DER AREOPAG UND
DIE EPHETEN: EINE
UNTERSUCHUNG
ZUR
ATHENISCHEN...
Adolf Philippi
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BorniiT wiTii
TIIK INf OMK FROM
T H a I F T O F
STEPHEN SAIiISBURY,
OV U'OUrESTKK, MASS.
(Clftsa of 1817).
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DER
AEEOPAG UND DIE EPHETEN.
EINE DHTEBSDCHimi}
ZDB
ATHENISCHEN VERFASSUNGStiEäGHIOHIE
VON
ADOLF PHILIPPI.
^BERLIN.
WBIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG.
tg74.
ERNST CUßTIUS
GEWIDMET.
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ERNST CURTIUS
GEWIDMET.
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DaB vorliegende Buch ist seinem ursprünglichen Plane
nach nur ein Theil einer fieihe ron Unterauehung^ Uber Ge-
richtswesen, Volks- und RatiwyeTsammlnng der Aäiener.
Es sollte darin eine Anzahl von Fragen, welche fUr diese
xirei wichtigen und vielCach sich berührenden Factoren
4e8 athenischen YerfasBungswesens von Bedentnng sind,
in zusammenhängender Weise erörtert werden. Seitdem
haben mich Studien anderer Art bewogen, den anfäng-
lichen Plan aufzugeben.
Wenn ich dennoch mich entschloss, den am weite-
sten fortgeschrittenen Theil der Arbeit in veränderter
Form zn yerOffentliehen , so folgte ich darin am wenig-
sten meiner persönlichen Neigung, welche gerade auf
diesem vielfach dunklen und unerfreulichen Grcbiete oft-
mals mich im Sticho liess. Aber ich glaubte nach sorg-
fältiger Erwägung mich der Hoffining hingeben zu dttrfen,
dass eine mit wol annähernd vollständiger Kenntniss der
-Quellen und der gelehrten Literatur unternommene Dar-
stellung des hier behandelten Gegenstandes kein ganz
llberflilssiger Beitrag zur Kenntniss des athenischen Ver-
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fasBungswesens sein wUrdej zmnal wenn es mir gelungen
wäre, in strenger Durcharbeitung dem Buche den Cha-
rakter einer in sieh abgeschlossenen Monographie zn
geben.
Wer dermaleinst eine vollsföndige Gesehichte der
athenischen Verfassung schreibt und damit eine Haupt-
aufgabe eritillt, welcher unsere Beschäftigung mit grie-
chisehen »Alterthttmem« zugewandt ist, der wird daza
noch vieler Einzelnntersnchungen bedttrfen. Denn jedea
tiefere Eindringen in die Quellen zeigt, dass manches,
was für sicher gilt, noch nicht feststeht und manchem
wieder doch sicherer bestimmt werden kami, als es bis-
her geschehen ist. Zu dem grossen Werke mag dena
das Buch eine Handreichung sein.
Dass der Gegenstand, welchen es behandelt, woi
eine Znsammenfassnng fordert, wird, wer der L^ratop
desselben iwher getreten ist, zageben. Ueber sie sehicike
ich hier einen kui-zen geschichtlichen Ueberblick voraus.
Es treten zwei Kichtungen hervor, welche auch
der Zeit nach sich von änander abgrenzen* Die eine,,
systematisehe, antiquarische beseitigte sich, im An-
schlüsse namentlich an die Redner, mit der Feststellung^
der Competeuz der Blutgerichtshöfe, des Areopag einer-
seits , der £ph§ten anderesseits. Die Gfundlage bietet
hier schgn der grosse Sigqnins in seinen De rep. A&e-
niensium libri lY. Yenet. 1565 ^ein Abdruck in GronoT»
Thesaurus B. V.). Sein Quellenmaterial ist noch gering,
seine Darstellung kurz skizzierend. Aber das kleine Buch
fasst seiipien Gegenstand in ganzen, grossen Zngen« iiei
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vn
von allem klehilioliAa Kotkenkram; es weht vm noeb
etwas von dem Geiste der Renaissanee daraus entgegen,
in dessen Dienst sich die schöne Vorrede stellt. Auch
in seinen mancherlei Irrthümem ist es oftmals lehrreich.
Man darf mhig sagen, dafts bis in unser Jahrhundert hin-
ein eine so liohtyolle Darstellung des athenischen Ver-
fassungswesens nicht wieder gesehrieben ist. Denn bei
Meursins (Areopagus L. B. 1624, Solon Hafu. 1632,
Themis Attiea Tn\|. 1685 ed. Graevins; alles anoh in
GronoTB V. Bande) haben wir nur fiNsBllensarnndiingen,
welche freilich grundlegend geworden sind. Die Erklä-
rung beschäftigt sich nur mit dem Einzelneu; kritisches
Urtheü ist selten und von historischer, das Otsme ttber-
bliekender AnfßuHmng keine Bede. Der Gesichtspunkt
entspricht etwa dem eines interpretierenden Coninientars
im Stile der älteren Zeit. Mehr eigenes giebt Petitns
Leges Atticae Paris. 1685, doch gerade sein vorschnelles
nnd meist wanderliehes Urtfaeil ist bekanntHcb Qiielle
vieler Irrthtimer geworden , und der Werth des Buches
besteht heute nur noch in dem immerhin reichen Mate-
rial, welches die zweite Auflage von Wesseling (L. B.
1743) durch des Herausgebers und Anderer Anmerkungen
ganz erheblieh brauchbarer gemacht hat. Einen weit
grösseren Namen , als diese beiden , hat sich bei den
sjMtteren Gelehrten Heraldus gesichert durch sein gros-
ses Hauptwerk: Observationes ad ins Att. et Bcmian.,
auch Animadyersiones in Sahnasii observaliottes miseellaa
betitelt, Paris. 1050 nach seinem Tode herausgegeben).
