HANDBUCH DER
GESCHICHTE DER
BUCHDRUCKERKUN
ST
Carl Berendt Lorck
10
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9 ff/
CARL B. LORCK
HANDBUCH DER GESCHICHTE
DER
BUCHDRUCKERKUNST
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0 HANDBUCH DER GESCHICHTE
DER
BUCHDRUCKERKUNST
VON
CARL B. LORCK.
ERSTER TEIL
ERFINDUNG. VERBREITUNG. BLÜTE. VERFALL.
I450—I7SO.
LEIPZIG
VERLAG VON J. J. WEBER
MDCCCLXXXII.
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VORWORT.
yeder denkende Mensch, mag er ?iun als Buchdrucker,
Buchhändler oder Schriftsteller der weltumgestaltenden
Erfindung Gutenbergs näher stehen oder auch nur als
Laie die Segnungen derselben schätzen gelernt haben,
fühlte gewiss den Trieb, etwas Ztisammenhängetides über
die Entstehung, die allmähliche Verbreitung und die
technische Vervollkommnung der Buchdruckerkunst zu
erfahren , und hegte den Wunsch Näheres über das Leben
des Erfinders und seiner bedeutenderen Nachfolger, die
bis auf die Jetztzeit für oder durch diese Kunst wirkten,
zu hören.
Verlangte jedoch ein solcher Wissbegieriger nach einem
leicht verständlichen, übersichtlich geordneten Handbuch
der Geschichte der Buchdrucker kunst, das ihm als FüJwer
durch die mehr als vierhundert Jahre dienen konnte, in
welchen das von der Presse ausströmende Licht bereits die
Welt erleuchtet, so wird er die Erfahrung gemacht haben,
dass sein Suchen än vergebliches war.
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VORWORT.
Wir besitzen gelehrte, höchst wertvolle Prachtwerke
über die vorgutenbergischm Drucke u?id die Zeit der
Inkunabeln; es existieren hunderte von Parteischriften über
Gutenberg und die ihm gegenübergestellten, zu Erßndern
herauf geschraubten y mythischen Persönlichkeiten; wir
haben eine Reihe von zum teil erschöpfenden Schilderungen
einzelner berühmter Drucker oder Druckerfamilien; ferner
zahlreiche Jubelschriften, welche von dem Gange der Kunst
in einzelnen Städten erzählen; auch ist kein Mangel an
fachlichen Lehrbüchern oder an Berichten über die ver-
schiedenen mit der Typographie in Verbindung stehenden
Erfindungen.
Es steht uns somit ein reiches, mitunter fast durch
seine Fülle erdrückendes Material für eine allgemeine
Geschichte der Buchdruckerkunst zu Gebote. An einem
Handbuch jedoch, welches dieses Material in natürliche
Perioden systematisch einzuordnen, nach Ländern und
nach mit einander verwandten Gruppen zu gliedern ver-
suchte, um in einer einigermassen gleichmässigen Durch-
führung jeder Zeit, jedem Lande sein Recht zu gewähren,
ohne dass der Verfasser dabei vergässe, dass er für die
Angehörigen einer bestimmten Nationalität schreibt , fehlt
es noch heute, wie in meiner Jugendzeit , wo ich vergeblich
nach ei?iem solchen Leitfaden auf dem typographisch-
geschichtlichen Gebiet mich umsah und schliesslich darauf
angewiesen war, aus den verschiedenen Quellen die mir
erwünschten Belehrungen selbst zu sammeln.
Somit wurzeln die Anfänge dieses Handbuches in dem
eigenen wirklich und lebhaft gefühlten Bedürfnis nach
einem solchen. In späteren Jahren ßng ich an in den
von mir herausgegebene?i yy Annalen der Typographie"- das
Gesammelte in einer Reihe von Artikeln, die jedoch nur die
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VORWORT.
VII
älteren Perioden der Kunst behandelten, zu veröffentlichen.
Das Vorhaben, diese Artikel bis auf die neueste Zeit zu
vervollständigen und sie dann zu einem Gesamtbild zu-
sammenzufügen, wurde durch Beruf sarbäten für lange
in den Hintergrund gedrängt, die Arbeit jedoch nach
Zät und Gelegenheit immer wieder aufgenommen.
So entstand das jetzt vorliegende Buch als ein Ergeb-
nis längerer Vorarbeiten ohne den bestimmtest Entschluss
einer Veröffentlichung. Als jedoch die jetzigen hihaber
der Verlagshandlung J. J. Weber zu Anfang des Jahres
1880 den Wunsch äusserten, dass eine Veröffentlichung
und zwar in ihrem Verlag stattfinden möchte, bin ich
unter Benutzung der inzwischen erschlossene, teilweise
wichtigen Quellen ernstlich an eine nochmalige Durch-
arbeitung des Manuskripts gegangen.
Bei meinen Verlegern war inzivischen der, ihrerseits
gewiss vollständig berechtigte Wunsch rege geworden, das
Buch in einer „illustriertest Prachtausgabe" erscheinen zu
lassen, und sie hatten mir bereits zu Ostern 1881 ihre
desfallsigen Ansichten in der Form eines gedruckten Pro-
spekts für das Publikum unterbreitet.
So viel Verlockendes es auch für jeden haben mag,
sein Buch in ein prächtiges Gewand kleiden zu lassen , so
konnte ich, das ganz bestimmte Ziel vor Augen, ein knappes
und einfaches Handbuch für den praktischen Bedarf
wie es mir als wünschenswert vorschwebte, zu liefern,
müh doch meinerseits mit dieser Astsicht zu jener Zeit
nicht befreunden. Ich würde mich damit der unvermeid-
lichen Gefahr ausgesetzt haben, der Illustration zuliebe
von dem mir vorgezeichneten Weg abgedrängt zu werden.
Obgleich nicht allein der persönlichen Neigung, sondern
auch dem pekuniären Interesse meiner Verleger durch eine
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VUl
VORWORT.
illustrierte Prachtausgabe wohl am besten entsprochen
worden wäre, Hessen diese doch bereitwilligst meinem
Standpunkt Gerechtigkeit widerfahreti.
Soiüohl das über die Entstehung und den Zweck der
vorliegenden Arbeit oben gesagte, als auch mein Lebens-
beruf schliessen schon von allem Anfang die Erwartung
aus, als habe ?nan es hier mit einem gelehrten Werk zu
thun, bestimmt, die Ergebnisse tiefer Forschung ans
Tageslicht zu fördern'. Weder sollte meine Aufgabe noch
konnte dieselbe eine höhere sein, als meinen Berufsgenossen
oder denjenigen, die sonst Drang nach einer leichteren
Orientierung in dem Gewirr der Geschichte der Buch-
druckerkunst empfinden, nützlich zu sein, indem ich den
Versuch machte, das aufgespeicherte Material nach bestem
Wissen und Gewissen zu sichten, zu ordnen, und indem
ich mich, die geschäftliche Praxis zurhand, bestrebte, einige
von der Gelehrsamkeit im Dunkel gelassene Punkte klar zu
stellen. Was die neue Zeit betrifft, so gab ein Geschäfts-
leben, das sich fast über die ganze Periode der neuen
Blüte der Typographie und der verwandten Künste und
Gewerbe seit den dreissiger Jahren erstreckt, wohl auch
manchmal Gelegenheit, das vorhandene Material durch
die eigene Erfahrung zu vervollständigen.
Es konnte nicht in meinem Plan liegen, mit der
Geschichte der Buchdruckerkunst die des Buchhandels zu
verbinden. Beide Berufszweige sind jedoch derart eng mit
einander verknüpft und so viele der auftretenden Persön-
lichkeiten wirkten zu gleicher Zeit als Drucker und "als
Verleger, dass es nicht zu umgehen war, auch Ausflüge
auf das Gebiet des Buchhandels zu unternehmen. Sehr
nahe lag ebenfalls die Versuchung, die Geschichte der
übrigen graphischen Künste und Gewerbe, welche zur
Herstellung eines Buches mitwirken, ausführlicher zu
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VORWORT.
IX
behandeln. Um jedoch die Übersichtlichkeit nicht zu
stören und den Umfang des Buches nicht gar zu sehr
über die gesteckten mässigen Grenzen hinaus zu ver-
mehren, war es geboten, dieser Versuchung nur in so weit
nachzugeben, als es zum Verständnis der gestellten Auf-
gabe notwendig war.
Die Geschichte der Buchdruckerkunst zerfällt in zwei
natürliche Hauptabschnitte. Der erste, welcher die Er-
findung, Verbreitung, Blüte und den allmählichen Ver-
fall behandelt, und sich über einen Zeitraum von über
dreihundert fahren erstreckt, findet seinen Abschluss in
der letzten Hälfte des XVII J. Säculums. Der zweite
Hauptabschnitt führt uns durch die Periode des Wieder-
aufwachens der Typographie und deren Schwesterkünste
in die Zeit der zweiteti , mittels der enormen technischen
Fortschritte und der neuen Vervielfältigungsarten im
Verein mit der freiheitlichen Entwicklung der Presse
hervorgerufenen Blüte, deren wir uns heute erfreuen.
Jeder dieser beiden Hauptteile, die sich wieder in
mehrere Abteilungen verzweigen, ist in seinem Wesen so
eigenartig und verlangt eine so verschiedene Art der Dar-
stellung, dass auch eine äusserliche Trennung in zwei
vollständig abgeschlossene Hälften geboten schien.
Zur Beurteilung der Grundsätze für die Behandlung
der verschiedenen Abschnitte verweise ich auf die, jedem der
Bücher vorangeschickte „Einführung*', in welcher ich mich
sowohl über den jedesmal leitenden Gesichtspunkt als auch
über die jedesmaligen Quellen und deren Benutzung aus-
gesprochen habe. Dass mir nur sehr wenige der letzteren
unbekannt geblieben sind, habe ich vor allem der Fach-
bibliothek des Börsen- Vereins der deutschen Buchhändler,
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X
VORWORT.
der Liberalität des Vorstandes derselben und der uner-
müdlichen Gefälligkeit der Bibliothek -Verwaltung zu
verdanken.
Dass trotz aller angewendeten Sorgfalt noch Vieles
für die mir Nachfolgenden (denen ich jedoch das Arbeiten
in mancher Beziehung leichter gemacht haben dürfte, als
es ?nir gewordeti ist) zu thun übrig geblieben, und dass
selbst die grösste Mühe und der redlichste Wille, etwas
Brauchbares zu liefern, fehlende Eigenschaften nicht
immer ersetzen können, fühlt vielleicht niemand mehr als
der unterzeichnete
Carl B. Lorck.
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GESCHICHTE
DER
BUCH DRUCKERKUNST
1450-1750.
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INHALTS-VERZEICHNIS.
ERSTES BUCH.
ERFINDUNG UND VERBREITUNG DER BUCHDRUCKERKUNST
1450— 150O.
Seite
EINFÜHRUNG IN DAS ERSTE BUCH (3 10).
I. KAPITEL.
ZUR VORGESCHICHTE DER BUCHDRUCKERKUNST.
Älteste Spuren der Vervielfältigung. Die Manuskripte. Der Metall- und
Holzschnitt Die Kunstschulen. Die xylographi sehen Werke. Die
Vorbedingungen fär die Erfindung der Buchdruckerkunst .... 11—22
II. KAPITEL.
DIE ERFINDUNG.
Johannes Gutenberg. Herkunft Aufenthalt in Strassburg. Gutenberg in
Mainz. Verbindung mit Johann Fust. Peter Schöffer. Gutenbergs
Unglück. Sein Tod. Sein Andenken 23—36
in. KAPITEL.
DIE VERBREITUNG DER BUCHDRUCKERKUNST IN DEUTSCHLAND.
Schnelle Verbreitung der Kunst. Die Nachfolger Gutenbergs in Mainz.
Peter Schöffer und seine Nachkommen. Ulm. Beromünster. Basel.
Bamberg, Albrecht Pfister. Augsburg. Nürnberg. Wien. Der Norden:
Köln, Münster, Magdeburg, Leipzig. 37 — 54
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XIV
INHALTS- VERZEICHNIS.
Seite
IV. KAPITEL.
DIE VERBREITUNG DER BUCHDRUCKERKUNST IM AUSLANDE.
Italien: Subiaco und Rom. Venedig. Foligno. Mailand. Florenz.
Spanien und Portugal. Frankreich: Paris. Lyon. Dik Nieder-
lande: Die Histoires. Colard Mansion. England: William Caxton.
Skandinavien: Dänemark. Schweden. Die slawischen Länder.
Ungarn. Die Türkei 55-76
V. KAPITEL.
DIE TECHNIK DER BUCHDRUCKER KUNST UND DIE LITTERARISCHE
PRODUKTION.
Die Technik: Schriftgiesserei. Satz. Druck. Korrektur. Die Pressen.
Die Farbe. Die Ausschmückung der Bücher. Das Pergament und das
Papier. Die Buchbinderkunst. Die Littbrarische Produktion i Der
Buchhandel Die Zensur 77—96
ZWEITES BUCH.
GLANZPERIODE UND VERFALL DER BUCHDRUCKERKUNST
I5CO — 1750.
EINFÜHRUNG IN DAS ZWEITE BUCH (98 — 104).
VI. KAPITEL.
DIE ILLUSTRIERENDE KUNST IN DEUTSCHLAND.
Die deutschen Malerschulen. Der Kupferstich und der Holzschnitt.
Michel Wolgemut Albrecht Dürer, seine Zeitgenossen und Nach-
folger: Hans Burgkmair, Hans Schaeuffelein, die „Kleinmeister". Hans
Holbein d. j. Lucas Cranach d. ä. Die Schweizer und Elsasser
Künstler. Über die „eigenhändigen" Holzschnitte der Zeichner. . .105-126
VII. KAPITEL.
DIE TYPOGRAPHIE IN DEUTSCHLAND UND IN DEN SKANDINAVISCHEN
LÄNDERN.
Nürnberg: Der Theuerdank. Die deutschen Schriften. Augsburg:
Hans Schönsperger d. ä. Frankfurt am Main: Chr. EgenolfT, Sigism.
Feyerabend, die Merians. Mainz 1 Die Nachfolger Schöffers. Tübingen :
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INHALTS- VERZEICHNIS.
XV
Seite
Der slawische Druck. Cotta. Strassburg: Illustrierter Druck. Basel:
Joh. Froben, die Familie Petri, Joh. Oporinus. Zürich: Chr.
Froschauer. St. Gallen: Leon. Straub. Wien: Johan Sigriener,
Hans Kohl, Joh. v. Gehlen. Leipzig: Melch. Lotter, Valentin Bapst.
Gute und schwere Zeiten. Wittenberg. Der Norden. Berlin.
DIE SKANDINAVISCHEN LÄNDER. Dänemark, Norwegen und
Island, Schweden und Finnland 127—158
VIII. KAPITEL.
DER DRUCKBETRIEB UND DAS BUCHGEWERBE IN DEUTSCHLAND.
Die Schriftgiesserei und die Druckschriften. Die Technik des Setzens
und Druckens: Der Satzapparat, die Korrektur, die Presse, die Farbe.
Prinzipal, Geselle und Lehrling. Die Buchbinderkunst. Der Buch-
handel : Die litterarische Produktion , das Verhältnis zwischen Autor
und Verleger. '59—174
IX. KAPITEL.
ITALIEN, SPANIEN, PORTUGAL UND DAS SÜDLICHE AMERIKA.
Venedig. Die Familie Aldus: Aldus Pius Manutius, Paul Manutius,
Aldus iL Dan. Bomberg. Mechitar. ROM: Die Buchdruckerei der
„Propaganda". Genua. Florenz : Die Giunta. Padua. Die Xylo-
graphie: Ces. Vecellius, der Clair-obscur-DrucV.. Ugo da Carpi, Graf
Ant. Zanetti, John Jackson.
Spanien und Portugal. Brocario und die complutinsche Polyglotte.
Madrid. Ant. Bortazar. — Mexico. Joh. Kromberger, Juan Pablos.
Lima. Peru. St. Domingo u. a 175* — 192
X. KAPITEL.
FRANKREICH.
Die Lage des Buchdruckers. Der Staat und die Presse. Die Xylographie,
die livres d'heuru. Anton Verard. Geofroy Tory. Jodocus Badius.
Conrad N^obar. Berühmte Druckerfamilien. Die Stephane: Heinrich L,
Robert L, Heinrich IL, Ende der Familie. Die Gründung der könig-
lichen Buchdruckerei. Ant. Vitre". Savary de Breves. Lyon: Seb.
Gryphius, Jean de Tournes, Steph. Dolet. Die Schriftgiesserei. Die
Buchbinderkunst 193 — 216
XL KAPITEL.
DIE NIEDERLANDE.
Die Illustration. Christoph Plantin, seine Nachkommen, das Plantinschc
Museum. Die Familie Blaeu. Die Elzeviere : Ludwig 1. , Matthias und
Bonaventura, Isaack, Bonaventura und Abraham 1. Johann und Daniel.
Ludwig und Daniel, das Ende des Hauses. Die Nachahmer der
Elzeviere. Die Familie Enschede und die Schriftgiesserei. . . . 217—254
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XVI
INHALTS- VERZEICHNIS.
Seite
XII. KAPITEL.
ENGLAND. NORDAMERIKA.
Das allmähliche Wachstum der englischen Presse. Wynkyn de Wörde,
Richard Pynson, Reynold Wolfe, John Day, Th. VautroUier, Th. Roy-
crofft, Sam. Palmer, Sam. Richardson. Oxford, Cambridge. Die
schottische und die irische Presse. Die Stereotypie und Will. Ged.
Das Zeitungswesen. Die Schriftgiesserei.
NORDAMERIKA. Kleine Anfange der Presse. John Glover, James
Franklin, Benjamin Franklin. Die deutschen Einwanderer und ihre
Presse. Christoph Sauer und seine Nachkommen 255—276
XIH. KAPITEL.
DIE SLAWISCHEN LÄNDER. DIE TÜRKEI. DIE OSTASIATISCHEN
LANDER.
Polen. Russland: Moskau, St. Petersburg. Die Türkei: Konstan-
tinopel, Ibrahim und Said Efendi. Syrien. Das östliche Asien,
China, das chinesische Tafeldruckverfahren und die Papierfabrikation.
Europäischer Druck in Asien. Afrika. 277 — 288
Register.
A. Namen- und Sachregister 289 — 300
B. Nachweis der angeführten Quellenschriften 301 — 304
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ERSTES BUCH.
9
ERFINDUNG UND VERBREITUNG
DER
BUCHDRUCKERKUNST
I4SO-ISOO.
EINFÜHRUNG IN DAS ERSTE BUCH.
IT Dunkelheit und Vorurteilen ist die Geschichte
derjenigen Kunst umhüllt, welche geschaffen war, na* Dunkel der
Licht über die Wissenschaften zu verbreiten, sie zu
erhalten und fortzupflanzen — so klagte schon der
berühmte Johann Gottlieb Immanuel Breitkopf in
seinem leider nur Bruchstück gebliebenen Werk
über die Geschichte der Buchdruckerkunst.
Hundertmal wurde diese Klage seit Breitkopf wiederholt,
teils mit Recht, teils mit Unrecht. Allerdings sind manche Punkte
der Erfindungsgeschichte noch heute in ein Dunkel gehüllt, das
kaum je gelichtet werden wird, wenn nicht ein absonderlicher
Glücksfall ein typographisches Pompeji oder Olympia aus irgend
einem verschütteten Keller an das Tageslicht fordern sollte ; jedoch
mit solchen Glücksfällen kann selbstverständlich nicht gerechnet
werden und nicht jeder, der nach Funden gräbt, ist im Finden ein
Schliemann.
In manchen Punkten jedoch hat das Licht der wissenschaft-
lichen Kritikdie, durch unpraktische Gelehrsamkeit, missverstandenen
Patriotismus, Mangel an technischen Kenntnissen bei den Schrift-
stellern, kritiklose Kompilation oder Köhlerglauben an zweideutige
Zeugnisse noch mehr verdichteten Wolken endlich durchbrochen.
i*
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EINFÜHRUNG IN DAS ERSTE RUCH.
Was mehr als alles Andere zu dem langen Zustande der
Wa» ist Typo- Unsicherheit beigetragen hat , in welchem sich die Geschichte der
graphic r
Erfindung der Buchdruckerkunst befand, ist, dass man nicht im
voraus einig gewesen, was man eigentlich unter Buchdruckerkunst
— Typographie — zu verstehen hatte. Wie leicht wäre bei
genügender Klarheit hierüber mancher Streit zu verhindern gewesen !
Die Kunst des „Druckens" bestand, selbst in Deutschland, lange
vor Gutenberg, ja die Chinesen übten, wenn man sich auch nur
an das streng historisch Beglaubigte hält, einen umfangreichen
„Bücherdruck" wenigstens 500 Jahre vor Gutenberg. Ist trotzdem
auch nur ein Wort darüber zu verlieren, dass die Chinesen nicht die •
„Typographie" erfunden haben? Cicero spricht, so klar wie man
es verlangen kann, das Prinzip des Setzens aus. Ist deshalb der
gelehrte Römer ein Gutenberg gewesen ? Zugegeben selbst, dass
in Haarlem ein ehrlicher Küster oder Lichtzieher, zugleich ein guter
Grossvater, als Spielzeug für seine Enkel Buchstaben in Baumrinde
geschnitten hat; ja, noch viel weiter gegangen und angenommen,
er hätte in dieser Weise sogar ein Büchlein fertig gebracht, konnte
man diesen Mann als den Prototypographen bezeichnen? Gewiss
nicht, wenn wir die unerlässlichen Bedingungen vor Augen haben,
welche das Wesen der „Typographie" bilden. Mit diesem Namen
kann man nur diejenige Kunst bezeichnen :
den niedergeschriebenen Gedanken, mittels „mechanisch durch
Guss vervielfältigter" Typen (also beweglicher Metalltypcn)
gesetzt, wiederzugeben und diesen Satz nach dessen Einreibung
mit Druckfarbe „mechanisch" durch die „Druckerpresse" in
einer beliebigen Anzahl vollständig gleicher Abdrücke her-
zustellen.
Mit anderen Worten: die Erfindung der Buchdruckerkunst
schliesst die Erfindung der Schriftgiesserei , des Setzens, des
Pressendruckes, der "Farbenbereitung in sich ein. Als Bestandteile
gehören zu ihr: die Stempel, die Matern, die Metalltypen, die me-
chanische Presse nebst den verschiedenen Utensilien, die Farbe.
Die Erfindung einzelner, zu dieser Gesamtheit gehörender
Teile macht nicht die Erfindung der Buchdruckerkunst aus. Würde
man Gutenberg zwar die Presse, die Farbe und die in Holz geschnitz-
ten Buchstaben lassen, jedoch die Erfindung der Schriftgiesserei auf
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EINFÜHRUNG IN DAS ERSTE BUCH.
5
Schöffer übertragen, so wäre Gutenberg nicht der Erfinder der-
jenigen Kunst gewesen, welcher die ganze zivilisierte Welt bereits auf
vier Säkularfeiern als ihrer grössten Wohlthäterin , als der Ver-
breiterin des Lichtes , als der Befreierin von allen geistigen Fesseln
gehuldigt hat, derjenigen Kunst, welche die Grossmacht der Presse
geschaffen hat.
Jedoch, es steht unzweifelhaft fest, die Erfindung gehört in
ihrem vollen Umfange Gutenberg „und ihm allein". Dies hat die
wissenschaftliche Kritik, welche in neuerer Zeit eine, blosses Material mgcr Er " dcr
anhäufende Gelehrsamkeit ablöste, unwiderruflich festgestellt.
Uber diesen Punkt muss man endlich die Akten als geschlossen
betrachten, wie dies auch in den folgenden Blättern geschieht.
Ob die ßözeilige Bibel vor der 42 zeiligen gedruckt wurde,
ob Caxton 1476 oder 1477 die Kunst nach London brachte, ob
in Köln die Fratres vitee communis zuerst gedruckt haben und der-
gleichen Einzelnheitcn werden die Federn der Gelehrten noch lange
in Bewegung setzen und die Entscheidung ist gewiss von dem
höchsten Interesse. Es kann jedoch nicht der Zweck dieses Hand-
buches sein, das Für und Wider solcher Fragen breit zu erörtern,
ohne doch ein bestimmtes Resultat ziehen zu können. Selbst eine,
vielleicht zu zuversichtliche Annahme eines zweifelhaften Datums
oder Faktums ist in einem Handbuch manchmal weniger nachteilig,
als eine Verwirrung des Urteils durch die sich fortwährend wieder-
holende Erhebung von Zweifeln.
Von den Werken, welche im allgemeinen die Vorgeschichte
der Erfindung, diese selbst und die früheste Periode der Kunst Die Literatur
behandeln, erwähnen wir folgende, welche, namentlich so weit sie " ' r '" u " g "
die älteren xylographischen und typographischen Druckerzeugnisse
in Reproduktionen vorführen, mutmasslich eine grössere Anzahl von
Lesern interessieren werden.
Wenn wir die Jubelschrift des Oberbibliothekars Dr. KARL
Falkenstein : „Geschichte der Buchdruckerkunst in ihrer Ent- k. Fülkenstcin.
stehung und Ausbildung", mit vielen Illustrationen (Leipzig 1840),
obenan stellen, so geschieht es, weil dies Werk sehr vieles dazu
beigetragen hat, die Lust an der Geschichte der Typographie zu
wecken und zu nähren, zugleich, weil es das einzige ist, welches den
Anlauf nimmt, die Geschichte bis auf die damals neueste Zeit, 1 840,
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EINFÜHRUNG IN DAS ERSTE BUCH.
fortzuführen. Der Zweck eines Handbuches für den täglichen
Gebrauch konnte und wollte das Buch jedoch nicht erfüllen,
welches als Jubelschrift zur Verherrlichung der Erfindung und des
Erfinders das Hauptgewicht auf die Vorgeschichte und die Erfindung
selbst, sowie auf die Bekämpfung der Gegner Gutenbergs legen
musste. Auch konnte es nicht anders sein, als dass die Behandlung
vom gewerblich - technischen Standpunkt aus gegen die biblio-
graphische Arbeit zurücktreten musste, was ja vollständig aus dem
Berufe des berühmten Bibliothekars, aus dessen Feder das Buch
stammt, sich erklärt. Dies macht sich namentlich in Betreff der
Ausfuhrung sowohl der Periode des nachmaligen Aufblühens der
Kunst seit der Mitte des xvm. Jahrhunderts als auch der neuesten,
den ganzen technischen Betrieb umgestaltenden Zeit geltend. Seit
dem Erscheinen des Werkes, das schon lange im Buchhandel fehlt,
sind ausserdem mehr als 40 Jahre verflossen, die nicht nur manches
Bedeutende in der Kunst zutage gefördert haben, sondern auch über
die Vergangenheit derselben in vielen Beziehungen ein helleres Licht
verbreiteten. Es werden dem Werke viele fehlerhafte Angaben
vorgeworfen; solche waren wohl kaum zu vermeiden, und darf dieser
Umstand denjenigen, der den Versuch macht ein Kompendium der
Geschichte der Buchdruckerkunst zu liefern, der Pflicht nicht ent-
heben, dankbar anzuerkennen, dass diese Aufgabe ohne die Anhalts-
punkte, welche das Falkensteinsche Buch gewährt, eine weit müh-
samere gewesen sein würde.
Ein sehr bedeutendes Werk ist T. O. WEIGELS und
t. o. weigei. Ad. ZESTERMANNS: „Die Anfänge der Druckerkunst in Bild und
d ' Zcstcrrnann - Schrift an deren frühesten Erzeugnissen in der Weigelschen
Sammlung erläutert. Mit 125 Facsimiles und vielen in den Text
gedruckten Holzschnitten". 2 Bde. fol. {Leipzig 1866). Die Ver-
fasser stellen sich ganz entschieden auf die Seite Gutenbergs: „Es
gelang mir nicht", sagt Weigei, „für Hollands Ansprüche auch nur
ein einziges Dokument vor 1460 zu entdecken". Das Werk, in den
Brockhausschen Druck- und Kunstanstalten ausgeführt, ist zu-
gleich, indem es die alte Kunst uns vor Augen fuhrt, ein würdiges
Denkmal der neueren graphischen Kunst Deutschlands.
Ein merkwürdiges, eine ganze Gutenberg-Bibliothek ersetzen-
des Werk ist: „Gutenberg, Geschichte und Dichtung, aus den
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EINFÜHRUNG IN DAS ERSTE BUCH. J
Quellen nachgewiesen von A. VAN DER Linde" (Stuttgart 1878). a. v. i Linde.
Der Verfasser musste, nachdem er die Koster- Legenden der Holländer
in mehreren Streitschriften auf das grausamste der Lächerlichkeit
preisgegeben hatte, Holland verlassen und lebt als kgl. Bibliothekar
in Wiesbaden. Die erste Abteilung des Werkes giebt die Ge-
schichte der Erfindung, wie wir sie nun endlich als feststehend
betrachten müssen, wenn nicht ein vollständig neues Material geboten
werden sollte, denn mit dem alten kommt man dem Ziele nicht
näher. Die zweite Abteilung erzählt die verschiedenen Erfindungs-
Märchen und berichtet auf nicht weniger als 500 enggedruckten
Seiten über die Fälschungen und Irrtümer. Zahlreiche Urkunden
machen den Beschluss. Der Verfasser bietet mit seinem Buche
keine leichte Lektüre und erschwert sie den meisten ausserdem
durch die ungewohnte Schreibweise und die unzähligen Einschal-
tungen und Erläuterungen.
Leider schlägt der gekränkte und hart behandelte Verfasser
einen gehässigen und einem streng wissenschaftlichen Werk nicht
ganz angemessenen Ton an, der eher seiner guten Sache schadet als
sie fördert. Das Wahre bleibt jedoch wahr und es mag sein, dass es,
Gegnern gegenüber, die recht wohl sehen und hören können, aber
nicht wollen, unmöglich ist, sich nicht von der Leidenschaft hin-
reissen zu lassen. Die von anderen Seiten dem Peter Schöffer
auf Kosten Gutenbergs gewordene Bevorzugung hat möglicherweise
van der Linde in seiner scharfen Kritik gegen Schöffer viel zu weit
gefuhrt.
Von den bereits noch vor Falkensteins Jubelschrift erschie-
nenen Werken, die namentlich dazu beigetragen haben Gutenbergs
Namen hoch zu halten und seine Erfinderehre den holländischen
Ansprüchen gegenüber zu wahren, sind zu nennen :
„Die Geschichte der Erfindung der Buchdruckerkunst durch
Johann Gensfleich genannt Gutenberg", von C. A. SCHAAB. 3 Bde. c. a. schaab.
J- Wetter.
(Mainz 1830 — 1831).
„Kritische Geschichte der Erfindung der Buchdruckerkunst
durch Johann Gutenberg zu Mainz", vonj. Wetter. Mit einem
Atlas (Mainz 1836).
J. G. I. Breitkopf, der mehr, als irgendjemand, die Befähigungj.ci.Brcitkopf.
hatte, eine Geschichte der Buchdruckerkunst zu schreiben, hat uns
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EINFÜHRUNG IN DAS ERSTE BUCH.
leider nur einzelne wenn auch wertvolle Bruchstücke hinter-
lassen.
Im Gegensatz zu Weigel treten zwei englische Autoren OTTLEY
c. w. otticy. und SoTHEBY entschieden für die holländischen Ansprüche in die
s. Suthcby. g c j iran k en unc j i assen Gutenberg wenig von seinem Ruhm. In-
teressant sind beide Werke durch die grosse Zahl von Nachbildungen.
Der Titel von Ottleys Werk lautet:
„An inquiry concerning the Invention of printing by the late
William Young Ottley, with an introduction by J. Ph. Bcrjeau.
■ IUustrated with 37 plates and numerous wood engravings" (London
1863). Herr Ottley findet es sehr natürlich, dass Fust dem Gutenberg
den Stuhl vor die Thüre gesetzt, nachdem letzterer sich unfähig be-
wiesen hatte, seine Aufgabe zu lösen: „Er war ein schlauköpfiger
Schwindler, geschickt genug, die Arbeit anderer zu benutzen, aber
nicht befähigt eigene Ideen zu erzeugen und durchzuführen, ein
Mann ohne mechanisches Geschick und ohne Erfindungsgabe". So
urteilt Ottley über Gutenberg.
Herr Samuel Sotheby ist zwar kein Verehrer von Gutenberg,
lässt sich jedoch nicht auf eine so gehässige Polemik wie Otticy ein.
Das Endergebnis seiner Untersuchungen ist, dass die Kunst mit be-
weglichen Typen zu drucken in den Niederlanden bereits 1454 ge-
übt wurde. Das von seinem Sohne Samuel Ligh Sotheby heraus-
gegebene Werk ist betitelt :
„Principia typographica. The block-books or Xylographie deli-
ncations of Scripture history, issued in Holland, Flanders and Ger-
many, during the XV Century. Exetnplified and considered in con-
nection with the origin of printing"' (London 1858).
Hieran schliessen sich: J. W. Holtrop, „Monumens typogra-
j. w. Holtrop, phiques des Pays-Bas au XV Siech " (Haag 1851 — 1868).
Ein lehrreiches und verdienstliches Buch ist: „A treatise omvood
w. a. chatto. tmgraving historical and practiealbyyacksonandlV.A. Chatto. 2. Ed. u
J. Jackson.
(London 1S61). Chatto lieferte den Text; J. Jackson gegen 300
vortreffliche xylographische Nachbildungen, wenn auch zum grossen
Teil in verkleinertem Formate.
Namentlich durch ihre vorzüglichen Abbildungen instruktiv sind
1. f. oibdin. die Werke Thomas Frognall Dihdins, des berühmten Biblio-
manen und Bibliothekars des Lord Spencer auf Althorp. Sein
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EINFÜHRUNG IN DAS ERSTE BUCH.
9
Hauptwerk: „ The bibliographical Decameron or ten days 1 pleasant
discourse upon illuminated Manuscripts and Subjects connected ivüh
early Engraving , Typography and Bibliography* (London 1817)
strotzt von prachtvollen Stichen und Holzschnitten, die in vanda-
lischer Weise zerstört wurden, um das Buch selten zu erhalten. Der
Text ist schwatzhaft ; die Noten, welche neun Zehnteile des grossen
dreibändigen Werkes bilden , strömen von Gelehrsamkeit und Be-
lesenheit über , sind aber schwer geniessbar.
Unter den populären Werken , welche Nachbildungen bringen,
sind erwähnenswert: H. N. Humphreys' „The illuminated books h. n. Hum-
of the middle age u (London 1844) und desselben Verfassers:
„History of the art of printing* (London 1867), eine anspruchslose
klare und fassliche Darstellung der Verbreitung der Kunst. Die 100,
teils schwarzen, teils farbigen, Reproductionen haben zwar den
Vorzug, dass sie meist in den Originalgrösscn aufgenommen sind,
die Photolithographie lässt jedoch an Klarheit zu wünschen übrig.
Eine dritte Sammlung von Humphreys ist: „Masterpieces of the
early Printers and engravers u (London 1869).
In dem Verfasser des Werkes: „The invention of printing u
L. DE VlNNE. Mit vielen Abbildungen (New- York 1876} haben wir l. d c Vinc.
es nicht mit einem Gelehrten, jedoch mit einem tüchtigen Praktiker,
zugleich durchgebildeten Manne zu thun. Sein Buch ist klar und
verständlich geschrieben, namentlich sind seine technischen Exkurse
sehr lehrreich und anziehend. Beigegeben ist eine grosse Zahl
besonders gut ausgeführter, wenn auch in den meisten Fällen
reduzierter Illustrationen. Herr de Vinne ist ein enthusiastischer
Verteidiger Gutenbergs, demzufolge auch leicht geneigt, ein zu
strenges Urteil über die Thätigkeit Schoners zu fällen, dem, wie
schon gesagt, v. d. Linde ganz beistimmi.
Von französischen Werken seien erwähnt : A. Bernards „De a. B^mard.
l'origtne et des debuts de V imprimerie en Europe* (Paris 1853).
Ein Werk, das in kleinem Umfang einen Schatz des Wissens-
werten birgt, ist AMHROISE Firmin-Didots „Essai typographiqne a. k-dUm.
et bibäographique sur Thistoire de lagravure sur bois u (Paris 1853).
Der berühmte Buchdrucker, Buchhändler, Gelehrte und Sammler (ge-
storben 1876) verband mit der grössten Vertrautheit der deutschen
Verhältnisse eine vollkommene Unparteilichkeit.
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10
EINFÜHRUNG IN DAS ERSTE BUCH.
In neuester Zeit erregten in der typographischen Welt ein
j. p. a. Maddcn. nicht gewöhnliches Aufsehen J. P. A. Maddens , „ Lettres d'un
Bibliographen. 5 Bde. (Paris, 1868— 1878). Zahlreiche Abhand-
lungen in Briefform, welche eine Menge von Fragen in Bezug auf
die Erfindungs- und die Inkunabelnzeit behandeln, bilden den Inhalt.
Ein Hauptzweck des Verfassers ist die Führung des Beweises, dass
die Fratres vitce communis in ihrem Kloster am Weidenbach bei
Köln eine grosse Druckanstalt gehabt haben, aus welcher eine
Anzahl der ältesten bedeutenden Typographen als Ulrich Zell,
Nik. Jenson, Collard Mansion, Will. Caxton, Mentelin u. a. hervor-
gegangen sind. Von seiner seltenen Kombinationsgabe und seinem
ungemeinen Scharfsinne sowohl im Aufstellen der eigenen Wahr-
scheinlichkeitsbeweise als im Entdecken der Trugschlüsse anderer
legt zwar fast jede Seite Zeugnis ab, doch wird es nicht leicht sein,
alles zu unterschreiben, was Madden behauptet, und solange er
nicht Thatsachcn bringen kann , bleibt der Wert seiner Briefe für
die Geschichte mehr negativer Art, indem sie zur Vorsicht in der
Annahme manches bis jetzt als thatsächlich Anerkannten mahnen.
Die Schriften, welche dieGeschichte einzelner Perioden, Länder,
Städte oder Persönlichkeiten berühren, sind an den betreffenden
Stellen des Textes, soweit es der Plan des Buches notwendig oder
wünschenswert erscheinen Hess , angeführt.
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I. KAPITEL.
ZUR VORGESCHICHTE DER BUCHDRUCKER-
KUNST.
Alteste Spuren der Vervielfältigung. Die Manuskripte. Der Metall- und Holz-
schnitt. Die Kunstschulen. Die xylographischen Werke. Die Vorbedingungen
für die Erfindung der Buchdruckerkunst
ST es auch bei jeder Erfindung, bei welcher ja der Vorbedingungen
der Erfindung.
Zufall und der Blitz des Geistes eine so wesentliche
Rolle spielen, eine schwer zu beantwortende Frage,
warum sie gerade zu „der" Zeit oder bei „dem"
Volke entstanden, so lässt sich andererseits doch nicht
leugnen, dass jede Erfindung in der Zeit wurzeln und im Zusammen-
hange mit dem Geiste der Zeit stehen muss, wenn sie nicht ein
Embryo bleiben soll. Ein Denker, der seiner Zeit vorauseilt,
empfängt vielleicht die Idee; ist jedoch das Zeitalter für sie nicht
reif, so bleibt sie in dem Kopfe des Empfangenden ruhen, oder
letzterer wird, wenn er sie ausspricht, als ein Phantast oder gar als
ein Wahnsinniger betrachtet, bis er in dem vergeblichen Kampf
gegen den Unverstand wohl gar schliesslich ein solcher wird.
Es kann auch keineswegs als eine blosse Zufälligkeit betrach-
tet werden, dass die Kunst mit beweglichen Typen zu drucken von
den Alten trotz der hohen Kulturstufe, auf welcher sie standen, nicht
erfunden wurde, obwohl ihre Kinder durch Schablonen schreiben
lernten und mit geschnittenen, zu Worten zusammenzu reihenden
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12
ZUR VORGESCHICHTE DER BUCHDRUCKERKUNST. I. KAP.
Buchstaben spielten. Eben so wenig kann man es jedoch als ein
Spiel des Zufalls betrachten, dass die Erfindung der Buchdrucker-
kunst in das fünfzehnte Jahrhundert, das Jahrhundert des Wieder-
erwachens der Poesie, der Wissenschaft und des Kampfes für die
kirchlich-religiöse Freiheit, fiel. Die Zeit brauchte die Waffe für
den grossen geistigen Kampfund der Geist der Zeit schaffte sie, als
die Reife einmal gekommen war.
In dem Gesagten liegt schon , dass wir es hier nicht mit einer
urplötzlich aus dem Kopfe des Erfinders entsprungenen, bereits
vollständig gewaffneten Erscheinung zu thun haben. Viel eher
passt der einfache Vergleich mit einem, schon in den ältesten Zeiten
gelegten Samenkorn, das, sich selbst überlassen, zwar gekeimt und
Blätter getrieben hatte, aber erst unter der aufmerksamen Pflege des
verständigen Gärtners die schönsten Blüten spendete.
Versuchen wir es in dem Folgenden in Kürze die Spuren des
Entstehens und des Wachstums der Pflanze zu verfolgen.
In Stein gehauen, in Erz gegraben, in Thon eingedrückt oder
Acitestc spure», in Wachstafeln geritzt, sind von den Völkern des Altertums die
ersten Dokumente auf uns gekommen : Regententafeln, Gesetze und
Nachrichten über denkwürdige Ereignisse oder bedeutende Persön-
lichkeiten. Als die Kultur stieg, schrieb man auf Papyrusblätter
oder auf Pergamentrollen und ganze Werke wurden auf diese Weise
der Nachwelt erhalten. Die Autoren hielten sich ihre Schreiber,
die entweder Sklaven oder Freigelassene waren. Es bildete sich die
Klasse der Abschreiber und wir finden sowohl bei den Griechen wie
bei den Römern Buchhändler, welche die Bücher-Rollen {volumina)
in grösserer Zahl entweder zum Verleihen oder zum Verkaufen
abschreiben liessen und reich assortierte Bücher-Lager hielten. Selbst
Spuren des Farbendrucks, sowie der Vervielfältigung der Illustra-
tionen durch Schablonendruck, trifft man an.
„Es brennt", heisst es im Kinderspiel, wenn Einer nahe daran
ist, den versteckten Gegenstand zu finden. Und so konnte man
auch hier sagen „es brannte", denn man war der Kunst der me-
chanischen Vervielfältigung durch Typen und Druck nahe; doch
gefunden ward sie nicht, denn die Zeit drängte nicht auf die
Erfindung hin. Die wohlfeile Arbeitskraft der Abschreiber und die
gute Organisation ihrer Arbeit genügten vollkommen für billige und
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I. KAP. ZUR VORGESCHICHTE DER BUCHDRUCKERKUNST.
13
rasche Herstellung der Werke. Das freie öffentliche Leben bei den
Kulturvölkern des Altertums, der heitere südliche Himmel, das
leichte, fröhliche Dasein waren ohnehin nicht geeignet, Stuben-
gelehrsamkeit zu nähren. Man hörte die Dichterwerke öffentlich
vorlesen, sah in den, Allen zugänglichen Theatern den Schauspielen
oder den Wettkämpfen zu, lauschte den Rednern des Forums. Alle
Staatsakte geschahen öffentlich ; das ganze politische und geistige
Leben gipfelte in der Hauptstadt; man hatte genügende Gelegenheit
öffentlich die Ansichten auszutauschen ; es fehlte das Bedürfnis, im
stillen Kämmerlein, von Büchern umgeben, über das Erlebte nach-
zugrübeln und sich gelehrten Forschungen hinzugeben
Es folgte die Völkerwanderung und damit die Zertrümmerung
des frischen geistigen Lebens. Alle Völker Europas versanken in Die Klöster und
Barbarei. Die Überreste der Gelehrsamkeit und des Studiums fanden d ' C am, * knp,c "
sich nur in den Klöstern vor. Hier entstand nach und nach das
Bedürfnis, die liturgischen Bücher und die Lehrmittel zu verviel-
fältigen. Die Mönche hatten in ihrem beschaulichen Leben Zeit
nicht allein zu einem Abschreiben in einfacher Weise, sondern auch,
dies zu einer Kunst auszubilden. In roter Farbe ausgeführte
Zierrate waren schon bei den Römern gebräuchlich, die sich des
Miniums bedienten, um die Überschriften der Bücher oder Kapitel
ins Auge fallend zu machen. Das Verfahren verpflanzte sich nach
Griechenland und dem Orient, uns ist daraus noch die Bezeichnung
„Rubrik" geblieben. Später wurden die Anfangsbuchstaben der
Abschnitte und Paragraphen durch Hinzufügung von roten Strichen
bemerkbarer gemacht, oder man malte die Buchstaben ganz rot
aus. Im Griechischen Reiche wurde die rote Farbe ganz besonders in
Ehren gehalten und zu den heiligen Schriften sogar rotes Pergament
verwendet mit Buchstaben in Silber oder Gold. Auch bei den
Gothen ward diese Ausschmückungskunst geübt, wie der berühmte
Codex argenteus, die Übersetzung des Neuen Testaments von dem
Bischof Ulfilas, beweist, der einen Schatz der Universitätsbibliothek
» J. A. Arnett, An inquiry de. of the books 0/ the ancients. London 1837. —
J. A. Bräutigam, Ein Blick in das Bücherwesen des Alterthums. Leipzig 1867. —
J. O. Le Ci.erc, Des joumaux chez les Romains. Paris 1838. — J. A. Bräutigam,
Zur Cesch. d. Zeitungswesens bei den Römern. Leipzig 1868. — W. Schmitz,
Schriftsteller und Buchhändler in Athen. Heidelberg 1876. — E. Caillemer,
La proprtete litteVaire a Athencs. Paris 1868.
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14
ZUR VORGESCHICHTE DER BUCHDRUCKERKUNST. I. KAP.
zu Upsala in Schweden bildet. Die fränkischen Könige nahmen
bald die Pracht der Handschriften an, die in Deutschland durch
Karl den Grossen bekannt wurde *.
Die Mönche gingen in der kunstreichen Abschrift und Aus-
Die Illumination, schmückung der Bücher immer weiter. Es fand eine förmliche
Teilung der Arbeit nach den verschiedenen Fähigkeiten statt. Einige
schrieben, andere verglichen, korrigierten und rubrizierten. Kunst-
fertige Brüder {rubricatores, illutninatores, miniatores) malten An-
fangsbuchstaben, Randverzierungen und bildliche Darstellungen und
oft entstanden auf Pergament geschriebene wahre Prachtwerke mit
herrlichen Miniaturen in kostbare Deckel von Sammet oder
sogar von edlem Metall, mit Edelsteinen besetzt, gebunden, die mit
goldenen Spangen geschlossen wurden. Solche Werke hatten
natürlich einen sehr hohen Preis und wurden mitunter mit einem
Rittergut aufgewogen, konnten also selbstverständlich nur von
Fürsten und reichen Leuten angeschafft werden.
Zu dieser Pracht der Ausstattung passte schlecht die im
vn. Jahrhundert aufgekommene Sitte, eine Menge von Wörtern so
zu abbrevieren, dass schliesslich eine besondere Gelehrsamkeit dazu
gehörte, ein Manuskript zu entziffern. Diese Unsitte wurzelte nicht
bloss in dem Wunsch, das teure Pergament zu sparen, sondern wohl
auch in der römischen Geschwindschrift (den tironianischen Noten),
welche schon zu Ciceros Zeiten gebräuchlich waren.
Als gegen das Ende des elften Jahrhunderts ein, namentlich
Der Manuskrip- durch die Benediktinermönche genährtes, regeres geistiges Leben
begann, als die Menschheit durch die Kreuzzüge in eine, bis dahin
ungeahnte Bewegung geraten war, als der Geschmack für die
Klassiker sich wieder zu zeigen begann und die Nachfrage nach
abgeschriebenen Büchern grösser ward, da fingen auch Laien an
Bücher abzuschreiben und den Bücherhandel zu treiben. Förmliche
« Th. Astle, The origin and progress of writing, ülustr. London 1784. —
J. G. I. Breitkopf, Beiträge zu einer Geschichte der Schreibkunst. Leipzig 1801.
— U. J. Kopp, Bilder und Schriften der Vorzeit. Mannheim 1819. — Die Buch-
schriften des Mittelalters. Wien 1852. — H. N. Humpheeys, The origin and progress
of writing. 2. Ed. London 1855. — Digby Wyatt, The ort of illuminating. London
1860. — K. Wattenbach, Das Schriftenwesen des Mittelalters. 2. Aufl. Leipzig 1875.
— H. Shaw, Illuminated Ornaments seleäed from manuscripts of the middle ages.
London 1833. — K. Faulmann, Illustr. Geschichte der Schrift. Wien 1880.
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I. KAP. ZUR VORGESCHICHTE DER BUCHDRUCKERKUNST. 15
Korporationen bildeten sich {stationarii , librarii). In Italien und
Frankreich beschränkten sich die Handschriftenhändler auf einige
Universitätsstädte; sie waren, wie später auch die Buchdrucker,
in Paris Beamte der Universität, und standen, was Ein- und Verkauf
betraf, unter Aufsicht der letzteren. Ohne Vorwissen des Rektors
durften sie einem Studenten nichts abkaufen, mussten schwören,
reell zu sein und dem Käufer nur den 40. Pfennig als Gewinn ab-
zunehmen. Unter den deutschen Städten fand nur in Wien eine
ähnliche Kontrolle statt, die, wenn sie auch in Einzelnheiten ihr Gutes
gehabt haben mag, doch im allgemeinen nachteilig wirkte. Die
Produktion der Manuskripte und der Handel mit denselben entwickel-
ten sich deshalb auch in Deutschland viel freier, manchmal selbst an
Orten, wo keine innere Veranlassung vorlag, so in dem Städtchen
Hagenau (um 1430). Die Manuskriptenhändler, die noch lange nach
der Erfindung der Buchdruckerkunst fortbestanden, besuchten die
Jahrmärkte und Messen und selbst in Frankfurt blühte nach der Er-
findung der Buchdruckerkunst der Manuskriptenhandel neben dem
Buchhandel. Auch die Lehrer verkauften an die Schüler die den-
selben notwendigen Bücher.
Die Abschriften und das Material für diese war aber immer
noch teuer und nur die Auserwählten konnten lesen. Man nahm Bilderschrift,
also, um auf das grössere Publikum zu wirken, seine Zuflucht zu der,
Allen verständlichen, in Metall- oder Holzschnitt ausgeführten
„Bilderschrift". Um Heiligen- und andere Bilder herzustellen, ent-
standen die Zünfte der Briefmaler und Illuministen. Brief {ßreve sc.
scriptum) wurde jedes einseitig gedruckte einzelne Blatt genannt,
es mochte nun eine Spielkarte, ein Heiligenbild, ein Ablassbrief, eine
Anordnung o. dgl. sein.
Als bekannt darf das Wesen des Holzschnittes, wodurch dieser
sich von dem Kupferstich unterscheidet und der Schrifttype gleich-
kommt, angenommen werden, nämlich darin bestehend, dass im
Holzschnitt das auf den I lolzstock gezeichnete Bild stehen gelassen
wird, während alle nicht gezeichneten Stellen weggeschnitten
werden, so dass schliesslich die Zeichnung erhaben auf dem Holz-
stock zurückbleibt, während im Kupferstich umgekehrt die Zeichnung
graviert oder geätzt wird, also in der Tiefe liegt. Das Material für
den Holzschnitt war zu der Zeit, von welcher hier die Rede ist, Linden-,
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i6
ZUR VORGESCHICHTE DER BUCHDRUCKERKUNST. I. KAP.
Birn- oder Buchenholz, das in Längenschnitten mit dem Messer be-
arbeitet wurde, während man jetzt beinahe ausschliesslich nur Buchs-
baum in Querschnitten verbraucht und mit dem Stichel behandelt.
Früher war man gewohnt, alle erhaben geschnittenen Formen
Mccaiischni«. als Holzschnitte zu bezeichnen. Durch aufmerksame Prüfung kam
man jedoch zu der Erkenntnis, dass ein Teil der vorhandenen Ab-
drücke von Metallplatten herrühren, und dass der Metallschnitt dem
Holzschnitt vorangegangen sei. Die Möglichkeit des Unterscheidens
liegt namentlich in der Farbe der vorhandenen Drucke, indem die
Metallschnitte etwas grauer, griesslicher und weniger gesättigt er-
scheinen, als die Holzschnitt-Drucke. Öfters kann man auch in den
Umfassungslinien Verbieguhgen wahrnehmen, die in einer Holz-
platte nicht möglich gewesen sein würden ; man hat auch heute noch
erhaltene Metallstiche vorgefunden.
Wir nähern uns hiermit schon der Buchdruckerkunst. Die
Der Zcugdruck. erste ausgedehnte Anwendung eines Druckverfahrens ist der farbige
Zeugdruck, der in Europa mutmasslich zuerst in Italien geübt wurde.
Ohne uns in ältere Zeiten zu verlieren steht es fest, dass schon im
XII. Jahrhundert Seiden- und Leinenstoffe durch Formendruck ver-
ziert wurden. Eine allgemeinere Verwendung fand der Zeugdruck
im xill. Jahrhundert und erscheint oft auf den Futterstoffen der
reicheren liturgischen Ornate. Gegen den Schluss des XIII., nament-
lich aber zu Beginn des XIV. Jahrh., wurde auch Leder bedruckt
und als Tapete verwendet, selbst auf Bucheinbänden findet man
farbige Muster auf dünnes Schafsleder gepresst. Die verzierten
Tapeten zeigen nicht nur biblische Scenen sondern auch Gegen-
stände aus dem Sagenkreise; unter die vorzüglichsten gehören die
zu Sitten in der Schweiz. Die beim Zeugdruck vorkommenden
Farben beschränken sich zuerst hauptsächlich auf Schwarz und Rot,
die Goldverzierungen sind durch Bestäuben erzielt. Auf grösseren
Gemälden kommt an den Gewändern der Figuren eine besondere
Art von Farbendruck vor, indem die Stellen mit einer kreide- oder
gipsartigen Masse überzogen und dann mittels Formen mit Mustern
bedruckt wurden (Teigdrucke). Auch nach der Erfindung der
Buchdruckerkunst wurde der Zeugdruck mit Holz- oder Metallformen
fortgesetzt, der in neuerer Zeit in grossartiger Weise als Kattun-
druck ausgebildet wurde.
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t. KAP. ZUR VORGESCHICHTE DER BUCHDRUCKERKUNST. Ij
Die ältesten uns bekannten bildlichen Darstellungen in Metall-
schnitt reichen nach den gründlichsten Untersuchungen bis gegen-
Ende des XII. Jahrhunderts zurück, Holzschnitte bis gegen Ende
des XIV. Einer der ältesten Metallschnitte ist das, früher in der
T. O. Weigelschen Sammlung in Leipzig, jetzt in dem Germanischen
Museum in Nürnberg befindliche Blatt „Christus am Kreuze". Un-
zweifelhaft beglaubigt ist der Holzschnitt „Der heilige Christoph" aus
dem Jahre 1423. Die Erhaltung dieser, wie mancher anderen alten
Drucke ist der Sitte zu verdanken, die Deckel der Büchereinbände
durch Aufeinanderkleben solcher auszufüttern oder zu bekleben.
Freilich haben wir durch diese Sitte andererseits den Verlust zahl-
reicher Blätter zu beklagen.
Die bildlichen Darstellungen hatten hauptsächlich religiöse
Vorwürfe und das Bedürfnis zeigte sich namentlich in den Zeiten
bedeutender religiöser Aufregung, wie zu Ende des XIV. und zum
Beginn des xvi. Jahrhunderts. Um die Andacht beim Gebet zu
erhöhen, wurden die Angerufenen durch Bilder versinnlicht. So ent-
standen die zahlreichen Darstellungen der heiligen Jungfrau, der
Kreuzigung, der Himmelfahrt, der gesamten Passion, der Heiligen,
des Weltgerichts. Gesteigert wurde der Verbrauch durch die
religiösen Brüderschaften und die Wallfahrten. Es folgten die
zusammenhängenden Bildwerke, die zumteil schon im frühen Mittel-
alter gezeichnet vorhanden waren, und im XV. Jahrhundert xylo-
graphisch und typographisch vervielfältigt wurden. Die Hauptsache
ward im Bilde dargestellt und die notwendige Erklärung und die
Nutzanwendung in Schrift beigegeben.
Daneben machte jedoch auch das profane Leben seine Forde-
rungen geltend und wurde durch eine Menge, teilweise sittenloser
Darstellungen befriedigt. Johann Gerson in Paris, zu Anfang des
XV. Jahrhunderts, drang — wie später Luther — auf eine sittliche
Umkehr und auf Beseitigung schlechter und sittenverderbender
Bücher und Bilder, die sogar in den Kirchen zu Paris an hohen
Festtagen verkauft wurden. Es ist jedoch von solchen Erscheinungen
nichts auf uns gekommen. Das öffentliche Schamgefühl scheint das
Vernichtungswerk gründlich betrieben zu haben. Von profanen
Büchern mit achtbaren Zwecken sind einige erhalten worden, z. B.
das „moral play'\ die „zehn Lebensalter", das „Glücksrad".
2
18 ZUR VORGESCHICHTE DER BUCHDRUCKERKUNST. I. KAP.
Neben den Heiligenbildern, ja vielleicht noch vor diesen, war das
Die Spielkarten. Buch des Teufels, die Spielkarten, ein sehr gesuchter Artikel,
der stark abgenutzt wurde. Schon um das Jahr 1 300 wurden die
Karten in Italien bekannt, kamen aber wahrscheinlich erst in dem
letzten Viertel des XIV. Jahrh. nach Deutschland. Um der grossen
Nachfrage zu genügen, benutzte man ein Druckverfahren, durch
welches die Figuren (darunter auch Heilige) nach den Farben in
Metallblätter ausgeschnitten und die Farben schablonenmässig auf
das Papier getragen wurden. Später schnitt man die Umrisse in
Holz, druckte diese und malte den inneren Raum aus 1 .
Die Entscheidung über das Alter eines Metall- oder Holz-
Fcststeiiung der Schnittes ist eine schwierige Aufgabe. Kolorit, Technik, Papier,
Kleidung der Figuren, die Art das Haar zu tragen, Bewaffnung
u. s. w. müssen in Betracht gezogen werden, um den Ort und die
Zeit der Entstehung festzustellen. Später kommt der Vergleich mit
den wenigen datierten Drucken hinzu. Auch die Mundart der, von den
Figuren ausgehenden Sprüche und die Form der, zu diesen benutzten
Schrift gewähren Anhaltepunkte, letztere jedoch insofern weniger,
als die Mönchsschrift sich ziemlich unverändert das XV. Jahrh. hin-
durch erhielt. Nach den erwähnten Merkmalen lassen sich die
graphischen Kunsterzeugnisse vor Gutenberg in gewisse Schulen
einordnen : die Schwäbische (Ulm, Augsburg) ; die Fränkische
(Nürnberg, Nördlingen); die Bayerische (Freising, Tegernsee, Kai-
sersheim, Mondsee); die NIEDERRHEINISCHE (Köln, Burgund). Von
diesen Schulen lieferten die beiden letzteren die besten Zeichnungen;
die letzte ausserdem auch noch die besten Schnitte.
Beim Fortschreiten der Kunst bekommen die Zeichnungen
Fortschritte in Andeutungen von Schattierung. Auf die einfachen Unterschriften der
Bilder folgen ganze Sprüche, gewöhnlich Bibelstellen und Verse,
oft in der Form von Devisen aus dem Munde einer Figur hervor-
gehend. Aus den Sprüchen werden schliesslich ganze Textseiten,
» J. G. I. Breitkopf, Versuch den Ursprung der Spielkarten zu erforschen.
Leipzig 1801. — W. S. Singer, Researches into the history of playing cards. London.
— W. A. Chatto, History of playing cards. London 1865. — P. Lacrodc, Origine
des cartes h jouer. Paris 1837. — N. II. WlLLSHlRE, Descriptive Catalogue 0/ play-
ing cards in the British Museum, mit Illustr. 1877. — J. Duchesne aine, Jeux de
Cartes etc. du XIV au XVIII Steele. Paris 1844.
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I. KAP. ZUR VORGESCHICHTE DER BUCHDRUCKERKUNST.
19
die dem Bilde gegenüberstehen. Das Bedürfnis der weltlichen
Belehrung führt schliesslich zu einem Buch ohne Bilder, dem Donatus.
Aus den Briefmalern werden BRIEFDRUCKER (am Rhein Printers
genannt) und Formenschneider, welche Massen produzieren, von •
denen leider sehr vieles in der Zeit des dreissigjährigen Krieges ver-
nichtet, einiges aber doch erhalten wurde l .
Die Zünfte der Genannten standen oft in grossem Ansehen.
Als die bedeutendsten sind zu nennen : die in Augsburg (14 18), Nürn- Kunst-zunfte.
berg, Frankfurt a. M., Mainz, Köln, Lübeck. In Ulm sind um das
Jahr 14 10 schon Kartenmacher und Kartenmaler, Formenschneider
jedoch erst 1441. In Brügge bestand 1454 eine Brüderschaft St.
Johannis des Evangelisten, zu welcher Schreiber, Schulmeister,
Buchhändler, Buchbinder, Bildermacher, Bildschnitzer, Illumina-
toren, Holzdrucker, Formenschneider und Briefdrucker gehörten
und die noch lange nach Erfindung der Buchdruckerkunst blühte.
In Italien und Frankreich kannte man solche Vereinigungen erst im
XVI. Jahrhundert; sie Wessen im letztern Lande: tailLurs et impri-
meurs cTfüstoires et figures.
Noch druckte man nicht auf einer Presse, sondern das Papier
wurde auf die Druckform, welche mit leichter Erdfarbe, später mit Rcibcrdmckc.
einer aus Lampenruss und Firnis gemischten Schwärze eingerieben
war, gelegt. Mit einem harten Lederballen , der mit Pferde- oder
Kalbshaaren gestopft war, strich man über die Rückseite des Papiers
hin und her, ähnlich wie die Holzschneider mittels des Falzbeines
ihre Probeabdrücke machen und wie die Chinesen noch heutigen-
tages ihre Bücher drucken. Da der Reiber einen sehr starken Ein-
druck in dem Papier hinterliess, so konnte man nicht auf die Rückseite
desselben nochmals drucken, sondern diese sogenannten REIBER-
DRUCKE sind nur einseitige (anopistographische). Um ein Blatt mit
bedruckter Vorder- und Rückseite zu bilden , musste das Blatt um-
gebogen und an den beiden Rändern zusammengeklebt oder ge-
heftet werden, wie es heut zu Tage noch bei den chinesischen
Büchern der Fall ist.
« C. F. v. Rumohr, Zur Geschichte der Form schnitte. 1837. — J. D. F. Sotz-
mann, Älteste Gesch. der Xylographie. Leipzig 1837 (Raumers Taschenbuch).
J. M. Garnier, Histoire de Vimagerie popttlaire et des Carte* h jouer h Chartres.
Chartres 1869.
2*
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20
ZUR VORGESCHICHTE DER BUCHDRUCKERKUNST. I. KAP.
Selbst nach Erfindung der beweglichen Typen hört der TAFEL-
DRUCK nicht ganz auf, namentlich für Sachen, wozu kleinere Typen
erforderlich, deren Guss noch zu schwierig war. In dieser Weise ver-
traten die Holzplatten zumteil die späteren Stereotypplatten. Man
konnte die ersteren, deren Material so gut wie nichts kostete, bequem
aufbewahren, um nach Bedürfnis Abdrücke zu machen, und hatte
nicht nötig, den Aufwand an Papier für längere Zeit im voraus zu be-
streiten. Nach Erfindung der Buchdruckerpresse konnte man selbst-
verständlich beide Seiten des Papiers bedrucken.
Von den Tafeldrucken in Buchform, speziell Xylographische
Die xyiographi- Werke genannt, sind etwa 30 auf unsere Zeit gekommen, von denen
sehen Werke. t
i die umfangreichsten gegen 50 Blatt umfassen. Sie sind teils nur Bilder
ohne Text, teils Bilder mit Text, schliesslich Text ohne Bilder.
Von einigen sind die Federzeichnungen, welche der Anfertigung der
Holzschnitte vorausgingen, erhalten, andere sind später typographisch
ausgeführt, andere wieder xylographisch auf der Buchdruckerpresse
gedruckt. Der grösste Teil ist religiösen Inhalts, der künstlerische
Wert gewöhnlich unbedeutend. Wir nennen die hauptsächlichsten:
Ars moriendi. Eine Anleitung, selig zu sterben, in einer
kompendiösen und in einer ausfuhrlichen Darstellung {specultim artis
bene moriendi). Das Buch schildert die Versuchungen des Menschen
durch den Teufel , dem der Schutzengel entgegentritt. Der Stoff
war ein sehr beliebter und das Buch wurde in allen germanischen
und romanischen Sprachen bearbeitet. Der Verfasser ist nicht be-
kannt. Ein, früher im Besitz von T. O. Weigel in Leipzig befindliches,
jetzt dem British Museum einverleibtes xylographisches Exemplar
der ars moriendi gilt als die erste, zugleich die vollendetste Ausgabe.
Sie besteht aus 12 Bogen kl. fol., in bräunlicher Farbe gedruckt. Die
Schrift ist die Mönchsschrift. Die Konzeption und die Ausführung
übertrifft in dem geistigen Ausdruck der Figuren und in kunst-
gerechter Handhabung des Messers alles, was von Kunstblättern
des XV. Jahrh. bekannt ist. Allen Anzeichen nach stammt das Werk
aus Köln, wo es auch aufgefunden wurde
1 Das Buch erschien in einer vortrefflichen photographischen Nachbildung 1869.
Das Original erzielte in der am 27.-29. Mai 1872 abgehaltenen Versteigerung
der Weigelschen Sammlung die Summe von 21450 Mark. Der Seite 17 erwähnte
Metallschnitt „Christus am Kreuze" wurde mit 3375 Mark bezahlt.
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I. KAP. ZUR VORGESCHICHTE DER BUCHDRUCKERKUNST. 21
Historia St. Johanni ciusque visiones apocalypticae oder „das
Buch der haymliche Offenbarunge Sant Johans" war schon frühzeitig Die xyi
sehen 1
der Gegenstand bildlicher Darstellung. Es giebt drei Ausgaben mit
50, drei mit 48 Vorstellungen.
Ars memorandi: Die Kunst, die Erzählungen der vier Evan-
gelisten in Erinnerung zu behalten. Ein ebenfalls beliebtes, Öfters
aufgelegtes Werk in 15 rohen, mit blasser Farbe gedruckten Holz-
tafeln, und 1 5 Blättern mit Text.
Biblia Pauperum, „Die Armenbibel", ist eine Reihe neu-
testamentlicher Darstellungen von der Geburt der heiligen Jungfrau
an bis zum jüngsten Gericht, unter beständiger Hinweisung auf das
Alte Testament. Das Buch ist wahrscheinlich niederrheinischen Ur-
sprungs. Die Benennung erklären Einige, als sei das Buch für die
geringeren Ordensgeistlichen, die sich Pauperes Christi nannten,
bestimmt, Andere nehmen an, es solle damit gesagt sein, sie sei eine
Bibel für die an Gütern oder am Geiste Armen.
Speculum humanes salvationis (holländ.: Spieghel der men-
schcliker Behoudnisse): „Der Heilsspiegel", ist ebenfalls eine Reihe
neutestamentlicher Darstellungen. Von den vielen Ausgaben dieses
beliebten Buches ist nur eine mit in den Tafeln geschnittenem Text,
die übrigen sind typographisch ausgeführt. Das Buch ist nieder-
rheinischen Ursprungs und die Holländer erklären dieses späte
Produkt für ein von Koster mit beweglichen Typen gedrucktes Werk.
„Der Entkrist", die Legende von dem falschen Messias. 26 BL
in kl. fol.
„Die Legende des heiligen Meinrad" , 48 xylogr. Blätter in 8°.
Von den xylographischen Werken weltlichen Inhalts sind
folgende besonders erwähnenswert:
„Die Kunst Ceromantia Dr. Joh. Hartliebs", Leibarzt des
Herzogs Albrecht des Frommen zu Bayern, 24 auf beiden Seiten
bedruckte Blätter.
„Der Kalender des Magisters Johannes de Gamundia", die
älteste bekannte Ephemeride (gedruckt um d. J. 1470). Das Werk
bestand nicht bloss aus der uns allein erhaltenen Tafel, sondern
hatte 1 1 Foliobogen Text.
„Der deutsche Kalender von Magister Johann von Kunsperk"
(Regiomontanus) um d. J. 1473. Von diesem W r erke hat man Exem-
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22 ZUR VORGESCHICHTE DER BUCHDRUCKERKUNST. I. KAP.
plare, welche nach dem Druck abgeschrieben sind, ein Beweis, dass
die gedruckten Bücher damals noch teuer waren und dass man in
den Klöstern immer noch Zeit übrig hatte.
Von den Lehrbüchern war namentlich der Donatus sehr ver-
breitet. Der Verfasser Älius Donatus, welcher um 335 n. Chr. in
Rom lehrte, hat mehrere kleine grammatische Schriften hinterlassen,
aus welchen man einen Auszug in Katechismusform: Donatus minor
bildete, der bis tief in das XVIII. Jahrhundert noch im Gebrauch war.
Um die Mitte des XV. Jahrh. hebt sich der Sinn für die
Ebnung des klassische Litteratur in merklicher Weise. In Italien erblüht ein
Gutenberg, frisches Geistesleben, durch Dante, Boccaccio und Petrarca geweckt.
Die fürstlichen Häuser der Medici , Visconti und Este suchen ihre
Ehre in der Beschützung und Pflege der Dichtkunst und der Wissen-
schaften. Im Norden bilden der Hof von Burgund und die nieder-
ländischen Städte Pflanzschulen der Kultur. In Deutschland geht
das Lehns- und Ritterwesen zuende und der Bürgerstand erhebt
sich mächtig. Die Fragen der Kirche sind auf die Tagesordnung
gesetzt: Wiclef und Huss haben der Reformation vorgearbeitet.
Streitigkeiten an der Prager Universität veranlassen die Aus-
wanderung von Lehrern und Schülern, welche die Gründung der
Hochschulen zu Wien, Heidelberg, Köln, Erfurt, Würzburg und
Leipzig zur Folge haben. Die Zeit war für die Entdeckung der
Buchdruckerkunst gereift und die neue Welt des Geistes sollte noch
eher, als die neue Welt jenscit des Meeres, ihren Columbus finden.
Dieser war: Johannes Gutenberg.
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II. KAPITEL.
DIE ERFINDUNG.
Johannes Gutenberg. Herkunft. Aufenthalt in Strassburg. Gutenberg in Mainz.
Verbindung mit Johann Fust. Peter Schöffer. Gutenbergs Unglück. Sein Tod.
Sein Andenken.
ohannes Gensfleisch zu Gutenberg, geboren in
Mainz um das Jahr 1397, gehörte einer dortigen an-
gesehenen Patrizierfamilie an. Sein Vater, Frielo
GENSFLEISCH, heiratete Else, letzte Sprosse des
Patriziergeschlechtes „zum Gutenberg". Dieser Ehe
entstammten zwei Söhne FRIELO und HENNE (Johannes).
Von den Jugendjahren und dem Bildungsgang des Johannes
ist nichts bekannt. In die Streitigkeiten zwischen dem Adel und Herkunft und
den Bürgern von Mainz verwickelt, wanderte die Familie Gensfleisch J " ßC berg ( S ute "
1421 von Mainz aus und zog wahrscheinlich zuerst nach Eltville im
Rheingau, wo sie Güter besass. Hier wohnte 1434 noch der älteste
Sohn Frielo. Aus einer Urkunde, welche Johannes Gutenberg
(bei diesem seinen Wcltnamen werden wir ihn künftig nennen) im
Jahre 1434 in Strassburg ausstellte, erfährt man erst mit Bestimmt-
heit, dass er dort sein Domizil aufgeschlagen hatte. Er wohnte im
Kloster Arbogast an der III, eine Viertelstunde vor dem Weiss-
turmthore, an der, jetzt Grüneberg genannten Stelle. In der
erwähnten Urkunde erklärt Gutenberg, dass er, dem Strassburger
Magistrat zuliebe, den Mainzer Stadtschreiber Nikolaus, den er
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2 4
DIE ERFINDUNG.
II. KAP.
hatte festnehmen lassen, um die Zahlung einer Rente von dem Mainzer
Rate zu erzwingen, welche dieser beanstandete, weil Gutenberg
nicht nach Mainz zurückgekehrt war, loslassen wolle. Gleichzeitig
verzichtet Gutenberg auf jede Forderung an die Stadt Mainz.
Als industrielles Talent zeigt sich Gutenberg erst um das Jahr
Guieni^rgs 1435 (»etliche Jahre vor 1439"). Zu der erwähnten Zeit sucht
»ocianoncn. ^ NDREAS Dritzehn ihn auf, mit dem Begehren, Gutenberg möge
ihn in einige von den Künsten einweihen, mit welchen er sich abgebe.
Gutenberg ging hierauf ein und schloss einen Vertrag in Betreff des
„Steinepolierens" mit Dritzehn ab. Im Jahre 1437 traf Gutenberg
ein weiteres Abkommen mit Hans Riffe, Voigt zu Lichtenau, be-
züglich des „Spiegelmachens", einer Kunst, die man anlässlich der
1439 bevorstehenden Wallfahrt nach Aachen mit Vorteil aus-
zubeuten hoffte. Gutenberg sollte zwei Anteile von dem Ertrag
haben, Riffe einen. Als Dritzehn hiervon Kenntnis erhielt, drang
er darauf, auch in diese Gemeinschaft aufgenommen zu werden und
Gutenberg gab ihm schliesslich den einen seiner zwei Anteile. Später
erlangte Anthonin Heilmann, ein geistlicher Herr, noch für seinen
Bruder ANDREAS HEILMANN, der wie Dritzehn zur Kürschnerzunft
gehörte, eine Teilnahme. Man einigte sich schliesslich dahin, dass
er die Hälfte von Dritzehns Drittel bekam. Jeder Teilnehmer
musste an Gutenberg 80 Gulden zahlen.
Als die Aachener Wallfahrt auf das Jahr 1440 verschoben
wurde, entschlossen sich die Teilnehmer, den Vertrag zu prolon-
gieren und auf andere Zweige zu erweitern. Andr. Dritzehn und
Andr. Heilmann sollten je 125 Gulden einzahlen. Nach einigen
Schwierigkeiten wurde der Vertrag im Sommer 1438 auf fünf Jahre
abgeschlossen. Starb in dieser Zeit einer der Beteiligten, so sollten
dessen EJrben nach Ablauf des Vertrags mit 100 Gulden abgefunden
werden. Das Verhältnis unter den Teilnehmern blieb ein freund-
liches. Das Geschäft war namentlich Spiegelmachen, eine Kunst, die
damals Bedeutung hatte. Besonderes Gewicht wurde bei dieser
Fabrikation auf die gepressten Metallrahmen gelegt. Dass die
Compagnons sich mit Mctallarbciten beschäftigten, geht deutlich
aus ihren Ankäufen hervor.
Weihnachten 1438 erkrankte Dritzehn in gefährlicher Weise
und starb an einem der Weihnachtsfeiertage. Andr. Heilmann,
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II. KAP. DIE ERFINDUNG. 2$
dem daran liegen musste, dem Gerede Neugieriger vorzubeugen, er- Driuehm Tod.
suchte den Tischler Saspach, der für die Gesellschaft eine Presse ge-
fertigt hatte, diese auseinanderzunehmen, „dann wisse niemand, was
die Stücke zu bedeuten hätten". Saspach ging auch am 26. Dez. hin,
aber „das Ding" war fort. Auch Gutenberg hatte seinenDiener Lorenz
Beildeck mit einem ähnlichen Auftrage gesandt. Vergebens ; die Presse
war fort Wozu sollte sie aber gedient haben ? Es konnte eine
Druckerpresse gewesen sein, aber ebenso wohl eine Art von Präge-
presse für die Verzierungen der Spiegelrahmen. Andere haben die
Vermutung ausgesprochen , es handle sich um ein Giessinstrument,
einen Apparat, der wirklich neu und für die Ausbeutung der Erfindung
der Buchdruckerkunst, falls es sich doch um diese gehandelt haben
sollte, weit massgebender war als eine Presse. Was ein auseinander-
genommenes Giessinstrument bedeuten könne, sollte allerdings dem
Uneingeweihten zu erraten schwer geworden sein.
Gegen die klaren Bestimmungen des Vertrags forderten die
Brüder des verstorbenen Dritzehn, in die Gemeinschaft aufgenommen Ende der a sso -
ciatiou.
zu werden. Gutenberg, der diesen Antrag verwarf, ward nunmehr von
den Dritzehns bei dem grossen Rate zu Strassburg verklagt, jedoch
nach Abhören von vielen Zeugen freigesprochen. Das Urteil vom
12. Dezbr. 1439 lautete : Die Erben Dritzehns hätten sich bei der fest-
gesetzten Entschädigung von 100 Gulden zu beruhigen, von welchen
85 Gulden, welche Dritzehn noch an Gutenberg angeblich schuldete,
abgezogen werden sollten, vorausgesetzt, dass letzterer die Richtig-
keit der Angabe beschwören würde. Den Eid leistete Gutenberg.
Wüssten wir auch nicht aus diesem Rechtsstreit, dass Gutenberg
bis zum Sommer 1443 in Strassburg gebunden gewesen, so könnten
wir aus dem Steuerregister, in welchem er in den Jahren 1439, 1443
und 1444 verzeichnet ist, leicht erfahren, dass er um diese Zeit in
Strassburg verweilte. In diesem Register wird Gutenberg als „Kon-
stofler" bezeichnet, d. h. als Mitglied einer lokalen Innung im Gegen-
satz zu den gewerblichen. Auch eine Bürgschaftsurkunde Guten-
bergs aus dem Jahr 1441 ist vorhanden. Einem anderen Dokument
ist sein Siegel beigefügt mit der Umschrift: S. I)(m8 G>en*flci(d)
bei ©utcnb'g. Aus dem Strassburger Aufenthalt erfährt man ferner,
dass Gutenberg auf Grund eines angeblich nicht gehaltenen Ehe-
versprechens von ANNA ZUR EISERNEN ThüRE in Anspruch ge-
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26
DIE ERFINDUNG.
II. KAP.
nommen wurde. Von einer Heirat ist keine Spur zu finden, jedoch
schreibt sich Anna später Annel Gutenbergin.
Die pekuniären Erfolge der Strassburger Unternehmungen
Guteoberg* entsprachen den Erwartungen der Teilnehmer nicht und Gutenberg
Rückkehr nach ... . «•«.». • wt er • ir j i
Mainz. kehrte, wahrscheinlich in der Hoffnung von seinen Verwandten das
erforderliche Geld zur Durchführung seiner Pläne zu erlangen, nach
Mainz zurück. Am 23. April 1444 weilt er noch in Strassburg.
Nach Mainz muss er, in Begleitung von seinem treuen Diener
Lorenz Beildeck, zu Ende d. J. 1444 oder zu Anfang d. J. 1445
gekommen sein. In Strassburg finden sich keine Spuren einer
Buchdruckerkunst vor.
Von den ersten fünf Jahren aus dem Aufenthalt Gutenbergs
Vertrag miiFusi. in Mainz ist so viel wie nichts bekannt, nur dass sein Oheim Henne
Gensfleisch der ältere den „Hof zum Jungen" mietete und ihn darin
aufnahm, ferner, dass ein anderer Verwandter Arnold Gelthuss für
ein Darlehn von 150 Goldgulden, welches er am 6. Oktober 1448
gegen einen Zins von 5 Goldgulden für das Hundert aufnahm, sich
verbürgte. Nur hieraus kann der Schluss gezogen werden, dass
seine Pläne sich in einem vorgeschrittenen Stadium befanden , dass
jedoch seine Mittel zur Durchführung nicht genügten.
Da erschien zu einer, in ihrer Folge teueren Hülfe ein an-
gesehener und gut situierter Bürger, JOHANNES FüST. Am 22. Aug.
1450 wurde ein Vertrag zwischen diesem und Gutenberg ab-
geschlossen, nach welchem Fust 800 Goldgulden gegen 6% Zinsen
vorstreckte. „Das Gezüge" blieb Unterpfand. Sollten die Kontra-
henten in Differenzen geraten, so hatte Gutenberg die 800 Gulden
zurückzuzahlen. Ausserdem wurde übereingekommen, dass Fust
jährlich bis zu 300 Gulden für Löhne, Hauszins, Pergament, Papier,
Farbe und andere Erfordernisse vorschiessen sollte. Der ganze Ver-
trag hatte somit einen rein finanziellen Charakter. Gutenberg gab den
Gedanken, das Werkzeug, die Arbeit; Fust das Geld. Von einer
Miterfinderschaft des letzteren ist mit keinem Worte die Rede.
In seinem ganzen nachherigen Verfahren zeigt sich Fust als
Damaii K er stand ein so vorsichtiger und klug berechnender Geschäftsmann, dass
der Krfindung.
unbedingt angenommen werden muss, die Erfindung habe beim Ab-
schluss des Vertrags bereits auf einer weit vorgerückten Stufe der
Entwickelung gestanden. Mit einem projektmachenden Junker, der
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II. KAP.
DIE ERFINDUNG.
27
weiter nichts mitbrachte, als etwa den Gedanken, Holztafeln in ein-
zelne Buchstaben zu zersägen und diese Buchstaben einzeln an ein-
ander zu reihen und zu drucken, würde ein Fust kaum den Vertrag
abgeschlossen haben. Und wie sollte ein strebender Geist, wie
Gutenberg, der jahrelang sich in Metallarbeiten geübt hatte, auf den
Gedanken kommen, grosse Hebel in Bewegung zu setzen, um xylo-
graphische Drucke zu liefern oder bewegliche Holztypen zu schaffen ?
Was heutzutage mit allen Raffinements der Hülfsmaschinen kaum
gelingen würde, sollte im Jahre 1450 denkbar gewesen sein! Guten-
berg müsste kein Erfindergenie gewesen sein, wenn er hölzerne
Typen je zu einem anderen Zweck hergestellt hätte, als um Ver-
suche zu machen und allenfalls sie als Stempel zu benutzen, um
Matern zum Guss der Buchstaben zu schaffen. Und, hat auch
Gutenberg wirklich seine ersten Stempel in Holz geschnitten, so
wird es nicht lange gedauert haben, bis er eingesehen hat, dass
für die Stempel Metall, und zwar ein härteres als das der Mater oder
der Type, unumgänglich notwendig sei. Es kann nicht genug be-
tont werden: „Die mechanische Vervielfältigung der Typen bildet
das Wesen der Typographie". Hätte Gutenberg nicht die Schrift-
giesserei erfunden, so gehörte ihm auch nicht die Erfindung der
Buchdruckerkunst. Dass Peter Schöffer wesentliche Verbesserungen
in diesem Zweige eingeführt habe, muss man jedoch annehmen.
Mit dem grossen Werke Gutenbergs ging es, wie mit so vielen
anderen Unternehmungen von Bedeutung: es verschlang, bevor eS Gutenbcrcs neue
in seiner Vollendung Geld bringen konnte, mehr Geld, als berechnet
war. Im Dezember 1452 schoss Fust abermals 800 Goldgulden
vor, sorgte aber vorsichtigerweise auf das beste für die Sicherstellung.
Nicht allein das „Gezüge", sondern das „Werk des Buches" wurde
ihm verpfändet und der Vorteil sollte ein gemeinschaftlicher sein.
Hier ist also von einer wirklichen Beteiligung die Rede, was einen
sicherern Beweis liefert, dass nicht mehr an der Rentabilität ge-
zweifelt wurde.
Welches waren nun die ersten unbestreitbaren Erzeugnisse der
Gutenbergschen Presse ? Den grössten Absatz versprachen natürlich Erste i'ress-
erzeugnissc.
Schulbücher, namentlich die schon früher erwähnte sehr beliebte
Grammatik des Alius Donatus. Ein Fragment (jetzt in Paris),
zwei Pergamentblätter, eines solchen von Gutenberg gedruckten
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28
DIE ERFINDUNG.
II. KAP.
Donats, wurde als Einschlag einer alten Rechnung entdeckt. Die
grossen Typen des Schriftchens sind die der 36zeiligen Bibel. Ver-
kehrtstehende Buchstaben weisen unwiderleglich auf eine typo-
graphische Herstellung hin, die um das Jahr 145 1 stattgefunden
haben muss.
Am 12. Aug. 145 1 bewilligte der Papst Nikolaus V. denjenigen,
Die Abiassbricfc. welche zur Unterstützung des Königreichs Cypern in seinem Krieg
gegen die Türken Geld spendeten, einen allgemeinen Ablass, der
für die drei Jahre vom 1. Mai 1452 — I. Mai 1455 erteilt wurde.
Paulinus Zapp (Chappe) besorgte von Mainz aus den Vertrieb der
Ablassbriefe für Deutschland. Das Geschäft wollte aber nicht recht
gehen, bis, nach dem Fall von Konstantinopel (1453), Europa auf-
schrak. Nunmehr nahm der Generalinquisitor Johann von Capistran
die Sache in die Hand und predigte den Kreuzzug gegen die Türken.
Jetzt fand der Ablasshandel einen günstigeren Boden. Zur massen-
haften Anfertigung dieser „Anteilscheine auf Seligkeit" eignete sich
Gutenbergs Erfindung ganz vorzüglich. Man Hess nur den Raum
für den Ort, den Tag und den Namen des Aktieninhabers offen und
die Ausstellung konnte in raschester Weise vor sich gehen. Ein
vollständig „geschriebener" ABlassbrief aus Lübeck, datiert vom
6. Okt. 1454, ist noch vorhanden, daneben sind aber auch „typogra-
phisch" hergestellte Exemplare mit der Jahreszahl MCCCCLIIII aufge-
funden. Nach dem ersten Mai 1455 waren die Urkunden wertlos
und deshalb die Pergamentblätter namentlich von den Buchbindern
benutzt, oder sie gingen im Laufe der Jahrhunderte verloren.
Allmählich sind jedoch 23 solcher Denkmale der ältesten Typo-
graphie ans Licht gezogen, die alle aus dem Zeitraum vom 25. Nov.
1454 bis zum 30. April 1455 stammen. Aus diesen geht hervor,
dass Gutenberg im Jahre 1454 wenigstens zwei Schriftgattungen
besessen hat: die grosse Donattype und eine kleinere, die jedoch
zu keinem Buche von ihm benutzt wurde.
Mit Resultaten wie die erwähnten war Gutenberg jedoch nicht
Bibcidrucic. zufrieden j sein Sinn trachtete nach einem grösseren Ziele. Und
welches Ziel konnte der neuen Erfindung würdiger sein, als die
Verallgemeinerung der heiligen Schrift. Wir stehen nun vor einem
der wichtigsten der vielen, noch dunklen Punkte in der Erfindungs-
geschichte. Es liegen zwei Bibeln vor, über welche Meinungs-
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I
II. KAP. DIE ERFINDUNG. 20,
Verschiedenheit" obwaltet : die „42zeilige a (die sogenannte -Maza- Weiche nibci ist
die erste i
rinsche"), unzweifelhaft von Gutenberg und Fust begonnene und
von Fust und Schöffer vollendete, und die „ßözeilige" (die „Schell-
hornsche") 1 . Welcher von beiden gebührt die Priorität? Früher
wurde diese allgemein der 42zeiligen zugesprochen und die 36zeilige
Bibel als ein Druck Alb. Pfisters in Bamberg betrachtet. Alle
neueren Forscher jedoch , Didot, Weigel und Zestermann, Madden,
de Vinne, van der Linde, sind darin einig, dass die 36zeilige Bibel
die erste sei und ebenfalls aus Gutenbergs Offizin stamme. Diese
neuere Ansicht wird durch eine, aus der Schöfferschen Druckerei
direkt stammende Uberlieferung bestätigt, welche Ulrich Zell nach
Köln brachte und die 1499 gedruckt erschien. Hiernach wäre die
erste Bibel die mit den „grossen Missal buchstaben" gedruckte
d. i. die „36zeilige". Dieselben Typen, die für den erwähnten
Donat dienten, wurden 1454 zu: „Eyn manüg d' christeheit widd'
die Durke M verwendet und gingen wahrscheinlich später in den
Besitz Pfisters in Bamberg über. Dies mag Veranlassung zu der
Annahme gegeben haben, dass die 36zeilige Bibel aus Pfisters
Offizin stamme, wogegen jedoch dessen sonstige typographische
Leistungen und viele äussere Umstände und innere Gründe entschie-
den sprechen. ,
Die 36ZEILIGE Bibel umfasst 881 Blätter oder 1762 zwei-
spaltige Seiten, zumeist in Lagen von 5 Bogen gefalzt, und ist in Diejenige
der Regel in drei Bände gebunden. Zum Zweck der kalligraphischen
Ergänzung sind die Räume für die grossen Initialen freigelassen. Die
neue Kunst wollte eine genaue Reproduktion der Manuskripte geben.
Deshalb wurden auch die Drucklettern den geschriebenen Buch-
staben mit den vielen Abbreviaturen nachgebildet. Was in Druck
nicht nachgeahmt werden konnte, wurde hineingezeichnet. Eine
beabsichtigte Täuschung hierin erblicken zu wollen dürfte kaum zu-
treffend sein; man wagte es einfach nicht von dem herrschenden
Geschmack abzugehen. Ähnliches findet man noch heute bei den für
den Orient bestimmten Druckschriften, deren Schwierigkeit haupt-
sächlich darin liegt, dass alle Abwechselungen der Handschrift genau
» „ Mazarinsche", weil das erste Exemplar in der Bibliothek des Kardinal
Mazarin entdeckt wurde; „Schellhornsche", weil der Superintendent ScheUhorn
besonders bemüht war, derselben ihr Recht als ein Werk Gutenbergs zu wahren.
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30
DIE ERFINDUNG.
II. KAP.
nachgebildet werden müssen. Das Druckjahr der 36zeiligen Bibel
ist nicht zu entdecken gewesen. Ein rubriziertes Exemplar in Paris
trägt das Datum 1461. Dies würde allerdings sehr gegen die
Priorität dieser Ausgabe sprechen, wenn es nicht auch sonst vorkäme,
dass Exemplare eines Buches erst später rubriziert wurden. Im Jahre
1460 hatte man schon Blätter dieser Bibel als Makulatur benutzt. Die
ersten Bogen zeigen in technischer Beziehung noch Unsicherheit,
der Druck ist sehr stark,' das Register steht nicht gut, und auch
andere Mängel sind sichtbar, der spätere Teil ist besser gearbeitet
Sollte die 36zeilige Bibel die erste und somit die zuerst auf-
Dic ^eilige gefundene 42 zeilige Bibel dem Alter nach die zweite gewesen sein,
so bleibt sie nichtsdestoweniger ein höchst ehrwürdiges und bedeuten-
des Druckmonument. Es ist ein zweibändiger Foliant von 324 und
317, im ganzen also von 641 Blättern von zweispaltigen Zeilen. Die
66 Lagen bestehen meistaus je fünf Bogen (Quinternionen). Gedruckte
Seitenzahlen, Signaturen, Kustoden und Initialen fehlen. Ein
rubriziertes Exemplar ist mit dem Datum 24. Aug. 1456 bezeichnet.
Man hat Exemplare sowohl auf Pergament wie auf Papier. Die
auf Pergament gedruckten Exemplare, von denen man sechs kennt
(davon je eins in Leipzig und Berlin), sind mit brillant ausgemalten
Initialen mit Goldverzierungen geschmückt ; die auf Papier gedruck-
ten, von welchen neun erhalten wurden (darunter in Frankfurt a. M.,
Leipzig, München, Wien), haben wechselnd rote und blaue Initialen.
Einen tüchtigen Mitarbeiter fanden Gutenberg und Fust in
p c tcr schöffcr. Peter Schöffer. Im Prinzip hatte Gutenberg die Erfindung allein
vollbracht, aber in der technischen Ausführung der Einzelnheiten
mag vieles noch gefehlt haben. Die Stempel und Formen (Matrizen)
waren noch unvollkommen. Die Schärfe der Typen verlor sich
schnell auf Grund der Weichheit des Metalls für die Schrift und die
Matern ; auch die Zeichnung und der Schnitt der Stempel (Patrizen)
Hessen zu wünschen übrig. Hier scheint nun Peter Schöffer zum
Vorteil der Kunst energisch eingegriffen zu haben.
Schöffer 2 war in Gernsheim zwischen 1420 und 1430 geboren.
Näheres über seine Familie und seine Jugend ist nicht bekannt, nur
1 Exemplare besitzen Leipzig, Jena, Stuttgart, Wolfenbüttel.
» II. Künzf.l, Peter Schöffer von Gernsheim, der Miterfinder der Buchdrucker-
kunst. Darmstadt o. J.
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II. KAP. DIE ERFINDUNG. 31
dass er sich zuerst der Jurisprudenz widmete und sich längere
Zeit in Paris aufhielt, wo er sich einen Ruf als tüchtiger Illuminator
und Rubrikator erwarb. Nach Mainz scheint er in dem Jahre 1450
oder 145 1 gekommen zu sein, wahrscheinlich um in den erwähnten
Eigenschaften in der Gutenbergschen Offizin zu wirken. Hier hat
er nun mutmasslich weitergehende Talente entwickelt, ohne dass
es sich jedoch genau feststellen lässt, wie weit seine Thätigkeit sich
erstreckte. Jedenfalls hat er die Form der Buchstaben verbessert,
ein grösseres Ebenmass derselben sowie auch eine bessere Le-
gierung des Schriftmetalls veranlasst, und einen schöneren Schnitt
der Stempel in härterem Metall (Stahl) eingeführt, wodurch man in
den Stand gesetzt wurde, dieselben in kupferne Matrizen einzu-
treiben. Kurz: hat auch Schöffer die Schriftgiesserei nicht erfunden,
so bleibt ihm doch das grosse Verdienst, sie in die Bahn gelenkt zu
haben, die sie bis jetzt nicht verlassen hat. Auch die Verbesserung
der Schwärze durch Zusatz von Firnis soll sein Werk gewesen sein.
Dass die Verdienste Schöffers nicht klein sein konnten, lässt
sich schon daraus schliessen, dass der angesehene und wohl-
habende Fust kein Bedenken trug, dem armen Schreiber seine Tochter
Christine zur Ehefrau zu geben. Diese Tüchtigkeit und dieses Zu-
trauen, welches Fust in Schöffer setzte, sollten leider Gutenberg
verderblich werden, denn sie gaben Fust die Zuversicht, feindlich
gegen ihn aufzutreten. Für Schöffers Beteiligung bei diesen
Schritten liegt kein Beweis vor ; zweideutig jedoch hat er sich wenig-
stens insofern gezeigt, als er später auf Kosten Gutenbergs sich
die Ehre der Erfindung anzueignen versuchte.
Mag nun sein, dass die Auslagen zu gross und die Auflagen zu
klein, oder, dass Gutenberg in der praktischen Geschäftsführung Fust klagt gegen
,. __ „ Gutenberg.
nicht der rechte Mann gewesen, die neue Kunst hatte trotz aller
technischen Fortschritte keinen finanziellen Erfolg gehabt. Es kam
soweit, dass Fust Klage gegen Gutenberg erhob. Er forderte:
Erstes eingeschossenes Kapital : 800 Goldgulden
Zinsen darauf: 250
Zweites Kapital: 800
Zinsen darauf: 140
Zins vom Zins: 36
zusammen 2026 Goldgulden.
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32
DIE ERFINDUNG.
II. KAP.
Gutenberg machte dagegen geltend, i) dass Zinsen von den
800 Gulden zwar in dem Dokument festgestellt seien, dass aber
Fust versprochen habe, solche nicht zu erheben ; 2) dass die ersten
800 Gulden nicht voll eingezahlt gewesen; 3) dass er in Betreff der
zweiten 800 Gulden zwar die Verantwortung, nicht aber Zinsen
zu tragen habe; 4) dass die zugesagten 300 Gulden jährliches Be-
triebskapital nicht entrichtet worden seien. Hiergegen wird Fust
der Eid auferlegt, welchen er leistet, und Gutenberg, der nicht per-
sönlich erschienen war, wird am 6. Nov. 1455 zur Zahlung verurteilt.
Auf Fusts Verlangen stellte der Kleriker und Notar Ulrich Helmas-
perger eine Urkunde über die Verhandlung auf, welche ein wichtiges
Dokument in der Erfindungsgeschichte bildet.
Der Vertrag zwischen Gutenberg und Fust hatte somit seine
Trennung Guten- Endschaft erreicht; wie sich jedoch die schliessliche Auseinander-
bergs und Fusts.
Setzung gestaltet hat, ist nicht bekannt. Aus später erschienenen
Druckwerken geht hervor, dass die Typen der noch nicht vollendeten
42zeiligen Bibel auf Fust übergegangen sind, dass Gutenberg da-
gegen die Typen der 36zeiligen behielt. Denn nach dem Tode
Fusts druckte sein Nachfolger Peter Schöffer mit der zuerst er-
wähnten Schrift einen Donat, während gegen Ende des Jahres 1456
mit den zuletzt genannten Typen ein Kalender auf das Jahr 1457
fertiggestellt wurde.
Gutenbergs Mut war durch den ihm beigebrachten Schlag
Gutenbergs nicht erschüttert, und es scheint ihm nicht einmal schwer geworden
weitere Wirk-
snmkeit. zu sein, wieder in Besitz von Betriebsmitteln zu kommen. Zwar
wurde auch diesmal eine Verpfändung notwendig, aber sein Gläubiger
Conrad Humery, „der Stadt Mainz Pfaff und Jurist" , war ein ver-
ständiger, Gutenberg wohlgesinnter Mann. Gutenberg fertigte ganz
neue Typen an und druckte mit diesen zuerst zwei kleine undatierte
Schriften: Matthäus de Cracovia, tractatus racionis et consciencie,
22 Blatt in Quarto, und Thomas de Aquino, Summa de articulis
fidei, 12 Blatt in Quarto. Dann aber brachte er im Jahre 1460 mit
der neuen Schrift ein Riesenwerk zustande, einen Folianten von
373 zweispaltig und eng gedruckten Blättern (ohne Signatur, Ku-
stoden und Seitenzahlen). Diese bedeutende Leistung war die
berühmte erste Ausgabe des Joannis de Janua: Summa quae vocatur
CathoUcon. Den Anfang bildete eine lateinische Grammatik in vier
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II. KAP. DIE ERFINDUNG. 33
Abteilungen (64 Blatt}, dann folgt als fünfter Teil ein lateinisches
Lexikon. Am Ende des Buchstaben I (Blatt 1 89 rechte Seite) steht
gedruckt das Wort sequitur und darunter geschrieben in alio folio ;
die Rückseite des Blattes ist weiss gelassen und somit konnte das
Werk in zwei Bände gebunden werden.
Zum Schluss des Werkes ergreift der Erfinder selbst, jedoch
ohne seinen Namen zu nennen , zum ersten , zugleich zum letzten Gutenbergs ein-
*igc Ansprache.
male das Wort. Die Schlussschrift {Kolophon) ist lateinisch und
lautet übersetzt 1 :
„Unter dem Beistande des Allerhöchsten, auf dessen Wink
die Zungen der Kinder beredt werden und der oft den Kleinen
offenbart, was er den Weisen verbirgt, ist dieses vortreffliche
Buch Catholicon im Jahre der Menschwerdung des Herrn MCCCCLX
in der guten, der ruhmwürdigen deutschen Nation angehörigen
Stadt Mainz, welche die Gnade Gottes mit so hehrem Geistes-
lichte und freiem Gnadengeschenke den anderen Völkern der
Erde vorzuziehen und zu verherrlichen gewürdigt hat, gedruckt
und zustande gebracht worden, und zwar nicht mittels des
Rohres, des Griffels oder der Feder, sondern durch das bewun-
dernswerte Zusammenpassen, Verhältnis und Ebenmass der
Patronen und Formen 2 ."
So spricht sich der Erfinder selbst über die Erfindung aus.
Es ist kaum anzunehmen, dass er sich nur aus Bescheidenheit oder
aus falschem Stolz nicht genannt haben sollte, oder gar aus Ver-
druss, weil seine Leistungen durch die Schöffers überflügelt waren.
Wir müssen leider eher glauben, dass derjenige, der für andere die
Goldminen entdeckt hatte, nicht in der Lage war, seinen Namen
nennen zu dürfen , mögen nun die Gründe in einem noch nicht ge-
regelten Verhältnis zu Fust oder in seiner neuen Stellung zu
Humery oder sonst wo gelegen haben.
Aus dem Jahre 1461 haben wir noch einen Ablassbrief, mit
den Typen des Catholicons gedruckt. Dann kam das für Mainz und Gutenberg in
*-\ t- 1 • 1 e Eltville.
die junge Kunst so verhängnisvolle Jahr 1462. Der Erzbischof von
Mainz, Diether, Graf zu Isenburg, war von Kaiser und Papst ab-
gesetzt. Die Domherren wählten den Grafen Adolf von Nassau ; die
1 Nach J. Wetters Uebersetzung. Krit. Gesch. S. 319.
* Patrizen. — Matrizen.
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34
DIE ERFINDUNG.
II. KAP.
Bürger aber nahmen Partei für Diether. In der Nacht vom 27. zum
28. Oktober 1462 erstürmte Adolf die Stadt. Hunderte von Bürgern
fielen, andere wurden ausgeplündert und vertrieben und ihre Häuser
verwüstet. Dies Schicksal traf auch die Offizin Fust und Schöffers.
Mainz war in wenigen Tagen entvölkert und seiner Privilegien be-
raubt. Handel und Gewerbe lagen auf lange darnieder und von einer
weiteren Ausdehnung der Buchdruckereien in Mainz konnte vorläufig
keine Rede sein. Obwohl die Offizin Gutenbergs verschont geblieben
war, da der Besitzer zum Grafen hielt, so musste er doch mit seiner
Druckerei auswandern. Er führte dieselbe nach Eltville, der Resi-
denz Adolfs, über.
Am 15. Januar 1465 wurde er zum Hofdienstmann des Grafen
Gutenberjr tri« auf Lebenszeit ernannt. Als solcher hatte er jährlich die Hofkleidung
in Hofdienst. . «r
eines Edlen, für sein Haus zwanzig Malter Korn und zwei Fuder
Wein steuerfrei. Wachdienst, Einschätzung u. s. w. ward ihm auf
immer erlassen. Da die Hofdienstmänner für ihre Person freien
Tisch am Hoflager und für ihre Pferde Futter erhielten, so dürfen
wir uns Gutenberg wenigstens nicht als von materiellen Sorgen zu
seinem Lebensende gequält vorstellen. Seine Offizin hatte er pacht-
weise seinen Verwandten Heinrich und Nikolaus Bechter-
MÜNZE überlassen.
Gutenberg starb in der Zeit zwischen dem 24. Nov. 1467 und
Gutenbergs dem 24. Febr. 1468 und wurde aller Wahrscheinlichkeit nach in der
Tod.
Dominikanerkirchc 1 zu Mainz begraben. Diese ging in der Nacht
vom 20. zum 21. Juli 1793 bei der Beschiessung von Mainz durch
die Franzosen in Flammen auf und auch die an derselben Stelle
errichtete Fruchthalle brannte (1875) nieder.
Am 24. Febr. 1468 bescheinigt Humery, dass der Graf
Fortführung des ihm den Vorrat der zu Gutenbergs Nachlass gehörenden Formen,
ncchicrmiin/c 0 . Buchstaben und Werkzeuge verabfolgt habe. Gleichzeitig ver-
pflichtet sich Humery, den betreffenden Apparat nur in der Stadt
Mainz zu benutzen. Sollte er jedoch denselben verkaufen und ein
Mainzer Bürger soviel dafür geben wollen, wie ein Fremder, dann
gebühre dem Mainzer der Vorzug. Aus dieser Fürsorge Adolfs
muss man schliessen, dass er Gutenberg sehr zugethan und dass
1 Dr. K. G. Bockenheimer, Gutenbergs Grabstätte. Mainz 1876.
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II. KAP.
DIE ERFINDUNG.
35
dessen Aufnahme an seinem Hofe eine Belohnung gewesen, ent-
weder für die Verdienste Gutenbergs im allgemeinen oder um ihn
selbst insbesondere.
Die Offizin ging in den vollständigen Besitz des NIKOLAUS
BechtermÜNZE über, dessen Bruder Heinrich bereits 1467 verstor-
ben war. Nikolaus setzte das Geschäft bis 1477 in Verbindung mit
einem anderen Patrizier Wigand Spiess von Ortenberg fort. Gegen
das neu aufgeblühte Geschäft Fust und Schöfifers aufzukommen mag
wohl schwer gewesen sein. Die ersten Drucke der neuen Offizin
waren mit den Typen des Catholicons ausgeführt.
