reste des Ren (Arch. 
IX., 1; X., 301: Zeitschr. Ethn. XIV., |173J). Im Dünimer-See in Hannover 
wurde ein Rengeweih gefunden, andere Reste bei Oschersleben (Zeitschr. Ethn. 
X1IL, |02]; VIII., [2081, 1284], [285]; IV., I252| : Zeitschr. Geogr. III., ISO). 
In der Lindenthaler Höhle bei Gera (Arch. IX., 158, Zeitschr. Ethn. IV., |127|). 
In Schleswig-Holstein traf man auf Renspuren im Bodkamper-See; man fand 
in der Nähe des Ellerbecker Moorschädels bei Kiel «las Stück einer Renstange 
(Corresp. 1873, 35: Arch. IL, 113; VII., 04: Handelmann und Pansch, Moor- 
leichentunde 30). Die Renknochen «ler Mecklenburger Torfmoore sind älter als 
die in den dortigen Pfahlbauten, aber jünger als die Mammutknochen ent- 
haltenden Schichten (Arch. IL, 113; VII., 04; Zeitschr. Ethn. IL, 101, 102: 
V, [1911; IV., [270 1). Östlich vou hier fand man «inzelne Skeletteile bei 
Greifswald, ein Horn bei Cöslin (Zeitschr. Ethn. IV., [43]. [107], [2(K»|), aber 
nach einer Äußerung Virehows nur einmal «rin Skelet, dessen Tier sich als 
Zeitgenosse des Menschen «-rwies (Arch. IX., 135; Schriften der phys.-ökon. 
Ges. zu Königsberg 1870, 9) in der Provinz Preußen. Alle Reste vom Ren in 
Holstein, Mecklenburg, Pommern und Preußen fan«len sich bisher nur im Torf, 
Moor o«ler in Wiesenmergelbildungen (Arch. VIL, (U. Zeitschr. Ethn. VII., [87]). 
Im Spaudauer Pfahlbau fehlt es (Zeitschr. Ethn. XIV., [381]). 



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Du» prähistorische europäische Ken und die Namen des jetzigen. 



Über die Funde vom Ren in der Umgegend von Prag, in quaternilren 
Bildungen im Panonska- und Scharka-Thal berichtet das „Ausland" 1882, 520, 
über die in der Sehipka- und Vypustok-Ilöhlc in Mähren Zeitschr. Ethn, XIV., 
277: Berliner Vossiseho Zeitung vom 10. 7. 1875); Arch. XII., 144: Uber die 
bei Krakau Zeitsch. Ethn. V., li>3. 

Im Zarreich Polen waren bis gegen das Ende der 60ger .Jahre sichere 
Beweise für da* Vorkommen des Ren nicht vorhanden ^Peterm. 1867, 202), erst 
das nächste Decennium lieferte sie (Zeitschr. Ethn. VIII., 88; Beiblatt zum 
Corresp. 1873, 37). 

Die asiatische Heimat des Ren ist bisher nicht angefochten worden, aber 
Uber die Zeit, wann es nach dem centralen Europa gelangte, sind die Meinungen 
sehr geteilt. Nach Arch. V., 343 z. B., erscheinen erst mit dem Zurückweichen 
der Gletscher Mensch und Ren; nach v. Heuglin (Reise nach dem Polarmeer 
III., 351) lebte schon zur Eiszeit Ren und Eisfuchs im mittleren Europa, damals 
wie jetzt soll ihr Verbreitungsbezirk zusammengefallen sein. In der Ronepoehe, 
so steht Arch. I., 32, finden sich Cervus elaphus, C. pyrenaicus, Reh und Ken 
zusammen mit Gemse und Steinbock, und die letzten drei deuten eine kältere 
Temperatur der Ebene und ein Vorrücken der Gletscher an. Allmählich zog sich 
«las Ken aus den westlichen und südlichen Teilen (Peterm. 1X72, 221) nach der 
norddeutschen Ebene zurück (Zeitschr. Geogr. III., 170). 

Dänemark. »Skandinavien. 

In den dänischen Küchenabfällen wurden keine Knoehenreste des Ren ge- 
funden (Arch. V., 321 ; VII., 64) ; schon vor 4000 Jahren sei es nicht mehr in 
Dänemark gewesen (v. Middendorf?, Reise, IV., 2, 836). Als Schweden noch 
landfest mit der norddeutschen Ebene war und ungehinderten Zuzug aus den 
wärmeren Regionen darbot, kamen mit dem Menschen der Ur, Bison, Bos fron- 
tosus, Höhlenbär, Biber und Ren dorthin (Arch. V., 320, 221 ; Peterm. 1870, 374). 
Fossil wurde es noch nicht gefunden zwischen Lappland und Schonen, aber in 
den Mooren Schönens und in den KüehcuabfoUeu Norwegens (Arch. VII., 64 : 
Nilsson, Steinalter 183; Corresp. 1874, 6). Auf den skandinavischen Felsbildern, 
llällristningar, die vielleicht aus der Bronzezeit stammen, sind zwei Ren dargestellt 
(Hamburger Nachrichten 20. 12. 18X3); Pferd und Ken waren einheimisch bei 
den alten Finnen, bevor germanische Stämme Skandinavien eroberten (Midden- 
dorf?; Reise, II., 2, 1341). 

Russland. 

Im östlichen Europa wurden mit Menschenschädeln auch Reste des Ren 
gefunden, das aber bei der Urbevölkerung des ostbaltischen Landes noch nicht 
Haustier war (Ausland 1XX0, 880; Arch. X., 313; Russische Revue XII., WO: 
Middendorf?; Reise, IV., 2, 836). Bei Dorf Kunda, in der Nähe des finnischen 
Meerbusens, lebte es zur Zeit der Mergclbildung (Ausland 1883, 179), in Süd- 
lievlaud wurde es bisher nur einmal fossil gefunden (Arch. VII., 64). Dio Knochen- 
stätten der alten Tschuden enthalten Reste von ihm (Arch. III., 365: XII., 204), 
ebenso die alten Ansiedlungen in den Gouvernements Perm und Orenburg 
(Kussische Revue XL, 80), im Kreise Stawropol an der Wolga (Arch. VII., 63, 64). 
Die alten Griechen hatten nur eine sagenhafte Kunde von dem mit dem Elen 
als tstyav&o; zusammengeworfenen Ren als Bewohner des Landes der Budinen 
und Skythen (Peterm. 1867, 202; Arch. V., 126: Ausl. 1883, 704). Nach Pallas 
soll noch im vorigen Jahrhunderte das Ren bis zum Kaspischen Meere vorgekommen 
sein, aber die fortgesetzte Ausrottung der Wälder beschränkt mehr und mehr seine 
Verbreitung nach Süden (Arch. III., 340). Das sporadisch im nordöstlichen Teile 
des Gouvernements Nowgorod auftretende Ren ist eine Erscheinung der Neuzeit, 
denn anders hätte es sich wol besser in der Erinnerung der Esten erhalten 
(Arch. VII., 65: Zeitschr. f. allg. Erdk. N. F. V1IL, 3X1). Sowol von Osten nach 
Westen als auch von Süden nach Norden hat sich das Ren verbreitet. In dem 
Ren von Schonen werden wir eine südliche, in dem von Spitzbergen und dem 
Tschuktschen Lande eine nördliche Varietät des Urrens erkennen (Arch. VII., 64). 
Mit geringem Erfolge hat man in der Gegenwart versucht, diese Tiere in der 



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10 Das prähistorisch« curupäUchc Ken um! die Nnmon de* jetzigen. 

Schweiz, im obern Engadin, zu akklimatisieren (Zeitschr. Ethn. IV.. 100: Verhandl. 
der Zool. Bot. Ges. Wien 1868, 234). Humbold t's Bemerkung (Üentralasien l. r 
214, 215, 224) Uber das Begegnen nordischer Tiere mit tropischen im Altai war 
vor einem halben Jahrhunderte eine wichtige; desgleichen Erman's (Reise um die 
Welt II., 02; Archiv f. Kunde Russl. XXI., 347); da wir jetzt aber genauer 
über die Verbreitung mancher Tiere unterrichtet sind, sind ähnliche (H. v. Schlag- 
intweit, Reisen, IV., 197; Zeitschr. Ethn. V. (94): Zeitschr. f. allg. Erdk. 1., 
97 u. n.) hinfällig. 

Namen des Ren. 

H y p e r b o r ii e r. 

Jukagiren: Die allgemeine Bezeichnung ist: onil; irongkoutscha (fem.): aca, atsche 
(das zahme), jagadaca (das jakutische): tolow (wild) (Bulletin de l'Acad. 
Imp. des sc. de St. Petersbourg XVI., 377, 376, 375, 384). 

Tschuktschen: kerang (Nordenskiöld, Umseglung Asiens I., 448), köran (das zahme), 
<kll' udlu (wild), t§eäro (Renochs) (Die wiss. Ergeh, der Vega-Exped. T., 2üS), 
haranja, yoranja, köron (Ausland 1883, 560), koranga (an der Lorenz- und , 
Plower-Bay), korang (an der Plower-Bay) ; mit diesen beiden Namen werden 
die zahmen bezeichnet, die wilden dagegen heißen an der Lorenz- und 
Plower-Bay edlüdlu (Deutsche Geogr. Blätter VI., 266). 

Korjaken, genannt nach kora, Ren, bezeichnen das? noch nicht eingespannte« Tier 
mit dem Namen: uemkai (Müller, allg. Ethnographie 190: Krascheninnikow, 
Beschr. des Landes Kamtschatka 208). 

Kamt«chatka: aeruaehm. hei Jelowkaern: ruein, bei Sedankaem: gutbe (wild), 
kosch (zahm) (Erman, Reise um die Erde III., 428). 

Grönländer: tukto (allg.), pangnek (mas), kollauak (fem.) (Hall, Life with tbe 
Eskimaux. London 1865, 157: Peterm. Mitth. 1869, 464). 

Eskimo; bei den Nctehillik-Eskimo : tuktuk (Klutschak, als Eskimo unter den 
Eskimo 136): Labrador Eskimo: tuktu, tuktut (Richardson, aretie scarchiug 
exped. IL, 377); das zahme heißt bei den Eskimo an der Plower-Bay: 
koinga, das wilde daselbst: tunktu (Deutsche Geogr. Blätter VI., 266). 

Tschnagmuten ; tuntuk. 

Kuskwogmuten und Kwich-Pak: tuntut. 

Kodjaken: tundu (Vgl. Denkschriften der k. mss. geogr. Ges. Weimar L, 357). 

Amerikaner. 

Inkiliten: tuak (Denkschr. der k. russ. geogr. Ges. zu St. Petersburg I., 357). 
Go-Yukon: anoyer (Whymper, Territory of Alaska 319). 

Kotch-A-Kutchin: vut-zaih (daselbst), bat-zey-tcho (mas), bet-zey (Richardson, 

aretie searching exped. I., 379). 
Hundsrippen- Indianer: oet-sich-tcho (mas), bedsu (mas), bedsu-tsi (fem.), ot-thun 

(ebenda I., 379; IL, 51, 382). 
Chippeways: adik, bedzi, et-thin (ebenda IL, 51, 382). 

(■reo: athik, atik, atekh (ebenda. Weil bei Chippeways und Cree nächst dem 
Ren eine Corcgonus sp. von größter Bedeutung für sie ist, erhielt sie den 
Namen: atih-hameg, d. h. Ren der Gewässer). 

Mauvais Monde: woi-su-tchu (mas), wod-su-mon-bed-sai (fem.), it-than (ebenda). 

Kuskutchewak : tuntu (ebenda IL, 377). 

Mongolen. 

Samojeden. Jurak-Samojedcn: Ate, äti; mar (mas) klingt an an unser „Mähre" 
und an das mong.-tungus. : morin, morje (Pferd) (Schriften der Berl. Akad. 1871, 
hist. Abth. Schott, altaische Studien 6); h*ra (mas), Jenissei-Samnjeden : ker'e, 
her'e (Ujfalvy, ExpeM. scient. franijaise en Russie III., 98); tür (Rae, White 
Sea Peninsula 328): horie, kora (Ausland 18S3, 560). 

Sojoten: d sarin (mas), zagan (fem.), iudsagän (juv.) (Radele, Reisen in Ostsibirien 
L, 286). 

Karagassen: ibüi (Ren allg.), dshara (mas), ingen (fem.) (Zeitschr. f. allg. Erdk. 
N. F. VIII., 401). 



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Das prähiaturische europiifaclio Ken und die Naimu des jeUigen. 1 1 

Ostjaken: wuili (Erman, Reise um die Erde 1., 658). 
Wogulen: kunna (daselbst L, 386), kuntul, oma. 
formier : kur. 

Magyaren: kuilin (daselbst 1., (558). 
Tscheremissen: putsche. 

Svrjäuen: kör (Ujfalvy a. a. O.), kör (mas) (Ausland IS*}, 5(>0). 
Wotjnken : putsche. 

Finnen: petra (Bulletin de l'Acad. Imp. des sc. de St. Pdtersbourg XVI., 385). 

Ksthen: pöhja, pödr (so eigentlich das Elen genannt), bei Dorpat und im Kreise 
Wierland: toüras, tobras (gleich lit: touras; im Sanscr. ist sthuras eine aus- 
gestorbene Rinderart, deren Erinnerung sich erhielt in den Volkssagen der 
Esthen im wilden Mets Saerg (Waldochs) (Arch. f. Anthr. VII., 65"). 

Lappen: arres patso (mas), ninkeles pätso (fem.), mese (Kalb), orrek (Stier 
über 2 Jahre), wuopperes (üb. 3 .].), hcrke (der kastrierte), kattotes (üb. 4 .1.), 
koretes, koretus (üb. 5 J.), makanes, makenes (üb. 6 .1.), namma lapejc (üb. 
7 .L), peurek (wild), kris (das neugeborne), nolpo (d. geweihlose), skippa 
(fem.), ratno (die nicht trächtige) (Bastian, sprachvergl. Studien 232 : vgl. 
Pott, etym. Forsch. II., 1, 1861, 132); lapp.-rinn. raingo (Dietz, etym. 
Wörterb. 264): putz (Aubel, Reise nach Lappland 87): russ.-lapp. pwads 
(Rae, White Sea Peninsula 328); patsoj (Ausland 1873, 560), sarvis (Stamm- 
tier), hergje (kastriertes), aldo (erwachsenes fem.), rodno (unfruchtbares fem.), 
steinak (mas) (Ausland 1872, 303). 

Baschkiren: joscha. 

Tunguseu: oron, oro (bes. da« zahme) bei den T. des Amur-Landes und auch 
Sibiriens (v. Schrenck, Reisen und Forsch, im Amur-Lande I., 132: Erman, 
Reise um die ErdellL, 55); Zeitschr. f. Ethn. V., [134J ; Ausland 1883, 560): 
nach oron sind die Orontschonen benannt (Hiekisch, die Tungusen 41 : Zeitschr. 
f. allg. Erdk. N. F. IV., 508); biki (mas), waschenki (fem.) (Pallas, Neueste 
Nord. Beitr. III., 181; Bulitschef, Reise in Ostsibirien I., 89): sagau. 

Mandschu: oron buchfi (Erman III., 59). 

Jaküten: taba (Erman II., 283). 

Burjaten. In seinen altaischen Studien S. 6 (Schrift, der Berl. Akad. 1871) sagt 
Schott: „Die Renkuh heißt ölök Seng, was bei don Ostmongolen allgemein 
Fleiehfresser bezeichnet." Diese auffallende Benennung lässt sich vielleicht 
erklären wie die des chinesischen Hasen als yeh-mao, „wilde Katze" (Mitth. 
der deutsch. Ges. f. Natur- und Völkerkunde Ostasiens, März 1876, S. 12), 
oder dadurch, dass manche Stämme, wie z. B. die Tschuktschen, die Ron 
auch mit Fischen und Seetieren ftitteru (Krascheniunikow, Beschr. des Landes 
Kamtschatka 276). Im letzteren Falle würde mit ölök Seng vidi, die zahme 
Renkuh bezeichnet: sagau, oron. 

Sarmaten : TJtf»avoo; (wahrscheinlich für Ren und Elen) : das Wort sieht aus wie 
eine Umformung von mordwin.: taradaw, ästig gegabelt (Ausland 1883, 704). 

Baskischer Stamm. 
In der Ostr. Gymn. Zeitschr. 1875, 524 hatte Thomaschek geäußert: Wenn 
wir german. hranja-s aus kranja, altnord. hreinn, angels. hran, als Lehnwort aus 
der Sprache jener vorarischen Brachyeephalen, welche in Höhlen hausten und das 
Ren zu jagen um! zu zähmen verstanden, hinnehmen, so dürfen wir aus den 
sibirischen Sprachen in Vergleich ziehen tschuktsch.: häranja, /öranga, köron (Ren), 
samoj.: hörie, kora, syrj.: kör und das im Anlaut abgeschliffene tungus. : oron: auch 
das haskische oren könnte trotz der veränderten Bedeutung solches Lehnwort sein. 
Das .Ausland" 1883, 560, halt solche Vermutungen für solche höchst zweifel- 
hafter Natur. Phillips meint: Die Iberer lernten auf dem Zuge nach dem Norden 
den schwarzen Monat und das Ren kennen (Sitzungsberichte der Wiener Akad. 1872; 
hist.-phil. Klasse S. 537). 

L e 1 1 o - s l a v i s c h e F a m|i 1 i e. 

Litauer: touras. 

Russen: olen, oleni (Pallas, Nord. Beitr. IL, 334; Zeitschr. für Ethn. 1880, S. [76J> 



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12 Das Quellgebiot der lllor und ihr Lauf bis Imroenstadt. 

Ölen bedeutet nach v. Baer und v. Helineraen, Beitr. z. Kenntn. des russ. 
Reiches VII., 153 in Nordrussland das Ren, im südlichen Teile dagegen 
den Hirsch. Ein ähnliches Fluktuieren der Bedeutung begegnet uns in dem 
Worte saiga, das im europ. Russland die Antilope, in Centraisibirien den 
Cervus pygargus, in Ostsibirien das Moschustier bezeichnet. Auch in andern 
Sprachen werden mit den Wörtern: Reh, Hirsch öfter die Ren bezeichnet. 
Martens (spitzbergische und grönländische Reisebeschreibung 1G75) nennt 
sie auf S. 72 Rehe, desgleichen Sauer (Reise nach den nördl. Gegenden des 
russ. Asiens) auf den S. 27, 5)7, 111, und Andersen (Nachrichten von Island 
174(5) bezeichnet sie S. 170 als Hirsche. Alte chinesische Berichte nennen die 
Ren der Tsehuktschen auch Hirsche (Zeitschr. f. all. Geogr. N. F. XVI., 
309; vgl. Leland, Fusang 10). 

Polen: jele*n zamorski, reineset. 

Letten; seemela breedis. 

1 talische Familie. 

Italienisch: rangifero. 
Spanisch : rangifero. 

Französisch: ranger, rangier, renne (Vgl. Diez, etyni. Wörterb. 2»>-l). 

G e r in a n i s c h e F a in i I i e. 

Altnordisch: hreinn, ren (Ausland 1H83, 560: Diez 204. Da» in Andersen, Nach- 
richten von Island 287 angegebene „isländische tuktu u ist Lehnwort aus 
dem grönländischen). 

Schwedisch: rehn, renhjort (mas), renko (fem.) (Ausland 1873. ölil); Zeitsuhr. 
f. Ethn. IV., 100). 

Angelsächsisch: hran und germanisch: hranja aus kranja (Ausland 1*83, 5ß0). 

Niederländisch: reynger (Diez 2<>4). 

Norwegisch: ren, reusdur, hreindyr, graadyr, halsbuk. 

Gegen die Zusammenstellung von Ren und reinlich (IVterm. 1HC»2, 145) 
äußerte sich C. F. Fritsch (Peterm. 18G3, 345). Fraas schreibt (Aich. V., l!H>) : 
Auffallend ist, dass die deutsche Sprache kein Wort für das Ren hat. Wir 
glauben, dass der Name Rind ahd. dasselbe bezeichnet. Schwed. ren, dan. rensdyr, 
engl, reindeer, isländ. hreindyr ist offenbar ahd. hrind (angels. hrither) plur. 
rhindir. Mit dem Namen hrind wurde die Silbe ur zu Urrind verbunden (»ach 
Nilsson Ur = Wald), was also Waldrind bedeutet. Später im 7. und 8. Jahr- 
hunderte war das Ren, das im Verhältnis zu Ochs und Hirsch viel zartere 
Tier, dem Bogen der Einwohner schon erlegen. Man übertrug den Namen 
dann auf das Rind, ähnlich wie die Bezeichnung des Feuersteins auf das Schieß- 
gewehr (Flint — Flinte). 



Das Quellyebiet der liier und ihr Lauf bi* Iininensiadl. 

Von Theodor Hüdenbrand. 

1. Allgemeine Übersicht. Name. Verhältnis zu deu Übrigen Flilsscu <!er Hochebene. Abschnitte 
de« Flusslaufe*. Ausdehnung «los Gebiete» im Gebirge. Verschiedene Ansichten über die Lage «ler 
eigentlichen Illerquelle. Verlauf iler Wasserscheide. Gecignustische uml .»rogriiphischc Übersicht. 

Quellentemperaturcu. 

Die Iiier ist der westlichste Zutiuss, den die Donau aus den Alpen erhält. 
Sie wird unter dem Namen Iiilara erst im frühereu Mittelalter urkundlich 
erwähnt 1 ), obwol sie wahrscheinlich schon den Römern unter diesem Namen 
bekannt war. In Münsters Kosmographie heißt sie -,Yler u , und Merian neunt 
sie in seiner Topographia Sueviae die „IIer u . Diese letztere Sehreibweise findet 
sich fast auf allen mir bekannten älteren Karten Schwabens. Dr. v. Raiser 2 ) 
bezeichnet die Iiier als den „klaren, lustigen Fluss/ eine Ableitung, die nach 

J *i H. Kiepert: Lehrbuch der altct» Geographie, S. :W>7, und Bcchreibuug des Oberarm« 
IHberach, Sluttg. und Tltbuigeu, 18:17, S. 118. 

*) v. Kaiser: Der Ober-Donaukreis nulcr deu Römern; 1. Abt., 8. 8, Anm. Ü. 



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Da» Qi>oIlK«>l>ict der Hier und ihr Lftnf bis tmmenstadt. 



13 



den dortigen Erörterungen wol gar von hilaris hergenommen ist. In der 
„Geschichte des lllerthals" von Eggmaun 1 ) wird die Vermutung ausgesprochen, 
dnss „Iiier" aus „Eilaeh" (allein. Illach) entstanden sei. Jedenfalls ist der 
Name keltischen Ursprungs, wie dies in dem interessanten Aufsatze: „Unsere 
Flussnanieu" von Dr. Buck a ) ausgesprochen ist. „Iiier- wird dort vom Stamme 
al aus der Wurzel ar (eilen) abgeleitet. Der französische Allier, der im frühesten 
Mittelalter Hileris, Helerius hieß, wird in der eben angeführten Abhandlung als 
dasselbe Wort wie Iiier (Hilara) bezeichnet. — 

Überblicken wir den ganzen Lauf der Iiier, dieses verhältnismäßig kleinen 
Gebirgsflusses, so finden wir leicht eine Dreiteilung desselben mit charakte- 
ristischen Unterschieden, nämlich: 1. ihren Lauf im eigentlichen Gebirge (von 
den Quellon bis Immenstadt) ; 2. den Teil ihres Laufes durch das den Alpen 
vorgelagerte Hügelland und die Moränenlandschaft (von Immenstadt bis Ferthöfen); 
und endlich 3. ihren Lauf durch das breite untere Illerthal (von Ferthöfen bis 
zur Mündung bei Ulm). 

Wir wenden im Folgenden dem ersten dieser drei Abschnitte, dem 
Quellgebiete und dem Gebirgslaufe der Iiier, unsere Aufmerksamkeit zu. Die 
111er fasst auf dieser Strecke weitaus den größten Teil der sogenannten „Allgäuer 
Alpen" in ihr Gebiet zusammen, indem ihr Thal diese Gebirgsgruppe in der 
Richtung von Süden nach Norden halbiert und von allen Seiten Nebenthäler 
in sit-h aufnimmt. Die benachbarten Gebiete sind im Westen das der Bregenzer 
Ach, welche in den Bodensee fließt — also das Rheingebiet? im Süden und 
Osten das Gebiet des Lech, zu dein wir natürlich auch das nordöstlich an- 
grenzende Quellgebiet der Wertach rechnen. Die Iiier führt ihren Namen von 
der Vereinigung der drei starken Gebirgsbäche Trettach, Stillach und Breitach 
unterhalb Oberstdorf, welche die Gewässer eines großen Gebietes der südlichen 
Allgäuer Alpen vereinigen und so die junge liier schon bei ihrem Zusamraenfluss 
als ein stattliches Fließwasser erscheinen lassen. Frägt man, welcher der drei 
Bäche als die eigentliche Illerquelle zu betrachten sei, so findet man sehr 
verschiedene Ansichten. 

In mehreren Rüchern fand ich den Widderstein als Platz des Illerursprungs 
angegeben: ex gilt also in diesem Falle die Breitach als Illerquelle. Die beiden 
ältesten, mir bekannten Beschreibungen des Illerlaufos kennen auch ihre 3 Quell- 
bäche, ohne sich für den einen oder anderen zu entscheiden. E9 ist dies die 
Kosmographie Münsters, wo es heißt: „Die Yler ist ein groß Wasser/ 
Fisch- und Flötereich/ vnd entspringt 4 Meil ob Kempten/ oberhalb einem 
Dorff genannt Oberndorft'/ auß einem Berg/ und rinnen darein die drei Wasser/ 
Trettach, Irrach und Breitach/ ob dem Dorff Langenwang/ eine halbe Meil von 
dem Ursprung". — Die drei Quellbäche sind hier allerdings angegeben, aber 
wo der Berg sein soll, an dem die eigentliche Iiier entspringt, und wo das vierte 
Wasser sein soll, in welches sich die 3 Bäche ergießen, ist natürlich rätselhaft. — 

Die andere Beschreibung findet sich in der Topographia Sueviae Merians, 
der sieh auf eine „dcß Ilerstroms und beyderseits vmbliegenden Algöws Beschrei- 
bung" von Christopherus Hurter beruft, von dem ich zwar eine ziemlich 
gute Karte des Allgäu mir verschaffen konnte, dessen Beschreibung der liier sich 
aber leider auch in der Münchener Staatsbibliothek nicht vorfand. 

Es heißt dort (bei Merian, jedoch ausdrücklich als Citat aus Hurter's 
Beschreibung); 

„Die Iler entspringt in dem Tyrolischen Gebürg/ nicht weit vom Lech/ 
an dreyen vnderschiedlichen Orthen/ die kommen bei Oberstorff zusammen/ und 
bekommt alsdann erst den Namen" etc. Also ist ihm die Entstehung der Iiier 
aus drei Quellhächen wol bekannt; seine Beschreibung des Illerursprungs ist 
noch klarer und richtiger als die Münster's. 

.Jedenfalls ist es das Richtigste, alle drei gleichmäßig als Quellbäche 
anzusehen, da ja erst das vereinigte Wasser den Flussnamen erhält, und die 3 
Quellbftche in Richtung und Länge des Laufes, sowie in Wassermasse nur 
unbedeutende Unterschiede zeigen. — 

UvM-h. ,1e* Hl. rtlwiK Ein Heitr. atir Gc*chielite (JUcMchwnl.eu*. Ulm 1«0:J, S. 11. 
l ) Ztitsch. Alein.nuu n, 8. Jahrg. 'i. Ilft,, S. 15G. 



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14 



Dn* Qurllpebiet der Hier und Mir Lauf bis Immomttadf. 



Betrachten wir den Verlauf der \V a a s e r s c h o i d e, so finden wir Folgendes : 
Im Süden und Südosten des Quellgebietes wird die Wasserscheide durch den 
Hauptzug der Allgäuer Alpen (siehe unten) gebildet, welcher nirgends durch 
ein Thal durchbrochen ist, so dass sich auf dieser Strecke der Verlauf sehr 
einfach gestaltet. Im Nordosten, uördlich vom Iseler, dem Endpunkte des Haupt- 
zuges, zieht sich die Wasserscheide Uber das niedrige Vorderjoch, tritt dann 
über das Wertacherhörnl bis zum nordöstlichen Auslaufer des Grünten ziemlich 
nahe an die Iiier selbst heran und verlässt in fast genau nördlicher Richtung 
unser Gebiet, indem sie hier die Rottach von der Wertach scheidet. ■ — 

Viel komplizierter gestaltet sich der Verlauf der Wasserscheide gegen 
Westen, wo die Richtung der Thaler fast allgemein eine westöstliche ist, die 
Abdachung derselben jedoch bald nach der einen, bald nach der anderen Seite 
führt, so dass infolge dessen die Gebiete der Iiier und der Bregenzer Ach 
abwechselnd ineinander übergreifen. — Vom Widderstein zieht sich die Wasser- 
scheide Uber das Vintscherjoch, Starzljoch, quer über den hohen Ifen und die 
Gottesackerwiindc ungefähr in die Mitte des Rohrmooserthales, wo wir (siehe 
unten) im selben Thale doppelte Abdachung treffen, geht dann über den 
Piesenkopf und die Gauchenwände, zieht sich vom östlichen Ausläufer der 
Gauehenwände auf das Riedbergerhorn, wird von hier bis zum Gierenkopf 
durch den Flyschzug gebildet, kreuzt beim Gierenkopf das nördlich gelegene 
Thal und geht auf dem Kamme der Nagelfluhkette wieder gegen Osten bis zum 
Stuiben, von welchem ein Querriegel gegen Norden sich als Seheide zwischen 
Weiliaeh- und Steigbachthal vorschiebt, zieht vom Immenstädter Horn über die 
Eckalpe nach Staufen und wird an der Grenze unseres zu besprechenden 
Gebietes durch die unbedeutende Kalzhofer Höhe, nördlich von Staufen, gebildet. — 

Die größte Breite erreicht somit unser Gebiet bei Immenstadt durch das 
weit nach Westen vorgreifende Thal der Konstanzer Ach, während das Gebiet 
aber auch gerade südlich von Immenstadt seine engste Einschnürung durch das 
Weißachthal von Westen und das Wertachgebiet von Osten erleidet. Am 
wenigsten scharf ausgeprägt ist die Wfisserscheide auf der ganzen Westseite, 
während sie auf der Ost- und Südseite, wie schon erwähnt, ganz entschieden 
durch den Hauptzug gebildet wird, den man, da ia in ihm alle 3 Quellbäche ihren 
Ursprung haben, mit Recht als die „oberen ifleralpen" bezeichnen könnte. 

Infolge der Annäherung der Wasserscheide an der Westseite erhält die obere 
Iiier von dieser Seite außerdem Aubacheund der Konstanzerach nur unbedeutende 
Zuflüsse, während ihr von Osten die ein sehr ausgedehntes Gebiet beherrschende 
Ostrach zukommt. 

Versuchen wir, in Folgendem einen Uberblick der geogn os ti s e h e n und 
orographischen Verhältnisse des Qucllgebietes zu erhalten. Die geogno- 
stische Beschaffenheit des Teiles der Allgäuer Alpen, der unserem Gebiete angehört, 
ist, wie Waltenberger in seiner „Orographie der Allgäuer Alpen" mit Recht 
hervorhebt, von der größten Bedeutung für die orographischen Verhältnisse, für 
die Richtung der einzelnen Züge, für die größere oder geringere Steilheit der 
Abdachung, für den Charakter der Thäler und der Gipfel, so dass auch dem, 
der diese Gebirgsgruppe nur zum Vergnügen bereist, die durch die geognostisehe 
Beschaffenheit bedingten Erscheinungen auffallen müssen. 

Jedem, der diese Gegend durchwandert hat, werden aus ihrem Ost- und 
Sudostteile die kahlen, zerrissenen Felswände mit ihren kühnen, zackigen und 
gezahnten Gipfeln, daneben die steilabfallenden, grünen Berghange mit ihren 
regelmäßigen, scharfen Kanten und Linien, die häufig an künstliche Fortifikationen 
erinnern, weiter gegen Westen die langen Höhenzüge mit weicheren, welligeren 
Formen, meist bis zum Gipfel mit Gras oder selbst mit Wald bewachsen, aus 
ihrem Südwestteile die mauerartigen Terrassen, der Aufbau in gewaltigen Treppen 
bis zum zentralen Gipfel, aus der ganzen westlichen und besonders nordwestlichen 
Hälfte die langgezogenen Ketten mit ziemlich regelmäßig fortlaufenden Kämmen 
ohne auffallende Gipfelformcn als charakteristische Erscheinungen im Gedächtnisse 
sein. Jede dieser vier Erscheinungsformen, die dem nur einigermaßen aufmerk- 
samen Beobachter nicht entgehen können, ist natürlich iu den geoguostisohen 
Verhältnissen der betreffenden Gebirgsgruppe begründet. 



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Das Qnell(ri>l>ict der Hier und ihr Lauf bin ImmenstadL 



15 



Jene riesige Mauer, die mit ihren mannichfachen Verästelungen und Ab- 
zweigungen einen gewaltigen, gegen Nordwest geöffneten Bogen um das iistliche 
Qucllgebiet wie um das südliche spannt, besteht in ihrem überwiegenden Teile 
aus dem Hanptdolomit des Keupers. Beim Widderstein ') tritt der Dolomit in 
das Gebiet der Iiier, der Angererkopf, die Schafalpköpfe, der Griesgundkopf 
bezeichnen die Richtung der sich nach Norden fortsetzenden Dolomitmassen : im 
Osten des Widderstein, jenseits des Rappenalpenthals, ist die gewaltige Gruppe 
der Madelegabel, von der sich der Dolomitrücken des „Himmelschrofenastes," 
wie ihn Waltonberger nennt, nach Norden bis zum Illerthal bei Oberstdorf vor- 
schiebt. Durch einzelne Streifen anderer Formationen, von größerer oder geringerer 
Mächtigkeit unterbrochen (siehe unten), setzen sieb die Dolomitmassen in nord- 
östlicher Richtung in großer Breite fort, reichen auf beiden Seiten der Ostrach 
nördlich bis Hindelang und breiten sich rechts von dem zum Lechgebiete gehörenden 
Thannheimerthal gegen Osten zum Lech hin aus, während sie im Norden im 
allgemeinen ihre Begrenzung durch das Thal der dem Lech zufließenden Vils 
erhalten. — 

Die sich an den Dolomit teils unmittelbar anlehnende, teils auf große Strecken 
zwischen den DolomitzUgen gelagerte, für die Allgäuer Alpen so charakteristische 
Formation ist der Lias- oder „Allgäu u -Schiefer. Während jene kühnen Zacken, jene 
steilen Wände, die wir oben erwähnten und die uns in den Spitzen der Mädele- 
gabel, der Krottenköpfe, des Hochvogel etc. so imponierend entgegentreten, dem 
Dolomit eigen sind, zeigen uns die Rücken des Liasschiefers Jene kantigen, gerad- 
linigen, scharf abdachenden Formen, wie, sie im Linkerskopt, im Wildengundkopf 
(nördl. der Mädelegabel), im Fürschttsser sich unmittelbar an die Dolomitfelsen 
anschließen. — 

Auf der Ostseite des Trettach- oder Spielmannsauerthales schiebt sich ein 
Zugjurassischer Bildungen ein, der hauptsächlich aus Hornstein besteht, 
sich vom Trauchbachthale über Dietersbach, Höfats, Schneeeck, Himmeleck, 
Rothtenne, Giebel ins Berggündelethal fortsetzt und in der wegen ihrer ungeheuren 
Steilheit bekannten Höfatsspitze seinen höchsten Punkt hat. Es gehören hiezu die 
meisten der scharfkantigen Kämme, welche hier beim Zusammentreffen in den 
Thalwinkeln meist mit dem charakteristischen Namen „Eck" (Schneeeck, Himmel- 
eck etc.) bezeichnet werden. Gegen Norden lehnt sich diese Bildung unmittelbar 
an die Daumengruppo an. — 

Nördlich vom VVidderstein ist dem Dolomit unmittelbar Flysch vorgelagert, 
der bis Riczlern die rechte und linke Thalseite des kleinen Walserthales bildet, 
dann in breitem Zuge (Fellhorn, Schlappolt, Seilorkopf, Sellereck) die Scheide 
zwischen Breitach- und Stillach thal darstellt, bei Oberstdorf unter den diluvialen 
und alluvialen Geröllmassen auf die rechte Thalseite sich fortsetzt und hier vom 
Illerthal bis zum Retterschwangthal reicht, nördlich von Hindelang sich fortsetzt 
und in den Pfrontener Bergen endet. Hier linden wir jene weicheren Formen, 
jene vollständig bewachsenen Gipfel, die wir oben als charakteristisch erwähnten. — 

Zwischen Walserthal und Rohrmooserthal lagert sich in gewaltigen Massen 
der Schrattenkalk der Kreide, der uns in den GotteBackerwänden die 
erwähnten gewaltigen Treppen zeigt und im .hohen Ifen" eulminiert. Im Ochsen- 
berge reicht der Schrattenkalk bis zur Schönberger Ach, während das ganze 
große Dreieck zwischen Schönbergerach, Hier, Bolgenach und Aubach aus Flysch 
besteht. — 

Nördlich vom Aubach, d. h. vom Gungesriederthal, beginnen die so merk- 
würdig parallelen Züge der älteren Süßwasser in o lasse, aus tertiärem 
Nagelt) uh bestehend, welche mit ihren Vorbergen bis Kempten reichen, sich 
also ziemlich weit über unser Gebiet hinaus erstrecken. Es fehlen diesen Zügen, 
wie schon erwähnt, ausgeprägte Gipfelformen ; die Kammlinie läuft ziemlich regel- 
mäßig fort und auch die Streichrichtung der ZUge ist von einer geradezu über- 
raschenden Regelmäßigkeit. — 

Was die orographischen Verhältnisse betrifft, so hat wol Walten- 
berger in seiner trefflichen „Orographie der Allg. Alpen" die zweckmäßigste 



Gilml.nl: Gcr.gu. ll«*<-liroitiitng d. h. Alpen. 8. 299—308. 



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16 Dan Qnellgebiet der Hier und ihr Lauf bis tmaicnstadt. 

Gliederung getroffen, der wir uns auch bei unserer Ubersicht im allgemeinen 
anschließen wollen. Auch wir wollen die orographische Betrachtung des Quell- 
gebietes mit dem gewaltigen Uauptzugc beginnen, der, wie schon bemerkt, beim 
Widderstein (2539 w, /) t ) unser Gebiet betritt und in seinem größten Teile aus 
Dolomit besteht. Die in dem Gentscheltobel und den Quellen der Stillach weit 
zurückgreifenden Thalenden des Walser- und Rappenalpenthale» haben tiefe 
Furchen in den Gebirgszug genagt, der den Widderstein gegen Osten mit dem 
Biberkopfo (2603 m f) verbindet, und die Einsenkungen dieses Zuges werden in 
dem Gentschelpass, in dem Weg Uber das Haidenwangjoch, sow ie im Schrofenpass 
häufig begangen. Auf dieser Strecke zeigt der Hauptzug eine westöstliche Richtung, 
während er sich nun gegen Nordosten wendet. 

Die Strecke des Hauptzuges vom Biberkopf bis zu den Krottenköpfen (der 
große Krottenkopf 2655 m f ) bildet den gewaltigsten und massigsten Teil unseres 
Gebietes. Biberkopf, Mädelegabel f2650 "f), Kratzer (2370 "?), Krottenköpfe 
bezeichnen auf dieser Strecke die Richtung des großartigen Gebirgszuges. — 

Von den Krottenköpfen streicht der Hauptzug in noch entschiedener nord- 
östlicher Richtung, bezeichnet durch die Gipfel Kreuzeck (2394 "!'), Rauheck 
(2404 *"/), großen und kleinen Wilden, Fuchskahrspitz bis zum Kastenkopf 
(2135 nimmt von hier eine ausgeprägt nördliche Richtung an und endet 
nordöstlich von Hinterstein im Iseler (1881 Rauhhorn (2245 "*/) und Gaishorn 
(2252 "'') sind die wichtigsten Gipfel auf dieser nach Norden gerichteten Strecke. 

Durch diesen Hauptzug wird, wie wir schon bei Bestimmung der Wasser- 
scheide erwähnten, auf dieser ganzen Strecke das Illergebict vollständig begrenzt; 
kein Thal durchbricht die fortlaufende Bergmasse, wenn auch mehrere, nicht 
unbedeutende Einsenkungen den Übergang in das Lechgebiet vermitteln. — 

Sehr zahlreich sind aber die von dem Hauptzuge ausgehenden Abzweigungen, 
sowol nach dem Lech-, als nach dem Illergebiete. Wir w ollen uns die dem letzteren 
angehörenden wichtigsten Seitenäste betrachten. 

Schon ungefähr in der Mitte zwischen Widderstein und Biberkopf trennt 
sich am Haidenwangkopf (2008 *7) der bedeutende Zweig, der, durch zwei größere 
Thäler selbst wieder verästelt, sich in nordnordöstlicher Richtung zieht und im 
Jauchen westlich von Oberstdorf endet. Er bildet die Scheidewand zwischen 
Stillach- und Breitachthal, besteht in seiner nördlichen Hälfte aus Flysch und 
hat auf dieser Strecke als wichtigste Gipfelpunkte Fellhorn (2033 **y) und Schlanpolt 
(1978 "?). Der südliche Teil dieses Zuges bis zu den Schafalpköpfen (nördlichster 
2320 "'/), von denen sich die Ostseite des Warmatsgundthales mit dem Griesgund- 
kopf (2160 in f) abzweigt, besteht größtenteils aus Dolomit. — 

Von der Gruppe der Mädelegabel zieht sich in ziemlich genau nördlicher 
Richtung der schon erwähnte Himmelschrofenast, der im Himmelschrofen (1780 "'/) 
zum Hauptthale bei Oberstdorf abfällt. Er trennt das Thal der Stillach von dem 
der Trettach. — 

Nicht so einfach sind die Abzweigungen vom Hauptkamme auf der Ostseite 
des Trettachthales. Vier Seitenäste ziehen sich auf der Strecke von den Krotten- 
köpfen bis zum großen Wilden gegen Westen. Der erste trennt sich bei der 
Krottenspitze (mit dem Fürschüsser [2270 */]), der zweite beim Kreuzeck (mit 
dem Kegclkopf [1980 '"/]), der dritte beim Rauheck (mit der Höfatsspitze [2260 "fl 
und dem Riffenkopf [1755 *^]), endlich der vierte beim großen Wilden (Schneeeck 
[2260 *yi, Schochen, Zeiger [1980 «yi, Seeköpfel [1940 '"/J, großer Seekopf 
[2080 m j ). Dazwischen liegen die wilden Hochgebirgsthäler des Sperrbachs, 
Trauchbachs, Dietersbachs und Oybachs, welche säramtlich ihre Gewässer der 
Trettach zusenden. 

Vom Zeiger setzt sich der Kamm gegen Norden fort bis zum Nebelhorn 
(2251 m j) und steht so in Verbindung mit der sich hier anschließenden r Daumen- 
gruppe." Der kurze, gegen das Hauptthal gerichtete Ast mit dem Rubihorn 

') Diese und die folgenden Huhcnangabeii sind teil» direkt den Angaben Waltcnbrrger.i in 
seinem „Führer durch Allgäu* etc. entnommen, teils aus dem Hi.liiiivrnicichniN.Me in (.iiiiibcl's Werk 
in Meter umgerechnet. Dabei wurden, wenn Auswahl war. natürlich die. tri^miotnetr. Melsungen den 
Warum, vurgetogen; bei Vorhaudeuseiu mehrerer baroiu. Messungen wurde aus diesem das Mittel 
genommen und in Meter umgewandelt. 



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Das Qucllptbiot der Hier und ihr Lauf bis ImroensUdt. 



17 



(1965 v f) schließt den Thalkessel des Fall- oder Falterbachs gegen Norden ab, 
wahrend vom Nebelhorn der Kamm mit den Gipfeln Entschenkopf (2040 w j), 
Sonnenkopf (183a "f), Schnippenköpfel (1830 "/} sich nach Norden fortsetzt und 
im Imbergerhorn (1540 "J0 zum Ostrachthal abfallt. -— 

Gegen Norden zweigt sich vom Nebelhorn der eigentliche „Daumenast" ab, 
der als Gipfel den Wengenkopf (2200 m f), den grollen (2281 »!') und den kleinen 
Daumen trägt und sich besonders gegen Osten in mehrere Verästelungen spaltet. 
Dieser große Bogen, der sich, gegen Norden geöffnet, an das Nebelhorn anschließt, 
umgürtet das einsame, wilde Retterschwangthal, ein Seitenthal der Ostrach. 

Aber auch nördlich vom oben erwähnten Schneeeck zweigt sich ein kürzerer 
Seitenast ab mit den Gipfeln Rothtenne und Giebel, welcher die zwei Quellthäler 
der Ostrach, das Oberthalbach- und Berggündclnthal, von einander scheidet. 

Im Norden folgt auf den Hauptzug, als noch zu unserem Gebiete gehörig, 
der Zug bei Hindelang mit dem Rosskopf (1600 *"/ .) und nördlich von diesem, 
durch die Starzlach von ihm getrennt, der Grünten (1741 ™y). 

Wenden wir uns wieder gegen Westen und Südwesten, so finden wir hier 
die Verhältnisse in Bezug auf Abgrenzung unseres Gebietes, wie wir schon bei 
Bestimmung der Wasserscheide zu bemerken Gelegenheit hatten, keineswegs so 
einfach wie beim Hauptzuge. Die Südnordrichtung der Züge fehlt; dieselben 
streichen, je weiter nördlich, umso entschiedener von West nach Ost, so dass der 
Verlauf der Tliäler keineswegs so bestimmt dem einen oder andern Flussgebiet 
zugewiesen ist. 

Es schließt sich nördlich vom Widderstein zunächst noch der schon erwähnte 
Flyschast an, der die Südseite des Schwarzwasserthaies, eines Seitenthaies der 
Breitach, bildet. Nördlich vom Schwarzwasserthal, in dem großen Dreieck zwischen 
Walser- und Rohrmooserthal, liegt die „Ifengruppe,- wie sie Waltenberger treffend 
nennt, mit dein 2234 n f hohen Ifen und den Gottesackerwnnden (2026 ,n f). Schon 
oben wurde die treppenförmige C bereinanderlagerung dieser Gruppe berührt. Von 
den Gottesackerwänden zieht sich zum Ifen das sogenannte Gottesackerplateau, 
eine durch die vieltausendjährige Verwitterung zernagte und durchfurchte, ziemlich 
schwierig zu überschreitende Steinwüste. — 

Die Streichrichtung der Züge nördlich des Rohrmooserthal es zeigt keine 
bestimmte Ordnung: es folgt hier auf die Zone des Schratten kalks, wie schon 
erwähnt, Flysch, der durch das Bald erschwanger- und Gunzesriederthal- seine 
nördliche Begrenzung findet. In dem Zuge, unmittelbar nördlich vom Rohrmooser- 
thal, ist der Geisberg und der Piesenkopf zu erwähnen, von denen mir keine 
Messungen bekannt sind. 

Die Richtung des Zuges auf der Nordseite des Balderschwangerthales, der 
seine Äste gegen Osten bis zum lllerthale sendet, ist vom Riedbergerhorn (1780 w /) 
bis zum Tannenmooskopf eine nördliche, während die andere Hälfte des Zuges 
von hier aus gegen Westen zieht und durch die Gipfel Sipplingerkopf (1740 "J), 
Gieronkopf (1671 *7) und Stillberg bestimmt ist. — 

Die Nagelfluhketten endlich, welche nördlich vom Gunzesrieder- und Lekner- 
thale beginnen, streichen von Westsüdwest nach Ostnordost. Die erste und längste, 
als deren Fortsetzung man wol die durch den Illerdurchbruch von ihr getrennten 
Humbacher und Rottacher Berge betrachten kann, trägt als wichtigste Gipfel 
Hochgrat (1880 «y), Rindalphorn (1851 "f\ Stuiben (1765 *y) und Steineberg 
(1689 *y). Nördlich ist ihr noch ein Parallel/.ug von ähnlicher Länge vorgelagert, 
der ihr aber an Höhe schon beträchtlich nachsteht; es befinden sich in ihm die 
Gipfel Gerasstein oder Immenstädter Horn (1537 "V), Gschwendcrkopf und Eck- 
alpe (1497 y). — 

Die Höhenangaben, welche mir aus den Allgäuer Alpen bekannt sind und 
die ich, wie schon oben in der Anmerkung erwähnt, zum größten Teile dem 
Höhenverzeichnisse Gümbel's entnahm, sind allerdings kaum ausreichend, tun 
allgemeine Berechnungen von entscheidendem Werte daraus abzuleiten ; doch 
stelle ich im Folgenden die Höhenverhältnisse unseres Gebietes kurz zusammen, 
um einen allgemeinen Üb erldick des Reliefs zu erleichtern. 

Aus den mir zur Verfügung stehenden Angaben berechnot sich als mittlere 
Thalhöhc: 

Kttttrr't XtttteMfl V. fM, j 



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18 



Das Quellgebiet der Iiier and ihr Lauf bin Ii 



1. der Breitach . . 1069 TO / 

2. „ Stillach . . 1001 „ 

3. „ Trettach . . 1033 „ 

4. „ oberen Iiier . . 1066 „ 

5. „ Ostrach . . 1029 n 

Aus den zahlreichen Seitenthälern dieser Hauptthäler sind leider nur ganz 
vereinzelte Messungen vorhanden, die zu den Durchschnittsberechnungen nicht 
genügen. Aus den genannten Hauptthälern allein berechnet sich eine mittlere 
G es am mthöh e von 1039 *f • H' c ^ ei «t » Der w °l zu berücksichtigen, dass 
besonders die rechten Seitenthäler der Trettach betrachtlich hoher liegen als 
das Trettachthal. — 

Was die Höhenverhftltnisse der Gebirgszüge betrifft, so liegt zwar eine 
größere Anzahl von G ipt'el messungen vor; doch sind die Angaben über Pass- 
höhen nur sehr spärliche, die doch bei einer Berechnung der mittleren Kammhöhe 
uicht entbehrt werden könnten. 

Für den Hauptzug (ohne Seitenäate) fand ich aus 12, mit Rücksicht auf 
ihre Lage ausgewählten Gipfelhöhen eine mittlere Gipfelhöhe von 2400 » 
aus 8 Passhöhen eine durchschnittliche Sattelhöhe von 1920 w f , so dass 
sieh hieraus für den Hauptzug allein eine mittlere Kamm höhe von 2160 m j 
und eine mittlere Schartung von 480 **f berechnet. 

Zur Berechnung einer allgemeinen mittleren Kammhöhe unseres Gebietes 
fehlen mir die nötigen Angaben Uber Passhöhen. 

Ferner berechnet sich als mittlere Gipfelhöhe für den sich zwischen 
Widderstein und Biberkopf abzweigenden 

„Walserthalast* 2114 

für die Daumengruppe. . . . . . . . 2097 r 

„ den H i in m e 1 s c Ii r o f e n a s t . . . . 2020 r 

„ „ Fly schzug n. v. Rohrmooserthal ..... 1711 „ 

für die Nagelfluhkette zw. Gunzesrieder- und Weißachthal . 1694 » 
und für die nördlich vom WeiÜachthal liegende .... 1517 „ 

Differenzen des Relief». Vergleichen wir endlich noch die Erhebung 
der höchsten Gipfel der einzelnen Züge mit der mittleren Thalhöhe der Haupt- 
thäler, die wir oben fanden, so berechnet sich: 

Es erhebt sich über die mittlere Thalhöhe von 1039 "f der höchste Gipfel 

1. im Hauptzuge um . . 1616 m j 

2. in der Daumengruppe um . 1242 „ 

3. im WaUerthalast um . . . 107f) r 

4. „ Himmelschrofenast um . 1211 n 

Die übrigen Züge sind hier absichtlich nicht in Vergleich gezogen, da sie mit 
den zu unserer Berechnung der mittleren Thalhöhe benutzten Thalern nicht in 
so naher Berührung stehen. — 

Ohne der Detailbetrachtung der Hauptthäler des Quellgebiete« vorzugreifen, 
wollen wir noch einen Blick auf die allgemeinen Richtungs- und Neigungs- 
verhältnisse der Thaler unseres Gebietes werfen. Von den 3 eigentlichen Quell- 
thülern erstreckt sich das Trettach- und Stillachthal in fast genau süd nördlicher 
Richtung zum Hauptthale bei Oberstdorf, wahrend sich das Breitach- oder kleine 
Walserthal in nordöstlicher Richtung dem Illerthale zuwendet. Die kleineren 
Thaler, welche sich vom Hauptzuge gegen die Hier abzweigen, verlaufen bis zum 
„großen Wilden" im allgemeinen in nordwestlicher Richtung und gehören auf 
dieser Strecke alle zum Trettachgebiete, während nördlich vom großen Wilden 
sich die Abdachung der Thäler in eine nördliche, ja nordöstliche verwandelt und 
die Gewässer dieses Abschnitte« des Hauptzuges in der Ostrach vereinigt der 
Iiier zuführt. In dem Gebirgsteile, der sich im Norden an den Hauptzug anschließt, 
ist die Abdachung schon eine verzweigte, indem das Wertachgebiet durch die 
gegen Nordost geneigten Thäler weit hereingreift. Eine eigentümliche Mannich- 
faltigkeit der Neigung zeigen die Thäler unseres Quellgebietes auf der ganzen 
Westseite. Hier neigen sich die Thäler teils zur Bregenzerach (wie im Balder- 
schwnnger-, Lekner- und Weißachthal), bald zur Uh r (wie im Gunzesrieder- und 
Konstanzerachthal), teils nach beiden Gebieten, wie im Rohrmooserthale. — 



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Da» Quellgebiet der Iiier und ihr Lauf bis ImmeosUdt. 



19 



Quellentemperaturen. Von dorn zum Illergebiete gehörenden Teile der 
Allgäuer Aloen sind mir nur die wenigen Messungen bekannt, welche sich in 
Gümbel's W erk befinden und welche teils auf Beobachtungen Gumbel's und 
Scndtner's, teils auf den Messungen der königlichen Forstamter beruhen. Als ich 
mich im Herbste des Jahres 1881 zum Zwecke, des Studiums unseres Gebiete« 
mehrere Wochen in Oberstdorf 'aufhielt, nahm ich im Quellgebiete selbst eine 
Anzahl von Temperaturbeobachtungen vor, die aber durch die dauernd ungünstigen 
Witterungsvcrhaltnisse teils in ihrem Umfange beschrankt, teils durch den wochen- 
lang strömenden Regen vielleicht BOgar direkt in ihrem Resultate beeinflusst 
wurden. Leider war es mir seither nicht mehr möglich, die Messungen auf eine 
größere Zahl von Quellen auszudehnen oder wenigstens zu wiederholen, so dass 
sie einmalige geblieben sind — eine Eigenschaft, die allerdings auch den meisten, 
aus GUmbel's Werk stammenden Messungen zukommt. Die Temperaturen sind 
mit einem zuvor längere Zeit beobachteten Taschen-Thermometer von Joh. Greiner 
in Münehen gemessen; die Höhen m essungen nahm ich mit einem Aneröid von 
Gebr. Steppacher in München vor. Dieselben teilen wol den den meisten gelegent- 
lichen Aneroidenmessungen eigenen Mangel an strenger Zuverlässigkeit; doch 
wandte ich bei den Beobachttingen so viele Vorsichtsmaßregeln und jede mögliche 
Kontrole au, verwende sie außerdem auch nur in runden Zahlen, so dass ihre 
Genauigkeit für vorliegenden Zweck wol genügen dürfte. 

In folgender Zusammenstellung, welche nach der Höhenlage der Quellen 
geordnet ist, wurden die Messungen Sendtner's mit S., Gtimbd's mit G., die der 
köuigl. Forstbeamten mit F. und endlich die meiner eigenen Beobachtungen mit 
E. M. bezeichnet. Die Tempi raturangaben in Günthers Werk sind nach Reaumur; 
ich habe dieselben der Übersichtlichkeit wegen in Celsiusgrade umgewandelt, jedoch 
die Angaben Gümbel's mit kleineren Ziffern in Klammem beigesetzt. — - 




Quelle gegen die MHdelegnbel . . 

Zeigerquelle hei Oberntdorf 

Quelle am Miittekopf bei Oberatdorf 

Quelle au der Obeniiitdclenlpe . . . 

Quelle am Geisfnß bei Obenttdorf 
Quelle am Obermädelejoche ... . 
Cortuni, Quelle a. d. OhermKdelealpe 



Heealji 



»enKtH'Qiielli 



Quelle an der Ilappeualpo 

10 Quelle am Abstieg vom Fellhorn 
gegen tiiezieni 

11 Quelle link.- oberhalb der KKseralpc 

12 Quelle am Abhang de* Seilerkopf* 

13 Quelle bei der KKseralpe im üythale 

14 Hruunquelle der uuteren Seealpo . . 

15 Stark«- (Quelle oberhalb Mittelberg . 
1« Quelle bei Mittelberg, «lUllleh der 

vorigen 

17 Au, Quelle bei Hinterstem . . . 

18 Quelle am Wege von Spielmaimsau 

zum Sperrbaeh . 

19 EhioiUherger Alpe, hintere Quelle 

20 Triukquell« bei EinOdsbaeh ober- 

halb dem Wirt*hau«e 



Zeit der Messung 



/ 4«. Till. 16. 8. 

\ m. ix. ir». o. 

I 51. VII. und VIII. F. 
I 48. IX. 49. VII., 50. VT.S. 
I 54. IX. G. 
49. VII. 23. 8. 
49. VIII. 3. 49. VII. 15. 
5a. VIII. 17. S. 
54. IX. 15. G. 
f 49. VII. 21. 8. 
| 54. X. 1. G. 

52. VIII. 17. s. 
\ 19.VIII.2.52.V1II.17.S 

54. x. a. o. 
49. IX. 14.; 50. VII. 8. 
5a. VI. 27. $52. VI 1. 29. 8. 
49. VII. 27. S. 

81. VIII. 26. E. M. 

81. IX. II. B. M. 

81. VI IT. 26. K. M. 
f 49. VII. 16. S. 
I f>4. X. 21. O. 

81. VII l. 22. K M. 

81. IX. 4. E. M. 

81. IX. 4. K. M. 
52. VII. 15. S. 

81. VIII. 23. E. M. 
49. VII. 10. 8. 

81. IX. 6. E. M. 



Hohe 

in 
Metern 



f 2160 



1930 

1920 

1900 

1830 

1780 
1751» 

159t) 

1590 

1560 
1510 
1400 
1360 

1280 
1230 

1230 
1200 

1180 
1170 

1150 



Tempera- 
tur uai'h 
Celsius 



1,06 (0,85) 

a <i,6) 

2 (i.o> 
2.25 (i,s) 
2,25 

2,5 (2,0) 

2,5 (t,o) 
2,63 (2,i) 

'1,38 (3,5) 
4,5 (3,6) 

4,0 (3«) 
4,38 (3,5) 
4,25 (8,4) 

4,0 (3,3) 

4,75 (3,8) 

7,2 

5,9 

9,0 
4,75 (»,*.) 
4,88 (3,ü) 

7,5 

6,8 

6,2 
5,38 (i,3) 

5/, 

7,0 (.-,,«; 

8,6 



Ldige der Quelle 

Frei 
Gg. NW. 

Gg. 8W. 

Thal gegeu NW. 

Freier Abhang 
gegen 8. 
Freie Abb. g.SW. 
Gg. W. 

Im Tbalkessel 
SR- W. 
Im Thal gegenW. 

Freier Abh.g.SW 

8\V. (frei/ 
Freier Abb. g. O. 
Frei im Thal« 

Frei gegen W. 

, o. 
- , o. 

Im Tb. gegen N. 

Frei gegen W. 
Abb. gegen NW. 

. 8W. 



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20 



Dm Quellgebiet der Hier und ihr Lauf bis Immenstadt. 



Kf. Bezeichnung der Quelle 



21 Quölle recht* von der Straße durch 

Hirschcck nach Mittelberg 

22 Quelle am Anfang des Trauchthale* 
Humbnchquollc zwischen Riezlcru 

23 und WnWcrechanze . • . .... 

2- 1 Quelle Am Rubihoru 

25 Kuicquolle iu der Spiclmnnusau . 

26 Starke Quelle in Riczlcrn 

27 Triukquelle zw. Birgsan und Ein'ids- 

bach (speist die Brunnen v. Birgsau) 

28! Quelle an der 8trȧe von Riczlern 
nach Hir.»cbeck 

29 Quelle am Abhang oberhalb des 

Frcibergsces 

30 Briinnqnelle bei Spielmaunsau ... 

31 Ebeuo, Quelle unter dein Schlappolt 

32 Quelle am rechten Trettnchufer zw. 

Dietersbach- uuil Oythal 

HS Quelle zwischen Walserschausse und 
Riczlern links der Straße 

3- 1 Quelle am Abhänge des Hirschbergs 

bei Hindelang (speist weiter unten 
Braunen) ...... - 

35 Bruunquclle im Rohrmooser Thalc 

am Abhänge des linken Ufers . . 

36 8tarke Trinkquclle am linken Stile- 

achufer gegenüber Birgsau 

37 Quelle am Abhänge des Hirschberge-« 
bei Hindelang (speist Brunneu vonH.1 

38 Au. Quelle im AiUhale bei Immenstadt 

39 Spielmaimsau, (Quelle im Thale . 

40 Brunnquelle im Oy thale . ... 

41 Killmtellquelle bei Oberstdorf. . 
12 Quelle am rechten Ufer de* Oybaches, 

nahe am Thnleingang .... 

43 Starke Quelle im Spiolmaunsane.r 

Thale am linken Trettacbufcr . . 

44 Quelle im Birgsauer Thale am rech- 

ten Stillaebnfer . . . ....... 

45 Immensttidtpr Trinkquelle ... . . 

46 Quelle links der Straße von Oberst- 

dorf zwischen Walserschanze .... 

47 Quelle am Kühberg (mit Brunneu) 

48 Quelle „aufn Aschu" iu Tiefenbach 

49 Quelle am Ausläufer de» Sollereks 

im kleineu Walscrthale 

50 Quelle auf d. Wege von Tiefeuhach 

nach Roiirinoos 

51 Qnelle am Jauchen 

52 8. Quellen bei Schöllang 

53 Quelle iu Tiefenbach hinter der 

Schmiede 

54 Aumühle. Quelle im lllerthalc . . 

55 Litteusprung bei der Aumühle im 

lllerthalc 

56 Starke Quelle iu Langenwang (die- 

selbe speist die Brunnen des Orts) 

57 Starke Quelle hei Fischen (wird eben- 

falls zu verschied. Bruuuen geleitet) 

58 Quelle rechts von der Straße von 

Southofcu uach Fischen . . 

59[ Quelle zwischeu Fischen und Lan- 
genwang rechts vom Fußwege 

00 Quelle nahe der vorigen, geg. Fischen 
| zu, links vom Fußwege 



Zeit der Messung 



81. IX. 4. E. M. 
81. VIII. 23. E. M. 

81. IX. 4. E. M. 

81. VIII. 22. E. M. 

| 48. IX. 21. 8. 

| 54. X. 22. O. 

81. IX. 4. E. M. 

81. IX. 6. E. M. 

81. IX. 4. E. M. 

81. VIII. 20. E. M. 
81. VIII. 23. E. M. 
52. IX. 0. S. 

81. VIII. 23. E. M. 

81. IX. 4. E. M. 

81. IX. 8. E. M. 

81. IX. 5. E. M. 

81. IX. 0. E M. 

81. IX. 8. E. M. 
49. VII. 0. 8. 
48.IX.21. 52. MI. 15.8, 
81. VIII. 30. E. M. 
49. VII. 14.52 V11.8.S 

81. VIII. 30. E. M. 

81. VIII. 23. E. M. 

81. IX. 6. E. M. 
49. VII. 14.; 52. VII. 8. 8 

81. VIII. 29. E. M. 
81. VIII. 30. E. M. 
81. IX. 2. E. M. 

81. VIII. 29. E. M. 

81. IX. 5. E. M. 
81. IX. 2. E. M. 
49. III. G. \ s 



Höhe 

iu 
Metern 



Tempera- 
tur nach 
Celsius 



Lage der Quelle 



f 

\ 50. II. 26. ) 



81. IX. 2. E. M. 

50. II. 25. 8. 
| 49. III. 8. \ a 
j 50. II. 25. ) B- 

81. IX. 2. E. M. 

81. IX. 2. E. M. 

81. VIII. 27. E. M. 

81. IX. 2. E. M. 

81. IX. 2. E. M. 



114<> 
1140 

1130 
(112«) 



9,7 
8,0 



K,8 



Aldi, gegen SO. 

w » N. 
| Enge Schlucht 
( gegeu W. 
G. W. im Walde 



\110U 4.75 (3.s, Thal gegen NW. 
5,0 (1 ,o) 



1090 
1080 

1080 

1ÖS0 
1070 
1040 

1030 

1020 

1004 

990 

980 

970 
970 
970 
950 
940 

940 

920 

910 
910 

880 
870 
800 

850 

84< 
830 

830 



0.5 



4,0 



7,0 

9,3 
8,5 
6,6 ( r,.3) 

0,5 

8,0 

8,8 
7,0 
5,9 

9,0 
0,28 (5,o) 
6.0 (4,s> 

9,1 
7,75 

8,8 

6,0 

6,5 
8.25 (6.6> 

8,0 
10,0 
7.5 

10,0 

7.8 
9,0 

7,62 («,i) 



800 7.5 
780 8,0 (um 

7,75 (G,i) 



780 



770 
7C>0 
750 
750 
750 



7,0 
7,5 
85 
7,8 
8,5 



Frei gegen NW. 
An einer abge- 
holzten Strecke 
gegen NW. 

Frei im Thale 

Abb. gegeu O. 
Frei im Thale 
Freier Abhang 

Gegeu S\V . 

Abb. gegen W. 



Abb. gegeu S. 
i Unter Bfiumeu 
I gegen SW. 
\ Unter Baumeu 
t gegen O. 

Abb. gejren SW. 



Frei im Thale 
Gegen SW. 

Gegeu 8. 
1 Unter Weideii- 
( gebüsvb im Th. 
Aus dem Felsen 
a. Fuße gegen W. 

\ Freier Abhang 
I gegen NW. 
Frei gegen W. 
Im Thale gcgcnO. 

Frei gepeli N. 
\ Freier Abhang 
\ gegen SO. 
Abhang gegen W. 



Frei im Thalc 

I Freier Abhang 
gegeu NO. 

Frei im Thale 

Abhang gegen O. 

Frei im Thale 

FTei im Thale 



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♦ 

Da.« Qne'lgebiet der Iiier und ihr Lauf bis ImmenaUdt. 



21 



Trotz meiner sehon oben ausgesprochenen Bedenken Uber den Wert der 
einmaligen Messungen, will ich im Folgenden eine übersichtliche Zusammen- 
stellung der Resultate versuchen. Wenn wir aus unserem Quellen Verzeichnis 
die Durchschnittsteinperatur von je 200 zu 200 "*/ Höhenlage berechnen, so 
linden wir: 

Von 800 -1000 "f durchschnittlich 7.93° C. 
fl 1000—1200 ., „ 7.40° „ 

„ 12O0-140O . ; 6.92° , 

„ 1400 1600 . „ 6.17° „ 

n 1600-1800 „ „ 4.19« ^ 

„ 1800-2000 „ „ 2.57° „ 

Vergleichen wir diese Resultate miteinander, so finden wir vor allem den 
Satz bestätigt, dass sich mit der höheren Lage die Temperatur der Quelle 
durchschnittlich erniedrigt. Wenn wir aber die Differenzen voneinander nicht 
unerheblich abweichen sehen, so wissen wir ja, dass die Höhenlage keineswegs 
der einzige, die Quellentemperatur beeinflussende Faktor ist; wir dürfen ferner 
nicht vergessen, dass gerade für die höheren Lagen mir nur eine unverhältnis- 
mäßig dürftige Anzahl von Messungen zugebote steht, dass das anhaltende 
Regenwetter, wie schon oben erwähnt, vielleicht auch erhöhend auf einzelne 
Temperaturen eingewirkt hat — endlich, dass es nur ei n m al ige Messungen sind. 

Interessant ist es, zum Schlüsse die Durchschnittsdifferenz für 100 mit 
den Resultaten Prof. Gümbel's zu vergleichen. Gümbel fand nämlich 1 ) aus den 
zahlreichen, ihm aus dem ganzen bayerischen Alpengebiete vorliegenden 
Messungen, dass sich auf eine Zunahme der Höhenlage um 1050 par. Fuß die 
Temperatur der Quellen um 1 0 R. erniedrigt. Daraus berechnet sich, wenn man 
die par. Fuß in Meter und die Rdauraur- Grade in Celsius- Grade verwandelt, 
eine durchschnittliche Erniedrigung von 0.37° C, bei einer Höhenzunahme 
von 100 m j, während sich aus unseren Resultaten eine Erniedrigung von je 
0.48° C. auf 100 7 berechnet. — 

2. Die Breit au Ii. (Das kloine Walserthal.) (Länge und Richtim)* Bau. Quelle der Breitach. 
GefiillHvcrliältuiiw. Charakter de» Thaies. Der „Zwiug.ttufr 1 '. Kipeiitiiiiiliilie Angabe Uber die Lage 
der Illerquelle. Zuflüsse der Breitach anf der rechten und linken Seite. Das Kohrinooscrthal.) 

Das etwa 22 / Kj m lange Walserthal hat mit geringen Abweichungen die 
Richtung von SW. nach NO. An Länge wird es von dem 26 laugen Stillach- 
thale Übertroffen, während der Lauf der Trettach um fast 5 ?•'/„, kürzer ist. 
Unter den 3 Quellflüssen der Iiier hat die Breitach das ausgedehnteste Gebiet. 
Gegen die Stillach zieht sieh ihre Wasserscheide vom Widderstein übor den 
nördlichen Ausläufer des Hauptzuges, der in den „Sehafalpköpfen" endet und 
von da Uber den Flyschzug, den Waltenberger mit dem Namen „Walserthalast" 
bezeichnet. Gegen Westen zieht sie sich vom Vintscherjoch über's Starzljoch, 
von da quer über den hohen Ifen und die Gottesackerwände und zieht sich 
dann mitten durchs Rohrmooserthal. Von den nördlich von genanntem Thale 
liegenden Gauchenwänden geht sie dann auf dem Gebirgszug, der die linke 
Thalseite des Rohrmooserthals bildet, zur Iiier. — 

Bei dem schon erwähnten Zusammentreffen des Dolomits des Hauptzuges 
mit dem Flysch hat eine interessante Überschiebung des Dolomits über den 
jüngeren Flysch stattgefunden, wie sich besonders an einem Aufbruche im 
Warmatsgund thale beobachten lässt. Der als „Walserthalast" bezeichnete Flyschzug 
hat im Fellhorn und Schlappolt seine Kulminationspunkte. Im Südwesten liegt 
jenseits der oberen Breitach noch eine Fortsetzung des Flvschzuges zwischen 
Schwarzwasser- und AValscrthal, während sich nördlich die schon besprochene 
Ifengruppe anschließt, die im allgemeinen aus Sehrattenkalk besteht und erst 
nördlich vom Rohrmooserthale endet. — 

Als Quelle der Breitach fand ich allgemein den vom Widderstein 
kommenden Gentscheibach angenommen, während mir sowol nach dem Augen- 
schein wie nach allen Specialkarten der vom Starzljoch kommende Bach ungleich 

') Beschr. der Alpen, 8. «35. 



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22 



Dm Qnellgeblet der Hier und ihr Lauf Wa Immenstftdt. 



mehr Berechtigung zu haben scheint, indem er den oberston Teil der Fortsetzung 
des Hauptthales durchfließt, während der Gentscheibach nahezu rechtwinkelig 
in dasselbe einmündet. Auch steht der genannte Bach, verstärkt durch den von 
der Hoferspitze kommenden Bergguntbach und mehrere andere Zuflüsse, dem 
Gentscheibach (wenigstens, als ich ihn zu beobachten Gelegenheit hatte,) bei 
seiner Vereinigung mit demselben an Wassennenge nicht nach. Der Grund, 
warum man allgemein den Gentscheibach als Breitachquelle annimmt, wird wol 
darin zu suchen sein, dass am Gontscheltobel der Weg sich zum vielbegangenen 
Gentschelpass emporzieht, während der oberste Teil des Hauptthaies zu dem 
viel seltener begangenen Starzljoche führt, so dass der Einschnitt des Gentschel- 
thaies für den Verkehr viel wichtiger und bekannter ist. — 

Um dieGefftllsverhältnisse der Breitach im allgemeinen zu charakte- 
risieren, lässt sich weder der Bach, der vom Starzljoche kommt, noch der 
Gentscheibach mit hereinziehen, da z. B. der letztere bis Mittelberg, also auf 
einer Strecke von 4700 '"/, ein Gefälle von 531 "f hat. Berechnen wir daher 
das mittlere Gefäll der Breitach von Mittelberg bis zur Mündung, so findet 
sich ein solches von 2.7%, welches geringer als das der Trettach ist, dagegen 
das der Stillach übertrifft. — 

Der allgemeine Charakter des kleinen Walserthalcs unterscheidet 
sich wesentlich von dem der Thaler der Stillach und Trettach, indem ihm die 
grünen Flysehberge mit ihren runden Formen und welligen Abdachungen ein 
viel freundlicheres Gepräge geben, als die rauhen, steilen, oft vegetationslosen 
Dolomitmassen, welche in den beiden andern Thälem vorherrschen. Das Breitethal 
ist viel zugänglicher und wohnlicher, als die beiden anderen, so dass wir auch 
in diesem Thale allein größere und blühende Ortschaften, wie Kiezlern und 
Mittelberg, finden. — Das Bett der Breitach ist großenteils tief eingeschnitten: 
die breiteste Ausdehnung gewinnt dasselbe beim Austritte in's Illerthal, wo die 
Breite des Bettes im Vergleich mit dem der Stillach und Trettach ihr wahr- 
scheinlich ihren Namen gegeben hat. — Die interessanteste Partie des Bettes 
ist wol die etwa 100 "'■ tiefe, enge Schlucht, in welcher die Breitach eine 
mächtige Kalkbank, welche hier das Thal kreuzt, durchbricht, und über welche 
der sogenannte „Zwingsteg* führt. Als Curiosum erwähne ich an dieser Stelle, 
was man noch am Ende des 18. Jahrh. in Schwaben über den Ursprung der 
Iiier drucken und schreiben konnte, nachdem schon Münster und Merian viel 
zutreffendere Beschreibungen des Illerursprungs gegeben hatten. Ich fand nämlich 
in einem „geographisch-statistischen Lexikon von Schwaben" (Ulm 17!)1, S. 815) 
folgende Angaben über dio Quelle der Hier, welche nur in der Phantasie de» 
Verfassers entstanden soin können: „Die Iiier ist einer der beträchtlichsten Flüsse 
von Schwaben. Er entsteht in den Alpen des Allgäus zwischen dem Walserthal, 
Kornau und der Alpe Kohrmoos. Der Ursprung dieses Flusses bildet gleich bei 
seinem Entstehen einen schönen Wasserfall, welcher „im Zweng" genannt wird. 
Diese kleinen Wasser stürzen sich über einige Felsen rauschend herab, sammeln 
sich in einem Bassin, welches das gesammelte Wasser noch über einige Felsen 
ausgießt und endlich den Ursprung der liier bildet." Mit dieser geistreichen 
Beschreibung kann nur die Schlucht am „Zwingsteg" gemeint sein, die zwar in 
der Nähe der Einmündung des Kohrmooserthales, aber sehr weit entfernt, von 
der Alpe Rohrmoos liegt. Von einem eigentlichen Wasserfall ist jedoch in dieser 
Schlucht keineswegs die Rede und von einem -Ursprung" ebensowenig, da 
die Breitach hier schon einen Weg von mindestens 12 zurückgelegt hat. 
Jedenfalls hat der Verfasser jenes Lexikons den Platz nie gesehen, sonst 
hätte er unmöglich darauf kommen können, gerade ihn als lllcrursprung zu 
bezeichnen. — 

Von den Zuflüssen der Breitach sind rechts zu erwähnen: der 
Berggundbach westlich, der Gentscheibach östlich vom Widderstein und der 
Wildenbach östlich vom Zwölferkopf. Die zahlreichen kleineren Wasserrinnen, 
die von rechts in die Breitach führen, sind ohne Bedeutung. Auf der linken 
Seite rinden wir das einsame, aber ausgedehnte Schwarzwasserthal, dann den 
an «ler Landesgrenze zwischen Osterreich und Bayern mündenden Hörnlesbach 
und endlich das bedeutendste Seiteuthal der Breitach, das Rohmiooserthal. — 



Dm Quellgebiet der Hier und ihr Lauf bin Immenatadt. 



23 



Dieses Thal hat in seinem östlichen Teile, der zum Breitachgebiote gehört, 
eine fast genau westöstliche Richtung, die sich aber beim Beginn iles Gebietes 
der Bregen zer Ach (für diesen Teil findet sich auch der Name Hirschgundtbal) 
in einen nach Norden geöffneten Bogen verwandelt. Es liegt also die durch eine 
kaum merkliche Bodenanschwellung gebildete Wasserscheide mitten im Thale. 
Von einer wirklichen Scheide kann hier jedoch nicht die Rede sein; es geht 
in diesem wassergesättigten Moorgrund das eine der beiden Gebiete in das 
andere Uber. — Das Thal wird nur in dem großen, dem Fürsten Wolfegg 
gehörenden Alpengute Rohrmoos bewohnt — 

3. Die 8tillach. (Das Rappenalpen- und Hirgsanerthal.) Name. Richtung und Lange 
de* Thalt*. Bau. Allgemeiner Thalcharaktcr. Gefälle. Zuflüsse, 

Das Thal der Stillach zerfällt in 2 Teile, in das Rappenalpenthal, 
welche« sich noch etwas nördlich über Einödsbach hinaus erstreckt, und in das 
sich anschließende Birg. säuert h al. Da» Rappenalpenthal hat bis Einödsbach 
eine nordöstliche Richtung, die hier in eine fast genau nördliche übergeht. Von 
dem 26 langen Laufe der Stillach treffen etwa 10 TT^ auf die Strecke von 
den Quellen bis Einödsbach, 10 V/., auf die von Einödsbach bis zum Austritt 
in's Hauptthal und 6 7$,, auf den Lauf im breiten Thale bei Oberstdorf bis zur 
Vereinigung mit der Breitach. — 

Betrachten wir uns im Folgenden die Thal Verhältnisse etwas genauer. Die 
Quellen der Stillach liegen am Haldenwangerkopf (in einer Höhe von 1454 '"/) 
im Dolomitgebiete des Hauptzuges. Die linke Thalseite wird bis Einödsbach 
durch den Dolornitrücken gebildet, der sich beim Geishorn gegen Norden 
abzweigt und im Griesgund- und Schartenkopf endet. Auf der rechten Seite 
des Thaies schließt sieb an die gewaltige Gruppe der Mädelegabel etc. der 
Lias- oder Allgäuschiefer mit dem Gipfel des Linkerskopf an. Von Einödsbach 
an ist es die genau nach Norden streichende Kette des „Himmelschrofenastes," 
welche das Thal der Stillach von dem der Trettach scheidet, während auf der 
linken Thalseite sich die Wasserscheide auf dem Kamme des Flvschznges fortzieht, 
den wir mit Waltenberger als „Walserthalast" bezeichneten. Am Nordende des 
Thaies finden wir den eigentümlichen Flyschriegel quer vor den Eingang des 
Thaies geschoben, auf welchem ohne sichtbaren Zu- und Abfluss der kleine 
Freibergsee liegt. — 

Eine genauere Betrachtung zeigt uns deutlich, wie hier der Flysch, der 
sich (am Fuße des Himraelschrofen) unmittelbar an den Dolomit anschließt, 
resp. von ihm Uberlagert wird, von der Stillach durchbrochen wurde. Aus Flysch 
besteht auch die kleine, noch übrige Bodenschwelle, die das linke Trettachufer 
von dem breiten, flachen Hauptthalc trennt (auf der „Hofmannsruhe* und in den 
neuen Trettachan tagen schön aufgeschlossen), und der Flysch setzt sich dann 
am rechten Illerufer in breitem Zuge bis Hindelang fort und bildet die Westseite 
des Retterschwangthaies. Und auf diesen Flyschhöhen linden wir (wie auf der 
Höhe der „Hofmnnnsruhe* bei Oberstdorf, am rechten Trettachufer bis Rubi, 
auf dem „Jauchen," dem äußersten Ausläufer des Höhenrückens zwischen Stillach 
und Breitach etc.) diluviale Ablagerungen, Überreste der zurückgegangenen, 
resp. verschwundenen Gletscher unseres Gebietes. So beobachtete ich, abgesehen 
von den unzweifelhaften, noch zu besprechenden Spuren im Illerthale, auch im 
Breitachthaie etwa '/« Stunden nördlich der „Walserschanze" auf dem rechten 
Breitachufer, unmittelbar an der Straße, in einem Aufschlüsse deutliche Spuren 
einer alten Moräne: scharfkantige Steine im Einschluss und deutliche Schliffe 
an denselben. — 

Doch zurück zur Stillach. Das einsame und nur während des Sommers 
bis Mitte September auf den Alphütten bewohnte Rappenalpeuthal, welches die 
Stillach auf ihrem Oberlaufe mit dem bedeutenden Gefäll von 4 l 7°/ 0 durchfließt, 
ändert, wie schon erwähnt, bei Einödsbach seine Richtung, indem es nach 
Norden umbiegt. Während des Sommers liegt das breite Bett der Stillach bis 
nahe bei Einödsbach fast ganz trocken, da um diese Jahreszeit die zahlreichen 
Seitenrinnen, welche von den steilen Thalwönden in die Stillach münden und 
zur Zeit der Schneeschmelze, nach ihren Schuttkegeln zu urteilen, sehr bedeutende 



24 



Dm Qnellgebiet der Hier ond ibr Lauf bis ImmensUdt 



Wassermassen in die Stillach führen mögen, nahezu wasserlos sind. Auf einer 
etwa 1 langen Strecke fand ich im August 1880 das ganze Bett vollständig 
trocken, obwol ober- und unterhalb «lieser Strecke der Wasserlauf deutlieh zu- 
tage trat. Es war dies dieselbe Erscheinung, wie ich sie im Uythale beobachtete, 
und wie man sie auch außerhalb des Gebirges nicht selten wahrnimmt, das» in 
den tiefen Geröllmnssen des Thaies das Wasser eine Strecke unterirdisch fort- 
fließt, um weiter unten wieder an dio Oberfläche zu treten. — 

Gleich oberhalb Einödsbach vereinigt sieh mit der Stillach rechts der 
starke Bach, der aus dem auch im Sommer mit Schnee und Eis gefüllten 
„Bacherloch'' am Fuße der Madelegabel kommt und der Stillach das ganze 
Jahr hindurch eine Wassennenge zufuhrt, welche ihre eigene meistens übertrifft. 
Nun verändert Bich aber plötzlich das Bett. In einer tiefen, engen Schlucht, dem 
sog. „Bachergwänd," durchströmt das vereinigte Gewässer die Dolmnittelsen, 
welche sich quer durch'« Thal ziehen, und legt die Dolomit- und merkwürdiger- 
weise darunter lagernden Flyschschiehten in einem interessanten Profile bloli. 
Schon oberhalb Birgsau erweitert sieh das Thal beträchtlich, und die Stillaeh 
fließt in einem sehr breiten Kiesbette, das sie bei Hochwasser immer wieder 
von neuem mit ihren Geröllmassen überschüttet. — 

Ihr Gefälle ist von der Quelle bis zur Thalerweiterung am stärksten, 
indem es hier auf einer Strecke von über 11 V/ n , 484 '"/, also etwa 4,4% beträgt. 
Die auf diese Strecke folgende Verbreiterung des Bettes wirkt natürlich ver- 
ringernd auf das Gefall, so dass die Strecke von dor Stillachbrücke bei Birgsau 
bis zu der Brücke beim Weiler Feistenau nur noch um 2,4°/ ( > fällt. Das geringste 
Gefäll aber hat die Stillach nach ihrem Austritt in das breite Oberstdorferthal, 
welches sie mit einem Fall von nur 0,7% durchfließt. — 

In <lein großen Becken des Birgsauerthaies hat die Stillach ihre Kies- und 
Geröllmassen abgelagert und tritt nun nördlich des Freiberges geläutert in das 
Hauptthnl, das sie in einem verhältnismäßig tiefen, aber ziemlich schmalen Bette 
und in zahlreichen, durch die unentschiedene Abdachung des Hauptthaies bedingten 
Windungen durchfließt. Die beiden Namen Stillach und Irrach (letzteren bei 
Münster) hat sie wol von ihrem im Vergleiche mit den beiden anderen Quellflüssen 
ruhigen Lauf und von den sonderbaren, unentschiedenen Schlangenwindungen im 
Hauptthale erhalten. — 

Außer dem schon erwähnten rechten Zufluss aus dem Bacherloch erhält die 
Stillach nur noch einen größeren Zufluss, den links oberhalb Feistenau mün- 
denden, aus dem Warmatsgundthal kommenden Warmatsgundbaeh. — 

4. Dio Trettach. (Das Spielniaunsauerthal.) Name. Richtung. Goflille. Lapo dor Seitcu- 
ÜiÄler. WawiCMchoidc. Geopioirtisclies. A%min!im<r Charakter ilo« Hauptthalw*. Di> Seitonthälcr mit 

ihrer StutVnbiMuug. 

Als östlichster der drei Quellflüsse vereinigt sich mit den schon vorher zusammen- 
geflossenen Gewässern der Breitach und Stillach die Trcttach, die „dritte Ach," 
woraus wol ihr Name entstanden ist. Von allen dreien hat sie die gleichmäßigste 
Richtung, indem sie vom Ursprung bis zur Mündung fast genau nördlich fließt: 
nur im Oberstdorferthal weicht sie etwas gegen Nordwesten ab. Ihren Ursprung 
hat sie in einem Firnfehle der Mädelegabelgruppe, im sog. Trettachferner. dessen 
Abfluss in einer Höhe von 2085 '"/ die Trettach bildet. Durch diese Lage ihres 
Ursprungs, welche die der beiden anderen Quellflüsse an Höhe weit übertrifft, 
und durch die Kürze ihres Laufes ist von selbst gegeben, dass ihr Gefäll weitaus 
das stärkste ist, indem dasselbe auf der obersten Strecke ihres Laufes (bis zur 
Mündung des Trauchbach.es) bei einer Lauflänge von nicht ganz H um mehr 
als 1000 m ' fällt. — In der Lage und Anordnung der Seitenthäler unterscheidet 
sich das Trettachgebiet wesentlich von dem der beiden westlichen Nachbarn. Bei 
Stillach und Breitach finden wir auf beiden Seiten Nebenthäler, wenn auch bei 
der Breitach die linke Thalseite in dieser Hinsicht bevorzugt erseheint. Der Trettach 
dagegen fehlt auf der linken Seite die Thalbildung vollständig, während rechts, mit 
Einschluss des Falterbachthaies, f> nicht unbedeutende Thäler in das Trettachthal 
münden. — Die Wasserscheide tritt infolge dessen am nächsten auf der Westseite 
an die Trettach selbst heran, indem sie hier durch den Kamm des Himmelschrofen- 



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Dm Quellgebiet der Iiier and ihr Lauf bia Immenstadt. 



25 



astcs gebildet wird, während sie im Osten und Süden mit dem eigentlichen 
Hauptzuge der allgemeinen Alpen zusammenfallt, dessen westlichen Seitenäste die 
erwähnten Thäler voneinander trennen. Hier ist das Leehgebiet benachbart, in 
welches die .Jochübergänge des Obermädelejoehes, sowie zwischen der «lochspitz 
und den Hüllhörnern fuhren. Im Nordosten schlieft sieh im Berggündele- und 
Oberthalbachthal das Ostrachgebiet unmittelbar an das der Trettach an. — 

Überblicken wir den geognostischen Bau unseres Gebietes, so finden wir 
das ganze eigentliche Quellgebiet der Trettach auf beiden Seiten in» Lias- oder 
Allgäuschiefer, der etwas südlich von der Trauchbachmündung auf die rechte Thal- 
seite tritt und an den sich links der Trettach der Dolomit anschließt, aus welchem 
die nördliche Hälfte des Himmelschrofenastes besteht. Die Quollen des T rauch-, 
Dieters- und Oybaches liegen im Gebiete des Allgäuschiefers ; Dietenbach und 
Oybach durchfließen auf kurzen Strecken ihres Laufes noch die hauptsächlich 
aus rotem Hornstein bestehenden jüngeren Juragebilde, deren Richtung durch 
Höfatsspitze, Schneeeck und Rothtenne bezeichnet wird, während der Unterlauf 
der genannten Zuflüsse wieder dem Dolomitgebiete angehört. — 

Der allgemeine Charakter des H a u p 1 1 Ii a 1 e s selbst hat viel Ähnlich- 
keit mit dein des Stillaciithalcs auf der Strecke von Einödsbach bis zum Austritte 
ins Hauptthal. Die grünen Abhänge des Allgäusehicfers vertreten hier die Stelle 
des die Stillach westlich begleitenden und ebenfalls begrasten Flyschzugea; der 
obere Abschluss des Thaies wird auch hier, wie bei Einüdshach, durch die gewaltige 
Gruppe der Mädelegabel gebildet. Die linke Thalwand der Trettach und die rechte 
der Stillach erhalten durch den dieselbe gemeinsam bildenden Himmelschrofen 
ein ähnliches Gepräge. Ebenso bildet das Thal, ähnlich dem der Stilluch bei 
Birgsau, so bei Spielmannsau, ein erweitertes Becken; ja, wir haben auch hier 
die deutlichen Spuren des einstigen Thalabsc hlusses durch die sich gegen Osten 
herübererstreckenden und sich im Hauptthale auf der rechten Seite fortwetzenden 
Flvschschichten, von welchen hier zwischen Trettach und Stillach noch der 
unbedeutende Höhenzug bei Oberstdorf übergeblieben ist, den wir schon bei der 
Stillach erwähnten. — 

Auf der linken Seite der Trettach liegt der wegen seiner herrlichen blauen 
Farbe bekannte, aber sehr kleine und unbedeutende Christle n see, u der keineswegs 
den Namen „See" verdient und nicht durch einen, von den Bergen kommonden 
sichtbaren Zufluss, sondern durch Quellen gespeist wird, die am Fuße der rechten 
Thalseite hervortreten. (Siehe oben die Quelle Nr. 43 unseres Verzeichnisses.) — 

Bei allen rechten Seitenthülcrn der Trettach finden wir als Eigentümlichkeit 
die steilen Terrassen, welche die Thäler in mehrere Stufen teilen und in welchen 
sie zum Hauptthale abfallen. Nicht eines dieser Gewässer kommt in mäßigem 
Gefälle der Trettach zugeflossen, sondern über hohe Stufen, in die sieh z. B. der 
Dietersbach unterhalb Gerstruben eine tiefe, enge Schlucht im sog. T Hölltobel" 
gewaschen hat, oder in tiefen, steilen Einschnitten stürzen sie zum Hauptthale ab. 
Der Sperrbach kommt aus seiner wilden Felsenenge in reißendem Laufe herab- 
geschossen : der Trauchbach verlässt seinen Thalkessel in einem tiefeingegrabenen, 
schmalen Durchbruch, der Dietersbach stürzt seine Wassermasse in zwei hohen 
Fällen in die ausgenagte, tiefe Kluft, der Oybach zwängt sich in schmalem und 
abschüssigem Bette aus seinem, weiter oben sehr breiten Thalkessel, und auch 
der Falter- oder Fallbach stürzt aus dem hoch über der Sohle des Hauptthaies 
gelegenen Becken zum Oberstdorfer Thale herab. Ist auch diese Eigentümlichkeit 
allen diesen Thälern gemeinsam und zeigen sie in ihrem Bau im allgemeinen eine 
gewisse Gleichförmigkeit, so scheinen mir doch die Bedingungen der Stufen- 
bildung nicht bei allen die gleichen zu sein. Beim Oythale fällt die hohe, obere 
Stufe, aus welcher der Oybach im Stuibenfall herabstürzt, mit einem Wechsel in 
der geognostischen Beschaffenheit zusammen, indem hier die Grenze der Horn- 
steinschichten gegen den der Erosion vielleicht mehr ausgesetzten Dolomit verläuft. 
Auch der Abfall des Falterbaches trifft mit dem Übergänge vom Dolomit zu den 
der Erosion wol noch zugänglicheren Flyschschichtcn zusammen. Ebenso finden 
wir beim Abfalle de« Trauehbaches einen Wechsel der Schichten. Man könnte 
also vielleicht diese Stufen als tektonische bezeichnen. Dagegen liegt der Abfall 
de» Dietersbaehes zum Uauptthal und der tiefe „Hölltobel" ausschließlich ün 



20 



Dm Qnellgebtet der Iiier nnd ihr Lauf bi» ImmeiuUdt 



Gebiete des Dolomits. — Widmen wir noch dem bedeutendsten dieser Thäler, 
dem Oythale, einige Zeilen. Wir können in ihm deutlich zwei übereinanderliegende 
Becken oder Terrassen unterscheiden. Das oberste Becken bis zu dem unterhalb 
der Käseralpe beginnenden Stuibenfall, das zweite und weitaus größer«' Becken 
von der Gutenalpe am Fuße des Stuibenfalles bis zu der Verengung »n der 
Mündung in's Hauptthal. Von da fällt der Oybach in starker Neigung zur Trcttach 
ab. In dem engen Kessel der oberen Terrasse, in dem die einsame Käseralpe 
liegt, sammeln sich die Quellen zum Oybache, um dann Uber die hohe Stufe in 
den unteren Thalkessel mit durchschnittlich bedeutender WassermasBe hinab- 
zustürzen. Hier biegt die Thalrichtung aus eiuer nördlichen in eine nordwestliche 
um, in welcher Richtung sich das große Hauptbecken ausdehnt. Auf beiden Seiten 
sttirzen die Thalwände steil zur Sohle ab, durchfurcht von vielen Wasserrinnen, 
in welchen die wasserreichen Sturzbache hcrabrausehen und an ihrem Fuße 
umfangreiche Schuttkegel anhäufen. Zu welch' bedeutender Mächtigkeit sich die 
Geröll massen im Thale angesammelt haben und wie tief sie den Thalboden 
bedecken, zeigt der Umstand, das» nicht nur der Oybach selbst in seinem aus- 
gedehnten Kiesbette vollständig versinkt, sondern dass auch die von den Thal- 
wänden herabstürzenden Seitenbäche trotz ihrer (zur Zeit meiner Beobachtung) 
ansehnlichen Wassermasse großenteils in ihren Schuttkegeln total verschwinden, 
so dass ringsumher vollständig trockene Schuttinassen lagern. — 

f> Die Out räch. IJUij^>. V<<rkelir»be<lentnng dos Thaies. Wa-tsprueheidi'. Gpngn»*ti.iclK's. Allgemeiner 

Tlmleharakter. ({«»Tille. 

Sowol ihrer Lauflänge nach, welche über 27 TC^ beträgt, als auch in Bezug 
auf Ausdehnung des Gebietes ist die Ostraeh einer der bedeutendsten ZuHüsse 
der Hier. Aber trotzdem hat es nur der unterste Theil des Thaies, von Hindelang 
bis zur Mündung, zu einer Verkehrsbedeutung bringen können, da hier über das 
niedere Vorderjoch (1148 '"/) ein bequemer Übergang in das benachbarte Leeh- 
gebiet führt. Das ganze übrige Ostrachgebiet mit seinen Seitenthälem ist so gut 
wie unbewohnt, da die hochgelegenen Thäler schwer zugänglich sind und durch 
keine bequemen Jochübergänge mit den Nachbarthälern in Verbindung stehen. — 
Gegen das Lechgebiet läuft die Wasserscheide auf der ganzen Ostseite auf dem 
Kamm des Hauptzuges bis zu dem erwähnten Vorderjoch, auf welchem die Trennung 
des Ostrachgebietes vom benachbarten Wertachgebiete am wenigsten scharf aus- 
geprägt ist. Von da zieht sie gegen Nordwesten über den Hirsehberg und Rosskopf 
zum 1 Hertha!. Im Südwesten hat die Ostraeh das Trettaehgebiet zum Nachbarn, 
während vom Nebelhorn an der dem Rettersehwangthalo westlich vorgelagerte 
Flyschzug die Scheitle zwischen dem lllerthale und dem Ostraehgebietc bildet. 
Kin Überblick der geo g n t» sti s c Ii e n Verhältnisse unseres Gebietes zeigt uns 
die beiden Quellthäler, «las Oberthalbach- und Berggündelethal, als Angehörige der 
Juraformation, und /.war besteht da« Oberthalbachthal aus dem Lias- oder Allgäu- 
schiefer, das Berggündelethal aus den jüngeren Juragebilden ; da« ganze mittlere, 
Gebiet der Ostraeh gehört zu seinem überwiegenden Teile dem Dolomit an, während, 
bei Hindelang beginnend, die beiden Thalseiten aus Flysch bestehen, welchem 
am Thalende auf der rechten Seite alttertiäre Nummulitenschichten vorgelagert 
sind. Allerdings sind Streifen anderer, besonders der Juragebilde, auch in den 
Dolomitmassen vertreten und reichen im Norden bis zum Gipfel des Rosskopfs: 
doch kann man vom Ostrachgebiete im allgemeinen sagen, dass die obere Hälfte 
der tlas Retterschwangthal durchfließenden Bsondernach die Grenze zwischen Flvsch 
und Dolomit, und der Unterlauf des von rechts in die Ostraeh mündenden Erz- 
baches die Nordgrenzo der oberen Juragebilde gegen den Dolomit bezeichnen. 
Diese Verschiedenheit der geognostisehen Zusammensetzung bedingt auch eine 
solche des allgemeinen Th al c h a r ak t e r s. Die beiden Quellthäler, gegen 
die Nachbargebiete durch Dolomitzüge begrenzt, zeigen im Giebel, im Zeiger etc. 
grüne, bis zum Gipfel bewachsene Hänge, da sie aus den für das landschaftliche 
Gepräge der Allgäuer Alpen so charakteristischen Juragebilden bestehen, während 
die kahlen, zackigen Doloinitfelsen einen ernsten Hintergrund bilden. Die beiden 
Thäler erhalten durch die grünen Matten einen freundlicheren Charakter. — Eine, 
kurze Strecke unterhalb der Vereinigung der beiden Quell baehe hat sich die 



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Dm Quellgebiet der 111er und ihr Lauf bis Iramenstadt. 27 

Ostrach durch den das Thal kreuzenden Dolomit in der großartigen „Eisenbreche" 
und den „Auelnswänden u zwei tiefe, enge Schluchten genagt, die sie in starkem 
Gefalle durchströmt. Nun treten aber die beiden Thalwände auseinander und die 
Ostrach betritt den ziemlich ausgedehnten Tlialkcssel von Hintersteiii. Auf dem 
rechton Ostrachufer liegt Hinterstein, das einzige Dort' des ganzen mittleren und 
oberen Ostrachgebietes. Der Iseler sendet nördlich von Hinterstein einen Aus- 
läufer, den Schrattenberg, quer übers Ostrachthal vor, der die Ostrach zu einer 
westlichen Abweichung zwingt, Sie nimmt in diesem Thalwinkel die aus -dem 
Rettersehwangthale kommende Bsondernach auf, die in steilem, tiefeingeschnittenem 
Abfall ihrem Thal entströmt, wendet sich dann am Fuße des Imbergerhorns genau 
gegen Norden, bis sie nach kurzem Laufe in das breite, ausgedehnte Hindelanger- 
thal tritt, welches die Ostrach in ostwestlicher Richtung dem Hauptthale und der 
Hier zuführt. — 

Das Gefälle ist besonders in den beiden Quellthälern sehr bedeutend. 
G lim bei nimmt den Berggündelebach als die eigentliche Ostrachquellc an, und 
seine Zusammenstellung des Gefälls zeigt uns ein solches von 10,88°/ o »uf der 
Strecke von der Quelle des Berggündelebaehes bis zu dessen Zusammenfluß mit 
dem Oberthalbach. Betrachten wir dagegen das Gefall der eigentlichen Ostrach 
erst vom Zusammenflusse an, so zeigt nur die Strecke von der Krzbach- bis zur 
Eekeralpbaehmündung ein starkes Gefälle (3,5%); es ist dies die Partie, wo die 
Ostrach die zwei obengenannten tiefen Schluchten durchströmt. Von hier an 
überschreitet das Gefalle nur ein einzigesmal die Höhe von einem Procent, und 
zwar an der Mündung des Ostrachthaies in's Illerthal. Am geringsten ist da« 
Gefälle bei Hinterstein und auf der Strecke, welche sie nach ihrem Austritte in's 
Hau]>ttlial noch bis zur Vereinigung mit der Tller zurücklegt ■ - Partien ihres 
Laufes, auf welchen ihrer Ausbreitung kein Hindernis im Wege steht. — - 

Wir dürfen zum Schlüsse nicht unerwähnt lassen, dass nach den Unter- 
suchungen Dr. Penk's 1 ) zahlreiche Spuren im Ostrachthale (hei Hindelang, am 
Aufstiege zum Vorderjoch, auf der Höhe desselben etc.) den Beweis liefern, dass 
der große Illergletscher einst auch das untere Thal der Ostrach kreuzte und sich 
über das Vorderjoch in's Wertacbgebiet ergoss. — 

6. Das II 1 er Um 1 Mh Iinmen.i tndt. Du* IHcrthal ein Kro-ömisthnl. Frühere Gletscher im 
Illerthalc. GnfJille. Ziiflfi»Ne. Die Kt>n.«tanxernch um! der Aljwee. 

Wir haben in dem breiten Illerthale, dessen Beginn wir etwa 4 lif^ oberhalb 
des Zusammenflusses der Quellbäche finden, unzweifelhaft ein Erosionsthal vor 
uns. Dafür spricht die mit der Streichrichtung aller westlichen und eines großen 
Teiles der nordöstlichen Züge der Allgäuer Alpen divergierende Thallinie, ferner 
die schon bei der Besprechung der Quellbäche erwähnte deutliehe Fortsetzung 
der westlichen Flyschzüge auf der Ostseite des Thaies. Auch von den rler Kreide- 
formation angehörenden Gebilden der „Ifengnippe" finden wir in der geogno- 
stischen Insel des Grünten eine Fortsetzung auf der östlichen Thalseite. Nirgends 
fällt also das Thal mit der Grenze einer geognnstischen Bildung zusammen, 
nirgends mit der Streichrichtung der Rergzüge. — 

Dass an der Erosionsarbeit, welche die Bildung de* jetzigen Thaies erforderte, 
einst bedeutend«* Gletscher einen wesentlichen Anteil nahmen — Gletscher, welche 
das Thal seiner ganzen Länge nach ausfüllten, kann nicht nur aus den deutlichen 
und zahlreichen Spuren der Gletseherwirkung, die wir ja weit nördlich in der 
vorgelagerten Hochebene vorfinden, mit Sicherheit geschlossen werden, sondern 
findet auch seine Bestätigung durch die zahlreichen Spuren im Thale selbst und 
in den ausgedehnten diluvialen Ablagerungen, welche bis in die Quellthäler 
(Breitach) zurückreichen. Und zwar sind es, nach Dr. Penk's Forschung«*!], zwei 
Vereisungen, welche das Thal erlebt hat und zwischen welchen eine bedeutende 
Zeitperiode liegt. Wir folgen bei der kurzen Betrachtung «lieser Vorgänge den 
Ausführungen des obengenannten Au ton* in seinem schon genannten, hoch- 
interessanten Werke: „Die Vergletschernng «1er deutschen Alpen." — Vor allem 

■> Vgl. Pr. A. Penk: 1 He Vergletschernng «ler «leiit»c hen Al|>< u. IHS','. Lt ipig. Aml.ro*. Harth. 
8. 85 und iüd. 



2=i 



Du Qtiellgebiet der 111er und ihr L*nf bis Immefwtadt. 



lassen sich im T llrrthalt; auf beiden Seiten 2 übereinanderliegende, scharfgetrennte 
Terrassen unterscheiden, welch« wir als die Reste alter Thalböden betrachten 
müssen. 1 ) Nun finden sieh aber im Bereiche der oberen Terrasse oberhalb des 
Weilers Imberg 2 schwache Kohlenflötzcheu, unter welchen wieder unzweifelhaftes 
Moränonmnterial lagert, wahrend auch über denselben eine mächtige Grundmoräne 
siel» befindet. 2 ) Aus den Lagcrungsverhältnissen der Kohlen muss geschlossen 
werden, das» zu ihrer Bildung ein sehr ausgedehnter Zeitraum zwischen zwei 
Vcrgletscherungen verflossen sein muss. Die Zusammenfassung aller aus der 
Lagerung der diluvialen Gebilde zu folgernden Thatsachen ergibt folgende Reihen- 
folge der Ereignisse im Illerthale 3 ): Das Illcrthal war mit Gletschern, welche bis 
in die Gegend von Sonthofen reichen, erfüllt. Bei dem darauffolgenden Rückgange 
des Eises lagern sich gewaltige Schottermassen im Thale ab, aufweichen in einem 
langen Zeitraum mit betrachtlich erhöhtem Klima sich Vegetation ausbreitet, deren 
Reste wir in den erwähnten Kohlenflötzen vor uns haben. Flussgerolle bedeckt 
die Vegetation, und es erfolgt eine Erosionsarbeit des Wassers, welche in den 
obersten Thalboden bis zur /.weiten Terrasse einschneidet. Von neuem rücken 
darauf die Gletscher vor und bedecken neuerdings da« veränderte Thal. — In 
Betreff der Entstehung obenerwähnter Terrassen kann man also annehmen, dass 
nach der ersten Vergletscherung die oherate Terrasse, nach der /.weiten die untero 
bis zum jetzigen Thnlboden erodiert wordeu sei, während gegenwärtig hier die 
Erosionstnätigkeit der liier ruht, indem sie im Gegentheile den Thalboden durch 
ihre Ablagerungen erhöht. 4 ) — 

Was das Gefälle, der Iiier auf unserer Strecke betrifft, so ist es bei der 
Ausdehnung des Bettes verhältnismäßig gering, indem es vom Zusammenflüsse 
der Quellbäche bis Immenstadt nur 0,27% beträgt. 

Außer den ausführlicher beschriebenen größeren Zuflüssen erhält die liier 
noch von beiden Seiten eine große Anzahl kleinerer, welche die Thalgehänge in 
tiefen Rinnen durchfurchen. Zu nennen sind noch 3 linke Zuflüsse der liier: der 
aus dem Gunzesriederthale kommende Aubach, der durch eine hochinteressante 
Korrektion gebändigte Steighach bei Immenstadt und endlich die K o n sta n z e r 
Ach mit dem A 1 p s e e. 

Verweilen wir bei letzterer etwas länger. Es muss jedem auffallen, wie 
dies Flüsschen — weit entfernt von der Stadt Konstanz, einem ganz anderen 



In Dr. Baumann's „Geschichte des Allgäus" (S. lt>7) finde ich folgende Erklärung: 
.(Insbesondere gehörte das Konstanzerthal bei Immenstadt niemals, wie man 
etwa aus diesem Namen schließen könnte, jener Doinkirche (nämlich der von 
Konstanz) zueigen; dieser Name rührt einfach daher, dass dies Thal, im Gegen- 
satz zu dem unter die Bistümer Augsburg und Konstanz geteilten oberen Illcrthal, 
ganz in die letztgenannte Diözese gehört hat." Jedenfalls hat diese Erklärung 
viel für sich : es liegt aber in unserem Thale, nicht weit unter der jetzigen 
Bahnstation Thalkirchdorf, ein allerdings kleiner Ort Konstanzen (auf Güuihcl'8 
Karte steht Konstanz er). Ob nun die Ortschaft vom Thale tider das Thal von 
der Ortschaft den Namen erhielt, ist schwer zu entscheiden. Wir fanden aber 
in unserem Gebiete die Thäler sehr häufig nach Ortschaften benannt (Spielmanns- 
auer-, Birgsauer-, Hintersteiner-, Rohrmooser-, Gunzesriederthal ete). 

Dieses bescheidene Flüsschen, wenn wir ihm überhaupt «Uesen Namen 
geben wollen, verdient unser Interesse hauptsächlich oder ausschließlich wegen 
des von ihm durchflossenen Alpsees, des einzigen nennenswerten Sees in dem 
von uns behandelten Gebiete. 

Fragen wir nach der Entstehung dieses Sees, dessen Größe ich plaui- 
metriseh zu etwas mehr als 2.5 | J7%, berechnete, so hat uns Dr. Penk in 'seiner 
interessanten Abhandlung: „Über die Entstehung des Alpsees bei Immenstadt"*) 
eine höchst befriedigende Erklärung gegeben. Nach derselben ist das Thal durch 

«> Vpl. Dr. Penk'« AVork, 8. 256. 
*'l Ebenda*. «. 25». 
») Ebenda». 8. 2»J1. 
«) Vgl. da«. 8. 317. 

») In der Zeitschrift: „Der Tourirt" 1883, Nr. 2. 




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Pio Quellen de* Guadiana. 



29 



das massenhaft an desson Abschluss vorgelagerte Illergeröll abgesperrt, und der 
See dadurch angestaut worden, also auf ähnliche Weise entstanden, wie der 
Achensee, der Plansee und andere. 

Da bisher über die Tiefe des Alpsees keine Messungen von größerer 
Zuverlässigkeit existierten, nahm ich am 27. und 28. Mai des Jahres 1882 eine 
größere Anzahl von Tiefenmessungen in demselben vor, von denen die wichtigsten 
in meinem Aufsatze: „Die Tiefe des Alpsees bei Immenstadt" veröffentlicht 
wurden.') ich maß damals 8 Profile durch den See, welche von deutlich sichtbaren 
Richtpunkten aus mit Kompass gefahren und der Abstand der einzelnen Messungen 
durch die Anzahl der Ruderschlage bestimmt wurden. Es ist dies Verfahren 
etwas ungenau; wir hatten aber das Gluck, einen äußerst zuverlässigen Fährmann 
zu bekommen, der selbst großes Interesse an der Sache hatte und sehr gleich- 
mäßig ruderte. Aus den 112 Messungen, welche wir machten, geht hervor, dass 
die tiefste Stelle in der Mitte oder eigentlich etwas nördlich der Mitte der 
breiten Osthälfte liegt. Wir fanden die tiefsten Stellen bei «h in Profile, das wir 
von dem Ufervorsprunge westlich vom Hansentobel an den AusHuss der Ach 
legten. Schon 20 Ruderschläge vom Ufer, ergaben sich 14,.'$0 "f ; dann kamen 
2:&,<S0 und nun folgten von CO zu 00 Ruderschlägen Tiefen von 25,07 : 25,32 : 
25,42 : 25,50 ; 25.55 : 25,55 ; 25,45 und dann nach je 80 Ruderschliigen 24.0; 
22.0; 19,:iO; 10,27 : 10,20 "f. Dann begann die seichte Strecke in der Nähe 
des Abflusses. Der See ist, wie die Messungen in seiner Westhälfte und die 
sich dort anschließenden Versumpfungen beweisen, schon bedeutend zurück- 
gegangen, und wird wol, wenn sich sein Abflugs bis zum Illerniveau vertieft 
hat, fast ganz abgelaufen sein. — 

Zum Schlüsse unserer Abhandlung erwähne ich noch der Spuren eines 
früheren Jllersees, der sich in dem ausgedehnten Becken nördlich von Sonthofen 
befunden haben mag, welches sich am Fnßo des Grünten bis Immenstadt 
ausdehnt. Uber diese Fläche findet sich in Uümbcl's Werk (S. 819) folgende 
Notiz: „Im lllerthale nimmt jetzt eine größtenteils mit Moor und Torf erfüllte, 
sumpfige Niederung bei Rauhenzell unzweifelhaft die Stelle eines früheren Sees 
ein, der nach und nach ganz ausgefüllt wurde und den Lauf der versandenden 
Iiier westlich hinübergedrängt hat." Es ist dies die Strecke, auf welcher wir jetzt 
«las Agathazeller- und Goymoos finden. Wir dürfen darin wol den Rest der 
Wasseranstauung erblicken, welche erst durch allmähliche Ausnagung und 
Erweiterung des engen Durchbruchs ihren Abfluss gefunden liat, den sich die 
111er durch den festen, aber nur noch schmalen Nagelfluhriegel bei der „Unter- 
zollbrttcke" erzwang, und den wir als den Schlnsspunkt unseres zu behandelnden 
Gebietes bezeichnen müssen. — 



Dir* Quellen des Guadiana. 
Vou Prof. Dr. M. Willkomm. 

Unter den Strömen der pyrenäischen Halbinsel ist der Guadiana zwar nicht 
der bedeutendste, wohl aber der einzige, dessen Ursprung bis auf die neueste 
Zeit in ein mysteriöses Dunkel gehüllt geblieben ist. Bekanntlich werden sds 
dessen Quellen seit den ältesten Zeiten eine Anzahl Teiche und Seen, die Lagunas 
de Ruidera, betrachtet, welche auf dem durch Cervantes' unsterbliche Dichtung 
berühmt gewordenen Oampo de Montiel in der Mancha liegen und auf allen 
Karten in willkürlicher Anzahl in einer von SO. nach NW. streichenden Reihe ge- 
zeichnet erscheinen. Die starke, diesen Lagunen entquellende Wasserader, die 
den Namen oberer Guadiana (Guadiana alto) führt, verschwindet nach einem 
Laufe von , r »f> Km. gen NNW. in der sumpfigen Ebene von Villacentenos. Un- 
gefähr 44 Km. westsüdwestlich von dieser „el hundimiento 1, (Versenkung) genannten 
Stelle brechen aus dem Boden der Ebene von Daimiel, im Gebiete des Fleckens 
Villarubia (im ONO. von Ciudad-Rcal) einige starke bassiuartige Quellen mit 
großem Ungestüm hervor, denen ein FIuss entströmt, welcher sich nach einem 

i) Iu der Zeitschrift: .Der Tourirt' 1883, Nr. 6. 



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30 



Die Quellen de» Gtiadiana. 



westlichen Laufe von . ! K) Km. mit dem von NO. herbeiströmenden Orio Zäncara 
oder Cigüela vereinigt. Dieser so plötzlich entstandene Fluss wird nicht allein 
von den Bewohnern jeuer Gegend, sondern auch von den meisten Geographen 
als der nach langem unterirdischen Laufe wiedergeborene Guadiana betrachtet 
und sind deshalb jene Quellteiche „los ojos de Guadiana," d. h. die Augen des 
Guadiana genannt worden. 

Das Verschwinden des Guadiana und seine vermeintliche Wiedergeburt hat 
schon im Altertum die Aufmerksamkeit der Geographen erregt, ') eine genauere 
Untersuchung dieses Phänomen aber bis auf die neueste Zeit niemals stattgefunden. 
Zwar bezeichnete .schon 1780 der damals berühmte Architekt Villanueva, welcher 
den aus der untersten der Ruideralagunen abgeleiteten Kanal del Inlaute pro- 
jektiv hat, jene Annahme, das« der Guadiana 7 Leguas'weit unter der Knie 
hinfließe, als ein Alteswciherniärchcn (euento de viejas); nichtsdestoweniger 
ist diese Ansicht von den spanischen Geographen aufrecht erhalten worden, ja 
schien deren Wahrscheinlichkeit durch die im J. 1850 veröffentlichten Linter- 
suchungen des namhaften Geologen D. Francisco Lujar bestätigt zu werden, 1 ) 
da dieser gefunden haben wollte, das» in jeuer ganzen Gegend (zwischen dem 
llundimicnto und Los Ojos) der Boden aus horizontal gelagerten Schichten von 
Kiessand, Gyps und tertiarein Kalk bestehe, letzteres Gestein von unzähligen 
Spalten und Klüften durchzogen und diese mit Wasser gefüllt seien. Erst in 
neuester Zeit, infolge der geuaueu geognostischeli Aufnahme jener Gegend, ist 
unwiderleglich nachgewiesen worden, dass der Abfluss der Lagunas de Ruidera 
und der Ausfluss der Ojos de Guadiana nichts miteinander gemein haben, sondern 
zwei ganz verschiedene Flüsse und beide nichts anderes als Zuflüsse des Zancara 
oder Cigüela sind, welcher als der eigentlich«- obere Lauf des Guadiana betrachtet 
werden muss. Denn wäre in jener zwischen dem Hundimiento und den Ojos 
befindlichen, fast ebenen, mit W eidetriften bedeckten Gegend, welche der Volks- 
mund als die „Brücke des Guadiana bezeichnet, auf welcher Tausende von 
Schafen weiden können" der Hoden wirklich von dem Wasser des in den Sümpfen 
von Villacentenos sich verlierenden Flusses durchdrungen, so müsste dort beim 
Graben eines Brunnens Wasser sofort getroffen werden, sobald dessen Schicht 
bis unterhalb des Bettes des sogenannten Guadiana alto gekommen wäre. Allein 
man findet dort erst in einer Tiefe von 30 Varas (2f> in.), und nachdem man 
eine dicke undurehlassende Quarzitschicht durchbohrt hat, unter dieser Wasser, 
weshalb gerade dort die Brunnen sehr tief gegraben werden müssen. Sodann 
ist die Schichtung der tertiären Sedimente, welche in jener ganzen Gegend den 
Boden zusammensetzen und nur hier und da von Alluvium Uberlagert sind, 
keineswegs völlig horizontal, sondern nordwärts einfallend, so dass die in den Boden 
sickernden Wässer des (iuadinna alto und andere in der Sumpfebene von Villa- 
centenos verschwindende Bäche wol nordwärts nach dem nahen Zancara, niemals 
aber westwärts nach den 44 Km. entfernten Ojos hin abfließen köunen. Endlich 
beweist jeder starke Regenguss, dass der Abfluss der Ruideralagunen ein Neben- 
fluss des Zancara ist, denn dann führt derselbe soviel Wasser, dass dieses von 
den Sümpfen von Villacentenos nicht verschlungen werden kann, weshalb sich 
dann jener Fluss in derselben Richtung bis zum Zancara verlängert und in 
diesen mündet. Bei anhaltendem starken Regen verwandelt sich jene ganze 
Ebene in einen seichten See, welcher von den Lagunen bis zum Zancara reicht, 
niemals aber sich westwärts bis zu den Ojos erstreckt. 

Es hatte bis auf die neueste Zeit an einer genauen Untersuchung und Be- 
schreibung der hvdrographi8chen Verhältnisse jener interessanten Gegend, wie 
überhaupt sämmtiieher Flussgebiete Spaniens gefehlt. Diese Lücke in unserer 
Kenntnis der Hydrographie der iberischen Halbinsel ist durch ein 1878 zu Madrid 
erschienenes umfangreiches Werk des Professors der Baukunst und angewandter 
Mechanik an der königl. Forstnkadcmie des Escurial, Don Andres Llaurado, in 



'l „Ort ii r hie («c Anas fhiiueiii Lantinitano agro iLainiuitim war ein »wischen Montiel und 
Ak-a&ar gelegener Ort) et modo He in xtagua fundcns, modo in angimtia» re*orbens aut in totum 
cunienlis coudena et uaepiu» nasci gaudeits iu AUanticum Oceannm effundittir." PHu. bist, nat III, 2. 

l ) Memoria* de la real Academia de ciencia*. Tom. I. 



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Die Quellen des Guadiana. 



31 



befriedigendster Weise ausgefüllt worden. Wir entnehmen diesem hochinteressanten 
Buche, 1 ) der Frucht vieljähriger gewissenhafter Untersuchungen, die Daten zu 
den nachfolgenden Schilderungen der Lagunas de Iiuidera und der OjoB de 
Guadiana, sowie des Verlaufes der beiden diesen natürlichen Wasserreservoir« 
entströmenden Flüsse. Unter dem Namen Lagunas de Ruidera werden nicht 
weniger als 17 Teiche und Seen verstanden, welche alle miteinander in Ver- 
bindung stehen und in südnördlicher Richtung reihenweis angeordnet erscheinen. 
Jene Gegend ist keineswegs eine Ebene, sondern ein terrassirtes Plateau, weshalb 
die einzelnen Lagunen stufenförmig übereinander liegen und die Abdule mancher 
förmliche Wasserfalle bilden. Der Niveauunterschied zwischen den obersten La- 
gunen und der untersten betrugt nicht weniger als 12* m. Von den drei obersten 
747 in. über dem Meer gelegenen Lagunen erhalten zwei, Navalcaballo und Escon- 
dero, ihr Wasser aus benachbarten Quellen, ohne miteinander in Verbindung 
zu stehen; die dritte dagegen, Bianca, wird durch die Abflüsse der beiden 
ersten etwas höher gelegenen und einige einmündende kleine Bache gespeist. 
Der diesem Teiche entströmende Bach füllt in die auf einer tieferen Stufe lie- 
gende 7 Km. Umfang und 40,96 ha. Flüche besitzende Lagune del C'oncejo, 
welche außerdem die Wässer des Baches del Sahinas und der Quelle la Guerra 
aufnimmt. Ein Kanal von bloß 5 m. Länge verbindet diesen See mit der kleinen 
Laguna Coladilla. Beider Abflüsse ergießen sich in die wieder tiefer gelegene 
Laguna de Tinaja, welche l', ? Km. im Umfang misst und ihr Wasser durch 
einen in grauer Vorzeit konBtruirten unterirdischen Kanal in die Laguna de S. 
Pedro abgiht, die, im Bassin des gleichnamigen Baches befindlich, auch dessen 
Wasser erhält und einen Umfang von 4054 m. bei einem Areal von 28. 2 ha. 
besitzt. Ihr Abflugs speist die 894 tu. im Umfang und 8.72 ha. Fläche haltende 
Laguna Redondilla, deren Abfluss nach der auf der nächst ti «deren Stufe ge- 
legenen schmalen und langen Laguna Lcngua (die Zunge) einen Wasserfall von 
7.3 m. Höhe bildet Der 20.6 ha. große Zungenteich kommunicirt durch einen 
natürlichen unterirdischen Kanal mit der 7.72 ha. großen Laguna Salvadora, 
deren Abfluss mittelst eines Wasserfalles von 6'/, m. Höhe in die Laguna Ibaiiez 
oder Sauto Morquillo gelangt. Dieser im Umfang 1337 m. und in der Fläche 
12.5 ha. haltende Teich ergießt sein Waaser an mehreren Abflussstellen in ebenso 
vielen Kaskaden in die nur 7.39 ha. große Laguna Bataucra, deren Abfluss 
wieder einen Fall von 6.5 rn. Höhe bilden nniss, um in eine Stufe tiefer gelegene 
Laguna Colgada gelangen zu können. Diese ist die größte von allen, denn ihre 
Gherfläehe betrügt 103.93 ha. Der starke Abfluss dieses schönen Sees, der auch 
den Bach Saredilla aufnimmt, speist die wenig tiefer gelegene Laguna del Rey, 
so genannt, weil sie das Betriebswasser für die nahe gelegene königliche Pulver- 
mühle von Ruidera abgibt. Ihre Größe betrügt 39.57 ha., ihr Umfang 2627 in. 
Ihr Abfluss bildet den schönsten aller Wasserfälle, nämlich einen Katarakt von 
15.9 m. Höhe, worauf derselbe in die Laguna Morenilla einfließt, und von der 
benachbarten Lagune Coladilla durch einen mit Schwertlilien bedeckten Sumpf ge- 
trennt ist. Der letztere Abfluss speist die Laguna Cenaguero, aus welcher der 
sogenannte Guadiana alto als ein starker Bach hervortritt. Hier befindet sich 
auch das Schleußenwerk für den schon erwähnten, aus diesem Teiche abgeleiteten, 
zur Bewässerung der Felder des flachen Guadianathales bestimmten Kanal del 
Infante, welcher von hier aus leider nur 3 Km. weit benützt werden kann, weil 
er weiterhin in Verfall geraten ist und daher sein Wasser, nachdem er eine Walk- 
mühle getrieben wieder in den Fluss abgibt. Letzterer fließt durch einen schlam- 
migen Boden, welcher unaufhörlich mit dichten Massen von Schwertlilien be- 
wachsen ist, 16 Km. weit gen NO. bis zur Mühle Sta. Maria, wo der erst in den 
letzten .Jahren beendete Kanal del principe Alfonse beginnt, welcher einen Teil 
des Flusswassers den Feldern der benachbarten Ortschaften Tomelloso und Ar- 
gamesilla del Alba zuführt und eine Flüche von 2000 ha. bewässert. Von der 
genannten Mühle au fuhrt auch der Kanal del Infante wieder Wasser, welcher 
bis zu der am Anfange des 37 Km. hVgenden Mühle In Membrilleja fast parallel 
mit dem Flusse läuft. Dieser macht hier eine plötzliche Krümmung und ergießt 

•> Traudo de aguas y rieges. Madrid 1878. 8. 754 8 



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32 Die Quellen des Guadiana. 

sein ganzes Wasser in den Kanal. Von diesem Punkte aus ist auch keine weitere 
Fortsetzung des Flussbettes in der bisherigen oder einer andern Richtung wahr- 
zunehmen. Der Kanal setzt «ich noch Ii» Km. weiter fort. Erst nord-, dann 
nord westwärts laufend betritt derselbe 3 Km. vor seinem Ende die weit aus- 
gedehnte, ganz ebene, Uber und über mit Binsen und andern Sumpfpflanzen 
bedeckte Einöde von Villacentenos, wo er sich wieder nach NO. wendet. Er 
verliert nun immer mehr Wasser, bis dieses nach einem weitem Verlauf von 
3 Km. ganzlieh verschwindet. I >iesc Sumpfebene erstreckt sich noch weit jenseits 
des von dem „hundiiniento- nur noch wenige Kilometer entfernten ZäncaraflusscB, 
der bei deren Durchschneidung ebenfalls eine beträchtliche, im hohen Sommer 
oft die grölite Menge seines Wassers durch Infiltration in den durchlassigen 
sandigen Boden verliert. Das Gefalle des obern Guadiana von der Lagune 
Cenaguero an bis zur Mühle la Membrilleja betrügt 3 mm. pro Meter und ist 
daher hinreichend, um diesen Fluss zur Bewässerung der Felder benützen zu 
können. Dies geschieht aber bis jetzt nicht: ja selbst die ungeheuere Wasser- 
masse der 17 stufenförmig übereinander liegenden Lagunen vou Ruidora, welche 
auf 30 Millionen Kubikmeter berechnet Morden ist und «leren Katarakte als Kaskade 
eine Wasserkraft ropräsontiivn, welche einem Dampfdruck von 3200 Pferdekraft 
gleichkommt, ist, die geringe Wassermenge ausgenommen, welche die erwähnte 
I'ulvcriuühle, 4 Mehl- und 3 Walkmühlen treibeu, noch ganzlich unbenützt! — 

Was nun die ( »Jos de Guadiana anbelangt, so sind dies eine Anzahl so- 
genannter „naeimientos," mit welchem Namen die Spanier große, wasserreiche, 
meist mit Ungestüm hervorbrechende Quellen bezeichnen, die den Ursprung 
starker Bliche, wohl auch förmliche Flüsse bilden. Dergleichen Quellen finden 
sich am häufigsten in Kalkgebirgen, und zwar in Thälern oder am Fußo von 
dergleichen oft sehr wasserarmen Gebirgen. ') 

Die Ojos liegen aber in einem Alluviumboden auf einer Hochebene im Ge- 
biete des Fleckens Villarubia, deren Niveau demjenigen der Sumpfebene von 
Villacentenos gleichkommt. Die drei bedeutendsten, welche die Namen Mari- 
Lopez, la Canal und el Oercann erhalten haben, bilden durch ihre Vereinigung 
einen kleinen See von 2343 in. von Umfang, dessen größte Tiefe 3.25 m. betragt. 
Das Wasser dieses Sees ist so klar und durchsichtig, dass man auf seinem san- 
digen Grunde jeden Stein, sowie das Hervorquellen deutlich sehen knnn. Letzteres 
erfolgt so reichlich und mit solcher Gewalt, dass selbst Steine von beträchtlicher 
Grüße emporgehoben und fortwahrend herumgetrieben werden. Der diesem See 
entströmende Bach oder Fluss, der sogenannte Guadiana bajo, führte im Juli 1S()><, 
also im hohen, dort regenlosen Sommer noch 0.857 Cubm. Wasser pro Secunde. 
Derselbe fließt mit geringem Gefalle, durch einen schlammigen Boden in nord- 
westlicher Richtung, nimmt unterwegs das im Sommer nur sehr spärliche Wasser 
des ebenfalls vom Campo de Montiel herkommenden Rio Azuel auf und vereinigt 
sich 98 Km. vom Ursprung des vermeintlichen Guadiana alto mit dem Zancara, 
dessen an und für sieh viel beträchtlichere Wassermenge im Sommer von der 
Ebene von Villacentenos an größtenteils durch den sehr durchlässigen Sandboden 
seines Bettes aufgesogen wird und daher unterirdisch fortfließt. An der 504 m. 
über dem Meere gelegenen Vereinigungsstelle bilden die Wässer beider Flüsse 
einen Teich von beträchtlicher Ausdehnung, dem ein starker Fluss in derselben 
Riehl ung, in welcher der Zäncara herbeigeflossen ist, entströmt. Das ist der ei- 
gentliche Guadiana, welcher nach einem Laufe von 734 Km. bei Ayamoiite in 
den atlantischen Ocean mündet. Befrachtet man den Zancara oder Gigüela als 
den obern Lauf dieses Stromes, so beträgt desson Gesammtlänge über t>00 Km. 
und nicht bloß 832, wie gewöhnlich angenommen wird. 

Die Ojos de Guadiana sind nicht die einzigen Nacimientos jener Gegend, 
welche als „hervidores," d. h. mit Gewalt einporsprudelnde Quellen, auftreten. 
Auf demselben Campo de Montiel, wo die Lagunns de Ruidera und die Quellen 
des Azuel liegen, befinden sich, in geringer Entfernung von letzteren, zwischen 

') Da« gros«nrtigste Nacimicuto, da« ich gesehen, i»t das Xaeitnimto «Ii i Hin Grande in der 
Sierra de Honda (Proline Malaga,) welche« innerhalb einer geräumigen Fel.shahle liegt un<l eiu 
tiefe« Nnssin krystallhelleni Waavera bildet, dem ein starker Gebirgsbach, der Rio Gr.-.mle, in einer 
prächtigen breiten Ka»kade enutrömt. 



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Bettrige rar Physiognomik der Alpen. 



33 



unbedeutenden Hügeln, ganz ähnliche Nacimientos, die Ojos de Moutiel genannt, 
die den Ursprung de» Rio Javatön bilden, eine» wasserreichen und ebenfalls im 
Sommer ausnaltenden Flusse», welcher westlich strömend das Campo de Calatrava 
bewässert und endlich im Süden von Ciudad-Real in den Guadiana fallt. 



Beitrüge zur Physiognomik der Alpen. 
Von Prof. 1*. Friedr. Simon). 

Jedem selbst in Naturbeobachtung noch Ungeschulten nmss, wenn er einen 
größeren Teil der Alpen durchwandert, alsbald die außerordentliche Verschieden- 
artigkeit in der äußeren Gestaltung der einzelnen Gebirgsabschnitte in's Auge 
fallen. Die sanften, gleichmäßigen Formon der die äußerste Zone bildenden 
Flyschberge, dahinter die starren, mauerartig emporstrebenden, gigantischen 
Ruinen gleichenden Stöcke der Kalkalpen, die langgezogenen, dachiihnlichcn 
Kämme und pyramidenförmigen Spitzen der mittelalpinen Schiefergebirge, endlich 
die aus weiten Ei»- und Firnfeldern sich auftürmenden Zackengrate und Hörner 
der centralen Hochalpen, sie insgesamt lassen erkennen, dass trotz der un- 
endlichen Vielgestaltigkeit gewisse Grundformen immer wiederkehren, welche 
einerseits auf die jeweilige FeUart der Gebirgsmasse, anderseits auf geologische 
Agentien sich zurückführen lassen, die an dem Aufbaue und der allmähligcn 
Umstaltung der verschiedenen Erdoberflächenteile thätig waren und wol auch 
jetzt noch, obgleich nur mehr in sehr abgeschwächtem Maße, thätig sind. 

Leitet schon die Betrachtung im großen zu unwillkürlichen Vergleichen 
der mannigfachen Gebirgstypen nach Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten hin, 
so wird sich bei einem eingehenderen Studium der Detailerschoinungen in noch 
höherem Grade das Bedürfnis entwickeln, analog, wie in den naturhistorischeu 
Disciplinen, die unermessliche Fülle der ersteren in ein System zu bringen, 
Gleichartiges zusammenzufassen, Ähnliches entsprechend anzureihen, Unähnliches 
weiteren Kategorien einzuordnen. 

Bei einem derartigen Vorgange wird jedoch die Betrachtung und Be- 
handlung der Detailerscheinungen sich nicht an dem Erfassen der äußeren 
Gestaltung allein genügen lassen, sie wird sich auch alsbald über das Wie und 
Warum der Erscheinungen Aufschluss zu verschaffen suchen. 

Fällt nun allerdings die letztere Aufgabe zunächst dem Geologen zu, so ist 
doch nichtsdestoweniger auch der Geograph, wenn er sonst die Gestaltungen 
der Erdoberfläche bis in ihre Einzelnheiten wissenschaftlich erfassen will, darauf 
hingewiesen, neben den Erscheinungen sich auch um deren Ursachen zu kümmern. 

Derartige Studien der Detailerscheinungen, wie die oben angedeuteten, an 
Ort und Stelle vorzunehmen, ist jedoch nicht jedem Gelegenheit geboten. Nach- 
bildungen müssen vielfach die unmittelbare Naturanschauung ersetzen und sie 
vermögen dies um so vollständiger, je treuer in ihnen die wirklichen Objekte 
nach allen wichtigen und charakteristischen Einzeluheiten wiedergegeben sind. 

Wol ist die Bedeutung und der Wert von Illustrationen für die Förderung 
der geographischen Disciplin schon seit lange anerkannt und es kommt, 
wie die geographische Literatur unserer Tage darthut, in derselben auch da» 
Bild immer mehr zur Geltung. Aber das Gebotene erfüllt sehr oft seinen Zweck 
nur in höchst ungenügender Weise, die Wahl der zur Veransehauliehung be- 
stimmten Landschaftsobjekte ist häufig nicht die glücklichste, und überdies lässt die 
Ausführung, wenn auch von künstlerisch wolgeschulter Hand, aber ohne Ver- 
ständnis des wissenschaftlich Bedeutungsvollen in der Landschaft hergestellt, 
für den Fachmann oft vieles wenn nicht alles zu wünschen übrig. Außerdem 
sind aber auch trotz des schon reichlich Geboteneu noch viele und weite Lücken 
in dieser Richtung auszufüllen, gar manches, was zu einer erschöpfenden Charak- 
teristik der verschiedenen Erdoberflächenformen gehört, ist noch nicht, oder doch 
viel zu wenig in den Kreis der Beobachtung und vor allein in das Bereich einer 
der Allgemeinheit zugänglichen Darstellung gezogen worden. 

KctHcr'» XtiUthrtft. Bd. r. 3 



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34 



Beitrage mr Physiognomik der Alpeti. 



Nun aber scheint allgemach die Zeit gekommen, wo daran gedacht werden 
darf, für die Zwecke des erdkundlichen Studiums die Schaffung eines möglichst 
weit ausgreifenden, alle lehrreichen Erscheinungen der geographischen Forschungs- 
gebiete umfassenden, aus guten Abbildungen bestehenden Anschauungsapparates 
anzubahnen, eines Anschauungsapparates, analog jenem, dessen sich die verschie- 
denen naturhistorischen Diseiplinen in ihren geologischen, paläontologischen, 
mineralogischen, botanischen und zoologischen Sammlungen -schon seit lange zu 
erfreuen haben. 

Mit der Hinweisung auf naturhistorische Sammlungen möchten wir nur 
angedeutet haben, dass für einen derartigen, aus landschaftlichen Darstellungen 
bestehenden Anschauungsapparat es nicht genügen kann, jeden einzelnen geogra- 
phischen Begriff mit einer oder mit ein paar bildlichen Darstellungen abzuthun, 
sondern dass in demselben alle charakteristischen Varianten und Übergangsforrneu in 
ahnlicher Weise ihre Vertretung zu finden haben, wie beispielweise eine oryktogno- 
stischc Sammlung die verschiedenen Krystallisationsformen und mannigfachen Vor- 
kommnisarten jeder einzelnen Mineralspecies, oder eine petrographische Sammlung 
die verschiedenen Varietäten jeder einzelnen Felsart enthalten muss, wenn sie 
genügend instruktiv sein soll. 

Durch das zu bedeutender Vollkommenheit entwickelte Trockenverfahren 
in der Photographie ist derzeit bereits die Möglichkeit geboten, das« jeder, der 
geologische oder geographische Studien in der Natur betreibt, nach geringer 
Vorübung sich in den Stand setzen kann, nach eigener Wahl des Gegenstandes 
und des Aufnahmspunktes von allen jenen Objekten der Landschaft, welche ihm 
bedeutungsvoll und lehrreich erscheinen, sich in wenigen Minuten ein natur- 
treues Abbild zu verschaffen. Dazu kommt, dass durch die stetigen Fortschritte 
der verschiedenen Reproduktionsmethoden nun auch schon die Mittel zur Ver- 
fügung stehen, photographische Aufnahmen nicht allein auf dem Wege des Licht- 
druckes in unvergänglicher Weise zu vervielfältigen, sondern auch als Photo- 
typien auf Cliches für den Buchdruck zu übertragen. 1 ) 

Haften der letztgenannten Reproduktionsmethode wol auch noch einzelne, 
übrigens kaum je vollständig zu beseitigende Unvollkomtnenheiten an, so scheint 
dieselbe dennoch in Anbetracht der Thataache, dass durch sie, trotz des Ent- 
falles der allerzartesten Nuancierungen des Tones und der feinsten Einzelnheiten, 
ungleich treuere und detailliertere Nachbildungen der Originalaufhahmen geboten 
werden köunen, wie durch den Holzschnitt und die Lithographie, sich überall 
dort in erster Linie zu empfehlen, wo die Herstellung großer und zugleich 
möglichst billiger Auflagen in Betracht kommt. 

Nach den Illustrationen, welche den nachfolgenden, die erste Nummer von 
zeitweilig in diesen Blättern künftig erscheinenden Beiträgen zur Physiognomik 
der Alpen bildenden Artikel begleiten, mag sich der Leser selbst ein Urteil 
bilden, ob und wie weit die letzterwähnte Reproduktionsmethode geeignet ist, 
die Realisierung des oben ausgesprochenen Gedankens der Schaffung eines 
möglichst umfassenden, aus Landschaftsbildern bestehenden geographischen An- 
schauungsapparates fördern zu helfen und im Hinblick auf die erzielbare Billigkeit 
denselben auch den weitesten Kreisen zugänglich zu machen. 

I. Erosionsformen im Dachsteinkalk. 

Kaum bietet neben dem Schrattenkalk noch eine zweite innerhalb der 
Alpen in größerer Mächtigkeit auftretende Felsart so mannigfache und zugleich 
so eigenartige Erosionserscheinungen dar, wie der, der oberen Abteilung der 
alpinen Trias -- dein Rhat — zugezählte Dachsteinkalk. 

Schon die auffällige Vegetationsarinut in Höhen, wo Gebirge anderer 
Gesteinsforinationen noch in mehr minder reichem Ptlanzenschmucke prangen, 
deutet darauf hin, dass der „rastlos nagende Zahn der Zeit" hier seine Thätigkeit 
mit besonderer Energie übt. Auf den weiten, plateauähnlich gestalteten Hoch- 



' » Die Tafeln III. und IV. siud phototypi»vhe Nachbildungen zweier vom Verfawcr nach der 
Natur aufgenommenen Photugratiiinc, hervorgegangen aus der photo-eliemigraphiacheu AuxUlt von 
C. Au gerer und üönclil in Wien, Ott&kringer Hauptstraße 83. 



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Beiträge «nr Physiognomik der Alpen. 35 



rücken des Steinernen Meeres, des Tünnen-, Dachstein- und Prielgebirges — 
den typischen Repräsentanten der in Rede stehenden Felsart — finden sich 
schon in Niveaus von 1700 — 1900 m. hie und da kahle Steinfelder von beträchtlicher 
Ausdehnung, Uber dieser Höhe aber nehmen die letzteren häufig schon derart 
überhand, dass, von einem entlegeneren Standpunkte aus betrachtet, sich das 
ganze Terrain als eine einzige, zusammenhängende Felsenwüste darstellt, in welcher 
nur hie und da kleine Vegetationsflecken gleich Miniaturoasen eingestreut sind. 

Forscht man nach dem Grunde dieser auffälligen Vegetationsarmut, so 
erweist sich als solcher in erster Linie die petrographische Beschaffenheit des 
Dachsteinkalkes. Derselbe besteht dem weitaus größeren Teile seiner Gesamt- 
masse nach aus nahezu reinem Kalkcarbonat, welchem nur örtlich etwas 
reichlichere Mengen von Thonerde oder Kieselerde, nebenbei wol auch Bitter- 
erde, Eisen in verschiedenen Oxydationsstufen und noch andere Stoffe beigemengt 
sind. Da nun das Kalkcarbonat neben dem Gips zu den im Wasser relatir 
leichtest aullrtw liehen Gcsteinabestandteileu zählt, so ist auch der Dachsteinkalk den 
Angriffen der Hydrometeore, überhaupt jeder Art von Wasaer, in verhältnis- 
mäßig hohem Grade unterworfen. Regen- und Schneewasser führen sehon auf 
dem Wege der chemischen Auflösung — die mechanische Erosion gar nicht 
mitgerechnet — von den nackten Felsen Teilchen um Teilchen fort, immer 
wieder nene Gesteinsflächen bloßlegend, auf welchen berzugetragene Pflanzen- 
keime ebensowenig Wurzel zu fassen vermögen, wie dies bei ihren Vorgängern 
der Fall war. 

Sehen diese von den Umwohnern zutreffend als „Todtes Gebirge" bezeichneten 
Steinmeere, aus der Ferne betrachtet, schon wüst genu^ aus, so vermag der Be- 
schauer doch nicht annähernd die abschreckende Wildheit zu ahnen, welche 
ihnen durch die mannigfach thätige Erosion im Laufe der ungezählten Jahr- 
tausende aufgeprägt worden ist. Man muss ein derartiges Terrain selbst durch- 
wandert haben, um sich über dessen Charakter eine richtige Vorstellung bilden 
zu können. Im großen betrachtet, sieht der ganze Boden so aus, als hätte es 
seit dessen Bestände nicht Wasser, sondern Säuren auf denselben geregnet. 
Mannigfach gestaltete Runsen von den verschiedensten Dimensionen durch- 
ziehen bald mehr, bald minder dicht gedrängt das Gestein; dazwischen ragen 
oft messerscharfe Grate und Zacken so dräuend empor, dass nur ein vollkommen 
trittsicherer Fuß sie gefahrlos zu überschreiten vermag. Weite, kesselähnliche 
Einstürze, am Grunde mit Felstrümmern, wol auch mit altem Schnee bedeckt, 
reihen sioh oft mehrfach längs einer sie verbindenden Kluft aneinander. Hie und 
da bricht ein nachtfinsterer Schlund, von unheimlichen Schneiden und Spitzen 
umkleidet, in unmefesbare Tiefe nieder, oder er manifestiert sich als der Schlott 
eines weiten unterirdischen Hohlraumes, dessen Decke dünn genug ist, um bei 
jedem Tritte des Wanderers einen dumpfen Wiederhall zu geben. 

Einen grellen Gegensatz zu den eben erwähnten scharfen, sclmeidigen, 
wild durchhöhlten Bodenteilen bilden in dem wirren Gewoge der Felsen die 
zahlreichen, mehr minder stark abgerundeten Stufen und Höcker, zu welchen 
sich wol auch noch hie und da eine flach abgeschliffene, von verschiedenen tiefen 
Kritzen durchzogene Platte, oder eine Schuttmasse beigesellt, die man nach den 
zahlreich in ihr vorkommenden, stark abgerundeten Geschieben als eine Ab- 
lagerung durch strömendes Wasser zu deuten versucht sein könnte, wenn nicht 
die Art ihres Vorkommens jeden Gedanken an fluvialen Transport vollständig 
ausschließen und unabweislich auf einen solchen durch einst vorhandene Gletscher 
hinweisen würde. 

Kann man nun auch keinen Augenblick in Zweifel sein, dass all die mannig- 
fachen, ins Unendliche gegliederten Unebenheiton der einst gewiss höchst ein- 
förmig gestalteten Gebirgsoberfläche einzig nur das Produkt stetig fortschreiten- 
der Erosion sind, so muss doch ebenso eine nähere Betrachtung der Erscheinungen 
alsbald zu dem Schlüsse fuhren, dass es erodierende Thätigkeiten von ver- 
schiedener Art und Intensität waren und zum Teil auch jetzt noch sind, welchen 
diese Gebilde ihre Entstehung zu danken haben. 

Zunächst sind es die Hydrometeore, welehe ständig ihre erodierende 
Wirkung an den bloßliegenden' Felsflächen üben. Wenn man bedenkt, dass das 

8» 



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Beiträge zur Physiognomik der Alp««. 



Regen- und Schneewasser schon bei seinem ersten Kontakt mit dem Gestein 
gewisse, wenn auch noch so minimale Quantitäten des letzteren aufzulösen ver- 
mag, so wird es begreiflich, dass alle Oberflachenteile der zu Tage liegenden 
Kalkfelsmassen einen fortgesetzten Abtrag erleiden müssen. Es ist kaum zu 
hoch gegriffen, wenn man die im Verlaufe eines Jahrhundertes durch die Hydro- 
meteore abgenagte Schichte durchschnittlich auf 2 — 3 mm. anschlägt. *) 

Wie allgemein und stetig aber auch diese Art der Erosion an den Kalk- 
felsmassen ihre Thätigkeit übt, so machen sich ihre Wirkungen doch nur lokal 
und meist erst in den Höhen zwischen 1600— -2500 m., wo innerhalb der Alpen 
die atmosphärischen Niederschläge im allgemeinen ihr Maximum erreichen, in 
auffälligerer Weise bemerkbar. 

Die erste der 3 beigegebenen Illustrationen (Taf. II.) aus dem Dachstein- 
gebirge, eine Partie des Schladminger Loches (2000—2050 m.) mit dem 
nördlich angrenzenden Niederen Grünberg (2189 m.) darstellend, bringt 
eine im Dachstein kalke häufig vorkommende Form der durch Hydrometeore 
erzeugten Erosionen zur Anschauung. Es sind dies jene fast durchgehend» 
geradlinigen, parallel laufenden Furchen, welche in grosser Zahl die Oberfläche 
der stufenförmig übereinander lagernden, nach innen geneigten Felsschichten 
überziehen. Ähnlieh erscheint auch die hinterliegcnde Wand in ihrem unteren 
Teile von dem zeitweilig niederrieselnden Regen- und Schneewasser durchfurcht. 

Hier möge auch gleich noch auf 2 andere, in dem Bilde dargestellte 
Erscheinungen hingewiesen werden. Einmal sind es die Spalten, welche die 
Schichten meist parallel der Streichungslinie, seltener die letztere kreuzend durch- 
ziehen. Derartige Spalten sind es, welche die Entstehung der in dem Nach- 
folgenden zur Sprache kommenden Karren wesentlich gefördert haben. 

Die zweite Erscheinung, auf welche aufmerksam gemacht werden soll, ist 
die an den Schichtenköpfen vielfach deutlich ausgesprochene Abrundung, welche 
jedenfalls schon viel weniger auf atmosphärische, als auf glaciale Erosion zurück- 
zuführen ist. Namentlich sind der letzteren jene deutlich entwickelten Rund- 
höcker zu vindicieren, welche, im rechtsseitigen Mittelgrunde des Bildes deutlich 
hervortreten. 

Viel prägnanter noch zeigt sich die ersterwähnte Form von Erosion durch 
Hydrometeore iu der Partie aus dem Wildkar (Taf. III.), welche gleich- 
falls der Höhenzone von 2100 — 2160 m. angehört. Alle stärker geneigten Flächen 
der gleichfalls durch Gletscherschliff abgerundeten Felserhöhungen sind von 
gleichgestalteten, nur verschieden tief und breit eingenagten, parallel laufenden, 
geradlinigen Rinnen durchfurcht. 

Dort, wo die Gestaltung des Terrains lokale, mächtigere Ansammlungen 
von Schnee begünstigt, können die Ausnagungen des Gesteins ungleich größere 
Dimensionen annehmen, insbesondere, wenn Zerklüftungen, wie sie die Schichten 
in Taf. II. zeigen, das erstere in größerer Zahl durchsetzen. An solchen Stellen 
finden sich dann häufig jene bei allen Gebirgswanderern mit Recht verrufenen 
Karrenfelder vor, von welchen Prof. H e i m ein anschauliches Bild geliefert hat. *) 

Übrigens ist die Entstehung der Karrenfelder, wie auch aller übrigen 
tiefer greifenden Aushöhlungen des Bodens, die in so mannigfachen Formen inner- 
halb der Felswüsten des Dachsteinkalkes auftreten, nur zum kleineren Teile jenen 
relativ unbedeutenden Mengen von Regen- und Schneewasser zuzuschreiben, 
wie sie sich unter den gegenwärtig bestehenden Verhältnissen anzusammeln ver- 
mögen; ihre Bildung hat zweifellos begonnen, seit das Gebirge überhaupt als 
solches besteht. 



') An einem nahe dem alteu Karrenwcge zwischen Gosautnilhl und Hallstadt gelegenen Gletscher- 
achliffe, welcher im Jahre 1843 durch Abraum von zur Wegheschotterung verwendetem alten 
Moränenschutt frisch bloßgelegt worden war und damals in der glattpolierten Oberfläche ausgezeichnete 
Kritzeu zeigte, war 30 Jahre spüter die letztere schon rauh genagt, teilweise mit kteiuen Moosen 
und Flechten uberwachsen und von den vielen Kritzen waren nur mehr uudeutliche Spuren wahr- 
zunehmen. 

*> A. Heim Prof.: Über die Karrenfclder (Jahrb. d. Schweizer A. C. XIII. Jahrg. 421— 433. 
Ebendaselbst: F. Becker, die Karrenfelder des Excursionsgebiete«. 85—101.) 



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Beiträge zur Physiognomik der Alpen. 



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Vor allem mächten wir, wenn auch nicht die erste Entstehung, so doch die 
Ausbildung jener Art von Karrenfeldem, welche in der bei 1700 in. hoch 
gelegenen Partie aus der Wiesalpe (Taf. IV.) zur Anschauung gebracht 
wird, hauptsächlich in der erodierenden Thätigkeit Hehuttführender Abflusswässer 
jener mächtigen (il eü»cher mausen suchen, welche in den thaltorraigen Vertiefungen 
des Gebirges lagerten und durch dieselben ihren Wog nach abwärts nahinen. 
Karrenfelder, gleich dem dargestellten, finden sich vorzugsweise in nur mäßig 
geneigten Felsflächen. Während in Steilhängen die Erosionsfurchen geradlinig 
und unter sich parallel verlaufen und die Tiefe und Breite von 10—30 cm. nur 
ausnahmsweise überschreiten, erseheinen sie in Karrenfeldern der letzteren Art . 
oft mehrfach gewunden; dabei zeigt sich im Detail eine große Mannigfaltigkeit' 
ihrer Form, sowie auch ihrer Breiten- und Tiefen-Dimensionen. Es kommen 
Rinnen vor, deren Breite weit Uber 1 m. und deren Tiefe mitunter das Doppelte 
und darüber erreicht; ja in jenem Uochthale des Dachsteingebirges, auf dessen 
oberster Stufe der Gosauer Gletscher lagert, nimmt dessen Abfluß, der 
Kreidenbach eine ziemlich weite Strecke seinen Weg durch eine Karrenrinne,' 
welche stellenweise die Breite von 3—4 m. und eine Tiefe von 5—6 m. erreicht. 

So sehr aber auch die Formen und die Dimensionen der in Rede stehenden 
Karrenrinnen wechseln mögen, darin bleiben sie sich doch gleich, dass sie am 
Grunde fast immer regelmäßig ausgerundet sind. Die zwischen den Rinnen liegen- 
den Rippen, deren Querprofil in dem Masse schmächtiger wird, je tiefer und 
breiter die ersteren sind, zeigen sich nach oben meist abgewölbt, mitunter 
aber auch keilig, ja selbst schneidig zulaufend, auf der Schneide zahn- oder säge- 
artig eingekerbt u. s. w. Die Rinnen nehmen ihren Anfang nicht immer im 
höchsten Teile der von ihnen durchzogenen Felsfläche; oft beginnen sie, gleich 
tief einschneidend, inmitten der letzteren, greifen in ihrem Verlaufe oft mehrfach 
ineinander und münden schließlich in einer Spalte, einem Kessel, „Riesentopf" 
oder „ Karrenbrunnen" (beide auch „Strudcllöcher" genannt), verlieren sich aber 
auch oft unter altem Moränenschutt, unter Rasen- oder Waldboden. 

Bezüglich der Entstehungsweise dieser Art von Karrenfeldern möge noch 
einmal betont werden, dass sie sieh am vollkommensten und großartigsten stets in 
jenen thalform igen Vertiefungen des Gebirges zeigen, durch welche während der 
langen Glacialperiode reichlichere Wasseransammlungen der einzelnen Gletschcr- 
ströme ihren Verlauf nahmen. In solchen Thalmulden lassen sich die Karren 
oft bis zum Fuße des Gebirges verfolgen, wenn sie auch in den tiefer gelegenen 
Teilen sich oft unter der Walddecko verlieren und nur gelegentlich bei Fällung 
größerer Bestände oder nach einem Windbruch in kleinen Partien wieder zu 
Tage treten. 

Weiset schon das vorzugsweise Auftreten, Bowic die stärkste Entwicklung 
der in Rede stehenden Art von Karrenfeldern in den Hauptbetten der alten 
Gletscher darauf hin, dass ihre eigentümliche Gestaltung hauptsächlich der 
erodierenden Thätigkeit der unter dem Eise dahinfließenden, schuttbeladenen 
Schmelzwässer zuzuschreiben sein dürfte, so führt zu dem gleichen Schlüsse auch 
noch die Thatsache, dass nicht nur um die Karrenfelder herum alter Moränenschutt 
sich besonders reichlich abgelagert findet, sondern, dass auch mitunter ansehnliche 
Partien derselben von dem letzteren überdeckt oder doch in den tieferen Rinnen 
teilweise davon erfüllt sind. 

Vielleicht könnte auch der Gedanke berechtigt erscheinen, dass diese 
Karrenrinnen einfach durch die in ursprünglich schon vorhandenen Vertiefungen 
sich ansammelnden Regen- und Schneewilsser, mitunter auch 'durch Quellwässer 
entstanden und ausgebildet worden sein mochten. Gegen diese Annahme sprechen 
jedoch zwei Umstände. Einmal schon ist nicht zu übersehen, dasB viele dieser 
Karrenrinnen mit altem Moränenschutt teilweise oder ganz ausgefüllt, wieder 
andere am Grunde mit allerlei Vegetation bedeckt, in der Waldregion mitunter 
sogar von Holzwuchs überwuchert sind. 

Dann steht dieser Annahme weiters auch noch die Thatsache entgegen, 
dass innerhalb jener vereinzelten Karrenfurchen, welche entweder irgend einer 
Quelle oder dem Schmelzwasser einer nahe gelegenen Schneeansammlung zum 
ständigen Rinnsal dienen, trotz der mehr oder minder kontinuierlichen Berührung 



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Begleitworte zur Karte Uber die Gebiete gleicher Bevtflkerungaboweguu g. 



mit Hern auflösenden Element dennoch nur relativ kleine, aber scharf markierte 
Erosionsfurchen in den Grund der erstcren genagt worden sind, Erosionsrurehen 
von so geringen Dimensionen, dass sie mitunter kaum ein Zehntel oder Zwanzigstel, 
ja noch viel weniger vom Querprofil der ganzen Rinne einnehmen. Ein lehr- 
reiches Beispiel dieser Art liefert das in Taf. IV. abgebildeto Karrenfeld. An der 
durch die sitzende Figur markierten Stelle bricht am Fuße des Bergabhanges eine 
kleine Quelle, genannt „im Schnalz* hervor, welche nur naeh lange anhal- 
tender Trockenheit vollständig versiegt 

Das Wasser dieser Quelle findet seinen Ablauf mitten durch das Karren- 
.feld in einer gewundenen, tief ausgehöhlten Rinne, in welche andere Rinnen 
gleicher Art ausmünden. Trotzdem dieses Wasserchen fast kontinuierlich, wenn 
auch meist sehr spärlich Hiebt, hat es doch nur vermocht, in den Grund der großen 
Karrenfurche erst ein verhältnismäßig unbedeutendes Rinnsal einzunagen, welches 
durch seine scharfen Ränder so deutlich ranrkirt ist, dass es auch in dem Bilde 
ohne Schierigkeit wahrgenommen werden kann. 

Darauf, dass die linksseitige Partie des dargestellten Karrenfeldes teil- 
weise mit altein, grasbewachsenen Moränenschutt, sowie auch der Grund ein- 
zelner Karrenfurchen mit Vegetation bedeckt erscheint, mag nebenbei hingewiesen 
werden. 

Schließlich sei noch erwilhnt, dass in nächster Nähe dieses Karrenfeldes sich 
ein zweite« gleicher Art vorfindet, an welchem ein bei V/ 7 in. breites und über 
2 in. tiefes, am Grunde gleichfalls mit Moränenschutt und Vegetation bedecktes 
„Strudelloch* mit fast vollkommen kreisrunder, senkrechter Umwandung ein 
weitores, nicht zu verkennendes Wahrzeichen der erodierenden Thätigkeit von 
einst hier reichlich strömenden Gletscherwässern liefert 



Begleitworte zur Karte über die Gebiete 
gleicher Bevölkerungsbewegung in Süd Westdeutschland. 

Von J. I. Kettler. 

Die diesem Hefte beigegebene Karte stellte die geographischen Gebiete 
gleicher Stufen der Bevölkerungsbewegung im südwestlichen Deutschland dar. 
Sie bezieht sich auf die Resultate dieser Bewegung innerhalb des zwischen den 
beiden letzten deutscheu Volkszählungen liegenden Zeitraumes, also auf die Zeit 
von 1875 — 1880. Als Grundlagen für unsere Berechnungen dienten folgende amt- 
liche Publikationen: 

1. Hof- und Staatshandbuch des Königreichs Württemberg, für 1877. 

Herausgegeben vom kgl. statistisch-topographischon Bureau. Stuttgart, 1877. — 

Dasselbe Werk, Jahrgang 1881. Stuttgart 1881. 
Das vorzüglich organisierte und geleitete statistisch-topographische Bureau 
zu Stuttgart das wir schon bei anderer Gelegenheit als ein Institut bezeichnet 
haben, welches den anderen deutschen statistischen Bureaus bei ihrem vielleicht 
dereinst zu erwartenden Ausbau zu staatliehen Zentralstelion ttir wissenschaftliche 
Volks- und Landeskunde in vielen Punkten als Vorbild dienen darf, publiziert 
die Ergebnisse der württembergischen Volkszählungen nicht jedesmal in seinen 
„Jahrbüchern" in einer bis auf die einzelne Gemeinde herabgehenden Detail- 
lierung. Diese letztere einzige sichere Grundlage eingehenderer volks- und 
landeskundlicher Spezialstudien würde uns also fehlen, wenn das genannte Bureau 
sie uns nicht in einer anderen, freilich im wesentlichen nicht statistischen Publi- 
kation böte: eben in dem Hof- und Staatshandbuche. Im letzteren finden wir 
einen fast ein Drittel des ganzen Werkes beanspruchenden Abschnitt, der unter 
dem Titel „Bezirks- und Ortsverwaltung nach Kreisen und Oberämtern" neben 
Personalnotizen die Be vö I k e r u u gszah 1 j e d es einzelnen Wohnplatzes 



Gemeinde ferner auch die Konfessionsstatistik mitteilt. 

Wegen dieser eingehenden topographischen Detaillierung seiner statistischen 
Angaben bietet das württembergische Hof- und Staatshandbuch eine überaus 




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Begleitworte zur Karte Uber die Gebiete gleicher Iievolkeruugsbeweguu g. 



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schätzbare Materialsammlung für bevolkerungs-geographische Studien ; ist es ge- 
stattet, dass wir vom geographischen Standpunkte aus bezüglich dieser Publi- 
kation einen Wunsch äußern, so wäre das nur der, das um die wissenschaftliche 
Volks- und Landeskunde so hoch verdiente statistisch-topographische Bureau zu 
Stuttgart möchte (uicht bei den einzelnen Wohnplätzen, aber doch bei den Ge- 
meinden) noch zwei fernere Zahlen beifügen: nämlich die Zahl der in der Ge- 
meinde und jene der im übrigen Württemberg Geborenen. Wenn die erstere 
dieser beiden Zahlen aus dem Material der betreffenden letzten Zählung nicht 
ermittelt wurde oder nicht zu ermitteln war (was vom wissenschaftlichen Ge- 
sichtspunkte stets sehr zu bedauern), so sollte wenigstens womöglich statt ihrer 
die Zahl der im betreffenden Oberamte, beziehungsweise Kreise Geborenen 
genannt werden. Das statistisch wie geographisch so interessante Verhältnis 
der inneren Wanderungen gewinnt allein mit solchem Material sichere Grundlagen 
seines Studiums. 

2. Alphabetisches Verzeichnis der Ortschaften (Städte, Flecken, Dörfer, 
Weiler, Höfe u. s. w.) in den Hohenzollern'schen Landen- Sigmaringen 1882. 

Das königlich preußische Statistische Bureau pflegt gemeiniglich die Er- 
gebnisse der preußischen Volkszählungen in seinen beiden Organen („Zeitschrift" 
und „Preußische Statistik") nicht in jener dankenswerten topographischen 
Detaillierung zu veröffentlichen, die erfreulicherweise die Publikationen mancher 
anderen deutscheu statistischen Bureaus aufweisen ; vielmehr geht die Mitteilung 
der Zählungsergebnisse meistens nur bis auf Kreise, beziehungsweise Amter, 
oder bis auf größere Orte zurück, selten aber bis auf jede Gemeinde oder gar 
jeden Wohnplatz. Allerdings würde ja auch durch eine so eingehende Bear- 
beitung der Ergebnisse jeder Zählung bei dem großen Umfange Preußens allemal 
die Publikation einer ganzen Reihe von Bänden erforderlich werden und dadurch 
die schon jetzt sehr stattliche Serie der Veröffentlichungen des königlichen sta- 
tistischen Bureaus in einem kolossalen Maße anschwellen — was für deren über- 
sichtliche und die Benützung erleichternde Anordnung nichts weniger als förderlich 
wäre und außerdem dem Einzelnen den Besitz der kompleten Reihenfolge der 
Publikationen des Bureaus ganz enorm verteuern würde. Auch dürfte die sta- 
tistische Zentralstelle in Berlin selbstverständlich ohne eine erhebliche Steigerung 
ihres Personalbestandes gar nicht in der Lage sein, die Resultate jeder Zählung 
in einer bis auf Gemeinde oder Wohnplatz herabgehenden Detaillierung zu pu- 
blizieren. Und doch ist andererseits absolut nicht zu verkennen, dass eine den An- 
forderungen strenger Wissenschaftlich keit genügende Volks- und Landeskunde 
die regelmäßig fortgesetzte Publikation dieser eingehenden Zählungsbearbeitungen 
als ihre erste Voraussetzung ansehen inuss. Nur auf der durch solche Publi- 
kationen ermöglichten Detailforschung lassen sich die meisten Fragen der neuerdings 
wieder vielfach und mit Recht als hochwichtig bezeichneten „wissenschaftlichen 
Volks- und Landeskunde" in befriedigender Weise lösen. Die Geograpio muss 
daher, wie von anderem Gesichtspunkte aus z. B. auch die Landwirtschaft, ihre 
feste Hoffnung darauf setzen, dass mit der Zeit auch die preußische amtliche 
Statistik zur topographischen Detaillierung in ihren Publikationen übergehen 
wird — sei es durch Verstärkung des Betriebes der Zentralstolle selbst oder 
durch Abgabe dieser Detailarbeiten an provinzialo statistische Bureaus. In der 
Errichtung der letzteren würde das landschaftliche statistische Interesse wohl 
am geeignetsten seine Wahrung finden. — Da für die Ergebnisse der Zählung 
des Jahres 1880 eben die Zeitschrift des preußischen statistischen Bureaus und 
die ebenfalls von letzterem herausgegebene „Preußische Statistik" Bevölkerungs- 
angaben für jede Gemeinde nicht enthalten, wandten wir uns mit der Bitte 
um diese Zahlen an den königlichen Regierungspräsidenten zu Sigmaringen, der 
uns durch gütige Übersendung obengenannter Druckschrift (in welcher ferner 
handschriftlich die entsprechenden Zahlen für 1875 beigefügt waren) zu großem 
Danke verpflichtete. 

3. Gemeinde-Verzeichnis für das Königreich Bayern. Nachtrag zum 
XXXVI. Heft der Beiträge zur Statistik des Königreichs Bayern. Heraus- 
gegeben vom k. statistischen Bureau. München 1879. — Gemeinde- Verzeichnis 



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Begleitworte zur Karte über die Gebiete gleicher Bevölkerungsbewegung 



für das Königreich Bayern. Ergebnisse der Volkszählung vom l. Dez. 1880. 
XXXXV. lieft der Beitrüge zur Statistik des Kgr. Bayern. München 1882. 

Die erstgenannte dieser beiden Schriften enthalt die Bevölkerungszahl 
jeder Gemeinde nach der Zahlung des Jahres 1875, während die sonstigen mit- 
geteilten statistischen Angaben nur für die Verwaltungsdistrikte gegeben sind. 
Dagegen zeichnet die zweite Publikation sich dadurch aus, dass sie eine Reihe 
weiterer statistischer Verhaltnisse für jede Gemeinde mitteilt. Nebenbei sei be- 
merkt, dass sich hier wohl die Kolumnen für die praktisch-interessante, wissen- 
schaftliehe aber doch ziemlich unwichtige Frage nach der Staatsangehörigkeit, 
nicht aber für die wissenschaftlich ungleich wertvollere Frage nach dein Ge- 
burtsort finden — ein h beistand, der ja leicht erklärlich ist und sich dementspre- 
chend leider sehr häufig auch in anderen statistischen amtlichen Werken wiederholt. 

4. Notizblatt des Vereines für Erdkunde zu Darmstadt nnd des mittel- 
rheinischen geologischen Vereins. Nebst Mitteilungen aus der Grossh. Hessischen 
Centraistelle für die Landesstatistik. III. Folge, XV. Heft, Nr. 180. Darinstadt, 
1870. — Mitteilungen der Grosshzgl. Hessischen Centraistelle f. d. Landes- 
statistik. 1881, Nr. 256. 

Die Zählungsergebnisse für 1875 findon sich in erstgenannter Publikation, 
und zwar in einem Aufsätze folgenden Titels: „Verzeichnis der Gemarkungen 
und Gemeinden des Großherzogtums Hessen." Es ist hier die Bevölkerungszahl 
für jede Gemeinde und für jene Höfe etc., welchen das Recht eigener Gemarkung 
zusteht, angegeben. Von anderen Wohnplätzen, welche mit einer der oben 
erwähnten Ortschaften zusammen eine Gemeinde und Gemarkung bilden, sind 
in dem Verzeichnisse ferner solche genannt, welche aus größeren, mit besonderen 
Ortsnamen versehenen Komplexen bestehn; die Bevölkerungszahl derselben ist 
jedoch nicht besonders angegeben. Andere Zählungsergebnisse sind hierbei nicht 
mitgeteilt. — Das in der zweiten der obengenannten Publikationen enthaltene 
„Verzeichnis der Gemarkungen und Gemeinden des Grolih. Hessen mit Angabe 
der ortsanwesenden Bevölkerung nach der Zählung vom 1. Dez. 1880" ist in 
derselben Weise bearbeitet, jedoch ist den Einwohnerzahlen noch die Zahl der 
aktiven Militärpersonen beigefügt worden, welche sich zur Zeit der Zählung an 
dem betreffenden Orte in Garnison etc. befunden haben und in der Hauptzahl 
mit einbegriffen sind. — Es sei uns gestattet, bei dieser Gelegenheit darauf 
hinzuweisen, welch' vorzüglich geeignetes Hilfsmittel für geographisch-statistische 
Studien in diesen von Ewald, dem verstorbenen für Geographie wie Statistik 
verdienstvoll thätig gewesenen Chef des hessischen Bnreau's, begründeten Mit- 
teilungen der dortigen statistischen Centraistelle dargeboten wird. Aus den ver- 
schiedensten Teilen der hessischen Landesstatistik bringen diese in nioht großem 
Umfange, aber statt dessen häufig erscheinenden Hefte Mitteilungen, die meist 
das Ergebnis der betreffenden Erhebungen oder Ermittelungen recht bald be- 
kannt geben. Um das zu können, kleiden sich diese kurzen periodischen Nach- 
richten meist in einfache Tabellenform, unter Verzicht auf die Beigabe größerer 
Textbegleitung — ein Verfahren, das allerdings oftmals eine schwer fallende 
Entsagung dem Bearbeiter auferlegen mag, aber den einzigen Weg darbietet, 
das Wesentliche neuer Ergebnisse frühzeitig zur Kenntnis zu bringen und auch 
jenen isolierten kleineren statistischen Thatsachen Publizität zu verschaffen, welche 
in den großen Monographien oder selbst in Zeitschriftsaufsätzen keinen Raum 
beanspruchen können. Wollen dagegen derartige kürzere Tabellen stets von 
einem eingehenderen Texte begleitet werden, so wird erfahrungsgemäß die 
Schnelligkeit ihres Erscheinens leicht darunter leiden; einen Beweis dürfte das 
sonst vorzügliche Jahrbuch liefern, das vom königlich preussischen statistischen 
Bureau herausgegeben wird und dessen leider ziemlich schleppende Erscheinungs- 
weise vielleicht auf das Festhalten am Texte zurückzuführen sein dürfte; als 
Beispiel dessen dagegen, was durch Beschränkung auf tabellarische Bearbeitungs- 
weise geleistet werden kann, verdient das Jahrbuch des badischen statistischen 
Bureau's genannt zu werden, das, wie manche andore Publikation dieaes von 
F. Hardeck so vorzüglich geleiteten Instituts, geradezu als ein muatergiltiges 



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Methodik und Unterricht der. Geographie. 



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Vorbild bezeichnet werden mnss und als solches ja auch bereit» mehrfach Nach- 
ahmung fand. Derartige jährliche verständnisvoll arrangierte Übersichten, wie 
Hardeck's badisches Jahrbuch sie bietet und daneben periodische möglichst 
häufig erscheinende Miscellensammlungen nach Art der erwähnten „Mitteilungen 
der großherzoglich hessischen Zentralstelle für die Landesstatistik" dürften für 
viele Zwecke als notwendige Ergänzungen der umfangreichen Monographien zu 
bezeichnen sein, auf deren Publikation manche statistische Bureaus sich beschränken. 

5. Statistische Mitteilungen über Elsass - Lothringen. Einundzwanzigstes 

Heft. Herausgeg. v. statistischen Bureau des kais. Ministeriums für Elsass- 
Lothringen. DicErgebnisse der Volkszählung vom l.Dcz. 1880. Strassburg, 1883. 
In diesem Bande der nicht eben zahlreichen wirklich statischen Publikationen 
des genannten Bureau's ist für jede Gemeinde eine größere Zahl statistischer 
Momente mitgeteilt worden und der Bevölkerungszahl für 1880 noch jene für 
1875 beigefügt worden, so dass die Bevölkerungsbewegung jeder Gemeinde direkt 
ermittelt werden kann ohue Zuhilfenahme einer frühereu Veröffentlichung. 

6. Beiträge zur Statistik der inneren Verwaltung des Grossherzogtums 
Baden. (Bearbeitet vom statistischen Bureau.) Heft 42. Die Volkszählung vom 
1. Dez. 1880. — Karlsruhe, 1882. 

Auch diese Publikation zeichnet sich durch ein tiefes Eingehn in die stati- 
stischen Verhältnisse jeder einzelnen Gemeinde aus, wie überhaupt die überaus 
sorgfältig bearbeiteten Monographien des badischen statistischen Bureaus durch 
ihre verständnisvolle Berücksichtigung der topographischen Lagerung der stati- 
stischen Verhältnisse als diejenige Publikation der amtlichen Statistik gelten dürfen, 
welche neben denen des oldenburgischen Bureau's wol für das Studium der den 
statistischen Erscheinungen großenteils zugrunde liegenden geographischen Ver- 
hältnisse das beste Hilfsmittel abgibt. (Schlns* folgt) 



Methodik und Unterricht der Geographie. 



Einige Anschauungsmittel für den höheren geographischen 

Unterricht. 

1. Sclmeiders Typen- Attas. Naturwissenschaftlich - geographischer Hand- 
Atlas für Schule und Haus. Unter künstlerischer Mitwirkung von W. Claudius, 
H. Leutemann, G. Mützel und 0. F. Seidel herausgegeben von Dr. O. Schneider. 
2. Aufl. — Dresden, C. C. Meinhold & Söhne, 1881. — 2.40 M. 

2. Ferdinand Hirfs Geographische Bildertafeln. Mit besonderer Berücksich- 
tigung der wichtigeren Momente aus der Völkerkunde und Kulturgeschichte, 
herausgegeben von Dr. Alwin Oppel und Arnold Ludwig, unter Mitwirkung von 
Prof. Dr. G. Fritsch, Dr. G. Leipoldt, Prof. Dr. R. Perkmann, R. Waeber. 
Erster Teil: Allgemeine Erdkunde. — Breslau, Ferd. Hirt, 1881. - 8.60 M. 

3. Alfred Kirdioff: liassenhilder zum Gebrauch beim geographisctien Unterricht. 
Erste Lieferung. — Kassel, Theodor Fischer, 1883 ff. 

4. HulzeVs Geographische Charakterbilder für Schule und Haus. Heraus- 
gegeben unter pädagogischer und wissenschaftlicher Leitung von Dr. J. Ohavanne, 
V. v. Haardt, V. Prausek, A. Kerner v. Marilaun, Dr. F. Simony, Dr. F. Toula, 
Dr. K. Zehden. — Wien, Ed. Hölzel, 1882 ff. 

Das Bedürfnis, den höheren Stufen des geographischen Unterrichts geeignete 
Anschauungsmittel zuzuführen, hat sich schon vor laugen Jahren fühlbar gemacht. 
Ihm zu genügen, wurden bereits in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts 
verschiedene Versuche gemacht; wir erinnern z. B. an jene Einzelnkarten und 
Atlanten, in denen das eigentliche Kartenbild von einer Anzahl Abbildungen 
geographisch interessanter Objekte des betreffenden Gebiets eingerahmt war. 
Etwas später entstanden die Lehrbücher mit eingedruckten derartigen Abbildungen. 
Durch beide Arten solcher Versuche wurde indessen dem ihnen zugrunde 



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Methodik und Unterricht der Geographie. 



liegenden Bedürfnis nicht oder doch nur in sehr unvollkommener Weise Rechnung 
getragen. Ganz abgesehen von der pädagogisch mindestens sehr fragwürdigen 
Idee, dem Schulbuch oder dem Schulatlas selbst jene Abbildungen einzuverleiben, 
krankten die Unternehmungen sämmtlich mehr oder minder an einer ungenü- 
genden Ausführung. Teils fehlte den Darstellungen die hinreichende Naturtreue, 
teils pflegten sie in schematischor Richtung zu idealisieren; teils auch war die 
Auswahl der dargestellten Objekte eine solche, die wenig Verständnis verriet für 
den Grad ihrer geographischen Wichtigkeit. — Die erste dem Schreiber dieser 
Zeilen bekannt gewordene Sammlung geographischer Anschauungsmittel, welche 
diese beiden Fehler vermied und in jeder Beziehung als ein überaus gelungener 
Versuch bezeichnet werden musste, war eine Privatsammlung von Photographien 
und Zeichnungen, deren Veröffentlichung seitens ihres Besitzers wol geplant 
wurde, aber leider nicht zur Ausführung gelangte. Es war dies die bereits in 
den Vierzieger Jahren nach einem woldurchdachten Plane geordnete Sammlung 
von Abbildungen geographisch interessanter Objekte, die der kürzlich ver- 
storbene Schuldirektor M. Oppermann zu Hannover angelegt hatte und in den 
oberen Klassen des dortigen I. Realgymnasiums im erdkundlichen Unterricht 
oftmals verwendete. l ) Die ursprünglich aus Illustrationen und Handzeichnungen 
bestehende Sammlung wurde von Oppermann, der in den Ferienreisen einer 
überaus langjährigen Lehrthätigkeit nach und nach ganz Kuropa durchstreifte, 
allmählich in eine namentlich photographische Kollektion umgewandelt. Die 
Reproduktion und Publicierung einer engeren Auswahl dieser höchst instruktiven 
Sammlung war, wie erwähnt, wol mehrmals erwogen, ließ sich aber leider nicht 
verwirklichen, wie ja ihr verdienstvoller Zusammensteller auch die Neubear- 
beitung seines wahrhaft klassischen Schulatlas nicht mehr erleben sollte. 

Die erste zur Veröffentlichung gelangte und damit allgemein 
zugänglich gemachte Sammlung geographischer Anschauungsbilder, welche gleich 
der alten Privatkollektion Oppermanns auf wissenschaftlichem Boden steht, dürfte 
entschieden Schneiders Typen -Atlas sein. Den von ihm verfolgten Zweck 
skizziert der Herausgeber im Vorwort zu seinem Atlas kurz folgendermaßen: 
„der vorliegende Atlas bringt diejenigen Objekte aus der Menschen-, Tier- und 
Pflanzenwelt zur Anschauung, welche beim geographischen Unterricht erwähnt 
werden müssen und doch den Schülern entweder gar nicht oder in nicht genü- 
gender Weise vor Augen gestellt werden und lehrt gleichzeitig durch die in 
die Kartenskizzen eingedruckten Ziffern die hauptsächlichsten Fundorte und die 
ungefähren Verbreitungsgebiete der dargestellten Objekte kennen; durch solche 
Veranschaulichung füllt der Typen-Atlas eine für Lehrende wie Lernende gleich 
störende Lücke in der Reihe der geographischen Unterrichtsmittel aus und wird, 
wenn er in aller Schüler Hand, eine eingehende Besprechung jener Gegenstände 
entbehrlich und die so gewonnene Zeit für den anderweitigen reichen geogra- 
phischen Lehrstoff verwendbar machen, dabei aber doch durch kräftigere Heran- 
ziehung der Naturwissenschaft als Hilfswissenschaft der Erdkunde zur Belebung 
des geographischen Unterrichts wesentlich beitragen. Die Auswahl des dar- 
gestellten Stoffes gründete sich auf die langjährige Erfahrung des Herausgebers 
als Lehrer der Geographie an höheren Schulen und gewissenhafte Prüfung guter 
Handbücher, auf eine Durchberatung der vom Herausgeber vorgeschlagenen 
Objekte von Seiten der pädagogischen Sektion des Vereins für Erdkunde in 
Dresden, sowie auf den Rat der mitwirkenden Künstler." 

Aufbau und Ausführung des Atlas berechtigen nun in der That zu der 
Anerkennung, dass Schneider das ihm nach obigen Worten vorschwebende Ziel 
durchaus erreicht hat. Der Atlas enthält 15 Tafeln. Davon fallen drei auf jeden 

«) Diese in pädagogischen Kreisen namentlich durch die Thatigkeit Tellk.impfs zu hohem 
Ansehn gelangt« Anstalt äst eine städtische und kouute daher lauge Zeit hindurch dem alleinselig- 
machenden „Normal -Lehrplan" siemlich selbständig gegenüberstehen. IHescr Umstand kam unter 
anderem dem geographischen Unterrichte zugute, welcher drei »ehr wesentliche Begünstigungen 
aufzuweiscu hatte: Zunächst erstreckte er Bich durch sftmmtliche Klassen, die Oberprima einbegriffen; 
ferner bildete die Geographie einen PrUfungsgegenstand im Abiturientou-Kxamen und fand dem 
entsprechend die betreffende Note auch im Reifezeugnis Aufnahme; endlich — last not loaat — 
war der erdkundliche Unterricht auch in deu obersten Klassen dem fachmXunisch ausgebildeten 
Geographen übertragen, nicht als Nebensache aber dem Mathematik- oder Physiklehrer. 



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Methodik and Unterricht der Geographie. 



43 



Erdteil der Alten Welt, indem jo ein Blatt die geographisch wichtigen Typen 
aus der Völkerkunde, ein zweites diejenigen au« der Tierwelt und ein drittes 
jene au» dem Pflanzenreiche des betreffenden Erdteils darstellt. Jede Tafel 
enthält ferner ein stummes Übersichtskärtehen des Erdteils ; und zwar bringt das 
erste derselben eine sehr generalisierte unkolorierte (jedoch durch schwarze 
Schraffierung unterstützte) Kartenskizze der ethnographischen Verhältnisse: das 
zweite und dritte unterscheiden durch Schraffierung zwei Hauptgruppon der 
vertikalen Gliederung : Bergland und Tiefebene, und geben sodann, wie erwähnt, 
durch Ziffern die Wohnplätze der in den nebenstehenden Illustrationen dar- 
gestellten Objekte an. Somit bilden diese Kärtchen eine dankenswerte Zugabe, 
wenngleich sie natürlich den eigentlichen Schul-Atlas nicht ersetzen können 
und wollen. Bei den Pflanzen - Abbildungen ist vernünftigerweise der Ver- 
kleinerungsmaßstab angegeben. — Die übrigen Erdteile sind in derselben Weise 
behandelt; jedoch sind die ethnographische und phytogeographische Tafel bei 
Australien zu einer verschmolzen, bei Amerika auf den nördlichen und südlichen 
Kontinent ausgedehnt; dagegen ist für Nord- und Sudamerika je eine besondere 
faunistische Tafel gegeben. 

Die Auswahl der Objekte ist eine geschickte, die Zeichnung und die Holz- 
schnittreproduktion können ebenfalls durchaus befriedigend genannt werden ; dass 
einige Einzelnheiten weniger befriedigen, darf bei der großen Menge der Dar- 
stellungen und namentlich bei dem recht kleinen Maßstab einiger derselben, 
nicht wol als Tadel bezeichnet werden. Wesentlich ist, dass der Herausgeber 
bei Herbeischaffung zuverlässiger typischer Vorlagen die berufenste Unterstützung 
fand; es haben ihm dabei namentlich Direktor A. B. Moyer, A. Stübel, Professor 
Rüge, H. Krone, »Stabsarzt Evers, E. H. von Weber, J. Bleyl, Pechuel- Lösche, 
G. Rohlfs und G. Nachtigal fördernd zur Seite gestanden. Das Entgegen- 
kommen der Genannten ermöglichte es, dass fast die sämmtlichen Köpfe und 
die meisten Gruppenbilder der ethnographischen Tafeln nach sicher beglaubigten 
Originalphotographien entworfen werden konnten. 

Da sein Preis ein sehr mäßiger genannt werden muss, darf Schneider's 
verdienstvoller Typen-Atlas den vollberechtigten Anspruch erheben, ein vor- 
zügliches Lehrmittel für die Hand der Schüler genannt zu werden. Der Erfolg 
scheint das auch zu beweisen, da, wie wir erfahren, bereits acht Ausgaben in 
fremden Sprachen publiziert oder in Vorbereitung sind und die deutsche Ausgabe 
schon in zweiter Auflage erschien. 

Das zweite der oben genannten Anschauungsmittel für den höheren erd- 
kundlichen Unterricht, Hirt's „Geographische Bilder tafeln" erschien bald nach 
dem Schneider'schen Typen-Atlas und ist diesem in mancher Hinsicht ähnlich. 
Der uns vorliegende erste Teil dieser „Bildertafeln" umfasst 24 Bogen, auf 
welchen folgende Kapitel durch Abbildungen oder Karten illustriert sind : 
Allgemeine Oberflächenverhältnisse und Messinstruraente; die geologischen Zeit- 
alter; die Faltungen der Erdrinde ; Gebirgstypen ; zur Hochgebirgskunde; Vulkane 
und heiße Quellen; Mittelgebirge, Hügelland und Ebene; Inseln und Küsten: 
Häfen, Leuchttürme und Küstengeworbe ; See und TiefBeo; Schiffskunde; 
Flusskunde; Flussnutzung; Karten zur Meteorologie: meteorologische Erschei- 
nungen; Baumcharaktere aus der äquatorialen und tropischen Pflauzenzone; 
Baumcharaktere aus der subtropischen und wärmeren gemäßigten Zone; Baum- 
charaktere der kälteren gemäßigten und subarktischen Zone und Alpenblumen ; 
Ethnographie; Reisen; Verkehrsmittel der Entdeckungsreisenden in Afrika; 
Jagdbilder. — Wie schon dieses Inhaltsverzeichnis erkennen lässt, ist die ganze 
Anordnung weniger einheitlich, als jene des Schneider'schen Typen-Atlas. Und 
dasselbe gilt von der Ausführung, die keineswegs überall eine gleichartige, nach 
einheitlichem Plane geregelte ist; während in Schneider's Atlas sämmtliche Bilder 
direkt für den vorliegenden Zweck gezoichnet und geschnitten wurden, läßt sich 
dies den Hirt'schen Bildern nicht in gleicher Weise nachrühmen ; letztere machen 
vielfach mehr den Eindruck einer Sammlung von Cliches vorhandener Holz- 
schnitt«' sehr verschiedenartigen Ursprungs, die nach einigen mehr oder minder 
geographischen Kapitel-Titeln rubriziert wurden. Dein entsprechend finden sich 
hier neben vielen vortrefflich zur Verwertung im erdkundlichen Unterrichte 



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44 



Methodik und Unterricht der Geographie. 



geeigneten Darstellungen auch manche, deren praktischer Nutzen für die 
geographische Lehrstunde ein ziemlich problematischer genannt werden darf. 
Dahin dürften z. R. die Querdurchschnitte von Leuchttürmen gerechnet werden ; 
die Abbildungen vou Instrumenten für die Tiefseeforschung wird man eher in 
einem Lehrbuche der Physik suchen. Die Illustrationen zur „Schiffskunde" können 
in einem für Gymnasial- oder Realschulunterricht bestimmten Lehrbnche wol ohne 
Schaden fehlen: vor allem aber einige Abbildungen der Tafel 14. so z. B. 
„Unterschlächtiges und oberschlächtiges Wasserrad," „Zerlegbarer Angelstock," 
„Verschiedene Arten, die Köderfische zu befestigen* und — .Künstliche Fliege" (!) 
— Die Beigabe von Kartenskizzen zur physischen Geographie, die Hirt's Samm- 
lung aufweist, bleibt so lange eine schätzenswerte Bereicherung, bis alle guten 
Schulatlanten, dem iu Oppermann's Schulatlas bereits vor so langen Jahren 
gegebenen und dort in musterhaft strenger Einheitlichkeit durchgeführten Beispiele 
folgend, derartige Kartenskizzen enthalten werden. Denn natürlich ist der Atlas, 
nicht die Bildersammlung die beste Heimat aller Karten ; iu Holzschnitt-Bilder- 
werken wird au Ii erde in das gerade für pädagogische Zwecke so nützliche Element 
des Kolorit« in den meisten Fällen (wie auch in der Hirt'schon Sammlung) fehlen. 
Tafel 1 bringt auch einige der maneherwärts beliebten Querdurchschnitte der 
Kontinente; natürlich mussten des beschränkten Raumes halber die Höhen- 
maßstäbe bedeutend größer gowählt werden, als die Längenmaßstäbe, — ein 
Umstand, der ja ziemlich allgemein in solchen Darstellungen eintritt und der 
unserer Ansicht nach genügt, um ihren Unterrichtswert nahezu illusorisch zu 
inachen. Doppelt gilt letzteres, wenn, wie im vorliegenden Falle, die Höhen- 
maßstäbe nicht nur größer sind, als die Längenmaßstäbe, sondern auch unter 
sich verschieden. — Ein besonderer Vorzug der in Hirt's Sammlung enthaltenen 
Abbildungen „zur Völkerkunde" besteht darin, dass viele derselben einen Kopf 
doppelt darstellen, en face und en profil. — 

Steht die Hirt'sche Sammlung, als einheitliches Ganzes betrachtet, wol 
zweifellos gegen ihren Vorgänger, den zudem bedeutend billigeren Schncider'schen 
Typen-Atlas, an pädagogischem Werte zurück, so gilt das doch nicht für sämmt- 
liche ihrer einzelnen Bogen. Einige derselben dürfen vielmehr als vorzüglich 
brauchbare Hilfsmittel des geographischen Unterrichts bezeichnet werden: es ist 
daher eine sehr erwünschte Erhöhung ihrer Benutzbarkeit, daß die verschiedenen 
Bildertafeln auch einzeln käuflich sind. 

Von Kirchhofs „Jtassettbildern" liegt uns die erste Lieferung vor. Die- 
selbe enthält drei große Brustbilder charakteristischer Rassentypen, in schwarzer 
Kreidemanier kräftig und klar gezeichnet. Die erste der Abbildungen („Indianer") 
stellt einen Häuptling der Schwarzfuß-Indianer am obersten Missouri dar und 
ist nach dem Reisewerk des Prinzen Maximilian zu Wied bearbeitet, dieser 
herrlichen Fnndgrube für amerikanische Völkerkunde. Nr. 2, ein ostafrikanischer 
Neger, wurde nach einer in Dammann's „Anthropologisch-ethnologischem Album" 
enthaltenen Photographie gezeichnet. Der dritte Kopf endlich („Papfia") ist im 
Anschlüsse an Abbildungen 'in Johannes Müllers „Humboldts-Bai in Neu-Guinea" 
bearbeitet worden. Die Ausführung der Bilder entspricht im vollsten Maße den 
an ein schwarzes Wandbild zu stellenden Anforderungen. Wenn wir diesbezüglich 
für die ferneren Lieferungen einen Wunsch äußern dürfen, so wäre das der, 
alle Köpfe in gleichem Größenmaßstab zu zeichnen und womöglich einen jeden 
doppelt (mit Vorder- und ProfilanBicht) darzustellen ; die unmittelbare anschauliche 
Vergleichbarkeit und damit also der Wert für Unterrichtszwecke würde dadurch 
sehr gefordert. — Der den Bildern beigegebene knappe Text weist in prägnanter 
Darstellung auf alle in der betreffenden Zeichnung ersichtlichen anthropologischen 
Momente hin. — KirchhofTs Rassenbilder sind nicht für die Hand des Schülers 
bestimmt, sondern für die Lehrmittelsammlung der Schule selbst. Als Anschauungs- 
mittel ersten Ranges werden sie in jeder höheren Schule, deren Geographielehrer 
wirklich erdkundliche Studien getrieben hat, Aufnahme finden; an Anstalten 
freilich, in denen noch ein der Geographie gänzlich fernstehender „jüngerer 
Kollege" die Pflege des Aschenbrödels aller unserer „Normal-Lehrpläne" als ein 
unvermeidliches Übel auf sich nehmen muss — da werden solche nur in der Hand 
des brauchbaren Lehrers brauchbare Lehrmittel schwerlich zu sehn sein! 



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Methodik und Unterricht der Geographie. 



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Das Letztgesagte gilt in gleichem Grade von der großartigsten aller 
existierenden Sammlungen geographischer Anschauungsmittel : von „UöleeTs 
geographisüien Charakterbildern. u Über das Prinzip, das diesem für die Zwecke 
des höheren erdkundlichen Unterrichts geradezu unschätzbaren Unternehmen zu- 
grunde liegt, sowie Uber die künstlerische und technische Ausführung haben wir 
uns bereits in einem früheren Jahrgang dieses Blattes eingehend ausge- 
sprochen. Wir nennen daher heute kurz die seitdem erschienenen neuen 
Blatter : Otukapuarangi am Rotomahaua auf Neuseeland ; Aus der Sierra Nevada 
Californiens ; Der Ostrand des Plateaus von Anahuak ; Brasilianischer Urwald ; 
Donau bei Wien; Mangrowe-Küste in Venezuela; Hafen von Nangasaki; Düne 
von Helgoland ; Weckelsdorfer Felspartien. 

In einer so großen Reihe von Bildern können natürlich nicht alle hinsichtlich 
ihres geographisch-charakteristischen Typus, sowie hinsichtlich ihrer künstlerischen 
und technischen Ausführung auf gleich hoher Stufe stehen. Aber wenngleieh 
einzelne dieser Wandtafeln (wie z. B. die Helgolander Düne) in einer oder der 
anderen Hinsicht zu wünschen übrig lassen, so darf dadurch selbstverständlich 
das Gesammturteil Uber ein .so umfangreiches Unternehmen nicht beeinflusst 
werdon, das vielmehr mit vollem Hechte von der gesammten geographischen und 
pädagogischen Presse in seltener Einstimmigkeit als ein mustergiltiges Werk 
begrüßt worden ist 

Da fast alle der Herausgeber dieser Charakterbilder große Reisen unter- 
nommen haben, so waren sie in «1er Lage, die Vorlagen und Studienzeichnungen, 
welche zur Reproduktion ausgewählt wurden, auf Grund eigener Anschauung 
und Erfahrung zu beurteilen, so dass die Naturtreue der Bilder die ganze für 
unterrichtliche Zwecke erforderliche Höhe erreicht. — Im Ganzen sollen 
60 Bilder in zwei Serien, jede zu 30 Bildern, erscheinen, von denen jährlich 
12 — 15 (in 4 — 5 Lieferungen zu 3 Blatt) zur Ausgabe gelangen. Der Subskriptions- 
preis beträgt für die Abnehmer der ganzen Sammlung oder wenigstens einer 
Serie nur seehs Mark für das Bild. Einzelne Bilder kosten acht Mark. 

Dass jede Universität in ihren geographischen Lehr-Apparat die vollständige 
Sammlung dieser Hölzel'schen Anschauungsbilder aufnehmen sollte, erscheint 
ja selbstverständlich. Gymnasien und Realschulen dagegen werden nur in seltenen 
Ausnahmefällen es ermöglichen können, sich die ganze Sammlung anzuschaffen. 
Immerhin aber wäre im Interesse des höheren geographischen Unterrichts drin- 
gend zu wünschen, dass jede derartige Lehranstalt wenigstens einige der 
geographisch interessantesten unter diesen Bildern beim Unterrichte verwendet. 
Verschiedene der Bilder (so besonders z. B. Nr. 1 „Aus dem Ortler-Gebiet" 
und Nr. 5/6 „Das Beruer Oberland") eignen sich außerdem wegen ihrer in 
ganz hervorragender Weise gelungenen Reproduktion vorzüglich zum gediegenen 
Wandschmuck im Arbeitszimmer des Gelehrten. 

Weimar. J. I. Kettler. 



Das französische Projekt einer „Kcolc nationale de geographio." 

Ludovic Drape.yron, der unermüdliche Redakteur der „Revue de geographie," 
logte am 18. April u. J. in einer öffentlichen Sitzung der „Societe de topographie 
de France" namens dieser Gesellschaft den Plan einer Nationalschule für 
Geographie vor. Der erste Gedanke einer derartigen Schule gieng von C. Laroche 
aus, dem General-Sekretär des „Institut maritime et culonial." Laroche pro- 
jektierte 1882 die „Ecole nationale de geographie" als eine Sektion des eben- 
genannteu Instituts, welche Idee indessen nicht zur Verwirklichung gelangte. 

Die Anregung zur Wiederaufnahme dieses Planes gab zunächst die Er- 
wägung, dass meist die von den geographischen Gesellschaften und Kongressen 
ausgehenden Vorschläge zur Reform des erdkundlichen Unterrichts „todte Buch- 
staben zu bleiben pflegen." „Das alles würde anders sein," führt das Memoire 
Drapeyrons aus, „wenn wir eine nationale Geographie-Schule hätten, in der die 
bislang laut aber vergeblich geforderte Reform Leben gewänne. Und welche 
Wolthaten würde die geographische Reform nach sich ziehn ! Wenn so die Erd- 
kunde aus der „Geographia militans," als welche sie heute noch erscheint, eine 



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Methodik und Unterricht der Geographie. 



„Geographia triumphans" geworden, würde sie viel dazu beitragen, unsere 
Geschicke zu sichern ; und zwar durch die wachsende Kenntnis der Völker, mit 
denen Frankreich in Beziehung steht, durch die von langer Hand vorbereitete 
Verteidigung unseres Gebiets, durch die tägliche Ausdehnung des französischen 
Handels und der französischen Kolonisation. Hätte sie schon seit der Mitte des 
letzten Jahrhunderts in diesem Sinne ihre Wirksamkeit äußern können, so wäre 
Frankreich manches Unglück erspart geblieben. Wir wären nicht gleichzeitig 
oder wechselnd in Europa zu waghalsig und auswärts zu zaghaft gewesen. 
Dupleix wäre nicht in Hindustan, verlassen worden, Montcalm nicht in Canada." 
— Die Kosten der geplanten „Ecole nationale de geographie" soll der Staat 
Ubernehmen. Dieselben würden indessen zunächst Uberhaupt nicht bedeutend 
sein; denn für den Augenblick handelt es sich nur darum, in Paris eine der 
Regierung zur Verfügung stehende Räumlichkeit herzugeben und eine gewisse 
Anzahl von Lehrstuhlen zu schaffen. Die Dozenten würden zum größeren Teile 
aus de>m Lehrkörper unserer höheren Schulen zu entnehmen sein ; sie hätten an 
der „Ecole nationale" nur zwei oder drei „ Conferences" wöchentlich zu geben. 
Eine kleinere Anzahl derselben (unter ihnen der Direktor) müssten dem Institute 
dagegen ihre ganze Zeit widmen. Ein reiches geographisches und kartographisches 
Material müsste nach und nach den Sammlungen der Schule einverleibt werden. 

Der erste Lehrstuhl wäre jener für Allgemeine Erdkunde; ein zweiter für 
Geodäsie und praktische Topographie, dem sich dann ein Kursus der Kartographie 
und ein solcher der Gravürkunst (!) anschließt. 

Ein Lehrstuhl für Geologie, Botanik, Zoologie, und Anthropologie behandelt 
diese Wissenszweige in ihrem Zusammenhange mit ihrer topischen Grundlage. 

Ein Kursus der Kostnographie und der Physik der Erde betrachtet die 
Erde als Himmelskörper, der denselben Gesetzen unterworfen ist, wie die übrigen 
Himmelskörper, und in seinen Beziehungen zu letzteren. Bei diesem Unterrichts- 
zweige fiele der Meteorologie ein wesentlicher Anteil zu. 

Die „Angewandte Topographie" würde die Anwendung der Topographie 
auf Ackerbau. Industrie und Handel und auf die Kriegskunst lehren. 

Die Landwirtschafts-, Industrie- und Handels- Geographie würde, in Verbindung 
mit der Statistik, die wirtschaftlichen Hilfsquellen aller Erdteile studieren; 
hierhin gehörte auch die Betrachtung der großen Handelswege. 

Die Kolonisation würde hier .zum erstenmale" als wissenschaftlicher Lchr- 
gegen stand behandelt werden. 1 ) Den Schwerpunkt will Drapeyron in diesem 
Kursus auf die „geographie meaicale" gelegt wissen. 

Einen besonderen Docenten erhielten noch die Ethnographie, sowie die 
Geschichte der Geographie und die politische Geographie der alten, mittleren und 
neuen Zeit. 

Als „Krönung des Gebäudes" endlich betrachtet der Entwurf die Geographie 
in ihrer Anwendung auf das Studium der Geschichte, also Spörer's „historische 
Geographie." 

Die „täcole nationale de geographie" würde hiernach dreizehn Lehrstuhle 
umfassen und könnte sich in vier Sektionen gliedern: 

1. „Section t*chnique u (Geodäsie; Kartographie; Gravierkunst); 

2. „Section scientißque" (Geologie etc.; Kosmographie etc.); 

3. „Section economique a (Angewandte Topographie; Handelsgeographie 
u. s. w. ; Kolonisation); 

4. „Sectio» historique et politique" (Ethnographie; Geschichte der Geographie: 
politische Geographie etc.: Geographie in ihrer Anwendung auf das Studium 
der Geschichte). 

Der Kursus der „Allgemeinen Erdkunde" wäre allen Sektionen gemeinsam. 

Die Studien in der r Ecole nationale de geographie" umfassen zwei Jahre. 

Bezüglich der Rekrutierung seines Schulerbestandes rechnet das projektierte 
Institut auf Zuzug tüchtiger Zuhörer von den verschiedenen großen, akademischen 
Staatsnnstaltep, wie „Ecole Polvtechnique, Ecole, des Mines, Ecole Normale 
supeneure, Ecole pratique des Haute« Etudes, Ecole des C hartes, töcole des 

i) Das» das an deuUchen Hoctucbulen mehrfach geschieht, Ut uomtu Leneru bekannt. 



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Methodik und Unterricht der Geographie. 



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Langues orientales" u. a. m. Derartig vorbereitete Schüler würden vom Eintritta- 
examen dispensiert werden. 

Das Keifezeugnis derjenigen Studenten, welohe sich dem alle vier Sektionen 
der Geographie-Schule umfassenden Gesammtexamen erfolgreich unterwarfen, 
bildet die „Agregation complete," der ein dreijähriger Besuch der Anstalt vor- 
ausgehn kann. Diese „Agregation complete de geographie" hat den Wert und 
die praktische Bedeutung der „Agregation classique" oder des Doktorate. Die 
mit solchem Reifezeugnis Versehenen würden die geographischen Lehrstühle an 
den „Facultas des lettre«" und den „Facultas des sciences" (welch letztere zur 
Zeit in Frankreich noch immer ohne geographische Lehrkanzeln sind!!) ein- 
nehmen. 

Diejenigen, welche das Reifezeugnis einer der vier Sektionen erworben, 
liefern die Geographielehrer für den Sekundar-Unterricht. 

, Es braucht kaum gesagt zu werden, dass die Anreger des Projekts einer 
„Ecole nationale de Geographie" auch voraussetzen, der Staat könne mit großem 
Vorteil einen Teil seines \ erwaltungspersonals (sowol für das Mutterland, wie 
für «He Kolonien) aus den Reihen der Abiturienten der „section historique" und 
der „section eVonornique" rekrutieren. 

Endlich rechnet man auch darauf, das Institut gleichzeitig zu einer Aus- 
bildungsschule für Forschungsreisende zu gestalten. Letztere würden die „section 
technique" und die „section scientifique" zu besuchen haben und einen drei- 
jährigen Kurs durchmachen. Für das Studium der Forschungsreisen würde 
ein besonderer Lehrstuhl errichtet werden müssen, dessen Professor in den 
Ferien mit seinen Zuhörern Vorbereitungsreisen nach den entferntesten Gegenden 
Europa's oder den nächsten Asiens und Afrikas unternähme. 

Aus den Schlussbetrachtungen des Entwurfs heben wir folgenden Passus 
heraus : „Die Geographie wird unsere Ehre und unsere Wächterin sein. Sie wird 
uns die unbekannten Läuder kennen lehren und unsere Kenntnis über die schon 
bekannten vermehren: sie wird uns den ruhigen Besitz unseres französischen 
Vaterlandes sichern; bei der Verteilung der Welt unter die Völker des civilisierten 
Europa wird sie uns zur Erlangung des uns gebürenden Anteils behilflich sein. 
Eine gute Kenntnis der Erde ist das einzige Mittel, sie zu erobern und zu 
behalten. Die „Alliance Francaise pour la propagation de notre langue tt konnte 
nur von Geographen angeregt und verwirklicht werden." — — 

Die „Socidte" de Topographie de France" hat Drapeyron's Entwurf sämmt- 
lichen französischen erdkundlichen Gesellschaften vorgelegt und wird ihn auf 
dem diesjährigen Kongress der letzteren, der im August zu Toulouse stattfinden 
soll, zur allgemeinen Diskussion bringen. 

Bei dem ganz außerordentlich regen Interesse für Geographie, das gegen- 
wärtig in unserem gallischen Nachbarland e so erfreulich sichtbar wird, dürfte 
das Projekt grolie Aussicht auf Verwirklichung haben. Auf unsere Ansichten 
über den Wert einer derartigen geographischen Spezialschule werden wir im 
nächsten Hefte unseres Blattes einzugehen uns gestatten. 

Weimar. J. L Kettler. 



V. v.IIaardt's Referat Uber die Herstellung von Schul Wandkarten, 

erstattet gelegentlich de« deutschen Geographentages in München. 

Der durch tüchtige Arbeiten bereits vorteilhaft bekannte Kartograph 
V. v. Haardt legte den zum letzten deutschen Geographentage zu München 
versammelten Freunden der Erdkunde ein Referat über die Herstellung von 
Schulwandkarten vor, das in mehrfacher Beziehung von Interesse war. 

Nach einem kurzen Hinweis auf einige frühere Konferenzen, in denen die 
Bearbeitungsweise der Schulwandkarten den Gegenstand eines Meinungsaustausches 
gebildet hat, betrachtete der Vortragende eingehender die im vorigen Jahre vom 
Kasseler geographischen Vereine publicierte Schrift: „Welche Grundsätze sollen 
bei Herstellung von Schul-Landkarten maßgebend sein?" Haardt billigte den 
dieser Arbeit zugrunde liegenden Gedanken, .es sei wünschenswert, dass sich 
Männer, welche die Schulbedürfnisse kennen, zunächst über allgemeine 



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Methodik ond Unterricht der Geographie. 



Regeln einigen würden, die bei Herstellung von Schul-Landkarten maßgebend 
sein sollten. u Zugleich jedoch sprach der Vortragende die auch von uns geteilte 
Ansicht aus, dass man im vorliegenden Falle Uber die Absicht, allgemeine 
Kegeln aufzustellen, zu weit hinausgegangen sei. „So anerkennenswert und so 
löblich es auch ist," sagte derselbe, „wenn solche Schriften geschrieben und 
fleißig gelesen werden, und so wertvoll ich auch derlei nicht oft genug wieder- 
holte Besprechungen linde, — so würde ich es nach meinen Erfahrungen 
und Überzeugungen doch kaum für zweckmäßig erachten können, wenn sich 
der deutsche Geographentag oder sonst irgendeine Versamm- 
lung von Fachmännern damit befassen wollte, ein förmliches Re- 
gulativ für den ausübenden Kartographen aufzustellen und 
ihm bis in die kleinsten Details gehende Vorschriften an die 
Hand zu geben. Der praktische Nutzen eines solchen Vorgehens wäre — 
das ist meine feste Uberzeugung — gleich Null und gewiss würden derlei enge 
Schranken die frische und freie Entwicklung der Schulkartographie nur hemmen, 
zum Schaden ihrer selbst und damit zum Schaden der Schule. Von diesem 
Gesichtspunkte ausgehend, werde ich Ihnen auch nicht mit Erörterungen über 
Einzelnheiten, wie: Wahl und Größe der Schriftgattungen, Ausführung uud 
Anordnung der konventionellen Bezeichnungen u. dgl. dienen, und ich werde 
mich auch nicht dazu entschließen können, die Aufstellung derartiger — ich 
möchte fast sagen kleinlicher — Grundsätze Ihrer Sanktion zu empfehlen, — ich 
werde in aller Kürze die wichtigsten leitenden Frincipien in's Auge fassen, 
welchen Schulwandkarten nach meiner Anschauung gerecht werden solleu und 
ich werde Sie nur bitten, sich dann, wenn Sie diese Principien als richtig 
anerkannt haben, ganz beruhigt den ausübenden, fachmännisch gebildeten Karto- 
graphen anzuvertrauen, die ja doch vermöge ihres Berufes immer in dem engsten 
Kontakte mit Männern der Schule bleiben und Hand in Hand mit diesen der 
Lösung ihrer Aufgaben entgegengehen müsseu." 

Diesen Ausführungen Haardt's können wir uns im wesentlichen nur voll- 
ständig anschließen. Detaillierte Reglements oder kartographische „amtliche 
Normalregulative u dürften sicherlich mehr Schaden als Nutzen anrichten ; in den 
meisten Fällen würden sie ganz oder fast ausschließlich von Lehrerkreisen aus- 
gehen, die naturgemäß bei ihren Anforderungen an die Karte kaum je in vollem 
Maße die notwendige Rücksicht auf die -kartographische Praxis" (oder sagen 
wir besser: auf die Technik) nehmen können. Wer aber weiß, einen wie 
hohen, ja fast ausschlaggebenden Einnuss auf die nutzbringende Verwertbarkeit 
der Karte gerade ihre Technik ausübt, wird sofort zugeben, dass es einfach 
widersinnig wäre, die höchste Entwicklung der Schulkartographie von ihrer 
Unterordnung unter detaillierte Normalregeln erwarteu zu wollen. Dagegen sind 
Konferenzen, in denen praktische Schulmänner ihre Anschauungen über die 
Ziele und Aufgaben der Schulkartographie austauschen und in gewissen Haupt- 
unkten als einen an die Kartographen adressierten Wunsch formulieren, 
urchaus als nutzbringend anzusehen. Denn selbstverständlich ist eine gute 
Schulkartographie lediglich Dienerin der Schule und hat also von den berufenen 
Vertretern der letzteren die leitenden Grundgedanken bezüglich der anzu- 
strebenden Ziele entgegenzunehmen, während sie andererseits, wie erwähnt, 
die Details der Ausführung durchaus selbständig fortentwickeln muss. So 
nutzlos detaillierte Vorschriften der Lehrerkonferenzen oder Geographen tage 
sich auf diesem Gebiete stets erweisen werden, ebenso selbstverständlich erscheint 
doch andererseits, dass Reformen der allgemeinen pädagogischen Principien, die 
der Schulkartographie zugrunde liegen müssen, von den pädagogischen Geo- 
graphen, z. B. also aus Lehrerkonferenzen zu erwarten sind. Wohl ist es 
zweifellos, dass derartig fruchtbare Lehrerkonferenzen in erster Linie geographisch 
wirklich ausgebildete Teilnehmer zur Voraussetzung haben. Solche Lehrkräfte 
waren früher selten und sind auch heute noch nicht zu häufig: es ist aber doch 
nicht außer Betracht zu lassen . dass . Dank der endlich erfolgten Schaffung 
geographischer Lehrstuhle an den meisten deutschen Universitäten, in dieser Hin- 
sicht seit den Tagen, da Wappäus den lauten Ruf nach Reform erhob, vieles 
besser geworden ist in den beteiligten Kreisen und stetig besser wird. Besonders 



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Methodik and Unterricht der Geographie. 



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darf uicht vergessen werden, dass manche unserer Geographie-Professoren heute 
ihre Studenten auch in die Anfangsgründe der Kartographie einführen; wird 
nun gleich dadurch noch kein Kartograph geschaffen, so entsteht hierdurch doch 
eine Generation von Lehrern, die in ganz anderem Maße, als früher der Fall 
war, berechtigt erscheint, ihren Einttuss in schulkartngraphischen Fragen zur 
Geltung zu bringen. Auf der andern Seite — wie viel „ausübende Kartographen" 
haben wir denn in Deutschland, die wirklich in der Lage sind, «immer iu dem 
engsten Kontakte mit Mannern der Schule zu bleihen und Hand in Hand mit 
diesen der Lösung ihrer Aufgaben entgegenzugehen?" Unter jenen „ausübenden 
Kartographen," die nicht selbst der Schule oder (gleich Kiepert) der Universität 
angehören, sind doch die Manner, die, wie z. B. Vincenz von Haardt oder wie 
der geniale kartographische Pfadfinder Hermann Bergbaus, ein hohes Verständ- 
nis für das Wesen der Schulkartographie verraten, wirklieh keineswegs reichlich 
gesäet! Um so dringender wünschenswert erseheint ein gutes Zusammenarbeiten 
beider, der Pädagogen wie der Kartographen. 

Seine Ansichten Uber ß\e wesentlichsten Aufgaben der Schulwandkarte 
fasste Haardt in folgenden Äußerungen zusammen : „Wenn wir den vernehm- 
lichsten Zweck einer Schulwandkarte ins Auge fassen, ein in jeder Hinsicht 
klares und übersichtliches Bild der natürlichen Verhältnisse — 
also vorzugsweise des Flussnetzes und der Bodenerhebungen — zu 
bieten, so müssen wir gestehen, das» heute noch in fast allen, selbst den besten 
unserer Schulwandkarten ein die Erreichung dieses Zweckes schwer schädigendes, 
ja oft ganz und gar unmöglich machendes Moment besteht, — die Beschreibung. 
Es ist kein Zweifel, das» für einen rationellen geographischen Unterricht diejenige 
Wandkarte die beste und zweckmäßigste ist, welche — von Schrift vollständig 
frei — die natürlichen Verhältnisse mit voller Klarheit zum Ausdrucke 
kommen lässt. Wenn wir auch gestehen müssen, dass es heute aus verschiedenen 
Gründen nur wenige Schulen gibt, in denen solche von Schrift vollständig freie, 
also stumme Schulwandkarten mit gutem Erfolge gebraucht werden, — so 
kann doch kein Zweifel darüber obwalten, dass der stummen Schul- 
wandkarte die Zukunft gehört, und dass die Zeit nicht ferne ist, in 
welcher man gewisse Materien, wie die orographischen und hydrographischen 
Kapitel, ausschließlich nach derlei Karten in Behandlung nehmen wird. Die 
Synow'schen Principien, vereinbart mit der vorgeschrittenen Methodik des geo- 
graphischen Unterrichtes, vereinigt mit den heutigen Erfahrungen in der Technik 
der Kartographie und mit den gegenwärtigen, meist vorzüglichen kartographischen 
Grundlagen, — sie müssten nach meiner Meinung dasjenige in vollstem Umfange 
leisten, was wir von einer guten Schulwand karte verlaugen können. Es ist nicht 
zu verkennen, dass es kaum angeht, sofort mit dem Bestehenden zu brechen 
und damit alles, waB mit Mühe und großen Kosten geschaffen worden ist, über 
Bord zu werfen, — aber der Blick in die Zukunft muss gethan werden und 
wir müssen wissen, wohin wir steuern wollen, wenn uns der Maßstab für die 
nächsten Arbeiten nicht verloren gehen soll. Ist nun die Ansicht richtig, dass 
der stummen Schul wand karte die Zukunft gehört, so würde für uns die For- 
derung entspringen, uns nach und nach von den andern Karten zu emaneipieren 
und schrittweise der ausschließlichen Anwendung stummer Schulwandkarten 
entgegenzugehen, — an Auskunftsmitteln für einen solchen allmähligen Übergang 
würde es in keiner Hinsicht fehlen. — Ich kann es nicht unerwähnt lassen, 
dass sich dann auch der Kosteupunkt, welcher bei Anschaffung von Schul- 
wandkarten doch immer eine wesentliche Rolle spielt, günstiger gestalten wird, 
indem schon in der Originalanlage und im Drucke, hauptsächlich aber in der 
lithographischen oder sonstigen Ausführung der Karte durch den Wegfall der 
Beschreibung und der Schriftplatten wesentliche Ersparungen erzielt werden." 

Wir glauben, dass Haardt in dieser Hinsicht etwa« zu weit geht, indem 
er die absolut stumme Schulwandkarte empfiehlt. Es scheint uns, dass bezüglich 
der Schriftbehandlung die Aufstellung eines neuen Zieles (eben der absoluten 
Stummheit der Karte) ganz unnötig ist, da wir vielmehr schon seit langen Jahr- 
zehnten eine Methode besitzen, welche der notwendigen Forderung, «las eigentliche 
Kartenbild nicht durch die Schrift zu stören, nach der Ansieht der meisten 

K.tlUr't Z.tUthrifi. V. IM. 4 



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50 



Methodik and Unterricht ita Geographie. 



geographischen Pädagogen vollkommen genügt Wir ineinen eben die z. B. auf 
den physischen Wandkarten Sydows (au8 dem Pcrthesschen Verlage) und auf 
den physischen Wandkarten Gräfs (im Verlage des geographischen Instituts 
zu Weimar), also auf zwei wegen ihrer anerkannten Tüchtigkeit weit verbreiteten 
Wandkartenserien seit langer Zeit geübte Methode der Schrift beschränkung. 
Die in diesen Karten stattfindende sorgsame beschränkte Auswahl der Namen, 
sowie eine wesentliche Umfangsverminderung durch Abkürzungen etc. bewirken, 
dass da« geographische Bild nur in unfühlbarem Grade beeinträchtigt wird, während 
andererseits die Benützung der Wandkarte durch diese sozusagen nur andeutungs- 
weise eingetragene Beschreibung doch gerade für Schulzwecke wesentlich er- 
leichtert wird. Es handelt sich nicht darum, eino neue Methode zu suchen, 
sondern darum, dieser alten von Sydow, Graf und anderen mit Erfolg 
benutzten eine immer weitere Benützung zu verschaffen. Wem übrigens die 
Priorität dieser Idee der Schriftbeschränkung, verbunden mit der vorwiegendeu 
Betonung des physischen Kartenbild es, gebürt, ist uns unbekannt; im 
Jahre 1K48 wandte sie bereit« der verdienstvolle L. Ewald auf seinen Karten 
in „Bauerkeller's Handatlas" an ; wir vermuten, dass Sydow das Urheberverdienst 
beanspruchen darf. — Wenn wir somit die von Gräf und Sydow verbreitete 
Methode der Schriftbeschränkung als die uns für die meisten Fälle ge- 
eignetest scheinende empfehlen, so möchten wir doch keineswegs dazu raten, 
durch KonferenzbeschlUsse oder durch die Autorität von Geographentagen sie 
den Schulen als die einzig wünschenswerte Art der Wandkarten oktroyieren 
zu wollen. Im Gegenteil wäre auch hier entschieden jeder Zwang vom Übel. 
Frei vom Schablonismus, sollen sich die Ansichten entfalten und im Kampf um's 
Dasein ihre Existenzberechtigung erweisen. Schon um der Individualität der 
verschiedenen Geographie-Lehrer und den verschiedenen Lehrmethoden Rechnung 
zu tragen, empfiehlt sich, nicht einseitig vorzugehen. Mancher Lehrer wird vor- 
züglichen Unterricht gerade mit Benützung andersgearteter Wandkarten erteilen, 
und manche nicht nach Sydow'scher Weise bearbeitete Wandkarte wird sich 
mit vollem Rechte für lange Zeit einen dauernden Platz in der Schule erringen; 
wir verweisen, um nur ein Beispiel zu nennen, in letzterer Hinsicht auf Wagners 
treffliche Wandkarte von Deutschland, ein nicht mit Sydow'scher Schrift- 
beschränkung bearbeitetes Werk, das aber sicherlich trotzdem keine höhere 
deutsche Schule wird vermissen wollen! 

Bezüglich der Behandlung des Terrains auf Schulwandkarten warnte Haardt 
mit Recht vor einer übertriebenen Generalisierung desselben. „Wo solche 
Bodenerhebungen," heißt es da, , bestehen, die mit Rücksicht auf den Maß- 
stab der Karte und mit Rücksicht auf das richtige Verhältnis in 
der Plastik der einzelnen Terrainpartien zum Ausdrucke gebracht 
werden können, dort muss dies auch geschehen und es muss die Papierfläche 
in solchen Fällen trotz notwendiger Gencralisierung der Detailfonnen mit den 
konventionellen Bezeichnungen der Bodenerhebungen, also mit Schraffeu, Schum- 
merung u. dgl. bedeckt erscheinen. Jeder andere Vorgang widerspricht den 
wahren Verhältnissen und erzeugt in dem Beschauer, der aus der Karte lernen 
soll, irrige Vorstellungen. Was die Darstellungsmanieren des Terrains 
auf Schulwandkarten anbelangt, so wird Uber kurz oder lang die Frage zur 
Erwägung kommen müssen, ob und in welcher Ausdehnung die Anwendung 
hypsometrischer Wandkarten in der Schule platzzugreifen habe. Ich 
kann mich hier nicht näher in diese Frage einlassen, möchte aber doch darauf 
hinweisen, dass auch hierüber noch die widerstreitendsten Anschauungen bestehen ; 
die Einen verlangen die Anwendung hypsometrischer Wandkarten schon für die 
elementaren Stufen des geographischen Unterrichtes, die Anderen perhorrescieren 
sie selbst für die höheren Stufen und so ist es klar, dass diese Frage noch 
lange nicht spruchreif ist." 

„Wenn ich nun," fuhr der Redner dann fort, „noch auf ein für die Auf- 
stellung allgemeiner Gesichtspunkte wesentliches Moment hinweisen möchte, so 
betrifft dies die Menge dos in die Seh u 1 w a n dk a r te n aufzunehmenden 
Stoffes. Auch da kann ich mich angesichts Ihrer geehrten Versammlung kurz 
fassen. Es ist einleuchtend, dass man, wie in allen Unterrichtsmateiien, so auch 



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Besprechungen. 



51 



im geographischen Fache auf eine möglichste Vereinfachung des Lohr- 
stoffes und auf die Beschränkung desselben in das Wesentlichste 
bedacht sein müsse und was da im allgemeinen gilt, das gilt auch in unserem 
speciellcn Falle, also hinsichtlich der Wandkarte. Aber es gibt auch da gewisse 
Grenzen, unter welche bei Bonstiger Gefahr einer direkten Schädigung des 
Unterrichtszweckes nicht herabgegangen werden sollte. Ich befinde mich da in 
Übereinstimmung mit den bereits erwähnten Ausführungen des Professor 
Dr. Simony, der meint, dass man in dem Bestreben nach Vereinfachung der 
Schulwandkarten, beziehungsweise nach Beschränkung derselben auf den un- 
mittelbaren Lehrstoff endlich dahin kommen könnte, „manche der wichtig- 
sten und lehrreichen Momente der Erdkunde dem Gesichtskreis 
des Schülers mehr oder weniger vollständig zu entrücken." 

Von diesem Gesichtspunkte aus möchte ich also die oft gehörte Forderung 
als nicht ganz zweckmäßig anerkennen, in die Wandkarte nur jenen Stoff auf- 
zunehmen, der gerade in den Lehrbüchern vorgezeichnet erscheint; bedenken 
Sie nur, welche irrige Vorstellungen über die natürlichen Verhältnisse so mancher 
Gegenden der Erde dadurch wachgerufen werden inüssten. Insbesondere betrifft 
dies die hydrographischen Verhältnisse, bei denen eine ausschließlich dem 
Lehrbuche angepasste schematische Darstellung zu den unwahrsten Schlüssen 
verleiten müsste. Denken Sie sich eine Wandkarte von Asien in dieser Weise 
ausgeführt, so werden Sie so ungeheure Unterschiede in der natürlichen Boden- 
bewässerung, wie sie beispielsweise zwischen der sibirischen Niederung und dem 
turan'schen oder dem wasserreichen hindostanischen Tieflande bestehen, nahezu 
gänzlich ignoriert finden, was doch den Zweeken des geographischen Unterrichtes 
unmöglich förderlich sein kann. Sie sehen also auch in diesem Punkte wieder, 
dass es schwer fällt, eingehendere Vorschriften aufzustellen, durch welche der 
freien und wissenschaftlichen Auffassung, wie wir sie ja von dem Schul- 
kartographen verlangen müssen, Zwang auferlegt werden könnte." 

Haardts Ausführungen bringen, wie man sieht, zwar nicht eigentlich neue 
Ideen über die Methodologie der Schulkarte, abor würden verdienen, wegen 
ihrer klaren Zusammenfassung der wichtigsten Punkte den beteiligten Kreisen 
thunlichst zugänglich gemacht zu werden, etwa als kleine Broschüre. Im hohen 
Grade berechtigt sind die Worte, mit denen der Vortragende schloss: 

„Die Ansichten und Meinungen Beider müssen sich harmonisch vereinigen, 
die Wünsche des Einen müssen sich den Forderungen des Anderen anbequemen 
und so wird durch ein Zusammenwirken der Lehrer und Kartographen, durch 
ein gegenseitiges Ergänzen ihrer Kenntnisse und Erfahrungen sicherlich ein 
gutes Resultat erreicht werden, — ohne die Aufstellung von Grundsätzen not- 
wendig zu machen, welche bis in die kleinsten Details eindringen und dadurch 
höchstens eine schablonmäßige Auffassung und Ausführung der 
Schulwandkarten zur Folge haben inüssten, keineswegs aber eine freie und 
gedeihliche Entwicklung der Schulkartographie fördern könnten!" J. I. K, 



B asprechungen 



Edmond© de Amlcl«: Marokko. Nach dorn Italienischen frei bearbeitet von A. von Schweiger- 
Lerchenfeld. Mit 165 Original.lllustratioueu. Wien., A. Hartlcbeus Vorlag, 1883. 

Es war für mich oiue Freude, nach der Lektüre den Buche* von Conring und mehrerer 
ähnlichen Produkte der Neuzeit (Iber Marokko, die kaum der Druckerschwärze wert sind, welche 
nie gekoBtet habeu, geschweige der auf sie verwandten Mühe des Lesers, in dem vorliegenden Werke 
eiu Buch kennen «u lernen, das alle Eigenschaften besitzt, um dem gebildeten Leser genuss- und 
lehrreiche 8tundeu über ein Land und seine Bewohner rat bieteu, welche Europa so nahe und doch 
so fremd sind. AI» der bekannte Maler Hildchraudt mit seiner iuhaltreichen Mappe und einem Tage- 
buch, worin ueben manchem Wahlen, Helhstgesrhatitcn, eine Fülle der lächerlichsten Anekdoten 
bona tido venseichuet waren, aus Japan r.urtW kkohrto, verarbeitete der bekannte FimiHctouist Kossak 
dieses buutgeniischte Material ku einem Buche, das wol eine anstehende Lektüre bietet, aber geei|ruet 

4« 



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Besprechungen. 



ist, beim unbefangenen Loser ganz irrige Vorstellung von jeuem fernen Laud und Volk in Ostasicu 
eil erwecken. In vorliegendem Werke haben wir nuu ebenfalls die freie Bearbeitung dessen, was ein 
Auderor beobachtet uud verzeichnet hat, aber eine Bearbeitung von ganz anderem Gehalt Die 
italienische Quelle ist durch fremde Beeinflussungen nicht getrübt worden und derjenige, welcher 
ihr die schöne deutsche Fassung gab und dieselbe mit wertvollen ZusXtzei: weiter geschmückt hat, 
verstand es zngleich, ihren originellen Inhalt rein und unverfälscht sunt Ausdruck zu bringen. 

Nachdem Muley Hassau im September 1873 den marokkanischen Thron bestiegen hatte, ordnete 
die italienische Regierung zu seiner Begrüßung und zur Überreichung der Crcditive eine Oesandtschaft 
an seineu Hof nach Fez ab. Die Reise begann und endete in Tanger. Sie führte von hier Uber 
Fer. und Mekcnez nach Scbu, El Araisch, Arzilla und wieder nach Tanger. De Amicis, der Autor 
des vorliegenden Werkes, uud seine Landsleute, dio Maler Ussi und Viseo, schlössen sich derselben 
au. Ihre Beobachtungen und Skizzen beziehen sich vornehmlich auf das lulleret fremdartige und 
besondere fesselnde Lebeu uud Treiben des eigentümlichen Volkes in seinen mannichfaltigstcn 
Gestalten. Die Schilderung des Landes Hüft nebenher uud bildet nur die Staffage zum vorwiegend 
ethuographischeu Hilde. Wer über physisch-geographische Fragen viel Belehrung sucht, mag vielleicht 
euttAusrht werden, wie wol auch hierin das Uuch immer noch mehr bietet, wie manches andere. 

In kurzen meisterhaft klaren Zügen fuhrt uns das Buch ein in die Stellung Marokko'« in 
der Welt des Islam uud zeigt uns alsbald, wie verschieden diese schon im Tanger, obgleich uur 
wenige Meilen von der spauischeu Küste entfernt, von der christlichen sich gestaltet hat. Dio Viel- 
seitigkeit und Neuheit dos Stoffes, sowie eine prächtige Darstellung, fesseln, den Leser vom Anfang 
bis zum Sehlus». Dieser ist iu passender Weise einer Betrachtung des Sonst und Jetzt gewidmet, 
der Zeit, wo das maurischo Volk iu Spanien an der Spitze der Kultur stand und Kttuste und Wissen- 
schaften bei ihm blühten, und der Gegenwart, wo seine Nachkommen und Vorwandten in Marokko 
von Eigcnuutz, Willkür und Stumpfsinn, ueben Ignoranz uud religiösem Fanatismus beherrscht werden. 

Die Ausstattung des Buches macht in erster Linio den italienischen Künstlern, welche dia 
vielen Illustrationen nach der Natur lieferten, Ehre, dann aber auch den Wieuer Herausgebern. 
Wenn ich trotz des schönen Textes anf die vielen treuen und lebensvollen Abbildungen das pictura 
major sermoui anwende, so ist das wol das grölte Lob, welches man ihnen spenden kann. Sie 
ergänzen den Text anf das wirkungsvollste uud bieten für sich allein schon, namentlich iu ethno- 
logischer Hinsicht, oineu solchen Sehatz vou Belehrung, das« das Buch wol noch für lange als 
reichste nnd beste Quelle ftir das Studium des marokkanischen Volkslebens wird gelten könuen. 

Diesen groJJeu Vorzügen des Werkes gegenüber sind die Fehler, welche der Recenseut 
bemerken konnte, kaum nennenswert. Ich beginne mit der Benennung der Berber des großen Atlas, 
den Geluliern der Kömer. Professor von Fritseh nnd ich notierteu sie phonetisch mit Sehl »h, ein 
Wert, das wir oft hörten uud immer so, dass die Aussprache dos öh sich derjenigen von ich in 
der Schwei» näherte. Nach Mörder : „Les Arabes dans l Afrique septcutrionale* heißen jene Bewohner 
der Atlasthaler Chclonh und ihre Sprache Che! ha; letztere ist das Schlöha nach unserer 
Auffassung. Von diesen Benennungen weicht die Form Schi Unk für den Berber des Atlas in dem 
uns vorliegenden Werke weit ab. 

Dieses Beispiel und noch manches, das wir bezüglich der Schreibweise geographischer Namen 
Marokko 1 * aus dem Buche anreihen könnten, beweist, wie viel auf diesem Gebiete noch zu klaren 
ist. Pg. 14 dor vorliegenden Bearbeitung ist vou dem leinenen oder s o i d e n e n Hatte der Maureu 
die Rede. Hier beweist de Amicis, dass er die Textilstoffe nicht recht zu unterscheiden weiß oder 
einen Ausnahmefall als Regel behandelt; nach letzterer aber wird der beliebte Überwurf aus einem 
gebleichten Wollgewebe verfertigt. 

Auf S. HiO heißt es von dem großen und kleineu Atlas: „Beide zusammenhangende Gebirgs- 
züge «enden zahlreiche Zweige bis aus Meer und bilden schroffe Caps und tiefe Buchten, welche, 
vor den Stürmen geschlitzt, treffliche HKfen abgeben." Man vergleiche mit dieser grundfalschen 
Behauptung die hübsche Sehildcruug der „KÜKtenpl&tze" in „Reisebilder aus Marokko" meines 
Freundes v. Fritseh in den Mitteilungen des Vereiues für Erdkunde zu Halle. Alle marokkanischen 
HafeupIKtze von Belang liegen an seichten Buchten und offenen Rhedou. Ihr Zugang ist, weun der 
Passat heftig vom Atlantisehen Occan her die Wellen peitscht, oft rocht gefährlich, ja selbst 
unmöglich, wie wir die« von mehr als einem kennen gelernt haben. 

Mit den beiden Abschnitten „Süd-Marokko" und „Der spanisch-marokkanische Krieg 18G0* 
hat der Bearbeiter der deutschen Ansgabe des italienischen Werke« zu diesem sehr willkommene 
Ergänzungen geliefert. Ein Register nnd eine Karte würden den Wert der verdienstvollen Arbeit 
noch erhitht und ihre Benützung wesentlich erleichtert haben. 

Bonn, im Februar 1S84- J. Rein. 



Congrftflo International de Ancrieanistas. Acta* do la cuarta Rcuniou. Madrid 1881. Tomo. 
primero. Madrid 1883. 

80 zahlreich nud verschiedenartig sind die Argumente, welche bei diesem Kongrosse zur Sprache 
kamen, da«« wir angesichts der geringen Verbreitung de« uus vorliegenden Berichtos und in der 
Üherzeuguug, das* die meisten der verhandelten Gegenstände alle Leser dieser Zeitschrift interessieren, 
uns entschlossen, die nachfolgeudo mitglichst gedrängte Besprechung de* Werkes 7.1t geben. 

Zunächst finden wir eine Abhandlung von M. E. Beauvois (Iber da« grolle Land des 
Westens in den keltischen Dokumenten de» Mittelalter«. Der Verfasser stellt sieh gewissermaßen als 
Einleitung zu »einem Vortrage die Frage: Wenn die Skandinavier de* XI. Jahrhs. ein Land jenseits 
des atlantischen Oceans kannten, welches von Irliiuderu kolonisiert war, wie kommt es, dass die 
gallischen Dokumente, welche Kiter als die Sagas siud und welche von zahlreichen Fahrten der Ir- 
läuder berichten, diese transatlantischen Kolonien mit Schweigen übergehen? Diese Frage hatte vor 
20 Jahren noch Anfschen erregen können, nicht mehr heute jedoch, da man die keltischen Dokumente 
unterdessen gesammelt, veröffentlicht oder doch mindestens schon analysiert hat. Dank der Erforschung 
dieses Materialcs, wissen wir heute, das» die IrlHnder im Werten und weit von ihrem Wohnsitze 
ein großes Land kannten, welches zumeist in Nebel umhüllt war, wo mau balsamische Lüfte eiu- 
athtnote und dessen Flüsse von der Mitte de« Landes entspringend einen west-östlichen Lauf nahmen 
Nun bespricht Bcauvois die Sage von Cotidla Huadh, Uber welche wir durch die vorzüglichen 
Arbeiten von O' Curry, J. O' Bern« Crowe, Atkin«on u. a., schon eine vorzügliche Litteratur besitzen. 
Interessant ist der Vergleich jener Modifikationen, welche die ursprüngliche 8age im Laufe des 
Mittelalters erhielt, wo sie zuerst reiu phantastisch, dann heidnisch-abergläubisch wurde, um schließlich 
einen christlich-katholischen Anstrich zu erhalten. Der Verfasser schließt, indem er gesteht, dass die 
verschiedenen Legenden zwar schließlich zu bunt wurdeu, dass sie jedoch einen Gniud von Wahrheit 
besitzen. Auf «Ho Falle weisen sie die Sehnsucht der hochnordischeu Völker nach dem fernen 
Westen auf. 

Nun folgt eine Abhandlung von Femandez de Castro über die. Geologie der Insel Cuba, 
welcher sich eine kurze Debatte über die Entdeckungsgeschichtc anschließt. Zuerst wurde die Sprache 
auf das berühmte Werk von Harrisso gebracht, der hartnackig darauf besteht, die Vida des Don 
Fernando Colon sei apokryph. Die Beweise, die man dagegen brachte, siud verschiedene und zwar 
haben wir sie an anderer Stelle schon besprochen. 1 ) Fnrchtbare Worte und schwere Anklagen er- 
hoben verschiedene Reduer gegen den Florentiner 8eefahrer Amorigo Vespueci, dessen „Quattro 
Navigationi" noch immer als Fabeln angeseheu werden. Mit Erstaunen hat uns die Wahrnehmung 
erfüllt, dass wahrend der bezüglichen Debatte kein einziges Mitglied dos Kongresses die Sprache 
auf die schßnen und gediegenen Arbeiten des verdienstvollen Varnhagen brachte, und dass mau mit 
der Ignorierung derselben sozusagen bis zur Ostentation vorgegangen ist. Wir haben uns diese 
Thatsache »um Gegenstaude einer besonderen Abhandlung ausgewählt, die wir ebethunlichst in dieser 
Zeitschrift veröffentlichen werden, da wir glauben, daxs sich die Schriften des geuauuten ameri- 
kanischen Gelehrten gar nicht jener Verbreitung erfreuen, die ihnen nach (Jchür zukommt. Auch 
der ehrwürdige Las Casas erhielt seineu Anteil an Vorwürfen, indem er u. .1. der Uiigcnattigkeit als 
Historiker und des Ultramontanismns verklagt wurde. 

Herr No voy Colson zeigte in einer kurzen Rede, wie ans den Untersuchungen von Navarrcto, 
Ciriaco de Cevallos und Malaspiua und aus seinen eigenen Studien hervorgeht, das* die Reisen de* 
I<orenzo Ferrer Maldonado apokryph sind. Was die angeblichen Entdeckungen von Juan de Fuca 
anbelangt, so haben sie mehr Wahrscheinlichkeit für sich, sie siud aber durchaus nicht geeiguet, 
eine große Rolle in der Etitdeckuiigsgeschichte zu spielen. 

Die Aufmerksamkeit de» Lesers wird in hohem Maße schon durch den bloßen Titel .1er 
folgenden zwei Abhandlungen gefesselt, nämlich: „Hypothese sur la Disparitioii de l'Atlautide" von 
der Frau Marcella T. Wilkins und ,.Prueba* geolögica* de la existencia de la Atlautida*' von 
Federico de Botella y de Homos. 

Frau Wilkins hatte schon früher einmal die Hypothese aufgestellt, dass die Sintllut ihren 
Ursprung im Großen Oeean gehabt hätte, und dass die Ureinwohner Amerika'* Flüchtlinge aus einem 
Kontinente waren, welcher beim Kataklysma nntergieng. Dic*e*mal trat nun die elegante Verfasserin 
der kurzen Abhandlung kühner und entschiedener auf. Die Wogen der mächtigen Flut haben ihr 
zufolge, unverkennbare Spuren hinterlassen. Die iinermcsslicheu Llanos, welche sich von den Ufern 
des Maranon bis zu den Gebirgen Cumaua's ausdehnen, liefen» ein Mild der Verwüstung. Nur 
kümmerlich gedeiht das Gras auf denselben und kein Baum oder Strauch bringt Abwechslung in 
dem monotonen Bild. Wie aber der Pflug des Menschen die Erde durchwühlt, so verwandelt sich 

') Colon y Piuzon. („Zt-ch. für wiawnsch. Gcogr., 1883.") 



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54 



Besprechung* 



der wüst« Boden iu den üppigsten Ackergnmd. Offenbar sind «lt.- Llauos Central- Amerika'* in vor- 
geschichtliche!! Epochen ebenso fruchtbar gewesen uiifl ilire spätere Sterilität ist nur die Folg« eines 
verwüstenden Ereignisse«. Und das« dieses Ereignis mit det hypothetischen 8turmwoge einen Zu- 
sammenhang haben kftnntc, davon haben wir einen weiteren Itaweis in den riesigen 8toinmassen, 
welch« die Thäler der Cordilleren Onnau**.» ausfüllen, und welche schon dem großen Eucyklopädisteu 
unsere» Jahrhunderte!) zu denken gaben. Humboldt sprach «ich nämlich dahin au*, daas er dio 
Anhäufung so großer 8teinma**ou nur durch eine ähnliche Fintwoge erkläreu könnte, wie sie von 
der Ms. Wilkins gegenwärtig angenommen wird. Itatrachtet man dio Sahara uud ihr nie mehr 
endende« 8andnieer, so kann man sieh nicht der Vermutung verschließen, da** die Sturmwoge dort 
ein bleibendes Monument ihres Dasein* zurücklassen wollte. Gräbt man uur wenige Meter tief den 
Wüstensand aus, so gelangt mau bekanntlich *n salzigen Kestandtcilen, die y.ur Hypothese Aulass 
gaben, die Sahara sei einst das Recken eine« Teiles des atlantischen Oceans gewesen. Eine gewaltige 
Bodenerhebung hätte dann da« Meer abfließen gemacht. Nur widerstrebt dieser Annahme die Ent- 
deckung vieler Re*te aus der Steiuperiodc, welche darauf hinweisen, das« die Sahara einst bevölkert 
war. Es bleibt daher nichts übrig, als bei der Sturmwoge zu bleiben, die uus nur noch eine 
Schwierigkeit bietet Woher nahm sie nämlich jene gewaltigen Sandmasscn, welche gegenwärtig dio 
Sahara ausfüllen V Aus der Oberfläche irgendeines Gegenstandes, der ihr im Wege stand und in 
nächster Nähe Afrika« lag. — Meiue Herreu — schließt dio Verfasserin — war jeuer Gegenstand 
die Atlantis ? 

Die geologische Abhandlung des Herrn Botello stützt sich zum Teil auf die Untersuchungen 
von Unger, Gaffarel, Marcon u. a. An der Hand wissenschaftlicher Proben weist der Verfasser 
nach, da»s die Atlaulida bestanden haben muss, er bespricht ihre Fauna und ihre Flora uud findet es 
seltsam, das* die Gelehrten (Iber die Lage dieses Kontinentes so verschiedenartig urteilten. 

Hierauf ergriff Houri de Saussnre das Wort, um gegen F. de Castro bezüglich der Geologie 
Cuba's zu polemisieren. Castro hatte nämlich behauptet, die Insel Cuba habe einst einen Teil des 
amerikanischen Kontinentes gebildet Itar Streit der beiden Gelehrten drohte sich nun um die Frage, 
ob die Trennung in der Tertiär-Epoche stattgehabt habe. 

In einer gauz kurzen Ansprache hat dann P. Fidel Fita dem Ausspruche Irwiugs einige 
Worte gewidmet, der über den Fray Itarual Buyl und den D. Fedro Margarit sich äußerte: 
„Accompanied by a band of maleoutents, ho and friar Boyl toko possesion of soine ships in the 
harbour, aud set sail for the Spain; the tirst general and apostlc of the uew world tlms Petting 
the flagrant exemple of unautborized abaudoumeut of tbeir post."') Bei Durchsicht der Akten de« 
aragoniseben Hofes fand F. Fidel Fita eiueu Brief der katholischen Könige au den Gesandten in 
Kom vom 7. .luni 1498, welcher eiu ganz anderes Bild des Buyl entwarf, als dies Irwing und der 
Graf von Rosselly in seiner Vida e historia de Cristöhal Colon gethan hatten. (Nebenbei sei bemerkt, 
dass unter alleu Werken, welche bisher die Etitdeeknngsgeschichtc behandelt haben, jeuo des Grafeu 
von Kosselly wol das erdichtetste und horrendste ist. i Zuuäehst war Buyl kein Benediktiner, sondern 
er gehört« zum Orden der Brüder des hl. Franz von Paula. Die päpstliche Bulle an Buyl, wovon 
sich Fita eine authentische Abschrift aus dem Vatikan verschaffte, sagte ganz klar uud deutlich : 
..Tibi, t|iii presbyter es . . . accedeudi et inibi, <j u a m d i u voliieris, commorandi, pleuam, liberam 
et omnimodam . . facultatem . . com-edimus pariter et elargimur." Dadurch war er, insofeme es 
sich um den heiligen Stnhl handelte, autorisiert, wann immer seine Stelle zu verlassen. 

Es entstehen zwei weitere Fragen. War Buyl auch von königlicher Seite ermächtigt, so nach 
eigenem Gutdünken zu handeln, und in welchem Verhältnisse stand er zu Columbus? Die kata- 
lanische Energie und der genuesische Hochmut konnten nicht« Gutes britigen, sobald sie aneinander 
stießen. Zwischen Columbus und dem Pater Buyl entstanden Differenzen, die schon für sich geeignet 
waren, alle Spanier zu ermächtigen, die neue Welt zu verlasseu. Kounte aber Buyl als Abgesandter 
dos Königs eine solelns üble That begehen? Ein Brief des Königs an den mehrmals Genannten 
bestätigt die«, und behebt so den letzten Zweifel, welchen dio Ankläger des Buyl erheben könnten. *) 

„Hemos reeibido la vuestra — ist der authentische Wortlaut — en que os quejais de vuestra 
falta de salud, y al mismo tiempo no« indicais quo la earencia de bueuos interpretes es impo- 
sibiliU para difuudir la palabra evaugeliea. Nos, ö nostros, queromos quo «i esa salud, que decia 

«) Life and Voyages of Christ. Col. VIII. 2. 

*\ Wir haben in letzterer Zeit oftmals Gelegenheit gehabt, wahrzunehmen, dass die schöne 
Sammlung Navarrete's, die alle Geschichtsschreiber als erste und verlässlichstc Quelle bisher benützten, 
durchaus nicht vollständig und an einigen Stellen auch nicht genau ist. Diese Entdeckung wird 
die Freunde der Geographie nicht sehr erfreuen, sie bleibt aber Thatsache. Auch der erwähutc 
Brief war dem emsigen Sammler nicht bekannt geworden. 



Besprechungen. 



55 



gastada, no lo impidc, enteis eu e*a cuudicii'm quo teucis; pero du otra uienern, ai vo« quereis 
venir, dejad los puderen que la Sauta Sede Apostölha os lia concedido, ä otro que ha ido eon vos." 

Dadurch war e* dem Kray Buyl vollständig freistellt, auf seiuem Posten zu verbleibcu 
oder heimzukehren, ganz nach seinem Belieben. 

Folgt eine Abhaudluiig von M. Luiivot über die Einwanderung der Juden in Amerika iu 
vorclumbischen Zeiten, worüber wir zwei Specialwerke ans dem XVII. Jbdt. haben, nämlich da» 
eine von Thomas Thorowgood: Jews in America or p r o ha b i 1 i t i es that the Ameri- 
can» are of that race. 4°. London ltiaO, das andere von Spizelins: Elcvatio relationis 
Montozinianae do reperti« in America tribabus Israelit, et discussio argutueutorum pro originc 
gentium atnerican. Israclitica a Mauasse ben Israel couquisitorum. Hasel 1M1 iu S 9 . — Iu der 
ersten Hüllte unsere« Jahrhuudertes hat der englische Lord Kingshorongh 1 ) sozusagen sein ganzes 
Leben und einen guten Teil seines Vermögen« der Untersuchung der mexikanischen Antiquitäten 
Rewidmet. Im VI. Bande seines prachtvollen, reich illustrierten Werkes hat er nachzuweisen versuch«, 
das« die Einwohner Amerika's Abkömmlinge der Juden sind. Viele andere Reisenden haben 
dasselbe behauptet, ohne sieh jedoch auf wissenschaftliche Gründe stützen zu köuueu. Hie und da 
werden einzelne Worte aus den indianischen Mundarten hervorgeholt, welche eine hebräische Wurzel 
zu verraten scheinen. Manchmal wurde auf die Ähnlichkeit der Typen, bisweilen auch auf Sitteu und 
Gebrauche hingewiesen, welche zu dem Schlüsse Kiugsbörough's berechtigen könnten. In der That opfern 
die Indianer Südamerika'« die ersteu Früchte, sie feieru den Neumond und begehen zu Beginn de« 
Septembers ein Bnßefest. Wie zu deu Zeiten Kuth's vermählt sich der Witwer mit der Schwägerin 
and die Purifikation, die Bäder, die Fasteu «iud ebeufalls im Gebrauche. Sie haben eine heilige 
Arche, welche sie im Kriege mitführen, und endlich üben sie auch die Beschueiduug au*. Adair, ') 
Camilla») und Kiugsborough «) schließen daran« auf die jüdische Abstammung der Indianer 
Amerika's. Obwol diese Proben interessant sind, so glaubt der Verfasser dioselbeu doch mit Vorsicht 
aufnehmen eu solleu. u. zw. aus zweierlei Gründan : Erstens ist diese Übereinstimmung iu deu 
Sitten nicht allgemein nachgewiesen worden, zweiten» findet man ähnliche Sitten auch bei Völkern, 
deren Abstammung eine grundverschiedene ist. Um nur ein Beispiel anzuführen, findet mau die 
Ceremonic der Beschneidung bei den Aethiopieru, Arabern, Ägyptiern, Phöniziern, Colchidiera etc. 
Lescarbot wurde ganz enthusiastisch, als er da» Wort Alleluja unter den Amerikanern ver- 
nahm') und vergaß darüber ganz, das« er möglicherweise auch zum Christeutuino bekehrte Heidon 
vor «ich haben konnte, überhaupt glauben wir, das« e« »ehr gewagt wäre, au» solchen und ähn- 
licheu Ausdrücken, die in der Gegenwart vernommen werden, Schlüsse (Iber die Ureinwohner zu ziehen. 
Hie philologische Forschung darf sich nur auf die ursprüngliche Sprache stützen, nicht an einzelne 
Ausdrücke, welche mehr oder weniger auch dem Kontakte mit den Europäern zugeschriebeu werdeu 
könnten. An» demselben Grunde möchten wir auch gar nicht schließen, das« diese» Alleluja auf 
eine frühe Gegenwart der lrläuder oder Normannen hinweist, über deren Reisen wir doch andere 
Ansichten haben. Es bleiben noch die Traditionen, welche Herrera, Torqueniada, Lizaua u. A. 
«aminclteu. Herrera*) schreibt z. B. : „Das» eiue große Anzahl Indianer von ihreu Vorfahreni ver- 
nommen hatten, wie die Halbinsel von Yucatan durch Nationen bevölkert wurde, welche an« dem 
Oaten kamen und die Gott von der Unterdrückung befreit hatte, iudem er ihnen den Weg über 
da» Meer eröffnete". Landa, ein Augen zeuge der Besitzergreifung jene« Lande*, schreibt so ziemlich 
dasselbe und ungefähr mit denselben Worten. Ähnliche Traditionen hat der Pater Petitot') gesam- 
melt, und Lizaua uud Torquemada") wollen sogar den Weg erkennen, welcher die Juden über 
Afrika, die Kauarien und die Antillen nach dem Festlande von Amerika geführt hatte. 

Sollen wir über diese Traditionen Kritik übeu, s» möchten wir uns sehr gerne den Ansichten 
Varnhagcns») auschlieflen, der die Notwendigkeit hervorgehoben bat, solche Überlieferungen zu 
deputieren. Anstatt denselben übernatürliche oder vorgeschichtliche Ursprünge zum Grunde zu 
legen, wären wir eher geueigt, sie iu Zusammenhang zur ersteu Reise de« Vespucci zu bringen. 

•) Antiquities of Mexico. Loudou. 7 Bde. in Folio. Bd. VI. Argumeut to show that the Jows 
in early ages eolouized America. 

*) Adair. History of the American Indian». Boston 1776. 
*) Gumilla. Histoire de l'Orenoqne illustre. Bd. 1, S. 186. 
*) Kingsborongh a. a. O. IM. IV, 8. 45. 
*) Histoiro do la nouvello Franc«, 
«) IV— X. 8. 

') Nouvello« Annale« de» Voyage«. Februar 18419. 

") Torquemada. Histoire des Indes. — Lizaua. Histoire de N. Haine de Izavaal. 
») Le premier Voyage de Amerigo Vespucci defimtivomout explique dans le« detail». 



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56 



Besprechungen. 



Freilich haben die Gnauchen auf den Kanarien gesagt, Gott habe, sie hingesetzt uml verlasseu ; 
die Erreichung der Kauarien vom •>tir<»|»iÜMclit':ii oder afrikanische!! Festlande ist aber mit weniger 
Schwierigkeiten verbunden und hätte die Kolouisicruug derselben leicht entweder durch .luden oder 
auch durch andere Völker stattfiudcu können. 

Auf alle Fälle hat Martin Miuguez eine «ehr treffliche Bemerkung gemacht: Wenu die 
Geschichte unseres eigenen Hodens noch so duukel ist, wie können wir verlangen, jeuo Amerika'» 
zu können? Herr Viuson erklürte seinerseits, das« es der philologischen Wissenschaft noch uu- 
möglich ist, direkte Beziehungen zwischen den amerikanischen uml deu somitisehen Sprachen uu 
rinden, und so i*t «ltc Frage gewissermaßen noch offen gebliebcu. 

Kine länger« Abhandlung vou Paul Gaffarel bespricht die Mythen und Sageu de« Mittel- 
alter!! bezüglich der Inseln vou S. Brandau, Antilleu, der .Sieben Städte etc. Sie ist interessant, 
maoferne man auf wenigen Seiten die ganze geschichtliche Eiitwiekelung der verschiedenen Andichten 
Uber diese Ingeln findet. Nachdem der Verfasser versucht hat, die bczllglicheu Sagen den verschie- 
denen atlantischen Inseln uml Ländern anzupassen, kommt er zum Schlüsse, dass es »ich um 
reine Mythen gehandelt hat, wozu wir ihm gerne beistimmen. Es ist doch nicht zu verwundem, 
dass zu einer Zeit, in der die Völker ihren geistigen Horizont zu erweitern begannen, man auch 
die Mlicke gegen das unendliche Meer warf und dass mau sich bemühte, jene geheimnisvolle Leere 
auf irgend eine Art au-zufiilleu. Wie natürlich miiss es uns vorkommen, wenn mau vor der Ent- 
deckung allerlei Hypothesen über eine geheimnisvolle Gegend aufstellte! Hypothesen als ganz 
natürliche Gcluirteu der sich zu regen beginnenden menschlichen Phantasie waren unserer Ansicht 
nach alle die Inseln, die im Mittelalter und in der Neuzeit deu Gelehrten soviel Kopfzerbrechen 
gemacht haben. 