Der Werth desselben wird wesentlich durch seines Geg-
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vm
ners Salmas ius Werke — namentlich De modo usura-
mm L. B. Id39 und Migeellae defensiones pro Ol. Sal-
maido 1645 — bestimmt, und davon wird auch das Ur-
theil Uber die beiden Männer, wenn es gerecht sein will,
aasgehen mttssen. Ueraldos ist nel scharfsinniger, küh-
ner im Combiniereni »aber geleitet ron dem Eigensinne
dessen, der woniOglieli immer Reebt haben wiU, nnd da-
bei um die Mittel sachwalterischer Praxis , welche ihm
seine Lebensstellung nahe legte , auch in wissenschaft-
. liehen Dingen nicht verlegen. An Kenntniss des griechi-
schen Alterihums aber steht er tief nnter seinem G^er,
der ihm oft die Wege zeigt, anf denen er weiter geht.
Weil aber dem Salmasius die glänzende Beredsamkeit
fehlte und eine ge^visse Gelehrtenbesehränktheit ihm
manchen Streich spielte, so hat Heraldns vielfiBeh, auch
wo er es entschieden nicht verdiente, bei den Spftteren
Recht behalten, zumal da ilim der äussere Vortheil. zu-
letzt gesprochen zu haben, zu gute kam. Dieses Verhält-
niss hat sich mir sehr häufig bestätigt und ist auch fUr
den vorliegenden Gegenstand hie nnd da angedeutet wor-
den. Uebrigens ist die Behandlung der meisten Fragen,
wie es der wesentlich polemische Gesichtspunkt erwarten
lässt, abgerissen, dabei im einzelnen oft sehr weitschweifig
und fOi die Sache im Yerhältniss zu dem Aufwände an
Mitteln wenig förderlich. Nächst den Genannten verdie-
nen hier die £rklärer der Schriftsteller, namentlich der
Bedner, Erwähnung. Unter den vielen, zum Theil gleich-
zeitigen Dissertationen Uber einzelne Gegenstände, von
denen einige anch unser Gebiet belrOhren, findet sich nur
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bie und da eine Bemerkttngt welche Ittr ohb nicht yergeb-
lieh geschrieben ist. Werthvoller, als alles, was seit Si-
gonias erschien, ist die t'Ur ilire Zeit vortreffliche Abhand-
lung Uber die athenischen Blatgerichte von Matthift
<]fiBcellanea philol. vol. I. ed. A. M . Altenb. 1803 ; Dis-
sertatio prima de iudiciis Athen, p. 141 — Hl , an welche
die in Bezug auf die ^ovua nur beiläuHge Darstellung
des »Attischen Processesa 1824 anknüpfte. Auch
Heffter und Platner haben in ihren etwas Mher er-
schienenen Werken (1822. 18241 nur kurz die Blutgerichte
behandelt. Vorher aber Ikatte Meier De bonis damna-
tomm 1819 auch diesen Gegenstand' in eingehender und
«diarisimiiger Behimdlung in den mannigfaltigen Inhalt
seines kleinen, aber reichhaltigen Buches gezogen. Man-
ches geschah dann ferner . zum Theil in einzelnen Ab-
handlungen, Becensionen und dgl. , von Böckh, Meier,
SehOmann, O. Mttller, Hermann, Forchhammer
u. A., von den Erklärem der Redner, bis die klare Zu-
;8ammenfassung der wichtigsten Punkte in Schömanns
Antiquitates 1838 — die erste vollständige üebersicht seit
Jiatthitt — einen vorläufigen Abschluss gab. Für die
Tielen sdtdem erschienenen Arbeiten yerweise ich auf
4ie Behandlung des Gegenstandes selbst 'I — IV j , wo
sorgfältige Recheuscliaft darüber abgelegt ist.
Nach der anderen, historischen Seite hatte sich die
Forschung hauptsächlich zwei Fragen zu stellen : die nach
dem Alter des areopagi tischen Käthes, seinem Zusammen-
hange mit der solonischen Verfassung und die zweite nach
dem Wesen der Beform des Ephialtes.
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Die G«8e1iiehte der Behanillmi^ dieser xweiten Frage
in dem Sinne , wie sie hente aufgefasst wird , darf man
mit dem Zeitpunkte beginnen, wo Forehhammer auf
* das ZengnisB des Pliiloehoros anftnerksam madito, uaeh
welchem Ephifütes dem Areopag die Bhitgeriehtsbaiiceit
Hess 1830 r. S. 264 . Seitdem sind von Systeniatikern
and iÜBtohkem — unter den letzteren erinnere ich nur an
Grote und Oneken — Terachiedene Gesiehtsponkte smr
Bestätigung dieser Antobt gelt^ gemacht, und die
Thatsache selbst lässt sich nicht mehr bezweifeln, wenn
auch Uber das Einzelne die Ansichten auseinandergehen»
Wie für diese Frage die Anseinandersetzniig es vomigs-
weise mit den Neueren zu ihnn hat (V. Cap. 2), so audi
für die andere nach dem Zusammenbange des areopagi-
tischen Käthes mit der solonischen Verfassung (V. Cap. 1),
deren Geschichte, sofern sie zu den heutigen Besultaten
geftihrt hat, man mit 0. Httllers Eumenideuoommentacr
1833 beginnen lassen kann. Was ich nach dieser Seite
habe bieten können, knüpft an eine Hypothese Müllers
und ihre Kritik durch Schümann (1833) an. Wenn ich
Mar eine vorlftufige LOsung oder ich will lieber sagen:
Zureehtlegiing der »areopagitiseben Frage« gegeben habe,
so unterstützte mich darin nicht nur ein glücklicher Zu-
wachs an Material, sondern auch die Anregung einer Mit-
arbeiterschaft, die ich dankbar anerkenne. Die kürzlich
als Abhandlang der k. sSchs. Gesellsoh. der Wissensch,
erschienene Untersuchung von L. Lange: Die Epheten
und der Areopag vor Solon, Leipzig 1874 wurde mir noch
vor ihrer YoUendung im Miuiuscript von ihrem Verfasser
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freundlichst mitgetheilt, mit welchem Nutzen für den
betreffend^u Abschnitt dieses Buches ( V. Cap. 1 ) , wird
der Losor mlM bevtbeüen*).