Nach dem Tode des Nikolaus überliessen seine Erben das
sämtliche Material der Brüderschaft des gemeinsamen Lebens Weitere Schick-
, sale der Offizin
zu Marienthal in der Nähe von Eltville. Von diesen kam es 1 508 Guteni>crgs.
an Fr. Hewmann aus Nürnberg, Buchdrucker im Kirschgarten zu
Mainz. Beim genauen Durchgehen eines Buches aus dessen Offizin
soll die älteste Type Gutenbergs aus den Ablassbriefen von 1454
und 1455 unc * der 36 zeiligen Bibel wieder erkannt worden sein,
während die Nachfolger Gutenbergs bis dahin von dessen Typen
nur die des Catholicons benutzt hatten 1 .
Hiermit nehmen wir Abschied von Gutenberg und dessen
Offizin. Das erste äussere Andenken an ihn wurde 1504 von Ivo Miltenbergs
Wittig gestiftet und bestand in einem Denkstein im Hofe „Zum Andc " kcn -
Gutenberg". Seitdem hatte Mainz seinen grossen Bürger ganz ver-
gessen und die typographischen Schätze von Mainz waren in aus-
gedehntester Weise verschleudert. Die Stadt musste die Demüti-
gung erleben, dass der französische Präfekt Jeanbon-St- Andre 1804
den ersten Vorschlag machte, Gutenberg ein Denkmal zu setzen,
zu dem ganz Europa beitragen sollte, und dass Napoleon im Sept.
1 804 in Mainz dekretierte, dass ein grosser Gutenbergplatz geschaffen
werden sollte. Es blieb allerdings beim Dekret. Erst die mit vielem
Pomp, 1821, in Haarlem begangene vierte Säkularfeier der, von den
Holländern für sich in Anspruch genommenen Erfindung der Buch-
druckerkunst war imstande Gutenbergs Vaterstadt aufzurütteln.
Die Kasinogesellschaft Hess ihrem neu eingeweihten Hause den
ursprünglichen Namen „Zum Gutenberg" wiedergeben und eine
goldene Inschrift über das Eingangsthor setzen. Am 24. Oktb.
' HENRI IIelbig, Uni dtcouverie pour Vhistoire de Pimfrimerie. Bruxelles 1855.
3*
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36
DIE ERFINDUNG.
II. KAP.
1824 folgte ein Denkstein im Garten. Im Hofe selbst stiftete der
Kunstverein ein Standbild in Sandstein, den „Ritter" Gutenberg,
eine Satzform haltend, darstellend.
Im Jahre 1831 erging ein Aufruf „an die gebildete Welt" zur
Die Denkmäler Errichtung eines erhabenen Monuments zur Säkular-Feier der Buch-
Gutenbergs, ^ruckerkunst 1836! 1 Es wurde eine Aufforderung an die Künstler
der Plastik erlassen, Entwürfe einzusenden, „um dann das beste aus
jedem zu benutzen". Thorwaldsen erklärte 1832 die Ausführung
eines, für den Erzguss berechneten Modells ohne Entgelt über-
nehmen zu wollen, jedoch ohne Konkurrenz. Der Vorschlag wurde
angenommen und Crozatier in Paris mit dem Guss betraut. Die
feierliche Einweihung fand am 17. Aug. 1837 statt*.
Seit dem 24. Juni 1840 besitzt auch Strassburg auf dem Guten-
bergsplatz ein Standbild des Erfinders, von David modelliert und
von Soyez & Ing£ in Paris gegossen. Ein drittes schönes Denkmal
von I lerrn von der Launitz in Frankfurt a. M. zeigt Gutenberg, Fust
und Schofler in einer Einigkeit, wie sie bei ihren Lebzeiten so sehr
erwünscht gewesen wäre, die jedoch auf dem Denkmal fast wie
eine Satire aussieht.
„Alles zusammengenommen", so sagt Dr. van der Linde,
„existiert noch kein der Erfindung der Typographie entsprechendes
Monument. Gleichwie das nächste Jahrhundert bei seiner Säkular-
feier den schlüpfrigen Boden der Sage zu verlassen und sich auf den
Felsen der Geschichte zu stellen, das heisst, das erste halbe Jahr-
tausend der Typographie
1450-1950
zu feiern hat, so errichte auch das neu entstandene Deutsche Reich
entweder in seiner politischen Hauptstadt BERLIN oder in seiner
typographischen Hauptstadt Leipzig ein grossartiges, alle Klein-
krämerei beschämendes GUTENBERG-MüNUMENT."
1 Diese Jahreszahl war eine Marotte von dem um das Andenken und die
Ehrenrettung Gutenbergs so verdienten A. C. A. Schaab, die er selbst als solche
anerkannte, aber trotzdem aufrecht hielt.
2 Ausführlicheres über die Denkmal- Angelegenheit, die Inaugurationsfeier und
die vierhundertjährige Feier der Erfindung 1840 ist in Meyers „Journal der Buch-
druckerkunst", Jahrgang 1836 und 1840, enthalten.
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III. KAPITEL.
DIE VERBREITUNG DER BUCHDRUCK ERKUNST
IN DEUTSCHLAND.
Schnelle Verbreitung der Kunst. Die Nachfolger Gutenbergs in Mainz. Peter Schöffe r
und seine Nachkommen. Ulm. Heromünster. Basel. Bamberg, Albrecht Pfister.
Augsburg. Nürnberg. Wien. Der Norden : Köln, Münster, Magdeburg, Leipzig.
S ist eins der Hauptwunder der überhaupt wunder- a« der Verbrei-
baren Geschichte der Buchdruckerkunst, dass sie sich lU >s " unst
in einer verhältnismässig so kurzen Zeit von 1455 —
1475 beinahe über das ganze zivilisierte Europa ver-
breitete. Zwar liegt es auf der Hand, dass eine so
wichtige Erfindung, nachdem sie einmal in den ersten Erzeugnissen
der Presse ans Licht getreten war, auch von Anderen erfasst werden
und, durch kein Gesetz geschützt, sofort Nachahmung finden
würde. Vergleichen wir jedoch ihr schnelles Vordringen mit dem
Gang der grossen Erfindungen der neueren Zeit, z. B. der Gas-
beleuchtung oder der Eisenbahnen, so wird man finden, dass letztere,
obwohl durch viele mitwirkende Umstände unterstützt, sich nicht
so schnell Bahn gebrochen haben wie die Buchdruckerkunst.
Und wie geschah dieses Wunder ?
Zu einer Zeit, wo das Reisen ein so beschwerliches und gefahr-
volles Unternehmen war, wie wir es uns jetzt nicht mehr recht vor-
stellen können, bahnten ausdauernde deutsche Arbeiter, die un-
ermüdlichen Pioniere der Erfindung, sich ihren Weg über die weiten
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38
DIE VERBREITUNG DER KUNST IN DEUTSCHLAND. III. KAP.
Gefilde Deutschlands und Frankreichs, ja überschritten die Alpen
und die Pyrenäen, um die Fahne der neuen Kunst in fremden Ländern
aufzupflanzen. Es war, als ob Gutenberg ihnen einen unwider-
stehlichen Talisman vermacht hätte, durch welchen Deutschland
bestimmt wurde, die Wiege der Reformation zu werden und den
Weg für jegliche Art des Fortschrittes im Vaterlande sowohl wie in
fremden Ländern zu ebnen.
War auch die Absicht, den Lebensunterhalt zu verdienen, die
erste Triebfeder der Jünger Gutenbergs gewesen, so ist doch die
Unermüdlichkeit, mit der sie, das Geheimnis der neuen Kunst mit
sich führend, nach den fernsten Teilen Europas drangen, der höch-
sten Bewunderung wert. Ein gewisser berechtigter Künstlerstolz
und ein achtungswerter Ehrgeiz erwarben ihnen Zuneigung und Ver-
trauen, wo sie erschienen. Mit Energie verfolgten sie ihr Ziel ohne
Rücksicht auf Hindernisse und Gefahren, als furchtlose Apostel und
prädestinierte Verbreiter eines neuen Glaubens, von dem sie durch-
drungen und begeistert waren
Folgen wir nun diesen begeisterten Jüngern auf ihren Wegen
in Deutschland und in den fremden Ländern bis zum Schluss des
Jahrhunderts, nachdem wir erst Kenntnis von dem Fortschreiten der
Druckerei von Fust und Schöner genommen.
Im Besitz des neuen Gutenbergschen Materials und der ge-
Fust und nügenden Geldmittel , mit der technischen Tüchtigkeit verbunden,
Schöffer» Offizin _ ,
in Mainz, gelang es bald rust und Schoner, den Lrnnder der Kunst zu über-
flügeln und nach der kurzen Zeit von noch nicht zwei Jahren eine
Das Psaherium grossartige Leistung der Typographie zu vollenden : das Psal-
vou 1457. ter j um von 1457. Dieses Druckwerk ist das erste, welches mit der
Angabe des Druckers, des Druckortes, der Jahreszahl und des Da-
tums (14. Aug. 1457) zugleich mit farbigen Initialen versehen ist,
während Seitenzahl, Signatur und Kustoden immer noch fehlen.
Man kennt 6 Exemplare, von denen drei 175, die anderen nur 143
resp. 136 Blätter zählen. Als unvollständig können letztere je-
doch nicht bezeichnet werden, da alle den Schlusssatz enthalten.
• Worte eines Engländers II. Noel IIumphreys, in seiner History 0/ tfu art
0/ printtng.
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III. KAP. DIE VERBREITUNG DER KUNST IN DEUTSCHLAND.
39
Die Auslassungen geschahen wahrscheinlich aus Sparsamkeitsrück- Das Puiterium
sichten, um nicht zu viel Pergament zu verbrauchen l .
Dreihundertundsechs grosse Initialen, in rot und blau gedruckt,
schmücken das kostbare, der starken Benutzung wegen nur auf
Pergament gedruckte Buch. Eine Hauptzierde ist das, den Text
anfangende Initial 25. Der eigentliche Körper des Buchstabens bildet
ein Viereck von 9 cm Höhe und Breite, rechnet man jedoch die
Ausläufer mit zur Höhe, so beträgt diese 3 1 cm. Die Ornamentierung
trägt einen maurischen Charakter und ist wahrscheinlich einem
spanischen Manuskripte nachgebildet. Über die Herstellung dieser
farbigen Initialen sind die Kenner nicht einig. Die vollendete Ge-
nauigkeit des Passens schliesst, bei den damaligen technischen Hülfs-
mitteln, den Gedanken an einen Doppeldruck aus. Einige halten
dafür, dass die Holzschnitte in einzelne Teile nach den Farben zer-
legt, diese einzeln eingefärbt, und dann, in einander gefügt, mit Einem
Druck hergestellt sind, ganz in der Art des, zu Anfang unseres Jahr-
hunderts entstandenen Congrevedruckes. Andere behaupten, die
Holzschnitte seien blind in den Bogen gepresst und nachher aus-
gemalt und wollen überhaupt an vielen Stellen des Textes eine
Ubermalung weniger gut gedruckter Sätze und Buchstaben entdeckt
haben. Wie dem auch sei, so ist die Ausführung der Doppelfarbung
eine technisch vollendete. Ohne Mängel ist das Werk dennoch nicht,
namentlich ist der Ausschluss ein unregelmässiger und haben die
Zeilen verschiedene Länge; auch Druckfehler, selbst so auffälliger
Natur wie spabnorum statt psalmorum in der ersten Zeile des
Schlusswortes, kommen vor. Merkwürdig ist es überhaupt, dass
gerade die Schlusswortc der alten Drucke nicht selten Fehler auf-
zuweisen haben ; namentlich in Bezug auf Jahreszahlen, was mitunter
zu den sonderbarsten Schlussfolgerungen für die Geschichte der
Buchdruckerkunst Anlass gegeben hat.
Zugegeben, dass die ganze blendende Pracht der Erscheinung
die, an unseren nüchternen Buchdruck gewöhnten Beschauer be-
fangen gemacht und sie veranlasst hat, die Mängel zu übersehen
und alles für unübertrefflich zu halten, so kann man doch das Psal-
terium nur als ein Wunderwerk ansehen, wenn man bedenkt, dass
« Es befindet sich je eins der Exemplare in Darmstadt, Dresden (nicht voll-
ständig) und Wien (sehr schon und vollständig).
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40 DIE VERBREITUNG DER KUNST IN DEUTSCHLAND. III. KAP.
es nur wenige Jahre nach der Erfindung erschien. Über diesen
so schnellen Aufschwung muss man staunen und bekennen, dass
die vier Jahrhunderte, die seit der Zeit vergangen sind, zwar in der
technischen Tüchtigkeit und Korrektheit des Materials grosse Fort-
schritte gemacht haben, in der eigentlichen Kunst jedoch verhältnis-
mässig wenige; ja wir möchten bezweifeln, dass ein Meisterwerk
von heute nach 400 Jahren ein so jugendliches Gepräge besitzen
wird, wie das Psalterium heute zur Schau trägt. Fasst man ausser-
dem ins Auge, dass dies Werk kaum 21 Monate nach der Trennung
Fust und Schöners von Gutenberg ausgegeben werden konnte, so
liegt der Gedanke nahe, dass die Anfänge schon aus der Zeit der
Verbindung stammen, worauf auch die von der sonstigen Schöffer-
schen abweichende Schrift und die Ausstattungsart hinweisen.
Bereits im Jahre 1459 erschien eine zweite Auflage in etwas
vergrössertem Format , von der man zwölf Exemplare kennt. Eine
dritte folgte 1490; eine vierte 1502; die fünfte, aus dem Jahre 15 16,
stammt aus der Offizin des jüngeren Schofler.
Am 6. Oktober 1459 vollendeten Fust und Schofler Durandi,
weitere Druck- Rationale divinorum ofßciomm, welches mit neuen Typen Schöffers
wer schiiffers Un gesetzt wurde. Am 2 5. Juni 1460 erschienen: Constitutione s ClementiV.
Im Frühjahr 1462 druckten Fust und Schofler die erste politische
Flugschrift in Brief- (Plakat-)Form, das Manifest Diethers von Isen-
burg gegen Adolf von Nassau, welches verhängnisvoll für ihre
Druckerei werden sollte.
Das vierte der grossen Mainzer Druckmonumente (voraus-
Dic^zciiigc gesetzt, dass die 36zeilige Bibel das erste gewesen), war die, fünf
Jahre nach dem Psalterium erschienene „Biblia sacra latina" („Die
48zeilige" genannt). Dies Werk bildet zwei Foliobände von je 242
und 239 zweispaltigen Blättern zu 48 Zeilen. Die Exemplare sind
teils auf Pergament, teils auf Papier gedruckt ; in die ersteren sind
die Initialen hineingemalt, in den letzteren fehlen sie gewöhn-
lich. Gegen siebenzig Exemplare dieses Druckwerkes, welches
sowohl durch seine typographische Schönheit, wie auch als
erste vollständig datierte Bibel einen Hauptrang einnimmt, sind
erhalten.
So wenig wie Gutenberg früher den Mut verlor, so wenig war
es mit Fust und Schofler der Fall, als ihre Offizin in der Nacht vom
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III. KAP. DIE VERBREITUNG DER KUNST IN DEUTSCHLAND. 41
27. — 28. Okt. bei der Eroberung von Mainz durch den Grafen Adolf
1462 verwüstet wurde und in Flammen aufging.
Schon 1465 ward die Herausgabe von „Cicero de officüs"
unternommen, worin zum erstenmale griechische Schriften, jedoch Fust t um t 4 66.
in Holz geschnitten, verwendet wurden. Im Sommer 1466 war Fust,
um den Verkauf der Verlagswerke zu betreiben, nach Paris gereist.
In dem folgenden Jahre war er nicht mehr am Leben j wahrschein-
lich ist er in Paris, wo damals die Pest hauste, gestorben.
Schofler setzte nun das Geschäft allein fort. Unter seinen
Druckwerken ist noch die am 24. Mai 1468 erschienene herrliche
Ausgabe von: „Justiniani histitutiones cum glossa" zu nennen, in
deren Schlussschrift er sich selbst auf Kosten Gutenbergs etwas gar
zu grosssprecherisch hervorhebt.
Ob Schöner auch das Verdienst gehabt hat, die erste rein
deutsche Schrift, die „Schwabacher", zu erfinden, lässt sich nicht schwach«
Schrift.
bestimmt ermitteln. Sie kommt zum erstenmale i486 in Mainz zum
Vorschein in dem Werke Bernhard von Breydenbachs „Heylige
reyssen gen Jerusalem", das bei Erhard Rewich gedruckt wurde. Erhard Rewich.
Da Schöffer im J. 1492 die Chronik der Sachsen mit dieser Schrift
druckte und man von Rewich aus Utrecht, der als Maler die Reisen
Breydenbachs mitmachte und auf dessen Buche als der Drucker
genannt wird , in letzterer Eigenschaft sonst nichts kennt, so dürfte
die Annahme, dass Rewich nur der Herausgeber und Peter Schöffer
der Drucker und Erfinder der Schrift sei, manches für sich haben.
Andernfalls müsste man annehmen , was ja nicht als einziger Fall
dastehen würde, dass Breydenbach als reicher Mann für dieses
Werk eine eigene Druckerei von Schöffer hätte einrichten lassen.
Woher der Name „Schwabacher" stammt, ist ebenfalls nicht er-
mittelt. Die Anwendung der Schrift als Werkschrift hält sich bis
in die Mitte des XVI. Jahrhunderts und man verwandte sie ebenso-
wohl zu lateinischen wie zu deutschen Texten. Später unterlag sie
mancherlei Änderungen, die sie der Fraktur näherfuhrten. Als Aus-
zeichnungsschrift findet die Schwabacher noch bis gegen die Mitte
unseres Jahrhunderts Verwendung. Dann kam sie in Vergessenheit,
um in neuester Zeit wieder als Buchschrift aufzuleben.
Bald hätte noch ein neuer schwerer Verlust das Schöffersche
Geschäft getroffen. Das Bücherlager, welches Fust nach Paris
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42 DIE VERBREITUNG DER KUNST IN DEUTSCHLAND. III. KAP.
Schüffcriu Paris, gebracht hatte, wurde, nachdem Schoflere dortiger Faktor Hermann
von Stathoen ebenfalls 1475 gestorben war, als herrenloses Gut vom
Fiskus in Besitz genommen. Zur Wiedererlangung seines Eigentums
reiste Schöner selbst nach Paris, erreichte auch glücklich sein Ziel
und ernannte Conrad Henlif 1 zu seinem Faktor. Schofler kann
eigentlich als der erste Sortiments-Buchhändler betrachtet werden,
da er nicht allein mit seinen eigenen Druckwerken Handel trieb,
sondern auch die Erzeugnisse anderer Drucker verkaufte.
Von 1493 erlahmt seine Thätigkeit. Das letzte Buch mit
Schöffers Tod. seinem Namen ist die schon erwähnte vierte Auflage des Psalterium
(21. Dez. 1502). Das erste Buch mit dem Namen seines Sohnes ist
vom 27. März 1 503 datiert. Sonach fällt der Todestag Schoflere,
den man nicht genau kennt , in diese Zwischenzeit. Am 9. Juni
1836 wurde das ihm von seiner Vaterstadt Gernsheim errichtete
Denkmal enthüllt.
Kehren wir auf unserer Wanderung 2 nach STRASSBURG
Strasburg, zurück, so begegnen wir als den ersten Buchdruckern dort Johann Men-
ichjr.E^geMcyn. telin und Heinrich Eggesteyn. Von beiden existieren Bibeln schon aus
dem Jahre 1466; jedoch ohne Nennung des Druckers und des Da-
tums. Die ersten datierten Drucke aus Strassburg gehören Eggesteyn
an (1471) das: Decretum Gratiani. 2 Bde. fol. und die: Constitu-
tione s Clementi V., ebenfalls in fol., in welchen der Drucker sagt,
er habe schon unzählige Bände gedruckt. Dass auch Mentelin um
diese Zeit eine grössere Thätigkeit entwickelt hatte, geht schon
daraus hervor, dass er 147 1 einen — *den ersten überhaupt existie-
renden — Verlagskatalog auf einem Oktavblatt von 19 Zeilen heraus-
gab * und dass Kaiser Friedrich III. ihn schon 1468 auf Grund seiner
Verdienste in den Adelstand erhob. Eggesteyns Wirksamkeit endigt
schon 1472; Mentelin starb 1478 und sein Begräbnis fand unter
grossen Ehren im Dome statt s.
~~ — #*
1 J. WETTER, Conrad Henlif oder Henekies. Mainz 1851.
2 Wir schlagen den geographischen Weg ein, ohne uns streng an die chrono-
logische Folge der Einführung der Kunst zu halten.
3 L. DE LabORDE, Dlbuis de Ptmpr. ä Strassbourg. — J. D. Schöpfun,
VinJiciae fypographicae. Strassburg 1760.
4 Die Bibliothek des Börsen -Vereins in Leipzig besitzt hiervon ein Exemplar.
5 Nach Madden ist Mentelin aus der Offizin der „Brüder des gemeinsamen
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III. KAP. DIE VERBREITUNG DER KUNST IN DEUTSCHLAND. 43
Die ersten Strassburger Drucke sind weit unvollkommener
als die Mainzer, und weisen eine ganz abweichende Type auf. Es
war deshalb nicht so unnatürlich, dass man auf eine selbständige
und ältere Erfindung in Strassburg, der „Wiege der Kunst", —
jedoch wie Schaab richtig bemerkt „eine Wiege ohne Kind" — ,
schliessen wollte.
Das benachbarte Basel, das später einen bedeutenden Platz
in der Geschichte der Typographie behauptet, nahm die Kunst bald Die Schweiz,
auf. Allgemein wird jedoch nicht Basel, sondern der Flecken BERO-
MÜNSTER im Canton Luzern, eine Stunde von Sempach, wo am
9. Juli 1 386 Arnold Winkelried durch seine heldenmütige Aufopferung
„der Freiheit eine Gasse brach", als erster Druckort der Schweiz
betrachtet. In dem dortigen berühmten Chorherrenstift des Erz-
engels Michael lebte ein, durch seine Gelehrsamkeit hervorragender
Mann Elias Eliae (Helias Helie) 1 aus dem berühmten Geschlecht derer
von Laufen. Derselbe soll die Buchdruckerkunst durch Ulr. GERING,
der später als erster Buchdrucker in Paris wirkte, nach der Schweiz
gebracht haben und dort als erstes Buch den Mamotrectus des Joh.
Marchesini, ein beliebtes, für höhere Schulen bestimmtes Wörter-
buch der schwersten Ausdrücke der Bibel , gedruckt haben. Hier-
gegen wird jedoch Zweifel erhoben, und der Mamotrectus soll, in-
klusive der Jahreszahl 1470, nur ein Nachdruck einer Mainzer Aus-
gabe aus diesem Jahre sein und frühestens 1474 gedruckt, dagegen
das 1472 erschienene: Roderici, Speculum vitee humanes das erste
Buch aus Beromünsters Presse sein. Um diese Zeit kam auch die
Kunst nach BASEL 2 durch Bartholdus de Basilea (eigentlich aus Baad.
Hanau). Das erste Buch mit Jahreszahl ist Magister Konrads Re-
pertorium vocabularum von 1473. Michael Wenssler und Fr.
Biel druckten die Briefe Gasparinis von Bergamo ohne Jahreszahl.
Eine handschriftliche Notiz in einem Exemplar in der Baseler Stadt-
Lebens" im Kloster am Weidenbach in Köln 1463 nach Strassburg gekommen. Alle
Drucke mit den absonderlichen R, die man von vielen Seiten Mentelin zuschreibt,
will Madden nach Köln verlegen.
1 J. L. ÄBI, Die Buchdruckerei in Beromünster. Einsiedeln 1870.
* D. A. Fechter, Beiträge zur ältesten Gesch. d. B. in Basel. Basel 1863
(B. Taschenbuch). — J. Stockmeyer und B. Reber, Beiträge zur Haseler Buch-
druckergeschichte. (Herausg. von der Hist. Gesellsch.) Basel 1840. — Streuber,
Neuere Beiträge zur Baseler Buchdruckergeschichte. Basel 1846.
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44 DIE VERBREITUNG DER KUNST IN DEUTSCHLAND. III. KAP.
bibliothek bezeichnet es als im Jahre 1472 gekauft. Bernhard
d. Richd RlCHEL druckte bis 1482. Bekannt sind seine vier Ausgaben der
Vuigata. Aus seiner Offizin stammt auch die erste Ausgabe des
„Sachsenspiegels", des von Eyke von Reppgowc zwischen 12 15—
1230 verfassten deutschen Rechtsbuches.
Bekannt ist ebenfalls Johannes Bergmann von Olpe
(1494— 1499), namentlich durch die mit 114 merkwürdigen Holz-
schnitten geschmückte Ausgabe von Sebastian Brants „Narren-
schiff". Die erste Auflage dieses oft gedruckten und nachgedruckten
Buches erschien 1494.
Der berühmteste unter den altern Buchdruckern Basels war
joh.Ammerbach. Johannes Ammerhach aus Reutlingen (geb. 1434). Seine Liebe
zu den Wissenschaften führte ihn nach Paris, wo er sich dem Rektor
Joh. v. Stein anschloss. Dies mag wohl den Anstoss gegeben haben,
dass Ammerbach sich der Buchdruckerei widmete. Als Magister
artium kehrte er nach Deutschland zurück, arbeitete eine Zeitlang
als Korrektor bei Anton Koberger. Zwischen 1475 und 1480 er-
öffnete er seine Offizin in Basel und Hess sich namentlich sorgfältige
Ausgaben der hauptsächlichsten Kirchenväter angelegen sein. Er
war der erste Baseler Buchdrucker, der sich der Antiqua bediente.
Unterstützt wurde er in seinen Unternehmungen von seinen gelehrten
Freunden Aug. Dodo, Conr. Pellicanus, Beat. Rhenanus und Joh.
v. Stein, der von Paris nach Basel gezogen war. *
Den Grund , weshalb die Druckkunst in Basel so schnell Wurzel
fasste, muss man namentlich in seiner 1460 gegründeten, frisch auf-
blühenden Universität suchen. Mitgewirkt hat vielleicht auch der
Umstand, dass die Papierfabrikation dort in grossem Flor stand.
Bereits 1440 besass Hans Halbysen dort eine Papiermühle. Einen
besonderen Aufschwung erhielt die Fabrikation durch die Brüder
Antonius und Michael, die Gallicianen, welche um 1470 aus Spanien
eingewandert waren.
ULM 1 war, nächst Augsburg, in der ersten Hälfte des XV. Jahr-
Ulm und »eine hunderts die wichtigste Stadt Schwabens und zählte über 50000 Ein-
Ku ustschulc.
wohner. Es war nicht allein durch seinen Handel reich, sondern
zeichnete sich auch durch die Pflege der Poesie und der bildenden
» Dr. K. D. Hassler, Die Buchdrucker -Geschichte Ulms. Ulm 1840. —
G. W. Zai'F, Älteste Buchdruckergeschichte Schwabens. Ulm 1791.
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III. KAP. DIE VERBREITUNG DER KUNST IN DEUTSCHLAND. 4$
Künste aus. Baukunst, Holzbildnerei, Malerei, Formenschnciderci
blühten dort und die Häupter der Schwäbischen Schule Martin Schön,
Bartholomäus Zeitblom und Martin Schaffner hatten einen grossen
Ruf. Neben Anfertigung von Heiligenbildern war das Kartenmachen
sehr in Schwung und grosse Massen dieser Erzeugnisse gingen nach
Italien. Es war deshalb natürlich, dass die Buchdruckerei dort schnell
Fuss fasste. Nächst Augsburg hat Ulm die meisten Wiegendrucke
aufzuweisen, nämlich 136, unter denen 86 datierte. LUDWIG Hohen- l. Hohcnwan K .
WANG aus Elchingen war einer der ersten Ausüber der Kunst. Er
war selbst Zeichner, Formenschneider, Schriftsteller und Drucker,
der mit Holztafeldruck anfing. Vier Ausgaben der ars moriendi
sollen aus seinen Pressen hervorgegangen sein. Seine keineswegs
vorzügliche Type ähnelt der römischen und seine Bücher zeichnen
sich unvorteilhaft durch die Masse der Abbreviaturen aus, mitunter
über 300 auf einer 32zeiligen Seite. Wahrscheinlich spielte Schrift-
mangel dabei eine Rolle, denn man findet, wie öfters in alten Drucken,
kleine Buchstaben für grosse, oder einander ähnliche Buchstaben als
Ersatz für einander verwendet, z. B. ein K für ein R.
Scheint es demnach nach neueren Untersuchungen , als müsse
Johannes Zainer dem Genannten den Ehrenplatz als „erster" joh. Zaincr.
Buchdrucker einräumen, so ist letzterem wenigstens der Ruhm als
Ulms bedeutendsten Druckers und als eines der hervorragendsten
in Deutschland gesichert. Durch einen langen Zeitraum, von dem
Anfange der siebenziger Jahre des XV. bis zur Mitte der zwanziger
Jahre des XVI. Jahrh., lieferte er umfangreiche Druckwerke. Zwar hat
man von ihm kein datiertes Werk älter als 1473 aufzuweisen, da er .
jedoch um diese Zeit mit einer Anzahl, zumteil Vorbereitungen
aus langer Hand erfordernder Werke auftritt, so muss er jedenfalls
früher als 1473 zu wirken angefangen haben, und die handschriftliche
Notiz des Käufers eines von ihm gedruckten Buches: „Albertus
Magnus, de adherendo deo* , dass es 1470 gekauft sei, dürfte auf Wahr-
heit beruhen. Wahrscheinlich gebührt ihm, nicht Günther Zainer in
Augsburg, der Ruhm, die Antiqua zuerst in Deutschland eingeführt
zu haben. Ob er ein Bruder des Augsburger Zainer gewesen ist,
weiss man zwar nicht, beide stammen jedoch aus Reutlingen. Über-
haupt kennt man von seinem Privatleben wenig mehr, als dass es
eine Kette von Sorgen war.
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46 DIE VERBREITUNG DER KUNST IN DEUTSCHLAND. III. KAP.
Leonhard Holl, Ulms dritter Buchdrucker, besass eine
Leonh. Holl. Spielkartenfabrik. Seine Waren gingen bis nach Konstantinopel. Er
war der erste, der ein Werk mit in Holz geschnittenen Landkarten,
worin zumteil Typen eingesetzt werden konnten, druckte. Es war
dies: Claudii Ptolomäi Alexandrini Cosmographia mit 32 Karten
von Johann Schnitzer von Arnsheim ausgeführt. Pekuniären Erfolg
hatte Holl davon nicht; erst musste er das Werk versetzen, später
verkaufen. Es kam darauf in die Hände eines Venetianere Justus
de Albano, der durch seinen Faktor Johannes Reger eine neue Aus-
gabe druckte.
AUGSBURGS 1 erster Buchdrucker Günther Zainer (1468—
Augsburg. 1475) ist wahrscheinlich ein Schüler Fusts oder Schöffers gewesen.
Bei ihm erschien um 1470 die erste Ausgabe von Thomas a Kempis'
„Vier Bücher von der Nachfolge Christi", ein Buch, welches nächst
der Bibel am häufigsten aufgelegt worden ist. Eine grosse Anzahl
deutscher Bücher druckte Johann BAMLER (1472 — 1492). Anton
Sorg (1475 — 1498) gab das erste Wappenbuch heraus, enthaltend
die Wappen aller bei dem Konzil von Constanz anw esenden Herren.
Einen hochberühmten Namen erwarb sich der Augsburger Erhard
Ratdolt, ein fahrender Buchdrucker, dessen Namen mit der
venetianischen Buchdruckergeschichte rühmlichst verknüpft ist. Am
meisten glänzt Hans ScilöNSrERGER DER ÄLTERE (148 1— 1523).
Über diesen sowie über Ratdolt wird später ausführlicher zu
sprechen sein.
Der Vater der Typographie N Ü RNBERGS * ist Joi l ANN SENSEN-
Nurnberg. SCHMID (1473 — 1478), ein durch Gelehrsamkeit und Korrektheit
seiner Druckwerke bekannter Buchdrucker, der 1478 nach Bamberg
zog. Auch der berühmte Astronom JoH. REGIOMONTANUS (Joh.
Müller aus Königsberg) errichtete in Nürnberg eine Druckerei und
druckte deutsche und lateinische Kalender. Des grössten Namens als
Antonius Ko- Buchdrucker und Buchhändler erfreute sich aber ANTONIUS Ko-
BERGER' (1473— 1513). Er arbeitete mit 24 Pressen und beschäf-
tigte über 100 Gesellen. Man kennt 220 aus seinen Pressen hervor-
1 G. C. Mezger, Augsburgs älteste Druckdenkmale. Augsburg 1840. —
G. W. Zapf, Augsburgs Bucbdruckergcschichte. 2 Teile. Augsburg 1786.
2 G. W. Panzer, Älteste Buchdruckergeschichte Nürnbergs. Nürnberg 1789. —
J. Baader, Beiträge z. Kunstgesch. Nürnbergs. 2 Hefte. Nördlingen 1860—62.
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III. KAP. DIE VERBREITUNG DER KUNST IN DEUTSCHLAND. 47
gegangene Werke, beinahe alle in Folio-Format von bedeutendem
Umfange, von grosser Korrektheit und Eleganz. Allein 19 Bibeln
druckte er, darunter eine in deutscher Sprache mit gothischen Typen
und mit denselben Holzschnitten ausgestattet, die bereits in Köln zu
der niederdeutschen Bibel von 1480 verwendet waren.
Die Ausführung befriedigte jedoch Koberger nicht und gab
ihm Veranlassung, Schritte zu thun, um künftig auf heimischem Boden
stehen zu können. Wie rasch dies gelang, zeigt der 149 1 erschienene
„Schatzbehalter des Reichtums des ewigen Heils". Die Holzschnitte Der schaubc-
halter.
sind zwar ungleich, je nach Fertigkeit der Holzschneider, aber die
Zeichnungen, die unzweifelhaft Michel Wohlgemut angehören, sind
durchweg mit Geschmack und künstlerischem Sinn ausgeführt, zu-
gleich unter Innehaltung der Grenzen, welche die noch nicht voll-
endete Technik des Holzschnittes verlangte.
Das 1493 sowohl in einer deutschen, wie in einer lateinischen
Ausgabe erschienene „Buch der Chroniken und Geschichten" des schedeu
Chronik.
Doktor Hartmann Schedel ist als illustriertes Werk eins der merk-
würdigsten Presserzeugnisse des XV. Jahrhunderts. Da ein Überein-
kommen mit Wohlgemut und Wilh. Pleydenwurf über die Lieferung
der mehr als 2000 in dem Buch enthaltenen Illustrationen (von den
zweimal und öfter vorkommenden abgesehen) erst 1491 getroffen
wurde, so sieht man, dass über bedeutende sowohl xylographische
wie typographische Kräfte verfügt wurde. Zum Schluss des Werkes
werden die angesehenen Nürnberger Bürger Sebald Schreyer und
Sebastian Kammermaister als um die Förderung des Werkes ver-
dient erwähnt, ohne dass jedoch über die Art und Weise etwas ver-
lautet, vielleicht haben sie als reiche Kunstkenner die Kosten der
Illustrationen getragen.
Bei dem Druck der „Reformation der Stadt Nürnberg" (1475)
wendete Koberger eine verschönerte halbgothische Schrift an, welche
der nachherigen Fraktur sehr nahe stand und die später auch bei
dem grossen Druckwerke „Leben der Heiligen" (1488) benutzt wurde.
Die Wirksamkeit Kobergers als Verleger War eine SO grOSSe Kobergers grosse
Thätigkeit.
— sein Katalog zählt allein 33 Bibeln auf — , dass die Kräfte der eigenen
bedeutenden Offizin zur Herstellung aller Werke nicht zulangten und
1 G. E. Waldau, Leben A. Kobergers. Dresden 1786. — Dr. O. Hase, Die
Koburger. Leipzig 1869.
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48 DIE VERBREITUNG DER KUNST IN DEUTSCHLAND. III. KAP.
öfters andere Offizinen in Anspruch genommen werden mussten,
namentlich die von Johannes Ammerbach in Basel. Aus Kobergers
Briefwechsel 1 mit diesem zeigt sichs, wie umsichtig er für alles be-
sorgt war, und mit Recht allgemein den Ruf eines ungemein fleissigen,
ordnungsliebenden und pünktlichen Mannes genoss.
Selbst bei dieser grossen Verlagsthätigkeit ruhte Koberger
nicht. Er trieb zugleich einen ausgedehnten Sortimentshandel, hatte
an mehreren Orten Filialen und Agenten, ja es scheint sogar, als
habe er sich auch mit anderen als buchhändlerischen Geschäften
befasst. Diese seine Thätigkeit brachte ihm Ansehen und goldene
Früchte. Auch im häuslichen Leben war er gesegnet und hatte von
seinen zwei Frauen mehr als zwanzig Kinder, von denen einige
ebenfalls eine bedeutende geschäftliche Wirksamkeit entfalteten. Er
starb im J. 15 13.
In BAMBERG 2 wirkte Albrecht Pfister (geb. um 1420 ; gest.
Hamberg, um 1470), von vielen für einen selbständigen Erfinder der Buch-
Ihr. Pfister. , « , , ^ , ,
druckerkunst und den Drucker der 36zeiligen Bibel gehalten. Als
Beweis wird die Identität der Typen dieses Werkes mit denen des
Bonerschen „Fabelbuches" (1461), der „vier Historien" (1462), so-
wie des „Belial", welche Pfisters Namen tragen, angeführt. Dagegen
spricht entschieden die typographisch sehr niedrig stehende Aus-
führung sämtlicher Druckwerke Pfisters. Wer die 36zeilige Bibel
gedruckt hat, wird schwerlich als Künstler so tief sinken. Die Typen
kann Pfister ja recht wohl von Gutenberg erworben haben.
* Als Vorläufer einer zweiten Auflage seines Buches über die Koberger, zu-
gleich als Weihgeschenk zu dem 25jährigen Jubiläum .des, um die Geschichte des
Buchhandels hochverdienten Dr. Albr. Kirchhoff, Hess Dr. Hase (einer der Chefs der
Firma Breitkopf & Härtel) ein: Brieffbuch der Koberger zw Nurmberglk, Leipzig 1881
(in 25 Expl.) erscheinen, das namentlich Briefe des Ant. Koberger an Joh. Ammerbach
in Basel enthält. Diese Briefe erstrecken sich über die Jahre 1493 — 1 5°9» «erden
aber von 1504 ab immer sparsamer und kürzer, der letzte und einzige Brief aus 1509,
„dem Erbern weisen meyster Hanssen Proben zw bassell meinem Sundern gunstigen
guten Freund" geschrieben, schliesst, das Obengesagte von der Fürsorge Kobergers
bestätigend : „Lieber meyster Hans jeh bitt euch wollet gute Fass machen lassen
Die starck vnd Dick von holcz sind wan es ist So grawsam wetter bey vnss von
regen vnd von sehne Das gleichen kein man gedenkt Jch hab euch gancz eyllct
geschrieben Die furlewt seyn wegfertig".
* Placidius Si'RENGER, Älteste Buchdruckergeschichte von Bamberg. Nürnberg
1800. — H. I. J/ECK, Jubelschrift 1840. Erlangen 1840. Vergl. auch Kap. II,
S. 29.
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III. KAP. DIE VERBREITUNG DER KUNST IN DEUTSCHLAND. 49
Das Bonersche Fabelbuch (1461) enthält 88 sehr geringe Holz-
schnitte und wurde früher für das erste deutsche illustrierte Buch 1
gehalten. Die Priorität muss jedoch den : „Sieben Freuden Maria"
und der „Leidensgeschichte Jesu" (1450 — 1460) eingeräumt werden,
die in künstlerischer Beziehung über dem Fabelbuch stehen. Ob
letztere beiden Erzeugnisse der Pfisterschen Presse angehören, lässt
sich nicht ermitteln. Unter diesen bleiben noch zu erwähnen : eine
„Armenbibel" deutsch (wahrscheinlich 1462), sowie dasselbe Werk
lateinisch. Es enthält 17 Blätter in Folio mit 170 Holzschnitten.
Mutmasslich hat Pfister keinen bleibenden Aufenthalt in Bamberg
gehabt, denn in neunzehn Jahren, bis 148 1, ist kein aus Bamberger
Pressen hervorgegangenes Werk bekannt.
Der von Nürnberg nach Bamberg übergesiedelte Johann
SENSENSCHMID ( 1 482 — 1 490) lieferte ein prachtvolles Missale ordinis Johann Sensen-
üchmiu,
S. Benedicti und später im Verein mit Heinrich Petzensteiner
(bis 1491) das Missale ecclesia Ratisponensis , welches so grossen
Beifall fand, dass der Drucker desselben mit vielen ähnlichen Auf-
trägen beehrt wurde.
In WIEN 2 stand die 1365 begründete Universität in voller
Blüte und der Kaiser Friedrich III. war der Buchdruckerkunst wohl Wien,
gewogen. Er hatte, wie erwähnt, Joh. Mentel in den Adelstand
erhoben und die Kunst durch ihre und ihrer Verwandten Aufnahme
in seinen und des Reiches Schutz und durch Verleihung eines Wap-
pens 3 geehrt. Zu verwundern bleibt es umsomehr, dass erst 1482 in
1 Es ist hiervon nur ein Exemplar, in Wolfenbüttel befindlich, bekannt.
2 M. Denis, Wiens Buchdr.-Gesch. bis 1560. Wien 1782. — Die österr. Buch-
drucker - Zeitung 1873, Nr. 9 u. flg. enthalten sehr detaillierte „Beiträge zur Ge-
schichte der Buchdruckerei in Wien" bis auf die neueste Zeit.
3 Das Buchdruckerwappen ist ein schwarzer Adler auf goldenem Schild, in der
rechten Klaue einen Winkelhaken , in der linken ein Tcnakel haltend ; den Helm-
schmuck bildet ein Greif in halbem Körper, zwei Druckerballen an einander drückend.
Merkwürdigerweise herrscht Zweifel, ob der ursprüngliche Adler der zweiköpfige
Reichsadler gewesen oder ein einköpfiger. E. Bekkers Eintreten für den ersteren
(in seiner Broschüre „Das Buchdruckerwappen". Darmstadt 1837) stützt sich auf
nur schwache Argumente. Von den von ihm angezogenen Quellen liegt keine
weiter zurück als im Jahre 1730. Ein Frankfurter Messkatalog, also eine offiziöse
Erscheinung, aus d. J. 1662 trägt auf dem Titel den einköpfigen Adler, ob es mit
älteren der Fall ist, ist uns unbekannt Auch Ernestis „Wohleingerichtete Buch-
druckerei", 1721 , bildet den Adler einköpfig ab. Der Greif soll erst später durch
Kaiser Ferdinand I. dem Wappen hinzugefügt worden sein.
4
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50 DIE VERBREITUNG DER KUNST IN DEUTSCHLAND. III. KAP.
Wien gedruckt wurde. Allerdings waren die Zeiten nicht gerade die
günstigsten. Im Jahre 1481 führte Matthias Corvinus von Ungarn
zum drittenmale seine Heere nach Österreich; 1482 brach die Pest
in Wien aus; 1485 zog Matth. Corvinus siegreich dort ein und be-
hauptete seine Herrschaft bis 1490.
Aus dem Jahre 1482 stammen die ersten unbedeutenden
Druckerzeugnisse Wiens ohne Namen und Datum. Bis zum Jahre
1492 zeigt sich keine weitere Spur vom Druck und erst von da ab
kann man eigentlich von einer Buchdruckerkunst in Wien reden.
In dem zuletzt genannten Jahre druckte Joh. WiNTERBURGER,
j. wimerburger. aus Winterburg bei Kreuznach, A. Flacci: Persij Satire. Weder
dieser Druck, noch die 1492 gedruckte Leichenrede Bernh. Pergers
auf den Kaiser Friedrich HL trägt die Firma Winterburgers und
nur die Typen gestatten den Schluss, dass sie von ihm ausgeführt
wurden. Da seine Druckerei damals eine sehr gut eingerichtete
war, so ist es nicht unmöglich, dass sie schon 1482 bestand und dass
die Drucksachen aus jener Zeit von ihm stammen, doch sind keine
Beweise dafür vorhanden, und die lange Pause wäre nicht ganz leicht
zu erklären. Erst 1493 kommt sein Name vor, zum erstenmale auf dem
Ceremoniell zu dem „begencknus Kaiserlicher Maistat", Friedrich III.
Kaiser Maximilian begünstigte Winterburger sehr und verlieh ihm
die Führung des kaiserlichen Adlers 1 . Er verdiente aber auch jede
Aufmunterung, denn er druckte kostbare Werke und förderte die
Arbeiten nicht allein der Weener Gelehrten. Er starb im hohen
Alter (15 19), in demselben Jahre wie sein Gönner, der Kaiser.
In den West- und Nordmarken des Deutschen Reiches ist es
Köln. ganz besonders KÖLN, das in den ersten Zeiten der Kunst die
Ulrich Zell
Aufmerksamkeit auf sich zieht. Seine Lage machte es zum Mittel-
punkte der Verbreitung des Buchdrucks im Norden Deutschlands
und überhaupt Europas, und von dort gehen auch viele der typo-
graphischen Verbesserungen aus, z. B. die Anwendung der Sig-
naturen, der Pagination, des eigentlichen Buchtitels und der Kolum-
nentitel, der kleinem Schriften und Formate. Viele der Buchdrucker,
die mit Ruhm anderswo arbeiteten, erhielten ihre typographische
* Auch hierin dürfte ein Beweis gegen den zweiköpfigen Adler im Buchdrucker-
wappen liegen; denn, dürfte jeder Buchdrucker diesen fuhren, so lag ja darin keine
Bevorzugung Winterburgers.
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III. KAP. DIE VERBREITUNG DER KUNST IN DEUTSCHLAND. 51
Bildung in Köln. Schon im frühesten Mittelalter war es ein Sitz der
Wissenschaft und der Kunst, und seine 1388 gegründete Universität
bildete einen Hauptsitz der Theologie und der Philosophie. Ulrich
Zell, ein berühmter Schönschreiber, Illuminator, Rubrikator und
Schüler der Mainzer Offizin, war der erste Drucker Kölns. Seine
frühesten Werke sind Chrysostomus: Süßer psalmo quinquagesimo
und die Bulla rctractionum PHIL, datiert Rom 16. März 1463. Von
seinen vielen Meisterwerken verdient die lateinische Bibel in zwei
Grossfolio-Bänden (wahrscheinlich aus dem Jahre 1470), besonders
erwähnt zu werden. Die erste niederdeutsche Bibel, eins der be-
rühmtesten und wertvollsten Erzeugnisse der Kölner Presse, gehört
ohne Zweifel dem NIKOLAUS GÖTZ (1474— 1478). Sein Geschäfts-
nachfolger war HEINRICH QüENTELL(i479 — 1 500), der berühmteste H«nr. Quentdi.
Typograph Kölns und Stammvater einer hochangesehenen typo-
graphischen Familie.
Solange die geistreichen Kombinationen Maddens nicht durch
unwiderlegliche Thatsachen unterstützt werden, kann die von ihm
angenommene grosse Druckanstalt und typographische Ausbildungs-
schule der fratres vita communis in Köln nicht der Geschichte ein-
gereiht werden l .
Auf die erwähnte energische und werkthätige Korporation
dürfte die erste Presse MÜNSTERS 2 zurückzuführen sein. Die Münster.
Brüderhäuser in Köln und Rostock standen mit denen zu Münster
in naher Beziehung und die ersten Pressen hier empfingen ihre
Hauptnahrung von dem Humanismus. Der Name des ersten Druckers
ist Johannes Limburgus, Aquensis (von Aachen), und der erste
Druck: Kodri Kerkmeister, Comedia (1485). Mit dem nächsten
Jahre verschwindet aber die Presse Münsters und taucht erst zu An-
fang des XVI. Jahrh. wieder auf. Bei der dort herrschenden Ge-
lehrsamkeit und Geistesthätigkeit bleibt nur die Vermutung übrig,
dass die mit Münster eng verknüpften Städte Köln und Deventer,
namentlich die letztere, dort Filiale errichtet haben; nur so lässt sich
die grosse Druckthätigkeit D eventers erklären.
i Vergl. die eingangs erwähnten : Madden, Lettres d'un bibliographe , zugleich
IV. Kap. S. 68.
» J. B. Nordhoff, Denkwürdigkeiten aus dem Münsterschen Humanismus.
Münster 1874.
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52 DIE VERBREITUNG DER KUNST IN DEUTSCHLAND. III. KAP.
Die grösste Bedeutung als Drucker in Münster hat der be-
kannte Humanist TheoüORIKTzwyvel. Von seinen vielen Druck-
werken sind jedoch verhältnismässig nur wenige übrig geblieben
und die Wiedertäufer, die seine Druckerei plünderten, haben gründ-
lichst für die Zerstörung gesorgt.
In LÜBECK 1 , welches eine tüchtige Pflanzschule für den
Lübeck und Norden wurde, erschien 1498 die erste niederdeutsche Ausgabe des
„Reineke de Voss", von der das einzige bekannte Exemplar in
Wolfenbüttel aufbewahrt wird. In HAMBURG 2 druckten 1491 die
Brüder Hans und Thomas Bürchardus. Aus dem xv. Jahrh.
ist nur ein einziger Hamburger Druck bekannt : Landes beatc Marie
virginis. Das Buch ist zwar sauber ausgeführt doch in seiner ganzen
Ausstattung sehr einfach ja fast dürftig gehalten. Überhaupt
scheinen die ersten dortigen Drucker auf keiner hohen Stufe ge-
standen und nicht mit besonderem Glück, gearbeitet zu haben.
Ein überaus reges geistiges Leben entfaltete die reiche Stadt
Magdeburg. MAGDEBURG 3, wohin die neue Kunst durch ALBERT RAVENSTEIN
und Joachim Westfal, zwei Brüder des gemeinsamen Lebens, ge-
brachtwurde. Sie lieferten 1483 und 1484 mehrere kleinere Schriften,
dann aber auch ein grösseres, auf Laien berechnetes niederdeutsches
Evangelicnbuch in Folio. Westfal, der aus Stendal stammte, zog
i486 oder 1487 mit der Offizin nach dort; von Ravenstein hört
man nichts weiter.
Eine staunenswerte Thätigkeit entfaltete MORITZ BRANDIS,
der von dem damals im Erzstift regierenden kunstsinnigen Erz-
bischof, Ernst, Prinz von Sachsen, aus Leipzig berufen wurde. Seine
Offizin war mit zwölf Typengattungen und mit mindestens 9 Suiten
von Initialen ausgestattet. Sein Meisterdruck ist die erste Ausgabe
eines Missale in Folio; die zweite Stelle gebührt dem Halber-
städter Breviarium in 8° von 1495.
Besondere Beachtung verdient die Magdeburger Xylographie.
Schon die ersten Drucke von dort zeigen Holzschnitte. Moritz
1 J. H. v. Seelen , Nachricht über die Bchdkst. Lübeck 1 740. — Deecke,
Einige Nachrichten etc. Lübeck 1834.
* J. M. Lappenberg, Gesch. d. Bchdkst. in Hamburg. 1840.
3 L. Götze, Ältere Gesch. d. Bchdkst in Magdeburg. Magdeburg 1872.
Hierzu ein Supplement.
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HI. KAP. DIE VERBREITUNG DER KUNST IN DEUTSCHLAND. $3
Brandis lieferte 1492 einen Folianten mit vierzig, 1494 einen anderen Die x^iuKraphie
mit elf Holzschnitten. Die meisten der, während eines Zeitraumes "* ag c urg
von siebzehn Jahren erschienenen Holzschnitte zeigen eine solche
künstlerische Verwandtschaft , dass man auf die Abstammung von
einem und demselben Künstler oder von einer und derselben Kunst-
anstalt schliessen muss. Dies wird noch bestätigt durch einen , im
Kloster Zinna, dem einzigen Ort der Mark Brandenburg, ausser
Stendal, der im XV. Jahrhundert eine Presse hatte, gedruckten
„Marienpsalter", ein für damalige Zeit seltenes Prachtwerk, das auf
116 Blatt in Quart nicht weniger als 189 vortreffliche Holzschnitte '
enthält 1 .
LEIPZIG 2 , das später eine so wichtige Rolle in der Geschichte
der Typographie spielen sollte, erhielt eine Druckerei erst zu einer
Zeit, als manche andere Städte schon Bedeutendes geleistet hatten ;
ja es war nicht einmal die erste Stadt Sachsens, die die Kunst in
ihren Mauern aufnahm, denn es giebt bereits Bücher aus dem Jahre
1473 mit dem Druckorte Merrsborg*. Trotzdem ist die Ein-
führungsgeschichte in Nebel gehüllt. Thatsache ist nur, dass
Andreas Friesner, Sohn eines Ratsherrn in VVunsiedel, ein ge-
lehrter Mann, der mit Sensenschmid in Nürnberg zusammen gewirkt
hatte und 1479 nach Leipzig als Professor der Theologie berufen
wurde, eine Buchdruckerei mit sich brachte. Ob er jedoch selbst
gedruckt hat, oder ob er vielleicht seine Offizin einem der, als die
frühesten bekannten, Buchdrucker Leipzigs übergeben hat, lässt sich
nicht ermitteln. Im Jahre 1482 bekleidete Friesner die Stelle eines
Rektors der Universität Leipzig. Er starb in Rom im Jahre 1 504
und vermachte seine Presse dem Leipziger Predigerkonvent
Ein datierter Druck ist erst aus dem Jahre 1481 bekannt, er
trägt jedoch keine Druckerfirma. Es ist ein sehr sauber auf gutes Erster datierter
i Druck.
Papier gedrucktes Bändchen in klein Quart, so frisch aussehend,
als wäre es erst vor einem Jahrzehnt aus der Presse gekommen.
1 Ein gut erhaltenes Exemplar besitzt die Stadtbibliothek in Thorn.
a J. H. LEICH, Di orig. typogr. Lipsiensis 1740. — ).]. MÜLLER, Incunal>uhi
typogr. Ups. Leipzig 1720.
3 Die Behauptung, dass dies nicht Morseburg sei, sondern Mörsburg am Bodcn-
sec, hat sich längst als unbegründet erwiesen.
4 Dr. G. Wustmann in seiner Schrift: „Die Anfänge des Leipziger Bücher-
wesens", 1879, hält dafür, dass die Kunst schon vor Friesner geübt wurde.
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54 DIE VERBREITUNG DER KUNST IN DEUTSCHLAND. III. KAP.
Es führt den Titel : Johäis vilerbiesis : Glösa sup. Apocalipsim und
das Impressum: Lipczk MCCCC LXXXI in pfesto michahelis. Der
Schnitt der, namentlich durch ihre absonderlich geformten Initialen
sich auszeichnenden halbgothischen Type ist derselbe, mit welchem
das erste mit Namen des Druckers versehene Buch Leipzigs gedruckt
wurde: Albici tractatulus de regitnine hominis, welches von MARCUS
BRANDIS (1487) herrührt. Nicht weniger gut ist ein Benedictionale
des Marcus Brandis aus dem Jahre 1487. Die Notensysteme sind
rot eingedruckt, aber behufs handschriftlicher Einzeichnung der
Noten leer gelassen. Für mit Marcus Brandis identisch wurde früher
Moritz Brandis (1488— 1498) gehalten, der, wie erwähnt, später
nach Magdeburg zog.
Konrad Kachelofen, der langezeit für Leipzigs ersten
k. Kachelofen. Buchdrucker angesehen wurde, entwickelte eine grosse Thätigkeit
von 1489 ab, in welchem Jahre er Joh. Widmanns von Eger:
, , Behende vnd hübsche Rechenung auf allen Kaufmannschaft" druckte,
ein Lehrbuch der elementaren Mathematik, in welchem auch ein-
fache Holzschnitte vorkommen. Eine ausgezeichnete Leistung ist
das im Jahre 1495 gedruckte Meissner Missale. 1495 zog Kachel-
ofen, der in Leipzig herrschenden Pest wegen, nach Freiberg; die
Leipziger Stadtbibliothek besitzt jedoch einen „Leipzig 15 13" da-
tierten Druck von ihm.
Vor dem Schluss des XV. Jahrhunderts konnte Leipzig über
150 datierte Drucke aufweisen, abgesehen von den vielen un-
datierten.
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IV. KAPITEL.
DIE VERBREITUNG DER BUCHDRUCKERKUNST
IM AUSLANDE.
Italien : Subiaco und Rom. Venedig. Foligno. Mailand. Florenz. Spanien und
Portugal. Frankreich: Paris. Lyon. Die Niederlande: Die Histolres.
Colard Mansion. England: William Caxton. Skandinavien: Dänemark.
Schweden. Die slawischen Länder. Ungarn. Die Türkei.
OR allen fremden Ländern gebührt ITALIEN der
hohe Ruhm, die Buchdruckerkunst zuerst aufgenom- Die Verdienste
men, sie wesentlich verbessert, vervollkommnet und
in edelster Weise verwendet zu haben, und mit diesem
Ruhm, den man den Italienern in vollstem Masse
zollen muss, könnten sie wohl zufrieden sein. Wenn sie jedoch
noch im Jahre 1868 soweit gingen, ihrem Landsmann Pamphilo
Castaldi als dem Erfinder der Buchdruckerkunst in seinem Ge-
# burtsorte Feltre ein Denkmal zu errichten, so verfielen sie aus
missverstandenem Patriotismus in einen Irrtum, zu dessen Ent-
schuldigung sich noch bei weitem weniger sagen lässt, als für die
Ansprüche der Holländer.
Wie für die klassischen und bildenden Künste war Italien auch
für die Poesie das gelobte Land und hatte bereits seinen Dante,
Boccaccio und Petrarca hervorgebracht. Es waren namentlich die
Höfe der Mediceer in Florenz und der Herzöge von Este in Ferrara,
welche die Mittelpunkte der Kultur bildeten, an welchen die genannten
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56
DIE VERBREITUNG DER KUNST IM AUSLANDE. IV. KAP.
grossen Sterne und noch manche zweiten Ranges glänzten. Die nach
der Eroberung von Konstantinopel (1453) nach Italien geflüchteten
Gelehrten nährten noch mehr den Sinn für die klassische Litteratur
und fanden Unterstützung bei den aufgeklärten Fürsten, welche
Pflanzschulen für die Wissenschaften und Bibliotheken gründeten
und die Werke der griechischen Klassiker übersetzen Hessen.
So war in Italien wie in keinem andern Lande der Boden für
die neue Kunst geebnet. Bereits im Jahre 1480 hatten vierzig
Städte Buchdruckereien, zumteil hervorragender Art, die nament-
lich mit der Herausgabe der Klassiker beschäftigt waren, während
in dem Mutterlande der Typographie noch immer Gebetbücher und
trockene Kompendien die hauptsächlichsten Druck - Erzeugnisse
bildeten.
Conrad Sweynheim und Arnold Pannartz, wahrscheinlich
Conrad Swcyn- zwei der überall hin verstreuten Schüler Gutenbergs, gründeten
Amoid Pannaru. die erste Druckerei Italiens in dem Kloster SUBIACO. Das Städt-
chen Subiaco mit dem berühmten Stammkloster der Benediktiner
liegt in unwirtlichster Berggegend 14 Stunden von Rom. Entfernt
von der Stadt auf den höchsten nackten Felsen ragt das nur
mit grossen Schwierigkeiten zu ersteigende Kloster. Der Komman-
daturabt desselben, der Kardinal Johannes a Turrecremata, ein
eifriger Bewunderer der Buchdruckerkunst, veranlasste durch einige
Mönche deutscher Nation die Einberufung Conrads aus Schweinheim,
bei Mainz, und Arnold Pannartz' aus Prag. Sie kamen 1464 an.
Zuerst entstand ein Donatus, dann des Lactantius De divinis institu-
tionibus (1465), des heiligen Augustinus De civitate dei (1467), und
wahrscheinlich auch 1465 Ciceros De oratore 1 .
Der Lactantius war das erste Buch, welches in römischer Schrift
Die römische gedruckt wurde. Die Kalligraphie hatte in Italien bereits zu den
Zeiten der Römischen Kaiser eine hohe Stufe erreicht. Durch den
Wechsel der herrschenden Völker in Italien änderte sich auch die
Schrift vielfach. Als die Gothen im V. Jahrh. sich zu Herren Italiens
machten, fingen die römischen Kapital -Buchstaben schon an,
eine veränderte Gestalt anzunehmen ; die eigentliche kleinere runde
1 Nach Charles Fumagalli: Da primi libri a stampa in Italia. Lugano 1875
soll Cicero vor dem Lactantius von Sweynheim und Pannartz gedruckt sein. —
En. Frommann: Aufsätze zur Gesch. d. Buchhandels. 2. Heft. Jena 1881.
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IV. KAP. DIE VERBREITUNG DER KUNST IM AUSLANDE.
57
Kurrentschrift kam jedoch erst im VIII. Jahrhundert auf. Nichts
natürlicher, als dass Sweynheim und Pannartz sich dem nationalen
und gefälligen Schriftsystem zuwendeten und für ihr Werk die
römische Schrift annahmen, der sich die jetzige Antiqua fast ganz an-
schlicsst. Ein in Paris befindliches Manuskript, welches 1459 in Italien
geschrieben wurde, des heiligen Augustinus De civitate dei, zeigt ganz
die Schrift, wie sie in dem Lactantius verwendet wurde. In dem ersten
Bogen des Werkes ist, um die griechischen Zitate hineinzuschreiben,
Raum gelassen; in den späteren Bogen wurden zum erstenmal
griechische Typen verwendet, denn die Zitate in Schöffers Princeps-
Ausgabe von Ciceros De offieiis waren Holzschnitte.
Es zeigten sich jedoch bald die Schwierigkeiten einer so ab-
gelegenen, schwer zugänglichen Lage und Sweynheim und Pannartz
folgten daher gern der Einladung der beiden Brüder Pietro und
Francesco Marquis von Massimi, nach ROM zu kommen; in deren
Palast sie 1467 installiert wurden, zunächst um Ciceros Briefe zu
drucken. In dieser Ausgabe findet man zum erstenmale die reine
Antiqua, wie sie schon in den Manuskripten des VIII. u. IX. Jahrh.
vorkommt.
In den fünf folgenden Jahren entwickelten Sweynheim und
Pannartz eine grosse, jedoch weit über ihre Kräfte gehende Thätig- PannarU uuJ
keit, die sie dem geschäftlichen Ruin entgegenführte. Aus ihren ün«lück.
Pressen gingen hauptsächlich Ausgaben der Klassiker hervor, unter
anderen ein Livins (1469), von welchem ein Exemplar, 181 5, mit
nahe an 20000 Mk. bezahlt wurde. Rom war zwar ein Sitz der Ge-
lehrsamkeit, lag aber ausserhalb des grossen Verkehrskreises. In
dem Verhältnis, wie sich das Bücherlager von Sweynheim und Pan-
nartz füllte, leerte sich ihre Kasse, und als sie den 5. Band der
Bibelerklärungen des Nikolas de Lyra gedruckt hatten, waren sie
ganz ohne Mittel. Der Herausgeber des Werkes , ihr Freund der
Bischof Andr. Bussi, empfahl sie zwar dringend der Unterstützung
des Papstes Sixtus IV. Das Gesuch, welches für die Buchdrucker-
geschichte deshalb ein besonderes Interesse hat, weil man daraus
erfährt, dass die gewöhnliche Auflage eines Buches 275 Exemplare
gewesen, von den populären Werken 550, hat jedoch entweder gar
keinen oder keinen genügenden Erfolg gehabt und die Vereinigung
ward aufgelöst. Sweynheim scheint sich nach der Trennung haupt-
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DIE VERBREITUNG DER KUNST IM AUSLANDE. IV. KAP.
sächlich mit Schriftschneiderei beschäftigt zu haben und machte auch
die ersten Versuche, Landkarten für die Buchdruckerpresse in Kupfer
hoch geschnitten herzustellen, um damit die Geographie des Pto-
lomäus zu drucken , erlebte aber nicht die Vollendung dieses aus-
gezeichneten Unternehmens, dessen letzte Platten von Arnold
Bucking angefertigt wurden. Von Sweynheim hört man nach 1473
nichts mehr. Pannartz druckte bis 1476, um welche Zeit beide Teil-
nehmer gestorben zu sein scheinen.
Noch vor der Übersiedelung der Genannten nach Rom war
ULRICH HäN (Gallus) durch den Kardinal Torquemada nach dort be-
rufen worden. Han druckte mit gothischer Schrift das erste Buch mit
Holzschnitten in Italien, Torquemadas Mcditationes (1467).
Nach VENEDIG kam die Buchdruckerei erst 1469, überflügelte
Vcuedig. jedoch in dem mächtigen Stapelplatz des Handels, wo zugleich
Wissenschaft und Kunst blühten, bald die aller anderen Städte
Italiens. Auch hier traten Deutsche als die ersten Buchdrucker auf.
Johann von Speyer {Johannes de Spiro) druckte 1469 als erstes,
zugleich als Musterwerk, Ciceros Briefe. Sehr geschätzt ist auch sein
Plinius, von dem ein Exemplar 1781 in Paris für ungefähr 4500 Mk.
verkauft wurde. Seine Type nähert sich der Antiqua; in der Inter-
punktion wendet er Punktum, Kolon und Fragezeichen an. In einer
Ausgabe des Tacitus, die jedoch möglicherweise von seinem Nach-
folger herrührt, kommen arabische Zahlen als Pagination vor.
Seine Verdienste wurden von dem Dogen, Pasquale Malipiero, so
hoch geschätzt, dass man ihm das Privilegium als alleinigem Drucker
auf venetianischem Territorium erteilte. Von diesem Privilegium,
das glücklicherweise für die Verbreitung der Kunst nur ein persön-
liches war, sollte er jedoch keinen Nutzen ziehen, indem er 1470
starb. Sein Bruder Johann Wendelin von Speyer setzte das Ge-
schäft fort und druckte viele elegante Klassikerausgaben; auch die
erste italienische Bibel. Er verband sich mit Johann von Köln
Nik. Jenson. (147 1 — 1487), der sich wieder später mit Nikolaus Jenson vereinigte.
Nach dem Erscheinen der Gutenbergschen Bibel war die
Kunst in Paris nicht unbeachtet geblieben. Auf direkte Veranlassung
des Königs Karl VII. erging am 3. Okt. 1458 eine Ordre an die
königlichen Münzmeister, einen erfahrenen Mann nach Mainz zu
senden, der die neue Kunst erlernen sollte. Die Wahl fiel auf
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IV. KAP. DIE VERBREITUNG DER KUNST IM AUSLANDE. 59
Nikolaus Jenson , einen geschickten Graveur, dem es auch wirk-
lich gelang, die Kunst sich zu eigen zu machen. Er kehrte jedoch
nicht nach Paris zurück, sondern ging nach Venedig, wo er als einer
der berühmtesten Buchdrucker von 1470— 148 1 wirkte. Er erkannte
sofort die grosse Verwendbarkeit der Römischen Schrift, dabei je-
doch auch die Mängel der vorhandenen Muster. Letztern half er ab,
gab der Schrift noch mehr Rundung und brachte die schöne „la- Die lateinische
Schrift.
teinische Schrift" zustande, die schnell zur allgemeinen Geltung
kam und noch in solcher steht und stehen bleiben wird. Jensons
Schrift wurde erst die venetianische genannt ; in den italienischen
Schriftproben heisst sie lettera antiqua tonda. Die Italiener behielten
den Namen Antico. Deutschland und das nördliche Europa be-
nannten sie Antiqua , Frankreich und Holland Romain (auch droit)
Romeyn, England Roman.
Um dem Geschmack der Zeit Rechnung zu tragen, schnitt
Jenson jedoch auch gothische Schriften, die sich ebenfalls durch ihre
Schönheit auszeichnen. Auch eine griechische Schrift, jedoch ohne
Versalien, rührt von ihm her. Seine Werke sind alle typographische
Meisterstücke. Er starb reich und angesehen im Sept. 1481; selbst
der Papst ehrte ihn und verlieh ihm den Titel eines Pfalzgrafcn.
Unter den deutschen Buchdruckern in Venedig gehört in die
erste Reihe Erhard Ratdolt (1476— 1486), der bereits oben Erhard Ratdoit.
unter den Augsburger Buchdruckern genannt wurde; sein „Euklid"
(1482) in gothischer Schrift und reich ornamentiert, gilt als ein
Meisterwerk ersten Ranges und verschaffte ihm nach vielen Seiten
den ehrenvollsten Ruf. Dieses Werk ist das erste mit mathema-
tischen Figuren ausgestattete. In den Prachtexemplaren davon
kommt auch zum erstenmale Golddruck vor. Seinen Kunstsinn
zeigte Ratdolt besonders durch Anwendung schön verzierter Initialen,
die unter dem Namen littercs florentes bekannt sind, und durch seine
sehr fein in Holzschnitt ausgeführten Randverzierungen. Er war
zugleich der erste, der Titelblätter in modernem Sinn allgemein
aufnahm. Auch musikalische Werke mit beweglichen Typen führte
er aus. Im Jahre i486 folgte er dem Rufe des Bischofs Johann von
Werdenberg und kehrte nach Augsburg zurück, wo er nur bis 15 16
wirkte, wenigstens finden sich nach dieser Zeit keine Spuren einer
geschäftlichen Thätigkeit.
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Co
DIE VERBREITUNG DER KUNST IM AUSLANDE. IV. KAP.
Noch ist Christoph Valdarfer , der später nach Mailand
Christoph Val- übersiedelte, zu nennen. In Venedig druckte er noch das Decamc-
darfer.
rotte des Boccaccio, von welchem ein Exemplar im Jahre 1812 nach
dem Tode des Herzogs von Roxburgh fiir 2260 £ Sterl. (über
45000 Mk.) verkauft wurde, die höchste Summe, die je für ein
Buch gezahlt wurde.
Am Schluss des Jahrhunderts (1494) ging noch ein typogra-
Aldus Pius phischer Stern erster Grösse in Venedig auf: ALDUS Pius Manu-
TIUS, dessen Glanz die nächste Periode erfüllt. Zu dieser Zeit waren
gegen 1 50 Druckereien auf einmal in Venedig in Betrieb. Uber
3000 Werke hatten bis dahin hier das Licht erblickt. Nimmt man
die Auflage eines Werkes durchschnittlich auf nur 300 Exemplare
an, und jedes Werk durchschnittlich zu zwei Bänden, so macht dies
gegen zwei Millionen Bände.
Das Städtchen FOLIGNO im Kirchenstaate ist durch Zufall zu
joh. Numcistcr. einer typographischen Rolle gekommen. Johann Numeister, ein
Schüler Gutenbergs, suchte sein Glück in Italien und kam auf seiner
Reise nach Rom durch Foligno. Ein angesehener Bürger dort,
Emilianus de Orfinis, veranlasste ihn (1470), seine Presse in Foligno
aufzuschlagen. Im Jahre 1472 erschien seine Prachtausgabe von
Dantes Divina commedia. Numeister verwendete anfänglich die
römische Schrift, später eine gothische, der Gutenbergschen Bibel-
schrift ähnliche.
MAILAND und FLORENZ bekamen die ersten Pressen durch
Mailand. Eingeborene. Über die Einführung in Mailand ist viel gestritten
worden; es scheint jedoch unzweifelhaft, dass sie durch Philippus
Florenz. DE Lavagna (1469) geschah. In Florenz lebte ein Goldschmied,
Bern. Ccnnini. Bernardo Cennini, der mit an Ghibertis berühmten Thüren ge-
arbeitet hatte. Es schmerzte ihn, dass Italien gänzlich von Deutsch-
land in der Buchdruckerkunst abhängig sein sollte. Er studierte des-
halb genau die Drucke und Manuskripte und ging nun selbst daran,
Stempel, Schriften, Pressen u. s. w. herzustellen, was ihm zwar ge-
lang, jedoch unter solchen Opfern, dass er bald wieder zu drucken
aufhören musste. Es scheint, als habe er die griechischen Schriften
für den Homer geliefert, womit Demetrius Chalcondylas , ein von
Candia ausgewanderter Grieche, im J. 1488 hervortrat Es dauerte
> F. Fantozzi, Nothie di B. Cennini. Florenz 1839.
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IV. KAP. DIE VERBREITUNG DER KUNST IM AUSLANDE. 6l
aber nicht lange, dass kunsterfahrene Deutsche nach Florenz kamen,
darunter Nikolas von Breslau, der 1477 Bellinis Monte Sancto
di Dio druckte, das erste Werk mit Illustrationen in Metallplatten,
da Sweynhcims Ptolomäus noch nicht erschienen war. Noch bedeu-
tender ist seine Ausgabe von Dante. Die Wirksamkeit der berühmten
Familie Giunta gehört der folgenden Periode an.
Nach GENUA kam als erster Drucker Matthias Moravus
(„aus 01mütz u , 1474), die Schreiber petitionierten jedoch gegen die Genua und an-
Konkurrenz und Moravus ging nach Neapel. In SONCINO druckte
Abraham Colorito 1488 eine schöne hebräische Bibel mit reichen
Ornamenten und Einfassungen. Die erste Offizin Siciliens wurde
in MONTREALE bei Palermo 1472 angelegt. In FANO druckte
15 14 Gregor Gregorio das erste arabische Buch.
Fünf Jahre nach der Ankunft Sweynheims und Pannartz' in
Subiaco war die Kunst überall in Italien und zwar fast nur durch
Deutsche eingeführt.
SPANIEN \ Obwohl die Gelehrsamkeit und die Wissenschaften
in Spanien hoch in Ehren gehalten wurden, so fand die Einführung Spanien,
der Buchdruckerkunst doch verhältnismässig spat statt. Sie geschah
dort, wie fast überall, durch Deutsche, die Lehrlinge unter den Ein-
geborenen ausbildeten, bis diese nach und nach die Plätze der Lehr-
meister einnahmen.
Trotz aller inneren Kriege und der Strenge der geistlichen
Zensur muss die Buchdruckerkunst doch manche Aufmunterung
seitens hochgestellter und wissenschaftlich gebildeter Männer ge-
funden haben. Früher wurde allgemein die Historia Hispanica des
Roderic Sanctius de Arevalo, Erzbischofs von Valencia, als das erste
in Spanien gedruckte Werk betrachtet; es stammt jedoch aus den
Pressen von Ulrich Han in Rom. Nachdem im J. 1470 VALENCIA Valencia,
eine Universität erhalten hatte, Hess die Druckkunst nicht lange auf
sich warten. Das älteste dort gedruckte Buch ist mutmasslich die,
* Francesco Mkndkz, Tipograßa espanda. 2. Ed. Madrid 1861 — 66. —
J. F. Nee de la Rochelle , Recherches historiqua et critiaues sur VitablUs. de l'art
typographique en Espagne et en Portugal. Paris 1830. — Vincent Salva, Catalogue of
Spanish and Portuguese books. 2 vols. London 1826— 1829. — Deutsche Buchdrucker
des xv. u. XVI. Jahrh. in Portugal (Augsb. Allgem. Zeit. 1878, Nr. 49)-
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DIE VERBREITUNG DER KUNST IM AUSLANDE. IV. KAP.
1474 erschienene Sammlung von 36 Gedichten zur Ehre der heiligen
Jungfrau; 1475 folgten ein Sallust und ein Dictionarium ünguce la-
tince in fol. ; sämtlich ohne Nennung des Druckers.
Der erste datierte Druck ist eine Biblia sacra in fol. von
Lamb. Paimcrt. LAMBERT PALMERT (Palomar) , einem Deutschen , begonnen im
Febr. 1477, beendigt im März 1478. Von diesem Werk sind nur
die vier letzten Blätter in einem Exemplar in den Archiven des Domes
zu Valencia entdeckt worden. Wahrscheinlich ist die Auflage nach
geistlicher Ordre auf das gründlichste vernichtet. Als Protektor
oder Mitarbeiter Palmerts wurde der ausgezeichnete Astronom
Alfons Fernandes von Cordova genannt. Palmert druckte bis 1494,
um weiche Zeit sich nicht wenige deutsche Drucker in Valencia
etablierten.
Aus SARAGOSSA findet sich ein, 1475 von MATTHIAS
Saragossa. Flander, wahrscheinlich einem fahrenden Buchdrucker, geliefertes
Buch: Guidonis de Monte-Rocherii, manipulus ettratorum vor. Der
erste, fest in Saragossa etablierte deutsche Buchdrucker war PAULUS
Huros aus Constanz (1485— 1499).
In SEVILLA traten die ersten einheimischen Buchdrucker:
Sevilla. Anton Martinez, Bartholomäus Segur und Alphons del
Puerto zusammenwirkend auf zum Druck eines Sacramentale. 1480
fällt schon der Name Martinez weg; 1482 ist Alphons del Puerto
allein zurück. Später folgen mehrere Deutsche, als: Paul VON KÖLN,
und Joh. Pegnizer aus Nürnberg. Das Tribunal der Inquisition
hatte i. J. 1 500 eine eigene Druckerei, aus welcher die Ordonnanzen
des Grossinquisitors Didacus Deca hervorgingen.
Aus BARCELONA ist mutmasslich : Th. von Aquino, commen-
Barceiona, tar. in Ubros rihkor. AristotcUs von Petrus Brunus et Nicolaus
Sfindeler (1478) das erste Buch. SALAMANCA zeigt trotz seiner
berühmten Universität erst zu Ende des XV. Jahrh. Drucke auf.
Unter Basel wurde bereits mitgeteilt, dass Friedr. Biel nach
BURGOS ging und dort 1485— 15 17 druckte. Er war ein sehr
tüchtiger und erfahrener Mann.
In dem Kloster auf dem Berge MONSERRAT druckte ein
Deutscher JOH. Luschmer in den Jahren 1499 — 1500, und ging
dann nach Deutschland zurück. Madrids Buchdruckergeschichte
gehört der folgenden Periode an.
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IV. KAP. DIE VERBREITUNG DER KUNST IM AUSLANDE. 63
PORTUGAL verdankt den Juden die Einführung, den Deutschen Portugal,
die Fortbildung der Druckerkunst. Die portugiesischen Juden wurden
seit jeher von ihren Stammesgenossen als eine Art Aristokratie be-
trachtet und hatten zu Ende des XV. Jahrhunderts durch ihre Bildung
und Wohlhabenheit eine grosse Bedeutung erlangt.
Der Jude Mestre {Magister) Abraham d'Ortas druckte 1484
zu LEIRIA den Almanach. perpetuus ecclesiasticus astronomi Zacubi,
den ältesten Druck Portugals. Ob der Sephar Orach Chaim (1485)
in Leiria oder in Ixar in Spanien gedruckt wurde, ist wohl nicht ganz
zu entscheiden. 1489 druckten die Rabbis Eliezer und Samuel
Zorba in Lissabon des Rabbi Mosis Nachmanidis hebräischen
Kommentar zum Pentateuch und das Sepher Thephilod (1495).
Eliezers Sohn ZACCHÄUS setzte das Geschäft fort.
Um für den Druck christlicher Werke nicht auf Juden an-
gewiesen zu sein, liess die Königin Eleonora, Gemahlin Johanns II., Valentin
aus Mahre
die Buchdrucker Valentin aus Mähren (Valentin de Moravia
oder Valentin Femandes Allemäo) und NIKOLAUS AUS Sachsen
nach LISSABON kommen. Valentin wirkte von 1495— 1 513 und wird
servidor e empremidor de sua Alteza genannt. Er nahm durch seine
Bildung eine angesehene Stellung ein, ward Sekretär für die latei-
nische Korrespondenz des Königs, Dom Manuel, und verfasste nach
den Berichten des Seefahrers Diego Gomes zwei Schriften über
dessen Reisen. Als 1496 das Edikt erschien, nach welchem es jedem
NichtChristen unter Todesstrafe verboten wurde, im Lande sich auf-
zuhalten, mehrte sich die Arbeit seiner Pressen, auch gaben die
umgestalteten Justizverhältnisse, der rasch steigende Handelsver-
kehr und die Kolonialverwaltung, sowie die rege Missionsthätigkeit
für die Kolonien viel zu thun. Eine seiner ersten Arbeiten war die,
im Verein mit Nikolaus von Sachsen gedruckte Vita Christi des
Karthäusermönches Ludolfo de Sachsonia (1495), welche auf
direkte Veranlassung der königlichen Familie unternommen wurde.
Nur ein einziges vollständiges Exemplar in der Lissaboner Biblio-
thek existiert. Unter den vielen Werken Valentins befindet sich eine,
von ihm selbst besorgte Übersetzung der Reisen des Marco Polo.
Nach 1506 verringert sich seine Thätigkeit und sein Name ver-
schwindet 1 5 1 3, ohne dass es bekannt ist, ob Tod, Geschäftsaufgabe
oder Rückreise Veranlassung gewesen.
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DIE VERBREITUNG DER KUNST IM AUSLÄNDE.
IV. KAP.
Im Jahre 1 509 hatte sich Hermann von Kempen (Armäo de
Hermann von Campos, A/emä)\n Setuval niedergelassen. Später zog er nach Lissa-
in Sc1i1v.1i. bon mit dem Titel empremidor und bombardeyro d' El Ret. Die Bom-
bardiere bildeten eine aus hundert Mann bestehende Leibgarde des
Königs, die viele Vorteile, als Freiheit von Steuern, von) Kriegsdienst,
von Einquartierung, ausserdem einen nicht geringen Sold hatte. Da
hauptsächlich Metallarbeiter, die selbst ihre Munition anfertigen
konnten, wozu sie das Rohmaterial erhielten, in diese Garde gewählt
wurden, so ist Hermanns Beruf als Schriftgiesser wahrscheinlich
bei seiner Aufnahme bestimmend gewesen. Sein Hauptwerk ist das
von Garcia de Resende herausgegebene Cancioneiro Gera/, ein be-
rühmtes Liederbuch, das die Poesien von 275 höfischen Dichtern
enthält. Der Druck ist sauber und geschmackvoll in gothischer Schrift.
Von diesem Buch sind nur ganz wenige unverstümmelte Exemplare
übrig geblieben. Der König, Dom Fernando, übersandte das in
seinem Besitz befindliche dem Stuttgarter Verein der Bücherfreunde
behufs einer von, Dr. v. Kausler 1846— 1849 veranstalteten Aus-
gabe, welche dieses wichtige Werk der portugiesischen Nation er-
halten hat.
Als Valentins Wirksamkeit zu stocken begann, berief der
Andere deutsche König, Dom Manuel, Jakob Krom BERGER aus Sevilla nach Lissabon
(1508) und verlieh ihm, wie allen fremden Buchdruckern, die sich in
Portugal niederlassen wollten, den Titel Ritter des königlichen
Hauses. Sie mussten jedoch den Besitz von 2000 Dublonen in
Gold nachweisen und Altchristen {christaos velhos) sein.
Ob Johann Gerling, der 1494 in BRAGA druckte, auch
auf königliche Veranlassung berufen wurde, oder ob er ein fahren-
der Buchdrucker war, lässt sich nicht bestimmen. Das von ihm
gedruckte Brevier von Braga, seine einzige Leistung, ist deshalb
besonders wichtig, weil es die Gebete und Hymnen nach dem Ritus
der Mosaraber, einer Christengemeinde, die unter der Maurenherr-
schaft fast ohne jede Verbindung mit Rom fortbestanden hatte,
enthält. Schliesslich siedelte noch im xvi. Jahrhundert JOÄS BLAVIO
DE CoLONlA AGRIPPINA (i 554) als Hofbuchdrucker nach Lissabon
über und druckte (bis 1556) 36 Werke.
Die älteren portugiesischen Drucke gehören zu den grossten
bibliographischen Seltenheiten. Unter 739 Inkunabeln der Lissaboner
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IV. KAP. DIE VERBREITUNG DER KUNST IM AUSLANDE. 6$
Bibliothek sind nur 4 portugiesische. Die Bibliothek zu Oporto zählt
109 Inkunabeln, davon bloss 2 portugiesische.
Dass FRANKREICH 1 , wo die Universität PARIS eine so
grosse Anziehungskraft auf die ganze wissenschaftliche Welt aus- Paris,
übte, mit der Einfuhrung der Buchdruckerkunst zurückblieb , muss
hauptsächlich den ungünstigen politischen Verhältnissen nach dem
Tode Karls VII. und der Thronbesteigung seines grausamen Sohnes
Ludwigs XI. zugeschrieben werden, obwohl dieser, nach seiner Art,
ein Freund der Wissenschaft war. So begünstigte er unter anderen
auch Jean FoüCHET von Tours, den bedeutendsten Illuminator da-
maliger Zeit, dessen Miniaturen injosephus' „Jüdischen Altertümern"
in ihrer Art unerreicht sind. Dass der König an Schöffer einen Ersatz
von 2425 Thaler für sein, von dem Gerichte mit Beschlag belegtes
Bücherlager gewährte, zeugt auch von Interesse für die Kunst.
Der Anblick der gedruckten Bücher, die gebotene Möglichkeit,
z. B. eine gedruckte Bibel für 50 Kronen kaufen zu können, ver-
anlasste Wilhelm Fichet, Doktor an der berühmten theologischen
Fakultät, der sogenannten Sorbonne, den Rektor der Universität
Johann Heinlein, nach seinem Geburtsort Stein bei Constanz Johann
von Stein genannt, zu bewegen, für die Einführung der Kunst
Schritte zu thun Stein berief demzufolge seinen Landsmann
ULRICH GERING aus Constanz nach Paris. Gering, der die Kunst Ulrich Gering,
in Mainz gelernt hatte, brachte Martin Crantz von Basel und
MlCHEL FRIBURGER von Colmar mit sich und errichtete die erste
Buchdruckerei Frankreichs in den Gebäuden der Sorbonne. Das
erste Buch, welches dort gedruckt wurde, waren die Briefe von
Gasparino di Bergamo (1470), denen später ein rhetorisches Werk
Fichets und mehrere Klassikerausgaben mit Kommentaren von
Stein folgten. Für diese Werke gediente sich Gering, vielleicht unter Buchschriften in
dem Einflüsse seiner Gönner von der Sorbonne, einer, der römischen
Type Jensons ähnlichen Schrift. Als er aber später die Räume der
Sorbonne verliess und seine Offizin nach dzrrueSt. Jacques verlegte,
nahm er die allgemein beliebte gothische Type an, die man AlU-
mand, oder auch, nach den gebrochenen Ecken, lettres de forme
» P. Lacroix, E. Koürnier et F. Ser£, Hut. de Pimpr. et des arts et professions,
qui se rattachenl ä la typogr. Avec fig. Paris 1852.
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DIE VERBREITUNG DER KUNST IM AUSLÄNDE. IV. KAP.
nannte. Die kleinere Schrift, mit der man Schulbücher druckte,
wurde nach der : Summa St. Thomce, einem solchen Buche, lettres de
somme genannt. Die grossem Anfangsbuchstaben hiessen lettres
cadc au. x. die runden Anfangsbuchstaben der Kapitel lettres tourneurs.
Die gothische Schrift wurde auch von Peter Kaiser {Caesaris) und
Johann Stoll, ebenfalls zwei Deutschen, die sich kaum drei
Jahre nach Gering in Paris etabliert hatten , angewendet. Später
bildete sich eine halbgothische Schrift aus, bis Jod. Badius 1501
die römische Type wieder einführte, die nun endgültig die herr-
schende blieb.
Durch das Beispiel mit Schöffers Faktor klug geworden, hatte
Gerings wirken. Gering schon 1474 um Naturalisation nachgesucht, dfe ihm auch
gewährt wurde. Crantz und Friburger gingen 1478 wieder nach
Deutschland zurück und Gering nahm später BERTHOLD Remboldt
zum Teilnehmer, dessen Virgil so sorgfältig korrigirt war, dass
er als fehlerfrei gilt. Ein Meisterwerk ist sein Corpus juris canonici, in
fünf Spalten, mit verschiedenen Schriften, rot und schwarz, gedruckt.
Gering erwarb sich ein bedeutendes Vermögen und vermachte das-
selbe bei seinem Tode (15 10) grösstenteils der Sorbonne.
Das erste „französisch" in Frankreich gedruckte Buch Les
grandes chroniques de la Frafice stammt nicht aus Gerings Presse,
sondern wurde 1476 von PASQU1ER BONHOMME gedruckt. Einmal
aufgenommen, verbreiteten sich die Buchdruckereien rasch, es sind
deren bis zum Jahre 1 500 in Paris 66 bekannt.
In LYON führte BARTHOLOMÄUS BUYER die Kunst (1473)
Lyon. ein. Das erste Werk war das „Compendium" des Kardinal Lothar.
Der eigentliche Drucker war jedoch nicht Buyer, sondern WlLH.
LEROY, trotz des französischen Namens wahrscheinlich ein Deutscher
(König). Mit dem Jahre 1477 verschwindet dieser Name und kommt
erst 1488 wieder zum Vorschein. Einen bedeutenden Platz nimmt
joh. Trcchsei. Joh. TRECHSEL ein, der, selbst ein gelehrter Mann, mit einer grossen
Zahl von Gelehrten auf dem besten Fusse stand. Seine Tochter
Thalie, die eine gelehrte Erziehung, wie es mit den Töchtern der
Buchdrucker damaliger Zeit öfters der Fall war, genossen hatte,
war mit dem berühmten Buchdrucker Joh. Badius verheiratet, der
zusammen mit Joh. Lascaris als Korrektor für Trechsel gewirkt
hatte.
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IV. KAP. DIE VERBREITUNG DER KUNST IM AUSLANDE. 67
Die Druckkunst nahm in Lyon einen sehr schnellen Auf- Grosse Heden-
tunjj L y o ns *
schwung und die Stadt hatte zu Ende des XV. Jahrhunderts schon
50 Buchdruckereien, aus denen gegen 400 Werke hervorgegangen
waren. Viele hunderte von Setzern, Druckern und Giessern fanden
dort Beschäftigung. Die Mehrzahl der Drucker waren deutschen
Ursprungs. Die Papiermühlen produzierten grosse Quantitäten des
vortrefflichsten Papiers. Der Buchhandel in der freien Messstadt
Lyon war ein sehr bedeutender, welches damals dem Buchhandel das
war, was ihm Leipzig heute ist, und mit Ausnahme von Venedig
lieferte keine Stadt dem Buchhandel eine grössere Zahl von Büchern.
Von dem Nachdruck hielt sie sich nicht frei, namentlich hatte Aldus
unter diesem zu leiden.
Nach BORDEAUX brachte MlCHEL SviRLER aus Ulm i486
die Druckerkunst.
In den NIEDERLANDEN druckte wahrscheinlich DlERlK
Martens 1 1473 zu AALST in Ostflandern das erste Buch, jedoch Dicrik Martens,
noch lange erhielt sich die Anfertigung der Manuskripte neben dem
Druck von Büchern, die sich mit ihren rohen, ungeschlachten Holz-
schnitten nicht mit den prachtvollen Miniaturen messen konnten.
Ein Zentralpunkt der Manuskriptmanufaktur war die reiche Handels-
stadt BRÜGGE. Kunstlosere Manuskripte wurden zu sehr billigen Kunstlcben in
Brügge.
Preisen hergestellt, während die kostbar ausgestatteten einen hohen
Wert behielten. Jacques Raponde erhielt z. B. 500 Goldkronen für
La legende doree, ystorie de belle s ystories. Ein Werk mit Miniaturen
illustrieren, die sich auf den historischen Inhalt bezogen, nannte man
historier, die Bilder selbst hiessen histoires. Eine grosse Stütze
fanden die Illuminatoren in dem kunstsinnigen Burgundischen Hofe, d« B i "g un -
namentlich war der mächtige Herzog Philipp der Gute ein grosser
Liebhaber, der überall seine Agenten hatte, um seltene Bücher zu
erwerben; auch unterstützte er die Umarbeitung älterer Werke in
das neuere Französisch. Fraglich ist es sogar, ob er nicht die neue
Kunst zuerst in Belgien einführte. Raoul le Fevre hatte eine Be-
arbeitung der Iliade: Histoires de Troyes, geschrieben und 1464
» J. DE Gand, Recherehes sur la vie de. de Thierry Martens. Aalst 1845. —
A. F. van Iseghem, Biogr. de Th. Martens. 2. Ed. Aalst 1856. — J. W. Holtrop,
Th. Martens. Haag 1867.
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DIE VERBREITUNG DER KUNST IM AUSLANDE. IV. KAP.
dem Herzog ein prachtvolles Exemplar überreicht. Es fand so
vielen Beifall , dass die Schreiber und die Illuminatoren nicht genug
Exemplare schaffen konnten, und es ist nicht unmöglich, dass das
Werk unmittelbar am Hofe des Herzogs gedruckt wurde. Karl der
Kühne, der Sohn und Nachfolger Philipps, war zwar auch ein Freund
schön ausgestatteter Manuskripte, aber seine kriegerischen Unter-
nehmungen machten es ihm unmöglich, den Künsten des Friedens
dieselbe Unterstützung zu gewähren , wie es sein Vater gethan.
In Brügge war ein hervorragendes Mitglied der Künstlergilde,
CoUrd Maiwion. Colard Mansion der Gründer der ersten Presse (1476). Er war
als Illuminator, Autor und Drucker thätig und bediente sich in seinen
Drucken einer eigentümlichen, nach französischen Handschriften
gebildeten, semigothischen Type. Die holländischen Schriften da-
maliger Zeit waren im ganzen sehr roh. Nur Richard Paff in De-
venter zeichnet sich durch eine schöne nationale Schrift {Dutts) aus,
die den Leistungen des berühmten Schriftschneiders Fleischmann im
xvm. Jahrhundert wenig nachsteht.
In DEVENTER entstand auch die Vereinigung der BRÜDER
uic Brüder de* DES GEMEINSAMEN LEBENS, welche um die Verbreitung des Sinnes
gemein*. Üben*. .. .
für Bücherwesen und Buchdruckerkunst wesentliche Verdienste sich
erworben hat. Zu den Städten, die durch ihre Beteiligung bei dem
Bunde der Hansa eine Bedeutung erlangt hatten und wo ein frisches
Leben blühte, gehörten die drei Hauptorte Oberyssels: Deventer,
Zwolle und Kampen. Namentlich genoss Deventer ein gutes
Ansehen.
Hier lebte Gerhard Groote {Gerhardus magnus) 2 , geboren
1340 aus einer dortigen Patrizier-Familie. Gerhard bildete sich erst
in Paris, dann in Köln aus, trieb scholastische Philosophie, Gottes-
gelahrtheit und Magie und lehrte in uneigennützigster Weise unter
einem ansehnlichen Zulauf. Da fasste er plötzlich den Entschluss
der Welt abzuschwören , ohne jedoch in einen geistlichen Orden zu
treten, denn er wollte „keine Seele eines Menschen auf seine Ver-
antwortlichkeit nehmen". Öffentlich verbrannte er seine kostbaren
1 v. Praet, Notice sur C. Mansion. Paris 1829. — C. Mansion et /es imfrimeurs
Brugeois du XV siecle. Brügge 1848.
* G. H. M. Delpkat, Verhandding over de Brocierschap van G. Groote etc. Ut-
recht 1830. In deutscher Bearbeitung von Dr. G. Mohnike. Leipzig 1840.
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IV. KAP. DIE VERBREITUNG DER KUNST IM AUSLANDE. 69
magischen Bücher und nahm ein einfaches Diakonat an, welches
ihn berechtigte öffentlich zu lehren.
Seine Hauptaufgabe ward es nun, den, das Volk verdummen-
den Einfluss der Bettelmönche zu untergraben. Seine Predigten in Gcrh. Crootc.
Deventer und an anderen Orten waren so stark besucht, dass die
Kirchen die Menge nicht fassen konnten und er im Freien reden
musste. Selbstverständlich war die Wut der Bettelmönche gegen
ihn eine grosse, und es gelang ihnen auch, ein Verbot gegen das
Predigen Grootes zu erwirken. Dieser unterwarf sich demütig, um
durch Übersetzen und Unterweisung der reiferen Jugend zu wirken.
Er lehrte seine Schüler Bücher abzuschreiben und damit etwas Geld
zu ihrem Unterhalte zu verdienen. Bei der steigenden Arbeit hatte er
in Floris Radewynzoon [Florentinus Radcwini) eine vortreffliche
Stütze. Was dieser mit den Schülern verdiente gab er an Groote
ab. „Was hindert uns" — rief Florentinus einmal aus — , „dass wir
und diese Brüder vom guten Willen {fratres bona voluntatis) die
Früchte unserer Arbeit zusammenlegen und uns als Brüder zu einem
frommen gemeinsamen Leben {fratres vita communis) verbinden?"
Hiermit war der Gedanke einer freiwilligen Vereinigung ohne
klösterliches Gelübde ausgesprochen, um zugunsten der Bildung
und der Wissenschaft die Zeit zu verwenden und das Erworbene
in eine gemeinschaftliche Kasse niederzulegen, aus welcher die Be-
dürfnisse aller bestritten wurden. Auch eine gleichmässige Kleidung
bezeichnete die Brüder als solche.
Groote selbst sollte die eigentliche Ausbildung der Gesellschaft
der Brüder nicht erleben ; er starb, indem er liebevoll andere pflegte,
an der Pest am 20. Aug. 1384. Die Stiftung in Deventer hob sich
mehr und mehr. Florentinus fand in dem gebildeten Gerhard von
Zütphen eine wesentliche Hülfe. Andere Städte folgten dem Beispiel
Deventers, so Delft und Münster. Der Neid veranlasste Verfolgungen;
die Brüder wurden bei dem Papste Martin V. als der Todsünde
schuldig, als Mörder und als falsche Propheten denunziert, jedoch
freigesprochen, und eine Bulle Eugens IV. aus dem Jahre 143 1 be-
drohte denjenigen , der dem Wirken der Brüder etwas in den Weg
legte, mit dem Banne.
Nach der Erfindung der Buchdruckerkunst nahmen die Brüder,
statt des Abschreiben^ das Drucken in die Hand und erwarben sich
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DIE VERBREITUNG DER KUNST IM AUSLANDE. IV. KAP.
namentlich in Holland, in Westfalen und in den Nordwestmarken
Deutschlands grosse Verdienste um die Anlegung von Druckereien.
In Deventer, wo die Schule zum Schluss des ersten Drittels des
XVI. Jahrhunderts ihre höchste Blüte erreichte, war dies zwar nicht
der Fall, vielleicht weil Paffs Druckerei einen ausgezeichneten Rang
einnahm, dagegen in Gouda, Brüssel, Löwen, an welchem letzteren
Ort die Druckerei jedoch nicht reüssierte, sodass die Brüder sich
wieder dem Abschreiben zuwendeten 1 .
HAARLEM erhielt 1483 seinen ersten Buchdrucker JAKOB
Haarlem. BELLAERT. Nach einem langen Zeiträume, in welchem Haarlem
Kostcr-Lcgcndo. keine Buchdruckerei hatte, assoeiiert sich 1 561 Jan van ZüREN mit
DIRK VüLCKHARTS Coornhert zur Errichtung einer solchen. In
einem Empfehlungsschreiben an den Rat zu Haarlem vindiziert
letzterer der Stadt die Ehre der Erfindung und auch sein Socius
erzählt hiervon, jedoch ohne den Namen des Erfinders zu nennen.
Zu diesen gesellt sich ein Florentiner Luigi Guicciardini , der sich
1550 in Antwerpen aufhielt und eine Beschreibung der Niederlande
herausgab, in der viele Erzählungen von Meermännern und Meer-
weibern, die in Haarlem gelebt haben, enthalten sind. Auch dieser
berichtet, dass die Buchdruckerkunst in Haarlem erfunden sei, lässt
jedoch die Wahrheit dahingestellt.
Diese Nachrichten wurden nun oft nachgeschrieben und jeder
neue Abdruck als ein neuer Beweis für Haarlem ausgebeutet. Indes
wären diese Mythen wahrscheinlich längst vergessen, wäre nicht
Hadrianus Junius {Adrian de Jongke), Doktor und Rektor zu Haar-
lem, aufs neue als Vertreter der Erfindungsrechte Haarlems aufge-
treten und zwar unter genauer Angabe des Namens, Zunamens, der
Wohnung des Erfinders und der Jahreszahl der Erfindung. In seinem,
auf Veranlassung der Deputation der Stände von Holland geschrie-
benen Werke: Batavia, das von grossartigen Fabeln wimmelt, er-
zählt er, dass Laurenz, Johanns Sohn, mit dem Beinamen
KOSTER (Küster), beim Spazierengehen in einem Wäldchen bei
Haarlem Buchstaben aus Baumrinde als Spielzeug für seine Enkel
geschnitzt habe. Ein zufälliger Abdruck eines solchen Buchstabens
» Dass die „lirüdcr des gemeinsamen Lebens", nach ihren hohen Kopfbedeck-
ungen auch „Kogelhcrren" genannt, die früher Gutenbergische Druckerei nach
Bechtcrmünzcs Tod erwarben, lasen wir schon S. 35.
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IV. KAP. DIE VERBREITUNG DER KUNST IM AUSLANDE. J\
veranlasste ihn, der ein Mann von grossem Verstand war, mit seinem Kostcr-Lcgcnde.
Schwiegersohne Thomas Peter weitergehende Entwürfe zu machen
und schliesslich die Buchdruckerkunst in optima forma zu erfinden
und zu betreiben.
Das Geschäft erweiterte sich und warf reichlichen Gewinn ab.
Unter seinen Gehülfen befand sich jedoch ein ungetreuer Diener,
„Johannes, wahrscheinlich Faust". Dieser steckte am Christabend,
während der Meister und seine Familie in der Kirche war, die Offizin
in den Sack, und fort war er, als man nach den Feiertagen die
Druckerei wieder eröffnete. Hadrianusjunius erinnert sich ganz genau,
dass ein alter ehrwürdiger Mann mit langen weissen Haaren, Namens
Nikolaus Gelius, erzählt habe, wie „er" sich wieder erinnere, in
„seiner" Jugend von einem gewissen Buchbinder, Cornelius, damals
ein Mann von 80 Jahren, die Geschichte gehört zu haben, und dass
letzterer, wenn er von dem Räuber erzählte, jedesmal bitterlich ge-
weint habe.
Das ist die Koster- Legende, die so viele Federn in Bewegung
gesetzt, so viele Bitterkeit hervorgerufen und Kosters Manen zwei
öffentliche Denkmäler eingebracht hat Die Holländer haben , wie
aus dem nächsten Abschnitt hervorgehen wird, so viele wahrhaft
grosse Verdienste um die Buchdruckerkunst, die von der ganzen
gebildeten Welt freudig anerkannt werden , dass sie ohne Nachteil
ihren Koster-Missgriff zugeben können *.
Nachdem über die Einfuhrung der Kunst in ENGLAND
vieles hin und her gestritten worden, kann es jetzt als feststehend
betrachtet werden, dass sie im Jahre 1477 durch Caxton stattfand.
William Caxton 2 wurde in der Grafschaft Kent geboren, wuium caxton.
Da er im Jahre 1438 bei einem der angesehensten Kaufleute der City,
Robert Large, in die Lehre kam und eine solche Lehre gewöhnlich
1 G. Meermann, Or igines typr. 2 Bde. Haag 1765. Ausserdem eine grosse
Anzahl mehr oder weniger wertvoller Parteischriften, deren Aufzählung nur für
wenige Leser Interesse haben dürfte.
2 W. Blades, The biogr. and typogr. 0/ W. Caxton, 2., einfachere Ausg. London
1877. — W. Blades, How totell a Caxton. London 1870. — Caxton Cdebraäon 1877.
London 1877. — F. C. Price, Farsimüa illustrating the labours of IV. Caxton. London
1877. — Fast alle Hauptwerke Caxtons sind entweder in typographischen oder in
photographischen Reproduktionen erschienen.
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72 DIE VERBREITUNG DER KUNST IM AUSLANDE. IV. KAP.
■
sieben Jahre dauerte und mit dem 24. Jahre endigte, so ist, wenn
wir diese Zahlen für Caxton gelten lassen, sein Geburtsjahr etwa 142 1 .