Folgen nun verschiedene Abhandlungen archäologischen und ethnologischen Inhalte«, die 
wir teils aus Uaumi itcksichteu. teils weil sie uns femer liegen, nur durch die Titel anführen : 

„De los terricolas eubanos con auterioridad il los ijue »Iii eneoutrö Colon Segttu puede 
iuferirse de las antigtledades encoutradas eu esta Isla por el Excmo. e Ilmo. Sr. D. Miguel 
Kodriguez Ferrer. - 

„Rapport de M. Henri de Saussure sur uu os maxillaire inferieiir trouve h Cuba, par M. Ferrer, - 
„Dictaincu acer.i de la misma maudibula, del doclor D. .1. B. Hijar y Haro.* 
Smitlisonian Institution-Bureau of Ethnology (Verschiedene Nachrichten über die ThMtigkeit 
der Inst.). 

„A »rief Review of Native American Pottery. By Edwin A. Barber. A. M." 
Den Schluss des ersteu Bandes bildet die längste aller angeführten Abhandlungen mit 
dexn Titel : 

Montejo y Robled»: ,Cuales son las principales eufermedades contagiosa« que reeipro 
camente hau cambiado entre si los pueblos del Autiguo y del Nuevo Mundo? 

Der Verfasser konstatiert, das» da* Wort „Buha* nicht amerikanischen Ursprüngen ist und 
ilass mau in der kastilianischen Sprache schon vor der Entdeckung das Hauptwort Buba und die 
Beiwörter „ahuhado" und „huhoNo" kannte. Doch hat man erst zu Ende des XVI. Jahrhuudertes 
begonnen, die syphilitische Kraukheit mit dem Namen Buhas zu bezeichnen. Nach einer ganz 
kurzen historischen Besprechung des Weges, deu die Syphilis von Spanien über Frankreich und 
Norditalieu nach Neapel nahm, geht der Verfasser zu einer minutiösen Besprechung von sechs 
verschiedenen Thesen über. 

1. These. Die Syphilis herrscht« unter den verschiedeneu indianischen Stämmen Amerika'*, 
vor der Entdeckung durch Columbus. Als Beweis dafür gelten die Ausdrücke, welche man in deu 
verschiedenen Mundarten für die Bezeichnung dieses t'bels sammelte. Außerdem berichteten über 
da* Vorhandensein diese* Übels die, ersten Besucher der neuen Welt, so der Eremit Roman 
Passe, Gonzalo Fernändez de Oviedo y Valdes, Sahagun, Las Casas u. A. ') 

') Aus Oviedo üb II. Cap. VIT. „Padcscieron man osto» christianos. primeros pohladorc* 
desta isla, iiiucho trabajo con las niguas, e muy cniele« dolore* e pa.ssiou del mal de las bubas 
(porqnc el origen de ellas son la* Indias), c digo hien la* Indias; assi por la tierra donde tan 
natural es esta doloncia, conio por las Indias mujeres destos pastc*. Por cuya comuuicaciou passö 
«Ma plaga & algunos de los primeros espanoles que c»n el alniirante vinieron & descobrir estas 
tierras por que coruo es mal contagioso, pudo ser muy pusible. V destos despue* de toruados eu 
Espana «'• aver semlirado eu ella tal eufermedad de ahy passo a Italia y otras partes como adelante 
dire etc. . . . Y no olvidare las lagartijas, culebras, lagartos, que hay eu esta tierra: e dirc de la 
passion «le la nigua, e de la dolencia aborreseible de las buas, cou que sc darä cticuta de las onc« 
cosas de suso tocada* .... 



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57 



II. These. Dio Syphilis wurde durch die ernten Entdecker der neuen Welt nach Europa 
importiert. 

III. These, Der Weg, deu die Syphilis von Spauieu nach Neapel nahm, lässt sich genau 
verfolgen. 

IV. These. Die Syphilis wurde auf dem alteu Kontinent« als ein« neu« Krankheit augeseheu, 
dio früher nicht bekannt war und worüber auch dio Geschichte der älteren Zeiten keine Mit- 
teilung macht. 

Alle diese Thesen werden durch geschichtliche Angabeu und Citato bekräftigt, dio wir 
hier (Ibergehen. 

V. These. Die Vcrhceruugeu, welchen das französische Heer Karl's des Fünften in den 
Jahren 1494, 95 und 96 ausgesetzt war, erklären sieh vollständig durch die Einwirkung der Syphilis. 

LuHsinpiccolo. ________ rrof - ** n &* ^Clch. 

Die amtliche Beschreibung tob Sch6ng«Klng. 

Besprochen von K. Himlr. 

(Fortset-ung.) 

D. Im Kreise H-l-Tbshfing-bi^n. 

I. S. 15 a. Mu-Thsha-shan („HoU-Floss-Berg"), 25 Ii östlich von Hai-Thshöug; Quelle 
des M ii -Thslia - Im'.. 

'>. 8. 17 a. Tung-Fön-Shwef-Iing („östliches Wasserscheide-Joch"), 80 Ii südöstlich 
von Hai-Thshöng. Nach der „allgemeiueu Landesbeschreibung der Ming" befindet e« sich 140 Ii 
örtlich von Kai-tshou-wcV uud sollte sich mehrere 100 Ii weit erstrecken. Am Fuße fließen die 
Quellen nach Ostcu und Westen auseinander, woher der Name. „Zur Zeit ist im Gebiete von Hai- 
Thshöng dio Richtung unterbrochen uud tritt nach Südosten in das Gebiet von Kai-P'ing über". 

3. 8. 17 a. Nan-Fön-ShweY-ling („südliches Wasserscheide-Joch"), 95 Ii südöstlich von 
Hai-Thshöng; das nach Westeu fließende Gewässer wird tun Yang-Liu-h«1 („Trauer- Woidcn- 
Fluss"). Der W u -Thsh ti ug- In' („Fünffach gewundener Fluss") eutspriugt hier. 

4. 8. 18 b. Nan-8hweY-Thsüan-shan („Slld-Wasser-Quelleu-Berg"), 35 Ii südlich von 
Hai-Thshöng; da* nach Wösten fließende GewiUser wird »um Pa-li-hö (Acht-Li-Flus*"). 

5. 8. 19 a. Shi-Tshu-shan („8tein-8Äulen-Bcrg"), 70 Ii sUdlich von Hai-Thshöng, man 
neunt es gewöhnlich 8hi-Tnhu-kou („Stcin-8äuleu-Bach !!"). 

6. 8. 18 b. Nan-8h weY-Thaüan-shan („8üd- Wasser-Quell-Berg"), 35 Ii südlich von 
Hai-Thshöng, dort ist eiu GewKsser, welches nach Westen fließt uud _um Pa - Li -h<5 („Fluss der 
acht Li") wird. 

7. 8. 19 b. Han-P'u-ling („Kaltes Schilf-Joch"), 50 Ii südwestlich von Hai-Thshöng; der 
Hia-h/ („Schlnehten-Flnss") cutspringt hier. 

8. 8. 19 b. Shöng-8h we't-shan („Berg de« heiligen Wassers"). Im alten Shöng-Shwe V 
se („Tempel des heiligen Wassers") war ein Gewässer, welches nach Südwesten flos* uud «um 
Vü-Ni-hi* („versandeten Schlamm-Flusse") wurde. 

9. S. 30 a. Than-Kang („Verbrühter Bergrücken"), 45 Ii nördlieh von Hai-Thshöng. Am 
Ost-Ahhauge ist eine warme Quelle, die siedendheiß hervorsprudelt. 

10. 8. 20 b. Tshu-Wo-ling („Sau-Bucht-Joch"), 45 Ii nordöstlich vou Hai-Thshöug. Eiu 
nach Westen fließendes Gewässer wird Thu-ho („Erde-Flitss") genannt nn<l mündet in den 
Thai-dze-hÖ. 

II. 8. 20 h. Sh w aug-Th a • I i ug („Zwei-Pagodeu-Joch"), 70 Ii nordöstlich von Hai-Thshöng; 
Quelle des An-Shan-hö (der An-Shan oder „Sattel-Berg" beflndet sich nach der auf der vorher- 
gehenden Seit« stehenden Bemerkung fil) Ii nördlich von Hai-Thshöng.) 

.... Pero la verdad es que de aquesta Isla de Hayti 6 Espaftola pessrt este trabajo & 
Europa segini es dicho ; y es acA muy ordinario .i los indios, e sabeuse curar e tienen itiuy exce- 
leutes hierbas ö arholes e planta* apropriadas A esta y otras c.nfcriuedades etc 

Aus Las Casas. Hist. de las Indias: Dos cosas hu ho y hay en esta Isla, que en los 
prineipios fneron & los cspanole» muy penosas: la una es la euferinedad de las bubas que en Italia 

Llaman el mal frances etc Yo hice algunas veeos diligentia en preguutar ä los ludios desta 

Isla si era en olla muy autigu" este mal, y respoudian que *i, äntes que los cristiauos a ella 
viniesen, sin haber de sa origen memoria, y desto uiugnno debe dudar 

Aus Bernard iuo de Sahagun's Hist. uuiv. de las cosas du Nucva Espana. Cap. XXVIII, 
lib. X, §. V. La enfermedad de las bubas se cur« beviondo ol agua de la ycrua nombrada tletle- 
maitl y tomando algunos bano» «tc . . . . 



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Besprechungen. 



E. Im Kreise Kal-P'lng.blen. 

1. S. 22 b. Hada-Alin ^Ha-ti-itbiu) Der Maudschu-Name bedeutet „Felsen- Berg", ge- 
wöhnlich Ii a -t a-1 i, d. h. hadari „Felsen" in der Mehrxahl geuaunt, 100 Ii östlich vou K a i - P in g ; 
Quelle de* T Ii s i ng -h i' oder „reinen Flu*»*«". 

2. S. 23 a. Mao'r-ling („KKtxleiu-Jorh"}, 160 H östlich von Kai-P'iug; Quellen d.» 
8hi'-Fu-Köu-ho („Flusses de« Baches des steinernen Buddha V') und de« Pi-Li-ho („Flusses 
de* endlichen Nutzem") s. u. 

3. S. 23 b. Knn-Ma-ling („Rolle-Pferde-Joch"), 55 Ii südöstlich von Kai-P ing; Quello des 
8ha-h«' oder „Sand-Flusses". 

4. 8. 24 a. Pu-Wu-shan („Berg der verbreiteten Nebel", gewöhnlich genannt Pu-Pu- Jan 
„8chritt- für Schritt-Berg"), 140 Ii südöstlich von Kai-Ping. Die Gipfel sollen hoch uud »teil und 
immer in Wolken und Nebel gehallt sein. Quelle des Pi-Li-h£ (s. o.). 

5. 8.24 a. Ki-Kwan-shan („Hahnen-Kanim-Berg"), 150 Ii südöstlich von Kai-P'iug. Quelle 
des 8ha-hc oder „Sand-Flusses." 

«5. 8. 24 b. Sn-dzi-yil („Su-dxe-Thal" ; su-dxe ist Lophauthus nach Porter 8m i th) 1 ), 
90 Ii südlich von Kai-P nigi Quelle des II iiuig-Yo-hd oder „Barcn-Hügel-Flusses". 

7. 8. 24 b. Wau-Kia-ling („.loch des Hauses Wan"; Wau bedeutet sonst 10,000, es sind 
aber schwerlich 10,000 Häuser gemeint), 120 Ii südlich von Kai-P ing; Quelle des Fu-Tu-hd 
(„der Schwimm-Fnrth-Flnss"). 

8. 8. 25 b. Hwo-ShT-shan („Feuerstein-Berg"). 50 Ii südwestlich von Kai-Ping; Quelle 
des Liing-Kh weV-hö („Kalt- Wasser-Flusses"). 

F. Im Kreise K'al.Yuan-hica. 

1. 8. 28 b. Kwai-Mö-dxe-shan („Zwickmühlen- Berg"), 195 Ii südöstlich von Kai-Yüan; 
Quelle des 8ha-Pei-hd („Saiid-Mnschel-Flusses") s. u. 

2. «. 28. b. 8ung-Shan-Pao-foug („Spitze der Kiefer- Berg- Wache"), 45 Ii südlich von 
K'ai-Yüan; Quelle des 8ha -ho („Saudflusses"). 

G. Im Kreise Thir-Ling- hl<>B. 

1. 8. 32 b. Kya-Hu-Thshan-shan („der mit guter Opfcrschalc geweihte Berg"), 125 Ii 
südöstlich von Thie-Ling; Quello des Fan- ho („Fluth-Flusses" i. 

2. 8. 32 b. Hei-Shi-Mu-ling «'„.loch des schwarxen Steines und Holxea"). 140 Ii südöstlich 
vou Thie-Ling; Quelle de-s Lao-K u-Tuug-ht* („Flusse« der alten Höhle"). 

3. S. 32 b. Fon-8hweY-ling („Wa*sor-8eheido-Joch"i, 180 Ii südöstlich vou Thie-Ling; 
Quellen des 8ha-PeY-li* von K'ai-Yüan s. o. und des T»i'-Iul („des braunen Flusse»"). 

4. 8. 33 a. Waug-Kva-Lin-shau („Berg des Waldes de* Hauses Wang"). 56 Ii südlich 
von Thie-Ling: Quelle des I-Ln-ho („Fluss des Weges der Milde". „Fluss de« I-Lu, eines Ver- 
waltung*- Bezirkes der Mongolen-Zeit", oder „de* Eilbotenamtes I -Lu - Y i"). 

II. Im Kreise Fu«tahon. 

1. 8. 35 b. Ki-Kwan-shan (..Hahuenkainm-Berg"), 110 Ii östlich von Fu-tsou ; Quelle 
des Sha-hd oder „Sand-Flusses." 

2. 8. 35 b. II ata- s hau („Berg der je drei" Ilata-Aliu mandschuisch ? vgl. Ningguta 
„die je Sechs?"), 160 Ii östlich von Fu-tshou; Quelle des Flusses vou KweV-Fu-Pao in Niug- 
Hai-hieu. 

3. 8. 37 b. Lo-Tho-shau („Kameel-Berg"), 50 Ii nordwestlich vou Fu-tshou; Quello des 
Y a o - Ii („Kalkofen-Flusses"). 

I. Im Kreise Nlng>Hai-liicn (oder Kin-t<ou). 

1. 8. 39 a. Sj ao-Kya- shau („Berg des Hauses 8yao"), 4 Ii östlich von Ning Hai; Quelle 
des Thaüan-Shwef-ho („Quellen- Waaser-Flusses"). 

2. 8. 39 a. Ta-Hei-shan („grofier schwanser Berg"); 10 Ii östlich vou Ning-Hai. Auf dem 
Berge ist eine alte Feste; die Überlieferung sagt, dass der Thaug - Kaiser Thai-Tsuug darauf 
geweilet habe. Quelle des Syao- 8ha-h<* oder „kleinen Sand-Flusses". 



') Nach der „Überlieferung von den Thn-ku-hun" in der Geschichte der WeY (1. Txe-sbi- 
tsing-hwa 141. 8. 8. a.) war nördlich vou den Thu-ku-hnii das Land I-fn-wu-ti, dessen Sitten 
mit denen der Thu-ku-hun Übereinstimmten ; sie sollen die fünf Getreide-Arten nicht gekannt, sondern 
uur Fische und su-dxe gegesseu haben ; su-dxe wärcu vou Gestalt wie die chinesischen köu-k'i- 
dxe (Berberis Lycium. Porter Smith, Mat med., Williams, syll. dict.i s. auch Porter Smith, Coutri- 
butions towartls the Matena Medica & Nat. HUU of China, uuter Lophanthua «ud Melissa. 



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Res p rechungen . 



59 



3. 8. 41 a. An-dzf-shau („8attel-Berg"), 45 Ii südwestlich von Ning-Hai. Quelle des 
Hia-Kya-hd („Flusses des Hauses Hia"). 

t. 8. 41 I». WeT-Piug-shan ( „Kalle- Waud* oder „Waudsehirui-BergM. fi() Ii südwestlich 
von Niug-Hai. Quelle de« Sha-hö oder „Saud-Flusses". 

f>. 8. 41 b. Kin-Lu ng-shau („Gold-Drachen- Berg"), 70 Ii südwestlich von Ning-Hai ; Quelle 
des Ni-ht" oder „Thon-Flusses". 

6. 8. 43 b. 8yao-Het-sb.au („kleiner schwarzer Berg"), (M) Ii nördlich von Xing-Hai ; 
Quellen des Ld-Ma-hö („Kameel- und Pferde-Flusses") und des Töug-sha-hd (Thshöng-sha-ho 
„Reiu-Sand-Flnsses"). « 

7. 8. 44 a. Shwang-shan („Zwei-Berge"), 120 11 nordöstlich vou Ning-Hai. Quelle de* 
Lung-Föng-K'ou-hrt („Drachen- nnd Phöuix-Mnud-Flnss"). 

8. 8. 44 a. K wan-shan („Beiher- Berg"), 120 Ii nordöstlich von Ning-Hai, gcwöhnlR-h genannt 
An-dae-wß („8attel-Nest"). Quelle de* Sha-hC oder „Sandflusses". 

9. Ta-PcI-shan („Großer Nord- Berg" ), 130 Ii nordöstlich von Ning-Hai; Quellen des 
Wang-Tsan-hd („Hoffe-Haarnadel-Fluss") des Kreises Fu-tshou und dos T h si u g - 8 Ii w e Y- 
Kou-hÖ („Kein- Wa»»er- Bach-Flusses") des Kreises Ning-Hai. 

K. Iin Kreise lftn-hl^n. 

1. Buch 8, 8. 5a. Ying-wd-shan („Falken-Nest-Berg"), 35 Ii westlich von Kin-hicn; 
Quelle des Th au g- hd-d zd („Warm- Wasser-Flusses"). 

2. 8. 6 a. Thshang-Iing („langes Joch-), 65 Ii westlich von Kin-hicn; eiu kleinerer Korg 
schlieflt sich sudwestlich au (sogeuaunter Thshang-liug-shnni; Quelle de* Thshou-Lin- h A 
(„Dicht-Weiden-Flusses"). 

3. 8. 6 a. Thsicn-Kya-y tt („Tauscud-Hauser-Thal"), 05 Ii westlich von Kin-hieu; Quelle 
des Wu-Li-hd („Fiinf-Li-Fltisxcs"). 

4. 8. 6b. Liaug-Shwei-Thsüau-shan („Kalt-Wasser-Quidleu-Berg"), 97 Ii westlich 
vou Kin-hieu ; danebeu die Quelle. 

5. 8. 9 b. I.nan-shi-Bhan („Berg der verwirrten Steine"), 30 Ii nördlich von KTn-hicu ; 
Quelle des Ör-Tao-hö („des zweiten Flusse«"). 

6. 8. 9 b. Luug-Tswel-shan („Drachen-Mund-Berg"), 30 Ii nördlich von Kin-hicn ; Quelle 
des Thou-Tan-li/; oder „ersten Flusses".«) 

7. 8 11 a. Kao-H wang-shan („Hoher gelber Berg"), 60 Ii nordöstlich von Kin-hicn; 
Quelle des P'o-Thai-hc' („Flusses des zerbrochenen Thurmes") des Kreises I-tshou. 

L. Im Kreise Ning*YOait-tshou. 

1. 8. 12 h. 8an-Shou-shau („Drei-Haupter-Berg"), 5 Ii östlich von Ning-Yilau. Die drei 
Spitzen sind wie Menschenköpfe gestaltet. Die darauf befindliche Quelle mündet uacb 8 Ii langein, 
südöstlich gerichtetem Laufe ins Meer. 

2. 8. 14 b. Luug- W*n-TswcV-shan („Berg des Dracheu-Hafeu- Vorgebirge*"), 15 Ii 
westlich von Xing-Yüan. Quelle des Thsao-Tshuaug-hi* („Flusses des Gutes de« Thsao"). 

3. 8. 14 b. Ta-Thou-shan („Großer Kopf-Berg"). 35 Ii westlich von Niug-YUau „Quelle 
des Tung-8ha-hd oder „östlicheu Sand-Flusses" von Tshnng-Yu-So (»Dem rechteu Mittel- 
Ort"), eiuer ummauerten Stadt (thshöug) mich 8. 20, wo vom Tung-Sha-ho die Rede ist 
Der Fluss heiflt so zum Unterschiede vom Tsh ung-T h s i e n-So-T u u g-S h a-ho (dem Tuug- 
Sha-hö von Tshung-Thsieu-8o, dem „vordem Mittelort"). 

4. 8. 15a. Ying-Wo-shan („Falken-Nest-Berg"), 60 Ii westlich von Ning-Yüan. Quelle 
des K'ü-Thshi-h«' („Winkelmaß-Flusses") auf der Ost-Seite, die de« T n u g- K w a n- Y i - hd 
(„Fluxses des Eilbotenauites der Ost-Sperre") auf der West-Seite. 

5. S. 15 a. Pyeu-shau („Der sich überlehncnde Berg"), 80 Ii westlich von Ning-Yüan. 
Hinter und über der alten Feste ist der Wo- Lung-Than („Pfuhl de* kauernden Drachen"). 
Quelle des P'y en-8han-hd. 

6. 8. 15 b. Tung-Ta-Shl-thai-shan („Östlicher Berg des großen Stoin-Thurmes"), 92 Ii 
westlieh von Ning-Yüan. Quelle de* Ma-Kya-hd („Flusses des Hauses Ma"). 

i) tao „Weg", „8trich" als Zahlansdruck: i-tao-ht 1 „ein Strich Fluss", „ein Fluss" 
(gewöhnlich i-thyao-h/ „ein Zweig Fluss"), oder auch „des ersten Wege* Fluss" = „der erste 
Fluss"; „der erste" kann auch durch th'ou „Kopf", oder thöu-i „Kopf — eins" ansgedrückt 
werden; »r-tao-ho, sonst auch = „zwei-Flüsso", hier als „zweiter Fluss" zu nehmen. So heißen 
anf chinesischen Karten die nördlichen Nebenflüsse des Yaln-kyang von dem nordwestlichen 
Knie nach Osten und zwischen dem 10. nnd 11. Grade O. I* v. Peking, Thöu-tao-köu („erster 
Bach"), Ör-tao-köu u»w. bis Shi-ör-tao-köu (zwölfter Bach"). 



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7. 8. 15 b. Syao-La-dic-shan („kleiner Block-Berg"», 110 Ii westlich von Ning-Yüan. 
Quellen de« Sha-Ho-Tshan-ho („Flusse* de« Sand-Flus*-Staudortes u ). 

8. 8. 16 a. Kwan-Mao-shan („Bcainten-Hut-Berg '), 11H Ii westlich von Ning-Yüan. Quelle 
de» Liang-Sh wci-hrf („Knlt- Wasser-Flusses"). 

it. S. 16 a. Yang-Kya-shau („»erg de« Hanne* Yang"), 137 Ii weidlich von Ning-Yüan; 
Quelle den Ye - Ky a- Fö u- Ii (5 („Flusses de* Grabe* de* Hauses Yl;"). 

10. 8. 17 a. Ky u-Möu-shaii („Ncuu-Tbor-Berg"), 150 Ii westlich von Ning-Yüan; Quelle 
de* Ki-ShwSY-hÖ („Schnell- Wasser-Flusse«"}. 

11. S. 18 b. M.^-l*'au-(ihau („Mühl^in-Becken-Bcrg")'), 30 Ii nordwestlich von Niug-Yüan. 
Quelle de« Thshang-Mao-ho („Lang-Hnt-Flussc»"). 

12. 8. 15» a. Hwo-8hao-M6n-sh.au („Berg de« vom Feuer verbrannten Thoren", „Feuer- 
Brenn-Thor-Berg"), 22 Ii nordlich von Niug-Yüan. (Iu alten Zeiten war da» Hwo-Shao-möu 
eine« der Grcnz-Thorc «der pyon-inön.) Ein östlicher and ein westlicher Gipfel stehen cinauder 
gegeuilber. Quelle de» Th a u g- S h a - h 6 („Flus*es de» gebrühten Sandes"). 

13. 8. Iii b. La-dze-shaii („Block-Berg"), 15 Ii nordöstlich von Niug-Yüan. Auf der 
8üd-Seite Quello des 8 h 011 -* h a 11 - h *» („Haupt- Berg-Flusses"), auf der Südost-Seite Quelle de« 
Kan-Th«hai-hä („Trocken-Keisig-Flusses"), auf der Ost-Seite die de» 8 h waug-8hu-P'u-hö 
(„de« Flusse* der Zwei-Baum-Scheuke"). 

M. Im Kreise I-tahtO. 

1. S. 29 b. Pan-shi-shau (.,8treifen-8tein-B«rg"), 38 Ii südlich von I-tshou. Quelle de« 
Thsi-Li-hö (.,8icbeu-Li-Flus*e»"). 

2. 8. 30 a. Tn- Au-Pao-shau („Berg von Ta-An-Pao" oder „Der grofleu Ruhe- Wache"), 
40 Ii südwestlich von I-tshou, auch genannt H 11 11 g - 8 h 1 - La- d * - s Ii a n „Roth-Stcin-Brocken- 
Berg". Quelle de» Ta-An-Pao-h 6. 

3. 8. 30 a. Mao'r-shan („Hütchen-Berg"), 60 Ii südwestlich vou I-tshou. Quelle des 
Yang-8h u-Köu-ho („Pappel *)-Haum-Bach-Flu«s€*"). 

4. 8. 32 a. WcY-Kya-ling („Joch de« Hause« WeT"), 92 Ii nordöstlich von I-tshou; Quelle 
des Ma-8hi-hf1 („ltoss-Markt- Flusse«") im Kreise Kwang-Ning (der oben «herschlagen wnrde, 
da auffallender Weise keine Quellen von Fl«««en bei den betreffenden Bergnamen vermerkt sind). 

N. Im Gebiete vou Föng-Hwang-T Ii s h ö n g. 

1. 8. 33 b. O-Lin-shan („Berg des erhabenen Walde*"), 135 Ii südlich vou Fäng- 
Hwang-Thshöug. Quelle des Lung-Thou-hl („Drachen-Haupt-Flusses"). 

2. 8. 34 a. Mao-K'wcV-shan („Mülaseu-Helm-Berg"), 50 Ii südwestlich vou der Stadt; 
Quelle des I,in-Tao-hd („8ech«-Betten-Flusse*" oder „sechsten Flus«es"l. 

3. 8. 35 b. Fö n - 8 h w e Y- 1 i u g („Wasserscheide-Joch"), 135 Ii nordwestlich von der Stadt. 
DcrHiaiig-ShweY-hn' („Widerhall- Wasser- Flu*»") und der T Ii u 115- Y (I au - P a o - hC („Flu** von 
Thung-Yüan-Pao" oder „Durehgaug-Wcit-Wart") enUpriugcn hier. Nach Nordwesten mUndet alles 
in deu Thai -du' -hrf, wohingegen es uach Südosten su sich mit dem Ya-Lu-Kyang vereinigt, 
um sich ins Meer «u ergießen. 

4. S. 35 b. Thao-Shu-yü („Pfirsich-Baum-Tlial"), 150 Ii nordwestlich von der Stadt ; 
Quelle des Thsao-ho („Grasflusses"). Die örtlichkcit hieß auch Th sao-Ho-hada (chinesisc.h- 
mandschuisch „Oras-Fluss-Felsenprat"). 

5. 8. 36 a. Syao-HcY-shan („Kleiner schwarzer Berg"), 190 Ii nordwestlich von der 
8t*dt Quelle des 8i-ho (..dünnen Flusses"). 

6. 8. 36 a. Ta-HeY-shan („Großer schwarzer Berg"), 270 Ii nordwestlich von der Stadt. 
Quello des La-Mou-ho („Zerre - Thor - Flu**", vielleicht aber mandschuisch Lainuii - Bira 
„blauer Flu««"). 

7. 8. 36 a. Köu'r-llng („Httndlein-J<>eh"), 270 Ii nordwestlich vou der Stadt Dort ist eine 
warme Quelle Th a ng- 1 hsttan, die gewöhnlich Kou'r-thang („Hündlein-Brühbad") genannt 
wird; das Baden im Quell soll Krankheiten heilen. — Der oben genaunte La-Mön-h*, ein 
linker Zufluss des Thai -die- ho, ist im I - 1 hu u g-y ü- th 11 in der Nahe, eines weiter unterhalb 
auch in den Thai-dae-hf. mündenden Thang-h«' <„Wartnwas#«r-Flusacs") verzeichnet. Obwol 
nun unfern der Quellen desselben eiu Lau g-dxc - s h an vermerkt ist, füllt doch die Bezeichnung 

') tu ö ist „mahlen" und „Mühlstein", p'an „Teller', „Becken" usw. Das Beckeu ist breiter 
als der darauf ruhende Mühlstein. Die Steine werden mit der Iiaud um eine seukrechte Axe gedreht. 

*) Yang wird nach Porter Smith viel für „Weide" gebraucht, obgleich soust liu der 
richtige Ausdruck dafür ist. 



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Besprechungen. 



Gl 



thang In Verbindung mit den 270 Ii zu »ehr iu.« Gewicht, um nicht vermuten zu laasen, da«* 
die Quelle Thang-thsüan Auch die de« Thaug-ho' «ei. 

8. S. 37 a. Nai-MÖ-ling („Joch der Malika-QueUehmühle" ; nai chinesischem«!, mÖ-H, 
d. h. mallika sanskritisch, g. auch Porter 8 inith MaL Meil. unter KKmpfcria), 169 Ii uördlich 
vou der Stadt. Quelle de« 8an-Thsha-dzß-hf („Drei-Gabol-Flusscs"). 



1. 8. 38 a. Taktungga- Wedzhi, 50 Ii südöstlich von Ningguta („Oberstock-Wald"), 
taktungga Eigenschaftswort von taktu „Söller, Oberstube", wcdzi Wahl. So ist nicht unwahr- 
scheinlicher Weis« zu lesen für tä-ko-thuug-uga-wo'-tsi, da wo „Nest" mit einem außer wo 
auch wei gelesenen Zeichen im I-thuug-y (t-thu wechselt. Wie wir oben uuter Shauyan-Aliu 
sahen, wird ein dichter Wald (lin) an der Grenze von Hiug-King Na-Lu-Wö-Tsi geuannt, wo 
also w£-tsi dem chinesischen lin „Wald" entspricht'); „Wald" aber ist wedzhi. Hier entspringt 
der Taktungga-Flus*. „Von den in eiueut Wo-tai entspringenden Flüssen", heißt e», „ist die Mehrzahl 
nach diesem W<t-Ui benannt. Demgemriß werden die örter, wo die übrigen Flüsse entspringen, 
da sie in dem Wo-Ui des Flusses inbegriffen sind, nicht weiter aufgeführt werden; wo aber der 
Name des Flusses vou dem (des) Wö-Ui abweicht, winl Heide« roitaugefnhrt werden". Demgemäß 
steht der folgende Name : 8h anggiy au - B irh an- wcdzh i ohuo weitere Bemerkungen, was aber 
nicht ausschließt, das» der gleichnamige Flu** seinerzeit unter deu Flüssen aufzufinden ist. Unter 
diesen steht, 8. 41 a, der Taktuugga-Fhiss als 4 Ii südöstlich von der 8tadt fließend, und sich 
weiter nördlich in den Horba ergießend. 

2. 8.38 a. Shauggi.vaii-Birhau-Wodzhi (Shang- ky e u - pi'r - han - wo - tsi ; im 
I-thung-y ü-thu: Shang-tsyen-pi-la-hau, aber tsyen wird jetzt in Peking wie kyen etwa 
tshyeu ausgesprochen, woher offenbar die Verwechslung entstanden ist; die Bedeutung ist 
„Wald des weißen Flürchens"), fiO Ii südöstlich von Ningguta. 

3. Ho wa lau -Wedzhi (vgl. höwalama usiha „wilde Nuss", höwalame „zerbrechen, 
spalten", howalar „platsch!" vielleicht „Wald de* plKtschenulen Flusse*"); im Chinesischen 
gibt Lan-Ilwa „Schwertlilien-Blume" wol, IIwa-Lau „Blumen-Schwertlilie" aber keinen 8inu, 
uud da die mit Hwa-Lan zusammengesetzten Ausdrücke birahan (pi-la-hau im I-thung- 
yii-thu) und wedzhi maudschuisch sind, I&ut sich von dem Eigennameu dasselbe vermuten), 
WJ Ii südöstlich von Ningguta. 

4. Hiiskolt-(Ho«hori-?) Wedzhi (hosh'ori „kraus", h ö sh ori - 1 soko „eine Art 
Huhn"), im I-thuug-y U-thu steht hu'r-ho-li statt h u - s z e - k C-li ; 70 Ii südöstlich vou 
Ningguta. 

5. N i y e h o - W e d z h i („Knien- Wald"), 90 1» südöstlich. 

u\ 8. 38 b. Teliu-Wedzhi (thö-lin, thai-lin, vgl. ter in-tar in schwankend", t e r i h u n 
„schnell laufend"), 120 Ii südöstlich. 

7. Muren- Wedzhi („Wald des Stammes der MureuV"), 200 Ii südöstlich; unsere 
Quelle hat zwar M «5 - 1 tt u g, wo das I - t h u u g - y 0 - 1 h u : M u - 1 ü u g hat ; allein auch 
W e n i u k o f neunt den linken Nebenflus.i des Ussuri Muren, welche« nach Gabelentz der 
Name eines Matidschu-8tanimes ist Da uusere Quelle nach 8. 41 a deu M d - 1 ö u g - h o iu den 
Ussuri fließen lässt, ist umsoweniger zu zweifeln, welcher Fluss gemeint sei. — Quellen des 
Muren- und des 8 u i f u n-Flusses. Da nach vorliegendem Werke der Murou-Flus« 400 Ii 
östlich vou Ningguta (s. 8. 41a) sich befinden soll und der Suifuu-Plu»» 440 Ii südöstlich 



*) Iu Wassilj e w's Übersetzung von Wu-Th shöu's „Besclireibung von Ningguta" heißt es 
8. 1(4 f.: „Am dritten Tage fuhren wir in einen großen u-t»zi (wetszi — „Wald"), welcher 
ehemals „der schwarze Kiefer- Wald" (heY-snug-1 in) geuanut wurde; die BKutuc erheben sich 
hier gen Himmel, zerfallen, bohlstlnimig, ohne Zweige (komolyja „ohne Hörner" V). — Alles 
erweist tausendjähriges Da.nein. Der Wald erstreckt sich nach allen Seiten Tausoude von Ii weit, 
und Niemand kennt ihn genauer. Der Weg geht mitten hindurch; nach 60 Ii (voni Botenamt) tritt 
man in den U-tszi, wie in ein Thor; an beiden Seiten stehen gewaltige Bäume von mehreren 
Klaftern Dicke und so dicht, dass man das Sonnenlicht nicht sieht; nur im Herbste und im Winter, 
wann das Laub von den Bitumen fallt, wird es hier etwa« heller. Jeder, der in den U-t«zi hinein- 
führt (oder reitet», nimmt irgend eine Kleinigkeit von sich ah und hangt sie auf die Baume zum 

Zeichen einer Gabe an den Geist (des Waldes) " Übrigens ist wedzhi nicht das 

einzige Maudachu-Wort für deu Begriff „Wald* ; auch das im Verzeichnisse ebenfalls vorkommende 
bu dz hau hat diese Bedeutung. Vielleicht entspricht wedzhi mehr dem deutscheu „Brühl", sofern 
dieses Wort im Sinne von wasser- und baumreichem Lande verstanden wird. 



O. Im Bezirke Ningguta. 




62 



Besprechungen- 



(s. S. 41 b), so sind mit letzteren Augabeu wol nicht die Stollen gemeint, an denen der Fluss 
«ich der 8tadt am uNchrtcn befindet? Dieselben beziehen sich vielleicht auf gebahnte Wege. 

8. Tshao-Li-shan (I) z 1« o I i - a ] i u „Sieb-Berg"), 580 Ii südöstlich von Kingguta 
Quelle de« Y i u g - n g a i-Flit»*e* (Yengge-hira? „Fluss der wilden Traubeu?" oder „von 
Y i n g - a i - 1 h » h o n g", der nach K. 9 8. 23 a 580 Ii S. O. liegenden Stadt). 

9. H u - L a ti - \V c d r. b i (Ii ö 1 a n „Rauchfaug, Esse"), tUN) Ii südöstlich. 

10. M i d z h a u - w <• d z Ii i (s. n. 17) (chinesische Umschrift m i „geheim", Uhau „Ionen" ; 
im I-thung-yU-thu aber umgekehrt Uhan-mi mit tshan „losen", mi„Reis"), 660 Ii südöstlich. 

11. Tungkeu-alin („Trommel-Herg" ; chinesisch t h u u g „überall", khiin „urbar"), 
700 Ii südöstlich. Quelle des H n n t s h u n-Plusses. 

12. 8.39 a. Niman-wedxhi („Ziegen- Wald" ; chinesisch ui „Dreck", man „voll"), 
1600 Ii südöstlich. 

13. S o r h o t s h o - w e d z h i, 100 H südlieh. 

14. Marhuli- wedxhi (MalhOri-wodxhi; vgl. mal hon „langer Weg"), 150 Ii 
südlich. Quelle des O a h a r i-Flusses. 

15. S. 39 b. Hailan-wedzhi („Ulmen- Wald"), 200 Ii nordwestlich; soll westlich in 
Verbindung mit dem H i r h a n - w e d z h i, sowie mit dem M i d z h a u - w e d z h i stehen, so das« 
sieh eine Ausdehnung von mehreren hundert Ii ergebe (s. unter Umfang). 

10- Hirhan- wedxhi („Bach-Wald"), 220 Ii nordwestlich. Steht nach Westen zu in 
Vorbindung mit dem Setihi - wedxhi und dem Ho-lun - wedxhi (h o r o n „Ansehen", 
h o 1 u Ii „falsch"?). 

17. Midxhan-wodxhi s.o. 10 (Umschrift mit mi „Reis", t s h a n „losen"), 120 Ii nördlich. 

18. Kya-mu-tbun- wedxhi („HinxufUgcn-Holz-Ausiodelung-Wald", Name ausnahmsweise 
chinesisch?). 120 Ii nördlich. 

19. Sbehe-wedxhi, 130 Ii nördlich und östlich vom Midxhan - wedxhi. 

20. S. 40 a. Fudami-wedxhi (fudame .speien"?), 130 Ii nordöstlich '), östlich vom Ky a- 
Mn-Thnn-wedxhi. 

21. Sarbn-wedxhi, 160 Ii nordöstlich, östlich von Fudami-wedxhi. 

22. 8hnlan wedxhi (shnla „8aft"?) 290 Ii nordöstlich, östlich von Sarbn-wodxhi. 

23. Amulan-wedxhi (amuran etwa gemächlich" 7), 320 Ii nordöstlich, östlich von S h n 1 a li- 
tt edz Iii, Quelle des A m n 1 a n-Flusses. 

24. Amban-Rira-wedxhi („Qroß-Fluss-Wald", ang-pang offenbar — amban „groB", 
welches nnr eine Nebenbilduug von amba ist; im I-thung-yü-thu entspricht ang-pa dem 
letzteren), 380 Ii nordöstlich, östlich vom Amulan-wedxhi; Quelle des A mban-Flnsses. 

26. Ash'an-Rira-wedxhi („Sciten-Fluss-Wald"), 420 Ii nordöstlich, östlich vom vorigen. 

26. Arha-wedzhi (arga .List, Cberlistnng des Wildes", argan „8pross y ?), über 630 Ii 
nordöstlich. Nach 8. 45 b. entspringt der Wöng-Kin-Flnss (nnggin, ungken?) in diesem Walde, 
welcher nach Norden xn dem Sunggari zufließt). 

27. Balan-wedxhi (barainc «mischen"? balame „aufs Oeratewol handeln", balai 
«quer, verwirrt"?), 650 Ii nordöstlich und nördlich vom Snnggari (Hun-thnng-Kiang). 

28. Tun-wedzhi („Eiland- Wald"), Uber 800 Ii nordöstlich, östlich vom vorigen. 

29. 8. 40 b. Untun-wedxhi (Wön-thnn? untun ist „Trommel"), 1100 Ii nordöstlich, 
nördlich vom Hnn-thung-Kyang. 

30. Tn-ör-wo-tsi (Dur-wedii), 1200 Ii nordöstlich, östlich vom vorigen (tu .Alle", 
Hauptstadt, ör „Obr"?). 

31. Kimuning- Wedxhi (Kimuni im I-thnng-yü-thn wlre der Wessen fall von 
kimnn „Feind"), 1450 Ii nordöstlich, östlich vom HcY-Lung-Ky ang (d.h. dem Amnr, bis xur 
Mündung des Sunggari oder Hun-thnng-kyang, den die Chinesen als Hauptfluss betrachten). 

32. Pi-Hing-wedxhi (chines. pi „sicherlich", hiug „Blüte"; aber hier wol in dortiger 
Innguaischer Mundart bihing?), 1700 Ii nordöstlich. 

33. Holo- wedxhi (holo „Abgrund, Höhle, Graben, nachgemacht, verkehrt"), Uber 1700 Ii 
nordöstlich. 

') Nach dem I-thung-yü-thn sind die Mündungen der Flüsse Fudami, Sarbu, 
Shnlan, Amuran und Amba-bira (Ang-pa-bo) etwa x wischen N. N. O. u. N. von Alt- 
Ninguta, aber alle westlicher als das 50 Ii weiter südöstlich liegendo neuere Ninguta, von 
welchem die Entfernungen gerechnet nein müssen, da nach B. 9, 8. 22'' schon 1666 der 81tx des 
Oberfeldherrn und Statthalters dahin verlegt worden war. Umsomehr sind die Quellen dieser linkeu 
Zuflüsse des 11 u rh a- Flusses in etwa nordwestlicher Richtung xu suchen. 



Besprechungen. 



34. Kulu-wodzhi (knlu „stark", kuro „Hügel"), über 1800 Ii nordöstlich ron Ningguta, 
östlich vom Kim uni- wedzhi. 



1. S. 48 a. Fön-8bwei-ling („Wasserscheide-Joch"), auch genannt Hel-Lin-Liug 
(„8chwarz-Wald-Jocl»-), eine vom SUdabhange des Thshang-Pai-shau sich abzweigende Kette, 
welche in Krümraungen und Windungen nach Nordwesten zu gerichtet ist An diesem Joche sind 
drei Quellen, die lebendig aus dem Thale strömen; dieses »ind die Quellen des Thung-kya- 
kyang. Als Teile dienes Wasserscheide-Joches werden genannt: der Ko-pa-ling (kaba-daba- 
gan „Zwillings-Joch*?), weiter westlich das Kangshan-Joch, noch weiter westlich das Uulun-Joch. 

2. Sarautshan-Gebirge, südwestlich vom Thshang-Pai-shan. Quelle des Thai-dze- 
ho. Nach der „allgemeinen Landesbeschreibnng" [I-thnng-tshi] der Miug sollt« der Thai- 
dze-ho, auch Tung-Liang-hö („Ost-Hirse-Fluss") genannt, am Kwan-LÄ-shan (Wa-Lo- 
shan „Streiche-Siebe-Berg- 4 ) entspringen. Wie in dem Anhange gesagt ist, welcher am Schlnsse 
de* achten Kuches Namen der Landesbeschreibung der Ming erklärt, entsprang das Ta-Liang- 
«hweT am K wan-Lö-shan, 500 Ii nordöstlich von (Liao-Tung) Tu-sz5-thshöng (Liao- 
Yang). Nach Ansicht der Verfasser des Shöng-King-thung-tshi dagegen sollte die Quelle 

, sich am 8amntshar-Gcbirge außerhalb ') der Südost-Grenze (t u n g-n a*n • py en - wa i) befinden. 

3. 8. 48b. Natshin- wedzhi („Geier- Wald"), 780 Ii südlich von Girin. Die Mehrzahl der 
südlich von Girin befindlichen Flüsse soll hier entspringen. In den gesammelten Werken des 
Kaisers Shöng-Tsu-8hön-Hwang-Ti (— K'ang-Hi-hwang-ti) heißt es, der wo-tsi 
(wedzhi) reiche (tahi) ostlieh bis an das Meeresufer (!), oder östlich vom wedzhi komme man (tshi) 
an das Mecresufer und er »tehe in Verbindung mit der Gegend von Ula und Hef-Lung-kyan g, 
westlich gelange man bis au die dichten Wälder der Russen. .. Die großen Bauiiiarten, wie Kiefer 
und Lebensbaum, folgten einander alle Art für Art und vermischten sich nicht mit den aus anderen 
Blumen bestehenden Wäldern; das gefallene Laub sammele sich immer mehrere Fuß hoch, und 
wenn das Quell- und das Regenwasser dorthin gelange, so fließe es nicht ab. Dann würde eine 
Kothlache daraus, für Meusvhen sehr schwer zugänglich. Es gebe dort KXren, wilde Schweine, Zobel 
(tyao-iu, dann he'Y pai, hwel-iu schwarze, weiße und graue Marder, Nagetiere oder Ratten), 
die sich von den Früchten der Kiefern, von Eichen und Kastanien nährten. Auch Zhön- 
shßn (sog. „Ginseng") bringe das Land hervor und alle Arten Arzneistoffe; unter den Menschen 
seien viele, die man nicht unterscheiden könne, und dio den Stämmen des Südens, nämlich von 
Hu-Nan nnd 8?-thshuan, ähnelten. 

4. 6. 49 a. Kurene-wedzhi („Iltis- Wald k'u-lu-no, im I-thung-y ü-thu: k'u-lö- 
n <J), 140 Ii südwestlich von Girin. Die Mehrzahl der westlich von der Stadt befindlichen Flüsse soll 
hier entspringen. 

5. 8. 49 b. Ilan-Muhaliyan-alin („Drci-Kugel-Berg"). Drei gleich aufragende „Spitzen» 
(föng) scheinen zu den „Kugeln" nicht zu passen; das Wort „Spitze" ist hier wol nicht genan 
zu nehmen. Lage über 400 Ii südwestlich. Quelle des L a s i n-Flusses. 

G. 8. &0 a. Thshang-ling-dze („langes Joch"), südlich zusammenhängend mit dem N a 1 a- 
wedzhi, uördlich mit dem Kurene-wedzhi. Von dem südlich vom Thshang-Pal-sh an 
befindlichen Joche zieht es sich in Windungen ununterbrochen bis hierher und wird dann zur all- 
gemeinen Wasserscheide. Was nach Nordosten fließt, wird zum Liyogishan- und Huifa -Flusse 
und wündut in den Hnn-Thung-Kyang, was nach Nordwesten, bildet die Flüsse Yengge, 
Dzhani, Hada, Yehe, Hersu usw. 

7. S. 50 b. Derken-Berg. Vor dem Berge eine Quelle, die in den Hada-Fluss sich ergießt, 
(Hada „Felsen, Grat, Spitze", auch Name eines Mandschn-Stammes). Nach dem I-thung-y ü-thu 
mündet der Hada-Fluss oberhalb der Stadt K'ai-Yttan in den Yehe-Fluss, an seinem obern 
Laufe ist nördlich von ihm der Ort Hada-thshöng, zwischen diesem und der Mündung südlich 
vom Flusse aber ein Der kon -Hada. Wenn dieses richtig wäre, so würde der Berg unter den 
zum Kreise K'ai-YUan gehörigen aufzufühlen gewesen sein. Allein, während sich aus den An- 
gaben unter Hada-hd sowol im Verzeichnisse von Girin, wie in dem von K'ai-YUan ergibt, 
es dieser Fluss ist, um den es sich handelt, lässt das I-thnng-yü-thn denselben ganz 



') Nach dem I-thnng-yü-thu befinden sich zwar die Quellen des Thai-dzä-ho' inner- 
halb des Grenz-Walles. Im Shöng- King-thuug-tshi ist aber 8. 14* unter Thai-dzc-hu 
die Ürüichkeit zu genau bezeichnet, wo der Fluss durch den Grenz- Wall tritt, nämlich: östlich 
von WüY-dz^-yü („Rohr-Thal-i; das betreffende „Dorf" WeT-dze-y d-ths un ist indes auch 
im 1-thung-y ü-thu an dem nördlichen Quellflusse vermerkt. 



P. Im Bezirke Glrlu-Ula. 




G4 



ftesprechungeu. 



itmerlialb de* Grenz-Zannes verlaufen, während nach dem Shöng-King- thung-tsh M) die Quelle 
am großen A u g g a -Joche im Kreise Yung-Ki-tshou läge, welcher 1 727 von Oirin abgetrennt unrl zu 
Föng-Thycn-fu geschlagen, aber schon 1747 dem Oberbefehlshaber oder tsyang-kün von 
Ningguta unterstellt worden war. Im siebenten Bache nämlich steht S. 29 a, nnter den Gewässern 
des Kreise* K'ai- Yüan-hien der Hada-h<5 mit der Bemerkung: 196 Ii südöstlich von der Stadt 
d. h. K'al-Yüan. Die Quelle entspringt auf dem großen Angga-Joche und vereinige sich mit dem 
großen Angga-Flusse «um Th sing- hfl. Im achten Buche steht 8. 59 b. unter den Gewissem des 
Bezirkes Girin derselbe Hada-Fluss erwähnt mit der Bemerkung: ,G00 Ii südwestlich von der Stadt 
(d. h. Girin). Die Quelle entspringe auf dem großen Angga-Joche, fließto nach Westen, trete nördlich 
vom Ying -<*-(, V e n g g e -)Thoro in das Gebiet des Kreise« K'ai- Yuan und werde zum Thsing-hö. 

8. S. 51 a. Hiang-ling (.duftendes Joch"), Aber 500 Ii südwestlich von Girin. Quellen des 
H u-1 u-h o(Huru-bira von h u r u „Schildpatt, kleiner Hügel, Handrücken*?) und des D z h a n i-Flusaes. 

— — (SchluJI folgt.) 

I>le Erd. nnd Völkerkunde In der Weltchronik des Rudolf von Hohenems. Von Otto Doberentx. 

Separatabdruck aus der „Zeitschrift für deutsche Philologie," 12. Bd., 8. 257—301, 8. 387—454; 

13. B<1., 8. 29—57, 8. H>5— 228. 

Die „ZeiUehr. f. wissensch. Geographie" hat seit ihrem Bestehen u. a. auch die löbliche Ten- 
denz verfolgt, die Fachgenosseu auf Arbeiten aufmerksam zu macheu, welche an nicht geographischer 
Stelle publicicrt sind uud für welche, eben durch diesen Umstand, die Gefahr naheliegt, dass sie gerade 
jenen uubekanut bleiben, die au sich ein besonders lebhafte* Interesse für sie besitzen würden. Die 
Zeitschrift in dieser ihrer Absicht zu unterstützen, ist der Zweck nachstehender Besprechung einer 
für die Geschichte der Erdkunde im Mittelalter sehr wichtigen Abhandlung, deren Autor, weuu er 
auch zunächst als Germanist an Beine Aufgabe herangetreten ist. gleichwol auch deren geographische 
Seite mit Licbo und Sachkunde iu's Auge gofasst hat Rudolf von Hohouems, aus vorarlbergischem 
Miuisterialengeschlcchtc entsprossen, verfasste auf den Wuusch des Hohenstaufen-Kaisers Konrad IV. 
(also zwischen 1250 und 1254) seine „Weltchrouik," mit deren Würdigung unter dem literar- 
gcschichtlichcn Gesichtspunkte sich zahlreiche neuere Schriftsteller, wie Gcrvinus nnd Vilmar, 
beschäftigt haben. Gerade auf deu geographischen Bestandteil dieser Dichtung hatte man aber 
bisher nur ein geriuges Augeumcrk gerichtet, ja Vilmar hatte dessen Bedeutung sogar vollständig ver- 
kannt. Der Verf. unternimmt deshalb zuerst den Nachweis, dass Rudolf wirklich der Verfasser auch 
dieses Teiles sei, und führt ihn mit philologischer Akribie durch. Alsdann wendet er sich der 
Prüfung der Frage zu, aus welchen Quellen wol der höfische Dichter seine gelehrten Kenntnisse 
geschöpft haben möge; bisher hatten die Einen hauptsächlich an Vinceutius Bcllovaconsis, die 
Anderen mehr an Plinins und an das selbst wieder in pliuianischen Lcsefrüchten wurzelnde „Buch 
der Natur 4 * des Konrad von Megenbcrg gedacht, Genauere Untersuchungen des Verf. belehren uns 
nnu aber darüber, dass Rudolf weder deu Vinceutius noch auch den Plinius direkt beuützt hat ; 
auch Isidorus Hispalensis lag ihm schwerlich unmittelbar vor, obschou natürlich Auklänge an diesen 
Schriftsteller, dessen ärmliche „Etymologieu" das gauze Mittelalter als eine köstliche Realencyklopädie 
alles meuschlicheu Wissens verehrte, in der Weltchronik nicht zu verkenneu sind. Ungleich mehr, 
ja fast ausschließlich abhängig erweist sich Rudolfs Lehrgedicht von Honorius Augustoduncnsis. 
Hier nun schaltet der Verf. eine selbständige literarhistorische Skizze von hohem Werte ein. Er 
macht es nämlich höchst wahrscheinlich, dass auf Auregung Heinrich's des Löwen, der bekanntlich 
während seiner letzten Lebensjahre als kampfesmüdor Greis den Studien sich hingab, ein Büchlein 
verfasst ward, welches deu Doppcltitel „Lucidarius" und „Aurea gemiua" führte nnd dessen Ver- 
fertiger für den geographischen Teil seines Werkes den Honorius gründlich ausnützte, resp. plünderte. 
Dies wird durch die Nebeneinanderstelluug zahlreicher Textespartieu zur Gewissheit erhoben. Von 
dem deutschen LVidarius ist die dänische Bearbeitung wesentlich nur eine ueue Auflage. Die 
aufaugs nahegelegene Vermutung, dass Rudolf von Ems diesem Wegweiser gefolgt sei, wird übrigens, 
trotz mancher übereinstimmender Stellen, abgewiesen. Ebenso wie des Honorius' „Imago muudi" 
das Interesse des Herzogs Heinrich auf sich gezogen hatte, ebenso ergieug es auch mit seinem 
Sohne, dem Könige Otto IV., und auf desseu Wunsch arbeitete Gervasius von Tilhury die „Otia 
imperialia" aus, die sich der Hauptsache nach auf Honorius stützen ; allerdings fügte aber der Engländer 
seinem Texte Zusätze bei, die in Rudolfs Werke fehlen und damit die Annahme eines Zusammen- 
hanges zwischen letzterem und Gervasius unmöglich machen. Auch von einigen anderen Schriften 
jeuer Zeit, die auf den ersten Blick nahe Beziehungen zur „Weltchronik" darzubieten scheinen, wird 
das Gegenteil dargethau. Nun steht es aber andererseits fest, dass der ritterliche Dichter sieh der 
Hauptsache nach au ein bestimmtes Vorbild gehalten haben uma», obwol er sich nicht auf dessen 

') Abgeseheu von der sehr unvollkommenen Karte, die den ganaeu Plus« ebenfalls innerhalb 
des Zaune* seUt 



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Hopreehuugen. 



«5 



Reproduktion beschränkt«, sondern von seinem Eigenen manche« hinznthat. Um diese» Vorbild 
herauszubringen, studiert unser Verf. hinwiederum die Quellenschriften, ans welchen Honorius kom- 
pilierte; er durchmustert zu diesem Zwecke dio Werke von Isidoras, Augustinus, Beda Veuerabilis 
— Herr Doherentz schreibt ltacda — , Orosins und Solinus, welch' letzterer dem Ktesia* viel verdankt 
su haben scheint, und zeigt, das» die „Indica" dieses griechischen Erzählers mit ihren massenhaften 
Wundernacbrichten noch in dem Gedichte des mittelalterlichen Dichters ihr Wesen treiben. Ktesias- 
Solinus-Honorius-Rudolf, dies ist die chronologische absteigende Klimax. Nebenbei sei erwähnt, daas 
der Verf. mit Wattenbach in dem, gewöhnlich fUr einen Franzosen gehaltenen, Honorius einen 
Augsburger Domschullehrer erblicken zu müssen glaubt. 

In der Schlussabtoilung seiner Arheit gibt der Verf. eine Übersicht Aber die vorhandenen 
Handschriften der .Weltchronik" und Aber deren relativen Wert; dann aber vermittelt er uns den 
gereinigten Text des geographischen Kapitels: „Von der erde gclegcnheit." Sachlich heben wir aus 
dem Inhalte dieses Gedichtes die Bemerkung über Thüle hervor, welches der Verf. anscheinend als 
unter dem Pole liegend betrachtet („in Thyle den iseln ist uaht An alle undorfrist schs inAuot, daz 
halbe jAr; der ander teil ist tac für war"). Dieser Passus beweist, dass sich von der Sphacra parallela 
doch auch schon kluge Laien de* XIII. Jahrhunderts eine ganz zutreffende Vorstellung gebildet 
hatten. Ferner erinnern wir daran, das« für Borger's Ansicht („Grenzboten," 39. Jahrg., 8. 412), es 
habe Platon's Atlantis-Mythe noch jahrhundertelang die Gcmflther beherrscht, durch die Verse 1557 
bis 1566 unseres Pommes ein merkwürdiger Beleg erbracht wird. Dort ist nämlich von der zwischen 
Europa und Asien gelegeneu Insel „Atlante" die Rede, „diu an des ineres grünt versanc, mit liuteh 
und mit guote ertranc; das seit und hat geschriben alsö der bnochmeistcr Plato, des kunst noch 
witen ist erkant" — Besserer Vergleichung halber wird den einzelnen Abschnitten des deutschen 
Gedichtes das entsprechende Kapitel des Honorius zur Seite gestellt, und zum Schlüsse charakterisiert 
der Verf. noch gewisse Stellen der „Weltchrouik," welche nicht von Rudolf selbst herstammen können, 
sondern spätere Einschiebsel sein müssen. Die anregende und gelehrte Arbeit von Doberentz sei 
nochmals allen Interessenten bestens empfohlen. 

Ansbach. 8. Günther. 

AUS Toskana. Geologisch-technische und kulturhistorische 8tudicn von E. Beyer. Mit 8 Figuren 
im Text und 4 Tafeln. Wien, Gorold 1884. 200 Seiten 8«. 

Dio Pflege naturwissenschaftlicher Studien, nur etwa mit Ausnahme der Botanik, hat in 
Italien in der Zeit seiner politischen Zersplitterung arg darniedergelegen, die Geologie mehr als 
andere; erst in den letzten Jahrsehnten ist auch hier wie auf allen andern Gebieten des geistigen 
Lebens eine Änderung eingetreten, wir haben jetzt schon eine gauze Anzahl tüchtiger italienischer 
Geologen zu verzeichnen, welche au der geologischen Durchforschung ihre« Heimatlandes arbeiten 
und das Eingreifen Fremder, Deutscher und Franzosen, welche bisher die empfundenen Lücken aus- 
zufüllen bemüht gewesen waren. Fr. Hoffmann, Philippi, E. Suess, G. vom Rath n. a. in Zukunft als 
weniger notwendig werden erscheinen lassen als bisher. Dio Einsetzung des Comitato geologic.o Ende 
1867 bezeichnet in dieser Hinsicht eine neue Zeit, wenn auch die Thätigkeit desselben noch für eine 
Reihe von Jahren wenig hervortrat, da es zunächst »owol au Mitteln wie au einer topographischen 
Unterlage und an geschulten Feld- und Laudosgeologen fehlte. Die geologischen Aufnahmeaxbeiten sind 
indessen namentlich seit 1877 so rüstig vorgeschritten, dass man es wagen konnte, an Stelle der 1878 
auf der Weltausstellung zu Paris ausgelegten handschriftlich knlorirteu Übersichtskarte von Italien in 
1:600.000, welche allerdings bereits sehr bedeutende Fortschritte aufwies, namentlich im Süden, dem 
Geologen- Kongresse von Bologna 1881 eine gedruckte geologische Karte in 1 : 1,111.111 vorzulegen, die 
bei ohnehin viillig ungenügender topographischer Unterlage aneh ihrerseits rasch veralten wird. Unter 
den deutschen Forschern, die sich bis in dio allerueneste Zeit durch Einseistudien um die geologische 
Durchforschung Italiens verdiout gemacht haben, nimmt E. Reyer für den Geographen neben Suess 
und vom Rath insofern den ersten Platz ein, als er sich besonders mit Fragen der dynamischen 
Geologie, kulturgcographischen und kulturhistorischen Untersuchungen befasst hat. 

Das vorliegende graphisch gut ausgestattete und namentlich mit einer geologischen Karte 
von Elba versehene Werk enthält sum Teil schon an anderer Stelle, wie z. B. in der Berliner 
Zeitschrift für Erdkunde, veröffentlichte Einzeliintcrsucbungen, die aber hior eine derartige Erweiterung 
und Vertiefung erfahren haben, dass der gTrtßere Teil des Buches für den Geographen besonderen 
Wert hat. Dasselbe beschäftigt sieh mit dem nordwestlichen Teile Toskanas, dem Küstengebiet 
uud dem Archipel Eine besondere Beachtung finden dabei neben der geologischen Geschieht« 
Toskanas uud Elbas, neben den Veränderungen der Flussläufe im Val di Chiana die Erzvorkommen 
uud die Geschichte des Bergbaues, welche für diesen Teil des an nutzbaren Mineralien so armen 
Italien von grosser kulturhistorischer Bedeutung geworden sind. Echt geographisch und für den 
Geographen von besonderer Wichtigkeit sind jedoch die Untersuchungen über die in historischer 

KttlUr: Z.ifekri/I. V. IUI. 5 




6(5 



Zeit vor sich gegangenen Änderungou de« Verlaufes der toskauischen Kurte, deren reichere Glie- 
derung im Altertume im Kunde mit dem Enreichtnme und dem vorgelagerten Archipel den Tyrrheuern 
die Entwicklung zu Seefahrern ermöglicht hat, während »ich durch die Ausfüllung der Golfe mit 
sumpfigem Schwemmland seit dem Mittelalter hier an Stelle der alten Kultur die berüchtigte Fieber- 
landschaft der Maremmen gebildet hat. 

Zwei völlig feststehende Umstünde begünstigen hier die Landbildung: ein seichtes Meer und 
leicht zerstörbares, die Bache und Flüsse reitweise mit flüssigen Schlammassen fallendes Gestein ; 
einen dritten hypothetischen : die Erosion förderndes Aufsteigen des Landes, meint Reyer noch hin- 
zufügen ia müssen. Tiefen von 10 m. findet man an der ganzen Küste, außer an der Außenseite 
der steilen Vorgebirge, überall erst in etwa 1000 m. Abstand und das ganze Meer, aus welchem 
sich der Toskauische Archipel erhebt, hat nirgends Tiefen von mehr als 200 m., ja nach den 
englischen Seekarten knüpft diese Fischsee auch Corsika an Italien. Über den raschen Denudations- 
proscess, welcher den Flüssen ungeheuere Siukstoffmassen liefert, gibt uns Reyer auzieheude Anf- 
schlüsse. Zunächst für das Gebiet der Cecina und die Landschaft westlich von Volten*. Dieselbe 
besteht nämlich aus mittel- und jungtertiären Mergeln, welchen Koppen vou Eruptivgesteinen 
(8erpentinen) aufgesetat »lud- Dieser weißgraue Mergelboden, im Sommer hart und rissig, verwandelt 
sich in der Regenzeit in eine Breimasse, in welche jeder Wasserfaden tiefe Schrunden einreißt 
Gauze Gehänge setzen sich in Bewegung und drängen als träge Schüunmströme thalabwärU. Es 
verändern sich hier die Oberfiächcnformen unaufhörlich, wie Inseln heben sich einzelne mit Ve- 
getation bedeckte und sum Teil wol nnr durch sie geschützte Kuppen aus dem wüsten Gebiete der 
Schlammströmo ab, alle 10 oder 20 Jahre müssen die Grenzen neu festgestellt und die Grenzsteine 
an ihre richtige Stelle gerückt werden. Ein ähnliches wild zerrissenes, sich beständig veränderndes 
und noch nicht genügend ausgelaugtes, darum der Vegetation ungünstiges MergelLand lernte Ref. 
in Sicilien im Gebiete des Platani, nordwärts von Girgenti kennen. Dasselbe ist dort und in anderen 
Gegenden Siciliens der Entwicklung der Verkehrswege außerordentlich feindlich, namentlich dem 
Eisenl>ahnbau setzte es fast unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen, ganze Berghänge uud die 
au ihnen liegende Linie setzten die Winterregen, die das von dor langen Sommerdürre in tiefen 
Spalten aufgerissene Land umso wirksamer angreifen ko nuten, in Bewegung und so sieht mau dort 
nebeneinander oine ganze Zahl verlassener Bahnstrecken. Auch dort wälzen die Flüsse große 
Sinkstoffmassen dem Meere zu, ohne aber die Küste vorzurücken, da dies der Südwest und dio 
Küstenströmung hindert. Umso raschere Landbildnng findet aber statt, wenn künstlich eine ruhige 
Bucht gebildet wird. Dies zeigte sich namentlich bei dem Baue eines riesigen Molo, durch welchen 
man Porto Empedocle, dem Landeplatze von Girgenti, seit 1869 einen Hafen, den einzigen an der 
ganzen Südküste von Sicilien geschaffen hat, da das kleine im vorigen Jahrhundert mit den Blöcken 
des sog. Zeus-Tempels von Girgenti geschaffene Becken dem durch Schwefel und Getreide genährten 
Verkehre längst nicht mehr genügte. Die Brandung i*t an der ganzen Südwestküste Siciliens bei 
den heftigen winterlichen Südweststttrmen, welche diese Küste oft wochenlang unnahbar machen, 
sehr stark uud man erkennt die Wirkuug derselben allenthalben an einer raschen Zerstörung dor 
Küste, durch welche z. B. die 8tätte, auf welcher sich Heraclea Minoa erhob, verschwunden ist 
Die Südwestküste Siciliens erscheint daher mit ihren leicht zerstörbaren mioeänen, plioeänen und 
noch jüngeren Thonen, Kalken und Mergeln, fast überall als Steilküste, die ähnlich den fran- 
zösischen Falaises unter beständigem Nachstürzen der unterwühlten Schichten, ohne eiueu den 
Vorgang verlangsamenden Blocksaum zu besitzen, langsam zurflckweichtDlc abgeriebenen Massen 
wie die von den Flüssen mitgeführten trägt nun die starke, vom Kap Passero herkommende 
Strömung, gegen welche die 8chiffe oft mit vollen Sögeln uud leidlichem Winde vergebens 
ankämpfon und die Ref. in der Nähe der mit Recht sogenannten Isola delle Correnti in einem 
kleinen Boot bei völlig ruhigem Wetter gründlich kennen lernte, gegen Nordwesten, wo sie, 
vielleicht vou der a n der nordafrikanischen Küste ostwärts gehenden kräftigeren 8trömung gestaut, 
zur Bildung der bekannten Adventure- und anderer Bänke, deren Grund vorzugsweise aus Schlamm 
und Sand besteht, mitwirken. Der Molo von Girgenti, dor weit ins Meer vorgeschoben dio Küsten- 
strömung staute, machte den Reichtum derselben an Sinkstoffen gewissermaßen greifbar. Dort hatte 
sich nämlich bis 1876, also in kaum 6 Jahren, ein fast 1 km. langer und ISO m. breiter Landstreifen, 
also reichlich 20 m. im Jahr, gebildet nnd waren die am Ufer gelegenen Magazine, welche vorher 
die Wellen unmittelbar bespült hatten, landeinwärts gerückt; ja es waren bereits Neubauten auf 
diesem unter den Augen der Anwohner neu gebildeten Lande errichtet worden, ') 8o wirkungsvoll 
wie an der Küste von Sicilien ist die Küstenströmung in Toskana offenbar nicht 

Reyer spricht aber in Bezug auf das Anwachsen der dortigen Küste und die Ausfüllung ehe- 
maliger Bnchteu die Vermutung au«, dass die juugeu Sedimente jeues Gebietes im großen Gauzeu 

') Ref. hofft bald dort wie an anderen Punkten Siciliens von ihm gemachte Marken nach- 
sehen zu können. 



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Besprechungen. 



67 



in langsamer Bewegung begriffen seien und dass durch eine langsame Hebung derselben die Erosion 
nmso wirksamer werde. Er ist geneigt, die auffallende, von Targioni Tozzctti als Tbatsache hin- 
gestellte Erscheinung, dass mau von dem auf 500 m. hoher den Mergeln aufgelagerter Kalkplatte 
erbauten altetrustischen Volterra aus, jetzt weit mehr vom Meere sehe als in alter Zeit, nicht wie 
dieser auf Denudation der vorliegenden Hohen zurückzuführen, sondern auf eine Hebung des Höhen- 
zuge« von Volterta, ja er nimmt bei der seit Ende de« Mittelalters beständig wachsenden und 
ilanu wiederum seit Mitte des vorigen Jahrhunderts sich mindernden Ausdehnung de« toskaninehen 
Malariagebiete geologische Wandlungen als wichtigere Faktoren In Anspruch. Das Vorrücken der 
Malaria soi mehr noch als durch den Menschen durch ein periodisches, Wasserstauungen hervor- 
rufendes Sinken, ihr Zurückweichen durch eine die Entwässerung erleichternde Hebung des Landes 
bewirkt worden. 

Was znr Bekräftigung dieser immerhin anziehenden Hypothese vorgebracht wird, erscheint 
uns freilich nicht Überzeugend, die Tbatsache bedeutender Küsten Veränderungen, wie sie schon 
Auschwemmungen der Flüsse hervorzubringen vermögen, ist aber unzweifelhaft. Es lassen sich 
diese rascheren Landhildungen, die zu der in spätrömiseber Zeit und wiederum seit Ende des 
Mittelalters besonders heftig auftretenden Malaria in engste Beziehung gesetzt werden müssen 
sehr wol ohne Zuhilfenahme einer Hypothese aus dem zeitweiligen Stande der Bodenkultur und 
der Bevölkerungsdichte erklären. In der Zeit der Blüte der etmskischen Schiffahrt nämlich 
musste das zngloich erzreiche etraakische Küstengebiet, ja selbst noch Elba waldreich sein, 
denn es wurden die Erzo an Ort und Stelle verhüttet. Wir wissen es aber auch aus direkten 
Zeugnissen. Theophrast führt an, dass man im Küstengebiet so hoch gewachsene Stamme füllte, 
da*w man den Kiel der Schiffe der Tyrrhencr ans einem 8tück machen konnte. Der ungeheuere 
Ciminische Wald, welchen Livius so eingehend schildert, bedeckte das südliche Etrurien, und noch 
Strabon spricht von dem etruskischen Bauholze, welches man den Tiber hinab nach Rom flößte. 
In einer Zeit, wo auch dieses etrurische Mergellaud waldbedeckt war, mussten die Flüsse weniger 
Sinkstoffe führen, die Denudation des Binnenlandes, das Anwachsen der Küsten langsamer vor sich 
gehen. In der Kaisarzeit, wo Rom sich mit Holz aus den Alpen und aus Afrika versehen musste, 
bogann dieser Verwüstungsprocess und begann auch die etruskische Küste ungesund zu werden. >) 
Reyer gibt uns (8. 142} durch Mitteilung eines Abschnittes aus Rutilius Numantianus ein Bild 
der Verödung dieser Küste zu Beginn des 5. Jahrhunderts nach Chr. In der Zeit vou dem Einbrüche 
der Germanen bis zum Wiedererwachen der Kultnr in Etrurien, also reichlich während eines halben 
Jahrtausends, hat unzweifelhaft wonn nicht hoher Wald, so gewiss Macchien dies menschenleere 
Gebiet bedeckt, und es wird in dieser Zeit die Denudation im Innern, die Laudbildung an der Küste 
wieder langsam vor sich gegangen sein. Mit der Verdichtung der Bevölkerung im späteren Mittel- 
alter, wo gerade hier auch der Bergbau sehr viel Holz verschlang, mit den Verheerungen durch die be- 
ständigen Kriege, welche nicht erlaubten, die nun in Folge neuer Entwaldung mit neu erstarkender 
Kraft verhörenden Wasserläufe im Zaume zu halten, begann sich die Malaria wieder auszudehnen 
und erst die Neuzeit mit ihren reicheren Mitteln und vorgeschrittener Technik hat dieselbe wieder 
erfolgreich zu beschränken vermocht 

Reyer veranschaulicht die in historischer Zeit vor sich gegangenen Landbildnngen durch 
eine Kartenskizze und weist namentlich auf das LandeinwärtsrUcken von Pisa hin, das bald rascher, 
bald langsamer vor sich gegaugen ist. Es lag Pisa nach Strabon zu seiner Zeit 20 Stadien, d. h. 
etwa 2'/a km- ▼<>» Meere, nach Beyers nicht näher begründeten Angaben im 6. Jahrhunderte n. Chr. 
etwa 4, im 10. etwa 6, im 15. 8 km. vom Meere, heute 12 km., so dass also das Anwachsen 
des Landes hier seit dem Mittelalter rascher vor sich gegangen ist. Auch der bekannte Meierhof 
San Rosaore wurde im 11. Jahrhunderte nahe dem Meeresufer als Kloster errichtet, ist aber heute 6 km. 
ins Binnenland gerückt. Wir können also nicht daran zweifeln, dass hier ein ganzer Golf vou mehr als 
10 km Tiefe noch in historischer Zeit ausgefüllt worden ist, wie auch der Serchio, der in römischer Zeit 
wie bis ins 12. Jahrhundert bei Pisa in den Arno mündete, erst seitdem selbständig geworden ist. Ähn- 
lich ist das Land von der Cecinamündung südwärts gewachsou und bei Piombino wie bei Grosseto sind 
in nachrömischer Zeit und seit dem 15. Jahrhunderte tief eindringende Golfe bis anf geringe Reste 
verlandet, letzterer besonders durch den Ombrone. Es war also im Altertum diese Küste dem 
Seeverkehr sehr viel günstiger gestaltet als heute, wo es hier nur den einen künstlichen Hafen von 
Livorno gibt Die Eingriffe, welche sich der Mensch im Binnenlande in die Natur erlaubte, scheinen 
mir aber die so nachgewiesenen Veränderungen und heutige Ungunst in Bezug auf Verkehr und Bo- 
wohnung hinreichend zu erklären. Auch vermag Arthur Issel in Genua, der jüngst dieser Frage 
besondere Aufmerksamkeit angewendet hat, von ganz örtlichen und verschiedener Deutung fähigen 
Erscheinungen abgesehen, keine Tbatsache anzuführen, welche für ein Oscilliren dieser Küste 
spräche. Und ebensowenig gibt Reyer dafür Belege, dass die Küste in der Zeit vom vierzehnten 



') Plin. Ep. V. 6. 1. 




68 



Besprechungen. 



Jahrhunderte an, wo zu Pisa« Niedergang sich bildende Sümpfe und dadurch erzeugte Fieber 
mitwirkten, im Sinken begriffen gewesen sei. Geologische Wandlungen haben allerdings stattgefunden, 
die großartigen Abschwemmungeu im Innern nämlich, diese aber konnten so grolle Dimensionen nnr 
annehmen, als der Mensch die schlitzende Pflanzendecke vernichtet hatte, ohne sich zugleich sunt 
Herrn der Gewässer zu machen. In welcher Weise dann die Meteorwasser zerstörend zu wirken 
vermögen, selbst bei sonst festerem Gestein, lehrt honte das erst in Allerneuester Zeit waldentblftihe 
Gneisgebiet des nordöstlichsten Sicilien. Die großartigen Arbeiten, die in Toskana aar Bekämpfung 
der Malaria vorgenommen worden sind und bereits das ganze tum Toll erst seit Beginn unserer 
Zeitrechnung gebildete Maremmengebiet, bis anf kleine Distrikte bei Grosscto und Piombino wieder 
bewohnbar gemacht haben, beeinflussen natürlich auch die Landbildung, indem dort, wo durch 
künstliche Aufschwemmung (colmata) die Lagunen und 8flmpfe, die noch im Innern zurückgeblieben 
sind, ausgefüllt und der Boden durch künstliche Erhöhung trocken gemacht wird, die Küste gar 
nicht oder nur langsam vorrücken wird. Dies gilt namentlich von der Gegend der Mündung des 
Ombrone, dessen Sinkstoffe auf seiner rechten Seite, der Küstenströmuug folgend, einen großen Golf aus- 
gefüllt haben und jeUt cur Auffallung der Sümpfe verwendet werden. Dieser Flnss führt bei Hochwasser 
5% feste Bestandteile mit sich, ja in neuester Zeit sogar infolge der noch immer fortgeschrittenen 
Entwaldung, auf die wir so besonderes Gewicht meinen legen au müssen, 8%! Von den slnkstoff- 
reichsten Flüssen führt selbst der Hwangho (nach R. Credners Zusammenstellung wol Im Jahres- 
mittel) nur OTr%! Das Trübwasser steht in den Aufschwemmungsfeldern des Ombrone im Mittel 
1-2 m. hoch, 6 Füllungen bewirken eine Aufschwemmung von etwa '/» m ' Dennoch haben die 
ungeheueren Schlammassen, welche auf diese Weise seit 1828 In die Lagune von CaatlgUone gelenkt 
worden sind, dieselbe noch nicht auszufüllen vermocht, alle Berechnungen sind cuschanden geworden, 
und Beyer nimmt daher auch hier wiederum seine Zuflucht zu der Aunahme, daas dies Gebiet eben 
nicht stabil sei, sondern infolge von Massenbewegungen fort und fort sinke. 

Können wir somit dem Verfasser nicht überall in seinem Gedankenfluge folgen und wirkt 
namentlich auch die ungenügende Zusammenfassung der einzelnen Notizeu und Untersuchungen von 
größeren Gesichtspunkten aus störend, so ist das Buch doch als eine wortvolle Bereicherung der 
Landeskunde von lullen zu bezeichnen. 

Marburg. Theobald Flacher. 

Pfa. PftBlitiOhke: die geographische Erforschung der Adillander und Hartes in Ost-Afrika. Leipzig, 
Frohberg, 109 8. Lexikon-Octav. 

Anlasslich einer für diesen Herbst geplanten Erforschungsreise des Dr. Karamel von Hanl egger, 
hat der zur Besorgung der eigentlich geographischen Arbeiten bestimmte Teilnehmer Professor 
Paulitschke in dieser Schrift Alles zusammengestellt, was Uber Geschichte und Geographie des 
oben bezeichneten Keisegebiets erreichbar war. Es werden zuerst die spärlichen Daten der alten 
Geographen aufgeführt und teilweise ueu an deuten versucht, dann die der Araber. Ferner Marco 
Polo's Nachrichten und die Vorstellungen der mittelalterlichen Geographen, unter denen Fra Mauro 
in seinem Mappa mondo (1457) eine Uberraschende Fülle von Details auf jenem Gebiet« darbietet. 
Es folgt die portugiesische Ära im sechzehnten Jahrhundert, deren geographischen Ergebnisse 
Tellez in der vollständigsten Weise überliefert hat. Diesem Abschnitte hat der Verf. eine dankens- 
werte Tabelle der Geschichte Abessiniens, Ad&l's und Harar's vom Ende des 13. bis zum Anfang 
des 18. Jahrhundert« angefügt Ein fernerer Abschnitt gibt die geringen Vervollkommnungen an, 
welche das Bild Ost-Afrikas durch Mercator, und die bedeutenderen, die es durch de l'Isle und 
d'Anville erfahren hat. Der sechste Abschnitt führt uus dann zu den neueren Reisenden hiuüber, 
unter denen Salt die ersten brauchbaren Nachrichten, hauptsächlich aus Erkundigungen, geliefert 
hat. Im siebenten erst gibt uns der Verf. einen Auszug aus deu Werken derjenigen Reisenden, 
die seit 1838 das Gebiet wirklich betreten haben. Die Itinerarc derselben werden uns in ganz 
zweckmäßiger schematischer Form vorgeführt, mit dem von Krapf und Isenberg beginnend und 
bis zu Barou v. Müller und Sacconi fortschreitend. Die Erkundigungen Wakefields aus dein 
Somaliland, die Ravenstein im Maiheft der Proceedings of the R. geographical society mitgeteilt 
und in seiner großen Kart« von Ost-Afrika schon verwertet hatte, konnten nicht mehr benutzt 
werden. Im vorletzten Abschnitte erfahren wir, dass die geplante Hardegger'sche Reise vorzugsweise 
die Erforschung der Umgegend von Harär und der darüber hinaus gelegenen Gebiete zum Zwecke 
hat Der letzte Abschnitt enthält ein Literaturverzeichnis. Das ganze Werkchen ist mit Umsicht 
und Gewissenhaftigkeit gearbeitet und bildet eine treffliebo Einleitung zu dem Buche, das wir 
Uber die Reise zu erwarten haben, falls dieselbe gelingt, was gewiss jeder Geograph aufrichtigst 
wünscht. Nur in der Voraussetzung, dass auch das Reisewerk in gleichem Format und illustriert 
erscheinen soll, ist das anspmchvolle Riesenoktav für die vorliegende Schrift gerechtfertigt Zz. 




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Die Hydrographie des östlichen Indo-Ghina. 

Von W. Sierers. 

Einleitung. 

Wer eine Abhandlung Uber die Hydrographie des östlichen Indo-China 
zu schreiben unternehmen wollte, wäre noch bis vor kurzem auf Hypothesen 
angewiesen gewesen. Denn kaum ein Land der nördlichen Hemisphäre ist in 
seinen topographischen Grundzügen, zu denen denn doch die Hydrographie in 
erster Linie gehört, so spät bekannt geworden wie die indo-chinesische Halbinsel 
und namentlich deren östlicher Teil. Es ist dies umso merkwürdiger, als Indo- 
China an einer der bedeutendsten Welthandelsstraßen und nicht etwa an einer 
versteckten Stelle der Erdoberfläche liegt und auch seine Küsten früh bekannt 
geworden und in die Handelsbeziehungen der europäischen Entdecker-Nationen 
hineingezogen sind. Indessen beschränkte sich die Entdeckungs-Geschichte eben 
auch nur auf diese Küsten, ohne weiter ins Innere einzugreifen. Die Portugiesen, 
Spanier und Holländer begnügten sich mit der Ausbeutung Vorderindiens und 
der ostasiatischen Inselwelt, und nur eine einzige Reise eines holländischen 
Beamten, Gerhards van Wusthof im 17. Jahrhundert, kann als ein Vorstoß ins 
Innere betrachtet werden. Die Spanier bemühten sich zwar namentlich das östliche 
Indo-China in den Kreis der christlichen Kirche einzufügen, allein diese Bestrebungen 
missglückten und die Austreibung der meist dem Jesuiten-Orden angehörigen 
Missionäre aus Tongking, Cochinchina und Cambodja um 1645 setzte allen 
Erkundigungen und Kenntnissen über das Innere ein Ziel. Die Uferstaaten, 
deren große Blüte zu verschiedenen Zeiten der letzten drei Jahrhunderte die 
Eroberungslust der Europäer wohl hätte reizen können, wie man anzunehmen 
geneigt sein sollte, schlössen sich mit Erfolg gegen das Eindringen europäischer 
Kultur und des Christentums ab und nur das Reich Siam blieb im 18. Jahr- 
hundert in freundschaftlichen und Handelsbeziehungen mit Europa beharren. 

So kam es, dass im Anfange dieses Jahrhunderts thatsäcnlich eigentlich 
nur die Mündungen der fünf großen Ströme Irawaddy, Salwen, Menara, Mekong und 
Songka bekannt waren und zwar auch diese in höchst ungenügender Weise. 
Den Engländern ist auch hier der erste Anstoß zur Erforschung des Landes 
vorbehalten geblieben; nachdem sie sich nämlich in der vorderindischen Halb- 
insel fest in den Sattel gesetzt hatten, begannen sie ihr Augenmerk auf das 
benachbarte Indo-China zu richten, und zwar zunächst um ihre Ortsgrenze zu 
sichern, dann aber um Handelsbeziehungen mit den Staaten der Halbinsel und 
im weiteren Verlaufe mit China anzuknüpfen. Diesen Bestrebungen verdankt die 
Hydrographie Indo-Chinas ihre ersten genauen Resultate. Nachdem durch Symes 
Gesandtsehaftsreise nach Birma 1795 und Crawfords Mission nach Siam und 
Cochinchina einiges Licht Uber diese Länder verbreitet worden war, führte der 
englisch-birmanische Krieg von 1824 und die Annexion der Westküste der Halb- 
insel zur Klärung der Kenntnisse Uber den westlichen Teil derselben. Richardson 
und Mc. Lcod bereisten in den 30er Jahren Siam und drangen weit ins Innere 
vor. Ganz besonders förderlich für die Geographie aber war die Gesandtschafts- 
reise Yulc's nach Ava 1855 und der zweite birmanisch-englische Krieg 1856, 
da infolge desselben das Delta des Irawaddy in englischen Besitz Ubergieng und 
dieser Strom nun der Schiffahrt offenstand. Von nun an sind die Kenntnisse 
über Birma und Siam durch genaue Aufnahmen des Irawaddy und Salwen und 
Vorstöße nach allen Richtungen ein, sowie durch eine systematische wissen- 
schaftliche Erforschung der englischen Besitzungen rasch erweitert und vertieft 
worden, so dass uns über die Hydrographie des westlichen Indo-China gutes 



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70 



Die Hydrographie dea ««tlichen Indo-China. 



und reichliches Material zur Verfügung steht. Anders liegen die Verhältnisse iui 
östlichen Indo-China. Außer dein Buche Pallegoix's, des apostolischen Viears 
von Siam, und den erwähnten Reisen von Richardson und Mc. Leod ist in der 
ersten Hälfte unseres Jahrhunderts nichts Bemerkenswertes ftlr die Erforschung 
der Osthälfte gcthan worden. Erst mit dem Ausgange der Fünfziger Jahre, als 
also der westliche Teil der Halbinsel schon recht gut bekannt war, begannen 
hier die ersten Vorstöße ins Innere ; und zwsr ist es wesentlich oder vielmehr 
fast ausschließlich Verdienst der Franzosen, den Osten erschlossen zu haben. 
Der in englischen Diensten stehendo französische Reisende Mouhot bereiste 
1859 — 1861 Cambodja, Siam und Laos, und gelangte bis Luang Prabang, wo 
er leider starb; der Deutsche Bastian machte 1861 — 1864 umfangreiche Reisen 
in Siam und Cambodja. Systematisch aber wurde die Erforschung des Ostens 
erst betrieben, seitdem die Franzosen 1859 das Delta des Mekong in Besitz 
genommen hatten. Nachdem dieselben sich hier festgesetzt und das Küstenland 
Nieder-Cochinchinas etwas näher bekannt gemacht hatten, erwachte auch bei 
ihnen der Wunsch, einen Land handelsweg womöglich mit Benützung der natürlichen 
Wasserstraßen nach China zu finden und zu diesem Zwecke wurde die große 
französische Mekong-Expedition unter de Lagree und Garnier ausgesendet, welche 
auf ihrer drei Jahre umfassenden Reise von 1866 — 1868 die ganze Halbinsel 
von Süd nach Nord durchzog und durch Festlegung de« Mekong-Laufes den 
Grundstein zu unserer Kenntniss des östlichen Indo-China gelegt hat. Ebenso 
langsam wie vor dieser epochemachenden Reise die Erkundung des Landes 
vorgeschritten war; ebenso schnell folgten nun in den 70er Jahren eine Menge 
wichtiger Reisen aufeinander, so dass man mit Recht sagen darf, dass das östliche 
Indo-China jetzt förmlich mit Sturm genommen wird. Und zwar ausschließlich 
von den Franzosen, welche mit großem Eifer die Erforschung der Halbinsel 
betreiben, um den Engländern mit dem Landhandelswege nach China zuvor- 
zukommen; und man kann nicht leugnen, dass sie auf dem besten Wege sind, 
ihren Zweck zu erreichen. Nachdem die Mekong - Expedition festgestellt, 
dass der Mekong Belbst nicht für einen Handelsweg tauglich sei, und die Auf- 
merksamkeit auf den Fluss von Tongking gelenkt hatte, wollte man in Frankreich 
die Erforschung dieses letzteren Flusses vornehmen. Ehe es indessen so weit 
kam, hatte bereits eine Privatunternehmung des Kaufmanns Dupuis dieses Ziel 
erreicht: derselbe befuhr 1870 und 1872 den Songka nnd bewies dessen Schiff- 
barkeit bis nach Yunnan hinein, wodurch er der französischen Regierung will- 
kommene Gelegenheit verschaffte, sich im Delta des roten Flusses festzusetzen, 
dessen Annexion dieselbe kürzlich in konsequenter Verfolgung ihrer Absichten 
mit Waffengewalt betrieben hat. Als dritter wichtiger Beitrag zur Erforschung 
Indo-Chinas sind die Reisen des Arztes Dr. Harmand zu orwähnen, welcher 
1875 — 1877 die Nebenflüsse des Mekong bereiste, die Lücken unserer Karten 
zwischen diesem und den annamitischen und siamesischen Gebirgen ausfüllte 
und als erster Europäer die Wasserscheide zwischen Mekong und der Ostküste 
Uberstieg. Seitdem nahen namentlich französische Kolonialbeamte und Marine- 
ofticiere das östliche Indo-China bereist, so de Kergaradec den roten Fluss, 
Dutreuil de RhinB die Ostküste, Septans, Gauroy und Gautier, namentlich aber 
Dr. N&s die Donna'iländer, Aymonier, Boulanger die Gegend des großen Sees 
und augenblicklich weilt Dr. Ndis sogar in Luangprabang, wohin seit der Mekong- 
Expedition kein Reisender gelangt ist Die Gründung einer französischen geo- 
graphischen Zeitschrift in Saigon unter dem Titel : Cochinchine francaise, Exeursions 
et Reconnaissanes, welche es sich zur Aufgabe macht, diese Reisen zu publicieren, 
hat viel dazu beigetragen uns die Resultate derselben rasch zu übermitteln. Wie 
schon die Literatur über Indo-Chinas östlichen Teil angeschwollen ist, zeigt 
deutlich eine in der Zeitschrift für wissenschaftliche Geographie 1883, Heft 4, 
S. 96 erschienene „Übersieht der französischen Unternehmungen in Hinter-Indien." 

Wir besitzen zwei Abhandlungen über die Hydrographie Indo-Chinas aus 
sehr verschiedener Zeit; die eine von H. Berghaus 1882 in den „Denkschriften," 
die zweite von A. Bastian 1866 in Petermann's Mitteilungen. Dieselben beweisen 
beide den an die Spitze dieser ganzen Abhandlung gestellten Satz. Während 
Berghaus noch Uber die Läufe sämmtlicher indo-chinesischen Flüsse im Unklaren 



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Die Hydrographie des östlichen Indo-China. 



71 



war, hatte sich bis 1866 das Material über den westlichen Teil des Landes so 
geklärt, dass Bastian wichtige Nachrichten Uber dieselben bringen konnte, unter- 
stützt durch die eigenen Erfahrungen auf seinen langjährigen Reisen. Für den 
Östlichen Teil Indo-Chinas aber ist auch er noch gänzlich auf Vermutungen 
angewiesen, was denn auch der Umstand, dass Bastian ein Jahr vor der fran- 
zösischen Mekong-Expedition schrieb, sofort leicht erklärt. So z. B. gieng zu 
jener Zeit noch die Fabel, dass der Mekong aus einem See Nong-Seh entspringe, ') 
aus welchem auf der anderen Seite der Songka ausfließe. Über die Existenz 
der Flüsse Lantsankiang und Lukiang und deren Zusammenhang mit Mekong 
und Salwen gibt er schon richtige Andeutungen und weist auch die noch bei 
Bergbaus vertretene Ansicht zurllek, dass auch der Menam in Tibet entspringe. 

Da seit den großen Leistungen der Franzosen gerade im Osten noch keine 
zusammenfassende Bearbeitung der Hydrographie Indo-Chinas erschienen ist, 
andererseits aber die Zusammenstellung der gelieferten neuen Resultate ganz 
wünschenswert erscheint, so hat der Verfasser dieser Abhandlung die Hydrographie 
des (istlichen Indo-Ohina zur Bearbeitung gewählt; diejenige ganz Indo-Chinas 
oder auch nur des besser bekannten westlichen Teils zu behandeln, würde so 
umfassende Studien erfordern, dass die Resultate derselben nicht in einen kleineren 
Aufsatz hätten zusammengefasst werden können; die vorliegende Abhandlung 
glaubt daher einem fühlbaren Mangel abzuhelfen, wenn sie die Entdeckungen 
der Franzosen seit 1866 zuerst berücksichtigt. 

Um die in mancher Beziehung äußerst interessante Hydrographie Indo- 
Chinas zu verstehen, bedarf es zunächst einer kurzen Übersicht über die vertikale 
Gliederung des Landes: 

Orographie. Von dem tibetanischen Hochlande zweigen sich etwa 
unter 33— 34° n. B. eine Anzahl von parallelen Gebirgsketten ab, deren 
Richtung eine südliche bis südöstliche, deren Höhe eine sehr bedeutende, deren 
Erstreck ung eine ununterbrochene ist. Desgodins hat konstatiert, dass dieselben 
nicht etwa als östlichste nach Süden umgebogene Ausläufer des Himalaya zu 
betrachten, sondern vielmehr ganz unabhängig von demselben und durchaus 
selbständig sind. Wo sie aber ihren Ursprung nehmen und wie ihre Verbindung 
mit dem tibetanischen Hochlande beschaffen ist, bedarf noch der Aufklärung. 
Wir unterscheiden drei Hauptketten mit einer mittleren Erhebung von 3500 — 4000»»., 
schneebedeckten Gipfeln und sehr steilen Gehängen ; die Entfernung der Ketten 
von einander beträgt vielfach nur 4—5, ja sinkt an einzelnen Stellen auf 2—3 
Tagereisen herab. 2 ) Die initiiere scheint die höchste zu sein, da ihre grössten 
Erhebungen 6 — 7000 m betragen (Kaua-ker dzong 28° 30'); doch bleiben die 
beiden äußeren wenig dagegen zurück. Ein einheitlicher Name scheint für keine 
derselben zu existiren ; die westliche führt unter 28° den Namen Sigong-Gebirge. •) 
Etwa von 33° an bis zum Wendekreise laufen sie einander parallel nach Süden 
und zeigen auch nicht die geringste Unterbrechung in ihrer Erstreckung. Dann 
aber zweigt die östliche Kette nach Südost ab, durchzieht die Südwestecke 
der Provinz Yunnan und geht an der Grenze dieser und deB Staates Tongking 
in die große Kette über, welche die indo-chinesische Halbinsel im Osten begrenzt 
und mit dem Namen anuamitisches Gebirge bezeichnet werden kann. Sie besteht 
großenteils aus Granit; doch treten an der Außenseite auch Kalke von noch 
nicht Bicher bestimmtem Alter, an der Innenseite ebenfalls solche sowie Basalte und 
andere vulkanische Gesteine auf. 4 ) Ihre Höhe mag in Annam 2000 m betragen ; 
weiter nördlich scheint sie jedoch weit höher zu sein ; ihre Anordnung scheint 
in einzelnen parallelen Zügen zu bestehen, welche im Cap St. Jaoues unter 11° 
n. Br. enden. Die westliche Gebirgskette wendet sich ebenfalls unter dem 
Wendekreise ein wenig südsüdwestlich, begrenzt im Bogen nach Westen ausholend 
das östlich vorgelagerte Kalkstein plateau der Karenni und endet zwischen Sittang 
und Salwen an der Küste. Ihre Höhe und Zusammensetzung ist noch wenig 
bekannt; im Nat Tung, unter 18°, erreicht sie 2400 m. Die mittlere Kette 

') Diesen Namen Noungsa fuhrt der jetet vom Punditcn Alage entdeckte Quellsee des Irawaddy. 
») Desgodins B. 8. P. VI. 8er. 12 1876, II. B. 8. 202. 

>) 8. Karte des tibetanischen und indo-chineaiflchen Grenzgebiete von B. Hassenstein; Peter- 
Mitt 1882, T. 12. 

*) Garnier, Voyage. Bd. II. Geologie par Joubert. 



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Die Hydrographie de« «st liehen Indo-China. 



behält die fast rein meridionole Richtung bei, nimmt in Birma den Namen Tanen 
tung gyi-Gebirge an, heißt südlich vom 18. Grad Kokarit-Gebirge und setzt 
sich bis Johore an der Südspitze Malaccas fort, dessen Rückgrat sie bildet Sie 
ist als das eigentliche Hauptgebirge Indo-Chinas zu betrachten, teilt, dieses in 
eine westliche kleinore und eine östliche größere Hälfto und bildet auf diese 
Weiso die Wasserscheide zwischen dem indischen Ocean und der Chinasee. In 
ihren nördlichen Teilen in Birma und den Shan-Staaten ist sie noch sehr wenig 
bekannt; im Süden trägt sie den Charakter einer Reihe kleiner Massivs mit 
einzelnen Bergkegeln darauf ) und unter dem 18. Grad den paralleler von NNW. 
nach SSO. streichender Züge mit vielen und sehr tiefen Einsenkungen und Unter- 
brechungen. Diese sinken z. B. im Passe der drei Pagoden zwischen Bangkok 
und Maulmein auf 200 m., J ) im Isthmus von Krah in Malacca sogar auf nur 
75 m absolute Höhe herab. Sie seheint aus sehr alten Gesteinen zu bestehen, 
unter denen Gneiss, gneissischer Quarzit, Glimmerschiefer uud mächtige Thon- 
schieferbildungen vorherrschen. Umgeben ist sie auf beiden Seiten von Kalk- 
steinen und Sandsteinen, von denen nach Richthofen wahrscheinlich keine 
Ablagerung jünger als Trias ist. Eruptivgesteine sind sehr selten.*) Bei Xieng 
Tong unter 21 0 n. Br. zweigt sich an diesem Gebirge eine zweite Kette ab, 
welche zunächst in südöstlicher Richtung verläuft, dann ebenfalls nach Süd um- 
biegt und die Wasserscheide zwischen Mekong und Menam bildet; in ihrem 
südlichsten Teil führt sie den Namen Dong Phya Pliai, der Feuerkönigswald, und 
setzt sich dann unter scharfer Richtungsveränderung nach Osten fort, wobei sie 
als Khao Donrek-Gebirge, d. h. schultertragendes Gebirge (Atlas), die Uferland- 
schafteu des großen Sees von dem nördlich gelegenen Flnssgebiet des Se Mun 
trennt; sie bildete in früherer Zeit die Südküste der Halbinsel und die jetzigen 
Berge von Pursat und Battambang waren ihr damals als Insel vorgelagert; dies.' 
bestehen ebenfalls aus sehr alten Sedimentärgesteinen, Kalken, Sandsteinen, Kon- 
glomeraten und Grauwackon mit einem Kerne von krystallinisehen Schiefern. 4 ) 
Die genannte Zweigkette von Xieng Tong bis Ayuthia und die Khao Donrek- 
Berge bilden die erhöhten Ränder des östlich und nördlich von ihnen bis zum 
annamitischen Gebirge sieh ausdehnenden Plateaus von devonischen Kalken, 
triassischen Sandsteinen und Bienhoaatein, in welches der Mekong sein Bett 
eingeschnitten hat. 5 ) Im Westen der Zweigkette, die man in ihrer Gesainintheit 
vielleicht mit dem Namen siamesisches Gebirge bezeichnen kann, bis zu der 
Tanentunggyikette breiten sich die weiten Alluvinlebeneu des Menambeckens 
aus, welche durch Anschwemmungen dieses Flusses an Stelle des frither nördlich 
weit ins Land reichenden Golfs von Siam entstanden sind. 

Hydrographie. Diesen orographischen Verhältnissen entsprechen nun auch 
die hydrographischen. Das nach Nord, West und Süd durch die höchsten Gebirge der 
Erde völlig abgeschlossene und in seinen westlichen Teilen abflussloBe Hochland 
von Tibet entsendet seinen gesammten Wasserreichtum durch seinen südöstlichen 
Winkel und zwar benutzen die Gewässer eben diejenigen Thore, welche zwischen 
den genannten drei Parallelketten offen gelassen sind. Auf diese Weise entwickelt 
sich hier ein hydrographisches Netz von so großer Symmetrie wie sie nirgends 
wieder auf der Erde auftritt. Betrachtet man die Landschaften zwischen 30° 
und 25° n. Br. als die Basis der indo-chinesischen Halbinsel, so sehen wir hier 
vier der größten Ströme einander zunächst fast parallel fließen, dann nach vier 
verschiedenen Seiten diametral auseinander gehen. Sie alle haben ihre Quellen 
im Innern Tibets, auf den Raum weniger Längengrade zusammengedrängt; die 
Mündungen der am weitesten auseinanderliegenden aber sind .'50 Längengrade 
von einander entfernt. Ihr Lauf richtet sich nach der Anordnung der drei Ketten; 
der westlichste Strom, der Brahmaputra fließt westlich der westlichen Haupt- 
kette, durch wenig bekannte Bergländer etwas weiter von ihr getrennt. Unter 

■> Frhr. v. Richthofen, Bemerkungen über Siam and die hiuteriudisehe Haibiusol. ZeiUchr. 
DUeh. geoL Ge». XIV. 18«:*. 8. 361. 
*) Ebenda. 
») Ebenda. 
*) Ebenda. 

») Garnier, Voyage etc. Bd. IL Geologie par Joubert. 



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Di« HyrlropTfiphie dw Ostlichen Indo-China. 



73 



27'/ 2 n. Br. wendet er sich scharf nach Südwesten, durchlauft die Ebene von 
Assam und mündet an dor Grenze beider indischen Halbinseln. Der zweite grolle 
Strom, der Salwen, im Oberlaufe Lukiang genannt, fließt zwischen der 
westlichen und der mittleren Kette, wendet sich unter dem Wendekreise nach 
SSW. und mündet^Btets in engem Thale /.wischen beiden Ketten fließend, bei 
Martaban. Der dritte Strom, der Mekong, im Oberläufe Lantsankiang und 
Kiulongkiang, auch D z a k i o genannt, unter 28 0 der wasserreichste aller dieser, 
fließt zwischen der mittleren und östlichen Kette in tief eingeschnittenem Bette. 
Mehr und mehr nach SO. sich wendend, wird er zunächst durh das bei Xieng 
Tong abzweigende siamesische Gebirge nach O., dann bei Luang Prabang durch 
das annamitische Gebirge weiter nach SO. gedrängt, welche Richtung er dann 
in seinem Laufe über das alte Plateau von Laos beibehält, über dessen Rand 
er in starken Stromschnellen in die Alluvialebene herabstürzt: unter Bildung 
eines kolossalen Deltas erreicht er unter 10° n. Br. das chinesische Meer. Der 
vierte in Betracht kommende Strom ist der Yangtsekian g, im Oberlaufe Kin- 
schakiang genannt. Er fließt östlich der östlichen Hauptkette, durchschneidet 
das Bergland von Yunnan, wendet sich nordöstlich und mündet unter 120° ö. L. 
in das gelbe Meer. Das Übereinstimmende dieser vier Riesenströme liegt in: 1. 
der Lage der Quellen im Tibet und dem dadurch bedingten langen Lauf: 2. 
dem parallelen und sehr genäherten Verlauf der Oberläufe. 3. dorn fächerförmigen 
Abschwenken nach S\V., SSW., SO. ONO. und der dadurch erzielten Symmetrie, 
1. der ungeheuren Wasserfülle. 

Durch dieses fächerförmige Abschwenken der genannten vier Ströme 
ersten Ranges wird nun Raum erzeugt für die Bildung anderer Stromsysteme 
zwischen den auseinandergehenden Hauptketten: diese Ströme zweiten Ranges 
besitzen weniger langen Lauf, weniger großartige Durchbrüche und weniger 
große Wasserfalle ; auch liegen ihre Quellen naturgemäß erst dort, wo die Haupt- 
ketten auseinandertreten, also etwa unter 25—20" n. Br. Drei Flüsse sind hier 
zu erwähnen ; der Irawaddy zwischen Brahmaputra und Salwen, der Monara 
zwischen Salwen und Mekong, der Songka zwischen Mekong und Yangtsekiang. Der 
Irawaddy, der größte dieser drei Flüsse, übertrifft zwar an Wassertülle den 
Salwen, aber seine Quellen liegen nach den neuesten Erkundigungen des Punditen 
Alaga schon unter 27 0 im See Noungsa l ) und sein Volumen ist bei Bhamo ein 
so geringes, dass wir ihn nicht zu den Strömen ersten Ranges zählen können. 
Der Menani und der Songka sind kleinere Flüsse von geringerer Lauflänge und 
geringerem Volumen. Der weit nach Süden ausgedehnten Ausbreitung des mittleren 
Indo-China entspricht es, dass die Quellen des Menani erst unter 20°, seine 
Mündung erst unter 13'/, 0 liegt, während der Songka schon unter 20°, der 
Irawaddy unter 16° inlinden. Obwol nun diese drei kleineren Flüsse an Lauf- 
länge, Großartigkeit ihrer Thalbildung und Volumen den vier erstg*nannten bei 
weitem nachstehen, übertreffen sie doch an Wichtigkeit jene alle mit einziger 
Ausnahme des Yangtsekiang. Denu während Brahmaputra und Mekong nur auf 
eine kur/.e Strecke, der Salwen fast gar nicht schiffbar sind, bieten Irawaddy, 
Mcnam und Songka der Schiffahrt und dem Handel bei weitem günstigeren « 
Boden dar. Denn der Irawaddy kann mit Dampfern bis ßhaino, d. h. bis über 
2 / 3 seines Laufes befahren werden, der Menam trägt schon nahe seiner Quelle 
bei seinem Eintritt in die Provinz Xiengmai Rarkeu und auch der rothe Fluss 
kann nach Dupuis bis Manghao, d. h. ebenfalls bis 2 / Ä seines Laufes, der Dampf- 
schiffahrt geöffnet werden. Alle drei Flüsse treten schon früh, nach kurzem Ober- 
laufe, aus den sie begleitenden Bergen hervor und bilden in ihren Unterläufen 
weite Alluvialebenen, die denn auch die drei Centren der Bevölkerung Iudo- 
China-s bilden, nämlich am Irawaddy den Kern des Staates Birma mit den Städten 
Mandalay Amarapura, Ava, Rangoon und Bassein, am Menam den Kern des 
Staates Siam mit Xiengmai, Raheng, Ayuthia und Bangkok, am Songka endlich 
die dichtbevölkerten Landschaften Tongkings mit Hanoi oder Ketcho. Seitdem 
dieses Alluvialland gebildet worden ist, wird dasselbe wol der Sitz der Haupt- 
cultur Indo-Chinas gewesen si-in; die alten Königssitze der Birmanen, Peguaner, 
Siamesen und Annamiton finden sich hier und die indische Kultur im Westen, 

') Siebe Seite 71. Auiu. 1. 



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74 



Die Hydrographie des östlichen Indo-China. 



die chinesische im Osten koncentrierte sich auf diese drei früheren Mceresbeeken, 
in deren mittelstein sie zusammentrafen und jenes eigenartige Bild erzeugten, 
welches das MenanvLand und -Volk heute darbietet. 

Diese Symmetrie und dieser Parallelismus in der Anordnung der Strom- 
systemo ist ohne Zweifel die wesentlichste Eigentümlichkeit der Hydrographie 
Indo-Chinas; doch kommen noch einige Momente hinzu, welche dieselbe vor 
allen andern auszeichnen. Das eine ist die Existenz des großen Sees Tonlesap 
oder Bienho, des Grand Lac der Franzosen, welcher an der Grenze Siams und 
Cambodjas gelegen, als Reservoir für die zur Hochwasserzeit übermäßig an- 
geschwollenen Fluten de« Mekong dient, welcher vermittelst des Flusses Tonlesap 
sein überflüssiges Wasser in den See sendet, um dasselbe nach Beendigung der 
Regenzeit wieder durch denselben Fluss Tonlesap herauszuziehen. Diese Eigen- 
tümlichkeit^ der Hydrographie Indo-Chinas erinnert an das künstliche Nilreservoir 
der alten Ägypter, den Mörissee. In der Natur aber stehen der See und der Fluss 
Tonlesap einzig da. Das andere interessante Moment ist die Wichtigkeit der 
Annäherung der großen Ströme für die Entwicklung von Handelsbeziehungen 
und Verkehrswegen. Überschreitet man etwa unter dem 20. Grade die Halbinsel 
von West nach Ost, so trifft man nacheinander in einer Gesammtentfernung von 
nur 10 — 12 Längengraden auf fünf große Flussthftler, die zum teil nicht nur 
einander, sondern auch der Küste außerordentlich genähert sind. Für die Her- 
stellung moderner Verkehrswege, namentlich von Eisenbahnen ist dieses Verhältnis 
sehr wichtig und in der That haben die Engländer bereits Versuche gemacht, 
Handelsstraßen und geeignete Routen für Eisenbahnen von Maultnein und Bhamo 
nach Yunnan ausfindig zu machen; doch sind diese Bemühungen an den Schwierig- 
keiten gescheitert, welche die Höhe und Steilheit der Parallclketten schon nördlich 
des 20. Grades darbieten. Weiter südlich aber ist die Erbauung und Anlage 
von modernen Verkehrswegen wol nur eine Frage der Zeit und es werden die 
Franzosen ohne Zweifel nach Besitznahme des Songka-Deltas versuchen die 
annamitischen Bergzüge zu übersteigen und die reichen Landschaften des nördlichen 
Laos mit Tongking in Verbindung zu bringen; denn offen wird in vielen ihrer 
Zeitschriften die Ansicht und der lebhafte Wunsch geäußert, dem britischen 
Indien mit der Zeit ein französisches entgegenzusetzen und den Handel mit 
Yunnan zu monopolisieren. 

Da diese Abhandlung ganz besonders die neueren französischen Entdeckungen 
berücksichtigen soll, welche sich um das Mekongbecken koncentrieren, so wenden 
wir uns nach einer kurzen Besprechung des Menam sogleich zum Mekong selbst. 

Das Becken des Menam dehnt sich zwischen dem Tanentnnggyi-Gebirge 
und dem von diesem nach Südost und dann nach Süd abgezweigten siamesischen 
Gebirge aus und bildet vom 16. bis zum 14. Grad die Ausfüllung eines alten 
Meeresgolfes; noch jetzt wächst das Menam-Delta stark und von Zeit zu Zeit 
finden sich mitten im Lande Reste alter Ankertaue und sonstige Schiffsutensilien, 
welche die fortgesetzte zuschüttende Thntigkeit des Flusses erweisen . Der Menam 
entspringt aus zwei Quellen in etwa 20° n. Bi\, deren eine noch unbesuchte in 
der Tanentunggyikette liegt, deren andere sich südlich des am Mekong gelegenen 
Flusses Paknam findet. Diese letztere Quelle, die des eigentlichen Menam oder 
Menam Yai, Paknem Po, wurde 1867 von der französischen Mekong-Expedition 
festgestellt; die Entfernung derselben von einem Zuflüsse des Mekong beträgt 
zur Hochwasserzeit nur eine Stunde. *) Eine andere Quelle liegt südlich Keutao 
am großen Knie des Mekong. Die Gewässer dieser beiden Quellen bilden den 
eigentlichen Menam, welcher für Barken schiffbar ist, in ruhigem Laufe mit 
etwa 130 — 150 wi s ) Breite die fruchtbarsten und reichsten Teile Siains durch- 
strömt und sich bei Paknam Po mit dem westliehen Qnellfluss vereinigt. Die 
Quellen dieses westlichen Flusses sind noch nicht bekannt: nach Bock*) sollen sie 
in den Shan-Staaten wenige Tagereisen von Muong Nai entfernt liegen. Dieser 
Qnellfluss führt den Namen Meping, ist bei Muong Nai nur wenige Tagereisen 

>) ßftutian, Petcrm. Mitth. 1866. S. 456. 457. 

>) Le Globe, 1873. XII. L. H. <ic Laharpe, L' Imlo-Cliim- ot lc Fleuve Mekong. 8. 5fi. 
») Recht». Qtogr. Univ. ßd. VIII. S. 808. 
«) Potermann'8 Mitt 1883. S. 164. 



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Die Hydrographie des »«tlichen Indo-Cliina. 



75 



von dem bei Xiengson in den Mekong mündenden Mekok entfernt, 50 m breit, 
'/s m tief und »ehr gewunden.') Bei Xiengmai steigt die Breite auf 100 m*); 
der Fluss ist hier bereits schiffbar, empfängt bald darauf von 1. den Mekuaug 
oder den Fluss von Lampun, zeigt dann aber auf einer weiten Strecke von 
Muong Hawt bis zur Mündung des Mewang zahlreiche und sehr hinderliche 
Stromschnellen, 32 an der Zahl, 3 ) deren gefährlichste Doi Omlo heißt; nur selten 
wagt man in der Regenzeit dieselben zu passieren; meist müssen sie umgangen 
werden. Der dem Meping oberhalb Raheng zugehende linke Nebenfluss Mewang 
ist noch nicht bis zur Quelle verfolgt worden ; er empfängt von rechts den Mesan 
und Metam. Unterhalb Raheng, wo der Meping etwa 120 m breit 4 ) und durch 
Sandbänke eingeengt ist, nimmt er den Namen Menam an und durchfließt mit 
rascher Strömung das auf beiden Seiten ebene Land ; seine Tiefe ist unbedeutend ; 
nach der Vereinigung mit dem Paknam Po oder Menam Yai bei Paknam Pc 
wird der Menamstrom aber für Dampfer schiffbar: bei Ayuthia empfängt er von 
links den noch recht unbekannten Menam Sanhi, welcher aus dem siamesischen 
Gebirge entspringt, und erreicht dann, in viele Arme geteilt, bei Paknam das 
Meer. Im Unterlaufe ist er sehr gewunden, so dass Kanäle die einzelnen Schleifen 
verbinden; Kanäle auch führen zu den benachbart mündenden Flüssen, dem 
Meklong, Khorayok und Bang pakong oder Pochien. Jährlich überschwemmt der 
Menam vom Juni bis November seine Uferlandschaften und setzt dann hier die- 
jenigen Bestandteile ab, welche dem ganzen unteren Menamthal jene außer- 
ordentliche Fruchtbarkeit verleihen. Das Bett des Menam ist im Unterlauf 
1000—1500 Schritt breit, 9 ) seine Tiefe ist beträchtlich, so dass 12 m Wasser 
nicht selten sind. 8 ) An der Mündung befindet sich eine Barre die nur 1 — 2 m 
Wasser über sich trägt, so dass große Seeschiffe nur mit der Springflut herauf- 
kommen können. Sandbänke fehlen gänzlich. ') 

Bentttzte Literatur über den Mekong, 
a) Oberlauf. 

1. B. S. P. VI. 14. 1877 II. S. 429 ff Desgodins, Notice sur le Tibet. 

2. B. S. P. VI. 12. 1876 II. S. 202 ff. Desgodins, Le cours supericur de« 
fleuves de l'Indo-Chine. 

3. B. S. P. VI. 12. 1876 II. S. 315—326 Desgodins, Notice sur le Tibet. 

4. B. S. P. V. 18. 186« II. S. 317—331 Desgodins, Extrait de ses lettres. 

5. B. S. P. VI. 10. 1875 II. Desgodins, Itiueraire de Yerkalo ä Patang. 

6. B. S. P. VI. 13. 1877 I. S. 173 ff. Desgodins, de Yerkalo a Tsekou. 

7. B. S. P. VI. 2. 1871 II. S. 343. Desgodins, ltindraire de Patang ä Yerkalo. 

8. B. S. Lyon III. 1880. Desgodins, le Tibet. 

9. Le Tibet, par Desgodins. Paris. 

10. Gill, the River of Golden Sand, Introductory by Yule. 

11. Kreitner, Im fernen Osten. S. 943 ff. 

12. Petermanns Mitteilungen 1881 S. 241. Kreitner, von Sayang in Yunnan 
nach Bhamo in Birma. 

13. Cooper, Travels by a pioneer of commerce. London 1869. 

14. H. Lullies, das chinesisch-tibetanische Grenzgebiet Königsberg 1880. 

b) Mittel- und Unterlauf. 

1. Voyage d'Exploration en Indo-Chine publie par Fr. Garnier, Paris 1873. 

2. De Carne\ Travels in lndo-China and the Chinese Empire. 

3. Elisee Reclus, Geographie Universelle Band IX. S. 842 ff. 

4. B. S. P. V. Ser. 17, 1869 I. S. 97 ff. Garnier, Note sur l'Exploration du 
Cambodje. 

>) Bock Peterm. Mitth. 1883. 8. 166 
J ) Ebenda 164. 
»> Bock 8. 167. 

*) Bock, Peterm. Mitth. 1883. 8. 163. 
») Baatian, Peterm. Mitth. 1866. 8. 456. 
•) Ebenda, 
i) Ebenda. 



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76 



Die Hydrographie dea ««Uictaen Indo-Chin*. 



5. B. S. P. V. Scr. 7. 1864. I. S. 5, Gramraont, Notice sur la Basse 
Cochinchine. 

6. B. S. Geographie de l'Est 1880 II. S. 242. Fenal, le Bassin du Cambodje. 

7. Revue Maritime ColonialeXXVI. 1869 S. 358— 79. F. Garnier, Laos Siaraois. 

8. Rev. Mar. Col. XXXII. 1872. S. 465—79. d'Arfeuille et Rhoinart, Voyage 
au Laos. 

9. Rev. Mar. Col. XXV. 1869. S 805—824. Garnier, Voyage d'Exploration. 
en Indo-Chine. 

10. Le Globe XII. 1873. S. 30—96. L. H. de Laharpc, L'Indo-Chine et le 
Flouve Mekong. 

11. Petermanns Mitteilungen 1868 — 1869. Die französische Mekong-Expedition 

12. Cochinchine francaise, Excursions et Reeounaisances 9. S. 439 — 445, M. 
Moreau, Rapport sur les Cours d'eau de la peninsule de Camau. 

13. Coch. franc. 9. S. 445 — 455. Bonnaud, Rapport d'un voyage de 
reconnaissance dfins le haut Mekong. 

14. Coch. franc. 9. S. 495—513. Boulanger, Le Debit du Mekong. 

I. Das Becken des Mekong. 

1. Der Mekong. 

Der Mekong ist einer der bedeutendsten Ströme Asiens, sowol in Bezug 
auf seine Lauflange als auch «auf seine Wasserfalle, gehört aber zugleich auch 
zu den am spätesten bekannt gewordenen. Bis 1859 kannte man nur seine Mün- 
dungen, bis 1867 seinen Unterlauf bis Cratieh an den ersten Katarakten, also 
etwa 450 Km Laufhinge. Früher noch lernte man merkwürdigerweise Teile seines 
Oberlaufes kennen, da Mac Leod 1837 vom Golf von Siam ans nach Xieng- 
Hong, Mouhot 1861 nach Luang-Prabang gelangten, Desgodins aber seit 1861 
den zwischen Yerkalo und Yetche gelegenen Teil seines Oberlaufes erforschte. 
Gflnzliche Unkenntnis herrschte aber Uber seinen Mittellauf von Luang Prabang 
bis Cratieh; diese Lücke füllte die französische Expedition unter De Lagree 
und Garnier 1866—1868 aus, welche den Strom bis Xiong-Hong befuhr und 
aufnahm, wodurch derselbe mit einem Schlage einer der besser bekannten geworden 
ist. Die Mannigfaltigkeit der Bevölkerung bringt es mit sich, dass eine große 
Zahl von Namen für den Strom existieren; so nennen ihn die Tibetaner Dzakio, 
Dakio oder Nakio; die Chinesen Lantsankiang oder Kiulongkiang, die Annamiten 
Songlong, die Laosbevölkerung Nam Khong, die Cambodjier Tonly thom, die 
Siamesen Mekong und die Franzosen Cambodja, welch letzterer Name jedenfalls 
der unpassendste von allen ist und hoffentlich bald dem sonst überall ange- 
nommenen siamesischen Namen Mekong Platz machen wird : wir behalten den 
letzteren bei, da derselbe der kürzeste und frühest gebrauchte ist; im Oberlaufe 
in Tibet muss jedoch der Name Lantsankiang ebenfalls gebraucht worden. 

a) Oberlauf. Die Quellen des Mekong sind noch unbekannt. Man setzt 
dieselben jetzt meist in die Gegend des 94. Langen- und 34. Breitengrades, ohne 
indes irgend sichere Stützpunkte für diese Annahme zu haben. Der nördlichste 
bekannte Punkt, wo der Mekong gesehen wurde, ist die kleine Ebene von 
Tsiamdo oder Tschamuto unter 31° 15' n. Br. Hier fließt der ziemlich breite 
Strom aus dem westlichen Umtschu und dem östlichen größeren Dzatschu oder 
Lakio zusammen, welche beide von NW. kommen sollen. Von Tsiamdo bis 
29° 10' wissen wir nichts Näheres über den Strom. Desgodins bereiste zwar 1862 
diese Gegenden, hielt sich jedoch auf dem Kamme der den Fluss begleitenden 
Gebirge, so dass der Lauf des letzteren nicht feststeht. Überhaupt sind wir auf 
äußerst wenige Nachrichten über diese Gebiete angewiesen. Huc und Gäbet 
kreuzten auf ihrer berühmten Reise 1846 den Fluss bei Tsiamdo, seitdem hat 
aber nur der Abbe Desgodins über die nördlichsten bekannten Teile seines 
Laufes Notizen veröffentlicht. Neuerdings haben dann die Versuche der Engländer, 
einen Landhandelsweg nach China zu finden, den Fluss mehrfach in den Vorder- 
grund des Interesses geschoben ; wirklich besucht sind aber nur sehr wenige Stellen 
desselben worden. Unter andern sah ihn Coopcr unter 29° 10' von Pamuto oder 



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Die Hydrographie des Östlichen Indo-Chtna. 



77 



Bamutong aus in einem engen Thale von ca. 120 m Breite fließen 1 ) und von 
hier an, von dem Orte Gotschu aus, kennen wir den Strom bis 27° 20' dem fernsten 
Punkte Coopers und Desgodins'. Am bekanntesten ist durch des letzteren Bericht 
die Stadt \erkalo geworden, bei welcher sich Salinen im Flusse und heiße 
Quellen bei Kio-tseu-ka finden. Bei Yerkalo mündet das vom Kiala-Plateau 
herabkommende sehr steile und enge Thal des Kianglong-Flusses. Die Höhe dos 
Flussbettes des Lantsankiang beträgt hier 2871 m. 1 ) Wahrend der ganzen be- 
kannten Strecke seines Laufes fließt derselbe zwischen den steil aufsteigenden 
beiden Meridionalketten, der mittleren und östlichen, einher und zeigt hier stets 
dieselben Erscheinungen, steil ansteigende Ufer, enges Flussbett, starke Strömung, 
Stromschnellen, zuweilen kleine Ebenen in einer Thalerweiterung, dann wieder 
wilde Felsenschluchten. Unterhalb der Salinen fließt der Lantsankiang zwischen 
nackten kahlen Felsen stark gewunden dahin, besonders bei Napo und Tso, wo 
er Goldsand fuhrt und ausgedehnte Schwefellager an seinen Ufern bloßgelegt 
hat. Seine Breite beträgt hier 80 - 100 m 3 ) vermindert sich aber auf der Strecke 
von Lieu tong kiang bis Giunda auf 30—40 m, so dass eine kolossale Schlucht 
entsteht, in welche sich von allen Seiten Gießbäche hinunterstürzen. Bei Kiapd 
mündet von links der größte derselben, der Tsalila, welcher vom gleichnamigen 
Gipfel herabkommend das Thal von Atentse durchfließt. Nachdem sich der 
Lantsankiang dann wieder etwas erweitert, und in der Richtung nach der Mis- 
sionsstation Bonga eine kleine Ebene gebildet hat, in der bei Tsereting der 
gleichnamige, vom Dokerla-Berge kommende Fluss mündet,*) verengt er 
sich wieder und durchbricht unterhalb von Yangtsa bis nach Tseku (Tzekoo) 
hin die ihn einengenden Vorberge der Parallelketten in «1er von Coopcr so 
genannten Hoggs Gorge. Am Eingang desselben bei Goneah 100 m breit, drängt 
er plötzlich sein Wasser auf kaum 20 m Breite zusammen, um dann unterhalb 
der Schlucht wieder auf 180 m sich zu verbreitern; 5 ) im Sommer soll er dort oft 
um nicht weniger als 27 m steigen. Auch unterhalb Tseku versenkt sich der 
Lantsankiang wieder in eine tiefe Schlucht, deren Abhänge mit Gesträuch und 
Bäumen besetzt sind, im Gegensatze zu dem bisher geschilderten Lauf, der in 
fast ganz nackte Berge eingeschnitten ist. Diese Verengung des Flusses dauert 
bis Lota. Hier ändert sich plötzlich die Sceneric,*) die Berge treten zurück und 
werden niedriger und erst hinter ihnen erblickt man die hohen felsigen schnee- 
bedeckten Häupter der Hauptkette, welche weiter oberhalb fast ganz an den 
Strom herantritt. Dieser verbreitert sich hier auf 250 — 300 tn, wird mäandrisch, 
namentlich zwischen Puto und Pulutao und erhält eine beträchtliche Menge von 
Gießbächen von beiden Seiten. Etwas südlich Yetsche bei Siao Uisi unter 27° 20' 
hört unsere Kenntnis des Flusses auf. Außer den obengenannten Gießbächen 
empfängt der Lantsankiang auf der ganzen Strecke keinen nennenswerten Fluss. 

Unter 25°20' n. Br. und 99° ICK ö. L. treffen wir wieder auf eine Stelle, 
wo der Lauf des Flusses bekannt ist, da hinr die Straße von Talifu in Yunnan 
nach Bhamo am Irawaddy den Fluss kreuzt. Hier überschritten ihn Gill 1877, 
Graf Szechenyi und Kreilncr 1880. An der Übergangsstelle 10 Km. südlieh 
Sayang ist er 100 Schritt breit und strömt ruhigen Laufes durch ein imposantes 
Felsonthor. Zur Trockenzeit ist er von einigeu Sandinseln bedeckt, während zur 
Regenzeit das ganze 120 Schritt breite Thal vom Wasser überflutet ist. Sein 
Bett liegt hier in 1105 i»') absoluter Höho, so dass sein Gefälle seit Yerkalo 
ca. 7 m pro Km. beträgt. 

Von hier bis zum 22. Grad wissen wir nichts über den Mekong, da die 
französische Expedition denselben bei Xieng-Hong verließ, um ihren Rückweg 



') Cooper, Travels of a pioueer of commerce 8. 297. 
J ) DcJHfodins, B. 8. P. VI. Sit. 2. 8. 343. 
») Dcagodins, B. 8. I\ VI. 8<*r 10. 1875 II. 
*) Ebenda. 

J ) Cooper, Travel* of a pioneer of commerce 8. 297. 
«) Desgodinn, B. 8. P. VI. 8.'*. 13. 1877 I. S. 170. 

') Nach Kreitner, Von Sayang in Ynnnan nach Bamo in Birma, Pcterm. Mitth. 1881. S. 241 
uud Karte Tafel 12. Ferner Kreitner „Im fernen Osten- 8. 943. 



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78 



Dia Hydrographie de» östlichen Indo-China. 



durch Yunnan zu nehmen.') Man muss annehmen, dnss der Strom von Sayang 
an fortgesetzt zwischen Bergketten fließt, da die ihn östlich begleitende erst bei 
Xieng-Hong nach SO. hin abschwenkt, die mittlere aber oberhalb Xieng-Hong 
bereits wahrscheinlich eine Trennung in mehrere Ketten erleidet, von denen eine 
da» rechte Ufer des Mekong begleitet. Bei Xieng-Hong beträgt die absolute 
Höhe des Flussbettes de« Mekong ca. 620 m: seine Breite 300 — 400 i»; die 
Strömung ist gering, die Ufer eben. Unterhalb Xieng-Hong verengt er sich jedoch 
wieder, führt eine Unzahl von Baumstämmen und hat fast in seinem ganzen 
Bette Waaser. Zwischen Hügelreihen durchfließend, ist er ziemlich gut schiffbar. 
Bei Sop Yong empfangt er einen Bach warmen Wassers, welcher an einer 
Felswand aus 3 — 4 Quellen entspringt, die eine Temperatur von 86° haben und 
von Dampfwolken überlagert sind. Der Mekong, welcher hier Nam Khong 
genannt wird, ist nur 100 — 150 m breit: seine Ufer sind sehr wenig bewohnt; 
dieses setzt sich auch in noch höherem Maße in der Gegend von Paleo fort, wo 
der Fluss in weiter ganz menschenleerer Ebene dahinfließt. Unterhalb Paleo 
aber beginnt derselbe wieder einen großartigen Charakter anzunehmen. Wahrend 
zur Regenzeit das ganze 600 m breite Flussbett mit Wasser angefüllt ist, fließt 
der Mekong zur Trockenzeit in einem zweiten tiefergelegenen Bette, einen 50 — HO m 
breiten Kanal mit großen Sandbänken, kolossalen Felstrilmmern und zutnteil 
großer Tiefe. Hier Deginnen die Stromschnellen, deren gefährlichste, die von 
Tang Ho, unüberschreithar ist; sie wird durch einen Fels gebildet, welcher den 
ohnehin hier nur 30 m breiten Kanal in zwei Hälften teilt, durch welche das Wasser 
in gewundener Passage mit sehr starker Strömung hindurchschießt. Unterhalb 
derselben erweitert sich der Strom wieder auf 150—200 m und fließt zwischen 
nicht allzu hohen Uferbergen, Inseln in seinem Bette tragend, verhältnismäßig 
ruhig dahin, bis er unterhalb Xieng Sen wieder ebenes Land erreicht, weshalb 
er sich hier auf 400 — 500 m Breite bei 16 m Tiefe ausdehnt. Zu erwähnen sind 
hier die großen Inseln Don Ten und Don Mun. Der Fluss ist hier ruhig; die 
Strömung schwach; Felsen fehlen im Strome. Doch dauert diese Ruhe nicht 
lange; denn unterhalb Xieng Khong treten die Ausläufer der den Fluss im Westen 
begleitenden im Mittel 1200 m hohen Kette wieder nahe an denselben heran; 
ein Durchbruch wird nothwendig; die Felsen im Strombette vermehren sich, die 
Breite vermindert sich auf 150 — 200 m und es folgt die Schnelle Keng Le, welche 
in einer Erstreckung von nicht weniger als 100 m durch blaue kalkige Schiefer 
erzeugt wird. Erst bei Pakben ändert sich wieder die Bodenkonfiguration. Hier, 
wo das Stromgebiet des Mekong der einen Mcnamquclle am nächsten kommt, 
treten die Berge zurück; der Strom fließt genau östlich; seine Tiefe beträgt 
25 — 30 m, seine Breite 400 — 500 m. Kurz vor Luang-Prabang verengt er sich 
jedoch wieder auf 300 m, wird gießbachartig, bildet Schnellen, zeigt sehr ge- 
wundenen Lauf, eine Tiefe von 16 m und schwillt zur Regenzeit bis ll l / 2 »» 
an, wie eine Höhenmarke der Bewohner einer Grotte gegenüber der Mündung 
des Nam Hu anzeigt. Bei Luang Prabang (350 m) ist der Fluss ruhig, seine 
Ufer sind 15 m hoch, seine Breite beträgt 400— 500 m. Von hieran folgt jedoch 
bis Vien Chan der schlimmste Teil des ganzen Laufes seit Xieng Hong.' Denu 
da der Strom hier die nördliche Randkette des Plateaus von Laos zu durch- 
brechen hat, ehe er auf dieses gelangen kann, so entsteht eine fast ununter- 
brochene Reihe von Stromschnellen, welche bis Vien Chan andauern. Der Fluss 
ist meist 100-150 m breit; doch verengt er sich auch bis auf 40 m: im all- 
gemeinen ist in der Mitte des Flussbettes ein tiefer und schmaler Canal aus- 
gegraben, in welchem sich eine kolossale Strömung entwickelt Zuweilen verbreitert 
sich der Strom oberhalb und unterhalb der Schnellen bassinartig bis auf 1 Km 
(z. B. bei der Schnelle Keng Sao unterhalb Paklay) und fließt dann ruhig mit 
geminderter Strömung; dann aber wieder durchbricht er mit verdoppelter Gewalt 
eine neue sich ihm entgegenstellende Barriere und stürzt zwischen mauerähnlich 
aufragenden Felsen durch die von ihm selbst geöffneten Thore. Die Ufer sind 



M Der gansse folgende Abschnitt Uber den Oberlauf ist ausschließlich Garnier Voyage d' Ex- 
ploration en Indo Chine. Paris 1873. Band I., entnommen. Vrgl. daau de Carne, Travels in Iudo- 
China, London. 



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Die Hydrographie de« »»tlicheu Indo-China. 



79 



nicht allein menschenleer und öde, sondern zumteil auch gänzlich vegetationslos. 
Felsenreihen durchziehen das Bett von einem Ufer zum andern. Die Tiefe des 
Strome» ist wechselnd; im allgemeinen 12 — 16 m tief, erreicht er an den Durch- 
brachen und Einengungen 30 — 60 m, ja sogar an manchen Stellen Uber 100 m 
Tiefe. Sein Bett bilden Schiefer, Kalkstein, Marmor, Serpentin, welche in allen 
denkbaren Farben schiltern; auch vulkanische, meist dunkle Gesteine treten 
auf, z. B. Basalt an der Schnelle Keng Khbo. 

So folgen einander von Luang-Prabang an die Schnellen von Keng Mong, 
K. Soc, K. Canioc, welche letztere unüberschreitbar ist, da sie einen Wassersturz 
von 1 m Höhe aufweist ; hierauf verbreitert sich der Fluss auf 200 wi, um darauf 
eine der schlimmsten Sehnellen, die durch drei enorme Felsen verursachte Sehnelle 
K. Luong, zu bilden; bis zur Mündung des Nam Neun hören dieselben nicht auf. 
Drei Tagereisen oberhalb Ban Muong Diap beginnt eine Einöde, in welcher der 
Fluss, 150 i» breit, 26 m tief mit ziemlicher Geschwindigkeit über unaufhörliche 
Schnellen dahinbraust. Bei der Stadt Paklay verbreitert er sich und bildet große 
Sandbänke; oberhalb der Schnelle Keng Sao steigt seine Breite sogar auf 1 Km, 
um dann abermals stark zusammengedrängt die genannte Schnelle zu durchlaufen. 
Es folgt dann eine längere ruhige Strecke, wo der Fluss 10 — 12 m tief, 200 m 
breit, mäandrisch gewunden und leicht zu befahren ist, da weder Bänke noch 
Felsen ihn sperren. Bei Xieng Cong aber beginnen wieder die Stromschnellen, 
zunächst K. Coutco, dann die sehr gefahrliche K. Tom. Von Pak Tom bis Sanghao 
ist der Canal 70—150 m breit, 33 — 55 m tief, das Wasser ruhiger und die 
Schiffahrt leichter, bis dann unterhalb Sanghao abermals eiue Schnelle, K. Chatig, 
zwischen gänzlich vegetationslosen, nur von Elephanten und anderen wilden Thieren 
besuchten Ufern, folgt. Unterhalb derselben ist dann wioder ein Ruhepunkt; dor 
Canal ist 100 m breit, die Schiffahrt leicht; dann aber verengt sich der Mekong 
an der Schnelle Pangsao zu zwei durch einen kolossalen Fels getrennten, 25 m 
breiten Armen bei 35 m Tiefe und ganz enormer Strömung. Iiier überall fand die 
französische Expedition z w e i Flußbetten ; ein unteres, 25 m tief, canalartig mit ver- 
änderlicher Breite von 30 — 100 m und schroffen Ufern; darüber ein oberes, 3 — 400 m 
breit, mit 15 — 18 m hohen Ufern, mit ungeheuren Felsblöcken erfüllt. Nachdem 
noch die Schnellen K. Khbo und K. Cai überschritten sind, erweitert sieh der 
Fluss plötzlich von 100 m auf 200 m Breite, bei gleichzeitiger Abnahme der 
Tiefe von 60 m auf 48 m; die Berge treten zurück, die Höhe der Ufer nimmt 
ab; sie beleben sich mehr und mehr, die Strömung wird schwächer; der Fluss 
verbreitert sich fortgesetzt, wird ruhiger und tritt endlich mit 1 Km Breite aus 
den Bergen heraus, welche er wahrscheinlich von seinen Quellen au nirgends 
dauernd verlassen hat. Man kann diesen Punkt, Vien Chan, wo der Strom nach 
Durchbrechung des Kandgebirges auf das Plateau von Laos tritt, passend als 
Endpunkt des Oberlaufes und Anfangspunkt des Mittellaufes bezeichnen. 

b) Der Mittellauf. 1 ) Von Vien Chang an fließt der Mekong zunächst 
noch eine Zeitlang in nordöstlicher Richtung, wendet sich aber dann bei Kampea 
nach Südsüdost und behält diese Richtung fortan bei. Er durchströmt das Plateau 
von Laos im allgemeinen in großer Breite und mit wechselnder Strömung; denn 
wenn er auch weite Strecken durch leichtgewellte Ebenen zurücklegt, so wird er 
doch mehrfach genötigt, quer vorgelagerte Bergzüge, welche die Verbindung 
des siamesischen Gebirges mit dem annamitischen herstellen, zu durchbrechen. 
Da diese Querriegel vielfach aus sehr widerstandsfähigen Gesteinen, wie z. B. 
von Khemarat bis Stung Treng meist aus ophitischen Felsarten, bestehen, so ent- 
stehen auch im Mittellauf des Mekong noch außerordentlich wilde Durchbrüche, 
in denen der Strom sich sehr Btark verengt, eine kolossale Tiefe erreicht, und 
eine Unzahl Stromschnellen bildet, welche ihm das Ansehen eines ungeheuren 
Gießbaches geben, so dass die Schiffahrt an vielen Punkten selbst für Barken 
gänzlich unmöglich gemacht ist. Von Vien Chan bis etwa Ponpissay bildet der 
Mekong das Centrum einer ziemlich starken BevölkerungsanBammlung ; seine 

') Der Mittellauf des Mekong ist gan* ausschliesslich nach dem Reisewerke ünruier's: 
Voyage d'Exploration cn Indo-Cliiue, bearbeitet; aämmtlicbo Zahlenangaben «iud demselben ent- 
nommen, eine grosse Zahl von Aufsätzen über das Mekonggebiet von Garnier selbst, Labarpe, 
Fenal n. A. «tütsen sich allein auf die Resultate der frsinösUchen Kxpeditiou. 



Die Hydrographie de« östlichen Indo-China. 



Ufer sind stark bewohnt: eine Menge Ortschaften umkränzen dieselben und die 
Trümmer vieler anderer größerer lassen erkennen, das« hier früher der Sitz 
mächtiger Dynastien der Laosherrscher gewesen sein muss. 

Gleich unterhalb Nongkay wird die Schiffahrt wieder schwierig, da eine 
große goldführende Quarzbank sich dem Mekong quer vorlagert. Unterhalb Pon- 
pissay fließt der Mekong außerordentlich stark gewunden in weiter Ebene zwischen 
öden Ufern ohne große Tiefe dahin ; unterbrochen wird diese Eintönigkeit durch 
eine Reihe von Schnellen, welche infolge der veränderten Richtung des Stromes 
sich einstellen. 

Die erste ist die Schnelle Keng Ahong oberhalb der Mündung des Nam 
Makang, wo der Flusscanal auf 25 tn Breite zusammengedrängt wird. Sodann 
die von Ilang Uong, in welcher der Mekong 250 m breit, 25 m tief und sehr 
reißend ist ; sein Niveau überschreitot er zur Hochwasserzeit nach einer Höhen- 
marke um 13,80 m. Auf eine ruhigeStelle folgt dann die Keng Sdoc, welche bei 
nur 4 tn Wassertiefe durch Sandsteinmassen verursacht wird, welche das Massiv 
von Phu Ngu gegen den Strom vorschiebt. Sodann folgt abermals eine Ruhe- 
pause; unter Bildung von Sandbänken fließt der Strom ruhig bei Hu-ten vorüber, 
dann aber muss er kurz vor La Khon die von den Phu Lekphay-Bergen her- 
stammenden Schieferraassen durchbrechen, wodurch er auf 400 tn eingeengt wird 
und bizarr erodirte Felsen entstehen, welche das ganze Bett quer durchziehen, 
indessen der Schiffahrt kein Hindernis bereiten. Bei Lakhon selbst ist das 
Flussbett 836 m breit, doch sind zur Trockenzeit davon nur 480 tn mit Wasser 
bedeckt : die größte Tiefe findet sich mit 10 tn am linken Ufer, die mittlere Tiefe 
beträgt 5,68 tn. Der Mekong fließt hier mit einer Geschwindigkeit von 0,66 m 
in der Sekunde. Eine kolossale Sandbank liegt dicht vor der Stadt im Flusse. 
Von Lakhon bis südlich von Ban Muc strömt der Mekong, beinahe 2000 tn breit 
in weiter, mit prachtvoller Vegetation bestandener Ebene, ist sehr tief, zeigt 
schwache Strömung und nur sehr wenige Sandbänke. 

Dann aber engen ihn zwischen Kemarat und Bassac eine Reihe von Quer- 
riegeln ein. Zunächst sind es die Berge von Kemarat, welche er durchbrechen 
muss: dies geschieht mittelst einer Unzahl von Canülen zwischen großen Sand- 
stein bänken, wodurch, da obendrein die Tiefe häufig nur 2 m beträgt, die Schiff- 
fahrt sehr gefährdet wird. Die Schnelle Keng Kebao ist der schwierigste Punkt 
dieses Teiles des Stromlaufes. Dann aber sind es besonders die Vorbergo des 
großen, am linken Ufer sich erhebenden 1000 tn hohen Massivs von Sarawan, 
Boloven oder Bassac, welche dem Strome Hindernis bereiten. 

Devonische Kalke und triassische Sandsteine, welche den größten Teil 
des ganzen Plateaus von Laos zu bedecken scheinen, vereint mit jenem eigen- 
tümlichen Gesteine, welches die Franzosen nach dem ersten Fundort pierre de 
Bienhoa nennen, werden in einer ununterbrochenen Reihe von Schnellen durch- 
schnitten, wodurch dem Flusse auch hier da« Aussehen eiues riesigen Gießbaehes 
gegeben wird; man kann zwar annehmen, dass auf dieser ganzen Strecke von 
Kemarat bis Pakmun an der Mündung des Se Mun eine kontinuierliche Tiefen- 
linie von 6 — 8 i» besteht: doch ist der Stromstrich sehr wechselnd und die 
Schiffahrt infolge dessen gefährlich und unsicher. Im allgemeinen ist der Canal 
in der Mitte de» ganzen Bettes 60 m breit, zeigt bei ruhigem Wasser eine Tiefe 
von manchmal mehr als 100 m und vielfach sehr starke Strömung; der Niveau- 
unterschied zwischen Trocken- und Regenzeit scheint 15 m zu betragen; die 
Breite des ganzen Flussbettes ist oberhalb Pakmun 200 —500 m, im Jänner aber 
nur 100 m : wir sehen hier also auch bei Hochwasser den Strom sehr eingeengt, 
während die Tiefe ins Ungeheure wächst. Von Kemarat abwärts treffen wir 
die Schnellen Keng Konkilac und K. Natki-Khoai, K. Meluc und K. Heunia'i, 
endlich K. Taimepac, wo der Strom auf 700 m erweitert, aber mit zahllosen 
Felsen besetzt ist. Sodann folgt die von grünen und rothen Sandsteinfelsen 
gebildete K. Kanien mit nur 48 m Breite, ganz kolossaler Strömung und Wirbel- 
erscheinungen, die sich alle 2 — 3 Minuten wiederholen. Sodann verbreitert sich 
der Mekong auf 500 «*, worauf jedoch plötzlich fünf neue Schnellen, K. Kalacac, 
K. Knluang, K. Congnoi, K. Kenassy, K. Nangua folgen. Die erwähnten Wirbel 
sind ganz besonders ausgebildet bei der Schnelle K. Songeon, wo der Fluss 



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Die Hydrographie de« östlichen Indo-China. 



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durch eine Felsmaase in zwei Arme von 45 und (50 m Breite getheilt wird. Sodann 
erweitert er sich wieder auf volle 1000 tu bei der Insel Don Macheua, hat jedoch 
hier im Januar nur auf 57 m (!) Breite Wasser, so dass also nur der zwanzigste 
Teil des ganzen Strombettes den eigentlichen Flusslauf birgt. Bis Pak Mun 
erhält er sich dann zur Regenzeit in der Breite von 800— 900 m, die jedoch im 
Januar auf 150 wi, in den Schnellen von K. Seinhon und K. Kaac auf nur 
60 — 80 m bei 6 — 10 m Tiefe zusammenschrumpft. Seine Ufer sind 10— 20 m 



die Schnellen von K. Kep, K. San und K. Kok, zwischen denen der Flnss 
300 — 400 m Breite und große Tiefe besitzt. Oberhalb der Schnelle von Ban Falong 
ist er 800 im breit und verengt sich dann plötzlich auf 55 m (!) um dann unter- 
halb derselben wieder auf 350 — 400 m Breite anzuwachsen; Sandsteinbänke 
nehmen da« ganze Flussbett ein. 

Die letzte Schnelle vor Pak Mun wird durch einen Felsen gebildet, welcher 
das oberhalb 150 — 200 m breite Bett in zwei Arme von 60 und 80 m Breite 
teilt. Die Strömung ist Uberall reißend, so dass die Schiffahrt sehr schwierig ist. 
Sodanu folgt an der Mündung des Se Mun ruhiges Fahrwasser, welches «auch 
dort anhält, wo der Strom durch das Plateau von Sarawan von links und durch 
die Berge von ßassac von rechts eingeengt und vielfach bis auf 200 m Breit«? 
reduciert wird, wie z. B. am Berge Phu Moloug, dem nördlichen Endpunkte 
der Bassackettc. Seine Ufer Rind kahl, öde und vegetationslos und werden von 
dunklen vulkanischen Gesteinen , Basalten und Ophiten gebildet. Da er jedoch 
häufig mehr als 70 m tief ist, so kann er von Pakmun bis zu deu Katarakten 
von Khong mit Dampfern befahren werden : Schnellen kommen nicht vor. 

Vor Bassac selbst wird der Strom durch eine große Sandinsel in zwei 
Arme getheilt, deren östlicher 400 m breit ist, deren westlicher aber die Breite 
von fast 2 km erreicht. 

Die nun folgenden Katarakte von Khong aber machen die Schiffahrt 
vollkommen unmöglich. Dieselben bezeichnen den Punkt wo der Mekong sich 
über den niedrigen Rand des Plateaus von Laos in die Alluvialebene Cainbodjas 
ergiesst. Er tritt hier oberhalb Khong in der Breite von 1200 -1500 m an die 
Randkette heran, verbreitert sich vor demselben auf die ungeheure Ausdehnung 
von ti km und lässt weite und große Inseln zwischen seinen einzelnen Annen. 
Diese Inseln sind als Producto der Alluvionen aufzufassen, welche der Mekong 
an «lern zu durchbrechenden Rande des Plateaus aufgestaut hat; diesen letzteren 
hat er in etwa 20 Kanälen durchbrochen ; indessen stürzt er nicht in einem Sturze 
über den Rand des Plateaus hinab, sondern verteilt die Überwindung des Niveau- 
unterschiedes von etwa 150 m auf die lange Strecke von 12 — 13 Ärm Lauf länge, 
so dass nur sehr wenige und verhältnismäßig niedrige Wasserstürze entstehet!, 
wodurch er dem Kongo in dessen Laufe vom Stanley Pool bis Borna gleicht. 
Die größte Höhe der Wasserstürze findet sich in den beiden äußersten Oanälcn 
Papheng und Semphonit und beträgt etwa 15 m; auch der Sturz Salaph zwischen 
dem Semphonit-Knnal und der Insel Khon hat 12 — 15 m Höhe und der zwischen 
Don Isom und Don Khon soll sogar 20 m betragen. 

Zur Trockenzeit haben nur die beiden äußersten Kanäle, sowie der vom 
Sehong Wasser, letzterer auch nur eine Tiefe von 2 mx die übrigen Passagen 
sind gänzlich ausgetrocknet 1 ). Unterhalb der Katarakte von Khong bildet der 
Mekong ein ungeheures Baasin von fast 15 km Breite bei einer mittleren Tiefe 
von 40 m. In seiuem weiteren Laufe, z. B. bei Stung Treng ist der Mekong 
noch fortwährend genöthigt, sich seinen Weg über große Massen in seinem Bette 
liegender Marmorfelsen zu bahnen, welche zumtheil außerordentlich schön poliert 
und geschliffen sind. Infolge dessen dauert die Bildung von Inseln und Sand- 
bänken fort, während die Ufer nicht mehr so stark bewohnt sind wie bei Khong, 
sondern dichten Wald tragen. 

Bei Stung-Treng wird der Mekong durch den 800 m breiten sehr wasser- 
reichen Sekong verstärkt, wodurch sich sein Volumen bedeutend vermehrt. Es 
folgen dann nach einer Strecke ruhig geschlossenen Laufes die Schnellen von 




') d'Arfeuille et Rheinart, Voyage au 



Her. Mar. CoL XXXII. 1872. 6. 476. 



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82 



Die Hydrographie de* östlichen Indo-China. 



Preatapang, welche durch das Vorspringen dos rechten Ufers nach O. hervor- 
gerufen werden, so dass liier eine Art Barre erzeugt wird, oberhalb deren eine 
Unzahl von Inseln den Strom beengen, welche das Wasser stauen, das sich dann, 
von der vorspringenden Spitze des Ufers abermals aufgehalten, mit kolossaler 
Geschwindigkeit in die Kanüle des rechten Ufers stürzt. Südlich dieser Schnellen 
steigt die Gesammtbreite des durch eine breite und langgestreckte Insel in zwei 
Anne geteilten Strombettes auf volle 5 km, verengt sich jedoch bald auf V/ 2 km 
und es folgen dann die letzten Schnellen des Mekong, die von Sombor. Die- 
selben werden durch felsige Inseln gebildet, welche zur Trockenzeit aus dem 
Wasser ragen, während zur Regenzeit nur die Spitzen der auf denselben wach- 
senden Baume und Strftucher sichtbar sind. Da der Fluss hier sehr breit und 
die Anzahl der Inseln Legion ist, so ist der Überblick über denselben sehr 
schwierig. Die Tiefe beträgt zur Trockenzeit vielfach nur */a ♦»')• D ' 8 Uratieh, 
200 kzi unterhalb Khong und 450 km vom Meere entfernt, werden die Wir- 
kungen der Meeresflut verspürt 3 ). 

c) Der Unterlauf. Bei Sombor beginnt nach Überwindung der letzten 
Stromhindernisse der Unterlauf des Mekong in der großen Alluvialebene Com- 
bodjas und Niedor-Cochinchinns. Bei Pnom Penh bildet der Strom eine breite 
WnsBermasse von wechselnder Tiefe und ziemlich starker Strömung'). Bei Cam- 
pong Chan ist dieselbe zwar gleich Null , aber bei Peam Chelong und Roca 
Khnor wird sie sehr arg *). Bei Pnom Hanchey beträgt die Erhöhung des 
Wasserspiegels durch die Meeresflut noch 10 cm 5 ). Bei Roca Khnor ist der 
Mekong nur seicht, aber doch auch im Februar schilfbar*), obwohl Sandbänke 
auf Felsen, die wahrscheinlich die Fortsetzung der Granite von'Sampor Culey 
sind, die Schiffahrt behindern. Die vorteilhafteste Zeit für die Fahrt strom- 
aufwärts ist der November, da dann die Wasser schon stark gefallen und die 
Strömung gemindert ist ; übrigens ist die Dampfschiffahrt oberhalb Pnom Penh 
auch dann noch sehr schwierig: Kanonenboote können einzig durch den Pass 
von Ka Norea bei Pnom Penh fahren ') ; zur Regenzeit ist die Strömung so stark, 
dass sie einem Dampfer ernstliche Hindernisse bereiten würde; auch entstehen 
solche durch das Wechseln des Stromstriches mit der Jahreszeit und die im 
Flusse massenhaft befindlichen Klippen und Untiefen. Der Niveau -Unterschied 
zwischen Trocken- und Regenzeit beträgt auf der Strecke Cratieh-Pnom Penh 
mindestens 12 m H ). 

Bei Pnom Penh entsendet der Mekong in den Monaten Juni bis September einen 
beträchtlichen Teil seiner durch die Hochfluten der Regenzeit erzeugten Wasser- 
menge in den nordwestlich an der Grenze Siams und Cambodjas belegenen 
großen See Tonlesap oder Bienho oder Soi Rama und zwar mittelst des Flusses 
Tonlesap, so dass also in der Regenzeit hier eine ausgesprochene Bifurkation 
vorliegt. Zur Trockenzeit dagegen laufen die in den See gesandten Wasser 
wieder in den Mekong ab und zwar durch den nämlichen Fluss Tonlesap, der 
also in den Monaten Oktober bis Mai ein echter Nebenfluss des Mekong ist. 
Der See dient demnach als Wasserreservoir für den Mekong, der Fluss Tonlesap 
aU Wasserleitung zwischen beiden ; der See sowohl in der genannten Eigenschaft 
wie der Fluss Tonlasep in seiner doppelten Thätigkeit als Entleerer des Sees, 
Nebenfluss des Mekong und als Abfluss des Mekong andererseits stehen einzig 
in der gesammten Hydrographie da und bilden ein Phänomen, welche« zu den 
interessantesten und merkwürdigsten der Erde gehört und einen weiteren Beweis 
für die oben ausgesprochene Ansicht beiträgt, dass die Hydrographie Indo-Chinas 
infolge ihrer Fülle von seltenen Erscheinungen an Merkwürdigkeit wohl von 
keiner anderen Erdstelle Ubertroffen wird. 

') d'Arfeuille et Rheinart, Voyago au Laos. Rev. Mar. CoL XXXIL 1872. 8. 465. 
*) Garnier. B. 8. P. 1869. I. V. 8er 17. 8. 97 ff. 

*) Bouuaud, Rapport d'un voyago de roconnai&aance dans le Haut-Mekong Coch. franc. 
Heft 9. 8. 446—455. 
«) Ebenda. 
») Ebenda. 
*) Ebenda. 

') Hoimaud, Coch. frauc. 9. 445. 

») d'Arfeuille et Rheinart, Voyage au Laos. Rev. Mar. Col. XXXII, 1872. 8. 465-479. 



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Die Hydrographie des östlichen Indo-China. 



83 



Bei Pnom Penh beginnt das Delta des Mekong, eins der größten der Erde, 
insofern es bei einer Ausdehnung Uber 4 Millionen ha., nur dem Ganges- 
Brahmaputra- Delta nachsteht. 1 ) An der Vereinigungsstello des Mekong und 
Tonlesap trennen sich sofort zwei Hauptarme ab, so das» ein Flusskreuz entsteht, 
welches den Namen Quatrcbras mit Recht führt. 3 ) Hier fließt zunächst in süd- 
licher, dann in südöstlicher Richtung der Fleuverosterieur, oder A m g i a ng 
dem Meere zu; ihm parallel der östlichere größere Arm Fleuve Anterieur 
oder Tiengiang. Der Posterieur mündet in 3 Armen, die vom Westen 
nach Osten Cua tran de, Cua ba thac, Cua Dinh heißen und durch Sandinseln 
voneinander getrennt sind ; die Cua ba thac Mündung ist die bedeutendste der- 
selben. Ein Kanal verbindet in westlicher Richtung die Stadt Tschoudoc (Chaudoc) 
mit den kleinen Küstenflüssen von Tan'am und Giamton, welche am Cap de la 
Table gegenüber der Insel Koh Tron münden; ein zweiter Arm zweigt sich in 
derselben Richtung weiter südlich ab, begrenzt die Halbinsel Camau im Norden 
und geht der Insel Dama gegenüber in den Golf von Siam. Der Anterieur 
fließt bei Vinh Long in der Breite von 300 — 400 »i und einer Tiefe von 20 — 30 m 
geschlossen einher und bildet an diesem Orte ein secundäres Delta, dessen 
Mündungsarme sehr zahlreich und wechselud sind. 4 ) Zunächst spaltet er sich in 
zwei Arme, deren westlicher in den Mündungen Cua Cunghau und Cua cochin 
das Meer erreicht: der östliche besitzt dagegen vier Mündungen, nämlich von 
Süden nach Norden gerechnet, den Cua Harn long, Cua ba Tai, Cua Doi und 
Cua tieu. An letzterem Arme liegt die Stadt Mytho, welche durch eine Barre 
von 6 m von dem Meere getrennt ist; alle diese Mündungen sind Uberhaupt 
nicht tief.*) Der Anblick des Anterieur ist monoton ; bis Vinh Long trägt er 
unzählige kahle Inseln; dann erst beginnt die Vegetation sich einzustellen. 

Durch Seitenkanäle und Abzweigungen steht der Arm von Cua tieu mit 
einigen östlicher mündenden kurzen, aber tiefen Flüssen in Verbindung, die 
ehemals ebenfalls Zweige des Mekong - Deltas gewesen zu sein scheinen und 
jetzt aus den Höhen südlich des Chelong und den Sümpfen von Brelum ihren 
Ursprung nehmen ; der erste Verbindungsarm ist der arrovo de la poste, ein 
zweiter, weiter oberhalb, der grand arroyo commercial, welche beide zum Vaico 
Occidental führen. Dieser steht seinerseits wieder mit dem VaTco oriental und 
dem Flusse von Saigon in Verbindung. Dieser von Gautier 6 ) erforschte 
wichtige Fluss entspringt südlich Brelum bei dem Orte Leuck auf dem Gipfel 
eines kleinen Plateaus aus einer Spalte von 5 — 0 m Tiefe, und wird zugleich 
von einer Unzahl anderer Quellen gespeist, die einen Bach bilden. An der 
Grenze von Carnbedja und Französisch - Cochinchina ist der Saigonfluss schon 
5 — ü m breit, 0*25 — 100 m tief und fließt auf schwarzem Sandstein und Granit; 
zur Regenzeit ist er an der bezeichneten Stelle dagegen 30—40 m breit und 
20— 25 wi tief und verliert auch in der Trockenzeit sein Wasser nie. In seinem 
weiteren Verlaufe wird er rasch breiter und bietet bei Saigon den Anblick eines 
bedeutenden Stromes dar, dessen große Tiefe namentlich bemerkenswert ist, und 
zwar im Gegensatz zu den eigentlichen Mekong-Mündungen, wodurch sich denn 
auch der rasche Aufschwung der Stadt Saigon leicht ersehen lässt. Er verbindet 
sich mit dem von NO. aus dem annamitisenen Gebirge kommenden Donnalf zu 
der Soirap-Mündung und ist für die tiefgehendsten Schiffe zu jeder Jahreszeit 
bis Saigon schiffbar. 

Die Wassermasse des Mekong ist ganz ungeheuer; zuerst wurde sie 
von Garnier geschätzt, dann von Boulangier berechnet. Garnier fand zu Lakhon 
am Ende der Trockenzeit 1350 m* T ) in der Sekunde, zu Bassac in der Mitte 
der Trockenzeit (5. XII.), als das Wasser schon um 9 m gefallen war, eine 
Bewegung von 9000 m* Waaser in der Sekunde bei einer Strömung von nur 

•) Boulanger, Corbinchine francaise. 9. 8. 439 ff. 

*) C red oer, die Delta«, Petermanns Rrganaungshefto 56, 8. 11. 

') Siehe Uber das Delta die klare Karte in E. Reclus* Geographie Universelle Band VIII. 8. 823 
*) Grarotnont, Notice sur la Baase Cochlnchine. Bull. Suc Geogr. Paris 1864. I. 8. 5. 
») Ebenda. 

*) über diesen Flu««, siehe A. Gautier, Voyage au Pays des Mols Codi, franc. Heft 14. 8. 219. 
i) Garnier, Voyage etc. Reclus, Gdogr. Univ. VIII., 8. Boulanger, le D*blt du Mekong, Coch. 
frao ? . 9, 495-513. 



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84 



Die Hydrographie des Östlichen Indo-China. 



1 im ; zur Zeit des höchsten Wasserstandes (20. IX.) dürfte dieBe Zahl aber auf 
50.000 m 9 anwachsen, während das Minimum, im Februar, etwa 2 — 3000 i» 3 
betragen dürfte. Hier ist aber zu bemerken, dass der Mekong bei Bassac noch 
nicht die Wassermasse des Sekong aufgenommen hat, welche auf mindestens l / 4 
des Volumens des Mekong angeschlagen wird, so dass bei Pnom Penh zur Hoch- 
wasserzeit etwa 60— 70.000 m 9 Wasser in der Sekunde vorbeifließen würden. 
Buulanger") fand auf Grund genauer Messungen und Berechnungen Folgendes: 
Zu Pnom Penh wird die Flut wahrend 8 Monaten des Jahres, also zur Trocken- 
zeit gespürt; zu dieser Zeit fließt das Wasser nur an der Hälfte des Tages mit 
voller Kraft vorUber; in den 4 anderen Monaten, Juni bis September, zur Regen- 
zeit, dagegen stetig. Mit Berücksichtigung der Abzweigungsverhältnisse zum 
großen See ergibt sich nun folgendes jährliche Volumen des Mekong bei 
Pnom Penh: 

Trockenzeit: 8 Monate; mittl. Tiefe 10 m Schnelligkeit 1 m 50 per See. 
= 465 Milliarden m 9 . 

Rogenze it: 4 Monate; mittl. Tiefe 14 m Schnelligkeit 2m— per See. 
= 691 Milliarden i« 3 . 

Nimmt man die in den 4 Regenmonaten nach dem großen See abgezweigte 
Wassermasse, die für den Moment dem Gesammtvolumen des Mekong verloren 
geht, bei 10 m Tiefe und 2 Knoten Geschwindigkeit zu 103 Milliarden m 9 an, und 
die Wassermasse aller Nebenflüsse des großen Sees zusammen zu 37 Milliarden im 9 
so ergibt sich als wirkliches zu erreichendes Maximum des Gesammtvolumens 
bei Pnom Penh: 

Regenzeit: 691 -\ 103 -f 37 = 831 Milliarden »». 

Trockenzeit: 465 „ „ 

ganzes Jahr: fast 1300 Milliarden m\ 

An der Mündung des Mekong ist die Wassermasse noch betrachtlicher. 
Hier geht in den sich auf eine Strecke von etwa 30 km ausdehnenden 10 Fluss- 
mündungen die Flut täglich 12 Stunden aufwärts bis Pnom Penh, staut das 
Wasser und kommt in den übrigen 12 Stunden mit doppelter Gewalt zurück; 
diese Gewalt wechselt je nach der Jahreszeit, beträgt aber in der Regenzeit 
das Doppelte der Schnelligkeit in der Trockenzeit; letztere rechnet man zu 0. M m 
in der Sek., erster« also demnach zu 1 >00 m in derselben Zeit. Setzt man nun 
die Tiefe des Stromes durchschnittlich zu 4 m an, so ergibt sich für das Volumen 
des Mekong an der Mündung: 
Per Sekunde: 

Trockenzeit 30.000 X 4 X 0. 40 = 60.000 m\ 
Regenzeit 30.000 X 4 X l-oo = l^OOO^« 9 ^ 

Mittel jährlich "MÖOÖ w s . 

Per Sekunde also: 90.000 m». 
Per Stunde: 324 Millionen w 9 . 
Per Tag: 3 Milliarden 880 Millionen m 9 . 
Per Jahr: ca. 1400 Milliarden w s . 

Demnach wächst also das Volumen des Flusses von Pnom Penh bis zur 
Mündung um 100 Milliarden im 9 . 

Diese 9 ) ungeheure Wassermasse des Mekong ist natürlich geeignet, eine 
große Menge Alluvionsmaterial abzusetzen. Schon das stets gelbe, lehmartig 
gefärbte und getrübte Wasser des Flusses lässt auf eine Menge darin befindlicher 
fester Bestandteile schließen und Boulanger überzeugte sich durch Unter- 
suchungen von der Richtigkeit dieser Annahme. Rechnet man nun im Mittel 
für die Jahreszeiten auf den Kubikmeter Wasser nur ein m feste Bestandteile, 
so erhielte man jährlich 1 Milliarde 400 Millionen m 9 oder etwas weniger, also 
l 1 /, Milliarden im 3 derselben, welche, auf eine Zone von 1 m Dicke aus- 
gebreitet, ein Areal von 140.000 ha ergeben würden; in 10 Jahren würde dies 
eine Oberfläche von mehr als der Alluvionen Cochinchinas geben, wenn man 
das Delta allein auf 3 Millionen ha, das ganze Gebiet sammt allen andern 

') Alle diese Zahlenangaben nach Boalanger, Ie Dlbit da Mekong. Coch. franc. 9, 496 ff. 
*) Der folgende ebenfaLs nach Boalanger a. a. O. 



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Dio erste Reise des Vespucci und dei Actas de la IV Rennion de Americ»ni«tns. 85 



Alluvionen auf 4 Millionen ha annimmt. In 100 Jahren würde auf diese Weise 
das ganze Alluvionsgebiet um 4 m erliöht werden. 

In der That wächst das Delta zusehends beträchtlich; doch nicht so sehr 
in der Richtung der eigentlichen Flussmündungen, als vielmehr in dem ihm süd- 
westlich vorgelagerten als Halbinsel Camau bezeichneten Teile, da die aus der 
Cbinasee in den Golf von Siam eindringende Meeresströmung die feineren Be- 
standteile auffängt, mit sich führt und an der Ecke, wo sie in den Golf eintritt, 
wieder absetzt. So sehen wir die Halbinsel Camau keilförmig in den Golf von 
Siam vorgeschoben, dessen Durchquernng in einer geologisch nicht allzufernen 
Zukunft zu erwarten ateht. (Fortsetsung folgt) 



Die erste Reise des Vespucci und die Actas de la IV Reunioii 

de Americanislas. 

Von Prof. Engen Gelcleh, k. k. Director in Lussin piecolo. 

Als Varnhagen, der emsige Forscher, die Einleitung zu seinem Werke 
„Amerigo Vespucci. Son Caract&re, ses ecrits, sa vie et ses Navi- 
gation s" (Lima 1865) schrieb, dürfte er sich wohl einen größeren Erfolg von 
seinem Werke versprochen haben. „II est un fait de nos jours — so beginnt 
die besagte Einleitung — bien avere* que le venitien Jean Cabotto atterit au 
continent americain le 24 juin 1497, et par consequent plus d'un an avant l'amiral 
Colomb, qui ne vott la terre ferme que le 1er aoüt 1498. Gräce a la decouvertc 
du navigateur venitien, les panegynstes avcugles du grand gdnois sont devenua 
plus tolerante et moins interesses a nier au malheureux florentin Amerigo Ve- 
spucci rare „exemple d'une fleirissure morale croissant avec Fillustration du nom a 
le voyage quil assure avoir fait la meme annee de 1497." — 

Wie sehr sich Varnhagen geirrt hat, beweisen uns die „Actas de la cuarta 
reunion de Americanistas." •) — Der Regierungsrat Fabid ergriff nämlich 
schon bei der ersten Sitzung der Versammlung das Wort, um die Sprache auf 
den ersten Entdecker dea amerikanischen Festlandes zu bringen. 

Als es sich um den berühmten Process der Erben des Columbus gegen die 
Krone handelte, hat man bekanntlich unter anderm vorgebracht, dass Columbus 
nicht der erste war, welcher das amerikanische Festland betrat; es wurde viel- 
mehr versucht nachzuweisen, dass Hojeda die Küste von Paria vor dem Admirale 
erreicht hatte. Herr Fabie erinnerte nun daran, indem er den Vespucci mit dem 
Beiworte „wenig sympathisch" bezeichnete. 2 ) 

Zu den Auseinandersetzungen Fabie's bemerkte Jimenez de la Espada, 
dass, obwohl allen Mitgliedern des Kongresses die Thatsache bekannt ist, dass 
Columbus der erste war, welcher das Festland entdeckte, es doch wünschens- 
wert wäre, eine Kommission von Fachmännern zu ernennen, die sich die Mühe 
nehmen sollten, die Processakten nochmals zu untersuchen, indem aus denselben 
mehr Licht Uber einzelne Punkte erlangt werden könnte.') Arias do Miranda 
war der kühnste aller Redner. „Das gegen Spanien missgestimmte Europa suchte 
nach Gelegenheiten, um die Eroberer der neuen Welt anzuschwärzen. Eines der 
Instrumente, dessen man sich zu diesem Zwecke benützte, waren dio Fabeln, 

') Madrid 1883. 

*) . . . una do las cosas que se alegaron contra ei Aluiirante para negarle las vontajas, 
pactadas por nuestros reyes eu Granada, fue la do no Ii aber «iilo el priiucro quo llego al conti uentc 
americano; habieudose iuteutado probar qne el priinero fue Ojeda, al cnal aeompauaba el conocido 
y poco siinpätico Amerigo Vespucci. Sonderbarer Widersprach xu Cauovat's Worte: 80 nna 
vil gelosia tcutö di strappargli di fronte la meritata corona, se una Storia parzialr ne iiiipugno cou 
malisioso MÜmixio le segnalato intrapresc, sc una Critica sfortunatainente »edotta si rivolse a de- 
primerne il inerito e ad aniierirne il candore, lo eoutenipliuo in uua Inco piü pnra i secoli che 
verranno, e tributandogli un gitisto omaggio d'auuniraxione e d'encotnio, lo tolgano iu fino alla 
pertinaie congiura, e calpestino con aboininio i siioi erudeli oppressori." 

*) . . croo que inerecia la pena de quo so diputaran persona* eompetente* para revisar con 
todo espacio los mencionados procesos y aclarar la cue»ti6u de nna inanera terminante ; porqne, 
auuque a todos nos Consta quo Colon hallo ante» quo otro niugiino el coutinente aniericano, sin 
erabargo, la iuvcxtigai-iou quo propongo daria inucha lux sohre una inultidud de suceso« referente» 
al periodo lüstörico que cierra la era quo hoy llatnamos precoloinbiana. 

ICUUt's ZriUAtift. V. Bd. ^ 



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86 Die erste Reise des Vespucci und die Acta« de la IV Reonion de Amcricanistas. 



welche Vespucci in seinen lateinischen Büchern niederschrieb, 
jenes Vespucci, der kein einzigesmal seinen Vorgänger und Landsmann, den 
wirklichen Entdecker Amerikas, nannte, was die große und entschiedene Absicht 
verräth, als der erste Entdecker gelten zu wollen." ') 

Um nicht auf ein und denselben Gegenstand zurückkommen zu müssen, 
bemerken wir sofort, dass Arias de Miranda die QVATTVOR NAVIGATIONES 
nicht gegenwärtig hatte, als er so hart über Vespucci urtheilte. Denn am Ende 
der zweiten Reise schrieb er doch: 



Nach dem italienischen Text Varnhagens. 
. . Partimoci, 4 perta neecssita del man- 
tenimento fumo a tenere nllisola dantiglia, 
che e, queatu che discoperse ChriBtophal Co- 
lombo piu anni fa : doue face mo molto man- 



Nach der lateinischen Übersetzung von 1507. 

. . . Verimus que at antigliac insulam, quam 
paucis nuper ab annis Chriatophoms Colum- 
bua discoopefuit, in qua romlas noatros ac 
navalia resiciendo, tnciisibue duobus et diebus 



tenime to : & stetno duo mesi & 1 7 giorni . . todidem pennansibus, . . 

War es Absicht, war es Zufall, dass die bedeutende Arbeit Varnhagens 
bei dieser kurzen Debatte gar nicht zur Sprache kam ? Zufall war es keinesfalls 
und nach dem herben Urteile de» Arias de Miranda müssen wir voraussetzen, 
dass die Ergebnisse der Forschungen des gelehrten Amerikaners lieber ignoriert 
und mit Stillschweigen übergangen wurden. 

Man hat es gar nicht der Mühe wert gefunden, die Resultate langjähriger 
Studien einer näheren Prüfung zu unterziehen, und wenn wir hier unternehmen, 
diese Lücke des Kongresses auszufüllen, so thun wir es in der Überzeugung, 
dass sich Varnhagens Schriften nicht jener Verbreitung erfreuen, die ihnen zu- 
kommen. Die Beweise, welche Varnhagen bringt, sind zweifacher Natur: Geo- 
graphisch und historisch. Die geographischen Beweise haben die Übereinstimmung 
der von Vespucci beschriebenen Länder, Sitten und Gebräuche mit den wirk- 
lichen Verhältnissen auf den von ihm angeblich besuchten Küsten darzuthun. 
Die historischen Beweise stützen sich auf die Geschichtsschreiber des fünfzehnten 
Jahrhundertes und auf die Zeugenaussagen des fiskalischen Processcs. Dazu 
kommt die nautische Kontrolle, d. i. der Nachweis, dass die angegebenen Routen 
mit den geographischen Angaben übereinstimmen. 

Die wichtigste Rolle kommt offenbar dem historischen Teil zu, da zuerst 
festzustellen ist, ob die Briefe apokryph sind und ob es sich wirklich nur um 
Fabeln handle. 

Als im April 1495 der Handel und die Schiffahrt nach Westindien frei- 
gegeben wurden, fanden sich mehrere Seeleute, welche teils auf ihre Kosten, 
teils auf Kosten deB Königs auf Entdeckungen ausgiengen. Aber da die meisten 
von ihnen nur entdeckten, um sich zu verderben, so meinte Gomara, er wisse 
nicht, dass man von denselben Andenken bewahrt hatte, selbst von denjenigen 
nicht, welche auf der anderen Küste von Paria in den Jahren 1405 bis 1500 
gewesen sind. 2 ) 

Andre* Bernaldes sagt in seiner Geschichte der katholischen Könige, 
daas, wahrend Columbus die V orbereitungen zu seiner dritten Reise traf, mehrere 
Verträge zu Entdeckungsreisen geschlossen wurden und dass auch mehrere See- 
leute auf Entdeckungen ausgiengen.') 

Peter Martyr d Anghiera schreibt: Es gibt Leute, welche behaupten, Cuba 
umschifft zu haben. Ob es so ist, wage ich nicht zu entscheiden; mit der Zeit 

') Entonces, pues, eataudo Europa euteramente prevenida contra Espaua, eiiiper.6 a buscar 
asidero por donde «lenigrar a loa cnnqui»tadnrea; y uno de los instrumenta» d«> que al efocto si> 
valiö fue Amcrigo Vespucio, el quäl cousiguö una poriion de patraüns en sus carta* 
latinas, y no nonibra ui una H«)a vcz i *u antecesor y paiaano el vardader« desrnbridor de la* 
America*, lo eual demueatra el graude y decidido, ompeno que tenia en pasar por cl priiuero.JHabia 
eu efecto una poreiön de relaciouca apöerifa» que ae aeeptaron por la gente que queria 'mal A 
Eapana o recelaba de olla. 

*) Enteudcnd« quan grandissimas tierraa eran las que Cliristovnl Colon deai-ubria, fueron 
muchos a continuar el desc-ubriiniento de todas. . . Pero conin lo* man dcll»* no hizierou «iuo dr- 
aeubrir y gastarae, uo quedö memoria de todoa, que yo sepa. . . ni anu de todos loa que fueron 
por la otra porte de Paria desde el »uo de M'»5. hasta el de 1500. Gomara fol. 50 edit. 1553. 

») E eatando el eu ta c<»rte, ae negociö i concerto e ae diö lirincia . . . a murtm« capitane» . . . 
para ir a deseubrir; «'• fuerou ete. 



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Die erste Beine des Vospucci und die Actas de >a IV Rennion de Amerieani«taa. 87 



werden wir es erfahren. Und an anderer Stelle: Vincent Yanez hat Cuba um- 
segelt, während viele Leute bis dahin geglaubt hatten die Insel sei wegen ihrer 
Länge ein Teil des Festlandes. Es gibt auch andere, welche sich rühmen 
dasselbe ausgeführt zu haben. 1 ) 

Gelegentlich einer Angabe über die Bucht von Nadividad sagt ein weiteres- 
mal derselbe Martyr: Vincentius Annez institutum iter suum prosequens,* ad 
Orientem regiones invenit aquarum crebra illuvie desertas et stagnantia magnis 
tractibus loca. Nci destitit a proposito, donec terrae illius longissimae cuspide 
alligit: si cuspides appellare licet cuneos aut frontes acutas vel promontoria 
marinas terras terminantia. Ea cuspis Atlantem videtur velle impetere. Nachdem 
also Pinzon jenseits von Honduras war, setzte er die Reise gegen Osten 
fort, was wunderbar mit dem Kurse gegen die Halbinsel Florida übereinstimmt. 

Weiters bezeichnet Martyr den Pinzon als Gefährten des Juan Diaz de 
Solis durch die Worte: Percurisse quoque feruntur ea litora occidentalia 
Vicentius Agnes et Joannes quidam Diaz Solisius Nebrissensis, multique alii. 
Auf Juan de Solis kommt er auch gelegentlich der Besprechung der Küste von 



Oviedo und" Gomara bestätigen ihrerseits die Angaben des Martyr, wobei 
sie auch bezüglich der Zeitangaben nähere Schlüsse gestatten. Oviedo versichert 
nämlich in bestimmter Weise, dass die Entdeckung des Golfes von Higueras 
durch Juan Diaz de Solis und Vicente Yanez Pinzon ausgeführt wurde und 
zwar bevor letzterer auf dem Rio Maranhon gewesen wäre, jedenfalls also vor 
dem Jahre 1499. G omaras Citat haben wir schon angeführt. An einer anderen 
Stelle sagt er ausdrücklich, dass der Golf von Honduras durch Pinzon und Solis 
entdeckt wurde und zwar drei Jahre vor Colons vierter Reise. 

Zu den Angaben der ersten Geschischtsschreiber Uber die Entdeckung, 
Martyr, Oviedo und Gomara, kann man diejenige des Chronisten Herrera dazu- 
fügen, welcher dreist den Pinzonen die Entdeckung von Honduras und Yucatan 
zuschreibt. J ) 

Herrera hat nur später die Jahreszahl der Reise verwechselt, da er die 
erste Reise des Vespucci mit der zweiten verwechselte. Indem ihm aber über 
diese zweite Reise aus anderen Dokumenten des Hojeda Näheres bekannt war, 
so fand er keine Übereinstimmung mehr zwischen den Angaben des letzteren 
und denjenigen Vespuccis. Anstatt nun die Sache bezüglich der Jahreszahl näher 
zu untersuchen, stempelte er den Florentiner zum Betrüger und verschuldete 
so die Irrtümer, die später Charlevoix, Robertson, Tiraboschi, Navarrete und 
Humboldt begiengen. ^ 

Die juridischen Aufnahmen vom J. 1573 (Navarrete III. 558 — 559) lassen aber- 
mals erkennen, dass Solis, Pinzon und andere die mehrmals besprochenen Ent- 
deckungen ausführten. Hierbei bedauert Varnhagen mit Recht, dass die Fragen 
in den Processakten zu schlecht formuliert sind, so dass man aus ihnen nichts 

•) Nequc euim destint qui »e cireuisse Cubiun audeant dicere. An haec ita Mint, au invidia 
tatiti inventi uci-.miones quaerant in huue virum, uun dijudieo etc. . . i. Dec. 1. Hb. I>) . . . Vinceutiu« 
Anucz . . . Cubam, a multi» nd ea ntt«|ue tenipora ob suam maguKudiucm contineutem putataiu, eir- 
cuivit. Itidem et alii plure« se fecisse aiunt. Viceutius Auuez coguito jaui experimento pateuti 
Cubam e«*o insnlam. pro<e»sit ulterimo et terras aliaa ad occidentem Cubae offendit etc. . . 
fDcc, II. Üb. 7.) 

r ) Sabido en Castilla lo quo haria deaeubierto de nuevo el Almirantc, Juan Dia« de Soli« 
i Vincente Yanez I'iuzoti determinarou de ir a pro»eguir el camino quo dejaba heebo, i fnoron a 
tomnr el hilf» desde las Isla« de Ion Uuanajo? i volver de ella* al lcvaiito; pero navegaron dtwde 
las dichoM Isla« hacia el poniente baata el paraye de cl Oulfo Dulce, aunque no lo vierou. porqn«' 
est4 egeundido ; reconucinron la entrada que bace la mar entre la tierra que conticuo el Golfo, i la 
de Yucatan que cm conin uua grande Eusoada, 6 Baia, que aai Haman los marinem*. . . Y com«» 
vieron aqucl vini-un grande que bat« la mar entre dos tierra«, la una que eüta & la mano exquierda 
tenieudo la» e«pa1da« al Oriente, que e* la eonta que contieue el Puerto de Caballox, i adelaute 
de el el ünlfn Lhilce: i la otra de mano derecha. la Conta del Keiuo de Yucatan, pereende« grau 
Baia, i por e»to la llamarou, la grau Haia de Nadividad, desde doude deseubrieron la« Sierra* 
( tierra« Vj de Caria: volvieron al Norte, i de«cubrieron mueba parte de el Reiuo de Yucatan, p L -r<. 
coro» despueH no havo uadie, quo pro«iguieae aquel Dmcubrimientn, no »e «u«»<> miu, ba«ta quo «e 
descobriü todo lo de Nuova-Kapaüa desde la Isla de Cuba, i oato« Dcacubridores, principalmente 
preteudiau deseubrir Tierra por emulaciou del Almirante. i pa«ar adelaute de lo que el habia 
descubierlo etc. (Der. I. üb. VI. Cap. 17c). 



Paria bis jenseits von Vera, 




7' 



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$8 Die erste Reise des Vespucci and die AcUs de U IV Rennion de Ainericanistas. 



Näheres über die Epoche erfahren kann, auf welche sich die Aussagen beziehen. 
Wir haben also hier die Aussage des Pedro de Ledesma, welcher mit Solis und 
Vicente Yanez ausgefahren war, und der sah wie die beiden letzteren von Veragua 
aus nordwärts bis zur Breite von 23° (28°?) entdeckten; nach ihm hatte Columbus 
jene Gegenden weder entdeckt noch gesehen. Vicente Yanez will die Bucht 
de la Nadividad und das Land von Caria entdeckt haben, wohin vor ihm eben- 
falls weder Colon noch andere gelangt waren. Hojeda hat die Karte von den 
durch Pinzon und Solis entdeckten Ländern gesehen und im gleichen Sinne 
sagt auch Anton Garcia aus. •) 

Wäre es sichergestellt, dass bei der Interpretation der Jahreszahl des be- 
rühmten Briefes von Vianello an die Signoria von Venedig eiu Irrtum unterlief 
und dass statt 1506, 1498 zu lesen ist, so hätte man einen unumstößlichen Beweis, 
dass Vespucci die erste Fahrt nach dem weiteren Festlande im Jahre 14U7 unter- 
nahm. Jedenfalls stimmen die Angaben Viauellos mit dem Briefe Vespuccis 
vorzüglich ttberein. Stammt aber der Brief wirklich erst aus dem Jahre 1506, 
so ist diese Übereinstimmung natürlich weniger wichtig. 3 ) 

Diese sind sozusagen die direkten Beweise, welche Varnhagen brachte. 
Was jedoch die Processakten anbelangt, müssen wir hier mit Bezug auf das 
jüngste Werk des Herrn 0. J. Duro, welches wir in dieser Zeitschrift ausführlich 
besprochen, einige Bemerkungen einschalten. 

Wir haben früher in einer Anmerkung die Aussagen angeführt, welche zur 
Annahme der besprochenen ersten Reise berechtigen. Navarrete hat aber auch 
einige Aussagen ausgelassen, die uns interessant scheinen. So z. B. jene des 



') Item: 81 sabou etc. quo despucs desto Vicenti-atiea £ Juan de Solis fueron ä deaeubrir por 
mandado de S. A., adelante de la dicha tiorra de Veragua, todo lu que hasta hoy est« deseubierto, 
en lo quel dicho Almirante no toeö ni deseubrio cosa algnua, lo cual deseubrieron por su industria 
y «aber, & que todo lo quo Ion suso dicho» deseubrieron es apartado do lo que el Altiiiraute deseubrio 
por mucha cautidad (und ob die fraglichen Länder von jenen getrennt sind, welche der Admiral 
entdeckte}. 

Pedro de Lcdcsma, piloto, die« que exte testigo fni en compat'ia de Vicente Yanez i 
Juan de Solis por mandado de 8. A., e vido quel dicho Vicente Yanez e Juan de Solis deseubrieron 
adelante de la tierra do Veragua, i una parte a la via el norte, todo lo que hasta hoy esta ganado 
deade la Isla de Guauaja hacia el norte, t' que e»taa tierra*, se llaman Chabac* e Pintigron, e qne 
Uegaron por la via del norte faata 23 (28?) grados e niedio, e que en esto andabo el dicho 
D. Cristöbal Colon, ui lo de*cubrio, ul lo vido. 

Vicente Yanez Pinton dice, que este testigo e Juan de Solis fueron por mandado de 
88. AA. e deseubrieron todas la tierra que haata hoy c*ta de»cubierta desdc la isla do Guauaja 
faata la proviueia de Camaroua, yendo la eosta de luengo hacia el Oriente (occidente?i hasta la 
provincia que se llama Chabaca e Pintigron, que dc*cubriö evtte testigo & Juan de Solis; e que 
asimiso deseubrieron, yendo la costa adolaute, una grau bahia de la nadividad; c que de alli 
deaeubrio eate testigo las aierraa ( tierra» V) de Caria c otraa tierraa de maa adelante, e que a eataa 
provinciaa nunc* el dicho D. Cristöbal colon ni otro per el lieg«}. 

Alonao de Hojeda contesta por haber oido a Yanez y SoÜb, y visto la figura de la tierra 
que trajeron do su desciibrimiento, y qne es apartado y otra cosa de lo que el Almirante deseubrio. 

Rodrigo de Rastidas, quo Yanez y Juan Pia* de Solis fueron a deaeubrir abajo do 
Veragua, que no »abe que tanto deseubrieron, pero qne es todo una costa con lo qne el Almirante, 
deseubrio primero. 

Anton Garcia, piloto, conteata porque vid la fignr« de lo que deaeubriö Juan Dia* y 
• que es todo una costa. 

Andres Morales, que todo es una tierra. 

Nicolas Peres, que o» apartado, porque el Almirante deaeubriö deade la punta de la 
Galla hasta la hoca del Drago, que es obra de 50 leguaa, e Hojeda deseubrio deade la punta del 
Drago hasta la del Cabo de la Vela, e Juan de la cosa deaeubrio hasta el Golfo de UrabA, que 
habia mas de 250 leguas maa adelante. 

Juan de Guejo y Juan Rodrignez, piloto, que es apartado de lo que el Almirante 
deseubrio. 

*) El veune qui do na vi Ii de la India de la portione del re mio sr Ii qual furono a diacoprir 
patron Zuan Biscaino et Almerigo rloreiitltio, Ii qual aonno paasati per ponente he garbiuo lige 
800 dila dela insula Spagnola ho delfe forze (fozze?) de Herculua lige 2Ü00 et hanno discoperto 
terra forma, che chuai jadichano siehe lige 200 dela do la 6p. (200 legnen von Hiapaniola) trovarno 
terra e per costa scoraono lige 600, ue la qual costa trovarno un tinine lige 150 nel qual sono 
motte isolette habitate da Indiani. Viveno general ra de peaai inirabilissimi, erano nadi. Dopoi 
tornorono per la costa di della terra lige 6<K), onde se acoutomo in una Causa de Indiani che a 
nno modo e come uno «opello (Varnhagen liest copello; wir mochten aber lieber bei zopello vom 
venetianischeu zopolo = diese eigentümliche Art Rote bleiben) de nno pejo de legno. . . Lo 
bochepiscopo torua a spajar dicte d.. capetauii con et navilii con 4(K» honicni etc. . . 



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Die erste Reine de« Veapucci nnd die AcUs de 1a IV Reunion de Americaniataa. 



89 



Vicente Yaüez Pinzon, der ehrlich gesteht, dass er bei der Boca del Drago schon 
Nachrichten von Columbus vorgefunden hatte. ') 

Sehr wichtig sind noch die Auesagen des Anton Garcia und des Pedro de 
Ledesma, die Navarrete (IX. These des II. Verhörs. Bd. III. S. 538 — 579) eben- 
falls ausließ und welche bezeugen, dass eine Reise bis zum Festlande zu einer 
Zeit stattfand, als die Eingebornen noch keine Europäer gesehen hatten.*) 

Contradiktorisch sind die Aussagen von Nicolas Perez. Nach dem Citate 
von Varnhagen hat der Admiral laut Perez die Küste von der Boca del Drago 
bis zur Punta della Galla; Hojeda die Strecke von der Pta del Drago bis zum 
Capo de|a Vela und Juan de la Cosa das übrige bis zum Golf von Kraba ent- 
deckt. Nach Duros Angabe soll Perez wie folgt deponiert haben:') Auf der 
Reise von Veragua entdeckte der Admiral die Küste bis zum Cap Gracias A Dios 
und von dort an wurden alle Entdeckungen durch V. Y. Pinzon und Juan DIaz 
de Solis gemacht. 

Solche Widersprüche findet man in den Zeugonangabeu massenhaft und 
es wäre wohl einmal Zeit das Material kritisch zu sichteu und zu ordnen, das 
Unwahrscheinliche zu streichen und vor allem jene Zeugenaussagen zu beseitigen, 
bei welchen der Widerspruch offenbar ist. Wir nahern uns mit Riesenschritten 
dem Jubiläum vom Jahre 1892 und noch besitzen wir nicht eine verbreitete 
und geordnete Sammlung der Dokumente, die auf die Entdeckungsgeschichte 
Bezug haben, und noch haben wir nicht eine kritische und überhaupt keine 
deutsche Übersetzung der ja so berühmt gewordenen Vida del Almirante, ja 
wir wagen noch mehr zu sagen, wir haben nicht oimnal eine zeitgemäße Geschichte 
der Entdeckung. Denn was man von Columbus bisher besitzt, sind nur Apo- 
logien oder Streitschriften. Die Coleccion von Navarrete ist, wie man abermals 
zur Genüge konstatieren konnte, unvollkommen und unrichtig. Navarrete hat 
sich bei der Zusammentragung des Materials vielfach auf Kopisten verlassen, die 
abgesehen von den Schreibfehlern, die sie in größerer Menge begangen haben, 
einzelne Stellen nach ihrem Gutdünken gesetzt oder auch ausgelassen haben. 
Aber Navarretes Coleccion ist auch äußerst selten geworden und ein solches Werk 
mü8ste doch jedem zugänglich sein, der zur Geschichte der Geographie oder 
der Nautik in* näheren Beziehungen steht. Es wird kaum glaublich erscheinen, 
dass dieses berühmte Werk an der Universitäts-Bibliothek in Wien gar nicht 
vorhanden ist, sowie (zur Zeit wenigstens) jene Bibliothek auch nicht die Werke 
von Harrisse besitzt. Daraus kann man ersehen, wie sehr die. Geschichte der 
Geographie vernachlässigt wird. 

An indirekten Beweisen, dass Vospuecis erste Reise mit Pinzon, Solis und 
Cosa keine Fabel ist, bringt uns Varnhagen folgende. 

Auf der Karte des Juan de la Cosa vom Jahre 1500 ist der amerikanische 
Kontinent von den Küsten gegenüber Cubas bis zu der r Mar deseubierta por 
ingleses" ununterbrochen und ohne Durchstiche, welche auf einen westlichen 
Seeweg deuten könnten, verzeichnet. Gegen Süden hört dagegen die Küste bei 



' ) Snprime el extracto de Navarrete la declaracion de muchoa de loa teatigoa, por no «er de 
iiuportancia ; niaa debe conocerse la du Vicente Yäües Piuzon, quo dice que cl miamo ano qne el 
Almirante, fu6 ä deaeubrir e»te teatigo, por mandado de su alteza; llegö al cabo de Couaolaciöu 
y de alli haata la boca del Drago, doude. hallo acnal y mieva* de haber estado all! D. Criatöbal Colon. 

J ) Supriuie la declaracion del piloto Antöu Uarcia, intereaantc, por cuanto dice que eatc 
teatigo o Diejo de Lope c Vicente Yaüez Piuzon e otros (Merkwflrdigcrwciae ist Juan de Soli« 
hier gar nicht genannt) salieron juntoa en cl tiempo quo el dichu Diego de Lepe fuc A deaeubrir, 
e que e*te teatigo c los quo con el ibau, que eran Luis Gucrra o Alonao Vcles Uegaron ä lo 
coiitenido en la pregunta, e loa dichoa Diego de Lepe e Vicente Yaitez qtiedaron miU traaema a la 
banda del norte, e que esto sabe porque h' vido, e que antes desto no cree que el Almirante ni 
otra persona alli hobiene llcgado, pues que loa Indioa uo tejiian memoria de haber viatr criatianoa 
e ae niaravillnban mucho de lo que veran. 

Pedro de Ledcama no incluido tampoco, declart que vido Malir laa naoa e que laa vido 
volver ft Sevilla, Salvo Diego de Lepe que no vino, e los que con £1 fueron trujieron la figura de 
lo que deaeubrieron, e lo trujieron por fee, o por eate teatintouio eata pueato con el padröu real. 

J ) NicolAa Peres diee que el Almirante deaenbriö* en aquel viaje que fne a Veragua, hasta 
el cabo de Oraciaa A Dio*. e que de alli adclante todo lo que eata deaciihierto deaeubrieron Vicente 
Yaüez o Juan Dias de Solia, que eato lo aabe por la carta de marear qnc trajeron cato», y que 
por ella »c rigen agora todoa loa que van a aqnellaa partes. 



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90 Die ernte Reise den Vegpucci und die Adas de 1« IV Keuniou de Americanistas. 



jenen Gegenden auf, welche erst 1502 durch Oolumbus entdeckt wurden. Cuba 
selbst ist als Insel aufgenommen. 

In der berühmten Karte „Universalior cogniti orbis Tabula" von Ruysh, 
welche dem Ptolemäus von 1508 (Rom) beigegeben wurde, bemerkt man im 
Westen der Antillen und in ungefähr 75° Westlänge von den Canarien eine 
Küsten strecke, welche man unrichtigerweise für Cuba hielt, ohne auf die Charta 
Marina Portugalensiuin (1504) Rücksicht zunehmen, welche Ruysh wahr- 
scheinlich benutzt hat, und worauf zu lesen ist: 

HVC USQ NAVES FERDINÄDI 
REGIS HISPANIE P,VENRVT 

Auf der Karte von Ruysh hatte man Cuba offenbar vergessen, indem 
die Edition von 1813 diese Insel unter dem Namen Isabella bringt. 

Die Legende der Charta Marina ist für Varnhagen ein neuer Beweis, dass 
Vespucci* erster Brief auf Thatsachen beruht. Da» südlichste Ende der Küste 
ist nämlich mit dem Namen C. S. Marci bezeichnet. Vespucci sagt nun, am 
10. Mai Cadiz verlassen und nach 37 Tagen, d. i. am 18. Juni, das Festland 
erreicht zu haben. Damals galt die allgemeine Sitte, neuentdeckte Länder mit 
dem Namen der Heiligen zu taufen, welche am Tag der Entdeckung gefeiert 
wurden und in der That ist nin 18. Juni der Tod des heiligen Markus fällig. 
Es könnte auch sein, dass zur selben Zeit (am 24.) die Bucht der Nadividad 
entdeckt wurde, da an jenem Tage die Geburt des heil. Johann des Täufers 
gefeiert wird. 

Diese Aufschrift C. S. Marci ist in der Ptolemäus-Ausgabe von 1513 aus- 
gelassen worden. Dafür bemerkt man an derselben die deutlichen Umrisse des 
mexicanischen Golfes und der Halbinsel Florida. 

Die Übereinstimmung der topographischen, klimatischen und socialen Ver- 
hältnisse, wie sie Vespucci beschreibt, mit den thatsächlichen Zuständen, müssen 
wir schließlich doch übergehen, indem wir sonst nie zu Ende kommen würden. 
Dafür glauben wir der nautischen Kontrole der Route einige Aufmerksamkeit 
schenken zu müssen. 

Der gelehrte Amerikaner nimmt als Maßstab zur Beurteilung der Distanzen 
die Entfernung von Lissabon nach den Canarien (G roß-Canaria), welche Vespucci 
mit 280 Leguen angibt. 1 ) Im Verlaufe seiner Abhandlung spricht er dann von 
2, 3 solcher Distanzen &c. ; hat er berechnet, wie viel Meilen auf eine Legue 
kommen, dann ist das Vorgehen richtig. Begnügte er sich jedoch damit, die 
von ihm angenommene Einheit in Zirkelöffnung zu nehmen und auf die Karte 
zu Ubertragen, so hat er sich natürlich geirrt, insoferne wir voraussetzen, er 
habe eine Seekarte in Merkators Projektion vor Augen gehabt. — Auch 
wissen wir nicht, in welcher Weise er die Strömungs- und Variationsverhältnisse 
berücksichtigte. Aus diesem Grunde versuchten wir die Route zu kontrolieren. 

Bei den Verhandlungen pro und contra Vespucci ist es aufgefallen, dass 
der erste Brief nichts davon erwähnt, ob die westindischen Inseln gesichtet und 
wie das Karibische Meer angelaufen wurde. Varnhagen nimmt zweierlei an. 
Entweder sind die Schiffe durch einen Kanal gefahren, ohne aus irgendeinem 
Grunde (Distanz, Nacht oder Nebel) das Land zu sehen. Oder haben die Ent- 
decker eine bereits bekannte Insel gesichtet, die Vespucci, weil sie eben bekannt 
war, nicht nennen zn müssen glaubte. So muss er z. B. auf der zweiten Reise 
die Insel Trinidad gesehen haben und doch erwähnt er nichts davon. 

Wir sind eher zu der letzteren Ansicht geneigt und zwar aus dem ein- 
fachen Grunde, weil uns die Route des Vespucci zu derselben führt. 

Um die Route aufzutragen ist es zuerst nötig, sich über die Variations- 
und die Strömungsverhältnisse so gut als möglich zu orientieren. Nimmt man 
die 0° Isogone für das Jahr 1500 nach den Angaben von H. Schott an, 2 ) so 

') Com«- diaopra dixi, partimo del porto di Calw quattro uaui di conaerua: et cominriaTno 
U"*trn nauigati«>ni diritri alle isole fortutute che oggi aidicouo 1* grau Canaria .... et dUtano da 
i|ti«'*tM i-itta di Linbona 280 leghe. . . . 

h An nltcmpt t<> «olvo the prohlcm of the firet Unding plac«; of Olnmlms in the new world. 
Bg. Cap. y. V. Fort«. Washingtou IWJ. Anhang. 



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Die erste Rolso dos Voapucci und die Act« de la IV Reunion de 



91 



glauben wir die 5° und 10° Isogonen Ost und West, folgendermaßen entwerfen 
zu können. 2 ) 



I S ü g O 11 O 



10* 



| - Kl" 



Lüllau 



iSreit.: 



>:> W. 

-"J „ 

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:v." , „ 

55 . 



x. 

25 .. 

20 .. 

ir> ., 

in .. 



Lange Breite | Lauge Breite 



70 S.em. W. von 
ruiiili.il 
170 Sin. W. von 
Palma 
-.>:{ W. >5 V 
100 m W. von 
Sl. Antonio 

auf den 
C. Verden 
M W. 10 N. 

Kit {'uii.'iui Sii'il. 
von (_'. Orange. 



i.V AV. 

•«svl - 

•;o .. 



:55 x. 

25 „ 



- r.« 



Länge- 1 Breite 



Ii 

•}ä .. 

W» o 



:(5 X. 

:to .. 

•r.i .. 

22 .', 



Unsere Annahme ist vielleicht gewagt, aber uns erscheint sie naturgemäß. 

Die Legue des Vespucci glauben wir zu 2 7 sm annehmen zu müssen und 
zwar eben auf Grund seiner Angabe, dass die Canarien 280 Leguen von Lissabon 
abstehen. Wie wir die Strömung in Rechnung zogen, erkennt man aus der 
weiter unten folgenden Zusammenstellung. Um die Variation und den Strom 
richtig zu berücksichtigen, muss man selbstverständlich den ganzen zurück- 
gelegten Weg in Tagesfahrten einteilen. Da die ganze Reise von Cadiz bis 
zum Festlande 37 Tage und der Aufenthalt auf den Canarien acht Tage dauerte,*) 
so erübrigen für die Traversade, wenn man noch für den Weg von Cadiz bis 
zu den Canarien 5 oder 6 Tage berechnet, eine Zeitdauer von circa 23 Tagen. 
Nur steigt in uns der Zweifel auf, ob die 37 Tage wirklich von dem Auslaufen 
aus Cadiz an zu zählen siud. Die Distanz von den Canarien bis zum ersten 



') Von Green wich. 

l ) Ich wollt« auf Grund der Theorie de« Erdmagnetismus den Versuch wagen, die Linien gleicher 
magnetischer Variation etwas genauer zu entwerfen. Herr Prof. Haan, Direktor der Central-Anstalt 
für Erdmagnetismus in Wien, war so freundlich, mir auch die dazu uothigen Quellen zu verschaffen. 
Solango ich den «Report of tho Superintendent of the Uuitcd State* Coast Survey showing the progress 
of the survey during the Year 1874 ( Washington 1877) 14 vor Augen hatte, honte ich meine Absicht 
durchfuhren zu können. Nach und nach (iberzeugte ich mich jedoch, dass die Arbeit lohnend wäre, 
wenn es sich um die Ermittlung der Variationsverhältuisse, für jüngere Epochen handelu würde. 

Ich gab aber da* Vorhaben gänzlich auf, als ich Hnnstcons „Untersuchungen über den 
Erdmagnetismus" in Händeu nahm. Auf Seite 32 der Übersetzung von P. Trcschow Hauson liest 
man uiimlich: «Vergleicht man die Karte für 1600 mit der Karte für 1700, so ergibt sich, wenigsten« 
nördl. vom Äquator, nicht die mindeste Ähnlichkeit, und schwer ist es zu begreifen, wie das eiue 
System von Linien in das andere übergegangen sein könne. Wie sehr bedaure ich, dass ich keine 
Data habe erhalten können, um eine Karte für irgendeinen Zeitpunkt zwischen den .fuhren 1(500 
und 1700 zu constmieren. Es wKre anziehend gewesen, die gradweise Bewegung der Linien zu ver- 
folgen; aber diese Epoche von hundert Jahren ist zu lang und die Veränderung der Abweichung 
um das Jahr 1(500 zu groß, um, wenigstens ohue Schwierigkeit, den Bewegungen der Milieu nach- 
gehen zu könueu." Durch Rechnung etwas zu erreichen, scheiut mir also ganz unmöglich. Interessant 
wäre es immerhin, diese Frage von oinem Specialisten behandelt zu sehen. 

Schließlich hätte ich gerne versucht, aus Columbus' Tagebuche etwas zu eruieren. Da ich 
aber das Tagebuch momentan nicht vor Augen habe uud ich mich mit dieser Frage ohnehin noch- 
mals und ausführlicher zu beschKftigeii haben werde, so habe ich mir die Mühe für diesosmal erspart. 

Als ich endlich iu Hansteens Atlas die magnetischen Karten für die Jahre 1(500, 1700 und 
1750 näher betrachtete, da überzeugte ich mich, dass, die Richtigkeit der Xullgrad-lsogone von 
Scott als richtig vorausgesetzt, man noch am nächsten der Wahrheit kommt, wenn man die 5 und 
10" Isogonen parallel zur 0" Isogonc zieht. Und aus diesem Grunde cutschloss ich mich oben, deu 
Lauf der Isogonen, wie oben augezeigt, anzunehmen. 

J j Et comiueiaino nostra nauigatioui diritri alle isole fortunate . . . doue ci tene mo octo di, 
.... et di qui, facto nostre orationi, eileuä mo et domo le uele alue to, comincia do nostre nauigationi 
pcl poneute pigliando uua quarta di libeccio: et ta 'to nanicamo che alcapo di 37 giorui fuino a 
teuere mia terra ; che la guidicä mo essere terra fenna: la quäle dista dallo isole di l'anaria piu allo 
occidente a circha di mille leghe fuora dello habitato d'reuto della torrida zona .... 



c 

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92 Di« erste Reise de» Vespucci und die Acta* de In IV Reuniott de AroericanisUs. 

Ankerplätze ist in dem Briefe mit ungefähr 1000 Leguen, nach unserer 
Rechnung also mit circa 2700 sm angegeben, wovon also rund 120 sm per Tag 
kommen. Die Route gestaltet sich somit folgendermaßen. 
Abfahrtspunkt: Die Westküste von Canaria. 



Tage 


Cure nach MtithmaB- 

i ■> • r i- u ir • »anrerKur.- 

dem Briefe hchcVariation 


8 t r 0 m 
Distanz ... . 

Richtung ! Geschwind. 


2. 
3. 

*. 
1. 

8. 


WiS. 

n 

: 

■ 


-f IV« Strich. W.i/ 4 N. 

4-v, ■ W.»/, 8. 

O. W18. 
— 1/4 „ W*8.'/ 4 8. 
— V« » WeS.'/„ 8. 


240 »m. SWzS.'/j 8. 
360 „ 8W. 

«S : W V- 

860 „ W. 
860 „ W.'/j N. 


120 sm. 
180 , 
120 „ 
60 „ 
180 „ 
180 „ 


Summe 14 Tgc. 




1 

! 
1 


1620 »m. 

1 
i 


l 



Bildet man nach diesen Kursen und Distanzen den Ankunftspunkt, so berindet 
man sich nahe bei den Antillen. Die Strömung ist hier im Mittel NWz. W l /iW. 
Konstruiert man mitderselbeu und mit dem wahren Kurse VVz. S'/jS. das Bewegungs- 
parallelograinm , so überzeugt man sich , dass die Diagonale auf C. Engano 
Domingo) führt, d. i. auf die Einfahrt der Mona-Passage. Mit Rücksicht auf 
die Stromversetzung, die hier ziemlich stark ist, hatte das kleine Geschwader 
bis zum Kanal noch circa 300 sm zurückzulegen gehabt, welche mit den früheren 
1620 einen Gesammtweg von circa 2000 sm ausmachen. Dass hier eine kleine 
Kursänderung nothwendig geworden, ist sehr wahrscheinlich, doch konnte nach 
Kassierung des Kanals wieder die alte Route aufgenommen werden. Wir wundern 
uns gar nicht, dass Vespucci nichts davon erwähnt, da er später sein Schiff mehr 
als 2000 sm längs der Küste laufen lässt, ohne es der Mühe wert zu rinden, über 
die Bugrichtung Näheres zu sagen. Von der Mona-Passage bis zum Festlande 
erübrigen bei Beibehaltung desselben Kurses noch 900 sm. In der Kariben-See 
ist die Strömung von der Mona-Passage bis zur Pedro-Bank gerade West, an 
der Südküste von S. Domingo, eher W'/.S. oder W'/ S S., was eine kleine Ver- 
setzung nach Süden, eine größere nach Westen bedingt. Die kleine Versetzung 
nach Süden hat vielleicht gerade genügt, um die Schiffe frei von S. Domingo in 
ihrem Kurse zu erhalten. Dass hier nicht gelandet wurde, ist geradezu selbst- 
verständlich, da es sich ja um neue Entdeckungen handelte und Cosa und 
Vicente Yanez die westindischen Inseln schon genau kannten. Nach der Pedro- 
Bank, gegen die Küsten von Mosquito und Honduras biegt der Strom anfangs 
schwach, später schärfer gegen NW. und zwar derart, dass im Vereine zur 
anfänglichen, wenn auch schwachen südlichen Versetzung, die Schiffe gerade 
beim C. Gratias a Deos oder eher nördlicher hievon anlangen müssten. Selbst- 
verständlich wird man die Distanz mit 200 — 300 sm geringer und daher anstatt 
mit 900 mit 600 — 700 geschätzt haben. Zu den früheren 2000 sm, die Vespucci 
gerechnet hat, diese dazugegeben, erhält man gerade einen Gcsammtweg von 
circa 2700 sm, oder nach Vespucci's Rechnung von 1000 Leguen. Es dünkt uns, 
dass diese Art die Route aufzutragen ziemlich genau ist und die Resultate 
stimmen, wie man sieht, was den Landungsplatz, die Distanz und die Route 
anbelangt, auffallend mit den Angaben der Quatuor Navigationes. Nur führt uns 
dieser Weg durch die Mona - Passage und nicht durch die Kanäle, welche 
Varnhagen angab. 

Sind die 37 Tage nur auf die atlantische Traversade von den Canarien an 
zu verteilen, so gestalten sich die Verhältnisse in etwas abweichender Art. Dann 
ist der Ankunftspunkt, von welchem wir aus das Bewegungsparallelogramm 
verzeichneten, etwas nördlicher gelegen, und die Resultante trifft gerade auf 
Inagua. In diesem Falle würde die Wahrscheinlichkeit für die Wind word-Passage 
grölier sein. Aber bei einer Fahrtdauer von 37 Tagen würde die mittlere Geschwin- 



Die erste Reise des Vespucci und die Actas de !a IV Reunion de Americanistaa. 



93 



digkeit doch zu gering ausfallen, um sie in der Region des Nordpassates gelten 
lassen zu können. ') 

Varnhagen hat auch die allfällige Objektion zu losen gesucht, wie es denn 
möglich sei, dass Vespucei's erste Reise gar keine Spuren bei den Eingebornen 
des Festlandes zurückgelassen habe. Die aufmerksame Forschung weist nämlich 
das Vorhandensein verschiedener derselben nach, nur hat man vorgezogen, diese 
Spuren zu missdeuten und sie mit mythischen Sagen in Verbindung zu bringen. 
So citiert z. B. der gelehrte Amerikaner Sah agu n 's Sammlung indischer Sagen, 
worin Uber ein Schiff berichtet wird, welches von der See kommend an der 
Nordküste Mexico's landete. Eine ähnliche Sage bestand auch an der Küste von 
Yucatan. Herrera berichtet ferner Uber einen spanischen Matrosen Gonselo 
Guerrero, der zur Zeit der Ankunft von Cortez in Caeumel schon seit vielen 
Jahren in Chetemel ansässig war. Dieser Matrose hatte die Nase und die Ohren 
durchlöchert, war tätowiert und galt als guter Krieger. Endlich war er mit einer 
Eingebornen verheiratet. Nun könnte man vermuten, Guerr.ero sei einer der fünf 
Begleiter Aguilar's gewesen, würde die Chronik nicht über das schon früher 
erfolgte Ableben derselben berichten. Anderseits war die Tätowierung eine Aus- 
zeichnung, welche nur Leuten zuerkannt wurde, die schon längere und ersprießliche 
Dienste geleistet hatten. Die Vermutung, dass dieser Guerrero sich 1497 in jenen 
Gegenden niedergelassen habe, liegt aus allem dem sehr nahe. 

Die Bemerkung Varnhagens, dass man wahrscheinlich noch auf weitere 
solcher Anzeichen und Traditionen treffen dürfte, die sowie die obigen verwirrt 
sind und somit nach ihrem Werte und vorzüglicher nach der Ursache ihres 
Entstehens zu prüfen wären, ruft uns eine andere Frage in Erinnerung, die 
jüngst erst wiener besprochen wurde, und welche sich ihrerseits auch bemüßigt, 
die gesammelten Traditionen auszunützen. Es ist diese die Frage über die Ein- 
wanderung der Juden in Amerika. Professor Louvot hat gelegentlich der 
vierten Versammlung der Amerika-Forscher in Madrid (1881) einen Vortrag Uber 
diesen Gegenstand gehalten*) und dabei die Traditionen citiert, die auf eine 
transatlantische Fahrt der Juden hindeuten könnten. Dabei muss eben jedem, 
dem Varnhagen bekannt ist, auffallen, dass ein und dieselbe Überlieferung hier 
und dort ausgenützt wird, und es würde sich nur handeln, festzustellen, ob die 
Angaben der Indianer sich nur auf relativ-frische oder auf uralte Zeiten bezogen. 
Als die ersten spanischen Ansiedlungen am Festlande gegründet wurden, wäre 
dies vielleicht nicht schwer gewesen, heutigentages ist dies natürlich nicht mehr 
möglich. Es bleibt nur zu sehen, wie die ersten Geschichtsschreiber darüber 
berichteten, und welche Eindrücke sie von den verschiedenen Sagen mitnahmen. 

Louvot citiert also Herrera, der berichtet, „dass eine große Anzahl Indianer 
von ihren V o r f a h r e r n vernommen hatten, wie Yucatan von Nationen bevölkert 
wurde, die aus dem Osten kamen und die Gott von der Unterdrückung befreit 
hatte, indem er ihnen einen Weg Uber das Meer eröffuete." Land» 5 ), ein Augen- 
zeuge der Besitzergreifung, gibt diese Überlieferung fast genau mit denselben 



Nach Manry ist die mittlere .Si-hifTsgeschwitidigkeit aus Beobachtungen von 2235 Schiffen, 
welche int NO. Piwsat de* allantischen Oceans führen, folgende: 







In der Breite von 






Monat 


20. °| 20.° 15." 


15.°— 10." 








Fahrt in Meilen per Stunde 






April 
Mai 
Juni 
Juli 


t 

;,'/, ' «'/, 
5 «•/, 

7 1 7V, 


7»/i 

7 

5 

47* 





J i Des Viiyago« ricU ou pretendiis des juifs, avant Cristophc Col.irnl», pur M. l'ahhe Louvot, 
prof. au College St. Franvoi*-Xavier, de Besancon. Cougreso Intern, de Aroericauistas. Actas de la 
ttiarta renuion. Madrid ]K81 — Imp. Fontanet 1883. Bd. I. 8. 179 ff. 

J ) Nonvelle Aonales des Voyage*. Fobruarheft 18<it>. 



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94 Die erste Roiue de« Veupucci und die Acta« de la IV Heuuion de Americanista*. 



Worten. Der Pere Petitot will erst unlängst eine solche Sage unter den 
Bewohnern der Nouvelle-Bretagne gefunden haben. Lijana 2 } und Torquemada') 
gaben sogar die Route der Einwanderer an, die Uber Afrika und die Canarien 
nach den Antillen, dann nach Cuba und schließlich nach dem Festlande geführt 
hatte. Columbus und die ersten Seefahrer, welche das atlantische Meer über- 
schifften, wunderten eich bekanntlich über die auffallenden Typusähnlichkeiten, 
die sie unter den Bewohnern der Canarien und der westindischen Inseln fanden. 
Berthelot hat in seiner Geschichte der Canarien die nämliche Analogie der Typen 
nachgewiesen und auch Personen- und Ortsnamen entdeckt, die auf beiden Insel- 
Gruppen identisch sind. Diese Tatsachen sprechen sehr zu Gunsten Lijana's und 
Torquemada's, und nimmt man alles zusammen, so fühlt man wol eine Neigung 
sich eher gegen als für Varnhagen auszusprechen. Die Fortschritte der Wissen- 
schaften und vorzüglich der Altertumskunde, Sprachvergleichung und der 
Anthropologie werden uns wol eher oder später über diese vermeintlichen Ein- 
wanderungen der Juden und über die Verwandtschaft der canarischen und west- 
indischen Rassen Aufklärungen verschaffen. ') 

Bei dem jetzigen Stande dieser Angelegenheit ist die Wertschätzung der 
Traditionen ziemlich schwer. Berichten Herrera und Landa richtig, so scheint es 
sich eher um Traditionen zu handeln, die älter sind als Vespucei's erste Reise. 

Zur Zeit, als Cortez in Mexico gelandet war, hatten sich doch noch rüstige 
Männer vorfinden müssen, die Genaueres über dieses Schiff, welches aus dem 
Osten kam, wussteu. Womit wir aber ganz und gar nicht die Möglichkeit aus- 
schließen, dass die Angaben und Erzählungen der Eingebornen entweder nur 
sehr unvollkommen verstanden oder gänzlich missverstanden wurden. Auf die 
Traditionen wollen wir somit weniger Gewicht legen, indem wir dafür halten, 
dass die Berichte über dieselben unverlässlich sind. 

Welchen Eindruck nimmt ein unparteiischer Leser aus den ganzen Unter- 
suchungen und aus den Schluesfolgerungen VarnhagenV? 

Unserer Ansicht nach jenen, dass Vespuccii's erste Reise auf keinen Fall 
erdichtet ißt, und dass die Quattuor Navigation es unmöglich Patranas 
(Fabeln) sein können. In unseren Zeiten, wo die Archive ihre Schätze immer 
mehr und mehr enthüllen, und wo die gesunde und wissenschaftliche Kritik den 
apodiktischen Aussprüchen einzelner Autoritäten so ganz das Feld geraubt 
hat, darf man doch harte Urteile, wie diejenigen sind, welche Vespucci zum 
Betrüger stempeln, nicht so leichtsinnig in die Welt schleudern ; dass man beim 
Kongress Varnhagen gar nicht nannte, dass man seiner Leistungen mit keinem 
Worte erwähnte, wundert uns sehr. Sie sind doch zum mindesten eine ein- 
gehende Prüfung wert. 



') Histoire do N. Damo de leavaal. 
J ) Geschichte von Iudieu. 

a ) Der A. Louvot schreibt über diesen Gegenstand wie t'olgt: r Si lcrUenu-nt l'Aiin" riqui' 
a i'te pcuplec et tfdouim'e par de* juif». »n ne parviondra jatnntn ä lc deruontn-r qu'cu ctudiaiit 
la confonnation phyaique, ou les gingularite* typiqne* qui peuvent exicter eher. 1'uiic et l'autrc; 
mais dann l'etat actuet le problemc u'a pa* et 6 nuftixament faudi»'. Ob peut imtne dire i|u'il u'a 
pas 6te poai', puisque l'on ne sait pas »i ce» atncricaiiiK <|iii rcvsetnldcnt aux jtiifs», de*ccndeut d'une 
rmigration plus ou inoiu» eousidt'rable qui aurait eu Heu, »an« laisticr des traces autheutiqtte* dau» 
l'hiistoire; ou bieu s'ils ont pour aucetre« jnif« dcbarquon en Auu'-rique. aux proiniers jniir* de la 
conquütc. 8. 187. — Wir denken, dass der komparativen l'hilol<igie die Wörterbücher der indianischen 
Miunlarten, die uath der Besitzergreifung nach and nach verfaßt wurden, doch wahre Schätze 
bergen mlUnen. 



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Die geographischen Anschauungen einiger Chronisten des 

XI. und XII. Jahrhunderts. 
Von Dr. Dietrich. 

Es ist eine eigentümliche Thatsache, dass unsre Historiker auf das eingehendste 
die pragmatische, Kultur- und Sittengeschichte der Völker des Altertums, des 
Mittelalters und der Neuzeit erforschen und schildern, von den Vorstellungen 
aber, die bei den Schriftstellern jener Zeiten über die Erde oder auch nur das 
engere Vaterland derselben herrschend waren, nichts oder so gtit wie nichts zu 
berichten wissen. Und doch möchte die Behauptung, dass die geographischen 
Anschauungen eines Herodot, eines Tacitus u. s. w. ebensogut Gegenstand der 
Forschung für den Historiker sein müssen, wie die Sitten, Künste und Wissen- 
schaften, schwerlich als eine irrige hingestellt werden können. Die Griechen und 
Körner sind in dieser Beziehung noch nicht so arg vernachlässigt, wie gerade 
unsre deutschen Chronisten des Mittelalters. Man nehme eine diesen Zeitraum 
behandelnde Geschichte, welche man wolle; vielleicht findet man irgendwo 
vorsteckt, gleichsam zaghaft erwähnt eine kleine Notiz, aber zum Gegenstand 
wirklicher Forschung und Schilderung sind die geographischen Anschauungen 
der Schriftsteller, die uns als Quelle für die Geschichte des Mittelalters dienen, 
nirgend erhoben. Selbst die Geschichte der Geographie von Peschel, von Vivien 
de St. Martin speist uns mit dürren Worten ab, und wird wirklich einmal von 
den damaligen Kenntnissen in der Erdkunde gesprochen, so ist es gewöhnlich 
doch nur einer der Chronisten, allerdings der wichtigste von allen in geogra- 
phischer Beziehung, welcher der Erwähnung wert erachtet wird : Adam von Bremen. 
Doch geschieht auch dies nur selten, was umsomehr zu bedauern ist, als Uber 
des letzteren Nordlandskunde eine eigne Abhandlung von Ludwig Giesebrecht 
erschienen ist, deren Benutzung und Verwertung nicht allzufern lag. Leider ist 
zu fürchten, dass die Schilderung der geographischen Vorstellungen als integrie- 
render Teil der Geschichte noch lange ein frommer Wunsch bleiben wird, 
wenngleich für diese arge Vernachlässigung ein stichhaltiger Grund kaum an- 
gegeben werden könnte. So werden denn einzelne Abhandlungen, wie die folgende, 
in welcher der Versuch gemacht werden soll, die geographischen Anschauungen 
einiger Chronisten des XI. und XU. Jahrhunderts wiederzugeben, in dieser Beziehung 
der Erdkunde zu ihrem Rechte der Geschichte gegenüber verhelfen müssen. 

Die Männer, von denen hier die Rede sein wird, sind: Adam von Bremen 
(XI. Jahrhundert); Arnold, Otto von Freising, Helmold und Saxo Grammaticus 
(XII. Jahrhundert). Man halte die Auswahl nicht für eine willkürliche; nicht 
ohne Absicht sind mit Ausnahme Ottos nur Männer des Nordens gewählt; denn 
Deutschland, Italien und der Süden im allgemeinen waren in jenen Zeiten 
hinlänglich bekannt; was aber von Europa damals noch halb oder ganz unbekannt 
war, das war der Osten und Norden. Über diesen berichten uns nun Adam, 
Helmold, Arnold und Saxo am ausführlichsten, besonders der erstere, der die 
Quelle für alle späteren Geographen des Nordens ist. Der Bischof Otto von 
Freising, der hervorragendste Vertreter der gelehrten Geschichtsschreibung, mag 
hier seine Stelle finden, weil er uns über den Süden und Süd-Osten Europa's 
manches Interessante zu erzählen weiß, und auch sonst einige geographische 
Notizen in ihm enthalten sind, die da zeigen, wie sehr damals die Geographie 
als Wissenschaft noch in ihren ersten Anfängen war. Des Zusammenhanges 
wegen mag auch mit Otto begonnen werden. ') 

Nach ihm 5 ) gibt es drei Erdteile: Asien, Afrika und Europa; Asien kommt 
an Grolle den beiden andern gleich. Einige indes nehmen nur zwei Erdteile an : 



') Wir denken filr eleu Küdou und Süd-0«ttm Kuropa'» Otto von Freising, filr don Nordtin 
tind 0«t<!ti Adam ziigrundozulegen und in den Anmerkungen etwaige Belichtungen oder ausführlichere 
KenntniftK« der andern von un* oben genannten Chroniken an bringen. 

J ) Otto Friaingcnsu, Cliroiiicon I. 1. 



96 Die geographischen Anschauungen einiger CMironisten des XI. und XII. Jahrhunderts. 

Asien und Europa, und rechnen Afrika wegen «eines geringen Umfange»') 
zu Europa. Diejenigen jedoch, welche nicht auf die Ausdehnung der Landmassen, 
sondern auf die Trennung durch das Meer Rücksicht nehmen, machen aus Afrika 
einen eigenen Erdteil. Hier also wird Afrika als klein bezeichnet. In der That 
geben uns noch die Karten des XIV. und XV. Jahrhunderts, z. B. die des 
Fra Mauro aus dein Jahre 1475, ein so unzutreffendes Bild von diesem Erdteil, 
dass er an Größe nicht unbedeutend hinter Europa zurückbleibt ; also eine 
direkte Umkehrung der richtigen Verhaltnisse. Wenn nun aber Afrika und 
Europa zusammen nach heutiger Kenntnis nicht einmal an Größe an Asien 
heranreichen, sondern ein um etwa 80.000 Quadrat -Meilen geringeres Areal 
besitzen, wie konnte dann das kleine Afrika Otto's mit Europa dem großen 
Asien gleich sein? Die Erklärung ist einfach. Asien war ja im XII. Jahrhundert 
verhältnismäßig wenig bekannt, besonders nur der Westen und ein Teil des 
Süden». Von den weiten Strecken des Nordens war noch keine, oder doch nur 
dunkle Kunde zu den Deutschen gedrungen; daher kam es, dass Asien dem 
Mittelalter für kleiner galt, als es in der That ist. 

Dies ist Otto's Ansicht von der alten Welt. Wir kommen nun zu einigen 
seiner geographischen Ungeheuerlichkeiten. Chronicon I., 25 finden wir Folgendes: 
Man berichtet, das Volk der Franken leite soinen Ursprung von den Trojanern 
her. Nach der Zerstörung von Troja nämlich schweiften die vertriebenen Ein- 
wohner dieser Stadt auf inrer Flucht zunächst unstet umher: endlich siedelten 
sich die meisten derselben in Skythien an und wählten sich zum Oberhaupt 
einen König. Zuerst nun hießen sie Sigambrer. Unter dem Kaiser Valentinian 
aber, also im IV. Jahrhundert, erwachte in ihnen der Drang nach größerer 
Freiheit und Herrschaft, und sie unterwarfen sich die benachbarten Völker; 
deshalb nannte sie Valentinian, sei es ihrer Wildheit, sei es ihrer edlen Abkunft 1 ) 
wegen, Franken, denn in ihrer Sprache heißt Frauke so viel wie edel. 9 ) Andre 
berichten aber, ihr Name Franken komme von einem ihrer Fürsten mit Namen 
Franko, der sich am Rhein niederließ. Dieser kam, so erzählt Otto 4 ) weiter, 
nach Gallien, weil er mit seinen Leuten vor Valentinian, der von den Sigambrcrn 
Tribut forderte und nach erhaltener abschlägiger Antwort sie mit Krieg überzog, 
fliehen musste; ihre ersten Wohnsitze nahmen jene in Thüringen — sie müssen 
also später nach Westen vorgedrungen sein. Als Beweis nun dafür, dass die 
Franken am Rhein sich ansiedelten, führe man Folgendes an. 5 ) Franko habe 
dort eine Stadt Troja an einem Flusse, den er Xantos nannte, erbaut, diese sei 
später von den Sarazenen zerstört, von den Christen aber wieder aufgebaut 
worden und trage nun nach dem Flusse, der einst die trojanische Ebene durch- 
flos8, noch heute den Namen Xanten. Doch im nächsten Kapitel") erklärt Otto 
dies für eine Erfindung, denn Ajax, also ein Grieche, soll Troja in Gallien 
gegründet haben, was ebensowenig Scharfsinn verrät wie die erste Hypothese. 
Die Erklärung hierzu ist übrigens nicht schwer. Xanten liegt unweit des Rheins, 
etwas unterhalb der Lippemündung und ist entstanden aus dem alten, von Ca;sar 
gegründeten (Jastra vetera. Es soll nun hier auch nach vieler Meinung die Colonia 
Trajana gestanden haben und mit Trajana brachte das Mittelalter Troja in Ver- 
bindung und so auch die Franken mit den Trojanern.') Das Mittelalter gefiel sich 
eben in solchen und ähnlichen Etymologien, und natürlich glaubte man fest daran. 

Für die Alpen hat Otto, wie das gesammte Mittelalter, drei Benennungen; 



') Eb. proptor sui parvitatem. Wie wenig man die wahren Verhältnisse kannte, zeigt der 
Umstand, daaa man n / J4 der bewohnten Erde auf Kuropa, 2N auf Asien, 'V^o Afrika rechnete. 
So wenigstens I'linius. Nun erkanuten die späteren Alexandriner /.war besser die wahren <irnflen- 
verhältnisse der drei Femtlaude, doch beherrschte die Ansicht de* Plinius noch immer die mittel- 
alterliche Geographie, was daraus %\\ erkennen ist, da** Otto Afrika kleiner als Europa »eiu liisst, 
wenn er aueh schon besser als Plinius Uber die Gröflenverhältnisse Asien« zu Europa orientiert ist. 

*) nobilitate. 

») nobilis. 

♦) Chronicon IV., :Ji. 
*) Eb. 1. 25. 
*) Eb. I. «fi. 

i) Vgl. Daniel Handbuch der Geographie. V. Aufl., Leipsig 1878. Teil IV. S. W*. 



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Dio geographischen Anschauungen einiger Chronisten üe> XI. nnd XII. Jahrhunderts. 97 



er nennt sie einfach Alpes, 1 ) Pyrenaeae Alpes 2 ) oder Pyrenaei inontes.*) Eine 
Erklärung hierzu versucht Vivien de St. Martin*): „Herodote sait que l'Ister 
vient du fond du pays des Celtes 5 ) et qu'il a sa source pres de Pyrene, nom 
qu'il applique ä une ville, mais qui appartient bien plus probablement ä une 
montagne, — non aux Pyrenees, comrnc on peut le penser d'abord, inais au 
Brenner, le colosse des Alpes tyroliennes, d'oü sort en effet l'Inn, principale 
brauche superieur du Danube, et physiquement sa verkable source." Hiernach i 
müssen also die Alten, ehe sie den Lauf der Donau genauer kennen lernten, 
den Inn als den wirklichen Quellstrom angeschen haben, was ja auch in gewisser 
Beziehung berechtigt ist, da der Inn bei seinem Zusammen Aus« mit der Donau 
diese an Wassermenge und Länge übertrifft Nur der Umstand, dass die Richtung 
des Stromes durch die Einmündung des Inn eine Änd erung nicht erleidet, hat 
der Donau die Bezeichnung als Hauptätrom verschafft. Nun heitit es bei 
Herodot, der Ister entspringe bei einer Stadt Pyrene, die indes gar nicht 
existierte. Doch Vivien de St. Martin weiß hierfür Rat zu schaffen. Brenner und 
Pyrene sind auf ein und dieselbe Wurzel zurückzuführen — eine Ansicht, über 
deren Richtigkeit die Sprachforscher zu entscheiden haben. Der französische 
(belehrte nimmt es als erwiesen an und folgert nun ungefähr so weiter: Es müsste 
also der Ister am Fuße des Brenner entspringen, was allerdings nicht ganz 
zutrifft. Wol aber mag Herodot gehört haben, dass an jenem Flusse Pyrene lag: 
er machte daraus eine Stadt und verlegte zugleich dorthin die Quelle der Donau. 
Andre indes waren besser unterrichtet, sie bezogen Pyrene auf den Brenner. 
Für die Griechen nun war jedenfalls dieser Berg mit seiner Umgebung die 
höchste Erhebung der Alpen, und sö konnte es denn geschehen, dass er als 
Bezeichnung des damals den Alten bekannten Teiles der Alpen diente, um später 
auf die gesainmte Alpcnmasse ausgedehnt zu werden. Inwieweit Vivien de 
St. Martin Recht hat, mag dahingestellt bleiben, befremdend bleibt es immer, 
dass, obgleich die Römer die Bezeichnung der Alpen als Pyrenäen im allgemeinen 
nicht aufnahmen, das Mittelalter auf den alten Namen zurückgriff. 

Vielleicht ist auch folgende Erklärung zulässig. Durch die Anlage von 
Kolonien in Spanien war schon früh der Name der Pyrenäen zu den Völkern 
des Ostens gedrungen. In den Alpen glaubte man nun eine Fortsetzung jenes 
Gebirges erblicken zu dürfen und übertrug deshalb auf sie den Namen des 
spanischen Grenzgebirge». Doch auch mit dieser Erklärung verschwinden die 
oben geäußerten Bedenken nicht 

Otto lässt die Alpen zwischen Genua und Tortona beginnen'); nach Osten 
von dieser Linie aus zieht der Apennin. Doch gab es zu seiner Zeit noch 
Leute, die keinen Unterschied zwischen Apennin und Alpen anerkannten 1 ) und 
als Grund dafür anführten, dass nach Isidor von Sevilla Punnonien, gleichsam 
vom Apennin eingeschlossen, von diesem Gebirge seinen Namen empfangen habe, 
während doch nicht der Apennin, sondern die Pyrenäen, also die Alpen, sich 
bis zu dieser Provinz erstrecken.*) Hier haben wir also einen weiteren Beweis 
für die damals noch so kindlichen etymologischen Ableitungen ; man brachte 
Apennin mit Pannonien zusammen und verschmolz nun deshalb die Alpen 
und den Apennin zu einem Gebirge. 

Eine andre Bezeichnung des letzteren, und zwar nach Otto die gewöhn- 



') fhrouicon II. 36, 48; III. 14 , 85), 45; IV. 18; VII. 18, 33; Genta Friedend (wir «itieren 
nach der von Peilst bcnorgteu Ausgabe in ukuiii «cholarnin. Hannover 1867) II. 11; III. jjfl; IV. 9. 
») Chronieon II. 36; Geata II. 13. 

»i Chrouicun II. 36, 37, 38; VI. 5>9; VII. 14, 17; Geata I. 19; II. 13, 14, 16. 

*; HiHtoire de la geogrnphie et des decouvertcj» geographique« depui» le* temps le» plus recule« 
jiidqu'a iio« joure. Paria 1873. S. 86. 

*) Die Stelle lautet hei Herodot II. 33: "li-.y^ ts 7*? itoTajii;. i?;<ai|j.»vo; tx Ki/.twv xal 
ll'jf.Tj'/Tj; ico'/.'.o;, fit: niiff o/'iio* ty ( v K'jputitr,'/. 

»/ Gesta II. 16: Kit anteni Terdona peue in pede Apennini munti«, ex ea qua Apenninus et 
Pyrenäen*, ut »upra dictum est, iunguntnr. Vgl. 11. 13. 

Vt Kb. II. 13: Nonuulli tarnen praedictas alpe* Apenninum et Pjrenaeum cadem montana 

"l KU. . . in argumentum Miae a*««rti»ni* indneeute*. quod Pannoiiia ttixta I*idorum tanquain 
Api-nniiio .tnu*a 11 < n n. cepit. quam non Apenninn*. qui tn<m* Bardo, «ed Pyrenaeae attingnnt alpe«. 



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98 Die g*ographiacben Anschauungen einiger Chromaten de» XI. und XII. Jahrhunderts. 

lichere, ') ist „mons Bardonis" ; eine Erklärung für diesen Namen habe ich nicht 
ausfindig machen künnen. 

Andre, wie z. B. Saxo Grammaticus dehnen den Namen „mons Apenninus" 
nicht auf das ganze Alpensystem, sondern auf einen Teil desselben, die sogen. 
Penninischen Alpen aus, was ja aus dem Gleichklang beider Namen leicht zu 
erklären ist Was übrigens die Entstehung des Namens der Penninischen Alpen 
anbetrifft, so ist man bekanntlich darüber noch nicht ganz eiuig. Daniel 2 ) sagt : 
Stammwort ist ohne Zweifel das keltische „pen" (Fels&pitzc), wie auch spanisch 
pena Fels heißt, und damit zusammengesetzte geographische Namen in ehemals 
Keltischen Landern sich erhalten haben u. s. w. Dagegen bemerkt Kiepert 3 ): 
Poeninus ist, auch als Beiname des auf der Passhöhe verehrten Jupiter, die 
durchaus durch zahlreiche Inschriften beglaubigte Form, nicht Penninus, wie 
neuere Gelehrte, einer keltischen Etymologie (pen = Berg) folgend, korrigiert 
haben; möglicherweise ist jene antike Schreibart beeinflußt durch gesuchten 
Anklang an Poenus, als ob der , Übergang des phoenikischen Heeres unter 
Hannibal über diesen Pass (den jetzt sog. großen S. Bernard) erfolgt sei, 
während er nachweislich in viel direkterer Linie den weit niedrigeren graischen 
Pass (kleinen S. Bernard]) benutzt hat. Aus diesen Worten geht aber durchaus 
nicht nervor, dass die Schreibart Poeninus etymologisch richtig ist. Wie kam der 
Römer zu dem Namen Poeninus? Kiepert sagt: „Beeinflusst durch gesuchten 
Anklang an Poenus" ; wir meinen, der Römer suchte ein Wort in seiner Sprache, 
das dem keltischen „Pen" ähnlich klang, und da nun in jenen Gegenden der 
Punier Hannibal seinen weltberühmten Alpentibergang bewerkstelligt hatte, so 
war in Poenus das gesuchte Wort bald gefunden. Mögen die Inschriften immerhin 
Poeninus haben, es ist nur eine Nachbildung von Pen, wie ja doeh auch die 
Kelten jene Gebirge zuerst, jedenfalls vor den Romern mit Namen belegten. 
Dies scheint uns wenigstens die natürlichere Erklärung zu sein. Auf der Passhöhe 
wird der Jupiter Poeninus verehrt: er hat seinen Namen vom Berge, nicht der 
Berg von ihm. Der große St. Bernard selbst wird von Otto Möns Jovis genannt.*) 
Die Erklärung hierfür liegt auf der Hand: jener Pass war der Berg des dort 
verehrten Jupiter. Übrigens finden wir für ihn noch eine andre Bezeichnung: 
.via Julii Caesaris." 5 ) Sicherlich nimmt Ragewin, der Verfasser des III. u. IV. 
Buches der Gesta Friderici I., hier Bezug auf die Uber jenen Pass im Auftrage 
Caesars als Heeresstraße hergestellte Verbindung zwischen Italien und Gallien. Es 
geschah dies im Jahre 57 v. Chr. durch Scrvius Galba nach Besetzung von 
Octodurum (Martigny). Kaufleute hatten schon längst diesen Pass benutzt. 0 ) 

Auch den Septimerpaas finden wir bei Otto erwähnt'), er verlegt hierhin 
die Quelle des Rheins und des Inn. Für den Inn stimmt dies ungefähr, aber 
eben auch nur ungefähr. Was aber den Rhein anbetrifft, so kann man nicht 
annehmen, dass Otto sich in so grober Unwissenheit befand. Wahrscheinlich 
hatte er wol im Sinn, dass der Pass in die Albula und an dieser entlang iu 
den Hinterrhein führe. Somit verlegt er wol die Quelle des Hinterrheins in 
die Nähe des Septimer oder sah die Albula und den südlichen Nebenfluss der- 
selben als Quell fluss des Hinterrheins an. Übrigens benutzte man damals den 
Septimerpass mehr als den Julier, der heut im Verkehr an seine Stelle getreten ist. 

Auch der Weg Uber den M. Cenis muss Otto bekannt gewesen sein, denn 
Gesta II. 24 heisst es: „Alii ad occidentales partes Longobardiac, nonuulli per 
montem Jovis, alii per vallcm Moriannae transituri catpebant iter. u Vallis Mori- 
annae ist nun nichts andres als das Tal Maurienne, das «1er Are, der Nebenfluss 
der Isere, bildet, von dem man über den M. Cenis nach Susa, an der Dora 
Riparia, gelangt. 



') Geata II. 13: qui modo mutato nomine moos Rardotii* vulgu diHtiir; vgL mu-li Aiim. '.). 

*) a. a. O. III. 136 Anro. 1. 

3 f Lehrbuch der alten Geographie. Berlin 1H7N. S. 31>8 Anin. 1. 

*> Ocrta I. 8, II. 24, 2H; III. 25. Chronicon VI. 12, Vll. 14. 

»j Geata III. 25. 

•) Caesar III. 1; vgl. Mommscn, Römische G<«t:hit:hto, III. Aufl. 1K(>1 III. B. 8. 252. 

') Chronicon VII. 17. Conradn* Pyrenaeum per iugum .Soptiiui inont», quo Rhein» rt Aciiu» 
fluvii orinnttir. triumc-enilit. 



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Die geographischen Anschauungen einiger Chronisten des XI. und XII. Jahrhunderts. 99 

Eine interessante, kindliche Erklärung des Namens Alemannia gibt uns 
Otto Gesta 1. 8. •) Zürcb nämlich, die bedeutendste Stadt Schwabens, 2 ) liegt an 
einem See, aus dem ein Flnss Lemannus fließt. Von diesem Flusse nun soll 
zunächst die betreffende Provinz Alemannien d. i. Schwaben ihren Namen haben, 
und von dieser endlich ganz Deutschland, wie denn auch Ragewin 9 ) Alemannicum 
regnum lür Deutschland gebraucht, wahrend Otto an der ursprünglichen Be- 
deutung des Wortes als des Herzogtums Schwaben festhält Jenen See nennt 
uns Otto nicht, er heißt mit seinem lateinischen Namen Turicinus lacus. 4 ) Unter- 
halb von Ztirch geht die Sihl in die Limmat. Die Sihl nun hieß ehemals Lin- 
dimacus, 8 ) also Sihl und Limmat hatten früher einen und denselben Namen, von 
einem Flusse Lemannus aber zeigen uns die Karten nichts. Ob hier nun eine 
Verwechslung mit dem lacus Lemannus, dem Genfersee, im Anklang an den 
Namen Lindimacus vorliegt oder wirklich ein zweiter Name Lemannus für den 
Fluss existierte, müssen wir dahingestellt sein lassen. Doch mag wol eher das 
letztere, hervorgerufen durch jenen entfernten Anklang an Lindimacus, das in 
das bekanntere Lemannus verwandelt war, der Fall sein, denn Otto war ein 
gewissenhafter Berichterstatter, dem man eino so oberflächliche Behandlung seines 
Gegenstandes nicht zumuten darf. Das Wichtigste aber für uns bleibt die Ab- 
leitung des Namens Alemannia von Lemannus; solche Etymologien liebte eben 
das Mittelalter. 

Auf einer ähnlichen Ableitung beruht die Deutung des Namens der Lon- 
gobarden als „Langbärte" 8 ) und zwar sollen zur Zeit der Eroberung Italiens 
durch Albofn die Frauen ihre Haare am Kinn befestigt haben, um ein männliches 
Aussehen zu bekommen und so den Schein zu erregen, als ob das Heer der 
Eroberer größer wäre, als es in der Tliat war. Hiervon habe dann das ganze Volk 
den Namen Longobarden erhalten, das bekanntlich Langäxte bedeutet. 

Eigentümlich ferner ist der Gebrauch der Bezeichnung eis und trans Alpes 
bei Otto. Ihm ist trans Alpes Deutschland, eis Alpes Italien, wie mehrere Be- 
legstellen zeigen '). Anders Ragewin, der nach den hinterlasseuen Aufzeichnungen 
Ottos das von diesem begonnene Geschichtswerk fortsetzte; er gebraucht jene 
Ausdrücke in entgegengesetztem Sinne. Otto betrachtete eben Rom als Centrum 
des orbis terrarum, Ragewin nicht mehr. 9 ) 

Der Bischof von Freising kennt drei Flüsse als die bedeutendsten Europa's: 
1) den Rhein, 0 ) 2) die Donau, 10 ) und 3) wol den Po, denn von den großen 
Strömen des heutigen Russlands wusste man damals noch nichts, in der Poebene 
aber schlugen die meisten deutschen Kaiser ihre blutigen Schlachten. 

Der Rhein nun trennt Gallien von Deutschland.") Auf gallischer Seite 



1 ) . . . Turegum, nobilissitnum Saeviae oppldum .... Hoc oppidnm in faueibns montium 
versus Italiam super Iacuiu. unde Lemannus fluviug fluit, situm . . . . A praedicto etiam Lomanno 
fluvi« . . . tota illa provincia Alemannia vocatur. C/uare quid&tii totam IVutonicain terram Alcmanniaiu 
dictam putaul, oumesque Tcntotiico» Alemaunos vocare «olent, cum illa tantum provincia, id est 
Suevia, a Leniantio fluvio vocetur Alemannia popnlique eam iuhabitaute* solummodo vocentur 
Alemanui. 

') Ge*ta I. 2»» uoch einmal erwühnt: raptoque supra memorato Alemanniae oppido Turego. 
\i Gesta III. :5&: non so] um Alemannia sed et Italici regni vires ibi adunatae fucrant. 
*) Siehe v. Spinner-Menke, Handatlas für die Geschieht« de« Mittelalters und der neueren 
Zeit. III. Auflage Justus Perthes. Gotha 1880. Karte 36. 
•\ Ebenda. 

*j Gesta II. III: . . . . ab ii.Hdetn (seil. barbarisi, eo quod ad äugendem exercitum foeminis 
retlexis ad mentum critiihti-s sieqtic virilem et bnrbatam facicin imitantihu* et ideirco Longobardi* 
a lnngis barbis vocitatis et ipsa Lougobardia appellari c»nsuevit. 

') Gesta II. 1 : .... in oppido Krancoufnrde de tarn imuicusa trausalpini regni latitudinc 
Universum, miruin dii tu, priueipum rohur uou sine quihusdam ex Italia bammln»* in uuum corpus 
coadunari potuit, ferner II. 24: Der König ist in Italien, die Hitze ixt furchtbar, deshalb non sine 
cordis ainaritudinc ad Transalpina redire coghur. und auch sonst noch, %. H. II. 2H. 

*) Gesta III. M : Inde fuit, quod tarn valido ein Alpes imperio ita provide cousitlnissct n. s. w. 
dann: Instabat iam tempus quo reges ad bella proliriaci solent, ipseque in proximo ad Transalpina 
exercitum diieturus u. s. w. und IV. JJ: es waren zugegen: de eismoiitanis Fridericns Coloniensis 
archtepiscopus, Eherhardus Habenbergensis episcopus ..... de, ultraiuoutanis Gwido Cremensis 
earilinalis diacouu», Percgriuus Aquilegiensis patriarcha . . . 

Gesta II. 28: Rbeuus uobiltssitnus fluvius. ex triuni Eurnpae uominatissimonini fluviorum unus. 
,0 j Eb. Supra Daiiubium, qui unus trium famosissimorum fluminiim in Europa a topografis dicitur, 
'i, Eb. ex min ripa Galliae, e\ altera Gennatiine Iime*. 



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100 Die geographischen Anschauungen einiger Chronisten des XI. und XII. Jahrhunderts. 

begleiten ihn der Wasgau und die Ardennen, auf der andern ziemlich hohe 
Gebirge, deren Namen Otto nicht angibt. ') Der Donau gehen unweit Regens- 
burg der Regen und die Naab zu.') Und nun folgt wieder eine originelle Er- 
klärung de« Namens Regensburg — Ratisbona : weil von hier aus durch den Zufluss 
des Regen und der Naab die Beachiffung des Flusses mit Flößen (rates) er- 
möglicht wird.') 

So sehen wir denn, wie schon in dem engeren Vaterlande manches unklar 
und wunderbar aufgefasst wurde, um wie viel mehr musste dies bei weiteren 
Entfernungen geschehen, wo geradezu haarsträubende Dinge uns aufgetischt 
werden. Wir gehen nun hierzu über und beginnen mit Ungarn. 

An der Grenze von Deutschland und Ungarn liegt Pressburg, 4 ) das Otto 
auch Castrum Bosan nennt, 8 ) weiterhin nach Osten liegt Grane,') das heutige 
Gran, am Flusse gleichen Namens. Nach Arnold ist dieser Ort die Hauptstadt 
Ungarns. Nahe bei dem heutigen Ofen finden wir die Stadt des Attila, Etzelburg, 
und noch weiter Sclandeinunt an der Eiza, T ) endlich gelangt man zur Sau, 8 ) 
dem Grenzflusse zwischen Ungarn und Serbien. Uber das Land und die Sitten 
der Ungarn finden wir nun die interessantesten Berichte bei Otto. 0 ) Ungarn ist 
von allen Seiten von Wäldern und Bergen, besonders dem Apennin umgeben 
und wird von altersher Pannonien genannt. I0 ) Weite Ebenen Definden sich in 
diesem Lande mit großen, wasserreichen Flüssen, ebenso Wälder, in denen vielo 
wilde Tiere der verschiedensten Art hausen; das Land selbst bietet einen freund- 
lichen Anblick dar und ist überaus fruchtbar, wie das Paradies und Ägypten. 
Aber nach Barbaren brauch findet man nur selten Häuser und Städte, und nicht 
nur Berge und Wälder bilden die Grenzen, sondern auch Flüsse. Im Süden von 
Ungarn liegt Croatien, Dalraatien, Istrien und Krain, im Westen die deutsche 
Ostmark und Mähren, im Norden Böhmen, Polen und Russland, im Nordosten 
wohnt das Volk der Petschenägen und Falonen, welche von der Jagd leben, 
Ackerbau aber nur in geringem Maße treiben, im Osten finden wir Bulgarien 
da, wo die Sau in die Donau mündet, und im Südosten Rama. Man sieht, die 
Grenzen stimmen doch nur ungefähr; Bulgarien liegt eben ganz im Süden und 
zwar mit Serbien, das Otto nicht zu kennen scheint; die Petechenägen aber 
wohnen direkt im Osten, und zwischen ihnen und den Ungarn beiludet sich ein 
streitiges Gebiet. 1 ) Rama ist vielleicht Roma und dann gleichbedeutend mit Rumänien. 

Unter den Einfällen der Barbaren hatte Ungarn viel zu leiden; so ist es 
denn auch nicht wunderbar, wenn sie roh und ungebildet in Sitte und Sprache 
bleiben. Da waren es zunächst die Hunnen, die das Land überschwemmten, dann 
das Volk der Avareu, die sich von rohem und unreinem Fleische nähren, endlich 
setzten die Ungarn sich dort fest, die aus Skythion gekommen waren. Die letzteren 
haben tiefliegende Augen, sind hässlich und klein, an Sitten und Sprache bar- 
barisch und wild, so dass man sich über die Ungerechtigkeit des Schicksals oder 



') Eh. hahot enim ox parte Galliae vicinunt Vosagum et Ardennam, ex parte Germaniae 
sylvas non medioeres, barbara adhac nomina retinentes. Der Schwarzwald hatte zuerst deu Namen 
Ahnoba (Kiepert 8. 520 §. 452), später im 3. Jahrh. silva Marciana ^Kiepert a. a. O. S. 521 
§. 453); Otto scheint keinen von beiden zu kennen, und es ist wol als sicher auzunehineu, dass 
diese Namen in den Stürmen der Völkerwanderung verschwanden. 

') Eb. . . . Ratisbonam, Norici ducatus metropolim i Baiuni wird auch I. 40, IL 6 u. s. w. 
als Noricus ducatus bezeichnet und Rcgcmdmrg II. 28 auch als Sitz der einstigen Könige und 
späteren Herzoge;. Haec civitas super Danubiuiu . . . ex ea parte qua praedicto amui duo navigabilia 
Regenus scüicet et Naba illabuutur üiuniua posita. 

3 j Eb. eo quod ratibus opportuna bouaque Hit vel a ponendo ibi ratos Ratisboua vol Ratis- 
pona voeatur. 

*) Arnold! Chronica Slavomm (Pertz Bd. XXI) IV. 8 wird Preasburg porta Uugariae genannt. 
s ) Gcsta I. 30. 
•) Arnold IV. 8. 

7 ) Aruold IV. 8; die beiden letzteren Namen woiJJ ich nicht zu deuten. 
*) Aruold IV. 8: Sowa. 
»I Gc»ta I. 31. 

,u ; AW hier werdeu die Alpen wieder Apennin genannt und indirekt Pannonien von diesem 
Namen abgeleitet. Vgl. auch Chrouicon VI. 10: His diebun geu* l/ngamrum ex Scythis egresxa 
ac a Poceuatis pul*a, Avaribus eioctis, Pannoniain iuhabitarc eoepit. 

") Siebe v. Sj»rnner-Meiike, Karte 79. 



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Die geographischen Anschauungen einiger Chronisten des XI. und XII. Jahrhundert«. 101 

vielmehr über Gottes Geduld wundern muss, der ein so herrliches Land solchen 
menschlichen Ungeheuern überlassen hat. ') 

Von den Griechen haben sie gelernt, keine wichtigere Angelegenheit ohne 
häutige und lange Beratung auszuführen. Ihre Wohnungen in den Dörfern und 
den Städten sind sehr primitiv fast immer nur aus Rohr, selten aus Holz, noch 
seltener aus Stein, deshalb wohnen sie auch im Sommer und Herbst unter Zelten. 
Werden sie zur Beratung au den königlichen llof berufen, bringt jeder seinen 
Sessel mit. Unbedingt ist der Gehorsam gegeu den Vorgesetzten, jeder Wider- 
spruch, ja sogar jedes heimliche Murren gegen den gegebenen Befehl ist bei 
strenger Strafe verboten. Das Land ist in 70 Grafschaften geteilt: bei Processen 
fallen '/a der Einnahmen an den königlichen Schatz, '/s nur an den Grafen. 
Trotz der weiten Ausdehnung des Reiches wagt es doch keiner, mit alleiniger 
Ausnahme des Königs, sich eine Münzstätte oder ein Zollhaus anzulegen. Hat 
ein Graf den König beleidigt, sei die Beleidigung auch noch so geringfügig, 
oder wird er, selbst ungerechterweise, eines Vergehens bezichtigt, so schickt der 
König einen Gerichtsdiener aus den untersten Standen ab, und dieser ergreift 
ohne jeglichen Beistand den Grafen mitten unter dessen Begleitern, fesselt ihn 
und legt ihn auf die Folter; niemand wird ihm zu wehren wagen. Hier gilt 
nicht, wie in Deutschland, das Gesetz, dass nur Standesgenossen über den 
Angeklagten zu Gericht sitzen dürfen. Letzterem wird das Recht der Vertei- 
digung nicht gewahrt, sondern der Wille des Königs allein entscheidet. Bei einem 
ileeresaufgebot versammeln 9ich alle ohne Widerrede; °/ |0 , V« und je nach den 
Umstünden eine noch geringere Anzahl der Dorfbewohner muss in den Krieg 
ziehen und auch das nötige Kriegsgerät herbeischaffen, die übrigen bleiben zur 
Bebauung des Landes zurück. Diejenigen, die dem Soldatenstande augehören, 
werden nur unter Angabe von sehr wichtigen Gründen von der Pflicht zur 
Heeresfolge entbunden; sie bilden in ziemlich großer Anzahl in der Schlacht 
die Leibwache des Königs. Dieser und seine Leibwächter gehen in prächtiger 
Rüstung einher, die Bewaffnung der übrigen ist nur mangelhaft und hässlich. 