HioiBit ist Bogleiofa der bavptsSehliolie Inhalt des
Buches bezeichnet. Denn was es ausserdem enthält —
die spätere Gesdiichte des Areopag und der Epheten V.
Gap. 3 und 4 ist weniger Unlenndiiing, als rervoUr
Btilnd^nde DarBtellnng, an welober oum hOelitteos eine
gewisse Sorgfalt, so hoffe ich, anerkennen wird.
Mit dieser Uebersicht habe ich bereits die Anordnung
des Stoffes in den nadifolgenden fünf Abselmitten berührt:
die eisten vier sind ^tematiseli oder antiqnariseh, der
letste, nmikngreieluite yorencht den areopagitisehen Rath
und die Epheten in historischer Entwicklung mit Bezie-
hmig auf das in den früheren Abhandlungen nach sach-
liehen CMohtspunkten Hingestellte Tearznfdhrw. Diese
Sondernng- der Gesiehtspnnkte empfifthl sidi mir dnreh
zweierlei. Einmal glaubte ich für die historische Darstel-
lung in den systematischen Abhandlungen eine sichere
und oontrolierbare Gmndlage zu gehen, wie das nsment*
Üeh in dem Capitel ttb^ die Reform des Ephlattes (Y » 2)
*' Zu grossem Danke verpflichtete mich auch Herr Dr. Richard
Christensen in Kopenhagen durch üebersendung seiner Abhand-
lung Bidrag til Areopagos's Historie, welche hofientlich nächstens
in deutscher Uebersetzung erscheinen wird. Je mehr ich mich freute,
in vielen Punkten mit den Ergebnissen dieser vortrefllichen Arbeit
überein^etroffen zu sein, desto wichtiger schien es mir, auch ihre
▼on den m«nigen abweichenclen Rendtate zu verzeichnen. Beide»
konnte nur in den Anmerkungen geschehen , da mein Manuscript
sof ZeaA schon zum Dmoke gegeben mideo mutste.
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hervortreten wird. Indessen fUr diesen Zweck allein
hlitte ich mich dort viel kttner fiftssen können. Aber mein
zweites Bestreben war. in den nach sachlichen Gesichts-
punkten geordneten Abschnitten für die Erklärung der
Bedner ein Httl&mittel zn geben, welches möglichst yoU-
standig die einzelnen lUlle behandelte, in denen sich je-
mand Raths erholen mag, und welches sich auch zum
Nachschlagen brauchbar erwiese. Zu diesem Zwecke ist
ein sorgfältiges Register beigegeben.
Ich habe objeetiv zn forschen gesucht, so weit wir
das eben können, und lieber manchmal, anstatt eine
Möglichkeit um ihres Neiguugswerthes willen mit stärke-
ren Gründen heryorzuheben, offen die Alternative und ihre
quellenmässige Begründung gegeben. Für die Mitforscher,
die dann besser zn eombinieren verstehen, als ich, wird das
Buch dadurch an Brauchbarkeit gewonnen hal)en. wenn sie
sich durch den langweiiig-kUhlen Ton nicht abstossen las-
sen, welchen dies Yer&hren unvermeidlich zur Folge hat.
Eine Monographie aber, welche die Summe des derzeiti-
gen Wissens Uber einen Gegenstand darlegen möchte,
wird meiner Ansicht nach am besten thun, ihren be-
stimmten Leserkreis von vom herein im Auge zu haben
und der Dlusion sieh zu begeben, als könne sie denselben
durch äussere Reizmittel ei-weitem.
Eine äusserliche Bemerkung noch betrifft die Nach-
weise, worin den Ansprüchen Aller zu genttgen natürlich
unmöglich ist. In Bezug auf die alten Quellen sind die
ttberflttssigen, manchmal ungehörigen unter den traditionell
vererbten Citateu beseitigt; neue sind, wie der Kundige
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sehen wird . vielfach an ihre Stelle getreten , und ich
hoffe hierin keiner auf Unkenntniss beruhenden Unterlas-
Bung mieh schuldig gemacht zn haben. Hiiisichtlieh der
Literatmnaehweise wird manchen zn wenig geffaan schei*
nen. Die älteren Schriftsteller des 16. und 17. Jahrhun-
dert9, welche heute kaum noch jemand benutzt, sind sel-
tener angeführt. Ich habe mir in dieser Hinsicht Zwang
angethan, denn eine Art Geschichte der Oontroyeraen ge-
währt ein nicht geringes Interesse. Sie Hess sich aber
nicht ohne eine Ausführlichkeit geben , welche wol der
immerhin nebensächliche Gesichtspunkt kaum gerechtfer-
tigt haben witrde. Statt dessen habe ich die bedeuten-
deren neneren Arbeiten, welche jedem zugänglich sind, an-
geführt, und das um so häufiger, als abgesehen von al-
len sachlichen Gründen die bloss hingeworfene Meinung
eines tttchtigen Forschers ein gewisses Becht hat, gdbOrt
zn werden, und manchmal ^en dankenswerthen Finger-
zeig giebt. Bis zum suflfrage universel wird man freilich
dies Verfahren nicht ausgedehnt finden.