Nach der Vermählung des Herzogs von Burgund, Karl des
Caxion am Bur- Kühnen, mit der Schwester Edwards IV. von England, Margaretha,
gundischcn Hof
war es das eifrigste Bemühen der englischen Regierung, die zum
Nachteil beider Länder erloschenen Handelstraktate wiederherzu-
stellen. Caxton, der in Brügge lebte, wo die Engländer eine „Nation"
bildeten und eine angesehene Stellung als Geschäftsmann und Gou-
verneur (etwa Konsul) einnahm , war einer der drei Abgeordneten,
die zum Zweck der Unterhandlung nach dem Burgundischen Hof-
lager gesandt wurden, wo er bald eine persona grata wurde, die
namentlich bei der Herzogin so hoch in Gunst stand, dass sie ihn
bewog, in ihren Dienst zu treten. In diesem fand Caxton Müsse
genug, mit litterarischen Arbeiten, denen er stets zugethan ge-
wesen, sich zu beschäftigen. Im Jahre 1469 begann er die Über-
setzung des schon erwähnten Buches Raoul le Fevres : Histoires de
Troyes und auch die englische Übersetzung fand, wie das Original,
so grossen Beifall, dass Caxton den Entschluss fasste, es durch den
Druck vervielfältigen zu lassen. So erschien in den Jahren 1473 bis
Das cme eng- 1474 im Druck das erste englisch geschriebene Buch : The recuyell
uschc Buch. Q f the historyes 0 j- Troyt 35I Folio -Seiten. Früher hielt man all-
gemein dafür, dass dies Buch den Pressen Ulrich Zells in Köln ent-
stamme, doch sprechen viele äussere und innere Zeichen dafür,
dass es ein Werk Colard Mansions in Brügge sei. Während des
Druckes seiner Übersetzung scheint nun Caxton sich mit der Technik
der Buchdruckerkunst vertraut gemacht zu haben und der Entschluss
bei ihm gereift zu sein, seinem Vatcrlande die Kunst zuzuführen.
Nach einer Abwesenheit von 35 Jahren kehrte er nach LONDON zu-
rück, den kostbaren Schatz einer Druckerei - Einrichtung mit sich
führend.
Das erste Buch von Caxton, welches von ihm mit einem voll-
caxton* Thatig- ständigen Impressum versehen wurde, ist: The dictes and sayings
keit in London.
of the philosophers, das im November 1477 erschien. Seine Offizin
war in Westminster gelegen, jedoch nicht in der Abtei selbst.
15 Jahre wirkte er noch als Drucker, zugleich als Übersetzer und
Bearbeiter eines grossen Teils der von ihm gedruckten Schriften,
deren Zahl 94 beträgt inkl. 7 Drucke, die er bereits in Brügge hat
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IV. KAP. DIE VERBREITUNG DER KUNST IM AUSLANDE.
73
ausfuhren lassen, und 3, die erst nach seinem Tode erschienen. Da c-ixton* Thstig-
. ., . kcit in London.
unter diesen nicht weniger als 33 Unica sind, zumteu nicht einmal
im vollständigen Zustande, so ist anzunehmen, dass die Zahl der
Erzeugnisse seiner Pressen eine noch wesentlich grössere gewesen
ist. Die umfangreichsten sind: Chaucers Canterbury tales in zwei
Auflagen von je 742 und 622 Seiten; Polychronicon, 890 Seiten;
The noble history of King Arthur, 862 Seiten ; und The golden Le-
gend, 892 Seiten. Letzteres mit vielen Illustrationen versehene
Buch, von dem kein vollständiges Exemplar erhalten wurde, muss
als Caxtons Hauptwerk betrachtet werden. Die Technik sowohl
als die Korrektur seiner Bücher waren höchst mangelhaft und die
Holzschnitte sehr untergeordneter Natur, wie überhaupt damals von
Kunst und Künstlern in England nicht zu reden war.
Aus dem gesagten geht hervor, dass Caxton nicht einer der
begeisterten Jünger Gutenbergs war, wie sie in anderen Ländern in
nicht geringer Zahl getroffen wurden, welche die Kunst ihrer selbst
wegen liebten. Er war ein praktischer Engländer und Geschäfts-
mann, der nicht den Wissenschaften Opfer brachte oder seine Ehre
in korrekten, geschmackvollen Ausgaben der Klassiker suchte, son-
dern Bücher druckte, von welchen er einen tüchtigen Absatz und
raschen Gewinn hoffen durfte. Kann aus den wenigen Exemplaren,
die von seinen vielen Büchern auf die Gegenwart gekommen sind,
auf die Aufnutzung geschlossen werden, so hätte er nicht falsch ge-
rechnet. Im ganzen existieren 5 — 600 Exemplare seiner Druck-
werke, die sich fast ausnahmslos in englischen Händen befinden und
grösstentheils mit den höchsten Preisen erworben wurden. Für ein
nicht vollständiges Exemplar von : The history es of Troy wurde in
der Versteigerung des Herzogs von Roxburgh 1060 & Sterl. 10 s.
über (2 1 000 Mark) gezahlt.
Caxton starb, geehrt und geachtet, gegen Ende des Jahres
1491. Wenn die Engländer ihn und seine Werke, obwohl sie typo- c«idm Tod.
graphisch auf einer niedrigen Stufe stehen, so hoch halten und im
Jahre 1 877 sein vierhundertjähriges Jubiläum so glänzend begingen,
so zeigten sie damit eine, sie selbst ehrende Dankbarkeit gegen
einen Mann, der ihnen die Wohlthaten der Presse, die in keinem
anderen Lande sich grösser als in England erwiesen, teilhaft wer-
den Hess.
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74
DIE VERBREITUNG DER KUNST IM AUSLANDE. IV. KAP.
Es erübrigt, einen Blick auf SKANDINAVIEN zu werfen.
„Der gothische Sprachstamm ist eine Lyra, deren Saiten zwi-
schen den Österreichischen Alpen und den skandinavischen Bergen
gespannt sind, und es lässt sich nicht in Abrede steilen, dass
Vieles, dessen Wert nicht hoch genug geschätzt werden kann, von
Deutschland kam. Von dort erhielt der Norden die Buchdrucker-
kunst, von dort die Reformation."
Die ersten schriftlichen Aufzeichnungen im Norden waren in
Die Runen. Stein gemeisselte oder in Holz geschnittene Runen. Noch wichtiger
für das spätere Kulturleben waren die Sagen und Lieder, die von
Mund zu Mund, von Generation zu Generation sich verpflanzten.
Selbst nach Einfuhrung des Christentums hatte das neue Alphabet
einen harten Kampf mit den Runen zu bestehen und noch im Jahre
1 547 kamen Fälle der Benutzung solcher vor.
Nach DÄNEMARK 1 brachten deutsche Mönche die ersten
Dänemark. Bücher. Die Bildung unter der dänischen Geistlichkeit war nicht
gross, obwohl die Universität Paris stark von Dänen besucht wurde.
Stationarn und librarii hatte Dänemark nicht aufzuweisen. Das
erste Buch : eine lateinische Beschreibung der Belagerung von Rho-
dos, wurde in ODENSEauf der Insel Fühnen im Jahre 1482 von einem
joh. Sndi. fahrenden deutschen Buchdrucker, JOHANN SNELL, gedruckt.
Im Jahre 1485 druckte Steph. Arendes in Schleswig: Missale
Slesvicense. Die Hauptstadt des Reiches, KOPENHAGEN, erhielt erst
c. yan Gehmen. 1490 eine Offizin durch Godfred van Gehmen van Os, der früher
in Gouda in Holland gewirkt haben soll. Nur 19 Bücher können
mit Sicherheit als aus seinen Pressen hervorgegangen bezeichnet
werden. Das bekannteste darunter ist: Dansk Riimkrönikt\
welche in den Jahren 1495— 1508 viermal aufgelegt wurde und das
einzige in dänischer Sprache gedruckte Buch aus dem XV. Jahr-
hundert ist. Gehmens Type ist eine sehr hübsche und sein Druck-
ern guter. In RIPEN in Jütland druckte 1504 MATTHÄUS Brand
aus Lübeck, der später nach Kopenhagen zog. Ihm folgte PoVEL
Raff, früher Rektor der Universität, der erste Däne, der die Buch-
druckerei betrieb.
1 C. Nyrop, Bidragtil dm danske Boghandds Historie. 2 Bde. Kopenhagen 1870.
— G. F. Ursin, Bogtrykkerkunstens Opfindelse og Udvikling. Kopenhagen 1840. —
J. H. Schröder, Incunabula artistyp. in Sveeia. Upsala 1842.
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IV. KAP. DIE VERBREITUNG DER KUNST IM AUSLANDE. 75
In SCHWEDEN druckte (1483) der aus Dänemark gekommene
Johann Snell das erste Buch : Dyalogus creaturum moraüzatus. Schwede«.
Auf Snell folgte JOHANN Fabri mit dem Breviarium Strengnense
1494, während Fabris Witwe 1466 das Breviarium Upsalensc voll-
endete. Von da ab tritt eine Unterbrechung von über 50 Jahren ein,
in welcher man von der Kunst in Schweden keine Spuren findet.
Auch Ungarn und die Slawischen Länder 1 eigneten sich bald
die neue Erfindung an.
UNGARN stand zur Zeit der Erfindung unter dem Scepter
des aufgeklärten und sich für die Wissenschaften sehr interessieren- Ungarn,
den Königs Matthias Corvinus. Derselbe hatte mit grossen Kosten
unter Mitwirkung des bekannten Joh. Regiomontanus seine berühmte
Bibliothek einrichten lassen. Wenn auch die Angabe der Bändezahl
auf 50000 jedenfalls eine äusserst übertriebene ist, so war sie doch
für damalige Zeit eine höchst bedeutende. Berühmt waren auch die
vorzüglichen Einbände, die noch heute als grosse Schätze bei den
Sammlern gelten.
Der Kanzler Ladisias Gerab berief einen, damals in Italien
weilenden deutschen Buchdrucker ANDREAS HESS nach OFEN, wo
er auf Kosten des Königs die Chronica Hungarorum (1473) druckte.
Der Typencharakter dieses gut ausgeführten Werkes ist der der
Antiqua. Da man von Hess nur noch ein sehr mittalmässiges Buch
ohne Datum : Magni Basilii de legendis poetis übellus kennt, so wird
man versucht, diesen Druck für einen früheren als die Chronica zu
halten.
Unter den Nachfolgern des Matthias schwand die geistige Blüte.
Auch die berühmte Bibliothek ging nach und nach zurück und litt
durch Vernachlässigung, Diebstahl u. s. w. grosse Verluste, so dass
sie bereits sehr von ihrem Glänze heruntergekommen war, bevor die
Eroberung Ofens durch den Sultan Soliman den Prächtigen ihr den
vollständigen Ruin brachte, indem vieles verwüstet, der Rest nach
* Lüdw. Fischer, König Matthias Corvinus und seine Bibliothek. Wien 1878.
— JOH. Nemeth, Mem. Typographi indyti regni Hungaria ä magn. prineipattu Tram-
silvania. Pest 1818. — Jos. DobrOWSKY, Über die Einführung und Verbreitung der
B. in Böhmen. Prag 1782. (Abhdl. einer Privatgesellsch. V. Bd.) — G. S. Bandtkie,
De primis Cracovia etc. incunabilis dissert. brevis. Krakau 1812. In polnischer Sprache
lieferte Bandtkie mehrere wertvolle Werke über die Typographie Polens.
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76 DIE VERBREITUNG DER KUNST IM AUSLANDE. IV. KAP.
Konstantinopel gefuhrt wurde, von wo aus später einiges, namentlich
als Geschenke der Sultane, nach Wien und Pest zurückkam.
Auch BÖHMEN und POLEN standen zur Zeit der Erfindung
ikihracn. der Kunst auf einer hohen Stufe der Kultur. Prag Hess sich in der
Aufnahme der Kunst von PILSEN überflügeln, von wo aus schon aus
dem Jahre 1475 ein Neues Testament in böhmischer Sprache stammt.
Zwar trägt ein Buch, Guido de Colonnas trojanischer Krieg, die
Jahreszahl 1468, doch bezieht sich diese wohl nur auf die Zeit der
Abfassung des Manuskripts. Die Schriften in diesem Werk sind
eben so schön, wie die Ausführung eine liederliche ist. PRAG folgte
im Jahre 1478 mit: Stattmm utraquestorum articuli. 1488 erschien
die erste Bibel in der Landessprache; die zweite, mit Holzschnitten
illustriert, wurde 1489 in der kleinen Bergstadt KUTTENBERG
durch den gelehrten Martin von Tissnowa gedruckt, der später
Dekan der philosophischen Fakultät in Prag wurde. An diese Stadt
knüpft sich eine der lächerlichsten Gutenberg-Legenden, nach welcher
Johann Faust das Licht der Welt in Kuttenberg erblickte, eine
Legende, die noch im J. 1 840 Verteidiger aus missverstandenem
Patriotismus fand. Dieser Faust soll in Prag studiert, in Mainz aber
seiner Vaterstadt zu Ehren sich Johann Kuttenberger genannt haben.
In KRAKAU, dem Sitz der Wissenschaften und der Kunst
Polen. in Polen, druckte zuerst SWAYBOLD FRANK 1491 ; er lieferte auch
russische Werke. In RUSSLAND soll 1493 in TSCHERNIGOW
gedruckt worden sein und zwar Werke in illyrischer Sprache mit
cyrillischen Schriften. Diese Schrift, deren sich die Süd- und
Ostslawen schon im IX. Jahrh. bedienten, war von dem Bischof
Cyrillus und seinem Bruder Methodus erfunden.
Selbst die TÜRKEI, wo die Ausübung der Buchdruckerei
Türkei. durch den Sultan Bajazet II. 1483 unter Todesstrafe verboten war,
hat Drucke aus dem XV. Jahrh. aufzuweisen, die von Juden aus-
geführt wurden. Eine hebräische Geschichte des Josephus Ben
Gorion trägt das Impressum Konstantinopel 1490.
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V. KAPITEL.
DIE TECHNIK DER BUCHDRUCKERKUNST
UND DIE LITTERARISCHE PRODUKTION.
*
Die Technik. Schriftgiesserei. Satz. Druck. Korrektur. Die Pressen. Die
Farbe. Die Ausschmückung der Bücher. Das Pergament und das Papier. Die
Buchbinderkunst. Die Litterarische Produktion. Der Buchhandel. Die
Zensur.
iE Schriftgiesserei 1 , die wichtigste aller der zum
Druckgewerbe gehörenden Beschäftigungen, ist zu- schriftgiesserei.
gleich diejenige, deren Anfänge uns am unbekann-
testen geblieben. Dies ist jedoch sehr erklärlich,
denn gerade in diesem Teil der Thätigkeit lagen
der Schwerpunkt und das eigentliche Geheimnis der Typographie.
Eine Zeichnung von Jost Amman 2 aus dem Jahre 1 568 zeigt uns einen
Giesser, vor einem niedrigen Ofen sitzend, in welchen die Giess-
pfanne eingelassen ist. Werkzeuge liegen umher. Neben dem
Giesser steht die Mulde mit fertigen Typen, an welchen der Anguss
noch haftet. Auf einem Wandbrett sind Siebe, Tiegel und Giess-
instrumente gereiht. Die Siebe dienten ohne Zweifel dazu, den Sand
fein zu sieben, in welchem sowohl die Metallstangcn als auch die
grossen Buchstaben geformt wurden. Die äussere Gestalt des Giess-
» Unter den eingangs erwähnten Werken enthalten namenüich die von
W. Blades und Th. de Vinne Beachtenswertes über die ältere Technik.
2 Eigentliche Beschreibung aller Stände auf Erden etc. Frankfurt a. M.
1568. Mit Stichen von Am ann und Versen von Hans Sachssen.
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7«
DIE TECHNIK DER BUCHDRUCKERKUNST.
V. KAP.
instrumenta weicht etwas von der des jetzigen ab und nähert sich
der eines Stereoskop-Apparates. Eine Feder zum Halten der Mater
ist nicht zu erblicken, dagegen bemerkt man ein Loch an der Seite
des Instruments, durch welches jedenfalls die Mater gesteckt wurde,
so dass sie festlag, solange der Guss des Buchstabens dauerte. Die
erwähnte Abbildung ist jedoch über hundert Jahre jünger als die
Erfindung; was sich in der Zwischenzeit geändert hatte, ist nicht
bekannt. Dass die Giessinstrumente aus Messing gefertigt wurden,
scheint aus der öfteren Erwähnung der Typen: „als in Messing
gegossen" hervorzugehen, denn dass man damit „Messingtypen u
gemeint haben sollte, ist undenkbar.
Aus welchem Stoff die Stempel in der allerersten Zeit gewesen,
Die Stempel, lässt sich nicht sagen, wahrscheinlich versuchte man es erst mit Holz
und ging dann zu einem leicht zu bearbeitenden Metall über. Unter
solchen Umständen konnte von einem „Einschlagen" des Stempels
in das Mater-Metall natürlich keine Rede sein ; man wird also an-
nehmen müssen, dass die Herstellung der Matern anfanglich mittels
„Eindrückens" in eine halberstarrte Masse geschah. Jedoch konnten
solche Stempel und Matern nicht auf die Dauer befriedigen und
man musste zum Stahl für die Stempel, zum Kupfer für die Matern
greifen. Dass der Handel mit Schrift und Matern sehr schnell in
Aufnahme kam, geht daraus hervor, dass dieselben Schriften an den
verschiedensten Orten vorkommen.
Ein korrektes „Kegelsystem" ist im XV. Jahrh. noch nicht
Mangel an bemerkbar. Die Dimensionen der Typen hingen von den Eigentüm-
Schriftsj-stcm. __
lichkeiten des gerade vorliegenden Manuskripts ab. Der Buchdrucker
von damals hatte noch nicht den Wert regelmässig sich abstufender
Schriftgrade kennen gelernt und ahnte noch nicht, welche Un-
annehmlichkeiten er durch die Willkür in der Schriftgrösse auf sich
und seine Nachkommen laden würde. Bei der Kostspieligkeit der
Giessinstrumente ist nicht anzunehmen, dass man für jede einzelne
Schrift ein besonderes Instrument hätte haben sollen, wahrschein-
licher ist es, dass die Instrumente eingerichtet waren um sowohl auf
Kegelhöhe als auf Buchstabenweite gestellt zu werden.
Auffällig genug ist es, dass auch nicht eine der Millionen
Beschaffenheit Typen aus der ersten Zeit der Druckkunst auf uns gekommen ist,
,crahen lype "'ja dass wir, mit einer unfreiwilligen Ausnahme, nicht einmal eine .
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V. KAP.
DIE TECHNIK DER BUCHDRUCKER KUNST.
79
getreue Abbildung einer solchen besitzen. Einem Drucker, der 1476
in der Offizin des Konrad Winter in Köln arbeitete, müssen wir auf
Grund seiner Unachtsamkeit sehr verpflichtet sein. Indem er nämlich
eine, vielleicht zu locker geschlossene Schriftform einschwärzte, hat
er mit dem Farbeballen einen schwachen Buchstaben herausgezogen
und dies nicht beim Einfahren der Form bemerkt. Die liegen-
gebliebene Type ist nun durch den Tiegel so fest in die Schrift
hineingedrückt und auf den Bogen so genau abgedruckt worden,
dass wir eine ganz genaue Seitenansicht derselben besitzen. Die
Buchstabenhöhe stimmt ganz genau mit der alten französischen von
10 7* geom. Linie oder 24 mm neuen Masses überein. An der sicht-
baren (rechten) Seitenfläche der Type befindet sich eine runde Ver-
tiefung von etwa 3 mm im Durchmesser. Da die Type keine Signatur
hat, so diente augenscheinlich diese Vertiefung dem Setzer als Richt-
schnur beim Aneinanderreihen der Buchstaben. Der Fuss ist nicht
ausgekehlt, man sieht daraus, dass die ersten Typen keinen Guss-
zapfen gehabt haben und dass die Höhe durch Absägen reguliert
wurde.
Über die üblichen Schrift - Quantitäten ist es fast unmöglich
etwas zu ermitteln. Die rasche Förderung vieler der älteren umfang-
reichen Druckwerke, trotz der Erschwerung durch das Einreihen der
Bogen in Lagen, lässt vermuten, dass die Typenvorräte manchmal
beträchtlich gewesen sind.
Die Beschäftigung des Setzers, des Druckers und des
Giessers war, wie jetzt, im allgemeinen eine getrennte. Die Zahl Der Scucr.
der Setzer war grösser, als die der Drucker. Erstere waren nicht
selten Männer von Bildung und Verständnis für ihr Fach. Die-
jenigen, die sich für das Geschäft so ausbilden wollten, dass sie später
selbst Meister werden konnten, mussten eine angemessene Ent-
schädigung zahlen. Wie jetzt, rekrutierten sich auch die Prinzipale
von damals hauptsächlich aus der Klasse der Setzer. Hatte ein
solcher vom Drucken und Giessen so viel gelernt, dass er die Arbeit Die wandernden
t Druckereien.
Anderer überwachen konnte, so war es nicht gar zu schwierig eine
Buchdruckerei zu gründen. Mit den erkauften Matern und einem
Giessinstrument zog der Meister nach irgend einer Stadt. Die ein-
• fachen Utensilien konnten überall angefertigt werden, das Metall
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SO DIE TECHNIK DER BUCHDRUCKERKUNST. V. KAP.
für die Schrift und das Papier waren in den grösseren Städten zu
haben.
Der Buchdrucker fing nun zu giessen an, schlug seine Presse
auf, mischte seine Farbe und konnte dann die Arbeit beginnen.
Fing solche an zu fehlen, so lud er seine Druckerei auf einen
Wagen und zog nach einem andern Ort, wo man eines Buchdruckers
benötigt war, um dort seine Thätigkeit zu beginnen.
Die „Setzkästen" ruhten zu zweien, einerhüben, einer drüben,
Der Seukasicn. auf einem Pult, das wie ein grosses doppeltes Notenpult konstruiert
war. Die Zahl der Fächer hat auf Grund der vielen Ligaturen eine
sehr grosse sein müssen. Durch letztere wurde die Kunst des Setzens
damals eher schwieriger, als heute. Bei der grossen Ähnlichkeit
mancher Ligaturen unter einander war das korrekte Ablegen sehr
erschwert und Fehler kamen deshalb auch leichter beim Setzen vor.
Ob die Fächer der Setzkästen, wie es nach den Abbildungen den
Anschein hat, gleichgross gewesen sind, lässt sich nicht feststellen.
Unwahrscheinlich ist es nicht, denn die, heute im Satz oft vor-
kommenden, und deshalb grössere Fächer verlangenden Buchstaben
wurden auf Grund der vielen Ligaturen damals nicht für sich allein
so massenhaft verwendet.
In der Regel wird der Setzer oder die Setzerin sitzend und
säuberlichst angeputzt abgebildet, während die Drucker mit der
Toilette es nicht gar zu ängstlich genommen zu haben scheinen und
oft in einem, dem adamitischen sich sehr nähernden Kostüm darge-
stellt werden.
Der „Winkelhaken" war aus Holz, sehr einfach und für wenige
Winkelhaken. Zeilen und nur für ein Format berechnet. Dass der Setzer öfters
mit dem Winkelhaken in der rechten Hand abgebildet wird, be-
rechtigt nicht zu dem Schluss, dass viele unter ihnen „links" ge-
wesen sind. Es beruht dies allein auf Unachtsamkeit und auf Über-
sehen des Umstandes, dass die Zeichnung im Schnitt umgekehrt zu
stehen kommt. Ganz im Anfang hatte man mutmasslich nicht ein-
mal einen Winkelhaken, sondern reihte die Zeilen gleich in einem
flachen Kasten auf, der zugleich als Rahmen diente. Setzlinien be-
nutzte man nicht, sondern stellte eine Zeile unmittelbar auf die
andere, wodurch natürlich das Ausschliessen erschwert wurde, da
die Schrift sich nicht so leicht auf der doch immer etwas rauhen
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V. KAP. DIE TECHNIK DER BUCHDRUCKERKUNST. 8l
Fläche der Typen hin- und herschieben liess. Der Kasten mit den
fertigen Kolumnen liess sich leicht in die Presse stellen. War
der Schluss auch nicht ein besonders fester, so war man bei Be-
nutzung der Ballen und der leichten Farbe nicht so sehr der Gefahr
ausgesetzt, dass die Buchstaben herausgezogen wurden, wie es jetzt
bei den Walzen mit starkem Zug und der schweren Farbe der Fall
ist. Dagegen stiegen öfters die Ausschlussstücke und verunstalteten
den Druckbogen. Stege und Regletten scheint man nicht gehabt
zu haben.
Dass das „Tenakel" frühzeitig gekannt war, geht ebenfalls
aus den Abbildungen hervor, doch darf man annehmen, dass an- Das Tenakei und
. das Manuskript.
fänglich dem Setzer in der Regel nach dem Manuskript diktiert
wurde, und dass der Vorlesende so eingeübt war, dass er gleich-
zeitig mehreren Setzern aus verschiedenen Manuskripten diktieren
konnte. Abweichungen im Satz in einem und demselben Werk
können kaum anders erklärt werden, als dass der Satz gleichzeitig
von mehreren Setzern nach Diktat gesetzt wurde. Für die An-
nahme des Diktierens des Manuskripts glaubt man eine Bestä-
tigung darin zu finden, dass man auf anderen Abbildungen den
Vorleser mit dem Manuskript in der Hand sieht, während die, um
ihn herum arbeitenden Setzer kein Tenakel mit Manuskript auf
ihren Setzpulten vor sich haben. Doch kann die für den Vorleser
gehaltene Person auch der Besitzer oder Besteller sein und das
Fehlen des Tenakels dem Zeichner zuzuschreiben sein.
An einem geschmackvollen Arrangement des Satzes, einer
angenehmen Abwechselung der Schriften oder einer wohlthuenden unrc K eimä*»g-
keit im Setzen.
Durchsichtigkeit durch weitere Trennungen der Zeilen und Absätze
fehlt es im allgemeinen sehr und die durch die übermässig gedrängten
und stark geschwärzten Typen hervorgebrachte Unklarheit wird
noch durch Versündigungen gegen die ersten orthographischen
Regeln vermehrt. Eigennamen sind bald mit Versalien, bald mit
gemeinen Buchstaben , je nach Laune des Setzers oder nach dem
Schriftenvorrat, gesetzt. Die allein üblichen Interpunktionszeichen
Komma, Kolon, Punktum finden in der willkürlichsten Weise Ver-
wendung. Krumme, ungleich ausgeschlossene Zeilen, mangelhaftes
Umbrechen kommen ganz allgemein vor. Versetzungen von Zeilen
und Seiten , sogar Weglassungen von ganzen Seiten im Druck ge-
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DIE TECHNIK DER BUCHDRUCKERKUNST.
V. KAP.
hören nicht zu den Seltenheiten, Wörter werden in der wunderbarsten
Weise geteilt. Am schlimmsten von allem ist die grenzenlose Will-
kür im Abkürzen. Der Setzer dehnt oder drängt die Wörter, bis
sie in das Längenmass der Zeile passen oder hackt nach Belieben ein
Glied von ihnen ab, wenn sie durchaus nicht passen wollen. Oft
wird zwar ein alter Druck auf Grund der Regelmässigkeit des Aus-
schlusses gelobt, sieht man jedoch näher hin, so findet man, dass
die Regelmässigkeit gewöhnlich nur durch Eigenmächtigkeit erreicht
wurde. Mag man auch manche gerechte Klagen über das Verfahren
heutiger Kunstjünger fuhren, eins steht doch fest , dass die Kunst,
die Typen derart zu arrangieren, dass der Sinn des Autors klarer
ans Licht tritt, eine Errungenschaft der modernen Setzerei ist.
Das bei der KORREKTUR befolgte System ist nicht voll-
Die Korrektur, ständig klar. Es kommen in verschiedenen Exemplaren desselben
Buches sonderbare Fehler vor, die daraufhindeuten, dass die Setzer
selbst die Korrekturen, und zwar manchmal recht schlecht, lasen.
Als Gegensatz muss erwähnt werden, dass schon Gutenbergs Bibel,
wenn sie auch nicht fehlerfrei wurde, doch sehr sorgfaltig korrigiert
ist. Auch wissen wir, dass oft ausgezeichnete Gelehrte die Korrektur
besorgten ; sie waren in solchen Fällen nicht sowohl Korrektoren
als Redaktoren des Textes. Im allgemeinen ist es jedoch ein Irr-
tum, wenn angenommen wird, dass die ältern Druckwerke sich
durch ihre Korrektheit vor den heutigen Erscheinungen auszeichnen.
Auffällig genug ist es, dass die ersten Drucker ihre PRESSEN
Die Presse, so wenig erwähnen. Es scheint fast, als ob man die Presse als eine
alte Erfindung keiner besonderen Aufmerksamkeit wert hielt. Mit
Unrecht ; denn ist auch das Prinzip der Presse ein altes, so war doch
der Mechanismus der Druckerpresse neu. Die Vorzüge fallen leicht
in die Augen, wenn man sie mit der Schraubenpresse vergleicht,
welche letztere jedenfalls als Vorbild für die Druckerpresse gedient
hat. Die Bibel Gutenbergs muss unbedingt auf einer Presse her-
gestellt worden sein, deren Druck rasch gesteigert und rasch ge-
mindert werden konnte und die mit einem beweglichen Fundament,
einem Deckel und einem Rähmchen versehen gewesen ist 1 . Die
» Der Verlagsbuchhändler und RcdacteurH. Klemm in Dresden, der mit grossen
Kosten in einer verhältnismässig sehr kurzen Zeit eine bedeutende Anzahl typogra-
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V. KAP.
DIE TECHNIK DER BUCHDRUCKERKUNST.
83
erste Abbildung einer Presse stammt von Jod. Badius in Paris. Auf
dieser Abbildung, wie auch auf allen anderen, steht die Bank mit
den zu bedruckenden und mit den bedruckten Papierhaufen jenseit
des Fundaments und des Karrens. Der Drucker zieht den Bengel
unter grosser Kraftanstrengung mit beiden Händen an, den rechten
Fuss stemmt er gegen den schrägen Tritt an. Und doch war der
Tiegel nur so gross wie die Hälfte der Schriftform ; es gehörte dem-
nach ein zweimaliges Anziehen des Bengels dazu, um eine Form zu
drucken. Der erste Zug erfolgte, wenn der Karren zur Hälfte, der
andere, wenn er ganz eingefahren war.
Da die Pressen nur aus Holz und von gewöhnlichen Tischlern
konstruiert waren, so blieb vieles zu wünschen übrig. Selten mögen
wohl Tiegel und Fundament eine vollkommen gleichmässige Ober-
fläche gebildet haben. Die unten abgesägten Typen hatten nicht
ganz genaue Höhe, und das Papier nicht gleiche Stärke, was die
Ungleichheiten vermehrte.
Um alle diese Unebenheiten auszugleichen war eine weiche
Lage zwischen Tiegel und dem Druckbogen notwendig, damit die
Schrift tief genug in das Papier eingedrückt wurde. Unter solchen
erschwerenden Verhältnissen verdienen die damaligen Leistungen
des Druckers oft um so grössere Anerkennung.
Um das Register zu erzielen, bediente man sich anfanglich
vierer Punkturen in den Ecken. Die Plätze für den Rotdruck waren
in dem ersten Schwarzdruck mit niedrigen Quadraten ausgefüllt.
Nachdem der Schwarzdruck vollzogen war, wurden die rot zu
phischer Seltenheiten sammelte , hat auch die in einem Keller des früheren Hofes
„Zum Jungen" in Mainz aufgefundenen Bruchstücke einer Schraubenpresse erworben,
von welchen einerseits (vergl. K. Klein, Über Gutenberg und das im ersten Druck-
hause aufgefundene Fragment der ersten Druckerpresse. Mit 2 Abbd. Mainz 185 1)
angenommen wird, dass sie der „ersten", noch aus Strassburg summenden Presse
Gutenbergs angehörten, was andererseits angezweifelt wird, und zwar namentlich auf
Grund der Inschrift J. MCDXLI G. , die in den erhaltenen Oberbalken einge-
schnitten ist, indem man sowohl an der Jahreszahl und der ungewohnten Art diese
zu schreiben (CD statt CCCC) als auch an den römischen Buchstaben J. G. Anstoss
nimmt Herr Klemm hat die Presse nach seinen Annahmen vervollständigen lassen.
Wie nahe er, namentlich in Betreff des, aus vier Stücken sinnreich konstruierten Rah-
mens, der sich leicht für verschiedene Formate einrichten lässt, der Wirklichkeit ge-
kommen, ist ja nicht zu entscheiden. Nach H. Klemms Konjektur ist mit den „vier
Stücken", um deren Auseinandernähme (vergl. S. 25) man bei DritzehnsTod sosehr
besorgt war, ein solcher Rahmen gemeint. 1
6*
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DIE TECHNIK DER BUCHDRUCKERKUNST.
V. KAP.
druckenden Buchstaben hineingestellt und durch Unterlagen etwas
über die Schrifthöhe erhöht und dann, nachdem die betreffenden
Stellen in einem zweiten Rähmchen ausgeschnitten waren, gedruckt.
Die Farbe der alten Drucke ist von sehr ungleicher Güte.
Die Farbe. In den Drucken von Nie. Jenson in Venedig ist sie intensiv schwarz,
sammetweich und glänzend. Die Gutenbergsche Bibel ist mit kräf-
tiger tiefschwarzer aber glanzloser Farbe gedruckt. In dem Psalter
von Fust und Schöner ist die Farbe bald glanzvoll, bald matt. In
anderen Drucken ist die Farbe wieder bräunlich oder schmierig,
wieder in anderen ohne Konsistenz und abwaschbar. Nicht selten ist
die Schwärze in einem und demselben Werke bald sehr dick, bald
sehr sparsam aufgetragen. Hierbei hat jedenfalls die grosse Ver-
schiedenheit des Papiers wesentlich Schuld, sowie die Unregelmässig-
keit im Feuchten. Das Pergament ist öfters zu stark poliert, Öfters
nicht ganz frei von Kalk oder Fett. Die allgemein aufgestellte
Behauptung, die ältere Farbe sei tiefer und glanzvoller als unsere,
ist nicht-ganz korrekt. Sie scheint allerdings tiefer, weil man sie auf
Grund der grossen Typen und des starken Auftrags massenhafter
sieht; hätte man eine neue zarte Antiqua mit derselben zu drucken
gehabt, so würde sie wohl auch weniger schwarz erschienen sein.
Die Einschwärzung der Form geschah mittels Ballen, wie sie noch
vor etwa 50 Jahren im Gebrauch waren.
Wie die Farbe zusammengesetzt wurde, ist nicht gesagt. Hier
giebt das aufgefundene Ausgabebuch der Ripoli-Presse von 1481,
welches die verbrauchten Materialien aller Art nach ihrer Quantität
und ihren Preisen angiebt, einigen Anhalt. Vom Russschwarz ist
keine Rede, wohl aber von Pech. Den ersten Platz nimmt Leinöl
ein; Schellack und dünner Firnis dienten dazu, der Farbe Glanz zu
geben, ausserdem sind erwähnt Cochenille und Harz.
Die „Illuminatoren" und „Rubrikatoren" verschwinden nach
Ausschmückung der Erfindung der Buchdruckerkunst noch nicht von der Bühne. Die
der Bücher
Initialen werden zumteil nur in Umrissen, zumteil gar nicht ein-
gedruckt und dann von den Illuminatoren mehr oder weniger kunst-
voll ausgemalt und vergoldet; auch in dem Texte werden die Ma-
juskeln, manchmal auch die Interpunktionstrennungen mit roten
Farbenstrichen hervorgehoben. Da diese Arbeiten zeitraubend,
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V. KAP.
DIE TECHNIK DER BUCHDRUCKERKUNST.
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demzufolge kostspielig waren, so verschob man sie öfters; man
findet deshalb viele Inkunabeln, in denen nur der Raum für die
Initialen gelassen ist, ohne dass diese später ausgeführt wurden.
Die eigentliche Illustration wurde von den ersten Buch-
druckern vernachlässigt, wahrscheinlich um nicht den Manuskript- Die eigentliche
Charakter der Bücher zu stören. Die nachfolgenden waren jedoch
weniger ängstlich. Abgesehen von dem Mangel an künstlerischem
Wert nahm man es mit dem Sinn und der Wahrheit ziemlich leicht.
Oft kommen in einem und demselben Werk sogar damals lebende
Persönlichkeiten in ganz verschiedenen Auffassungen vor, oft dienen
dieselben Holzstöcke als Konterfeis von einem halben Dutzend histo-
rischer Personen von Adam ab bis auf die damalige Zeit. Städte
wurden ebenfalls ganz nach der Phantasie abgebildet und derselbe
Schnitt, selbst in einem und demselben Werke, bald als Jerusalem,
bald als London oder irgend eine andere Stadt vorgeführt. Ob eine
Einfassung im Einklang mit dem Texte stand oder nicht, war ganz
gleich. So kann man um die Seiten von Gebetbüchern Einfassungen
sehen, in welchen Affen ihr tolles Spiel treiben oder gar anstössige
Scenen aus der griechischen Mythologie vorgeführt werden. Mit den
Holzschnitt-Illustrationen wurde schon frühzeitig Handel getrieben
und dieselben zu Ausgaben in verschiedenen Sprachen benutzt.
Obwohl das Baumwollen-Papier 1 anderthalbhundert Jahre vor
der Erfindung der Buchdruckerkunst in Europa bekannt war, so
wurde für die ersten Druckwerke doch auch von dem PERGAMENT,
wennauch daneben von dem Papier, Gebrauch gemacht. Teils wollte
man dem Gedruckten möglichst den Charakter des Manuskriptes
wahren, teils waren die liturgischen Bücher einer so starken
Abnutzung ausgesetzt, dass das solidere, wennauch teurere Material
vorgezogen wurde.
1 De i.a Lande, Art ,ie faire le Papier . 2.' Ed. Paris 1820. — De LA Lande, Art
de faire le parchemin. Paris 1762. (Beide Werke auch deutsch.) — G. Peignot, Essai
sur Vhist. du parchemin et du velin. Paris 181 2. — J. D. F. Sotzmann, Über ältere
Papierfabrikation. Leipzig 1846 (Serapcum). — Über Papierzeichen vergl. die in der
Einführung erwähnten Werke von Sotheby und Weigel sowie Ames, Typogr. Anti-
ijuities, ferner: G. Fischer, Versuch die Papierzeichen als Kennzeichen etc. an-
zuwenden. Nürnberg 1804 ; La Seena Santander, Im livres impr. dam le XV Siede.
Brüssel 1803 (Suppl. zu der Beschreibung der Bibliothek des Verfassers). Über
Papierzeichen in Italien: Esame sui prineipii della etc. typogr. Lucca 1797.
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DIE TECHNIK DER BUCHDRUCKERKUNST.
V. KAP.
Die Bearbeitung der Tierfelle als Stoff zum Beschreiben stammt
aus dem grauen Altertum. Schon Herodot berichtet, dass man auf
präparierte Hammel- und Ziegenfelle geschrieben habe. Später spricht
Josephus in seinen jüdischen Altertümern von einem prachtvollen,
auf Ziegenfell ausgeführten Manuskript aus dem Jahre 277 v. Chr.
Will man Plinius glauben, so rührt die Erfindung des eigentlichen
Pergaments {Charta pergamena) aus der Stadt Pergamum in Klein-
asien, her, als der ägyptische König Ptolomäus Epiphanes aus
Eifersucht über die Bestrebungen des pergamenischen Königs Eu-
menes Ii. (andere sagen Attalus Ii.), eine mit der alexandrinischen
wetteifernde Bibliothek zu schaffen , die Ausfuhr des Papyrus ver-
bot. Später wurde das beste Pergament, von den Römern gewöhn-
lich membrana genannt, in Rom verfertigt.
Das Material für die Anfertigung des Pergaments, soweit es zum
Schreiben oder Bedrucken verwendet wird , sind Lamms-, Schafs-,
Ziegen- und namentlich Kalbsfelle. Das aus letzteren hergestellte
Fabrikat heisst vellum ( Velin) , die Kälber dürfen , wenn das Velin
gut werden soll , nicht älter als sechs Wochen geworden sein ; die
feinste Sorte liefern die Felle der ungeborenen Kälber (velots).
Pie Zubereitung des Pergaments 1 ist eine mühsame und zeit-
raubende. Die Felle werden in eine Kalkgrube gethan, von der
Wolle, den Haaren, den Fleisch- und Fettteilen sorgsamst gereinigt,
abwechselnd in W'asser und wieder in Kalk gelegt, auf Rahmen ge-
spannt, geschabt, mit Kreide und Farbe ein- und mit Bimsstein
abgerieben.
In Frankreich , wo die Fabrikation lebhaft betrieben wurde,
gehörten die Pergamentmacher unter die Jurisdiktion der Universität.
Alles nach Paris eingeführte Pergament musste nach der Halle der
Mathuriner gebracht werden, um dort von den Universitätsbehörden
geprüft und gestempelt zu werden {ndorier). Zu ihren Rechten
zählte die Universität auch den Vorkauf auf den zwei grossen Messen
zu St. Denis und St. Ladre.
Die nach Europa durch die Araber gebrachte Verfertigung des
Baumwollen-Papiers fasste mit jenen zuerst in Spanien Wurzel,
1 Mit dem tierischen Pergament ist nicht zu verwechseln das Pergamentpapier
(vegetabilische Pergament) , das in der neueren Zeit eine ziemlich grosse Verwen-
dung findet.
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V. KAP.
DIE TECHNIK DER BUCHDRUCKERKUNST.
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hauptsächlich in Xative, Valencia und Toledo. Anfänglich wurde
zur Fabrikation nur rohe Baumwolle benutzt, dann baumwollene
Lumpen, später baumwollene und leinene gemischt, schliesslich im
XIV. Jahrh. leinwandene allein. Als mit der arabischen Herrschaft
in Spanien auch die dortige Papierfabrikation sank, wendete letztere
sich namentlich nach Italien. Um Mailand, Venedig, Florenz, Bo-
logna, Parma, in Padua, Treviso, namentlich in Fabriano entstanden
Papiermühlen, die nicht allein Italien, sondern bis in das XV. Jahrh.
hinein fast ausschliesslich den Süden Deutschlands versorgten, ja ihr
Fabrikat bis nach Sachsen sandten, während West- und Nieder-
deutschland ihren Bedarf aus Frankreich und Burgund bezogen,
welche Länder auch nach England ihren Absatz hatten. Von den
Papiermärkten waren namentlich die in Brügge, Antwerpen und
Köln bedeutend.
Aus dem gesagten geht schon hervor, dass die Fabrikation,
wennauch in Deutschland nicht unbekannt, hier doch nicht genügend
fortgeschritten war, um den heimischen Bedarf zu decken, noch
weniger, um an eine Ausfuhr zu denken.
Die Bezugsquellen der Papiere lassen sich namentlich aus den
„Wasserzeichen", Marken der Fabriken, erkennen, welche zugleich,
wenn nicht untrügliche, so doch beachtenswerte Beiträge zur Be-
urteilung des Entstehens älterer Druckwerke liefern, untrüglich des-
halb nicht, weil einerseits einige dieser Zeichen, z. B. der Ochsenkopf
oder das Monogramm p fast überall verbreitet waren, andererseits,
weil oft Papiere aus verschiedenen Ländern oder Orten stammend
und mit verschiedenen Zeichen versehen in einem und demselben
Werke verwendet wurden. Das Entstehen des Ochsenkopfes und
des f) ist nicht genügend erklärt. Ganz unwahrscheinlich ist es
nicht, dass man den Ochsenkopf wählte, weü St. Lucas, dessen
Symbol bekanntlich ein Ochs ist, der Hauptpatron der Maler-
gildcn von Italien bis nach den Niederlanden war, und zu diesen
Gilden gehörten auch die Papiermacher. Das $ dürfte auf „Papier"
hindeuten. Es wird dies dadurch um so wahrscheinlicher, als dieses
Zeichen dem italienischen Papier {Carta) fehlt. Doch das alles ist
Mutmassung.
Einige Wasserzeichen als Schiff, Anker, Weintraube, Kardinals-
hut, Bischofsmütze, gekreuzte Schlüssel, sowie die Wappen von
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DIE TECHNIK DER BUCHDRUCK ERKUNST.
V. KAP.
einzelnen Ländern, Städten und Familien deuten zwar mitunter
etwas näher auf einen Abstammungsort des Papiers, sie sind jedoch
auch nicht immer zuverlässige Kennzeichen, da z. B. Löwen, Lilien,
Kronen in so vielen Wappen vorkommen.
Die deutschen Wasserzeichen sind in Bezug auf Bestimmung
des Alters und des Entstehungsortes der Bücher deshalb weniger
wichtig, weil die deutschen Papiere erst zu einer Zeit recht zur Gel-
tung kamen, zu der die Druckorte, Jahreszahlen und Verleger fast
allgemein auf den Büchern genau angegeben stehen.
Die älteste deutsche Papierfabrik scheint die von U. Stromer in
Nürnberg gewesen zu sein, für welche im J. 1 390 Arbeiter aus Italien
berufen wurden. Trotzdem wurden aber doch die ersten Nürnberger
Drucke auf italienischem Papier gedruckt. Basels Bedeutung für
die Papierfabrikation wurde bereits S. 44 erwähnt.
In Augsburg ward 1468, in Kempten 1477 die erste Mühle
angelegt. Ein Hauptplatz der Fabrikation war um die Mitte des
XV. Jahrhunderts die ehemalige Reichsstadt Ravensburg in Schwaben,
wo grosse Massen von Papier, jedoch keins, das mit den vorzüg-
licheren Sorten des Auslandes den Vergleich aushielt, geliefert
wurde *.
Das älteste Druckpapier war stark geleimt, kräftig aber hart,
und verschieden in der Stärke, so dass gewissenhafte Druckereien
das Papier nach Stärke, wie auch nach Färbung, sortierten. Die
rauhe Oberfläche war dem Druck nicht günstig und das Satinieren
und Glätten war unbekannt. Man machte bald die Erfahrung, dass
das ungeleimte Papier nicht allein billiger, sondern auch zur Auf-
nahme der fetten Druckfarbe zweckdienlicher sei, als das geleimte.
Aus dem gesagten geht hervor, dass wir jetzt vollkommenere
Neue und alte Werkzeuge und besseres Material haben. Es wird schneller, billiger
Dru \: k hen e,rgl, " und mit grösserer Akkuratesse und Eleganz, mit mehr Rücksicht
auf die Bequemlichkeit des Lesers und mit weit mehr Abwechselung
für das Auge gedruckt, so dass die alten Drucke im allgemeinen
doch nicht den Vergleich mit den neuen aushalten. Vieles, was bei
den alten Drucken uns fesselt, ohne dass wir uns stets genaue Rechcn-
1 D. E. Beyschlag, Beiträge zur Kunstgesch. von Nördlingen. lieft IV u. V.
Nördlingen 1798— 180 1.
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V. KAP.
DIE TECHNIK DER BUCHDRUCKERKUNST.
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schaft von dem Grund ablegen können, beruht sicherlich auf dem
Umstand, dass sich in der ersten Zeit Schriftgiesser, Buchdrucker,
Verleger in einer Person vereinigten. Hierdurch entstand eine ein-
heitliche Durchführung; man möchte fast sagen, es macht sich eine
ausgeprägte Persönlichkeit in dem Werke geltend, so dass man
schon beim Aufschlagen eines Buches sofort weiss, mit wem man zu
thun hat, und sich wie zuhause fühlt.
Sind nun auch die technischen Verbcsserungen grossartig, so
ist die Arbeit des Typographen in ihrem Wesen dieselbe geblieben.
Die Druckweise Gutenbergs ist nicht veraltet und weder durch die
Lithographie, noch durch die Photographie, noch durch irgend ein
anderes Verfahren der Neuzeit in Schatten gesetzt ; ihr gehört immer
noch die Führung der graphischen Künste, und sie wird ihr wohl
auch für die Zukunft bleiben.
In engster Verbindung mit der Buchdruckerkunst stand die
BUCHBINDERKUNST 1 , und es konnte von einer solchen eigentlich Die Anfange der
11T , , , -r»i i- t» 1 • liuchbindcr-
erst nach der Entstehung des gedruckten Buches die Rede sein. kunst.
Die ältesten handschriftlichen Denkmale sind nicht in Bogen-,
sondern in Rollenform, indem man ein Blatt an das andere der Länge
nach klebte und das Papier nur einseitig beschrieb, sie konnten also
auch nicht gebunden werden, sondern mussten als Rolle (volumen)
behandelt werden. Nach der Erfindung des Pergaments trat ein
anderes Verfall ren ein, man faltete die Pergamentblätter, beschrieb
sie auf beiden Seiten und bildete Lagen, gewöhnlich aus vier Doppel-
blättern bestehend. Diese wurden auf schmale Streifen Pergament
geheftet und mit einem Stück Pergament umgeben, von welchem das
obere Blatt öfters breiter geschnitten war, als die anderen Blätter,
so dass es wie die Klappe einer Brieftasche die eingelegten Blätter
schützte.
Von eigentlichen festen Einbänden gaben die römischen Di-
ptychen, d. h. zwei mit Wachs überzogene, an der einen Langen- Die Diptychen,
scitc verbundene Holztafeln, die ersten Proben. Waren in dieser
1 Rich. Stechk, Zur Geschichte des Bucheinbandes. (Archiv z. G. d. Buchh. I.)
Leipzig 1878. — G. Peignot, Essai etc. sur la relietire des livres. Dijon 1834. —
J. Cu.ndai.L, On bookbinding ancienl and modern. London 1880. — Monuments inidits
ou peu connus,faisant partie du Cabinet du G. Libri. London 1864. — M. MlCHEL, La
relieure franfaise depuis i'invention de Vimpr. Paris 1880.
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DIE TECHNIK DER BUCHDRUCKERKUNST.
V. KAP.
Weise, statt zwei, drei oder mehr Platten verbunden , so hatte man
Triptychen oder Polyptychen. Die Deckelseiten wurden Öfters mit
Schnitzwerk, Bildnissen von Konsuln oder Kaisern, in der christ-
lichen Zeit von Heiligen geschmückt, wobei es mitunter einem
Kaiser passierte zu einem Heiligen zu avancieren. Für die schweren
Rituaibüchcr. Ritualbücher auf Pergament wurden ähnliche feste Einbände bei-
behalten, und die Deckel in Holz oder Elfenbein künstlich geschnitzt
oder in durchbrochenem Metall gearbeitet, oft unter Ausschmückung
mit Perlen und Edelsteinen. Auch Sammet- und Seidenüberzüge
mit reichen Goldstickereien kamen zur Anwendung. Während des
XI. Jahrhunderts machte sich der deutsche Kunstfleiss und Ge-
schmack, namentlich am Niederrhein, geltend. Es entstanden eine
grosse Anzahl Arbeiten in Metall mit farbenprächtigem Schmelz
überzogen, eine Technik, die im xn. Jahrh. besonders in Limoges in
Frankreich zur Geltung kam.
Solche wertvolle Bände sind in ziemlich grosser Zahl erhalten.
Die Werkstätten befanden sich in den Klöstern; die Verfertiger
waren Mönche oder Laienbrüder und arbeiteten mit den Abschreibern
und Illuminatoren Hand in Hand.
Durch die Kreuzzüge lernte man die kunstreiche Lederbearbei-
Lederbercitung. tung des Orients kennen. Das Gerben der Tierfelle ward schon
in alter Zeit von den Chinesen und Ägyptern in hoher Vollendung
geübt. Durch die Araber wurde diese Technik nach Spanien und
Sicilien gebracht. Der Corduan, der Saffian, das Chagrinleder und
die Juchten gaben ein vortreffliches Material für Bucheinbände ab.
Der Corduan (so nach der Stadt Cordova, von den Franzosen
Maroquin, von den Engländern Morocco genannt) ist ein narbiges
Zicgenleder, von dem sich der Saffian nur durch seine Glätte unter-
scheidet. Der Chagrin (persisch Sagre) ist wie mit runden Körnchen
übersät, was durch Hineintreten von Samenkörnern hervorgebracht
wird. Juchten ist meist Rinds- oder Pferdeleder, welches mit
Laugen, Beizen und Farbstoffen behandelt und durch Birkcnöl
geschmeidig gemacht wird.
Durch Verzierungen wurden die Lederflächen belebt, in der
ältesten Zeit sind diese gewöhnlich in das Leder eingeschnitten und
die vertieften Stellen mit Farbe ausgemalt. Der Grund wird öfters
punktiert oder mit kleinen eingetriebenen Verzierungen in Kreisform
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V. KAP.
DIE LITTER ARISCHE PRODUKTION.
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ausgefüllt. Das feuchte Leder wurde auch mit dem Modellier-Eisen
plastisch bearbeitet und reiche Figurenbilder hergestellt. Manchmal
kam die Schrotmanier zur Anwendung. Von den mit Stanzen und
Rollen eingepressten Ornamenten wurde ein sehr freigebiger
Gebrauch gemacht. Die Ecken waren gewöhnlich mit, meist
durchbrochenen, Metallbeschlägen versehen. Spangen (Klausuren,
Schieissen}, teils von Leder, teils von Metall, hielten die Deckel
zusammen. Die grossen Folianten waren ungemein schwer, ruhten
gewöhnlich auf Schrägpulten und waren oft in den Bibliotheken an
Ketten gelegt.
Den Übergang zur Renaissancezeit bilden die Arbeiten, welche
der ungarische König Matthias Corvinus in seiner ausgezeichneten uieEinhändede.
00 König Matthias
Bibliothek zu Ofen gesammelt hatte. Sämtliche Bücher dieser Comm».
Bibliothek, für welche jährlich 33000 Dukaten verwendet wurden,
wurden in Sammet oder Leder gebunden, mit goldenen oder silbernen
Spangen und mit dem Wappen des Königs geschmückt. Dreissig
Schreiber und Maler, darunter bedeutende Künstler, waren regel-
mässig für die Bibliothek beschäftigt.
DIE LITTERARISCHE PRODUKTION Es ist nicht die
Aufgabe eines Handbuches der Geschichte der Buchdruckerkunst, ^s«p«amid>«
die Werke alle aufzuzählen , welche den Pressen ihr Dasein ver- dn£k«kuo*t.
1 Von den vielen bibliographischen Werken , welche die früheren Erzeugnisse
der Presse verzeichnen und zumteil näher beschreiben, nennen wir nur einige wenige
der hervorragendsten und vollständigsten, da kaum anzunehmen ist, dass viele der
dem Buchdruckfach angehörenden Leser dieses Handbuches in solchen Werken
Belehrung suchen werden, und andere , dem Litteraten- und Buchhändlerberufe sich
widmende, die betreffende Litteratur kennen :
Mich. Maittaire, Annales typographici ab artis inventa origme ad Arnum MD.
(Die bis zum Jahr 1500 erschienenen Werke bezeichnet man im engeren Sinn als
Wiegendrucke, Inkunabeln.) Tom. I des ganzen Werkes. Haag 17 19, vervollstän-
digt durch die Eil. nova (als Tom. IV). Amsterdam 1733. — Georg Wolfg.
Pan/.er, Ann. typ. ab etc. ad anttum MDCXXXVT. 1 1 Bände. Nürnberg 1793 — 1803.
— LüDW. Hain, Repertorium Ihbliogr. ab etc. usque ati annum MD. Stuttgart 1826—
1838. — J. Ch. BrüNET, Manuel du libraire et de Vamateur de Livres. 5. Aufl. 6 vols.
Paris 1860 u. flg. — J. G. Th. Grässe, Trlsor de livres rares et frecieux. Dresden
1859 u. flg. Des näheren verweisen wir auf Dr. Julius Petzholdt, Kibliotheca Riblio-
grapkica, Kritisches Verzeichnis der das Gesamtgebiet der Bibliographie betreffen-
den Litteratur des In- und Auslandes. 938 S. gr. 8. Der Umfang beweist schon den
enormen Reichtum dieser Litteratur.
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92
DIE LITTERARISCHE PRODUKTION.
V. KAP.
danken, noch weniger eine Kritik zu üben, aber es dürfte doch ge-
boten sein , in aller Kürze zu überblicken , in welcher Weise die
Presse und der Buchhandel sich bei der Verbreitung der Erzeugnisse
des Geistes in der ersten Zeit — der Periode der Wiegendrucke
(Inkunabeln) — beteiligten 1 .
Musste auch die Presse in ihren Anfängen vielfach der mysti-
schen Schwärmerei, der pedantischen Scholastik und spitzfindigen
Dialektik sowie dem Aberglauben und der Charlatanerie dienen, so
dauerte es doch nicht lange, bis ihr segensreicher Einfluss sich auf
das ganze wissenschaftliche und Kulturleben geltend machte. In
allen Fächern entbrannte ein Wettkampf der Gelehrten und Kunst-
verständigen , um durch die Presse ihre Kenntnisse, Erfahrungen
und Entdeckungen weiter zu verbreiten, Irrtümer aufzuklären und
die Fesseln des Wahnes zu sprengen.
Als die segensreichste Wirkung der Erfindung der Buchdrucker-
Vcrbrcitung der kunst ist die rasche Durchführung der Reformation zu bezeichnen.
Die Presse bemächtigte sich sofort der heiligen Schriften , und wie
schon oben berichtet wurde waren nicht weniger als drei Ausgaben der
lateinischen Bibel die Hauptwerke des Erfinders und seiner Geschäfts-
Nachfolger. Zu diesen kamen die weiteren Bibel- Ausgaben des Mentelin
und des Eggesteyn in Strassburg, des Günther Zainer und des Ant.
Sorg in Augsburg, des Bernh. Richel in Basel, des Ulrich Zell und des
Nik. Götz in Köln, des Sweynheim und Pannartz in Rom, des Sensen-
schmid und der Koberger in Nürnberg. In Paris erschien die Bibel
1476, in Venedig 1475, in Neapel 1476; deutsche Bibeln wurden ver-
breitet in Strassburg 1466, in Augsburg 1469, in Nürnberg 147 1 ; Aus-
gaben in französischer, italienischer, spanischer und holländischer
Sprache gab es um in den siebenziger Jahren; plattdeutsche in Köln
1480, in Lübeck 1494; englische, dänische, schwedische und polnische
Bibeln folgten zu Anfang des XVI. Jahrhunderts. Wie es die latei-
nisch gedruckte Bibel war , welche Luther das Licht anzündete, so
war es wieder die deutsch gedruckte Bibel in Luthers unübertroffener
Übersetzung, die im Verein mit seinen eigenen Schriften und denen
1 Ch. F. Harless, Die Litteratur der ersten hundert Jahre nach der Erfindung
der Typographie. Leipzig 1840. — A. Kirchhoff, Die Handschriftenhändler des
Mittelalters. 2. Ausg. Leipzig 1853. — A. Kirchhoff, Beiträge zur Gesch. des
deutschen Buchh. 2 Bde. Leipzig 1851— 1853 ; weitere Beiträge 1855. — Dr. h\ Sachse,
Die Anfänge der Bücher-Zensur in Deutschland. Leipzig 1869.
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V. KAP. DIE LITTERARISCHE PRODUKTION. 93
Philipp Melanchthons, Ullrich Zwingiis, Joh. Calvins, John Knox'
und anderer Reformatoren , unter das Volk ein helles , nicht mehr
zu verlöschendes Licht verbreiten.
Neben der Bibel wurden namentlich die KIRCHENVÄTER in
korrekten und schönen Ausgaben gedruckt, als : Lactantius, Augusti- Die Kirchenväter
, ___ A und Scholastiker.
nus, Eusebius, Nemesius, Clemens von Alexandrien u. a. War der
Nutzen dieser und ähnlicher Werke für die Wissenschaft auch kein
durchweg unzweifelhafter, so wurde durch sie doch manche nütz-
liche Kenntnis verbreitet. Selbst die Häupter der Scholastik Thomas
von Aquino, Michael Scotus, Albertus Magnus blieben nicht ohne
fruchtbringende Anregungen , nicht zu vergessen Roger Baco.
Gross waren die Fortschritte auf dem Gebiete der KLASSISCHEN
LlTTERATUR und der Philologie. Italien , dessen Boden am besten Die klassische
Littcratur.
vorgeebnet war, ging voran; es folgten in ruhmwürdiger Weise
namentlich Frankreich und die Niederlande. Zuerst kamen die
römischen Klassiker an die Reihe , dann die griechischen in latei-
nischer Übersetzung, schliesslich die Ausgaben in der griechischen
Ursprache. Die ersten Förderungsmittel der Linguistik waren die
Donate, denen dann viele andere Grammatiken folgten.
Die Zahl der Klassiker- Ausgaben und der Kommentare war
eine bedeutende. Den Anfang machte Cicero de offieiis (1465 bei
Fust und Schöfier); bis zum Jahre 1500 erschienen verschiedene
Werke Ciceros zusammen in über 100 Ausgaben. Den Vorrang in r
dem Klassikerdruck behauptete Venedig, dann folgten Rom, Florenz,
Mailand, Neapel, Bologna, Paris, Köln, Augsburg, Nürnberg, Ulm.
Die römischen Dichter erschienen fast alle in den ersten 25 Jahren
der Kunst, die griechischen in den letzten Dezennien des XV. und
in den ersten des XVI. Jahrhunderts. Der Lieblingsdichter war
Virgil (1469 bei Sweynheim), von welchem im Jahre 1500 schon
siebenzig Ausgaben existierten.
Unter den Philosophen und Naturforschern stand Aristo-
teles begreiflicherweise obenan. Seine Werke erschienen, jedoch Philosophen und
sehr entstellt, in lateinischer Übersetzung nach syrischen oder ara-
bischen Bearbeitungen; eine vollständige lateinische Ausgabe nach
dem Originale erblickte erst 1473 das Licht durch Andreas de Asola
in Venedig; die erste Original- Ausgabe brachte Aldus Manutius
(1495 — *498) in 5 Bänden; Plato fand erst später Anerkennung.
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DIE LITTER ARISCHE PRODUKTION.
V. KAP.
Auch die Historiker, Geographen und Mathematiker
der Alten wurden verbreitet. Bemerkenswert sind namentlich die
Ausgaben des Ptolomäus mit 27 grossen in Kupfer gestochenen
Karten von Arnold Buckink e Germania und des Euklid in der
prachtvollen Ausstattung durch Ratdolt (1482).
Dass die Typographie sich auch der neuen Erd- und REISE-
Di C Re«e- BESCHREIBUNG zuwendete, war schon durch die einflussreichen Er-
bcschreibung. e jgr n j sse fe r Kreuzzüge und der grossen Entdeckungen gegeben.
Die Kreuzzüge hatten nicht nur die Streiter für die Kirche massen-
haft in Bewegung gesetzt, sondern auch manche friedliche und wiss-
begierige Reiselustige, Minstreis und auch Abenteurer aller Art
wurden nach dem Orient gelockt. Dadurch entstanden nicht nur
jene romantischen Legenden von dem heiligen Lande, von den
Heldenthaten und Abenteuern der Ritter, sondern auch Beschrei-
bungen von Reisen und Erlebnissen auf letzteren. Öfters gingen
auch Gesandtschaften an die Herrscher Asiens. Berühmt geworden
vor allen Reisenden in Asien ist der Venetianer Marco Polo. Eine
italienische Ausgabe seiner Reisen ist erst aus dem Jahre 1496 bekannt ;
ob eine frühere existierte, weiss man nicht, eine deutsche, nach einer
lateinischen Ausgabe veranstaltete Übertragung war schon 1477 vor-
handen. Die Reise Bernh. Breydenbachs fand grossen Anklang.
Eine noch grössere Bedeutung für die geographische Litteratur
Die Entdecker, als die Kreuzzüge hatten die grossen Entdeckungen von Christoph
Columbus, Amerigo Vespuzzi, Fernando Cortez in Amerika, so-
wie von Vasco de Gama, Albuquerque in Afrika und Indien.
Berichte über diese Entdeckungen lieferten teils die Entdecker selbst,
teils Andere. Bedeutend für die Kosmographie und die Kartographie
war Martin Behaim aus Nürnberg (1436 — 1507).
Weniger anziehend waren die Erscheinungen auf dem Gebiete
Die Chroniken, der GESCHICHTE. Die Annalen und Chroniken waren meist trockene
kritiklose Aufzählungen von Daten, oder mehr oder weniger dich-
terisch ausgeschmückte Erzählungen von den Heldenthaten der
Ritter. Durch ihre reiche Illustrierung epochemachend war die
Schedeische Chronik.
Unter den Werken der JURISPRUDENZ waren namentlich die
Die juristische Insätutiones juris Justiniani , zuerst von Schöffer 1468 gedruckt,
welche in zahlreichen Ausgaben verbreitet wurden.
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V. KAP.
DIE LITTERAR ISCHE PRODUKTION.
95
Die Werke auf dem Gebiete der gesamten Naturwissen-
schaften und der HEILKUNDE blieben zumeist ohne grossen Wert. DieNaturwissen-
schaffen und die
Den Anfang machte auch hier der Druck der Schriften der alten Heilkunde,
römischen, griechischen und arabischen Ärzte, namentlich des so-
genannten Fürsten der Ärzte, Avicenna, von dessen Schriften bereits
vor 1500 mehr als 25 Ausgaben im Druck erschienen waren. Be-
deutende wissenschaftliche Ausbeute geben sie nicht. Leerer Dog-
matismus, Aichemismus und Astrologismus hemmten die freie For-
schung. Die grossen geographischen Entdeckungen sollten jedoch
auch nicht ohne wohlthätigen Einfluss auf die Naturwissenschaft und
ihre Litteratur bleiben, man lernte neue Pflanzen, neue Heilmittel
und leider auch neue Krankheiten kennen. Es entstanden hierdurch
die zahlreichen mit Illustrationen geschmückten Kräuterbücher und
Garten der Gesundheit.
Italien hatte, wie oben schon erwähnt wurde, noch vor der Er-
findung der Buchdruckerkunst seine grossen Dichter : Dante Die Poesie.
Alighieri, Boccaccio und Petrarca hervorgebracht. Dantes Divina
commedia wurde zum erstenmale 1472 in Foligno gedruckt; seine
gesammelten Gedichte 1 500. Boccaccios Decamerone erschien schon
1470 und dann in sehr vielen Ausgaben, unter welchen die berühmte
Valdarfersche { 147 1 ). Die erste Gesamtausgabe des Boccaccio datiert
aus dem Jahre 1490. Petrarcas Sonetti e trionfi wurden 1471 durch
den Druck veröffentlicht.
An die Meisterwerke der Poesie Italiens reichen die dichterischen
Erzeugnisse der anderen Länder nicht heran. Mit wenigen Aus-
nahmen bewegen sich diese in der breiten, epischen Romantik des
Rittertums, in den Heldenliedern, in den lyrisch-elegischen Gesängen
der Troubadours und Minnesänger, in den, teils scherzhaften, teils
ernsten Volksliedern oder in langweiligen didaktischen Gedichten.
Unter den humoristischen und satirischen Schriften macht namentlich
Sebastian Brants Narrenschiff mit seinen Illustrationen Epoche.
Der BUCHHANDEL. Mit den steigenden Bedürfnissen der
Lesewelt und der Verbreitung der Pressen selbst nach kleineren Trennung der
Buchdruckeret
Städten musste die Vereinigung des Schriftgiessers, Buchdruckers, vom Buchhandel.
Verlegers und Händlers in einer Person von selbst fallen und die
einzelnen Geschäftszweige lösten sich nach und nach vom Stamme
ab. Zuerst musste der Buchdrucker- Verleger bei der Schwierigkeit
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DIE LITTER ARISCHE PRODUKTION.
V. KAP.
des Betriebs Persönlichkeiten suchen, die seine Fabrikate an das
Publikum verhandelten. So nahmen schon Peter Schöffer den
Conrad Henliff; Joh. Mentel den Adolf Rusch als Bevollmächtigte
und Teilnehmer an, welche weite Reisen machten, um die Bücher
an den Mann zu bringen, wozu sie sich auch der Kaufleute bedienten,
die Bücher zugleich mit anderen Waren führten. Neben dem kauf-
männisch organisierten Vertrieb fand auch das Kolportieren, das
Webern, statt. Schon im XV. Jahrhundert fanden sich bedeutende
Buchhändler. Niederlagen wurden an den Knotenpunkten des Ver-
kehrs errichtet, und gegen Ende des Jahrhunderts war der Buch-
handel in Venedig, Lyon, Frankfurt am Main schon von grosser
Bedeutung. Auch Köln war, wenn als Verlagsplatz auch unter dem
drückenden Einfluss der geistlichen Bevormundung stehend, ein
wichtiger Ort namentlich für die Vermittelung des Absatzes nach
den reichen Niederlanden, wo die Buchhändler der angesehenen
St. Lucas- Gilde angehörten, und nach England, wo indes der Buch-
handel sich nur langsam entwickelte, da es keine Bücher in Tausch
anzubieten hatte. Um bedeutende Werke erscheinen lassen zu
können, wurde öfters zur Association unter Buchdruckern und Buch-
händlern geschritten. Man teilte dann gewöhnlich die Auflagen.
Als die Bedeutung der neuen Kunst den geistlichen und welt-
i>ic Zensur, liehen Behörden klar geworden war, fand sich, als unwillkommener
Gast, baldigst die ZENSUR ein, schon in den sechziger Jahren in
Köln, später in Mainz. Die Formel in Köln lautete : admissum ac
approbatum ab altna universitate Coloniend. Ob jedoch vom Beginn
ab die Einholung der Approbation ein Zwang war, oder ob diese
mehr als eine Empfehlung nachgesucht wurde, ist nicht ganz klar.
Gegen das Ende des XV. Jahrh. findet man jedoch in allen deutschen
Erzdiözesen eine wirkliche geistliche Zensur eingeführt.
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ZWEITES BUCH.
9
GLANZPERIODE UND VERFALL
DER
BUCHDRUCKERKUNST
ISOO—I7SO.
EINFÜHRUNG IN DAS ZWEITE BUCH.
IR haben in dem vorstehenden gesehen, wie über-
raschend schnell die Verbreitung der Buchdrucker-
kunst durch alle Länder Europas sich vollzog, auch
die Verhältnisse und Gründe kennen gelernt, welche
zu diesen ausserordentlichen Erfolgen beitrugen. Wir
treten jetzt an die zweite, die schönste, Periode der
Typographie heran , in welcher sie ihren Weltgang vollendete und
in Europa zur hohen Blüte gelangte.
Gelehrte von Ansehen wenden sich, teils direkt als praktische
Ausüber, teils indirekt als fördernde Herausgeber, Redaktoren und
Korrektoren, der Buchdruckerei zu, als dem vollendetsten Mittel,
Aufklärung überallhin zu verbreiten. Sie schaffen durch dieselbe zahl-
reiche Ausgaben der Klassiker und andere Werke, deren äussere
Ausstattung mit dem inneren Wert harmoniert. Eine Anzahl von
Familien, die man als den Adel der Buchdrucker bezeichnen kann,
erwirbt durch treffliche Arbeiten Ruhm und bewährt diesen durch
lange Reihen von Jahren. Gebildete Herrscher, in Deutschland voran
der Kaiser Maximilian I. und die sächsischen Fürsten, in Frankreich
Franz I. und fast alle seine Nachfolger, verschmähen es nicht der
Typographie und den mit ihr verwandten Gewerben ihre persönliche
Aufmerksamkeit zu schenken.
7*
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IOO
EINFÜHRUNG IN DAS ZWEITE BUCH
Die Buchdruckerkunst ist in den Dienst der Wissenschaft
getreten, sie ist ihr aber mehr eine sorgsame Genossin denn eine
rastlos für alles schaffende Magd.
Die schönsten Früchte der ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts
reifen jedoch erst durch die enge Vereinigung der Xylographie mit
der Typographie. Bedeutende Künstler, die zum Teil nur durch
die Holzschnitte ihren Ruf haben, welche, wenn nicht von ihnen
selbst, so doch unter ihrer Leitung ausgeführt wurden, widmen sich
mit Vorliebe der Illustration. So entstehen sowohl viele, heute noch
mustergiltige ganze Werke, als zahllose Einzelblätter.
Diese Hinneigung zum Holzschnitt war nicht dem Zufall
oder nur der Bequemlichkeit, für ihn zu zeichnen, zuzuschreiben,
sondern sie lag in den Verhältnissen tiefer begründet Es konnte
nicht anders sein, als dass die Maler der Reformationszeit, welche
Zeugen der Segnungen der Erfindung Gutenbergs waren, die
populärste Kunst, die Xylographie, deren Erzeugnisse so leicht und
so weit durch die Druckerpresse verbreitet werden konnten, freudig
begrüssen und begierig eine Gelegenheit ergreifen würden, durch
welche auch sie berufen waren , an dem grossen Werke der Refor-
mation thätig mitzuwirken.
So wurde das Zeitalter der Reformation, wie die Gegenwart,
zugleich ein Zeitalter der Illustration und die glückliche Verbindung
von Bild und Wort hat denn auch gar viel zur schnellen Verbrei-
tung der Bildung durch alle Schichten beigetragen. Die Geschichte
der illustrierenden Künste, speziell der Xylographie, ist deshalb nicht
von der Geschichte der Typographie dieser Periode zu trennen.
Bei den in der Gegenwart mächtig sich kundgebenden ernsten
Bestrebungen, die zur Zeit der Renaissance bestandene innige Ver-
bindung der Kunst mit dem Gewerbe wieder herzustellen, musste
sich notwendigerweise auch die Aufmerksamkeit aller strebenden
Jünger Gutenbergs den goldenen Tagen der Druckkunst zuwenden.
Ehrt man auch die vorangegangenen Anfänge der druckenden
Künste als die ältesten ehrwürdigen Denkmale, verfolgt man auch
mit lebhafter Teilnahme die allmählichen Fortschritte der Kunst bis
zum Beginn des XVI. Jahrhunderts, so kann doch nur ein einseitiges
Schwärmen für die Vergangenheit in diesen Leistungen — mit
wenigen Ausnahmen — nachahmungswürdige Vorbilder erblicken.
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EINFÜHRUNG IN DAS ZWEITE BUCH.
101
Anders verhält es sich jedoch mit den Werken derjenigen
Periode, vor welcher wir jetzt stehen. Hier haben wir es nicht mehr
mit nur historisch interessantem oder relativ gutem zu thun, sondern
mit Erzeugnissen der besten Schriftschneider, Buchdrucker und
Holzschneider und mit meisterlichen Schöpfungen noch heute nicht
übertroffener Künstler. Die Werke der Renaissancezeit bilden einen
Born, aus dem man immer und immer schöpfen kann, ohne dass
ein Versiegen bemerkbar wäre.
Deshalb kann auch ein Zurückgreifen der Schriftschncider auf
die besten Schriften des späteren Mittelalters oder ein Hervorholen
der, lange Zeit in den Kunstsammlungen und Bibliotheken für das
grosse Publikum begraben gewesenen Ornament- oder sonstigen
Illustrations-Schätze nicht als ein Rückschritt zu etwas „veraltetem '
bezeichnet werden. Nach den Ausschreitungen über die Grenzen des
Schönen, des Zweckmässigen und der wirklichen Fortschritte hinaus,
an welche die neuere Zeit ebenso reich ist wie an wirklichen Ver-
besserungen, trat das Bedürfnis ein, die ruhigen, einfachen und doch
kräftigen Formen der Glanzperiode wieder aufzusuchen, und was die
Illustration betrifft, so kehren Künstler ersten Ranges mit Befriedigung
zu der edlen einfachen Weise eines Dürer oder Holbein zurück.
Damit sei aber nicht behauptet, dass in dieser Richtung nicht
das rechte Mass vielfach überschritten werde und dass nicht skla-
vische Nachahmungssucht auf Irrwege geführt habe, aber im grossen
und ganzen bleibt es doch wahr, dass der denkende Schriftgiesscr,
der illustrierende Künstler und der Typograph in der Renaissancezeit
die reichste Anregung und schönste Ermunterung für ein gedeihliches
Schaffen auf ihren Gebieten suchen können und finden werden.
Darum bedarf es auch nicht der Entschuldigung, wenn wir bei
dieser bevorzugten Zeit und den hervorragenden Persönlichkeiten
derselben mit Vorliebe etwas länger verweilen ; mussten doch gar zu
bald fast in allen Ländern die Folgen der kirchlichen und politischen
Spaltungen sich kund geben und der helle Glanz dem mehr oder
weniger tiefen Dunkel des Verfalls weichen.
Leider sollte dieser Rückfall auf das empfindlichste das Heimat-
land der Erfindung treffen. Der Bauernkrieg, die langen inneren
religiösen Kämpfe, vor allem der unselige dreissigjährige Krieg und
die verwüstenden Züge der Franzosen schlugen der geistigen Ent-
102
EINFÜHRUNG IN DAS ZWEITE BUCH.
Wickelung Deutschlands und seinem nationalen Wohlstande tiefe
Wunden, die nur langsam vernarben konnten. Erst zu Ende der
vorliegenden Periode zeigten sich der aufgehende Stern des preussi-
schen Staates und die Anfänge der neueren nationalen Litteratur als
Vorboten des Fortschrittes auf dem Gebiete der politischen und
geistigen Machtstellung Deutschlands.
Je höher der Gipfel war, den Kunst und Bildung in Italien
erreicht hatten, um so tiefer war der Fall, der auch hier eintrat.
Zu gleicher Zeit seufzte Spanien unter dem Joche der Jesuiten und
den Greueln der, den physischen und geistigen Tod verbreitenden
Inquisition.
Frankreich musste unter politischen und Religionskämpfen
bluten , erreichte jedoch trotzdem in dieser Periode unter der glanz-
vollen Regierung Ludwigs XIV. sein höchstes äusseres Ansehen und
seinen litterarischen Zenith. Infolgedessen sinkt die Typographie
hier auch nicht so schnell und erst zu einer Zeit, wo wir bereits von
einem beginnenden Wiederaufblühen in anderen Ländern, namentlich
in England, zu berichten haben.
Hier war eine Regierungsumwälzung der anderen gefolgt und
die Presse hatte in schweren Fesseln gelegen, bis gegen den Schluss
der Periode die Freiheit für immer einen festen Boden gewann, auf
dem dann auch die Buchdruckerkunst sich eben so mächtig wie
schnell entfaltete.
Im skandinavischen Norden wüteten die verwandten Stämme
gegen einander und Schweden verzehrte ausserdem seine Kräfte in
dem dreissigjährigen Krieg und in den Kämpfen mit Russland. Die
Türken überschwemmten Ungarn und Österreich. Schwere und
weitverbreitete Seuchen glichen in ihren Folgen den Kriegen.
Somit war ein grosser Teil des zweiten und des dritten Jahr-
hunderts der Buchdruckerkunst eine, dieser sehr ungünstige Zeit, in
der sie notwendigerweise leiden musste, und erst das vierte Jahr-
hundert sollte sie zum neuen Glanz wieder erstehen sehen.
Werke, welche ein Gesamtbild dieser interessanten Periode
der typographischen und xylographischen Thätigkeit geben, oder
auch nur die Geschichte der einzelnen Hauptländer in ihrer
Totalität schildern, besitzen wir nicht. Dagegen giebt es eine statt-
liche Reihe erschöpfender Schilderungen der Wirksamkeit hervor-
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EINFÜHRUNG IN DAS ZWEITE BUCH.
I03
ragender Familien oder einzelner Persönlichkeiten, welche den
Kern dieser Zeit bilden. Was die Meister der Typographie betrifft,
so befindet sich das Ausland in einer besseren Lage als Deutsch-
land, welches nicht einmal ein biographisch-kritisches Werk über
die Familie Breitkopf aufzuweisen hat. Es sind namentlich die Fran-
zosen, die sich durch solche Arbeiten Verdienste erworben haben.
Dahingegen bietet Deutschland vorzügliche Werke über seine
grossen Künstler, die auch für die Illustration thätig gewesen sind.
Solche Quellen des In- und Auslandes werden an den betreffenden
Stellen angeführt, hier sei nur der bereits eingangs erwähnten all-
gemeinen Schilderungen JACKSON - Chattos und Firmin DlDüTS
gedacht, sowie des, von Dr. Rob. DoHME herausgegebenen
Kollektiv- Werkes : „Kunst und Künstler des Mittelalters und der
Neuzeit". 5 Bde. (Leipzig 1875 — 1881} , das kritische Würdi-
gungen und biographische Skizzen fast aller der Kleinmeister, die für
die Illustration so Bedeutendes geschaffen haben , enthält.
Einen grossen Vorteil bieten die Kunstverfahren der Neu-
zeit: Photographie, Lichtdruck, Photolithographie und Zink-Hoch-
ätzung, durch die Möglichkeit, mittels derselben eine Anzahl von
Werken aus der Renaissancezeit, die auf Grund ihrer Seltenheit
und ihrer hohen Preise nur einem kleinen Kreis zugänglich waren,
in getreuen Nachbildungen allgemein zu verbreiten; denn Werke,
die wie R. WeiGELS wertvolles „Holzschnitte berühmter Meister"
(Leipzig 1857), vorzügliche Nachbildungen in Xylographie bringen,
sind nur bei grosser Opferwilligkeit des Verlegers möglich.
Unter den Kollektivwerken, weiche durch die oben erwähnten
Verfahren eine reiche Auswahl des für den Typographien zu
Studium und Nacheiferung Geeigneten bringen, sind namentlich die
von G. HlRTH in München und Leipzig herausgegebenen: „Der
Formenschatz der Renaissance 1500—1600" und „Die Bücher-
ornamentik der Renaissance" erwähnenswert.
Die Schriften der deutschen Fachgenossen aus älterer Zeit
geben in Bezug weder auf äussere noch innere Verhältnisse der
Buchdruckereien eine nennenswerte Ausbeute. Zu erwähnen sind :
J. H. G. ERNESTI, „Die wol-eingerichtete Buchdruckerey",
(Nürnberg 172 1). Mit vielen deutschen, lateinischen und orienta-
lischen Schriften.
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io 4
EINFÜHRUNG IN DAS ZWEITE BUCH.
Chr. Fr. Gessner, ,.Die so nötig als nützliche Buchdrucker-
kunst und Schriftgicsserei*. 4 Teile. (Leipzig 1740 — 1745)- Ein
reichhaltiges, fleissig zusammengetragenes Buch mit vielen Illustra-
tionen technischer und geschichtlicher Natur.
Ch. G. TäüBEL, „Theoretisch praktisches Wörterbuch der
Buchdruckerkunst und Schriftgiesserei" (Wien 1805).
Höher stehen folgende Werke des Auslandes.
M. D. FERTEL, La science pratique de l'imprimerie. Avec desfig.
2 Bde. (St Omer 1723).
P. S. FoURNlER, Le Jeune, Manuel typographique. 2 Bände
(Paris 1764). Das auf vier Bände berechnete Werk wurde durch den
Tod des Verfassers unterbrochen.
JOSEPH Moxon, Mechanical Exercises; or the doctrine of
Handy-works y applied to the art of printing (London 1677 — 1696).
Das Buch ist sehr selten und Schreiber dieses nicht zurhand gewesen.
John Johnson, Typographia or the Printers Instructor. 2 Bde.
(London 1824), und Thomas Curson Hansard, Typographia
(London 1825}, erschienen fäst gleichzeitig und beide Verfasser
waren tüchtige Typographen.
C. H. TlMFERLEY, Encyclopaedia of üterary and typogra-
phical anecdote (London 1842] ist als eine vorsorglich gefüllte
Vorratskammer zu betrachten. Die unzähligen Artikel sind nach
den Jahreszahlen, aus allen Ländern untereinander, gereiht.
Ein sehr schätzbares Werk aus allerneuester Zeit ist:
E. C. Bigmore and C. W. H. Wyman, A Bibliography of
printing with notes and illuslrations. I. Band. A—L (London 1880).
Das Buch enthält nicht nur eine reiche, wir möchten fast sagen über-
reiche, typographische Bibliographie aller Länder von der ältesten
Zeit bis auf heute, sondern auch eine Menge von schätzbaren histo-
rischen Notizen und Illustrationen. Die Fortsetzung des Werkes
erscheint vorerst in der von C. Wyman herausgegebenen vortreff-
lichen Fachzeitschrift: Printing times and Lithographer.
Die bereits in dem I. Buch erwähnten Spezialgeschichten ein-
zelner Druckorte werden in dem II. Buch nicht wiederholt.
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VI. KAPITEL.
DIE
ILLUSTRIERENDE KUNST IN DEUTSCHLAND.
Die deutschen Malerschulen. Der Kupferstich und der Holzschnitt. Michel Wol-
gemut. Albrecht Dürer, seine Zeitgenossen und Nachfolger: Hans Burgkniair,
Hans Schaeuffelein, die „Kleinmeister". Hans Holbein d. j. Lucas Cranach d. ä.
Die Schweizer und Elsasser Künstler. Über die „eigenhändigen" Holzschnitte
der Zeichner.
NTER wenig günstigen Verhältnissen hatte die
Malerkunst in Deutschland sich gestaltet. Das rauhe
Klima gestattete keine Entwickelung der Wand-
malerei mit ihren grossen Verhältnissen und die
JL^a^dSäl alles beherrschende gothische Baukunst benutzte die
zeichnenden Künste fast nur zum Zweck der Ornamentierung.
Erst um die Mitte des XIV. Jahrhunderts entstanden eigentliche
Malerschulen, die jedoch in ihrer ganzen Weise noch die Spuren Die Mai«-
schulen.
der früheren Unterordnung der Malerkunst unter die Architektur
tragen.
Unter diesen war die rheinische, nach dem Hauptorte KÖLN
gewöhnlich die Kölnische Malerschule genannt, die bedeutendste, kou.
Sie zeichnete sich durch ideales Streben im Dienste der Kirche
aus. Ihr eigentümlich waren demgemäss die schlanken, duftigen
Gestalten mit heiligem Gesichtsausdruck in weichen Farben auf
Goldgrund gemalt. Rundere, gedrungenere Formen entstanden erst
beim Schärferwerden der fortschreitenden Naturbeobachtung und
der Vervollkommnung der Technik. Wie früher die Menschen der
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DIE ILLUSTRIERENDE KUNST IN DEUTSCHLAND. VI. KAP.
Künstler mehr Heilige waren, so wurden jetzt die Heiligen mehr
gewöhnliche Menschen.
Im Osten war PRAG ein Hauptsitz der Kunst geworden, welche
Prag. hier unter dem Einfluss des Kaiserhauses, besonders Karls IV.,
eine, zunächst die weltliche Macht verherrlichende Richtung nahm.
Wie Köln und Prag der geistlichen und staatlichen Gewalt
huldigten, so entwickelte sich in Brügge, wie in Nürnberg, wo
Handel und Verkehr blühten und ein mächtiges Bürgertum herrschte,
die Kunst mehr in der realistischen und begrenzteren Richtung des
Brügge. Bürgertums. BRÜGGE wurde die Pflanzstätte der niederländischen
Kunst, die ihre besondere Grösse im kleinsten Genre entwickelte
und sich unter der Führung Huberts van Eyck durch eine, bis dahin
unbekannte Naturtreue auszeichnete.
Unterstützt durch die Energie seiner Bürger und begünstigt
Nürnberg, durch seine, allerdings reizlose, Zentrallage war NÜRNBERG nicht
allein ein Stapelplatz für die Produkte und Fabrikate Deutschlands
geworden, sondern auch ein Knotenpunkt des Zwischenhandels des
Nordens und des Westens mit dem Süden und dem Osten. Die
Selbstregierung ruhte nach liberalen Grundsätzen in den Händen
eines aufgeklärten und reichen Patriziertums, welches die Rechte
der, in kleineren Verhältnissen Lebenden zu schonen verstand.
Der rege Verkehr hatte den Gesichtskreis nicht allein in staatlichen
und kirchlichen Verhältnissen erweitert, sondern auch den Sinn für
Wissenschaft und Kunst verallgemeinert, und der Reichtum gab
die Mittel, sie zu fördern.
Die Malerschule in Nürnberg nahm zwar unter solchen Um-
ständen, wie in Brügge, einen bürgerlichen Charakter an, jedoch mit
einer weit vornehmeren, gemütreicheren und religiöseren Richtung.
Unter Einwirkung der Buchdruckerkunst und der Reformation
Kupferstich und mussten die neuen Kunstverfahren des Kupferstechers und des
Holzschnitt.
Holzschneiders einen besonders günstigen Boden in Deutschland
finden. Ohne Unterstützung des sinnebestrickenden Farbenreizes
und ohne andere EfTektmittel, als die mehr oder weniger geschwellten
Linien und die weiteren oder engeren Strichlagen, war der Künstler
gehalten, eine um so grössere Aufmerksamkeit der Idee, der
Komposition und der korrekten Formengebung zuzuwenden. Bald
erreichten diese Künste, indem sie sich den Bestrebungen der sich
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VI. KAP. DIE ILLUSTRIERENDE KUNST IN DEUTSCHLAND. IO7
neu gestaltenden Zeit dienstbar machten, trotz des räumlich kleinen
Umfanges die Bedeutung einer monumentalen Kunst, die am fröh-
lichsten dort gedeihen musste, wo die erwähnten Bestrebungen sich
am kräftigsten äusserten, demgemäss also auch in dem geistig-
bewegten Nürnberg.
Der erste Formenschneider, der als solcher im Bürgerbuche
genannt wird und zwar in den Jahren 1449 — 1492, ist HANS FORMEN- Die Formen-
SCHNEIDER. Bei dem langen Zeitraum ist es anzunehmen, dass man
es mit zwei Persönlichkeiten, vielleicht mit Vater und Sohn, zu thun
hat. Auch andere werden genannt, von denen jedoch keine Arbeiten
bekannt sind. Ein sehr unternehmender Mann war um diese Zeit
Hans Sporer D. J. Seine Hauptwerke sind: „Der Endtkrist"
2. Ausg. 1472; „Die Kunst zu sterben" 1473; „Die Armenbibel"
1475, in denen der Ausdruck der Figuren zum Teil noch etwas
entschieden Fratzenhaftes und Gespenstisches hat. Auch Georg
Glockendon d. ä. arbeitete schon um 1480 und schnitt u. a. eine
„Marie" mit fünf weiblichen Heiligen und eine „Himmelfahrt Christi".
Von Wolfgang Hamer hat man eine „Heilige Familie"'.
Der eigentliche Begründer der Nürnberger so berühmten Holz-
schneiderschule und wahrscheinlich der Einführer des Kupferstiches
in Nürnberg ist MlCHEL Wolgemut (geboren 1434). Seine Micheiw 0 i g e-
mut.
künstlerische Ausbildung erhielt er am Rhein. Nach Nürnberg
zurückgekehrt, heiratete er die Witwe des Hans Pleydenwurf,
eines achtbaren Künstlers. Einen seiner Stiefsöhne, WILHELM
PLEYDENWURF, bildete er als Künstler aus und errichtete, nament- wnh. Pieyden-
lich um die Ansprüche Kobergers für seine grossen Unternehmungen
befriedigen zu können, mit ihm zusammen ein Holzschneide-Atelier.
Dasselbe nahm eine grosse Ausdehnung an und es entstanden in
sehr kurzer Zeit die bereits früher erwähnten Werke: „Der Schatz-
behalter" und Schedels ,,Buch der Chroniken" 2 . Pleydenwurf
starb bereits kurz nach Vollendung derselben (1495); Wolgemut,
der auch eine bedeutende Thätigkeit als Kupferstecher entwickelte,
am 30. Nov. 15 19. Abgesehen von seinen eigenen künstlerischen
Verdiensten behält Wolgemut eine grosse Bedeutung als Lehrer
Albrecht Dürers, der stets mit grosser Hochachtung von ihm sprach.
* R. von Rettberg, Nürnbergs Kunstleben. Stuttgart 1854.
2 Vergl. S. 47.
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108 DIE ILLUSTRIERENDE KUNST IN DEUTSCHLAND. VI. KAP.
Ai. BRECHT DÜRER 1 , mit dem der Holzschnitt einen hohen
Aibrecht Dürer. Standpunkt erreichte, war am 21. Mai 147 1 als dritter Sohn des
gleichnamigen Vaters in Nürnberg geboren. DüRER D. Ä. war als
Goldschmiedegesell 1455 nach Nürnberg gekommen, wo sein Meister
Hieronymus Holpcr ihm seine Tochter zur Frau gab, die ihm acht-
zehn Kinder gebar. Albrecht wurde von seinem Vater in dem
Goldschmiedehandwerk unterwiesen, jedoch auf seinen dringenden
Wunsch, Künstler zu werden, mit seinem fünfzehnten Jahre bei
Michel Wolgemut in die Lehre gebracht, und er nahm somit viel-
leicht schon an den Unternehmungen Kobergers thätigen Anteil.
Von seinen Lehrjahren und Wanderungen ist wenig bekannt.
Jugendjahre. Zu Pfingsten 1494 kehrte er von letzteren nach Nürnberg zurück mit
den äusseren Vorzügen des Körpers sowohl als mit den inneren des
Charakters und der Tüchtigkeit ausgestattet. Er heiratete Jungfrau
Agnes Frey, die hübsch und nicht unbemittelt war. Es ist be-
hauptet worden, dass die Ehe nicht glücklich gewesen, doch
liegen keine Beweise dafür vor, wenn es auch den Anschein hat,
als sei die Agnes mehr eine tüchtige Hausfrau, als eine mit
der Künstlernatur Dürers sympathisch gestimmte Seele gewesen.
Er bezog ein Haus am oberen Ende der Zisselgasse, welches er
gekauft hatte, um dort sein Atelier einzurichten. Das Haus, innerlich
und äusserlich leidlich unverändert erhalten, ist in den Besitz des
Dürer- Vereins übergegangen.
Dürer, der noch nicht seinen Weltruf hatte, musste des Ver-
Die Offenbarung dienstes wegen manche Arbeiten übernehmen, an denen er sich sonst
st. Johann«. kaum y^^^ haben würde. Aber schon frühzeitig beschäftigte er
sich mit einem Gegenstande, woran er seine ganze Kraft bethätigen
und sich selbst genügen wollte. Im Jahre 1498 erschien sein Bilder-
cyklus von 15 xylographischen Darstellungen in Folio zur „Offen-
barung St. Johannis". Der Text ist zweispaltig auf die Rückseite der
Bilder gedruckt, jedoch nicht immer so, dass Text und Bild korre-
spondieren. Das Werk erschien sowohl in einer deutschen als in
einer lateinischen Ausgabe und in mehreren Auflagen. Komplette
Neue Bahnen für Exemplare sind selten. Hiermit war der, bis dahin bekannte Kreis
der Leistungen weit überschritten und die Thätigkeit des Geistes
* A. v. Eye, Leben und Wirken Dürers. 2. Ausg. Nördlingen 1869. —
M. Thausing, Dürer, Geschichte seines Lebens und seiner Kunst. Leipzig 1876.
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VI. KAP. DIE ILLUSTRIERENDE KUNST IN DEUTSCHLAND. IOO,
zeigte sich selbst der aussergewöhnlichen Fertigkeit der Hand so
weit überlegen, dass die Ausübung der Kunst nicht mehr als Hand-
werk gelten konnte.
Dürers bahnbrechende Richtung für den Holzschnitt lag in
seiner Manier für diesen zu zeichnen. Bis dahin bestand der Holz-
schnitt hauptsächlich nur in derben Umrissen auf das Kolorieren
berechnet. Zwar hatte Wolgemut eine künstlerische Richtung mit
Glück eingeschlagen, aber erst Dürer erreichte die Vollendung.
Durch Abwechselung von Licht und Schatten erzielte er eine
grössere malerische Wirkung, als durch Kolorit möglich war. Dazu
gehörten jedoch Formenschneider, die auf seine Intentionen ein-
gingen. Solche konnte aber Dürer ausbilden, denn niemand
verstand es besser, als er, seinen künstlerischen Willen fest und
bestimmt mit der Feder anzugeben. Es blieb für den Formen-
schneider nichts anderes übrig, als Strich für Strich der Zeichnung
zu folgen. Dürer wusste ganz genau, was er der Technik des Holz-
schneiders zumuten konnte. Es war dies zwar weitergehenderes als
sonst üblich, jedoch nicht mehr, als was mit dem einfachen Material
geleistet werden konnte. Wie sicher er dies zu berechnen wusste,
zeigt am besten der Vergleich seiner Holzschnitt-Technik mit seiner
Kupferstich-Technik, für die keine solche hemmenden Schranken
existierten.
Aus den ersten Jahren des XVI. Jahrh. stammen eine grosse
Zahl von Zeichnungen, Stichen und Holzschnitten von seiner Verschiedene
Hand. Sein überströmender Geist legte in seinen Zeichnungen zum
Teil die Gedanken nieder, die er später zu abgeschlossenen Werken
ausarbeitete.
Nach zehnjähriger und aufreibender Arbeit machte er eine Reise
nach Italien. Aus den mitgenommenen kleinen Kunstwerken und Italien. Reue,
den Vorräten seiner Stiche und Drucke hoffte er Vorteile zu
erzielen, die indes nicht so reichlich ausfielen, wie die Ehrenbezeig-
ungen, die ihm erwiesen wurden. Bei seiner Rückkehr malte er
eine grosse Altartafel für den Kaufherrn Jakob Heller in Frankfurt,
welche allgemeine Bewunderung erregte, aber doch so wenig
lohnte, dass Dürer wieder zur Feder und zum Stichel griff. Zu den
bedeutendsten seiner Leistungen gehören die drei „Passionen" und
das „Leben der Maria" in Holzschnitt und Kupferstich. Sie haben
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HO DIE ILLUSTRIERENDE KUNST IN DEUTSCHLAND. VI. KAP.
durch Jahrhunderte ihren unvergänglichen Wert behauptet und sind
wieder und wieder nachgebildet, nachdem die Originale nicht mehr
für den Bedarf ausreichten.
Eine der Passionen in Folio und eine in Oktav sind in Holz-
Du= Passion«», schnitt ausgeführt, die dritte, auch in Oktav, ist in Kupfer ge-
stochen. Die beiden ersteren erschienen 151 1 in Buchform. Die
„grosse Passion" ist 1 2 Blätter stark mit ebenso vielen Darstellungen ;
die „kleine Passion" 38 Blätter mit 37 Darstellungen, beide mit
lateinischen Versen von Chelodonius, einem Benediktinermönch
und Freund Dürers. Die dritte „Passion" in Kupferstich von 16
Blättern ward erst 15 13 vollendet; sie ist ohne Text und scheint
nie in Buchform ausgegeben worden zu sein. Die, ihrem Stoff nach
umfangreichste „kleine Passion" fängt mit dem Sündenfall an und
endigt mit dem jüngsten Gericht; die Bezeichnung Passion ist dem-
nach nicht ganz korrekt.
In keinem Werke aber prägt sich der eigentümliche Geist
unser Frauen Dürers und überhaupt der deutschen Kunst voller und klarer aus,
als in der Reihe von zwanzig, „Unser Frauen Leben" behandelnden
Holzschnitten. Auch was die Ausführung betrifft, gehört dieser
Cyklus zu dem vorzüglichsten, was die Holzschneidekunst je
geliefert hat.
Neben diesen Hauptwerken schenkte uns Dürer in diesem
Einzelblatter. Zeitpunkt seines reichen Schaffens eine grosse Anzahl von Einzel-
blättern, die den genannten an Originalität der Erfindung und in
der Ausführung nicht nachstehen. Daneben musste er auch Zeit
und Lust finden, Blätter für Kinder und zum Schmücken von
Schachteln; Zeichnungen von Wappen der Patrizier zum Ein-
kleben in ihre Bücher; Nachbildungen naturhistorischer Gegen-
stände , u. dgl. m. zu liefern.
Eine besondere Klasse von Arbeiten, die zu den, für den Typo-
d^j Arbehen für graphen interessantesten gehören, sind die Werke, die er für den
Kaiser Maximilian ausführte, der zwar ein poetisches Gemüt und
einen regen Sinn für die schönen Künste besass, diese jedoch
hauptsächlich nur durch deren Ausbeutung zu seiner persönlichen
Verherrlichung bethätigte.
Der Kaiser hatte den Gedanken gefasst, die ganze Glanzfülle
seiner ruhmreichen Abstammung, seine weite Herrschaft, Leben
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VI. KAP. DIE ILLUSTRIERENDE KUNST IN DEUTSCHLAND. I I I
und Thaten durch eine „Ehrenpforte", einen „Triumphzug" nebst
einem „Triumphwagen" darstellen zu lassen. Den hauptsächlichsten
Teil der Arbeit wollte er Dürer übertragen, aber auch andere
Künstler sollten bei den Werken beschäftigt sein. Unter diesen ragte
besonders Hans Burgkmair, geboren zu Augsburg 1473, gestorben HamBurgkmair.
ebendaselbst 1529, hervor, der, durch seinen Aufenthalt in Venedig
von der dortigen Kunst beeinflusst, einer der Hauptvertreter der
Renaissance in Deutschland wurde. Berühmt ist er hauptsächlich
durch seine Holzzeichnungen zu den erwähnten und anderen durch
Maximilian I. hervorgerufenen Werken. Er lieferte 30 Platten zur
Ehrenpforte, 66 zu dem Triumphzug. Von ihm stammen grössten-
teils die 245 Zeichnungen zu dem „Weisskunig", auch eine Ver-
herrlichung des Kaisers, des weiteren arbeitete er mit an den
124 Blatt: „Heilige des österreichischen Kaiserhauses". Berühmt
ist auch sein „Turnierbuch" mit 52 Illustrationen.
Den Auftrag zur „Ehrenpforte" erhielt Dürer mutmasslich schon
im J. 1 512. Der gelehrte Johannes Stabius war mit der litterarischen Die Ehrenpforte
Leitung und der Abfassung der vielen Inschriften betraut. Dürer
ergriff die Sache mit grossem Eifer und vollendete seine Arbeit
schon 1 5 1 5 , obwohl die Aussichten auf die entsprechende Ent-
schädigung nicht gross waren, da der Rat von Nürnberg das An-
sinnen des Kaisers, der nicht gern aus eigener Tasche zahlte,
„Dürer Steuerfreiheit zu gewähren", ablehnte oder vielmehr Dürer
veranlasste, selbst den Antrag zurückzunehmen. Ebenso weigerte
sich der Rat, ein, vom Kaiser auf Grund verschiedener Arbeiten
Dürer zugestandenes Jahresgehalt von 100 Gulden zugunsten des
Künstlers von den an Maximilian zu zahlenden Abgaben in Abzug
zu bringen.
Die „Ehrenpforte" ist das grossartigste, was jemals in Holz-
schnitt geschaffen worden ist. Sie besteht aus 92 Holzstöcken, die
zusammengestellt eine Ausdehnung von nahe an 3 Meter 50 ctm.
Höhe und 3 Meter Breite einnehmen. Mit einer Sicherheit ohne
gleichen zeichnete Dürer die Blätter mit Feder und Pinsel. Mit
gleicher Genauigkeit schnitt sie HIERONYMUS ANDREA. Das Werk
ist nicht ein Triumphbogen im antiken Stil, sondern ein hoher
giebelgekrönter Renaissancebau, durch runde Türme flankiert und
mit drei Thoren versehen. Der Reichtum an historischen Dar-
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112 DIE ILLUSTRIERENDE KUNST IN DEUTSCHLAND. VI. KAP.
Stellungen, Allegorien, Portraitfiguren und ornamentalem Schmuck
ist geradezu überwältigend.
Der „Triumphzug" bildet in seiner Entfaltung ein Tableau von
DerTriumph^g. 54 Metern Länge bei 37 ctm. Höhe und besteht aus 135 Stöcken,
war jedoch auf eine noch grössere Zahl berechnet. Von den
Stöcken lieferte Burgkmair 66, Dürer zeichnete 24 Blatt. Dieses
grossartige xylographische Werk bietet, abgesehen von dem Kunst-
genuss, einen höchst interessanten Stoff für das Studium der
Kostüme, Waffen, Geräte und Sitten damaliger Zeit. Das ein-
gehende Programm verfasste des Kaisers Sekretär Marx Treytz-
Saurwein.
Der „Triumphwagen", sozusagen der Mittel- und Schwer-
Dcr Triumph- punkt der gesamten Unternehmungen, ist ein Werk Dürers. Die
wagen.
Zeichnungen entstanden 15 14 — 1515, die Holzschnitte waren 1522
fertig. Der Rat Pirckheimer hatte die Idee ausgearbeitet, die sich
lediglich auf schale Lobrednerei gründet Der Kaiser fahrt auf
einem von 12 Pferden gezogenen Triumphwagen, umgeben von
allegorischen Figuren, die alle seine Tugenden repräsentieren. Die
aus 8 Holzstöcken bestehende Komposition hat eine Länge von
2 Meter 32 ctm. bei einer Höhe von 47 ctm.
Als Kaiser Maximilian am 12. Jan. 15 19 starb, gerieten seine
Kunstunternehmungen ins Stocken. Dass der Kaiser nicht gern
zahlte, wurde schon erwähnt. Dürer und Andere hatten ihr Honorar
noch nicht erhalten. Um sich bezahlt zu machen, gab Dürer den
„Triumphwagen" auf seine Rechnung heraus. Die erste Ausgabe
erschien 1522 mit deutschem, die zweite 1523 mit lateinischem
Text; nachgedruckt wurde das Werk in Venedig 1589. Auch von
dem „Triumphzug" verkaufte man einzelne Blätter. König Fer-
dinand, dem daran lag, dass das Werk des Kaisers nicht in Privat-
hände zersplittert würde, erwarb durch Vermittelung des Rates zu
Nürnberg die noch unbezahlten Stöcke, die nach Wien kamen. Im
Jahre 1759 machte man den Versuch, das ganze Werk heraus-
zugeben. 1799 wurde eine neue Ausgabe veranstaltet und die noch
fehlenden Stöcke durch Radierungen ersetzt.