Wir kehren zur Landeskunde von Ungarn zurück. Schon oben war erwähnt 
worden, dass Arnold Pressburg als porta Uugariae bezeichne; Otto nennt es 2 ) 
„porta Mesia," jedenfalls eine eigentümliche Ausdrucksweise, denn die alte 
Provinz Mesia hatte mit Pannonien nichts gemein. Dort, und zwar zwischen der 
Leitha und Pressburg, also auf der heutigen kleinen Insel Schutt, s ) schlug der 
König sein Lager auf. Genau wie heute bildete damals die Leitha auf der einen, 
die March auf, der andern Seite der Donau die Grenze. 4 ) 

Weiter erzählt uns Otto, 8 ) wie er aus Pannonien, also aus Ungarn, nach Bul- 
garien gekommen sei; der Weg führte über den Hebrus (die heutige Maritza) nach 
Thracien, das er in eiu superior Thracia und inferior Thracia 6 ) teilt; dann gelangte 



*) Vgl. hierzu Chronieon VI. 10; die Ungarn werden von den Petschejulgen au« Skythieu 
vertrieben, werfen die Avarcn vor «ich nieder uud nehmen l'aunonieu, da* ja nur der andre Name 
für Ungarn ixt, in Heidt/. Sic »ollen damal» noch .so wild und tierisch gewexou seiu, das» sie «ich 
von rohem Fleische nährten und »ogar Menx-heuhliit tranken. Wem die« unglaublich erseheint, 
der wisse, da»» die Pet»chcnagcu und Faloncn noch heutigen. Tage» rohen und unreine!« Fleisch 
ernten und «war das der Pferde und Katzen. Ferner wird hier ihrer (jcüchicklichkcit im Schießen 
mit Pfeilen gedacht, die »o groß i»t. da»* sie fliehend und »ich uiiiwcndcud mit größter Sicherheit 
den TodeKnfeil entsenden. Auch llelu»dd: Chronica Slavornm (eitiert nach der vou Pertas besorgten 
Aufgabe „in iiduni »eholaruin- lianuovcr lSMj I. 1, sngt von den Ungarn: Uugarica gen» validi««ima 
uuondain et in annis strennua, ipsi etlam Romano imperio formidulosa. 
. Ciesta 1. 

3 j Eh. nennt Otto dietten Steich Virveit, quod non vacantem campum dicero possumu*. 

*) Eh. . . . eiurtdem fluvii (»eil. Lithahc), «ui imperii Roinaui et regni illiu» ex uno Danuhii 
latere, uaiii ex altera Maraha fluvius, lime» est u. ». w. Vgl. dazu I. 44. Cum uuivcrsiR pene copii» 
»ui» Litahc trau»icu» in Pauuonia teutoria fixit. 

Etwa« oherhalb. au der Donau, liegt Vieni (Wien) quod olim a Romaui» iiihahitatiuu Faviani» 
dicebatur. Der Name Viudohoua verschwand im \\ Jahrh. (Vgl. Daniel IV. 8G6,, aU die Römer 
jene Oegeudcn räumen munden; e» entstand der Name Fahiana, Faviana, der dann dem Vieni, 
Vieani weichen inu»»te. Im Spruner-Meuko'schen Atlas finden wir den Namen Fahiana uicht. 
Die erste Karte (Nr. t»S*) Uber Deutschland (Ende des V. — Ende dos VIII. Jahrh.) hat den Namen 
Vindoniina, die Karte Uber da» Ende des VIII. und du IX. Jahrh. (Nr. 80) führt die Stadt gar 
nicht, und vou da an finden wir immer Vienni, so auch anf der Specialkarte (Nr. 36) von Österreich. 

») Geata I. 46. ») Eb. 
KMttr; XtUthnn. v. Bd. 8 



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102 Die geographischen Anschauungen einiger Chronisten «1«'** XI. uml XII. Jahrhundert*. 

er durch sehr fruchtbare Gefilde an die Straße der Dardanellen, welche Otto auch 
bezeichnet als: niare Propouticum. quod modo Brachium saneti Georgii ab indigeni* 
dicitur. ') Einst hieß dieses Meer nach der Fabel von Frixos und Helle der 
Hellespont oder auch Propontis, gleichsam vor dem Pontes gelegen: durch die 
Gewalt zweier sehr mächtiger Ströme, der Donau und des Don, vorwärts ge- 
trieben, ergießt sich das Wasser langsam Hießend bei Troja in das adriatische 
oder tyrheniache Meer.') 

Verschiedenes fallt hierbei auf. Zunächst ist ja die Bezeichnung des ilgei- 
schen Meeres, des heutigen Archipels, als des tyrhcnischeii oder adriatischen 
mindestens zu weit ausgedehnt. Dann aber kennt Otto einen Unterschied zwischen 
Hellespont und Propontis nicht. Die Erklärung der in der That vorhandenen Strö- 
mung aus dem Pontus durch den Bosporus, die Propontis und den Hellcspont 
in das agaische Meer durch die Ströme Donau und Don passt ganz zu den 
Anschauungen der damaligen Zeit, ebenso die Vorstellung von der Größe des 
Don, der ja noch immer als Riesenstrom die Grenze zwischen Asien und Europa 
bildete. Die Mundung der Donau muss aber Otto in anderer Richtung vermutet 
haben, denn bei ihrer vorwiegend westöstlichen Richtung, nur der südliche 
Mündungsarm weicht von dieser Richtung etwas nach Süden ab, kann sie 
doch keine nord-östlich — süd-westliche Strömung erzeugen, was doch nötig 
wäre, wenn die oben besprochene Strömung durch Donau und Don zusammen 
wirklich hervorgerufen würde. 

Ferner mag noch Folgendes erwähnt werden. Otto kennt Ungarn, Pannonien, 
das Land der Petschenilgen, Bulgarien, Thracien, Skythien, er nennt Gesta I. f>i» 
Achaja, Thessalien, Illyrien, Dalmatien, von den Serben aber sagt er nirgends 
etwas, und doch hatte er sie als südliche Grenznachbarn der Ungarn nennen 
müssen! Dafür berichtet uns Arnold etwas über sie; 3 ) er kennt dort eine Stadt 
Ravenelle, da wo die Ravana in die Morava fließt; 4 ) diese Stadt liegt mitten 
in einem Walde ; ihre Bewohner heißen Servi ; sie sind Söhne des Teufels, Heiden, 
gierig nach Fleisch und ihrem Namen gemliß 5 ) dienen sie allen niedrigen und 
schmutzigen Leidenschaften, leben wie die Tiere und sind wilder als diese; sie siud 
Unterthanen des Königs von Griechenland. Im Kriege suchen sie ihre Feinde 
durch furchtbares Geheul zu erschrecken und bedienen sich vergifteter Pfeile. 8 ) 

Hiermit ist die Kunde Ottos und seiner Zeitgenossen über die südliehen 
Reiche Europas erschöpft, und wir kommen nun zu den nördlich davon gelegenen 
Gegenden und zwar zunächst zu Böhmen, von dem uns nur wenig berichtet 
wird. Ein Waldgebirge trennt es von Sachsen, es ist das Erzgebirge, 7 ) es wird 
von der Elbe durchströmt; 8 ) die Bewohner sind slavischen Stammes, sie zeichnen 
sich aus durch Frömmigkeit und kriegerische Gesinnung.*) 

Weiterhin nach Osten wohnen die Polen, ,0 ) und zwar im Norden von Böhmen 



') Vgl. auch Helmold I. 150: ad »inum tnariN, qtii vulgontin «iure dicitur brachium sauet i 
Georgii. Ebenso Arnold IV. 9. 

1 ) Genta I. 45: Hoc mare olim Ellespouticiini a uota Frixitt et Helle» fahula, vel l'ropnuticnm 
veliit nute Ponticnm dic«hatiir, <•<> quo«! a IVtitico tu;iri duoniui uiaximomm fluviorum Tanais et 
Dnuubii impetu propulNiiin qua»! teuuiter flucns. ut volunt, in Adiiatieo »cn Tvnvno inari iuxta 
Troiain niitoquam reeipiatur. 

») I. 3 und IV. <>. 

*) E« ist das heutige Tjuprija der Türken. 
5 ) Also falsche Ableitung von: «ervus. 

*) Auch IV. S werden die Lcihingcucn der Deutlichen, die Futter Inden sollen, von den ver- 
gifteten Ifeilen der Serben getödtet. 
Vi Genta I. tf). 

s ) Adam (in der von l'ertz in UMitn scholarum besorgten A legale II. Anfinge Hannover IhTl» 
II. Allna, in occasum ruen». primo impetu üechemo* alluit. 
•) Adam H. 1H uud Hclinold I. 1. 

•"j Adam IV. 13 nennt es latissima terra. Vgl. Jtehnold 1. 1: At littis austräte Silnvoruni 
ineoluut uatiouc*, quonini ab oriente primi Mint Kuei, deinde I'olnii, habentes a septentrione l'ruzos, 
ab austro Hocmos. Hierzu stimmt Adam, Scholie l'i: Trans Oddoram tluvium primi hahitnut 
I'omerani, deiude Poloui, qiti n latore haben! hine I'nu/.os, iude Hehemos, ab oriente Ku/.zos. In 
der Aufzahlung schreitet der Sch"Iiast uiiinlii h \«n Westen nach Owteu vor; da nun hier im Osten, 
wie er selbst sagt, das Land der Kusseu ist, so bleiben für die Seiten, d. h. Norden und Süden 
(a Iatere hinc et iudej nur die Böhmen und 1'reuOeu übrig; da ferner »lie letzteren unmöglich im 
Süden von IVleii wohnen können, so iiiü.-e-eu im Süden die Bobinen ihre Sitze haben, und das 
»tinnut mit Helmold: »ab aast™ Uoemos." 



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Die Kalahara. 



103 



unil Mähren, was allerdings nicht ganz genau stimmt. Etwas weicht Ragewin 
hiervon ab;') ihm begrenzt Polen im Westen die Oder, im Osten die Weichsel, 
im Süden die Böhmen, im Norden aber die Russen und die Ostsee. 2 ) 

Für Polens Sicherheit seihst hat die Natur schon vorzüglich gesorgt, so 
dass »'s leicht wrteidigt werden kann. Das Volk ist stets kampfbereit, noch 
halb wild und barbarisch.*) Die Küstenbewohner, so erzählt mau sich, verspeisen 
einander in den Zeiten der Not und nähren sich sonst, da bei der dort herr- 
schenden Kälte Ackerbau unmöglich ist, von der Jagd. Als Seeräuber sind sie 
gehorchtet, und ihre kühnen Unternehmungen führen sie bis nach England und 
Dänemark. 4 ) Äußerst dichte Walder bedecken das Land. 

Endlich im Osten von Polen liegt Russland, das die Ruthenen bewohnen. 
Dies ist die letzte und zugleich größte Provinz der Wenden, , ) die auch zugleich 
die Ostsee im Osten begrenzt. Eine bedeutendere Handelsstadt Russlands an 
diesem Binnenmeer ist Ostrogarrl. 8 ) Die Schöbe 11(5 erklärt diesen Namen 
folgendermaßen: Russland werde von den heidnischen Dänen auch Ostrogard 
genannt, weil es im Osten gelegen und gleichsam ein an allen Gütern reich 
gesegneter Garten sei, während es doch iu der That Oststadt bedeutet. Derselbe 
Scholiast nennt die Stadt noch Chungard, weil sie zuerst ein Sitz der Hunnen 
war. 7 ) Die Hauptstadt des russischen Reiches aber ist Kiew; 8 ) sie ist die 
Nebenbuhlerin von Konstantinopel, eine Zierde der Griecbenhcit, ( ») und Hclmold 
fugt noch hinzu, es ahme in allen gottesdienstlichen Handlungen mehr den grie- 
chischen Katholiken als den römischen nach, denn über da« Schwarze Meer 
gelange mau in kurzer Zeit nach Griechenland. 

Was östlich von diesem Volke gelegen ist, hüllt sich in tiefes Dunkel und 
wird deshalb mit Stillschweigen übergangen. Nur Saxo Grammaticus ") fabelt 
von einem Volke der Hellespontiei, das dort an einer Meerenge wohne, die das 
Mittelländische Meer mit der Ostsee verbinde. ,a ) (Schlus* folgt.) 



Dir? Kalahara. 
Ein Beitrag zur vergleichenden Länderkunde. 
Von Dr. Hanns Heiter.') 

Einleitung. 

Orontetrisch-inorphologischer Überblick. 

1. Allgemein ist jenes Stück Afrika'«, welches von den Gebirgen Angola's, 
den Ebenen Lovale's und dem Zambesi aus in Dreieckform nach Süden sich 
erstreckt, unter dem Namen Süd -Afrika bekannt, und diese konventionelle 
Benennung soll auch im Folgenden beibehalten werden, da eine den inneren 

V Ge.Ha III. 1 unil :t. 

') Im allgemeinen entsprechen diese Ansahen der Wirklichkeit Iii« auf die falsche Ansicht 
hi Hetrcff der Russen. Vielleicht liegt «her hier ein Schreibfehler vor. Im Norden liiimlicli der Polen 
wohnen die Preußen, deren lateinischer Name Pruzzi ixt; vielleicht nun war ursprünglich Pruzzi «u 
lesen, der Ahse hreilicr las nun falsch oder verwechselte es mit Kuzzi, den Hussen, und schrieb dann 
dafür das gebräuchlichere Kutheni. da» iu miserm Text steht, nieder. 

J ) Vgl. Adam IV. 3, Detmold I. I : I>ic Polen sind sehr grausam, im Kriege sehr begierig 
nach Heute, so dass sie seihst ihre Freunde wie Feinde hehnmleln. 

*> So ist hier Daria «n [Ibersetzen. 

5 ) AdaurIV. 13. 

*) Adam II. 1!» und IV. 11. 

»I Vgl. Ilelmold I. 1. 

K ) Chive Adam II. l«t; Cime Ilelmold I. 1. 

B ) Gratcia bedeutet hier Gricriiouhcit, d. h. siimmtliche LJindcr, die der griechisch-katholischen 
Kirche angehören. 

,w ) Er nennt es niare Kucciium ; hier hiurin ergießt sich der Dnjcpr, an dem oben jene Haupt- 
stadt Kusslauds, Kiew, liegt. Arnold V.. 30 nennt uns noch oiuu Stadt; es ist Plostekc — Polock 
au der Düna. 

") L. VIII. 8. 4äl in der Ausgabe von Müller !&)!). 

") Über eine solche Mceresverbiudung siehe weiter uutuu. 

'/ luaugui al-Dissertatiou, dem Professoren- Kollegium der UnivcrsitHt Gra« im Mai 1882 
vorgelogt, mehrfach verändert und timgearbeitet im April 1884. 

8« 



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104 



Die Kalahara 



Verhältnissen Rechnung tragende Gliederung bei unserer derzeitigen Kenntnis 
von jenen Ländern nicht gegeben werden kanu. — Dieses derartig umgrenzte 
Gebiet dacbte man sich zu End*' des vorigen Jahrhunderte» als den südlichen 
Teil jenes ausgedehnten afrikanischen Hochlandes, welches von den Ländern des 
Oranjefiusses im Süden bis zum 10.° n. Br. sich hinziehen sollte. ') Dieser Ansicht 
war auch RITTER gefolgt und seitdem erschien das afrikanische Dreieck als ein 
großes „zusammenhängendes Hochland der Erde," welches im Osten, Süden und 
Westen „in mehreren terrassenförmigen Absätzen in die Tiefe sich senkt." Es 
war dies das „Gcbirgsganze von Hochafrika. " a ) Erst als im Jahre 1840 
LlVINGSTüNE den Kumadau entdeckte und dessen Hübe auf beiläufig 700 m 
bestimmte, s ) wurde diese Ansicht etwas erschüttert, und an die Stelle des aus- 



sich senken sollte. Indessen, erst durch die Messungen der jüngsten Zeit, unter 
denen diejenigen GRAHAMS*) hervorzuheben sind, schlössen uns die vertikale 
Gliederung des südafrikanischen Inneren in annähernd befriedigender Weise auf. 
Nach den Messungen von GRAHAM kann von einer stufenwoisen Erhebung des 
Landes gegen ein Hochland zum Oranjestrom, welches allmählig zum Ngami 
sich senken sollte, nicht mehr die Rede sein. D a s P l a t e a u von B 1 o e m f o n t e i n. 
welches eine Mittelhöhe von 1G00 «i aufweist, fällt nämlich nach X. W. zum 
Modder-river und Kai-Garib rasch auf 1100 und 1000 m herab — eine Höhe, 
welche die Karoo aufweist — und außerdem zieht sich vom Ngaini, ja bereits 
vom Zambesi an, zwischen den Gebirgen Namaqua's im Westen und dem K a a p- 
Plateau*) im Osten, eine Senke von 900 und 1000 m nach Süden bis an d«*n 
Oranjestrom und wahrscheinlich noch darüber hinaus, im allgemeinen die Dreieck- 
form des Festlandes wiederholend. Der Name Hochafrika ist demnach nicht mehr 
anwendbar, wol aber kann man das Innere seiner Struktur nach ein Becken nennen. 

2. Ungleich lückenhafter ist unsere Kenntnis von den morphologischen Ver- 
hältnissen dieses Gebietes, zumal, «la bis heute noch niemand der Mühe sich 
unterzogen hat, die in einer weitschichtigen Literatur zerstreuten Berichte über 
die Lithologie und Tektologie Süd-Afrikas zu sammeln und daraus die Umrisse 
eines in der Zukunft zu vollendenden Bildes zu konstruieren. Die Folge davon 
ist, dass, wenn von dem Gebirgsbau Süd-Afrikas die Rede ist, stets die drei 
Randgebirge der Orographen in langatmigen Paragraphen erörtert werden. Es 
kaun nicht in meiner Absicht liegen, den Gegenstand in dieser Einleitung 
erschöpfend zu behandeln, doch will ich wenigstens auf die Grundzüge in der 
Morphologie dieses Gebietes hinweisen. — So spärlich die Nachrichten auch 
fließen, so geht aus ihnen doch mit Sicherheit hervor, dass die drei Randgebirge 
der Orographen in morphologischer Hinsicht auf zwei zu reducieren sind, auf 
ein östliches und ein stt d w estlic h es System. D er s ü d 1 i c h e Zu g 
repräsentiert sich, seiner Zusammensetzung und Struktur nach 
als ein Teil (Ausläufer) des letzteren Systems. 

Das südwestliche System. — Zwar treten schon in Angola und 
Benguela Gebirgsrücken auf, deren orogra p h i sehe Axen von NNW. nach 
SSO. verlaufen und mithin der dem südwestlichen Svstem eigentümlichen 
Streiehric h tung parallel ziehen''): aber erst in Klein-Namarjualand hat 
man dieses System der dasselbe zusammensetzenden Elemente nach unzweifelhaft 
vor sich. Von hier aus zieht es sieh, anfangs — wie es scheint — aus einer, 
dann aber aus zwei und drei P a r a 1 1 e 1 k e 1 1 e n aus Tafel bergsand- 
stein bestehend, in der genannten Richtung nach Süden fort Die einzelneu 
Bergrücken (Cedarbergen, Oliphants-Cardowebergen) werden durch tiefe und 



'> LACEPEDE, Memoire sur le grand plattau de Pinterieiir de l'Afrique. Ann. <ln Mu*. 
il'liUt. nnt. Tom. VI. r>. 284. 

'i RITTER, Afrika, p. Ol nml !>:$. 
■'*} Mi**innary traveU. p. 0l>. 

*) AusxUglich in STOW. Ott the Diamond-grartls of the VauUriver. <iuavt. jiuitu. gool. »oc. 
London. ]874. p. IS. 

»» Vergleiche p. 10«. 

«. Vcrgl. ,lic Karten v,.u KEITH JOHNSTON un.I HENRY STANLEY. 




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Die Kalahara. 



10f> 



breite Längenthäler von einander geschieden. Nach don Darstellungen VON HOCII- 
STETTER'S könnte man versucht sein, in diesen Bergrücken nicht sowol wirkliche 
Ketten als vielmehr die Überreste eines weiten Gewölbes 1 ) vor sich zu sehen, 
welches Gewölbe auf einem mannigfach gefalteten Grundgerüst von 
Thonsehiofor 1 ) aufruhend, denselben in den Aufbruchsthülern zutage treten 
lässt. Aus den Untersuchungen WYLEY'S 3 ) aber geht hervor, dass sich die Sache 
doch nicht so einfach verhält. Man hat vielmehr eine Anzahl von Synkli- 
nalen und Antiklinaleu vor sich, welche freilieh meist als flache 
Gewölbe erscheinen und wobei der Sandstein in den Mulden- 
thälern bis auf «1 i e Unterlage, den Thonschiefer, durchnagt 
worden ist. 4 ) Auf einer von den Quellen des Hexriver über den Frenchhoek- 
Pass zur Quelle des Zouderendriver verlaufenden Diagouallinie*) brechen die 
Sandsteinketten plötzlich ab und nehmen von hier an eine andere, westöstliche 
Streichriehtung an. 0 ) Diese Diagonallinie ist durch das Zutagetreten von heißen 
Quellen 7 ) an derselben ausgezeichnet und erseheint als eine echte .vertikale 
Verwerfungsspalte." welche „eine merkliche gegenseitige Verschiebung der nörd- 
lichen und südlichen Gebirgsketten bedingt." 8 ) Sie mag kurz die HexrivcrspaUe 
genannt werden. Sowie der nordsüdlich verlaufende Randgebirgszug setzt sich 
auch sein südlicher Ausläufer aus zwei, drei und noch mehr, durch 
tiefe Lüngenthäler getrennton Sandsteinketten zusammen. Mit 
Ausnahme der kurzen, bis Kap Uangklip ziehenden Hottentottenhollandsbergen, 
welche nach Westen verschoben sind, weisen alle anderen Sandsteinzüge eine 
westöstliche Richtung auf. Die beiden Hauptketten bilden die Lange- und die 
Zwartebergeu , deren verschiedene Namen fuhrenden -östlichen Fortsetzungen 
bei Klippen-Port, beziehungsweise an der Algoabai enden. Auch dieser Teil des 
Sandsteingebirges weist die für den nordsüdlich streichenden Zug charakteristische 
Struktur auf. Man hat in den Sandsteinrücken keineswegs die Überreste eines 
weiten Gewölbes, sondern eine Reihe echter Parallelketten vor sieh. tt ) Seiner 
Zusammensetzung nach erweist sich das Gestein in der Hauptsache als fein- 
körniger Quarz sandstein von lichter Färbung. Gewöhnlich ist er in 
Bank«; von '/j bis 5 / 4 m Mächtigkeit abgesondert, doch wird er auch und besonders 
unter Hinzutreten von thonigen Substanzen dickschieferig. 



'i Reine der titterr. Fregatte Notttra um die Erde Ge..l. Teil. II. IM. II. Abt. IfWfi. 
GueU» und Granit iu Kieiu-Namaqiialand nach A. WYLEY, Report upon the Mineral ttnd 
tjioloificiU xtritcture of Suiith-Namaqualand. Cape Towu. 1857. p. 5. 

3 , Notes of a jottrnry in two directiotut acro»* the colony, made in the years 1857— 58. 
Cap. T'iwn. 185'». 

V WYLKV. Xotex. 1. c p. 1. .Tin- Table Mouutaiu * and s t o u e . ..it would t.c 
beut in muri' g e n 1 1 y ciirv««,* und forner: „ . .. *mall xigxag c n t <« r t i o n s« which an? 
total ly wanting in the hard and iiuyioldiug saudstoue l..?d." — p. Tin» OliphauUriver : 
„This is n »y nclinal basin im the idd or Table Mountain naudatone . .* — p. -4: „Du the 
:MP cro*sed a * in a 1 1 ridge above van der Mrrvroi'n, and was *oinewhat »urprised tu tind 
largo veius .)f <|iiartz, rminiug two or three mile», in au nuticliual of hard n«iiil»tonr, - 
von- like the older Table Mouutaiu KawlKUmc. >4 

IIOC1ISTKTTEK. 1. c p. -'7 und Kurte; vergl. auch HAINS Karte. Trautet, gool. so«-. 
|H5o. vol. VII. 

••) Kin wo.*io*tliche* Streichen trifft man *<>\vo| in den YVittobcrgen und Hexriver Mountain», 
welche in unmittelbarer Niihc der Spalt«: gelegen sind, .ilx auch im iiuDer»tou Osten (Zuurbcrgeni 
an : vergl. WYLKYS jouniey. p. <>. 7. 55. und 57. 

'1 KKAUS. Über die Quellen </<w siidl. Afrika. Leonhard - Hmnn, Neue* Jahrbuch f. Miu. 
1K4.5. p. 151. 

*, HOCIISTJSTTEtt. 1. c. 

r "> WYLEY. Note*, p. ♦>. „The read panned by Lachen Vley, nearly ahmg the juitctiou of 
the llexriver MAud«U»ito with tho fo^xiliforoiiü »ItalcH. The iiiouutaiii of the furnier are liere ve.ry 
Imld and augular, cut into by ileep kloofs, through which varioiu. brauche» of the llexriver tind 
their way, thus llowing »otnewhat curioindy fnun the outriido c>f an auticliual ridge« tu- 
wanl» itf centre. The .sainUtone heil* dip generally about .'Mr 1 north." 1 — p. 7: „Tili» sand.ttouo 
very uinch rolled and coiitorted and i* repeated, sevoral timcn iu parallel 
r i il g e s, cou-tituting the Witt e 1» e rg e n." — p. 55 : „The «auiUtouc* «.f the Zunrhergeu form a great 
autielinal arch, but tili« ooiiMxt* agaiu of three great fold, and two or mute minor rlcxuros 
The hed* may he »een dippiug at eveiy angle from 5° to HO".- — p. 57 : „ . . Front the »ame incuioraiiila. 
it would appear. that the Potteberg *and*tone dip» the oppoxttc way. or northward, thux indicating 
the exixtenee of a ha.« tu in t Ii e hevoniau rock». - (.Table Mountain saud.»t<uie.) 



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106 



Die Kalahara. 



Da» Sandsteingebirge bildet den West- und Südrand eines geräumigen 
Binnenbeckens, in welchem die mächtigen Schichten der Dicynodon- oder 
Karoofonnation zutage treten, und ist stratologisch alter als die K a r o o l'o r in a- 
tion, deren Gesteine die besprochene F a 1 1 u n gss t r u C t u r nicht 
mehr aufweisen.') — ■ Das genannte Becken aber besteht aus b 1 oc. k r e i c h e n 
Schiefert honen, 2 ) kohlenführenden Schiefern und Sandsteinen 
und wird an vielen Stellen von Eruptivgesteinen der Diabas- 
gruppe*) durchsetzt, welche Ergüsse von mehr oder minder bedeutenden 
Störungen der durchsetzten Schichten begleitet werden. Hiebei ist aber folgende 
interessante Tliatsache zu verzeichnen: Die von den Eruptivgesteinen durch- 
brochenen Gesteinsschichten laufen in einem plateauartigen Zuge (Hantam-Rogge- 
veldsbergen) eine Zeitlang mit dem südwestlichen System mehr oder minder 
parallel ; auf einer Linie aber, welche mit der nordöstlichen Verlängerung der 
llcxri verspätte zusammenfallt, biegen dieselben (in den Nieuwe- und Koudevelds- 
bergfii) plötzlich nach Osten um und gehen in den Sneeuwbergen, wenigstens 
nrographiscli,*) in das östliche System über. Dasselbe scheint ein von der 
Meeresküste fünf/.ehn bis zwanzig Myriameter landeinwärts sich erstreckendes, 
breites, aber flaches Gewölbe der K arooge st e i n ss c Ii i e h te n zu 
bilden 5 ) und erweist sich somit als ein jüngeres Gebilde als das vorige System. 
Die südöstliche Abdachung wird großenteils vom Meere bedeckt, der Kücken des 
Oewölbes hat eine großartige Denudation erfahren und nur die NW.- Abdachung 
bildet (in den Storni-, Quathlamba- uud Drakensbergen) einen hochplutcau- 
artigen Zug. 

Das von beiden Systemen eingeschlossene Dreieck, welches seiner Struktur 
nach ein Becken darstellt und «las K a I a h ar i b a ssi n im weiteren Sinne genannt 
werden mag, wird «lurch eine v o n SVV. n a c h N< ). v «• r 1 a u f e n d e E r Ii e b u n g 
in zwei Teile, die eigentliche Kalahari uud «las Panneveld, geschieden. Der 
Hauptsache nach stellt diese Krhebung ein aus k ry s ta 1 1 i n i sc h e m Kalk 
un«l Glimmerschiefer bestehendes Plateau mit bei läutig 1 !*( H) m 
Mittelhöhe «lar, aus welchem sich von SW. nach NO. verlaufende Berg/.üge, aus 
Quarziten (Langebergen) und Lyditen (Asbestosbergen, Flartogs-Kand) b«\stehcnd, 
bis 1400 m erheben. 0 ) Alle diese' Erhebungen und das Plateau selbst tragen 
unverkennbare Zeichen einer großartigen Denudation. 1 ) Sowohl die »chieferigen 
als auch die massigen Gesteine sind w«'it älter als der Tafel bergsnndstein und 
die Schichten der Karoofonnation. Somit repräsentiert sieh «lieser Komplex von 
Erhebungen den besprochenen Systemen gegenüber als ein altes Festland, 8 ) 
welches in seiner Gesammtheit als Plateau der Kaap bezeichnet werden soll. 
Das Nordende dieses Massivs ist noch nicht feststellbar, jedenfalls ist aber seine 
Ausdehnung nach Norden un«l NO. eine sehr große. 9 ) 



•i Verpl. hierüber die Protile in den Darstellungen HOCH ST ETTERS und A. (i HAINS iiml 
besonder* «Ue Laperuupss erhältnisse •te'* Schicferthons an Meli und *ur Tafelbcrpsandstein- und 
Thoiischiefertormation iWYLEYS juurnn/. p. 7. aud 5-1 1. 

*) „Hoitlderheds» CK IESHACHS, „clavst.me pnrphvrv- HAINS. „trap coupl rate- WVLEY8. 

■V OKI ESBACHS „trappeau pr< eiistone iMelaplivrei HAINS ..trap.» Neben diesen „Orün- 
steinen" werden von COHEN. OKIESHACH, Hf/BNEH. STOW u. a. im östlichen Teile noch andere 
die pcitaiiuten Schiehlen durchsetzende Eruptivpesteioe als „aimpdahud rock* u. citri, m. beschrieben. 

*. LICHTENSTEIN. Seinen in Süd-Afrika. II. p. 4. 

») Verpl. GKIESHACH, On the gtology of Natal. Quart. J«mni. peol. soe, London. 1S7I 
p. 57 ff. and Kart«». 

*; STOW, Grulogical notes upon Griqualand-W'est. Ounrt. Juiini. 1S74. p. 5S1. llf'BNEK, 
Geogno*tisehe Skizeen von dm südafrikanischen Diamanten- Dist rieten. IVtcrmanns Mitteilungen. 
XVII. Hd. p. Hl. 

') STOW, 1. e. an vielen Stellen; verpl. p. 1(10 Anin. '_>. 

") COHEN, Mitteilungen an Prof. Leonhard Leonhard -(Jeiuitjt, Neues Jahrbuch f. Min. 
1873. p. RS. 

V Verpl. Ilt'BNEK, 1. <•. fenier d e s ■ e n geognoxtixche Skizzrn aus Südost-Afrika. IVterwanns 
Mit«. XVIII. Hd. p. 4 - .'-J.. endlich COHEN. Erläuterungen zu einer Itoutenkarte con Ludenburg 
zur Ihlagmtbai. 1S75. Mit 1 Karte. 



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Diu Kalaliara. 



107 



I. 

Die Gestaltung und Beschaffenheit der Oberfläche des Kalaharabassitis. 

Mit <ler Darlegung der Gestaltung und Beschaffenheit der Oberfläche, deren 
Betrachtung den Gegenstand der Abhandlung bilden soll, beginnend, thut man 
am besten KARL MAUCII, einen der ^tatkräftigsten Pioniere Süd-Afrikas, selbst 
sprechen zu lassen, wie er, von der Ostküste aufbrechend, das Laud Natal kreu- 
zend und auf der Hochfläche des Oranjefluss-Freistaates anlangend, folgendes 
Laudschaftsbild entwarf: „Natal bietet von seiner Küste bis zum Oranjefluss- 

Freistaat sehr viel Stoff zur Besprechung Der immer mehr ansteigende Boden, 

vielfach tief durchfurcht von den Küstenttüssen : . . . der Anblick der 
steil a bfal le n d e n M au er d e r D r a k e ns ber g e n mit ihren zerrissenen 
dunkeln Klüften; der breite, wenn etwas angeschwollen, auch tückische 
Tukela: Gehölze oder auch dichte Waldpartien dor Klüfte aus verschiedenen 
nutzbaren baumartigen Akazien . . . bieten vieles von Interesse. Hat man aber 
einmal die Passhöhe und bald darauf da» erste freistaatliche Dorfchen Harrismith 
erreicht, so fühlt man sich geneigt, das Land vor sich eine Einöde zu nennen. 
Wohl hebt sich die durchbrochene Kette der Wittenberge über dem südlichen 
Horizonte ab, wohl können noch einige eigentümliche tafelförmige oder 
spitze Kuppen im Osten, NO. und Norden als weithin sichtbare Land- 
marken dienen, im allgemeinen aber hat man nur eine flach wellenförmige 
Ebene vor sich, allen Baum Wuchses bar; in endlose Ferne schweift der 
Blick, ohne irgendwelches Objekt, bei dem er gern einige Buhe gewinnen möchte, 
zu entdecken. u ') In diesen Sätzen gab MAI ICH ein Gemälde von Süd-Afrika, 
welches man in der That ein treffliches nennen kann. Es ist der Gegensatz im 
Landschaftscharakter zwischen dem centralen Teile und dessen Umrandung, der, 
von MAUCII erkannt und in klarer Weise dargelegt, nunmehr genauer erörtert 
werden soll. 

Die Küstengebiete. Es mag angemessen sein, die Rundschau über die 
Küsten- und Randgebiete mit dem bestgekannten Teil im äußersten SW. zu 
beginnen, welchen HOCUSTETTER anschaulich geschildert hat.») Höchst bezeich- 
nend für den Landschaftscharakter dieses Teiles sind die gewaltigen Sand- 
steinketten, voneinander getrennt durch tiefe Br u c h(?)l i n i e n, 
welclic zu breiten Längen thälern a u s g e w a s c h e n sin d und am Grunde 
die Unterlage der Sandsteiuschichten, den Thonschiefer, zutage treten lassen. 
Tiefe Querschnitte, von den Kolonisten in drastischer Weise Kloof genannt, 
verbinden die Längenthäler miteinander und verursachen die bizarrsten Erosions- 
formen: zackige Berggipfel der Sandsteinrücken, wenn die Schichten steil 
aufgerichtet sind, steil abfallende Tafelberge mit „zerklüfteten, von Karren 
durchfurchten Plateaus, u Ä ) wenn die Sandsteinschichten mit Quarziten abwechseln 
oder horizontal gelagert sind. Ein ähulicher Landschaftscharakter tritt auch weiter 
nordwärts im Onder-Bokkeveld 1 ) deutlich entgegen, und weiterhin findet man 
denselben, nach einer größeren Unterbrechung, in Kaoko oder West-Damaraland *) 
wieder. Auch im Osten kehrt der dem SW. entnommene Gebirgscharakter, nach 
kurzer Unterbrechung im Distrikte Uitenhage, wo die Beschaffenheit des Inneren 
bis an die Küste reicht, in Katirland und Natal 6 ) wieder. Recht anschaulich 
stellt denselben und die ihn bedingenden Agenden MAUCII im Küstengebiete 
nordwärts von Suasiland dar. Wiederum sind es „gewaltige, tafelförmig abgestutzte 
Berge, welche von ihren zerklüfteten und zerrissenen Kränzen überhängende oder 
lose aufliegende Blöcke herabzusenden drohen." In bedeutender Tiefe toben 
im felsigen Bette G e b i r gs s t r ö m e, „welche durch die langsame, aber sichere 
und unaufhörliche Aktion des anprallenden Wassers unterliegende weiche 

') Pttcrmanns Milt. Erjriuiziiiifrahet't Nr. .*)7. p. 7. 
l \ I. c p. m ib. 

h lKK'ICSTKTTEK. I. «. p. JÜ. VVrpl. auch MARKOW. An aeeount of traccls into the 
Iiitenor of Southern Afrika. \>. uml WYLKY. Xotcs. p. G. 
«••. UniTKNSTKIN. I. <•. I. p. -„'OH. -.»14. 

s i ANOERSSON, Du- Okueaiioo-Strom. |.sf,:&. p. ->1. v!7. 4<".. I«. 

'•. CKIEKItACH, Gfohuj. Durchschnitt ron Süd-Afrika, .lahrh. .kr geolo£. K< itlisaiiMnlt. 
Wiiii 1*70. p. 501. MÜHNKK, Gcoijnoxt Liehe Skizzen, p. ^14. 



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108 



I>ic KftlaharA. 



Schichten auflösen, auswaschen und fortführen, bis endlich die über- 
liegenden durch ihr bedeutendos Gewicht nachstürzen." ') Aber selbst noch 
weiter im Norden trifft man ähnlich gestaltete Landschaften an, so dass ein 
großer Teil des Inneren von Süd-Afrika von einem reiehgegliederten Gebirgslande 
umgeben erscheint, wo Uberall die Wirkungen einer lange und ununterbrochen 
währenden Erosion sich geltend inachen. Diese Gebirgsländer sind die Gebiete, 
in denen die einst zusammenhängenden Falten und Gewölbe von Tafelbergsand- 
stein und Karooschiefern, deren Schichten an 3500 m mächtig sind, J ) bis an den 
Grund durchnagt in ihren Überresten in die Höhe starren. Sie sind aber auch 
die Stätten, welche den Seewinden die Feuchtigkeit entziehen und dieselbe auf 
dem kürzesten Wege in die Thäler und tiefen Schluchten führen, wo die stetige 
Wasserzufuhr den Bäumen Eingang gewährt und dadurch die Reisenden entzückt. s ) 
Anders das centrale Bassin! Statt schroffer Sandsteinketten sanft sich 
abdachende Gehänge; statt steil abfallender Tafelberge abgerundete Kuppen; 
statt der von Gebirgsbächen durchrauschten Längenthäler die als „undulating 
flats tt bekannten, flachen Becken, in deren Mitte meist ein Salzsee oder eine 
„Braakpan" sich befinden; statt der Kleefs die von Gravel erfüllten „Sluits; u 
statt der dichten Gehölze in der Tiefe der Schluchten -saftstrotzende Halophyten 
über dem Sande der Wüste; statt des Bloßlegens des Untergrundes und Aus- 
fcilcns der Ebencu das Bestreben, die Thäler und Schluchten zu verdecken und 
die Gebirge zu ebnen; kurz, statt romantischer Landschaften melancholische 
Einöden. Daher ist auch ein Studium «lieser Gegenden, wo die Natur alles zu 
verdecken sucht, ungleich schwieriger als ein solches der Küstenlandschaften, 
und das erste Erfordernis für das Gelingen einer Untersuchung ist ein großes 
Ausmaß von Zeit. 

Nach dieser Auseinandersetzung tritt an uns die Frage heran, aufweiche 
Weise konnte ein solcher Gegensatz zwischen den Randgebieten und dem Inneren 
erzeugt werden, oder welches waren die Agentien, die den Gegensatz 
herbeigeführt haben? Hinsichtlich jener Faktoren, welche den in den Küsten- 
landsehaften herrschenden Charakter geschaffen haben, hat man sich bereits dahin 
geeinigt, die Erosion durch fließendes Wasser als Hauptagens anzusehen. 
Anders dagegen verhält es sich mit den Ansichten über die Natur derjenigen 
Agentien, welche die im Inneren herrschenden Zustände herbeigeführt haben. 
Die letzteren zu ergründen, ist die Aufgabe, welche wir uns in der vorliegenden 
Arbeit gestellt haben. Wenn auch die Nachrichten über dieses Gebiet noch 
spärlich fließen, so eignet es sich zu einer derartigen Untersuchung doch deshalb 
umsomehr, weil gerade Süd-Afrika jener Erdwinkel ist, welchen die einen noch 
in jüngster Zeit von den Fluten des Oceans bedeckt, die anderen dagegen 
seit der Ablagerung der antejurassischeu Karoofonnation nicht mehr vom Meere 
Uberflutet werden ließen, auf welchem Kontinente nach der Ansieht der einen 
riesige Ströme, nach der Ansicht der anderen gewaltige Eismassen ihr Wesen 
trieben. Ehe wir aber auf die Beantwortung der Frage selbst eingehen können, 
haben wir die ^tatsächlichen Befunde einer genauen Erörterung zu unterziehen. 

1. Das Plateau der Kaap. — Mittenzwischen dem Panneveld und der 
Kalahari gelegen, zeigt dieses Gebiet, wie aus den Beobachtungen von STOW*) 
im südlichen Teile desselben hervorgeht, den bereit» angedeuteten Charakter des 
centralen Bassins in ausgesprochener Weise. Der südliche Teil des Plateaus 
besteht im Osten aus einer ca. 1200 m hohen Kalksteiufläehe gleichen Namens, 
deren Steilabfall nach SO. (zum Kai-Garib) als Campbell-Rand bekannt ist, im 
Westen aber auB mehreren, von SW. nach NO. verlaufenden, riuarzitischen Berg- 
zügen und aus Lydit bestehenden Ketten, welche bis zu 1400 m emporragen. 
Höchst charakteristisch für diese Bergzüge, welche, wie die höchstgelegenen 
Partien des Plateaus, kahl sind, ist deren Kontur. Mögen dieselben . Utweiler aus 

') Petermanns Mitt. 1.N70. p. 1. Verjrl. «uel. COHEN. Erliinterutuim. 

»i HAIN. 1. p. IN». *•». m. - KUIUDOE. On the denndation on South-Afriku. UavUfi. 
Mapaz. vul. III. p. HK 

». 1IAKKOW. I.e. p. Ci:S. — BUKUHELL, Heise in ,1«« Innere von Süd-Afrika. II. p. ir,:l. 
— LK'JITKNSTEIN, I. t. II. p. „'17. oto. 

*) üeological notes upon Griqualand-West. I. c. p. 581. 



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Hie K*l»hara. 



100 



Qtiarzit (Matsap- Hills und Langeberpen) oder aus Lydit (Asbestosbergen und 
Klipfontein-Hills) oder endlich aus einem so harten und consistenten Material, 
wie es der amygdalotd rock ist (Ongeluk-Hills), bestehen,') so haben sie doch 
überall dasselbe Aussehen : eintönige, vollkommen abgerundete Hügel- 
rüeken mit vollkommen glattem Abhang, von keinen Wasser- 
rissen durchschnitten, eine großartige und eigentümliche Denu- 
dation aufweisend. 2 ) Die größeren Kotten und Bergzüge repräsentieren sich 
noch als mehr oder minder ansehnliche Hügel, welche aus ihrem eigenen Schutte 
hervorragen; 8 ) die zwischen ihnen gelegenen kleineren Züge aber sind teils gauz 
verdeckt, teils zeigen sie sich noch in der Gestalt kleiner, rundlicher Kuppen. 
Durch die Denudation der Berg/.üge und Anhäufung ihrer Trümmer wurden aus 
thal- und bergreichen, mannichfnch gegliederten Landschaften zwischen je zwei 
größeren Bergrücken eintönige, gegen die Mitte geneigte Bassins gebildet, 
welche dem Beschauer als Ebenen sich darstellen und mit dem Namen „Fiat" 
belegt worden sind. Das Schuttmaterial selbst besteht am Rand einer Fiat aus 
meist eckigen Blöcken und kleineren (nussgroßen) eckigen, runden und geglätteten 
Steinen, welche meist in einer sandigen Matrix eingebettet sind. Während die 
Anhäufungen der ersteren Art den Namen „boulderdrift" führen, sind die letzteren 
als „gravel* bekannt. Beide bilden niedere, terrassenförmige Stufen an den 
Gehängen und finden sich in nach den einzelnen Fiats verschiedenen Meeres- 
höhen.M Die mittleren Partien einer Fiat werden von thonigen, mergeligen und 
tuffartigen Massen eingenommen, welche als „gravelly clay," „sandy clay, a „silt u 
und „calearuous tufa u beschrieben werden. Dieselben wechseln häutig miteinander 
ab; nur ganz im allgemeinen kann bemerkt werden, dass die Block- und 
Gravclanhäufungen die unteren Partien bilden, auf welche gravelige und endlich 
thon- und tuffartige Schichten folgen. Auch Zwischenlagerungen von Gravel mit 
Thon, „gravel patches," werden erwähnt. Die petrographisehe Beschaffenheit des 
den Gravel und Boulderdrift zusammensetzenden Materials richtet sich nach der 
Zusammensetzung der die Fiat begrenzenden Bergrücken und weist somit auf 
einen localen Ursprung dieser Ablagerungen hin. Die Mächtigkeit sämmtlicher 
Schichten ist eine ziemlich beträchtliche, wenn man die Weite mancher Fiat und 
den Einfallswinkel dar die Rand ketten bildenden (Jehänge berücksichtigt. In der 
Mitte einer Fiat trifft man öfters Anhäufungen von Flugsand an : nur einmal sah 
STOW auf seiner Reise durch den südlichen Teil dieses Distriktes die Mitte von 
einem salzigen Sumpfe, einer .Braakpan," eingenommen. Dagegen finden sieh 
dieselben im nördlichen Teil umso häufiger vor. 5 ) Es sind dirt» nur zur Regenzeit 
bestehende, salzige Tümpel mit weißlichem, thonigem Grunde, welche während 
der trockenen Jahreszeit bloß durch Salzausblühungen des Bodens sich verrathen.') 
'2. Das Panneveld. Mit diesem Namen bezeichnet man den zwischen 
dem Kaapplateau im Osten und der als Plateau von Bloemfontein bekannten 
NW. -Abdachung der Storni- und Quathlamba Bergen im Westen gelegenen Teil 
des centralen Bassins, welcher im Süden von den Praambergen begrenzt wird 



Wrpl. STOW. 1. c. Text iiiul Tafel XXXV. 

STOW. I. e. |>. (»"iti; ilie Oiipreliik Hill.-: „Tin- pectiliav *iii<m>iIi and i-mitidcd e«>nt«»ur 
•I ihr winde ..»' tht ic tri He form* a very »trnkiiijr fe.Uure in th«' lands.apc ; and liiere Hin«! linve 
lu t'ii a moMt powerfiil «leuudiiif; ajreiny U< havr n.iiiided ontire rauize,* of hill* eoinpoMol >.f mu Ii 
hnrd aml compact rock« n« th««- <•»' Onjrelitk and tts nei^htioiirho.xt iiito Mich Miiunth an.l uniform 
outline* — au«t tlie in<>r< t<> simo: nutwi1lii.tan<liufj: tho heavy rains tu whirli Sontliern Africa is 
Miliji'itcil. n.it a Minrk- watrr-coiirx- milch le*s river-hed ha* ciit iut«> any >>f tlie iieiplib-itirinj; 
Hat*, forme«! iit" tho »amo Icwl-rock." -- p. i>. - lü; iho Mnt^;ip-Il ill«: „Tlu'*e hill» have evident- 
Iv ln-eu cxpnsed t<> th«' Maine dciiuiliiip »|rp|i«*y as ihn*«- nf Oii«,»eliik. They arc all <lomc<l atid roiiudod 
•>ll, tlie »iiu>otlie*t «mlline* expwially a« thoso »Inpin^; iiiward« toivatil* Malsäp." — p. iV.\~ : the 
l.a ii £<-l><> rgc n : ^ I ti appr.iacliin^ tlie l.an^elx'rjr wc an- struok with tho »ame siiumth outline* s< 
th"*v ti ii aniiiuf? th«' Mat-ap-Ilill*. These uro oontiiiiied t<> tlie central LanjrclnMy, when- many 
»f tlie rock* an- nearly verthal. Höre tlie nirniutaiii-tops liccomo innre nijrjrc«!, «iwiiur tn the m«»n* 
inieijual «leniidatioii; Imt on approachinc tlie wettern »id«', notwilh.*laiidiii<; all tlie «•nntnrtinii* nf 
Ilie *trata, the .taino »inoutli and rnunded ..utline oeeiirs agnin." etr. 

>> Vervl. für die f.dj^nde Erörterung KTOW. I. e. p.«->4. 27. '2*. ."MI. IJ. M- i'H». f>:5. Iii. !V). 

*) Verpl. «lie ll<ilie>iati£a))<'ii in STOW, (iri'iimliiiiil. 

>i rAMI'ÜKI.l.. firisnt i„ S,„1-Atriko. )>. iu. HS. 7>. 7f.. 7«. 77. HÜ. ete. 
«) CAMl'HKLL. I. e. p. IliO. 



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110 



IHe Kalahara. 



Dasselbe ist da» bestgekannte Gebiet, welches aber einige Eigentümlichkeiten 
aufzuweisen bat. Der Hauptsache nach besteht der Untergrund aus kalkigen 
Sandsteinen und Thonsehiefern ilor Karooformation, welche allenthalben von 
Diabasen, Basalten und Gabbros verschiedenen Datums durchbrochen werden.') 
Infolge dieser Durchbruche haben die mächtigen Sedimentärschiehten kleine 
Störungen und Aufrichtungen erfahren.-) Eigentümlich ist das Relief 
dieses Gebietes: Ungemein flache Bassins, „undulating nats,^ deren Ränder 
von den Eruptivgesteinen oder den aufgerichteten Schichten der Karooformation 
gebildet werden. 3 ) Die Eruptivgesteine erscheinen als vereinzelte, die „Ebenen" 
trennende Hügel oder als Reihen von solchen, welche die verschiedensten Formen 
aufweisen: Dome oder Kegelberge, aber auch Tafelberge und Spitzkoppen, je 
nach der Natur und dem Alter des Gesteines abwechselnd. 4 ) Dort aber, wo die 
treunenden Rücken niedrige Plateaustufen darstellen, ist der Abstieg von ihnen 
zur Mitte einer Fiat äußerst sanft und kaum merklieh; obenso leicht gelangt 
man von der Mitte auf den entgegengesetzten Rand, um vou dort in eine andere, 
niedrigere Fiat hinabzusteigen.') Nach STOW betrügt z. B. die Neigung einer 
Fiat vom Rande gegen die Mitte zu auf einer Erstreckung von 3.5 engl. Meilen 
nicht mehr als 72 Fuß. Thaler werden beinahe auf der ganzen Ausdehnung des 
Pannevclds vermisst, umso hautiger aber trifft man auf loknle Depressionen in 
der Mitte der Fiats. Die meisten von diesen Depressionen besitzen keinen Ausweg 
zu einer niedriger gelegenen Fiat, einige dagegen weisen solche Ausgänge in den 
„Poorts," d. i. in weiten, aber seichten Schluchten auf, welche die trennenden 
Rücken durchsetzen und mehrere Depressionen zu einem System verbinden. Es 
hat den Anschein, als ob man es hier mit einem auf „embryonaler" Stufe stehen 
gebliebenen Thalbildungsprocesse zu thun hat. Und der Gedanke, dass die bis 
in die jüngste geologische Epoche herein thätig gewesenen Eruptionen den thal- 
bildendcti Agcntien durch stetes Aufrichten der Schichten hindernd in den Weg 
getreten sind, liegt nahe. Doch mögen wir über die Rolle der Eruptioueu wie 
auch immer denken, sie allein können es nicht gewesen sein, welche den Thal- 
bihlungsprocess hintangehaltcn haben. Wenn in der That dieselben allein den 
thalbildenden Agentien entgegengetreten wären, so hätten sie in zu Seen auf- 
gestauten Flüssen die Spuren der alten, thalbildenden Faktoren hinterlassen 
müssen und eine ausgedehnte Seenplatte wäre das Resultat gewesen. Anstatt 
einer Seenplatte aber hat man ein „Panneveld" vor sich, ein System flacher 
Mulden, deren Mitte von je einem kleinen Salztümpel eingenommen wird. 

Hinsichtlich der Gesteinsbeschaffenheit an der OberHäche ist eine großartige 
Zersetzung, welche sie da und dort erlitten haben, sehr bemerkenswert. Die 
Gabbrogesteinc 8 ) von Kolesberg, zum Beispiel, repräsentieren sich bis zu einer 
Tiefe von 30 m als leichtzerreibliche Massen; erst in der genannten Tiefe erscheint 
der Boden fester und weniger ausgewittert.') Ebenso lässt die Umwandlung der 
Eruptivgesteine von Sleepstein Kopje in eine mürbe, leicht zerbrechliehe Breceie 
bis zu bedeutender Tiefe auf einen energischen Zersetzungsprocess schließen, der 
sich dortselbst vollzogen hat.") Auf den Plateaustufen hinwiederum, welche kahl 
erscheinen, liegen allenthalben lose Blöcke und Trümmer älterer Gesteine umher. 0 ) 
Die meiste Aufmerksamkeit nehmen aber auch hier die Anhäufungen klastischen 
Materials am Rande und in der Mitte einer Fiat in Anspruch. Wie im westlichen 
Teile des Kaapplateaus trifft man auch hier in den unteren Partien Rlocknnhäu- 
fungen an, die wirr in einer graveligen Matrix eingebettet sind. 10 ) Diese Lagerung 

') SHAW. Oh the geoloqy <if the Diamond- Fields »f Stmth-Africa. i.)\mr\. Juurn. IST'i. 
p. il. — KOOKDA SMIT. Die DiamuntrHi/riibrn Sud- Afrika*. iVutMlu- lUrjr- uml lliUtiMiuiiinuk-li«- 
/.viuxnc 1SK1. Nr. 4:5 uml 44. WYLKY, Xutt*. I. <•. 

.SHAW. SMIT, WYLKY, I. c. voiyl. am Ii lliltNKK, 1 )iain;oitou-l)i>trii U: I. c. p. '„'10. 

3 ) STOW, Diamoiid-annrh. p. :;. M-iyl. auch WYLKY. Jmirnrif. 

♦i SHAW. I. 

•\ STOW. (irKiHttlmid. p. . r )S«i. u\. .ti. 

\. Kiipiioti.ic k. i nrws. 

• i IM'NN. On the mode <»/ orcurciur <if Diammid* in Soidh-A) 'iic«. </n;irt. J<>uru. Is74. p. 
"i KOo|{]>\ SMIT. 1. c* 
', lU'KCHKLL. Dl'NN. STOW u, ;i. 
STOW. tlriqHalaml. y. H',1. !>1. !■:.. 



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Die Kalabar». 



111 



der Blöcke tritt besonders dort deutlich hervor, wo eine Poort den Randgebirgszug 
durchbricht und zwei Depressionen miteinander verbindet. Die mittleren Partien 
und oberen Schichten aber werden von ausgedehnten Thon- und Schlamin- 
ablagerungen gebildet. Die hellfarbigen Thone besitzen eine erhebliche Menge 
von Sand, so das» an ihrer Oberfläche wahrend der trockenen Jahreszeit leicht 
Staub aufgewirbelt wird : in der nassen Periode dagegen sind sie sehr zähe und 
morastig und machen die Passage über sie zu einer mühevollen Arbeit. Sie 
wechseln unregelmäßig mit Schichten ab, welche einen kalktuffsihnlicheii Cha- 
rakter aufweisen. Ks sind sandig-thonige Ablagerungen, welche zahlreiche kleine 
Knollen oder stalaktitunartige Gebilde von kohlensaurem Kalk enthalten. 1 ) 
Außerdem finden sich in den Thonschichten Einlagerungen von Gravel, sogen, 
gravel-patches, welche meist aus kleinen, eckigen, aber auch abgerundeten und 
geglätteten Gesteinsfragmenten sich zusammensetzen. Die Oberfläche wird meist 
von rotem oder lichtgrauem Sande eingenommen, der Öfter» zu Dünen auf- 
gehäuft erscheint, aber von nur untergeordneter Bedeutung ist.-) Hinsichtlich der 
Mächtigkeit dieser Anhäufungen berichtet SMIT, dass sie am Hand nur 0.5 bis 
In m beträgt, indessen gegen die Mitte zu bald auf 10 m steigt. Im allgemeinen 
beläuft sich dieselbe auf 20 m und darüber, dürfte somit derjenigen der analogen 
Accumulationen am Kaapplateau nachstehen. Einschlüsse von Fossilien wurden 
bis zur Stunde nicht gefunden. Dl'NN und STOW allein berichten uns von 
Straußeneierfragmenten und einer kleinen Schnecke, welche sie in einer Tiefe 
von beiläufig 5 wi gefunden haben.*) Hinsichtlich der vertikalen Ausdehnung 
dieser Ablagerungen ist hervorzuheben, dass STOW dieselben am Panneveld das 
einemal in einer Hohe von 1000 m, das anderemal wieder bei llftOw angetroffen 
hat. 4 ") Bedenkt man noch, dass dieselben oder ihnen ähnliche Ablagerungen auch 
bei Kheis in 8'JO m Meereshöhe sich vorfinden, während sie, wie später zu erörtern 
sein wird, am Plateau von ßloemfontein bis llisco<me v ) ansteigen, so geht auf 
das »inzweideutigste hervor, dass die Ablagerungen von der verticalen Erhebung 
gänzlich unabhängig sind. Dagegen nehmen die Blockanhäufungen überall die 
unteren und die Randpartien, die Thon- und TufTablagerungen die oberen und stets 
etwas niedriger gelegenen ( 'entralpartien einer Fiat ein. Schon dieses Verhältnis 
deutet auf einen loealen Ursprung der Anhäufungen und Ablagerungen hin: 
wahrscheinlich gemacht wird diese Andeutung durch die Thatsachen, dass die 
Zusammensetzung der Block- und Graveinnhäufungen nach der Beschaffenheit 
der die Randketten bildenden Gesteine sich richtet und die in den Gravel- und 
Thonablngernngen gefundenen Diamanten in den scharfen, nicht gerundeten 
Kanten ihrer Kry stalle auf einen kurzen Transport vom Grundgestein in die Fiat 
schließen lassen.') 

Die Accumulationen werden hie und da bis auf ihren Grund von einem 
Flusse durchschnitten und fallen dann in mehrfachen Terrassen zum Flussbett 
ab. ') Meistens aber bedecken die Ablagerungen kontinuierlich die Fiat, deren 
Mitte von einer „Braakpan" eingenommen wird. Braakpans nennen die» Kolonisten 
salzfllhrende Sümpfe, welche den heftigen Regengüssen während des süd- 
hemisphärischen Sommers ihren Ursprung verdanken, indem das auf eine Fiat 
fallende Wasser nach der Mitte hin zusammenfließt und dortsei bst auf undurch- 
lässigen Thonschichten sich ansammelt") Die Größe der Pfannen ist eine sehr 

') Die»«« Vornahm« wird überall dort orsiebtlieb, wo chi Kiuriss, *ei r* durcli ein« - I'oort, 
sei es diireh einen Flu»«, in diesen Ablagerungen •ttattgefundeu bat 
*i STOW, ni'KCIIKM, u. :i. 

% ) Dl'NN iTwahnt Fragmente von Striiußenoieni im (iravel bei einer Tiefe v>m IlM bis IO engl. 
Fuß. STOW fand «i>]<-he %» Jagrrsfuutein in einer Tiefe vuii 1") engl. FnD und registriert von Dn- 
Toitspan folgende Tliatxnclie : „In « deptb <>f .»even fret from llie Mirfaee nt one. »put fragment* «if 
<N«r'u h-egg-shelli* nnd *t»me Huidiiiieii-Iieads, ina.le of tlie «4111110 «jiibstanee have been lV.und intermixed 
witli a »mall nnivalvc hIh II. •» <Diamoii(bgravels. 1 

Moddorrivor :!0Sb" engl. Fuß, Ora.-pan rj 1-10 engl. Fnß über dem Meeresnive.ui. 
Iteiliitirig m bo.l, gelegen. 

«) STOKY.MASKKI.YNi: and FLICHT, ()„ thr rhnrartar «/ tl„ ,liaw<n,tif,r<»ts rock »f 
South- Afrim. t^nart. .l.mni. Ih7l. p. IMti. Vergl. aiu b SMIT. 1. r., w.mi.k Ii die 711 lUi . i ini um 
gewandelleu KruptivgeMoine auf den Kopje« das Muttergestein der Diamanten darstellen. 

'\ STOW, tiri<jitahi>i,l. p. XI. S-l. WYf.KY, Jounuy. p. .17. 

") STOW, DiumvHd-yrartt.s. p. WYtKY. 1. e. p. '„It. 



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112 



Die Kalahara. 



wechselnde; sie messen gewöhnlich nahezu eine Meile in der Länge und eine 
halbe Meile in der Breite. Die Tiefe ist sehr gering und betrügt oft nicht mehr 
als ein Meter. Der Boden besteht aus einem rechlichen, mergeligen, stets mit 
Sulzen imprägnierten Grunde, der sehr nachgiebig ist. ') Er wird Braakgrund 
genannt. Ringsum der Pfanne breitet sich ein salzhaltiger Morastboden aus, 
dessen Passage eine sehr mühevolle Arbeit ist. Er wird nur von alkalischen 
Busch- und Krautformen bestanden. Unter den Salzen, welche verschiedener 
Art sind, Übertreffen der kohlensaure Kalk und Chlornatrium die übrigen durch 
ihre Häufigkeit und Menge. Ersterer scheidet sich leicht aus und vorleiht dem 
Grunde die lichte Beschaffenheit, letzteres aber erscheint in der trockenen Jahres- 
zeit, wo alles Wasser der Pfanne rasch verdunstet, weite Flächen mit einer Kruste 
überziehend. Die Dicke der Salzefflorescenzen beträgt oft 5 bis 10 cm, 5 ) während 
an anderen Stellen nur »ehr dünne Überzüge sich vorfinden. Im letzteren Falle 
vermag nach der Austrocknung noch kurzes Gras hervorzusprießen und eine 
derartige Pfanne wird „Grasspau" genannt.') 

Ebenso eigenartig wie die stehenden Gewässer des Pannevelds ist dessen 
Fließwasser. Während man zur Regenzeit auf beträchtliche, mit reichlichem 
Wasser gefüllte Strombette stößt, ist das Bild der Flüsse in der trockenen Jahres- 
zeit, während des südhemisphärischen Sommers, ein ganz anderes. In den Handpartien 
sind die Flüsse zwar auch zu dieser Jahreszeit wasserreich, weiter gegen das 
Innere aber lösen sie sieh in eine Reihe von Tümpeln auf. Anfangs sind dieselben 
noch nahe nebeneinander, so das» sie sich an einigen Stellen sogar berühren, dann 
aber entfernen sie sich voneinander immer mehr, bis sie oft eine Viertelineile 
voneinander getrennt erseheinen.*) Solange der Fluss als solcher besteht, ist 
sein Wasser süß, da „die salzigen Bestandteile, welche aus «lein Boden her- 
rühren, beständig durch das zuströmende Wasser verdünnt und fortgeführt werden. u 
Wenn aber der Fluss durch Auflösen in eine Tümpelreihe ins Stocken geräth, 
so bleiben die Tümpel nur eine Zeitlang noch ziemlich süß und „je mehr die 
Wassermenge geschmälert wird, desto stärker wird der Salzgehalt.* 1 Derselbe 
kann „durch gelegentliche Regen, welche ganz in der Nachbarschaft diesor 
brackischen Wasserbehälter fallen," nicht gemindert werden. „Denn durch dieselben 
wird noch mehr Salz von derOberflächedes Bodens hinzugespült." 5 ) — 
Noch ist eines eigenartigen Wassersystems zu gedenken, von welchem uns 
WYLEY berichtet hat. Dasselbe repräsentiert sich während der nassen Jahreszeit 
;ils eine Kette von Seen, welche durch Wasserfälle untereinander in Verbindung 
stehen, während man in der trockenen .Jahreszeit auf eine Reihe isolierter 
Braakpans stößt. fi ) Unzweifelhaft hat man es hier mit einem Übergang eiuer 
Tümpelreihe in ein Flusssystem zu thun, mit einein temporären Flusssystem in den 
ersten Stadien der Entwickelung. Dieses Stadium haben einige ander«; Gewässer 1 ) 
bereits hinter sich, tragen aber iu zahlreichen Stromschnellen noch Anklänge au 
dasselbe zur Schau. In einem derartigen Stadium scheint sieh der Garib zu 
befinden, dessen Gestaltung nunmehr näher betrachtet werden soll. 

3. Der Kai- Garib oder Vaalriver weist in seiner unteren Hälfte 
(bis zur Vereinigung mit dem Nu-Garib) ein sehr geringes Gefälle auf. So beträgt 
dasselbe zwischen Hebron um! Klipdrift, atif einer Strecke von 25 engl. Meilen 
nur 22 Fuß.") Aber dessenungeachtet teilt der Strom nicht die Eigenschaften 
mit einem wohlentwickelten Flusse im Unterlauf; er ist vielmehr in eine Reihe, 
fast eben dahinfließender Stücke geteilt, welche durch aufeinanderfolgende 
Katarakte in Verbindung stehen und hierin das Unfertige des Ganzen erkennen 
lassen. Das unstehende Gestein ist wie am Panueveld arg zersetzt und führt wie 

') V«Tfrl«u!U« die HericliN- v.iu STOW. WYLKY und vir<u-hi«>dcin!i- KciM-nder namentlich 
vau ItlKUIELL I. c. I. p. »MI ft - . 

*) < 'AMI'HELL I. e. ji. i7«. LICHTENSTEIN. I. c. 11. ,.. :IT»1 . 
»i WYLEY. 1. ,-. 

' HITKCHELL. 1. c. II. |». «S. :17. 
■•< IM "K( 'II ELL. I. c. II. [>. .»7. a«. 
' j WYLEY. I. v. |.. _'8. 

•i Modder- und Kictriver un ihrer Viniui<riiii£»»u>llo weiiin.»ten*. Natürlich sind «Ii«- ulu-u 
<>nv;ihiil(«n „Saudfliissi"* davon (jiiii/.liih aii>[rc.nhloM*«'n. 
STOW, DiamoHd-grarth. |.. o. 



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Die Kalahara. 



113 



dort den Namen „rotten-stone." ') Die in größerer oder geringerer Entfernung 
vom Flusse sich erhebenden Kopjes werden mit Blocken und Schutt bedeckt 
beschrieben, welche Materialien nach COHEN nichts als Verwitterungsproducte 
an Ort und Stelle darstellen, ähnlich den Breccien von Sleepstein - Kopje, von 
welchen SM IT berichtet hat.*) Charakteristisch Bind ferner meist senkrecht auf 
die Stromrichtung stehende Klüfte, die „Sluits, u ') welche von Gravel erfüllt 
werden, sowie seitliche Zuflüsse des Vaal, die „Spruits," welche nur in der 
Regenzeit Bäche bilden, in der Trockenheitsperiode aber als Reihen von Tümpeln 
erscheinen. Für die ferneren Betrachtungen aber bei weitein am interessantesten 
sind die Sedimentationen jüngeren Ursprunges zu beiden Seiten des Vaalflusses, 
welche hoch über das Niveau des Flusses, bis an 60 m emporreichen und eine 
beträchtliche Breite aufweisen. Da auch diese Schichten sich öfters diamanten- 
führend erwiesen haben, so waren sie mehrfach Gegenstand der Untersuchung 
von Seite der Geologen sowohl, als auch der Bergingenieure. Indessen ist es 
nicht möglich, aus diesen Untersuchungen ein einheitliches Bild zu construieren. 
Schuld daran trägt vornehmlich der Umstand, dass von den einen alle diamanten- 
führenden Anhäufungen, also auch jene Verwitterungsproducte in loco auf den 
Kopjes, von den anderen wiederum alle gravelartigen Accumulationen, auch die 
durch Umlagerung des älteren Materials erst jüngst gebildeten Alluvionen in 
eine Rubrik zusammengeworfen worden sind. Wir werden daher in der folgenden 
Erörterung fast ausschließlich auf die von STOW gegebenen Beschreibungen 
Rücksicht nehmen, da derselbe wohl zuerst dazu berufen ist, in dieser Beziehung ein 
Wort zu reden. Der genannte Forscher gibt uns von jenen Ablagerungen in 
der Gegend der Vereinigung des Kai- und Nu-Garib folgendes Bild:*) Auf eine 
wallartige Anhäufung von Blöcken folgt nach Westen gegen den Fluss zu, thoniger 
Gravel, welcher an einigen Stellen eine Breite von mehr als einer Meile erreicht. 
Darauf folgt eine beträchtliche Ablagerung von Schlamm, der im trockenen 
Zustande einen feinen Sand, vom W'asser durchtränkt einen zähen Thon darstellt. 
Au der Vereinigungsstelle der beiden Flüsse bildet er eine Terrasse von 15 bis 
20 tri Höhe. Nach dem Überschreiten des Flusses wird derselbe Schlamm bis zu 
beträchtlicher Höhe Uber dem Niveau des Flusses angetroffen. Von dort aus 
erhebt sich das Land in einer Reihe von niederen, terrassenähnlichen Plateaux 
zwei bis drei engl. Meilen weit gegen die Campbell-Rand. Die unterste dieser 
Terrassen besteht aus einer Schichtenserie, welche discordant auf den Schiefern 
der Karoofonnation auflagernd mit steiler Böschung gegen den Fluss hin abfällt. 
„Die Begrenzungsart, sowie die Natur der Ablagerung erfüllen einen mit der Idee, 
dass sie lakustrinen Ursprunges sei" und in einem See sich niedergeschlagen 
habe, welcher vor dem Durchschnittenwerden dieser Schichten vom Flusse daselbst 
bestanden hat Die Mächtigkeit beträgt mehr als 15 tu und die Schichten bestehen 
von unten nach oben aus folgendem Material: 1. einem sandigen Thon von 
grauer Farbe, 3 bis 4 m sichtbar; 2. einem sandigen, kalkartigen Tuff, von G bis 
7 m, in dessen oberem Teile stalaktitenartige Knollen von Kalktuff ein Netzwerk 
bilden, während der untere Teil nur einfache Knollen enthält; 3. wiederum aus 
einem sandigen Thon von okerartiger Farbe und einer Mächtigkeit von 5 bis Ilm. 
Wie erwähnt, werden alle diese Ablagerungen vom Vaalriver meist bis auf das 
anstehende Schiefergestein durchschnitten, welches letztere zu den vielen Strom- 
schnellen Veranlassung gibt, die besonders dort auftreten, wo ältere oder härtere 
Gesteine mit den Schiefern abwechseln. Aus dieser Beschreibung geht unzweifelhaft 
hervor, das» diese Ablagerungen mit jenen am Panneveld übereinstimmen und 
sich den am Modder- und Rietriver auftretenden Sedimenten inuig anschließen. 
— Ein anderes Aussehen tragen die Accumulationen, wenn man, dem Vaalflusse 
entlang, aufwärts steigt. Zu Hebron z. B. findet man einen graveligen Thon mit 
unregelmäßig zorstreuten Blocken. Zu Natal Kopje hinwiederum ist ein thoniger 
Gravel mit Blöcken und zahlreichen flachen, ovalen Steinen, den „kidney stones," 
und geglätteten Karoohölzern vorherrschend. Allesammt aber sind stets schichtungs- 

') COHEN. 11. Mitt. 1. v. P . 150. - HCBNER, Diamanten-lH$tricte. 1. e. p. 82. 
») Vorgl. pap. 1». 

COHEN. 1. c. 
*) GriqvdUmd. 1. c p. «01. COS. 



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114 Bemerkungen Aber einige Aufgaben der Verkehrsgeographie und Staatenkuiide 



loa und werden vom Flusse durchschnitten, so die Gravelmassen von Gouggoug, 
welch«* einst mit denen von Cawoods Hope zusammenhiengeu, so die Gravel von 
Klipdrift und l'niel, «.Midlich diejenigen von Hebron und Diamondia. ') Oh diese 
Accumulationen desselben Ursprunges sind wie die erwähnten Ablagerungen an 
der Vercinigungsstelle der Kai- untl Nu-Garib und am Panneveld oder nicht, kann 
nicht entschieden werden. In der That verschieden von beiden soeben beschriebenen 
Anhäufungen oder Ablagerungen ist eine Sedimentation am Flusse selbst, und 
nur wenig höher als der jetzige mittlere Wasserstand desselben, so „dass sie bei 
«lern im .Sommer häufigen Hochwasser zuweilen vollständig unter Wasser gesetzt 
wird." Sie bedeckt nur kleine Flächen längs de« Flusses, ist zum Unt«Tschicd 
von den vorigen deutlich geschichtet und „besteht aus einem lichtgrau gefärbten 
lehmigen Sande, der stellenweise «lein sehr ähnlich ist, welcher noch jetzt in 
grolier Menge vom Flusse abgesetzt wird." 2 ) Nach COHEN und STOW sind 
diese Ablagerungen viel jünger als die vorigen und durch secuncläre Uinlagerung 
aus jemm hervorgegangen, indem die feinen thonigen Bestandteile vom Flusse 
fortgetragen wurden und wohl zur Bildung jener von ANDKRSSON und WVLEY 
erwähnten an Kisenoxyd und Glimmerschüppchcn reichen Thonalluvionen an 
«ler Mündung des Oranjetlusses Veranlassung gaben, während «He sandigen Be- 
standteile au den Ufern selbst zur Ablagerung gelangten. (Schlu** folgt) 



HouHM'kuufjon Li bor oinigo Aufgaben der V(MkHiis<4<M»ßrnidii«' 

und Staatenkiunle. 

Vf.n l'rivatdocent l>r. F. U. Hahn in Leiptig. 

Obgleich es nicht an vortrefflichen, zum Teil sehr eingehenden Arbeiten 
fehlt, welche einzelne Küstenstrecken nach ihren physischen oder verkehrs- 
geographischen Verhältnissen behandeln, sind doch die Aufgaben, welche sich 
dem Geographen in den Küstenländern darbieten, erst zum geringsten Teile als 
gelöst zu betrachten, viele derselben sind überhaupt noch nicht recht in Angriff 
genominen worden. Die Abschnitte über die Küsten gehören in der Mehrzahl 
unserer Lehr- und Handbücher noch immer zu den kürzesten und unbefriedi- 
gendsten. Auch die Bestrebungen, über den B e g r i f f der K ü s t e n e n t w i c k I u n g 
und sein«; Verwertung für das Studium der einzelnen Länder zu einer Über- 
einstimmung zu gelangen, haben noch nicht zum Ziel geführt. Zum Teil hat man 
sich die Lösung der Aufgabe zu leicht gemacht und die Einreihung weniger, 
ohne weitere Bearbeitung fast nutzloser Zahlen für genügend erachtet, oder man 
hat Wege verfolgt, auf denen für die neuere Geographie ein Gewinn überhaupt 
nicht zu erzielen war. Außerdem scheint es, als ob die an sich ganz berechtigte 
Vergleiehung der Kontinente, Länder und Staaten zuweilen allzusehr in den 
Vordergrund getreten ist. Die Hauptsache muss zunächst die Erkenntnis des 
einzelnen Landes oder Staatsgebietes nach allen seiuen Beziehungen sein. Bei 
einer Betrachtung Europas wird man nicht mit Vergleichen zwischen den ein- 
zelnen Teilen desselben beginnen, sondern zunächst die einzelnen Länder gründlich 
kennen zu lernen suchen; lehrreiche Vergleiche ergeben sich dann am Schlüsse 
von selbst. So hat man auch bei der vergleichenden Betrachtung der Küsten- 
gestaltung der Kontinente und Einzelländer nicht immer bedacht, ob auch für 
die Kenntnis des Einzellandes für sich ein Gewinn erreicht wird. Die Erörte- 
rungen über die Küstenentwicklung knüpfen nicht mit Unrecht meist an den 
Namen Carl Ritters an. Kitter hat an vielen Stellen seiner Abhandlungen zur 
vergleichenden Erdkunde und seiner Vorlesungen mit großer Vorliebe bei der 
Betrachtung der Küstengestaltung verweilt und die stärkere oder geringer«; 
Gliederung der Küsten mit den Schicksalen des betreffenden Erdraumes und 
seiner Bewohner in «ler Geschichte in Beziehung zu setzen gesucht. So lesen 
wir in der Abhandlung über geographische Stellung und horizontale 



M STOW, Diamond-graieh. 

i) COHKN. II. Mitt. I. c r . IM). 



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Bemerkungen Ubor einige Aufgaben «ler VerkehrngeogrAphie und Staatenkunde. 



115 



Ausbreitung der Erdteile:') »Ungeachtet Europas Flächeninhalt etwa dreimal 
kleiner ist als der von Afrika, so ist die Entwicklung seines Küstenrandes fast 
um das Doppelte größer (an 5400 geographische Meilen), also das Zwölffache 
seiner Landgrenze gegen Asien. Die Küstenentwieklung Asiens ist allerdings 
noch um '/ 3 größer als die von Europa, etwa 7000 Längenmeilen, aber das Areal 
dieses Erdteiles auch mehr als viermal bedeutender. Europa ist daher der Erdteil 
mit der relativ größten Küstenbegrenzung, mit der reichsten Entwicklung der 
Gestadeform auf der Erde; er ist also der zugänglichste von der Seeseite ge- 
worden." Koch bestimmter heißt e^ in den Vorlesungen über Europa (S. 73 der 
Ausgabe von Daniel, Berlin, I8t»3): «Die Küstenentwicklung Europa« ist die aus- 
gebildetste der Erde, weil nirgends gleichviel Länderteile eines Kontinents von 
gleichviel Meeresteilcn bespült werden." Trotzdem war Ritter weit davon entfernt, 
diesen Vergleich zwischen Küstenlänge und Flächeninhalt für den unbedingt 
besten oder gar für den einzig möglichen Ausdruck für die Küstenentwicklung 
zu halten. Er gesteht (Einleitung zur allg. vergl. üeogr., S. 241) ausdrücklieh, 
dass wir für die Verhältnisse der horizontalen Gestaltung der OberHäche unseres 
Planeten leider noch keinen bestimmten Kanon besitzen. Außerdem weist Ritter 
mehrmals*'') auf die Vergleichung des Flächeninhaltes des Stammes eines Kon- 
tinentes mit dem der Glieder hin. Dieses auch mathematisch und logisch zulässige 
Verfahren würde für die Geographie größere Bedeutung erlangen, wenn die 
Ansichten der Geographen über die passendsten Grenzlinien zwischen Stamm 
und Gliedern weniger weit auseinandergiengen. 8 ) Zahlreiche Verfasser von geo- 
graphischen Lehr- und Handbüchern haben aber die eben angeführten vorsich- 
tigen Bemerkungen Ritters unbeachtet gelassen, und indem sie sich nur an die 
zuerst mitgeteilte Stelle hielten, berechneten sie, wieviel Quadrattneilen des Areals 
auf eine Meile Küstenlänge für jeden der Kontinente oder wichtige Teile derselben 
kommen und fügten die bo gewonnene kleine Tabelle oft ohne jede weitere 
Bemerkung ihrer Darstellung ein. Es hat nie ganz an Stimmen gefehlt, welche 
von diesem allzu schematischen und, wie wir sehen werden, sogar irreführenden 
Verfahren abrieten. Günther in Ansbach hat vor kurzem in sehr dankenswerter 
Weise namentlich auf die mathematische Unzulässigkeit jenes Vergleiches hin- 
gewiesen. 4 ) Aber auch der Geograph wird jene Zahlenangaben ohne das mindeste 
Bedauern verschwinden sehen. Der Geograph will vor allem erfahren, welchen 
Anteil der zu untersuchende Erdraum an den Vorteilen besitzt, welche das Meer 
gewährt, er will wissen, welchen Wert die Küstenstrecke jenes Erdraumes für 
denselben hat, inwieweit sie eine Grundage für Handel und Seeschiffahrt abgeben 
kann oder einen günstigen Boden für die Entwicklung größerer Wohnplätze bietet. 

Der Kulturwert einer Küste hängt wesentlich von drei Bedingungen ab. 
Zunächst muss die Küste von der See aus bequem zugänglich sein, gute 
und sichere Häfen darbieten. Ferner muss die Küste selbst zu Ansiedlungcn 
geeignet sein, sie darf nicht durch unzugängliche, nahe an das Meer herantretende 
Gebirge, wasser- und pflanzenlose Sandwilsten oder ungesunde Sumpfstrecken 
den Verkehr unmöglich machen. Endlich müssen brauchbare Verbindungswege 
zwischen der Küste und dem Innern des Landes vorhanden oder doch leicht 
herzustellen sein. Die Länge der Küstenstrecke und ihre Gliederung durch 
Halbinseln und Golfe ist viel weniger maßgebend. Es gibt nicht wenige, sehr 
«tark gegliederte Küsten, welche vou ganz geringem Werte sind, weil eine oder 
mehrere jener Bedingungen nicht erfüllt sind. So zeichnen sich mehrere Strecken 
der westlichen und nordwestlichen Küste des Australkontinentos durch ihre starke, 
an norwegische Verhältnisse erinnernde Gliederung aus. Aber die tiefeinge- 
sehnittenen Golfe und Buchten sind meist seicht und durch Riffe, Klippen und 
Sandbänke noch besonders schwer zugänglich. Drei Vierteile des großen, höchst 
auffälligen Haiensundes (Sharks Bay) unter 25° S. Hr. können nur von Booten 

'i Einleitung rur allgem. vrrgl. Geographie. Berlin, 1852, 8. 12.'5. 

*j Vorlegungen Uber allgemeine Knikunde. Herlin, 1W52, 8. 205 ff. u. elc. 

l ) Kl «eilen. Da« Areal «ler Hoch- und Tieflandi*chaueu Europa». Berlin. 187.1, S. 3 ff. Strel- 
bitskj, La Superntie de 1'Kuropc. 1'eteiNburg, 1H*2, S. 21G. Guthe-Wagner, Lehrbuch der 
Geographie, 5. Aufl. Hannover, lhXl, Bd. 2, S. 25) ff. 

*) Verhandlungen des »weiteu deutschen Geographentagos. Berlin, 1882, 8. 141 ff. 



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116 



Methodik und Unterricht der Geographie. 



befahren werden. Außerdem tritt gerade hier die namentlich des trinkbaren 
Wassers völlig entbehrende Wüste dicht an das Ufer heran, so das» schon 
hierdurch jede Ansiedlung äußerst erschwert, wenn nicht ganz verhindert werden 
inüsste. 1 ) Auch die Küsten von Nord-Carolina nordwärts vom iiö. Breitegrad 
erscheinen auf Karten größeren Maßstabes sehr stark gegliedert, hier sind es 
aber ausgedehnte Sümpfe, welche eine größere Dichte der Bevölkerung und das 
Aufblühen eines regen Handelsverkehrs ausschließen. Von den Ländern Europa'« 
besitzt unter anderen Dalmaticn eine stark gegliederte, auch hafenreiche und für 
ortskundige Seeleute nicht zu schwer zugängliche Küste. Aber die Verbindungen 
mit dem Binnenlande sind hier bei der eigentümlichen Gestaltung des dalma- 
tinisch-bosnischen Karstbodons so beschwerlich, dass die Vorzüge der Küste nicht 
zur Geltung gelangen konnten. In ähnlicher Lage befanden sich auch die an 
vortrefflichen Häfen reichen Küstenstriche Nord-Spaniens. Gegenwärtig sind aber 
die Verbindungen zwischen Asturien und dem Innern von Castilien durch Anlage 
mehrerer Bahnen und guter Straßen sehr verbessert. Die Anlage ähnlicher Ver- 
bindungswege zwischen Dalmaticn und Bosnien ist jetzt sicher zu erwarten. Dies 
kann uns darauf hinweisen, dass wir die gegenwärtige Verkehrsstellung einer 
Küstenlandschaft nie aus den physischen Verhältnissen allein ableiten dürfen, 
wenn diese auch stets maßgebend bleiben. Ungünstige Verhältnisse können bis 
zu einem gewissen Grade besiegt werden, günstige bleiben unbenutzt, wenn der 
Lauf der Geschichte einem energielosen oder dem Seeverkehr abgeneigten Volke 
den Besitz der Küste zuwies. Eine anscheinend recht brauchbare Küstenstreeke 
wird nicht zu voller Entwicklung gelangen, wenn Gegenküsten, nach denen hin 
der Verkehr sieh richten könnte, ganz fehlen, allzu entlegen sind oder weni^ 
anlockend erscheinen. So wird gerade für die Beurteilung der Weltstellung 
Asturiens der Mangel einer bequem zu erreichenden Gegenküste mit in Rechnung 
zu ziehen sein. ( Fortsetzung 1 folgt.) 



Methodik und Unterricht der Geographie. 



Dio orohydro^TMphiseli'Mi W';indk:irten Kurop:iVi von Horghnus, 

Hmirdt und (Iriif. 

An Wandkarten Uber Europa leidet bekanntlich die geographische Welt 
durchaus keinen Mangel. Aus älterer, wie neuer und neuester Zeit liegen viel- 
mehr zahlreiche derartige Arbeiten vor, und mehrere derselben verdienen, speciell 
für Zwecke des Unterrichts und des Studiums durchaus empfohlen zu werden. 
Ein historischer und vergleichender Überblick über diese Wandkarten, der etwa 
den Zeitraum der letzten vierzig Jahre umfassle, würde nach mancher Seite 
interessant sein ; ohne deshalb einem solchen vorgreifen zu wollen, beschränken 
wir uns in den naehfolgenden Zeilen darauf, drei der hervorragendsten oro- 
hydrographischen Darstellungen unseres Erdteils zu vergleichen : Dio von 
Hermann Berghaus. Viucenz von Haardt und Adolf Graf herrührenden Arbeiten. 

Als die dem Fachmann interessanteste dieser Karten ist zweifelsohne die 
von Berghaus herausgegebene „Wandkarte von Europa" zu bezeichnen (im 
Verlagskatalog des Verlegers „Physikalische AVandkarte von Europa* 4 genannt). 
Dieselbe erschien 1*75 bei Justus Perthes in Gotha und besteht aus 9 Blatt in 
Farbendruck; Maßstab 1 : 4.000,000: Preis sieben Mark, aufgezogen mit Stäben 
und lackiert 16 Mark. — Diese Wandkarte ist vom Verleger für den Schul- 
gebrauch bestimmt, unserer Ansicht nach aber (im Hinblick auf den Reichtum 
ihres Inhalts, die Detaillierung der Küstenzeiehnung und des Flussnetzes u. a. in.) 
entschieden weit mehr für das Studierzimmer des Gelehrten und für den 
Hörsaal der Universität geeignet Und das vorläufig umsomehr, je seltener bis 
jetzt höhere Schulen in den Ländern deutscher Zunge sein dürften, in denen 
ein eigentlich geographischer Unterricht sich auch schon durch die obersten 



») Mühiii k«, Da» Festland Australien. Pren»lau, 1837, Bd. 1, S 129. 



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Methodik and Unterricht der Geographie. 



117 



Klassen erstreckt; für die Mittelklassen aber möchte die Karte weniger speeicll 
geeignet »ein, als manche Konkurrentin. 

Berghaus' Karte ist eine Vollschrift-Karte, also mit unabgekürzter Nomen- 
clatur beschrieben. Schrift, Situation und Terrain sind schwarz gedruckt, ebenso 
die Staatsgrenzen. 

Politisches Kolorit fehlt, dagegen ist die vertikale Gliederung durch Flachen- 
kolorit verdeutlicht. Letzteres unterscheidet neun Stufen: Tiefsee, Flachsee, 
„Tiefland," „Niederung," Hügelland, Mittelgebirge und Hochgebirge (dies in 
drei Abstufungen). Leider fesselt diese Gliederung sich an den trotz, aller Logik 
des ihm zugrunde liegenden Gedankens unseligen Versuch einer Höhen- und 
Tiefenmessung durch jene „geographischen" Meilen, von denen sechzig die Er- 
streckung eines Äquatorialgrades umfassen ! Dagegen ist die Verteilung der 
Farben im Kolorit dieser Stufen eine nicht nur logische, sondern auch praktische, 
d. h. hier also wirksame zu nennen. Abweichend von dem namentlich durch 
Sydow und Gräf verbreiteten Princip, für die unterste Stufe der Bodenerhebung 
einen grünen Farbenton zu wählen, gibt Berghaus derselben den lichtesten Ton 
seiner für die Darstellung der übrigen Reliefscnichten gewählten, mit zunehmender 
Höhe sich verdunkelnden Farbenskala. Wir haben bei früherer Gelegenheit') ein- 
gehender unsere Ansichten Uber Höhenschichten-Kolorit entwickelt. Ohne irgendwie 
eine oder die andere Weise als die alleiu seligmachende hinstellen zu wollen, 
betonen wir nur, dass Bergbaus' sehr geschmackvolles und wirksames Kolorit uns 
als eine Bestätigung unserer Ansicht erscheint, dass die Ausdehnung der Ton- 
stufen ein und derselben Farbe auch Uber die niedrigsten Erhebungsschichten 
nicht nur logisch ist, sondern in geschickter Hand auch Uberaus wirkungsvoll 
werden kann. Freilich ist auch die Berghaus'sche Farbonskala insofern nicht 
consequent durchgeführt, als für die höchste Erhebungsschicht nicht der dunkelste 
Tun des Braun gewählt, sondern dort ein helles Rot eingeführt wurde; bei dem 
Uberaus seltenen Vorkommen dieser Schicht ist diese Inkonsequenz indessen 
praktisch ohne Belang. — Grün, und zwar in zwei Tönenj benutzt Berghaus 
zur ausdrucksvollen, klaren Hervorhebung der Depressionsgebiete, die er in der 
Erklärung mit dem hierfür doch wahrlich ungewohnten Namen „Tiefland" belegt. — 

Die Binnenseen werden durch dreierlei Schraffierung unterschieden : Kaspisches 
Meer und Aralsee haben geradlinige Schraffen parallel dem unteren und oberen 
Kartenrande; die kleineren abflusslosen Becken sind parallel den Breitengraden 
schraffiert; die Süßwasserseen endlich haben sogenanntes „ripple-water," also 
eine ihren Küstenlinien parallele gebogene Linienschrafficrung. 

Von Interesse ist die Beigabe einer Anzahl phytogeogrnphischer Grenzlinien, 
die freilieh nur schwarz eingetragen sind und daher nicht eben anschaulich 
hervortreten. 

In den oberen Ecken sind ferner zwei Cartons eingefügt, von denen das 
eine die „Wasserteilung Europas" nebst den „größeren Wasser- Verbindungen" 
darstellt, das andere der Ethnographie Europas gewidmet ist; letztere, die doch 
mit der Hauptkarte eigentlich nicht eng in Verbindung steht, wäre vielleicht 
besser durch eine geologische Ubersichts-Skizze ersetzt. 

Die Ausführung der Karte ist in Druck und Kolorit eine durchaus befriedigende. 

Im gleichen Maßstab, wie Berghaus' hochinteressante Karte ist die vor kurzem 
erschienene „Orohydrographische Wandkarte von Europa" von Haardt bearbeitet. 
(Wien, Eduard Holzel, 1884.) Auch sie kennzeichnet sich durch den Reichtum ihres 
Inhalts als eine in erster Linie für die obersten Stufen des geographischen Schulunter- 
richts, sodann aber besonders auch für die Lehrmittelsaminmlungen der Universitäten 
bestimmte Wandkarte. In Rücksicht auf ihren Inhalt sowohl, wie auf ihre im 
höchsten Grade geschmackvolle technische Herstellung und ihre überaus wohl- 
thuende Farbenwirkung möchten wir ferner gerade diese Haardt'sche Karte ganz 
besonders als eineu in jeder Hinsicht geeigneten, vornehmen Wandschmuck für 
das Studierzimmer empfehlen. 



>> ZeiUc-hrift fflr wi»seii*d.»fl!HUo Geographie, 1882, 8. 124. 

KtltUr't ZHUekti/t V. tU. 9 



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118 



Methodik nud Unterricht der Geographie. 



Haardt'« Wandkarte weint im hydrographischen Teile vollständige Schrift- 
eintragung auf, während die .Städtezeichen nur mit einem Anfangsbuchstaben 
versehen sind; die Nomenklatur erscheint daher als eine gut beschränkte, was 
dem physischen Bilde natürlich sehr zu Statten kommt. 

Das Terrain ist in kräftiger und ineist auch sehr übersichtlicher Darstellung 
durch braune Schratten wiedergegeben. Zur Unterstützung des Bildes der verti- 
kalen Gliederung wurden die Schichten der «Erhebungen" durch fünf nach oben 
sich verdunkelnde braune Farbstufon in Flächenkolorit hervorgehoben ; das 
„Tiefland* (0--200 m Meereshöhe) erhielt einen grünen Ton. Die Depressions- 
gebiete zeigen außer demselben grünen Flächentone eine geradlinige schwarze 
SchiafFur, was sehr wirkungsvoll ist, aber freilich den Unterschied zwischen 
Wasser und Land (z. B. an den Nordküsten des KaspiBchen Meere») verwischt. 

Im Meere sind Flach-See und Tief-See durch Hell- und Dunkelblau unter- 
schieden; die Grenze beider ist nach dem oben besprochenen Berghaus'schen 
Kartenbilde gezeichnet. 

Die Binnenseen haben sämintlich blaues Flächenkolorit, so dass ein Unter- 
schied zwischen SüOwasserseen und abflusslosen Salzseen, sowie Schotts aus der 
Karte nicht ersichtlich ist 

Recht zu bedauern ist, dass das Bild nicht so weit südlich geht, um auch die 
Nordküste Afrikas ganz mit zu umfassen; eine Wandkarte von Kuropa — und 
namentlich eine Schul Wandkarte — sollte stete die Zeichnung des ganzen 
Mittelmeeres enthalten ! 

Die Auswahl der Details und die Generalisierung des Terrains verrät die 
solide Arbeit des wissenschaftlichen Kartographen — ihre eingehende Be- 
trachtung bietet dem Auge des Kartenkritikers, dem heute gerade auf pädagogischem 
Gebiete ein naiver Dilettantismus so oft die grausamsten Zumutungen stellt, 
eine wahre Erquickung! 

Der Preis der Haardt'schen Karte beträgt roh 4 fl. 8 Mark, auf Leinwand 
gespannt 6 fl. 50 kr. 13 Mark. 

Von den beiden vorgenannten Arbeiten unterscheidet sich Gräfs orohydro- 
graphische Schulwandkarte von Europa (Weimar, Geographisches Institut, 18G8) 
in vieler Beziehung ; sie gibt sich nämlich nach ihrer ganzen Anlage und Bearbei- 
tungsweise als eine für die unteren und mittleren Unterrichtsstufen be- 
stimmte Schulwandkarte. Die Aufgaben einer solchen, die ja von denen einer für die 
obersten Unterrichtsstufen oder für Studien bestimmten Wandkarte vielfach ab- 
weichen, hat nun auch Gräfs genannte Arbeit in überaus befriedigender Weise gelöst. 

Sie kennzeichnet sich schon äußerlich durch Größe und Preis als ein 
Lehrmittel der mittleren und unteren Unterrichtsstufen. Der Preis beträgt 
nur vier Mark ; ebenso ist dementsprechend natürlich die Größe geringer als die 
der beiden vorhin angezeigten Wandkarten, obwohl die Karte auch in dieser 
Hinsicht den für das Detail, welches den genannten Lehrstufen entspricht, ange- 
zeigten Ansprüchen durchaus gerecht wird. Sie ist im Maßstab von 1 : ö,(XX>.()fiO 
gezeichnet. 

Situations- und Terrninzeichnung sind (letztere in kräftiger, brauner Kreide- 
Hchummcrung) in klaren Formen und zweckentsprechender Beschränkung des 
Details ausgeführt. Nur wllrde, um den heutigen Ansprüchen an die Über- 
sichtlichkeit eines oro hyd ro grn p Ii i sehen Kartenbildes noch mehr zu genügen, 
die Zeichnung der politischen Grenzen (die z. B. im deutschen Reich bis zu den 
einzelneu Bundesstaaten, in Russland bis zu den Provinzen herabgeht) im Interesse 
thunlichster Klarheit des physisch-geographischen Objekts bei einer neuen Ausgabe 
dieser beliebten Karte wesentlich einzuschränken sein : ebenso könnten dann die 
übermäßig zahlreich eingetragenen Kanäle besser zum größten Teil fortfallen. 

Die Karte i*t eine „halbstumme : u sie zeigt nur die Hauptbuchstaben der 
wichtigsten Ortsnamen, sonst keinerlei Schrifteintragung. Damit nähert sie sich 
also sehr dem heute in immer weiteren Kreisen der Lehrerwelt Anerkennung 
findenden Princip der „stummen" Schulwandkarte. 

Entsprechend der früheren Mode hat das Meer blaues, das Tiefland grünes 
Flächenkolorit erhalten, wogegen die Erhebungen keinen Flächenton erhielten. 



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Besprechungen. 



119 



Hierin tnüsste natürlich eine neue Ausgabe ebenfalls eine zeitgemäße Änderung 
eintreten lassen, da physische Wandkarten ohne Höheiiächichtetikolorit mit Recht 
heute kaum noch Verteidiger tinden dürften. 

Im Hinblick auf die nach Anlage wie Ausführung gleich tüchtige Grund- 
lage, auf ihren Umfang und den Detaillierungsgrad ihrer Darstellung, sowie den 
so sehr niedrigen Preis dieser Graf sehen Schulwandkarte dürfte eiue den neueren 
Anschauungen Rechnung tragende Neubearbeitung ein im Interesse des geogra- 
phischen Unterrichts nur zu wünschendes Unternehmen sein. 

Unser nächster Rundblick im deutschen Schulwandkurtcn-Verla" wird den 
trefflichen Kiepert'schen Arbeiten gelten, die jüngst bei Reimer in Berlin erschie- 
nen — eine Sammlung überaus interessanter und eigenartiger Publikationen. K. 



Die Stcllunfuiolimc der Königl. Geographischen G-ewH Isen alt in 
London zum m^'o^rnphisehen Unterricht. 

Der Ausschuss der englischen geographischen Gesellschaft hat den Bescbluss 
gefasst, über den Stand des erdkundlichen Unterrichts in England um! im Auslande 
eine eingehende Enquete anzustellen und hiermit einen besonderen „Inspektor 
des geographischen Unterrichts* 4 zu betrauen. 

Bezüglich Englands ist die Aufgabe dieses Inspektors, namentlich zu, unter- 
suchen, in welcher Ausdehnung die Geographie an den Universitäten und öffent- 
lichen Schulen gelehrt wird, welche eigentlichen Lehrobjekte dabei unter dein 
Namen „Geographie" verstanden werden, wie viel Zeit diesem Unterrichtszweige 
zugemessen ist, welche Methoden und Lehrmittel zur Anwendung gelangen, und 
welcher Wert der Erdkunde bei den Universitütsnrüfungen zugeteilt, bezw. mit 
welchen Disciplinen sie beim Examen vereinigt wird. 

Bezüglich der anderen europäischen Staaten soll der Inspektor eine Reise 
durch den Kontinent unternehmen, um sich an Ort und Stelle über die oben- 
erwähnten Punkte auch in den continentalen Verhältnissen eingehend zu informieren. 
Ferner hat er hier besonders die der Erdkunde eingeräumte Stellung im Hochschul- 
Unterricht zu studieren und zu dem Behuf Uber die Zahl, Stellung und Honorierung 
der Geographie- Professoren im Vorgleich zu den Professoren anderer Wissenschaften, 
sowie über die Teilnahme der Studenten in den geographischen Kollegien Er- 
mittlungen anzustellen. Im Zusammenhange damit wird er sich über die Aus- 
dehnung des erdkundlichen Hochschul-Unterrichts informieren und darüber, von 
welchem Standpunkte aus die Geographie dociert wird (ob vom physisch-geo- 
graphischen, ob vom historisch- und politisch-geographischen oder ob vom handels- 
geographischen). Schließlich hat er für die kontinentalen Staaten die Aufgabe, 
die Unterrichtsmethoden (namentlich auch die Methoden, am den Schülern karto- 
graphische Kenntnisse zu verschaffen) zu studieren. 

Bezüglich der Vereinigten Staaten von Amerika wird der Inspektor diese 
Informationen auf brieflichem Wege zu erlangen suchen. 

Schließlich ist es seine Aufgabe, die besten Lehrmittel zu sammeln und der 
Geographischen Gesellschaft in London zu übermitteln. 

Das Endergebnis dieser Thätigkeit wird ein Bericht des Inspektors bilden, 
in welchem er die Resultate seiner Forschungen niederzulegen und gleichzeitig 
dem Ausschuss der königlichen Geographischen Gesellschaft Vorschläge zu machen 
hat, um den erdkundlichen Unterricht in England zu verbessern und au erweitern. 



Besprechungen. 

A nonrmi de Sita Orbis llbri duo. E codi«« Leiden»! nunc priiimm edidit M a x i in i 1 i a u 11 s M a n i t i u s. 
Stuttgardiae apnd I. G. Ctta 18K4. XVI. u/98, pp. 

Di« Miacollau-HautUchrift Cod. lat. Von. f. 1 13 der Universttäts-Hibliothek iu Lcydeu «utliHlt 
nuler anderm «iu geographisches Kompendium au» karoliugiMcher Zeit. Vurscbicdeue Andcutungeu 
de» anonymen Verfassers machen es wahrscheinlich, dass dasselbe als Lehrbuch für eine Kloster- 
»cbulc des westfrlnkisckon Roiohes ausgearbeitet wurde, und zwar gegeu Ende des Vi. Jahrkundert*. 



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Es ist eine völlig unselbständige Arbeit. Der Kompilator reihte einfach «eine Excerptc au» antiken 
geographischen Autoren mechanisch aneinander ; der von ihm selbst herrflhrende Text beschränkt rieh auf 
eiuige die Verbindung herstellende Sätze. Doch int der Mann aufrichtig genug, »eine Quellen zn 
nennen. In »einer Widmung au König Karl (den Kahlen) bemerkt er: „nunc de idtu orbis libcllum ex 
multorum praecedeutium, qni hinc tractaverunt, dich*» excerptuin coinponcrc studni .... Melam 
Pompouium dicc atque Aetkicum coiinografum, Martianum Felicem Cnpollam, Solinnm Polistoriarum, 
Orosinin neeuon Isidoruni ceteraque quam plnrima argumenta." Die von dem Sammler nicht nament- 
lich hervorgehobenen Quellen sind .1. Caesar, de hello Qallico, uud Pauli epitomen Fosti. 

Trotz dem ausgesprochen compilatorischeii Charakter ist diese Arbeit des fränkischen 
Mönche* von historisch-geographischem Werte, da sie uns einen interessanten Einblick gewährt in 
die Art und Weise, wie in jener Zeit an den Schulen Geographie gelehrt und gelernt wurde. 

Nachdem bereit» E. Dömmlcr im neuen Archive der Gesellschaft für ältere deutsche Geschieht*- 
knnde Hd. IV., (Iber das Kompendium eine kurze Mitteilung veröffentlicht hatte, wird in dem vor- 
liegenden Buche der ganze Text zum erstenmal zugänglich gemacht. Die Ausgabe ist eine sehr 
sorgfältige, die Quelloustclleii sind Überall im Detail nachgewiesen, Abweichungen iu den Tcxt- 
Kecemdonen gewissenhaft notiert. Ein alphabetisches Register erhobt die Brauchbarkeit der 
Publikation. F. W. 



G. O'GRADY : Übersichtskarte Tom westlichen Rossland in 4 Blättern im Maßstäbe 
1 : 1,750.0(10. Nach dorn neuesten amtlichen Material bearbeitet- Kassel, Verlag von Theodor 
Fischer. 

Von dieser ganr. vorzüglichen Karte, die sich viel mehr eine topographisebe Special- als eine 
Übersichtskarte uonnen dürfte, liegeu uns die beiden West-Sektionen vor, welche in dem stattlichen 
Umfang von zusammen 106 Centimeter Hübe bei 4*5 Ceutimeter Breite von der deutsch-österreichischen 
Grenze bis zur Länge de« Peipns-Sees und von Bukarest bis ins südliche Piuuland reichen. Die 
beiden Folgescktiouen sollen den Westen Russlands bis sunt Meridian von St. Petersburg ver- 
vollständigen. 

l>er eigenartige Vorzug dieser (höchst zuverlässig nach den russischen Generalstabskarten 
der Wcstgonvcrnemonts ausgearbeitetem Karte liegt uicht allein in der Fülle de* topographischen 
Details im engereu Sinne de« Wortes, d. h. in der Fülle von Ortsangaben bis auf Dorfschaften und 
bisweilen sogar Einzelgehöfte herab, sondern iu der geradezu erschöpfenden Vollständig- 
keit der Straßen angaben und der ebenso sorgfältigen Bezeichnung des Waldareals. 

Iu sanftem Lichtgrau tritt uns die ungeheure Wäldermasse Weatrusslauds hier entgegen; sie 
bildet mit ihrem passend gewählten, die Deutlichkeit aller der anderen Angaben nicht im mindeste!! 
störenden Farbenton fast die Grundfläche des gesammten Kartenbildes. Auf ihr beben sich ebenso 
scharf wie malerisch in Hellblau alle Flnss- und Kaualliuicn nebst den gestrichelten Sunipfflächcu 
hervor, in Schwarz die Ortazeichcn, diu Namen uud Verkehrslinien ( Kisenhahuen, Chausseen uud 
eiufache Landstraßen). Abgesehen von dein — besserer Übersichtlichkeit wegen mit nicht zum Ausdruck 
gelangten, sondern einer späteren Publikatiou derselbeu Karte ohne Waldangabe vorbehalteueu — 
Terrain, gewinnen wir hier zum erstenmal ein wahres Landschaftshild von Westrussland iu ver- 
hältnismäßig so engem Bahnten nnd znglich einen höchst schätzbaren Tutaleiudmck der Siedclnng*- 
wie der Verkehrsverhältnisse dieses Laudraums. 

Ks wäre ein höchst verdienstliches Unternehmen, diese Karte dereinst bis zur Uralscheidc 
zu erweitern. Nur eins ist zu bedauern: Die Wahl der Ferro- Meridiane, deueu nun durch den 
IV. deutschen Geographentag bei uns die Existenzberechtigung genommen wurde. 

Halle. A. Klrrhlioff. 



Handbuch der Oreanographie und maritimen Meteorologie. Im Auftrage des k. k. Keich*- 
Krieg.)- Ministeriums (Marine-Sektion) verfasst von den Prof. der Iu k. Marine-Akademie 
Ferd. ATTLMAYR, Dr. Job. KÖTTSTORFER, Jos. LUKSCH, Ernat MAYER« Dr. Peter 
8ALCHER, und Jul. WOLF. XVIII. nnd H88 8. (mit zahlreichen Karten und Illustrationen) 
in 2 Bändelt. Wien, Hof- und Staatsdruckerei, 1883. 

Vorliegendes Werk ist das erste in deutscher Sprache erschienene selbständige Handbuch der 
Meereskunde und mnss schon darum allein mit Dank und Interesse aufgenommen werden. Es ist, 
wie die Vorrede berichtet, hervorgegangen aus dem Bedürfnis, filr die zur k. k. Marine-Akademie 
in Fiume kommandierten Seeofficiero ein Lehr- und Nachschlagebnch zn schaffen, welches „in all- 
gemeinen Zügen die bisher gewonnenen Ergebnisse der Forschungen Aber Oceanographie und 
maritime Meteorologie vorführt" uud auch geeignet ist, „den Leser zu eigener Arbeit anzuregen.'' 



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Besprechungen. 



121 



E« wendet sieh aber, uameutlich iu seiuein zweiten Hunde, sichtlich auch au die weitesten Kreise 
seemännischer Praxi». Prine.ipiell wurde vou den Bearbeitern de* Handbuch* der Staudpuukt fest- 
gehalten, rein relatorisch zu verfahren, über geteilte Meinungen nicht zu entscheiden, eigeue 
Ansichten nicht in den Vordergrund zu stellen, Diescu Gesichtspunkt darf uicht ignorieren, wer 
ein Urteil Uber das Geleistete abgeben wil], im gauzeu wie im einzelnen. 

Ref. bekennt, dass schon die Vielzahl der Mitarbeiter ein solches l'riucip als da» einzig 
angeme»scue erscheinen lässt, «ui».«t liegt die Gefahr nahe, das* bei Berührung derselben l*r<>M<-nio 
in den elnzelueu Abschnitten von den versehie leuon Bearbeitern eWusoviele verschiedene An- 
sichten geXaflcrt werden konneu, zumal wo, wie hier, »ich Theoretiker und Praktiker, Gelehrte und 
Sceofficiere, zu gemeinsamer Arbeit verbunden habeu. Da war eine gewisse Zurückhaltung geboteu, 
obschon die Kritik darum uicht etwa gaux gemieden wordeu ist. 

Der Inhalt de« Werke* ist ein recht vielseitiger und reichhaltiger. Es zerfällt iu drei 
Abteilungen, deren erste die Ozeanographie, die zweite die. maritime Meteorologie, die dritte die 
Segclrouteu behandelt. 

Am umfangreichsten ist die Ozeanographie bedacht, sie fflllt V s des Gauzeu und ist im ersten 
Bande enthalten. In neun Kapitel gliedert sich der Inhalt. 

Das erste Kapitel gibt einen historischen Überblick (Iber die occanographischcn Forschungen 
fS. 1— «0). Die Geschichte der Meereskunde wird hier iu vier Perioden zerlegt: die erste ist bis 
au das Ende des vorigen Jahrhunderts .bin zur Einführung des Secthemiometcrs u gerechnet, die 
zweite reicht bis Maurv, die dritte behandelt die Zeit diese« Begründers einer umfassenden Meeres- 
kunde, und die vierte Periode berichtet über die neuen Expeditionen zu Zwecken der Tiefseeforschung 
seit 1M«8. Der Verfasser, Prof. E. Mayer, hat durchaus verstanden, »ein reiches Material zu sichten, uud 
«eine Beschreibungen älterer Messiustrumeute und Metboden siud besonders wertvoll. Referent ver- 
misst (für die erste Periode) eine eingehendorr Würdigung der Arbeiten des Grafeu MarsUli, der 
(I "in) die ernten Tiefen profile nach seinen Lotnugen im 'Golf vou Lion entwarf, was bisher 
unbekannt geblieben zu «ein scheint. Ein Überblick über die allgemeinen Ergebnisse der modernen 
Forschungen schlieft das Kapitel. 

Derselbe Verfasser gibt darauf im zweiten Kapitel (S. «1 — 125) eine eingehende Beschreibung 
der oceanographischeu Instrumente. Die verschiedenen Lote, Wasserschöpfer, Thermometer uud 
Thermographen, Strom weiser. Strommesser, Flutantographen, Instrumente zum Dredschen, zum Be- 
stimmen des spezifischen Gewichts des Wassers, seiner Durchsichtigkeit und Farbe werden da aus- 
frihrlirh aufgezählt, besprochen uud meist abgebildet Auch diese Darlegungen zeichneu sich 
durch Klarheit ans. 

Im dritteu Kapitel fS. 126—182) wird ein rein geographisches Gebiet betreten. Der Verfasser, 
Prof. Josef Luksch, referiert zunächst über die Areale und die Grenzen der Meeresräume, Insel- 
reichtnm. Verteilung von Wasser und Land (sogar, und zwar im Anschluss au Pescheis Probleine, 
die Änderungen in den Umrissen des Festen seit dein Tertiär) uud die klimatischen Einwirkungen 
dieser Verteilung. Es wird dann auch die Modellierung der Küsten und Inseln, die Erscheinungen 
der Fjorde, Korallenriffe, lMuen, Deltabauteu und zuletzt die Küstenhebuug und Senkung (mit 
Karte) abgehandelt. Hier rindet sich nicht« Eigenes, es ist nur eine dilettantische Zusammenstellung 
aus bekannten Handbüchern der physischen Erdkunde, mag aber für den Zwezk de« gauzeu Werkes 
gewiss, ausreichen. Die Bedeutung der Kflsteuforinatiou für die Schiffahrt, specicll die Ent- 
stehung natürlicher Seehäfen hätte dagegeu eine bei weitein eingehendere Darstellung verdient. 

Das Becken des Occaiis betitelt sich das vierte, von Prof. E. Mayer geschriebene Kapitel 
■'S. 183 — 241), wiederum durch Klarheit ausgezeichnet. Die Tiefeuverhältuisse der Oceaue uud der 
Nebenmeere, ihre Becken, Mulden uud Rücken, und die isolierten Hauke uud Unttefeu werden in 
einer alles Wesentliche beachtenden, knappen und durchsichtigen Forin behandelt Befriedigt der 
Text also jedenfalls, »o ist die zu diesem Kapitel gegebene Weltkarte „zur Übersicht der Meeres- 
tiefen" desto weniger geeignet, unsern Beifall zu erwecken. Sie ist zwar reich genug ausgestattet: 
Das Land hellbraun schraffiert, die Flüsse und Landseen ultramarin, die Meeresticfcii in vier blauen 
Farbenstnfen abgetönt, außerdem sind charakteristische Ticflotuiigeu rot eingedruckt — so das» 
der Totalanblick der Knrte ein entschieden ansprechender ist. Was aber stellen die Tiefencurveu 
dar? .Linien gleicher Meerestiefe in VertikalabslKudcu von 1, W und 4 Seemeilen,* sagt 
die Legrudc. Also eine Anlehnung au die bekannte Berghaus'schc Idee (der physikalischen Welt- 
karte aus dem Jahre 1874'i, welche zu verurteilen alle Fachgeiiosseu einig sind. Und was bedeuten 
die in diese Karte gleicher Scemeilenticfe rot eingetragenen Ziffern? Tiefen iu Metern, also in 
IM.VJtcln Seemeilen! Gegen die Auswahl der eingetragenen I*otungcu rindet Ref. nichts ein- 
zuwenden, es ist durchweg das Charakteristische getroffen. Nur hätten die Metcrzahlcu bei der 
Reduktion au« dem Kadeumafl ausnahmslos abgerundet werden müssen; bis auf einzelne Meter genau 




122 



Besprechungen. 



keimen wir die gnißereu Mecrestiefcn noch nicht. Die Tiefenvcrhältuisse de* Atlantischen Oieans 
sind iu engster Anlehnung an «Ii*- hekauute Darstellung im Atlas der Seewarte gegeben, welche 
leider stellenweise verunglückt ist (vergl. da* vom Referenten verbesserte Ticfenhild in Debet" neuem 
Kchulatlas un<l Supanx Physischer Erdkunde Tat'. 1). Für da* bisher zur Karle Bemerkte dürfte 
wol der Verfasser. Prof. E Mayer, verantwortlich «ein — oh auch für die Eintragungen auf dem 
Laude? Diese sollen ziltii Vergleich mit den Tiefenzahleu eine Auswahl au charakteristischen lUdicn- 
Kahlen uiuf den Gehirnen, zeigen, die in kniffigen schwarzen Zeichen eingetragen sind: hier lässt 
sich sowol freien die Auswahl im ganzen wie gegen die Begründung einzelner Zahlen viel ein- 
wenden. Was »oll man von der Aufmerksamkeit der Redaktiou denkeu. wenn der höchste Gipfel 
ihr Alpen 4ti38 »i haben, also der Monte Rosa Kein soll? Wenn der Aconeagna ti8f>5 m. ein Rcrg im 
Nordwesten Neil-Guineas .W«»!) wi. der Mount Cook in Neuseeland -1073 n> hoch angegeben wird? 
Aueh die eingetragenen Länder und Ortsnamen sind vielfach durch Sticbfehler entstellt 'Gobi oder 
Sehnnio. I. Zanpho > — Jani Dxaughoj, Cap Gnardalni, C. Tschcljn*kiu. Insel Sachntin. Marien 
Inseln statt Marion, T*chauktus statt Tschuktscheu, u. dpi. m.). Überhaupt zeigt die Karte auch 
in der Art, wie die Kiistenliiiien generalisiert sind, einen gänzlich ungeübten Zeichner: man sehe 
nur. wa* dieser aus Großbritannien, aus Florida, aus den kleinen Kuuda-Iiisclu pemacht hat. Nach 
alledem kann Referent diese, im k. k. Militär- geopr. Institut gedruckte Karte nicht gerade als wol- 
peliingen bezeichnen. 

Der weitere Inhalt des vierten Kapitels beschäftigt sich mit den Vergleichen der mittleren 
Tiefen und der Volumina der Meere und der Kontinente, und zuletzt mit den Itodeiiscdimenten, 
Hei letzteren scheinen Dclesse's Untersuchungen nicht im Original eingesehen zu sein. 

I'rof. Dr. ,). Köttxtorfer gibt alsdann im fünften Kapitel S. 242— 2titi> eine wol gelungene 
Darstellung der Chemie des Meerwassers. Eine ausführliche Tabelle zur Reduklioii des specirtschen 
Gewichte» auf die Temperatur 15'5° «der 17'5'' C. hätte hier nicht fehlen sollen, die auf S. 248 nach 
Stahlherger gcgchciic genügt schon darum nicht, weil nie nach Reaumui '-Graden gearbeitet ist. 
Interessant und neu sind dagegen die Bemerkungen über die organischen Beimengungen iles Mccr- 
wtt-wer«, und ebenso über den Eiiifluss des Salzgehaltes auf die Verduustung (S. 2til i. Eine sehr, 
vielleicht für dieae» Handbuch zu ausführliche Erörterung über die Kutstchuug von K-uhsnlzlagem 
und Gewinnung des Seesalzes schließt diesen Abschnitt 

Das sechste Kapitel, diu physikalischen Verhältnisse der Meere behandelnd, ist von den 
Professoren .1. Luksch und J. Wolff bearbeitet (S. 207—3*4) und hat einen ganz besonders viel- 
seitigen Inhalt Es wird begonnen mit einer Erörterung der modernen Untersuchungen über die 
mathematische Gestalt der Meeresoberfläche, ihre Deformationen durch die Anziehung der Fcstland- 
massen und andere Kräfte, wie durch die vorherrschenden Winde, die Luftdrookunterschiede und 
die Verdunstung. In einem zweiten Abschnitt wird die Messung der Wassertenipcraturen au der 
Oberfläche und iu der Tiefe besprochen, wobei den beiden Verfassern ihre auf gemeinsamen Fahrteu iu 
der Adria gewonnenen praktischen Erfahrungen «ehr zugute kommen. Darauf wird die Wärme- 
schichtung iu den einzelnen Oceaucn und Nebenmeeren specieller dargelegt, wobei wir auf die 
ansprechende Ubersicht, welche von den thermischen Verhältnissen der Adria gegeben wird, besonders 
hinweisen wollen. Zu diesen Abschnitten gehört eine dem zweiten Baude beigeheftete Tafel (El 
mit einer Auswahl aus dem von der deutschen Seewarte herausgegebenen .Atlas des Atlantischen 
Oceans," iu acht Kärtchen. Ein dritter Abschnitt behaudelt die Kisvcrhältuisse. wesentlich nach 
Weyprechts bekanntem Buch. Hier wäre ciu Zurückgehen auf die reichen Beobachtungen auch 
anderer Polarfahrcr geboten gewesen, so das» der Inhalt diese» Abschnittes etwa« mager erscheint. 
Der folgende (4.) Abschnitt gibt eine fleißig zusammengetragene und klare Übersicht über die räum- 
liche Verteilung des sjiceifischeu Gewicht» und Salzgehalt» für alle Meeresräume ihier auch wieder 
die Adria hervorzuheben S. HtiOi ; der letzte Abschnitt hefasst sich mit Durchsichtigkeit und Farbe 
des Mcerwassers, wo dem Ref. die nach Cialdi's und Secchi's Forschungen gegebeneu Resultate neu 
waren ; dafür vermisxt derselbe aber die Doctordissertatinn von Dr. Boas. Für die Praktiker wäre auch 
eine eingehendere Zusammenstellung der verschiedenen Entfärbungen des Mcerwa»»ers von Wichtigkeit 
gewesen: wie häutig sind Seefahrer durch bellgrüne Flecke im offenen Meer beunruhigt worden, indem 
sie diese für Korallenriffe hielten, während meistens eine Was«erprobo erwies, dass eine »tarke 
Ansammlung kleiuer Organismen diese Missfärhuug erzeugt hatte. Solche Beispiele wären au» den 
nautischen Zeitschriften unschwer zu sammeln. 

Dieselben Herren Verfasser behandelu darauf im siebenten Kapitel die Wellen des Meeres 
S. :W.V-474i. sowol die älteren Theorien von den Gebr. Weber an bis auf Airy und Fronde, wie die 
Resultate praktischer Messungen in See. Ks mag hier auf die (.S. ;>03) nach Stockes gegebene sehr 
geschickte Vereinfachung der großen Welleufurmel Airy» hingewiesen werden, wobei den Verfassern 



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Besprechungen. 



123 



leider ein lapsus calami cutgaugeu ist; iu Gleichung 3. inus« es Ueifleu cot .statt cos <1, und iu 
Gleichung 4. cos 2 '\ statt cot 2 Ferner glaubt Referent uaeh dem Sprachgebrauch der nord- 
deutachen Seeleute das Wort „Düuung" nicht für gleichbedeutend mit „Seegang" halten stu 
köuncn, wie da* die Verfasser (S. 400) thun: Die „Seeu" *iud die unmittelbar vom Winde in loco 
erregten Wellen. „Dünung* 4 sind an» weiter Kerne kommende, mit den vom Winde erzeugten „Seen" 
Interferenzen bildende, und meist längere Wellen mit geruudoterciu Profil (nur selten mit über- 
fallenden Kämmen). Die Dünung beruht also meistens, wenn uicht ausschließlich, auf einer Fern- 
wirkung stürmischer Winde. — Ferner verminst Ref. eine Erörterung der unklaren Vorstellungen, 
welche unter dem Begriff der „Gruudaeeu" unter den Praktikern im Umlauf sind. Auf solche 
problematische Dingo die Aufmerksamkeit zu lenken, wäre besonders verdienstlich geweseu. — Im 
Anschluss au die Windwellen werden dann auch die stehenden Wellen erörtert, wo indes die 
Verfasser über die bekannten Auslassungen Hanns (iu der allgemeinen Erdkunde i nicht hinaus- 
gehen. Und doch wäre für den Praktiker eine kurze Beschreibung der offenbar hierher gehörenden 
Phänomene des Marrobbio (Sicilicu) und der Resaca (Xordspauien) von höchstem Interesse, weil 
dadurch zu schärferer Beobachtung dieser und ähnlicher Erscheinungen angeregt wird. — Kine 
alles Klententare bietende Darlcguug de« Gozcitenphänomcns sowol der Theorien wie der That- 
sachen schließt dieses Kapitel. Die theoretische Darstellung lässt hier stellenweise Klarheit vermissen 
und Ref. hat seine Bedenken, ob der Seeofficicr von der hier geboteuen Darstellung der älteren 
Fluttheorien viel Verständnis gewinnen wird. Iu der That ist eine mit voller Kenntnis aller ein- 
schlägigen mathematisch-physikalischen Probleme durchgearbeitete, aber dennoch einem größeren 
l-eserkmise verständliche Geschichte der Fluttheoriou mich nicht geschrieben, und deunoch ein ent- 
schiedenes Bedflrfuis! — Der vou deu Verfassern gegebeue sehr unvollständige Einblick in die 
Methode der ,Hernlouischcu Analyse' wird künftighin durch Aulehuuug au die in diesen Tagen 
erscheinende Arbeit von Börgcn sich leicht vervollständigen lassen. — Dankenswert ist der kurze 
Hinweis auf die Untersuchungen der Engländer über die bodüy tides der Erdrinde. — Auch in diesem 
Abschnitte berührt peinlich eine zu häufige Entlehnung anderweitig leichter und verläßlicher zu 
gewinnender Thatsachen aus Peschel-I/eipoldts Kompilation ; so t. B. hätte die Karte der cotidal linea 
fzn S. 450i wahrhaftig nicht aus diesem Werke entnommen zu werden braucheu, da das Original 
doch unschwer iu Wien zu haben ist. • 

Das achte Kapitel, die Meeresströmungen (S. 476—555), bearbeitetet! die Herren Prof. 
E. Mayer und Korv. Kapitän Attlinayr, letzterer bekannt als Adjutant Tegetthoflh in der Seeschlacht 
bei Lissa und als Verfasser ausgezeichneter Werke über Seetaktik. Auf diesem Gebiete der Ozeano- 
graphie scheint Herr A. indes wenig selbständige Studien unternommen zu haben, denn das ganze 
Kapitel ist fast durchaus ein, allerdings klarer und lesbarer Aiwzug aiw Labrosse' Route« maritime« 
und — Hann und Lcipnldt! Letztere werdeu mit Vorliebe e.itiert, wo e.s sich um Verwortuug der 
modernsten Untersuchungen (*. B. der Challenger- Expedition) handelt, wo doch die Originalwerkc 
leicht genug zugänglich sind. Beachtenswert sind dafür die hier ciuge6ochteueu österreichischen 
Beobachtungen iu der Adria und im Roten Meer. Hettners Arbeit (Iber deu Peruatrom (im „Klima 
von Chile") ist den Verfassern entgaugeu. ebensowenig ist ein Versuch gemacht, das reiche, in den 
,Auualen der Hydrographie' angesammelte Material auszubeuten. (Dieses ist mittlerweile in einer 
vorzüglichen Monographie seitens eines deutschen höheren Seenfticiers geschehen.) 

An die Darstellung der Ohcrfiächcuströmuugeu schließt sich eine Aufzählung von unter- 
seeischen Strömungen, die indes erst recht an der Hand der Origiuah|uelleu einer kritischen 
Sichtung hätten unterzogen werden müssen. 

Zu diesen Abschnitten gehört eine Weltkarte mit den Meeresströmungen, die nach dem 
englischen System (durch kleine geschlängelt« Pfeile» ausgedrückt sind. Es werdeu die warmen 
Strömungen durch rote, die kalten durch grüne Farbe unterschieden, Strömuugsgebictc. die beaonders 
durch Winde beeinflußt werden, siud hellbraun schraffiert. Auch die Treibeisgrenzen, wie die 
Tanggebiete siud eingetragen. Das Bild zeigt einen Standpunkt, wie er im Jahre 1882 vollkommen 
berechtigt war. Nur die 8tromvorgängo in der Nähe der Laplatamündung sind uicht ganz verständlich, 
es hat deu Anschein, als wenn der llrasilieustroin iu deu Trichter hinein- und wieder hiuausläuft, 
was doch wol kaum eine ernsthafte Auffassung sein sollte. Der Falklandstrom, im Westcu der 
gleichnamigen Inselgruppe, ist nach deu englischen Karten aufgenommen, nud geht, genau wie diese 
angeben, bis ca. 45" S. Br. Iu der Schrift der Karte finden sich wieder einige übersehene Stich- 
fehler < Audaiiioneu, Kerguelend» I. u. a.). 

Ein folgender Abschnitt beschäftigt sich mit den Ursachen der Meeresströmungen, wobei die 
Wirksamkeit der Winde an die Spitze gestellt ist. während als zweite Hnuptnrsaclie die Unterschiede 
im speeifischeu Gewicht gelten. Hier scheint dem Ref., als wenn der gebotene scharfe Unterschied 
nicht gemacht ist zwischeu dem, was mau „thermische Cirkulatiou- neunt uud uur als eine sehr 




124 Besprechungen. 

langsame, mechanisch kaum merkbar« Verschiebung der Wassermasseu gelten lassen kamt, mi<l den 
eigentlichen, die Navigation beeinflussenden Strömungen. Aräostntischc Ursachen kommen im offenen 
Ocean für die letzteren wol sicher nicht in Betracht, nur in den Müudungsthoron abgeschlossener 
Mittclmeere. — Als die ablenkenden Einflüsse werden der Reihe nach genannt die Erdrotation, die 
Küstcnrichtnng und ßodenkontiguration. Auch hier int (Iber das, was Leipoldt nach Zöpprits Unter- 
suchungen gibt, nicht hinausgegangen, Ekmanns ausführliche Bemerkungen über Knaktionsstrümc 
und ihre leichte Anwendung auf die Meeresstriche zwischen Inselgrnppen, und bei Flußmündungen 
hätten uieht fehlen dürfen; der da» Kapitel beschließende Vergleich der Stromtheorien mit der Er- 
fahrung lässt auch wieder eine starke Anlehnung an Leipoldt wahrnehmen. — Wenn so dieses 
ganze Kapitel weuig selbständige Kritik verräth, so dürfte doch das thatsächlich Gebotene dem 
praktischen Seeofficier oiuen immerhin dankenswerten Anhalt bieten ; das« bei einer kdnftigeu Auflage 
die neueren Untersuchungen über ThaUacheu und Theorien, namentlich die scheue Monographie des 
Kon-. Kapitän Hoffmaun, ihre Beachtung finden werden, darf wol als sicher gelten. 

Im neuuten Kapitel (8. 556 — 598) gibt Prof. Kottstorfer eine Übersicht über da« Leben 
im Meer; hier ist die alte Schniarda'sche Einteilung des Occaus in zehn Faunengebiete reeipiert. 
Euch»' Zusammenstellung anscheinend benützt, aber nicht erwähnt. Die Theorie der Korallenriffe 
mit Beachtung der Einwürfe Rein« und 8empers, sowie die Altbildung und Beschreibung einiger 
Tiefsee- und leuchtender Tiere, wird dem Seeofficier einen dankenswerten Anhalt für cigeue Be- 
obachtungen, die so sehr wünschenswert sind, bieten. Die Behandlung der Meeresvegetation, nament- 
lich der Tang- und Sargaisoansammlungcn, hätte vielleicht etwas ausführlicher seiu komien. 

Im zweiten Bande werden die meteorologischen Darlegungen eröffnet durch einen Überblick 
über die „Elemente der Meteorologie- von Dr. Peter Saldier (Kap. X, S. 601—1552), — ein 
Abschnitt, der bei aller Knappheit zu den besten des Bnehes gebort uud sich vor Modus populärem 
Lehrbuch durch strengere Anwendung des physikalischen Moments auszeichnet; auch die gebräuch- 
licheren Instrumente, und ihre Auwcudung sind kurz beschrieben. Ref. vermisst eine elementare Eut- 
wickelung (etwa nach Zoppritz') des mathematischen Ausdrucks für die sogeuauutc ablenkende Kraft 
der Erdrotation, und bei Erwähnung der sogenannten „synoptischen- Karten hätten sicher einig« 
Proben von solchen nicht fehlen solleu, sie siud dein Praktiker cutschiedcu interessanter als die 
beigegebeuen Isothermen- und Regenzouen-Karten. 

Das elfte Kapitel (S. 658— 820) gibt die maritime Meteorologie, bearbeitet von Korv. 
Kapitän Attlmayr. lu sehr ausführlicher, uud die Bedürfnisse der Praxis in den Vordergrund stellender 
Weise werden die vorherrscheudeu Winde der einzelneu Meeresgebiete (mit zahlreichen Tabellen), 
und die Orkane einschlief)] ich der Böen und Tromlien u. s. w. behandelt Diese Abschnitte sind 
durch Klarheit uud uamentlich auch vollständige Ausbeutung des reichen Inhalts der österr. inet 
Ztschr. ausgezeichnet Die dazwischen als besonderer Abschnitt (8. 720 — 732) eingeschaltet« Dar- 
stellung der Regcuverhältuisse über den Oceanon befriedigt weniger, sie wäre überhaupt wol im 
zehnten Kapitel besser untergebracht gewesen. — Eine große Weltkarte (C) in Mercatorprojektion, 
von derselben Grofle und Ausführung, wie die Tiefen- uud Strömungskarte, stellt die Luftdruck- 
Verteilung im Januar uud Juli in enger Anlehnung an Wojelkows bekannte Karten dar, und zwar 
sind die Januar-Isoharen grün über die roten Juli-Isobaren iibergednickt. üb die Kart«' dadurch 
leichter benutzbar geworden ist, mag dahingestellt bleiben. Eine vierte Tafel i'D) gibt charakteristische 
Orkanbahneu in Tropen nnd gemäßigten Breiten und einige graphische Darstellungen über die 
SegelmanÖver im Orkaufeide. 

Das z w ii 1 f te Kapitel, gleichfalls von Attlmayr herrührend und T ra u s o <• e a u i » c Ii e Kout e n 
Übersehrieben, füllt die zweite Hälfte des »weiten Bandes (8. 821 — uud entzieht sich in seinen 
Einzcluhciten der Kritik des Referenten. Benutzt siud ueben Mann- Scgelanweisiingen besonders 
die Arbeiten von Labrosse, Kerhallet und Neumayer. Es ist hier iu knappster Form eiu Sogclhaudbuch 
für alle Oceaue gegeben: Das erste in deutscher Sprache, denn Neumayer schrieb als australischer 
Beamter nur englisch. Ref. würde als Einleitung zu diesem Kapitel einige allgemeine Bemerkungen 
über das Behandeln der sogeuannten Passatatoniugeu und überhaupt über das Segeln nach dem 
Barometer (oder richtiger: nach dem Buys Ballot'schcu Gesetz) im Bereiche der eyclonischen Luft- 
bewegungeti der gemäßigten Breiten empfehlen, etwa iu der Art, wie sie iu dem von der See- 
warte für die deutschen Schiffsführer herAusgegebeneu .Piloten' entwickelt sind'). Denn wenn 
Maury und seine Nachfolger die genauere Kcuntui* der mittleren Windverhältnisse zur 
Abkürzung der 8egelrouteu haben ausuiitzen künueu, »o gibt die moderne Meteorologie dem 
iutclligenteu Schiffsführer die Möglichkeit, auch die Abweichungen von diesen mittleren Verhältnissen 



') Der Pilote, eiu Führer für Segelschiffe, herausgegeben von der deutschen Seewartc. 
2 Bde. Berlin, Mittler & Sohu 1881 nnd 82. 



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Besprechungen. 



125 



nicht mir frfilizcitijr zu erkennen, sondern auch unter Umständen sogar für eine Beschleunigung 
seiner Fahrt auszunützen. Denn auch diese sogenannten „Storongeu" verlaufen nach gewissen Owetarn. 

l)pr im Vorhergehenden skizzierte reiche Inhalt nud die im allgemeinen uicht zu leugnende 
Geschicklichkeit, mit der die Resultate moderner meereskundlicher Forschungen gesammelt nud 
verarbeitet sind, berechtigen zu dem Endurteil, da«* die k. k. Marine- Akademie durch die 
Herausgabe dieses Buches «ich ein entschiedenes Verdienst erworben hat, welches ganz erst dann 
hervortreten wird, wenn da« .Handbuch der Oceauographie und maritimen Meteorologie - «ich iu 
den praktiseh-seemKunischen Kreisen volleuda eingebürgert hat. 

Für eine zweite Auflage wKre neben dem »ehr ausführlichen systematischen Inhaltsverzeichnis 
auch ein alphabetischer Indes wünschenswert 

Kiel, Juli 1881. _____ *> tto Krflmmel. 



Prof. Dr. GEORG VON BOGI SLAWSKI : Handbuch d«r Oceanogrraphle. Bd. I. fXVlll. und 
400 SS.), Stuttgart 18K| (in Fr. Ratzel'« Bibliothek geographischer Handbücher i. 

Ganz unabhängig von dein .Handbuch der Oceauographie und maritimen Meteorologie." 
herausgegeben von der k. k. Marine-Akademie iu Fiume, aber gleichzeitig tnjt demselben entstanden, 
erschien da* vorliegende Werk O. v. Boguslawski's ein halbe« Jahr später, ist also da« zweite in 
deutscher Sprache erschienene derartige Haudbuch. Wie schon die Kränklichkeit den« Verfasser« 
schubl daran war. da*« er später al» die österreichischen Fachgenosscn und zunächst nur mit der 
ersten Hälfte «eine« Buches an die Öffentlichkeit trat, so i«t durch »einen inzwischen eingetretenen 
beklagenswerten Tod die Vollendung de* ganzen Werkes leider in Frage gestellt, hoffentlich aber 
nur verzögert. 

Was den Verf. iu «einen früheren Arbeiten. so namentlich al« Kodacteur der „Aunalcn der 
Hydrographie" auszeichnete, der nimmer ermüdeude FleiB, mit dem er die Thatsachcn sammelte 
nud ordnete, tritt auch in diesem Werke vorteilhaft hervor und macht es zu einem zuverlässigen 
Führer durch die überreiche, aher recht zerstreute Literatur de« hier behandelten Teils der Mcercs- 
kuude. Aber nicht minder tritt die dem Verf. eigentümliche Scheu hervor, die ihm zuflieflenden 
Thatsachen zu selbständigen Schlussfolgerungen allgemeinerer Natur, zur Lösung Älterer, Aufstellung 
neuer Probleme zu fruetificiereu. Sein Standpunkt solchen Aufgaben gegebenüber war ein allzu 
strenger, er hielt da« Material noch immer für viel zu lückenhaft, darum die Zeit noch nicht für 
gekommcu, um zu allgemeineren Ideen vorzudringen. Hat er doch sogar aus dieser allzu vorsichtigen 
Auffa*sunjr heraus ciumal Petermann'* bekannte Tiefeukarte des Pacifischeu Oceans als „verfrüht" 
bezeichnet. Daher erscheint denn auch das Widerstreben sehr begreiflich, mit dem v. B. des 
Referenten Berechnungen der mittleren Meerestiefen reproduciert. nicht minder seine Bedenklichkeit 
gegen die Klassitikatiou der Meeresräume. Ref. braucht nicht erst zn versichern, das« er die Zahlen 
für die Mitteltiefen selber niemals für etwas anderes gehalten hat als angenäherte; und das« er 
ncine Einteilung der Meeresräume für keine definitive gelten lassen will, hofft er durch Vorlegung 
einer weitgehenden Modifikation demnächst zu beweisen. 

An« dem hier angedeuteten principiellen Staudpunkt Boguslawski's ergibt «ich von selbst, 
das« er durchwegs mehr sammelnd, referierend uud nur stellenweise negativ kritisierend verfährt 
mit eigenen Vorschlüget!, selbständigen Ideen so gut wie gar nicht hervortritt, Kin Vergleich mit 
dein österreichischen „Handbuch der Oceauographie etc.", das nach ähnlichen Principien gearbeitet 
ist, liegt deshalb nahe genug; es ist nicht de« Ref. Absicht, diesen im einzelnen durchzuführen. 
Jedenfalls ist Bogii*hiw*ki's Werk iu vielen Abschnitten an Thatsacheu unvergleichlich reicher 
als das österreichische Handbuch ; aber letztere« ist lesbarer, übersichtlicher, anregender und wird 
darum unter den praktischen Seeleuten mehr , Verbreitung linden und Nutzen stiften, als 
Boguslawski's schwerfällige, wenn auch solide Arbeit, die, iu der Studierstulu» entstanden, 
auch vorzugsweise in den Bibliotheken von Gelehrten ihren Platz haben wird. Hein Ref. 
wenigstens gewährt der vorliegende Band eine außerordentliche Erleichterung für seine meercs- 
kniidlichen Studien, und er beklagt darum nichts so sehr als dass das Werk vom Verf. nicht voll- 
endet hinterlassen worden. 

Im vorliegenden Baude sind behandelt „die räumliche, physikalische und chemische Beschaffen- 
heit der Occanc.- und zwar gliedert «ich der Inhalt iu sechs Kapitel: 1. Einteilung und (horizontale^ 
Gliederung der einzelnen Meeresräume. •>. Kelicf der Mecrcshccken von der Oberfläche bis zum 
Bodeu (Meercsiiiveau, Küsten, Inseln. BodctiM^liim nie, Itodcurelief (S. M — V2t\). []. Chemie des 
Meeres. I. Spccilisches Gewicht des Meerwassers. f>. Farbe. Leuchten uud Durchsichtigkeit des 
Meeres. »>. 1. Maritime Meteorologie (8. 2ÜO!) und II. Temperatur. Vertheilnng iu den Oceaneu 

und Meeren (8. *JiM -.'löS', endlich III. die. Eisvcrhällnissc der Meere. Ein Anhang gibt eine 



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Besprechungen. 



Reduktioustabello von Faden in Meter, sowie eine sehr dankenswerte „Übersicht Uber einige 
Mceresexpeditioncu iu den großen Oceaneu und deren Meeresteileu seit der Mitte de« 18. Jahr 
hundert*, ~ welche zur Kenntnis nud Förderung iler oceanischeu Physik beigetragen liabcu. 

Da« Schwergewicht de* Bande* Hegt iu den Abschnitten über das Bod eure lief (75 88.) 
und die Wärmeschi chtung (KJ7 88.), die hier in einer detaillierten Vollständigkeit behaudclt 
sind wie sonst nirgends bisher. Dagegeu ist die maritime Meteorologie Mehr stiefmütterlich bchaudelt 
i'M SS.) — vielleicht wäre es praktischer gewesen, das für die Occanographie Unentbehrliche, aber 
auch nur dien, bei Gelegenheit der Meeresströmungen einzuflechteu. 

Kiel, August 1884. Otto Krümmel. 



Korvetten-Kapitän P. HOFFMANN: Zur Mechanik der Meeresströmungen ander Oberfläche der 
Oeemie. Ein Vergleich der Theorie mit der Erfahrung. VI. und 99 88. Berlin, Mittler & *., 1881. 
Der Verf., bis vnr kurzem Abteiluugsvorstaud im hydrographischen Amt der Admiralität, 
gegenwärtig aber als Komuiaudaut S. M. 8. Möwe gleichzeitig mit Dr. Nachtigall und Dr. Buchuer 
mit der bekannten diplomatischen Missiou au der Guiueaküste betraut, hat vorliegende Broschüre, 
wie der Titel und das Vorwort sagt, bearbeitet, um „einige in den letzten Jahren durch theoretische 
Arbeiten in den Vordergrund getretene Anschauungen über die Natur der Meeresströmungen an der 
Hand von ErfabmngsresulUten noch weiter zu stützen." Es ist außerdem „dabei das Bestreb eu 
gewesen, auch denen, welche den vorangestellten theoretischen Gesichtspunkten nicht beistimmen 
wollen, Willkommnes zu bieten, nicht mir iu einer vergleichenden Übersicht über die großen 
Meeresströmungen, sondern auch in Zusätzen zu den geläuligeu Einzeldarstellungen,- letzteres mit 
gauz besonderer Berücksichtigung der Erfahrungen deutscher Kriegsschiffe, wie sie seit Jahren durch 
Boguslawski's Fleiß iu den Auualeu der Hydrographie niedergelegt sind. 

Diese Aufgabe ist dein Verf. in der dankenswertesten Weise gelungen und er hat damit 
eine Monographie über die Meeresströmungen geschaffen, wie sie bisher noch in keiner Sprache 
produziert worden ist. Kef. spricht das aus, obwol er, wie gleich zu erörtern, in einein nicht grade 
nebensächlichen theoretischen Blinkte und in eiuer methodologischen Frage des Verfassers Ansichten 
nicht teilen kann. 

Die Arbeit zerfällt in zwei Teile. Der erste, Kap. I. umfassend, behandelt die Ursachen 
der Meeresströmungen, der zweite iu Kap. II. bis IV., nebst Anhaug gegliedert, gibt eine Übersicht 
der Meeresströmungen nach deu ^tatsächlichen Beobachtungen. Im Folgenden soll besonders auf 
einige wichtige theoretische Fragen und deren Prüfung au der Haud von Thatsachen eingegangen 
werden. 

Als hauptsächliche Ursache der Mecrcsströmungeu wird der Wind auerkauut und dabei auf 
Zöppritz' bekannte Untersuchung hingewiesen, dereu Formeln durch deu Verf. auszugsweise reproduziert 
sind. Kef. kaun bei dieser Gelegenheit p'wissc Bedenken gegen die unmittelbare Anwendbarkeit der 
Zöjipritz'sehen Formeln auf die Meeresströmungen nicht unterdrücken, Bedenkcudicdarauf beruhen, das* 
'/.. seinen Rechnungen Annahmen zngrunde legte, welche für die Bewegung von Wasser in capillarcu 
Kohren gelten. 1 ) Stroinhewegiingcn in letzteren mögen darnach ziemlich einfach verlaufen; im Meere 
dagegen, dessen Boden unregelmäßig geformt und dessen Wasscrmaxse durch luselu zerteilt ist, »erden 
Störungen eintreten, die ihrer Qualität nach deu Wirbeln vergleichbar sind, die Bonssiuo-u, für die 
Wasserhewcgungen iu Flussbctteu nachgewiesen hat, mir dass diese Wirbel im OceAti nicht ganz 
s.. intensiv und allgemein sich ausbilden werden, wie in deu Flüssen mit ihrem engeu Bett und 
starker Stmmgeschwindigkeit. Kapitän Hoffmanu kennt (S. \\\t) als praktischer Seemann sehr 
wol die iu der theoretischen Literatur bisher zu wenig beachteten „Stromkahheluugcu" (englisch 
title rips) im offenen Ocean, mit den sie, häutig begleitenden Flecken kältereu Wassers oder „Kalt- 
wasserinseln,* wie sie Heinrich Berghaus einmal nannte, und bemerkt dazu: „in einem Gebiet (wie 
in den atlantischen Tropeustrümuugenj, iu welchem die Temperatur stellenweise iu der oberen 
Fadenschicht -i um 5° bis 1(1* sinkt, muss jede Bewegung de.* Wassers ein Sinken der Ober- 
tläcbcutemperatur zur Folge haben. So lä»st sich mit Sicherheit annehmen, dass Temperaturen im 
Kielwasser hier kälter gemessen werden als au der Schiffsseitc. Es liegt nahe, an der vertikaleu 
ideellen Scheidewand der entgegengesetzt gerichteten Strömungen Wirbel anzunehmen, welche 
für die auffälligsten Temperaturabnahmeu iu den oberen Schichten, wie sie der Ohallenger fand, 
eine Erklärung hergeben würden." 

Die Stromkabbelungeu und Kaltwasscrtlcckeu sind aber keineswegs auf die Stroinkauten 
beschränkt, obwol sie da gewiss, wenigstens ersten», eine fast regelmäßige Erscheinung sind. Aber 

1 i Ich verdanke dieseu Hinweis meinem verehrten Frcuude, dem Physiker Dr. Heiur. Hertz. 
-) Also in 5" Meter. 



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Besprechungen. 



127 



es ließe «ich leicht eiue große Zahl von Kaltwasserheobachtuugeu uud Strnmkahhetungcu inmitten 
der großen Äquatorialströme zusammenstellen, die beweisen würde, wie diese Wirbel als etwas den 
.Strömungen allgemein Zukommendes anzusprechen sind. Ein« ältere Beobachtuug Alexauder v. 
Humboldt'« im karibischon Meer gehört gleichfalls hiehcr: das* uämlieh in der Nähe von Bänken 
daselbst dio Oberflächcntcmperatnreu sich ernte Ingen. Humboldt hatte dazu bemerkt, dass diene 
niedrigere Temperatur großenteils daher rilhre, das* da* OberrHchenwasser sich „mit tieferen 
Wassersehichteu mischt, welche längs der Abhänge der Rank nur Meeresfläche aufsteigen." Man 
wird kaum fohlgrcifen, wenn man hier au Boussincsq'schc Wirbel denkt. Es kaun aber auch sein, 
da*« solche Wirbel namentlich im Lee von Inseln größere Dimensionen annehmen und, von der 
allgemeinen Strömung in die offene See hinausgetragen, sich solange konservieren, dass sie sehr 
weithin der Navigation fühlbar werden als unregelmäßige Stromversetamngon von großem Effekt. 
Solche kommen nämlich im Bereiche der großen Wiudströmungeu im Atlantischen Ocean gar nicht 
selten vor, also als starke Ostatrötne innerhalb der beiden Äquatorialströmungen und nicht minder 
als starke Wostatrönae im Hereiche der Guincaströmting. ' ) Vielleicht sind auch die sog. „kalten 
Streifen" der Florida-, Agulhas- und Brasilienströmung und des Kurosiwo auf solche Boussinesq'schc 
Wirbel zurückzuführen, und nicht bloß auf Cberwehuug von Wasser aus den kalten Nachhar- 
strömungou. — Mit diesen Bemerkungen will ich übrigens nicht die entschiedene Abhängigkeit dor 
Meeresströmungen vom Wiude irgendwie in Frage stellen; nur ist möglich, dass dio Zöppritz'scheu 
Formeln durch Einführung solcher Wirbelbewegungen doch andere Resultate, namentlich für dio 
Fortpflanzung der Oberflächeuimpulsc in die Tiefe mit der Zeit, ergeben wflrdou. 

Was aber die von Kap. HofTuianu beiläufig berührt« schnelle Temperaturabnahiiie v«u der 
Oberfläche abwärts in den atlantischen Äquatorialströninngcn betrifft, so glaube ich, dass diese 
Erscheinung weuiger mit den Wirbelbewegungen zusammenhangt als mit der geographischen Kon- 
figuration des Centralatlantischcu Raums. Der Guiueastrom wird cum guten Teil (nach Hotfiuauu ganz 
ausschließlich) durch Wasser des südlichen Äi|uatorialstroms gebildet, und dieser Strom bezieht seinen 
Ersatz aus der kalten Beugiielaströmung. Diese letztere ist wieder grade au ihrer Küsteuflanke am 
kältesten und beim Umwenden des Stroms iu der Nähe des Äquators aus der Xordrichtnug in die 
westliche, bleibt dieses kälteste Wasser natürlich an dor rechten (hier nördlichen) Flanke de« Stroms 
und lässt so die aus der warmen Guineaatroinuug südwärts gehenden Seefahrer eine erhebliche 
Abkühlung des Wassers wahrnehmen. Noch mehr als au der Oberfläche wird dtejtc kalte Natur der 
Strömung iu der Tiefe sich eonservieren. — Das Maximum der Durchwärmung der Meerwassersäulett 
liegt im nordatlautiacheu Ocean südlich von den Bermudas, im sQdatlautischen au der Brasilianischen 
Küste, beidemal also weit leewärts über den Äquator hinaus. Es ist das ebensowenig wunderbar, 
wie dass das Maximum der Lufttemperatur in der täglichen Periode bei uns zwischen 2 uud 3 Uhr 
nachmittags liegt, und nicht genau um 12 Uhr. — Für deu paeifischen Oceau, desaseu wostöstliche 
Ausdehnung in der Nähe des Äquators dreimal größer ist als im Atlantischen, ist das Maximum der 
Wärme in der Nähe der Linie, zu finden, natürlich auch im Westen. — 

Die str.imerrcgende Wirkung des Windes wird moditiciert durch die Konfiguration der 
M c eres be c k eii , uud diese behandelt der Verf. daher au zweiter Stelle, währender au dritter Stelle 
der Erdrotation eine mächtige Einwirkung auf deu Verlauf der Meeresströmungen zuschreibt. In diesem 
l'uukte kann Ref. dem Verf. indes nicht folgen. Bekanntlich ist die sogen, ablenkende Kraft der Erd- 
rotation abhängig von der Stromgcsehwindigkeit uud vom Sinus der Breite. Sie wird also bei den starken 
Strömungen höherer Breiten vorzugsweise in die Erscheinung treten müsseu. Alle Beispiele indes, 
die hierfür beigebracht werden, lassen auch eiue andere Erklärung zu. Die größte Stromgcsehwindig- 
keit findeu wir heim Floridastrom, den der Verf. deu „Golfstrom" nennt. Dieser Strom zeigt bis iu 
die Breite von Charleston {'K* N.) noch 3 Knoten in der Stunde oder 1.5 Meter iu der Secunde, 
und müs.ste durchaus, da der Bewcguugsimpuls im Kücken liegt, der Trägheitacurve folgen, aber 
dennoch behält er bekanntlich seine Nordrichtung bei : Der Verf. glaubt in der Reibung am 4<)0 
Faden (HOB Meter!!) tief gelegenen Meeresboden den Grund für das Ausbleiben der Ablenkung zu 
erkennen. Nördlich vom Kap Hatteras, wo die Tiefen größer werden und bald -1- uud ätXK) Meter 
erreitdien, „hält der „Golfstrom" nicht mehr ziuammcu." Aber auch da folgt er nicht der Trägheits- 
kurve , souderu zeigt die sogen, kalten uud warmen Streifen. Erst viel weiter uach Nordosten 
k<imineu Phänomeue vor, dio ein Abkurven des Floridastroms uuter dem Eiufluss der Erdrotation 
anzeigen könnten, nämlich uördlich und nordöstlich von den Berinudas-lnseln, wo starke, nach 
Südwest gerichtete Strömungen beobachtet sind (cf. die Pifat charUt). Diese Strömungen sind aber 
keine regelmäßigen Erscheinungen, sie werden im Gegeuteil immer nur vereinzelt und als abnorm 
iu den Schiffsjournalen gebucht, können also einzig und allein durch die Erdrotation nicht erzeugt 



') Vgl. die Tabelle S. :!.'» bei Hotfiuauu. 




128 



Besprechungen. 



»ein. Vielleicht sind die auf dorn Floridastrom entlaug laufenden eyclonaleu Luflbewcgungeu die 
Ursache davon, da diese au ihrer Ostseit« nordöstliche Winde luid damit, südwestlichen Meeres- 
strom hervorrufen. — Auch die Stromvorgänge in dem europäischen Nordmoer und iu der Davis- 
Straße laufen »ich uugczwungeu in direkte Beziehungen mit den vorhandenen Luftbeweguugen 
setzen, und es bedarf selbst filr diese hohen Hreitcu uiclit einer Einftlhruug der Erdrotation als 
ablenkende Kraft. 

Umsnweniger kann Ref. Herrn Kap. Hoffmann zustunmeu, weuu dieser die großen Aqua- 
tnrialgcgcnströmungen hauptsachlich auf diesem Wege Bich entstanden denkt: Beim Überschreiten 
der Linie durch den südlichen Äquatorialstrom soll dessen Wasser rechts abgelenkt werden und so 
einen Oststrom liefern, im Atlantischen Ocean also die Guiueaströmung. Die Recbuuug zeigt, dass 
flie ablenkende Kraft für 5° Breite und oiuou Strom von 80 Seemeilen iu '24 Stunden oder O.ti m 
in der Secnnde sich verhält zu der Wirkung beim Floridastrom in 32* Br. mit 1.5 tu Gesehw. in 
der Secnnde wie 1 zn 18. Beim Floridastrom treteu deutliche Beweis« nicht zutage, und uun soll 
in f»° Br. bei nur '/m der Kraft eine so bedeutende Wirkuug, wie die Erzeugung der beiden iiord- 
hemispharischeu Gegenströmungen, möglich sein? 

Die Meeresströmungen erscheinen als viel zu langsame Bewegungen, als dass in ihnen die 
Erdrotation eine sichtbare Wirkung äußern könnte. Die Guineastrttmung sowol wie die nordpacitischc 
Ostströmnug erscheinen hinreichend erklärt als Rcactiouutröme in dem windstillen oder von West- 
winden beherrschten Raum «wischen den beiden Paasatatrömnngen. — 

Des Verf. Bemerkungen über „die Schwere als Ursache von M e e re s s t rö in uugeii," 
indem durch dieselbe Niveauunterschiede ausgeglichen werden, die durch Windstau, Änderungen im 
specitischeu Gewicht infolge von Verdunstung und Niederschlägen hervorgerufen sind, raus« mau 
jedenfalls als zutreffend anerkennen, wenu auch nicht ganz klar zu ersehen ist, ob der Verf. die 
alte Erklärung des Floridastroms, als eines Abflusses der durch den Passat im mexikanischen Golf 
aufgestauten Gewässer, gauz oder nur zum Teil verwirft. Ref. glaubt immer uoch au dieser alteu 
Auffassung festhalten zu müssen, denn eine bessere hat uoch uicht gefunden werden können. 

Neu und besonders anregend siud die Erörterungen ilber „Strömungen mit vertikaler 
Bewegungskomponcute.* Kap. H. bekennt sich als prinzipieller Gegner der willkürlichen Annahme 
des Untertauchen« oder Emportaticheus coutinuicrlicher Strömungen," wie sie auf den Berghaus'scheu 
Karten noch zahlreich eingetragen sind. Ref. ist ein ganz so schroffer GegneT dieser Auffassung 
nicht, da er sich anders nicht erklären kaiin, wo ». B. das kalte Wasser de» Labradorstroms an 
der OstkiUte der Vereinigten Staaten, das auf der Küsteubauk deutlich südwärts fließt, bleiben 
soll. — Im höchsten Grade interessant und großenteils neu sind des Verf. Betrachtungen über das 
kalte Küstenwasser an deu Westküsten der SildhemisphKre sowio an der Küste von Oherguiiica und 
im Golf von Panama, das nur aus der Tiefe aspiriert sein kann (S. 2'i ff.) 

Im zweiten Teil, der die thatsächlichen Beobachtungen über die Meeresströmungen zusammen- 
trägt, hält der Verf. au dem Priucip fest, ähnlich den in deu englischen Stromkartcu befolgten 
(irundsätzen, „nur die wirklich beobachteten Strom Versetzungen" zu beachten, dagegen werden solche 
Iitdicicn, wie sie aus der Verteilung der Oberfläehentwnpcratureii sich ergeben, leider princi|iiell 
verworfen, und die Treibrichtung der Eisberge und der TangbUndel wird gar nicht berührt. Ref. 
huldigt bekanntlich im letztereu Pnnkte der entgegengesetzten Anschauung, und ist durch die 
Schwierigkeiten, iu welche Kap. II. durch die zu strenge Durchführung seines l'riucips vielfach 
gcrathen ist, uoch mehr von der Unentbehrlichkcit seiner Methode (Iberzeugt als je. Ich glaube 
nicht dass ich bisher darin zuweit gegangen bin. „Wenn man, 14 sagt Kap. II., „scharfe Gegensätze 
in deu Wassertvmperaturrii als gleichbedeutend mit Stromgrenzen ansieht, so gelaugt man zuweilen 
zu Stromfigurcii, welche uicht iu Einklang gebracht werden können mit deu anerkannten Gesetzen 
der Mechanik." Als solche Fälle stellt der Verf. weiterhin die Zeichnung des Brasilien- und Agulhas- 
stroms auf des Ref. Karten') hin. In beiden Beispielen ist aber unter „deu anerkannten Gesetzen 
der Mechanik* nur die Erdrotation zu verstehen, über deren verschwindende Kraft in den gegebenen 
Fallen ich mich schon ausgesprochen habe. Wenn ich den Brasilienstrom Uber 45° S. Br. hinaus- 
geführt hahe, so bewegt mich dazu ausschließlich die hohe Temperatur des Wassers in jeuen hohen 
Breileu, die sich in kontinuierlichen Zusammenhang mit dem tropisch warmen Wasser uördlich von 
.'Kr 1 ' Br. setzen ließ. 1 ) Woher soll die hohe Temperatur wol anders kommen, und dass dieses warme 
Wasser gegen die herrschende Luftströmung soweit nach Süden getrieben wird, beweist doch die 
Existenz des Brasiliens t ro in s hinreichend. Schließlich habe ich auch aus den Tempcratiirlotungeii den 
Clialleuger beweisen können, dass diese Erwärmung keineswegs eine oberflächliche ist. — Ebenso 

«I Zeitschr. f. wiss. Gcogr. IV., 1883, Taf. I'. 

-*i Vgl. die Joiirualauszügc im „Archiv der Sccwarte" 188:/, S S. 



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Besprechung? n. 



129 



kann ich nicht verstehen wie in 40° Br. südlich vom L'apland gegen die dort herrschenden west- 
lichen Winde warmes Wasser Ins 10» ö. Lg. vordringen kann, ohne dass der Agulhasatroiu dabei 
beteiligt ist. Ich muM also alles dies aufrechterhalten. 

Ebenso habe ich mich nicht Uberseugen können, dass „grade die Strüronngsverhältnisse des 
bekannten nnd viel durchforschten nördlichsten Teiles des Atlantischen Meeres die größten 
Schwierigkeiten bereiten" (S. 91 und 88). Hier löst doch da* Wassertbermoroeter die letzteren 
durchaus: wenn wir an der Westküste Irlands keinen Strom von SW. her hätten (wie die 
Luftdruckvorteilung auch südwestliche Winde hier dominieren lilsst), so würden wir das relativ warme 
Wasser hier unmöglich erklären können, ebensowenig das Fernbleiben der ostgrönländischcn Eis- 
berge aus diesen Meeresstrichen. 

Dagegen mag der Verf. mit seinen Bedenken gegen die Stromhilder in den höheren Breiten 
des Indischen und Pacilischen Oceans nicht im Unrecht »ein; obwol auch hier am der Trift der 
Eisberg« und den Wassertemperaturen sich Beweise für die Eintragung eines relativ warmen Stroms 
westlich von Kergnelen ». B. beibringen lauen. 

Des Verf. Darlegungen der Lage und Eigenschaften der einzelnen Strömungen im Detail 
hier sn verfolgen, würde leicht ermüden. Ref. ist ohnehin der Überzeugung, dass fortan niemand 
sich mit den Meeresströmungen beschilftigen wird, ohne Kapt. Hoffmann's anregende Monographie 
zur Hand au nehmen. Die Benützung derselben wilrdc boi Gelehrten und Praktikern ahor eine 
noch nnsgehreitetcre und leichtere sein, wenn die im Texte niedergelegten Daten auch eine karto- 
graphische Darstellung gefunden hätten. Möge der hochverdiente Herr Vurf. nach Heiner Rückkehr 
von der afrikanischen Küste Neigung und Muße rinden, diese Lücke nachträglich auszufüllen und 
uns in deutscher Sprache ein« Strömnngskarte au liefern, wie sie die Engländer in den Current 
und IHlot Charta ihrer Admiralität besitzen. Er würde sich damit den freudigen Dank nicht nur 
der Gelehrten sondern auch der praktischen Seeleute sichern 



R. AXDREE uud A. S( OBEL: Kart« ton Afrika. Leipzig, Velhagen und Klasing, 1881. Frei* -JÜ M. 

Im Maßstab vou 1 : 10,000.000 bietet diese Karte ein ebeusn korrektes als schöne* Bild von 
Afrika dar. Sie eignet »ich zwar nicht für Schulzwecke, da ihr feine« Detail nicht für die Be- 
trachtung an« der Kerne berechnet ist, vortrefflich aber für diu Privatgebrnuch. 

Au» den in lichtblauer Streifuug gehaltenen Meeresflächen baut sich der Erdteil recht plastisch 
auf. Die Landmasse ist gleichmäflig hellbräunlich gefärbt, die Bodenerhebungen sind durch braune 
Abhaugxachraffierung angedeutet; Blau ist innerhalb der Küsteulinie nur für die Biuueusecn ver- 
wendet, die Flüsse, sowie die zart eingetragenen Straßenzüge uebst dein Nameuaufdruck sind schwarz, 
die Territorialgrenzen durch feiue rote Linien bezeichnet. 

Ks bedarf kaum der Versicherung, das» die Herren Verfasser uur aus den besten Quollen 
geschöpft, uud dass vou ihnen auch die neuesten derselben benutzt worden sind. Man kann behaupten, dass 
wol noch nie ein so zuverlässiges Material afrikanischer Landeskunde in solcher Fülle auf einem einzigen 
Übersiehtstableau vereinigt wurde; dabei sorgte die Zierlichkeit der gewählten Schrift dafür, dass selbst 
an Stellen, wo viele Namen gehäuft werdeu mussteu, die Lesbarkeit und Übersichtlichkeit nicht 
verloren geht, 

Bedenklich erscheint dem Ref. nur die (wenn schon bloß mit hypothetischer Strichelung 
angegebene) Verbindung de» Ruauda-Plusscs mit dem noch so rätselhaften äquatorialen Wosl- 
nachhar des Victoria-Sees, dem „Lnta Nsige," als dessen Ausfluss jener gezeichnet ist. Den Ruanda 
keuucii wir als den größten rechten Nobenrlus* iles Rusisi, welcher in das Nordende des Tanganjika- 
Sees ciuiniludct "aber dass er eine Verbindung zwischen diesem und dem hier sogenannten Luta 
Nsige bilden sollte, dürfte doch eine gewagte Annahme sein. Viel wahrscheinlicher dünkt eine 
Verbindung dieses letzteren Sees nach der entgegengesetzten Seite, nämlich zum Albert-See. Indem 
Ref. sich vorbehält, auf dies« interessante Frage an anderer Stelle zurückzukommen, sei nur noch 
zweierlei in dieser Hinsicht betont: 1. dass der Name Luta-Nsige und der Name Mwutan-Nsige 
ihier mir „Mw-utau" gedruckt) offenbar identisch sind, bloß dialektisch verschiedene Formen des- 
selben Namens sich aber nicht zur Bezeichnung völlig verschiedener Seen eignen, und 2. dass der 
Albert-See an seinem Südwesteude einen breiten Strom Aufnimmt, wie Massou-Bey bei seiner Bo- 
fahruug des Sees deutlich erkannte, die Zeichnung dieses Südwestnfer* mit einer geschlossenen 
Linie also nicht statthaft ist 

„Ukerewe" ist nicht der Nnme des 8ees, sondern des Laude* um seinen Südzipfel herum, 
zum mindesten müsstc es also „Ukercwe-See" heißen, falls man überhaupt dicaen ganz unnützen 
Namen noch weiter fortführen will. 



Kiel. 



(Mio Krümmel. 




130 



Besprechungen. 



Im übrigen sehen wir gerade auch auf die Namenschreibung rühmliche Sorgfalt verwendet. 
San Nico lao (unter den Capverdeu) sollte allerdings folgerecht Sao Nicoiao geschrieben Hein. Ob 
„Oranjc" iOranjcfluss} richtiger ist als „Orangcfluss," darilbcr läast sich streiten; jedenfalls heiflt 
der Flut« boi den Engländern ausschließlich Orauge(orind»ch)-River. Uud wenn wir sogar die 
Mcmr! Nj einen heiBeu, sollten wir doch billigerweise anch hier den Engländern das Recht der 
Namcumodclung nicht verweigern. 

Halle. A. KlrcUhoff. 



HENRY HARRI SSE: Leu Corte Heul et lern» voyages an Nouvenn-moude, d'aprcs des docuinont* 
nouvennx ou neu conuus tires des arehives de Lisbonue et de Modinc. Paris, 18815. XII. 



Dieses Werk bildet de» dritten Band des Recneil de Voyages et de document* punr servir 
a l'hi.ttoire de la gengraphie depuis le XIII. jnsqu'A la fin dn XVI. aiccle. public sous la direction 
de M. M. Cli. Scliefor, membre de l'Institut et Henri Cordicr. 

Harris-se ist uns längst als der bedeutendste Forscher auf dem Gebiete der ältesten ameri- 
kanischen EiUdeckniigsgeschichte bek.'inut. und man nimmt seine Arbeiten mit der sicheren Voraus- 
sicht in die Hand, neben umfassender Kenntnis der Literatur und kritischer Beleuchtung des Stoffes 
stets noch durch neue Urkundeu von Bedeutung erfreut tu werden. Wer mit dem vorliegenden 
Gegenstände vertraut ist, Hing sich wol verwundert fragen: „Wie ist es möglich, (Iber die dürftigen 
Nachrichten von den Entdeckungsfahrten der Cortc-Reals ein Buch von 2M Seiten zu schreiben, 
zumal da der Verfasser in der Vorrede uns selbst den ganzen Verlnnf in aller Kürze vorfuhrt.'* 
Der Thatbestand ist nämlich folgender: Gaspar Corte Real, ein Manu von etwa 50 Jahren, aus 
vornehmer Familie, erlangte vom König Manuel von Portugal ein Patent, um auf Entdeckungen 
auszugehen. Kr rilslet ein oder zwei Schiffe ans, die von Lissabon oder von Terceira auf den 
Acoren im Sommer 1500 auslaufen. Kr kommt im Herbst zurück und bat im Westen bewohnte 
uud mit Wald bedeckte Länder gefunden, vielleicht auch entdeckt. Sofort rüstet er, um den Fuud 
auszubeuten, in Gemeinschaft mit seinen Brüdern 3 Schiffe aus, segelt im .lauuar 1501 von Lissalion 
ab, entdeckt noch weitere kontinentale Landstriche (die zu Nordamerika gehören), schickt im Herbst 
zwei Schiffe in die Heimat voraus, welche anch glücklich den ITafen der Hauptstadt wieder erreichen ; 
aber er selbst kehrt nicht wieder. Nach 5 Monaten ängstlichen Harrens macht sich Miguel Corte- 
Real auf, seinen Bruder zu suchen, auch ihn gibt der Ocean nicht wieder heraus. Als hihi auch 
der dritte, älteste Bruder sich anschickt, die Verlorenen zn suchen, legt sich der Konig ins Mittel und 
verbietet die Unternehmung : das ist alles, was wir Uber diese Expeditionen wissen. Abgesehen von 
kurzen Notizen in den historischen Werken Galvan's uud Goes", war bisher nur der ausführliche 
Brief des vcnetiaiiischen Gesandten Pasqualigo an seine Brüder bekannt izuerst abgedruckt 1507 
in den Paesi novameute retrovati). worin über die Rückkehr zweier Caravelen von der zweiten Expedition 
lfiOl berichtet wird. Harrisse ist in der glücklichen Lage, uns nicht nur einen zweiten Brief 
Pasqualigo 's an die Signoria von Venedig, der allerdings schon vor 50 Jahren von L. von Rauke 
entdeckt aber nicht publieiert war, sondern auch noch einen bisher völlig unbekannten Brief des 
Italieners Alberto Cantiuo, eine» Korrespondenten des Herzogs Hercules von Ferrara, vom 17. Okt, 1501 
aus Lissabon datiert, vorlegen zu können. Es ist dies der Bericht eines zweiten Augenzeugen 
über die Ankunft der beiden Schiffe. Alberto Cantiuo bat dem Herzoge aber auch in Lissabon durch 
eiiien vermutlich italienischen Karteuzeichner eine große Knrte der oeeauisehen Entdeckungen 
anfertigen lassen, auf welcher die von Spaniern und Portugiesen neu entdeckten Länder dargestellt 
sind, wie mnu sie im Sommer 1502 kannte. Die bis auf die Farbengebung getreue Kopie dieser 
Karte ist eine sehr wertvolle Beigabe des Werkes. Den Verfasser des Portulans kennen wir leider 
nicht: aber es genügt schon der Hinweis, das« wir in diesem Weltbilde die Zweitälteste Darstellung 
amerikanischer Landschaften und Inseln vor uns haben, um die Wichtigkeit der Karte uud ihrer 
Veröffentlichung damit zn kennzeichnen. 

Und weun da* rein menschliche Gefühl und die Teilnahme bei dem auch in jeueu Tagen 
unerhört tragischen Ausgange beider Brüder Corte-Rcals nach den Lebensumständen der Familie 
weiter fragt, so ist auch nach dieser Richtung — und hier gerade am meisten — der Verfasser des 
Werkes iu der glücklichen Lage, uns eine ganze Reihe vou Dokumenten vorzuführen, ans denen 
wir in großen Umrissen die Geschichte dieser Familie durch einen Zeitraum von 2 Jahrhuuderteu, 
vom 14.— IG. Sanciiliim, kennen lernen. 

Der Schwerpunkt der geographischen Untersuchungen liegt iu der Frage: Welche lJiuder 
hat Corte-Real gefunden V Da die Karte Camino'» an zwei Stellen jenseits des Oceaus, westlich uud 
nordwestlich von Großbritannien, Läuder verzeichnet uud durch Inschriften als portugiesische Ent- 



und 2f»9 pp. 




Besprechungen. 



131 



decknngen Angibt, bei dem westlichsten sogar Gaspar de ('orte Real namhaft macht, so kann kein 
Zweifel »ein, in welcher Weltgegend etwa die Zeitgenossen (.'orte- Real» seine Länder «ich dachtcu: 
nftmlich Labrador und Grönland, vielleicht gegen Süden auch noch Neufundland und die. Küsten 
de» heutigen Nonhraunschweig nnd Neuschottland. . Dem cutspricht auch der Inhalt de« Briefes 
Cantino'«, da«« die Schiffe bei ihrer Fahrt gegen Norden hi» Ei« gerieten, sieh nach Werten wandten 
und dort grolle Länder fanden, aus welchen »ich sahireiche Ströme in« Meer ergossen, da«« weiterhin 
prachtvolle Wälder (die auf der Karte angegeben sind) den Boden bedeckten, und da«» hier die 
Bewohner von Jagd und Fi«chfang lebten. Unter dein Wild werden iu erster Linie riesige Hirsche 
namhaft gemacht. Die Eingeborenen, von denen mau etwa 50 mit Gewalt eutfUhrto, schildert Cautiii» 
.nl« stattlich, vielleicht noch etwas größer als die Italiener, und da« Gesicht mit großen Linicii- 
omatiicuteu bemalt. Die Franen siud von kleiner, zierlicher Gc«talt, und haben eine hellere Haut- 
farbe n. ». w. Man schätzte die Entfernung diene« Lande« von Portugal auf 2800 Miglien {(X) M. 
— 1°) nnd man fuhr 600 bis 700 Miglicu an den Ufern hin, ohne das Ende zu erreichen. 

Ich will hier gleich die merkwürdigste Stelle an» dem neuen Briefe PaHnualigo's nnffigeu, 
da »io dem Gedankengange «ich trefflich anschließt: „Auch glaubeu sie, das« das Land bi« zu den 
Antillen reiche (conjungersi con lc Aiidilic), welche für den Küuig von Spanieu entdeckt sind, und mit 
dem Papageicnlande (Brasilien), welche« kürzlich durch da« nach Calicut bestimmte Geschwader 
(nnter Cabral) aufgefunden ist." — Man sprach also «chou 1501 die Vermutung au« über den 
Zusammenhang der nördlichen Küsten, welche »ich bi« an den Polarkreis erstrockten, mit den 
«Udlich vom Äquator aufgefundenen Gestaden der neuen Welt, ein Zusammenhang, deu auch die 
erste Karte Amerika'« von Juan de In Cosa schon deutlicher sogar als C'autino'« Karte zur Anschauung 
bringt. Gewissheit lag noch nicht vor, es war mehr eine Ahnung oder, wie Harri«*e «ich au«drfickt, 
„eine ko»mographi»ehc Hypothese," welche den kontincutnleu Zusammenhang der Länder forderte. 
Wenn der Verfasser nun aber (p, li-14 j noch die Behauptung aufstellt, das« die Vorstellung von 
einem auKgedehnten, «wischen Europa und A«ieu gelegeneu, Kontineute erst später in dem Geiste 
der KoMmographen Platz gefunden habe, so kann ich dem unter Hinweis auf deu «chon 1507 von 
Waltxomüiler gemachten Vorschlag, den neuen Continent Amerika seil nennen, nicht beistimmen. 
Schon Columbus scheint auf «einer 3. Reise, als er die Küste Südamerika'« berührt, eine dunkle 
Ahnung gehabt jsu habeu, das« da« Laud Paria und am Delta de« Orinoko doch wol mit China 
oder Indien nicht au identiticieren sei ; denn las Casas hat uns aus de« Columbus Scbifftagcbuch 
die Stelle überliefert: „Sollte es doch ein Festland »ein, so wird die gelehrte Welt tief darüber 
cntUuueu. - Das* der Entdecker die «chon auf der ersten Reise gesuchte Ostküste von China nicht 
gemeint haben kaun, ist natürlich; denn über etwa« längst als Resultat Erwartete« würde man 
nicht iu Erstaunen geraten sein. 

Harri««« wirft endlich auch die Frage anf, ob die von Corte-Real gesehenen Länder als ueue 
Kutdecknugen zn bezeichnen seien, oder ob schon früher andere Schiffe diese Küsten berührt hätten. 
Diese Frage wird überraschend kurz nnd treffend gelöst durch ein Citat an« dein älteren Briefe 
l'asqnaligo's, wonach Corte-Real am Lande nicht bloß das Stück eines vergoldeten Degens von 
italienischer Arbeit, sondern sogar kleine höchstwahrscheinlich venetianische Ohrgehänge bei den Ein- 
geborenen fand. Nun wissen wir, das« Giovanni und Sebastian Gabotto 1497 von England aus jene 
Regionen Nordamerika'« zuerst gefuuden haben. Die Familie Gabotto war an» Venedig nach England 
übersiedelt Wir könnou daher die Khre einer wirklich ersten Entdeckung selbst nicht einmal iu 
jenem Zeitalter (also abgeseheu von den früheren normannischen Fahrten) dem Corte-Real zusprechen. 
Er ist aber, indem er dem weiteren Verlauf der Küsten nach Norden nachspürte, auf ueue Ent- 
deckungen ausgegangen und bei diesem Versuche untergegangen. Wohin er gcrateu ist, darüber 
lasseu sich nur Hypothesen aufstellen, und wenn Vivieu de St. Martin in »einer Histoire de la 
geographie p. JXiO es als eine historische Thatsache hinstellt, Corte-Real »ei bereit» auf seiner ersten 
Fahrt (1500) in die Hudsonstraße eingedrungen und habe dieselbe Anianstraße benannt, »o lassen 
sieh diese Behauptungen durch kein Document belegen und den Namen Anlau nennt und kennt 
um diese Zeit noch kein Seemann. 

Die Karte Cantino's gibt uns schließlich aber noch ein Rätsel auf, dessen Lösung kaum st» 
bald gelingen dürfte. Im Nordwesten vou Cuba erstrockt »ich bi« an den Karteurand ein mächtige« 
Land, dessen Küstenverlauf unverkonubar Florida und der atlantischen Seite der Vereinigten Staaten 
gleicht. Die eingetragenen Namen der Vorgebirge und Flüsse sind teil» spanisch, teil« portugiesisch. 
Wer ist der Entdecker? Wir errateu e« nicht. Juan Pouce de Leon, dem Florida 1513 «einen Namen 
verdankt, galt als Entdecker, und nun zeigt uns Cantino's Karte ein volles Deceunium früher nicht 
bloß diese Halbinsel, sondern auch die ganze Owtsoite Nordamerika'», vielleicht bi« zum Hudsoiitlusse 



hin. Ein Phaiitasiegemälde kann nicht vorliegen, die Phantasie hätte die Wahrheit zu stark belauscht 
Corte-Real» Eutdcckuug kann es uicht seiu, deuu diu«u liegen auf derselben Karte weit entfernt ein- 




132 



Literaturbericht 



getragou. Dann sind es wol spauischc Entdeckungen? Aber bei «lieber Annahme wissen wir der Frage 
uicht au begegnen : Warum findet »ich denn diese wichtige Entdeckung nicht auf spanischen Kartou, 
sondern zuerst und allein auf oiner von einem Italiener in Portugal gezeichneten Karte? Es ist 
und bleibt ein Rätsel, da» selbst die umfassende Kenntnis und der Scharfsiuu einen Hanrisse nicht 
y.u lösen vermocht bat. S. Buge. 



Literaturbericht. 



Größere, in den letzten Jahren Iii Finland erschienene geographische Arbeiten sind: 
Finlands geologiska uudersökuiug, in Bd. II., H. 1 dieser Zeitschrift bereits geuanut. 
Bi.t jetzt sind H Karten erschienen, deu größten weltlichen Teil vom Un i Gouvernement) Nyland 
darstellend, nebst kleineren Teilen vcui den län Abo und Tavastehus. Die Karten siud an» der 
lithographischen Anstalt des schwedischen Goucralstabes in Stockholm hervorgegangen und lassen 
in Hinsicht auf Schönheit und Klarheit der Schrift und der 17 verschiedenen Farben nichts zn 
wünschen übrig. Der Text, vou K. Ad. Moberg, betragt in « Heften 8° zusammen 333 Seilen und 
enthält da.« dritte Heft außerdem noch G Tafeln Abbildungen. Besprochen werden in dem Texte 
außer den Mineralien Ebenen, Thäler, Berge, Gewässer, Veränderungen der Oberfläche. Fruchtbarkeit 
des Bodeus, Pflauzcuwuchs, industrielle Einrichtungen, (Quellen, Altertümer und -Traditionen. Auch 
sind einige Höheuaugaben im Texte enthalten. Aus denselben geht hervor, da** der höchste im 
Bereiche der Karten gemessene Berg. 5 Werst (5,34 Kilometer) NO vou der Eisenbahnstation 
Hyvinge, also im Un Tavasto-hus, uur 475 Fuß H 59,98 Meter) absoluter Hübe erreicht. - Preis 
jeder Karte uebst Text a Mark (— fres.). In Arbeit ist Blatt 1. der südöstliche Teil vom 
Hin Njland. 

Von der auch in Bd. II., H. 1 dieser Zeitschrift angekündigten, ausführlichen und in fiuischer 
Sprache vorfassten Beschreibung Finlands, genannt Suomen Maantiede k a nsal a i s i 1 1 e, 
ist das bis jetzt herausgegebene erste Heft nun auch in schwedischer Sprache erschienen in dem- 
selben Vorlage von G. W. Edluud in Hclsiugfors (1881) unter dein Titel „Finlauds geografi. 
Handbok für medborgare pl uppdrag af fiuska 1 i 1 1 e r a t u rsäl 1 ska p e t utarbetad 
af K. E. F. Ignatius. I Allmäu öfverblick af Und och folk." 17G Seiten 8° nebst 
2 Karten. Preis 5 Mark. 

Statistisk ilrsbok för Finland utgifven af statistiska byrAn. Feinte 
IrgA ugen 1883. Verlag der Umsehen Literaturgesellsohaft. 83 Seiten 8". Preis 1» : } Mark. — 
Erscheint sowol in schwedischer uud französischer als auch in fiuischer uud französischer Sprache 
und enthRlt eine Menge von tabellarischen Angaben, als Areal, Einwohnerzahl. Ackerbau, Viehzucht, 
Waldwirtschaft, Bergbau, Handel, Schiffahrt, Verkebrsanstalteu, Banken, UnterrichUweseu, Armen- 
pflege, Finanzen. Pas Areal des Landes ist zu 323,998 finischeu Quadratweist angogeheu ; 
] tinische Qiiadratwcrst — 1,423 Quadratkilometer. Der zu Finland gehörende Teil vom Ladogasee 
ist in dieser Zahl uicht einbegriffen, wol aber alle Binnengewässer nnd diese nach des russischen 
Obersten Strelbitzki Berechnung zu 29,283 Quadratwerst angegeben. Diese Zahl erseheint jedoch 
jetzt zu hoch, da im län Wiborg 108 Quadratwerst trockcu gelegt worden sind. — Zahl der 
Einwohner den 31. Deeember 188t) 2,Of*0,782, von welchen finisch redend 1.7045,381, schwedisch 
294,87«. russisch 4,915, deutsch 1,720, lappländisch 961. Nach Finlands Staatskalender 1884 betrug 
im Jahre 1881 die Zahl der Einwohner 2,081,612. Für da.« Jahr 1882 findet man dieselbe zu 
2,1 1 1 ,240 berechnet. — Interessant ist in dem dritten Jahrgänge (1881) de» statistischen Jahrbuches 
Tab. 2: Areal, WohiigehJtude und Einwohner in jeder Kommune, indem auch die Zahl der 
sogenannten Kauchstnben rliniimim-s saus issuc ponr la fuim'e) geuanut ist. Auf 285,515 Wolm- 
gebiiuile kamen 19,859 Kauchstnben, also GÄ'V 0 , die ineisten in den östlichen Teilen Finlands, 
die wenigsten, nur 7 auf 27,853, im lHn Nylaud. 

Das Werk Norde uskiöld's, die Fahrt der Vega, ist in iinischer Sprache im Verlage 
der Litcraturgesellschaft zu Wiborg erschienen, der schwedischen Ausgabe ähnlich. Preis 21 Mark. 

I Ostra Finland. Ski/.zer och studier af Severin Falkman. Enthält eine 
Menge wolgclnugener Abbildungen von Landschaften, Einwohnern u. a. der östlichen Teile 
Finlands. Dazu ein, kurzer Text. Helsingfors, Chromolithographie von F. Tilgmann. Erschienen 
sind 2 zwei Hefte ä Ü Mark und bezichen sich dieselben auf eine Woche Aufenthaltes in der 
Nähe der violbesuchten Stromschnelle Imatra. A. E. Bfodeen. 



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Notizen. 



133 



Notizen. 



Zu Egli's Aufsatz über die geographische Nainenlehre. 

Im 4. Hand« «Irr „Zeitschrift fllr wiss. Geogr." kritisiert Prof. Egli im Artikel: .Ein Beitrat; 
zur geographischen Namenlehrc." 8. Iflfi, Stenb» diesbezügliche Arbeiten. Der Schlusssau über «Ii« 
KJitische Ethnologie lantet: „So ist denn, was sie im Riitischeu gibt, nach eines Kenner* Urteil 
„absolnt falsch, " im Romanischen zu nugenau oder missglflckt." Ich «ehe ab von der gerade 
nicht mustergiltigcn Stilisierung diese* Satze* und bemerke nur hinsichtlich des Riitischeu Teilen, 
das» man sich nicht hinter einen anonymen «Kenner" verstecken soll, wenn nun ein aolch* abfälliges 
Urteil spricht, sondern da*s es doch besser gewesen wäre, wenn Prof. Egli diesen Kenner genannt 
hatte, damit auch wir in die Lage kamen, das .absolut Falsche 14 der ganzen Theorie einzusehen. 
Es gibt wol anch in Tirol r.war nicht Kenner, aber immer doch den einen oder den anderen 
Dilettanten, wie Schneller, welche sich wo) auch mit den Rütiern bei der NamenerklArung nicht 
befreunden wollen: aber das» da« System so ganz, absolut falsch sei, hat noch keiner behauptet. Im 
Gegenteil, Schneller sagt („Skizzen und Kiilturbilder aus Tirol," 8. 187): „Auch Sprachforscher von 
Fach und Auszeichnung haben Stcubs Leistuug anerkannt." Schon das Urteil, welche« Diez Gramm. 
I. ä .. 8. 132, Uber diese Arbeiten Steub's gefallt hat, hatte Herrn Egli etwa» vorsichtiger sein lassen 
solleu. Und wer hat denn dem Steub das absolut Falsche in seinein System nachgewiesen? Steub 
hiilt noch heute das in der Ethnologie aufgestellte Princip aufrecht, wenn er auch im einzelnen dem 
Romauismus im Laufe der Jahre mehrere Zugeständnisse gemacht hat und jetzt die Rätier nicht 
hereinzieht, solange eiue romanische ErklJiruug möglich ist. Doch die Rütier sind in meinen Augen 
nicht das Wichtigste, weil ich für das praktische Ergebnis keinen wesentlichen Unterschied darin 
sehe, ob ich nicht weiß, was z. B. das rätische Tulisa oder das heutige TiU heißt. 

Unendlich schwerer wiegt der Vorwurf, dass bei Stenb die ans dorn Romanischen geholte 
Deutung der Namen zu */ 4 ungeuau oder missgliickt sei. Ich und vielleicht noch mancher andere 
glaubten immer, dass Stenb sich um die Erklärung der tirolischen Namen eiuige Verdienste erworben 
habe, ja sogar, dass Strubs Name in erster Linie genannt werden müsse, wenn man von deu 
Dilettanten und Gelehrten redet, die sich mit der Erklamug besagter Namen im Chnrwälschen oder 
Ladiniselien befassteu (die eigentlichen Kenner haben sich ja um die Sache uicht viel gekümmert. 1 
Liegt es uuu in der Natur der Sache, das* Irrtümer bei einem Gegenstände, der so viel Gelegenheit 
zu Irrtümern bietet, nie und nirgends ausgeschlossen sind, so erscheint mir doch das Verhältnis 
des Richtigen zum Ungeuaueu und Missgl (Ickten als ein zu abfällige-* uud unrichtiges, und ich 
verleihe der Bitte Ausdruck, dass Prof. Dr. Egli die Beweise hierfür bringt. Wir alle, so viele «»der 
so wenige wir una um die Deutung dieser Namen kümmern und interessieren, werden ihm für diese 
Belehrung und Aufklärung dankbar sein. 

Leitmcritz. A. UoterforchtT. 



Die Erdbnb.-n südlich des Taunus. 

Der südliche Rand des rheinischen Sehirfergrbirges, auf dein rechten Rheinufer Taunus, auf 
dem linken Huusrück genannt, besteht aus einer hochaufgerichteteu Gebirgsfalte, die in der Richtung 
von Südwest nach Nordost streicht uud durch die Höhen : Hochwald 814 in, Soutiwald b't!3 w, 
Niederwald "KM) m, Hohe Wurzel 687 »1, Feldberg 880 m hoch markiert ist. Durch die parallele 
Lage zu dein Zuge der jurassischen Gebirge und der Alpen wird leicht der Eindruck hervorgerufen, 
als sei die Falte dieses südlichen Randes durch den Druck von Südosten her entstanden, als sich 
die Alpeu und infolge davoii der Jura erhob. Betrachtet man das Gebiet des Rheines zwischen 
Basel und Taunus genauer, dann erkennt man nicht nur, dass die Quartitrablagerungen zwischen 
Schwarzwahl und Wnsgeuwald, wie zwisclu 11 Odenwald und Hardt eine schwach geneigte und mulden- 
förmige Fläche bilden, sondern dass auch die in dem ehemaligen Binnensee gebildeten Tertifir- 
ablagerungcii nur an deu Enden des weiten Thaies, westlich von Basel und südwestlich von Mainz 
über das Thalniveau gehoben sind, dazwischen aber mit nur geringen Ausnahmen unter dein 
CyuarUirrn vergraben liegen müsncn. Wenn Basel 2.t0, Straßburg 144, Speyer IMi und Mainz 85 in 
hoch liegen, dann sollten bei gleichförmigem Gefälle Straßburg 4*2 m, Speyer 33 tn höher liegen, als 
es der Fall ist. Eiue ähnliche Einbiegung zeigt die Oberfläche des (juarUrcu in normaler Richtung 
zum Rheinlaufe. Es liegen: 

K.ltl.r-, /„t.ckriß, V. M. ]0 



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134 



Nötigen. 



Rheinau 161 - Lahr 164, 

Straßhurg 144 — Appenweier 149, 

Germersheim 101 — Bruchsal 116, 

Mannheim 97 — Großsachsen 112, 

Gernsheim 90 — Seeheim 119 m hoch, u. s. w. 
Darnach macht «Iii? sog. Rheinebenc den Eindruck von ungleichförmiger Hebung oder Ein- 
renkung gegen die Mitte und das uutere Ende hin. Würde eine derartige Bewegung uoeh furtdauern, 
was der Analogie mit den iu Bewegung begrirTeuen Meeresküsten nach nicht unmöglich genauut werden 
kann, dann müssen die in dem Gebiete dieser großen Mulde infolge der entstehenden Spannungen 
erfolgenden Ausgleichungen sich kundgeben durch Erdbeben, die von Zeit au Zeit auftreten. 
In der That sind solche in dem in Frage stehenden Gebiete nicht selten und sind in historischer 
Zeit nnd «war vorab im untern und obern Teile nicht bloß häufig, sondern auch öfter zerstörend 
aufgetreten. 

Aus den uns sur Verfügung stehenden Nötigen seien «nnäehst solche für charakteristisch 
gelegene Orte zusammengestellt Es wird von Erdbeben berichtet aus deu Jahren : 

Für Maiu« für Darmstadt für Frankfurt 

und Umgebung 

856, 858 sehr stark 

859 sehr häufig, 870 

2 mal, 872 sehr heftig 

881, 979, 1080 

1081 sehr heftig 

1146, 1272 1146, 1475. 

1691, 1692 1619, 1682, 1691, 

1728, 1735, 1755 1693, 1704, 1727, 

1772 sehr heftig, 1785 1785 heftig, 1?H7 17:«, 1787, 1788, 

1788, 1780, 1821 1788, 1790, 1791 1789, 1799, 1817, 

1822, 1846, 1869 6 Tage 1793, 1802, 1807 1825, 1829, 1871. 

1870, 1871. 1825, 1869 6 Tage 

1870, 1871. 

für Basel für das Gebiet «wischen 

Basel und Maina: 
1356 furchtbar, Straßburg, Heidelberg, Karlsrnhc, 

1470, 1552, 1604, Mannheim u. *. w. 

1650, 2mal, 1691, 1669, 1690, 1778, 1783, 1787, 

1728, 1755, 1786, 1789, 1802, acht Tage, 1822, 

1837, 1870, 1871. 1825, 1829, 1869, 1871, 1880. 

Ohwol keine der Zahlenreihen auf irgendwelche Vollständigkeit Ansprüche machen kann, 
muss die Häufigkeit der Beben uud «war namentlich l'Ur die untere und obere Gegend auffallen. 
Maiu«, Frankfurt, die Fläche «wischen Dannstadt und Maiu« und daun wieder Basel wurden häufig 
von Erdbeben heimgesucht und erlitten mitunter großen Schaden; Main« namentlich im !•., Basel 
im 14. Jahrhundert. f>as 9. Jahrhundert scheiut die drei letsten Jahrhunderte, von welchen wieder 
das 18. die stärksten Beben aufwies, mich übertreffen su habeu. 

Für die Haupterdbebenperiode de» 8pätjahres 1M69, in welchem die Gegend «wischen Rhein 
und unterem Maine betroffen wurde, liegen «pecielle Studien vor, welche damals behufs Mitteilung 
in einer Gesellschaft von Naturforschern gemacht, alter nicht publiciert wurden. Die neueste Zeit 
gab ciueu später su erwähnenden Aulass, die ältere Arbeit wieder zur Hand au nehmen. 

Das Centruui des damaligen Stoßgobiete* lag in der Nähe von Groß-Gerau, nahe der Mitte 
der Strecke Maioz-Darmstadt und 8 Kilometer südlich des Maines. Die ersteu Stöße vom 30. uud 
31. Oktober waren eingeschränkt auf ein durch Mains, Wörrstadt iu Rheiuhesseii, Osthofen, Liudcu- 
fels im Odenwald, Dieburg, Langen. Main« begrenztes Gebiet. Ein «weiter kräftigerer Stoß am 
31. Oktober um 5 Uhr 25 Min. am Nachmittage umfasstc schon dn* größere Gebiet: Sprendlingen 
in Kheinhesseu, Wörrstadt, Osthofen, Mörlenbach, Lindenfels, Bieberau, Seligenstadt, Hanau, Bürgel 
bei Offcuhach, Frankfurt, Flörsheim, Maiu«, Sprendlingen oder eiueu Raum der nahezu ein gleich- 
seitige* Dreieck bildete, dessen Basis parallel dem Rande des Taunus uud dem Laufe des Maines 
zwischen Hanau uud Mainz lag uud nur wenig über das rei hte Mainufer ühergritf. Seihst auf den 
Vorliöhcn des Taunus gegen den Maiu hin scheint der Stoß nielit wahrgenommen «u sein. Ausläufer 
des Helieus zeigten sich in Gießen, Lauhaeli, Hennef und Köln. Das Stoßgebiet vom I. November 
4 Uhr 7 Minuten erweiterte »ich auf deu Raum: Wörrstadt, Worms, Lampertheim, Mörlenbach, 



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Notizen. 



13f> 



Erbach, König, Seligenstadt, Gelnhausen, Frankfurt, Flörsheim, Mainz, Wörrstadt mit den Ausläufern 
im Nordosten bin Gießen, im Westen bis Saarbrücken, im Nordwesten bis Köln. Auch diesesmal 
lag die Hauptgrenze dos dreieckigen Raumes wieder Bildlich des Tauuus und die Spitze des Dreiecks 
wie vorher im südwestlichen Teile de* Oienwaldes. Die größte Aisdehnuug erreichte das Beben 
hei dem Stoße am 1. November um 11 Uhr 50 Min. abends, mit den Greuxeu: Jugenheim in 
Rheinhessen, Flonheim. Dittelsheim, Worms, Birkenau, Merlenbach. Aschafteiibtirg. Hanau, Geln- 
hausen, Gedern, Niedor-Erlenhach, Kronl>erg, Wiesbaden, Jugenheim. Ausläufer reichten im Nord- 
osten nach: Huugen, Lieh, Amttneuhurg, Marburg: im Nordwesten bis Remagen am Rhein; im 
Westen bis Zweibracken und Saarbrücken; im Sfldeu bis Iloidelberg, Hohonasberg, Karlsruhe, 
Pforzheim, Speyer und Neustadt an der Hardt, im 0«ten bis Tauberbischofiheitn. Sfiramtlichc Orte, 
in einen Kreis eingeschlossen, würden eine Flüche von 830 geogr. Quadratmeileu umschließen. Die 
kartographische Darstellung ergibt aber im wesentlichen wieder eine Drciocksform, dereu Basis 
sich parallel «u dor Richtung der Höhen de« Taunus seigt (diesesmal aber wurden Beben 
an dem Gebirgsrande selbst, bis su erheblichen Hohe verursacht, — Wiesbaden, Krouherg, Kron- 
thal — ) und deren Spitse wieder im sfidlicheu Schwarawalde liegt. Die Orte Saarbrücken, Zwoi- 
brücken, Neustadt, 8peyer, Heldelberg und Tauberhischofsheim liegen nahe auf einer cum südlichen 
Rande de« rheinischen Schiefergebirge« parallelen Linie, während Hungen, Lieh, Amöneburg, 
Marburg nnd eine Reihe anderer in Oborhesseu gelegener Orte Außerhalb des rheinischen Devon- 
gebiete«, nahe dem östlichen Rande desselben liegen. Auffallen musi, das«, während aus dem eigent- 
lichen Taunus- und Hunsrflckgebietc keinerlei Bebenbeobachtuugen vorliegen, am nördlichen Rande 
de» Schiefergebirges, bei Honnef, Remagen nnd Köln Stöße beobachtet wurden. 

Ein Blick auf eine Karte jeuor Gegeud des Herdes der zahlreichen Bebeu vom 29. Octobcr bis 
6. Dcccmbcr 1869 — mindestens au 36 Tagen, mit häu6g wiederkehrenden Vibrationen an einzelnen 
Tagen — zeigt, dass das Hauptbeheiigebiet in jenen Raum oder doch demselbeu sehr nahe fällt, in 
welchem die Mulde des breiten Rheiuthale* die relativ tiefste Einsciiknng zeigt. Das Terrain hat 
iu folgenden Profilen, von West nach Ost gerechnet, also ziemlich normal zu der Richtuug des 
Rheinlaufes, die Höhen über dem Meere in Metern: 

Worms (13 Bürstadt 89 Heppenheim 105 

Alsheim 89 Gernsheim 90 Bickenbach 102 

Oppeuheim 86 Leeheim 88 Darmstadt 130 

Bodenheim 85 Groß-Gerau 89 Wixhausen 117 

Mainmündung 86 Riisselsheim 89 Walldorf 110 

iu der etwa 38 Kilometer langen Strecke zwischen Worms und Main, parallel zu der allgemeinen 
Richtung des Rheines: 

Worms 93 Alsheim 89 Oppenheim 86 Nackenheim 84 Bischofsheim 86 

Bürstadt 89 Genishein» 90 Erfelden 87 Grofl-Gerau 89 Raunheim Ol 

Lorsch KM Hahn 92 Griesheim 95 Worfelden 95 Walldorf 100 

Bcushcini KM Bickenbach K.r2 Pfungstadt OK) Gräfeubausenl 17 Niedcrra.l 112. 

Die niederston Stellen, mit 86, 85 und selbst 84 Metern absoluter Höhe, finden sich in dem 
südli.-h, südwestlich nud westlich von Grofl-Gerau gelegenen Gebiete zwischen Grofl-Gerau. Trebur, 
Astheim, Nackenheim, Oppeuheim, Stockstadt, Doniheini und Grofl-Gerau. Erst weit unterhalb Mainz 
tiudeu sich nur unmittelbar am Klussufer Ähnlich nieder gelegeue Strecken Laudes wieder. Die ober- 
halb Groß-Gerau sich auffallend bemerkbar machende niedere Lage des lindes findet sich, wie 
die oben iu der Strecke Bcnsheiin — Niederrad gelegenen Orte Bickenbach und Pfungstadt zeigen, 
auch in den gegeu den Odenwald hin gelegenen und gehobenen Alluvialablagorungen wieder, da 
hier die Ränderkämme 102 bis 103 »» hoch, also niederer liegen als die nördliche Fortsetzung 
zwischen Grofl-Gerau und Darmstadt gegeu den Main hin. 

Dieses uieder gelegene Gebiet ist nun aber gerade dasjenige, welches bei jedem Hochwasser 
des Khcius iu der Gegenwart nicht nur durch Überschwemmung zu leiden hat, sondern jetzt weit 
fühlbarer getroffen wird, als in vergangeneu Zeiten. Trägt nun hier zu sehr wesentlich die Auf- 
haltung des Khcinhcttcs iu jenen Gegenden durch Ablagerung von Gerollen. Sand und Schlamm bei. 
wirken darauf ein die Plusskorrektiouen zwischen Baden nnd Elsa««, wodurch die Wassennasscu 
de* Rheines rascher das natürliche Staugebiet erreichen und wird diese Stauung auch noch vermehrt 
durch die Vereugung des Rheiubettes infolge von Ufer- und Kunstbauten bei und unterhalb Mainz, 
so wirft sich «loch fast unwillkürlich die Krage auf, ob nicht noch fortdauernde Hebungen nördlich 
u umtos Erdbebeugebiete.« gleichfalls teilnehmen an der Vennehrung der Kalamität der Über- 
schwemmungen oberhalb des Einflusses de« Maines iu deu Rhein. Von D (Ick er sprach sich zuerst 
für die Wahrscheinlichkeit einer fortdauernden Gebirgshehung unterhalb Bingen aus, und der Ver- 
lasset vermutete längst, wie er allerdings erst bei Aulass der leUteu großen Rhein-Überschwemmungen 

10* 



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Notizen 



iu der Darmstldter Zeitung, Februar und März 18*3, Kflfoutlich aussprach, oiue Hehuug entlang den 
Kunde« du« rheinischen Sehiefergebirg«*, deren Begiuu in der angeführtou relativ stärksten Einrenkung 
des Rheinthalea an fluchen wäre. Wir hätten alsdauu die in der genanuteu Gegend Verhältnis- 
mißig häufig auftretenden Erdbebeu als den Ausdruck der entstehenden Spannungen iu der Erd- 
kruste und dereu AiiKgleiclinug anzusehen. Zu Ähnlichen Resultaten kam die Erdhebeukommissioti 
des naturwissenschaftlichen Vereine» au Karlsruhe flir da* Erdbeben in Kaden und Württemberg 
vom 24. Januar 1880 '8. Verh. d. nahinvisse'ii*cliaftliehen Vereine* in Karlsruhe, Heft 8). 

Zu Gnnsteu uniierer Hypothese würde sprechen die «ich au die Richtung des südöstlichen 
Randes de« Taunus und des rheinischen Schiefergebirges anlegende Form dea Bebengebietcs, wie 
die parallele Verschiebung der Dreiecksseite gegen das Gebirge hin bei Zunahme der Heftigkeit 
der Stöße, wobei aber, «o weit wenigstens das vorliegende Beobachtungamaterial reicht, diese Seite 
den Gchirgskamm nicht überschritt, da ans dem Gebirge selbst keine Beobachtungen von Heben 
vorliegen. Im Einklänge stellt ferner die Lage von Orten, welche das Reben spürten, auf zu der 
Haupthebuugsfalte. de« Gebirge« parallelen Linien — Saarbrücken — Tanberbiachofsheim, wie das 
Auftreten von gleichzeitigen Beben mit jenen südlich des Taunus im Outen außerhalb de» Schicfer- 
gebirge* und wieder au dessen Nordrande, trotz allen Fehlens der Beben auf dem Schiefergebirge 
selb«t; — wir wiederholen die«. Ferner ist nicht ohne Interesse der Auftreten gleichzeitiger 8tößc 
mit jeueu in Groß-Gerau iu Ensheim, einem südlich vou Wörrstadt an dem Abstürze eines auf 223 m 
Hohe gehobenen Tertiilrplatean, wie öfter iu dem nicht weit entfernten Flonheim. Diese Orte liegen 
auf eiuer zur Hauptfalte des Tamm* parallelen Linie, welche etwas nordlich von Gruß-Gerau vorbei 
p-heii würde. 

Inwiefern Nivcanverändcrnngen in den genanuteu Gegenden wirklich eintreten, köuueu uur 
genaue, vou Zeit zu Zeit wiederholte Nivellement* aufklären. Ein solches im Jahre 1880 vor- 
genommenes konstatierte eine Senkung der Bahuhofsinarke in Mainz, was aber zu keinem Schlüsse 
berechtigt 



Die erst«» bildlich« 4 Darstellung von Htihenskalen der Gewächse. 

Peschel schreibt in seiner Geschichte der Erdknude (1. Aufl., 8. »!<i.V<: „Humboldt schuf zuerst 
durch Wort und Bild den Begriff vou Höheuskaleu der Gewächse, indem er au deu Abhängen 
der Cordillcren die Erhcbuug des Pisaug- uud Palmengürtels, der baumartigen Farn, der China- 
wälder, der laubwerfeudeu Bäume uud der Gehölze festgestellt. Den ersten Versuch dieser Art 
enthält sein Atlas geogr. et phys. du Nouveau Contiucnt. IXich hat er dieses Ilterc Bild später verworfen 
und eiu verbessertes veröffentlicht in der Schrift „De distributione geogr. plautonim 4 ', Paris 1817." 

Dieser Ausspruch, deu ich auch in der 2. Aufl., 8. 774, unbeanstandet habe steheu lassen, 
bedarf, wenigstens in Bezug auf die bildliche Darstellung, einer Modifizierung. Im 41. Bande der 
Allg. geogr. Ephemerideu (Weimar, geographisches Institut, 1813) ist 8. fi ein Brief Goethe'» au den 
Herausgeber der Ephemerideu abgedruckt, aus welchem hervorgeht, dass die hekauutc, später vielfach 
kopierte Darstellung der Höhcnskaleu der Gewächse zuerst von Goethe versucht ist, dessen getuschte 
Zeichnung mit der Dcdikatlon au Humboldt dem Brief zur Illustration beigegeben ist. Aus dem 
Briefe selbst sei uoch folgende Stelle zur Erklärung über die Entstehung dieses „leichten, 
auKpruchlosen Entwurfes,*' wie es der Dichter bezeichnet, augeführt: ,,Im Jahre 1807 sendete mir 
unser vortrefflicher Alexander v. Humboldt seine Ideen zu einer Geographie der 
Pflauzeu, nebst ciiicrNaturgeinälde d er Tr o p e nlä n d e r. Die schmeichelhafte Zueignung, 
womit er mir dieseu kotttharcu Band widmete, erfüllte mich mit Vergnügen und Dankbarkeit. Ich 
verschlang das Werk und wünschte es mir uud andern sogleich völlig genießbar uud nützlich zu 
machen, woran ich dadurch einigermaßen gehindert wurde, dass meinem Exemplar der damals 
noch nicht fertige Plau ahgieug. Schnell zog ich au die beiden Seiten eines länglichen Viereck« 
die Skala der 40110 Toiscu und Heng, uach Maßgabe des Werkes, vom Chiinborasso herein die 
Berghohen einzuzeichnen an, die »ich unter meiner Hand wie zufällig zu einer Laudschaft 
bildeten und l»ezeichnete sodann von uuteu hinauf die Grenze der Palmen und Pisaug». der 
t'hiiiclioiia, iu gleichen der Bnumartcu, Phanerogamcu und Kryptogameu u. s. w. Eine leichte 
Illumination sollte diese landschaftliche Darstellung noch besser auseinandersetzen uud so entstand 
das Bildchcu, dem Sic ciuige Aufmerksamkeit gescheukt habeu." Rüge. 



Zürich. 



Prof. H. Fritz. 



Dresden. 



Kr. Wiuiker Ii gvliirkarm, k. k. Hüfbnct.rfruc kt r, II.Uuii. 




Dr. Hermann Wagners 
Tafeln der Dimensionen des Erdsphäroids auf Minutendekaden erweitert 

vou A. Steinhäuser, k. k. Regieraug»rath. 

Begleitwort. 

Die öftere Nöthigung zur Berechnung gegebener Entfernungen und Flächen- 
räume auf dem Erdsphäroid hat mich, der bequemeren Interpolation wegen, zu 
einer Erweiterung der bestanerkaunten Wagner'schen Tafeln 1 ) veranlasst. Ich 
hatte nicht die Absicht, diese nur zu eigenem Gebrauche bestimmten Tafeln zu 
veröffentlichen, umsoweniger, als die seit Bessels Berechnungen von Clark e, 
Fischer, Listing u. a. unternommenen Versuche, aus den seitherigen Ver- 
messungen und Pendelbeobachtungen neue Constanten für Abplattung, Achsen- 
lange, Halbmesser und Grndgrößen abzuleiten, die Nützlichkeit von Tafeln, die 
auf altere Bestimmungen sich gründen, in Frage zu stellen schienen. Da jedoch 
von maßgebenden Fachgelehrten, deren Meinung zu vernehmen sich Gelegenheit 
bot, meine Bedenken gegen die Inopportunität nicht getheilt wurden, da überdies 
betont wurde, dass auch die Ergebnisse der präcisen Messungen der Neuzeit 
warscheinlich nur beweisen werden, dass die Erde kein mathematisch-regelrechtes 
Rotationsellipsoid ist (daher der neueste Ausdruck „Geoid) u , wie es allgemein 
die Tafeln voraussetzen, und dass schließlich auch neue Constanten nicht so 
sehr von denen Bessels und Enkes abweichen würden, um nicht mit Hilfe ein- 
facher Correctionstafeln den Gebrauch alterer Berechnungen zu ermöglichen, so 
nahm ich nun keinen Anstand mehr, das Anerbieten der Redaction dieser Zeit- 
schrift anzunehmen, den von mir erweiterten Wagner'schen Tafeln Aufnahme 
zu gewähren. Sonach Ubergebe ich dem Drucke (nicht ohne gütige Zustimmung 
des Autors) die Tafeln I., II. u. III. Uber Gradgrößen, Längen und Flächen- 
räume der Presse, die den Tafeln I., III. und IV. Dr. Wagners entsprechen, 
(nebst kleineren accessorischen Hilfstäfclchen, die keiner Erläuterung bedürfen), 
ferner die bei Wagner nicht vorkommenden Tafeln IV., V. u. VI. über Halb- 
messer und Winkeländerung, endlich die Tafel VII. (bei Wagner V.) und Tafel 
VIII. (bei Wagner VI.) zur Kegel- und Morcator-Projection. Die übrigen karto- 
graphischen Hilfstafeln Wagners (VII. bis X.) habe ich keiner Erweiterung oder 
Veränderung für nötliig gehalten, einerseits weil sie durch graphische Con- 
struetionen umgangen werden können, andererseits weil jede andere Anordnung 
von einer gänzlichen Neugestaltung sich nicht viel unterschieden haben würde. 
Sic unverändert anzufügen widerstrebte meinem Rechtsgefühle. Die Tafel II. 
Wagners hielt ich für entbehrlich, ebenso die Doppelangaben in geographischen 
Meilen bei Tafel IV., weil das Metermaß die frühere geographische Meile nun 
vollends verdrängt hat. Auch habe ich mir erlaubt an die Stelle der Meter 
und Quadratmeter Kilometer und Quadratkilometer einzuführen, ohne 
die Ziffernzahl der Wagner'schen Tafeln zu beschränken. Es schien mir nicht 
angezeigt, die Formeln zu wiederholen, die Hr. Wagner bei der Berechnung 
seiner Tafeln benützt hat; man wird auch die Logarithmen der Parallelgrade 
vermissen, da ich die Absicht hatte, alle diese Behelfe in besonderen Hilfstafeln 
f. d. Kartographen zu vereinigen. 

Was die Genauigkeit anbelangt, die man zu erwarten hat, so versteht sich 
wohl von selbst, dass die Interpolation nicht geuauere Resultate geben konnte, 
als die Originaltafeln liefern ; diese aber sind vor der Einschaltung durch Differeiiz- 
reihen geprüft worden, wobei einige Druck- und Rechnungsversehen entdeckt 
wurden, die ich dem Autor mitzutheilen für Pflicht erachtete. 



*) Im III. Bande de« geographiacheu Jahrbuchoa von Behm, Gotha 1870. 



11 



13K 



Dr. Hermnuii Wagners Tafeln der Dimensionen des Erdftpharolds. 



Die Anordnung weist einige Änderungen auf, z. B. die liinzufügung von 
Differenzen, wo sie mir von Vortheil Behielten; ferner durch die Angaben der 
Entfernungen der Parallel kreise vom Äquator und vom Pole und der Länge der 
Parallelkreise (bis auf Kilometer genau) und anderen kleineren Abweichungen. 

Neu hinzugekommen sind die Tafeln IV., V. und VI. Die Tafel 
der Krümmungshalbmesser ist neu berechuet worden nach der Formel 
a (1— e 5 ) .. 

R = . - -^=-i==r=, wo a den Halbinestier des Äquators, e den Quotient aus 
( i p Hin © j 

c/a (c die Excentricitat) bedeutet. Die beiden andern Tafeln sind Erweiterungen 
der gleichnamigen (Jolumnen meiner ersten Tafeln der Dimensionen der Erde, 
die im Jahrgang 1858 der Petermannschen Mittheilungen abgedruckt sind. 

Die Tafel VII. der Radiuslängen für Kegel-Projection, wurde in der 
Mitte zwischen 20° und 70° von ;V zu ö' erweitert, rik-ksichtlich mit Hilfe 
7 stelligcr Logarithmen berechnet: die Tafel VIII. zur Mercator-Projection er- 
scheint mit Ausnahme der letzten 15 Grade von 10' zu 10' fortschreitend. 

Mehrere kleine Täfelcheo nur zur eigenen Bequemlichkeit gerechnete Viel- 
fache der groiien und kleinen Halbachse, des Aquatorgrades und mittleren 
Meridiangrades, der Äquatorminute; die bei Multiplicationen und Divisiouen gute 
Dienste thun, halte ich für zu unbedeutend, um sie anzufügen; sie sind so schnell 
gemacht, dass jeder, der mit derartigen Rechnungen zu thun hat, längst sich 
damit versorgt haben wird. Überdies siud in einer wissenschaftlichen Zeitschrift 
solche sogenannte „Faulenzer- nicht am Platze. 

Ich kann nicht umhin bei dieser Gelegenheit zu erwähnen, dass ich 
Dr. Wagners Tafeln bei der Prüfung durch Differenzen mit sehr wenigen Aus- 
nahmen in hohem Grade richtig berechnet gefunden habe, so dass man seinen 
Zahlen mit vollstem Vertrauen folgen kann. 

Sind auch die hier folgenden Tafeln gewissermaßen ein Torso, dem zur 
Vollständigkeit noch manches fehlt, so hoffe ich doch, dass mein guter Wille, 
zur möglichsten Erleichterung der Mühe des Berechnens specieller Aufgaben einiges 
beizutragen, nicht verkauut werden wird. Antoa Steinhäuser. 



Inhalt. 

Übersicht der Langen- und Flachenverhälmisse und der Längen der ganzen Grade auf dem 

Meridian und den Parallclkreiscn 

I. Tafel der Grolle der Minnten-Decaden im Meridian und ihrer Abstünde vom Aequator 
und vom Pole. Der Wert einer Bogengccunde unten am Bande. 

II. Tafel der GröOe der Minuten- Decaden auf den Parallelkreisen nebat Differenzen 
und den Langen der Parallelkreise. Hiezu eine Tafel der Werte fflr eine Bogenaecunde. 

III. Tafel des Flächeninhalts der IC Trapeze anf dem Meridianst rc if cn »on 10, 
uebst den Differenzen und den Summen der Flacluuraunie einerseits bis zum Aequator, andererseits 
bis zum Pole. — Tafel des Fläcbtuiuhalts der 10' Zonen der Para 1 1 el k reise nebst 
Differenzen und deu Summen der Fliichenrauuie einerseits bis zum Aequator, andererseits bis zum 
Pole. — llie/u zwei Tafeln der Flächeninhalte der ersten Minute uud der ersten Secunde in den 
10' Trapezen. 

IV. Tafel der Krümmungshalbmesser filr jede Minuteu-Decade des Meridians und für 
jede Minuteu-Pentade zwischen 80" und 60* Breite. 

V. Tafel der Halbmesser des Sphiiroids ftlr jede Miimten-Dernde in Kilometer und in 
Decimalen zum Aequatorhalbmesser — 1. 

VI. Tafel der WinkeUnderung gegen Aequator und Pol für jede Minuten-Decade des 
Quadranten. 

VII. Tafel der t'otangenten des Krdspbäroids von halben zu halben Graden zwischen 
U»-M» und 7^—90", von 10- zu 10' zwischen 14° - 2fl" und 70"-7C° f von 5' zu .V zwischen 20"-70» 
des Quadranten. 



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139 



Übersicht der Längen- und Flächen- Verhältnis. 



Halbe Aeqnatoracb.se . 
Halbe Polarachs« . . 

Unterschied 
Mittlerer Radios . . 



Aequatorial Quadrant . . 
Polar-Quadrant .... 

Unterschied . 

Größter Meridiangrad . 
Kleinster Meridiangrad 

Unterschied . 

Mittlerer Meridiangrad 

Flache der halb, heiflen Zone 



krvlU'u 



„ Halbkugel 

Halber Meridian-8treifen 1« 
Quadrant-Oberfläche . . . 



Kilon». 

6377.3972 
. 6366.0790 

'. ' 21.3182 

. 6370.2895 

10017.5920 
10000.8558 

16.7363 

111,6798 
110,5638 
1,1160 

111,1671 

101130092 riKil 
132615478 . 
479787 , 

254975357 . 

708265 » 
63743839 . 



Aequator-Darchuicsser 
Polar-Dnrchmesser (Bot.- Ach si-/ 

Unterschied . . 



KIloiu. 

12764,7943 
12712,1579 



Mittlerer Durchmesser 



, . 42,6364 

. . 12740,5780 

Aequator-Umfang 40070,3681 

Meridian-Uinfang 40003,42 30 

66,9451 



Unterschied 

LKugc der Wendekreise 
(Abstand 28» 27' 30") ' 



{ 



Ganse heifie Zone . 

Gemässigte Zonen . 

Kalte Zoneu . . 

Geaammtobi rlliiche . 

Meridian-Streifen 1« 
Halbkugel-Oberfllche, 



36777,9995 
1599 6,8801 
20781,7194 

111,3066 



202240184 i j KiL 
265230956 . 
42 479573 „_ 

509950714 l 

1416630 „ 
25497:kJT.7 m 



Körperlicher Inhalt des Erdapbäroids 1082,841,315,400 Cubik-Kiloin. 



Kurze Übersicht der Grosse der ganzen Grade (in Kil.) 



ttr. 




Parall. 


Gr. 


M.ri.l. 


Psrall. 


Ur. 


M>rM. 


parail. 


1 


110.5638 


111.2897 


Sl 


110.8494 1 


95.4929 


61 


111.4075 


64.1008 


•> 


f>645 


111.2392 


32 


8666 


94.4819 


62 


4241 


62.3918 


3 


5658 


111.1550 


33 


8840 


93.4421 


63 


4403 


50.6665 


4 


5678 


111.0372 


34 


9018 


92.3738 


64 


4662 


48.9257 


3 


110.5705 


110.8858 


35 


110.9198 


91.2773 


63 


111.4716 


47.1697 


6 


5739 


110.7009 


36 


9380 


90.1529 


66 


4866 


45.3991 


7 


5779 


110.4824 


37 


9565 


89.0010 


67 


5011 


43.6145 


8 


5826 


110.2305 


38 


9752 


87.8219 


68 


5152 


41.8163 


9 


5879 


109.9452 


39 


9940 


86.6160 


69 


5289 


40.0052 


10 


110.5939 


109.6266 


40 


111.0131 


85.3836 


70 


111.5420 


38.1818 


1 1 


6005 


109.2748 


41 


0322 


84.1251 


71 


5546 


36.3465 


12 


6077 


108.8900 


42 


0515 


82.8408 


72 


5666 


34 4999 


«3 


6156 


108-4721 


43 


0708 


81.5311 


73 


5782 


32.6427 


14 


6241 


108.0214 


44 


0902 


80.1965 


74 


5891 


30.7763 


15 


1 10.6331 


107.5879 


45 


111.1097 


78.8873 


75 


111.5995 


28.8984 


16 


6428 


107.0219 


46 


1292 


77.4539 


76 


6094 


27.0125 


17 


6531 


106.4734 


47 


1187 


76.0468 


77 


6186 


25 U82 


18 


6639 


105.8926 


48 


1681 


74.61 63 


78 


6271 


23.2162 


19 


6762 


105.2797 


49 


1875 


78.1629 


79 


6351 


21.3069 


SO 


110.6871 


104.6348 


50 


111.2068 


71.6870 


HO 


111.6425 


193910 


21 


699»; 


103.9582 


51 


2260 


70.1891 


81 


6492 


17.4691 


22 


7126 


103.2500 


62 


2451 


68.669«; 


82 


6553 


15.5418 


23 


7260 


102.5105 


63 


2640 


67.1290 


83 


6608 


13.0097 


24 


7399 


101.7398 


54 


2828 


H5.5677 


84 


6655 


11. «733 


25 


110.7543 


100.9382 


33 


111.9014 


63.9863 


MS 


111.6695 


9.7333 


26 


7692 


; 100.1059 


56 


3197 


62.3851 


86 


6729 


7.7903 


27 


7844 


99.2432 


67 


3379 


60.7647 


87 


6757 


5.8448 


28 


8001 


98.3502 


58 


3557 


59.1256 


88 


6777 


3.897t; 


29 


8162 


1 97.4274 


5!» 


3738 


57.4682 


89 


6791 


1.9491 


30 


110.8326 


96.4748 


00 


111.3906 


55.7931 


00 


111.6798 


| 0.0000 





















11* 



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140 



Tafel I Meridiangi ade. 



<j r . A«q«.DI.t. (10*) 

,18. 

0 0.00 ' 4273 

10 18.43 4273 

20 36.85 4273 

HO 56.28 4273 

40 73.71 4273 

50 »2.14 4278 



1 

10 
20 
30 
40 
50 

2 

10 
20 
30 
40 
50 

8 

10 
20 
30 
40 
50 

4 

10 
20 
30 
40 
50 

6 

10 
20 
30 
40 
50 

6 

10 
20 
HO 
40 
50 

7 

10 
20 
HO 
40 
50 

8 
10 
20 
30 
40 
50 



10 
20 
30 
40 
50 

10 



110.56 
128.99 
147.42 
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141 



Tafel 1 Meridiao^rmle. 



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144 



Tafel II Parallelkrcisgrade. 



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20 


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30 


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30 


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9383,9 113.6 


40 


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540 


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20 


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1870,6 116.9 


30 


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30 


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528 


8700,4 114.1 


40 


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541 


1753,7 116.9 


40 


0695 


500 


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40 


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20 


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530 


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20 


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542 


1169.4 117.0 


30 


8187 


503 


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30 


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531 


8014,4 114.6 


30 


4872 


541 


1052.4 116.9 


40 


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504 


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40 


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542 


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3.5511 


531 


7670.4 114.7 


8» 


0.3248 


541 


701.6 116.9 


10 


6170 


506 


14292.7 


109.3 


10 


4980 


532 


755.V7 114.9 


10 


2707 


541 


584.7 116 9 


20 


5664 


506 


14184.4 


109.3 


20 


4448 


532 


7440.8 114.9 


20 


2166 


542 


467.8 116.9 


30 


5158 


507 


14074.1 


109.5 


30 


3916 


532 


7325.9 115.0 


30 


1624 


541 


350.9 117.0 


40 


4651 


507 


13964.6 


109.5 


40 


3384 


533 


7210.9 115.1 


40 


1083 


542 


233.9 117.0 


50 


4144 


508 


13855.1 


109.7 


50 


2851 


533 


7095,8 115.1 


50 


0541 


541 


116,9 117.0 


70 


6.3636 




13745.4 




80 


3.2318 




6980.7 


90 


0.0000 




0.0 



Digitized by Google 



140 



Werth einer Secande auf den Parallelkreisen. In Kilometer. 



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0.0305 


1 


0.0291 


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0.0299 


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1183.9 


113447797 


34 




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34 


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10 


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10 


142756988 


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1 194.5 


112218369 


20 


66374.96 


283.2122 


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51669.19 


20 


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1199.8 


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51385.98 


30 


143981658 


610538.2 


1204.6 


1 10993699 


40 


66940.83 


282.0991 


5602 


51103.32 


40 


144592196 


609333.6 


1210.0 


110383161 


50 


67222.93 


281.5389 


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10 


67785.44 


280.4113 


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50258.7 1 


10 


140416562 


605688.0 


1225 5 


108558795 


20 


68065.86 


279.8440 


5697 


49978.29 


20 


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604462.5 


1230.6 


107953107 


30 


68345.70 


279.2748 


5722 


49698.45 


30 


147626713 


603231.9 


1235.8 


107348644 


40 


68624.97 


278.7021 


5745 


49419.18 


40 


148229945 


601996.1 


1240.9 


106745412 


50 


68903.67 


278.1276 


5769 


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148831941 


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36 


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48862.35 


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10 


69459.85 


276.9714 


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48584.80 


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150082205 


598257.9 


1256.4 


104943 1 52 


20 


69736.82 


276.3897 


5841 


48307.83 




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597001.5 


1261.5 


104344894 


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70012.71 


275.8056 


5864 


48031.44 


30 


151227464 


595740.0 


1266.7 


103747893 


40 


70288.52 


275.2192 


5887 


47755.63 


40 


151823204 


594473.3 


1271.6 


103152153 


50 


70563.74 


274.6305 


5911 


4 »480.41 


50 


152416677 


593201.7 


1276.7 


102557680 


87 


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153010879 


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1 2h 1 .9 


101964478 


10 


71112.41 


273.4460 


5957 


46931.74 


10 


153602804 


590643.1 


1286.9 


101372553 


20 


71385.85 


272.8503 


5981 


46658.30 


20 


1 Kit 


589356.2 


1291.9 


100781910 


30 


71658.70 


272.2522 


6005 


46385.45 


30 


154782803 


588064.3 


1296.9 


100192554 


40 


71930.96 


271.6517 


6028 


46113.19 


40 


155370867 


5867«7.4 


1801.9 


99604490 


00 


72202.61 


271.0489 


6051 


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50 


155957635 


58546.5.5 


1307.0 


99017722 


88 


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270.4 438 


6073 


45570.4» 


88 


156543100 


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10 


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45300.05 


10 


157127258 


58284«.5 


1316.9 


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73013.94 


269.2268 


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45030 21 




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581529.6 


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97205252 


30 


73283.16 


268.6148 


6143 


44760.99 


30 


158291635 


580207.7 


1327.0 


96683722 


40 


73551.7« 


268.0005 


6167 


44492.37 


40 


158871848 


578880.7 


1331.9 


96103514 


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73819.78 


267.3838 


6190 


44224.87 


50 


159450723 


577548.8 


1336.9 


95524684 


89 


74087.1« 


266.7648 


6212 


43956.99 


89 


160028272 


576211.9 


1342.0 


94947085 


10 


74353.93 


266.143« 


«235 


48690.22 


10 


160604484 


574869.9 


1346.9 


94370873 


20 


74620.07 


265.5201 


«258 


43424.08 


20 


161179354 


573523.0 


1351.8 


93796003 


30 


74885.59 


204.8943 


6282 


43158.56 


30 


16175287« 


572171.2 


1356.« 


93222481 


40 


75150.48 


264.2«« 1 


«303 


42893.67 


40 


162825047 


570814.0 


1361.« 


92650310 


50 


75414.75 


2«3.«358 


«32« 


42629.40 


50 


162895862 


569453.0 


1366.5 


92079495 


40 


75678.39 




1 


42365.76 


40 


163465815 






91510042 



Digitized by Google 



151 

Tafel III. Flächeninhalt. 



Gr. 


Fliohoo J. im Meril Slr,lf.« in n KU. 




Flieh«, j. <Ur Zo.«o 1. □ KU. 


Mio. 


(b. s. A«q«.| (10' Trsp«n 




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(b. *. Aeqa.) (IC Zone) LJ 






Diff. 


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Dur. 


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40 


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1 263.0082 6350 


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40 


168465315 


568086.5 1371.5 


91510042 


10 


75941.39 


< 262.8682 6371 


42102.76 


10 


164033402 


566715.0 1376.1 


90941955 


20 


76208.76 


261.7311 6394 


41840.39 


20 


1646001 17 


565338.9 1381.0 


90375240 


30 


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261.0917 6416 


41578.66 


30 


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41 


166853167 


559785.3 1400.4 


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10 


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20 


77764.51 


257.8612 6528 


40279.64 


20 


167971336 


556979.6 1410.1 


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30 


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20 


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30 


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36233.44 


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10 


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177244980 


532862.8 1490.2 


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20 


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245.7748 6920 


35739.82 


20 


177777343 


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30 




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35494.05 


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20 


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30 


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20 


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237.3313 7172 


32836.67 


20 


184048160 


512635.5 1549.2 


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47 


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10 


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20 


86620.67 


232.9974 7294 


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40 
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102287.03 
102458.88 
102628.87 
102798.48 
102967.22 

103135.09 
103302.09 
103468.22 
103633.47 
103797.84 
103961.33 

104123.94 

104285.67 
104446.51 
104606.47 
104765.55 
104923.74 

105081.03 
105237.44 
105392.96 
105547.58 
105701.81 
105854.14 

106006.07 
106157.11 
106307.24 
106456.47 
106604.80 
106752.23 

106898.75 
107044.37 
107189.07 
107332.87 
107475.75 
107617.78 

107758.79 
107898.93 
108038.16 
108176.48 
108313.87 
108450.35 

108585.90 

108720.53 
108854.24 
108987.08 
109118.89 
109249.82 

109379.82 
109508.90 
109637.05 
109764.26 
109890.54 
110015.89 

110140.30 
110263.78 
110386.32 
110507.92 
110628.58 
110748.80 

110867.08 



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169.6138 8701 


15415.28 


30 


221678346 


366365.6 


1879.4 


33297011 


168.7437 8716 


15245.67 


40 


222044712 


364486.2 


1882.7 


32930645 


167.8721 8731 


15076.93 


50 


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1885.9 


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165.2483 8776 


14575.93 


20 


223491348 


356936.1 


1895.6 


31484009 


164.3707 8791 


14410.68 


30 


223848284 


35a040.5 


1898.9 


31127073 


163.4916 8806 


14246.31 


40 


224203324 


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1901.8 


30772033 


162.6110 8820 


14082.82 


50 


224556466 


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1905.1 


30418891 


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10 


225257041 


347426.4 


1911.1 




159.9609 8862 


13597.64 


20 


225604468 


345515.8 


1914.2 


29370889 


159.0747 8877 


13437.68 


30 


225949983 


343b01.1 


1917.4 


29025374 


158.1870 8891 


13278.60 


40 


226293584 


341683.7 


19203 


28681 i >3 


157.3979 8905 


13120.41 


50 


226635268 


339763.4 


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1923.4 


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1926.6 




155.5156 8933 


12806.71 


10 


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335913.4 


1929.7 


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154.6223 8947 


12651.19 


20 


227648784 


333983.7 


1932.6 


27326573 


153.7276 8961 


12496.57 




227982768 


332051.1 


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26992589 


152.8315 8976 


12342.84 


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228314819 


3301 15.7 


1938.5 


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26660538 


151.9339 8989 


12190.01 


50 


228644935 


328177.2 


1941.4 


26330422 


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150.1349 9015 


11887.04 


10 


229299348 


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1947.3 


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149.2334 9028 


11736.91 


20 


229623639 


322344.1 


1950.2 


25351718 


148.3306 9042 


11587.68 


30 


229945983 


320393.9 


1953.0 


25029374 


147.4264 9055 


11439.35 


40 


230266377 


318440.9 


1955.9 


24708980 


146.5209 9068 


1 1291.92 


50 


230584818 


316485.0 


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1961.5 


2407 4 Ü r » 4 


144.7059 9094 


10999.78 


10 


231215829 


312564.8 


1964.3 




143.7965 9107 


10855.08 


20 


231528394 


310600.5 


1967.2 


23446963 


142.8858 9120 


10711.28 


30 


231838994 


308633.3 


1969.9 


23136363 


141.9738 9132 


10568.40 


40 


232147627 


306663.4 


1972.7 


22827730 


141.0606 9145 


10426.42 


50 


232454290 


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1975.4 


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66 




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1978 1 




139.2303 9171 


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10 


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300737.2 


1980.8 


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138.3132 9183 


10005.99 


20 


233362433 


298756.4 


1983.5 


21612924 


137.3949 9195 


9867.67 


30 


233661190 


296772.9 


1986.2 


21314167 


136.4754 9208 


9730.28 


40 


233957963 


294786.7 


1988.9 


21017394 


135.5546 9220 


9593.80 


50 


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1991.5 


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288812.3 


1996.7 




132.7851 9256 


9189.91 


20 


235125164 


286815.6 


1999.4 


19850193 


131.8595 9269 


9057.12 


30 


235411980 


284816.2 


2001.9 


19563377 


130-9326 9279 


8925.26 


40 


235696796 


282814.3 


2004.5 


19278561 


130.0047 9291 


8794.38 


50 


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2007.0 


18995747 


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2012.0 


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20 


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274781.3 


2014.4 


18159341 


126.2811 9337 


8279.89 


30 


237090797 


272766.9 


2016.8 


17884560 


125.3474 9349 


8153.61 


40 


237363564 


270750.1 


2019.4 


17611793 


124.4125 9360 


8028.26 


50 


237634314 


268730.7 


2021.8 


17341043 


123.4765 9372 


7903 85 


69 


237903045 


266708.9 


2024.1 


17072312 


122.5393 9382 


7780.37 


10 


238169754 


264684.8 


2026.5 


16805603 


121.6011 9398 


7657.83 


20 


238434439 


262658.3 


2028.8 


16540918 


120.6618 9404 


7536.23 


30 


238697097 


260629.5 


2031.3 


16278260 


119.7214 9416 


7415.57 


40 


238957726 


258598.2 


2033.6 


16017631 


118.7798 9426 


7295.85 


50 


239216324 


256564.6 


»035.9 


15759033 




7177.07 


70 


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15502468 


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12 



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154 

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15502468 


10 


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10 


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111101.81 


115.9490 9457 


6942.34 


20 


239979908 


250449.7 2042.8 


14995449 


30 


111217.76 


115.0033 9468 


6826.39 


30 


240230357 


248406 9 2045.0 


14745000 


40 


111332.76 


114.0565 9478 


6711.39 


40 


240478764 


216361.9 2047.2 


14496593 






113.1087 9488 1 


6597.33 




240725126 


244314.7 2049.4 




71 


111559.93 


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112.1ü99 9498 


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10 


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111783.30 


110.2592 9519 ; 


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20 


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238159.7 2056.0 


13523438 


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111893.56 


109.3073 9528 


6150.59 


30 


241690079 


236103.7 2058.1 


13285278 


40 


112002.86 


108.3545 9538 


6041.29 


40 


241926183 


234045.6 2060.2 


13049174 


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119111 99 


107.4007 9548 


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231985.4 2062.3 


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227858.6 2066.6 


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20 


112430.55 


104.5334 9577 


5613.60 


20 


242849996 


225792.0 2068.6 


12125361 


30 


112535.09 


103.5757 9585 


5509.06 


30 


243075788 


223723.4 2070 5 


11899569 


40 


112638.66 


102.6172 9596 


5405.49 


40 


243299512 


221652.9 2072.6 


11675845 


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101.6576 9605 


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219580.8 2074.6 




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100.6971 9613 


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243740745 


217505.7 2076.5 


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99.7358 9622 


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215429.2 2078.5 


11017106 


20 


113043.37 


98.7736 9631 


5000.78 


20 


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113714.53 


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30 


245623380 


198748.3 2093.4 


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113806.54 


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3967.39 


10 


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190364.0 2100.4 


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20 


114164.89 


87.1591 9732 


8879.26 


20 


246596169 


188263.6 2102.1 


8379188 


30 


114252.05 


86.1859 9740 


3792.10 


30 


246784433 


186161.5 2103.9 


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40 


114338.24 


85.2119 9749 


3705.91 


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184057.6 2105.6 


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20 


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175625.5 2112.1 


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3289.61 


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247869809 


173513.4 2113.7 


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10 


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10 


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115146.40 


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162929.8 2121.2 


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30 


115221.83 


74.4484 9827 


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30 


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160808.6 2122.7 


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40 


115296.28 


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20 


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30 


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68.5421 9865 


2390.38 


30 


249812136 


148051.0 2131.0 


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40 


115722.81 


67.5556 9872 


2321.84 


40 


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145920.0 2132.4 


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50 


115789.87 


66.5684 9878 


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50 


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143787.6 2133.6 


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79 


115856.43 


65.5806 9884 


2187.72 


79 


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141654.0 2135.0 


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10 


115922.01 


64.5922 9890 


2122.14 


10 


250391548 


139519.0 2136.4 


4583809 


20 


115986.61 


63.6032 9896 


2057.54 


20 


250531067 


137382 6 2137.6 


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30 


116050.21 


62.6136 9903 


1993.94 


30 


250668449 


185245.0 2138.7 


4306908 


40 


116112.82 


61.6233 9908 


1931.33 


40 


250803694 


183106.3 2139.9 


4171663 


50 


116174.45 


60.6825 9913 


1869.70 


50 


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155 

Tafel III. Flächeninhalt 



Hr. 


Flächen J. 


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30 


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122394.7 


2145.7 


3527542 


40 


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40 


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120249.0 


2140.8 


3405148 


50 


116523.36 


54.6770 


9944 


1520.79 


50 


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2163.9 


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30 


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40 


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3265.2 


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156 

Hüfstafel a) zur Tafel III 



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1 


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51 


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65 


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1069 95 


5214 100 


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4173 


2 


3515 19 


1861 35 


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51 


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65 


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0974 96 


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3436 21 


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3415 21 


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5421 


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89 


0496 95 


4616 100 


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4153 


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3394 21 


1643 38| 8940 


53 


: 5355 


67 


0982 


79 


5947 


88 


0401 96 


4516 100 


40 


4148 


4 


3373 21 


1605 38 


• 8887 


53 


• 5288 


67 


0903 


79 


5859 


89 


0305 96 


4416 100 


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50 




5! 3352 22 


1567 38 


| 8834 


53 5221 


67 


0824 


79 


5780 


89, 0209 96 


4316 100 




3.4139 


5 


3.3330 22 


3.152!» 38 2.S781 


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68 


2.0745 


79 


1 5681 


89 1.0113 96 0.4216 100 


10 


4134 


6 


3308 22 


1491 38 


1 8727 


53 


i 5086 


67 


0666 


80 


5592 


90 


0017 96 


4116 100 


20 


4128 


6! 3286 23 


1453 39 


1 8674 


54 


; 5019 


68 


0586 


80 


5502 


89 0.9921 97 4016 100 


30 


4122 


6 


3263 23 


1414 39 


! 8620 


54 


4951 


68 


0506 


80 


5413 


89 


9824 96 


3916 100 


40 


4116 


6 


3240 23 


1375 39 


1 85118 


55 : 4883 


68 


• 0426 


80 


5324 


90 


9728 96 


3816 100 




41 Hl 


7 


8217 23 


1336 40 


8511 


55 


4815 


69 


0346 


80 


5234 


90 


9632 97 


3716 100 


4 


3 4103 


7 


3.3194 24 


3.1296 39 2.8456 


55 


2.4746 


68 


2.0266 


81 


1.5144 


90 0.9535 97 0.3616 100 


10 


4096 


7 


3170 24 


1257 40 


8401 


55 


4678 


69 


0185 


80 


5054 


90 


9438 96 


3516 101 


20 


4089 


7 


3146 24 


1217 41 


8346 


55 


4609 


69 


0105 


81 


4964 


90 


9342 97 


3415 100 


30 


4082 




3122 24 


1176 40 


8291 


56 


4540 


70 


002» 


81 


4874 


91 


9245 97 


3315 100 


40 


4074 


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3098 25 


1136 41 


8235 


56 


4470 


69 1.9943 


81 


4783 


90 


9148 97 


3215 101 




4066 


9 


3073 25 


1095 41 


8179 


56 


4401 


70 


9862 


82 


4693 


91 


9051 97 


3114 100 


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3.4057 


8 


3.3048 25 


3.1054 42 2.8)23 


56 


2.4331 


70 1.9780 


81 


1 .4602 


90 0.8954 97 0.3014 100 


10 


4049 


9 


3023 26 


1012 41 


8067 


57 


4261 


70 


9699 


82 


4512 


91 


8857 97 


2914 101 


20 


4040 


9 


2997 26 


0971 42 


8010 


57 


4191 


71 


9617 


8 2 


4421 


91 


8760 98 


2813 100 


30 


4031 


9 


2971 26 


0929 42 


7953 


57 


4120 


70 


9535 


82 


43.10 


92 


8662 97 


2713 100 


40 


4022 10 


2945 26 


0887 43 


7896 


57 


4050 


71 


9453 


82 


4238 




8565 97 


2613 101 




4012 


10 


2919 27 


0844 42 


7839 


58 


3979 


71 


9371 


83 


4147 




8468 98 


2512 100 


6 


3.4002 10 


3.2892 27 


3 0802 43 


2.7781 


58 


2.3908 


71 


1.9288 


82 


1.4056 


N 


0.8370 98 


02412 101 


10 


3992 11 


2865 27 


0759 43 


7723 


58 


3837 


72 


9206 


83 


3964 


91 


8272 97 


2311 100 


20 


3981 


11 


2838 27 


0716 44 


7665 


58 


3765 


71 


9123 


83 


3873 


92 


8175 98 


2211 101 


30 


3970 


11 


2811 281 


0672 43 


7607 


59 


3694 


72 


9040 


83 


3781 


92 


8077 98 


2110 101 


40 


3959 


11 


2783 2»| 


0629 44 


7548 


58 


3622 


72 


8957 


83 


3689 


92 


7979 98 


2009 100 


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3948 


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2755 28; 


0585 44 


7490 


59 


3550 


72 


8874 


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3597 


92 


7881 98 


1909 101 


7 


3.3936 


12 


3.2727 29 3.0541 45 


27431 


60 


2.3478 


73 


1.8790 


83 


1.3505 


92 


0.7783 98 


0 1808 101 


10 


3924 


12, 


2698 29 


0496 45 


7371 


59 


3405 


72 


8707 


84 , 


3413 


93 


7685 98 


1707 100 


20 


3912 


13 


2669 29: 


0451 45 


7312 


60 


3333 


73 


8623 


84 


3320 


92 


7587 98 


1607 101 


30 


3899 


12 


2640 29 | 


0406 45 


7252 


60 


3260 


73 


8539 


84 


8228 


93: 


7489 98' 


1506 101 


40 


3887 


Hl 


2611 30 


0361 45 


7192 


60 


3187 


74 


8455 


84 


3135 


93 


7391 98 


1405 100 




387H 13 


2581 30 


0316 461 


7132 


60 


3113 


73 


8371 


85 


3042 


93 1 


7293 99 


1305 101 


8 


3.3860 


14 3.2551 30 


3.0270 46' 


2.7072 


61 


2.3010 


74 


1.8286 


84 


1.2949 


93 0.7194 98 


0.1204 101 


10 


3846 14 


2521 30, 


0224 46 


7011 


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ui 


42 


40.4 


70 


17 


19.6 


50 


29 


40 


4.9 


60 


19 


55. 1 


19 


52 


37.3 


70 


7 


22.7 


30 


29 


50 


2.9 


60 


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57.1 



Winkel 
i um Aeqn. xum Pole. 



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Tafel VI. 



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Mio. 

30 

10 
20 
30 
40 
50 

31 

10 
20 
30 
40 
50 

82 

10 
20 
30 
40 
50 

33 

10 
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30 
40 
50 

84 

10 
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30 
40 
50 

85 

10 

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30 
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50 

86 

10 
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30 
40 
50 

87 

10 
20 
30 
40 
50 

8S 

10 

20 
30 
40 
50 

39 

10 
20 
30 
40 
50 

40 



30 



Wink«! 



Pole. 



20 50 2.0 «0 9 57.1 
30 0 0.« 59 50 59.1 



30 9 58.9 
30 19 50.9 
30 29 55.0 



59 50 1.1 
59 40 3.1 
59 80 5.0 



53.1 59 20 6.» 



30 49 51.1 I 59 10 8.9 

30 59 49.2 59 0 10.M 

31 9 47.4 58 50 12.« 
31 19 45.5 58 40 14.5 
31 29 43.7 58 30 16.3 



39 41.9 58 20 18.1 



31 49 40.1 

31 59 38.3 



58 10 19.9 
58 0 21.7 



32 9 36.6 , 57 50 23.4 

32 19 34.9 ; 57 40 25.1 

32 29 33.3 , 57 30 26.7 

32 39 31.6 ; 57 20 28.4 

32 49 29.9 57 10 30.1 

32 59 28.3 57 0 31.7 

33 9 26.7 56 50 33.3 
33 19 25.1 | 56 40 34.9 
33 29 23.5 56 30 36.5 



33 39 22.0 

»3 49 20.4 

33 59 18.9 

34 9 17.» 
34 19 16.0 
34 29 14.5 
34 39 13.1 



50 20 38.0 

56 10 39.6 

56 0 41.1 

55 50 42.« 

55 40 44.0 

55 30 45.5 

55 20 46.9 



34 49 11.7 55 10 48.3 

34 59 10.3 55 0 49.7 

35 9 9.0 54 50 51.0 
35 19 7.6 54 10 52.4 
35 29 «.3 54 30 53.7 
35 39 5.0 54 20 55.0 



35 49 3.8 

35 59 2.« 
3« 9 1.4 

36 19 0.1 
36 28 59.0 
36 38 57.9 



54 10 56.2 

54 0 57.4 

53 50 58.0 

53 40 59.9 

53 31 1.0 

53 21 2.1 



3« 48 56.7 53 11 3.8 

30 58 55.6 . 53 1 4.4 

37 8 54.5 ' 52 51 5.5 

37 18 53.4 ; 52 41 6.0 

37 28 52.4 52 31 7.0 

37 38 51.4 52 21 8.6 

37 48 50.4 52 II 9.6 

37 58 49.4 52 l 10.6 

38 8 48.4 ! 51 51 11.0 
51 41 12.5 
51 31 13.4 
51 21 14.2 



38 18 47.5 

38 28 40.6 

38 38 45.8 

38 48 44.9 

38 58 44.1 

39 8 43.3 
39 18 42.5 



51 11 15.1 

51 l 15.9 

50 51 10.7 

50 41 17.5 

39 28 41.7 50 31 18.3 

39 38 41.0 50 21 19.0 



Gr. 

Min 

40 

10 
20 
30 
40 
50 

4t 

10 
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43 

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48 

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50 

49 

10 
20 
30 
40 

50 

50 



Winkel 



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Pole. 



39 48 40.2 50 11 19 8 

39 58 39.5 50 1 20.5 

40 8 38.8 49 51 21.2 
40 18 38.2 49 41 21.8 
40 28 37.0 49 31 22 4 
40 38 37.0 I 49 21 23.0 



4t) 
40 
41 
41 
41 
41 

41 
41 
42 
42 
42 
42 



48 36.4 | 49 11 

58 35.9 49 1 

8 35.4 48 51 

18 34.9 ; 48 41 

28 34.4 | 48 31 

38 34.0 48 21 



48 

5S 
8 
18 

28 
38 



33.5 48 
33.1 48 
32.7 47 



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1 

5! 



32.3 47 41 



31.9 
31.5 



47 
47 



31 
21 



23.6 
24.1 
246 
25.1 
25.6 
26.0 

26.5 
26.9 
27.3 
27.7 
28.1 
28.4 



42 4« 31.4 47 11 28.0 

42 58 31.1 47 1 28.9 

43 8 30.8 1 46 51 29.2 
43 18 30.6 46 41 29.4 
43 28 30.4 J 46 31 29.0 
43 38 30.2 I 46 21 29.8 



43 48 30.0 I 40 11 

43 58 29.9 40 1 

44 8 29.8 , 45 51 
44 18 29.7 45 41 
44 28 29.6 45 31 
44 38 29.5 45 21 



44 48 29.5 1 45 11 

44 58 29.5 45 1 

45 8 29.0 
45 18 29.6 

28 29.7 



45 

45 38 29.7 



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44 31 

44 21 



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48 

48 
48 
49 
49 
49 
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18 29.8 

58 29.9 

8 30.1 

18 30.3 

28 30.5 

38 30.7 



48 

58 
8 
18 
28 
38 



31.0 
31.3 
31.0 
31.9 
32.2 
32.6 



33.0 ! 42 
33.5 42 
33.9 41 
34.3 I 41 
28 34.7 i 41 
38 35.3 41 



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58 
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1 

51 
41 
31 
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30.4 
30.5 

30.5 
30.5 
30.4 
30.4 
30.3 
30.3 



44 11 30.2 

44 1 30.1 

43 51 29.9 

43 41 29.7 

43 31 29.5 

43 21 29.3 

43 11 29.0 

43 1 28.7 

42 51 28.4 

42 41 28.1 

42 31 27.8 

42 21 27.4 



48 35.8 41 11 

5« 30.3 41 1 

8 37.0 1 40 51 

18 37.« 40 41 

28 38.2 40 31 

38 38.8 40 21 



49 48 39.5 



27.0 
20.5 
26.1 
25.7 
25.2 
24.7 

24.2 
23.0 
23.0 
22.4 
21.8 
21.2 



40 11 20.5 



«r. 

Min. 

50 

10 
20 
30 
40 
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10 
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53 

10 
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50 

58 

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50 

54 

10 
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50 

55 

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56 

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50 

57 
10 
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50 

58 
10 

20 
30 
40 
50 

5» 

10 
20 
30 
40 
50 

60 



50 
50 
51 
51 
51 
51 

51 
51 
52 

52 
52 
52 

52 
52 
53 
53 
53 
53 

53 
53 
54 
54 
54 
54 



Winkel 

mm Aequ. zum Pole. 

Ol * 1 o ' " 

49 48 39.5 40 11 20.5 

49 58 40.2 40 1 19.8 

50 8 41.0 39 51 19.0 
50 18 41.7 39 41 18.3 
50 28 42.5 39 31 17.5 
50 38 43.3 39 21 16.7 



48 44.1 | 39 

58 45.0 : 39 

8 45.9 : 38 

18 46.8 j 38 

28 47.8 38 

38 48.7 38 



48 49.6 38 

58 50.0 38 

8 51.5 37 

18 52.5 i 37 

28 53.5 37 

38 54.0 37 



48 55.7 

58 56.8 

8 58.0 

18 59.1 

29 0.3 

39 1.5 



59 
9 
19 

39 



37 
37 
30 
30 
36 
36 



2.0 i 30 

3.8 ! 30 
5.0 ■ 35 
0.3 35 
7.0 i 35 

8.9 35 



54 49 10.3 35 

54 59 11.7 35 

55 9 13.1 | 34 
55 19 14.0 ! :s4 
55 29 10.3 :«4 
55 39 17.0(34 

55 49 19.1 34 

55 59 20.5 34 

56 9 22.1 i 33 



50 19 23.7 

50 29 25.3 

56 39 26.9 

50 49 28.5 

50 59 30.2 

57 9 31.8 
57 19 33.4 
57 29 35.1 
57 39 36.9 



33 
33 
33 

33 
33 
32 
32 
32 
32 



57 49 38.0 j 32 

57 59 40.4 ; 32 

58 9 42.1 31 
58 19 43.9 31 
58 29 45.8 . 31 
58 39 47.0 , 81 



11 15 9 
1 15.0 
51 



41 

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51 
41 



14.1 
13.2 
12.2 



21 11.3 
1 1 10.4 



9.4 
8.5 
7.5 



31 6.5 

21 5.4 

11 4.3 

1 3.2 

51 2.0 

41 0.9 

30 59.7 

20 58.5 

10 57.4 

0 50.2 

50 55.0 

40 53.7 

30 52.4 

20 51.1 

10 49.7 

0 48.3 

50 46.9 

40 45.4 

30 43.9 

20 42.4 

10 40.9 

0 39.4 

50 37.9 

40 36.3 

30 34.7 

20 33.1 

10 31.5 

0 29.« 

50 28.2 

40 26.6 

30 24.9 

20 23.1 

10 21.4 

0 19.0 

50 17.9 

40 16.1 

30 14.2 

20 12.4 



58 49 49.4 I 31 10 10.6 

58 59 51.3 ; 31 0 8.7 

59 9 53.2 1 30 50 O.S 
5!» 19 55.0 30 40 5.0 
59 29 50 9 ' 30 30 3.1 
59 39 5S.9 30 20 1.1 

59 50 0.9 30 9 59.1 



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165 

Tafel VI. 



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16 


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19 


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23 


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30 


71 


23 


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30 


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29 


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26 


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40 


81 


36 


41.2 




23 


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32 


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31 


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14 


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31 


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24 


28 


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34 


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14 


25 


32.3 


40 


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38 


15.6 


4 


21 


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41 


23.1 


24 


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36.9 


50 


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14 


15 


28.7 


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11 


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66 


11 


31.3 


23 


48 


28.7 


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76 


14 


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30 


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21 


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23 


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24 


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13 


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40 


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23 


28 


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40 


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34 


49.2 


13 


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39.5 


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21 


20.5 


50 


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23 


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20.5 


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18 


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2 


41 


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30 


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21 


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22 


38 


9.4 


30 


77 


25 


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12 


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28 


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2 


31 


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40 


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31 


53.5 


22 


28 


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35 


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12 


24 


49.1 


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12 


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1 


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11 


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11 


24 


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21 


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11 


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10 


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10 


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20.3 


20 


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12 


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20 


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20 


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15 


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10 


44 


12.1 


20 


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19 


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0 


40 


16.2 


30 


69 


22 


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20 


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25 


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10 


34 


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30 


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29 


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0 


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12.2 


40 


69 


32 


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20 


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24 


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0 


20 


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20 


17 




50 


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10 


14 


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10 


4.1 


70 


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20 


7 


25.1 


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56 


3.0 


10 


3 


57.0 


90 


90 


0 


00 


0 


II 


0.0 



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166 



Tafel VII. Radius-Längen (in Kilometer). 



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20 



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] 46067.40 
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Tafel VII. Radios-Längen (in Kilometer). 



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Gr. 

Mio. 

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Gr. 

Min. 

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10 
20 
30 
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30 
89 

30 
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168 

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19.61 


10 


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20 


20.288 




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Tafel VIII. Mercator-P 



169 



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171 



Tafel VIII. Mercator Projecliou. 



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2670.28 




89.720 




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Die Verbreitung des Haiisrindes in Südafrika. 