Jedem drängt sich wol beim Abschluss einer Arbeit
der Vergleich mit denen auf, an welche sie anknüpfend
weiter führen will. Was will freilich dies Nachbessern
und Nachtragen, dies Zurechtstellen des JBinzelnen sagen
gegen das Werk derer, die den grossen Bau im Ganzen
aus zerstreutem Material aufzufahren hatten 1 Wir spre-
chen freilich oft so gelehrt Uber die Quellen, als ob wir
sie eben erst entdeckt hätten und jene mit halbgeschlos-
senen Augen daran vorübergegangen wären. Aber wir
sollten nicht yergessen, dass unser Blick nur selten noch
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durch Suchen nach ungehobenem Stotf von dem bereit-
liogendea abgezogen wird. Und da wir dann noch wol
gar miseTMi Kreis tob vom herein uns enger gezogen
haben, ao ist et am Ende kein eo grossee Yerdienst,
wenn bisweilen ein Schritt etwas weiter führt oder der
Blick etwa» tiefer dringt. Das aber wird, hoffe ich, hie
«nd da von dem Inhalte dieses Buehes auch nach dem
Urthaile Anderer gelten.
Leipzig, im März 1874.
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Inhaltsübersicht.
L Die fftnf Blnt^richtstätten und ihre Competenz S. 3.
Einleitung: Die athenisclieii lAelÜBtfttteii; Behaadhmg detTodt*
•eUlgs in der Heroenzeit 3.
Cap. 1. Die Itaf lUlilit&ttm 8. 7.
1. Der Areopag S. 8.
Bedeutung des Namens 8. — Alter der Mehistj^ttc 12.
2. Das Palladion S. 13.
Ueiligtbum 13. — Ursprung^beln über die Einsetzung de«
Geistes 13.
3. Das Delphinion 8. 16.
Heiligthum 15. — Uisprangifabel Aber die Eineetnng des Oe-
^kwric^tes 16.
4. Das Prytaneion S. 16.
Stätte und Gericht 16. — DüpoUenfest 17. ^ 4 .Stammkönige 18.
5. Phreattys S. 18,
Stätte und Gericht 18.
C^. 2. Die Competenz der Hdfe auf dem Azeopeg, PaUadien
und am Delphinion S. 20. '
1. Die Quellen S. 20.
PoUux, Demosthenes, Arjatoteles' Politie der Athener 20. ^-^
VolkebeMdüatB Ton 409/8 1 21.
2. Vorsfttilieher und nnvorsätslicher Todtechlag
(Areopag und Palladion) und Verletsung in
tödtlicher Absicht (Areopag) S. 33.
Vors&tsUcher und unTorsätsiicher Mord 23. — Feetttellung der
Kategorie dnreh den Archon 24. — IMüuMgebend iit die Abeieht des
Beklagten : Antiphons dritte Tetralogie 24. — erste und xweite 26.
— Die Absicht muss auf das Tödten gerichtet sein, wenn der Areo-
l^g^ew&hlt werden soll 27. — Verletzung in tödtlicher Absicht;
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XVI
IMBALT80BEB8ICIIT.
3. Böswillige Veranitaltung — ßo6Xet»eic (Palla-
dion, nicht Areopag} 8. 29.
Ausdrücke 29. — Harpokrat. nennt zweifaches Forum 29. —
£benft0 die Neueren 30. — Antiphon Choreut. behandelt ^ojAejoii 31.
ten 32. — Zweifaches Forum nacn den Quellen nicht durchführbar '
38. — Antiphon Stiefmutter behandelt ^oOXeuoic 3b. — Verfasser dar
Rede 39. — Die Rede nicht auf dem Areopag, sondern am PiUa*
dion gehalten 41. — ^^usc; nur am Palladion abgeurtlieilt 42. —
Harpokrations Zeugnis» beruht auf Missverständniss 43. — Demo-
sthenes g. Konon p. 1250 liefert keinen Gegenbeweis 45. — Andere
scheinbare Zeugnisse 49.
4. GiftmiaehiiDg — (pdp{Aaxa — (Areopag) 8. M.
Antiphon Stiefinutter gehdrt nicht hiexher 51. ^ Absicht mos»
auf Tfldten genchtet sein 52.
5. Tddtung yon Nichtbürgern 8. 52.
Nach ntuarer Ansicht wurde hierüber nur am PaUadion geiioh--
tet 53. — Quellen bestätigen das nicht 54.
.6. Erlaubter Todtschlag — (p4voc ftUato« (Delphi-
nion* S. 55.
Umfang der Kategorie nach den Quellen 55. — Competenz des
Gerichts b\t. — Kein Scheingericht 60. — Bedingungen der Klage
61. — Rein^ung musste stamndcn 62.
U« Das gerichtliche Verfahren an den Höfe» Mif 4mi A r c op i g ».
an PallAdiOB imd an Deiphiaioa S. 67.
7(M(pT) und 84. — Blutrache Pilicbt der Verwandten 69. —
Kündung 'Trpopf.T^oi; , nicht dreimal (»9. — Verwandtschaftsgrade,
denen das Kün^n und Klagen zusteht 70. — [Demosth.] g. Makar-
, tatos p. 1069 Terglichen mit dem drakontisdien Gesetae der Inschi^
von 4U9/8: 71. — dvc^cC, dst^io-loX und dve^iöv raToc; 72. — hrh^
d.-iv\/i6rrf.o(i 74. — Andere Quellen 78. — PoUuz 8, 118 aus [De-
mosth.] geflossen 79.