Zu seinem eigenen Gebrauch hatte Maximilian ein Gebetbuch
Maximilians zusammenstellen lassen, das er von Joh. SCHÖNSPERGER in Augs-
Gebetbuch.
bürg in kostbarem Pergamentdruck ausführen liess. Die Initialen
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VI. KAP. DIE ILLUSTRIERENDE KUNST IN DEUTSCHLAND. I 13
wurden nach einem, dem Congrevedruck ähnlichen Verfahren
mehrfarbig eingedruckt. Man kennt bloss drei Exemplare dieses
Werkes, eins in der k. k. Bibliothek zu Wien, das andere in der
Münchner Bibliothek, das dritte in dem British Museum. Zu 45
Blättern zeichnete Dürer mit farbiger Tinte Einfassungen, die einen
wahren Schatz von Ornamenten und Allegorien, Ernst und Scherz,
Profanem und Heiligem in bunter Reihe enthalten. Dürer scheint die
Absicht gehabt zu haben, sie durch seine Schüler fortsetzen zu
lassen. Es existieren auch acht Blatt von anderer Hand gezeichnet,
die fälschlich Lucas Cranach zugeschrieben wurden; eher dürften
sie Hans Springinklee gehören f .
Im Jahre 1520 unternahm Dürer in Gesellschaft seiner Frau
eine Reise an den Rhein und nach den Niederlanden, auf welcher Reise nac h den
er dort mit grossen Ehren empfangen wurde und mit vielen Nleder,anden -
berühmten Persönlichkeiten in Berührung kam. Sein Hauptzweck
war, den Kaiser Karl V., dessen Einzug in Antwerpen und Krönung in
Aachen er beiwohnte, zur Zahlung der, ihm vom Kaiser Maximilian
ausgesetzten Rente zu veranlassen, was ihm auch, nach verschie-
denen vergeblichen Bemühungen an den Kaiser hinanzukommen,
schliesslich in Köln gelang.
Eine Hauptthätigkeit Dürers in den letzten Jahren seines
Lebens war die Ausarbeitung und Herausgabe seiner litterarischen Litterarische Ar-
Arbeiten, für welche er sich durch sein ganzes Leben vorbereitet
hatte. Sein erstes Werk erschien 1525 unter dem Titel: „Under-
weysung der Messung, mit dem Zirkel und Richtscheyte, in Linien
ebnen wnd gantzen Corporen". Für Buchdrucker hat das Werk
ein besonderes Interesse, weil es die Verhältnisse der Buchstaben
zum erstenmal in Deutschland nach geometrischen Grundsätzen
feststellt. Es erlebte mehrere Auflagen, sowie eine Übersetzung in
das Lateinische von Joh. Camerarius. Sein zweites Werk ist eine
„Befestigungslehre"; sein Hauptwerk (1525) führt den Titel:
„Hierine sind begriffen vier Bücher von mennschlicher Proportion",
und erlebte viele Ausgaben in vielen Sprachen.
Seine letzte Zeit verlebte Dürer geschätzt von allen bedeuten-
den Männern in einfachen, jedoch keineswegs ärmlichen Verhält- Dürers Tod.
* Diese Randzeichnungen sind von N. Strixner 1808 in Lithographie vorzüg-
lich nachgebildet und später auch anderweit reproduziert.
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I 14 DIE ILLUSTRIERENDE KUNST IN DEUTSCHLAND. VI. KAP.
nissen. In den Niederlanden hatte er sich ein Fieber geholt, das er
nicht wieder los werden konnte, trotz dessen er aber noch über-
mässig arbeitete. Er starb am 6. April 1528. Seit 1840 schmückt
sein Standbild aus Erz den nach ihm benannten Platz in Nürnberg
und die dortigen Künstler begehen zu seinem Geburtstage jährlich
an seinem Grabe eine einfache Feier.
Die Zeitgenossen und Nachfolger Dürers zeigen, mit Aus-
nahme des durchaus selbständigen Hans Holbein, einen unverkenn-
baren Einfluss des grossen Meisters. Wenige unter ihnen, denen man
im allgemeinen auf Grund der räumlichen Kleinheit ihrer meisten
Arbeiten den Namen „Kleinmeister 4 * beigelegt hat, standen jedoch
als Schüler in einer näheren Verbindung mit Dürer. Nur von
zweien wissen wir mit Bestimmtheit, dass sie Dürers „ Lehrjungen *
gewesen : Hans von Kulmbach und Hans Springinklee, und gerade
über diese sind die sonstigen Nachrichten dürftig.
Hans Fuss, nach seiner Vaterstadt Hans VON KULMBACH, trat,
Han» von Kulm- nachdem er die Malerei bei Jacoßo dei Barberi (Jakob Walch) ge-
bach. . _
lernt, 15 10 bei Dürer in weitere Lehre. Ob er viel für gra-
phische Kunst gezeichnet hat, ist nicht bekannt. Ein Blatt für den
Triumphzug ist noch vorhanden mit den hineingezeichneten Korrek-
turen Dürers.
Hans Springinklee, geboren zu Nördlingen 1470, entwickelte
Han* Sprin ff in- für die graphischen Fächer eine grosse Thätigkeit. Er zeichnete 60,
durch seelenvolle Innigkeit sich auszeichnende Bilder zu dem Hortu-
lus animcc , der zuerst 1516 und dann in mehreren schnell aufein-
ander folgenden Auflagen bei Koberger erschien. Er arbeitete auch
mit an den Illustrationen zu dem Weisskunig und an verschiedenen
Unternehmungen Dürers, dessen Art er sich innig anschloss. Auch
grössere Einzelblätter hat man von ihm.
Erhard Schön war ein Mitarbeiter Springinklees bei dem
Erhard Schön. Hortulus animce (ob auch bei Dürers Werken ist nicht bekannt),
lieferte auch die zwölf Apostel und 24 Blatt Heilige. Er war
Verfasser eines Lehrbuches: „Unterweysung der Proportion
und Stellung der Bossen (Modellfiguren)" mit einer Anzahl gut
gezeichneter Köpfe und Körper in verschiedenen Lagen mit Kon-
struktionsnetzen; geschätzt sind von Sammlern seine Spielkarten.
Er starb zu Nürnberg 1550.
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VI. KAP. DIE ILLUSTRIERENDE KUNST IN DEUTSCHLAND. I I 5
Georg Pencz, Hans Sebald Beham und Barthel Beham sind
Namen, die nicht allein durch die Gemeinsamkeit der Kunstübung, Pencz und die
sondern auch durch die gemeinsamen Schicksale unzertrennlich
geworden sind.
Alle drei lernten in Nürnberg und erhielten in jungen Jahren
die Meisterschaft (ob in der Werkstatt Dürers ist nicht bekannt),
jedenfalls gehörten sie alle zu seinen begabtesten Nachfolgern. In
jugendlicher Schwärmerei wurden sie erklärte Anhänger des Thomas
Münzer, der anfangs der zwanziger Jahre nach Nürnberg kam.
In einen Prozess wegen Verbreitung deistischer und sozialistischer
Ansichten verwickelt , mussten die drei Maler ihrer Vaterstadt den
Rücken kehren.
PENCZ wurde nach einem Jahr begnadigt und später sogar
Ratsmaler. Er war ein vorzüglicher Kupferstecher in einer neuen Georg Pen«.
Manier, die sich nicht mit den einfachen Strichlagen Dürers be-
gnügte , sondern nach italienischen Vorbildern malerische Wirkung
durch Licht und Schatten und durch Abstufung der Töne zu
erreichen suchte. Er liebte es, zusammenhängende Folgen von
Blättern zu liefern, z. B. die Geschichte Abrahams, Josephs; 25 Blatt
aus dem Leben Jesu. Vorzugsweise wandte er sich Folgen aus dem
klassischen Altertum zu, als z. B. : „berühmte Liebespaare", „Bei-
spiele der Standhaftigkeit", „unglückliche Frauen". Man besitzt
von ihm 126 Blätter. Er starb 1550, hinterliess aber, trotz fleissigen
Arbeitens , die Seinen in grosser Dürftigkeit
Mehr Glück hatten die Behams, namentlich der jüngere,
Barthel. Der ältere Hans Sebald Beham (geb. zu Nürnberg Hans Sebald
1500) steht vielleicht von allen Kleinmeistern als Zeichner Dürer
am nächsten, und übertrifft ihn als Kupferstecher. Er befindet sich
schon vollständig auf dem Boden der Renaissance. Nach verschie-
denen Schicksalen fand er in Frankfurt 1 534 eine bleibende Stätte
und ein reiches Feld seiner Thätigkeit. Für viele Werke Chr.
Egenolffs lieferte er Illustrationen; für die Weltchronik (die in neun
Auflagen erschien) 80 Holzschnitte; 26 Holzschnitte zu der Offen-
barung St. Johannis; eine ähnliche Zahl zu dem Neuen Testa-
ment; ferner zu einem Handbuch der Fecht- und Ringerkunst und
einem Buch vom gesunden Lebensregiment u. s. w. Als er 1550
starb, hinterliess er 270 Kupferstiche und an 500 Holzschnitte.
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I l6 DIE ILLUSTRIERENDE KUNST IN DEUTSCHLAND. TL KAP.
Seinen Grundsätzen, für die er in der Jugend büssen musste, blieb
er bis an sein Ende treu.
Die Herausgabe eines „ Büchlein von den Proportionen des
Ross" brachte ihn in Konflikt mit der Witwe Dürers, welche hierin
eine widerrechtliche Aneignung eines Manuskripts Dürers erblickte
und ein Verbot des Buches Behams erwirkte, bis Dürers Werk,
das übrigens von ganz anderen Gesichtspunkten ausgeht, er-
schienen sei.
Es wird behauptet, er habe gegen Ende seines Lebens eine
Weinschenke errichtet und einem liederlichen Leben sich ergeben,
dagegen scheint jedoch die grosse Zahl von Arbeiten, die gerade
aus seinen letzten Lebensjahren stammen , zu sprechen.
BARTHEL BEHAM ging nach München und trat 1 527 in den
Barthd Beham. Dienst des Herzogs Wilhelm von Bayern, der ihn auf seine Kosten
nach Italien sandte, wo er plötzlich im besten Mannesalter und auf
der Höhe seiner Kunst starb. Von seinen Kupferstichen sind 85 auf
die heutige Zeit gekommen. Ganz vorzügliches leistete er in Orna-
mentvorlagen fiir das Kunsthandwerk, wie in Vignetten für Bücher.
In derselben Richtung zeichnete sich Ludwig Krug in Nürn-
berg aus.
Hans Leonhard Schaeuffelein (geb. um 1476) lehnt sich
Hau» sehr an Dürer an. Er wendete sich mit Vorliebe dem Holzschnitt
zu, dessen Technik ganz der Richtung seines Geistes entsprach.
Wahrscheinlich lernte er zuerst bei Wolgemut und arbeitete später
bei Dürer, bis dieser 1505, vor seiner Abreise nach Italien, seine
Werkstatt auflöste. Im Jahre 1 507 lieferte er bereits eine Holz-
schnittfolge von 65 Blatt für das Speculum passionis des Dr. Pinder.
Von ihm rühren 118 Zeichnungen für die Holzschnitte zu dem
Theuerdank (1512} her, die von dem vorzüglichen Holzschneider
JOST DE Negker geschnitten wurden. Bei Schönsperger erschien
ferner von ihm „Der Heiligen Leben" mit 130 kleinen Holz-
schnitten und, im Verein mit Hans Burgkmair und Georg Brew,
„Das Leiden Christi".
Schaeuffelein heiratete die Nürnberger Patriziertochter Afra
Tucher und wandte sich 1 5 1 5 nach Nördlingen , der Heimat seines
Vaters. Aus der Zeit seines dortigen Aufenthaltes sind zu nennen:
seine Holzschnittzeichnungen zu Ciceros Buch „Von den Pflichten" ;
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VI. KAP.
DIE ILLUSTRIERENDE KUNST IN DEUTSCHLAND.
117
zu den Historien des Boccaccio; zu einem Buche mit dialektischen
Vorschriften; zu dem „goldenen Esel M des Apulejus und zu mehreren
religiösen Werken. Am bedeutendsten sind einige, dem täglichen
Leben entnommene Darstellungen, Bilder aus dem Soldatenleben
und namentlich 20 Blätter mit Hochzeitstänzern. Ein Abendmahl
zeichnet sich durch seine ungewöhnliche Grösse, 1 Meter 2 ctm.
Breite bei 71 ctm. Höhe, aus. Schaeuffelein besass wenig Genie und
konnte sich nicht von dem noch nicht fertigen Standpunkt der
Form emanzipieren, auf welchem Dürer damals, als er nach Italien
reiste, stand. Schaeuffelein starb 1 549.
Albrecht Altdorker, wahrscheinlich in Amberg um 1480
geboren, tritt weit selbständiger und origineller auf als Schaeuffelein, Aibr. Aitdorfer.
wenn er ihn auch nicht in der Technik übertrifft. Er zersplitterte
seine Kräfte nach verschiedenen Richtungen hin. 1 505 siedelte er
nach Regensburg über und wurde 1526 dort Ratsbaumeister. Er ist
als Vater der modernen Landschaftsmalerei zu betrachten und
brachte es auch in der Ätzmanier zur Virtuosität. Die Zahl seiner
Kupferstiche beläuft sich auf etwa 80, die der Holzschnitte auf 70,
die der Radierungen auf 30. Er starb im Jahre 1538.
Michael Ostendorfer, ein Zeitgenosse Altdorfers (1490 —
1 5 59) , leistete als Zeichner mehr denn dieser und würde sicherlich Michael o»tcn-
dorfer.
bedeutendere Werke geliefert haben, wenn nicht die Not ihn
gezwungen hätte, die Kunst allein als Erwerbsmittel zu betrachten
und allerlei, seinen Fähigkeiten nicht angemessene Arbeiten zu
unternehmen. In der ersten Periode seiner Thätigkeit sind seine
besten Arbeiten der Verherrlichung der Jungfrau Maria gewidmet,
besonders ein Holzschnitt von ungewöhnlicher Grösse: „Die Kirche
der schönen Maria zu Regensburg". Als diese Stadt 1542 das
Augsburger Bekenntnis annahm, widmete Ostendorfer seine Kunst
mit Eifer der Reformation. Seine bedeutendste Komposition ist ein
umfangreicher Holzschnitt „Die Kreuzabnahme" (1548).
Aus der grossen Zahl von Zeichnern dir Formenschnitt von
der Mitte des XVI. Jahrhunderts ab sind nur wenige nennenswert,
unter diesen besonders: Virgilius Solis, Jost Amann, Peter Flötner
und Melchior Lorch.
Virgil Solis, geboren 15 14 zu Nürnberg, hat für die Typo-
graphie eine besondere Bedeutung, weil er eine grosse Zahl der
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I 18 DIE ILLUSTRIERENDE KUNST IN DEUTSCHLAND. VI. KAP.
schönsten Zierstöckc für Bücherornamentierung erfand. Von ihm
Virgil soiii. sind 600 Kupferstiche bekannt und die Zahl seiner Holzschnitte
ist ebenfalls gross, als: 100 biblische Figuren zum Alten Testament;
1 16 zum Neuen; 67 zur Geschichte der Bibel; 178 zu Ovids Meta-
morphosen; 194 zu Äsops Fabeln. Er starb um 1562.
JOST Amann 1 war einer der talentvollsten Holzzeichner seiner
jo« Amann. Zeit und näherte sich mehr als Virgil Solis den alten Meistern. Seine
Figuren haben jedoch etwas theatralisches. Er war im J. 1539 m
Zürich geboren, zog 1560 nach Nürnberg und arbeitete vieles für
dortige, besonders jedoch für Frankfurter Buchhändler, namentlich
für Sig. Feyerabend. Wir haben von ihm Bibelillusti ationen; Icones
Liviance, Bilder aus der altrömischen Geschichte; Zeichnungen zu
Reineke Fuchs; das Stamm- und Wappenbuch; Kostüm werke von
Bedeutung. Bekannt ist das 1 564 erschienene : „Hans Sachse, eigent-
liche Beschreybung aller Stände auf Erden — aller Künste und
Handwerken". Wir finden darin auch den Schriftgiesser, Drucker,
Briefmaler, Formenschneider, Buchbinder. Bei etwas grösserer
Aufmerksamkeit auf die Details seitens Amanns würden diese Ab-
bildungen von grösserem Werte für die ältere Geschichte der Buch-
druckerkunst sein. Der Text in Versen bietet keine besonderen
Anhaltspunkte. Amann starb 1591.
Peter Flötner aus Nürnberg, gestorben um 1546, war in
Peter Fiömer. erster Reihe Bildhauer, doch auch als Zeichner besonders für den
Formenschnitt thätig. Unter den erhaltenen etwa ob Holzschnitten
zeichnen sich besonders eine Reihe von Landsknechtsbildern vor-
teilhaft aus. Von Wert für die Ornamentik ist noch heute seine
Sammlung von 24 Vorlegeblättern für Goldschmiede und sonstige
Metallarbeiter.
Melchior Lorch aus Flensburg, geb. 1527, lieferte schon in
Mekhior Lorch, seinem 18. Jahre tüchtige Stiche. Zu Dürer muss er in persön-
lichen Beziehungen gestanden haben, da er dessen Portrait 1550
in Kupfer stach, ebenso 1548 das Bildnis Luthers. Lorch machte
grosse Reisen und besuchte zweimal, indem er kaiserliche Gesandt-
schaften begleitete, Konstantinopel. Die reiche Ausbeute, die er
aus dem Orient mitbrachte, erschien 1570 in einem Buch, verlegt zu
« C. Becker, Jost Amann, Zeichner etc. Mit Zusätzen von R. Weigel. Leipzig
1854. Vcrgl. auch S. 77.
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VI. KAP. DIE ILLUSTRIERENDE KUNST IN DEUTSCHLAND. I IQ
Hamburg. Später trat Lorch in den Dienst des Königs Friedrich II.
von Dänemark. Eine, auf zwei Platten geschnittene figurenreiche
Darstellung der Sintflut ist die grösste der von ihm erhaltenen
Kompositionen. Er starb zu Rom 1585.
Geschickte Kupferstecher waren Jakob BlNCK und Hans
LADENSPELDER. Der erstere, zu Anfang des XVI. Jahrh. geboren, ^jakob Binck.
siedelte 1 531 nach Kopenhagen über, wo er Hofmaler wurde, wir Ladenspe,der -
haben ungefähr 1 50 Stiche von ihm. Von Ladenspelder ( 1 5 1 1 —
1554) sind etwa 50 Stiche auf uns gekommen; er neigt sich mehr
den Italienern zu.
Heinrich Aldegrever ist der letzte der Künstler, die mehr
oder weniger unter den sich widerstrebenden Einflüssen der Gothik h. Aldegrever.
und der Renaissance stehen. Er wurde 1 502 entweder in Paderborn
oder in Soest geboren. Der Reformation sehr zugethan, stach er die
Portraits Luthers und Melanchthons und griff die Pfaffenwirtschaft
in mehreren Stichen an. Gegen 300 als echt anerkannte Stichblätter
sind von ihm vorhanden. In grösseren Bilderfolgen behandelte
er biblische Geschichten, z. B. die Adams und Evas, des barm-
herzigen Samariters, des keuschen Joseph. Seine ornamentalen
Arbeiten gelten noch heute als nachahmenswerte Vorlagen, nament-
lich diejenigen Blätter, in welchen er sich an das einfache Pflanzen-
ornament hält 1 .
Eine Sonderstellung behauptet Lucas Cranach 2 , so genannt
nach seiner Vaterstadt Kronach in Oberfranken, wo er 1472 geboren Luc. Cranach.
wurde. Im Jahre 1 504 trat er in die Dienste des Kurfürsten Fried-
rich des Weisen, bei dem, so wie auch bei den Kurfürsten Johann
dem Beständigen und Johann Friedrich dem Grossmütigen er in
grosser Gunst stand und zu denen er treu hielt Nach Wittenberg
übergesiedelt, kaufte er 1520 dort eine Apotheke, trieb auch Buch-
und Papierhandel, beteiligte sich bei einer Buchdruckerei und
lieferte, unterstützt von zahlreichen Gehülfen, eine Unzahl von
Bildern, die zwar geschätzt wurden, aber doch keinen Vergleich mit
denen Dürers und Holbeins vertragen. Durch Zeichenfeder wie
durch Pinsel kann er als ein tüchtiger Mitarbeiter an dem Refor-
1 Sie sind in vortrefflichen Lichtdrucken reproduziert.
2 Chr. SCHUCHARDT, Lucas Cranach des älteren Leben und Werke. 2 Bde.
Leipzig 1851. — Jos. Heller, Lucas Cranachs Leben und Werke. Nürnberg 1S54.
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120 DIE ILLUSTRIERENDE KUNST IN DEUTSCHLAND. VI. KAP.
mationswerk gelten, nicht nur, dass er die Bildnisse der Reformatoren
allgemein verbreitete, sondern er trug auch durch seine satirischen
Bilder dazu bei, einerseits das Papsttum blosszustellen , andererseits
die Religiosität zu fördern. Unter seinen Mitbürgern war er sehr
angesehen und er bekleidete das Amt eines Bürgermeisters. Mit dem
Kurfürsten Johann Friedrich ging er nach Weimar, wo er im Oktober
1553 starb.
Von beglaubigten Kupferstichen Cranachs giebt es kaum ein
Dutzend; von Holzschnitten jedoch über 500, teils Einzel - Blätter,
teils Suiten. Unter letzteren erwähnen wir: „Die Leiden Christi"
14 Blatt; die 1509 als Passio Jesu Christi erschienen, und später
vielfach benutzt wurden ; „Christus und die Apostel", 14 Blatt; „Die
Marter der Apostel", 12 Blatt; „Passional Christi und Antichristi",
26 Blatt, wovon 13 je eine Scene aus dem Leben Christi, diesen
gegenüber 13 je eine aus dem Leben eines Papstes vorstellen ; „Das
Papsttum", 10 Blatt, dann „Das Wittenberger Heiligtumsbuch",
119 Blatt, mit Abbildungen und Beschreibungen kostbarer
Gefässe etc.
In Strassburg lebte Hans Baldüng, genannt Grün, wenige
Hans Baidung. Jahre nach Dürer (1475) in Schwäb. Gmünd geboren. 1509 Hess er
sich in Strassburg nieder. Als Maler ist er namentlich durch sein
Altarbild in dem Freiburger Münster bekannt (15 10 — 1526;. Nach
seiner Rückkehr nach Strassburg widmete er sich besonders dem
Holzschnitt und lieferte auch schöne Blätter in Clairodscur-Manier.
Grossartig sind seine Apostel-Figuren aus den Jahren 15 18 — 19.
Man kennt etwa 1 50 Blätter von seiner Hand. Ein wahres Kleinod
für die deutsche Kunstgeschichte ist sein Skizzenbuch, welches in
Karlsruhe aufbewahrt wird. Er starb im Jahre 1545.
Ein besonderer Glücksstern ruhte über Basel. Hier wirkte zuerst
Ur»e Graf. URSE Graf (geb. 1470, gest. 1 530;, von dessen Zeichnungen manche
robias Stimmer. _ .
nicht hinter denen Dürers und Burgkmairs stehen (Leben Christi
in 24 Bl.); dann Tobias STIMMER geb. zu SchafThausen 1534),
dessen „Newe künstliche Figuren biblischer Historien" (1 576) Rubens
als eine Schatzkammer der Kunst bezeichnete. Stimmer starb um
das Jahr 1590.
Basels grösster Stolz ist jedoch HANS HOLBEIN der jüngere
dessen Vater Hans, ein Maler von Verdienst, aus Augsburg stam-
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VI. KAP. DIE ILLUSTRIERENDE KUNST IN DEUTSCHLAND. 1 2 1
mend, um das Jahr 1495, in welchem der Sohn geboren wurde,
nach Basel zog.
Die erste bedeutendere Holzschnitt- Arbeit Holbeins ist „Mucius
Scävola 'und Porsenna". Das Werk des englischen Kanzlers HansHoibcindj.
Thomas Morus , Utopia\ welches bei Joh. Froben in Basel erschien,
war Veranlassung für Holbein, mit Erasmus in Berührung zu
kommen, der ihn dem Kanzler empfahl, durch dessen Vermittelung
er als Hofmaler Heinrichs VIII. in das Schloss Whitehall zog, wo er
seine unvergleichlichen Bildnisse malte und zeichnete und 1543
starb. Basel besuchte er in den Jahren 1529 und 1539'.
Holbein lieferte, abgesehen von seinen Alphabeten, über 300
Zeichnungen für den Holzschnitt, darunter Randverzierungen, Titel-
blätter, Buchdruckerzeichen u. dgl. Seine drei in der Geschichte
der Holzschneidekunst unübertroffen dastehenden Werke sind: „Das
lateinische Totentanzalphabet", „Der Totentanz" und „Die Bilder
zur Bibel".
„Das Totentanzalphabet." Auf Blättern von nur 24 Millimeter
in Quadrat hat es Holbein verstanden in Verbindung mit Initialen Das Totentanz-
Alphabet«
Gruppen zu komponieren, von welchen jede eine Scene darstellt,
wie der Tod den Menschen in jedem Alter und in jeder Lebens-
stellung erfasst. Die Zartheit des Stiches, die Reinheit der Linien
veranlassten Kenner, hierin eher Hochschnitte in Kupfer als Holz-
schnitte zu suchen. Die 24 Vignetten, auf ein Blatt gedruckt, sind
nur in ganz wenigen Exemplaren vorhanden ; auf zwei davon wird
Hans Lützelburger als der Formschneider angegeben. Was aus
den Originalen geworden, weiss niemand, kopiert sind sie vielmals.
Loedel in Göttingen hat sie vortrefflich nach dem schönen Exemplar
in Dresden gestochen.
„Der Totentanz." Noch berühmter ist der Totentanz, der in
dreizehn Ausgaben existiert. Früher hielt man dafür, dass die erste Der Totentanz,
gedruckte Ausgabe von den Originalstöcken, welche eine Höhe von
nur 6 ctm. 50 mm. und eine Breite von 5 ctm. haben, in Lyon
erschienen sei, neuere Untersuchungen haben jedoch ergeben, dass
wenigstens die zwei ersten Ausgaben aus Basel stammen und dass
wahrscheinlich erst die vierte aus der Offizin der Gebr. Trechsel in
1 Alfr. Woltmann, Hans Holbein und seine Zeit. 2. Aufl. Leipzig 1876. —
Ambr. Firmin Didot, Essai sur Vhistoire dt la gravure sur bois. Paris 1 853 .
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DIE ILLUSTRIERENDE KUNST IN DEUTSCHLAND.
VI. KAP.
Lyon herrührte. Dass die Schnitte in Basel hergestellt wurden,
dürfte ebenfalls zweifellos sein; in Lyon waren damals keine, dieser
Aufgabe gewachsenen Holzschneider. Man schreibt sie dem, mit
dem Namen Holbein so eng verknüpften Formenschneider Hans
Lützelburger, genannt Franck, zu. Die iv. bis xi. Ausgabe
wurde in Lyon; die XII. in Basel; die xm. wieder in Lyon gedruckt.
Die VIII. Ausgabe und die folgenden haben statt 41 Blätter deren
53. In dem Hin- und Herwandern der Holzschnitte liegt nichts
befremdendes; ein solches fand öfters statt.
Die Engländer haben behauptet, dass die Originale für die
Holzschnitte des Totentanzes Gemälde im Schlosse Whitehall,
welches 1697 in Flammen aufging, gewesen seien. Die mit der Feder
ausgeführten, und durch leichtes Aufsetzen von braunen Tinten
gehobenen Originalzeichnungen befinden sich jetzt, nach verschie-
denen Schicksalen, in dem kaiserlichen Kabinet in St. Petersburg.
Das Werk ist vielfach kopiert, in Holzschnitt hat man 48, in Kupfer-
stich 43 Ausgaben. Die von dem bekannten englischen Kupfer-
stecher Hollar in London 1647 gelieferten Stiche sind nach den,
damals in Besitz des Lord Arundel befindlichen Originalen gemacht.
Holbein erzielt in diesem Werke, dessen Gedankentiefe, Kraft
und Naivetät man nicht genug bewundern kann, mit den einfachsten
Mitteln die grösste Wirkung. Er schafft keine Schwierigkeit für den
Holzschneider, die Schatten deutet er nur schwach an.
Die Icones Veteris Testamenti halten sich in demselben ein-
Ieotus veteris fachen Stil. Der Ausdruck ist kräftig und naiv; eine Eigentümlich-
fastcltH t'Htl t
keit sind die etwas kurzen Figuren. Die erste Ausgabe erschien
1538 bei Trechsel in Lyon. Sie enthält 92 Blätter. Schon 1539
folgte die zweite. Die dritte Ausgabe druckten die Gebr. Freiion,
welche überhaupt fünf Ausgaben lieferten, nachdem sie die Druckerei
von Trechsel erworben hatten.
Wer die Platten geschnitten hat, ist unbekannt geblieben ; dass
Hans Lützelburger allein eine so bedeutende Arbeit hätte ausfuhren
können, ist nicht anzunehmen. Angesehene Kenner haben ver-
mutet, dass die Schnitte in Paris besorgt sind.
Im Jahre 1830 haben zwei geschickte englische Holzschneider,
John und Mary Blyfield, sowohl diese Zeichnungen, als auch den
Totentanz so getreu nachgebildet, dass sie kaum von den Originalen
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VI. KAP.
DIE ILLUSTRIERENDE KUNST IN DEUTSCHLAND.
123
zu unterscheiden sind. In demselben Jahre, wo das Original Hol-
beins in Lyon erschien, Hess Pierre Regnault in Paris eine, jedoch
schwache Nachahmung erscheinen.
Mit den Arbeiten Holbeins hatte die Holzschneidekunst ihren
Höhepunkt erreicht. Trotz aller Fortschritte in der Technik, die heute Höchste stufe
d. Holzschnittes.
spielend alle Schwierigkeiten überwindet, giebt es nichts, was den,
mit so einfachen Mitteln und bei so kleinen Dimensionen erreichten
Effekt dieser Kunstwerke übertrifft. Die Vortrefflichkeit der Aus-
führung hat Sachkundige veranlasst, in dem Holzschneider den
Künstler selbst erkennen zu wollen. Überhaupt ist die Frage öfters
aufgeworfen: „Waren in der ersten Periode des Holzschnittes Zeich-
ner und Holzschneider dieselbe Person?", eine Frage, die unter-
schiedliche Beantwortung gefunden hat.
Es mag wohl unzweifelhaft sein, dass die Künstler damaliger
Zeit, wo Kunst und Gewerbe einander weit näher standen, als heut- ueber die « g en-
zutage, die Technik des Holzschnittes innegehabt und öfters selbst ""schnitte. 0 *
die Xylographie geübt, namentlich die Teile eines Bildes geschnitten
haben, die besondere Sorgfalt erforderten. Ebenso unzweifelhaft ist
es aber wohl auch, dass dies eine Ausnahme war, und dass die
Zeichner sich in der Regel des Formenschneiders bedienten, um die
langwierige Arbeit des Schnittes auszuführen.
Es bleibt so gut für diese Periode, wie für unsere Zeit anzu-
nehmen, dass zwei Künstler bei der Arbeit zusammenwirkten: der
eigentlich Erfindende, der die Komposition entwarf und aufs Holz
zeichnete (riss) — eine Arbeit, die aber in manchen Fällen auch von
einem zweiten Künstler besorgt wurde — , und der Holzschneider,
der selbst und durch seine Gehülfen den Schnitt ausführte.
Das Monogramm Holbeins oder Dürers auf einem Holzschnitt
beweist ebensowenig, dass er den Schnitt ausgeführt hat, als heut-
zutage das Horace Vernets oder Adolph Menzels uns glauben lässt,
dass diese in Holz geschnitten haben. Dass der Holzschneider nicht
seinen Namen beigefügt hat, liegt einfach darin, dass er damals
noch nicht den Anspruch machte, als selbständiger Künstler zu
gelten. Die Aufgabe des Holzschneiders war nur, die Zeichnung
auf das genaueste wiederzugeben; je sklavischer er hierin arbeitete,
je weniger er Anspruch auf Selbständigkeit machte, ein um so
besserer Holzschneider war er. Abgesehen von den eigenen Äusser-
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124 DIE ILLUSTRIERENDE KUNST IN DEUTSCHLAND. VI. KAP.
ungen Dürers, woraus hervorgeht, da* er sich wenigstens haupt-
sächlich nur mit der Zeichnung beschäftigt hat, beweist die grosse
Zahl von Holzschnitten von ihm, sowie die Verschiedenheit in der
Ausführung, dass sie nicht Arbeiten eines einzigen Mannes sein
können; und so wird es wohl auch mit den Arbeiten mancher
anderer Künstler der Fall sein.
Über eine besondere Art der Illustration, welche sowohl in
Die Drucker- Deutschland, wie in anderen Ländern allgemein üblich wurde, die
„Druckerzeichen" 1 mögen hier einige Worte Platz finden.
Schon in der frühesten Periode machten die Buchdrucker
Gebrauch von Wappenschildern, Sinnbildern und Wahlsprüchen, die
so zu sagen die Stelle eines Fabrikzeichens einnahmen und sowohl
ein Ursprungs -Zeugnis als auch ein Eigentumszeichen bildeten.
Bereits Fust und Schöffer bedienten sich eines solchen ; dass jedoch
der zweite Zweck des Druckerzeichens nicht immer erfüllt wurde,
beweisen schon die Klagen des Aldus, dass die Nachdrucker in Lyon
nicht allein seine Bücher nachdruckten, sondern auch sein Zeichen,
den weltberühmten Anker von einem Delphin umschlungen, nach-
machten, so dass jedermann glauben müsse, er sende solche fehler-
hafte Drucke in die Welt
Mit dem zunehmenden Geschmack an Verzierungen wurde
immer mehr Phantasie und Geschick auf Erfindung und Ausfuhrung
der Druckerzeichen verwendet. Die Familie der Elzevire wählte
den vieltragenden Ölbaum, welchen die griechische Mythe als das
segensreiche Geschenk der weisen Göttin Minerva an die Mensch-
heit bezeichnete. Die Stephane nahmen ebenfalls einen Baum,
welchem der fromme und gelehrte Heinrich Stephanus eine Apostel-
figur beigab, die mit einem Fingerzeig auf die herabgefallenen
gebrochenen Zweige und auf den Ausspruch des Apostel Paulus:
Noli altum sapere, sed time (Strebe nicht zu hoch , sondern sei
besorgt) warnend hinweist.
» Frid. Roth-Schoi.tz, Insignia biblioßolarum et typographorum. Nürnberg 1728.
— C. L. Silvestre, marques typographiques. Paris 1853. Reiffenberg, Marques
et devises. Brüssel 1874. — J. Ph. Berjeau, Early Dutch German and Engiish
Printers Marks. London 1866. — Jessie E. Ringwalt in dem Amerikanischen
Printers Ciratlar. 1873.
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VI. KAP. DIE ILLUSTRIERENDE KUNST IN DEUTSCHLAND. 12$
Plantin kennzeichnete den Geist, der seine Arbeiten leitete,
durch eine Hand und einen Zirkel mit dem Motto Labore et con- Die pnicker-
stantia (durch Arbeit und Beständigkeit). Proben führte einen,
von Schlangen umwundenen Stab, auf welchem eine Taube sitzt,
was Erasmus zu dem Ausspruch veranlasste, dass der gelehrte
Drucker in Wahrheit die Schlangenklugheit mit der Taubeneinfalt
vereinige. Die Familie Marnef wählte den Pelikan, wie er sich die
Brust zerfleischt, um seine Jungen zu nähren.
Künstlerisch ist das Zeichen des Oporin : der auf dem schwim-
menden Delphin sich wiegende Arion, der von den Winden
getragen zu werden scheint, ebenfalls bemerkenswert der Saturn
des Colinäus, sowie das schöne Sinnbild der Gioleti mit dem grossen,
keck in die Sonne schauenden Adler und dem Motto Semper
eadem. Voller Kraft und Grazie ist auch der Greif der Familie
Gryphius und der prächtige Pegasus, auf dem die Wechel ihrem
Ruhme entgegeneilten. Würdig obigen beigesellt zu werden ist das
merkwürdige Symbol des Hieron. Scott : eine weibliche Figur auf
einer Erdkugel, welche dem leisesten Druck der Zügel zu gehorchen
scheint, die sie in ihrer Hand hält. Prosaischer war die Herleitung
des Druckerzeichens von dem Zeichen des Wohnhauses wo
gedruckt wurde.
Manchmal hatten die Insignia eine bedeutende Grösse. Riesen-
haft ist der wilde Löwe des Mylius von Strassburg, ebenso wie die
drei reissenden Bestien Brylingers, während Couteaus kolossaler
Löwe friedlich auf einem Schild von Blumen ruht.
Besonders beliebt waren die rebus-ähnlichen Wortspiele. Das
Wappen Baumanns in Breslau zeigt ein unfertiges Haus mit dem
Baumeister davor. Apiarius (Bienenzüchter) in Ingolstadt sendet
einen Bären baumaufwärts trotz des diesen umgebenden Bienen-
schwarmes. Froschauer in Zürich mag für seinen schlechten Rebus
einige Entschuldigung in dem Humor finden, mit welchem sein
Junge den riesenhaften Frosch reitet oder letzterer auf den Baum
klettert. Für Granjon lag das Wortspiel fertig in der grossen Binse
{grand Jone). Das Schiff (Galliote) des Galliot du Pre fährt unter
vollen Segeln dahin. Der wuchtige Elephant Regnaults gewinnt
sehr in den Händen seiner Witwe durch den pikanten Zusatz, dass
sie das Elephantentum fortsetzen werde: Sicut Elephas sto!
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»
I2Ö
DIE ILLUSTRIERENDE KUNST IN DEUTSCHLAND. VI. KAP.
Namentlich die englischen Buchdrucker gefielen sich in den,
Die Drucker- oftmals bis an die Grenze des Erlaubten getriebenen Wortspielen.
zeichen.
William Middlcton stellte sein W. M. mitten auf eine Tonne.
William Griffith sendet uns einen Greif mit einer Bartnelke {Sweet
William) in dem Schnabel. Thomas Woodcock (Holzhahn) setzte
einen Hahn auf einen Scheiterhaufen mit der Umschrift Cantabo
Jehovae, quia beneficit (ich will dem gnadenreichen Gott lobsingen).
Thomas Pavier führte als Zeichen einen arbeitenden Pflastersetzer
{pavier) mit dem Motto : Thou shalt labour, tili thou return to dust
(du sollst arbeiten, bis du wieder zu Staube wirst). Reynard Wolf
lässt seine Namensvettern, Fuchs und Wolf, Schildhalterdienste bei
ihm verrichten. Das Zeichen John Days (Tag) zeigt eine von der
aufgehenden Sonne beleuchtete Landschaft; im Vordergrunde ein
Schlafender, den ein Engel weckt, mit dem Ausspruch: Ariselfor
it is Day (Steh auf, denn der Tag ist da).
Gewisse einfache und sehr leicht verständliche Embleme schei-
nen als ein Gemeingut der Drucker aller Länder gegolten zu haben,
so gebrauchten Oeglin, Notary, Martens, Thanner und Weissem-
burger die Erdkugel ; die Druckerpresse wurde benutzt von Ascen-
sius, Vascosan, Roigny, Schilders, de Preux, Hanns Lufft u. s. w.,
Kreuz, Stern und Anker wurden in allen erdenklichen Zusammen-
stellungen verwendet, die Zeit zeigt sich in allerlei Gestalten, die
Schlange windet sich durch eine Menge von Druckerzeichen, ja
selbst in der Benutzung der Kohlköpfe findet Rivalität statt. Die
oft vorkommende Axt, welche einen Holzblock spaltet, erhielt eine
schreckliche Vorbedeutung in dem Zeichen des grausam hin-
geopferten Etienne Dolets.
Als nach und nach die Buchdrucker aufhörten, zugleich die
tonangebenden Verleger zu sein, und Lohndrucker der Buchhändler
wurden, mussten sie den Verlegern den Platz räumen und beschei-
den in den Hintergrund treten. Die Verleger nahmen nun ihrer-
seits vielfach Embleme an, in der Regel jedoch allgemeiner Natur,
z. B. eine brennende Lampe, ein aufgeschlagenes Buch, eine Presse
im Strahlenkranze, einen Greif oder einen Schild mit den Anfangs-
buchstaben der Firma u. s. w.
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VII. KAPITEL.
DIE TYPOGRAPHIE IN DEUTSCHLAND
UND IN DEN SKANDINAVISCHEN LÄNDERN.
Nürnberg: Der Theuerdank. Die deutschen Schriften. Augsburg: Hans Schöns-
perger d. ä. Frankfurt am Main: Chr. Egenolff, Sigism. Feyerabend, die
Merians. Mainz: Die Nachfolger Schöffers. Tübingen: Der slawische Druck.
Cotta. Strassburg: Illustrierter Druck. Basel: Joh. Proben, die Familie Petri,
Joh. Oporinus. Zürich : Chr. Froschauer. St. Gallen : Leon. Straub. Wien :
Johan Sigriener, Hans Kohl, Joh. v. Gehlen. Leipzig: Melch. Lotter, Valentin
Bapst. Gute und schwere Zeiten. Wittenberg. Der Norden. Berlin.
DIE SKANDINAVISCHEN LÄNDER. Dänemark, Norwegen und Island,
Schweden und Finni and.
ER Ruhm, die Arbeiten der in dem vorigen Kapitel
erwähnten Künstler durch den Druck verbreitet zu
haben, gehört vor allen Nürnberg, dann Augsburg,
Frankfurt am Main, Strassburg, Basel; doch auch
manche Druckstädte des Auslandes, besonders Lyon,
trugen dazu bei, den Ruhm deutscher Künstler im Ausland weiter
zu verbreiten.
Dass NÜRNBERGS Pressen den grössten Anteil an den von
Maximilian L veranlassten Werken haben mussten, geht als natür- Nürnberg,
liehe Folge aus dem oben mitgeteilten hervor. Typographisch das
interessanteste Druckerzeugnis bleibt: „Die Geheuerlichkeiten und DerTheuerdank.
eins teils der geschichten des löblichen streytparen und hoch be-
rühmten Heids und Ritters Tewrdanckhs". Der Text ist eine
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128 DIE TYPOGRAPHIE IN DEUTSCHLAND. VII. KAP.
recht schale Poesie des Probstes Melchior Pfinzing zu St. Sebald
DerTheuerdank. in Nürnberg, und, wie alle durch Maximilian hervorgerufenen
Werke, auf dessen alleinige Verherrlichung abgesehen. Das Buch
schildert allegorisch alle die Abenteuer, die er zu bestehen hatte,
bis er in den Besitz der Herzogin Maria von Burgund gelangte, und
ist hauptsächlich nur seiner artistisch-typographischen Ausstattung
wegen berühmt geworden.
Aus der Korrespondenz des Kaisers mit seinem Sekretär Peu-
tinger geht hervor, wie lebhaft er sich für diese Arbeit interessierte.
Er war eifersüchtig, wenn er glaubte, ein Künstler stelle seine Auf-
träge gegen die anderer zurück, und besuchte öfters das Holz-
schneide-Atelier des Hieronymus Resch, um sich von dem Vor-
wärtsschreiten des Werkes zu überzeugen. Aber das Bezahlen war,
wie schon erwähnt wurde, nicht seine starke Seite. Die Zeich-
nungen lieferten Schaeufifelein und andere angesehene Künstler. *
Die „Theuerdanktype u ist eine ganz eigentümliche und kann
rheuerdank- als ein Wendepunkt in der deutschen Schriftschneiderei betrachtet
werden, indem von nun an die gothische Schrift verlassen und die
jetzt gebräuchliche Fraktur ausgebildet wurde. Die Zeichnung zu
der Schrift besorgte der Hofsekretär des Kaisers Maximilian, Vin-
cenz Röckner, und soll er dazu ein, von dem bekannten Schrift-
zeichner Joh. NcudÖrfTer hinterlassenes Manuskript benutzt haben.
Wer die Stempel schnitt, lässt sich nicht bestimmt nachweisen,
wahrscheinlich war es Hieronymus Andrae, nach damaliger Sitte
Hieronymus „Formenschneider" genannt. Es ist um so eher
anzunehmen, dass Andrae die Schrift schnitt, als er sie später in
verschiedenen Grössen ausführte und sie zugleich in der von ihm
eingerichteten Buchdruckerei benutzte, in welcher auch die Bücher
Dürers gedruckt wurden.
Man hat lange darüber gestritten, ob nicht der Theuerdank von
Holztafeln gedruckt sei, jedoch einen unscheinbaren, aber sicheren
Gegenbeweis gefunden, indem in der ersten Ausgabe von 15 17,
unter dem vierundachtzigsten Bilde, in der Unterschrift ein umge-
kehrtes i vorkommt, ein Beleg, dass auch ein Satzfehler von Wert
sein kann. Die verschiedenen Formen der Versalbuchstaben, sowie
die in Holz geschnittenen angesetzten Züge und vielen Zieraten
1 Vergl. S. 116, Absatz: Hans Schaeuffelein.
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VII. KAP. DIE TYPOGRAPHIE IN DEUTSCHLAND. 129
konnten freilich leicht zu der Annahme führen, dass auch die eigen-
tümliche Schrift Holzschnitt sei. Diese Annahme konnte noch durch
die Menge der verschiedenartigsten Ligaturen bestätigt werden;
mit solchen war man jedoch damals äusserst freigebig. Die Theuer-
dankstype, ohne die Zieraten, behielt bis in das XVII. Jahrhundert
ihre Geltung, sowohl in Deutschland, wie in Holland, und alle
andere deutsche Schriften bildeten sich nach derselben.
Antonius Kobergers Wirksamkeit lernten wir schon früher
kennen. Die Bedeutung des Geschäftes hörte mit seinem Tode (151 3) Die Kober g er -
nicht auf. Der Sohn Ant. KOBERGER war damals minderjährig. Der
eigentliche Chef des Hauses scheint JOHANNES KOBERGER, entweder
ein Sohn des älteren Antonius aus erster Ehe oder ein Neffe desselben,
gewesen zu sein; das Verhältnis ist jedoch nicht ganz klar. Johannes
war ein Mann von grosser Thatkraft und das Geschäft befand sich
1532 in einem blühenden Zustand; seit dieser Zeit hört man jedoch
von demselben nichts mehr. Antonius starb im J. 1 540 Johannes 1 543.
Durch die grosse Korrektheit seiner Ausgaben zeichnete sich
Johann Petreijus aus. Das bis in die neueste Zeit bestehende
ENDTERsche Geschäft wurde 1604 gegründet. Aus diesem stammt
auch das erste deutsche typographische Handbuch (1721).
Eine grosse Bedeutung hat Nürnberg für die Schriftgiesserei.
Unter den Schreibmeistern (Modisten), welche die deutsche, be- schriftgiesserei
in Nürnberg.
sonders die Kanzlei- und die Fraktur- Schrift, zu Ehren brachten, war
Paul Fischer bedeutend. Sein Schüler Johann Neudörffer d.ä.
war der erste, der die deutsche Schrift in die später allgemeine Form
brachte. In den Jahren 1538, 1544 und 1549 gab er seine Anweis-
ungen heraus. Neudörffer starb 1 581 . Einen guten Ruf erwarb sich
Pancratius Lobinger, dessen Schriften noch um die Mitte des
XVIII. Jahrhunderts beliebt waren
AUGSBURG zählte den Drucker des Theuerdanks zu seinen
Bürgern. Es war Hans SchOnsperger der ÄLTERE, der von Augsburg.
Hans Schöns-
148 1 bis 1523 eine Reihe ausgezeichneter Druckwerke lieferte, p^ger <i. ä.
Er stellte jedoch die erste Auflage nicht in Augsburg her, sondern
wurde nach Nürnberg berufen, um das Werk dort unter den Augen
des Verfassers auszuführen. Die zweite Auflage schreibt sich jedoch
1 Interessant ist in Bezug auf das Typenwesen im Mittelalter : F. Soennecken,
Das deutsche Schriftwesen. Bonn 1881.
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I 30 DIE TYPOGRAPHIE IN DEUTSCHLAND. VII. KAP.
aus Augsburg. Von Schönspergers sonstigen Druckwerken war das
Regimen sanitatis das erste, das „Neue Testament" das letzte.
Von seinem gerühmten Verfahren, Gold- und Silberdruck auszu-
führen, wissen wir nichts näheres.
Von bedeutenden Augsburger Druckern sind noch zu nennen :
Andere Au«- Erhard Oeglin {Ocellus) , der zuerst in Deutschland hebräische,
burger Drucker.
und Hans Müller, welcher zuerst griechische Bücher lieferte.
Hans Froschauer brachte ein Werk mit musikalischen Noten,
die jedoch nicht Typen, sondern Holzschnitte sind : Lilium musicae
planae. Auch Privatpersonen übten die Kunst, z. B. der gelehrte
Arzt Sigmund Grimm und der reiche Kaufmann Marx Wür-
SING ; ja man lernt selbst eine Art Aktien-Buchdruckerei kennen,
die, nach ihrem Signet sogenannte: Ad insigne Pinns, mit welcher
eine Schriftgiesserei verbunden war. Aus dieser Offizin ging eine
Reihe von guten Ausgaben der römischen und griechischen Klas-
siker hervor. Als Schriftgiesser war Johann Rainmann berühmt,
man hat sogar behauptet, dass Aldus Manutius seine ersten Typen
von ihm bezogen habe.
Für den Buchhandel behielt Augsburg lange seine Bedeutung.
Hier erschien auch 1564 der erste Messkatalog.
FRANKFURT A. M., die bedeutende Handels- und Kultur-
Frankfurt ». m. Stadt, bekam, wenn man von einem zweifelhaften Hanns Petersheim
ehr. Egenoiir. absieht, erst 1531 eine Buchdruckerei durch Christian Egenolff 1
aus Hadamar im Westerwalde (geb. am 26. Juli 1502). Er war
ein feingebildeter Mann, der in lebhafter Korrespondenz mit
Melanchthon und anderen Gelehrten stand. Seine Drucke (1531 bis
1555), namentlich die lateinischen Ausgaben und seine deutsche
Bibel, sind sehr sorgfältig ausgeführt. Auch seine Schriftgiesserei
war berühmt, und er lieferte Schriften für einen grossen Teil der
deutschen Offizinen, wie überhaupt die Schriftgiesserei und die
Stempelschneiderei damals und bis auf den heutigen Tag in Frank-
furt blühten. Von seinem Schwiegersohne Sabon stammt der, dessen
Namen tragende Schriftkegel.
Als berühmter Buchdrucker, Holzschneider und Buchhändler
glänzt Sigismund Feyerabend (geb. um 1527; gest. um 1590).
' Dr. H. Grotzfend, Chr. Egenolff, der erste ständige Buchdrucker zu Frank-
furt a. M. Frankfurt 1881.
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VII. KAP. DIE TYPOGRAPHIE IN DEUTSCHLAND. 1 3 I
Er entwickelte eine grossartige Thätigkeit, besonders in der Heraus-
gabe illustrierter Werke, wobei er namentlich von den Künstlern Sigism. Feycr-
Virgil Solis und Jost Amman unterstützt wurde. Manche seiner
grossen Verlagsunternehmungen setzte er in Gemeinschaft mit
Simon Hütter, Johann Feyerabend, Weigand Hahn und Georg
Rabe ins Werk. Die Holzschnitte fertigte er zum Teil selbst. Als
Korrektor und littcrarischer Berater stand ihm Franz Modius zur
Seite, wofür dieser einen Jahresgehalt von 200 Kronenthalern bezog.
Feyerabend und seine gleichnamigen Verwandten druckten wenig-
stens sieben Ausgaben der Bibel und fünf der biblischen Bilder in
Folio, neun Ausgaben der Bibel in kleincrem Format; eine Passion;
Cäsar , Livius, Josephus, Plutarch, alle in Folio ; Werke über Krieg,
Sport, Ackerbau; Chroniken; Kochbücher, sämtlich mit zahlreichen
Holzschnitten.
Eine grosse Einwirkung auf die Frankfurter Bücherproduktion
übten die Merian, Vater und Sohn. Matthias Merian der Vater Die Merian.
(geb. 1593 zu Basel, gest. 165 1 zu Schwalbach), genoss schon im
20. Jahr den Ruf eines tüchtigen Kupferstechers. Er wirkte einige
Zeit in Frankfurt bei seinem Schwiegervater, dem Kupferstecher
und Buchhändler Theod. de Bry, und ging dann nach Basel, wo er
zuerst einzelne Stadtpläne herausgab. Auf den Wunsch de Brys
kehrte er 1623 nach Frankfurt zurück, wo er sich als Künstler und
Buchhändler den besten Ruf erwarb und eine ganz enorme Thätig-
keit entwickelte. Sein Sohn Matthias Merian d. j. (geb. 162 1 zu
Basel, gest. 1687) war fast noch berühmter als sein Vater und setzte
die Unternehmungen desselben fort, wobei sein Schwager Thomas
Götz und sein Bruder Kaspar ihn unterstützten \
Einen ausserordentlichen Ruf erwarb sich ANDREAS Wechel,
Sohn des berühmten Pariser Buchdruckers Christ. Wechel. Wie der And. Wechei.
Vater zeichnete sich auch der Sohn durch die Sorgfalt für die Korrekt-
heit seiner Druckwerke aus. Die Druckerei wurde nach Wechels
Tod unter Beibehaltung der Firma von Wechels Schwiegersöhnen
Claude Morny und Jean Aubry im gleichen Geiste fortgesetzt.
Die von JOHANN ANDRE AE 1667 gegründete Buchdruckerei
und Schriftgiesserei nimmt bis auf die neueste Zeit eine höchst Job. Andreae.
ehrenvolle Stelle ein.
« Ed. Heyden, Gallerie berühmter Frankfurter. 1861.
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DIE TYPOGRAPHIE IN DEUTSCHLAND.
VII. KAP.
Weder Mainz, noch Köln, die in der ersten Zeit eine so
hervorragende Rolle spielten, behaupteten in dieser späteren Periode
ihren früheren Rang.
In MAINZ ging, wie bereits erwähnt, die neue Gutenbergische
Maim. Buchdruckerei 1 508 auf Friedrich Hewmann aus Nürnberg über.
Schöffer hatte zwei Söhne, Johann und Peter. Peter Schöffer
Familie Schoffer. DER JÜNGERE' druckte von 1 5 1 3 — 1520 nur vier kleinere Schriften,
sodass fast anzunehmen ist, er habe in Mainz keine Druckerei selbst
besessen und die wenigen Schriften in der Offizin seines Bruders
gedruckt. Seine Verhältnisse scheinen nicht gut gewesen zu sein.
15 18 soll er nach Worms gezogen sein, wahrscheinlich ist es jedoch
erst im Jahre 1528 gewesen. Dort druckte er bis 1529, dann in
Strassburg, schliesslich von 1 541 — 1542 in Venedig. Sein Todes-
jahr ist nicht bekannt, mutmaasslich liegt es nicht weit von 1542
ab. Sein Sohn Ivo blieb bei dem Onkel Johann in Mainz.
Johann Schöffer, der ältere Sohn Peters, ward einer der
angesehensten Bürger von Mainz und hat während seines Wirkens
(1502— 153 1) eine Menge tüchtiger Werke gedruckt, unter anderen
eine Übersetzung des Livius mit Holzschnitten. In der Dedikation
zu diesem Werk giebt er unumwunden Gutenberg die Ehre der
Erfindung, während er bei anderen Gelegenheiten diese seinem Gross-
vater Fust zu vindizieren versucht hatte. In den Jahren 1 5 19— 1 523
erschienen bei ihm mehrere Werke von Ulrich von Hutten und
Erasmus. Erstarb 1531 und hinterliess vier Töchter. In der Lei-
tung des Geschäfts folgte ihm sein Neffe Ivo, der im Jahre 1552
kinderlos starb, gerade ein Jahrhundert, nachdem sein Grossvater
mit Hand an das grosse Werk gelegt hatte. Die Druckerei ging in
den Besitz von Balthasar Lips über , und wurde aus dem Hofe
„Zum Humbrecht" verlegt.
Johann Schöffer ii, der Sohn des obengenannten, etablierte
sich später in Herzogenbusch , wo seine Nachkommen das Geschäft
bis 1796 fortführten, zu welcher Zeit die Familie mit einem Jakob
Schöffer ausstarb.
Einen guten Namen hat sich TÜBINGEN, seit 1477 Universi-
Tübingen. tätstadt, erworben. Eingeführt wurde die Kunst durch JOHANNES
Ottmar 1498. Eine interessante Episode bildet um die Mitte des
1 H. Helbig, Notice sur P. Schaffer le fih. Gent 1848.
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VII. KAP.
DIE TYPOGRAPHIE IN DEUTSCHLAND
133
XVI. Jalirh. der slawische Bücherdruck in Tübingen und Urach 1 . Slawischer
Druck.
Der Primus Trüber, 1531 Domherr in Laibach, war der Lehre
Luthers ergeben. Um drohenden Verfolgungen zu entgehen, griff er
zur Flucht und erhielt eine Predigerstelle in Rotenburg a. d. Tauber,
später in Kempten. Sein sehnlichster Wunsch war, seinen wen-
dischen Landsleuten die Bibel in ihrer Sprache schaffen zu können.
Nach vielen Schwierigkeiten brachte er einen Katechismus zu-
stande, stiess aber auf Zensurhindernisse in Neuenburg und Schwab.
Hall und musste den Druck (1550) heimlich in Tübingen veran-
stalten. Auf Veranlassung des Bischofs Paulus Vergerius, welcher,
der Religion wegen geflüchtet, sich in Graubündten aufhielt, über-
setzte er das Evangelium Matthäi. Den Druck übernahm die
MORHARDsche Buchdruckerei in Tübingen auf Kosten des Herzogs
Christoph von Württemberg. Später wurde jedoch eine Presse nach
Reutlingen verlegt. Das erste Evangelium in wendischer Sprache
erschien 1555; im Herbst 1557 war der ganze erste Teil des Neuen
Testaments vollendet, 1 560 der zweite.
Ein Hauptförderer des slawischen Drucks war Hans Ungnad,
Freiherr von Sonnegg. Er schickte den Priester Stephan Consul,
der schon Trüber behülflich gewesen war, im Jahre 1560 nach
Nürnberg , um bei dem Stempelschneider Joh. Hart wach und bei
dem Schriftgiesser Simon Auer glagolitische Schriften (vgl. S. 76)
nach seiner Anweisung fertigen zu lassen. Später Hess er die beiden
Genannten nach Urach, wo Trüber Pastor geworden war, kommen
(1561), um unter dessen und des nach Urach berufenen Anton
Dolmatas Aufsicht cyrillische Schriften zu schneiden, überhaupt eine
Druckerei einzurichten, die unter Steph. Consuls Leitung stehen sollte.
Auch andere Gelehrte aus Serbien und Bosnien wurden berufen.
Waren Typen für die slawischen Sprachen nicht in genügender
Menge vorhanden, so wurde auch in italienischer Sprache gedruckt.
Nach Ungnads Tod (1564) geriet die Druckerei ins Stocken, die
Typen wanderten, nach der Schlacht bei Nördlingen von den
Kaiserlichen gefunden, als Geschenk Kaiser Ferdinands III. nach
Rom in die Druckerei der Propaganda. Tübingen brachte auch
* C. F. Schurrer, Slavischer Bücherdruck in Würtemberg im xvi. Jahrh.
Tübingen 1799. — H. C. W. SlLLEM, Primus Trüber. Erlangen 1861.
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134
DIE TYPOGRAPHIE IN DEUTSCHLAND
VII. KAP.
1522 den ersten hebräischen Druck, die durch Reuchlin heraus-
gegebenen Buss-Psalmen.
Hier stand auch die geschäftliche Wiege des weltberühmten
Familie Cotta. Cottaschen Etablissements. Die Familie Cotta war eine der ältesten
und reichsten Adelsfamilien der Lombardei und behauptet, ihre
Ahnen bis in die römische Konsularzeit verfolgen zu können. Durch
ihre Parteinahme gegen Franz Sforza ging sie ihrer Güter verlustig
und wanderte nach Deutschland aus. Bonaventura Cotta, der Stamm-
vater des im Buchhandel und Buchdruck berühmten Zweiges der
Familie, Hess sich in Sachsen nieder. Durch die Verhältnisse darauf
angewiesen lernte Joh. Georg Cotta den Buchhandel bei Zimmer-
mann in Wittenberg, ging 1640 nach Tübingen und erwarb durch
Heirat das frühere Brunnsche Geschäft. Der Glanz des Hauses
gehört der nächsten Periode.
Nach HEIDELBERG, das durch seine Bibliothek in Rufstand,
Heideib«g. war der berühmte Hieronymus COMMELINUS (1587— 1597) ge-
kommen. Seine Ausgaben griechischer und römischer Schriftsteller,
unter welchen Athanasius und Chrysostomus besonders geschätzt
werden, sind so angesehen wie die Drucke der Stephane und der
Aldi. Die Offizin wurde nach Commelinus' Tod von Judas BoNNU-
TIUS fortgesetzt. In Heidelberg druckte auch ERNST VÖGELIN,
der Leipzig auf Grund seiner krypto-calvinistischen Schriften hatte
verlassen müssen. Das Vorzüglichste in Bezug auf typographische
Ausstattung dürften wohl die römischen Geschichtschreiber von
HAURISIUS sein.
STRASSBURG zeichnet sich in zweifacher Beziehung aus,
Strasburg, erstens durch eine grosse Zahl von bedeutenden illustrierten Werken,
dann durch die lebhafte Beteiligung der Humanisten bei seiner litte-
rarischen Produktion. Die Stadt hatte seit 1459 mre Universität
und das benachbarte Schlettstadt war der Sitz einer gelehrten Schule,
wo der Humanismus besondere Pflege fand. Namentlich waren es
Jakob Wimpfeling, Johann Geiler von Kaisersberg und vor allen
Sebastian Brant, welche zum Schluss des XV. und zum Beginn des
XVI. Jahrhunderts einen grossen Einfluss übten.
Was die bildende Kunst betrifft, so besass Strassburg schon
im xv. Jahrh. nicht allein den bedeutendsten Kupferstecher Martin
Schong AUER , sondern war auch im Holzschnitt sehr produktiv.
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VII. KAP. DIE TYPOGRAPHIE IN DEUTSCHLAND. 135
Kein deutsches Buch damaliger Zeit hatte einen so durchgreifenden
Erfolg gehabt wie Seb. Brants zuerst in Basel (vergl. S. 44)
erschienenes „Narrenschiff", zu welchem er, nach Behauptung
Einiger, selbst Zeichnungen, sogar Holzschnitte geliefert haben
soll. Wenn dies auch nicht der Fall gewesen wäre, so beweist
wenigstens dieses Werk und die Beteiligung Brants bei verschie-
denen der bedeutenden Unternehmungen des Johann Reinhard, joh. Gründer,
genannt Grüninger (1483 — 1528), welch grosses Gewicht dieser
merkwürdige Mann und Schriftsteller auf die Verbindung von Text
und Illustration legte.
Die Hauptwerke Grüningers sind der „Horaz" in 4 0 , aus d. J.
1489; der „Terenz" in Folio, von 1496; besonders aber der „Virgil"
in Folio, von 1492, mit über 200 „sorgfältig ausgeführten, durch
Seb. Brant beigefügten Figuren und Bildern", von welchen etwa
40 die Grösse von zweidrittel, 170 von einer halben Folioseite
haben. Einen sonderbaren Eindruck machen die Helden und Götter
in dem Kostüm des xvi. Jahrh. Eine in Lyon gedruckte Aus-
gabe bringt, ohne Wissen Seb. Brants, ausser den Holzschnitten
der Strassburger eine Anzahl von weniger zarter Natur, die er in der
letzteren unterdrückt hatte. Es ist dieses Buch nächst dem Theuer-
dank eins der interessantesten illustrierten Werke des XVI. Jahrh.
Kunstkenner haben behauptet, die Schnitte seien Metallhochschnitte,
sie sind aber die Beweise dafür schuldig geblieben.
Ein merkwürdiges Buch ist die von Grüninger gedruckte
Logica memorativa, ein Lehrbuch der Logik des Thomas Murner
in Krakau in Form von Spielkarten*. Die erste Auflage war in
Krakau erschienen ; der Verfasser erlitt als Zauberer den Flammen-
tod. Auch zwei grosse illustrierte Ritterromane erschienen bei
Grüninger, die wahrhaftige Historie von Hug Schapler, einem
Fleischersohn, der die Krone Frankreichs errang (als Hugo Capet)
und die Geschichte einer französischen Königstochter, die nach
vielem Unglück Königin von England wurde. 1503 erschien bei
ihm: Hortulus anima mit 57 Holzschnitten von Hans Springinklee
und Erhard Schön.
Johann Knoblauch brachte 1 508 eine „Passion" mit 25 Blatt
von Urse Graff, ferner Geiler von Kaisersbergs „Granatapfel", vonjoh. Knoblauch.
Hans Baidung illustriert.
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DIE TYPOGRAPHIE IN DEUTSCHLAND.
VII. KAP.
Ausser den Genannten druckten noch Jon. Scott, WENDELIN
Bedeutende Richel, Reichart Beck, Bernh. Jobin u. a. viele illustrierte
Ausgaben. Besonders nennenswert sindjobins: Icones illustrium
virorum, recensente Nie. Reusnero, 1587, mit Zeichnungen von Tob.
Stimmer. Zu HAGENAU waren Heinr. Grau und THEODOR
ANSELM unternehmende Verleger, die mit auswärtigen Künstlern
von Rang, z. B. mit Hans Schaeunelein, in Verbindung standen.
Ein Elsasser Formenschneider, Jakob von Strassburg, gab 1 503
in Venedig den „Triumphzug Casars" in 12 Folioblättern heraus.
Das Auftreten der Renaissance in Strassburg beginnt mit Joh.
Peter Piigrim. WäCHTLIN, genannt PlLGRIM oder der Meister mit den gekreuzten
Pilgerstäben, der Maler und Formenschneider zugleich gewesen sein
soll. Er zeichnete sich namentlich durch den xylographischen
Farbendruck aus. Mit dem „ C/airodscur-Druck" sollte durch zwei
oder drei Holzstöcke mit verschiedenen Farben die Wirkung der
damals sehr beliebten Federzeichnungen auf farbigem Papier mit
weiss aufgesetzten Lichtern erreicht werden. Der Ursprung gehört
jedenfalls Deutschland, in der Weiterbildung war jedoch bald
Italien voran.
Nur wenige Städte haben auf eine so glanzvolle Druck-Periode
Basel. zurückzublicken, wie BASEL auf seine in der ersten Hälfte des
XVl.Jahrh. Selten haben Wissenschaft, Kunst und Technik brüder-
licher zusammen gewirkt, als dort. Namentlich ist es das Drei-
gestirn Froben, Petri und Oporinus, welches einen hellen Glanz
verbreitet
Johannes Froben (geb. um 1460, gest. im Okt. 1527) stammt
joh. Froben. aus Hammelburg in Franken. Er bezog die Universität zu Basel
und bekam durch die Bekanntschaft mit Ammerbach, in dessen
Offizin er als Korrektor arbeitete, Lust zur Buchdruckerei. Im Jahre
1491 fing er seine Thätigkeit mit dem Druck einer Bibel in höchst
zierlicher Schrift an. Seine Hauptwirksamkeit beginnt aber erst von
Verhältnis zu der Zeit, als Erasmus 15 14 nach Basel zog und seine Wohnung
im Frobenschen Hause aufschlug, wo er mit wenigen Unterbrech-
ungen bis zu seinem Tode weilte. Erst mit vier, dann mit sieben
Pressen druckte er über dreihundert, meist sehr bedeutende Werke,
darunter die erste griechische Ausgabe des Neuen Testaments.
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VII. KAP. DIE TYPOGRAPHIE IN DEUTSCHLAND. 1 37
Das Verhältnis zu Erasmus erweckte grossen Neid unter
Frobens Kollegen; aber nicht nur mit dem Neide, sondern auch
mit dem Nachdruck und anderen geschäftlichen Sorgen hatte er zu
kämpfen. Neben den Vorteilen, welche die Verbindung mit Erasmus
ihm brachte, musste er den Nachteil mit in den Kauf nehmen, dass
Luthers Schriften, die vorzugsweise nachgefragt wurden, und alle
anderen Schriften in den Hintergrund drängten, von seiner Druck-
thätigkeit ausgeschlossen blieben, während sein Kollege, Adam
Petri, der Luther-(Nach-)drucker Basels wurde.
Trotz aller Thätigkeit erwarb Froben kein Vermögen. Eine
nicht gut geregelte Wirtschaft und die Ausgaben , die er auf seine Frobens Schkk-
Druckwerke, namentlich auf eine sorgfaltige Korrektur derselben,
verwendete, waren zu gross. Als Korrektoren, oder „Kastigatoren"
wirkten für ihn, ausser Erasmus, namentlich sein Schwiegervater
Wolfgang Lachner, dann Marc. Heiland, Wolfg. Musculus und
Joh. Oecolampadius. Zu den Titeln liess er sich meist Zeichnungen
von Hans Holbein d. j. und Urse Graff liefern. Froben verlor sein
Leben infolge eines Falles von einer Leiter. Die Vollendung seines
Lieblingswerkes, der schönen Ausgabe des Augustinus, welche er in
Verein mit Ammerbach und Petri angefangen hatte, sollte er nicht
erleben, aber sein treuer Freund Erasmus that alles, damit die Aus-
gabe im Interesse der Kinder Frobens rasch gefördert wurde. Der
Sohn Hieronymus Froben (geb. 1501, gest. 1563) hielt das Ver-
hältnis zu Erasmus aufrecht, der in Frobens Hause „Zur Luft" im
Jahre 1536, siebenzig Jahre alt , starb. Hieronymus druckte später
im Verein mit seinem Schwager Nikolaus Episcopius d. ä. (Bischoff)
und seinen Söhnen Ambrosius und Aurelius Froben eine Reihe von
bedeutenden Werken
Johannes Petri, zu Langendorf an der Saale 1441 geboren,
ward 1488 Bürger von Basel. Er druckte nur wenige Bücher allein, Familie Petri.
die meisten gemeinschaftlich mit Ammerbach und Froben. Er
brachte seinen sechsjährigen Neffen Adam Petri (geb. 1482, gest.
um 1525), der nach Johannes' Tod (15 11) das Geschäft übernahm,
mit nach Basel. Die Reformatoren, namentlich Luther, wurden gute
Beute für seine Pressen. Blitzschnell folgten seine Nachdrucke den
— — ■
1 Interessante Mitteilungen über diese geschäftliche Verbindung verbreitet das
in Basel 1881 erschienene: Rechnungsbuch des Froben und Episcopius 1567 — 1564.
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138
DIE TYPOGRAPHIE IN DEUTSCHLAND.
VII. KAP.
Originalen auf dem Fusse. Luthers Neues Testament erschien im
Sept. 1522; im Dez. war schon der Nachdruck Petris da. Er machte
bessere Geschäfte als sein Freund Froben und scheint trotz seiner
reformatorischen Druckthätigkeit gut katholisch gesinnt gewesen
zu sein, wenigstens stand er in dem besten Verkehr mit den
Kartäusern. Für die künstlerische Ausschmückung seiner Druck-
werke arbeitete namentlich Hans Schaeuffelein. Der Sohn HEINRICH
Petri (geb. 1508, gest. 1579) studierte erst die Medizin, übernahm
jedoch später die Druckerei und führte sie mit Eifer fort. Vom
Kaiser Karl V. wurde er in den Ritterstand erhoben.
Die Druckthätigkeit seiner Nachfolger war seit 1620 nur eine
geringe, doch bestand die Firma noch 1660. Durch verschiedene
Hände kam die Offizin schliesslich in die Thurneisens und Schweig-
hausers.
Zu grossem Ansehen gelangte auch JOHANNES Oporinus*
oporinus. (Herbster). Unter ärmlichen Verhältnissen am 25. Jan. 1507 zu Basel
geboren, wurde er in einem Kontubernium armer Schüler in Strass-
burg, woher sein Vater stammte, erzogen. Später bekleidete er
eine Lehrerstelle an der Klosterschule St. Urban im Kanton Luzern,
gab jedoch, von der neuen Lehre angezogen, jene auf, fand 1526
bei Froben Beschäftigung als Korrektor und gewann die Freund-
schaft des Erasmus. Später folgte er dem berühmten Theophrastus
Paracelsus als Famulus nach Strassburg, wo er unter dessen Leitung
die Medizin studierte, kehrte jedoch nach zwei Jahren nach Basel
zurück und wirkte als Professor erst im Lateinischen, dann im
Griechischen. Im Jahre 1 539 kaufte er mit drei Anderen, darunter
seinem Schwager Rob. Winter, die Offizin des Andreas Brabander.
Die Teilnehmer wirtschafteten jedoch nicht gut und Oporin ver-
suchte es nun mit Winter, später, unter schweren Sorgen, allein.
Oporin wetteiferte in Beziehung auf Schönheit der Ausgaben,
Sorgfalt der Korrekturen und inneren Wert der Verlagswerke mit
Froben. Selbst sehr wissenschaftlich gebildet, stand er mit vielen
Gelehrten in innigem Verkehr und zeigte in allen Verhältnissen
einen eisernen Fleiss und eine unermüdliche Ausdauer. Er beschäf-
tigte über fünfzig Arbeiter und druckte mehr als siebenhundert und
> A. JociSCUS, Oratio de ortu eU. J. Oporini. Strassburg 1569.
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VII. KAP.
DIE TYPOGRAPHIE IN DEUTSCHLAND.
139
fünfzig grössere und kleinere Werke, darunter viele von ihm selbst
emendierte oder übersetzte Klassiker.
Bis jetzt hatte man den Holzschnitt hauptsächlich nur als
künstlerischen Schmuck der Bücher verwendet, jetzt sollte man Die Anatomie
_ r des Vesalius.
durch die berühmte Ausgabe von Vesalius' Anatomie verstehen
lernen, welchen Wert der Holzschnitt für den wissenschaftlichen
Zweck und das leichtere Verständnis eines Werkes hat. Der
berühmte Arzt und Anatom Andreas Vesalius hatte in Venedig
von Johann de Calcar, einem Schüler Tizians, zahlreiche Holzschnitte
anfertigen lassen, durch die mit grossem Talent die Anatomie des
Menschen erläutert wurde. Diese sandte Vesalius seinem Freunde
Oporin (1543), um damit sein Werk: De humani corporis fabrica zu
illustrieren. Das grosse Portrait Vesalius' an der Spitze des Buches
konnte für ein Meisterwerk Tizians gehalten werden. In seiner Sorg-
falt um den guten Druck ging Vesalius so weit, dass er den Faktor
der berühmten Bombergschen Druckerei in Venedig mitfolgen Hess,
dass er die Ausführung überwache. Um so mehr mussten ihn die
schlechten Ausgaben der Nachdrucker empören.
Im Jahre 1 566 zog sich Oporin von dem Geschäft zurück und
starb am 6. Juli 1568. Er war viermal verheiratet, ohne jedoch
besonderes häusliches Glück zu geniessen.
Unter die verdienten Buchdrucker Basels gehören ferner
Michael ISENGRIN, welcher eine zweite, die erste des Aldus
Manutius an Schönheit übertreffende, vollständige Ausgabe des
Aristoteles druckte, dann auch JosiAS MÜNSCH (1550), Konrad
von Mecheln (1685) und Emanuel Thurneisen.
Mit Stolz blickt ZÜRICH auf Christoph Froschauer 1 (oder
Froschower) , dem es zu einem grossen Teil die Blüte seines littera- Zürich,
rischen Lebens verdankt. Im XV. Jahrhundert zeigt sich in Zürich
noch keine Spur der Buchdruckerkunst. Der erste bekannte Druck
ist ein, am 6. Januar 1504 von dem Rate erlassenes Mandat, ohne
Namen des Druckers. Wahrscheinlich war dieser HANS AM WASEN,
1 S. VÖGELIN, Christoph Froschauer, erster berühmter Buchdrucker in Zürich.
Zürich 1840. — E. Camillo RUDOLPHE, Die Buchdrucker-Familie Froschauer in
Zürich (1521 — 1595). Verzeichnis der aus ihrer Offizin hervorgegangenen Druck-
werke. Zürich 1869.
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140
DIE TYPOGRAPHIE IN DEUTSCHLAND.
VII. KAP.
der 1508 einen Kalender mit guten Vignetten druckte. Von Wasen
hörte man weiter nichts.
Erst 1 5 19 erhielt Christoph Froschauer aus Neuburg bei Oetting
in Bayern das Bürgerrecht. Sein Geburtsjahr kennt man nicht; es
fällt jedoch wahrscheinlich in das zweitletzte Jahrzehnt des
XV. Jahrh. Ob Christoph ein Verwandter des Augsburger Druckers,
Johann Froschauer, war, ist nicht bekannt.
Froschauer war ein wissenschaftlich gebildeter, sehr thätiger
Fr<.schauers und zugleich glücklich spekulierender Mann. Er schloss sich sofort
Thätigkeic. # ...
Zwingh an und blieb diesem und der Reformation ein innig
ergebener, wenn auch nicht zelotischer Freund. Seinem Beruf gab
er sich mit grosser Liebe und mit heiligem Ernst hin. Das ihm
entgegengetragene Vertrauen und den erworbenen Wohlstand
verwendete er in der edelsten Weise.
Seine ersten datierten Drucke fallen in das Jahr 1 521. Es
waren zwei von dem gelehrten Leo Jud ins Deutsche übersetzte
Schriften des Erasmus: „Ein klag des Frydens" und „Ein nützliche
wndervisung eines Christenlichen Fürsten wol zw regieren 41 . Von
Zwingli erschienen bei ihm gegen 80 Schriften, oft in mehreren Aus-
gaben, einige davon druckte Hans HAGER (1520 — 1526). Von da
ab hörte man vom letzteren nichts mehr, und Froschauer war der
alleinige Drucker bis 1 5 54, als sich Andreas Gessner , ein naher
Verwandter des bekannten Conrad Gessner, etablierte. Zahlreiche
Schriften von Leo Jud, Rod. Gualther (Walther), C. Pellikan, Peter
Martyr, Ludwig Lavater und namentlich von Heinrich Bullinger,
ausserdem eine grosse Anzahl Ausgaben der Klassiker wurden von
Froschauer verlegt.
Seine wichtigste Thätigkeit war jedoch sein Bibeldruck. In
Der Bibcldruck. den Jahren 1524—1529 stellte er die erste vollständige Schweizer-
ausgabe der Bibel in Folio fertig, und von da ab verging selten ein
Jahr, in welchem nicht entweder die ganze Bibel oder wenigstens
Teile derselben in deutscher, lateinischer, selbst in englischer Sprache
erschienen. Zu der ersten deutschen Ausgabe wurde mit Ausnahme
der poetischen und prophetischen Bücher, welche von Schweizer
Gelehrten übersetzt wurden, die lutherische Übertragung benutzt.
Später führten Einheimische das ganze Werk aus. Im Jahre 1535
wurde die berühmte englische Bibel, von Moses Coverdale über-
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VII. KAP.
DIE TYPOGRAPHIE IN DEUTSCHLAND.
I 4 I
setzt und mit Holzschnitten von Hans Sebald Beham illustriert,
gedruckt. In den Jahren 1524 — 1564 erschienen nicht weniger als
27 Ausgaben der vollständigen Bibel und viele Abdrücke des Neuen
Testaments. Anfänglich benutzte Froschauer die Antiquaschrift,
später veranlasste er den Schnitt einer an die Schwabacher sich an-
lehnenden Schrift, Hess Vignetten und Initialen anfertigen und ver-
wandte überhaupt die grösste Sorgfalt auf die Ausstattung. Die latei-
nischen Ausgaben der Bibel waren von den Gelehrten sehr geschätzt.
Mit der Erweiterung des Geschäfts musste er auch nach einer
grösseren Lokalität suchen und fand eine solche in einem ehemaligen Die Froichau.
Barfüsserkloster. Als diese Räumlichkeit jedoch i. J. 155 1 eine
andere Bestimmung erhielt, kaufte er ein früheres Dominikaner-
Frauenkloster, welchem er den Namen: „Die Fröschau" gab, den
es noch heute trägt. Auf dem Brunnenhäuschen dort befindet sich
noch sein Insignium. Er modelte dasselbe in verschiedener Weise
um, immer blieb jedoch der Frosch ein Hauptbestandteil. In der
ältesten Ausführung wird dieser von einem behelmten Knaben
geritten , der in der Linken den Zaun , in der Rechten eine Fahne,
mit der Inschrift CR. FR., hält.
Die Frankfurter Messe besuchte Froschauer eine lange Reihe
von Jahren zweimal jährlich und machte mit seinem Verlage vorteil-
hafte Geschäfte. Mit Gelehrten des In - und Auslandes stand er auf
dem freundschaftlichsten Fusse und zeigte sich ihnen gefällig, wo er
nur konnte; so räumte er beispielsweise ein ihm gehörendes Haus
flüchtigen englischen Gelehrten vollständig ein , die sich mehrere
Jahre hindurch in Zürich aufhielten.
In seinem Geschäft wurde er getreulich von seinem Bruder
Eusebius und von dessen Söhnen Eusebius und Christoph unter- Froschauers
stützt. Kinderlos verheiratet, hinterliess er dem Neffen CHRISTOPH Ndchfo, * er '
Froschauer das ganze Geschäft zu sehr billigen Bedingungen. Er
starb hochbejahrt am 1. April 1564. Der Neffe blieb unverheiratet.
Nach dessen Tode, 2. Febr. 1585, wurde das Geschäft noch bis 1590
fortgeführt und dann aufgelöst. Die Druckerei ging auf Johann Wolf
über, der jedoch noch bis 1 595 einzelnen W T erken die Bezeichnung
typis Froschovianis beifügte. Das Verzeichnis des Froschauerschen
Verlags zeigt 1564 bereits 601 Nummern, von da bis 1595 noch
264. Im J. 1626 kam die Druckerei in den Besitz der Familie
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DIE TYPOGRAPHIE IN DEUTSCHLAND.
VII. KAP.
Bodmer, 1723 an Heidegger & Rahn und wurde 1765 mit der
Orellschen Buchdruckerei, die jetzt noch blüht, vereinigt.
ST. GALLEN erhielt erst 1 578 eine Buchdruckerei durch LEON-
st. caiun. hard Straub, der eine sorgfältige Erziehung genossen und in den
Lconh. Straub. _
besten Offizinen gearbeitet hatte. Ein von ihm gedruckter Wand-
kalender hat eine zu merkwürdige Geschichte, um sie hier mit Still-
schweigen zu übergehen. Auf dem Kalender waren die Wappen
der 13 Kantone, darunter das Appenzeller, ein Bär, abgebildet. In
Appenzell bemerkte man indes, dass es eine Bärin, ni^ht ein „männ-
licher Bär" sei! Grosse Aufregung entstand; man verlangte Rüst-
ung zu einer Fehde gegen St. Gallen. Der dortige Rat erbat sich
drei Tage Bedenkzeit, die aber nicht gewährt wurde. In dieser
kritischen Lage übernahm der Abt von St. Gallen die Vermittelung.
Der Bär hatte jedenfalls nur den Vorwand abgegeben, der arme
Straub musste jedoch Abbitte leisten und eidlich erklären, er habe
nur aus Einfalt gehandelt. Straub lebte in ewigem Hader mit der
Zensur; schliesslich musste er die Stadt verlassen, und starb 57 Jahre
alt 1607 in Konstanz. Sein Geschäft blühte noch im Besitz seiner
Söhne und Enkel über hundert Jahre fort'.
In WIEN eröffnete HIERONYMUS VICTOR aus Liebenthal im
Wien. Fürstenthum Jauer seine Offizin im Jahre 1 5 10. Die Kunst hatte er
wahrscheinlich in der Hallerschen Druckerei in Krakau erlernt. Er
vereinigte sich mit Joh. Singriener aus Oetting in Bayern , trennte
sich jedoch 15 14 wieder von ihm, worauf letzterer seine eigene
joh. singriener. Druckerei eröffnete. JOH. SlNGRlENERS Wirksamkeit durch 33 Jahre
war eine bedeutende und eine grosse Zahl gut ausgestatteter Werke
ging aus seiner Offizin hervor, unter welchen das 15 17 erschienene
Tripartium opus juris consuetudinarij incluti regis Hungarie, über
70 Bogen stark, einen bedeutenden Platz einnimmt. Die vielen in
dem Werk vorkommenden Druckfehler entschuldigt der Drucker
damit, dass er das Werk in 40 Tagen (!) habe liefern müssen, eine
Leistung, die selbst heute für eine grosse Druckerei eine bedeutende
gewesen sein würde. Singriener war nicht nur ein tüchtiger Buch-
drucker, sondern auch ein wissenschaftlich gebildeter, von den
Gelehrten und Geistlichen gern gesehener Mann. Unter seinen vielen
« G. Binckert, Leonhard Straub, der erste Buchdrucker in St Gallen. 187S.
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VII. KAP.
DIE TYPOGRAPHIE IN DEUTSCHLAND.
143
Drucken sind besonders schön ausgeführt: Pomponhis Mela'va Fol.;
Bandinus auf Pergament ; Cicero, Pro lege Manilia. Seine Söhne
Matthäus und Johannes setzten das Geschäft fort, bis es mit dem
Tode des letzteren erlischt.
Hans Kohl [Johannes Carbo) gehörte zu den fahrenden Buch-
druckern und arbeitete in Wien von 1549 bis 155 1. Er war gut Hans KohL
mit deutschen, hebräischen und griechischen Lettern versehen und
druckte zuerst in Verbindung mit Aegidius Adler (Aqutla), aus den
Niederlanden gebürtig. Im J. 1550 arbeitete letzterer allein und über-
traf seinen früheren Compagnon durch die Menge und Schönheit
seiner Ausgaben. Er starb bereits am 17. Aug. 1552.
Die Offizin wurde von Michael Zimmermann {Cymberman-
nus) übernommen, dem bedeutendsten Buchdrucker Wiens aus dieser Michael Zimmer-
mann.
Zeit. Er druckte Werke in italienischer, spanischer, arabischer, heb-
räischer und syrischer Sprache, zu denen er die Schriften von Kaspar
Kraft aus Ellwangen bezogen hatte. Seine Ausgaben schmückte er
mit rotem Druck, sowie mit illuminierten Figuren und Landkarten.
Ein Pole, Rafael Hofhalter (Skrzetuski), der sein Vater-
land auf Grund religiöser Misshelligkeiten verlassen hatte, kam nach Raf. Hofhaltet,
vielen Wanderungen nach Wien, wo er mit KASPAR KRAFT, 1556,
ein Privilegium für eine Buchdruckerei „mit schönen, zierlichen, auf
die neue französische Art geschnittenen Buchstaben" erhielt. Er
lieferte sehr hübsche Ausgaben. Eine interessante Erscheinung ist
das bei ihm (1561) erschienene „Thurnier Buch" mit einem kunst-
reich geschnittenen Titel und Wappen in Holzschnitt, sowie mit
sieben grossen und kostbaren Kupferstichen, von Hanns Lautensack
gestochen. Im Jahre 1562 wanderte Hofhalter, ebenfalls wohl aus
religiösen Gründen, nach Ungarn aus; 1565 druckte er in Debreczin
calvinistische Schriften. Sein Sohn Rudolph betrieb die Buch-
druckerei in Grosswardein und folgte später dem Ruf des Fürsten
Johann nach Weissenburg in Siebenbürgen.
Ferdinand I. hatte 1551 die Jesuiten nach Wien berufen. Der
Rektor Johann Victoria, ein geborener Spanier, kam auf den Die Jesuiten-
ci ruc k crci ,
Gedanken, zum besten der Religion und armer Studenten durch
milde Beiträge eine Druckerei anzulegen, die schon 1559 eröffnet
wurde. Ein Hauptartikel war der, auf Befehl des Kaisers von dem
bekannten Pater Canisius aus Nymwegen verfasste Katechismus,
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144 DIE TYPOGRAPHIE IN DEUTSCHLAND. VII. KAP.
der in viele Sprachen übersetzt wurde und noch jetzt in österreichi-
schen Volksschulen im Gebrauch ist. Die Druckerei hörte 1 565,
kurz nach dem Tode des kaiserlichen Beschützers der Jesuiten, auf,
und wurde 1577 als „Zeug u an den Gencralvikar von Gran, Nikolaus
Telegdi, verkauft, der damit eine Druckerei zu Tyrnau gründete.
Die Buchdruckerkunst in Wien hatte, namentlich durch Fremde
Buchdruck im gepflegt, im XVI. Jahrh. im ganzen genommen auf einer hohen
xvi.u.xvnjahrh. g estanc j en Dasselbe war mit der Xylographie der Fall. Unter
den Verlegern, die eine besonders gute Einwirkung auf die Wiener
Buchdruckerei dieser Periode übten, ist die Familie Atlantsee zu
erwähnen, die unter den Buchhändlern damaliger Zeit einen bedeu-
tenden Namen hatte, namentlich was Lukas Atlantsee betrifft.
Im XVII. Jahrh. dagegen ging es zu Wien, wie überall, mit der
Kunst zurück. Die Folgen des dreissigjährigen Krieges und der
Türkenkriege blieben nicht aus ; die Bedeutung der Wiener Buch-
druckereien sank fast auf ein Nichts und die meisten Verlagswerke
wurden in Nürnberg, Augsburg und Ulm gedruckt. Der bedeu-
Joh. von Gehlen, tendste Wiener Drucker ist JOHANN VON GEHLEN. Er stammte aus
einem alten westfälischen Geschlecht und war zu Antwerpen am
17. Mai 1645 geboren, widmete sich den Studien und erlernte dann
den Buchhandel und die Buchdruckerei. Durch Geschicklichkeit
und Fleiss erwarb er sich bald ein Vermögen, sodass er 1672 die
Buchdruckerei seiner Schwägerin, der Witwe des Buchdruckers
J. B. Haquet, kaufen konnte. Er war in Besitz bedeutender linguist-
ischer Kenntnisse und erwarb sich die Freundschaft der Gelehrten.
Vom Kaiser Leopold I. erhielt er im Jahre 1678 das Privilegium
eines k. k. italienischen Hofbuchdruckers und wurde ermächtigt,
eine italienische und lateinische Zeitung herauszugeben. Während
der Belagerung von Wien durch die Türken liess er die Druckerei
ruhen und stellte sich in die Reihe der Verteidiger. Nach aufge-
hobener Belagerung versuchte er eine deutsche Zeitung zu gründen,
welche in unbestimmter Zeitfolge herausgegeben wurde. Die Re-
gierung, welche das nützliche einer regelmässigen Zeitung einsah,
sicherte einer solchen bedeutende Vorteile zu, infolgedessen Gehlen
die erste regelmässige Zeitung unter dem Titel „Posttäglicher
Mercurius" 1703 zweimal wöchentlich herausgab. Am 8. Aug. d. J.
begann er eine zweite politische Zeitung „Das Wiener Diarium",
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VII. KAP. DIE TYPOGRAPHIE IN DEUTSCHLAND. 145
ebenfalls posttäglich. Dasselbe wurde später Organ der Regierung
und es entstand daraus die k. k. privilegierte Wiener Zeitung.
Gehlen starb am 13. Mai 1724, 72 Jahre alt. Sein Sohn Joh.
Peter Gehlen wurde in den Adelstand erhoben.
BRESLAU hatte in seiner „Stadtbuchdruckerei" ein sehr ange-
sehenes Geschäft, das noch nach 350 Jahren blüht. Der Begründer Breilau.
Andreas Winkler war ein gelehrter Mann, der in Krakau studiert
hatte und die Kunst in echt wissenschaftlichem Sinne (1538 — 1555)
übte. Auf ihn folgten CrispinüS Scharffenberg, dessen Sohn
Johann, dann Georg Baumann und dessen gleichnamiger Sohn;
die späteren Nachfolger gehören der nächsten Periode an.
Es wurde schon früher erwähnt, dass ein solches Zusammen-
wirken der zeichnenden Kunst, der Xylographie und der Buch- d« nördliche
* ° r Deutschland.
druckerei, welches im Süden Deutschlands eine gar stattliche Reihe
herrlicher Drucke zuwege brachte, in dem Norden Deutschlands
nicht angetroffen wird, wo die Presse sich hauptsächlich nur als treue
Dienerin der Wissenschaft und der Reformation zeigte. Es gilt dies
ganz besonders von LEIPZIG », welches dieser Aufgabe bis auf den Leipzig,
heutigen Tag treu geblieben ist. Kunstbegeisterte Fürsten und
Künstler ersten Ranges besass Leipzig nicht; Schule und Univer-
sität waren die Mäcene seiner Buchdruckereien. Leipzigs Klassiker-
Ausgaben zeichnen sich durchweg durch ihre Sauberkeit und
Genauigkeit aus und viele derselben stehen noch heute neben den
Aldinen und Juntinen in Ansehen. Gelehrte Männer verschmähten
es nicht, die Korrekturen zu übernehmen, und Leipzig hat es ver-
standen, sich den Ruhm der Sorgsamkeit für die Textreinheit seiner
Presserzeugnisse zu wahren.
Als Mann von Geschmack ist Martin Landsberg aus Würz-
burg {1499 — 15 16) zu erwähnen. Er gehörte zu den gelehrten Buch- Man.Land»berg.
druckern, interessierte sich sehr für die Herausgabe wissenschaftlicher
Werke und machte sich namentlich durch seine Klassiker- Ausgaben
bemerkbar. 1 5 19 siedelte er nach Halle über. WOLFGANG StöCKEL woifg. Stockei.
1 Jubutlum typgr. Ijpsiettsium. Leipzig 1640. — Gepriesenes Andenken. Jubel-
schrift. Leipzig 1740. — F. Ch. A. Hasse, Kurze Gesch. d. Leipziger Buchdk.
Leipzig 1840. — C. B. Lorck, Die Druckkunst und der Buchhandel in Leipzig
durch vier Jahrhunderte. Leipzig 1879.
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DIE TYPOGRAPHIE IN DEUTSCHLAND.
VII. KAP.
{Molitor), aus München, ward in Erfurt, wo er eine Zeitlang eine Buch-
druckerei hatte, Bakkalaureus. 1495 kam er nach Leipzig. Er druckte
hauptsächlich Klassiker: Ovid, Priscian, Seneca, Aristoteles, später
theologische Schriften, von welchen die, bis zum Jahre 1520
gedruckten , Partei für Luther nehmen , zumteil von diesem verfasst
waren. Von da ab wurde er ein heftiger Gegner der Reformation
und druckte schon im Jahre 1520 eine Streitschrift des Franzis-
kaner Alveld, eines der erbittertsten Gegner Luthers; wahrschein-
lich ist er auch der Drucker der Schriften Emsers gegen jenen.
Herzog Georg der Bärtige rief ihn 1524 als Hofbuchdrucker nach
Val. Schumann. Dresden. Valentin Schumann (1525— 1535) brachte vorzügliche
Klassiker- Ausgaben, darunter das erste griechische Buch Leipzigs.
jakob Thanner. Jakob Thanner [Abiegtius) lieferte sehr gute Schulausgaben.
Unter den Buchdruckern, bei welchen die Reformation eine
Meich. Lotter. bereite Hülfe fand, ist Melchior Lotter obenan zu nennen. Er
stammte aus Aue im sächsischen Voigtlande, heiratete die Tochter
Kachelofens, Dorothea, und erhielt am 16. Juni 1498 das Leipziger
Bürgerrecht. Ungefähr in dem Jahre 1 500 wurde er der Geschäfts-
nachfolger seines Schwiegervaters. Die zweite Ausgabe des Meiss-
ner Missale hatten Kachelofen und Lotter gemeinsam gedruckt, von
nun an ging eine grosse Anzahl Missalen, Breviarien und dergl., die
das Bisthum Meissen herausgab, aus Lotters Pressen hervor. Dieser
selbst siedelte, vor der Pest aus Leipzig fliehend, für eine Zeitlang
nach Meissen über. Seine eigene Verlagsthätigkeit auf dem Gebiete
der Philosophie und der Philologie war eine ausserordentliche. Ein
treuer wissenschaftlicher Mitarbeiter war ihm Hermann Tulich, der
später Professor in Wittenberg wurde. Seit 15 18 hatte Lotter wie-
derholt für Luther Druckaufträge bekommen und letzterer bewog
ihn , eine Druckerei in Wittenberg anzulegen, aus der jedoch Lotter
kein Segen erwachsen sollte. Er selbst übersiedelte jedoch nicht
nach Wittenberg , sondern sandte seine beiden Söhne Melchior und
Michael. Zum grossen Teil sind die zahlreichen Schriften, welche
Luther im Anfang der zwanziger Jahre in die Welt sandte, aus Lot-
ters Pressen hervorgegangen. Selbst das Monumentalwerk des
Reformators, die Bibelübersetzung, wurde von diesem unternommen
und schon am 21. Sept 1522 war der Druck des Neuen Testaments
vollendet. Während des Drucks des Alten Testaments tritt jedoch
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VII. KAP. DIE TYPOGRAPHIE IN DEUTSCHLAND. I47
ein Erkalten des freundschaftlichen Verhältnisses Luthers zu ihm
ein und Hans Lufft erscheint nun als der bevorzugte Bibeldrucker,
wenngleich die Verbindung zwischen Luther und Lotter nicht ganz
aufhörte. Der Grund, weshalb der letztere von dem ersteren fallen-
gelassen wurde, und weshalb auch der Kurfürst Friedrich ihm un-
gnädig wurde, ist nicht bekannt. Lotters Thätigkeit, die jedoch
sehr erlahmte, lässt sich noch bis Ende der dreissiger Jahre ver-
folgen. Er soll im Jahre 1542 gestorben sein.
Ein Buchdrucker ersten Ranges ist Valentin Bapst (i 54 1 bis
1589). Seine Erzeugnisse werden von Kennern als den besten eben- Valentin Bapst.
bürtig erklärt. Ein reich illustriertes Werkchen sind die „Geistlyche
Lieder mit einer neven Vorrede D. M. Luth. M . Interessant dürfte es Luther über niu-
strationen.
manchem sein, aus dem Vorwort zu erfahren, wie ein so ernster
Mann wie Luther über die Bücher-Illustration denkt :
„Wer nicht singen vh sagen wil, das ist ein Zeichen, das ers
nicht glaubet, vn nicht ins new fröliche Testament, Sondern vnter
das alte, faule, vnlustige Testament gehöret. Darumb thun die
Drucker sehr vol dran, das sie gute Lieder fleissig drucken vnd mit
allerley zierde, den.Leuten angeneme machen, da mit sie zu solcher
Frewde des Glaubens gereitzet werden, vnd gerne singen. Wie den
dieser Druck Valentin Bapsts sehr lustig zugericht ist, Gott gebe,
das damit dem Römischen Bapst, der nichts denn heulen, trawren
vnd leid in aller weit hat angericht, durch seine verdampte, vntreg-
liche vnd leidige Gesetze, grosser abbruch vnd schaden geschehe,
Amen".
Berühmt waren die Klassiker-Ausgaben von ERNST Vö GELIN
(1559 bis 1578), dem Schwiegersohn V. Bapsts, sowohl hinsichtlich Ernst vögeiin
der technischen Ausführung als der Korrektheit, so dass sie den
Aldinen gleich geachtet werden. Vögelin, selbst ein studierter
Mann, wurde in Religionsstreitigkeiten verwickelt, flüchtete, und
starb in Heidelberg 1590. Grossen Ruf erwarben sich Abraham
Lamberg (1587 bis 1629), Henning Gross (1 575 bis 162 1), Gregorius
Ritzsch (1624 bis 1643) und dessen Sohn Timotheus Ritzsch (1638
bis 1678), der bedeutende theologische und juristische Schriften
verlegte.
Infolge der Reformation war der Schwerpunkt der Kultur
immer mehr nach dem Norden verlegt. Hier wehte eine frischere
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DIE TYPOGRAPHIE IN DEUTSCHLAND.
VII. KAP.
Steigende Luft, während der Süden weit mehr dem Einfluss der katholischen
Leipzig*. Kaiser, den Einflüsterungen des Klerus und den Plackereien der
kaiserlichen Bücherkommissionen und Zensoren preisgegeben war.
Auch die städtischen Behörden in Frankfurt a. M. hatten nicht
den Wert eines vollständig unbehelligten buchhändlerischen Ver-
kehrs genügend erkannt.
Nichts war deshalb natürlicher, als dass der Norden sich von
den Büchermessen Frankfurts zu emanzipieren und in der berühmten
Messstadt des Nordens — wo die Regierung jetzt liberaleren
Ansichten huldigte, die Zensur in humanerer Weise üben Hess und
die Bücher von der Accise befreit hatte — einen selbständigen
Büchermarkt zu gründen wünschte. Zur Michaelis - Messe 1594
erschien der erste Leipziger Messkatalog , herausgegeben von dem
Buchhändler und Buchdrucker HENNING GROSS, zu dem sich in den
Jahren 1598— 1619 ein zweiter Katalog von Abraham Lamberg
gesellte, der 1620 mit dem von Gross vereinigt wurde. Zwar
konnte Leipzig als Verlagsplatz im Jahre 1 595 nur 68 Artikel gegen
117 in Frankfurt aufweisen, aber schon 1600 war das Verhältnis ein
besseres, nämlich 125 gegen. 148, und 1632 trug Leipzig seinen
glänzendsten Sieg davon mit 221 Werken gegen 68 aus Frankfurt.
Die Messkataloge von 1565— 1640 verzeichnen 8216 in Leipzig
erschienene Werke, davon kommen 243, als die stärkste Zahl einer
Jahresproduktion, auf das Jahr 161 3.
Aber der Rückschlag der ungünstigen Zeiten sowohl für den
Rückschlag. Buchhandel als für die Buchdruckerei konnte nicht ausbleiben und
Leipzig litt mit ganz Sachsen vorzugsweise unter den Drangsalen
des dreissigj ährigen Krieges. Mangelhafte Schriften, nachlässige
Korrektur, schlechtes Papier kennzeichnen die Mehrzahl der Bücher
aus damaliger Zeit. Nicht besser war es mit der Xylographie
bestellt. Hiergegen halfen natürlich weder Beschränkungen der
Buchdruckereien auf Leipzig, Wittenberg und Dresden, noch
kurfiirstl. konzessionierte Buchdruckereiordnungen, Taxen zur Re-
gulierung der Papier- und Bücherpreise und Visitationsabschiede
an die Universitäten, worin Rektor und Dekane ermahnt werden, für
guten Druck und sorgfaltige Korrektur zu sorgen.
Selbst nach dem endlich eingetretenen Frieden dauerte es
lange, ehe sich die Buchdruckerei von ihrem tiefen Verfall erholen
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VII. KAP.
DIE TYPOGRAPHIE IN DEUTSCHLAND.
149
konnte. Trotzdem hat Leipzig, selbst aus der trübsten Periode,
Druckwerke und Drucker aufzuweisen, die jeder Zeit Ehre gemacht
haben würden, und hörte nie auf, namhafte Werke aus allen Ge-
bieten der Wissenschaften an das Tageslicht zu fördern. Ein wesent-
licher und andauernder Aufschwung tritt jedoch erst gegen Ende Neu«- Auf-
__ Schwung.
des XVII. Jahrhunderts ein. Die Zahl der angesehenen Verlags-
handlungen wuchs, unter denen die von M. G. Weidmann, J. F. Gle-
ditsch, Joh. Fritsch, Joh. Fr. Zedier, Joh. S. Heinsius zu nennen sind.
Der Messkatalog dieser Gradmesser des Buchhandels, wies
eine Steigerung auf. Leipzig, das Frankfurt im Jahre 1604 zum
erstenmale überholt hatte und von da ab bald vorangeht bald
zurückbleibt, behält nun, mit Ausnahme des Jahres 1680, die Füh-
rung und weist im Jahre 1689 3 10 Werke gegen Frankfurts 90 auf;
1699 319 gegen 109 und im Jubeljahre 1740 253 gegen 74. Die
Zahl der Presserzeugnisse Leipzigs von 1641 bis 1740 betrug 19 711,
wozu das Jahr 1698 mit 401 Artikeln das stärkste Kontingent stellte.
Mit den Buchhändlern mussten die Buchdrucker Schritt halten.