Von Dr. Langkatel. 

Im Anschluss an die kürzlich in dieser Zeitschrift veröffentlichte Abhandlung 
Uber die Verbreitung der Rinder in Nordafrika möchte ich den Leaer zuerst 
fuhren nach der Seenzone und Ostafrika sudlich bis zum Zambesi, sodann nach 
den von diesen Ländern aus westlich gelegenen Teilen, und endlich nach dem 
südlichsten Teile, den Ländern südlich vom Kunene und Zambesi. 

Als Schweinfurth den dichtbevölkerten Distrikt Edidis betrat, überraschte 
ihn der solange entbehrte Anblick von weidenden Rindern, die jedoch sehr ver- 
schieden von der Dinka-Rasse waren; sie besaßen eine ganz ungewöhnlich große 
Uöckcrbildung und sollten das Geschenk dos mächtigen Königs der MaTeggn 
sein. Diese Malegga Bakers sind nach Cust (The modern languages of Afr. 
11. 377) vielleicht identisch mit den Wa-Regga westlich vom Luta Nzige (Zeitschr. 
d. Ges. f. Erdk. 1872, 468). Das Fell der Rinder am Westufer dieses Sees 
dient zur Kleidung; bis in nie Berge hinein weiden die Tiere; bei Bewerbungen 
gibt man 3 Kühe und einen Ochsen (Peterm. Mitt. 1881, 2, 5, 7). 

Auf der Ostseite des nördlichen Teiles des Luta Nzige sieht man in Unioro 
glatte, fette, ungebuckelte Rinder mit sehr langen Hörnern und meist grauer 
Farbe, nur einige sind hellbraun. Mannigfachen Krankheiten sind hier die Tiere 
unterworfen. Rindfleisch können nur die Wohlhabenderen essen, denn ein Rind 
kostet 4500 — 5000 Kanris, die ärmeren Wanioro genießen häufig das gefallener. 
(Peterm. Mitt. 1879, 185, 187, 221; Wilson and Felkin II. 40.) Im Jahre 1858 
schwankte der Preis zwischen 500 — 1000 Kanris (Journal Geogr. Soe. London 1859, 
286, 297). Ein schönes Mädchen kostet dort 4, ein minder schönes 3 Ochsen. 
Gebiert eine Frau, so gehören 2 ihrem Vater, der sie schlachten darf, gebiert 
sie nicht, so gehören, wenn der Mann sie zurückschickt, 2 ihr, 2 erhält dagegen 
der Mann zurück (Peterm. Mitt. 1878, 223). Der verstorbene Herrscher soll 
einst 20.000 Kühe besessen haben, die aber durch die Bürgerkriege bis auf 
1200 reduciert wurden. Nach Mruli zu gibt es nur wenige Rinder, die hellgrau, 
ohne Hörner und ohne Buckel sind. In Mruli erhielt Baker zwei Führer, die 
wie Teufel aussahen, denn sie trugen Rinderhörner auf dem Kopfe und hatten 
sich aus den Schwänzen der Kühe lange Barte gemacht (Zeitschr. d. Ges. f. 
Erd.k 1866, 203. Ist auf Mallorca ein Mädchen nicht so glücklich, mit einem 
ordentlichen Zopf zum Sonntagsputz prangen zu können, so flicht sie einen 
Kuhschwanz hinein; Pagenstecher, Mallorca 135). Der Herrscher in Mruli isst 
nur das Fleisch einer solchen Kuh, die an keinem Teile ihres Felles einen 
weißen Fleck hat (Peterm. 1881, 88). In Unioro werden die Kühe stets nur 
von Männern gemolken; ein Mädehenverführcr wird mit dem Tode bestraft, falls 
er nicht 6—8 Rinder zu geben vermag. Des Königs Tiere werden abgesondert 

5 ;ehalten und gemolken, damit sich nicht durch den bösen Blick die Milch in 
ilut verwandele. .ledermann geht diesen Tieren aus dem Wege (Peterm. 
Mitt. 1879, 180, 183, 391, 392, 393). 

Im Norden Ugandas sah Graut Herden von einigen hundert hornlosen, 
grauen, recht gelehrigen Rindern mit schwarzem Gesicht und schwarzer Innen- 
seite der Ohren, mit geringem oder gar keinem Buckel. Man berichtete ihm, 
das s die Wanioro die Hörner der Tiere mit einem rotglühenden Eisen ab- 
trennen, und wenn er auch selber nicht die Operation sah, so waren doch alle 
Rinder an der Grenze Ugandas hornlos und an einer jungen Kuh die frische 
Narbe des jüngst vorgenommenen Eingriffs deutlich sichtbar (Journal Geogr. 
Soe. London 1872, 337). Weiter hinein nach Uganda sind die Tiere entweder 



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Die Verbreitung de» HaiiHrimlcs in Südafrika. 



173 



hornlos oder doch mit nur sehr kurzen versehen, sie sind ineist braun oder eisen- 
grau, wenngleich auch bisweilen welche in den verschiedensten Farben gesehen 
werden. Dr. Emin Bey erhielt z. B. als Geschenk eine schwarze hochgebuckelte 
Kuh (Peterm. Mitt. 1878, 371). Die Milchkühe geben, und zwar nur solange 
das Kalb saugt, jedesmal nur '/« — */'« Liter Milch. Auch hier melken nur die 
Manner, den Frauen ist es sogar streng verboten, das Kuheuter zu berühren 
(Wilson and Felkin I. 163; Ausland 1883, 853). Vor dem Melken werden die 
Euter mit Harn gewaschen; der Kopf jedes auf der Reise geschlachteten Rindes 
fallt dem der Karawane vorangehenden Trommler zu (Petcrm. Mitt. 1880, 
27, 25). Gutes Futter finden die Rinder fast überall auf den hügeligen Vor- 
bergen (Journal 1872, 285), ihr Fleisch ist aber zähe, unschmackhaft und meist 
ohne Fett (Ausland 1883, 852 nach Wilson und Felkin). In Uganda besitzen 
einige Zwerge große und bedeutende Rinderherden. Als Last- oder Zugtiere 
werden die Ochsen nicht verwendet. Die Haut wird zur Kleidung verarbeitet, 
und Uberall in Uganda sieht man die trefflich präparierten Haarfelle, besonders 
von den Frauen über dem Mbugu getragen (Journal 1872, 337; Ausland 1883, 
815 nach Wilson und Felkin I. 152). Milch wird in bedeutenden Mengen ver- 
braucht, wenngleich einige sie nie trinken, und meistens in the curdled state, 
weil die Mehrzahl der Rinder sich in den Händen der Wahuma (Cust II. 375), 
nahe den großen Wäldern, oft zwei bis drei Tagreisen von der Hauptstadt ent- 
fernt, befindet (Wilson und Felkin I. 163). 

Die Nahrung dor wilden Einwohner des großen Salzfeldos Usongora zwischen 
Albert und Victoria Njansa besteht hauptsächlich aus der Milch ihrer lang- 
gehörnten Rinder, und ihre wichtigste Beschäftigung ist Rinderzucht (Petcrm. 
Mitt. 1876, 381 : Wilson and Felkin I. 247). Der letzte Reisende musste bei 
der Mündung des in den Kagera abfließenden Sees Akenjara umkehren, weil 
die Leute aus Furcht für ihre zahlreichen Herden keinem Fremden den Eintritt 
in ihr Land gestatten ( Peterm. daselbst 382). In Mrekos Gebiet gibt es viele 
(a. a. O. 1880, 25). 

In Ukara (Journal Geogr. Soc. London 1870, 311) und Uh'kampuri südlich 
vom Ukerewe gibt es gleichfalls diese Haustiere in hinreichender Anzahl. Die, 
welche Speke im letztern antraf, waren, ungleich der edlen Tanganjika-Rasse, 
klein, kurzgehörnt, gebuckelt und von verschiedenen Färbuugen, und ihr Milch- 
ertrag ein winziger (Peterm. Mitt. 1859, 498). Die Eingebornen von Lumbwa, 
östlich von diesem See, sind reich an Rindern : ziemlich viele sind im Besitze 
derer von Kaverond (Gwaso Ngisha bedeutet Rinderfluss nach Journal a. a. ü. 
308, 328), welche östlich von den an der SO.-Seito lebenden und Rinder züch- 
tenden Ukara leben. Während die Wasongo Rinder halten, fehlen sie den Ma- 
lambe (311, 312), aber die Wa-Ligeyo und die Likunono besitzen viele, etwas 
weniger die Wa-Njem »i (323, 328, 326). Nach Stanley ist die große Insel Ukerewe 
reich mit Rinderherden bevölkert (Peterm. Mitt. 1876, 466), desgleichen die 
Ufer de« Jordan Nullah River (Geogr. Procccdings 1880, 617). 

Die Menge der Rinder in Msalata ist größer, als sie Speke (Journal of 
cruise on the Tnnganjika 286) sonst irgendwo in Afrika sah. 

Da durch ganz Ukumbi Rinder in Menge vorkommen, so kostet ein Ochse 
nur 4 Mark; sie werden von hier auch nach Unianjembe getrieben (a. a. O. 331), 
wo auch Rinder in großer Anzahl leben, müssen also in Ukumbi noch billiger 
sein (Mitt. d. afr. Ges. II. 56). In Usavira auf der Wasserscheide des Malaga- 
razi-Beckens und des Rikwa-Sees besitzt der Sultan eiue kleine Herde (daselbst). 

In Uniamwesi werden die Kühe im September und October besprungen 
und kalben nach der Regenzeit (Journal Geogr. Soc. London 1859, 174). Im 
Jahre 185K besaß «ler Herrscher daselbst 2000 Stück (204). Der Schlag ist 
größer und schöner als an der Küste. The common variety is a short-baeked, 
round barrelled, and large-humped animal. Es trägt mannigfache Farben- 
schattierungen : schwarz um! weiß, dunkel- bis hellgelblich, gescheckt, gesprenkelt 
und gestreift; die bemerkenswerteste Farbe ist eine aschblaue (a. a. (>. 339). 
Der Sultan von Rubuga ist weit bekannt wegen der Trefflichkeit seiner fetten 
und großen Rinder; auch im Dorfe Hanga sind viele (a. a. 0. 179). Ugunda 
besitzt wenig Großvieh. Ochsen einer bestimmten Farbe werden auch einem 



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174 



Di»» Verbreitung den Hausrind es in Südafrika. 



Berge in der Nilhe als Opfer dargebracht (Mitt. der at'r. Ues. 1880, 56; 
1882, 175). 

In Usango, ungefähr 200 engl. Meilen östlich von dem an der Südseite 
des Tanganjika gelegenen Urungu, sollen, wie Livingstone von Arabern erzählt 
wurde, die Eingebornen Überfluss an Milch, Butter und Käse haben : die mit 
flachen Dächern versehenen Ställe hätten enorme Größe, es wäre z. B. der des 
Häuptlings dieser hellfarbigen Rasse V» engl. Meile lang, denn das Vieh bewohne 
dort mit dem Menschen denselben Raum ; der Häuptling schenke jedem Fremden 
einen Ochsen (Peterm. Mitt. 1875, 101; 1870, 186). 

Am Tanganjika sind in Udschidschi die Rinder Kanninas, des einzigen dortigen 
Rinderbesitzers, so gleichmäßig roth wie die Devonshire, werden aber bedeutend 
größer und tragen Hörncr von erstaunlichen Dimensionen (Speke a. a. O. 253). 
Es ist ein schöner Schlag, der, wie man sagt, aus den Borgen von Karagweh 
stammen soll; der Höcker ist sehr klein; sie geben Milch nur in den ersten 
Monaten nach dem Kalben (Journal Geogr. Soc. London 1859, 286, 331)). Im 
nahe gelegenen Ubhä sind sie gleichmäßig dunkelbraun (330). Zombes Dorf 
mit 120 Hutten, besitzt außer andern Haustieren auch Rinder (Geogr. Pro- 
ceedings 1882, 20). Die Rinder in Uguha gehören nur der Misston. Wcnugleich 
gelegentlich einige Uber den See gebracht weiden, so bleiben sie nicht dort, 
sondern gehen weiter westlich (221). Auf der Reise nach Uvambo sah Böhm 
in dem von großen Mrulibäumen beschatteten Pero Kühe in ziemlicher Anzahl 
(Mitt. der afr. Ges. III. 276). 

In den niedrigen Marschgegenden südlich vom jMoero-See fehlen, soviel 
man weiß, Rinder (Journal Geogr. Soc. London 1850, 330). 

Als Jakob Wainright mit Livingstones Leiche Chitundwa verlassen, kam 
er nach einer Tagreise zum Herrseher Inkoso und sah dort Kühe, die den eng- 
lischen insofern ähnlich waren, als sie keinen Höcker besaßen. Auf der Weide 
werden sie nicht bewacht; will der Eigentümer sich in den Besitz eines Tieres 
setzen, so geschieht das nur mit Flinte oder Speer, weil sie sehr schwer ein- 
zulangen sind (Peterni. Mitt 1874, 188). 

In Lobemba, nordöstlich vom Bangweolo-See, konnte Livingstone nach 
langer Zeit wieder von einer fetten Kuh Fleisch bekommen; um ihren Preis 
wurde in recht kleinlicher Art geschachert (a. a. O. 1875, 07). 

Obgleich die westlich vom südlichen Teil des Njassa wohnenden 'Chevas 
viele Rinder besitzen, tödten sie doch nur sehr selten ein Tier des Fleisches 
halber, die Maravi haben nur wenige (Zeitschr. f. allg. Erdk. 1856, 200, 260, 273). 

An der Ostseite dieses Sees erhielt Livingstone aus den Herden der Moembe 
Tiere zum Schlachten und auch Milch (Peterm. Mitt. 1875, 00). Die Eingebornen 
von Masenge erfreuen sich nur äußerst weniger (Geogr. Proceedings 1882, 483). 

In den gebirgigen Gegenden von Usagara kommen kleine, gebuckelte Rinder 
vor, die während der trockenen Jahreszeit außerordentlich mager, nach der 
Regenzeit in demselben Grade fett werden. Überall finden sich uur kleine 
Niederlassungen und wenige Rinder, nur der Distrikt Kadetamare war früher 
so reich an ihnen, dass Fremde dort einige erhalten konnten (Journal Geogr. 
Soc. London 1850, 330, 114). In dem westlich gelegenen Ugogi werden sie 
stets in Gehegen gemolken; es ist bedeutende Nachfrage nach ihnen (a. a. O. 
134, 330) und nur zu hohen Preisen werdon sie verkauft (Speke, Journal of 
the discov. of the source of the Nile 57). Mit Ausnahme der Jungledistrikte 
kann man in dem noch westlicheren Ziwa Kinder Bich überall verschaffen (Journal 
a. a. O. 150). Die nördlich von Usagara lebenden Wa-itamba und Manga-heri 
sind besonders Eisenschmiede, vernachlässigen deshalb Ackerbau und Rinder- 
zucht (Geogr. Proceedings 1883, 586). 

Im Küstengebiete von den Galla-Stämmen an bis über Sansibar hinaus 
können im nördlichen Teile am Dunford-Flusse wegen der Tsetse keine Rinder 
gehalten werden (Peterm. Mitt. 1867, 300), in Merkah jedoch erbliekt man 
große Herden von Buckelrindern (Journal Geogr. Soc. London 1844, 85, 100). 
An der Formosa-Bai sind Haustiere die nicht großen aber recht fetten Zebu 
(v. d. Decken, Reise II. 268): ist in Kurawa das Gras weggefressen, müssen 
die Tiere oft weite Strecken ziehen, um genügende Nahrung zu finden (New, 



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Verbreitung de» rlftiiarinac* in Südafrika. 



175 



Life in Eastem Afr. 102). Schwarze Riader existieren nicht an der Kttste von 
Mombasa bis Kiloa and bei den Wazaramo (Spuke a. a. O. 17: Journal a. a. 

0. 390), ausgenommen um Konduchi und den nahe gelegenen Inseln, von wo 
das vortrefflich gedeihende Tier sogar exportirt wird (Elton, Travels 104), und 
hierauf bezieht sich vielleicht die Notiz in Stier (Vlämisches Tagebuch über Vasco 
de Gama 11): „Hinter Mosambik liegt das Königreich Kylo; dort sind Ochsen 
ohne Hörner, aber auf ihren Rücken haben sie es wie einen Sattel." In Mombasa 
darf das heilige Rind der Banianen durch die Straßen ziehen, in der Stadt 
Zanzibar ist es ihnen verboten (Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. 1879, 247). Am Pan- 
gani finden sich Rinder in wenig Meilen Entfernung vom Meere (Journal a. a. 
(). 390), wo die Bewohner von Kohode am hohen Ufer dieses Flusses sie halten. 
In Pangani dagegen sterben diese Tiere, sobald sie von dem dortigen Grase 
fressen (Peterm. Mitt. 1859, 386, 383), oder vielmehr, wie Burton (Zanzibar 

1. 211) richtig bemerkt, durch die Tsetse. Rinder halten die Usambara (Wilson 
und Felkin I. 334). Auf der Insel Pemba, auch Djesiret-el-Chadera, Insel der 
Pflanzen genannt, gibt es eine bedeutende Menge (Peterra. Mitt 1861, 259). 
Nach Sansibar werden schwarze Rinder von den benachbarten Teilen des Fest- 
landes und von Pemba gebracht (New a. a. 0. 26; Peterm. a. a. 0. 254), doch 
sollen sie nach Burton (a. a. 0.) nach 14 Tagen, besonders im Innern sterben. 
In der Zeitschr. f. allg. Erdk. N. F. 1860, 360 wird jedoch mitgeteilt, dass die 
dortigen Banianen die Kuh als heiliges Tier verehren, sich eine solche anschaffen, 
wenn es ihnen irgend möglich ist. In einem großen Hofe in der Nahe des Palastes 
des Sultans halten sie viele und ernähren sie auf gemeinschaftliche Kosten; 
außer diesen gehören ihnen aber auch noch andere, die sie frei am Strande um- 
herlaufen und sich ihre Nahrung suchen lassen. Wo sie es nur vermögen, suchen 
sie ihr heiliges Tier vor dem Tode des Schlachtens zu retten, und nie wird es 
ihnen einfallen, eins der ihrigen* zu diesem Zwecke zu verkaufen. Einen Zebu- 
bullen und dessen Buckel aus Bagamojo bildete Elton (a. a. O. 106) ab. Rinder 
gedeihen auch in Kwale (Elton 89). ' Weil acht von den 10 aus Madagaskar 
nach Dar-cs-Salam gebrachten Ochsen dort und auf der Reise 40 Meilen westlich 
leben blieben, so ist das wohl ein Zeichen, dass dort die Tsetse fehlt (Geogr. 
Proceedings 1879, 1291 Von den Wanika, welche nicht viele Rinder besitzen, 
werden die an Krankheiten gestorbenen oder wegen ihres Alters getödteten 
gegessen. Von der Ganzi-Prlanze, einer Cactusart, brechen sie die vielen Stacheln 
ab, lösen die Rinde und geben die inneren saftigen Teile den Rindern statt des 
Wassers (Wilson und Felkin I. 124, 296). 

Über die in weiter Ausdehnung von den südlichen Galla bis zum Kilima 
Ndscharo und darüber hinaus verbreiteten Massai-Stämme und dieWakuafi, welche 
letztere von ihren Galla Nachbarn verächtlich „geschwänzte Schafe" genannt 
werden, sind wir in der letzten Zeit besonders durch die Forschungen Dr. Fischers 
(Ausland 1884, 77: Mitt. d. geogr. Ges. Hamburg H. 1. 1884) genauer unter- 
richtet worden. Dass sie in ihrer Nahrung besonders auf Milch angewiesen 
sind, war schon früher bekannt (Peterm. Mitt. 1881, 131 ; Journal Geogr. Soc. 
London 1870, 312). Freilich geben auch hier die Kühe nur wenig Milch, aber 
sie besitzen ja Rinder in übergroßen Mengen, manches Dorf 2—3000, andere 
noch bedeutend mehr. Alle tragen einen Höcker wie die an der Küste, doch 
soll es weiter nach Westen hin auch solche ohne Höcker und mit großen Hörnern 
geben. Die Massai-Rinder sind schwerer und fetter als die an der Küste, aber 
kleiner als die englischen. Sie werden hier auch als Lasttiere benutzt, welche 
bei Verlegung des Lagers von einem Weideplatz nach dem andern neben den 
Eseln die Habseligkeiten der Leute zu tragen haben (Geogr. Proceedings 1883, 
520, 52*5, 531, 539). Die von den Massai unterjochten Wandorobo haben ihnen 
dieselben zu hüten. Ihre Hütten bestehen aus Flechtwerk mit darübergedeckteii 
Hauten und Rindermist: in denselben ruhen sie auf Hauten über Zweigen. Weiber 
und Mädchen gehen in großen gegerbten Rinderfellen. Die Krieger essen nur 
Muskelfleisch vom Rinde und trinken dessen Milch, die älteren Leute und die 
Frauen erhalten dessen Eingeweide und Gehirn, dann Ziegenfleisch und Ziegen- 
milch. Die niedergeworfenen Tiere werden durch Ersticken getüdtet, kranke 
und magere überlässt man den Wandorobo. 



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176 



Di.; Verbreitung de« lUusrludo* in Südafrika. 



Auch die Wagera, Miatu, Tusu, Kawirondo, Nanaudi, Wakatuussai, Wali- 
gijo, Wakikuju und Waktunba besitzen Rinder iu betrachtlichen Mengen (Peterm. 
Mitt. 1881, 132, 142, 143). 

In dem südlich von Kilima Ndscharo gelegenen Moche wurden New (a. a. 

0. 374) ab und zu Rinder aus der Herde des Häuptlings angeboten. Wenn die 
Wachaga Fremden einen Ochsen anbieten und derselbe angenommen wird, so 
ist das ein Zeichen zum Beginne der Feindseligkeit, wird jedoch die Annahme 
verweigert, so wünscht man in Frieden mit denselben zu bleiben (daselbst). 

Wenn wir vom Parallelkreise durch Biafra nach Süden bis zum Cunene 
die westliche Seite dieses Erdteiles in Bezug auf die Verbreitung der Rinder- 
rassen näher ins Auge fassen, so können wir O. Kerstens Bemerkung (Geogr. 
Nachrichten f. Welthandel I. 339), dass an vielen Stellen zwischen Sierra Leone 
und Mosamedes Rinder Uberhaupt fehlen, nur bestätigen. Sie fehlen am Gabun 
vollständig (Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. 1876, 221). Die Stämme am obern Ogowe 
werden schon seit längerer Zeit durch Wanderungen aus Nordosten und Osten 
in Bewegung nach dem Meere hin versetzt. Es wäre nicht unmöglich, dass die 
Furcht vor den immer weiter vordringenden inuhamedanischen Sklavenhändlern 
dieses Drängen verursachte, die, weil sie auf Ochsen reiteu, wahrscheinlich Ver- 
anlassung zu der Fabel von den Sapadi mit gespaltenen Hufen gegeben haben 
(Du Chaillu, Exploration 430, 440. Peterm. Mitt. 1872, 56). 

In Loango fehlen die Rinder bei den Negern (Zeitschr. f. Ethn. VI. 209). 
Dank Stanleys unermüdlichen Forschungen ist in der Gegenwart der Kongo da* 
Fenster geworden, durch welches Europa auf jenen Teil des afrikanischen Völker- 
getriebes zu sehen vermag. Zu dem reichen Viehstand Bornas gehört auch das 
im Schatten der Brotbäume weidende Rind — ein seltner Anblick, denn an der 
Küste sind mit Ausnahme von Muanda und Landana alle Versuche geseheitert, 
es einzubürgern. Stromaufwärts linden sie sich" nochmals in der holländischen 
Faktorei zu Musuku am Südufer, und im .lahre 1882 hat sie O. Lindner auch 
nach Vivi eingeführt (Pechuel-Loesche in Geogr. Nachrichten f. Welthandel 

1. 297 und in „Gartenlaube" 1H83, 731). Dass Rinder in Punta da Lcuha fehlen 
(Peterm. Mitt. 1857, 187 : 58, 216), erklärt sieh Alfr. Kirehhoff (Fleischers doutsche 
Revue 1879, 87) durch das mögliche Vorkommen der Tsetse. In Stanleys Sta- 
tionen erblickt mau nur selten einen schwarzen hochschultrigen Ochsen (Geogr. 
Proceedings 1883, 570). Die Niederlassung Vista am Kongo mit vortrefflichein 
Klima hat vorzügliche Weide für große Herden von Rindern. Von hier aus 
also, und nicht ausschließlich von Europa, wie früher erzählt wurde, beziehen 
die Expedition Stanley und alle Weißen am untern Kongo ihre Fleischuahruug 
(Ausland 1884, 162). Weiter stromaufwärts am Kongo ist das Rind unbekannt 
und deshalb bedeutet sein alter klassischer Bantu-Namen ngombu in das Yanzi 
übertragen den Büffel (a. a. 0. 708. Cust, Modern languages of Afr. II. 410). 
In Ambrizette hält es sehr schwer, sich Rindfleisch zu verschaffen (.leannest, 
quatro annds au Congo 94). Ochsen, welche auf den fetten Weiden Ainbaeas 
( San Salvador) gediehen, werden zum Schlachten an die Küste getrieben (Bastian 
Besuch in San Salvador 22). In Ambriz sah H. Soyaux (Aus Westafrika 328) 
Rinder, die aus Sierra Leone eingeführt waren, meist schwarz und weiß ge- 
fleckte, auffallend kleine, aber mit langen Hörnern versehene Tiere. 

In Pungo-Andango trifft man nach Pogge (Im Reich des Muata Jamwo 2) 
uud Schütt (Reise im SW.Becken des Kongo 7) am Quanza Rinderzucht, und 
wegen der trefflichen G raeebenen des Gebirges gedeihen die Tiere dort gut. 
Um Malange besitzen sie meist einen kleinen Höcker, der aber bei manchen 
nur atigedeutet ist (Pogge a. a. O. 29, 44, 112, wo auch ausführlich über die 
Preise dieser Tiere, über Reitochsen, über die vielen Bremsen, welche einen 
buchstäblich zerfleischten, gesprochen wird). 

In Benguela besitzen die Kissäma wenige kleine Rinder, ebenso in Gonda, 
Seiles, Haka oder Oako, dagegen begegnet man in Alt-Benguela vielen von 
guter Rasse (L. Magyar 364, 376, 378, 383, 368), auch bei Galanguc kommen 
einige vor (399). Nach Capelle und Ivens (l. 39) sind die weithiu ohne Hirten 
sieh zerstreuenden Rinder von Quillengues die Veranlassung zu Räubereien der 
kriegeiiöcheu Bananos und zur Beute der großen Camivoren. Auch bei Caeonda 



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Die Verbreitung de» Haiinrjude* ia Südafrika. 



177 



gibt es Riader (59). Die*Abbildung oines Jinga-Rindes gab,™ die Verfasser II. 68. 
Tains (Die port Besitz, in SW.Afr. 38) erwähnt, das« in Benguela die schönen 
Rinder mit 4 — 5 Fuß langen Hörnern großen Wohlstand schaffen könnten, aber 
sie kommen zu selten vor, und nur mit vielem Gelde vermag man sich Rind- 
fleisch zu verschaffen. Hier und in Loanda bindet man das Schlachtvieh an 
einen Baum, schneidet die Uackensehne der Hiuterbeine durch und lässt sie 
dann bis zum folgenden Tage stehen; dann erat martert man sie mit langen 
Speeren zu Tode (a. a. 0. 157). 

Am obern Quango züchten Rinder nur die Ba-Ngala und die nördlich an 
ihnen wohnenden Bondo und Hollo. Auf der rechten Seite des Flusses nach 
Osten zu fehlen sie; die dort wohnenden Stämme bewunderten die Reitochsen 
mehr als die blassen Gesichter der Europäer (Mitt. der afr. Ges. I.; Schutt 
a. a. O. 36). Die Buckelrinder dieser drei Stämme und der Cari sind nach 
Schutts Ansieht (178) wahrscheinlich aus dem Süden importiert. 

Die Kam-bandi-Stämme sind fleißige Landwirte und besitzen Rinder in 
großer Anzahl. Alle sind gefleckt und klein wio bei den Lochazes (Lojazi bei 
Cust II. 392), werden nur als Schlachtvieh benutzt; Kuhmilch zu trinken ist 
Sünde (Peterm. Mitt. 1861, 227, 229; Serpa Pinto, How I crossed Afr. II. 108; 
L. Magyar 303). Ein bis jetzt nicht gelöster Widerspruch liegt in zwei Angaben 
L. Magyars über den Rinderbostand in Kibokoe. Petermann (Mitt. 1860, 229) 
referierte, dass doi't „sehr wenig Hornvieh" wäre, der Reisende jedoch schrieb 
von „ziemlich vielen" (Reisen in S.-Afr. I. 127). In Mussumba fehlen Rinder, 
obgleich der verstorbene Herrscher einige Hunderte von der Küste hieher ge- 
bracht hatte (Pogge a. a. 0. 245); sie würden ohne Zweifel dort gut gedeihen 
(derselbe in Mitt. der afr. Ges. 1880, 139). 

Livingstone hält es für wahrscheinlich, dass in dem grollen Londa-Gebiet 
früher die Tsetse einheimisch war, dass sie aber durch Ausrottung des Wildes 
durch die Feuergewehre der Ba-Londa aus Mangel an Nahrung verschwand. 
Er kam vielleicht zu einer Zeit dorthin, als es gerade möglich war, Rinder dort 
zu halten (Peterm. Mitt. 1858, 216, 217). Tains (a. a. O. 69) erwähnt, dass bei 
den Bailunda die Sitte herrsche, bei dem Regierungsantritt eines neuen Soba 
einen alten fetten Neger zu schlachten, sein Fleisch mit dem einer Kuh oder 
eines Schweines zu vormischen: erst wenn er davon gegessen, wilre er wirklieh 
der Herrscher. Es erinnert dies an don Gebrauch bei den Massageten, alte 
Leute mit Schaffleisch zusammengehackt zu essen (Arch. f. Autr. IV. 249) und 
an das Verspeisen gestorbener Waljäger im NW.- Amerika (Holmberg, ethnogr. 
Skizzen III; man vgl. außerdem noch Bastian, zur naturw. Behandl. der Psy- 
chologie IX. und Hehns Werk 472). 

In Mossamedes gibt es gute Rinderzucht (Geogr. Nachrichten f. Welt- 
handel I. 339). Das Kamba-Reich, das mitten in den Sandwüsten wie eine Oase 
erscheint, besitzt wegen des durch die bedeutenden jährlichen Überschwemmungen 
hervorgerufenen üppigen Graswuchses zahlreiche Rinderherden. Die Zahl derer 
des ermordeten Kikundessu schätzte Magyar allein auf 20.000. Ihre Kleidung 
besteht aus selbst zubereiteten Ochseneingeweiden ; ihre Waffe, ein sechs Spannen 
langer eiserner Speer, trägt in der Mitte einen Ochsenschweif: nach der Be- 
endigung des Todtenmahles hüllt man den Leichnam in ein frisches Rindsfell, 
begräbt ihn und belegt don Grabhügel mit vielen Ochsenknochen und Hörnern 
(Peterm. Mitt. 1857, 197, 198). Ahnlich war in Quioco das Grab eines Jägers 
mit Antilopen- und Rinderhörnern geschmückt (Capello and Ivens, from Benguela 
to Yacca I. 215). 

Bei den Bihenos gibt es nur kleine, erbärmliche und schwächliche Rinder. 
Die Cahonhn-Epidemic ist für sie und Schafe sehr verderblich (Serpa Pinto I. 225). 
Das Rind, das L. Magyar aus den IIumbe-Ländern nach Bihe brachte, gedieh 
nicht; die strengere Winterkälte und die vielen „Aearus" rafften sie in kurzer 
Zeit dahin (Magyar, Reisen I. 304). 

Noch zahlreicher als im Kamba-Reiche sind die Rinder im Lande der Onka- 
nvama. Bei deu Ovamgnambi ist Milch eine Rarität, wenn das Gras vertrocknet 
ist. Als Hugo Hahn dort weilte, gab es last gar keine, weil fast alle Kälber 



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178 Die Verbreitung <U\s ll.ni.»mirles in Südafrika. 

an der Lungenseuche fielen, und auch hier die Kühe nicht gemolken werden 
können, sobald die Kalber todt sind (Peterm. Mi«. 1857, 11)8; 1867, 25)2). 

Im westlichen Gebiete desjenigen Teiles von Südafrika, der ungefähr durch 
die Flüsse Cunene und Zambesi begrenzt wird, sind wohl die bedeutendsten 
Rinderzüchter die Herer6. Ihre Rinder unterscheiden sich erheblich von den 
europäischen. Sie besitzen einen stark entwickelten Knochenbau, sind aber nicht 
sonderlich fett: die Extremitäten sind schwach, die Klauen klein, hart \ind stark. 
Wegen dieser Eigenschaften werden sie vielfach zu Reit- und Zugochsen ab- 
gerichtet und leisten dann vorzügliche Dienste besonders auch deshalb, weil sie 
sehr ausdauernd sind. Ihr Haar ist kurz, glatt und glänzend, und das Ende 
des Schwanzes trägt einen Büschel langen und sehr buschigen Haares, das fast 
die Erde berührt. Diese Haarbüschel bilden eine Hauntzier an den Assagai 
der Hererö. Die Länge der Horner ist fast unglaublich: denn man begegnet 
häufig Ochseu, deren Hörner an den Spitzen 7 — 8 Fuli voneinander abstehen. 
Die Herer») bestimmen auch gewöhnlich den Wert ihrer Rinder nach der Größe 
der Hörner. Die Kühe geben wenig Milch, höchstens 2—3 Kannen täglich, und, 
wenn die Kälher sterben oder entfernt werden, geben sie gar keine mehr. Daher 
stopft man öfter die Haut eines Kalbes mit Heu oder Gras aus und stellt dies 
nachgemachte Tier so hin, dass die Kuh damit in Rerührung kommen muss. 
Dies Verfahren verursacht manchmal recht lächerliehe Auftritte; denn während 
die Kuh ihren vermeintlichen Sprössling liebkost, wittert sie auf einmal das Gras 
oder Heu, steckt das Maul durch ein Loch in die Haut und verzehrt mit gutein 
Appetit den Inhalt (Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. IV. 244). Als unternehmende 
Europäer einst holländische Rinder bei den Hererö einführten, wunderten sie 
sich zwar über dio viele Milch, wollten aber die schwerfälligen Tiere nicht ein- 
führen, weil sie die guten Eigenschaften ihrer schlanken und flinken Ochsen 
verderben würden. Die Reitochsen traben tapfer mit Pferden zusammen, und 

{'Ungere lässt man auch wohl galoppieren, falls man nicht dadurch seekrank wird. 
)ie Bullen haben einen bedeutenden Fetthöcker, der den Kühen und ver- 
schnittenen jungen Ochsen fehlt. Tiere, bei denen die Horner fehlen oder ver- 
krüppelt sind, heißen ozohungu. Alle Rinder sind ziemlich gutartig, selbst Bullen 
laufen frei umher. Wenn sie zuerst Europäer sehen, sind sie überaus neugierig; 
schon von weitem kommen sie gelaufen und drängen sich dicht an sie heran 
(Ausland 1SN8, 4iHI). Bei den Ovahererö verschmähen Rinder und Pferde die 
Gräser und kurzen, krausen, harten Kräuter der endlosen Steppen, welche Myria- 
den von Antilopen gute Weide geben (Zcitsch. a. a. O. HI. 218). In dem 
schmalen Flussbette des Omuramba, der aus Regenwasser sich bildet, graben 
die Hererö Löcher in den Kalkstein, in denen dann Wasser für die Rinderherden 
sich längere Zeit hält (Petermann, Mitt. 1878, ;J08). Die Hererö, deren Herden 
vor dem Kampfe mit den Namaqua erstaunlich groß waren, leben fast ganz von 
Milch und schlachten nur bei besonderen Festlichkeiten oder in der äußersten 
Not ein Stück Vieh. Die Ochsen besonders sind ihr Abgott. Nur Männer dürfen 
das Vieh hüten, und es ist eine Ehrensache für den Häuptling, eine Zeitlang 
eigentlicher Hirt gewesen zu sein. (Auch die Gauchos der südamerikanischen Pam- 
pas gelangten früher öfter in hohe Ehrenstcllen.) Manchmal sollen sie in Bpätern. 
Jahren, müde der Bürde des Amtes, wieder als Hirten zu den geliebten Herden 
zurückkehren. Man behauptet, dass der Hererö, dessen schwache Seite Zählen 
und Rechnen ist, auch bei einer großen Herde leicht merkt, wenn ein Stück 
fehlt; er vermisst ein bekanntes Gesicht. Die Phantasie der Kinder wie der 
Alten ist mit der Herde beschäftigt. Am Wege sitzend, bilden die Kleinen aus 
Erde Tiergestalten: wenn aber eine Herde des Weges kommt, hören sie in 
ihrer Modellierarbeit auf und versenken sich ganz in den Anblick der Herde. 
Gewisse Rinder von besonderer Farbe und Gestalt werden von den Hererö be- 
sungen, und ihr Tanz ist im Grunde nichts anderes als eine Nachahmung «les 
Tritti's und Taktes ihrer Ochsen: wenigsten* hört <*s sich von der Ferne so au, 
als wäre eine Herde im Anzüge (Peterin. Mitt. 18<»7, 275). Sie besitzen eine 
unglaubliche Fähigkeit sich auf Ochsen zu besinnen, die sie nur einmal gesehen 
haben. Mit der größten Sicherheit findet der Hererö zwischen Hunderten seine 
Ochsen heraus, und wenn es auch nur einer wäre, den er Tags zuvor kaufte. 



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■ 



Die ViTbrvituug dos Hitunitides in Südafrika. 1 <0 

Kommt eine Herde von 5 — 70J Ochsen und noch mehr nach Hause, so wird er 
sofort merken, ob einer fehlt, und welcher. Besonders dienen die Farben, die 
Stimmen, die Horner zur Erkenuung, wenn auch die letzten nicht in dem Grade 
wie das Gesicht. Rinder sind hier Kapital, Hauptnahrung«- und Handelszweig 
(Zeitsehr. d. Ges. f. Erdk. IV. 24t). Der Holztopf, aus welchem sie trinken, 
wird nie gereinigt, höchstens, da« die Hunde ihn einmal auslecken. Das ge- 
schieht aus Aberglauben: denn die Reinigung wurde bewirken, das« die Kühe 
keine Milch mehr gäben (a. a. 0. 250). Nur die Erwachsenen trinken Kuhmilch 
und zwar saure, die Kinder Ziegenmilch, aber für eine Familie müssen (50—70 
gemolken werden. Zwanzig an Europäer verkaufte schlechte Kühe gaben nicht 
mehr Milch, als für Kaffee, Thee und das Baby nötig war (Ausland 1883, 555. 
Verhandl. der Ges. f. Erdk., Berlin X. 406). Dio Oru-e-sembi halten am liebsten 
braunes Vieh (özo-saona) oder in bestimmter Art gesprenkeltes (ozombiriona 
und ozondyandyc). Die Ova-kuenoyra (Vettern der Sonne) essen kein blaues 
Vieh (indovazu), halten am liebsten solche ohne Hörner (ozohungu), bei den 
Om-oma-koti sind gelbliche oder fahle (ozondumbu) die beliebtesten. Die Ova- 
kuatyiya halten nicht Rinder, welche, sonst einfarbig, einen andersfarbigen Streifen 
entweder rund um den Leib oder längs dem Rücken haben, essen solche jedoch. 
Bei den Ova-Kanene sind rothbuute (imbaoe und ihako) bevorzugt. Die Oru- 
horongo halten nie Rinder, welche keine oder verkrüppelte Hörner besitzen, auch 
nicht solche ohne Ohron, essen sie auch nicht. Bei den Ova-engarangua trifft 
man keine Rinder, die in gewisser Art braunbunt (ingange) sind. Rothbunte 
(imbaoe) lieben besonders die Ove-hi-n-oru-zo (Ausland 1882, 834V 

Bei den Ovampo begegnet man schön gewachsenen Rindern, die sich in 
nichts von den andern einheimischen Rassen unterscheiden (Andersson, Notes 
of travel in South-Afriea 2251). Ein Rind kostet bei ihnen 20- -25 Francs(Peterm. 
Mitt. 1880, 276); außer Rindern besitzen sie auch Schafe und Ziegen (Geo- 
graphica! Proceedings 1884, 20), aber bedeutend überwiegend sind die Rinder, 
denn Höpfuer (Verhandl. d. Ges. f. Erdk. 18*3, 40-1) erhielt für eino wollene 
Decke einen Schlachtochsen, für zwei Decken zwei Kühe und deren Kälber, 
und ein schwedischer Händler für ein gutes Jagdpferd sogar 105 Ochsen 
und Kühe. 

Das Dama-Rind scheint nicht so abgehärtet zu sein wie das der Kolonie; 
es bedarf mehr Wasser (Chapman II. 89; Journal Geogr. Soc. London 1838, 16). 
Die reichsten haben bisweilen bis 10.000 Kühe, Ochsen und Kleinvieh unge- 
rechnet, können sie deshalb unmöglich an einem Orte zusammenhalten. Selten 
zeichnen sie die Tiere, z. B. durch einen Schnitt im Ohr, noch seltner machen 
sie sich das Vergnügen künstlich die Hörner zu biegen. Da sie nun keine 
Buchführung haben, so gehört für den reichen große geistige Kraft dazu, gonau 
zu behalten, wo er das Vieh hingethan, auch die Kälber &c. nicht zu vergessen : 
er muss stets auf der Reise sein (Ausland 1882, 854). Besonders der Westen 
und Nordwesten, das sogenannte Kaoko, ist ausgezeichnet für Rinderzucht, so 
dass hier auf eine Ausfuhr von 4' — 5000 Stück gerechnet werden könnte. In den 
Jahren 1875 und 1876 wurden von der Walfisch-Bai verschifft 3000 (Deutsche 
Rundschau f. Geogr. u. Stat. 1884, 260, 270). Hier gibt eine Kuh täglich 2- 3, 
in England dagegen 40 Finten (jede fasst >/ 2 Liter. Peschel, Völkerkunde 454). 

Die Rinder der Naniaqua sind wenig von den vorigen verschieden. Wenn 
ein Häuptling hier zufällig ein hornloses Rind erhält, so ist er verpflichtet, das- 
selbe einem der Neffen zu geben, falls der es verlangt (Chapman I. 428). 

Für die Rinder der Buschmänner ist die Khow- Pflanze Gift (Chapman 
II. 37). 

Die Bayeye besaßen in frühern Zeiten zahlreiche Rinderherden, welche 
aber in die Hände der Betschuanen, deren höchster Gott eine Kuh ist, kamen 
(Journal Geogr. Soc. London 1855, 5)4). Ihre Rinder sind groß und schön. 
Eins der llörner, das Major Vardon nach England brachte, hält nicht weniger 
als 11 Liter Wasser, dio Spitzen von einem Paar Hörner, die Oswell dorthin 
schickte, waren 8y 2 Fuß voneinander entfernt (Peterm. Mitt. 1858, 217). DaBs 
südafrikanische Rinder öfter Horner die von 4 — 5 Fuß Lange besitzen, sah auch 
E. v. Weber (Vhr Jahre in Südafr. iL 151 j. 



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180 



Di* Verbreitung de» Hauxriud«« in Südafrika. 



Die Bctacluianen haben nicht viele Rinder; sie schätzen die Kühe viel 
höher als die Ochsen uud lassen sich durch nicht» bewegen, sich von ihnen zu 
trennen. Für Kühe geben sie bereitwillig viel Elfenbein (Peterm. Mitt. 1855, 47). 

Nach Livingstone fanden die ersten Einwanderer bei den Hottentotten un- 
geheuere Herden schiiner Rinder vor. Das ursprüngliche Rind, das man noch 
vereinzelt in manchen Teilen der Kolonie sehen kann, muss aus NNO herab- 
gebracht worden sein, denn die Eingebornen gebon einstimmig an, dass ihre 
Wanderung von dort ausgegangen, und dass die Rinder mit ihnen kamen (Peterm. 
Mitt. 1858, 217). Das Rind ist hier gewöhnlich Lasttier und tragt bis 3 Oontner 
(Fr. Müller, allg. Ethnogr. 82); man reitet auch auf ihm (Waitz, Anthro- 
pologie II. 340). 

Die Ma8chona (vgl. Oust, the modern languages of Afr. II. 307) besitzen 
um Inyambare und an andern Plätzen bedeutende Rinderherden (Geogr. Pro- 
ccedings 1883, 270). MofFat fand hier auch welche von zwerghafter Gestalt 
(Peterm. Mitt. 1858, 217). 

Große Rinderherden mit langen Hörnern besitzen die Botletli (Journal 
Geogr. Soc. London 1851, 23). 

Die Makalolo haben nicht nur die große Rasse der Betschuanen, sondern 
auch die kleine der Batoka (Peterm. Mitt. 1858, 217). Viele derselben sterben 
an einer häutig auftretenden Seuche; am Tschobe-Fluss ist außer der Tsetse 
auch die Giftpflanze der Buschmänner für dieselben verderblich (Chapman II. 147; 
Geogr. Proeeedings 1881, 213). Das Psalmensingen nennen die Makalolo boko- 
lella, d. Ii. Brüllen wie ein Ochse (Ohapmau 1. 172). 

Ähnlicher Größe, wie die Betschuanen-Rinder, sind die des Barotse-Tale» 
(Peterm. Mitt. 1858, 217). Als von dort der Herrscher nach Schescheke über- 
siedelte, konnte er vom Mutterlande wegen des Tsctse-Gürtels keine Rinder nach 
der neuen Residenz mitnehmen (Holub, sieben Jahre in Südafr. II. 357). Um 
die vielen Mosquitos zu vertreiben, zündet man dort in den Hütten 3—4 Dünger- 
haufen an (a. a. O. 322). Jetzt gibt es im tsetsefreieu Schescheke Rinder und 
zwar mittelgroße mit sehr weichem Haare, mittelgroßen Hörnern und seidanken 
Gliedern (Holub, Culturskizzc der Marutse 200). Im Limpopo sind viele ge- 
fährliche Krokodile, die sogar die trinkenden Rinder ins Wasser reißen (Mohr, 
Nach den Victoriafällen I. 117). Solange die Kälber saugen, werden sie von 
der Tsetse nicht afficiert (Jahresbericht d. Geogr. Ges. Hamburg II. 210). 

Bei den MatAbele sind die schwarzen Ochsen «He „heiligen;" ihr Fleisch 
und Blut verwendet mau zu Arzeneien (Spillmann, Vom Kap bis zum Zara- 
besi 222). 

Das Rind ist auch Haustier der Makalaka (Peterm. Mitt. 1871, 162). Die 
hier an verschiedenen Stellen auftretenden Rinder zeigen nach E. Mohr, dass die 
Grenzlinie für die Tsetse in 21° 30* S. Br. zu ziehen ist (a. a. O. 1870, 8). 
Wie der Teufel früher in Palästina in die Säue fuhr, jetzt noch bisweilen in die 
Sehweine der Pferdeställe auf Sansibar, so fährt hier der Quälgeist Motsimo 
öfter in die Kühe (Peterm. Ergänzungsheft 37, 41). 

Die Boeren in Transvaal, wo das Rind vortrefflich gedeiht, haben 4 Rassen, 
1. das eingeborene kleine Sulu-Rind, 2. die afrikanische Rasse vom Kap, 3. die 
vaterländische, eine durch Kreuzung der zwei ersten entstandene und 4. die 
eingeführte friesische (Peterm. Mitt 1855, 290). Von hier werden viele exportiert 
nach dem Freistaat, der Kolonie und Natal (Peterm. Erg. 24, 3). Da die Pferde 
hier vielen Krankheiten unterliegen, siud Rinder Reit- und Zugtiere (Unsere 
Zeit, v. Gottschall 1876, 421»). 

Am Vaal-Fluss sah Snillmann (70) die ersten Reiter hoch zu Ochsen im 
gemäßigten Galopp. Die Tiere sind hier nicht so steif und unbeholfen als bei 
uns; er sah welche „mit Gelenkigkeit über die Deichsel springen, als wenn sie 
bei einem preußischen Unterofficier das Turnen erlernt hätten." Das .schrieb 
der fromme Manu wol sehr animos: denn abgesehen von den Bemerkungen 
Auderssotis, Livingstoncs, Kolbes, Le Vaillants, Liehtenstcins u. a. bemerkt 
schon Galton (Narrativo of an explorer in South. Afr. 64. 130), dass besonders 
der Reitouhs dort viel scharfsinniger sei als das Pferd. Im Jahre 1875 zogen 
die Boeren von hier nach dem Limpopo und weiter mit großen Mengen Rindern, 



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Die Verbreitung des Haturindes in Sad&frika. 



181 



von denen viele auf den jetzt noch nicht beendeten Irrfahrten umkamen (Deutsche 



Von den Sotho im Freistaat wird mit Kuhmist der Fußboden bestrichen 
(die Hindu bemalen damit sogar ihre Wohnungen, Bechtinger, Ostafrika 106); 
man hält mit diesem Stoffe auch die Calander vom Getreide ab. Zwillinge, die 
stets sterben müssen, werden in ein Loch des Viehhofes geworfen, dann mit 
trockenem Kuhmist betleckt und getreten, bis sie todt sind. Kälber schlachten 
sie nie, das ist chosenya (verwüsten); Kühe sind unverkäuflich, Färsen am meisten 
geschätzt; gegerbte Rindermagen dienen auch zur Kleidung (Zeitsclir. f. Eth- 
nologie VI. 20, 28, 36, 22, 35, 18, 26). Da, wo der Vaal-Fluss nicht zwischen 
Sandsteinfelsen fließt, suchen die gut genährten Kühe wählerisch nach süßem 
Grase unter den dicht stehenden Dornbttumen der ziemlich steilen Ufer (Peterm. 
Mitt. 1871, 256) Auch E. Mohr (a. a. O. I. 102) bemerkt, dass, wo das Wildebeest- 
Gras, das zwischen den Fingern gerieben aromatisch riecht, wächst, Rinder be- 
sonders gern weiden. 

Wegen der Tsetse fehlt im ganzen Zarabesi-Tal das Rind (Spillmann 319), 
auch an der Mündung bei Quilimane (Journal Geogr. Soc. London 1849, 2). 

Bei den Kaffern, die außer Rindern auch Schafe und Ziegen züchten (Geogr. 
Proceedings 1884, 13) scheint in letzter Zeit die Zucht der ersten gegen die 
der zweiten zurückzutreten (v. Weber 11. 139). Es gilt bei ihnen als ein Zeichen 
außergewöhnlicher Reinlichkeit, sich die Hände mit Kuhmist zu waschen (Journal 
Geogr. Soc. London 1835, 330). Der Kaller melkt morgens die Kühe, dor älteste 
Sohn treibt sie auf die Weide (Jahresbericht d. Vor. f. Erdk. Dresden 1879, 141). 
Die vielen Ochsen, auf denen sie am Marika reiten, gehören zu der kleinen 
Kasse (Spillmaun 101). Solche Reitrinder kann man einen primitiven Einspänner 
nennen, der außer einigem Gepäck auch die Person trägt, während die höhere 
Gattung des Post- und Reisewagcns durch den schweren Ochsenwagen vertreten 
ist (Peterm. Mitt. 1872, 5). 

Das aus Portugal eingeführte Rind hat sieh zu einer besondem Art Kaffern- 
rind ausgebildet (Wangemann, Südafrika 46). Nur zuweilen schlachtet der Kaff er 
ein Rind, er selber melkt und hütet es, und Frauen dürfen nicht einmal den 
Viehkraal betreten. Einige Ochsen richtet er zu Rennochsen ab, deren Wett- 
rennen den Schluss jeder größern Hochzeit bildet (Zeitschr. f. Ethn. 1882, [203|; 
Waitz II. 382, 383, 386, 399). Er treibt aus nationaler Liebhaberei die Rinder- 
zucht. Während die Weißen dort nur 145.000 besitzen, haben jene 254.000 
(Ausland 1882, 984). Ein Kaffer aus dem Bassutolande behauptete, dass jeder 
Ochse genau seinen Namen kennte, und der Autor der Deutschen Geogr. 
Blätter 1884, Seite 40, Iässt ihm „gern die Intelligenz des ungeschlachten Schutz- 
befohlenen." 

In Umzila8 Reich werden am Manjobo-River Rinder in jedem Kraal ge- 
sehen (Journal Geogr. Soc. London 1875, 69), am Sabi werden die des Herrschers 
durch besondere Distriktswäehter beaufsichtigt (Geogr. Proceedings 1883, 273). 
Westlich von Umzilas-Kraal in der wirklich schönen Gegen«!, wo Manch 
die „Ruinen von Zimbahye" entdeckte, gedeihen diese Tiere sehr gut (Peterm. 
Mitt. 1872, 124). 

Bei den nach bestimmten Zeiträumen stattfindenden Opfern auf dem Berge 
außerhalb der Ringmauer werden vom „Hohenpriester 1 ' zwei junge Ochsen und 
eine Kuh, alle schwarz und fehlerlos, geopfert. Die Kuh wird auf einen Scheiter- 
haufen gelegt und lebendig verbrannt, der eine Ochse geschlachtet und an Ort 
und Stelle verzehrt, der andere wird den Berg hinabgeführt, dort getödtet und 
sein Fleisch den Dieben und Aasgeiern überlassen (Peterm. Erg. 37, 50). Manch 



schenkt, das dreijährig, vollkommen schwarz mit Ausnahme eines weißen Sterns 
der kleinen Rasse angehörte. Um ein Rind zu tödten, wirft man ihm einen 
Speer in die Weichen. Das Tier wird schwach und legt sich nieder. Jetzt 
hält man es fest, die Kehle wird durchgeschnitten und das Blut wird in einer 
Schüssel aufgefangen (a. a. O. 34). An den dort landesüblichen Ochsenwagen 
werden 12 oder 16 Tiere gespannt (desgl. 6). 



Geogr. Blätter 1884, 50). 




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182 



Ui* Verbreitung des Hausrinde« in 6ad»frik*. 



Wie die Hirtenstämiue im Umzila-Reich, so sind auch die des Gasa-Landes 
im Beßitz großer Rinderherden (Deutsche Rundschau f. Geogr. u. Stat. 1884, 2G2). 
Der Kraal Tschama liegt für deren Zucht sehr günstig, an dem Bergabhange 
allein weiden gegen 1000 (Geogr. Proceedings 1878, 130). 

Das Sulurind ist klein aber ausdauernd (Petenn. Mitt. 1855, 290, 281), 
seine Zahl steigt jährlich, man kann die Ausfuhr auf 6—8000 im Jahre veran- 
schlagen. Abends werden die Tiere regelmäßig in den Kraal getrieben. Das 
Gras scheint für sie genügende Nahrungsstoffe zu enthalten, denn sie werden 
dabei recht fett. Butter produciert man in ziemlich großen Quantitäten, doch ist 
das »Salz zu schlecht, als däss sie sich auf die Daner hielte (Peterm. Erg. 24, 3). 
Der Despot Tschaka ließ beim Tode seiner Mutter Mnante Uber 100 Rinder 
opfern und damit die Krieger, die am Grabe Wache gehalten, bewirteu. Mit 
Keulenstock und Speer bewaffnet ziehen die Sulu aus, ihre „lebendigen Perlen" 
zu hüten (Kranz, Naturleben der Zulu 57, 80). Dies Rind unterscheidet sich 
von den großknnchigcu, mit hohen Beinen versehenen Tieren der übrigen süd- 
afrikanischen Völkerschaften durch den mehr antilopeuartigeu Bau, durch ge- 
ringe Größe (etwas über V/ 2 Meter), und durch feine kleine Hörner, und doch 
besitzt es große Arbeitskraft und Ausdauer (a. a. O. 184). 

Dies Sulurind ist auch in Natal einheimisch. Nach den genauen Forschungen 
Henry Brooks (Natal 284) treten drei verschiedene Varietäten auf: 1. das große 
afrikanische Rind, das wahrscheinlich von dem einst von den Hottentotten aus 
Norden mitgebrachten abstammt, leichten Körper, lange Beine und enorme Höruer 
hat, 2. das obenerwähnte in den von Sulustämmen bewohnten Distrikten und 
3. das vaterländische, welches abstammt von jenen, die einst die Holländer ein- 
führten. Ks ist schwer von Körper und trägt kurze Hörner. Aus Kreuzung 
der beiden ersten erhält man den Bastard-Sulu, der zum Reisen und Ziehen 
allen andern vorgezogen wird. Im Jahre 1853 betrug die Zahl der Rinder 120.000 
(Petenn. Mitt. 1855, 281, in 1855 dagegen »5.953 (Zeitschr. f. allg. Erdk. N. 
F. VII. 35). in 1860 aber 172.291 (a. a, 0. XIV. 366), von denen '41.050 ex- 
portiert werden. Nach Brooks (285) gehörten 1873 den Weißen 111.000, den 
Eingebornen 357.000. Sobald sie aus dem Freistaat, Transvaal, Griqualand 
und Kap in das tiefer gelegene Natal oder Sulu kommen, erliegen sie oft der 
Redwnter-Epidemie; die gesund gebliebenen heißen „salted oxen" und werden 
in Natal das Stück mit bis zu 380 Mark bezahlt (Weber II. 59). 

Im Kaplande treten jetzt die verschiedensten Varietäten und Kreuzungen 
auf. 1855 zählte man 157.152 Ochsen und 291.234 Kühe (Zeitschr. £ allg. 
Erdk. N. F. VII. 35), 1865 schon 249.307 Zugochsen und 443.207 andere Rinder 
(Peterm. Mitt. 1868, IG). Der Export sank von 64.859 im Jahre 1858 auf 
37.362 im Jahre 1860 (Zeitschr. a. a. O. XIV. 366}. In den letzten zwei De- 
eennien ist sowol die Gesammtzahl als auch der Export in stetem Steigen be- 

friffen. Trotz der großen Menge ist aber das Rind doch theuer. In der Kapstadt 
ostet ein Ochsenwagen je nach der Ausstattung 1900 - 4000 Mark, jeder Ochse 
dazu 100—160 Mark : und je weiter in das Innere hinein, um so höher stellt sich 
der Preis für den Wagen. Bei den Boeren kostet ein nichtmehr ganz neuer 
schon 5000 Mark. Die monatlichen Unkosten für den Ochsentreiber belaufen 
sich auf 60 — 80 Mark, die des Ochsenjungen, der dem ersten Ochsen vorangeht, 
auf 20 Mark (Deutsche Geogr. Blätter 1884, 38). 

Namen des Rindes in Afrika. 

Die nachstehende Sammlung afrikanischer Rindernamen entstand während 
des Lesens der augeführten Werke. Sie wurde geordnet nach Fr. Müllers all- 
gemeiner Ethnographie. Die Zahl hinter jedem Sprachen- oder Völkernainen 
bezieht sich auf die Seite des kürzlich erschieneneu Werkes von Rob. Needham 
Cust. A sketch of the Modern Languages of Afrika. 

Arabisch. Minutoli 314 Kuh: bakara; Ochs: taur. Heuglin 132 Ochs: tor? 

Kalb: igel; Kuh: bager. Socotra 85. Journal V. 223 „cows or bullocks: 

elhettefn." 
Gi:«.«». 88. Heuglin 133 Ochs: lahem. 



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Die Verbreitung des Hausrindes in Südafrika. 183 

Tigre. 89. Heuglin, Reise nach Abess. 227 Ochs: berai; wot; Stier: kornia. 

Reisen in O-Afr. 133. Kuh: lami; Kalb: wogefan farren. Zeitschr. f. Ethn. 

VI. 330 Kuh: wod (Plur.: aha); Stier: wuchur; Kalb: ejal. 
Amharna. 88. Heuglin, Abess. 227 Rind, kabt; Ochs: berjeh; Kuh: laui. Heugl. 

O.-Afr. 133 Ochs: berie; Kalb: tedSa enbasa. Zeitschr. a. a. O. Ochs: 

berie; Kuh: lain. 

Harari. 90. Burton, first footsteps in K. Afr. Ochs: barä; Kuh: lam ; Kalb: 

ra has; Rind: dinat. 
Ägypter: Rind: thor. Zigeuner in Äg. Pcterm. Mitt. 1862, 43 Kuh: niub- 

gärsche; Ochs: inutwärresch. 
Adims (Ghadames). 112. Journal Asiatic Soc. III. 118. Stier: abaroed; Kuh: 

thabarect: Rind: ladjallirb. 
Sokna. 112. Lyon, Central- Afr. 135. Rind: lebgnrr. 

Hausa. 249. Harth, Voc. 3, 186. u. Journal XI., 154. Rind: sa (Flur.: Sano er- 
innert an Galla: za, zani); Stier: badzini; Lasttier: takdrkorkerai) ; Last- 
ochs der Kuri: takerkeri n kuri; verschnitten: furtumi. Kuh: sauia (Plur: 
Sano); Milchkuh: sania da akatusa; raännl. Kalb: karsana; weibliches: 
mareki. 

Kanuri. 258. Barth Voc. 3, 180. Rind: fe, pe, pe inadara mit kleinen Hörnern, 
kuri, abori mit langen Hörnern; Bulle: fe koa-ngä, kanlamo, mbelan, ka- 
niamo butsiri; gewöhnl. Laststier: kanemo, kamamo; jung verschnitten: 
figoanli; Laststier der Kuri: kuri (ohne Fettbuckel); verschnitt. Stier: ka- 
nemo; Kuh: fe kaino, kenage (eigentl. die braune); männl. Kalb: dalo, 
weibl. kirna; niilchgebende Kuh: fe mädara-be. — Nachtigal, Sahara und 
Sudan 1, 673. Schlaehtrind; fe debäteram; Milchkuh: fe keuära oder fe 
inädaräbe; Zuchtstier: bulann, galann; verschnitten: ngordi. — Lyon, travels 
in N. Afr. 123. Kuh: fai. 

Gam-orghu. 264. Barths Reise III., 210. Kuh: tha. 

B u d d u m a. 264. Barth a. a. O. Kuh : tha. 

Afade. Barth a. a. 0. Kuh: tha. 

Marghi. 263. desgl. Kuh: tha. 

Mussgu, 267. desgl. Rind: sei; Kuh: sei meni. 

Battn. 260. desgl. Kuh: nake, nakei (aus Fulfulbe). 

Teda. 253. Nachtigal L, Rind: 417. für. Barth Voc. 3, 186. Rind: rar; for; Stier; 
für domär im Norden, dor im Süden; Kuh: for (Süd), furä (Nord): 
Kalb: deriui. 

Logone. 266. Barths Reise III., 210, Voc. 3, 186. Rind: ntha; gewöhnl. Last- 
tier: dur-mi; Lasttier der Kuri: dökume kuri; verschnitten: ntha apea 
riimniia ; Kuh : ntha genin ; Kalb männl. dalo, weibl. rözum. 

Wandala. 263. Barths Voc. 3, 186. Rind: tha; gewöhnl. Laststier: kaue; Last- 
tier der Kuri: barea koyama; Kuh: inuksa tha; männl. Kalb: dalo; weibl. 
tnuksa (e)l dalo. 

Kederu. 281. Wilson and Felkin I., 351. Kuh: isah; Ochs: dangono. 

Kavirondo. 284. Journal XL., 308; New, life in Eastern Afr. 524. Rind: 
ngishu; Kuh: diung; Milch:, chak. 

Bagriuima. 266. Barths Voc. 3, 186. Rind: mango (eng an Für: mundzo); 
gewöhnl. Laststier: maftg digi-n-äle; Laststier der Kuri: mang kuri; Kuh: 
inang-ne; männl. Kalb: on manga; weibl.' kirna. 

Maba. 270. Barth a. a. O. Rind: dek (Plur.: daye); Stier: mar; gewöhnl. Last- 
stier: dek (Burkhardt: daüg, Plur: daa-y): Lasttier der Kuri: dek kurik 
(Plur.: daye kauari); Kuh: dek modium ; männl. Kalb: da-n kaläk; weibl. 
tremba. 

Schilluk. 275. Peterm. Erg. 72,68. Rind: didug; Stier: tuonn; Kalb: nidiang. 
Schul i. 283. Baker, Ismailia IL, 528. Kuh: deang; Stitr: tu -an; Milch: chak. — 

Zeitschr. f. Ethn. XIV. 157. Kuh: deang; Stier: tuonn; Kalb: njatinu ddang. 
Lur. 282. Zeitschr. a. a. 0. Kuh: deang; Stier: tuonn, tuonndeang; Kalb, uja- 

tiun (sie) deang. 

Mundo. 281. Marno Reise: Stier: muni ; Kuh: iti; Kalb: ianga; Milch: le. — 
Long, Ceutral-Afrika 329. Rind: iti. 



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184 Die Verbreitung Aw Hausriiide« in Süflafrika. 

Muro. 278. Long a. a. 0. Rind: iti. 

Mittu. 280. Schweinfurt, im Herzen v. Afr. II., 525. Rind: ehssah. 

Dinka. 276. Lepsius, nub. Gramm. Kuh: ghuen. — Kaufmann, Gebiet des 
Weise. Nil 95. Kühe: ghok. — Schweinfurth a. a. O. Rind: vehng; Stier: 
toun; Kuh: nguht. — Peterm. a. a. O. Rind mit abwärts gebogenen Hörnern: 
magc'hr; scheckiges: nantdhm; hornloses: aä6t; gelbbraunes: allcll; isabell- 
farbiges: raayouien; gestreiftes: riang; schwarzes: attuohl. 

Djur. 275. Schweinfurth a. a. O. Rind: djang. 

Bougo. 279. Schweinfurth a. a. O. Rind: scha. — Peterm. a. a. O. 13. Kuh: 

8a; Stier: boddasa; Kalb: giSa, 
Golo. 154. Peterm. a. a. 0. 08. Kuh: raoddö; Stier: kmiSe moddo; Kalb: mise. 

Schweinfnrth a. a. O. Rind: moddoh. 
Kredj. 154. Schweinfurth a. a. O. Rind: modoh. Peterm. a. a. O. 57. Kuh: 

endeiuodo; Stier: modo; Kalb: iittimodo. 
Monbutu. 156. Long, C.-Afr. 329. Kuh: nirch. 

Bari. 278. Lopsius, nub. Gramm. Rind: kiteng. — Marno, Reise. Rind: le. — 
Baker, Isinailia 2, 528. Milch: le, Kuh: kitang: Stier: moni. — Müller, 
Sprache der Bari 34. Kalb: tagwok; Kuh: kiten; Ochs: dwet. 

Neger am Jeji bei Gondokoro. Peterm. Krg. 11, 124. Kuh: a-ti, teng; 
große Kuh: ranga; Ochs: dango. 

Goubba. Bulletin de la Soc. de Geogr. Paris IX. 1865, 247. Rind: (isso); Kuh: 
mouya. 

Muro. 278. Long a. a. O. Kuh: iti. 
Kiyah. Long n. a. O. Kuh: iti. 

Abaker. Long a. a. (). Kuh: iti. — Marno, Reise Kuh: iti; Stier: moni ; Milch: le. 
A I) u - k e i a. Marno. Kuh : iti ; M ilch : le. 
Kashuc. Daselbst. Rind: nagga. 

A u el i in m i d e n. 110. Barths Reise V. G83. Gebs: assnn ; Kuh: tass: gemästete 

Kuh: tamsak: Lastoehs: audiss ; junger Ochs : amäkc; Kalb: essek, tdiedel, 

aloki, abarnan, ilingcia. 
To-Bedauie. 126. Mitt. d. V. f. Erdk. Halle 1879, 54. Kuh: schab. 

Peterm. Erg. 13, 10. Stier: o'jo: Kuh: o'scha. 
Saho. 128. Zeitschr. f. Ethn. VI. 330 Stier: aür; Kalb: ruga (Plnr.: n>guge) ; 

Ochs: becri; Kuh: la. 
Irob-Saho in Abessinien. 130. Sitzungsberichte der Wien! Acad. B. 90, 113. 

Kuh : saga. 

Belen. Peterm. Erg. 13, 11. Kuh: lui (Plur.: woss); Stier: bire. — Heuglin, 
Reise 133. Ochs: bile. — Zeitschr. f. Ethn. VI., 330. Ochs: bir<5; Kuh: lui. 
Barea. 137. Peterm. Erg. 13, 11. Kuh: ar; Stier: bero. 
Bazen. 135. daselbst. Kuh: eira; Stier: buta. 

Galla. 122. Heuglin a. n. O. 133. Ochs: kotijo; Kuh: säa. Barth Voc. 3, 186: 
Ilausa sa erinnert an Galla zä, zani. — Bombay Geogr. Soc. VI., Kuh: 
la, worn; Kalb: julbeea; Ochs: lee, mee, cha. — New, lifo in E. Afr. 521. 
Kuh: lawon; Milch: anan. — Süd-Galla. Zoitsehr. f. Ethn. 1878, 142 
Rind : ngombe, loni, lawoni, lauvori, loiga. 

Lattuka. 285. Zeitachr. f. Ethn. XIV., 157. Kuh: näteng; OcIir: attamod: Stier: 
abbosuk attämod ; Kalb: attan. 

Afer. 127. Zeitachr. f. Ethn. VI., 330. Kuh: zegga (Plnr.: Iii); Stier: Sur; Kalb: 
ruga (Plur: rogugö). 

Somali. 121. Heuglin 133. Ochs: dibi; Kuh: lo. — Zeitschr. daselbst. Kalb: 
ruga. — Bombay Geogr. Soc. VI., Soomallie. Kuh: lo, yah; Kalb: wai, 
lo, yah: Ochs: dee, mee. Sooallie. Kuh: gnom, bai; Kalb: n damar: 
Ochs: fat, hal, lie. 

Siwah. 116. Minutoli 314. Kuh: tesumest; Ochs: sounes. — Hornemann, Tage- 
buch 221. Kuh: flunest. 
Schilha. 113. daselbst. Kuh: tefnast, taphonest. 

G uanchen. 115. Journal XI., 177. Milch: ano auf Gomera: a ehernen. 
Fulfnlbe. 15«. Barths Reise III., 210 und Voc. III., 186. Rind: kalhälde (Plur.: 
katliälli); Stier: negge (Plur: nei, nai), gari, garwäri: gewöhnl. Laststier: 



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Die Verbreitung des Haturindes in Südafrika. 185 

dandi (Plur: dali); verschnitten: büdzeri, tafandi; Kuh: negge (Plur. : 
nai): Milchkuh: negge biretenge; männl. Kalb: bi'gel (Plur. : bidzi), wcibl.: 
nellahül. 

Kenu»i. Zeitschr. f. allg. Erdk. N. F. XVII., Taf. 3. Stier: gurkt, tubrogi; 
Kuh: ti, ti-tschigi, tigi, tyg: Kalb: doirki. 

Nuba. 143, 146. Lepsius, nub. Gramm. 316. Rind: gur; Stier: gurn-ondi ; Kalb: 
gur tod. — Lepsius das. 396. LXXVII., und Petenn. Erg. 13, 11: ti 
(Rind). — Zeitschr. a. a. O. „(Noby): ittiga, ittyga (beide Kuh); Nuba: 
tyga (Kuh); gorondiga (Stier): Nobaui: tee (Kuh); terre, teeber (Stier). 41 — 
Journal IX., 191. Jcbel Nuba: ti (Kuh) — Lepsius LXXVII., Gebel Kol- 
dagi, Kulfan: eh, teh (Kuh), Gebal Kargo: ti (Kuh) — Lepsius 316. Oigob: 
en gidin (Kuh); tep (? Milch). 

Berber. 143. Zeitschr. daselbst u. Barth Voc. III., 186. Rind: tiga. — Heu- 
glin 133. Ochs: gurki; Kuh: ti-keri. — Journal XL, 177. »Berber or Shuluh 
milk: acho." 

Dongolavi. Lepsius: ti (Kuh). Zeitschr. a. a. O. Stier: tiga; Kuh: tig. Barth 

Voc. III., 186. tig (Rind). 
Tegel e. Petcrm. a. a. O. Kuh: ra; Stier: argas. 

For. 149. Peterm. a. a. O. und Wilson and Fclkin I., 351. Kuh: u (Plur.: ku); 

Stier: nong; Ochs: nu. 
Tabi. 153. Marno 481. Rind: tarn. 

Fungi. 153. daselbst. Rind: üb. Bulletin de la Soc. de Geogr. Paris. IX., 1865, 

247. Rind: nareh; Kuh; ip. 
• B er tat. 152. Marno 481. Rind: dagn. 

Massai. 151. New, life in Eastern Afr. 524. Kuh: engishu; Milch: chak. Geogr. 

Proceedings 1883, 534. Ochs: engiteng: Stier: otengitlng ollewa; Kuh: 

emong'o; Kalb: olahe. 
Dschalonki. Mage, Soudan occidental 684. Rind: ninguena. 
Bonny. 220. Köler einige Notizen über Bonny. 32. Rind: natnbullo. 
Djuku. 232. Mitt. d. Geogr. Ges. Hamburg H. 2, 324. Kuh: ana. 
Mandingo. 179. Mungo-Park 425. Kuh: nessec-moossa ; Berghaus Hertha XIV., 

523. Ochs: nisi. Kuh: imi muso. 
Vahie. 186 Stier: ni gai ma, ni. Kuh: ni mu su ma. 

Sonrhay. 248. Barth Vocabular. 3, 186. Rind: hau (Plur. : hau-ö) ; Stier: yäro; 
gewohnl. Lasttier: yegi, yegi karo; verschnitten: däsu; Kuh: hau wai: 
Milchkuh: hau wäri; Kalb, männl. hau iddze san hende. Berghaus a. a. <). 
hau (hou) Ochs. Journal XL, 154. Ochs: sa; Lastochs: tummu in Tim- 
buktu. — Eraghedesie. Journal XXL, 169. Kalb, weiblich: tarut; mann- 
liches: am; Ochs: haui; Kuh: r'oi; Lastochs: as'agen. In Agades Ochs: hau. 

Lobore. Baker a. a. O. Kuh: ti; Stier: moni ko; Miloh: le. 

Niam-Niam. 155. Long a. a. O. Kuh: nito. — Peterm. Mitt. 1868.418. Ochs: 
aiti. — Marno 147. Kuh: ati. — Schweinfurth a. a. O. Rind: hitti. 

Sand eh. 155. Peterm. Erg. 72, 44. Rind: hitti. 

Madi. 283. Wilson and Fclkin I., 351. Kuh: isah; Ochs: dangwo. — Zeitschr. 

f. Ethn. XIV., 157. Stier: mü ngo; Kuh: ti urä; Kalb: kadsao. 
Kikanda. 374. Zeitschr. f. Ethn. 1879, 262: Wilson and Fclkin L, 151. Kuh: 

nte ; Ochs: nte numeh, Kalb: ujanna. — Zeitschr. a. a. O. XII., 339. Milch: 

matta. 

Kinyoro. 376. Zeitschr. a. a. O. Kuh: nte; Ochs: nommi; Kalb: njäuna. 

Kirua. 371. Cameron, across Afr. IL, 349. Ochs: ngombe. 

Unyoro. 368, 376. Baker, Ismailia IL, 528. Kuh: inte; Milch: amatäi. 

U g u n d a. Long a. a. O. Rind : mitte. 

Sesuto. 305. Ausland 1871, 605. Rind: khonio. 

Sechlapi. daselbst Rind: kchomut. 

T e k e z a. daselbst. Rind : omo. 

Kihiau. daselbst. Rind: n-gombe. 

Kisambala. 353. daselbst Rind: n-gombe. 

Sindonga. daselbst Rind: on-gombe. 

Nano. daselbst Rind: on-gombe. - Chapman, travels IL, 478: on-kombe. 

Xdttcr'« Zeitschrift. V. Bd. J4 



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186 Die Ve.-h.-eituri» d,i» HU i<riu U*» in 8iUfrika. 

Kimbundo. 391. L. Magyar I., 443. Och«: ongombe; junge Kuh: uema. 

Lux, von Loanda nach Kimbundo 11*2. Bunda. Kuh: ngombi: Ochs: 
gombe. — Capello and Ivens II., 304. N'Bunda. Stier: in >na ia-n'g >:nb ■ ; 
Och« n 'gombe: Kalb: n'bfdo. — Capello und Ivens II., 304. Bailunda. 
Kuh: maujangombe; Ochs: gombe; Stier: sobbe. 

Makalolo. 3*9. Holub, Culturskizze 201. Rind: khomo; Stier: poho ; Kuh: 

khomoeno mohai'i, kliom icsischari ; Kalb: nummi; Ochs: pulu. 
Matonga. daselbst. Kuh: moemba, lekokani. 

Manansa. daselbst. Rind: makurab?; Stier: nombj; Kuh: morabekazi, kon- 

zanatukanana; Kalb: konzanatukanana. 
Otjiherero. Journal XXV., 96. Rind: onjanda; Kuh: onkompe, outhindu; 

Ochs : onkompontuombe. 
Duma. 308. Chapman, travels II., 478. Rind: onkosnbe (Plur. : ozoukombe) . 
Her er o. 300. Ausland 1883, 834. braunes Rind: ozo-saona; gesprenkeltes: 

o/.ombiriona; ozondyaudye; bläuliches: indovazu; hornloses: ozohungu; 

fahles: ozondumbu; rotbraunes; imbaoe, ihako; brannbunlo*: ingange. — 

daselbst 400. Rind: ozongombe. — Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. XVI., 12. 

Rind: ongonibc (Plur.: ozongombo). 

Q uioco. 397. Capello and Ivens IL, 304. Rind: n'goinbe 
Lunda. 301). daselbst. Rind: n'goinbe. 

Kat'ir. 208. Müller, nllg. Ethn. 107. Kuh: in-konio (Plur.: izinkomo). — 
2. .lahresbericht d. Ver. f. Geogr. Hamburg 227. Kuh: komazi. — Aus- 
land 1871, 605. Rind: in-komo, ima/.i, in-koin-azi. 

Sulu. 200. Zeitschr. f. Ethn. XII., 339. Milch: maazi, maaza (saure). 

Sotho. Zeitschr. f. Ethn. VL, 50. Rind: kehomo. 

Chy Ii m an sc. 334. Journal XXV., Ol». Rind: ngoinbe. 

Suaheli. 345. Sibree, the great isl. Madagascar 150. Kind: ngoinbe. — Zeitwehr, 
d. Ges. f. Erdk. XV., 260. Rind: gnöinbe; dieselbe Bezeichnung in New 
a. a. O. 524 und Journal XL., 311. 

Kiueka. 325. New a. a. O. Kuh: guoinbe. 

Kitaita. 350. New a. a. O. Journal a. a. O. Rind: gnömbe. 

Kinyikn. 355. — Kikamba. 359. — Ki Dhaieho daselbst Rind: gnombe. 

Kichaga. daselbst. Kuh: nibe. 

Kipokomo. 336. daselbst. Kuh: gnombe; Milch: maziwa. 
Moluwa. 389. Peterm. Mitt. 1860, 235. Rind: nonibe. 
Ka-lobar. 392. daselbst. Rind: goombe. 

Bayeye 310. Journal XXV., 96. Rind: daahangave vunume? Kuh: enkaze. 
Oehs: oporo. — Ausland 1871, 1505: n-kombe. 

Massongo. 396. Capello u. Ivens IL, 304. Kuh: ngonibe; Ochs: goinbe; Stier: 
eapalo. 

Madagaskar. 338. Sibree a. a. O. 156. der Zebu: omby, ömb^. Zeitschr. d. 
Ges. f. Erdk. XV., 263, 266, 280. Nord-Madagascar Rind: aonbö, Rinder: 
nfiombe. 

Komoren. 339. Zeitschr. f. Ethn. 1876, OL Kuh: nyoinbe. Zeitschr. a. a. O. 
1876, 44, auf Johanna Kuh: n'vonibe: Stier: gonzo; Kuhkalb: manabüra: 
Stierkalb: iuana gönza; halberwachsene Kuh: n'tzaraba; Ochs: fülle. 

Hottentotten. Kuh : gös, goosa. 



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Die geographischen Anschauungen einiger Chronisten des 

XI. und XII. Jahrhunderts. 
Von Dr. Dietrich. 
(Schluss.) 

Wir kommen nun zu den an der Nord- und Ostsee gelegenen Ländern. 
Wenn wir, wie bisher, auch hier im Westen beginnen, so muss Sachsen den 
Anfang der Schilderung machen. Über dieses Land kann uns natürlich Adam 
vorzügliche Auskunft geben. Es bildet einen bedeutenden Teil Deutschlands, 
ist doppelt so breit und ungefähr ebenso lang als Franken. Der Gestalt nach 
bildet es ein Dreieck; 1 ) der eine Winkel liegt im Süden gegen den Rhein hin, 
der zweite beginnt an der See bei der Landschaft Hadeln; 1 ) der eine Schenkel 
dieses Winkels geht an der Elbe entlang nach Osten bis zur Saale, und hier 
ist der dritte Winkel. Die Entfernung von Winkel zu Winkel soll je acht Tage- 
reisen betragen. Wenn nun Adam hinzufügt, ausgeschlossen hiervon seien die 
jenseits der Elbe gelegenen, von den Sorben bewohnten Gebiete, so irrt er sich, 
wenn er sie zu Sachsen rechnet. Dieses Land nun ist bis auf einige Hügel eben, 
es bringt so ziemlich alles hervor, nur keinen Wein, dafür aber hat es frucht- 
bare Äcker, ausgedehnte Wiesen und Walder, besonders an der Saale, am 
Rhein und auf der sächsisch-thüringischen Grenze; doch nach Friesland hin ist 
es sumpfig, und nahe der Elbe gibt es auch düre Strecken. Das Volk selbst 
ist zahlreich und waffenkundig. Viele Flüsse 4 ) bewässern das Land. Von den 
wichtigeren Flüssen ist die Elbe der größte, deren Quelle jenseits Böhmens sein 
soll. 8 ) sie trennt auf ihrem Mittellaufe die Slaven und Sachsen') und geht nicht 
weit von Haniburg ins Meer. In der Nähe von Magdeburg mündet in sie «als 
zweiter bedeutender Fluss die Saale. Dann ist die Weser zu nennen; diese und 
die Saale entspringen in Thüringen; die Weser strömt mitten durch Sachsen 
und mündet in der Nähe von Fricsland ins Meer. Der vierte Fluss Sachsens 
ist die Ems, die die Westfalen von den andern Bewohnern Sachsens trennt; 
sie entspringt auf dem Teutoburger Walde 7 ) und geht mitten durch Friesland. 
Das Volk der Sachsen, so schließt Otto aus Orosius und Gregor von Tours, 
hat zuerst am Rhein gewohnt; von hier aus habe ein Teil derselben Britannien 
den Römern entrissen, der andre Thüringen erobert Die transalbianischen, also 
die nördlich der Elbe wohnenden Sachsen teilen sich in drei Gruppen: die 
Ditmarschen, 8 ) die Holsaten, 9 ) so benannt von den Wäldern, an denen sie 
wohnen, ,0 ) durch deren Gebiet die Stör (Sturia) fließt, endlich die südlichsten 
und zugleich die bedeutendsten von ihnen, die Sturmaren, so genannt von den 
vielen durch sie erregten Aufständen (Stürmen} ; ihr Gebiet grenzt an die Elbe. 
Hieran schließt sich der limes Saxoniae, der die nordelbischen Sachsen von den 
Slaven trennt und bis zur Ostsee geht. 11 ) 

') Aber ein sehr unvollkommenes ! 
2 ) Hadelohe. 

») Doch wohl die Lüneburg« Haide. 
«) Adam I. 2. 

*j Eh.: cuiit* ortum ferunt trana Bohemiam. Vgl. dasu II 19. Oddara dornen oritur in pro- 
fundissimo saltu Marahorum *als<> Mähreu i, tibi et Albia noater prindpiuna sotitar. 
•) Vgl. II 19: medio cursu pnganos dirimit a Saxonia. 
') Eb. I 2: in saltu Patherburnensi. 

•*) Adam III 5: Tedmargoi, sie sind die nördlichsten der 8 Stämme. 
«) Holsetae, südöstlich von jenen. 

Adam dachte bei dieser Ableitung doch sicherlich an Hol«! Von diesem Volksstamm weiß 
Arnold II 13 sehr Schlechtes zu berichten, derselbe ist ohne jede« Mitleid und vergießt mit wahrer 
Wollust Menschenblut. 

") Adam n 15 b. 



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188 Di© geographische!! Auschaiuugen ^iingwr Chronisten de« XI. und XII. Jahrhunderts. 



Von hier weithin nach Osten erstreckt sich «las Land der Slaven = Scla- 
vania, worüber uns Adam 11 18 und Ii) ausführlichere Kunde gibt. Slavanien, 
die ausgedehnteste Provinz Deutschlands, wird von den Wenden ') bewohnt, die 
einst den Namen Wandalen (!) a ) führten. Es soll zehnmal grölier als Sachsen 
sein, besonders wenn man die Böhmen und die Polen jenseits der Oder, die 
von jenen weder an Sprache noch au Tracht verschieden sind,* 1 ) hinzurechnet. 
Das Land aber ist volkreich, waffenkundig und fruchtbar, feste Wald- und 
Flussgrenzen schließen es ein. Seine Breite reicht von Süden nach Norden, von 
der Elbe bis zur Ostsee, die Länge aber, die an den Grenzen der Hamburger 
Parochie beginnt, scheint sich weit nach Osten hin zu strecken, durch un- 
endliche Bäume bis nach Bulgarien, Ungarn und Griechenland. 

Zahlreich sind die Völker der Slaven, die ersten von ihnen im Westen, 
die Grenznachbarn der transalbianischen Sachsen, sind die Wagrier, 1 ) deren 
Hauptstadt Oldenburg an der Ostsee ist. 5 ) Dann folgen die Obotriten, die zu 
Adams Zeiten auch Bereger hieüen,*) ihre Hauptstadt ist Meklcnburg ; ') danu 
wohnen nach Sachsen zu die Polabinger, deren Hauptstadt Razeburg ist. Hinter 
jenen, nach Osten zu, 10 ) die Chizziner") und Oircipancr bis zur Peene, ,J ) an der 

•) Wtmili. 

*) Man sieht, auch Adam leistet in der Etymologie ganz Ungeheuerliche* ; auch er vej- 
mochte »ich eben nicht von den geltenden kindlichen Anschauungen loszumachen. 
*) Helmold I ! berichtet dies fälschlich von den Ungarn. 

*) Dazwischen liegt allerdings noch der limes Saxouiac, wie wir oben gesehen ; Adam «her- 
gebt ihn hier. Zu der folgenden {Schilderung de» Slavenlandcs vgl. v. Spruncr-Mcnke Karte 37. 

*) Helinold I 12 berichtot uns noch mehr von dieser Stadt ; Aldenburg wird sie genannt, 
d. h. auf slavisch Stargard, d. i. Altstadt Sie liegt im Gebiete der Wagner, am Westgestade der 
Ostsee, und hier ist die Grenze Klaviens, Diese Stadt und die dazu gehörige Provinz wurde einst 
von den tapfersten Männern bewohnt, denn es war gleichsam ein vorgeschobener Posten der Slaven 
gegen die Dänen und Sachsen, und so mussten die Bewohner dorsclbcn steU kriegsbereit sein, sei 
es zum Angriff, sei es zur Abwehr. 

Nicht weit südlich davon liegt Lübeck, das Ilclmold I 53 erwähnt und dessen Gründung er 
I .VJ erzählt. Graf Adolf (II. vi.n Holstein) kam au einen Ort, der Buch hieß und liier fand er den 
Wall einer verlassenen Stadt und eine geräumige Halbinsel, die von zwei Flüssen umflossen war, 
nämlich von der Trave und der Wackenitz; die Ufer waren suinprig uud unwegsam. Da, wo die 
Halbinsel durch eine Landzunge mit dem Fostlaude verbnuden ist, lag ein kleiuer Hügel, durch 
dessen Verschauzung die Halbinsel leicht unzugänglich zu machen war. Der Graf erkannte die 
strategische Bedeutung dieses Ortes und die vorzügliche Lage des Hafens und baute hier (1143) 
eiue Stadt, dio er Lubeke (das heutige Lübeck) nannte, weil sie nicht weit entfernt war von dein 
alten Hafen und der alten Stadt, die hier Fürst Heinrich einst gegründet. Doch im Jahre 1 157 
brannte (Helinold I 85) die Stadt nieder. Man wandte sich an Heinrich deu Löwen und bat um 
das Marktrecht. Heinrich ging darauf ein, doch wollte ihm Adolf den Hafen und die Insel Lüheck 
nicht überlassen. Da haute der Herzog eine neue Stadt au der Wackenitz nicht weit von Lübeck 
im Gebiete von Kaceburg uud nannte «ie nach seinem Namen Löwenstadt. Dnh der Ort gedieh 
nicht, denn nur kleine Schiffe kounten dorthin gelangen. Durch neue Verhandlungen aber gewauu 
der Löwe den Grafen Adolf, dieser trat Insel- und Stadtgebiet ab, uud so blühte nun dort eiue 
neue Stadt glänzend auf, die später das Haupt der mächtigen Hansa werden sollte. 

Was den Namen Lübeck anbetrifft, so erklärt man ihn folgendermaßen (Daniel IV 613 1 : 1) 
König Liuby baut die Stadt 2) nach einem klugen Fischer Luha genannt 3) Fürst Kruto nennt sie 
nlavisch Lübeck = seiuo Krone. 

Arnold IU 20 kennt dort noch eine andere Stadt: Travemünde. Sie war zerstört worden von 
den Slaven, doch wurde sie wieder aufgebaut mit einer kleinen Änderung der Örtlichkeit; denn 
früher lag die Festung im Wasser, die neue Gründung aber befand sich au der Mündung der Trave 
anf dem Meeresufer, um den Seeräubern leichter wehron zu könuen. Vgl. Helmold I 67. 

•j Helmold I 87 nennt verschiedene Stadt« in ihrem Lande, dio aber sätutntlich von unter- 
geordneter Bedeutung sind. 

i) Vgl. Adam III 19: In Magnopoli vero, quae est civitas iuclita Obodritoram; ferner III 50: 
Helmold I 23. 

*) Jedoch nicht westlich von den Obotriten, denn da hausen die Wagrier, sondern südlich 
von jenen. 

») Vgl. Helmold I 91. 
10 ) Das soll doch das mos bedeuten. 

<<) Helmold I 38 erzählt uns von einer Stadt Woligost, die bei den Gebildeten Julia Augusta 
hieß, weil sie von Julius Caesar gegründet worden sei. Ks kaun nur Wolgast im Gebiete der Chizaiuer 
sein. Helmold ist bei dieser Angabe sonderbar koufus. Im Mittelalter fabelte man viel von einer 
Seefahrt des Kaisers August us in jenen Gegenden, und ihm wurde denn nueh die Gründung 
mehrerer, dort gelegenen Städte zugeschrieben, so die von Wolgast, wie schon aus dem Na tuen 
Julia Augusta hervorgeht. Dies verwechselt nun Helmold mit einer andern Sage, nach dereine 
Stadt Julinum vou Julius Caesar erbaut worden sein soll. So kam jene wuuderbare Angabe 
zustande. 

'») Vgl. Schöbe 17. 



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Die geographischen Anschauungen einiger Chronisten des XI. und XII. Jahrhundert«. 189 

Deinmin liegt, und jenseits derselben die Tholosanten und Retherer. ') Adam 
hat hier also eine ganze Reihe slavischer Völkerschaften aufgeführt, die sich 
sämtlich durch ihre Tapferkeit den Nachbarn furchtbar gemacht haben, aber 
nur vier unter ihnen streiten um Macht und Adel, es sind die vier zuletzt ge- 
nannten : die Chizziner, Oircipaner, Tholosanten und Retherer, die sich selbst 
mit dem gemeinsamen Namen Wilzen bezeichnen, von den Deutschen aber 
Leutizcn genannt werden. 1 ) Hier endet die Hamburger Diöcese. s ) Doch sind 
damit Adams Kenntnisse vom Slavenlande noch nicht erschöpft, sie reichen 
weiter ; er weiß noch von andern Völkern zwischen Elbe und Oder, so von den 
Heveldern an der Havel tind Dosse, den Leubuzzen, den Wilinern, den 
Stoderanern und vielen andern. 4 ) In der Mitte von allen und die Mächtigsten 
zugleich sind jene Retharier, deren Hauptstadt das berühmte Rethre ist, der 
Sitz deB Götzeuthums. *) Dort ist ein großer Tempel erbaut worden für die 
Götzen, deren oberster Radegast ist. Das Bildnis des Gottes ist mit Gold, sein 
Lager mit Purpur geschmückt. Die Stadt selbst hat neun Thore, ist rings von 
einem tiefen See umgeben, eine hölzerne Brücke vermittelt die Verbindung; 
das Betreten derselben ist aber nur den Opfernden oder denen, die das Orakel 
befragen wollen, gestattet. Das ist aber ein Zeichen dessen, dass die verlorenen 
Seelen derer, die den Abgöttern dienen, die neunmal dazwischen strömende 
Styx empfangt.*) Den Weg von Hamburg bis zu diesem Tempel soll man in 
vier Tagen zurücklegen können. 

Jenseits der Leutizen, die auch Wilzen heißen, fließt die Oder, der reichste 
Strom des Slavenlandes, der in dem mährischen Waldgebirge nicht weit von 
der Elbe entspringt. Doch bald enthält beider Lauf eine entgegengesetzte Rich- 
tung. Während die Elbe nach Abend in die Nordsee fließt, geht die Oder gen 
Norden mitten durch die Völkerschaften der Wenden, bis sie dahin gelangt, wo 
sie die Wilzen von den Pommern scheidet und in die scythischen Sümpfe 7 ) 
ausströmt. An ihrer Mündung liegt das berühmte Jumne, 8 ) ein Sammelplatz der 

') VgL Adam III 11»; Scholii 17 und 72; Hclmold I 2 20, 69. Wo Helmold soust nicht er- 
wähnt wird, hat er alle« wie Adam. 

') In Scholie 17 ist zu lesen: hos qnatnor populos a fortitudine Wilson appellant vc) 
Leuticos. Wenn ich hier die Etymologie im Sinne Adams und seiner Zeitgenossen wagen darf, so 
möchte ich (fortitudo und Tapferkeit geben ja keinen Anhalt) Wilai mit wild, Lentid mit Leu, 
L«we, in Verbindung bringen. Vgl. auch IV 13, wo Wilai et Leuth ii steht, und Helmold I 20. 

») Vgl. Adam IV 13. 

*) Vgl. Helmold I 88, der hier auch noch die Brizancr kennt. 
*) Vgl. Adam III SO. Helmold I 16. 

*) Die neun Thore mQssen hintereinander gedacht werden, denn sonst wlre es ja nicht 
nötig, durch alle neun hindurchzugehen, um in die Stadt gelangen zu können. Groß kann die Stadt 
nicht gewesen »ein, da nur Opfernde sich ihr nahen durften; die Hauptsache dabei ist das Heiligtum, 
der Tempel de« Badegast Den Ort zu bestimmen, wo die Stadt lag, wird wohl nie gelingen. Vgl. 
Oiesebrecht: Über die Nordlandsknnde des Adam von Bremen in: Historische und literarische Ab- 
handlungen der Königlichen Deutschen Gesellschaft au Königsberg III 1834. 8. 168 ff. 

') E» ist die Ostsee gemeint; das Nähere weiter unten. 

*) Waits in seiner Ausgabe des Adam 8. 54 Anmork. 9 sieht es fälschlich für Wollin an ; 
ebenso Daniel (IV 194). Die oben folgende Beschreibung hat auch Helmold (I 2), «loch heißt ihm 
die Stadt Jnmueta ; zu seiner Zeit bestand sie nicht mehr, ein Dänenkönig hatte sie zerstört. Ich 
lasse hier folgen, was Oiesebrecht a. a. O. S. 170 sagt: „Wie nun Jtiuinota durch Abschreiber in 
Immuveta, Niniveta, Vinneta verderbt, wie dann der Irrtum voroämlii-h durch Cranz weiter ge- 
sponnen und daran« eiue von Jumne, ja von Vinneta verschiedene Stadt Vineta erwachseu, die 
nicht durch Krieg zerstört, sondern im Moere untergegangen sei, deren Trümmer an der Küste von 
Usedom sichtbar, von der Sagen im Munde der Standbewohner «eieu: das wurde schon oft erörtert: 
Schlöaer begann die Enttäuschung, indem er den Ursprung des Irrtums in der Korruption der 
Handschriften de* Helmold nachwies; die Trümmer von Vineta brachte der Swinemflnder Hafen- 
bau ans Licht, sie zeigten »ich als rohe, unbehauene Granitblöckc ; die Sage kann für Niemand 
Gewicht haben, der die Art «olcher Sagen kennt. Vineta ist ein Phantom!" Vgl. hierzu Ludwig 
Giesebrcchts Weudische Geschichteu aus den Jahren 7K) — 1182 II 8. 127 ff., wo er darauf auf- 
merksam macht, dass noch anderwärts im Wendtuilande die Sago gieng von einer versunkenen 
Stadt, deren Glocken man Sonntags läuten hören könnte. GieKCbrccht meint S. 129. ., Vineta voll 
Glockengeläutes unter der See int der poetische Widerschein des Zustande» der Kirche im Wenden- 
lande in den Tagen des Aufruhrs der Sachsen gegen Heinrich IV." 

Wo lag nun aber Jumne? Ich stimme hierin mit Giesehrecht (a. a. O. 8. 170 — 174/ fiberciu 
und mit ihm mein« ich, dass Jumno da lag, wo heute Swineroflnde seine gewaltigen Molen in die 
See hiuvinatreckt. 

Ich möchte hier noch hinzufügen, dass nach nn iuer Meinung Giesebrccht in seiner oben an- 
geführten Abhandlung al» sicher nachgewiesen hat, dass der Text des Adam so. wie er uns vor- 



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190 Dio geographischen Anschauungen einiger Chronisten des XI. und XII. Jahrhunderts. 



Heiden und Griechen im Umkreis. Großes und kaum Glaubliches wird von 
dieser Stadt berichtet Sie ist die größte aller Städte Europas, es wohnen darin 
Slaven, Griechen und Heiden. Auch dio Sachsen haben das Recht bekommen, 
dort zu wohnen, doch müssen sie geflissentlich verschweigen, dass sie Christen 
sind, denn alle Bewohner Jumne's sind noch in den heidnischen Gebrüucheu 
befangen, sonst aber gibt es kein Volk, das an guten Sitten und Gastlichkeit 
es überträfe. Die Stadt ist reich an allen Waren des Nordens und hat viel 
Angenehmes und Seltenes. Von ihr gelangt man in kurzer Zeit nach Samland, 
das die Preußen innehaben. Andre Entfernungen sind folgende: Von Hamburg 
und der ElbmUndung nach Jumne sind es zu Lande 7 Tagereisen; von 
Schleswig und Oldenburg legt man den Weg dorthin zur See zurück; von 
Jumne. gelangt man nach Ostiogard in Russland zur See i» 14 Tagen. 

Über die Sitten der Slaven finden wir bei Helmold I 59 und 83 Näheres: 
Es herrschte damals (um 1134) durch das ganze Slavenland ein vielgestaltiger 
Götzendienst und großer Aberglaube, denn es gab dort heilige Haine und 
Götter, an denen das Land und die Städte Überfluss hatten. Die einen hatten 
ein Götzenbild im Tempel, wie das plunensische Götzenbild mit Namen Podaga; 
andre bewohnten Wälder und Haine, wie Prove, und diese hatten kein Bildnis; 
viele waren mit 2 oder 3, ja sogar mit noch mehr Köpfen abgebildet. 

Von den Göttern waren die bedeutendsten folgende: Prove in Oldenburg; 
ihm waren mehrere alte Eichen heilig, welche eine Hallo umgab und eine aus 
Holz sehr sorgfältig gefertigte Umzäunung: denn dieser Ort war der heiligste 
des ganzen Landes, er hatte seine eignen Priester und seine eignen Feiertage. 
Dort kam, um Gericht zu halten, an jedem Feiertage das Volk mit seinem 
Köuige und Priester zusammen. Der Eintritt in die Halle war allen verboten 
und nur dem Priester und denen, die opfern wollten, gestattet, oder denen, die 
in Todesgefahr schwebten, die hier stets Schutz fanden. 

Als wichtigere Gottheiten sind ferner zu merken: die Göttin Siwa im 
Lande der Polaben und der Gott Radegast bei den Obotriten ; ihren Kultus 
besorgten Priester, und die Opfer waren zahlreich. Nach dem Winke der Gott- 
heit ordnete der Priester die Opfer an, und dann strömten die Männer und 
Frauen mit ihren Kindern zusammen und opferten: Ochsen, Schafe und oft 
auch Christen, an deren Blute die Götter besonderes Wohlgefallen fanden. Das 
Opfer wurde geschlachtet, das Blut den Göttern dargebracht, damit der Priester 
empfänglicher würde zur Aufnahme der Orakelsprüche, denn, so meinten viele, 
Blut ziehe die Götter an. Nach Beendigung der Opfer machte sich das Volk 
an das fröhliche Mahl: Die Slaven sind aber in einem wunderbaren Wahn be- 
fangen; bei ihren Gelagen nämlich reichen sie eine Opferschale herum um! da- 
zwischen sprechen sie Weihworte aus, im Namen der Götter natürlich, des 
guten und des bösen, denn sie glauben, dass das Glück vom guten Gotte, das 
Unglück vom schlechten verhängt werde. Deshalb nennen sie auch den schlechten 
Gott in ihrer Sprache Diabol oder Zcerneboch, d. Ii. schwarzer Gott Unter den 
vielen Gottheiten der Slaven nimmt aber Zvantevith, der Gott der Rugier, ') 
den ersten Platz ein, da seine Antworten besser zutreffen; ihm gegenüber gelten 
die übrigen gleichsam nur als Halbgötter. Deshalb opfert man ihm auch aus 
besonderer Ehrfurcht Jährlich einen durch das Los dazu bestimmten, christ- 
lichen Gefangenen. Die Bewachung des Tempels wird mit großer Peinlichkeit 
besorgt, denn nieht leicht dulden sie, dass man dort Eide schwöre, 2 ) und ver- 
bieten streng die Verunreinigung des Tempels durch Blut in seiner ganzen Um- 
gebung. Bei der Vielgestaltigkeit ihrer Götterwelt leugnen die Slaven dennoch 
nicht, dass ein Gott im Himmel herrsche, dieser sei allmächtig und besorge 



liegt, von ihm unmöglich verfasst sein knnn. Gicscbrecht nimmt deshalb die nötigen Umstellungen, 
wie nie die Textkritik bedingt, vor, und dadurch erst gelangen wir zu einem richtigen Bilde 81a- 
vaniens. Ich habe mich seinen Ausführungen einfach angeschlossen nnd halte es ftlr überflüssig, seine 
Beweisführung hier zu wiederholen. Die Entgegnung Lappcubcrgs cutkrüftigt die Gründe Gieisebrechts 
in keiner Weise. 

') über diese siehe weiter unten. 

*) Helmold I 83: Jurationcs difticillitn» admittunt, nam iurare apnd Sclavos quasi periurajv 
est, oh vindirem deorum iram. 



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Die geographischen Anschauungen einiger Chronisten des XI. uud XII. Jahrhunderts. 191 



nur die himmlischen Dinge; die andern erfüllen die ihnen zuerteilten Pflichten: 
sie stammen aus seinem Blute, und jeder ist umso angesehener, je näher er 
jenem Gott der Götter verwandt ist. 

Die Grausamkeit ist den Slaven angeboren, sie sind nimmersatt, kennen 
keine Ruhe und Muße und suchen die angrenzenden Gebiete zu Lande und zu 
Wasser heim. Wie vielerlei Todesarten sie gegen die Christen ersonnen haben, 
ist schwer zu sagen; dem einen reißen sie die Gedärme aus, indem sie ihn 
um einen Pfahl herumfuhren, den andern kreuzigen sie zum Hohne auf unsern 
Erlöser, denn für gewöhnlich werden nur die schwersten Verbrecher ans Kreuz- 
geschlagen, diejenigen aber, denen sie gestatten sich loszukaufen, peinigen sie 
mit allen nur erdenklichen Martern auf kaum glaubliche Weise. 

An der Küste der Wilzen, speziell den Chizzinern gegenüber, liegt die 
Insel Rügen, 1 ) deren Bewohner Rugiani, Runi oder Rani 2 ) heißen. Die feste, 
auf einer Anhöhe gelegene Hauptstadt Rügens ist Arkona. 3 ) Hier thronte die 
vornehmste Gottheit der Slaven, Svantevith. 4 ) Als die Insel 1168 von Waldemar, 
dem Könige der Dänen, erobert wurde, ließ dieser dem Götzenbild einen Strick 
um den Hals legen und es unter den Augen der Slaven mitten durch »ein 
Heer schleifen und dann verbrennen, der Tempel wurde zerstört and 12 Kirchen 
errichtet. 

Eine Sage Uber diesen Gott weiß Helmold zu berichten: Ludwig, der 
Sohn Karls des Großen, soll einst das Land der Rugier dem heiligen Veit von 
Corvey angeboten haben; MisBionäre giengen von Corvey aus, bekehrten die 
Rugier und gründeten daselbst ein Bethaus zu Ehren des Veit. Später irrten 
die Rugier wieder vom Pfade des Lichtes ab und fiengen an, den Veit als Gott 
zu verehren, sie bauten ihm ein mächtiges Götzenbild und bald wurde Zvan- 
tevith 5 ) der mächtigste und höchste Gott der Slaven, da er sich hilfreicher im 
Kriege und zuverlässiger in den Antworten erwies. Auch noch zur Zeit 
Helmolds 8 ) schickten die Wagrier und alle andern Slaven jährlich Tribut dort- 
hin und hielten ihn für den Gott der Götter. 

Der König genießt bei den Rugiern geringeres Ansehen als der Priester, 
der die Antworten der Gottheit mitteilt. Sie sind grimmige Feinde der Christen. 1 ) 
So geschah es im XII. Jahrhundert, dass des Häringsfanges wegen, der im 
November bei heftigem Winde dort schwunghaft betrieben wurde, nach Erlegung 
der gesetzmäßigen Abgabe eine Menge christlicher Kaufleute dort versammelt 
waren. Diese Gelegenheit wollte ein Priester Gottschalk benutzen, um das Volk 
der Rugier zu bekehren. Doch der Priester des Svantevith bekam davon Kunde 
und forderte die Auslieferung des christlichen Geistlichen, um ihn zu opfern. 
Man bot Geld, doch vergeblich, und nur schleunige Flucht unter dem Schutze 
der Nacht hiuderte den Ausbruch von Feindseligkeiten. 

Sonßt aber sind die Rugier äußerst gastfreundlich ; 8 ) die Liebe der Kinder 
zu den Eltern ist sehr ausgeprägt; unter ihnen lebt kein Bettler oder auch nur 
Armer. Denn wenn irgendeiner unter ihnen schwach und krank wird, sorgen 
seine Angehörigen für ihn. Endlich ist Rügen reich an Fischen, Tieren und 
fruchtbaren Äckern. 



') Vgl. Saxo Grammaticus XIV S. 748: Bares provincia a Rugia brevi freto discreta. Diese» 
Barva ist das spätere Barta (v. Spruner-Menke Karte 39l, das heutige Barth, welches der Halbinsel 
Zingat gebenflbcrliegt. Saxo meint also mit Barca den nordwestlichen Teil uimcres heutigen Vor- 
pommerns, de« früheren Fürstentums BArlb. Vgl Adam IV 18 und Daniel IV 188. 

J ) Vgl. Giesebrecht, Wendische Geschichten I 8. 224. Arnold III 7, Helmold II 12, Adam 
IV 18; wie aus Scholie 117 hervorgeht, ist die Insel Rügen der Stadt Juimic benachbart. 

J ) Vgl. Helmold II 12 und Saxo XIV 8. Gbl uud 821—823. Saxo k.-uut auch noch i-iu 
Vorgebirge an der Ostkiiste. das Göhrcnsche Uövd oder das Nordische Pferd (Gorum promnnturium 
L. XIV 8. fc04, Daniel IV 189) und die Halbinsel Jasmund (provincia Asmoda L>. XIV S. 803). 

«) Helmold II 12. 

*l Zu dieser Sage gab sicherlich der Name Vitus (Veit), der die letzte Silbe in Svantexith 
(= der heilige Vit) bildet, Anlas*. 

*) Zweite Hälfte des XII. Jahrhunderts. 
Vgl. Helmold II 216. 

*) Zur Zeit Adams muss die Sache anders gewesen sein, denn er erzählt IV 18, dass Rügen 
voll sei von blutigen Seeräubern, die niemand der Vorüborfahrenden verschonen; sie töten alle, 
die von andern noch verkauft werden. 




192 Die geographischen Anschauungen einiger Chronisten de« XI. und XII. Jahrhundert«. 

Jenseits, also östlich der Oder an der Ostsee entlang, wohnen die Pommern, 
und zwar zwischen der Oder und dem Polenlande. *) Darin liegt Stolp; 1 ) auch 
kennt Hehnold die Insel Usedom. 3 ) 

Im Osten von Pommern an der Ostsee lebt das Volk der Preußen, nördlich 
von den Polen ; 4 ) sie sind noch Heiden, dabei aber doch recht gute Menschen, 3 ) 
denn sie kommen denen zu Hilfe, die auf der See oder durch Seeräuber ge- 
fährdet sind. Gold und Silber achten sie gering, sie haben Überfluss an Marder- 
fellen, nach denen die Deutschen auf rechte und unrechte Weise wie nach dem 
höchsten Glücke trachten. Jene also tauschen für die schlechten, wollenen Kleider 
kostbare Marderfelle ein. Man könnte viel Rühmliches von ihren Sitten be- 
richten, wenn sie nur den Christenglauben hatten, dessen Prediger sie un- 
menschlich verfolgen; durch sie ist Adalbert, der böhmische Bischof, zum 
Märtyrer geworden, und auch heute noch wehren sie den Unsrigen, mit denen 
sie sonst aTies gemein haben, den Zugang zu ihren heiligen Hainen und Quellen, 
die nach ihrer Meinung durch die Berührung seitens der Christen verunreinigt 
würden. Sie genießen Pferdefleisch, trinken Pferdemilch und Pferdeblut und 
sollen sich sogar darin berauschen. Sie sind blauäugig, von roter Gesichtsfarbe 
und starkem Haarwuchs, leben unangreifbar hinter Sümpfen und dulden unter 
sich keinen Herrn. 

Von den Preußen ist ferner noch eine Insel, 0 ) Saraland, ') besetzt; sie 
grenzt an Kussland und Polen. 

Dann kennt Adam noch mehrere Inseln, die von Dänemark aus mehr 
nach innen 0 ) gelegen sind, die eine davon und zwar die größte ist Kurland; 8 ) 
sie hat einen Umfang von 8 Tagereisen, die Bewohner derselben sind sehr grau- 
sam, noch ganz heidnisch und deshalb von allen gemieden, Gold ist dort in 
Menge vorhanden, die Pferde sind vorzüglich, von Sehern, Vogeldeutern und 
Zauberern sind alle Häuser voll. Von allen, besonders von den umwohnenden 
Heiden und Griechen 10 ) werden von dort Antworten auf gestellte Fragen geholt. 
Adam hält diese Insel für identisch mit Chori, das im Leben des heiligen Ansgar 
erwähnt wird. Die zweite, die er unter den „mehreren andern Inseln" 11 ) noch 
kennt, ist Ehstland, ") nicht kleiner als Kurland. Auch hierhin ist das Wort 
Gottes noch nicht gedrungen, denn es werden angebetet Schlangen und Vögel, 
denen die Heiden auch Menschen opfern, die sie den Kaufleuten abkaufen ; sie 
prüfen die Opfer ganz genau, denn keinen Fehler dürfen sie am ganzen Körper 
haben, sonst weisen sie die Schlangen zurück; die Insel liegt nahe am Lande 
der Frauen. 1 *) 

Hiermit ist das Gebiet des einigermaßen Bekannten abgeschlossen, und 
wir kommen jetzt so recht in ein Fabelland hinein. Vorstellungen des Alter- 
tums und des Mittelalters, gestützt auf Martianus und Solinus, sind zu einem 
wüsten Durcheinander zusammengeballt, so dass es nicht möglich ist, den fabel- 
haften Völkern, von denen Adam uns berichtet, bestimmte Wohnsitze im Nord- 
osten Europas anzuweisen ; wir " müssen uns daher mit einer Aufzählung 
begnügen.' 4 ) 

>) Adam IV 13, Helmold I 40. 

«) Helmold II 4 und Saxo XIV S. 798 : 8tolpa viens. 

»> Helmold II 4 Uana; auch Saxo XtV S. 981: U«nense*. 

*) Adam, Scholie 15, Helmold I 1. 

*) Adam IV 18 uud Helmold I 1, der diese Nachrichten aus Adam hat. 

•) Adam (IV 18) gebraucht hier insula wol nicht in der Bedeutung Halbinsel, wie er es 
sonst manchmal thut, er erwähnt Samland nämlich in Verbindung mit zwei andern Inseln, von denen 
die eine Rügen ist; es ist eben ansunehmen, dass er Samland nur als Insel kannte. 

') Quae Semland dicitur; siehe weiter unten Anm. 1, 8. 17. 

") Adam IV 16: interins. 

*) Hier sowie spKter bei Esthland und oben bei Samland glaubt er wol an eine wirkliche 
Inselgestalt. 

,0 , Ich lese hier mit Oiesebrecht statt des finnlosen Hispanis: his paganis. 
") Adam IV 17: alias plures. 
") Eb. Aestland. 

") Von Livland weiß Adam nichts. Arnold aber V 30 kennt es als Livonia. Die Bevolkernng 
dieses Landes ist bekehrt, fruchtbare Acker, reiche, gut bewässerte Weiden und umfangreiche 
Wälder befinden sich dort, und die Flusse sind fischreich. 

'«) Die folgende Schilderung ist aus Adam IV 19, 24, 25 genommen. 



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Die geographischen Anschauungen einiger Chronisten des XI. nnd XII. Jahrhunderts. 193 

Wie schon oben gesagt, sollen nicht weit von Ehstland an der Küste der 
Ostsee die Amazonen wohnen, •) im Lande der Frauen. Was ihre Nachkommen- 
schaft anbetrifft, so erzielen sie dieselbe nach der Behauptung einiger durch das 
Wasser, das sie genießen und durch das sie befruchtet werden, andere dagegen 
meinen, dies geschehe durch vorüberziehende Kaufleute oder durch die Gefan- 
genen, die unter ihnen leben, oder endlich durch Ungeheuer, welche dort nach 
dem allgemeinen Glauben durchaus nicht selten sind. Dieses letztere hält auch 
Adam für das Wahrscheinlichere. Die neugeborenen Mädchen sind sehr schön, 
die Knaben dagegen kvnocephal oder hundsköptig, d. h. sie haben den Kopf 
auf der Brust und bellen, wenn sie sprechen wollen; 5 ) man sieht sie oft in 
Knssland als Gefangene. Die Amazonen selbst verachten das Zusammenleben 
mit Männern, und falls solche gewaltsam sich Eingang zu verschaffen suchen, 
treiben sie sie männlich zurück. 

In jenen Gegenden wohnen auch die Alanen oder Albaner, 3 ) welche in 
ihrer Sprache Wizzi heißen, 4 ) ein grausamer Menschenschlag; sie werden mit 
weißen Haaren geboren, gewaltige Hunde verteidigen ihr Land, mit ihnen ziehen 
sie in die Schlacht. 

Ferner wohnen dort bleiche, grüne und langlebende Menschen, die man 
Husen (oder Busen) nennt; zuletzt die, die da Anthropophagen heißen und sich 
von MenschenHeisch nähren. Dort hausen noch sehr viele andre Ungeheuer, die 
viele Schiffer oftmals gesehen haben wollen, doch scheint dies den Unsrigen 
kaum glaublich. 

In jenen Gegenden ziehen sich nach Schweden hin die Riphäen, ein wildes 
Gebirge, voll mächtiger Einöden und gewaltiger Schneefelder, bewohnt von 
menschlichen Ungeheuern, die jede Annäherung verhindern. Es hausen dort die 
Cyelopcn, die nur ein Auge, und dies auf der Stirn haben, dann die von Solinus 
erwähnten Ymantopoden, die nur auf einem Fußespringen; 8 ) dort endlich wohnt 
auch ein Volk, das jährlich oder alle 3 Jahre plötzlich au» den Gebirgen in die 
Ebeue herabzusteigen pflegt; die Leute sind von mäßigem Wüchse, übertreffen 
aber fast die Schweden an Kraft und Schnelligkeit; es ist unsicher, woher sie 
kommen: ihren Angriff abzuschlagen ist schwierig; gelingt es nicht, so ver- 
wüsten sie weithin das ganze Land und weichen dann erst zurück. 6 ) 

Endlich finden wir nördlich von Schweden, das sich damals politisch nicht 
so weit nach Norden erstreckte wie heut, die Wermelanen 7 ) und Finneder 
zwischen Norwegen und Schweden, und etwas nördlich von jenen die Skrite- 
finnen, die im Laufe mitten durch den tiefsten Schnee, ohne den sie nicht leben 
können, *) die wilden Tiere Uberholen sollen; ihre Hauptstadt ist Halsingland.») 



') Sie werden schon III 16 erwähnt, wo sie die Quellen vergiften, um das gegen sie heran- 
rückende feindliche Heer su vernichten. Zur Erklärung dieser Sage vgl. Peschel: Geschichte der 
Erdkunde II. Aufl. herausgegeben v. 8. Kuge Manchen 1877 8. 90 und Forstor: Geschichte der 
Entdeckungen und Schiffahrten im Norden. Frankfurt a /O. 1784 S. 75. Im nordlichen Winkel des 
bothnischeu Meerbusens wohnten nämlich die Kwenen. Letzteres bedeutet nun in der nordischen 
Sprache Weib, daher hielt die nordische Geographie die finnischen Kwenen fflr Frauen und er- 
neuerte ffir den baltischen Norden die Amazonensage. 

*) 8olinus kennt sie im indischen Gebirge. Vgl. Giesebrecht S. 191. 

») Hier hat wieder der Gleichklang in den Namen Adam su der etwas abenteuerlichen An- 
gabe verführt. 

*) Wini soll doch wol mit „weis" zusammenhängen, so wie Albaui mit albus. 

5 ) Solinus kennt sio iu Afrika; dort auch die M irren, Lamer, Skuten und Türken (Adam IV 14). 

f j Es sind die Finnen. Vgl. Giesebrecht a. a. 0. S. 190. 

') Es sind die Bewohner von Wärracland am Wenersee. Saxo V S. 242 kennt sie als Vermi. 

N ) Adam IV 31 und Srholie 132, die noch hinzufugt, die Menschen kehren sich dort weuig 
an die Kälte, sorgen wenig, ob sie unter Dach und Fach sind, nähren sich vom Fleisch der wilden 
Tiere und gebrauchen Fello Btatt der Kleider. 

*) Es ist Helslngland am botbnischen Mcerbnsen, auch von 8axo V S. 243 erwähnt ; hier 
und S. 241 finden wir utraque Lappia. Saxo weiß eben schon mehr vom Norden alB Adam; er 
versteht wahrscheinlich darunter die Länder östlich und westlich des bothniscltcn Meerbusens; er 
kennt Finnmarken und sagt davon: Die Finnen sind das äußcr&tc Volk des Nordens in einem 
Lande, das kaum noch bewohnbar ist. Sie sind geübt im Gebrauche der Waffen, besonders im 
Speerwerfen und im Schiellen mit großen Pfeilen, sie beschäftigen sich eifrig mit Zauberei und 
•Tagd. Sie haben keine festen Sitze, sondern schweifen umher; auf gekrümmten Brettern durcheilen 
sie die mit Schnee angefüllten Gebirge. Auf S. 1H spricht Saxo von den 8krik6nnen : sio haben 



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194 Die geographischen Anschauungen einiger Chronisten dos XI. und XII, Jahrhunderts. 

Im Anschlug an jene von fabelhaften Völkern bewohnten Gebiete mag 
Norwegen und Schweden hier seine Stelle finden. Denjenigen, die von Däne- 
mark ans dorthin gelangen , eröffnete sich eine ganz andre Welt. ') Beide 
Reiche nahmen weite Strecken des Nordens ein und waren der damaligen Welt 
fast unbekannt. Sven, der Gewährsmann unseres Adam, hatte dort 12 Jahre 
dem König Jakob Kriegsdienste geleistet und wol manches gesehen, was neti 
und deshalb merkwürdig war. Norwegen, so erfühlte er ihm, ist kaum in einem 
Monat zu durchwandern, Schweden sogar schwerlich in zweien. 2 ) Beide Reiche 
werden von sehr hohen Gebirgen eingeschlossen, am meisten aber Norinannien, 
d. h. Norwegen, welches mit seinen Gebirgen Schweden umgibt. Norinannien 3 ) 
ist das äußerste Land der Erde, den Neueren heißt es auch Norwegen; seinen 
Namen hat es daher, dass es sich der Länge nach bis in den äußersten Norden 
erstreckt. Es beginnt nämlich an den in das Meer ragenden Klippen des bal- 
tischen Meeres, biegt dann nach Norden um, geht um den Rand des brausenden 
Oceans und endet endlich im Riphäengebirge, wo auch die erschöpfte Erde auf- 
hört. Norwegen ist wegen seiner rauhen Gebirge und der furchtbaren Kälte das 
unfruchtbarste aller Länder und nur zur Viehzucht geeignet. Die Herden lassen 
die Bewohner nach Art der Araber weithin über die Einöden grasen. Von 
ihrem Vieh leben sie, die Milch der Tiere ist ihre Speise, die Haare und die 
Wolle verweben sie zu Kleidungsstücken. Von dort kommen auch Uberaus 
tapfere Krieger, die noch durch keinerlei Üppigkeit verweichlicht sind; sie 
greifen häufiger an, als dass sie angegriffen werden. Mit ihren Nachbarn, den 
Schweden, leben sie in Frieden, aber von den Dänen, die ebenso arm sind wie 
sie, werden sie zuweilen heimgesucht, doch nicht ungestraft. Sie durchschweifen 
die ganze Welt, gehen der Seeräuberei nach, bringen große Schätze aus aller 
Herren Läuder heim und helfen so ihrem armen, öden Lande auf. Seitdem 
sie aber zum Christentum bekehrt sind und in besseren Schulen unterrichtet 
werden, haben sie schon gelernt, Frieden und Wahrheit zu lieben und sich an 
ihrer Armut genügen zu lassen. Und während sie früher ganz nichtswürdigen, 
magischen Künsten huldigten, bekennen sie sich jetzt zu Christo. Sie sind auch 
die enthaltsamsten unter allen Menschen; sowol in den Speisen wie in den 
Sitten lieben sie Mäßigkeit und Bescheidenheit. Ferner haben sie eine so große 
Ehrfurcht vor den Priestern und der Kirche, dass der kaum als Christ gilt, der 
nicht täglich zur Messe geht. Aber die Taufe und Firmelung, die Einweihung 
der Altäre und Heiligtümer, der Segen, kurz alles muss von ihnen teuer erkauft 
werden, ein Umstand, der in der Habsucht der Priester seine Erklärung findet. 
Denn da die Barbaren den Zehnten nicht geben wollen oder können, werden 
sie in allen Sachen, die ihnen umsonst gewährt werden müssten, übervorteilt, 
denn auch der Besuch der Kranken und die Beerdigung der Toten, kurz, alles 
kostet Geld. 4 ) Ihre Sitten Bind so vortrefflich, dass sie nur durch die Habsucht 



8chnecschuho (so muss man doch „innsitata vehicula" hier übersetzen) und damit gelangen sie auf 
der Jagd auf sonst unnahbare Gebiete. 

»axo ist ferner genau von der Halbinselgestalt Skandinaviens unterrichtet, denn 8. 18 be- 
schreibt er eine Landenge, die das weiße Meer von dem bothnischen Meerbusen trennt. Vgl. Peschel 
S. 1G«1 und v. Spruner-Menke Karte GS. 

') Adam IV 21. 

*) Ein Blick auf dio Karte genügt, um zu erkeunen, da*s die Entfernungen stark überschaut 

sind ; da» damalige Schweden lag «wischen 5li'/»° mid 62° nördlicher Breite (vgl. v. Spruner-Menke 
Karte 64), die Länge betrug also ö'/j* oder H2 , /. i geographischer Meilen; denn nordlieh davon 
wohnen ja schon die Skritofiimen und liegt Ilelsiugland, da* auf jener Karte noch zur Hälfte zu 
Schweden gerechnet wird, für die Zeit Adams daher nicht ganz Mimtnt. Ferner ist auch das oben 
angegebene Längcnverhältnis zwischeu Schweden und Norwegen nicht richtig. Vgl. über diese 
Schilderung Giesebrecht a. a. O. S. 180 ff. 
') Adam IV 30. 

*) Hierzu bemerkt der Scboliast (140): Die Heiden glauben zwar nicht au die Auferstehung 
des Fleisches ; doch ist es bemerkenswert, das* sie nach Art der alten Römer den Gräbern grolle 
Ehrfurcht zollen. Das Geld des Toten, seine Wallen und alles, was im Leben ihm lieb gewesen, 
häufen sie um ihn auf, was auch von den Indern berichtet wird. Dies soll eiu alter, heid- 
nischer Brauch sein, denn in den Gräbern der Heiden werden oft dergleichen Gcgcusliiudu ge- 
funden, woraus erhellt, dass sie mit sich ihre Schätze in Krügen oder andern Gefäßen begrabeu 
ließen. 



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Die geographischen Anschauungen einiger Chronisten des XL und XII. Jahrhundert». 105 

der Priester verdorben werden. In vielen Gegenden 1 ) Norwegens und aucli 
Schwedens versehen die angesehensten Männer das Hirtenamt; sie leben von 
ihrer Hände Arbeit nach Art der Patriarchen. Alle Norweger aber Bind Christen, 
nur jene nicht, die jenseits des arktischen Landstrichs fern am Ocean wohnen. 
Diese aber sollen in den Zauberkünsten noch so erfahren sein, dass sie behaupten 
zu wissen, was jeder einzelne Mensch auf der Erde thue; vermittels wirksanier 
Beschwörungen vermögen sie große Meeresungeheuer 1 ) aufs Land zu ziehen, 
und noch vieles andre Boshafte ist ihnen der häufigen Übung wegen leicht 
ausführbar. 

In den dortigen, höchst rauhen Gebirgen sind auch die Weiber bärtig, 
die Männer aber wohnen in Wäldern und lassen sich selten sehen ; als Kleidung 
verwenden sie die Felle der wilden Tiere. Wenn sie sprechen, sollen sie mehr 
knirschen als Worte hervorbringen, so dass sie kaum von den benachbarten 
Völkern verstanden werden können. Jene Gebirge nennen die römischen Autoren 
Riphäen, ewiger Schnee bedeckt sie. Die Menge der wilden Tiere darin ist so 
groß, dass der größte Teil der Bewohner von dem Ertrage der Jagd lebt; dort 
hausen Auerochsen, Büffel, Elenntiere, die man auch in Schweden findet; die 
Buckelochsen hat Norwegen mit dem Slavenlande und Russland gemeinsam, 
aber nur in Norwegen findet man den schwarzen Fuchs und den weißen Hasen, 
ferner Marder und Bären, die unter dem Wasser leben wie die Auerochsen (!).*) 

Die Metropole Norwegens ist Throndjem; 4 ) viele Kirchen schmücken sie, 
und eine Menge Volks wohnt darin; die Leiche des heiligen Olaf, des Königs 
und Märtyrers, ist daselbst bestattet. An der Gruft geschahen noch zur Zeit 
Adams Wunder, so dass von allen Seiten die Leute dorthin wallfahrteten. Der 
Weg aber ist folgender: Von Alborg oder Wendila 5 } in Dänemark kommt man 
zu Schiffe in einem Tage nach Vig in Norwegen; 6 ) von dort segelt man nach 
links um die Küste Norwegens herum und gelangt so am fünften Tage nach 
Throndjem. Auch zu Lande kann man dorthin gelangen, und zwar von Schonen 
aus, aber der Weg gebt durch gebirgiges Land, ist deshalb recht mühsam, und 
da er außerdem gefährlich ist, so wird er von den Reisenden gemieden. 

Im hohen Norden liegt ferner, für uns zu Norwegen gehörig, für Adam 
aber als Insel, Halagland, d. i. der nördlichste Teil Norwegens vom 86. Breite- 
grad an. Er berichtet IV. 37: Die Insel Halagland ist Norwegen mehr be- 
nachbart als Grönland und Thyle und ihnen an Größe nicht ungleich. Dort 
sieht man im Sommer um die Sonnenwende 14 Tage hintereinander die Sonne 
Uber der Erde, während sie im Winter auf ebenso lange Zeit verschwindet. 
Die Barbaren und Heiden betrachten dies als ein Wunder, da sie nicht wissen, 
dass die ungleiche Länge der Tage durch die Steigung und Senkung der Sonne 
veranlasst wird, denn wegen der runden Gestalt der Erde ist es nötig, dass die 
Sonne, wenn sie in ihrem Umlaufe hinaufsteigt, anderswo den Tag verkürzt, 
und umgekehrt. 1 ) Steigt sie zur Sommersonnenwende empor, so verlängert sie 
die Tage den Bewohnern des Nordens und verkürzt die Nächte, das umgekehrte 
Verhältnis finden wir im Winter. Da die Heiden dies nicht wissen, nennen sie 
jenes Land glückselig und heilig, weil es solch ein Wunder den Sterblichen zeige. 8 ) 

Auch von Schweden 9 ) erzählen dem Bremer Domherrn die römischen 
Schriftsteller Solinus und Orosius; Bie sagen ihm, dass der größte Teil Ger- 
maniens im Besitze der Sweben sei und dass Deutschlands Gebirge sich bis zu 
den Riphäen erstrecken. I0 ) Dort gibt es auch einen Fluss Elbe, der in jenem 



') Adam IV 31. 

*> Em sind hiermit wol Wale gemeint. 

*) AI«o wol Eisbären. 

*) Adam IV 32 Troudcmnia. 

*) Siehe weiter unten. 

*) Scheint nach Waitss (AiiKg. des Adam 8. IM Ann». 2) der heutige Meerbusen Vipeu 
gewesen, so sein. 

: ) Ob das Adam wol selbst verstanden hat? 
"») Vgl. l'eschel S. 8i>. 
») Adam IV 21. 

"V Also wird er hier des Gleicbklang« wegen Schweden und Sweben zusammen, besonders 
da die Kiphäen, die ja an Brhweden grenwn, einen Anhalt dasn boten. 



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19G Die geographischen Anschauungen einiger Chronisten des XI. und XII. Jahrhunderts. 



Gebirge entspringt, mitten durch die Völkerschaften der Gothen in den Ocean 
Hießt, woher er denn auch den Namen Gothenelbe führt. ') Schweden ist sehr 
fruchtbar, reich an Feldfrüchtcn und Honig, besonders aber an Vieh: die Flüsse 
und Wälder sind zahlreich und das ganze Land ist voll von fremden Waren. 
Alles, was zum eitlen Ruhme gehört, d. i. Gold, Silber, stattliche Pferde, Biber- 
und Marderfelle, die wir bewundern und nach deren Besitz man so eifrig strebt, 
achten jene für nichts. Im Umgange mit den Weibern aber kennen sie kein 
Maß; wer es nach seinem Besitztum ermöglichen kann, hält sich 2 oder 3 und 
noch mehr Frauen, die Reichen und Fürsten haben deren unzählige. Die Kinder 
aus solchen Ehen gelten sämtlich für rechtmäßig; Raub, Ehebruch, Frevel 
gegen Jungfrauen wird mit dem Tode bestraft. Durch Gastlichkeit zeichnen 
sich alle Hyperboreer, d. h. Bewohner de» Nordens, aus, besonders aber die 
Schweden! Dem Vorüberziehenden die Gastfreundschaft verweigern, bringt 
große Uuehre, sie wetteifern vielmehr darin, wer der Würdigste sei, den Wan- 
derer aufzunehmen. Solange dieser im Hause de« Gastgebers weilt, wird ihm 
eine überaus freundliche und freigebige Behandlung zuteil ; zieht er weiter, dann 
weisen sie ihn um die Wette ihren Freunden zu. Die Verkündigcr der Wahr- 
heit, wenn sie keusch, klug und geschickt sind, dulden sie unter sich und lassen 
die christlichen Bischöfe sogar zu ihren Volkaversammlungen zu, die sie warh 
nennen. 

Die Schweden 2 ) teilen sich in viele Völkerschaften, alle bestehen aus 
streitbaren Männern, besonders zu Ross und zur Seo sind sie überaus tüchtige 
Krieger. Daher beugen sich auch die übrigen nordischen Völker ihrer Macht. 
Sie haben Könige aus uraltem Geschlechte, deren Macht aber durch die Volks- 
meinung beschränkt ist. Was sie nämlich gemeinsam beschließen, inuss jener 
genehmigen. Einem vom Könige selbständig gefassten Beschlüsse leisten sie nur 
ungern Folge, denn zu Haus wollen sie sämtlich gleich sein. Geht es zur 
Schlacht, so gehorchen sie unbedingt dein Könige oder dem, den der König als 
den Kundigeren an ihre Spitze stellt. Wenn sie in der Schlacht in Not geraten, 
so rufen sie aus der Menge der Götter, die sie verehren, einen an ; siegen sie, 
so ziehen sie diesen für späterhin den andern Göttern vor. An den Christengott 
wenden sie sich jetzt mit Vorliebe, denn sie sehen, dass ihre Götter sie häutig 
täuschen, jener aber immer treu helfe. 

Von den schwedischen Völkerschaften wohnen den Dänen zunächst die 
Westgothen, und zwar als Grenznachbarn von Schonen;') von hier aus kann 
man in 7 Tagen nach der großen Stadt der Gothen Scarane gelangen. 4 ) Von 
dort erstreckt sich Ostgothien bis zur Ostsee, bis nach Birka; das Land ist dem 
Christentum gewonnen. Zwischen Norwegen und Schweden wohnen die W T er- 
melanen und Finneder und nördlich an der Grenze die Skritefinnen. 8 ) 

Im Süden wird Schweden begrenzt von der Ostsee. Der bedeutendste 
Tempol in diesem Lande ist Ubsola*) (Upsala), nicht weit von Sictona (Sigtuna) 
gelegen. In diesem Tempel, 7 ) der ganz vergoldet ist, verehrt das Volk die 
Bildnisse dreier Götter; der mächtigste derselben, Thor, hat seinen Platz in 
: 

') Dazu Scholie 126; Die Oothenctbe trennt Gothien von Normannien, ist an Grüfte dein 
Elbstrome der Sachsen nicht ungleich,, woher sie auch ihren Namen hat. (!) Wenn der Kchnliajit 
sagt, dieser Fluss ergieße sich in den Ocean, so setzt er hier den Teil für das Ganze, die Ostaoe 
für da» Weltmeer. Doch ist hierbei zu bemerken, dnss die Angabc, der Gotaelf fließe mitten durch 
das Gothenvolk, unrichtig ist; er bildet vielmehr die Grcncc «wischen Westgothien und Norwegen. 

*) Adam IV 23. 

') Scholie 129: Gothi a Romanis vocntitur Getae (1). 

4 ) Es ist 8knra im heutigen Gotlnud, wie denn der Wetternsee wol die Grenze zwischen 
dein damaligeu Ost- und Westgothien bildete. Noch erwähnt II 50, wo auch Westgothien als den 
Dänen und Norwegen beuaehbart bezeichnet wird. 

5 ) Siehe oben. 

•j Adam IV 26 ; erwähnt schon II 56. 

') Scholie 134 und 1.15. In der Nähe des Tempels befindet sich ein Itauni, der weithin seine 
Äste ausstreckt und im Sommer und Winter grün ist. Auch ist dort eine Quelle, an der die 
Heiden zu opfern pflegen, und die als Orakel dient; zu diesem Zwecke wird ein Mensch hinein- 
geworfen, erscheint er nicht wieder an der Oberfläche, dann geht der Wunsch des Volkes in Er- 
füllung. Auch liegt der Tempel in einer Ebene, Berge umgeben ihn amphitheatralisch, und eine 
goldene Kette (Iber dein Giebel leuchtet den Ankömmlingen schon von fern entgegen. 



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Die geographischen Anschauungen einiger Chronisteu de* XI. and XII. Jahrhundert». 197 

ihrer Mitte, rechts und link» befinden »ich Wodan und Friceo. Ihre Bedeutung 
ist folgende: Thor ist der Beherrscher der Luft, er gebietet Uber Donner und 
Blitz, Winde und liegen, Sonnenschein und Früchte. Der andre ist Wodan, 
d. h. die Wut, er fuhrt die Kriege 1 ) und verleiht dem Kämpfenden Tapferkeit 
gegen die Feinde; der dritte ist Friceo, «1er den Menschen Friede und Freude 
schenkt; man stellte ihn mit einem ungeheuren Priapus dar. Wodan wird be- 
waffnet dargestellt, wie unser Mars, Thor mit dem Scepter wie Jupiter. Die 
Norweger begnügen sich aber nicht mit den ihnen von ihren Ahnen überlieferten 
Gottheiten, sie erheben auch Menschen zu Göttern und verehren sie. 

Alle Götter 2 ) haben ihre eignen Priester, welche die Opfer für das Volk 
darbringen. Bei Pest und Hungersnot opfert man dem Thor, bei dem Ausbruch 
eines Krieges dem Wodan, bei einer Hochzeit dem Friceo. Ks pflegt auch alle 
0 Jahr ein gemeinsames Fest aller schwedischen Provinzen in Upsala gefeiert 
zu werden, von dem sich niemand ausschließen darf. Könige und Völker, ins- 
gesamt und einzeln, senden sie ihre Gaben dorthin, und was im Sinne der 
Schweden grausamer ist als jade Strafe: die, welche zum Christentum tiber- 
getreten sind, müssen sich von jener Feier loskaufen. Das Opfer selbst wird so 
dargebracht, dass von allem Lebenden,, was männlich ist, je 9 Häupter geopfert 
werden, durch «leren Blut man die Götter versöhnen will: die Leichname aber 
werden in dem in der Nähe des Tempels befindlichen Haine aufgehängt. Dieser 
ist «len Heiden so heilig, dass nach ihrem Glauben die einzelnen Bäume «lurch 
«las Opfer göttlich werden, deshalb hängen dort auch Hunde, Pferde und 
Menschen bunt durcheinander. 3 ) 

Ubsola ist von Sictona eine Tagereise entfernt. Von Schonen zur See nach 
Sictona sind es 5 Tag*», ebenso weit ist es nach Birka,*) donn jene beulen Städte 
liegen nebeneinander. Zu Lande durch Gothien über Skara, Telgae und Birka 
gebraucht man einen vollen Monat. s ) 

Birka nun 8 ) liegt Jumno gegenüber, und doch mitten in Schweden. Dies 
erklärt sich so: ein tiefer Meerbusen zieht sich dort gegen Norden in das Land 
hinein: hier lag Birka; also am Meer und «lort im Lande. Der Meerbusen 
bildete einen günstigen Hafen für die dort wohnenden Völker, und war doch 
zugleich gefährlich für «lie, welche mit der Örtlichkeit nicht bekannt waren. 
Denn da die Einw«diner von Birka öfters durch die dort zahlreichen Seeräuber 
arg zu leiden hatten ud«1 sich ihrer mit Waffengewalt nicht erwehren konnten, 
so legten sie unter dem Wasser auf einer Strecke von mehr als 100 Stadien 
lange Molen aus Steinblöcken an un«l machten die Einfahrt daher dem des Orts 
Unkundigen unmöglich. In Birka pflegen des Handels wegen die Kaufleute 
aus Dänemark, Schweden, Norwegen, dem Slavenlande, Saniland und dem 
übrigen Scythicn 1 ) zusammenzukommen. 

Das Südende der skandinavischen Halbinsel bildet die Provinz Schonen, 
die auch Adam als Sconia 8 ) kennt, die aber damals politisch zu Dänemark 
gehörte. Schonen, so berichtet unser Domherr, ist die schönste Landschaft 
Dänemarks, 8 ) woher sie auch ihren Namen hat; 10 ) sie ist wehrhaft durch ihre 



') Also der Kriegeigott Mars. 
*) Adam IV 27. 

s ) Scholle ]37: Da« Fe»t findet um die Tag- und Naehtgleicho im Frühjahr (also Mitte 
März) statt, es wird 9 Tage hindurch gefeiert: an jedem Tage wird ein Mensch mit 7 andern 
tierischen Opfern den Göttern dargebracht. 

*) Scholie 121 : Von Birka nach Knssland sind es noch ö Tage. 

s i Hieraus geht hervor, dass Birka südlich, oder besser noch stldwostlich von Sigtuua ge- 
legen haben mtiss, also nicht weit vou Stockholm- 
•) Vgl. Adain I «2, IV 20. 

') Scythicn nennt Adam ganz Osteuropa. Birka auch I 2H und Helmold I 8 urwiihnt. V^ll 
über KigtnriA und Birka Dehio, Geschichte de« Erzbistum* Hamburg-Bremen I S. &2 und Danic. 
II S. :j Meilen westlich von Stockholm liegt im Mülar die Insel Bjorkün mit zahlreichen 

Kesten alter WÄlle und Thore, Hünengräbern u. s. w. Auf ihr stand einst die groDc und reiche 
Stadt Birka, eine Residenz schwedischer Könige. Sie soll so mlichtig gewesou sein, das« sie 1-iOOO 
Krieger stellen konnte. 

*l Adam IV 7. 

•i Vgl. Giesebrecht S. 179. 

• fl ) Also ihm hingt Schonen mit schön zusammen. 



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198 Dio geographischen Anschauungen einiger Chronisten dos XI. und XII. Jahrhundert*. 

Männer,') reich an Früchten und Waren und voll von Kirchen, denn sie hat 
deren 300, d. i. das Doppelte der Insel Seeland, das Dreifache von Fünen. 
Schonen ist der äußerste Teil von Dänemark ; von allen Seiten ist es vom 
Meere umflossen, nur auf der eiuen trennt ein Landarm von Osten her (also im 
Norden) die Halbinsel von Schweden. Dort sind tiefe Schluchten und rauhe 
Gebirge, durch welcho notwendigerweise der Landweg von Schonen nach 
Gothien fuhrt, so dass es zweifelhaft ist, ob die Gefahren zur See oder auf dem 
Festlande grüßer sind. Bekehrt wurden die Bewohner*) dieses Landes endgiltig 
durch Egino, besonders die Pleiehancn') und die Bewohner von Bornholm: sie 
selbst zerschlugen ihre Götzenbilder und eilten zur Taufe; ihre Schätze brachten 
sie dem Egino, der es zum Kirchenbau, zur Unterstützung und Speisung der 
Armen und zum Loskauf der dort zahlreich vorhandenen Gefangenen vor- 
wendete. 

Dänemark selbst nun besteht 4 ) fast ganz aus Inseln. Die Grenze gegen 
die nordalbingischen Sachsen bildet die Eider, *) die tief in dem Walde lsnrnho, 6 ) 
welcher längs der Ostsee bis zur Schlei sich erstrecken soll, entspringt und in 
die Nordsee mündet. Von der Eider erstrockt sich nach Norden der Teil Däne- 
marks, der Jütland') heißt, in einer Länge von 3 Tagereisen, wenn man nach 
der Iusel Fünen abbiegt; geht man aber von Schleswig direct nach Norden 
über Aalborg, ") so braucht man 5 bis 7 Tage. Diese Straße zog einst Kaiser 
Otto der Große; er gelangte bis an den äußersten Punkt von Wendile; 9 ) das 
Meer heißt dort — es trennt Norwegen und Dänemark ,0 ) — noch heutigen- 
tages zu Ehren Otto's der Ottensund. Die Breite Jütlands ist an der Eider am 
größten, von dort zieht sich das Land allmählich in Gestalt einer Zunge zu- 
sammen in jenen Winkel hinein, der Wendila heißt und wo Jütland sein Ende 
rindet; von dort ist die Uberfahrt nach Norwegen die kürzeste. Das Land ist 
unfruchtbar; mit Ausnahme der an den Flüssen gelegenen Striche ist fast alles 
Öde und wüst und mit Salz getränkt. Noch mehr als Deutschland erregt Däne- 
mark durch seine gewaltigen Wälder Schauder. Es wird wenig besucht, denn 
«lie Landwege vermeidet man wegen des Mangels an vegetabilischen Erzeug- 
nissen, die See aber wird von zahlreichen Seeräubern unsicher gemacht: kaum 
findet man es an einigen Orten bebaut, kaum ist es für Menschen bewohnbar. 
Wo aber das Meer in das Land dringt, da sind sehr große Städte entstanden: 
so Schleswig,") das auch Heidiba heißt, ,J ) an der Schlei, von der es auch den 
Namen hat. n ) Von hier pflegen die Schiffe auszulaufen nach dem Slavenlaude, 

') Vgl. Helmold I fl4: 8cone, que viris et armis prestautior esse probatur. 
«) A.iam IV 8. 

J ) Es sind die Bewohner von Blekingia, ßlekinge, das seinen Nameu von ihnen ha», einer 
Provinz ostlich von Schonen. 

«) Adam IV 1. Helmold II 13. Vgl. auch Giescbreeht S. 174. 

»> Adam II 15; hier ist Deutschlands Nordgrenze, seitdem Konrad II. das Land zwischen 
Schlei und Kider an Knut von Dänemark abgetreten hatte. 

*) Schotte 95 fügt binzu, dieser Wald Isaruho beginnt am See Schlei and erstreckt sich bis 
nach Lübeck und an die Trave; heute heißt der Wald «wischen Schlei und Eider die Kropper Heide 
(vgl. Helmold 8. 101 Anm. 5). 

1 ) Adam II 3 wird es Dania eis marina genannt, von Lübeck au» gerechnet; Dania trans- 
marina sind also die zn Dänemark gehörigen Inseln nnd Schonen, vgl. Adam IV 13. 

*) Am Limfjord. 

•) Es ist das Land nördlich vom Limfjord; auch 8axo XI S. 588 kennt die Wendeln, er 
nennt sie Wandali. 

Vgl. Adam II 3; Helmold I 9. 
") Vgl. Adnm I 27, in portu maritimo. 
'»I Vgl. Adam I 59, II 3, 34; Helmold I 12: Heidibo. 

"i Sie — Röhre vgl. Daniel III 10. Von diesem Schleswig mit der dam gehörigen Provinz 
berichtet Helmold 1 12 Folgendes: Das Land war »ehr fruchtbar, aber doch wüst, weil es zu oft 
feindlichen Einfallen ausgesetzt war. Nachdem es aber Otto I. erobert und dort überall Frieden 
und Sicherheit hergestellt hatte, erholte es sich schnell, nnd bald war keiti Winkelchon mehr un- 
bebaut. Noch zn Helmold* Zeit gab es mancherlei Beweise dafür, besonders in dem öden Walde, 
der von Lütjenburg (Lutilinburg) in langem Zuge «ich bis Schleswig erstreckt. Mitten in der dich- 
testen Wildnis fand man nämlich tiefe Furchen oder Gräben, die einst die Felder der verschiedenen 
Besitzer voneinander trennten, dann an den Ufern der Flüsse und Bäche Dämme, welche aufgeführt 
worden waren, um da* Wasser für die einst dort gelegenen Mühlen 71t stauen; also jener Wald w;ir 
einst ein von den 8achscn bewohntes nnd bebautes Ackerland. Bei Schleswig keimt Helmold I 50 
auch das von Adam nicht erwähnte, sohr berühmte (notissimnmj Danewerk. 



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Die geographischen Anschauungen einiger Uhronissed des XI. und XII. Jahrhunderts. IU9 



Schweden, Samland bis nach Griechenland : ferner Ripen an oincm andern 
Meeresarm, von wo aus man nach Friesland, England und Sachsen soweit, 
drittens Aarhus, getrennt von Fünen durch einen sehr aclnnulen Meerosann, 
der an der Ostsee beginnt, in langen Krümmungen zwischen Fünen und Jüt- 
land sich nach Norden erstreckt bis zur Stadt Aarhus, von der man nach 
Fünen, Seeland, Schonen und Norwegen schifft. Jene ;J Städte sind sämmtlich 
Sitze von Bischöfen, eine Einrichtung, die schon Otto I. einst getroffen hatte. 

Von allen diesen Ländern, die wir zuletzt, mit dein Slavenlande beginnend, 
besprochen haben, ist ein Seebecken eingeschlossen, das wir heute die Ostsee 
nennen, das aber damals noch verschiedene andre Namen führte und dessen 
wahre Gestalt noch durchaus verkannt wurde. 

Über die Ostsee 1 ) bemerkt schon Einhard, „ein Meerbusen erstrecke sich 
vom westlichen Ocean nach Osten hin." Jener Meerbusen wird von den An- 
wohnern der baltische genannt, weil er sich wie ein Gürtel (balteus) in langem 
Zuge durch die scvthischen Gegenden erstreckt bis nach Griechenland; dasselbe 
Meer heißt auch bei den heidnischen Völkern das barbarische oder scythische. 
Wenn es nun aber heißt, fährt Adam fort, 2 ) die Lange des Meerbusen» sei un- 
erforscht, so steht doch fest, dass kürzlich mehrere Versuche gemacht wurden, 
dieselbe zu erforschen. Mancherlei Gefahren wurden bestanden, doch mn*ste 
man unverrichteter Sache zurückkehren. Die Dänen indes versichern, das» die 
Länge doch schon oft erkundet sei und das» kühne Schiffer bei günstigem 
Winde in einem Monat von Dänemark nach Ostrogard in Russland gelangt 
seien. Die Breite aber überschreite nirgends das Maß von 1(X>.000 Schritt, also 
ungefähr 20 deutschen Meilen, an vielen Stellen sei das Meer sogar enger. Das 
könne man an der Mündung dieses Busens sehen, der bei seiuem Eintritt in 
den Ocean zwischen Aalborg, dem Vorgebirge Dänemarks 3 ) und den Klippen 
Norwegens so eng sei, dass man leicht in einer Nacht liinübersegeln könne; 
dann wird der Busen da, wo er Dänemark verlässt, breiter, um in der Gegend 
der Gothen, denen gegenüber die Wilzen wohnen, wieder sich zu verengen. 
Je mehr er dann weiter nach innen sich erstreckt, desto beträchtlicher wird 
seine Breite. Um 4 ) ihn herum wohnen viele Völker; Dänen, Schweden, die den 
Norden mit sämmtlichen Inseln besitzen; im Süden die Slaven, Haistier und 



8axo Grammaticus gibt praefatio 8. 10 eine ganz ähnliche Beschreibung von Danemark, nur 
kennt er noch den Linifjord als sehr fischreich (sinus qui Lymicus appcllatur; S. 584 und U4U 
lymtiorthium (Votum genannt oder lymicum mare) and er weifl, da»» Dänemark durch die Sturmfluten 
zuweilen furchtbar heimgesucht wird, die nicht nur die Äcker weithin überschwemmen, sondern auch 
Dörfer nnd 8tÄdto zerstören und vielen Menschen den Untergang bereiten. VII S. "137 weifl er auch 
noch zu berichten, dass die Frauen der Düneu einst alles Weibliche abstreiften und »ich nur dem 
Kriegshandwerk widmeten. Das Ende der Schilderung mag hier der niedlichen Wortspiele wegen 
wiederholt werden: „Hae ergo perindo ac nativae conditinnis immemores, rigoremqne blauditiis an- 
teferentes bella pro basiis intentabant, sanguinoinque non oscnla delibantea, armorum potiu« quam 
amorum officia freqnentnbant, manusqne, quas in telas aptare debnerant, telorum obsequii* cx- 
hibebant, ut jam non lecto, eed letho studentes spiculis appeterent, quo muleere specie potnissent." 
Es ist die Amazonensage in etwas veränderter Gestalt. Endlich gibt uns noch Arnold III 5 einige 
Nachrichten Ober die DSnen: Sie lernten von den ihnen benachbarten Völkern, besonder» von den 
Deutschen gar manches. Im XU. Jahrhundert waren sie reich geworden durch die Fischerei, die 
jahraus jahrein bei Schonen getrieben wurde, und 2ti der die Kaufleute aller Volker herbeieilten, 
durch welche wiederum Gold und Silber und andere Kostbarkeiten dorthin gebracht wurden. Es 
ist der HKringsfang, der dort so schwunghaft betrieben wurde. Doch nicht nur die See gab den 
Dünen so reichen Gewinn, auch ihr Land war reich an prächtigen Weiden, auf deuen zahlreiche 
Herden von Pferden ihre Nahrung fanden ; deshalb stritten sie auch meisten* «u Kos* und zu 
Schiff. Auch in der Bildung hatten sie schon Fortschritte gemacht; denn die Vornehmeren be- 
stimmten einige ihrer Söhne dem geistlichen Stande, diti andern schickten sie behufs Unterricht nach 
Paris, wo sie in Knnst und Wissenschaft, besonders in der Theologie recht viel lernen konnten. 
Auch ihre Frömmigkeit, Keuschheit und Gastfreundschaft rühmt Arnold. 

') Adam IV 10. Vgl. dazu Scholie 115: Ostsee, Barbaren-, scythische«-, baltisches Meer ist 
eiu- und dasselbe, das Marcian nnd die alten Römer die scvthischen oder mitotischen Sümpfe, Wüste 
der Geten, scythische Küste nannten; es erstreckt sich vou Westen zwischen Dänemark und Nor- 
wegen nach Osten in unbekannter Llnge. 

») Adam IV II. 

*) Aalborg liegt südlich davon und mitten im Lande. Adam meint sicherlich Skagen; woher 
es kommt, dass er Aalborg dorthin verlegt, ist unerfindlich; Saxo XI 571 nennt die Stelle: an- 
pustissimas Scanici maria fauces. 

*) Adam IV 12. 



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200 Die geographischen Anschauungen einiger Chronisten des XI. und XII. Jahrhundert«. 



andre, unter ihnen besondere die Welatabor, die auch Wilzen heitlen. Die Dänen, 
Schweden und die Übrigen Völker jenseits Dänemarks nennen die fränkischen 
Geschichtsschreiber Normannen, die Körner aber Hyperboreer, die Martianu» 
Capella so hoch preist. 

Indem Adam nun zu einer etwas genaueren Gruppierung der genannten 
Völker übergeht, berichtet er, dass an der Mündung der Ostseo die Dänen 
wohnen, ') dann die Slaven bis zur Peeue, die Wilzen und Leuticier bis zur 
Oder, jenseits derselben die Pommern, dann weithin die Polen, deren Gebiet 
an Russland grenzt; dies ist das auüerete Land der Wenden und hier ist das 
Ende jenes Meerbusens. Im Norden, 1 ) von Westen angefangen, zuerst die 
Normannen, dann Schonen, darauf die Gothen bis Birka, dann die Schweden 
bis zum Lande der Frauen, jenseits dieser die Wizzi,*) Mirren, Lainer, Skuten 
und Türken 4 ) bis nach Kussland, wo wiederum jener Meerbusen endet. Also 
im Süden wohnen die Slaven, im Norden die Schweden. Solche, 8 ) die der Ört- 
lichkeit kundig sind, versichern, dass einige Leute von Schweden auf dem Land- 
wege nach Griechenland gelangt seien, doch ist dieser wegen der dort wohnenden 
Heiden sehr gefährlich ; man versucht deshalb zu Schiffe dorthin zu gelangen. 

Viele Inseln 9 ) liegen in diesem Meerbusen, alle sind in der Gewalt der 
Dänen, Schweden und Slaven. Zuerst am äußersten Ende Dänemarks Wendila, T ) 
dann Morse,") 3) Thud, 9 ) die sämmtlich in geringer Entfernung voneinander 
liegen, 4) Samsö, welches der Stadt Aarhus gegenüber liegt, 5) Fünen, 10 ) 6) 
Seeland, 1 ') 7) das diesem ganz benachbarte Sprogö,") 8) Bornholra dicht bei 

•) Adam IV 13. ») Adam IV 14. J ) Vgl. Adam IV 19. 

*) Zu dieser eigentümlichen Ansicht gab wol der Umstand Anlas», dass Abo von den 
Finnen Turku genannt wurde. 

») Adam IV 15. ») Adam IV 16. 

• » Ich möchte hier nicht unbedingt denen beistimmen, die aus dieser Stelle schließen, Adam 
gebrauche iiiaula häufig für Halbinsel. Wendila kann zur Zeit Adams sehr wol eine wirkliche 
Iusel gewesen seiu, denn im XI. Jahrh. (vgl. Daniel III S. H) wird ein Durchbruch der schmalen, 
westlichen Landenge durch die Nordsee berichtet, und da dieser Durchbruch wol kaum der erste 
gewesen ist, so liegt die Auualiinc nicht fern, dass die dortige Bevölkerung Wendila in der That 
als Insel ansah, wenn auch vorübergehend eine schmale Sandbank jene Landschaft zur Halbinsel 
machte. H ) Es ist Mors im Lirafjord. 

») Der nordwestliche Teil von Jütland, wo jetzt die Stadt Tisted liegt. 

> n ) Adam IV i. Fünen ist keine kleine Insel und liegt jenseit Wendila an der Mündung 
der Ostsee; sie ist Jütland dicht benachbart, und die Überfahrt von der einen cur andern ist über- 
all sehr kurz. Auf Füneu liegt eine große Stadt Odense (Odansue); in dem Busen, d. i. dem 
schmalen Meeresann «wischen dem Festlande und der Insel liegen viele kleine Iuselchen »erstreut. 
Wer durch JUtlaud nach Fünen reist, der muss eine direkt nördliche Richtung einschlagen (also 
unserm Adam liegt Fünen zu weit nach Norden), wer aber durch Fünen nach Seeland geht, hat 
stets den Osten vor sich. Zwei Überfahrten gibt es nach 8eeland, die eine von Fünen, die andere 
von Aarhus, beide sind gleich lang. Das Meer ist dort stürmisch, und da außerdem hier Seeräuber 
hauseu, «o ist stet* doppelte Gefahr vorhanden. 

") Adain IV 5 ff. Diese Insel liegt mehr nach iunen in der Ostsee uud ist sehr groß; «wi- 
schen Seeland und Fünen, fügt Scholie 107 hinan, liegt die Insel Sproga (8progö), ein Seeräuber- 
nest, das weit und breit gefürchtet ist. Seeland ist stark durch die Tapferkeit seiner Bewohner, 
berühmt durch seine große Fruchtbarkelt; in der Länge misst es 2 Tagereisen» die Breite betrügt 
ungefähr ebensoviel. Die Hauptstadt ist Roeskilde (Roschald), der Sitz dar dänischen Könige. Diese 
Insel ist gleich weit von Füncu und Schonen entfernt, und in einer Nacht gelangt man hinüber; 
im Westen davon liegt Jütland, Aarhus, Aalborg uud Wendila, im Norden aber — die Nordküste 
ist öde und wüst -- die norwegische Meerenge (= Kattegat), im Süden Fünen (dies widerspricht 
der besseren Kenntnis Adams) und der alavische Meerbusen, im Osten Schonen mit der Stadt 
Luudona (Lund). Gold ist auf 8eeland in Menge vorhanden, es stammt sämtlich vom Seeraube 
her; denn die dort bausenden Seeräuber, Wickinger oder Ascomannen genannt, zahlen dem Dänen- 
könige Tribut ; dafür gestattet er ihnen Seeraub zu üben au den Heiden, die dort in Menge herum- 
wohnen. Oft aber missbraueben sie diese Erlaubnis, fallen über die Ihrigen her nnd berauben sie, 
nud so wenig bewahren sie einander die Treue, dass sie mitleidslos die Gefangenen als Sclaven an 
einen Bundesgenossen oder Fremden verkaufen. Mauchea Gute und Gerechte haben sie in ihren 
Sitleu und Gesetzen, z. B. die Frau, die Ehebrach begeht, wird sofort in die Sclaveroi verkauft; 
die Männer aber, die wegen Majostätsfaeleidigung oder irgendeines andern Vergehens angeklagt sind, 
wolleu lieber enthauptet ala geschlagen werden, denn als Strafe existiert nur Tod oder Sclaveroi, 
und der Verurteilte macht sich einen Ruhm daraus fröhlich zu erscheinen ; denn Weinen und Weh- 
klagen verabscheuen die Dänen so, dasa sie weder wegen ihrer Vergehen noch über den Verlust 
ihrer Angehörigen weinen dürfen. 

In sehr kurzer Zeit gelangt man von Seeland nach Helsinborg (Halslnpnrgh) In Schonen, 
das auch von dort aus gesehen werden kann (vgl. auch II 68). 

») Vgl. Scholie 107. 



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Die geographischen Anschauungen einiger Chronisten des XI. und XII. Jahrhunderts. 201 

Schonen und Gothien, der besuchteste Hafenplatz Dänemarks und eine sichern 
Station für die Schiffe, welche zu den Heiden und nach Griechenland fahren. 
Übrigens sind der Insel Fünen im Süden 7 kleinere Inseln benachbart, die 
sämmtlich recht fruchtbar sind. Es sind dies Moen (Moyland), liubra (?), 
Falster, 1 ) Laaland; 1 ) alle liegen dicht hei einander und Laaland nähert sich 
von ihnen am meisten dem Slavenlande,') 

Diese 15 Inseln gehören zum Reiche der Dänen und alle sind sie schon 
dem Christentum gewonnen. Aber es gibt noch andre, die weiter nach Osten zu 
gelegen sind und den Schweden gehören; die größten derselben sind Kurland 
und Ehstland. 4 ) 

Von den Inseln*) aber, die dicht am Slavenlande liegen, sind 3 die be- 
deutendsten : Fehmarn, das Wagrien gegenüber liegt und von Oldenburg aus 
erblickt werden kann ; es ist im Besitz der Rugier, über die wir schon oben 
berichtet. Fehmarn und Rügen sind voll von den grausamsten Räubern ; un- 
barmherzig tödten diese alle ihre Gefangenen. Die dritte ist Samland. 0 ) Es gibt 
aber noch mehr Inseln in diesem Meere, alle voll von wilden Heiden und des- 
halb von jedermann gemieden. Doch scheint Adam hierüber nur dunkle Kunde 
zugekommen zu sein, da er sie sonst wol genannt hätte. 

Die Ostsee ist ihm nach IV. 20 dasselbe Meer, das von den Alten die 
scythischen oder mäotischen Sümpfe genannt wird. Diese Notiz hat Giesebrecht 
veranlasst, dem Adam die Ansicht zuzuschreiben, er denke sich eine Durchfahrt 
von der Ostsee nach dem schwarzen Meere, und wol mit Recht. L. IV lö liest 
man allerdings, dass ein Landweg von Schweden nach Griechenland führe; 
das widerlegt jene Ansicht aber durchaus nicht, ebensowenig die Bemerkung, 
dass Adam bei Ostrogard das Ende des Busens kennt, denn er berichtet in 
ebon jenem 15. Kapitel des IV. Buches, man reise der vielen Gefahren wegen, 
die zu Lande drohen, lieber zu Schiff nach Griechenland. Dann könnte man 
noch einwenden, dass Adam Graecia oft für die Griechenheit, die griechisch- 
katholische Christenheit, wozu auch Russland gehöre, gebrauche. Man könnte 
also glauben, Adam meine an jener Stelle Russland und nicht Griechenland; 
da ist es aber doch sonderbar, dass er IV. 10 und mit ihm Helraold I. 1 bemerkt, 
das baltische Meer erstrecke sich bis nach Griechenland hinein und IV. 1 : 
Schiffe führen von Schleswig nach Griechenland. Soll er dreimal gerade in 
dieser Beziehung Graecia für Russland gesetzt haben, oder ist dies ein Zufall? 
Wir müssen zugeben, dass jenes dreimalige Graecia streng genommen noch 
uichts beweist, aber man bedenke ferner, dass Adam die Namen des Marüanus 
und Solinus im Norden zu localisieren versuchte, wio kann er die mäotischen 
Sümpfe mit der Ostsee identiticieren, wenn nach seiner Meinung gar kein Zu- 
sammenhang zwischen beiden Meeren stattfand ? Er nahm also wol eine Ver- 
bindung an, vielleicht dicht vor Ostrogard. 1 ) 

Hiermit wäre alles berichtet, was unsre Gewährsmänner uns vom Norden 
Europa's erzählen, nur eins bleibt noch: der atlantische Ocean mit der Nordsee. 
Adam schreibt darüber IV. 10: Der westliche Ocean scheint der zu sein, den 
die Römer den britannischen nannten, er ist schrecklich und gefährlich, seine 
Breite 8 ) ungeheuer: er wird eingeschlossen im Westen von Britannien, das jetzt 
England heißt, im Süden von Friesland und dem Teile Sachsens, der zur Ham- 

') Zwischen Falster und Moen kennt Saxo X 8. 455 und 483 noch den Grönsund, er nennt 
ihn sinus qui latialiter viridis (= grün, grün) appellatur. 

*) Adam sagt, es seien dort 7 Inseln; er nennt aber nur 5; vgl. hierüber Giesebrecht 8. 1K0. 
') Hierdurch wird es doch sehr iweifelhaft, ob jenes Imbra Fehmarn ist, wie Waitz will. 
Denn von jenen 7 Inseln ist nicht Imbra, sondern Laaland dem Slavenlande suniiebst gelegen ; 
nun kennt aber Adam IV 18 Fehmarn als Fembre, und er weifl, dass diese Insel ganz nahe der 
Küste liegt (adjacent), also noch näher als Laaland; für Imbra Fehmarn su setaen, hiefie also 
Widersprüche hervorrufen. 
*) 8iehe oben. 
»> Adam IV 18. 
«) Siehe oben. 

'} Vgl. Giesebrecht, Wendische Geschichten 9, Nordlandskunde 8. 149 ff- 

*) Er meint die Richtung von Süden nach Norden, denn nach II 50 ist die Nordsee von 

Osten nach Westen bei günstigem Winde in 3 Tagen su durchschiffen, und «war von Dänemark 

aus, allerdings unter großen Gefahren. 

K«tUr'$ ZtiUArift. V. Bd. 16 



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202 Die geegraphischeu Anschauungen einiger Chronisten des XI. und XII. Jahrhunderts. 



burger Diöcese gehört, im Osten von Dänemark, der Mündung der Ostsee und 
Norwegen, das jenseits Dänemarks liegt; im Norden aber flutet dieser Ocean 
vorbei an den Orkaden 1 ) und umfließt in unendlichen Räumen den Erdkreis, 
hat zur Linken Hibernien, das Vaterland der Schotten, das jetzt Irland heißt, 



wo der Ocean iu das Eismeer*) übergeht. 

Im südlichen Teile der Nordsee liegt die Insel Farria 4 ) und zwar in ziem- 
licher Entfernung von der Elbmündung; sie liegt gegenüber von Hadeloa,*) 
ihre Länge beträgt kaum 8000 Schritt, die Breite 4000; die Bewohner benutzen 
Streu und Scliiftstrtimmer zur Unterhaltung des Feuere. Es geht von dieser 
Insel die Rede, das» die Seeräuber, wenn sie von dort auch nur die geringste 
Beute wegtragen, entweder bald durch Schiffbruch untergehen oder auf andre 
Weise ums Leben kommen, keiner gelangt ungeschädigt heim. Deshalb pflegen 
sie den dort hausenden Einsiedlern den Zehnten der Beute mit großer Frömmig- 
keit darzubringen. Die Insel selbst ist sehr fruchtbar an Feldfrüchteu, sehr 
reich an Vögeln und an Vieh, hat einen einzigen Hügel, keinen Baum, wird 
von sehr steilen Klippen umgeben, nur ein Zugang, in dem sich süßes Wasser 
befindet, führt iu das Innere; diese Stelle wird von allen Schiffern, besonders 
den Seeräubern, hoch verehrt; daher empHeng die Insel den Namen Heiligland. 

Es gibt noch andere Inseln, die Friesland und Dänemark gegenüber 
liegen, doch ist keine derselben erwähnenswert. 

Weiter nach Norden und jenseits Norwegens, 9 ) der äußersten Provinz der 
nördlichen Halbkugel, gibt es keine menschlichen Wohnungen mehr, sondern 
alles bedeckt der unendliche, schreckliche Ocean, der die ganze Welt umgibt 1 ) 
Gegenüber von Norwegen liegen dort im Meer nicht unansehnliche Inseln, die 
jetzt alle unter der Botmäßigkeit der Normannen stehen. Die ersten sind die 
Orkaden, die von den Heiden Organen genannt werden ; nach Art der Cykladen 
sind sie über den Ocean zerstreut. 8 ) Hieran schließt sich der Bericht des Mar- 
ianus und Solinus, die über jene fernen Gegenden Folgendes wissen: „Im 
Rücken, d. h. im Norden von Britannien, wo der unendliche Ocean beginnt, 
liegen die Orkaden, von denen 20 wüst, 16 behaut sind; im ganzen sind es 
ungefähr 40 Inseln." Also die Orkaden, fährt Adam fort, liegen zwischen Nor- 
wegen, England und Irland. Gewaltig donnern die Wogen der schäumenden 
See gegen die Felsen, doch diese spotten der Wucht des Anpralls. Von Throndjem 
gelangt man zu ihuen in einem Tage, ebensoweit ist es nach England und 
Irland. 9 ) Auf diesen Inseln befindet sich die sonst unbekannte Stadt Blascona. 



«) Den Orkney'»; erwHhnt II 50, III 16, 23. 
») Erwähnt III IG. 

*) Marc caligans, aUo da« fiuatro, dunkle Meer. 

*) IV 3; e» tat Helgoland gemeint; der altem Name dafür ist Fosetisland. Vgl. Scholle 104 
und das Ende von IV 3; ferner v. Spruuer- Menke Karte 29, 30. Auf Karte 37 haben wir Farria 
und Heiligland; der letztere Name, der in Helgoland ttbergieng, ist geblieben, Farria aber ver- 
schwunden. 

') Heute Hadeln, südlich der Elbmandung; Hadolowa = Kampfosinsel, vgl. Mttllenbof: Die 
deutschen Volker au der Nord- und Ostseeküste, in den Nordalbingischen Studien I S. 144. 
») Adaai IV 34. 

') Scholie 144 weifl ganz sonderbare Dinge au berichten : Über den britannischen Ocean, 
der Dänemark und Norwegen bespult, berichten die Schiffer grolle Wunder; um die Orkaden sei 
das Meer so verdichtet und vom Salze so dick, dass die Schiffe nur mit Hilfe sehr heftiger Winde 
vorwärts kltmeu; daher wird auch gewöhnlich auf deutsch dieses Meer die Libersee genannt. Über 
diesen Namen siehe weiter unten. 

"l Dem Geographen des XI. Jahrhunderts musste allerdings noch unbekannt sein , dass jene 
Cykladeu insulare Fortsetzungen des Festlandes sind; er dachte wie seine Vorgänger, sie seien im 
Kreise (xixXo;) geordnet. 

») 8cotia. Vgl. Peschel 8. 83. Sazo II S. 78 gebraucht Scotia für Schottland, denn er lässt 
8cotia von Britannien durch einen Wald, nicht durch eine Meerenge, getrennt sein. Auf Britannien 
kennt er II S. 79 London; V 8. 2f>4 gebraucht er Hiberui für IrlKnder und kennt ihre Hauptstadt 
(VI 280, X 459, 472; Dublin (Dufflina). Von den Iren berichtet er: Ihre Bewaffnung ist leicht und 
bequem zu beschaffen, sie besteht in Pfeilen und Dolchen, die sie meist fliehend auf die ver- 
folgenden Feinde schleudern; so siegen sie leichter durch die Flucht als durch die Schlacht Das 
Hinterhaupt scheren sie ganz kahl, damit sie auf der Flucht nicht bei den Haaren ergriffen und 
festgehalten werden können ; zur Entfernung der Haare bedienen sie sich scharfer Messer. 




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Die geographischen Auschautingen einiger Chronisten de« X!. und XII. Jahrhundert». 203 



Ferner liegt in diesem Meere die Insel Thüle, 1 ) die unendlich weit von 
den übrigen getrennt ist 2 ) und weithin mitten im Oceau liegt. Über diese wird 
von römischen und barbarischen Schriftstellern viel berichtet. Thüle, so heißt 
es, ist das alleräußerste Land ; dort ist zur Sonimersonnen wende, wenn die 
Sonue durch das Zeichen des Krebses geht, keine Nacht, 3 ) zur Wintersonnen- 
wende kein Tag. Einige glauben sogar, dies geschehe je 6 Monate hindurch. So 
schreibt auch Beda, in Britannien habe man im Sommer G Monate hintereinander 
Tag, im Winter, wenn die Sonne fortgeht, Nacht. Dies gilt auch nach dem 
Berichte des Pytheas aus Massilien für Thüle, das 0 Schiffstagereisen nach 
Norden von Britannien entfernt sei. Dieses Thüle heißt also jetzt Island *) von 
dem Eis, welches den Ocean einzwängt. 8 ) Jenseits Islands ist der Ocean gefroren 
und wallend und düster, und dieses Eis ist dort vor Alter so schwarz und 
trocken, dass es, wenn man es anzündet, brennt. 

Thüle aber ist eine sehr große Insel und wird von vielen Völkern bewohnt, 
die nur von Viehzucht leben und sich mit Fellen kleiden. Keine Feldfrüchte 
gibt es dort, gar kein Holz, die Leute wohnen in unterirdischen Höhlen, das- 
selbe Dach deckt sie und ihr Vieh, mit diesem teilen sie ihr Lager. In ihrer 
Einfachheit führen sie ein gottgefälliges Leben, sie begehren nicht mehr, als die 
Natur ihnen gibt; sie sind sämmtlich Christen. Viel Vorzügliches haben Bie in 
ihren Sitten, besonders die Liebe, so dass sie alles gemeinsam besitzen ; mit dem 
Fremdling teilen sie gern das Ihrige. 

Ihr Bischof ist ihnen ihr König; 6 ) seinem Winke gehorcht jeder, sein Wort 
ist ihnen Gesetz. 7 ^ Manches Fabelhafte wird ferner von dieser Inst*l berichtet, 
doch Adam schweigt darüber. 

Hierher gehört nun noch jener Abschnitt, der von Jumne handelt, denn es 
wäre doch in der That zu wunderbar, wenn Adam von der vulkanischen Be- 
schaffenheit Islands gar nichts wissen sollte! Hier also ist jener Topf des Vulkan, 
also ein feuerspeiender Berg, hier jenes sogenaunte griechische Feuer, 8 ) hier 



') Adam IV 35: Thyle. 

*) Wenige Zeilen darauf berichtet Adam, da»* Pythea* die Entfernung aU 6 Tagereisen 
weit angebe. Dies stimmt nicht mit seiner obigen Äußerung Der Widerspruch löst wich nur. wenn 
man annimmt, Adam glaube, dass Pythea* sich geirrt habe. Dafür kennt aber Schulie 147 eiue 
Entfernung. Britannien, so heißt es dabeihat, ist die größte aller Inseln; von hier ist es 9 Tage zu 
Schiff nach Thüle, von Thüle einen Tag bis zum gefrorenen (d. i. Ei» — ) Meer; dieses ist so fest, 
dass es niemals dnreh die Sonne zum Schmelzen gebracht wird. Nach Scholie 148 gebraucht man 
30 Tage, um von Aalborg nach Islnnd, da» bei Adam gleichbedeutend mit Thüle ist, zu gelaugcn ; 
bei günstigem Wiude legt man diese Entfernung in noch kürzerer Zeit zurück. 

3 ) Also Thnle liegt unter dem nördlichen Polarkreis. 

*) Es ist ja viel darüber gestritten, ob Island und Thüle ein und dieselbe Insel ist. Vivicn 
de St. Martin S. 230 spricht sich in diesem Sinne aus, Daniel IV 1047 ist dagegeu etc. Wir 
klinneu über diese Streitfrage hinweggehen, denn für uns handelt es sich nur darum, die Ansicht 
Adams festzustellen; ihm liegt Thüle unter dem Polarkreis, und da Island in der That mit «einer 
NordoBtstrecke jenen Parallelkreis berührt, so musste ihm beides dasselbe sein, was er ja IV 35 
auch ausdrücklich sagt. 

») Vgl. Scholie 149. 

•) Einen andern König kennen sie nicht, nicht einmal eiu Gesetz, vgl. Scholie 150 

') Ihre Hauptstadt (Scholie 151) ist 8caldholat; vgl. v. Sprunor-Mcnke Karte 6*3: Skalholt; 
auch heut beißt die Stadt noch so; sie liegt nicht weit von der Sttdwestkflste. 

*) Vgl. Saxo, praefatio S. 17: Suut et igucs qui cum linum (soll wohl lignum heilen) con- 
sumere nequeant, aquae mollitiem despascuntnr. Müller denkt an eine Art Naphta, das brennend 
auf dem Wasser schwimmt. Oiesebrccht S. 195 gibt eine andere ErklKrung: Die Bewohner der 
Insel sind römisch-katholisch, in deren Augen die größten Ketzer die griechischen Katholiken seien, 
diese haben daher das erste Anrecht auf das ewige Httllonfeuer; als Ort der Qual galt aber Island 
dem gesanimten Mittelalter, daher die Sage von dem griechischen Feuer auf jeuer Insel. 

Vgl. hierzu Saxo Praef. S. 14 ; er kennt den Geyser, dessen Dampf nach ihm alles, womit 
er in Berührung kommt, in Stein verwandelt; er wisse daher nicht, fügt er naiv hinzu, ob die» 
mehr wunderbar oder mehr gefährlich ist. Illic fons est, qui fumagantis aquae vitio nativam rei 
cuiuslibet originem demolitur. Sane quidquid fumi huius exhalatione respergittir in lapidis duritiam 
transmutatur. Quac res inirabilior an periculosior existat, in dubio posittim coustat etc. Auch kennt 
Saxo den Hekla S. 14 ff. : mous qui rupem sidercam perpetuae flagrationis aestibus imitatus incendia 
sempiterna jugi flammarum eruetatione continuat. Cuius rei adtniratio supradictis (er meint des 
Geyser) aeqnatur, cum tellns extremis subiecta frigoribus tanti caloris fumentin extiberet, ut igninm 
perennitatem arcanis instruat nutrimeutis. Zu bestimmten Zeiten walzen sich große Massen Eis 
gegen die Insel und hlufen sich dort auf. 8axo weiß noch manches Wunderbare und Fabelhafte 
Uber Island, das antugeben hier der Raum mangelt. 

16« 



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204 Die geographisch«!! Anschauungen einiger Chrouitten de« XI. nnd XII. Jahrhundert«. 

jener Neptun, d. h. jenes Meer, in dreifacher Natur, denn auf drei Seiten wird 
jene Insel vom Meere umflossen, die eine ist sehr grün, die andere weißlich, die 
dritte wird durch immerwährende Stürme gepeitscht. ') Eine Erklärung hierzu 
lässt sich wol finden. Auf der Südwestseite Islands haben wir üppigen Gras- 
wuchs, im Südosten Gletscher, und Stürme wüten besonders von Norden her 
mit furchtbarer Gewalt. Allerdings ist die Gestalt der Insel nicht dreieckig, 
aber wir müssen mit den unsicheren Anschauungen des XI. Jahrhunderts 
rechnen. 

Es liegen aber außer Thüle noch mehrere andre Inseln im nördlichen 
Ocean, von denen nicht die kleinste Grönland 2 ) ist, tief hinein im Ocean, den 
Gebirgen Schwedens und den Kiphäen gegenüber. Von der Küste Norwegens 
dorthin sind es zur See 5 — 7 Tage, also ebenso weit wie nach Irland. Die 
Menschen sind hier durch den Einfluss des Meeres grünlich, 3 ) woher denn jene 
ganze Insel den Namen Grünland = Grünland erhalten hat. Ihr Leben ist dem 
der Isländer ähnlich, doch sind sie grausamer und den Seefahrern als Seeräuber 
gefährlicher. Auch zu ihnen ist das Wort Gottes gedrungen. 

Die dritte Insel ist Halagland, 4 ) das Adam auch sicherlich wie Samland, 
Ehstland und Kurland als Insel ansah. Zuletzt*) erwähnt er die Insel Winland, 
so genannt, weil dort der Wein ohne Kultur wächst und ganz vorzüglich ge- 
deiht Auch gibt es dort Feldfrüchte in reichlicher Menge, ohne dass man säet, 
und dies sei keine Übertreibung, sondern nach sicheren Berichten der Dänen 
habe er es erfahren. 9 ) Jenseits dieser Insel aber wird in jenem Ocean kein 
Land mehr gefunden, das bewohnbar wäre, sondern das Meer ist angefüllt mit 
unerträglichem Eis, ungeheurem Nebel und schrecklicher Finsternis. Harald, 
der König von Norwegen, hat es kürzlich versucht hineinzudringen; er durch- 
fuhr die Breite (= Länge) des nördlichen Oceans und wagte sich hinein in die 
dunklen Gebiete an den Enden der Welt, doch entgieng er kaum lebend den 
Tiefen der dortigen Abgründe. 

Auch Erzbischof Adalbert 7 ) seligen Andenkens hat uns erzählt, dass in 
den Tagen seines Vorgängers einige edle Männer aus Friesland nach Norden 
gesegelt seien, um das Meer zu erforschen, weil nach der Meinung der Bewohner 
jenes Landes von der Mündung der Weser an gerade nach Norden kein Land 
zu finden sei, sondern nur das unendliche Meer. Um hierüber die Wahrheit zu 
ergründen, segelten die verschworenen Genossen unter fröhlichem Jubelgeschrei 
ihrer Landsleute von der friesischen Küste ab. Indem sie auf der einen Seite 
Dänemark, auf der andern England liegen ließen, kamen sie zu den Orkaden, 
Diese zur linken und Norwegen zur rechten Seite, kamen sie nach langer Über- 



') Giesobrecht meint, Helmold habe diese 8telle falsch verstanden. Letzterer sagt 12: Hatu- 
civitatem (Jumnen) opnlentissimam quidam Danorum res, maxima classe stipatus, funditus evertisse 
refertur. Presto sunt adhuc antiquo illins civitatis monumenta. Ibi cernitur Neptunus triplioi« 
naturae. Tribus euim fretis alluitur illa insula, quorum aiunt unnm esse viridissime speciei, alterum 
subalbide, tercium motu foribundo perpetuis Bevit tempestatibus. Ton „ibi cernitur* an ist alles 
wortlich ans Adam II 19. Nun meint Giesebreeht, Helmold betrachte als übriggebliebene* Monument 
jenen Neptunus triplicis naturae und stelle sich darunter etwa einen dreiköp6gen Triglaf vor. Ich 
bin aber durchaus nicht dieser Meinung, denn aus obiger Schilderung, die Insel sei von 3 Seiten 
vom Meere umspült, geht doch hervor, dass auch Helmold bei jenem Neptun an das Meer denkt. 
Der Satz Presto — monumenta ist eben auf das Vorhergehende zu beziehen. Die Stadt ist zerstört, 
doch sind noch Denkmäler übrig. Wenn mir eingewendet wird, dass die Stadt doch .funditus" 
»erstört sei, also wohl keine Denkmäler übrig geblieben seien, so antworte ich, dass, wer bei Nep- 
tunus an ein Götzenbild, wie Giesebreeht will, denkt, doch auch seinerseits annehmen muss, das- 
selbe sei aus der Zerstörung der alten Stadt (anüque civitatis) gerettet worden; das „funditus" 
schließt also keine so gründliche Zerstörung ein, dass kein Stein auf dem andern blieb. Auch 
würden wir gern ein „nam" oder „enim" in dem Satze .ibi cernitur" lesen, wenn wir Giesebreeht* 
Meinung uns anschließen. So aber deutet gerade das „enim" in dem Satze „Tribus etc. 41 darauf 
hin, dass „ibi cernitur" nicht zum vorhergehenden, sondern zum folgenden Satze gehört. 

s ) ,Adam IV 36, auch III 23 erwähnt. 

J ) So muss man doch hier das caernleus übersetzen, da bläulich keinen Sinn in Bezug auf 
Grönland — Grünland geben würde. 
4 ) Adam IV 37; siehe oben. 
») Adam IV 38. 

•) Es kann dieses doch kein anderes sein, als das vielfach besprochene Winland, d. h. 
Amerika. Vgl. Peachel S. 85 ff. 
Adam IV .'19. 



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Üie geographischen Anschauungen einiger Chronisten des XI. und XII. Jahrhundert». 205 

fahrt zum eisigen Island. Von hier aus durchschifften sie die Meere nach dem 
Äußersten Ende des Nordens: sie ließen alle obengenannten Inseln hinter sich 
und befahlen ihr Leben dem allmächtigen Gott und dem heiligen Willehad. Da 
gerieten sie aber plötzlich in jenen finsteren Nebel des erstarrten Oceans, der 
kaum mit den 'Augen zu durchdringen war. Und siehe, da zog die unstete 
Strömung des Meere«, die dort zu den geheimen Anfangen ihrer Quelle zurück- 
lauft, die unglücklichen und schon verzweifelnden Schiffer, die nur noch an den 
Tod dachten, mit furchtbarer Gewalt in jenes Chaos hinein ; dort soll ein tiefer 
Schlund des Abgrundes sein, in welchen der Sage nach alle Meeresströmungen 
verschlungen und wieder herausgespieen werden, was man Ebbe und Flut 
nennt Da riefen sie die Gnade Gottes an, er möge ihre Seelen zu sich nehmen, 
und währenddes riss jener zurücklaufende Strudel des Meeres einige Schiffe der 
Genossen fort, die übrigen aber spie er aus und trieb sie weit voneinander 
wieder zurück. Diese wurden so aus der drohenden Gefahr, welche sie vor 
Augen gehabt hatten, mit Gottes rechtzeitiger Hilfe gerettet und halfen sieb 
mit angestrengtem Rudern. Und 1 ) schon waren sie der gefährlichen Finsternis 
und der Gegend der Kälte entgangen, da bekamen sie unverhofft eine Insel in 
Sicht, die von hohen Klippen wie eine Stadt von Mauern ringsum umgeben 
war. Sie giengen daselbst, um die Örtlichkeit zu beschauen, ans Land und 
fanden Menschen, die zur Mittagszeit in unterirdischen Höhlen verborgen waren. 
Vor den Eingängen lag eine große Menge von Gefäßen aus Gold und solchen 
Metallen, die von den Sterblichen als selten und kostbar hochgeschätzt werden. 
Nachdem sie von diesen Schätzen so viel, als sie schleppen konnten, genommen, 
giengen sie fröhlich zu ihren Schiffen zurück. Da aber sahen sie, plötzlich 
zurückblickend, Männer von wunderbarer Größe, die bei uns Cyclopen heißen, 
hinter sich herkommen ; ihnen voraus liefen Hunde von außergewöhnlicher 
Größe. Einer der Genossen wurde von ihnen ergriffen und vor ihren Augen in 
einem Augenblicke zerrissen; die übrigen aber gelangten zu ihren Schiffen und 
entgiengen der Gefahr durch eilige Flucht, während die Riesen sie noch unter 
Geschrei bis auf die hohe See hinaus verfolgten. 

Nach solchen Abenteuern gelangten die Friesen nach Bremen, wo sie dem 
Erzbischof Alebrand alles der Ordnung gemäß erzählten und darauf Christo 
und seinem Bekenner Willehad für ihre Rückkehr und Rettung Sühnopfer dar- 
brachten. Adam fügt hinzu, er könnte noch mehr über jenes Meer berichten, 
da es aber zu wunderbar und fabelhaft erscheine, wolle er es unterlassen. 

So der Bericht des Bremer Chronisten, den Kohl in seiner Arbeit: .Die 
erste deutsche von der Weser aus um das Jahr 1040 veranstaltete Entdeckungs- 
reise zum Nordpol" a ) näher behandelt hat. Er hat entschieden recht, wenn er 
behauptet dass Adams guter Wille, Wahrheitsliebe und dessen kritische Gaben 
unanfechtbar sind. Sein Gewährsmann Adalbert, der ausgezeichnetste Kopf und 
Staatsmann seiner Zeit, hatte keinen Grund, ihm etwas anders ab die Wahrheit 
zu sagen. Überdies ist der Reisebericht da, wo er die Erdkunde berührt, durch- 
aus in Übereinstimmung mit der Wirklichkeit, und das, was sagenhaft und 
wunderbar in ihm erscheint, ist den damaligen Ansichten völlig entsprechend. 
Er trägt also auf seiner Stirn das Gepräge der Wahrheit und das seiner Zeit. 
Es sind eben Anschauungen, die dem Altertum entlehnt sind und die dem 
Mittelalter durchaus geläufig waren. So z. B. die Erklärung der Ebbe und 
Flut: in einen Abgrund stürzen sich die Gewässer und werden wieder aus- 
gespieen, deshalb nennt sie Solinus auch die Nüstern der Erde. 

Kohl gibt auch die Erklärung für Libersee: Das Meer gerät, ehe es gefriert, 
in einen wunderlichen Zwitterzustand zwischen Starrheit und Flüssigkeit; durch 
die Masse kleiner Eiskrystalle wird es dickflüssig oder, wie es im bremischen 
Niederdeutsch heißt, „libberig, u ') also ein Eismorast. In diesem Zustande sahen 
es wol die,- die den Namen zuerst erfanden. 



») Adam IV 40. 

*) In Petermanns Mittheilungen B. XV 1869. 

*) Labberig, glibberig, klebrig , daraus Kleber — Lebur ~ Libcrscc. 



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206 Die geographischen Auschauungeu einiger Cbrooisti'ii des XI. uud XII. Jahrhundert». 

Die Insel, an der sie landeten und wo jene Cyelopen wohnten, hält er für 
eine der Shetland-Inseln oder der Faröer. Beides ist möglich. Daniel IV. S. 1044 
sagt über die Faröer: „Alle Inseln sind klippig und bergig. Die Faröer sind ein 
Gel »rge und kein Land. Die Ufer sind durchgehend» sehr steil und zum Teil 
so hoch und schroff, dass die Insulaner, wenn sie in See gehen wollen, sich an 
Stricken in ihre Boote herablassen, und wenn sie zurückkommen, sich ebenso 
hinaufziehen lassen müssen." Und II. S. 780 Uber die Shetlands: „Shetland ist 
rauher und wilder als die Orkneys und hat mit seinen bedeutenden Bergen und 
Höhen und mit seinen furchtbar und grausenvoll aufgetürmten Felarnassen und 
häufig mehr als 100 Meter hoch grad abschließenden und in den mannig- 
faltigsten und grausigsten Gestalten durchbrochenen und zerrissenen und zum 
Teil zu weiten Hohlen von den Fluten ausgewaschenen und ausgefressenen 
Ufern einen ernst erhabenen und majestätischen Charakter." Peschel S. 87 da- 
gegen nimmt an, die Friesen seien an der Ostseite von Grönland gelandet 

Auch Dehio ') erkennt an, dass der Bericht Adams mit lebhaften Farben 
ausgemalt, in der Hauptsache aber durchaus sachgetreu sei. 

Den Sehluss der Abhandlung mag noeh eine Erzählung Saxo's bilden, die 
als Seitenstück zu der des Adain gestellt sein mag. Auch sie zeigt, wie ge- 
waltig noch die- Sagen des Altertums die Gemüter des Mittelalters beherrschten. 

Germo, a ) der Sohn Haralds, hatte aus Begierde nach Ruhm und Aben- 
teuern beschlossen, den Wohnsitz des Riesen Geruthus aufzusuchen, von dem 
ihm iu den isländischen Sagen berichtet war. Der Weg dorthin, so hieß es, sei 
voll von den furchtbarsten Gefahren, denn er führe über den Ocean, den Um- 
fasser aller Länder, in ein Land, wo Sonne und Sterne nicht mehr leuchten, 
wo alles in tiefes Dunkel gehüllt sei. Doch der König scheute vor den Ge- 
fahren nicht zurück; noch 300 kühne Jünglinge schlössen sich ihm an, und 
unter der Führung eines gewissen Thorkillus, der die nordischen Gegenden aus 
eigener Anschauung kannte, stach man auf 3 Schiffen in See. Doch schon bei 
Halogia trat eine lange Windstille ein; die Genossen trieben rat- und planlos 
umher und erst, nachdem sie viel durch Hunger und Durst hatten leiden müssen, 
landeten sie auf einer von hohen Klippen umgebenen Insel. Auf steilen Pfaden 
erkletterten sie die Küste und sahen nun zahlreiche Rinderherden auf den 
grünen Triften weiden. Thorkillus warnte, mehr Tiere zu schlachten, als zum 
einmaligen Stillen des Hungers genüge, denn sonst würden die Schutzgötter der 
Insel ihnen die Heimkehr versagen. Doch vergeblich; man wollte sich Proviant 
auf längere Zeit verschaffen. Die Strafe erfolgte sogleich. In der Nacht eilten 
unter gewaltigem Geheul riesige Ungeheuer an die Küste und belagerten die 
Schiffe. Eines von ihnen, größer als die übrigen und mit einem gewaltigen 
Knüttel bewaffnet, rief ihnen zu, nur gegen die Auslieferung dreier ihrer Ge- 
nossen würde ihnen die Weiterfahrt gestattet werden. Man musste sich wol oder 
übel fügen, und erst als drei ihrer durch das Los bestimmten Genossen den 
Ungeheuern überantwortet waren, erhielten sie wieder günstigen Wind. Sie 
Begelten weiter und gelangten zu einem Lande, das jenseits der bekannten Erde 
lag und ßiarmien heißt. Ewiges Eis, hoher Schnee und undurchdringliche 
Wälder bedeckten dieses Eiland ; die Flüsse waren voll der gefährlichsten 
Strudel. Sie landeten und bald gesellte sich ein Mann von ungeheurer Größe 
zu ihnen, Guthmundus, der Bruder jenes Geruthus, den aufzusuchen man aus- 
gezogen war. Er erbot sich freundlichst ihnen als Führer zu dienen, geleitete 
sie an einem Flusse entlang, der nur auf einer goldnen Brücke überschritten 
werden konnte, in sein Haus und setzte ihnen köstliche Speisen vor: doch kein 
einziger der Genossen berührte sie, denn Thorkillus hatte ihnen gesagt, dass 
derjenige, der von den fremden Speisen oder Getränken kosten würde, den 
Verstand verlieren und in ein Tier verzaubert werden würde. Vergeblich redete 
Guthmundus ihnen zu. Auch eine andre List gelang nicht; er führte sie in 
seinen Garten, wo die herrlichsten Früchte zum Genüsse lockten: man wider- 
stand. Endlich gelang es den Töchtern des Gastgebers vier von den Genossen 



») A. a. O. 1 S. '235. 
«) 8. 420 tf. 



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Die geographischen Anacbauuagen einiger Chronisten de* XI. und XII. Jahrhundert«. 207 

mit Liebesworten zu umgarnen; sie folgten den schmeichelnden Reden und das 
angedrohte Verhängnis trat ein: sie verloren den Verstand. Guthmundus, der 
an weiteren Erfolgen wol verzweifelte, erlaubte ihnen nun, den Weg fort- 
zusetzen. Sie gelangten darauf zu einer Stadt, die ganz schwarz und einer 
dampfenden Wolke ähnlich war, Hunde von außerordentlicher Größe schützten 
den Eingang. Es gelang, die Wut dieser Bestien zu besänftigen, man erstieg 
auf Leitern die Mauern und gewahrte nun innerhalb der Stadt schwarze, un- 
förmige Ungeheuer, die einen ekelhaften Geruch verbreiteten. Man betrat 
darauf ein steinernes Haus, das nach der Sage dem Riesenkönig Geruthus als 
Palast gedient hatte; auch hier derselbe Schmutz und derselbe ekelhafte 
Geruch. Blutlose Bildnisse von Ungeheuern schmückten den eisernen Sessel, 
an goldenen Gürteln hiengen 7 Fässer, daneben ein Walfischzahn mit ver- 
goldeter Spitze, Büffel- und Antilopenhörner, die mit Edelsteinen und schön 
ciseliertem Silber und Gold geschmückt waren, dann ein kostbarer Armschmuck. 
Alle diese Herrlichkeiten lockten zu sehr, als dass einige der Versuchung, sie 
zu berühren, hätten widerstehen können. Doch in dem Armband war eine 
giftige Schlange verborgen, in dem Horn ein Drache, in dem Knochen ein 
Schwert: so kamen drei von ihnen ums Leben. Darauf gelangten sie in die 
Schatzkammer; hier lagen herrliche Waffen aufgeschichtet, ein Königsmantel, 
ein schöner Hut und ein Gürtel von wundersamer Arbeit. Da verliert selbst 
Thorkillus seine Selbstbeherrschung und berührt die Gegenstände; da plötzlich 
erfolgt eine gewaltige Erschütterung des Gemachs ; alles, was vorher Bildnis und 
todt schien, ward lebendig, und mit furchtbarem Geheul stürzen sich die Un- 
geheuer auf die Dänen. Aus dem blutigen Kampfe retten sich nur 20, unter 
ihnen der König, die nun froh der Uberstandenen Gefahren ihre Kiele heim- 
wärts wenden. 

Noch einmal musste Thorkillus im Auftrage seines Herrn in diese Gegenden 
zurückkehren, und zwar um das Haupt des Riesen Ugarthilocus aufzusuchen. 
Auch diesmal gelangte er mit seinen Genossen in eine Gegend, die durch keine 
Sonne, kein Gestirn erhellt wurde, wo ewige Nacht herrschte. Auch diesmal 
trat Mangel an Lebensmitteln ein, auch diesmal half ihnen der Zufall dadurch, 
dass sie unerwartet auf eine Insel stießen. Hier erfuhr der Befehlshaber des 
Unternehmens Näheres über den Weg, den er zu Ugarthilocus einzuschlagen 
habe. Nach gefahrvoller Fahrt gelangten sie dorthin. Sie mussten einen Felsen 
von ungewöhnlicher Größe ersteigen, um zu dem schmalen Eingänge der Höhle 
zu gelangen. Sie wagten sich hinein; Schlangen sprangen sie an, doch sie 
drangen weiter vor und kamen mitten durch Schmutz und Unrat zu dem an 
Händen und Füßen mit schweren Ketten gefesselten Riesen : seine Haare 
glichen an Länge und Härte hörnernen Lanzen. Mit Hilfe eines Genossen riss 
ihm Thorkillus eines derselben auB, um zu Haus ein Zeugnis des ausgeführten 
Befehls vorzeigen zu können. Doch kaum war dies geschehen, als sich sofort 
ein entsetzlicher Geruch verbreitete und von allen Seiten sich Schlangen auf 
die Dänen stürzten und sie anspieen. Man suchte sich durch eilige Flucht zu 
retten, doch nur G entkamen. Nachdem von diesen noch 3 gestorben, kehrte 
Thorkillus mit nur 2 Genossen in sein Vaterland zurück. Doch hatten die über- 
standenen Gefahren ihn so hart mitgenommen und so entstellt, dass seine besten 
Freunde ihn nicht wieder erkannten. 

Dies die Sage: manches darin erinnert an Adam, und alles wurde buch- 
stäblich geglaubt; allerdings berichtet Saxo von Zeiten, die längst verflossen 
waren, was bei Adam nicht der Fall ist; hier aber kommt es nur auf die Un- 
geheuerlichkeiten an, an die man glaubte. 

Hiermit sei dieser kurze Abriss der Öffentlichkeit übergeben. Es hätte 
vielleicht noch dieser oder jener Chronist des XI. oder XII. Jahrhunderts heran- 
gezogen werden können, um das Bild vollständiger zu gestalten, doch war Er- 
schöpfung des Gegenstandes nicht der Hauptzweck der vorliegenden Arbeit, 
sondern nur Anregung zum Studium der Geschichte der Geographie im deutschen 
Mittelalter, und sollte die obige Schilderung dazu etwas beitragen, so ist alles 
erreicht, was beabsichtigt war. 



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Die Hydrographie des Östlichen Indo-China. 

Von W. Stevern. 

(Fortüotxung uii<i SehluHs.) 

2. Der große See. 

Bei eiuer so enormen Alluvionsthätigkeit des Mekong hat die Frage Be- 
rechtigung, wie lange denn überhaupt das Delta des Mekong existiere und welche 
topographischen Verhältnisse vor Bildung desselben einstmals in diesen Gegenden 
bestanden haben. Berechnungen zufolge milsste das Mekong-Delta ein Alter von 
etwa 800 Jahren besitzen und dies stimmt gut Uberein mit Berichten und An- 
zeichen über die Entstehung desselben. 

Ks ist feststehend, dass die ganze östliche Hälfte des Königreichs Cambodja 
sammt der Gegend des großen Sees und den Ebenen von Battarn bong bis Bangkok, 
sowie auch ganz Französisch - Cochinchina zur Regenzeit eine weite Wasser- 
fläche bilden, aus welcher nur wenige Höhenzüge emporragen. Auch in der 
Trockenzeit ist diese grolle Landfläche stellenweise mit Wasseransammlungen 
bedeckt, wozu in erster Linie der große See Tonlesap und die kleinen Seen von 
Sisuphon gehören, ferner aber auch einzelne solche in der Gegend von Pnom- 
Penh und Udong. Chinesische Berichte besagen, dass die berühmte Tempelstadt 
Angkor, deren Ruinen im Norden des großen See« gelegen sind, im 13. Jahr- 
hundert unserer Zeitrechnung an den Ufern eines großen Stromes gestanden 
habe; damals sollen daselbst zwei Seen existiert haben, einer im Norden, der 
andere im Osten der genannten Stadt; M im 16. Jahrhundert berichten Reisende, 
dass die Ruinen von Angkor 200 km vom Mekong entfernt gelegen hätten, und 
zu dieser Zeit bestand schon nur noch ein See, dessen Durchmesser mehr als 
300 km betrug. 2 ) Man hat also aus diesen Berichten zu entnehmen, dass der 
große See damals weit größer gewesen sei, dass der Mekong damals weit 
westlicher geflossen und dass seitdem eine allgemeine Austrocknung statt- 
gefunden habe. Noch jetzt fällt der Spiegel de« Sees jährlich ea. 15 cm unter 
das Minimalniveau des vorhergehenden Jahres ; einige seiner Zuflüsse hatten vor 
30 — 40 Jahren noch 1-50 m Tiefe, jetzt nur noch 60 cm, was eine jährliche 
Abnahme von 0'3 cm ergibt. Der Arroyo von Angkor verschlammt jährlich um 
4—6 cm und man nimmt an, dass bei gleichmäßiger Fortdauer dieser Erscheinung 
der große See in 200 Jahren völlig ausgetrocknet sein wird. Auf diese That- 
sachen gestützt, hat Boulanger angenommen, dass ursprünglich die alte Südküste 
des östlichen Indo-China vom Kap St. Jaques, welches vielleicht als Insel der 
annaraitischen Hauptkette vorgelagert lag, nach Norden sich erstreckte und dann 
dem Südabfall des Plateaus von Laos entlang lief. Dieser Küstenlinie gegenüber lag 
die damalige Insel Koh Tlock, welche aus den Bergen von Pursat, Battambong 
und Tschantabon bestand und östlich durch die Linie Carapong-Chom-Hatien 
begrenzt wurde. Die ganze Gegend von Bangkok über Battambong und den 
großen See bis zum annamitischen Gebirge war nichts anderes als ein Busen 
des chinesischen Meeres, welcher dieses mit dem damals noch weit nach Nord 
in das eigentliche Siam eingreifenden Busen von Siam verband ; dieser Golf von 
Angkor, wie man ihn genannt hat, war wahrscheinlich schmal und seicht, wie 
ja auch jetzt noch der Golf von Siam und die Chinasee. In diesen Golf mündete 
nun der Mekong; die Mündungen des DonnaY und Vaico müssen weit nördlicher 
gelegen haben. Die Alluvionen des Mekong stauten sich nun aber an den Vor- 



U K«v. Mar. Col. XXXUI. 1.SM. S. «05. De Saigon « Bangkok. 
h Ebendii. 



Die Hydrographie des östlichen Indo China. 



209 



bergen der damaligen Insel von Pursat und Battara bong. Die Ebene westlich 
Pnom Penh hob sich allmählich aus dem Meere hervor, vielleicht auch unter Bei- 
hilfe eines allgemeinen Rückzugs des Meeres. Der nach Südwest fließende Mekong 
wurde in eine nordsüdliche Richtung abgelenkt; der Engpass des Golfes zwischen 
Oarapong Chuan und Pnoin Penh wurde allinälig zum Flusse eingeschnürt, 
gerade wie noch jetzt der See sich allinälig zusammenzieht. In der zweiten 
Periode der Trockenlegung des Golfes stauten sich die Alluvionen bei Chaudoc, 
Rachgia und Hatien; der Golf wurde geschlossen, der Mekong nach Südost 
abgelenkt und bog in rechtem Winkel aus, wie noch jetzt bei Pnom Penh ; 
allmählich wurde ebenso auch vom Menara der Golf von Siatn zugeschüttet, die 
Ebene von Battambong bildete sich und der ehemalige große Golf von Angkor 
löste sich in eine Reihe von Süßwasserseen auf, deren Reste in dem heutigen 
großen See und den kleineren oben erwähnten noch zu erkennen sind; es ist 
also das allmähliche Verschwinden derselben nur als ein Fortgang dieses bereits 
lange andauernden Processes der Trockenlegung aufzufassen. 

Heutzutage zeigt der große See folgende Verhältnisse:') 1. Der See dehnt 
sich von 12° 25' bis 13° 20' n. Br. und von 103° 40' bis 104° 40* ö. L. in der 
Richtung von NW. nach SO. aus. Seine Länge beträgt zur Trockenzeit 110 Am, 
seine Breite 30 km, seine Oberfläche fast 3000 qkm, also 4 — öinal soviel wie die 
des Genfer Sees. 1 ) Zur Regenzeit aber dehnt er sich bis auf 14900 qkm Ober- 
fläche aus und besitzt dann eine Tiefe von 12 w». da er um 8 — 9 m steigt: die 
in ihm befindlichen Inseln verschwinden, seine Ufer nehmen andere Gestalt an, 
seine Oberfläche vervierfacht sich und die unendlichen Wälder, welche sich 
z. B. im Süden 4 — ti km weit nach Pursat erstrecken, *) werden unter Wasser 
gesetzt. Die Überschwemmung erstreckt sich dann im Westen bis Tuctio am 
Fuße der Berge, im Süden bis Pursat und Battambong auf eine Entfernung 
von ÖO km hin ; im Norden und Osten bis Siemreap, Campong chuan und 
Campong soai. Zu dieser Zeit bietet er mit seinen düsteren Umgebungen und 
seiner schmutzig gelben Farbe, sowie seiner gänzlichen Verlassenheit von allen 
lebenden Wesen einen trostlosen Anblick dar; im Oktober aber beginnt er zu 
fallen ; im Februar fallt er täglich um 5 cm und erreicht mit nur 80 cm mittlerer 
Tiefe sein Minimum; der Ausgang des Sees ist sogar nur 30 — ÖO cm tief. Vom 
Abflugs der Gewässer werden alljährlich die zahlreichen Fische überrascht, bleiben 
zurück und fallen den Umwohnern zur Beute; zu dieser Zeit bietet der See mit 
seinen unaufhörlichen Fischzttgen einen sehr belebten Anblick dar. Die Tiefe 
und Form seines Beckens ist infolge der verschiedenen Wasserverhältnisse sehr 
veränderlich und richtet sich nach dein Steigen und Fallen des Mekong. 

Der See Tonlesap zerfällt in drei Teile, den westlichen, eigentlichen 
großen See, den sich durch einen Kanal südöstlich daranschließendeu kleinen 
See und endlich den südlich darauf folgenden V eal Phoc oder n Schlammebene u . 
Der Ausfluss des Sees ist der Fluss Tonlesap, Talesap, der auch Sang di 
Bienho, Stung Thom und Prec Thuott genannt wird, und nach der 
Hauptstadt von Cambodja, Udong, welche nahe seinen Ufern liegt, auch Fluss 
von Udong heißt. Er tritt in beträchtlicher Breite und mit starker Strömung 
aus dem Veal Phoc und windet sich durch die sandige heißfeuchte Ebene in 
vielen Windungen unter Bildung vieler Inseln, dann aber auch wieder 1200 m 4 ) 
breit geschlossen fließend, zum Mekong durch, den er bei Pnom Penh erreicht. 
Er wird gleich nach seinem Ausfluss aus dem See durch den von links kom- 
menden Stung Chinit verstärkt, welcher, an den Höhen von Hancbey und Stung- 
trang westlich des Mekong entspringend, mit diesem und dem Talesapflusse ein 
Dreieck bildet, dessen Inneres in der Regenzeit fast völlig Uberschwemmt ist. 5 ) 
Welche ungemein wichtige und interessante Rolle der Talesap in der Hydro- 
graphie Indo-China's spielt, ist bereits oben bemerkt worden. 

') Codiinchine frau<,aii»e Heft 5 f 8. j»43 ff. Itappurt nur la missiou du Grand Lac; 'dieser 
Aufsatz bildet die Grundlage unserer genaueren Kenntnis des Sock. 
J ) Rev. Mar. Col. XXXIV., 45. Do Saigon a Bangkok. 
>) LExplorateur 1875. S. 511. 

«} Bull. 8oc Geogr. de l'Kat 1880. Bd. II. S. 242. Final, le Bansin du Cambodge. 
») Aymonir. H. S. l\ 18*2. Karte. 



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210 



Die Hydrographie des östlichen Indo-China. 



Das hydrographische Gebiet des großen Sees ist ein ziemlich ausgedehntes, 
da von allen Seiten Flüsse in denselben münden, und zwar zum Teil solche von 
erheblicher Breite und Tiefe. Im Süden wird die Wasserscheide durch das Gebirge 
von Pursat, im Norden durch das Plateau von Laos gebildet; im Westen ist 
dieselbe so niedrig, dass die Reisenden, welche diese Gegend besuchten, wie 
z. B. Bastian, King, Kennedy, Pavie, darin übereinstimmen, dass die Über- 
schreitung derselben fast unmerklich ist. Dieselbe wurde l 1 /., Tagereisen östlich 
von Angsela bei dem Dorfe Arain von Bastian 1 ) gekreuzt und bildete hier 
früher die Grenze zwischen Siam und Cambodja, welche jetzt quer durch den 
großen See, der jedoch wegen des Fischfangs für neutral erklärt worden ist, zieht. 

Was den nördlichen Teil des hydrographischen Gebietes des großen Sees 
betrifft, so kennen wir seit Dr. Harmands Reisen die östliche Hälfte genauer. 
Derselbe fand hier 1876 folgende Flüsse (von O. nach W.): 

1. Der Stung Barung, *) auch Stung Dahr und an der Mündung 
S t u n g C h i n i t genannt, entspringt an der Bergkette, welche den Mekong bei 
Khong kreuzt, fließt diesem letzteren in südlicher Richtung parallel bis zum 
Zusammenfluß mit dem Stung Poit (r.), worauf er dann nach einer Wendung 
nach SW. in den äußersten östlichen Winkel des großen Sees mündet Seine 
Quelle ist sehr klein, seine Wassermasse unbedeutend; zur Regenzeit schwillt er 
aber beträchtlich an. Die Wasserscheide zwischen ihm und dem folgenden 
2. Stung Sen') ist wenig ausgeprägt, da die Ebene ganz flach ist. Der Stung 
Sen ist vielleicht der bedeutendste aller in den großen See mündenden Flüsse 
und wurde 1876 von Hartnand näher bekannt gemacht. Er entspringt im Süden 
des Plateaus von Laos in einem sumpfigen Walde nahe dem bei Khong mün- 
denden Se Lamphai! oder Tonly Repau und durchfließt in ruhigem Laufe zunächst 
die siamesische Provinz Malu Prey, deren gleichnamiger Hauptort nahe dem 
Flusse liegt. Kurz vor dieser Stadt durchbricht er einen Höhenzug, empfängt 
einige Zuflüsse, z. B. von 1. den Prek ko khldan und vereinigt sich an der 
Grenze von Siam und Cambodja mit dem zweiten Quellfluss, welcher in geradem 
südöstlichem Laufe von der Dongrekkette herabkommt, die sein Flussgebiet von 
dem des Se Mun scheidet. Dieser Quellarm des Stung Sen ist schon nahe seiner 
Quelle 80 m breit und empfängt eine Menge Zuflüsse aus dem nordsüdlich 
streichenden Pnom Thaheng, z. B. Prec Kirang, Khirong mit Kang Presang und 
bildet nach seiner Vereinigung mit dem östlichen Arm einen beträchtlichen Fluss. 
Dem Laufe des genannten Gebirgszuges entsprechend empfängt der Fluss die 
meisten Zuflüsse von rechts, z. B. Hourh Krong, H. Sahat mit H. Te und 
H. Khean, H. Tsemun und unterhalb von Campong Thom den Stung Krem mit 
dem Ho Ben. Er durchfließt eine wellige, waldige, thonige Ebene mit starker 
Eisenindustrie, ist während 6 Monaten des Jahres stete schiffbar und hat eine 
große Handelszukunft; schon Garnier wollte mit Hilfe seiner und des Se-Lamphau 
(Tonly Repau) die Schnellen von Khong umgehen, was jedoch nach Harmand 
unausführbar ist. Westlich des Stung Sen mündet der Stung Stug mit dem Prec 
Kasang, Ho Tien Ruk, Ho Renan, Ho Le, ferner der Stung Lovea Kresanh 
sowie der Stung Charelt, über welche alle nichts Näheres bekannt ist. 4 ) über 
den Arroyo von Angkor siehe S. 208. Hierzu nennt Bastian») noch die Flüsse 
Stung Sathong, Stung Yakreng, Campong Tjam, Campong Phlük und Xong 
Kniech oder Fluss von Siemrab, welcher aus den Linchi Bergen kommt. Die 
Identifizierung dieser Flüsse mit den oben genannten dürfte schwer sein ; der bei 
Bastian ebenfalls genannte Campong Thom ist mit dem Stung Sen identisch. 0 ) 

In das nordwestliche Ende des Sees mündet ein großer Fluss, welcher 
den Namen Sa mite') oder nach King Klong Hua Kwai führt') und ver- 



') Petermanna Mitteilungen. 1866. 8. 452. 

*) Harmand, Voyage au Kambodge. B. S. P. VI. Ser. Vi. 1876. II. 8. 337 ff. 

3 ) Ebenda. 

*) Ebenda. Karte. 

») Petermanns Mitteilungen. 1866. 8. 453. 
•) Karte Harmands. B. 8. P. 1876. II. 

") Payie Codi, franc. 11, 197. Excnr«ion dans le Cambudje et le Rovaume do 8iam. 
») Kennedy, Keport on an Expedition in Laos aud 8iam J. R. O. 8. 37. 8. 298. 



Die Hydrographie des östlichen Indo-China. 



211 



rautlich dem Map hier Bastians entspricht. Derselbe fließt aus vier Quell- 
Hussen zusammen, deren südlichster der Fluss von Battambong ist; dann 
folgt der Bat Grea oder Fluss von Angkolborey oder Mongkolborey, 
darauf der von Sisuphon und endlich der Stung Sron oder Fluss von 
Tschoukan. Der letztere ist bei dem Orte Tschoukan durch Inseln in 3 Arme 
geteilt, Uber welche Brücken aus der Zeit der Khraer-Kultur führen,') deren 
mittlere 148 m lang ist. Der Fluss von Sisuphon heißt auch Tanasai, 3 ) doch 
ist nichts Näheres Uber denselben bekannt; der Stung Angkolborey entspringt 
im Korden des Massivs von Krevanh, dessen Ostabhang die Quelle des Dontri 
trägt. Er ist 35 m breit, 2m tief; seine Ufer sind 4 — 5m hoch, sein Boden ist 
felsig. Bei Rae Preah mündet er in den Sangke, dessen Breite er verdoppelt. 8 ) 
Der Fluss von Battambong oder Battabong wird von Bastian Maphier 4 ) genannt 
und scheint ihm als Hauptfluss dieses Systems zu gelten, er entspringt auf den 
Khao Kravan-Bergen nahe der Quelle des Pursat- oder Potisat-Flusses ; er em- 
pfängt den Konburi, dessen einer Quellfluss bei Tüktela vorbeifließt ; ferner den 
Mahot der bei Don Sema mündet und aus morastigen Lachen, dem Lotusteich 
und dem Büffeltoich nahe den Goldbergen von Aram entsteht. 5 ) Ob einer von 
diesen mit den oben erwähnten drei nördlichen Flüssen dieses Systems identisch 
ist, vermag ich nicht zu unterscheiden, da die Hydrographie dieser Gebiete noch 
gar sehr im Argen liegt. Auch der Plang soll von Norden in ihn münden. 0 ) 
Nach dem Zusammenfluss aller dieser Quell flusse ist der nun Sangke heißende 
Fluss tief und bedeutend und soll sogar dem Menam bei Bangkok gleichkommen. ') 
Er ist monoton, 4 ) stark bewaldet und fischreich und mündete vor 50 Jahren 
noch in zwei Mündungen in den See, deren eine, die von Battambong oder 
Dambong nach Pavie, tt ) aber versandet ist. Bis Trouh ist er schiffbar. 10 ) 

Am Südufer des Sees münden zwischen diesem und dem Pursatflusse eine 
Menge Wasserläufe. Pavie nennt den 1. Peha, ") welcher 60m breit, sumpfig 
und Im tief ist. 2. Prec Palai oit ia ) entsteht aus dem Dontri und Campong 
prac. Der Dontri entspringt am Ostabhang des Massivs von Krevanh aus dem 
Stung Kussey und Stung Sweidenko, von denen letzterer 25 — 30m breit und 
im Jänner 1 — V/ 2 m tief ist; der Dontri selbst ist zur Regenzeit im Mittellauf 
6 — 7 m, im Unterlauf 12 — 15 m tief. 3. Es folgen die zur Trockenzeit wasser- 
losen, zur Regenzeit stark angeschwollenen Bäche Prec Meni, Kan, Sada, Chak 
und Campong Ketai. Hierzu nennt Bastian noch den Samlong und Som. ,s ) 
4. Der Fluss von Pursat 14 ) oder Potisat entspringt in den Krevanh- 
Bergen; nachdem er die Zuflüsse Phtea Khla oder Khnat remeas und Stung 
Leat empfangen hat, beträgt seine Breite bei Pursat 60 — 70 m bei 3— 4 m hohen 
Ufern. Er mündet in drei Mündungen, Reangluch, Pastung und Traderech in 
die Verbindungsstelle des großen und kleinen Sees; ausgezeichnet ist er durch 
sehr starke Strömung und das Mittuhren einer ungeheuren Menge von Baum- 
stämmen. 5. Östlich und südlich des Stung Pursat sind endlich noch einige 
Wasserläufe '») zu erwähnen, z. B. Kräng Ponlei mit Chereibak, beide 15 m breit, 
sodann der Stung Cherap Augkara, der Stung Anconh und der Anglong Thuott, 
endlich der Stung Cheuea, welcher 15m breit ist, 15 m hohe Ufer hat und im 
Januer eine Tiefe von 30— 40m besitzt und mit dem Babour und dein Thlea 
Moham den Campong Roca bildet; dieser letztere selbst im Oberlaufe 10m breit 

') Garnier, Voyage etc. I. 

«J King, J. R. G. 8. 30. 8. 177. 

s ) Pavie 12, 515. 

*) Peterm. Mitt. 1866, 462. 

*) Ebenda. 

•) Ebenda und Pavie 12, 515. 

') Kennedy, a. a. O. 

*) Ebenda. 

») Pavie 12, 515. 

">) Pavie 11, 197. 

») Pavie 12, 512. 

,a > Über alle diese Flüsse siehe Pavie Goch, frauc. 12, 8. 515—536. 
<») Peterm. Mitt 1866, 8. 453. 
»♦) Pavie 12, 515. 
•») Pavie 11, 8. 197. 



212 Die Hydrographie de» -etlichen Indo-China. 

und l'; 2 — 2tn tief.') Überschreitet man die westlich Angkolborey gelegene 
Wasserscheide, so gelangt man in das Gebiet des Bang-Kapong- Flusse 8, 
welcher teils aus den Bergen von Tschantaburi, teils aus dem Feuerkönigs walde 
Dong Phaya Fai aus mehreren Quellarraea zusammenfließt, z. B. dem Lam 
Sathung 3 ) und in einem weiten nach Süden geöffneten Bogen nach Westen fließt. 
Bei Pachun wird er schiffbar, ist im Juli und den folgenden Monaten 36 m breit 3 ) 
und steht durch den Kanal Klong San Sept 4 ) mit dem Menam in Verbindung; 
seine Mündung in den Golf' von Siam liegt bei Bangplosoi. 

• Benützte Literatur über den großen See. 

1. Voyage d'exploration eu Indo-Chine publie par Garnier Paris 1873. 

2. Cochinchine franeaise, excursions et reconnaissances, 9, 485. Boulanger 
D<U>it du Mekong. 

3. Goch, franc. M. S. 455—481, 10. S. 99—146, 11. S. 197-212, 12. S. 
515—535, 14. S. 294—305. A. Pavie, Excursion dans le Cambodge et le Roy- 
aume de Siam. 

4. ('och. franc. 5. S. 243. Rapport sur la mission du Grand Lac. 

5. Bulletin d. 1. Soc. de Geogr. de Paris. 1876 II. S. 337 ff. Dr. Harmand, 
Voyage au Cambodge. 

6. Revue Maritime et Coloniale XXXIII. S. 441-63, 787-806 XXXIV. 
S. 45 — 74. Dr. Saigon a Bangkok. 

7. Rev. Mar. Col. XXV. S. *05. Garnier, Voyage d'Exploration en Indo-Chine. 

8. Journal Royal Geogr. Society London 1867. 37. S. 298. Kennedy, Report 
on an Expedition in Laos and Cambodja. 

9. Journal Royal. Geogr. Society. 30. 1860 S. 177. Kings travels in Siam 
and Cambodja. 

' 10. Bastian, Die Hydrographie Hinter-Indiens. Petermanns Mitteilungen 
1866, S. 450. 

3. Nebenflüsse des Mekong. 

Die Nebenflüsse im Oberlaufe*) des Mekong sind äußerst wenig bekannt. 
Abgesehen von den von Detsgodins namhaft gemachten Gießbächen finden wir 
auf Garniers Karte nördlich des Parallels von Semao nur den Takio mit dem 
Puel auf dem linken, den Nang Pitt und den Cong lan ho auf dem rechten 
Tfer. Südlich dieses Parallels beginnen die genaueren Aufnahmen der Expedition 
de LagreVs; indes sind wir auch hier fast ausschließlich auf Namen beschränkt 
und die Hydrographie dieser Gebiete bedarf noch sehr der Aufklärung. 

Von links erhält der Mekong oberhalb Xieng Hong den Nam Yot, 
N. Ma und N. Yong, unterhalb Xieng Hong den großen Fluss Nam La, welcher 
im Oberlaufe Lo so ho genannt werden und bei Puel entspringen soll. Er fließt 
auf der ganzen Länge seines Laufes dem Mekong parallel. Es folgt dann der 
Nam Ma und bei Xieng Khong der N. Khaon, N. Kiao. N. Kao, N. Phung und 
N. Ta, fünf kleine Flüsse mit kurzem Laufe. Bei Pakben mündet der Ben. 
Wahrscheinlich der größte Nebcnfluss im Oberlaufe des Mekong ist der oberhalb 
Luang Prabang mündende Nam Hu, welcher sehr breit und gut schiffbar ist 
und wegen dieser Eigenschaften sowie seine« genau nordsüdlichen Laufes von 
der Expedition de LagreVs ursprünglich als Übergangsweg nach China in Aus- 
sicht genommen war. Er entspringt wahrscheinlich in der den Lysienkiang am 
rechten Ufer begleitenden Gebirgskette. Bei Luang Prabang selbst mündet der 
Nam Kam, auch Fluss von Luang Prabang genannt, ebenfalls ein ziemlich be- 



ll AIIm nach Pavie 11, S. 197—212. 

J ) Bastian in Petermaun* Mitteilungen 1866. S. 452. 

3 ) King« Travels in Siam and Cambudia. J. K. G. S. 30, S. 177. 

4 ) Kennedy, a. a. O. 

*> Die Aufzahlung der Nebenflüsse im Oberläufe des Mekong nach Garnier» Karte in der 
Voyage d'Kxploratiou en Indo-Chine; diese Karte konnte Verf. ihrer Seltenheit wegen uicht selbst 
einsehen, doch wurde ihm von Herrn Dr. Eichard Kiepert in Berlin eine eigenhändige Kopie in 
der freundlichsten Weise zur Verfügung gestellt. Eiuzeluangaben über Breite, Tiefe, Schiffbarkeit 
etc. sind dorn Garnior'scheu Reisewerke Band I. entnommen. 



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Die Hydrographie de« östlichen lodo-China. 



213 



deutender Fluss. Zwischen genannter Stadt und Vien Chan empfängt der Mekong 
den Nam Lua, N. Met und N. Thon, drei kleine Flüsse von geringer Lauflänge. 

Von rechts mündet in den Mekong bei Xieng Hong der Nam Ha mit 
dem Ta Long, dann der kleine Kam Kha, der Tschclong und der Nam Pue, 
im Oberläufe Man lo ho genannt, mit dem Nam Kam und N. Noa. Gegenüber 
der Mündung des Nam La erhält der Mekong sodann den Nam Leui aus dem 
Tanen tung gyi-Gebirge, mit dem bei Xieng Tong vorbeifliegenden N. Kui und 
dem N. Ma und N. Me, sowie dem Nam Lern. Bei Sop Yong mündet der Nam 
Yong, dann der kleine N. Kai, darauf der Nam Lim und Nam Het, welche bei 
Muong Lim zusammenfließen, hierauf die vereinigten N. Metsai und N. Hern, 
letztere gleich oberhalb Kieng Sen: der N. Metsai soll aus einem See in der 
Tanen tung gyi- Kette kommen. 

Unterhalb Xieng Sen folgt dann der Me kok mit dem Kai und Luk von 
links und dem Tao und Tsekon von rechts. Der Me kok (Cok, khok) ist an 
der Mündung wasserreich und breit, bei Tatong aber, wenige Tagreisen oberhalb 
seiner Mündung, fand ihn Bock 40»» breit und sehr seicht. 1 ) Bei Tatong ist 
der Fluss nur 2 Tagreisen von dem Mepiug, dem Strome von Xieng Mai und 
rechtem Quellfluss des Menam entfernt. Bei Xieng Khong empfängt der Mekong 
einen ebenfalls Me Ping genannten Nebenfluss und unterhalb Pak Ben den 
Ngum, dessen Quelle nur eine Stunde von Menam selbst entfernt ist. Zwischen 
Luang Prabang und Xieng Gang sind noch zu erwähnen der N. Ilun, welchen 
Mouhot auf 100m Breite schätzte, während die französische Expedition ihn 
für viel schmäler befand; sodann der Nam Pui oder Puye mit dem Nam Nga, 
beide breit; darauf der Nam Tarn (Tarne) und der Nam Pun gegenüber 
Pakta und endlich der Nam Lay bei Paklay. 

Auch von den ersten Flüssen des Mittellaufes kennt man kaum mehr 
als die Neimen. Hierhin gehören unterhalb Vien Chan am linken Ufer der 
Se Ngum, welcher wie der Nam Hu in rein nordsüdlicher Richtung fließt, 
schiffbar und breit sein soll, ferner der Nam Makang, der Nam San, der Nam 
Kdin und bei Hüten der Nam Hin Bun und der Ho Ten. Auf dem rechten 
Ufer sind zu erwähnen der Nam Mong bei Vien Chan, sodann der bei Nongcai 
mündende, aus dem See Bo abfließende Nam Luong und ferner bei Saniaburi 
der ebenfalls aus einem See kommen sollende Sc Sumcam. 

Je weiter nun die beiden den Mekong begleitenden Bergketten, das siamesische 
und das annamitische Gebirge, voneinander sich nach SW. und SO. entfernen, 
desto größer wird der Kaum zur Entwicklung bedeutenderer Nebenflüsse, desto 
umfangreicher zugleich aber auch unsere Kenntnis von denselben. Während man 
von allen Flüssen oberhalb Lakhon fast nur die Namen und die Mündung kennt, 
sind die südlich dieses Punktes mündenden zum Teil in einem erheblichen Teile 
ihres Laufes erforscht. Das Verdienst der Erkundung dieser Nebenflüsse gebührt 
dem Dr. Harmand, welcher von 1875 — 1877 seine Hauptaufgabe darin sah, so 
das.s wir unsere Kenntnis aller dieser hauptsächlich auf Harmand stützen müssen. 
Von rechts erhält der Mekong auf dem Plateau von Laos nur zwei Neben- 
flüsse von Bedeutung, da der westliche Teil desselben im Regenschatten liegt 
und daher nicht wasserreich ist; desto mehr Zuflüsse verstärken deu Mekong 
von links, welche von der annamitischen Kette in teilweise sehr langem Laufe 
herabkommen und eine große WasserfUlle dem Hauptstrome zufuhren. 

a) Rechte Nebenflüsse. 

1. Der Se Mun 5 ) ist ein echter Plateaustrom, dessen Gebiet im Westen 
durch die wasserscheidende Kette des siamesischen Gebirges, dessen südlichster 
Teil Dong Phaya Fai, der Feuerkönigswald heißt, im Süden durch die Kao 
Donrek-Kette, im Norden durch eine von Paklay bis Kemarat den Mekong be- 
gleitende auf das Plateau aufgesetzte Randkette begrenzt wird. Das Becken des 



') Petermanns Mitteilungen 1883, 8. 106. 

*) Über den 8e Man existieren nur sswei Quellen; ersten* Garnier, Yoyagc d' Exploration 
en Indo-Chint» ; «weiten* Dr. J. Harmand, Notes nur les provinecs «In basNin ineridional du So Mtui, 
iu H. 8. P. II S£r. 14 1877 II 8. 225—238; aus beiden ist dieser Abschnitt zusammengestellt. 



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214 



Die Hydrographie de« «rtlichen Indo-China. 



Se Mun wurde zuerst 1860 von Mouhot in seinem westlichsten Teile besucht; 
dann befuhr die französische Mekong-Expedition den Fluss aufwärts bis Sisaket; 
endlich besuchte Harm and 1876 die südlichen Zuflüsse des Se Mun und durch- 
zog das Stromgebiet desselben von Siemreap in nordöstlicher Richtung bis Pak 
Mun ; über den nördlichen größeren Teil des Se Mun Beckens fehlen noch 
genügende Nachrichten. Der Se Mun entspringt mit seinem Hauptarm im südlichen 
Teile des siamesischen Gebirges etwa unter 15° NB.; ein /.weiter bekannterer 
Quellfluss ist der Tokrou genannte Fluss von Korat. Ein Teil des Mittellaufes 
des Se Mun vom Zusammenfluss dieser beiden Quellflüsse bis nach Sisaket ist noch 
unerforscht; unterhalb dieses Ortes zeichnet sich der Fluss durch sein ganz 
außerordentlich scharf geschnittenes Bett aus, welches einem von Menschenhand 
gegrabenen Kanäle gleicht, seine Strömung ist schwach ; sein Lauf ist mäandrisch 
inmitten der endlosen öden fast baumlosen Ebene; am Flusse selbst finden sich nur 
wenige Ansiedlungen ; überhaupt ist das Land nur schwach bevölkert. Die Breite 
des Se Mun beträgt überall etwa 300—400 m. Die ihm von der Kao Donrek-Kette 
von Süd zuströmenden Flüsse sind in der Trockenzeit meist ganz wasserlos 
oder doch höchstens knietief ; alle können mit beladeuen Karren passiert werden. 
Von W nach O gehören dazu der Se Coptan, der Se Saralan mit dem 10 — 15 m 
breiten 1 ) Stung Selane und dem Stung Koch sowie dem Flusse von Kukan; 
ferner der Ho Het, welcher sich mit dem Se Saralan kurz vor dessen Mündung 
vereinigt und von den Quellflussen Hourh Chelong und Stung Trea gebildet 
wird; sodann der Stung Kremium, welcher das ganze Jahr hindurch schiffbar 
ist, zur Regenzeit 60 m Breite, zur Trockenzeit aber nur 20 m 2 ) besitzt und auf 
seinen sandigen, scharf geschnittenen Ufern eine Unzahl von Baumstämmen 
trägt, welche die Hochflut des Sommers daselbst abzulagern pflegt. Er empfängt 
von rechts den Ho Srelan. Es folgen dann der Ho Cagnung, in seinem Ober- 
laufe Ho Mea genannt, der Ho Cum, der Se Bonmai, der in seinem Oberlaufe 
Ho Kene heißt, mit dein Se Tea Sin, in den wieder der He Senbot mündet uud 
endlich der bedeutendste südliche Zufluss des Se Mun, der Se Dom, welcher 
allein von allen diesen den Namen Fluss verdient. Der Se Dom bietet bei Det, 
wo Harm and ihn zuerst betrat, das Bild eines in sandige Ufer scharf einge- 
schnittenen mit vielen ungefährlichen, durch Sandsteinblöcke erzeugten Schnellen 
besetzten und kolossale Mengen von Baumstämmen führenden Flusses. Zur 
Regenzeit steigt er bis um 10 m ') und ist dann ein stattlicher Strom. Unterhalb 
Bau Ha Nhiea wird er ruhiger, dehnt sich auf 50 — 60 m Breite aus, zeigt eine 
gleichmäßige Tiefe von 2 m und mündet in 150 m Breite, *) gegenüber Na Mun 
in den Se Mun. Von links empfängt er den Ho Rem Bohl uud den Ho Soai. 
Er ist sehr gewunden, bildet Sandbänke und hat überhaupt dasselbe Aussehen 
wie der Se Mun. Dieser verändert indessen schon vor Mündung des Se Dom 
seinen ruhigen Charakter betrachtlich ; denn da er, um in den tiefer eingeschnittenen 
Mekong zu gelangen, den Steilrand des Plateaus überschreiten muss, so entstehen 
eine große Zahl meist ungefährlicher Stromschnellen, die den Terrassen 
entsprechen, auf denen der Se Mun allmälig abwärts strömt. Nach dem ersten 
Drittel der Entfernung von Ubon bis Pak Mun beginnen diese Schnellen, die 
sich ununterbrochen bis 2 km oberhalb Pak Mun fortsetzen. Kolossale Sand- 
steinblöcke, Reste der durchschnittenen Ränder des Plateaus, teilen den Strom 
in viele breite, seichte Arme. Diese Blöcke sind durch die Erosion mit vielen 
kreisrunden Löchern angefüllt, durch deren allmälige Vergrößerung die Felsen 
in Stücke zersprengt werden : diese Löcher haben bis 2 m Tiefe und bis 2 m 
Durchmesser. *) Besonders an den Schnellen von Tanah, 2 km oberhalb Pak Mun, 
wo im Januar ein Wassersturz von V/ 2 m Höhe vorhanden ist, ist diese Er- 
scheinung scharf ausgeprägt. Die linken nördlichen Nebenflüsse des Se Mun sind 
wenig bekannt. Etwas oberhalb Ubon mündet der Se Bay, etwas oberhalb der 
Se Dom-Mündung der Se Bo. Bedeutend längeren Lauf scheinen diejenigen Flüsse 

') Hannaud a. a. O. 

*l Harniand a. a. O. 

*.i Harmand a. a. O. 

*> Harniand a. a. O. 

»;. Harniand a. a. O. 



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Die Hydrographie de« östlichen Indo-China. 



215 



zu haben, deren Oberlauf Mouhot, *) welcher dem Ostabhang des siamesischen 
Gebirges entlang reiste, Uberschritt. Hierher gehören der Menam Chic unter 
15°45' und der Menam Leni unter 18°3'. Dieselben scheinen sich zu vereinigen, 
einen dritten Fluss von Norden aufzunehmen und dann zwischen Sisaket und 
Suren in den Se Mun zu münden. Der Menam Chic ist vom Mai bis December 
im Unterlaufe schiffbar; der Menain Leni nimmt von rechts den Menam Prome 
mit dem Menam Yana auf, ferner den We Muan und den We Yan Fon Khau. 
Näheres ist über alle diese nicht bekannt. 

Der zweite rechte Nebenfluss des Mekong ist der 

2. Se Lamphau oder Tonly Repau, welcher gegenüber Khong in 
den Mekong mündet. Auch ihn besuchte Harmand 1876. Er entspringt in der 
Khao Donrek-Kette und zwar im Süden derselben, fließt mit schwacher Strömung 
in südsüdöstlicher Richtung zwischen öden und waldigen Sandsteinufern, hat im 
Januar 2 m Wasser und ist dann auf 15 Jim schiffbar. Oberhalb der Mündung 
des Prec Pchakh ist er höchstens 30 m breit, unterhalb aber viel breiter und 
bei Hochwasser reißend. Bei Thepang si empfängt der Tonly Repau außer dem 
Prec Pchakh auch die vereinigten Baihn Ho Knohr und Ho Sen Truc. 1 ) — Über 
den dritten Nebenfluss, den Tonlesap, siehe S. 209. 

- 

b) Linke N e b e n f 1 ü s s e. 

1. Der Se bangfay wurde ebenfalls von Harmand 1877 besucht.') Er 
entspringt in dem annamitischen Qebirge, wie es heißt, in dem See Makang 
und soll unter einer natürlichen Wölbung den Berg Phu Sommang durchströmen: 
er fließt in südwestlicher Richtung und mündet bei Peunom in den Mekong. 
Harmand Uberschritt ihn im Juni 1877 bei Phu wa im Kalkgebirge von Lakhon 
und fand ihn hier nicht sehr breit und fast durchwatbar. Er empfangt von rechts 
den Oue Khay und O. Kim Son; von links den O. Satoi, O. Jlula, O. Nam 
Pat mit dem O. Tschen und dem 0. Sopha, sowie ferner den Se Noi, 
welcher in der Kette Phu Lum entspringt, 50 m breit ist und die Grenze der 
siamesischen Provinzen Phu Nu und Nam Nan bildet. Dieser Se Noi erhält von 
links den Oue Say, O. Gniang und 0. Hin lop. 

2. Ganz bedeutend größer als der Se Bangfay ist der Se Banghieng, 
dessen Lauf die französische Mekong-Expedition und dann besonders wieder 
Harmand erforschten 4 ) Der Se Banghieng entspringt wahrscheinlich nahe der 
Küste in der östlichen Kette des annamitischen Gebirges aus zwei Quellarraen 
die sich bei dem- Berge Phu Segnao vereinigen. Der westliche heißt Nam Kok, 
der östliche ist der eigentliche Se Banghieng. Bei Tschepu ist der Se Banghieng 
bereits 300 — 400 m breit und fließt zwischen mit dichtem Urwald bedeckten 
Ufern. Hier überschritt ihn Harmand auf der Reise von Lakhow nach Hue. Sein 
Lauf ist von Tschepu bis zur Mündung des Se Meteh nicht näher bekannt. Bis 
hierhin jedoch erforschte ihn von der Mündung aufwärts fahrend Dr. Harmand 
im Juni 1877 und fand seine Breite auch hier noch 300 — 400 m, die erst bei 
Songkong nach Aufnahme des Se Kampho vergrößert wird. Seine bis dahin 
westliehe Richtung verändert sich hier zu einer südlichen, welche ihn gegenüber 
Kemarat in den Mekong führt. Seine Ufer sind an der Mündung des Se Tainuok 
gänzlich wüst: am Unterlauf aber besteht ausgedehnte Reiskultur. Seine Tiefe 
beträgt im Oberlauf 1—2 m. Seine Ufer sind hoch und der Niveauunterschied 
zwischen Regen- und Trockenzeit scheint bedeutend zu sein. Au seinem rechten 
Ufer überschwemmt er zur Regenzeit das Land weit und breit, sodass ein 
förmlicher See entsteht, welcher den Namen Thnng Nong Mong führt Etwas 
unterhalb der Mündung des Se Kamphon (Somphon) ist das Land sumpfig und 



'i Note» on Cambodje, the Lao Country etc. by H. Mouhot. J. R. O. 8. 82. 8. 142 1862. 
4 > Alle diese Angaben nach Dr. Harmand, Vovage an Cambodge, B. S. P. VI. So>. 12. 
1876 II. R. 337 ff. 

J ) Über den 8e Bangfay bietet nur Harmaud Material in B. 8. P. VI. 8er. 17. 1877 I. 8. 76 ff. 

«) Auch Uber den Sc Banghieng bietet Harmand fast alle» Material allein dar; in aciuoni 
Aufsatze de Bassac k Hue. B. 8. P. VI. 8er, 17. 1879 I. 8. 76. ff. gibt er auch «wei Karten des 
So Banghieng und de* 8e Tschepn. 



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21G 



Die Hydrographie de» östlichen Indo-China. 



mit einer Salzkruste bedeckt. An seinem linken Ufer begleiten den Se Banghieng 
Bergketten. Der Se Banghieng hat ein »ehr weit ausgebreitetes Stromgebiet. Er 
empfängt zunächst von links seinen größten Zufluss, den Se Tschepu oder 
Song na bou, welcher ebenfalls in der Küsteukette entspringt Bekannt ist 
derselbe aufwärts bis zur Mündung des Ke Xauh, welcher durch eine niedrige 
Kette vou dem Flusse Kau Q u a u h getrennt ist, dessen Unterlauf und Mündung 
noch unbekannt sind. Der Se Tschepu ist seicht und windet sich mühsam 
durch teils nackte, teils mit Gesträuch bedeckte Felsmassen hindurch und bildet 
dabei eine Anzahl von Stromschnellen. Seine Ufer sind sehr verschieden, das 
linke wird von einer Gebirgskette begleitet, das rechte ist Flachland und Wald- 
land, bewohnt von den Annam unterstehenden Pu Thay-Stämmen. Die Breite 
des Flusses ist schon im Oberlauf beträchtlich, übersteigt 200 m und gitb au 
der Mündung derjenigen des Sebanghieng kaum etwas nach. Der So Tschepu 
empfängt einige unbedeutende Zuflüsse. Der Seßanghieng erhält dann von rechts 
den O. Kuy, von links den Se Nong, Se Tanuon, Se Metch und Se Pahem, 
welche alle aus der Phu Sung-Kette kommen. Sodann erhält er von rechts den 
bedeutenden So Tamuok, welcher im Norden der Phu Wieng-Kette ihm in 
seinem ganzen Laufe parallel fließt und mit dem Unterlauf die Grenze zwischen 
Siam und Laos bildet. Er entspringt in der Kette Phu Khon Kau aus zwei 
QuellflUssen, dem nördlichen eigentlichen Se Tamuok mit dem O. Thasao, O. Po, 
O. Teniong, 0. Sauh und zweitens dem Se Tuon, an welchem die Stadt Phin 
liegt. Die Gegend ist waldig, felsig, der Boden thonig. Weiter empfängt der 
Se Banghieng von rechts den Se Khong Kham, dessen in nordnordöstlichcr Richtung 
liegende Quelle noch unbekannt ist, dann von links den großen Bach O. Taluong 
und von rechts den O. Tuplong, endlich r. den Se Kamphon (Kiamphon, 
Somphon) gleich unterhalb der Stadt Muong Song Khon. Dieser entspringt im 
Süden der Kette Phu Song, durchfließt in fast genau südlicher Richtung die 
reichen und Btark bevölkerten Landstriche der Khas-Stämme, empfängt von 
rechts den (). Kasa, von links den O. Kielmong, der bei Sakun mehr als 100 m 
breit, '/a ni l ' eI una< ftirtbar ist und vereinigt sieh nahe der Mündung mit dem 
Se Kien'soi oder Socsoi; dieser entspringt in den Phu Bum-Bergen, erhält sehr 
zahlreiche Zuflüsse und ist ebenfalls 100 m breit; zur Hochwasserzeit sehr tief, 
fällt er im Februar bis auf 60 cm, ja stagniert dann zuweilen sogar ganz und 
schrumpft auf 25 m Breite zusammen. 

Die bis 2000 m ansteigende Phu Sung-Kette und einige au dere Berggruppen 
scheiden das Gebiet des Se Banghieng von dem des 3. Se Don;') der Se Don 
entspringt nahe dem Flussthale des Sekoug auf dem vulkanischen Plateau von Boloven, 
Sarawan oder Bassac, welches er in einem weiten Bogen im Norden umfließt. 
Oberhalb Sarawan ist er nur 10 m breit, sehr wild und äußerst gewunden. 
Er fliesst in einer endlosen Wiederholung von Stromengen, Stromschnellen und 
Wasserstürzen. Bei Keng No* sseigt er einen Sturz von 8—10 m Hübe, bei Solo 
Noai wird er durch einen Basaltdurchbruch in zwei Arme geteilt, welche zwei 
Wasserfälle von 2 und 15 m Höhe bilden. Ferner sind die Schnellen von Keng 
Catay zu erwähnen, sowie die durch Sandsteinbänke erzeugten von diu Hong. 
Bei Muong Sahat ist der Se Don 80 m breit und mehr als 10 m tief; von Kham 
Toug Niai an wächst seine Breite auf 200 m und er fließt ruhig zwischen 3 — 4 m 
hohen, sehr regelmäßigen Sandufern unter ungeheuren Windungeu, welche 
de Lagre'e, der Erforscher dieses Flusses, mit denen der Seine bei Paris ver- 
glichen hat. Seine Tiefe beträgt hier 8 — 10 m, seine Strömung ist fast unmerklich. 
Schiffbar ist er bis Snia. An der Mündung empfängt er von Unks einen kleinen 
Nebenfluss: sonst ist Uber etwaige Nebenflüsse nichts bekannt. 

Bei Stung Treng erhält der Mekong seinen größten Nebenfluss, den Mam 
Se, welcher aus dem Sekong und Sesan gebildet wird. 4. Der Sekong 3 ) 
ist der eigentliche Hauptfluss dieses Systems und entspringt nordöstlich des 
Plateaus von Sarawan in dem annamitischen Gebirge. Das gesammte Plateau 

> i Über deu Se Don bietet nur daa Garnicr'sehe Rowowerk Geuaucre«, welchem »ämmtliche 
Angaben über deu FIum entnommen sind. 

*) Ülwr den Sekong «Sehe da* (iarnicr'ache Werk ; »odaun besonder» Dr. Harmand, De Bassac 
« Attope.t, IJ. S. P. VI. «er 14. 1877 II. S. *$H-;>»7, welchem AufMUe die Detail» entstammen. 



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Die Hydrographie de« östlichen Indo-China. 



217 



umfließt er im Osten und Süden, so dass dasselbe durch den Se Don, Sckong 
und Mekong fast völlig umschlossen wird. De Lagrec und Harm and fanden 
den Sekong an dorn äußersten bekannten Punkte bereits 100m breit, welche 
Breite bei Ban Cumkang auf 150m wächst. Seine Strömung ist stark und be- 
trägt 3 — 4 Meilen in der Stunde. Von dem Massiv von Sarawan empfängt er 
viele Gießbäche, deren bedeutendster der Senoi, aus einer ungemein engen und 
steilen Schlucht zwischen dem Phu Dak Ling und Phu Luang, von unzähligen, 
bis zu 80m Fallhöhe herabstürzenden Gießbächen gespeist, unter großem Gefälle 
herabkommt und bei Pakoi in den Sekong mündet. Bis Attopeu läuft der 
Sekong dann stets am Rande des Massivs entlang; seine Ufer sind nicht hoch; 
seine Breite beträgt hier mehr als 200m, seine Tiefe 3 — 4 m, seine Strömung 
ist beträchtlich. Bei Tapac sind seine Ufer .sehr hoch und seine Breite vermindert 
6ich bis auf 150m; in der Regenzeit steigt er hier um 12m. Bei Attopeu 
mündet von links der Sekemen, welcher 1877 von Harmand ') bis zu der 
Schlucht verfolgt wurde, in welcher er aus den Phu Lek Tay-Bergen austritt. 
Hier ist er überall 80m breit, wird aber weiter abwärts viel breiter, besonders 
bei Muong Cam und Ban Noi; in der Trockenzeit ist er seicht und strömt 
langsam. Er besitzt viele Stromschnellen, von denen jedoch selbst in der Trocken- 
zeit nur wenige schwer zu passieren sind. Während der 8 Monate der Trocken- 
zeit hat er l / 7 m Tiefe und ist bis zu der erwähnten Schlucht schiffbar; dort 
wird die Schiffahrt indes gänzlich unmöglich : vielleicht aber kann sie jenseits 
der Schlucht fortgesetzt werden, da der Sc Keman, seinem Wasserstande nach 
zu schließen, wahrscheinlich einen langen Oberlauf besitzt. Von rechts empfängt 
der Sekong weiter abwärts den Se Pien oder Se Pean, der fast ebenso be- 
deutend ist wie der Sekong selbst; er ist 100m breit, Im tief, schwer zu über- 
schreiten und zeigt sehr starke Strömung. Seine Quellen liegen inmitten des 
Massivs von Boloven, seine Mündung kurz oberhalb der Schnellen von Keng 
Phao. Der Le Pien empfängt von rechts kurz vor der Mündung den Le 
Bampho, welcher am ric de Lagree aus mehreren Quellbächen entspringt; 
dieselben heißen von W. nach O. : O. Pa Sat, O. Kamphonoi, O. Konken, 
O. Deo, O. Kainphongiag, 0. Sip, 0. Papet. Sie bilden einen 60— 80 m breiten, 
aber nur } / 2 m tiefen Fluss, dessen 30— 40m breites Bett sehr seicht ist und 
zur Trockenzeit Salinen enthält, die von der Bevölkerung der Khäs Stämme 
ausgebeutet werden. Er erhält von rechts den O. Tochuong und 0. Phoh, 
welche ganz nahe dem Mekong an der Ostseite der denselben begleitenden 
Hügelkette entspringen. Dicht oberhalb der Mündung empfängt dann der Sekong 
noch den So« an, welcher zuerst 1882 von Septans und Gauroy besucht wurde. 5 ) 
Seine Quelle ist noch unbekannt. Auf der Karte von Dutreuil de Rhins, l'Indo- 
Chine Orientale, im Pariser Bulletin 1880 Januar, wird er mit dem in der anna- 
mitischen Provinz Binh Dinh im annamitischen Gebirge entspringenden Bla') 
in Verbindung gebracht, welche Annahme an Wahrscheinlichkeit dadurch ge- 
winnt, dass die Annamiten den Seaan Bla nennen. Sein Lauf ist dem des Sekong 
von der Gegend von Attopeu bis nahe der Mündung parallel. Bei den Mois 
heißt der Fluss Hia crong und bei den Cambodjern Tonly Srepoe nach dem 
Orte Srepoe, bei welchem die genannten Forscher den Fluss überschritten. Bei 
Baueriha erhält er einen größeren Nebenfluss, den Da Rming. Über seinen Lauf 
lassen sich bis jetzt keine näheren Nachrichten geben. 

Nach der Vereinigung von Sekong und Sesan heißt der Strom von Stung 
Treng Nam Se, ist 800m breit und führt dem Mekong ein sehr beträchtliches 
Wasserkontingent zu, welches von Garnier für die Regenzeit auf 12 — 15000«» 
pr. Sekunde geschätzt wurde. 

5. Südlich des Sekong empfangt der Mekong an den Schnellen von Sombor 
den C ringen, welcher bei dem Orte Sreki 120m breit ist und auf felsigem, 
schiefrigem Boden fließt. Auf demselben Gestein strömt der 6. Kampi; doch 

') 8iehe U. 8. P. VI. Sir. 14. 1877 II. 8. 239 ff. mit Kurte. 

*) Scplans et Gauroy, RecouuaisKÄiieo dau* lo Cambodgc et lc Laos Cochinchine francaine 
Heft 12. 8. 536-551. 

») Huj-u de Verneville, Kntu-v Mir 1a Provimc de Itinh Dinh. Coihiuchiiw fran^ai*.- Hi ft 11. 
287— 2ö7. 

K.tlUr: ZtiUdtrl/t. V. Bd. lg 



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218 



Die Hydrographie des {tätlichen Indo-China. 



ist derselbe nur 50 »i breit und zur Trockenzeit wasserlos. 7. Der T e entspringt 
in den Bergen der Mois-Stamme, ist lOOiw breit, 6ießt zwischen Sandstein-Ufern, 
ompfftngt die Nebenflüsse Da Pra (30 m breit) und Da Remuth (10 m) und 
mündet bei Cratieh in den Mekong. Alle diese Flüsse wurden von Septans 
und Gauroy 1882 erforscht; 1 ) ebenfalls 

8. Der Chelong, welcher wohl auch im annamitisehen Gebirge im Lande 
der Mois entspringt. Er fließt ungefähr an der Stelle des auf Dutreuils Karte 
angegebenen Tambunflusses, dessen Nichtexistenz Septans und Gauroy nach- 
gewiesen haben. Seine Zuflüsse sind nach diesen der Da Guirman und der 
Da Pra, ersterer 20 w, letzterer 15w breit, ferner der Da Palm, der Prec Moth, 
welcher 10m breit ist, mit dem Mera und Mdul, ferner der Da Gnouille und 
der sumpfige von Brelum kommende Da Guiguienne, welcher in den Da Guirman 
geht. Es ist anzunehmen, dass dieser Chelong identisch ist mit dem von Gautier 1 ) 
besuchten Darcgloune. Diesen fand Gautier 50 — 60m breit und stark ein- 
geschnitten, was mit Septans Angaben Uber den Chelong übereinstimmen würde. 
Der Da Guiguienne würde dann mit Gautiers sumpfigem, bald 4'/,»» breiten, 
bald seeartig erweiterton Brelumflusse zu identifizieren sein und der Direman 
Gautiers mit dem Da Guirman. Dieser Direman soll nach Gautier ein Neben- 
flus8 des viel größeren Daregloune sein, ist stark eingeschnitten, 20 — 30 breit, 
1 — 2 m tief, zur Regenzeit sehr reißend, und dann im Stande um 4m zu steigen 
bei gleichzeitiger Tiefe von 10m. Gautier erwMhnt dann noch den Darebras 
und den ziemlich bedeutenden 30km nordöstlich Brelum fließenden Dauremore, 
linken Nebenfluss des Diremau. Nach Neis und Septans sollen die Quellen 
des Daregloune ganz nahe denen des DonnaY liegen; 4 ) die Identität des Dare- 
gloune und Chelong hat viel Wahrscheinlichkeit für sich. Der Chelong mündet 
bei Peam Chelong südlich Roca (Sroc) Khnor in den Mekong. 