Cap. 2. Die Instruction der Klage and der Rechtssprnch S. 84.
dvdxpteu und hixr^ 64. — Drei npo^ixaoCat, an den Mahlstätten,
nicht in der Kdnigshalle abgehalten 85. — Vereidigung 87. — Eid
der Parteien bei den Athenern überhaupt 8S. — >«ur einseitig? 89.
— Eid der Parteien vor den Blutgerichten 90. — Beiderseitig 91.
— HauptverhandluDg 95. — Drei Tagestermine 95. -~ Die-
Art der Verhandlung an ailan drei Hofen dieselbe 97.
Cap. 3. nehtvwwandta all Xligtr; die Apagaga 8. 97.
1. Tfldtung von Sklaven s KUger sind die Herren 96.. — voa
— Die Rede nicht auf dem Areo
sondern am Palladion gehal-
Cap. 1. «nleitenaa XaaHafslB; die XUgar 8. 69.
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I
INHALTSÜBERSICHT. ' XVU
Fraigdamenen, Metoekeni die Pitioiie 96. — (Bonotth.J g. Euerg.
und Mnes. p. 1 1 60 : 98. — Plato Euthyphron 99. — p>aDOClih.]- g,
Neaera p. 1348 : 99.
2. Tödtung von Bürgern lüO. — Flut. Solon 18: lül. — Apa-
eoge 103. — Lys. g. Agoratos, Demosthenes und andere Beispiele
der Aptgoge lCl3.
III. Die Folgen des Vrthellsspnieheg (Strafe imd SllJUie) S. 109.
Cap. 1. Die Strafe S. 1U9.
1 . <p 0 V 0 5; £ X 0 6 0 1 0 c S. 1 09.
Todesstrafe und Conüscation 109. — Letstere unbedingt 110.
2. Tpaü]j.a ix icpovoiac S. 113.
Verbannung 113. — Dauer nicht lebenslänglich 113. — Confis-
catioii 114.
3. 9^voc 4«o6etoc S. 114.
Keine Confiscation, nur Verbannung 114. — Letztere nur M&V
weilig 115. — Ihre Dauer und ihr VerhältiUBs tat SOhne 116.
4. ßouXe'jot; S. 118.
Strafe entspricht der über ^övoc äxo'joio; verhängten 118. —
Oder dar Aber fdvoc iiio6eioc verhängten 119.
5. Oiftmitchttng S. 120.
6. Strafe ffir Tödtnag tob Niehtbargern 8. 121.
7. Strafe an PalUdion und Delphinion S. 122.
An erster Stelle konnte auf Todesstrafe erkannt werden (ßoö-
Xc'jot;} 122. Ebenso am Delphinion, wenn die Einrede (lixolon)
verworfen wiirde 123. — Lys. Mord des Eratosthenes 124. — Am
Belphiaion kein Scheingericlit 126. — Ly«. g. Bratosihenes 125.
Cap. 2. na üatrtkM 8. 125.
1. Allgemeines S. 125.
Sühnung und Reinigung 125. — Stets verbunden 126. — Hut
beim hixaioi ^övoc trat Reinigung allein ein 127.
2. Die Lage des flüchtigen Mörders S. 129.
Die Kündung (7i{>öppi]0tc) 129. — Bestimmungen über das Ver»
halten des Todt^chligen: Demoeth. g. Aristokrat, u. Inschrift von
409/8: 130. — Ob er getOdtet weiden durfte? 131. — Apagoge an
den Thesmotheten 132.
3. Die Sühne S. 136.
1. Verwandte, welche sie gewähren können 137. — Theilnahme
der Bpheten 138. — Pollux 1, 125 über die Epheten beruht auf
Mifisverständniss 139. — PoUux schöpft aus Denuwth., nicht ans
Kxateros 140.
2. Möglichkeit der Sühne bei ^övoc ixoäotoc V 141. — Nicht von
Seiten der Verwandten 143. — Demosth. g. Midias p. 528. g. Pan-
taenetos p. 983: 144. — Nor von Seiten des OetOdteten selbst 146.
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XVUl INHAX.TSÜBKBaiCUT.
— Sflhne b«i ^dvo« dxoömoc 146. — Stuid sieht in freien BeUeben
dir VerwandleB 147.
IT« BeflH(Bi<>86 Areopagiten aoAser der Blatgeriehtsbarkeit
Om Zeltaller der Mier) & 153.
Cap. 1. BefagnitM dtt Areopag, welche mit den 0«ltw mnaip
■enMeg» 8« 195.
Bumenidencttlt 155. — BeaiifeichtiguDg der heil. Oelb&ume 155.
— Klage docßsbc? 156. — Aufsicht aber den Coltt» (Ibeifaaiqrt? 157.
Gap. 2. Markt- and Beny^ÜMl S. 158.
1. Keine MarktpoUiei 158. — Volksbeeddiitt Uber Mass und
Gewicht 15S.
2. Baupolizei nach Herakleides? 159. — Aeschines g. Timarch
§ 80 iF. 160. ^ Gericht über Brandstiftung 161.
Cap. 'i. Aufaicht über das Eniehongswesen a. Sittenpolizei S. 162.
1. Isükrates Areopagitikos 162. — »Sophronisten? 162.
2. Klage dlp^w« 163. — Areopag? 164. — Klage gegen Ver-
aehwender 164. Hat eine TöUiar andere Bedeutung, als geiiShn«
lieh angenommen wird 165. — FDemosth.] g. Neaera p. 1372 'kein
Beweis für censorische Gewalt des Areopag 166. — Dokima.<'ie der
neueintretenden Areuuagiten? 167. — Menedemos von Eretria und
A8klei>iades 167. — Kleanthee 168. — Ei^gebniss daraus fQr die
eensorieehe Gewalt des Areopag 170.