Unter letzteren zeichneten sich aus: HEINR. CHRIST. Takke durch
orientalische Schriften, ganz besonders aber Bernh. Christoph
Breitkopf 2 . Er war am 2. März 1695 in Klausthal geboren. 17 18 Bernh. Christ
kam er nach Leipzig, heiratete 17 19 die Witwe des Buchdruckers BrcUkopf -
Joh. Kasp. Müller, und übernahm die Buchdruckerei, die damals sehr
in Verfall geraten war. Breitkopfs Tüchtigkeit und Rechtschafifen-
heit Hessen ihn jedoch Gönner finden, die ihn in den Stand setzten,
sich herauszuarbeiten und den „Goldenen Bären" zu bauen, der das
Geschäft 135 Jahre lang beherbergen sollte und Veranlassung zu dem
Druckerzeichen dem „Bären" gab. Der „Silberne Bär" ward dem
goldenen gegenüber 1765—67 erbaut. Die Offizin, im Jahre 1722
die dreizehnte in der Rangordnung, war 1742 schon die dritte und
der Besitzer zur Zeit des Jubelfestes 1740 angesehener Oberältester
der Innung, welche damals 17 Prinzipale mit 137 Gehülfen zählte.
Auf dem Boden des tüchtigen Druckerhand werks erwuchs bald ein
ansehnlicher Bücher verlag , der 1723 mit einer hebräischen Hand-
bibel begann. Die Messkataloge von 1725 bis 1761 weisen 656
Verlagswerke Breitkopfs auf. Den wesentlichen Charakter erhielt
1 G. Schwetschkk, Codex nundinarius Germania* literaiae bisecularis. Halle 1850.
2 Dr. O. Hase, Breitkopf und Härtel. Leipzig 1875.
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DIE TYPOGRAPHIE IN DEUTSCHLAND.
VII. KAP
der Verlag jedoch durch die engen Beziehungen Breitkopfs zu
J. Chr. Gottsched und dessen Frau Luise, geb. Kulmus. Gottsched
blieb bis zu seinem Ende Breitkopfs Freund und Hausgenosse im
Goldenen Bären. Seine Druckerei übergab Breitkopf 1745 seinem
Sohn; im Verlage wirkte er noch bis 1762 und starb hochbetagt
und geehrt am 26. März 1777. Er erlebte es noch, wie Gottsched
ihm 1736 prophezeit hatte, dass, obwohl er als der erste Buchdrucker
Deutschlands gegolten hatte, sein Sohn ihn noch überstrahlte.
Die Geschichte darf aber nicht vergessen, dass dies dem Sohne
vielleicht nur dadurch möglich geworden ist, dass der Vater ihm die
Druckerei in einem Zustande hinterliess, der ihm gestattete, sich
ohne Schranken seinen, mitunter sehr kostspieligen Versuchen und
Erfindungen hinzugeben.
Ein schlagendes Beispiel, wie das Buchdruckergewerbe mit
Wittenberg, dem geistigen Leben fällt und steigt, giebt WITTENBERG *, wo
Luthers Wirksamkeit die Kunst zu einer schnellen Blüte trieb.
Melchior Lotter d. jüng. (15 19— 1523) begann die Reihe der
Reformationsdrucker. Ihm folgte Georg Rhawe (1520—1548),
welcher sowohl Schriften von Luther als von Melanchthon druckte.
Sein Hortulus animee mit Cranachs Zeichnungen ist ebenso geschätzt
wie Gabr. SCHNELLBOLTZS Sammlung von Portraits in einer so
vorzüglichen Ausführung, dass man die Zeichnungen Lucas Cranach
zuschreibt. Der bekannteste unter Wittenbergs Buchdruckern ist
Hans Lufft. der Hans Lufft, „der Bibeldrucker" (1525— 1584}. Er druckte 1534
die Luthersche Bibelübersetzung, die 1 541 , 1545 und 1546 in neuen
Auflagen wiederholt wurde. Da auch die meisten andern Schriften
Luthers aus seinen Pressen hervorgingen, so gewann sein Geschäft
eine grosse Ausdehnung. Für den Bibeldruck allein arbeiteten fort-
während drei bis vier Pressen, und man behauptet, dass gegen
100000 Exemplare der Bibel aus seiner Offizin hervorgegangen
sind. Die Pressen von Hans Weyss, Peter Seitz und Johann Kraft
wurden ebenfalls durch die Reformation im Gang erhalten.
Auch in HAMBURG eröffnete die Reformation der Presse ein
Hamburg, weiteres Feld, jedoch hatte sie hier mit einer besonderen Schwierig-
keit zu kämpfen. Während die hochdeutsche Schriftsprache durch
1 E. G. Eichsfeld, Relation vom Wittenbergischen Buchdrucker Jubilio 1740.
Wittenberg 1740.
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VII. KAP. DIE TYPOGRAPHIE IN DEUTSCHLAND. I 5 I
die Reformation fast überall Boden gewann, blieb sie hier dem
Volke ein mehr oder weniger fremdes Idiom. Die Verleger Ham-
burgs konnten für Werke in niederdeutscher Sprache nur auf ein
kleines, mehr lokales, Publikum rechnen, anderseits die für das
Volk bestimmten Schriften nicht hochdeutsch drucken. Hierin trat
erst zu Anfang des XVII. Jahrhunderts eine Änderung ein.
In ROSTOCK bestand schon 1476 eine angesehene Buch-
druckerei der „Brüder des gemeinsamen Lebens". Die Reformation Rostock,
bereitete ihr den Untergang (1534) und zwar zum grossen Verdruss
der Gelehrten. Noch im Jahre 1 564 klagt der Professor Chyträus,
dass es in Rostock nur einen Buchhändler mit einer Druckerpresse
und einem Lehrling gebe, sodass viele gelehrte Ausländer nicht
einmal wüssten, dass in Rostock eine hohe Schule vorhanden sei.
BERLIN 1 war im Jahre 1 500 zwar die Residenz der Kurfürsten
in den Marken, aber eine unbedeutende Stadt, die nicht einmal eine Berlin.
Buchdruckerei besass, während Stendal und Kloster Zinna bei Jüter-
bogk deren vor dem Schluss des XV. Jahrhunderts hatten (vergl.
S. 53), und Frankfurt a. d. O. wenigstens 1502 eine solche, wenn
auch nur in einem kleinen Massstabe, durch Martin Tretter erhielt.
Erst um das Jahr 1540, zu einer Zeit, wo der Süden Deutsch-
lands bereits über seinen typographischen Glanzpunkt hinaus war, joh. w««.
erfolgte die Einführung der Kunst in Berlin und zwar auf beson-
deren Betrieb des Kurfürsten Joachim IT., welcher 1539 JOHANN
WEISS, der schon seit 1525 als ein anerkannt tüchtiger Buchdrucker
in Wittenberg gewirkt hatte, nach Berlin berief. Das erste dort
gedruckte Buch, die Kirchenordnung im Kurfürstenthum der Marken,
erschien 1540.
Bis 1544 lieferte Weiss etwa 20 Druckwerke, von da ab hört
man weiter nichts von ihm , und da auch die in Frankfurt a. d. O.
bestehende einzige Buchdruckerci von Joh. Hanaw eingegangen
war, so hatte die Mark Brandenburg 1 544 keine Buchdruckerei.
FRANKFURT a. d. O. erhielt endlich, nachdem Nikolaus Wolrab
dort auf kurze Zeit (1547 — 1549) aufgetreten und dann wieder
1 Ci. G. KÜSTER, Historia artis typographkee in Marchia. Berlin 1746. — Ab-
handlung, worin etwas von märkischen Fonnschneidern. — J. C. W. Moehsen,
Beitrage zur Geschichte der Wissenschaften in Mark Brandenburg. Berlin 1783. —
G. Friedländer, Beiträge zur Buchdruckergeschichte Berlins. Berlin 1834.
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152
DIE TYPOGRAPHIE IN DEUTSCHLAND. VU. KAP.
verschwunden war, in Joh. EICHHORN aus Nürnberg einen tüchtigen
Buchdrucker mit einem alleinigen Privilegium für die Mark aus-
gerüstet {1567). In Berlin findet sich aber fast 30 Jahre lang keine
Spur einer Buchdruckerei, bis 1574 Leonhard Thurneysser zum
Thum als solcher erscheint.
Dieser Leonhard THURNEYSSER war kein gewöhnlicher, aber
Lconh. Thum- ein unsteter Mensch. Geboren zu Basel 1530, war er nach einander
Goldschmied, Naturhistoriker, Chemiker, Bergmann, Arzt, in allen
Eigenschaften tüchtig; bald arm, bald reich. Nach langen Reisen in
Europa und Asien kam er 1568 zurück und erwarb sich Ruf als Arzt
durch seine Wunderkuren, die er auch mit Glück an der Gemahlin
des Kurfürsten Johann Georg in Frankfurt a. d. O., wo er sich wegen
des Druckes seiner Werke aufhielt, übte. Der Kurfürst nahm ihn
in seine Dienste und gab ihm in Berlin ein Lokal in dem Grauen
Kloster, um dort zunächst für seine eigenen Werke eine Druckerei
einzurichten, aber auch, um für den Kurfürsten zu drucken. Die
Offizin stattete Thurneysser auf das beste nicht nur mit deutschen,
sondern auch mit allerlei orientalischen Schriften aus. Später kam
eine Schriftgiesserei und Holzschneiderei dazu. Seine Bücher sind
sehr sorgfältig gedruckt. Bedeutend und weit verbreitet war sein
Verlag von Kalendern, die zu der Zeit überhaupt fast nur von
Ärzten herausgegeben wurden.
In Thurneyssers damals glänzenden Verhältnissen trat aber ein
allmählicher Rückgang ein. Unruhig wie er war, siedelte er 1 579
nach Basel über und ging dort eine unglücklich ausfallende Ehe ein,
die durch einen Prozess ihm grossen pekuniären Verlust brachte.
Nach Berlin zurückgekehrt, verliess er 1584 heimlich die Stadt und
verschwand von der Bühne. Die Druckerei hatte er schon 1577 für
1 100 Thaler an seinen tüchtigen Gehülfen MICHAEL HENTZKE ver-
kauft, der bereits 1580 starb. Dessen Witwe heiratete NlK. VOLTZ,
einen tüchtigen Buchdrucker, der jedoch aus Mangel an Mitteln
gezwungen war, einen Teilhaber zu nehmen, den er in dem Rektor
des Gymnasiums zum Grauen Kloster, WlLH. HILDEN, fand. Sic
druckten jeder unter seinem Namen, bis Voltz 1586 wieder in den
alleinigen Besitz des Geschäftes kam, mit welchem er 1 593 nach
Frankfurt a. d. O. zog. Hier fand er 16 19 sein Ende, jedoch ohne
bessere Erfolge seiner Thätigkeit erreicht zu haben.
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VII. KAP. DIE SKANDINAVISCHEN LÄNDER. 153
Von 1593 bis 1599 tritt nun wieder eine Pause in der Druck-
thätigkeit Berlins ein. In diesem Jahr berief der Kurfürst Joachim Christoph
Runge.
Friedrich m. CHRISTOPH RUNGE, Buchdrucker zu Neudamm, nach
Berlin, wo er bis 1607 druckte. Sein Sohn Georg, später sein Enkel
Christoph, setzten das Geschäft fort. Letzterer entwickelte mit
seiner gut ausgestatteten Offizin eine bedeutende Thätigkeit. Bei
ihm wurde 161 5 die erste Zeitung Berlins gedruckt. Sein sorgen-
volles Leben schloss im Jahre 1681 ».
Im Jahre 1660 wurde der erste Hof buchdrucker ernannt, GEORG
SCHULTZE, der eine gut eingerichtete Buchdruckerei aus Guben mit Die Hofbuch-
drticker.
nach Berlin brachte, wo ihm im Schlosse ein Lokal eingeräumt wurde.
Er starb 1685. Seine Nachfolger im Amte brachten es nicht weit,
und von 1721 ab, in welchem Jahre der damalige Inhaber kassiert
wurde, hört man nichts weiteres von der Schlossdruckerei.
Dieserart waren die bescheidenen Anfänge der Buchdrucker-
kunst in der jetzigen Kaiserresidenz, Millionenstadt und dem Haupt-
sitz deutscher Wissenschaft und Kunst.
DIE SKANDINAVISCHEN LÄNDER.
DÄNEMARK 2 . Die Einführung der kirchlichen Reformation
war nicht ein so entscheidender Wendepunkt in dem geistigen Leben Dänemark.
DicRcformation,
Dänemarks, wie in dem Deutschlands. Der König Christian II.
begünstigte zwar die Bestrebungen der Humanisten und der Refor-
matoren, konnte sie aber während seiner unruhigen und blutigen Lauf-
bahn nicht genügend stützen. Die erste dänische Ausgabe des Neuen
Testaments wurde so zu sagen unter seinen Augen in Leipzig 1524
gedruckt. Überhaupt war der Buchdruck in Dänemark noch nicht
imstande, mit den Bedürfnissen Schritt zu halten und viele Bücher
wurden in Paris, Antwerpen, Köln, Lübeck, Magdeburg und Rostock
ausgeführt, an letzterem Orte durch die Fratres vitee communis,
namentlich aber durch LüDW. DiETZ, der 1533 Luthers Bibel platt- Lud. Dieti und
deutsch gedruckt hatte. Sein Name hatte in Dänemark einen so
guten Klang, dass er vom König Christian HL, als dieser den Vorsatz
gefasst hatte, eine schöne Ausgabe der Bibel veranstalten zu
» J. O. Opel, Die Anfange der deutschen Zeitungspresse. Leipzig 1879. —
E. Dominik und Otto Wenzel, Zwei AbhandL in: „Der Bär" 1881, Nr. 24 u. 42.
* C. NYROP, ßidragtil den danske Boghandels Historie. 2 Iide. Kopenh. 1870.
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DIE SKANDINAVISCHEN LÄNDER.
VII. KAP.
lassen, nach Kopenhagen berufen wurde, wo er das Vorhaben des
Königs in würdigster Weise ausführte. Der Vorschlag war von dem
Reformator Bugenhagen ausgegangen, der auch die erwähnte platt-
deutsche Bibel besorgt hatte, welche noch um ein Jahr eher erschien,
als die erste vollständige hochdeutsche Bibel durch Hans Lufft.
Dietz wurde mit seinem Gehülfen und seiner Druckerei 1 548 nach
Kopenhagen kostenfrei übergeführt; dort erhielt er freies Quartier,
eine Ladung Holz, 200 Reichsthaler Handgeld und für jedes der
3000 Exemplare der Auflage 1 Gulden. Durch eine Abgabe von
2 Reichsthalern auf jede Kirche in Dänemark wurden die Kosten für
das Papier zuwegegebracht. Am Johannistage 1550 war der Druck
zur grössten Zufriedenheit beendigt und Dietz und seine Offizin wurden
wieder nach Rostock gebracht. Diese Bibel ist ein vorzügliches
Druckwerk, mit guten Holzschnitten geschmückt, welche teilweise
schon früher in Deutschland benutzt waren. Das Portrait des Königs
und ein Titelblatt sind von Jakob Binck ausgeführt. Ein anderer
Deutscher, Hans STOCKELM ANN, war der erste eigentliche Universi-
tätsbuchdrucker (1574) und genoss als solcher bedeutende Vorteile.
Die Universität. Die Universität besass jedoch keine rechte geistige Selbständigkeit
und man blickte nach Wittenberg als nach einem Richterstuhi ohne
Appell in Angelegenheiten der Kirche und der Wissenschaft. Die
Die Zensur. Zensur, die sich 1524 Eingang verschafft hatte, um gegen Luthers
Schriften angewendet zu werden, wurde nun umgekehrt von den
Protestanten nach Herzenslust geübt. Die Herausgabe eines Spott-
liedes gegen einen Bischof kostete 1586 dem Prediger Jakob Nielsen
den Kopf. Die Einfuhr gedruckter Bücher wurde 1 562 verboten. Ein
litterarisches Eigentumsrecht erkannte die damalige Zeit nicht an.
Der Buchhandel. Selbstverständlich konnte der BUCHHANDEL keine grossen Fort-
schritte machen ; eine zunftmässige Organisation desselben bestand
nicht und die Bücher waren verhältnismässig teuer und selten. Unter
den Verlegern fand, wie in Deutschland, ein Tauschhandel statt;
Kataloge und Bekanntmachungen waren nicht gebräuchlich, doch
besuchten dänische Buchhändler die Frankfurter und die Leipziger
Messen und erhielten Besuch von deutschen und holländischen
Verlegern. 16 14 wurden die ersten Zeitungsprivilegien erteilt.
Schriftgiessereien hatte Dänemark noch nicht gehabt und
die nötigen Typen führten Deutschland und Holland ein. Nicht
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VII. KAP.
DIE SKANDINAVISCHEN LÄNDER.
155
nur das Druckmaterial, sondern auch die Arbeiter wurden aus Schrift u. Papier,
dem Auslande geholt. Mit der Papierfabrikation wollte es auch
nicht recht vorwärts gehen. Die erste Fabrik wurde auf Seeland
i. J. 1576 errichtet, prosperierte aber nicht. Sogar berühmte Schrift-
steller mussten den Druck ihrer Werke einstellen, weil das benötigte
Papier nicht zu beschaffen war.
Im Jahre 1589 legte der berühmte Astronom Tycho DE
Brahe, neben seiner schon seit 1584 bestehenden Privatdruckerei
auf der kleinen Insel Hveen im Öresund, auch eine Papierfabrik an;
dieselbe hörte jedoch bald auf. Bei ihm hielt sich der berühmte
holländische Buchdrucker und Geograph Wilh. Janszoon Blaeu
längere Zeit auf und arbeitete zusammen mit ihm zu wissenschaft-
lichen Zwecken.
Um die BUCHBINDEREI war es nicht ganz übel bestellt, sie wurde
aber hauptsächlich von Franzosen und Deutschen betrieben. Von Buchbinder«,
letzteren berief man z. B. im Jahre 1550 Christoph Schoch aus
Wittenberg und Paul Knobloch aus Lübeck, um die 2000 Exem-
plare der obenerwähnten Bibel Christians III. zu binden , wofür sie
neben freier Station den hohen Preis von 2 Mark dänisch pro Stück
erhielten.
Wie der Glanz und die Herrlichkeit der Geistlichkeit vor der
kirchlichen Reformation erloschen war, so sank nach der grossen verfall
d Wissenschaft
politischen Umwandlung durch die Einführung des absoluten König-
tums im Jahre 1660 die Macht des Adels auf immer und damit auch
die von ihm der Litteratur und den Wissenschaften gewährte Unter-
stützung. Ein freies, aufgeklärtes und wohlhabendes Bürgertum als
Ersatz gab es noch nicht. Von den Königen wurden zwar viele Hof-
buchdrucker und Hofbuchhändler ernannt, es handelte sich jedoch
nur um leere Titel. Pietismus und Bigotterie herrschten in den oberen
Kreisen und verbreiteten sich nach unten, um dann dem Materialis-
mus Platz zu machen. Lateinisch war immer noch die Sprache der
Gelehrten, wer nicht lateinisch schrieb, schrieb deutsch und es
dauerte lange, ehe die dänische Sprache und Litteratur zu Ehren
kamen. Die Zensur wurde mit Strenge gehandhabt; der Nachdruck
blühte und die Einfuhr von Büchern war hoch besteuert.
Glänzend konnte demnach der Zustand der Buchdruckerei und
des Buchhandels nicht sein. Hierzu kam noch der grosse Brand von
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DIE SKANDINAVISCHEN LÄNDER.
VII. KAP.
Buchhandel. Kopenhagen 1728, nach welchem das Geschäft ganz darnieder lag
und erst durch GEORG Höpfner wieder zu Ehren kam. Im Jahre
1722 gab es ausserhalb Kopenhagens keine Presse in Dänemark,
1769 arbeiteten 12 Buchdruckereien. Vieles wurde jedoch in Deutsch-
land gedruckt, wenn auch nicht viel besser. Ein Deutscher, Ernst
e. h. B«üng. HEINRICH Berling, hatte um 1740 eine Schriftgiesserei angelegt,
und das Verbot der Einfuhr von Schriften - Guss erlangt. Aber
dieses Verbot scheint nicht beachtet worden zu sein. Die Fraktur
war die allgemein gebräuchliche Type und ein Versuch des Buch-
druckers Jokum Wielandt, 1723, sie durch Antiqua zu ersetzen,
misslang. Im Jahre 1754 wollte man eine „Freie dänische Buch-
druckerei" begründen mit ähnlicher Tendenz wie die „Gelehrte Buch-
handlung" in Deutschland ; sie endigte mit gleichem Misserfolg. Im
Jahre 1720 war das erste kritische Blatt erschienen. Mit den Zei-
tungen sah es keineswegs gut aus. Die in deutscher Sprache geschrie-
benen waren reine Abklatsche der elenden Hamburger Zeitungen.
1666 erschien eine gereimte dänische Zeitung „Dansk Mercurius 14 .
Erst ein Kopenhagener Lokalblatt „Die Nachrichten des Adress-
Komptoires" hatte einen solchen Erfolg, dass nun auch Provinz-
städte Lust bekamen an dem Gewinne teilzunehmen, was dann
auch die Verbreitung der Buchdruckereien mit sich brachte.
In dem mit Dänemark politisch und sprachlich verbundenen
Norwegen. NORWEGEN ging die wissenschaftliche und litterarische Bewegung
ganz in der dänischen auf, so dass die Buchdruckereien dort nicht
festen Fuss fassen konnten. Das erste Buch wurde in CHRISTIANIA
i. J. 1643 von einem wandernden Buchdrucker, Tyge Nielsen
aus Kopenhagen, gedruckt. Eine fest angesiedelte Offizin erhielt
Norwegen erst durch einen Deutschen, Valentin Kuhn.
Auf ISLAND herrschte und herrscht noch die von den einge-
uund. wanderten Norwegern mitgebrachte altnordische (Norräna-) Sprache
und ein reges geistiges Leben. Die Reformation ward 1551 eingeführt,
und Island erhielt, noch vor dem Mutterlande, eine Buchdruckerei.
Dieselbe wurde auf Veranlassung des letzten katholischen Bischofs
Jon Arason durch dessen Schreiber, den Schweden Jon Matthias-
SON, in HOLUM eingerichtet und hier erschien 1531 das erste Buch
Missale Nidarosiense (Drontheimsches Missal). Als der Bischof,
ein Opfer seiner Überzeugung, gefallen war, nahm der weniger skru-
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VII. KAP.
DIE SKANDINAVISCHEN LÄNDER.
157
pulöse Matthiasson die lutherische Lehre an , behielt die Druckerei
und druckte mehrere evangelische Schriften. Die Offizin zog Öfters
hin und her und wurde 1574 von dem Bischof Guldbrand Thorlak-
son übernommen, mit neuem Material versehen und erweitert, so
dass sie 1584 eine Folio-Bibel, von der später mehrere Auflagen
erschienen, isländisch drucken konnte. Der Bischof besorgte selbst
eine sehr genaue Korrektur und soll sogar die zierlichen Initialen
gezeichnet und geschnitten haben. Im Jahre 1704 kam die Offizin
nach SKALHOLT, wo sie über 40 Drucke lieferte, und dann, nach
längerem Stillstand, 1704 nach Holum zurück.
In SCHWEDEN wurde die Bibel zum erstenmale 1521 schwe-
disch gedruckt; 1548 das Neue Testament in finnischer Sprache. Schweden.
1594 Hess Karl XI. eine königliche Buchdruckerei einrichten, deren
erster Vorstand AnüND Olm war, und die, bald unter deutschen,
bald unter schwedischen Dirigenten , tüchtiges geliefert hat.
Sowohl Gustav II. Adolf, als seine gelehrte Tochter, Christina,
förderten eifrig die Buchdruckerkunst. Zu einer Zeit, wo diese sonst
bereits anfing in Misskredit zu kommen, verlieh Gustav Adolf den p«. v. seiou.
Buchdruckern Einkünfte. 1626 berief er aus Deutschland PETER
von SELOU, damit er heilige Schriften mit russischen Typen drucke.
1636 gab er dem alten Bischofssitz STRENGNÄS eine Druckerei,
nur damit der Bischof von Schonen, Laurentius Paulinus, mit grösserer
Bequemlichkeit den Druck seiner Schriften überwachen konnte.
Mit dem Bischof wanderte die Druckerei später nach Upsala. Dem
geschickten Formenschneider und Kupferstecher Heinrich Keyser
schenkte er einen, in Deutschland erbeuteten Buchdruckerei- Appa- Heinr. Keyser.
rat, mit welchem Keyser, unter der Regierung Christinas, die sehr
geschätzte, sogenannte Bibel der Königin Christina druckte. Bekannt
ist Kayser namentlich durch sein Werk Insignia nobilitatis Sue-
canae mit sehr gut ausgeführten Wappen. Als Keyser sich in seinen
Hoffnungen auf guten Erfolg getäuscht sah, zerstörte er in Unmut
die Illustrationen , so dass das Werk sehr selten geworden ist. Der
tüchtige Sohn Keysers druckte in vorzüglicher Weise die schönste
Ausgabe der schwedischen Bibel, die erst 1703, nach seinem 1699
erfolgten Tode, vollendet wurde.
Die Königin Christina hatte einen bekannten Amsterdamer
Buchdrucker Johann Jansson (nicht der berühmten BLAEU'schen
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DIE SKANDINAVISCHEN LÄNDER.
VII. KAP.
Familie angehörend) nach Stockholm berufen. Ausser festem Gehalt
wurden ihm manche Vorteile, darunter freie Papiereinfuhr, zuge-
standen. Als die Königin die gelehrte Schule in Abo in Finnland zur
Universität erhoben hatte, berief der akademische Senat 1642 Peter
Valdius als Universitätsbuchdrucker. 171 3 wurde die Druckerei,
auf Grund der Kriegsunruhen, nach Stockholm gebracht.
Über der in Gothenburg 1650 von Amund Grefwe errichteten
Offizin ruhte ein Unglücksstern. Erst ging ein Schiff, welches neue
Typen und Papier aus Hamburg bringen sollte, unter, und 1669
brannte, mit einem grossen Teil von Gothenburg, die Druckerei ab.
In UPSALA mit seiner schon 1476 gestifteten Universität hatte
upsaia. Paul Grus 15 10 die Kunst eingeführt. Der König Karl Gustav
unterstützte ihn dabei , indem er ihm die Einkünfte eines Ritterguts
überliess. Griechisch, hebräisch, Runen und arabisch wurden bereits
mit dem Anfang des XVTI. Jahrhunderts dort gedruckt; die letztere
Schrift wurde von Peter Kirsten aus Breslau eingeführt, die Runen
verbesserte 1702 PeringskjÖld.
In Upsaia lebte auch der berühmte Gelehrte Olaus Rud-
oiaus Rudbcck. BECK, bekannt durch sein grosses Werk Atlantica, sive Manheim,
von welchem Band I — III in Folio mit einem grossen Atlas in den
Jahren 1675 — 1698 fertig wurden. Um den Druck zu fördern, hatte
Rudbeck selbst 1686 eine Druckerei angelegt, mit welcher, bei
dem grossen Brande Upsalas 1702, der noch in der Presse befind-
liche IV. Band so gründlich vernichtet wurde , dass nur 3 oder 4
Exemplare übrig geblieben sind.
LUND hatte 1666 durch Karl XI. seine Universität erhalten.
Lund. Die Versuche, die 1668 und 1676 gemacht wurden, die Drucker-
kunst dort heimisch zu machen, waren jedoch für lange Zeit ohne
rechten Erfolg.
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VIII. KAPITEL.
DER DRUCKBETRIEB UND DAS BUCHGEWERBE
IN DEUTSCHLAND.
Die Schriftgiesserei und die Druckschriften. Die Technik des Setzens und
Druckens: Der Satzapparat, die Korrektur, die Presse, die Farbe. Prinzipal,
Geselle und Lehrling. Die Buchbinderkunst. Der Buchhandel: Die litte-
rarische Produktion, das Verhältnis zwischen Autor und Verleger.
OGEN auch abweichende Urteile darüber herrschen,
welcher Anteil an der technischen Weiterbildung der
neuen Kunst dem Erfinder selbst, welcher seinen
Genossen und ersten Nachfolgern gehört, so steht doch
das eine fest, dass die Technik der Kunst und der
mechanische Apparat, nachdem die ersten unsicheren Versuche Technische Ver-
hinter den genannten lagen, eine derartige Festigkeit im Prinzip ,5Csscrungen
und Abrundung in der Ausführung gewonnen hatten, dass man,
trotz der Fortschritte der Gewerbe und der Anwendung wissen-
schaftlicher Grundsätze auf dieselben, in der langen Zeit von dem
Jahre 1500 bis zu dem Jahre 1750 nicht imstande war, das Über-
kommene durch Neues zu ersetzen l .
Successive Verbesserungen in der Herstellung der Schriften
und des Druckes traten zwar ein, aber keine durchgreifenden Refor-
men. Erst zu Ende des xvm. Jahrhunderts zeigten sich die Vor-
boten solcher, jedoch erst dem XIX. Jahrhundert war es beschieden,
ihnen Fleisch und Blut zu geben.
1 Vergl. die in der Einführung erwähnten technischen Werke.
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l6b DER DRUCKBETRIEB IN DEUTSCHLAND. VIII. KAP.
In der SCHRIFTGIESSEREI bestanden die Verbesserungen,
schriftgiesierei. nachdem man schon frühzeitig gelernt hatte, die Stempel in Stahl,
die Matern in Kupfer, die Schriften in härterer Metallmischung
herzustellen, hauptsächlich in der Einführung der nach bestimmten
Regeln sich abstufenden Schriftgrössen Kegel-System), während
anfänglich Zufälligkeiten oder Laune bestimmend waren.
Leider wurde vom Beginn ab weder in Betreff des Kegels noch
Kegel und der Schrifthöhe eine Einheitlichkeit in allen Ländern durchgeführt.
Schrifthöhe.
Nicht allein verfolgte jedes Land seinen eigenen Weg, sondern in
den einzelnen Ländern, und zwar ganz besonders in Deutschland,
herrschte Verschiedenheit, die sich sogar auf die einzelnen Städte
ausdehnte, ja, selbst in den Druckereien einer und derselben Stadt
sah es oft traurig genug um die Einheitlichkeit aus.
Das GlESSIXSTRUMENT war so eingerichtet worden, dass die
Giessinstrument Buchstaben beim Giessen einen trichterförmigen Anguss erhielten,
dessen Schwere die scharfe Ausprägung des Buchstabenbildes för-
derte. Die Interpunktionszeichen wurden vermehrt und erhielten
eine zweckmässigere, weniger prätentiöse Form. Die überaus zahl-
reichen Ligaturen der Buchstaben wurden auf eine kleine Zahl
beschränkt und die sogenannten Auszeichnungsschriften zum Her-
vorheben einzelner Zeilen oder Wörter eingeführt.
Die Typen wurden mit einer Einkerbung (Signatur) versehen.
Signatur. Diese diente nicht allein dem Setzer als Richtschnur, um den Buch-
staben gleich aus dem Kastenfach richtig zu fassen und in den
Winkelhaken einzureihen, sondern auch als Unterscheidung der
verschiedenen, auf einem und demselben Kegel gegossenen Schrift-
sorten, indem man mit der Stellung der Signatur auf der unteren,
beim Satz oberen, Langseite der Type wechseln, nach Befinden
auch gleichzeitig mehrere Signaturen anbringen konnte.
Mit der steigenden Zahl der Schriften war dieses Unter-
scheidungszeichen recht notwendig geworden. Bereits das, 172 1
Vermehrung der erschienene, Handbuch von Ernesti weist nicht weniger als 47 ver-
Schriften.
schiedene Frakturschriften bei 18 Kegelstärken auf. Man sieht auch
hieraus, welche grosse Ansprüche schon damals an die Schrift-
giessereien und Buchdruckereien gestellt wurden. In Deutschland
verdoppelten sich diese Ansprüche, denn man musste auch in
Antiqua- und Kursiv- Schriften wohlversorgt sein. Das erwähnte
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VIII. KAP.
DER DRUCK BETRIEB IN DEUTSCHLAND.
161
Händbuch bringt 21 Antiqua- und 14 Kursiv-Proben, daneben 11
Grade Griechisch und 9 Grade Hebräisch, ausserdem arabische,
samaritanische, armenische, koptische, cyrillische, glagolitische,
russische, hunnische, scytische, wendische Schriften, Runen,
Choral- und gewöhnliche Noten.
War auch die eigentliche Stereotypie noch nicht zur Anwen-
dung gekommen, so kann doch kein Zweifel darüber obwalten, dass Das ciichieren.
man bereits im xv. Jahrhundert in ziemlich ausgedehnter Weise
das CLICHIEREN geübt hat, freilich noch aus freier Hand durch Ein-
drücken der grossen Initialen oder der Holzstöcke in ein halb-
erstarrtes Metall oder in Thon, wodurch man eine, für das weitere
Giessen verwendbare Mater gewann.
Obwohl die FRAKTURSCHRIFT die in Deutschland herrschende
Schrift war, so zeigte sich doch keine grosse Thätigkeit in der Fort- Di« Fraktur und
die Zierschriften.
bildung derselben; wir berührten diese bereits, als von Nürnberg die
Rede war (S. 129}. Als Auszeichnungsschrift wurde hauptsächlich
die Schwabacher Schrift, nachdem sie aufgehört hatte Buchschrift
zu sein, benutzt; auch machte sich die Typographie die Kanzlei-
und die Kurrentschrift dienstbar. Mit der Kanzlei nahm der herum-
reisende Schriftschneider Schmidt in Leipzig einen nicht üblen
Versuch vor; CRABATH in Prag schnitt eine schattierte Schrift mit
einem starken und einem schwachen Strich. Mit der Kurrentschrift
wurde zu Beginn des xvill. Jahrhunderts verschiedentlich experimen-
tiert. Voran ging CHRIST. ZlXK in Wittenberg, ihm folgten Schmidt
und in Wien VON TRATTNERN. In Basel zeichneten sich JOH. PüTO-
RIUS und W. Haas aus, in Frankfurt a. M. LUTHER.
Noch weniger als in der Fraktur leistete Deutschland in der
ANTIQUA. Frobens und Oporins Typen blieben noch zu Anfang Die Antiqua,
des XVII. Jahrhunderts massgebend, obwohl diese selbst mehr Nach-
ahmungen des römischen, als des verbesserten venetianischen
Schnittes waren.
Als zu Ende des XVII. Jahrhunderts die Verbreitung der hollän-
dischen Ausgaben in Deutschland den Sinn für schöne Drucke
geweckt hatte, fing man an, sich Matrizen aus Holland kommen zu
lassen. Besonders war es der Schriftgiesser Erhard in Leipzig,
welcher sich die Janssonschen Schriften anschaffte. In Nürnberg
schnitt Jon. Lobinger lateinische Schriften, die Beifall fanden,
1 1
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DER DRUCKBETRIEB IN DEUTSCHLAND.
VIII. KAP.
ebenso, in Nachahmung der holländischen, Christ. Zinck in Witten-
berg. Ein eigentlicher Bahnbrecher erstand jedoch nicht unter den
deutschen Schriftgiessern. Wahrscheinlich würde ein solcher auch,
in Ermangelung jeglicher Unterstützung und Aufmunterung, das
Schicksal so mancher Bahnbrecher gehabt haben. Unter solchen Ver-
hältnissen findet man deutsches Geschick und Talent, wie in manchem
anderen Fach, so auch in der Schriftgiesserei hauptsächlich nur im
Dienste des Auslandes thätig.
DIE TECHNIK DES SETZENS UND DRUCKENS. Was den
Der Sauapparat. Satz- Apparat betrifft, so wurde der Setzkasten zweckmässiger
eingeteilt, und für die Fraktur und Antiqua verschieden eingerichtet ;
auch machte die öftere Benutzung der orientalischen Schriften
besondere Kästen für diese notwendig. Der „Winkelhaken" wurde
verstellbar und aus Metall angefertigt. Das „Schiff" erhielt den
Doppelboden (Zunge) zum Ausziehen, war jedoch noch von Holz.
Die eisernen Schliessrahmen fanden überall Eingang.
Der Satz selbst bekam durch den Durchschuss, die Absätze,
Der sau. die Schmutztitel , Buch- und Kapitel-Einteilungen eine freiere, über-
sichtlichere Gestaltung. Die Titel in der jetzigen Einrichtung wurden
allgemein, ebenso die Angabe des Druckorts und des Datums, des
Druckers, später auch des Verlegers. Die kleineren Schriftgattungen
gestatteten die Verwendung der kleineren, handlichen Formate. Die
Zahl der letzteren war eine übergrosse, ausser den gewöhnlichsten:
Folio, Oktav, Duodez und Sedez, wurden: Achtzehner, Vierund-
zwanziger, Zweiunddreissiger, Achtundvierziger, Zweiundsieben-
ziger, Sechsundneunziger oft verwendet, es kamen dazwischen aber
auch noch andere vor. Die Kolumnentitel, die Signatur, die Norm
und der Kustos waren an und für sich kleine, aber doch wesentliche
Verbesserungen. Die Accidenzarbeiten hatten noch keine grosse
Bedeutung.
Die Presse von 1750 war im Prinzip und in allen wesentlichen
Die Prcwe. Bestandteilen dieselbe wie die aus dem Jahre 1 500. Sie wurde aus
Holz konstruiert, jedoch fertigte man nach und nach die Spindel,
die Mutter, den Tiegel aus Messing oder Eisen und das Funda-
ment und die Schienen aus Eisen. Als Verbesserer der Pressen
werden namentlich Danner in Nürnberg und Wilh. Janszoon Blaeu
in Amsterdam genannt.
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VIII. KAP.
DER DRUCKHETRIEB IN DEUTSCHLAND.
163
Um eine Form zu drucken war ein zweimaliges Anziehen des
Bengels notwendig, da der Tiegel nicht gross genug war, um eine
volle Form zu decken. Der Karren wurde deshalb erst bloss bis auf
die Hälfte der Form hineingefahren und der erste Druck geübt, dann
ganz hinein, damit auch die andere Hälfte gedruckt wurde.
An der Presse arbeiteten zwei Drucker, der „Pressenmeister" und
der „Ballenmeister" x , die sich jedoch gewöhnlich in der Arbeit ab- Die Drucker,
lösten. Der jedesmalige Ballenmeister hatte die zwei pilzförmigen
Ballen aus Holz, die mit Rosshaaren überdeckt und mit Schafleder
überzogen waren, einzufarben, die von dem Farbetische entnommene
Farbe durch tüchtiges Reiben der Ballen an einander gut zu ver-
teilen und dann die Form einzuschwärzen , indem er, unter fort-
während wiegender Bewegung der Ballen, diese erst von oben nach
unten und dann seitwärts auf die Schrift drückte, und länger an den
Stellen, die eine besonders sorgfältige Einfärbung verlangten, z. B.
bei grossen Titelschriften und Illustrationen, anhielt.
Trotz dieser zeitraubenden Manipulationen konnten doch zwei
Drucker in einem Arbeitstag 2000 Drucke, flinke Drucker sogar
3000, also resp. 1000 und 1500 vollständige Bogen fertig bringen.
Die Farbe wurde von jeder Buchdruckerei selbst bereitet
und bestand aus Leinöl- Firnis und Kienruss. Sie war im allge- Die Farbe,
meinen eine gute, und es kam hauptsächlich nur darauf an, dass
der Firnis die richtige Stärke erhielt. Da das Sieden desselben nicht
ohne Feuergefahr war, so gestattete man es nur auf einem, dazu
von den Stadtbehörden bestimmten Platz. Der Tag des Siedens galt
als halber Festtag für die Drucker. Um dem siedenden Ol sowohl
die wässerigen als die überflüssigen fettigen Teile zu nehmen wurden
Stückchen von Brotrinde oder Semmel hineingesteckt. Mit Salz
bestreut, wurden diese Brotstückchen gern gegessen, sie mehrten
aber noch den selbstverständlichen Durst ins unberechenbare und
das Bier schmeckte nun um so besser.
Die Korrektur -Abzüge wurden mittels der Bürste abge- Die Korrektur,
klopft, mitunter auch in grausamer Weise abgetreten! Man legte
1 Die Gehülfen, welche sowohl setzen als drucken konnten, nannte man
„Schweirerdegen". Wie so oft, wenn einer zu viel treibt, waren sie gewöhnlich
in keinem Fach recht zuhause und deshalb weniger gut angeschrieben.
II*
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164
DER DRUCKBETRIEB IN DEUTSCHLAND.
VIII. KAP.
eine Partie Makulatur über den abzuziehenden Bogen und trat nun
den Druck ab, indem man sich auf die Form stellte.
Grössere Offizinen hatten ihre Haus- Korrektoren und es bildete
sich ein besonderer Stand der Korrektoren von Beruf. Soll man nach
den Ermahnungen eines ihrer Kollegen 1 urteilen, so müssen sie nicht
immer sich des solidesten Lebenswandels befleissigt haben, denn
neben einem guten Auge verlangt er vor allen Dingen von einem
guten Korrektor, dass er „mit allem Fleiss für der Trunkenheit sich
hütet, auffdass er nicht etwa gantz nichts, oder hingegen mehr, als
in Wahrheit vorhanden, sehe oder auflfzeichne. Und, welcher zu
dieser Verrichtung verordnet, gerne trincket, ist ein vnnützer Mensch,
zu welchem der Druckherr, wann er ihm ofift also bezecht sihet,
ohne Verwunderung wol sagen möchte: troll dich du Bösewicht".
Der Buchdruckerprinzipal musste, bevor er eine Offizin
Der prinzipal, eröffnete, den Buchdruckereid ablegen, der, wennauch nicht überall
der gleiche, stets darauf ging, nichts ohne Zensur und keine Schmäh-
schrift zu drucken und den Buchdruckerei-Ordnungen gemäss sich
zu betragen. Die Rechte der Innungen waren durch die Statuten
und Freiheiten in den Artikel-Briefen gesichert. Die Überwachung
derselben, die Aufbewahrung der Lade und die Führung der In-
nungsrechnungen war dem Oberältesten, dem „Ladenvater", über-
tragen, der auf dem Generalsitz (Session), welcher jedesmal 14 Tage
vor der Messe abgehalten wurde, gewählt ward.
Die Gesellen bildeten ebenfalls unter sich einen Verein, der
Der Geselle, seine zwei Obergesellen oder Assessoren, einen Drucker und einen
Setzer, hatte, die bei den Gesellen ungefähr die Stellung einnahmen,
wie der Oberälteste bei den Meistern, und für den Nutzen der
Gesellschaft zu sorgen hatten.
Die Gesellen arbeiteten entweder in festem Lohn oder kon-
sensweise, d. h. wurden per Stück bezahlt. Das Engagement galt
von Messe zu Messe; 14 Tage vor der Messe wurde der „Anrede-
tag" abgehalten; wollte der Meister den Gesellen noch ein halbes
Jahr behalten, so wurde er „angeredet", geschah dies nicht, so
wusste er, dass er nach 14 Tagen „Feierabend" hatte. Was der
Geselle von Messe zu Messe von seinem Lohn stehen Hess, hiess
seine Messbesoldung. Wurde er verschrieben, so erhielt er „Lauf-
* HIERONYMUS Hornschuh, Oq&OTVizoyQaqla. Leipzig 1634 und in mehr. Ausg.
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VIII. KAP.
DER DRUCKBETRIEB IN DEUTSCHLAND.
I65
geld tf . Beim Eintritt musste er „Introitus" zahlen, war er nicht gut
beleumundet, so wurde er von seinen Kollegen zurückgewiesen. Er
hatte das Recht den Degen zu tragen.
Der Introitus, die Abgaben der Ausgelernten, „das Titulgeld",
welches der Verleger für den Druck eines roten Titels zahlte, oder
sonstiges Trinkgeld wurde jährlich zweimal, zu Fastnacht und zu
Martini, verteilt oder vertrunken. Zu Martini gab der Prinzipal einen
Schmaus.
Der Lehrling wurde, wenn er eine Probezeit von einigen
Wochen gut bestanden und durch Zeugen nachgewiesen hatte, Der Lehrling,
dass er in ehrlicher Ehe geboren war, „aufgedungen". Er hatte
5—6 Jahre zu lernen und den Meister und die Gesellen zu bedienen.
Hatte er seine Lehre ehrlich bestanden, so wurde er „Kornut" oder
Hörnerträger und hatte als solcher wöchentlich an die eigentlichen
Gesellen eine Abgabe, „nach christlicher Billigkeit", zu zahlen.
Wollte er nun als Geselle losgesprochen sein, so musste er sich dem
„Postulat", oder der Deposition, unterwerfen. Dies geschah unter Die Deposition.
seenischen Festlichkeiten und in Anwesenheit der Gesellen und
Bekannten mit ihren Damen. Erst trat der Prologus auf und hielt
eine salbungsvolle Lobrede auf die Kunst. Mit dem unförmlichen,
mit Hörnern versehenen Hut aus schwarzem Leder bedeckt 1 , wurde
nun der Kornut von dem Knecht eingeführt, von letzterem durch-
gehechelt, geschimpft, geschlagen und mit guten Lehren versehen.
Der Kornut lässt sich alles gefallen und verspricht dem Depositor,
den Gesellennamen mit Ehren zu führen, die Laster der Jugend und
die schlechten Sitten abzulegen, und einen tugendsamen Wandel
zu führen. Hierauf erhält er die Konfirmation als Geselle, und die
von ihm gewählte „Kranzjungfer" setzt ihm den Kranz auf. Das
ganze Schauspiel wimmelte von Trivialitäten und Roheiten 2 . Der
Schmaus bei dem „Postulatvater", der für gute Speise und guten
Trank zu sorgen verpflichtet war, bildete selbstverständlich durch-
aus nicht eine Nebensache.
> Ein solcher Kornutenhut war in der Halleschen Ausstellung 1SS1, in der Ab-
teilung der Faberschen Buchdruckerei aus Magdeburg , zu sehen.
2 Es giebt mehrere gedruckte Depositionsspiele; am bekanntesten ist das im
Jahre 1654 „der hoch- und weitgerühmten Buchdrucker-Kunst zu unvergleichlichen
Ehren" von Johann Rist abgefasste, das in Ernestis Handbuch mitgeteilt wird.
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DIE BUCHBINDERKUNST IN DEUTSCHLAND.
VIII. KAP.
Von der Zucht und Ordnung in den Druckereien bekommen
siucn im aiige- wir keinen besonders vorteilhaften Begriff, wenn wir die Anord-
nungen lesen, in welchen den Gehülfen eingeschärft wird, „ihrem
Druckherrn gebührliche Ehre und Gehorsam zu erzeigen, ihm nicht
widersetzig zu sein, viel weniger mit thatsächlicher Gewalt sich an
ihm zu vergreifen", und sie ermahnt werden: „das Fluchen, Gott-
lästern, Andere zur Banckhauen zu unterlassen; Abends nicht mit
Ungestüm anzuklopfen, jauchzen, geschrey zu tumultuiren, nicht
die Wehren zu zucken; das liederliche Feiern, mehrenteils um des
unchristlichen Saufens, Schwelgens und Tollisirens willen, sowie
das Abhalten heimlicher Conventikula behufs des Aufwiegeins an-
derer Gesellen, einzustellen".
DIE BUCH BINDERKUNST Keine andere gewerbliche Tech-
Aenderungen in nik konnte in dem Masse durch die Buchdruckerkunst beeinflusst
d. Buchbmdung. wer( j en ^ aJs dj e B uc hbinderei. Die Folianten und Quartanten weichen
den Oktavbänden und zierlichen Bändchen, infolge dessen auch das
Material für den Einband ein leichteres wird. An Stelle der Holz-
platten tritt die Pappendecke oder der aus mehreren zusammen-
geklebten Blättern bestehende Überzug. Die Beschläge fallen nach
und nach weg, die Spangen bleiben jedoch noch lange. Die Berei-
tung des Leders vervollkommnet sich und es wird in allen Farben
verwendet. Durch die Filetten wird ein grösserer Reichtum an
Mustern möglich. Jetzt kommen namentlich die arabisch-mau-
rischen phantasiereichen Flachornamente zur Geltung, daneben
erhalten sich jedoch Ornamente im Sinne der Renaissance aus
antiken Motiven entspringend unter Hinzufügung von Figuren-
Schmuck. Götter und Helden, Kaiser und Könige, Reformatoren,
reiche Wappen, ganze zusammenhängende Figurenbilder dienen als
Einbandsschmuck, wobei oft nicht die geringste Rücksicht auf den
steigender Ge- Inhalt genommen wird. Selbst die namhaftesten Künstler, wie Hans
schmacle im Hin- '
binden. Holbein d. j., Lucas Cranach Vater und Sohn, Virgil Solis, u. a.
verschmähten es nicht, ihre Talente der Buchhülle zuzuwenden.
Das Interesse des grossen Publikums und die Bücherliebhaberei der
Reichen und Grossen unterstützten die Kunst. In vielen Privat-
« Vergl. die S. 89 angegebenen Quellen.
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VIH. KAP. DIE BUCHBINDERKUNST IN DEUTSCHLAND.
I6 7
bibliotheken war der Einband fast Hauptsache geworden. Manche
Liebhaber aus den höchsten Ständen, selbst Könige und Fürsten,
übten persönlich das Buchbinden.
Die österreichisch -burgundischen kur- und pfalzbayrischen
Herrscher, die protestantisch sächsischen Fürsten Ernestinischer und
Albertinischer Linie, hatten schöne Büchersammlungen. Sowohl
Kurfürst Friedrich der Weise (f 1525) als auch der unglückliche
Johann Friedrich der Grossmütige Hessen ihre prachtvollen Bibel-
ausgaben und die Werke der Reformatoren für die Universitäts-
bibliotheken mit prächtigen Einbänden versehen, die noch heute die
Zierde der Sammlungen in Jena, Weimar, Leipzig und Dresden sind.
Die Hauptwerkstätte war Wittenberg, der bedeutendste Buchbinder
dort Theodor Krüger. Seinen Arbeiten schliessen sich die von
Kaspar Krakft und die reichen farbigen Lederbände aus den
Offizinen der beiden Cranach an. Auch der gelehrte Herzog
Georg der Bärtige (f 1539) und sein Bruder Heinrich der Fromme
(f 1 541) hatten dieses Interesse für die Kunst.
Unter den Förderern ist ferner der Kurfürst August von
Sachsen (1526 bis 1586) zu erwähnen. Im Jahre 1555 legte er den Die sächsischen
Einbände*
Grund zu der jetzigen königlichen Bibliothek in Dresden und umfasste
diese Anstalt mit grosser Liebe. Er berief die Buchbinder Georg
Krause und Kaspar Meuser als Hofbuchbinder, und sandte
sie auf Reisen, dass sie Bücher ankauften. Um den Betrieb besser
unter Augen zu haben, errichtete er ihnen im Schlosse eine Werk-
stätte und beteiligte sich selbst eifrig bei den Arbeiten. Die Orna-
mentierung war eine mannigfaltige und die Goldpressung prächtig.
Bemerkenswert sind die, zumteil unübertroffenen, gemalten Bände,
die sich bis zu Ende des XVII. Jahrh. hielten. Besondere Sorgfalt
wurde dem Schnitt zugewendet. Auf dem Goldschnitt schlug man
mittels Punzen eine Zeichnung ein und malte die Zwischenflächen
aus. Interessant ist auch die Technik, den ein wenig verschobenen
Schnitt zu bemalen, und dann nachträglich den scharf zusammen-
gepressten Schnitt zu vergolden. Wird nun ein so gebundenes
Buch aufgeschlagen, und dadurch der Schnitt wieder verschoben,
so tritt die Untermalung in matten Farben hervor. Man hat diese
Art von Arbeit in neuester Zeit mit Glück wieder aufgenommen.
Sehr praktisch sind die Bände der kurfürstlichen Reisebibliothek.
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[68
DER BUCHHANDEL IN DEUTSCHLAND.
VIII. KAP.
Damit sie nicht zu sehr ins Gewicht fielen , wurden sie in feines
Pergament ohne Pappenunterlagen gebunden.
Etwas zurück gegen die früheren stehen die unter den Kur-
fürsten Christian i. und ii. von Christoph Weidlich, Matthias
Hauffe, Bastian Elert und Kaspar Krafft gelieferten
Arbeiten. Man wandte sich damals wieder der Technik der durch-
brochenen Metallarbciten mit unterlegtem Sammet zu, in der HANS
REICHARDT in Leipzig Meister war. Noch mancher tüchtige Buch-
binder dieser Zeit aus dem Süden und Westen wäre zu nennen.
Die schweren Jahre brachten bald die Periode des Verfalls.
Rückgang. Der Lederband tritt zurück, die technische Behandlung wird
vernachlässigt und das Pergament meist glatt behandelt. Die
glänzenden Schweinslederbände der Holländer, die sogenannten
Horneinbände, und die lange in Holland in Gebrauch bleibenden
Kartonnagen mit Rücken von rotem Schafsleder und Pappendeckel,
mit marmoriertem oder gefedertem Papier überzogen, treten in den
Vordergrund.
DER BUCHHANDEL UND DIE BÜCHER-PRODUKTION
Befestigung des Nach dem Ablauf des ersten Viertels des XVI. Jahrhunderts trat mit
dem Buchhandel eine Wandlung ein, indem er sich von den Jahr-
märkten emanzipierte und eine respektable Stellung einnahm. Viele
der grösseren Buchdruckereien verwandelten sich in Buchhand-
lungen. Die grosse Masse der Buchdrucker geriet dagegen in Ab-
hängigkeit von den Verlegern. Die Buchhandlungen bemühten sich,
als abgeschlossene Geschäftskorporationen von den Regierungen an-
erkannt zu werden und Privilegien zu erlangen, ohne zu bedenken,
wie sehr sie damit den Regierungen eine Handhabe zu ihrer Beauf-
sichtigung und der leichteren Durchführung der Zensur-Massregeln
gewährten. Überwachungs-Kommissionen wurden ernannt und die
Buchhändler verpflichtet, nichts regierungsfeindliches zu drucken.
1 Vergl. die S. 91 u. 92 erwähnten Quellen. — Ferner G. Schwetschke, C<hüx
nundinarius etc. Halle 1850 und dessen Fortsetzung. Halle 1877. — Wertvolle
Beiträge liefern ausserdem die von dem Börsenverein Tür den deutschen Buchhandel
in zwanglosen Heften herausgegebenen „Publikationen", deren neue Folge den Titel
führt: „Archiv für Geschichte des deutschen Buchhandels. Herausgegeben von der
Historischen Kommission des Börsenvereines etc.".
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VIII. KAP. DER BUCHHANDEL IN DEUTSCHLAND. 169
Die Zensur wurde streng, und, was noch schlimmer war, launenhaft
geübt; im Norden im allgemeinen etwas freisinniger, als im Süden.
Den Impuls zu einem grösseren Bücherbetrieb hatten zuerst
Luthers Schriften gegeben; selbst seine Feinde mussten einräumen, Hindun der Re-
- formation.
dass seine Bücher fast in jeder Bauernhütte zu finden waren. Zwar
verlor sich das religiöse Lesebedürfnis nach und nach, aber die ein-
mal geweckte Leselust blieb. Die schönwissenschaftliche Litteratur
verschaffte den Buchdruckereien viele Arbeiten und gewährte dem
Buchhandel ein neues Feld für seine Thätigkeit. Namentlich war es
die fremde Litteratur, der das Publikum von Beginn ab seine Nei-
gung zuwendete. Boccaccio , Aneas Sylvius und der Amadis von
Gallien blieben die erklärten Lieblinge.
Erst im Laufe des XVII. Jahrh. hebt sich die deutsche Litteratur
und erweckt eine grössere Teilnahme, trotz der ungeheuerlichen Hebung der
| .i t ter:imr.
Romane, Erzählungen von Naturereignissen, Missgeburten, Un-
glücken ; je scheussl icher, je besser. Die Verarbeitung dieser Stoffe
geschah namentlich in Augsburg und Nürnberg. Hier, sowie auch
in Frankfurt am M. , erschienen zuerst „die neuen Zeitungen" \ die
sich aus Flugblättern nach und nach in regelmässig erscheinende
Zeitungen umwandelten, damit aber auch mehr und mehr dem Buch-
handel entzogen wurden, um in die Hände der Postanstalten über-
zugehen, namentlich war die Thum und Taxissche Post bemüht,
den ganzen Zeitungs -Verlag ihres Bezirks in die Hände zu
bekommen. Hingegen erhielten die, gegen Ende des XVII. Jahrh.
entstandenen wissenschaftlichen Journale eine besondere, immer
wachsende Wichtigkeit für den Buchhandel. Auch der Kalender-
Vertrieb erlangte grössere Bedeutung. Einige waren ausserordentlich
verbreitet, wie die, von Leonh. Thurneysser in Berlin 1572 - - 1585
herausgegebenen (vergl. S. 152). Angeblich um die Richtigkeit
der Kalender zu überwachen, wurden sie von den Regierungen
mit Stempel versehen und öfters zum Gegenstand eines Monopols
gemacht, welches man verpachtete.
Auch ernsthaftere Lektüre bricht sich Bahn, namentlich Über-
setzungen der griechischen und lateinischen Klassiker, gewöhnlich DieKWiker und
mit Holzschnitten, später mit Kupferstichen illustriert. In diesem ' c Cl " wer e *
1 Em. Weller, Die ersten deutschen Zeitungen. Stuttgart und Tübingen 1872.—
J. O.OPEL, Die Anfänge der deutschen Zeitungspresse. Leipzig 1879.
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DER BUCHHANDEL IN DEUTSCHLAND
VIII. KAP.
Verlag zeichneten sich namentlich Augsburg, Strassburg und Frank-
furt a. M. aus. Chroniken und Länderbeschreibungen, Originale und
Übertragungen, denen ebenfalls durch Illustrationen Reiz verliehen
wurde, lieferten namentlich Sigismund Feyerabend, Theod. und
Joh. Th. de Bry sowie die Matth. Merian in Frankfurt (s. S. 130);
besonders bekannt waren die Gottfriedsche Chronik mit ihren Fort-
Setzungen, das Theatrum mundi, die Zeilerschen Topographien mit
ihren unzähligen Kupferstichen und Plänen. Eine Menge grosser
Reisewerke, durchgehends reich illustriert, erschienen bei L. Hulsius
und später bei seiner Witwe in Nürnberg.
Wennauch die Buchhändler selbst durch die Messen die neuen
Schwierigkeiten Bücher kennen lernten , so blieb immer noch die Schwierigkeit des
des Vertrieb».
Bekanntmachens derselben für das Publikum. Französische und eng-
lische Buchhändler hatten schon früher Verlagsverzeichnisse ge-
druckt , deutsche Buchhändler fingen jedoch mit solchen erst in der
letzten Hälfte des XVI. Jahrh. an. Wenn die Gelehrten nicht durch
ihre Korrespondenz zufällig von dem Erscheinen eines Buches
Kenntnis erhielten, so waren sie ganz von ihrem Buchhändler
abhängig. Hatten sie mit ihrem Auftrag eine Messe versäumt, so
musste in der Regel die nächste Messe abgewartet werden.
Dies wurde wesentlich anders, als der Augsburger Buchhändler
Messkaulog. Georg Willer 1564 den „Messkatalog" ins Leben rief. Derselbe er-
schien jährlich zweimal. 1 592 hört der Katalog unter Willers Firma
auf. Im Jahre 1 598 nahm die Stadt Frankfurt die Sache selbst in
die Hand, und der Messkatalog erschien nun bis 161 5, bei Peter
Kopff in Frankfurt : cum permissu superiorum. Mit den Messkata-
logen trat ein Umschwung im Buchhandel ein. Die Buchhändler
waren genötigt, ihre Erwerbungen regelmässig auf den Messen zu
machen und ein Lager des Neuesten zu halten.
Für die Verleger war es natürlich von grösster Wichtigkeit,
Messverkehr, dass die Neuigkeiten vor der Messe fertig vorlagen. Von den Be-
suchern waren die Holländer, Belgier, sowie die Pariser und Lyoner
Buchhändler die wichtigsten. Das Hauptgeschäft beruhte auf Tausch,
der sich schon im XV. Jahrh. ausgebildet hatte. Wennauch an-
fänglich den Verhältnissen angepasst, hatte dieses System doch
später auch seine grossen Inkonvenienzen , da Produktion und
Konsumtion der einzelnen Länder und Städte und Firmen nicht
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vm. KAP.
DER BUCHHANDEL IN DEUTSCHLAND.
171
immer sich die Wage halten konnten. Dies verursachte eine teilweise
Uberproduktion in mittelmässigen oder schlechten Büchern, um
doch Tauschobjekte zur Messe mitbringen zu können. Die grossen
verlegenden Buchdruckereien, die nicht Sortimentshandel trieben,
konnten überhaupt nicht tauschen und so bildete sich teilweise ein
reiner Handel gegen Geld, der sogenannte Nettohandel, aus.
Das erste grosse Sortimentslager gründete der Frankfurter
Buchhändler Paul Brachfeldt, in den letzten Jahren des XVI. Jahrh. verfall d. Frank-
Ausländische Verleger, wie dieElzeviere, hielten in Frankfurt Lager.
Hierdurch gestaltete sich neben dem Messhandel ein regelmässiger
Verkehr der Sortimentshandlungen mit Frankfurt, doch gestattete
die Zerrüttung der Verhältnisse kein rasches Emporblühen, wozu
die Massnahmen der kaiserl. Regierung das ihrige beitrugen. Auch
die Frankfurter Behörden hatten dieser in die Hände gearbeitet, als
sie dem Kaiser Maximilian II. vorschlugen , er möge selbst Beamte
senden, um die Überwachung des Buchhandels, welche der Rat
abgelehnt hatte, zu besorgen. Die Massregel war jedoch erst unter
dem Kaiser Rudolph II., 1579, zur Ausfuhrung gekommen. Seit
dem Jahre 1629 verfuhr die kaiserl. Bücherkommission vollständig
souverän und der Rat machte nur ab und zu einen vergeblichen
Versuch, den Einfluss derselben zu mindern. Darunter litt begreif-
licherweise die Frankfurter Messe ausserordentlich, während das
aufblühende Leipzig den Vorteil davon hatte. Doch wirkten noch Aufblühen Leip-
zigs.
andere Gründe gegen Frankfurt. Je mehr die lateinische Sprache
als Gelehrtensprache durch die deutsche verdrängt wurde, um so
mehr schmälerte sich der Absatz der deutschen Bücher im Auslande.
Die fremden Buchhändler blieben deshalb nach und nach aus,
namentlich weil auch der Absatz ihrer Artikel durch die Uber-
setzungssucht der deutschen Verleger geringer wurde. Der Ver-
kehr mit Italien war schon um 1 570 durch den Index librorum pro-
hibitorum et expurgendorum des Papstes Pius IV. so gut wie
vernichtet. Mit den spanischen Niederlanden verfiel der buchhänd-
lerische Verkehr nach den Ordonnanzen Philipps II. Am längsten
hielt sich noch die Verbindung mit Holland , jedoch bot letzteres
bloss Bücher dar und nahm keine , wodurch der Handel erschwert
wurde, besonders da Holland zumteil seinem klassischen Verlag
untreu wurde, und sich den französischen Artikeln und dem Nach-
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172
DER BUCHHANDEL IN DEUTSCHLAND.
VIII. KAP.
druck zuwandte. Wie Leipzigs Übergewicht um das Jahr 1650 eine
vollendete Thatsache wurde, ist bereits berichtet (S. 149). Ohne
die Reformation und ihren segensreichen Einfluss auf die Pflege der
Wissenschaft, würde es doch Leipzig kaum gelungen sein, seine
Suprematie zu erlangen. Die Gründung der Universitäten Witten-
berg, Frankfurt a. d. O., später Königsberg; die Kunstliebe der
sächsischen und brandenburgischen Kurfürsten und ihr Interesse
für die Wissenschaften hatten einen mächtigen Einfluss geübt, und
im Norden ein bis jetzt brachgelegenes Terrain dem Buchhandel,
sowohl hinsichtlich der Produktion als der Konsumtion, gewonnen
Neben Leipzig und Frankfurt a. M. entstanden auch andere
Kommissionsplätze mit beschränkteren Geschäftskreisen, darunter
namentlich Augsburg, das ein Mittelpunkt des katholischen Verlags
wurde, und Nürnberg. Auch in Strassburg zeigte sich zu Beginn
des XVII. Jahrhunderts ein weiter gehender Verkehr.
Die Autorenverhältnisse boten nicht viel erfreuliches. Bei
Die veriagsver- der Ungunst, in welcher die deutsche Litteratur stand, sahen sich
viele Autoren genötigt, ihre Werke auf eigene Kosten drucken
zu lassen. Wer keine bedeutende litterarische Bekanntschaften
oder einflussreiche Verbindungen hatte, war übel daran und der
Willkür der Buchhändler anheim gegeben. Diese suchten durch
lockende Titel, in Kupfer gestochene Titelblätter und in den Text
1 Zur näheren Kenntnis des Messverkehrs ist von besonderem Interesse die
Schilderung Heinrich Stephanus II. Das lateinische Original ist von J. LisiEUX ins
Französische übersetzt (Paris 1875) und von H.Krommann in seinen „Beitragen etc."
Hefti (Jena 1879) im Auszug deutsch wiedergegeben. — Von besonderem Wert sind
ferner zwei Werke neuerer Zeit. In dem Frankfurter Archiv wurde das Manuskript
eines Messmemorials des Frankfurter Buchhändlers Michael Härder von der Fast-
nachtsmesse 1569 aufgefunden und 1873 durch den Druck veröffentlicht. Aus dem-
selben geht hervor, dass Härder von seinen 83 Messartikeln 5918 Bände verkaufte,
davon 13 in mehr als 100, 18 in mehr als 50 Exemplaren. Am besten gingen die
Sammlungen belehrender Erzählungen und Ritterbücher. Die Geschichte von den
sieben weisen Meystern trug den Sieg davon mit 233 Exempl., dann folgten Fortu-
nats, die schöne Magelona, Melusine, Ritter Pontus, Ritter Galmy mit je 196,
176, 158, 147, 144 Exempl. Die deutschen Heldensagen waren aus der Mode ge-
kommen. Von den „Teufeln" gegen verschiedene Laster waren die gangbarsten :
der Sauf-, Hof-, Ehestands-, und Spielteufel in je 69, 67, 64, 62 Exempl. — Das
„Rechnungsbuch des Froben Sc Episcopius, Buchdrucker und Buchhändler zu Basel,
1557 — 1564. Herausgegeben von Rud. Wackernagel" (Basel 1881) giebt sehr
wertvolle Mitteilungen, nicht allein in Betreff des Frankfurter Mcss-Geschäfts, sondern
auch bezüglich der Herstellungskosten der Druckwerke.
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VIII. KAP.
DER BUCHHANDEL IN DEUTSCHLAND.
173
gedruckte Vignetten die Kauflust zu reizen, die eigentliche Ausstat-
tung jedoch wurde immer schlechter und die Inkorrektheit ging oft
über alle Grenzen. Die Honorare waren sehr klein, oft nicht so hoch Die Honorare,
wie Schreiberlöhne. Manchmal wurde durch Freiexemplare gezahlt.
Als Ausgleich musste die „Dedikation" an einen vornehmen oder
reichen Mann dienen , der seine Dankbarkeit für die erwiesene Ehre
klingend zu zeigen imstande war, bis auch dieses Mittel in Miss-
kredit kam. Zu den schlechten Verhältnissen trugen der Nachdruck Die Zensur,
und die sowohl strenge als willkürliche Zensur noch das ihrige
bei. Letztere wurde von Lutheranern, Calvinisten und Katholiken,
je nach ihrer Konvenienz, zur Unterdrückung der Schriften der
Gegner benutzt und bei der engen Verknüpfung der geistlichen mit
den politischen Wirren bald auf das weltliche Gebiet übergeführt.
Manchmal beruhte die Unterwerfung unter die Zensur auf vor-
heriges Abkommen mit den einzelnen Buchdruckern, bis sie mit
dem Anfang des XVIll. Jahrh. vollständig organisiert war.
Da der Betrieb des Buchhandels jedem freistand, so war es
natürlich, dass manche, die nicht den genügenden Grad von Bil- zudrang *um
Buchhandel.
dung besassen, besonders zu dem Sortimentshandel sich drängten,
namentlich solche, die schon mit dem Buchhandel in Berührung
standen, z. B. Papier- und Pergamentmacher, Buchbinder u. s. w.
Bei den ersteren mag wohl der Eintritt in den Buchhandel öfters
ein unfreiwilliger gewesen sein, wenn sie statt Barzahlung Bücher
annehmen mussten. Am wichtigsten war die Beteiligung der Buch-
binder. Je mehr sich der Sortimentshandel organisierte, je mehr fiel
der Kleinhandel, namentlich auf den Jahrmärkten, den Buchbindern
zu. Auf der andern Seite schmälerten Reisende den Markt. In dem
Grade wie die Bildung und die deutsche Litteratur sich verbreiteten,
stieg der Zudrang zum Buchhandel und damit die Unsolidität.
Grossen Nachteil brachte ferner die Masse der Bücherauk-
tionen. Aus allen Winkeln wurden Bücher zusammengetrieben, Missbräuche im
gebundene und rohe, komplette und defekte. Die Käufer wurden
geprellt und gegen die Buchhändler unwillig gemacht, die ihre Lager
in jeder Weise räumten, um Geld zu machen. An Stelle der Auk-
tionen traten später die Bücherlotterien , die sich bis in die Mitte
des XIX. Jahrh. erhielten. Nicht allein Sortimentslager, sondern
ganze Verlagsgeschäfte wurden in dieser Weise versilbert und das
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174
DER BUCHHANDEL IN DEUTSCHLAND.
VIII. KAP.
Publikum betrogen. Ebenfalls ein arger Missbrauch war das, wenn-
auch in seinen Anfängen nicht verwerfliche, Pränumerationswesen,
indem die Versprechungen gewöhnlich nur mangelhaft oder gar
nicht gehalten wurden.
Die Trennung des Verlags vom Sortiment wurde immer
Trennung d« üblicher. Die Zahl der Verleger wurde durch Buchdrucker ver-
totSmät mehrt, die öfters durch die ungünstigen Arbeitsverhältnisse zum
Verlegen gedrängt wurden , um das Personal in Zeiten zu beschäf-
tigen, wo die Aufträge der Verleger fehlten.
Hierdurch hörte das Tauschgeschäft ganz auf. Um die Artikel
an den Mann zu bringen, sah man sich genötigt die Neuigkeiten „in
Kommission" zu versenden. In dem letzten Viertel des xvill. Jahr-
hunderts war dies Geschäft vollständig organisiert und führte wieder
zur Errichtung der Kommissionslager und der Gross-Sortimentslager
in Leipzig. Viele Sortimentshändler zogen es vor, ihren Bedarf
von den grossen Leipziger Kommissionären zu beziehen , statt mit
den vielen Verlegern in Verbindung zu stehen.
Durch diese Änderungen, verbunden mit der Verschlechterung
steigender des Münzfusses, traten erhöhte Ladenpreise ein, wodurch wieder
Nachdruck. _ _ .
der Nachdruck gefördert wurde, namentlich waren es der Süden
von Deutschland und Osterreich, welche den Nachdruck gewerbs-
mässig betrieben. Die kaiserliche Regierung leistete demselben in
den Erblanden Vorschub, indem sie in diesen die erteilten kaiserlich
deutschen Privilegien nicht respektierte, ein Beispiel, das gar zu
willig bei anderen deutschen Fürsten Nachfolge fand. Da der Ver-
kehr auf der Messe den Nachdruckern so gut wie verschlossen war,
so nahmen sie ihre Zuflucht zu dem Colportagehandel und zogen
auch Buchbinder, Landgeistliche, Schullehrer in ihr Interesse durch
Gewährung von grossen Rabatten. Die Verleger rechtmässig
erworbener Schriften folgten dem gegebenen Beispiel.
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IX. KAPITEL.
ITALIEN,
SPANIEN, PORTUGAL UND DAS SÜDLICHE AMERIKA.
Venedig. Die Familie Aldus: Aldus Pius Manutius , Paul Manutius, Aldus u.
Dan. Bomberg. Mechitar. Rom : Die Buchdruckerei der „Propaganda". Genua.
Florenz: Die Giunta. Padua. Die Xylographie: Cäs. Vecellius, der Clair-
«?fo<w-Druck. Ugo da Carpi, Graf Ant Zanetti, John Jackson.
SPANIEN UND PORTUGAL. Brocario und die complutinsche Polyglotte. Madrid.
Ant. Bortazar. — MEXICO. Joh. Kromberger, Juan Pablos. LIMA. PERU.
ST. DOMINGO u. a.
IESENHAFT waren bereits die Fortschritte Italiens
in der ersten Periode der Buchdruckerkunst gewesen,
sie sollten in dieser zweiten Periode noch weiter-
gehe ndere werden.
Der hervorragendste Wahrer und allezeit Mehrer
des typographischen Ruhmes Italiens war ganz besonders der Aidu« Piu* Ma-
Gründer der berühmten aldinischen Familie. ALDUS MANUTIUS
der Mann, dem die Jünger Gutenbergs neben diesem die grösste
Verehrung schuldig sind, war in der Zeit zwischen 1447 und
1449 in dem Stadtchen Bassiano in der Nähe der pontinischen
Sümpfe geboren. Wenn Aldus von 1 500 ab sich Romanus nennt,
so geschah es nur, weil diese Bezeichnung eine höhere Geltung in
den Augen des Publikums verlieh.
Sein Taufname Aldo ist der typographische Familienname
geblieben; Manuzio kommt selten vor, dagegen nannte sich
1 A. A. Renouard, Annales de l'imprimerie des Aide. Paris 1834. Dritte Auflage.
— Ambr. Firmin Didot, Aide Manutius d PAeUenisnu ä Penise. Paris 1875.
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176
ITALIEN.
IX. KAP.
Aldus gewöhnlich Aldo Pio, welchen Namen ihm sein Zögling
Alberto Pio, Fürst von Carpi, als Zeichen seiner hohen Achtung
zuerteilt hatte. Seit 1503 wird Aldo Pio Manuzio Romano oder
Aldus Pius Manutius Romanus geschrieben.
Aldus hatte eine zwar gelehrte aber nicht gute Erziehung
Seine Jugend, gehabt. Er war in die Hände eines Pedanten geraten und fand erst
später in Rom seine wirkliche Ausbildung. Von seinem ernsten
Streben und seinem Eifer legen die vielen, von ihm kommentierten
griechischen Ausgaben und seine wertvolle griechische Grammatik
Zeugnis ab.
In dem freundlichen Verkehr mit den fürstlichen Angehörigen
seines Zöglings, des Albertus Pius, namentlich dem gelehrten
Johannes Pius, entstand ohne Zweifel die erste Anregung, eine „ge-
lehrte Buchdruckerei" zu gründen und ist es auch wahrscheinlich,
dass die Mittel zur Anlage derselben von den genannten herrühren.
Venedig, wo Künste und Wissenschaften blühten, schien mit
Etablissement in Grund der günstigste Boden für ein solches Etablissement. Aldus
begab sich, entweder in dem Jahre 1488, oder 1489, dahin. Sein
erstes datiertes Druckwerk ist Constantin Lascaris' griechische
Grammatik, im Jahre 1495 vollendet. Wahrscheinlich ist es, dass
zwei kleine Werke ohne Datum, wenn auch später als das von
Lascaris angefangen, doch früher erschienen sind, nämlich Musäus'
Gedicht Hero und Leander, griechisch und lateinisch, und die
Galeomyamachia, griechisches Gedicht von Theod. Prodromos.
Mit rastlosem Eifer ging Aldus an das grosse Werk, eine
Die Ausgabe von griechische Ausgabe von Aristoteles, die noch nicht existierte,
herzustellen. Um sich von dem Umfang und den Schwierigkeiten
dieses Unternehmens ein klares Bild zu machen, sich
vergegenwärtigen , dass der Inhalt von fünf Foliobänden aus zahl-
reichen noch nicht herausgegebenen Abhandlungen in verschie-
denen, beinahe unleserlichen oder durch die Unwissenheit der
Kopisten korrumpierten Manuskripten zusammengestellt werden
musste, ohne dass der Herausgeber eine frühere Ausgabe als Leit-
faden zur Seite hatte, so dass er selbst die jeden Augenblick
entstehenden Zweifel nur durch seinen Scharfsinn lösen konnte.
Bedenkt man ferner, dass diese Arbeiten sich nicht auf den Aristo-
teles beschränkten, dass Aldus vielmehr eine grosse Zahl anderer
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»
IX. KAP. ITALIEN. IJJ
Ausgaben in derselben Weise besorgt hat, so muss man seine ,
Arbeitskraft staunend bewundern und kann unmöglich streng über
einzelne typographische oder kritische Fehler mäkeln. 1495 wurde
das erwähnte Werk, welches Aldus zu dem ersten Rang sowohl als
Buchdrucker wie als Herausgeber erhebt, begonnen; 1598 war es
vollendet. Inzwischen förderte er viele kleinere, aber doch wichtige
Ausgaben an das Tageslicht und seine Wahl wurde stets mit Ein-
sicht und Geschmack getroffen. Während seine Kollegen sich noch
grösstenteils auf den Druck mystischer, scholastischer oder höch-
stens juristischer Werke beschränkten , war es Aldus vorbehalten,
eine neue Richtung vorzuzeichnen, und nichts hat mehr zur Ver-
breitung der klassischen Studien beigetragen, als seine billigen,
korrekten und handlichen Ausgaben, die es beinahe jedem möglich
machten, die Werke anzuschaffen.
Die Annahme, dass Aldus der Erste war, der ganze Bücher
mit griechischer Schrift druckte, beruht auf einem Irrtum. Zwar Griechische
wurde noch gewöhnlich der Platz für griechische Zitate freigelassen, Werke,n ,tal,cn -
um diese später hineinzuschreiben; man hat jedoch griechische, so-
gar umfangreichere, Werke vor denen von Aldus, als: aus Mailand
Lascaris' Grammatik von 1476; aus Florenz Homer von 1488.
Aber die Zahl war klein und die Werke folgten einander langsam,
während die griechischen Ausgaben des Aldus so zahlreich waren
und so schnell zum Vorschein kamen, dass es selbst bei gewöhn-
lichen Druckwerken überraschend gewesen wäre.
Nachdem Aldus eine grosse Zahl griechischer Meisterwerke
gedruckt hatte, ging er an die des alten Roms. Auch hier fing er Lateinische Aus-
-i • • \ . gaben,
mit einer Grammatik, und zwar einer eigenen Arbeit, an. Um seine
Bücher allgemein zu verbreiten, fasste er den Plan zu einer Samm-
lung in klein Oktav {enchiridii forma), wovon ein Bändchen jedoch
ziemlich so viel, wie sonst ein Quartband, enthalten sollte, und Hess
von FRANZ VON BOLOGNA, der auch den Schnitt der meisten seiner cursivschrift.
übrigen Schriften geleitet hat, seine berühmte schrägliegcndc
Schrift schneiden, nach Muster der üblichen Canccllaresca Romana
Cursiva. Als nächstes Vorbild soll Petrarcas I landschrift gedient
haben. Da die Mehrzahl der Bücher noch geschrieben war, so
heimelte diese Buchschrift, die mit der Feder geschrieben zu sein
schien, die Leser zwar sehr an, und ganze Bücher, zuerst der Virgil,
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178
ITALIEN.
IX. KAP.
wurden auch damit gedruckt. Bald jedoch behielt die gefällige,
zugleich kräftige Antiqua die Oberhand, und die Cursiv wurde
dann hauptsächlich nur zu den Einleitungen, Noten und als Aus-
zeichnungsschrift zu der Antiqua benutzt, bis in neuester Zeit die
fette, halbfette, Egyptienne, Stein- und andere Schriften ihr den
Rang abliefen. In Deutschland behielt die Schrift den Namen
Cursiv; in Frankreich hiess sie Itaüque (auch Penche) \ in England
Italic.
Man kann sich vorstellen, mit welcher Begeisterung die schönen
Die kleinen und bequemen Ausgaben des Aldus aufgenommen wurden. Der
Aldinen"
Sprung von den schweren Folianten und Quartbänden zu diesen
niedlichen Bändchen, die man überall mit sich führen konnte, war
nicht viel kleiner, als von den Manuskripten zu dem Gedruckten
überhaupt. Am 13. Nov. 1502 erhielt Aldus vom Senat ein zehn-
jähriges Privilegium für seine Cursiv und am 17. Dezbr. ein solches
vom Papste Alexander VI., welches von Julius II. und Leo X. ver-
längert wurde. Auch sonst wurde er durch Privilegien geschützt,
die indes wenig respektiert wurden. Schon 1 502 ringen die Lyoner,
Die Nachdrucke jedenfalls auf Antrieb der Giunta in Venedig, an, die Aldinen nach-
zudrucken. Aldus beschwert sich in einer gedruckten Anzeige,
welche er wahrscheinlich verteilte, über den Schaden, der ihm, und
namentlich seiner Ehre, durch die fehlerhaften Ausgaben der Lyoner
zugefügt werde, und giebt die Fehler an, woran letztere zu erkennen
wären. Die Lyoner druckten Cartons oder neue Ausgaben und
berichtigten diese Fehler, so dass die Käufer nun erst ganz sicher
waren, Originalausgaben zu kaufen.
In den Jahren 1501 — 1505 entwickelte Aldus eine grosse
Thätigkeit und es verging kein Monat, worin nicht wenigstens ein
klassisches Werk aus seiner Offizin hervorging. Alles war an diesen
Büchern gut ; der Satz mit Verständnis und Gleichmässigkeit besorgt ;
der Druck rein auf gutem starken geleimten Papier, mit vorzüglicher
Farbe, die noch heute ihre Tiefe und ihren Glanz behalten hat.
Aldus war selbstverständlich nicht imstande gewesen, die
au; Ricsenaufgabe, die er sich gestellt hatte, allein zu erfüllen. Er ver-
Neacademm. gtanc j M a b crj e i nen Kreis von gelehrten Männern um sich zu
sammeln, die von demselben Streben, die Schätze der Litteratur
allen zugänglich zu machen, beseelt waren. Von diesen lebte eine
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IX. KAP. ITALIEN. Ijg
Anzahl in seinem Hause ganz von ihm unterhalten, während andere
für Honorar oder nur für die Ehre arbeiteten. Diese sogenannte
Aldi Neacademia , gegründet gegen 1500, versammelte sich an ge-
wissen Tagen bei ihm und bestand aus etwa 30 Mitgliedern. Durch
Tod und Wegzug lichteten sich aber die Reihen, und die Akademie
hörte nach einigen Jahren auf. Ausser mit den Mitgliedern dieser
stand Aldus selbstverständlich mit vielen anderen Gelehrten in
Verbindung, unter welchen sich auch Erasmus befand, mit dem er
zuerst in einem engen Freundschaftsbunde, später aber beinahe in
Feindschaft lebte.
Der orientalischen Sprachen, besonders des Hebräischen, selbst
mächtig, wollte Aldus auch an den Druck hebräischer Werke gehen. Beabsichtigte
Polyglott-Bibel.
Es existiert aus den letzten Jahren des fünfzehnten Jahrhunderts ein
Probeblatt von einer Bibel in Folio, lateinisch, griechisch und
hebräisch, mit schönen Typen gedruckt, dieselbe ist jedoch nicht
zur Ausfuhrung gekommen und Aldus hat sich somit den Ruhm
nehmen lassen, zuerst eine Polyglott-Bibel zu bringen. Dass weder
von ihm, noch von seinen Nachfolgern eine handliche Ausgabe des
Neuen Testaments gedruckt worden ist, mag vielleicht in den
Verhältnissen zu Rom gelegen haben.
Gegen das Jahr 1 500 verheiratete sich Aldus mit Maria Asola
(f 1520), der Tochter von Andreas Torresanus aus Asola, welcher
1479 Jensons Druckerei in Venedig gekauft hatte.
1506 musste Aldus Venedig verlassen und seine Druckerei
schliessen, nachdem er durch den Krieg, welcher Italien verwüstete, Geschäftliche
, _ „ . __ _ Schwierigkeilen.
den grössten Teil seines Vermögens verloren hatte. 1 507 fing er
unter Sorgen wieder zu drucken an, bis eine Assoziation mit seinem
reichen, thätigen Schwiegervater Andreas Asolanus ihn in den Stand
setzte nach 1508 das Geschäft wieder kräftig zu betreiben. In
den Jahren 1 5 10— 1 1 ruhte es jedoch nochmals und wurde erst 1 5 1 2
wieder eröffnet, in welchem Jahre auch sein dritter später so
berühmte, Sohn, Paul Manutius, geboren ward.
15 13 und 14 entfaltete Aldus wieder grössere Thätigkeit und
rüstete sich für eine noch grössere, als ihn in seinem 66. Jahre der Tod des aj*m.
Tod am 7. Febr. 15 15 überraschte. Ob seine irdischen Überreste
seinem Wunsche gemäss nach Carpi gebracht wurden , wissen wir
nicht. Der Abbe Zenier Hess im Jahre 1828 eine einfache Gedenk-
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ITALIEN.
IX. KAP.
tafel an dem Hause Nr. 2013 in der Nachbarschaft des Campo di
S. Agostino, unzweifelhaft sein Druckhaus, anbringen.
Das berühmte Druckerzeichen des Aldus stellt einen , von
s«n Drucker- einem Delphin umschlungenen Anker vor und soll die , mit der
Festigkeit verbundene Beweglichkeit und Schnelligkeit, also das
sprüchwörtliche festina lente, symbolisch ausdrücken. Wie seine
Typen und seine Ausgaben, so wurde auch sein Druckerzeichen
widerrechtlich von anderen , selbst von den Giunta , nachgemacht,
auch später von neueren Druckereien angenommen.
Nach dem Tode des Aldus wurde die Buchdruckerei von seinem
Andrea» Torresa- Schwiegervater ANDREAS TORRESANUS aus ASOLA in Verein mit
dessen Söhnen Franz und Friedrich fortgeführt Andreas war
ein tüchtiger Mann, wenn er es auch nicht so wie Aldus verstand,
die besten geistigen Kräfte für seine Unternehmungen um sich zu
sammeln. Die Kinder von Aldus lebten erst mit ihrer Mutter in
Asola, kehrten aber bald wieder nach Venedig zurück, woselbst
Paul Manutiu*. Paui, Manutius eine sorgsame Erziehung genoss, jedoch durch
geistige Anstrengungen seine Gesundheit so sehr schwächte, dass
er sich mehrere Jahre hindurch ganz von den Studien zurückziehen
musste. Bald sollte er auch in anderer Weise den Ernst des Lebens
kennen lernen, indem das Geschäft infolge von Familienauseinander-
setzungen vier Jahre lang (von 1529— 1533) geschlossen blieb. In
dem letzteren Jahre übernahm Paul, nur 21 Jahre alt, die Buch-
druckerei, vorerst für gemeinschaftliche Rechnung mit seinen
Geschwistern und den Asolas.
Trotz seiner Jugend zeigte er gleich den überlegenen Geist und
trat mit grosser Energie in die Fusstapfen seines Vaters. Da dieser
die griechische Litteratur beinahe erschöpft hatte, legte sich Paul
namentlich auf 1 lerausgabc der lateinischen Klassiker und gewann
zu diesem Zweck die tüchtigsten Gelehrten für sich. 1535 Hess er
sich zwar durch falsche Vorspiegelungen verleiten, nach Rom zu
gehen, wo sein eigentlicher Zweck sich bald als verfehlt ergab; aber
die dort angeknüpften Verbindungen mit vielen wissenschaftlichen
Notabilitäten kamen ihm später zu statten.
Nachdem die Druckerei in Venedig 1 541 nochmals auf Grund
von Familienmisshelligkcitcn geruht hatte, übernahm sie Paul endlich
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IX. KAP.
ITALIEN.
181
1 542 ganz für seine und seiner Geschwister alleinige Rechnung und
heiratete 1 546 Katharina Odoni, welche vier Kinder gebar, von denen
das älteste, Aldus, am 13. Febr. 1547 das Tageslicht erblickte.
Von einer schweren Krankheit genesen , ging Paul 1555 nach
Bologna, wo man ihn, ebenso wie in Ferrara und in Spanien, zu
fesseln versuchte; aber sein Lieblingsgedanke, ein Etablissement
in Rom zu begründen, Hess ihn alle vorteilhaften Anerbietungen ab-
schlagen. Inzwischen hatte in Venedig der Senator Badoano, 1556,
die Idee zu einer grossartigen Äcademia Venesiana, mit der eine
gelehrte Buchdruckerei verbunden werden sollte, gefasst. Dem
Paul Manutius beabsichtigte man den Lehrstuhl der Beredsamkeit
und die Direktion der Buchdruckerei zu übertragen. Bedeutende
Vorbereitungen wurden getroffen, aber die Akademie nahm ein
schnelles und klägliches Ende.
Da machte der Kardinal Seripandi, im Namen des Papstes
Pius IV., dem Paul ebenso vorteilhafte als ehrenvolle Anerbietungen, Ruf nach Rom.
wenn er nach Rom kommen wollte, um dort eine Reihe heiliger
Bücher, Kirchenväter u. s. w., herauszugeben. Es wurden ihm für
die Zeit von 12 Jahren jährlich 500 Dukaten in Gold, ferner 300
Dukaten Umzugsentschädigung zugesichert, und seinem Sohne
eine Pension von 150 Dukaten in Aussicht gestellt. Die Druckerei
sollte auf Kosten des Papstes, der auch alle laufenden Ausgaben zu
zahlen hatte, eingerichtet , der Verdienst aber zwischen dem päpst-
lichen Stuhl und Paul geteilt werden. Solchen mit seinen Wünschen
stimmenden Anerbictungen konnte Paul nicht widerstehen.
In Rom wurde er mit grosser Aufmerksamkeit aufgenommen
und gut eingerichtet. Typen wurden durch Vermittelung von Thomas Paul Manuüu*
III 1^.(J III,
Giunta geliefert ; denn die berühmten Cursiv- Matern des Aldus, die
in den Besitz der Torresanis gekommen waren , wollten diese nicht
hergeben , während die griechischen Matern, die man einem Bruder
des Paul, Antonius, der eine kurze Zeit in Bologna etabliert
war, anvertraut hatte, durch dessen liederliche Wirtschaft verloren
gegangen waren.
Aber diese Aussichten für Aldus waren nicht von langer Dauer.
Die eine Hälfte der Buchdruckerei ging als Eigentum auf den
Magistrat von Rom über, während die von dem Papst Sixtus v.
im Vatikan gegründete typographische Anstalt ganz den Platz
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ITALIEN.
IX. KAP.
ausfüllte, der ursprünglich für Pauls Druckerei bestimmt war. Die
vorteilhaftesten Arbeiten wurden dieser entzogen; der Magistrat
verpachtete sogar seinen Anteil an andere und nach dem Tode
Pius' IV. liess man im Jahre 1566 Paul die Schlüssel abfordern.
Zwar wurde diese harte Massregel auf Anordnung Pius' V. rück-
gängig gemacht, aber für Paul sollte keine rechte Freude mehr aus
seiner Stellung erwachsen.
Der mancherlei Chicanen müde, gab er 1570 seine Stellung
Rückkehr nach in Rom auf, um nach Venedig zurückzukehren, wo es mit der,
Venedig. . . .
an Dom. Basa verpachteten Aldinischen Druckerei auch nicht zum
besten ging. Vorher wollte er jedoch seine Gesundheit durch
eine Reise kräftigen. Den ganzen Winter 1571 verbrachte er in
Mailand. Nach Venedig, wo er nun nicht mehr im eigenen Hause
Wiederumzug Herr war , kam er erst im Mai 1572, kehrte aber schon im Juni
MChROa U.Tod. _ ■ . . -wr
nach Rom zurück, um seine Tochter, die er dort in einem Kloster
zurückgelassen hatte, zu holen. Hier wurde er von seinen Freunden
so gut aufgenommen, dass er seinen Entschluss änderte und
ganz dort blieb. Der neue Papst Gregor xm. war ihm sehr
gewogen und er erhielt von ihm eine zwar massige, jedoch seinen
Bedürfnissen genügende Pension. 1 573 verheiratete er seine Tochter
mit Alexander Honorio. Paul hatte nun die Aussicht, ruhig seinen
Freunden und seinen Lieblingsneigungen leben zu können ; aber ein
so heiterer Abschluss seiner sorgen- und mühevollen Wirksamkeit
war ihm nicht vergönnt. Er starb schon 1 574 in den Armen seines
Sohnes Aldus, allgemein geachtet, allgemein betrauert, und ward
in der Kirche Sancta Maria sopra Minervam begraben, wo noch
eine einfache Namensinschrift auf einem Denkstein die Stelle seiner
Gruft bezeichnet.
Sein Sohn Aldus IL, der älteste von vier Geschwistern, war,
Aldus», wie erwähnt, 1547 geboren und ein frühreifes Kind, welches die
Hoffnung erregte, es werde seinem Vater und Grossvater gleich
werden, wenn nicht gar sie hinter sich lassen. Schon im zehnten
Jahre war er bei einer Ausgabe von Ciceros Briefen behülflich und
im vierzehnten gab er seine Orthographie ratio heraus. Im Jahre
1562 ging er zu seinem Vater nach Rom, wo er bis 1565 weilte,
sich vielfach schriftstellerisch beschäftigend.
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IX. KAP. ITALIEN. 183
Nach Venedig zurückgekehrt, wurde ihm von seinen Vettern
Bernh. und Hieron. Torrcsanus der Vorschlag gemacht , mit ihnen
gemeinschaftlich zu drucken, was sich jedoch zerschlug. 1572
heiratete er eine Tochter aus der berühmten Buchdrucker-Familie
der Giunta, Franzisca Lucrezia, wodurch auch zwischen den rivali-
sierenden Familien eine geschäftliche Verbindung eintrat, wahr-
scheinlich unter Mitbeteiligung Basas, des Pächters der Aldinischen
Druckerei, deren alleiniger Besitzer Aldus nach dem Tode des
Vaters geworden war.
Einer Ernennung Aldus' zum Professor der schönen Wissen-
schaften (um 1576) folgte bald ein vorteilhafter Ruf nach Pisa von Ruf nach Pisa
und nach Rom,
Seiten des Franz von Medici. Kaum hatte er diesen angenommen,
als er ein noch ehrenvolleres Anerbieten von Rom aus erhielt , und
sein Ansehen war so gross, dass sein Name, obwohl er die Stelle
jetzt ausschlagen musste, in die Liste der Professoren eingetragen
wurde, und die Stelle unbesetzt blieb. Gegen Ende des Jahres
konnte er endlich diesem Ruf und seiner Neigung folgen und nach
Rom gehen, wo der Papst Clemens vm. ihm auch die Aufsicht über
die Vatikanische Druckerei anvertraute.
Die alte berühmte Aldinische Druckerei gab er 1585 ganz ab,
überhaupt war er mehr durch Umstände als durch Neigung Buch-
drucker. Seine zeitige geistige Reife und die ihm so früh zugefallene
litterarische Ehre hatten ihn der Druckerei abspenstig gemacht.
Die Genugthuung, Bücher zu schreiben, ging ihm über die lohnende
l
materielle Arbeit der Förderung der Buchdruckerei.
Aldus starb, nachdem seine vier Kinder ihm schon im Tode
vorangegangen waren, am 28. Oktober 1597 im 51. Jahre und mit Aussterben der
ihm der letzte berühmte Sprössling einer Familie, die der Wissen-
schaft und der Typographie die grösste Ehre gemacht , und deren
Ruhm nicht erlöschen wird, so lange einer der zahlreichen Bände
existiert, welche in dem Zeitraum eines Jahrhunderts aus ihren
Pressen hervorgingen. Renouard verzeichnet in seinen Annalen
153 Ausgaben von Aldus Manutius; 109 von den Asolas; 592 von
Paul Manutius; 215 von dem jüngeren Aldus; ausserdem noch 36
nicht datierte Werke aus den Aldinischen Pressen, in Summa 1 105
Ausgaben von 780 Autoren. Von Nachdrucken zählt er 64 auf.
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184 ITALIEN. IX. KAP.
Glücklicher in ihren äusseren Erfolgen und spekulativer als die
Die Familie Aldi zeigt sich die zweite berühmte Buchdrucker-Familie Italiens,
Giunta.
die der Giunta (Junta) in FLORENZ. Hat sie auch nicht die höchsten
Ehren der Familie Aldus erreicht, so nimmt sie wenigstens nach ihr
die erste Stelle ein und die Mitglieder der Familie waren, ohne selbst
Gelehrte von Rang zu sein, unterrichtete und tüchtige Männer, die
ihre Kunst thatkräftig und mit Vorteil zu üben verstanden.
Die Familie Giunta 1 gehörte zu den angesehenen in Florenz
Luc-Ant.Giunu. und existierte schon im 14. Jahrhundert. Luc-Antonius und sein
Seine
Nachkommen. Bruder Philippus, deren Vater Wollhändler war, begannen zu der-
selben Zeit, wie Aldus in Venedig, zu drucken.
Luc- Antonius Giunta kam, nachdem er das Geschäft eines
Buchhändlers schon in Florenz betrieben hatte, um 1480 nach
Venedig, wo sein erstes Verlagswerk sich aus dem Jahre 1482
schreibt; Buchdrucker ward er wahrscheinlich 1503. Eine seiner
Hauptunternehmungen war der Druck des Galenus in lateinischer
Sprache. Während Aldus mit seiner grossen griechischen Ausgabe
bedeutenden Verlust hatte, druckten die Giunta in der Zeit von
1522— 1625 elf Auflagen ihrer lateinischen. Sie spekulierten auf
einen billigen Preis und reüssierten.
Luc-Antonius starb im Jahre 1537 oder 1538 und einer seiner
drei Söhne, Thomas, übernahm die Buchdruckerei. Thomas hintcr-
liess keine Kinder, aber seine Neffen führten das Geschäft unter der
Firma : apud Juntas weiter und zwar mit so vielem Glück, dass ihr
Nachfolger, Gio-Maria Giunta, in den Jahren 1626— 1628 jeder
seiner zwei Töchter 100 000 Scudi, nach jetzigem Geldwerte gleich
500 000 Mark, mitgeben konnte. Sie heirateten zwei venetianische
Nobili Foscarini und Cornaro, und mit ihnen endigte der venetia-
nische Zweig der Familie, während das Geschäft in Venedig auch
von dem Florentiner Zweig fortgesetzt und 1642 von einem Modesto
Giunta geleitet wurde. Noch im Jahre 1791 wird eine dieser Familie
angehörende Persönlichkeit erwähnt.
Philipp Giunta, der Bruder Luc -Antonius', hatte Florenz
i'h.i. PF Giunu nicht verlassen und etablierte dort eine Buchdruckerei und Buch-
amm. ^„^jung. ^ n erster Druck; Zenobii Proverbia, aus dem Jahre 1497,
1 A. M. BANDINI, de Florentina Juntarum typ^r. 2 Bde. Lucca 1791.
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IX. KAP.
ITALIEN.
I8 5
war ein griechischer, ebenso der im Jahre 1500 folgenden Orphei Ar-
gonautica, sonst druckte er nur lateinische und italienische Ausgaben,
namentlich in kleinem Oktav mit der, der Aldinischen nachgebildeten
Cursivschrift ; den griechischen Druck nahm er erst 1 5 14 wieder auf.
Philipp starb am 16. September 15 17, nachdem er die erste
griechische Ausgabe von Plutarch, von ihm selbst redigiert, gedruckt
hatte. Sein Sohn Bernhard führte das Geschäft für die Erben weiter
und ihm hat man die berühmte Quartausgabe von Boccaccios
Decamerone zu verdanken, die als Prototyp aller späteren Ausgaben
diente, bis die Entdeckung eines, im Jahre 1 384 angefertigten Manu-
skriptes den Wert des Buches verringerte. Der enorme Preis der
Giuntaschen Ausgabe veranlasste 1729 einen Nachdruck, der in allen
Äusserlichkeiten das Original nachzuahmen versuchte; der Betrug
wurde jedoch bald entdeckt.
Das Florentiner Haus kam zwar dem Venetianer an Reichtum
nicht gleich, hielt sich aber stets auf einem geschäftlich respektablen
Standpunkte. Bernhard starb 1 5 5 1 ; die Druckerei wurde von einem
seiner vielen Sohne, Philipp, dirigiert und bestand noch im ersten
Drittel des 17. Jahrhunderts. Glieder der Familie etablierten sich in
Rom, Burgos, Madrid und Lyon, an letzterem Orte wohl zunächst
in der unedlen Absicht, die Aldinen ungestört nachzudrucken. Hin-
sichtlich der Ausstattung stehen die Juntinen den Aldinen sehr nach
und haben bei den Sammlern nie das Ansehen gehabt wie letztere.
Was die Aldi und die Giunta für den griechischen, lateinischen Orienui.uruck.
und italienischen Druck waren, war DANIEL BOMBERG für den Daniel Bömberg,
hebräischen. Dieser Zweig der Typographie war bisher nur von
den jüdischen Buchdruckern zu Soncino, Neapel, Pesaro und Kon-
stantinopel geübt. Bomberg, gebürtig aus Antwerpen, war nicht
Jude, gründete jedoch in Venedig eine, nur der hebräischen und
rabbinischen Litteratur gewidmete Druckerei, in welcher er drei
Ausgaben der Bibel mit den besten rabbinischen Kommentaren in
vier Foliobänden, ausserdem noch fünf korrekte Handausgaben,
einen prachtvollen babylonischen Talmud in zwölf Foliobänden
nebst mehreren rabbinischen Werken druckte. Die Korrektur
besorgte im Verein mit vielen tüchtigen Korrektoren der gelehrte
Chaja Maier Ben David. Die hebräischen Typen Bombergs gelten
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ITALIEN.
IX. KAP.
bis auf die neueste Zeit für die schönsten, und ein Pergament-
Abdruck seiner Bibel von 1525, der sich auf der Wolfenbütteler
Bibliothek befindet, wird als ein typographisches Juwel betrachtet.
Er soll zwischen 3 — 4 Millionen Kronen für hebräischen Druck
ausgegeben, und nicht genug auf seinen eigenen Vorteil gesehen
haben.
Auch der sonstige orientalische Druck musste vorzugsweise
Mechiur. in dem, mit dem Orient so lebhaft verkehrenden Venedig Pflege
und Unterstützung finden. 15 18 wurde hier der Koran arabisch
gedruckt. 1701 gründete der Armenier MECHITAR auf der Insel
St. Lazaro bei Venedig ein Kloster, mit welchem eine für orien-
talischen, speziell armenischen Druck eingerichtete Druckerei ver-
bunden wurde. Eine Foliobibel von 1733 mit Kupfern ist wohl das
erste grössere aus ihr hervorgegangene Druckwerk.
Doch auch ausserhalb Venedigs wurde der orientalische Druck
Greg. Gregorio. in Italien geübt. Das erste gedruckte arabische Buch: Septem horce
canonici erschien 15 14 in FANO in der auf Kosten des Papstes
Julius 11. von Gregor Gregorio errichteten Buchdruckerei. Genua,
Ferrara , Trient 1 lieferten manches Beachtenswerte. In ROM hatte
der Papst Pius IV. schon die Vatikanische Bibliothek gegründet,
welche von Sixtus V. vervollständigt wurde. Als die im Jahre 1622
gestiftete Kongregation zur Verbreitung des Glaubens {de propa-
Congresatio de ganda fidc) 1627 mit ihrem Missionsseminar eine für die Zwecke der
Mission eingerichtete Druckerei verband, wurde die vatikanische
Offizin hiermit vereinigt und durch die orientalischen Schriften des
berühmten Druckers und Stempelschneiders StefanüS Paoli
vermehrt. Diese Druckerei lieferte nun in vielen Sprachen Neue
.Testamente und Andachtsbücher, hat aber nie eine Wirksamkeit
entwickelt, die im Einklang mit ihren bedeutenden Mitteln stand
In GENUA erschien 15 16 die erste Polyglotte, ein Psalterium
Genua. in hebräischem , griechischem, arabischem, chaldäischem Text mit
drei lateinischen Übersetzungen und mit lateinischen Interpretationen.
Der Verfasser war der Dominikaner Agostino Giustiniani, der Drucker
Peter Paul PorrüS. Justinianus hatte die Absicht, die ganze Bibel
» E. Carmoly, Annalen der hebr. Typogr. von Riva di Trento. Frankf. a. M.
* J. C. AMADUTl, Catalogus libr. t quiex typ. S. Congr. etc. varüs Unguis prodierunt.
7. Aufl. Rom 1773.
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IX. KAP.
ITALIEN.
187
in derselben Weise herauszugeben , aber die Unterstützung , welche
der Versuch fand, war eine so geringe, dass er davon absehen musste.
An die Worte des XIX. Ps. 5. V. „ihre Rede gehet an der Welt
Ende" hatte er eine Biographie des Columbus geknüpft, die jedoch
so mangelhaft war, dass der Rat zu Genua die Verbreitung verbot.