Benutzte Literatur über die Nebenflüsse des Mekong: 

B. S. P. VI. 12. 1876 II. S. 337 ff. Dr. Harmand, Voyage au Cambodge. 

B. S. P. VI. 14. 1877 II. S. 225—238. Dr. Harmand, Notes sur les pro- 
vinces du bassin meridional du Se Mun. 

B. S. P. VI. 14. 1877 II. S. 239—247. Dr. Harmand, De Bassac a Attopen. 

B. S. P. VI. 17. 1879 I. S. 76 ff. Dr. Harmand, De Bassac a Hue. 

Cochinchine franeaise 12, S. 536 — 551. Septans, Reconnahisance dans le 
Cambodge et le Laos. 

Cochinchine francaise 14. 1882. S. 219. Gautier, Voyage an Pays des MoYs. 

Cochinchine francaise 10, S. 15 — 81. Nets et Septans, Rapport sur un Voyage 
d'exploration aux sources du DonnaY. 

Journal Royal Gcogr. Society. London. 32. S. 142, 1862. H. Mouhot, Notes 
on Cambodia, the Laos Country etc. 

Garnier, Voyage d'exploration en Indo-Chine. Paris 1873. 2 Bände. 

II. Der DonnaY. s ) 

An die Besprechung des Mekong reihen wir unmittelbar die des DonnaY, 
weil derselbe durch die Verbindung seiner Mündung mit dem Flusse von SaYgon 
ein Glied des großen Mekong-Deltas darstellt. 

Der DonnaY ist mit Ausnahme seiner Mündung erst seit vier Jahren bekannt 
geworden; denn niemals wurde sein Ober- und Mittellauf vorher von Europäern 
besucht Dem Dr. NcYs gebürt das Verdienst, als erster diese terra incognita 
erkundet zu haben ; nach ihm sind besonders Septans und Gautier als Erforscher 



') Siehe den angexogenen Aufsatz; Anm. 1. Ferner Karte dv» DonnaY-Gebietes B. 8. P. 
1883 II. 

*) Gantier, Voyage an Pays de* MoYs. Codi. fran?. 14. 219. 

s ) Über alle diese Flüsse Gautier a. a. O. 8. 21» ff. 

4 ) Nefs et 8eptans, Rapport sur nn Vovage d'exploration an lources du DonnaY; Codi. fran$. 

Heft 10, 8. 15. ff. 

*) Zu Grunde gelegt ist Gautier, Voyage au l'ay« den Moi« tVvrier A Juni 1882 in Cochiuchiuc 
trau^aise 14, 219 ff.; die gesauimte T<Mrraii)be*ehrcilmiig ist diesem Aufsatze entnommen. 



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Die Hydrographie de« ttstlichon Indo-Chin». 



219 



des Donnai zu nennen. Eine zusammengefasste kartographische Darstellung seines 
Laufes findet sich zum erstenmale im Decemberheft des Bulletin de la Socidte* 
de Geographie de Paris 1883. Es dürfte daher der Neuheit des Gegenstandes 
wegen wol angebracht sein, auch die orographischen Verhältnisse seines Quell- 
gebietes etwas näher zu erläutern. 

Etwa unter dem 12. Grade n. Br. zweigt sich von der hier nordsüdlich 
streichenden Hauptkette des annamitischen Gebirges ein Gebirgszug nach Westen 
ab, dessen Ausläufer sich südwestlich bis gegen den Mekong erstrocken. Der 
Abfall dieses Gebirges geschieht terrassenförmig in mehreren aufeinanderfolgenden 
Plateaux, deren Längsaxo nach S\V. gerichtet ist. Am Abzweigungspunkte beträgt 
die Höhe der Wasserscheide etwa 1000 m. Dieselbe besteht aus dem Gnom 
Langbian, einem Gebirgszuge, an den sich die genannten Plateaux anschließen 
und zwar zunächst die von Contran-Yanyut und Taduntndra, dann ein zweiter 
Bergzug und ein zweites Massiv, daruf ondlich das größte und wichtigste, das 
von Tinnlay, welches im Mittel 1000 m hoch ist und aus einer Reihe von Bergen 
besteht, die die Kamen Banstun, Trehal, Teline, Tionlay, Saloho, Pahr und 
Lumu führen. Die erwähnten Plateaux sind voneinander unabhängig, aber durch 
kleine Höhenzüge miteinander verbunden. Durch das Vorspringen dieser Berg- 
massen nach Südwesten wird nun Raum erzeugt für das Fluss-Syetcm des Donnai 
und seines großen Nebenflusses, des Dalagna, welche im Osten von der Haupt- 
kette des annamitischen Gebirges begrenzt werden, welche in den Bergen der 
Provinz Binh Thuan allmälig niedriger wird und in dem Kap St. Jaques endet 
Die Quellen des Donna?, ') welche 1881 von Neis und Septans entdeckt wurden, 
liegen an der Abzweigungsstelle des Gnom Langbian von der Hauptkette zu 
beiden Seiten desselben, dort, wo am Nordabhang auch die Quollen der zum 
Mekong gehenden Flüsse Direman und Daregloune sich befinden sollen. Zwei 
Quellbäche setzen hier den Donnai zusammen, der Da Mne vom Sttdabhang, 
der Da Lu vom Nordabhang des Gnom Langbian kommend; beide sind un- 
bedeutende, stark eingeschnittene, auf Thonboden fließende Bäche. Bei ihrem 
Zusammentluss ist der Donnai 5— 6 m breit, 0*70 t» tief und sandig; er begleitet 
dann die Höhen, welche das Plateau von Langbian von dem von Contran-Yanyut 
scheiden, wendet sich nach SW. gegen das Massiv von Brehang und bildet hier 
bei 1 m Tiefe einen Fall von 4 -5 m Höhe, sowie Stromschnellen an mehreren 
Stellen. Sein Bett ist fortwährend felsig, während seine Tiefe zwischen Bonor 
und Riom auf 2 — 3 »i, seine Breite auf 30— 40 m steigt Nachdem er sich am 
Brehangmassiv nach N. gewandt hat, macht er zwischen den Plateaux von 
Taduntadra und Contran-Yanyut eine starke Kurve und zeigt hier bei wechselnder 
Tiefe und 40 — 50 tn Breite starke Schnellen. Bei Pare wendet er sich nach SW. 
und wird nun rasch bedeutender. Am Einfluss des Da Huo ist er schon 100 — 120 tu 
breit, 2 ) mit Inseln bedeckt hat 0--7 m Tiefe. 4—5 m hohe Ufer und viele Strom- 
schnellen. Seine Strömung ist reißend und sein Bett daher mit Felsblöcken und Baum- 
stämmen gefüllt: von der Mündung des Dahue bis Kien sind die Schnellen weniger 
stark ausgeprägt: zwischen Kien und Culaothu nehmen sie aber einen großartigen 
Charakter an; bei Trian zeigt der Donnäf seine letzte Schnelle, durch welche 
J /i des Flussbettes unfahrbar gemacht werden und empfängt hier von rechts den 
Songbe, dessen Lauf noch unbekannt ist. Seine SchitTbarkeit beginnt bei Calao 
Tho. ') Von Tan-uyen an, wo sein Bett noch 15 — 2(1 m tief eingeschnitten ist, 
fand Gautier nichts Besonderes mehr über den Fluss zu bemerken ; 4 ) in seinem 
Unterlauf durchzieht er eine wollige Ebene und vereinigt sich mit dem Flusse 
von Saigon zu der Soirap-Mündung. Seine Gesammtlänge beträgt etwa 300 km. 
Seine angebliche Teilung in zwei Arme ist als ein Irrtum zu bezeichnen und 
auf Rechnung der Einmündung des Da Hue und Dalagna zu setzen. 

Die Nebenflüsse des Donnäf sind zahlreich und haben, soweit bekannt, alle 
Gießbachcharakter. Von rechts empfängt er: 1. den Da Serdom. 2. DaRdo, 

') Die gesummte Hydrographie des DoanaYsyBtems und alle Zahlenangaben sind gestützt auf 
NeY* et Septans. Rapport nur uu voyage d'exploratiou aux toun-e» du Donnai'. Codi, fraue. 10, 15. 
») Gautier, Voyago, Coch. franc. 14, 21t». 
5 ) NeYu, Kapport. Coch. frani,. 10, 5. 
*) Oautier, Voyage. Coch. franc, 14, 219. 

16» 



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Die Hydrographie des östlichen Indu-China. 



welcher auf dem Taduntadra-Massiv entspringt, 6 — 10 m breit und felsig ist und 
bei Diann mit einer Breite von 15 m und einer Tiefe von 0 60 m mfindet. 3. D a 
Clao, welcher ebenfalls aus dem Taduntadra-Massiv kommt; in ihn geht der 
Da Ntil. 4. — 6. Da Gre, Da Gon, Da Riesse, alle unbedeutend. 

Von links empfangt der Donnaf: 1. den Da Komli, 25 m breit, sandig. 
2. Da Taham, welcher an der Vereinigung seiner vom Gnom Delman kom- 
menden Quellbache 10 m breit ist und sich mit dem 3. Da Guing, einem bei 
Melone 30 m breiten Flusse, vereinigt. 4. Da Snir. 5. Da Seit, 15 m breit. 
6. Da Hue') macht durch seine schwache Strömung eine Ausnahme unter den 
andern Flüssen. Er entspringt am Gnom Banstun und empfängt bald darauf 
von links den felsigen, 15 m breiten Da Sapoh, ferner den vom Tionlay-Masaiv 
kommenden, 15m breiten Da Mre, 2 ) seinen Hauptzufluss, nach dessen Einmündung 
der Da Hue schiffbar wird. Beim Zusammenfluss mit dem Donnaf ist der Da Uue 
60 m breit, und 0 - 60 m bis 1-70 m, ja auch bis 2 m tief. Nefs erforschte den 
Da Hue um die Wende 1880/1. 7. Da Lag na ist der bedeutendste aller Neben- 
flüsse des Donnaf. Sein einer Quellfluss entspringt auf dem Plateau von 
Contrau-Yanyut, der andere am Berge Chua Chang in etwa 350 m Höhe nahe 
einer großen Grotte mit Heiligtümern. Der eretere ist der eigentliche Dalagna, 
der letztere heißt Gialao. Der Dalagna ist 40—50 m breit, an der Mündung 
jedoch schmaler als im Mittel- und Or>erlauf. Fr ist sandig, fließt wie alle diese 
Flüsse auf rotem oder weißem, auf Granit lagerndem Thon und Sandstein und 
enthält dicht oberhalb der Mündung sehr starke Stromschnellen. Bei Voduoc 
tritt er in die weite 60 — HO km sich ausdehnende Ebene ein; von rechts 
erhält der Dalagna den 1. Da Binh vom Tionlay-Plateau ; derselbe ist bei 
Conheini 25 30 m breit, sandig und empfängt von links den Da Keit und den 
Da Dron; 2. den Da Chah, welcher sehr große Granitblocke mit sich führt. Über 
den von rechts in den Donnai mündenden Songhe fehlt es noch an Nachrichten. 
Der Donnaf durchströmt das Land der Mols-Stämme. 

Literatur über den Donna*: 

1. Cochinchine francaise, Excursions et reconnaisances : 6,405 — 433. Nels, 
Rapport sur uue excursion faite chez les Mo'fs de l'arrondissement Baria, 1880. 

2. Cochinchine francaise. 10,5—14. Paul N eis: Rapport sur une excursion 
faite chez les Mofs 1880. Nov. a Janv. 1881. 

3. Cochinchine francaise 10, 15—81. Nefs et Septans, Rapport sur un 
voyage d'exploration aux sources du Donnaf. 

4. Cochinchine francaise 14, 219. A. Gautier, Voyage au Pays des Mofs 
1882. Fevrier k Juin. 

5. Bulletin. Soc. Geogr. Paris 1883. Nefs, Exploration chez les Sauvages 
de l'lndo-Chine k l'Est du Mekong; mit Karte. 

III. Das Songka-System. 

1. Der Songka oder Rote Fluss, Riviere rouge. 

Das zweite große Stromsystem des östlichen Indo-China ist das des Songka 
mit seinen Nebenflüssen und seinem Nachbarstrom, dem Thai 
Binh; an Größe und Umfang ist es dem des Mekong nicht zu vergleichen, aber 
an Wichtigkeit für Handelsbeziehungen dürfte es die Mekong -Wasserstraße bei- 
weitem Ubertreffen. 

W. Koner hat in der Zeitschrift des Vereines für Erdkunde zu Berlin 1883, 
Heft 3, S. 241 ff. ') die Nachrichten zusammengestellt, welche Dutreuil de Rhins 
Uber die Geschichte des Songka gegeben hat. Daraus entnehme ich folgendes: 
Der Songka war den Chinesen sicher seit dem Jahre 1320 bekannt, da uns 
für die Jahre 1320, 1409, 1430 Aufnahmen des Flusses seitens der Chinesen 



') Gautier, Voyage, in Coch. fran?. 14, 219 nennt dem Online Dar-on£. 
*') Nein, Kapport. Covh. fran<;- 10, 5. 

\: Siehe auch Dutreuil de Rliiua, B. S. 1'. 1880, I., S. 331 ff. 



Die Hydrographie des »»tliche» Ind.i-China. 



221 



überliefert sind. Die ersten europäischen Kartendarstellungen desselben von 
Alexander de Rhodes 1650 und den Jesuiten 1708—1718 sind nicht brauchbar, 
da sie die ungenauen chinesischen Karten nur excerpieren. Der Pater de Maiila 
bereiste den Fluss 1732, hierauf 17i>0 — 1797 der Pater de Pavec, welcher zuerst 
bis Jünnan gelangte und dessen Angaben benutzbar sind. Als dann 1868 de Lagrde 
und Garnier auf ihrer Expedition nach China zuerst den Oberlauf des dort 
Hotikiang, d. i. roter Fluss, genannten Stromes berührten und auf die an dem* 
selben befindlichen Mineralschätze hinwiesen, tauchte in Frankreich «1er Wunsch 
auf, den Songka in Bezug auf seine Benutzbarkeit als Handelsstraße noch Jünnan 
zu untersuchen. Bevor jedoch diese Wünsche greifbare Gestalt angenommen 
hatten, war die Erforschung des Songka bis nach Jünnan bereits von einem 
französischen Kaufmann, J. Dupuis, ausgeführt worden. Herr Dupuis gieng 1870/1 
zunächst den Songka aufwärts und kam dann auf der zweiten Reise 1872 glück- 
lich bis Manghao, dem Endpunkte der Schiffbarkeit des Stromes; 1*73 zurück- 
gekehrt, war er in der Lage, zu beweisen, dass bis an die Grenze Jünnans und 
noch etwas darüber hinaus eine fahrbare Wasserstraße existiere. De Kergaradec 
bestätigte 1875 seine Beobachtungen, welche seitdem mehrfach erweitert worden 
sind, da die Franzosen in richtiger Erkenntnis der Wichtigkeit dieses Stromes 
für den Handel mit China und angelockt von der außerordentlich fruchtbaren 
und dichtbevölkerten Deltalandschaft desselben seit 1873 sich in Tongking fest- 
gesetzt haben und ja auch gerade augenblicklich eifrig damit beschäftigt sind, 
ihre Herrschaft daselbst auszudehnen und zu befestigen. 

a) Oberlauf. Der Songka ist ein großer Fluss, von den Chinesen im 
Oberlauf Hotikiang, auch Hongkiang, von den Franzosen Ki viere rouge genannt, ent- 
springt wahrscheinlich im Süden der Stadt Talifu in dem Berglnnde von Jünnan 
in beträchtlicher Höhe über dem Meere.') Westlich begleitet ihn die große, mehr- 
fach erwähnte, bis 4000 m ansteigende Bergkette, welche weiter südlich als anna- 
mitisches Gebirge das Mekong-System von der Ostküste trennt; an seiuem linken 
Ufer steigt das Bergland von Jünnan plateau- und terrassenartig empor und setzt 
sich in das Bergland des nordöstlichen Tongking fort, welches noch fast ganz 
unbekannt ist. 

Die französische Expedition überschritt die westliche Kette bei Puel in 
einem 1555t» hohen Passe und fand das Bergland zwischen dem Hotikiang und 
dem westlich davon fließenden Lysienkiang etwa 190 m hoch. Bei Yuenkiang 
überschritt die Expedition den Hotikiang, welcher hier zwischen mindestens 
700m hohen steilen Felswänden in einer Meereshöhe von nur 500 m fließt. 
Garnier befuhr den Strom eine Strecke flußabwärts und fand ihn überall außer- 
ordentlich tief in das Bergland eingeschnitten. Unterhalb Yuenkiang ist der 
Hotikiang 150— 200 m breit, fließt ruhig unter Bildung von Sandbrücken, vertieft 
sich dann aber in ununterbrochene Felsmengen : die Höhe der steil aufsteigenden 
Felsen erreicht 800— 1000m, ja unterhalb der Einmündung des von links kom- 
menden Siao Hoti beträgt dieselbe volle 1800 m; das Bett des Stromes ist hier 
sehr schmal, von einer endlosen Reihe von Stromschnellen besetzt und die Schiff- 
fahrt mit Barken, daher häufig unmöglich. Die Felsen in welche sich der 
Hotikiang eingeschnitten hat, bestehen aus Schiefer und Kalkstein und zeigen 
fast gar keine Vegetation ; eine Menge von Gießbächen stürzt über sie in häufig 
sehr hohen Wasserfällen in den Hotikiang hinab. Über den Lauf desselben 
zwischen Garniers südlichstem Punkte und Manghao sind wir nicht näher unter- 
richtet; doch ist anzunehmen, dass der Hotikiang den eben geschilderten Charakter 
beibehält; wenigstens berichtet Dupuis, dass dicht oberhalb Manghao die Schiff- 
fahrt durch kolossale Stromschnellen gänzlich unmöglich gemacht wurde. 2 ) 

6. Mittellauf. 3 ) Da der Songka bei Manghao schiffbar wird, lassen wir 
an diesem Punkte den Mittellauf beginnen: bei Manghao heißt er Hongkiang 
und fließt bei nur 100m Breite in einem tiefeingeschnittenen schlammigen Bette 

•) über den Überlauf de« Hotiklaug-Songka dient« »1» CJuelle: Garnier, Voyage d'exploratiou 
de rindo-Cbiue, Pari« 1873. Hd. I. 

*) Dupuis. Vo.vage au Yunnan. B. ö. V. VI. 8er. 14. 1877 II. S. 3i». ff. 

*\ thvr deu Mittellauf ist Hauptqucllo: Dupuis, Voyage au Yunuau, Ii. ö. P. VI. S6r. 
U. Iö77 IL S. 3U. ft 



222 



Die Hydrographie des östlichen liido-Chiua. 



zwischen zwei »teil bis 1800m aufsteigenden Bergketten ilabin. Zwischen Mang- 
hao, wo trotz der starkeu Strömung nach Dupuis Ansicht die Schiffahrt noch 
mit geeigneten Dampfern zu ermöglichen wäre, und Laokai, dem ehinesisch- 
annamitiseheu Grenzort«* und Hauptsitze der Schwarzflaggen, stürzen sich viele 
Gießbäche, welche in der Regenzeit ( ;iu ungeheures Gesteinsmaterial mit sich 
bringen, in den Fluss. Von Longpo an, wo der Tsin-tsehui-ho von rechts ein- 
mündet, werden die Berge niedriger und treten etwas zurück ; bei Laokai sinkt 
ihre Höhe auf ungefähr GOOm herab; der Fluss verbreitet sich hier bis auf 200m, 
und empfängt von links den Nansiho an dessen Oberlauf bedeutende Goldlager 
.sich befinden sollen. Überhaupt ist in diesen Gegenden der Reichtum au Edel- 
metallen groß; Dupuis fand zwischen Manghao und Laokai am Strome selbst 
Gold führende Quarze, ferner Eisen, Kupfer, Blei, Zinn, sowie auch Steinkohleu. 

Unterhalb Laokai beginnt die Region der Wälder, welche sich bis Kuen- 
tse hin ausdehnen, gänzlich von Menschen entblößt, dagegen aber von einer 
zahlreichen und mannigfaltigen Tierwelt bewohnt sind. Bei Tuenhia durchbricht 
der Strom ein stark gegliedertes Bergland und zeigt infolgedessen eine Reihe 
übrigens passierbarer Stromschnellen, bis nach Tuänkuan oberhalb Kuentse. 
Die schlimmsten derselben sind die drei aufeinanderfolgenden Schnellen bei der 
Pagode Vat-diu, sowie die von Sean Tun am Port Dupuis und endlich die von 
Tac Köi. ') Ihre Gesammtzahl beträgt lö. Der Lauf des Flusses ist gewunden; 
nur Gießbäche, keine größeren Nebenflüsse verstärken ihn. Unterhalb Kuentse 
öffnet sich das Thal fächerförmig, die Bergkette des linken Ufers tritt mehr zurück, 
während die Berge des rechten Ufers bis Hunghoa noch ziemlich bedeutende 
Höhe behalten. Hier tritt der Fluss in die dichtbevölkerte Ebene Tongkings 
ein und empfängt seine beiden großen Nebenflüsse, sunächst von rechts den 
Heho oder Noire, gleich darauf von links den Toniho oder Ciaire, beide zwischen 
Hunghoa und Sontay; durch diese beiden Flüsse wird der Songka, welcher 
seit Laokai etwa 200m breit war, auf mehr als das Dreifache verbreitert: bei 
Hunghoa ist er 500 m breit, bei Sontay 700 m. ' 1 ) Seine Tiefe beträgt zur Regen- 
zeit zwischen Laokai und Hunghoa 2m 10 bis 2m 40; seine Schnelligkeit be- 
trägt oft 6 Knoten: 3 ) doch nimmt dieselbe in der Trockenzeit bedeuteud ab 
und auch die Tiefe beträgt in dieser Jahreszeit bei Sontay nur *j.,m. Erst nach 
dem Einfluss des Ciaire heißt der vorher Songthao genannte Fluss Songka. 4 ) 

Unterlauf. Bei Hunghoa oder Sontay kann man den Unterlauf des 
Stromes beginnen lassen : dieser bildet gleich unterhalb Sontay sein Delta, indem 
er den Day oder De s ) nach S. S. O. entsendet, welcher den äußersten Aus- 
läufern der westlichen Gebirgskette entlang strömt, die Stadt Ninh Binh und 
den 400m hohen Grand Dent passiert und in der Breite von lim 0 ) ins Meer 
fällt. Der Haupt8trom, Songka, ist oberhalb Hanoi 700m 1 ) breit und bildet 
hier im Januar und Februar bei 1,80m- -2,40 m Tiefe noch Stromschnellen, die 
durch zahlreiche Sandbänke erzeugt werden ; bei Hanoi erreicht er die Breite 
von 1 km und eiue Tiefe von 5m: 8 ) sodann spaltet er sich von der Mündung 
in viele Arme. Der Hauptarm passiert die Städte Hung-Yen und Nam Dinh 
und mündet in der Breite von Vj % bis 2km unter dem Namen Balat ins Meer. 0 ) 
Wichtiger ist diu östlich davon belegene T raly-Mündung, welche jedoch nur 
400m breit ist: 10 ) beide Mündungen sind sehr schlecht zu passieren, da sie sehr 
flach und durch Sandbänke gesperrt sind: die Lak-Müudung ist sogar ganz 
versandet. Durch Kanäle steht der Songka mit den neben ihm mündenden 
Flüssen in Verbindung, so z. B. durch die Kanäle Phuly und von Namh 



') Mage-t in Drapeyron, Revue de Geographie IHN). Kil. 

J ) Magct, Codi, frativ. 1». 48:5. 

») Du Cos de la Hnillc. B. S. P. 1K74 II. 449. 

*) Recluft, Geographie Univernelle Bd. VIII. 

v > Mag. t, in Dr.ipeyrou 1880 S. iK't. 

•1 Dupui«. B. S. P. 1877 II. :}!>. 

? . Magct, Codi, franv. <X 

fc > Ebendaselbst. 

Dupui*. Voyage au Yunuau B. S. P. 1877 II. 3«. 
'«) Ebendaselbst. 



Die Hydrographie des ostlichou Indo-China. 



223 



Dinh mit dem Day, durch dea Stromschnellen-Kanal (Canal des Rapides) und 
den großen So ngchi-Kanal mit dem Tai Binh: dieser Kanal ist 50 — 100m 
breit, hat 15 — 20m hohe Ufer, 3 m Tiefe und an der Mündung in den Rai 
Binh 6—7 Knoten Strömung. 1 ) Der Üualac-Kanal ist ebenfalls ein Wasserweg 
zwischen dem Songka und Tai Binh. Vom Mai bis Oktober steigt der Songka, 
in Hanoi im Ganzen bis zu 7m 2 ) oft in einer einzigen Nacht um 4m; 3 ) zu 
dieser Zeit erreichte er bei Hanoi eine Breite von 2 Am und eine Tiefe von 8 m. 
Den höchsten Stand erreicht er im Juli, den niedrigsten im Februar;*) weithin 
überschwemmt er das Land. Seine Farbe ist orange, gelb und ockerig, auch 
rötlich; 5 ) seine Ufer sind thonig und sandig; 0 ) seine Wasser sind trüb und 
dick. Die Flut erreicht Hanoi, so dass das süße Wasser des Flussos hier oft 
ganz zurückgedrängt wird. Die Veränderung de» Stromstriches nach jeder 
Regenzeit macht die Schiffahrt in den Mündungsarmen schwierig; große Schiffe 
fahren daher meist in den Tai Binh ein und erreichen dann durch den Songchi 
Kanal Hanoi; von Ende Mai bis Ende November können sogar solche von 3, 80 Tief- 
gang in die Tai Rinh-Mündung einlaufen. 7 ) Die Länge des Songka beträgt 
von Yunnan bis Hanoi etwa 370 Am, von Hanoi bis zur Mündung 180 Am, im 
Ganzen also etwa in dem bekannten Teile dos Laufes 550 Am. 8 ) Das Delta 9 ) 
des Songka wächst sehr schnell; ebenso wie für den Unterlauf des Mekong 
existieren auch Berichte und zeigen sich Erscheinungen im Songka-Delta, welche 
es wahrscheinlich machen, dass dieses letztere erst in historischer Zeit gebildet 
worden ist. Die benachbarten Hügel besitzen Höhlen, die dem Meere ihre Ent- 
stehung zu verdanken scheinen; vielleicht bildeten diese Erhebungen Inselketten, 
deren äußerste Enden die Citadelle von Ninh Binh und die Halbinsel Do Son 
mit dem Cho Gia-Berge waren; ähnliche jetzige Inseln, z. B. Cat Ba, Fitze-Long, 
Gow Tow scheinen allmälig landfest werden zu sollen. In jener Zeit, als das 
Meer die jetzige Ebene von Tongking bedeckte, waren die Ufer des Songka 
eingeschlossen im Osten von den Bergen von Nho Quan, im Norden von dem 
Bergmassiv, welches die Quangyen-Kette entsendet; im Westen von der Berg- 
von Ninh Binh; zwischen diesen lag seeartig das Meer; in der That berichten 
die annamitischen Annalen von dem See Dong Dinh. 

Nebenflüsse. Auf der Strecke von Manghao bis Hunghoa erhält der 
Songka nur kleine, unbedeutende, wenig bekannte Nebenflüsse und zwar von 
rechts den Lo-poy-ho, den Tsin-tschue-ho, den Peho, den Quei-chi- 
ho, von links den schon erwähnten goldführenden Nan-si-ho. Unterhalb 
Hunghoa erhält der Songka unmittelbar nacheinander seine beiden großen 
Nebenflüsse, und zwar zuerst den 

H e h o oder C h o n g b o, auch Kuntuha Songbö und von den Franzosen 
Ri viere Noire genannt. Der Noire ist erst seit ganz kurzer Zeit bekannt 
geworden; vor Dupuis setzte man seine Mündung bei Laokai an und auch 
Dupuis musste sich auf die Richtigstellung dieser Thatsache beschränken; doch 
konnte er konstatieren, dass der Fluss auf zwei Tagreisen hin schiffbar sei. ,0 ) 
Desvaux 11 ) bestätigte diese Entdeckungen und gab an, dass 60Am südlich Hung- 
hoa der Fluss einen prachtvollen Wasserfall bilde, unterhalb dessen er sofort 
schiffbar werde; die Höhe dieses Sturzes beträgt 500m und ist daraus zu er- 
klären, dass der Noire nach Durchbrechung der sein linkes Ufer begleitenden 
ihn vom Songka trennenden Bergkette plötzlich genötigt wird, in die weit 
tiefer liegende Ebene von Tongking herabzufließen, welcher Niveauunterschied 



«) Dupuis, B. S. P. 1877 II. 39. 1874 II. 447. 

*) l'Exploration, Nr. 4. 1877 Anhang 8. 20. 

i i Maget iu Drapeyron 1880. 8. 483. 

*i Geographica! Magazine 1875. 160. 

*) B. 8. P. VI. 9. S. 271. Harmand. 

*) Maget, Coch. franc. 9. 483. 

') Du Co« de la Haille B. 8. P. 1H74. II. 8. 449. 

") Du Cos de la Haille B. 8. P. 1874. II. 449. 

»> Da« folgende nach Romanet du C'aillaud B. 8. p. IHN) I. 97. und 302. 
•°> Dupui», Voyage au Yunnan B. S. P. 1877. II. 39. 
") Maget in Drapeyron 1880. 8. 161. 



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224 



IHp Hydrographie de» östlichen Indo-Chin.v 



nicht «lurch ein allmähliches Absteigen gemildert werden kann, sondern durch 
einen einmaligen Sturz ausgeglichen wird. 

Villeroi d'Angis und Courtin haben nun 1882 eine sehr gefahrvolle und 
sehr anerkennenswerte Reise im Thale des Noire gemacht, welche jedoch der 
letztgenannte Forscher mit dem Leben bezahlen tnusste. Sie giengen den Songka 
aufwärts bis Longpo und wandten sich sodann nach Vieng Giom am Noire, den 
sie darauf abwärts fuhren ; sie konstatierten auf diese Weise, dass der Noire in 
J Unnau entspringen muss: indessen erfahren wir nichts über den Zusammen- 
hang mit dein Lysienkiang, welchen die französische Mekong-Expedition 186H 
überschritt; dieser Lysienkiang, ein ziemlich wasserreicher Fluss, ist von Dutreuil 
de Rhins 1 ) bei Gelegenheit der Erforschung des Maa-Flusses im nördlichen 
Annam mit diesem in Verbindung gebracht worden und auf Stielers Handatlas 
Blatt 66 und 67 findet er sich sogar als Oberlauf des unter 18° 45' bei Vinh mün- 
denden Ca angegeben. Obwol mir nun leider keine Karte über Villerois Reise 
zu Gebote stand, so glaube ich doch die Ansicht aussprechen zu dürfen, dass 
durch die erwähnte Reise der Zusammenhang des Noire mit dem Lysienkiang 
wahrscheinlicher gemacht worden ist; denn schon die bisher unsichere Thatsache, 
dass der Noire aus Jünnan kommt, giebt einen starken Stützpunkt für die von 
mir vertretene Ansicht. Wenn nun Lysienkiang und Noire identisch sind, so 
würden die Quellen des letzteren wahrscheinlich etwas südlich derjenigen des 
Songka zu suchen sein; die Quellflüsse des Noire wären dann die von Lagröc 
und Garnier besuchten Flüsse Papenkiang und Papukiang, 3 ) welche den 
Lysienkiang bilden. Villeroi und Courtin fanden den Noire 9 ) bei Vieng Giom 
in einem tief eingeschnittenen Bette fließend, dessen Uferfelsen bis gegen 300»« 
steil ansteigen, Uberhängen und wie mit der Axt gespalten erseheinen, so dass 
möglicherweise der Noire in einem Spaltungsthale, nicht einem Erosionsthale fließt; 
auf beiden Seiten des Thaies zeigen die Felsen ganz genau dieselben Verhältnisse. 
Zur Regenzeit steigt der Noire um I m, so dass es ihm denn auch vermöge des 
Anpralls seiner Wassermassen gelungen ist, mehrere ihn sperrende Felsenmassen 
zu durchbrechen, wodurch eine Reihe ungeheurer Stromschnellen entstehen. An 
der Grenze von Jünnan und Tongking befinden sich allein 54 derselben, von 
denen die von Thac Be, Thac bomoi, Thac tho ba und Thac ken die bedeu- 
tendsten sind. Diese Barrieren sind bisweilen 7/« hoch, bilden ein wahres Chaos 
von FelstrUmmern und vernichten natürlich alle und jede Schiffahrt. Oberhalb 
Viang Chanh fanden die Reisenden reiche Kupfererze, weiter abwärts Queck- 
silber, Eisen, Marmor und abermals Kupfer; auch Gold soll der Noire fuhren. 
Die Gesteine der Uferfelsen sind besonders Granit, Serpentin, Basalt und krystal- 
linischc Schiefer. Für einen Handelsweg dürfte der Noire aber nach den an- 
geführten Untersuchungen gänzlich unbrauchbar sein. 

Gleich unterhalb der Mündung des Noire empfängt der Songka von links 
den Tain ho, Ca oder Bode, von den Franzosen Ri viere Ciaire genannt. 
Die Annamiten halten diesen von ihnen Mien genannten Strom für den Haupt- 
strom des ganzen Songkasystems, doch dürfte der Grund für diese Abweichung 
darin liegen, dass sie nur im Gebiete des Ciaire, nicht aber in dem des Songka 
und Noire Einfluss besaßen, sondern diese Ansicht wol nur aus politischen 
Rücksichten entsprungen ist. 4 ) Der Ciaire soll im Südostwinkel Jünnan» bei 
Kaihoa als Mi Lei Ho seinen Ursprung nehmen: auch wird er dort Nhi ha 
Giang genannt 5 ) und erscheint als solcher auf Alex. Rhodes Karte 1650. Er 
durchströmt den Westabfall des Massivs von Caobang, welches sich an die Berge 
der Provinz Kuang-Si anlehnt und in halbkreisförmiger Ausdehnung sich zum 
Golf von Tongking abdacht. Der Tsinho scheint der eigentliche Quell fluss des 
Ciaire zu sein; er soll auf 14 Tagereisen schiffbar sein 8 ) und waldiges Land 
durchströmen. Nach Aufnahme des ebenfalls bedeutenden Laflusses scheint er 



•) Bulletin Soc. Pari» 1881. II. 
«) B. S. P. 1880 I. 547. 

') Das Folgende nach Villeroi und Courtin Codi, traue. 11. 1881. ^i)8. 
«) Romanet du Caillaud B. 8. P. 1*80, I.. 1*7, :\0'>. 

Komauet du Caillaud Ii. 8. P. 1880, I.. 97, 30S. 
*) Dupuis, \V> age au Yuuuau B. S. P. 1877, IL, 31). 



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Die Hydrographie des ttstlkhe i Indo-China. 



225 



diesen Namen weiter zu fuhren: auch empfäugt er von link» den ihm parallel 
Hießenden Khain. 1 ) Ob er mit dem See Bähe" in irgend welcher Beziehung steht, 
ist unsicher, wie nenn auch überhaupt die Kenntnis dieser Gegenden äußerst 
mangelhaft ist. Im Unterlauf empfängt der Ciaire von rechts den Doan Hong, 
dessen Mündung Delmont') bestimmt hat. Am oberen Ciaire tinden »ich Stellen 
von 10 f» Tiefe ; ') auch scheint er überhaupt günstige Schiffahrtsverhältnisse zu 
bieten, da kleinere Schiffe bis Hoyang oder Hayang, der Residenz der Gelb- 
tiaggen, größere auch noch bis Tuyenkuang, dem Hauptorte des ganzen Strom- 
gebiets hinauffahren können. Die Strömung des Ciaire soll zur Regenzeit sogar 
12 Knoten erreichen; seine Tiefe ist im Mittel 5—6 m; zur Trockenzeit führt 
er ebensoviel Wasser wie derNoire; zur Regenzeit dagegen weit weniger; seine 
Ufer sind zum Teil 150 m hohe Felsmassen. Er mündet in der Breite von 150 m. 

2. Thai Binh. 

Der zweite zum Songka-System gehörige Fluss ist der Thai Binh, welcher 
mit dem roten Flusse zusammen e i n Delta bildet. Der Thai Binh sehciut aus 
drei Quellflüssen gebildet zu werden, dem Song-cao, dein Truong-gian und 
dem Loc-nan. Die Quelle des Song-cao soll in dem noch unerforschten See 
Babe an der chinesischen Grenze liegen, welcher aus drei Seen bestehen soll, 
die sich zur Regenzeit vereinigen ; nach dem Austritt aus demselben durchschneidet 
der Fluss das Plateau von Caobang, führt 1 m Wasser, ist sehr gewunden und 
wird bei Tan-thai-nguyen schiffbar, bis zu welchem Punkte de Kergaradec 1875 
den Fluss erkundete ; auch Besnard befuhr ihn in demselben Jahre bis Phu Binh, 
wo er durch das Hochwasser zur Umkehr gezwungen wurde. Bei Da phuoc 
scheint der Song-cao einen Zufluss von rechts zu erhalten; bei Luong-tai erhält 
er von links die vereinigten Flüsse Truong-gian und Loc-nan, deren Quellen 
noch unbekannt sind. 4 ) Der Truong-gian hat sehr schroff aufsteigende Ufer, ist 
aber 70 — 80m breit und in seinem Unterlaufe schiffbar;') über den Loc-nan 
fehlen noch alle Nachrichten. Bei Luong-tai mündet auch der große Kanal 
Song chi oder Nya ba long, welcher den Songka mit dem hier bereits Thai Binh 
genannten, 200 — 250m breiten Flusse verbindet. 6 ) Gleich unterhalb dieses Punktes 
spaltet sich der Thai Binh in mehrere Arme, deren hauptsächlichster der Cua Cam 
ist, an welchem die Stadt Haiphong liegt; hier ist der Cua Cam 500 m breit, 
an der Mündung 5 — 10 m tief und schlammig; im November hat er sogar 18 m 
Wasser, so dass zu allen Zeiten diese Einfahrt passiert werden kann, und zur 
Hochwasserzeit selbst Schiffe von 6 m Tiefgang bis Haiphong zu gelangen im 
Stande sind. 7 ) Der zweitbeste Mündungsarm ist der von Hai-Dzuong, der 
eigentliche Thai Binh, dessen Breite 1 — 2 km, an der Mündung sogar 3 km, dessen 
Tiefe 3 — 4 m, dessen Strömung , / 2 — 1 Knoten beträgt. Die östlichen Mündungen 
Gia und Kien-thuai lehnen sich schon an die südöstlichen Ausläufer des 
Plateau von Caobang und Langson an. Die Schiffahrt ist, da die Sandbänke 
fohlen, im Thai Binh viel leichter als im Songka, so dass größere Schiffe nach 
Hanoi nicht vermittelst der eigentlichen Songka-Mündungen, sondern stets durch 
den Cua Cam und den Arm von Hai Dzuong, dann durch den Songchi-Kanal 
zu fahren pflegen. Über die Bildung der Deltalandschaften des Thai Binh gilt 
dasselbe wie vom Songka. 

Das südöstliche Tongking ist noch fast ganz unbekannt. Das erwähnte 
Plateau von Caobang entsendet Ausläufer nach Süd und Südost, von denen die 
Kette von Hoanh mit dem 1100 m') hoben Pic von Haiphong fast auf ihrer 
ganzen Länge die Wasserscheide zwischen dem Songka-System und den Flüssen 
des südöstlichen Tongking vom Lac Babe biB zum Quang yen Archipel zu bilden 

') Siehe Koner* Karte. Berliner Zeitschrift 1883. 

2 ) Maget in Cochinchine francauc 9, 483. 

3 ) Da* folgende uach Maget, Coch. fraue. 9, 483. 
*j da Kergaradec, Coch. franc. 10, 81. 

*> Maget in Coch. franv- 9, 18,% 

•j Dnpoia B. 8. P. 1877, II., 39. 

: l Do Co« de la Haille B. 8 1'. 1874, II., 8. 449. 

•V Maget in Codi, frauc. 9, 483. 



226 Di,- Hydrographie de» örtlichen ludo-Cuiua. 

scheint. l ) Östlich dieser Kette mündet in die Bai von Fitze-Long der Song Tain, 
welcher wahrscheinlich mit dem bei Langson vorbeifliellenden Flusse, den Aumiette 
Song-ki-tsung nennt, identisch ist; Aumiette fand denselben bei Longson 
50 m breit, doch verhinderten unzählige Stromschnellen die Schiffbarkeit, die 
erst bei Camson beginnt. Im Unterlauf ist der Song-Tam gewunden und mündet 
zwischen 1000 und 1200 m hohen Bergen in zwei Armen gegenüber der Insel 
Ketao. 2 ) 

Der Ngan-nan-kiang oder Li-kiang s ) ist Grenztiuss gegen China; 
nähere Nachrichten über denselben besitzen wir nicht. 

Literatur Uber das Songka-System: 

1. Kevue maritime et coloniale 37. 1*73. S. 5 — 33. Exploration des cotes 
de Cochinchine sur l'aviso „la Bourayne u . 

2. Bulletin de la Societe de Geographie de Paris. VI. Serie i), 1*74. II. 
S. 281. Dr. Uarmand, Souvenirs de Tongking. 

3. B. S. P. V. Ser. 17. 1865) I. S. V»7 ff. Garnier, Notes sur l'Exploration 
du Cambodge. 

4. B. S. P. VI. Ser. Ii». 1880. I. S. 547 ff. Dernier rapport du eomman- 
dant de Lagree. 

5. B. S. P. VI. Ser. Ii). 1880. I. S. i)7 und 302. Komanet du Caillaud, 
Notice sur le Tongking. 

6. B. S. P. VI. Ser. Ii). 1880. 1. S. 331. Dutreuil de Rhins, Notes de 
geographie historique sur le fleuve rouge. 

• 7. B. S. P. VI. Ser. 8. 1874. T. S. 441). Le Cour* du Hongkiang d'apres 
Dupuis par Du Oos de la Haille. 

8. B. S. P. VI. Ser. 14. 1877. II. S. 3i>. Dupuis, Voyage au Yunnan. 

«J. Drapeyron, Revue de geographie 18x0. S. 161—183. Maget, Etüde 
d'ensemble sur le Tonkin. 

10. Cochinchine franyaise, Excursions et Reconnaissances. 1). S. 483 -41)3. 
Dr. Maget, Notes sur le Nord du Tonkin. 

11. Goch, frany. 10. S. 81— y8. De Kergaradec, Notes de Voyage de Hanoi 
ä Bac Ninh et tt Thai-nguven. 

12. Goch, frany. 10. S. 147—166. Aumiette, Excursion dans la province de 
Longson. 

13. Goch, frany. 11. S. 2y8 ff. Relation du Voyage de MM. Courtin et 
Villeroi d'Angis dans le Fleuve Rouge et la Riviöre Noire. 

14. Koner, Zeitschrift des Vereines für Erdkunde zu Berlin. 1H83. Heft 3. 
S. 236 ff. Zur Karte von Tongking. 

15. Journal of the Royal Geographica! Society of London. Ii). S. 85 ff. 
Gutzlatf, Geography of the Cochin- Chinese Empire. 

16. L'Exploration Nr. 4. 1877. Anhang S. 20. Notiz. 

17. Geographica! Magazine 1875. S. 160. Notiz. 

18. Garnier, Voyage d'exploration de l'lndo-Chiue. Paris 1873. 
Band I. 

IV. Die Flüsse der Ostküste. 

Die Ostküste lndo-China's von der Mündung des Songka bis zu der des 
Mekong bietet in hydrographischer Beziehung wenig Bemerkenswertes dar. In 
ihrer ganzen Erstreckung wird sie von der Hauptkette des annamitischen Gebirges 
begleitet, deren Ausläufer an mehreren Punkten an das Meer herantreten, nament- 
lich in der Provinz Quang-Binh, am Kap Lay und an der bekannten Bai von 
Turan südlich Hue. 

Infolge dieser ßodeukonfiguration konnten sich nur Küstenflüsse entwickeln, 
welche alle nur von geringer Länge, meist auch nur von geringer Wichtigkeit 
sind. Sie zeigen alle denselben Charakter, fast gänzliches Austrocknen zur Trockcn- 

>. Romaoet du CailUud H. 8. P. 1880. I., 8. 97. ÄW. Maget, Coch. lranc «*, 483. 

-) Aumi.Uc, Codi. fraii V . 10, 147. 

»j Kuuuuiet du Cftillaud B. 8. P. 1880, I., 8. 97, 3üSf. 



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Die Hydrographie des östlichen lndo-China. 



227 



zeit, starke« Ausehwelleu zur Regenzeit, Aufsteigen der Flut bis zu einein der 
Küste mehr oder weniger nahegelegenen Punkte, und dah<;r auch nur Schirt- 
barkeit zu gewissen Jahres- und Tageszeiten. Die Küste selbst ist von der 
Songka-Mündung bis zum Kap Choumay an der Turan-Bai flach, eben, sandig 
und daher vielfach gefährlich: von hier bis zum Kap St. Jaques aber Steilküste 
mit wenigen, aber zum Teil ganz vortrefflichen Häfen. Einen besonderen Aufsatz 
hat der Küste Dutreuil de Rhins gewidmet: la Oote d'Annam im Bulletin de 
la Societe de Geographie de Paris 1878, mit Karte; eine zweite Karte derselben 
von demselben Verfasser findet sich ebenfalls in dieser Zeitschrift im Januarheft 
1880: ferner gibt Gützlaff im Londoner Journal 1!) einige Notizen Uber die Küste 
im allgemeinen, und de Verneville behandelt besonders die Provinz Binh Dinh 
(Oochinchine franoaise 11). Von Norden nach Süden gerechnet sind folgende 
Flüsse erwähnenswert: 

1. Der Ma, Song Ma, durch Kanäle und Verästelung mit dem bei Thanh 
Hoa mündenden 2. Ca( verbunden, ist noch sehr unbekannt Dutreuil de Rhins 
hat 1884 eine Exkursion den Fluss aufwärts gemacht, durch welche unsere 
Kenntnis des Küstenlandes von einem Streifen von 40 km Breite auf 120 km 
Breite vergrößert worden ist. Der Ma ist reißend, besitzt viele Stromschnellen, 
und hat viel Wasser; sein Quellgebiet soll zum Teil schneebedeckt sein. «) Über 
den angeblichen Zusammenhang des Ma mit dem Lysienkiang habe ich auf 
Seite 224 berichtet. Die Flüsse der Provinz Thanh-Hoa sollen sich alle durch 
lebhaftes und erfreuliches Aussehen vor den monotonen Küstenflüssen von 
Tongking und der übrigen Ostküste auszeichnen und auch für Landesbarken 
überall schiffbar sein. 3 ) Der Cai ist noch ganz unbekannt 

3. Der nun folgende Ca ist ebenfalls mit dem Lysienkiang in Verbindung 
gebracht worden: siehe darüber Seite 224. Der Ca empfängt mehrere große 
Zuflüsse; unter dem lf. Grad erhält er von links den Khe Suong, von dem nur 
die in der Nähe von Goldminen belegene Mündung bekannt ist; sodann eben- 
falls von links den Cone, welcher im Oberlauf Hieu genannt wird und in einem 
großen Bogen aus NW. kommend das goldführende Bergland der Samtus in 
einem der Küste parallelen Laufe umfließt. Oberhalb Vinh empfängt der Ca 
rechts den von W. kommenden Nganpho, der sich mit dem Chao, welcher dem 
Küstengebirge Trua entspringt, das Tongking von Annain scheidet, vereinigt. 
Dieser Chao empfängt von links den Truei und Ticm und erteilt dem Ca seine 
von seiner Mündung an nordnordöstlich laufende Richtung. Eine Abzweigung 
des Flusses Ca verbindet denselben mit der Stadt Ha tinh, dem Hafen Niuong 
und der Aug-Bai, in welche ein weiterer Fluss, welcher aus vielen Quellen im 
Hoanh- Vorgebirge entspringt, einmündet. 3 ) Nach Romanet du Cail laud heißt der 
Ca (Song Ca) auch Mo und au der Mündung Songthoi und soll mit dein in den 
Mekong gehenden Hin Bun in unterirdischer Verbindung stehen. 4 ) Bis Huven choc 
ist er schiffbar. Um vom Ca zum folgenden Fluss zu gelangeu, muss man die 
Ketten von Trua und Hoanh übersteigen, Vorsprünge des annamitischen Gebirges 
gegen das Meer.*) 

4. Man erreicht dann den Giang (Song Giang, Gianh, Giagno), welcher 
von zwei Quellflüssen, dem Nai und Nam, gebildet wird,') an der Mündung 
nördlich Donghui eine Barre besitzt und besonders deshalb interessant ist, weil 
seine Mündung dem Mekong, welcher hier bei Lakhon seinen nordöstlichsten 
Punkt erreicht, näher liegt als die aller anderen Flüsse der Ostküste, sodass 
man von Lakhon bequem in 11 Tagen nach Kimlu am Gianh gelangen kann, 
weshalb für die eventuelle Herstellung einer Verbindung zwischen dem Mekong 
und der Küste diese Route wol in Betracht kommen dürfte.') Vielleicht kann 



•) I». H. P. 1HS1. II. Dutreuil d« Khins, Uiie exploration A la frontlere de l'Annnin. 

*'i 15. 8. P. VI. Nt'r. 9. S. - J73. Notice sur Thanh ll«a, par uu mixaionaire. 

»i Siehe Karte von Tongking iu ZUchft. d. Vereines f. Krdkunde r.» Berlin 1*83. Heft 3. 

*i B. S. P. 1880. VI. Str. 19. 8. 97. n. 30*. 

5 ) Siehe Karte von Tongking. Z. E. B. 1883. 

«) Rev. Mar. Col. XXXVII. 1873 S. 5. 

•) B. S. P. VI. Sir. 19. 8. 97. 302. 



228 



Dio Hydrographie de» fotiiehen Indu-China. 



man (loa von Harmand gefundenen Fluss Rau Quang als Oberlauf des Giang 
auffassen. 

5. Über den mm folgenden Da Han,') welcher bei Quangtri mündet, be- 
sitzen wir nähere Angaben von Harmand, welcher am 1. August 1877 als erster 
Europäer die vom Mekong kommende Wasserscheide überschritt und in das 
Quellgebiet des Da Han eintrat. Danach entspringt der Fluss auf der nur 250 m 
hohen Wasserscheide 2 Tagereisen westlich des Marktfleckens Camlo, teilt sich 
bei Quangtri in zwei Arme, einen östlichen und einen nördlichen, und mündet 
zu beiden Seiten der Palmenspitze. Der nördliche Arm nimmt unterhalb Quangtri 
den Song Phu oder Mi und den Song Vinh auf, dann den großen Song Camlo, 
welcher auch vielleicht als der Unterlauf des erwähnten Rau Quang gelten 
mag; das Tal des Da Han ist breit, fruchtbar und stark angebaut. Ein kleiner, der 
Küste parallel fließender, die Bäche Songhenda, Do luong bieu und Song Khay 
aufnehmender, in die Lagune von Hue mündender Fluss führt uns zu dem 

6. Hue-Fluss, *) welcher zwar nicht sehr bedeutend, aber als Träger der 
Hauptstadt von Annam wichtig und deshalb auch bereits näher bekannt ist. 
Dutreuil de Rhins hat einige Notizen Uber ihn gegeben und dieselben mit einem 
Kärtchen begleitet. Danach entsteht der Huefluss aus zwei Quellarmen, welche 
sich beim Austritte aus dem Gebirge vereinigen. Der östliche Arm entspringt 
in den 400 m hohen Bergen zwischen Kap Choumay und der großen Kette von 
Buongtam, Dehan und Hon Dun. Dutreuil fand ihn gießbachartig schäumend 
und felsig; er ist ca. 40 *n breit und erhält von links einen Zufluss von 20 — 30 t)i 
Breite und sehr engem Bette, welches jedoch für Kähne schiffbar ist. Die Quelle 
des westlichen Annes ist noch unbekannt. Dersolbe ist ein wilder Bergstrom 
mit 5—10 m hohen felsigeu Ufern, 30 m breit, '/s *i e C weiter abwärts 40 »< 
breit, 1 — tn tief. Nach dem Austritt aus dem Gebirge ist d«^r vereinigte, jetzt 
Trongtien genannte Fluss 200 — 250 m breit, 3 — 4 m tief und fließt durch waldiges, 
bergiges, im allgemeinen kultiviertes Land nach NO. Bei Huc ist er 350 ro breit, 
teilt sich dann in zwei Arme, die eine 1500 m breite Insel zwischen sich lassen, 
und mündet mit der Breite von 400 m. Er besitzt eine Barre, welche vom No- 
vember bis Januar unpassierbar ist, in den übrigen Monaten sind jedoch anderer- 
seits auch Überschwemmungen nicht selten, in welchen der Fluss bis 4 m steigt ; 
am schlimmsten sind die Taifun-Überschwemmungen im Mai, Juni, September 
und Oktober. Die Flut geht in diesen Monaten bis Thonh Phuoc und Hue, also 
etwa 20 km aufwärts ; im Winter Uberschreitet sie die Barre nicht. Bei Ranh Phuoc 
empfängt der Fluss von links einen kleinen Zufluss. Die der Provinz Hue vor- 
liegende Lagune heißt Phu Ya und Teu Hien, dehnt sich iu südöstlicher Richtung 
bis Kap Choumay aus und besitzt zwei Ausgänge, einen bei der Bai von Chou- 
may, den anderen an der Mündung des Trongtien. Durch die Ausläufer des von 
der Hauptkette abgetrennten Gebirgszuges, in welchem die Quellen des Hueflusses 
liegen, wird die Bai von Turan gebildet; in diese mündet von Süd der 

7. Taifo 3 ) oder Quangnam, welcher ebenfalls in der Hauptkette entspringt 
und in nordnordöstlicher Richtung bis zu einem Punkte nordwestlich Quangnam 
fließt, wo er sich in zwei Arme teilt; der nördliche geht in die Turanbai, ist 
sandig, schlammig und hat hohe Ufer; der südliche oder östliche geht bei 
Quangnam vorbei ins Meer, nachdem er sich in viele Arme geteilt hat, welche 
sich jedoch vor der Mündung wieder vereinigen. Dufourcq bereiste den Fluss 
auf dem n Y Estaing" und fand ihn wenig tief und mit Sandbänken besetzt; 
seine Ufer sind steil, 2—3 wi hoch, seine Breite beträgt 20— 30, aber 
zuweilen auch 300—400 m. Für kleinere Dschunken ist er stets, für große 
bei Flut- und Regenzeit fahrbar. In letzterer Zeit scheint er bis 3 m zu steigen. 
Von der Turanbai bis zu der Bai von Quin-hone ist die Küste fast hafenlos 
und arm an Flüssen; wir erwähnen den Fluss von Quang-ngai und den 
Tanqu an fluss, der in die gleichnamige Bai fällt. In der Provinz Binh Dinh 4 ) 

i) Nav Harmand de Bawac a Hue im B. S. P. 1879 I. VI. 8er. 17. 8. 76. 
*> Über diesen siehe Dutreuil de Rhins, B. S. P. VI. 8«>r. 15. 8. 98 ff. 
••») Nach Dutreuil de Rhins )a cot« d'Annam. B. 8. P. VI. Ser. IG, 8. 31«. 
*) Nach Notisen de VcrneviuVs Aber die Proviue Binh Dinh iu Cochiuchine frouvaiso Heft 11, 
8. 2&7-S97. 



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Die Hydrographie Aea östlichen Indo-China. 



229 



sind ebenfalls nur sehr kleine Flüsse, z. B. der Dougat, Tan an und Phucat; 
größer ist der 8. Angiang, welcher aus den Quellflüssen Dongkho und Da 
Vach in der Hauptkette entsteht und bei Audu zwischen den Bergen Bienda 
und Nhong in mehreren Armen mündet ; keiner von allen diesen ist schiffbar, 
zur Regenzeit jedoch sind sie flöübar. Die Westgrenze der Provinz bildet 
der Song Ba, welcher wahrscheinlich der Oberlauf des nördlich von Kap 
Varela mündenden Song da lang ist; möglicherweise hängt er aber auch mit 
dem bei Phu yen mündenden Phu yen, Songcan, oder Song Dinh zusammen. 
9. Über die weiter südlich mündenden Flüsse ist wenig bekannt. Unter 12° 20* 
NB. mündet der ai) Nhatrang, ') ein seichter, aber mit der Flut schiffbarer 
Fluss, dessen Mündung groß und mit Sanddünen besetzt ist. b) In die Cam- 
ranh-Bai mündet der gleichnamige Fluss. 3 ) In der Provinz Binh-Thuan ist 
der bedeutendste Küstennuss der c) Suonglong oder Fluss von Phauri, 
welcher in die gleichnamige Bai mündet, d) e) Zwei weitere Flüsse, der Phohai 
und der Than biet, münden in die Bai zwischen Kap Vinay und Kap Kega; 
f) zwischen diesem und dem Kap Bakek mündet der Song Kamraa oder 
Songyahue (Song Gyahue); endlich sind noch der g) Song Rai uud der 
h) Lap zu erwähnen,*) auf welchen letzteren dann sogleich der Donnai als 
östliches Glied des Mekong-Deltas folgt. Diese kleinen Flüsse sind alle unbe- 
deutend und unwichtig; auch sind sie nicht näher bekannt, ro das» eine reine 
Aufzählung genügen wird. 



Benützte Literatur über die Flüsse der Ostküste. 

1. B. S. P. VI, IG. 187« II S. 316 ff. Dutreuil de Rhins, la cöte d' Annam 
et la province de Hue. 

2. B. S. P. VII 2. 1881 II Dutreuil de Rhins, une exploration k la frontiere 
de 1' Annam. 

3. B. S. P. VI, 17. 1879 I S. 76 ff. Harmand, de Bassac ä Hue. 

4. B. S. P. VI, 9. 1875. I S. 273. Notice sur Thanh-Hva, par un missionaire. 

5. B. 8. P. VI, 19. 1880 I S. 97. u. 302. Romanet du Caillaud, Notice 
sur le Tonkin. 

6. Cochinchine francaise Heft 11, 287 — 297. Huyn de Verneville, Notice 
sur la Province «le Binh Dinh. 

7. Ror. Mar. Col. 37. 1873. S. 5—33. Exploration de cotes de Cochin- 
chine sur l'aviso la Bourayne. 

8. B. S. P. VT, 15. 1878 1 S. 98. ff. Dutreuil de Rhins: 

9. J. R. (i. S. London 19. S. 85. Gützlaff, Geography of the Cochin-Chincse 
Empire. 

10. B. S. P. VII, 6. 1883 II S. Neis Exploration chez les Sauvages 
de 1' Indo Chine k l'Est du Mekong. 



S c h 1 u s s. 

Die Hydrographie des östlichen Indo-China ist somit, wie man sieht, in 
ihren Grundzügen bekannt; doch fehlt noch viel an dem weitereu Ausbau der- 
selben. Die meisten Flüsse sind nur ein- oder zweimal besucht worden, von vielen 
kennt man nur Teile ihres Laufes, von manchen nur die Mündung. Die fernere 
Erforschung der Halbinsel wird besonders die zwischen den einzelnen größeren 
Flüssen gelegenen Gebiete zu berücksichtigen haben und namentlich ihre Auf- 
gabe in der Festsetzung der Wasserscheiden suchen müssen. Folgendes sind 
die hauptsächlichen noch zu erforschenden Gebiete: 

1. Wasserscheide zwischen Mekong und Menam. 

2. Nördliches Becken des Se Mun. 



') Rov. Mar. Col. XXXVII. 187H 8. 5 ff. 

J ) Gützlaff, Geo^raphv of tho Cochinchine.se Empire, J. R. G. 8. 19, 8. 8f» ff. 
») AlU- diese nach Giltalaff, a. a. Ü. Siehe auch Nein Karte de« DounaT-Gebicten B. S. 
1'. 1883 II. 



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2*0 



Die Kalahara. 



3. Süd-Laos zwischen Mekong, Sebanghieng, Sekong und Annain ; Lauf 
des Sekong, Sekeman und Sesan. 

4. Das Mois-Land zwischen Donnai, Sesan und Mekong. 

5. Die weiten Gebiete zwischen Mekong, Lysienkiang und Songka und 
die Mekong-Zuflüsse oberhalb Luang Prabang. 

6. Das nordöstliche Tongking. 



Die Kalahain. 
Ein Beitrag zur vergleichenden Länderkunde. 
Von Dr. Hanns Bettor. 

(Fortsetzung.) 

4. Das Plateau von Bloemfontein. Viel spärlicher als über die be- 
sprochenen Landesteile fließen die Nachrichten über die nun folgenden Gebiete. 
Die einzigen erwähnenswerten Nachrichten über den als Plateau von Bloem- 
fontein bekannten Teil haben wir FRITSCH zu verdanken, welcher uns hierüber 
Folgendes berichtet hat. Zwischen Hiscoque und Harrismith, in einer Höhe 
von mindestens 2000 «i, „zogen wir zwischen den kahlen Bergen weiter, an deren 
Abhängen sich viele der in Süd -Afrika so häufigen Ravinen zeigten. Diese 
Wasserrisse haben keine bedeutende Tiefe, selten übersteigt sie 30 Fuß bei 
wechselnder Breite, aber der senkrechte Abfall der Seiten macht solche Bildungen 
doch zu bedeutenden Terrainschwierigkeiten; sie sind meistens gerade breit genug, 
um das Darüberspringen zu verhindern und zu steil, um hindurch zu reiten oder 
wol gar zu fahren. Sie bilden sich, indem das Wasser von den Abhängen 
auf undurchdringlichen Mergelschichten nach den tiefsten Stellen hinzieht und 
dabei den auflagernden Thon mehr und mehr durchweicht und hinwegspült, bis 
das unterwühlte Erdreich zusammenstürzt und so diese steilen Böschungen 
bildet. Das Wasser kann ursprünglich völlig unterirdisch verlaufen, wie man 
recht deutlich an einer anderen Bildung sieht, welche ich in dieser Gegend 
zum erstenmale bemerkte, nämlich brunnenförmige Vertiefungen, entstanden 
durch das Einstürzen des Bodens, wobei in vielen Fällen die horizontale Lage 
und der Zusammenhang der früher an der Oberfläche befindlichen Teile nicht 
gestört wurde. 44 ') Diese Beschreibung können wir durch folgende briefliche 
Mitteilung des genannten Reisenden ergänzen:') „Die Thon- und Mergelschichten, 
welche große Flächen zwischen den Erhebungen bedecken, tragen das Ansehen 
diluvialer Bildungen; doch kann ich mich bei dem Mangel von Loitfossilien 
nicht dafür verbürgen, dass sie nicht vielleicht älter sind.... Gebirgsschutt 
und Blöcke sind stets massenhaft um die Bergräuder angehäuft und bilden an 
den Abhängen Schuttkegel. Bei genügendem AVasser würde sich da Mergel- 
und Thonboden für Gras- und Getreidebau wol eignen, wo nicht, wie öfters, 
Salz in erheblicher Menge beigemischt ist. Die spärliche Regenmenge und 
das Fehlen genügender Bearbeitung macht den Boden wenig fruchtbar. Trotzdem 
wächst das Gras in der Regenzeit reichlich und bedeckt die Ebenen, in Dich- 
tigkeit und Höhe des Wuchses unsere Getreidefelder häufig übertreffend. Wo 
Salz im Boden vorhanden ist, wird das Gras durch Stauden ersetzt. Obwol 
ziemlich schwer zerrei blich, wo er rein auftritt, ist er durch Beimengung von 
Sand doch in großen Gebieten mürbe und zerreiblich: der Wind, häufig orkan- 
artig anschwellend, erhebt dichte Wolken von Staub, welcher sich meist durch 
eine lebhaft rote Farbe auszeichnet und in den feineren Partikelchen überall 
eindringt. Die roten und gelben Färbungen des Bodens sind auch in den 
tieferen Lagen dieser Formation vorherrschend." 

5. Das Rogge- und Nieuweveld. Dieser Teil stellt ein flachwelligcs 
Hochplateau dar, welches „frei von hohen Bergen, aber dicht mit Hügeln besät 44 ») 

') FRITSCH. Drei Jahre in Südafrika, p. 181. 

-) Filr die gütigst gemachte Mitteilung spreche ich hiermit tlt-m Horm Dr. Friturli, uunuiehr 
Pr.)(V*(tor au <W UnivemtHt Berlin. Hflfentlicb meinen Dauk nu». 
*j HUBCHELL, 1. c l. p. WYLEY. ]. c . p. 10. 13. 



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Die Kalahara. 



231 



erscheint- Der Boden besteht aus nackten zerbröckelten Sandsteinen der Karoo- 
formation. welche häufig von Diabasen durchsetzt werden. Die Oberfläche der 
Ebenen ist dicht mit Felsblöcken, sowie flachen Geschieben bedeckt, welche 
nur hier und da eine dünne, dürftige Pflanzen nährende Decke aus verwitterten 
Gesteinen zwischen sich lassen. Die eintönigen kahlen Berge, welche den süd- 
lichen Abschluss bilden, lassen nur flache Thaler zwischen sich und das Wasser 
verlauft nicht sogleich in die Tiefen, sundern saugt sich in dein lockereu und 
kiesigen Boden und den sandigen Ebenen ein. ') Daher führen selbst die größten 
Flüsse (Zak-, Riet-, Braakriver) obwol zur Regenzeit bedeutende Ströme, über 
sechs Monate kein Fließwasser und bestehen zu dieser Zeit nur an den tiefsten 
Stellen in der Gestalt von Tümpeln mit salzigem Wasser und Natrounieder- 
schlagen an den Ufern. 2 ) 

6. Die Kalahara. Unter dieser Bezeichnung werden wir im Folgenden 
alle Landstriche von Ngami im Norden bis zur Hartogs-Rand und dem Roggeveld 
im Süden zusammenfassen, wonach nicht nur die großen Salzseen und Salz- 
sünipfe im Osten vom Ngami, sondern auch das südlich vom Oranjestroin 
gelegene große Buschmannland als Teile der Kalahara angeschen werden. 
Im großen ganzen weist das gesammte Gebiet denselben Charakter auf, welcher 
nicht nur in einer den besprochenen Gebieten gegenüber geringeren Vertikal- 
erhebung, sondern auch in einer verschiedenen Beschaffenheit der Oberfläche 
besteht. Während am Plateau von Bloemfontein die thon- und mergelartigen 
Ablagerungen, am Rogge- und Nieeuweveld Kiesanhäufungen vorherrschen, am 
Panneveld endlich und am Plateau der Kaap die Ablagerungen einen gemischten 
Charakter tragen, sind hier Sandaccumulationen bei weitem am häufigsten, wenn 
auch in den einzelnen Teilen von verschiedener Mächtigkeit. 

Über die Beschaffenheit der den Untergrund bildenden Gesteine ist noch 
äußerst wenig bekannt. Im SO. Winkel der Kalahara traf STOW ») (in der Nähe 
von Kheis) auf Glimmerschiefer, der sanfte Berge mit glatten Gehängen bildet. 
Auch weiter im Norden besteht der Untergrund aus (silurischen?) Schiefer- 
gesteinen, welche von basaltartigen Eruptivgesteinen durchsetzt werden. *) Gegen 
die Mitte zu werden die Schiefergesteine von tuffartigen Kalksteinen abgelöst, 
welche, ausgedehnte Strecken einnehmend, öfters von Trap (!) bedeckt werden. 8 ) 
Sie bilden niedere Rücken, welche die einzelneu Sandflächen begrenzen. 

Die Oberfläche wird auf große Strecken hin von Sand bedeckt. Namentlich 
der südliche und mittlere Teil stellen ein echtes Sandmeer dar. In dem bereits 
erwähnten südöstlichen Winkel, BURCHELLS „Zandveld," bedeckt ein lichter 
grauer Sand ausgedehnte Flächen bis zu bedeutender Tiefe, das Grundgestein 
vollständig verhülh'iid, an der Oberfläche aber zu undulierend sich hinwälzenden 
Dünen aufgehäuft. 6 ) Auch westwärts davon traf der alte HENDRIK wellen- 
förmige, mit Sand überdeckte Flächen an 1 ) und im fernen NW. (in der Gegend 
von Ghanze und Twass) stieß ANDERSSON 8 ) auf feine, lose unter den Füßen 
nachgebende Sandmassen. Salztümpel, so charakteristische Erscheinungen dei 
Steppen, sind in diesem Teile, welchem die Sanddünen einen Wüstencharakter 
aufprägen, ziemlich selten. Die Flüsse, welche vom Rande gegen das Innere 
verlaufen, nehmen nicht allein durch Verdunstung, sondern auch und ganz 
besonders durch das Einsickern in den sandigen Boden an Wassermenge 
ab 0 ) und manche Wasserader verliert sich schon „nach einem Laufe von wenigen 

') BURCHELL. 1. c I. p. 194. WYLEY, 1. c p. IS. 
*) Vergl. auch LICHTENSTEIN. 1. <•. I. p. 145. IM. 
J ) STOW. Griquaiand. 

♦) LIVING8TONE, trav. p. 149 and 150. 

4 S Die tuflartigeu Kalke ualcareous tnfa LIVINGSTONE8), wol zu unterscheiden von deu 
tuffartigen ZwUchenlagcrniigen (»oft calcareou» tufa LlYIMiSTONES) in den Anhäufungen frag- 
lichen Ursprunges, scheinen den gleichfalls oft als calcareous tufa beschriebenen dichten Kalk- 
steinen der Karooforniation «u entsprechen, welche HÜHNER am Panneveld gefunden hat Hier- 
her dürften auch die von ANDER8BON aus dem mittleren Teile der Kalahara Öfters erwähnten 
Kalksteiue zu zahlen sein. 

«i 8TOW, 1. c. 

') CAMPBELL, 1. c p. 210. 

•>) Der Ngami Sec. \>. 111. PJO. 176. &c. 

•; BURCHELL, 1 c. II. p. 310. 



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232 



Die Kalahara. 



Meilen" in der Wüste. Nur in sehr nassen Jahren machen dieselben eine Aus- 
nahme. HENDRIK traf nirgends fließendes Wasser an. •) Umso allgemeiner 
aber sind die Sickerwasser, von deren Gegenwart man sich durch die von 
den Buschmännern angelegten Sandbrunnen leicht Uberzeugen kann. Diese Sand- 
brunuen besitzen eine verschiedene oft ganz bedeutende Tiefe.*) 

Ein etwas abweichender Charakter tritt im nördlichen Teile, am Ngami 
und in dessen Umgebung auf. 3 ) Zwar sind die Sandanhäufungen auch hier 
sehr allgemein, aber im Verhältnis zu denjenigen im Süden treten sie zurück 
und an ihrer Stelle finden sich Salzseen mit eigenartigen Flüssen ein, wie sie 
für Salzsteppen so charakteristisch sind. Die Salzseen sind entweder, wie der 
Ngami, wirkliche Seen, welche während der Regenzeit volle, mit Süßwasser 
erfüllte Becken, zur trockenen Jahreszeit aber seichte salzhaltige Sümpfe dar- 
stellen, oder sie bilden sogenannte Ma-kari-kari, d. s. Salztümpel, welche 
kaum einmal im Jahre eine erhebliche Menge Wassers führen, während der 
trockenen Jahreszeit aber vollständig verschwinden und an ihrer Stelle eine 
je nach dem Grade der Versalzung verschieden mächtige und aus verschiedenen 
Salzen bestehende Kruste zurücklassen. Der Boden aller Salzpfannen wird von 
Li VINGSTONE als „soft calcareous tufa" beschrieben. Ebenso wie dieser ist 
auch der Boden ringsum den Mn-kari-karis sehr salzhaltig. „Zur Zeit heftiger 
Winde wird das Salz sowie der feine salzhaltige Boden der trockenen 
oberen Rasenfläche in hohen weißlichgrauen Staubwolken aufgewirbelt." 
Das Regenwasser aber schwemmt Quarz- und Chalcedongeschiebe von den Rand- 
partien zur Pfanne hin. — Die Eigenschaft des Ngami, zur nassen Jahreszeit 
einen Süßwassersee zu bilden, ist unter anderem wol dem Umstände zuzuschreiben, 
dass er in der Zouga einen Abfluss besitzt, welcher die Fortführung der Salze 
besorgt. Diese aber werden den im Osten davon gelegenen Salztümpeln (Soa, 
N'twc-twe) zugeführt. Die Versalzung nimmt von Westen nach NO. zu, wohin 
sowohl die Zouga ihren Lauf nimmt als auch das zeitweilige Regenwasser lang- 
sam abfließt. Hiedurch werden die im Wasser gelösten Salze nach jener Richtung 
hin einer Pfanne zugeführt, welche LIVINGSTONE unter dem Namen Chuantsa 
auffuhrt. *) Indessen erfolgt die Salzzufuhr nicht allein durch Flüsse und ge- 
legentliche Regengüsse, in welchen Fällen sie nur zeitweilig und selten statt- 
finden könnte, sondern sie geht auch und in einem sehr bemerkenswerten Grade 
durch die überall vorhandenen salzführenden Sickerwässer vor sich.') Ein 
ausgezeichnetes Beispiel für die Beschaffenheit der hier auftretenden StcppenflUsse 
liefert die bereits erwähnte Zouga. Von September bis April nur eine Reihe 
von Tümpeln mit trockenen Stellen dazwischen darstellend, bewegt sich deren 
Fließwasser auch in der anderen Hälfte des Jahres so langsam, dass es still zu 
stehen scheint. — Endlich sei noch die Thatsachc hervorgehoben,* dass LIVING- 
STONE überall dort, wo die Orycteropi Höhlen gegraben, Conchvlienschalen 
angetroffen hat, welche mit den heute im Ngami und Zambesi lebenden Formen 
identisch wareiH 

Ehe wir das Kapitel Uber die Kalahara schließen, wollen wir noch die 
interessanten Verhältnisse besprechen, welche sich im Osten derselben, am Flüss- 
ehen Gokwe darbieten. Die Besprechung bezieht sich auf eine Fossilien führende 
Thonablagerung, welche die oberste Gesteinschicht bildet und die Uferbänke deB 
Gokweflüsschens zusammensetzt Obwol, nach einem Schreibeu von HÜHNER an 
BÖTTGER, von nur geringer Mächtigkeit und anscheinend nicht ausgedehnter 
Verbreitung, ist dieselbe infolge ihres Habitus und ihrer Einschlüsse doch sehr 
bemerkenswert. „Das Gestein selbst," berichtet BÖTTGER. 6 ) r ist graulichweiß, kal- 



') CAMPBELL, 1. c p. 210. 

*) Nach ANDERSSON 1. c. p. 121. und CAMPBELL 1. e. p. 217. sind dieselben 2 bin 6tn tief. 

J ) Die folgenden Dateu siud teils LIVINGSTONE8 mumtotuirit tratet*, theils den Be- 
schreibungen der Reisenden ANDERSSON, HOLUB, MOHR und SERPA PINTO entnommen. Die 
Reisewerke von BAINES und seiner Geführten waren mir nicht zugänglich. 

4 ) Chuantiia-salt-pan LIVINÖSTONES durfte HOLUBS Son-salzpfannc entsprechen. 

*) LIVINGSTONE, Miss, tratt. p. 78. 

•) Über den Mergel vom Golwe im Süd-Afrika und »eine Fossilien. XI. Jahresbericht des 
Oft'eubacher Verein» ftlr Naturkunde. Ih70, p. 46. 



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Die Kalaliara. 



233 



kigem Löss in unserer Gegend ähnlich, mit vielen Wurzelfasern durchzogen. Im 
Wasser zerfällt dasselbe nicht, mit Säuren dagegen braust es heftig. Von gröberen 
Bestandteilen enthält es außer goldglänzenden feinen Glimmerschttppchen nur 
inohn- bis hirsekorn große, farblose, gelbliche und rötliche Quarzsandkörner. 
Interessant machen diesen Mergel vor allem seine Einschlüsse an Fossilien. Es 
sind Konchylien von ziemlich guter Erhaltung, leider in dem Stücke, das mir 
zugcbote stand, nur drei Arten von Schnecken. Eine Art L Himnaeus ist zu 
ungenügend erhalten, als dass ich sie hätte beschreiben können, die beiden 
anderen Formen aber habe ich in allen ihren Einzelheiten beachtet." Es sind 
dies Cionella Gokweana und Pupa tetrodus. „Beide Arten nähern sich 
in ihrem Habitus längstbekannten europäischen Typen." Besonders bemerkens- 
wert ist „die auffallend geringe Größe dieser Formen, alle ihre jetzt noch in 
Afrika lebenden Gattungsgenossen sind bedeutend größer." Wenn auch ein 
Vergleich nicht ganz stichhaltig ist, so ist die Übereinstimmung dieser Formen 
mit den Schnecken der mitteleuropäischen Lössformation doch sehr in die Augen 
springend. 



Sehen wir uns nach einem Lande um, welches seiner inneren Struktur und 
seines äußeren Habitus nach mit dem Kalaharabassin verglichen werden könnte, 
so werden wir in dem Tafellande von Dekhan jenen Erdstrich erblicken, der 
einein derartigen Vergleiche noch am ehesten Stand halten dürfte. Sowol das 
Tafelland von Süd-Afrika als auch das Plateau von Dekhan stellen eine weit- 
ausgedehnte Scholle dar, welche sich aus teils Massive bildenden krystallinischen 
Gesteinen, teils beckenartig gelagerten Sedimentschichten der Karooformation, 
beziehungsweise des Gondwanasystems zusammensetzen. Die Sedimentschichten 
werden ihrerseits wiederum von basischen Eruptivgesteinen durchsetzt und die 
Dicynodonscbichten entsprechen auch in stratologischer Hinsicht den Gesteins- 
massen der Gondwanaformation. Weiters begegnet man sowol auf dem vorder- 
indischen Tafellande als auch im Kalaharabassin eigentümlichen Anhäufungen 
an der Oberfläche. Dort sind es die Lateritbildungen, deren Entstehungsweise 
klar zu legen so manchem Geologen schwere Sorge bereitet hat, hier sind es die 
vorher beschriebenen Sande, Thone, Tuffe, Gravel- und Schuttmassen, über deren 
Bildungsart beinahe ebensoviele Hypothesen aufgestellt worden sind, als Geologen 
und Geographen eine Erklärung derselben versucht haben. Die Fortführung des 
Hochflächenlaterites und dessen Umbildung in Latent der Niederungen auf der 
einen Seite und die Metamorphose der oben genannten schichtungslosen Gravel- 
massen in Alluvialbildungen auf der anderen Seite beschließen die Reihe der 
Ahnlichkeitspunkte zwischen beiden Landstrichen. — Neben diesen Ähnlichkeiten 
laufen aber nicht unbedeutende Verschiedenheiten einher. Während Dekhan im 
Osten gegen das Meer offen daliegt und feuchte Sommer-Monsune über die 
westlichen Ghäts in das Land streichen, wird das Kalaharabassin im Osten durch 
die zu ansehnlicher Höhe emporragenden Drakensbergen von den feuchten 
Küstenlandschaften scharf abgeschlossen und hat vom dürren Westen keine 
Feuchtigkeit zu hoffen. Ein zweiter Unterschied liegt darin, dass auf dem Plateau 
von Dekhan die Lateritbildungen überall von den nach Osten in das Meer eilenden 
Flüssen durchfurcht werden, während vom Kalaharabassin nur ein bedeutenderer 
Fluss gegen Westen in das Meer strömt. Endlich ist die Anwesenheit von Salzen 
in den oberflächlichen Gebilden des Kalaharabassins ganz allgemein, während 
auf dem Tafellande von Dekhan jene Erscheinung weit seltener ist — Doch 
genug der Ähnlichkeiten und Unterschiede; es ist ja nicht unsere Aufgabe, einen 
Vergleich von Süd-Afrika mit Dekhan zu geben, als vielmehr die Verhältnisse 
im ersteren der genannten Länder zu erörtern. 

Wie schon zu wiederholtenmalen erwähnt worden ist, sind Salzefflorescenzen 
an der Oberfläche des Thonbodens eine der charakteristischesten Erscheinungen 
im Inneren von Süd-Afrika. Diesem haben wir noch nachzutragen, das* sowol 
im Osten als auch im Westen an jenen Stellen, wo die Thon- und Mergelschichten 
von Flüssen durchschnitten werden, die oberen und unter diesen wiederum die 
Thonschichten der Salze entbehren, während die unteren und vornehmlich die 

JC.KIrr'» ZtiUchrt/t. r. Bd. 17 

- 

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Die Kalalmra. 



mergeligen und tuffartigen Gebilde dieselben noch in erheblicher Menge auf- 
weisen. 1 ) 

II. 

Die klimatischen Verhältnisse nnd deren Einwirkung auf die Oberfläche. 

„Die. Feuchtigkeit, welche die Atmosphäre dem indischen Ocean entnimmt, 
wird von den hügeligen Ostabhängen aufgefangen; zu jener Zeit aber, wann die 
vom Meere hereinstreichende Luftströmung ihre größte Elevation erreicht, trifft 
sie mit der verdünnten Atmosphäre der trockenheißen lnlandsflächen zusammen, 
erhält von der d ortsei bst aufsteigenden Hitze das Vermögen, alle ihr noch inne- 
wohnende Feuchtigkeit in Dunstform zu erhalten und streut infolge dieser Stei- 
gerung ihrer Verdampfungskrait Uber die mittleren und westlichen Ländereien 
nur einen geringen Teil von ihrer Feuchtigkeit iu der Form von gewaltigen 
Regenschauern aus." In diesen Zeilen legte Li VINGSTONE 1 ) in richtiger Erfassung 
der Thatsachen die llauptmomente im Klima des Inneren von Süd-Afrika dar, 
welche einerseits auf der Absperrung des Inneren von dem feuchten Passatstrom 
des Oceans, andrerseits auf der Verhinderung der Kondensation des Wasser- 
dampfes in den die Küstenterrasse übersteigenden Luftschichten beruhen. — 
Minoer glücklich war jener Piounier Afrika's in der Beurteilung der "Windver- 
hältnisse, und infolge dessen muss seine Darlegung eine kleine Berichtigung 
erfahren. 

Nach LIVINGSTONE sind in den meisten Ländereien des Inneren Ostwinde 
mit einer kleinen Ablenkung nach Süden vorherrschend. Dagegen haben mehrere 
Reisende hervorgehoben, dass die SO.-Wiude im Inneren nicht so stark auffallen 
als an den Küsten, und im Winter überhaupt vielmehr NW.-Stürine die Ober- 
hand besitzen. Auch DANKELMANN 3 ) bemerkt in einer Zusammenstellung der 
klimatischen Daten von Hereröland, dass dortselbst von September bis Januar 
NW.-Winde vorherrschen. Diese Thatsachen müssen berücksichtigt werden, wenn 
man eine richtige Auffassung der Niederschlagsverhältnisse erzielen will. 

Die Winde, welche allein Regen im Gefolge haben können, sind diejenigen, 
welche von Osten kommen. Sie sind von December bis April vorherrechend und 
erscheinen als der vom indischen Ocean wehende, die Gebirgstnauer der Drakens- 
bergen übersteigende Passatstrom. Da derselbe vom Meere kommt, so muss er 
für das Land als ein feuchter Wind angeseheu werden, und in der That entleeren 
auch die unteren Schichten desselben, wenn sie an den Berglehnen Natals und von 
Kafirland hinansteigen, iu reichlichen Elevationsregen ihre Feuchtigkeit, um 
ziemlich trocken auf den Hochlanden der Freistnaten anzukommen. Indessen 
können die oberen Schichten des Passatstromes ungehindert über die Drakens- 
berge nach Westen streichen. Die letzteren sind es nun, welche als die einzigen 
Regenbringer des Inneren fungieren. Wenn aber dieselben während der südheini- 
sphärischen Sommerszeit im Inneren anlangen, treffen sie dortselbst auf die 
überhitzte Wüstenluft und können infolge des gesteigerten Verdampfungsvermögens 
keine Niederschläge spenden. Nur dann, wenn durch heftige Strömungen und 
Gegenströmungen örtliche Erkaltungen der Luftschichten erzeugt werden, kann 
es zur Kondensierung der vorhandenen Feuchtigkeit kommen. Die Folge davon 
ist, dass es zu keiner wirklichen Regenzeit kommt, als vielmehr heftige Ge- 
witterschauer in unregelmäßigen Intervallen nicht unbeträcht- 
liche Wassermassen auf einmal entladen. — Während aber die östlichen 
Landstriche noch etwas besser bestellt sind, ist der im Westen vom Garib gelegene 
Teil auf „sehr unregelmäßige und unsichere Sominergewitter u *) angewiesen. 
Auch diese Thatsache ist nicht schwer zu erklären. Wenn im Winter über den 
Landschaften des Iuneren ein Luftdrucksmaximnm zur Ausbildung gelangt, muss 
die Kraft des Passatstromes zurücktreten. Dagegen sind in dieser Jahreszeit 
äußerst trockene NW.-Winde vorherrschend, welche jede Wolke, die der schwache 



') V>rgl. LIVINGSTONE. Miss, trat: un<1 WYLEY, Journey. p. »K. Soi,th-Namaqual<tml. p. 38. 
J i Mist. trav. p. % ff. 

Zur Klimatologie von ütreröland. IMornuiuiis Mitt. 1878. 
*: HURCHELL. 1 v. I. p. l!»3, 370 



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Die Kalahara. 



235 



Passatstrom noch vom Osten bringt, sogleich auflösen. Der Himmel ist daher 
zur Winterszeit beinahe wolkenlos. 

Mit der ungleichmäßigen Verteilung der Niederschläge hängt der Feuchtig- 
keitsgrad der Luft innig zusammen. Das erste „zwar sehr unwissenschaftliche, 
aber doch sehr richtige Hygrometer," welches die außerordentliche Trockenheit 
der Atmosphäre im Binnenlande anzeigte, bildeten die Wagen BURCIIELL'S. 
„Selbst das Holzwerk der am besten ausgewitterten (Wagen), welches sich während 
der Sommer in der Capstadt nicht verändert hatte, schrumpfte zusammen und 
bekam Risse,* welche alle, nach der Versicherung der Hottentotten, „sich wieder 
schließen, so oft sie sich dem Cap nähern." ') Auch FRITSCH berichtet, das» 
bei einer Reise in das Innere „die fichtenen Bretter der Wagen sich zuweilen 
um ein ganzes Zwölftel ihrer Breite zusammenziehen." 2 ) In Ba wank etsilau d 
betrug im Jahre 1865 die durchschnittliche Feuchtigkeit am Mittag nur 1498%- 
Für die große Trockenheit der Atmosphäre im Binnenland spricht endlich der 
Umstand, dass, wie auch DANKELMANN gebürend hervorhob, „zu Littakun 
nur ein Paar Tage lang nach reichlichem Regen Thau bemerkt wird. uS ) 

Die außerordentliche Trockenheit der Luft übt ihrerseits wiederum auf die 
Temperaturverhältnisse einen nicht geringen Einfluss aus. Hinsichtlich der jähr- 
lichen Teinperaturkurve ist zwar nichts Auffälliges zu verzeichnen, indem die 
Amplitude der extremen Monatsmittel von Klaarwater den Betrag von 20° C. 
schwerlich erreichen wird. Ganz anders aber verhalten sich die täglichen Wärme- 
schwankungen. Obwol in so niederen Breiten gelegen, ist Eisbildung in den 
Winternächten eine ganz gewöhnliche Erscheinung.*) „Eine Stunde nach Sonnen- 
aufgang aber ist der Reif schon weggeschmolzen und um 10 Uhr ist es voll- 
kommen Sommer. Mittags werden die Sonnenstrahlen lästig." *) Tägliche Wärme- 
schwankungen von 23° C. sind ganz gewöhnlich, 8 ) in Hereröland zeigt das 
Thermometer von Mai bis Ende August des Morgens vor Sonnenaufgang nicht 
selten 0 bis 2° C. während die Mittagswärme 20 bis 28° beträgt. *) Dass zur 
Erniedrigung der Temperatur auch die Gegenwart der Salze, welche in Ver- 
bindung mit Wasser eine Kältemischung abgeben, beiträgt, ist bereits von B ARROW 
erkannt worden.*) Übrigens dürfen uns diese Thatsachen nicht Wunder nehmen: 
ist doch Afrika jener Kontinent, wo des Tages infolge der ungleichen Aus- 
dehnung, welche die Sonnenhitze bewirkt, Felsblöcke zersprengt werden, während 
des Nachts der Reisende sich gern in erwärmende Decken hüllt. 0 ) 

Somit wären in der großen Trockenheit der Luft, in den beträcht- 
lichen täglichen Wärmeschwankungen, in den Stürmen, welche 
den Regengüssen vorangehen, endlich in den unregelmäßigen, 
rasch hereinbrechenden und schnell vorUberl aufenden, aber um so 
heftigeren Gewitterschauern die Hauptmomente im Klima des südafri- 
kanischen Binnenlandes erwähnt worden. — Dieser Darstellung, welche die 
klimatischen Verhältnisse nur insoweit berücksichtigte, als sie für die folgenden 
Untersuchungen in Betracht kommen, soll nunmehr eine Besprechung der Wir- 
kungsweise jener Faktoren auf die Gestaltung und Beschaffenheit der Ober- 
fläche nachfolgen. 

Das erste Agens, welches in Betracht kommt, bilden die großen täglichen 
Wärm esch wankungen, welche auf die mechanische Veränderung 
der Oberfläche einen mächtigen Einfluss ausüben. Die großen Amplituden der 
täglichen Teinperaturkurve müssen eine bedeutende Auflockerung der Gesteine 



') HUKCHELL, 1. c. I. p. 213. 

l ) Das Klima von Südafrika. Zeitschr. d. Geselbjchaft f. Erdkunde «n Berlin. 186« p. 132. 
*) CAMPHELL, I. c. p. 188. 

«) Vergl. BURCHELL, CAMPBELL. DANKELMANN, LICHTENSTEIN - t. c. au 
mehreren Stelleu. 

») LICHTENSTEIN, 1. c. II. p. 311». 
•) BURCHELL, 1. c I. p. 213. etc. 
') DANKELMANN, I. c. 

*) 1. c. p. 106. The sand „corered with salpctre as white a* »now. The produetiou of thi.« 
KiibsUnce ha» certainly an iuflm iice upou the teuiperature of the air. cauniu|r a eoiwidernlile 
ilegreo of cold." 

♦. LIVINUSTONE, Erprditio» to the Zambtri. p. 322. Ö70. 

17« 



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Die Kalaliara. 



zur Folge haben. In der That findet man in den Berichten LlVTNGSTONE'S 
anschauliche Beispiele hierfür. „Wenn wir des Abends nach einem heißen Tage 
Siesta hielten," schreibt Li VINGSTONE, ') „so war es ein ganz gewöhnliches 
Ereignis, zu hören, wie die Basaltfelsen zerbarsten und die 
einzelnen Stücke mit einem eigentümlich klingenden Tone aufeinander fielen. 
Besonders große Massen, welche infolge der plötzlichen Erkaltung der durch die 
Tageshitze ausgedehnten Partien zerborsten waren, sind an den Seiten der Hügel 
hinabgerutscht und haben am Fuße derselben sich an- und aufeinander lagernd 
Höhlen enseugt, welehe die Bakaa als refugium vor ihren Feinden zu benutzen 
pflegen. " Dieselbe Erscheinung konnte LlVINGSTONE auch im NO. von der 
Kalahara, in den Gegenden am Njassa-See beobachten.*) — in zweiter Linie 
kommen die heftigen Stürme in Betracht, welche sich sowol während des 
Winters als besonders vor Eintritt der feuchten Jahreszeit einstellen. Schon 
CAMPBELL berichtet uns von r Sandwolken" und „Sandregen," welche jene 
Winde herbeiführen.*) Auch BURCHELL erwähnt an mehreren Stellen Winde, „die 
hohe Staubsäulen iu der Luft bildeten und mit reißend er Schnelligkeit 
die Erde fegten" und Stürme, „die den feinen Sand in großer Menge in die 
Luft führen, wo er sich in der Ferne wie rötliche Wolken ausnimmt." 4 ) Nach 
FRITSCH erheben sich auf den Hochebenen des Inneren zur Winterszeit heftige 
NW. -Stürme, „welche mit ihrem aufgewirbelten Staub die Gegend verdunkeln" 
und ebenso sind „im Frühlinge heftige Stürme häufig, wo sich dann der Staub 
massenhaft erhebt, wie ein dichter Nebel über die Gegend ge- 
zogen kommt und alles mit einer wahren Kruste überzieht." 8 ) 
Ferners führt HOLUB „unter den Unannehmlichkeiten, welche der Aufenthalt 
in den Diamantenfeldern mit sich bringt, namentlich die in der trockenen 
Jahreszeit täglichdaherbrausenden Staubatürme auf, welche in die 
Häuser dringen und hier in kurzer Zeit alles verderben." 8 ) Endlich sind die 
in Hereröhind .nicht selten vor Beginn der Regenzeit mit großer Schnelligkeit 
Uber das Land hinjagenden Sandhosen" zu erwähnen, „welche von den Herero 
mit dem nicht unpassenden Namen Orokumb-anhara, d. h. Regenbettler 
bezeichnet werden, da sie gewöhnlich dem Regen unmittelbar vorangehen." ') — 
Nachdem die Winterszeit die mechanische Auflockerung besorgt hat, beginnen 
die Regengüsse im Sommer die ehemische Zersetzung des Materials aus- 
zuführen, welche, wenn auch heute nicht mehr allzu energisch, jedoch 
einstmals sehr intensiv gewesen sein muss, wie dies aus den im vorigen 
Absätze angeführten Beispielen über die Verwitterung der Gesteine hervorgeht. 
Das aufgelockerte und zersetzte Material wird nun sowol von den 
Stürmen er griffen fortgeführt und gelegentlich wie der abgelagert, 
als besonders durch die Regengüsse von den Anhöhen in die tiefer gelegenen 
Partien hiuabgespült, zusa min engeschwemmt und von dem Rasen- 
filz der Steppengräser festgehalten, während die größeren Stücke auf 
den Anhöhen liegen bleiben und diese von Blöcken und Schutt bedeekt erscheinen 
lassen. Die erwähnte Trockenheit der Luft resultiert aber nicht aus dem Mangel 
an Niederschlägen allein, sondern auch — und zu nicht geringem Teile — 
aus der Unregelmäßigkeit, mit welcher die Gewitterregen auftreten, und dem 
schnellen Verlaufe, welchen sie nehmen. WILSON 9 ) nennt die Gewitterschauer 
„furchtbar großartige Ersch ei nnngen, die eine Masse von Wasser 
liefern und datin wieder lange Zeit ausbleiben." BURCHELL berichtet gleich- 
falls von dem schnellen Verlaufe und der Heftigkeit der Gewitter. „Im VerTaufe 
einer Minute entlud sich eine schwarze W r olke, die sich plötzlich 
Uber uns gebildet hatte und in fünf Minuten war der ausgedehnte 



") Miss. trav. I. c. p. 149. 
*) Expedition. 1. c. 
*) 1. c p. 163. 266. eU\ 
*) 1. c I. p. 254. IVA 365. 

*) Drei Jahre in Südafrika, p. 144. — Klima ron Südafrika. 1. c, p. 135». 
•) Sieben Jahre in Südafrika. I. p. 86. 
»1 PANK ELM ANN, 1. c. 

*» Journ. Geograph. Soc Loudou 1865. p. 11t. 



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Beuierkuugeu über einige AufgalM-u der Verkehrsgeographie uu l Suit-ukuu In. 

Buden mit Lachen bedeckt. Der Regen harte ebenso plötzlich auf, als er 
genahet war. ul ) Aber eben deshalb müssen die spülenden Regen- 
fluten eine hervorragende Rolle spielen. — Die Wirkung des 
fließenden Wassers tritt dagegen sehr zurück. Wenn auch in einigen 
Gegenden, wie am Panneveld und am Vaalriver, die Flüsse, ähnlich den Küsten- 
landschaften, wahrend des Sommers in wasserreiche Gießbäche verwandelt 
werden, 90 sind dies nur Ausnahmen von den allenthalben anzutreffenden 
Steppenflüssen, welche sich im Sande und Kiese verlieren, ohne 
den Hauptfluss zu erreichen, Monate lang nur eine Tümpelreihe 
repräsentieren, endlich, wie die Zouga, selbst in der feuchten 
Jahreszeit so langsam dahinfließen, dass ihr Wasser still zu 
stehen scheint. (Schluu folgt.) 

Bemerkungen über einige Aufgaben der Verkehrsgeographie 

und Staatenkunde. 

Von Professor Dr. F. G. Hahn in Loiplig. 
(Fortsetzung.) 

Die Küstenländer der Nordsee bieten mehrere Beispiele für den Satz, dass 
auch eine wenig gegliederte Küstenstrecke sehr gute Dienste thun kann. Die 
Ostküste Englands verläuft im allgemeinen ziemlich einfach. Der Zugang von 
der Seoseite ist jedoch nirgends allzusehr ersehwert, die zahlreichen weitgeöffneten 
Flussmündungen bieten gute Häfen, die Küste selbst macht nur auf ganz kurzen 
Strecken Ansiedlungen unmöglich und der Verkehr mit dem fruchtbai'en und 
an Mineralschätzen reichen Innern des Landes war nie durch Natursehranken 
gehemmt und konnte in der Neuzeit durch leicht anzulegende Kanäle und 
Eisenbahnen noch sehr erleichtert werden. Ähnlich verhalt es sich mit der 
deutscheu und holländischen Nordseeküste. Man sieht leicht, dass aus der bloßen 
Betrachtung der Küstcnlänge und ihrer Beziehung zum Flächeninhalt durchaus 
kein sicherer Schluss auf den Wert einer Küstenstrecke abgeleitet werden kann. 
Auch die meisten der übrigen von Zeit zu Zeit aufgetauchten*) Ausdrücke für 
die Küstenentwicklung, wenn sie auch mathematisch korrekter sein mochten, 
genügen den geographischen Anforderungen nicht besser. Es ist daher zwecklos, 
sie hier zu besprechen. Dagegen wurden im Anschluss an den oben erwähnten 
lehrreichen Vortrag Günthers mehrere Vorschläge gemacht, welche weiter ver- 
folgt zu werden verdienen. Zunächst wies Zöppritz darauf hin, dass die Bestim- 
mung des in einem Lande oder Staate möglichen Maxiinalabstandes von der 
nächsten Meeresküste geographisch brauchbar sei. In der That wird der Gegen- 
satz des maritimen Charakters Englands zu dem viel kontinentaleren der 
spanisch-portugiesischen Halbinsel durch die Angabe recht anschaulich gemacht, 
dass die größte in England vorkommende Entfernung vom Meere kaum IOC) km, 
in Spanien dagegen 300 km beträgt. Jedoch werden solche Vergleiche nur für 
Länder von ungefähr gleicher Größe, aber sehr verschiedener Gestalt lehrreich 
sein. Man kann nicht wol Großbritannien mit ganz Europa, oder Europa mit 
Asien in dieser Hinsicht vergleichen. Über die G estalt der Länder, sowie über 
die Beschaffenheit und Zugänglichkeit der Küsten erhalten wir auch bei diesen 
Messungen, die übrigens wegen der auf Karten kleineren Maßstabes eintretenden 
Verzerrung am besten auf einem großen Globus vorgenommen werden, keine 
Belehrung. Im Peloponnes ist kein Punkt weiter vom Meere entfernt als 45 km. 
Trotzdem ziehen die Berglandschaften Arkadiens, des südlichen Achaja und 
besonders des nordwestlichen Teiles von Argolis nur sehr geringen Nutzen von 
dem ihnen so nahen Meer; sie können geradezu als Gebiete von durchaus kon- 
tinentalem Charakter betrachtet werden. „So sehr der Peloponnes durch seine 

') 1. c L p. 240. 

*) Nagel hi Bergbau»' Anualeu der Eni-, Völker- und Suateukumle, Bd. IS (1835), 
8. 490; Peterm. Mitt. 1863, 8. 309 11. 406, 1864, 8. 91 u. 232; Zeitschr. der Berl. Ges. 
für Erdkunde, Bd. 4 (1870), 8. 193 ff.; Grunerts Archiv für Math und Physik, Bd. 57 
(1875). 8. 277 ff. ; Krümmel, Versuch einer vergleichenden Morphologie der Meerearäume, Leipeig, 
1879, 8. 57 ff. ; endlich Günther iu Verhandlungen des zweiten Geograplientage«, S. 144. 



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23!"" Boiuerkutigeii über einige Aufgaben .1er VerkehrMgeographie und SUatcukundc. 



Lage zur Meerherrschaft bcrufcu erseheint, u sagt Curtius (Peloponnes, Bd. L, 
S. 22. Gotha, 1851.), „war die Macht und Politik seiner Staaten eine vorzugs- 
weise kontinentale und .stand als solche in merkwürdigem Gegensatz zum Fest- 
lande." Am Pongo von Manseriche 1 ) am Amazonenstrom befinden wir tins vom 
nächsten Meere, der Südsee, .'i50 km entfernt, wir sind jedoch durch die ganze 
Massenerhebung der peruanischen Cordillere von ihm getrennt. Dagegen führt 
die bequeme Wasserstraße des Amazonas zu dem in gerader Linie mehr als 
3000 km entfernten atlantischen Ocean. 

Keber hat nun vorgeschlagen, 1 ) jene Entfernungsangaben dadurch interes- 
santer und lehrreicher zu machen, dass die Punkte gleicher Entfernung von der 
Küste dureh Linien verbunden und die so entstehenden Entfernungszonen nach 
Art der Isothermen- oder Regenkarten koloriert werden. Es soll dann der 
Flächeninhalt jeder einzelnen Zone angegeben und berechnet werden, wie viel 
Procent vom Gesammtareal des Kontinentes oder Landes auf jede Zone kommen. 
So werden nur Flächen mit Flächen verglichen. Werden solche Angaben in 
Tabellenform ohne Bemerkungen unseren Handbüchern eingereiht, so ist der 
damit erreichte Vorteil gewiss nur gering; aber es ist nun die Aufgabe des 
Geographen, die physischen Verhältnisse, die Hilfsquellen und die Bevölkerungs- 
dichtigkeit jeder einzelnen Zone zu untersuchen und zu prüfen, welche Be- 
ziehungen zur Meeresnähe oder Meeresferne obwalten. Zahlenangaben dieser Art 
dürfen nicht als etwas an sich Mitteilonswertcs dargestellt, sondern nur als 
Grundlage und Hilfsmittel zu umfangreichen echt geographischen Untersuchungen 
betrachtet werden. Haben wir auf Karten von England und Frankreich die 
Zonen gleicher Entfernung vom nächsten Meere eingetragen, so erkennen wir 
manche charakteristische Unterschiede in der Ausstattung der entsprechenden 
Entfernungszonen beider Länder. Die Kohlenfelder Großbritanniens gehören fast 
8ilmmtlich den dem Meere nächsten Zonen an, die französischen Kohlengebiete 
sind durchschnittlich weiter vom Meere entfernt, einige derselben gehören sogar 
den centralsten Teilen des Landes an. Frankreichs Kohlenschätze werden also 
weit mehr auf den Verbrauch im eigenen Lande rechnen müssen als auf den 
Export zur See. Bei der Erforschung von Kohlen- und Erzlagern in noch wenig 
bekannten Ländern ist die Frage nach der Lage des Vorkommens zum nächsten 
Meere die wichtigste von allen. Auch eine geringwertige Kohle erlangt in der 
küstennahen Zone zunächst größeren Wert als eine viel bessere, die aber tief 
im Innern des Landes aufzusuchen ist. 3 ) 

Edle Metalle, bei denen schon kleine, leicht fortzuschaffende Mengen einen 
bedeutenden Wert darstellen, sind von der Nähe des Meeres natürlich viel 
weniger abhängig, es kann sogar vortheilaft sein, wenn die Lagerstätten der- 
selben sich im Innern des Reiches befinden, wo sie fremder Begehrlichkeit 
weniger ausgesetzt sind. Der Geograph wird weiter zn untersuchen haben, ob 
die fruchtbarsten Teile eines Landes nahe am Meere liegen oder nicht, ob be- 
sondere, vielleicht nur diesem Lande eigene Ausfuhrgegenstände (Gewürze, 
Elfenbein) einen kurzen oder langen Weg zum nächsten Hafen zurückzulegen 
haben. Welchen Einfluss übt die Nähe des Meeres auf die Dichte der Be- 
völkerung aus? Sind die Küstenprovinzen stärker bevölkert als das Binnenland 
oder umgekehrt? Ist letzteres der Fall, so wird wieder zu untersuchen sein, 
welche Verhältnisse der Bodengestaltung, der Bewässerung, des Klimas in den 
Küstenländern einer stärkeren Verdichtung der Bevölkerung im Woge stehen. 
Ist in der Verteilung der Bevölkerung auf die einzelnen Zonen im letzten Jahr- 
hundert eine Veränderung bemerkbar gewesen, hat sich der EinHuss des Meeres 
auf Zonen von früher rein binnenländischcm Charakter ausgedehnt oder ist er 
zurückgewichen? Neben der Anzahl der Bewohner wird hier auch die Be- 
schäftigung derselben mit zu berücksichtigen sein. Untersuchungen dieser Art 
wurden bisher erheblich erschwert, weil die Tabellen über die Dichte der Be- 



•> Humboldt, Ansichten der Natur. S. XI 1 der Taachcnaujig. v«u 1871. Föppig, Reine in 
Chile, l'oru und Auf dem Am.izonen-tronio. Leipzig, 1836. Bd. 2. S. 338 f. Letztere Stelle betrifft 
den Ähnlichen Pougo dos Huallnga. 

*) Verhandlungen de* zweiten deutschen Geographeutages, S. 14<>. 

3) Man vergleiche hierzu F. v. Richthofen, China. Hd. 2, S. 783 ff. 



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Itainerknugeu über einige Aufgabeu der Verkehrsgeographie und Staatenknnde. 239 



völkerung meist nur politische Abteilungen zugrunde legen konnten. In phy- 
sischer Beziehung sind aber schon die Teile eines preußischen Kreises oft sehr 
verschieden. Der Kreis Delitzsch-Eilenburg in der preußischen Provinz Sachsen 
umschließt in seinem westlichen Teile reiche Ackerbaudistrikte mit ziemlich 
dichter Bevölkerung, im Osten ist bei stärkerer Bewaldung und viel geringerer 
Gute des Ackerbodens die Bevölkerung weit weniger dicht. Im benachbarten 
nur 696_J&m großen Kreis Bitterfeld lassen sich sogar vier Zonen unterscheiden: 
im äußersten Westen bergiges Terrain mit etwas Bergbau uud Steinbruchbetrieb 
aber weniger lohnendem Ackerbau, dann das centrale Hache dichtbewohnte Gebiet 
der Zuckerrübenkultnr, ferner an der Mulde wiederum Kohlen- und Baustein- 
gewinnung mit beginnendem Wahlbau, endlich im äußersten Osten vorherr- 
schender Wald mit spärlich verteilten Ortschaften. 

Selten nur wird die Bevölkerungsdichte p h y s i s c h e r Abteilungen eines Erd- 
rauines ohne Rücksicht auf politische Einteilung und Zugehörigkeit untersucht. 
Beachtenswert sind Daiibrees Versuche, den geologischen Bau und die Be- 
völkerungsdichte in Beziehung zu setzen. Seine Bemerkungen 1 ) betreffen das 
Niederelsass. Wir erfahren da, dass die jüngeren Formationen durchschnittlich 
eine dichtere Bevölkerung tragen als die älteren. Wahrend auf Granit und 
Syenit nur 5, auf Gneis 66, auf Steinkohlenformation 82, auf ßuntsandstein 95 
Menschen auf den QArwi kommen, stieg diese Zahl auf der unteren Oolith- 
formation bis auf 441. Daubree schreibt den zahlreichen und trefflichen Mergel- 
schichten des Oolithgebietes, die zur Verbesserung der Ackerfelder ausgebeutet 
werden, günstigen Einfluss zu. Ein ähnlicher, sehr beachtenswerter Versuch 
ist vor kurzem von Richard Blum unternommen worden, -) Blum betrachtet die 
Verteilung der Bevölkerung in den Vereinigten Staaten nach den Zonen gleicher 
Meereshöhe der Wohnstatteu, sowie nach den Gebieten gleicher Jahreswärme, 
gleicher Januar- und Julitemperatur und gleicher Regenmenge. Die Regierung 
der Vereinigten Staaten hat seit 1870 diesen Frageu dankenswerte Beachtung 
bei den Volkszählungen geschenkt und wir müssen mit Blum a. a. O. bedauern, 
dasa bei den Volkszählungen anderer großer Staaten auf diese so recht in das 
Arbeitsfeld des Geographen fallenden Fragen bisher kaum Rücksicht genommen 
wurde. Ich habe diese Beispiele nur angeführt, um zu zeigen, wie etwa die 
Zonen gleicher Meeresentfernung als Grundlage für Untersuchungen der ver- 
schiedensten Art zu verwerten wären. Aber für das Studium «1er Küstentypen 
und ihrer Einwirkung auf Verkehr und Ansiedlung bedürfen wir noch ganz 
anderer Hilfsmittel als der Entfernungszonen allein. Hievon kanu erst weiter 
unten die Rede sein, für jetzt müssen noch einige andere gleichfalls bisher sehr 
selten verwertete Anwendungen der Entfernungszonen besprochen werden. 

Beim Studium eines Staatsgebietes interessieren uns nicht nur die etwa vor- 
handenen Meeresgrenzen sondern auch die Landgrenzen gegen benachbarte 
Staatsgebiete. Die geographische Grenzlehre ist mit Unrecht lange vernachlässigt 
worden ; erst Friedrich Ratzel hat ihr wieder zu größerem Ansehen verholten 
und gezeigt, dass auch die nur scheinbar ganz willkürlich gezogenen politischen 
Grenzen dem Geographen Stoff zu lehrreichen Erörterungen geben können.*) 
Ratzel hält indessen die Verhältniszahl der Grenzlänge zur Raumgröße, d. h. 
zum Flächeninhalt des Landes für den besten vergleichenden Ausdruck für die 
Grenzentwicklung. Für unsere Zweck« wird dieser Ausdruck hier ebensowenig 
ausreichen wie der ähnliche bei der Küstenentwicklung. Der Grenzanwohner 
ist in einigen Beziehungen besser, in den meisten aber viel ungünstiger gestellt 
als der Bewohner der grenzfernen Gebiete. Die Vermittlung des Verkehrs mit 
den anstoßenden Ländern, welche früher den Greuzanwohnern zumeist oblag, 
ist jetzt durch die große Ausdehnung der Eisenbahnen und die Herstellung 
besserer Verkehrswege überhaupt sehr in den Hintergrund getreten. Dagegen 
ist der Grenzanwohner bei entstehender Kriegsgefahr zunächst bedroht und wenn 
auch sein Gebiet nicht selbst zum Kriegsschauplatz wird, ist er doch durch den 

' i lu Migrieren Description «In Departement du Hat- Rhin StroßUurg 1858 Bd. 1. Vcrgl. 
Zeitachr. filr allg. Erdkunde N. Folge Bd. f» (1858 ) 8. 4«>9. 

Dev«lk«rung der Erde Bd. 7. (Gotha 18t«) 8. M. ff. 
i, Authropogeographic Stuttgart 188'.'. 8. 11 t. ff. 



240 Bcmerkuugeu über einige Aufgabelt der Verkehr«gei»gr»|iliie uud 8t**U>ukunde. 



Aufmarsch und Durchzug der Armee einer bedeutenden Last unterworfen (Rhein- 
pfalz 1870). Ebenso pflegt bei eintretenden Unruhen im Nachbarlande oder 
bei Annäherung fremder kriegführender Parteien eine Grenzbesetzung einzutreten. 
(Provinz Posen beim polnischen Aufstande 1863; Belgien im August und Sep- 
tember 1870). Strenge Zoll- und Passvorschriften des Nachbarlandes können 
einen Einfluss auf die Verkehrsentwicklung der Grenzprovinzen ausüben (Russland 
und Ostpreußen). Ist der eine der beiden Nachbarstaaten in seinen staatlichen 
und Kulturverhaltnissen merklich tieferstehend als der andere, so drohen den 
Grenzprovinzen des höherstehenden noch manche andere Gefahreu. leb erinnere 
, nur an die österreichische Militärgrenze mit ihrem einstigen Pestkordon gegen 
die Länder der türkisch-griechischen Halbinsel, sowie an die häufige Belästigung 
des Unionsgebietes am Rio Grunde durch mexikanische Räuber und Partei- 
gänger und an ähnliche Raubzüge, denen der Süden Chiles lange Zeit von den 
argentinischen Pampas her auegesetzt war. Werden jenseits der Grenze die 
Berge rücksichtslos entwaldet, die Flüsse nicht reguliert, Stromhemmnisse nicht 
beseitigt, so erstrecken sich die ungünstigen Wirkungen auch auf die Grenz- 
provinzen des sorgsameren Nachbars. So machen sich die Donauengen des 
eisernen Thores in den ungarischen Ebenen durch Aufstauungen der Flüsse, die 
wenigstens früher betriebene allzustarke Verminderung der Waldbestande in 
Tirol und der Schweiz durch Überschwemmungen in Oberitalien und im deutschen 
Rheingebiet fühlbar. 

Alle diese Tatsachen lassen es fttr die Staatenkunde wichtig erscheinen, 
das Verhältnis des solchen Schädigungen vorzugsweise ausgesetzten Gebietes zum 
Gesammtareal des Staates kennen zu lernen. Wir werden also wiederum Ent- 
fernungszonen herzustellen haben, jedoch immer unter der Voraussetzung, dass 
sie nicht als Zweck, sondern nur als Hilfsmittel zur Erreichung viel höherer 
Zwecke betrachtet werden und das Studium der Specialkarten für die Einzeln- 
heiten der Grenzlinie nicht etwa überflüssig machen solleu. Was früher über die 
Bearbeitung der Zonen gleicher Entfernung vom Meere gesagt wurde, gilt zum 
groben Teile auch hier. Wieder ist zu untersuchen, ob die physisch am besten 
ausgerüsteten Teile eines Staates nahe an den Landgrenzen oder in den centralen 
Partien liegen. Ersteres ist selbstverständlich meist ein ungünstiger Umstand. 
Das Saarkohlengebiet lag vor 1870 der französischen Grenze ganz nahe und 
reizte deshalb mehrmals die Begehrlichkeit des Nachbars. Für Peru und Bolivia 
waren die erz- und salpeterreichen Gebiete von Tarapaca und Atacama wegen 
ihrer exponierten Lage immer schwierig zu behaupten und vor kurzer Zeit sind 
diese Provinzen wirklich an Chile Ubergegangen, mit dessen nördlichem Teile sie 
allerdings große physische Übereinstimmung zeigen. 

Es muss ferner das Zusammenfallen einer Naturgrenze zwischen sehr 
fruchtbaren und ungewöhnlich unergiebigen Gebieten mit einer politischen Grenze 
als nachteilig augesehen werden. So wurde das kleine, an Fruchtebenen arme 
Königreich Griechenland innen wieder auf die fruchtbaren Gebiete des benach- 
barten Thessalien hingewiesen und die häufigen Kämpfe zwischen Türken und 
Montenegrinern waren nach Bernhard Schwarz's Darlegung 1 ) gewissermaßen zu 
entschuldigen, weil die Montenegriner von ihren unfruchtbaren Kalkfelsen aus 
nach fast allen Seiten auf ergiebige Flussthäler und Ebenen herabsahen, die 
aber sämmtlich jenseits der früheren Grenzen ihres Gebietes lagen. Dagegen 
durchzieht die Grenze zwischen Russland und Deutschland, zwischen Deutschland 
und den Niederlanden, Italien und Frankreich, den Vereinigten Staaten und 
Canada etwa gleichwertige Gebiete, so dass hier Streitigkeiten und Kriege aus 
den eben angeführten Veranlassungen viel weniger wahrscheinlich sind. Von 
den physischen Verhältnissen der Grenzlandschaften hängt die Verteilung und 
die Beschäftigung der Bevölkerung ab; sie ist gleichfalls für die einzelnen Zonen 
zu untersuchen. Bei gründlichem Eingehen auf diese und ähnliche Aufgaben 
wird es möglich »ein, das Kapitel über die politischen Grenzen eines Landes 
zu einem ebenso interessanten als lehrreichen zu gestalten. 



'f Schwarz, Moutenegro. Lcipaig lö83. S. 365 ff. 



Bemerkungen über oinigo Aufgaben ilcr Verkehrsgeographie und Staateukunde. 241 



Die Ausstattung eines Gebietes mit natürlichen oder künstlichen Verkehrs- 
wegen pflegt meist so angegeben zu werden, dass man berechnet, wieviele km 
Verkehrsweg etwa auf 100 l _Jkm 2 Fläche entfallen. l ) 

Die Bedeutung derartiger Angaben für Vergleichungen einer ganzen Reihe 
von Ländern oder Provinzen soll nicht verkannt werden, für näheres Studium 
einzelner Gebiete werden wir wiederum von den Entfernungszonen vorteilhaften 
Gebrauch machen können. Wir wollen auch hier erfahren, ein wie großer Teil 
des Staatsgebietes, welchor Procentsatz der Einwohner sich der Vorteile jenes 
Verkehrsweges erfreut. Nun haben aber nicht nur die unmittelbaren Anwohner 
einer Eisenbahn Vorteil von diesem Verkehrsmittel, sondern in abnehmendem 
Maße auch noch die Bewohner einer bestimmten Zone zu beiden Seiten der 
Bahn. Die Ausbeutung eines Lagers mineralischer Brennstoffe oder zu Bau- 
zwecken geeigneter Sandsteine wird schon merklich erleichtert, wenn die Ent- 
fernung bis zum nächsten Bahnhofe, die früher vielleicht 100 km oder mehr 
betrug, durch eine neue Bahnlinie auf 10 oder 15 km abgekürzt wird. Sobald 
eine Bahn vollendet ist, kann man wahrnehmen, dass nicht nur an der Bahnlinie 
selbst, so n dem auch in einiger Entfernung von derselben neue Fabriken und 
gewerbliche Anlagen aller Art entstehen, welche sämintlich von der Eisenbahn 
Nutzen zu ziehen gedenken und ohne sie nicht errichtet wären. Ebenso beein- 
flusst eine neue Bahnlinie auch den Personenverkehr eines meist ziemlich breiten 
Streifens, neue Querverbindungen werden ins Leben gerufen, andere verlegt 
und von älteren, aber in größerer Entfernung vorbeiziehenden Bahnen abgelenkt. 
Bei Kanälen oder schiffbaren Flüssen werden sich diese Einflüsse meist nicht 
so bemerklich machen wie bei den Eisenbahnen, sie sind jedoch gleichfalls 
vorhanden. An der Elbe oder selbst an einem der kurzen aber wichtigen 
Verbindungskanäle zwischen Oder und Elbe kann man Bich leicht davon über- 
zeugen, dass Flus8 und Kanal das Verkehrsleben eines breiten Uferstreifens 
wesentlich mitbestimmen. Wie weit der Einfluss eines Verkehrsweges auf die 
ihm benachbarten Landesteile reicht, lässt sich natürlich nicht allgemein angeben, 
sondern muss von Fall zu Fall untersucht werden. Die Anschauungen Uber die 
verhältnismäßige Nähe oder Ferne eines Verkehrsweges sind örtlich und zeitlich 
sehr wechselnde. In weitausgedehnten, schwachbevölkerten Ländern werden gern 
und leicht viel größere Entfernungen zum nächsten Flusshafen oder zur Bahn- 
station zurückgelegt als in hochkultivierten Fabrikdistrikten. „Je dünner die 
Bevölkerung, desto geometrisch weiter wird der Begriff Nachbarschaft gefasst," 
bemerkt Wilhelm Roscher. 2 ) In Russland, in den Ebenen Ungarns, aber auch 
in der römischen Campagna und auf den Hochebenen Gastiiiens liegen die Bahn- 
höfe von den Ortschaften, zu denen sie gehören und deren Namen sie tragen, 
gar nicht selten 8 bis 12 km entfernt, im Deutschen Reiche kommt ein solcher 
Fall nur ganz vereinzelt vor (Bahnhof Brilon — Corbach ganz isoliert im Walde 
liegend, Brilon ist 7 km, Corbach sogar 18/rm von ihm eutfernt, vgl. Reymanns 
Specialkartc Blatt 124 Brilon). Während eine Stadt in den eben erwähnten 
Ländern ihre Verkehrsverhältnisse durch die Erbauung einer in 12 bis 15 km 
Entfernung vorüberziehenden Bahnlinie schon für wesentlich verbessert ansehen 
wird, ist mit Sicherheit anzunehmen, dass eine sächsische, rheinische, belgische 
oder englische Fabrikstadt mit einem 5 km entfernten Bahnhof nicht für immer 
zufriedengestellt sein wird. 

Man wird durch Zweigbahnen, Straßenbahnen und ähnliche Mittel den 
Bahnhof der Stadt näher zu bringen suchen. Im Deutschen Reich und auch 
in Osterreich diesseits der Leitha sind in den letzten Jahrzehnten zahlreiche 
kurze Linien gebaut, welche nur diesem Zweck dienten. (Birkenfeld, Beckum, 
Kuttenberg, Olmtttz.) Im Oberelsasa liegen zahlreiche größere Ortschaften am 
Ostrande des Gebirges gegen die Rheinebene hin, während die Eisenbahn von 
Straßburg nach Basel, eine der ältesten in Mitteleuropa, sich vom Gebirge ent- 
fernt hält. Auch in dieser wulhabeuden uud gutbevölkerten Gegend begiunt 
man jetzt die Orte des Bergrandes und die einige km entfernten in der Ebene 



'i Die»e Zeitschrift Bd. 4 (188S>. 8. Itf ff. 

»> Nationalökouomik des Handel» und Gewerbfloifies. 3. Aufl. Ötuttgart 1882. 8. 362. Anm. 1. 



Bemerkungen über einige Aufgaben der V«rke,lir*ge<>graphie uud Staatenkunde. 



liegenden Bahnhöfe durch kurze Stichbahnen in Verbindung zu netzen. — Die 
Breite der Verkehrszone eines Verkehrsweges ist auch von der Wegsamkeit des 
zunächst an den Verkehrsweg grenzenden Terrains abhängig. Der Rhein wird 
zwischen Bingen und Bonn von zahlreichen Dampfschiffen befahren und auf 
jedem Ufer von einer verkehrsreichen Eisenbahn begleitet. Ersteigt man aber 
die steilen Abhänge des Schieferplateaus, so wird man auf der Hochfläche in 
wenigen km Entfernung vom Rheine nur noch geringe Spuren des Einflusses 
jener Bahnen und des belebten Stromes bemerken. Zwischen der Nahemündung 
und der Lahn führt keine Eisenbahn vom Rhein aus auf das Schieferplateau 
hinauf, auch die Zahl der Hauptstraßen ist keine grolie. Die Verkehrszone des 
Rheins und seiner Uferhahnen ist hier also infolge der schwierigen Verbindung 
zwischen Flussufer und Hinterland eine sehr schmale. Ahnlich ist es an der 
Weser bei Holzminden, an der Elbe im Elbsandsteingebirge, an den nord- 
amerikanischen Canonflüssen, soweit sie überhaupt befahren werden können und 
an zahlreichen ähnlichen tiefeingeschnittenen Stromthälern. Alle diese Verhältnisse 
lassen sich leichter untersuchen, wenn für die einzelnen Verkehrswege Ent- 
fernungszonen hergestellt werden. Besonders bei sehr in das einzelne gehenden 
Betrachtungen kleinerer Gebiete werden sie uns gute Dienste leisten, auf einer 
Ubersichtskarte von Europa würden einzelne lokale Eigentümlichkeiten der Ver- 
kehrswege nicht mehr zu deutlicher Anschauung kommen. Sollen beispielsweise 
die verkehrsgeographischen Verhältnisse der Provinz Brandenburg behandelt 
werden, so ist zunächst eine Karte herzustellen, auf welcher die Zonen gleicher 
Entfernung von der nächsten Eisenbahn — etwa von 5 zu 5 Arn» — farbig an- 
gegeben sind. Es ist nun zunächst der Flächeninhalt jeder Zone zu berechnen 
und dann in einer Tabelle zusammenzustellen, wie viel Procent des Areals der 
Provinz jeder Zone angehören. Wird diese Aufgabe für ganz Preußen durch- 
geführt, lassen sich sehr anschauliche Vergleiche über die Aufgeschlossenheit 
der einzelnen Provinzen durch Eisenbahnen anstellen. Die nächste Aufgabe ist 
die Untersuchung der einzelnen Zonen auf ihre physischen und Bevölkerungs- 
verhältnisse. Hierdurch kann sowol erkannt werden, welche Ursachen eine 
starke Verdichtung der Bahnlinien an einer bestimmten Stelle hervorgerufen 
haben, als auch beurteilt werden, ob die Eisenbahnen ihrerseits auf die Aus- 
beutung der natürlichen Reichtümer des Bodens, auf die Entwicklung bestehender 
oder Gründung neuer Ortschaften, auf die Verteilung und Beschäftigung der 
Bewohner Uberhaupt Einfluss ausgeübt haben. Es lässt sich ferner entscheiden, 
aus welchen Gründen auffallend eisenbahnarme Striche dieses Verkehrsmittels 
noch entbehren. Eine Prüfung der Beschaffenheit dieser Gebiete ermöglicht 
dann ein Urteil darüber, ob eine Ergänzung dieser Lücken des Bahnnctzes 
möglich oder wünschenswert ist. So bietet eine solche Karte reichen Stoff zu 
anregenden Erörterungen dar. Eine zweite Karte würde sich dann mit den 
Wasserstraßen zu beschäftigen haben und die Entfernungen von schiffbaren 
Flussläufen und Kanälen nachweisen. Alle diese Karten gelten allerdings nur 
für einen gegebenen Zeitpunkt; mit der Eröffnung neuer Verkehrswege ändern 
sich die Entfernungszonen. Aber gerade eine Reihenfolge sorgfältig bearbeiteter 
historischer Verkehrskarten z. B. für Brandenburg, um dieses Beispiel festzuhalten, 
wäre sehr belehrend. Wir würden da sehen, wie zuerst einzelne Kunststraßen 
entstehen, wie allmählich ein mäßig dichtes Netz derselben die Provinz über- 
zieht und wie dann der weitere Ausbau des Straßennetzes dem beginnenden 
Eisenbahnbau gegenüber in den Hintergrund tritt. Auch der Eisenbahnbau 
machte nach Vollendung der ersten Hauptlinien verhältnismäßig langsame Fort- 
schritte; mehr als zwanzig Jahre lang blieb die Zahl der von Berlin ausgehenden 
Bahnen auf fünf beschränkt, zwischen denen namentlich gegen N. zwischen der 
Berlin — Stettiner und Berlin — Hamburger, sowie gegen SO. zwischen der Berlin — 
Anhaltischen und Berlin — Breslauer Linie weite Gebiete zu finden waren, welche 
35 — 50 km von der nächsten Eisenbahn entfernt waren. In ähnlicher Lage be- 
fand sich noch bis 1857 der größte Teil der Neuraark uud deB Landes Sternberg. 
Erst seit 1865, namentlich aber seit 1870 wurde das Bahnnetz rasch erweitert 
und die meisten Lücken ausgefüllt. Jetzt ist die Verteilung der Eisenbahnen 
in der Provinz eine ziemlich gleichmäßige, am bahnfernsten sind noch immer 



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Bemerkungen (Iber einige Aufgaben der Verkehrsgeographie un<l Staatenkuude . 243 



der nördliche Teil der Ostpriegnitz um Wittstock und Meyenburg, sowie kleinere 
Teile der Uckermark und der Neumark. ') 

Nachdem wir so eine ganze Reihe von Anwendungen der Entfernungszonen 
im Binnenlande kennen gelernt haben, kehren wir wieder an die Küste zurück, 
wo gleichfalls noch zahlreiche Aufgaben zu lösen oder doch der Lösung etwas 
näher zu führen sind. Die Zonen gleicher räumlicher Entfernung vom Meere 
werden uns von nun an nicht weiter dienen können. Sie gaben uns noch keine 
Antwort auf die Frage, wie weit an einer bestimmten Küste den drei Bedin- 
gungen, welche oben für die Brauchbarkeit einer Küste als maßgebend hin- 
gestellt wurden, genügt ist Zunächst können wir uns nun über die Erfüllung 
einer dieser Bedingungen — Zugänglichkeit der Küste vom Innern des Landes 
aus — Aufsehluss verschaffen, wenn wir Isochronen anwenden. Ich wieder- 
hole aus einer früheren Arbeit, J ) dass Isochronen (Linien gleicher Zeiten) Linien 
sind, welche diejenigen Punkte miteinander verbinden, die von einer gegebenen 
Örtlichkeit aus auf dem schnellsten Wege und mit Benutzung des schnellsten 
vorhandenen Transportmittels in gleicher Zeit erreicht werden können. 
Wenden wir diesen Satz auf unseren Fall an, werden wir diejenigen Punkte 
durch Linien verbinden, welche unter obiger Voraussetzung in gleichen Zeiten 
vom nächsten Meere aus erreicht werden können. Es wird also hier nicht auf 
die räumliche Entfernung, sondern auf die Zeit, welche zur Durchmessung dieser 
Entfernung im Minimum erforderlich ist, das Hauptgewicht gelegt. Für karto- 
graphische Darstellungen sind auch hier die einzelnen Zonen gleicher Reise- 
dauer farbig hervorzuheben. Wollte man nicht die Zeit, die der einzelne 
Reisende braucht, sondern die Beförderungszeit für die wichtigsten landes- 
üblichen Waaren zugrunde legen, würde man andere Linien und Zonen erhalten. 
Der letztere, wie man leicht sieht, auch viel verwickeitere Fall soll hier jedoch 
ausdrücklich ausgeschlossen sein. Für solche Gebiete, von denen Kartenblätter 
in sehr großem Maßstabe zur Verfügung stehen, lassen sich die Isochronen mit 
großer Genauigkeit konstruieren, wenn man neben den Karten die ausführlichsten 
Landesbeschreibungen und die besten und neuesten Nachrichten über die vor- 
handenen Wege und Verkehrsmittel heranzieht. Diese lohnende aber umfang- 
reiche Arbeit wird jedoch nur für kleinere Gebiete, etwa einzelne Inseln oder 
besonders wichtige Küstenstrecken durchführbar sein. Bei größeren Ländern 
und ganzen Erdteilen ist es weder möglich noch erforderlich, alle Einzelheiten 
zu berücksichtigen, man muss sich auf Hervorhebung der größeren Orte und 
wichtigeren Verkehrswege beschränken. Eine übersichtliche Isochronenkarte von 
Südamerika wird die verschiedenartige Zugänglichkeit der Küste vom Binnen- 
lande aus deutlich hervortreten lassen. Die großen, von Dampfern befahrenen 
südamerikanischen Ströme schließen das Innere in sehr wirksamer Weise auf, 
so dass selbst die westlichsten Teile Brasiliens, die Ebenen im östlichen Teil 
von Peru und Ecuador, dann Paraguay und die Landschaften am oberen 
Paranä eine verhältnismäßig rasche Verbindung mit dem Meere besitzen. Eisen- 
bahnen haben bisher nur in einigen Provinzen der Argentinischen Republik, 
in wenigen Provinzen Brasiliens, dann in Chile und vereinzelt in Peru eine 
solche Ausdehnung erlangt, dass sie die Isochronen merklich beeinflussen. Dem 
Meere seitlich am fernsten bleiben die inneren Teile der Cordilleren namentlich 
in Bolivia und diejenigen Partien der Pampas, welche weder von befahrbaren 
Flüssen noch von Eisenbahnen durchzogen werden, wenn sie auch räumlich 
nicht eben zu den ineerfernsten Gebieten gehören. Ahnlich verhält es sich mit 
dem größten Teile Patagoniens, da hier schon in unmittelbarer Nähe des Meeres 
alle Verkehrswege fehlen und der Reisende allein auf Reitthiere angewiesen ist. 
Auch die Isochronen gelten nur Tür einen bestimmten Zeitpunkt. Wird ein hem- 
mendes Gebirge von einer Eisenbahn überschritten oder durchbrochen, wird 



') Mau vergleiche die historischen Eisenbuhnkartcn im ernten Baude der „Statistik der iui 
Betriebe hentidHcheu Eisenbahnen Deutschlands" (Berlin 1882) besonders Taf. 1 u. 2. 

! i Ausland 1882, 8. 521 ff. Der Name Isochronen wurde «uerst von Francis Galtou auf der 
britischen Xaturforscherversammlung zu York angewendet, vgl. Proceed. K. Geogr. Snc. 1881, |>. tilO 
und G57. Ich hatte jedoch a. a. O. gezeigt, dass schon Karl Kitter die Herstellung ähnlicher Karten 
vorgeschlagen hat. Vgl. auch Archiv für Post und Telegraphie, Bd. 10 (1882), S. 440. 



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244 Bemerkungen Ul>«r cinijfe Aufgabelt der Verkehrsgeographie uud Staatenkuude. 

ein Sumpfgebiet, das zu weiten Umwegen zwang, von guteu Fahrwegen oder 
Scbiffahrtskauälen durchkreuzt, so kann sieh das Bild der Isochronen eines 
Landes wesentlich ändern. 

Nach der Eröffnung einer größeren, das ganze Land durchschneidenden 
Bahnlinie erscheint die Isochronenkarte bisweilen völlig umgestaltet. Gerade 
hierdurch wird aber die Herstellung und das Studium isochronischer Karten für 
die einzelnen Zeiträume der Verkehrsgeschichte zu einer der fesselndsten und 
anregendsten Aufgaben der Verkehrsgeographie und Staatenkuude. Eine Isochronen- 
karte der Vereinigten Staaten vor der Eröffnung der großen Überlandbahnen 
zeigt in den Prairien, dein Felsengebirge, dem großen Becken und den Wüsten 
am Colorado und Gila noch ausgedehnte Gebiete, welche vom Meere aus nur 
durch wochenlange mühsame Karawanenzüge zu erreichen waren. Seit der Voll- 
endung der verschiedenen Pacificbahnen sind diese meerfernen Gebiete auf 
ziemlich kleine Räume im südlichen Nevada, in Idaho und Wyoming zurück- 
gedrängt worden. Die wenigen auf der türkisch-griechischen Halbinsel bis jetzt 
eröffneten Eisenbahnen haben die Meeres-Isochronen dieser Halbinsel schon sehr 
verändert. Die sonst äußerst kontinentalen Gebiete im Süden von Serbien und 
am Südabhang des Balkans sind jetzt in weniger als 24 Stunden von der See 
aus zu erreichen, während für das Innere von Epirus und Albanien eine solche 
gerade hier besonders nöthige Aufschließung noch einzutreten hat. 

Die russischen, schwedischen und spanischen Bahnen haben eine Hhuliche 
Umwälzung hervorgerufen. Hinterindien ist erheblich besser gegliedert als Vorder- 
indien, die Maximalentfernung vom Meere ist in ersterein geringer als in letzterem, 
trotzdem aber ist die vorderindisohe Halbinsel durch ihr schon sehr reich ent- 
wickeltes Bahnnetz, welches die centralsten Gebiete in 1 bis l'/j Tagen vom 
Meere aus zu erreichen gestattet, die besser aufgeschlossene. Wie sehr aber auch 
schon in Birma die Dampfschiffahrt auf dem Irawaddy und die noch vereinzelt 
dastehende Bahn von Prome nach Rangun die Entfernungen abgekürzt haben, 
zeigen die Schilderungen Gustav v. Kreitners. ') So können die Linien gleicher 
Reisedauer vom oder zum Meere in der Länder- und Staatenkunde mit großem 
Nutzen angewendet werden, wohd freilich nicht auf eine Anhäufung neuer 
Zahlenwerte und Tabellen in unseren Handbüchern, sondern auf die Erforschung 
und eingehende Untersuchung der Beziehungen, welche zwischen dem Verlauf 
der Isochronen und den physischen und ethnographischen Verhältnissen bestehen, 
das Hauptgewicht zu legen ist, denn die Isochronen sollen ein genaues Studium 
der Verbindungen zwischen Küste und Binnenland keineswegs entbehrlich machen, 
sondern dasselbe nur erleichtern. 

Hinsichtlich der beiden übrigen der früher aufgestellten Bedingungen — 
Zugänglichkeit von der Seeseite und Beschaffenheit der Küste selbst — müssen 
andere Wege eingeschlagen werden. Die Kenntnis der Zugänglichkeit der Küsten 
von der See aus, der Hilfen und Ankerplätze, der für die Seefahrt wichtigen 
Merkzeichen und Gefahren kann uns nur das Studium der amtlichen Seekarten 
und Segelanweisungeu (Sailing directions) gewähren. Diese Karten und Bücher, 
welche dem Geographen, der Uber eine Küste ein richtiges Urteil gewinnen will, 
geradezu unentbehrlich sind, finden sich leider in Bibliotheken und Sammlungen 
des Binnenlandes nur ausnahmsweise vor, so dass ein jeder hier auf eigene 
Beschaffung angewiesen ist. Hoffentlich tritt hierin eine Änderung ein, wenn der 
hohe Wert der Seekarten und Küsten beschreibungen für geographische Zwecke 
erst allgemeiner anerkannt wird. Auch die Verfasser von Schulatlanten und 
Übe rsicht8karten sollten jenen Hilfsmitteln wenigstens einige Angabeu entnehmen. 
So wäre die Güte und Brauchbarkeit eines Hafens leicht durch ein bestimmtes 
Zeichen anzudeuten, besonders gefährliche, hafenarme Küstenstrecken, wie das 
nordwestliche Jütland, als solche auch auf kleinereu Karten ausdrücklich zu 
bezeichnen. Die Angabe oft erwähnter Schiffahrtshinderuisse uud gefahrlicher 
Stellen (Goodwin Sand, Floridariffe) sollte nicht unterlassen werden. Einigen 
Ersatz für die schwer zugänglichen Seekarten bieten auch für kleinere Bibliotheken 
und Sammlungen die zahlreichen Hafenpläne und Kärtchen wichtiger Küsten- 



«i Im fe raeu Osten. Wien 1881. Ö. 991 ff. 



Bemerkungen Uber einige Aufgaben der Verkehrsgeographie und Staateiikunde. 245 

»trecken in Reclus' „Nouvelle Geographie universelle." Die Erwähnung der 
Häfen führt uns schon auf die letzte Bedingung, die Beschaffenheit der Küste 
selbst. Mit Recht bemerkt Günther, •) dass das Problem, den sttinmtlichen Mannig- 
faltigkeiten der Strandconfiguration durch einen algebraischen Ausdruck gerecht 
zu werden, von vornherein als ein unlösbares erscheine. Auch hier kann uns da, 
wo eigene Anschauung der Ortlichkeiten fehlt, oder nur in beschränktem Umfang 
möglich ist, nur gründliches Studium der äußeren Umrisse und des inneren 
Baues, der hydrographischen und meteorologischen Verhältnisse der Küsten- 
landschaften zum Ziele führen. Es sind hierbei auch die anscheinend gering- 
fügigsten Einzelheiten zu beachten ; Seestädte sind für die leisesten Verschieden- 
heiten oder Veränderungen des Terrains, der Strömungsverhältnisse, selbst des 
Kliman außerordentlich empfindlich. Beim Studium einer Küstenlandschaft darf 
man sich nicht auf die eigentliche Küstenlinie, die Grenzscheide zwischen Land 
und Meer beschränken, sondern muss einen breiteren Streifen, sowol land- 
ab) seewärts untersuchen. Wie breit dieser Streifen sein soll, ist nicht allgemein 
zu entscheiden, es gilt hier der Satz, dass landeinwärts die Küstenlandschaft da 
zu Ende ist, wo der Einfluss des Meeres auf physische und Bevölkerungsverhältnisse 
aufhört der maßgebende zu sein. 

In diesem Sinne reicht die Küstenlandschaft an Elbe, Weser und Themse 
bis Hamburg, Bremen und London hinauf, während zwischen Nizza und Genua 
oder an der Küste der Normandie zwischen Havre und Dieppe die Zone des 
vorwiegenden Meereseindusses außerordentlich schmal ist. Bei diesen Studien 
ist zu beachten, dass die Seekarten alle Einzelheiten in der Regel nur für den 
eigentlichen Küstensaum geben und weiter landeinwärts liegende Objekte nur 
dann hervorheben, wenn sie ah) Landinarken für die Seefahrer von besonderer 
Bedeutung sind. Man bedient sich für die nicht ganz nah am Meer liegenden 
Teile der Küstenlandschaft besser der Generalstabskarten, soweit solche vor- 
handen sind. Sie geben in der Regel auch das Ufer selbst, ferner die Seetiefen 
der KUstengewässer, die Sandbänke, Riffe und Seezeichen in für viele Zwecke 
genügend Ausführlichkeit und können bisweilen die Küsteukarten der Admi- 
ralitäten ersetzen. 

Überblicken wir jetzt die Küsten Europas, so sehen wir überall die deut- 
lichsten Spuren, dass die Ansiedlungs- und Verkehrsverhältnisse der Küsten in 
hohem Grade von der physischen Beschaffenheit derselben abhängen, mögen 
wir auch der ungleichen Energie, Begabung und Denkweise der Völker, welche 
zu verschiedenen Zeiten die einzelnen Küstenstrecken inne hatten oder sie jetzt 
beherrschen, noch bo sehr Rechnung tragen. Überall wo der Charakter der 
Küste merklich wechselt, ändern sich auch die Verkehrswege und Transport- 
mittel, wird die Verteilung und Anlage der Ortschaften eine andere, wechseln 
Dichtigkeit und Beschäftigungen der Bevölkerung. Dies soll an den in Europa 
vorkommenden Haupttypen der Küstenlandschaft noch etwas näher nachgewiesen 
werden. 

Versetzen wir uns an die norwegische Westküste in die Gegend des Sogne- 
und Hardangerfjords. Wir haben es hier mit einer ausgeprägten Steilküste zu 
thun, die durch tiefe und zahlreiche Einschnitte sehr stark gegliedert ist und von 
zahlreichen Küsteninseln umlagert wird. Fahren wir in einen der Fjorde ein, 
so erblicken wir mauerartige, schroff aus dem meist tiefen Wasser des Fjordes 
aufsteigende Wände, an deren Fuß oft nicht einmal für einen Weg Raum bleibt. J ) 
Nur wo ein kleiner Fluss mündet oder einer der tiefen, für den Verkehr so 
wichtigen Taleinschnitte nach einem benachbarten Fjord oder in das Innere des 
Landes führt, finden sich kleine geschützt gelegene Ebenen, die häufig einen 
weit südlicheren Pflanzenwuchs zeigen als die geographische Breite erwarten 
ließ. Die Dichte der Bevölkerung in einer so beschaffenen Küstenlandschaft 
kann nicht leicht eine bedeutende werden, an den Ufern der echten Fjorde ist 
der Platz viel zu beschränkt und oben auf der Höhe der weiten Fjelde ist das 
Klima meist viel zu rauh um andere Beschäftigungen als etwas Alpenwirtschaft 



i) Verband luugeu de« a weiten deutschem Googrnpbcntngcti. 8. 115. 
») Vergl. die uorweg. Geuerahtatakarte B). 2? B Sugudal. 



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246 Bemerkungen über einige Aufgaben der Verkehrsgeographie und Staatenkunde. 



zuzulassen. Außerdem nehmen Sümpfe, Seen, Eisfelder und ganz vegetations- 
lose Steinwüsten noch einen großen Teil des Areals in Anspruch. So drängt 
sich die Bevölkerung ganz auf die Täler und die irgendeines Anbaues oder 
der Besiedlung fähigen Stellen an den Fjorden zusammen. ') Verhältnismäßig 
gut bewohnt sind manche der zahlreich vorliegenden Inseln und diese werden 
um so lieber aufgesucht, als Seefahrt und Fischfang für den norwegischen Küsten- 
bewohner obenan stehen. Landwirtschaft, Holzhandel und Bergbau spielen in 
den eigentlichen charakteristischen Fjordgobieten eine sehr untergeordnete Bolle. 
Die größeren Ortschaften liegen denn auch nicht in der Tiefe der Fjorde, sondern 
draußen an der Küste, gern auf vorliegenden Inseln oder weit vorspringenden 
Landzungen (Stavanger, Haugsund, Bergen, Aalesund, Christiansund u. A.). 

Diejenigen Orte, welche im Hintergrund der Fjorde am Ansatzpunkt der 
Wege in das Innere liegen, stehen an Bedeutung weit hinter den eigentlichen 
Küstenstädten zurück, Das Verhältnis ändert sich aber sofort, wo die echte 
Fjordnatur gemildert erscheint und durch Zurücktreten der Gebirge Raum für 
größere ackerbautreibende Ebenen 1 ) geschaffen wird. Die wichtigen Plätze 
Christiania und Trondhjem liegen im Brennpunkte der beiden fruchtbarsten und 
offensten Districte des Landes. Ganz besonders werden die Verkehrsmittel 
durch die Natur der norwegischen Küsten bestimmt. Zurücktreten der Land- 
communicationen, Überwiegen des Seeverkehrs, das ist für das ganze westliche 
Norwegen die Regel, die nur sehr wenige Ausnahmen zulässt. Der Verkehr 
zwischen den kleinen Handels- und Fischerstädten der Westküste wie zwischen 
den einzelnen Ansiedlungen in der Tiefe der Fjorde wird durch die in Nor- 
wegen zu großer Entwicklung gelangte Küstendampfschiffahrt vermittelt Neben 
den Schiffen, welche von Christiania, Bergen oder Irondhj ein ausgehend größere 
Strecken der Küste befahren, meist aber nicht in die tieferen Fjorde eindringen, 
vermitteln bis Uber das Nordkap hinaus zahlreiche Lokaldampfer die Anschlüsse 
nach dem Innern der Fjorde und ihren Verzweigungen, sowie nach den wich- 
tigeren Inseln und den Inselgruppen des Skjärgaard und der Lofoten. Viele An- 
äiedlungen stehen Uberhaupt nur auf dem Wasserwege mit der Nachbarschaft 
in Verbindung, da die Anlegung von Landwegen Uber die Fjelde hinweg an 
vielen Stellen zu mühsam und kostspielig sein und nicht einmal eiaem Bedürfnis 
entsprechen würde. Von größeren, weite Entfernungen durchmessenden Land- 
wegen kann an der Westküste vollends nicht die Rede sein ; der norwegische 
Küstentypus ist entschieden der Straßen- und eisenbahnfeindlichste in ganz Europa. 

Vor einigen Jahren tauchte der Gedanke auf, die wichtigsten Orte der 
Westküste durch eine Küstenbahn zu verbinden, um die Schiffbrüche zu ver- 
mindern ; ein Blick auf Specialkarten lehrt aber, wie unwahrscheinlich die Aus- 
führung einer solchen Arbeit ist. Die zahlreichen Fjorde würden nur kurze un- 
zusammenhängende Bahnstrecken gestatten. Eine Ümgehnng der Fjorde würde 
aber zu den ungeheuerlichsten Umwegen nötigen, Überbrttckungen sind noch 
weniger ausführbar. Man wird sich daher auf absehbare Zeit hinaus mit dem 
häufigen Wechsel zwischen Landstraße und Wasserweg abfinden müssen. Nur 
an einer einzigen Stelle, wo sich die in Norwegen ganz ungewöhnliche Er- 
scheinung einer flachen, dünenreichen Küste zeigt, ist eine kurze Eisenbahn 
entstanden, welche die wichtige Hafenstadt Stavanger mit der südlich davon 
belegenen kleinen Stadt Egersund verbindet und eine besonders gefährliche 
KUstenstrecke abschneidet. Außerdem hat sich im SW. von Christiania ein 
kleines Eisenbahnnetz bis Drammen, Laurvig und Skien entwickelt. Man wollte 
diese kleinen lebhaften ziemlich nahe beieinander liegenden Küstenstädte in 
bessere Verbindung mit dor t Umgebung der Landeshauptstadt bringen und 
gleichzeitig die Dauer der Überfahrt nach Jütland durch möglichste Hinaus- 
schiebung des Eisenbahnendpunktes abkürzen. Aber auch hier waren schon 



') Einzelne Zahlenangaben würde» wenig Nutzen briugeo, eine umfassendere Bearbeitung 
des ganxt'n Gegenstandes in einein größeren Werk soll folgeu. In dieser ]>rogrammartigen kurzen 
Abhandlung inlUscn obige Andcutuugeu genügen. 

') Ebenen im gewöhnlichen Sinne des Worte» sind es allerdings nicht, richtiger würen sie 
al« Hügellaudschafteu im G<-geu«atz tu den höheren Gebirgen tu beccichueu. 



Bemerkungen Uber einige Aufgaben der Verkehrsgeographie und Staatenkundc. 



•>47 



sehr große und störende Umwege sowie kostspielige Überbrückungcn einzelner 
Fjorde nötig.') 

Überall, wo sich in Europa der norwegische Küstentypus wiederholt, treten 
auch Beine Wirkungen auf die Verkehrswege und die Lage der Ortschaften in 
ähnlicher Weise hervor. Im nordwestlichen Schottland spielen KUstendainpfer 
ebenfalls eine Hauptrolle bei der Verbindung der meist sehr kleinen Küstenorte 
und der vorliegenden Inseln. Der ganze Verkehr ist hier aber wegen des gänz- 
lichen Mangels größerer Ansiedlungen und auch wol wegen der geringeren 
nautischen Energie der gälischen, diese Küsten und Inseln bewohnenden Bevöl- 
kerung viel schwächer als in Norwegen. Nördlich vom 56. Breitongrad laufen 
nur zwei Eisenbahnen (bei Oban und Strome Ferry) senkrecht auf die West- 
küste aus, die Anlage einer von Nord nach Süd ziehenden Längenbahn würde 
ähnlichen Schwierigkeiten wie in Norwegen begegnen. Man vergleiche hiermit 
'den Reichtum an Verkehrswegen an der flacheren östlichen Küste Schottlands 
unter gleichen Breiten. Auch in Dalmatien wiederholen sich norwegische Ver- 
kehrsverhältnisse. Die Bevölkerung zwar ist hier erheblich dichter als in Nor- 
wegen; während dort nur 6 Menschen auf den ^JArm 1 kommen, steigt diese Zahl 
in Dalmatien auf 37. ') Die dalmatischen Gebirge und Kai*stebenen sind eben 
bei weitem nicht so unwirtlich als die norwegischen Massenerhebungen. Aber 
die größeren Ortschaften haben sich auch in Dalmatien am Gestade zusammen- 
gedrängt und liegen wie Zara und Spalato gern auf vorspringenden Halbinseln. 
Da aber hier «las Hinterland etwas zugänglicher ist, fehlt es auch nicht an 
größeren Ansiedlungen im Hintergrund tiefer Buchten, wie Sebonico und Cattaro 
zeigen. Die Verbindung der einzelnen Küstenstriche durch Dampferrouten ist 
hier so üblich wie in Norwegen, auch hier schließen sich an die weitere Strecken 
zurücklegenden Schiffe Lokalboote für entlegenere Strecken und die zahlreichen 
meist gut bewohuten Inseln an. 3 ) Die Landwege treten (wenigstens für die 
küstennahe Zone) in den Hintergrund, eine einzige Bahnlinie verbindet die 
Häfen Sebenico und Spalato, wird aber nur sehr schwach benutzt. Wichtiger 
wird jedenfalls die nun bald zu erwartende Herstellung von Eisenbahnen 
zwischen der Küste und dem bosnischen Hinterlande, sowie die allerdings 
schwierige Erbauung einer Bahn nach Kroatien werden. 

Asturiens Küste zeigt gleichfalls noch einzelne Übereinstimmungen mit 
Norwegen, aber die Unterschiede überwiegen so, dass man wol einen besonderen 
asturischen Küstentypus aufstellen kann. Gänzlicher Mangel an Küsteninseln, 
geringere Länge und einförmigerer Verlauf der Golfe, endlich geringere Wild- 
heit des ganzen Gebirges unterscheiden die nordspanische Küste in ihrer Phy- 
siognomie von Norwegen. Die Bevölkerung ist hier eine ziemlich dichte, dichter 
sogar als in einem anderen Teile Spaniens (Gallicien 63 Bewohner auf den rjfat*. 
Asturien 54),*") die Zahl der kleinen Hafenstädte, deren Häfen freilich von un- 
gleicher Brauchbarkeit sind, sehr bedeutend. 5 ) Wegen des milderen Charakters 
des Gebirgslandes ist aber die Bevölkerung hier nicht so am Meere und in den 
FluBsthälern zusammengedrängt wie in Norwegen. Es liegen auch an den Ab- 
hängen der zahlreichen kleinen Bergketten, die das Küstenland durchziehen, 
zahlreiche Ortschaften und einige der bedeutendsten (Santiago, Lugo, Oviedo) 
sind hochgelegen und vom Meere weit entfernt. Die geringere Entwicklung der 
nordspanischen Fjorde hat es auch erlaubt, wenigstens an einigen Teilen der 
Küste eine Straße zur Verbindung der zahlreichen kleinen Städte zu erbauen. 
Sie war um so notwendiger, als die Küstenschiffahrt auf dem unruhigen Golf 
von Biscaya des Schutzes entbehren muss, den der norwegische Scheerenhof 
(Skjärgaard) gewährt. Auch die Anlage einer Eisenbahn wird hier vielleicht in 
absehbarer Zeit zustande kommen, sie wird ihre Hauptschwierigkeit in der 



i) Mau vgl. auf Bl. Ii D der GeneralstabKkarto den gewundenen Lauf der Eisenbahn in drr 
NIbe von Drammen. 

l ) Behm und Wagner, Bevölkerung der Erde. Bd. VII. Gotha, 1882. 8. 7 und 19. 
*) Vgl. die Schilderung bei Schwarz, Montenegro, S. 6 ffi. 
«) Bevölkerung der Erde. Bd. VI. (ISMO;, 8. 14. 

») Sic siud im Derrotero de la cu.ita septeutriuual de Espaüa, Madrid 1880, NaiuuiÜicli genau 
beschrieben. 



248 llemerkungcn Uber einig« Aufgaben der Verkehrxgeograplii« und Staaten künde. 



Durchbrechung der zahlreichen Vorgebirge finden. Die Küstenschiffahrt ist in 
Nordspanien bei weitem nicht so wichtig als in Schottland oder Norwegen; 
Ackerbau, Bergbau und mannigfache Industrien beschäftigen einen großen Teil 
der Bewohner. Übrigens muss auch hier wieder daran erinnert werden, dass 
die betriebsamen Nordspanier jede, wenn auch an sich geringfügige, günstige 
Eigentümlichkeit ihres Küstenlandes »orgfaltig benutzt und herausgebildet 
haben. 

Es lassen sich ferner die Ostküste der Cimbrischen Halbinsel und die Ost- 
küste Schottlands, namentlich ihr südlicher Teil zu einer Gruppe vereinigen. 
Beiden Küstenstrecken ist eine mäßige Gliederung durch seltene, aber tief ein- 
greifende Einschnitte (Föhrden in Holstein und Schleswig, Fjorde in Jutland, 
Firths in Schottland genannt) eigen. Das Ufer ist zwar nicht als Flachküste zu 
bezeichnen, steigt aber doch nur mäßig an und verwehrt Ansiedlungen nirgends. 
Auch die breiten Halbinseln zwischen den Einschnitten zeigen weder norwegische 
Massenerhebungen noch asturische Bergketten, sondern höchstens mäßige, fast 
durchwegs des Anbaues fähige Hügel. Anstehendes Gestein tritt sehr in den 
Hintergrund. Die Bevölkerung ist ziemlich reichlich, die Begünstigung dieser 
Küstenstriche tritt besonders dann hervor, wenn man dieselben mit den binnen- 
wärts angrenzenden Gebieten vergleicht Für Schleswig-Holstein bieten leider 
die Dichtigkeitsziffern für die Kreise keine befriedigende Veranschaulichung, da 
die ziemlich großen Kreise Gebiete von sehr verschiedenem Naturcharakter 
umfassen. Der Kreis Hadersleben reicht von der Ostsee zur Westsee, die meisten 
anderen Kreise umfassen gleichzeitig Küsten- und Binnengebiete. Betrachtet man 
aber die Blätter der neuen deutschen Generalstabskarte, so tritt der Unterschied 
zwischen reicher Besiedelung, großer Zahl der Dörfer und Höfe im Osten und 
den öden, menschen- und dorfleeren Strichen in der Mitte auf dem Haiderücken 
deutlich genug hervor. (Man wolle auch die betreffenden Abschnitte in Jansens 
zu wenig gekannter Monographie: Die Bedingtheit des Verkehrs und der An- 
siedelungen des Menschen durch die Gestaltung der Erdoberfläche, nachgewiesen 
an der cimbrischen Halbinsel [Kiel 1861] nachlesen.) Die Westküste mit ihren 
fruchtbaren Marschländern, kostspieligen und mühsamen Deichbauten und gelegent- 
lichen Überschwemmungen vermag die Ostküste an Bedeutung und Zahl der 
Orte nicht zu erreichen; man beachte auch, dass von der Elbmündung bis zur 
dänischen Grenze nur die einzige Stadt Tönning unmittelbar am Meere liegt. 
Alle anderen liegen weiter rückwärts, mehrere sogar an der Grenze des Marsch- 
und Geestlandes. In Jütland ist es nicht anders, die föhrdenreiche Ostküste ist 
beiweitem die begünstigtere, im Westen liegen nur ganz unbedeutende Plätze 
«licht am Meer, ') auch weiter landeinwärts bleiben die wenigen Städte wie Ripen 
an Bedeutung weit hinter denen der Ostküste zurück. Wir finden nun, dass jede 
der größeren Föhrden der Ostküste an ihrer Wurzel mit großer Regelmäßigkeit 
einen bedeutenderen Ort aufzuweisen hat, von S. nach N. folgen sich so: Kiel, 
Eckernforde, Schleswig, Flensburg, Apenrade, Hadersleben, Kolding, Veile, 
Horsens, Randers, Hobro und Aalborg. Aber auch die Küstenstrecken zwischen 
den Föhrden (Aarhuus) sind nicht verlassen und jeder Einschnitt ist außer dem 
Hauptorte noch mit zahlreichen kleineren Orten an beiden Ufern besetzt. 

In Schottland ist der Kontrast zwischen den gutbevölkerten Landstrichen 
um Stirling, Perth, Dundee, Aberdeen und Peterhead mit ihren zahlreichen Städten 
und ihrem dichten Bahunetz und den Gebirgsgegenden des Westens wiederum 
ein sehr auffallender. Gleichfalls liegen hier wichtige Städte an der Wurzel der 
Firths (namentlich Stirling und Perth), auch Invernes* ist zu vergleichen, sie sind 
aber nicht auf diese Lage beschränkt. Der Firth of Förth und der Firth of Tay 
sind an beiden Ufern mit einer dichten Reihe von Städten, Dörfern, einzelnen 
Fabrikanlagen besetzt, Edinburgh mit seinen Nachbarstädten und Dundee ragen 
weit daraus hervor. Was die Verkehrswege betrifft, so entwickelt sich auf den 
cimbrischen Föhrden und den schottischen Firths natürlich ein lebhafter Wasser- 
verkehr zwischen den zahlreichen Uferstädten und Dörfern, aber der Landverkehr 



') Hervorzuheben ist hier der neue Hafen bei Esbjerg der Insel FauO gegenüber. Er ist 
auf d< u Verkehr mit England berechnet. 



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Aus der Sturm- und Drang-Periode der Geographie. 



249 



wird dadurch nicht in den Hintergrund gedrängt. Eisenbahnen begleiteu die 
Ufer der Firths und durchziehen die dazwischenliegenden Halbinseln. Sollen sie 
an der ganzen Küste entlaug führen, stellen sich allerdings die tiefen Golfe als 
Hindernisse entgegen. Aber man hat sich in diesen dichtbevölkerten, durch reicheu 
Ackerbau, Industrie und Bergwesen belebten Gegenden nicht durch diese Hinder- 
nisse abschrecken lassen. Die weiten Umwege, welche die Firths verursachten, 
wurden ebenso lästig empfunden wie die Unterbrechungen des Schienenweges 
durch Fähren. Man ist daher am Tay wie am Förth zu großartigen Überbrückungen 
geschritten, welche die Isochronen des östlichen Teiles von Schottland (wenn man 
berechnot, iu welcher Zeit von Edinburgh aus die einzelnen Küstenstädte erreicht 
werden können) wesentlich verändern müssen. Auch in Schleswig-Holstein und 
Jütland wird die Schlei bei Liudaunis und der Limfjord bei Aalborg jetzt von 
Eisenbahnen passiert, der ci m brise h -osts oho ttisc he Küstentypus kann 
also als das klassische Gebiet der Föhrdenüberbrückungen bezeichnet werden. 

(Sculuun folgt.) 



Aus» der Sturm- und Drang-Periode der Geographie. 
(Die älteste geographische Gesellschaft und ihre Mitglieder). 

Von Sopbu» Rüge. 

In dem ersten Bande des von E. Behm begründeten geographischen Jahr- 
buches (1866) findet sich auf S. 568 die Behauptung, dass die geographischen 
Gesellschaften ein Produkt unseres Jahrhunderts seien und dass ihr Bestehen 
von der Gründung der Socidte* de geographie zu Paris im Jahre 1821 datiere. 
Auch iu den folgenden Bänden kommt diese Vorstellung auf den statistischen 
Tafeln zum Ausdruck, welche die Reihe der geographischen Gesellschaft nach 
der Zeit ihrer Gründung, der Mitgliederaahl, den Mitteln, der Staatsunterstützung 
u. s. w. aufzählen. 

Allein die Annahme ist irrig; nicht in Frankreich, sondern in Deutschland 
ist die erste geogr. Gesellschaft gebildet, und nicht in diesem Jahrhundert, 
sondern bereits vor der Mitte des vorigen Jahrhunderts ins Leben getreten. 
Indes lässt sich diese älteste Gesellschaft nicht in eine statistische Tabelle 
zwängen; denn wir kennen weder das Jahr der Gründung, noch die Zahl der 
Mitglieder, noch die jährliche Beisteuer, wenn überhaupt eine gegeben ist, und 
wissen auch nicht einmal genau, wann diese erste Gesellschaft wieder erloschen 
ist. Allein Spuren ihrer Existenz, ihrer Thätigkeit sind genug vorhanden. Man 
braucht nur den großen Atlas, den die „Homännischen Erben" in Nürnberg 
herausgaben, genau zu prüfen, so rindet man hinter dein Namen der Karto- 
graphen mehrfach den Zusatz „Societatis geographicae sodalis" auch französisch 
N. N. „de la Soc. gengr.* und bei dem nämlichen Verfasser auch die verwandte 
Lesart: „Soc. cosmograph. sodalis u und noch deutlicher „Societ cosmogr. Norirab. 
sodalis" und wieder französich „de la soc. geogr. de Norimberg." 

Die betreffenden Karten stammen aus den Jahren 1748, 1749 und 1750; 
vereinzelt sogar noch vom Jahre 1765. 

Die Ausdrücke „cosmegraphisch" und „geographisch" wurden als gleich- 
bedeutend gebraucht, während eigentlich von dem Gründer und Leiter die 
Gesellschaft als eine kosmographische bezeichnet wurde. 

Diese kosmographische Gesellschaft hatte, wie sich aus obigen 
Andeutungen ergiebt, ihren Sitz zunächst in Nürnberg und stand mit der Ho- 
männischen Officin in Verbindung. Sie repräsentiert die Sturm- und Drang- 
Periode der geogr. Wissenschaften, der Kartographie und der Länder- 
beschreibung und geht somit der klassischen Zeit der neueren Erdkunde vorauf. 
Ja wir hören sogar aus ihrem Munde schon um 175t), wohl zuerst, den neuen 
Ausdruck „Erdkunde." Die Zeit des Stürmens und Drängens spiegelt sich 
auch in dem Lebensgange der thätigsten Mitglieder ab; nicht einer unter ihnen 
hat einen vorschriftsmäßigen Bildungsgang aufzuweisen, und doch sehen wir die 
meisten, für eine Zeitlang, als Professoren wieder an einer deutschen Universität 

r«MUr'« Z.iUAri/t. V. Bd lg 



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350 Aus der Sturm- und Drang-Periode der Geographie. 

vereinigt. Die Lebensgeschichten dieser Männer haben mehrfach eine romantische, 
ja selbst abenteuerliche Färbung und beleuchten sehr drastisch die Zustände 
um die Mitte des vorigen Jahrhunderts. 

Doch bevor ich von der Gründung der Gesellschaft berichte, muss ich 
erst einen Blick auf die Wiege, auf das Homann'sehe Haus in Nürnberg werfen. 

Der Gründer desselben ist der vielgenannte Kartograph Johann Baptist 
Ho mann, welcher am 20. Marz 16H3 im Dorfe Kamlach bei Mindelheim (auf 
halbem Wege zwischen München und Lindau) geboren ist. Sein Vater, anfangs 
in verschiedenen edelmännischen Diensten, wurde schließlich Stadtschreiber in 
Ravensburg. Da die Eltern katholisch waren, so wurde Joh. Baptist auf die 
Jesuitenschule in Mindelheim geschickt, um später in einen geistlichen Orden 
einzutreten; er brachte auch etliche Jahre in einigen Kittstern zu, floh dann 
aber nach Nürnberg, wurde Protestant und verheiratete sich dort. Später mag 
ihn der Übertritt gereut haben, 1693 entwich er wieder von Nürnberg und begab 
sich in ein Dominikanerkloster nach Wien: ja er kündigte sogar für sich und 
seinen Sohn dem Rat zu Nürnberg das Bürgerrecht, das er bereits erworben 
hatte. Aber auch diese Wandlung befriedigte ihn nicht. Zwei Jahre später 
finden wir ihn wieder in Erlangen, von wo aus er sich an den ersten Geist- 
lichen der benachbarten großen Reichsstadt mit dem Ansuchen wendete, ihm 
doch wieder zur Aufnahme in den Nürnberger Bürgerverband zu verhelfen. 
Allein die Geistlichkeit der Stadt fand es doch bedenklich, einen so gottlosen 
und wetterwendischen Menschen wieder aufzunehmen. Man meinte, Homann 
werde nur auf kurze Zeit zu seiner verlassenen Frau zurückkehren, sich dann 
aber wieder zum Papsttum wenden. Der Rat der Stadt scheint aber diese Be- 
fürchtungen nicht geteilt zu haben, denn er hat sich trotz der geistlichen Vor- 
stellungen nicht abhalten lassen, den Bittsteller wieder aufzunehmen. Die Ursache 
mag gewesen sein, dass Homann, der sich in Nürnberg auf das Kupferstechen 
geworfen hatte, iu dieser Kunst sich bereits hervorgethan und durch eine Anzahl 
von Karten, welche er für Jakob von Sandrart und David Funk gestochen, 
einen guten Ruf als geschickter Künstler erworben hatte. Gegen Ende des 
Jahrhundert« wurde er sogar auf einige Zeit nach Leipzig gerufen, um die 
Karten zu der Notitia orbis antiqui von Cellarius zu liefern. Von da an blieb 
er dauernd in Nürnberg und erwarb sich bald den Namen des bedeutendsten 
deutschen Kartographen. Die Väter der Stadt hatten also nicht so unrecht ge- 
handelt, wenn sie einen so geschickten Mann wieder zu Gnaden aufnahmen, 
welcher Nürnbergs Ruhm zu vermehren versprach. 

Den Anfang mit dem später den ganzen Markt beherrschenden Karteu- 
handel machte Hornanu 1702 mit der selbständigen Herausgabe einer Kriegskarte 
von Italien. Der klare Stich «1er Karte, welcher den zu jener Zeit noch all- 
gemein beliebten holländischen Arbeiten nichts nachgab, fand ebensoviel Beifall 
als Abnehmer, wodurch Homann ermuntert wurde, diesen Kunstzweig weiter 
auszubeuten. Die Kartenfabrikation war schon in den Niederlanden seit der 
Mitte des 17. Jahrhunderts zu einem rein gewerbsmäßigen Betriebe herabgesunken; 
die wenigen Originalarbeiten, welche ans Licht kamen, wurden allerorten ohne 
Bedenken nachgestochen, und auch Homann konnte anfänglich nur solche Kopien 
auf den Markt bringen. Allein seine Verbindung mit gelehrten und tüchtigen 
Männern gab doch seinen Leistungen einen wissenschaftlichen Anstrich und 
machte seine Arbeiten immer beliebter. Das Geschäft blühte sichtlich auf, die 
Zahl der Mitarbeiter wuchs, und so lieferte denn Homann bis zu seinem Tode 
1724 Uber 200 große Karten in Folio über alle Länder der Erde. 

Der bekannte Mathematiker und Astronom Doppelmayr versah 1714 
seine Kartensammlung mit einer «Einleitung zur Geographie; 14 darauf veröffent- 
lichte Homann den Hübner sehen „methodischen Schulatlas* von 18 Karten. 1 ) 



') Atlas inethodictM explorendis iuvennni profeeiibus iu studio geographica ad methoduui 
Hubneriauuni accomiuodatu*. „Methodischer Atlas, da« ist Art und Weise, wie die Jugend in der 
Krkrnuug der Geographie füglich examiniert werden kann nach Hübner'scher Lehrart eingerichtet" 
Nttmberg 1719." Statt vollständiger Namen finden «ich die Lokalitäten nur mit den Anfangs- 
buchstaben beaeichnet. 



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Au» der Sturm- und Drang-Periode der Geographie. 



251 



Unter Doppelmayrs Leitung befasste sich die Officin auch mit astro- 
nomischen Arbeiten, lieferte kleine Arinillarsphären, Taschengloben und einen 
astronomischen Atlas, Homann selbst erfand dazu eine geogr. Universaluhr. 

Die Anerkennung für diese vielseitigen Leistungen blieb nicht aus. Im 
Jahre 1715 ernannte ihn die Akademie der Wissenschaften zu Berlin zu ihrem 
Mitgliede und in demselben Jahre der Kaiser Karl VI. zu seinem Geographus 
und verlieh ihm eine güldene Gnadenkette, 1722 machte ihn der russische Kaiser 
Peter der Große zu seinem „Agenten." 

Als er 1724 starb, fiel die kartographische Anstalt zunächst seinem 1703 
gebomen Sohne Johann Christoph zu, welcher damals in Halle Medicin und 
Philosophie studierte, und dann, nachdem er 1725 promoviert hatte, 6ich auf 
Reisen begab und erst 1729 nach Nürnberg zurückkehrte. Hier mochte er wol 
die Absicht haben, sich ganz der Weiterführung des väterlichen Geschäftes zu 
widmen und tüchtige Mitarbeiter heranzuziehen ; allein einen Einfiuss auf die 
Weiterentwicklung der Officin konnte er nicht gewinnen, da er bereits im fol- 
genden Jahre (21. Nov. 1730) verschied. 

Da er ohne direkte Leibeserben starb, so ernannte er seinen Schwager, 
den Kupferstecher Ebersperger und seinen Freund Joh. Michael Franz, den er 
auf der Universität Halle kennen gelernt und dann zur Führung der sehr weit- 
läufigen geographischen Korrespondenz nach Nürnberg gerufen hatte, zu seinen 
Erben, mit der Bedingung, dass das Geschäft stets unter der Firma „Ho män- 
nische Erben" fortgeführt würde. Unter diesem Namen hat dann das karto- 
graphische Institut biB in den Anfang unseres Jahrhunderts bestanden. 

Joh. Michael Franz, der intellektuelle Leiter der Officin der Homännischen 
Erben, ist nun der Begründer der kosmographischen Gesellschaft, 
welche im Homann'schen Hause entstand, aber auch außerhalb Nürnbergs Mit- 
glieder zählte. 

Werfen wir zunächst einen Blick auf das Leben dieses merkwürdigen Mannes, 
der die Seele und treibende Kraft der Gesellschaft war, der die Mängel und 
Lücken in den Fächern der Erdbeschreibung und Mappierung der Länder 
schmerzlich empfand und eifrigst bestrebt war zu verringern oder zu heben, 
daneben aber hastig und unstet, wie ein geographischer Agitator von einem 
Projekt sich aufs andere stürzte, Kaiser und Reich zur Beihilfe aufrief und zu 
einer Zeit, wo genaue Landesaufnahmen und Register noch als die höchsten 
Staatsgeheimnisse aufs ängstlichste bewacht wurden, in Nürnberg ein karto- 
graphisches Centraibureau filr ganz Deutschland zu schaffen hoffte, von wo aus 
alle einschlägigen Arbeiten geleitet und verbreitet werden sollten, und der 
neben seinen rein wissenschaftlichen Zielen wieder allerhand abenteuerliche Spe- 
kulationen mit riesigen Erd- und Himmelsgloben trieb, oder sogar eine kosmo- 
graphische Lotterie auf» Tapet brachte, um aus dem Erlös die Kosten einer 
kosmographischen Akademie bestreiten zu können. Seine Jugendzeit füllt das 
erste Drittel des IS. Jahrhunderts, die Blütezeit der Adepten, der Goldmacher 
und Alchymisten aller Art, und diese Zeitströmuugen und Leidenschaften haben 
auch das Leben Franzens nicht unberührt gelassen. Er war am 14. Sept. 1700 
in der ehemaligen Hohenlohe'schen Residenz Öhringen, südl. vom Kocher, geboren. 
Sein Vater war ein armer Hutmacher, der bei seiner Mittellosigkeit den be- 
gabten Knaben nur bis zu seinem 14. Jahre in der Schule lassen wollte, um 
ihn dann bei einem Handwerker in die Lehre zu bringen, der sich aber auf 
die Vorstellung des Konrektors bewegen ließ, seinen Sohn auch in die lateinische 
Schule, wo sein Talent unentgeltliche Unterweisung fand, zu schicken. In seinem 
21. Jahre gieng Joh. Michael zu Fuß von Öhringen nach Halle, um dort zu 
studieren und wurde auch unter dem Protektorate de« Philosophen Wolf in- 
scribiert. Aus dem Vaterhause bekam er keine Unterstützung, er war zunächst 
auf ein Stipendium vom Hohenlohe'schen Stift angewiesen und musste sich mit 
Stundengeben weiterhelfen. Anfänglich schien ihm das Glück zu lächeln, da 
er sogar im Waisenhause eine Freistelle erhielt. Allein da er bald den jungen 
Homann dort kennen lernte und mit diesem gemeinschaftlich die von den Pie- 
tisten verrufenen Wolfischen Collegia besuchte, so wurde er schon nach 6 Wochen 
als ein gefährliches Element aus dem Waisenhause wieder entfernt. Anderthalb 

18* 



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252 



Au» tler Sturm- nnd Drang-Periode der Geographie. 



Jahre war er dann auf sein kleines Stipendium angewiesen und erhielt dazu 
von dem jungen Homann, mit dem er alle Abend die Wolfischen Vorlesungen 
repetierte, eine kleine Unterstützung. Später fand er ein Unterkommen bei dem 
jungen württembergischen Edelmann Calisius von Calisch ; aber dieser wurde durch 
einen Herrn von Blache verleitet, sich mit alchymischen Versuchen zu befassen, 
bei welchen Calisius nicht nur einen namhaften Teil seines Vermögens zusetzte, 
sondern sich sogar eine gefährliche Krankheit zuzog, welche ihn nötigte, nach- 
dem er jahrelang vergebens nichts gethan „als chymisieren und alchymisieren, u 
ohne seine Studien vollendet zu haben, endlich in die Heimat zurückzukehren. 

Was für wunderbare Geister damals in Halle als Studiosen verkehrten, 
erhellt daraus, dass in dem alehyraischen Kreise, in welchen Franz wider- 
strebend durch seine Verbindung mit Calisius hingezogen war, auch ein so- 
genannter Studiosus juris auftauchte, der „nichts anderes suchte und studierte, 
als per magiam divinnm mit Gott einen geheimen Umgang zu haben, alles 
Collegienlaufen verachtete und — „einst todt im Bette gefunden wurde." 

Der frappante Schluss dieses alten Berichtes lässt vermuten, dass der Er- 
zähler nicht ganz frei von dem Wahne gewesen, als sei dem Gottesbeschwörer 
von geheimnisvollen Mächten der Hals umgedreht. Franz muBste seinen kranken 
Freund nach der Schweiz begleiten und war willens, nachdem dieser genesen, 
sich nach irgend einer Anstellung umzusehen, denn er hatte bereits neun Jahre 
mit seinen Studien der Philosophie, Geschichte, Geographie u. s. w. zugebracht, 
als ihn ein Brief dos jungen Homann, der mehrere Jahre vor ihm Halle verlassen 
hatte, einlud, in die Homann'sche Handlung einzutreten und zwar zunächst als 
Sekretär. Als er dann im nächsten Jahre einen Teil der Handlung ererbte, war sein 
Augenmerk sofort darauf gerichtet, „die ganz schlechten Karten auszurotten und 
solche durch neue zu ereetzen.f Das bisher beliebte Kopieren hörte auf, denn 
Franz suchte seine Ehre darin, womöglich nur Originalzeichnungen zu liefern ; 
aber dazu bedurfte er wissenschaftlicher Mitarbeiter. Wie dem älteren Homann 
der Nürnberger Mathematiker Doppelmayr zur Seite gestanden, so fand nunmehr 
Franz in dem Wittenberger Professor Joh. Matthias Hase eine vortreffliche Stütze, 
denn Doppelmayr, welcher, als Franz nach Nürnberg kam, schon im 60. Lebens- 
jahre stand, scheint in den folgenden Jahren die Arbeiten allmählich abgegeben 
zu haben. Hase hatte nun die Aufgabe, „die Karten, welche für die Homann'sche 
Officin neu gezeichnet werden sollten, nach der stereographischen Projektion ein- 
zurichten und die zuverlässigen Angaben Uber Länge und Breite gewisser Orte 
innerhalb der Karte zu verwerten." 

Mit welchen Schwierigkeiten die Kartographen damals zu kämpfen hatten, 
davon konnte Hase selbst ein merkwürdiges Beispiel liefern. Im Hauptstaatsarchiv 
zu Dresden findet sich ein Aktenstück (Locat 4722. aus Loc. Q. Nr. 36) Uber 
die zeitraubenden Verhandlungen und doch vergeblichen Bemühungen Hasens, zu 
seiner Karte von Deutschland zuverlässige Mitteilungen Uber die sächsischen 
Lande zu bekommen. Der Magister Adam Friedrich Zürner, vormals Pastor zu 
Skassa, hatte im allerhöchsten Auftrage als „Land- und Grenz-Commissarius" 
eine Art Landesvermessung vorgenommen, auch mancherlei statistisches Material 
zusammengetragen. Seine Karten und Risse galten als höchstes Staatsgeheimnis 
und nur den ersten Räten der Krone, „dem geheimen Konsilio," war die Benützung 
gestattet. Professor Hase richtete nun 1724 ein Gesuch direkt an den König, es 
möchten ihm zu seiner Karte von Deutschland aus den'.Sammlungen Zürners die 
nötigen allgemeinen Unterlagen gewährt werden. Er scheint keine Antwort 
bekommen zu haben und wiederholt am 28. Mai 1725 seine Bitte dahin, dass 
ihm „einige gründliche Nachrichten über Sachsen mitgeteilt würden, die in 
öffentlichen Schriften nicht anzutreffen seien. u Er verlangte nur genaue und 
richtige Determination der Grenzen und Lage der vornehmsten Orte und bat, 
dass, damit er seine Karte vollenden könne, dem Zürner die gehörigen Ordres 
gegeben werden. Die Regierung resolvierte: „Da es sich nur um eine Generalkarte 
Deutschlands (nicht Sachsens) handle, so sei der Comroissär Zürner anzuweisen, 
dem Professor Hase die hiezu nötigen Nachrichten zuvor vorzulegen und zum 
Ersehen zu kommunicieren, jedoch von denen vorhandenen Rissen und Special- 
Karten keine Kopie nehmen zu lassen." Auch solle Hase seine Karte vor der 



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Aus der Starin- und Drang- l'eriodi- der Geographie. 



253 



Edition zum Erdehen und Censur einschicken. 01 Darauf empfahl Ziirner in seinem 
Gutachten, dasg dem Wittenberger Professor für sein Gold die Generalkarte von 
Sachsen möchte kopiert werden, doch so, dass diese Kopie zuvor an das geheime 
Konsilium eingesendet und von demselben alles Bedenkliche daraus weggestrichen 
werde, und dass ferner dem Hase befohlen werde, selbst diese verstummelte 
Karte niemandem mitzuteilen, auch Sorge zu tragen, dass bei etwaigem Todesfalle 
das Blatt nicht in fremde Hände falle. Über diesen Verhandlungen vergingen 
wieder zwei Jahre. Hase richtete, weil er von Ziirner noch nichts bekommen 
hatte, am 24. Februar 1727 von neuem ein Gesuch an den König. Ziirner ver- 
langte, Hase solle nach Dresden kommen und dort die Pläne einsehen. Hase 
replicierte am 4. Juni, er sei durch sein Amt an Wittenberg gebunden und 
könne keinen zeitraubenden, kostspieligen Aufenthalt in Dresden nehmen. Um den 
unermüdlichen Bittsteller zum Schweigen zu bringen, ließ das geheime Konsilium 
nun an das Oberkonsistorium, als die Behörde, unter welcher Hase stand, die 
Weisung gehen, den Professor dahin zu bescheiden, dass er die Karten nicht 
erhalten könnte. — Ob Hase trotzdem seine Karte von Deutschland vollendet 
hat, ist mir nicht bekannt; in den Homann'schen Atlanten findet sie sich nicht. 
Er starb am 24. September 1742, doch sind nach seinem Tode noch mehrere 
seiner Karten in Nürnberg veröffentlicht, so der schwäbische Kreis 1743 und zwei 
Karten des Herzogtums Schlesien 1745 und 1746. Auch ist noch in den kosmo- 
graphischen Sammlungen auf das Jahr 1748 eine Abhandlung von ihm erschienen 
unter dem Titel: Anmerkungen Uber seine Landkarten von den großen Welt- 
reichen. Die bei den Bemühungen Hases, eine gute Karte von Deutschland her- 
zustellen, zu Tage getretenen Schwierigkeiten und ÜbelstHnde, mögen wohl mit die 
Veranlassung gewesen sein, bei Franz den Plan zu reifen, durch eine Vereinigung 
tüchtiger Kräfte den Bann zu brechen, welcher auf der Entwicklung der deutschen 
Kartographie und Landeskunde überhaupt lastete. 

Eine kosmographisehe oder geographische Gesellschaft schien das 
beste Mittel zu sein. Die Entstehung dieser Gesellschaft, deren Mitglied Hase 
bereite war, dürfte nach den kurzen Andeutungen, die Franz darüber gelegentlich 
gemacht hat, vielleicht ums Jahr 1740 zu setzen sein; denn er schreibt (Recensiou 
derHomann. Geogr. Werke in der Beilage zu seinem Staatsgeographus p. XXXVII). 
„Das Wesen der kosmographischen Gesellschaft war schon viele Jahre vorher, 
als obige Schrift („Homännische Vorschläge wegen Verbesserung der Weltbe- 
schreibung etc. 1747) erschienen ist, unter uns eingerichtet, aber imVerborgenen 
gehalten." An die Öffentlichkeit trat die Gesellschaft erst 1746, als es dem 
Leiter der Homann'schen Handlung gelungen war, an Stelle Hases einige aus- 
gezeichnete Mitarbeiter nach Nürnberg zu ziehen, namentlich Tobias Mayer, 
Georg Moriz Lowitz. Es lag auf der Hand, dass ein Privatunternehmen, 
wie die Homann'sche Handlung war, nur jüngere Kräfte gewinnen konnte, deren 
Ansprüche den verfügbaren Mitteln der Öfficin entsprachen und bei deren An- 
stellung man nicht nach dein bisherigen Bildungsgange, sondern nur nach den 
sichtbaren Leistungen der Angestellten fragen durfte. Es wird sich dies bei der 
weiterhin mitzuteilenden Lebensgeschichte von Mayer und Lowitz ergeben. Zu- 
nächst verweilen wir noch bei der Entwicklung der kosmographischen Gesellschaft. 
Dieselbe bestand aus 3 Klassen, einer mathematischen, einer geographischen und 
einer historischen. In der mathematischen sollten Mayer und Lowitz die Haupt- 
arbeiter sein, in den anderen wollte Franz mit Hilfe anderer Mitglieder arbeiten. 
Die Leiter der einzelnen Klassen nannten sich dirigierende Mitglieder. 
Wir kennen nur die Namen dieser Dirigenten uud vielleicht noch einige andere: 
Franz, Mayer, Lowitz, Büsching, Drümel, Harenberg, Böhme, Jac. H. Franz, 
und J. M. Hase. Franz ließ nun zunächst einige Schriften von der Homann'schen 
Officin auagehen, denn die kosmographische Gesellschaft hatte ihren Sitz natur- 
gemäß in dem Homann'schen Hause: 

1. Homännischer Bericht von Verfertigung großer Weltkugeln, 1746. 

2. Homännische Vorschläge von der nöthigen Verbesserung der Welt- 
beschreibungswissenschaft und einer diesfalls bei der Homann'schen zu errichtenden 
neuen Akademie 1 747. 

Daneben erschienen, namentlich von Mayer, eine Auzahl neu entworfener 



254 



Aiik der Sturm- und Drang- l'eriod« der Geographie . 



Karten, auf welchen er sich als Mitglied der kosmographischen G esellschaft 
bezeichnete. 

Um gewissermaßen die erste Probe auf seine neuen Pläne zu machen, 
richtete Franz 1748 ein Memorial an die fränkische Kreisversammlung, in welchem 
er sich erbot, mit Hilfe der Mitglieder der kosmographischen Gesellschaft eine 
Aufnahme und Beschreibung des fränkischen Kreises auf öffentliche Kosten zu 
veranstalten. Aber die buntzusammengesetzte Kreisversamralung fand es bequemer, 
dem Antragsteller den Titel eines Kreisgeographen zu erteilen, als ihm den 
gewünschten Auftrag zur Vermessung zu geben. Franz inusste also bei noch 
höherer Instanz anklopfen richtete seinen Blick nach Wien und begab sich 
1749 nach der Kaiserstadt. Wie der ältere Homann die Gunst des Kaisers 
Karl VI. erfahren, so hoffte auch Franz durch persönliche Bewerbung und 
unter Darlegung seiner Pläne den Kaiser Franz I. für die Idee einer kosmo- 
graphischen Gesellschaft und Akademie zu erwänneu. Mochte auch der Kaiser 
persönlich sich für die vou Nürnberg ausgehenden wissenschaftlichen Bestrebungen 
zur Förderung der geographischen Wissenschalten lebhaft interessieren, vor der 
Hand ließ sich doch von der Leistungsfähigkeit der neuen kosmographischen 
Gesellschaft noch zu wenig berichten, um das Unternehmen sofort mit den ge- 
wünschten Privilegien auszustatten. Man inusste und wollte erst ein bedeutendes 
Lebenszeichen der Gesellschaft sehen und wird wol den Bittsteller dahin 
verständigt haben. Denn nun erschien im folgenden Jahre, 1750, ein stattlicher 
Quartband, gleichsam der erste Jahresbericht der Nürnberger Gesellschaft unter 
dem Titel: Kosmographische Nachrichten und Sammlungen auf 
das Jahr 1748. Zum Wachsthum der Weltbeschreibungswissenschaft von den 
Mitgliedern der kosmographischen Gesellschaft zusammengetragen. Wien und 
Nürnberg 1750, mit Arbeiten vou Franz, Mayer, Lowitz, Harenberg und Hase. 
Am kaiserlichen Hofe zu Wien wurde die Überreichung dieses Werkes sehr 
gnädig durch Überweisung eines Geschenkes von 200 Dukaten beantwortet. 
Und Franz verkündete jubelnd: „Allerhöchste kaiserliche Majestät ließen sich im 
Jahre 1749 die kosmographischen Absichten nicht nur auf das weitläufigste 
vortragen, sondern geruhten auch nachher zu Bezeugung dero allermildesten 
Wohlgefallens über die erste Probe des Buches von den kosmographischen Nach- 
richten und Sammlungen zu Bestreitung der Akadeinieprivilegien ein allergnädigstes 
Denkmal von 200 Dukaten zu stiften." Da wir in diesem Werke den Plan und 
die Absichten der Gesellschaft zuerst bestimmt ausgesprochen sehen, so müssen 
wir bei dem Inhalte desselben noch länger verweilen. Unleugbar weht durch 
das Ganze ein frischer Zug der Begeisterung für die Weltbeschreibungswissenschaft 
und zugleich ein wolthuender Zug von Patriotismus; aber man hat auch das 
Gefühl, als ob eine kleine Schar unternehmender Männer von ebener Erde aus 
den Himmel stürmen wolle, ohne vorher, wie weiland die Titanen gegen den 
Olymp, Berge auf Berge zu türmen, um das Ziel sicherer zu gewinnen. 

Der Inhalt des Werkes gliedert sich in 2 Teile, wie schon der Titel ergibt, 
in „Nachrichten" und „Sammlungen." Die „Nachrichten" sind aus den geogra- 
phischen Vorräten der Homann'schen Officin geschöpft, die „Sammlungen" ent- 
halten „die eigenen Gedanken und Bemühungen derjenigen, die Mitglieder der 
Gesellschaft sind oder ehedem gewesen sind." 

In der Vorrede heißt es: „Das sind nun die kosmographischen Mitglieder, 
von welchen allen man versichern kann, dass die edle Begierde, zur Wahrheit 
und Gewissheit in dieser Art der Erkenntnis zu gelangen, den ersten Anlass 
gegeben, warum sie sich in eine Gesellschaft zusamrnenbegeben haben." 

In den „Nachrichten" begegnen wir den altbekannten Klagen über den 
bedauerlichen Zustand der Vermessung und Mappierung deutscher Staaten, und 
müssen das Geständnis der besten Kräfte hören, dass es dermalen noch nicht 
möglich sei, eine genügende Karte von Deutschland zu schaffen. 

.„Unter den steten Verbesserungen der Landkarten," so lauten die Worte, 
„welche durch die Homännischen Anstalten seit 1730 bis hieher fortgesetzt werden, 
hat man zuvörderst auch auf die Blätter des Atlas von Deutschland sein Ab- 
sehen gerichtet. 



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Aua der Sturm- und Draug-Periode der Geographie. 



255 



Keine wäre wohl einer Umschinclzung mehr benötigt als die Haupt karte 
von Deutschland; aber es sind bis diese Stunde sowol des Herrn Professors 
Hasens so angefangenen, als auch unsere fortgesetzte Bemühungen umsonst 
gewesen, weil die dermaligen vorhandenen Hilfsmittel zur Errichtung einer solchen 
Karte noch weit nicht zureichen wollen." 

Im weiteren Verlauf werden dann die vorhandenen Karten einzelner deutscher 
Landesteile kritisiert. Den Reigen beginnt die Karte von Sehwaben. 

Alle Verleger haben einander nachgcstoehen, und doch war sie die schlechteste 
von allen. „Der Schwäbische Kreis macht den allerschwersten und verwirrtesten 
Theil von der Erdbeschreibung unseres Deutschlands, was aus den 82 Kreisständen, 
woraus er bos teilt, leicht abzunehmen ist. Man hat eine Karte von Schwaben, 
vom Hauptmann Michal, auf Veranlassung des Schwäbischen Kreises in 9 Blättern 
herausgegeben, sie ist aber in den Greiuen und vielen andern Dingen sehr 
unrichtig. Prof. Hase hat sie verkleinert, verbessert und mit einem Gradnetze 
versehen. Das Einrichten des Netzes war deshalb schwierig, weil auf der Original- 
karte kein Maßstab von Fußen, sondern von Meilen gegeben war, deren genaue 
Größe man nicht kennt. Mit großer Mühe hat man von den einzelnen Kreisständen 
Nachrichten Über die Grenzen ihrer kleinen Gebiete eingezogen, und ist doch 
nur mangelhaft bedient, so dass Prof. Hase, nachdem er 10 Jahre an der Karte 
gearbeitet hatte, darüber gestorben ist, ohne sie ganz zu vollenden." 

Es sei hier erwähnt, dass vor 10 Jahren, als die Neubearbeitung des histo- 
rischen Atlas von Spruner- Menke im Erscheinen begriffen war, die Peter- 
raannschen Mitteilungen (1873. Tafel ä) als Beweis für die vorzügliche Bear- 
beitung der schwierigsten Teile der historischen Geographie gerade die Karte 
von Schwaben (Spruner-Menke Nr. 4f>) brachten. 

In Bezug auf die Karten der Lausitz müssen wir hören, dass in dem 
ganzen Lande bis 1750 noch kein Ort astronomisch bestimmt war. 

Geradezu drastisch wirken die Mitteilungen über die Hilfsmittel, zu denen 
die Nürnberger Gelehrten greifen mussten, um eine leidliche Karte des Königreichs 
Ungarn und der sonst dahin gerechneten Länder herstellen zu können. Man traut 
seinen Augen kaum, wenn man die Bemerkung liest, dass zur Herstellung einer 
modernen Karte jener Länder die Itinerarien und Karten des alten römischen 
Reiches zu Rate gezogen werden mussten: „Ohne angestellte Prüfung mittelst 
der alten römischen Reise- Register und der peutingerischen Tafel wird man zu 
keiner Richtigkeit gelangen." Die bekannte Länge und Breite von Wien und 
Konstantinopel haben das Beste thun müssen. Überhaupt haben sich die Mitglieder 
der kosmographischen Gesellschaft über gewisse allgemeine Regeln verständigt, 
welche bei der Herstellung neuer Karten beobachtet werden sollen: 

1. Die von Prof. Hase vervollkommnete stereographische Projektion kommt 
überall zur Anwendung. 

2. Es werden alle vorhandenen und bekannten Längen- und Breiten- 
bestiinmungen gesammelt und von den Mitgliedern der kosmogr. Gesellschaft 
auf ihre Zuverlässigkeit geprüft, ehe sie benützt werden. 

3. Alle Längen werden nach dem Meridian von Ferro normiert, welcher 
nicht identisch ist mit dem Meridian von Paris. 

Hier sträuben sich die deutschen Gelehrten gegen das französische Ansinnen, 
dem alten Anfangsmeridian die Mittagslinie von Paris unterzuschieben, und 
erklären: Es gilt uns zu willkürlich, zu sagen, der Pariser Mittagskreis soll 
genau den 20. Grad haben; der erste Grad mag hiernach hinfallen, wohin er 
will, in die Mitte von Ferro oder an die Küste oder daneben. Will einer nach 
dem ersten französischen Meridian rechnen, so darf er nur allzeit von unserer 
Länge 8' 27" oder ungefähr 8' abziehen. 



Wenden wir uns nun zu dem 2. Teile, den kosmographischen Samm- 
lungen. Hier ist für die Ziele der Gesellschaft vor allem der Aufsatz von Franz 
beachtenswert: „Vorschläge, wie die Erdkunde in Absicht Deutschlands 
zu verbessern sei." 



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256 



An* der Sturm- uud Ürantf-Perioile .lor <ie«giapliie. 



Wenn der Titel uiclit so veraltet klänge, möchte man meinen, von den 
allerneuesten durch Dr. Lehmann in Halle auf den deutschen Geographen- 
tagen angeregten Vorschlugen betreffs einer deutschen Landeskunde zu 
vernehmen. Es ist ja allen bekannt, welchen erfreulichen Aufschwung die darauf 
bezüglichen Arbeiten bereits genommen, und mit wie lebhafter Teilnahme der 
jüngste Geographentag in München den Berieht der Centraikommission über diese 
Arbeiten entgegengenommen. Es erfüllt uns aber mit hoher Freude, zu sehen, 
wie schon die erste geographische (Gesellschaft in Deutschland es als eine patrio- 
tische Pflichtiempfunden hat, ihre Hauptthätigkeit dem Vaterlande zuzuwenden. 

„Es soll zuallererst unser deutsches Vaterland gelten," schreibt 
Franz; „denn die kosmographische Gesellschaft ist eine deutsche 
Gesellschaft und diese setzet sich zu ihrer ersten Pflicht, in Verbesserung der 
Erdbeschreibung vor allem die Probe von Deutschland zu machen. Es dünket 
sie also eine sehr ersprießliche und rühmliche Sache zu sein, an einen ganz 
neuen und nach ihren Gründen verzeichneten Atlas von Deutschland zu denken 
und solchen mit eigenen Ort- und Landbeschreibungen also und dergestalt, dass 
diese auf jene und jene auf diese sich beständig beziehe, zu vergesellschaften... 
Die Mitglieder der kosmographischeu Gesellschaft, die sich von langer Zeit zu 
dieser Wissenschaft tüchtig zu machen getrachtet haben, wollen sich nicht anders 
dem Geschäfte dieses Atlas unterziehen, man erlaube ihnen denn, ihrer eigenen 
wohlgegründeten Vorschrift hierin zu folgen. Allein uns kommt es nicht darauf 
an, ob man auch in einem halben Jahrhundert damit fertig würde, 
wenn nur der Sache dabei ihr Recht geschieht." 

Um nun zu zeigen und recht ad oculos zu demonstrieren, „wie weit man 
mit allen und jeden Hilfsmitteln, die zur Geographie Deutschlands gehören, auf 
ein Gewisses kommen könne, u bekam Tobias Mayer von der Gesellschaft den 
Auftrag, eine kritische Karte von Deutschland zu entwerfen. Dieselbe erschien 
ebenfalls im Jahre 1750 und führte den Titel: Germaniae atque in ea locorum 
prineipaliorum mappa critica, ex latitudinum observationibus quas hactenus 
colligere lieuit etc. a Tob. Mayero societatis cosraographicae Noribergeusis sodali. 

Das war ein grundlegendes Werk, wie alles, was Mayer schuf. Es bildete 
für die Kartographie von Deutschland den Anfang einer neuen Epoche. Franz 
war von der festesten Hoffnung beseelt, dass diese Karte den Plänen der kosmo- 
graphischen Gesellschaft überall Eingang und Gehör verschaffen werde. „In 
diesem kleinen Plane," sagt er, - „ist alles enthalten, was man die Grenzen der 
Gewissheit und Wahrscheinlichkeit bei der Mappierung unseres Deutschland 
nennen kann." Deutschland hatte auch damals gewiss keinen Mangel an Karten. 
„Gleichwohl hat dieser ganze Prast der Landkarten den Zeichner gänzlich ver- 
lassen, als er bei dem südöstlichen Deutschland eine Gewissheit ausfiudig machen 
wollte. Ebenso ging es am Rheinstrom, und wären nicht die römischen Weg- 
weiser vorhanden, die man in diesen zweien Gegenden hat zu Rate ziehen können, 
so wäre fast gar nichts auszurichten gewesen. Diese römischen Wegweiser geben 
manchmal bessere Auskunft als die allerneuesten Karten. Die astronomischen 
Bestimmungen, wie Bie z. B. eine Connaissance des temps angiebt, sind sehr 
unzuverlässig, danach müSBte man Wittenberg in Großpolen setzen. 

„Sehet nun, ihr Deutsche," ruft er aus, „ein ganz kleines Register von der 
Weite und Lage (Länge und Breite), von etlich und 20 Örtern ist alle eure 
Gewissheit, die man aus allen euren gedruckten, gestochenen, geschriebenen, 
papierenen und pergamentenen Hilfsmitteln zur Verbesserung der Erdbeschreibung 
eines Staates, der so groll als weitläufig als Deutschland ist, herausziehen kann." 

Ohne Förderung und Schutz von Seiten der Landesobrigkeiten in Deutsch- 
land bleibt jede geographische Arbeit Stück- und Flickwerk. Landkarten kommen 
selten auf Staatskosten heraus, und Landesbeschreibungen sind noch gar nicht 
auf diese Weise erschienen. Es inuss demnach, wenn auf diesem Felde etwa« 
wirklich Gutes geschehen soll, Landesvermessung und LandeBbeschreibuug durch 
die Regierung angeordnet werden. 

Der Atlas von Deutschland, der auf dieser Grundlage erscheinen soll, muss 
aus lauter gemessenen Karten bestehen, auch die Grenzen müssen vollständig 
und richtig sein. Als Beispiel der in dieser Beziehung noch herrschenden 



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Aus der Sturm- uud I>rnug-Periodo der Geographie. 



2f>7 



Unsicherheit wird darauf hingewiesen, dass die Elbquellen bald nach Schlesien, 
bald nach Böhmen verlegt werden. Und endlich wird noch die Forderung auf- 
gestellt, der neue Atlas dürfe nur in deutscher Sprache verfasst sein, man 
müsse auch die richtige Schreibweise der örter aus Hebe- und Steuerregistern 
zu ermitteln suchen. 

Ein solcher Atlas gibt dann erst den Grundstein ab, auf welchem eine 
umfassende Landeskunde des deutschen Reichs, oder wie Franz sich 
ausdrückt, „ein vortreffliches Lehrgebäude einer förmlichen Natur- und Staats- 
geographie vom römischen Reiche 1 * sich aufbauen lasse. Eine solche Arbeit kann 
aber auch den Nachbarländern als Vorbild dienen, „um also von jedem Reiche 
ein solches Lehrgebäude und endlich ein allgemeines von der ganzen Welt 
hervorzubringen." Das Endziel des ganzen groß angelegten Planes fuhrt also 
darauf hinaus, ,die Erdbeschreibung Deutschlands zu reformieren." 

Diese zuversichtliche Sprache würde Franz wohl kaum geführt haben, wenn 
ihm nicht die Methode der Forschung und die Leistungen seiner Freunde Mayer 
und Lowitz volles Vertrauen eingeflößt hätten. Sie bildeten die Grundsäulen 
seines kühnen Planes und Baues. Es dürfte darum hier die geeignete Stelle 
sein, eine Lebensskizze beider Männer einzufügen. 

Tobias Mayer gehört zu den genialsten Mathematikern und Astronomen 
des vorigen Jahrhunderts. Er war ein Autodidakt im vollsten Sinne des Wortes 
und dabei von einem wunderbaren Gedächtnisse unterstützt und von einer 
erstaunlich leichten Auffassung gefördert. Lichtenberg schrieb (in seinen ver- 
mischten Schriften I. 290, Göttingen 1867): „Tobias Mayer habe selbst nicht gewusst, 
dass er soviel wisse." Es hat stets als eine der größten Leistungen Mayers ge- 
golten, durch Verbesserung der Mondtafeln endlich das Mittel an die Hand 
gegeben zu haben, zuverlässige Längenbestimraungen zur See machen zu können. 
Wie der berühmte Roisende Carsten Niebuhr unmittelbar ein Schiller Mayer« 
war und sogar dessen Instrumente zu seinen Beobachtungen im Oriente ver- 
wendete, so könnte man James Cook einen mittelbaren Schüler nennen, da er 
dessen Mondtafeln die Genauigkeit seiner Ortsbestimmungen verdankt. Niebuhr, 
welcher wie alle, welche mit dem genialen Gelehrten in unmittelbare Berührung 
kamen, nur in den Ausdrucken der Bewunderung und Hochachtung von ihm 
redete, äußerte sich in einer Mitteilung an Baron von Zach Uber Tobias mit 
folgenden Worten: „Er, der nie ein großes Schiff gesehen, viel weniger weite 
Seereisen gemacht hatte, brachte es so weit, dass er im Stande war, die Engländer 
zu lehren, wie sie auf offener See die Länge bestimmen konnten." 

Tobias Maver war am 17. Februar 1723 in Marbach am Neckar geboren: 
er ist also Schillers Landsmann, aber durch mehr als ein Menschenalter, fast 
durch eiu ganzes Menschenleben von ihm getrennt, denn Schiller war erst 
2 1 /« Jahre alt, als Mayer starb. Die Geburtshäuser beider großen Männer stehen 
noch, nicht fern voneinander, sie tragen durchaus den Charakter einfacher 
Häuser kleiner Landstädte, an denen die neue Zeit spurlos vorübergegangen 
ist. Beide Häuser mit dem Giebel nach der Straße und im Erdgeschosse neben 
der HausthUr nur ein Fenster. Das Schillerhaus, durch zahlreiche Verehrer auf 
das liebreichste gepflegt, macht gegen das Mayer'sche einen fast zierlichen Ein- 
druck, denn diesem letzteren geht alle teilnehmende Pflege ab, es liegt in einer 
Seitengasse, von allerlei Hausgerümpel umgeben, ja selbst die Gedächtnistafel, 
welche seitwärts zwischen den unregelmäßigen Fenstern des ersten Stockes an- 
gebracht ist, sieht mit den grellgelben Abbildungen (von Himmelskörpern) (ich 
glaube, es sollte die Mondphasen bedeuten) auf dunkelm Holz von weitem eher 
wie eine Schusterfirma als wie eine Gedenkplatte für einen Astronomen aus. 
Mayers Vater war Stellmacher, der sich von seinem fleißig betriebenen Hand- 
werke nährte, sich aber auf seiner Wanderschaft früher um Wasserbau und 
Wasserleitungen gekümmert hatte und im Zeichnen von Rissen von Maschinen 
ziemlich geschickt war. So kam es, dass der Rat der alten Reichsstadt Esslingen 
ihn im Jahre 1725 als Brunnenmeister berief, so dass er nun noch mehr als 
sonst sich mit dem Zeichnen beschäftigte, wobei der junge Tobias zuerst auf- 
merksam zuschaute, aber sehr bald einen unwiderstehlichen Nachahmungstrieb 
in sich verspürte. Der Vater begünstigte diese Neigung und der Kleine ging 



258 



Au» der Sturm uud Draug-Periode der Geographie. 



bald von de«» Abbilden der Tiere zu schwierigen Aufgaben über, machte sieh 
an das Nachmalen der großen verzogenen Anfangsbuchstaben und lernte 
auf diese Weise vor seinem 5. Jahre schreiben. Nunmehr wagte er sich sogar 
an ein auf Pergament gemaltes Heiligenbild und setzte unablässig seine Versuche 
fort, bis es ihm endlieh nach 20maligcn Anläufen gelang, eine gewisse Ähnlich- 
keit zu erzielen. Daneben bildete die Hausbibel mit ihren Erzählungen seine 
liebste Unterhaltung und zwar in dem Maße, dass er fast Tag und Nacht über 
der Bibel saß. Was er einmal gelesen, haftete in .seinem Gedächtnis. 

Als er nun in die Schule geschickt wurde, brachte er für den Schulmeister 
viel zu viel Kenntnisse mit und musste sich widerstrebend gefallen lassen, nach 
der bedächtigen Methode der Zeit noch einmal durchzunehmen, was er in einem 
Anlauf spielend errungen hatte. Außer dem Lesen und Schreiben galt es vor- 
nehmlich Kirchenlieder, Bibelsprüche und die Fragen und Antworten des Kate- 
chismus auswendig zu lernen. „Ich durfte meine Lektion nur 3- oder 4mal 
durchlesen, um sie auswendig zu wissen, und ich habe noch überdies zu Hause 
meinen Eltern, so oft es ihnen beliebte, einen Versuch mit mir zu machen, ein 
Kirchenlied von 8 — 10 Strophen, das sie mir im Buche gezeiget, wenige Minuten 
darauf ohne Anstoß aus dem Gedächtnis hersagen können. Als ich in der Schule 
mit den auawendig zu lernenden Büchern so weit gekommen war, dass nur 
noch das Kommunionbüchlein, welches in 103 Fragen und Antworten bestehet, 
übrig war, so wollte ich gleichsam zum Abschiede dieser Bücher noch eine be- 
sondere Probe meines guten Gedächtnisses an den Tag legen. Der Schulmeister 
hatte mir die 4 oder 5 ersten Fragen zum Auswendiglernen im Buche bezeichnet. 
Den folgenden Tag sollte ich sie hersagen. Seine Frau, «He nebst dreien Töchtern 
die Schularbeit mit ihm teilte, hatte diesen Tag das Amt, die Kinder recitieren 
zu lassen. Die Reihe kam endlich an mich, vor ihren Tisch zu treten. Als ich 
meine vorgegebenen Fragen richtig hergesagt und doch zum Zeichen, dass ich 
noch was darüber gelernt, nicht abtreten wollte, so fuhr sie im Fragen fort, 
und ich dagegen im Antworten und dies währte so lange, bis endlich die 103 
Fragen und also das ganze Büchlein vom Anfang bis zum Ende recitiert waren. 
Die Frau Schulmeisterin war über diese Begebenheit, die, wie sie sagte, sie in 
ihrem Leben nicht erhört hatte, ganz erstaunt. Sie nahm mich bei dem Arme 
und führte mich zu ihrem Manne, dem sie erzählte, was ich gethan habe. Dieser, 
nicht weniger verwundert, greift nach seinem Stecken und schlägt damit etliche- 
mal auf seinen Tisch. Dies ist das Zeichen, welches bedeutet, dass die Schul- 
kinder stillschweigen sollen, weil er ihnen etwas kundzumachen habe. Er fing 
also, da ich indes neben ihm stehen musste, an, nach seiner Art zu haranguieren, 
strich meinen außerordentlichen Fleiß weitläufig heraus und stellte mich zu 
einem Exempel vor, dem seine Schulkinder nachfolgen sollen. 



muss, ehe es zum Abendmahl zugelassen wird, dabei aber die zu diesem letzteren 
vorgeschriebenen Jahre noch nicht auf mir hatte, so gab mir der Schulmeister, 
weil er sonst weiter mit mir nichts vorzunehmen wusste, auf, noch eine größere 
Anzahl Kirchengesänge, Psalmen und Sprüche aus der Bibel auswendig zu 

lernen und es wird wonig fehlen, dass ich nicht dadurch sollte den ganzen 

Psalter und das ganze neue Testament in das Gedächtnis bekommen haben. 
Eine bessere Gelegenheit und bessere Umstände, als die meinigen waren, hätten 
vielleicht diese meine glücklichen Gernütsgaben auf etwas Wichtigeros lenken 
können." 

Nach dem frühen Tode seiner Eltern nahm sich der alte Bürgermeister 
zunächst des verwaisten Knaben an, als aber auch dieser bald starb, wurde 
Tobias im Waisenhause untergebracht, von wo aus er die lateinische Schule 
unentgeltlich besuchen durfte, nachdem sich bei der ungemeinen Begabung des 
Schülers mehrere Lehrer für ihn verwendet hatten. Nur in seiner Lieblings- 
wissenschaft, in der Mathematik, fand er dort keinen Unterricht. Diesen erhielt 
er von einem Artillerieunterofficier Geiger, der ihn die Anfangsgründe der Geo- 
metrie und militärisches Zeichnen lehrte. Um diese Zeit lernte er wahrscheinlich 
bei Geiger einen anderen Liebhaber der Mathematik kennen, den Schuhmacher 
Gottlieb Daniel Kandier, der ebenfalls eine besondere Vorliebe für Mathematik 




Ana der Sturm- und Drang-Periodu der Geographie. 



259 



und allerhand mechanische Künste besaß und sich sogar gelegentlich mit 
Kupferstechen und Holzschneiden befasste, auch kleine Instrumente, wie Trans- 
porteure u. rlgl. verfertigte und vom Magistrat zu Esslingen zu Vermessungen, 
Kissen und Berechnungen gebraucht wurde. Mit diesem originellen Kopf schloss 
nun Tobias eine Art wissenschaftlicher Freundschaft. Er erzählte in Göttingen 
später: „Mein Schuster und ich passten gut zusammen; denn er war ein Lieb- 
haber der mathematischen Wissenschaften und hatte Geld, um Bücher zu kaufen, 
aber keine Zeit, um sie zu lesen, er inusste Schuhe machen. Ich hatte dagegen 
Zeit zu lesen, aber kein Geld, Bücher zu kaufen. Er kaufte also die Bücher, 
welche wir zu lesen wünschten, und ich machte ihn des Abends auf das Merk- 
würdigste in den Büchern aufmerksam." 

Nach seiner Konfirmation blieb Mayer nämlich noch mehrere Jahre in Ess- 
lingen und verdiente sich seinen Lebensunterhalt, indem er des Tages über 
Unterricht in Geometrie und Feldmessen gab, abends aber bei seinem Schuster 
saß und studierte. Allein Kandier, welcher auf einem Knie Wolfs Anfangsgründe 
der Mathematik und auf dem andern seinen Schuh liegen hatte, verdarb beinahe 
alle Schusterarbeit über seinen Studien und hatte seiner Liebhaberei wegen viel Ver- 
druss mit seiner hinkenden Hausfrau. Später gab er auch wirklich die Schuhmacherei 
ganz auf und starb zuletzt als Fundenhausvater oder Waisenschulmeister in Esslingen. 

Geiger hatte Mayers Ehrgeiz zu erwecken gewusst und ihm die lockende 
Aussicht eröffnet, dass er bei seinem Fleiß und seiner Begabung noch eine 
Officiersstelle beim schwäbischen Kreise erringen könnte. So setzte er un- 
ermüdlich seine Studien fort. Er las gewöhnlich bis um 2 Uhr nachts und hatte 
sich für sein Licht ein Gestell verfertigt, von welchem dasselbe, wenn er wider 
Willen einschlafen sollte, in eine darunter stehende Schüssel mit Wasser fallen 
und auf diese Weise auslöschen inusste. Wenn seine Schüler, die sich der Ar- 
tillerie widmen wollten, schon genug gelernt zu haben glaubten, sobald sie Ka- 
nonen, Bomben, Lafetten u. dgl. hübsch zeichnen und illuminieren konnten, so 
gieng er für sich weiter und ruhte nicht, ata bis er auch gelernt hatte, den 
Weg zu berechnen, den eine unter einein gegebenen Winkel abgeschossene Kugel 
oder Bombe zu nehmen hätte. — In seinem 16. Jahre verfertigte er einen 
ziemlich genauen Grundriss von Esslingen, der 1739 zu Augsburg in der Größe 
eines halben Bogens in Kupfer gestochen wurde. Zwei Jahre später veröffent- 
lichte er seine erste Schrift: „Neue und allgemeine Art, alle Aufgaben aus der 
Geometrie vermittelst der geometrischen Linien leicht aufzulösen u. s. w. Als 
Erstlinge an das Licht gestellt von Tob. Mayer, Mathein. Cultor." Die Vorrede 
ist unterzeichnet: „Esslingen, den 17. Febr., als meinem 19. Geburtstage, 1741." 
Bald darauf inusste er aus Esslingen flüchten. Er hatte nämlich, nachdem er 
sich bei einem Corps von Reichstruppen, das durch Esslingen kam, vergebens 
um eine Anstellung bemüht hatte, mit einem Alters- und Gesinnungsgenossen, 
namens de Witt, verabredet, heimlich in holländische Dienste zu gehen. Um 
weniger Aufsehen zu erregen, wollten beide an verschiedenen Tagen abreisen. 
Witt ging zuerst, kam aber nur bis Cannstatt und wurde wieder eingeholt. 
Als man von ihm sein Einverständnis mit Mayer erfuhr, sollte dieser bestraft 
werden. Diesem Schimpf zu entgehen, entwich er heimlich aus der Stadt und 
kam nach manchen Abenteuern, die vorzüglich aus seiner Unerfahrenheit und 
Dürftigkeit entstanden, in Augsburg an, wo er in der Pfeffel'schen Landkarten- 
ofticin seinen Unterhalt fand. Er verkehrte auch fast täglich mit einem damals 
anerkannten Mechaniker Georg Friedrich Brander, mit dem er die durch Prof. 
Hase besonders empfohlenen geographischen Projektionen studierte. 

Seine Fortschritte in der Mathematik beweist namentlich sein „Mathe- 
matischer Atlas, in welchem auf 60 Tabellen alle Teile der Mathematik vor- 
gestellt worden von Tob. Mayern, Philomath. Augsburg, 1745." Fol. Mit 

Leichtigkeit vervollkommnete er seine Sprachkenntnis; so dass ihm die englisch, 
französisch, italienisch oder lateinisch geschriebenen Werke keine Schwierigkeit 
bereiteten. Das Latein hatte er schon auf der Schule derart gepflegt, dass sein 
eleganter Stil später allgemein bewundert wurde. In Augsburg beschäftigte ihn 
zuerst auch eingehender die mathematische Geographie. Um diese Zeit machte 
Joh. Michael Franz bekannt, dass er gegen gute Bezahlung geschickte Karten- 



260 



Methodik nuri Unterricht Her Geographie . 



Zeichner suche, die nach Prof. Hases Tode die Karten nach der stercograph. 
Projektion einzurichten und nach dein Meridian v. Ferro zu normieren hätten. 
Diesem Rufe, welcher ganz seinen Neigungen entsprach, folgte Mayer und trat 1746 
in die Uomann'sche Officin ein. (Schlug* folgt.) 



Methodik und Unterricht der Geographie. 



Die Geographie auf den sächsischen Realgymnasien nach dem 

Gesetz von 1884. 

Seit Ostern 1884 arbeiten die sächsischen früheren Realschulen I. Ordnung 
und jetzigen Realgymnasien nach einem neuen Lehrplane, welcher im wesent- 
lichen dem der preußischen Realgymnasien angeschlossen worden ist, um un- 
seren Abiturienten die bisher hie und da verweigerte Zulassung zu den Univer- 
sitäten und den technischen Hochschulen des großen Nachbarstasites zu sichern. 
Von den zu diesem Behüte getroffenen Änderungen hat besonders die Aus- 
dehnung der Lehrzeit der Realgymnasien auf 9 Jahre mit der Berechtigung 
dieser Anstalten, die Schüler bereits nach deren vollendetem 9. Lebensjahre auf- 
zunehmen, auch im Kreise der zunächst interessierten Lehrer, welche seit Jahren 
um eine derartige Gleichstellung mit den Gymnasien petitioniert hatten, große 
Befriedigung hervorgerufen. Weit auseinandergehend sind dagegen die Ansichten 
betroffs der neuen Verteilung des Lehrstoffes, welche immerdar um möglichst 
vollständigen Anschluss au den preußischen Lehrplan zu erzielen, uns eine weit 
intensivere Pflege des Lateinischen, vornehmlich auf Kosten des Deutschen, der 
Geographie, der beschreibenden Naturwissenschaften und der Chemie, zur Pflicht 
gemacht hat. Wir gedenken nun nicht auf die Frage einzugehen, ob diese letzten 
Änderungen segensreich zu werden versprechen, auch nicht die fatale Perspektive 
zu beleuchten, welche sich unserem Schulgesetze, dem zweiten seit dem Jahre 1876, 
eröffnen würde, wenn in dem noch immer schulgesetzlosen Preußen es dem 
nächsten Kultusminister gefallen sollte, für die preußischen Realgymnasien einen 
neuen Lehrplan zu verordnen, sondern wollen lediglich die Stellung des erd- 
kundlichen Unterrichtes auf den Realgymnasien in den Lehrplänen der säch- 
sischen Gesetze von 1876 und 1884 erörtern. 

Von vornherein nun müssen wir bekennen: Wir sehen trauernd zurück 
auf das, was wir verloren; denn bis zu Ostern 1884 erfreute sich die Geographie 
auf den sächsischen Realschulen I. Ordnung einer Pflege, von der wir glaubten 
annehmen zu müssen und zu dürfen, sie werde in kurzem auch an den Real- 
gymnasien des großen ßruderataates zur Geltung gelangen. Durch alle Klassen 
unserer damals acht? tutigen Realschulen hindurch war die Erdkunde mit je 2 
Lehrstunden bedacht und ihre Bedeutung wurde auch dadurch voll gewahrt, 
dass ihr bei den mündlichen Maturitätsprüfungen Raum nnd dieselbe Zeit ge- 
geben war, wie den übrigen Prüfungsfachern. Die Verteilung des Lehrstoffes 
war so getroffen, dass die gesamte politische Geographie im weiteren Sinne 
in 2 Kursen, von VI. bis IV. und von III. bis I. B, behandelt und zugleich die 
Kiemente der mathematischen und physischen Geographie eingeprägt wurden. 
Der Oberprima blieb eine eingehende Besprechung der beiden letztgenannten 
Zweige der Erdkunde und allgemeine Repetition überlassen. So war denn durch 
das Gesetz von 1876, im wesentlichen dem von der damaligen pädagogischen 
Sektion des Ver. f. Erdkunde zu Dresden ausgearbeiteten und dem Ministerium 
übergebenen Entwürfe entsprechend, dem geograph. Unterrichte an den säch- 
sischen Realschulen 1. Ordnung eine Ausdehnung und ein Inhalt verliehen, dass 
bei Rücksichtnahme auf unseren damals achtjährigen Schulkursus dem geographie- 
freundlichen Sinne der Lehrplan als Ideal erscheinen musste; die Einführung 
der neunjährigen Schulzeit aber hätte demselben den Stempel der Vollendung 
aufdrücken können, wenn auch die neugeschaffene Klasse mit 2 Stunden geo- 
graphischen Unterricht» beglückt und die so gewonnene Lehrzeit einem Abriss 
der Geschichte der Geographie und des Ganges der allmählichen Erforschung 
der Erdräume gewidmet worden wäre. Um solchen Preis hätte es sich wol selbst 



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Methodik und Unterricht der Geographie. 



verschmerzen lassen, wenn die Zahl der geographischen Lehrstunden in den 
untersten Klassen, die ja ohnedies dem Alter der Schüler nach heruntergesetzt 
worden sind, auf nur eine pro Woche normiert worden wäre, wie dies mit der 
Geschichte geschehen ist. 

Das Gesetz von 1884 aber hat, dem Uniformismus zuliebe, unser Ideal 
zertrümmern müssen: es hat die Zahl der Geographiestunden ver- 
mindert und die Erdkunde aus dem Lehrplane der beiden Primen 
und aus der Reihe der Fächer gestrichen, in welchen der Abi- 
turient zu prüfen ist. 

Das Gesetz von 1876 wies der Geographie im ganzen 16 Stunden zu, das 
von 1884 gewährt ihr nur 14, und zwar so, dass auf die Klassen VI. bis II. A 
je zwei desselben kommen: dabei ist jedoch noch sehr zu bedenken, dass, da 
die Berechtigung zur Aufnahme früher an das vollendete zehnte Jahr geknüpft 
war, jetzt aber neunjährigen Knaben verliehen ist, thatsächlich noch ein volles 
Jahr dem geographischen Unterrichte verloren geht, die Zahl der gesamten 
Geographiestunden also gegenüber dem früheren Lehrplane um 4 gesunken ist. 
Wurde die Heimatskunde, als unterste Stufe der Erdkunde, in der 3. Klasse 
der Bürgerschule, von unten auf gerechnet, begonnen, so hatte der Schüler bis 
zur Vollendung des Realschulkursus früher 10 Jahre lang geographischen Un- 
terricht, während er bei derselben Anfangszeit jetzt nur 8 Jahre lang solchen 
genießt, ohne dass die Stundenzahl in den einzelnen Jahren eine größere ge- 
worden. Und dazu fallt noch ganz besonders schwer ins Gewicht, dass der 
Verlust der vier Stunden dem Unterrichte in der Erdkunde die beiden obersten 
Klassen, also die an Intelligenz und Charakter am meisten ausgereiften Schüler 
entzogen hat, bei deneu man für den schwierigeren Lehrinhalt der Erdkunde, 
besonders der mathematischen und physischen Geographie, regeres Interesse und 
geklärteres Verständnis fand. 

Diese Verminderung der Lehrstunden hat notwendigerweise auch die Min- 
derung des Unterrichtsstoffes herbeiführen müssen. Erfahrungsgemäß nimmt 
die zweimalige Durchsprechung der gesamten politischen Geographie nebst der 
Einprägung der einfachsten Grundbegriffe der mathematischen und physischen 
Erdkunde die den sieben Klassen von VI. bis II. A angewiesene Lehrzeit voll- 
auf in Anspruch, so dass kaum Zeit zu der vom Gesetze gewünschten allgemeinen 
Repetition bleiben dürfte. Diese, die besonders zur Wiederholung des seit III. ß 
nicht mehr zu besprechenden Deutschland sehr wünschenswert ist, sowie die 
früher mit der I. A behandelte, auf die Kenntnis der allgemeinen Erdkunde zu 
gründende speciellere Vorführung der mathematischen und physischen Geographie 
sind also thatsächlich in Wegfall gekommen, während im Gegenteil eine Er- 
weiterung des geographischen Unterrichts auf das Gebiet der Geschichte der 
Erdkunde und der Entdeckungsreisen hätte erfolgen sollen. 

Die Thatsache, dass in Sachsen die Geographie zu den obligatorischen 
Fächern der mündlichen Reiseprüfung gehörte, war unser Stolz, und wir hielten 
und halten an der Überzeugung, dass diese Berechtigung der Geographie zum 
Gedeihen und zu dem seiner Bedeutung entsprechenden Ansehen des erdkund- 
lichen Unterrichtes auf unseren höheren Schulen unbedingt notwendig sei, un- 
beirrt fest, obwol wir auf geographischen Kongressen bei preußischen Kollegen 
und selbst bei der Geographie wolgesinnten preußischen Realgymnasial-Rektoren 
noch kein Verständnis für unsere Forderung fanden. Wol hat das sächsische 
Gesetz von 1884 die Bedeutung unseres Lehrfaches dadurch in den Augen der 
Schüler hochzuhalten gesucht, dass es die Aufnahme der bei der Versetzung 
nach Unterprima für geographische Kenntnisse ertheilten Censur in das Maturitäts- 
zeugnis anordnete: doch wird diese Maßregel, auch wenn sie durch Betonung 
und strenge Censierung der geographischen Leistungen beim Abschlüsse der 
Obersecunda gestützt werden sollte, dem geographischen Unterrichte nie den 
sicheren Boden schaffen können, den ihm die Beseitigung von der Reifeprüfung 
geraubt hat. 

Obgleich nun unser neuer Lehrplan der Erdkunde sich nach Möglichkeit 
hat dem Muster der preußischen Cirkularverfügung vom März 1882 fügen 
müssen, so hat er Hoch einiges Abweichende zu seinem Heile gewahrt. 



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2G2 



Methodik und Unterricht der Geographie. 



Es ist bekannt, das« auch jener letzte preußische Ministerialerlass trotz 
aller Proteste der Geographenversammlungen wie der hervorragenden preußischen 
Fachgenossen die unglückselige Verquickung der ihrem Wesen nach durchaus 
naturwissenschaftlichen Erdkunde mit der Geschichte dekretiert hat; von diesom 
fundamentalen Jrrtume hat sich die sächsische Gesetzgebung auch bei ihrer 
letzten Äußerung frei gehalten, indem sie die Geographie als völlig selbständige 
Disciplin hinstellte. Und aus dieser principielt anderen Auffassung ergab sich 
eine von der preußischen wesentlich verschiedene Verteilung des Lehrstoffes. 

Der preußische Lehrplan ordnet an 



Klasse 


VI 


V IV 


III B 


III A jllßjllA 


I B 


I A 




für Geschichte 
u. Geographie 


3 


3 


4 


4 


4 


3 


3 


3 


3 


Stunden 



und setzt voraus, dass in den untersten Klassen die Geographie, in den oberen 
nur mit 3 Stunden bedachten Klassen aber Geschichte bevorzugt werde, so dass 
thatsächlich von II. B an der Erdkunde nur eine Stunde zuerteilt erscheint; 
wenigstens gestaltet sich, wie die klagenden Stimmen der Geographielehrer all- 
gemein versichern, das Verhältnis auf den preußischen Schulen so, ja zumeist 
soll in den oberen Klassen die Erdkunde ganz in der Geschichte verschwimmen 
nnd jedenfalls, auch wenn die einstündigen Repetitionen in den obersten Klassen 
festgehalten werden sollten, ohne Einfluss auf die Censur bleiben, welche die 
Geschichte allein bestimmt. Dem gegenüber ist es nur froh zu begrüßen, dass 
unsere Regierung, — bewogen durch ihre Abneigung, die Erdkunde mit der 
Geschichte zusammenzuwerfen, wie durch die Überzeugung, das« mit einer 
Stunde in der Woche besonders in den oberen Klassen ein wichtiges Lehrfach 
sich nicht fordern lasse, — dem geographischen Unterrichte auf den Real- 
gymnasien eine feste Grenze gesetzt, bis zu derselben aber genügende Zeit ge- 
währt hat. Der sächsische Lehrulan gestaltet sich nämlich folcenderm allen für 



Klasse 


VI 


V 


IV 


HIB 


III A 


IIB 


IIA 


I B 


I Apmi 


Matnrität* 

examen 


Geschichte 
[Geograph. 


1 


1 


2 


2 


2 


2 


2 


2 


2 | IG 

i 


• 


2 


2 


2 


2 


2 


2 


2 




nein 



während das Gesetz von 187G verordnet hatte für 





VI 


V 




IV 




III 


IIB 


IIA 


I B 


I A 


Summa, wozu 
nuoh t St. lllT 
KltsiucmtAnwhul. 


Maturitäts-I 
examen 


Geschichte 


2 


2 


2 


2 


2 


2 


2 


2 


10 


i a 


Geograph. 


2 


2 


2 | 2 


2 


9 


2 


o 


IG (-f 2) 





Aus der ersteren Tabelle erhellt, dass die Geschichte auch im neuen säch- 
sischen Lehrplane weit besser bedacht ist als die Geographie, welche ihr an 
Umfang, Vielseitigkeit, Bedeutung und Einfluss doch mindestens gleich, wenn 
nicht überlegen ist, — während bisher beide Fächer auf unserer Schule gleich- 
gestellt waren. Und diese Degradierung der Erdkunde fällt wundersamerweise 
gerade in eine Zeit, die von Tag zu Tage mehr unsere Literatur mit geographischem 
Materiale füllt und täglich das Interesse jedes Zeitungslesers für die verschiedensten 
Punkte der Erde und die mannigfachsten geographischen Verhältnisse in Anspruch 
nimmt, also immer höhere Anforderungen an das geogr. Wissen jedes Gebildeten stellt. 

Der Schreiber der vorliegenden Bemerkungen steht, wie er unlängst öffentlich 
hat bezeugen können, aus vollster, durch längeren und wiederholten Aufenthalt 
im Auslande nur noch gestählter Überzeugung auf dem Boden, welchen die 
großen Ereignisse der letzten Jahrzehnte dem Deutschtum geschaffen nnd begrüßt 
mit aufrichtiger, warmer Sympathie jede weitere Einigung der deutschen Staaten 
innerhalb der gegebenen Grenzen; er weist deshalb im voraus jede etwaige Ver- 



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Besprechungen. 2f">3 

dächtigung zurück, als sei er durch allzuengherzige Gesinnung zu seiner Klage 
getrieben worden. Lediglich die Begeisterung für seine Wissenschaft und sein 
Lehrfach hat ihn bewogen, die Feder zu ergreifen, und zwingt ihn zu beteuern, 
dass die Wiedergewinnung, bez. der Weiterausbau des früheren, nun verlorenen 
Lehrplanes die Hoffnung der Lehrer der Geographie an den sächsischen Real- 
gymnasien bleiben müsse und bleiben werde. Wenn irgendwo auf dem Gebiete 
des Unterrichtes, so wäre hier „berechtigter Partikularismus" am Platze gewesen. 
Noch im März des vergangenen Jahres konnte der bekannte und wohlangcßehene 
Professor Egli in Zürich, die traurige Stellung der Geographie im Schweizer Lehr- 
plaue geißelnd, in einer officiellen Eingabe äußern: „Wie ganz anders z. B. im 
Königreich Sachsen, das seit Errichtung des geographischen Lehrstuhles in 
Leipzig in allen seinen Realschulen die Geographie bis in die Prima und in die 
Maturitätsprüfungen hinauf eingeführt hat ! Das ist nicht Moder der Vergangenheit, 
das ist Hauch der Zukunft." und einen Monat später, — da lag auch in Sachsen 
der geographische Unterricht wieder im -Moder der Vergangenheit." 

I»r. Oskar Schneider (Drewleii). 



Besprechungen. 

A Bibllographr of Ptolemr's «eography. By Justin Winsor. — Library of Harvard University. 
ßibliographieal Coutributious. Nr. 18. Kcpnblishecl from thc Bulletin of Harvard University. 
Cambridge, Mass. 1884. 42 88. Lex. 8«. 

Einzelne große nnrdamerikanische Bibliotheken veröffentlichen alljährlich iu ihren Zuwachs- 
Verzeichnissen, wie 0» auch die große .Stockholmer Bibliothek thut, bibliographische Arbeiteu ihrer 
Beamten. Die Hanard University Library gibt dieselben außerdem noch besonders unter dem Titel 
„Bihliographical Coutributions u heraus, so dass sie auch denjenigen Interessenten zugänglich werden, 
welche ihr Bulletin uiebt beaiohcn. Mit dieser neuesten Nummer der Contributious nun hat Winsor, 
der verdienstvolle Bibliothekar jener Universität, wieder etwas sehr Nützliches geschaffen. Denn 
Woltersdorf 8 Repertorium der Land- und Seekarten, das eine genaue Aufzählung der Karten- 
Ausgaben das IHolemaeu* enthält, (nicht Waltcrsdorf, wie Winsor 1. c. p. 41 schreibt), erschien 
bereit« 1810, will auch schon dem Titel nach nur Karten berücksichtigen. Schweigers Handbuch 
der klaasischen Bibliographie wieder enthalt nichts als ein uaktes Verzeichnis der Ausgaben und 
Cbcrsetzuugen, ohne irgendwelche Heschreibuugeu und ohne Angaben der Aufbewahrungsorte der 
selteneren Ausgaben. Es stammt aus dem Jahre 1830 und ist deshalb zum Teil veraltet. Nicht 
besser ist Nobbü Literatura Geographiae Ptolemaceae, enthalten iu Programma quo Schola Nicolaitana 
Lipsiensis ... sacra auniversaria . , . 1838Heurici Bliimueri ...innnvandis...houoribus. ..obeuuda iudicit. 
Lelewel endlich gibt iu seiner Geographie du moyen Ago T. 2. auch nur eine Aufzahlung der Text- u. Karten- 
Ausgaben. Wiusor's Arbeit hat also, wie wir weiter uuteu sehen werdeu, und wie es in der Natur der Sache 
liegt, vor allem die größere Vollständigkeit für sich. Bibliographisch genau gibt sie die Titel und 
die Kolophous wieder. Dazu folgt bei jeder Ausgabe die geuaue Beschreibung derselben, freilich 
sicher zum Vcrdruss vieler Gelehrten, wie alle Wiusor'scbcn Arbeiten, in englischer Sprache. Da 
aber I'toleinacus 8chrift doch nicht nur die klassischen Philologen, sondern auch die Geographen 
und Kartographcu angeht, so hat Winsor, der auch den Katalog der Kohrscheu Sammlung alter 
Laudkarten im diesjährigen Harvard University Bulletin veröffentlicht, sein Augenmerk auf die 
Karten der Ptolciuaeus-Ausgaheu gerichtet, von denen Nobbe gar nichts, Schweiger weuig, uud 
Lelewel nicht viel mehr zu berichten wissen. Ferner gibt er an, in welchen Bibliotheken der 
Vereinigten Staaten sich die einzelnen Ausgaben befinden, uud dies allein wäre der Erwähnung 
wert. Ist es doch soweit gekommen, Jass der Forscher mit Bestimmtheit darauf rechneu kauu, die 
größten Kostbarkeiten, die mancher großen deutschen Bibliothek fehlen, iu uordamerikauiscbeu 
Bibliotheken zu finden. Da ist die älteste lateinische Übersetzung, die nach Lelewel Isc. 207. nicht 
14bü, sondern 1482 gedruckt sein dürfte, in der Carter-Brown'schen Sammlung, die von 1475 sogar 
in drei verschiedenen, und so geht es bis zu 6 uud mehr Exemplaren einer Ausgabe fort, nur 
ganz wenige sind angeblich nicht iu norrlamorikanischcii Bibliotheken vorhanden. Endlich ist jeder 
Ausgabe unter der Rubrik „Referonoes" eine Angabe der Werke beigefügt, in welchen ihrer speciell 
Erwärmung gethau wird, und zu welchen Preisen sie verkauft worden ist Eine solche Bibliographie 
inusa jedem Fachmanne Freude bereiten. 

Die Anlage der Winsor'schcn Arbeit ist einfach chronologisch, so dass griechisch«- Ausgaben, 
Übersetzungen und bloße Karten-Ausgabeu untereinander stehen. 

Während Schweiger 4 griechische Ausgaben, Nobbe b und Lelewel ö keunl, verzeichnet 
Winsor 8, nämlich Basel 1533, Pari» 1&46, Frankfurt 1606, Leyden 1818—1619, Paris 1838, 



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264 



Besprechungen. 



Essen 1838-1845 (nicht 1832— 1813, wie Wiusor hat), Leipzig 1843—1845 (nicht, wie Winsor hat 
1843, und auch nicht iu 2 Bauden, wie Winsor und Lelewel angeben, sondern in 3; auch nicht 
ohne Karten, wie es bei Lelcwel heißt, sondern mit 1 Karte in To raus 3). Entgangen ist Winsor 
Cl. I'toleniaei Geographia e codieibus recognita, prolegomcnis annotatione, etc. instruxit C'arolus 
Müller. Vol. L pars 1. Paris 1883. Lex. 8. 

Von Übersetzungen kanuten Schweiger 25 lateinische, 4 italienische, 1 portugiesische ; Nobbe 33 
lateinische, 13 italienische (incl. Titel- Auflagen), 1 französische, 1 portugiesische; Lelewel 33 lateinische, 
5 italienische; Winsor gibt folgende au: 

'.Vi Lateinische: Bnlogua 1462 (resp. 1482), Vicenxa 1475, Rom 1478, Bologna 1480 (Vj, Floreuz 
14*1 <?>, Ulm 1482, Ulm i486, ohne Ort 1500 (V), Rom 1507, Rom 1608, Venedig 1511, Krakau 1512, 
Straßburg 1513, Nürnberg 1514, Krakau 151», Straßburg 1520, Straßbnrg 1522, Nürnberg 1524 (Vj, 
Straßburg 1525, Paris 1527 Ci), Venedig 1528 (?), Lyon 1535, ohne Ort 1538 (?), Köln 1640. 
Kasel 1540, Köln 1541, Basel 1541, Vieruie 1541, Basel 1542, Venedig 1543 r?>, Itasei 1545, 
Hase! 1552 (bei Nobbe folgt hier Ingolstadt 1553), Basel 1555, ohne Ort 1559 Venedig 1562, 
Venedig 156* <?), Venedig 1575 (?), ohne Ort 1582 (?), Köln 1584, Venedig 15%, Löwen 1597, 
zwei Ausgaben Köln 1597, Löwen 1598, Donai 1603, Frankfurt 1605, Köln 1608, Ley den 1618—1619, 
Frankfurt 1624, Essen 1838—45. 

8 Italienische : Venedig 1548, Venedig 1561, »wei Ausgaben ebenda 1564, und je eine 1574, 
1598, 155», Padua 1620—1621. 

3 Französische: Douai 1607, Douai 1611, Paris 1828. 

Auffallend ist, das« Winsor die bei Schweiger und Nobbe vorkommende portugiesische Über- 
setzung des ersten Buches des Ptolemaens vou Pedro Nnues, Lissabon 1537, uicht keimt. Dieselbe 
soll enthalten sein iu Nuues, Tratado da sphaera. Außer diesen Ausgaben und Übersetzungen de» 
Textes findet man bei Wiusor uoch die Ausgaben der Tafeln allein behandelt, dereu Schweiger 
uur «wei kenut. iiftmlich Köln 157K, Utrecht 1695, Amsterdam 1730, und einige fragliche. Zahl- 
reiche ausfuhrliche Exkurse Uber alte Karten macheu die Arbeit Winsors zu einer für die Karto- 
graphie höchst wichtigen. 

Dresdeu. • - Richter. 

(iustav Wcnz, Atlas zur Landkarteu-Entwnrfslehre. Für Freunde, Lehrer nud Studierende der 
Erdkunde uud Kartographie gezeichnet uud mit Erläuterungen uud Konstruktions-Tabellen 
versehen. Gr. 4°. München, Max Kellerer 1885. 

Dieses zweckmäßige Werkeheu gibt eiue willkommene Übersicht von Erdausichteu iu deu 
wichtigsten Projektionsarten, nebst kurzer nnd bündiger Anweisung zur Konstruktion und den dazu 
erforderlicheu Tabellen für die Koordinaten, beziehungsweise die Azimute und Mittabstände der 
Kugeluetzpunkte vou 10 zu 10". Die Einteilung iu I. Plattkarteu, II. Polarkarteu, III. Meridiau- 
projektion, IV. Horixontalprojektion, V. Kogelprojcktion mit der Unterabteiluug von II. bis IV. iu 
perspektivische, nicht perspektivische und konventionelle — ist zwar vom logischen Standpunkt 
nufechthnr, hat aber den Vorteil, mit den leicht koustruierhareu Netzen zu beginnen. Iu der Aus- 
wahl des Dargohoteueu ist der Verfasser vielfach den vom Referenten in seinem Leitfaden der 
Karteuentwurfnlchro aufgestellten Gesichtspunkten gefolgt. Nur tritt im ganzen die Rücksicht auf 
die Herstellung vou Karteu kleinerer Ländorgebiete etwas zurück gegeu die Abbildungen der ganzen 
Erde, was vom didaktischen Standpunkte zwar das richtige, aber der vorwiegenden praktischen 
Absicht des Werkchens minder entsprechend ist. 

Den Schluss bildet ein gauz gedrängter Abriss der Lehmann'schen Schraffenmanier. — Die 
Tabelleu scheinen sorgfältiger korrigiert zu »ein als der Text, doch fällt in Tab. XIX. für X — 45" 
3 — 70° die fehlerhafte Zahl 0,7544 statt 0,4544 in die Augeu. 

Jedenfalls bildet der Atlas mit seineu 35 gut gezeichneten Darstellungen eine erwünschte 
Ergänzung zu allen kurzen Leitfaden uud Lehrbüchern der Projektiouslchre, die meist einer aus- 
giebigen Illustrieruug entbehren. /«. 

Major Alexander von Mechow, Karte der Kuango-Expedltion, aufgenommen und gezeichnet vom 
Führer derselben. — Maßstab 1 : 81200. 25 Bl., Übersichtsblatt und Titelblatt mit Erläu- 
terungen. Autographie und Druck v. W. Greve, Berlin. In Kommission bei D. Reimer. 
Preis M. 60. 

Dieses Prachtwerk ist das im Maßstab der Originalaufuahme wiedergegebene Resultat vou 
Major von Mechows Reise vou Dondo am Kuanza nach M alange und vou da zum Kuaugo, 
Nowie der Beschaffung dieses großen Kongo -Tri bntärs bis zum fünften Breitengrade. Über deu Verlauf 
der Reise hat der Führer selbst kurzen Berieht abgestattet in den Verhandlungen der Gesellschaft 



Besprechungen. 



265 



für Erdkunde zu Berlin Bd. 9 (1882) 8. 475, während seine einjährigen höchst gewissenhaft durch- 
geführten meteorologischen Beobachtungen zu Mulang«, von .1. Hann bearbeitet, in den Sitzungs- 
berichten der Wiener Akademie (II. Abt. Bd. 89 (1884), 8. 189) erschienen sind und gegenwärtig 
das wichtigste Stück unserer Kenntnis innorafrikanischer Meteorologie bilden. Die vorliegende Karte, 
welche mit facsimileartiger Treue die Originalzeichnung wiedergibt, betrachtet aber Major von Mechow 
als das Hauptergebnis seiner Reise, und in der Thtat zeigt sie, dass ihr Autor eine ganz hervor- 
ragende Fähigkeit und Fertigkeit für topographische Aufnahme und Zeichunng besitzt, die sich hier aufs 
glänzendste bewähren. Obwol die Aufnahme sich unr auf eiuen schmalen Torrainstreifen beiderseits 
des Weges erstrecken konnte, der nur dadurch etwa« erbreitet ist, dass Hin- und Klickreise meist 
auf verschiedenen, doch benachbarten Wegen ausgeführt wurden, so gibt die Karte do/ch eine 
deutliche Vorstellung von den dortigen Terrainformen und gestaltet eich in Oegenden, wo der 
Reisende länger verweilt und die Umgegend durchstreift hat, wie st. B. um die Mündung des Casubo 
in den Kuango und die Fälle des letzteren Stromes, zu (Blatt 15) einem geradezu brillanten 
Terrainbild. 

Die Neigungsverhältnisse sind durch braune Kreideschummerung. Flussebenen in hell grünem 
Ton dargestellt Im Strom ist das Fahrwasser angegeben. Die Breite ist in Sehritten, die Tiefe in 
Füßen augegeben. Bewachsene und vegetationslose Inseln sind durch grüne und gelbe Farbe unter- 
schieden. Orte, wo astronomische Breitenbestimmungen stattgefunden haben, sind durch Unterstreichen 
hervorgehoben. Die Schrift ist geschmackvoll und deutlich. Die absoluten HKhenverhältnisse werden 
durch »ahlreich eingeschriebene Zahlen verdeutlicht, welche Referent aus den Aneroidbeobachtniigen 
des Reisenden berechnet hat. Dare Zuverlässigkeit, die sich namentlich in dem sehr befriedigenden 
Verlauf der Zahlen längs dem Flusslauf ausspricht, ist eine höhere, als sie sonst bei ähnlichen 
Reisen zu sein pflegt; nicht nur weil der Reisende vor und nach der Reise sein Aneroid wochen- 
lang bei den verschiedensten Temperaturen mit dem Qnecksllberbaromcter zu Malange, welches 
als korrespondierende 8tation benutzt ist, verglichen hat, sondern auch namentlich deshalb, weil 
er an jedem Rastort sein Aneroid stündlich, ja oft halbstündlich abgelesen hat, so dass zufällige 
Ablesungsfehler fast ganz ausgeschlossen sind und jede HöhenziiTer aus einem ganzen Beobachtnngs- 
satz gefolgert ist. 

Die auf den Weg von Dondo bis Malange bezüglichen Blätter 1 bis 7 zeigen eine recht 
befriedigende Übereinstimmung mit Seh Otts Darstellung dieses Wegs, weniger mit seiner in 
grüßorem Mallstab ausge führten ersten Karte in der Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu 
Berlin Bd. 13. Taf. VII., als vielmehr mit der mehr verkleinerten oder detaillierteren und verbesserten 
Darstellung in derselben Zeitschrift Bd. 15 Taf. VL und 8. 241 ; nur ist zu bemerken, dass Schutts 
Htthenzahlen hier wie überhaupt zu hoch sind, aber auch Mechows HfiheuinesBuugen auf diesem 
Wegstück viel weniger zahlreich und zuverlässig sind, als auf -der Reise von Malauge zum Knang» 
und zurück. 

Die Karte wird für spätere Reisende auf und an dem Kuango ein unschätzbarer Führer 
sein. Ihrer allgemeineren Benützung und Verwertung steht der Umfang uud der dem entsprechende 
Preis im Wege. Hierfür wäre es wünschenswerter gewesen, wenn die Karte zur Veröffentlichung 
etwa auf den halben Maßstab redueäert worden wäre, was ohne EiubuJe an Detail hätte geschehen 
können, wodurch die Blattzahl auf 8 bis 10 hätte beschränkt werden können. Eine möglichst 
detaillierte Reduktion der Karte auf ein einziges Blatt wäre eine dankenswerte Aufgabe. 

Zb. 



Literaturbericht. 



Der Mascaret 
Von P. Andriee. 

An don Mündungen gewisser Flüsse, x. B. des Amazon enstromes, der Seine, Carotine etc. 
tritt eine Erscheinung auf, die bis jetzt noch nicht in allen Punkten vollständig erklärt ist. 

Wenn die Flutwelle vom Meere her in die Mündungen der betreffenden Flüsse eindringt, so 
fällt diese Wello zuweilen in ihrem vorderen Teile mehr oder weniger steil ab, so dass zwischen 
der Oberfläche dor herandringendeu Flutwelle und dem Niedrigwasser des Flusses gewissermaßen 
ein sprungweiser Niveauunterschied stattfindet. Es besteht also ein wesentlicher Unterschied zwischen 
der Oestalt dieser 8prungwelle und der gewöhnlichen Ocstalt der Flntwelleu. Die in Rede stehende 
Erscheinung tritt besonders stark auf dem Amaaoneiistrom auf, wo sie den Nameu Pororoca führt, 
während in Frankreich für die Seine das Wort Barre, für die Oaronne uud Dordogne das Wort 
KrttUr-, Ztittchrifr. V. zw. iy 



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Liter atnrbericht. 



Mascaret Üblich ist. In unseren deutschen Flüssen ist diese Erscheinung nicht bemerkbar, woher 
es kommt, dass wir in unserer Sprache kein eigeues Wort dafür besitzen. Man könnt« sie Flut- 
brandung nennen; da aber eine Brandung nicht notwendigerweise uud nicht immer damit verbunden 
ist, so scheint da« Wort 8pmug- oder Sturzwelle den Bogriff des Wortes Mascaret seiner Bedeutung 
nach am tiosteu wiederzugeben. 

Es dürfte aber auch für deu deutschen Leser von einigem, wenn auch aar rein wissenschaft- 
lichen Interesse seiu, etwa» über die Entstehungsnrsachen dieser Sprungwelle und die sie begleitenden 
Erscheinungen zu erfahren. 

Da die Spruugwello in deu deutschen Flüssen nicht auftritt, so ist es erklärlich, dass in 
tiusereu Werken ill.er die Fluterscheinungeu diene Frage nicht eingehend erörtert und nur gelegentlich 
gestreift wurde, andererseits alter natürlich, dass mau in Frankreich derselben mehr Interesse zu- 
wandte, da sie dort auch praktisch eine Rolle spielt, indem die Sprungwelle s. R. au der Seine 
mehrfach größere Verheerungen angerichtet hat. Sehr eingehend und ausführlich ist nun diese Frage 
von Herrn Comoy in desseu Werk: Etüde pratique siir 1c* man'-«* fluviale» et notammout sur le 
mascaret, Paris, Gauthier- VUlars 1881, behandelt worden.' i 

Die folgenden Betrachtungen Uhor die Sprangwelle basieren ansschliefilich auf den Entwick- 
lungen und Ansichten dos Verfassers obigen Werkes. — 

Die Sprungwelle tritt nicht iu allen Flüssen auf, in Frankreich ». B. zeigt sie sich nie in 
der Loire oder im Adour, wol aber in dor Seine, der Cbarente, Garoune und Dordogne. Sie tritt 
auch in diesen Flüssen uur bei einer bestimmten Fluthöho auf und die Häufigkeit ihre* 
Auftretens innerhalb eines Moudmouats ist nicht immer dieselbe. Auch variiert diese Häufigkeit 
von einem Flusse zum anderen bedeutend. Ferner ist die Hohe der Sprungwelle bei Fluten gleicher 
Starke verschieden, ja sie verschwindet zuweilen ganz. In demselben Flusse und während derselben 
Flut hat die Sprangwelle je nach der Beschaffenheit des Flussbettes aehr verschiedene Höhen. 
Diese Höhe, bei dem Beginn des Phänomens gering, wächst während einiger Zeit und nimmt dann 
allmählich ab bis zum Verschwinden. In gewisaeu Flüssen beträgt die größte Höhe nur einige dm. 
in anderen steigt sie auf » bis 3 m. Im Ganges und Amazonenstrom hat man dagegen viel größere 
Höhen, 5 bis 6 tn und darüber beobachtet 

Die Entfernung von der Flnssmündung, in welcher die Sprungwelle auftritt, ist nach der 
Beschaffenheit des Flusses sehr verschieden. Bei einigen Flüssen beträgt sie nur einige hm, bei 
anderen beträgt sie 70 bis 80 km. Unter gewissen Umständen steigt die Sprungwelle rasch zu 
großer Höhe au, unter anderen wächst dieselbe langsam bis zu ihrem Höhenmaximum. Ist dieses 
Maximum aber erreicht, so nimmt die Höhe beim Fortschreiten ftussaufwärts stetig ab. Die Sprung- 
welle hört gewöhnlich auf zu wachsen iu dem Momente, wo Hochwasser an der Flnssmündung 
stattfindet oder einige Zeit vor diesem Moment; sie nimmt dann an Höhe mit mehr oder weniger 
großer Geschwindigkeit ab und verschwindet, bevor die Flutwelle die Grenze ihre« Fortachreitens 
innerhalb des Flussbettes erreicht hat. Die Sprungweite nimmt fast immer die ganze Breite deH 
Flusses, von einem Ufer zum anderen ein, zuweilen, aber selten, ist ihre Höhe an dem einen Ufbr 
größer als an dem anderen. Gewöhnlieh schreitet hei der Sprungweite das Wasser an den Ufern 
schneller voran ala in der Mitte, so dass der vordere Rand der Welle eine Kurve bildet, deren 
Konkavität flusaaufwärts gerichtet ist Pflanzt sich dieselbe in genügend tiefem Wasser fort, so ist 
ihre Oberfläche immer glatt (ohne Brandung) ; erreicht sie dabei eine große Höhe, so bietet sie den 
Anblick einor gehobeneu Welle, in welcher mau deutlich eine kräftige Beweguug des Wassert nach 
dem vorderen Ende derselben bemerkt (Wasserrolle oder Gusswelle genannt). 