Cap. 4. ;D«r Ancpag als Itaatsratk 8. 170.
1. Untersuchungen im Auftrage des Volkes 17t) — Beispiele
171. — Ihre Bedeutung für die derzeitige Macht des Areopae un-
erheblich 173. SelbsUlndige Untersuchungen des Areopag 174. —
Beispiele bei Din. g. Demosth. 174. — Beziehen sich nur auf In-
terna des Areopag 175. — Andere Beispiele 171. — Sind alle auf
besonderes Mandat zurückzutuhren 1S5.
2. Die Nomophylakes 185. — Philochoros und Lexikographen
186. — Untersuchung der Quellen 187. — Ergebniss: die Behörde
nicht erst von Demetrios eingesetzt, sondern von Ephialtes 193. —
Bedeutung der Thatsache tdx die spätere und frühere Macht des
Areopag 194.
T« Vrtpmaf waA deflclileUe 4er Epketea und ieg aroofsgl-
tlMien CaUegUms 8. 100.
<Jsp. 1. Hie SBMliut dar MjMm mad daa aieeyagitliehan
Collegiomi; die selMdielie Teriaasung S. 200.
1. Seit Solon richten die Areopa^ten auf dem Areopag, die
Epheten an den anderen vier Stätten 200. — Vorher , seit^ Drakon,
heMtiten die Epheten auch den Areopag, also gab Selon dtaten den
Äreopegiten, irelche er neu etnaetatei Flut* SoTon 10 t 201. Aber
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r
1
INHALXaÜBSRSlCüT. XIX
Areopagtten mflssen doch llter sein alt Solon, "wenn nemlieh
erst Drakon die Epheten eingesetzt hat ; so entsteht die neuere An-
sicht (Schömann; : v or Drakon richten die Areopagtten an allen fünf
St&tten, seit Drakon sind sie nur Staatsrath unu ^e Epheten richten
anstatt ihwr, seit Solon richten die Areopagiten auf dem Areopag,
die Epheten an den anderen vier Stätten 202. — Aber die Epheten
sind älter als Drakon 203. - Nun brauchen auch die Areopagiten
nicht Itter in sein als Solon (O. MllUer) 2<M. — Zeugnisse fOr das
höhere Alter der Areopagiten giebt es nicht 204. — Die Epheten
sind dann bis auf Solon Richter an den fünf Stätten und zugleich
AdeUrath (^ouX^) 206. — Die Naukraren können nicht Adelsrath
gewesen sein ( weddein) 207.
2. Die Epheten als Adelsrath bis auf Solon? 308. — Die alten
Quellen (Lexixographen; mit ihren Nachrichten über die Epheten
beziehen sich nur auf die nachsolonische , insonderheit die Redner-
zeit 209. — Etymologie der Epheten (Lange) passt für einen Adels-
rath 213. — Konnte aber Solon ein CoUej^um der Areopagiten neu
einsetzen? 214.
3. Das Restitutionsgesetz Solons bei Plut. Sol. 19 nennt ein
auf dem Areopag richtendes Collegium vor Solon 216. Wie stimmt
das mit der Annahme, dass erst Solon dasselbe dngesetit habe? 217.
4. Erklärung des Gesetzes bei Plut. Sol. 19 : 218. — Ein Passus
desselben (Prytaneion) bezieht sich auf die Kyloneer ; Herodot und
Thukvdides über den kylonischen Aufstand 219. — Wer richtete
damals im Prytaneion? 221. — Nicht die Prytanen der Naukraren
223. — Die Naukrarien Terhftltnissm&ssig jung 224. — Sondern die
neun Archonten 225. — Das Archontat vor und seit Solon 225. —
Prytaneia und Kolakreten 227. — Wer richtete zur Zeit des kylo-
nischen Aufstandes auf dem Areopag? 229. — Die ;iUO nach Plut.
Sol. 12.? 231. — Brwigang dieser Möglichkeit, mit welcher sich die
Einsetzung der Areopagiten durch Solon vertragen würde 232. —
Wer sind die «Könige« des soloni^chen Gesetzes? 233. — Nicht die
4 SCammköid^ oier dite Prytanen der Nankraien 233. <— sondern
der Archon-fönig 236. — Scheinbare Bedenken dagegen 237.
5. Neue Ansicht über die nach dem solonischen Gesetze bei
Plut. Sol. 19 vor Solon auf dem Areopas Bichtenden (Lange) 240.
— Erklärung der Zahl (51) der Epheten 2M. — Verbunden mit den
9 Archonten lassen sich die 51 Epheten su den 4 alten Phylen und
12 Phratrien in Beziehung setzen, aus denen also 60 Repräsentanten
hervorgehen 241. — Unter diesen 00 Rathsmännem befinden sich die
9 Ardionten als Vorsitzende (Prytanen); den 51 Epheten und den Ar-
chonten präsidiert der Basileus, welcher vor Solon erster Archon ist
242. — Solons Organisation 243. — Resultat; das alte König-
tiram 246.
Cap. 2. Der Areopag unter Perikles and Ephiaites S. 247.
1. Aeussere Ereignisse: thasischer und messenischer Krieg 248.
— Kimon und Perikles 250. — Plut. Kimon 14 ff. ^Quellen) 261.
« Ston des Areopag 256.
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XX UlHALTSOfiERBlCHT.