In PADUA 1 gründeten die zwei gelehrten Brüder Gaetano und
Giovanni Antonio Volpi eine bedeutende Buchdruckerei zur Heraus- Padua,
gäbe von Klassikern und übergaben die Leitung dem GIUSEPPE
COMINO, der sich durch grosse technische Tüchtigkeit auszeichnete.
Die cominischen Ausgaben der Klassiker, der Zahl nach zwanzig,
sind sowohl wegen ihrer Ausstattung als Korrektheit berühmt.
Die Blüte der, durch die Unterstützung fein gebildeter Fürsten
und Grossen, sowie einer reichen, unabhängigen Bürgerschaft verfall,
geförderten litterarischen Kultur ging mit dem Ende des XVI. Jahr-
hunderts zurück; mit ihr verfiel, wie überall, so auch in Italien, die
Buchdruckerkunst, die erst in viel späterer Zeit als anderswo, zugleich
mit der, auch spät errungenen, politischen, nationalen Unabhängig-
keit und damit verbundenen Press-Freiheit, sich wieder zu heben
beginnen sollte.
DER HOLZSCHNITT entwickelte sich in Italien nicht in dem-
selben Masse wie in Deutschland, und der Kupferstich behauptet i>„
den Vorrang. Nur Venedig macht einigermassen eine Ausnahme. x>lograph
Doch übte Dürers Stil seinen Einfluss auch in Italien und wir sehen
sogar einen bedeutenden Künstler, Marc- Antonio Raimondi, die
Holzschnitte Dürers in Kupferstich wiedergeben, weshalb ihn Dürer
verklagte, wobei er jedoch nur erreichte, dass es Raimondi unter-
sagt wurde, Dürers Monogramm mit nachzumachen.
Eine merkwürdige Erscheinung auf dem Gebiete des illustrierten
Druckes ist die von Aldus (1499) herausgegebene Hypneroto-
machia oder der Kampf des Schlafes und der Liebe. Die reichen
Illustrationen wurden gewöhnlich BENEDETTO MüNTAGNA zu-
geschrieben, von einigen sogar Raphael, wahrscheinlich gehören sie
aber einem, unbekannt gebliebenen Künstler. Von Andrea Man-
> F. Federici, Annali d. Tipogr. Volpi-Cominiana. Padua 1809. — Calalogus
Stamperia Cominiana. Padua. — G. Volpi, La libreria dei Volpi e la Stamperia
Cominiana. Padua 1756. — V. FlNESCHI, Nothie storiche sopra la stamperia de Ripoli.
Florenz 1781.
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i88
ITALIEN.
IX. KAP
tegna haben wir einige vorzügliche Holzschnitte, ebenso von dem
erwähnten Kupferstecher Marc- Antonio Raimondi (geb. 1488,
gest. 1546). CESAR VeCELLIO lieferte seine berühmten Habiti an-
Cc»ar veceiiio. tichi e modemi, 420 Kostümbilder , die von Christoph Krieger (geb.
1550, gest. 1606) aus Nürnberg in Holz geschnitten wurden Ve-
cellius war ein Neffe Tizians und es ist von Kennern behauptet
worden, Tizian selbst habe die Originalzeichnungen geliefert. Jeden-
falls ist Vecellius sehr durch seinen berühmten Verwandten beein-
flusst worden und die Zeichnungen nähern sich dessen grossartigem
Stil. Die Ausführung in Holzschnitt ist leider eine nur mittelmässige 2 .
Sonst haben, besonders in Venedig, eine Anzahl tüchtiger, aber
dem Namen nach unbekannter Meister der paduanisch-venetiani-
schen Schule gearbeitet. Als Verfertiger der vielen, mit dem aus
den Buchstaben J. B. zusammengesetzten Monogramm bezeichneten
venetianischen Holzschnitt-Illustrationen ist nunmehr in neuester
Zeit Giovanni Brito erkannt worden.
In dem farbigen {C/atr-obscur-)Druck behaupteten die Italiener
Clair-Obscur- das Übergewicht; wenn sie aber auch auf die Erfindung An-
spruch machen, sind sie im Unrecht, da deutsche Clair-obscur-
Drucke aus dem Jahre 1509 von Lucas Cranach existieren,
während die ersten Drucke des angeblichen Erfinders Ugo da
Carpi erst aus dem Jahre 15 18 herrühren. Das Verfahren besteht,
wie schon kurz envähnt wurde, darin, durch mehrere Platten, in
verschiedenen Farben oder Tonabstufungen gedruckt, den Effekt
des mit farbigen Tuschen gezeichneten oder in Sepia ausgeführten
Bildes hervorzubringen. Durch gänzliches Aussparen der lichten
Stellen fügt das, an diesen Stellen zum Vorschein kommende weisse
Papier noch die Wirkung hinzu, als wären weisse Lichter aufgesetzt.
Öfters wurden die ersten Konturplatten in Kupfer gestochen , die
Töne aber mittels Holzplatten aufgedruckt. Die Schwierigkeit der
Ausfuhrung dieser Arbeiten liegt darin, dass die Grenzen der ver-
schiedenen Platten sich vollständig decken müssen, was bei dem
Druck, trotz feinster Punkturen und genauester Anlage, äusserst
1 Vecelmus nennt Krieger , „Christophe Cuerra, mio amuo et exeelUntissimo
intagliatore di legno".
a Ambr. Firmin-Didot gab von dem Werke eine gelungenere Reproduktion,
welche zugleich Veranlassung zu der öfters erwähnten Schrift Essai ty/x^ra/hifue gab.
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IX. KAP. SPANIEN. PORTUGAL. DER SÜDEN AMERIKAS.
I89
schwer zu erzielen ist, da das Papier während des Druckes seinen
Feuchtigkeitszustand, folglich seine Grösse, ändert, auch die Punk-
turlöcher allmählich sich erweitern, was zur Unsicherheit beiträgt.
Ausser Ugo da Carpi (gest. um 1520) besitzt Italien eine ziem-
liche Anzahl tüchtiger Künstler in diesem Genre, unter welchen
Nicolo Boldrini aus Vicenza und Andreas Andreani (geb.
1540, gest. 1625) bedeutende Plätze einnehmen. Letzterer gab
Platten von grossen Dimensionen nach den wundervollen Mosaiken
Domenico Beccafumis ausgeführt. Sein „Triumphzug Casars", von
Andrea Mantegna gezeichnet, ist ebenfalls von grosser Bedeutung.
Noch in später Zeit machte sich der Graf ANTON MARIE
Zanetti, geboren in Venedig 1680, dort gestorben 1766, bekannt crafZanctti.
durch seine Bestrebungen, den C/m'r-odscur-Druck aufs neue zu
Ehren zu bringen. In einem grossen Werke von 10 1 Blättern in
Folio giebt er besonders Kopien nach Parmesano. Leider wurde
dieses kostbare Werk nur in 30 Exemplaren gedruckt und dann die
Platten vernichtet. In den Jahren 1738— 1743 lebte ein Engländer
John Jackson, der in Papillons Schule sich ausgebildet hatte , in John jackson.
Venedig , wo er eine Anzahl sehr tüchtiger Kopien von berühmten
italienischen Meistern in Clair-obscur-Mamer fertigte.
SPANIEN. PORTUGAL. DER SÜDEN AMERIKAS.
In SPANIEN und PORTUGAL machte die Buchdruckerei
in dieser Periode keine grossen Fortschritte. Die bis Ende des
XV. Jahrhunderts gedruckten Bücher zeigen keine anderen Schriften,
als die in Frankreich verwendeten halbgothischen , und bis in die
Mitte des xvi. Jahrhunderts behalten die spanischen Bücher immer
noch das Aussehen derjenigen des XV. Jahrhunderts.
Eine Berühmtheit der spanischen Buchdruckergeschichte weist
die Stadt ALCALA DE HENARES VComplutum) auf. Der Kardinal compiutinischc
Polyglotte.
und Premierminister Ferdinand des Katholischen, Franz Ximenes de
Cisneros, hatte 1499 die dortige Universität begründet und einen
ausgewählten Kreis von Gelehrten, namentlich Linguisten, dahin
versammelt. Man brauchte Bücher für die Studierenden und berief
Wilhelm de Brocario aus Pampelona, der als tüchtigster Buch-
drucker Spaniens galt. Er druckte erst eine Anzahl von Klassikern
und dann auf Befehl des Kardinals die berühmte Complutinsche
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I90 SPANIEN. PORTUGAL. DER SÜDEN AMERIKAS. IX. KAP.
Polyglott-Bibel in 6 Bänden in Folio (1514—1517), eins der pracht-
vollsten Druckerzeugnisse damaliger Zeit. Den Kostenaufwand,
welchen die Ausarbeitung und Herstellung des Werkes verursachten,
schätzt man auf über 50 000 Goldkronen. Nach der Vollendung
beanstandete der Papst Leo X. die allgemeine Verbreitung, welche
erst am 22. März 1520 zugestanden wurde. Die Übergabe des
Werkes in den Verkehr fand erst 1522 statt. Brocario druckte bis
1522; sein Sohn, Johann, noch lange nach ihm. Berühmt war
auch Michel d'Eguia. Alfonse de Fonseca, der Nachfolger
Ximenes' bei Karl V., trat ganz in die Spuren seines Vorgängers
und unterstützte die Kunst.
Als MADRID i 560 Residenz geworden, zogen die Könige auch
Madrid. Buchdrucker nach dort, und ernannten königliche Hofbuchdrucker,
auch wurde, in Nachahmung der Pariser Anstalt, eine königl. Buch-
druckerei errichtet. Die Kunst kam jedoch nicht recht in Flor;
wollte man ein Buch recht schön gedruckt haben, so suchte man
vorzugsweise Plantin in Antwerpen, oder dessen Nachfolger More-
tus, auf. Unter den Madrider Buchdruckern müssen wir Johann
de LA CüESTA nennen, dem die Ehre vorbehalten blieb, die erste
Ausgabe von Miguel de Cervantes' unsterblichem Werke: El in-
genioso hidalgo Don Quixote de la Mancha, zu drucken.
Einen bedeutenden Namen hatte ANTONIO BORTAZAR in Valen-
cia. Der König Philipp V. wurde auf ihn aufmerksam gemacht; bevor
jedoch die Organisationspläne zur Ausführung kommen konnten,
starb Bortazar. In SEVILLA zeichnete sich JOHANN KROMBERGER,
ein Deutscher, aus. Der berühmteste Name der spanischen Druck-
kunst , Joachim Ibarra , gehört der nächsten Periode an.
Begreiflicherweise waren die Spanier die ersten, welche die
Siid-Amcrik.1. Buchdruckerkunst in MITTEL- und SÜD-AMERIKA einführten
und zwar volle hundert Jahre bevor Nordamerika eine Presse hatte.
Dort, wie hier, waren die, in dieser Periode gedruckten Schriften
hauptsächlich religiösen Inhalts. In MEXICO erschienen jedoch
auch einige geschichtliche Werke und viele sprachliche Bücher für
den Gebrauch der Eingeborenen, in den mancherlei Idiomen der-
selben abgefasst 1 . Was die Zahl, den Umfang und die Ausstattung
» JOACir. GARCIA Ica7.BAI.CKTA, Apuntes f>ara un aitälo;o de Eserüores en lenguas
indigenos de Amerika. Mexico 1866.
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IX. KAP. SPANIEN". PORTUGAL. DER SÜDEN AMERIKAS.
I 9 I
der Bücher betrifft, ging der Süden Amerikas bis gegen das Ende Mexico,
des XVII. Jahrh. bedeutend dem Norden voran.
Über die Zeit der Einführung und die Person des Einführenden
herrschten sehr abweichende Ansichten; jetzt steht es wenigstens
unwiderleglich fest, dass Bücher 1540 in Mexico gedruckt wurden,
und dass die Einführung der Kunst also noch vor diesem Jahre,
wahrscheinlich um 1537, auf Betrieb des Vicekönigs Antonio de
Mendoza geschah.
Lange galt die Annahme, dass das Vocabulario en lingva Ca-
stellana y Mexicana (157 1 ) des Franziskaners Alonso de Molina das
erste Werk und ANTONIO DE SPINOSA der erste Drucker gewesen.
Die Druckerlaubnis wurde 1 569 erteilt und so ist auch das Vorwort
datiert. Der erste Teil dieses bedeutenden Werkes besteht aus
122, das zweite aus 162 numerierten Blättern in Folio, dasselbe
also im ganzen aus 568 Seiten
Später ward JOHAN KroMBERGERS Druck : Doctrina Christiana,
in dem Jahre 1544 mit gothischer Schrift ausgeführt, aufgefunden, die
man nun für das älteste Buch Mexicos hielt, bis auch diese Annahme,
und zwar durch sechs eigene Drucke Krombergers älteren Datums,
widerlegt wurde. Sein erstes Buch, Manual de adultos, von welchem
jedoch nur die letzten Blätter erhalten wurden, stammt nämlich
schon aus demj. 1540; das zweite: Relacion del espantable terre-
vtoto etc. de Guatemala, erschien 1541 2 .
Nach den angesehenen Geschichtsforschern D. Padella, Alonzo
Fernandez und Gonzales Danila hat Juan de Estrada in dem
Novizenhause zu Mexico noch vor 1740 eine Übersetzung aus dem
Lateinischen des Joh. Climachus : Escala esperitual para Uegar al
cielo geliefert und Juan Pablos sie gedruckt. Nur nennt Danila
den Verfasser Juan de la Magdalena, was sich leicht als Kloster-
name des Paters Juan de Estrada erklärt.
1 Dieses bedeutende Werk ist auf Veranlassung des Herrn Dr. Jul. Platzmann
in Leipzig zugleich mit einer Anzahl anderer der ältesten grammatikalischen Schriften
Mexicos mit grossem Aufwand in ganz genauen Reproduktionen herausgegeben.
Letztere sind vortrefflich in der VV. Drugulin'schen Offizin in Leipzig ausgeführt. Von
Dr. Platzmann erschien auch ein „Verzeichnis einer Auswahl amerikanischer Gram-
matiken etc.", welche von ihm mit grosser Sorgfalt gesammelt wurden.
2 Ein Exemplar wurde in Leipzig 1869 in der Versteigerung Andrade (Bibliothek
des unglücklichen Kaisers Maximilian von Mexico, von dem British Museum für
2250 Mark angekauft.
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192
SPANIEN. PORTUGAL. DER SÜDEN AMERIKAS.
IX. KAP.
Es dürfte jedoch nicht gar zu schwer sein, diese widersprechen-
den Nachrichten mit einander in Einklang zu bringen. Da der Vize-
könig Antonio de Mendoza 1535 nach Mexico kam und dem (oben
erwähnten) Kromberger in „Sevilla" den Auftrag gegeben hatte,
eine Druckerei in Mexico anzulegen, so ist es nicht unwahrscheinlich,
dass Kromberger den Juan Pablos nach dorthin gesandt hat, so dass
dieser mit einem gewissen Recht als der erste Drucker der neuen
Welt bezeichnet werden, und Kromberger doch die erste Druck-
firma dort gewesen sein konnte. Pablos kann also für Kromberger
die erwähnte Escala csperitual um 1537 gedruckt haben. Krom-
berger starb vor 1541, doch hat man später aus dem Geschäft
in Sevilla Bücher mit seiner Firma. Und so wird es wohl auch in
Mexico gewesen sein, bis wahrscheinlich Pablos das Geschäft
erwarb, denn 1550 kommt auf der Doctrina Christiana seine Firma
vor und dann später öfters.
Icazbalceta fuhrt 93 in Mexico und 7 in PERU gedruckte
Südamerika. Werke aus der Zeit von 1540 — 1600 auf. Zeitungen hatten Mexico
und LIMA mutmasslich schon von Ende des xvn. Jahrh. Die Jahr-
gänge 1728 — 1730 der Mexico-Gazette sind noch vorhanden. Ein
ütterarisches Journal Gasetta de literatura erschien 17 50.
Auf ST. DOMINGO war in der Stadt gleichen Namens eine
spanische Presse zu Beginn des XVII. Jahrh. thätig. Es durfte
jedoch nichts ohne besondere Erlaubnis der Kolonialregierung
gedruckt, und von jedem Werk mussten derselben zwanzig Exem-
plare abgegeben werden. In PORT AU PRINCE hatten die Fran-
zosen 1750 eine königliche Druckerei etabliert.
SURINAM erhielt von den Holländern vor 1775 eine Offizin.
In dem portugiesischen Amerika scheint die Presse in den Händen
der Regierung geblieben zu sein und diese erst gegen Ende des
Jahrhunderts in Thätigkeit gewesen zu sein. In CORDOVA bestand
bereits im XVII. Jahrh. eine geheime Jesuitenpresse.
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X. KAPITEL.
FRANKREICH.
Die Lage des Buchdruckers. Der Staat und die Presse. Die Xylographie, die Ihres
d'Aettres. Anton Verard. Geofroy Tory. Jodocus Radius. Conrad Ndobar.
Berühmte Druckerfamilicn. Die Stephane: Heinrich l., Robert L, Heinrich u.,
Ende der Familie. Die Gründung der königlichen Buchdruckerei. Ant. Vitre.
Savary de Breves. Lyon: Seb. Gryphius, Jean de Tournes, Steph. Dolet. Die
Schriftgiesserei. Die Buchbinderkunst
ENN auch die Unterstützung der Universität der
Einführung der Buchdruckerkunst in Frankreich gros-
sen Vorschub geleistet und ihr anfänglich auch ma-
terielle Vorteile gewährt hatte, so zeigten sich doch
andererseits bald die Nachteile durch stete Bevor-
mundung und die Kunst nahm, trotz einer Reihe von ausgezeich- umersuiuung
und Ucvormun-
neten Druckerfamilien, unter welchen, wie in Italien, wieder Eine alle J»»s der Kunst,
anderen überragt, nicht die freie Entwickelung, wie dort 1 .
Nicht allein Bücher, sondern selbst das Material, als Schriften
und Farbe, waren abgabenfrei. Aber man wollte als Ersatz für diese vorteile der
Buchdrucker.
Begünstigungen, dass die Bücher auch äusserlich mit Sorgfalt
behandelt würden ; man verlangte, dass sie sowohl mit guter Schrift
1 P. Dui'ONT, Histoire de l'iniprimerie. 2 Bde. Paris 1854. — A. TARBOUNIECII,
I.es Ihres d'heures. Paris 1865. — J. Renouvier, Des gravures en bois Jans les Ihres
d'A. Verard. Paris 1859. — J. Renouvier, Simon Vostre. Paris 1862. — G. A. Cra-
pei.et, Des progres de Fimpr. en irance de. Paris 1836. — A. Bernard, Ant. Virard.
Paris 1860. — A. Brrnard, Ant. Vürt. Paris 1857. — A. VArard, Renseignements
sur leprix des miniatures et des imprimis sur ve/in au XTsucle. Angouleme 1859.
'3
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194 FRANKREICH. X. KAP.
als auch auf gutem Papier gedruckt werden sollten, worüber In-
spektoren zu wachen hatten. Buchdrucker, Korrektoren oder Au-
toren wurden für die Fehler verantwortlich gemacht und mussten
nötigenfalls Cartons drucken lassen. Wollten sie sich gegen Ver-
sehen Anderer schützen, so mussten sie die, von ihnen korrigierten
Bogen kontrasignieren und deponieren. Die Bücher, die nicht im
Besitz der vorgeschriebenen Eigenschaften waren, wurden vernichtet
und die Unachtsamen bestraft.
Auch auf massige Preise hatten die Inspektoren zu halten, die
anfänglich zwar von den Druckereien aus eigenem Antrieb inne-
gehalten wurden, später aber nicht. Nicht weniger wurde der Zu-
stand des Materials überwacht. Das Abspenstigmachen eines Korrek-
tors seitens der Konkurrenten unterlag einer Strafe. Mit den auf
Subskription ausgegebenen Werken nahm man es sehr streng. Jeder
Prospektus musste von einem Probebogen begleitet sein, welcher
ganz genau Format, Papier und Schrift, sowie Umfang und Preis
des Werkes angab. Bei Übertretungen musste den Subskribenten
der doppelte Betrag dessen, was sie schon gezahlt hatten, vergütet
werden, abgesehen von der sonstigen gerichtlichen Brüche.
Um als Buchdrucker oder Buchhändler aufgenommen zu Wer-
nas Zunftwesen, den war es notwendig, vier Jahre gelernt und drei Jahre gedient zu
haben, Zeugnisse seiner Fähigkeiten im Lateinischen und Griechi-
schen, seiner Moralität und seiner Rechtgläubigkeit beizubringen,
ausserdem bei einem Examen zwei Drittel der Stimmen der acht
Examinatoren für sich zu haben. Die Meister waren berechtigt, den
guten Arbeitern höher als nach der Taxe zu zahlen, ohne dass die-
jenigen, welche diese Vergünstigung wegen mangelhafter Arbeit
nicht genossen, sich beschweren konnten. Sowohl Lehrlinge als
Gehülfen und Korrektoren wohnten in den Häusern der Meister.
Der Pergament- und der Papierhandel unterlag ebenfalls der
Kontrolle, und der Universität waren in Bezug auf Ankauf Vorrechte
eingeräumt. Später bestimmte ein Reglement für die Papierfab-
rikation, dass alles Papier geleimt sein müsse, und setzte strenge
Strafen auf das Untermengen der Masse mit Kalk oder anderen
ätzenden Stoffen.
Aber solche Schutzmassregeln konnten selbstverständlich unter
den zerrütteten politischen und finanziellen Verhältnissen, und in
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X. KAP.
FRANKREICH.
195
Ermangelung der Freiheit der geschäftlichen Bewegung und der Fessein verschie-
. tlcner Art.
Presse, ebensowenig in Frankreich wie anderswo ein Zurückgehen
der Kunst verhindern. Fesseln der verschiedensten Art wurden der
Presse angelegt und das Schwert des Damokles hing fortwährend
über den Häuptern der Buchdrucker und Buchhändler.
Franz L, der Typographie persönlich wohlgesinnt, bestätigte
alle vorhandenen Privilegien und stand, als die Sorbonne 1521 ein
fulminantes Verdammungsurteil über die Lutherische Lehre aus-
gesprochen hatte und dadurch Gefahren über manche Buchdrucker
und Buchhändler heraufbeschworen wurden, zuerst auf deren Seite,
liess sich jedoch später verleiten, den strengsten Massregeln zu-
zustimmen. Zugleich wurde die Zahl der Buchdruckereien in Paris
auf nur 12 festgesetzt. Die Thätigkeit der 12 auserwählten nahm
dafür einen um so grösseren Umfang an, so dass sogar Mangel an
Arbeitern eintrat, was bereits damals von den Gehülfen benutzt
wurde, um einen wohlorganisierten Strike mit gegenseitigen Unter-
stützungskassen in Scene zu setzen, welchem erst 1539 durch
polizeiliche Massregeln ein Ende gemacht wurde.
Heinrich n. erliess ein Verbot, theologische Schriften ohne
Autorisation der theologischen Fakultät zu drucken, auch musste
der Name des Autors und des Druckers auf jedes Werk gedruckt
werden. Karl IX. verwehrte 1 563 unter Androhung der strengsten
Strafe, überhaupt etwas ohne Erlaubnis zu drucken; alle Bücher
mussten von seinem Geheimrate geprüft werden. Ludwig xm.
erteilte 16 16 dem Grosssiegelbewahrer die Vollmacht, die Zensur
jeder tauglichen Person zu übertragen. Zur Handhabung der inneren
Polizei ward ein Syndikat, bestehend aus fünf Mitgliedern (les
gardes de la librairie), 16 18 errichtet.
Der Geschmack an der nationalen Litteratur, welcher schon zu
Ende der Regierung Ludwigs xm. namentlich durch die Gründung
der Akademie und durch die Werke Corneilles Nahrung gefunden
hatte, gewann allgemeine Verbreitung in der Glanzperiode der
Litteratur und der Kunst während der Regierung Ludwigs XIV.
und äusserte seine Wirkung auch auf die Buchdruckerei, der der
König, sowie sein Minister Colbert, sehr zugethan war, was sie
jedoch nicht verhinderte, die beschränkenden Massregeln fort-
zusetzen. Die Zahl der Pariser Buchdruckereien wurde auf 36
13*
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I96 FRANKREICH. X. KAP.
Ludwig xiv. und festgesetzt. Zugleich wurde bestimmt, dass jede Druckerei wenig-
stens vier Pressen und acht Sorten Antiqua- und Cursiv- Schriften
haben müsse.
Die Aufhebung des Edikts von Nantes (1683) hatte zur Folge,
dass die französischen Papiermacher nach England gingen, wo die
Papierfabrikation noch keine hohe Stufe einnahm. Als Ludwig XIV.
die Fortschritte der englischen Papierfabrikation bemerkte, wendete
er grosse Summen auf, um die Arbeiter zur Rückkehr zu bewegen,
was ihm auch gelang j jedoch, die Fabrikation, die einmal dort Fuss
gefasst hatte, entwickelte sich trotzdem auf das glänzendste.
Im Jahre 1723 wurde von Ludwig XV. ein Dekret erlassen,
durch welches die Pressverhältnisse geordnet wurden und das bis
zum Beginn der Revolution Bestand hatte.
Die
Xylographie.
Wenden wir unsere Aufmerksamkeit auch in Frankreich zuerst
der Xylographie zu, so finden wir, dass die Verhältnisse hier nicht
ganz so wie in Deutschland lagen. Dort war sie nicht, wie es hier
der Fall war, eine Lieblingsmanier der Künstler, um selbständige
Kunstwerke oder Kunstblätter herzustellen, sondern diente fast nur
dem Illustrationszweck, namentlich nur der Ornamentierung der
Bücher. Die Aufgabe, zu zeigen, was in letzterer Beziehung geleistet
werden konnte, fiel besonders den Andachtsbüchern zu. Die sehr
beliebten illustrierten Chroniken und Ritterromane enthielten fast
nur rohe Umrisse, bestimmt von den Künstlern ausgemalt zu
werden, die öfters, wenn die Vorwürfe ihnen nicht gefielen, die
Stellen mit ganz anderen Kompositionen ausfüllten und die vor-
handenen Illustrationen ganz übermalten.
Die Andachtsbücher {livres cPheures) wurden anfänglich fast
Die nur auf Pergament gedruckt, damit die Miniaturisten, von welchen
livrts (theures.
Paris eine Anzahl der gepriesensten besass, grössere Kompositionen
und Initialen, für welche Platz gelassen worden war, hineinmalen
konnten. Die bunten Figuren, nach byzantinischer Art auf Gold-
grund gemalt, boten einen prächtigen Anblick dar. Später ver-
suchte man durch Holzschnitte die Kunst der Miniaturisten, so weit
dies ohne Farbe möglich war, zu ersetzen und hatte es um i486 so-
weit gebracht, solche Bücher, dem Geschmack des Publikums ange-
messen, durch Hülfe allein der Druckerpresse herstellen zu können.
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X. KAP.
FRANKREICH.
197
Ein Teil der bekanntesten Herausgeber der Livres if /teures,
als: Pigouchet, Simon Vostre, Giles Hardoyn, Marnef, Michel le Di«
Noir u. a., nahmen die gothischen Schriften und den strengeren
deutschen Stil an, und manche Illustrationen verraten unverkenn-
bar den Einfluss Dürers, namentlich aus der Zeit seines Aufent-
haltes in Venedig, so dass öfters Dürersche Figuren, von italienischer
Architektur oder Ornamenten umgeben, vorkommen. Andere Her-
ausgeber als: Guyot, Marchand, Gourmont, Simon de Colines,
Janot, Anabat, vor allen Geofroy Tory standen ganz unter dem
Einfluss des italienischen Geschmackes und adoptierten folglich als
Druckschrift die Antiqua.
Die schöne Ausführung dieser Bücher und ihr, im Vergleich zu
den Manuskriptenpreisen sehr wohlfeiler Ankaufspreis hatten einen
bedeutenden Absatz zur Folge. Man wandte sich von allen Seiten
mit Aufträgen nach Paris, wodurch die Buchdruckercien einen
grossen Aufschwung nahmen. Mit der zunehmenden Menge und
Billigkeit liess aber auch die VortrefiTlichkeit der Ausfuhrung nach.
Die Feinheit der Vignetten scheint auf Metallhochschnitt hinzu-
weisen, was durch den Buchdrucker Jean Duprö, 1488, bestätigt wird,
der von Vignetten, imprimees en cuyvre, spricht. Wie hoch diese
Bücher jetzt von den Sammlern geschätzt werden, geht daraus her-
vor, dass die Preise seit dem Beginn des Jahrhunderts bis auf das
fünfzigfache gegen damals gestiegen sind.
In wie weit die obengenannten und andere, deren Namen in
Verbindung mit den illustrierten Büchern gebracht werden, Drucker,
Herausgeber oder ausübende Künstler waren , ist nicht immer ge-
nau festzustellen.
Anton Verard, geboren zu Paris gegen d. J. 1450, gestorben
15 12, anfanglich Kalligraph und Miniaturist, hatte jedenfalls selbst Amon verard.
eine Buchdruckerei, obwohl es auch Bücher giebt, die bei Anderen für
seine Rechnung gedruckt wurden. Er widmete sich ganz besonders
der Herausgabe von Chroniken und Rittergeschichten. Ihm ver-
dankt man die ersten Ausgaben von Froissart und Monstrelet Er
wurde von der kunstsinnigen Königin Anna von Bretagne sehr
begünstigt und in verschiedenen seiner Vcrlagswerkc sieht man ein
■
Bild, auf welchem er knieend der Königin ein Exemplar überreicht.
Die Zahl der von ihm herausgegebenen Werke ist eine sehr grosse.
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198
FRANKREICH.
X. KAP.
Ist auch der künstlerische und litterarische Wert dieser Bücher kein
bedeutender, so trugen sie doch mächtig bei, den Sinn für ritter-
liche Ehre und Ritterpflichten zu nähren, bis das Erscheinen des Don
Quixote dem Enthusiasmus einen mächtigen Dämpfer aufsetzte.
Von da ab haben diese Romane nur für den Bibliophilen Wert.
Unter den Herausgebern illustrierter Bücher, überhaupt unter
Gcofroy Tory. den Reformatoren der Kunst und der Schriftsprache in Frankreich,
nimmt GEOFROY Tory einen ganz hervorragenden Platz ein x . Ge-
boren in Bourges um das Jahr 1480, widmete er sich mit Erfolg
den Studien, begann zugleich um 1505 das Zeichnen und die Holz-
schneiderei. Eine Zeitlang trieb er diese und die Philosophie fried-
lich nebeneinander, er war jedoch kein Mann der Halbheit, gab
deshalb seinen Lehrstuhl auf und widmete sich ganz der Kunst.
Ein Werk des Italieners Sigismund Fanti über die Verhält-
ckamtjuury. nisse der Buchstaben (Venedig 15 14) gab Tory die Anregung zu
seinen späteren Arbeiten , auch waren ihm die Werke Dürers, in
welchen dieser sich mit Schrift beschäftigt, bekannt. Er Hess sich
in die Zunft der Buchhändler aufnehmen, zu welcher er als Illumi-
nator und Holzschneider gehörte , und bereitete für ein Andachts-
buch eine Serie von Einfassungen in antikem Stile vor. Während
seiner Arbeiten, die jedoch fast zwei Jahre durch den Schmerz über
den Tod seiner geliebten Tochter, Agnes, unterbrochen wurden,
reifte bei ihm die Idee zu einem linguistisch-typographischen Werke,
das 1529 unter dem Titel erschien: „Champ-fleury , au quel est
contenu Vart et science la deue et vraye Proportion des Uttres
AttiquiSy qu'on dit autrement Lettres antiques et vulgairement
Lettres Romaines, proportionees sehn le Corps et Visage humain".
Das Werk zerfällt in drei Abteilungen. Die erste enthält die
Anweisung zu dem rechten Gebrauch der Sprache ; die zweite be-
handelt die Entstehung der Kapitalschrift und die Belehrung, wie
die Kapitalbuchstaben in Ubereinstimmung mit dem Körper und
dem Gesicht eines wohlgebildeten Menschen stehen. Geistreiche
Illustrationen in Holzschnitt dienen zur Versinnlichung der Theorie,
die zwar kaum für etwas anderes als ein Paradoxon erklärt werden
» Auguste Bernard, Geofroy Tory, Peititre t gnweur etc. 2. Ed. Paris 1869.
Es ist ein Verdienst des deutschen Buchhändlers Edwin Tross , auf die allgemeine
Anerkennung der grossen Bedeutung Torys eingewirkt zu haben.
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X. KAP. FRANKREICH. I99
kann, jedoch in der sinnreichsten Weise durchgeführt ist. Der
dritte Teil wendet sich der Praxis zu, und giebt genaue Zeichnungen
der Buchstaben und begleitet sie mit Untersuchungen über die Aus-
sprache. Den Schluss machen 13 Alphabete, vier Gattungen fran-
zösischer Schriften: Cadeaulx, Forme, Bätard, Tourneure, mehrere
orientalische Schriften, grosse Kapitalbuchstaben [Imperiales, Bulla-
tiques), Phantasiebuchstaben [Utopiques) mit Arabesken, verzierte
Initialen u. s. w.
Das Werk, welches 1529 erschien, veranlasste eine wahre Re-
volution in der französischen Typographie und Orthographie. In der Einfluß Torys.
Technik wurde es eine Hauptveranlassung zur vollständigen Besei-
tigung der gothischen Type und zu einem neuen Schnitt der Anti-
qua. Robert Stephanus fand sich veranlasst, alle seine Schriften
zu verwerfen und andere einzuführen, die sich nun in ihrer neuen
Gestalt beinahe bis zum Anfang des XIX. Jahrhunderts unverändert
erhielten. Noch wichtiger waren die Veränderungen in philolo-
gischer Hinsicht, da von nun an die Accente, Apostrophe und
Cedillen, so wie eine verbesserte Orthographie eingeführt wurden.
Dies konnte von dem, die Wissenschaften und die Typographie
so sehr liebenden König Franz I. nicht unbemerkt und unbelohnt Tory wird Hof-
bleiben. Er ernannte Tory, 1530, zum königlichen Hof buchd rucker,
ein Titel, mit dem reelle Einnahmen verbunden waren, auch wurde
ihm zuliebe eine 25. Stelle als Universitätsbuchhändler geschaffen, da
die festgesetzte Zahl 24 bereits voll war. Torys Todestag ist nicht
genau bekannt, er muss aber vor dem Jahre 1534 liegen, da seine ^ i ory S Tod.
Witwe, Perette le Hulin, um diese Zeit das Geschäft fortführte. Im Sc,ncNachfolgcr -
Jahre 1535 gingen die verschiedenen Offizinen auf Olivier Mallard
über; nur die Holzschnciderei behielt die Witwe. Mallard, der das
Zeichen Torys, die zerbrochene Vase mit der Umschrift non plus,
wahrscheinlich eine Anspielung auf seine durch den Tod seiner
Tochter vernichtete Lebenskraft, fortführte, starb 1542. Das Ma-
terial kam in die Hände Thielemann Kervers. Der berühmte
Schriftgiesser Claude Garamond, ein Schüler Torys, war wieder
ein Lehrer der nicht weniger berühmten Wilh. le Be* und Jacques
Sanleque.
Die eigentliche illustrierte Litteratur, in der der Schriftsteller,
wenn nötig , sich der Illustration unterordnet , wurde von Denys
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FRANKREICH.
X. KAP.
Denys Janot. JANOT (1530— 1545), noch mehr von seinem Nachfolger STEPHAN
st. Grouiicaux. QjjQyjjjgAjjx (i 547 — 1 565) in System gebracht. Als Schriftsteller
unterstützte sie Gilles Corrozet mit seiner geschmackvollen Feder
und als Künstler Jean Cousin mit seinem grossen Zcichncrtalent.
Es ist schwer die Stellung der einzelnen Teile dieses vierblätterigen
Kleeblattes genau festzustellen. Die Begierde des Publikums nach
ihren Produktionen war eine so grosse, dass es nicht immer mög-
lich war, sie zu befriedigen. Man musste deshalb, in Ermangelung
der schönen Renaissance-Vignetten, öfters zu Zeichnungen älteren
Datums greifen und so findet man , sogar in einem und demselben
Buch, oft neues und geschmackvolles neben altem und stillosem.
Janots letztes Werk,. PAmour de Psyche et de Cupidon, erst
durch seine Witwe, aus der berühmten Buchdruckerfamilie de
Marnef stammend, herausgegeben , ist zugleich sein schönstes. Die
Witwe heiratete 1 547 Stephan Groulleaux, der viele der zierlichsten
illustrierten Ausgaben lieferte. Gilles Corrozet, geb. 15 10, starb
1568. Jean Cousin, ebenfalls 15 10 geboren, 1590 gestorben, war
Zeichner, Goldschmied, Bildhauer und Geomcter.
Von Zeichnern und Holzschneidern sind noch zu nennen :
Andere Kü^tkr. MERCURE Jollet, Pierre Wojiriot, nach seinem Geburtsort
DE BOUZEY genannt, ein Schüler Cousins und vielseitiger Künstler.
Die Prinzessin MARIE VON Medici (geb. 1573, gest. 1642) war nicht
allein eine grosse Gönnerin der Kunst, sondern soll auch die Xylo-
graphie in tüchtiger Weise geübt haben.
Jean Papillon (geb. 1660, gest. 17 10) war der Stammvater
einer Holzschneider- Familie, die eine gewisse Berühmtheit erlangt
hat, ohne eigentlich grosse Ansprüche darauf machen zu können.
Am bekanntesten ist Jean Papillon durch seinen: trotte historique et
pratique de la gravure sur bois (2 Bde. Paris 1766) geworden, ein
Werk, das zwar ohne Kritik geschrieben ist, jedoch eine Menge von
Nachrichten über zeitgenössische Künstler enthält, die man sonst
nicht haben würde.
Von den Papillons ab sank der Holzschnitt vollständig und nur
der Kupferstich wurde zur Bücher-Illustration benutzt, nicht allein
durch Beigabc besonderer Blätter, sondern auch indem man Vig-
netten in den Text eindruckte \
1 II. Cohen, Les Ihres A Vignette: du XVIII Siede. Paris 1873.
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X. KAP.
FRANKREICH.
201
Unter den zugleich gelehrten und tüchtigen Buchdruckern ist
zu nennen JoDOCUS RADIUS' (1498 — 1 535)» nach seiner Vaterstadt judoou» üadim.
Asch bei Brüssel auch Ascensius genannt. In Lyon hatte er bei
Trechsel als Korrektor fungiert und dessen Tochter geheiratet. Er
druckte über 400 Werke, die sich durch Schönheit und Korrektheit
empfehlen, und versah viele Klassiker- Ausgaben mit seinen An-
merkungen. Er war zu gleicher Zeit Buchhändler, Buchdrucker,
Schriftschneider und Schriftgiesser. Seine drei Töchter verheirateten
sich mit drei der berühmtesten Typographen , Michael Vascosan,
Joh. Roigny und Robert Etienne. Der Sohn, Conrad Badius,
ebenfalls ein tüchtiger Gelehrter und Buchdrucker, ging, als Cal-
vinist verfolgt, 1 549 nach Genf, wo er litterarisch und typographisch Mich. Vaicown.
fortwirkte. Sein Schwager Vascosan, dessen Bücher in Druck
und Papier gleich schön und grösstenteils mit Antiqua gedruckt
sind, wurde 1566 königlicher Typograph und lieferte, ungerechnet
neue Auflagen, 297 Werke.
Der Schwiegersohn Vascosans, Friedrich 1. Morel ( i 57 i —
1583), ist Stammvater einer gelehrten und berühmten Drucker- Ue Familien
Morel u.Wechcl.
familie, von welcher der Sohn des Genannten, Friedrich II. Morel,
das bedeutendste Glied war. Seine Kommentare zu den Psalmen
sind noch heute hoch geschätzt.
Eine andere berühmte Familie war die Wechelsche, begründet
1522 von Christian Wechel aus Basel. Derselbe druckte öfters
den Flavius Vegesius, von dem mehr als 50 Ausgaben existieren,
und gab die Werke Dürers in lateinischer Sprache heraus. Maittaire
verzeichnet 335 von ihm verlegte Werke, durch welche er vorzugs-
weise die Medizin, die Anatomie und die Chirurgie förderte. Er
beschäftigte die berühmtesten Korrektoren seiner Zeit, Friedr. Syl-
burge und Joh. Obsopäus. In religiöse Streitigkeiten vernickelt, zog
er es vor nach Frankfurt a. M. zu gehen, wo er 1 554 starb. Sein Sohn
Andreas (1535— 1573) war ebenfalls ein ausgezeichneter Drucker.
Wie der Vater, nur noch im höheren Masse, war er der Religion
wegen Verfolgungen ausgesetzt. In der Bartholomäusnacht entging
er zwar der Todesgefahr, aber sein Eigentum wurde konfisziert.
Er zog, 1573, mit seiner Familie nach Frankfurt (vergl. S. 131).
» E. HoYOls, Notice sur Jose Beule. Möns o. J.
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FRANKREICH.
X. KAP.
Das Geschlecht, welches neben den Aldi zu den höchsten
Die Familie ste- typographischen Ehren gelangte und durch das ganze sechzehnte
phanus.
und einen Teil des siebzehnten Jahrhunderts eine grossartige litte-
rarisch-typographische Thätigkeit entwickelte, war die Familie
EriENNE' oder nach damaliger Sitte StephanüS, die mit dem
Heinrich Stephanus als Stammvater begann.
Sein Geburtsjahr kennen wir nicht, wissen auch nichts von
Heinr. i. stepha- seiner Jugendgeschichte und in welcher Weise er die Fähigkeiten
erwarb, die ihm einen hervorragenden Platz unter den tüchtigsten
und gelehrtesten Buchdruckern sicherten. Eine kurze Zeit (1502
bis 1504) arbeitete er zusammen mit einem gelehrten deutschen
Buchdrucker WolfgangHopyl, dessen Ausgaben bis I489zurück-
und bis 1522 heraufgehen.
Die Ausgaben Heinrich 1. Stephanus' erreichen, so weit bekannt,
die Zahl von gegen 130, wovon einige in Gemeinschaft mit andern
Buchdruckern oder für fremde Rechnung, 107 aber flir eigene Rech-
nung ausgeführt wurden. Die meisten waren in Folio und mit
grosser Sorgfalt gedruckt. Der Inhalt ist beinahe ausschliesslich
theologisch und philosophisch, denn die klassische Litteratur war
noch immer Domaine der Italiener und hatte sich noch nicht nach
Frankreich den Weg gebahnt.
Heinrich, welcher 1520 im August oder September starb, hatte
drei Söhne, Franz, Robert und Carl, welche alle Buchdrucker oder
Buchhändler wurden. Die Witwe Heinrichs verheiratete sich das Jahr
nach dessen Tod mit Simon de Colines {Colinäus), der mutmasslich
schon Teilhaber des Geschäfts gewesen war und nun Besitzer der
Buchdruckerci wurde, deren Schriftenvorrat er vermehrte, nament-
lich durch eine, grösstenteils von ihm selbst geschnittene Cursiv.
Er machte sich durch seine schöne Klassikerausgabe berühmt.
ROBERT, der zweite Sohn, war 1503 geboren. Über seine
Robe« Stepha- Jugend wissen wir nichts, wahrscheinlich ist er im väterlichen Hause
geblieben, wo er auch nach der Verheiratung seiner Mutter mit
Colines arbeitete. Robert heiratete Perette, die Tochter von Jod.
Badius, die eine gelehrte Bildung hatte und das Lateinische fliessend
1 F. J. Almeloven, De viäs Siephanorum dissertatio. Amsterdam 1633..—
A. A. Renouard, Anna/es de rimprimerie des Estimne. Paris 1837. — Aug. Bernard,
Les Estienne el les types grecs de Frattfois I. Paris 1 856.
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FRANKREICH.
203
sprach. Überhaupt war durch den steten Verkehr der Gelehrten
in Roberts gastfreiem Hause, das öfters durch die Besuche Franz I.
und Margarethas von Navarra geehrt wurde, das Lateinische die
tägliche Umgangssprache geworden, die selbst den Dienstboten
geläufig war. Perette ward die Mutter von acht Kindern und starb
gegen 1550, worauf Robert Margaretha Duchemin heiratete.
Roberts Wirksamkeit richtete sich auf die Herausgabe der so
sehr notwendigen Elementarbücher für das Studium der alten Seine Wirkitam-
Iccit
Sprachen und auf korrekte Ausgaben der Klassiker ; die Angabe,
dass er seine Korrekturbogen öffentlich aushing, gehört jedoch in
das Gebiet der Dichtung. Vor allem beschäftigte ihn die Her-
ausgabe der heiligen Schriften, lateinisch, griechisch und hebräisch.
Schon die, 1523 in Sedez gedruckte, sorgfältig revidierte lateinische
Ausgabe des Neuen Testaments erregte das Missvergnügen der
Sorbonne gegen den jugendlichen Herausgeber auf Grund der
Emendationen, welche er notwendig fand, und gab das Signal zu
den Verfolgungen, unter welchen er sein lebenlang zu leiden hatte.
Jede neue Ausgabe der Bibel brachte ihm zwar neue Ehren, aber
auch neue Sorgen und Anfeindungen, gegen welche ihn die Gunst
Franz 1. nur wenig zu schützen vermochte.
Die Zahl seiner Drucke beträgt über 600. Sein Hauptwerk,
welches allein als Ehrendenkmal für ihn genügend gewesen sein z*,™«™
Ititimr.
würde, ist der Thesaurus lingiuz latina (1532). Die vergeblichen
Versuche, ein altes Vocabularium des Calepin zeitgemäss zu kor-
rigieren, gaben dazu die Veranlassung. Alle Gelehrten, die Robert
anging, ein neues Lexikon zu liefern, schreckten vor der Arbeit
zurück, an die nunmehr Robert selbst unter Beihülfe eines beschei-
denen Gelehrten Joh. Thierry mit einem solchen Eifer ging, dass
das grosse Werk nach zweijähriger Arbeit vollendet war. 153Ö
erschien eine zweite, verbesserte Auflage, eine dritte 1543 und
später noch weitere Ausgaben.
Bei Gelegenheit des Druckes seiner hebräischen Bibel (1539 —
1546) wurde Robert am 24. Juni 1539 vom König Franz l. zum
königlichen Drucker für die lateinischen und hebräischen Schriften
ernannt, wozu noch im J. 1545 die Erhebung zu demselben Posten
für das Griechische kam, welchen zuerst CONRAD N£obar inne conr. Neubar.
gehabt hatte. Es war der Aufmerksamkeit Franz I. nicht entgangen,
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dass die griechischen Drucke Frankreichs trotz der Anstrengungen
des gelehrten Frangois Tissard im Verein mit dem tüchtigen Prak-
tiker Gilles de Gourmont, die zuerst 1 507 ein griechisches Buch in
Frankreich gedruckt hatten, weit den italienischen nachstanden.
Dem wollte der König abhelfen und glaubte in Conrad Neobar
(1538 — 1540) den rechten Mann gefunden zu haben. Durch Patent
vom 17. Januar 1538 wurde er zum königlichen Drucker für das
Griechische ernannt mit einem Jahresgehalt von 100 Goldthalern
nebst den Vorteilen der Universitäts-Angehörigen, auch sollten alle
von ihm zuerst gedruckten Werke auf 5 Jahre Schutz geniessen.
Die Schriften sollte Claude Garamond schneiden. Dies erlebte
Ncobar nicht, der schon nach zwei Jahren starb, in der kurzen Zeit
sich aber bereits einen berühmten Namen erworben hatte.
Stcphanus übernahm nun die weitere Leitung. Die Zeichnungen
Rob. stcphanus. zu der Schrift rühren von dem berühmten Kalligraphen Angclus
kgl. Typograph. °
Vergecius [Ange Vergece) her, zumteil auch von dessen damals erst
fünfzehnjährigen Schüler Heinrich, dem Sohne Roberts. Diese
Schriften sind kaum durch irgend eine spätere Produktion über-
treffen und wurden bis in die neueste Zeit in der kaiserlichen
Druckerei in Paris verwendet. Auch der berühmte Schriftschneider
und Schriftgiesscr Wilhelm le Bc wurde von Robert, namentlich
für die hebräische Bibel, beschäftigt. Dafür, dass die hebräischen
Schriften ebenfalls für königliche Rechnung geschnitten wären,
liegen keinerlei Beweise vor.
Der fortwährenden Verfolgungen durch die Sorbonne müde,
Rob«t «cht ging Robert 1550 oder 1551 nach Genf, um dort in der Ruhe,
die er in Frankreich nicht hatte finden können, mit den Reforma-
toren Calvin, Theodor Beza u. a. zusammenzuleben, ihre Werke zu
drucken und die Bibelausgaben ungestört fortzusetzen. Es scheint,
als habe Robert mit Standhaftigkeit und Kraft die mit der Über-
siedelung verbundenen Verluste und das Ungemach aller Art aus-
gehalten. Seine Wirksamkeit in Genf war gleich eine bedeutende,
das Pariser Geschäft wurde jedoch nicht geschlossen und 1556
beginnt sein Sohn Robert II. dort seine Ausgaben.
Dass die Genfer Robert unentgeltlich als Mitbürger aufnahmen,
iHe^ncchischcn konnte ihm seinen Verfolgern gegenüber, gegen die er eine bittere
Rechtfertigungsschrift veröffentlichte, als eine Genugthuung gelten.
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X. KAP.
FRANKREICH.
205
Es ist ihm vielfach zum Vorwurf gemacht, dass er die berühmten
königlichen griechischen Schriften mit nach Genf nahm. Sein Bio-
graph Renouard hat mit schlagenden Gründen ihn gegen den Ver-
dacht, als habe er damit etwas unrechtmässiges gethan, verteidigt.
Im Jahre 1621 wurden die Schriften, welche für 1 500 Goldthaler
dem Rate von Genf von Roberts Enkel, Paul, verpfändet waren, von
der französischen Regierung für 3000 Livres gekauft und von Paul
nach Paris gebracht. Bei den Verhandlungen deutet nichts darauf
hin, als sei Paul nicht rechtmässiger Besitzer der Matern gewesen.
Seit 1774 befinden sie sich in der Staatsdruckerei in Paris.
Seinem lateinischen Wörterbuch wollte Robert ein griechisches
folgen lassen. Mit den Vorarbeiten beschäftigte er sich lebhaft,
wurde aber dabei vom Tode überrascht. Den Zustand dieser Vor-
arbeiten kennen wir nicht, doch müssen dieselben nach der Aus-
sage des Vollenders, seines Sohnes Heinrich, weit vorgeschritten
gewesen sein.
Robert starb am 7. Sept. 1559, 56 Jahre alt Von seinen acht
Kindern werden Heinrich IL, geb. 1528; Robert IL, geb. 1530, und Fra« 1.
Franz II. Gegenstand weiterer Besprechung sein. Von Roberts I.
Bruder Franz i. ist wenig zu sagen ; man kennt das Datum seiner
Geburt nicht, weiss auch nicht, ob er verheiratet war. Wahrschein-
lich war er nur Buchhändler; ein Buch von ihm später als aus dem
J. 1548 kennt man nicht, schliesst deshalb auf seinen frühen Tod um
diese Zeit, der vielleicht auch nur Schuld gewesen sein wird, dass
er keine grössere Berühmtheit erlangte; denn seine kurze Wirksam-
keit zeugt von grosser Tüchtigkeit
Der jüngste Bruder Roberts I., KARL (geb. 1 504 od. 1 505), war
ein tüchtiger Arzt, geschickter Buchdrucker und ausgezeichneter Karl.
Gelehrter. Der Wegzug Roberts von Paris war der Grund, dass
Karl wider seinen Willen das Geschäft übernehmen musste; er
setzte aber dabei seinen ärztlichen Beruf fort. Die Druckerei übte
er nur bis zum Jahre 1561 , produzierte aber in der kurzen Zeit eine
Reihe von guten Ausgaben, die einen ehrenvollen Rang unter den
Erzeugnissen der Familie einnehmen. Er starb 1 564 im Gefängnis,
worin er sich, einige behaupten wegen religiöser Ansichten, andere
wegen Schulden, befand ; Thatsache ist, dass er vieles verloren hatte
und dass man seit 1 561 geschäftlich nichts weiter von ihm hörte.
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Nach dem Tode Roberts I. fiel das Geschäft dem Sohne Hein-
Robert ii. rieh II. zu und Robert II. wurde enterbt; doch scheint dies keines-
wegs ein Akt der Rache gegen Robert gewesen zu sein, der dem
katholischen Glauben treu geblieben war, sondern eine aus Klugheit
getroffene Massregel; denn wir sehen Robert II. seine Wirksamkeit
auf Grundlage des früheren Pariser Geschäfts beginnen und in
freundschaftlichem und geschäftlichem Verkehr mit seinem Bruder
bleiben. Er starb 1571. Seine Witwe heiratete Mamert Patisson,
einen tüchtigen Buchdrucker.
HEINRICH II., dessen Ruhm denjenigen der übrigen Mitglieder
Heinrich 11. der Familie noch überragte, war 1528 geboren, in demselben Jahre,
in welchem die berühmte lateinische Folio-Bibel seines Vaters er-
schien. Er wurde von dem Lehrer des Dauphin, Pierre Danis , auf
das sorgfältigste im Griechischen unterrichtet ; auch schrieb er das
Griechische ebenso kalligraphisch schön wie sein Lehrmeister
Angclus Vergecius und trieb eifrig Mathematik, selbst Astrologie.
Von 1 546 ab liess ihn der Vater an den litterarischen Arbeiten teil-
nehmen , die er mit der Redaktion des Dionysius von Halikarnass
begann. Nach dreijährigen Reisen in Italien, wo er die Bibliotheken
durchsuchte und Italienisch wie ein Eingeborener sprechen und
schreiben lernte, kam er 1549 nach Paris zurück, reiste aber schon
1550 nach England und 1551 nach Flandern, wo er das Spanische
studierte. Wahrscheinlich folgte er dem Vater nach Genf, kehrte
aber bald nach Paris zurück und ging dann wieder nach Rom.
Seine typographische Laufbahn begann Heinrich erst 1557.
Zwar nennt er sich Typographus Parisiensis , welches aber nicht
ausdrücken soll, dass seine Offizin in Paris war; die Bezeichnung
sollte ihm nur ein grösseres Gewicht in den Augen des Publikums
verschaffen. Wahrscheinlich auf Grund seiner Reisen und der Kosten
des Etablissements kam Heinrich bald in Verlegenheit , wurde aber
durch ein Mitglied der berühmten Familie Fugger, Hulderich,
unterstützt und erhielt von ihm eine jährliche Rente. Er nannte
sich deshalb auch zehn Jahre lang Fuggerorum Typographus. Dies
hörte aber, zugleich mit der Freundschaft, 1 568 auf.
Mit grosser Energie ging Heinrich an die Fortsetzung der
Wirksamkeit des Vaters, in einer Weise, die seine körperlichen
Kräfte überstieg. Wenn auch die typographische Ausstattung ein
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X. KAP.
FRANKREICH.
207
wenig hinter der der Pariser Ausgaben zurückbleibt, so kann ihnen
dies doch den inneren Wert nicht rauben. 1572 erschien das
Werk, welches seinen Arbeiten die Krone aufsetzte, der Thesaurus Thesaurus m>gum
linguce grcecce , aber er hatte damit seine pekuniären Kräfte er-
schöpft. Den grössten Schaden that ihm Johann Scapula durch
einen Auszug. Obwohl Scapula an der Korrektur von Stephanus'
Werk und an der Redaktion teilgenommen hatte, entblödete er sich
nicht zu erklären, dass er nur zufällig den Thesaurus gesehen habe
und dass seine Arbeit ganz dem eigenen Geiste entsprungen sei.
Eine editio posterior, die Heinrich einige Jahre nachher veranstal-
tete, ist nur durch Umdruck einzelner Blätter eine neue Ausgabe.
Von jetzt ab fängt Heinrich ein nomadisierendes Leben an, das
erst mit seinem Tode aufhören sollte. Er folgte darin zumteil
seinen Neigungen, beabsichtigte aber auch seine grossen Lager-
vorräte an den Mann zu bringen. Namentlich Deutschland und
seine Büchermessen besuchte er regelmässig, kam auch nach Wien
und selbst nach Ungarn; war ebenso öfters in Paris, wo er vom
König Heinrich III. gut aufgenommen wurde.
1597 wollte Heinrich von Genf aus wieder Frankreich besuchen.
Er verblieb eine Zeitlang in Montpellier, wo seine Tochter Florence Heinrich n. stirbt
an den gelehrten Isaak Casaubon verheiratet war, dem er seine Mit-
wirkung bei dessen litterarischen Arbeiten anbot. Diese scheint ab-
gelehnt worden zu sein und Heinrich setzte nun seine Reise weiter
fort, kam krank nach Lyon und Hess sich in das Spital bringen, wo
er in den ersten Tagen des März 1598, gegen 90 Jahre alt, starb.
Heinrichs finanzielle Lage war zwar nie glänzend gewesen , doch
haben wir nicht nötig anzunehmen, dass ihn die Armut in das
Spital führte. Seine Verlegenheiten gingen nicht so weit, dass seine
Existenz gefährdet war, und der Verkauf seiner Werke deckte
nicht allein seine Schulden, sondern Hess auch noch etwas für die
Witwe übrig und erhielt die Druckerei seinem Sohne Paul.
Paul war zwar ein tüchtig gebildeter Mann, besass jedoch
nicht die geschäftliche Energie des Vaters, betrieb das Geschäft in Paul,
wenig hervorragender Weise und verkaufte dasselbe 1627 an die
Gebr. Chouet. Ein Sohn Pauls, ANTONIUS, entwickelte Tüchtigkeit
und Thätigkeit in Paris, war jedoch nicht vom Glück begünstigt und
starb 1674 schwach und erblindet, 84 Jahr alt, im Hötel-Dieu.
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FRANKREICH.
X. KAP.
Der jüngste Bruder Heinrichs II., Franz Ii., kam schon jung
Fra M u. mit seinem Vater nach Genf, wurde dort in der protestantischen
Konfession erzogen und wissenschaftlich ausgebildet. Im Jahre 1562
hatte er in Genf eine Druckerei, die bis zum Jahre 1582 fort-
betrieben wurde, jedoch keine besondere Thätigkeit entwickelte.
Später zog er nach der Normandie.
Das grossartige Wirken der 17 13 gegründeten Didot' sehen
Buchdruckerei gehört der folgenden Periode an.
Es ist mehrfach angenommen worden, König Franz I. habe
Die kgi. Buch- die königl. Buchdruckerei gestiftet; dem ist nicht so, und das Ver-
ilruckcrci. __
hältnis der „Königlichen Buchdrucker" zu ihm ist schon oben klar-
gelegt. Er förderte die Kunst durch Unterstützung einzelner her-
vorragender Drucker in dieser oder jener Richtung, wo es über die
Kräfte des einzelnen gegangen wäre, die notwendigen Opfer zu
bringen. Das Verdienst, die königliche Buchdruckerei gegründet zu
haben, gehört Ludwig Xin. und dem Kardinal Richelieu 1 .
Im Jahre 163 1 hatte der zuletzt Genannte den Druck der
liturgischen und heiligen Schriften in verschiedenen, auch orientali-
schen Sprachen, einem Consortium von Pariser Buchdruckern
übergeben, unter der Bedingung, dass eine Anzahl von Exem-
plaren zu Missionszwecken der Regierung gratis zur Disposition
gestellt würde. Der Verein veröffentlichte auch mehrere solche
Bücher in arabischer Sprache, die Muselmänner wollten sie aber
nicht annehmen, und Selim I. erneute das strenge Verbot Bajazet II.
(vgl. S. 76). Der Verein entsprach überhaupt nicht den Absichten
des Kardinals und hatte selbstverständlich zunächst seinen eigenen
Vorteil vor Augen. Richelieu fasste nun 1640 den Entschluss, eine
Staatsanstalt, Die KÖNIGLICHE BüCIIDRUCKEREI, zu errichten.
Eine Grundlage war schon in den griechischen Schriften Franz I.
vorhanden gewesen, welche durch die Erwerbung der orientalischen
Schriften Savary DE Breves' bedeutend vermehrt worden war.
Der Genannte war 1 589 als französischer Gesandter nach Konstan-
tinopel gegangen, lebte dort eine lange Reihe von Jahren und hatte
grosses Interesse für orientalische Litteratur gefasst, eine bedeu-
» Aug. Bernarp, Histoire de Fimßrimcrie Royale du Louvre. Paris 1867. —
F. A. Duprat , Histoire de Firn fr. Royale de France. Paris 1851.
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FRANKREICH.
209
tende Manuskripten-Sammlung angelegt und arabische , persische Die königliche
und syrische Typen schneiden lassen, im ganzen über 1600 Stempel.
Von Konstantinopel zurückgekehrt, Hess er mit seinen Typen 161 3
in Rom, 161 5 in Paris drucken, wo mehrere Werke ex typographia
Savariana erschienen.
Savary de Breves starb bereits 1627. Von mehreren Seiten
erstrebte man die Erwerbung der Typen, es gelang jedoch 1632
dem Buchdrucker ANTONIUS VlTRE" , diese und die Manuskripte im
geheimen Auftrag des Königs, der früher vergeblich 27 000 Livres
geboten hatte, für die höchst mässige Summe von 4300 Livres
anzukaufen.
Zwischen Vitre einerseits und den Erben de Breves' und der
Regierung andererseits entstanden sehr langdauernde unerquick-
liche Differenzen; schliesslich kamen die Typen nach dem Tode
Vitres 1691 definitiv in den Besitz der königlichen Druckerei, welche
sie den Pariser Buchdruckern zur Disposition stellte. Die Typen
waren bereits von Vitre zum Druck der Polyglott-Bibel des Präsi-
denten le Jay benutzt. Diese Bibel in hebräischer, samaritanischer,
chaldäischer, griechischer, syrischer, lateinischer und arabischer
Sprache ist eins der merkwürdigsten Druckerzeugnisse des XVII. Jahr-
hunderts. Jay opferte mehr als 100 000 Thaler für dieses Werk und
ruinierte sich vollständig. Es lag, wie man berichtet, ganz in seiner
Hand, diesen Schlag abzuwenden, wenn er sich dazu verstanden
hätte, dem Kardinal Richelieu die alleinige Ehre als Urheber ein-
zuräumen; er wollte jedoch diese sich nicht nehmen lassen.
Die königliche Buchdruckerei ward auf das beste im Louvre
eingerichtet und SEBASTIAN CRAMOISY zum Direktor ernannt.
Richelieu hatte namentlich Missionszwecke vor Augen und man
begann daher mit dem Drucke von Andachtsbüchern, die gratis
verteilt werden sollten. Die Wirksamkeit nahm aber bald eine
typographisch grossartigerc Richtung an und man lieferte in dem
ersten Jahrzehnt an 1 00 Werke, die mit dem grössten Luxus und
aller Sorgfalt ausgeführt, teilweise mit Stichen und Vignetten der
besten Künstler, selbst eines Nie. Poussin, geschmückt waren.
Im Jahre 1692 bestimmte Ludwig XIV., der sich nicht weniger
als sein Vorgänger für die kgl. Druckerei interessierte, dass ein
grosses Werk: Description et perfection des arts et des metters, von
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FRANKREICH.
X. KAP.
nie königliche welchem der erste Band die Buchdruckerei, die Schriftgiesserei und
Buchdruckcrci. . „
die Buchbinderkunst umfassen sollte, herauszugeben sei. Dieser
Band, der einzige, welcher überhaupt erschien, entsprach jedoch
gerechten Erwartungen nicht. Wichtiger war die Bestimmung des
Königs, dass eine besondere französische Schrift gezeichnet und
geschnitten werden sollte, welche nur in der königl. Druckerei Ver-
wendung rinden dürfe. Zwar waren die, s. Z. von Claude Garamond
geschnittene, vortrefflich, man fand jedoch den Duktus etwas
veraltet. Eine Kommission von Akademikern wurde ernannt, die
sich mit dem Schriftschneider Philipp Grandjean in Verbindung
setzte, in welcher ihm erst sein Schüler Jean Alexandre 1723,
dann dessen Schwiegersohn Louis Luce folgten. Die neue pracht-
volle Schriftengarnitur, welche 1745 vollendet wurde, leidet an einer
kleinen Geschmacklosigkeit. Die Schrift sollte, wie erwähnt, nur
für die kgl. Druckerei sein; man musste deshalb für sie etwas eigen-
tümliches erfinden. Dies bestand in einigen Strichclchen , welche
einer Anzahl Buchstaben angehängt wurden. Diese Geschmack-
losigkeit hat sich bis auf den heutigen Tag erhalten. Die erste Ver-
wendung fand diese Schrift 1702 in einem Prachtwerke Medailles
sur /es principmix evenements du regne de Louis le Grand 1 .
Aus den erwähnten Jahreszahlen ist bereits ersichtlich, dass
Ludwig XIV. nicht die Vollendung der von ihm angeregten Ver-
besserungen erlebte. Für die Anstalt blieb dies ohne weitere
Folgen, denn der Regent sowohl als der junge König Ludwig XV.
waren der Druckkunst wohlgesinnt. Der letztere hatte sogar in
den Tuilerien für seinen persönlichen Gebrauch eine kleine Buch-
i Bei der grossen Bedeutung, welche diese Schrift in der Geschichte der
Typographie einnimmt, sei es gestattet noch einige Einzelheiten zu erwähnen. Sie
besteht aus 21 Graden mit den dazu gehörenden Cursivschriften und den grossen
Initialen (Idirts de deux points). Der St. Augustin-(Mittel-)Kegel, mit dem das oben
erwähnte Werk Descripiion etc. gesetzt wurde, war der erste Grad, der als Prototyp
für alle die anderen Grade diente. Der Punkt der kgl. Druckerei bildet den 6. Teil
einer Linie des pied du rot; 2 'fi Punkte gleichen einem Millimeter. Die besonderen
Kennzeichen sind, dass an einigen der gemeinen Buchstaben, namentlich den hinauf-
oder heruntersteigenden, oben resp. unten, quer über den Grundstrich durchgehende
horizontale Strichelchen statt der damals üblichen einseitigen, etwas schrägen Striche
angebracht sind , und dass das 1 einen kleinen Ansatz an der Mitte der linken Seite
des Striches bekam, welcher dem Buchstaben das Aussehen giebt, als hätte die Mater
an dieser Stelle einen kleinen Fehler gehabt.
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X.KAP. FRANKREICH. 211
-
druckerei, aus der ein Werkchen: Cours des principaux fleuvcs et nie königliche
. . Buchdruckerei.
rivieres de l'Europe compose et imprime par Louis XV, roy de
France et de Navarra. Paris 171 8, stammt.
Die griechischen Typen des Neobar und Stcphanus wurden
restauriert, hebräische geschnitten und die Anfertigung chinesischer
Typen unter der Aufsicht des Herrn de Fourmont angeordnet,
womit der Anfang schon 1742 gemacht wurde, während die Voll-
endung des im ganzen missglückten Unternehmens sich jedoch weit
über die Grenze unserer Periode hinauszog.
Wie Ludwig XIV. die Vollendung des sorgfältig Angebahnten
nicht erlebte, so auch nicht der verdienstvolle Direktor Sebastian
Cramoisy. Er starb i. J. 1669; sein Nachfolger und Enkel Marbre-
Cramoisy, ein eben so tüchtiger Mann wie der Grossvater, 1687.
Diesem folgte der bekannte Lyoner Buchdrucker JEAN ANISSON, der
1709 sein Amt zugunsten seines Schwagers und Associes, Claude
RlGAUD, niederlegte; nach ihm traten wieder die ANISSONS ein.
Die grossartigen Werke alle aufzuzählen, die aus der königlichen
Anstalt hervorgegangen sind, ist nicht möglich, erwähnt seien nur die
Biblia sacra in 8 Folio-Bänden; die Concilia generalia etc., 37 Bde.;
Scriptores historuB Byzantina, 29 Bde.; Gallia christiana, 13 Bde.,
alle in Folio; Buffon, kistoire naturelle, 33 Bände in Quarto.
Als ein Zeichen des Ansehens, worin die Buchdruckerkunst
stand, kann es gelten, dass die Sitzungen der von Richelieu gegrün-
deten französischen Akademie bei ihrem Buchdrucker und Buch-
händler, Jean Camusat, stattfanden, der öfters als Repräsentant der
Akademie verwendet wurde. Bei seinem Tode 1639 veranstaltete
dieselbe eine Leichenfeier, ausserdem ehrte man sein Andenken,
indem man seiner Witwe die Funktionen als Buchdrucker der
Akademie Hess, gegen den Willen Richelieus, welcher diesen
Posten Cramoisy zugedacht hatte.
Doch, wie erwähnt, das wahre belebende Prinzip, die allgemeine
gesunde freiheitliche Bewegung, fehlte und konnte nicht durch
persönliche Vorliebe der regierenden Häupter ersetzt werden; der
Verfall der Buchdruckerei in Frankreich wurde zwar lange auf-
gehalten, konnte jedoch nicht abgewendet werden, als die Revo-
lution und dann die Reaktion über Frankreich hereinbrachen.
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212
FRANKREICH.
X. KAP
In Frankreich spielte ausserhalb Paris nur LYON 1 eine wichtige
Lyon. Rolle in der typographischen Geschichte Frankreichs, namentlich
durch die Produktion einer grossen Anzahl illustrierter Werke. Es
entstand eine besondere Holzschneiderschulc , deren berühmtestes
Mitglied Salomon Bernard war. Auch Werke deutscher Künst-
ler erschienen in Lyon, vor allen anderen zu nennen Holbeins
„Totentanz" und dessen Illustrationen zu dem Alten Testament.
Von der Bedeutung des dortigen Druckgewerbes kann man sich
daraus eine Vorstellung machen, dass bei dem Einzug Heinrichs
in Lyon, 1548, nicht weniger als 413 Drucker, prachtvoll kostümiert,
ihn im festlichen Aufzug empfingen.
Ausser durch seine illustrierten Werke zeichnete Lyon sich
j C an Grandjon. durch schöne Schriften aus. Jean Grandjon lieferte 1558 eine
Cursivschrift, die berühmt geworden ist. Er suchte die Feinheit der
Federzüge nachzumachen in ähnlicher Weise wie es in der Theuer-
danktype der Fall war. Auch das Binden der Bücher erreichte,
namentlich durch das Interesse, welches Jon. GROLLIER daran nahm,
hier eine grosse Vollkommenheit (vergl. S. 215).
Zu den bedeutendsten Buchdruckern Lyons zählte Sebastian
seb. Gryphius. Gryphius (1528 — 1 566). Er war zu Reutlingen geboren und
einer der gelehrtesten Männer seiner Zeit, der eine grosse Anzahl
nützlicher Bücher in lateinischer, griechischer und hebräischer, da-
gegen nur wenige in französischer Sprache herausgegeben hat.
Sein Sohn ANTON, ebenfalls ein sehr unterrichteter Mann, aber im
Geschäft unpraktisch , starb arm.
Ein Schüler von S. Gryphius war JEAN DE ToURNES (geb. 1 504,
je.™ de Tourues. gest. 1564). Er stattete seine Bücher reichlich mit künstlerischem
Schmuck aus. Besonders hervorzuheben sind: Delectus amicorum;
Ovid; mehrere Ausgaben der Bibel und des Neuen Testaments. Er
starb an der Presse arbeitend. Der Sohn Je AN DE ToURNES war
noch gelehrter als der Vater, kam ihm aber als Buchdrucker nicht
gleich. Der Reformation ergeben, wurde er eingekerkert, sein Haus
geplündert, seine Bücher verbrannt und seine Papiere verwüstet.
Zwar kam er mit dem Leben davon , als aber Heinrich III. Todes-
strafe über die Bekenner der neuen Lehre aussprach, zog er nach
1 Manud du bibliophile et de Varcheologue Lyonnais. Paris 1857.
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X. KAP.
FRANKREICH.
213
Genf und gründete dort eine Buchhandlung und Buchdruckerei, die
bald in Flor kamen.
Das Leben des unglücklichen Stephan Dolet 1 (1537 — 1545)
gehört mehr der Litteratur-, als der typographischen Geschichte an. stcph. Doiet.
Dolet stammte aus einer angesehenen Familie in Orleans, genoss
einer ausgezeichneten Erziehung, und zählte unter die gelehrtesten
Männer damaliger Zeit. Sein stürmischer Charakter und die Kühn-
heit seiner religiösen Ansichten stürzten ihn in Ungelegenheiten aller
Art. Von Toulouse verbannt, flüchtete er nach Lyon und wurde
Korrektor in Gryphius' Offizin, wo er wahrscheinlich die Kunst
lernte. Bereits 1536 — 1538 druckte Gryphius das bedeutendste
Werk Dolets: Cotnmentarii lingua latince. Nachdem er in einem
Streit den Maler Henri Guillot getötet hatte, war er gezwungen,
Lyon zu verlassen, erhielt jedoch durch die Protektion der Königin
Margaretha von Valois und vieler mächtigen Freunde die Erlaubnis,
nach Lyon zurückzukehren, wo er 1537 eine Druckerei errichtete,
aus der viele geschätzte Werke hervorgingen. Seine scharfe Feder
schaffte ihm überall Feinde , mit seiner Kollegen schaft überwarf er
sich, indem er in Lohnstreitigkeiten sich auf die Seite der Gehülfen
stellte. Mehrmals eingekerkert, flüchtig geworden, dann wieder
zurückgekommen, wurde er angeklagt, Schriften zugunsten der
Reformation gedruckt zu haben, und am 3. Aug. 1546 in Paris
lebendig verbrannt.
Ein ebenso gewandter Buchdrucker als Buchhändler war
GülLLAUME DE RoviLLE aus Tours. An Geschmack wetteiferte er Verschiedene
Drucker zuLyoi
mit de Tournes, und seine Druckwerke enthalten viele schöne Illu-
strationen. Er erwarb sich grosses Ansehen und grosse Reichtümer.
Die Gebrüder Jean und Francois Frellon (1520 — 1570) sind
namentlich als Drucker Holbeinscher Illustrationen bekannt. Ausser
den genannten hat Lyon auch im XVH.Jahrh. noch manche tüchtige
Buchdrucker aufzuweisen, unter diesen die Mitglieder der Familie
Anisson , deren bekanntestes, Jean ANISSON, in Verein mit seinem
Bruder Jacques druckte, bis er zum Direktor der königlichen
Druckerei im Louvre ernannt wurde. Anissons Druckerei war die
letzte von künstlerischer Bedeutung in Lyon, sie fabrizierte jedoch
später auch nur gewöhnliche Ware.
1 Jos. Boulmier, E. Dolet. Paris 1857.
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214
FRANKREICH.
X. KAP.
Von den Provinzstädten ist noch Rouen zu erwähnen, wo na-
Koucn. mentlich ein grosses Druckgeschäft mit Missalen stattfand , welche
nach England ausgeführt wurden, und SEDAN, wo eine, noch heute
geschätzte, Sammlung von Klassikern mit einer sehr kleinen Schrift,
Sedanoise, von Jean JannüN, gedruckt wurde.
Aus dem, was oben über die Schriften der kgi. Druckerei, der
Schriftgießerei. Stephane und anderer in Paris und Lyon gesagt wurde, geht bereits
hervor, dass Frankreich in der STEMPELSCHNEIDEREI und
SCHRIFTGIESSEREI den Vorrang behauptete.
Die älteste der Privatschriftgiessereien ist die von GuiLLAUME
LE BE\ Mit den von ihm selbst geschnittenen Schriften vereinigte
er 1561 einen grossen Teil der Stempel des verstorbenen Gara-
mond. Die le Be" folgten sich in vier Generationen. 1730 kam das
Geschäft in die Hände von Fournier L'aine.
Die Anfänge der zweiten Giesserei durch Jacques SanSLEQUE,
Schüler des le Be\ reichen bis auf das Jahr 1596. Auch dieses
Geschäft erbte durch vier Generationen auf JACQUES, LoÜlS und
Louis Eustache Sansleque.
1736 begann FOURNIER le jeune, Bruder des Besitzers des
Typogr. Punkt, le Böschen Geschäfts, eine Schriftgiesserei eigentümlicher Art, indem
er selbst alle Schriften derselben zeichnete, schnitt, abschlug und
justierte, wozu er etwa 30 Jahre gebrauchte. Er schrieb das bereits
erwähnte Manuel typographique (2 Bde. Paris 1764), dessen zweiter
Band, fast nur systematische Schriftproben enthaltend, uns ein
ziemlich klares Bild von dem damaligen Stande des Typenwesens
giebt. In dem ersten Band entwickelt Fournier sein, 1737 auf-
gestelltes, System des typographischen Punkts, welches, später von
Didot fortentwickelt, die Einheit in der französischen Schriftgiesserei
zuwege brachte 1 . Zwar bestand ein Reglement v. 28. Febr. 1723
sowohl in Betreff der Schrifthöhe als der Progression der Schriftkegel.
Dieses wurde hinsichtlich der Höhe (io'/z geom. Linien) nicht
1 Fournier stellt als Ausgang für sein System ein Typonieter auf von 2 Zoll
oder 12 Linien, gleich 12 Cicero. Jede Linie teilt er in 6 typographische Punkte. Die
kleinste Schrift ist Parisienne — 5 Punkte, dann steigen Nompareille, Mignonne, Petit-
Text, Gaillarile, Petit-Romain, Philoso/hie, Cicero je um i Punkt ; darauf Saint- Augustin,
Gros-Texte , Gros-Romain , Petit-Paragon , Gros- Paragon , Pa/estineje um 2 Punkte, die
dann folgenden grösseren Schriften wachsen in stärkeren Steigungs- Verhältnissen.
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X. KAP.
FRANKREICH.
2I 5
beachtet, so dass letztere bis auf 10% differierte, und für die Kegel
fehlte eine „Normal-Einheit", von welcher man auszugehen ver-
pflichtet war, so dass das Reglement gar keinen Nutzen erzielte.
In der STEREOTYPIE hatte der Buchdrucker Valeire
bereits zu Anfang des XVIII. Jahrh. Versuche gemacht und einen
Kalender von Messingplatten gedruckt. Die Typen wurden in Thon
eingepresst; da die Tiefe jedoch nicht gleichmässig war, konnten die
Platten es auch nicht werden.
Eine hohe Stufe erreichte die BUCHBINDERKUNST. Als För-
derer derselben steht obenan der erwähnte Jean Grollier, Vicomte Die Buchbind«-
d'Aguisy (1479— 1 565), Schatzmeister unter mehreren französischen
Königen. Er hatte in Italien schöne Einbände lieben gelernt,
ahmte sie nach und veredelte sie. Er Hess die Bücher in seinem
Hause binden und legte selbst Hand mit an. Die Bände Grol-
liers mit der Devise : J. Grolliero et amicis gelten noch heute als
Edelsteine der Buchbinderkunst und werden mit den höchsten Prei-
sen bezahlt Mit Grollier übernimmt Frankreich die Führung in der
Buchbinderei und behauptet sie. Ausgezeichnet in seinen Bänden
war der Zeitgenosse Grolliers, GEOFFR. TORY. Als würdiger För-
derer gegen Ende des XVI. Jahrh. erwies sich Ch. A. de Thou, de Thou.
Direktor der königlichen Sammlungen. Während Grolliers und
Torys Bände phantastische arabische Ornamente zeigten, sind die
Fonds der meist in Maroquin ausgeführten Bände de Thous haupt-
sächlich mit an die Natur sich anschliessenden Verzierungen : Lor-
beer-, Ol- und Eichenzweige gefüllt, während die Ornamente in die
Zwischenräume der Ranken verwiesen sind. Die Bände de Thous
sind ausserordentlich gesucht und mit bis zu 1 5 000 Fr. bezahlt.
Ebenfalls geschätzt und selten sind die bei weitem einfacheren
gleichzeitigen Bände des Königs Franz L Sie sind meist in
schwarzes Leder oder Sammet gebunden, nur mit der königlichen
Chiffre und einem Salamander in Gold geschmückt.
Prächtig und sehr geschmackvoll sind die Bände des Königs
Heinrich IL, namentlich diejenigen, welche er für seine Geliebte, die Bibliothek der
Diana v. I'oiücrs.
geistreiche Diana von Poitiers, herstellen licss. Das für sie mit
Aufwand aller künstlerischen Ausschmückung eingerichtete Schloss
Anet enthielt eine Sammlung von gegen 800 in Ziegen- oder
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2l6 FRANKREICH. X. KAP.
Schafleder gebundenen Bänden. Sie sind reich mit Symbolen der
Liebe ornamentiert, z. B. den verschlungenen Anfangsbuchstaben H
und D, zu welchem letzteren noch galanterweise das Zeichen der
jungfräulichen Göttin Diana, die Mondsichel, gefügt wurde.
Unter den späteren Meistern ist LE GASCON, der Buchbinder
u Gascon. der Königin Anna von Österreich, berühmt geworden. Er war
durchaus originell, verzichtete auf die Wirkung verschiedener Farben
und wendete nur einfache Goldpressung auf dem einfarbigen Unter-
grund an; die leeren Stellen zwischen den Linien wurden mit
Punkten oder kleinen Ornamenten ausgefüllt. Seine Hauptepoche
fällt in die Zeit von 1640— 1655.
Als Ersatz für die Vielfarbigkeit suchte man dem Leder
durch künstliche Texturen und neue Färbungen Abwechselung zu
geben; so erhielt der rote Maroquin den Charakter der schuppigen
Schlangenhaut, in welcher Weise die Bücher des Ministers Colbert
gebunden wurden, man ahmte Marmor, Granit, Stoffe nach, ver-
liess die Pflanzenornamente und die Arabesken, imitierte durch
Punkte Spitzenmuster oder überspannte die Decken wie mit gol-
denen Spinnengeweben.
Zu Anfang des XVII. Jahrh. wirken DU Seuil, PADELOUP und
du Seuii. Pade-DEROME. Die Goldpressung wird übermässig angewendet. In der
loup, Ucromc, B
Ornamentierung herrscht Zerfahrenheit. Um 1750 tritt noch eine
anmutige Art der Goldpressung auf: Vögel, die sich in Ranken
wiegen oder um diese herumflattern. Der Üppigkeit der Zeit ge-
mäss werden die Deckel mit Atlas oder Sammet überzogen und
mit Gold-, Silber- und anderen Stickereien geschmückt , sogar die
Gobelins werden der Buchbinderei dienstbar. Man verfällt aber nach
und nach in Geschmacklosigkeit und geht in dieser so weit, beide
Deckelseiten und den Rücken mit Einem fortlaufenden Bild zu über-
ziehen. An Stelle des reichen Vorsatzes tritt farbiges marmoriertes,
gefedertes oder verschiedene Stoffe nachahmendes Luxuspapier.
Schon zu Anfang des XVIII. Jahrhunderts macht sich der Papierüber-
zug als Ersatz für das Leder bemerkbar und die Periode des Halb-
franzbandes beginnt.
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XI. KAPITEL.
DIE NIEDERLANDE.
Die Illustration. Christoph Plantin , seine Nachkommen, das Plantinsche Museum.
Die Familie Blaeu. Die Elzeviere : Ludwig i., Matthias und Bonaventura, Isaack,
Bonaventura und Abraham L Johann und Daniel. Ludwig und Daniel, das
Ende des Hauses. Die Nachahmer der Elzeviere. Die Familie Enschcde' und
die Schriftgiesserei.
AUERTE es auch lange, ehe die Buchdruckerkunst
in dem jetzigen Belgien und Holland recht heimisch
wurde, so trieb sie, einmal dorthin verpflanzt, um so
tiefere Wurzel; die Blütezeit derselben währte viel
länger als in Deutschland , der Verfall war dort nie
so gross als hier.
Dieselben Eigenschaften, welche die niederländische Maler- .
kunst auszeichnen, die grosse Sauberkeit der Ausführung und die Die typographi
sehen Eigentum
über alle Einzelheiten sich erstreckende minutiöse Sorgfalt, kenn- lichkciten.
zeichnen auch die dortige Typographie. Gleich den malenden
Künstlern des Landes verfolgten die Buchdrucker und Verleger im
allgemeinen eine realistische Tendenz. Sie veranstalteten eine
Menge für das Leben und die Wissenschaft nützlicher Werke, hul-
digten jedoch selten der idealen Richtung, welche vorzugsweise in
Deutschland, jedoch auch in Frankreich und Italien, durch Zu-
sammenwirken des Griffels der Künstler mit der Feder des Schrift-
stellers die uns bekannt gewordene Reihe prächtiger Erzeugnisse
des Buchgewerbes hervorgebracht hat.
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218
DIE NIEDERLANDE.
XI. KAP.
Dennoch blieben die Niederländer nicht ohne Verdienste um
Die Illustration, die vervielfältigenden Künste, doch machen sich diese hauptsächlich
in dem Kupferstich und der Radierung, weniger in der mit dem
Buchgewerbe enger verbundenen Xylographie, geltend.
Deutschlands Albrecht Dürer stellen sie ihren Lucas van
Leyden ( Dammetz, geboren 1494, gestorben 1533) entgegen. Er
lieferte etwa 200 Stiche; für den Holzschnitt ist seine Thätigkeit
eine unbedeutende. Im Clair-obscur- Druck zeichnen sich aus:
HUBERT Goltz (geb. 1524, gest. 1583), dessen Icones imperatorum
Romanorum in Kupferstich mit aufgedruckten Holzschnittplatten
ausgeführt sind; Abraham BLOEMAERT (geb. 1567, gest. 1647);
und Heinr. GOLTZIUS. Dieser nähert sich in mancher Hinsicht Luc.
van Leyden. Schon 1523 erschien bei Dodo in Amsterdam eine
Passion in 62 Blättern von einem ungenannten Künstler (Joh. Wal-
ter VON ASSEN?), welcher ein Jahrhundert vor Rembrandt in der
bekannten Manier dieses Künstlers zeichnete. Rembrandt selbst
(geb. 1606, gest. 1665) hat sich im Holzschnitt versucht und Jon.
Livens (geb. 1607, gest. 1663), sowie Dirk van Bray (gest. 1680)
ahmten mit Glück seinen Stil im Holzschnitt nach, während Rubens'
Zeichnungen einen tüchtigen Dolmetsch in dem Holzschneider und
Zeichner CHRISTOPH JEGHER fanden, einem geborenen Deutschen,
der 1620 — 1660 in Antwerpen wirkte.
Eine Notiz von K. v. Heinecken hat zu vielen Debatten über
einen mystischen frühesten Xylographen der Niederlande „Phillery"
Anlass gegeben. Allem Anschein nach schrumpft derselbe zu
einem erst in den zwanziger Jahren des xvi. Jahrh. lebenden Holz-
schneider „Willem" zusammen und beruht der Name Phillery wohl
nur auf undeutlichen Schriftzügen.
Als Träger der Buchdruckerci erblicken wir in den Niederlanden
wie in Italien und Frankreich mehrere berühmte Familien, vornehm-
lich die der Plantin, der Blaeu und der Elzeviere.
Das blühende und mächtige Brügge hatte auf Grund seiner
Muhende Lage Haltung gegen den Kaiser Maximilian I. seine Privilegien verloren,
Antwerpens.
die auf ANTWERPEN übertragen wurden. Hierdurch hatte die
letztere Stadt seit dem Beginn des XVI. Jahrhunderts einen grossen
Aufschwung als Depot zwischen Nord und Süd genommen. Auch
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XI. KAP.
DIE NIEDERLANDE.
219
die Buchdruckerei behauptete dort eine angesehene Stellung, und
es erschienen viele wertvolle und gut ausgestattete Werke. Unter
Karl v. erreichte die Stadt ihre höchste Blüte, ward jedoch zugleich
ein Angelpunkt für die reformatorische Bewegung in den Nieder-
landen, welche, nachdem Karl V. am 25. Okt. 1555 die Regierung
zugunsten seines Sohnes Philipp II. niedergelegt hatte, so schwere
Zeiten über das Land heraufbeschwören, jedoch auch ihre Freiheit
begründen sollte.
Inmitten der politischen und religiösen Gährung Hessen sich, um
das Jahr 1550 herum, Plantin und seine Frau Johanne Riviere in Christ. Pianüu.
Antwerpen nieder. CHRISTOPH PLANTIN in Mont-Louis bei Tours
in Frankreich geboren, hatte bei Robert Mace in Caen gelernt und
eröffnete nach vielen Reisen einen kleinen Buchladen mit Buch-
binderei, während seine Frau mit Leinen - Waren handelte. Der
Gerichtsschreiber Graphäus gab Plantin seine Bücher zu binden und
machte ihm kleine Vorschüsse. 1550 wurde er als Buchdrucker in
die St. Lucas-Gilde aufgenommen, aber erst 1555 hatte er in dem
von ihm angekauften Hause auf dem Freitagsmarkt eine vollständig
eingerichtete Offizin.
Eifersüchtig auf den Ruhm derselben, sorgte er für die schön-
sten Schriften und den besten Druck. Wennauch die Verwendung so^gsamkeit
silberner Typen in das Reich der Fabel gehört, so steht es doch
fest, dass er in seiner Giesserei mit dem Guss solcher experimentiert
hat. Plantin gehörte auch nicht zu den Druckern, die, nach dem
Ausspruch des Erasmus, „lieber 6000 Fehler, wie Ameisen, in ihren
Werken herumkribbeln sehen, als einen tüchtigen Korrektor bezah-
len"; im Gegenteil, er hatte sich die Worte Heinrich Stephanus',
dass „die Korrektur das für die Druckerei ist, was die Seele für den
Leib", zu eigen gemacht. Überhaupt verstand er, wennauch nicht
in Besitz tiefer Kenntnisse, als vorzüglicher Praktiker, dabei zäh
ausdauernd in der Durchführung seiner Pläne, die Talente Anderer
zu benutzen.
Der erste seiner Korrektoren war der berühmte Cornelius van Sein Korrektor
Com. van Kiel.
Kiel, oder Kilianus (geb. um 1 528, gest. 1 5. April 1607), der während
» C. ROELENS et A. DE Hacker, Atmales Planimiettnes. Paris 1866. —
M. Rooses, Plantijn an de Plantijnsthe Drukerey. Brüssel 1877. — LEON. DEGEORGE,
La maison Plantin ä Anvers. 2. Aufl. Brüssel 1878.
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DIE NIEDERLANDE.
XI. KAP,
seines fünfzigjährigen Wirkens in dem Plantinschen Hause sehr zu
dem Ruhme desselben beitrug. Uber alle Beschreibung anspruchslos,
dachte van Kiel nie daran, sich selbst geltend zu machen, zu-
frieden wenn nur das Haus, an das er seine Existenz geknüpft
hatte, gedieh.
Eine zweite Stütze hatte Plantin in dem gelehrten Theodor
Th. Puiimann. Pullmann (geb. um 1510), von Profession ein Walkmüller, jedoch
von seiner Jugend ab den Wissenschaften mit Leidenschaft ergeben.
Leider führte diese ihn in seinem Emendieren der Klassiker zu
weit, und oft füllte er die Lacunen in kühnster Weise aus. Auch
just. Lipsiui. mit dem berühmten Justus Lipsius stand Plantin in engem geschäft-
lichen Verkehr.
Einen Hauptmitarbeiter im Geschäft fand Plantin in Franz
Franz Rapheiin- RaphelinGIUS. Derselbe hatte in Paris eifrigst griechisch und
lateinisch getrieben und seine Studien in Cambridge vollendet.
Plantin nahm ihn nicht allein als Korrektor auf, sondern gab ihm
auch seine älteste Tochter Margaretha zur Ehe. Als Plantin, 1582,
das belagerte Antwerpen verliess und das Geschäft in Leyden er-
öffnete, leitete Rapheling die Stammoffizin und trieb zugleich den
Buchhandel. Nach der Rückkehr Plantins nach Antwerpen über-
nahm dagegen Rapheling das Geschäft in Leyden und wurde an
dortiger Universität Professor der hebräischen Sprache. Er war ein
Mann von bedeutenden Kenntnissen und ein unermüdlicher Mit-
arbeiter an dem grossen Bibelwerke Plantins.
Eine geschäftlich noch kräftigere Stütze fand Plantin in JO-
HANNES Moretus (Jean Moerentorff), geboren in Antwerpen am
22. Mai 1543. Anfänglich Arbeiter bei Plantin, gefiel er, wenn er
auch dessen Ideale von einem Buchdrucker nicht vollständig ent-
sprach , doch durch seine praktische Tüchtigkeit diesem noch mehr
als der gelehrte Rapheling und er gab ihm seine zweite Tochter
Martina zur Frau. Die dritte Tochter ward mit GlLLES BEYS, eben-
falls einem tüchtigen Buchdrucker, verbunden, welcher der Filiale
des Geschäfts in Paris vorstand.
Das Werk , welches den Namen Plantin in der Buchdrucker-
Bibiia weit unsterblich gemacht hat, und in seinem Leben eben so eine
polyglotte.
Epoche bildet, wie der Thesaurus greecce lingtia in dem Dasein
des Heinr. Stephanus, ist die „Btdüa sacra hebraice, chaldaice
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XI. KAP. DIE NIEDERLANDE. 221
grcece et latine. Philippi IL reg. cathol. pietate et studio ad sacro
sanctce ccclesice usutn Christoph Plantinus excud. Antwerpia?" .
Die erste Idee eines polyglotten Bibelwerkes 1 stammt von Aldus
Manutius, wie aus der in der National-Bibliothek zu Paris vorhan-
denen Probe hervorgeht (S. 179). Diese dreispaltige Seite enthält
den hebräischen, griechischen und lateinischen Text und gab wahr-
scheinlich Veranlassung zu der in den Jahren 1 5 14 — 1 5 17 in Alcala in
Spanien gedruckten Polyglotte des Kardinal Ximenes (S. 189), die
bereits eine grosse Seltenheit geworden, sodass öfters der Gedanke
entstanden war, eine neue Polyglottbibel zu drucken. Diesen Plan
hatte auch der Kurfürst August von Sachsen gefasst, gab ihn aber
zugunsten des Plantinschen Vorhabens auf. Auch Philipp II. be-
absichtigte ein ähnliches Werk ausführen zu lassen. Als Plantin
ihm die Probebogen seines Unternehmens überreichen liess, ging er
bereitwillig auf dessen Idee ein, bewilligte die Zahlung der für
Druck und Papier allein auf 24 000 Gulden veranschlagten Kosten,
gewährte ausserdem einen Vorschuss von 6000 Dukaten und
bestellte seinen Kaplan Arias Montanus als Überwacher der litte-
rarischen Herstellung. Letzterer kam am 18. Mai 1568 nach Ant-
werpen und empfing vom König ausser seinem Gehalt noch einen
Zuschuss von 300 Kronen jährlich; für die Textrevision wurde eine
Anzahl tüchtiger Gelehrten gewonnen. Den Auftrag zur Anfertigung
der Schriften erhielt der berühmte Schriftgiesser Wilhelm le B6
in Paris.
Der Druck begann im Jahre 1 568 und dauerte bei fortwährender
Beschäftigung von 40 Arbeitern bis zum Jahre 1572. Anfänglich Druck^erPoiy-
war das Werk auf vier Bände berechnet; auf Plantins Vorschlag
wurde jedoch noch das Neue Testament in der syrischen Sprache,
welches bereits in Wien gedruckt war, mit einverleibt, so dass
das Werk mit Inbegriff der drei Bände „Appendix* aus acht
Bänden besteht. Ausser 12 Pergament- Abdrücken wurden 1200
Exemplare gedruckt; 10 auf Imperial- Velin zu 40 Gulden das Ries;
30 Exemplare auf etwas geringeres; 200 auf Royal- Velin aus Lyon
und 960 Exemplare auf Royal-Papier aus Troyes. Im Verhältnis
zu den Kosten waren die Verkaufspreise mässig gestellt. Der Preis
1 G. OUTHUIS, Geschiedkundia Vers!ag a\r voornamsU uitgaveti van de Hiblia
Poiygiotta. Franecker 1822.
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DIE NIEDERLANDE.
XI. KAP.
betrug für eins der 200 Exemplare auf Royal- Velin 40 Kronen, für
ein gewöhnliches 35 Kronen 1 .
Ein mühsames Werk war vollbracht; Plantin selbst sagt:
Schwierigkeiten. Jetzt, wo die Bibel vollendet ist, stehe ich mit Überraschung und
Erstaunen vor der Arbeit, welche ich nicht nochmals machen
möchte, selbst wenn man mir 12 000 Kronen dazu schenkte, und
obwohl sie jetzt, wo die Schriften und die Einrichtung vorhanden
sind, vielleicht um 6000 Kronen billiger zu stehen kommen würde".
Nimmt man seine Aussprüche buchstäblich, so war ihm nicht allein
kein angemessener Vorteil, sondern sogar ein direkter Nachteil aus
der Arbeit erwachsen; jedoch, Plantin war ein schlauer Geschäfts-
mann, der sich nicht gern tief in die Karten blicken Hess.
Ohne Verdriesslichkeitcn sollte es nicht abgehen. Der König
wünschte die Approbation des Papstes Pius V. Dieser verweigerte
sie jedoch entschieden und Plantin erhielt Ordre, vorläufig kein
Exemplar auszugeben. Montanus musste im Auftrag des Königs
nach Rom gehen, um womöglich die Angelegenheit zu ordnen.
Er kam gerade an, als Gregor IX. den Stuhl des verstorbenen
Pius v. eingenommen hatte und fand den neuen Papst günstiger
für die Sache gestimmt. Die Approbation wurde 1572 erteilt.
Hiermit waren jedoch die Anfechtungen nicht vorbei. Einer der
erbittertsten Feinde des Unternehmens, der Professor Leon de Castro
in Salamanca, denunzierte Plantin und Montanus der Inquisition.
Montanus reichte seine Rechtfertigung ein, erhielt aber erst nach
vier Jahren, 1580, insoweit Recht, dass das Buch dem Schicksal
entging, auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt zu werden.
Durch Patent vom 10. Juni 1570 wurde Plantin zum Proto-
piantin. Prvto- typographus der Niederlande ernannt. Es handelte sich dabei nicht
um einen blossen Ehrentitel. Er hatte die Rolle der Meister und
Lehrlinge, sowie der autorisierten Korrektoren, Holzschneider und
Kupferstecher zu führen, eine Liste über alle Werke, deren erster
und letzter Bogen ihm behändigt werden mussten, anzufertigen, und
sollte ausserdem die Bücherpreise bestimmen. Alle Änderungen in
den Arbeiterverhältnissen waren ihm anzuzeigen. Die Mühen und
Vcrdricsslichkeiten bei diesem Amte waren jedoch so gross, dass
1 Eine ganz ausfuhrliche bibliographische Beschreibung der Polyglotte befindet
sich in <J. Kuelens et A. de Bacher, Annales S. 128 u. f.
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XI. KAP.
DIE NIEDERLANDE.
223
Plantin i. J. 1 576 seine Entlassung nachsuchte. Einmal war er sehr
nahe daran, die Gunst des Königs zu verscherzen, indem auf Ver-
anlassung des Wiedertäufers Niclaes aus Münster, mit dem er in
inniger Verbindung stand, mehrere ketzerische Schriften, angeblich
freilich ohne Wissen des zufällig abwesenden Besitzers, in seiner
Offizin gedruckt wurden. Über seine religiöse Überzeugung herrschte
bereits lange einiger Zweifel, er verstand es jedoch so gut, sich
wenigstens äusserlich als guter Katholik zu geben, dass er allen
drohenden Gefahren entging.
Plantins Druckerthätigkeit blieb eine sehr grosse. Ruelens und
Backers Annalen zählen von ihm 1031 Druckwerke auf, obwohl umr a n ß von
viele Bibelausgaben und Missalen nicht mit angeführt sind. Mit dem tigkeit.
Missale Romanum von 1522 fängt eine Reihe von prachtvollen
liturgischen W'crken an, durch welche die Plantinsche Druckerei sich
langezeit auszeichnete.
Die Typen des Plantin halten den Vergleich mit denen seiner
Zeitgenossen, Aldus Manutius und Heinr. Stephanus, vollkommen Schönheit sein«
aus. Seine Cursiv ist besonders elegant und nicht so schreibschrift-
ähnlich, wie die Aldinische. Die Antiqua ist etwas derb und breit,
jedoch für das Auge gefällig, leicht lesbar und den Schriften des
Stephanus vollständig ebenbürtig. Die griechischen Schriften sind
schöner als die des Aldus. Zu loben ist ferner die Genauigkeit des
Gusses, einschliesslich des Durchschusses und der Quadrate. Die
ganze Disposition der Titel, der Schriftkolumnen und der Vignetten
zeigt Geschmack und Verständnis.
Das erste, 1555 angenommene Druckerzeichen Plantins war ein
Baumstamm, um welchen sich ein Weinstock schlingt, mit zwischen piantin^ Druck -
den Zweigen herabhängenden Trauben. Ein Weinbauer ist beschäftigt
die schlechten Zweige abzuschneiden. Als Umschrift liest man
Excerce Imperium et ramos compesce fluentes x . Als Zeichen bedient
er sich von 1558 ab des Zirkels, von einer Hand aus den Wolken
geführt, mit der Inschrift : „Labore et co/istantia u . Zwei allegorische,
schildhaltende Figuren versinnlichen des weiteren den Gedanken,
worauf der Zirkel schon hinweist : der feste Teil desselben deutet
auf die Beständigkeit in dem einmal Vorgenommenen ; der beweg-
liche auf die rastlose Arbeit.
») Abgebildet auf der Schlussseite von Ruelens , Annales.
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DIE NIEDERLANDE.
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Plantin starb am i. Juli 1589, 75 Jahre alt. Sein letztes Werk
Plantin» Tod. war der I. Band der: Annales ecclcstiastici Ccesaris Baroni Sorani.
Nach seinem Tode übernahm Rapheling dis Leydener Ge-
Dic Nachfolger schäft. Beys behielt die Pariser Filiale und Moretus die Antwerpener
Ptuitini«
Offizin, deren Leitung er schon seit zwei Jahren besorgt hatte.
Johannes Moretus besass keine tiefergehenden Kenntnisse,
verstand es aber die Verbindungen mit den vielen Gelehrten auf-
recht zu erhalten. Als im Jahre 1592 die Vulgata in Rom gedruckt
wurde, erhielt er durch päpstliches Breve vom 11. März 1597 für
zehn Jahre das Alleinrecht, jenseit der Alpen das Werk zu drucken
und zu verbreiten, unter der Verpflichtung, die grösste Sorgfalt auf
Korrektur und Druck zu verwenden und durchaus keine Ände-
rungen vornehmen zu lassen.
Unter der Leitung von dem Sohne des Johannes, dem gelehrten
Bahha«r Mo- BALTHAZAR MORETUS, nahm die Plantinsche Druckerei noch durch
rctus.
lange Zeit eine hochangesehene Stellung ein. Gegen die Mitte des
XVII. Jahrhunderts jedoch schwand die Bedeutung mehr und mehr,
und mit dem Beginn des XV III. Jahrh. war der geschäftliche Glanz des
Hauses erloschen. Äusserlich wurde jedoch alles mit grosser Pietät
in dem alten Stand gelassen und das Haus mit allen seinen reichen
Sammlungen, welche es, von dem grossen Publikum ungekannt und
selbst für Auserwählte nur schwer zugänglich, umfasste, sorgfältig
erhalten. Da wurden seitens der Verwaltung der Stadt Antwerpen
Verhandlungen über die Erwerbung dieser typographischen Schatz-
kammer angeknüpft. Nachdem der Graf von Flandern die Initiative
ergriffen hatte, zeigte sich die Staatsregierung geneigt, einen wesent-
lichen Anteil der Kosten auf sich zu nehmen, der aber später sehr
zusammenschrumpfte. Schliesslich wurde i. J. 1875 ein Vertrag
abgeschlossen, nach welchem das Haus und die Sammlungen für
1 200 000 Franken , von welchen der Staat die 200 000, die Stadt
die 1 000 000, zahlte, in den Besitz der letzteren überging. Hiermit
ist ein wahres graphisches Museum für alle Zukunft erhalten,
welches mit jedem Jahr, das uns ferner von der früheren Geschäfts-
weise rückt, an Wert gewinnt. Es ist geboten, demselben in einer
Geschichte der Buchdruckerkunst einige Seiten zu widmen.
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XI. KAP.
DIE NIEDERLANDE
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Das HOTEL PLANTIN, auf dem Freitagsmarkt gelegen, nimmt
die eine Seite desselben ganz ein. Die Facade wurde durch Joh. Das ,.H6tei
_ _ • « 1 . Plantin".
Moretus restauriert, das alte Merkzeichen jedoch erhalten. Hat man
die Thorschwelle überschritten, befindet man sich in einem Vestibüle Das VestiMc.
mit vier Eingangsthüren, zwei rechts, zwei links, während eine
gut erhaltene Glasthüre das Vestibüle von dem Hofe abschliesst.