Sobald die Tiefe des Flusswasaes unter eiue gewisse Grenze herabgeht, hört die Stabilität 
der Sprungweite auf und geht in Brandung über. 1 ) 



') In diesem sehr klar und fast zu ausführlich gehalteneu Werke wird im ersten Kapitel die 
allgemeine Wellentheorie iu elementarer Weise eingehend behandelt; dann folgen 3 Kapitel, die 
dem speziellen Studium der Flutwellen und Flutströme, im offenen Meere sowol als in den Fluss- 
mündungen, gewidmet sind, während der übrige Teil de* Werkes fast ausschließlich die Erscheinung 
des Mascaret, die Ursache desselben und endlich noch den Einflnss der Korrektionsarbeiten an den 
Flussmündungnn auf die Fluterscheinungen innerhalb derselben erörtert. Außerdem sind dem Werke 
noch 10 Karten in einem besonderen Atlas beigegeben, die wesentlich znr Verdeutlichung der auf- 
gestellten Theorien uud Entwicklungen beitragen. 

*) In Betreff dieser Brandung hat Bazin experimentell gezeigt, daaa durch Einführung einer 
gewissen Wassermenge in eiueu Kanal mit ruhigem Waaser eine Strömung entsteht, die in ihrem 
vorderen Teile vollständig der Sprangwelle gleicht und die ihre glatte und abgerundete Oberfläche 
nur so lange beibehält, bis ihre Höho »/» der Waasertiefe des Kanal» erreicht. Bei größerer Höhe 



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Literaturhericht. 



L>67 



Nach dem Vorüborgaug der Sprungwelle tritt unmittelbar uiue bestimmt« Erhöhung de« Niveaus 
über da« ursprüngliche Niveau des Niedrigwasser« ein. An deu Ortou, wo die Spruugwelle ihr 
Maximum erreicht und auf einer Strecke, die von der natürlichen Beschaffenheit de« Fluwbettes 
und der Höhe der Meeresflut abhängt, übertrifft diese« Maximum die Höhe der folgenden Flutwelle. 
80 erhob sich, 19. September 1876, die Sprungwelle zu Caudebec au der 8eine bis xn 2.17 fft über 
Niedrigwasser, wahrend hinter derselben die direkt folgende Flut nur eiue Höhe von 1.47 m erreichte. 
Hat aber die Flutwelle den Ort ihrer Maximalhöhe überschritten und nimmt an Höhe ab, so erhebt 
sich ihr Niveau nicht mehr über dasjenige der unmittelbar folgenden Flut. 

Die Sprongwelle ändert indessen ihre Gestalt während ihres Laufes je nach der Tiefe und 
Breite de« Flussbettes, Verengt sich das Flussbett, so nimmt ihre Höhe zu. im umgekehrten 
Falle nimmt ihre Höhe ab; sie kann gänxlich verschwinden bei einer starken Erweiterung des 
Bettes, doch erscheint sie wieder, wenn dasselbe seine frühere Breit« auuimmt. In gleicher Weise 
nimmt die Höhe ab, bei zunehmender Tiefe des Bettes. 

Nach dieser kurzen Schilderung der Haupteigcnschafteu der Spruugwelle oder Flutbrandung 
möge nun die Ansicht des Verfassers über die Ursache derselben folgen. 

Größerer Einfachheit und Klarheit wegen erscheint es zweckdienlich, sich der mathematischen 
Ausdrucks weise zu bedienen. 

Es bexeichue t die Zeit, während welcher die Flut an der Flussmündung um die Höhe C 
steigt, v die mittlere Geschwindigkeit des Flutstromes au der Mündung während der Zeit t, S deu 
mittleren Querschuitt an der Mündung, der vom Wasser in der Zeit t benetzt wird, D die mittlere 
Entfernung von der Mündung bis zu dem Orte, wo die Umkehrung des Ebbestromes in den Flut- 
strom (Flutwechsol) stattfindet, L die mittlere Breite des Flussbettes auf der Strecke 1), so findet, 
wie leicht einzusehen, die Gleichung statt: Svt = DLC In derselben siud die GröOen S, D und L 
für den betreffenden Fluss während der betrachteten Zeit t konstant und es können sich nur v nnd 
C indem. Daher sind zwei Fälle möglieh, indem Svt größer oder kleiner als DLC sein kann. 
Iu der Natur muss obige Gleichung aber immer stattfinden. Dieselbe wird nun verwirklicht, 
wenn die Zunahme C der Höhe der Flut an der Flußmündung sich auf der Strecke 
D ändert. Ersetzen wir sie durch die veränderliche Größe A. A und v müssen nun derart 
variieren, dass immer Svt = DLA ist. In den Fällen, wo keine Sprungwelle auftritt, sind 
die Größeu C und A einander gleich. Infolge der Konfiguration des Flussbettes kann aber eine 
der obigeu Ungleichheiten auftreten und die Natur bat das Bestreben, dieselben sofort wieder xu 
beseitigen. Teilen wir noch den Flutstrom innerhalb des Flussbettes (die Strecke D) iu annähernd 
gleiche Teile und nennen die vordere Hälfte Vorderflut, die hintere HinterfluL Sei uuu Svt größer 
als DLC; dann muss zur Herstellung der Gleichheit, da auch Svt — DLA sein soll, A größer 
werden als C. 

Das Volumen Svt, welches die Hiuterflut vom Meere her iu der Zeit t empfängt, ist aber 
jetat größer als dasjenige, welches in dem Falle C = A zugeführt wird ; denn wir nahmen eben 
DLA größer als DLC an. Ist dagegen Svt kleiner als DLC, so muss im Gegenteil A kleiner sein 
als C, damit die Gleichung Svt = DLA stattfinde und die vom Meere während der Zeit t einströmende 
Warenmenge ist kleiner als iu dem regelmäßigen Falle, wo A — C ist. Wir haben also 3 Fälle 
zu unterscheiden : A = C, A > C und A <^ C. 

Die Gestalt der Oberfläche der Vorderrlut hängt offenbar vou der mehr oder weniger großen 
Wassermsnge ab, die während der Zeit t durch die fortschreitende Wellenbewegung der Hinterflut 
nach der enteren hingedrängt wird; sie hängt also ab von der mehr «»der weniger großen Höhe 
der Flut im Flussbett und variiert mit der Zunahme A der mittleren Höhe der Flut, während der 
Zeit t und in demselben Sinne. Folglich hängt die Gestalt der Vorderflut von dem Werte A iu 
der Zeit t ab. Den regelmäßigen Fall, wo A — C, können wir hier übergehen-, dagegen interessiert 
uns besonders der Fall, wo A > ('. Diese Beziehung deutet an, dnss am Endo der Zeit t die Ober- 
fläche der Hinterflut eine höhere Lage hat als bei dem regelmäßigen Falle. Wie wir oben gesehen, 
sind aber für A ^> C, die vom Meere durch den Flutstrom herbeigeführten Wassermengen beträchtlicher 
als im Falle A — C. Die Flut gelangt also mit einer größeren Höhe am hinteren Ende der Vorder- 
flut an, ergießt also auch eine größere Wassennenge nach derselben hin, mit anderen Worten, 
die Oberfläche derselben steigt. Diese Hebung kauu sich aber nicht so rasch auf der ganzen Strecke 
der Vorderflut geltend machen, uro deren Niveau insgesammt gleichmäßig zu heben; denn obwol 

der Welle tritt Braudung ein. überdies hat Bazln gezeigt, dass bei Brandung die Fortpflanzungs- 
geschwindigkeit zunimmt: dies erklärt aueh das Voraneileu des Wassers an den Ufern des Flusses 
oder die konkave Gestalt des vorderen Teiles der Flntbraudung infolge der abuehmenden Tiefe 
das Flusswassers. 




Literaturbericht. 



■las raschere Wachsen der Hühe eine größere Fortpflanauugsgoschwiudigkoit bedingt, so kauu »ich 
dieselbe indessen doch nicht bit zur äußersten vorderen Welle des Fiatstromes unmittelbar erstrecken. 
Diese hat nämlich mit der ihr entgegenkommenden FluBaströmuug und dem in der Regel stärkeren 
Gefälle des Flussbettes nach dem Meere hin zu kämpfen. Es muss also ein mehr oder minder 
plötzliches Steigen des Wassers in der Nähe des vorderen Randes der Flutströmung eintreten, 
wodurch eben die sogenannte Spruugwelle entsteht, die nach vom steil abfällt. An denjenigen Stellen 
der Flutströmung innerhalb des Flusses, wo die Grüße A rascher wächst als C, muss also das 
Wasser infolge der größeren Wassertiefe rascher flussaufwärU strömen als die vorderste Welle der 
Flut, die, wie schon erwähnt, mit mehreren Hiudernisscu au kämpfen hat. Diese höhere Wasserschicht 
gleitet also gleichsam auf dem Rücken der vorderen Flutströmung mit größerer Geschwindigkeit 
dahin uud fällt dort, wo sie das vordere Endo der flussaufwärts dringeuden Flut erreicht, mehr 
oder weniger steil ab. Die Uauptbedingung zur Bildung der Sprungwelle bildet demnach der größere 
Wert von A gegenüber C. Diese raschere Zunahme der Höhe der Flussflut im Vergleich aur Zunahme 
der Höhe der Meeresflut (C) in der gegebeneu Zeit t wird durch die naturlichen Zustände des Fluss- 
bettes (*. B. Vcrenergung desselben) bedingt. Als unmittelbare Ursache der Sprungwelle und als Folge 
des größeren Wertes von A tritt nun eine größere Fortpflanzungsgeschwindigkeit eiu, als sie der 
Kopf der FlntstrÖinung besitzt und damit entsteht gewissermaßen eine Extraströmuug, die an ihrem 
vorderen Ende sprungweise endigt. 

Die Spruugwelle ist also das Mittel, welches die Natur auweudet, um «wischen der vom 
Meere her innerhalb einer gegebenen Zeit in den Fluss gedrängten Wasserraengo und dem Volumen 
der Vorderflut währeud dersnlbon Zeit die Gleichheit herzustellen, die in der Natur immer existieren 
muss und welche die natürlichen Zustände des Flussbettos zu stören strebten. 

Betrachten wir jetzt noch den Einfluss der Säude (Sandbäukc, ßarrenj au duu Flussmilndungen 
auf deu Verlauf der Sprungweite. Sind die Säude höher als das Niveau des Niedrigwassers, so 
tritt das Hochwasser nicht mit Beginn der steigeuden Flut, sondern erst in dem Momente, wo dieselbe 
sich über das Niveau des durch diu Säude zurückgehaltenen Niedrigwassers des Flusses erhebt, 
iu den Fluss ein. Diese Verzögerung des Eindringens dor Flut in deu Fluss uud die geringe Tiefe 
des Flussuicdrigwassers Uber deu Bänden wirken zusammen dahin, den Wert von D (mittlerer Ent- 
fernung von der Mündung bis zur Stelle des Flutwechscls) zu verringern mach ein und derselbou 
vom Augenblick des Niedrigwassers des Meeres gerechneten Zeit). Im Gegensatz hierzu wird durch 
das verzögerte Eindringen der Flut die Zunahme des benetzten Querschnittes S an der Mündung 
größer, indem die Höhe, um welche die Flut iu einer gegebeneu Zeit au der Mündung steigt, wegen 
der siuusoidaleu Form der Kurve der Meeresflut rauchet- zunimmt. Infolge dessen muss der Zuwach« 
A der mittleren Höhe der Flut in derartigen Flussbetten einen größereu Wert annehmen, damit die 
Gleichung Svt = DLA bestehe. Durch ähnliche Schlüsse gelangt mau zu dem Renultate, das« auch 
im Falle, wo die Sände sich nicht bis zu dem Niveau des einer Hochflut folgenden Niedrigwassers 
erheben, die successivon Wert« von A zunehmen, obgleich in geringerem Grade als im vorigen 
Falle. Bei Flüssen ohne solche Hindernisse nehmen allgemein die successiven Zuwächse von A 
geringere Werte an. Die Sprungwelle entsteht immer innerhalb dos Zeitraumes, der begrenzt ixt vou 
dem Momente, wo die Flutwelle in den Fluss ciuzudringeu beginnt und demjenigen, wo das Hoch- 
wasser an der Mündnng anlaugt. Verschiedene Umstände sind von Einfluss auf die Werte von A. 
Hauptsächlich ist es aber die Beschaffenheit der Flusamündung, vou der die größeren oder kleiuereu 
Werte von A abhängen. Im allgemeinen kann man sagen, dass die Beziehung A > C sich immer 
bei Hochfluten in denjenigen Flüssen realisiert, deren Mündung durch Sände versperrt ist. Doch 
tritt die Sprungwelle auch iu Flüssen mit freier Müuduug auf, wie r.. B. in der Garouue uud 
Dordogne. In solchen Fällen tritt dieselbe aber immer an derselben Stelle auf und zwar dort, 
wo das Flussbett sich stark verengt oder stark an Tiefe abnimmt. Diese Slello ist deshalb 
auch weiter von der Mündung entfernt uud beträgt diese Entfernung 70 bix 80 km in der Garonno 
und Dordogne. 

Zum Schlüsse möge noch auf einen Unterschied hiugewieseu werden iu Betreff der Wellen. 
Der Verfasser obigen Werkes unterscheidet wesentlich die sogenannten Traaslatiouswelleu von den 
Oscillationswellen. Unter Trauslationswelle versteht er eine Welle, die nur aus einem fortschreitenden 
Wellenberge ohne entsprechendes Welleuthal besteht, währeud die Oscillationswello aus Wellenberg und 
Wellenthal besteht Erstere Welle wird hervorgerufeudurvh seitlichen, horizontalen Druck und 
schreitet iu der Art fort, dass der Wellenberg eiue Erhebuug Uber das Niveau des ruhigen 
Wasser* bildet, ohne dass die entsprechende Senkuug uuter dieses Niveau eintritt. Bei der Trans- 
lationswelle entspricht also der Erhebimg der eiuzelueu Wa.«»ermoleküle Uber das Niveau des 
ruhigen Wassers keine Senkung uuter dieses Niveau, bei der Oscillationswelle dagegen liegt das 
Wallenthal tiefer nU das mittlere Niveau de« ruhigen Wassers uud beschreiben die einzelneu Moleküle 



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Literatlirbericht. 



2«ü 



Kreise oder mehr oder weniger langgestreckte Ellipsen. Wahrend also hier jede« Molekül infolge 
dieser Bewegung sich bald über das Niveau des ruhigen Wassere erhebt, bald darunter sinkt, rindet 
bei der Tramlationa welle eine derartige kreisförmige oder elliptische Bewegung nicht statt, sondern 
nur eine annähernd horizontale Verschiebung vorwärts und rückwärts, wobei jedoch eine kleine 
Erhebung und Senkung in vertikaler Sichtung notwendig ist. 

Die Spruugwelle bildet nun der Hauptsache nach eine solche Trauslatiouswelle, die entsteht, 
wenn das bei Hochflut vom Meere her in den Fluss dringeude Wasser au denjenige Stellen des 
Flussbettes, wo eine starke Abnahme der Breite oder der Tiefe stattfindet, einen gewissen Druck 
in horitontaler Richtung ausübt, so das« das dort momentan befindlichen Wasser rasch steigen 
(A > C) und als Wellenberg sich fortpflanzen muss. 



Die Insel Ssachalin nach J. S. Poljäkow's Reisen in den 

Jahren 1881-1882. 

Referat und beigegebenes Literaturverzeichnis von Dr. Eduard Petrl (Bern). 

Seit geraumer Zeit ist bereits die Aufmerksamkeit der Forscher auf Ssachalin gerichtet und 
dennoch ist die Insel wenig bekannt. Es sind die Küsten befahren worden, hie und da das Innere 
berührt, aber an einer umfassenden nnd grundlegenden Arbeit hat es bis jetat gefehlt Die Insel 
ist außerordentlich unwirtlich und schwer zugänglich. Sic besitzt für den Moment noch immer 
keine besondere Anziehungskraft in praktischer Beziehung, auch wissenschaftlich geht ihr eine 
höhere oder selbständigere Bedeutung ab. Ssachalin steht in allen Hinsichten dem nächstliegenden 
Kontinent verwandtschaftlich nahe. 

Wenn es sich auch hieraus erklären lässt, warum die an und für sich zahlreichen Beobach- 
tungen über Ssachalin einen wenig erschöpfenden und zumeist nur gelegentlichen Charakter tragen, 
so glauben wir doch, dass es in der Gegenwart nicht unmöglich sei, dass Ssachalin su einer her- 
vorragenden Bedeutung gelange. Nicht dadurch allerdings, dass die russischen Verbrccherkolonieu 
sich von Jahr su Jahr vermehren und Ssachalin auf diese Weise Sibirien ersetzen würde, auch 
nicht durch Ausbeutung der Steinkohlenlager. Wie wir das gelegentlich früher nachgewiesen haben, 
ist Ssachalin durch seine Natnrverhältnisse keineswegs >ur Aufnahme einer größeren Bevölkerung 
geeignet, die Ausbeutung der Steinkohlen könnte aber nur dann in Betracht kommen, wenn die 
Kommunikation im Inneren verbessert und bedeutende Hafenbauten angelegt werden würden; 
gegenwärtig kostet die Ssachaliner Kohle in Wladiwostok circa 7'/, Dollar per Toune, die 
australische daselbst nur 5 Dollar. Wohl aber besitzt Ssachalin einen unennesslichen Reichtum 
in den Fischereien, die su den größten der Welt gehören. Die Zukunft Ssachalin» liegt in der 
richtigen Ausnutzung dieses Reichtums. Die Ausnutzung der Fischereien erfordert die Aufhebung 
der nur unter grollen Opfern aufrecht su haltenden und die einzige mögliche Entwiekelung der 
Insel hommenden Verbrecherkolonien. 

Für diese unsere Ansicht gewinnen wir eine mächtige Stütze In der uns vorliegenden durch- 
aus objektiven und wissenschaftlich gehaltenen Arbeit des russischen Naturforschers J. S. Poljäkow, 
der sich bereits früher durch eine Reihe vorzüglicher Forschungen und Reisen im europäischen nnd 
asiatischen Russland hervorgethan hat. •) 

Die Reise Poljäkows, mit Unterstützung der kaiserlichen russischen Oesellschaft ausgeführt, 
hatte hauptsächlich den Zweck im Auge, suverlässige Angaben über die Kulturfahigkeit der Insel 
namentlich im Interesse der erwähnten Verbrecherkolonien zu erlangen, gleichzeitig aber auch 
eingehende Studien über die Naturverhältnisse und die einheimische Bevölkerung su machen. Im 
Laufe der 14 Monate, die PoljKkow auf Ssachalin verbracht hatte, gelang es ihm, einen Theil der 
Westküste, anf welchem sich die hervorragendsten Kolonien koncentrieren, näher au studieren, dann 
machte er eine Reise auf dem Tymistrome zur Ostkiiste, speciell um die Schiffbarkeit dieses 
Stromes und die Geeignetheit seiner Mündung, sowie der Bucht Nyi für den Aufenthalt von 
Schiften kennen su lernen, was bei dem Hafenmangel Ssachalin« allerdings eine Aufgabe von 
gröflter Wichtigkeit war; eine dritte Reise auf dem Poronaj <ur Bucht Terpenjad, von dort sum 
Posten K*rsakow war den Studien der südlichen Hälfte der Insel gewidmet. 

Am 14. Juni 1S61 stieg Poljäkow, nachdem er seine Reise auf dem „Nischnij-Nowgorod" 
zurückgelegt hatte, dessen specielle Beschäftigung es ist, die Deportierten nach Ssachalin su 
schaffen, bei Port Dui ans Land. Den Eindruck, den die Küste auf ihn gemacht hatte, nennt Pol- 

•) J. 8. Poljäkows Reisen auf der Insel Ssachalin 1881-82, erschienen als Beilage su 
den „Isventija Imperatorskago Gcographitacheskago Obscbtscbestwa." St. Petersburg, 1883 (russisch). 



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270 



Notizen. 



jikow io Übereinstimmung mit allen übrigen Reisenden «inen „düsteren und unfreundlichen." In 
I>ui, das bei geringen Räumlichkeiten stets überfüllt Ist, fand l'oljäkow nirgends Aufnahme; er 
wurde nach Alexandrowsk gewiesen, das sicli etwas nördlicher von Dui befindet. In Alexandrowsk 
befindet sich ebenfalls eine Verbrecherkolonie, der jedoch bis zu einem gewissen Grade der Charakter 
einer Besserungsanstalt zukommt: hier werden die Sträflinge, die sich in den Kohlensechen oder 
hei Kanal- und Wegbauten in Dui gut aufgeführt haben, relativ freier gehalten und mit Landwirt- 
schaft, auch mit Anlagen von Orfiben, Kanülen und Wegen beschäftigt. 

Die Exkursionen, die von Poljäkow längs den in den tatarischen Golf mündenden Flüssen 
Duika oder Alexandrowka unternommen wurden, belehrten ihu, dass der Boden in dem Alexan- 
drowscben Thale in agrikulturer Hinsicht von nur sehr geringem Werte war. „Auf Anhöhen oder in 
weiteren Strecken hat die Humusschicht nie eine genügende Massigkeit, um ein Aufpflügen nicht 
etwa mit einem Pfluge, sondern mit dem einfachen russischen Hakenpflng („Ssocha"), ohne dass 
auch der lehmige Untergrund berührt werde, zu gestatten." Schon das Äußere der Humusschicht 
zeigt, dass sie in feuchtem Klima und in Wäldern sich ausgebildet habe, nicht iu üppigen Graa- 
fschen. Kino ähnliche Bodenbeschaffenheit existiert in den entlegenen Winkeln de» Gouvernements 
Olonetx, wo noch jetzt der Waldbrand zum Zwecke der Bodenkultur ausgeübt wird. Aber selbst 
ein derartiger Raubbau wäre hier nicht gut möglich: auf den Höhen ist der Anbau Äußerst 
schwierig, in den Thälern und Niederungen nehmen bei dein lehmigen Untergrund und den be- 
deutenden Niederschlägen die Sümpfe überhand. Nur auf einigen Küstenabhingeu der tatarischen 
Strecke gibt es relativ beancre Stellen, die mit kleinem Gesträuch oder schönem Rasen bedeckt 
erscheinen. Größere Blume bestehen an den Küsten abhängen schlecht, indem sie allzusehr den 
Stürmen und der Kälte ausgesetzt sind; wo es derartige Bäume gibt, da ist ihre der See zu- 
gewandte Seite vollständig nackt. Die erwähnten Stelleu mit besserem Boden entsprechen übrigens 
nnr wenig der europäischen Schwarzerde und sind zudem in nur geringer Quantität vertreten. 
Derartige Wiesenstrecken an den Küstenabhängen hat Poljäkow auch fernerhin an der Westküste 
in der Richtung gegen Süden beobachten können. 

Das Thal selber zeigt nur wenig Wieeengrüude, aber umsoniehr sumpfige Strecken. Übrigens 
wird mit größter Energie an der Drainierung dieser Strecken gearbeitet, wobei die Sträflinge vor- 
wendet werden. Bei der Anlage von Kanälen erwies sich, dass unter einer 1— i / i Arschin 
(1 Arschin — - 0°7 Meter) starken Torfschiebte ein torriger Schlamm folgte, iu welchen man Stäbe 
in der Länge von einer Sascheu (eine Saschen — 2 "134 Meter) und darüber einsenken konnte. 
Eine höchst fatale Eigentümlichkeit der Flüsse der Westküste bei der tiefen Lage der Thäler 
und des geringen Falles der Flüsse ist es, dass das salzige Seewasser bei der Flut auf einige km 
hinein in den Lauf der Ströme dringt. Unbrauchbares Wasser, Treibholz, Laubfall etc. werden auf 
diese Weise weit in das Land geschwemmt, auch da« Alexandrowsehe Gefängnis wird Von dieser 
Flut berührt. 

Eine fernere Schwierigkeit in der Kultivation des Bodens liegt darin, dass eine Ausrodung 
der dichten „Paiga"-artigcu Wälder erforderlich wäre, die in unabsehlichen Strecken die Thäler 
bedecken und hauptsächlich aus Fichten und Lärchen, letztere seltener, bestehen. Hie und da sind 
diesen auch Erlen und Weiden und kümmerliche Eschen beigemischt. Der höckerige, moosbedeckte 
und sumpfige Boden, die mit Asarum Sieboldii verwaebseuen Gruben, die gestürzten faulenden 
Baumstämme machen den an und für sich dichten Wald geradezu undurchdringlich. Eine Umwandlung 
dieser Strecken in branchbares Ackerland wäre geradezu unmöglich. Jedenfalls hat die russische 
Administration anf Saachalin das Erdenklichste geleistet. Wo es nur trockeneren oder besseren Boden 
gibt, namentlich auf den Anhöhen, so auf dem linken Ufer des Flusses Alexandrowka, anf dem 
sogenannten Fried bofberg bei Klein-Alexandrowka, da wird mit aller Energie und mit gToßem 
Kostenaufwand Acker- oder Gemüsebau betriebet!. Die Zahl der Kanäle und Wassergräben ver- 
mehrt sich beständig. (Schluß folgt.) 



Notizen. 



Die Nichtexistenz einer Oxusmüiidung ins Rassische Meer 

während des Altertums. 
Von Alfred Klrchhoff. 

Albiu Kohn hat nach W. Lochtin) im 2. Jahrgang der vorliegenden Zeitschrift fS. 1H— 23) 
ei uli. Aufsatz über die historischen Veränderungen der Oxtuununduiig veröffentlicht, welcher hin- 



Notixen. 



271 



sichtlich der im Altertum obwaltenden Verhältnisse Irrtümer enthält Gründlich dieselben zu erledigen 
»ind wir erat beute in der Lage, wo uns au» der Feder des soeben nach Strasburg berufenen Prof. 
Karl .Johannes Nenmann ein Aufsatz vorliegt, der überraschende Aufklärung bringt ') 

Bekanntlich ist Herodot der erste Geograph gewesen, welcher die Natur des K aspischen 
Meeres als eines Kinnensees richtig erkannt hat. Während noch kuns vor ihm der Milesier Hekatäu* 
das „Meer der Kaspier -1 ) nach altem Herkommen für einen Teil des den Erdkreis umfließenden 
Okeanos erkUtrt hatte, spricht es Herodot mit voller Bestimmtheit (I. 202) aus: „Das Kaspische 
Meer besteht ganz für sich, unverbuudeu mit dem anderen Meere; denn das ganze von den Griechen 
befahrene Meer <d. h. Mittelmoor und Schwarzes Meer) und das sogenauute Atlantische außerhalb 
der Säuleu sowie das Uote Meer (d. h. der Indische Ocean) bilden ein einziges Meer, ein andere« 
aber ganz für sich das Kaspische." 

Was dagegen Herodot unmittelbar vor der ebeu genannten 8telle vom Oxub sagt, den er 
Araxes nennt, ist nachgewiesener Maßen eine Verwechslung mit dem armenischeu Araxes. Noch im 
letzten Jahrhundert vor Chr. stand letzterer in keiner Verbindung mit dem Kur (Kura der Russen), 
sondern ergoss sich selbständig ins Kaspische Meer, jedoch, wie Herodot sagt, nur mit einem seiner 
.vierzig" Mündungsarme, während die übrigen sich in seinem breiten Snmpfdelta verloren. Da 
Herodot ausdrücklich dies vom Araxes aussagt, der „im Lande der Matiener" entspringt, so kann 
niemand bezweifeln, dass hiermit der armenische Flus* gemeint ist, keineswegs der Oxus; wahr- 
scheinlich gaben die (persischen?) Berichterstatter Herodou dem Ozus den auch sonst mehrfach 
aU Flussbezeichnung vorkommenden Namen Araxes, und so Ubertrug der anderwärts auch in seiner 
Erkundigungsforschuug so sorgfältige Grieche irrtümlich da« auf den turani sehen Araxes, also den 
Oxus, was sieh allein auf den armenischen bezog. 

Es ist eiu arger methodischer Fehler, wenn es bei Kohn-Lochtin beißt: Herodot habe die 
ebeu erörterte Verwechslung zwar begangen und verrate hierdurch, „das* er lediglich Gerüchte über 
eine entfernte und zu seiner Zeit fast gänzlich unbekannte Gegend mitteilt," aber trotzdem dürften 
wir ihm entnehmen, „was wir auch ohne seine Mitteilung aunehmen könnten (?!), dass nämlich 
der Amur damals sieh ins Kaspische Meer und in den Aralsee ergoss." 

Vielmehr steht es ganz fest, das« man ans Herodot« Angaben Uber den armenischen Araxes 
fortan nicht das Allergeringste schließen darf hinsichtlich der Mündungsverbaltnisse des Oxus. 

Erst aus einem Fragment des Eratostheues, des größten Geographen der vorchristlichen 
Ära, enthüllt sieh uns die Ursache, wie die Alten, denen nie eine Kunde vom Vorhandensein des 
Aralsees zukam, ihre demzufolge so nahe liegende Vermutung eiuer Oxusmiinduug ins Kaspische 
Meer thatsächlich für gerechtfertigt erachten konnten. 

Strabo *) hat uns dies wertvolle Fragment aufbewahrt. Dasselbe gibt den genaueu 8tadiaamus 
der merkwürdigen Befahrung der West-, 8üd- und Ostküsten der Südhälfte des Kaspischen Meeres 
durch Patrokles an und meldet dabei nach Eratostheues : „vorüber bei den Anariaken und Mardern 
und Hyrkaueru habe die Küstenfahrt bis zur Mündung des Oxus 4800 Stadien betragen, von 
da bis zum Jaxartes 2400." 

Der verdienstvolle Rösler hat in seiner Ahbandlung „die Aralseefrage" 4 ! ganz richtig den 
Anfangspunkt dieses soeben erwähnteu Abschnittes des Patrokles'achen Peripln* auf die Müudung 
des Mardus (des heutigen Sefid-Rud der Perser, Kisil-Usen der Türken) an der Südwestküste des 
Kaspischen Meeres in Gilän bezogen. Neumann bestätigt das in seiner oben genannten Abhandlung 
durch eine eingehende Darlegung der Lokalisierung jener drei erwähnten Völker; indessen er enthüllt 
uns gleichzeitig den wunderbaren Fehler, auf Grund dessen man seit Röslers Arbeit sich von neuem 
der Ansicht hingab, dass mindestens noch zu Patrokles - Zeit, dessen Perlplu« zwischen 285 und 
282 v. Chr. fällt, der Oxus in das Kaspische Meer ausgemündet sei: Rösler hat sich tinfach 
in seinem Strabo verlesen, und unbesehen ist ihm bisher geglaubt worden, es stände in der 
von uns wörtlich angeführten Stelle nicht 4800, sondern 3800 Stadien! Nun wird jeder unserem 
Straßburger Kritiker beipflichten in folgendem Schluss: so natürlich Rösler» irrige Angabe, Patrokles 
habe die Oxusmündung 3800 Stadien entfernt vom Mardus, d. h. am Balkban-Busen gefunden, die 
Existenz einer noch damaligen kaspischen Oxuamündnng zu erhärten schien, weil ja eben dort, 

') „Die Fahrt des Patrokles auf dem Kaspischen Meere und der Lauf des Oxos." Hermes, 



„Baltisches Meer") verkrüppelt wurde, ist zwar geschichtlich noch nicht aufgeklärt, jedenfalls aber 
eine sehr moderne Sünde, deren wir uns endlich entschlagen sollten. 

3 ) Im G. Kapitel seines 11. Buches (S. 507 der Casaubonischen Ausgabe). 

*) Sitzungsberichte der phil.-histor. Classe der Wiener Akademie der Wissenseh. IM. 74 





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272 



\otl7,P!l. 



wie bekannt, die vorgeschichtliche Oxu«inündung, nämlich der Ausging des Usboj-Trockenbette« 
eich befindet, — »o klar durchschauen wir nun, dasa umgekehrt die vermeintliche Wahrnehmung 
ciuer Oxusmünduug durch Patrokles auf Augentäuschung beruhte, denn das richtige Mal, also jene 
4800 Stadien, fuhrt genau auf den Kara Bugas (den „Schwarzen Mund"), den »tromlhnlich schmalen 
Eingang in das flache Anhangsbecken des Adscbi Darja (des „Bitterwassers"), welches man miss- 
brKuchlich selbst Kara Bugas zu nennen pflegt, mithin hatPatrokles dieseEnge fKlschlich 
für eine Flussmflndung und zwar für die des O'xus gehalten. 

Wir m&chten noch hinzufügen, das* Patrokles' Annahme, der Kara Bugas sei das Ende den 
Oxus, wol auch darauf mit füllte, dasa die Linie des Oxus da, wo sie seit dem Übergang Alexander» 
des Großen (Iber den Strom {im Jahre 329) den Griechen bekannt war, gerade eine Richtung besitzt, 
welche, weiter fortgesetzt gedacht, da« Kaspiache Meer am Adschi Dana trife. Und Ihnlich denkt 
»ich auch Prof. Neumann die offenbar rein ersonnen«, durchaus nicht erfahrungsmlßig begründete 
Behauptung des Patrokles veranlasst, der Jaxartcs münde 2400 8tadien jenseits deT Oxusmflndung 
ebenfalls ins Kaspische Meer: 2400 Stadieu (444 km) liegt uXmlich die Jaxartealinie von der des 
Oxus dort entfernt, wo nie Alexander erreicht«' und sein »Äußerste« Alexandrien" (Chodachcnt) 
gründete; da man vom Aralsee nichts wusste, ließ man auch den Jaxartea sich ins Kaspiache 
Meer ergießen und zwar — in der Hoffnung, beide Ströme würden ihren Parallelisrous bis zu Ende 
einhalten — an einer um 2400 Stadien entfernteren Uferatelle! 

So fallen denn die Beweise für kaspische Zubehör der beiden turanischen Zwillingsströmc 
wahrend der geschichtlichen Zeit in nicht« zusammen: Der Sir- Darja ist stets durch die Platte de« 
Ust-Jnrt vom K aap i sehen Meere geschieden gewesen, und der Amu-Darja hat die Fühlung mit 
letzterem in unennesslich früher, vorgeschichtlicher Vorzelt verloren. 

Interessant ist schließlich noch Neumanns Nachweis der Hauptaufgabe, welcher sehr wahr- 
scheinlich Patrokles im Auftrag seines Königs bei seiner Knstenbefahrung diente. Rödler hatte sehr 
unbestimmt sich dahin ausgesprochen, Patrokles habe „eine Zeitlang auf dem Kaspischen Meer 
stationiert;" Kohn-Lochtin möchte Patrokles' Glaubwürdigkeit sogar darauf stützen, daas derselbe 
„lange Zeit in der Nähe des Amu gelebt* habe, wovon kein Mensch etwas weiß. Neumanu erbringt 
uun sehr scharfsinnig den Beweis, daas ein geographischer Entdeckungsplan, der mit Alexander 
dem Großen zu Grabe getragen worden, und der erst dnreh den Diadochen Seleukus Nikator wieder 
erwachte, unserem Patrokles zur Ausführung (Ibortragen worden sei. Als uXmlich der macedoniachc 
Feldzug, weiter als irgendein anderer der Griechen oder der Römer anf asiatischem Boden nord- 
»BtwMrU vordringend, den Jaxartea auffand, identifizierte man diesen mit dem Dou und kam nun, 
da man die Mündung des Don ins A so w 'gehe Meer kannte, auf seltsame Ideen Uber Verknüpfung 
der MXotis mit dem Meere der Kaspier im höheren Norden; dann tauchte auch wieder die alte 
Fabel vom Kaspischen Golf des erdumfangenden Okeanoa auf, und sie erhielt eine trugreiche 
Beglaubigung durch die Expedition Nearehs, welche die. Zubehör des Persischen Meeres als eines 
Golfes zum Indischen Ocean über allen Zweifel erhoben hatte. Da sandte der große Macedonler 
Herakleides, den Sohn dea Argkos, nach Hyrkanien, wo er Schiffe zimmern lassen sollte für eine 
kaspische Ausfahrt gen Norden, um festzustellen, wohin man dabei zuletzt gelange, in die MXotis 
oder in das offene Weltmeer. Das Malaria-Fieber, welches den unvergleichlichen König in der 
babylonischen Euphratniederung hinraffte, ließ diesen Plan wie so viele andere nicht zur Ausführung 
gelangen. So erneuert« denn der genannte Seleucide nach einigen Jahrzehnten das Projekt, nnd 
diesmal kam es durch Patrokles — beinahe zum Ziel. Beinahe, aber leider nicht ganz! Und was 
war die Folge? Weil die Fahrt entlang der Westküste des Meeres (wo Patrokles etwa den 
44. Parallelkreis, die Terekmüudung erreicht haben muss) ebensowenig einen Abschluss der 
Meeresflache gen Norden hatte erblicken lasten, wie die Fahrt längs der Ostküste (wo kaum der 
Eingang zum Mertwyi-Knltuk-Buaen gewonnen sein mochte, denn sonst wäre das Nichtvorhandensein 
einer JaxartesmUndnng daselbst klar geworden), so meinte Patrokles offenbar, es sei nun genng der 
Mühe, das Kaspische Meer sei ein Bnsen, welcher hier im Norden übergehe in den endlosen Ocean. 
Plinius hat uns die wichtige Notiz erhalten, Seleukus Nikator habe »ich kurz vor seiner Ermordung 
(Ende de« Jahres 281) mit dem Plan eines Kanaldurchstichs zwischen dem Kaspischen Meer und 
der MXotis getragen. Folglich hatte Patrokles' Periplus den Niohtzusammenbang beider Seeflachen 
erwiesen. Statt aber zur herodotischen Ansicht der Binnenseenatur des Ka*pi.«t'heu Meeres zurück* 
zulenken, verfiel man wieder in die Annahme der mythischen Zeit von der Golfnatur desselben. 
Erst die arabischen Geographen haben uns den Aralsee und seine Tribut&rflüsse richtig kennen 
gelehrt, erst Peter der Große offenbarte uus die wahre Gestalt des Kaspischen Meeres. 



>r. Wtulkor fc Schlckanll k. k. Hofbntt.d«ick«r Urflnn. 



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Moor und Torf in ihrer Reziehung zur sükularen Hebung und 
Senkung der norwegischen und nordwestdmilsehen Küste. 

Von Clemens KOalg iu Drenden. 

I. 

Dtlrfen wir noch von säkularen Hebungs- und Senkungserscheinungen an 
den Küsten sprechen? Daß Felsriffe, welche früher vom Meer bedeckt waren, 
emportauchen; Meeresbuchten, welche ehemals von Schiffen gekreuzt wurden, 
trocken liegen ; dass Küstenstriche in der Richtung nach der See an Breite gewinnen 
und damit Hafenplätze weit, sogar meilenweit landeinwärts schieben : — alle diese 
und ähnliche Phänomene, die wir an der norwegischen und nordwestdeutschen 
Küste sogleich kennen lernen werden, pflegt eine neuere Geologenschule als Zeugen 
einer Bewegung der starren Erdkruste zurückzuweisen und als gewichtige Pro- 
klamatoren einer Senkung des Meeresspiegels in die Wissenschaft einzuführen. 
In dieser Richtung arbeitet vor allem T r au tschol d Auch Penck 2 ) und 
Suess 3 ) plaidieren für Schwankungen und Niveauveränderungen der Hydrosphäre. 

Dagegen ist jedoch zu bemerken, daß etwas Neues und Originelles, wie 
vielfach gerühmt wird, in dieser Auffassung nicht zu finden ist; denn bereits 
vor 150 Jahren deuteten Celsius 4 ) (iin Jahre 1743) und Hell') (im Jahre 1749) 
die an Schwedens und Norwegens Küste beobachteten hierhergehttrigen Er- 
scheinungen in derselben Weise. Denn beide sprachen von einem Zurückweichen 
des Oceans. Ha lern 4 ), der auf die deutsche Küste Bezug nimmt, unterscheidet 
bereits 1794 zwei Perioden des Zurück weichens ; der erste Zurück zug, wie er 
sagte, legte den südlichen Teil des Oldenburgischen Landes (bis Wardenburg 
und Dingstedt, desgleichen die Bremer Geest) trocken und der zweite den übrigen 
Teil der Geest und Marsch zwischen da und dem Meere 4 ). 

Weiter ist bekannt, daß schon Jessen 5 ) im Jahre 1763, dann Play fair 1 ) 
im Jahre 1802 und besonders Leopold von Buch 0 ) im Jahre 1810, und zwar 
unter allgemeiner Zustimmung der Wissenschaft, soviele Thateachen gegen diese 
Theorie zu Felde führten, daß das gerade Gegenteil, die Anschauung von der 
Bewegung des Starren, den Sieg gewann. Zwar kämpfte der große Brite, 
Charles Lyell, in der ersten Ausgabe seiner „Principles of Geology" wacker 
gegen das triumphierende Expose, wie P es e hei und Lei pol dt in der „Physischen 
Erdkunde" hervorheben 5 ); allein dem großen Geologen erging es, wie unserem 
Apostel Paulus mit dem Christentume. Er, der Verfolger, ward der eifrigste 
Verteidiger, der vorzüglichste Anwalt der neuen Lehre 1 ). 

Bevor wir uns für die eine oder für die andere Theorie entscheiden, 
wollen wir unparteiisch die an der Nordseeküste Deutschlands und am atlan- 
tischen Gestade Norwegens gesammelten Beobachtungen, besonders soweit sie 
sich auf Moor und Torf beziehen, prüfen und sehen, ob aus dem Wechsel- 
verhältnis beider ein Maßstab für diluviane Zeiten abgeleitet werden kann. 

So schnell die Landverluste an der Nordsee nachgewiesen, so schnell werden 
auch Theorien und Erklärungen dafür geschaffen. Und was ist die Folge? Die 
weitverbreitete Ansicht: „ Jedes Vorkommnis von unterseeischen Wäldern und 
Torflagern — einzeln betrachtet — entbehrt der Beweiskraft für eine Senkung"*). 
Ist das wahr? Uns däucht, daß bei all den an der deutschen Nordseeküste 
in Betracht kommenden Erscheinungen dreierlei zu unterscheiden not thut. 

1. Die Nordsee gleicht einem nimmersatten Ungeheuer, welches bald langsam 
und gemächlich, bald wild und stürmisch an der Küste nagt, ohne sich jemals 
Zeiten langer Rast und Ruhe zu gönnen. Das Spiel der Wogen kommt nie zu Ende. 

Ktttlrr; Z.itthri/1 V. HJ. " JJO 



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274 



Moor und Torf. 



Unterstützt vom rhythmischen Wechsel der Gezeiten und dein wilden, regellosen 
Gange der Stürme, unterwühlen Welle auf Welle die wenig widerstandsfähige 
Küste; fortwährend reiben sie, wo sie unbehelligt gelassen, grolle und kleine 
Festlandsbrucken hinweg und zwingen endlich die oberflächliche, scheinbar 
sichere Decke mit ihren Städten und Dörfern, Wäldern und Mooren, in die 
Tiefe, in das schäumende Meer zu versinken. So kommt es, daß die Merk- 
zeichen eines festen Niveaus auf dem Meeresgründe zu finden sind. 

Geschilderter Prozeß wird von nicht wenigen Forschern generalisiert und 
an und für sich ausreichend erachtet, zu erklären, warum gegenwärtig das von 
einem Nachkommen Wittekinds erbaute Schloss Mellun im Jadebusen, die Trümmer 
der Stadt Torum auf dem Seeboden des Dollarts, der Kallas Turm unfern der 
holländischen Küste und römische Bauten westwärts von Katwyk op Zee stehen; 
dieser Vorgang ganz allein, wie ausgeführt wird, genüge, zu erklären, warum 
1421 der Hiesbnsch (72 Kirchspiele gingen unter), 1219 der Zuidersee, 
1277 der Dollart, 121 K der Jadebusen und 1634 die vielen Wasserstraßen ent- 
standen, welche die Insel Nordstrand an Schleswigs Gestade durchschneiden. 

Diese Auffassung lässt viele Fragen offen ; aber respektieren müssen wir sie 
doch solange, als die herangezogenen Beobachtungen nicht dagegen sprechen, 
ein Gedanke, den auch Grisebach 18 ) verteidigt, wenn er schreibt: „Ständen 
diese Ruinen noch aufrecht in ihrer ursprünglichen Lage, so würde eine wahre 
Senkung der Küste daraus folgen. Aber die Nachrichten, welche wir besitzen, 
sind nicht so genau auf das Wesentliche der vorliegenden Frage gerichtet: Sie 
lassen die Annahme frei, daß die Trümmer nur deswegen am Grande des 
Meeres liegen, weil der Boden unter ihnen fortgeschwemmt worden war." 

Die Anhänger der Behauptung, daß nur Sturm und Flut diese Verwüstungen 
angerichtet, können unter Hinweis auf die Karte und die Physik des Landes 
dafür Freunde werben. Wir müssen ihnen zugestehen, daß die deutsch-nieder- 
ländische Küste den südwestlichen, westlichen und nordwestlichen Stürmen 
schutzlos preisgegeben, daß der tiefeinspringende Winkel an der Elbmündung 
darauf hindeutet, daß er wesentlich durch ein Zusammenwirken von Südwest- 
und Nordweststürmen, durch die Resultante der Fluten geschaffen, welche teils 
aus dem Kanal, teils von Schottland her gleichzeitig vordringen. 9 ) Wir kennen 
Eilkers und Arends .statistische Znsammenstellungen 10 ), welche die verderb- 
liche Wirkung der von Nordweststürmen aufgewühlten Sturmfluten schildern. 

22'/ 2 Fuß, erzählen sie, hob der Nordweststurm vom 3. Februar 1825 die 
Flut über den Stand der ordinären Ebbe; das Meer durchbrach den Deich 
unweit Emden und wühlte in dessen Fuß ein Loch, welches mehr als hundert 
Fuß tief war und Bernstein in außerordentlicher Menge auswarf. Bei gewöhn- 
licher Flut hingegeu steigt das Wasser in der Ems, vom Ausfluss des Dollarts 
gerechnet, 5 Meilen, in der Weser VL, in der Elbe 16 bis 17, in der Eider 
6 bis 7 und in der Themse 11 bis 12 Meilen aufwärts. 

Auch dem Umstände widerfahre volle Anerkennung, daß Dove's") 
Drehungs-Gesetz der Winde gerade das Umspringen des Südwest in einen leider 
nur zu oft tobenden Nordwest nahe legt. 

Und trotz alledem dürfen wir die Zerrüttung und Zertrümmerung der 
deutschen Küste nicht einzig und allein auf Rechnung der geschilderten Faktoren 
setzen. Denn die britische Küste wird auch da, wo sie keiner dieser wilden 
Gesellen plagt, von denselben Erscheinungen heimgesucht, wie bei Peschel- 
Leipold*) und Hahn 9 ) zu lesen ist. Dazu kommt, daß gewisse Thatsachen der 
deutsch-niederländischen Küste entschieden eine andere Auslegung empfehlen. 

Im 13. Jahrh. verband sich der Zuidersee mit dem Meere, und dieses 
hatte zur Folge, daß die Nachbarprovinzen des neu entstandenen Meerbusens zum 
erstenmale umdeicht wurden. Diese Deiche sind somit zugleich Grenzwall und 
Schutzwehr für das damalige aus der Fluthöhe hervorragende Binnenland. 
L' E p i e n ) beweist uns, gestützt auf das einstimmige Zeugniß der niederländischen 
Schriftsteller jener Zeit, daß die innerhalb des sicher verwahrten Gebietes an- 
gelegten Schfeußen daßelbe ausreichend entwässerten. Im Jahre 1450 genügte 
das System nicht mehr; es wurden deshalb die ersten Schöpfmühlen aufgestellt, 



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Moor und Torf. 



275 



und ein Flutmesser fixierte das Niveau des Wassers. Von Zeit zu Zeit 
wurde der Sommerpegel erniedrigt. Im November 1732 führte l'Epie mehrere 
zuverlässige Pegelablesungen aus, deren Resultat dahin lautete, dass das Binnen- 
wasser bei Enkhuisen selbst zur Zeit der höchsten Flut 6 Fuli 5 1 /« Zoll Amsterd. 
Maß niedriger stehe, als das Außen wasser, welches gerade infolge des östlichen 
Windes um 7 Zoll unter dem Niveau der gewöhnlichen Flut zurückgeblieben. 
Auf Grund dieser Thatsachen berechnete l'Epie, dass das Land innerhalb der 
Deiche von Enkhuisen seit 1450 (bis 1732) um mehr als 7 Fuß gesuuken sei, 
und an dieser Senkung ist noch nicht gezweifelt worden *). 

Daß dieser Senkungsbetrag nicht von einem Unterwaschen der Küste durch 
das Meer etc. abzuleiten ist, dürfte selbstverständlich sein. Vielmehr suchten und 
fanden die niederländischen Forscher mit l'Epie die Erklärung hierfür in der 
Entwässerung des Bodens, resp. in dem Zusammensinken der Alluvionen; sie 
theoretisierten weiter : Je mächtiger die unter der Oberfläche liegende und durch 
Alter, Verwesung und Trockenstellung zusammenfallende Dargschicht ist, desto 
größer der Effekt der Senkung; derselbe ist abhängig von der Anzahl der 
thätigen Schleußen und Schöpfmühlen, von der Lage und Beschaffenheit der 
Marsch, resp. des Substrates derselben. 

So ansprechend diese Gedankenfolge erscheint, frei von fehlerhaften Prä- 
missen ist sie doch nicht. Oder ist Darg verwester Torf? Warum sind seine 
obersten Lagen fest und schwer und die unteren leicht und schwammig? Ist das 
nicht ein schlagender Beweis für die Unrichtigkeit der Annahme, daß diese 
Torferde durch Alter und Zusammendrücken kompakter werde? Ist es nicht 
merkwürdig, daß die Erniedrigung des Landes auch da beobachtet wird, wo 
der Boden nur aus Kloi besteht, aus einer Erdart, bei welcher an ein Zusammen- 
pressen, wie bei dem dargigen Boden, durchaus nicht zu denken ist? Merkwürdig 
fürwahr, daß auch da das Erdreich gesunken, wo Flüsse und Bäche laufen und 
der Ilimmel aus dem spiegelblanken See schaut! Dazu kommt, daß diese 
Erklärung auf das Terrain meerwärts der Deiche erst recht nicht passt. Dieser 
Ansicht gemäß müsste sich hier der Boden strotzend mit Wasser füllen, besonders 
wenn er Darg führt, und ein zu beobachtender Hebungseffekt müßte den ehemaligen 
Senkungsbetrag parallelisicren. Im Binnenland sind ähnliche Verhältnisse be- 
obachtet worden 1 *). 

All' diese Bedenken zwingen uns, auch in den Senkungsbeträgen für Ost 
friesland, welche Reinhold und Prestel 1 *) mitteilen, in der Thatsache, daß 
von den 043 Quadrat-Meilen Hollands beinahe 42% i. 268 Quadrat-Meilen) 
unter dem Meeresniveau liegen, und endlich hinter den von Arends mit großem 
Geschick ermittelten und von Guthe wiederholten Zahlen, 14 ) daß von den 91,76 
Quadrat-Meilen verloren gegangenen Marschbodens innerhalb des Landes zwischen 
Flandern und Jütland nur 46,438 Quadrat-Meilen zurückerobert wurden, — 
all' diese Bedenken' und Angaben zwingen uns, hierin noch die Wirkung eines 
dritten Faktors zu verspüren. Wir denken dabei nicht an die Erfolge, welche 
der Mensch im Kampfe mit dem Meere davontrug, sondern an ein Nieder- 
schweben des Landes im Darwinischen Sinne, an eine säkulare Senkung echter Art. 

3. Von der Scheide bis nach Schleswig, wie bereits l'Epie 12 ) und Tetens 1 «) 
sagten, begraben überall längs dem Strande mehr oder minder mächtige See- 
Alluvionen Torf- oder Dargflötze. Die Mächtigkeit des Hangenden veranschlagt 
Arends "), gestützt auf zahlreiche Bohrungen und Brunnen-Ausschachtungen, auf 
4 bis 10 und mehr Fuß. Die größte Tiefe, wie auch G risebac h 1 *) und Prestel u ) 
bestätigen, befindet sich zu Campen unweit Emden und beträgt 44 Fuß d. h. 
genau so viel, als die größten Höhen der Geest innerhalb der Küstenprovinzen ; 
denn die größten Erhebungen, im Neupfalzdorfer Moor bei Aurich und in der 
Provinz Drenthe gelegen, messen 40%, resp. 50 Fuß ü. d. M. ; dagegen liegen 



*) In Holland, Frie*1aud und Hannover ixt ex nicht xo, wie an der Oxtxee, wo Hagen aus 
den l'egelablesuugeu für eine geringe Hebung, Schumaun und Heren dt eher für eine Senkung und 
Seiht für eine Konstanz der Höhenlage der Ontxe« plaidieren. Vgl. Schumann, Geolog. Wan- 
derungen durch Altpreuflen. Königsberg 18f»i), p. 16H f. Hereudt, iu deu Sehriftou d. phya.-oeun. 
Oe*. in K.lnigaberg 18GH, p. 131 ff. - Seiht, da« Mittelwasser der Ostsee bei Swiuemflnde. l'nbl. 
d. kttnigl. 1'reuB. OeodÄtixohcii Instituten. Herlin 1SS1. \>. 40, 81. 



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27(> 



Moor und Torf. 



der Weserspiegel bei Bremen nur 17'/t Fuß (c. 5 m) und der Emsspiegel bei 
Meppen nur 31'/, Fuli (e. 9 m) it. d. M. 

Du, wohin P 1 i n i u s die Wohnungen der tischenden Chauken verlegt, auf 
den Hügeln eines weiten, während der Flut Überschwemmten, während der Ebbe 
trockenen Landstriches, hier, auf den Warfen im Watt, finden wir nach A r e n d s ") 
in der Richtung von oben nach unten folgenden Schichtenverlauf: 

10 bis 14 Fuß Klei, d. i. Lehmboden der Marsch (vgl. das Englische clay). 
2 „ 3 „ Knick, d. i. eine feste, saure, von Eisenoxvd gebundene, 

an der Luft in Pulver zerfallende Thonerde. 
15 „ 18 „ Eschergrund, d. i. kalkhaltiger Lehmboden der Marsch. 
6 n 15 „ Darg, d. i. eine eigentümliche Torfart 
2 „ 12 n _Sand oder Lehm. 

"35 bis 62TnßT 

Also erst in einer Tiefe von 35 bis 62 Fuß finden wir an diesen Plätzen 
den unfruchtbaren Geestsand und unter einer 27 bis 35 Fuß mächtigen Alluvial- 
Decke — den Darg. Wer sich hierbei an die Angabe Cottas 10 ) erinnert, daß 
bei Mühlhausen in Thüringen eine Torfschichte bergmännisch abgebaut wird, 
resp. wurde, welche 50 Fuß dick von diluvialem Lehme überschüttet war, der 
findet darin eine Warnung, nicht voreilig zu schließen : „Gleiche Wirkungen, gleiche 
Ursachen". 

Gerade dieses Pendant fordert noch mehr heraus, die vorgefundenen Ver- 
hältnisse eingehend zu erwägen und die zwei Fragen aufzuwerfen: Was ist Darg? 
Und wie ist er zwischen die Alluvionen gekommen? 

Auf die erste Frage werden noch hier und da die ehemals zutreffenden 
Antworten gegeben: Darg ist eine aus Seepflanzen, besonders aus Tangen und 
Zosteren gebildete Torfmasse, oder Darg ist der Überrest eines aus den Hoch- 
mooren abgeflossenen Torfbreies. 

Die erste Deutung stützt sich auf Autoritäten ersten Ranges. Als Berg- 
hauptmann Wachtel die Moorbildung in dieser Richtung beleuchtete, sagte 
Humboldt: 30 ) „Bei meinem letzten Aufenthalte auf dem großen Haakenberg- 
Linum'schen Torfmoore (bei Fehrbellin gelegen) hatte ich Gelegenheit, eine 
Beobachtung anzustellen. Ich fand in dem dortigen Torf 8 bis 10 Zoll lange 
und 1 bis l 1 /, Zoll breite Blätter eines Seegrases (Fucus saccharinus) frisch und 
unversehrt, wie ich ihn im offenen Meere zwischen Neuwerk und Helgoland 
sahe. u Obgleich Stimmen dagegen laut wurden, wussten doch andere die Frage 
aufrechtzuhalten: Giebt es noch bessere Beweise dafür, daß unsere Moore auf 
altem Seegrunde ruhen? Die Entdeckung Ehrenbergs entschied den Zweifel. 
Der wissenschaftliche Entdecker der Welt des Mikroskopisch-Kleinen fand 
im Darg von der Nordsee echte maritime Geschöpfe, nämlich Polythalaraien 
oder Foraminifercn. 

Ohne eine weitläufige Beweisführung anzustrengen, bleibt feststehen, das» 
beide Funde Uber die Herkunft des Dargs gar nichts verraten. Die Merkmale 
der Tangblätter: „frisch, unversehrt, wie am Nordseestrand u deuten eine zufällige 
Verschlepung (vielleicht mit Austern, Fischen etc.) an, und die Foraminiferen wurden 
durch jene Wogen herbeigeführt, welche die Dargschichten unter See-Alluvionen 
begruben. Folgende Untersuchungen haben die Frage entgiltig beigelegt. 

Von derselben Stelle und von demselben Herrn von Thünen, woher 
Ehrenberg seine Dargproben bezogen, erhielt sie auch Grisebaoh, und 
das Resultat seiner sorgfältigen mikroskopischen Forschungen war das frei- 
mütige Geständnis: In diesem Darge ist nicht einmal ein Überbleibsel von Algen- 
zellen aufzuspüren, welche durch die doppelte Zellwandung und Intercellular- 
substanz dem suchenden Auge sofort auffallen; in ihm fehlt jedes Pflanzenstück, 
das deutlich erkennen lässt, daß es von einer Zostera stamme ; alle bestimmbaren 
Fragmente, welche er aufweist, gehören echten Gräsern, den Rohrarten und 
Schilfen an. 

Dieses Ergebnis haben weitere Untersuchungen glänzend bestätigt. 54 ) 
Deshalb können wir auf die erste Frage keine andere Antwort geben, als 
die: Der Darg ist das Produkt einer echten Landbildung, eines Wiesen- oder 



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Moor und Torf. 



277 



Oberfläche 



0' 



Grünlandsmoores; er ist Wiesentori", oder wie iu Holstein und Westpreußen 
gesagt wird, Blättertorf, M artörv- Blättertorf. *) 

Wie submarine Torfe, so bekannt sind submarine Walder. Bald erscheinen 
die Bäume vereinzelt, bald gruppen- und waldweise; bald stehen sie aufrecht, 
bald liegen sie mit ihren W T ipfeln in der Richtung nach Südost; bald gehören 
sie dem Waldboden, bald den untersten Torfschichten an. Nochmals wollen wir 
hervorheben, daß beide Vorkommnisse an sich Trümmer eines vom Meer zerstörten 
Landes sein können, and demnach nicht schlechthin als gewichtige Zeugen für eine 
Senkung im Darwinschen Sinne funktionieren dürfen. Die Frage: In welcher 
Weise treten die Torfe unter Meer und Marsch auf? ist also von größter 
Wichtigkeit. 

Abgesehen von dem frischen Tangbreie Mucks und den vom Meere aus- 
gewühlten und ausgeworfenen Torfstticken verschiedener Größe, repräsentieren 
doch die in Ostfriesland 1 bis 15 und in Holstein (z. B. bei Brockdorf in der 
Wilstermarsch) sogar 20 Fuß mächtigen Dargschichten einheitliche Größen. 
Dagegen fehlt den in und zwischen Sand unregelmäßig eingebetteten Torfschollen 
und -Fetzen die Ausdehnung. Dominierend bleiben die regelrecht gelagerten, nach 
den Seiten des Hangenden und des Liegenden normal verbundenen Dargstraten 
und zwar von einer Flächen-Ausdehnung, wie sie gegenwärtig die Sümpfe und 
Moore repräsentieren. Am schärfsten ausgeprägt tritt da die Konkordanz des an 
Dislokationen jedweder Art so gut wie völlig freien Schichtenkomplexes hervor, 
wo das Darglager in zwei, drei, ia in vier parallele Flötze gespalten und von 
gleichviel wechsellagernden See-Alluvionen geschieden wird. Solche Fälle sind 

nicht selten. Eine derartige Aufeinanderfolge 
findet sich zwei Stunden westlich von Finden. 

* «»WS SS $Ä 

erscheinen muß. 

Außer dem betonten stratigraphischen 
Grunde giebt es noch einen zweiten, einen 
organischen, wie wir ihn zu nennen pflegen, 
welcher die überschütteten Dargschichten als 
ungestörte Landbildungen auf pri- 
märer Lagerstätte charakterisiert; wir 
raeinen das So hl band. Fast uberall, wo im 
„ See- Alluvium, nordwestlichen Deutschland Torf auf Sand 
ruht, findet sich unter dem Torf eine 1 Fuli 
mächtige, von Wurzeln und Fasern senkrecht 
durchzogene Sandschichte von schwarzer Farbe, 
welche sich von dem hellgefärbten Substrat 
geradeso scharf abgrenzt, wie die humoso Erd- 
krume vom organischen Bodeu. Dieses Sohl- 
band ist die organische Basis jeder Moor- 
bildung auf Sandboden; sie ist, wie Karl v. 
M ei ding er 10 ) zu sagen pflegte, das „Two, u 
„die Zeugemutter des Torfes, die unversehrt 
liegen und hinlänglich mit Wasser versehen 
sein muß, wenn sie gebären soll." So schrieb 
Meidinger vor hundert Jahren ( 1 77/»;, als 
die Genesis des Torfes noch ein Mysterium war. 

Gerade die Existenz des Sohlbandes giebt 
das Kriterium an die Hand, warum wir den von 
de Lue, Lyell u. a. Forsehern gepflogenen 
Erörterungen nicht folgen dürfen, welche dahin gehen, daß der Darg gegenwärtig 
auf sekundärer Stätte ruhe. Der große britische Geologe kommt zu diesem Er- 
gebnisse, indem er die fragliche Erscheinung mit den Moorausbrüchen von 183 1 
(zwischen Bloomfield und Geerah)und 1S33 (in der Grafschaft Donegal) verknüpft"). 

*) Der „submarine poat Hritnnit n«" ist nach James Oeikie vernuukencr Torf. 1'um'iv mm- 
K»".]>rocueue Ansicht, <lafl keiue marine Torfhihlung bewieht, ln-ntiltijft Früh 54 ). 



13 




Oberfläche. 
13FuB8ee-AUaviuni. 

4 „ Dan:. 

1 . 8obIband. 



Darg. 



SofalbttxL 



1 „ See-Alluvium. 



V 



1 

II 
l 



Darg. 

See-Allnviiiin. 



Darjr. 
Sol.lban.l. 



*9' 

Off st. 



27« 



Mvor uml Torf. 



Was sind Moorausbrüche? so hören wir fragen. Darauf antworten wir mit 
der vortrefflichen Darstellung, welche wir Walchner, Leu nie und Senft 
über jenen verhängnisvollen Ausbruch bei Tulamare verdanken. Sie schreiben M ) : 
„Der Ausbruch des Moores zeigte sich zum ersten male am 25. Juni ; man spürte 
eine starke Bewegung, und auf mehrere Meilen weit schien das Innere der Erde 
in Aufruhr. Die Erderschütterung war mit starkem, fernem Donnergetöse begleitet! 
In der Gegend von Kilnalady that sich das Erdreich auf und warfeinen starken 
Strom einer mnorichten Substanz aus, der unter gewaltigem Getöse sich reißend 
weiter stürzte. Innerhalb einer Viertelstunde waren 300 Acker Landes vom Strome 
verwüstet. Alles, was ihm im Wege stand, Häuser, Bäume, Wälder wurden fort- 
gerissen. Die Oberfläche des Stromes gewährte den Anblick eines in Gährung 
befindlichen Bieres, das überlaufen will. In einigen ebenen Gegenden hatte der 
Strom eine Tiefe von 6 Fuß. Mau glaubte anfänglich, er walle nur oben hin, 
aber es zeigte «ich bald, das» er den Boden aufwühlte. Auf den Feldern riß 
er große Massen weg, die er oft 20 Fuß weit schleppte. Dreitausend Menschen 
waren beschäftigt, einen 7 Fuß hohen und breiten Damm aufzuwerfen, aber der 
Strom brach durch. Über 5 Meilen Landes wurden durch diesen Ausbruch 
verwüstet." 

De Luc 15 ) und Lyell 24 ) meinen nun, daß wie in Irland, so auch an 
der Deutschen Küste breiige Torfmassen aus den Hochmooren herniederflossen 
und hie und da ihren Inhalt in das Meer führten, wo er, von Sand und Klei 
überworfen, zum submarinen, resp. zum unter der Marsch verborgenen Dargflötz 
wurde. Wiederholte sich, so lautet dio Theorie weiter, der Erguß zum zweiten-, 
dritten- und viertenmale, dann entstand die Wechsellagerung der Schichten, welche 
unsere Zeichnung veranschaulicht „Hence the altcrnatings of clay and sand 
with different deposits of peat so frequent on sorae coasts, as on those of the 
Baltic and German Ocean;" dieser Satz beweist, daß Lyell diese Theorie auf 
die ganze Deutsche Küste ausgedehnt wissen will. 

Trotz aller Fürsprache einer so hochgeachteten Autorität zwingen einige 
Fragen doch zur reiflichen Erwägung. Vermag ein derartiger Schlammstrom 
ein von Wurzelfasern senkrecht durchstochenes Sohlband zu erzeugen? Ist 
Meer und Woge im Stande, eine herbeifließende breiige Torfmasse als Ganzes, 
als einheitlichen Guß, aufzunehmen und zu bewahren? Warum zeigt das Mikro- 
skop im Darg nur Gramineenreste, die Schilf- und Iiohrarten angehören, und 
nicht in jener Fülle Erica-, Eriophorum- und Sphagnum-Fragmcnte, wie sie 
dem Tort der Hochmoore eigen sind ? Das Fehlen dieser konstituierenden Be- 
standteile in der Torfmasso verneint ebenso entschieden die Ansicht. Die von Meer 
und Marsch überdeckten Dargachichten sind Abflussmassen der Hochmoore. Dazu 
kommt als vierter beschwerender Umstand, daß dergleichen großartige und ver- 
derbliche Ausbrüche in Deutschland gar nicht bekannt sind. Alles, was wir 
hierüber in der Literatur vorgefunden, ist Folgendes. 

Wie die Bewegung des Gletschers dem Auge entgeht, so langsam und 
allmählich schob sich nach de Luc die nördliche Hauptverzwoigung des Bre- 
mischen Düvelmoor« durch die Landschaft Kehdingen 19 ). Ferner: Im nassen 
Sommer des Jahres 1703 gleitete im Amte Norden bei der Kolonie Leezdorf in 
Ostfriesland eine große Strecke des Hochmoores langsam auf das ausgegrabene, 
kultivierte und niedrig gelegene Nachbargebiet, wo es zum Teil noch sitzt, und 
HO Jahre früher, in der Nacht vom 8. zum 9. November 1764, rutechte bei 
Altendorf im Rockenmoore Oldenburgs eine Torfmasse herab, wobei die Schollen, 
Erd risse, Sandausfüllungen und Zusammenschiebungen eine an einigen Stellen 50 
mehr Schritt betragende Drehung nach Südost beobachten ließen* 5 ). 

In Summa resultiert hieraus: Wie wir in Betreff der Natur des Darges 
nicht mit Humboldt und Ehrenberg übereinstimmen, so können wir in 
Betreff seines Vorkommens auch nicht de Luc und Lyell beipflichten. Wir 
müssen vielmehr betonen: 

Da, wo der submarine oder der unter der Marsch gelegene Darg ein un- 
gestörtes Flötz mit Sohlband bildet, dort grünten und gilbten, neigten und 
raschelten Schilf- und Rohrarten im Wiesenmoor und erzeugten den Darg. Seine 



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Moor und Torf. 



270 



Mächtigkeit und »ein organischer Kontakt mit der Geest beweisen, dali das Moor 
auf meerun berührtem Grunde lange ungehemmt fortbestand, ein UniBtand, welcher 
entweder eine recht hohe oder eine recht geschützte Lage voraussetzt. Keine 
Meeresflut konnte den Platz erreichen, auch dann nicht, wenn der furchtbarste 
Sturm über die wilde See brausend dahinfuhr. Von beiden Voraussetzungen zeigt 
sich die eine als nicht stichhaltig; denn hätte das Terrain gleich anfänglich 
unter dem Meeresniveau gelegen und wäre es nur durch vorgelagerte Schutz- 
wälle und Dünen vor dem Hereinbruch der See geschützt gewesen, so müßte 
der erste Dammbruch ausgereicht haben, einen bleibenden Busen zu schaffen, 
und zwar müsste das ziemlich frühe geschehen sein, weil die niederländischen 
Geschichtsschreiber davon nichts erzählen. In eine spätere Zeit verlegt die Ge- 
schfchto die Beispiele, daß weite Fluren, ganze Dörfer und zahlreiche Häuser 
durch das Fortrücken der Dünen in die See Helen. Konnte auf diese Weise das 
Moor von der ersten See-Alluvione verschüttet werden? Nein: denn darauf 
erzeugte sich die zweite Darglage. Wäre keine Senkung, keine Änderung in 
der Höhenlage des Moores eingetreten, dann müsste das Terrain noch heutigen 
Tages Uber dem Niveau der gewöhnlichen Flut liegen. So ist es jedoch nicht; 
der Kampf zwischen Meer und Moor entbrannte um den streitigen Platz immer 
heftiger und endlich — aber nur infolge der weiter stattgehabten Senkung — über- 
wog der Einfluss des Meeres und dasselbe baute die oberste und mächtigste 
Alluvione. 

Auf Grund dieser Ausführungen dürfen wir den von H. B. Geinitz") 
ausgesprochenen Satz dahin präzisieren : Wo normal gelagerte und mit Sohlverband 
versehene Dargflötze unter dem Meeresspiegel liegen, dort hat eine Senkung 
des Strandgeländes in diluvialer Zeit stattgefunden. 

Ist dieser Ausspruch, so hören wir fragen, nicht verfrüht? Weisen die 
wochsellagernden Darg- und Seealluvial-Schichten nicht mit gleicher Schärfe 
auf Schwankungen im Niveau der Hydrosphäre hin? 

Daß infolge der Adhäsion das WasBer an den Rändern eines schlichten 
Gefäßes höher steht als in der Mitte, ist eine bekannte Thatsache. Selbstredend 
wiederholen Ocean und Küste diese Erscheinung in viel großartigerem Maß- 
stabe.*) In der generösesten Weise wollen wir den Anhängern dieses Gedankens 
zugestehen, diesen Betrag so hoch anzusetzen, als sie belieben; ja sie mögen 
die Zahl noch steigern und potenzieren, indem sie vorrechnen, um wieviel die 
Gebirge höher werden, wenn der ganze glaciale Gesteinschutt und all die vielen 
erratischen Blöcke wieder dahingelegt werden, woher sie gekommen sind. 

Aus alledem kann jedoch nichts anderes gefolgert werden, als daß der 
Spiegel der Nordsee ehemals höher als heute gewesen. Die geschilderte Wechsel- 
lagerung zwischen Darg und Alluvionen führt aber zu dem streng gegenteiligen 
Ergebnis; sie setzt in der Richtung nach der Gegenwart kein Sinken, sondern 
ein Emporsteigen der See voraus. Und damit ist der Beweis erbracht, daß wir 
berechtigt sind, das Resultat der Landsenkung aufrecht zu halten. 

Was die unterseeischen Städte, das Zusammensinken des Landes, das immer 
weiter Umsichgreifen des Meeres, die submarinen Wälder mit großer Wahr- 
scheinlichkeit andeuten, das wird durch die unter Meer und Marsch gelegenen 
Dargfelder, sofern ihr Vorkommen ungestört und ihr Kontakt organisch erscheint, 
mit höchster Evidenz erwiesen: Die deutsche Nordseeküste ist ein Senkungs- 
feld im Sinne Darwins. 

II. 

Thatsache ist es, daü der Meeresspiegel an den Küsten etwas höher steht, als 
auf hoher See. Selbst wenn wir davon absehen dürften, dass die Physik verlangt, 
genannte Beobachtung weniger als Attraktions-, sondern vielmehr als Benetzungs- 



*) Eine Berechnung der Anziehung den flfidamerikani*chcu Festlandes hei Calla» (unweit von 
Lima) ergab, daB sich dort iu einer senkrecht «um Verlaufe der Küste stehenden Richtung der 
Meeresspiegel mit der Entfernung vum Lande allmählich um 137 Meter senkt. Die» Rechnung iat 
indes nur eine beiläufige. — Suess gicht hierfür 1100 Meter und Listing fand folgende Werte: 
London 118 m, Paris 5Jf>8 m, Iuscl Maranon (Brasilien^ . r i67 m, Roniii-Itucl - VVKi im, St. Helena 
- W7 Ml, Spitzbergen - 217 m, Berlin .17 ' und Königsberg !«■« m. «) 



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280 



Moor und Torf. 



und Adhäsionserscheiuung aufzufassen und den Wasserstand nur sub cunditione 
in direkte Proportion zu der Massenhaftigkeit und Höhe eines Randgebirges zu 
setzen, müssen wir doch hervorheben, daß das Problem der Bestimmung des 
mittleren Niveaus der Meeresteile außerordentlich kompliziert ist. Ortliche Ver- 
hältnisse, Barometerstand, Windrichtung, Windstarke u. s. w. bewirken so be- 
deutende Anomalien, und wir wissen davon noch so wenig, daß auf diesem 
Gebiete die Hauptarbeit der Zukunft vorbehalten bleibt. Aus den genauen 
Messungen der königl. preußischen LandeB-Aufnahme hat sich beispielsweise 
ergeben, daß bei der Ostsee von einem eigentlichen Mittelwasser, streng ge- 
nommen, nicht gesprochen werden kann, sondern nur von Mittelwasser der Ostsee 
an diesem oder jenem Punkte, ein Resultat, welches erst die rechte Klarheit 
empfangt, wenn wir hinzusetzen, dass von der KUste Holsteins an bis Memel 
der Spiegel der Ostsee um 0,5 Meter steigt. Diese Stauung nach Osten hin 
schließt somit den Oedanken aus, dass die mittlere Höhenlage des Ostseespiegels 
zwischen Kiel und Memel wirr und maßlos bald auf-, bald niedersteige. 

Die Konzessionen, welche wir am Ende des ersten Abschnittes den Freunden 
der Theorie großer Schwankungen im Spiegel der Hydrosphäre willfährig ein- 
geräumt, mögen sich auch auf Norwegen beziehen. Bevor wir aber entscheiden 
können, ob sie ausreichen, die dortigen säkularen Phänomene zu erklären, müssen 
wir eine genügend spezielle Einsicht in die letzteren selbst gewonnen haben. 

Selbstredend müssen in Norwegen, wo die Küste steil, oft sogar perpen- 
dikulär in die Höhe und gleich jäh nach dem tiefen Meeresgrunde hinab steigt, 
viele säkulare Schwankungserscheinungen so gut wie spurlos vorübergehen ; andere 
dagegen müssen in wahrhaft großartiger Weise zur Ausprägung kommen. Wir 
nennen hierfür Muschelbänke, Strandlinien und Terrassen in meeroffenen Tälern, 
drei unverkennbare Merkmale eines ehemals höher heraufreichenden Meeres. 

Jedes Lehrbuch der Geologie unterrichtet unB, daß bezeichnete Merkmale, 
selbst sofern sie unmittelbar aneinander stehen, weder unter sich, noch mit dem 
Spiegel des Meeres parallel verlaufen In welchem Grade diese Unregel- 
mäßigkeit hervortritt, sehen wir besonders schön aus dem von Mohn ermittelten 
Höhenverhältnis der Strandlinieu. Mit ihm unterscheiden wir längs des atlantischen 
Gestades folgende fünf Gebiete M ): 

1. Das Terrain um Varanger mit 7 bis 91 m U. d. M. aufsteigenden Strandlinien. 
2- B n » Alten „ 5 „ 58 m „ „ „ „ . 

3. „ „ „ Tromsö „ 7 „ 94 m „ „ „ „ „ 

4. „ „ n Trondhjem mit 

mehr als 7 „ 176 m „ „ , „ „ 

5. „ „ „ Bergen mit 6 „ 87 m „ „ „ „ „ 

Klar und deutlich stellen diese Angaben die hypsometrische Kurve der 
obersten aller Strandlinien als eine Zickzacklinie vor Augen; bald steigt sie 
hoch bergan, bald fällt sie tief bergab. Der maximale Unterschied beträgt nur 
19 m weniger, als die berechnete Amplitude zwischen der Mitte des Großen 
Oceanes und seiner Erhebung an der südamerikanischen Küste bei Callao (an- 
geblich 137 und das will sehr viel sagen! Einen mehr oder minder 
parallelen Kurs halten hierzu die tieferen Strandlinien ein. Drittens wolle man 
nicht Ubersehen, daß die Anzahl dieser Bildungen durchaus nicht konstant ist 
Gleiche Eigentümlichkeiten veranschaulichen die Terrassen im Sinne 
Kjerulfs 18 ), und die vielen Muschelbänke, welche am atlantischen Strande 
aufbewahrt liegen. Leopold v. Buch 31 ) beschreibt sie von der Halbinsel 
Oereland bei Trondhjem, von der Insel Lurö und vom Festlande bei Tromsö 
und bei Bodö. Am letztgenannten Platze, hier am Saiten-Fjord, bedecken sie 
eine Fläche von mehr als einer halben Quadratmeile. 

Betrachten wir hierauf das südliehe Land. Zahlreiche Einzelbeobachtungen, 
welche Hahn») zum Teil zusammengetragen, liegen in einer reichen Literatur 
zerstreut und ungesammelt umher. Das Wichtigste von allen, soweit es not- 
wendig ist, um ein Allgemeinbild zu erhalten, werden wir mitteilen. 

Bekanntlich wurden auf Betrieb der Regierung längs der Küste zwischen 
der schwedischen Grenze und Kap Lindesnäs im Jahre 1839 an 27 Stellen 
Wassermarken in Felsen eingehauen. Im Jahre 1865 erfolgte die erste Ab- 



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Moor uud Torf. 



2*1 



IcHung. Als Mittel aus 1 1 zuverlässigen Beobachtungen ergab »ich für das Jahr- 
hundert eine Hebung von 0,3 m. Für eine Bewegung im gleichen Sinne 
plaidieren die 30 berühmten postglacialen Muschelbänke, welche zu beiden 
beiten des Skiens- und Christiania -Fjords gelegen und von Sars 94 ) genau 
beschrieben sind. Sechzehn derselben, welche u. a. echt nordische Formen wie 
Buccinum grönlandicum Chemn., Natica clausa L., N. grönlandica Beck, 
A starte aretica Gray, Siphonoden talium vitreum Sars u. s. w. enthalten, verteilen 
sich auf den Höhengürtel zwischen 350 und 500 Fuß. Die übrigen vierzehn 
Muschelansiedlungen, frei von glacialen Formen, gehören der Höhenstufe von 50 
bis 200 Fuß an. 

Zuletzt hätten wir noch der Terrassen und Strandlinien zu gedenken. Mit 
Recht und Fug schreibt Hahn"), denn er faßt auf Keil hau: „Südlich von 
Bergen werden Terrassen weniger bestimmt, während sie im östlichen Teile des 
Landes nach der schwedischen Grenze zu sich wieder bestimmter ausgeprägt 
zeigen.* Obgleich in dieser Verbindung das Wort Terrasse fast gleichwertig 
dem Begriffe: Strandlinie erscheint, so lässt doch das Citat daran keinen Zweifel 
aufkommen, daß die von Blytt in Englers botanischen Jahrbüchern (1882, 
p. 37) aufgestellte Behauptung: Im südöstlichen Norwegen fehlen sowol Strand- 
linien als ausgeprägte Terrassen — nicht zutreffend sein kann. In demselben 
Sinne sprechen viele andere Thatsachen; wir nennen beispielsweise Ladegaards 
Halbinsel, welche nach historischen Dokumenten vor einigen Jahrhunderten noch 
Insel war, die zur Bootbefestigung dienenden Pfähle und Ringe auf Kragerö, 
welche bereits zu Keilhaus Zeit (1838) von der See nichtmehr erreicht wurden, 
endlich die 15 bis 30 m unter Meer im Golf von Christiania stehenden ab- 
gestorbenen Stöcke von Oculina prolifera, einer Tiefseekoralle, welche gegen- 
wärtig an den Küsten Skandinaviens in Tiefen von 250 bis 500m lebt. 

Hochinteressant bleibt es, in dem aufsteigenden Lande nach Gebieten zu 
fahen, welche Ruhepunkte und Senkungszonen darstellen. Gegenwärtig kommen 
nur drei oder vier derartige Distrikte in Frage. 

1. Arendal ist nach Keilhau und Kalm 31 ) ein lokales Senknngsfeld. 
Aus der Lage der alten Steinaufhäufungen (Steenrösene) auf der Insel Jcrkholni 
schließt Keil hau auf eine Senkung von ungefähr 6 m für die Zeit seit der 
Errichtung derselben, ein Effekt, welcher von einer Kachbarinsel noch übertroffen 
wird. Alte Lootsen, welche Kalm befragte, wußten von einer Wasserverminderung 
in der Gegend von Arendal gar nichts, wol aber vom Gegenteil. 

2. Auf der Insel Agdenäs am Eingang der Trondhjemer Bucht fand K e i l h au 
die Trümmer eines alten Bollwerkes, dessen fundamentalen Reste auf eine ge- 
ringe Senkung hindeuten, wofür auch das 1028 von Kanut dem Großen auf 
der Insel Munkholm angelegte Kastell Trondhjems spricht: denn wäre hier keine 
Hebung vonstatten gegangen, so müsate die Burg, weil sie jetzt nur 7 m über 
der Mittelwassermarke liegt, früher von jeder Flut unter Wasser gesetzt worden 
sein, eine Annahme, welche deshalb entschieden wenigstens zu der Voraussetzung 
treibt, dass sich hier seit einer Reibe von Jahrhunderten nur ganz unbedeutende 
Niveauveränderungen vollzogen haben. Diese Gegend von Trondhjem repräsentiert 
daher ein stationäres Feld. 

3. Die Umgegend von Stavanger kennzeichnet Keil hau als eine solche, 
wo Hebungs- und Senkungsdistrikte nahe nebeneinander liegen. 

4. Für das Terrain um Aalesund versucht Rens eh in seiner wertvollen 
Studie über Fossilien führende krystallinische Schiefer"), zwei Hebungen und 
zwei Senkungen in postglacialer Zeit nachzuweisen. 

Überschauen wir das herangezogene Material und zwar in Rücksicht auf 
die Theorie säkularer Niveauschwankungen der Hydrosphäre, so mangelt dem- 
selben durchaus die Fähigkeit, zu gewinnen, zu Uberzeugen; denn die Verhältnisse 
in Norwegen sind gerade in entgegengesetzter Art als in Italien. Wenn Suess 
(p. 19) schreibt: „Hier trifft man die Linien einstiger Meeresniveaus in un- 
gestörter Horizontalität an den verschiedenen, zum Meer vortretenden 
Bruchstücken der Apenninen, auf Kalkfelsen, auf alten Felsarten Calabriens, 
endlich auf dem Aschenkegel des Ätna" und „nun lässt sich aber die Voraus- 
setzung einer so gleichmäßigen Erhebung oder Senkung eines doch so 



2*2 



Moor und Torf 



vielgestaltigen und in so viele Fragmente zerbrocheneu Festlandes ohne jode 
gegenseitige Verschiebung der Teile... gar nicht in Einklang bringen mit den 
heutigen Erfahrungen Uber den Bau der Gebirge selbst," so mag dieser Umstand, 
zumal wenn die Zahlen und Höhen der horizontalen Linien einstiger Meeres- 
niveaus Ubereinstimmen, zu der Annahme von selbständigen Bewegungen des 
Meeres zurückführen. Allein auch diese Veränderungen in der Gestalt der 
Hydrosphäre setzen eine Persistenz und Beharrlichkeit des an den Rändern der 
Kontinente aufsteigenden Teiles der Meere voraus und letzterer, sofern nur ein 
einziger Gebirgsteil betrachtet wird, kann, wir mögen das Niveau des Flüssigen 
noch so variabel denken, Verschiedenheiten der Intensität kaum erkennen lassen. 
Und doch zwingen die Strandlinien Norwegens, olle diese Postulate rundweg zu 
verneinen. Zwischen Alten und Trondhjem soll ehemals ein Niveau-Unterschied 
von ca. 120 m und zwar solange bestanden haben, als erforderlich, in anstehendes 
Gestein Strandlinien ausgeprägtester Art zu ziehen ! Längs der norwegischen 
Küste soll sich in den meisten Distrikten das Meer zurückziehen, und an drei 
oder vier Plätzen soll es unterdessen steigen!? Der Absurdität zu entgehen: das 
Niveau ein und derselben Flüssigkeit, hier des Meeres, stehe in voneinander 
nicht geschiedenen Räumen, d. h. in den Fjorden, Sunden und weit offenen 
Buchten der norwegischen Küste, anhaltend, also abgesehen von dem Treib- 
wasser, derartig unterschiedlich hoch — müssen wir an der Bewegung des Starren 
festhalten, zumal dieselbe in der Geschichte fast jedes Bergwerkes und jeder 
Grube thatsächlich beobachtet, also vorzüglich dokumentiert vorliegt. Risse und 
Spalten durchsetzen das feste Gestein und teilen es in Felder, die scheinbar 
mehr oder minder unabhängig voneinander säkulare Bewegungen ausführen ; 
in Wirklichkeit sind die stationären und mobilen Felder nur reeiproke Größen, 
echte Correlata. Diese Vorstellung hat durch die großen Tunnelbauten des 
19. Jahrhunderts sehr an Schärfe und Deutlichkeit gewonnen. Auf Grund un- 
serer Kenntnis aller hier in Betracht zu ziehenden säkularen Phänomene pro- 
duziert sich Norwegen vor unserem geistigen Auge als eine riesige, unebene 
Felsplatte, welche zur Zeit in eine nicht zu zählende Anzahl von Feldern zer- 
sprungen ist Klaffend zieht sich der Riesenspalt durch Gudbrandsdalen hin, 
das Ganze in zwei Hauptstücke trennend. Jedes erscheint wirr zerstückelt und doch 
wieder einer schwingenden Chladnischen Platte gleich, welche ihre Bewegungs- 
zonen und Knotenlinien hat. Ruhen liegen bei Arendal und Trondhjem; die 
lebhaftesten Schwingungen dagegen vollziehen sich bei Aalesund. Zutreffender 
unstreitig bleibt das Bild, die beiden Hälften als komplicierte Keilbaue sich vor- 
zustellen. Je weiter sie emporgeschraubt werden, desto weiter geben sie sich 
in der Höhe auseinander und gestanden eingekeilten Massen derartig hinab- 
zugleiten, dass ihre Oberfläche trotz der Erhebung entweder still zu stehen oder 
doch zu fallen scheint. Allein — Vergleiche hinken! 

Bei unserer Diskussion haben wir bis jetzt einen Punkt ganz vernachlässigt; 
wir haben nie nach der Zeitdauer gefragt, in welcher dio besprochenen postglacialen 
Bewegungsvorgänge ausgeführt sein mögen. Holen wir dies nach; vier einander 
widersprechende Theorien, welche wir jetzt kurz hervorheben, werden unsere 
Einsicht fördern. 

1. Everest und Keilhau begeistern sich für den Gedanken, daß Nor- 
wegen langsam aus dem Meere eine Zeitlang emporgestiegen und dann eine 
Zeitlang ruhig stehen geblieben sei, bis endlich eine zweite Hebung, ein zweiter 
Stillstand u. s. f. einander ablösten. Für eine solch gemächliche Aufsteigung, 
unterbrochen durch Perioden völligen Stillstandes, kämpft auch Lyell"); denn 
er schreibt: When truly interpreted, tliese appearances prove rather that the 
elevatory force has been intermittent in its action and that there have been long 

Kauses in the process of upheaval . . . They undoubtedly show that the movement 
as not been always uniform or continuous, but they do not establish the fact of 
any sudden alterations of level." Diese Worte richten sich gegen eine Meinung, 
welche ursprünglich von Halem 1 ), Bon Stetten") u. a. auf den Ocean an- 
gewandt war; es ist die nachstehende. 

2. Mit großem Geschick und gestützt auf treffliches Material bemühen sich 
Bravais und Kjerulf 86 ), welche die Idee wirklich neu beleben, den Beweis 



Moor und Torf. 



283 



beizubringen, «lall auf kurze Perioden mehr stoßweisen Emporschwebens relativ 
lange Perioden unveränderter Stockung folgten. Wenden wir diese Vorstellung 
auf die deutsche Nordseeküste an, so mußton wir hier Anzeigen einer plötzlichen 
Senkung finden. Und diese sind da. Wir verweisen auf das Guterhaltensein 
aufrechtstehender untermeerischer Bäume (wären sie nicht plötzlich in das konser- 
vierende Salzwasser geraten, so wären sie sicher verfault), auf die im submarinen 
Birkenwald aufgefundenen, intakt gebliebenen Grabhügel bei Husum in Holstein 
und vor allem auf die Existenz wohlerhaltener submariner Torffelder und auf die 
Wechsellagerung derselben mit See-Alluvionen. 

3. Der dritten Auffassung pflichten die meisten Forscher bei, und sei es 
nur auf kurze, unbestimmte Zeit; denn diese Theorie ist die einfachste, bequemste 
und für die Spekulation ergiebigste. In Sexe, Pettersen n. a. sehen wir 
sie lebensvoll vor uns stehen ; diese Männer kämpfen dafür, daß Norwegen 
beständig und gleichmäßig, ohne eingelegte Zwischenstillen, ohne Zeiten der Be- 
schleunigung oder Verzögerung aus dem Meere sehr langsam heraufgestiegen. 
Zu diesen Voraussetzungen bekennt sich jeder, welcher einen Hebungs-, resp. 
Senkungsbetrag für die Dauer eines Jahrhunderts angiebt. 

4. Die vierte Theorie ist die vermittelnde. Sie wird durch Bly tt 11 ) repräsentiert; 
denn ihm gebührt das fragliche Verdienst, zuerst ausgesprochen zu haben, daß 
seit der Eiszeit Skandinavien durch eine Kraft emporgehoben werde, welche an- 
fänglich Großes leistete, aber im Laufe der Zeiten mehr und mehr ermattete. 
Der Hebungseffekt sei in dem Maße immer geringfügiger geworden, je näher 
die Perioden der Gegenwart kommen. 

Da die letztgenannte Theorie gegenwärtig noch viel zu hoch von sich denkt 
und ein festes Verhältnis mit dem Klima vergangener Zeit und der Bildungs- 
geschichte der Torflager zur Schau trägt, müssen wir gezwungener Weise ein 
wenig dabei verweilen.*) Zur besseren Zurechtfindung diene folgende Tafel, welche 
Blytt's Spekulationen nebeneinander stellt 



A Wl .,..v„„n,. ; "sag* "2n- 


Hcbungsenckt 


MuschelrcHtc 
am Golf von 
Christiania 


Schichtenfolge im 
Torflager v. oben 
nach unten 


10. Per. Gegenw. 

■ 


Trocken 


f 


■( 


fehlen 


Waldrcate 


fl.P.SubatlanuZ. 


Na« 


bi» 30 Fuß 


:jo Fuß? 


fehlen 


Hphagnumdccko 


8. P. Subboreal.Z. 


Trocken 


bi* 50 FuB 


20 Fuß 


fehlen 


Waldschicht 


7. P. AÜanL Z. 


Nns* 


bis 150 Fnfl 


100 Fuß 




H Bänke zw. 
50 u. 200 Fuß 


Sphagnunwchicht 


6. P. Boreale Z. 


Trocken 


bin :m FuB 


200 Fuß 


fehlen 


Wald«chicht 


5. P. 8uh - 


Na»* 


bia 5*0 Fnfl 


200 Füll 


IG Bttuke tw. 
350 u. 500 Fuß 


Sphaguumnchh-ht 


4. P. arktUcho 


Trocken 






fohlen 


Waldachicht 


.J. P. Zeit 


Na*8 






fehlen 


gphaguuimchlcht 


i 

2. P. Arktische Z. Trockeu 






fehlen 


Lehm mit arkt. PfL 


1. P. Ende der I 

Einheit Na » s 


! " 




fehlen 





•) Vgl. Uber die Haltlosigkeit der gefabelten Klimato „Ko«mo*,- VII. Jahrg. 1883, p. H37— 358. 



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2*4 



Moor und Torf. 



Gewiß ist es anheimelnd, daß die säkularen Bewegungserscheinungen ver- 
suchen, die Idee uranfänglicher Kraft und gegenwärtiger Schwache zu verkörpern. 
Deshalb aber dürfen wir nicht den Trugschluss übersehen, welcher dahinter 
versteckt liegt. Die Vergangenheit spiegelt die durch die L&nge der Zeit summierten 
und gesteigerten Leistungen derart wieder, daß sie als Maß und Ausdruck einer 
einzigen Kraft erscheinen. Ferner bedenke man, daß der Hebungseffekt der 10. 
und 9. Periode noch nicht einmal 30 Fuß betrage; denn der Streifen zwischen 
dem Meeresniveau und 30 Fuß darüber wird zuweilen von der Flut bespült 
und muss irgendwelche Hebungsreste früherer Perioden einschließen. Jede Periode 
soll nach Blytt 10.500 Jahre dauern. Die 10. Periode, in der wir leben, wird 
im Jahre 6500 n. Chr. abschließen ; begonnen hat sie im Jahre 4000 v. Chr. Bis 
jetzt (1885) sind 5885 Jahre verflossen. Seit 4000 v. Chr. soll das südliche Nor- 
wegen so gut wie keine Erhebung erfahren haben? Es verlangt uns zu wissen, 
wie Blytt solches zu beweisen vermag! Die Ablesungen an den 27 Wasser- 
marken ergaben doch ein ganz entgegengesetztes Resultat ! Seit 4000 v. Chr. soll 
sich in Norwegen keine Torfschicht mehr gebildet haben? Damals war die 
Sphagnumschichte, welche heute die Oberflache der Moore bildet, bereits fertig. 
Woher weiß das Herr Blytt? Erscheint es nicht geradezu waghalsig, auf ein 
einziges Merkmal und noch dazu sofern es auf ein kleines Gebiet lokalisiert ist 
— so und nicht anders steht es um jene 30 Muschelansiedlungen — eine Skala 
der säkularen Hebungseffekte aufzurichten! Nach den dargelegten Lagerungs- 
verhältnissen der Muschelhaufen pflegt man folgende Stufen zu erwarten: Stufe 
von 0—50, von 50—200, von 200—350, von 350—500 und von 500 Fuß bis 
darüber; denn die zweite und vierte allein enthalten Muschelreste. Eine Mo- 
tivierung, warum diese Zahlen abgeändert (200 in 150; 500 in 550) und warum 
die erste Stufe (0 — 50) in zwei gespalten werden, haben wir nirgends gefunden. 
Und woher hat Blytt die Kunde und Gewissheit, daß gerade diese Torflage 
gleichzeitig mit jener Hebungsstufe ist? — Je mehr dem Verhältnis zwischen 
Hebungserscheinungen und der Torfbildung nachgeforscht wird, desto spielender 
tritt die Blytt'sche Theorie hervor. Wir erwarten, Torflager kennen zu lernen, 
welche in ihrer Aufschichtung zeigen, wie der Kampf zwischen Meer und Moor 
hin- und herwogte und wie endlich infolge der säkularen Hebung das Moor den 
Sieg davon trug, aber wir erfahren durch Herrn Blytt davon — gar nichts. 
Nur bei Leopold von Buch finden wir ein hierhergehöriges Beispiel 51 ); er 
berichtet, daß auf der Halbinsel Oereland bei Trondhjem echter Torf auf Muschel- 
schalen und Seepflanzen ruhe. Wenn wir das Geständnis von Herrn Blytt 
hinzunehmen: „In den Teilen des Landes, wo Strandlinien und Terrassen am 
meisten ausgeprägt sind (es ist vom atlant Gestade die Rede), fehlt es bisher 
ganz oder wenigstens fast ganz an Untersuchungen Uber die Torfmoore, und wo sie 
untersucht sind (nämlich im südöstlichen Norwegen), in diesen Gegenden fehlen 
leider sowohl Strandlinien als ausgeprägte Terrassen, 11 dann däucht es uns, daß 
seine vorgelegten Untersuchungen nicht ausreichen, so bestimmte Beziehungen 
zwischen der säkularen Hebung und der Torfbildung aufzustellen. Oder ruhen ein- 
zelne jener Muschelbänke auf, zwischen oder unter Torf? Genügt es, nur auf die 
Höhenlage beider Rücksicht zunehmen, um das verlockende Lied anzustimmen: 
„Je näher dem jetzigen Meeresspiegel, desto jünger das Torflager?" 

So selbstverständlich es ist, daß die Moore desjenigen Landes, welches 
säkular unter das Meer hinabschwebt, im Augenblicke ihrer Untermeersetzung 
die Torfbildung sistieren, so klar und sicher ist es auch, daß im umgekehrten 
Falle die aus dem Meere herausgestiegene Landzone erst in der Zeit der Über- 
meerstellung die Torfbildung einleiten kann. Da ist es ein Augenblick, der ab- 
schließt, hier aber ein vom Augenblick der Übermeerstellung bis zur Gegenwart 
heraufreichender Zeitabschnitt, welcher immerdar auf geeigneten Plätzen die Torf- 
bildung bald anfangen, bald aufhören lassen kann. Einen positiven Anhalt, wann 
das eine oder das andere geschah, haben wir in der Höhenlage der Landschaft 
durchaus nicht, eine Wahrheit, welche ein konkretes Beispiel illustrieren mag. 

Auf der Höhenstufe zwischen 150 und 350 Fuli z. B. erfreuen uns ver- 
schiedene Landschaftsbilder. Hier ist es eine blumige, von Fliegen und Schmetter- 
lingen besuchte Wiese: da flüstert geheimnisvoll der Wald, an dessen Saume der 



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Moor and Torf. 



28f, 



Hirsch grast; dort breitet sich ein pfadloses Moor, daneben ein lächelnder See 
aus, und an vierter Stelle schlängelt sich lammfromm ein Bach den menschlichen 
Wohnungen zu. Seit wann ist es so? Wie lange wird es also währen? 

Schneeschmelze, Frühjahrsregen, Gewittergüsse u. s. w. führen in dem Maße 
ergiebige Wassermengen plötzlich herbei, daß das sanfte Bächlein zum reißenden, 
wutschäumenden Strome anwächst Hier wühlt dieser tiefe Furchen in das Erd- 
reich, da staut er sich zum weiten See auf, an dritter Stelle durchsägt er eine 
hemmende Barriere, und an vierter Stelle schafft er rastlos immer größere Sand- 
bänke und Schotterzüge. Und diese Vorgänge wiederholen sich im Laufe der 
Jahrhunderte so oft, dass die im bestehenden Landschaftsgemälde vorerst leise 
gezogenen Linien der Veränderung immer stärker, immer markierter hervor- 
treten und endlich ausreichen, das frühere Bild wesentlich umzugestalten. Jetzt sind 
Wiese und Wald versumpft, vermoort ; das Moor ist zum Wald und der See zur 
Wiese geworden. Und auch so bleibt es nicht. Könnten wir mit Chidher*), dem 
ewig jungen, sprechen : 

Uud Aber nach fünfhundert Jahren 
Kant ich denselbigen Wegs gefahren, 

dann würden wir vielleicht mit Rückert ausrufen: 

Da fand ich eine Stadt and laut 
Erschallte der Markt voni Volkageschrei, 
Ich fragte: „Seit wann ist die Stadt erbaut? 
Wohin i«t Wald uud Meer und Schalmei ?- 
Sie ftchrien nnd hörten nicht mein Wort: 
„So ging e* ewig an diesem Ort, 
lind wird so gehen ewig fort." 

Jeder Teil der physiognomischen Landschaft durchläuft beständig eine be- 
stimmte Reihe von Entwickeiungsphasen ; leider ist dieselbe nicht einfach, sondern 
reichverzweigt, auch nicht mono-, sondern polygenetisch, gleich der Knospe am 
Baum; denn von den gegebenen Zustandsformen kann eine jede unvermittelt jeder 
anderen folgen. Deshalb entschwindet bei näherer Betrachtung der Bly tischen 
Voraussetzung, daß die Moore ein und derselben Erhebungsstufe (z. B. 150 bis 
350 Fuß) monoohronistisch sind — alle und jede wissenschaftliche Berechtigung. 
Wer im Sattel des Pegasus sitzt, der kann beweisen, dass die obersten Torf- 
schiehten aller Moore gleich alt sind nnd dass die 2., 3., 4. . . von oben herab- 
gezählte Torfschicht der verschiedensten Plätze immer in der 8., 7., 6. . . Periode 
gebildet wurden. — Ferner hat Blvtt ganz außer Acht gelassen, daß die größeren 
Moore gar keine einheitlichen und in ihren Teilen keine gleichzeitigen Schöpfungen 
sind. Vor mehr als hundert Jahren bemerkte bereits Sören Abildgaard**) 
Uber die ttrünlandsmoore, daß sie an den Ufern insgemein älter sind, als in 
der Mitte, obgleich hier die Torfmasse am mächtigsten aufgespeichert liegt. Und 
von den Hochmooren schrieb 15 Jahre später (1775) Karl von M ei ding er 40 ), 
daß ihr Saum jünger sein müsse, als die Mitte; er weiß bereits, daß ein'und dasselbe 
Torßager Orte von ein, zwei, drei ... bis zwanzig und mehr Fuß Mächtigkeit und 
selten Torf von einerlei Beschaffenheit besitzt. 

Woher weiß man, daß jede Hebungsperiode genau so lange dauerte, wie jede 
Klimaperiode ? Wie können 1 Torfschichten, selbst wenn sie 7 Perioden entsprechen, 
für 10 Perioden zeugen? Und wie können 5 Hebungszeiten für 7 Perioden der 
Torfbildung und für 10 klimatische Perioden zeugen! Jede Periode, jedo Zeit soll ja 
10.500 Jahre dauern! Warum fehlen auf den Stufen von 0 bis 50 und von 200 
bis 350 Fuß im südöstlichen Norwegen die Muschelhaufen? Blytt unterrichtet 
uns, daß die Erklärung im Laufe der Sonne oder in dem von ihr erzeugten 
kontinentalen Klima gefunden werde, welches herrschte, als die betreffenden Zonen 
dem Meere entstiegen. Die Muschelbänke waren vorhanden, aber sie wurden 
durch die Eismassen jener strengen Winter ganz und gar zerstört. Das klingt 
aber stimmt nicht. Denn dieselbe Klimaperiode, zumal sie von der damaligen 



*) Ar\» tote Ich (Meteor. XII.) sagt: „Die Vcrteiluug von Land und Meer in gewinaeu Regionen 
int nicht allescit dieselbe, xondeni v* wird xur See, wo früher Land war, und /u Laud, wo See 
war, und es i»t Onind r.n meinen, dafl dieser Wechsel nach einem bestimmten Hytttem und iu 
beKtiiiuuleii Zeitabschnitten »ich volltog." 



286 



Moor und Torf. 



Entfernung zwischen Erde und Sonne abhängen soll, mußte sich vom Golf von 
Christian ia bis nach dem engnachbarlichen Bohuslän erstrecken und hier dieselben 
Wirkungen hervorrufen. Allein Thateache bleibt, daß hier die Muschelbänke 
vom Meeresniveau bis 540 Fuß aufwärts über alle Höhen und Stufen verteilt 
daliegen, also in keinem Horizonte zerstört und weggetragen sind. Die angeblichen 
kontinentalen Winter, welche in bezeichneter Weise am Golf von Christiania 
wirkend gedacht werden, sollten doch auch Terrassen und Strandlinien hinter- 
lassen haben, zumal sie alleinige Erzeuger derartiger Bildungen genannt werden ! ' 

Obgleich wir noch sehr viele gewichtige Gravantia vorbringen könnten, 
dürfen wir uns wol bescheiden, das Urteil zu vertreten, daß die von Blytt vor- 
getragene Wechselbeziehung zwischen den Torflagern und den säkularen Hebungs- 
stufen Norwegens nicht ein wertvolles Ergebnis empirischer Forschung, nicht der 
äquivalente Ausdruck für eine in der Natur aufgefundene reale Verknüpfung, 
sondern ein trügerisches Produkt ergiebiger Spekulation ist Trügerisch nennen 
wir es, weil es jeden, der mit der Sache nicht innig vertraut ist, täuscht. Eine 
ideale Berechtigung bleibt ihm eigen; dieselbe liegt in der für die Praxis durchaus 
unbrauchbaren Regel: „Je weiter die Torfmoore vom jetzigen Meeresspiegel 
entfernt liegen, desto jünger sind sie." 

So frappant und exaltiert es . klingen mag, diese Regel lffsst sich mit gleicher 
logischer und empirischer Berechtigung in das pure Gegenteil ummodeln. Denn 
ein jeder von uns teilt die Vorstellung, daß Norwegen während der Glacialzeit 
fast ganz und gar mit Gletschereis bedeckt war. Verschwand dasselbe plötzlich? 
Langsam, vom peripherischen Ende, von der Küstenlinie her, thaute es nach 
und nach hinweg. Dank Kjerulfs verdienstlichen kartographischen Arbeiten 
können wir innerhalb der norwegischen Moränenlandschaft die Punkte und Linien 
auffinden, wo die zurückziehenden Gletscher versuchten, zum zweiten-, dritten- 
und viertenmale Aufstellung zu nehmen. Endlich schränkten sich die alten Kämpen 
der Eiszeit auf die relativ kleinen, im Hochgebirge angelegten Schneefelder, 
Eisdome und Gletscherburgeu ein, welche sie gegenwärtig noch besetzt halten. 

Aus dieser Retirade folgt, daß geradeso streifen- und länderweise das 
weite Binnenland vom Eisbanne erlöst wurde, wie der schmale Küstensaum durch 
die säkulare Hebung aus dem Rachen des Meeres. Je höber wir vom Meere 
bergauf steigen, desto später feierte das Land seine Ostern ; desto später kamen 
die verschiedenen Pflanzenvölker daher; je höher wir also vom Meer bergauf 
titeigen, desto jünger müssen die Torfmoore werden. Hier sind sie noch heute 
umringt von echtglacialen Pflanzen; hier kleidet sich die Gegenwart, wie die 
Ebene in längst vergangener Zeit! Aus dieser relativen Altersbeziehung der 
Moore zu einander raeinen Blytt und seine Freunde höchst wichtige Schlüsse 
ziehen zu können. Sagte doch Drude 41 ): .Sehr interessant ist, daß Norwegen 
gerade an seiner langsam sich hebenden Küste Torflager hat, welche um so 
jünger sein müssen, je näher sie dem jetzigen Wasserspiegel liegen und welche 
dadurch ein Zeitmaß bieten." Wir möchten Professor D r u d e bitten, 
nähere Angaben Uber das Zeitmaß und die Methode, es zu gewinnen, der wissen- 
schaftlichen Welt nicht vorzuenthalten. Nicht nur von unserer, sondern von allen 
Seiten würde ihnen der verbindlichste Dank zufließen, wenn er zeigte, wie in 
den Torfmooren das Mittel gegeben, geologische Prozesse und Perioden zeitlich 
abmessen zu können. Obgleich wir mit der Geschichte dieser Torflager im all- 
gemeinen und bestimmter Plätze im besonderen etwas vertraut sind ; wir kennen 
auch viele Moore Norwegens aus Autopsie und haben ihre Beziehung zu den 
säkularen Hebungs- und Schwankungserscheiuungen an Ort und Stelle mit Fleiss 
studiert; trotzdem haben wir nirgends einen Anhalt entdeckt, wertvolle Zahlen und 
Maße zu entwickeln, welche die relative Altersbestimmung aus der Geologie 
verdrängen und absolute Werte dafür einBetzen könnten. Zwar mag es den 
Anschein haben, als sei das Ei des Columbus ganz prachtig zum Stehen gebracht: 
denn Blytt 31 ) schreibt, seit der Eiszeit gingen 10 Perioden, jede zu 10.500 Jahren, 
dahin, und Prestel 42 ) sagt, daß vor 13.700 Jahren die Nordsee von Norden 
her ihren Anfang nahm. Bereits um das Jahr 3000 v. Chr. war sie nach Prestel 
so weit fertig gestellt, daß die Linie, welche wir heute von Scarborough nach dem 
Sknger Raek ziehen, die Südgrcnze bezeichnete. 1000 Jahre spater ward das Fest- 



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Moor und Torf. 



2*7 



land der jetzt fischreichen Doggerbank zur Insel und um das Jahr 600 n. Chr. 
tauchten ihre höchsten Spitzen unter das Meer. So wuchs die Nordsee zur 
heutigen GrölJe heran, und im Jahre 2700 n. Chr. wird sie — immer nach 
Prestel — ihre Fluten Uber das Bourtanger Moor walzen. Dieser Golf wird 
im Jahre 4000 n. Chr. emsaufwürts bis Lingen und im Jahre 6000 n. Chr. sogar 
bis hinauf nach Rheine im Münsterlande reichen. 

In Anbetracht dieser Zahlen und des Ilmstandes, dass die Natur rücksichts- 
los ihre Pfade wandelt, möchte uns Deutschen angst und bange werden, zumal 
wir zugestehen, daß hier wirklich ein Senkungsfeld vorliegt. Und doch müssen 
wir ein Dreifaches darauf entgegnen: 

1. Immer und allezeit wird Deutschland bestrebt sein, Deiche und Dämme 
aufzuführen und sie in einen Zustande zu erhalten, daß die wildesten Fluten 
brandend in die tobende See zurückfallen. 

2. FUr alles, was die Natur vollbringt, giebt es eine Kulmination und Retro- 
gradation. Warum darf auf die Senkung keine Zeit des Stillstandes und endlich 
des Steigens folgen ? Müssen die Baume in den Himmel hinein wachsen V Gegen- 
wärtig sind die Senkungsbeträge so gering, daß wir annehmen dürfen, der Nord- 
seestrand gehe immer mehr den Zeiten der Ruhe und Erholung entgegen. 

3. In den mitgeteilten Werten und Jahren einen Rechenfehler aufzuspüren, 
dürfte schwer halten. Uns ist es nicht gelungen. Deshalb erscheinen uns auch 
die Angaben vollkommen korrekt, Rolid und unantastbar. Dasselbe gilt aber auch 
von den zweimal zwölf Stunden, welche HansBendix, der Schäfer, dem Kaiser 
vorrechnet, wie bald er zu Rosse die Welt in«g' umjagen. Bürgers Verse: 

„H*, u lachte der Kaiser, „vortrefflicher Haber! 
„Ihr futtert die Pferde mit Weon und mit Aber!" 

dürfen mit vollem Rechte auf jene Exempel bezogen werden, obgleich wir an- 
erkennen, daß bei Prestel der Berechnung Thatsachen zugrundeliegen, welche 
wir bei Blytt vergeblich suchten. 

Prestel 43 ) veranschlagt den Senkungsbetrag an der Nordsee für je 100 
Jahre zu 3 7, Fuß. Rein hold 43 ), auf die Pegel- Ablesungen am Dollart, und 
l'Epie 44 ), auf diejenigen zuEnkhuisen fußend, geben für die gleiche Zeit 2 T /„, resp. 
3 1 /« Fuß an. Die entsprechenden Werte für Skandinavien sind im ganzen geringer ; 
denn für Schweden, auf Lyell bezugnehmend, fanden wir („Kosmos." VII. Jahrg. 
1883. p. 346) als Mittel 0.65 i», d. i. 2'/ 4 Fuß, und für Südnorwegen ergeben die 
Ablesungen an jenen 27 Wassermarken nur 0.30 in, d. i. 1 Fuß. 

Zum Schluss müssen wir noch die Maße für die in einem Jahrhundert gebildete 
Torfmasse mitteilen. Nach He er 47 ) beträgt die Mächtigkeit 1 Fuß. nach Unger 1 *) 
im Maximum 5, im Minimum 2 Fuß. Dazwischen ordnen sich die Angaben von 
Lesquereux 40 ) und P a 1 1 i a r d i. M ) Halten wir uns an die nackte Thataache, daß 
bei Warmbüchen in Hannover nachweislich in einem Zeiträume von 30 Jahren ein 
4 bis 5 Fuß mächtiges Torflager und bei Radolfzell in Baden binnen 25 Jahren 
eine 4 Fuß dicke lorfschicht sich bildete*'), dann würden wir sogar 16 Fuß 
als Wachstums-Stoß für das Jahrhundert erhalten, ein Maß, welches immer noch 
von den Angaben Ubertrotfen wird, welche wir Van Marum 5 ') und Konrad 
Heidegger**) verdanken; denn beide sagen: „In fünf Jahren ein Schuh." 

Wollten wir auf Grund dieser Zahlen die Tiefe der ältesten Torflager, resp. 
das Ende der Eiszeit berechnen, so erhalten wir die ergötzlichsten Resultate. 
Setzen wir mit Blytt daH Ende der Eiszeit vor 80.000 Jahren und die im Jahr- 
hundert erzeugte Torflage zu 1 Fuß: so sollten die damals im Wachstum be- 
gonnenen Moore 800 Fuß Tiefe haben und die Wirklichkeit sagt 16. Gehen wir 
von dem tiefsten Torfmoore aus, welches Blytt gefunden, es ist 26 Fuß mächtig, 
dann sollte unter gleicher Voraussetzung das Ende der Eiszeit vor 26 Jahr- 
hunderten, also zur Zeit, als Rom gegründet wurde, eingetreten sein. Wer will 
auf diese Ergebnisse Wert legen? — Wir vor allen; denn einen besseren Beweis 
als sie selbst liefern, kennen wir nicht, daß derartige Spekulationen von der 
Wissenschaft zu positiven Grundlagen und zum Aufbau von Theorien gar nicht 
zu gebrauchen sind. Und geschieht es doch, dann braucht kein Wort über die 
Wertlosigkeit der aufgestellten Theorie gesagt zu werden. 



288 



Moor und Torf. 



Interessant ist, daß Norwegen gerade an seiner langsam sich 
hebenden und Deutschland gerade an seiner langsam sich sen- 
kenden Küste Tor flager haben; denn diese Stationen registrieren 
genau den Verlauf des Kampfes, welchen Meer und Moor mit 
wechselndem Glücke um das Terrain führen und geführt haben. 
Die deutschen Stationen, wie wirgesehen, habenviel bestimmter 
gearbeitet, als die norwegischen; sie beweisen schlagend, dass 
hier die Küste sich gesenktund dagehoben hat; aber bieten kein 
Zeitmaß, mit dem die absolute Dauer der Diluvialzeit oder sonst 
einer geologischen Periode gemessen werden. 



') Bulletin de 1a Soc. Imp. des Nat de Mosoou 1869, p. 1 — 70. — l ) Penck, Schwankungen 
des Meeresspiegels. München 1882. Hier ist auch die Literatur Uber 8 tokos, Philipp Fischer, 
Hann, Bruns, Listing etc. r.u Huden. — ') Kduard Sucss, Das AutliU der Erde. Prag und 
Leipzig 1883. I. Abt., p. 19 nud 20. — 4 j Andreas Celsius in den Abh. der schwed. Akad., 
deutsch v. Kästner, Bd. V. 1743. Halen», Oldenburgische Geschichte 1794. Bd. 1, pag. 32. — 
») P«« che 1 -Lei pol dt, Physische Erdkunde. 1879, 1. Bd., p. 36:1 — •) L. v. Buch, Reise durch 
Norwegen und Lappland, Berlin 1810. Bd. II., p. 291. — ') VgL Philosophical Transactions of the 
R. Soc. of London. Vol. CXXV. (1835), p. 1—38.— *) Literatur- Angaben vgl. Cl. König, Unter- 
suchungen Uber die Theorie der wechselnden kontinentalen und insularen Kllmate. „Kosmos. " 
VII. Jahrg. 1883, p. 344. Anw. 3 und 4. — *) Hahn, Aufsteigen und Sinken der Küsten. Leipzig 
1879, p. 168, 175 ff. — ,0 ) Eilkcr, Die Sturmfluten der Nordsee. Emden 1877, p. 40. — Arends, 
Phys. Gesch. der Nordsee. Emden 1833. Bd. I. p. 200 ff. und Bd. II. — »>) Dove, Monatsbericht 
d. Berl. Akad. 1862, p. 639. — ») L'Epie, Ouderzoek over de oude eu tegenwoordige natunrlyke 
Gesteldheyd van Holland. Amsterdam 1784, p. 67. — Arends, Nordsee etc. I. Bd. p. 170 ff. — 
,s ) PrcsteL, Der Boden der ostfriesischeu Halbinsel. Emden 1870, p. 65. — '*) Gut ho, Die Lande 
Braunschweig und Hannover. Hannover 1867, p. 29. — Arends, Nordsee. Bd. I., p. 176 ff. — '») 1. c, 
p. 53. — '*) Tetens, Reisen in die Marschländer an der Nordsee. I^eipsig 1778. Bd. 1. p. 172. 

— Arends, Physische Geschichte der NordseekUste. Emden 183.1 Bd. 1, p. 84, 231. — 
•*) Grisebach, Gesammelte Abhandlungen etc. p. 107, 109. — Arends, Ostfriesland und 
Jever. Bd. 1. p. 22. — m ) Cotta, Deutschlands Boden. Leipzig 1854, p. 262. — *') Ehrenberg 
in d. Mouatsber. d. Berliner Akad. 1843, p. 267. — w ) Arends, Nordsokfiste etc. Bd. 1., p. 149. 

— Grisebach U, p. 109. — Prestel, 1. c, p. 18. ~ a ) Leonis- Seuft, Synopsis der Mine- 
ralogie nud Geognosie, II. Abt Hannover 1876, p. 57. (Nach Walch nur'« Handb. d. Geogr. p. 293). 

— Vgl. Hunter in v. Leonhardt's Jahrb. 1837, p. 59 — 1839, p.482. — ") Lyell, Principles of 
Geology. London 1875. Twetfth Edition. Vol. II., p. 512. — ü j De Luc, Lettres physlques et 
inorales sur l'histoim de la terre et Thomme. La Haye. 1779. Vol. 5., p. 130 ff. — *•) Geinita, 
Fleck und H artig. Die Steinkohlen Deutschlands und anderer Länder Europa«. München 1865. 
Bd. I., p. 12. — ") Credner, Elemente der Geologie. Leipa. 1876. p. 170 u. 172. — *") Mohn» 
Bidrag til Kundskaben om gamle Strandliuier i Norge in Nyt Mag. f. Naiv. 1876, Ser. II., Bd. IL, 
p. 42. — Vgl. Hahn, 1. c. p. 42. — Lehmann in Zeitschr. f. d. genaunteu Naturw. Bd. 53 (1880), 
p. 247 ff., Bd. 54 (1881), p. 463 ff. — *>) Kjerulf in Zeitseh. d. deutsch. Geol. Gosel.. 1860, 1863, 
1870. — *») Alex. v. Humboldt im Ilrr^inännischen Journal, Herausgeg. v. Kohler und 
II off mann. Anuaberg u. Freiberg. V. Jahrg. 1792. Bd. 1., p. 551. — 5I ) Loop. v. Buch, Reise 
durch Norwegen und Lappland, Berliu 1810, Bd. 1., p. 307, 308, 327, 441 — p. 5 u. 308. - 
Sl ) Blytt: Essay ou the iinmigration of the Norvegian Horn etc. Christiauia 1876. — Tidskrift 
for Populäre Fremstillinger af Naturvidenskaben. Kjöbenhavn 1878, p. 81. — Eugler's bot. Jahrh. 
1882, II. Bd. — Japttapelser over det sydöstligc Norge« Torvmyre in Christiauia Vidcnskabsselskabs 
Forhandlinger 1882. Nr. 6. — «) Keilhau, Undersogelser om hvorvidt i Norge etc. in Nyt. Mag. 
for Naturvidonskabcrnc 8er. I. Bd. 1., p. 105 ff., 250, 164 ff. — «) In Zcitsoh. d. deutsch. GeoL 
Gesch. 1860, p. 409. — Neues Jahrbuch für Mineralogie 1869, p. 422. — *>j Lyell, I. c Vol. II. 
p. 194 ff. — Everest, Travels throngh Norway. — Nyt Mag. f. Natur. Nr. 33, p. 164 — 173. — 
») VgL Hahu I. c, p. 138, 140, 142. — «) Quartcrly Journ. of Geol. 8oc. Nr. 4., p. 534. — 
M. Bravais' Observation« were verified in 1849 by Mr. R. Chambers in his „Tracings of N. 
of Eiirope* p. 208. — Kjerulf in ZeiUchr. d. deutsch. Geol. Gesch. 1860, p. 389; 1863. p. 619: 
1870, p. 1 ff. Bonstetteu, Skandinavien und die Alpen, 85, 86. — **) Reuse b. Die Fossilien 
führenden Krystall-Schiefer von Bergen in Norwegen. Deutsch von Bald an f. Leipz. 1883, p. 9. — 
Ä i 8 Kren Abildgaard's Abhandl. vom Torfe. Aus ilem Däuischen Ubersetzt und mit Zusätzen 
verseben. Kopenhagen 1765, p. 16. — *°) Karl v. Meidinger, Abhandl. von dem Torfo etc. 
Prag 1775, p. 46. — ♦') Drude in Behm's geogr. Jahrb. 1882, p. 142. — «») Prestel, L «s. 
p. 68, 72, 73 ff. — * r ) Reiuhold, Hydrographie von Ostfriesland, vgl. Nr. 10 dos 13. Bds. von 
frell's Journal f. Baukunst. — **) L'Epie, 1. c, p. 67,82. — «) Kosmos, Jahrg. 1883, p. 346. — 
*) Vibe, Ergänzungsheft Nr. 1 au Peterm. Geogr. Mitt 1859 p. 11. — «') Heer, Urwelt der 
Schweiz. IL Auflage, p. 42. — **) Unger, Versuch einer Gesch. d. Pflanzen, p. 130. ~ 
^ Lcsquercux, Untersuchungen über die Torfmoore. Aus dem Französischen von Lengerkc. 
Berlin 1847. — M ) Palliardi in Erdmann's Journ. f. prakt. Chemie. XVII. 1. — 4I ) Pierer's 
Universal-Lexikon, XVU Bd., p. 691a. — «) In Herrn bstädf» Archiv d. Agricultnreheniie. Bd. L 
Heft II. p. 419. — **) In Abhandl. d. naturf. Ges. in Zürich 1761. p. 226. - ") Grisebach 1. c, 
p. III ff. v. (J Ii in l> e I, Beitrüge z. Kennt, d. Textnrverhältnisse der Mineralkohleu. Siiztmgsli. der k. 



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Stabinn redMvn». 



2*9 



hayer. Akad. d. WuweuKch. Math. phys. J. 1883. Früh, Über Torf und Dopplerit. Zürich 188». 
Bd. 1. p. 1») ff. — ») Wiarda, Ostfr. Geschichte. Bd. 10. p. VM — K.»hli, Beschreibung von 
Oldoub. Bd. J, p. 7«». — Arnmh, Nordseelcfiste. Bd. 1, p. »>5. — '*•) Kus», Naturg. von 
Schleswig und Holstein, p. 36. — Areuds, NordseekUste. Bd. 1, p. M». — »') K o in b erg- K 1 e i n, 
Da* Meer. Vgl. Die gesammten Naturwissenschaften. III. Bd., 8. Au6.. p. 776. — Sdoak, Antlits 
d«r Erde, p. 3. — Listing in Nachrichten d. K. Ges. d. Wis». tm Giittingeu. 1877, p. 749 ff. ~ 
Vgl. „Kosmos*. IX. Jahrg. 1886, p. 67. 



Stabius redivivus, eine Reliquie aus dem IG. Jahrhundort. 

Von Ant. Steinhäuser. 

In allen größeren nnd vollständigeren Werken Uber Projektionslehre findet 
man Abbildungen der scheinbar bizarren, herzförmigen Projektion der Gesamtnt- 
Erdoberfläche, die gewöhnlich mit Unrecht dem Nürnberger Mathematiker Werner 
zugeschrieben wird, während sie in der That eine Erfindung des Österreichers 
Stab ist, und daher diesen Namen fuhren sollte. Es geht dies klar aus den 
eigenen Worten Werners hervor, der in der Widmung der vier Figurationen 
des Erdkreises an Pirkheimer sich folgendermaßen ausdrückt: 

Dicare tibi constitui libellum hunc, quem de recentibus quatuor terrae orbis 
super piano fignrationibus Joanne Stabio haud vulgari Mathematico ea rundem 
figurationum theoriam ac primaria incunabula mihi suggerente, 
bis proximis diebus composueram." ') Also Stab ist der Erfinder, Werner nur der 
Zeichner ! Auch Peyerbach führt unter den Werken des Stabius an : Compositiones 
variorum projectionum universalium Ptolemwi pro toto globo. l ) 

Hier erwähne ich nur der Configuration IL, weil diese die vorzüglichste dar- 
unter und grundsätzlich die erste flächen treue Entwurfsart ist, die man kennt. 

Bevor ich jedoch auf eine nähere Betrachtung der Projektion eingehe, 
durften einige Notizen Uber Stab am Platze sein. Dieser ausgezeichnete Gelehrte 
wurde zu Stadt Steier in Ober-Österreich geboren, in der zweiten Hälfte des 
15. Jahrhunderts, gegen Ende desselben erscheint er als Professor an der Uni- 
versität in Ingolstadt. Im J. 1502 finden wir ihn in Nürnberg, beschäftigt mit 
der Herstellung einer Sonnenuhr an der St. Lorenzkirche; vom J. 1503 bis 
1519 in Wien, als Professor an der Hochschule, als gekrönten Poeten, Mitglied 
der „Donau-Gesellschaft," Sekretär und Vertrauten des Kaisers Maximilian L, den 
er im Frieden und im Kriege stets begleitete. Nach dem Tode des Monarchen 
zog er sich nach Graz zurück, wo er am 1. Januar 1522 starb. Cuspinian 
(Spießhammer) rühmt ihn als einen Mann von scharfem Verstände und seltener 
Gelehrsamkeit. 

Von seinem Aufenthalte in Nürnberg rührt höchstwahrscheinlich sein freund- 
schaftliches Verhältnis zu Werner her (geb. 1468), und von seiner Mitwirkung 
beim n Indus Dianae u zu Linz (1500) sein Bekanntwerden am Hofe Maximilians. 
Längst hätte dieser verdienstvolle und geistreiche Mann eine ausführliche Lebens- 
beschreibung verdient, und es wäre eine würdige Aufgabe für einen vaterländischen 
Historiker, an die Stelle der spärlichen und zerstreuten Notizen eine zusammen- 
hängende Schilderung des Lebens und Wirkens dieses Gelehrten zu geben, . 
nebstbei mit besonderer Rücksicht auf seine Leistungen als Mathematiker. 

Den Grundzug der obengenannten Projektion bilden koncentrische, gleich- 
weit abstehende Parallel-Kreise mit dem Mordpol als Mittelpunkt Auf diesen 
Kreisen sind die Längengrade im richtigen Verhältnisse zu den Meridiangraden 
aufgetragen. Dadurch entsteht die herzförmige Figur, oben eingeschnitten, unten 
spitz zulaufend, die ungeachtet ihrer unbestrittenen Flächentreue (Äquivalenz) 
dennoch in der südlichen Erdhälfte die Umrisse der Länder dermaßen verzerrt, 
dass man schon zur Zeit ihrer Entstehung nur von der obern Hälfte Gebrauch machte, 



• , Libellu« de quatnur terramm orbin in piano ngurationihus, ein Anhang tu einer lateinischen 
Übersetzung des I. Buchen der Geographie de« l'tolcrawus in der Sammlung von Abhandlungen Wer- 
ner«, die bei Joh. Stuchs in Nürnberg 1514 erschienen. 

l ( Unter diese geh»rt auch : Imago terrao ^Nürnberg 1515) in 2 FoliobUtttern von Albrecht 
Dürer in Holz geschnitten, wovon die Monatsbericht* der Berliner Oesellschaft für Erdkunde 
1848, Band V. 8. 230 eiue verkleinerte Kopie enthalten. 

K*OUr'. KtilKkri/t. V. Bd. 91 



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290 



Stabiu* redivivtu. 



so zwar dass die nördliche Hälfte verkehrt zur £inzeichnung der südlichen ver- 
wendet wurde. Dies» geschah von Orontius Finaeus (1531), Gerhnrd Mercator 
(1538) und Kaspar Vopelius (1540?). Die Karte Mercators, die Dr. Breusing 
für einen ersten Versuch dieses berühmten Kartographen hält, ') befand sich ein- 
geheftet in einer Ausgabe des Ptolemäus, die einst im Besitze Mercators gewesen 
und ist nun Eigentum der geographischen Gesellschaft in New- York. Es ist nicht 
bekannt, dass seit drei Jahrhunderten ein Versuch zur Anwendung dieser Pro- 
jektion gemacht worden ist, vermutlich aus dem Grunde, weil mit der Beibehaltung 
der Herzspitze eine höchst widerliche Entstellung der Gestalt der Landmassen 
unausweichlich verbunden war, und eine Trennung i n zwei Hillften mit einem 
einzigen Berührungspunkte durch Verwendung von mittlerweile neu erfundenen 
Projektionen anderer Art vermieden werden konnte. 

Nun gibt es aber Modifikationen in der Konstruktion der den meisten An- 
stoß erregenden Südhälfte, die den großen übelstand einer übermäßigen Entstellung 
der Gestalt wo nicht beseitigen, doch so sehr mäßigen, dass die Verzerrungen 
nicht ärger werden, als sie bei andern Projektionen der Uesammtoberfläche 
erscheinen. Man braucht nur die Südhälfte in vier Lappen aufzulösen, die sich 
der Nordhälfte entsprechend anschmieden und diese Ansätze so begrenzen, 
dass die Landmassen möglichst in die Mitte fallen, und erhält dann ein leidliches 
Bild der Konfigurationen, die wol noch gedrückt und dadurch in die Länge 
gezogen sich darstellen, aber den Vorteil der Flächentreue dessenungeachtet 
beibehalten. 

Wie das beigegebene Kärtchen zeigt, stellen sich die Erdteile Europa und 
Afrika in günstigen Verhältnissen, Nord-Amerika und West-Asien in wenig ver- 
zogenen Umrissen, nur Ost-Asien, Süd-Amerika und Australien werden gequetscht 
und in die Länge gezogen. Das gewahrt man auch bei anderen Projektionen z. B. 
bei dem Oval von Mollweide, bei den orthographischen u. a. Projektionen. Da 
ferner das ganze, aus Kreisen und Kurven zusammengesetzte Netz mehr an die 
ausgespannte Oberhaut eines Globus erinnert, was bei den andern stern- oder 
halbsternförmigen Projektionen mit ihren geradlinigen Meridianen nicht der Fall 
ist, so scheint es nicht ungereimt, die modificierte Stabius-Projektion Air lebens- 
fähig zu erklären, womit nicht gesagt ist, ihr als einer entschieden flächen treuen 
Entwurfsart einen überwiegenden Vorzug einzuräumen. Machen die auf die 
Abwicklung einer Kegelfläche gegründeten Projektionen der ganzen Erde weniger 
den plastischen Eindruck von Teilen der Oberfläche einer Kugel, und erleiden 
sie auch einen unersetzbaren Verlust am Areale, so bleibt ihnen immerhin der 
große Vorteil bequemster Konstruktion. 

Die Herstellung des Netzes ist bei der modificierten Stabius-Projektion weniger 
einfach als bei den konopterischen Netzen. Hat man vom Nordpole aus die 
koncentri sehen Kreise gezogen und den mittelsten Meridian, so hat man die 
Aufgabe, von diesem im wahren Verhältnisse zum Sphäroid auf dem Äquator 
und den Parallelkreisen die Breitengrade nach links und rechts aufzutragen; 
eine Arbeit, die sehr viel Genauigkeit erfordert und bei der man bei dem Zeichnen 
der Meridiane durch Verbindung der aufgetragenen Punkte die unliebsame 
Erfahrung macht, dass man wegen Nichtkongruenz gar manchen Parallelkreis 
nochmals teilen muss, weil man um einen minimalen, kaum merkbaren Betrag 
den Abstand zu groß oder zu klein genommen hat. Diese lästigen Korrektionen 
kann man sich ersparen, wenn man früher berechnet, wo die Endpunkte der 
Parallelkreise hinfallen. Man braucht dann nur diese mit Hilfe eines Iransporteurs 
zu markieren, und teilt dann die halben Parallelkreise in so viel Teile, als 
man Meridiane ausziehen will. So wird man finden, dass der Endpnnkt des 
fiO. Parallels mit dem Nordpole einen Winkel von 7,37° macht, der Endpunkt 
des 45. Parallels einen Winkel von 17,40°, der Endpunkt des 30. Parallels 
einen Winkel von 30,76°, der Endpunkt des 15. Parallels einen Winkel von 
46,91°, der Endpunkt des Äquators einen Winkel von 65,21°. 

Die Meridiane entstehen durch die Verbindung der Teilungspunkte auf 
den Parallelkreisen. Um die A n s ä ta e anzufügen, verlängert man die Meridiane 

•) Leitfaden dureb das Wiegenalter der Kartographie hin IrtUO von Dr. A. Kreunittg, Frank- 
furt am Main, 1883, Kahla« und Waldsoumidt 8. <>. 



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Vermischte Studien cur Geschiente der mathematischen Geographie. 



201 



der Nordhälfte, die der Lappenmitte entsprechen, indem man ihnen mit einem Kur- 
venlineal eine passende Krümmung gibt, so dass ihre Endpunkte auf dem 180. 
Parallel 15° und 42° vom mittleren Meridian abstehn. Es ist dabei nur zu be- 
achten, dass der Übergang des nördlichen Meridianteiles zum südlichen keine 
auffällige Abweichung in der Richtung der Kurve erleidet. Zur Teilung der 
Parallelkreise auf den Lappen geben die Längen der Breitentrapeze auf den 
nördlichen Teil die korrespondierenden Größen. 

Wenngleich die Stabius-Projektion, auch mit den bessernden Abänderungen, 
keine Aussicht hat, Uberhaupt einen vorragenden Platz unter den Projektionen 
einzunehmen, so bleibt sie doch als flächen treue Entwurfsart eine gelungene 
Leistung, umsomehr als sie in dieser Abteilung den ältesten Rang stets 
behaupten wird. Es schien mir angezeigt, diese Reliquie aus der Wiegenzeit 
der Kartographie durch Einzeichnung der Konturen der Erdteile in das Netz 
wieder zu beleben und dadurch auf die Verdienste hinzuweisen, die ein öster- 
reichischer Angehöriger sich um die Wissenschaft vor mehr als drei Jahrhunderten 
erworben hat; ein Gelehrter, den seine Zeitgenossen hochschätzten, und der auf 
Grund seines großen Wissens und der Lauterkeit seines Charakters mit Recht 
das vollste Vertrauen seines erhabeuen Monarchen genosB. 



Vermischte Studien zur Geschichte der mathematischen 

Geographie. 

Von Prof. Engen fielrich, k. k. Direktor der nautischen Schule in Luscinpiccoln. 

L 

Die Geschichte der Loxodrome und der loxodromischen Trigonometrie, 
sowie die Entwicklung der Kartenprojektionen, die mit genannter Kurve ein 
inniges Bewandtnis haben, ist schon viel besprochen und behandelt worden. Von 
den in den letzteren Zeiten erschienenen vorzüglichsten Schriften historischer 
Natur über diesen Gegenstand nennen wir Günthers „Studien zur Geschichte 
der mathematischen und physikalischen Geographie" (Halle 1879), Breusings Ab- 
handlung Uber die „Toleta de Martolojo," enthalten im II. Jahrgange der Zeit- 
schrift für wissenschaftliche Geographie, dann das vorzügliche Werk von Fiorini 
„Le projezioni d eile carte geografiche" (Bologna 1881) welch letzteres nebst der 
streng wissenschaftlichen Behandlung des theoretischen Teiles in unfangreichere 
Art, als es in dem in Deutschland weitaus verbreiteteren Lehrbuch Gretschels der 
Fall ist, auch das geschichtliche Moment würdigt und stellenweise sogar ziemlich 
ausführlich berücksichtigt. Speciell über die Geschichte der Karten war die 
Literatur sozusagen aller Jahrhunderte überaus fruchtbar, wovon man sich durch 
Uberschauung der Anmerkungen überzeugt, mit welchen das „Coup d'oeil Hi- 
storique" von d'Avezac übersäet ist. Doch finden wir noch stellenweise Lücken, 
die wir znm Teil wenigstens auszufüllen wünschen, soweit wir das nötige Qnellen- 
material auftreiben konnten. Wenn wir uns dann auch bisweilen gestatten, 
kritische Vergleiche zwischen den Bestrebungen einzelner Gelehrten anzustellen, 
so möge man dies als dem Wunsche entsprungen betrachten, eine Fühlung — 
wenn der Ausdruck hier zulässig ist — zwischen den verschiedenen Werken 
herzustellen, um dadurch dem Forscher auf dem mathematisch-geographischen 
Gebiete behilflich zu sein. 

II. 

Die Geschichte der Loxodrome wurde wie gesagt schon verschiedentlich 
behandelt Günther findet sehr treffend die ersten Kenntnisse der Loxodrome 
schon bei Raymundus Lullus und die toleta der Venetianer war ja nichts an- 
deres als das heutige nautische Kursdreieck. Hatten auch die Katheteu lavanzar 
und il 1 arzare nicht die Bedeutung des Breitenunterschiedes und der Abweichung 
— in Deutschland auch mitunter Abweitung genannt — so bezogen sich ihre 
Werte auf die Elemente eines loxodromischen Dreieckes. Denn die xurück- 



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292 Vermischte Shulieu mr Geschichte der mathematischen Geographie 



gelegte Distanz war immer nur der Bogen einer Loxodrorae. Dies jedoch nur 
insofern, als es sich um kleinere Strecken handelt. Denn abgesehen von dem 
Umstände, dass das nautische Kursdreieck nur für kleine Distanzen gilt, waren 
vom theoretischen Standpunkt die von den Venetianern im gleichen Kurse ab- 
gelaufenen Wege bei weitem nicht Loxodrombögen. Wir erinnern nur an die 
Aufklärungen, die darüber Breustng in anderer Form und einen anderen Zweck 
verfolgend (a. a. O. S. 187) gab, die aber auch hier ganz gut passen. Ein 
Schiff, welches von einem Punkte A segelte und sagen wir fortwährend gegen 
West steuerte, legte keinen loxodromischen Bogen zurück, weil die magnetische 
Deklination eine veränderliche ist, so dass die Meridiane nicht unter dem gleichen 
Winkel geschnitten wurden. Erst als die Veränderlichkeit der magnetischen 
Deklination bekannt wurde und man die Kurse dem entsprechend zu berichtigen 
begann, gestalteten sich die Verhältnisse richtiger (abgesehen von veränderlichen 
Drift- und Strömungsverhältnissen); natürlich entfällt diese minutiöse Berück- 
sichtigung bei ganz kleinen Überfahrten. Peschel Ubersah diese Thatsachen und 
selbst d'Avezac gewann -- wie Breusing sagt — keinen näheren Einblick in 
dieser Angelegenheit. Breusing zeigte, dass das einzig zulässige und der Wirk- 
lichkeit entsprechende Netz für die loxodromischen Karten des Mittelalters das 
konische wäre. Über diese verschiedenen Thatsachen wollen wir nun einige 
Betrachtungen anstellen und ergänzungsweise einige Ansichten über Lullus und 
über den Ursprung der toi et a mitteilen. 

Vorübergehend und ohne sich mit der Angelegenheit näher zu befassen, 
hat Breusing das Urteil hingeworfen, Raymundus Lullus sei kein Seemann ge- 
wesen. Wir glauben dies auch. Von seinen Werken besitzen wir die Straßburger 
Auflage: Raytnundi Lulli opera, Argen torati MDCXVII, die auch Günther be- 
nutzte. d'Avezac citiert eine im Jahre 1515 zu Lyon verfasste Ausgabe des Arbor 
scientiae, die uns unzugänglich war. Das Hauptwerk des Lullus in nautischer 
Beziehung, sein „Arte de Navegar," scheint aber leider verloren gegangen zu 
sein. Navanrete berichtet darüber in seiner „Disertacion histörica sobre la parte 
que tuvieron los espanoles en las guerras de ultramar," wie folgt (§ 92, nag. 99) : 
,,eBcribio . . . varios tratados cientificos, y entre ellos un „Arte de Navegar," 
que citan D. Nicolas Antonio y otros escritores. Si esta obra Hubiera llejado 
ä nuestros dias, pudieramos examinar y conocer el metodo con que tratö ciertos 
puntos fundamentales de la navegacion, o averiguar si a caso fu£ un mero reco- 
pilador de lo que dejaron escrito los antiguos. Pero juzgando por la doctrina 
que vestiö en otras obras misceläneas y matemäticas, no podemos dejar de 
ad inirar los solidos prineipios en que fundaba el estudio de la näutica. En una 
de ellas publicada en 1286 trat6 de los vientos y de las caaas que los pro- 

ducen Dijo en su Oeometria que de ella dependia la näutica, y entre 

su8 figuras se nota un astrolabio para conocer las horas de la noche, que 
dice es de multa utilidad para los navegantes; y en su arte general ultima, 
no solo puso un compendio de ciertas instrucciones para que los marineros eje- 
cutasen con arte lo que obraban por pura rutina y experiencia, sino que tratö 
expresamente de la navegacion, sentando que desciende y procede de la geo- 
metria y aritm&ica: y en coinprobacion de ello traja una fignra dividida en 
cuatro triängulos y constituida en ängulos rectos, agudos y obtusos, a semejanza 
de los cuartieres que hoy sirven tanto para la practica de la navegacion, decla- 
rando por medio de esta invencion cuanto anda una nave segjn el viento que 
sofla, y el rumbo que signe respecto ä los cuatro viento cardinales, de lo cual 
deduce el lugar o paraje del mar en que se halla, ä una hora o inoiuento de- 
terminado." Wie nun Lullus aus dem unter 45° zum Meridian oder Parallel- 
kreis zurückgelegten Weg die Distanz vom Abfahrtspunkte auf eine der Kar- 
dinalrichtungen bestimmt, hat Günther gezeigt. Aber die übrigen Erklärungen 
und selbst die Figur, die in der Ars Magna Kap. CXI. „De navigatione" 
enthalten ist, bleihen uns nicht nur ganz unverständlich, sondern wir können 
uns auch gar nicht erklären, wie die Seeleute daraus klug wurden. Einige 
Ausdrucksweisen, deren er sich bedient, und seine Art der Distanz bestimm ung 
erregt übrigens auch mathematische Bedenken. 

Wir würden eher geneigt sein, Lullus als einen Sammler anzusehen, der 



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V«rmi«chtA Studien zur Gum-IhcIu* <li«r mAtfi>>matiKch«ii Geographie. 



293 



in seinen Werken, wie in der Ars magna z. B. alles mögliche ihm Bekannte 
zusammentrug, und der die nautischen Kegeln nicht grttndoto, sundern von den 
Seelenten erfuhr. Die toleta der Venctianer und die Regeln des Lullus haben 
wahrscheinlich einen gemeinschaftlichen Ursprung, wenn man uicht gerade er- 
stere aus letzteren ableiten will. Die toleta ist durch die Seelnute der Sere- 
nissima nach Venedig importiert worden und zwar sprechen die Anzeichen dafür, 
dass sie dem Westen Kuropas entstamme, worüber wir zu den Auseinander- 
setzungen Breusings folgende Betrachtungen beifügen. 

Zuerst einiges über die Ableitung des Worte» toleta, wobei wir uns als 
inkompetent jeder philologischen Untersuchung enthalten. Nur einige Thatsachen 
sollen hier angeführt werden, die aus der Geschichte der Mathematik schon 
langst bekannt sind. 

Welchen Zweck verfolgte die toleta? Denjenigen, zu dem jede mathe- 
matische Tafel bestimmt ist. Eine gegebene Rechnung zu erleichtern und ab- 
zukürzen. Nun wissen wir, dass schon die Alten eigene Instrumente in 
Gestalt von Rechenbrettern hatten, die zur Zeit der Griechen schon zu Rechen- 
tischen gestaltet wurden. Im Jahre 1846 wurde auf der Insel Salamis eine 
Rechentafel von Marmor 15 m lang und <>75»» breit gefunden. „Sie war der 
Größe ihrer Abmessungen, dem Gewichte des Materials, der durch beide ver- 
einigten Umstände erhöhten Unbeweglichkeit zufolge, sicherlich keine gewöhnliche 
Rechentafel. Wir haben vielmehr an den Geschäftstisch eines öffentlichen 
Wechslers zu denken, deren es in Griechenland bereits gab, oder an eine Art 
von Spielbrett mit zur Verrechnung von Gewinn und Verlust vorgerichteten 
Kolumnen" (Cantor. Gesch. der Mathem., Bd. I., S. 10). Die Sitte der Anwendung 
von Rechenbrettern hat sich fast bei allen Völkern fortgeerbt und so sehen wir, 
wie auch in Rom die Kinder damit unterrichtet werden. Victorius, ein Rechner 
des V. Jhrt. (1. c. 450), hatte einen Recbenkneeht in tabellarischer Form her- 
gestellt, aus welchem Vervielfältigungen sowol ganzer als gebrochener Zahlen in 
großer Ausdehnung entnommen werden können. Und da römische Schriftsteller 
sich des Ausdruckes tabu Ine hiefür bedienen (z. B. Horaz. Serin. I. 6. V. 73.), 
so ist anzunehmen, dass sich sowul die Rechnungsweise als auch die Bezeichnung 
des Apparates bis zu den KreuzzUgen und sodann bis zur Blüteepoche des 
italienischen Handels forterhielten. Dass die Venetianer in ihrem Dialekte aber 
Tafel anstatt mit tavola durch tola und ein kleines Täfelchen mit toleta 
benennen, ist bekannt, weshalb wir diese Ausdrucksweise auf der Karte des 
Bianco durchaus nicht zum Gegenstande einer besondereu ethymologißchen Frage 
erheben würden. Die Verwendung von Rechentafeln oder lieber noch von Tabellen 
nach Art derjenigen von Victorius bei den italischen Kaufleuten scheint uns 
auch durch den Umstand bewiesen, dass P. Apianus sich dieses Ausdruckes, 
wie Breusing angibt, bediente, um eben eine Tafel, die für kaufmännische Rech- 
nungen diente, damit zu bezeichnen. Auch ein anderes raathematisches Werk, 
das älteste deutsche Rechenbuch, betitelt: „Behende und hübsche Rechnung 
auff allen Kaufmannschaft von Johannes Widman aus Eger. Gedruckt in der 
fürstlichen Stath Leipczick durch Konrad Kacheloffen. Im MCCCCLXXXIX 
Jare' 1 widmet ein Kapitel der Toltetrechnung (Villicus, Zifferrechnen. Wien 1882. 
Progr. der K. Schule am Schottenfelde, S. 17). Hier ist aber unter Tolletrechnung 
die Multiplikation und Division in benannten Zahlen mittelst Zerfallung gemeint, 
eine Rechnungsart, die eben aus Italien nach Deutschland importiert wurde. 
Das Wort toleta wurde somit möglicherweise nicht beim Martolojo zum 
erstenmal angewendet. 

Was das Alter und die Verbreitung des Martolojo anbelangt, so sind die 
bekanntesten Auflagen desselben auf der Karte des Bianco und die im Manu- 
skripte des Pietro di Versi. Seltener findet man das Manuskript von Pietro 
Coredano und den Atlas vom Jahre 1430 (Fiorini. Projezioni delle carte geo- 
grafiche, Bologna 1881. S. 68* in der Anmerkung) angegeben, die dieselben 
Regeln enthalten. Während wir diesen Daten kein weiteres Gewicht beilegen 
und sie uns nur interessant scheinen, da sie auf eine gewisse Verbreitung des 
Martolojo hinweisen, so tritt dafür die andere Thatsachc in ein bedeutend grelleres 



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204 



Vermi>vhte Studien atur Gfwhichte der miitliein»ti»cheu Geographie. 



Licht liorvor, dass nämlich Desimone im „Giornale liiiguistico 1875 u über 
Inventarien aus dem Jahre 1H89 und 1390 berichtete, welche von einer _,carta 
pro navigando" und von einem „martelogium" Erwähnung thun. Bis vor kurzem 
hielt man allgemein dafür, das Martolojo sei eine Schöpfung des XV. Jahr- 
hunderts: nun sehen wir, wie uns die unermüdliche Forschung schon um ein 
ganzes Jahrhundert zurückhilft, so dass wir jetzt sagen können, das Marto- 
lojo stammt mindestens aus dem XIV. Jahrhundert. Bei der hohen 
Entwicklung der Mathematik unter den Arabern liegt eine Vermutung sehr nahe, 
nämlich jene, dass die toleta nichts anderes als eine Vervollkommung der Regeln 
des Lullus sei, welche die Seeleute des XIV. Jahrhunderts möglicherweise direkt 
den Arabern, vielleicht aber auch der Thätigkeit jener gelehrten Männer zu 
verdanken hatten, die Heinrich der Seefahrer in hagres um sich versammelt 
hatte. Heinrich hatte bekanntlich in Sagres eine Seeakademie gegründet, an 
welcher Jacopo de Minorca Nautik lehrte. 

Dieser Jacopo de Minorca scheint nun ein gelehrter Mann gewesen zu sein, 
denn bei den wissenschaftlichen Bestrebungen und Kenntnissen des Infanten ist 
nicht anzunehmen, dass letzterer die Leitung eines Institutes, worauf er großes 
Gewicht gelegt zu haben scheint und welches er eigens für die Heranbildung 
tüchtiger Seefahrer gründete, dem Erstgekommenen anvertraut habe. Die 
Gründung dieser Seeschule fällt in das zweite oder dritte Decennium des XV. 
Jahrhunderts, und es ist anzunehmen, dass bis dahin die Regeln des Lullus ihre 
Gestalt schon verändert hatten. War aber dies noch nicht der Fall, so hatte 
Jacopo sehr wenig zu lehren gehabt und es würde gar nicht so seltsam 
klingen, wollte man behaupten, er hätte Zirkel und Lineal ge- 
nommen, um die Verhältnisse der Ortsversetzung näher zu unter- 
suchen, woraus die Zahlen des Martolojo entstanden sein konnten. 
Breusing hat zwar schon die Meinung geäußert, dass das ,.hacer cartas," welches 
in Sagres gelehrt wurde, nicht als Kartenzeichenkunst zu verstehen »ei und wir 
unterschreiben diesbezüglich völlig seine Ansichten, die wir hier noch näher er- 
läuterten. Übrigens hatten wir uns schon bei einer anderen Gelegenheit dahin 
geäußert (Gekich Gesch. der Schiffahrt. Laibach 1882, S. 50), dass die oftmals 
genannte Anstalt der Beförderung der Schiffsführungskunst gewidmet gewesen ist. 

Fiorini meint (1. e. S. *>48), dass wahrscheinlich kurz nach dem Jahre 1000 
die lateinischen Seefahrer und unter ihnen vorzüglich die Italiener von den 
Griechen der byzantinischen Hauptstadt die Kunst Karten anzufertigen und die 
Art ihres Gebrauches erlernt hätten. Könnte man dies auf Grund verlässlicher 
Quellen nachweisen, so würde die Frage nach dein Entstehen des Martolojo 
abermals verwickelter, denn die Ableitung Morellis von Martolojo aus Homarto- 
logium könnte dann nicht mehr so außeracht fallen und es gewänne sogar 
dieselbe an Bedeutung. 

Wilhelm von Nangis erzählt, dass während des letzten Kreuzzuges des 
hl. Ludwig, als die königliche Escadre Aiguesmortes am 1. Juli 1270 verlassen 
hatte, um sich nach Oagliari zu begeben, dieselbe im Golf von Lyon von einem 
Sturme überrascht wurde. AI« am sechsten Tage der Hafen noch nicht erreicht 
worden war, wunderten sich alle über diese Verzögerung und wollten von dem 
Piloten Auskunft haben : welch' letztere ihre Mapamuuden dem König überbrachten 
um zu zeigen, dass der Hafen — • der nur spät entdeckt wurde — ganz nahe 
liegen tnunste (D'Avezac, Apercus hintorique sur la Rose des Vents. Bollet. della 
ooc. geogr. Italiana Maihett 1*74. S. 408). I n der zweiten Hälfte des XIII. 
Säkulums hat man somit Karten verwendet und jedenfalls ilarauf operirt. Lullus 
schrieb die meisten seiner Werke ungefähr in derselben Zeit, was unsere Ansieht 
erhärtet, irgendeine Art der Schiffsrechnung sei zu seinen Zeiten unter den 
Seefahrern des Mittelmeeres schon üblich und daher der Majorkaner nach dieser 
Richtung seiner literarischen Thätigkeit eher ein Sammler als ein Gründer 
gewesen. 

Üb er die den loxodromischen Karten des Mittelalters zukommende Projektions- 
art haben sich wie wir sehen sowol Peschel als d'Avecac geirrt. Breusing zeigte, 
wie mit Bezug auf die Änderung der Variation denselben nur ein konisches 
Netz angepasst werden könnte. 



Vermischte Studien s«r Geschichte der mathematischen Geographie. 



2!»5 



Fiorini endlich (1. c. S. 691) erklärte mit Bezug auf die früher angedeuteten 
Umstände wie jede theorethisehe Untersuchung ihrer Projektionsart vergebliche 
Mühe sei. Dennoch zeigte er, wie das folgende Verfahren sich der Wirklichkeit 
am meisten nähere. 

Vor allem ist darauf Rücksicht zu nehmen, dass die Alten die Loxodroine 
mit dem größten Kreisbogen verwechselten, dass sie die Distanzen nach einer 
gemeinschaftlichen gleichteiligen Skala auftrüge u und dass sie somit die zwei 
Hauptelemente die ihnen als Grundlage ihres Verfahrens dienten (Richtung und 
Distanz) ohne jede Veränderung in die Projektionsebene übertrugen. Stimmten 
die Angaben der Richtungen und Distanzen bisweilen nicht ein — was aus be- 
kannten Gründen eben oft der Fall sein musste und dies um so auffallender je 
grölier die Breitenunterschiede waren — so hat man wahrscheinlich lieber die 
Richtung als das richtigere Element angesehen und die Distanz je nach den 
Erfordernissen des vorhandenen Beobachtungsmaterials berichtigt oder besser 
ausgeglichen. 

Betrachtet man diese mittelalterlichen Karten, so bemerkt man auf denselben 
eine Centrairose mit den sechszehn Hauptrichtungen und gleichförmig um diese 
verteilt andero 16 Rosen, die in il2 Teile geteilt sind. Die Mittelpunkte dieser 
Nebenrosen sind längs der Peripherie eine« zur Hauptrose koncentrischen Kreises 
und zwar auf den sechszehn Hauptrichtungen der Centrairose gelegen. Da nun 
die Distanzen nach einer gemeinschaftlichen Skala aufgetragen werden, so hat 
man es hier mit einer ilouidistanten Azimutalprojektion zu thun, welche auf den 
Horizont des Centraipunktes der Karte ausgeführt ist. Die Höhenkreise fehlen 
selbstverständlich hier und es erscheint nur ein einziger von ihnen in der Zeichnung, 
nämlich jener worauf die Mittelpunkte der Nebenrosen liegen. Die Koordinaten 
welche als Basis der Eintragungen dienen, sind die Höhenkreise und die Azimute. 
Die Hauptaxe bildet die magnetische Nord-Südlinie, d. h. der größte Kreisbogen 
welcher mit der Richtung des magnetischen Meridians übereinfällt. In der äqui- 
diutanten Azimutalprojektion werden die Distanzen nur in der Richtung jener 
Azimute treu wiedergegeben welche vom Pol der Projektion ausgehen : je größer 
dagegen der Winkel der zu messenden Distanz mit diesen Hauptstrahlen ist 
und je weiter die Punkte vom Pol liegen, desto größer das Störungsverhältnis. 

Den größten Fehler begeht man somit, wenn die zu messende Distanz die 
Tangente zu einem Höhenkreise bildet. Da nun anderseits die in der Navigation 
üblichen Seekarten derart eingerichtet waren, dass die Peripherierosen höchstens 
um 10° vom Pol abstanden, so reducierto sich der Fehler auf eine Minimalgröße, 
die iu ihrem Werte noch unter dem Betrag des Schätzungsfehlers reichte, den 
die Kosmographen bei der Eintragung der Distanzen in Berücksichtigung zogen. 

Es entsteht nun die Frage, welcher Fehler 
begangen wird, indem man auch die Rhomben der 
Peripherierosen als gerade Linien auftragt. Es sei 
P der Projektionspol, p der Pol einer Peripherierose 
auf der Kugeloberfläche, f sei der Winkel in wel- 
chem die Windrichtung p A (welche für den Bogen 
eines größten Kreises gehalten wurde) die Haupt- 
axe NPS trifft; a sei die Winkelgröße dieses 
Bogens. Nun verbinde man den Projektionspol 
mit einem beliebigen Punkt B des Bogens Ap und 
nenne den Winkel APB mit w, die Distanz PB 
mit ß, .so hat man da das so entstandene Dreieck 
aus größten Kreisbögen gedacht wurde, laut sphäri- 
scher Trigonometrie und wenn man die unbe- 
kannte Veränderliche AB, die später eliminiert wird, 
noch mit a. bezeichnet: 

1) cos £ = cos a cos ?, \ sin % sin cos -f. S 
Wegen Elimination von a führt man noch die Gleichung ein: 

2) cos a = cos o cos ß -\- sin o sin ß cos w. 
Die 2. in 1. eingesetzt ergibt: 

3) cos p — cos 1 o cos ß | sin o cos 3 sin £ cos w | sin a sin 5 cos 'f. 




Vcrmtsditi- Studiou sur Gwwhichte der uiaili«inati*cheii <it>ugraphie. 



Da a in der Gleichung noch immer erscheint, wird für sin a noch der Wert 
hinzugesetzt: 

sin 3 ein <o 

sin i = — — 



sin f 

Wird autterdem die 3.) durch sin Z dividiert, so hat mau: 

ß. o ~ • r , sin 3 sin w 
stn o = cos o «in A cog tu | cos * — — £ 
T sin <p 

oder einfacher: 

cos 3 sin o s= (cos 8 eos to ctg ? sin u>) sin 3 

woraus folgt : 

4.) sin 5 = ctg 3 (cos 8 cos u> }- cotg f sin <o). 

Legt man jetzt durch den Mittelpunkt 
der Ccntralroso ein Koordinatensystem XO Y und 
bezeichnet man den Halbmesser der Kugel mit R, 
so ist, wie man ohne weiters der Figur entnimmt: 
^ x \ x = R 3 cos u> 
\ y == R ß sin w. 
Eliminiert man aus 4. und 5. ß und a>, so 
resultiert : 

i x'l V 2 

(x cos 8 f- y cotang <f ) tang ^ J = 

= V x J |- y 2 sin 8. 
Dies ist die Gleichung der Kurven, nach 
welcher die Windrichtungen projiciert werden. 
Wir verwandeln dieselbe in einer Reihe und 
erhalten dadurch: 

x 1 1 y 2 

(xcoso4 r ycotgfp(l -} . . .)=RHino. 

x J -L y 2 " 

Da aber 3 immer kleiner als 10° ist, so ist auch ri < Tx~ upc * 

daher mit genügender Näherung: 

R sin 8 = x cos 8 -\- y cotang <p. 
Also die Darstellung der Rhomben durch gerade Linien ziemlich richtig. ') 
Wer aber dieser Ableitung mit Aufmerksamkeit folgte, der sieht ein, dass sie 
eben nur für kleine Strecken Geltung haben kann. 




III. 



„. . . il fallut une bien grande ignorance, ou un parti pris d'adulation bien 
ehoutt?, pour faire bonheur au prince Henri de Portugal, au XV 7, siccle, de 
l'invcntion de cette projection (der sogenannten Plattkarten), la plus ancienne ot 
la plus vulgaire de toutes. u So schließt d'Avezac den XI. Abschnitt seiner so hoch- 
interessanten Abhandlung über die Kartenprojektionen. Dazu meint ßreusing 
folgendes: „Es ist ja bekannt, dass schon Marinus von Tyrus die Karten mit 
geradlinigen Breitenparallelen und geradlinigen, untereinander parallelen Meridianen 
eingeführt hat, und dass die Karten Agathodaemons zu der Geographie des 
Ptolemäus nach dieser Projektion gezeichnet sind. Ich verstehe aber die Über- 
lieferung dahin, dass erst Prinz Heinrich diese Projektion bei den Seekarten 
eingeführt hat, dass er es gewesen ist, der die loxodromischen, ungraduierten 
Seekarten durch solche ersetzt hat, die nach der Breite graduiert waren. u Gareao 
Stockler (Ensajo historico sobre a origem e progressos dos mathematico* ein 
Portugal, Paris 1819 S. 17, 99 und 108) hat, nebenbei gesagt, diese gleiche An- 
sicht schon im Jahre 1*19 ausgesprochen. — d'Avezac fuhrt Villanueva's 
, Viage literario" an, worin einige katalanische Karten angezeigt werden, die nach 
der Projektion des Marinus von Tyrus gezeichnet waren. Stockler stellt jedoch 



') Ist nMmlicl) ? < 1U", «» kann Hin o = o »in 1 und cod ? - 1 gcxotist worden. Man hat 
danu, wenn mau i siu l" — d, »etat: 

d = x -f- y c«. f. 



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Vermibihte Suirticn *ur Geschichte der mathematischen Geographie. 



297 



die Authenticität «1er Jahreszahl, welche sie tragen, wenn nicht gar die Zeit ihrer 
Anfertigung in Frage. Nach Fiorini endlich (L. c. S. 353) ist Graziöse Benincasa 
der erste gewesen, der die Seekarten zwischen 1461 und 1480 mit einer Breiten- 
scala vernäh. Die Citate von Nonius und Barros, welche in Breusing's Abhandlung 
gelesen werden, sind unserer Ansicht nach überzeugend. Außerdem finden sich 
noch andere Stellen in Barrus, die eben bezeugen, dass die Uaupturte nach der 
beobachteten Breite verzeichnet wurden, und dass Vasco de Gama z. B. graduierte 
Karten bei sich hatte. Denn es berichtet der genannte Autor (D I. 1. IV. Kap. VJ.) 

felegentlich der Besprechung Gama's mit Malemo Cana, dass die Meridian- und 
arallelkreise der Karte des Guzarrate's so dicht waren, dass schon der Anblick 
der Küste genügte, um ihren Lauf zu erkennen, ohno die Kompassrose zu Hilfe 
nehmen zu müssen. Wären damals graduierte Karten nicht im Gebrauch gewesen, 
6o hätte die arabische Karte bei Gama Befremden erweckt. An einer anderen 
Stelle (D I. Hb. IX. Kap. I.) gibt Barros eine Beschreibung Indiens, wobei er 
ausdrücklich erwähnt, die Lage der wichtigsten Orte sei durch astronomische 
Breitenbcstimmungon ermittelt, während die dazwischenliegenden Distanzen aus 
den Ergebnissen der Tagfahrten ermittelt worden seien. 

Doch sind von Heinrich von Viseo bis zur geschichtlich berühmten Fahrt 
des Gama circa acht Dccennien verlaufen und Barros hat noch später geschrieben. 
Selbst durch die Citate des portugiesischen Historiographen sehen wir die Frage 
noch gar nicht als erledigt an. Auch Martin Behaim, der schließlich die Art 
nach der Sonnenhöhe zu schiffen gefunden oder mindestens handläufiger gemacht 
haben soll, wurde durch Johann II. erst 1485 zur Würde eines Ritters des 
Christus-Ordens erhoben und auch diese Thatsache erregt in uns den Zweifel, 
als ob die Plattkarten erst gegen Ende des XV. Jahrhunderten — uoeh später daher, 
als die allgemeine Annahme — im Seegebrauch Eingang fanden. Wir gedachten 
übrigens nur im Vorübergehen solche Bedenken zu erbeben, auf die wir auch 
gar nicht weiters bestehen. Die Aufgabe der nachfolgenden Blätter gipfelt sich 
in der Erläuterung der Methoden, welche angewendet wurden, um die Angaben der 
nautisch-geodätischen Rechnungen mit den astronomischen ßreitenbestimmungen 
in Einklang zu bringen. Mit anderen Worten wollen wir die Methoden besprechen, 
welche verfolgt wurden um die Ort« der Erdoberfläche möglichst richtig auf den 
Seekarten zu verzeichnen. 

Ist A der Abfahrtspunkt (Fig. 3) und legt ein Schiff in dem Kurse E eine 
gewisse Distanz AB zurück, so wird diese auf den loxodromisehen Karten de« 
Mittelalters ohneweiteres nach einem gleichteiligen Maßstabe eingetragen worden 
sein. Selbstverständlich begnügte man sich nicht mit einzelnen Angaben und 
mit einer Richtung, sondern es wurden möglichst viele Daten so gut als es an- 
gehen konnte in Einklang gebracht. Später aber, als die Breitenbestimmungen 
Eingang fanden, gründete sich sozusagen von selbst eine Methode des Ausgleiches 
zwischen den geodätischen und astronomischen Rcchnungsrcsultatcn, die zuerst 
eine große Wichtigkeit für den Kartenzeichner haben mussten; später aber, als 
die Geodäsie ihre Fortschritte gemacht hatte und die Seeleute nunmehr über 
genauere Karten verlügten, erhielt die Ausgleichsrechnuiig eine, wir möchten sagen 
inverse nicht minder wichtige Rolle. Denn war einmal die gute Karte verhauden, 
so wollte man nunmehr die genaue Schiffsposition wissen. 

Ergab die Richtung die Position eines Ortes in B und fand man durch 
Beobachtung der Meridianhöhe der Sonne, dass dieser Ort B auf dem Breiten- 
parallel mn liegen müsse, so war die 
Entscheidung zu treffen, ob man mehr 
Gewicht auf den eingehaltenen Kurs 
oder auf die geschätzte oder gemessene 
Distanz legen sollte. Erschien die Di- 
stanz als der verlässlichere Faktor, so 
beschrieb man mit der Zirkelöffnung 
AB den Bogen Bp und man erhielt 
die richtige Lage des fraglichen Ortes 



Fig. 3. 



in p. Wurde dagegen der Kurs als der A 
richtige Faktor angesehen, so verlängerte man die AB bis q. 



2l»H 



Vmntalit« Stadien wir Ge.vliichte der mathematischen Geographie. 



Zur Zeit der großen Entdeckungsreisen war die nautische Wissenschaft 
noch im Entstehen, und da die Kartographen, wie gesagt, auf die Angaben der 
Piloten angewiesen waren, so konnte sich die ühorographie keiner besonderen 
Fortschritte erfreuen. Dennoch staunt man über die Genauigkeit der portugiesischen 
Ortsangaben, wahrend die Spanier in dieser Beziehung ihren Nachbarn weit nach- 
standen. 

Nicht schwer würde es fallen letztere Behauptung durch zahlreiche 
geschichtliche Thatsachen zu erhärten. Wir begnügen uns vorläufig nur auf den 
Scharfsinn des großen Nunez hinzuweisen und neben ihn deu ungelehrten Medina 
hinzustellen und dies möge für den Augenblick genügen. Aber die schärferen 
Ortsbestimmungen der Portugiesen längs der Küsten Afrikas haben noch einen 
anderen Grund, der sie erklärlich macht, u. zw. denjenigen, dass es sich um 
eine nord-südliche Navigation handelte, dass in diesem Falle die astronomischen 
Breitenbestimmungen viel halfen, während zur Herstellung der richtigen Lage 
Amerikas gute Längenbestimmungen not thaten. Die Wissenschaft war zu den 
Zeiten Columbus' noch nicht in der Lage, geeignete Mittel dazu zu bieten, und 
wir wissen, wie überhaupt noch ganze Jahrhunderte vergiengen, ehe man imstande 
war, dieses wichtige Problem zu lösen. Leider waren auch die ersten spanischen 
Entdecker, was nautische Wissenschaft anbelangt, gewiss nicht auf der Höhe 
der portugiesischen Piloten. 

Medina stützt sich in seiner „Arte de Navegar" (Kap. XII) mehr auf den 
eingehaltenen Kurs. Mit diesem und mit der erhaltenen Breite wird der Punkt 
bestimmt; doch dient die Distanz als Kontrolle. Aus der Abfahrts- und der 
Ankunftsbreite soll nämlich die Breitendifferenz und mit dieser und dem ein- 
gehaltenen Kurse die Distanz berechnet werden, welche mit der zurückgelegten 
übereinstimmen roüsste. Weichen die beiden Distanzen voneinander ab, so bleibt es 
dem Gutdünken des Seefahrers und eventuell des Kartenzeichners vorbehalten, für 
den Ausgleich zwischen Kurs und Distanz zu sorgen. Medina empfiehlt diu genaue 
Berücksichtigung der Wind-, Wetter- und Strömungsverhültnisse, wie aber der 
Ausgleich ausgeführt werden soll, bezeichnet er nicht näher. Das «panische Original 
von Medina's Nautik ist im Jahre 1545 erschienen. Ungefähr hundert Jahre später 
schrieb Fournier sein umfassendes maritim-encyklopädisches Werk, betitelt Hydro- 
graphie coutenant la theorie et la practique de toutes les parties de la uavigaüon 
(A Paris chez Michel Soly. 1643), welches uns über die bis dahin erzielten Fort- 
schritte belehrt. Nach einer Mitteilung des gelehrten Jesuiten scheinen seine 
Mitgenossen die gegißte Länge als eines der richtigen Elemente angesehen zu 
haben. War also in Fig. 3 der mit dem gesegelten Kurse und mit der zurück- 
gelegten Distanz berechnete Punkt in B und mn das Parallel der beobachteten 
Breite, so nahm man die wahre Position in r an, d. Ii. im Durchschnittspunkte 
des beobachteten Parallels und des gegißten Meridians. Fournier erklärte »ich 
mit diesem Verfahren ganz und gar nicht einverstanden (Examen de l'estime 
Chap. XIV. S. 719) indem er einen Unterschied für die Fälle zu machen wünschte, 
in welchen die Distanz auf einem Meridian, auf einem Parallelkreis oder in 
schiefer Richtung gemessen wurde. Ergaben sich bei schiefen Kursen zu ver- 
schiedenen malen Differenzen in den gegißten und berechneten Distanzen, so war 
nach seiner Ansicht anzunehmen, dass der Fehler im Kurs stecken muss. Die 
Distanz galt ihm somit als das richtigere Element. Auch bei nord-südliehcn 
Fahrten legt er auf die Distanz ein größeres Gewicht. Bei seinen Auseinander- 
setzungen ist das Mistrauen in die Augen springend, welches er den Seeleuten 
bezüglich ihrer Kenntnisse entgegenbringt. Denn diese Vorliebe für die Distanz 
begründet er nicht nur durch die mangelhaften und zu seinen Zeiten (wie übrigens 
auch heutzutage noch) schwer zu erhaltenden Kenntnisse über die Strömuugs- 
verhältnisse, sondern auch durch die Außerachtlassung oder zu geringe Beachtung 
der magnetischen Variation. Hier wird sich der Leser offenbar die Frage stellen, 
warum Fournier den EinHuss der Strömung nur auf die eingehaltene Richtung 
und nicht auf die gesegelte Distanz berücksichtigt habe. Den Grund dafür glauben 
wir aus den Beispielen, die er anführt und aus seiner Behandlung des noch zu 
besprechenden Falles der Distanzmessung in ost-westlicher Richtung erkannt zu 
haben. Unser Pater hat nämlich die großen Fahrten des atlantischen Oceans vor 



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Vcrmi -»eilte Studien «ur Gem-bichte der matheitmtincbeii Geographie. 



2W 




Augen, wo man zumeist Strömungen ausgesetzt ist, die Ost-West lauten, welch«? 
daher bei Fahrten nach der 
Richtung des Meridians vor- 
züglich eine Kursversetzung 
verursachen. Versetzt man sich 
in diese Denkungsart, so er- 
scheint das Verfahren gerecht- 
fertigt. Es sei in der That A 
(Fig. 4) der Abfahrtspunkt und 
AB eine Strecke von 100 Meilen 
in nord - südlicher Richtung 

femessen. Ist Ac die dieser 
'ahrt entsprechende Stromver- 
setzung, so wird ein von A 
nach B segelndes Schiff nicht 
in B, sondern in D ankommen. Ob mit oder ohne Strömung, der Ankunftsparallel 
mttsste immer in a'b' liegen. Ergibt nun die Beobachtung eine Breite ab, so 
ist es (immer bei der Annahme einer ost-westlichen Strömung und unter Voraus- 
setzung einer richtigen Distanzmessung) evident, dass dio 100 Meilen nicht längs 
der AB, d. h. nicht im Nordkurse zurückgelegt wurden. Da greift Fournier zu 
jenem Verfahren, welches schon von Medina als Probe angegeben wurde. Mit 
den beiden Breiten — Abfahrt und Ankunft — und mit der gesegelten Distanz 
soll der richtige Kurs berechnet werden. Da aber noch vorkommen kann, dass 
die Richtung der Versetzung unbekannt bleibe, d. h. dass man nicht wisse, ob 
der Kurs gegen Osten oder gegen Westen neige, so bleibt nichts übrig, insofern« 
es sich nicht um Aufgaben der Kartographie, sondern der Schiffahrt handle, als 
„avoir recours a Dieu, n'y ayant que luy, ciui en tel cas vous puisse inspirer, 
vers quel eoste il taut pointer, a quoy il sera Don de dresser les priores commune«, 
et implorer la saueur du Sain et Protecteur du Nauire. u 

Natürlich bleibt verschiedenen Objektionen noch das Feld offen und es 
erscheint zunächst eigentümlich, wie ein derartig beflissener Fachmann an einer 
konstanten Stromrichtung so hartnäckig gehalten habe. Dies wird vielleicht be- 
greiflicher erseheinen, wenn man einige der übrigen Abschnitte der Hydrographie 
liest, z. B. Kap. XV. u. s. f., wo er Copernicus und Gallilei bekämpft. Freilich 
darf man andererseits nicht vergessen, dass derjenige, der den Schlüssel zu den 
großen Naturgeheimnissen liefern sollte, noch in den Windeln lag und kaum ein 
Jahr zählte, als Fournier schrieb. Aber da Fournier doch mehrfach auch von 
anderen Stromrichtungen zu wissen zeigt, so erscheint sein Eigensinn minder 
gerechtfertigt. 

Keine Berücksichtigung findet bei ihm »las Parallelogramm der Kräfte, 
dessen Anwendung nahe gelegen wäre. Soll das Schiff durchaus 100 Meilen 
z. B. zurückgelegt haben, und ist nur die Möglichkeit einer ost-westlichen Ver- 
setzung in Augenschein zu nehmen, sind mit anderen Worten die Länge der 
Aß und die Richtung der Ac als konstant anzunehmen, so müsstc das Schiff, 
um die Breite ab zu erreichen, längs der An oder Am gefahren sein, in und n 
ergeben aber noch immer nicht die richtige Position des fraglichen Ortes. Es 
wäre vielmehr mit einem anzunehmenden Maximalwert von Ac das Parallelogramm 
nach allen möglichen Fällen zu vervollständigen und man würde dann eine 
Positionslinic xy erhalten, welche als geometrischer Ort des gesuchten Punktes 
gelten könnte. 

Die rationelle Kritik des wahrscheinlichsten Punktes und die Einführung 
des geometrischen Ortes im nautischen Gebrauche zählt jedoch weit weniger 
Jahre als Fourniers Werk: sie ist aber durchaus nicht eine Schöpfung der 
jüngsten Zeiten, wie viele glauben; wir werden im Gegenteil sofort Gelegenheit 
haben zu sehen, wie schon Bouguer dieses wichtige Kapitel der Nautik behandelt 
hatte. Noch wollen wir aber früher das Werk, welches wir im Zuge haben, 
erledigen. 

Handelt es sich um ostwestliche Distanzen, so kann der Fehler der Gittung 
zweifacher Natur sein. Erstens kann es sieh um eine einfache Läugeuversetzung 



300 



Vcrmi»rhie Stiidion cur Geschichte der ttiAthematiiM hen Geographie. 



handeln und da heißt es eben möglichst genaue Kenntnis der Strömung haben. 
Oder aber ist die Stromrichtung eine schiefe und dann wird es gut sein, oft die 
Breite zu beobachten, um aus den beobachteten Breitendifferenzen und den 
zurückgelegten Distanzen den richtigen Kurs berechnen zu können. Diese die 
Vorschriften Fourniers. 

Abermals haben wir einen Sprung von einem Jahrhundert zu machen, um 
zu Bouguers ausgezeichnetem Werke zu gelangen (Nouvcau traite de Navigation 
contenant la theorie et la pratique du pilotage. I\ar M. Bouguer, de 1' Academie 
Royale etc. etc. A Paris. MDCCLI1I). 

Zu Bouguers Zeiten ist das Längen-Bestimmungsproblem noch immer eine 
offene Frage. Die Reise des jüngeren HarriBon mit der neuen Seeuhr wurde erst 
1761 oder 1762 ausgeführt und in Frankreich war dieser Gegenstand erst 1767 
durch «He Pariser Akademie zu einer Preisaufgabe erhoben worden. Mögen diese 
Daten zur besseren Orientierung des Lesers dienen. Bouguer rechnet also nur 
darauf, eine gute Breite zu- haben. (Livre II. Chap. VI., II. S. 141. „Les Obser- 
vation» que nous saisons en Mer de la latitude, sont independantes les unes 
des autres; mais comme nous n'avons pas de semblables moyens pour deierminer 
notre longitude, et que nous ne reussissons qua la trouver a peu pres par la 
reduetion de nos routes, nous ne scaurions etre trop attentifs a n'en perdre le 
fil. u ) Robertson, dessen nicht minder wertvolles Werk fast gleichzeitig mit Bouguers 
„Traite" erschien, stellt sich ungefähr auf denselben Standpunkt. In der IV. Auflage 
noch, die 1780 erschien (The elements of Navigation containing the Theory and 
Practice ecc. London 1780. Fourth Edition), wird über die Bestimmung der 
Lange auf S. 292 des II. Bandes berichtet: „Mr. Harrison has eveu iraproved 
Iiis former works; and it is probable, that such watches may hereafter become 
more common, and be afforded for less than 100 1. or a fourth part of their 
present value. But to whatever degree of perfection such a movement may be 
brought, yet as every inechanic instrumente must be liable to be injured by 
various accidents, it is certainly to b«> wished, that astronomical methody could 
be also so far improved that the marine artist might be enabled to find his 
longitude froin time to time with sufflcient exaetness by celestial Observation»." 

Die Ausgleichsreehnungen, wie wir sie am liebsten nennen, bilden bei 
Bouguer den Gegenstand ausführlicher Besprechungen. (Liv. V. Sect. I. Chap. III. 
S. 353. „Detail des Operations qu'on nomine Corrections. u ) 

Zuerst erklärt unser Verfasser allgemein, wie die Differenzen «1er Rechnung 
und der Beobachtung einem oder dem anderen der Elemente der Richtung oder 
der Distanz zur Last gelegt werden können und wie man in dem einen oder im 
anderen Falle zu verfahren hat. Der Kürze halber werden wir in d»-r Folge die 
gegielitcn Koordinaten mit f (Breite) und X' (Länge), die beobachtete Br«;ite mit <p, 
die korrigierte Länge mit X nennen. Außerdem wird E den gesteuerten Kurs, d 
die gesegelte Distanz bezeichnen. 

Die Lösung der Aufgabe, wenn E oder d als das richtigere Element an- 
gesehen wird, ist immer noch dieselbe wie im vergangenen Jahrhundert. Nur 
sind hier die zulässigen Grenzen enger gezogen und die Kritik der Methode ist 
ausführlicher besprochen. Weicht der Kurs nicht weiter als circa 23° von der 
Nord-Süd-Richtung ab, so ermittelt man mit d und & f den Kurs und findet 
dann mit diesem berechneten Kurse X. Der Grund dartlr hegt in dem Umstände, 
dass bei solchen Kursen die ganze Distanz fast in Breitendifferenz übergeht, 
während die Abweichung gering bleibt. (Dieser Erklärung hätte man auch bei 
der Kritik der Methoden Fourniers Platz geben können: allein Fournier rechnet, 
wie wir sagten, auch mit anderen Faktoren, so z. B. mit der Unkenntnis der 
Variationsverhältnisse etc.) 

Bei ostwestlichen Distanzmessungen finden wir schon ein zweifaches Ver- 
fahren angegeben. Manche Piloten pflegten nämlich mit /\ <p und d, E zu 
bestimmen. Andere dafür berechneten zuerst mit E und d die Abweichung und 
dann mit der Abweichung und A ? °*en Kurs und die Distanz. Bei schiefen 
Kursen endlich waren verschiedene Methoden des Ausgleiches im Gebrauche, doch 
die gewöhnlichste war folgende. 



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Vermischte Stmlien «ur Geschieht« der mathematischen Geographie 



301 



Fig. 5. 



£- 








/ \ 


• V 



Zuerst wurde mit £ und d die gegießte Abweichung und hierauf mit E und 
<p die beobachtete Abweichung berechnet. Das arithmetische Mittel beider 
Abweichungen ergab die berichtigte Abweichung, mit welcher und mit & <t, 
dann der richtige Kurs und die richtige Distanz ermittelt wurden. Die Kritik 
Bouguers zu diesem Vorgehen scheint uns nautisch so vortrefflich zu sein, das» 
wir sie hier in kurzem wiedergeben zu müssen glauben. Es sei A der Abfahrts-, 
B der Ankunftspunkt, EH das Parallel der beobachteten Breite. Es handelt sich 
um die Versetzung des Punktes B nach einem Punkte der EH. Da die Natur 
des begangenen Fehlers schließich doch unbekannt ist, so erübrigt nur die wahr- 
scheinliche Größe des Fehlers in Zirkelöffnung zu nehmen, die eine Spitze des 
Zirkels in B zu setzen und mit dem wahr- 
scheinlichen Fehler als Halbmesser einen Kreis, 
etwa MIN zu beschreiben. Die wahrscheinlichste 
Lage des fraglichen Ortes kann daher ebensogut 
in Gr als auch in H fallen — da aber die Zirkel- 
öffnung nur nach Mutmaßungen angenommen 
wurde, so ist über die Lage des Ortes noch immer 
nichts Sicheres bekannt. Macht man aber den 

Halbmesser gleich dem größten möglichen Fehler, — ^ 

so liegt der wahrscheinlichste Punkt offenbar A 

zwischen G und H, d. h. die GH ist der geometrische Ort der Schiffsposition. 
Weil endlich der Punkt ebensogut in g als auch in h liegen kann, so wird seine 
wahrscheinlichste Lage jene in F sein. Kann man auch dieser Analyse den 
Vorwurf machen, dass sie ein besonderes Gewicht auf die gegießte Länge gibt, 
so bewundern wir sie doch ungemein von einem anderen Standpunkte. Wir 
haben nämlich vor uns eine schöne Diskussion und Bestimmung des point 
rapp röche nach Marcque-St.-Hilaire, welcher heute die Seele der sogenannten 
„Nouvelle navigation astronomique" bildet, den also Bougner um hundert Jahre 
vor Marcque-St.-Hilaire schon besprochen hatte. 

Marcque-St.-Hilaire nimmt in der That (Fig. 6) den gegießten Punkt auf 
der Sphäre A und die Positiouskurve hh' an. 

Indem er dann mit Am (= wahrscheinlicher Fehler) den 
Kreis 1 I beschreibt, erhält er den geometrischen Ort der wahr- 
scheinlichen Schiffsposition mn und diese letztere selbst in B 
(Nouvelle navigation astronomique. Pratique par M. Aved de 
Magnac. Paris 1877. S. 103). 

Aber auch die „Surface de Position," die eine ebensogroße 
Rolle spielt, ist bei Bouguer schon zu finden. Die früher an- 
gegebene Methode der Ortsbestimmung befriedigt ihn nämlich nicht 
so sehr. Denn die Vereinigung des Distanzfehlers mit dem Kurs- 
fehler zu einem Elemente scheint ihm mathematisch nicht zulässig 
zu seiu, da die Fehlerquellen ganz verschiedener heterogener 
Natur sind. Mau müsst«' richtiger zuerst die Grenzen des Kurs- 
fehlers IA und NA Fig. 7 bestimmen, dann jene AM und AJ der Distanz- 
messuug. Man würde dann keine Linie mehr, sondern eine Fläche 1NOM als geo- 
metrischen Ort erhalten; mit anderen Worten: Bouguer fuhrt die Betrachtung 
einer .Surface de position" ein, ganz wie es bei den heute üblichen Methoden 
der „ Nouvelle navigation astronomique" üblich ist. Indem er bei den Resultaten 
dieser Beobachtungen noch länger verweilt, findet unser gelehrter Verfasser, die 
Ausgleichsrechnungen auf andere Grundlagen stützen zu können und wir gelangen 
zum Kapitel „Nouvelle maniere de faire les corrections u , welches, sei es vom Stand- 

5 unkte der Anwendungen der Loxodrome, sei es von jenem der Kartographie 
ie Aufmerksamkeit der Geographen fesseln muss. 

Es sei also <£. IAB = <£. BAN der größte mögliche Fehler in der Kurs- 
messung und IM = NO bedeute (Fig. 7) den doppelten Fehler der Distanz. 
Das Schiff muss sich auf der Fläche MINO befinden. Den Kursfehler nennen 
wir kurz A E, den Distanzfehler /\ d. Die vier Größen J= E und dr ^ d 
nennen wir die Fehlergrenzen (Limites des erreurs). Durch eine Analyse die 




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// 



Vermiacht* Studien aar Oe.Hchiehte der in&ttieinatiM-hen Geographie. 

auf der Figur vorzunehmen ist, wird man sich immer für die Annahme, zweier 
der Fehlergrenzen entschließen, wodurch die anderen zwei von dem Bereiche 
der Möglichkeit ausgeschlossen bleiben. Dazu gelangt man durch die nähere 
Prüfung der Gießung und des erhalteneu BreitenparalTels. 

Man habe z. B. durch eine Meridianhöhe 'der Sonne 'f ermittelt, und es 
sei e<l das Parallel von ^. Die zwei anzunehmenden Grenzen sind in diesem 
Falle offenbart A E, d. h. das Schiff liegt auf einer der Oeraden MI oder'ON. 

_. _ MO und IN haben ausser Berücksichtigung 

zu bleiben, denn die Distanz AM oder AO 
kann auf keine Art mit der Breite <p in 
Übereinstimmung gebracht werden; und die 
Distanz AI oder IN würde zu zwei Punkten 
_ß der ed führen, die zu weit vom eigenen 
Kurse abstehen. Da aber das Maximum 
von A E = < IAB = < BAN ist, so muss 
die Möglichkeit eines Fehlere AE = BAN' 
ausgeschlossen werden. Die gnbildet somit 
den geometrischen Ort des Schiffes. 

Ist aber ED das Parallel von <p, so 
hat man als Hauptgrenzen MI und IN, 
denn die MO und die ON treffen auf keine 
Art das Parallel ED. Die Uauptgrenzeu 
können sich somit, wie im ersten Falle, 
A beide auf ein Element der Gießung oder 

aber wie hier auf beide (E und d) Elemente beziehen. 

Sind die zwei Hauptgrenzen gezogen, so ermittelt man mit jedem derselben 
und mit A 'f die Abweichung. Mit dem Mittel der beiden Abweichungen und 
mit A rp berechnet man den korrigierten Kurs und die Distanz die auf der Karte 
dann zur Ermittlung der wahren Position zu verwenden sind. Sind aber die 
Fehlergrenzen gleicher Art, z. B. hat man sich für Ml und NO entschlossen, so 
hat man nur einmal die Abweichung zu berechnen; ebendies ist der Fall, wenn 
die Hauptfehlergrenzen IM und MO waren. Um also durch ein Beispiel das 
Vorgehen zu erläutern, nehmen wir an, man habe »ich für MI und IN entschlossen. 
Die Rechnung wäre dann folgende: 

I. Abweichung = A f *g ( E — A K ) 
II. Abweichung = (d 4 A <0 8m E. 
I. Abw. -f II. Abw. . 
2 




A 



tg E' = j— :d'= ✓A» + A t 
A ? 

mit E' und d' wird dann der Punkt verzeichnet. 

Hätte man sich aber z. B. für MI und NO entschlossen, so würde man 
die Distanz als richtig ansehen und somit haben 

cos E — -^p^ 

Mit der Erfindung und der Vervollkommnung der Chronometer war die 
Diskussion des Ankunftspunktes sozusagen außer Gebrauch gefallen. Die neuere 
Astronomie hat aber dieses Kapitel der Nautik zu neuem Leben berufen, so dass 
heute diesen Methoden in veränderter Gestalt ein ungemeines Gewicht beigelegt 
wild. — Während sie aber heute, wo die Geodäsie sich von der Nautik los- 
getrennt hat, nur eine nautische Bedeutung haben, dienten sie durch längere 
Zeit den Kartographen als Richtschnur und bildeten sogar die einzige Grund- 
lage der Kartenzeichenkunst. 

IV. 

Durch längere Zeiten waren die Seeleute fest der Ansicht, dass die im 
gleichen Kurse zurückgelegte Kurve der Bogen eines größten Kreises sei, und 



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Vermischte Studien «ur Geschieht« der matliPiiiaturhen Geographie. 



303 



als die Portugiesen ihre ersten amerikanischen Fahrten unternahmen, staunten 
sie hoch darüber, dass sie, auf der Rückreise begriffen, mit ihrem östlichen Kurse 
den Äquator nicht erreichen konnten ; ja zu ihrer noch größeren Verwunderung 
nahmen sie wahr, dass ihre Breite ungeändert blieb. Pedro Nufiez der viel- 
bekannte Mathematiker aus Coimbra löste das Rätsel, indem er die Loxodrome 
entdeckte, bei deren Erklärung er jedoch bezüglich der Proportionalität des 
Radius-Vektors noch in einen Irrtum verfiel. Die Entdeckung des Nufiez wurde 
schon im Jahre 1543 gemacht, aber erst 1573 durch das berühmte Werk: „De 
arte atque ratione navigandi libri duo (Hb. I. lib. II. Kap. 21 — 24)" verbreitet. 
Es würde uns zu weit führen und das Vorhaben, die geschichtliche Entwicklung 



aus verschiedenen Gründen nicht. Erstens sind die Geschichte der mathe- 
matischen Geographie und der wissenschaftlichen Nautik, so eng verwandte 
Gegenstände, dass sie ungetrennt gar nicht zu behandeln sind ; zweitens mangelt 
eine Geschichte der Geographie ebensogut wie eine Geschichte der Nautik. Die 
Quellen zu beiden Wissenschaften sind fast durchgehends gemeinschaftlich und 
die Nautiker können sich darüber nur freuen, dass die Geographen es in letz- 
terer Zeit vielfach unternommen haben, die Bausteine zu dem gewünschten Ge- 
bäude nach und nach zusammenzutragen. Ergänzungsweise soll also hier nur 
jener Ted der Geschichte der Loxodrome Platz finden, der in anderen ver- 
wandten Elaboraten mangelt 

Beim Erscheinen der Nautik von Medina hatte Nufiez, wie gesagt, schon das 
Wesen der Rhombenlinie charakterisiert, doch war man noch weit davon entfernt, 
hievon praktischen Nutzen zu ziehen. Die toleta der Venetianer hat im genannten 
Werke schon das Merkmal einer rechtwinkligen Koordinateurechnung verloren 
und es wird anstatt derselben eine zweifache Rechnung vorgeschlagen. Entweder 
geht nämlich das Schiff seinen geraden Weg und dann bestimmt es die Breite 
durch Meridianhöhen der Sonne oder durch Nordsternhöhen. Die Länge ergibt 
sich aber aus der Gießung. Für letzteren Zweck sind eigene Tafeln berechnet, 
welche mit den Argumenten: „Kurswinkel" und „Breitendifferenz" den Längen- 
unterschied ergeben. Die Kurse gehen von Strich zu Strich, die Breitendifferenzen 
von Grad zu Grad von 1 bis 10°. 

Der Längenunterschied ist in Leguen zu 3*/.,sm angegeben. Die Tafeln sind 
für die Strichzählung von N oder S gegen O und gegen W, sowie auch für 
die Zählung von Ost oder West, gegen Nord und gegen Süd berechnet. Folgt 
hier eine Probe der Tafeln. 

Tafel fllr die Schiffahrt ton N nach S and Ton 8 nach K, d. h. die Strirluahlnng von 

N oder ä gegen 0 and gegen W. 



Ist also z. B. A f = 5° und der Kurs SzO, so hat man einen Meridian- 
abstand von 17 Leguen. Erläuterungsweise wird an einer anderen Stelle des 
Werkes noch angegeben, wie viel Meilen man in den schiefwinkligen Kursen 
zurücklegen muss, um eine Breitendifferenz von 1° zurückzulegen. 

Kann das Schiff seinen geraden Weg nicht verfolgen, so führt Medina, 
wie früher schon erwähnt wurde, eine neue Berechnungaweise ein, indem er 
sich schiefwinkliger Dreiecke bedient Für eine Abweichung nämlich von 1 bis 
14 Strichen von der einzuhaltenden Richtuug und für verschiedene Distanzen 




Wenn man iKugat de* ersten Kompaßstriche« führt (d. h. für die 
Kurse N*0, N«W, SstO, SeW). 



Graden 
(Breit Unt.) 



1 2 3 4 5 ü 7 H 9 10 



Leguen 
(Merid. Abt. 



3 7 10 14 17 21 24 28 31 35 



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304 



Vermischte Stmlien sur Geschichte der mathematiachen Geographie. 



gibt er die Richtung und die Distanz zu einem Punkte an, der 100 Leguen 
vom Abfahrtspunkt in der einzuhaltenden Hauptrichtung lag. Folgt die Probe 
einer solchen Tafel mit einein Beispiel. 



Fig.8. 



Wenn die eingehaltene Richtung 8 Strich Tom Kurs 
abweicht. 




Distanz 
in Legueti 




Distanz vom 


Khomhen 


Ankunft»- 
punkt 


25 


1 


80 


45 


2 


70 


m 


3 


60 


70 


4 


58 


Kl 


5 


58 


90 


G 


60 


100 


7 


60 


118 


8 


65 


läÖ 


9 


80 


165 


10 


100 


215 


11 


145 


:$G0 


12 


290 



Beispiel (siehe Fig. 8). Es sei A der Abfahrtspunkt, C der Ankuufts- 
punkt, AC = 100 Leguen. Wegen des widrigen Winde» ist das Schiff gezwungen, 
anstatt Nord, NWzN dass ist gegen Ax zu fahren. Nach 70 Leguen in 
B angelangt, findet der Pilot, dass der Ankunftspunkt NzO (d. i. 4 Striche 
nach rechts) 58 Leguen von B entfernt liegt. — War aber der Ankunftspunkt 
auf 200 Leguen (D) gelegen, so müssten 140 Leguen zurückgelegt werden und 
dann blieb D NzO, 1 IG Leguen von E entfernt. 

Man sieht, dass die toleta dieser Rechnung gegenüber entschieden den 
Vorzug verdient, da hier die Anwendung einfacher Proportionen schon nicht 
mehr so einfach ausfällt. Im übrigen scheint sich dieses Rechnungsverfahren 
durchaus keiner allgemeinen Auwendung erfreut zu haben. 

Nothwendigerweise müsstc hier die Entwicklungsgeschichte der Seckarten, 
die zur Theorie der loxod romischen Schiffahrt in innigster Beziehung steht, ein- 
greifen. Abgesehen davon dass die Aufgaben der Nautik vielfach auf der Karte 
durch graphische Konstruktionen gelöst wurden, konnte die einzig richtige Methode 
der geodätischen Längenbestimmung mit der sogenannten vergrößerten Breiten- 
differenz nicht entstehen, solange das Wesen jener letzteren nicht bekannt war. 
Zuerst die Anwendung der Plattkarten, dann die Verwechslung dieser letzteren 
mit den loxodromischen Karten des Mittelalters, endlich der Eigensinn vieler 
nautischen Autoren, die den Fehler der Plattkarten durchaus nicht einsehen 
wollten, alle diese Faktoren mussten notwendigerweise Verwirrung in die Kennt- 
nisse aus der mathematischen Geographie bringen, deren Erstgeborene eben die 
mathematisch-nautische Wissenschaft ist. Solange man sich nicht über solche 
Gegenstände ins Klare setzte, konnte kein besonderer Fortschritt auf dem Gebiete 
der theoretischen Schiffsführungskunst erwartet werden. 

Wie also früher bemerkt, verwechselte man im Zeitalter der großen Ent- 
deckungsfahrten die Loxodrotne mit dem größten Kreis und als auch darüber 
Licht geschaffen wurde, war man noch vielfach der Ansicht dass die Platt- 
karten richtig seien, dass sie die Winkel auf der Sphäre treu wiedergeben und 
dass die Loxodrome durch eine gerade Linie dargestellt wird. 

d'Avezac (h. c. Kap. XV. S. 56) erwähnt anmerkungsweisc, dass nicht 
Nunez (Monatl. Korresp. von Zach 1806 S. 490: Malte- Brun, Pre*cis de Geo- 
graphie II. 124), sondern Ptolemaeus ("Geogr. 1. Kap. XX.) zuerst die Fehler 
der Plattkarten erkannt hatte. Und selbst aus dem Zeitalter des Nunez nennt 
d'Avezac noch den bekannten Martin Cortez. Bei einer anderen Gelegenheit 
haben wir diese Frage nur nebensachlich berührt (Ztsch. für wiss. Geogr. 
IV. Jahrg. Ein Beitrag zur Gesch. der Seekarten von Eug. Gelcich) und gezeigt wie 



Vermischte Studien wir Geschichte der mathematischen Geographie. 



auch Enciso, Falero und Alonso de Sta. Cruz der Kartenfrage gewidmet hatten. 
Wir wollen nun diesesmal insofern e es sich utn Enciso, Falero und Cortez 
handelt, ausführlicher berichten. Quellen Uber Alonso de Sta. Cruz konnten wir 
uns noch immer keine verschaffen: mit Bezug jedoch auf unsere letzte Angabe Uber 
dieson Kosmographen (a. a. O.), die der Auffassung Raum gab, als hätten wir 
sagen wollen, Sta. Cruz wäre schon der Erfinder der niercatorschen Karten 
gewesen, erlauben wir uns auf die letzten Worte unserer damaligen Abhandlung 
aufmerksam zu machen, aus welchen ja eben hervorgeht, er habe das Verhältnis 
der Vergrößerung der Breitengrade nicht gekannt. Deutlich erkennt man ein 
negatives Resultat bei den Bemühungen des Sta. Cruz auch aus dem Uuistaude, 
dass seine Karte vom Äquator bis zu den Polen reichte. 

Durch das freundliche Entgegenkommen des Herrn Vorstandes der reichen 
königl. Münchner Hof- und Staatsbibliothek, dem wir zu innigstem Danke ver- 
pflichtet sind, wurde es möglich, die Werke von Enciso und Cortez besichtigen 
zu können. Dagegen kennen wir Falero und ein anderes nur selten angeführtes 
Werk von Zamorano leider noch nicht aus eigener Anschauung. Von diesen 
Autoren ist Enciso der älteste. Dessen Werk ist betitelt: Suma de geographia 
y trata de todas las partidas y provincias del mundo: en especial de las indias 
y trata largamente del arte del marear juntamente con la espera en romence: 
con el rejimieto del sol y del norte: agora nueuamente einendada de algunos 
defectos q Tenia en la imprestio passada. Es liegt uns somit nur die zweite 
Auflage vom J. 1530 vor, während die erste im J. 1519 erschien. 

Ärmlich über Erwarten sieht das Werk insofern aus, als es sich um mathe- 
matische Geographie handelt, wofür der weitaus größte Teil, der einer Segelan weisung 
oder Erdbeschreibung ähnlich sieht, einen viel günstigeren Eindruck hinterläßt. 
Außer der Breitenbestimmung mit Nordstern- und Meridianhöhen der Sonne 
findet man Uber mathematische Geographie nur blutwenig, nämlich Definitionen 
und Erklärungen Uber die Kreise auf der Sphäre. 

Wir lesen auf Seite IX links eine Erklärung der Entstehungsweise tropischer 
Gewitter, die wir unseren Lesern nicht vorenthalten zu dürfen glauben, da das 
fragliche Werk eben selten ist, und eine Einsichtnahme in dasselbe aus diesem Grunde 
ihre Schwierigheiten hat. Durch die große Sonnenhitze steigen vom Erdboden 
wie von der Meeresoberfläche Dünste auf, die sich in die Lüfte erheben und 
zu Wolken kondensieren. Sobald nun letztere zu den Grenzen der Feuersphäre 
gelangen so entstehen Donner und Blitz, gerade so als wenn man eine glühende 
Eisenstange ins Wasser taucht. Je heißer die Eisenstange und je kälter das 
Wasser, desto größer ist das Brausen, das Getöse und das Spritzen des aufge- 
wühlten Wassers. Ebenso werden die Gewitter um so heftiger je kälter die 
Wolken und je heißer die Lüfte sind: y tanto son inayores o menores los truenos 
y relempag08 quanto mayores y mas frios son Ins vapores que van en las nunes: 
y quanto mas suben al ayre mas encendido como se puede ver sor un hierro 
caliente que meten en el agua fria etc. Kehren wir zur Kartenfrage zurück, 
so bemerken wir zuerst auf Seite IV. die Kenntnis«, dass der Umfang de» Parallel- 
kreises kleiner ist als der Umfang des Äquators. Der Umfang des Wende- 
kreises ist nämlich nicht derselbe wie am Äquator, porq. la redodez dela espera 
en quanto anda sobre el ere y los polos no es tato grande en esta linea y zonn 
como enla equinocial porque la equinocial tiene de logitud trejeiento y sessenta 
grados de a diej y seis legucs y media cada grado. Nur ist «las Größenverhältnis 
wie aus dem folgenden zu ersehen ungefähr um «He Hälfte gefehlt. Y esta tiene 
diez y seys grados destos menos de logitud q la equinocial. 

Deutlich Uber jedes Erwarten finden wir die Unrichtigkeit der Karten 
ausgesprochen (Fol. XXIV), so deutlich dass die bezügliche Stelle wol keines 
Kommentai-B bedarf. Der Grundgedanke, die Parallelkreise mit wachsender 
Breite abnehmen zu lassen, um eine konforme Abbildung der Erde zu erhalten 
ist explicit und ohne jede Verwirrung ausgesprochen. Wir glauben kaum besseres 
thuen zu können als dem Verfasser das Wort zu überlassen. 

Der Äquator und ein Meridian teilen die Erde in vier Quadranten, wovon 
jedes 90° in der Breite und 90 in der Lange umfasst. Y cada una destas quatro 
partes es figura dopor un quadrante de los que los marineros usan en la nauegacion 

Z,iUckrift. V. Bd. <& 



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300 



Vermischte Studien «nr Geschichte der mathematischen Geographie. 



con que toman las alruras ete. . . . y assi se podria y deuriä fazer las cartas 
en figura de qdrantes para q conformassen con el cuerpo esperico q es redödo 
po coiuo las costas de todo el esperico vä jütas haze se en piano por lögitudj 
porq los q mareä no son astrologos y si alguno lo es: es por acidete: y £orq 
en piano coprehenden inejor la platica con aqllo q sus entediemitos alcan$a de 
la teorica segü la abilidad de cada uno : por esto yo viedo q deuia poner esta 
obra ala utilidad coinii y no ala pticular: aunde de la hajer en piano par q el 
conm la entendiesse ineior y pa los particulares q mas alcanca baste q yedo 
dsde la eqnocial hacia los polos en cico grados diminuye uno la redodez dlo 
esperico hasta qreta grados de la equinocial ; y de quoreta hasta a 8 essen ta va 
diniinuvedo: inas hasta q Uegados alos sessenta se diniinuye en cinco d'latitud 
dos de lögitud : y de ali se va acrecetando la diminucion fasta al fin. Sehen 
wir von den unrichtigen Zahlenangaben ab, die achliesslich was das Prinzip an- 
belangt wenig zur Sache thun, so bemerken wir nicht nur ein klares Bewusst- 
sein Uber die notwendige Verkleinerung der Parallelkreise gegen den Pol 
sondern auch die Thatsache angegeben, dass die Verkleinerung mit wachsender 
Breite immer rascher abnimmt. Uns genügt diese einzige Stelle des ganzen Werkes, 
um schon bei weitem nicht mehr die Meinung von Marquez y ßoeo zu teilen: 
(Discursos leidos ante la R. Acad. de ciencias. Madrid 1876 S. 10) que cual- 
quiera persona inteligente e" imparcia), uue lea la parte de la obra de Enciso 
dedicada a tratar largamente del arte del marear, no vera en ella mas que loa 
imperfectos apuntes de algun piloto. 1 ) 

Außer dieser entschiedenen Missbilligung der damals üblichen Plankarten 
fällt uns aber bei diesem Werke noch ein anderer beachtenswerter Umstand 
auf, jener nämlich dass hier die Grundsätze des loxodromischen Dreieckes nicht 
nach Art der Toleta als eine auf die Kurslinie bezogene Koordinatenrechnung, 
sondern ganz im Sinne unseres heutigen Kursdreieckes erläutert wird. Für die 
Windstriche 1 bis 7 und für eine Kathete, welche einem Breitenunterschied von 
1° entspricht, sind die Werte der Hypothenuse und der dem Kurswinkel gegen- 
überliegenden Kathete angegeben. Und dass dem so sei, entnimmt man der 
Fassung des eisten und des letzten Satzes, indem nämlich obige Werte nicht 
in Tafelform, sondern durch Wortregeln, wie folgt, angegeben sind : 

Para tomar el altura del norte y regirte por "el : has de saber que atean- 
dose te el norte por la linea de norte sar un grado: que vale a quel grado diez 
y siete leguas y media de Camino y tanta auras ondado. 

Item si andas por la una quarta: relicna por grado diez y siete leguas y 
tre qrtos: y a partas te dela linea derecha tres leguas y media por grado. etc. 

In Tafelform übertragen sind die Werte wie folgt: 



Breltenuntersohled. = 1" = U'/i Leguen. 





Kurawiukel 
in Strichen 


Distanz in 
Lernen 


Abweichung Kurawinkel 
in Legnen ( In Strichen 


Diatanz in 

Legnen 


Abweichung 
in Leguen 






0 
1 

3 


17» a 
17 V« 
19V. 
21'/, 


- 1 

3«.. fi 

11% 7 


m\/ 4 

46'/, 
H7'/. 


17 V. 

MV." 
4SV, 
KT, 





Der Schlusssatz lautet: 

H por la linea del Leste-Oeste no ay grado porq el Norte no te alca ni 
abaxa. Zu diesen Regeln ist noch eine Strichrose gezeichnet, welche auf den 

') Nach d'Avexac (Coup d'oeil liistoriquc etc. 8. 43) soll eine Edition des Ptolemiius au« 
dem XIV. .Jahrhundert schon geradlinige Trapez-Netze enthalten. Auch rindet mau diese Projektion 
in einer Übersetzung de» PtolemMiis, welche durch den Pater Jacopo Augelo zu Vicenza 147f» 
verfasst durch den Veroneser Domizio Balderino berichtigt und vou Conrad Soncyuhcim 
zu Koni gedruckt wurde. In der Hälfte des XVI. Jahrhunderte» wurde erst diese Projektion aneh 
in der nautischen Kartographie eingeführt, doch bald wieder aufgegeben, indem man nicht gezögert 
hatte einzusehen, das» die Plaltkarten für den Seegehrauch doch noch bessere Dienste leisteten. 
(Ueogr. et Iljdr. refonuatae antnre .!. H. Ricuoh. Uononiae 1661 j». 47« fT. — Piorini a. a. O. 
8. 6*9 ff.) 



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VerraUcht« 8tudien nur Geschichte der mathematischen Geographie. HOT 



einzelnen Windstrichen von N. und S. gegen O. und gegen W. die Werte der 
Hypothenuse in Leguen enthält. 

In der weiteren Verfolgung unserer nautischen und mathematisch- geo- 
graphischen Studien werden wir noch Gelegenheit finden, Uber den Stand dieser 
Wissenschaften zur Zeit der großen Entdeckung und speciell Uber die mathematisch- 
nautischen Kenntuisse des in letzteren Zeiten so nart angegriffenen Columbus 
zu sprechen; und so möge man uns gestatten, fallweise hier schon vorzuarbeiten 
und um nicht dasselbe Werk wieder in die Hände nehmen zu müssen, wollen 
wir eine andere Stelle aus Enciso anführen, die uns vielleicht seinerzeit gute 
Dienste leisten wird, indem sie nämlich zu den verschiedenen Loggangaben (man 
verzeihe den Anachronismus) der Pinzon's und des Gcnuesers einiges Bewandtnis 
haben dürfte. Der fragliche Passus lautet: „Los Marineros cuentan lo que andau 
por esta linea del Este y Oestc por diag y noches ; y por las ampolletas contando 
lo que anda la nao cada dia y enda noche segun que el viento les haje mas 
o menos midiendo lo por las horos del ampolleta; y es buena cuenta alos que 
tienen conoseimiento de la nao en que van lo que puell andar por hora : porque 
arbitran lo que puede andar : pero como es arbitraria la cuenta es incierta : y para 
segnridad del error echatt antes mas leguas que menos porque Se hagan con la 
tierra antes que lluegen a ella. fc 

Enciso ist vernünftig genug, die Schwierigkeiten der Fahrtschatstung ein- 
zusehen, die anwachsen, wenn der Kapitän sein Schiff nicht kennt. Heutigen Tages 
ist man weniger einsichtsvoll nach dieser Richtung, indem mau dem Entdecker 
unter anderem auch sein doppeltes Tagebm-h zur Last warf. Stimmten aber doch 
auch nieht die Angaben der Brüder Pinzon und diejenigen der übrigen Lotsen 
untereinander, warum also nur Columbus allein über mangelhafte Distanz- 
rechnung beschuldigen ? Verschiedene Betrachtungen Ahnlicher Art drängen sich 
unserer Feder auf, die uns aber für diesesmal zu weit führen würden. 

Leider ist es uns noch immer nicht möglich geworden, Francisco Falero's 
.Tratado del Esphera y del arte del marear Sevilla 1535- aus eigener Anschauung 
kennen zu lernen. Nur aus einem Berichte von Marquez y Reco (A. a. 0. S. 12) 
bemerken wir, dass zur Zeit als Falero schrieb, verschiedene Ansichten Uber die Größe 
der Erde herrschten, indem einige den Grad des größten Kreises mit 16'/» Leguen, 
andere mit 17 Leguen, andere endlich mit H'/a Leguen annahmen. Falero sagt, 
dass seiner Überzeugung zufolge, der Umfang eines größten Kreises (XXX) Leguen 
beträgt. Sonderbar ist aber der Nachsatz „mas cada uno puede en esto seguir 
la opinion quelepluguiere: porque nadie precisamente lo pudo averiguar, 
ni pienso que es posible najerse. Marquez y Koco fühlt sich versucht, aus einer 
ganz kurzen Bemerkung (et por parallele menor no se guarda esta proporcion 
como adelante se declarara en el presente capitulo) zu schließen, Falero habe 
bessere Kenntnisse Uber die Karten, als seine Zeitgenossen gehabt. In der That 
ergibt jedoch die Durchsicht des Werkes, dass er die Abweichung mit der Länge 
verwechselte. 

Merkwürdig, dass Navarrete in seiner Biblioteca maritima Espanola sowol 
über Falero als auch Uber Cortez so gut wie gar nichts berichtet, während er 
doch minder wichtigen Werken mehrere Blätter und größere Sorge widmet. 

Cortez' Breue Compendio de la sphera (Sevilla 1561) war, wie James 
Wilson (Roberteon's Eiern, of. Navig. IV. Aufl. mit einer Einleitung von Wilson, 
S. 111) berichtet, das Lieblingswerk der Engländer. „Cortez was our favourite 
author, a translation of whose Work by Mr. Richard Eden was, on the re- 
comendation of that great Navigator Mr. Steven Burrough, and the encouragement 
of the Society for making discoveries at sea, published at London in 1561. u 

Von jenen Fragen, die uns zunächst interessieren, ausgehend, finden wir 
zuerst eine Tafel der Werte der Parallelgrade in Aquatorminuten ausgedrückt, 
welche Fehler von 2 Minuten im Maximum enthält Es ist diese die erste derartige 
Tafel; sie ist für alle Breiten von 1 bis 90° von Grad zu Grad berechnet. 
Folio Ir. VIII. beschäftigt sich mit den Fehlern der Plankarten. No usan ni 
saben usar los pilotos y marineros d'otras cartas sino destas planas: (como dicho 



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Vermischte Stadien stur Geschichte der mathematischen Geographie. 



tego) „laß quälet» por uo sei* globosos son imperfecta»* hier ist aller- 
dings „briefly and clearly* (Wilson a. a. O.) der Fehler bloßgelegt, den Medina 
langathmig aufrecht erhalten wollte. Um einen handgreiflichen Beweis der auf- 
gestellten These zu liefern, lässt Cortez zwei Schiffe vom Äquator absegeln, die 
rechtweisend gegen Norden steuern. War ihre Entfernung am Äquator 100 Leguen, 
so musB sie in 60° Breite nur mehr 50 betragen, was aber aus der Verzeichnung 
der Kurse auf der Plankarte nicht hervorgeht. Was aber zu thun wäre, um diesem 
Fehler zu steuern, will Cortez gar nicht erwähnen, denn es hieße dies dem Tauben 
eine Musik vorspielen oder dem Blinden ein Bild vorzeigen. 

Was die Anwendung loxodromischer Regeln anbelangt, so beschränkt sich 
Cortez auf die Angabe der Elemente, eines rechtwinkligen Dreieckes, genau in 
derselben Art wie Enciso dies schon gethan hatte. 

Als bemerkenswert möge noch beigefügt werden, dass im XI. Kap. des 
III. Teiles die Beschreibung eines Instrumentes vorkommt, womit aus einer 
außer dem Mittage genommenen Höhe die Breite bestimmt werden kann. Das 
Instrument besteht aus einer gewöhnlichen Armillarsphäre mit den größten Kreisen 
der Himmelskugel, die mit Zuhilfenahme eines am Fuße derselben angebrachten 
Magnetnadel orientiert wird. Ist der Meridiankreis gegen Norden orientiert und 
die Sonne (eine Diopteröffnung) auf einem Deklinationskreis nach der Deklination 
und Länge des gegebenen Tages eingestellt, so wird nun der Deklinationskreis 
gegen die Sonne gerichtet und nun der Pol solange verschoben, bis der Sonnen- 
strahl durch die Diopteröffnung zum Mittelpunkt der Kugel reicht. Die Ablesung 
am Fußpunkte des Deklinationskreises gibt dann den Stundenwinkel und die 
Höhe des Poles die geographische Breite. 

Vorsätzlich nannten wir bei diesen Bestrebungen um die Reform des Karten- 
wesen nicht Nunez, da Uber den gelehrten Coimbraner andere schon ausführlicher 
gehandelt haben. 

Längst schon hatte Nunez die Theorie der Loxodrome in ihren Grund- 
prineipien aufgestellt und Mercator sein berühmtes kartographisches Werk ver- 
öffentlicht, als die nautischen Schriftsteller noch bemüht waren, die Plattkarten 
auszumergeln. 1581 noch schrieb Michel Coignet, ein Antwerper, seine Instruction 
nouvelle des points plus excellents touchant l'art dcNaviguer, welche polemisierend 
die Fehler des Medina berichtigt; Coignet erwähnt u. a., dass die Rumben 
Spiralälste sind, die auf der platten Karte durchaus nicht als gerade Linien er- 
scheinen dürfen. Auch Rodrigo Zamorano, Kosmograph des Königs und Lehrer 
der Nautik, brach in seiner Cosraografia (Sevilla 1581) eine Lanze für die Reform 
der Karten. d'Avezac hat mit Sorgfalt die Nachrichten jener Schriftsteller ge- 
sammelt, welche sich gegen Mercator geäußert hatten. Zu seinem Verzeichnisse 
mögen noch Lnlande (Abregt de Navigation 88) hinzugefügt werden, der meint, 
dass G. Mercator publia une carte oü Tes degres de lntitude alloient en croissant; 
mais eile n'etoit pas suivant les vrais principe». Und gelegentlich einer kurzen 
Anführung obigen Werkes von Zamorano, schreibt er noch : „il contribua beaucmip 
ii la reforme des Cartes Marines," eine Bemerkung übrigens, die wörtlich auch 
in Wilson s Vorrede (a. a. O.) zu lesen ist. 

V. 

Die mathematisch-geschichtliche Entwicklung der Loxodrome hat S. Günther 
in eleganter und erschöpfender Weise gegeben. Auch was ihre vorzüglichsten 
praktischen Anwendungen anbelangt, findet man in seinen Studien Genügendes. 
Vom Standpunkt der nautischen Praxis jedoch bleiben noch Lücken auszufüllen, 
die zwar keine principielle Bedeutung haben, welche aber einem eventuellen 
Verfasser einer vollständigen Geschichte der mathematischen Geographie oder der 
mathematischen Nautik immerhin unbequem wären. Kästner (weitere Ausführung 
der mathematischen Geographie besonders in Absicht auf die. sphäroidische Gestalt 
der Erde, Göttingen 179». Kap. VI.} hat zwar mitunter einen Anlauf genommen, 
solche Fragen zu erledigen (vorzüglich S. 362, 378, 382, 383 etc.), doch ist er 
weit unvollständiger geblieben, als bei seiner gewöhnlichen Liebe für die historische 
Entwicklung einer Methode vorauszusetzen wäre. Um sozusagen einen Plan für 



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Vermochte 8tu<tie«i anr (J.-m lm lito «Irr maUienuuischvii Geographie. 



diesen fünften Abschnitt unserer Studie zu entwerten, teilen wir sofort mit, 
worauf sich unsere Aufmerksamkeit koncentrieren soll. 

Erstens auf die Buccessive Entwicklung der heute üblichen loxodromischeu 
Tafeln, zweitens auf den Gebrauch der sogenannten Abweichung, drittens auf 
die Lösung des zusammengesetzten loxodromischen Schiffahrtsproblems. 

Gelegentlich der Durchsicht der Werke von Cortez, Enciso und Medina 
haben wir schon Gelegenheit gehabt zu sehen, wie gering die Fortschritte von 
Lullus zur toleta und von der toleta bis zur Mitte des XVI. Jahrhunderts waren. 

Erst mit Wright (1599), Stevin (1599) und Snellius (1620—1624) begann 
man loxodromische Tafeln in ausgedehnterem Maße zu berechnet). Da Wrights 
und Stevins Werke gleichzeitig erschienen, so wäre zu entscheiden, welcher von 
beiden zuerst an die Berechnung solcher Tafeln gedacht hatte. Die Geschichts- 
schreiber berichten, das Werk Wrights (Certain Errors in Navigation detected 
and corrected. By Ed. Wright. London 1599 I. Aufl., London 1010 II. Verbesserte 
Aufl.) sei schon einige Jahre vor dem Erscheinen fertig gewesen und so denken 
wir, dem Engländer gebüre die Priorität. Auch aus dem Grunde halten wir 
mehr zu Wright, da sich eben dieser Mann so eingehend und durch viele Jahre 
mit der nautischen Kunst ernstlich beschäftigte. 

Die Tafeln von Wright sind für sieben verschiedene Loxodrome berechnet, 
die mit den Meridianen die Winkel von 11V«. 22'/^ iVd 9 45 etc. Graden 
bilden: sie sind also für die 7 Kompassstriche berechnet. Ihnen schließt sieh 
eine Tafel für einen Winkel von acht Graden an, der eine besondere Bestimmung 
zukommt. 

Die Tafeln der einzelnen Rumben bestehen aus zwei Kolonnen, welchen 
man die zu jeder Breitendifferenz von 0 bis 90° entsprechende Längendifferenz 
entnimmt. Probe der Tafel. 



The aixth t umbu froin the Meridian. 



1 Lon. 


Lat. 


L<ni. 


Lat. 






Dog. 


De». Mi. 


1)02. 


Dog. Mi. 






1 


ü >•> 


31 


12 44 


etc. 




•j 


0 50 


32 


13 8 






3 


1 15 


33 


13 32 






4 


1 3i» 


34 


13 57 






5 


2 4 




14 21 






6 


2 W 


30 


14 45 






etr. 





Im praktischen Gebrauch können diese Tafeln gar nicht benülzt worden 
»ein, denn sie sind unpraktisch und unbequem. Erstens sind die zumeist gegebeneu 
Elemente Kur« und Distanz nur zur Hrtlftc gegeben, was Stevin ganz richtig 
ausgestellt hat; zweitens hätten lieber die Breiten in ganzen Graden angegeben 
werden sollen, denn im nautischen Gebrauche des XVI. .lahrhundertes war ja 
die Breitendifferenz das bekannte Element, worauf man sich verließ, während 
die Länge eben zu suchen war. Solchergestalt würde die Interpolation leichter 
ausgefallen sein. 

Besser eingerichtet ist die Tafel des achten Wiudstriehes (a. a. O. S. 153), 
die zur Verwandlung der Abweichung in Längenunterschied bentttzt werden 
kann. Mit den Breiten von 0 bis 90° und in Intervallen von 10 zu 10' findet 
man, wie viel Minuten eines jeden l'arallels auf einen Grad in der Länge fallen. — 
Um diese Aufgabo zu lösen — da wir bei Wright sind, so wollen wir dieses Werk 
möglichst erledigen — gibt unser Verfasser noch eine andere Methode an (S. 124. An 
easy way to reduce the difference of longitude into leagues). Seine Tafeln der 
Meridionalteile enthalten nämlich die Differenzen der vergrößerten Breiten von 
Minute zu Minute. Zur Verwandlung von a' des Parallels in den entsprechenden 

Längenunterschied dient die Formel /\ /. = „' wftnron ^ anderseits das Ver- 



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310 



Vermischte Studieu *ur Geschichte <ier mathematischen Geugraphic 

_ A y 



luiltnis der wachsenden Breiten durch den Ausdruck A V = 

cos 

wird. Setzt man /\ f = 1' und /\ V = X so hat man also 

a 



repräsentiert 



A * = 



cos 



= X 

= X a. 



Man hat somit a mit dem Tatelwert 1' zu multiplicieren, um ^ X zu erhalten. 

Zur Lösung der Aufgaben aus der loxodromischcn Trigonometrie zeigt 
Wright (S. 185), wie man sich der Proportionslehre bedienen könnte. Man hat 
nämlich allgemein: /\ f : d = coe Kurs : sinus totus. 

A ^ : A ^ = Kurs : sinus totus. 
Äbw. : A <P = *g Kurs : sinus totus. 

Allein von der most exactly arithmetischen Methode denkt er absehen 
zu müssen, indem die Rechnungselemente im nautischen Gebrauche ohnehin nicht 
scharf genug eruirt werden können. „But seeing the first grounds of this lest, 
that is, thc obseruations of the latitudes but cspeeially of the eourses at Sea, 
cannot but bee farre from such exquisite truth as is to be fond in those 
Arithmetical Operations: how exact soeuer you bee in the rest of the meanes, 
you can looke for no more truth in eonclusion then such as is ansverable to 
the first grounds and principles, out of which the eonclusion is gathered. So 
as the Mariner shall not neede to trouble himselfe any further herewith but only 
to cast up his accounts upon the Chart tmlie made (as before is shewed) which 
of all other is most rit and readie for his ordinarie use. Now therefore it may 
bee suffieient, onely to shew how the formers Problems may mochanically be 
performed upon the nauticall planisphaere before described." 

Die Tafeln von Snellius sind schon bei weitem praktischer. Gunther hat 
sehr ausfuhrlich darüber (a. a O. 357 ff.) sowol, als auch Uber die loxodromische 
Trigonometrie des Tiphys Batavus gehandelt. Es wäre vielleicht nur noch zum 
Zwecke einer rascheren Orientierung ftlr den Leser gut gewesen, die Bemerkung 
beizufügen, dass Snellius die Distanzen in geographischen Meilen angibt. 

Dass zu den Tafeln von Wright noch eine Kolumne der Distanzen hinzu- 
gefügt werden musste, hat Simon Stevin, wie bemerkt, ganz richtig eingesehen. 
In der Ausgabe von Girard (Les oeuvres Mathematiques de S. Stevin Augmentees 
par Albert Girard) fttgt er den Wright'schen Tabellen diese Distanzkoluinne 
noch ein, er ließ sie jedoch unbeschrieben a cause du peu de loisir, et de 
l'imperfection desdites (Wright'schen) tables. 

Angesichts der unpraktischen Gestalt aller bisherigen Leistungen in Bezug 
auf das Tafelwerk, waren, wie es scheint, auch die Bemühungen von Metius 
(1630. Pr. Nobile) und Herigon (Kurs. Mathem.) von keinem besonderen Erfolge 
begleitet, obwol man bei diesen Schriftstellern schon einen bedeutenden Fort- 
schritt in dem von uns betrachteten Sinne wahrnimmt. Wir schließen dies aus 
den Worten Fourniers (Hydrographie S. 721) et dautant que nos mariniers 
francois n'en ont encore aucun usage bien que Metius, et Herigon les 
ayent fort nettement desduites, je le metteray en ce Heu en — die nachstehende 
Probe aus Fourniers Hydrographie wird wof jede weitere Erklärung derselben 
überHiissiir niarhen. 





Hilinh. 


1 | Kum b. 




Kuni».. 




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44 


103 


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Vermischt«» Studie» »ur Geschieht« der mailieuiitischeu Gcopniphu-. 



311 



Bisher giengen, wie wir sahen, alle von dem Prinzipe aus, die Elemente 
des loxodromischen Dreieckes vom Äquator anfangend bis zum Pol zu berechnen. 
Newhouse (The whole Art of Navigation 1 727) huldigte, wie es uns scheint, zum 
letztenroale diesem Prinzipe, als er eine Tabelle anfertigte, welche die Werte 
/\ X = j\ V tg Kurs angibt. Die Argumente der Tafel sind die Breite von 
10 zu 10 Minuten und die Rumben. Man findet damit die Längendifferenz und 
die Distanz in Meilen — diese Tafel nennt er: „Loxodromiques or Traverse 
Tables of Miles." Wir werden diese Angelegenheit der Loxodromischen Tafeln 
mit Robertsons Traverse Table (The olements of. Navig. S. 82 der IV. Aufl.) 
schließen, der soweit uns ein Einblick in die Fach werke dos vergangenen Jahr- 
hunderts möglich war zum erstenmal solche Tafeln auch für alle Winkelwerte 
von 0 bis 90°, von 15 zu 15' berechnete. Indem die eine Spitze des loxodromischen 
Dreieckes nicht mehr beim Äquator liegt, ist die frühere Aquatorkathete gegen- 
wärtig die Abweichung, welche erst in Längendifferenz nach der Gleichung 
^ X = a sec <p verwandelt wird. Robertson ist somit der erste, der den loxo- 
dromischen Tafeln eine nautisch-praktische Gestalt gab, indem die Argumente 
nunmehr auch diejenigen waren, welche eben der Seemann bei der Ausführung 
seiner Rechnungen sozusagen zur Hand hat. Einigermaßen fallt es auf, dass 
Bouguer in seiner Nautik auf diese Tafeln gar keine Rücksicht nahm. Er 
entwickelt alle möglichen Methoden, eine Schiffsrechnung auszuführen, nur diejenige 
mit den Tafeln nicht. Vielleicht sah er auch ein, dass das, was ihm von früher 
her zur Verfügung stand, unpraktisch war und Robertsons Arbeit wollte er 
möglicherweise nicht benützen. Übrigens scheint er sich von dem Reduktions- 
quadranten viel versprochen zu haben, der in der französischen Marine ebenso 
wie in der österreichischen und italienischen bis in unsere Tage eine ausgedehnte 
Verwendung fand. 

Es seien noch einige kurze Mitteilungen Uber die loxodromischen Näherungs- 
methoden und über die Rechnungsweise der Nautiker gestattet. 

Ganz kurz nach Erfindung der Logarithmen erfand Gunther seine Rechen- 
stäbe, die man in allen nautischen Werken des siebzehnten Jahrhunderts bo- 
schrieben und angewendet finden kann. ') Der erste, welcher die loxodromischen 
Aufgaben mit den Logarithmen zu lösen lehrte, war zweifelsohne Thomas 
Addison, der lo*25 eine „Arithmetical-Navigation" veröffentlichte. In dieser 
selben Periode ungefähr (1<>37) erschien auch Norwoods „The Seamans Practice," 
ein Werk, welches von Bond (Seamans Calendar), Philipps (Geometrical Seaman) 
Collins (Navigation by the plane seale), Seiler (Practica). Navigation) etc., fleißig 
ausgenützt wurde und dessen Hauptverdienst in der sorgfältigen mathematischen 
Behandlung aller Fragen der sogenannten Steuermannskunst besteht. Norwood 
war auch der erste, der die Orteversetzung durch Strömungen mit Schärfe be- 
handelte und die Regeln der Stromschiffahrt gründete. Nach ihm erst begann 
man diese Ortsversetzung nach den Ergebnissen des Kräfteparallelogramms 
mit in Rechnung zu ziehen. 

Eine nicht unwichtige Frage in der nautisch-loxodromischen Praxis gilt 
die Verwandlung der Abweichung in Längenunterschied, wozu man die Gleichung 
hat: AX = asec^ ; es handelt sich darum zu wissen, welche Breite zur Ausführung 
dieser Rechnung genommen werdeu aoll. Uns wundert, aufrichtig gesagt, dass 
Kästner diese Frage gar nicht berührte, da sie doch auch für die inathematische 
Geographie wichtig ist, insofern nämlich, als sich die Näherungsmethoden in 
allen Zweigen der Rechnungen einzuschleichen wussten. Umsomehr glauben wir 
in diesen Gegenstand näher eingehen zu sollen, als gerade auch in letzteren 
Zeiten bedeutende Autoren hierin gefehlt haben. 

Schon Gunther (1<523) hat den richtigsten Weg eingeschlagen, indem er sich 
der sogenannten Mittelbreite bediente, eine Methode, welche, wie Wilson bezeigt, 
(a. a. O. S. XV.) bei den englischen Seeleuten allgemein Anklang fand. Vor 
ihm beschäftigte sich mit dieser Frage Ralphe Handson in einer Übersetzung 
der Trigonometrie von Pitigcus, die er 1614 veröffentlichte. (Eine zweite Auflage 

') In einer ausführlicheren Abhandlung uud au anderer Htello haben wir eine Arbeit über 
uautiftcbc DiagramminiUruineute und über die graphischen Methoden iu der Nautik veröffentlicht. 
iCentral-Zvitnng fttr Optik und Mechanik 1884). 



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312 Vermischte Studien «ur Oosriiiilit« dnr malhemHliiivh<'n Urographie. 

dieses Werkes seheint 1630 erschienen zu sein.) Wir haben alles Mögliche daran 
gesetzt, um dieses Werk aus eigener Anschauung kennen zu lernen, konnten 
aber dasselbe nicht auftreiben. Es blieb uns daher nichts übrig, als aus den 
wenigen Worten die wir in der Einleitung zu Robertson Elemente (IV. Auöage 
XV.) lasen, eine Lösung des Probleines zu versuchen. Der Passus lautet wörtlich 
wie folgt: „Handson proposed two ways of approximation etc.... The first 
was computed by the arithraetical moan between the cosines of both latitudes; 
the other by the same inean between their secanto." Das legen wir uns wie 
folgt aus. Rechnet man die Abweichung auf dem Abfahrts- und sodann auch 
auf dem Ankunftsparallel, so hat man : 

AX = a See ? 
AX' = a sec 

woraus A X -\- AX* f&?vf ± sec f *\ 

— — gibt dann näherungsweise den Langenunterschied. Man könnte aber 
auch setzen: 

AX = a : cos « 
AX 1 = a : cos f' 

wnraus A>> L X = a i Li "iTZL. I • 2 

2 ^cos f eos 'f'J ' 

oder wahrscheinlicher: 

a = AX cos f 
a — AX' cos f, 

a = i(AXcosrf { AX,costp,) 
und mit Rücksicht auf den geringen Unterschied zwischen AX und AX' 

a = Ax( COS ? + C ° 8 ?' ) 

«ad AX = a : ™? f j, 

wodurch auch die Bemerkung Wilsons erklärlich war, das» letztere Methode 
weniger genau als erstere ausfällt. 

Endlich soll ein gewisser John Bassot das geometrische Mittel der Cosinusse 
in Vorschlag gebracht haben (1630), worüber wir uns auch keine Quellen ver- 
schaffen konnten. Wir denken uns die Aufgabe wie folgt gelöst. 

AX AX' = a 1 sec j sec <f 1 
und Läng. Unt. = V AX AX» = a »/sec f sec 

oder = a y___L__ 
* cos f cos <f 1 

Der Schnitzer, den man bezüglich dieser Verwandlungen auch in unseren 
Tagen begieng und begeht, besteht in der irrtümlichen Annahme der Mittelbreite 
bei ungleichnamigen Breiten. Schon Robertson — bei dem seiner sonstigen 
mathematischen Genauigkeit wegen so etwas gar nicht vermutet wird — schrieb: 
(a. a. O. S. 152): If the place« are on the same side of the equator, add the 
latitude sailed from to the latitude arrived at, and talle half the same for the 
middle latitude: but if they are on different sides, half their diffe- 
rence is the middle latitude. 

Franzosen und Engländer würdigten wol bis vor wenigen Jahren die 
deutsche nautische Fachliteratur viel zu wenig, denn sonst hätte ein gelehrter 
Mann wi<- Dttbois (Cours de Navigation et d'IIydrographie, Paris. Ohne Jahres- 
zahl S. 38, 39) nicht denselben Fehler wiederholen können. Verzeihlich ist 
es noch, wenn der Irrtum aus der analytischen Ableitung hervorgeht: denselben 
aber dann noch obendrein durch ein« Figur bekräftigen zu wollen, ist nach den 



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Vcntiiiclit«» Studien wir Gen-hichtc «Irr mathematischen Geographie. 



313 



Erörterungen Albreeht und Vierows (Lehrbuch der Navigation Berlin 1*54, S. 203) 
und Freedens (Handbuch der Nautik. Oldenburg 1804, S. 157) vielleicht zu grell. 

Zum Schlüsse mögen hier noch einige ganz kurze Bemerkungen Uber das 
zusammengesetzte loxodromische Problem Platz linden. Wir sahen, das« Snellius 
den Längennntcrschied Air jeden einzelnen Kurs berechnete. Robertson gibt t\\r 
die Lösung dieser Aufgabe vier Methoden an. Man kann nämlich die Längen- 
differenz aus der Gesammtabweichung mit der Mittel breite oder aus der 
gesammten Breitendifferenz mit den Meridionalteilen berechnen. Um aber bei 
mehreren Kursen und bei größeren Distanzeu genauer vorzugehen, zeigt er, wie 
beide Methoden auf die Berechnung eines jeden Kurses nach der von Snellius 
vorgeschlagenen Art angewendet werden können. 

Es scheint, das Jean Bouguer (1698), Vater des berühmteren Peter Bou^uer, 
zum erstenmal auf den Fehler aufmerksam machte, welchen man in gewissen 
Fällen der Kurskoppelung begeht, wenn man so ohneweiters die Mittelbreite 
zwischen der Abfahrts- und Ankunfts-Station anwendet. Zu »einen Auseinander- 
setzungen wählte er einen ziemlich eklatanten Fall, denjenigen nämlich, wo man 
recht viele Meilen in ineridionaler und hierauf andere viele in ost-westlicher 
Richtung zurücklegt. Ks sei z. B. f = 40°, I. Kurs N 12t) sm., 11. Kurs Ost 
60 sm. Dann ist f l = 42° und man rechnet bei Anwendung der Mittelbreite 
die im Parallel von 42° zurückgelegten 60 sm., als wären sie in 41° abgelaufen 
worden. Die Unrichtigkeit dieses Verfahrens ist zu evident. 

In allerneuesten Zeiten hat wol Paugger (Lehrbuch iles terrestrischen 
Teiles der Nautik) diese Frage am eingehendsten untersucht (S. 209 ff. vorzüglich 
aber S. 232) und unseres Erachtens eine bessere Regel für die Bestimmung 
der Mittelbreite sowie für das ganze Verfahren der Koppelrechnung gegeben. 
Wie er aber selbst sagt, würde die Lösung dieses Problems, vom theoretischen 
Standpunkte betrachtet, am allergenauestcn ausfallen, wenn man als Koppelbreite 
diejenige nimmt, in welche der Schwerpunkt säinmtlichcr Abweichungen zu 
liegen kommt, wobei immer östliche und westliche Abweichung separat zu 
behandeln wären. 

Als Vervollständigung der vorliegenden Abhandlung und im Anschluss an 
Günthers Arbeit nur mich wenige Worte über die Berechnung der Meridional- 
teile mit Rücksicht auf die Abplattung der Erde. Außer Murdoch, Maclnurin, 
Simpson und Schubert haben diesen Gegenstand noch Lambert, Caluso und 
Mendoza behandelt. Die Formel von Caluso (Mein. Turin IV. 1790 S. 325) 
ist die nämliche als wie diejenige von Lambert (Beitr. Zum Gebr. der Mathem. 
Siehe auch Weyer, Vorl. über naut. Astronomie Kiel 1871, S. 20) Mendoza 
(Con. des temps. 1793) bediente sich zur Berechnung der Meridioualteile der 
Näherungsfortnel : 

M = JJä'J«L^_±JJE). _ L > , si „ ? .,_ ■ sin ? } 3437.75 
wo a = = 1 - b (für a = 1) die Abplattung bezeichnet. 

VI. 

Nachstehend sollen ergänzuugsweise einige weitere Nachrichtou zur Ge- 
schichte der Loxodrome und zu deren Theorie mitgeteilt werden, die wir in 
den einschlägigen Abhandlungen nicht fanden und die teils zu wenig bekannt zu 
sein scheinen, teils aber auch auf die neuesten Errungenschaften der Wissen- 
schaft gestützt sind. 

Dr. Günther erwähnt in seiner schönen Abhandlung (I. c. S. 31*2) etwas über 
die Untersuchungen Gudermanns, Perk« und Verdanis, die sich auf die Ver- 
wandtschaft «1er Loxodrome zur Kettenlinie beziehen. Dabei bemerken wir, dass 
d' Arrests Arbeiten unberücksichtigt blieben, der sich zunächst die Frage gestellt 
hatte, ob auf die Loxodrome das bekannte ..cadem nuinero mutata resurgi t u 
wie auf ihre Projektion, die Sj)ira mirabili Anwendung findet, Die Frage 
lässt »ich, wenn man bei der Untersuchung von den rechtwinkligen sphärischen 
Koordinaten Gebrauch macht, dahin beantworten, dasB durch die Evolution der 
Loxodrome eine neue Loxodrome nicht erzeugt wird. Dennoch besitzt die Evo- 



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Vermischte Studien nur Of .««■liicht« >\«r mathematiwchen Geojrrapliif. 

lute der Loxodrome einige »ehr bemerkenswerte Eigenschaften, welche wie wir 
glauben, d'Arreats eben zuerst entdeckt hat. Die Evolute ist nämlich eine 
Projektion der Kettenlinie auf die Kugel, „und so fügt es denn ein seltsames Spiel 
des Zufalls, dass die Krümmung des vom Winde geschwellten Segels geometrisch 
verwandt ist mit dem Wege, welchen das Schiff bei unverändertem Kurse durch- 
lauft." ^Verfasser dieser Zeilen ist leider nicht in der Lage, die Quelle anzugeben 
aus welcher er diese Nachrichten schöpft, da er darüber nur geschriebene 
Vormerkungen besitzt, die er vor ungefähr 8 Jahren, als er als k. k. Seeoffizier 
der Marine- Sternwarte in Pola angestellt war, sammelte. Es ist ihm nur teils 
ersichtlich und teils erinnerlich, dass die Entdeckung 1853 in irgendeinem 
Bande einer Akademie der AVissenschaften (?) veröffentlicht wurde.) Die Sätze 
die d'Arrest suecessivc entwickelt und aufstellt, sind folgende: Ist A' der Winkel 
unter welchem die Evolute die Meridiane durchschneidet, A derselbe Winkel 
für die Loxodrome und a o', die laufenden Koordinaten der Evolute, so findet 
man : 

, sin A 

sin A = da —. — ^r- 
sm 3 

welches die der Haupteigenschaft der Loxodrome vom Winkel A entsprechende 
charakteristische Eigenschaft ihrer Evolute ist Diese Relation drückt zugleich aus, 
dass der sphärische Perpendikel, vom Endpunkt der Abscisse eines Evoluten- 
punktes gefallt, auf die Normale an den zugehörigen Loxodromenpunkt konstant 
ist und zum Mali den Winkel A oder sein Supplement hat. 

Die Evolute der Loxodrome besteht aus zwei gesonderten Spiralen, jede 
eingeschlossen durch einen Polarkreis vom Radius 00 — A und jede ihrem Pole 
in unendlich vielen Windungen asymptotisch sich nähernd. 

Denkt man sich nun um die Kugel einen Aquatorialeylinder und projiciert 
man vom Mittelpunkt der ersten den zugehörigen Evolutenzweig der Loxodrome 
auf letzteren, so geht aus der Abwicklung desselben eine ebene Kurve von 
folgenden bezeichnenden Eigenschaften hervor. Sind y die Ordinate, S die Kur- 
venlrtnge und F die Fläche zwischen Kurve und dem abgewickelten Äquator 
so ist: 



= V'y*~ C* = ,} V | e^- e^ } 



S 

V — — ij. S. 

wo C der Wert ist, deu y für x = o annimmt. Diese Linie hat zur (ileiehung 



und ist, wie man sieht, die Catetiaria. 

Noch andere merkwürdige Eigenschaften dieser sonderbaren Kurve bat 
derselbe Mathematiker entdeckt. — Es bewege sich nämlich ein Puukt auf der 
Kugelfiäche, indem er die Meridiane unter einem Veränderlichen J_ A' durch- 
schneidet, gegeben durch 

tg A' = tg A sin o 
wo A wiederum den konntanten Loxodromenwinkel bedeutet. Die Gleichung der 
so beschriebenen Kurve wird sein: 

log cos 8 = x cotg A 
(Eine Konstante tritt nicht hinzu, wenn ?> für a = o versehwiuden soll.) 
Lässt man von dieser sphärischen Kurve eine senkrechte Cylinderfläehe auf die 
Ebene des Äquators herab, so ist wenn p und a die Polarkoordinaten der Kurve 
bezeichnen: a cotg A 

P = <• 

d. h. unter der gegebenen Bedingung ist die orthographische Projektion der 
sphärischen Linie eine logarithmische Spirale. Die Subnormale der durch 
orthographisches Zurückwerfen der stereographischen Projektion der Loxodrome 
entstehende Kurve ist dem unveränderlichen Komplemente des Loxodromen- 
winkels gleich. 

Errichtet man endlich auf der stereographischen Äquatorprojektion der 
Loxodrome einen senkrechten Cylinder, so hat die Oberfläche seiner unendlich 



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Vermischte Studien sur Geschichte der mathf matüchen («eographie. 



315 



vielen von der Halbkugel eingeschlossenen Windungen zum Mali die halbe 
Loxodromenlänge auf der Halbkugel. 

Schon Nunez hat etwa« über die Benützung des Globus behufs graphischer 
Verzeichnung der Loxodrome gesagt, und Stevin schlug die Anwendung blechcner 
Kurvenlineale vor. Minder bekannt scheint eine Erfindung von Giambatista 
Suardi geblieben zu sein, der dem gemeinen Zirkel eine solche Einrichtung gab, 
um durch denselben sowol die Loxodrome auf der Kugel, als auch ihre stereo- 
graphische Polarprojektion, die logarithinische Spirale, graphisch verzeichnen zu 
können. ') 

Was aber die graphischen Methoden, welche zur Lösung der loxodromischen 
Aufgaben bestimmt waren, betrifft, möchten wir nur noch bemerken dass der Reduk- 
tionsquadrant den Bouguer so ausführlich besprach und worüber Günther berichtet 
schon 1671 durch Blondel de St. Aubin erfunden wurde. Übrigens fanden 
auch der Proportionalzirkel uud der logarithmische Rechenstab bei den loxo- 
dromischen Aufgaben mannigfache Anwendung. 

In unserem Jahrhundert hat Tonello in Triest (1824") dem Reduktions- 
quadranten eine andere Gestalt gegeben, und das so modifieierte Instrument 
Trigonometer genannt. In abermals geänderter Form erschien der Apparat wieder 
183G unter dem Namen des Pleometers von Prot Gallo in Triest. 

Von den neuesten Werken, die der Loxodrome eine besondere Aufmerk- 
samkeit schenken, glauben wir auch das bereits Angeführte von Fiorini angeben 
zu müssen, worin die Projektionen der Loxodrome in den verschiedenen karto- 
graphischen Darstellungen unserer Erde in schöner und eleganter Weise entwickelt 
werden. 

Als Schluss unserer Studie möge uns noch gestattet sein, auf die neue Bedeutung 
hinzuweisen, welche die Loxodrome in der Nautik durch die sogenannte „nouvelle 
uavigation astronomique" erhielt. Während diese Kurve früher einzig und allein 
zur Lösung der GieÜungsprobleme diente, spielt sie heutigentages eine bedeutende 
Rolle auch bei den astronomischen Ortsbestimmungsmethoden. Der amerikanische 
Kapitäu Sumner war der Schöpfer dieses neuen Verfahrens, welches durch Fasci, 
Marcque St. Hilaire, Preuss etc. weiter entwickelt wurde. Streng theoretisch 
uud sehr ausführlich wurden die hier einschlägigen Theorien durch Yvon 
Villareeau behandelt. 

Der Kern dieser neuen Bestimmung, welche die Loxodrome erhielt, besteht 
darin, dass gegenwärtig aus einzelnen nautisch-astronomischen Beobachtungen nicht 
mehr ein einziger unsicherer Punkt sondern in Mercators- Karte eine gerade 
Linie — ein Loxodrombogen somit ~ als geometrischer Ort der unfehlbaren 
Schiffsposition berechnet wird. — In den kritischen Fällen der Navigation leistet 
ein solcher sicherer geometrischer Ort bei weitem bessere Dienste als ein einziger 
zweifelhafter Punkt. Bei mehreren Beobachtungen erhält man die wahre Schiffs- 
position durch den Durchschnitt solcher Loxodrom bögen. — Obwol die Loxodrome 
wie man sieht, bei allen diesen Methoden eine besondere Anwendung findet, tritt 
ihr Vorteil am deutlichsten beim sogenannten rektifi eierten Punkt von 
Marcque St. Hilaire hervor, der unserer Ansicht nach die Bestimmung hat, 
alle anderen Methoden der nautisch-astronomischen Ortsbestimmung zu ver- 
drängen. Es würde uns zu weit führen auf diesen Gegenstand noch näher ein- 
zugehen, der übrigens in den letzten Jahren verschiedentlich schon behandelt 
wurde. — 



'i 8iehe unsere Abhandlung über nautische Piagr. Inst. a. a. O. 



- 



Ein Beitrag 



Die Kululium. 
zur vergleichenden Länderkunde. 



Von Dr. Hanns Reiter. 

iSvhluw.) 

III. 



Chronologischer Überblick der Theorien Ober die Entstehung der Kalahara, 
Kritik derselben und Versuch einer anderen Erklärung der Verhältnisse. 

Bei der Frage uach dem Ursprünge der im ersten Absätze beschriebenen 
oberflächlichen Ablagerungen im Binnenlande von Südafrika lenkte die All- 
gegenwart der Salze die Aufmerksamkeit der Reisenden zuerst auf sich. So führte 
schon BöRClIELL zu Anfang des laufenden Jahrhunderte» den Umstand, dass 
die stehenden Gewässer Südafrikas, welche so tief im Binnenlande augetroffen 
werden, salzhaltig seien, darauf zurück, „dass sich in der Erde ein Steinsalzlager 
befinde, das bei nicht allzu großer Tiefe einst bergmännisch bearbeitet werden 
dürfte." ') Indessen blieb es damals bei derartigen gelegentlichen Bemerkungen. 

Erst fünfzig Jahre später wurden zusammenhängende Ansichten über die 
Entstehung des vorhin geschilderten Charakters im Inneren von Südafrika auf- 
gestellt A. WYLEY und D. LlVINGSTOXE waren es, die fast zur selben Zeit 
zwei wesentlich verschiedene Theorien über die Bildung der Kalahara ver- 
öffentlicht haben. Durch die Gegenwart von Salzen verschiedener Natur bei 
Vorwiegen von Chlornatriuin wurde WYLEY zu dem Schlüsse gedrängt, ^dass 
alle Salzablagerungen und Efflorescen zen der oberflächlichen 
Erdschichten, welche nicht nur in Naniaqualand, sondern iu der ganzen 
Kolonie so häufig sind, dem Meere ihren Ursprung verd an ken, welches 
letztere jene Ortlichkoiten einst bedeckt habe." Daraus folgerte er weiter, dass 
„zu einer vergleichsweise jungen geologischen Epoche, der größere Toil von 
Südafrika unter dem Meeresspiegel gelegen habe, dass ferner „während jener 
Zeit'' die oben beschriebenen „sandigen Driftbildungen zur Ablagerung gekommen 
seien'' und dass endlich „während das Land allmählich über den Meeresspiegel 
gehoben wurde, einerseits ein Teil der Salze im alten Meeresboden zurück- 
gehalten worden sei, andererseits das Seewasser, an vielen Stellen in Vertie- 
fungen zusammenlaufend, durch allmähliches Verdunsten jene beträchtlicheren 
Salzeftiorescenzen erzeugt habe, welche wir da und dort antreffen." *) Die That- 
sache, dass die Salze im Binnenlande in so beträchtlichen Höhen, wie sie das 
Plateau von Bloerofontein aufweist, angetroffen werden, während au der Küste 
ähnliche Bildungen nur wenige Meter über dem Meeresspiegel sich vorfinden, 



welche im Binnenlande ihr Maximum erreichend, gegen die Küste zu an In- 
tensität allmählig abgenommen habe. Da« in den oberen Schichten zurück- 
gebliebene Salz wird nach WYLEYS Anschauung infolge der auslaugenden 
Wirkung der Regengüsse und des Fließwassers zuerst in die unteren Partien 
transportiert und endlich auch von jenen weggeführt. .Jene Stellen, wo die Thon- 
schichten der Oberfläche salzfrei erscheinen, während die unteren Lagen noch 
in erheblichem Grade salzhaltig sind, bezeichnen demnach die Übergangsstadien 
zu den salzfreien Gebieten, welche auf die angedeutete Weise der Salze entledigt 
worden seien. Die Abwesenheit mariner Fossilien in diesen salzführenden Gcsteins- 



i) 1. c. I. p. 

l , Soulh-Xamaqualund. I. c. p. :J7. 



suchte WYLEY durch 




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l»ip Kaluliara. 



317 



lagen schrieb WYLEY einerseits unserer oberflächlichen Kenntnis von jenen 
Gegenden, andererseits der für die Erhaltung von Fossilien sehr ungünstigen 
Beschaffenheit der lockeren Sande zu. 

Ganz anders versuchte LIVINGSTONE die Verhältnisse zu erklären. An- 
knüpfend an die von MURCHISON im Jahre 1852 aufgestellte Behauptung, nach 
welcher, ganz Afrika einstmals ein großes centrales Süßwasserbassin besessen 
hatte, worin die Schichten der Dicynodonfortnation zur Ablagerung gelangt 
waren, 1 ) hielt es LIVINGSTONE für unzweifelhaft, „dass dieser Kontinent in 
früheren Epochen ungleich mehr Wasser besessen habe als beut zu Tage." 2 ) 
Das gcsammte Land von Li bebe und den Viktoriafallen bis zum Ngami 
und nach Nchokotsa bildete einst einen großen Süßwassersee. Ein zweiter 
bedeckte das Land Barotse, ein dritter Masiko, während am Oranjeflus» 
eine vierte große Süßwasser fläche sich ausgebreitet habe. Hierauf sei eine 
lange währende Periode der Austrocknung gefolgt, indem nämlich einerseits 
„durch die Hebung des Landes, für welche wir in den marinen Konchylien- 
schalen an allen Meeresküsten ringsumher Beweise haben, tiefe Spalten erzeugt 
worden" seien, durch welche die Gewässer abflössen, andererseits ein natürlicher 
Evaporationsprocess sich eingestellt habe. Die Seen der Gegenwart erscheinen 
somit als die Residua ausgedehnterer Wasserflächen der Vorzeit. Als Beweis 
für eine frühere Süßwasserbedeckung führt LIVINGSTONE die Konchylienschalen 
an, welche, mit den heute im Ngami und Zambesi lebenden Formen identisch 
überall dort angetroffen werden, wo die Orycteropi in den oberflächlichen Erd- 
schichten Höhlungen ausgewühlt haben.') Als ein weiterer Beweis erschien 
LIVINGSTONE die geringe Tiefe aller südafrikanischen Binnengewässer. *) Endlich 
brachten die Flüsse mit ihren zahlreichen Wasserfällen und aus zahlreichen 
Tufflagern bestehenden Uferbänken LIVINGSTONE auf den Gedanken, die Täler 
als ausgetrocknete Seebecken früherer Epochen anzusehen. Die Salzablngerungen 
der Jetztzeit waren demnach die Überreste von den in nur sehr geringem Grade 
brackischen Seen der Vergangenheit.*) Wie sich aus jenen Süßwasserbecken 
die Salzseen der Gegenwart entwickelt haben, davon gibt der Ngami ein 
anschauliches Beispiel, dessen Wasser zur Regenzeit nur in sehr geringem 
Grade brackisch ist, während dasselbe im Sommer einen seichten, salzhaltigen 
Sumpf bildet. 