3. Puteikampf Sa Adien 259. » EphialtM 262.
3. Bedeutung der Reform des Areopag 264. — Die Blutgerichta-
barkeit blieb ihm 265. — aber auch andere Rechte 267. — Genom-
men wurde ihm die censorische Gewalt 208. — und die rei^ Staat- .
liehen Reehte 270. — Resultet 271.
4. Zusammenhang dieser Massregel mit der Beform der heli-
attischen Gerichte durch Perikles nacn Grote 272. — Volksgerichte
seit Solon? 273. — Die Archonten als Richter 274. — Aristoteles
275. — Plut. 8ol. 18 : 279. — Andere Zeugniiee 263. — Aieopag
und Heliasten 285.^ — Ephialtes 287.
5. Zeitgenössische Urtheile über die Reform des Areopag 289,
— Aeschylos in den £iuneniden 290. — steht nach Oncken auf der
Seite des Epbialtes 291. — OrOnde dafür 292. — Der Areopag sur
Zeit der Schlacht bei Salamis 293. — Das Tisamenos-Psephisma bei
Andokides 295. — Der Areopag vor Ephialtes 297. — zur Zeit der
Perserkriege nach Aristoteles 298. — Prüfung der Stellen des Aeschy-
los 300. — Diese beweisen jene Parteifltdhing des Dichters nicht
303. — Sokiates bei Xenophon 305.
Cap. 3. Der Aieofaf in spitwar Isit 8. 307.
Seit Ephialtes 307. — Demetrios von Phaleron; Gynaekonomen
308. — Cicero« Zeit; Baupolizei 309. — Der Areopag in späteren
Inschriften; Errichtune von Standbildern 310. — Andere Zeugnisse
314. — Neue Bangordnnng 317. — Eintrittanodos 318.
Cap. 4. IHe Epheten in späterer Zeit S. 318.
Die Epheten richten Us 403/2 noch an yier Stätten 319. — Dann
werden sie vom Palladion entfernt 320. — Auch vom Delphinion?
320. — Lysias Mord des Eratosthenes ; die Anreden bei den attischen
Rednern 321. — Diese beweisen es nicht, wol aber ein allgemeiner
Orond 325. - Functionen der Epheten seit 403/2: 327.
Anhang. Yolksbeschlnss von 409/8 ilbor Anfzeieluiiuig des dra-
kontlsehen Geaetsea S. 333.
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L
Die fünf Blutgerichtsstätteu und ihre
Gompeteuz.
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£s gab in Athen fünf Mahlstätten, an denen Uber
Blutschuld gerichtet wurde. Unter ihnen waren die wich-
tigste der Arec^pag) das FaUadiiNi und das Delphimom,
wdl diese alldn fttr iiille yon wiikliolier Bedeutung hilufig
in Ansprudi genommen wurden i). Mit ihnen haben whr
nns zuerst zu beschäftigen. Die Competenz dieser Stät-
ten — so darf man wol sagen, da von Haus aus die
Stätten selbst, nicht die ßichter, welche an ihnen Bassen,
das Entscheidende sind — war nach den Arten des Todt-
Schlags bestimmt abgegrenzt. In dieser Abgremsang se^t
sich ein widitiger Untersi^ed im Y^^gleicfae mit der Be-
handlung des Todtschlags in der Heroenseit. In Athen
wird vorsätzlicher, unfreiwilliger und gesetzlich gerecht-
fertigter Mord von Seiten des Gerichtes verschieden be-
handelt und darnadi jede dieser drei Gattungen einer be-
eraderen Mahlstätte zugewiesen. Die Zeit, Uber welehe
ÖBS Epos Kunde gieht, tomt diesen ünterscihied noch
nicht. Die Behandlung ist erstens Sache der Betheiligteu,
der Verwandten; der Staat mischt sich nicht darein 2).
Darum nimmt bei Homer das Lösegeld fUr den Todt-
schlag (iroivTj) eine so wichtige Stelle ein. Mag demselben
auch ursprünglich nach 0. Mttller's schöner Ausftlhrung
Damm nennt Aeliftn y«nn. Geteh. 5, 14 nur diese drei de
Bintgetiehtelii»^. — Heiych. (t«asTii)pt% ist yentflmmdt.
3} Od. 34, 4S3 ff.
S) Aeeohyl. Eumeniden S. 144* ff.
!•
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4
DIE FÜNF BLUTÜKRICHT88TÄTTEN
eine tiefere religiöse Bedentung zu Grunde prelegen haben^
so stellt sich doch die Bestimmung und Auszahlung des
Lösegeldes schon damals, Uusserlich betrachtet, wie eine
Abmacliiuig, ein Privatrech tf^geschäft zwischen dem Mörder
und den Verwandten des Erschlagenen dar^). Die athe-
nische Sitte kennt ein von dem Einzdnen beigetriehenes
Loskaufsgcld nnr noch in einzelnen Fullen, z. B. bei dem
Ehebrecher, der sein Leben damit von dem (iatten erkauft;
und selbst da galt es fUr anständiger, das Geld nicht zu
nehmen, somiern den gerichtlichen Weg zu betreten. In
anderen Fällen aber verbot das Gesetz geradezu eine icotvi{
zu erheben^). Zweitens ist in der älteren Zeit die That^
Sache, der Erfolg das Massgebende; mildernde Ums^de
scheinen für den Thäter nicht in Betracht zu kommen.
Patroklos muss für immer die Heimath meiden, weil er
unfreiwillig in seiner Kindheit einen Knaben beim Wür-
felspiel erschlug (oux idiXwv) ; darum bringt ihn sein Vater
in das Hans des Polens (II. 23, 85 ff.}. Zwischen y<>r-
slltzlidiem (&xoooio«) nnd nnrors&tzlichem* (axooaio«} Todt-
schlage scheint also kein Unterschied gemacht zn werden ^ .