Eine besondere Zierde des ersteren ist das Medaillonporträt des
Balthazar Moretus, darüber ein Adler, in der linken Klaue einen, zu
dem Wappen der Moretus gehörenden, Stern haltend.
Der Hof bildet ein grosses Viereck, von dessen vier Seiten
drei ihr ursprüngliches Aussehen ganz behielten. Das Hauptgebäude Der Hof.
besteht aus einem Erdgeschoss und zwei Etagen; der rechte Flügel
aus zwei Etagen und einem Bogengang, der sich auch unter die
Hälfte des Hintergebäudes erstreckt, das ganz von den Zweigen und
Blättern eines dreihundertjährigen Weinstocks, zwischen welchen
die mit Blei eingefassten Fensterscheiben sichtbar werden, überdeckt
ist. Der linke Flügel, aus neuerer Zeit stammend, besteht aus
Einer Etage. Büsten von Plantin, Johannes, Balthazar und Joh.
Jak. Moretus, Just. Lipsius u. a. zieren die Facaden. Der ganze
Hof übt in seiner Abgeschlossenheit einen besonderen Reiz aus,
es ist, als könne von aussen keine Störung hier hineindringen.
Nichts Verunstaltendes, nichts Zerfallenes, wennauch die Zeit dem
Gemäuer ihr Gepräge aufgedrückt hat j man fühlt sich um Jahr-
hunderte zurückversetzt.
In der Werkstätte findet sich der Apparat für 20 — 25 Setzer vor.
Die Setzkästen sind noch gefüllt, die Tenakel stehen noch darauf be- Der setzcrsaai.
festigt. Die Kästen sind nicht so hoch angebracht, wie bei uns, man
arbeitete sitzend, und die Sessel stehen noch in den Gassen ; an den
Wänden hängen die Kolumnenschnuren. Es ist, als wäre die Arbeit
nur von der üblichen Mittagspause unterbrochen und als müsste
sie baldigst wieder begonnen werden.
Im Hintergrunde des Zimmers liegen auf verschiedenen Tischen:
Linien in allen Grössen, Schiffe mit noch nicht umbrochenem Satz,
Durchschuss u. dgl. Die hintere Wand ist von Aufsätzen mit Reg-
letten und Keilen eingenommen. Zwei zum Druck fertige Formen
lehnen an der Wand. Auch ein Stoss Papier steht noch da. An
der linken Langseite sind sieben hölzerne Pressen aufgestellt.
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DIE NIEDERLANDE.
XI. KAP.
Durch zwei kleine Räume, von denen der eine das Arbeits-
los Zimmer der zimmer des Just. Lipsius war, der andere die Revisionsbogen von
verschiedenen Werken in bester Ordnung enthält, kommt man in
das Zimmer der Korrektoren , ein längliches Viereck und einer der
grössten Räume des Hauses. Alles steht noch auf seinem alten
Platze, alles spricht von den grossen Arbeitern, deren Namen
mit dem Ruhme des Hauses Plantin verbunden sind, und die hier
viele Jahre in rastloser Wirksamkeit zugebracht haben. Zur Rechten
steht eine enorme Truhe, gefüllt mit Briefen, Korrekturbogen,
Manuskripten, weiter das Pult der Korrektoren, ein Meisterstück
der Holzschnitzerei. Eine Seite desselben lehnt an der Mauer.
An zwei Seiten sind Sitze mit hohen Rücklehnen und reichen Bild-
schnitzereien auf einem Podium angebracht, so dass man eine Stufe
hinaufsteigen muss. Unter dem Pult befinden sich viele Fächer.
Zwei mächtige Repositorien enthalten eine grosse Anzahl von
Kästen, jeder derselben trägt den Namen einer der Städte, mit
welchen Plantin Verbindungen unterhielt, und umschliesst die Aus-
hängebogen der in Arbeit befindlichen Werke aus dieser Stadt
und die darauf bezügliche Korrespondenz. Der übrige Wandraum
ist mit Wandschränken und Regalen ausgefüllt, welche Pakete
mit Vorratsschriften und Defekten zu den in Gebrauch befind-
lichen Schriftsorten enthalten; durch alles geht der Geist der
genauesten Ordnung.
In dem obern Stock ist die Bücherstube für das Trocknen, das
Bücherstube. Abpressen und Komplettieren der Bücher. Hier steht auch ein
Schatz von hohem Wert, ein Schrank, dessen Kästen eine bedeu-
tende Anzahl, mit grösstcr Akkuratesse geordneter Geschäfts- und
Schriftgiesserei. Familienbriefe bergen. Die Schriftgiesserei nimmt zwei Räume ein ;
der eine für das eigentliche Giessen bestimmt, der andere für das
Schleifen, Fertigmachen und Verpacken. Auch das Firniskochen
wurde hier besorgt. Ferner zeigt man eine Bronziermaschine. In
diesen Räumen steht ebenfalls alles da, als ob die Arbeit eben auf-
gehört hätte. Das Handwerkszeug hängt an den Wänden, die
Giessöfen enthalten Reste von flüssig gewesenem Metall. Probe-
pakete, Stempel, Instrumente liegen umher. Auch einige silberne
Buchstaben finden sich vor, jedenfalls Resultate von unpraktisch
befundenen Versuchen, Typen aus diesem Metall zu formen.
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XI. KAP
DIE NIEDERLANDE.
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Die grosse Bibliothek (es giebt auch eine kleine) ist ein läng-
liches Viereck, dessen Wände, soweit sie nicht durch die Fenster Die Bibliothek,
unterbrochen werden, mit Regalen bedeckt sind. Durch die ganze
Länge des Zimmers zieht sich ein Doppelpult, unten mit Fächern
versehen. Hier lagern Bücher, Zeichnungen, Stiche nach Rubens,
Teniers, van Dyck, Jordaens u. a., fast alle in den ersten Abdrücken
vor der Schrift. Ein Album umfasst mehr als vierhundert Hand-
zeichnungen der grossen Meister, darunter elf Rubens. Dreiund-
dreissig Familienporträts vollenden den Schmuck des Raumes.
Selbstverständlich bilden die Plantinschen Drucke einen wich-
tigen Bestandteil der Bibliothek, sie sind jedoch nicht ganz vollzählig.
Die Zahl der Manuskripte kann man auf 200 anschlagen. Von
Inkunabeln sind gegen 60 vorhanden. Die Zahl der sonstigen
Bücher wird auf 9000 geschätzt, darunter eine auserlesene Samm-
lung von Missalen, Breviarien u. dgl.
Eine typographische Kuriosität ist ein Band, welchen Johann
Moretus 1576 Plantin gewidmet hat, der eine Sammlung der Titel
von allen bei Plantin bis zum Jahre 1576 gedruckten Büchern ent-
hält, gewiss ein interessantes Musterbuch für Typographen. Von
noch grösserem Interesse dürfte das Studium des Journals des Hauses
und der Hauptbücher aus drei Jahrhunderten, 1566 bis 1865, sein.
Mit letzterem Jahre hörte die Thätigkeit des Hauses auf, die bereits
früher auf ein Minimum reduziert war.
Ferner sind noch aufbewahrt: die Messabsatz-, die Arbeits-
und die Buchbinderbücher , Kataloge der verschiedensten Art, so- DieSdmftstückc
und Andere Sei-
wie die Korrespondenz-Brouillons, geeignet Licht über manches zu tenheiten.
werfen, was jetzt dunkel ist. Die Zahl der Holzstöcke beträgt min-
destens 15 000 ; die der Kupferstiche 7 bis 8000. Von den kost-
baren Porträts aus den Meisterhänden Rubens', van Dycks und
anderer, den prachtvollen Meubeln, den seltenen Porzellanstücken
und von vielen anderen Kostbarkeiten wollen wir hier nicht reden.
Abgesehen von diesen, bietet das Plantinsche Museum in typogra-
phischer Hinsicht ein so ungemeines Interesse, dass die typogra-
phische Welt sich zu der Opferwilligkeit der Bürgerschaft der
Stadt Antwerpen Glück zu wünschen hat, welche diese Schätze
der Zukunft erhielt.
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DIE NIEDERLANDE.
XI. KAP.
Eine zweite bedeutende Druckerfamilie war die der Blaeu in
Die Familie Amsterdam. Wilhelm Blaeu 1 , geboren zu Alkmar im Jahre 1 571,
legte sich auf Astronomie und war ein Schüler und Freund des
berühmten dänischen Astronomen Tycho de Brahe (S. 155). Blaeus
Hauptthätigkeit war der Herausgabe astronomischer und Karten-
Werke gewidmet. Selbst ein tüchtiger Mechaniker, richtete er seine
Aufmerksamkeit auf die Vervollkommnung der Druckpressen, deren
neun, von verbesserter Konstruktion und nach den neun Musen
benannt, in seiner Offizin aufgestellt waren. Die Verbesserungen
bezogen sich namentlich auf den elastischen Zug. Blaeu starb am
2 1 . Okt. 1638 und sein Sohn Johann (geb. 1 596} setzte die Druckerei
fort, zuerst in Verbindung mit seinem Bruder Cornelius, von 1641 ab
allein. Im Jahre 1663 lieferte er einen prachtvoll ausgeführten Atlas
in zwölf Grossfoliobänden, dem mehrere ebenso grossartige Werke
folgten. Seine Offizin galt für die bedeutendste und schönste Europas,
sie beschäftigte regelmässig über 40 Arbeiter namentlich mit dem
Druck grosser Werke, mit Karten und Illustrationen, für deren Her-
stellung er einen besonderen Ruf hatte. Am 22. Febr. 1672 brannte
die Offizin gänzlich ab. Die strenggläubigen Protestanten erklärten
dies für ein Strafgericht des Himmels, weil Blaeu viele Breviarien
und Missalen Tür die Papisten druckte. Er starb am 28. Dezember
1673 und wurde von seinen Söhnen Peter und Johann gefolgt.
Es bleibt noch die berühmteste der holländischen Buchdrucker-
Der Stammvater familien, die, wenn von den Leitsternen der Typographie die Rede
ist, gewöhnlich mit den Geschlechtern des Aldus und des Stephanus
zusammen genannt wird.
Ludwig Elzevier, der Stammvater des berühmten Ge-
schlechts, ist zu Löwen in Brabant um das Jahr 1 540 geboren. Aus
den Arbeitsbüchern des Plantin geht hervor, dass ein Buchdrucker
Johann aus Löwen mit dem Beinamen Heisevier bei ihm von 1 565 —
1 588 arbeitete. Ob dies Ludwigs Vater war, ist nicht ermittelt, doch
ist es nicht unwahrscheinlich, da Ludwig sich schon in jüngern
Jahren in Antwerpen aufhielt und ihm dort zwei Kinder Matthias
(1564) und Ludwig (1566) geboren wurden. Die Mutter derselben
1 P. J. II. Baudet, Leven en Werken van W. J. Bläu. Utrecht 187 1.
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DIE NIEDERLANDE.
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hiess Mayke (Marie) Duverdyn. Die Hypothese in Bezug auf Lud-
wig Elzeviers Vater gewinnt dadurch an Wahrscheinlichkeit, dass
Ludwig, der die Buchbinderei übte, von Plantin beschäftigt wurde,
der, selbst früher Buchbinder, sich der Buchdruckerei und dem
Verlagshandel mit so grossem Erfolge gewidmet hatte 1 .
Antwerpen war, wie schon erwähnt wurde, der Herd der refor-
matorischen Bewegung in den Niederlanden geworden, von welcher Lage der Prote-
auch Elzevier ergriffen wurde. Die scharfen Edikte des Kaisers
Karl V., welche Todesstrafe für den Anschluss an eine sektiererische
Verbindung feststellten, waren noch in Kraft, wenn sie auch unter
der milden Regierung der Statthalterin Margaretha von Parma
nicht so gefährlich waren. Die Lage änderte sich jedoch, als
König Philipp IL dem Herzog von Alba (1567) mit dem Auftrag
sandte, durch Feuer und Schwert jede Spur der Ketzerei zu ver-
tilgen. Tausende von Familien verliessen den heimatlichen Herd;
auch die Ludwig Elzeviers gehörte zu diesen und zog nach Wesel,
wo zahlreiche Emigranten sich zusammengefunden hatten und von
wo eine thätige Propaganda ausging. Viele Bücher und kleinere
Schriften reformatorisch-agitatorischen Inhalts in vlämischer Sprache
wurden dort gedruckt und von dort aus verbreitet, so dass Elzevier
als Buchbinder auf Beschäftigung rechnen konnte.
Wie man über seinen Aufenthalt in Antwerpen hauptsächlich
aus den Geburtsscheinen seiner Kinder Positives weiss, so auch über
seine Existenz in Wesel und später in Douai. In Wesel wurde sein
dritter Sohn, Aegidius; in Douai Justus und Arnold geboren. Nach
seinem Vaterland ist er jedenfalls erst nach der Übernahme der
Regentschaft durch Louis de Requesens i. J. 1574 zurückgekehrt,
und mag wohl nur, weil in Antwerpen schon verdächtig, Douai vor-
gezogen haben, das seit 1462 eine wallonische Universität besass,
die Philipp II. als Gegengewicht zu den Universitäten in Genf und
Paris mit ihrer freieren religiösen Bewegung errichtet hatte, so dass
ein Buchbinder auch hier auf Erwerb rechnen durfte. Der Friede
zu Gent, 1576, schien den religiösen Wirren ein Ende machen zu
1 Ch. Pieters, Annales de rimpr. elzeviriennc. 2. Ausg. Gent 1858. —
A. DE Reume, Recherches historiques. Brüssel 1847. — Minzloff, Les Eluevir etc. de
Petersbourg. 1862. — Ch. Fr. Walther, Les Elzcvir etc. de St. Petersbourg. 1864. Ein
Hauptwerk ist: Alphonse Willems. Les Elzcvir. Histoire et annales typographiques.
Brüssel 1880.
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wollen; als sich jedoch die wallonischen Provinzen 1579 wieder unter
das Joch Spaniens begaben, zogen die Protestanten, unter diesen
Elzevier, wieder aus, letzterer nach Leyden, damals, nächst Amster-
dam, die volkreichste Stadt Hollands, wo der Handel blühte und
die von Wilhelm von Oranien begründete Universität einen raschen
Aufschwung nahm.
Elzevier fand, als er 1580 mit seinen fünf Söhnen und einer
Ludwig Elzevier Tochter Marie nach Leyden kam , eine Stütze bei den vielen emi-
w Leyden. L an( j s lcuten. Im übrigen kann er nicht ganz ohne Mittel
gewesen sein, denn er erwarb bald zwei Häuser, von denen das
eine auf der „Rapenburg", in der Nähe der Universität gelegen war.
Dass er für letztere beschäftigt war, beweisen viele Rechnungen.
Die günstige Lage im Zentrum der Gelehrsamkeit veranlasste ihn den
Buchhandel anzufangen, der bald einen ziemlichen Umfang genom-
men haben muss, wie man aus einem unerfreulichen Zusammenstoss
mit Plantin erfährt. Elzevier war diesem für gelieferte Bücher 1270
Gulden schuldig und musste 1583 vor Gericht erklären, dass Plantin
berechtigt sei, sich an seine beiden Häuser zu halten, wenn Zahlung
in den übereingekommenen Terminen nicht erfolgen würde.
Elzevier hatte Gelegenheit gehabt, verschiedene bibliopolische
Elzcvicr wird Erwerbungen für die Universität in einer für diese vorteilhaften
Pedell. .
Weise zu machen, was auch Anerkennung fand, so dass er am
30. September 1586 zum Pedell mit 72 Gulden Gehalt ernannt
wurde. Noch mehr sollte ihm aber die Gunst der Universität in
indirekter Weise zustatten kommen. Elzevier konnte die oben er-
wähnten Verbindlichkeiten gegen Plantin nicht erfüllen und er
musste seine Häuser diesem überweisen. In dieser Not richtete er
das Gesuch an den akademischen Senat, auf dem Grund und Boden
der Universität einen Laden errichten zu dürfen, weil es sehr zum
Nachteil der Professoren und Studierenden gereichen würde, wenn
er seinen Laden weit weg von der Universität verlegen müsste.
Das Gesuch Elzeviers wurde zugestanden \ bis 1 595 besass er den
Laden ganz umsonst, von da ab musste er 75 fl. Miete bezahlen.
Dieser Laden war die Wiege des Glanzes der Elzeviere, jedoch
hatte Ludwig noch lange mit Sorgen zu kämpfen. Erst das Jahr
1 594, in welchem er Bürger von Leyden wurde, scheint den Wende-
punkt zum Günstigen gebildet zu haben.
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XI. KAP.
DIE NIEDERLANDE.
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Seinen ältesten Sohn Matthias nahm er um 1590 als Teil-
nehmer auf, später den zweitjüngsten Bonaventura; der zweite Ludwigs Kinder.
Ludwig ging als Buchhändler nach dem Haag, der vierte Justus
nach Utrecht. Der dritte AEGIDIUS erscheint nur vorübergehend
in dem Haagcr Geschäft, seine übrigen zwei Söhne, Arnold und
Adrian, gehören so wenig wie seine zwei Töchter der Geschichte
der Buchdruckerkunst an.
Von seinen Verlags werken erschien das erste 1 592 ; nach 1 594
folgten sie in ununterbrochener Reihe. 1 595 wendete er zum ersten sein \ e ^ 3 R u "J
male das Insigne an: den Adler auf einer Säule, in den Klauen das
Bündel mit sieben Pfeilen haltend und mit der Umschrift : Concordia
res parva crescunt, wie bekannt die Devise der holländischen
Republik. Um diese Zeit fangt auch sein regelmässiger Besuch
der Frankfurter Messen an. Ludwig begriff sehr wohl, dass die
Erzeugnisse des Geistes nicht auf den heimischen Markt sich be-
schränken konnten und suchte den ausländischen Markt auf. Er
selbst war viel gereist und Hess auch seinen Sohn Bonaventura noch
jung auf Reisen gehen. Seit 1601 besuchte er regelmässig zwei-
mal jährlich die Frankfurter Messe, wo er ein besonderes Depot
hatte, ohne sich durch die damals mit solchen Reisen verbundenen
vielen Mühseligkeiten und Gefahren abhalten zu lassen. Als die
Buchmesse sich mehr und mehr nach Leipzig zog, folgte Elzevier
dem Strom doch nicht, sondern fuhr fort, Frankfurt zu besuchen,
wo er fast das Monopol für Versorgung Deutschlands mit aus-
ländischer Litteratur hatte. Mit Paris unterhielt er ebenfalls regel-
mässige Verbindungen, obwohl der Verkehr dort mancherlei
Beschränkungen unterworfen war.
Der Umfang seiner Geschäfte und das Zutrauen der Autoren
zu ihm stiegen fortwährend. Nicht wenige der letzteren übergaben
ihm ihre Werke in vielen Exemplaren zum Debit. Wenn deshalb
sein Name öfters in Verbindung mit dem eines anderen Verlegers
auf einem Titel vorkommt, so ist daraus nicht zu schliessen, dass
es sich um eine Association handelte, sondern, dass ein Verleger
ihm den Debit eines Werkes für das Ausland übertragen hatte.
Bei seiner grossen Thätigkeit im Vertrieb war er nicht immer
gar zu wählerisch in den Mitteln. Er kaufte öfters liegengebliebene
Auflagen und versah sie, unter Benutzung seiner Firma, mit neuen
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DIE NIEDERLANDE.
XI. KAP.
Geschäftliche] Titeln; manchmal wurden einige Seiten neu angedruckt oder zwei
Maiupuiauon. ß änc j e j n e j nen verbunden, und dann solche als neue Ausgaben
versandt. Kurz, es wurden verschiedene, auch noch heute im Buch-
handel übliche Mittel angewendet, die man nicht gerade als Unrecht
bezeichnet, die aber doch auch nicht zu den ganz soliden zählen.
Dass sein persönlicher Charakter ein ehrenwerter war, dafür
sprechen das grosse Zutrauen und die Auszeichnung, welche ihm
von den Gelehrten, seinen Geschäftsfreunden und seinen Mitbürgern
entgegengetragen wurden.
So war der Name Elzevier, noch ohne Hinzutreten des Ele-
ments, welches seinen eigentümlichen Ruhm begründen sollte, der
Typographie, ein sehr gut renommierter geworden. Ludwig selbst
sollte eine Buchdruckerei nicht besitzen, wohl aber erleben, dass
sein Enkel Isaack, zweiter Sohn des Matthias, eine solche (1616)
erwarb. Noch konnte man nicht auf den künftigen typographischen
Ruhm schliessen, und die Werke, die Ludwig in den verschiedenen
Offizinen ausführen liess, zeichneten sich in Nichts vor hundert
anderen aus, wenn man auch später, als der Nimbus das Haus
umgab, oft versucht hat, einen besonderen Wert herauszufinden, wo
keiner vorhanden war.
Ludwig näherte sich dem Ende seiner Laufbahn, auf die er
Ende Ludwigs, mit Befriedigung zurückschauen konnte. Der unbekannte Hand-
werker war ein durch Europa angesehener Mann geworden. Vier
Söhne hatten den Beruf des Vaters ergriffen; ein Enkel übte die
Buchdruckerei; sie konnten sich in ihrer Wirksamkeit gegenseitig
stützen und ergänzen. Sein neues Vaterland war in seiner Freiheit
anerkannt, es war ihm beschieden, auch seinen religiösen Überzeu-
gungen sich ruhig hingeben zu können.
Doch sollten seine letzten Tage noch in peinlicher Weise eine
Störung erleiden. Ludwig hatte erlangt, dass sein Sohn Matthias
1607 ihm als Vicepedell adjungiert wurde. Am II. Nov. 1616
wurde ein Teil der Universitätsgebäude vom Feuer zerstört und
die Untersuchungsrichter gaben der Nachlässigkeit der Pedelle
allein die Schuld. Matthias wurde seines Amtes enthoben; über
Ludwig wurde der Beschluss noch nicht gefasst. Die Möglichkeit
ist wohl nicht ausgeschlossen, dass dies Ereignis heftig auf ihn ein-
gewirkt hat; Thatsache ist es, dass er gleich zu Anfang des Februar
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XI. KAP.
DIE NIEDERLANDE.
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161 7 starb und am 4. Febr. neben seiner Frau, die ihm schon vor
drei Jahren im Tode vorangegangen war, begraben wurde. Übrigens
wurde Matthias in demselben Jahre wieder in sein Amt eingesetzt, das
er bis zu seinem Tode behielt. 1636 war ihm das Recht zugestanden,
sich durch seinen Schwiegersohn, Peter Caron, vertreten zu lassen.
Nach dem Tode des Vaters übernahmen der älteste Sohn
Matthias und der vorletzte Bonaventura das Leydener Geschäft, Ludwigs sahne,
jedoch bereits am 3. Septbr. 1622 übertrug der erstere seinen An-
teil auf seinen ältesten Sohn ABRAHAM.
Der zweite Sohn Ludwigs, Ludwig n., wahrscheinlich 1 566
geboren, ging 1 590 als Buchhändler nach dem Haag. Seinen Laden
hatte er in einem grossen Saal des Palais der Generalstaaten, vor-
zugsweise de Zaal genannt, an dessen Wänden Buchhändlerstände
ringsum eingerichtet waren. Mit einer kurzen Unterbrechung in
den Jahren 1 598 — 99 stand er an der Spitze des Haager Etab-
lissements, welches keine grosse Bedeutung hatte, und nur eine
ganz geringe Verlagsthätigkeit entwickelte. Ludwig II. starb wahr-
scheinlich 1621. Das Geschäft erwarb Bonaventura und übergab es
wieder in demselben Jahre an Jacob Elzevier, den dritten Sohn des
Matthias. Jacob zog sich 1636 zurück, ging in Staatsdienst über
und siedelte sich schliesslich in Gensingen im Kurpfälzischen an.
Das Haager Geschäft blieb als Filiale bei dem Leydener. Von
dem dritten Bruder AEGIDIUS weiss man nur, dass er in der
Abwesenheit Ludwigs eine kurze Zeit das Haager Geschäft
besorgte. Er starb als Kaufmann in Leyden 1651.
Der vierte Bruder JUSTUS (geb. 1575) erhielt in Utrecht das
Bürgerrecht als Buchhändler. Von seinen vier Kindern war das
älteste, Ludwig in., der später so berühmte Gründer des Amster-
damer Hauses. Sein Todesjahr ist nicht bekannt. Ein Enkel von
ihm, PETER, trieb kurze Zeit den Buchhandel in Utrecht und ver-
schwand 1675 von der geschäftlichen Bühne. Der fünfte Sohn
wurde Landschaftsmaler, der siebente, Adrian, trat in die Dienste
der Ostindischen Compagnie und wurde 1609 von den Wilden auf
den Bandainseln ermordet.
Bevor wir an die weitere Geschichte des Stammhauses in
Leyden unter Bonaventuras und Abrahams Leitung gehen, müssen
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DIE NIEDERLANDE.
XI. KAP.
wir der Thätigkeit des zweiten Sohnes des Matthias, des Buch-
druckers Isaack, gedenken, die fast ihr Ende erreicht hatte, als die
zuerstgenannten die ihre begannen.
ISAACK war am 1 1 . Mai 1 596 in Leyden geboren. Am 14. Febr.
isaack. Ludwig. 1 6 1 6 verheiratete er sich mit Jaquemine Symons van Swieten, einer
Waise, und wurde wahrscheinlich durch ihr Vermögen in die Lage
versetzt, eine Druckerei erwerben zu können, denn seine grossen
für den Grossvater ausgeführten Druckwerke datieren aus dem Jahre
1617. Isaack fuhr fort vorzugsweise für Matthias und Bonaventura,
später für Bonaventura und Abraham zu drucken. Es finden sich
auch Druckwerke vor, die keine andere Firma als die Isaacks
tragen, doch lässt sich daraus nicht schliessen, dass er als Verleger
und Konkurrent seiner Verwandten aufgetreten wäre, sondern nur,
dass solche Werke im Selbstverlage der Autoren erschienen sind.
Am 9. Febr. 1620 erhielt Isaack die Stellung als akademischer
i«aack. Buchdrucker, in der die Familie bis zu ihrem Ende 1 7 1 2 blieb. Gleich
Buchdrucker, bei der Begründung der Universität Leyden war der Beschluss
gefasst, einen gelehrten, namhaften und erfahrenen Mann zum
akademischen Buchhändler und Buchdrucker zu ernennen. Die
Wahl fiel auf Wilhelm Sylvius, der in Antwerpen mit dem Titel
königl. Buchdrucker etabliert war (1579), Sylvius starb bereits
1580. Sein Nachfolger war der berühmte Christoph Plantin (1 584),
der Antwerpen verlassen hatte, jedoch bald wieder nach dort zu-
rückkehrte. Seine Offizin und sein Amt gingen auf seinen gelehrten
Schwiegersohn, Franz von Rapheling, über; das Amt erbte nach
dessen Tode (20. Juli 1597) der Sohn Christoph, der ihn jedoch
nicht vier Jahre überlebte. Der Senat erwählte nun (1602) Johann
Paedts {Patt u s) zu seinem Nachfolger. Er starb 1620 und das Amt
wurde auf Isaack Elzevier übertragen. Als Universitätsbuchdrucker
war er verpflichtet, eine und eine halbe Presse für den Druck der
kleinen Universitäts-Schriften zur Disposition zu halten. Er hatte
für gute Korrektur und dafür zu haften, dass keine willkürlichen
Änderungen gemacht wurden; die Besorgung der Bücher zur Frank-
furter Messe übernahm er zu festgesetzten Bedingungen. Jährlich
erhielt er eine Entschädigung von 50 Gulden.
Das Universitätsgebäude lag, und liegt noch, in einer breiten,
von einem Kanal, dessen Ufer mit grossen Bäumen bepflanzt waren,
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XI. KAP.
DIE NIEDERLANDE.
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durchzogenen Strasse, der „Rapenburg". Das Gebäude war früher Die Druck««,
ein Nonnenkloster gewesen, die Seitenfront kehrte es nach der
Strasse, daneben lief eine Mauer, in welcher sich der Eingang zu
dem Universitätshof und dem botanischen Garten befand. Das
angrenzende Haus hatte Matthias, Isaacks Vater, am 26. Aug. 1608
gekauft. Als Isaack nun Universitätsbuchdrucker geworden war,
teilte er dem Senat mit , dass er bereit sei , das Haus seines Vaters
zu beziehen, wenn man ihm gestatten wollte, längs seinem Hause
in dem unbenutzten Winkel des Universitätshofes, der dem Ganzen
keineswegs zur Zierde gereichte, ein Atelier anzubauen. Es würde
dies eine sehr grosse Annehmlichkeit für die Professoren und
die Studierenden sein. Man fand den Vorschlag annehmbar und
gestattete Isaack ein Gebäude von 14 Fuss Tiefe, bestehend in einem
Parterre mit einem hohen Dach, zu errichten. Der Eingang für
seine Arbeiter sollte jedoch durch sein Haus sein, und das Hofthor
nur für die Besucher der Universität dienen. Auch hinsichtlich der
Anbringung der Fenster wurden ihm verschiedene Beschränkungen
auferlegt. In diesem bescheidenen Lokal , das jetzt verschwunden
ist, blieb die Druckerei bis zu ihrem Aufhören.
Die Massregel der Universität, Isaack zu ihrem Buchdrucker
zu ernennen, war gewiss eine glückliche, denn durch die Aus- Isaack erwirbt die
führung schwieriger Arbeiten, unter welchen namentlich das ZfoY*-° f ' mnErpc,Mttg "
trum geographia vetcris in Folio, für Rechnung des Buchhändlers
J. Hondius, besondere Erwähnung verdient, hatte er sich bereits einen
guten Namen erworben, und sich auch in anderer Weise, durch
den Ankauf der Buchdruckerei des berühmten Orientalisten Erpe-
nius (Th. van Erpe), klüglich vorbereitet. Nicht damit zufrieden,
die orientalischen Sprachen zu lehren und Werke herauszugeben,
hatte Erpenius eine Druckerei in seinem Hause eingerichtet, die er
selbst überwachte. Nach seinem plötzlichen Tod an der Pest am
13. Nov. 1624 legte die Universität grosses Gewicht darauf, seine
Druckerei für Leyden zu erhalten. Mit dem seinem Geschlechte
eigenen Geschäfts-Instinkt war Isaack den Wünschen der Uni-
versität bereits zuvorgekommen, und hatte alle Stempel, Matrizen
und Schriften des Erpenius erworben.
Als Druckerzeichen nahm Isaack eine Ulme an, die von einem
Rebstock voll Trauben umschlungen wird, daneben steht ein Ein-
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236 DIE N [ED ERLANDE. XI. KAP.
Druckcraeichen. siedler; die Devise lautet: non solus. Der Baum mit dem Reb-
stock deutet dasselbe an, was das Bund mit den Pfeilen ausdrücken
will. Dies Druckerzeichen wurde bis 17 12 benutzt. Ein anderes,
von Isaack verwendetes : ein Palmbaum mit der Umschrift Assureo
pressüy war ursprünglich das Insigne des Erpenius. Im übrigen be-
dienten sich Isaack sowohl als auch Bonaventura und Abraham mit-
unter der Marke des Vaters.
Trotz des günstigen Fortgangs des Geschäfts fasste jedoch
isaack giebt das Isaack den Entschluss, dasselbe aufzugeben, angeblich aus Besorgnis
Geschäft auf.
um die Folgen des langwierigen Krieges in Deutschland. Durch
Vertrag vom 24. Dez. 1625 übergab er die Offizin mit 5 Pressen und
1 Kupferdruckpresse, 10 000 Kilo Schriften, Stempeln, Matern etc.
seinem Bruder Bonaventura und seinem Neffen Abraham für die
Summe von 9000 Gulden, und 2000 Gulden für das Lokal. Im
Februar 1626 legte er auch sein Amt nieder und verliess in den
letzten Tagen des Jahres Leyden, trat in den Marinedienst und hatte
1632 Kapitänsrang. 1648 finden wir ihn in Delft in Association mit
seinen zwei jüngsten Söhnen, um eine Brauerei zu betreiben. Er
starb in Köln am 8. Okt. 165 1.
Wir kehren nun zu dem Stammgeschäft zurück. BONAVEN-
BonavcnmraundTURA, wahrscheinlich so nach dem berühmten Gelehrten Bonaven-
tura Vulcanus (de Smidt) aus Brügge genannt, war 1583 in Leyden
geboren. Sein Vater Hess ihn zeitig Geschäftsreisen machen.
Abraham, in Leyden am 14. April 1592 geboren, war an Stelle
seines Vaters eingetreten. Er hatte in Leyden studiert und sich bei
seinem Bruder Isaack mit der Typographie vertraut gemacht. Am
21. Mai 1621 heiratete er Katharina van Waesberghe, Tochter des
Admiralitätsbuchdruckers in Rotterdam, und kam dadurch in eine
unabhängige Stellung, sodass er sich als Buchhändler etablieren
konnte. Ein Glück für Bonaventura war es, nachdem 1625 die
Druckerei Isaacks ihm noch zugefallen war, einen Mitarbeiter ge-
funden zu haben, der sich namentlich der Buchdruckerei widmete.
In demselben Jahre heiratete Bonaventura Sahra van Keulen,
Tochter des berühmten Gelehrten Daniel Colonius, für ihn ein
doppelter Vorteil, indem er nicht nur in eine sehr angesehene
Familie eintrat, sondern auch in nähere Verbindung mit einer
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grossen Anzahl der bedeutendsten Gelehrten trat, die sich nun
vorzugsweise der Pressen der Elzeviere bedienten.
Dass unter den obwaltenden Verhältnissen die Stellung als
Universitätsbuchdrucker den Elzeviers nicht entgehen konnte, ist
fast selbstverständlich. Man gewährte ihnen das Recht, die alte
Lokalität innezubehalten, und bewilligte ihnen ein jährliches Gehalt
von 100 fl. , das auf 200 und später auf 300 fl. erhöht wurde.
Die nun folgenden 26 Jahre waren die des grössten Glanzes
des Hauses. Das Streben der Associes war von Beginn ab darauf Der ounz de«
Hauses.
gerichtet, sich von dem Alltäglichen zu emanzipieren und ihren Er-
zeugnissen mehr und mehr den Stempel der Vollkommenheit auf-
zudrücken. Schon ihre ersten Druckwerke übertrafen die Isaacks,
und jedes Jahr zeigt einen Fortschritt, sei es in der Schrift, in
der Ornamentierung, oder in dem Druck. Schritt für Schritt
kann man diese Elzeviere auf ihrem Wege zur Vollendung ver-
folgen, bis sie, nach zehn Jahren, Meisterwerke wie ihren Cäsar,
Terenz und Plinius v. J. 1635 hervorzubringen imstande waren.
Ihnen verdankt man die Initiative zu allen den Unternehmungen,
welche den Namen Elzevier zu einem unsterblichen in der Ge-
schichte der Buchdruckerkunst und des Buchhandels gemacht
haben. Im Jahre 1625 begannen sie die Sammlung der kleinen
„Republiken", für welche sie ein Privilegium vom 15. Mai 1626 er-
hielten. 1629 weihten sie die Reihe der lateinischen Klassiker in
dem berühmten Duodez durch den Horaz und den Ovid ein; 1641
die Kollektion der renommiertesten Schriften einer neueren Zeit mit
dem Cid; die Sammlung französischer Klassiker mit Regnier 1642.
Daneben folgten aber auch Bücher in grösserem Formate, darunter
verschiedene orientalische Werke.
Ihren Hauptruhm bilden jedoch die Duodezausgaben der Klas-
siker zu billigen Preisen. Zwar waren solche kleinere Ausgaben Die kleinen Aus-
nicht ohne Vorbild, wir erinnern nur an die „Aldinen", im allge-
meinen war man jedoch bei den grossen Formaten geblieben, bis
mit den Elzevieren die Ausnahme Regel wurde. Die Bändchen,
von den berühmtesten Kritikern und Kommentatoren der Zeit
besorgt, nahmen im Sturm das Publikum für sich ein. Das Oktav-
format blieb nur für die Ausgaben mit vielen Noten und Varianten.
Durch den billigen Preis von 1 fl. als Mittelpreis für einen Band von
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DIE NIEDERLANDE.
XI. KAP.
etwa 500 Seiten steigerte sich der Absatz enorm. Die Durch-
schnittsgrösse der Auflagen ist nicht bekannt, sie muss aber eine
bedeutende gewesen sein.
Übrigens fehlte es nicht an Stimmen, die diese handlichen
Bändchen als eine Herabwürdigung der Gelehrsamkeit bezeichneten
und als eine rein kaufmännische Manipulation verdammten. Trotz-
dem suchten die Gelehrten eine Ehre darin, dass ihre Werke den
Kollektionen einverleibt wurden. Ja, selbst Autoren, deren Schriften
von den Elzevieren nachgedruckt waren, schrieben ihnen verbind-
liche Briefe auf Grund der auf den Nachdruck verwendeten Sorgfalt.
Das Format wurde in ganz Holland und Belgien Standard und auch
von mehren Pariser Buchhändlern angenommen. Bald bemächtigte
auch die Sammelwut sich der kleinen Bändchen. Noch vor Ablauf
des Jahrhunderts wurde von Liebhabern berichtet, die sich das
Allernotwendigste versagten, um eine komplette Elzeviersammlung
zu besitzen.
Mit der Beschaffung des Papiers scheinen die Elzeviere manch-
Papier^und Kor- mal Not gehabt zu haben. Öfters wenden sie französisches an, das
jedoch schon in Frankreich auf Grund der dortigen Abgaben sehr
teuer zu stehen kam, wie viel mehr also im Auslande. Während
des Krieges mit Frankreich war die Einfuhr von Papier ganz ver-
boten und die Elzeviere bezogen grosse Massen aus Deutschland,
klagen jedoch öfters, dass dieses oder jenes Werk nicht recht ge-
fördert werden könne, weil das in Frankfurt bestellte Papier nicht
angekommen sei.
In Betreff der Korrektheit der Elzevier-Ausgaben sind von
einander abweichende Stimmen laut geworden. Viele loben die-
selbe sehr, viele tadeln derb die Inkorrektheit. Der Grund ist nicht
schwer zu finden. Die Elzeviere waren nicht, wie die Aldi, Stephane,
oder wie Badius, Morel, Oporin begeisterte Gelehrte, die im Interesse
der Wissenschaft Typographen geworden waren und einen Haupt-
teil der litterarischen Arbeit auf sich nahmen ; sie waren praktisch-
tüchtige Geschäftsleute, welche die Typographie hochhielten, aber
nicht in der Lage waren, durch ihre persönlichen Kenntnisse zur
Förderung der Wissenschaft beizutragen. Man darf sich nicht von
ihrem Titel „akademischer Buchdrucker" oder von den gut-
geschriebenen lateinischen Anreden in ihren Verlagswerken irreleiten
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XI. KAP.
DIE NIEDERLANDE.
239
lassen; letztere sind Arbeiten ihrer litterarischen Freunde, nament-
lich des Dan. Heinsius. Sie gaben sich alle Mühe, für gute Korrek-
toren zu sorgen, diese waren aber selten; oft mussten sie sich des-
halb in Betreff der Korrektur auf die Verfasser selbst verlassen, die
bekanntlich selten diese Arbeit in befriedigender Weise üben. So
giebt es neben sehr gut korrigierten Ausgaben der Elzeviere auch
fehlerreiche. Im allgemeinen sind ihre lateinischen Klassiker sorg-
sam korrigiert, der Virgil von 1676 gilt sogar als ein nicht leicht
zu erreichendes Muster, auch ihre französischen und italienischen
Ausgaben, obwohl Nachdrucke, waren öfters weit korrekter als die
Originale. Viele bekannte Namen fanden sich unter ihren Korrek-
toren nicht vor, berühmte gar nicht.
Als eine Eigentümlichkeit der Elzevicrischen Geschäftsorgani-
sation wurde schon der ausgedehnte ausländische Vertrieb erwähnt, Das ausländische
ö Geschäft.
der bereits von Ludwig begonnen und sowohl (seit 1630) von dem
Leydener als später von dem Amsterdamer Haus in System ge-
bracht wurde.
Die meisten Glieder der Familie begannen ihre Thätigkeit mit
dieser Branche. Selbst nach seiner Association mit Matthias und
Abraham setzte Bonaventura seine Reisen fort; doch nötigten ihn
später die steigenden Geschäfte, diesen Teil der Arbeit dem Neffen,
Ludwig, zu überlassen, bis dieser sich 1638 in Amsterdam etablierte.
Er wurde von Johann, dem ältesten Sohn Abrahams, dieser wieder
von Daniel, Bonaventuras Sohn, abgelöst.
Als letzterer später dem Geschäft Ludwigs in Amsterdam bei-
trat, setzte er seine Reisen für dieses fort.
Über die Depots in Frankfurt, Italien und Paris wurde schon
oben gesprochen. Eine grosse Bedeutung hatte die Verbindung
mit den skandinavischen Ländern. Kopenhagen, der Hauptsitz der
Litteratur im Norden, war gewohnt, sich in Frankfurt zu versorgen.
Als jedoch der Verkehr im 30jährigen Krieg immer schwieriger
wurde, hielten die Holländer mit ihrem merkantilen Genie es für an-
gebracht, die litterarische Versorgung des Nordens zu übernehmen.
Der erste, der den Versuch machte, war der Buchhändler Johann
Jansson aus Amsterdam und der Erfolg war ein so glänzen-
der, dass die dänischen Buchhändler bittre Beschwerden über die
Eindringlinge führten. Eine Merkwürdigkeit war, dass der Buch-
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240
DIE NIEDERLANDE.
XI. KAP
handel dort in den Kirchen betrieben wurde, was erst aufhörte, als
Christian IV. die prachtvolle Börse baute, in deren erstem Stock
eine Menge Detail-Läden, namentlich für den Buchhandel, sich be-
fanden. Hier mieteten Jansson und die Elzeviere Lokale. Ihr
Handel muss ein sehr bedeutender gewesen sein, denn sie Hessen be-
sondere Kataloge drucken, von welchen einer auf uns gekommen ist:
Catalogus omnium librornm, qui hoc tempore in officina Elzeviriana
prostant. Hafnice 1642. Man sieht, es handelt sich um eine voll-
ständige Filiale. Wer sie dirigierte, ist nicht bekannt; die Elzeviere
selbst besuchten jedoch oft Kopenhagen. Nicht weniger gut als
dort waren sie in Schweden angeschrieben , und die für die Wissen-
schaften eingenommene Königin Christine machte ihnen vorteil-
hafte Anerbietungen, um sie zu bestimmen, ein Haus dort zu
gründen. Sie lehnten es ab, dagegen kamen die Verhandlungen
mit Joh. Jansson zustande, der 1647 das Privilegium, eine Druckerei
anzulegen, erhielt (vgl. S. 1 57).
Zu dem Glänze des Leydener Hauses trug jeder der Assoctes
Eigenschaften bei. Bonaventura leitete mit grossem Geschick den bibliopolischen
der Anocies.
und kaufmännischen Teil des Geschäfts, wozu ihn eine sorgfältige
Vorbereitung geeignet machte. Mit ihm verhandelten gewöhnlich
die Gelehrten und die Kunden. Abraham besorgte mit gleicher
Sorgfalt und grosser Hingebung das typographische Departement.
Eine gute Hülfe hatten sie in Ludwig IL, bis dieser selbst sich
etablierte. Eine ganz wesentliche Stütze für das buchhändlerische
Daniel He»a»iu*. Geschäft war der berühmte Gelehrte Daniel Heinsius, der so
eigentlich die Seele der litterarischen Produktion war. Heinsius war
1580 in Genf geboren. In Leyden war er der bevorzugte Schüler
von Jos. Scaliger und später von dessen Nachfolger. Er war ein
Universalgenie, in allen Fächern des Wissens zuhause, zugleich ein
Dichter von gutem Geschmack. Ganz natürlich, dass ein solcher Mann
einen Verleger im Guten sowohl wie im Bösen vollständig beherr-
schen konnte. In beiderlei Hinsicht übte er auf die Elzeviere, speziell
auf Bonaventura, einen grossen Einfluss. Ihm verdanken sie den
Besitz einer Reihe der besten Verlagswerke, bei deren Herausgabe
er ihnen zuhilfe kam, indem er die Einleitungen. und Dedikationen,
mit welchen die Verleger ihre Werke begleiteten, schrieb. Er
war jedoch eine streitsüchtige, egoistische Natur und hielt die
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XI. KAP.
DIE NIEDERLANDE.
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Elzeviere von denjenigen Gelehrten ab , die bei ihm nicht in Gunst
standen.
Bonaventura selbst zeigt sich auch nicht durchweg als liebens-
würdiger Charakter, namentlich scheint er von einem mitunter häss- Tod Abraham»
liehen Geiz beherrscht gewesen zu sein. Nichtsdestoweniger suchte '
man gern eine Verbindung mit den Elzevieren und rühmte ihre
Genauigkeit, Pünktlichkeit und ihren Eifer, sowie ihr warmes
Interesse für ihren Beruf, dem sie einen förmlichen Kultus erwiesen.
Liebenswürdiger als Bonaventura dürfte Abraham gewesen sein,
wenigstens spricht für seine Beliebtheit, dass die Universität nach
seinem Tode, am 14. Aug. 1652, ihm zu Ehren eine goldene
Medaille prägen liess, eine Auszeichnung, mit der sie sehr sparsam
war. Dagegen geschah nichts zu Ehren Bonaventuras, als dieser
einen Monat später, am 17. Septbr. 1652, verschied.
Die Auszeichnung Abrahams fällt um so mehr auf, als schon
1649 Differenzen mit der Universität auf Grund der von den Elze-
vieren angesetzten Preise entstanden waren. Es kam sogar in
Frage, ihnen die Emolumente zu entziehen, während sie ihrerseits
auf Erhöhung derselben antrugen. Bei dem Tode Abrahams und
Bonaventuras war noch nichts entschieden, doch muss ein Ausgleich
stattgefunden haben, denn man bewilligte den Nachfolgern die
bisherigen Emolumente, und so blieb es bis zum Erlöschen des
Hauses 17 12.
Bonaventura vermachte seinem ältesten Sohne Daniel sein
Haus auf der Rapenburg und seinen Anteil an allem, was er in Johann und
Daniel.
Verbindung mit Abraham besessen hatte. Ein Gleiches that
Abraham in Betreff seines Sohnes Johann.
Johann, der älteste Sohn Abrahams aus seiner Ehe mit Katha-
rine van Waesberge, war das einzige von dessen Kindern, welches
der väterlichen Laufbahn folgte. Er war zu Leyden im Febr. 1622
geboren; 1638 wurde er, 16 Jahre alt, nach Paris gesandt, wohl
weniger um sich in der Typographie, als im Französischen zu ver-
vollkommnen und um neue Verbindungen anzuknüpfen oder die
alten zu pflegen. Schon 1643 ist er wieder dort, zum Vertrieb von
Büchern; 1 641 ging er nach Dänemark; 1644 wieder nach Paris.
16
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DIE NIEDERLANDE.
XI. KAP.
1647 heiratete er Eva van Alphen aus Leyden; 1649 etablierte er
sich im Hause des Grossvaters Bonaventura.
Daniel, der älteste Sohn Bonaventuras und der Sarah van
Keulen, war im Aug. 1626 in Leyden geboren. Aus seiner Jugend-
zeit wissen wir nur, dass er 1645 nach Paris ging, um seine Aus-
bildung zu vollenden. Dort blieb er gegen drittehalb Jahre, um dann
in Leyden zu studieren, dabei nahm er jedoch an den Geschäften teil.
Es war eine schwere Last, welche auf den Schultern der jungen
Trennung Männer ruhte. Sie begannen jedoch guten Mutes ihr Werk. Ihre
•anicls von
Johann. Ausgaben der Nachfolge Christi und des Psalters von 1653 gehören
zu den besten Erzeugnissen der Elzeviere. Aber die Aussichten für
die Zukunft waren weniger freundlich, als bisher. Gleichzeitig mit
den Vätern war eine grosse Zahl der gelehrten Freunde und Rat-
geber von der Bühne abgetreten; die Universität befand sich in
einer Krisis ; die Zeiten waren vorbei , wo die Arbeiten ihrer Pro-
fessoren die gelehrte Welt in Bewegung setzten, sie genügten nicht
mehr, um einer Druckerei eine Fülle von Arbeit und Ehre zu
bringen. Dabei war das Verhältnis der jungen Männer zu der Univer-
sität ein nicht ganz ungestörtes. Es fehlte ihnen noch an der nötigen
Erfahrung und Autorität, um glücklich über alle Klippen weg-
zukommen, Eigenschaften, die dagegen der Amsterdamer Ludwig
in hohem Grad besass. Diejenigen berühmten Gelehrten, die durch
Heinsius den Leydener Elzevieren entfremdet worden waren, näher-
ten sich Ludwig; selbst Leydener Gelehrte suchten die Verbindung
mit ihm. Diese Umstände, dazu Johanns schwankender Charakter
werden wohl mitgewirkt haben, um Daniel zu bestimmen aus dem
Geschäft zu treten und sich mit seinem Vetter Ludwig in Amster-
dam zu verbinden. Ein weiterer Grund mag wohl auch seine Heirat
mit Anna Bierninck , Enkelin von seinem Onkel Justus und Nichte
und Mündel Ludwigs, gewesen sein. Er trennte sich nach zwei und
einem halben Jahre von Johann.
Wir werden nun Ludwigs und Daniels Schicksale in
Amsterdam verfolgen, um dann zu dem Leydener Geschäft und
dessen traurigen Ende zurückzukehren.
Der Gründer des Amsterdamer Geschäfts, Ludwig m.,
ältester der vier Söhne des Justus, war 1604 » n Utrecht geboren.
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XI. KAP.
DIE NIEDERLANDE.
243
Früh vaterlos, wurde er, um zu studieren, nach Ley den gesandt, Ludwig m. und
• • /~\ 1 ltr 1 das Amsterdamer
wo er bei seinem Onkel Matthias wohnte und Gelegenheit fand, sich Hau«,
mit Buchhandel und Typographie bekannt zu machen. Durch seine
vielen Reisen kreuz und quer durch Europa hatte er sich vortrefflich
für ein eigenes Etablissement vorbereitet. Er war 33 Jahr alt
geworden; Aussichten auf eine selbständige Stellung in dem
Leydener Geschäft waren nicht vorhanden ; Konkurrenz wollte er
demselben nicht machen. Er wählte deshalb Amsterdam zum Schau-
platz seiner Thätigkeit. Wennauch vorzugsweise Handelsstadt,
war Amsterdam doch durch seine gelehrten Gesellschaften bekannt,
und besass eine Art von Universität in seinem neu errichteten
Athenäum, welches schon berühmte Lehrer zu den Seinigen zählte.
Die Leydener Verwandten hatten nichts gegen das Etablissement
einzuwenden, sie hofften sogar Vorteile durch energische Verbrei-
tung ihrer Artikel seitens Ludwigs zu erreichen und druckten auch
anfänglich mehrere Werke für ihn.
Jedoch Ludwig war der Mann, um ganz auf eigenen Füssen zu
stehen. Kaum etabliert, suchte er die Verbindung mit dem berühm- AufMüheo des
ten Hugo Grotius, der als schwedischer Gesandter in Paris lebte.
Ohne Freigeist zu sein , hatte Ludwig auf seinen Reisen doch in
religiösen Angelegenheiten einen freieren Blick erworben, als seine
Leydener Verwandten , die eine grosse Strenggläubigkeit entweder
wirklich besassen, oder durch die Verbindung mit der Universität
zu zeigen gehalten waren. Er war so recht geeignet, als Verleger
die unabhängigen Geister um sich zu versammeln. Er zählte sogar
zur katholischen Kirche übergetretene zu seinen litterarischen
Freunden, ohne dass dies ihn verhinderte, Schriften zu verlegen,
welche die Katholiken wenig schonten. Seit 1642 druckte er alle
Werke des Cartesius, was auf die volle Unabhängigkeit seines
Charakters deutet, denn man weiss, welche heftigen Angriffe der
Autor seitens der holländischen Theologen auszustehen hatte,
sodass es in Leyden sogar verpönt war, den Namen Cartesius
zu nennen. Auch die Werke der Schüler und Anhänger des-
selben gab Ludwig heraus, ebenso die Schriften der französischen
Jansenisten.
Jedenfalls lag es gleich von Beginn ab in Ludwigs Absicht,
eine Druckerei anzulegen. Im Jahre 1640 besass er eine solche, wenn-
i6<
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DIE NIEDERLANDE.
XI. KAP.
auch nach einem beschränkten Massstabe, denn seine Mittel waren
nicht bedeutend. Er Hess sowohl bei seinen Verwandten, wie bei
anderen Kollegen, namentlich bei Fr. Hackius in Leyden drucken,
der von allen Buchdruckern den Elzevieren am nächsten stand,
um so mehr als ein Sohn des Hauses Hackius, Cornelius, mit
Margaretha Elzevier, Schwester von dem in Utrecht als Buchhändler
etablierten Peter und Nichte Ludwigs, verheiratet war.
Es dauerte nicht lange, so stand das Amsterdamer Geschäft
dem Leydener gleich. Von 1640 — 45 kamen 219 Verlagsartikel
heraus. Die Geschäfte wuchsen so rasch, dass es Ludwig nicht
immer möglich war, die nötige Ordnung und Pünktlichkeit zu zeigen;
er sah sich deshalb nach Hülfe um. So wurde die Association
mit Daniel am 1. Mai 1655 abgeschlossen. Bei dieser Gelegenheit
gingen eine Menge Verlagsartikel des Leydener Geschäfts auf
Daniel über und von dieser Zeit an begannen auch die Amsterdamer
Pressen, die berühmten Duodeze zu reproduzieren, auf welche das
Leydener Geschäft bis jetzt faktisch das Monopol gehabt hatte.
Die Zahl der von Ludwig und Daniel , während eines neunjährigen
Zusammenwirkens, herausgegebenen Werke beträgt gegen 150;
auch der Anfang ihres Hauptwerkes, der grossen Bibel von
Desmarest, stammt aus dieser Zeit.
Als Zeichen bedienten sie sich der Minerva mit der Aegide,
Druckcrzeichen. dem Ölzweig und der Eule und mit der Devise Ne extra oleos. Der
Gedanke der Devise ist dem Wettrennen der Alten entlehnt, bei
welchem das Ziel durch eine Reihe von Ölbäumen bezeichnet war.
Die Warnung: „nicht über die Ölbäume hinaus", heisst also soviel
als: „Halte dich innerhalb der richtigen Grenzen, und schiesse nicht
über das Ziel hinaus".
Das Geschäftslokal war „opt Water in den Olm-boom*. Diese
Geschäftslokal. Bezeichnung „Auf dem Wasser" hatte ein Hauptquai in Amsterdam,
wo vorzugsweise die Lokale der Buchhändler und Buchdrucker
sich befanden. Die Elzcvicrc bewohnten dort nach und nach ver-
schiedene Häuser; wenn sie nichtsdestoweniger als „in der Ulme"
wohnhaft fort firmierten, so ist dies durch die Sitte erklärlich, die
Häuser nicht nur nach den , von dem Besitzer über den Thorweg
in Stein gehauenen Emblemen, sondern auch nach den beweglichen
Schildern der gewerbetreibenden Bewohner zu bezeichnen.
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XI. KAP. DIE NIEDERLANDE. 245
Im Jahre 1664 zog sich Ludwig zurück, und lebte auf seinem
schönen Landsitz, welchen er halbwegs zwischen Amsterdam und Ludwigs Tod.
Utrecht besass. Sein Name findet sich fernerhin nur auf der Bibel
Dcsmarests, welche 1669 in 2 Bdn. in Folio vollendet wurde. Sie
war bei dem Ausscheiden Ludwigs Gegenstand eines besonderen
Übereinkommens unter den Associes geblieben. Ludwig starb 1670
in Leyden, infolge eines Beinbruchs.
In allen Angelegenheiten der Familie war Ludwig stets als das
Oberhaupt betrachtet worden, und er hatte gesucht, ihr Interesse,
• wo er konnte, wahrzunehmen. Seine Rechtschaffenheit und Einsicht
wurden überall anerkannt. In seinem Testament zeigt er sich als
einen durchaus noblen Mann, sowohl gegen Andere, als auch gegen
seinen Associe. Es sollten alle Rechnungen mit ihm ohne irgend
eine Revision geordnet werden. Es war ihm freigestellt, die Artikel
zu den Druck- und Papierkosten ohne Zinsen und sonstige Lasten
zu übernehmen, und die daraus entstehende Schuld erst in langen
Terminen unter 4% Verzinsung zu zahlen.
Die Weiterführung des ausgedehnten und vielseitigen Geschäfts
war für Daniel mit seinen alleinigen Kräften eine schwere Aufgabe, Daniels weitere
wozu die grösste Energie notwendig war. Hierzu kamen noch
ungünstige Zeitverhältnisse. Kurz nach der Übernahme brach der
Krieg mit England aus, der zwei Jahre (1665—67) mit wechselndem
Kriegsglück, aber unter fortwährender Hemmung der Geschäfte,
dauerte. Daniel nahm deshalb Jakob Zetter in sein Geschäft, der den
buchhändlerischen Teil sehr gut leitete. 1 669 fesselte er den jungen
Heinr. Wetstein, der bestimmt war, selbst einen bedeutenden
Platz in der niederländischen Typographie einzunehmen, an sich.
Wetstein war 1649 in Basel geboren, wo sein Vater Professor der
griechischen Litteratur war. Er hatte eine vortreffliche wissenschaft-
liche Erziehung genossen, aber sein Trieb zur Typographie war
ein unwiderstehlicher. Am besten glaubte er seinen Zweck in
Holland zu erreichen, trat daher mit seinem 20. Jahre bei Daniel in
die Lehre und blieb 7 Jahre bei ihm. 1676 verheiratete sich Wet-
stein und etablierte sich dann als Buchhändler. Er war mit Zetter
zusammen dem Hause Elzevier von grossem Nutzen. Daniels Buch-
handlung hatte vorher nur aus Verlags- oder Kommissionsartikeln
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246 DIE NIEDERLANDE. XI. KAP.
bestanden; jetzt fügte Wetstein ein vollständiges Sortiment neuer
und alter Bücher hinzu. 1674 gab Daniel, durch Wetstein unter-
stützt, seinen grossen Lagerkatalog, über 20 ooo Werke enthaltend,
heraus.
In den Jahren 1667— 1672 wurden über 100 neue Werke gedruckt,
daneben die grosse Bibel fortgesetzt. Daniel sammelte, als letzter
der bedeutenden Elzevicre, die ganze Ehre des Namens auf sich und
wurde als einer der Buchdrucker majorum gentium betrachtet. Als
im Jahre 1672 ein grosser Brand einen bedeutenden Teil des
Blaeuschen Geschäfts vernichtete und Blaeu in Verlegenheiten
kam, kaufte Daniel eine Anzahl von dessen Verlagsartikeln. Auch
von Hackius machte er bedeutende Erwerbungen.
Trotz der schweren Zeiten hat man sich also Daniel nicht als
mutlos geworden zu denken, und noch in den Jahren 1675—1680
verliessen 90 Verlagswerke, unter welchen sich einige seiner bedeu-
tendsten Leistungen befinden, seine Pressen.
Da überraschte ihn der Tod mitten unter den Vorbereitungen
Danicu Tod. zu einer Menge neuer grossartiger Unternehmungen. Am 1 3. Oktbr.
1680 unterlag er dem wiederholten Anfall eines heftigen Fiebers,
wie solche in Amsterdam nicht selten auftreten.
Die Verhältnisse waren schwer zu beherrschen. Zwar beab-
Dic Eiievicr- sichtigte die Witwe das Geschäft fortzusetzen, sah aber bald die
Schriften.
Notwendigkeit einer Beschränkung ein. Zuerst kam die Reihe an
die Schriftgiesserei, bei welcher Gelegenheit ein Licht über die
Entstehung der Elzevier -Schriften geworfen wird. Es gelang
dem Herrn Alfons Willems, im Plantinschen Museum in Antwerpen
ein Schreiben von der Witwe Daniels an die Witwe des Balthazar
Moretus aufzufinden , in welchem erstere den Plantins ihre Schrift-
giesserei anbietet, mit 27 Sorten von Stempeln und 50 Sorten
• Matern „ge/naekt ivesende bij Christoffel van Dyck, de beste
meester van sijnen en onsen tijdt, en bij gevolge de beroemste giete-
rije, die ooyt ist geweest* . Beigefügt ist eine Schriftprobe, ein ein-
zelnes Blatt in Plakatformat, mit der Uberschrift: „Proeven van
Letteren die gesneden ziin door Wylen Christoffel van Dyck , soo
als de sehe verkoft stillen werden ten huyse van de Weduwe Wylen
Daniel Elsevier, oft Water by the Papenbrugh, in den Olmboom,
op Woensdagli, den 5 Martii 168 1".
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XI. KAP.
DIE NIEDERLANDE.
247
Zwar ist nur die Rede von den Typen der Amsterdamer,
aber es ist nicht anzunehmen, dass diese nur Plagiate der Leydener
gewesen. Es würde die Witwe Daniels kaum gewagt haben von
van Dyck als von dem ersten Schriftschneider seiner Zeit zu
sprechen, wenn er nur ein Plagiator gewesen Früher hat man die
Schriften der Elzeviere dem Claude Garamond oder den Sanleques
zugeschrieben. Garamond war jedoch bereits 1561 gestorben, auch
zeigen seine Schriften einen abweichenden Charakter. Eher stimmen
die Elzevier -Schriften mit denen Sanleques überein, der ein Zeit-
und Religionsgenosse der Elzeviere war, so dass die Vermutung,
die Schriften stammten von diesem, mehr Wahrscheinlichkeit hatte.
Das Plantinsche Haus nahm das Anerbieten der Witwe Elzevier
nicht an, und die Schriftgiesserei ging nunmehr durch Kauf an Jean Schicksale der
Bos im Hause JOSEHP Athias über. Letzterer war ein spanischer schritten.
Jude, der ein bedeutendes typographisches Etablissement in Amster-
dam besass. Er war namentlich bekannt als Drucker einer Anzahl
von Bibeln in fremden Sprachen, ganz besonders ist seine
hebräische Bibel berühmt, für welche ebenfalls Christoff van Dyck
die Schriften geschnitten hatte, die noch jetzt unter die schönsten
hebräischen Schriften zählen. Als Belohnung für diese Arbeit
erhielt Athias von den Staaten von Holland und Westfriesland eine
goldene Medaille an goldener Kette zu tragen, eine Auszeichnung,
die noch keinem Israeliten zuteil geworden war. Vielleicht hat
Athias seine Dankbarkeit gegen van Dyck, durch Ankauf des
ganzen Komplexes seiner Schriften, zeigen wollen. Sein Etablisse-
ment ging in die Hände von J. J. ScilEPPER über, später an den
Schriftgiesser JOHANN Roman, der die oben erwähnten Proben genau
mit allen Fehlern als Proben seiner Giesserei druckte. Diese kam
1767 an die Brüder PLOOS VAN AMSTEL in Amsterdam und an
JOHANN ENSCHEDE in Haarlem, die den Fond teilten; später ging
das Ganze auf Enschede über. Dieser, ein warmer Bewunderer der
Leistungen des Schriftschneiders Fleischmann, legte übrigens, wie
es scheint, kein grosses Gewicht auf die Schriften von van Dyck.
Die Verhältnisse bei dem Tode der Witwe Daniels im Mai 1681
machten alle Gedanken an eine wennauch beschränktere Fortführung
» Über die Schriften van Dycks vergleiche auch „Spedmen dt J. Enschedi yf/j".
Haarlem 1867.
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DIE NIEDERLANDE.
XI. KAP.
Aufl Ölung des des Geschäfts zunichte. Die Erbschaft konnte von den Beauftragten
Ä r der neun Kinder Daniels nur cum beneficio inventarii angetreten
werden. Die Liquidation fiel jedoch über alle Erwartung günstig
aus und erzielte nach heutigem Geldwerte eine Summe von etwa
einer viertel Million Mark. Die Amsterdamer Verleger hatten sich
längst auf diesen Augenblick gerüstet und kauften mit Begierde die
berühmten Verlagsartikel.
So verblieb nur die Erinnerung an das angesehene Elzeviersche
Haus in Amsterdam. Doch nicht allein der Glanz desselben wurde
mit Daniel zu Grabe getragen, auch der hohe Ruhm der nieder-
ländischen Typographie im allgemeinen war dahin. Fast gleichzeitig
mit Daniel schieden fast alle die grossen holländischen Buchdrucker,
welche die letzte Hälfte des XVII. Jahrhunderts mit ihrem Ruhm
erfüllt hatten. Zwar erstanden aufs neue tüchtige Männer, welche
die typographische Fahne hochhielten, aber die Kette war ge-
brochen, und es gelang nicht, die Glieder wieder zu einem Ganzen
zu vereinigen.
Wir haben nun noch den letzten Blick, der keine Freude
Ende d. Lcvdncr gewährt, dem Leydener Hause zuzuwenden.
Hauses. , , .
Daniels Austritt war ein schwerer Schlag, indes verlor Johann
den Mut nicht. Da er keinen Associe hatte, suchte er helfende
Kräfte zu gewinnen, und es scheint ihm dies durch das Engagement
Karl Gerstekorns gelungen zu sein. Wenn unter den schwie-
rigen Verhältnissen Johann den Senat um Erlaubnis ersuchte, die
Offizin baulich erweitern zu dürfen, so ist dies, wenn es damit über-
haupt Ernst war, nur in der Weise zu erklären, dass er sich auf
die Druckerei allein hat beschränken und diese mit aller Kraft hat
betreiben wollen. Wenigstens mässigt er seine Verlagsthätigkeit
sehr und sucht sein Lager durch Auktionen zu erleichtern. Es ge-
hören immerhin einige seiner Leistungen dieser Zeit, als : de Brebeuf,
Pharsalus und P. le Moyne, Gallerie des femmes fortes , zu den
besten seiner Pressen.
Johann starb, ohne einen Plan für die Zukunft des Geschäfts
gelegt zu haben, am S.Juni 1661, erst 39 Jahre alt. Seine Witwe ent-
schloss sich, die Geschäfte fortzuführen, und erhielt auch die Bestä-
tigung des Verhältnisses zur Universität. Durch Auktionen in den
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XI. KAP.
DIE NIEDERLANDE.
249
Jahren 1659, 1660 und 1661 entledigte sie sich des Leydener Lagers
und der Haager Vorräte. Mit Ausnahme der Fortführung der grossen
holländischen Bibel, die schon während Daniels Zeit angefangen
und bei der er beteiligt geblieben war, scheint sie eigenes Ver-
legen ganz unterlassen zu haben. So ging das Geschäft nach und
nach zurück. 168 1 übergab sie es dem zweiten Sohne Abraham IL,
und starb 1695.
Abraham, am 5. April 1653 geboren, hatte in Leyden studiert
und 1679 den Doktorgrad erworben. 1695 wurde er Schöffe zu Ley-
den. Unter seiner Misswirtschaft verfiel die Druckerei vollständig.
Als nach seinem am 30. Juli 1 7 1 2 erfolgten Tode das Geschäft ver-
kauft wurde, war der Erlös noch nicht 2000 Fl. — Sic transit
gloria mundi.
Es konnte nicht anders sein, als dass der grosse Erfolg der
Elzevierschen Duodezausgaben auch andere Buchdrucker innerhalb Die Nachahmer
der EUeviere.
und ausserhalb der Grenzen der Niederlande zur Nachahmung
anstachelte. Es dauerte nicht volle zehn Jahre nach den ersten
Ausgaben seitens der Elzeviere, bis eine Überschwemmung mit
Nachahmungen derselben eintrat, die oft die Vignetten und anderes
Beiwerk so genau wiedergaben, dass die Entscheidung, ob ein
Buch wirklich den Elzevieren gehörte oder nicht, manchmal eine
sehr schwierige war.
Nach der Druckerei der Elzeviere war in Leyden die
bedeutendste die von Franz HackiüS, die viel für die erstgenannte
druckte, und eine sehr leistungsfähige Offizin war. Um die Mitte des
XVII. Jahrhunderts gab es in Leyden überhaupt 9 Druckereien mit
23 Pressen, darunter keine mit mehr als vier. In Amsterdam waren
die Druckereien nicht so zahlreich, aber sehr tüchtig. Von den
BLAEU hörten wir bereits. Johann Jansson, der nicht dieser Familie
angehörte, druckte von 161 8— 1664 und war besonders als Nach-
drucker bekannt. Fand ein Werk eines ausländischen oder auch
eines holländischen Kollegen Beifall, so war Jansson schnell mit
einem Nachdruck bei der Hand. Er hatte, wie schon erwähnt, eine .
Filiale in Kopenhagen und errichtete eine Druckerei in Stockholm.
Nachdem Johann van Waesberge eine Tochter Janssons geheiratet
hatte, fügte letzterer den Namen des Schwiegersohns dem seinigen
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2$ö
DIE NIEDERLANDE.
XI. KAP.
bei. Nach Janssons Tod assoeiierte sich Waesberge erst mit seinem
Schwager ElisäUS Weyerstraten (1664 — 1667), später mit
dessen Witwe. Von 1669 ab bis zu seinem Tode 168 1 druckte
er allein
Zu den talentvollsten Nachahmern der Elzeviere gehören auch
die Brüsseler Buchdrucker Francois Foppens (gest. 1684) und
Eugene Henry Frix (gest. um 171 5).
Ein sehr geschätzter Buchdrucker, Buchhändler, Kartenstecher
und Geograph war P. van der Aa (gest. 1730). Sein grösstes
Werk, eine Weltgalerie, umfasst 66 Bände. Die berühmte Familie
WETSTEIN wurde schon früher erwähnt.
Nach dem Erlöschen der Familie der Elzeviere ist die der
Die Schrift- ENSCHEDE die bekannteste, namentlich ist ihre Geschichte mit der
der SCHRIFTGIESSEREI in Holland auf das engste verknüpft.
Es wurde schon früher erwähnt, dass Paffroed in Deventer 2
für damalige Zeit sehr schöne nationale Schriften geliefert hatte.
Von da an jedoch machte in den Niederlanden der Schnitt der
gothischen Schrift nur sehr langsam Fortschritte. Dürers litterarische
Arbeiten waren durch seine Reise in den Niederlanden populär und
von Joh. Jansson in Amsterdam sowohl lateinisch als auch (1606)
deutsch mit Frakturschrift gedruckt worden. Die Fraktur fand bei
den Schriftgiessern Aufnahme und Dirk Voskens z. B. lieferte
sie in 14 Graden mit den entsprechenden Schwabacher Schriften.
Wahrscheinlich geschah dies mit auf Antrieb Philipps von Zesen,
der sich um die Mitte des xvil. Jahrhunderts in Amsterdam aufhielt
und eine Anzahl eigener und übersetzter Werke dort und in Leyden
herausgab. Auch verschiedene der grossen illustrierten Reise-
beschreibungen wurden mit deutscher Schrift gedruckt. Es dauerte
jedoch nicht lange, so wurde sie ganz durch die Antiqua und die
Schreibschriften nach französischem Duktus verdrängt.
Die Antiqua erreichte jedoch im allgemeinen nicht die Schön-
heit der Vorbilder. Sie ist in der Regel sehr schmal geschnitten
und eng zugerichtet , hauptsächlich auf Betrieb der holländischen
Nachdrucker, die viel Ware für das Geld bieten mussten. Ament
« A. M. Ledk uoer, Hei geslagt van Waesberghe. 2. Ausg. Haag 1869.
2 Seite 68. Durch ein Versehen ist dort die Silbe „roed" aus dem Namen
„Paffroed" ausgefallen.
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XI. KAP.
DIE NIEDERLANDE.
251
TAVERNIER in Antwerpen führte 1558 die, dem Granjon in Lyon
nachgebildete Schreibschrift Cwilite ein, deren sich Wilh. Sylvius
zuerst bediente. Auch Plantin druckte ein Buch mit dieser Schrift,
die bis in das XVIII. Jahrhundert benutzt wurde. Die Ronde wurde
ebenfalls als Werkschrift verwendet; daneben hielt sich die Coule,
von J. F. Rossart und J. M. Fleischmann geschnitten.
Der Stammvater der Enschedes Isaak ward 1681 in Haarlem
geboren und gehörte einer in Groningen angesessenen Buchdrucker- Isaak F.nschcdc.
familie an. Um 1703 eröffnete er eine Buchdruckerei in Haarlem und
druckte 1727 im Verein mit seinem Sohne JOHANNES eine Bibel in
Folio nach dem neuen Verfahren von van der Mey und Müller.
Ob dies Verfahren wirklich dasselbe gewesen ist, welches wir
jetzt als Stereotypie bezeichnen, blieb langezeit zweifelhaft. J. VAN
DER Mey stellte zu Anfang des xvm. Jahrh. mit Unterstützung
des deutschen Predigers Johann Müller in Leyden (gest. 17 10),
der von vielen für den eigentlichen Erfinder gehalten wird, mehrere
„stereotypierte" Werke. Die ersten Versuche haben sich wohl auf
zusammengelötete Schrift beschränkt, später scheint es jedoch, als
habe man eine wirkliche Stereotypie erfunden, denn unter den zu
dem Caxton-Jubiläum in London 1 877 ausgestellt gewesenen Gegen-
ständen befanden sich auch vier auf Holz genagelte Platten Meys
und Müllers 1 . Die Firma S. & E. Luchtmanns in Leyden, für
deren ersten Inhaber Samuel Luchtmanns mehrere solche stereo-
typierte Werke hergestellt waren, drückt sich in einem Schreiben
vom 24. Juni 1801 an A. Renouard in Paris ebensowenig wie der
Baron van Weestreenen van Tiellandt in seinem, im Auftrag der
niederländischen Regierung abgefassten Bericht recht klar über das
Technische aus 2 . Eine Bibel in 4 und eine in Folio; ein Neues Testa-
ment englisch und eins griechisch in 18 °; ein syrisches Wörterbuch
wurden stereotypiert, dann ward es wieder still von der Erfindung.
1 Caxton Celebration 1877. Preleminary issue. Class AI. Sect. II. (Seite 395)
4652 : Original casts ofvarious Jxiges made in t/te years 1 700 — 1 726 in the printing o/fice
0/ Messrs Luchttnans Co. by the process invented by Rev. Mutier, of Leiden. Lmt by
Messrs G. J. Brill. Zu wünschen wäre es gewesen, dass die Platten nicht aufgenagelt
worden. Die Rückseiten derselben könnten möglicherweise noch einige nähere
Aufschlüsse gegeben haben.
2 Ripport sur les recherches, relatives ä rinvention et ä Pusage le plus ändert de
Fimprimerie stereotype etc. Haag 18 13.
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252
DIE NIEDERLANDE.
XI. KAP.
Isaak Enschedes Sohn Johannes fing schon als Knabe an,
Johannes En- Schriften in Holz zu schneiden, und erwarb sich durch fortgesetzte
praktische Arbeiten einen sichern Blick, der ihn zu einer Autorität
in der Beurteilung xylographischer und typographischer Erstlings-
drucke machte. Sein langes Leben (er starb 1781) teilte er zwischen
Wissenschaft und Praxis. Er vermehrte die schon von seinem
Vater gegründete ausgezeichnete Bibliothek mit den grössten
typographischen Seltenheiten. Das Ideal seines Strebens war, ein
Hauptwerk über die Erfindung der Buchdruckerkunst zu schreiben,
wobei seine Sammlungen ihm als Unterlage dienen sollten. Leider
kam er aber damit nicht einmal so weit, wie Breitkopf mit seiner
ähnlichen Arbeit, und wir haben von ihm nur eine Skizze über
die Schriftgiesserei in den Niederlanden. Er entdeckte Fragmente
eines Donat und eines Horariums, welches letztere von den
Holländern als das erste Druckwerk Kosters mit beweglichen
Typen angesehen wird. Sein Sohn Dr. Johannes Enschede war
noch mehr Gelehrter als Buchdrucker; erstand in freundschaftlichem
Verkehr mit den berühmten Philologen Valckenaer und Ruhnken und
vermehrte die seltene typographische Büchersammlung.
Durch die Vereinigung der wissenschaftlichen Bildung mit
den praktischen Kenntnissen haben die Chefs ihrer, noch heute
fortblühenden Buchdruckerei und Schriftgiesserei das eigentümliche
Doppelgepräge eines Geschäfts und einer historischen Sammlung
aufgedrückt. Sie stehen in dieser Hinsicht einzig in ihrer Art da,
indem es hier gelungen ist, beinahe alle Originalschriften aus der
Blütezeit der Buchdruckcrci in Holland zu sammeln. Es bleibt unter
diesen Umständen um so mehr zu bedauern , dass die prachtvolle
Bibliothek im Jahre 1867 durch Versteigerung zerstreut wurde.
Sie würde in Verbindung mit den seltenen Schätzen der Giesserei
und der Druckerei eine würdige Vervollständigung des Plantinschen
Museums abgegeben haben.
Johannes Enschede wurde 1743 Schriftgiesser, indem er die
bekannte Giesserei von Hendrik Floris Wetstein kaufte. Die Stempel
für diese Giesserei hatte zumteil der berühmte Stempelschneider
Johann Michael Fleischmann geschnitten, der im November 1701
geboren war und am 1 1 . Mai 1 768 in Amsterdam starb. Fleischmann
fuhr fort, für Enschedes Geschäft zu schneiden, das ausserdem durch
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XI. KAP
DIE NIEDERLANDE.
253
die wertvollen Arbeiten Johann Franz Rossarts, geb. zu Namur schriftgiesserei
der Enschedes.
17 14, gest. zu Brüssel am 26. Mai 1777, vermehrt wurde. Während
das Geschäft in dieser Weise durch die besten Künstler der Zeit
bereichert wurde, erhielt es seinen historischen Wert durch Erwer-
bung einer bedeutenden Anzahl älterer Schriftgiessereien ersten
und zweiten Ranges. So wurde die Giesserei der Blaeu annektiert,
welche am 21. April 1677 in die Hände des Schriftschneiders Dirk
VOSKENS übergegangen war. Das Geschäft Voskens wurde von
dem Sohne Bartholomäus übernommen, später unter der Firma
Witwe Voskens & Sohn, nachher als Clerk & Voskens fortgeführt
und 1780 von Enschede' erworben. Wie die Erwerbung der Elze-
vierschen Schriftgiesserei durch Enschede - geschah, ist bereits
(S. 247) erzählt.
Leider gab es eine Zeit, wo man nicht, wie heute, diese Schätze
genügend würdigte, und zu Anfang unseres Jahrhunderts wanderte
eine grosse Masse von Stempeln unter das alte Eisen und die
wertvollen Matern in die Schmelztiegel, so dass von vielen Schriften
nur ein Minimal-Quantum übrig geblieben ist, allenfalls gross genug,
um damit einige kleine Wiederabdrücke für den Liebhaber herstellen
zu können. Um so mehr muss man den Enschedes dankbar sein, dass
sie Abdrücke dieser Schätze , nachdem sie schon mehrere ähnliche
Proben gedruckt hatten, in einem „Speämen de caracteres typogra- mdm«n der
Enschedes.
phiques anciens , qui se trouvent datis la collection lypographique
de Joh. Enschede et fils, imprimeurs ä Harlern* vereinigten 1 , denn
diese Probe enthält nur solche Schriften, von welchen die Stempel
und Matern nicht mehr existieren, sie führt uns somit die ältere
Geschichte der Schriftgiesserei in Holland vor Augen und wir
müssen deshalb bei ihr verweilen. Den Anfang machen die grossen
Kapitalbuchstaben, überschrieben chakographia sive typi aenei et
matrices plnmbccß. Diese Schäften rühren aus der Zeit Albrecht
Dürers her und tragen die Spuren seines Einflusses: die Stempel
waren aus Kupfer, die Matrizen aus Blei, wie in der ersten Zeit
der Buchdruckerkunst. Auf 12 Grade Antiqua -Versal, 8 Grade
Cursiv, 12 Grade schattierte und verzierte Antiqua und 3 Grade
schattierte Cursiv folgen die Antiqua- und Cursiv-Buchschriften in
» Eine Anzahl dieser Schriften ging in den Besitz von Karl Tauchnitz in
Leipzig über und befindet sich jetzt in der dortigen Offizin W. Drugulin.
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DIE NIEDERLANDE.
XI. KAP.
sg*w»<iar breiterem und schmälerem Schnitt, von der groben Canon bis
abwärts zur Non plus ultra.
Darauf folgen die berühmten holländisch-gothischen Schriften
{Flamand), ebenfalls von der groben Canon bis Non plus ultra, in
einer Reinheit des Schnittes und einer Schärfe des Gusses, als
wären sie heute aus den Händen des Schriftschneiders und des
Giessers gekommen.
Was von den gothischen Schriften gilt, lässt sich auch auf die
Fleischmannschen Musiknoten anwenden, welche Veranlassung zu
einer heftigen Polemik mit Breitkopf gaben. Höchst interessant ist
eine Reihe von zwanzig Schreibschriften (Coule), unter ihnen die von
Fleischmann, „den grootsten en konstigsten Letter-Stemp eise hny der,
die 'er ooit in de Wcereld geiveest is, en niogelyk komen sal u } welche
er 1768 vollendete. Dann folgt die merkwürdige, sehr sauber
und korrekt ausgeführte Civilite, die ihren Namen von einem
im 15. Jahrhundert in Paris erschienenen Büchlein: „La civilite
puerile et honnete u hat. Nach diesen schönen, im besten Stil
ausgeführten Schriften bildet allerdings die Ecriture Allemande
keinen besonders günstigen Schluss, so wenig wie eine sehr magere,
abscheulich geschnittene Cicero Allemande, die einzige Fraktur-
schrift in der Probe, einen schönen Übergang zu zwei alten go-
thischen Schriften, die zwischen 1470 — 1480 geschnitten sind.
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ENGLAND. NORDAMERIKA.
Das allmähliche Wachstum der englischen Presse. Wynkyn de Wörde, Richard Pyn-
son, Reynold Wolfe, John Day, Th. Vautrollier, Th. Roycrofit, Sani. Palmer,
Sam. Richardson. Oxford, Cambridge. Die schottische und die irische Presse.
Die Stereotypie und Will. Ged. Das Zeitungswesen. Die Schriftgiesserei.
NORDAMERIKA. Kleine Anfänge der Presse. John Glover, James Franklin, Ben-
jamin Franklin. Die deutschen Einwanderer und ihre Presse. Christoph Sauer
und seine Nachkommen.
IE englische Presse, welche später einer Freiheit
gemessen und eine Macht erlangen sollte, um welche
der Kontinent das Inselland beneiden musste, hatte
in ihrem Beginn schwere Kämpfe zu bestehen. Bevor-
mundung mancherlei Art und Privilegien spielen eine
grosse Rolle in der englischen Buchdrucker-Geschichte. So lange 'jg'ffiffiy
der erste Buchdrucker Caxton noch ohne Rivalen dastand, waren
keine Privilegien notwendig, als aber die Zahl der Buchdrucker
wuchs, entstand auch der Wunsch eines Schutzes. Schon 1504 wird
William Fawkes als regius impressor genannt, d. h. als berechtigt
alle Regierungsarbeiten herauszugeben. Das erste ausschliessliche
Privilegium für den Druck eines Buches wurde an Richard Pynson
1 5 18 erteilt, später mit solchen sehr freigebig umgegangen. In diesen
Privilegien finden sich auch die ersten Spuren der Anerkennung
eines geistigen Eigentumsrechtes, wennauch mehr in dem materiellen
Interesse des Verlegers als dem des Autors. Die Privilegien
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256
ENGLAND.
XU. KAP.
gewährten nicht allein Schutz, sie waren auch eine Art von Em-
pfehlung.
Der Druck „vieler ketzerischer und aufrührerischer" Bücher
war unter der Regierung der Königin Maria Veranlassung, dass die
Buchdrucker, die, wie in Deutschland, zugleich Buchführer waren,
1556 in der Genossenschaft Stationers' Company vereinigt wurden.
Eigentlich handelte es sich nicht um ein neues Institut, denn schon
1403 bestand eine Vereinigung von Abschreibern, Rubrikatoren,
Briefmalern, Papiermachern und Manuskriptenhändlern. Die Vor-
steher waren für die einzelnen Mitglieder verantwortlich und nur
solche durften Bücher drucken. Einige Jahre nachher wurde ver-
fugt, dass jeder, der ein Buch druckte, es in das Register des Ver-
eins eintragen lassen müsse, was ihn gegen den Nachdruck seitens
anderer Mitglieder schützte.
Daneben blieben aber königliche Privilegien fortbestehen, die
Privilegien, Ver- vielfach an Personen ausserhalb des Vereins erteilt und dann für
böte und Strafen.
grosse Summen an Mitglieder zur Ausnutzung verpachtet wurden.
1 559 verordnete die Königin Elisabeth sogar, dass kein Buch ohne
besondere Erlaubnis von ihr oder den von ihr dazu bevollmächtigten
Personen erscheinen durfte. Dies wurde jedoch nicht allgemein
befolgt, weshalb 1566 Konfiskation, Konzessionsentziehung, Gefäng-
nisstrafen und Bürgschaftsscheine, kurz der ganze Apparat der
Presspolizei-Massregeln eingeführt wurde, welchen man in der ersten
Hälfte dieses Jahrhunderts in Deutschland so gut zu kopieren ver-
stand. Da aber die Beschwerden immer noch nicht aufhörten, wurde
bestimmt, dass mit Ausnahme der Universitätspressen in Oxford
und Cambridge nur in London gedruckt werden dürfte. Unter
Karl I. wurden auf Antrieb des Erzbischofs Laud 1637 sehr scharfe
Verordnungen gegen den Buchhandel und die Presse erlassen und
die Zahl der Londoner Buchdrucker auf 20 beschränkt, die der
Schriftgiessereien auf 4. Dieselben durften nur je zwei Lehrlinge
halten und waren solidarisch verpflichtet, alle Gehülfen zu beschäf-
tigen, denn kein Gehülfe durfte feiern. Nur zu dem Abbrechen
der Buchstaben war es gestattet, nicht gelernte Arbeiter zu
nehmen.
In den Druckereien bildete das Personal eine sogenannte
Kapelle und der älteste Gehülfe war der Vater der Kapelle. Eine
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XII. KAP. ENGLAND. 257
Hauptaufgabe derselben war, durch Strafbestimmungen der Kasse Die chapci.
vielen Stoff zuzuführen, so war es z. B. strafbar, seinen Winkelhaken
fallen, oder drei oder mehr Buchstaben auf der Erde liegen zu lassen
u. dgl. m. Die Strafen wechselten von i — 12 Pence; wer wider-
spenstig war, wurde über den Korrigiertisch gelegt und bekam zehn
Pfund und einen Beutel dazu , d. i. elf Schläge auf einen gewissen
Teil des Körpers. Jeder Neueintretende musste sein Biarvaiue
zahlen. Ein sehr beliebtes Spiel war das Raffeln mit Gevierten. Der,
welcher die meisten Signaturen nach oben warf, war der Gewinner.
Jedes Jahr wurden neue Papierfenster eingesetzt, da musste der
Prinzipal eine Stoppelgans mit den nötigen Flüssigkeiten zum
besten geben, bei welcher Gelegenheit man zugleich die mit der
Druckerei Verkehrenden, mit Ausnahme der Korrektoren, brand-
schatzte. Die Setzer nannte man nach den Satzschiffen {galleys)
Galeerensklaven.
Die Versuche, während der Republik die Bücher dem freien
Verkehr zu übergeben, blieben fruchtlos. 1643 erliess das Parlament Die Republik,
eine Akte zur Unterdrückung der Missbräuche und Unordnungen.
Dem Nachdruck trat man zwar entgegen, sogar der Buchbinder
wurde durch das Binden von Nachdrucken strafbar, dagegen
beschränkte man die Presse durch neue Edikte weiter und das
Erscheinen der Bücher ward von einem vorherigen Erlaubnisschein
[license] abhängig gemacht, was Milton zu seiner berühmten Rede
für die Pressfreiheit Veranlassung gab.
Die Wiedereinführung des Königtums hatte auch keine grössere
Freiheit im Gefolge und es kam noch 1663 die Anordnung dazu, wiedereinfüh-
rung des König-
drei Exemplare jedes gedruckten Werkes an die Bibliotheken ab- »«uns-
zuliefern. Erst 1694 wurden die letzten Restriktivmassregeln gegen
die Presse aufgehoben und von dieser Zeit ab kann man England
als im Besitz einer freien Presse betrachten.
Mit dem ersten Viertel des XVIII. Jahrhunderts hatte London
75 Buchdruckereien, die Provinzen deren 28. In London erschienen
an Zeitungen 3 täglich, 10 dreimal die Woche, 5 einmal wöchentlich.
Der Zeitungsstempel wurde 17 12 eingeführt.
Mit der Anerkennung des geistigen Eigentums war es auch
schlecht genug bestellt, und das Verlagsrecht wurde eigentlich pa* geistige
Eigentumsrecht.
als ein dem König gehörendes betrachtet. Erst 1709 wurde das
17
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2 5 8
ENGLAND.
XII. KAP.
Autorrecht auf vierzehn Jahre garantiert und, wenn der Autor beim
Ablauf dieser Frist am Leben war, auf noch weitere vierzehn Jahre.
Unter den Ausübern der Büchdruckerkunst in England befan-
Bcrühmte Buch- den sich zwar manche tüchtige Männer und die Kunst machte auch
ciruclccr.
nach ihrer Einführung durch Caxton rasche Fortschritte ; aber von
solchen hervorragenden Familien, wie wir sie in Italien, Frankreich
und Holland kennen gelernt haben , deren Mitglieder gleich bedeu-
tend als Gelehrte und Kunstjünger waren, hören wir ebensowenig
wie von solchen zeichnenden Künstlern ersten Ranges, wie die,
welche eine Reihe von xylographisch-typographischen Kunstwerken
in Deutschland schufen. Die Vorzüge der Engländer als Buch-
drucker treten erst in der spätem Periode der Kunst, wo die Mecha-
nik eine hervorragende Stelle einnimmt und die Buchdruckerei sich
mehr dem Fabrikbetrieb nähert, in helles Licht.
Unter den mit Caxton nach England gekommenen Buch-
druckern zeichnen sich namentlich Wynkyn de Wörde und Richard
Pynson aus.
Wynkyn de Wörde war in Lothringen geboren und ward
wynkyn de Mitarbeiter und Nachfolger Caxtons, den er als Drucker bedeutend
übertrifft. Er vollendete in dem Caxtonschen Lokal mehrere, von
diesem unvollendet hinterlassene Werke, unter welchen die Canter-
bury tales. Später, wahrscheinlich 1499, bezog er die „Goldene
Sonne" in St. Bride, wo er eine grosse Anzahl, über 400, sehr sorg-
sam ausgestatteter Werke aus allen Fächern, namentlich jedoch
grammatikalischen Inhalts, ausführte. Seine Typen sind ganz ver-
schieden von den bis dahin verwendeten und zeichnen sich durch
Schönheit des Gusses und vorzügliche Zurichtung aus. Wahr-
war Wynkyn de Wörde selbst Schriftgiesser, wenigstens
deutet der Umstand, dass seine Schriften sich in den Werken
anderer Druckereien häufig vorfinden, daraufhin. Selbst, wenn es
nicht der Fall wäre, verdient Wynkyn de Wörde als einer der be-
deutendsten Typographen seiner Zeit geschätzt zu werden. Ob er
oder Pynson die Antiqua zuerst in England verwendete, lässt sich
nicht bestimmt entscheiden. Eins seiner schönsten Bücher ist der
Polychronikon in Folio, aus d. J. 1495. Er starb hochbetagt 1534,
wennauch eine Ausgabe von „Esop" aus dem Jahre 1535 noch
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XII. KAP.
ENGLAND.
2 59
seinen Namen trägt. In seinem Druckerzeichen verband er das
Monogramm Caxtons mit dem eigenen Namen. Mit seinem früheren
Kollegen bei Caxton, jetzigem Rival, Pynson, verblieb er in dem
besten Vernehmen.
Richard Pynson stammt wahrscheinlich aus der Normandie.
Er stand sehr in Gunst bei Hofe und wurde von Heinrich v Iii. Richard Pymon.
zum Hofbuchdrucker ernannt. Mehr als 200 Werke gingen aus
seinen Pressen hervor, sie waren hauptsächlich mit einer, mutmass-
lich aus Frankreich bezogenen Art semigothischer Schrift gedruckt,
und reicher illustriert, als die Druckwerke seiner Vorgänger und
Zeitgenossen. Er starb um das Jahr 1529.
Julian Notary druckte 1498 zusammen mit Jean Barbier,
einem Franzosen und einem der vorzüglichsten Typographen Julian Notary.
damaliger Zeit. Man kennt aus ihren Pressen 23 Druckwerke.
Ein Mann von hervorragender Bedeutung ist RICHARD
Grafton, der wahrscheinlich während der letzten Lebensjahre Richard Grafton.
Heinrichs VII. geboren ward und bis in die Regierungszeit der Königin
Elisabeth lebte. Grafton war nicht allein ein bedeutender Geschäfts-
mann, sondern auch ein tüchtiger Autor und angesehener Bürger,
der mit den Notabilitäten der Wissenschaft und des Adels in regem
Verkehr stand. Sein Name ist besonders eng mit der Geschichte
der Verbreitung der heiligen Schrift in England verknüpft, welcher
hier, wie beinahe überall, viele Schwierigkeiten in den Weg gelegt
wurden , deren Ueberwindung oft mit wesentlicher Gefahr für Gut
und Leben verbunden war. „Wir müssen die Buchdruckerkunst
ausrotten oder sie wird uns ausrotten", hatte ein bekannter eng-
lischer Geistlicher geäussert, und sein Ausspruch hatte lebhaften
Anklang gefunden. Unter solchen Verhältnissen konnte es William
Tyndale, ein Engländer, der nach Antwerpen gegangen war, nur wui. Tyndaic«
Bibel.
im Auslande wagen, zuerst das Neue Testament und dann einen
Teil des Alten zu übersetzen und zum Druck zu geben. Die Über-
setzung, bei der ihn John Fryth und Joseph Roye unterstützten, ist
ein Ergebnis der Energie und des Ernstes, welche die Reformatoren
beseelten, und blieb eine Grundlage für alle späteren englischen
Bibelbearbeitungen. Das Neue Testament wurde 1 5 26 bei Quentell
in Köln, das Alte von Hanns LufTt gedruckt. Der gegen diese
Übersetzung in England begonnene Vernichtungskrieg wurde so
17*
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26o
ENGLAND.
XII. KAP.
gründlich durchgeführt, dass von 3000 Exemplaren nur eins, zudem
ein defektes, auf uns gekommen ist. Tyndale beabsichtigte nun
eine zweite Ausgabe des Neuen Testaments bei Martin Kayser in
Antwerpen zu drucken. Aber auch auf fremdem Boden ereilte die
Rache den Urheber. Kaiser Karl V. Hess sich bestimmen, Tyndales
Gefangennehmung und Auslieferung anzuordnen; nach achtzehn-
monatlicher Einkerkerung wurde er gehängt und sein Leichnam
verbrannt. Fryth kam 1533 in Smithfield auf den Scheiterhaufen,
Royc erlitt dasselbe Schicksal in Portugal. Die Holländer druckten
die Tyndalesche Übersetzung in grossen Massen nach.
Zwar änderte Heinrich vm., wenn nicht seine Gesinnung , so
Mylcs Coverda- doch seine Haltung, nachdem Erzbischof Cranmer die Lösung des
Bandes, welches ihn an Katharina von Aragonien fesselte, ermög-
licht hatte ; nichtsdestoweniger wagte man es aber doch noch nicht,
eine Bibelübersetzung in England zu drucken. In dem Jahre 1535
erschien die von Myles Coverdale revidierte und vervollständigte
Übersetzung Tyndales, jedoch in der Schweiz (ohne Angabe des
Druckers Christoph Froschauer in Zürich) , da man sich nicht der
Verfolgungen enthoben glaubte , soweit die Macht Kaiser Karls V.
reichte. Die nach derselben bearbeitete Matthews-Bibel erschien
15 17 ebenfalls im Auslande, wahrscheinlich in Deutschland. 1538
bis 1539 Hess Grafton in Verbindung mit EDWARD WhitchüRCH
eine Bibel in Paris drucken, die aber in 2500 Exemplaren nebst den
Pressen von der Regierung Franz I. mit Beschlag belegt wurde.
Whitchurch, früher ein angesehener Kaufmann und Abgesandter
Heinrichs vm. in Deutschland, heiratete später nach der Hin-
richtung des Bischofs Cranmer (1656) dessen Witwe.
Das Hauptbibelwerk, welches Grafton selbst druckte, bleibt aber
cranmersche die 1 5 39 — 1 54 1 erschienene Prachtausgabe, bekannt als die Cranmer-
oder die Grosse Bibel. Die Type dieser Bibel, von der man sieben
oder acht Ausgaben hat, ist eine schöne gothische; das Titelblatt
wird Holbein zugeschrieben. Der Erzbischof Cranmer und Thomas
Cromwell, Lord Essex, interessierten sich besonders dafür. Grafton
musste es indes erleben, dass seine beiden Gönner durch Henkers-
hand umkamen. Grafton druckte auch das erste autorisierte Gebet-
buch nach dem protestantischen Ritus. Eines seiner schönsten
Werke ist Edw. Halles Chronicle.
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XII. KAP. ENGLAND. 26 1
In ernste Verwickelungen kam Grafton , als er in seiner Eigen-
schaft als königlicher Buchdrucker nach Eduards vi. Tode die
Proklamation Jane Grays als Königin druckte. Ihr Königtum dauerte
bekanntlich nur 9 Tage und nach der Einsetzung der Königin Maria
wurde Grafton gefänglich eingezogen, kam jedoch mit sechswöchent-
lichem Gefängnis, Einbusse von ihm noch zuständigen 300 £ und
Verlust seines Amtes als Hofbuchdrucker davon. Er starb um 1 572.
Von englischen Bibeln damaliger Zeit sind ausser den genannten
zu erwähnen die John BYDDELS, eigentlich nur eine verbesserte john Byddeii'
Ausgabe der Matthewsehen, und die „Bischofsbibel" aus 1568, auch
„Leda-Bibel" genannt, weil die Briefe an die Hebräer als Kopf-
vignette eine Darstellung der Verbindung Jupiters mit der Leda zur
Schau tragen.
Im Jahre 1604 wurden grosse Anstrengungen gemacht, um
eine neue tüchtige Bibelübersetzung zu bewerkstelligen. Ein Edikt Die autorisierte
Jakobs L stellte die Ernennung einer Kommission von 54 gelehrten
Männern fest, welche, in 6 Sektionen geteilt, die Übersetzung
besorgen und sich gegenseitig in der Arbeit kontrollieren sollten.
Das Werk wurde 161 1 durch GEORGE Backer fertiggestellt.
Teuer sollte diesem und GEORGE Lucas ein Druckfehler, die
Weglassung des Wortes „nicht" aus dem VII. Gebot, in einer von George Backer
ihnen 1632 gedruckten Bibel zu stehen kommen. Die Auflage l, 0eorgeLucM -
wurde konfisciert und die Drucker zu einer Busse von 3000 £ ver-
urteilt. Dieses Geld wurde nach Bestimmung des Königs Karl I.
grossenteils zum Ankauf von griechischen Matern und Typen ver-
wendet, welche den königl. Buchdruckern zur Benutzung überlassen
werden sollten, die dagegen jährlich wenigstens ein griechisches
Buch auf ihre Kosten zu drucken hatten.
Durch seine schlecht gedruckten Bibeln zeichnete John FlELD
sich aus (um 1650). Es wurde ihm sogar nachgesagt, er habe sich john Fieid.
von den Independenten bestechen lassen, eine Stelle nach ihren
Ansichten zu fälschen. In einer seiner Bibelausgaben sind 3600 Fehler
nachgewiesen, man sagt sogar, die Zahl sei eine noch viel höhere.
Eine in der englischen Bibeldruckgeschichte epochemachende
Erscheinung ist die von Thomas Roycrofft (geb. 17 18) gedruckte Thomas Roy-
crofft.
Waltonsche Polyglottbibel in sechs Foliobänden, in welchen neun
Sprachen repräsentiert sind. Der erste Band erschien 1654, der
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262
ENGLAND.
XII. KAP.
letzte 1657; es war das erste Werk, welches in England auf Sub-
skription erschien. Das Exemplar wurde zu 10 Pfund Sterl. geliefert
und man sammelte bereits in zwei Monaten 900 Subskribenten.
Sowohl Cromwell als Karl II. unterstützten das Unternehmen und
Cromwell gewährte Steuerfreiheit für das Papier. Als nach Crom-
wells Tode König Karl II, an die Regierung gekommen war,
Hess Walton einige Dedikationsblätter, auf welchen er sich dankend
gegen Cromwell ausgesprochen hatte, durch andere, dem König
schmeichelhafte ersetzen, weshalb man von zwei Ausgaben, der
republikanischen und der loyalen, spricht.
Als ein Appendix ist ein anderes grossartiges, durch Roycrofft
gedrucktes Werk, das Lexicon Heptaglotton des Dr. E. Castell,
2 Bände in Folio 1669, zu betrachten. Der Verfasser setzte leider
dabei nicht allein sein Vermögen von 12 000 Pfund Sterl. zu, son-
dern stürzte sich auch noch in Schulden. Siebzehn Jahre hatte er
täglich 16 — 18 Stunden daran gearbeitet und er musste ausserdem
noch vierzehn Hülfsarbeiter , die sämtlich während des Druckes
starben, in seinem Hause unterhalten. An diese beiden Unter-
nehmungen schliessen sich die 1660 in 9 Foliobänden erschienenen:
Critici sacri gedruckt von CORNELIUS Bee als verwandtes drittes.
Sehr in Gunst am Hofe Heinrichs VIII. stand der Deutsche oder
Reynoid Woifc. Schweizer Reynold Wolfe (gest. 1574)* Er war der erste Buch-
drucker, der ein Patent erhielt, um lateinisch, griechisch und heb-
räisch zu drucken, und wurde überhaupt durch die vorteilhaftesten
Privilegien begünstigt. Er druckte fast alle Schriften des Erzbischofs
Cranmer.
Als ein sehr tüchtiger Mann zeigte sich JOHN Day. Er war in
John Day. Suffolk geboren und hatte ein Geschäft von grosser Ausdehnung,
das er während der Jahre 1544— 1583 betrieb; doch setzte er seine
Wirksamkeit, wie Grafton und Whitchurch die ihrige, während der
Regierung der Königin Marie aus und gab sich in dieser Zeit mit
Verbesserungen und Erfindungen ab. Seine schönen Schriften ver-
schafften ihm den Namen des englischen Plantin und er brachte die
Antiqua- und Cursivtype zu einer solchen Vollkommenheit, dass
von nun ab die gothische Schrift {Black letters) so gut wie ver-
schwand ; auch die griechische Schrift vervollkommnete er und Hess
angelsächsische Typen schneiden. Von seinen Druckwerken nennen
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xn. KAP.
ENGLAND
263
wir Cosmographical glasse (15 59), mit seiner schönen Cursiv gedruckt
und reich illustriert. Besonders geschätzt ist sein Queen Elisabeths
Prayerbook, eins der wenigen englischen Bücher, die in der Aus-
führung sich mit den französischen üvres d' /teures messen können.
Als sein Hauptwerk gilt Foxs book of martyrs mit sehr guten Illu-
strationen. Day starb, reich an Jahren und Ehren, 1583. Er war
zweimal verheiratet und hatte mit jeder seiner Frauen 1 3 Kinder.
Mit Ruhm verdient noch Thomas Vautrollier (1574— 1588)
aus Paris oder Rouen genannt zu werden, vorzüglich we£§n seiner
Ausgaben der Werke des 1600 in Rom verbrannten Giordano Bruno.
Um Verfolgungen deshalb zu entgehen, zog er eine Zeitlang nach
Edinburgh, wo er vieles dazu beitrug, die dortige Buchdruckerkunst
auf eine höhere Stufe zu bringen. Man kennt von ihm 78 Werke.
Mit Dank zu erwähnen, wennauch nicht auf Grund seiner
typographischen Leistungen, die sehr primitiver Natur waren, ist Thomas Guy.
THOMAS Guy (gest. 1724). Mit der Universität Oxford schloss
er einen Vertrag ab, nach welchem er den Druck der heiligen
Schriften in die Hand nahm. Hierdurch und durch Spekulationen,
die jedoch zu den nicht allzu gut angeschriebenen gehörten, ver-
diente er ein kolossales Vermögen, von dem er aber für sich keinen
CJebrauch machte, indem er im Gegenteil ärmlich und unverheiratet
lebte. Mit einem Aufwand von einer viertel Million Pfund Hess er
das nach ihm genannte Hospital in London erbauen und machte
ausserdem zu wohlthätigen und gemeinnützigen Zwecken grosse
Schenkungen.