Diese Theorien blieben mehr als zwölf Jahre die einzigen, bis endlich die 
im Oranjefluss-Freistaat auftretenden Thonablagerungen und Gravelanhäufungen, 
wegen ihres Gehaltes an Diamanten, die Aufmerksamkeit der Reisenden und 
der Forscher auf sich gelenkt haben. Der Bergingenieur HÜBNER war der 
erste, welcher im Jahre 1871 eine Beschreibung der am Vaalriver und Panneveld 
auftretenden Gebilde der Oborfläche gegeben und bezüglich der Entstebungsart 
der fraglichen Ablagerungen am Vaalriver sieb dahin ausgesprochen hat, dass 
sie fluviatiler Natur seien und dem Vaal ihren Ursprung zu verdanken haben. 
Darnach sei das frühere Bett dieses FIusseB stellenweise fünf und mehr Meilen 
breit geweseu und habe das Niveau desselben 40 bis 00 m über den gegen- 
wärtigen mittleren Wasserstand gereicht. 8 ) — Dagegen ist demselben die Ent- 
stehungsweise der Ablagerungen am Panneveld nicht klar geworden. Namentlich 
waren es die Gebilde von Du-Toitspan, welche HÜBNER nicht zu erklären ver- 
mochte. Diese Pfanne ist in einer flachkesselförmigen Gegend beiläufig 40»» 
über dem Niveau des Vaalriver bei Pniel gelegen und wird in einem Abstaude 
von sechs Meilen von niedrigen Bergen begrenzt. Ihre Entfernung vom Vaal- 
river beträgt etwa achtzehn Meilen. »Kein fließendes Wasser deutet 
an, woher die Diamanten gekommen sein mögen, und nicht einmal 
Geschiebe scheinen zu verraten, dass sie durch Wasser herbeitransportiert wurden. 
In der That fehlen die leicht kenntlichen runden Quarzgeschiebc gänzlich, aber 



') President* addrexa. Jou.ru. roy. geograph. aoc. London. 
*) Müs*, trat: p. 528. 
J ) Miss. trat. p. 527. 

*) Damals w/iren die grollen Seen von Oxtafrika noeli nnlteknimt. 

s ) Miss. trae. p. 78. 

«) Diamanten-Distrikte, p. 81 und 210. 



318 



Die Kahilmra. 



man entdeckt doch bei aufmerksamerem Suchen schwarze flache Kieselschiefer- 
geschiebe, die auch am Vaal vorkommen. Der feine braune Sand korrespondiert 
gänzlich mit dem am Vaal auftretenden, doch läset sich hieraus noch nicht 
folgern, dass sieh derselbe einst bis hierher ausbreitete oder ein seichter Neben- 
arm hierher lief, der nur Sand und kleine Geschiebe absetzte." Die Anwesenheit 
von Salzen wurde gar nicht in Betracht gezogen. 

Im folgenden Jahre haben die Geologen SHAW und STOW Uber die Ent- 
stehungaweise derselbeu Gebilde wieder andere und auch untereinander ver- 
schiedene Ansichten ausgesprochen. Der erstere von beiden gelangte zu folgenden 
Resultaten. 1. Die den Untergrund bildenden Gesteinsmassen wurden durch 
Trapperuptionen gehoben. — 2. Während und nach erfolgter Hebung herrschte 
eine Seeuporiode. Viele von diesen Seen sind ausgetrocknet und gänzlich 
verschwunden. Die letzten Spuren derselben bilden die Salzpfannen. 
3. Der Vaalriver mag einst aus einer Kette solcher Seen bestanden 
haben. — 4. Ein Dcnudationsprocess erfasste die alten Felsraassen, deren De- 
tritus und Trümmer in die Drainierungscentren zum Vaalriver und dessen De- 
pendeuzen, sowie in die isolierten Pfannen des üraujefluss- Freistaates — ihren 
Weg fanden. — 5. Die Gegenwart der Salze ist auf die Isolation der Pfannen 
zurückzuführen. Da dieselben das DrainierungBinaterial der umgebenden Höhen 
empfangen und in den meisten Fällen keinen Abzugskanal besitzen, so werden 
die Salze, welche den verschiedenen Gesteinen der Umgebung, 
namentlich den „trappartigen Grünstcineu, u entstammen, in den Pfannen 
angehäuft und von dem Wasser derselben in Lösung erhalten. Infolge 
der Absperrung und Verringerung ihres Wassers wurden die 
Pfannen all mäh lig salzig, nachdem sie unmittelbar nach der Hebung 
des Landes nur brackisch gewesen sind. 1 ) STOW konstatierte zuerst die 
Verschiedenartigkeit zwischen den uugeschichteten und geschichteten Gravel- 
anhäufungen am Vaal und dessen Nebenflüssen und deutete die letzteren sehr 
richtig als die sekundären Ilmlagerungsprodukte der ersteren, deren Umlagcrung 
durch die Thätigkeit der Flüsse herbeigeführt worden sei. Bei dem Versuche 
aber die Entstehungsart des schichtungslosen primären Gravels, des Thones and 
Tuffes zu erklären, nahm er auf folgeude Momente besondere Rücksicht: erstlich 
das Fehlen von recenten oder Uberhaupt jüngeren Fossilien, die Anwesenheit 
fossiler Karoohölzer, welche nür aus sehr großer Entfernung (von den Dicynodon- 
schichten der Drackensbergen) herbeigeführt werden konnten; zweitens das 
gänzliche Fehlen einer Schichtung in dem Thone sowol als in dem Gravel, 
wodurch sich diese Ablagerungen und Akkumulationen so scharf von Fluss- 
alluvionen unterscheiden; endlich drittens die Abwesenheit gerundeter und das 
Vorhandensein flach geglätteter und polierter Gestein fragmente. Alle diese Er- 
scheinungen, folgert STOW, können nicht durch Regengüsse, trotzdem diese die 
Flüsse der Gegenwart in reißende Gießbäche zu verwandeln pflegen, erzeugt 
worden sein und infolge dessen könne man zur Erklärung kein anderes Agens 
heranziehen als das Eis. Die Fragmente von Straußeneiern bei Du-Toitapan, 
welche auf einen alten Trinkplatz der Buschmänner und mithin auf Verhältnisse, 
die den heutigen ähnlich waren, schließen lassen, sind nach STOW, obwol von 
ganz beträchtlichem Alter, doch weit jüngere Bildungen als diejenigen am Vaal- 
river und bilden daher für seine Anschauung keinen Gegeubeweis. 2 ) 

Im nächstfolgenden Jahre wurden von Prof. COHEN, der die Diamantenfelder 
gleichfalls einer Untersuchung unterzogen hatte, zwei Mitteilungen veröffentlicht, 
welche auch den Ursprung des Diamanten führenden Depositums einer Diskussion 
unterzogen.') COHEN sprach sich darin gegen die von STOW zur Geltung ge- 
brachte Ansicht aus, da ja erstens die „losen eckigen Blöcke überhaupt nicht 
transportiert worden sind," als vielmehr „Verwitterungsprodukte in loco vorstellen^ 
und zweitens „mit Ausnahme einiger weniger Gerolle und Geschiebe der Ursprung 
des abgesetzten Materials in nicht sehr großer Ferne zu suchen sei, weil dasselbe 

't l. c. p. 21. 

*) Diamond -graveh. 1. c. 

•j Mitteilungen an Prof. Leonhard. 1. uud II. Leonhard-Ueiuitz, Ncua« Jnhrb. f. Mio. 1873. 
p. b'i uuü 150. 



Dir Kalahara. 



fast vollständig aus solchen Gesteinen besteht, welche wir in der Nähe anstehend 
finden." Die größeren Kieselgeschiebe „entstammen unzweifelhaft den in der 
Gegend so häufigen Mandelsteinen und zeigen demgemäß schon vod der Natur 
meist eine rundliche Form. Es bedurfte keiner sehr großen Nachhilfe des Wasser«, 
um sie in die glattgewaschenen pebbles zu verwandeln." Was nun die Entitohungs- 
art dieser Gebilde betrifft, so ist COHEN anfänglich geneigt, eine vermittelnde 
Stelle zwischen SHAW und HÜBNER einzunehmen, doch schließt er sich zuletzt 
enger an den ersteren an. „Jedenfalls — so schreibt COHEN' an Prof. LEONHARD 
— haben sich nicht alle Ablagerungen unter Bedingungen bilden können, welche 
mit den jetzt vorhandenen vollständig Ubereinstimmen. Mir scheint jedoch, es 
habe der Vaal, bevor derselbe oder der üranje seinen Durchbruch soweit be- 
endet hatte, um eine Eingrabung bis zum jetzigen Flussbett zu gestatten, aus 
einer Reihe untereinander verbundener Seen bestanden. Eine tiefcrliegende der- 
artige Reihe bildete sich vielleicht ein- oder mehreremale nach teilweise erfolgtem 
Durchbruche. Nach erfolgtem Durchbruche vereinigten sich die Seen zu einem 
Flusse, der sich allmählich bis zu seinem jetzigen Bette eingrub; dabei wurdeu 
manche ältere Deposita abgespült und umgelagert, andere vollständig zerstört 
und fortgeschwemmt." Somit wären „die diamautenfUhrenden Gerölle 
als in seeartigen Becken erfo Igte Absä tze aufzufassen." Immerhin 
aber wird man ftlr die Ablagerungen am Vaal und am Panne veld 
„einen gleichen Ursprung annehmen müssen.* 

Unterdessen hatte STOW seine Untersuchungen über die fraglichen Gebilde 
sowol am Paoneveld und Vaalriver als auch über das Kaap-Plateau bis zur 
Kalahara hin ausgedehnt und die Ergebnisse derselben im Jahre 1874 in seiner 
Schrift über das westliche Griqualand veröffentlicht. In derselben hält STOW au 
seiner früheren Ansicht fest und, sowie er damals die Anhäufung des Gravcls 
und des „Boulderdrift" einer Eisaktion zugeschrieben hatte, versuchte er jetzt 
auch die großartige Denudation der Bergzüge am Kaap-Plateau und die Glättung 
ihrer Abhänge als das Resultat einer früheren Gletscherperiode zu deuten. ') 
Indessen war er auch mit den thonigen und tuffartigen Ablagerungen am Riet-, 
Modder- und untereu Vaalriver bekannt geworden, welche, von den genannten 
Flüssen durchschnitten, eine oft regelmäßige Wechsellagerung erkennen lassen. 
Auch diese Befunde mnssten mit der früheren Ansicht in Einklang gebracht 
werden. Das Verhältnis zwischen der Gletscherperiode und der Bildungszeit jener 
mit einander wechsellagernden Thone, Mergel und Tuffe hat sich nuu STOW in 
der Weise zurechtgelegt, dass er auf die Gletscherperiode eine Zeit folgen ließ, 
in welcher die zurückgebliebenen Moränen 3 ) an einzelnen Stellen von Flüssen 
durchschnitten wurden und die Mergel und Tuffe in seeartigen Becken zur Ab- 
lagerurig gelangten.') Jedenfalls aber haben damals Zustände geherrscht, welche 
von den gegenwärtigen Verhältnissen vollkommen verschieden waren. 

Im Jahre 1875 gab HÜBNER abermals eine Skizze über die Diamanten- 
felder. 4 ) An seiner früheren Ansicht von einem fluviatilen Ursprünge des Gravels 
am Vaalriver festhaltend, Bprach er sich gegen die Ansichten von SHAW und 
COHEN aus, da „wenn auch hierdurch das in den Diamantenfeldern so oft 
beobachtete Faktum : das Nebeneinandervorkommen verschiedenartig zusammen- 
gesetzter Striche im VaaJthal, hinreichend erklärt wird, doch ein Umstand gegen 
diese Theorie zu streiten scheint, nämlich der Mangel an Uferresten jener Seen." *) 

Diesen einander 60 widersprechenden 0 ) Ansichten über die Entstehungs- 
weise der fraglichen Gebilde sind noch zwei gelegentliche Bemerkungen hin- 

') Griqualand. p. 042. -As before nientioned, the roeka <>f tho Valleys are smootbed and 
bevelled off. This effeet could not have been produced by the agency of water alone; for either 
mountain-torrenta or gestio streama wotild have furrowcd theae rock into irregulär gullies, instead 
of giving them their regulär curved, ba«in«haped outline. 

*) Ah» solche beaeichnet STOW die Blockanhäufungon de« „Boulderdrift,- 

») Griqualand. p. 582, 602. 609. 

«) Dte südafrikanischen Diamantenfelder in E. Mohr. Nach den Victoriaflllen de» Zambesi. 
») 1. c. p. 212. 

*) Die Wider*prflche werden nm nicht »o «ehr in Erstaunen setzen, wenn wir bedenken, das« 
viele der genannten Beobachter bei ihren Untersuchungen dio größte Aufmerksamkeit den Diamanten 
Kuwandteu und oft giiutlk-h im Unklaren waren, was fllr eine Genteinaart sie eigentlich vor sich 



320 



Die K.'ilahara. 



zuzufügen. BÖTTGER sprach sich bei der Diskussion des Mergels vom Gokwe 
folgendermaßen aus: „Die Übereinstimmung im Habitus des Gesteins und der 
Fetrefakte und die geringe Größe dieser letzteren würde nun einen kühner com* 
binierenden Geologen als mich, auf das Vorhandensein einer Zeit in Südafrika 
hinführen, während welcher die Temperatur bedeutend herabgesunken gewesen 
sein musste, eine Zeit, welche unserer nördlich vom 50° n. Br. so vielfach nach- 
gewiesenen Eiszeit entspräche. Soviel ist sicher, dass die Untersuchungen dieser 
Mergelgebilde in Südafrika ein neuer Beitrag sein wird zur Feststellung der That- 
sache, dass der Löss ein kosmopolitisches Gebilde ist." Endlich machte DUNK 
in seinem Berichte Uber die Diamantenfelder die gelegentliche Bemerkung, dass 
„die Diamanten von ihren ursprünglichen Stätten in den Eruptivgesteinen durch 
verschiedene Agentien, als Wasser, Eis und Wind weggeführt" worden seien. 



Die Theorie WYLEYS einer Kritik unterziehend wird man in dem Fehlen 
mariner Fossilien nicht gerade einen Gegenbeweis erblickeji dürfen, da die be- 
treffenden Länder noch viel zu wenig durchforscht erscheinen, um negativen 
Befunden einiges Gewicht beimessen zu lassen. Jedenfalls aber wird man die That- 
sache, dass in Gesammt-Innerafrika bis zur Stunde keine einzige marine Form 
postjurassischen Alters angetroffen worden ist, nicht gänzlich außerncht zu 
lassen haben, während die Süßwasserkonchylien, deren LlVINGSTONE gedenkt, 
ein schwerwiegendes Contra abgeben. Nicht minder ungünstig als die paläonto- 
logischen Befunde, erscheint für WYLEYS Anschauung, die bereits des öfteren 
erwähnte AblagerungBart der fraglichen Gebilde selbst. Dieselbe deutet 
nämlich auf einen ganz lokalen Ursprung des Materials hin, und kann Uberhaupt 
nicht mit der Struktur von Meeresscdimcnten vereinbart werden. Beweisend bleiben 
somit für die Ansicht WYLEY8 nur die weit verbreiteten SalzefHorescenzen und 
das salzhaltige Wasser der Binnenseen. Wenn man sich aber der SalzefHorescenzen 
wegen für diese Theorie entscheidet, so muss man notwendigerweise auch die 
salzführenden Mergel am Plateau von Bloemfontein als Meeressedimentationen 
ansehen. Dadurch wird man aber wiederum genötigt, nach der nicht unbedeutenden 
neuerlichen „Senkung" des Landes unter das Meeresnivean eine darauffolgende 
„Hebung" anzunehmen, welche für Hiscxoque wenigstens den Betrag von 2000 m 
erreicht haben muss. Für so schnell vor sich gehende intensive Schwankungen 
der Festlandsmassen und Meeresräume hat man gar keinen Beweis. Das neuerl ich 
erfolgte und noch andauernde Ansteigen der Küsten Südafrikas ist ein viel 
geringeres und hat den Betrag von 1000 Fuß noch nicht erreicht. Vollends 
entkräftet wird aber die Theorie WYLEYS durch den Umstand, dass es keinem 
der nachherigen Erforscher dieser Gebiete in den Sinn gekommen ist, auch nur 
eine leise Vermutung zugunsten eines marinen Ursprunges der betreffenden Ge- 
bilde auszusprechen, während im Gegenteil SHAW energisch gegen dieselbe 
aufgetreten ist und gezeigt hat, wie die Salzanhäufungon auch auf eine andere Art 
erklärt werden können. 1 ) 

Schwieriger als die Prüfung der Theorie WYLEYS ist eine sachgemäße 
Kritik der von LlVINGSTONE gegebenen Auseinandersetzungen. Die von dem- 
selben erwähnten Stißwassermollusken deuten in der That auf eine einstige 
größere Bedeckung des Landes mit Süßwasser hin. Doch hat LlVINGSTONE 
keineswegs den Nachweis gebracht, dass diese größere Wasserbedeckung mit 
der Ablagerung der fraglichen Gebilde zusammengefallen ist. Ja, die Faunenreste 
im Mergel vom Gokwe sprechen wenigstens für den letzteren gegen die An- 
nahme einer Gleichartigkeit der Süßwasserbedeckung und der Bildung jenes 
Mergels. Da die Ansicht Li VINGSTONES später nochmals zur Sprache gelangen 
wird, so mag die soeben gemachte Bemerkung vorläufig genügen. 

') The pan» „reoeive the drainage uf the aurrounding heighta; and u«>ne of it poftse« away 
except what mar pereolate through tlic lower strata. The various salts from the rockles (sandstones, 
argillaceon« limeslones etc., but cbietly from the trappeau greonstones,) settle in the paus, aud ans 
held in Solution b,v their waters. They are therefore but a particular exatuple in the gcucrnl induetiou 
that all bodie» of water, into which nu w utero pau out, are galt. They obtain their »alt a* the 
ultimate receptacles of the land-drainage around them. All the coustitucnU ueceasary for the »atnration 
with salU of »nch water» are to be fouud in tho metamorphic schists etc. to be collected in fragmeuU 
in the pans." 



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Die Kalaliara. 



321 



Ebensowenig baltbar als die Theorie WYLEYS erscheint die Erklärungs- 
weise, welche IIÜBNElt für die Entstehung der fraglichen Gebilde am Vaalriver 
und Pauneveld gegeben hat. HÜBNER supponiert riesige Wasserläufe, mit denen 
der heutige Vaalriver, trotz zeitweiser Überschwemmungen in gar keinem Ver- 
hältnisse steht. Fllr viele der kleineren runden Gesteinsstücke im Vaalgravel 
ist es, wie COHEN hervorgehoben hat, Uberhaupt nicht notwendig eine große 
Nachhilfe des Wasser» zur Glättung derselben anzunehmen. Weiters wird durch 
HÜHNERS Annahme eine» fluviatilen Ursprunges der Gravelmassen, wie derselbe 
selbst zugibt, das so oft beobachtete „Nebeneinandervorkommeu verschiedenartig 
zusammengesetzter Striche im Vaalthal" nicht hinreichend erklärt. Endlich steht 
das vermeintliche Produkt des alten Flusses mit der heutigen Thätigkeit des 
selben im argen Widerspruch. Ebenderselbe Fluss, der die betreffenden Anhäufungen 
von ihrer Oberfläche bis auf den Grund an 60 m durchschnitten hat und jetzt 
auch die Unterlage derselben heftig angreift, soll dieselben Massen zur Ablagerung 
gebracht haben! Aber selbst alle diese Schwierigkeiten nicht beachtet, spricht 
doch der Umstand gegen die Anschauung HÜBNERS, dass die Verhältnisse am 
Panneveld ganz unaufgeklärt bleiben, man mtlsste denn zu den abenteuerlichsten 
Flussgestalten der Vorzeit seine Zuflucht nehmen. 

Suum cuique! Wie wir COHENS Autorität herangezogen haben, um die 
HÜBNER'sche Anschauung zu widerlegen, dürfen wir bei der Prüfung der von 
STOW und COHEN aufgestellten Theorien auch HÜBNERS Einwendung gegen 
dieselben nicht unberücksichtigt lassen. Demgemäß können wir den „Mangel von 
Uferresten jener Seen," in welchen nach STOW und COHEN die Thone, Tuffe 
und Gravel zur Ablagerung gelangt sind, als einen Gegenbeweis gegen ihre 
Erklärungsweise ansehen. Außerdem haben wir hervorzuheben, dass es uuter 
Voraussetzung von STOWS und COHENS Annahme nicht einzusehen ist, warum, 
wie es ^tatsächlich der Fall ist, das einemal wasserdurchlässige ockerfarbige 
Thonschiebten, das anderemal Wasser undurchlässige lichte Mergel oder kalk- 
tuffartige Gebilde, ein drittesmal wiederum ockerfarbige Thonschichten zur 
Ablagerung gelangt sind. Ferners bleibt hierbei eine andere Erscheinung, das 
Auftreten der sogenannten gravel-paiches nämlich, gänzlich unklar. Dieselben 
deuten jedenfalls auf einen Vorschub der meist seitlich gelagerten Gravelmassen 
gegen die central gelagerten Thone und Tuffe hin. Eine abwechselnde Hebung 
und Senkung des den See umgebenden Landes, wie etwa altornirende .Hebungen" 
und „Senkungen" der Meeresküsten zur Erklärung ähnlicher Erscheinungen 
größeren Maßstabes in der Facieslehre angeommen werden, ist hier natürlicher Weise 
ausgeschlossen : ebensowenig kann man ein Emporsteigen und Zurückweichen 
des betreffenden Sees annehmen, ohne dadurch die Ansichten von STOW und 
COHEN überhaupt mehr oder minder modificieren zu müssen. 

So verschieden die Ansichten von LlVTNGSTONE, HÜBNER, STOW und 
COHEN in ihren Einzelheiten sind, so {setzen doch alle ein an Niederschlägen 
reicheres Klima voraus und das heute stattfindende Emporsteigen der Küsten 
Uber den Meeresspiegel kann in der That mit der Annahme einer Verschlech- 
terung des Klimas vereinbart werden. Ander» verhält es sich mit jener Theorie, 
welche STOW aufgestellt hat und nach welcher die Anhäufungen des Gravels 
und „Boulderdrift" einer Eisaktion ihren Ursprung verdanken. Die Annahme 
einer früheren Gletscherbedeckung des afrikanischen Binnenlandes, wie des 
Pannevelds, des Vaalrivergebietes, des Kaapplateau bis nach Kheis und wahr- 
scheinlich darüber hinaus, setzt aber ein ebenso f e uc h t es al s k al tes Klima 
voraus. Das eine dieser Momente, die Erniedrigung der mittleren Jahrestemperatur 
wird nun, worauf auch STOW Rücksicht genommen hat, durch die Annahme 
einer allgemeinen Hebung des Landes um einige Tausend Fuß erfüllt. Daher 
supponierte dieser Geologe für die Erklärung der stattgehabten 
Eiszeit eine derartige Hebung. Den anderen nicht minder wichtigen Faktor, 
den Feuchtigkeitsgrad der Luft und die Menge des Niederschlags, aber ließ 
derselbe ganz außeracht. Sobald wir aber auch diesen Faktor in Betracht 
ziehen, erscheint die Theorie STOWS von vornherein unmöglich. Wir haben 
bereits darauf hingewiesen, wie außerordentlich gering der Feuchtig- 
keitsgrad der Atmosphäre unter den gegenwärtigen Verhältnissen im 

K titirr; XriU<*rifl V. Bd. 23 



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322 



Die Kalahara. 



südafrikanischen Binnenlande ist. Nun aber, wenn das Land noch um einige 
Tausend Fuß höher gelegen wäre als in der Gegenwart, wurden die Unsicherheit 
der Gewitterschauer und mit derselben die Trockenheit der Luft nur noch 
gesteigert werden. Denn die Drackensbergen würden in diesem Falle auch die 
höheren Luftschichten des regenbringenden I'assatstromes zur Kondensation 
des Wasserdampfes an ihren Abhangen veranlassen. Die Eutwicklungsbedin- 
gungen für ausgedehnte Gletscherfelder waren somit zwar in dem niederen 
Jahresmittel, keineswegs aber in dem Feuchtigkeitsgehalt der Luft vorhanden. 
Außerdem würde auch die jahrliche Temperaturkurve an Steilheit zunehmen. 
Die letztere aber wäre allein hinreichend, um die im Winter gefallenen 
Schneemassen während de» Sommers wieder zu schmelzen. — Es mag zwar 
auf den ersten Anblick hin etwas befremdend erscheinen, dass, den soeben ge- 

S ebenen Erörterungen zufolge, gerade jener Mann, der sich der ausgedehntesten 
Untersuchungen rühmen kann, bei der Erklärung der Thatsachen den unglück- 
lichsten Weg eingeschlagen haben soll. Das Sonderbare der Erscheinung wird 
aber sofort benommen, wenn wir STOW von Anbeginn seiner Untersuchungen 
in Südafrika verfolgen. Die Begehung des Pannevelds war keineswegs die erste 
Arbeit des genannten Forschers. Derselbe ist bereits vorher in den Drackens- 
bergen thätig gewesen. Und eben dort hat ihn eine Reihe von Erscheinungen 
zu der Annahme einer früheren Bedeckung dieses Gebirges mit Gletschern 
geführt. ') Wenn nun auch GRIESBACH die Annahme einer Eiszeit in den 
Drackensbergen nicht für unbedingt notwendig erachtet, so kann doch von klinia- 
tologiseher Seite gegen die Annahme einer lokalen Vergletscherung der Drackens- 
bergen bei einer Erhebung derselben um mehrere Tausend Fuß kein Einwand 
gemacht werden. Das» jene Gletscher an den feuchten Geländen Natals weiter 
hinabgereicht haben werden, als an der trockenen N.W. -Abdachung, daran 
kann nach allen unseren Kenntnissen, die wir vom Himalaja, von den neusee- 
ländischen Alpen 1 ) und anderen Örtlichkeiten besitzen, nicht gezweifelt werden.*) 
Unter solehen Umständen lag es für STOW, nach Ausdehnung seiner Untersuchungen 
über das Panneveld und die westlich davon gelegenen Distrikte, sehr nahe, die 
in den Drackensbergen gewonnene Anschauung auf ähnliche Erscheinungen am 
Vaalriver und am Knapplateau zu übertragen. — Indessen sprechen nicht nur 
die klimatischen Verhältnisse gegen die von STOW aufgestellte Hypothese, sondern 
auch die ^tatsächlichen Befunde des Materials lassen dieselbe keineswegs als 
notwendig erscheinen. Wie wir bereits erwähnt haben, sind nach COHEN die 
großen eckigen Blöcke überhaupt nicht dislocicrt, sondern als Verwittcrungs- 
produkte an Ort und Stelle anzusehen. Dass auch die den Gravel zusammen- 
setzenden Gesteinsfragmente nicht weit transportiert sind, dafür spricht der 
Umstand, dass sieb das gravelbildende Material, wie STOW selbst öfters erwähnt, 

') Vergl. STOW, On »ome paints in South-African geologu. Quart Jouni. 1871 p. 407, 
523, 634. 

») Nach II. von SCHLAGINTWEIT liegt die Schneegrenze am Südabhauge de* Himalaja 
um mehr als 700 m tiefer als am Nordabhangc, woselbst sie bis au 5700 m emporsteigt. Ebenso 
reichen nach HAAST an der feuchten N. W.-Abdachuug der »eidlichen Alpen die Gletscher nahe 
an 200 »i herab, während sie auf der trockenen S. O.-Seite bis !KK) und IHOOm hinaufrücken. 

s ) Der Einwand, welchen WALLACK in seinem interessanten „Ishind Ute (JSSO)" gegeu 
eine lokale Yergletscheruug der Drackensbergen bei einer Hebung derselben um einige tausend Fuß 
vorbringt, ist nicht stichhaltig. Der Hinweis „that uo slight elevation wonld now lead t<< the 
accumulatioti of ni»w and ice in the monutaini«, sitnated an tbey are between t;7 and 3t i" S. Lat. 
since the Andes (32« S. Lat.) roach 23.000 feet high and in 2>>"' S. Lat. 20.000 with more extensive 
plateaus produce no icefields" (I. c. p. 137) ist deshalb unhaltbar, weil mau es in Peru mit ganz 
abnormalen klimatischen Momenten zu thun hat, welche von den an den Ostküsten der Ni'idlieheu 
Kontinente herrschenden Verhältnissen sehr verschieden sind. Ein direkter Gegenbeweis kanu freilich 
deshalb nicht erbracht werden, weil kein Gebirge an deu Ostküsten der drei südlichen Kontinente 
die Gletscherregiou erreicht, indessen sind folgende nicht minder schwerwiegende Thatsachen an- 
zuführen. WO.IEIKOW bemerkt [Die atmosphärische drkulation. p. 31./, das» „nördlich von 
Santiago (Ho° s. I'r. i die Regenrr enge sehr schnell abnimmt und dass es jenseits des '.'h" bis 
4" s. Hr._ fast niemals regnet." Die Schnrrgrei ze Ii« gt hier sehr hoch, ehtuso hoch wie im tropischen 
Mexiko. ' „Eine trockene Atmosphäre, die den Schneefall hindert und den Sonueui.tr ahleu freien 
Zutritt gewährt, ist die Ursache ihrer hohen Lage - GKISEHACH. Dir Vegetation <ler Erde. 11. 
p. 177.) Sobald aber, und da« ist sehr beachtenswert, der l'eruslrom. welcher jene Trockenheit 
veranlagst, gegen Süden hin überschritten wird, sinkt die Schneegrenze rasch auf 52fiO Kuß herab. 
(Valdivia, 3!>» *. Br.) 



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Die- Kalahara. 



nach der Natur de» in der Nähe anstehenden Gesteins richtet. Die Frage, ob 
die fossilen Karoohölzer in der That nur von den Stormhergen in die Vaal- 
distrikte transportiert werden könnten, kann zur Zeit nicht erörtert werden. Dass 
aber auch andere Agenden als die transportierende Thätigkeit der Gletscher 
ahnliche Resultate, wie die in Rede stehenden, hervorbringen können, darauf 
haben bereits MALLETS retnarks upon the movement* of posltertiary and afher discon- 
tinuoiis musses ') aufmerksam gemacht. — Hinsichtlich der auf die Gletscherzeit 
folgenden Soenperiode gilt dasselbe, was wir gegen STOW und COHEN angeführt 
haben. 

Gegen BÖTTGERS Hinweis auf eine frühere Kälteperiode in Südafrika 
lässt sich kein Einwand vorbringen, wenn auch zugegeben werden muss, das» 
das Material, welches denselben zu dieser Ansicht geführt hat, ein sehr spärliches 
gewesen ist. Auch die ganz allgemein gehaltene Bemerkung DUNNS, dass „Wasser 
und Wind u bei der Bildung jener Akkumulationen mitgewirkt haben, wird nicht 
zurückzuweisen sein. 



Wenn man sich die besprochenen Theorien nochmals vergegenwärtigt, so 
tritt bei aller Verschiedenheit derselben doch e i n übereinstimmender Zug hervor, 
dass nämlich alle, welche sich mit der Frage nach dem Ursprünge 
der besprochenen Gebilde beschäftigt haben, dieselben unter 
Verhältnissen entstehen lassen, welche von den gegenwärtigen 
sehr verschieden sind. 

WVLEV lässt die fraglichen Gebilde unter den Meereswogen sich ablagern, 
während sie heute in Höhen von 1000 und 2000t« angetroffen werden. LlVlNGSTONE, 
SHAW und COHEN supponieren mehr oder minder ausgedehnte Süßwasser flächen, 
deren Existenz ein an Niederschlägen sehr reiches Land voraussetzt, während 
gegenwärtig von großer Trockenheit berichtet wird. HÜHNER verlangt gewaltige 
Ströme, welche mächtige Sedimente niedergeschlagen haben, während das Fließ- 
wasser der Gegenwart einerseits in den Hintergrund tritt, andererseits in eben- 
denselben Massen, die es zuvor sedimentiert haben soll, sich einfurcht und dieselben 
hinwegführt. Endlich setzt STOW ein ebenso feuchtes als kaltes Klima voraus, 
während jetzt bei mäßiger Wärme eine hochgradige Trockenheit verzeichnet 
werden muss. — Bedenkt man aber dem gegenüber, dass einerseits die in nicht 
unbedeutender Tiefe unter der Oberfläche gefundenen Trinkgcfäßo der Busch- 
männer auf eine ferne Zeit hindeuten, welche mit der Gegenwart in klimatischer 
Hinsicht ähnlich gewesen sein muss, wie andererseits die klimatischen Proccsse 
nach unserer Auseinandersetzung im zweiten Absatz als nicht unbedeutende 
Faktoren für die Veränderung der Bodengestaltung erscheinen, so wird es nicht 
unberechtigt sein, wenn man sich die Frage vorlegt, kann unter Ver- 
hältnissen, welche mit denen der Gegenwart im wesentlichen 
übereinstimmen, nur in der einen oder anderen Richtung eine 
Steigerung erfahren, die Entstehung der fraglichen Gebilde 
erklärt werden oder nicht? Wir glauben diese Frage im bejahenden Sinne 
beantworten zu müssen, sobald es sich um den Ursprung der salzhaltigen Thone, 
Mergel und Tuffe, der dazwischen lagernden Gravel und endlich der Sande der 
Kalahara handelt. Verneint werden aber muss die Frage, wenn es sich um die 
großartige Zersetzung der Gesteine am Panneveld, um die Herkunft der Gravel- 
und Schuttmassen am Grunde der salzhaltigen Thone und Tuffe und die Anhäufung 
von Blöcken auf den Plateaustufen und Berglehnen handelt. 

Es ist eine längst bekannte und an Jedem Straßenpflaster unserer Städte 
leicht zu beobachtende Thatsache, dass die Zersetzung der Gesteine in den heißen 
und feuchten Monaten viel rascher vor sich geht, als in der kalten und trockenen 
Jahreszeit. So weisen die Würfelsteine der Trottoirs im Sommer eine weißliche 
Farbe und einen mehligen Habitus auf, währenddem sie in einem trockenen 
Wintermonat dem polirten Sockel einer Statue nicht unähnlich glänzend und glatt 
erscheinen. Ebenso ist es uns bekannt, dass Leichen in Gegenden mit mildem 



'j Geolog, soc Dnlilin. 1851, p. 123. 



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324 



Die Kalahara. 



und feuchtem Klima rasch verwesen und der Verwesungsprocess umso schneller 
vor sich geht, je feuchter und wärmer das Land ist, wahrend sie in der trockenen 
Wttsto in kurzer Zeit mumiticieren. Wie der Granitwürfel des Trottoirs und die 
Leiche eines Menschen im Kleinen, verhält sich die feste Erdrinde im Großen. 
— Auch der Verwitterungsprocess der Gesteine im Großen kann in Gegenden 
mit trockenem Klima, wie z. B. im Inneren Siidafrika's, nur langsam und wenig 
energisch vor sich gehen und derselbe wird an Intensität und Schnelligkeit noch 
mehr abnehmen, wenn, wie z. B. im Inneren von Südafrika, durch eine Erhebung 
des Landes um einige Tausend Fuß über das heutige Meeresniveau, die Trocken- 
heit der Luft noch gesteigert würde. Demnach stehen auch die Intensität und 
Schnelligkeit der chemischen Zersetzung in der Gegenwart in keinem Verhältnisse 
mit jenen Mengen zersetzten Gesteins, welche wir naeh HÜBNER und SM IT am 
Panneveld antreffen, und noch viel weniger mit dem Volumen jener Massen, 
aus welchen die salzhaltigen Tuffe und Mergel, die Sande und der „Boulder- 
drift" hervorgegangen sind. Daraus folgt, dass wir unter Zugruudlegung 
eines dem heutigen ähnlichen Klima'« in früheren Perioden der 
Erdgeschichte die großartige Zersetzung der Gesteine, welche 
der Bildung der Thone, Mergel und Tuffe vorausgegangen »ein 
m us s, nicht erklären können. Wir müssen daher zu der Annahme 
eines wärmeren und feuchteren Klimas früherer Zeiten unsere 
Zuflucht nehmen und dieses kann seinerseits wiederum nur 
dadurch hervorgerufen worden sein, dass das Land und besonders 
die G e b irgs mau er der Drackensbergen tiefer gelegen war als 
heutzutage. In der That besitzen wir in den pliocenen Kalksteinschichten mit 
ihrer an die Tropen erinnernden Meeresfauna am Zwartkop und anderen Ört- 
lichkeiten ') einen guten Anhaltspunkt für diese Annahme. 

Erste Periode: JeneZeit mit einem wärmeren und feuchteren 
Klima möge den Ausgangspunkt unserer Betrachtung bilden und jetzt wollen 
wir an die von PöMPELLY»j und VON RICHTHOFEN •) gegebenen Erörterungen 
über die „Einteilung der Erdräuine nach den gestaltenden Wirkungen der 
säkularen Zersetzung und der Umlagerung ihrer Produkte auf dem Boden der 
Festländer," deren hohe Bedeutung für die vergleichende Länderkunde nicht 
genug hervorgehoben werden kann, anzuknüpfen versuchen. Als nun damals 
Südafrika gleich Neu-Seeland *) eine im Verhältnis zur Gegenwart viel tiefere 
Lage aufzuweisen hatte, musste infolge der höheren Temperatur und des größeren 
Feuchtigkeitsgehaltes der Luft auch der Zersetzungsprocess der oberflächlichen 
Gesteinslagen weit energischer sein als heutzutage. Aber nicht allein Wärme 
und Feuchtigkeit, sondern auch eine üppige Vegetation wird hierbei das 
Ihrige beigetragen haben. Die Erosion der Gesteine dagegen und die Trans- 
portation der zersetzten Massen werden sich bei der tieferen Lage der cen- 
tralen Landstriche und der geringeren Neigung ihrer Gehänge, ähnlich, wie 
am Tafellande von Dekhan, in einem nur untergeordneten Grade geltend gemacht 
und dem Verharren der zersetzten Produkte an Ort und Stelle Vorschub geleistet 
haben. Derartige Vorgänge werden unter anderen besonders am Kvapplnteau, 
am Panneveld und in der Karoo stattgefunden haben. Der Verwitterungsprocess 
wird ungestört von oben nach unten vorgeschritten sein, bis in einer gewissen 
Tiefe zunächst feste un zersetzte Gesteinsblöcke oder Grus zwischen losen thonigen 
und sandigen Massen auftraten und endlich die feste Gesteinsrinde erreicht war. 
Da aber, wie PUMPELLY und VON RICHTHOFEN hervorgehoben haben, die „ver- 
schiedenen Gesteine der Zersetzung in sehr verschiedenem Grade unterliegen, so 
muss die Fläche, welche die zersetzten Massen von den unzersetzten trennt, in Ge- 
genden von zusammengesetztem, geologischem Bau eine außerordentlich unregel- 



') STOW, On tone points etc. p. 534. 

J ) Thr relation of stcular rock-disintegration (o Loess, Glaeialdrift and Bock-basins. 
American .louni. of Stienc, auU Art*. Ih7!t. p. 153. Referat vou KOfcKN BUSCH im Neuen Jahrb. 
f. Min. 1881. 1. Heft. 

') China. II. Bd. p. 760. 

*) Vergl. .1. von HAAST, (i<oloyy of thr J'mrincr* of Cantrrbury and Weslland. Chriat- 
i-litinh. lH7t». Pan-orafuniiatioii. 



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l>io Kalahara. 



325 



mäßige Gestalt haben. Könnte man sieh die umgewandelten Massen abgehoben denken , 
so würde die dadurch erhaltene Oberfläche des frischen Gesteins eine merkwürdige, mit 
der Harte der einzelnen Gesteine in keinem ursachlichen Zusammenhange stehende 
Gestalt darbieten. Die in Hügeln und Bergrücken aufragenden Teile der Landschaft 
würden aus Gesteinen bestehen, welche den Angriffen der Kohlensaure am meisten 
Widerstaud leisten, während sich an Stelle der besonders auf lösungs- und angriffs- 
fähigen Gesteine Vertiefungen der Oberfläche befinden würden. Wir würden 
also nicht diejenigen Formen finden, welche, wie die Thalsysteme, 
durch Erosion geschaffen werden, sondern vielmehr unregel- 
mäßig gestaltete Depressionen, oft ohne Zusammenhang unter- 
einander.- Einer derartigen Gestaltung der Oberfläche sind wir aber that- 
säehlich am Plateau der Kaap und am Panneveld begegnet und haben uns 
daher zu fragen, durch welche Agenden konnte jene Verwitterungsdecke, von 
welcher die oben erwähnten Zersetzungsprodukte am Panneveld die letzten Über- 
reste darstellen, weggeschafft werden? 

Zweite Periode. Lassen wir das Land zu diesem Zwecke gleich der 
genannten Doppelinscl während der ersten Hälfte der Diluvialperiode 
überdasMee rem porsteigen, sodassesum einigetausend Fußhöhe r 
gelegen war, als in der Gegenwart. Welchen Einfluss dieses „Ansteigen" 
des Landes auf Neu-Seeland ausgeübt hat, ist uns aus den umfassenden Dar- 
stellungen VON HOCHSTETTERS und VOX HAASTS hinlänglich bekannt geworden. 
Die Feuchtigkeit der Luft, welche während der Ablagerung der Pareoraformation 
in ergiebigen warmen Regengüssen zur Erde strömte, wurde in Eis und Schnee 
verwandelt, welche sich an den Abhängen des herrlichen Alpenlandes und be- 
sonders an dessen feuchter „oeeaniseher" Westhälfte als Gletscher angehäuft 
haben. Nur ein kleiner Landstrich im „kontinentalen" Osten scheint hiervon eine 
Ausnahme gemacht und mit einem trockenen Klima ausgestattet, alle Erscheinungen 
der Steppe zum Ausdrucke gebracht zu haben.') Die entgegengesetzten Ver- 
hältnisse aber mussten in Südafrika Platz gegriffen haben. Nur auf den vom feuchten 
Passatstrome berührten Drackensbergen waren die Bedingungen für die Bildung 
der Gletscher vorhanden, welche auch in der That zur Entwicklung gelangt und 
jene Erscheinungen veranlasst haben mögen, welche STOW in seiner Abhandlung 
vom Jahre 1871 beschrieben hat. Das gesammte Binnenland dagegen musste 
infolge seiner mit der „Hebung" in gleichem Grade zunehmenden Abschließung 
vom Meere immer mehr austrocknen, so dass, selbst wenn die mittlere Jahres- 
wärme niedrig genug gewesen wäre, um die Bildung von Eis und Schnee zu 
veranlassen, die Entwicklung von Gletscherfeldern doch infolge der großen 
Trockenheit unterbleiben musste. Dagegen wird sich ein Steppenklima mit heißem 
Sommer und trockenem kalten Winter eingestellt und auf die Gestaltung der 
Oberfläche eingewirkt haben : Zunächst mochte das aus der Zersetzung der Ge- 
steine hervorgegangene Material ausgedörrt und verfestigt worden sein, ähnlich 
der ziegelharten Verwitterungskruste der tiefer gelegenen und noch etwas feuchteren 
Karoofläche in der Gegenwart: als aber später mit dem Emporsteigen des Landes 
im allgemeinen und der Drackensberge im besonderen die Trockenheit der Luft 
noch mehr zugenommen haben musste, wird der Boden infolge des raschen 
Tempera turwechsels und der größeren Austrocknung Risse und Sprünge erhalten 
haben, wie sie auch der Karoogrund während der heißen Jahreszeit aufzuweisen 
pflegt; die den Gewitterschauern vorangehenden Stürme werden, in die Klüfte 
dringend, den Staub und Saud aufgewirbelt und fortgeführt haben und mit der 
Bloßlegung des Untergrundes beschäftigt gewesen sein, bis endlich jene eigen- 
artige Verwitterrungsfläche mit Blöcken und GruBomassen, den untersetzten Rück- 
ständen der Verwitterungskruste besäet, zum Vorschein kam. Die Sande und 
Thone aber werden vom Winde ergriffen und weiter geführt worden sein, um 
gelegentlich von einem Dornstrauehe zur Düne aufgetürmt oder von dem Filze 
der Steppengräser festgehalten zu werden. Außerdem aber werden auch die nach 
der trockenen Jahreszeit hereinbrechenden Regenfluten thätig gewesen sein und 
alles Material, das der Wind auf den höher gelegenen Punkten übrig gelassen 



') Vergl. HAAST. I. e, p. 367. Die Lögsf-jrmatiou der Bankshalbiusel. 



32ß 



Die Kalahara. 



hat, von diesen in die niederen Centraipartien der Becken und Furchen ge- 
schafft haben. Auf diese Weise werden nicht allein der Sand und Thon, sondern 
auch die verschiedenen Salze und Kiese zusammengeschweiuint worden sein und 
das Material zu den erwähnten salzhaltigen Thon- und Tuftschiehten uud 
den diese vertretenden „gravel-patches* geliefert haben. Die erodierende Thätigkeit 
der Flusse aber, welche schon früher einen nur untergeordneten Grad erreicht 
hatte, wird jetzt noch mehr in den Hintergrund getreten sein und dazu beigetragen 
haben, das eigentümliche Relief der bloßgelegten Verwitterungsfläche in seiner 
Reinheit zu erhalten. 

Dritte Periode. Wieder andere Verhältnisse mussten sich einstellen, 
als Südafrika gleich Nou-Seeland in der späteren D i 1 u v i al z e i t') 
zu „sinken" begann. 2 ) Infolge der Senkung wird das Binnenland nicht nur 
ein wärmeres, sondern auch ein feuchteres und gleichmäßigeres Klima erlangt 
haben, denn der Passatstrom wird dem Inneren umsomehr von seiner Feuchtigkeit 
zugeführt haben, je niedriger der Gebirgswall der Drackensbergen geworden ist. 
Die Monge der Niederschläge wird stetig zugenommen haben, die Salzsümpfe 
der einzelnen Becken werden angestiegen und ausgesüßt worden sein, während 
die höhere Jahrestemperatur einer Süßwasserfauna, wie man sio heute im Xgami 
und Zambesi antrifft, den Eingang gestattet haben wird. Die von LJVINGKTONE 
suppouierteu Seeu der Vorzeit dürften dieser Periode angehört, aber nicht einen 
so großen Umfang, wie ihn jener Erforscher Afrika's annahm, erreicht haben. 
Am Panneveld und in den Vaaldistrikten werden die Salzpfannen in Seen ver- 
wandelt worden sein, die den Rand der Becken erreichend über den niedrigsten 
Teil der Umrandung abflössen. Bei den einen Wasserflächen mochte das Uber- 
laufen derselben nur während der feuchten Jahreszeit stattgefunden haben. Diese 
werden eine durch Wasserfälle untereinander verbundene Seenreihe gebildet haben. 
Die anderen Süßwasserbecken dagegen mochten eine stetige Seenreihe repräsentiert 
haben. In diesem Falle wird die Erosion der Wasserfälle zur Geltung gekommen 
sein. Dieselben werden die Plateaustufen nach rückwärts zu durchnagt und 
dem See einen Abzug gewährt haben. Das Resultat wird ein kataraktenreicher 
Fluss gewesen sein, der das während der ersten und zweiten Periode aufgehäufte 
und zusammengeschwemmte Material der Becken teils fortführte, teils in ver- 
änderter Art zur Ablagerung brachte. Sobald der Fluss in den Thon- und 
Mergelschichten sich eingefurcht hatte, wird eine Auslaugung derselben begonnen 
haben. Die wasserdurchlässigen Thone werden, eben ihrer Durchlässigkeit wegen, 
schneller der Salze sich entledigt haben als der kompakte kalkhaltige Mergel- 
und Tuffboden, der dieselben länger behalten haben wird. Daher werden die 
enteren bereits salzfrei und fruchtbar erschienen sein, während der letztere noch 
salzliebende Hornsträucher aufzuweisen hatte. 

Vierte Periode. Auf die Senkung des Landes ist, gleichwie 
auf Neu-Seeland, •) eine abermalige aber geringere „Hebung" 
desselben gefolgt, bis dasselbe seine derzeitigen Küstenumrisse 
erlangt hat. 4 ) — Infolge dieser Hebung machten sich die Trockenheit der 
Luft und die excessiven Temperaturen wiederum allmählich geltend, ohne in- 
dessen jene Intensität zu erreichen, welche sie während der zweiten Periode 
aufweisen konnten. Die Seen der Kalahara wurden auf den gegenwärtigen Umfang 
reduciert, in den Schalen der von ihnen beherbergten Mollusken die Spuren 
einstiger Größe zurücklassend. Die durch Wasserfalle verbundenen Seenreihen 
am Panneveld blieben teilweise, wie im Oncarriver, als solche fortbestehen, teil- 
weise wurden sie wiederum in Brakpansus umgewandelt. 



') Die Drittperiode nach vok HOCHSTETTEK, Hci*e der ostankhitelun Fregatte 
Nomrra um die Erde. Geologie von Neuseeland. 186J. 

J ) Daus eine solche „Seukung - wirklich stattgefunden hat, folgt uut.tr Zugrundelegung der 
vorhiugcinachteu Annahme von selbst. 

s ! Die Tcrraaxeupcriode nach vom HOCHSTETTEK. I.e. 

*) Vergl. n. t A. F. KKAU8S, Amtlicher Bericht über diu UO. Versammlung der Oesellschaft 
deutscher Naturforscher uud Amte au Maina:. 1842. p. K»9 uud GRIESBACH, Quart. Journ. geol. 

soc 1870. p. »;y. 



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Der erste grofle Alpenforscher. 



327 



So wäre denn die Geschichte der jüngsten Zeiten von Südafrika in großen 
Zügen entrollt. Der Zukunft bleibt es vorbehalten, die einzelnen Perioden genau 
von einander abzugrenzen und das Material zu sondern, welches in jeder einzelnen 
derselben gebildet oder weiter umgewandelt worden ist. 



l>t»r »n-sto grosso Alpenlorseher. 
Ein vergessener Geograph des 16. Jahrhunderts, C G aus Zürich. 1 ) 

Vou Clemens König iu Dresden. 

.lahrhundorteu geht Kiner kiihu voran ; 
Bin Küstiger erschafft Jahrhunderte. 
Die ohne seines Geiste!« Mut und Kraft 
Die Welt gelassen hätten, wie sie war. 

Herder. 

[. 

Oskar Pesch el und S opinis Rüge, unsere beiden Großmeister auf 
dorn historischen Felde «1er Geographie, erwähnen in ihrer „Geschichte der 
Erdkunde* 4 (IV. Bd. d. Gesch. d. Wiss. i. Deutsch!. Münch. 1877) den ver- 
gessenen Geographen nirgends. Seine Verdienste um die Geographie, um die 
Geographie der Alpen insbesondere, bleiben auch bei Bernhard Studer un- 
genannt. Zwar widmet er ihm in seiner „Geschichte der physischen Erdkunde 
der Schweiz- (Bern u. Zürich 1863) aulier den umhergestreuten nominellen An- 
führungen — zehn volle Seiten (9b* — 106); jedoch sein Resultat lautet: v T)ie 
von G. (unterlassenen Werke sind sehr zahlreich und zeigen von seinem un- 
ermüdlichen Fleiße. Viele sind bibliographischen, philologischen, medicinischen 
oder naturwissenschaftlichen Inhaltes und ohne nähere Beziehung auf 
die Schweiz. G., obgleich voll Anhänglichkeit an sein Vaterland, 
war mehr für allgemeine, als für 8 pe ei eil schweizerische Natur- 
forschung thätig." 2 ) 

Obgleich wir den letzten Satz voll und ganz unterschreiben, teilen wir doch 
nicht St uders Auffassung: er schreibt nämlich an einer anderen Stelle (Seite 83): 

«Vadian, Olarean und besonders Tschudi müssen als die 
Väter der schweizerischen Landeskenntnis betrachtet worden." 2 ) 

Noch sei darauf hingewiesen, dass auch Kurt Sprengel (Gesch. der 
Botanik, Altenb. n. Leipz. 1817. I. Teil. Seite 274—281), Ernst H. F. Meyer 
(Gesch. d. Botanik. Königsb. 1857. IV. Bd. S. 322—334), J. Viktor Carus 
(Gesch. d. Zoologie. Münch. 1872. S. 274—288), ferner .1. Mähly (Allgemeine 
Deutsch. Biographie. Leipz. 1*79. IX. Bd. S. 107—120), kurz alle Forscher, 
welche das Leben und Wirken des grollen Züricher Arztes darstellen, es unter- 
lassen haben, seine nicht geringen Verdienste um die Geographie auch nur 
andeutungsweise hervorzuheben, ein Umstand, welcher vielleicht umsomehr be- 
fremden dürfte, als die angeführten Werke auf der trefflichen Studie des gelehrten 
Pfarrers von Winterthur fußen, auf einer Biographie*), welche nicht nur die 
Schriften geographischen Inhaltes citiert, sondern sogar die vornehmsten Beweis- 
stellen daraus, trefflieh übersetzt, zum Abdruck bringt. 

Allein, so sei erläuternd hinzugefügt, Johannes II an hart hatte sieh die 
Aufgabe gesetzt, durch dieses Lebensbild einen „Beitrag zur Geschichte des 
wissenschaftlichen Strebens und der Glaubensverbesserung im 16. Jahrhundert'' 
zu liefern, und diese Aufgabe hat er trefflich gelost. Indem er aus allen Briefen 
und Schriften des verdienstvollen Gelehrten fleißig und gewissenhaft geschöpft, 
hat er seinen Helden und das inhaltsreiche Leben desselben wahr und schön 
uns vor die Augen gestellt. Und jener Beweisstellen hat sich der Biograph 
bedient, um zu zeigen, mit welch' inniger Liebe und Begeisterung, mit welch' 



'( D«t Vortrag wurde am 5. De« 1 , 1884 im „Verein für Kidkuude -4 in Dresdeu gehalten. 
*) Alle drei sind Zeitgenossen imd liehe Freunde unseres Cr.; denn Vadianus lehtc von 
1484 his 1551, Glarcauus von 1488 his 15t>3 und Ägidius Tschudi von 1505 hin 1572. 
») C. . Ü... ., Winterthur 1824. 



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32* 



Der erst« große Alpenfor»cher. 



offenem Sinn und Verständnis sein geliebter Landsmann am heimatlichen Boden 
testgehalten. Aber als Geograph hat er ihn nicht gefeiert. Daher dürfen wir 
heute noch mit Recht schreiben: „Ein vergessener Geograph des 16. Jahr- 
hunderts 1 )," vorausgesetzt, dass geographische Leistungen von Werl vorliegen. 
Aber wer ist der Vergessene? 

Es ist jener große, verdienstvolle Polyhistor Zürichs, in dem die Geschichte 
der Wissenschaften den Abschluss mittelalterlicher Gelehrsamkeit und den Anfang 
neuzeitlichen Schaffens personiticiert und die ganze Kontinuität wissenschaftlicher 
Entwicklung lebensvoll hergestellt sieht; es ist jener Gelehrte, „dein das große 
Verdienst nicht abgesprochen werden kann, der eigentliche Gründer der Ge- 
lehrtengoschichte, der neueren Linguistik und der wissenschaftlichen Zoologie 
zu sein" (Mähly, Seite 117); beginnen doch mit ihm Philologie, Medicin, Botanik 
und Zoologie die Neuzeit ihrer Geschichte: es ist Conrad Gcsner, der Freund 
und Zeitgenosse von Zwingli, Bullinger, Myconius, von Vadian und 
Tsehudi; es ist der erste Schweizer, welcher ganz und gar der Naturwissenschaft 
lebte; er wurde 1516 als Sohn eines armen, aber kinderreichen Kürschners ge- 
boren und starb 1565. 

Mutvoll und ohne zu ermatten kämpft er den bitteren Kampf gegen das 
dämonische Geschick, welches ihn in Armut und Niedrigkeit gefesselt halten 
möchte. Endlich gelingt ihm der Sieg. Denn seine Jahre „sind ausgefüllt von 
einer Arbeitslust, Arbeitslast und Arbeitskraft, wie die gesammte Gelehrten- 
geschichte nur wenige ebenbürtige Beispiele kennt. Er imponiert nicht bloß 
durch Sachkenntnis; er wirkt auch wolthuend durch sein echtes und selbstloses 
Interesse an den Gegenständen; er weiß, was er will; er arbeitet nach klaren, 
festen Zielen" (Mähly, S. 115. 117): sein Charakter ist lauter, edel, bescheiden, 
uneigennützig, streng evangelisch, immer und überall bemüht, Liebe und Achtung 
zu säen. Liebe und Hochachtung blühten ihm daher auch überall entgegen. In 
dieser Weise arbeitete sich Gesner empor zu der lichten Höhe des Lebens 
und der Wissenschaft; aber dennoch ist sein Leben bis heute nicht frei von 
Flecken und Schatten. In dem Vortrage, den ich vor kurzem in der ,,Isis" 
gehalten, habe ich versucht, sein Verhältnis zu Frick und Myconius klar- 
zulegen. Seine Anstellung in Lausanne, die angebliche Reise nach Wien, sein 
eheliches Leben und sein Tod bleiben weitere Partieu, die einer Neuzeichnnng 
bedürfen. Jetzt gilt es jedoch, die übersehenen geographischen Leistungen nach 
Verdienst zu beleuchten, eine Fo»derung, welche zweifellos uur dann erfüllt 
werden kann, wenn folgende Thatsachen den historischen Hintergrund bilden. 

Die Idee der PHanzenregionen ist ziemlich neu; denn jeder denkt dabei 
an die Forschungen von Humboldt und an das Bild hierzu, das Goethe') 
entwarf. Man erwäge, dass es im Jahre 1812 war, als sich Georg Wahle uberg 
nach der Schweiz begab, um zu untersuchet), ob die senkrechte Erhebung auf 
die Pflanzenwelt die nämliche Wirkung äußere, wie die Zunahme der geo- 
graphischen Breite. In seiner klassischen Schrift De Vegetatione et Climate in 
Helvetia septentrionali inter flumina Rhenum et Arolam observatis et cum summi 
Septentrionw comparatis tentaraen, 1813 erschienen, unterscheidet er für die 
Nordseite der Alpen sieben Regionen. Jedoch die ältesten Angaben über die 
Höhe einiger Schweizerpflanzen greifen bis auf die barometrischen Messungen 
zurück, welche Horace Benedict de Saussure (1740 — 17'.W) und Jean 
Senebier (1742 — 1801») ausführten. Ferner ist es gäng und gäbe, AI brecht 
von II aller (1708 — 1777) als den ersten Lobredner der Alpen zu bezeichnen. 
Sicher ist es, dass ihm die Schweiz eine Flora (Historia Stirpium indigenarum 
Helvetiae) und zwar zu einer Zeit verdankt, da kein Land sich rühmen konnte, 
»•ine ähnliche zu besitzen. Endlich nennen unsere besten Werke Josephe 
Pitton de Tourncfort (1656 — 1708) den ersten Forscher, welcher beobachtet 
und ausgesprochen habe, dass die Pflanzenwelt hoher Berge den Zonengürteln 
der Erde entsprechende Regionen aufweise, ein Ergebnis, welches bei der Be- 
steigung des Ararat gefunden und 1717 (Relation d'un Voyage du Levant, Lyon) 



>"i Auch weder Sc Ii ni i p «1 <- 1, uocli Simler nehmen hierauf Rücksicht. 
*) Vgl. Rüge, Z*itschr. f. winseuach. Geographie 188-1. 8. 136. 



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Her erste j»r.>ßo Alpenfnrgctier. 



329 



veröffentlicht wurde, <l. i. nur zwei volle Jahrhunderte später, bevor (Iesner 
geboren wurde. Diese Zeitspaune von zwei Jahrhunderten dürfte ausreichend 
die Meinung begründen, dass die Ideen, welche wir gewöhnt sind, an die Person 
eines Tournefort, Haller, Saussure, an Wahlenberg und Humboldt 
zu knüpfen, vielleicht von (Jesner höchst unklar vorgefühlt, resp. so allgemein 
ausgesprochen wurden, dass es heute völlig wertlos ist, darauf zurückzugreifen. 
Sehen wir zu! Als Literat, Tourist und Baineograph, als Philolog, Botaniker 
und Zoolog hat sich Oesner um die Geographie Verdienste erworben; dies 
beweisen seine Schriften und — wem dieselben nieht zugänglich sind — die 
in Hanharts Biographie gegebenen Übersetzungen. An letztere können wir 
uns zum Teil auch hier halten; denn diese Kopien sind dem Original so getreu 
nachgebildet, dass sie in der That den Wert einer zweiten Urschrift besitzen. 

II. 

Die Schrift „Libellus de lacte et operibus lactariis, Tiguri lr>41" handelt 
von der Milchwirtschaft in den Glarner Alpen und von dem delikaten Schab- 
zieger. Bekanntlich erhalt dieser Käse durch das beigemengte Pulver des 
„Ziegenkrautes" (Melilotus officinalis) Farbe und Wolgeruch. Da von hier 
noch heute der Schabzieger Käse ausgeführt wird, hier, im reizenden Klönthalc, 
noch heute die „Milehkanimern" in hoher Blüte stehen, so gewinnt das Büchlein 
für die schweizerische Landeskenntnis historisches Interesse. Aber der Wert 
tles Büchleins steigt noch höher. Ist ihm doch ein Verzeichnis seltener, hier 
vorkommender Alpenpflanzen beigegeben und als Einleitung ein Brief voran- 
gestellt, welcher, an Jakob Vogel, den Landschreiber in Glarus, gerichtet, 
hochbegeistert von der Größe und Herrlichkeit der Alpennatur spricht. Hören 
wir nur, wie Gegner seine Zeitgenossen auffordert, in Berg- und Alpenfahrteu 
die genus8reichste Erholung zu suchen und zu linden. 

„Ich bin entschlossen," so schreibt er an seinen Freund Vogel, „anlange 
mir die göttliche Vorsehung das Leben erhält, jährlich einige oder wenigstens 
einen Berg zu ersteigen und zwar in der Jahreszeit, wenn die Pflanzenwelt in 
ihrer vollen Kraft steht, teils um meine Kenntnis von den Pflanzen zu erweitern, 
teils um ineinen Körper zu stärken und dem Geiste die edelste Erholung zu 
verschaffen; denn welch' ein herrlicher Genuas, was für eine Wonne ist es, die 
unermesslichen Bergmasaen bewundernd zu betrachten und sein Haupt über die 
Wolken empor zu heben ! Diese erstaunenswtirdige Höhe erfüllt die Seele mit 
Erhabenheit und reißt sie zur anbetenden Bewunderung des allweisen Schöpfers 
hin. Nur Menschen von träger Seele bewundern nichts!" 

Nachdem er die letzteren gehörig gebrandmarkt und sie mit den in einem 
Winkel vergrabenen und in einen tiefen Schlaf verfallenen Murmeltieren ver- 
glichen, ruft er aus: 

„So mögen sie denn im Schlamme der Erde sich herumwälzen und nur 
an Gewinn, nur an Befriedigung ihrer niedrigen Genüsse denken ! Wer dagegen 
die Weisheit liebt, der fahre fort, mit seinen Augen zu sehen und mit seinem 
Geiste den weiten Schauplatz der reichgeschmückten Heimat zu betrachten ; er 
b est e ig e hohe Berge u nd wende seinen Bli c kauf die unerm esaliche 
Kette d e r Alpe n." 

Hieran schließt Gesner eine kurze Schilderung des Weges, der Aussicht 
und der Gedanken, die sich bei solcher Wanderung in ihm regen; denn er mahnt: 

„Ja, wandere durch schattige Wälder, stelle dich hin auf die erhabenen 
Höhen und fasse die unendliche Mannigfaltigkeit der Gegenstände, die vor deinem 
Blicke ausgebreitet liegen. Und dann frage dich : Wie kommt es, dass eine so 
hochaufgetürmte Bergeslast nicht allmählich sich in die Tiefe niedersetzt, zumal 
der Boden gegen den Fuß hin immer weicher und wasserreicher wird? Wozu 
müssen sich soviele Bergspitzen in die Höhe erheben ?" 

Diese und viele andere Stellen zeigen, wie unser Alpenfreund bemüht ist, 
einer vernünftigen, denkenden Naturauffassung Bahn zu brechen. Er weckt 
Gedanken, um ein bleibendes Interesse zu schatten. Seine Antworten können 
jedoch ebensowenig den Charakter des 16. Jahrhunderts verleugnen, als die gehörten 



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Der erste jrrufle Al|>enforM.her. 



Fragen; aber trotzdem lassen «ich noch heute beide anhören; seine Be- 
gründung lautet: 

„Die Berge sind eine unerschöpfliche Vorratskammer, in deren Schöße 
Quellen, Bache, Flüsse hervorbrechen, welche die umliegenden Liiuder mit ihren 
Wasserschaden versorgen. Zu den Füßen der Berge liegen die schönen Seen 
unseres Vaterlandes ; etliche breiten sich sogar auf den Höchsten Gipfeln aus. 
Im Inneren der Berge sind reiche Schätze vorhanden; hervorrieselnd«! Heil- 
quellen werden ein Brunnen der Gesundheit und des Lebens für die, welche 
den oft beschwerlichen Zugang zu ihnen nicht scheuen. Aber auch der geistige 
und sinnliehe Genus», den eine Bergfahrt gewahrt, ist ebenso mannigfaltig als 
wolthatig." 

Und in welcher Weise plaidiert er weiter für alpine Touristik? In einer Zeit, 
welche die Natur statt zu liebeu, fürchtet und meidet, ') hält er mit seiner Über- 
zeugung nicht zurück. Wahr und warm, schlicht und einfach bekennt er: 

„Schon die Anstrengung der Reise selbst, angenehme Gesellschaft, ein von 
allen Sorgen der gewöhnlichen Berufsgeschäfte freier Geist ist ein großer Gewinn. 
Dazu kommt die reine Bergluft, die uns überall umfängt, deren Einatmen ebenso 
erfrischend als belebend ist. Das Auge wird durch die reichste Abwechslung 
erheitert und gestärkt. Iiier erfreuen uns die Pflanzen, die sich durch den 
lebhaftesten Farbenschmuck und die zartesten Bildungen auszeichnen; in der 
Ferne dagegen sind wunderbar gestaltete Berge, spiegelnde Seen und schlän- 
gelnde Läufe fischreicher Flüsse: dort breiten sich wolangebaute, mit Städten, 
Dörfern und Weilern geschmückte Ebenen aus, und da grünen die von Hirten- 
wohnungen und weidenden Herden belebten Matten. Bald vernimmt das Ohr 
den fröhlichen Gesang der Vögel, bald die tiefe, durch keinen, auch nicht durch 
den leisesten Laut gestörte Stille. Welch' ein heiliger Schauer ! Hier in dieser 
reinen Bergluft ist jeder Sinnesgcnuss reiner, feiner, edler! Überall sind Wol- 
gerüche; denn selbst die Pflanzen, welche im tieferen Thale keinen Geruch haben, 
hauchen auf alpiner Höhe zarte, gewürzhafte Düfte aus. Das kalte Wasser, 
das den ganzen Körper erfrischt, die balsamische Milch, welche unsere Zunge 
labt, und der durch die Anstrengung des Bergsteigens erregte Hunger machen 
das einfache Mahl in der Hütte des Alpenhirten zur Götterkost." 

Kann Gesner die Freuden und Genüsse, die sich für den schlichten Touristen 
an eine Alpenreise knüpfen, noch Zutreffeuder zeichnen '? Das fühlten vor allem seine 
gelehrten Zeitgenossen, die Hand anlegten, die Alpen in ihrer Schönheit zu erschließen. 
Sinti er gibt daher die Gesncr'sche Schilderung in der Einleitung seines 
Werkes De Alpibus fast wörtlich wieder. Und unsere Zeit? Sie weiß diesen 
Quoll des Lebens und der Verjüngung voll und ganz zu würdigen; denn heute 
gehören Alpenreisen zu den regelrechten Sommerfreuden der großen und kleinen 
Welt; heute tagen Alpenvereine in allen größeren Städten unseres Vaterlandes. 
Folglich findet die Gegenwart für diese ihre Bestrebungen in Conrad Gesner 
ihren ersten namhaften Anwalt, und die schweizerische Landeskunde kann nicht 
umhin, Conrad Gesner in die Reihe der ersten für Alpenfahrten plazierenden 
Literaten von bestem Klange aufzunehmen. Dazu kommt, das» an den mit- 
geteilten Brief die Pflanzongeographie noch die Bemerkung schließt: In ihm ist 
zum erstenmale der Charakter der alpinen Flora im Gegensatz zu der Pflanzen- 
welt der Ebene richtig aufgefasst und wiedergegeben ; in ihm verzeichnet G es n e r 
zum erstenmale die Thatsaehe, dass die Pflanzen der Alpen in ihrer Farbe 
lebhafter und inniger, im Wolgeruch aromatischer und in Stengel- und Blatt- 
bildung zarter erscheinen, als diejenigen der Ebene. 

III. 

Gesner s Verdienste wachsen; die Descriptio Montis Fracti, Tiguri IfvvS, 
stellt ihn mitten unter die Geographen seiner Zeit. Obgleich AI brecht von 
Bonsttftten (gest. ca. 1500) den Rigi als das Herz der Eidgenossenschaft und 



') Sebastian Mil unter, <rest. 15.Vi, beschreibt seine Reise über «lie Furea als sehr niiilimni 
Hiul gefährlich, „ttt lotu* eontretuigeerem- ; .Ias Ansteigen .1er Getumi macht.- .ihn bin in die 
Kuoohcn und iu das Her* ereittera." Studcr, Gesell, d. phy». Geogr. d. Schw. «. H4. 



Der erste grolle Alpenforscher. 



331 * 



Kuropas gepriesen, bestieg G e s n e r doeh den Frakmont. So pHegte man damals 
wegen des in zackige Spitzen gebrochenen Gipfels — den Pilatus zu nennen. 1 ) 
War diese Besteigung eines schweizerischen Berges zu wissenschaftlichen Zwecken 
auch nicht die allererste : denn diese wurde von Vadian aus St. Galleo, Xylo- 
tectus auB Luzern und von Myconius aus Basel im Jahre 1518 ausgeführt, 
so korrigierte sie doch die durch jene Expedition gewonnenen Resultate und 
vermehrte dieselben um einige recht wertvolle Ergebnisse, ein Umstand, wolcher 
auffordert, diese interessante Reise näher zu beleuchten. 

Der Steinschneider 2 } Hafner, der Maler Thomas und der Apotheker 
B o u d i n aus Avignon begleiteten unseren Freund G e s n e r. In dem unvergleichlich 
schön gelegenen Luzern finden sie freundliche, ehrenvolle Aufnahme. Der Rat 
Uberschickt der kleinen Gesellschaft den Ehrenwein und Ritter Nikolaus von 
Meggen, der damalige Statthalter, erteilt bereitwillig Erlaunis, den Pilatus zu 
besteigen, vorausgesetzt, dass der Stadtdiener ihr Führer sei. 

Den kurzen, steilen Weg meidend, zieht die Gesellschaft vom Vierwaldstätter 
See ihrem Ziele entgegen. „Etwa eine halbe Stunde von Luzern," so schreibt G e s n e r 
(vgl. H an hart, S. 17.)), „fängt der Weg an zu steigen. Dann geht es aufwärts 
durch Wälder, Thäler, Wiesen und Hügel. Nach dem Marsche von etwa einer 
Stunde treten die Ruinen eines zerstörten Schlosses hervor, welches einst ein 
Engländer bewohnt haben soll.*) Daun kommt man in das Eigenthal, wo zahl- 
reiche Kühe weiden und Hütten, Ställe und Heuböden zerstreut umherstehen. 
Die Hirten wohnen in diesem Tbale nur während der vier Sommermonate, in 
denen es aber nicht immer einen Sommer giebt. u 

Diese eigenartigen klimatischen Verhaltnisse veranlassen unsern Gosner, 
seine /.ahlreichen Beobachtungen in folgendes Gesetz zusammenzuziehen. 

„Auf den Gipfeln der höchsten Berge herrscht ewiger Winter, etwas tiefer, 
auch in der Mitte des Sommers — Frühling : denn die Blumen, welche in ebenen 
Gegenden im Anfang des Frühlings blühen, sieht man dort erst im Sommer 
oder im Herbste blühen. Von Früchten erblickt man keine anderen als Erd- 
und Heidelbeeren. Tiefer unten hat auch der Herbst sein Gebiet und bringt 
einige Obstsorten, vorzüglich Kirschen hervor, die aber erst spät reif werden, 
weil ihnen keine Sommerwärme, sondern nur Frühlingswärine zuteil wird. 
Am Fuße des Berges mag die heißere Sonne und die Zurückwerfung ihrer 
Strahlen auch einen kurzen Sommer bewirken. So können wir also die 
H oc hg ebirgeder AI penin vier Regio neu einteilen. Auf derobersten 
Höhe herrscht ein beständiger Winter mit Sc Ii nee, Eis und kalten 
Winden. Dann folgt die Frühlingsgegend mit einem sehr langen 
Winter und s e h r k u r z e n Fr tt h 1 i n g. Darunter liegt die herbstliche 
Lage mit drei Jahreszeiten, mit Winter, Frühling und etwas 
Herbst. In der untersten Lage, wo alle vier Jahreszeiten vor- 
kommen, findet sich auch ein kurzer Sommer." 

Dem edlen Gesner also danken wir für die Alpen die erste Aufstellung 
von Regionen ; er zählt vier, und wer möchte bestreiten, dass die Unterscheidung 
nicht bloß einfach und klar, sondern auch auf dem allein richtigen Princip, auf 
dem durch Höhe, Lage und (jestein modifizierten Klima aufgebaut ist. Weil 
sein Jahrhundert weder Barometer, noch Thermometer kannte, so hält er sich 
an die Länge der Vegetationszeit, an die physischen Jahreszeiten oder, wie man 



') Zur Zeit erscheint uns der Name Frakinont Älter, als Pilatus. Die Ableitung von pilcatus, 
.1er Kerg mit dein Wolkenhuto, ist sehr ansprechend, aber w>d gesucht. Die Osterspiele, die dem 
König Pilatus volkstümliche Gestalt verliehen, verknüpfen seineu Namen mit Erdbeben uud Un- 
wetter. Uud unser Hcrg weist durch seine zerrissene Gestalt auf Hergstfirr.e, LawiiienKÜge uud andere 
Unwetter hin. Diene Ansicht bestätigt noch insofern der Rigi, als er Sit« verschiedener Heiligen ist. 

-i Wundarzt in Zllrich. 

J l Weit älter als Gesner« Zeit ist also die abenteuerliche Reiselust der Englander. His in 
welches Jahr mag wol der Anfang zurückreichen? Kisker kannten wir als Ältesten Helegjctic Stelle 
aus der '1. Sceno de» II. Aktes von Shakespeare „Her Sturm:* »Ein seltsamer Fisch! Wäre 
ich in Euglaud und hätte ich diesen Fisch nur gemalt, da wäre kein Ftiugstnarr, der nicht ein Silbcr- 
stiiek dafür gäbe. Da würde ich durch dieses Ungeheuer ein gemachter Mann, denn jedes seltene 
Tier macht dort «einen Mann. Wenn sie auch keinen Heller geben mögen, um einem lahmen 
Bettler zu helfen, ao vergeuden sie sehu, um einen roten Indianer »u sehn.- (1611.) 



332 



Der erste groBe Alpenfontoher. 



sonst belieben mag, diesen Wert zu nennen, welchen in unseren Tagen Lach- 
m an n und Kabsch (vgl. Kabseh, das Pflanzenleben der Erde. Hannover. 1865. 
S. 81) wieder zur Geltung gebracht. Dieweil Gegner weiß, dass die Beobachtung 
durch die Zeit, in welcher sie ausgeführt wird, erst den richtigen Wert erhält, 
notiert er gewissenhaft Monat und Tag; denn „am 20. August," so hören wir 
ihn berichten, „fanden wir in der mittleren Region des Berges einige wenige 
reife Kirsehen, hingegen in der oberen Frühlingsregion nur einige Erd- und 
Heidelbeeren, die uns gegen Hunger und Durst erquickten." 

In dieser Weise arbeitet unser Gesner an der Realisierung der Idee, 
welche ein Saussure, Wahlenberg, vornehmlich aber ein Humboldt und 
Decandolle in eherne Lettern gössen. Unser Geograph bestimmt aber seine 
Regionen noch näher, denn er fahrt im Erzählen fort: 

„Wir übernachteten auf dem Heu einer Sennhütte im Eigcnthal. Der freund- 
liehe, gastfreie Hirt setzte uns herrliche Milchspeisen vor. Doch es gebrach un6 
auch nicht an Wein: denn der Stadtdieuer, welcher uns zum Begleiter mit- 
gegeben war, hatte den Wein getragen. Einen solchen Begleiter inussten wir 
nach den Verordnungen der Regierung bei uns haben; denn die Leute sind 
abergläubisch und lassen niemanden zu dem Pilatussee, der nicht einen recht- 
schaffenen Bürger von Luzern als Führer bei sich hat. 

Durch das Thal Hießt ein Bach vom reinsten und kältesten Wasser, in 
dem treffliehe und ziemlieh große Forellen gefangen werden, doch nur in den 
höheren Gegenden; tiefer unten und in der Mitte giebt es aueh Krebse und 
A eschen. Auf den Berggraten und Spitzen haiton sich Gemsen, zuweilen auch 
S t e i n b ö c k e und M n r m e 1 1 i e r <■ auf: auch nisten hier B e r g f a s a n c und 
weiße Rebhühner mit behaarten Füßen." 

Gerade so zutreffend die Umschreibung der Schneehühner, so zutreffeud 
illustrieren die gewählten Charaktertiere die aufgestellten Regionen. Krebs und 
Aesche (Thymallus vulgaris), welche bekanntlich klares, aber weder zu kaltes, 
noch zu warmes Wasser lieben, steigen minder hoch, als die Forelle; bei etwa 
1500 ni ü. dem Meere sind sie verschwunden, wahrend die Forelle bis etwa 
2000 m steigt. Gemsen, Murmeltiere, Schneehühner u. a. beleben die höchste 
Region. Diesen zoologischen Höhenstufen wohnt aber noch ein echt historisches 
Interesse inne: denn früher aufgestellte zoologische Stufen sind zur Zeit 
unbekannt. 

„Vom Eigenthale an bis zur obersten Sennhütte," wenn wir dem wieder- 
gefundenen Geographen folgen, „führt ein steiler und beschwerlicher Fußpfad ; 
er leitet an einer kleinen Grotte vorüber, in welcher ein klarer Quell sprudelt : 
hier labten wir uns. Wunderbar erfrischte uns das Wasser. Als wir das Brot 
aßen, welches wir in den Quell getaucht, empfanden wir ein größeres Vergnügen, 
als uns eine mit den seltensten und feinsten Speisen besetzte Tafel gewährt 
haben würde. 

Von der obersten Sennhütte, wo uns herrliche Milch erquickte, wo wir in 
in das Alpenhorn bliesen (es bestand aus zwei, etwa 11 Fuß langen, sanft 
gebogenen, ausgehöhlten und mit Weiden zusammengebundenen Holzröhren), 
wandten wir uns, geleitet von jenem Hirten — links und erklimmten, bald auf 
unsere, mit eisernen Spitzen versehene Alpenstöcke uns stützend, bald am Rasen 
uns festhaltend, die steile Höhe. Endlich gelangten wir unter großer Anstrengung, 
über Stoingeröll und Felsblöcke kriechend, auf der obersten Höhe an. Hier 
entfaltete sich vor unseren Blicken eine weite Fernsicht: auch das Entlebuch 
übersahen wir. 

Auf dem obersten Gipfel ragt gleichsam eine Warte hervor, auf welcher, 
wie die Fabel sagt, einst Pilatus gesessen und furchtbare Ungewitter erregt 
haben soll. Von da wandten wir uns wieder links, stiegen einen Hügel herunter 
und kamen endlieh zu dem Pilatussee, richtiger Pilatussumpfe, iu dessen 
Tiefe Pilatus, in der des kleinen und nachbarlichen dagegen seine Gemahlin 
Grabesruhe halten sollen. Ringsumher ist alles sumpfig." 

Hierauf straft Gesner, der Freund der Reformation und Aufklärung, den 
Aberglauben, das» Pilatus Überschwemmung und Unheil anrichte, wenn ein 
Stein in den See falle, ein Aberglaube, der weit, selbst in Kärnten, Verbreitung 



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Der erste grolle Alpeuforscher. 



33a 



gefunden und ein Pendant zu der Furcht bildet, dass vom Klange des Glöck- 
leins, welches das Maultier ain Halse trägt, die Lawine sich loslöse. BeidcB sind 
Reste eines alten germanischen Aberglaubens im Stile z. B. jenes australischen, der 
es für einen Frevel hält, in der Nähe von Felsen zu pfeifen (vgl. Peschel. 
Völkerkunde. Leipzig 1874. S. 257). Wie tief die grauenhafte Scheu vor dem 
Unglüeksseo auf dem P i 1 at u s im Volke eingewurzelt, beweist, dass selbst V a d i a n 
und seine Begleiter davon ergriffen wurden (8 tu der, Geschichte der physischen 
Erdkunde der Schweiz. S. 64). 

Aus dem Bedürfnis, für jede Erscheinung und Begebenheit eine Ursache 
oder einen Urheber zu erspähen, ist auch die kindliche Vorstellung entsprungen, 
dass große, thatenreiche Männer an entlegenem Orte ihre „ewige Unruhe" lullten. 
Die Helden im Kyffhäuscr und Wasgenwalde entsprechen den Heiligen des Rigi, 
welche Gott durch himmlische Symphonien preisen 1 ), und dem heidnischen Könige, 
der auf dem Frakinonte Unwetter erregt. Auch hiergegen kämpft Gesner, 
indem er nachdrücklich hervorhebt, dass mit dem Tod die Wirksamkeit eines 
Meuschen für immer gebrochen und es historisch völlig unwahrscheinlich sei, dass 
Pilatus jemals hierher gekommen. 

Endlich löst er das physische „Wunder, warum der See weder wachse, 
noch abnehme." Den Grund findet er in der Zerklüftung des Gesteines und in 
der benachbarten Sumpf- und Moorbildung. 

Nachdem er ferner die weit verbreitete Angabe, der See sei unergründlich, 
zurückgewiesen, fährt er in seinem Reiseberichte fort: 

„Gern hätten wir noch das Mondloch besucht, wo jene Mondmilch (d. i. reine 
Thonerde) in einer sehr tiefen und merkwürdigen Felsengrotte gefunden wird: 
aber der Tag neigte sich und mehrere Anzeigen verkündeten Regen auf den 
Abend. Wir giengen deshalb den nächsten Weg vom Pilatussumpfe auf einem 
ziemlich bequemen Pfade nach Luzern zurück und kamen bei einbrechender 
Nacht daselbst an, da der Regen uns auf dem Berge ein wenig verzögert hatte." 

Ein Verzeichnis von ungefähr vierzig, auf der Höhe gesammelten Pflanzen 
bildet den Schluss dieser seiner Forschungsreise, welcher wol der geographische 
Charakter nicht abgesprochen werden kann. Lässt sie sich nicht noch heute, 
nach drei Jahrhunderten, immerhin gut lesen? Der wiedergefundene Geograph 
zeigt Sinn für alles; er beschreibt den Weg, schildert das Terrain, achtet auf 
Wind und Wetter, erkennt die Ordnung in der alpinen Verteilung der Tiere 
und Pflanzen ; er interessiert sich für die Sitten, Gebräuche, Gedanken und 
Anschauungen der Bewohner; er kämpft gegen Aberglauben, gegen falsche An- 
schauungen und ist dabei immer bestrebt, echter Wissenschaft die Bahn zu ebnen. 
Schade, dass der große Züricher Arzt so früh verstarb! Hatte er doch seiuem 
Freuude, dem Arzte Job. Chrvsost. Huber in Luzern, die Deacriptio Montis 
Fracti ?) in der Hoffnung Uberschickt, dass „dies Büchlein den Anfang einer Sammlung 
von Reisebeschreibungen über die merkwürdigsten Berge der Schweiz machen 
werde" (Hauh. S. 178). Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt; aber dadurch 
können unmöglich seine Prioritätsrechte auf dem Gebiete alpiner Forschung und 
der Kunde von den klimatischen, botanischen und zoologischen Regionen nicht 
im geringsten beeinträchtigt werden. Ihre Bedeutung ist groli genug, um seinem 
Namen auf dem Gebiete geographischer Forschungen die Unsterblichkeit zu sichern. 

IV. 

Nachdem wir gezeigt, in welch' geschickter Weise unser Geograph für die 
alpine Touristik im allgemeinen plaidiert, ferner wie warm und wahrheitsgetreu 
er sich dem besonderen, der Beschreibung des Pilatus, widme* und welch' Uber- 
raschende Resultate und Gesetze er dabei klar und bündig zu entwickeln vermag, 
gilt es, all' die zerstreuten Einzelheiten zu summieren, welche nach unserer 



') Albrecht von Boustctten. welcher 1500 starb, schreibt: „Im Kigi habeu vor alter 
Zeit Heilige »ich verborgen, die mich in unserer Zeit durch oft gehörte himmlische Symphouien 
Oott preisen." 

J ) Gab Vadian I51ft die erat« 1 , «o danken wir Q ein er die zweite« und wertvollere Be- 
schreibung des Pilatus \ Zwei Jahrhunderte später erschien erst die dritte Arbeit Uber denselben 
Gegenstand, die Hintori* Pilati montis von Capeller, 17G7. 



334 Der erst« große Alpenforacher. 

Meinung fUr die Geographie Bedeutung haben dürften. Und welches sind diese 
Einzelheiten ? 

a) AlsGesuer an der neugegründeten Akademie in Lausanne drei Jahre 
hindurch die Professur der grieschischen Sprache bekleidete, sammelte er nebenbei 
alle merkwürdigen Pflanzen der engeren und weiteren Umgebung; er schwamm 
in den See und erstieg die höchsten Berge, um die gewünschten Pflanzen zu 
erhalten. Das Resultat musste nicht nur der Botanik, sondern auch der photogenen 
Geographie zugute kommen. Zur Bestätigung dafür sei hervorgehoben, dass 
Gesn er für diesen Teil der Schweiz drei Höhenstufen unterschied: die 
kältere auf der Höhe von Jorat, die gemäßigte im Horizonte von Lausanne 
und die heißere am Seeufer, im Thale von Aigle und Bex (Epistola ad R. Gualter. 
Msc. Juni 1539). Erinnern wir uns, daas 

der Wasserspiegel des Vierwaldstätter Sees. 437 

SäSTI^« » «*«»{: nl 

Tomlishorn, die höchste Spitze des Pilatus . 2133 
der Wasserspiegel des Genfersees .... 375 und 

die Spitze des Jorat 928 m ü. d. Meere 

gelegen, so ergänzen sich insofern die aufgestellten Höhenregionen, als die zuerst 
genannte vornehmlich die Erhebung Uber 900 und die zweitgenannte die Lage 
unter 900 »i berücksichtigt. Noch sei darauf hingewiesen, dass die zweitgenanute 
aus dem Jahre 1539 datiert. Da nun Gesn er dieselbe nicht wiederholt, sondern 
ein völlig neues System schafft, so spricht er stillschweigend den Unterschied 
zwischen der Nord- und Sudschweiz in Bezug auf Vegetationschnrakter in nicht 
zu verkennender Weise aus. 

b) In Lausanne verfasste Gesn er ferner das Enchiridion historiae plan- 
tarum. — Das Büchlein erschien 1541 und zwar sowol in Basel (bei R. Winter 
in S\ als in Paris (bei J. Rogny in 8), als auch in Venedig (bei Ma. Sessa in 16), 
ein Umstand, welcher schlagend beweisen dürfte, wie gern dasselbe zur Hand 
genommen wurde. In alphabetischer Ordnung beschrieb es unter Hervorhebung 
der Heilkräfte die wichtigsten Pflanzen. Ein so niedliches Format war gewählt, 
damit das Büchlein „leicht zu botanischen Auswanderungen in der Tasche mit- 
genommen werden könne" (Hanh. S. 75). Somit ist das Enchiridion das erste 
botanische Taschenbuch, die erste Exkursionsflora -- weniger dem Wesen, als 
violraehr der Absicht nach. 

c) Für das ganze Leben tinseres Freundes gelten die Worte, welche wir 
in dem Catalogus plantarum (1542) lesen: „Ich habe bald allein, bald in Gesellschaft 
pflanzenkundiger Männer sehr verschiedener Nationen größere und kleinere 
Ausflüge, selbst auf die höchsten Berge unternommen, um neue Pflanzen zu finden." 
Leonh. Fuchs, dem bekannten Tübinger Botaniker, dieweil er ihm abgeraten, 
eine Pflanzengeschichte zu schreiben, bekennt er schlicht und wahrheitsgetreu: 
„Da ich aber, wie schon gesagt, eine sehr große Menge von Bemerkungen über 
Pflanzen und Pflanzenabbildungen besitze, da ich alle Tage selbst neue 
Beobachtungen mache und neue Beiträge von meinen Freunden aus Deutschland, 
Frankreich und Italien erhalte, so habe ich mich entschlossen, alles, was die 
Schriftsteller älterer und neuerer Zeit Richtiges und Nützliches geschrieben haben, ') 
in einem Band zu sammeln und habe schon einige Blätter dieses Werkes 
ausgearbeitet." Gleich im Eingange des Briefes lesen wir folgende interessante 
Stelle: „Ein Mnnn, kein Mann! Dies Sprichwort ist hier vorzüglich anwendbar. 
Denn die Zahl der Pflanzen ist unendlich 2 ), und wegen Verschie- 
denheit desAufenthaltsund derGegenden, inwelchensiewachsen, 
kann der einzelne sie nicht alle genau kennen lernen. Wenn aber 



') Da« Manuskript, wollen wir bemerken, enthielt Auszüge au» 260 Schriftstellern. 
*) Ernst Mejcr (S. 31<j) schreibt über Fnrhn: „Ktwas Uber nOO Pflanzen mithält das 
Work, soweit wir es besitzen; darunter befinden sich tiber 4(X) in Deutschland wild wachsende, 
nebst etwa 100 Pflanzen au» Gürten und au« fremden Gegenden." Damit stimmt die Angabo bei 
Jnl. Sachs (Gesch.' d. Hot Münch. 187f>. 8. 197.) „Bei Fuchs Huden wir ungefKhr 500 Arten 
beschrieben und abgebildet und schon 1G23 ist die Zahl der von Kaspar tili in aufgezahlten 
Arten auf 60(0 gestiegen." Gesucr hintcrlieB mehr als 1500 Abbildungen! 



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Der erste große Alpenforscher. 



335 



jeder seine Beobachtungen zum allgemeinen Besten bekannt macht, so kann 
ein vollständiges und umfassendes Werk aus diesen Vorarbeiten vollendet werden. u 
An einer dritten Stelle hebt er hervor: „Ich werde des Tragus Buch nicht 
vergrößern, im Gegenteil seine oft unnütze Geschwätzigkeit abkürzen, die 
Irrtümer, die in demselben vorkommen, weglassen und nur eine kleine Schrift 
über Schweizer- und Alpenpflanzen mit einigen Abbildungen beifügen." 
(Epist. L. III. p. 137 ff. Hann. S. 220.) 

Wer den Inhalt dieser Worte voll und ganz fassen will, der vergleiche des 
Tragus Buch in seinen beiden Gestalten; ferner bedenke er, dass Gesner 
auf eigene Kosten kundige Boten nach den rhätischcu Alpen, in das Gebiet des 
Luganer Sees, auf den Monte Cerene, auf den Gotthard, den Monte Baldo am 
Garda-See, ja selbst nach Verona schickte, um hier vorkommende, genau 
beschriebene Pflanzen zu holen. Zur Lösung dieser Aufgabe zog er auch seine 
Freunde heran.') So schrieb er beispielsweise an Felix Platter in Basel (Epist. 
L. III. p. 101. — Hanh., S. 272): „Das überschickte Millefolium ist unrecht. 
Gehe zu dem Thore hinaus, in dessen Nähe Hugwald wohnt, und wenn du 
dann zu dem Waldstrome gekommen, so suche nur auf sandigen Stellen, und 
du wirst bald das seltene Millefolium finden; es riecht wie Tanacetum." In dem- 
selben Briefe bestellte er sich aus dem Elsass die lange Aristolochia, weil die 
in Zürich vorkommende keine Frucht bringe. In dieser Weise arbeitete Gesner 
bis zum letzten Atemzug an seiner Pflanzengeschichte. Als ihn der Tod über- 
raschte, war wenig vollendet; fast alles stand auf einer unendlichen Menge von 
Zettelchen, die auf große Blätter aufgeklebt waren; 1500 Abbildungen waren 
fertig gestellt; nach zwei Jahren glaubte Gesner die Arbeit in Druck geben 
zu können; aber nicht 15(17, sondern erst zwei Jahrhunderte später, erst 1753 
bis 1759 erschien das Werk, gefördert durch Gas i m i r C h ri s t o p h S ch m i ed el, 
Professor zu Erlangen (geb. 1718, gest. 1793). Mit den betreffenden Werken in 
der Hand lässt sich leicht ad oculos demonstrieren, dass Gesner vieles, von den 
Alpenpflanzen gewiss alles gekannt hat, was die B a n Ii i n e, was C I u s i u 8 u. a. nach 
ihm geschrieben. Und hierbei darf nicht unbeachtet bleiben, dass er mit Recht 
seinem Gegner vorhalten konnte: „In meinem Kopfe ist noch weit mehr Stoff 
vorhanden, als in ineinen Papieren." Uberschauen wir die vorgebrachten Ein- 
zelheiten, welche leicht ins Grenzenlose zu erweitern sind, so bleibt Gesnern 
das Verdienst, in seinem Jahrhunderte der erste Meister in der Geographie der 
Pflanzenstandorte, der beste Kenner der Alpenflora und durch die Entdeckung 
neuer Arten ein nicht verdienstloser Förderer der floristischen Lnndeskenntnis 
zu sein. 

d) Gesner förderte aber noch in ganz anderer Richtung die floristische 
Landeskunde der Alpen. Im Jahre 1561 veröffentlichte er als Anhang zu den 
Werken des? Valerius Cordus nicht nur d ie von seinem Freunde Joh.Fabricius 
(1527 — 1566), Oberpfarrer in Chur, zusammengestellte Flora des Calanda bei 
Chur (Calandae montis, longe altissimi qui dirionis est Khaetorum inter Hclvetos 
stirpium enumeratio). sondern auch diejenige des Stockhornes und Niesens, welche 
sein Freund Aretius ihm überschickt hatte. Es bleibt Gesners Verdienst, 
das« Pilatus, Calunda und Stockhorn nebst Niesen die ältesten Stationen der 
naturhistorischen Missionsarbeit Bind, welche von da aus allmilhlich bis in die 
hintersten Winkel des Alpengebirges Eingang gefunden hat. 

Ferner dürfen wir nicht übersehen, dass Gesner gleich seinem Großoheim 
Frick ein großer Freund der Gartenpflege war. 15(50 legte er sich zum zweiten» 
male einen Garten an. Iiier keimte, grünte und blühte, so weit es angieng, 
alles, was ihm seine Freunde aus der Schweiz, aus Deutschland, Frankreich und 
Italien schickten. Und dennoch war dieser Platz mehr, als das gepflegteste 
Rarissimum, denn Gesners Auge schaute bis in unsere Zeit. Dies beweist nicht 
nur seine Eingabe an den Bürgermeister von Zürich, einen botanischen Garton 



') Johann Bau Ii in, geh. 1541, (»est. 1G1I5, sandte von Tübingen, von Montpellier, von 
Lyon nwl von Ba»el. Benedikt A retitis von Bern (1505 — 1674), Christoph Piper Inn» von 
Sigricv.vl (f 1565), .loh. Kenn tm« im von Dresden (1571) o. v. *. sandteu ihm reiche Beitrüge. 



336 



Der erete grofie Alpenforscher. 



anzulegen, 1 ) nicht nur sein Exemplar der lateinischen Übersetzung von Tragus 
Kräuterbuch, in welches er eigenhändig alle die Pflanzen eingetragen hat, 
die im Mai und Juni 1053 in seinem Garten blühten, sondern vor allem der in 
seiner Schrift Horti Germaniac 1561 ausgesprochene und realisierte Gedanke: 
f,Doch ich begnügte mich nicht mit dem bloUen Namensverzeichnisse fnämlich 
in genannter Schrift); ich fügte' noch mein« Beobachtungen Uber den Geburtsort, 
die Pflege und Wartung der Pflanzen bei, damit jeder, der einen Garten anlegen 
will, in diesem Buche Anlcithng und Belehrung darüber finde. So wird auch 
einst die Nach weit erfahren, was für Pflanzen in unserem Jahr- 
hundert in unseren Gärten bekannt und angepflanzt wurden, 
was für ieel*he im Freien authalten können und wie lange. Auch in Frankreich 
und Italien wird man sich verwundern, dass in einem so kalten 
Klima, wie das unserige, soviele Pflanzen fortkommen." 

Auf Gesners Anregung hin machte sein Freund, der Chorherr Wolfgang 
Haller von 1545 bis 1570 täglich sorgfältige Aufzeichnungen Uber die Witterung; 
dies sind die allerältesten meteorologischen Beobachtungsreihen, die wir besitzen, 
sie sind in der Stadtbibliothek zu Zürich aufbewahrt! 1 ) 

Wie irrig ist es somit, die Pflanzen - phäuologischen Beobachtungen als 
etwa» ganz Modernes zu bezeichnen! 3 ) Gesner registrierte bereits und zwar 
in einer Weise, dass die Chorologie früher oder später «auf sein Verzeichnis 
zurückgreifen muss, um den Unterschied zwischen der heutigen und damaligen 
Flora Zürichs festzustellen. Was Gesners bleibenden Wert begründet, das ist 
die nackte Leistuug, die Methode; er beobachtet, er registriert, aber er spekuliert 
nie in der Absicht, das Wolgefallen der Zeit zu erhaschen. Pflanze und Klima 
sind ihm untrennbare Begriffe, wie einem Humboldt, einem Dec and olle. 

c) Wie Gesner bereitwillig Vadian 4 ) bei der Herausgabe des Commentars 
zu der Geographie vom Pomponius M e 1 a durch Beiträge und Erläuterungen 
unterstützte, so verdankte er auch seinen Freunden mancherlei Angabe, selbst 
Manuskripte, welche er, wie bereits erwähnt, druckfertig stellte und dann 
veröffentlichte. So geschah es u. a. mit dem Fischbuche von Gregor Mangold 
(1493 — 1578) und von Hospinianus (1515 — 1575). Beide halten sich an 
geographisch scharf bestimmte Gebiete. Während letzterer ein Verzeichnis der 
im Rhein lebenden Fische giebt, handelt ersterer „insonderheit von der Natur 
und Eigenschaft der Fische, so gefangen werden im Bodensee." Auch seine 
Historia animalium hat für uns Interesse; denn in den gegen vierthalbtausend 
Folioseiten umfassenden Bänden bringt er alles, was von den einzelnen Tieren 
mitgeteilt werden kann, unter acht Abschnitte, die stets wiederkehren. In zweiten 
verzeichnet er u. a. alles, was damals über Vaterland und Vorkommen bekannt 
war. Ist auch die Tiergeographie bei ihm noch kein von der Zoologie abgelöster 
Teil, so wird sie doch durch Aufspeicherung alles damals bekannten Materiales 
gefördert. 

f) „Hätte ich einen Gönner gefunden oder wären meine Vermögensumstände 
nicht so beschränkt gewesen, so hätte ich schon die entferntesten Länder und 
Meeresküsten mit brennender Wissbegierde durchwandert." So muss Gesner, 
der größte Gelehrte seiner Zeit, klagen. Allein das widrige Geschick hatte ihm 
in dieser Richtung nicht alles versagt: kannte er doch die Schweiz und ihre 
Nachbarländer aus eigener Anschauung ! 1532 war er zum erstenmale in Strasburg; 



') Den ersten botanisch-medicinisrhen l'niversitatsgarten besaß Padua 1.1545, Francesco 
Uuonafede), den «weiten Pisa (1547), den dritten Bologna tlö*)8, Ulysses Aldrovandi. dann 
Andrea Caesalpini). Lcvden 1577 (Boerhaavo); II eid e I b erg 1593 (H oinri c h S m et), 
Montpellier etc. Ferner 1U17 Gießen, B',20 Paris, 16>!> Jena. 163t) Oxford, 1 Ü4ti Amsterdam, 
1«50 Utrecht n. s. w. 

-t Deuz ler bat sie bereits beniitzt. 

i ) In der „Geschichte der pflamseu-phKuologischen Beobachtungen in Europa, Gießen 1884" 
geht der Verfasser Egon Ihne fllr die Schweix ewar bis auf Jean Sencbicr, bis auf die 
.fahre 1782 bis 1787, aber nicht bis auf Gesner, nicht bis auf das Jahr 17liO znriiek. 

*) Vadian, ehemals Prof. und KekU>r der Universität Wien, wurde 1524 Bürgermeister iu 
seiner Vaterstadt St. Galleu. Er berichtigt u. a. Melas Angabe dahin, dass der Kodensee doppelt 
so lang als breit ist. ferner verneint er die Angabe, das« das Wastcr des Rheines unvermiseht 
durch den See fließe. 



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Der erste gT<>ße Alpenforscber. 



337 



er war Famulus bei Capito. 1533 zog er mit Johannes Fries» von Zürich 
über Basel und Paria nach der Universität Bourges en Berry. Darauf studierte 
er in Paris. Über Straßburg (er wohnte bei Bucerus) kehrte er nach Zürich 
zurück. Es ist falsch zu sagen, er habe den Umweg über Holland gewählt. 
Nachdem er endlich in Zürich von seinem Schulamte entbunden, studierte er 
von neuem in Basel. 1537 gieng er als Professor der griechischen Sprache nach 
Lausanne, woselbst er drei Jahre verblieb. Im Oktober 1540 wanderte er nach 
Sudfrankreich. Sein Hauptziel war Montpellier. Über Lyon führte ihn der Weg 
nach Basel, wo er promovierte. Diese Reisen mussten seine Kenntnis vom 
Walliserlande und von Savoyen erweitern. Hierauf ließ er sich als Arzt in seiner 
Heimat nieder und fortan blieb Zürich sein beständiger Wohnort, sein dauernder 
Wirkungskreis ; nur zeitweise war er der Stadt fern. Entweder führten ihn kurze 
Ausflüge auf berühmte Bergspitzen oder gelehrte Reisen in das Ausland. 1543 
erschien er mit Christoph Froschauer auf der Messe in Frankfurt am 
Main. Die Sommermonate des folgenden Jahre* forschte er in Venedig. 1545 
war er bei dem berühmten Graf Fugger in Augsburg; hierher wurde er auch 
im Jahre 1559 vom Kaiser Ferdinand I. gerufen, dem er sein Fischbuch gewidmet. 
In demselben Jahre besuchte er noch Straßburg, im folgenden die Bäder von 
Baden und 1561 die Wormser Bäder, jenseits der Alpen. 

Waren diese Reisen auch nicht im speciell geographischen Interesse unter- 
nommen, so beutete sie doch Gesner gewissenhaft zur Erforschung der Flora 
und Fauna der betreffenden Gegenden aus, gewiss ein zwingender Umstand, 
dieselben hier nicht unerwähnt zu lassen.') 

g) Im Jahre 1555 erschien bei Froschauer in Zürich der „Mithriades" 
oder seine Observationes de differentiis linguarum . . in toto orbe terrarum, ein 
Büchlein, welches „nichts Vollendetes" geben, sondern „nur ein Merkzeichen 
zur Anregung anderer" sein wollte. Obgleich der Inhalt größtenteils veraltet, 
so ist doch das Büchlein noch immer wertvoll „teils als ethnographisches 
Repertorium, teils und hauptsächlich wegen der zugrunde liegenden Idee von 
dem wissenschaftlichen Interesse der Sprachvergleichung." Um diese Idee recht 
greifbar vorzuführen, lässt er das Gebet des Herrn in sehr vielen Sprachen 
abdrucken. Ferner spürt er der Muttersprache nach, er rühmt ihren Reichtum, 
erkennt die Verwandtschaft zwischen der deutschen und skandinavischen Sprache, 
beleuchtet nicht unzutreffend die Entwicklungsgeschichte der romanischen Sprachen 
und bildet mit Beobachtung der Silbenquantität einige Hexameter in deutscher 
Sprache (lauter Spondeen mit Ausnahme des fünften Fußes), vielleicht die ersten 
mit wissenschaftlichem Bewusstsein geschaffenen, welche unsere Sprache kennt" 
So urteilt J. Mähly über Gesners Verdienste auf dem Gebiete der Ethnographie. 

h) Wenn wir endlich hören, dass Gesner den Arzt tadelt, welcher nur 
Medikamente verschreibt, ohne das Klima und die Luft, die der Patient atmet, 
ohne dessen Temperament und Alter zu berücksichtigen ; wenn wir an seinen 
Worten und Thatcn sehen, wie er es sich allzeit angelegen sein lässt, das Ver- 
ständnis für Wasser- und. Badekuren zu wecken, dann dürfen wir voraussetzen, 
dass auch die Balneographie durch ihn gefordert wurde. 

Im August 1539 weilte er mit seiner Frau in dem Bade Lenk, um 
da die Quellen zu untersuchen, die Wirkung der Bäder zu studieren und während 
seine Frau weiter badete, das Walliscrland im Interesse der Wissenschaft und 
seiner eigenen Ausbildung zu durchstreifen. Die Frucht hiervon haben wir 
bereits geschildert. Noch höher schätzte er die Schwefelquellen zu Raden; hier 
hatte nicht nur seine Frau, sondern auch er selbst wiederholt Stärkung gefunden. 
Die Reisen uud Strapazen im Jahre 1559 hatten seine Gesundheit dermaßen 
geschwächt, dass er 1500 im Schiffe dahin fahren musste. Seitdem vergieng kaum 
ein Jahr, dass er nicht acht bis zehn Tage daselbst badete. Im folgenden Jahre 
begleitete ihn Johann Bauhin nach Bornrio, eine Reise, die den Gedanken 
in ihm erweckte, seine Schrift über die Tennen Deutschlands und der Schweiz 

') Nur ein Belog hieflir. In M&rz 156!) sah er zu Augsburg im Garten des Katsherrn Job. 
Hoinr. Herwart eine neue Pflanze, die er beschreibt and abbildet; ea war die Tulpe, die 
Liunu ihm au Ehren Tolpi» Geaneriana nannte. Auch diese lobliche Sitte, Pflansen au benennen, 
führte unser G einer ein. 



SM 



338 



Der erste große Alpenforscher. 



neu und vermehrt herauszugeben. Enthalten „De thermis et fontibus medicatis 
Helvetiae et Germaniae libri duo a , 1553 in Venedig erschienen, meist auch nur 
Auszüge aus älteren Badeschriften, besonders aus Gundelfingen so haben 
diese Bücher denn doch den ersten Kenner der im Altertum gebrauchten materia 
medica zum Verfasser, welcher hin und wieder Zeilen der Begeisterung für 
Mineral- und Kaltwasserkuren dazwischen flocht. Ferner untersuchte er in Chur 
die Quellen. Zu gleichem Zwecke schickte ihm sein Freund, der Oberpfarrer 
Fabricius noch einige Flaschen mit Mineralwasser nach Zürich. In der Um- 
gegend von Schule im Unterengadin prüfte er 14 Quellen; aus den meisten 
gewann er durch Auskochen ein scharfes Bittersalz, aus einer dagegen, wie er 
überzeugt war, sogar Salpeter. Die Wormser Bäder sagten ihm jedoch am besten 
zu. „Ich befinde mich," schreibt er seinem Freunde, „seitdem ich von «der Quelle 
getrunken, immer wol und zwar weit besser, als ich mich seit vielen Jahren 
nie befunden. Diese salzsäuerliche Quelle ist ein Wunder der Natur." Sein Urteil, 
das er als Forscher, als Arzt bald in Briefen, bald im mündlichen Verkehr 
wiederholte, ward Allgemeingut »einer Zeit; auf diese Weise förderte er die Baineo- 
graph ie nicht unwesentlich. Leider erschien sein Werk nicht in neuer Auflage; 
aber durch ihn ward Kaspar Collinus, Apotheker in Sitten, welcher mit 
üesner im botanischen Verkehr gestanden, veranlasst, seine wertvollen Nachrichten 
über die fünf Quellen von Leuk, über Bad Bryg, die Eisenquellen im Vispach- 
thaie, ferner Uber die Schwefelquellen von Lalliaz und endlich über diejenigen 
bei S. Cergues, bei Thonon (in Savoyon) und bei Yverden zu sammeln und 
als Anhang zu Simlers Beschreibung des Wallis (1574) zu veröffentlichen. ') 

V. 

Zum Schluss wiederholen wir die Frage: Verdient Conrad Gesncr in 
die Reihe der Geographen des IG. Jahrhunderts aufgenommen zu werden? 

In einer Zeit, in welcher Furcht und Aberglaube noch mahnen, dem Hoch- 
gebirge fern zu bleiben, tritt Gesner, von der Majestät der Alpen begeistert, 
mutig als erster Anwalt vor sein Volk, um den der Gegenwart angehörenden 
Gedanken zur Geltung zu bringen: Alpenfahrten gewähren die edelste Erholung, 
luden* er den Pilatus erstieg, der Furcht vor den schrecklichen Unwettern die 
Berechtigung raubte, iudem er auf vielen anderen Hochgebirgsspitzen botanisierte 
und forschte, erwarb er sich den Ruhm, ein Bahnbrecher ersten Ranges auf 
dem Gebiete alpiner Touristik zu sein. Wie keinem zweiten Alpensohne, so 
lag es ihm am Herzen, die schweizerische Landeskunde in Bezug auf das Natur- 
wissen zu fördern. Pilatus, Calanda und Stoekhorn mit Niesen waren die ersten 
Stationen seiner naturhistorischeti Missionsarbeit, eiuer Aufgabe, welche er als 
Philolog, Medieiner, Botaniker, als Zoolog, kurz die er stets und mit all seinen 
Kräften nach jeglicher Richtung hin weiter zu führen strebte. 

Als Philolog ergriff er die Idee der Sprachvergleichung; als Arzt richtete 
er seine Aufmerksamkeit nicht bloß auf die Thermen der Schweiz und Deutsch- 
lands, sondern auch auf die sanitären Verhältnisse seines 'Volkes. Gehörte Gesurr 
doch zu den „wichtigsten Kpidemiographen seiner Zeit, namentlich in Betreff 
der Influenza des Jahres 1562 und der auf dieselbe folgenden Pest" (Haeser, 
Gesch. d. Med. III. Aufl. II. Bd. S. 11). Indem er selbst die verschiedensten 
Bäder besuchte, die Heilquellen auf ihren Gehalt untersuchte und den Gebrauch 
derselben an Ort und Stelle durch Beispiel angelegentlichst empfahl, förderte 

') Fflr viele dürfte es Interesse habeu, eu hören, wie Gesuer die Kur inne hielt, resp. 
anordnete. „Am ersten Tage trank er fünf Becher voll, <lie vier Unacn schwer waren, am xehu, 
am 3. fünfzehn, am 4. r.weitiudzwansig und dann fieng er in diesem Verhältnisse au, die Zahl der 
xu trinkenden Becher su vermindern. Anstatt des Tropfbades Hell er sieh gegen seineu heftigen 
Kopfschmerz einen großen Schwamm Uber den Kopf legen und auf denselben eine Stunde lang 
morgens, und ebeusolang abends, wührend dem er im Bade saß, heifle* Wasser aus der Quelle 
giefien. - (Hanh. 8. Ib7.) Die Methode der allmählichen Steigerung und Verminderung der au 
trinkendeu Becher dankeu wir ihm. Seine Kegeln über den Gebrauch der Bilder xu Badeu finden 
sieh in Scheuchzer» Hydrographia Helvetiae. — Kurt Sprengel, Gesch. d. Arxneikunde, 
Halle 1794. 111. Teil und .loh. He rinn im Baas, Gesch. d. Mediein, Stuttg. 187U, sagen, sehr 
wenig Uber Gesner: dagegen gibt Heinrieh Hnesers Geschichte der Mediein, Jena 1 KS], «war 
kurre, aber treffende Hinweise. 



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Der erste große Alpenforscher. 



339 



er nicht unwesentlich die helvetische Ralneographie. Als Zoolog vereinigte er 
in seiner Uistoria animalium alle damals bekannten Angaben Uber das Vor- 
kommen der einzelnen Tiere; er reihte ferner dem reichen Cyklus seiner Schriften 
zwei Monographien Uber die Fische des Rheines und des Bodensees ein. Als 
Botaniker endlich schuf er der Idee nach die Basis, auf welcher die ganze 
Pflanzengeographie ruht, nämlich die Systematik. Er war es, wie schon der 
große Hall er anerkennend schrieb (Bibl. botan. IX welcher „zuerst das 
richtige Princip der botanischen Methode erkannte, Geschlechter aufzustellen, 
die eine Anzahl Species umfassen, und Klassen (Familien) als Inbegriff mehrerer 
Geschlechter. In seiner Anleitung zum Pflanzensammeln sind mehrere natürliche 
Familien bezeichnet. Die Charaktere der Ähnlichkeit fand er in der Blüte und 
im Samen, deren Abbildung er sich vorzüglich angelegen sein ließ. Kr Ubertraf 
alle Botaniker seiner und früherer Zeit." Wir dürfen ihn feiern als den der- 
maligen besten Kenner der Standortsverhältnisse der Pflanzen im allgemeinen 
und der Alpenflora im besonderen. Ihm gehört die Priorität, die Alpenflora 
physiognomisch charakterisiert und für die Alpen klimatische, botanische und 
zoologische Regionen unterschieden zu haben. Er ist überhaupt der erste Chorolog, 
der Höhenregionen aufstellt. Denn Albertus Magnus (gest. 12S0), der schon 
den Ausdruck „ewiger Schnee" gebrauchte und die nördliche Grenze des Weizens 
am 50. Breiteugrade suchte, wusste nur, das» auf den Bergen geringere Tem- 
peraturen herrscheu, als in der Ebene (Meteorum Üb. II., tract. I., cap. 17; 
De natura locorum, Dist. 1., cap. 2; 1. c. Dist. II., eap. 1; Peschel — Rüge, 
Gesch. d. Erdk. S. 22t>. 225), ein»' Thatsache, die der scharfsinnige Beauvais 
(gest. 12<>4) richtig zu erklären weill. Aber schilderte nicht schon Kardinal 
Petro Bembo die Höhenregionen am AtnaV Ja, er stand auf dem Gipfel des 
Berges und sagte bereits im Jahre 1495, dass unterhalb des Schneemantels ein 
baumloser Gürtel, weiter abwärts Nadelholz und noch tiefer Bestände von Eichen 
und Buchen folgen. Und dennoch vermag diese Angabe das Verdienst unseres 
(Jesu er nicht im geringsten zu schmälern; denn wir müssen betonen, dass 
Peschel und Rüge in ihrer „Geschichte der Erdkunde" (S. 444) ausdrücklich 
sagen: „Bembo war sich so wenig bewusst, dass er damit ein höheres Gesetz 
ausspreche, wie ein Maler, der, gewissenhaft der Natur folgend, in seiner Ge- 
birgslandschaft arglos die Thaten geologischer Kräfte darstellt." Zuletzt sei 
noch erwähnt, dass Joseph Acosta seine drei Höhenstufen für das tropische 
Amerika: den heißen KUstensaum, die mittleren Hochebenen und die höchsten 
Gebirgssteppen — 50 Jahre nach Gesners Aufstellung unterschied (Gesner 
1539; Acosta 1590; Historia naturaly moral de las Iudias, Hb. III., cap. 21). 

Überschauen wir nunmehr Gesners vielseitiges Schaffen 
innerhalb des geographischen Gebietes, und erwägen wir neben 
der Allgemeinheit, die seine Rcsu 1 1 u t e sch m Uc k e n, d eu mo d e rn e u 
Charakter, welcher seinen Methoden innewohnt, so tritt sein 
Schatten, eine lange, schmächtige Gestalt: kurzsichtig, von krank- 
haft-bleichem Aussehen, aber edel, wol wollend, klaren Auges und 
nicht ohne Züge der Wehmut, hell leuchtend nicht nur mitten in die Heike 
der Viiter schweizerischer Landeskunde 1 ), sondern sogar in den Kreis jener 
grossen Geographen" 1 ), welche Aulass geben, das 1(5. Jahrhundert das 
deutsche Jahrhundert der Erdkunde zu nennen, denn Conrad Gesner, 
der große Polyhistor Zürichs, ist auch ein verdienstvoller Geograph. 
Versagen wir ihm daher nicht länger die Anerkennung, die ihm gebürt. Ehre 
seinem Andenken! 



') Alberti du Bonstettnn, ca. 1500. Joachim Vadianu«, 1486—1551. Heinrich GlareaiiUK, 
1488—1568. üswahl Myionius, 1488—1552. Johauu Stumpf, 1500— 150«. 

») Topographen: Ägidiu» IVhudi, 1505—1572. Sit.astiau Mittäter, 1489-155 2. Geographen: 
Feter Apiantw, 1495—1552. Abraham Orteliua, 1687— 1 WH. Gerhard Mcrvator, 1512-1594. A«tro- 
uoniou: Georg v. Peurbach, 1423—1461. RegiutnouUuu», 1436— 147«. Copernicua, 1472—1543. 
Kepler 1671-1681. 



3J4* 

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Bemerkungen über einige Aufgaben der Verkehrsgeographie 

und Staatenkunde. 

Von Professor Dr. F. G. Haha in Leiptig. 
(Schlass) 

Wir haben es zum letztenmale mit gehäuft auftretenden MeereseinBchnitten 
zu thun, wenn wir die schwedische Küsten form betrachten. Die schwe- 
dische Küstenform wird durch sehr zahlreiche, tiefeingreifende, aber meist schmale 
Einschnitte, sowie besonders durch die sehr reichlich auftretenden Küsteninseln 
Bcharf bezeichnet, welche sich zu förmlichen Archipeln verdichten. Die ein- 
zelnen Inselindividuen sind aber durchschnittlich viel kleiner als die Küsten- 
inseln Norwegens, größere Inseln wie dort kommen an den schwedischen KUstcn 
nur äußerst selten vor. Die Blätter VI. Oe 31, VI. Oe 32 der schwedischen 
Generalstabskarte geben einen guten Begriff des Skjaerengewimraels in der Breite 
von Stockholm. Weiter unterscheidet sich die schwedische Küste von der nor- 
wegischen durch ihre viel geringere Höhe. Korwegens Küste stellt den plötz- 
lichen Abfall eines hohen Gebirgslandes gegen das Meer dar, Schwedens Küste 
zeigt sich meist als ein niedrigee Felsplateau. Auch die schwedischen Skjaeren 
erheben sich meist nicht hoch Uber daB Wasser. ') Sehr bezeichnend aber ist 
das überall zu beobachtende Hervortreten des nackten Felsbodens auf Küste 
und Inseln, die Ackerkrume ist nur spärlich und dünn. Als eigentliche Flach- 
küsten sind nur wenige Strecken der nordschwedischen und westfinnischen Küsten 
zu bezeichnen, sonst ist der Charakter einer allerdings mäßig hohen Steilküste 
überall vorherrschend. Die schwedische Küstenform beginnt schon im süd- 
östlichen Norwegen nördlich von Frederikshaid und reioht dann bis zum Hafen 
Warberg, der südlichste, auch geologisch abweichende Teil Schwedens zeigt 
weder Skjaeren noch Küsteneinschnitte und gehört somit einem ganz anderen 
Küstentypus an. Die schwedische Form beginnt nach einem vorübergehenden 
Auftreten auf der Strecke Soelvesborg — Karlskrona ein wenig südlich von Kalmar 
von neuem, um nun die ganze schwedische und finnische Küste bis zum Golf 
von Wiborg zu umfassen. Im übrigen Europa ist die schwedische Küstenform 
nur an kurzen Strecken der irischen und bretonischen Küste anzutreffen. 

Geringe Bevölkerungsdichtigkeit und Mangel an größeren Städten ist für 
Schwedens Ostküste bezeichnend. Die geringe Mächtigkeit der Ackerkrume, 
der vielfach durchbrechende Fclsboden, die Häufigkeit unfruchtbarer Kies- und 
Geröllmassen und erratischer Blöcke, endlich der bedeutende Raum, welchen 
Sümpfe und die zahllosen Landseen einnehmen, lassen eine bedeutende Volks- 
vermebrung gerade in den Küstenländern nicht zu. Betrachtet man die schwe- 
dischen Generalstabskarten einzelner Küstengebiete, muss man billig erstaunen, 
da*s in einem physisch so ungünstig begabten Terrain sich doch noch eine Kultur 
wie die schwedische entwickeln konnte. 

Die größeren Ortschaften liegen entweder im Hintergrunde der tieferen 
Einschnitte (Uddevalla, Norrköping, Nyköping, Uefle, in Finland U leaborg 
und Wiborg) oder an den Mündungen der hier wie in Norwegen zur Schiffahrt 
wenig geeigneten Flüsse (die kleinen Städte Norrlands), endlich auf vorsprin- 
genden Halbinseln oder vorgelagerten Inseln. Letzterer Fall kommt hier aber 
seltener vor als in Norwegen, wie denn hinsichtlich der Besiedlungsverhaltnissse 
d er schwedische Typus sich «lern zuletzt betrachteten eimbriechen mehr an- 
schließt als dem norwegischen. Die Küstenschiffahrt ist entwickelt, wird aber 
durch die Scichtigkeit vieler Häfen und Einfahrten, durch die Uberaus schwie- 

') Man vergleiche die r.slilrciilien Kllnteimnf<ichteii im Segelhftmlbtich fflr dit« 0«t*ee IM. 2. 
Berliu 1881. 82. 



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Bemerkung«! über «iuige Aufgaben der Verkehrsgeographie und Staateukunde. 



341 



rige Schiffahrt zwischen den zahlreichen einander sehr ähnlichen Klippen und 
durch die lange Eisbedeckung der Gewässer weit mehr gehemmt als an einer 
der bis jetzt betrachteten Küsten. Es machte sich deshalb früh das Bedürfnis 
geltend, die Küstenplätze auch durch Landwege zu verbinden. Schon Leopold 
v. Buch reiste auf einer guten Straß** von Torneä bis Stockholm am Westufer 
des Bottnischen Meerbusens entlang, 1 ) eine andere verbindet auf der finnischen 
Seite Abo mit Björneborg, Nikolaistadt, Uleäborg und Torneä. Wenigstens 
bis Uleäborg wird diese Straße in nächster Zeit durch eine zurateil schon voll- 
endete Eisenbahn ersetzt werden. Diese Linie wird die nördlichste größere 
Eisenbahn auf der ganzen Erde sein, der nördlichste Schienenweg überhaupt 
führt im schwedischen Lappland vom Erzberge Gellivara nach Vuollerim am 
Luleätiuss. Er liegt mit dem größten Teil seiner Länge nördlich vom Polar- 
kreise. Die schwedische Seite des Bottnischen Busens besitzt jetzt (wenigstens 
nördlich von Gelle) noch keine Küsteubahn, bei der überaus raschen Entwicklung 
des Schwedischen Bahnnetzes ist es aber wol zu erwarten, dass diese Lücko 
noch ausgefüllt werden wird. An kleinen Querbahnen, welche einen Binnensee 
mit der Meeresküste verbinden oder eine Stromschnelle umgehen, sind schon 
mehrere vorhanden. Südlich von Stockholm sind die tiefer eingreifenden Golfe 
schwerer zu umgehen oder zu überbrücken, so dass gerade diese Strecke noch 
nicht so bald einen Schienenweg am Meere entlang erhalten wird ; hier ist aber 
auch die Schiffahrt nicht ganz solange durch Eis gehemmt als in Norrland. 1 ) 
Die Zahl der aus dem Innern an die Küste führenden Bahnen ist aber hier 
schon so bedeutend, dass nur noch wenige Hafenstädte ganz ohne Bahn- 
verbindung sind. 

Ein großer Teil der Mittel meerküsten zeichnet sich durch einen 
übereinstimmenden, von den bisher betrachteten Formen sehr verschiedenen 
Typus aus. Versetzen wir uns an die Küste Siciliens zwischen Messina und 
Catania, oder an die ligurische Küste zwischen Genua und Nizza, so sehen wir 
das Gebirge nahe an das Meer herantreten. Zwischen Gebirge und Meer bleibt 
nur Platz für einen schmalen, mit Ortschaften und einzelnen Häusern dicht- 
besetzten Saum, der sich in seinen physischen Verhältnissen und seinem Ver- 
kehrswesen scharf von den Binnenlanuschaften unterscheidet. Die Küste selbst 
iat eine Mischung von Steilküste und Flachküste, die vorspringenden Kaps und 
Gebirgsausläufer fallen oft so steil in das Meer ab, dass selbst für den Weg 
an ihrer Meerseite kein Platz blieb. Die älteren Straßen mussten dann in vielen 
Windungen die Höhe des Vorgebirges erklimmen, um auf der anderen Seite 
wieder herabzusteigen, die Eisenbahnen der Gegenwart durchbrechen die Vor- 
gebirge in Tunnels. Zwischen den Vorsprängen ergießen sich zahlreiche freilich 
oft ganz oder fast ganz wasserlose Bergflüsse in das Meer. In der Regenzeit 
führen sie jedoch bedeutende Schuttmassen an das Meer herunter und ihre breiten, 
sand- und geröll erfüllten Betten genügen dann kaum für das Wasser. Die 
öden, im Sommer einer Sand- und Steinwüste gleichenden Mündungsflächen 
dieser „Fiumaren" finden sich besonders an der sicilianischen Küste südlich von 
Messina in großer Anzahl,') fehlen aber auch in den übrigen Gebieten des 
mediterranen oder Mittelmeertypus der Küsten, wie wir ihn ganz wol 
nennen können, keineswegs. Die Gliederung der Küsten ist meist eine sehr 
mäßige, vor allem beachte man, dass hier nicht Einschnitte, sondern Vorsprttnge 
das Bezeichnende sind. Rechts sagt ganz treffend von diesen Küsten: 

„Iis unissent une gräce extreme avec une admirable majeste\ tolles sont 
les cötes de la Provence, de la Ligurie, de la Grece, de la plus grande partie 
des peninsnles ibdrique et italique. . . . Rochers abrupts et plages doucement 
inelinees alternent aune maniere harmonieuse. 4 ) u Wenn Küste und Gebirge 
parallel laufen, herrscht diese Kttstenform auf weiter Strecke, endigt ein im 
rechten Winkel auf die Küste zielendes Gebirge mit plötzlichem Absturz an 
dieser, tritt sie nur auf beschränktem Räume, aber gewöhnlich besonders aus- 

<) Reise durch Norwegen und Lappland, lierliu 1810, Bd. 2. 8. 29t>. 

») Vergl. Ackermann Beitrage zur physischen Geographie der Ostsee. Hamburg 1883. 8. 26!». 
») Italienische Generalstabskarte Nr. 263, 254, 262. 
«) La Terre Bd. 2. p. 198 f. der 3. Aufl. 



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:U2 



Bemerkungen tlbur einige Aufgaben der Verkclirxge'ijjrapliie uu 4 Slaatnaknnde. 



geprägt und die Vorbindungswege ganzer Länder beeinflussend auf. Der erst- 
genannte Fall ist an den beiden Rivieren von Nizza bis Uber Spezzia hinaus, 
an der Nord Westküste der Insel Mallorca, an der Küste der spanischen Pro- 
vinzen Almena, Granada und Malaga, an Siciliens Küste zwischen Palermo, 
Messina und Aci Reale, an mehreren Küstenstrichen Kalabriens und an noch 
vielen anderen Punkten der europäischen, asiatischeu und afrikanischen M Ittel - 
meerländer zu beobachten. Gemildert erscheint die mediterrane Küsten form an 
der Westküste des Adriatischcn Meeres von Kimini bis Termoli. Die Gebirge 
treten hier etwas weiter zurück und lassen freieren Raum, die Umrisse der Küste 
sind viel oinföriniger. Als Beispiele für den zweiten Fall kann das östliche 
Endo des Pyrenäenzuges zwischen Perpignan und Figueras, die Westküste der 
Provinz Algarve, das Ostende des Balkan am Kap Emineh, der Abfall des Othrys 
gegen den Golf von Volo, endlich die Gegend von Derbent am Kaspischen 
Meere (wo mehrere Ausläufer des Kaukasus hart am Meere endigen), an- 
geführt werden. 

Der EinHuss dieser Küstenform auf Verkehr und Besiedelung äußert sich 
nun in sehr nachdrücklicher Weise. Überall, wo die mediterrane Form recht 
entwickelt auftritt, drängt sich eine dichte Bevölkerung in zahlreichen Städten 
und stadtähnlichen Dörfern zusammen. 

Dir Bevölkerungszahlen für die Verwaltungsbezirke geben hier wieder kein 
ganz richtiges Bild : die Provinz Genua umfasst neben dem Küstenstreifen auch noch 
die durchaus verschiedenen Qucllgebiete der Trebbin, Serivia und Bormida, (Iii- 
Provinzen Messina und Katania gleichzeitig Küsten- und Binnengebiete. Es 
erweist sieh auch hier das Studium der Verteilung und Anordnung der Wohn- 
plätze auf möglichst detaillierten Karten als besonders nützlich. Die Karten 
zeigen uns, wie sehr jeder Fleck jener Küsten ausgenützt wurde, die Ort- 
schaften ') liegen auf und an den schroffen Vorgebirgen, an den Abhängen des 
Küstengebirges und unten in der schmalen Küstenebene, wo bisweilen nur für 
eine Häuserreihe oder eine enge Straße Platz ist. Die große Höhe der Häuser 
in diesen l'ferstädten muss für den mangelnden Grnndrauin Ersatz schaffen. 
Die Landstraße durchzieht die Hauptstraße der Städte, die Eisenbahn muss 
unten am Meer oder oben in die Berglehne eingegraben an den Häusermassen 
vorüberzukouimen suchen. Jeder Ort hat gewöhnlich seineu kleinen Hafen für 
die Fischerfahrzeuge und Küstenfahrer. Seitdem jedoch Straßen und Eisen- 
bahnen die zahlreichen Städte der Riviera und der sieilischen Küste verbinden, 
ist die Benützung der Küstenfahrzeuge sehr gesunken. Namentlich der Personen- 
verkehr bedient sich für längere Strecken fast ausschließlich der Eisenbahn. 
Es sei hier daran erinnert, dass die mediterrane KUstenform die einzige ist, deren 
Straßen und Eisenbahnen auf langen Strecken nahe am Tfer bleiben. Wieder 
müssen Ligurien, die sicilische Ostküste und die ad riatische Küste südwärts von 
Rimini als Beispiele angeführt werden. Dagegen sind bei dieser Küstenform 
die Verbindungen mit dem Innern des Landes stets besonders schwierig um! 
selten. An den Küsten der türkisch-griechischen Halbinsel und der zu ihr ge- 
hörenden Inseln fehlt es noch ganz an Küstenbahnen und auch brauchbare 
KUstenstraßen sind noch sehr selten. Hier ist der Wasserweg noch immer zur 
Verbindung der Küstenorte der wichtigere. Wo noch, wie im Agäischcn und 
.Ionischen Meere, eine Zerstückelung der Landmassen in zahlreiche Halbinseln 
und Inseln dazukommt, wird die Bedeutung der lokalen Schiffahrtskurse zur 
Verbindung der weit zei'streuten Teile des Staatsgebietes noch größer. Für den 
örtlichen Verkehr der einzelnen Halbinseln und Inseln, auf deneu fast überall, 
durch den geologischen Bau dieses Teiles von Europa bedingt, der mediterrane. 
Typus vorherrscht, müssen aber Küstenstraßeu doch als Bedürfnis bezeichnet 
werden, da es zahlreiche Orte gibt, zu denen die Dampfer niemals gelangen 
und die nur durch Segelboote oder auf mühsamen, ächt griechischen Felsenpfaden 
mit den Nachbarorten in Verbindung treten können. 

Der Eintluss unserer Küstenform beschränkt sich nicht auf den örtlichen 
Verkehr. Es liegt auf der Hand, dass der schmale Küsteösauin zwischen Meer 



>) Fast durchaus StÄdUs und atadtahnlichc Dörfer. 



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Bemerkung«!! Aber einige Aufgaben <ler Verkehrsgeographie uud 8taat«Mikuudc . 343 



und Gebirge leicht durch Befestigungen gesperrt und von einer kleinen Streit- 
macht verteidigt werden kann. Die Küsten der mediterranen Form — und nur 
diese allein — enthalten deshalb zahlreiche historisch berühmt gewordene Pass- 
straßen ') und Verbindungsthore zwischen den Hauptländern de» südlichen und 
südöstlichen Europa. Über die letzten Ausläufer «1er Ostpyrenäen führt nahe 
am Meer eine wichtige Passstratte von Frankreich nach Spanien. Schon der 
Col de Perthus zwischen Perpignan und Figueras liegt kaum lohn in gerader 
Linie vom Meere entfernt, die in den letzten Jahren erbaute Eisenbahn, welche 
jenen im Altertum und bis in die Neuzeit oft von Armeen passierten Weg in 
den Hintergrund gedrangt hat, fuhrt hart am Meere hin und durchbricht in 
mehreren langen Tunnel« die Klippen der Küste. An der ligurischen Küste zog 
die Via Julia Augusta der Römer, die „älteste AlpenstraÜe, die zur Kunde der 
klassischen Völker gelangte und von ihnen begangen ward,* 1 ) entlang. Achtzig 
Jahro lang kämpften die Römer mit den Ligurern, um sich diesen wichtigen 
Küstenweg naeh Gallien zu sichern. Auch später blieb die Stralie eine der Haupt- 
verbindungen zwischen Italien und Südfrankreich und sucht noch jetzt den durch 
die Alpen gebrochenen Wegen einen Teil des Verkehrs zwischen Paris und 
Rom wieder zu entreißen. 9 ) Auch die Küstenstraße zwischen dem Meere und 
den Abhängen des Ätna galt immer als ein wichtiger Zugang zum Süden Siciliens 
(Svracus), da der Ätna sich nur mühsam und auf großem Umwege umgehen 
lässt. Am Adriatischen Meere führte von Rimini südwärts die Via Amilia zwischen 
Meer und Gebirge hin. Hier war einer der Haupteintritts pässe nach Mittel- 
und Süditalien, dessen Bedeutung in den punisehen und den Bürgerkriegen klar 
genug hervortrat. Auch jetzt nimmt der Verkehr zwischen der Poebene und 
dem Süden Italiens zumteil diesen Weg. Von den zahlreichen hierhergehörigen 
Küstenpässen der türkisch-griechischen Halbinsel erinnere ich nur an die Thermo- 
pylen, jene zwischen «las Gebirge und die Küstensümpfe eingezwängte Zugangs- 
straße zu den wichtigsten Landschaften Griechenlands, an welcher nicht nur in 
den Perserkriegen, sondern noch im griechischen Befreiungskriege des PJ. Jahr- 
hunderts gekämpft wurde. Im äußersten Osten treffen wir noch den wichtigen 
Pas» von Derbent zwischen den Abhängen des Kaukasus und dem Kaspischen 
Meere. Karl Ritter nennt das Thor von Derbent den Kaukasischen Wasserpass 
im Gegensatz zum Wege durch das Innere des Gebirges von Wladikawkas nach 
Tiflis. *) Auch hebt Ritter (ebenda S. 105) schon die Ähnlichkeit dieser Küsten- 
strecke mit der Riviera von Nizza hervor. Hier war eine der nördlichen Ein- 
gangspforten in das Perserreich, die deshalb sorgfältig bewacht und befestigt 
wurde. Peter der Große durchzog den Paas und gewann damit einen der Zu- 
gänge zu den transkaukasischen Gebieten, die von nun an den Russen gleichfalls 
zufielen. Nach einer bekannten Tradition soll einst durch dieses Thor der rnoha- 
medanischen Herrschaft in Vorderasien der Untergang kommen. ') 

Jetzt zieht die russische Poststraße von Astrachan nach Baku durch diesen 
Pass, die Anlage einer Eisenbahn würde hier geringere Schwierigkeiten zu über- 
winden habm als auf dem Wege durch die Darjalschlueht und über den 
Kreuzbergpass. 

Einer ganz anderen Küstenform begegnen wir an der Küste der N o r rn a n d i e 
namenttirh von <ler Seine bis zur Somnie. Dio Küste bildet hier eine fast un- 
gegliederte steile Mauer, der häufig jegliches Vorland fehlt. Wo es vorhanden 
ist, wird es doch von der Flut überdeckt und ist keine Stätte für Ansiedlungen 
irgendwelcher Art. Diese Küstenform, welche in Europa meist an die Ver- 
breitung der Kreitleformation geknüpft ist, ist durch häufige Unterwaschungen 



'i Paaswege Überschreiten entweder den Sattel eines Gehirges oder durchziehen tiefe Kin- 
senkungeu und Spalten den Gebirge« wie in Norwegen oder winden «ich zwischen Gebirge und 
Meer hindurch. Dazu kommen dann noch die Pässe zwischen groBen Sumpfen wie im flachen 
Osteuropa. Verengerungen wichtiger FlussthKlor, die man auch wo) als PÄsse bezeichnet, nennt mini 
beoser Klausen. 

*) Nissen, Italische Landeskunde, Borliu 1883, Bd. 1, 8. 157. 

Jj Arohiv für Post und Telegraphie, Bd. 12 (1884). 8. 18f». 

4 ) Vorlesungen Uber Europa, herausgegeben r. Daniel, Berlin 1863, 8. 59. 

»j ebenda S. 106. 



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344 Bemerkungen über einige Aufgaben der Verkehrsgeographie und Staateukuud e. 



und EinatUrze ausgezeichnet, Burat hat solche Phänomene von der normannischen, 
Lyell von der gegenüberliegenden englischen Küste beschrieben.') Die Tiefe 
des Meeres ist da, wo die normannische Küsten form (wie wir sie nennen 
wollen) vorkommt, gewöhnlich nicht bedeutend, Küsteninseln sind selten oder 
fehlen ganz. Öffnungen und Breschen in der gleichförmigen Küsten tnauer kommen 
nur da vor, wo Verwerfungen und Bruchlinien (failles) die Kreideschichten durch- 
queren.') Hierdurch entstehen förmliche Thore, welche die Flüsse benützen 
und in denen sich Küstenstädte mit immer noch sehr mangelhaften Häfen ent- 
wickeln konnten. So liegen 1 Hoppe, St. Valery eu Caux, Fecamp und Etretat 
an den Mündungen derartiger Thalschluchten. Wir haben hier ein Beispiel, wie 
sehr der geologische Bau eines Landes selbst die Verteilung der Ortschaften be- 
einflussen kann. Die Lage von Le Havrc ist jedoch nicht durch die Faillen 
der Kreideschichten bedingt. Le Havre liegt am Fuße der Kreideklippen anf 
flachem, von der Seine angeschwemmtem Boden. (Burat S. 1»7.) Aus dem Ge- 
sagten geht hervor, dass der Einfluas des Meeres auf die Bevölkerungsverhältnisse 
dieses Teiles der Normandie ein sehr beschränkter ist. Diejenigen Ortschaften, 
welche nicht an einer Faille, sondern oben auf dem Plateau, wenn auch nahe 
am Abhang liegen, haben fast gar keine Verbindung mit der See und sind hin- 
sichtlich ihrer Erwerbs- und Verkehrsverhältnisse ganz als Binnenorte zu be- 
trachten. Die ziemlich bedeutende Dichtigkeit der Bevölkerung*) auf dieser 
Hochebene (ganzes Departement der Seine inferieure 132 Menschen auf den 
[_JAw, Durchschnitt für ganz Frankreich nur 70) wird zunächst nicht durch die 
Nähe der Seeküste, sondern durch die Fabriksstadt Rouen mit ihrer sehr dicht 
bevölkerten Umgebung, dann durch gleichmäßige Güte des Ackerbodens, die 
eine intensive Landwirtschaft gestattete, erst in letzter Linie durch den Einfluss 
der mit Ausnahme von Havre und etwa noch Dieppe unbedeutenden Hafen- 
städte hervorgerufen. Auch das Eisenbahnnetz deutet an, dass das Binnenland 
hier wichtiger war als der Küstenstreifen ; nach dem Meer zielen im ganzen 
Departement nur 6 Bahnlinien, eine Küstenbahn fehlt noch ganz und wird auch 
schwerlich in nächster Zeit ausgeführt werden. Dagegen ist das Innere des 
Departement, namentlich die nähere Umgegend von Ronen, gut mit Bahnen aus- 
gerüstet. Die normannische Küstenform tritt auch an der Südküste Englands 
in ziemlicher Ausdehnung aber weniger scharf ausgeprägt als auf der fran- 
zösischen Seite auf. Immerhin wird man bei einem Studium der Ordnance 
Survey mups Nr. 3, 4, 5 und 9 der alten Serie bald herausfinden, dass auch 
hier die Lage der größeren Ortschaften von den Thälem der kleinen Flüsse 
abhängig ist, welche einen Zugang nach dem Innern öffnen und in ihren Mün- 
dungen bessere Häfen darbieten, als die Normandie aufweisen kann. Das Vor- 
handensein eines ansehnlichen Wasserlaufes ist aber hier nicht notwendige Be- 
dingung für das Entstehen einer Kttstenstadt. Dover (Blatt 3) und Brighton 
(Blatt Ö) sind in höchst charakteristischer Weise an der Mündung mehrerer 
fast wasserloser Thalschluchten ausgebreitet, welche hier die Einförmigkeit der 
Küste unterbrochen haben. Übrigens sind allenthalben an der Südküste Englands 
auch weniger günstige örtlichkeiten mit größerer Energie und Beharrlichkeit 
verwertet worden als an der normannischen Küste. Die Ostsee bietet uns auch 
einige Beispiele der normannischen Küstenform, wenn auch nur an wenigen 
Punkten Klippen vorkommen, die den normannischen Falaisen ebenbürtig sind. 
Die Kreidefelsen Rügens und der dänischen Inseln, sowie die Steilküste des 
Saralandes tragen ganz normannischen Charakter, sogar die häufigen Ab- 
bröckelungen und Felsstürze wiederholen sich hier. Die Ausdehnung dieser 
Küstenstrecken ist aber zu gering, als dass sie Verkehr und Ansicdlungen nach- 
haltig beeinflussen könnten. Ein sehr schönes Beispiel des normannischen Typus 
findet sich an der Westküste der Insel Ol and, besonders nördlich von Borgholm. 
Hier haben wir dieselbe ungegliederte Klippenmauer mit ganz geringem Vor- 
straud und schlechten Häfen wie in der Normandie. Die Sektion Högby der 

') Burat, Voyagew sur les cdte« de Frauce, Pari« 1880 S. H*> t. Lyell, Priuciple« of Oeology 
V>. Aufl. Londou 1875, Bd. 1, S. 540 f. 
») Burat a. a. O. 8. 79—80. 
») Bevölkerung der Erde Bd. VTL S. 12—13. 



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Bemerkungen ürier einige Aufgaben dir Verkehrsgeographie tuid .Staatenkuii de. 345 



•Schwedischen Generalstabskarte (IV. Oe 38) stellt dies« Küstcnbildung »ehr gut 
dar. Die größere Ortschaft Köping liegt ähnlich wie Dover an der Mündung 
mehrerer wasserarmen Thalschluchten, Borgholm (etwas südlicher als Köping) 
auf niedrigem Vorland wie Havre. Sudlich von Borgholm wird das Vorland 
wesentlich breiter, dahinter erhebt sich aber dio gleiche einförmige Mauer wie 
im Norden. (Vergl. Sektion Kalmar IV. De 39 der genannten Karte.) Einzelne 
kürzere Küstenstrecken von normannischem Typus gibt es auch in Südschweden, 
auf Bornholm (nordöstlicher Teil) und in den russischen Ostseeprovinzen. 

Dies sind die Formen, welche unter die Ge&ammtgruppe der Steilküsten 
eingereiht werden können. Ueringere Mannigfaltigkeit zeigen die Flachküsten, 
zu denen ich mich zum Schluss noch wende. Die Flachküsten können mit teil- 
weiser Anlehnung an die Vorschläge Ratzels (Anthropogeographie 230) zunächst 
in einfache und doppelte eingeteilt werden. Als Muster einer einfachen Flach- 
küste kann in Kuropa die Küste von Latium vom Kap Linaru bis zum Monte 
Oircello, ferner die Küste der Landes von der Pointe de Grave bis zur Mündung 
des Adour, die belgische Küste von DUnkirchen bis zur Scheldemündung ; ein- 
zelne Strecken der jütischen Westküste, der größere Teil der südachwediachen 
Küsten, soweit sie nicht dem normannischen oder schwedischen Typus angehören, 
endlich bedeutende Sireeken der russischen Eismeerküsten betrachtet werden. 
Vielleicht ist es gestattet, von einem gasconischen Küstentypus zu reden, weil 
die über fast zwei Breitengrade ausgedehnte gleichförmige Küste der Landes 
gewiss in Europa die am meisten charakteristische der einfachen Flachküsten 
ist. Bei den doppelten Flachküsten unterscheiden wir eine innere und eine 
äußere Küstenlinie. Erstere bildet den Rand des eigentlichen Festlandes, letztere 
kanu entweder aus einer Reihe vorliegender niedriger Inseln, oder aus langgestreckten 
saudigen oder sumpfigen Halbinseln (Nehrungen) besteben, welche den hinter 
ihnen liegenden Meeresteil (Haff) fast ganz vom Meere abschließen. Endlich 
kann sich auch ein schmaler Landstreifen auf weiten Strecken der Küste vor- 
lagern, so dass die Küstengewässer entweder ganz vom offenen Meere ab- 
geschnitten jsind oder nur durch gelegentliche, bisweilen in ihrer Lage ver- 
änderliche Offnungen und Durchfahrten mit ihm verbunden werden. So erhalten 
wir wieder drei einer näheren Beschreibung kaum bedürfende Fälle. Als Beispiele 
mögen für den ersten Fall die Nordseeküste, soweit sie von den nord- und 
westfriesischen Inseln begleitet wird (Wattenküste, Friesische Küsten- 
form), für den zweiten das Kurische und Frische Haff (Haffküste, Ost- 
preußischer Typus), für den dritten Fall die venetiauischen Lagunen von 
der Isonzomündung bis gegen Ravenna hin (Lagunenküste, venetianisc her 
Typus) angeführt werden. Weitere Beispiele, auf deren Aufzählung und Be- 
sprechung für diesmal verzichtet werden muss, liefert ein Studium genauer 
Küstenkarton Europas in hinreichender Menge. Auch außerhalb Europas lassen 
sich für jeden hier angeführten Fall zahlreiche, zum teil sehr bezeichnende Bei- 
spiele auffinden, völlig abweichende Formen, die sich in keiner der oben auf- 
gestellten Rubriken unterbringen ließen, kommen weder unter den Tropen noch 
in den Polarzonen vor. Neben dieser Einteilung kann aber besondors für unsere 
Zwecke noch eine andere aufgestellt werden ; wir können Flachküsten, die sich 
noch ganz im Naturzustande befinden, von solchen linterscheiden, deren Phy- 
siognomie und verkehrsgeographiache Bedeutung durch Deichbauten, Befestigung 
wandernder Dünen etc. eine ganz andere geworden ist. Die hollandischen und 
deutschen Nordseeküsten können so den russischen und sibirischen Eismeer- 
küsten oder völlig sich selbst überlassenen tropischen Flachküsten gegenüber- 
gestellt werden. Wie Holland ohne die unablässigen Schutzbauten der Holländer 
aussehen würde, zeigt das Insnlgewirr des Biosbosch bei Dortrecht. Werden in 
längeren Kriegsperioden die Deichbauten an Flachküsten vernachlässigt, sind 
gewöhnlich einzelne Rückfälle in den ursprünglichen Zustand des Landes die 
Folge. Die Bevölkeruugsdichtigkeit an den meisten Flachküsten ist nicht sehr 
bedeutend, Ausnahmen kommen da vor, wo durch treffliche Wasserbauten frucht- 
barer Boden gewonnen wurde und auch beschützt werden kann. Aber auch 
in solchen Fällen wird der äußerste Küstensaum gern gemieden und größere An- 
siedlungen hegen etwas landeinwärts von der Küste. Die großen Städte der 



H4ß Bemerkungen aber einige Aufgaben der Verkehrsgeographie und Staatenkunde. 



Niederlande: Amsterdam, Haarlem, Leiden, Haag, Rotterdam, sind sämmtlich 
6 bis 15 Am vom offenen Meere entfernt. Sieht man von Haarlein oder Leiden 
nach Osten auf sehr fruchtbares, dicht mit Ortschaften bedecktes, von Kanälen 
und Bahnen durchschnittenes Weide- und Ackerland, so hat man im Westen 
jener Städte den öden, schwachbewohnten, an Ortschaften und Verkehrswegen 
sehr armen, dagegen von Dünenketten erfüllten Küstenstreifen. ') Auch an der 
deutschen Nordseekttste kann man wahrnehmen, dass alle größeren Orte sich 
von der Küste zurückziehen. Die fruchtbaren Marschen sind allerdings sehr 
dicht bevölkert, bilden aber nur eine schmale Zone, einen verhältnismäßig kleinen 
Teil d es ganzen Küstenlandes. Auf Übersichtskarten wird ihre Ausdehnung 
häufig übertrieben angegeben, für Ostfriesland zeigt de Vries' Karte, wie sehr 
die dünnbevölkerte Geest und das fast unbewohnte Moorland die Marscheu an 
Ausdehnung übertreffen. 1 ) Ausserhalb Europas verhalten sich die dichtbevölkerten 
Flachküstenlandschaften ganz ähnlich, Anbau und Besiedelung des Nildeltas 
nehmen wenigstens jetzt gegen das Meer hin bedeutend ab, dieselbe Erscheinung 
zeigt das Deltaland des Ganges. An den meisten Flachküsten fehlen jene 
kleineren dichtbevölkerten Bezirke, die weniger der Nähe des Meeres als der 
künstlich gesteigerten Fruchtbarkeit des Bodens ihre Volksmenge verdanken. 
Es genügt, auf die Landes, auf die allerdings gegen früher sehr herabgekommene 
Küste des alten Latium, auf die venetianischen Küstenprovinzen, endlich auf 
die marschenlose Flachküste an der Ostsee zwischen Oder und Weichsel hin- 
zuweisen. 

Die Ursache dieser Erscheinung liegt darin begründet, dass die Be- 
dingungen, welche früher als maßgebend für die Brauchbarkeit einer Küste 
hingestellt wurden, gerade an Flachküsten, selbst an wohlgeschütztcn und unter 
steter Aufsicht gehaltenen meist nur wenig erfüllt sind. Die Zugänglichkeit der 
Flachküsten vom Meero her ist häufig sehr erschwert. Leopold v. Buchs an- 
schauliche Schilderung der gefährlichen Schiffahrt an der Nordspitze Jütlauds") 
hat noch heute ihre Giltigkeit nicht eingebüßt, auch im ganzen übrigen Europa 
sind die Flachküsten meist gefürchteter als starkgegliederte Klippenküsten oder 
einförmige normannische Ufermauern. 

In der Regel sind die Flachküsten von seichten Meeresteilen begrenzt. 
Stürme und Welleuschlag sind aber in Hachen Meeren, wie der südlichen Nordsee 
weit gefürchteter als iu dem tiefen, außerdem auch durch besser sichtbare Land- 
markon 1 ) ausgezeichneten Becken des Mittelmeeres. Es ist ferner die Küste, 
selbst an Flachküsten zur Besiedlung meist nur wonig geeignet. Vielfach herrschen 
überhaupt des Anbaues unfähige Sumpfstrecken oder seichte Lagunen wie an 
der venetianischen Küste vor. Oder es nehmen Dünenketten und Sandfelder, in 
deren Begleitung sieh wegen des gehemmten Wasserabflusses . auch wiederum 
gern Sümpfe und Teiche einstellen (Landes, eiuzelne Beispiele auch an der 
Nordseeküste), kostbaren Raum in Anspruch und haben das Bestreben, sich immer 
weiter auszudehnen. Die Hauptnachteile, welche den Flachküsten anhaften, sind 
außer diesen wandernden Dünen (Landes, Jütlands Westküste, Kurische 
Nehrung) Sturmfluten und Meeres ei nbrüche, welche gelegentlich doch 
einmal auch die besten Deiche überwältigen und dann die betroffenen Küstenstrecken 
auf lange Zeit schädigen (Beispiele; Die Sturmflut von 1825 an der Nordsee, 
diejenige von 1872 an den deutschen Ostseeküsten und auf den dänischen Inseln), 
sowie das nicht selten ungesunde Klima. In Europa herrscht die Fieberluft nicht nur 
in den Malariagegenden Italiens und der türkisch-griechischen Halbinsel, sondern 
auch in den Niederungen zwischen Garonne und Loire, in den holländischen 
und ostfriesischen Marschen, selbst noch in sumpfigen Küstenstrichen Finlands 
und Nordrusslands. Übrigens ist die Beantwortung der Frage, welche Umstände 



') Vergl. Re.vmann« Specialkartc Blatt K6 (Amsterdam). 

l \ De Vries nud Pocken, Ostfriesland. Emden 1881. 

') Reise durch Norwegen und Lappland. Berlin 1810, Bd. '>, S. 392 ft". 

** Vergl. was Ratzel, Authropogeographic S. 241 f. über die Wichtigkeit gut sichtbarer 
Landmarken bemerkt. Der Atbo« ist im ganzen nordlichen Teile de» ÄgXiachen Meere* ein guter 
Wegweiucr. 



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Bemerkungen über einige Aufgaben der Verkehrsgeographie im<l Staateiikunde. 'Ml 



es sind, die eine Küste ungesund machen, noch immer nicht vollständig gelungen.') 
Es öffnet sich auch hier ein weites Arbeitsfeld, an dessen Ausbeutung Boden- 
kunde, Meteorologie und Völkerkunde gleichmaßig beteiligt sind. — Die Ver- 
bindungen mit dem Binnenlande werden für die Flachküsten zwar selten durch 
Gebirge erschwert, aber sie unterliegen anderen Hemmnissen. Zunächst ist es 
der Mangel an passendem Steinmaterial, der die Entwicklung eines Straßennetzes 
in flachen Küstengebieten oft hindert. Ganze Distrikte werden dann, besonders 
zur Zeit der Schneeschmelze oder in nassen Sommern, von ihrer Umgebung und 
dem Binnenlande abgeschnitten. In Ostfriesland a ) wurden sonst die Marschen- 
wege zur Herbst- und Winterszeit völlig unpassierbar und der Verkehr in der 
Marsch hörte in der nassen Jahreszeit so gut wie gänzlich auf. 

Als dort die ersten Kunststraßen angelegt wurden, musste man die Steine 
zum Teil aus Westphalen herbeischaffen. Die Landwege der Flachküsten unter- 
scheiden sich deshalb in ihrer Anlage vielfach von denjenigen anderer Gebiete. 
(Ostfriesische äußerst schmale „Steinpfade," holländische Klinkerchausseen.) 
Häufig werdeu die Kronen der Meer- und Flussdeiche gleichzeitig als Wege 
bonützt. Eine andere Schwierigkeit, die namentlich bei dem Bau von Eisenbahnen 
hervortrat, ist die Überbrückung der zahlreichen natürlichen und künstlichen 
Wasserläufe und Sumpfstcllen. Besonders die Herstellung der schwierig zu fun- 
dierenden und noch schwerer vor Senkungen zu bewahrenden Bahn- und Straßen- 
dämme erfordert bedeutende Summen und großes technisches Geschick, wir 
dürfen uns deshalb nicht wundern, wenn Chausseen und Eisenbahnen an flachen 
Küsten in der Regel erst spät und vereinzelt vordringen. .Tritt Haff- und Lagunen- 
bildung auf, so sind kostspielige und ausgedehnte Uberbrüekungen seichter 
Meeresteile erforderlich, um die etwa auf Nehrungen oder Insclu liegenden Orte 
in das Bahnnetz hineinzuziehen. Das älteste und bekannteste Beispiel einer solchen 
ÜberbrUckung ist dio große Eisenbahnbrücke über die Lagunen von Venedig. 
Jetzt wird auch Chioggia auf ähnliche Weise an das Festland angeschlossen, noch 
kleinere Orte, wie z. B. Grado 3 ) haben wenig oder kein« Aussicht, so kostspielige 
Bauten zu erhalten und bleiben deshalb auf die Wasserwege angewiesen. Die 
meisten Flachküsten sind ganz besonders reich an natürlichen und künstlichen 
Wasserverbindungen und die fehlenden Landwege werden so wenigstens für den 
örtlichen Verkehr einigermaßen ersetzt. Holland, die Gegenden vom Isonzo bis 
zur Pomündung, das portugiesische Lagunengebiet bei Ovar und Aveiro sowie 
die Küstenländer der englischen Grafschaften Suffolk, Norfolk und Lincoln sind 
hier vorzugsweise anzuführen. Auch auf den Haffen entwickelt sich wol eine 
Küsten- und Lokalschiffahrt wie auf den beiden ostpreußischen Haffs und au der 
Odermünduug. Alles, was dio im ganzen ungünstige Einförmigkeit der Flachküsten 
unterbricht, wirkt auf Verkehr und Ansiedlung belebend ein. Große schiffbare 
Ströme, deren Mündungen für Seeschiffe zugänglich sind, dienen in flachen 
Küstenländern als Anziehungspunkte für die Seeschiffahrt, wie als passende und 
willkommene Verbindungen mit dem Innern des Landes. Ihre Ufer werden in 
der Nähe der Mündung vorzugsweise besiedelt und größere Handels- und See- 
städte können sich hier am leichtesten entwickeln. So ist an den Ufern der Elbe, 
der Weser und der Ems die dichteste Bevölkerung an der deutschen Nordsee- 
küste zusammengedrängt, Großstädte, wie Hamburg und Bremen, denen sich 
zahlreiche mittlere (Emden) und kleinere Städte anschließen, ziehen hier den 
Verkehr an sich. Ganz auffallend sticht gegen die Regsamkeit an diesen Strömen 
der geringe Verkehr an den Küsten zwischen den Stromiuündungen ab, noch 
stiller wird es, sobald wir in das Innere Ostfrieslands und mancher immer noch 
nahe an dem Meere liegender oldenburgischen Gebietsteile eindringen. Hier rinden 
wir nur wenige Mittelstädte und keine Großstadt, Eisenbahnen sind erst in den 



') Die Bemerkungen Humboldt* i Heise iu die ÄuuiuoctUlgagendeu, Ausgabt- von Hau« - , 
Stuttgart 186J», Bd. 2, 8. 108 ff.) und Darwins (Heise eines Naturforschers, Ausgab« von Caru«, 
Stuttgart 1875, 8. 41!) f.) siud auch heute noch sehr su heacliteu. Mehrere von dieseu Forschem 
aufgeworfene Fragen harren noch immer ihrer cudgiltigcu Beantwortung. 

*) de Vrie« und Focken, Ostfriesland, 8. 2ftt ff. 

J ) Man «ehe die eigentümlichen WegvorhaltniMe bei Orado auf Soct. Triest der «sterr. 
GcueraUubskarU. (Zone 2o. Col. IX.) 



Hcmrrkuiigou über einige Aufgäbet! ilor Vorkehrngoograpluo uu.i .Sta*teukuud<>. 



letzten Jahren bis Esens, Aurich und Norden vorgedrungen und fehlen einem 
grollen Teile der Landdrostei Stade noch heute. 

Die zuletzt vorgetragenen Betrachtungen enthielten den Versuch einer 
Einteilung der europaischen Küstenformen in die zehn Hauptgruppen des norwe- 
gischen, asturisehen, eimbrisehen, schwedischen, mediterranen, normannischen, 
gaseonischen, friesischen, ostpreußsischen und venetianischen Typus. In hoffentlich 
nicht zu ferner Zeit denke ich die einzelnen Küstenlandschaften Europas nach 
ihren physischen und verkehrsgeographischen Verhältnissen ausführlicher zu 
behandeln, als es in dieser kurzen Mitteilung, die mehr auf die Größe und 
Wichtigkeit der Aufgaben hinweisen, als dieselben lösen sollte, geschehen konnte, 
Man wolle aber bt?achtcu, dass jone Einteilung, wie sie hier gegeben wurde, 
zunächst nur eine rein morphologische und für staatenkundliche und verkehrs- 
geographischc Zwecke bestimmte ist. Die physische Geographie wird sich noch 
andere Aufgaben zu stellen haben. Sie wird vor allem nach der Entstelmug 
und allmählichen Herausbildung der einzelnen Küstenformen fragen und wird 
untersuchen, ob und welche Veränderungen gegenwärtig an den Küsten vorgehen 
und wodurch diese hervorgerufen werden. Wenn nun aber gleiche Küstenformen 
im wesentlichen gleiche Wirkungen auf Verkehr und Ansiedlung ausüben — 
vorausgesetzt dass sie in richtiger Weise benützt werden — so brauchen gleiche 
Formen keineswegs in gleicher Weise entstanden zu sein. Die Einteilung, welche 
die physische Geographie erstreben muss — eine genetische Küstentafel — 
wird also mit der morphologisch - verkehrsgeographischen Küstentafel nicht 
immer zusammenfallen. Ich habe früher darauf hingewiesen, dass die einander 
in ihrer äußeren Erscheinung so ähnlichen Fjorde sehr verschiedenen Vorgängen 
ihre Entstehung verdanken können 1 ) und dass es eine der Aufgaben der 
physischen Geographie sein müsse, die Erosionsfjorde von den Senkungsfjorden 
und den tektonischen Fjorden zu sondern und Karten herzustellen, auf denen 
die Verbreitung dieser durch ihre Entstehungsgeschichte voneinander abweichenden 
Fjordarten zu ersehen ist. 

Dieses Ziel kann jetzt noch nicht als erreicht gelten, da unsere Kenntnisse 
von der geologischen Geschichte der einzelnen Küste ustrecken trotz aller Einzel- 
arbeiten uns noch nicht berechtigen, eine genetische Küstentafel aufzustellen. 
Wenigatens würde es ein verfrühter und vielfach irreleitender Versuch sein. 
Wir werden aber dem Ziele allmählich näher kommen, wenn wir uns immer 
gegenwärtig halten, dass das bloße Kartenstudium niemals berechtigen kann, über 
die Entstehungsgeschichte einer bestimmten Küstenstrecke ein end giltiges Urteil 
abzugeben, höchstens können wir dadurch zu Forschungen angeregt werden. 
Wo die eigene Anschauung nicht eintreten kann, ist es nur das gründliche 
Studium aller zu beschaffenden Nachrichten über den äußeren und inneren 
Bau der Küstenstrecke in Verbindung mit der Prüfung der genauesten 
vorhandenen Karten, Profile und Ansichten, welches uns endlich Klarheit über 
die Vorgänge verschafft, welche gerade diese Formen entstehen ließen. So eröffnet 
sich sowol für die physische Erdkunde, wie für die Staatenkunde und Verkehrs- 
geographie ein überaus reiches, fast unübersehbares Arbeitsgebiet. Nur wenige 
Punkte desselben konnten hier besprochen werden. Vielleicht tragen aber diese 
Bemerkungen doch dazu bei, einigen jetzt allzusehr in den Hintergrund getretenen 
Abschnitten der Küstengeographie wieder eine größere Teilnahme zuzuwenden. 



') Inseletudieu. Leipzig, 188!). S. IM f. 



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Die Ree-graphischen Namen in Peru. 
Ein onomatologischer Beitrag 
von J. J. von Tsclindl. 

Als die Spanier im dritten Deeennium des XVI. Jahrhunderts ihre 
Eroberungen auf den Westen des südamerikanischen Kontinentes ausdehnten, 
fanden sie zu ihrer Überraschung und ihrem Staunen sowol an den Küsten, als 
auch auf dem interandinen Hochlande ein Kulturvolk in Städten und grollen 
Dörfern mit monarchischer Regierung, regelmäßigem Militär, mächtigem Priester- 
staude, geordnetem Staatshaushalte, streng geregeltem Steuersysterae, nennens- 
werter Industrie, sorgfältigem Ackerbaue, vortrefflichen Wasserleitungen, breiten, 
viele hunderte von Meilen langen Straßen, einem wolorganisierten Postboten- 
dienste, sogar einer gut eingerichteten Universität. Dieses Reich unter der Herr- 
schaft von Königen, Inkas geheißen, die sich selbst „Kinder der Sonne" nannten, 
war von einem eng begrenzten Distrikte zwischen dem 13 — 14° S. Br. und dem 
71 — 73° W. L. Gr. ausgegangen und dehnte sich im Verlaufe von ungefähr 
vier Jahrhunderten zur Zeit der Eroberung durch die Spanier, von dem heutigen 
Kolumbien bis an den R. Maule in Chile und vom stillen Ocean bis an den 
oberen Amazonenstrom und die westlichen Laplatastaaten aus. 

Dieses Reich bestand aus einer großen Zahl verschiedener Nationen, von 
denen fast eine jede ihren eigenen kosmogonischen Mythus, ihre eigenen Gottheiten, 
ihren eigenen religiösen Kult, ihre eigenen Sitten und Gebräuche, ihre eigenen 
staatlichen Institutionen und ihre eigene Sprache hatte. Aber nach den Grund- 
sätzen ihres Eroberers musste jede der besiegten Nationen ihre Sonderinstitutionen 
aufgeben, ihre Nationalgötter wurden nach der Reichshauptstadt Kusko gebracht, 
die specielle Religion musste dem Sonnenkult weichen und ein rigoroser Sprachen- 
zwang platzgreifen. Sanimtliche unterworfenen Völker mussten in allein und 
jedem den staatlichen Einrichtungen der Eroberer, ihrer Religion und Sprache 
sich bequemen. 

Zur leichteren Durchführung dieser Centralisation schickten die Inkas 
Religionslehrer und Sprachmeister in die eroberten Provinzen und, was noch 
wirksamer war, entnahmen eine mehr oder minder große Zahl (je nachdem es 
notwendig war) von Familien der unterjochten Nation und versetzten sie, als 
Kolonen (mitimse) nach anderen, entfernten, schon centralisierten Provinzen, 
indem sie aus diesen eine annähernd gleiche Zahl an Individuen unter günstigen 
Bedingungen nach dem neu annektierten Lande sandten. 

Da dieser Regierungsgrundsatz strenge durchgeführt wurde, so waren mit 
der Zeit die in den ersten Jahrhunderten der Dynastie eroberten Völker so 
vollständig assimilirt, dass nur noch einzelne Ortsnamen Kunde gaben, wo 
dereinst eine unabhängige Nation mit eigener Sprache ihren Wohnsitz hatte. 
Im letzten Jahrhundert der Inkadynastie (von der Mitte des XV. bis zum 
3. Decennimn des XVT. Jahrhunderts), in welchem die großartigen Eroberungen 
im fernen Norden und Süden vom Sitze der Centralgewalt stattfanden, konnte 
sich die Macht der Inkas nicht mehr so, wie früher, befestigen und es fiel daher 
durch die spanische Eroberung ihr so mühsam aufgerichtetes Staatsgebäude 
auffallend schnell in Trümmer. Aber da, wo die Geschichte stumm ist, die Sage 
schweigt, da werden noch nach langen Jahrhunderten Ortsnamen am oberen 
Amazonenstrom, längs des westlichen Brasiliens und in den La Platastaaten als 
Beweise dienen, wie weit sich einst die Inkaherrschaft erstreckt hat. So müssen 
toponomatische Bezeichnungen zuweilen als Geschichtsquellen dienen. 

Die Sprache in dem größten Teile des Inkareiche« war die KhetSua (von 
den Spaniern Qquichua oder Qquechua auch Quiehna geschrieben). Sie war die 



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350 



Die geographischen Namen in Peru. 



officielle Reichssprache, die Sprache der Dynastie'). Sie wurde aber in ihrer 
Hauptausdehnung nicht erst von den Inkas eingeführt, denn es lebten Jahr- 
tausende bevor es eine Inkadynastie gab auf dem interandinen Hochlande an der 
Lagune von Titikaka und vielleicht auch noch weiter nach Norden bis über Quito hinaus 
KhetSua sprechende Völker, oft unterbrochen uud umrahmt von Nationen mit ganz 
verschiedenen zum Teile erloschenen Sprachen. Diese Völker waren hochentwickelt, 
besonders große Baumeister, in ihrer Kultur weit vorgeschritten, aber aus Gründen, 
die zu erforschen uns bis jetzt noch nicht gelungen ist, wahrscheinlich aber weil 
sie als verweichlichte Leute des Friedens dem feindlichen Anpralle wilder 
Indianerhorden nicht wiederstehen konnten, wieder einem Zustande der Ver- 
wilderung anheimgefallen. Auf die Uberreste der alten Kultur ist die Inka- 
kultur aufgebaut, hat aber jene nicht erreicht. 

Die KhetSuasprache ist ein hochentwickeltes Idiom, aber um mich so aus- 
zudrucken, eine Btarre Sprache. Die Wortbildung ist an bestimntte Regeln gebunden, 
nach denen immer nur unveränderliche Sprachelemente aneinander gereiht 
werdeu. Dieses Verhältnis wirkt natürlich auch auf die Ortsetymologie ein, die 
bei den agglutinirenden Sprachen im allgemeinen weit durchsichtiger ist, als 
bei den flektirenden. 

Die Namen der Städte, Dörfer, Gebirge, Flüsse, Seen etc. hatten in der 
Sprache des Inkareiches, wie gewiss in jedem anderen Idiome, stets eine bestimmte 
Bedeutung, die aber sehr häufig heute nicht mehr enträtselt werden kann. 
Der Grund liegt, wie wir sehen werdeu, u. a. darin, dass viele dieser Orts- 
bezeichnungen von Sprachen herrühren, die jetzt nicht mehr existiren, oder die 
wir noch zu wenig kennen, um sie zu toponomatiBchen Deutungen herbeiziehen 
zu können. Viele, die unzweifelhaft KhetSua sind, dürften durch fremden Einfluss 
wesentlich geändert worden sein, für manche mag auch der Satz gelten, dass 
je dunkler der Ursprung, desto älter das Wort sei. Für die KhetSuasprache 
nabe ich gefunden, dass die einfachen Ortsnamen durchschnittlich älter sind, 
als die zusammengesetzten. Sie gehören meistens der vorinkaischen Zeit an. 

Den Ortsnamen liegt fast immer eine hervorragende meist auffallende 
Eigenschaft des benannten Gegenstandes, sei es ein bewohnter Ort, ein Gebirge, 
ein Strom oder See zugrunde. Die Beschaffenheit des Bodens, die Gestalt der 
Felsen, Hügel oder Berge, die Farbe des Wassers, der Charakter der Vegetation 
bilden in der Kegel das Motiv für Ortsbezeichnuugen, zuweilen stehen sie aber 
auch mit dem kosmogonischen Mythus oder dem religiösen Kult in innigem 
Zusammenhange, hin und wieder kommen noch außerordentliche Naturereignisse, 
historische Begebenheiten, oder auch bloß accidentclle Vorkommnisse als namen- 
gebende Faktoren vor. 

Die Eroberung des Inkareiches durch eine romanische Nation hat nicht 
unbedeutende Veränderungen iu den damals dort schon bestehenden geographischen 
Namen hervorgerufen, von denen ich hier einige wenige anführen will. Die sehr 
gutturalen, für Europäer außerordentlich schwer auszusprechenden k Laute 1 ) 
wurden beim Sprechen durch ein einfaches k oder gar durch y ersetzt, in der 
Schrift aber durch g y c, k, rc, ck, kc, qq, qh, u. d. m. wiederzugeben versucht. 
Der der KhetSuasprache eigene, den romanischen Sprachen aber fehlende W 
Laut 3 ) wurde entweder durch Au oder noch öfters durch yv ausgedrückt (z. B. 
Guanuco für Wanuko, Guamantanga für Wamantanka, Guanu oder Huanu für 
Wanu u. s. w.). Der KhetSua fehlen die Mediae, sie hat nur Teuus: durch die 
Spanier wurden aber erstere in die Sprache eingeschmuggelt und so entstand 
z. B. aus pamp&, bamb aus tampu, tambo Worte, die in der Ortsetymologie eine 
ziemlich große Rolle spielen. 

Aber auch in anderer Beziehung wirkte die Eroberung umwandelnd auf 
die tnponomatischen Verhältnisse. Mit der Verbreitung des Christentums unter 



') l>ie Kehauptuug de« Inkachronisten Gart-ilasso dcla Vega, Comitient real., lib. VIII. Cap. 1, 
Cap. 2, da»» die Inka« ihre eigene ßpraebu gehabt habeu, i*t «>iuu jeder Kcgrüudung entbehrende und 
durch keinen anderen selbständigen Chronisten bestätigte, willkührliehe Annahme. Vergl. auch 
v. Tschudi Organisron» der Khetiuasprache, 8. 65. 

*) h. Tschndi Organismus etc. §. 14, 8. 161. 

») n. Tschudi 1. c. §. 7, 8. 148. 



Die geographischen Namen in Peru. 



351 



den Indianern wurden fast in jedem Dorfe, in jeder Stadt Kirchen gebaut und 
jede derselben entweder unter den besonderen Schutz eines Heiligen gestellt, 
oder irgendeiner anderen religiösen Beziehung geweiht und die Bezeichnung 
dieser, oder der Name des Heiligen dem indianischen Ortsnamen vorgesetzt ; 
z. B. S. Bartolome de Ki/i, S. Pedro de Mama, S. Pablo de TSikalla, 
S. Juan de Kolikapa mpa, Todos los Santos de T 80 u kos, la Aauneion de 
Mito, Santa Fe* de Jauja, Santa Maria de Jesus de Warotäiri, Sa Trinidad 
de Wankayo, la Concepcion de Wayllapampa u. s. f. In den meisten Fallen 
blieb der indianische Name der Iandesläufige und der christliche wurde nur im 
officiellen oder formellen Stile gebraucht und alljährlich der indianischen Be- 
völkerung durch das mit den weitgehendsten Libationen verbundene Fest des 
Heiligen oder Festtages in Erinnerung gebracht. In selteneren Fällen gelang es 
dem christlichen Namen zu prädominiren, so dass letzterer fast ganz vergessen 
wurde, z. B. S. Mateo de WantSor (Guanchor), das heute nur noch unter dem 
Namen S. Mateo (an der Lima-Oroyabahn) bekannt ist. 

Eine neuere Namengebung durch die Spanier, wenn irgendeine besondere Ver- 
anlassung dazu vorhanden war, hat öfters stattgefunden: z. B. Santa Cruz 
de la Sierra, Name des bekannten großen, an der östlichen Grenze Boliviens 
gegen Brasilien gelegenen Departementes. Die Tradition, die sich an diesen Orts- 
namen knüpft, berichtet: ') Bald nach der Eroberung von Süd-Peru desertierte 
ein spanischer Soldat von Chuquisaca aus und floh weit hinein in die ferne 
westliche Waldregion, wo er schließlich von den Indianern gefangen genommen 
wurde. Es herrschte dort eine große Dürre und es war Gefahr vorhanden, dass 
die ganze Ernte misraten werde. Da die Indianer vergebens ihren Wakas 
geopfert und sie angerufen hatten, sagte ihnen der Soldat, es werde, wenn sie 
ihm folgen, gleich regnen. Auf ihre Zustimmung hin verfertigte er ein großes, 
hölzernes Kreuz, richtete es auf und befahl ihnen es anzubeten und um Regen 
zu flehen. Kaum war es geschehen, so erfolgte ein starker Kegenguss und die 
Ernte war gerettet. Die Indianer blieben von nun an Kreuzesanbeter. Als im 
Jahre 1595 Lorenz Suares de Figueroa diese Gegend eroberte, vernahm er zu 
seinem Staunen von den Indianern diese Mähr; er nannte das eroberte Land 
die Provinz „Santa Cruz de la Sierra" und gründete in derselben als Hauptstadt 
einen Ort, dem er den Namen „Ciudad de S. Lorenzo de la Frontera" gab. Es war 
bei den Eroberern gebräuchlich, die von ihnen gegründeten Ortschaften nach 
dem Heiligen, dessen Namen sie selbst führten, zu benennen, wie in dem eben 
angeführten Beispiele. 

Es ist ein großer Irrtum anzunehmen, dass die altperuanischen Orts- 
bezeichnungen nur aus der KhetSua- oder der Aymaräsprache zu erklären seien. 
Ein sehr beträchtlicher Teil entstammt nämlich Sprachen, die durch den Surachen- 
zwang der Inkas verloren gegangen sind. Die onomatologischen Bezeichnungen 
sind im allgemeinen sehr starr; wenn auch das Volk, das sie geschaffen hat, 
schon lange nicht mehr existiert, die Sprache, der sie entlehnt wurden, zu leben 
autgehört hat, bleiben sie als beredte Zeugen für fernere Jahrtausende. 

Der sonst so sehr verdienstvolle Geograph Don Mariano Felipe P az - 8 o 1 d a n 
ist in seinem geographischen Dictionnair von Peru 2 ) in den Fehler verfallen, die 
peruanische Ortsetymologie nur aus den beiden genannten Sprachen erklären zu 
wollen und hat daher seihst zur Erklärung von Ortsnamen in Gegenden, in die 
die Aymaräsprache gar nie gedrungen ist, dieselbe beigezogen, wenn nur irgend- 
welche phonetische Ähnlichkeit vorhanden war. 3 ) 



') Avaneafio Sermone«, p. 9. 

a ) Diccionario Geografico estadistico del I'ent, contiene ademas la etymologia aymara 
y tjuechua de Im« priucipales poblacioncs, lagos, rios, t erms ete. por Mariano Felipe Pai Hol <! n u : 
presidente de In comisiou de demarcaciou territorial dol Peni etc. etc, Lima Imprenta del estado, 
calle de la Rifa 1877, gr. 8". 

s > Die etwa zur Rechtfertigung vorgebrachte Entschuldigung, da** ja die Inkas anch aus den 
Aymara sprechenden Stämmen der Kollas Kolonen Uber das Reich verteilt haben, ist nicht 
annehmbar; denn diese Verteilung geschah erat in den letzten Jahrhunderten der Dynastie, also 
in jüngerer Zeit (XV. und XVI. Jahrhundert u. Chr.), als Flüsse, Seen, Gebirge, Landschaften etc. 
schon seit Jahrhunderten ihre Nameu getragen hatten. Ferner widerspricht es der Tradition und 
der gesunden Vernunft, dass nur Aymari sprechende Kolonen in jene Oegenden geschickt wurden, 



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352 



Die geographischen Namen in Pen». 



Ähnlich ist Herr Vincente F. Lopez in der Einleitung zu seiner lobens- 
werten Geschichte der argentinischen Republik') verfahren, indem er Ortsnamen 
aus den westlichen La Platastaaten durch Sanskrit und KhctSua erklären wollte 
und dabei weit über das wissenschaftlich Zulässige gegangen ist. Herr Lopez 
hat nämlich in einem eigenen Werke die Hypothese zu verteidigen gesucht, 
dass die KhetSua eine arische Sprache, sei folglicli auch die KhetSuaindianer zum 
arischen Völkerstamme gehören. Lopez gibt selbst zu, dass die Inkaperuaner 
schon mit einer fertigen Sprache, (lengua trabajada) nach den La Platastaaten 
eingewandert seien; wozu denn, unter solchen Verhältnissen, zu Etymologien 
seine Zuflucht nehmen, die auf einen sehr primitiven, erst werdenden Zustand 
der Sprache hindeuten und mit Suffixen und Präfixen (von letzteren ist in der 
heutigen KhetSuasprache nur ein einziges vorhanden) umspringen, als gäbe es 
gar keine Sprachengesetze? Das,s Worten Bedeutungen unterlegt werden, die sie 
in der Khetsuasprachc gar nicht haben, dafür aber eine gewisse Sanskritlaut- 
Ähnlichkeit aushelfen muss, erklärt sich aus dem schon erwähnten Standpunkt 
des Verfassers.») 

Es liegt nicht in meiner Absicht, hier lange Reihen von Ortsbezeichnungen 
aufzuzählen und ihre Etymologien zu geben; ich will nur eine geringe Anzahl 
als Beispiele für die allgemeinen Gesichtspunkte, die ich oben gegeben habe, 
anfuhren. 

Das Reich der Inkas trug den Namen Tawantinsuyu von tawa vier, 
ntin Pluralsuffixum s ) und suyu die Gegend, Himmelsgegend, Provinz; auch 
Stamm, Tribus, also das Reich der vier Provinzen (oder Himmelsgegenden). Diese 
hießen: 1. TSintäay suy u,*) die Gegend oder Länder von Kusko nach Norden 
bis Uber Quito hinaus. 2. Kollasuyu,') die Länder nach Süden bis nach Chile. 

3. Kuntesuyu, 6 ) die Länder nach Westen bis an den stillen Ocean und 

4. Antesuyu, die nach Osten gelegenen Landschaften, soweit sie die Inkas 
unterjochen konnten. Ante oderAnti heiüt der östliche Cordillercnzug (Andes, 
Anden), der die tiefere Waldregion nach Westen begrenzt. Die Bewohner dieses 
Gebirges wurden auch An ti oder Antiruna genannt. Anti mit Anta Kupfer 
oder Metall im allgemeinen in etymologischen Zusammenhang zu bringen, ist 
nicht zulässig. 

von denen die Inkas wünschten, dass in ihnen die Reichssprache Khetsua allgemein eingeführt 
werden solle. 

') Historia de la Kepüblica argentina, sn rcvolneiou y su desarollo poHtico hasta 1852, 
T. I., Kap. V, VL 

*) Ich will hier nur zwei Beispiele aus den Lopez'scheii Etymologien herausgreifen. Der Verfasser 
erkürt den Namen der Nation der Chiquitos (Tsikitos) 1. c. I., p. 79 folgendermaßen: Chic hui tos 
oder Chic uitns will heißen „Mengeder Bäche oder Land der Bäche," und kommt vou Chic (tsiy) 
Endung des Khetsuaplurals (deainencia del plural Quichua) und von uitus Canal, Bach." Nun ist 
allerdings Chic ein Khctsuaplural uud zwar der inclusive Plural des 1. persnn. Pronom. possessiv, y 
nnd wird sowol beim Substantiv, als auch heim Verl», wie alle zueignenden Fürwörter absolut 
nur snftlx gebraucht Ein präfixer Gebrauch von Ch i c hat iu keiner Epoche der Sprachentwicklung 
der KhetJua stattgehabt, ist auch gar nicht denkbar. Hätte Lope» gesagt, dass Chiquitos von Chic 
und dieses vom Adverb Chhiea (Uhika) „so viel" und uaitu Kanal, Bach (nicht uaitus) abstamme, 
so hätte die Erklärung wenigstens einen etymologischen Schein für sich gehabt. Das Wort 
Patagonia wird von Lope/, auf folgende Weise erklärt: Patn heißt der Hügel und cuna oder 
besser gunya t!) ist diu charakteristische Partikel des Khetsuaplnrals. Patagunya heißt daher die 
Absätze (mesetas) die Stufen (gTadas).* Pato heifit in der Kheisua eine Treppenstufe, eine Steiubank. 
ein liesiuine, um etwas darauf zu stellen oder legen. Der Hitgel heißt orko-C una ist allerdings 
Pluralbezeiehming iu der Khctsu.t und ist aus den beiden pronominalen Elementen Ku und na 
/.usammengesetzt. Das Wort guuya ist gar kein KhetAuawort, kann daher nicht KhetJuaplural 
sein, steht mit demselben in gar keiner Beziehung und darf also auch nicht nur Deutung der 
Worte Patagonia beigezogen werden. Zur Iukazeit war Kuna nur Plural für unbelebte Wesen 
und wenn etwa Inkaperuaner die Landschaften des heutigen Pataguuieu als Hügelland hätten 
bezeichnen wollen, so wüiden sie dieselben ihrer Sprache gemäß orku orku genannt haben. Für 
iedes Idiom gibt es Sprachgesetze und es geht doch nicht an Sprachen, nach Belieben und 
Hedaif zu modeln, wie ein Zuckerbäcker seinen Teig. 

») Ein eigentümlicher Plural mit dir Bedeutung „zusammen* vergl. v. Tschudi Orgaui.Mniis 
etc. S. 355. 

*) das Land der Tsintsas n. p. einer Völkersshaft die im Norden von Kujco wohnte. 

s ) Die Gegend der Kol las, der Nation die örtlich und südlich von der Laguua von Titikaka 
wohuteu. Oh Kolla mit dem gleichlautenden Aymaräwort in Verbindung zu bringen ist, wage ich 
nicht zu entscheiden; es scheint mir aber sehr wahrscheinlich. 

*y Dns Wurt Kuute ist unbek anter Etymologie aber offenbar eine Orts- oder Naüoubezeichuung. 



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Die geographischen Namen in Pom. 



353 



Aus diesem mächtigen Gebirgszuge führe ich einzelne hervorragende Berge 
an. Im Süden (dem heutigen Bolivia) den lllimani, 1 ) den Illampu 3 ) oder 
Sorata, Supawasi, 8 ) Sa/ama: 4 ) im südlichen Peru den Taeora,») Cha- 
chani, 6 ) den Pichu pichu. T ) Die Etymologie dieses Namens gibt zu sehr 
verschiedenen Deutungen Anläse, ie nachdem man das Wort durch die Aymara- 
oder KhetSuasprache erklären will; erstere ist jedoch kaum zulässig, da die 
Aymarä in der Landschaft, in der dieser Berg ist, kaum gesprochen wird; pichu 
pichu ist ein Duplikations-Plural. Im Gebirgsknoten von Pasko ragen hervor 
der Schneeberg Say so wank a 9 ) und die Viuda vom gleichnamigen spanischen 
Worte viuda, die Witwe. Weiter nach Norden im Departement Libertad die 
Schneekuppen Pelagoso und Muyupata, 8 ) und noch nördlicher, schon im 
jetzigen Columbien, der Chimborazo (tSimpu leichtes Gewölk, rasu der 
Schnee, die Schneekuppe, der Schneeberg). Fügen wir noch bei die Vulkane 
Candarapc (cuntur der Oondor, hapi fassen, ergreifen, der Condorfänger), 
Ubina (vielleicht von huhuy der Husten, huhuyna derOrt,wo man hustet, 



wayna jugendlich, junger Mann, putina von puti, traurig sein, der Ort, wo 
einer traurig ist). 

Die zwei größten Seen tragen die Namen Laguna de Titikaka und 
Laguna de Tiin tSay suy u. Die Etymologie des ersteren Namens ist nicht 
sicher festgestellt Am Nordende und an der Ostseite des Laguna herrscht die 
Aymarä-, am südlichen und westlichen Ufer die KhetSuasprache vor. Es ist nicht 
bestimmt, welcher von beiden der See seinen Namen verdankt: er besteht aus 
den Worten titi und kaka. Im Khetiua heißt titi Blei (aueb im Aymarä. 
aber dem Khetiua entlehnt) im Aymarä aber auch die .Wildkatze," ferner die 
„Tochter des Wildkatzenjägers" oder der „Gerber von Wildkatzenfellen. * Kaka 
bedeutet je nach der mehr oder minder guturalen Aussprache des k- Lautes 
im Khetiua „der Fels," „der Oheim," „ein Gefäß mit engem Halse,* im Aymarä 
»grau," stotternd," „voll schwerer Sorgen," „ein Gespenst." — Allgemein wird 
die Khetiua-Komposition „Bleifels," für die Erklärung des Namens Titikaka an- 
genommen, obgleich das Vorkommen von Blei am Titikakasee nicht konstatirt 
ist. Ich halte auch diese Etymologie nicht für die richtige, es würde mich aber 
zu weit führen mich hier auf eingehendere Erklärungen einzulassen. 



') Ich habe mich in La Pas, bei Männern, die als gründliche Kenner der Khetiua- mid 
Aymaraspracbe galten, nach der Etymologie des Namens lllimani erkundigt, aber durchaus un- 
befriedigende Autworten erhalten; ein jeder hatte seine eigene Deutung, aber eiue unzulänglicher 
als die andere; c B. tili grüßer, maiiaiii der Falke (Uli ist mir als Aymani Comparativ unbekaunt) 
nicht manani heißt Falke, sondern mamani (auch Rist des Fußes, Provius, Distrikt), gleichwie 
Khetüua »nyu, In dem jUugst erschienenen II. Thl. der „Relacionea geogräfleaa de Indias" S. 71 
und 73 wird der Berg (lllimani) „Hillemaua" genannt und das Wort durch „was immerfort währt" 
(cosa para siempre, cosa perpetua) Ubersetat. 

1 ) Den Namen des gigautischeu Illampu wollten die nämlichen Sprachkenner vou 
Llahuancu „der weiße Bruder" ableiten, was wiederum gaux haltlos und uurichtig ist. Ich erkläre 
dagegen den Namen aus den beiden Aymaräworten hilft sehe, außerordentlich, Übermäßig und 
ampnla bergen, also der Berg der außerordentlich steil ist. 

») Supay der böse Geist, Teufel, wasi Haus, also des Teufels Haus. 

♦) Vielleicht von Aymarä 8akha die Höhle. Ausbuchtung im Terrain, und der Negatiou 
utaa; ähnlich gebildet wie Satamaa, niehtbebautes Land. 
*) Vielleicht von taku Kh. mischen, vermischen. 

■) Tsatsa in Aymarä heißt der Mann, männlich, stark, den nämlichen Namen fahrt ein 
Weiler in der Provinz Chnrabivilka, Distrikt 8. Thomas im Departemente Knsko und ein anderer 
im Distrikte Tapay der Provinz Kaylloma des Depart. Arequipa. 

') Im KhetNiia heißt pitsu das 8chie.nbein; im Aymani pitsu v. einen Sack anschnüren; 
phitsu 8, die Spitze der Wolle, die die Indianerinnen abreißen, bevor sie anfangen su spinnen, 
die Augenwimpern, der Ruf (gute oder schlimme); die Art, Weise,, pitfu pit*u von verschiedener 
Art, Farbe, Form; wenn der Name der Aymariuprache entlehnt wäre, so konnte nur die letztere 
Bedeutung iu Betracht kommen, da der Berg, von verschiedeneu Seiten gesehen, sehr verschiedene 
Formen jteigt 

H ) Sa/ na KhetÄ. zerrissen, lumpig, oder sich Übersättigen, Überfüllen und wanka, Name 
der Nation, in deren Heimat der Berg steht. 

*) HOchst wahrscheinlich palla-knta; pnlla s. eine Indianerin edler Abkunft palla r. 
aufheben, aussuchen, wählen. Kata der Kergahhaug; das finale a und M werden oft dumpf und 
trübe, einem o ähnlich, ausgesprochen. Vielleicht ist dieser Berguame mit einer Sage verknüpft. 

,ö ) muyu Krei«, Umkreis, pata PlaU, öffentlicher Plate, Stufe. 
JT.Mtar'* SHtekrOt i . Bd. $6 



etwa wegen des Ausstoßens 





Die geographischen Namen in Peru. 



Der zweitgrößte See Perus, die Laguna de TSintSay-Kocha, hat Beineu 
Namen von t£int5a, Bezeichnung der in dessen Umgebung lebenden Nation und 
Kot 8a der See, also der See der TäintSas. 

Von den Getließen der Ostabdachung der Kordilleren nenne ich den 
Maranon, der seinen Namen nach einem spanischen Feldhauptmann Maranon, 
der seiner zuerst erwähnte, führen soll, ') ähnlich, wie der Orinoco, der früher 
Rio Orellano nach »einem ersten europäischen Befahrer hieß, und seine beiden 
Hauptzuflüsse: den Huallaga 2 ) und Ueuyalli,*) sowie den Apurimac (von 
apu groß und rimay der, welcher spricht, der Schwätzer). 

Die in der peruanischen Geographie häufig vorkommende Benennung Pongo 
(z. B. Pongo alto, Pongo grau de, Pongo deAguirre, Pongo de Man- 
seriche u. a. m.) heißt „Stromschnelle," die gewöhnlich da entsteht, wo das Gefließ 
sich über eine schiefe Fläche zwischen Felsen durchzwängt. Die Bezeichnung 
kommt vom KhetSuaworte punku die Thür, das Thor. 

Die Flüsse des hydrographischen Gebietes der Küste, tragen im Norden 
meistens Namen, die der J unk as- oder Motlikasprache angehören z. B. R. Tum bes 
(zu vorspanischer Zeit Tumpis), R. Chira, R. Sechura, R. J equitepeque, 
R. Sana 4 ) u. s. f. 

Der Rio Rimac, der durch die jetzige Landeshauptstadt Lima fließt, 
hat seinen Namen von einem in der Nähe liegenden Tempel erhalten, in welchem 
ein Götzenbild (waka) verehrt wurde, das durch Priester auf die an dasselbe 
gerichteten Fragen Autworten erteilte und in hohem Ansehen stand (rirna 
sprechen, rimay der Sprechende). 

Die alte Hauptstadt des Inkareiches war Kusko. Einige spanische Chro- 
nisten behaupten, das Wort bezeichne „Nabel" und Kusko sei, nach der Meinung 
der Inkas, der Mittelpunkt des Reiches gewesen. Garcilasso de la Vega*) 
lässt die Stadt von Manko Khapay gegründet sein und behauptet, das Wort be- 
deute in der den Inkas eigenen Sprache „Nabel." Nun haben aber in Wirklichkeit 
die Inkas gar keine eigene Sprache gehabt, sondern Khetiua gesprochen, 4 ) Kuski 
aber heißt von .Steinen säubern, ebnen, einen Steinhaufen, Hügel u. dergl. ab- 
tragen- auch „ausruhen," „von Gesträuch befreien,* 1 Kusko kann also der 
Ort heißen, der geebnet, zur Anlage einer Ortschaft tauglich hergerichtet worden 
ist. Die Bezeichnung des so vorbereiteten Platzes dürfte dann auf die dort ge- 
gründete Ortschaft übertragen worden sein. 

Lima, die gegenwärtige 11 auptstadt Perus, erhielt bei der Gründung durch 
Francisco Pizarro den 18. Januar 1535 den Namen Ciudad de los Key es, 
zu Ehren der spanischen Regentin Dona Juana und ihres Sohnes Karl V. T ) 
Einige Chronisten behaupten irrigerweise, das» sie diese Benennung deshalb 
erhielt, weil Pizarro am Dreikönigstage (6. Jan. 1535) den Platz für die neu 
zu gründende Hauptstadt ausgesucht habe. Sie behielt diesen Namen jedoch 
nicht lange, denn schon im Laufe des XVI. Jahrhunderts trat neben demselben 
die Benennung Lim a corrumpirt von Rimac auf und im zweiten Decennium d«s 
XVII. Jahrhunderts verschwand er fast ganz, dem bald allgemein gebräuchlichen 
„Lima" weichend. 

') P. Calancha Coröniea niuraliK.nln p. 50. 

' ! i I). Felipe l'n So l<l an sieht «ur Erklärung dienen Namen.« das Aymaräwort Hu all ah ho 
„groß" herbei; wa* aber nicht xul8»Mg erscheint, da die Ayinaraaprachc nicht bis in die Kühe 
diene« Fluges gedrungen int. Ans dem KhelMia könnte er nur vielleicht von dein Worte wavlln 
„grün, frisch- hergeleitet sein. 

s i Von t'ku tief, yalli übertreffen, vorzüglich, der erste »ein. — Die Indianer nennen ihn 
auch Parö. 

••) Ynr. Soldan will diesen Namen vom Khetmiaworte sanu, gebrannte» Topfergeschirr, herleiten. 

s j Cninmeut. real. I. part., Fol. 17, Ed. Littboa 11509. 

*l v. Tachudi Organismus, S. 65. 

Don Carlo.« por la clivina dementia Etnperntlor »emper Augnsto Rey de Alcmania, Doiin 
Juana nu madre, i el mi*-mo Dou Carlo« por la gracia de Dio» Revea de ('antilln. de Leon etc. 
heilit ex urkundlich. (Calaucha Coröuica, p. Ä<S.> 

N l Fernando Monte sino« in »einen .Analen del Peru'* M. S. von 154!» »agt darüber: 
Hanta este ano ne llamö el Callao „puerto de mar de la ciudad de Ion Heye»,*' y dende en 
adelantu por lo concino, ««• llamö .„Puerto del Callao" unea hu iiombre propio de aquella pe*- 
qu.ri.i y que en In leugua inatcrna nignitica „cordero- Vergl. Kelacioncx geogralira* de lndiax. 
l'ubliealan el Ministerin de F.m.ento. 1Y.Ü. Tom. I. Ed. Marcos .liinciie* de la Eapada, Madrid 1«81. 



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An» der Stnrm- nnd Drang-Periode der Geographie. 



355 



Der Name der Hafenstadt von Lima „Callao" ist nicht der KhetSuasprache 
entlehnt worden, sondern dem Idiome der mittelperuanischen Küstenindianer uud 
heißt „Lamm* (junges Lama.)') 

Der Stadtname Arequipa soll nach allgemein angenommener Sage auf 
folgende Weise entstanden sein. Als nämlich einer der Inkas (May-ta khapa-/) 
bei seiner Rückkehr von einem Feldzuge durch die Gegend des heutigen Are- 
quipa kam, sollen einige seiner Hegleiter den Wunsch geäußert haben sich in 
dieser überaus fruchtbaren Landschaft anzusiedeln, worauf der Inka erwiderte: 
ari khepay (ari ja, khepay Iinperat. von Khepa „zurückbleiben"). Ayacucho, 
Departement-Hauptstadt in Mittelperu, so genannt durch Dekret von Bolivar vom 
25. Febr. 1825 zur Erinnerung der in der Nähe am 9. Dec. 1824 von den 
Peruanern gegen die Spanier siegreich gewonnenen Schlacht, durch welche die 
spanische Herrschaft nicht nur in Peru, sondern in ganz Südamerika endgiltig 
gebrochen wurde. Schon zur Zeit der Eroberung dieser Provinz durch die Inkas 
fand hier eine blutige Schlacht statt und der beim Schlachtfelde liegende Weiler 
erhielt deshalb den Namen Ayakutäo (aya der Todte, Leichnam, kutiu der 
Winkel, die Ecke). Die Stadt Huanka wilka scheint ihren Namen von 
Wanka ("Bezeichnung der in jenen Gegenden wohnenden Nation, und willka das 
Götzenbild (wahrscheinlich weil daselbst ein Tempel mit einem Götzenbilde der 
Wankas war). Jauja (spr. Ohaucha) auch Xauxa und Xauja, von alten Chro- 
nisten vielfältig auch „Sauea" geschrieben, da h und s je nach den Provinzen 
die nämliche Aussprache haben, die einigermaßen dem deutschen ch ähnelt, 
dürfte auf das KhetSuawort „auka" der Feind zurückgeführt werden. Das 
heutige Tarraa hieß früher Tarama, die Etymologie ist sehr unsicher, vielfach 
versucht, aber nie befriedigend gelöst worden. Huaraz stammt vielleicht von 
„wara* Schamtuch, auch kurze Hosen der Indianer ab, oder von einem Worte 
des TsintSaysuyudialektes ab. / 

Von den peruanischen Ortsnamen sind noch viele Hunderte auf die KhetSua- 
sprache zurückzuführen, aber fast ebensoviele andere entstammen zum größten 
Teile heute ganz ausgestorbenen peruanischen Idiomen. 



Aus der Sturm- und Drang-Periode der Geographie. 
(Die älteste geographische Gesellschaft und ihre Mitglieder). 

Von Sophu« Hüffe. 

(8chhua.) 

Während der 5 Jahre, die Mayer in Nürnberg zubrachte, bestand seine 
Aufgabe vor allem im Entwerfen von Karten. Allein einem so scharfen Kopfe 
konnte es doch unmöglich entgehen, auf wie schwachen, gebrechlichen Stützen 
das ganze Gebäude der Kartographie ruhte. Von mathematischer Gewissheit war 
eigentlich nirgends die Rede. Aus dem Munde Franzens haben wir bereits 
vernommen, wie es mit der Zuverlässigkeit der Karten von Deutschland und 
Ungarn beschaffen war. Die Ermittlung dieser traurigen Tatsache ist Mayers 
Verdienst. Aber er suchte auch nach Abhilfe und zwar auf dem einzigen sicheren 
Wege durch astronomische Ortsbestimmung. Auch hier begegnen wir wieder 
einem Zuge seiner Genialität. In Augsburg hatte er sich mit Astronomie uoeh 
nicht befasst, im Homann'schen HauBe aber fand er ein Observatorium. Er war 
so bald mit der Methode der Forschung vertraut, dass er schon die im Jahre 1747 
und 1748, also ein Jahr nach seiner Ankunft in Nürnberg, angestellten „Be- 
obachtungen einiger Zusammenkünfte des Mondes mit Fixsternen" publicieren 
konnte. In den kosniographischen Sammlungen auf das Jahr 1748 sind von 
ihm 4 astronom. Abhandlungen erschienen, welche zusammen gegen 200 Seiten 
umfassen. Seine Aufmerksamkeit ist vor allem dem Monde zugewandt, außerdem 
teilt er die Resultate der Beobachtung der Sonnenfinsternis vom 25. Juli 1748 
mit. Man könnte alle diese Arbeiten bereits unter den Gesichtspunkt stellen, 
als habe der junge Astronom nach Mitteln schärferer Längenbestimmungen 
gesucht. — Mit großer Bestimmtheit spricht er sieh darüber in seinen „Be- 
obachtungen einiger Zusammenkünfte des Mondes mit Fixsternen" aus: „Wenn 
man jemals Hoffnung haben kann, durch die Erscheinungen, die sich im dem 



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Au« der Sturm- und Drang-Periode der Geographie. 



Himmel zu zeigen pflegen, die geographischen Längen der Örter unseres Erd- 
bodens mit einer solchen Genauigkeit zu erfahren, wie sie dem gegenwärtigen 
Zustande der Erdkunde gemäß ist: so darf man gewiss den Grund einer 
solchen Hoffnung nirgend anders wohin setzen, als auf die Bedeckungen der 
Fixsterne von dem Monde." Die Mondfinsternisse, meint er, scheinen ausgedient 
zu haben oder schicken sich nur für die Verbesserung von Karten ferner, wenig 
bekannter Länder. Auch die Verfinsterungen der Jupitermonde sind nicht 
so entscheidend, dass man sich für Längenbestimmungen sicher darauf ver- 
lassen könne. 

Einstweilen mussten also die neuen KartenentwUrfe noch nach unzulänglichen 
Unterlagen angefertigt werden; aber Mayer hat viel mehr Karten geliefert, als 
in dem „Verzeichniss der sämtntlichen Schriften Tob. Mayers" (v. Zach, monatl. 
Correspondenz, Mai 1805. S. 464 — 466) angegeben sind. Gegenuber den 11 
hier speciell aufgeführten Blättern kann ich zunächst versichern, dass ich selbst 
23 mit Mayers Namen versehene und von den Homann'schen Erben heraus- 
gegebene Karten besitze und, dass die Gesammtzahl aller von ihm gezeichneten 
Landkarten sich auf wenigstens 30 beläuft, ') für den Zeitraum von 5 Jahren 
gewiss eine ansehnliche Reihe, wenn man bedenkt, dass in dem Jahre 1730 — 
1746 von der Homannischen Anstalt nicht halb soviel neue Zeichnungen geliefert 
werden konnten. Gleichwol waren es nicht die kartographischen Leistungen, 
sondern die astronomischen Arbeiten, durch welche die Aufmerksamkeit der 
Gelehrten auf Mayer gelenkt wurde, so dass er kurz nach Veröffentlichung der 
kosmogr. Nachrichten und Sammlungen einen Ruf an die junge Universität 
Göttingen erhielt und im Jahre 1751 bereits dahin tibersiedelte, — leider ein 
ganz anderes Resultat, als das, welches Franz von dem ersten bedeutenden 

■) Nach alphabetarischer Ordnung der Läuder filbre ich folgende Karten an; die nm Ende 
mit eiuwii Stern *) bezeichneten, habe ich nicht' im BesiU und nicht gesehen. 

1. 8. R. I. Circulus Austriacus 1747. 

2. Germania Austriaca. * 

3. Septem provinciae seu Belgium foederatum. 1748. 
4 Belgii pars aeptentrionalia. * 

5. Helgii univerai seu inferior!» Germaniae... nova tabula. 1748. 
Ii. Belginm Catholicum. 1747. 

7. Arena Maitis in Belgio. * 

8. Regni Bohemiae, duc. Siletiae etc. tabula generali«. 1747. 
8. Regnorum magna« Britanniae et Hiberniae mappa. 1748. 

10. Geogr. Vorstellung des lind issini sehen Kreise«. 1746. 

11. Ducatus Curlandiae.. tabula. 1747. * 

12. Status Ecclesiastici nec non magni ducatus Toseanae nova tabula. 1748. 

13. Sinus Finuici deliueatio geographica. 1751. Doppelblatt. 

14. Mappa geogr. Status Genuensis. 1749. 

15. La Comtd de Glatt. 1747. 

16. Germsniae atque in ea locorum prineipaliorum mappa critica. 1750. 

17. Mappa specialis prineipatug Halberstadieusis. 1750. 

18. Helvetia, XIII. statibus liberis, quos Cantones vocant, compoxita. 1751. 
18. Carte des Indes Orientale«. 1748. 

20. Iter Mayerianum ad Mosas Goettingensc* Norlmberga a. 1751 factum. 1751. 

.Ein Jtuflerer Titel von dieser Karte, welche von Prof. Tob. Mayer, der soviele Ver- 
dienste um die Homanu'sche Officiu und soviel schoucs in derselben 
gearbeitet hat, heißt: Des Reiscatla* erstes Blatt, in welchem die Landstraße von 
Nürnberg nach Gottingen verzeichnet ist." <v. /ach, Monatl. Corresp. Mai 1805. p. 4l!rfj. ) 

21. Eigentliche Vorstellung der Schlacht und Gegend hei St. Jakob vor Basel. 1748. * 

22. Magnus ducatus Lituauiac. 1748. 

23. Statuum Italiac superioris vulgo olim Lombard iae delineatio .... quorttiu folium 
dacatum Sabau dicum 1758. 

24. Comitatus Mansfeld. 1750. • 

25. Die österreichischen Niederlande. 1748. • 
ft>. Die vereinigten Niederlande. 1748. * 

Nr. 25 und 26 sind vermutlich die oben genannten Nr. ,'i und 5, aber in Nopitsch (Ntiruh. 
Gelehrten-Lexikon, Bd. 5 des Supplements, Msc. in Dresden, ininlii rt. ( ui^euaii citiert. 

27. Territorli episcopatus Osnabmgensis tabula. 175*1. 
WS. a) Mappa geogr. Regni Poloniae. 1750. 

W8. b) dieselbe, revidiert. 1773. 

28. Ducatus Silesiae tabula geogr. generalis, s. a. 

30. Superioris et inferioris duc. Silesiae nova tabula. * 

31. Geogr. Entwurf der beyden freyen Rcichs-HeriM h:iften S n,l /. b II i g und l'irhaiim 174h. 
'.i'J. Tatariae Siueusis mappa geogr. 1748. 



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Aua der Sturm ir«H Praug-Period? dar Geographie. 



357 



Lebenszeichen der geograph. Gesellschaft erwartet hatte, ein Resultat, das eine 
gesunde Fortdauer seiner Gesellschaft ernstlich in Frage stellte. 

Nach Mayers Abgänge waren Franz und Lowitz als dirigierende Mitglieder 
allein an der Spitze der Gesellschaft und bemühten sich, die ins Auge gefassten Plane 
weiter durchzuführen, obwol sich die Schwierigkeiten von Jahr zu Jahr steigerten. 

Über das frühere Leben von Georg Moritz Lowitz sind wir wenig 
unterrichtet. Wir wissen nur, dass er am 14. Februar (nach den alteren Angaben) 
oder am 17. Februar (nach spateren Mitteilungen) 1722 in Fürth bei Nürnberg 
geboren ist, und dass er ebensowenig als Tobias Mayer Bchulmättig studiert 
hatte. Aber er war ein geschickter Mechaniker und Mathematiker, der in seiner 
Jugend 5 Jahre zu Fürth die Goldschmiedekunst betrieben hatte, ehe er nach 
Nürnberg kam. Dort heiratete er 1746 die einzige Schwester Franzeus und 
wurde nun von seinem Schwager auch in die Homann'sche Officin gozogen. Neben 
Mayer stellte er auch astronomische Beobachtungen an und beschäftigte sich mit 
Physik. Schon im ersten Jahre wurde ihm die Herstellung groller Krd- und 
Himmelsgloben übertragen, ohne das« indes damals sein Name genannt wurde. 
Als er dann 1751, an Stelle des am 1. December 1750 gestorbenen Doppelinayr, 
Professor der Physik und Mathematik am Egidischen Auditorium zu Nürnberg 
und Aufseher des Observatoriums wurde, welches unter ihm einen volligen Umbau 
erfuhr, benutzte Franz diese Gelegenheit, um durch eine besondere Abhandlung 
„die Notwendigkeit eines zu errichtenden Lehrbegriffes der mathematischen 
Geographie bei der kosmographischen Gesellschaft, bei Gelegenheit der Antritts- 
rede Herrn Prof. Lowitz' zur mathematischen Profession in Nürnberg, 1751, 4°. tt 
wieder ein Lebenszeichen von der Gesellschaft zu geben. 

Zwei Jahre später erschien eine weitere beachtenswerte Schrift von Franz 
mit Beitragen von Lowitz; dieselbe war betitelt: 

„Der deutsche Staatsgeographus mit allen seinen Verrichtungen, 
höchsten und hohen Herren, Fürsten und Ständen im deutschen Reiche, nach 
den Grundsätzen der kosmographischen Gesellschaft vorgeschlagen von den 
dirigierenden Mitgliedern der kosmographischen Gesellschaft. Frankfurt und 
Leipzig 1753. Am Schluss der Vorrede, welche von Franz allein unterzeichnet ist, 
werden wir auch — nicht ohne Absicht - - mit der Auszeichnung bekannt gemacht, 
die ihm bereits zuteil geworden. Er nennt sich darin: „Öranien-Nassauischer 
Rath und Geographus, des fränkischen Kreyses Geographus, der kgl. deutschon 
Gesellschaft zu Göttingen Ehrenmitglied." Die schon früher ausgesprochene Not- 
wendigkeit, dass in Nürnberg, im SchoUe der Gesellschaft, ein deutsches 
Landmesaungsbureau errichtet werde, wird hier noch einmal ausführlicher 
dargelegt. .Das Bestreben der kosmographischen Gesellschaft, u sagt er, „geht 
dahin, es möchte in jedem Reichskreise ein eigener besoldeter Geographus unter dem 
Titel eines Grenz- und Landcommissärs bestellt, derselbe aus der kosmo- 
graphischen Gesellschaft genommen, und so oft als einer abgegangen, in Zukunft 
beständig daraus ersetzt werden." Im weiteren lief dann sein Absehen, wie früher, 
auf die Gründung einer kosmographischen Akademie hinaus. In dem Staats- 
geographus gieng Franz von dem Satze aus, dass es nötig und nützlich sei, die 
Länder und Staaten in jedem Kreise so genau als nur möglich zu vermessen, 
und berief sich für diese seine Forderung auf L. v. Seckendorfs Fürstenstaat, 
in welchem dasselbe behauptet wird. Dann suchte er die damals ganz allgemein 
gehegte Besorgnis zu widerlegen, als ob solche Karten nur einem ins Land 
einbrechenden Feinde nützen könnten, und wies dagegen auf die vielseitigen 
Vorteile hin, welche gute Karten der eigenen Landesregierung in Friedens- 
zeiten gewähren. In Frankreich verbiete man derartige Specialkarten nicht. Bei 
der Vermessung werde natürlich auch die Geographie gefördert Zugleich empfahl 
er noch eine andere in Frankreich übliche Praxis, dort sei es nergebrachter 
Gebrauch, dass der erste königliche Geograph allemal der geographische Lehrer 
bei dem Dauphin sei: demnach müsse der Staatsgeograph auch in Deutschland 
bei der landesfürstlichen Jugend diesen Unterricht besorgen oder doch leiten 
helfen. Zu Kriegszeiten könne derselbe als Feldgeograph ersprießliche Dienste 
durch seine genaue Kenntnis des Landes leisten. Es wurde noch zugegeben, 
dass die speciellste Aufnahme, nach welcher etwa 1 Quadratmeile Landfläehe 



35* 



Au» der 8turm- und Drang- Periode der Geographie. 



auf einem Kartenblatte zur Darstellung gebracht werde, nicht an die Öffentlichkeit 
kommen solle, sondern als Kabinetsatlas für den besonderen Gebrauch des 
landesherrlichen Kabinets zurückbehalten werde; aber ein in verkleinertem Mali- 
stabe veröffentlichter Staatsatlas müsse jedermann zugänglich gemacht werden. 

So vernünftig und praktisch diese Vorschläge waren, sie kamen für die Zeit- 
anschauungen zu früh und blieben darum wirkungslos. Aber es ist schmerzlich, 
zu sehen, wie Franz, zum Teil durch äußere Veranlassungen bewogen, immer 
mehr auf die gefährliche Bahn trügerischer Spekulationen gedrängt wurde, in 
deren Verlauf seine Ideen in Misachtung fielen und die kosmographische Gesell- 
schaft schließlich sich auflöste. 

Um nämlich zu den Kosten der kosinographischen Gesellschaft, wie auch 
zur Tilgung der Schulden der Homanu. Officiu Geld zu bekommen, wurde das 
schon mehrfach bewährte Projekt von den großen Weltkugeln nun immer lebhafter 
betrieben. Schon 1749 war eine zweite Ankündigung erschienen : Description complete. 



Diese Ürd- und Himmelsgloben sollten viel genauer sein als die Coronellischen 
und doch billiger; man forderte statt 500 Thlr. nur 200— 250 Thlr. Später wurde 
der Preis auf 100 Dukaten (500 fl.) normiert und die Subskribenten um 36 Ducaten 
Vorschuss ersucht, um das Werk beginnen zu können. Wer ein besonders 
prächtiges Exemplar mit silbernen Ringen haben wollte, musste 2000 Thlr. zahlen. 
Ein solches Prachtstück bestellte sich der Erbstatthalter der Niederlande. Außerdem 
meldeten sich noch 25 Pränumeranten, so das» auf eine Einnahme von 2500 
Ducaten zu rechnen war. Lowitz hoffte die Globen für 1200 Dukaten herstellen 
zu können. Der Überschuhs sollte geteilt werden. Lowitz machte sich auch 
anfangs mit Eifer an die Sache, und daher musste er sich durch Franz ent- 
schuldigen lasson, wenn in dem ersten Bande der kosmographischen Nachrichten 
und Sammlungen seine in Aussicht gestellte Abhandlung Uber die stereographische 
Projektion, „deren immer in «lern Titel der neueron Homann. Landkarten gedacht" 
wird, noch nicht publiciert worden, da er durch die Herstellung der großen 
Weltkugeln vollauf in Anspruch genommen sei. Aber Lowitz, der nach der 
höchsten Genauigkeit und Sorgfalt strebte und sich selbst nie genug thun konnte, 
wurde mit seiner Arbeit nicht fertig und brachte auch Franz in arge Verlegenheit, 
da dieser in der sicheren Erwartung der baldigen Vollendung der Globen das 
Pränumeration8geld größtenteils verausgabt hatte, um Schulden zu decken und 
für Lowitz und dessen Arbeiter nicht mehr die notwendigen Auslagen bestreiten 
konnte, so dass das Unternehmen zeitweilig völlig stockte. Um die Abnehmer 
zu beruhigen, erschien 1752 ein drittes Avertissement, in welchem die Ver- 
zögerung mit den technischen Schwierigkeiten entschuldigt werden sollte. Prof. 
Kästner hat seinen Kollegen Lowitz später noch (Deutsches Museum 1777, 
I. S. 260) in Schutz genommen und schreibt: „Dass Lowitz soviel gearbeitet 
und sowenig vollendet hat, daran war zum Teil sein Bestreben nach der größten 
Vollkommenheit schuld. Er warf bessere Dinge weg, als ein anderer ausgefertigt 
hatte. So tieng er freilich immer wieder von vorne an, und wenn Hindernisse, 
Überdruß u. dg), dazukamen, so war umsonst gethan, was manchen verewigt 
hätte. tt In dem dritten Avertissement wurde die Erklärung abgegeben, die Erd- 
und Himmelsgloben müsaten zu gleicher Zeit in Angriff genommen werden, und 
das verzögere die Sache. Der kosmographischen Gesellschaft kosteten sie selbst 
600 fl., und da man sie für 500 fl. abzugeben versprochen, so arbeite die 
Gesellschaft eigentlich mit Verlust. Neue Subskribenten konnten nur gegen eine 
Zahlung von 500 Thlr. angenommen werden. Von dem König von Spanien, 
welcher sich noch meldete, verlangte man sogar 1000 Ducaten für ein Paar Globen. 

Um das nötige Geld herbeizuschaffen, verfiel Franz auf eine Karten- 
Verlosung. Seineu Vorschlag veröffentlichte er im Anhange zu seinem Staats- 



Lotterie, was diese sein und was die deutsche Nation für Bewegungsgttinde 
habe, derselben förderlich zu seyn. Auf Gutbefinden der kosmographischen 
Gesellschaft in Vorschlag gebracht von derselben dirigierenden Mitgliedern." Der 
Plan gieng dahin, für 20.000 fl. Homaun'sche Atlanten um den Einsatz von 4 fl. 





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Aus der Sturm- uml Draufr-Period** *ler Oenjrraphie. 

zur Verlosung zu bringen. Van dem Erlös sollten 1000 fl. zur Errichtung der 
kosmographisehen Akademie bestimmt werden. Auf die schon 1750 erfolgte 
kaiserliche Schenkung von 200 Dukaten wurden besonders die Fürsten und 
Reichsstände hingewiesen und zu fleißiger Nachachtung aufgefordert. -Wann 
dann nun mittelst der kaiserlichen und des Reiches milde Gutthaten die kosmo- 
graphische Verfassung sieh gründet und in die Höhe schwingt, die Mitglieder 
hingegen mit ihren im Staatsgeograph o angegebenen Landmessungen und politischen 
Anwendungen, mit der angelegten mechanischen Werkstätte, mit der Künftigen 
Ingenieurschule, nicht weniger mit allen übrigen akademischen Arbeiten Ihro 
kaiserlichen Majestät und sämtlichen deutschen Reichsfürsten und übrigen deutschen, 
politischen und gelehrten Welt zu allerunterthanigsten und allen ersinnlichen 
Diensten sich aufopfern, so wird wol diese Akademie mit allem Fug und Rechte, 
so wie in der That, also auch dem Namen nachdie kayserliche deutsche 
Reichsakademie genennet werden können. Das ganze Deutschland wird also 
um den Beistand angerufen, nur mit dem Unterschiede, dass höchsten Fürsten 
und Herren freiwillige Gaben, der deutschen Nation aber insbesondere die 
kosmographische Lotterie und zwar auf den Fuß einer ebenfalls freiwilligen 
Zurückschenkung des Gewinns oder eines Teils desselben angesonnen werden." 

Allein, da das kaiserliche Reichshofrats-Kollegium für die Erlaubnis dieser 
sonderbaren Lotterie im voraus eine Zahlung von 600 fl. verlangt, so zerschlug 
sich das Unternehmen. 

Doch Franz ließ sich dadurch nicht abschrecken und hatte bald einen 
neuen Ausweg gefunden. Alle in der Homann'schcn Officin erschienenen Karten 
deutscher Lander sollten zu einem Atlas von Deutschland vereinigt und 
darauf Subskribenten gesammelt werden. Er hoffte, wenn man donselben an den 
zahlreichen kleinen Fürstenhöfen kolportieren lasse, gegen 750Excmpl. abzusetzen. 

An Anton Friedrich Büsching, der damals in Kopenhagen weilte, schrieb 
er am 8. December 175*5: „Dieser Atlas ist mein letzter coup d'Etat, oder wol 
besser, mein coup de desespoir. Glückt'*, diese 750 Exemplare in ganz Deutschland, 
Dänemark und Schweden anzubringen, so bleiben mir etliche 1000 fl. Profit 
übrig, die ich zu völliger Ausführung der kosmographisehen Projekte anwenden 
will, ob sie mir gleich schon an 4000 Mk. kosten. Wer ist wol, der dieses thun 
würde; hätte ich Kinder, so würde es unterbleiben." 

Was er that, geschah aus edlen Beweggründen — das darf mau aus diesem 
Briefe gewiss folgern, aber er hoffte oder wähnte, die Begeisterung, welche er 
für die Reform seiner Wissenschaft empfand, auch bei den trägen Massen einer 
gleichgiltigen Bevölkerung anfachen zu können und übersah dabei, dass die 
Schranken langjähriger Vorurteile sich nicht binnen Jahresfrist durch ein paar 
Abhandlungen niederreißen lassen, in denen überdies auch noch Ansprüche an 
den Geldbeutel erhoben worden. 

Es war vorauszusehen, dass auch dieser Anschlag mißlang. Nun wandte 
sich Franz in seiner Verlegenheit 1754 an die Regierung in Hannover und 
wuBste seinen Plan in ein außerordentlich günstiges Licht zu stellen, die 
kosmographische Gesellschaft sammt der Weltkugelfabrik und der Hälfte der 
Homann'schcn Handlung nach Göttingen zu verlogen, um durch eine Verbindung 
mit der Universität dieser jungen Hochschule einen erhöhten Glanz zu verleihen. 
Die Hannoversche Regierung, welche der Universität alle nur denkbare För- 
derung angedeihen ließ, gieng, ohne sich lang um die praktische Durchbildung 
des Unternehmens zu sorgen, sofort auf den Plan ein und berief sowol Franz 
als auch Lowitz zu Professoren, jenen für Geographie, diesen für Mathematik, 
mit (tOO, resp. 400 Thlr. Gehalt. Lowitz soll, wie Büsching behauptet, später ge- 
äußert haben, er habe von dem ganzen Plane nichts gewusst, Franz habe ihn 
wider seinen Willen verkauft. Aber auch Franz hatte den Nürnbergern gegen- 
über einen schweren Stand; denn der Rat der Stadt drohte Franz das Bürgerrecht 
zu nehmen, wenn er Miene mache, die Homann'sche Officin zu teilen. Es schien 
schwer zu sein, eine genügende Anzahl geschickter Arbeiter so wol für den Stich 
der Karten, auch als für die Herstellung der Globen nach Göttingen zu ziehen. Die 
Hannoversche Regierung erbot sich zwar, zu diesem Zwecke 2000 Thlr. vor- 
zuschießen, allein sie merkte doch bereits im März 1 755, dass Franz die großen 



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Aus der Sturm- uud Drang-Periode der Geographie. 



Translokationen von Nürnberg nach Göttingen nicht so in der Hand hatte, wie 
t-s anfanglich geschienen. Um solch? Besorgnisse der Regierung zu verscheuchen, 
gieng Franz selbst nach Hannover und machte .so bestimmte Zusagen, dass man 
sich beruhigte, ja ihm sogar 1000 Thlr. zur Errichtung der kosmographisclien 
(Gesellschaft in Güttingen anwies. 

So schien also endlich das schwere Gewölk sieh zerstreuen zu wollen, es 
schien wirklich, als ob eine Staatsregierung die von der Gesellschaft empfohlene 
Reform der Kartographie und Geographie selbst durchfuhren wolle. Dieser Erfolg 
musste der Welt verkündigt werden, womöglich nicht von deutschem Boden aus. 
S«> erschien denn im Juni 1755 in dem Pariser Journal etranger ein — fast 
möchte man Bageu - - Reklame-Artikel Uber die kosmographische Gesellschaft, 
dessen Entstehung wir nirgends anderswo als in der nächsten Umgebung von 
Franz suchen dürfen. Göttingen wird darin beglückwünscht, dass zu seinen 
wissenschaftlichen Instituten durch die Übersiedlung der kosmographischen Ge- 
sellschaft ein neues literarisches Etablissement hinzugekommen. Zwei Mitglieder 
dieser Gesellschaft, Mayer und Büsch ing, seien bereits in Göttingen thätig (Büsching 
seit August 1754): nun habe der hannoversche Minister Herr von Münchhausen 
auch den Rat Franz und Lowitz dahin berufen. Obwol die kosmographische 
Gesellschaft immer nur die Unternehmung einiger Privatpersonen bleibe, welche 
sich vorgenommen hätten, die Geographie zu verbessern, und welche, ihrem Plane 
gemäß, nicht an einem Orte sämmtlich vereinigt sein könnten, so werde doch 
Göttingen von nun an der Brennpunkt ihrer Untersuchungen und Entdeckungen 
werden. Hier werde auch der Attas gestochen werden, den die Gesellschaft unter 
Franzens Direktion «lern Publikum versprochen habe, und man werde zu dem 
Zweck «Ii« tüchtigsten Künstler heranziehen. Lowitz werde ferner die schon vor 
4 Jahren angekündigten Erd- und Himmelskugeln vollenden. Der neue Sitz der 
Gesellschaft werde zweifellos der Geographie sehr förderlich sein u. s. w. 

Diesen Posaunenstößen gegenüber nahm es sieh nun allerdings kläglich 
aus, dass Franz, als er im Mai nach Göttingen kam, die Homann'sche Officin 
nicht, auch nicht teilweise mitbrachte, und dass er sein, der hannoverschen Re- 
gierung betreffs Her Vollendung der Weltkugeln gegebenes Versprechen nicht 
halten konnte. Lowitz arbeitete zwar an den eisernen und gipsernen Kugel- 
gestellen und ließ den Anfang der Karten stechen, allein alles gieng außerordentlich 
langsam, weil Geld fehlt. Lowitz erklärte, er könne die Kugeln nicht liefern, 
wenn Franz ihm nicht die 2000 Thlr. Pränumerationsgelder auszahle. Im September 
1755 kam ein Schreiben der köngl. Regierung an «lie kosmographische Gesellschaft 
wegen dieser Angelegenheit, im November wurden Franz und Lowitz nach 
Hannover citiert und es fehlte wenig, dass man Franzen die Professur wieder 
genommen hätte. An diesem Vorgehen gegen die Männer, die man vor kurzem 
erst berufen, hatte wol der Hofrat Scheidt, eine maßgebende Persönlichkeit in 
Hannover, einen wesentlichen Anteil, da er selbst durch die unerquickliche An- 
gelegenheit der Globen in Mitleidenschaft gezogen war, insofernc er selbst im 
Vertrauen auf das feste Versprechen Franzens noch Subscribenten gesammelt 
hatte, die nun von Scheidt ihr Geld wieder forderten. Als vollends der dänische 
Minister Graf Holstein an Scheidt und fast zu gleicher Zeit der Minister von 
Bernstorf im Namen des Königs von Dänemark an den Herrn von Münchhausen 
die officielle Anfrage richtete, wie es denn eigentlich mit den Weltkugeln stände, 
da musste die hannoversche Regierung eine Kommission bestellen und ernannte 
dazu die Professoren Hollmann und Büsch ing. Durch diese wurde Folgendes 
festgesetzt : Franz zahlt die 2000 Thlr. Pränumerationsgelder an Lowitz und über- 
lässt diesem allein das ganze Unternehmen. Dafür soll ihm Lowitz ein paar Erd- 
und Himmelskugeln gratis liefern. Franz übergab gegen die genannte Summe 
seinen Anteil an der Homann'schen Officin an seinen jüngern Bruder Jakob Heinrich, 
der schon seit 20 Jahren Buchhalter im Hominan'schen Geschäfte war. 

Trotz dieser Geldopfer kam Franz, der kein guter Haushälter war, noch nicht 
zur Ruhe, denn nachher ließ noch der Kurfürst von der Pfalz die Vorschuss- 
gelder von ihm zurückfordern und mit ähnlichem drohte auch der Erbstatthalter 
der Niederlande. Bei solchem Zwiespalt und solchen Verlegenheiten mussten die 
Aufgaben der kosmographischen Gesellschaft entschieden leiden. Wir besitzen 



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Au» der Sturm- uud Drang-Periode der Geographie. 



361 



aus dieser Zeit des raschen Niedergangs nur die Mitteilung Büschings (wüehentl. 
Nachr. v. neuen Landkarten 1775. S. 58 u. ff. und Beitrage zu der Lebens- 
gesehichte denkwürdiger Personen Bd. 6. S. 266). Da» Urteil dieses frommen 
Mannen, der selbst Mitglied der Gesellschaft war, ist hart und absprechend. Er 
drängte sieh gern an hochstehende Persönlichkeiten heran und gab Männer, mit 
denen er in näherem Verkehr gestanden, preis, wenn ihre Stellung erschüttert 
war. So erklärt er in einem Athcm : es sei gar keine Gesellschaft vorhanden gewesen 
und fügt «loch hinzu: „Endlich versammelten wir uns einmal bei Franz und 
vorabredeten, daes wir Beiträge zur Kosmographie herausgeben wollten. ( Büsching 
gehörte nämlich zu den dirigierenden Mitgliedern.) Mayer und Lowitz wollten 
das Mathematische, Franz und ich das Geographische besorgen. Franz tibereilte 
sich und lioti ans dem aufgenommenen Protokolle zu Leipzig bei Breitkopf eine 
Nachricht von diesem Vorhaben auf 4 Quartbogen drucken, ohne uns. übrigen 
etwas davon zu sagen, als bis die Schrift gedruckt war. Sie war nicht nach 
unserm Sinne gerathen, or imisste die ganze Auflage unterdrücken und die 
kosmographische Gesellschaft ist ein Unding 1 ) — ich weili nicht ob ich sagen 
soll — geworden oder geblieben." — Das sind die letzten Lebenszeichen. 
n Die Ratten verlassen das sinkende Schiff.' 4 

Franz starb während des siebenjährigen Krieges an einem hitzigen Fieber, 
das ihm ein französischer Offleier ins Haus geschleppt hatte. Selbst Büsching 
inuss es von ihm anerkennen, dass er gute Kenntnisse von der Geographie 
besaii, fügt aber hinzu: Er wurde durch seine Handelsentwllrfe verdorben und 
schickte sieh nicht zum Professor. Tobias Mayer folgte ihm, noch ehe er das 
vierzigste Lebensjahr vollendet hatte, 1762 ins Grab nach. Da nun auch Anton 
Büsching, welcher von 1754 — 1761 eine Professur an der Universität bekleidet 
hatte, Göttingen verlioli und einem Rufe als Prediger nach Petersburg folgte, 
so war damit eigentlich die Gesellschaft vollständig gesprengt, denn nur Lowitz 
blieb noch zurück. Aus den Gelehrtenkreisen hatte er sieh schon vorher iniasmutig 
zurückgezogen und 175H seine Stelle als auUerordentliehes Mitglied der Societät 
der Wissenschaften niedergelegt, weil er meinte, seine Verdienste würden doch 
nicht anerkannt. 

Nach Tobias Mayers Tode trug die königliche Regierung ihm und dem 
Professor Kästner gemeinschaftlich die Aufsicht über die Sternwarte an. Lowitz 
aber erklärte, wenn er die Aufsicht nicht allein führen solle, so wolle er gar 
keinen Teil daran haben. Er erhielt sie auch in der That allein, legte aber auch 
dieses Amt nach zwei Jahren nietler, weil er, wie er sagte, nicht Nachtwächter 
für die Societät sein wollte. 

Diese Launenhaftigkeit mag wol die Ursache gewesen sein, dass dir» Re- 
gierung auch weiter keine Rücksichten nahm und die für die Herstellung der 
Globen vorgestreckten 2(XK) Thlr. zurückforderte. Lowitz musstc, um diese Schuld 
zu tilgen, den Rest von dem Vermögen seiner Frau opfern und wurde über die 
Handlungsweise der Regierung so aufgebracht, dass er nun auch seine Professur 
niederlegte. Er lebte noch eine Zeitlang in Göttingen als Privatmann und folgte 
dann 1765 einem Rufe nach Petersburg, wo er die Professur für Astronomie 
erhielt und Mitglied der Akademie wurde. Im Jahre 176!» begab er sich nach 
dem südlichsten Teile des Reiches, zunächst nach der Mündung des Uralttusses, 
um zu Gurjew den Vorübergang der Venus zu beobachten und setzte dann 
seine astronomischen Arbeiten in Astrachan an der Wolga und in Kizlar und 
Mosdok am Terek weiter fort. Von hier begab er sich im Herbst 1770 nach 
Pjatigorsk und von da über Astrachan wieder an die Wolga nach Dinitriewsk, 
um die Gegend zu untersuchen, wo ehemals ein Kanal angefangen war, welcher 
den Don mit der Wolga verbinden sollte. In der Gegend von Kamyschin (50° N.) 



•) In der Einleitung r.n Heiuer Erdbeschreibung, I. S. 28 *4- Aufl. 1?XM) citiert er die komiio- 
graphische Gesellschaft u<ich als Autorität, wenn er schreibt, das« „nach den Lehrsatr.en der 
kosmographiachen Gesellschaft* die stereographischc Horizontalprojektion oder glatte Vcrseichnnug 
am besten für Landkarten eigne, weil sie die grüßte Ähnlichkeit mit der Kugel habe. S. 32 werden 
sogar die Wchriften der Gesellschaft »um Lesen empfohlen. 

Ähnlich Kullerte sich auch Gatterer noch iu dem kirnten Begriff der Geographie (2. Aull. 
179a S. 7). 



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362 



Aus der Slui-m- und Drang- Periode der Geographie. 



begann er sein Nivellement nach «lein Flusse Ilawla hinüber, welcher westlich 
von der Wolga sich südwärts in das Knie des Don ergießt. Diese Arbeiten, 
welche Lowitz mit Hilfe des Assistenten Inochodzow, der in Güttingen Mathematik 
studiert hatte, ausführen wollte, nahtuen bei der Peinlichkeit, womit die ganze 
Arbeit gemacht wurde, über drei Jahre in Anspruch ; dazu kamen häufige Unter- 
brechungen durch wiederholte Krankheiten des Leiters der Arbeiten, und das» 
derselbe sich alle nötigen Instrumente erst selbst herstellen musste. So kam es, 
dass Lowitz in die wilden Bewegungen hineingeriet, welche der gegen die Miss- 
regierung und die Sklaverei entstandene Aufruhr des Kosaken Pugatscheff 
hervorrief. Teils seine Unentschlossenheit, teils sein Eigensinn, der die drohende 
Gefahr verachtete, waren die Ursache, dass er durch Verrat der Kolonisten in 
\V. Dobrinka, nördlich von Kamyschin, von den Rebellen gefangen genommen 
und zu ihrem Oberhaupte an die Ilawla geschleppt wurde, wo er auf die er- 
bärmlichste Weise ermordet wurde. Am 13./ 14. August 1774 wurde er erst gespießt 
und dann gehängt. Drei von seinen Begleitern erlitten dasselbe Schicksal. Sein 
Assistent und seine Gemahlin kamen mit dem Leben davon. ') Büsching charak- 
terisiert seinen ehemaligen Kollegen als einen geschickten Kunstler und tüchtigen 
Mathematiker und Physiker, der im Umgange sehr angenehm, aber kein Haus- 
halter gewesen. Er bezeichnet ihn als einen im hohen Grade eigensinnigen 
Sonderling, dann aber fügt er bitter hinzu, nachdem er seinen tragischen Tod 
erwähnt „Seine Gläubiger, vornehmlich aber die Pränumeranten auf die großen 
Weltkugeln, die nun alle Hoffnung, jemals etwas zu erlangen, verloren haben, 
mögen sich, so gut sie können, zu trösten wissen." 

Kästner urteilte milder über ihn, er rühmte seine Freigebigkeit und Gut- 
thätigkeit «loch habe er letztere im größeren Maße walten lassen, als nach seinen 
Verhältnissen klug gewesen wäre. 

In Göttingen hatte er ein merkwürdiges Andenken hinterlassen. Hier wurden 
noch im Jahre 1805 von der Ruprecht'schen Buchhandlung die fertigen Segmente 
zu seinen in Arbeit gehabten großen Weltkugeln verkauft. — 

Zum Schluss gebe ich noch eine kurze Charakteristik der übrigen Mitglieder 
der kosmographischen Gesellschaft, soweit ich dieselben habe ermitteln können. 

Hier ist vor allem Anton Fried r. Büsching zu nennen. Eine Lebens- 
skizze zu geben, ist unnötig, da man in jedem Konversationslexikon Auskunft 
über diesen Gelehrten findet und es, um Ausfuhrliches zu lesen, genügen mag 
auf die Autobiographie zu verweisen, welche in seinen Beiträgen zu der Lebens- 
geschichte denkwürdiger Personen Bd. 6., S. 1 — 1>17 enthalten ist. Durch Eber- 
hard David Hauber, Verfasser des Versuchs einer umständlichen Historie der 
Landcharten 1724, wurde frühzeitig sein Interesse für Geographie erweckt. 
Seine Reisen in Deutschland, Dänemark, Russland, sein ausgebreiteter gelehrter 
Briefwechsel, fttr den er in Göttingen sogar Portofreiheit genoß, befähigten ihn 
nach allen Gegenden hin Verbindungen anzuknüpfen, um überallher die zu- 
verlässigsten Nachrichten über die Länder sich zu verschaffen. Von allen seinen 
Schriften (der Anhang zu seiner Biographie weist 101 Nummern nach,) fand 
keine solchen Reifall als seine „Neue Erdbeschreibung. u Die Ausgabe der 
beiden ersten Bände (Hamburg 1754) fällt noch in die Blütezeit der Kosmo- 
graphischen Gesellschaft, welche daher auch noch mehrfach in seinem Werke 
rühmliche Erwähnung findet 

Büsching ist der Daniel des 18. Jahrhunderts, aber Büsching hatte keine 
Vorgänger oder dieselben wenigstens nicht brauchen wollen. „Ich habe ganz 
von vorne angefangen," sagt er in der Vorrede zum ersten Bande, „als ob vor 
mir keine Erdbeschreibung verfertigt worden wäre. Ich habe alles selbst unter- 
suchen und aus den ersten und besten Quellen schöpfeu müssen. u Die einzelnen 
Abschnitte des Werkes schickte er sogar gedruckt oder geschrieben in die be- 
treffenden Länder, um sie von seinen Korrespondenten verbessern zu lassen. 

Der dritte Teil, welcher wieder in 3 Abteilungen oder Bänden zu- 
sammen über 3000 Seiten umfasst, behandelte Deutschland und erschien zuerst 



*) Vergl. das Kcliroibeu luovliodsowii an Prol'cMor Kästner im „deutschen Museum." 1770. 
Bd. 1. 8. 177-1*5. 



Au» der^ Sturm- und Drang-Periode der Geographie. 



363 



1757 und 1759. Wir begegnen in der Vorrede derselben Ansicht, wie sie bereits 
aus den verschiedenen Gesellschaftsschriften skizziert ist: „Ich habe," schreibt 
Büsching," im Anfange meiner geographischen Arbeit selbst weder gewusst 
uoeh geglaubt, dass uns Deutschen, aller geographischen Bücher un- 
geachtet, das Deutsche Reich noch so gar sehr unbekannt sei. Er 
fühlte die Notwendigkeit, eine neue Grundlage zu schaffen, und so hat er mit 
dem erstaunlichsten Fleiße und gutem Verständnis ein Werk geschaffen, das 
sich mit vollem Rechte sofort die Gunst des ganaen Volkes erwarb und eine 
so rasche Folge von Auflagen erlebte, wie ein so umfängliches geographisches 
Werk weder vor- noch nachher aufzuweisen hat. Ohne die Ergänzungen und 
Fortsetzung nach Büschings 1793 erfolgtem Tode hier namhaft »u machen, mag 
es genügen, darauf hinzuweisen, dass von 1759 bis 1789 7 Auflagen erschienen, 
die letzte auf 5 Bände erweitert. Für Deutschland speciell bezeichnet Büsching 
bestimmt den Ausgangspunkt einer neuen Behandlung des Stoffes und es ist zu 
beklagen, dass er später so absprechend und verächtlich Uber die Bestrebungen 
der kosmograph. Gesellschaft äußerte, von der er sicherlich manche Anregung 
und Förderung erhalten hatte. 

Wie die kosmograph. Sammlungen auf das Jahr 1748 ergeben, gehörte zu 
den Mitgliedern auch Joh. Christoph Harenberg, der, zu Langensalzcn bei 
Alfeld an der Leine 1690 geboren, die Schule zu Hildesheim und die Uni- 
versität zu Helmstädt besuchte und später, nachdem er mehrere pädagogische 
und 8eelsorgeri8ehe Ämter verwaltet, Professor am Karolinum zu Braunschweig 
wurde. Er war ein sehr fruchtbarer Schriftsteller, der die gelehrten Zeitschriften 
mit allerhand Abhandlungen versorgte, z. B. über die Zunahme der milden Winter 
in Deutschland, über das Nordlicht als einen Spiegel der güttl. Güte und 
Gerechtigkeit, über antediluvianische Geographie, über Versteinerungen, Reform 
der mathein. Geographie u. dgl. Seine Verbindung mit der Hoinann'schen 
Officin war durch seine topographischen Studien über Palästina veranlasst. Über 
dieses Land hatte ihm schon 1 737 der Augsburger Kartograph Math. Seutter eine 
Karte gestochen. Dann wandte er sich nach Nürnberg und trat in derselben An- 
gelegenheit mit der Hoinann'schen Officin in Verbindung, wie aus einem Auf- 
satze ersiehtlieh ist, den er unter dem Titel: Besehreibung seiner zu Nürnberg 
gestochenen Landkarte von dem verheißenen Lande (Altonai'sche Gelehrten - 
Zeitung 1746. S. 50.) erschien. Infolge dieser Verbindung trat er der kosmogr. 
Gesellschaft bei uud lieferte für die kosmogr. Sammlungen auf das Jahr 1748 
zwei Abhandlungen zur Topographie von Palästina. 

Spätere Beziehungen zur kosmogr. Gesellschaft habe ich nicht auffinden 
können. Harenberg starb in Braunschweig 1774. Sodann habe ich noch einer 
Persönlichkeit kurz zu gedenken, welche als Mitglied der Gesellschaft aufgeführt 
wird: Joh. Heinr. Drümel, von welchem Will in seinem Nürnberger Gelehrten- 
Lexikon behauptet, er sei ein Mitglied der kosmogr. Gesellschaft. Er war 
1707 zu Nürnberg geboren, studierte Humaniora, Theologie und Philosophie zu 
Altdorf, Jena und Strasburg und war von 1742 — 1762 Konrektor und Rektor 
des Gymnasiums zu Regensburg. In dies«» Zeit fallt seine Verbindung mit der 
Kosmogr. Gesellschaft, welche notwendigerweise gelöst wurde, als Drümel 1762 aus 
allzugroßer Opinion von seinem Wissen und in der Hoffnung zu hohen Ehren zu 
gelangen, zur kathol. Kirche übertrat und dann an der Universität zu Salzburg 
mit dem Titel als Hofrath, Lehrer des Staatsrechtes wurde. Nicht mit Unrecht 
wird von ihm behauptet, er sei in seinem Lehramte wie in seinein Leben «in 
Avcnturier gewesen. Schriften geograph. Inhalts Hnde ich von ihm nicht citiert. 
Danach scheint es, als ob nur eine gewisse Eitelkeit ihn bewogen habe, Mitglied 
einer anfangs vielversprechenden Gesellschaft zu werden. 

Den Beschluss dieser Reihe von Mitgliedern rauss August Gottlob Böhme 
bilden, nicht allein, weil er am längsten golebt hat, sondern auch, weil seine 
Mitgliedschaft aus spätester Zeit erst nachweisbar ist, nämlich aus dem Jahre 1765. 
Unter Angabe dieses Jahres findet sich nämlich in dem großen Atlas der 
Homann'schen Erben eine Karte des Herzogtums Lüneburg, welche von Böhme 
entworfen ist und auf welcher er sich als sächs. Ingenieurgeograph und Mitglied 



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364 



Au» der Sturm- uud Drang-Periode der Geographie. 



der kosmogr. Gesellschaft bezeichnet. (Electoris Saxonia« cohortis architecton : 
milit: mathematicus et societatis cosmographicae Norämbergae sodalis.) 

Offenbar muss die Karte früher gezeichnet sein, denn 17*>5 existierte die 
Gesellschaft gewiss nicht mehr. Es wäre auch möglich, dass noch eine frühere, 
mir unbekannte Ausgab» der Karte vorhanden ist. Obwohl Böhme beinahe 
50 Jahre in Dresden gelebt hat, sind doch von »einein Leben nur wenig« 
Umstände zu ermittelt) gewesen. Nach J. O, Haymann (Dresdens Schriftsteller 
und Künstler, Dresden 1809) war Böhme der Sohn eines Predigers in GrolJ- 
pörten bei Zoitz und 1719 geboren und kam, wie er in der Vorrede zu »einem 
geodätischen Werke') sagt, 1750 in sächsische Dienste, indem er als Lehrer 
der mathematischen und militärischen Wissensehaften bei der Ingenieurakademie 
in Dresden angestellt wurde. Sein Gehalt war sehr spärlich bemessen, denn 
nach einer churfürstlicheu Verfügung (Finanz-Archiv Allerhöchste Speeial-Reser. 
1785, Nr. 116 vom I.April 1785,) wurde ihm zu seinem bisherigen Gehalte von 
80 Thalern noch eine Zulage von 15 Thalern aus der Generalkriegskassa bewilligt. 
Infolge der geringen Besoldung sah sich Böhme auf Nebenverdienste angewiesen. 
So hat ei- denn auch viele Jahre lang zu Leipzig und Dresden die Kalender 
verfertigt. 

Wenn nun auch in seinem erwähnten Werke die kosmograph. Gesellschaft 
nicht ausdrücklich genannt wird, so verweist er doch den Kartographen, der 
sich tüchtig heranbilden will, auf die Schriften der Gesellschaft und empfiehlt 
das Studium der kosmograph. Nachrichten und Sammlungen, den Staatsgeographus 
und die Homannischcn Vorschläge zu der nötigen Verbesserung der Weltbeschroi- 
bungswisseuschaft. (S. 39.) 

Was Franz 40 Jahre früher über den Kabinetsatlas gesagt, wird sodann 
fast wörtlich (S. 59) wiederholt. 

Da nun Böhme Jahrzehnte lan«r als Lehrer am Ingenieurkorpe gewirkt 
hat, so darf man wol vermuten, »las» er auf die Methode der Landvermessung 
eiuen gewissen Ein Aus« geübt. Es ist daher sehr wahrscheinlich, das» die seit 
I7H0 begonnene grolle Land Vermessung in Sachsen, aus welcher später der be- 
rühmte Oberreit'sche Atlas hervorgieng, durch Böhme beeinflusst ist. Und ich 
möchte dies als die letzte und späte Frucht bezeichnen, welche den Anregungen 
der kosmographischen Gesellschaft zu danken ist. 

In der Lehre von der Terraindarstellung fehlt allerdings noch jede Schärfe 
der Definition; allein Andeutungen sind doch gegeben, wenn er (S. t?5) verlangt : 
„Alle Gebirge muss man im Grundriss sehen können und soviel als möglich, 
mnss der Unterschied in den Höhen der Berge angedeutet, und die verschiedenen 
Böschungen bezeichnet werden." Es ist ein interessantes Zusammentreffen, dass 
in dem Todesjahre Böhmes (er starb am 25. Aug. 1797) die epochemachende Schrift 
J. Ch. Lehmanns „Darstellung einer neuen Theorie der Bezeichnung der schiefen 
Flächen im Grundriss, oder der Situationszeichnung der Berge. Leipzig 1797. u 
erschien und damit, neben der schon früher geforderten Genauigkeit in der 
Topographie auch das Rätsel gelöst war, das Relief des Bodens anschaulich 
und korrekt darzustellen. 

Keines von den Mitgliedern der kosmographischen Gesellschaft hat den 
Anbruch der durch Lehmanns Theorie herbeigcfünrten neuen Zeit für die Kunst 
der Kartographie erlebt, und Franz hatte prophetisch wahrgesprochen, als er 
ausrief: „Es kommt uns nicht darauf an, ob man auch in einem halben Jahr- 
hundert damit fertig würde, wenn nur der Sache dabei ihr Recht geschieht." 

Nach einem halben Jahrhundert geschah der Sache ihr Recht, und ganz 
im Sinne der kosmographischen Gesellschaft. 



') Abhandlungen, wie ein ganze* Land mit allen »einen OegeitAtütideii und Abteilungen 
durch geometrische und astronomische Beobachtungen vorteilhaft aufzunehmen und in einer Karte 
£cographisch vorzustellen etc. vou A. (i. Böhme, Lehrer der inathein. uud militär. Wisseiischafteu 
bei dem Kuri'ürstl. Siklis. Ingenieur-Korps, Doktor der Weltweisheit uud dor ökonomischen Ge- 
sellschaft zu Leipzig Ehrenmitglied. Dresden 5733. 



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Über den heutigen .Storni der Glaoialgeolo^ic. 
Von Dr. Hippolyt Hau in Kiel. 

Die Gletscherforschungen in den Alpen während der letzten Jahre. 

Seit den Tagen, in welchen Agassi z und seine Freunde angefangen haben, 
unter dem Schutze des riesigen, Hotel des Neuchutelois von innen benamsten 
Steinblockes auf der Mittelmoräne des Unteraftrgletachers und später der Pavillou ') 
des Neuehfitelois genannten Hütte ebendaselbst ihre klassischen, fast 5 Jahre 
hindurch anhaltenden Studien über die Gletscher und deren Wesen zu inachen, 
hat die Geschichte der GletscherforBchung eine große Menge mehr oder minder 
wertvoller Arbeiten auf diesem Gebiete verzeichnen können, Arbeiten, deren 
Autoren manchmal mit goldenen Lettern im Küche der Wissenschaft verzeichnet 
sind, wie die Namen Faraday's, Korbe's, Thomson's, Tyndall's, Sonklar's. der Ge- 
brüder Schlagintweit und Helmholtz' beweisen. 

In den letzten Jahren vollends sind solche Untersuchungen vielfach gemacht 
worden und die schönen Resultate, welche dieselben aufweisen können, sind vor 
allem dem Schweizer Alpenklub und dem deutsch-österreichischen Alpenvereine 
zu danken, welche derartige Forschungen nicht nur durch deren Publicierung 
im Druck, sondern auch durch namhafte und reichliche Gelduuterstützungen 
gefördert haben. 

Vor allen anderen interessant und von der größten wissenschaftlichen Be- 
deutung sind die Untersuchungen, welche Prof. Forel aus Morges und Ingenieur 
Philibert Gösset seit einer Reihe von Jahren im Auftrage des Schweizer Alpen- 
klubs und mit dessen Unterstützung am Rhönegletscher angestellt haben und 
noch anstellen. 

Diese Arbeiten der beiden Herren haben schon im Jahre 1874 begonnen 
und sollen bis zum Jahre 1885 fortgesetzt werden. Trotzdem dieselben also 
noch nicht abgeschlossen sind, veröffentlichen diese Forscher doch fast alle Jahre 
im Jahrbuche des Schweizer Alpenklubs ein Resume' ihrer Forschungen und 
ihrer Resultate, und haben auch auf den verschiedenen internationalen alpinen 
Kongressen, so unter anderem auch auf demjenigen, der vor wenigen Jahren in 
Salz! >urg abgehalten wurde, ihre Karten, Pläne, Photographien, Resumes u. s. w. 
ausgestellt, Dinge, welche den größten Beifall erregten und die gerechte Be- 
wunderung der Gelehrten und Fachleute hervorriefen, und von denen eine der 
ersten Autoritäten auf geographischem Gebiete, Professor Ratzel in München 
die Äußerung in der Zeitschrift „das Ausland- gethan hat, dass sie das Be- 
deutendste seien, was seit Agassiz's Zeiten für die Gletscherkunde ins Werk 
gesetzt wurde, und nicht weniger als die Schönheit und die Genauigkeit der 
kartographischen Aufnahmen des Gletschers imponierten die zahlreichen und 
minutiösen Details über Berechnung und Veränderung desselben, sowie die 
prächtigen und charakteristischen Photographien. 

Die von diesen Gelehrten angewandte Untersuchungsmethode ist folgende: 
Es wurden 4 Reihen Steine quer über den Gletscher gelegt und eine jede 
Steinreihe wurde mit verschiedenartiger Ölfarbe bestrichen, die eine rot, die 



') Es wird den Leser vielleicht interessieren, «u erfahren, dass ehedem cum Pavillon gehörige 
Steine im Lauf« dieses Kommers etwa 2400 Meter abwart.* von der 8telle, an welcher derselbe 
gestanden hatte, wieder auf der Muräne aufgefunden wurden sind. Sie waren mit rother Farbe 
bezeichnet und es wareu darauf die Jahreszahlen 1844 und 1H45, sowie diverse Namen vensciehiiel, 
no dass deren ehemalige Zugehörigkeit «um Pavillou auller Zweifel ist. Da die Lage desselben 
ehemals geiNlatimli bestimmt worden war, so lüsst sich die Lauge des Weges, welchen diese 8teiue 
im Laufe von 40 Jahreu zurückgelegt haben, aufs genaueste ermessen. 



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Ober den heutigen Stand der Glncialgcologie 



andere gelb, die dritte grün und die vierte schwarz. Von diesen 4 Steinreihen 
wurden zwei auf den oberen Gletscher gelegt, die rote unweit der Firnlinie am 
Anfange des eigentlichen Gletschers, die gelbe in die Mitte des obern Gletschers, 
die beiden anderen wurden auf dein unteren Teile des Gletschers placirt, und 
zwar die grüne in der Mitte der sogenannten Eisschale (unterhalb des Eissturzes), 
und die schwarze in nur geringer Entfernung vom Gletscherende. 

Zum Zwecke noch genauerer Beobachtung wurden nun zwischen die klei- 
neren Steine der einzelnen Steinreihen je jn einer Entfernung von 20 — 30 Metern 
größere Steine gelegt, welche genau nummeriert wurden. 

Die Lage dieser Steinreihen und ganz speciell der nummerierten Steine 
wurde nun mit größtmöglicher Genauigkeit auf den im Maßstabe 1 : 1000 an- 
gefertigten Plänen eingetragen und seit dem Jahre 1874 jedes Jahr auf das 
sorgfältigste vermessen. 

Die anfangs durchweg geradlinigen Steinreihen sind längst gebogen und 
ihre Bogenlinie ist jedes Jahr eine beträchtlichere geworden, ein weiterer, glän- 
zender Beweis für die schon von Agassiz, wenn wir nicht irren, ausgesprochene 
Behauptung, dass die Bewegung in der Gletscherroitte schneller vor sich gehe, 
als an dessen Seiten. Forel fuhrt in seinem auf dem internationalen alpinen 
Kongress zu Salzburg im Jahre 1882 gehaltenen diesbezüglichen Vortrage') fol- 
gendes drastische Beispiel dafür an : 

„Der Stein Nr. 53 u sagt er. ,der erste am linken Ufer der roten Stcin- 
reihe, ist von 1874 bis 1880 um ;>5 Meter vorgerückt, d. h. um ca. 9 Meter 
jährlich. Der Stein Nr. 27 derselben Steinreiho, welcher sich in der Mitte des 
Stromes befindet, ist in derselben Periode um G23,5 Meter vorgerückt, d. h. um 
104 Meter jährlicli. Die Geschwindigkeit ist iu der Mitte mehr denn llmal 
größer, als am Rande des Stromes. Die Abnahme der Schnelligkeit am Rande 
des Gletschers ist hier sehr bedeutend und übertrifft die Angaben der früheren 
Experimente." 

Ein weiteres Ergebnis dieser Rhönegletecheruntersuchung ist folgendes: 
Von 1874—1884 hatte die jährliche Bewegung der Mitte des Stromes folgenden 
Durchschnittsbetrag. 

Rote Steinreihe 101 Meter, 

Gelbe „ 110 „ 

Grüne „ 27 „ 

Schwarze „ 6 „ 

Es nimmt also die Geschwindigkeit des Stromes im Laufe des Gletschers 
erst zu, dann nimmt sie ab. Anfangs betrug die Bewegung der schwarzen, 
also untersten Steinreihe, im Jahre 10—11 Meter und ist im Verlaufe der letzten 
Jahre so gering geworden, dass sie gar nicht mehr abgeschätzt werden kann. 
Dieser letztere Umstand wird aber von Forel zum Teil dem außerordentlichen 
Schwinden des Gletschers zugeschoben. 

Auch über die Richtung des Stromes im oberen und im unteren Teile des 
Gletschers geben uns die Arbeiten Foreis reichlichen Aufschlug«. Während am 
unteren Gletscherende die von den Steinen gebildeten, gebogenen Linien fächer- 
förmig nach beiden Seiten der mittleren Axe auslaufen, also parallel mit der 
Richtung der Längsspalten, ist die Verschiebung am oberen Ende eine nur selir 
geringe, was durch den Umstand bewiesen wird, dass vom J. 1874 bis zum Jahre 1881, 
also in 7 Jahren, noch kein einziger dieser Steine auf die Seitenmoräne geworfen 
worden war. Auch die Geschwindigkeit der Bewegung der einzelnen Eisschichten beim 
Gletscher scheint, nach den am Rhonegletscher gewonnenen Resultaten zu schließen, 
bis in eine Tiefe von etwa 20 Meter dieselbe zu sein. Forel schließt das zum Teil 
aus dem Verhalten der Gletscherinülden, die da, wo sie beobachtet werden konnten, 
jahraus jahrein senkrecht und vertikal blieben, und aus den in die Spalten des Glet- 
schers gefallenen Steine einer der erwähnten Reihen, welche, nachdem sie den 
Weg im Innern des Gletschers zurückgelegt hatten, da, wo sie nach Jahren infolge 

') Der Vortrag i»t gedruckt in der ZeiUu-hr. d. deuUch-Kftterr. Alpcm-creiue*, Bd. 13, 188*, 
pag. IHM ff. Cf. hier »neh Kfltimeyer .Bericht über die Arbeiten am RhciuegletRcher" 1881, im 
.lahrbuche, de* 8. A. C. 1881— 8ü und „Ein Blick über die Genihii-hte der GlrtM-herstiidien in der 
Schwei*,- und „die Hauptrenulute der RhonegleUchervormeHHUng«)!« ibid. 1880—81. 



Cbor <1en heutigen SUud der (Jlacialgeologie. 



367 



der Schmelzung wieder au die Oberfläche kamen, in ihrer relativen Lage nur 
wenig von derjenigen der Steine abwichen, welche die ganze Reise auf der 
Oberfläche des Gletschers gemacht hatten. 

Eines der wichtigsten, von Forel und Gösset gewonnenen Resultate ist 
jedoch das, dass die Veränderungen in der jährlichen Geschwindigkeit des 
Gletscher« nicht von der Veränderlichkeit der Tiefe des Eisstromes abhängen, 
wie das ja bei fließendem Wasser der Fall ist und wie man das auch für die 
Gletscherströrae angenommen hat. 

Sodann hat Forel ferner den Satz aufgestellt, dase der hauptsächlichste 
Grund für die Veränderlichkeit in der Länge der Gletscher in der Geschwindigkeit 
der Strömung zu suchen ist. „Fließt der Eisstrom," sagt Forel, „in seinem unteren 
Teile rascher, so verlängert sich der Gletscher, fließt er langsamer, so verkürzt 
er sich." Dass die meteorologischen Ereignisse nur geringen Anteil daran haben, 
beweist der genannte Gelehrte dadurch, dass seit dem Jahre 1856 bis zum 
Jahre 1881 der Gletscher fortwährend im Rückzüge war und sich in diesen 
25 Jahren niemals ausgedehnt hat, dass aber in diesem Zeiträume Sommer statt- 
gefunden haben, in welchen die von der jeweiligen Temperatur dieser Jahreszeit 
abhängige Gletscherschmelze größer und andere wieder, in welcher sie kleiner 
war. „Und trotz alledem," fährt Forel fort, „hat sich der Gletscher in diesen 
25 Jahren fortwährend verkleinert." 

Genauere Berichte über den Stand und Uber den Gang der Untersuchungen 
hat Professor Forel, wie schon erwähnt, in den Jahrbüchern des Schweizer 
Alpenklubs veröffentlicht. Kurze Referate darüber linden sich auch in den Mit- 
teilungen des deutsch-österreichischen Alpenvereines. Eine weitere schöne Ab- 
handlung Uber die große Rückzugsperiode der alpinen Gletscher, „La grande 
periode de retraite des glaciers des Alpes de 1850 k 1880," hat Forel im Jahr- 
gange 1881 — 1882 des genannten Jahrbuches abdrucken lassen. 

Weniger ausführlich, aber ebenso interessant schildert der Waadtländer Ge- 
lehrte dieselbe Erscheinung in der zweiten Nummer der Zeitschrift „Echo des 
Alpes," Jahrgang. 1882. Von höchstem Werte endlich ist auch Foreis Ab- 
handlung „Essai sur les variations periodiques des glaciers" in den Archive» 
des sciences pbysiques et naturelles, Bd. 6. 1881. 

Mit der Frage nach der Bewegung der Gletscher hat sich in neuester 
Zeit auch ein auf anderen Gebieten bewährter deutscher Gelehrter, der leider 
zu früh verstorbene Dr. F. Klocke, weiland Professor der Mineralogie, erst in 
Freiburg in Baden, dann in Marburg a. L., eingehender beschäftigt. Seine Unter- 
suchungen hat er zusammen mit Dr. K R, Koch in Freiburg an der Westseite 
des Morteratsch-Gletschers im Graubündtner Lande im August und September 
des Jahres 1879 angestellt. ') Die hiebci angewandten, von Professor Pfaff in 
Erlangen zuerst versuchten und äußerst sinnreich konstruierten Instrumente ge- 
stntteten, die Bewegungen des Eises auf das genaueste zu konstatieren, die sich 
übrigens als sehr bedeutend erwiesen, denn sie konnten von 5 zu 5 Minuten, 
oder in noch kürzerer Zeit wahrgenommen werden. Die beiden genannten Herren 
gelangten zu den überraschenden Resultaten, dass ein und derselbe vermittelst 
ihrer Instrumente genau fixierte Punkt sich bald zu Berg, bald zu Thal, bald 
aufwärts, bald abwärts bewegte, und zwar ergaben die Beobachtungen an ver- 
schiedenen, auf ein Kilometer auseinander liegenden Signalen das gleiche Resultat. 

Zwei auf demselben Querschnitte des Gletscher« befindliche Punkte ver- 
hielten sich in dieser Hinsicht ganz verschieden, indem sich der eine z. B. auf- 
wärts bewegte, während der andere zu Thal wanderte, und umgekehrt. 

Auch ein Heben und Senken in vertikalem Sinne haben diese Forscher 
beobachtet, oftmals von der Größe von 4— 5 cm in einer halben Stunde. 

Leider hat der Tod einen der beiden Gelehrten hin weggerafft, ehe sie die 
begonnenen Untersuchungen zu Ende führen konnten und cb ist dem Schreiber 
nicht bekannt, ob Herr Dr. Koch dieselben allein zum Abschluss bringen will. 



') Aniiftli-n d«r Plijrik, Bd. 8. pag. 661 ff. (1879) nud Bd. 9 (1880). Aimug iu der Zeit- 
silnilt den di>iitM->i-i<>tcrrri<-liiHt<hf>ii Alpt-mt-reinen 1880, pag. tifi ff. 



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368 



Über deu heutigen Stand der Glacialgeologie. 



Der durch seine verschiedenen Arbeiten auf dem Gebiete der Experimental- 
geologie und auch der Gletscherkunde bekannte Professor Pfaff in Erlangen hat, 
anknüpfend an die Forschungen Kochs und Klocke's, weitere Untersuchungen 
am Pasterzen-Gletscher angestellt 1 ). Auch er gibt die Ungleichmäßigkeit in der 
Bewegung des Gletschers zu und stellt den Satz auf, dass jede Stelle des 
Gletschers bis zu einem gewissen Grade eine Selbstständigkeit der Bewegung 
besitze, wie sie bei einer plastischen Masse wol erklärlich sei. Als Grund in 
der Ungleichmäßigkeit der Bewegung gibt er an: 

1. Die Ungleichheit der Beschaffenheit des Gletscherbettes und 

2. die Ungleichheit in der Form und in den Verhältnissen des Gletschers 
seihst, insofern, als das Vorhandensein von Spalteu vor oder hinter einer Stelle 
von Einfluss auf die Bewegung derselben sein muss, und auch die Form der 
Oberfläche, Konkavität oder Konvexität, stärkere oder schwächere Neigung 
ebenso nicht ohne Einwirkung auf die Bewegung in e ; nzelnen Zeittcilen sein kann, 

Die Pasterze hat auch Bergrat F. Seeland in Klagenfurt zu wiederholten- 
malen zum Gegenstand seiner Forschungen gemacht. Seine in der Zeitschrift des 
deutsch - österreichischen Alpenvcreins niedergelegten Untersuchungen 2 ) bieten 
uns viel Schätzenswertes Uber das Sehwinden der Gletschermächtigkeit und Uber 
die einstige Ausdehnung der Pasterze. 

Einen bedeutenden Namen auf dem Gebiete der Gletscherkunde hat sich 
Herr Professor Dr. Franz Siniony in Wien erworben, wäre es allein nur 
durch seine herrliche bildliche Darstellung der Gletacherphänoinene, eines der 
unentbehrlichsten Hilfsmittel für den Lehrer der Geologie und der Geographie au 
der Hochschule*). Das hauptsächlichste Feld seiner Forschungen bildet das 
Dachsteingebirge 4 ). Von großem Interesse sind auch die Nachrichten, welche wir 
Simony Uber das Schlatenkees 4 ) am Gniliveuediger verdanken, an dem schon vor 
Jahren Generalmajor Sonnklar von Instätteu Untersuchungen angestellt hat. 

Von nicht geringerem wissenschaftlichen Werte als die Forschungen Foreis 
und Gossets sind diejenigen, welche der zeitweilige Vorstand des deutsch- öster- 
reichischen Alpenvereins, Professor Dr. E. Richter in Salzburg, im Laufe der 
vergangenen Jahre an dein seines prächtigen, die türkische Zeltstadt genannten 
Absturzes wegen berühmten Obersulzbachgletscher an der Nordseite des Groß- 
venediger-Massivs und am Karlinger-Gletscher im Kaprunerthale angestellt hat. •) 
Seine Arbeit enthält eine Fülle der schönsten und geistreichsten Beobachtungen 
und es ist nur zu wünschen, daas der Autor sein geäußertes Versprechen, die 
wissenschaftliche Welt demnächst wieder mit ähnlichen Publikationen erfreuen 
zu wollen, recht Ijald ausführen möge. 

Zu den interessantesten Ausführungen Richters gehört der Abschnitt Uber 
die Ursachen der Gletscherschwankungen. Es ist wahrlich nicht nötig, dass 
deren Autor die „Kühnheit" zu entschuldigen sucht, mit der er es wage, dieses 
rätselhafte Gebiet zu betreten, und er braucht kein Zagen zu fühlen, wenn er 
dieses Kapitel der Öffentlichkeit vorlegt. Wem in dem Maße, wie Herrn Richter, 
die Gabe zueigen ist, in der Hieroglyphenschrift der Natur zu lesen, der darf 
dreist sein Urteil neben das Foreis und Ges-sets stellen. 

Richters Theorie Uber das Vor und das Rückgehen der Gletscher weicht in 
manchen Punkten von der von Forel aufgestellten ab. Nach ihm ist die Be- 



') CIjit diu Bewegung dos l'a.«ter/t>ii-Glet»<'licrs. Zeitschrift de« deutsch - österreichische!! 
Alpeuvercins, 1881, pag. 1 ff. 

*) Studieu am Paster*cn-Glct*chcr, Zeitschrift des deuUch-öaterreichii«cheii Alpenvereius, 188(1, 
1882, 1883, 1884. 

*) Die Gletscherphänoinene, Darstellung im Lichtdruck, mit Text. Verlag voii Kduard Htthtel 
in Wien. 

*) Das Dachstcingcbirgc, ein geographische» Charakterbild nus den Nordalpcn. Zeitschrift des 
deutsch-österreichischen Alpenvorein«, 1H81, pag. 217. ff. 

Anzeichen säkularer klimatischer Schwankungen am Karls-EUfelde. Mitteilungen de« deutsch- 
östcrrcichischeu Alpeuvercins 1884, pag. 51. 

Photograph bdi« Aufnahmen und Gletscheruntcr»uchuugen im Dach*tcingchirgc ibid. pag. 'M4. ff. 

4 ) Da» Schlatenkees. Zeitschrift des dcutsch-Usterreichischeu Alpenvereius, J883, pag. 523. ff. 

«I Beobachtungen au den Gletschern der Ostalpvu. Der Ober»ulxh«ich K 1rt»cNfr. 18. St - 1882. 
Zeitschrift des deuUch-üsterreichischeu Alpenvereins 1883, pag. 38. ff. 



Über den heutigen 8Und der Glacialgeolope. 



369 



wegung, d. h. das Vor- and Rttckwärtsschreiten des Eisstroms, viel mehr abhängig 
von dem mehr oder minder großen Jahresertrag an Firn, als dies Forel zugibt. 
Unter der Berücksichtigung des Umstände», dass das Eis als plastische Hasse 
bei aller Strengflüesigkeit doch für Druck nachgiebig sei, ja sogar für geringen 
Druck, kommt Richter zum Schlüsse, dass bei jeder Eisvermehrung, resp. Gletscher- 
verlängerung unten, eine verhältnismäßige Nachschubmenge oben vorhanden sein 
müsse, die er sich so entstanden denkt, dass die Überschüsse mehrerer im gleichen 
Sinne aufeinanderfolgender Jahrgänge mit besonders starken Niederschlägen auf- 
gestapelt werden. 

Bei dem nur beschränkten Umfange dieses Referates ist es hier nicht am 
Platze, noch weiteres Uber die Theorien, Spekulationen und Beobachtungen Richters 
zu schreiben und muss ich mich damit begntigen, nur die wichtigsten Ergebnisse 
seiner Untersuchungen vorzubringen. 

So scheint mir die Erklärung für den Umstand, dass am unteren Ende 
des Gletschers dessen Bewegung eine viel geringere und langsamere ist, ab in 
dessen oberen und mittleren Partien, wie solches ja die Untersuchungen am 
Rhönegletscher aufs deutlichste bewiesen haben, äußerst scharfsinnig zu sein. 
Richter sagt hier, nachdem er sich Uber die von Forel zur Erklärung dieser 
Erscheinung herbeigezogene „Ablation interne" (innere Schmelzung) geäußert hat, 
Folgendes : 

„Auch dieser Erklärung kann ich nur zum Teil zustimmen. Es ist allerdings 
wahrscheinlich, dass in dünneren und der Abschmelzung sehr ausgetzteu Partien 
die innere Abschuielzung so bedeutend ist, dass die Abnahme der Bewegungs- 
geschwindigkeit gegen unten zu dadurch zum Teil erklärt werden kann. Es gibt 
aber noch eine andere denkbare Veranlassung. Das Gletschereis dürfte nämlich 
der Zu8ammendrUckbarkeit doch nicht ganz entbehren. Dass zwischen der Dichte 
des Firns und der Dichte des Eises am Gletscherrande ein sehr bedeutender 
Unterschied vorhanden ist, erscheint unzweifelhaft. Wahrscheinlich beträgt die 
Volumenvermiuderung des Eises durch die nach und nach erfolgende Auspressung 
- aller Luftblasen und anderer Hohlräume so viel, dasä auch dieser Umstand bei 
der Verlangsamung der Bewegung nach unten zu als nicht ganz unwirksam zu 
betrachten wäre. Doch will ich mich hierauf nicht weiter einlassen, da ich Be- 
obachtungen nach dieser Richtung hin noch nicht angestellt habe." 

Weitere Folgerungen aus seinen Beobachtungen bezüglich der Ursachen 
der Gletschcrsch wankungen zieht Richter auf Seite 70 und 71. Auch der Ver- 
zögerung der Periode der Gletscheroscillationen widmet er feinen längeren Abschnitt, 
ebenso den meteorologischen Ursachen der letzten Gletscheroscillation, wobei er 
auch eine tabellarische Ubersicht der Regenmengen von Klagenfurt 1813 — 1878 gibt 

Von größtem Interesse für deu Glacialgeo logen ist sein die Wirkung der 
Gletscher auf die Bodcngestaltnng behandelndes Kapitel. Richter spricht dem 
Gletscher die Befähigung und Kraft, auf festes Gestein erodirend zu wirken, nur 
in sehr geringem Maße zu, und belegt seine Behauptung mit recht drastischen 
Beispielen. Nicht minder beachtenswert ist das, was der besagte Gelehrte uns 
Uber die Grundnioräne mitteilt. Hier spricht er das gewichtige Wort aus: „Wenn 
ich davon sprechen soll, was ich etwa Uber die Erscheinungen der Grundmoräne 
beobachtet habe, welche in der Deutung der diluvialen Schuttanhäufungen eine 
so große Rolle spielt, so kann ich nur sagen, dass ich ein Hervorquellen solcher ' 
zerriebenen und abgerundeten Geschiebe unter dem Gletscher nirgends wahr- 
genommen habe, wie es stattfinden müsste, wenn die Grundmoräne vom Gletscher 
in so bedeutender Weise dislociert würde, als man das anzunehmen scheint" Von 
nicht zu unterschätzender Bedeutung sind schließlich die Bemerkungen Richters 
bezüglich des durch die Zerreibung und Verwitterung des Gneisses entstandenen 
Sandes oder Schlammes, der Uberall da zu finden ist, wo der Gletscher sich » 
erst seit kurzem zurückgezogen hat, der aber keineswegs, wie etliche Glacial- 
geologen vermuten, aus der Grundmoräne stammt, vielmehr auf der Mittelmoräne 
— durch noch unbekannte Ursachen — entsteht, und vom Regen und den 
Schmelzwassern unablässig in die Spalten oder Uber die Böschung des Eises 
hinabgespUlt und so dem Bache zugeführt wird." „Dass das Material der Gruud- 
moräne ganz ungestört bleibt," sagt Richter, „weder durch Wasserspülung sortiert, 

H.tlUr't ZrUtchrift V. AI. %Q 



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370 



Über don hcntigcn Stand der Glacialgeologie. 



noch mit dem Material der Oberfläche vermengt wird, durfte nur ganz aus- 
nahmsweise vorkommen." 

Den Schluss der Abhandlung Richters bilden einige sehr schöne Beobachtungen 
über Moränenbildung durch fließendes Wasser, für den Glacialgeologen ebenfalls 
von größtem Werte, und Uber den Mangel an sogenannten Riesentöpfen in dem 
von Hirn untersuchten Gebiete, woraus Richter die Vermutung schöpfte, der wir 
auch gern beistimmen, dass dieselben ein von der Gletscherbedeckung un- 
abhängiges Phänomen seien. 

Auch der letzte noch erwähnte Umstand, dass ein Rückgang der Gletscher 
das dem fließenden Wasser zugebote stehende Schuttmaterial ungemein vermehre, 
ein Vorschreiten aber dasselbe vermindere, leuchtet nach den dafür erbrachten, 
äußerst fasslichen Gründen sehr wol ein. 

Nicht voll und ganz schließen wir uns der am Ende der Arbeit ausge- 
sprochenen Ansicht an, dass es nach den am Obersulzbacbgletscher gewonnenen 
Resultaten ganz unbegreiflich ist, wie ein Gletscher Mulden ausschleifen oder 
ausschaufeln solle, und dass sich, wie sich auch alle anderen Erscheinungen 
unseres Phänomens bei den einstigen diluvialen Gletschern und ihren zwerghaften 
Überresten in gleicher Weise vorfinden, auch hiefür Andeutungen zeigen müssten ! 

Von den neueren Publikationen auf dem Gebiete der Gletscherkunde wäre 
noch eine Behr interessante Abhandlung des Herrn Franz Kraus in Wien zu 
erwähnen •), und eine weitere, von Herrn Ludwig Grünwald in Wien verfasste, 
„Zur Geschichte der Gletscherforschung" betitelt 9 ), welche den Vorzug hat, eine 
hübsche Übersicht Uber die älteren Arbeiten Hugis und Agassiz auf dem Gebiete 
der Gletscherkunde und Uber deren Beobachtungsmethoden zu geben. 

Nicht zu unterschätzende Arbeiten haben auch die Herren Dr. J. Dalmer 
und R. Seyerlen in ihren schönen Monographien der Riesenferner Gruppe') 
und der Zitlerthaler Gcbirgsgruppe 4 ) geliefert, Publikationen, die von wunder- 
schönen Karten begleitet sind, welche uns ein klares und anschauliches Bild 
von der Eiswelt dieser Gebirgsmassive geben. 

Eine Abhandlung des Herrn Dr. M. U. Frey in Leipzig Uber die Ursachen 
der Gletschcrschwankung») darf hier nicht Ubergangen werden. Deren Verfasser 
sucht darin nachzuweisen : n dass der Wechsel zwischen raschem und trägem 
Vorschreiten der Gletschererscheinung als solcher eigentümlich sei und bedingt 
werde durch die Reibung, welche das bewegte Eis zu Überwinden hat, wobei 
auch, wie Frey weiter fortfährt, neben den Wechselfällen der Witterung noch 
der Gestaltung des Gletscherbettes ein bestimmender Einfluss auf die Zeit 
einzuräumen ist, welche zwischen zwei Vorstößen verstreicht." 

Des weiteren wären hier noch die Beobachtungen des Herrn Dodge am 
Trientgletscher und des Herrn Otto Reinthaler am Langthalerferner im Otzthal 
zu erwähnen, *) welch letzterer solche im Auftrage der Sektion Meran des 
deutsch-ttsterreichischen Alpenvereins angestellt hat, sodann die Untersuchung 
Payots an den Gletschern des Chamounythalcs, T ) die Abhandlung Javelles über 
die Gletscher und die Gletscherperiode, •) die verschiedenen Publikationen Höfers 8 ) 
nnd die Arbeiten des seither Wcltbertihmtheit erlangt habenden Conte Giacomo 
di Brazza im Raccolana-Thale in den Südalpen. ,0 ) Der bekannte Afrikareisende 
hat sich das Studium der 3 Caningletscher zum Vorwurf gemacht, welche er als 
den letzten Rest des großen Tagliamento-Gletschers der Eiszeit ansieht. Eine 
im Maßstabe 1 : 32000 angefertigte Karte begleitet die Publikation. 



') Cber Gletscherbewegung. Zeitschrift des deutsch-österr. Alpenvereines 1879, pag. 69. ff. 
») Ebenda, 1882, pag. 330. ff. 

3 ) Zeitschrift des deutsch-flsterreichischen Alpenvcrein* 1880, pag. 381. ff. 
*) Ebenda, 1882, pag. 371 ff. 

*i Zeitschrift des deutsch-österreichischen Alpenvereine», 1883, pag. 244. ff. 
*; Miit. des deutsch-österr. Alpenvereins, 1883, pag. 15. 
: ) Aunuaire du Club alpine francais 7. aunfc, 1880. 
"j Neue Alpenpost, Bd. 9. 

») Gletscherkunde und Alpenverein. Neue deutsche Alpeuzcilnng, 8. Bd. Gletscher- uud Eix- 
zeitstudieu, ibid. 9. Bd. Eine GleUuherfahrt in Spitzbergen, Jahrbuch des Osten-. Touristenklubs, 
11. Klubjahr u. s. >v. 

»*) Soi-ieta alpiua Priulaua „Crouaea" del 1882, auno III. Udiiic. 



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Über den heutigen StAnd der Gl&cialgeologie. 



371 



Erst vor wenig Monaten erschien ein der Feder des bewährten Alpen- 
geologen Albert Heim entstandenes Buch „Handbuch der Gletscherkunde," als 
Teil der von F. Ratzel herausgegebenen Bibliothek geographischer Handbücher. 
Dies Werk, das sämmtliche Glacialerscheinungen von den Gletschern der Alpen 
bis zu den vereisten Gebieten der Nord pol nrländer umfasst, ein für jeden 
Glacialgeologen unentbehrliches Handbuch bildet und mit einer prächtig aus» 
geführten Karte des Aletschgletschers geschmückt ist, ist erfüllt von den geist* 
reichsten Theorien und Beobachtungen, wie sich das ja von dem Autor des 
Mechanismus der Gebirgsbildung nicht anders erwarten lässt! 

Es ist eine sohon lange festgestellte Thatsache, dass die Gletscher der 
Alpen ungefähr seit dem Ende der 50er Jahre unseres Jahrhunderts in einer 
großen Periode des Rückzugs begriffen sind, •) während dieselben vor dieser Zeit 
vorgerückt waren, doch scheinen wir am Ende dieser Rückzugsperiode angelangt 
zu sein, da ein Teil der Gletscher wieder vorrückt, worunter, nach Heim, schon 
fast alle Gletscher der Montblanc-Gruppe gehören. Es steht nach demselben 
Autor zu erwarten, „dass von Jahr zu Jahr einige weitere Gletscher ins Wachsen 
kommen und nach einer Reihe von Jahren das Wachsen allgemein wird."*) 

Übrigens bat Heim konstatiert, dass sowol beim Übergang des Schwindens 
in Wachsen beim Gletscher, als auch umgekehrt „die steilen kleineren Gletscher, 
und vod den größeren diejenigen mit gedrängtestem Querschnitt und größter 
Geschwindigkeit voran in der Reihe stehen." 9 ) Schwalbe 4 ) hat uns in seiner 
interessanten Abhandlung über die Gletscher des Kaukasus und über den 
temporären Rückgang der Gletscher überhaupt, von denselben berichtet, dass 
auch sie im Schwinden begriffen sind, erwähnt auch Gleiches von denjenigen 
der Pyrenäen und zum Teil von denjenigen Norwegens.*) 

Eigentümliche Resultate hatte Herr Dr. C. Diener bei seinen Beobachtungen 
an den Gletschern des Schwarzensteingrundes zu verzeichnen, wonach seit 1871 
bis circa gegen 1875 ein Vorrücken der 3 hier in Betracht kommenden Gletscher, 
des Waxeggkees, deB Hornkees, und des Schwarzensteinkees, stattgefunden hat, 
und zwar, wie Dr. Diener betont, ein sehr energisches Vorrücken. Während 
die von Sonklar ermittelte Ausgangshöhe der drei Gletscher anno 1805 1895, 
1916 und 1959 Meter betrug, war dieselbe im Jahre 1871 1920, 1970 und 2100 
Meter und anno 1882 wieder 1893, 1941 und 2071 Me^r.») Allerdings wird die 
Richtigkeit dieser Daten angezweifelt und auf Höhendifferenzen in der Mappierung 
von 1871 und der von den Herren Diener und Rehin anno 1882 aufgenommenen 
zurückgeführt. 7 ) Interessant sind die Mitteilungen, die uns Heim Uber die Schwan- 
kungen des Üntergrindelwaldglctschers in früheren Jahrhunderten macht, 8 ) 
und die Studie den Aufzeichnungendes Pfarrbuchs von Grindelwald entnommen hat 
Sehr lehrreich in dieser Hinsicht ist auch die Arbeit von H. Fritz.') 
Unter den Werken, welche sich ganz speciell mit der Feststellung der einstigen 
Ausdehnung der Alpengletscher und deren Effekte auf die Bodengestaltung des 
einstmals von ihnen bedeckten Areals zur Aufgabe gestellt haben, ragt vor allen das 
Buch Albrecht Pencks „die Vergletscherung der deutschen Alpen, 4 ' eine gekrönte 
Preisschrift, hervor. Es ist geradezu eine kolossale Arbeitskraft dazu nötig, eine 
solche Menge von Material, wie das bei Abfassung dieses Werkes geschehen 
ist, in der kurzen Zeit von 10 Monaten zu bewältigen und so ausgiebig zu ver- 
werten. Das Buch Pencks, der auf diesem Gebiete auch sonst schon manches 
veröffentlicht hat, ist in der letzten Zeit mannigfach der Gegenstand eingehender 



Cf. hier die schon citierteu Arbeiten Foreis, Richters, Bimunys u. s. w. Aach die Ahhaudlg. 
Fran* Sud«"« (Zeitschr. de* deuUcli-ÖAterr. Alpenverein«, 1879, p«g. 170. ff.), Wahrnehmungen 
über du Zurückweichen der Gletscher in der Adamello-Gruppe, ist hier «u berücksichtigen. 

*J Handbuch der Gletscherkunde, pag. 504. ff. 

*) loc. cit. 

4 ) Zeitschrift de« deuUch-österr. Alpeuvcreins, 1879, pag. 4G. ff. 

s ) Cf. Penck, die Gletscher Norwegens. Mltt des Vereins für Krdkundc, Leipsig 1879. 

•) Mitt des deutsc h österr. Alpenvereins 1883, Nr. 3. 

') loc cit. 1883. Nr. 10. 

8 ) Handbuch der Gletscherkunde, pag. 502. 

•) Petermaniu Mitteilung«!, 1878. 



1 



372 Über den houtigou Staud der Glacialgeologie. 

Referate und Kritiken gewesen, so dass wir unB darauf beschränken können, 
einige Punkte daraus hervorzuheben. 

Eines der gewichtigsten Resultate dünkt uns der Umstand zu sein, dass es 
Penck gelang, den Nach weis von drei aufeinanderfolgenden Vergletscherungen 
der Alpen zu führen, deren bisher nur zwei bekannt waren und noch ferner 
gefunden zu haben, dass analog den Verhältnissen in Norddeutsohland, die 
erste Vergletscherung bedeutend mächtiger war, als die zweite. 

Es ist hauptsächlich der ehemalige Inngletscher, mit dem Pencks Abhandlung 
sich beschäftigt, und sodann die Bildung der oberbaierischen Seen, wobei er der 
erodierenden Kraft der ehemaligen Gletscher den Löwenanteil zuschreibt. Die 
Lehre von der Entstehung der Alpenseen und derjenigen im Vorlande dieses 
Gebirgszuges ist ja von jeher eine Art Steckenpferd der Alpongeologen Uberhaupt 
und der Glacialgeologen insbesondere gewesen. Man braucht nur das Kapitel über 
die Möglichkeit der glacialen Bildung von Seen in Penck nachzulesen, um sich 
einen Einblick in die Fülle der Literatur zu verschaffen, welche dieses Thema 
behandelt. ') 

Tyndall, Gastaldi, Mortillet, Ramsay, Heim, Favre, Studer, Martins und 
noch viele andere, eine wahre Legion von Gelehrten, deren Namen unter die 
helltönendsten unter den Naturforschern unseres Jahrhunderts gehören, haben dies- 
bezügliche Untersuchungen ausgeführt und ihre Ansichten Uber diesen Punkt 
veröffentlicht. 2 ) 

Neben der Arbeit von Penck wilren hier noch zwei neue schöne Elaborate 
zu nennen, deren eines den Herrn Clessin in Ochsenfurt zum Verfasser hat und 
„die Moränenlandschaft der baierischen Hochebene" betitelt ist 3 ) Das andere 
stammt aus der Feder .). Bayerbergers und behandelt den einstmaligen Inn- 
gletscher nnd seine frühere Ausdehnung im Gebiete von Kufstein bis Haag. 4 ) 

Beide Abhandlungen sind äußerst lehrreich und interessant geschrieben. 

Hier sind auch die zahlreichen Publikationen der österreichischen Landes- 
geologen in den Organen der geologischen Reichsanstalt in Wien zu berück- 
sichtigen, «lesgleichen die Arbeiten Mortillets, Studers, Reneviers, Fuggers, 
Kästners und anderer mehr. Eine schöne Zusammenstellung findet sich in Ruti- 
nieyers Schrift Uber Pliocäu und Eisperiode auf beiden Seiten der Alpen. 8 ) 
Ganz besonders sind noch zu erwähnen die älteren Arbeiten Gümbels, a ) Stark», 1 ) 
Zittels, s ) Probsts 0 ') und des verewigten Professors Ed. Desor in Neuch&tel.' 0 ) 

Die Abhandlungen Pillets") über die Quartärperiode der Umgegend von 
Chambery in Savoyen und diejenigen Gutzwillers über die Diluvialablagerungen 
in St. Gallen und Thurgau sind neueren Datums. Letzterer Autor weist die 
Zugehörigkeit der sogenannten „löcherigen Nagelfluh 1 * zur Eisperiode nach und 
hat auch bei Mörschwyl Braunkohle vom Alter derjenigen von Utznach und 
Wetzikon gefunden. 

Die Diluvialbildungen im TeBsinthale hat Stapff zum Gegenstande seiner 
Studien gemacht. Falsan hat die ehemaligen Gletscher im Rhonebecken unter- 
sucht, ,l ) eine Arbeit, bei welcher Chautre ihm seine Beihilfe geleistet hat. Falsan 

') l'euck, loc cit pag. 3t>8. ff. 

*) 8iehe die nähern Literaturnachweise bei l'euck, loc. cit 

s ) Zeitschrift de» deutseh-öjitcrreichiAchen Alpenvercius, pag. 11'3. ff. Fr. auch von demselben : 
Der Aniperglctscher. Korreap. Blatt miucral. zoolog. Uescllsch. Regensburg, 1875. 
*) Peterinaun» Mitteilungen. Ergiiuzuugsbeft 70. 
») Ba*el 187«. 

*) Ain* der Eiszeit im Etsch- und Innthal. Sitzbcr. hayr. Akad. d. Wis*. 1872. 
') Ideale übersieht von Südweiitbaiern zur Eiszeit. ZeiUchr. d. deutsch-österr. Alpeuvereiues 
1873, pag. G7. ff. 

H ) Über Gleicherem heiuungen in der Hochebene. 8itzber. bayr. Akad. d. Wias. 1874. 

*) Über die Topographie der Gletscherlaudschaft im württemb. Oherachwaben. Jahrceh. Vereiu 
f. vaterl. Naluik. in WUrtt. 1874. 

w ) Über MorXnenlandachafteu. .Jahresb. Schweiz, naturf. Gesellsch. 1872—73. 
») Mem. Acad. d. Savoie, 1883. IX. 

'*) Iu Geolog. Beobachtungen im Tesaiuthal. (z. Tl. in der Zeitscbr. d. deutlichen geol. Ges. 
erschienen, j 

,J i Esqnisse geologique du terrain erratique et des anciens glaciers de la region centrale du 
Imidin du Rhöue. Ljon \>K*. (Als Re*uniö »r. Arbeiteu mit Chautre: Monographie grologique de» 
aneieiis glaciers de la partie Moyeinjc du bau» in du Rhone. Lyou 187J*— HOi. 



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Literaturbericht. 



373 



leugnet eine mehrmalige Wiederholung der Eisperiode in den Ebenen von Dombes 
und im unteren Dauphine, wenn er auch die Odcillation der Gletseher in dor 
Schweiz zugeben will. 

Die Grenze des Rhönegletschers im Emmenthal ist endlich der Gegenstand 
einer der letzten Arbeiten des unglücklichen Professors Bachmann in Bern ge- 
wesen 1 ) und Bourgeat hat die einstige Ausdehnung der Gletseher in den Thälern 
des Juragebirges westlich von Biel zu eruieren gesucht J ) Nach ihm ist die Kette 
der Dole selbst der Ausgangspunkt eines Gletschersystems gewesen. 

Stoppani verdanken wir eine schöne Zusammenstellung der neozoischen 
Bildungen, der Glacialablagerungcn und deren Äquivalente in Italien,') Nicolis 
hat sich mit dem alten Garda-Gletscher abgegeben, *) die Diluvialbildungen Ve- 
netiens schildert uns Tararaelli, •) wie überhaupt die italienischen Gelehrten in 
den letzten Jahren die Bestrebungen der Glacialgeologie vielfach gefordert haben 
Auch hier habe ich mich darauf beschranken müssen, nur das Wichtigste davon, 
zu erwähnen. 

Die einstige große Ausbreitung gewaltiger Eismassen in den Karpaten 
und in den Mittelgebirgen Deuteehlands hat Professor Partsch •) in Breslau ein- 
gehend beschrieben. Sein Werk fuhrt uns hinüber auf ein anderes Gebiet, nämlich 
zu den Forschungen, welche die Glacialgeologie in den Tiefländern Nordeuropas 
und Nordamerikas angestellt hat, um den Anteil, welchen eine einstmalige große 
Vereisung dieser Länder an der Gestaltung ihrer Bodenbeschaffenheit genommen 
hat, zu erörtern. Über die neuesten diesbezüglichen Arbeiten zu referieren wird 
meine Aufgabe in einer der folgenden Nummern dieser Zeitschrift sein. 



Literaturbericht. 



Alte Geographie. 

,M. I\ AHMIT2A1: KPITIKAI AloP«yv E |v R1S v XPAÜL , na ka , Ta aIWSIIASMATA 
A TTOT. — Athen, 1880.) 

Der Verfasser dieser Schrift. M. G. Demitsas, Professor der Geographie im Arsakeiou zu 
Athen, dürfte dor fleißigste neugriechische Geograph sein ; unter seinen ziemlich zahlreichen Publika- 
tionen (die wol im allgemeinen da» nuverdieute 8ehicksal teilen werden, das leider bislang der neu- 
griechischen Literatur überhaupt beschiedeu ist; nämlich kaum (Iber die Kreise der Landsleute de* 
Autors hinauixndriugent nennen wir folgende: XtopoYpi^:* rr ( ; M<xxt3flv:'ac ; — 1W//pa?{a tf,; 
M<xxt2ov:a$ {äpapV>attaa w» iv llaporv.: S'jXX'j-,'v> ; — 'Es:Tf>|ios ywrpaip:« rr t s 'KXXtjv. Xip-3v/T,w>; 
— - UoX'.T'.xVj Yitayp<X'fi<x rr ( ; K'ipo'urr,; ; — HoXiT'.xr, Y« m TP a 'f : ' a 'Aa:as. 'Afptxf,?, 'A|«p'.xr ( :. xa: 
"Sixuxvta;; — floXtT. -rtoiypa'f {« iwtvTcnv to»v |itp<<iv tt ( ; yi;; *Xy ( v rij; RX).. X»p3ovr ( 0'c*; -•- w KXcy/os 
'-■fj5 äpytiae yttDypafia; K. Kr.s£pt<v> 10: sp*c if ( v Maxe'>jv:av; — 'Bsiitojii; yemypa-f '* tt ( ? MaxsSwxr. 

In der vorliegenden Schrift unterzieht sieh der Verfaascr der Aufgabe, einige Irrtümer in den 
geographischen Mitteilnngeu Strabo's zu bcleucliteu. Dem „prinreps Graecoruin geographus" ixt, so 
fllhrt Demitsas ans, eine übertriebene PietXt gegen Homers geographische Augaben und eine 
ungerechtfertigte Geringschätzung Herodot* vorzuwerfen. Straho verfiel daher in maitche Irrtümer, 
die nur zum Teil von den Herausgebern und Übersetzern seiner Werke berichtigt wurden. Weit 
mehr Fehler finden sich aber noch in deu Auszügen seiues Werkes, und diese sind eher auf die 



') Mitteilungen d. uaturf. Gesellach. Bcru 1883, 6. Cf. auch dieselben, 188*. 
*\ Annale« 8<>c «cicut. Bruxclles 1883. 

*) L*era neozoica in Italia ossia descriziotic dei terreui glaeiali e dei loro cmiivah-uti in 
Italia Milan« 1H81. 

*) Note illustrative alla carta goologicn della provincia di Verona. Verona 18K2. 

») La formazioue naturale dei snolo veneto. Societ. alpin. Friulana. CrouacA 188>. Anno II. 

l'dine. 

*) Die Gletscher der Vorzeit in den Karpaten und den Mittelgebirgen Deutschland«, nach 
ficunUu uu l eigenen Beobachtungen. Mit 4 Karten. Breslau 1H8'.'. 



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:574 



LiterAturberichti 



Unkeuutuis de» byzantinischen Kxzerpienteu zurückzuführen, der den seitdem verloren gegangenen 
Teil des 7. Buches furchtbar verstümmelt hat, als auf die Strabo 's. 
Zunächst betrachtet Deraitsas uuu die Stelle 

Strttbo, 7, 333 

,1Vitr ( v ot; rr ( v öv»v ex niiv tttft r^v Ks&auvov xai rf,v 'AitoÄ.Xnivtav tfmtv tv a 
ju'v j;t: T<i 'IlTrctptiir.xd tSvr, x/.<vJu,t va t«J £txtÄ.ix»i TttXotytt Jit'jrpt tv» 'Au.ßpaxixr>'i 
x'JXrvj. iv dpisTsp-i 5t td opy; td t«»v 'IXX-jpuöv, o itpr,? t T;XöV,[uv, xa> td tfr/t; td teapet- 
xo-ma jis/pi Maxt?ov:cti x«: lla'.ovutv.* 

Der Vater der Geographie beschreibt hier die Römische Heerstraße Via Egnatia, welche — so 
berichtet er — von Epidamnos und Apollonia kommend in Uly neu sich vereinigt, geradeaus nach 
Osten geht und durch Macedonien bis tum Hebrusflusse (Marizza) reicht. 8üdlich von dieser ötraie 
lüge dann das Gebiet der Epiroten und würde vom Sicilischen Meere bis zum Ambrakiscben Golf 
hiu eingeschlossen; nach Norden lagen das Illyrische Bergland und die den Mazedoniern benachbarten 
Völkerschaften Illyriens. Au dieser Stelle passen die Worte ,:«' £:xt).-.x*J je«/.*-r«t** — sei es uuu, 
dass sie von 8trabo selbst stammen oder dass sie von irgend jemand anderem so verändert sind — 
uicht su deu übrigen Worten „td 'Hsr.puir.xd ifrvr t xX'>C»>u.tva pi/pi w> 'Au,ßpa*txvj xoX:tv>* ; 
es steht das, sagt Demitoas, fest, wenn auch keiner von den Herausgebern uud ÜbersoUeru bisher 
es beachtet hat. Wenn wir das aunehinen, so ergibt sich andrerseits die Notwendigkeit, die Wort« 
dieser Stelle durch andere, den tha [sachlichen Verhältnissen augepasate, zu ersetzen, was sich durch 
die Worte „T*J Iuivlhi mXayi'.* oder „tw 'lu»:(u x'jAihu" iu befriedigender Weise erreichen lässt. — 
Demitsa* stützt sich bei seinem Vorschlag auf folgende Erwägungen. 

Bei der Beschreibung des louischeu Meerbusens und des Adriatischeu Meeres definiert Strabo 
(7, 31fi) scharf die Greuzeu beider, und zwar stellt er als solche die Stadt Orikon (Erico) mit 
ihrem Hafeuort Fauorino» und das Akrokcraunische Vorgebirge hin; von diesem Puukte breite sich 
nach Norden die Adria aus, uach Süden der louischo Golf: „und Orikon und sein Hafenplatx 
Pauormos und das Keranuischc Gebirge (Kimarai bildet den Ausp.Hnp6|mukt des louischen Meer- 
busens uud der Adria. Der Eingang uftmlich ist beideu gemoiusam; der Unterschied liegt darin, 
dass als „Ionischer Golf" der erste Teil dieses Meeres, als .Adria" aber der iunere bis zu dem 
geschlossenen Ende — jetzt allerdings auch der ganze Meerbosen bezeichnet wird.** — Aus 
dieser Stelle ergibt sich, dass der ganz« Küstenstrich von Epirus sowie die Epirotischen Völkerschaften 
nicht das Sicilische Meer, sondern der Ionische Golf oder das Ionische Meer bespült Wenn also Strabo 
an erster Stelle 7. 316 sagt, dass der Ionische Golf die Völkerschaften von Epirus umspült, nachher aber 
i.7, 323) dasselbe vom Siciliseheu Meer behauptet, so muss mau, wie gesagt, zur Hebung dieses Wider- 
spruches und um den thatsächlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen, schreiben: „tw M«»v:<f> xoXatn" 
«>der „ti» Idi /iui RtXdyti* statt I:xt/.:x« rttXdytt.* — Aufler dieser Stelle finden sich uoch andere bei 
dem .Vater der Geographie,* welche dasselbe bezeugen, darunter zunächst folgende: „Der Ionische 
Moorhusen ist ein Teil des Meeres, welches man jetzt als „Adria* bezeichnet, dessen rechte Küste 
lllyrieu uud dessen liuke Italien bildet* Ci, 123); zweitens die folgeude: .... „ausgehend von 
dem Küstenstrich am Ionischen Golf — hierin endigt nämlich die Ausfahrt aus der Adria; — deu 
ersten Teil dieses Küstenlandes also bildet die Gegend um Epidainnos und Apollouia." (7,332.) 
Drittens ferner: „Molosscr, Athamaneu, Äthiker, Tympbäer, üresteu, Parorüer und Atintauen, welche 
teils mehr nach Macedonieu zn, teils mehr in der Nahe des Ionischen Golfes wohnen" uud 
endlich weiter unteu : „Illyrische Völkerschaften ... landeinwärts vom Ionischen Golf.* — Aus 
diesen vorgenannten drei Stellen kann man"am deutlichsten erseheu, dass die Epirotischen Völker- 
schaften und das Küstenland von Epirus der Ionische Golf, nicht aber das Sicilische Moer bespült. 
Deun wenn un« die völlige Richtigkeit der Schreibung l:xt).'.x*> RtXdytt* erwiesen wäre, so 
bleibt keiu Raum für deu louischeu Golf übrig, und folglich hätte des louischeu Golfe« gar keiue 
Krwähming geschehen dürfen, was doch widersinnig ist- Außerdem ist klar, dass auch die bei Epirus 
uud Hellas gelegeneu griechischen Inselu dcuTgcmcinsamen Namen „Ionische,* nicht „Sicilische* 
Inseln nach dem Meere führen, in welchem sie liegen. Dieselbe Schlussfolgc ergibt sich auch ans 
der Betrachtung der Lage des Sicili-chen Meeres, worüber Strabo sehr richtig bemerkt (7, 323;>: 
„Von Suuiou (Kap Colouuaj bis zum I'eloponucs liegt das Myrtoische und das Kretische, sowie 
das Libysche Meer mit seinen (iolfen, bis zum Siciliseheu Meer. Dieses letztere füllt deu Ambrakiseheu, 
Korinthischcu und KrisKischen Golf (Maro di Lepanto)." Hieraus geht deutlich hervor, dass, wenn- 
gleich er das Sicilische Moor fälschlich bis /.um Ambrakiseheu Golf ausdehnt, dagegen die Epirotischen 
Länder vom Ionischen Golf und nicht vom Siriiisehen Meer umspült werden, von welchem er spater 
sagt, dass es durch den Ionischen Golf bis zu dessen Miiuduug vergrößert werde. 



ized by 



Litaralurbericht. 



375 



Bemerkenswert ist übrigens, dass, während Strabo ohne Grund dorn Sic-ilischen Meere eine 
so große Ausdehnung anweist, Polvbius gerade im Gegenteil dasselbe nur bis zur SUdspitze Italien* 
reichen lässt nnd als Grenze «wischen dem Sicilisr.beu und Ionischen Meere das Vorgebirge Cocyuthua 
angibt (an der Ostküste von ßruttium gelegen.) ') 

Plinius aber betrachtet, ganz iin Gegensatz zu Strabo, das Sicilische Meer als einen Teil des 
Ionischen, ebenso wie das Kretische und Ikarische: „Demi die Grieuhcu teilen auch das Ionische 
Meer in das SUiliache und Kretische, von den Insolu au.* (4,18.) Und au andrer Stelle: „Tu 
demselben siud 2 Meere, das Ionische im vorderen Teile; das innere ist das Adriatische, welches 
man auch Suporum nenut* (4,25>.) Der Irrtum Strabos ergibt sich noch aus anderen Älteren und 
jungereu Schriftsteilem, die alle ohue Ausnahme bestätigen, das» sudlich vom Adriatiscben Meer 
der Ionische Golf oder* das Ionische Meer längs des ganzen Küstenstriches von Epirus und Hellas 
sich ausdehnt — Ans alledem geht unbestreitbar hervor, dass statt „tw StxtXtxM xthifv.* tu 
schreiben ist 'Iu>viip x'JXiru»* oder ,t«J 'lu»vüu RtXäyr.." 

Sodann wendet DemiUas sich zu 

Strabo 7, 326. 

.'Hsttptntai f /th\ xal 'AutpiX&yv. xai v. j:ttpxciu.svv. xa't o-jvoistovis^ 10:5 'IXÄ'jputi* 
tot": Tpaygtav otxvivTtg /«öpav. MoX^Tib: ~t xai 'Aj}ap.ävt; xa\ Aiihxi* x'xt T'jjjLtpa'fet 
x«t 'Opsatat, n«pu>pat'/- t» xa\ 'Auvt»v»s, ot piv »XrjOiciCovte; Maxt&vr. u.äXXov, 
oi Ii x<S lovt'u» XfrXjlm." 

Es war für Strabo unmöglich, sich eine genaue Kenntnis der Landstriche im Innereu von 
lllyrien, Epirus und Macedouien zu verschaffen, und folglich eine Unterscheidung der vormals in 
jenen Gegenden wohnenden Völkerschaften nnd Stämme der Illyrier, Epiroten und Macedouier für 
ihn schwer; beides gesteht er selbst beim Beginn ihrer Besprechung ausdrücklich zu: „Früher .. 
war es freilich nicht so sehr schwierig, ihre Grenzen auseinanderzuhalten, jetzt aber . würde 
man, auch wenn mau sie genau bestimmen könnte, nichts Nützliche« damit thuu, weil sie unberühmt 

nnd im Verschwinden begriffen sind Gleichwol will ich mich darau machen, soweit es 

mit meinem Werk im Znsammenhange steht und für mich ausführbar ist, alles Eiuzelue zu betrachten, 
vou dorn Küstenstrich am louischen Golf ausgehend." 

Wie also einmal die Dinge zur Zeit, als der Geograph sein Werk schrieb, lageu, ist in vieleu 
Punkten nnd besonders, wo es ethnographische Fragen betrifft, vieles durcheinandergeworfen uud 
genauer Sichtung bedürftig ; es haben ja das auch verschiedene ueucre Gelehrte beachtet und vieles 
verbessert. Nichtsdestoweniger bleibt immer noch manches der Herstellung bedürftig, wie obiges 
Heispiel zeigt Demitsas behauptet nämlich, dass in der aufgeführten Stelle die Oresten, ein mace- 
donischer Volksstamm, ganz widersiunig und unbegrüudet sei es nun von Strabo selbst oder von 
anderer Hand, im Text als Kpiroten unter den übrigen Epirotischcu nud Illyrischeu Stämmen auf- 
geführt worden. 

Denu die Oresten, welche in der Urr.eit, sei es aus Epirus oder aus einer nuderu Gegend, 
ausgewandert waren und sich in Macedmiicu niedergelassen hatten, waren Macedonier und ihr Land 
Macedonisch, uud nicht erst in der Epoche, in welcher Strabo sein Werk schrieb, sondern schon 
weit früher wurdeu sie von den Alten, z. B. Thucydides *), Polybins 3 ), Livius und anderen als 
solche angesehen; zunächst unabhängig unter eigenen Königen, treten sie unter Alexander, dem 
Philhelleueu mit Zuuanieu, als ein integrierender Bestandteil der Macedouischen Herrschaft auf, wie 
Strabo selbst erklärt.«) Ihr Laud wurde Orwuis, Orestia oder Orestias genannt nach seinen Bergcu, 
besonders dem Boios, welcher Macedonien von Illyrien und demnächst Epirus scheidet, im Gegen- 
satz zu dem flachen Emathia, nicht aber nach Orestes, wie Strabo, der mythologischen Über- 
lieferung sich anschließend, behauptet. 

Aus allem Angeführten folgert Demitsas, dass das Wort ,,'Op^^T'*•." fälschlich zwischen die 
Epirotiacheu Völkerschaften eingeschoben ist Er schlieft dies iibrigeus schon aus der Zusammen - 

1 1 .Von gauz Italien begreuxt die eine östliche Seite der Ionische nnd nach dem Festlaude 

zu der Golf von Adria, die nach Mittag und Abend gelegene Seite aber das Sicilische und Tyrrheuischc 
Meer; diese Seiten stoßen zusammen und bilden die Spitze des Dreiecks, das Vorgebirge Italiens 
gegen Süden hin, welches Kokynthos genannt wird und das Iouische und Sicilische Meer scheidet" 

*) Thucyd. 2, «0. „1000 Oresten, über die Autiochos König war Es schickte auch Per- 

dikkas ohne Wissen der Athener 1000 Macedonier, welche später kamen." 

J ) Polyb. 18, 30, ü. „Von deu Macedonieni die sogenannten Oresten" etc. 

*> 7, 826. „Die Landstriche um Lyuko* sowie Pelagonieu, Orestis und Eliinea nannte mau 
Ober-Macedouieu, späterbin auch Frei-Maccdonieu." 



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376 



Litcraturbericht. 



Stellung „Molosser, Athamanoii, Äthiker uud Tymphäer, O reute u, sowie Paroräer und Atiutaueu,* 
wo zwei Paar Epirotische Völkerschaften vorangestellt, eiu Paar hinterher aufcdfflhrt und «wischen 
diesen beiden Gruppen die Macedonischen Oresten eingeschaltet werden, deren Land den nördlichen 
Teil de« Haliakniou-Tieflandes bildet, während es vou den Parauräeru durch da« Boios-Gebirgc und 
Teile von Illyrien, von den Tymphäero durch dasselbe Gebirge und Teile von Elimca geschiodeu 
wird. Mithin i«t da« Wort .Opiat»'.- aus der angeführteu Stelle zu streichen, wie von den Epiroten 
der Macedonische Stamm der 0 rosten zu sondern, aus denen, nach dem Zeugnis eines Schriftstellers, 
sogar die Begründer der Macedonischen Herrschaft hervorgegangen sind. Indem Demitsas also 
erwagt, da« die Oresttm, welche an dieser Stelle «wischen den Tymphäera und Parauräeru ein- 
geschoben sind, als Bewohner des nordlichen Epirns doch auch Epiroteu sein müssten, gelaugt er, 
wenn er bei 8trabo keine Macedonischcu Oresten tiudet, *u einem Widerspruche, indem Strabo in 
Macedonien die Landschaft Orestis oder Oreetias anfuhrt, nicht aber die Oresten als Bewohner 
derselben. 

Zum Beweis übrigens, das* die ethnologischen Notizen Strabo's oft der Verwirrung und des 
Widerspruche« voll sind und der Begründung entbehren, führt Demitsas noch eine andre Stelle au, 
wo Strabo nicht nur die Oresten, sondern auch die Polagouier uud Elimeer filschlich als Epiroten 
ansieht „Denn wegen der Übermacht der Thessalier und Macedouier sind die ihnen zunächst 
wohnenden Epiro tischen Völkerschaften mit oder ohne ihren Willen tu Teilen der Thessalier oder 
der Macedonier geworden ; so gehören die Athamanen nnd Talaren in den Thessaliern, die Oresten 
und Pelagouier und Elimeer an den Macedonieru.- Denn die Pelagonior, die in der Urzeit 
am Nordlauf des Axios (Vistrisza) wohnten, — als dessen Sohn Homer den Pelagon anführt — , 
(II. 21, 164 — 160.) — , worden von den Ploniern nach den Landern am nördlichen Teile des Erigou 
(Tzerna) getrieben und kamen folglich mit den ganz abliegenden Epiroten iu gar keine Berührung. 
An anderer Stelle identifleiert Strabo, im Widersprach mit sich selbst, die Pelagonier mit deu 
Ploniern, Apoapasma 88: „dem Berichte nach ist der Asterogäos de» Homer, ein 8ohn Pelagon«, aus 
Päonien in Macedonien ; deswegen eben ist er auch der Sohn des Pelagon; denn die Päonier wurden 
Pelagonier genannt.- Keiner von den alten Schriftstellern berichtet aber, dass die Pelagonier 
Epiroten waren.») 

Abi dritten Punkt betrachtet unser Autor 

Strabo 7, 326. 

„' TRtp'jtxr/tat BoXXtovtt ti x«t T»'jX»vtiot xat llapftivo'. x»l Kp'Vpt aXi]atov 5t %i\ 
td »pY^ptia td tv Aau,»atüp, jrtpt » A'>tst»t t-r;v 5-jvaatt:*/ x»t 'K77tA.it«. 

o r »{ xa\ IioapTj*:''*'»; xaXvVat. Ilpi; 5i tvitot; A-iyxTjat»- ti x»t r, Ae->ptos'>i x»\ r t Tp - 
noXte IltXayovt» xat *E«ip5o\ x»\ 'EX'jir.a x*t 'Kpärjpa.- 

Hier macht er die Bemerkung, dass diese Stelle von den Worteu „KAijatov 5t xo-t" bis 
„iIt3»f.T 1 ft:ou: x»Xo'»<si" so verwirrt uud nahezu verstümmelt erscheint, dass man „einen Kalchas als 
Erklärer haben- müsste; wer die Stelle mit Aufmerksamkeit prüft uud die in Krage stehenden 
Gegenden von Augenschein kennt, wird sich nur schwer entschließen können, xu glauben, dass die 
betr. Worte von Strabo's eigener Hand stammen nnd nicht vielmehr vou audrer Hand gänzlich 
verderbt sind. 

Zunächst ist die Weudung „aXrptov 5t x'r> x»\ t» »py»pt5» td tv A*u,»atitu" doch allzu uu- 
bestimmt und deshalb wol eher einem Byzantiner als einem klassischen Schriftsteller zuzuschreiben ; 
so gebraucht z. B. auch Strabo's byzantinischer Epilomist im 25. Apospasma eine ähnliche Wendung 
„'Ott *'»?»<> itO'j x»t tö Bipp.'.ov Spot -*) Betreffs des Wortes „Aap.a3ti«p* ferner ist, da es bei keinem 
andern Schriftsteller vorkommt, durchaus unbekannt, in welcher Gcgeud dasselbe zu sucheu ist 
und was Uberhaupt der Name bezeichnet, ob eiueu Ort oder eiue Landschaft; aus dou dabei ste- 
henden Worten „sXt^-ov 5t jiv>- mus» mau scliliefleu, dass es sich auf eine Stadt oder eine Ört- 
liehkeit bezieht, die in der Nähe des Gebiete» der Bryger zu sucheu ist, welche leUtereu bekauutlich 



') Das gleiche ist anch betreffs der Elimeer zu sagen, welche Thucydides (2. 99) ausdrücklich 
als Macedonier bezeichnet : ..zu den Macedoniern gehören auch die Lynkesten und Elimeer, sowie 
andre Völkerschaften im Oberlaude;* „sein Zeuguis,- sagt Demitsas, „macht jede fernere Unter- 
suchung überflüssig. - 

») Tafel fragm. 25, p. 20. „Ha-c particula 'alieubi) vix erit veteris veriptoris, viri gravis, sed 
Byzantini epitomatoris. Hujus enim farraginis homines in rebus benenoti* per Attictsmi affectationem 
vel superbiam uuandam verhis utuntur dubitandi et amhlgendi; id quod multus mihi legendi usus 
persuasit.* 



Literaturbericht. 



377 



ihrou Wohnsitz im iiördlicheu Teil des Deckens von Rhesne uu<l Preapc hatten. 1 ! In der That liegt 
nämlich im nord-Sstlichen Teile de« großen Beckeus von Achris oiue inetallreiche Gegend, welch« 
von dem Brygischen Becken durch die Bergkette des 8kardos (Schar Dagh) getreunt wird ; diese 
letztere Erhebung zwischen Rhen und Achois heißt jetzt Petriua (bei den Byzantinern Pyrenäa 
odor I'ieria): auf* ihr lag Pylon, welches vor Philipp die Grenze zwischen Maecilouieu und Illyrieii 
bildete; es bezeugt da* Strabo: „— A:ä Ar/vtw') soA-uu; x<*\ IhXiV/o:. -.',-','> mw»x>* h rr, töm 
tt ( v xs 'IXX'>p:?a xa'i vry Maxiooviav 4 (7, 322), — sowie die Reisebeschreibung des Antoiiinu* — 
„Mutatio Bntcida" oder „Brugiada" nach Wesseliugk») — und des Hierosolymiticus — -Fiuis Macc- 
doniae et Epiri, - statt Illyris, welches spater Ncu-Epirus genannt ward. 

Wenn also Damastiou eine Stadt bezeichnet, von der uoch Silbermünzen auf uns gekommen 
sind, und wenn es mit dem vorhergehenden Worte Bpöyot, Aber deren Sitae man nicht mehr im 
Zweifel ist, in Verbindung zu bringen ist, so darf es aus den angeführten Gründen nur in der 
erwähnten Gegend gesucht werden 

Der darauf folgende Relativsatz jedoch „sipt « A-isstai aovMrrjaavro tr ( v v>vaoTE:av x-x: 
'Ky/EXetot - , bietet für das Verständnis große Schwierigkeiten, insofern die Diesten nur einmal, vou 
Herodian. bei dem Byzantiner 8tephanus erwähnt werden: adv. U:a9?at „^«p'ivtrai öp.o*.w; >" 
Opt^t-x: öu.o:'u>; ?l xa\ v. Aitsrai. Maxt?ov.xä V ttotv {»vrj.» Pausanias») dagegen versteht unter 
1 Hasten die Bewohner von Dion in Pieria, welche natürlich mit den hier angeführten Diesten in 
keinem Zusammenhang stehen ktfnneu, da sie ja zu Illyricn gehörten, und zwar r.u demjenigen 
Teile desselben, der von Philipp erobert und dadurch erst macedonisch wurde.«) 

In Ermangeluug eiuor passenden Erklärung hält Demitsas dafür, die Worte zu verbessern in 
„sspt '2 II tvjatoti; - letztere wohnteu nämlich im nördlichen Teil des Bockens vou Achris oder 
Lychnedos, wo, nach dem oben geführten Beweise, die inetallreiche Stadt oder Landschaft Damastion 
sich befand, so dass auf diese Weise die Lage der Silbergrubeo vou Damastiou mit dein Wohnsitz 
des Illyrischen Stammen der Penesten in Einklang steht. 

Dass übrigens die Peneston in der That im nördlichen Teile des Beckens von Achris, nörd- 
lich von den Dassarcten, wohuteu, beweist zur Genüge das Zeugnis des Livius 5 ) bei der Beschreibung 
der Feldzüge der Römer gegen Perseus, wo er genau definiert, dass der Vorort der Pcucstcii, Uscaua 
oder Hyscaua, von Lychnidos nur 12 röm. Meilen oder einen Tagemarsch entfernt lag. 

Nicht geringere Verlegenheit bereitet das folgende Wort „•By/eXtiv.", das einen illyrischcn 
Stamm bezeichnet; derselbe verdankt seinen Namen wol, in Rücksicht seines Wohnsitzes, natür- 
lichen Verhältnissen, nämlich der Fülle von Aalen (iy-/tX'»£i, wie man sie am Ansflnss des Drilou 
(j. Driu), aus dem Lychnissee (j. Ochrida-8e«) in großer Menge bei dem heutigen Marktflecken Struga 
fängt.*) Diese Vermutung gewinnt in Anbetracht der gleichnamigen Stadt Enchelanac, welche Po- 
lybius, bei dem sie allein vorkommt, an den Lychnidischeii See verlegt „T«»v 5i «tpt rr,v Ar/v.?:av 
Xt'jivyjv 'F.yytXävxs, Krpaxa, »«tüov«, Bv.o'j;' 4 5, UW. 



') Müller Maked. p. 44, Not. 43. „Damastiou keimt man sonst nur durch seine Silber- 
niilnzeo." Miouuct Discript. A. E. p. 54, wo die Lage de« Ortes nicht weiter besprochen wird. 

l ) Tafel Egnat. p. 37. „Etonim Bmga» revera ibi locoruin sedebaut, Daasaretioruni puto 
particula, vel etiam Lyncestarum (was wol auch richtiger sein dürfte), coli. Stephano p. 83. „Bp'iy;ä; 
aoXt ; Maxsooviai . . . Bp',4 tö j»v*j; xa't Bp-iya-.. 'K:al 3i MmiV.xw spooe/ts. T/.X'>pwi," uud 

weiter unten: „In bis Macodouia uou vetustissimo quidem sensu iutelligeiida erit, sed ea, quo Philippi II 
tempore intelligebatur. Is cuim ad istum Illyrici tcrmiuuin regui Macedonici tiues protulcrat,* 

') Pansan. 9, 30, 8. IV. 'A xa\ aoi'aijiis 'EXix«>v . . . ivVrov ot Aiaatai röv R^Tauiv sV-ppEiv 

*) Diodor 16, 8; Tafel Egnat. p. 3«. Moinekc vindic. Strabon. p. SS. „Dyesta* »ive Diestas, 
qui nunc priinum iu Macedonicarum xive, quod codein redit, Illyricarum g«'Hlium »nliiictn intro- 

ducMutur, coiuniciuorat Herodiauus apud Stephauu ubi quod dixi olim Dicstas vo»dem esse, 

quos Pausauias Atasta; vocat 1. c. Dii Macedonici iucolas, nuue retracto." 

% ) Liv. 43, 10. „Perseus. .. tertio die ad Uscauam (FotiCHiianai terra- ca maxima urbs csti 
posuit castra .. Appius ad Lychnidum protiuu» reliquias cladis reduxit," Dcsdevisscs, p. T27. 
„En 170, Ic cousul Appius Claudius, partaut ä quatrieme veillc de son camp, situc 1 h douze millcs 
d'Uscana, essaya de Mirpreiidrc les l'scauieus, il rccul uu grave t'chec et revint a Lychuidus." 

r M l'almer. grac ant. p. 206. „Et Drinus Fluvius . . . etiam piseibns abiindare et ut ex 
nomiue adjaceutis oppidi, qui 'Ky/tXäv*i. iil est Auqtiillariw'. a Polybio memoratur anquillis refertus 
esse colligitur . . . Ideo placet ejus lacus acctd.is a copia anquillamm qui distrahebant, Anquillarios 
divtas iuisse.- 



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;\7* 



Literaturbericlit. 



E» Hegt ein Zeuguis vor, welches ausdrücklich bestätigt, das« Kadinos auch hierher «u den 
Encheleeru kam, wo er die Stadt Lycbuidos gründet«: 

„Kt/i 2'aa rnißtuiv spoyo'viov tptx'>3r.a aaTpr ( v, 
A'igvaiov. t ( v <J>oiv'4 Kä?p.Cr; i^t'.ju s«T/.:v, 
tvfcv Xtyvoe ttjv 'KXtvuiivio;. oüvtxa Ka?p.&; 
stoi/i-'uiv 1 ; Aavaoi; spät;*: i*r.$t Tisov." 4 (Hclleu. Antbol. 7ü7.) 
Hiernach bleibt kein Zweifel, dass auch iu dem nun folgenden Relativsatz „o'ie %i\ -i3apr ( - 
iHmi xaX'i'iat- da« Wort Itsapr^.'o-j; au berichtigeil ist iu Aa33a{.T,:wj:. vou welchem Volkastamm 
die Kcbeleer einen Teil aufmachten, indem sie iu demselben Tbalbcckea um den Drilonfluss 
wohuteu. Beide angefiibrteu Konjekturen aber werden wiederum bestätigt durch die darauf folgeudeu 
Worte „Jipö; 3i wirc;; (den Sesarethicru) A»yxr 4 3-a; Tt xat \ Ar^ao« ;* die Lynkesten wohuteu 
uämlich im südlicheu Teil des Thaies von Preape uud Bitolieu, in unmittelbarer Nachbarschaft 
der Dassaretier; die Deuriopcr dagegen am nördlichen Laufe des Erigon (j. Tscherpa), in der 
Nachbarschaft der Peuosten, von deucu sie durch die vorerwähnte Skardoskette geschieden wurden, 
welche letztere ihrerseits «ich zwischen Aehris und Rbesne, jetxt Petrina, hinzieht und auf welcher 
Pylon, der Grenaort vou Illyrien uud Macedouieu vor Philipps Zeit, lag. Daher folgert Dcinitsas 
ans den letzten Worten „AuTxr.aTai ri xat r t Arjotoa«", dass mit den Encheleeru und Seaarethieru 
die Nachbarn der Lynkesten im Becken von Lycbuidos gemeint sind, nicht aber andere, weitab im 
Küstonlaude des Adriatischen Meeres wohnende Völkerschaften. 

Auch von den darauf folgenden Worten „xat i; TptVAt; lUXa-r«*:«* ist, wie Demitsas anführt, 
das erste, TptaoXts, ganz fälschlich untergeschoben und mithin zu streichen. 

Uemcntsprechend ist nach Dcinitsas die ganse Stelle folgendermaßen zu beriebtigou: 

„Txcpotxr/»?*. BjXXt&vt; Ts xa\ Ta-jXävttot xat IlapJMvv. xat Aa33apr ( 7t<»t xa": Bpjy»>i. 
N/.T,3tov 5s z'y> xat tä äpy>pt:a Tä tv Aaua^ttiu. iwpt a llmsTat s-msTY^avTo rr ( > 
wvasTftav xat 'Ky/t'Xttot, v>; xat Aa3aapr ( ::o>; xaXoist. Ilp'j; 2i tokot; ArptTjorat tr 
xat r t Afjp-osoe xat t ( UfXayovta xa\ 'Eop2o: xa» 'KXtp.jta xa: Kpärjpa." 

IV. Strabo 7, 327. 

„'0 24 'Eptytiiv aoXXä oc(äp.cvo; pVifxaia ix täiv D./.'jptxiiiv öpü>v xat Ajyxr,3Tii>v xat 
Bp-iyuiv xal Aoptoaiov xal Ilc'Xayäviuv tu tiv 'A4t2.v ix^tJtoat." 

In diesem Passus erscheint es zunächst ungereimt, wenn der iu Macedouieu gehörige Erigou 
in Verbindung mit den Flüssen vou Epirus und dem Fcstlaude vou Hellas aufgeführt wird, uämlich 
mit dem Inachus, Arachthus, Achelous und Euenoa, mit deueu er bei seiuer gana entfernten Lage 
iu unrdwestlicheu Macedonlen in gar keinem Znsammenhange steht 

Zweiten« fehlt, wie au» dem Wortlaut der Stelle mit Sicherheit hervorgeht, hinter dem Anfang 
'A Eptywv* ein Wort wie „pe'iuv,- wie es im 20. Apospasma steht, wo die Rede von demselben 
Flusse ist, uämlich „xa 1 . u 'Kptywv ao:a;i/»'; xat Aovsta:- ö jU v (der Erigon) ix TptxXäpwv ptiov." — 
Drittens sind die darauf folgeuden Worte hinsichtlich ihrer natürlichen Lage durcheinandergeworfen, 
wie Demitsas uach seiner autoptischeu Keuntuis jeuer örtlichkeiten, uämlich dor Quelle, des Laufes, 
der Zuflüsse des Erigon uud seiner Mündung iu deu Axios (j. Wardar) bei 8tobi»i schliefleu zu 
müssen glaubt. 

Um also deu wirklich thatsächlicheu Verhältnissen Kechnuug au tragen, ist die Stelle zn 
verbessern, wie folgt. 

„'0 31 'Kptyetv ijcjv ix tetv 'IXX'iptxibv ipröv xat TPt'iXb 5e$äp.sv.g pt'jjiata sx tiwv Ar>- 
pt'<ti'<v xa: Bvjymv xat HiXaywov xat A •■yxT J 3Te>v st: röv 'A;w ix3t5<«>3i.* 
Denu in der That entspringt der Erigou auf deu Illyrischen Bergen, durcheilt zunächst das Land 
der l'Honischeu Derrhioper — wie Strabo selbst weiter unten berichtet: „xat ist tJ 'EptyAvt aasa: ai 
tüjv At'jpt'jRtuv Ko/.tt; wxtvto." — demnächst das Land der Brygcr — von denen weiter nnteu 
erwähnt wird „KiSpat 51 Bp'Vywv»») — femer das Gebiet der IVlagonier und endlich das der Lyu- 
kenteu, von wo aus er dann uach Norden umbiegt uud iu den Axios fällt. Aus allen diesen Laudert! 
empfäugt er zahlreiche kleinere Zuflüsse und GießbJiche, beiläufig 80 an der Zahl, vou deueu den 
Alten nur 2 bekannt siud, nämlich der Bevu« und der Osphagus. 4 ) 

') Kadmos gilt bekanntlich als Erfinder des Alphabet«. 
*> Liv. .'19, 5:1. 

h Steph. Byz. ad V: Uvtr,, -'i/.t: MaxcViV.a; xa't sp'>; a>T-j) Bi-Vo; aotajwr.- Liv. 34, 'IX „Ad 
Lyucum stadva posuit pr<>j>e tiuineu Bevum." 

«; Liv. 31, 3f>. „Et ad Osphagum Humen posuerunt castra . . . vallo super ripam amuis dueto 
(Erigouum incolic vorant^ teudef Abel Makedon. p. p,'. 



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Literaturbericht. 



370 



V. Strabo, oh gleicher Stelle. 

Ilpotipov jjlsv mv m; *&Xt:e rpav tvT'/ti sirvra: tvk'/.:. TpisoXt: Y f '"' v ILXaY f <vti eXt'YeT'j. 

r,S xal "ACwpoe y ( v, xa't tut ttp 'KptY«i>v; säoa: a: ?J>v ADv.'isiov :i,'Xr.: ipxy ( vro, o>v ti 

rp<isvt«v xal 'AXaXxopiival xal Irißapa. Küftpat 81 Bpr/w.* 
Wie in der dritten 8tellc am Schill»» in den Worten n sp« Si xv\zv.z A^XY^tat tt xal t, 
AE'>p.'otto{ xal Tp-iioX'-C IWkfi'ivni xa't 'lv>p3ol xal 'KXtiitia xa't 'Kpäripa* das Wort „Tp'stoXts* ein- 
geschoben und mithin zu strichen ist, so mus* man auch hier dasselbe Wort, Tp:so>.:;. streichen, 
desgleichen sind auch die darauf bezüglichen Worte ,y,i xal ~\Z»>y,: y,V als ein fremder Zusatz 
oder als ein Irrtum 8traho's anzusehen, welcher am Ende des 326. Paragrapheu — „xal vr, xal 
tä s«pl Aöyxov xal lltXaY'jviav xal "Opi3?tä$a xal 'KXijutav tt;/ ävu» MaxeSov-av txäX'/jv» — einfach 
Pelagonia ohne den Znsatz TptiroXi; anftihrt und nach der vorliegenden 8telle Azoros unter den 
Thessalischcn Städten, und zwar als Tripolitts, auffuhrt: „xal rroXt; '0$>ivsta napä tiv "liuva sorauöv 
«isr/'ma 'A^u'ipou rr ( j Tpi!to).:t:So; 3Ta2:vj; ixktov etxor..* 

DcmiUas folgert daher, dass es weder eine Tripolis Pelagonia, welche auf den Erigon passen 
könnte, jemals im Laude der Deuriopen und Lynkeateu gegeben hat, noch Azoros als eine dazu 
gehörige Stadt, sondern nur einfach ein Pelagouia •, die Tripolis Pelagonia dagegeu gehört nur nach 
Thessalien, spcciell zu PeiThaebicn, nach dem Zeugnis des Livitis. Dementsprechend sei die Stelle 
zu verbessern : 

llpvrrpov jifv r,*»v xa't scoXtcs Tjaav iv tote »ftvest tVjtv.j. tjyo'jv tj IltXaYov.a xa't ist: rw KptY«»'. 
itäca: ai rrnv Aepp^.azriuv «'Ast; cpxv ( vTo, «V/ xh Bpt>ävto< xal 'AXxojuval xa't iT^i/Sappa K'iopa*. ?e Hp'»Y«>v. 

Abgesehen von der Streichung der Worte „Tp-soXte iXtyiT»». t,{ xa't v A£<opo; yjv* und 

vnu der Änderung des «yoOv' 4 in „r^viv,* hat Domitsas auch die Schreibweise Arjp'.ojru» mit Atp- 
p'.'ismv vortauscht, eutaprochend der Schreibung, die eine dort au Ort uud Stelle gefundene, von 
ihm herausgegebene Inschrift hat'), desgleichen „'AXaXxou.r<al* mit „'AXxojuval, " nach der neueren 
Schreibung, zum Unterschiede von der gleichnamigen Thematischen Stadt, und endlich „ST-ifJapa- 
mit „Iriiißappa," uach der Schreibung einer Inschrift, worin oiu Stymbarrhäcr Dionysios als Autarchon 
und Dionysios der Sohu als Marktmeiator, aYopavop.0?, erwähut werden. Pelagonia als Stadt wird 
von Livius und Diodor anstatt de« Lynkestischen Heraklea als Vorort des 4. Bezirks vou Mace- 
donien unter der Roinerherrschaft angeführt. 



Zahlreichere und schwerere Fehler, als im Text des „Vaters der Geographie," tindeu sieh 
in den auf uns gekommenen Auszügen aeines Werkes, die von seinem jeder geographischen Bildung 
euthehreudeu Hyzautinischen Epitomisten herrühren. Mit solchen Irrtümern iu den Apospasmen beschäf- 
tigt sich Demiteas im zweiten Teile. 

7. Strabo Aponpusm. i29, 10. 

,'tltt r t M«i?'<v!« ;tip'.op:«fTa'. ix vöV/> ii T'j 'l%Y''aTta öoip änö Aoppayto» koXjiu: 

spö,* ävatoXa; tvisij U»$ HusaXov.xtta;. Kai tz:'. *J, r/fjiu toito tt ( ; Maxioovtas 
xapaXXr l XoYpa}t|i.ov EyYtata." 
In dieser Stelle dos 10. Apospasma rinden sich zwei Fehler: Zuerst führt diu Via Eguatia 
von üyrrhachinm uud Apollonia (j. Polina) durch Illyrien uud dann mitten durch Macedouien 
bis zur Mündung des Hebrus und bis xur Stadt Kypsela, wie Tafel riclitig bemerkt 1 ), nicht aber 
bis Thessalonica, welches erst auf der Mitte des Weges liegt. 

Dana dem iu der That so ist, und dass der Epitomist uach eigenem Gutdünken die Worte 
Strabo«. über diese Straflo schonungslos verstümmelt haben niuss, das beweist die detailliert geuauo 
Iteschreibnug, die Strabo vou ihr gibt i'7, 3'J2): „'Kx 'A rf;; 'AnoXXutvia: tt; Maxs?ov;av r ( 'lv,'vaTia 
S3T-V r.'J.z uo. r pt r pr t \i.'A;:i\>.ivr i jiiX'.ov xa't xatssnjXmii.svTj *d. h. mit Meilensteinen versehen» 

jm'/pt KritXmv xa't "Kjipvi mx r A\w>." • 1 t 



') Siehe llavootp. *->XXao. Ct'M. Ea ist hier bemerkenswert, da«w, während Strabo berichtet, die 
Städte in jenen (legenden seien zerstört worden, dementgegen die Inschrift, welche aus dem Eude 
des 1. Jahrhunderts nach Chr., also aus der Zeit nach Strabo stammt, bezeugt, dass die Stadt 
Derrhiopos erhalteu blieb uud PoliUruheu (praefectos urbi), einen Rat und ein Rathaus besaß. 

*) Tafel fragin. p. 10. Not. 20. „Theasalonica cum Via Egnatia alio tempore illustravi. Ista 
vero Romauorum via medium habnit Thessalouicae non tiuem, qui erat ex Oriente Hebri (Maritzae).-' 

3 ) „In denselben Irrtum verfällt der Epitomist auch am Ende des 13. Apospasma, wo er 
fälschlich angibt, das« Strabo r U-(t: ii xa't ty ( v "K^attav vV// :t>.iiT«v ti; Ht-^aXw'xtsav äsö xv't 
IuAuj xoXrcot).- 



3H0 



Literatnrbericht . 



Fehlerhaft ist es zweiten*, das« die Via Eguatia Maeedouicu im Süden hcgrcuzuu »oll. Nach 
dein ausdrficklicheu Zeugnis Strabo's führte diese Heerstraße flber Lychuido« uud dea Plate Pylon, 
welchor au der Straße Illyrien nnd Macedouien trennt, dann ain Karuusgebirge entlang, über 
Heraklea, durch da« Land der Lyukesten uud Eordäer nach Edcssa nnd Felis uud bis Thessalouika . 
Der EpitotnUt treuut also ganz willkürlich die Hälfte Macednnieu* ab, nämlich den grüßten Teil 
v.m Lynkestis, Eordla, Emathia, Hottifta, dam ganz Oreutis, Elime* nnd Pieria. Eine solche Süd- 
grcuac, wie der Epitoinist behauptet, hat Maeedouien niomali hcsewen. Das* seiuc Augabe hier 
ganr. fehlerhaft ist, ergibt sich auch aus seinen eigenen Worten im 15. Apospasma, wo er die 
Siidgrenze Hacedoniens richtig beschreibt „'iHt 4 Iltjvtu!», . . . Stopt^r. MaxtSovt'av u.sv spo? ß<>ppäv. 
Hf33*X:av l't iipi; vJtov,* uud in dem vorhergehenden 14ten „täe irr/fa; t/wz* äitl xvt TtTapi',-> 
opr;-».; T«J 't)>.-jfi.aü), Z xävts '"jft-Ev »/p/tta: Stopt^st v f/jv Mfxxt'.'.vt'av äs', rr ( r 

ticssaXt'a; ... iv äptoTjj.« uiv Jfywv (uMmlich der Titaresios, j. Sarauto Porös) töv "OX-ip.st.v, Maxs- 
?'jv.x4v Spcj (iitnupoTaTov.- 1 

Demnach ist die Stelle wie folgt au verbessern: 

"Ort *; Maxs?',via *Ep'.i>p:$ETat ix votoo Je tat; ix3'//.a~t: ?«,•) llr-nwt, ?ip 'H/.-ijistp tw* 

Tttapi». Tot; Kaußowtot:. xal rat; MXX'iptxot; xal ' HttEtpu>r.xeit; optst. -4 

Die Worte, betreffend die Via Eguatia, sind ganz zu streichen, da sie mit der Siidgrenze 
Makedoniens in gar keinem Zusammenhang stehen, sondern von dem Epitomisteu hier gauz un- 
motiviert uud unverständig eingeschoben sind. 

II. Apospasm. 329, 12. 
"Ort i, Uy-jvA: piv ipi'Jf. rr,v xätw xat itpös »aXorrj Maxiotvtav iitä HttTaXta; xa't 
Mayvrrata?. AXtäxjuuv Ss rf;v av<o. xat st: tv>; 'HnetpuVrar xal tVi; Ma'ova: xa\ a-'ito; 
xat o 'Epfjfwv xal 6 'A£ti; xat ttcpw." 
Deu Schlnss dieser Stelle ändert Demitsas wie folgt: 

,\\Xiaxn»v oi rr ( v avw xat xo>« Uatova« i 'Eptfiiv, 6 *A$tfc« xal i ^Tp>jAiiv.- 

777. SfroA. Apospaam. 329, 15. 
„""Ott ö IItjvs:« itoTapi;, pE<»v Sta tJüv Ttjirctüv. xat äp/öutv^ äsö to'j ll'vov» »»pvjs, 
xat 3tä h.I3t;s Hi33aX:a; xat tiiv Aatttotbv xa't lltppatßüiv, os/op-svi,; te tV> "rVjpiMTtov 
sotajiiv, 5*. Tttapr^wv »*»v<>|ta3t, otopt'Ctt Maxt&ovtav jiiv irpo? Iloppäv. W;33aX:av Ii 
spie voiov." 

Hier herrscht betreffs der Wortstellung eine große Unorduuug, die die Ungeschicklichkeit des 
Epitomisteu beweist, iudem derselbe deu logischen Zusammenhang verdreht und die natürliche Folge 
der drei Teile des Flusses. nKmlich t^telle, T,auf uud Mündung, durcheinanderwirft. Um der Unordnung 
abzuhelfen, ist die Stelle ua«h Üeniit.ias iu folgender Reihenfolge zu lesen: 

„ O« 1, IIr ( veii? sotajii; äpyijwv,; tx rvi iTVSv) opvi; xat Stä fw'T;? Hs33aX:'a; xat tiüv 
Aastotöv. xal iräv Ttu.so»v ptiuv, 2r//>u.tvJ; ti t'<v K*ip<usov scTanov, 5v TIut^'js Tttap^stw miu\\m\, 
otopt^tt MaxgS^v.'av u.lv ttpl{ poppäv. HEasaXtav oe itpft; vötav." 

Außer der Herstellnug der richtigen Wortfolge hat Demitsas hier uoch das Wort llcppat^tüv 
gestrichen. Dieselben wohnten weiter nördlich am Fuße der Kambunisehe« Berge (j. Volntza Geb.), 
und ihr Laud durchströmt mithin der Europas (j. Saranto Toros), nicht alier der weit südlich 
fließende Peueus (Salambriai. 

Für die Richtigkeit seiner Auffassung führt Demitsas das vorhergehende 14. Apospasma an: 
,'l'et o llrjVtiä; äito To» Iltvio-J. op»vi; vA jtE3r,; rr;; ^issaXtae r.y,z ha. AttÄ^cuv ?,e 
ta: t.iiv AastSwv so/.its xat llippat^iir/ ttva« rivastst toi« Ttu.fcs3t. itapa/.ajliüv R/.t:o > ? 
»'jrano'i3, «'»v xal ö K^piruto?. - 

Aus dieser Stelle ergibt sich klar, dass das 15. Apospasma fehlerhaft ist und der Richtigstellung 

bedarf. 

IV. Strab. Apospasm. 330, 20. 
„Mtta '»i tö Att»v a: rvi 'A*.täxu.',v<(S ix^'/Xa*!. Kita ll'iova. Mi^wvvj. v AXiup»,{ xat ö 
J Eptf«»v itfita|i.öf xat Av^tae-o jiiv tx TptxXäpwv pfwv 5:' *Opi3Tii,v xa't ty ( { IlcXXata^ 
tv äpt3TEp« ä^-.Et« rf ( v Äo'Xtv. xat 3'>ji^a>.Xuiv 'A4tw. u 
Iiier glaubt PemiUas das Wort \\).täx[iov,c, das zu deu folgenden Worten nicht pnsM, durch 
ein andres ersetzen zu sollen, um dem gaitzeu Apospasma einen logischen und den tluitsächlichcii 
Verhältnissen entsprechenden Siun zu gebeu. Als passeudes Wort erscheint ihm nur /RX'.xÄv*; ;» 
•leim iu der That liegt die Miiudung des Helikon nördlich von Diou; weiter nördlich davon liegen 
dann die aufgeführten Städte Pydna, Methone und Aloros. Nimmt mau dagegen die Lesart „ AXtaxp/yvo:* . 
als richtig, mithin die llaliakmoumüuduug zunächst, d. h. hier nördlich von Diou au, dann würden 



Literaturbericht. 381 

Pydua und Methone, welche iloch südlich der Haliakmonmündung zu suchen sind, nördlich davon 
zu liegen kommen, wu also zu einem Widerspruch führen würde. — l)as« in der That bei Dion 
(j. Agia) ein Fluss Helikou in den Thcrmaischen Meerbusen mündet, bezeugt ausdrücklich Pausauias 
(9, 80, 4):„'l'ti 5t xot: nnrauAs BX'.xiöv," ferner Lirin«, 44, <> nnd Ileuzov, Olympe p. 121. 

Noch größere Schwierigkeiten bereiten aber die Worte: „xot: ö Ev.ye.v- hinter dem Wort 
„"Xi.wyiS* ; der Erigon kann an dieser Stelle in gar keinem Zusammenhange mit Aloros und 
Methone (j. Elerthero - khori) stehen, da er weitab im Nordeu in dem Becken des Derrhiopischen 
Päonien« und Pelagonieus fließt, folglich also seiner natürlichen Lage nach .in dieser Stelle 
nicht vorhanden sein kann ; liegen doch zwischen ihm und Aloros ganze Provinzen, nämlich 
Lynkestis, Eordäa, Almopia, Eniathia und Boltiäa; hierfür ist Strabo selbst Zeuge, indem er iu 
dem aus erhaltenen Teile (7, 328) den Erigon folgendermaßen beschreibt. „'<> 5t 'Kpiymv itfÄXa 5t;*- 
jitvo; pt>>]iara *x t«>v 'D.Ä'ip'.xtijv öpiüv xa: A'>yxr;3ti»v xa'i Bp'>yu>v xa: A;'>p:o's:uiv xat IU/.ayJv»uv s:; röv 
'Ai'.iv tx5:04<iT.." Abgeseheu von diesem Zeugnis verweist Demitsas zur Bestätigung seiuer Anualime 
auf die folgenden Worte der in Rede stehenden Stelle, nämlich „ö jtiv (der Erigon) tx Tp'.xXotpuiv 
pi'wv 5t' "Opi3Tu>v;" hiervon gehört das erste „TpixXaptuV zn den bei Strabo nur einmal erwähnten 
Wörtern, kommt sonst aber überhaupt nicht weiter vor; 1 ) das wichste F '<>pi3t»bv", das ganz bekannt 
ist. ist mit dem Erigon in keine Verbindung zu bringen, indem zwischen diesem Klus« und dem 
ßcekeuland von Orestis noch Lynkestis und Teile von Pelagonien liegen; nordöstlich von diesen 
fließt erst der Erigon. — Es bleibt demnach die Frage, durch welches andere Wort 'Kptyiöv ersetzt 
werden kann, um die logische Übereinstimmung mit den übrigen Worten herzustellen. Den der 
geographischen Unkeuutuis des Epitoinisteu entstammenden Fehler abzustellen, ist nach De mit*«* 
Meinung am geeignetsten das Wort „'AX'.*x;umv." Denn dieser (j. Wistritza) ist der einzige Klus*, 
welcher am Ostabhang des Bonia- (j. Ofammos-)Oebirges entspringt, dann znuächst das Land der 
Oresteu, demnächst eiuo große Strecke lang Elimea durchfließt und endlich in den TherinaYscheu 
Meerbusen in der Nähe von Aloros, unweit des Ludias, mündet Nimmt man diese Konjektur als 
richtig au, so erübrigt noch die Erklärung der auf "Oputiv folgeudeu Worte „xat tt ( j IltÄAaia; iv 
'ip:3Ttp« <ipts\; ri;v roAiv." Tafel verwirft sehr richtig die ungeordnete Stellung der Worte in diesem 
Apospasina; ») bei der Unmöglichkeit, Unvereinbares zu vereinen, behält er dann die Lesart „'Epiytnv" 
bei und schlägt dafür statt „Ihi./.«:«:" — „Mt/.ayovsot;* vor, ohne dabei die Worte 'Opr?To">v, 'AXiopo; 
und ArMit; ins Auge zu fassen, die doch mit dem Erigou zusammen aufgeführt werden, aber mit 
diesem weitab liegenden Flusse in keinem Zusammenhang stehen können. Tafel sagt: Ergo pro 
Ilt'.Wa; legi vix alitcr poterit quam lls/.ayovvxi." — Nun passt aber weder die Lesart Utü.aiu; 
— womit das Land um Pella in Botti&a gemeint wäre, — da der Erigon ja mit Pella iu keinerlei 
Verbindung steht, noch auch die Konjektur IhÄayovto«, die Tafel vorschlägt, da diese mit deu vor- 
hergehenden Worten „'OpisTtüv, "AX«»po; und .W»3ta^ nicht harmoniert, mit denen der Erigon fälsch- 
lich statt des richtig zu lesenden Haliakmon in Verbindung gebracht ist. Demitsas setzt deswegen 
(statt \h'ht,* : .v$ oder Ih).aye/v:'at) hier n Hippe* ct{," da in der That der Haliakmon dicht an der Stadt 
Berrhöa (j.Werria) vorbeifließt und sie links liegen lässt; eine Stadt Pelagonia, wie Tafel haben 
will, kennt Strabo nicht; außerdem lässt der Erigon Tafeis Ktadt Pelagonia (d. h. Bitolia) nicht 
liuks, sondern rechts liegen, was seine Konjektur widerlegt. 

Einer der neueren Übersetzer Strabo's, Amedee Tardieu, behält die Lesarten 'Kptyuiv uud 
llts.ik*:*; ungeprüft als richtig bei, verwirft auch Tafeis Konjektur ll.Xayov'a; und ändert uur das 
Wort TpsxXäpcov in Aopioiccuv, zieht aber dabei gnr nicht in Betracht, dass der Erigou weit entfernt 
vou dem Pelläischen Lande fließt, nämlich in Päonien nnd Pelagonien, und dass er folglich mit den 
Oresteu, mit Aloros, Methone und dem Ludias nichts gemein haben kann, mit denen er doch ganz 
unpassend in Verbindung gebracht wird.») 

') Tafel fragm. p. 14. „Triclari ante erant ignoti," — 

l ) Tafel fragm. p. 14. ^Nullo ordine s. Strahn s. Epitomator Erigoncm et Ludiam fluvios 
memorat . . Maxime vero iueommoda moda Erigouis meutio esse videtur." 

J ) Geograph, de Strabon. traduet. nonv. 1. 77. „Nous avons vu aiusi que Müller, dans cottc 
denomination, l'equivalent de trifarium divisi, mais en rapprochant ce passsge du §. 9. du ch. VII 
du präsent Hvre, nous avons cru devoir l'appliquer auz Deuriopes situes plus pres de la source 
du fleuve plutdt qu'aus Pelaguns, d'autant que Strabon dans le meine passage nous uomme les 
3 villes ou chefs-lieux de la Deuriopie, Bryanium, Alalcomeues ou Alcomeue« et Stymbara. Ind. var. 
lect. p. 987 col. 1 et 2. Voy. la uote ou pour mieux dlre l'intcressanto dissertatlon k l'adresse de 
Tafel, dans laqnelle Müller demontre qu'il faut maintenir le nom de iltXXot'.'ae par preference a 
celui de llt>.*yw* ; . Cetait aussi Pavis du «avant M. Hase (Journal d. Savants 18Ö8, p. 757), 
qui releve ä cette occasion uu des prineipaux merites de l'editiou de Müller, „d'avoir eUbli tili« 



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Literalurbericht. 



In «lein ganzen Apospasma habeu uur die letzten Worte: „xal *>u.ß«i.Xt»v t« WSt*»" ihre 
Richtigkeit, wenn nie sich auf <leu Erigon beziehen sollen, alle Übrigen aber lassen sich am besten 
cum Helikon in Besiehung «teilen und passen nicht auf den Erigon, wegen der großen Entfernung 
der angeführten Objekte. Das ganze Apospasma ist somit, wie folgt, hersuatelleu: 

„Mcta xb Atov ai toO 'K).tx«ovo? Kotau/v» txßo/.a: • dta Ilö2va p MioSivTj, "Aikcupo; xal ö AX'.äxficov 
noiauÄs xal Avj&a;-o tiev ix TptxXäpwv p«<»v ?>.' 'OptiTwv xal rfc Ktppua; iv dpiottp« äxwt; tt ( v 
rcoX-.v xal yj|j£äXXi»v TW Av*8ia." 

In der That hatte nämlich der Lndias (j. Karasmak) vor Alters mit dem Haliakmon eine 
gemeinsame Mündung — nach dem Zeugnis des Herodot: „ui'/pt A>>3uiä te icorap.o'i xal 'AXtäx- 
iiove.?, ot wpiWrti fr t v rfjv BoTTiatföa xal Maxtäw&x. i; T(mö ps»»pov ti ">5u»p yjji.u.'aY 0 '"*««'' nicht 
aber mit dem Axios (j. Wardar), wie e« jetzt allerdings der Fall ist- Betrachtet man auf einer 
Karte die Lage des Erigon und die von Pelläas mit l'ella, so sieht man, das« zwischen beiden 
.schattenreiche Berge und lachende Fluren liegen," welche die Verbindung beider von Natur un- 
möglich machen. 

Strab. Apospasm. 330, 22. 

„*<>r. jiEt* tiv At'jv ko/.'.v f, 'AXiäxjuuv rcotau.05 S3f.v, ix(iäXXo>v 1:5 t»>v Otpu,a:ov xoXirov. 

Kai tö äno TOüTO'i t; »:p6e fäoppäv t«/> xoXnw itapaXia I1'.»p''a xaXcitat im; 'Ay.»>0 

KOT0t|jio»j, ev j\ xal IMäva ? ( vOv Kiipov xaXe-Tai. stta Mi«%'»vt ( xa't "AXwpos soXr.;- rtr« 

'Epi-raiv xal Aoo&a; jtoTa,w> 
Der Anfang dieses Apospasma von ör. jmt« tiv AV>v bis xdXjtov ist vollkommen richtig. Die 
darauf folgenden Worte jedoch, „xal tö äisö rv»Toti >; icps floppav w'i xoXkv* xapaXia Hupia 
xaXtl;a>. tu>5 To") 'A;io') Kotau.«/)*, sind ganz fehlerhaft, «insofern sie ganz Pieria zwischen deu 
Haliakmon und deu Axios (j. Wardar) verlegen, — während doch ein Teil dieses I*and»triche» 
zu Emathia und ein Teil zu Bottiäa gehörte, — das ganze KUsteulaud südlich vom Haliakmon 
dagegen, das wirkliche Pieria, uubeuaunt uud leer lassen. Es ist auflallend, dass keiner von deu 
neueren Herausgebern und Übersetzern Strabo's diesen wahren „Herkulesspruug" dos Epitomisten 
beachtet hat; Tafel erörtert uur den Umstand, dass sich Pieria bis zum Axios ausdehuen soll, 
wahrend er der Anweisung einer ganz falschen Lage für das Land gar keine Erwähuung thut: „Pi- 
eriam 'usque ad Axium procurrere h. I. dicit, Inferius vero Aloruro Bottiteam urbem nuneupat. Quod 
utrumque vix conciliari potest. Bottiwa onim inter Axium Ludiamque intermedia est." (Fragm. p. 
18. Not. 44). Tardieu') aber sagt über die Fehler in dieser Stelle Uberhaupt gar nicht». 

Der Angabe des Epitomisten, welcher Pieria zwischen Haliakmon und Axios verlegt, zufolge 
müsNten auch die iu der Folge erwähnten Orte Pydna und Methone, als Städte von Pieria, nordlich 
vom Haliakmon in dem Strich bis zum Axios hin gesucht werden, was den thataächlichen Verhältnissen 
nicht entspricht Außerdem würde das deu im vorhergehenden 20. Apospasma aufgeführten Worten 
über Aloros und Pydna widersprechen, wo es heißt: „rty jiiv oov "AXu>pov Iktretix^v vou/ICov», 
tt^ 3t ll'iävav ll'tpiKTjV, 1 * sowie der Stelle im folgenden Apospasma: „r, uiv o'jv ll->2va MttpixTj iz-i 
ndXts, ij 5fc "AXtnpo; BoTtatxr,. - Dieser Zwiespalt löst sich uur, wenn die Anfangsworte n ov. utT« 
zh AViV ito'Xiv i, 'AXtäxjwuV verbessert werden iu „ött vdt',v tv» A!m ö 1Iy;ve'.ö; u , falls man eine 
solche Änderung zulassen will. Nur so läast sich der Widerspruch heben und ein vernünftiger Sinn 
in die darauf folgenden Worte: „xal to ä»rö tvjwj (vom Peneos, anstatt vom Helikon) r t «po; 
Ji^av tr,-> xo'Xtwj irapaXia üupta xaXiItat," briugen. Hiernach bliebe nur noch die Nordgrenze 
von Pieria falsch angegeben, in den Worten nämlich B iu»c tvt 'A£w"> R'/Tau//>. - wofür dann zu 
schreiben wäre „iu>s wi 'AX-.oxuwoe auf diese Weise ist das Apospasma, bis hierher, richtig 
hergestellt. 

Vou den beiden letzten Wörtern, ferner „Kita 'Kpifii'iv xal \v,v.it Ku-.<x\t.v.S ist das ersto, 
n Kp'-Y«»," verderbt und ohne jeden Zusammenhang ewischeu der Stadt Aloros und dem Ludias- 
flusse aufgeführt; es ist folglich zu schreiben: 'AXtaxjuuv xal Awüaj KOTap,« - anstatt „'Kp:Y«'» v 
xal Af/>?i«;;" Haliakmon und Ludias fließen beide in der Nähe der vorher angeführten SudtAloros. 

Falls mau auf Beibehaltung der Anfangsworte „or. u,etä ti Alov r'J'/.*.v ü 'A/.'oExjiwv" bestehen 
und die Richtigstellung nach Demitsas Konjektur iu „ö-t «pi; vdtov to'"> Avvj u Ilr^vci; R'>tau*>" nicht 
gelten lassen will, geht jeder vernünftige Sinn in dem Apospasma verlorcu ; dieses müsste daher als 
überflüssig aus der Zahl der Apospasmeu gestrichen werden. Niemals hat es zwischen Haliakmon 



distiuetion claire et precise eutre les faux proveuaut des copistes, et les errcurs vommises par Strabou 
lui-meme." Qleichwol ist es den natürlichen Verhältnissen nach unmöglich, deu Erigon mit Pelläa 
zusammenzubringen ; ein einfacher Blick auf die Lage der betr. Objekte genügt, das zu beweiseu. 
») voL IL, p. 79. 



LHeraturbericht. 



383 



und Axios ein Pieria gegeben, souderu au allen Zeiten hieß daa Küstenland, welches «ich zwischen 
Haliakmon und Peneu* ausdehnt, Pieria. Auch Pydna und Methoue lassen sich nicht zwischen den 
Haliakmon und den Axios verlegen. Dass endlich der Erigon hier ganz unpasseud mit dem Ludias 
zusammengestellt wird, ist vorhin nachgewiesen. 1 ) 

VI. Strab. Apospasm. 330, 23. 
„'Kita i 'Aj'.i; Z:*xipüiv, rr^v ts Bw.aiav xa: rr,v 'Ap.?a4 ; .t:v y^jv xa: rcapaÄaßwv tov 
'KpsY« iwa Rötauiv tgtvjr. fiita^'j XaAaarpa; xa\ Wipu*?. u 

Auch iu diesem Apospasma hat, wie man deutlich erkennt, der Epitomist infolge seiner 
geographischen Unwissenheit die Worte gaua durcheinandergeworfen. Er stellt uümlich, ohne jede 
Überlegung, die in die Mitte gehörigen Worte vor die zu Anfang gehörenden, während sich bei logi- 
scher Berücksichtigung der natürlichen Verhältnisse folgende Reihenfolge ergibt: 

„Kita h 'Xi'M. Kaf*).«puiv töv 'EpiY«»** *"t«|i/Jv, %i\ SsaipAv nr ( v ?t Itotr.aiav x*\ ri;v 'Au.?*- 
ItT'.V TY ( V, igvrjOt (Uta^'l X«/.«3Tp«5 xal WtpuTjs." 

Denn der Axios nimmt zunächst im Norden den Erigou (j. Techeroa) bei Stobi auf; nach 
der Vereinigung mit demselben erreicht er weiter abwärts die Landschaften Amphaxitis und Bottiäa, 
durchströmt beide Länder und mundet dann in den Thermaischen Golf zwischen Chalastron und 
Therme — anstatt Thessalonike. — Die Benennung „Therme" gebraucht der Epitomist öfters, 
obwol dieser Name zu seiner Zeit nicht mehr existierte; wie alle Byzantiner liebt er es eben, 
mit altertümlichen Bezeichnungen um sich zu werfen. 

VII. Strab. Apospasm. 331. 33. 
„"Ort "Axav(K»5 Z'Uki: tv t«I Ji'.yyttix»! xo/.xiu tar\ stap'iiuo; «ÄT ( 3'idv rf ( ; :vi Et'pi'c» ^luipu'/o;.* 

Da die Identität von Akanthos und dem heutigen Hiorisson in unsrer Zeit als erwiesen gilt, 
so mussdie Lesart „tv t»»' Styy.Tix«" falsch sein; statt dessen ist zu setzen „tv t^J 'Axav»:'«»" oder 
„tv Tw 1tp»jjxov.x« wie das auch aus dem 31. Apospasma erhellt, wo die Lage von Akanthos 
richtig folgend ermallen beschrieben wird: „Msta^j u Iiyyixis xo>.«:o{ <j. Golf von Hagion Oros) 
äxo rij; tv Vitt» K>'/t.w>i äp/a:a? x«tf3xajiu,Evr ( i, I.'yyvi torntju». MtiV t,v *Ax*vöV,; trct t»J h*;up* tv*> 
v .\{h<» xtijitvvj äoX'.;. 'AvSp.Wv xt*3u.a, äy' r t z z'ffyv. xa: töv x<&r:'<v 'AxavJHw xa^r/»?:. - 

Die Vermutung Mannerts und Tafeis, dass der Isthmus so schmal gewesen wäre, dass die 
Stadt bis zu beiden Meeresteilen sich ausdohnte: oder dass sie selbst am Siugitischen Golf gelegeu, 
ihrem Hafen aber am StrymoniBcheu (j. Golf von Orphaui) gehabt hätte,*) ist irrtümlich, 
wie sich aus dem Zeugnis Herodots ergibt, der das erwähnte Küstenland sehr wol kennt und 
berichtet, dass die ltreite des Isthmus 12 Stadien (= s /io Meilen) betrug, (7, 22) 

„Ty 'A TE).t'»T<t i; rr ( v rjsttpov ?6 wtpoc. ytpsovtjsotiite tt t3Tt xa: t3*u.ö; i»$ VMu&rxa ataSicuv, 
Tttv.w Ü zv'i'ij xa": xoXujvf/i ot> jiiyaXo: tx &aAäTrr ( > ty ( $ '.Vxavftuuv tut ftä/.aitav rr ( v ävr:av TopMvvje," 
wo er nach Demitsas, der die Stadt Hicrisson (Akanthus) und den durchstochenen Isthmus aus 
eigner Anschauung kennt, die Lage ganz genau beschreibt. Demitsas findet eine Bestätigung »einer 
Ansicht in anderen Stellen bei Herodot nnd bei anderen Schriftstellern, welche einstimmig Akanthus 
nicht an den Singitischen, sondern an den Akanthiscben Golf verlegen. 3 ) 

In einer in der Zeitschrift W&Srjvaiw veröffentlichten ausführlicheren Abhandlung hat Demitsas 
sich mit dem 24. Aposp.des 330. Paragraphen beschäftigt, um nachzuweisen, dass die darin enthaltenen 
Angaben des Kpitomtsteu Aber dio Ideutität von Thessalonice und Therme nicht dem Texte Strabo's 
entnommen sind, sondern vielmehr ein selbsterfundener fehlerhafter Zusatz des Epitomisten sind 
der durch keinerlei älteres Zeugnis gestutzt wird. Die Gründe, die Demitsas veranlasste», jenen 
Zusatz als eiu fehlerhaftes Einschiebsel anzusehen, entwickelt er folgendermaßen. 



') Tafel fragni. p. 18: „Erigonem Ludiamque incommode apud Strabonem jnugi, supra exposui 
not. 35." 

*) Mannert, VII. p. 451 : „Die Landenge war so schmal, dass die Stadt auf beide Seiteu reichen 
konnte; oder vielmehr, die Stadt selbst lag am Singitischen Buscu, und ihr eigentlicher Hafen 
etwas nordöstlicher am Strymoniscken Busen." Tafel Thessalou. p.6*. „Eodem vero loco, quo Hierissua, 
eadem tabula Acanthum collocat, sc in ora sinus Strymonii; vix recte, si quid video." Fragm. 
Strabou. p. 23. Not 57. „Urbs ad sinum quidein Singitlcum posita fuit, sed portum habuit ad Sinum 
Strymonium." 

J ) Herod. 6, 44: „'Kx jitv Wj Wäsoo iiaßaMvTtg Ktpvjv fmo rr,v {jirttpov txou-'Covro ut'yp: 
' Axavfot», Jx 31 'Axävfroo opu.ceiu.tvot tiv *A*o»v Ktpi<ßaX).ov," nnd 7, 115. „Etäytipov *o'X:v h\käia 
icapap'.ßou,ivo£ xa: *it:xtTo t; \\xav*ov • m; St äpa i? tv,v "Axavlkv äjctxsto, |tmrjv u ö lltpsr^ 
tolos 'Ax»v»:oir. npotiir»." — Pomp. Mela SJ. 2. 9.) 



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3*4 Literaturbericht. 

VIII. Strab. Aposp. 332. 24. 
„"Or: fittöt töv 'AJtiv ■R'txay.hv r t Wt73»).'>vt'xirj tax 1 . r'jX'.^, ^ itp'/ttp&v Btojit) ixaXttro." 

Dass der letzte Relativsatz ein Zusatz des Epitomisteu ohne jede Grundlage ist, läast 
»ich verschiedentlich nachweisen, zunächst aus Strabo, ferner aus dem Epitomisteu selbst und endlich 
aus allen Schriftstellern vor ihm und den meisten Byzantinern nach ihm, bei denen der hier in 
Rede steheuden Stadt Thessalonice Erwähnung geschieht. 

Bei Strabo kommt der Ort zehnmal vor, und «war dreimal iu dem erhaltenen Teil des 
Textes und siebenmal in den Apospasmen des Epitomisten, welch* letzterer an allen diesen Stellen 
die ausschließlich von Strabo angewandte Schreibart 1 ) „HisaaXwixs'.* - beibehält, außer an der hier 
vorliegenden. 

Wenn nun Strabo sweimal vor dein nur im Auszüge erhaltenen Teile des 7. Buches die 
Stadt erwähnt, nämlich zuerst im 2. Buche (2, 106) B 'E£ Etct2äu,vo'> 34 its OtosaXovt'xtiav tvaxo3tot>; 
«jioJovto;'* und danu im 7. (7, 323) .'Kxsifrsv Vivt\ r.vA Bapvvmot .»te "K3t33«v xat IliXXav pi/pi 
He-331/.wxnae" : so hätte er jedenfalls bei der ersten, oder doch bei der zweiten Stelle hinzufügen 
müssen, dasa der Ort früher Therme hie?, falls wirklich die Identität beider Städto eine Thatsache 
gewesen wäre; aber nicht nur hier, sondern auch in den demnächst folgenden Apospasmaten, nämlich 
im 10. und 13. des 329., im 20., 21. und 25. des 330. und im 48. des ."131. Paragraph., wo Thessalonikeia 
vorkommt, geschieht Therme'» gar keine Erwähnung ; einzig und allein im 24. des 330- Paragraphen 
hat der Epitomist den Relativsatz ^ «pottpov HtpjtT, txa).ci;e»* eingesoJinhen. Wenn nun aber wirklich 
diese Venniituug des Epitomisten auf Thatsachen beruht hätte, so wäro es kaum denkbar, daas 
Strab*», der doch 10—11 Jahrhunderte vor dem Epitomisten lebte und jener Periode noch ganz 
nahe stand, so gar nichts über die Identität der beiden SUidte erwähnt hätte. Mau kann doch nicht 
annehmen, dasa ihm etwas Derartiges überhaupt unbekannt gewesen wäre, was der e. II. Jahrhundert 
nach ihm lebeude Epitomist gewiisst hätte. 

Durch Htrabi''« Stillschweigen an fi vorhergehenden und 3 folgenden Stelleu erweist der Zusatz, 
»ich al« ein auf fehlerhaften Vermutungen bombendes Einschiebsel des Epitomisteu. Denu Strabo, 
der sich vielfach wiederholt, würde sicher, wo er den Namen der Stadt Hmal anführt, 2- oder 3mal 
die Identität erwähnt haben, namentlich in den ersten 5 Stellen, wo von der Stadt die Rede ist. 

Wenn man nun den Relativsatz selbst «r ( jtp»Jtep'iv We'pjvr, txaXtiTo" 1 prüft, so kommt man zu 
demselben Sellins». Denn der Epitomist führt iu seinem Auszüge aus Strabo deu Namen der Stadt 
fimal au, und hat dabei die Schreibweise Strabos, „Hi33a>.'»v.'xi'.a" getreu beibehalten, bis auf 
die»«- einzige Stelle im 24. Apospasma des 330. Paragraphen; hier, wo er seine eigene Vermutung 
ctn»choh, hat er Strabos Schreibung „fitiia/.winv.w außeracht gelassen und die gewöhnliche 
„Hsss'xÄov'xij" angewenilet ; wenn aber der Relativsatz „7 ( itpclttpov 6 t pur, txa/.tiTo" wirklich vou 
Strabo herrührte, so würde er auch Strabos Schreibweise äc33a).ovixtta ohne Veränderung beibehalten 
haben. Das» übrigeus der Epitomist auch sonst cigeue Zusätze einschiebt, die mau unmöglich auf 
Strabo zurückführen kanu, beweiset!, ueb»t manchem anderen, folgende Stellen: 7, 330. 22. .'Kv ig 
xat ?t<J/.tc Wi-.t'i, ? i viv K:;pov xa).t"tT«t" uud Apospasma 21. „'KstxstT'r. ?i :w itoT»;iw tv»?u> /u>p:w 
tviuv^v '] viv jitv xaXttTa: 'AJä'j^uiv, "(>u.y 4 p»^ 5' ' Au/ioiliv« xat/.i:." 

Bei der ersten Stelle zunächst kann kein Zweifel obwalten, dass der Relativsatz „t, viv 
KtTpov xaÄttTat," ähnlich wie im 24. Apospa»ma B HE33aX'iVtxT], r, npfiitpov Wt'pur, txaXicto," ein 
eigenmächtiger, nicht aus Strabo geschöpfter Zusatz des Epitomisteu ist. Dcuu die Beuenuung 
K'tpov taucht iu der Geographie zuerst währeud der ersten Hälfte des !♦. Jahrhunderts n. Chr. auf 
und ist nicht antik, kanu somit bei Strabo nicht vorkommen 

Iu der zweiten oben citierteu Stelle gehört der Relativsatz „ö v -iv ;iiv xaXtsra'. 'Aß'Aiv zur 
gleichen Kategorie, wie sich zur Genüge aus dem darauf folgenden 23. Apospasma ergiebt: „'Krcixt'.T«: 
St tw "A{t>^ RorajUM yuip.'ov, ontp '^i^yit 'A|i'i?«iva xaXtt, 1 * wo der erste Teil des angefochtenen Relativ- 
satzes, nämlich die Worte: „ö v'v ;itv xaXtl?« 1 . 'Aß\»Mi>v, - ausgelassen ist, und zwar mit Recht. Jener 
Ort ward nämlich im fi. Jahrhundert v. Chr. vou deu ersten Königen Macedoniens, deu Argeadeu, 
zerstört, uach 8trabos eigener Angabe, Aposp. 20. „Ka?t3xa-iY] 2s : >rJ, :«'« 'Ap^saiciiV ; keiner der 
späteren Schriftsteller, weder Herodot noch Thucydides, noch sonst jemand berichtet, dass nach der 
Zerstörung der Ort je wieder unter dem Namen Abydon existiert hätte. 



Tafol Thossalonica p. VII. n Dura vi t haec denomiuatio apud scriptores ntriusqne linguae, 
nisi quid Strabo geogr. Lib. 7. 7 forma utitur B«soaXovtxet<x, quam ego damnarein" verwirft mit 
Unrecht diese Schreibung, da doch auch andere Beispiele für diese Endung vorkommen, ao bei dem 
Byzantiner Stephauus ad v. Itparovtxsia tcoXt; Maxc2ovuiv rXt ( 3-äv Kap:'a; xtxXYjTai 8t airi Etpa- 
xvK%r k % z-tfi, Avrw>y/»o yovaixo's. 6 KuKlvtfi STpaTOVtxtijc." 



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Literaturberieht. 



Woun nun schon diese .111« Strabo und dem Epitoiui&teu entnommenen Gründe zur Gcuüge 
beweisen, d&ss jener Kelativsatz „t, r.y',-:iy,-t Wijrjrr, ivsaXitTo" von dorn Epitoinisten eingeschoben 
ist, so nötigen auch noch von anderwärts angexogene Gründe zu demselben Schlüsse. Es sind 
das die Zongnisse der Schriftsteller vor und nach 8trabo, bei denen »war Thessnlonike, nicht aber 
Therme erwähnt wird. 

Älter zunächst als Strabo ist Polybius (205 — 123 v. Chr.), der Thessalonice 3nial anführt') 
Tlierme dagegen nirgends erwähnt. Wenn aber die Identität beider Städte thatsächlieh bestandeu 
hätte, so hätte er, da er doch noch vor Strabo lebte und mithin der Zeit der Gründung Thessalonice's 
durch Kasander (.315 >*. Chr.) näher stand, eine zu seiner Zeit etwa herrschende Ansicht betreffs 
der Identität von Thessalonice und Therme sicher erwähnen und der Nachwelt überliefern müssen. 
Dieses Schweigen des Polybins ist das gewichtigste Zeugnis für die Verschiedenheit der beiden Städte. 

Nach Pitlyhius erwähnen Uiodor Von Sicilien*) und Skymuos von Chios Thessalonicc, der 
erster« zweimal, wobei er auch die Gründung der Stadt durch Kasander berichtet, der letztere nur 
eiumal; keiner vou ihneu spricht aber von dein Zusammenhang Thessalonice's mit Therme, woraus 
hervorgeht, dass beides verschiedene Städte, nicht aber eine und dioselbe waren. — Auf diese folgen 
Livius, Pompon'.us Melas und Antipater aus Thessalonice, mehr oder weniger alles Zeitgenossen ; 
dieselben erwähnen Tliessalonice, schweigen aber von Therme; und doch hätte namentlich der 
letztgenannte, der doch von dort stammte, sicher etwas von der Identität erwähnt, weuu eben eine 
solche vorgelegen hätte. 

Weit großer noch ist die Zahl der Schriftsteller nach Chr.. welche die Stadt anführen, wie 
Plntarch, Lucian, Dionys vou Halikaruass. Dio Cassius, Appi.m, Ptulcmäus und andre. Keiner von 
diesen erwähnt irgendeinen Zusammenhang von Thessalouico mit Therme; aus ihrem Schweigen 
lässt sich nur entnehmen, dasa die angenommene Identität beider Städte auf Unrichtigkeit beruht. 
Während nuu aber alle obengenannten nur durch ihr gänzliches Stillschweigen den Beweis liefern, 
dasa man zu ihrer Zeit nichts von der Ideutität der beiden Orte wusste, so unterscheidet dagegen 
Plinius der ältere — im 1. Jahrhunderte n. Chr. — ganz ausdrücklich die beiden Städte von einander, 
Thessalonice von Therme, wie wenn er dio Ansicht der vorher aufgeführten Schriftsteller ausdrücklich 
bestätigen wollte. 3 ) Plinius' ausgesprochenes Zeugnis hebt jeden Zweifel au der Verschiedenheit 
beider Städte auf. 

Von den Schriftstellern des 2. bis 5. Jahrhunderts erwähnt keiner die Ideutität der Städte, 
vielmehr lühreu alle nur Tliessalonice als eine weit bekaunto große Stadt an. Im G. Jahrhundert 
spricht Prokop von Cäsarea ebenso wie Plinius ausdrücklich die Verschiedenheit von Thessalouice 
und der Stelle von Therme aus, dessen Lage er südlich von Thessalonice unter Angahe der Entfernung 
genau festlegt: „MV: Ii ti; itoT*uÄs tti33«X&v:xr t 3 'j'jx «roftsv, 'Pr-yto; ovou.*», 2r ( /u»;>av ayafrr,/ 
•t xal -rtcioT, Rip.ip/tqw>i t'i; «xßoXd; t\% »oi).«33av rr,v ixtivij jtv.itTat." *) 

Im folgenden Paragraph, wo er die festen Plätze aufzählt, welche der Imperator Justiniau 
gegründet oder wieder aufgebaut hat, führt er ausdrücklich auch den Namen Therme an: „int 
MaxMwa; ... A"/mov, faifä, fip.yXr,:, HW'' V ' Käutvor. Hf ? jia.-3) 

Zweifelsohne ergibt sich hieraus die Lage von Therme, wo Justiniau ein Kastell anlegte, 
denn keiner von den alten Schriftstellern führt außer dem hier in Kode stehenden noch ein anderes 
Therme in Maccdonien an. Prokop beschreibt nuu aber hier ausschließlich die östliche Uferlandschaft 
des ThermaTschen Meerbusens, nicht aber die andren, die nördliche oder westliche, wio Tafel gauz 
richtig bemerkt: „Deinde Procopius, in sua locorum cnarratione c promontorio Pallcne Theusalouicam 
pergeus, sinus ThermaTci oram terramque orientalem lustrat, non borcalem vel occidüutalem.'' , ) 

Einen drittcu, sehr zuverlässigen Hewcis für die Verschiedenheit der beideu Städte liefert 
uns Stephanns von Ityzanz, der jede von beiden besonders aufführt, nämlich: „Hijituj, r.'j>.:z 
Wj»uxt ( ; ' Ar.'tU.'&uytS ot Maxtfoviot: fr,z: xot: HvjX'»o(or ( ;* und ad v. Ht33*).ov:xT, : M<xxsSov''/:, 
'loa ExaArito ' A't.ia, Ka-'i/Sov, xt:'s;i* . . . Izyi^m j Hg 3 3'/>.v/:x»:av oc jtt ( v W-' Stcphanus 

') Polyb. 22, 4. B K»'i -ä prftivza Kspi witwv sv Hj:toi>.'/v;xy 4 u 22, 15. ,,K*: Kv.-r t zi\i.i-«i>t tcj; 
bs(Vii «ixo/.vittiue tv Hi33a).'>v:'xj fT ( &V:3tv." 

a ) Diodor. 30, 14. „'AvSpovixnv Ii ~Lv 3o»;i.*T0f Oi.ax« tt; öt3 3«/.ovixr 4 v- und 31, 13 „'WyMz; 
51 xv. co/.t:{. . .toj ui* Kfiwtvj 'Aji^'so/.t;, wi Ii £rmpvj H%-za.'t,vt : .%r l * 

s ) Plin. H. N. 4, 10. „In ora sinus Maccdouici oppida Chalastra et intus Phileros Lete; 
medioque flexu litoris Thessalouica liberae conditionis. Ad hanc a Dyrrhachio CXIV millia passuum 
Therme. •* 

*) Prokop sej»; Kti'sjj, 4, 3. 

») Ebenda 4, 4. 

') Tafel Thessalonioa p. 15. 

Krtlht', ZiiUtkrift. V. IUI. ->1 



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.'WO 



Literaturbcricht. 



von Byzauz, der im <j. Jahrhundert nach Chr. lebte nml sein Werk ans ungefähr 300, für uu* 
meist verloren gegangenen Schriften nuf da.s sorgfältigste zusammengestellt hat, fülirt sonst fast 
überall Strabo au, wie ja nueh hier iu der zweiten aufgeführten Stelle: derselbe thut aber hier 
nicht mir der Identität der Städte keine Erwähnung, sondern spricht im Gegenteil die Behauptung 
aus, das» Thessalouicc früher Halia. nicht Therme geheißen hätte. 1 ) Wenn nun aber iu der That 
die Vermutung des Ej>itomistcn betreffs der Identität von Thessalouicc und Therme auch die Ansicht 
Strabo's gewesen wäre, so hätte das Stcphanus sicher angeführt, während er so behauptet, das* im 
Gegenteil Thessalonice früher Halia geheißen hätte. Die Nichterwähnung auf eine Unkenntnis des 
Stephanus zurückzuführen, dürfte abev doch unstatthaft sciu, wenn mau bedenkt, dass er 300 alte 
Schriften bei der Zusammenstellung seines Werkes vor die Augen bekommen hat. Bemerkens weit 
ist übrigens hier noch, dass, während Stcphanus gerade die Strabonische Benennung Hfzzaj.vKxv.i 
ausdrücklich hervorhebt, der Epitomist von dieser Schreibweise bei seiuer fälschlich eingeschobenen 
Vermutung abweicht und die gewöhnliche Sehreibart anwendet: H y ( Wijsa/.ow'xY, so'/.-.s. i ( 

np'Jrtf.'// W;par ( sx*/.e:t'j." 

Wenn man noch weiter hiuaus bei den Schriftstellern des (!. — 10. Jahrhnnderts — d. h. bis 
zu der Zeit des Epitomisteu — uachforseht, so findet man bei deueu. die Thessalonice erwähnen, 
keinerlei Zeugnis Über die Identität oder den Zusammenhang beider Orte, wie sie der Epitomist 
Itabon will. Weder Ilieroklcs noch Konstantin Porphyrogenuolos, noch Pacudojohaunes und Kamoniatcs, 
welche beide letzten aus Thessalouicc stammten und ihre Vaterstadt weitläufig behandelu, erwähnen 
eine Identität oder eine Verschiedenheit; ihr Schweigen bildet einen gewichtigen Beweis für 
die Verschiedenheit beider Städte. — Von den späteren Byzantinern uouuen die ineisteu ein- 
stimmig die Stadt Thessalouicc, wissou aber nichts von Therme, während nur voreiuzelte steh der 
Ansicht von Strabo's Epitomistcn anschlichen; zu diesen letzteren gehört Tsotses, der in den 
„Chtliaden* angibt, dass sie früher Therme genannt wurde und einst nur eiu Dorf war: „'II v'.y 
Hizzit.'s*'.*.^ uiv, ~'il.:z usv /.aiirpiT'XTY., '»syp/t xo'<wy,,Hiviy ol tf.v x/. v *x'//.»:to ;* in seiner v l"'»oa tt 
dagegen führt er, im Widerspruch mit sich selbst, als ihren früheren Namen Emathia au: „Hsssn- 
'/.ov-xy,/ \r.ü-.'',y/.>.-H. -7, r.'ihx: ji.4v 'lluaiha xür.z&'x: /.iyiTa-..* l > Ebenso nennt Malalas Thossalonicc 
Hsou.cn. als I'lurale: „ : ,z~.:z (Philipp) v.xy^»; ; <sst«;s vr t ' Hizz f j.). : w. xi\ xri^r. ziw i z ty/* 
Motx.v,v:otv. V.v ix'i>.:i: Hjjm/.ov.'xY//. ty,v Ttf>«j> r,v >.?y>;t;vY ( v xo'iiiy// Heoji'*;.- Auch Chalkokondylcs 
nennt sie meistens Therme statt Thessalonico. 3 ) 

Et ist dabei zu beachten, dass Tsetocs, was zunächst die Identität anbetrifft, seiueu eigenen 
Atisspmch widerruft, indem er an anderer Stelle berichtet, das» der Ort frühor Emathia, nicht aber 
Therme geheißen hätte; wenn er außerdem Therme als ein Dorf bezeichnet, so beweist er dadurch 
seine Unkenntnis der Alten, indem Hckatäos. Skylax, Herodot und Thucydides ilbcreinstiinmend 
dasselbe als Stadt, nicht aber, wie auch Malalas will, als l>orf aufführen. *) Außer TseMcs bezeichnet 
noch Zonaras Thessalonice als Emathia : „HESsa/.'iv'xy^. rA'f.u: piv 'lljinf.'fli x'x'/.ttsfV«'. '/.iyjTn'.." 

Aus allem diesem folgert Demitsas, dass der Ausspruch des Byzantinischen Epitomisten von 
der Identität von Thessalouicc und Therme vereinzelt dasteht und somit als eine haltlose Vermutung 
desselben, nicht aber als die Ansicht Strabo's angesehen zu werden verdient. 

Denn ersteus berichtet von Polybius au, der zuerst Thessalouicc erwähnt, bis zu der Zeit 
des Epitomistcn kein Schriftsteller etwas über die Identität oder deu Zusammenhang der beiden Städte. 

Zweitens liegen 3 ausgesprochene Zeugnisse für die Verschiedenheit Thessalonicc's uud 
Tltenne's vor, nämlich von Pliuius, Prokop und dem Byzautiucr Stcphanus. 

Drittens hat der Epitomist in dem vorliegenden Apospasma, wo er seine cigeue Vermutung 
als eine Ansicht Strabo's unterschiebt, aus Versehen die gewöhnliche Schreibart .Hi::*)//».«," statt 
Hzzz'Av/.xv.'i angewendet, während Strabo. der die Stadt Ihnal erwähnt, sich überall der letzteren 
Schreibung bedient. 



') Meinecke stützt sich in «einer Ausgabe des Slephattus ohne weitere Prüfung auf die Vermutung 
von Strabo's Epitomistcn uud veräudert dementsprechend die Losart „'A>. in „Wtoji'/." 
*i Tscts. Chil. 13. 306. Hist. 12, 26. 

J j Die Haltlosigkeit der Ansicht des Mainlas erweist zur Genüge sein Irrtum, wenn er erzählt, 
dass Philipp nach seinein Siege Thessalouicc gegrüudet hätte. — Chalkok. 1, IX, lt>, 20 u. öfter. 

«, Herodot 7, 121, 123, 127, 183. Thucyd. 1, Gl ; 2, 2J> u. a. 
Wie viel Wahres deu Berichten oder vielmehr Fabeln der Byzautiucr zugrunde, liegt, geht 
daraus hervor, dass dieselben einer und derselben Stadt Thessalonice 3 verschiedene Namen, nämlich 
Emathia, Halia und Therme andichten, von denen allen kein einziger sich historisch als ihr zu- 
kommend uachwi i>e:t lässt ; \iclinehr stehen alle 3 nach Demitsas' Ansicht außer jedem Zusammen- 
hange mit ihr. 




Litcratnrbcricht. 



:$S7 



Vierten,» führen fast alle Byzantiner nach dem Epitomistcn, außer TVtse*, Mala las un<l 
Chalkokondyles nur Thcssalunicc an. ohne etwa» von Therme zu erwähnen. 

Fünftens endlich erweist auch von dienen dreien zunächst Tsctses die Unrichtigkeit seiner 
Angaben dadurch, das« er nur in den Chiliadcn Tkcssalonice mit dichterischer Freiheit Therme 
nennt, während er es in seiner Geschichte als Emathia bezeichnet; Mulalas ferner verliert jedeu 
Anspruch anf Glaubwürdigkeit, da er berichtet, das» Philipp nach der Besicgung der Thcssnlier 
Thcssnlonicc gegründet hätte. Chalkokondyles endlich nennt in seinem ilhertriebeneu Bestreben, 
altertümlicher hellenischen Bezeichnungen sieh zu bedienen, die .Stadt lTmal Thermo und nur 
einmal Thessnlonicc. obwol er erst nach der Eroberung Koustantinopcls sein Werk verfasst hat. 
also r.u einer Zeit, wo kein Mensch mehr den Namen der vor vielen Jahrhunderten untergegangenen 
Stadt Thermo anwandte. 

Somit ist das Apospasma 
„"<>:•. jwt4 :w \\$:&v -otWa t t rtt33*>.ov.'xr 4 iz~\ r.<?t.'.;. ? ( r.y'.-.sy» Hiy t ir t i*u).i~-;* 
folgendermaßen zu berichtigen : 

„"Or. jut'i ~h' r<itajxöv r ( Ht33«AV/;'xsi« t3t: r.ü).:^.* 

Nur in dieser Fassung wird man, nach DemiUas' Ansicht, die Stcllo anf Strabo zurückführen 
können. 

Koburg. . 1. K. Kettlir. 

Die Insel Ssnclinlin nach .T. S. Polj.-ikow's Reisen in den 

innren 18*1-18*2. 

Heferat uud beigegebenes Literaturverzeichnis von Dr. Eduard Pelli (Hern). 

( Schluss.) 

In Ergänzung der bemerkenswerten Arbeiten L. v. Schrcnck's Uber die Tierwelt Sachalins 
und ihre cigentflmlichc Verwandtschaft mit der Tierwelt des Festlandes liefert auch Poljäkow 
zahlreiche Bemerkungen (Iber die Fauna Ssachalins. Von Interesse sind namentlich die ornitholo- 
gischen Verzeichnisse. Auf den bewaldeten Höhenzügen, die durchaus düster und öde erscheinen 
und zahlreiche Spuren von Waldbränden zeigen, waren die Ergebnisse der Vogcljagd relativ 
spärlich: Lagopus albu«, Tetrao bonasia, Garrulus glandariu« et G. infanstus, Sitta, Parus. Reicher 
war die Beuto dort, wo sich an den Abhängen der Boden einigermaßen empfänglich für die 
C'nltur zeigte unl wo nebst der erwähnten Flora die Fraxinus mandschurica, Ulmns montana et 
U. eampestri», Alnaster und Beerensträucho auftreten. Hier gibt es: Uragus sibiricus, Pyrrhula 
vulgaris, Acanlhi* spinus, Parns, Emberiza aureola et E. spodoeephala, Mnscicapa, Lusciula, 
Phyllopneustc, etc. Sehr häufig ist Salicaria, deren Anwesenheit für den sumpfigen Charakter 
der Gegend spricht. Am Strome und an der Seeküste: Pandion holiae'tos, HoliaPtos albicilla und 
die verschiedenartigsten Mfiven. 

Im großen and ganzen entspricht die Ornithologie dieses Teiles von Ssachalin der allgemein 
sibirischen und nordrussischen. Ein Studium der Ssachaliner Fische spricht für eine Verwandt- 
schaft In dieser Hinsicht mit dem hohen Norden Sibiriens und Amerika«. Hervorzuheben sind be- 
sonders: Salmo scu Oncorhynchus proteus, Salino leueomaenis, Salin" scu One. lagocephalus, die im 
Juni und Juli dem Oberlaufo der Flüsse zustreben and sich dabei „todtwandern," wie Middendorf 
diesen eigenthiimlichen Proccss bezeichnet.') Auf der Westseite wird von den Russen kein Fisch- 
fang betrieben, auch die Giljäken meiden die Westseite, die von den russischen Ausicdlnngcu 
gewissermaßen oeenpiert ist. Mit Recht bemerkt aber Poljäkow, dass iu der Fischerei hier ein 
Schatz liegt, der noch nicht gehoben sei, — ein großartiges Mittel zum Unterhalt der Bevölkerung. 

Über das Klima dieser Gegend bemerkt Poljäkow folgendes: Nach den zuverlässigen Beob- 
achtungen des Dr. Ssuprunenko in Ateksandrowsk war ini Juni n. St. 1881 das Maximum 
| 17, 7" C, das Minimum -| G, 4; Mittel 11, C" C. Während des ganzen Monats gab es keinen 
einzigen klaren Tag; 8 Tage waren nebelig. Am 1 ». '26. Juni fand Poljäkow unter Laubfall noch 
Schnee. Am 20. Juni wurde bei der Errichtung von Telcgraphenstnngen in einer Tiefe von 
- 1 , ' 4 Arschin gefrorener Boden gefunden, die gefroronc Schichte erstreckte sich auf V'j Arschin Tiefe. 

Gelegentlich wären hier noch einige weitere Beobachtungen beizufügen, wie sie bei W i I d i ) 
verzeichnet sind; wir benutzen die bei Wild angefahrten Wertbezeichuungen der Beobachtungen 
von 0 — 10, wobei 0 für unbrauchbar gilt: 

') Middendorff, „Reise in den äußersten Norden und Osteu Sibiriens." St. Petersburg, 
18G7. IV. 8. 1132. 

*) H. Wild, „Temperaturvcrhältiiissc des russischen Reichen.'- St. Petersburg, 1881. S. jJO. 

27« 



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Literaturberieht. 









Januar 


Juli* 


» Jahr 


Wert 


Kusaunai 


48° n. B. 


UV 20' 0. L. Gr. 


— 13, 8 


1 14, 2 


| 2,0 


5 


Murawjew 


4G0 39' _ 


U2" 52' 


- 12, 1 


1 13,2 


1 2, 3 


6 


Dui (Leuchtthurm, 














110 m Hohe) . 


50» 50' - 


US» 26' - 


- 16, 2 


+ 15, 3 


1 0, 5 


7 



Zum Schlüsse dieses Abschuittea mögen noeli die interessanten prähistorischen Forschungen 
Poljäkows auf der Westküste Erwähnung finden. An den angegebenen Orten gelang es Poljäkow, 
eine Reihe von prähistorischen Geräten aufzufinden. Unter anderem ein Obsidiaumcaser und »ahl- 
reiebe Fcuersteinsplitter, atisc-hcinlich fremden Ursprungs, da au Ort und Stelle nirgends ent- 
sprechende Fundorte vorhanden waren. Au» der späteren Periode der Steinteit fanden »ich 
geschliffene Cclte, Schleifsteine aus Sandstein, schließlich Thongeschirre. Hemerkenswert ist es, das« 
die heutigen Eingehorncu Ssachalins kein Thongeschirr benutzen, auch die Russen bedienen sich 
der Holz- und Metallgeschirre. Unter den prähistorischen Geräten fand Poljäkow Knochen von 
Küren und Hunden. Umfangreiche Netzbeschwerer weisen darauf hin, dass die im Gebrauch 
gewesenen Netze von bedeutenden Dimensionen waren. Als Überreste der Wohnungen der vor- 
historischen Bevölkerung Ssachalins dürfen nach Poljäkow* Anschauung drei große von Erhebungen 
umgebene kreisförmige Gruben gelten, jede im Durchmesser von ca. 2 — 3 Ssasehenj, in der Art, wie sie 
noch gegenwärtig cum Hau der halb in der Erde steckenden Winterwohnungen verwendet werden. 
Hier wurden die reichlichsten Funde gethnn. Auf dem erwähnten Friodhofbcig bei Klein-Alexan- 
drowka faul Poljäkow schließlich noch einige Erdwällc, die in einer Länge von 50 Ssasehenj ein 
jedes, in einer Hätte von l'/j — 2 Arschin — gegenüber dem umgebenden Terrain — ein großes 
Viereck einrahmten. Es mochte das vielleicht eine Art Festung gewesen sein oder ein Sehnt* für 
die Wohnungen gegen den Wind. Bei flüchtiger Musterung konnte Poljäkow hier keinerlei Über- 
reste auffinden, Sträflinge erzählten jedoch, das» sie hier Topfscherben gefunden haben. 

Am 23. Juli trat Poljäkow die Tvnii-Expcdition au, die mit außerordentlichen Schwierig- 
keiten verknüpft war. Er hatte die rauhe uud unzugängliche Ssachaliner Gebirgskette zu über- 
schreiten und dann unter mancherlei Hindernissen auf Bootcu den Weg Uber den au Stromschnellen 
reichen Tyniiüuss zu nehmen. Die Schwierigkeit einer Expedition von der Westseite bis zur Müu- 
dung des Tytni an der Ostkflste läs.st sich am besten daraus erteheu, dass Poljäkow es für vorteil- 
hafter hält, deu Verkehr zwischen der West- und Gstktlste auf dem Seewege zu betreiben, als 
auf der Laudroute. 

Wir können die Eiuzelnheiten der interessanten Expedition nicht verfolgen, mttehten aber 
nur einige charakteristische Angaben hervorheben: 

Die große Ssachaliner- und rechts von der Tymi die Tymikctte, wie sie Poljäkow unter- 
scheidet, sind stark bewaldet, nur ihre Gipfel, nach Poljäkows Schätzung 2000—3000 Fuß hoch, 
zumeist in Nebel oder schwere Regenwolken gehüllt, sind nackt. Die Berge fallen steiler nach 
Westen als nach Osten ab. Sie sind schwer zn passieren, wenngleich Poljäkow auch gewisse Ver- 
kehrsrerbesacrungeu für mögli< h findet. Einen traurigen Eindruck macheu die Sträflinge, die, ihrer 
etwa 60 an der Zahl, die Nahrungsmittel und andere Vorräthc aus Dui oder Alexandrowka in die 
in den Gebirgen gelcgeucn Kolonien tragen. Die Strecke vou der Küste bis Derbiiiskoje in den 
Bergen beträgt etwa 90 — 93 Werst, die Laut, die der Einzelne zn tragen hat, 2 Pud, an den 
schwierigsten Stellen, woselbst 18 Werst zu steigen sind, 1 Pud.') Im Frühjahr nnd Herbst ist 
jeder Vorkehr unterbrochen. Gelegentlich ließe es sich vielleicht noch erwähnen, dass Poljäkow 
seine Nahruugsvorräte bei Derbinskoje vervollständigen wollte und sich darum au das Yorrats- 
magnzin daselbst wandte; das Fleisch, das man ihm verabreicht hatte, war „sehr ungeuüg>J»d." 
In der Kolonie Klein-Tyinovskoje war das Brot dermaßen schlecht, r dass es nicht jeder Hund ge- 
gessen hätte." Einer der Genossen Poljäkows bemerkte, als man ihnen das Brot vorsetzte: „Wahr- 
haftig, mit diesem Brot kann man sich wol die Zähne verkleben, aber auch Zahnstocher darin 
finden, um sie zu reinigen!""; 

Der Tymistrom besitzt eine Länge von ca. 374 km vou Derbinskoje aus, von denen nur 
70 km schiffbar sind. Auf ca. 300 km zählte. Poljäkow nicht weniger als 100 Hindernisse. 

') Ein Pud = IG, 38 kg, eine Werst = 1.067 km. 

i ) Selbst Landsdcll, der jeden Tadel, der dem völlig überlebten Deportationssystem an- 
haften konnte, iu ein Lob umzuwenden sucht, muss zugeben, dass es um die Versorgung der Sträf- 
linge mit Nahrungsmitteln auf S.-.m hnlin *i bleibt bestellt sei. „D.ml. Sibirien." B. VI. S. ?58. 



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Litcraturbericht. .'189 



Folgende Tabelle gibt uns Auskunft über die Beschaffenheit des Flusses als Verkehrsweges, 
gleichseitig auch über die Giljäkcn-Niederlassungcn au den Ufern: 



Ortschaften 


Ent- 
fernung in 
km 


Entfernung der Zeit nach 


{Strom- 


Sand- 


Baum - 
stamme im 
Schlamme 




Reise hin 


Keiäa zurück 


schnellen 


bänke 




Von Derbinskoje— Usk-wo 




4t 


7 St. 30 M. 


9 SL — M. 


* 


10 






n Usk-wo— Sla-wo . . 


37 


6 - ff 


« ff ~ ff 


1 


15 


6 




„ Sla-wo— Ad-Tymi 


42 


6 „ 30 « 


9 ff 15 „ 


8 


13 


4 




„ Ad-Tymi— Iskarua . 


59 


7 , 40 . 


12 B 10 . 




16 






„ Iskarna— Tschar-wo 


19 


2 « 20 „ 


3 „ 40 „ 




9 






„ Tschar-wo bis zur 
letzte u Saudbank . 


7<; 


12 « 3-) „ 






26 






„ letzte Sandbank bis 
Ater-wo .... 


% 


20 , m „ 


Jss ff 30 « 












370 


57 St. 25 M. 


75 St. 35 M. 


11 


89 


10 





Von Aterwo bis zur Mündung der Tymi gibt es weitere 3'/.. Werst. 

Die Frage, ob die Tymi als ständige Verkehrsstraße Tür Flachboote zu benutzen wäre, hängt 
davon ab, ob die Verkehrsschwierigkeiten entfernt werden, was Poljttkow für sehr wol möglich 
hält. Ein Schleußensystcm hätte den Verkehr erleichtert, aber der einzige und zudem unschätzbare 
Roichthum des Landes, die Fischerei, wäre dadurch schwer geschädigt. 

Die Ufer der Tymi sind zumeist flach und sumpfig, bedeckt mit Gesträuch und Laubwald, 
einer Pappelart. Der Boden ist uneben und zeigt unverkennbare Spuren von Überschwemmungen : 
so sind die Stamme und unteren Zweige der Bäume mit trockenem Schlamm bedeckt. Gebirgig 
werden die Ufer nur dort, wo sich der Strom den Bergen, der Ssachaliner oder der Tymikctte 
nähert, eiue bedeutende Verengung des Thaies tritt bei Sla-wo ein, woselbst sich auch die Zahl 
der Stromschnellen (siehe Tabelle) wesentlich vermehrt. Der Unterlauf zeigt einen durchaus flachen 
Charakter, hier greift von der Küste aus in einer Strecke von 70 km die vom Norden Sibiriens 
her bekannte Tundra in das Land hinein. Der Boden ist hier ewig gefroren. Poljäkow stieß in der 
Nähe der Bucht Nyi auf der Tiefe eines Arschin auf ewig gefrorenen Boden. Wenn hier im Unter- 
lauf von keinem Ackerbau die Rede sein kann, so zeigt auch im übrigen das Tymithnl wenig 
günstige Verhältiiisse; am bestcu mochte der Boden bei der Strafkolonie Rjikowa sein, aber auch 
hier klagte man über geringe Erfolge. Charakteristisch für die Vegetation sind Aruudinaria curi- 
lensis, welche hier große Flächen bedeckt, und die Cembra pumila. Bemerkenswert ist es, dass 
Poljäkow beim Eingang in das Tyinithal auf ein ähnliches von Wällen eingefasstes Carre stieß, 
wie er es auf dem Friedhofberg bereits gesehen hatte. Auch hier waren keinerlei Spuren vou 
menschlichen Niederlassungen zu finden. Auf dem von den Wällen eingerahmten Platze inochteu 
bereits manche Generationen von hundertjährigen Lärchen , Fichten und Tannen gestanden haben. 

Die Ostküste selber erscheint noch viel rauher als die Westküste. Der Eiuflus* des unwirt- 
lichen Oehotzkischcn Meeres macht sich hier sehr fühlbar. Di«- Bucht Nyi und bis zu gewissem Grade 
die nächstliegende Bucht Nabil eutspracheu durchaus den gehegten Hoffnungen : zwar ist die Bucht 
Nyi kein Standpunkt für grolle Kriegsschiffe, aber für Kauffahrer, für Fischer ist das jedenfalls ein 
vorzüglich geschützter und bequemer Ort. Auch die Bucht Nabil int gut geschützt ; die Ufer des 
Flusses Nabil sind in einer Strecke von ca. 30 — 10 Werst von der Küste in das Land hinein 
von der Tundra eingenommen. 

Die Berichte von dem »absoluten Mangel" der Insel an Häfen erscheinen also jeden- 
falls recht übertrieben. Allerdings geben wir gern zu, dass die großen Buchten der Insel, die Bucht 
Terpeuja und Anivva durchaus ungtiustig sind. Auch die Westküste ist schlimm benachteiligt. Für 
die Zwecke einer rationellen Fischer»i würden aber die nordische Bucht, die Bucht Mordwinow, 
Buss-sse, Nabil, vor allem aber Nyi vollkommen genügen. 

Was den Fischreichtuni selber anbetrifft, so ist er hier ein großartiger. Poljäkow entwirft 
uns ein Bild dieses Reichtums, iudem er gerade zur Fischzeil sich an der Ostküste aufhielt. Der 



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Litcraturbcricht. 



Fischfang wird hier nicht nur von den Eiugcborncn, den Giljäken und Oroken betrieben, sondern 
namentlich auch von den Japaueaen, die hier in Nyi in großen Scharen eintreffen uud ungehindert 
von der russischen Administration, der der Fischfang gleichgiltig ist, uud von den Eingeborocn, 
die von den Japanesen selir eingeschüchtert sind, selbst an der Mündung des Stromes ihre 
Fiscbgeräte aufstellen und auf diese Weise deu Fischern längs des Flusses die besten Fische 
fortnehmen. 

Über die Expedition zum Süden, die von Poljäkow im Februar 188*2 unternommen wurde, 
berichten wir nur weniges: Ks galt für Poljäkow, längs dem Poronaj, dem zweiten größereu Strome 
Ssaclialins, bis zur Tytnimttndung vorzudringen. Sehr spät rückt an der Mündung des Poronaj das 
Frühjahr vor, begleitet von schweren See- uud Festlandwindou, oftmals auch von Schneegestöbern. 
Ende Mai hatten sich bereits in Mehrzahl die kleinen Vögel, die dieser Gegend eigen sind, ein- 
gestellt, aber die polare Vegetation war ihrer Entwicklung noch fern. Nur die jungen Lärchen 
begannen zu grünen, die Dirke hatte noch ihre Kätzchen. Zwei Wochen dauerte darauf die Fahrt, 
die Poljäkow auf Booten längs der Küste zum Süden unternahm, wobei er zahlreiche „Vogel- 
felsen,** die Brutstätten der Vogel an der felsigen und steilen Ostkilste. beobachtete. Bei dcrAino- 
Niederlnssung Naj-butsehi verließ Poljäkow die Boote und machte sich an Fuß auf den beschwer- 
lichen Weg nach dem Posten Korsakow anf, woselbst er den 15. Juni eintraf. Hier nun gelang es ihm 
Nachforschungen in den „Kjokkenmöddingers" anzustellen, bei welchen mancherlei Steingeräte 
an den Tag geschafft wurden. Nachgrabungen in den alten Ainograbstätten lieferten nebst zahl- 
reichen Vasen, Gefäßen, Waffen und Schmucksachen 37 Schädel und 3 vollständige Skelette. 

Am 18. Juli verließ Poljiikow auf dem „Baikal" dio Insel Ssachalin, auf welcher er 1 Jahr 
und 2 Monate zugebracht hatte. Von Ssachalin aus begab sich Poljäkow aufs Festland, um dort 
vom gleichen Staudpunkte ausgehend das Küstengebiet keuneu zu lernen. Hei seinem Ssachaliner Auf- 
enthalte war es ihm gelungen, reiche Sammlungen anzulegen von den charakteristischen Vertretern der 
Mamiferen. der Vögel und Fische und teilweise der Amphibien der Insel, von Insekten, Crustacecn, 
Mollusken u. s. w. Beistand leistete Poljäkow bei seinen Sammlungen der Kandidat der Natur- 
wissenschaften Nikoljskij. Eine Hauptrollo misst Poljäkow selber seinen prähistorischen und ethno- 
graphischen Sammlungen bei. Die enteren beziehen sich auf die Steiuzeit und die Metallzeit. Die 
zahlreichen Überreste der Aino«, die hier gelebt haben , veranlassen Poljäkow zu der Vermutung, 
dass vor 150 — tiOO Jahren au der Mündung des Poronaj die Bevölkerung so zahlreich war, wie sie 
jetzt kaum auf ganz Ssachalin sein mag. Schon damals aber koncentrierte sich die Bevölkerung 
hauptsächlich auf Jagd uud Fischerei. 

Was nun die heutigen Eiugcborueu betrifft, so unterscheidet mau unter ibuon die Giljäkcu, 
die Oroken und Aiuos. Über die heideu erstgenannten Volker bringt Poljäkow eine Reihe schöuer 
Beobachtungen. 

Die Oiljaken, ehrliche, schüchterne Leute, ausgezeichnete Uootfahrer uud Fischer, werden 
von Poljäkow in folgender Weise geschildert: „Die Giljäken sind klein von Wuchs, aber stämmig, 
von bräunlicher Gesichtsfarbe; das Haar ist schwarz, das Barthaar sehr gering ; die Backenknochen 
hervortretend; die Wangen stark, bei Alten öfters eingefallen; dio Xase gewöhnlich kurz, ein 
wenig abgeplattet uud aufgeworfen, selten läuglich und gerade; die Lippen stets sehr dick : die 
Augen ein wenig schief liegend, dunkel, bei den älteren Individuen oft entzündet, bei den jüngereu, 
namentlich bei den Frauenzimmern recht lebhaft, ausdrucksvoll, oft mit feuchtem Blick uud Glanz. 
Das Kostüm, zumeist stark verschmiert, oft zerlöchert, besteht aus Hundefell, aus mandschurischem 
Gewebe in der Art der Daba, hie und da aus grauem Sträflingstuch. " Die Frauen tragen große 
Ohrgehänge aus Silber oder Bronze. Einer der beschriebenen Mäuuer hatte auf dem Haupte 
ein konusfonnigos, mit Ornamenten verziertes Hütehen aus Baumrinde, das ihm auch als 
Teller diente. 

„Genau genommen," sagt Poljäkow, „bedarf der Giljäke bei seiner Lebensart keineswegs 
einer Kultur seiner Insel; im Sommer dient ihm der Fluss als Weg; hier fingt er in einer Nacht 
zwei- bis dreihundert Stück des „Gorbuscha-Lachses - (Salmo scu Oncorhynchus proteus), von drei 
bis vier Pfund ein jeder. Im Winter wird alles umher mit mächtigen Schichten von Schnee bedeckt, 
über dessen Flächen er anf seinem mit Hunden bespannten Schlitten hingleitet." Im Winter treibt 
er Jagd. Seine Wohnung ist eine Sommer- und Winterjurta, letztero teilweise in der Erde ein- 
gegraben. Der Mann betreibt den Fischfang, die Frauen obliegen dem Trocknen der Fische, der Zu- 
bereitung von „Inkola," sie haben auch die zahlreichen Zughunde zu besorgen. Eigentümlich ist 
es, dass die Männer es vorziehen, den Fisch nach alter Art roh zn verzehren; die übliche Speise 
des Giljäkenmanncs ist ein roher Fischkopf. Bei den Niederlassungen der Giljäken werden oft 
Adler, Füchse, vor allem aber Bären gehalten. Gleichwie bei den Ainos genießt auch hier der Bär 
viele Verehrung. Bei den verlassenen Wohnorten der Giljäken fand Poljäkow mancherlei Hunde- und 




Litcraturboricht 



301 



Bäreiiknochcu, aber nie einen Häreuschädel. Poljiikow vermutet, das* die Giljäken ilic Büren- 
fcchädel gleich ihren Todteu verbrennen. Die Asche der Verbrannten, die Überreste des Scheiter- 
haufens und die den Verstorbenen augehörenden Waffen und Geräte werden von den Giljäken 
in kleineu viereckigen Holzgchnucu bewahrt. Hei Kjikowa fand Poljiikow in einem derartigen Bau 
ein ganzes Skclct, das er seinen Sammlungen beifügte. 

Die Oroken (Orontschen; haben beim ersten Anblick viel Ähnlichkeit mit den Giljäken, 
nicht minder groß ist die Ähnlichkeit auch in ihrer Lebensart. Zwar suchten sie Kentiere, aber 
die Zahl derselben i\t gering, der Einzelne hat zehn, selten über zwanzig Stück. Ihrem Äußeren 
nach werden sie folgendermaßen beschrieben: „Die Oroken haben st hwarzc.s oder dunkelbraunes 
Haar, *ehr hervorragende Backenknochen, die Nasen sind .sehr verschieden, kurz, aufgeworfen, oder 
auch lang, zugespitzt, breit an der Wur/cl und au dtn Nasenlöchern, Der Wuchs ist ein mittlerer, 
oft ein kleiner. Die Frauen besitzen ein reines Gesicht, niondartig gerundet mit abgeplatteter 
Nase; andere wieder hauen ovale Gesichter; der Wuchs ist stets sehr gering. Selbst im Vergleich zum 
Wuchs sind die Finger an den Händen kurz bei Manu und Frau, die Füße cbunfalls; die Frauen 
pflegen stets einwärts zu gehen." Sehr eigentümlich sind die Beobachtungen Poljiikow« über dun 
Aberglauben der Giljäken und Oiokcu. Die Späne, die sich bei der Anfertigung eines Bootes 
ergeben, dürfen u'cht verbrannt werden, sie werden in den Flu« geworfen, — dem Wassergott zum 
Opfer gebracht. Bei einem kinderlosen Giljäken bemerkte Poljäkow ein Götzenbild, das eine Frau 
und einen Seehund unter eiuer Decke darstellte, es hing über dem Lager de* Giljäken und 
sollte Kindersegen bringen. Giljäken und Oroken sind leidenschaftliche Schamanistcn. 

Die Resultate seiner Forschungen über Sachalin fasst Poljäkow in folgenden Worten zu- 
sammen: „Im allgemeinen darf Ssachaliu keineswegs für ein Land gelten, das in irgendwelcher 
Beziehung durch natürliche Vorzüge dem Ackerbau eine günstige Zukunft garantieren konnte. 
Wenn auch eine bescheidene Landwirtschaft auf der Insel zustande käme, so würde das doch 
enorme Anstrengungen kosten." Bessere Resultate erhofft Poljiikow von dem Aubau von Gemüse 
und von der Viehzucht. „Die Fischereien aber, rationell organisiert, werden zweifellos ein Reichtum 
der Bevölkerung werden. * Hierzu kommen noch die Seefischereien : „überraschend große Herden 
des Dclphiuaptcriis leucas, die im Frühjahr an der Bucht Terpenja und der Mündung des 
Poronnj beobachtet wurden," und Waltische, von deren Menge schon Krusensteru erzählt' ,. „Als 
ich Ssacbalin verließ," schließt Poljäkow, „war es mir klar, dass die bis jetzt erlangten Resul- 
tate der Kultivation der Insel lange nicht den daraufgegangenen Mitteln und Anstrengungen 
entsprechen." 

In diesem sachgemäßen, wolbegiilnduten und durchaus objektiven Besinne ist das Urteil 
über die bisherigen Kolouisationsvorsuchu durch Sträflinge ausgesprochen, gleichzeitig aber auch 
ein Ausblick in die möglich© Zukunft gewährt. Durchaus übereinstimmend mit Poljäkow haben 
wir unsere Wünsche in Bezug auf Ssacbalin nu einem anderen Orte in Folgeudem zusammen- 
gefasst: „Nicht auf unpraktisch-? und traurige Kolonisationsversuche durch Vorbrecher, sondern auf 
praktische und zukunftsreiche Ausbeutung der großartigen Ssachaliner Fischereien, die sich mit 
den bedeutendsten der Welt messen und von ungeheurem Wert für Kiisslaud sein dürften, sollte 
die ru^ischc Regicrnug auf Ssacbalin ausgehen V 



Im Anschluss an unser Referat über die in mancher Beziehung grundlegende und vor allein 
auch praktisch verwertbare Arbeit Poljäkows erlauben wir uns, ein kleines Verzeichnis der bei 
dem Studium Ssachalins in Betracht kommenden Werke beizufügen. Der Charakter dieser Werke 
ist ein sehr verschiedener: es sind das zum Teil die weitumfassenden großen Weltreisen, in denen 
unserer Insel nur gelegentlich erwähnt wird, zum T<m1 auch Werke, die sich näher oder gar *pc- 
cicll mit Ssachalin beschäftigen, sei es vom wissenschaftlichen Standpunkte, sei es mit der aus- 
gesprochenen Tendenz, für oder gegen die Verbrecherkolonien anf Ssacbalin zu reden. Kino statt- 
liche, hochinteressante, aber nur mit sorgfältiger Kritik zu verwendende Literatur über die 
Ssachaliner Frage bietet uns die maische Tagespresse. Wir haben dieselbe jedoch in unserem 
Verzeichnis nicht berücksichtigt, weil dieselbe uur in seltenen Ausnahmsfällcn zugänglich »eiu 
dürfte, selbstverständlich aber in dem Verzeichnis einen großen Kaum beanspruchen würde. Die- 
jenigen, welche sich näher für diese Frage interessieren, werden zahlreiche Angaben über die Tages- 
preise bei Moschow, iu dessen den „Iswestija" der geographischen Gesellschaft beigegebeuen jähr- 
lichen Übersichten über die geographische Literatur in Russland und in Busssses „Literatur des Atnur- 
gebictes bis (Iswestija IHM - .») vorfinden. Wenn einzelnes in diesen verdienstvollen Arbeiten 

'j Kruseustern, „Reise um die Welt." 1803—1805. St. Petersburg, 1811. B IL S. (39. 
J i Pctri, „ Ssacbalin. " Jahresbericht d. Geogr. G. v. Berti, 18S1 6A. S. 143. 



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Litcraturbcricht 



unberücksichtigt geblieben ist, wie wir das bei <ler Musterung unserer eigenen Sammlung aus der 
russischen Tagesliteratur bemerken konnten, so wird niemand, dem die enormen Schwierigkeiten einer 
derartigen Arbeit in Russland auch nur annähernd bekannt sind, den Herren Verfassern einen Vor- 
wurf daraus machen wollen oder können. Wir gestchen gern, dass wir bei unserem Studium der 
geographischen Verhältnisse des curopilischen und asiatischen Busslands manchen Wink, den die 
verdienstvollen Verfasser erteilen, mit Vergnügen benutzt haben. 



La Perouse. Voyage autour du monde. Paris, 1797. V. III. 

Broughtou. Voyagea de Decouvertes dans la Partie septentrionale de l'Ocean paeifique 
1795-1798 trad. de l'angl. Paris, 1807. V. II. 

Krusenstcrn. Reise um die Welt. 1803—1805. St. Petersburg, 1811. B. II. 
Ritter. Erdkunde. Asien. II. III. p. 148. Ilerlin, 1834. . 
Golownin. Gefangenschaft bei den Japanesen (1811 — 13). 1817. 
Siebold. Nippon. Archiv zur Beschreibung von Japan Leyden, 1832. 

Busssse. Ssachalin und die Expedition von 1853—54. „Europäischer Bote," 1871, N. 
X.-XH., 1872, N. IX. (russisch). 

Heine. Expedition in den Seen von China, Japan und Ochotsk 1853—57. Leipzig, 1859. 
(Wichtig für dio Kenntnis d.>r Kuslon und der angrenzenden Meere.) 

.Ausland." Ssacbalin. 1865. p. 82. 

Brylkin. Das südl. Ssacbalin. Beiträge zur Kenntnis des russischen Reiches und der an- 
grenzenden Länder Asiens. Herausgegeben v. Ilelmerscn. 1868- XXV. St. Petersburg. 
Dolirot worskij. Der Stilen von 8sachalin. „Isvestija* f. 1870 (russtsch). 
Schmidt & Glehn. Reisen im Amurland und auf der Insel Ssacbalin. 1868. St Petersburg. 

— — Petermann 's Mitteilungen. 1861. p. 316. 

v. S ehren ck. Reisen und Forschungen im Amurlande 1854—56. St. Petersburg, 1858—80. 

- .Ausland- 18f>7. N 15. 

Boscbnjak. Über Ssachalin in dein „Morskoi Sbornik - (Marine-Sammler) f. 1858, 1859, 
1860 (russisch). 

A wgustinowitsch. Über Ssacbalin. .Isvestija a für 1873, 81 und ferner auch zahlreiche 
Aufsütze in der Tagespresse. Ein entschiedener Vertbeidiger der Kolonisationsfübigkcit der Insel 

(russisch). 

Wonjukow. Die russisch-asiatischen Gronzlande. Übers, v. Krahmer. Leipzig, 1874. p. 51. 
Eine gediegene Übersicht. 

Iloutkowskij. Die Bedeutuug Ssachalin». r Marine-Sammler" f. 1874 (russisch». 

Talberg. Die Deportation auf Ssachalin. „Europäischer Bote- f. 1879 (russisch). Eine 
Übersicht der zehnjährigen Resultate der Deportation. 

Foinitzki, Prof. .Die Deportation in historischer Hinsicht und in ihrer gegenwärtigen 
Lage." St. Petersburg, 1881 (russisch). Grundlegend filr die Beurteilung des sibirischen üepor- 
tationssystems. Siebe auch die (Ihrigen Arbeiten des geschützten Kriminalisten über den gleichen 
Gegenstand. 

Lands de 11. Durch Sibirien. Jona, 1882. B. II. p. 250. 

Kkalkowskij. Der Handel der Russen im stillen Ocean. St. Petersburg, 1883 (russisch). 

Jadrintzew N. .Sibirien als Kolonie." St. Petersburg, 1882 (russisch). 

Poljäkow. Reisen auf Ssachalin 1881—82. „lswestija" f. 1883 (Beilage) (russisch). Die 
Übersetzung von PoljÄkow Ssachalin durch Prof. Arzruni (Berlin, Asher & Comp. 1884) ist bereit« 
nach Druckvnllendung unseres Aufsatzes erschienen. 

Rimskij-Korssakow. Ereignisse und Bemerkungen anf dem .Wostok." Morskoj sbornik 
1858 Mai (russisch). 

Geograph, -statistisch esLexikou des russischen Reiches. B. IV., 1873, p. 449 (russisch). 
Andreein „Kohnund Androe — Sibirien und das Amurgebiet. " Lpz. 2. Anfl.1876, B. IL, S. 159. 
Rod us Nunv. Geographie universelle. Paris, 1881, V. VI., p. 855. 

Anderson G. C. Notes on the south coast of Saghalin. Journal of the North China Branch 
of the Roy. Asiatic Society. N. 8er. XVII. 1882, p. 35. 
Poljlkciw .Atmland- 1882, S. 156. 

Petri .Ssacbalin-' Jahresbericht der Geograph. Gescllsch. von Bern, 1883/84, S. 129. 
Von den Karten über Ssachalin empfohlen wir vor allem die vorzügliche vom russischen 
Generalstab heransgegebeuc Karte .Russisch-Asien und die angrenzenden Gebiete« 1883/81 (rassisch). 



Seite I 

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Besprechungen. 



Besprechungen. 



Die amtliche Beschreibung von Schöng-King. 

Besprochen von K. Himly. 
(Fortsetzung.*) 

9. S. 52 a. Kya Schö-shan („Berg von herrlicher Farbe"), nahe dem Greuzzaune. Der Hwa- 
Kya-Kou-ho des Kreises K'ai-Yüan entspringt hier. 

Bei den Namen der in den übrigen Bezirken befindlichen Berge finden sieh die Quellcu be- 
treffenden Bemerkungen nicht. 

Die übrigen Bemerkungen (bis auf die Richtung und Entfernung von der Kreis- oder Bezirk- 
stadt) beziehn sich auf Namen, Geschichte, Gebäude, Trümmer, Altertümer, Um- 
gebung, Gesteine, Höhlen, Felsen, Wild, Gewächse u. a. w. Es verlohnt sich wol, 
diese Bemerkungen nach dem Inhalte tu sondern, wobei freilich unvermeidlich ist, dass gelegentlich 
eine Bemerkung auch unter einer andern Abteilung ihre Stelle finden könnte. 

Was zunächst die Namen betrifft, so finden sich auf den ersten Seiten des siebenten Buches 
noch einige Mandscbn-Wörlcr erklärt, nämlich 

S. 2 b. Tukshan-meifehe („Kalb-Abhang," thu-k«'-shaii-p<t), 110 H westlich vou Hing- 
King. Nach einer dort gegebenen Erläuterung soll mei-fit-ho der Mandschu- Ausdruck für föng 
(„Spitze, Grat-*) sein; allein es steht an der Stelle: „Tuu-ko-shan-pö d. i. Thu-ko-shan-mci-fu-ho: 
110 Ii westlich von der Stadt. In den Mandschu-BQchern wird für föng gesagt mei-fu-ho." Es 
geht hieraus hervor, dass sich pri und mei-fu-ho entsprechen, und da die Bedeutung von po „(Ab- 
hang") keinen Zweifel zulässt, dem chinesischen föng auch sonst der Mandschu-Ausdruck bada 
cutspricht, kann auch wol daran kein Zweifel seiu, «Jass ineifehe, welches in Gabelentz Mandschu- 
Worterbuchc mit der Bedeutung „Abhang" aufgeführt ist, der gemeinte Ausdruck sei. 

S. 2 b. Thang-dzc-kang („Hallen-Bergrücken"), auch Thang-dzS-nla, 117 Ii westlich 
von Hing- King. — Kang soll gleichbedeutend mit dem inandschuUehen ala fein. GabelcnU 
(s. a. a. O.) sagt bei ala: „Anhöhe, «rasplatz auf dem Gipfel eines Berges." Der »weite Nnmc 
ist also ein cliinesisch-mandschuischcr Mischname. 

8. 2 b. Tö-li-shi oder Deli (Deri?) — wehe (so statt tö-li ö-ho zu verstcluit, 150 Ii westlich 
von Hing-King. — „Shi (Stein, Fels) ist im Mandschu-ö-ho i wehe}." 

S. 3 a. Tliung- thung-ku („das iu Verbindung stehende Thal";, auch Thung-thung-huo- 
lo ^Thung-thung-holo), 80 1> nordwestlich von Hing-King. Alle Thäler sollen im Maudschn- 
huo-lo heißen; holo ist nach Gabelentz „Abgrund, Höhle, Schlucht, Thal, Vertiefung, Wallgraben" 
n. s. w. Aber wenn man nicht etwa das Schallwort tong-tong filr den Laut der Trommel im 
Mandschu au die Stelle setzen will, so hat mau auch hier eiueu Mischnamcn. 

Im achteu Buche kommt S. 36 b. auch ein meifche vor; es ist dieses der 50 Ii nördlich 
von Föng Hwang-thsböng befindliche Kio-p'o („Abhang des Gefühles"), der auch Kio-mci-fu-ho (Gio- 
ineifeho „Dammhusen-Abhang" ?) genannt werden soll. Sonst rinden sich noch folgende Bemerkungen 
über die Bedeutung von Namen, soweit sie nicht besser an einer andern Stelle ihren Platz finden : 

7. Buch 8.U Shi-Pa-Tao-ling („Joch der 18 Wege oder Keihen-'), 120 Ii nordwestlich 
'von Hing-King. Die Gipfel sollen sich in 18 Keilten hintereinander bald heben, bald senken. 

S. 17 a. Tung-Fön-Shwei-ling („östliches Wasscr-8cheide-Joch"), 80 Ii südöstlich vou 
Hai-Thshöng. »Nach dem M ing-i-thung-tshi befand sich der Fön-Shwei-ling 140 Ii 
östlich von Kfti-tshou-wei nnd erstreckt sich ununterbrochen mehrere 100 Ii weit. Die unterhalb 
am Gebirge befindlichen Quellen fließen je nach Osten und Westen, woher der Name. Jetzt hört 
die Kette anf dem Gebiete von Hai-Thshöng auf und tritt nach Südosten zu in das Gebiet 
von Kai-P'ing.- (Kaitshou und Kai-Ping sind Namen für dieselbe Stadt.) 

*) In den frühereu Veröffentlichungen sind folgeude Verbesserungen nachzutragen. Jahrg. IV 
unter den t h a i IX. Im Kreise Niug- Yüan unter 7, I. Kyu-Mtfn-Thai-shau. Wo S. 205 wo von Betonungen 
die Rede ist, hat man nicht san, hau, sondern shan im Falle von Show-shau zu lesen. S. 291, 

Z. SO v. o. 1. Hei-Lung-kyang, 8. 292, Z. 1 v. o. 1. Shau-W, '/.. 27 v. u. I. Kyang-Si auch 

der Thsin-Ling (der „Joche des Landes Thsin.") S. 294, Z. 21 v. u. 1. föng st. fön. 8. 29Ü, '/.. 0 
v. u. Klammer hinter Unkaut, Z. 4 v. u. Klammer vor ,.den Kreis" ... zu setzen. S. 298, Z. 12 v. o. 
1. P*ing nicht p', ebenso in Anm. 1, Z. 10. Z. 4 v. u. iu der Anmerkung I. pao »t. spao. S. 300, Z. 0 
1. gigalhoha. 8. 301, Z. 25 1. nai-L'. mit o. 



304 



Besprechungen. 



S. 23 a. T «. -tu - Tu - »Ii an („Hecrd-Ausbruch-Berg"), -'O Ii südöstlich von Kai-l"ing h'uu. 
Kino Anzahl Horpe umringt einen einzeln hervorragenden Gipfel, woher der Name. 

8. 23 b. Thsln-shan Uder flcisihrote Berg 44 ), 100 Ii südöstlich von Kai P ing. Sinkt die 
Sonn« hinter die Berge, so hat der Berg einen roten Schimmer; daher der Name 

8. Buch Seite 5 a. Wo-Fu-shan (»Berg de» schlafenden Buddha'*"), westlich vou Kin- 
Iii en. Auf dem Berge ist der Tempel Wo-Fu-se mit einem steinernen schlafenden Buddha von 
14 Fuß, woher der Name. {Derselbe findet sich auch bei Peking, wo ein riesiges liegende« Buddha- 
Standbild Aulass zum Namen gab.) Das Nü'rho-shwci („Wasser de* Mädchen-Flusses") (ließt 
nördlich um den Berg, der gewöhnlich auch Kwei-shan „Schildkrötcu-Berg- genannt wird. 

S. 5 a. Tshan-Mno-shau i „Filz-Hut-Berg-), 6> Ii westlich von Kiu-h:cn. Der Name 
soll daher kommen, dass der Gipfel spitz und mit einer Traufe versehen sei (die chinesischen Traufen, 
oder Dachspitzen sind, wie die Krampe eines Hutes, nach oben gebogen. Krilnipen haben in China 
nur die Filz-, nicht die Strohhute). 

S. G a. T ha -s Ii an („Pagoden-Berg*) in Yung-Hothsun („Dorf der ewigen Eintracht' im 
Kreise A n - T h s h a n g - Ii i e n (zur Zeit der Liao und K i n, aber seit der Mongolen-Zeit nicht mehr 
vorhandeu), <J5 Ii westlich von Kin-hien. Oben dar .uf stand eine Pagode. 

8. 27 b. K*yon-Ma- ling („Zich-Rosae-Joch"), 55 Ii südöstlich von 1-tshou, nach dem 
Miug-i-thung-tsht 60 Ii nordwestlich von Kwang-Ning-wei. Der Höhenzug steht mit dein Iwulü- 
Gebirgc in Verbindung und ist äußerst steil. Der Eilbotenweg geht hiuübcr; beim Übergänge 
uiuss mau aber vom Tferde steigen. Durch Klettern kann mau hinaufkommen. Daher der Name. 
Dazumal unterschieden die Ortseinwohner einen „großen- uud einen „kleinen, " Ta und Siao 
K'yen-Ma-Iing. 

S. 50 a. Shou-shan („Lebensalter- Berg- i, über 400 Ii südwestlich von Girin. Im „\). Jahre 
K'ang-Hi (_ 1 L' S> I ; , als der Kaiser Shöug-Tsu-Zhött-lIwang-Ti den Bergen und Grabliügeln opferte, 
den Gebräuchen gemäß die großen Jagden vollendete uud hier verweilte, war zufällig der kaiserliche 
Geburtstag • Wan-shoii-ghöng-tsyc, „die heiligt» Zeit der 10.0U0 Lebensalter oder Jahre- \ weshalb 
der Berg mit dem Namen Shou-shan i „Leben<-jalir-llerg a ) begnadigt wurde. 1 ) 

S. 50 a. I'an-Ts) e - Tha • sh an („Berg der halb abgeschnittenen Pagode-), 500 Ii süd- 
westlich von Girin, in der Stadt Ye h e - 1 h s Ii ü n g. Auf dem Ucrge soll eine hall» abgeschnittene 
Pagode stehen, woher der Name. 

Mehrfache Namen für Anhöhen aus älterer oder neuerer Zeit finden sich ziemlich häutig. 

7. Buch S. lb: K'ai-y Un-shan („Berg des eröffneten Verkehres-), 10 Ii nordwestlich von 
Iling-King, auch geuannt YnngLing („Grabhügel der Ewigkeit-;, — Kaiserlicher Friedhof. 

S. 6 a. Lung-Ye-shau '„Berg des reichlichen Besitzes-) 10 Ii nordwestlich von Mukdcu. 
Er heißt auch Tshao Liug („Grabhügel des Glanzes-). 

S. 13 a. Shou-shan („Haupt-Berg-), 15 Ii südwestlich von Liao- Yang; der Berg wird 
auch Shöu-shan („Hand-Berg") genannt. Auf der Spitze ist ein Felsen, der oben wie die Finger 
einer Hand gestaltet ist. Eine unerschöpfliche Quelle ergießt sieh dort. Oben darauf ist der Tempel 
Thsing-Füng-se („Tempel dos reinen Windes"). 

S. 13 a. Liao-Kao-shan („Fernsieht -Hoch-Berg- 4 ), 60 Ii südwestlich von Liao- Yang, 
auch genannt Liao-Kyao-shan UI {or K d es Gemeinde-Landes von Liao-), gewöhnlich genannt Ya- 
Kyao-shan („Gabel-Horn-Berg"). 

S. 15 a. Lan-Ho-shan („Wehrc-Fluss-Berg-), 8 Ii südöstlich von Hai-Thshöng. Der Berg 
wird auch genannt L an g • H u • s Ii a n („Wolf- und Tiger-Berg") und L n u - K o -s h au („Berg des 
faulen .Stieles-). Der ersterc Name ist wol der richtigere, da er sich auf eines der dortigen 
Gewässer beziehen könute. Wölfe und Tiger sind indes auch einheimisch. Was deu dritten Namen 
betrifft, so scheint er nur eine Verdrehung zu sein, da der eigentliche Schauplatz der betreffenden 
Sage doch wol der Süden ist. Der Name Lan-Ko-shan ist freilich sehr verbreitet. Ein gewisser 
Wang- Tal», der nachmals von den Tao-Glaubigen verehrt wurde, soll (nach Mayer?, Chinese 
Rcadcr's Manual S. 239 hei Kü-tshou im südwestlichen Tshü-Kyaug) in die Berge gegangen sein, 
Holz zu hauen. Dort soll er zwei Berggeister isyen, oder thnug „Jünglinge*), bei einein Bretspiele 
(nach gewöhnlicher Annahme und den sehr häufigen Abbildungen dieses Vorganges dem neuerdings 
auch in Deutschland eingeführten wcY-k'i [japanisch go] oder »Umzingelung- Spiele-) augetroffen und 
zugeschaut haben. Der Eine, heißt es weiter, hätte dem Wai'g-Tslii einen Brustbeercu-Kern gegeben, 

'> Yung-ho ist auch eine Bezeichnung für den Zeitraum 136—14* u Z. 

; i Shöug-Tsu-Zltöii-Hwaug-Ti, „heiliger Ahn, milder Herrscher" ist der Ehrenname des gewöhnlich 
nach dem Namen des Zeitraumes seiner Regierung K'ang-Hi geuauntcu Kaiser*. Wan «wei 
.10.000 Jahre!" ist soviel, wie „Heil dem Kaiser!- Wan shou ist <jin damit sinnverwandter Ausdruck. 



Besprechung™. 



der, von ihm im Munde bchalteu, den Huuger fem gehalten hätte. Am Emlc des Spieles hätte ilor 
eine Elfe auf die Axt hingewiesen, dereu Stiel (ko) gan» vcrfanlt (Inn) gewesen wJtre, tind Wang- 
Tshi, nach seinem Dorfo zurückgekehrt, hätte ein gan» neuen Menschengeschlecht darin gofunden, 
da mittlerweile hundert Jahre vergangen wären (s. außer Mayers angeführtem Werke ') das San-Thsai- 
Thu-Hwci unter Ti-Li S. 9, Yüan-Kyen Lei-Han unter wei-k'i S. 9 a, Tze-Shi-Tsing-Hwa Ii. 1 10 S. I i h). 

S. 15 b. Pai-shan (der „weifle Berg"), 20 Ii südöstlich von Hai-Thshöng, gewöhnlich 
genannt, (das lieifit doch wol das Thal daneben!) Lö-Ma-yii „Thal der gozügellen Kossc." 

S. 16 a. Yiug-Shöu-shan („Adler-Kopf-Berg"), 50 Ii südöstlich von Hai-Thshöng; 
„gewöhnlich nennt man den Ying-Shou-kou" („Adler-Kopf-Bach"). Ein solclier ist aber unter den 
Gewässern nicht aufgeführt. 

8. 16 b. Mang-Kou-shan (, Riesenschlangen-Bnch-Bcrg"), 65 Ii südöstlich von Hai- 
Thshöng; auch genannt: Kao Li-Kwan-shan („Berg des Einkehrhauses der Korcer"). 

8. 17 a. Hung-I-ling („Ucgenbogen-Joch"), 75 Ii südöstlich von Hai-Thshöng; gewöhnlich 
genannt Hung-K'i-ling („ Joch des roten Banners''). 

S. 17 b. Hung-Thung-shan („Schluchten-Berg*), 150 Ii südöstlich von Hai-Thshöng, 
gewöhnlich genannt Kung-Tung-shan („Bergwerk- und Höhlen-Berg"). 

S. 19 a. Sh i-Tshu-shan („Stciu-Säulon-ßerg u ), 70 H südlich von Hai-Thshöng; ge- 
wöhnlich heißt es Shi-Tshu-küu („Stein-Säulen-Bach"). 

8. 19 a. Yü-shan (.Fisch-Berg"' 1 , 50 Ii südwestlich von Hai-Thshöng, auch genannt Y i n g- 
Kv».«h»n („Berg des Empfanges und der Aufwartung"), gewöhnlich aber N i n g- Ky a-sh an 
(„Berg des Hauses Ning"). 

S. 19 a. Ping-Ting-shan („Ebcn-Gipfel-Borg"), 10 Ii südwestlich von Hai-Thshöng 
Oben darauf soll angesammeltes Wasser sein, welches nie versiege. Gewöhnlich wird der Berg 
Yil-P'ön-shau („Bade- Wannen-Berg", genannt. Hier weilte der Kaiser Thai-Tsung der Thang 
(herrschte 627 — 650). Andere Nameu für den Berg sind noch Thshö-Kya-sh an („Wagen- 
Spannc-Berg") und Thaug- w nug -s h ari '„Berg der Aussicht der Thang*). 

S. 19 h. Tshu-Tswei-shan („Sau-Maul-Berg"), ÜO Ii südwestlich von Hai-Thshöng, heißt 
auch Lao-Shan-Sc-shau („der Berg des Alteubcrg-Tcmpcis" l . 

S. 19 I). Kwan-shan („Schiusaberg," „Berg der Zollschranke- >, 65 Ii südwestlich von 
Hai-Tlishöng, gewöhnlich genannt Kwau-Ma-shan („Sehau-Koss-Bcrg") und K w a n - M ö n-sh a n 
i „Thor-Sehluss-Berg"). 

S. 19 b. Mi-Tshöu-shan („Berg der verblendeten Wahrheit"), 70 Ii südwestlich von 
Hai-Thshöng, gewöhnlich L i a o - K a o - s Ii a n („Heller hoher Berg"), auch Ny nng-Kya -sh an 
(„Frauen-Nagel-Berg") genannt. Darauf beiludet sich der Tempel N iang- N i an g - mi a« („Tempel 
»ler hohen Frau, d. h. der Kaiserin, oder eiuer Göttin"). Derselbe ist nach Suito 7 a. des 25. Buches 
unter T Ii a i - Ts u ug- W ön - H w a ng- T i (101*7 — 1644) und 16b. unter der Herrschaft K'aug-Hi 
noch einmal ausgebessert worden. 

S. 20 a. Lien-Hwa-shnn („Lot-is-BIumen-Berg"), 90 Ii südwestlich von Hai-Thshöng. 
Oben darauf sind Thyen-Mön (das „Himmelsthor") und Sbi-shf (die „steinerne Halle"). Die 
hintereinander gereihten Gipfel leuchten in der Ferne herrlich blau wie von Lotus 'oder Eibisch, 
Fu-Yung s. Porter Smith, Chinese Materia medica unter Hibiscus). Gewöhnlich heißt der 
Berg Yung-Hwa-shan, „Lotus-, Eibisch- oder Mohn-Blüten-Berg." 

S. 20 a. Ma-Yai-shan („Hanf- oder Nessel J)-Abhang-Borg u >, 20 Ii nördlich von Hai- 
Thshöng, gewöhnlich genannt Yen-Thai-Äan („liauch-Thurm-Berg"). 

8. 2:1 b. Thshi-shan („Hellroter Berg"), 100 Ii südöstlich von Kai-P'ing. Geht die 
Sonne hinter den Bergen unter, so hat der Berg einen hellroten Schimmer, woher der Name. 

S. 2t a. M i ng- K o- 1 i ng („Joch des tönenden (Juanos, oder der tönenden Muschel"), 30 Ii 
südlich von Kai-P'ing; heißt gewöhnlich Sha-Kön-thai, „Sand- Wurzel-Thurm." 

8. 24 b. Thie-Thshang-shan („Eiscn-Plata oder Schmiedeberg"), 90 Ii südlich von Kai- 
P'ing, heißt auch L i - K w a n - F ö n - sh au („Berg des Grabes des Beamten Li"i. 

8. 26 a. P i - P'a - Ii n g („Lauten-Joch"), ISO Ii südlich von Kai-P'ing; gewöhnlich genannt 
P'a-P'a-ling („Klotter-Joclri. 

') Das angeführte Werk etithillt unter YUau-Cha<» eine andere Sage nach dein Lie-Sycn- 
thshuan, worin zwei Sterbliche vorkommen, die, von Hanfsamen genährt, sieben Meiischcnalter 
im Thycn-Thai-shan in der Gesellschaft zweier weiblicher Elfen zubringen. Vgl. Kip van Winkel 
nach Washington Irvings Erzählung, den Mönch v«.n Heisterhaeh und die Sicbcnschl.'ifcr. 

2 ) ma gewöhnlich „Hanf," aber auch Bochmeria, Hibiscus, Linum, Sida s. William*, dictio- 
nary, und Porter Smith, Materia medica. Boehmeria ist eigentlich thshu-ma und wird zur Bereitung 
des Nesseltuchcs benützt. 




Wf> Besprechungen. 

8. 26 a. La-T'a-shan („Schleuder-Berg"), <13 Ii nordwestlich von Kai-P'ing; gewöhnlich 
genannt La-La-shan („Zieh-Berg"). 

Ye-Hu-shan („Berg des wilden Fuchses"), 2 Ii nördlich von Kai-P'ing; aneb genannt 
Yin-Ting-shan („8ilber-Zatn-Berg" ). 

S. 26 b. Yang-Hu-dze-shan („Weiden-Bart-Berg"), 18 Ii Östlich von Kai-P'ing; ge- 
wöhnlich hoiflt es Yang-IIu-dxe-kou ( ,, Weiden-Bart-Bach"). 

8. 29 b. Lung-Shou-sban („Drachen-Kopf- Berg"), Uber 2 Ii östlich von Thiö-Ling- 
hien. Oben ist der Lung- Wang-miao („Drachen-König-Tempel"), das heifit auf dem nördlich 
vom 8an-Thsing-kwan („Tempel der drei Reinen" des Tao) befindlichen Berge, der ganze 
weiter südlich befindliche Höhenzug heißt Lung-Shou-San, wie die alte „Beschreibung" sagt. 

8.33 b. 8y ao-Ts hu'r-shan („Der kleine Scbweinchen-Berg*), 55 H südwestlich von 
Thi£-Ling; heißt auch Hwang shan, „gelber Berg." 

8. 36 a. VYang-Hai-Thai-shan („Schau-Seewärts-Tburm-Berg"), 150 Ii südöstlich von 
Fu-tshou; heißt auch Hwang- Ycn-Thai („Öder Rauch-Thurm"). 

8. 39 b. Pao-shan („Panther-Berg"), 80 Ii östlich von Ning-Hai: jetzt genannt Pao-dze- 
tao („Panther-Insel!"). 

S. 41 a. Nan-Kwan-tao („Süd-Spcrre-Eiland"), 20 Ii südwestlich von Ning-Hai; auch 
Nan-Kwan-Iing („Süd-Sperre-Joch") genannt 

Ling-Sh w ei-tao („Eiland des tropfenweise rinnenden Wassers"), 60 Ii KÜdwcstlicb von 
Ning-Hai; heutzutage heißt es Ling-Kyo- wan, „Wasser-Nuss-Bucht." 

Sha-Ho-tao („Sand-Fluss-Eiland"), 60 Ii südwestlich von Ning-Ho; hentiger Name H<1 
H o-k'on („Fluss-Fluss-Münduog"). 

8.44 a. Tbsing-Shan-tao („Eiland des schwarzen, oder duukclblauen, dunkelgrünen 
Berges"), 100 Ii nordöstlich von Niug-Hai; heißt auch Thsing-Shan-thai („Ounkel-Borg.Thurm"). 

8. Heft 8. 2 a. Wo- Lung- sh au („Berg des kauernden Drachen"), 27 Ii südöstlich von 
Kiu -Iii« 1 ii. Der Abhang soll die gcwuudene Oottnlt eines schlafenden Kinde« (uiu) haben. Im 
Vitlksmunde wird der Berg daher auch W .i-N i u-sh an („Berg des kauerudeu Rindes"} genannt 

8. 2 b. Thshao-Yang-sban („Sonuen-Seiten-Berg"), 35 Ii südöstlich von Kin-hien; unter- 
halb befindet sich der Tempel Thshao-Yang-se. Gewöhnlich wird dio Örtlichkeit \V a n g- Ma- d zc 
ki>u („Fürsten-Hanf-Bacb") genannt. 

P'ing-sban (»der glatte Berg"), 50 Ii südöstlich von Kiu-hicn. Der Berg wird auch Tb wan- 
shan („Runder Berg") genannt, üben ist ein Wall, weiter südlich der Tempel Wang- Hai - 
T b s h a o - Y U n - s 8 („Schauc-Scewärta-Morgcn-Wolken-Tcmpcl") 

8. 3 b. Hung-Tbu-shan („Roth-Erdcn-Berg"), 57 Ii südwestlich von Kin-hien; wird auch 
P ing-Thu sban („Glatt-Erden-Berg") genannt 

8. 4 b. Mö-P'ang-shan („Mühlstein-Berg"), 20 Ii westlich von Kin-hien; heißt auch 
Y (I a n - Tou - sh au ( „Rund-Scheflel-Berg"). 

8. 5 b. Tang-dze-shan („Kessel-Berg"), 60 Ii westlich von Kin hien; heißt gewöhnlich 
Tshi-Kwo-dzo-shan („8tnngcn-Ke»sel-Berg") wegen seiner Gestalt. 

8. 7 b. Tbsing-Lnng-shan <„8chwarz-Drachen-Bcrg"), 50 Ii nordwestlich von Kin-hien. 
heißt auch gewöhnlich Liang-Kia-Tshai, „Verhau de« Hauses l.iang." 

8. 8 b. Zbn-thiiu-shan („Zitzen-Berg";, 80 Ii nordwestlich von Kin-hien; gewöhnlich gc- 
uaunt. Nai-thou-shan (ebenfalls „Zitzen-Berg" i. 

8nug-Liug („Föhren-Joch") mit dem kurz vorher angeführten S u n g- L i n g - M ö n • s h a n 
iFören-Joeh-Thor-Berg"), 90 Ii nordwestlich von Kiu-liien. Das „Föhren-Joch soll östlich von dem 
Sung-Lingmön („Föhron-Joch-Thov") seiu; nach Südosten zu ist noch ein Berg, der im Munde 
des Volkes den Namen Sung-Ling-shan führt 

Thswcf-Mu-shan („Berg des blaugrün schillernden Vorhanges- i, 10 Ii nördlich von Kiu- 
hiOn; gewöhnlich genannt Yeu-Ma-shan („Augcn-Ro»s-Berg"). 

8. 9 a. Man-thüu-shau („Brot-Berg"), 20 Ii nördlich von Kin-Uhou-fu ; gewöhnlich ge- 
genannt Ta-Mao-shan („Großer Hut-Bcrg"j. 

8. 10 b. Pan-Pi-ab.au („Halbe- Wand-Berg"), 40 Ii nordöstlich von Kiuuhou-fu ; auch 
genannt: L i a n g-K i o - s ha n („Zwei-Horn-Berg">. 

S. 13 a. Shi-Tha-shan <_Steiu-Pagoden-Bcrg"j, 18 Ii südwestlich von Ning-Yüan; im 
Meere (also ein Eiland !i, wird auch wohl Siao-tha-shan („Kleiner Pagoden-Berg" i genannt. 

8. 13 b. Pi-Hia-shan („Herg der grünen Morgen- oder A bend wölken- 77 Ii südwestlich 
von Ning-Ytlan. Oben befand sich das Schloss eines Mongolen-Herrschers > Y ü an -K U u -kn ng>, 
der Tempel Hai- Yün-se („Tempel der Mcercswolken*i und der L i u - K y ö-T s i n g iSechs-Höropr- 
Brunuen"). Gewöhnlich heißt der Berg Miao'r-shau („Teiupelchen-Berg"). 



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Besprechungen. 



397 



S. 11 a. Ka-shan („Einsamer Berg»», 12C» Ii südwestlich von Ning-Yüan; gewöhnlich ge- 
nauut: Ts hu- Ky a - ts w ei Schnabel" oder „Vorgebirge de» Hauses Tshu"). 

8iao-HeY-shau („der kleino schwarze Berg"), 193 Ii südwestlich von Ning-Yüan; heiüt 
auch wohl lli-I-i an - sh an („Sehwane-Droi-Berg," „drei Berge des HeY," oder „Sebwara?"). 

8. 18 a. Mii-Hv-Lu-slun („Berg des Maharadshä?"), 20 H nordwestlich von Ning-Yilnn 
heißt auch Kwang-Ting-shau l „Glatt-Scheitel-Berg-j. 

Ky u-Lnng-shan („Ncnn-Löchcr-Berg" i, 25 Ii nordwestlich von Niug-Yfian; er heißt auch 
Kao-Hwang-shan („der hohe gelbe Berg"). 

8. 19 b. Lo-Föng-shan („Muschel-Grat-Bcrg**i, 5 Ii nordöstlich von Niug-Yilan; heißt ge- 
wöhnlich K'u-Lung-shan („Lochberg~). 

S. 22 b. Tho-Fang-shan („Karaeel Haus-Berg"), 60 Ii südöstlich von Kwang-Ning; heißt 
gewöhnlich F ang-Th o -a hau („Berg de« losgelassenen Kamccles"). 

S. 30b. W an- Fu -shan '„Berg der 1O.0O0 Buddha»)«, 13 Ii nordwestlich von 1-thsoti ; heißt 
auch Fu-shan („Glücksberg"). 

S. 31 .1. Lien - H w a-s h a n („Lotus-Bhimeu-Bcrg"), 30 Ii nördlich von I-t«hou; heißt auch 
Thsbang-shan („Langer Berg-). 

8. 35 b. L u ng- Fön g - Tha i- s h an {„IWg den Drachen- und Phönix-Thunnes"), 85 Ii 
uord westlich von Fö n g- H w a n g- Th s h öng; int im M i n g - 1 • t h u n g- ts Ii i : Lung-Ftfug- 
ihan („Drachen- und Phönix- Berg") genannt. 

S. 36 a. Mo-Thyen -ling („Das den Himmel berührende Joch"), 170 1» nordwestlich von 
Föng-Hwnug-Thshöng, gewöhnlich geuanut Kao-liug („Hohes Joch"). 

S. 30 b. Tsiu-Ma-Ki-shan („Wtin- und Kosuc-GMlck-Bcrg,» besser wol Sai-ma-ki- 
shan, s. u. im allgemeinen Venteichnisse). 35 H nördlich von Föug-Hwang-Th*huug; auch ge- 
nannt S a n - M i n g- s h an ( „Drci-VogcLschrei-Berg- ). 

8a i-M ang- A -sh an, 45 Ii nördlicli von Föng- Hwaug -Tlnhöng; auch genannt Sai- 
mangga-hada (mandschuisch: hada, „Felsen"), (Kio-p'o und kirf-meif exe s. o.j. 

8. 37 a. Hwang-P.S-lrf-yfl („Thal dci Siebe« der gelben Wellen"), 187 Ii ulrdlich von 
Fong-Hwang-Thshöng; heißt auch Fö n - S h w e V-li ug ( „Waaxcrschcide-Joch"). 

S. 49 a. Wang-Tsi-shau („Vollmoud-Opfer-Bcrg"), 9 Ii südwestlich vou Giriu-Ula-, heißt 
auch Wön-tö-h öng -shan (wenderheu = wendeden „Name eines Vogels, undehen 
TaW, Beet; Stab, Küthe." Gnbcleutr, Wörth.). Jährlich im Frühling und Herbste werden auf 
dickem Berge dem Geiste des Th s h ang -Pa i - s h an die Vollmond-Opfer (wang-tsi) gebracht 
Im Jahre 1733 wurde die Götter-Halle Waug-Tsi-tyen errichtet. 

8. 50 a. 8höu~shan („Lebcnsalter'Berg"), Uber 400 Ii südwestlich von Girln-Ula. 
Im 20. Jahr K'ang-Hi (1681), als der Kaiser Shöng-Tsn-Äön-H wang-Ti hier weilte, um 
den Bergen und Grabhügeln Opfer und Gebet« darzubringen uu 1 die gebräuchlichen großen Jagden 
abzuhalten, war gerade der kaiserliche Geburtstag (Wan-shou-sböng-tsitS, „die heilige Zeit 
der 10.000 Lebensalter"); deshalb wurle dem Berge der Name Kliou-ihin verliehen. 

Pan-TsiS-Tha-shan '„Berg der h«lb durchgeschnittenen Pagode"), 500 Ii südwestlich 
von Giriu-Ula in Yehe-thshöng. „Oben darauf steht die halb durchgeschnittene Pagode, woher 
der Name." 

8. 52 b. Tshu-Lu-Mu-Ha-Lii'n-föng (Dfchurn-muhaliy an-hada, „Zwei-Kugel- 
Gipfel" im Maudschu), 1G0 Ii westlich v«»n Girin-Ula; ein östlicher und ein westlicher Gipfel. 

A-'r-than-Ö-Mo'r-shan (A ltan-Emer-üla? mongolisch altan „Gold"), über 340 Ii 
westlich von Girin-Ula; im Min g - 1 • t h nng- ts h i : A'r - 1 h s i e n - s h an gonnnnt. 

Tshu-Lu-Ko'r-pi-k'u iDihuru-kerbiku? „die «wei kerbiku"), 143 Ii westlich von 
Girin-Ula; der eiue Berg soll östlich, der andere westlich vom I tun -Flusse sein und «war der 
erstcre 143 Ii, der audere 346 Ii westlich von Girin-Ula. — 

Auch geschichtliche Bemerkungen finden sich mehrfach. Dahin gehören: 

7. Bnch, S. 4 a. ThiS-FeY-shau („Eisen-Rttckcn-Berg"), 120 Ii nordwestlich von Hing- 
Kiug. Oben darauf zwei Grenis- Wälle (oder Mauern, thshöng)'). Unter diesem Berge soll T'ai- 
Tsu (161G— 1627) das Heer der Ming geschlagen haben. 

8. 5 b. Thycn-Tshu-shan („Himmcl-8äulcn-Borg"), 20 Ii östlich von Mukden. Der 
Berg beißt auch Fu-Ling („der glückliche Grabhügel"). Als der Thang-Kaiser Kao-Tsnng 
Korea (Kao-Li) nnterwarf, ließ der Ta-Shi von F'u-Hal den Tung-Mou-shan („Ost- 
Gerstc-Berg") befestigen; nach dem Ming-I-thung-tshi befand sich der Berg 20 Ii östlich von 
Sbön- Yang-wol, — der oben gonannte Berg ist also der alte Tung-Mou-shan. 



ky ai-fan-ör-thshöng, „GrenzMarkcn-Zwei-Wällc." 



398 



Besprechungen. 



S. 6 a. Liiug-Yc-shaii („Berg des gesegneten Berufes"), ]0 Ii nordwestlich von Mnkdcn ; 
wird auch Tsh an - 1 i n g („der schimmernde GrabkUgel-) genannt. 

8. 13 b. Yen-Ln-shan („Klippen-ScholIenBcrg" ), 10 Ii nordostlich ron Liao -Yang. 
Oben dar.iuf ist das Gral» (mu) einer Kaisertochter (kung-tsh u). 

Shi-Thshöug-shau („Stein-Wall-Berg"). 57 Ii nordöstlich von Liao-Yang. Es ist hier die 
Bemerkung hinzugefügt, dass eine Erlänteuing nnter der Abteilung der „Spuren des Altertums" 
(k ii tsi) au finden sei. Dort findet sich freilich auf Seite 26 b de» 25. Buches unter Liao-Yang, 
dass ein solcher „Stein- Wall" (» h i - 1 hs Ii ö n g) auf dem Föng Hwang shan (,.Phonix-Bergc"; 
sei, wo nämlich in solclier Ausdehnung Steine aufgeschichtet sein sollen, das* 10O.000 Mann in 
ihrer Umfriedung Platz hätten. Her Sage nach soll der älteste Sohn und Thronfolger eines Fürsten 
des Reiches Pu-Hai dort gewohnt haben. Hin Föng-Hwang-shan ist jedoch im 7. Buche 
unter Liao- Yang-tshou S. 12 b als 50 Ii südlich von Liao-Y'ang befindlich erwähnt, und man 
weiß also nicht, ob der 57 Ii nordöstlich von Liao-Yang befindliche Sha-Shi-Thshöng-shan nebenbei 
auch den übrigens nicht seltenen Namen Föiig-Hwang-shan führt, oder ob es sich auf S. 26 b des 
2f>. Buches um denselben Herg handelt, der S. 12 b des 7. Buches erwähnt ist. Auf die sogenannten 
Pu-Hai zurückgeführter Steinwfille geschieht übrigens auch 8. 28 b des 25. Buches unter Hai- 
Thshöng-hien Erwähnung, wo von Pu-Hai-Nan-King der „südlichen Hauptstadt von Pu-Hai" 
die Kode ist. 

8. 22 b. Shi-M5n-ling (.Stein Thor-Joch-), 70 Ii Kitlich von Kai-Piug (K a i • t sho n). 
Zur Zeit der Ming wurde hier eiue Zollsperrc (kwan) errichtet, die zur Zeit der Verfasser nicht 
mehr vorhanden war. 

8. 25 b. Lien-YUn-Yü („Thal der verbundenen Wolken"), 15 Ii westlich von Kai-Ping. 
Zur Zeit der Ming wurde eine Zolhpcrrc (kwan) h'er errichtet mit Zhnng -Truppen; „jetzt 
aufgegeben." 

H wang- Liang-thwöi („Lügen-Korn-Haufen" ), 20 Ii nordwestlich von Kai-Ping. Wie 
die Sage berichtet, sollen dort zur Zeit der Thaug und des Krieges mit Korea (Kao-Li), als die 
Zufuhr gefehlt habe, währeud der Nacht Erdhaufen aufgeworfen und mit Reiskörnern überschüttet 
sein, um dieselben dem Feinde zu zeigen. 

S. 2<5 a. Thsing-Shi-Ling („.loch des schwarzgrUncn Steines," „Schiefer-Joch"), 7 Ii nord- 
lich von Kai-I'ing. Auch hier ist früher einmal eine Zollschranke (kwan) gewesen, die znr Zeit 
der Verfasser (oder Herausgeber) nicht mehr bestand. 

S. 2G b. Shi-Thshöngshan (,8tcin-Wall-Berg-i, 13 Ii nordöstlich von Kai-Ping. Her 
Berg heißt auch K a o - L i - T h s Ii ö u g - s Ii a n („Koreaner-Stadt- Berg - ) ; nach dem M i n g - i - 1 h u n g- 
tshi war hier zur Zeit der Bekriegung Korea's dtirA den Thang-Kaiscr ThaJ-Tsuug ein 
Aufenthalt für die Eingeborenen, iu welchem sie Zuflucht vor den Truppen fanden. 

8. 29 a. II w ang-L u ng- K ang („Grat des gelben Drachen"), 3 Ii nördlich von Kai- 
Yüan. Das in der „Geschichte der Liao" (Liao -8 Iii) als niirdlich von der „oberen Hauptstadt* 
(Shang-King) belegen angeführte Hwang-Shwet („Gelb- Wassel, • aber mit dem Zeichen für 
Wasser vor Hwnng) soll hinweisen auf den „gelben Drachen" südlich davon. (Dieses Schwanken 
wegen der Lage von .Sang-King wird wohl seinen Grund in der mehrmaligen Verlegung dieser Haupt- 
stadt haben.) 

S. 31 b. Tshu-Pi-shan („Berg des Hoflagcrs"), 2 Ii südöstlich von Thiß Ling-hien. 
Im 10. Jahre Kang-Hi (1671) hielt hier der Kaiser 8 höng-Ts u- Z h ö n - H wan g- T i sein II<.f- 
lager (tshu-pi „verweilte unter Fcrnhaltung Unberufener"). 



Haardts Schul Wandkarte der Alpen. 

(Wien, Ed. Holzel s Vcrlag.i 

Wie für jeden den höheren geographischen rnterriehtsstufen gewidmeten Schulatlas die 
Einfügung einer besonderen Karte der Alpen heute allgemein als Notwendigkeit erkannt ist, so 
darf es in demselben Grade als ein absolutes Erfordernis bezeichnet werden, dass die Lehrmittel- 
sammlung eines Gymnasiums oder Realgymnasiums eine brauchbare Schulwandkartc der Alpcna ufweist, 

Die erste für die genannten Uuterrichtsstufen geeignete Schnlwatid karte der Alpeu bildet — 
da Steiuhauscrs vorzügliche Alpenkarto sich für Zwecke der Schule weniger empfiehlt, als für 
jene der gelehrten Forschung — diu von Haardt bearbeitete, welche im Verlage von Ed. Holzel 
in Wien erschien. 

Bei einer Karte, die wie die vorliegende naturgemäß iu ihrer Ausdehnung auf politische 
Grenzen keinerlei Rüi'k>ieht zu nehmen hat, erscheint als der nfu-hstc Prüfstein ihres Wertes die 



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Notizen. 



Abgrenzung, welche dein Karte u bilde gegeben wurde. Haardt* Arbeit reicht im Süden bis über «len 
Trasimetier See hinaus, begreift im Osteu und Westen noch Rhöuc und Theiss ein uud erstreckt 
sich nordwärts bin Regensburg. Es erhellt hieraus, dass die Ausdehnung des dargestellten Bildes 
eine hinreichend weite ist, um die Lagenverhnltuis.se der Alpen zu den ihnen benachbarten oro. 
graphischen Gebieten vollkommen genügend erkeuneu zu lasscu. 

Die Detaillierung der Situation, die Aufrahme der Ortszcichen und Naineu, die Wahl der 
sonstigen beuauuten Objekte — diese für eiue Seh u 1 Wandkarte so wichtigen Punkte sind mit 
einem sehr auerkeunettswerteu pädagogischen Verständnis aufgefasst uud behandelt worden. Da 
hierbei den Gebirgsketten und größeren Gruppen keine Namen gegeffen wurden, so bleibt in 
dieser Hinsieht dem Lehrer freie Hand — was freilich bei den in diesem Teile der alpinen 
Nomenklatur ja so reichlich vorhandenen Schwankungen und Willklirlichkeiten der angewandten 
Namen erklärlich erseheint, aber Hieb doch kaum zur Nachahmung empfehlen dürfte. Die bekauute 
Honklar '«ehe Einteilung der Alpen findet sich nur in dem der Karte beigefügten Erläuterungshefte. 
Diese „ Erläuterungen zur Wandkarte der Alpen" bilden überhaupt eine namentlich auch für den 
Lehrer der Geographie sehr erwünschte Ergänzung. Sic enthalten außer dem Texte noch eine im 
Maßstab von 1 : '2,000.000 bearbeitete Übersichtskarte über die Einteilung der Alpen, die jedoch 
im Osten nicht so weit reicht, wie die Hauptkarte: auf derselben sind die drei großen Abteilungen 
unseres Gcbirgssystems (die West-, Mittel- und Ostalpeu) durch farbige Unterscheidung hervor- 
gehoben uud jede der drei dann weiter in eine Anzahl von Unterabteilungen zerlegt. Die Einzelheiten 
der Einteilung bieten nicht gerade wesentliche neue Gesichtspunkte: als eiue ungewöhnliche Ein- 
teilung mag Haardts Begrenzung der Alpen gegenüber den Apenniuen geuanut werden: er legt 
die Scheide zwiseheu diesen beiden Gebirgssystemcn in die Rncchotta dAltare, statt auf deu Col 
di Tenda. 

Als einen wesentlichsten Punkt einer Alpeukarte müssen wir naturgemäß ihre Terrain- 
Darstellung ansehen. Gerade die.se bildet nuu eiue hervorragend gute Seite dieser Karte — wie aller 
Haardt'»* heu Wandkarten überhaupt. Namentlich verdient es lobend anerkaunt zu werden, da«.« 
der Autor auf der vorliegenden Karte jeue lichandlungsweise des Terrains aeeeptierte, die uns seit 
Jahren bereits Karl Vogel, weitaus der klarste und feinfühligste Tcrraindarsteller unter deu lebenden 
Kartographen, z. B. auf seiner mustcrgiltigen Behandlung der Schweiz im Sticlcr'sehen Haudatla g 
so wirkungsvoll vorführt ; wir meinen den mit richtigein geographischen Verstäudnis ausgewählten 
Wechsel zwiseheu schräger und senkrechter Beleuchtung. Das« die schräge Beleuchtung ferner nicht 
immer die konventionelle nordwestliche blieb, sondern in den westlichen Gebieten gelegeutlich 
direkt eine als nördliche, in den kroatischen Gebirgen als eine nordöstliche auftritt, darf als eine sehr 
verständige und überaus wirkungsvolle Neuerung bezeichnet werden. — Etwas weniger gut ist 
mitunter die Abbildung der Vorberge der Alpen gerateu. 

Das Flächenkolorit schließt sich dein Vorbilde Sydow's au; dio Secu und Meere haben 
hellblaue, die „Ticfebcuc" (deren Grenzen die Karte bei IJOO »i Meereshöhe zieht) grüne, die höheren 
Gebiete braune Farben, die sämtlich in ihrer Abtönung sowol eine geschmackvolle, wolthucnde 
Ruhe, wie auch eine zweckbewusstc Deutlichkeit zur Schau tragen. 

In seiner vortrefflichen pädagogischen Durcharbeitung, die der Soigsamkeit seiner Technik 
um nichts nachsteht, erscheint Haardt'» vorliegendes Werk als ein treffliches Unten ichtsmittel für 
höhere Lehranstalten — uud gleichzeitig als eine dringende Mahnung, endlich und überall dem 
erdkundlichen Unterricht an Gymnasien und Realschulen «eine Existenzberechtigung als Lehr- 
gegenstand auch der obersten Klassen nicht länger vorzuenthalten! 

Weimar. J. I. KcHIcr. 



Notizen. 

l)os Schulwesen in DriÜscIi-Indien. 

Vou Emil ScUlagiutweit. 

Als im Jahre 17."»0 die Ostindische Kompaguie durch die Siege von Lord Clive den Grund 
zur Herrschaft Englands iu Ostindien gelegt hatte, faud sie Privatschulen der einfachsten Art vor 
ohne jeglichen Aufbau höherer Schulen; was an Gelehrtcnschulen in SUdiudicn iu Khumbakonnm, 
im nördlichen ludicn iu Renares vorhanden war, diente Sektenbcstrehuiigen, vermittelte aber nicht 
allgemeine höhere [tiblung. Mit dem Beginne des laufenden Jahrhunderts zog dio Buchdruckerkiinst 
als Privatuntenehmen in Brltisch-Indieu ein. Es erfolgte Herausgabe von Zeituugen iu Englisch 
wie iu den Sprachen der Eingeborenen; es dauerte aber ein volles Viertcl-Jahrhuudort, bis die 
Landesverweisung missliebigcr Redakteure aufhörte «ud es bedurfte der begeisterten Beredsamkeit 
des Gelehrteu Lord Macaulay. damals Mitglied des Verwaltung»rates, dass ]SX» Britisch lndieu 



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400 



Notiren. 



Pressfreiheit zuteil wurde. Es lag im Zuge der Zeit, alle Schranken niederzureißen ; Beschränkungen 
dor Presse hätten Rieh »»»wenig aufrecht erhalten lassen, wie das Handelsmonopol der Ostindischen 
Kompagnie, oder da* Nicdcrlassungsverbot für Europäer, die nicht im Dienste der Regierung standen ; 
beide Vorbehalte ficleu 1K32. Die Befürchtungen, das» Fremdherrschaft und freie Presse nicht 
nebeneinander besteheu können, erflüllten sich nicht. Als die Eingeboren- Presse 1H78 während des 
russisch-türkischen Krieges das Maß zulässiger Kritik der englischen Regierungswelse überschritt, 
genügte es, durch eiu Gesetz vorübergehend Polizei-Maßregeln einzuführen, die nach Beendigung 
des euglisch-afghanischen Krieges wieder zurückgezogen werdeu konnten (1881). Dagegen erwies 
es sich als unberechtigte Schwärmerei, von einer freien Presse eine rasche Verbreitung nützlicher 
Kenntuisse unter deu Indieni zu erwarten ; trotz fünfzigjähriger unbehinderter Bewegung ist die 
Presse nicht bis zum Volke hinabgedrungen. Verstäuduis für Bildung wie für die Notwendigkeit 
der Griiudnug mittlerer und höherer Schulen bricht sich erst Bahn mit Zulassung der Eingeborenen 
zu deu höheren .Stellen im Staats- und Verwaltungsdienste. 

Bis zum Jahre 1833 hatte unter der englischen Verwaltung kein Iudier Strafgcwalt; als 
Civilrichter mit dem Rechte Streitfälle bis zum Werte von 200 M. zu entscheiden, wnrdeu iu 
Bengalen 1803 Eingeborene berufen, weil sich für solche Bagatelle-Sachen uicht genug Europäer 
auftreiben ließen. 1K33 versprach die Charte über Verlängerung der Rechte der Ostindischeu 
Kompagnie Zulassung der Iudier zu jeglichem Amte; man berief sie zu Richterstcllcn. die bis zu 
tausend Mark Gerichtsbarkeit hatten, verwendete Eingeborene als Uutcrbeamten iu der Verwaltung 
uuil hiemit erlangten die Angestellten Strafgewalt, da die Verwaltungsbehörden auch in erster 
Instanz Strafgerichte belassen und teilweise noch jetzt ausüben. Im .Jahre 180 1 wurde die Polizei 
als ein Civilinstitut neu eingerichtet; iu diesem fanden zahlreiche Eiugeborene Stellen hinauf bis 
zum Unter-Inspector. Mit l'bergaug der Verwaltung Britisch-Iudieus au die Krone Eugland verkündete 
die Konigiu in der Proklamation vom 1. November 1858 „ohne Parteilichkeit Eiugeborene iu jedes 
Amt zuzulassen, zu welchen sie sich uach Erziehung, Anstelligkcit und Reinheit des Charakters 
eignen." Pari um out« Akten von 18'J2 wie 1870 beschäftigten sich mit llinwegräumuug von Schwicrg- 
ketten, die bisher den Vollzug diesos Versprechens hinsichtlich der höheren .Vinter entgegengestanden 
hatteu: aber es dauerte acht Jahre bis es zur Anwendung dieser Gesetze kam und jetzt noch ist 
nicht bloß dem treueu langjährigen Diener die Aussieht auf Vorrücken gesichert, sondern anscrwählteu 
Strebern, die unter sich auch wenig vertrauenswürdige Charaktere zählen, ist gleichfalls die Eiu- 
rückung in fette Posten gewährt. Bis 1872 erfolgte Anstellung nach Gunst; der Stollenjägerei sollte 
die Bestimmung abhelfen, dass die Bewerber gewisse Schulzeugnisse vorzulegen haben. Das 
Verlangen uach ausgiebigerer Bcdeukuug der Eingeborenen in der Laiidcsvorwaltuug uud in Gerichts- 
höfen ist durch diese Neuerung uicht zum Schweigeil gekommen ; wol aber datirt hievon ein Auf- 
schwung im Schulwesen, wie ihn Indien in seiner nach Jahrtausenden rechnenden Geschichte nicht 
erlebte. Das Eindringen europäischer Schulbildung, die Bearbeitung der Klassiker des Altertums 
wie der Neuzeit für die Iudier, die Abfassung entsprechender Lehrbücher und die Einfügung des 
Studiums der klassischen wie der modernen europäischen Sprachen iu deu Lehrplan der mittleren 
und höheren Schulen Indiens wurde für die Geschichte der Civilisation der Menschheit von nicht 
geringerer Bcdeutuug, als es die Latinisieruug des heidnischen Altertums durch die Legionen der 
römischen Kaiser war, oder die Verbreitung kla-ssischer Bildnug im Zeitalter der Renaissance durch 
die italienischen Humanisten. 

Das englische Kaiserreich in Indien zählt zu Unterthancn Bekenner aller, Hauptreligioneu 
des Erdballes. Es wohnen in Indien 187 Millionen Bekenner des Hinduismus mit Gott BrahmA als 
Schöpfer der Welt; 1, 8 Millionen Sikhs (Anfänger eiuer Hindu-Sekt« auf christlicher Grundlage), 
f>0 Millioncu Mohammedaner, 3 1 Buddhisten, 1' 4 Millionen Dschaiu — abgezweigt aus dem 
Buddhismus — 1,8 Millionen Christen, 85 307 Parsis oder Keneran' etor. Hinduismus und Buddhismus 
erstanden als Religion in Indien; deu Islam brachten Eroberer von Westen mit dem Schwerte, 
das Christentum fand Eingang unter der ruhigen aber unermüdlichen Thätigkoit deutscher und 
englischer Missionäre, die Parsis wanderten als Bedrückte aus Persien ein. Jede dieser Religionen 
nahm ihren eigenen Entwicklungsgang und ließ sich Verbreitung elementarer Kenntnisse unter der 
Jugend in ihrer Art angelegen sein. 

Die älteste indische Einrichtung ist die BrAhniaucn-Schnle : Pathsala, Tschat-sal. Iu den 
Städten uud vorgeschrittenen ländlichen Kreisen ist die Zahl dieser Schulen seit Gründung von 
Kleincntarschulcu seitens der englischen Verwaltung etwas zurückgegangen; selbst englische Schul- 
inspeRtorcn geben jedoch zu, dass der indische Lehrer in der Rechenmethode dem Europäer voraus 
ist, der Kaufmann gibt deswegen der alten Schule vielfach den Vorzug. Die älteste Art von 
Schulen sind jene während der Regenzeit (Juli mit Octohcrt ; schon aus dem sechsten vorchristlichen 
Jahrhunderte haben wir Zeugnisse von Lehrstunden iu dieser Zeit. Der Lehrer muss kein Brithntanc 
sein, selbst ein Dschaiu kann einer Schule vorstehen; die Regel ist aber, dass ein Brähmanc, 
der augenblicklich ohne lohnende Beschäftigung ist, in einen Dorftempel, einem leerstehenden 
Dharamsala oder Unterstandshause, eiue Schule eröffnet. Geräte sind nicht nötig. Schüler wie I^ehrcr 
sitzen auf Matten, die von zu Hause mitgebracht uud auf dem Boden aufgebracht werden. Unsere 
Schultafel ersetzt eine Holztafel von der Größe eines ausgeschlageneu Papierbogen, rot, schwarz, 
gelb oder grüngefärbt; daranf schreibt der Lehrer mit einem in Wasserfarbe getauchtem Rohre die 
Zahlen und Buchstaben vor. In den kleineren Dörfern zählt eiue Schnlc 10 — 1'2 Kinder. Diese 
erlegten beim Eintritt angeblich als Opfer für Saraswati, den Schutzgott der Weisen oder Ganesa, 
den Beschützer der Lernenden ein Geldstück im Werte einer Mark und bringen täglich einen 
Kürbis, eine Kokosschale oder eine Handvoll Getreide (Reis, Weizen u. dg!.), wie es die Flur ÜoferU 

Der 11. uud 22. des Monats sind Fcriontage und für diese Tage mnss jedes Kind ein Geld- 
stück im Werte von 5 — 10 Pfg. bringen. Da» Doppelte wie Dreifache wird verlangt, weun im 
Unterrichte eine gewisse Stufe erreicht ist und im ganzen bringt es eiu solcher Lehrer während 
der Regenzeit auf 50 Mark, wenn es hoch geht das doppelte. Lebrgegenstände sind zunächst 



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Notizen. 



401 



Einüben der Zahlen. Im Kopfrechnen. Hinab, wird Tüchtiges geleistet. Daun folg; da* Schreibet! 
und Zusammensetzen der Ziffern, ank. Als Tafel dient ein mit feinem Saud ausgefüllter Holz- 
rahmen, Schreibstift ist der Finger; ein Fortschritt ist. wenn Pati oder glatt gehobelte, geschwärzte 
Holztafclu iu Gebrauch kommen, auf die mit einer in gelöschtem Kalk getauchter Kohrfeder 
geschrieben wird. Den Sellin«* des Unterrichte!« bildet die Eiulcrnuug der Buchstaben (Xama) des 
Alphabetes; der Lehrer darf eines Geschenkes in der Furm eines Turbans «ml eines neuen Rockes 
sicher sein, der es bis zur Barakhadi bringt oder der Kunst die Buchstaben zu Worten zusammen- 
zusetzen. Eine Stufe höher als dieso Regenzeit-Schulen steht die ständig* Schule, wie sie in 
Städten und größeren Dörfern die Regel ist; hier ist das Lehrfach auch zum Beruf gmvordou und 
nicht selten gebt die Stelle des Guni fMchtndsclii u. dgl.) vom Vater auf Sülm und Enkel über, 
lu solchen Schulen zählen die Kinder nach Dutzenden; vielfach besitzt der hehrer eigentümlich 
ein Schulhaus, das aber meist beschränkt ist, so das* die Kinder zu passender .Jahreszeit im Freien 
sitzen. In diesen Schulen wird auf regelmäßigen Besuch und auf Zucht gescheut Fohlende werden 
durch ältere Knaben oder Diener herbeigeholt, gegen Unbotmäßige, wie Unfleißige wird der Stock 
fleißig gehandhabt. Das Einlernen wird ernst genotmneu. Die Schule dauert von S— 11 oder 12 
I hr, nachmittags von 3— I» Uhr; der Kursus ist für 4 Jahre berechnet, der Lehrstoff entsprechend 
verteilt. Die Schüler sind zwischen G— 10 Jahren, Kinder mit 12 Jahren sind selten. In den ersten 
zwei Jahren wird nur Rechnen getrieben und in lldschalni (wörtlich von einem Gefäße iu ein 
anderes Übergießen, technicher Ausdruck für Multiplicieren und Dividieren) wird es zu staunens- 
wertes Fertigkeit gebracht. Hierauf geht es an das Alphabet und ein Lehrer gilt als ein vorzüglicher, 
der es bis zum Dictando (Kharda-i Schreiben bringt. Im südlichen Indien, daun iu Orissa uud 
Beugaleu schreibt der ludier noch heute ganze Werke auf das getrocknete, rechtwinklig geschnittene 
Blatt der Palmyra Fächer-Palme, Borassus flabcllilorinis ; die Buchstaben werden mit einem Stifte 
ohne Anwendung von Titito in das Blatt geritzt und die Blätter zu Büchern vereinigt durch An- 
bohret! uud Durchziehen einer Schnur. Iu den Schulen wird dieses Täl-patra genannte Material 
vielfach verwendet. Im westlichen und nördlichen Indien schreibt man auf Fflaiizenpapicr ; der 
Indier ist aber nicht reich genug, oder wenn wohlhabend, nicht geneigt Papier zu Übnngsheftcn 
zu verschreiben ; mehrere Lagen Blätter werden zusammengekleistert und die so gewonnene Pappe 
mit einem Grünspan-Präparat gefärbt uud geglättet; auf solcher Tafel lässt sich daun mit Wasser- 
farben schreiben, die später abgewaschen werden. — Der Keligionslehre sind keim- eigenen Stunden 
gewidmet. Bei Begiuu wie Schluss der Stuude werden täglich einige Schikscha oder Moralverse laut 
hergesagt, oder Pudscha-pntri gemacht d. i. ein Lobgedicht au den Hauptgott des Wissens gesuugen. 
Dazu werden Verse aus philosophischen Werken auswendig gelernt. Es bleibt jedoch beim Memo- 
rireu solcher Stücke, auf den Sinn wird nicht eingegangen ; die« gilt auch vom Einüben der Gesäuge, 
wie sie bei Hochzeiten üblich sind uud die Wirkung dieser Übungen auf Hebung des sittlicheu 
Charakters des Indier ist deswegen gleich Null. Überdies duldet der Lehrer in seiner Anwesenheit 
höchst anstößige Handlungen der Kinder. Das Plündern einer Fächerpalme durch die ganze Schule 
zur Gewinnung des ScUreibmatcrialcs ist last die Regel: ebenso gilt die Ersteigung einer fremden 
Mango — oder anderen Fritehthautncs als gymnastische Übung, auch wenn der Baum dabei seiner 
Früchte beraubt wird. Gestohlenen Tabak oder Itctcl nimmt der Lehrer unbedenklich als Geschenk an. 

Eine Besonderheit aller dieser Schulen ist. dass Mädchen fehleu und dass Knaben verachteter 
Kasten nicht aufgenommen weiden, da kein Mitglied höherer Kasten dulden kann, dass sein Kiud 
mit einem Knaben aus einer Kaste, dessen Vater uuiviue oder verachtete Arbeit verrichtet, in 
Berührung kommt. — Das Weib Ut in ludieu viel weniger geachtet als in Europa; keine Frau ißt 
in Gegenwart ihres Gatten, ruft ihn beim Namcu oder genießt als Witwe die Rechte einer 
Frau; iu Bezug auf Anstand denkt der Indier besserer Kaste so unwürdig vou seineu Töchtern, 
das» er ihnen die Kenutnis des Sehreibens vorenthält, weil »ie davon als Frauen zur Anzettelung 
von Liebesverhältnissen Gebrauch machen würdeu. Es gilt für unanständig für ein Mädchen, 
Dritten einzugestehen, das« sie lesen und schreiben könne: bei der Volkszählung vom 17. Februar 1SS1, 
wo zum ersteumale nach der Erziehung gefragt wurde, beantworteten die weiblicheu Mitglieder 
angesehener Familien den Zählern die Frage uach ihrer Erziehung vielfach mit Nabin Dschanta 
.nicht gebildet,-' weil sie sich «dienten einzugestehen, dass sie lesen und schreiben. Eine Aus- 
nahme macht der Staat Dschodpur iu Rsd.schputaua, wo das Beispiel der königlichen Familie deu 
Anstoß gab, dass jedes Mädchen aus aristokratischen Kreisen einen guten Eleinentar-Unterricht 
durch einen Hauspräceptor erhält. Unter den fortgeschrittenen Bengalen fand im letzteu Jahrzchcut 
Hausuutcrricht auch häufiger Eingang; aber für ganz Indien berechnet sich die Zahl der schreibens- 
uud leseuskuudigen Mädeheu uud Frauen zu nur 1, 20 Proeeut der gesammteu weiblichen Bevölkerung! 

Maktab heißt eine Elementarschule für Mohammedaner. Äußerlich zeigt sie dieselbe nüchterne 
Einrichtung wie die Hinduschule; aber sie unterscheidet sich davon dariu, dass sie eine Freischule 
ist; ein Wohltäter bestreitet die Kosten des Lehrers, der jederzeit ein Mulla oder Priester ist und 
die Schule nur in einer Moschee oder dem dazu gehörigen Hofraume aufschlägt. Im Unterrichte 
bedingt eineu Unterschied, dass Arabisch, die Sprache der heiligen Schrift der Moslims, ein deu 
indischen Volkssprachen fremdes Idiom gelehrt wird und dass das Auswendiglernen von Koransätzen 
in der Originalsprache, ohne dass jedoch der Sinn der Texte erklärt wird, viel Zeit vom Unterrichte 
in Anspruch nimmt; Einlernen des Koran gilt jedoch als so unerläßlich für einen echteu Muselman, 
dass dass Fehlen solchen Uuterrichtcs in deu von der englischen Verwaltung eingerichteten Schulen 
der Hauptgrund des meist schlechten Besuches dieser Schulen durch Mohammedaner ist. Im Übrigen 
bilden Kopfrechnen und etwas Schreiben von Arabisch, danu Lesen dieser Schriftzeichen die Lehr- 
gegenständc; im allgc.meineu leisten die Maktab aber weniger wie Pathsala, weil der Lehrer meist 
eiu a^erssch wacher Mann und schlechter honoriert ist, als der Hindu-Lehrer durch das Schulgeld 
erzielt. Fünf Mark im Monat ist der durchschnittliche Gehalt eines Mulla als Lehrer. 

Die Buddhisten kamen als Protestanten gegen die Allgewalt der Brähtnauen zu Ausehen 
tmd legten vou jeher großes Gewicht auf das Lesen und Ableiern im richtigen Ton ihrer heiligen 

A'ctffff, Xciltd.ri/I. V. Ud. 28 



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402 



Notizen. 



Schriften. Kein buddhistisches Dorf entbehrt einer Schule. Der Lehrer wirft sich hauptsächlich 
aufs Lesen un<l vernachlässigt die übrigen Lehr-Gegenst*nde, voran das Rechnen; diese l'uvull- 
kommenheit trieb die Buddhisten iu die neuen Elementarschulen der englischen Verwaltung; in der 
Provinz Britisch-Birma (Hinterindienj klagt der Klerus über Rückgang «eine* Einflusses. Iu Vorder- 
indien sitzen Buddhisten uur im Hiinalayagebirge und im äußersten Osten JAssam); an ihre Stelle 
traten in der Ebene seit der Kinlcguug der buddhistischen Klöster die Dschain. Der Dschain 
i.it geborener Kaufmann: die Notwendigkeit einer großen Fertigkeit im Rechnen bewirkt, das» die 
Söhne regelmäßiger zur Schule geschickt werden, als unter allen Hindus; die Zahl derjenigen, die 
eine Schulbildung genossen, erreicht liier fast t>0 " u uud wird nur noch vou den Parsis Ubertroffen, 
dio mit 80 "/„ abschließen, während der Durchschnitt für iniiunliche Hindus im ganzen Reiche 
knapp 10 Prozent ist Am allseitigstcu pflegen demnach Bildung die Parsi Kauflento 

Die Lehrmeister der zum Christentum übergetretenen Eingeborenen waren fast ausschließlich 
europäische Missionäre und deren Zögliuge. Nur im Staate Travankor auf der Südwestspitze Indiens 
haben Sendboten der syrischen Kirche die alten Christengemeinden, dio ihre Gründung nicht ohne 
Berechtigung auf den Apostel Thomas zurückführen, für sich gewonnen uud sind hier zur stattlichen 
Zahl von 303.0545 Bekennern erstarkt. Von Europäern haben das größte Verdienst um die Bekehrung 
der Indier unter den römisch-katholischen Franz Xaver (154'J— 5-J>, unter den Protestanten Christian 
Friedrich Schwanz aus Sonnenburg im Regieningsbezirkc Frankfurt a/O.. der 1750 das Missionsfeld 
eröffnete. Durch die Bemühungen dieser beiden Männer, von denen sich Franz Xaver auf die Portu- 
giesen in Goa stützte, während Schwartz sich politischen Kinfluss am Hofe von Tandschor zu erringen 
wusste, wurde Südiudien die Heimat der indischen Christen. Von 1, (557 .057 dieser Christen (darunter 
yOC.-l'»'' Katholiken) wohnen 1,3 Millionen im südlichen Indien. Unter dieseu haben zwischen 
•.'()— 30 % eine Schulbildung erhalten. Es überrascht, dass die Ziffer sich nicht höher stellt; aber 
der Grund liegt in den alten syrischen und rttmiseh-katholischeu Gemeinden au der SiidwestkUste 
vou Indien; unter denen die Volksbildung nicht viel weiter gedieh, als unter den einheimischen 
Religionen. 

Niemals deckte die iudische Regierung oder die Krone Englands mit ihrem Ansehen die 
Bestrebungen der Missionäre : „Wir gehen sicherem 1'utorgangc entgegen, wenn wir versuchen, mit 
roher Gewalt zu herrschen, oder wenn wir uns zum Schutzherren von christlichen Priestern. 
Bischöfen und Missionären hergehen." Selbst Uber dio Zweckmäßigkeit der Verbreitung europäischer 
Kenntnisse durch Schulen wareu die Ansichten geteilt und es dauerte bis 18'»i, dass es ernst wurde 
mit Versuchen hierin. Wohl fällt schon iu das Jahr 1781 euglischerseiti die erste Gründung einer 
Lehranstalt für Indier; damals wurde die Madrasa oder Hochschule für lnohamcdauischcs Wissen 
iu der Reichshauptstadt Kalkutta gegründet. Das lnstitnt sollte die damals in den anglo-indisehcn 
Bureaus noch unentbehrlichen Sprachen Arabisch und Persisch pflegen, die diplomatische Sprache 
des Orieuts; die Einkünfte der Anstalt wurden aber verschwendet an .große und kleluc Drohnen" 
und der Erste, der als Rektor 18.V) eine zeitgemäße Umgestaltung unternahm, war ein De utscher. 
Dr. Alois Sprenger, gebürtig aus Nassoreuth in Tirol. Veraltete Wissenschaft wurde durch neue 
Fächer ersetzt, eiue englische Abteilung angefügt, dabei aber, wie von einem so geuaueu Kenner 
von Mohammeds Lebeu und Lehren, wie es Spreuger ist, zu erwarten war, den religiösen Fordeningen 
der Mohammedaner Rechnung getragen, so dass sich die Anstalt fortwährend reicher Schenkungen 
erfreute. Ähnliche höhere Schulen zur Vertiefung indischer Weisheit, wobei Gelegenheit zum Erlerneu 
des Englischeu gegeben wurde, fanden auch an anderen Ilnuptorten des Landes Errichtung. Selbst 
in jedem Kreisorte sollte eine Mittelschule mit Englisch als Lehrgegeustand ins Leben treten. 
Eingeborene, die mit Europäern viel verkehrten und für ihre Bestrebungen Verständnis, an ihrer 
Literatur Geschmack faudeu, schickten ihre Kinder in solche Schulen ; andere thaten es als Streber. 
Solche Kinder machten erfreuliehe Fortschritte ; aber verkehrt war e«. ihre Erfolge als Beweis 
hinzustclleu, dass europäisches Wissen uud Denken seinen Einzug in Iudicn halte. Leute, die sich 
aus Eitelkeit oder Eigennutz an den Europäer drängen, gab es in Indien, wie überall im Orient, 
jederzeit ; in der Menge des Volkes beweisen solche Beispiele keinen Umschwung^ Zwischen den 
Jahren 18M — 59 wurden die Mittel zur Mehrung anglo-indischer Schulen verwilligt, auch 
eiue Schulsteuer empfohlen, um die Gelder zu Gründung von Elementarschulen auf dem Lande 
zu gewinnen; es dauert aber bis 1870, dass allerwärts aus Steuerzuachlägon besondere Einnahmen 
für Schulzwecke flüssig werden. Nun erfolgt Eröffnuug neuer Volksschulen; den alten Pathsala 
und Maktab ist aber erst Abbruch gethau 188*2 mit dem sogenannten Decentralisationscrlas« vom 
30. September, 9. November 1881, welcher dio einzelnen Provinzvcrwaltungen selbständiger 
stellt als bisher, die Befugnisse der bei den einzelnen großen Provinzen bestehenden berateudeu 
Körper erweitert uud überdies für das ganze Land Kreistage schafft, die größeren Kreise sogar iu 
Distrikte aufteilt uud mit eigenen Vorwaltuugskörporn ausstattet. Die Mitglieder dieser Verwaltnngs- 
committees werden zu einem Drittel vou den Provinzbehörden ernannt, zu zwei Dritteln gewählt. 
Die Wählerliste stellt noch der Kreisbeamte nach Gntbetindeu auf ; er trägt in diese alle zur 
Wahrnehmung der Geschäfte des Kreistages taugliche Eingesessenen ein und lässt den Eingetragenen 
dann Einladung zur Wahl zugehen. Die Wahl geschieht unter seiner Leitung und kann durch 
Acclamation oder schriftlieh, sogar gruppenweise nach Kasten vorgenommen werden. Die erwählten 
Vertreter erhalten, wenn Hindu, die Anrede Rai iRao) Bahndur, wenn Mohammedaner, Khau Bahadur. 
beides „Euer Gnaden- 4 bedeutend. Den Vorsitzenden bestimmt die Versammlung aus ihrer Mitte 
nach freier Wahl : die eiuzige Bestimmung ist getroffen, dass kein Beamter den Vorsitz führen darf. 
Diese „Comuiittees- führen den Haushalt des Kreises, beschließen insbesondere über Straßen, 
Schtilnnlageu u. dgl. und beschaffen aus Steuerzuschl.Hgen die erforderlichen Mittel. Die Einrichtung 
ist zu kurz ins Leben getreten, um in ihren Folgen nach allen Seiten hin gewürdigt werden zu 
könneu. Auf die Mehrung der Elementarschulen hat die Mitwirkung der Bevölkerung sichtlich 
einen güustigen Kiufluss ausgeübt; alte Vorurteile beginnen zu schwinden, die Lehrprogramme 
erweitern sich. 




Notizen. 



Das gegenwärtig iu ganz Britiseh-ludieu herrschende Schul- und Klasseusystom ist Folgeudes: 
Der Kuabc wird mit <> Jahren in ciue Elementarschule aufgenommen und wird vier Jahre lang iu 
seiner Muttersprache im Lesen, Schreiben, Aufsätze machen tüchtig gefordert, im Rechneu bin «um 
Dreisatz gebracht Ist der Schiller von guteu Aulagen, so ist er befähigt zum Übertritte iu eine 
Mittelschule; deren gibt es zweierlei: ciue „Veruacular" und eiue „ Anglo-Vornacular* Schule, lu 
den Veruacular Schouls wird nur in der Laudessprache gelehrt; zum Rechnen kommen Gleichuugen 
und etwas Geometrie, die für Iudieu sehr wichtige Vermessuugskuude uud die allgemeinsten Begriffe 
von naturwissenschaftlichen Fächern. Der Kursus dauert 3 Jahre. Wer in die Angln -Veruacular 
Sehoul übertritt, lernt droi Jahre dieselben Fächer, jodoch kommt englisch hiuzu. Im allgemeinen 
siud kuapp 7. höchstens 10 Procent aller Schiller der Elementarschulen in diese Mittelschulen 
aufgestiegen. Nach Zurücklegung de9 dritten Schuljahres wird ein ziemlich schwieriges Absohitorium 
verlangt; denu mit Erlauguug de* Zeugnisses der Reife zum Übertritt in die Hochschule — unsere 
Gymnasien — hat der Schüler ein Anrecht erworben auf Vormerkung zu gewissen Burcauämtcrn. 
lu der Hochschule werden neben klassischen indischen Sprachen (Sanskrit, Persisch, Arabisch, 
Tamil i auch Lateiu und Griechisch gelehrt. Der inzwischen zum Jüngling herangereifte Schiller 
verbleibt vier Jahre an der Hochschule; dann unterzieht er sich einem Examen, das grüße Ähn- 
lichkeit hat mit unseren Prüfungen zum Einjährig-Freiwilligen-Militärdicuste. Neben obligatorischen 
Fächern gibt es nämlich in den Sprachen Wahlfächer; hiedurch ist der individuellen Vorliebe wie 
der Verschiedenartigkeit in den Landessprachen Rechnung getrageu, deren der Census von 1881 — 
nach Ausscheidung der Dialekte — 18 zählt. Dieses Esainen heißt „Zulassuugs-Prüfung zu den 
Universitätsgraden. u Seiu Bestehen berechtigt den Kandidaten, seinem Namen die Buchstaben 
„F. A.,- d. i. First Art Grade, beizusetzen und, da die Erwerbung dieses Grades die Vorbedingung 
bildet zum Besuche eines College wie zur Vormerkung für mannigfache Beamtenstellen, so uutor- 
ziehen sich demselben viele, die ihre Bildung hiemit abschließen uud iu eiue praktische Thätigkeit 
übertreten. 

Die Kolleges sind vollständig den englischen gleichnamigen Einrichtungen nachgebildet ; es 
itt freigestellt, welche Kollegien besucht werdeu, aber es besteht Kollegienzwang für die bclcgtcu 
Fächer, Internat für sämmtliche Studenten und Repetitionskurs iu der Studienzeit. Nach zwei 
Jahren ist der Studio zum Grade einer .11. A.* (Bachelor of Arts) zugelassen und strebt er noch 
weiter, so mag er noch deu Grad eines ,M. A."" (Master of Arts) erringen. Wer Mcdicin studiert, 
dein Iugeuicurfach, der Rechtswissenschaft oder der klassischen indischen Philologie sich widmet, 
vortäuscht den einen philosophischen Grad anzeigenden Buchstaben „A J mit den entsprechenden 
englischen Sigillen für die betreffenden Fächer; im Range begründet die Bezeichnung keinen 
Unterschied. Verliehen werden diese Grade von Universitäten. Im Jahre 1857 traten in den drei 
Provinzhauptstädtcu Bombay, Kalkutta und Madras Universitäten in Thätigkeit «zu dem Zwecke — 
wie die Stiftungsurkuudo lautet — die Volksbildung zu fördern, iu feste Bahnen zu leiten und 
durch Examina festzustellen, welche Schüler es in den verschiedenen Zweigen meuschlicheu Wissens 
zu solcher Vollendung gebracht haben, dass sie Zuerkcuuuug eines akademischen Grades verdienen." 
188'i wurde eine weitere Universität in Lahor gegründet und das Verdienst, die eingeborcue hohe 
Aristokratie wie die englische Regierung zu deu erforderlichen Verwilligungen gebracht zu haheu. 
gehürt einem Österreicher, Göttlich Wilhelm Lcitnor. geboren zu Budapest. Jede dieser Universitäten 
gliedert sieh in die vier Fakultäten: Philosophie (hier Arts genannt), Rechte, Meilicin und technische 
Wissenschaften ; jeder Fakultät steht ein Dekan vor. die oberste Stelle nimmt eiu Rektor ciu. Di« 
Professorcuwürde ist ein Ehrenamt und verpflichtet nicht zu Vorlesungen, sondern lediglieh zu 
Refcrateu und zum Sitznngsdienste; die Berufung erfolgt seitens der obersten Verwaltungsstelle 
und ergeht an wissenschaftliche Namen aller Stände und jeglichen Glaubeus. Die „Fcllows" — wie 
die Professoren heißen, sind im bürgerlichen Leben Beamte, Lehrer an Hochschulen uud Colleges, 
Missionäre und Privatgelehrte europäischer wie jüdischer Nationalität. 

Eine Besonderheit des englischen Schulwesens iu Indien ist, dass sich die Lehranstalten selbst 
erhalten sollen; deshalb wird überall Schulgeld erhobeu wie Prüfuugstaxen. Beide Betrüge sind 
hoch gegriffen; die Schulgelder wechseln von 10 bis 150 M. im Monat; Unbemittelten wird nach 
gut bestandenem Examen das Weiterstudium an höheren Lehranstalten durch Zinveuduug von 
Staatsstipcudieu ermöglicht. Übrigens entspricht die Erhebung von Schulgeld den indischen Volks- 
anschauungen ; denn bei den Erhebungen über diese Frage wurde festgestellt, dass das Volk ohne 
Zahlung von Schulgeld glaubeu würde, durch Schulbesuch sei dem Staate eiu Gefallen erwieseu, 
statt dein Schüler eine Wolthat erzeugt. Die eigenen Einnahmen der Schulen übersteigen dc.n 
Staatsznschuss ; iu den niederen Schulen trügt der Staat fast nichts als die SchuJaufsicbt ; unter deu 
höheren Austalteu sind die teuersten die Sonderschulen für Mediciuer; hier berechnet sich der 
Zuschuss des Staates an Honoraren und Attributen auf 1»>00 M. für den Kopf der Hörer, während 
er sonst kaum eiu Fünftel beträgt. 

Durchaus verschieden von unseren Verhältnissen ist sodaun das Leben der Studenten — 
oder richtiger Seminaristen — iu den Colleges. Der Hindi-Name für Student ist Satirth, was 
wortlich eiueti Lernenden bedeutet, der einen Mitschüler hat. An Stelle dos Lärmes uud des Rede- 
flusses der Weiber im elterlichen Hause tritt im Collego klösterliche Ruhe; iu deu .Sammlungen 
uud Bibliotheken der Schule erschließt sich dem jungen Manne eine neue Welt. Die Kollegialen 
wohneu iu geräumigen Häusergruppen beisammen ; jedem Studenten ist seine eigene Stube ange- 
wiesen. Speisezimmer, Erholnngssäle, Spielhofe — auch Turueu wird getrieben — sind geineiusam, 
die Zimmer für Hindus mit reinigeudem Kuhdünger bestreut, um ihren religiösen Anforderungen 
zu genügen. Die Mobilien sind wenige uud einfach. Gemeinsame Küche gibt es so wenig, als Haus- 
kapelleu oder Tempel ; Kaste und Sektenwesen verbieten beides. Etliche Dutzeudo Europäer und 
Mischlinge, eine kleine Zahl Hindu* aus mittleren Kasten, eiuige Mohamedaner bilden zusammen 
die Minderheit gegen die Insassen aus der Brähmaueukaste. Diese jungen Brahmaneu Hammen 
fast sämmtlich von strenggläubigen Eltern, die den Sohn nicht aus Wissensdurst zur Schule schicken, 



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404 Kolken. 

damit (lii> Gelegenheit zu lerueu ausgenützt werde, sondern dies tliuen, weil uuter den hciTscheudeii 
Bestimmungen die Gewinnung ciuos akademischen Grades unerlässlick ist zur Anwartschaft auf 
einen hohen Beamteuposteu. Der Aufenthalt im College ist der besonderen Küehe wegen, die 
jede K aste und Unterabteilung filhreu muss, nicht billig; unter vierzig Mark im Monat bestreitet kein 
Seminarist die anfallenden Ausgaben; selbst Stipeniiateu erfordern größere Geldopfcr der Gesamt- 
familie. Im elterlichen Hause musste der Schüler, solange er von dort aus die Vorschulen besuchte, 
die vorgeschriebenen Gebete morgens bei Sonnenaufgang, mittags und bei Sonnenuntergang geuau 
nach Vorschrift verrichten, da er nicht «eigen durfte, das» uuter der Kenntnis fremdartiger Geistes- 
arbeit die Achtung vor den heimatlichen Göttern xu schwinden begann; denn sonst Hießen die 
Gaben weniger reichlich. Auders im College; hier bringen den Jüngling Vorlesungen und Wohn- 
gemeinschaft in tagliehe Berührung mit Männern europäischer Abkunft oder Denkuugsweise und 
die Folgen fangen bald au iu soiueu Leliousgewohuheite.ii sich geltend zu machen. Mit deu Waschungen 
und Geboten wird es kurz genommen, die eingesparte Zeit mit Leseu zugebracht und wie jeder 
Atifänger, der sich den Inhalt eines Buches in fremdor Sprache einprägen will, liest der Iudicr 
laut. Spater fiudet der Jüngling auch Gefallen au turnerischen Gesellschaftsspielen und erstaunlich 
ist die Kraft, welche die schmächtigen und schwächlich aussehenden Iudicr dabei entwickeln, lim 
!> Uhr nimmt jeder Student ein Bad, ob Hindu, Mohammedaner oder Europäer; um 10 Uhr wird das 
zweite Frühstück eingenommen, von 11—4 Uhr dauern die Vorlesungen. Um 6 Uhr setzen sich 
die Studenten auf niederen Bänken vor kleinen Tischen zur Hauptmahlzeit, wobei jede Tisck- 
genossonschaft für sich speist. Bei Tisch wie abends dreht sich das Gespräch um Vorlesungen und 
Professoren; der Indier bleibt den Kollegien nicht ferne, er besucht sie regelmäßig und treibt 
fleißig Privatstudlum, denn er trat nur oin, tun zu lernen. Lärmendes Treiben würde vergebens 
• gesucht; Kneip- Abende sind unbekannt, Lese-Klubs ersetzen unsere studentischen Verbindungen. 

Ebenso verschieden wie das Leben im College ist iu Indien die Stelluug des mit Ehren 
abgegangenen Studcuteu. Während der europäische Absolvent aus Vorbildern in der Verwandtschaft 
oder doch in der Heimat Hoffnuugon für die Zukunft schöpft, tritt der Indier iu eine Umgebung zurück, 
bar au jeglicher Moral und dabei ist der junge Mann dem Einflüsse eines despotischen Familienober- 
hauptes unterworfen, dem für die ueueu Ideen des junge u Hanssohues alles Verständnis abgeht; 
er findet den Sohn oder Enkel .beinahe wie einen Christen,* tadelt ihn, wenn er viel liest oder 
ein frohes weltliches Lied singt und drängt fortgesetzt auf Verdienst. 

Die anglo-iudische Sprache bezeichnet einen ehemaligen Satirth als „Young Indian." Will 
ein solcher nur der Stolz der Mutter bleiben, nicht auch des Familienoberhauptes, so tun«» er 
Geld in den Haushalt schaffen und diesem Drängen daukt die englische Verwaltung vorzügliche 
Kräfte in den untersten Diensten. Im Laufe der Jahre ist jedoch die Zahl der Bewerber selbst 
um Dienste von nur 3<>0 M. Anfangs-Gehalt im Jahr so angewachsen, das* die Bewerber unseveu 
Militäranwärten an Aussichten zu vergleichen sind. Viele Xeu-Indier greifen deswegen tum Literateutum 
und hier ist ihre Thütigkeit in deu lithographiert ausgegebeneu Wochen- und Monatsblättern der 
Provinz vielfach eine Ekel erregende, verpestende. 

Die Klage, dass das anglo-iudische Schulwesen durch den Mangel au praktischer Verwert- 
barkeit des Gelernten zu Unsicherheit und Halbwisseu führt, ist zur Zeit uicht unbegründet. 
Solehe Misstäudo können jedoch nicht den Gosammterfolg beeinflussen, sie müssen vielmehr als 
Ubergangsstufe betrachtet werden und sind als solche auch englischerseits behandelt; die Schal- 
Kommission, welche Ihre große Aufgabe Ende des Vorjahres erledigte, wie die Kouimiitccs zur 
besseren Eröffnung des indischen Civildieustea für Eingeborene sind beide bestrebt, herrschende 
Mängel zu beseitigen. Dagegen wird die große Wolthat, welche England seineu indischen Uuterthanen 
durch sein Schulsystem zu Teil werden ließ, deutlich an solchen Männern offenbar, wie Keschali 
Tschauder 8cn, dem größten Religionsphilosophen, der es verstanden hat, Grundsätze über Reinigung 
des Hinduglaubcns von «einen Auswüchsen aufzufinden und ihnen Eingang zu schaffeu. — oder 
Kristodas Pal. der es vom Redakteur eiuer Zeituug zum gesetzgebenden Beirat der englischen Krone 
brachte, als Friedensrichter, Gemcinde.rat von Kalkutta wirkte und durch seine Zeitung zahlreichen 
Besserungen im täglichen Leben seiner gesitteteren Landsleute Eingang verschaffte. Ebenso ein- 
schneidend und vielversprechend ist die Aufudtigung moderner Schulbildung au die Söhne regierender 
Fürsten. Minderjährige Thronerben müssen sich einem Lehrkursus unterwerfen uud einen Europäer 
als Erzieher sich gefallen lassen; au entsprechenden Mittelpunkten sind eigene Schulen für FUrsten- 
kiuder errichtet, in deueu uebeu ernster Arbeit allerlei Sport getrieben wird: ein beliebtes Vergnügen 
ist dort Velocipedfahreu. Die ausgebildeten Prinzen werden sodann auf Reisen geschickt, zuerst 
iu Indien, später auf den Kontinent vou Europa ; in Oxford uud Cambridge verkehren ständig 
einige Indier aus den ersten Landesfamiltcn. 

Die Einführung europäischer Literatur und Schulbildung hob die Gesittung Kahlreicher 
indischer Bevölkerungskrcisc ; der Geschmack wird geläutert, dein Gewerbefleiße. neu«; Anregung 
gegeben und durch Mehrung der Bedürfnisse die Lust am Arbeiten gesteigert, um die Mittel zu 
ihrer Befriedigung zu gewiunen. Der Volkswohlstand hat einen Aufschwung genommen, wie er in 
der Zeit der Vereinsamung Indiens uuter einheimischen Herrschern vergeblich gesucht wird. Dieser 
Umschwung vollzog sich dabei nicht ohne Einbuße für Englaud; so gieng — um eiu Beispiel 
anzuführeu — der chinesische Markt für grobes Stückgut für Großbritannien verloren und werden 
die chinesischen Provinz-n hiemit fast ausschließlich von Bombay aus versorgt, dessen ")1 mechanische 
Spinnereien uud Webereien sich vorwiegend in Händen indischer Kaufleute betindeu und von Indiem 
als Techniker wie Kaulleuten geleitet sind. 



t r. Wiuiker & Sclikkar.lt, k. k. ll»fhn, lidrurk, r, »ru.m. 



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Kettlers Zeitschrift 1R8M T'lfrl 1 






40° 


28° 






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ARTE DER GEOGRAPHISCHEN VERTEILUNG 

GEBIETE GLEICHER BEVÖLKERUNGSZUNAHME 

IN SÜDWEST- DEUTSCHLAND, 
tworfen und bearbeitet von J. 1. KETTLER. 
Parb en e rkl ä rung. 

Zumihme Abnahme 


50° 



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Kentert Zeitschrift. 




Eine Partie aus dem Schladminger 




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