Bekannt durch die nach ihm benannte History of printing war
Samuel Palmer (gest. 1732). Dieses Werk rührt jedoch nicht von sam. Palm«-.
Palmer selbst her; der eigentliche Verfasser hiess Palmanazar, und
der zweite, praktische Teil, der noch folgen sollte, musste aufgegeben
werden, weil seitens der Kollegen und der Schriftgiesser sich ein
wahrer Sturm der Entrüstung gegen die durch ein solches Lehrbuch
vermeintlich entstehende Schädigung des Gewerbes und Entwür-
digung der Kunst erhob.
Im Jahre 1741 starb John B arber, der erste Buchdrucker
Londons, der die Würde eines Lord Mayors bekleidete. Er stand in john Barber.
naher Berührung mit bedeutenden Männern seiner Zeit wie Lord
Bolingbroke, Swift, Pope und anderen.
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264
ENGLAND.
XII. KAP.
Bekannt als Schriftsteller, Buchhändler und Buchdrucker ist
s. Richardson. Samuel Richardson, der berühmte Verfasser der Romane „Pa-
mela 11 , „Clarissa Harlowe", „Grandison" und anderer Werke. Er
war 1689 als Sohn eines respektablen Tischlers geboren. Obwohl
er nur eine ganz gewöhnliche Erziehung genossen hatte, gab er
bald Beweise seines ausserordentlichen Talentes. In seinem fünf-
zehnten Lebensjahre entschied er sich aus Neigung für den Buch-
druckerberuf. Nach sieben schweren Lehrjahren arbeitete er sechs
Jahre als%esell und Korrektor, worauf er selbst ein Geschäft anfing,
in welchem er sich durch seine Pünktlichkeit und Ordnungsliebe
bald Vertrauen erwarb. Er druckte unter anderen die ersten
26 Foliobände des Journals des Unterhauses. Richardson starb nach
längeren Leiden, 72 Jahre alt, am 4. Juli 1761, nachdem ihm sechs
Söhne im Tode vorausgegangen waren.
In OXFORD wurde die Buchdruckerei 1478 durch THEODOR
Oxford. Rood aus Köln und Thomas Hunt eingeführt. Von i486 bis 1 585
ist eine vollständige Lücke in der Druckgeschichte Oxfords mit
Ausnahme der Jahre 1 5 1 7 — 1 5 19. Nach der Begründung des S/iel-
donian theatre im Jahre 1669 wurden hier durch 50 Jahre viele
vortreffliche Werke gedruckt und erst 1 759 verschwindet die Bezeich-
nung e theatro Sheldoniano. Die später so berühmte sogenannte
Clarendon Press trat 17 13 in Wirksamkeit. Der Sohn Lord Claren-
dons hatte das Manuskript seines Vaters zu der Geschichte der eng-
lischen Revolution der Universität geschenkt und mit dem Erlös
aus den gedruckten Exemplaren wurde die Druckerei, aus welcher
eine grosse Anzahl wertvoller Werke hervorgegangen ist, gegründet.
Um die Beschaffung von orientalischen und anderen Typen machte
sich namentlich der Bischof Fell verdient. Im Jahre 1672 wurden
4000 £ zum Ankauf von Typen in Holland, Frankreich und England
bestimmt, da derzeit keine Schriftgiesserei in England im Gange war.
Eine solche erhielt Oxford 1677. Die Universitätsbuchdruckereien
in Oxford und Cambridge erwarben auch das Alleinrecht auf den
Druck der heiligen Schriften und der englischen liturgischen Bücher.
Cambridge. In CAMBRIDGE wurde die erste Presse um 1 5 20 durch Joh. SlBERCH,
York. einen Freund des Erasmus, errichtet. In YORK druckte Hewe Goes
aus Antwerpen, 1509 bis 15 16, in welchem letzteren Jahre er nach
London übersiedelte.
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XU. KAP.
ENGLAND.
265
Nach SCHOTTLAND kam die Kunst 1507 durch WALTER Schottland.
CHEPMAN, der Kaufmann war und sich mit einem Praktiker Andreas
Myllar verband. Nach Chepman ruhte die Pressthätigkeit Schott-
lands fast 30 Jahre lang. Erst im Jahre 1576 wurde die heilige
Schrift von Thomas Bassandyne gedruckt ; selbst in diesem Jahre
besass Schottland weder griechische noch hebräische Schriften.
Während der Bürgerkriege suchte jede Partei, welche die Macht
hatte, hier wie in England die Presse auf jede mögliche Weise zu
knechten. 1648 wurde sogar unter Androhung der Todesstrafe
verboten, ohne Erlaubnis des Committee of Estates etwas zu
drucken. 1661 erschien die erste Zeitung: Mercurius Caledonicus.
167 1 erhielt Andreas Andersen, in Vertretung auch anderer
Buchdruckereien Edinburghs, so weit gehende Privilegien, dass kein
Buch ohne Andersens Erlaubnisschein gedruckt werden konnte.
Später trat jedoch eine Beschränkung des Privilegs auf Parlaments-
akte und heilige Schriften, so wie auf 41 Jahre ein. Andersen
selbst druckte das Neue Testament so fchlervoll, dass es verboten
wurde. MitjAMES Watson, der sich 1695 in Edinburgh etablierte, lag
er in fortwährendem Hader, da Watson, Andersens Privilegium zum
Trotz, druckte was er Lust hatte, bis ihm die Königin Anna durch
ein Patent 171 1 das Recht zum Drucken erteilte. Er veröffentlichte
nun eine Reihe tüchtiger und sehr gut ausgestatteter Werke, von
welchen ein Neues Testament aus d. J. 1715 von „unvergleichlicher
Schönheit" war.
Eine besondere Wichtigkeit hat Schottland als die vermeintliche
Wiege der Stereotypie. Bei der weiteren Verbreitung der Buch- Die Stereotypie,
druckerkunst konnte es nicht fehlen, dass der Wunsch rege ward,
teuere Satzwerke aufheben zu können, um nach Bedürfnis Exemp-
lare zu drucken, ohne dass es nötig war, entweder grosse Kapitalien
in Papier und Druck zu stecken, oder auch sich neue Satzkosten
zu bereiten. Man konnte sich nicht verhehlen, dass die alten Bilder-
drucker mit ihren Platten in dieser Beziehung einen Vorsprung gehabt
hatten. Der Gedanke lag zwar nahe, die Schriftformen aufzuheben,
aber erstens war das Verfahren bei umfangreicheren Arbeiten kost-
spielig, und ausserdem unsicher, da in dem beweglichen Satz leicht
Fehler vorkommen konnten. Letzterer Umstand Hess sich allenfalls
beseitigen , indem man die Fussseiten der Buchstaben zusammen-
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266
ENGLAND.
XII. KAP.
lötete, dadurch ging die Schrift aber für jeden anderen Zweck ver-
loren. Wir haben bereits die Versuche van der Meys und Joh.
Müllers kennen gelernt.
Die Priorität der Erfindung der Stereotypie, in dem Sinne wie
William Gcd. wir jetzt von dieser sprechen , wird fast allgemein dem Schottländer
William Ged zugeschrieben. Dieser, ein Goldschmied in Edin-
burgh, kam gegen das Jahr 1725 auf den Gedanken der Stereotypie.
Mittellos, verband er sich mit einem wohlhabenden Mann, der jedoch
misstrauisch gegen die Sache wurde und die nötigen Mittel herzu-
geben sich weigerte. Ged ging nun 1729 nach London und einigte
sich mit einem gewissen Fenner und den Schriftgiessern James.
Nach ihrem Verfahren wurde der Satz mit einer Gipsmasse über-
gössen und die Matrize in Schriftzeug abgegossen. Ged erhielt von
der Universität Cambridge das Privilegium zum Druck einer Bibel
und mehrerer Gebetbücher. Die Platten wurden jedoch auf Grund
der grossen Masse von Fehlern, die durch Chicane entstanden sein
sollen, unterdrückt. Ruiniert kam Ged wieder nach Edinburgh
zurück. Doch gelang es ihm noch, im Verein mit einem dortigen
Buchdrucker eine Ausgabe des Sallust (1739, 150 Seiten in 12«, mit
Petit gesetzt) herzustellen, die sich jedoch keineswegs auszeichnete.
Ged starb 1749. Das Prinzip, mag nun die erste Ausführung
Ged, Valeire, van der Mey oder Müller gehören, sollte sich erst
später nach den Verbesserungen durch Lord Stanhope für die
Praxis vollständig bewähren.
Bedeutende Buchdrucker waren ANDREAS FOULIS (f 1774) und
Andr. jindRob. Robert FOULIS (f 1776) in Glasgow, letzterer druckte mehrere
vorzügliche Ausgaben von Klassikern, bekannt ist namentlich die
1744 erschienene fehlerfreie Ausgabe des Horaz. Die erste Schrift-
giesserei Schottlands errichtete Alex. Wilson und Bain 1742 in
St. Andrews. Bei ihrer zunehmenden Geschäftsverbindung mit
Irland und Amerika zogen sie nach Gamalachie , einem Dorfe bei
Glasgow.
In IRLAND wurde erst 1 5 5 1 durch H UMFREY POWELL gedruckt
irund. und es dauerte lange, ehe die Kunst hier cinigermassen heimisch
wurde. Irische Typen wurden 1571 eingeführt und mit solchen ein
Katechismus durch Joh. Kerney gedruckt. Noch bis zum Beginn
des xviii. Jahrh. wurden beinahe alle bedeutenden Werke ausser
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XII. KAP. ENGLAND. 267
Landes hergestellt. Später entstand in dem irländischen Nachdruck
dem englischen Buchhandel ein böser Feind.
Das in England jetzt in einer so grossartigen Weise entwickelte
Zeitungswesen hatte in seinen schwachen Anfängen manchen Zeitung.«
'— schweren Kampf zu bestehen 1 .
Zur Zeit des Auslaufens der spanischen Armada { 1 588) fühlte
'S. die Königin Elisabeth das Bedürfnis, durch Mitteilungen über den
genauen Stand der Sachen dahin zu wirken, dass die Besorg-
nisse betreffs der wirklichen Gefahren nicht durch unnötige Furcht
vor nicht vorhandenen vermehrt würden. Sie ordnete deshalb das
Erscheinen von The english Mercurie published by Autoritie an. Es
erschienen hiervon 54 Nummern. An Nachfolgern, unter den Titeln
Mercurius, Gazette, Diurnal etc. , fehlte es nicht. Darunter waren
Certain news of the present iveek, wahrscheinlich das erste politische
Wochenblatt, Imperial and spanisch news, das zweite.
Von den periodischen Erscheinungen, die auch auf Belehrung
und Unterhaltung des Publikums berechnet waren, hatten namentlich
der von 1709 ab dreimal wöchentlich erscheinende Tatler (der Plau- Der g tfr r ■ -y d
derer) herausgegeben von Rieh. Steele, als Pseudonym Isaac Bicker-
staff, undj. Addisons, 171 1 begonnener, Spectator ( Zuschauer) einen
bedeutenden Leserkreis und grossen Einfluss. Ein Schlag für diese
Blätter und die ganze periodische Presse war der 17 12 eingeführte
Stempel von einem halben Penny für Blätter von einem halben
Bogen, von einem Penny für jeden Bogen. Hierdurch wurde der
Preis von manchem Blatt verdoppelt, wodurch die Abnehmerzahl
sich verminderte, was wieder zu weiteren Preiserhöhungen nötigte.
Der Spectator war das einzige Blatt, das, ohne an Verbreitung ein-
zubüssen, den Preis hatte verdoppeln können. 1731 begann das
bis auf den heutigen Tag beliebte: The getitlematis Magazine. Von Gtmtkmuu
allen konkurrierenden Blättern hatte nur das London Magazine, von M " sal,H< -
einem Consortium Londoner Buchhändler kräftigst begonnen, eine
grosse Verbreitung (10 000 Expl.) und einen längeren Bestand.
Der Prototyp aller Konversations- und Fachlexika war das 17 19
erscheinende Dictionary of arts and science. Unter den Werken,
1 N. DRAICE, Essays etc. of the Tatler, Spectator and Guardian. 3 Bde. London 1814.
— Jul. Duboc, Geschichte der engl. Presse nach J. Grant. Hannover 1873.
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ENGLAND.
XII. KAP.
Beliebte Werke, die dem Buchhandel und den Buchdruckereien grossen Verdienst
bereiteten, ist Dan. Defoes (f 173 1) Robinson Crusoe , das, abge-
sehen von den vielen Nachahmungen, in der ursprünglichen Gestalt,
41 Auflagen erlebte. Bunyans: The pilgrims progress wurde fort-
während neu gedruckt. Shakespeare war noch nicht populär; die
erste gesammelte Ausgabe seiner Bühnenstücke erschien, von zwei
Schauspielern herausgegeben, 1623, in fol. Bis 1664 gab es von
seinen Werken nur zwei Ausgaben, zusammen in kaum mehr als
1000 Exemplaren gedruckt. 1676 erschien General Catalogue of
books 1666 — 1676, von Rob. Clavel, nach Fächern zusammengestellt
und bis 1700 fortgesetzt.
Dass die englische Buchdruckerei nicht ohne eine entsprechende
SchriftgieMerei. Entwickelung der Schriftgiesserei zur Blüte hatte gelangen können,
ist selbstverständlich. Die Zahl der Schriftgiessereien , die, wie
erwähnt, anfänglich auf vier beschränkt war, ist bis heute eine ver-
hältnismässig kleine geblieben. Von Bedeutung war Thomas James.
Im Jahre 17 10 kaufte er Matrizen in Holland und gründete nach
seiner Rückkehr eine Giesserei. In Verbindung mit Ged hatte er
auch in der Stereotypie experimentiert, was ihm direkt und indirekt
Schaden brachte, denn seine Kunden, die Buchdrucker, betrachte-
ten das Verfahren mit scheelen Augen als ein ihnen nachteiliges.
Nach dem Tode von Thomas James (1736) vereinigte der Sohn
JOHN mehrere ältere Giessereien mit der seinigen und gelangte
dadurch in Besitz einer grösseren Anzahl von Matrizen von der Zeit
Wynkyn de Wördes bis auf die seine. Später erwarb Rowe MORES
(geb. 1730) das Geschäft. Er ist bekannt als Verfasser eines
Werkes über Schriftgiesserei und starb 1778 in unglücklicher Lage.
Der bedeutendste der englischen Schriftgiesser war William
wui. casion. CaSLON, der England erst von dem Kontinent unabhängig machte.
Er war in Cradley, Shropshire, geboren, arbeitete für Büchsen-
macher als Graveur und bewies als solcher durch Ornamente seine
Geschicklichkeit. Gelegentlich fertigte er auch für Buchbinder
Stempel. Einige derselben kamen dem Buchdrucker John Watt zu
Gesicht. Die Sauberkeit und Genauigkeit derselben Hessen ihn
folgern, dass Casion wohl imstande sein würde, den Mängeln der
englischen Schriftgiesserei abzuhelfen, und er verhiess ihm seine
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XII. KAP. NORDAMERIKA. 269
Unterstützung und Empfehlung, wenn er eine Schriftgiesserei er-
richten wollte. Seine Freunde liehen ihm 500 £ und er fing nun mit
Eifer sein Werk an. Für die Bibelgesellschaft bekam er den Auf-
trag eine arabische Schrift zu schneiden. Als Unterschrift seiner
Firma hatte er sich einiger von ihm geschnittener Antiqua-Buch-
staben bedient , von welchen Sam. Palmer so entzückt war , dass er
ihm auftrug, die ganze Schrift zu schneiden. Später wurde dies dem
Palmer leid, da er gute Gründe hatte, es nicht mit den anderen
Schriftgiessereien zu verderben, die durch Caslons überlegene Kon-
kurrenz Schaden leiden mussten. Er suchte deshalb Caslon von
seinem Vorhaben wieder abzubringen, was ihm jedoch nicht gelang.
Caslon wendete sich an den Buchdrucker William Bowyer den
älteren, mit dessen Hülfe nun seine prachtvolle Antiqua-Garnitur,
die an Klarheit, Leserlichkeit und Gleichmässigkeit nicht viele
ihresgleichen hat, vollendet wurde. In der Zeit von 1720— 1780
wurden fast alle Werke von Bedeutung mit den Caslonschen Schriften
gedruckt, die den Vergleich mit den Meisterwerken der früheren
Periode der Kunst vollständig vertrugen und von späteren nicht
übertroffen wurden. Er starb am 23. Januar 1766, 74 Jahre alt.
NORDAMERIKA.
Die Presse Nordamerikas 1 , welche in unserer Zeit eine so
grossartige Entwickelung nehmen und die meisten ihrer älteren Die Pr<*seNord-
amerika*.
Schwestern überflügeln sollte, war in dieser Periode noch das
„Riesenkind in Wickeln".
Es lag in den Verhältnissen, dass die Presse in Nordamerika
nicht wie in Europa ihre hauptsächlichste Nahrung aus der Wissen-
schaft und der Litteratur ziehen konnte. In den Tagen des Ringens
um die politische und materielle Existenz bestand ihre hauptsäch-
lichste Aufgabe darin, zur Förderung der bürgerlichen Freiheit und
der politischen Ausbildung, sowie zur Stärkung des Glaubens unter
den Anhängern der vielen religiösen Sekten beizutragen, die in
1 Isaiah Thomas, The hislory 0/ printing in America. 2 Bde. Albany 1874. —
J. F. Fabricius, Notizen über die Einführung und erste Ausbreitung der Buch-
druckerkunst in Amerika. Hamburg 1841. — Fr. Kapp, Der deutsch-amerikanische
Buchdruck und Buchhandel im vorigen Jahrh. Leipzig 1878.
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NORDAMERIKA.
XII. KAP.
Amerika ein Asyl für das „Seligwerden eines jeden nach seiner
Fagon" gesucht und gefunden hatten.
Als Schöpfer der nordamerikanischen Typographie ist der
Joseph ciovcr. Prediger JOSEPH Glover zu bezeichnen. Er schiffte sich mit einer
Buchdruckerei in England ein, starb jedoch während der Uberfahrt;
seine Witwe gründete darauf 1638 die erste Druck werkstätte in
CAMBRIDGE (Massachusetts), und das erste Buch, welches aus
dieser hervorging, war The Freemans Oath (1639). Die Offizin ward
später nach Boston übergeführt und die Leitung Stephan Daye
übertragen, dem Samuel Green folgte. Bei der Gründung der
frühesten Druckereien in Amerika war in der Regel das Material
Eigentum der Regierung oder einer Gesellschaft. Ein verantwort-
licher Geschäftsführer wurde ernannt, der unter seinem Namen
druckte. Oft blieb in dieser Weise die Leitung einer Buchdruckerei
auf lange Zeit in einer Familie.
Viele Bücher wurden noch in England gedruckt. Die Regierung
war im allgemeinen der amerikanischen Presse nicht besonders
günstig gestimmt, vielleicht im Vorgefühl der Gefahren, die ihr von
derselben erwachsen sollten, und die Freiheit der Presse war eine
ziemlich beschränkte. 1662 setzten die Behörden von Massachusetts
förmliche Zensoren ein und erliessen ein Gesetz, dass ausser der in
Cambridge befindlichen Druckerei keine andere im Bereich ihrer
Jurisdiktion angelegt werden sollte. Erst um 1755 scheint eine
vollständige Freiheit eingetreten zu sein.
In BOSTON ward John Forster mit der ersten Buchdruckerei
Boston. belehnt, die zweite begann der schon erwähnte Sam. Green. Sie
wurde von seinem Bruder Bartholomeo fortgesetzt, der 1704 die
erste amerikanische Zeitung The Boston News Letter begann. 1709
erschien bei Green ein Psalter in indianischer Sprache mit der Be-
zeichnung: Boston, printed by B. Green and J. Printer. Letzterer,
ein getaufter Indianer, war jedoch nicht Miteigentümer der Offizin,
sondern Drucker daselbst, und sein Name wurde wahrscheinlich nur
aus Klugheit auf den Titel gesetzt, um dem Buch bei den Indianern
leichteren Eingang zu verschaffen.
Im März 1 7 1 7 kam James FRANKLIN, älterer Bruder des berühm-
james Franklin, ten Benjamin, mit einer Presse und mit Schriften nach Boston. Die
Kunst hatte er in England gelernt, 17 19 druckte ei für Rechnung
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XII. KAP.
NORDAMERIKA.
271
des Bostoner Postmeisters die zweite amerikanische Zeitung: The
Boston Gazette. Als ihm der Druck derselben entzogen ward,
gründete er selbst The New England Courant. Auf Grund von
dessen freisinniger Richtung sollte dem James Franklin 1723 die
Zensur auferlegt werden. Um dies zu umgehen, sprach er seinen
Bruder Benjamin, der bei ihm lernte, los, und das Blatt erschien
nun mit dem Impressum: Boston, ptinted and sold by Benjamin
Franklin. James ging später nach Newport und gab die Rhode-
Island Gazette heraus. Er starb 1735.
Benjamin Franklin, dessen Ruhm ewig leben wird, war am
17. Januar 1706 geboren. Gehört er auch nicht zu den Koryphäen der Benj. Franklin.
Typographie in der Bedeutung, wie ein Aldus, Elzevier, Stephanus,
Didot, so werden die Jünger Gutenbergs ihn doch stets mit wahrem
Stolz den ihrigen nennen, und er war seinerseits auch nicht nur
dem Namen nach einer der ihrigen.
Nach der Übernahme des New England Courant scheint eine
Spannung zwischen den Brüdern eingetreten zu sein. Aufgemuntert
durch den Gouverneur von Philadelphia Sir William Keith, auf
dessen Kosten dort eine Buchdruckerei, die Benjamin aus England
holen sollte, anzulegen, ging er nach London. Aber die Kredit-
briefe blieben aus und Franklin war, um zu existieren, genötigt als
Gehülfe zu arbeiten. Nach seiner Rückkehr nach Philadelphia
errichtete er zusammen mit einem gewissen Mereditii eine Buch-
druckerei, die Verbindung wurde jedoch bald gelöst und nun ent-
wickelte Franklin seine ganze ausserordentliche Thätigkeit. Er
arbeitete von früh bis spät, schrieb seinen Poor Richards almanack,
den er 25 Jahre lang herausgab, und gelangte zu Ansehen und
Wohlhabenheit.
Mit der deutsch - amerikanischen Typographie ist Franklins
Name enger verknüpft, denn seiner Presse entstammt der älteste Deutscher
.... ~ ~ . Druck Kranklins
aufgefundene deutsche Druck Amerikas, ein Büchlein von 90 Seiten
in Duodez mit Antiqua gedruckt. Der Titel, der zugleich geeignet
ist, eine Vorstellung von der Beschaffenheit der Anfange der deutsch-
amerikanischen Litteratur zu geben, lautet:
„Goettliche Liebes und Lobesgethoene, welche in den Hertzen
der kinder der Weiszheit zusammen ein und von da wieder
ausgefloszen. Zum Lob GoiTES und nun von denen schuelern der
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272
NORDAMERIKA.
XII. KAP.
himmlischen Weiszheit zur erweckung und aufmunterung in ihrem
Creutz und leiden aus hertzlicher Liebe mitgetheilet. Dann mit lieb
erfuellet sein, bringt Gott den besten Preisz Und giebt zum singen
uns die allerschoenste weisz. Zu Philadelphia, Gedruckt bey
Benjamin Franklin in der Marckstrasz 1730".
Franklins ausserordentliche Verdienste um die Wissenschaft,
Verdiente seine Stadt, seinen Staat uad die ganze Menschheit können wir
Franklins. , .
hier nur andeuten. 1752 erfand er den Blitzableiter, wofür die
Universität Oxford ihn zum Doktor ernannte, eine damals seltene
Ehre. Im bürgerlichen und Staats-Leben stieg er von Stufe zu Stufe,
bekleidete, und zwar mit Auszeichnung, selbst den militärischen
Posten eines Obersten in der, besonders durch ihn hervorgerufenen,
freiwilligen Miliz. Als Agent für Pennsylvanien in England legte er
der englischen Regierung, die mit Frankreich in Krieg verwickelt
war, einen Plan zur Eroberung Canadas vor, der auch ausgeführt
wurde und vollständig gelang. Zur Belohnung erhielt sein Sohn
den Posten eines Gouverneurs von New -Jersey. Derselbe wurde
jedoch, als er sich später nicht der Revolution gegen England
anschloss, zwei Jahre gefangen gehalten. Bei Begründung der
Konföderation wurde Benjamin als Abgeordneter Pennsylvaniens
zum Kongress und dann zum Präsidenten dieses Staates gewählt, als
welcher er die Universität Philadelphia gründete. In seiner Eigen-
schaft als nordamerikanischer Gesandter in Frankreich leistete er
seinem Lande und dessen Unabhängigkeit die grössten Dienste.
Die französische Akademie ernannte ihn zu ihrem Mitglied und der
Präsident derselben, d'Alembert, begrüsste ihn mit dem berühmt
gewordenen : Eripuit coelo fulmen sceplrumque tyrannis \
Bei seinem Tode am 17. April 1790 wurde eine vierwöchentliche
Landestrauer angeordnet und die französische Nationalversammlung
legte seinem Andenken zu Ehren eine dreitägige Trauer an.
Als Franklins Zeit durch die öffentliche Angelegenheit zu sehr
in Anspruch genommen wurde, hatte er erst DAVID Holl zum
Teilnehmer am Geschäft genommen und ihm dann 1 766 die Firma
Franklin & Holl ganz übergeben. Hörte er auch damit auf, ein
Mitglied des Buchdruckerstandes zu sein, so beweist doch seine,
1 Dem Himmel entriss er den Blitz, den Tyrannen das Szepter.
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XII. KAP.
NORDAMERIKA.
273
von ihm selbst verfasste Grabschrift, dass er demselben im Herzen
*
treu geblieben war. Sie lautet:
The body of Benjamin Franklin, Printer, {like the cover of an
old book, its Contents wom out, and stript of its lettering and gil- Franklin* Grab-
ding) lies here, food for zvortnsl Yet the zvork its elf shall not be
lost, for it will, as he believed, appear once more in a new and ?nore
beautiful edition, corrected and amended by its Autkor 1 ,
In BALTIMORE war der erste Buchdrucker NIKOLAUS HasseL-
BAUGH, von deutschen Eltern in Philadelphia geboren. NEW- YORK Bai timore und
erhielt erst 1693 eine Offizin durch William Bradford aus Ncw ' York '
Philadelphia. Die zweite Buchdruckerei errichtete Jon. Peter
ZENGER 1726. Dieser gab 1733 The Neiv-York weekly Journal
heraus, das durch seine freisinnige Haltung Zenger Gefangenschaft
eintrug, aus welcher ihn jedoch, nach Verlauf von acht Monaten,
der Spruch der Geschworenen erlöste. %
Wesentliche Verdienste erwarben sich die deutschen Ansiedler
um die Presse. Die ersten derselben gehörten zumeist pietistischen nie deutsche«
Finwandcrer
Sekten an, und waren namentlich Anhänger und Freunde Ph.
Jacob Speners. Will. Penn, der auf seinen Reisen dem erwähnten
näher getreten war, forderte zur Einwanderung auf. Die zu diesem
Zweck gebildete „Frankfurter Compagnie" erwarb ein Stück Land,
und der Grund zu Germantown, jetzt ein Teil von Philadelphia,
ward gelegt.
Die deutschen Einwanderer waren jedoch nicht allein der
Frömmigkeit, sondern auch der Thätigkeit ergeben und bei ihren
Mitbürgern gut angeschrieben. Die ersten deutschen Drucke sollen
von den in Ephrata angesiedelten Wiedertäufern stammen, von ihren
Büchern ist jedoch nichts auf uns gekommen , dagegen besitzt die
Historische Gesellschaft in Philadelphia, die um die Sammlung der
deutsch-amerikanischen Drucke sich sehr verdient gemacht hat,
ihre Presse.
* „Hier ruht der Leib Benjamin Franklins , Buchdrucker (gleich dem Deckel
eines alten Buches, dessen Inhalt herausgenommen ist und der seiner Aufschrift und
Vergoldung beraubt wurde), Nahrung für die Würmer. Doch wird das Werk selbst
nicht verloren sein, sondern einstens in einer neuen und schöneren, vom Verfasser
durchgesehenen und verbesserten Auflage erscheinen." — Der Gedanke selbst war
vielleicht nicht ganz original, wenigstens hat er grosse Ähnlichkeit mit einem von
Joseph Capen in einem Leichencarmen auf John Foster in Boston ausgesprochenen.
iS
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NORDAMERIKA.
XII. KAP
Für die deutschen Ansiedler war die Errichtung von Drucke-
reien eine schwierige Aufgabe. Pressen, Schriften, Papier, Schwärze,
kurz alles zum Druck Notwendige musste aus Deutschland beschafft
werden. Die grössten Verdienste erwarb sich CHRISTOPH Sauer
Christoph Sau«r. (Saur, Sower), geboren 1693 in Laasphe in Westfalen. Er übte die
Profession eines Brillenmachers und wanderte 1724 nach GERMAN-
TO \VN aus. Von 1726 — 173 1 lebte er in Lancaster als Heilkünstler,
■
kehrte dann nach Germantown zurück, wo er 1737 oder 1738 eine
Druckerei kaufte, die ein Freund in Deutschland erworben und von
dort nach Amerika befördert hatte.
Anfanglich wollte es nicht recht gehen und Sauer hatte viele
Sorgen. Sein erstes Verlagswerk war ein „ABC Buch, bei allen
Religionen ohne billigen Anstoss zu gebrauchen" (1738) und ein
Kalender, welcher bis 1777 fortgesetzt wurde. Sein erstes grösseres
Verlagswerk war das, von der Sekte der Siebentäger (die den Sonn-
abend als Sabbat feierten) herausgegebene Gesangbuch: „Zioni-
tischer Weyrauchs-Hügel oder Myrrhen Berg, worinnen allerley
liebliches und wohlriechendes nach Apotheker-Kunst zubereitetes
Rauch- Werk zu finden". Gewidmet war es: „allen in der Wüsten
Girrenden und einsamen Turteltäublein".
Im Jahre 1739 gab Sauer das erste Stück der ersten deutsch-
amerikanischen Zeitung heraus: „Der hochdeutsch Pennsylvanische
Geschieht Schreiber, oder Sammlung wichtiger Nachrichten aus
dem Natur und Kirchen-Reich", die viermal jährlich erscheinen sollte,
hieraus ward bald zwölf- und von 1762 ab 24mal. Von 1775— 1777
erschien das Blatt wöchentlich und soll bereits 175 1 4000 Abonnen-
ten gehabt haben; die Zahl steigerte sich später auf $000. Der Titel
ward mehrmals geändert, zuletzt von dem jüngern Sauer in „Ger-
mantowner Zeitung oder Sammlung wahrscheinlicher Nachrichten
aus dem Natur- und Kirchenreich". Er wählte das Wort „wahr-
scheinlicher", da er zu gewissenhaft war, um die Leser durch den
Titel zu dem Glauben veranlassen zu wollen, es sei alles wahr, was
in der Zeitung stände.
Sauers bedeutendstes Unternehmen war die Herausgabc der
saue« Bibel- deutschen lutherischen Bibel. Bei dieser Veranlassung legte er (1740)
druck. . - , . ,
selbst eine Schriftgiesserei an, die erste in Amerika, und 1743 war
das Werk von 1284 Seiten in Royal-Quart in 1200 Exemplaren
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XII. KAP.
NORDAMERIKA.
275
vollständig und in Leder gebunden. Diese Bibel war die erste in
einer europäischen Sprache in Nordamerika gedruckte; die erste
Ausgabe in englischer Sprache erschien, auf Grund des Monopols
der Universität Oxford, erst 1782. Ausser der Bibel druckte Sauer
das Neue Testament in 7 Auflagen und eine grosse Anzahl Bücher,
meist Nachdrucke von in Deutschland erschienenen theologischen
Schriften und Andachtsbüchern. Politisch gehörte Sauer zu den
Gesinnungsgenossen Franklins und der Einfluss seines Blattes ward
von den Regierungsmännern besonders gefürchtet.
Christoph Sauer d. j. dehnte das Geschäft sehr aus, be-
schränkte jedoch, wie der Vater, den Verlag hauptsächlich auf Schul- chmt.Sauerd.j.
und Andachtsbücher. Nur einer seiner vielen Verlagsartikel hat
nähern Bezug auf Deutschland : „Das Leben und die heroischen
Thaten des König Friedrich II. von Preussen". Auch als Buch-
drucker blieb der Sohn der bedeutendste Vertreter der deutsch-
amerikanischen Presse. Die Bibel druckte er noch in zwei Auflagen,
von welchen die letzte fast gänzlich von den Soldaten zu Patronen
verwendet wurde, als 1776 der Freiheitskrieg sich nach Gcrman-
town gezogen hatte. Alle Druckwerke des Vaters sowohl als des
Sohnes zeichnen sich durch Reinheit der Schriften und guten Druck
aus ; auch das Papier ist kräftig und gut geleimt. Der Sohn stand
politisch auf Seiten der englischen Regierung und zog zu seinen
Kindern nach Philadelphia, welche ebenfalls für den König Partei
nahmen. Er ward als Verräter erklärt, sein Eigentum konfisciert
und er nach seiner Rückkehr zu Germantown verhaftet und miss-
handelt. Seinen Lebensabend verbrachte der tüchtige und redliche
Mann in ärmlichen Verhältnissen, und starb 1784.
Zwei seiner Söhne, Peter und Christoph m.„ gaben in
Philadelphia das einzige, sich zugleich durch seine masslose Sprache nie späteren
Nachkommen
auszeichnende deutsche, englischgesinnte Blatt, heraus. Ein dritter Sau«*.
Sohn Samuel Hess sich erst in Philadelphia, dann in Baltimore
als Schriftgiesser, Drucker und Verleger nieder und genoss einen
bedeutenden Ruf; der vierte Sohn Daniel setzte das alte väterliche
und grossväterliche Geschäft in Philadelphia fort.
Die übrigen deutschen Buchhändler Pennsylvaniens nahmen
keinen grossen Rang ein. Die Gebrüder Gotthart und ANTON
Armbruster gehörten zu den bedeutendsten und gaben eine
18*
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276
NORDAMERIKA.
XII. KAP.
sonsüge Zeitlang gemeinschaftlich mit Benjamin Franklin die Pennsylvania
deutsche Drucker
u. Buchhändler. Gazette heraus. Vor und während der Revolution blühte das Ge-
schäft von Heinrich Müller, der sich 1760 dauernd in Phila-
delphia niederliess. Sein wöchentlicher „Philadelphia-Staatsbote"
war das erste Blatt, welches am 9. Juli 1776 die Unabhängigkeits-
Erklärung veröffentlichte. Bei dem Einzug der Engländer wurde
Müllers Offizin verwüstet. Noch verdienen Melchior Steiner und
Carl Ost als Drucker und Verleger genannt zu werden. Von einem
geregelten buchhändlerischen Verkehr war keine Rede, der Vertrieb
wurde durch Hausierer besorgt.
So waren die ersten schwachen Anfänge der amerikanischen
Sonst und Jetit. Presse, deren Riesendimensionen jetzt unser Staunen erregen. Was
würde wohl der einstmalige Gouverneur von Virginien Sir Thomas
Berkeley sagen, wenn er heute nach Virginien zurückkehrte, von
wo aus er 1671 mit Stolz und Befriedigung nach London berichtete:
„Ich danke Gott, wir haben hier keine Freischulen und keine Buch-
druckereien, und ich hoffe, es soll noch lange Zeit so bleiben, denn
das Lernen hat nur Ungehorsam, Ketzerei und Sektenwesen in die
Welt gebracht; die Buchdruckerkunst aber war die Dienerin aller
dieser Gräuel; Gott bewahre uns vor beiden".
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XIII. KAPITEL.
DIE SLAWISCHEN LÄNDER. DIE TÜRKEI.
DIE OSTASIATISCHEN LÄNDER.
Polen. Russland: Moskau, St. Petersburg. Die Türkei: Konstantinopel, Ibrahim
und Said Efendi, Syrien. Das östliche Asien, China, das chinesische Tafel-
druckverfahren und die Papierfabrikation. Europäischer Druck in Asien.
OLEN, im XV. und XVI. Jahrhundert ein blühendes
Reich, wo Wissenschaft und Litteratur begünstigt
wurden, förderte auch rüstig die Buchdruckerkunst.
Johann Haller aus Nürnberg (um d. J. 1 500) , ein
Schüler Kobergers, war ein bedeutender Buchdrucker
und Buchhändler in KRAKAU. Die Juden begannen 15 17 den
hebräischen Druck zu üben , der sehr aufblühte. Paul Helic gab
1 540 das von einem getauften Juden ins Hebräische übersetzte Neue
Testament heraus. Mit ihm gleichzeitig wirkte HIERONYMUS VlCTOR
aus Wien (15 18—1543).
Der bedeutendste Buchdrucker war wohl NIKOLAUS SCHARFEN-
BERG. Berühmt sind seine den Königen Sigismund August, Hein-
rich von Valois und Stephan 1. gewidmeten Bibeln in polnischer
Sprache und seine Constitutione s , statuta et privilegia in comitiis
regni etc., die er für den Buchhändler ANDREAS Lazarsz druckte,
der, selbst Buchdrucker, auch eine grosse Anzahl vorzüglicher und
hochgeschätzter Werke aus seiner Offizin lieferte.
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278
DIE SLAWISCHEN LÄNDER.
XIII. KAP.
Einer der angesehensten Männer Polens war Johann Janu-
Poicn. SZOWSKI. Früher Gesandter bei Kaiser Maximilian n. und Geheim-
schreiber des Königs Sigismund August, zog er sich von den
Staatsgeschäften ganz zurück, um nur den Wissenschaften und der
Typographie zu leben. Polen hat seiner Feder und seinen Pressen
eine Menge wertvoller Schriften zu verdanken. Ein berühmter
Buchdrucker war Franz Cäsarius (wahrscheinlich ein Deutscher,
Kaiser), der die Lazarszsche Offizin envarb, welche über 100 Jahre
im Besitz der Familie blieb.
Unter den jüdischen Buchdruckern zeichnete sich namentlich
Isaak-Ben- Aaron Prostitz (um 1550) aus. Unter vielen anderen
Schriften druckte er sowohl den babylonischen als den jerusalemi-
tischen Talmud. In POSEN, WILNA und LUBLIN, wo sich der
Sitz der Socinianer 1 befand, wurde viel gedruckt, ebenso in
BRZESC, wo die bekannte Biblia swieta mit Illustrationen (1563)
erschien, die nach dem Kostenträger gewöhnlich die Radziwill-
Bibel genannt wird. In OSTROG kam auf Kosten des Fürsten
Konstantin von Ostrog, Palatins von Kiew, die jetzt sehr selten
gewordene Bibel in altrussischer Sprache heraus. Die Leitung
hatte der Patriarch Jeremias von Konstantinopel übernommen; die
Typen sind genau den slawischen Manuskripten nachgebildet. Der
Druck ist vorzüglich, nur das Papier ist nicht gut.
In WARSCHAU wurde erst 1580 gedruckt; in LEMBERG
1593. Die galizische Presse hat nie eine Bedeutung erlangt und
wurde von den Jesuiten vollständig beherrscht. Aus Böhmen und
Mähren ist wenig zu berichten. PRAG hat einige hebräische Drucke
von Bedeutung aufzuweisen. Auf dem Schlosse KRALITZ in
Mähren Hess der Freiherr von Zarotin von böhmischen Brüdern
die erste Bibel in der Landessprache in 6 Quartbänden drucken
(1579— 1593).
In UNGARN war die frische Blüte bald vorbei und die Buch-
Ungarn. druckerkunst in Ofen bis 1725 wieder in Vergessenheit geraten.
SIEBENBÜRGEN erhielt in KLAUSENBURG 1550 seine erste
Druckerei. Der berühmteste Typograph und Schriftgiesser dort
« Unitarier, Vorläufer der Rationalisten.
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XIII. KAP. DIE SLAWISCHEN LÄNDER. 279
war NIKOLAUS TüTFALU, der sogar Florenz und Amsterdam mit
georgischen und samaritanischen Schriften versorgte l .
In RUSSLAND war die alte Zarenstadt MOSKAU der Haupt-
sitz der slawischen Gelehrsamkeit. Hier entstand unter dem Gross- Russland,
fürsten Iwan Wassiljewitsch 1553 die erste Buchdruckerei Syno-
dalnija typografia durch den Diakon Iwan Feodorow und
Timofeew Mstislavzoff unter Aufsicht des Dänen Hans Hann-
SEN, und hier erschien 1564 der in der russischen Litteratur so
berühmte Apostol, in slawischer Sprache gedruckt, von welchem
das einzige bekannte Exemplar in der Bibliothek der Akademie zu
St. Petersburg aufbewahrt wird. Das Volk verjagte die Drucker,
die es für Zauberer hielt und die nun ihre Arbeiten in Wilna und
Lemberg fortsetzten. Erst 1644 unter Michael Fedorowitsch* Regie-
rung wurde eine neue Offizin eröffnet, deren Erzeugnisse, fast nur
aus kirchlichen Werken bestehend, grosses Lob verdienen. Im
Jahre 1643 hatte der Klostergeistliche ARSENIJ Suhanow den
Gebrauch einer sehr schmalen und schlanken Schrift eingeführt,
die noch jetzt in der Synodaldruckerei unter dem Namen „die
arsenijsche" vorhanden ist. Im Jahre 1663 erschien die zweite
sorgfältige Ausgabe der russischen Bibel nach dem Muster der
Ostroger v. 1581.
Die Einführung der weltlichen russischen, sich an die Antiqua
anlehnenden, Schrift, durch welche die Volkslitteratur sich ent- Pet««!« Grosse,
schieden von der kirchlichen scheidet, ist ein Werk Peters des
Grossen. Dieser erteilte im Jahre 1698 dem Amsterdamer Buch-
drucker TESSlNü das Privilegium, Bücher für Russland zu drucken.
Zar Peter Hess auch Typen in Holland schneiden und Schrift gicssen,
mit welcher die Synodal-Buchdruckerei in Moskau 1705 die erste
Zeitung in Russland druckte. Bis 1707 war das Drucken ein Vor-
recht der Krone oder des Metropoliten gewesen, von da ab durften
auch Privatpersonen das Buchdrucker-Geschäft ausüben, welches
nun einen kräftigen Anlauf nahm.
1 J. D. Hoffmann, de typographiis eorumque initiis et incremenäs in Regno
Poloniae. Danzig 1740. — K. Ungar, Neue Beitrage zur alten Gesch. d. Buchdrk.
in Böhmen. Prag 1795. — Ch. d'Elwert, Beitr. zur Gesch. etc. Mährens. I. Bd.
Brünn 1854. — Etwas von der Buchdr. des XV. u. xvi.Jahrh. in Ungarn und Sieben-
bürgen. (Ungar. Mag. 1788. No. 26.) Pressburg. — Joh. Nemeth, Mim. typogr.
Pest 1838.
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280 DIE SLAWISCHEN LÄNDER. DIE TÜRKEI. XIII. KAP.
Im Jahre 1 7 1 7 liess Zar Peter die Bibel in Amsterdam von Jan
Peter der Gross«. VAN Düren derart drucken, dass von zwei Spalten die eine den
holländischen Text enthielt, während die slawische Übersetzung auf
die zweite Spalte in Russland eingedruckt werden sollte. In dieser
Weise kam jedoch nur das Neue Testament 1721 zustande, das
Alte blieb in der unfertigen holländischen Gestalt.
Im Jahre 1 740 errichtete ein Engländer ANDREW JOHNSON eine
georgische Buchdruckerei , in welcher die Bibel mit Typen, die auf
Befehl des gelehrten georgischen Fürsten Vakuset ausgeführt waren,
gedruckt wurde, unter dessen Aufsicht auch das Evangelium
Matthäi 17 12 als Polyglotte in 8 Sprachen ausgeführt sein soll.
Nach ST. PETERSBURG brachte Peter der Grosse die Pressen
st. Petersburg, von Moskau , das erste hier erschienene Buch war „das Buch des
Mars", datiert 17 13. Die erste St. Petersburger Zeitung erschien
17 14. Der Senat erhielt 17 19 eine eigene Offizin. 1720 errichteten
die Mönche in dem St. Alexander Newski-Kloster eine Offizin, 1724
hatte das Admiralitäts-Kollegium, 1727 die Akademie der Wissen-
schaften, 1735 die Synode eigene Druckerei. Chinesische Bücher
wurden bereits 1730 geliefert.
Für GRIECHENLAND war die Kunst so gut wie nicht vor-
handen, nur hier und dort erschien vorübergehend eine ambulante
jüdische Buchdruckerei.
In der TÜRKEI 1 war auf Anordnung des Sultan Bajazet II.
Die Türkei, die Ausübung der Buchdruckerei verboten worden (S. 76) und sein
Sohn Selim L hatte dieses Verbot erneuert. Trotz der angedrohten
Todesstrafe druckten jedoch die Juden im Stillen fort und aus den
Jahren 1490 — 1726 sind manche Drucke in hebräischer Sprache
bekannt, unter welchen der Polyglott-Pentateuch von 1 546 wohl der
bedeutendste ist.
Im XVII. Jahrhundert versuchte NlCODEMUS Metaxa, ein
gelehrter Mönch aus Cephalonia, unter den Auspizien des Patriarchen
Cyrillus Lukaris eine griechische Offizin in KONSTANTINOPEL zu
begründen. Der Versuch wurde jedoch durch die Jesuiten vereitelt
1 J. Beckmann, Nachrichten von der Buchdruckerei zu Konstantinopel (Hann.
Mag. 1768). — GlAMB. Todkrini, Litteratur der Türken. Aus dem Ital. durch
P. W. G. Hausleutner. u. Band. 2. Teil. Buchdruckerci der Türken. Königs-
berg 1790.
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XIII. KAP.
DIE TÜRKEI.
und eine 1698 aus Venedig eingeführte armenische Presse auf
Befehl des Sultans zerstört.
Erst 1726 unter der Regierung Achmeds II. trat die, von der
Regierung erlaubte, ja von ihr unterstützte freie Ausübung der Buch- Ibrahim und
Saiid 1*1 feudi»
druckerei ein. Sie war ein Werk des verdienten und gelehrten
Ibrahim Efendi. Besonders thätig war dabei Said Efendi, der
als Gesandtschaftssekretär in Paris Geschmack an der Kunst gefun-
den hatte und nun die nötigen Schriften anschaffte, und zwar diese
in Konstantinopel selbst schneiden und giessen Hess. Nach vielen
Beratungen mit den ersten Staatsmännern und Gesetzverständigen
that der Mufti den Ausspruch, dass es gestattet sein solle, mit
Ausnahme der Religionsbücher, in arabischer Sprache zu drucken,
dass es aber gut sei, wenn vier Oberaufseher ernannt würden, welche
wissenschaftliche Kenntnisse genug besässen, um über den richtigen
Abdruck der Bücher zu wachen. Das erste Buch, welches dem«
gemäss erschien, war Wankulis: Kitab Luga/, arabisch -türkisches
Wörterbuch, 2 Bde., zusammen von 1422 Seiten, 1728. Ein kaiser-
licher Befehl stellte den Preis auf 35 Piaster fest. Als erstes mit
Antiquaschrift gedrucktes Buch folgte Holdermanns französisch-
türkische Grammatik 1730. Um dieses Jahr entwickelte sich eine
ziemlich lebhafte Druckthätigkeit , namentlich um geschichtliche
und geographische Werke herzustellen, darunter eine Geschichte
von Amerika mit Landkarten und Illustrationen, ein Atlas von
39 Tafeln; „das Buch von dem Spiegel der Welt" u. a.
Dies Aufblühen der Buchdruckerei war jedoch nicht von langem
Bestand. Man hat behauptet, dass sie auf Grund einer Pression
der vielen Abschreiber auf die Regierung eingestellt worden sei.
Das ist jedoch unbegründet, auch dürfte der Schaden, der den
Abschreibern entstanden war, nur ein sehr kleiner gewesen sein, da
die religiösen Werke nicht gedruckt werden durften, auch das
Abschreiben vieler Werke noch notwendig blieb. Mehr scheint
der Mangel an Arbeitern massgebend gewesen zu sein und die
Vorliebe für schön geschriebene Bücher, die allen Orientalen
gemeinsam ist.
Mit Ibrahims Tode tritt der Stillstand ein und erst gegen das
Ende des Jahrhunderts lebte die Buchdruckerkunst in Konstantinopel
wieder auf.
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282
DAS ÖSTLICHE ASIEN.
XIII. KAP.
In der WALLACHEI wurde im Kloster SNAGOF, nahe bei
Die Waiuchei. Bukarest, auf Kosten des Woywoden Johannes Konstantin Bessaraba,
i. J. 1701 ein griechisch -arabisches Missal gedruckt. Die dortige
Klosterbuchdruckerei war reich an arabischen, griechischen und
illyrischen Schriften.
In SYRIEN bildeten die Klöster des Libanon eine Zuflucht
Syrien. für abendländische Wissenschaft, wo seit länger als 250 Jahren
gedruckt worden ist. Paschalis-Elis und Joseph Ibn-Amimas'
arabisch-syrischer Psalter ist 16 10 datiert. Aus ALEPPO, wo eine
Buchdruckerei unter der Direktion des Patriarchen Athanasius von
Antiochien bestand, existierten Drucke aus dem Jahre 1706, aus BEI-
RUT von 175 1 ; georgische aus TIFLIS von 1701. In DAMASCUS
druckten die Juden schon 1605- ^ m Jahre 1622 beschloss ein Konzil
der armenischen Bischöfe die Buchdruckerei einzuführen. Ein Mönch
aus Eriwan, U.scan oder Osgan (gest. 1676) wurde nach Amster-
dam gesandt und druckte dort die Bibel. 1669 errichtete Uscan
eine armenische Presse in Marseille, die schliesslich nach Konstan-
tinopel übergeführt wurde.
Im ÖSTLICHEN ASIEN wurde lange vor Einführung von
Früher Druck in Gutenbergs Kunst der Bücherdruck in ziemlichen Umfange getrieben
China.
und CHINA 1 ist oft als die Mutter der Buchdruckerkunst genannt.
Nach dem, was wir unter Typographie verstehen, kann davon, wie
auch gleich eingangs bemerkt wurde, keine Rede sein, aber der
chinesische Bücherdruck ist wichtig und interessant genug, um
demselben unsere Aufmerksamkeit zu schenken. Wir übergehen
alle sich in das Mythenreich verlierenden Erzählungen von der
Entstehung der chinesischen Schrift und der frühesten Venvendung
derselben, und halten uns an die historisch begründete Thatsache,
dass um das Jahr 1000 n. Chr. viele Bücher von Holztafeln gedruckt
wurden. Zuerst waren die Schriften vertieft in Stein oder Holz
geschnitten worden, so dass nach der Einreibung mit Farbe die
Schrift weiss auf schwarzem Grund erschien; man lernte jedoch bald
die Vorzüge des erhabenen Buchstabenschnittes kennen.
1 STAN. Julien, Uimprimerie en Chine au VI Siede de tiotre ere. Paris o. J. —
Stan. Jüi.IF.n, Documens sur Part de Pim/r. etc. ett Chine. Paris 1847. — II. WUTTKE,
Die Entstehung der Schrift etc. Leipzig 1872.
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XIII. KAP.
DAS ÖSTLICHE ASIEN.
283
Das chinesische Druckverfahren, wie es sich bis auf den
heutigen Tag erhalten hat, ist folgendes:
Aus hartem Holz, gewöhnlich Kirsch-, Bim- oder Pflaumen-
baumholz, werden, l / 2 — 3 L Zoll dicke Tafeln geschnitten, die kleinen Da* chinesische
Druckverfahren.
Ritzen und Löcher ausgefüllt und die geglätteten Flächen (man
benutzt in der Regel beide) mit einem Reisteig überzogen. Das
Herstellen solcher Platten ist ein besonderer Geschäftszweig. Der
Schönschreiber malt nun genau und zierlich das zu Druckende auf
durchsichtiges Papier und vergleicht seine Arbeit mit dem Manu-
skript. Ein Blatt (zwei neben einander stehende Seiten) enthält
gewöhnlich ein halbes tausend Zeichen. Die beiden Seiten werden
mit einem starken Strich umrahmt; ein anderer Strich durch dfe
Mitte des Blattes bezeichnet die Stelle, wo das, nur auf der einen
Seite bedruckte Blatt, mit der zugemachten Seite nach aussen gekehrt,
beim Heften gefalzt werden muss, ganz wie es bei den xylographi-
schen Reiberdrucken des XV. Jahrh. in Deutschland der Fall war.
Auf die noch feuchte Klebmasse, mit der das Holz überzogen
wurde, wird das beschriebene Blatt verkehrt aufgelegt und, nach- Uebertragung
der Schrift.
dem es angetrocknet ist, mit einem benetzten Finger das Papier
sorgsam abgerieben. Die Schrift bleibt deutlich auf dem Holzblock
zurück. Damit sie noch besser hervortritt und das Holz leichter zu
behandeln ist, wird die Oberfläche mit Fett überzogen oder mit Öl
getränkt.
Dann geht „der Setzer" (d. h. der Holzschneider) ans Werk
und sticht alles nicht Beschriebene wie bei der Holzschnittzeichnung Der Schnitt,
weg. Den durch einen solchen erhabenen Schnitt entstehenden
Druck nennt man den männlichen {Jangwen), wird dagegen die
Schrift vertieft geschnitten, so dass sie im Druck weiss auf schwarzem
Grund erscheint, so heisst das Verfahren weiblicher Druck (yenwen).
„Der Drucker" sitzt vor einer Bank, auf welcher der Block
so festgelegt wird, dass er sich nicht rücken und reiben kann, was Der Drucker,
schon deshalb vermieden werden muss, weil, wie erwähnt, gewöhnlich
beide Seiten der Platte zum Schnitt benutzt werden. Auf der einen
Seite steht ein Haufen Papier, auf der andern befindet sich der Topf
mit der Schwärze, sowie der Pinsel oder die Bürste. Die Drucker-
schwärze besteht aus gestossenem und durch ein Haarsieb
geschüttetem Lampenruss, welcher in Branntwein zu einem Brei
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284
DAS ÖSTLICHE ASIEN.
XIII. KAP.
aufgeweicht, bis zu einem Zehnteil der Masse mit animalischem Leim
oder Pflanzenöl angemacht, schliesslich mit Wasser verdünnt wurde.
Das erste Geschäft des Druckers ist, dass er mit dem in die
Reiberdruck. Schwärze getauchten Pinsel oder der Druckbürste die Tafel zweimal
sanft überfährt, so dass die erhabenstehende Schrift gleichmässig
gefärbt wird. Dann legt er einen Bogen auf die Schrift, streicht
ihn behutsam mit der Bürste aus, legt einen zweiten Bogen als
schützenden Deckel darauf und fährt mit der Bürste oder einem
Reiber aus Palmenrinde ein paarmal fest darüber weg, dann ist
der Druck fertig. Der Farbenanstrich dient für drei bis vier Abzüge
und muss dann erneuert werden. Ein guter Drucker soll täglich zwei-
bis dreitausend Blätter liefern können.
Die zusammengefalzten, gedruckten Blätter werden zu einem
Das Hert. Heft {pen) vereinigt, selten mehr als 50 — 80 Blätter. Oft erhalten
die Hefte einen obern und untern Deckel, mit Seide oder Brokat
überzogen. Die zu einem Werke gehörenden Hefte werden
zusammen in einer Kapsel von Pappe oder Holz aufbewahrt. Die
Kapseln werden auf die Bücherbreter flach gelegt und über einander
geschichtet.
Das beliebteste „Format" ist, was wir ein längliches Oktav
Das Format, nennen würden. Doch giebt es auch „Ärmel- Ausgaben" in kleinerem
Format und ein „Quartformat" bis 14 Zoll im Quadrat.
Der „Titel" kommt nach unserer Bezeichnung hinten, wie bei
Typographische den semitischen Büchern, die erste Seite eines chinesischen Buches
.mteiiung. wür( j e a j SQ unsere letzte sein. Die „Zeile" geht von oben nach
unten, und jede Zeile ist von der nächsten durch einen Längenstrich
geschieden. Der allgemeine und der Kapiteltitel wird der Länge
nach in der Mitte des Bundstegs gedruckt, so dass er halb auf
der einen, halb auf der andern Kolumne steht. Der Titel zu Anfang
giebt das Druckjahr und den Drucker an. Fängt das Buch nicht
mit einem Vorwort an, so hat es gewöhnlich ein Schlusswort.
Längere Anmerkungen werden auf dem oberen Teil der Seite
angebracht und durch einen Strich von dem Text getrennt, kurze
öfters mit kleinerer Schrift zwischen den Zeilen eingefügt. Reich
illustrierte Ausgaben mit höchst zierlichen Konturzeichnungen sind
sehr häufig. Ein Inhaltsverzeichnis wird manchmal beigegeben, nie
ein Register, da ja der Begriff einer alphabetischen Anordnung
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XIII. KAP. DAS ÖSTLICHE ASIEN. 285
überhaupt den Chinesen mangelt. Die Seiten werden gezählt, aber
nicht durch das ganze Werk fortlaufend, sondern für jeden Abschnitt
besonders. Vom Staat besorgte Ausgaben sind durch Drachen-
bilder kenntlich. Der Kaisersitz Hangtscheu war lange der Hauptort
der Druckereien und die dort erschienenen Drucke galten als die
vorzüglichsten.
Das chinesische und japanische Papier wird hauptsächlich
aus Bambusfasern, sowie aus Reis- und Getreidestroh, ausserdem Da* Papier,
auch aus der Rinde, teilweise aus den Wurzeln des Papier-Maulbeer-
baumes (der Broussonetia papyrifera), der Schwertlilienpflanze,
sowie aus mehreren Nadelhölzern, endlich aus Baumwolle, Hanf
und Abfällen der Seidenspinnerei gefertigt.
Das für die Papier-Fabrikation bestimmte Bambusrohr wird im
ersten chinesischen Monat geschnitten, von den Blättern befreit und Das Bambus-
in 3 — 4 Fuss lange dünne Stäbe gespalten. Diese werden entweder roh^I,ap,er •
lose, oder in Bündel gebunden, in Küpen gelegt, worin sie,
schichtweise mit Kalklagen bedeckt und mit Wasser Übergossen,
3—4 Monate liegen, bis das Rohr in völlige Fäulnis übergegangen
ist Nach dieser Zeit werden die Stücke herausgenommen und
mittels Schläger zu einem Brei verwandelt, der dann gehörig
gereinigt, und mit etwas Leimwasser vermischt wird. Von der
halbflüssigen Masse wird nun diejenige Quantität auf einen vier-
eckigen siebartigen Rahmen geschöpft, die zur Erzeugung eines
Bogens nötig ist, der Rahmen vorsichtig, aber rasch, hin und her
bewegt, um die gleichmässige Verteilung der Masse auf dem Siebe
zu ermöglichen, endlich die so gebildete dünne Schicht halbtrocken
als Papierbogen vom Rahmen abgehoben. Diese Bogen werden
später auf mässig erhitzte Wände geklebt und bei manchen Papier-
sorten mit einem Überzug von Reisstärke versehen, schliesslich an
der Sonne völlig getrocknet. Für die besten Papiere werden bloss
die Schösslinge des Bambus verwendet und diese noch, ehe man
sie spaltet, sorgfältig abgeschabt, während für die Fabrikation
geringerer Qualitäten auch die Blätter als Material dienen.
Die Anfertigung des Papiers aus den Schösslingen des Papier-
Maulbeerbaumes erfolgt so : In jedem Jahre werden die Pflanzen bis ^DerPap»
auf die Wurzeln abgeschnitten. Von jedem Stengel entstehen in
dem folgenden Jahre fünf Triebe, so dass sich im Laufe von fünf
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DAS ÖSTLICHE ASIEN.
XIII. KAP.
Jahren ein dichter Strauch bildet. Die Triebe aus dem fünften Jahre
werden zu Papier verarbeitet. Nachdem die Stengel in Stücke
von 2'/ 2 — 3 Fuss Lange geschnitten worden sind, werden sie in
einem Kessel, der merkwürdigerweise aus Stroh besteht, mit Dampf
behandelt. Durch diesen Prozess wird die Rinde von den Stengeln
gelöst, welch letztere nur als Brennmaterial zu verwenden sind. Die
Rinden werden getrocknet, später einen Tag lang in messendem
Wasser gewaschen, um die Ablösung der innern Fasern, aus denen
das beste Papier gemacht wird, zu erleichtern, während die äussere,
dunkle Rinde nur zu ordinärem Papier dient. Die Fasern werden
nun gepresst, gekocht und wieder gepresst und dann in Blöcken
aufgehoben. Nach Bedarf wird dann die Masse mit einer Art Paste,
die aus den Wurzeln des „Tororo" , einer der Baumwollenstaude
nicht unähnlichen Pflanze, gewonnen wird, versetzt. Die Mischung
wird tüchtig eingerührt, bis die richtige Konsistenz erreicht ist, und
dann das Papier in Formen mit zwei Böden geschöpft, getrocknet
und beschnitten.
Ein, uneigentlich als Reispapier bezeichnetes Produkt ist das
Das Rchpapier. auf der Insel Formosa aus der Aralia papyrifera gewonnene. Das
Mark dieser Pflanze wird in dünne Blättchen geschnitten und dann
noch flacher gepresst und liefert Stücke von '/* — i Fuss im Quadrat.
Die besten Stücke werden zum Bemalen, die kleinen Stücke zu der
Fabrikation künstlicher Blumen benutzt.
Zur Fabrikation des Papiergeldes wird in Japan nur der Bast
Das Papiergeld, eines Baumes „Mitsumata" verwendet, welcher ausdrücklich zu
diesem Zweck kultiviert wird. Der Bast des Kaji-Baumes, der
unserer Weide gleicht, wird namentlich zu Papiermache verarbeitet,
von welchem die Chinesen und Japanesen wie bekannt eine Unend-
lichkeit von Gegenständen herstellen l .
EUROPÄISCHE TYPOGRAPHIE IN ASIEN. Um die Ein-
Europäischer führung der gutenbergischen Typographie im östlichen und südlichen
r ünd Japan "* Asien machten sich die Jesuiten - Missionäre schon ausgangs des
1 In der Beschreibung der Herstellung des Papiers folgten wir dem Spezial-
katalog der chinesischen Ausstellungskommission der Wiener Ausstellung, der in
mehreren Punkten von den älteren Darstellungen, sowie von einer Beschreibung
des Herrn von Ransonnet, abweicht. Die chinesische Ausstellung in Wien enthielt
über hundert verschiedene Sorten von Papier.
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XIII. KAP.
DAS ÖSTLICHE ASIEN.
XVI. oder anfangs des XVII. Jahrhunderts verdient und sie hatten in
der Hauptstadt PEKING verborgene Pressen. Eins der ältesten
dort gedruckten Bücher ist die Ccelestisdoctrince vera ratio chinesisch
aus dem Jahre 1603. In NANKING gab der Jesuit Nikolas Trigault
um 1620 ein chinesisches Wörterbuch in 3 Bänden heraus, das jetzt
zu den grössten Seltenheiten gehört. In MACAO wurde schon um
1 590 gedruckt. Das erste Buch war der Bericht eines japanesischen
Gesandten nach Rom in japanischer und lateinischer Sprache.
In CANTON wurde vieles gedruckt, darunter ist zu erwähnen die
„Bibliothek nützlicher Kenntnisse" in 100 Bändchen. Auf der Insel
FORMOSA erschien 1661 eine malaische Übersetzung der Evan-
gelien Johannis und Matthäi.
Das Druckverfahren in JAPAN ist dem chinesischen gleich
und wird seit uralter Zeit geübt. In europäischer Weise gedruckt
erschien bereits 1 591 in TACACO auf der Insel Nippon ein Leben
der Apostel mit einem angehängten Vokabularium. Gleichzeitig
druckten die Jesuiten in AMACUSA. NANGASAKI hatte zu Ende
des XVI. Jahrh. schon eine ziemlich thätige Presse.
OSTINDIEN. Im nördlichen Teile Ostindiens, in Kaschmir,
Thibet und Kabul, wurde der Holztafeldruck schon seit vielen Ostindien.
Jahrhunderten geübt. Der erste Ort, der 1 563 nach europäischer
Weise druckte, war GOA auf einer Insel an der Westküste des
Dekan, die früheste Niederlassung der Portugiesen. Fast gleichzeitig,
1 569, erhielt TRANQUEBAR auf der Koromandelküste seine Presse
durch die Londoner Gesellschaft für Verbreitung des Evangeliums.
Zuerst wurde ein schönes Neues Testament, in Quarto, gedruckt,
dann verschiedene Gebetbücher und Katechismen in portugiesischer,
englischer und dänischer Sprache, sowie in verschiedenen asiatischen
Dialekten. AlsTranquebar in dänischen Besitz kam, war die dänische
Mission sehr thätig. BARTHOLOMÄUS ZlEGENBALG und HEINRICH
Plutschau brachten eine Presse und Schriften aus Deutschland.
Auf Kosten des Königs von Dänemark wurden tamulische Schriften
in der Waisenhausbuchdruckerei in Halle gegossen und durch J. G.
Adler nach Indien gebracht, wo dieser 17 14 die vier Evangelien und
die Apostelgeschichte, 1 7 1 5 die Episteln und die Apokalypse heraus-
gab. 1723 erschien die Biblia tamulica, 3 Teile in Quarto. Am
wichtigsten für die Typographie Indiens ist BENGALEN, es wurde
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288
DAS ÖSTLICHE ASIEN.
xin. KAP.
jedoch die Druckkunst erst 1778 dort eingeführt; demnach gehört
die dortige Pressthätigkeit erst einer späteren Periode an.
In dem ASIATISCHEN ARCHIPEL fand die Kunst zuerst
Die asiatischen auf JAVA eine Heimat. Die niederländisch - indische Gesellschaft
errichtete in BATAVIA zu Ende des XVII. Jahrhunderts mehrere
Pressen.
Von dem Wunsche beseelt, den Eingebornen das Evangelium
in der Landessprache in die Hände zu geben, befahl der Gouverneur
von CEYLON Freiherr G. W. VON Imhof 1737 eine Druckwerkstätte
in COLOMBO zu errichten, die später auch manches wissenschaft-
liche Werk ans Tageslicht förderte. In der Hauptstadt der
Philippinen, MANILLA, wurde um 1600 gedruckt. Im XVIII. Jahr-
hundert wetteiferten die katholischen Missionäre hier mit den pro-
testantischen in Tranquebar in der Verbreitung des Evangeliums.
So war die Kunst Gutenbergs, welche bereits in den ersten
hundert Jahren ihres Bestehens sich über ganz Europa den Weg
gebahnt und eine hohe Stufe der Ausbildung erreicht hatte, von
welcher ungünstige Verhältnisse sie nur zeitweilig herabzudrängen
vermochten, über die ganze Welt verbreitet. Schon um die Zeit,
welche unsere vorläufige Grenze bildet, galt das, hundert Jahre
später ausgesprochene Wort:
„ Über des Oceans Raum in die fernsten Gebiete der Erde
Trägt, Gefeierter / dich Fama, nie rastend im Flug;
Nicht des Gesteines bedarf es für dich, noch gegossenen Erzes,
Denn es verkündet dein Lob jegliche Zeile des Buchs*
Inseln.
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A. NAMEN- UND SACH- REGISTER.
Aa, Peter van der S. 250.
Äbo 158.
Aalst 6j.
Abbreviieren 14.
Ablassbriefe 2iL
Abschreiben der Bücher 13.
Academia Veneziana ißju
Adler, Aegidius 143.
Ad insigne Pinus 130.
Alcala de Henares 189.
Aldegrever, Heinrich 119.
Älteste Spuren vom Druck lz.
Aldus - Familie.
Aldus Manutius d£L i 75.
Herkunft 175.
Offizin in Venedig 176.
Griech. u. latein. Ausgaben 177.
Cursivschrift 177.
„Aldinen" 178.
Neacademia 178.
Geschäftl. Schwierigkeiten 179.
Tod des Aldus 170.
Druckerzeichen 180.
Paul Manutius t8o.
Jugendzeit 180.
Ruf nach Rom 181.
Rückkehr nach Venedig 182.
Wiederkehr nach Rom 182.
Tod 182.
Aldus iL 182.
Jugend 182.
Ruf nach Rom 183.
Aussterben der Familie 183.
A//e//iand-Schn(t 6^.
Aleppo iSi»
Alexandre, Jean zicu
Altdorfer, Albrecht 1 17.
Amacusa 287.
Amann, Jost 22i 1
Ammerbach, Johannes 44.
Amstel, Ploos van 247-
Amsterdam 228. 233. 242.
Famour de Psyche durch J. Janot2oo.
Anabat, Guillaume 197.
Andersen, Andreas 265.
Andrae, Hieronymus 1 1 1 . L2Ä.
Andreae, Johann 13 1.
Andreani, Andreas 189.
Anisson, Jean 211. 213.
— Jacques 213.
Anopistographischer Druck io_.
Anselm, Theodor 136.
Antiqua- Schrift 50^ 6^. 161.
Antwerpen 218.
Apostol 279.
Arabische Schrift 61.
Arendes, Stephan 74.
Armbruster, Gotthart 275.
— Anton 275.
„Armenbibel", die 2_i_,
Armenischer Druck lSJL
Ars memorandi 21.
Ars moriendi z£l
Assen, Walter von 21IL
Athias, Joseph 247.
Atlantica von Olaus Rudbeck 158.
Auer, Simon 133.
Auflagen in ältester Zeit <j_7_.
Augsburg 46. 129.
Augustinus, St., de civitate dei 56.
Autorenverhältnisse 172.
Backer, George 2JLL.
BaditiSj Familie 201.
19
290
REGISTER.
Bämler, Johann 46.
Baidung, Hans 120.
Ballenmeister 163.
Baltimore 273.
Bamberg 48.
Bapst, Valentin 147.
Barber, John 26,^ .
Barbier, Jean 259.
Barcelona 62^
Bartholdus de Basilea 43.
Basel 43. L2_o_. 136.
Bassandyne, Thomas 265.
Batavia 287.
Batavia von Hadrianus Junius 70.
Baumann, Georg d. ä. 145.
— d. j. 145.
Be, Guillaume le 214.
Bechtermünze, Heinrich 3_4.
— Nikolaus 3_4- 35.
Beck, Reichart 136.
Beham, Barthel 1 16.
— Hans Sebald 115.
Beildeck, Lorenz 2^.
Beirut zSlz^
Bellaert, Jacob 70.
Bergmann von Olpe, Joh. 44.
Berlin 151.
Berling, Heinrich 156.
Bernard, Salomon 2 1 2.
Beromünster 42.
Beschreib.all.Künste(J.Amann)iiiL
Bibeldruck.
Bibel, welche war die erste 2$.
— 3Özeilige (Gutenberg) 29.
— 42 zeilige (Gutenberg) $0.
— 48zeilige (Schofler) 40.
— spanische (Palmert)
— böhmische 7_6. 278.
— illustr. (Koberger) 4j\
— (Ulrich Zell) ji.
— niederdeutsche $1.
— Hebr. (Bomberg) 185.
— — (Athias) 247.
— Armenische 186.
— d., k. Druckerei in Paris 2_ll
— Englische (Cranmer) 2_£q»
— — (Cowerdale) 260.
— — (John Bydell) t&Ll
Bibel, Englische (Bischoffs) 261.
— — (autorisierte engl.) 261 .
— — (John Field)
(Baker) 26t.
— deutsch-amerikan. 274.
russische 280,
— russisch-holländ. 280.
— polnische 278.
— -Druck v. Froschauer 140.
— — in Wittenberg 140. 146.
150.
— — in Dänemark 153.
auf Island 156.
— — in Schweden 157.
— in Finland 157.
Polyglotten.
Aldus' Versuche 179.
Complutinische 189.
Le Jays 209.
Plantins 220.
Waltons 261.
— Verbreitung 92.
Biblia Paupcrum 2_L
Bibliothek des M. Corvinus 7j^ qr.
Biel, Friedrich 43^ 62*
Binck, Jakob iiq.
Blaeu, Familie 162* 2L2JL
Bloemaert, Abraham aift-
Blavio, Johannes 64.
Boccaccio, Decamerone(Va\dar{.)(in.
Boldrini, Nicolo 189.
Bologna, Franz von 177.
Bombardcyro d* El Rä 64.
Bomberg, Daniel 185.
Boners „Fabelbuch" 49.
Bonhomme, Pasquier £iL
Bonnutius, Judas 134.
Borchardus, Hans 52.
— Thomas 52.
Bordeaux 67.
Bortazar, Antonio 190.
Boston (Nordamerika) 270-
Boston- Gazette 271.
Boston Neivs-letter 270.
Brabander, Andreas i.sS.
Bradford, William 273.
Braga 64.
Brahe, Tycho de 155.
Google
REGISTER.
291
Brand, Matthäus £4.-
Brandis, Marcus 54.
Brandis, Moritz 5_2. 54.
Brant, Sebastian 135.
Bray, Dirk van zjJL
Breitkopf, Bernh. Christoph 14p.
Breslau 141;.
Breves, Savary de
Breydenbachs „Reyse" 41.
Brief (Breve) 1^.
Briefdrucker 15.
Brito, Giovanni 18S.
Brocario, Familie 189.
Brüder d. gemeinsamen Lebens üiL
Brügge 62. 106.
Rrunus, Petrus
Brzesc 278.
Buch des Mars aikL
Buchbinderkunst 8o_. 155. 166. 215.
Buchdruckerwappen 49.
Bücher-Messe in Frankfurt 170.
— in Leipzig 148. 171«
Buchhandel im xv. Jahrhundert 95.
— in Deutschland t68.
— Missbräuche 173.
Bu/fon, histoire naturelle 21 1.
Bukarest 282.
Bulla retractionum 51.
Burgkmair, Hans Iii.
Burgos di.
Burgundischer Hof 67_. 72.
Buyer, Bartholomäus 6üL
Bydell, John 2Jll.
Cambridge 264.
Cambridge (Nordamerika) 270.
Camusat, Jean 211.
Canterbury tales (Caxton) 7_3_; 258.
Cancioneiro Geral 64.
Canton 287.
Carpi, Ugo da 188.
Caslon, William 268.
Catholicon (Gutenberg) 32.
Caxton, William 7_i_.
Cennini, Bernardo öfi,
„Ciromantia, die Kunst" 2_l
Champ-fleury von G. Tory 198.
Chepman, Walther 26g.
China, Bücherdruck 28^
— Papierfabrikation 285.
Christiania 156.
„Christoph, der heilige" i7_:
„Christus am Kreuze" 17.
Chronica Hungarorum j_Sz
Cicero de offuiis (Schöffer) 4_i.
— de oratore (Sweynheim) $6.
— epistolae (J. de Spira) 58.
Clair-obscur-Druck 136. 188. 218.
Clarendon- Press 264.
Codex argenteus 13.
Colines, Simon de 197. zsiz^
Colombo 287.
Colorito, Abraham 6_l,
Comino, Giuseppe 187.
Commelinus, Hieronymus 134.
Complutensische Polyglotte 189.
Const. Clementi v. (Schöffer) 40.
Constitutiones regni Polonia 277.
Consul, Stephan 133.
Coornhert, Dirk Volckharts £0.
Cordova (Südamerika) 192.
Corpus juris (Remboldt) üß^
Corvinus, Matth. 75. qi.
Corrozet, Gilles 200.
Cosmograpliia y Ptolomcei 46.
Cosmographical glasse (J. Day) 263.
Cotta, Ursprung der Familie 133.
— Johann Georg 133.
Cours des fleuves par Louis xv. 2 1 1.
Cousin, Jean 200.
Crabath 161.
Cramoisy, Familie 209. 2_ll,
Cranach, Lucas d. ä. 1 19. 167.
Crantz, Martin 65.
Cuesta, Johann de la 190.
Cursivschrift des Aldus 177.
Damascus 2_8_2_.
Dammetz, s. Luc. v. Leyden 2_iJL
Danner lüi.
„Dante" (Numeister) {lq,
Day, John 262.
Daye, Stephan 270.
Denkmäler Gutenbergs $6.
Deposition, die 164.
Description des arts et des metiers 2 09.
19'
292
REGISTER.
Deventer üiiL
JJialogus creaturum 75.
Dietes and sayings (Caxton) 72.
Dictionary 0/ arts 267.
Dietz, Ludwig 153.
Diptychen qo.
Doctrina christ. (Kromberger) 191.
Dolet, Stephan 213.
Dolmata, Anton 133.
Domingo, St. 192.
Donatus iOj 2_z. 27.
Z>0« Quixote de la Mancha 190.
Dritzehn, Andreas 24.
ZVo/V-Schrift s. Antiqua.
Druck, Älteste Spuren i_2_,
Druck u. -Apparate, früheste 7^
Drucker, Die 163.
Druckschwärze 8^ 163.
Druckerzeichen 124.
Dublin 266-
Z>////j-Schrift 68.
Durandi, Rationale (Schöffer) 40.
Düren, Jan van 2_äa.
Dürer, Albrecht.
Jugendjahre 108.
„Offenbarung St. Johannis" 108.
Neue Bahnen f. d. Holzschn. 109.
Verschiedene Arbeiten 109.
Italienische Reise 109.
Die „Passionen" ttq.
„Unser Frauen Leben" t iq.
Arbeiten für Maximilian l iio.
Die „Ehrenpforte" in.
Der „Triumphzug" 112.
Reise nach d. Niederlanden 1 13.
Litterarische Arbeiten 1 13.
Tod 113.
Dyck, Christoffel van 246.
Edinburgh 265.
Egenolff, Christian 130.
Eggesteyn, Heinrich £2_.
Eguia, Michel de 190.
Eichhorn, Johann 1 5 2.
Eiert, Bastian 168.
Elzevier- Familie.
Elzevier, Ludwig 2-2JL
Übersiedelung nach Leyden 230.
Ernennung zum Pedell 230.
Sein Verlag u. seine Reisen 231.
Geschäftl. Manipulationen 232.
Sein Tod 233.
Elzevier, Matthias 233.
— Ludwig iL 233.
Elzevier, Aegidius 233.
— Justus 233.
— Peter 233.
Elzevier, Isaack 234.
Universitätspedell 234.
Offizin Erpenius 235.
Druckerzeichen 235.
Geschäftsaufgabe 236.
Elzevier, Abr., u. Bonavent 236.
Ihre Association 236.
Glanz des Hauses 237.
kleine Ausgaben 237.
Ausstattung ihrer Bücher 238.
Ausländisches Geschäft 239.
Charakteristik 240.
Daniel Heinsius 240.
Tod beider 241.
Elzevier, Johann 241.
Association mit Daniel 241.
Trennung von ihm 242.
Tod 248.
Elzevier, Ludwig in. 242.
Aufenthalt bei Johann 242.
Geschäft in Amsterdam 243.
Aufblühen desselben 243.
Druckerzeichen 244.
Geschäftslokal 244.
Association mit Daniel 244.
Ludwigs Tod 245.
Elzevier, Daniel 241-
Association mit Johann 241.
— mit Ludwig 244.
Uebernahme des Geschäfts 245.
Heinrich Wetstein 245.
Daniels Tod 246.
Die Elzevierschriften 246.
Auflösungv.DanielsGeschäft 248.
Elzevier, Abraham 249.
Ende der Familie 249.
En sched6, Familie.
Niederländ. Schriftgiesserei 250.
Isaak Enschede* 251.
REGISTER.
293
Die Stereotypie 252.
Dr. Johannes Enschede 252.
Die Sammlungen d. Hauses 252.
Specimen de caraäeres 253.
„Entkrist", der 21*
Erhard, Schriftgiesser 161.
Erpenius, Theodor 235«
Escala esperitual (Pablos) 192.
Estienne s. Stephanus.
„Euklid" (Ratdolt).
Fano 6t, 186.
Farbendruck jj^
Faust, Johann s. Fust.
Faust, Johann (falscher) 7_i_. 76.
Faust-Märchen 71.
Fehde weg. eines Holzschnittes 142.
Feodorow, Iwan 279.
Fevres, Roul le, Hist. de Troyej2.
Feyerabend, Sigismund 130.
Field, John 261.
Fischer, Paul 129.
Fleischmann, J. M. 251. 254.
Flötner, Peter 118.
Florenz 184.
Foligno da.
Foppens, Francois 250.
Formenschneider 13. 107.
Formenschneider, Hans 107.
Formosa 287.
Fouchet, Jean 65.
Foulis, Andreas u. Robert ifii
Fouraier Paine 214.
— le jeune 214.
Fox Book of martyrs 263.
Franck, Hans (Lützelburger) i_2_2^
Frank, Swaybold 76.
Frankfurt am Main 130.
Frankfurt a. d. Oder 151.
Franklin, James 270.
— Benjamin 271.
Fratres vitce communis 3^. 5^ 68.
Freemans Oath 270.
Frellon, Francois 213.
Friburger, Michel 65.
Friesner, Andreas 53.
Frix, Eugene 250.
Froben, Hieronymus 137.
1 Froben, Johannes 136.
Froschauer, Christoph 139.
— Christoph iL 14* ■
I — Hans 130.
Fust, Johannes.
Darlehn an Gutenberg 2JL
Association mit ihm 2_7_.
Rechtsstreit mit ihm 31.
Trennung von ihm 31.
Fust und Schöffer 38.
Fusts Tod
Gallen, St. 142.
j Gallia christiana 2_i_i_i
Garamond, Claude 210.
Gascon, Le 2t6.
Ged, William zfiiL
Gehlen, Johann von 144.
Gehmen, Gottfried von 2Ai
Gelthuss, Arnold 2JL
Gensfleisch, Frielo der Vater 23.
— Frielo der Sohn 23^
— Henne der ältere 2_£L
— — d. j. (s. Gutenb.)
Genf 204.
Gentlemans Magazine 267.
Genua 6_u 186.
Gering, Ulrich 43. 65.
Gerling, Johann 64.
Germantown 274.
Gernsheim 42.
Geselle, der 164.
Gessner, Andr. 140.
Giunta-Familie.
Luc-Antonius Giunta 184.
Thomas Giunta 184.
Gio-Maria Giunta 184.
Modesta Giunta 184.
Philipp Giunta 184.
Glasgow 266.
Glockendon, Georg d. ä. 107.
Glower, Joseph 270.
Goa 287.
Goes, Hewe 264.
„Goettliche Liebesgethöne" 271.
Götz, Nikolaus 51.
Golddruck £o_.
Goltz, Hubert 218.
294
REGISTER.
Goltzius, Heinrich 218.
Gothenburg 158.
Gothische Schrift ^9_. 6iL
Gourmont, Gilles de 204.
Graf, Urse ua.
Grafton, Richard 259.
Grandjean, Philipp 2_lsl.
Grandjon, Jean
Grau, Heinrich 136.
Green, Samuel 270.
— Bartholomeo 270.
Grefwe, Amund 158.
Gregorio, Gregor diL. i&6.
Griechische Schrift 57. 59. 6a*
Griis, Paul 158.
Grimm, Sigmund 130.
Grollier, Jean 2_i_2_. 215.
Gross, Henning 148.
Grote, Gerhard diL
Groulleau, Stephan 2jq£l
Gryphius, Anton z12a
— Sebastian 212,
Gutenberg, Johannes.
Herkunft 23.
Aufenthalt in Strassburg 24.
Dortige Associationen 24.
Rückkehr nach Mainz zk.
Association mit Fust 2JL
Erste Presse 2_7_.
Ablassbriefe 2JL
Bibeldruck z&.
3Özeilige Bibel 2Q_.
42zeilige Bibel 30.
Rechtsstreit mit Fust 31.
Trennung von Fust 32^
Neue Offizin 32.
Das Catholicon 32.
Gutenberg in Eltville 33^
Sein Tod 34.
Sein Andenk. u. s. Denkm. 35.
Gutenberg, Else zum 23.
Gutenbergin, Anna 2JL
Guy, Thomas 263.
Haag 233.
Haarlem £0. 251.
Haas, W. t6t.
Hackius, Franz 249.
Hagerrau 136.
Hager, Hans 140.
Haller, Johann 277.
Hamburg £2_. 150.
Hamer, Wolfgang 107.
Han, Ulrich 58.
Hanaw, Johann 151.
Hannsen, Hans 279.
Hardoyn, Gilles 197.
Hartwach, Joh. 113.
Hasselbaugh, Nik. 273-
HaufTe, Matthias 168.
Haurisius 134.
Hebräischer Druck 185. 203.
Heidelberg 134.
Heilmann, Andreas 24.
Heilspiegel, der 2_l
Helic, Paul 277.
Henlif, Conrad 42.
Hentzke, Mich. 152.
Hermann von Kempen 64.
Hess, Andreas Iii
Hewmann, Friedr. 3^ 132.
Hilden, Wilhelm 152.
Histoires. Historier 67.
Historyes 0/ Troy (Caxton) 7_?_2 73-
Historia Hispanica (61).
Höpfner, Georg 156.
Hof „zum Gutenberg" 35.
— „zum Jungen" 2JL
— „zum Humbrecht" 132.
Hofhalter, Rafael 143-
Hohenwang, Ludwig 4JL-
Holbein, Hans d. j.
Jugend lzo.
„Totentanzalphabet" 121.
„Totentanz" 121.
Icones veteris testamenti 122.
Vollendung d. Holzschnitts 123.
Holl, David 272.
— Leonhard 46.
Holzschnitt 15.
Wesen desselben 15.
Aeltester 15. 17.
Altersbestimmung iiL
Fortschritte 2.0. 2.2.
Magdeburg ^2.
Zeichner-Holzschnitte 1 23.
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REGISTER.
295
(Holzschnitt) Strassburg 135.
Schweden ig 7.
Italien 187.
Paris 196.
Lyon 212.
Niederlande 217.
Holum 156.
Hopyl, Wolfgang *<■>•>
Hortules <7/wV»a*(Springinklee) 114.
Humery, Conrad 32. 34.
Hunt, Thomas 264.
Huros, Paulus dz,
Hveen 155.
Hypnerotomachia (Aldus) 187.
Ibn-Amima 282.
Ibrahim-Efendi 2_iLu
Illuminatoren 14. 84.
Illustration s. Holzschnitt.
Indianischer „Psalter" 270.
Inkunabeln o_i.
Isengrin, Michael 139.
Jackson, John 189.
James, Thomas 268.
Jannon, Jean 214.
Janot, Denys 199.
Jansson, Johann 157. 249.
Januszowski, Johann 278.
Japan : Bücherdruck (s. China) 2.82,
— Papierfabrik, (s. China) 285.
Jegher, Christoph 2_iJL
Jensen, Nikolaus 59.
Jesuiten-Druckerei in Wien 143.
Jobin, Bernhard 136.
Johannis, St., „Apokalypse" zo.
Johnson, Andrew 2Äcl
Jollet, Mercure zqq,
Justiniani Institutiones(Schö&ti)^ 1 .
Kachelofen, Konrad 54.
Kaiser, Peter ££,
„Kaiend. d. Joh. de Gamundia" 21.
— d. Joh. v. Kunsperk" 2_l»
Kapitalbuchstaben 56.
Kartenmacher 19.
Kerver, Thielman 199.
Keyser, Heinrich l und iL 157.
Kirchenväter 93.
Klassiker-Ausgaben, Älteste 9^.
Klausenburg 278.
Kleinmeister, Die 114.
Knoblauch, Johann 135.
— Paul 155.
Koberger, Antonius, d. ä. 46.
— — d. j. 129.
— Johannes 129.
Köln 50. 105.
Kogelherren 20.
Kohl, Hans 143.
Kgl. Buchdrucker 203.
— Buchdruckerei in Paris aaiL
Konstantinopel 76. zik^
Kopenhagen 74. 154. 239.
Korrektur &2_ 163.
Kornut 164.
Koster, Laurenz Johanns Sohn 70.
Kosterlegende 70.
Kraft, Kasper 143. 167.
Krakau 76. 277.
Kralitz 278.
Krause, Georg 167.
Krieger, Christoph lSJL
Kromberger, Jakob 64.
— Johann 190. 1,91.
Krüger, Theodor 167.
Kuhn, Valentin 156.
Kulmbach, Hans von 114.
Kuttenberg 76.
Lactantius (Sweynheim) 56.
Ladenspelder, Hans 119.
Lamberg, Abraham 148.
Landsberg, Martin 145.
Lateinische Schrift 57.
Lavagna, Philippus de (kl
St Lazaro i&6.
Lazarsz, Andreas 277.
„Leben d. Heiligen" 116.
Lederbereitung zum Binden 90.
Legend, the golden (Caxton) 73.
Lehrling, Der 164.
Leipzig 5£ 145-
Leiria 63.
Lemberg 278.
Leroy, Wilh. (OL
Lettres cadeaux 6iL
296
REGISTER.
Lettres de Forme 6^.
— de Somme 6A.
— Tourneurs üiL
Lex. Heptaglotton (Dr. Castell) 26g.
Leyden 230. 251.
Lima 192.
Limburger, Johannes 51.
Lips, Balthasar 132.
Lissabon 63.
Litterae ßorentes 59.
Litterarische Produktion qi.
Livens, Joh. 218,
Livius (Sweynheim) 57.
Livres d* /teures 196.
Lobinger, Johann 161.
Lobinger, Pancratius 129.
London 7_2. 25 7.
London Magazine 267.
Lorch, Melchior t ifl.
Lotter, Melchior d. ä. 146.
— — d. j. 150.
Lublin 278.
Lucas, George zfijL
Lucas van Leyden 2_i_8_
Luce, Louis
Luchtmans, S. & E. 251.
Lübeck 5^.
Lützelburger, Hans Franck lzz*
Lufft, Hans 1 50.
Lund 158.
Luschmer, Joh. öjjl
Luther über Illustration 147.
Lyon 6£L 2 1 2.
Macao 287.
Madrid 190.
Magdeburg 52.
Mailand 60.
Mainz 23. 132.
Malerschulen, Deutsche 105.
Mamotractus (Beromünster) 43.
Manilla 287.
Mansion, Colard 6iL
Mantegna, Andrea 187.
Man. de adu/tos (Kromberger) 191.
„Manung widd' die Durken" 29.
Manuskriptenhandel 14.
Manutius s. Aldus.
Marchand, Guyot 197.
Marienthal 35.
Marnef, Geoffroy de 197.
Martens, Dierik 6iL
Martinez, Anton fi2_.
Matthiasson, Jon 156.
Matthias, Flander 62,
— Moravius 61.
„Mazarinsche Bibel" (42zeilig) 29^
Mecheln, Konrad von 139.
Mechitaristen-Druckerei LÜiL
Medailles etc. de Louis le Grand 210
Medici, Marie von 20a.
Membrana 8iL
Mentelin, Johannes 42.
Mercurius Caledonicus 265.
Mercurie, The english 267.
Merian, M., Vater u. Sohn 131.
Merseburg 53.
„Messkatalog" 148. 170.
Metallschnitt jJL 17.
Metaxa, Nicodemus 28a.
Meuser, Kaspar 167.
Mexico 190.
Mey, J van der 251.
Miliar, Andreas 265.
Miniatoren 14. 84.
Miniaturen 6^
Modisten, die 129.
Monserrat &^
Montagna, Benedetto 187.
Montreale
Morel, Familie 201.
Mores, Rowe 2j&8_,
Moskau 279.
Mstislavzoff Timofeew 279.
Müller, Hans 130.
— Heinrich 276.
— Johann 251.
Münsch, Josias 139.
Münster 5_i.
Nachdruck 174.
„Nachf. Christi" v.Th. a.Kempis 46.
Nangasaki 287.
Nanking 287.
„Narrenschiff" (Seb. Brant) 44. 135.
de Negker, Jost 1 16.
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REGISTER.
297
Neobar, Conrad 203.
Neudörffer d. ä. 129.
New-England Courant 271.
Newport (Nordamerika) 271.
New- York 273.
New- York weekley Journal 273.
Nielsen Tyge 156.
Nikolaus von Breslau (ll.
Nikolaus aus Sachsen 63^
Noir, Michel le 197.
Notary, Julian 259.
Notendruck, erster 130.
Nürnberg 46. 106. 127.
Numeister, Johann 6o-
Odense £4.
Oeglin, Erhard 130.
Ofen
Olai, Anund 157.
Oporinus, Johannes 138.
Ortas, Abraham de 63.
Ostendorfer, Michael 117.
Ostrog 278.
Ottmar, Johannes 132.
Oxford 264.
Pablos, Juan 191.
Padeloupe 216.
Padua 187.
Paffroed, Richard fi/L
Palmanazar 263.
Palmer, Samuel 263.
Palmert, Lambert 62.
Pampelona 189.
Pannartz, Arnold 56.
Paoli, Stefanus 186.
Papier, Ältestes 86.
Papiermühlen in Basel 44.
Papier, chinesisches u. japan. 285,
Papillon, Jean ?qq.
Paris 6j. 197.
Paschalis-Eli zÄ2^
Paul von Köln .62.
Pegnizer, Joh.
Peking 287.
Pencz, Georg 115.
Pergament 85.
Persij Satire 50.
Petersburg, St. du.
4i
1 Petreijus, Johann 1 29.
Petri, Adam 137.
„ Heinrich 138.
„ Johannes 137.
Petzensteiner, Heinrich
Pfister, Albrecht 48.
Philadelphia 271.
Phillery 2_l&
Pigouchet, Paul 197.
Pilgrim s. Wächtlin 136.
Piigrims Progress 268.
Pilsen jr6.
Plantinsches Haus.
Plantin, Christoph 219.
Begründung des Geschäfts 219.
Seine Korrektoren 219.
Raphelingius, Franz 2_2.fi,
Moretus, Johann 2_2_a-
Beys, Gilles 2_2_o_
Biblia polyglotta 22£L.
Prototypographus regius 222.
Plantins Schriften 223.
Sein Druckzeichen 223.
Seine Nachfolger 224.
Moretus Baltazar 224.
Plantinsche Museum 225.
Pleydenwurf, Hans 107.
— Wilhelm 107.
Plutschau, Heinrich 2S7.
Polychronicon (Caxton) 73.
Polyglotten s. Bibel.
Poor Richards Almanach 271.
Porres, Pet Paul i5i
Port au Prince 192.
Posen 278.
Postulat 16
Powell, Humfrey 266
Prag 7_6j loJL
Pressen, die ältesten _____ 162.
Pressenmeister 163.
Prinzipal 164.
Printers io_.
Privilegien in Frankreich ioj.
— in England 255.
— in Schottland 265.
„Propaganda", Druckerei der _______
„Proportion. d.Ross" v.Beham 1 16.
Prostitz, Isaak 278.
298
REGISTER.
„Psalterium" (Schöffer) ^8.
Puerto, Alfons de 62.
Putorius, Johann i6t.
Pynson, Richard 259.
Queen Elisabeths prayer book 263.
Quentell, Heinrich 51.
Radewynzoon, Floris 6o_.
Raff, Povel 24.
Raimondi, Marc-Antonio i&iL
Rainmann, Johann 130.
Ratdold, Erhard 46^ 59.
Ravenstein, Albert 52.
Regiomontanus, Joh. 46.
Reiberdrucke 13.
Reichardt, Hans 168.
Reineke de Voss (Lübeck) 52.
Reinhard, Johann 135.
Remboldt, Berthold 66.
Rembrandt, Paul 218.
Rewich, Erhard 41.
Rhawe, Georg 150.
Richardson, Sarauel 264.
Richel, Bernhard 44.
— Wendelin 136.
Riffe, Hans 24.
Rigaud, Claude 211.
Riimkrönike, Dansk 74.
Ripen 24.
„Robinson Crusoe" 268.
Röckner, Vincenz lzJL
Römische Schrift 56.
Rom 5_j\ tSi. 183. 186.
Roman, Johann 247.
Roman (Romain, Romeyn)s. Antiqua.
Rood, Theodor 264.
Rossart, J. F. 251.
Rostock 151.
Roville, Guillaume de 213.
Roycrofft, Thomas 2JLL.
Rubrik 13.
Rubrikatoren 14. 84.
Rudbeck, Olaus 15S.
Runen 74.
Runge, Christoph 153.
„Sachsen-Chronik" (Schöffer) 4L
„Sachsen-Spiegel" (Richel) 4J^
Said-Efendi 2&L.
Salamanca 62.
Sallust, stereotyp, v. W. Ged 2Ü6.
Sansleque, Familie 214.
Saragossa 6 2 .
Saspach, Hans 25.
Satz-Apparate, früheste 7^. 162.
Sauer, Familie 274.
Schaeuffelein 116. 128.
Scharfenberg, Crispinus 145.
— Johann 145.
— Nikolaus 277.
„Schatzbehalter, Der" 47^ 107.
Schedel„Buchd.Chroniken"47.io7.
Sabon
1.10.
Schellhornsche Bibel"(3 6zeil.) 29.
Schepper, J. J. 242.
Schleswig 74.
Schnellboltz, Gabriel 150.
Schnitzer, Joh. v. Arnheim 46.
Schoch, Christoph 155.
SCHÖFFER-FAMILIE.
Schöffer, Peter $o.
Jugend $0.
Ankunft in Mainz 31.
Verbindung mit Fust 3JJ.
Psalterium 3j$.
48zeilige Bibel 40.
Schwabacher Schrift 41.
Tod 42.
Schöffer, Ivo 132.
— Jakob 132.
— Johann 132.
— Johann iL. 132.
— Peter iL 132.
Schön, Erhard 1 14. 135.
Schönsperger, Hans d. ä. 46. 129.
Schongauer, Martin 134.
Schreibmeister, Die 129.
SCHRIFTGIESSEREI.
Älteste 3_r. 77.
Verbesserungen 16a.
Kegel und Höhe 160.
Giessinstrument 160.
Signatur 1 60.
Clichieren 161.
Fraktur 161.
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REGISTER.
299
Nürnberg 129.
Italien 177.
Frankreich 198. 214.
Niederlande 246. 250.
England züiL
Russland 279.
Schul t/e, Georg 153.
Schwabacher Schrift 4_i.
Schumann, Valentin 146.
Scott, Joh. 136.
Scriptores Ais/. Byzantiner 211.
Sedan 214.
Sedanoise-Schriü 214.
Segur, Bartholomäus £2,
Selou, Peter von 157.
Semigothische Schrift &fL
Sensenschmid, Johann 46. 49.
Sephar Orach Chaim Ö3_.
Seuil, de 216.
Sevilla 62, 190.
Sheldonian Theatre 264.
Siberch, Johann 264.
Singriener, Johann 142.
Skalholt i$ 7.
Slawischer Druck in Tübingen 133.
Snagof 2Ü2.
Snell, Johann 24. 75.
Solis, Virgil 117.
Soncino 6_l
Sorbonne 65.
Sorg, Anton 46.
Spectator, The 267.
Speculum hum. Salvati onis 21»
Speculum pass. (Schaeuffelein) 116.
Speyer, Joh. von 58.
Spielkarten liL
Spiess, Wigand von Ortenberg 3^
Spindeler, Nikolaus 62.
Spinosa, Antonio de 191.
Springinklee, Hans 114. 135.
Stathoen, Hermann an 42.
Stendal 52.
STEPH ANUS-FAMILIE.
Stephanus, Heinrich 202.
Stephanus, Robert l 202-
Jugend u. Geschäftsanfang 202.
Thesaurus linguat tatina 203.
Königl. Typograph 204.
Übersiedelung nach Genf 204.
Kgl. griech. Schriften 204.
Stephanus, Franz l 205.
— Karl 205.
— Robert iL. 206.
Stephanus, Heinrich iL zolL
Geschäftsbahn 206.
Thesaurus lingual gracat 207.
Heinrichs Tod 207.
"Stephanus, Paul 207.
Stephanus, Franz iL
Stereotypie :
Valeire 215.
van der Mey und Müller 251.
William Ged 265.
Stimmer, Tobias 1 20.
Stockelmann, Hans 154-
Stockholm 7jj. 157.
Stockei, Wolfgang 145.
Stoll, Johann GiL
Strassburg 23. 42. 120. 134.
Strassburg, Jakob von 136.
Straub, Leonhard 142.
Strengnäs 157.
Subiaco 56.
Suhanow, Arsenif 279.
Summa de art. fidei (Gutenberg) 32.
Surinam 192.
Svivler, Michel öiL
Sweynheim, Konrad 56.
Synodalnija Typograßa 279.
Tacaco 287.
Takke, Heinrich 149.
„Talmud" (Bomberg) 185.
Tattier, the 267.
Tavernier, Ament 251.
Technik, Verbesserungen 159.
Teigdruck 16.
Thanner, Jakob 146.
Theatrum geographiae veteris 235.
Thes. ling. lat. (Roh. Steph.) 203.
— graecae (H.Steph.) 207.
Theuerdank, Der 127.
Theuerdank-Type L2JL
Thou, Charles de 2 ig.
Thurneisen, Emm. 139.
Thurneysser, Leonhard 152.
Google
3oo
REGISTER.
Tiflis z&z,
Tissard, Francois 204.
Tissnova, Martin von 76.
Torresanus, Andr., de Asola 180.
Torquemada Meditationes (Han) 56.
Tory, Geofroy 198. 215.
Tötfalu, Nikolaus 270.
Tournes, Jean de 212.
Tractatulusracionis (Gutenberg) 32.
Tranquebar 287.
Trattnern von 161-
Trechsel, Joh.
,,Triumphz.Cäsars"(Andreani) 189.
Trüber, Primus 133.
Tschernigow 7J>.
Tübingen 132.
Testament, Neues (Tyndale) 259.
Tzwyvel, Theodorik £2.
Ulm 44.
Ungnad, Hans, von Sonnegg 133.
„Unterwey sungd. Proportion" 1 14-
Upsala 157. 158.
Urach 133.
Uscan 2Ä2^
Utrecht 231.
Valdarfer, Christoph du.
Valdius, Petrus 158.
Valeire 215.
Valentin aus Mähren 63.
Valenzia 6x. iqo.
Vascosan, Michel 201-
Vautrollier, Thomas 263.
Vecellio, C., Habiti antichi 188.
Velin {Vellum) SA
Venedig 58. 176. 184. 185. 187.
Verard, Anton 197.
Verlagskatalog, Erster 42.
Vesalius, A., hum. corp.fabrica 139.
Victor, Hieronymus 142. 277.
Virgiiius (Ratdcolt) fflL
Vitre, Antonius 20Q.
Vocabulario des A. de Molina 191.
Vögelin, Ernst 134. 147.
Volpi, Giovanno 187.
Voltz, Nikolas 152.
Voskens, Dirk 250.
Vostre, Simon 197.
Wächtlin, Joh. 13A
Waesberge, Johann van 249.
Waltons Polyglotte 261.
Wankuli Kitab Lugat 2_8_Ll
„Wappenbuch", erstes (Sorg) 46.
Warschau 278.
Wasen, Hans am 139.
Wasserzeichen 8_7_.
Watson, James 265.
Wechel, Familie 131. 201.
Weidlich, Christoph t68.
Weiss, Johann 151.
Wendelin, Joh., de Spira 58.
Wenssler, Michael 43.
Westfal, Joachim 52.
Wetstein, Heinrich 245.
Weyerstraten, Elisäus 250.
Whitchurch, Edward 2Jk^
Wien 49. 142.
Willer, Georg 170.
Wilna 278. 279.
Wilson, Alexander 266.
Winkler, Andreas 145.
Winterburger, Joh. 50.
Wittenberg 119. 150.
Wojiriot, Pierre 200.
Wolf, Johann 141.
Wolfe, Reynold 2Ü2-
Wolgemut, Michel 4^ 107.
Wörde, Wynkyn de 258.
Würsing, Marx 130.
Xylographie s. Holzschnitt.
Xylographische Werke zsl.
Zahlen, arabische ^
Zainer, Günther 46.
— Johannes 45.
Zanetti, Anton Graf v. 189.
Zell, Ulrich
Zeitungen, erste, in Wien 144.
— — in England 267.
Zeitungsstempel in England 267.
Zenger, Peter 273.
Zensur 96. 173.
Zeugdruck 16.
Ziegenbalg, Barth. 287.
Zimmermann, Mich. 1 43 .
Zink, Christoph 161.
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30I
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j,Zionitisch.Weyrauchs-Hügel"2 24. ( Zunftwesen in Frankreich 194.
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— Debüts de f imprimerie g_.
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Decameron 8_
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Broederschap v. G. Groote 6iL
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Tarots etc. iiL
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Volpi-Cominiana 187.
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als Kennzeichen anzuwenden 85.
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typographique 104. 214.
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des Buchhandels 56. 172.
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des Pays-Bas. &.
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— The origin and progress 0/
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