So flieht femer nach einem Fragment der grossen Eöen
bei Pausan. 9, 36, 4. Hyettos von Argos nach Orchomenos,
weil er einen Ehebrecher bei seiner Gattin erschlagen hat,
«J II. 9, 632 flF.
5) [Demosth.] g. Neaer. p. 1367 § 65. Lys. Mord d. Eratosth.
f 25 II. Ftohbeiger sn § 32. fiijU dicotvfiv in dem Gesetze bei Dem.
g. Arittoktat. p. 630 § 32 u. die Fomel w)iioivel teiK^at ebenda
§ 60, wo freiUcli die Bedeutung aehon verallgemeinert iat: mihne
Strafe«.
«} FlQehtige MOrder treten noch an fflnf Stellen auf: H. 2, 665.
13, 695. 15, 335. 16, 572. Od. 15, 224) ob sie aber freiwillig oder
unfreiwillig den Mord begangen haben, wird nicht gesagt.
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UKD IHBE COHPETENZ.
5
withrend doch in Athen der VolUtlhrer eines gerechten
Todtsehlages ($(xato; <povo;) straflos war. Piansanlas ftlgt
hinzu, seit Drakou habe Straflosigkeit in diesem Falle zu
Keeht bestanden, natürlich, weil man alles, was mit dem
Blutrechte zusammenhing, auf Drakon zurückzuführen
pflegte. Richtiger bemerkt er daher andeiawo (1, 28, 10),
vor These US* Zeit habe der TodtschlSger dieser Kategorie
sterben oder fliehen mttssen^ weil die Sage den Thesens
als denjenigen hingeBtellt hatte, nm dessen willen das
Gerieht über oixato; «jpovo? am Delphiuion eingesetzt wor-
den war.
Wenn so das Leos des Todtschlägers in der heroischen
Zeit besonders hart erscheint^), so gibt sieh das in Athen
ttbliche Verfahren als Ausflnse eines fortgeschrittenen
Beehtsznstandes zu erkennen. An dieses sehliesst sieh
darum Aristoteles völlig an (Politik 4, 13; 6, 16 Bk.),
während Plato in seineu Gesetzen, wie wir später sehen
werden, um der Gerechtigkeit willen zu Gunsten des
Todtschlägers noch fdnere Unterscheidungen angestellt
wissen will.
Es ist em selbst mit heutigem Ifassstabe gemessen
ziemHeh yollkommenes System, welches der geriehtHdien
Beurtheilung des Todtsehlages bei den Athenern zu Grunde
liegt. Im Alterthum steht es in dieser Ausbildung völlig
einzig da. Zu ihm fehlt von der Heroenzeit her in unseren
Quellen jegUcher Uebergang^}. Wir finden in Athen das
*
t) O. HaUer Emnenidea S. 129.
8) Spuren von Ai&Iogien aus dem moMtiehen und dem. ilteren
lOButchen Hechte hat O. Müller Eumeniden S. 136 zusammen-
gestellt. — Bekanntlich konnte später der Todtechläger unter ge-
wissen Umständen durch die Versöhnung mit den Manen des Er-
schlagenen und den ersämten Göttern (al^oisj, sowie durch die
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1
I
6 DIE FÜHV BLÜTOfiBIOBTSSTÄTTEN
bekannte CoUegium der drei Exegeten, dem es oblag in
sohwierigen Fällen des Blutrechts den Einzelnen Auskunft
ZV geben (Sch()mann zu IsaeoB p. 398. 0. Mttller £a-
Keinigung von seiner Scihuld (xddapoic) in die gottesdienstliche und
eturtliolie GfnenMdMft teiner Ifitlifli^ptf nieder eii^genoinBieii werden*
Dieee tiefreligkfee Anflheemig der BhitMhiiId findet eich bei Homer
nioht. Aue den vne vorliegenden homeiiichen Gedichten können wir
nur den Sdilnse neben, deae der MOrder, um nicht der Blutredie »i
verlUlen, entweder gegm I^ÖeegeM von den Verwendten Vendhung
erlangen oder in die Fremde gehen musste, was zuerst Lobeck
Aglaoph. p. 300 if. in dieser Entschiedenheit enssprach. Dieser Sets
het vielfachen Widerspruch erfahren, so von Sohömann Antiquit.
p. 74 u. Eumeniden S. 04 ff. (der sich später Griech. Alt. P S. 4S ff.,
2 2 S. 338 ff. jener Ansicht angeschlossen hat) , von 0. Müller
Eumeniden S. 133 ff. Dieser liest z. B. II. 24, 482 «vopö; i; äfveioü;
äjiktm »des Sühners« und meint, dass Homer, wo erden flüchtigen
Mörder in der Fremde als Ixirrj; einführt, bei diesem Worte vor-
zugsweise seine Lage als eines Sahnebedürftigen im Sinne habe.
Wenn man dies Letitere nun anch angibt und erwigt» daaa Homer
den Ldon kanntOi wddier ja wegen Verwandtenmordea von Zeua
adbat die Beiaignng erlangte, so folgt daraus doch nur dicaes: daae
der anageatOBiene MOrder in der Fremde vor eeinem Verkehr mit
den Leuten daa Landea gereinigt an werden atrebte. Etwaa völlig
anderes aber ist die Versöhnong, welche ihn in seine frflhere Ge-
meinde aurflckf&hrt, welche unter gewissen Umständen ihm gewährt
werden muss und nicht ton dem Einverständniss mit den Ver-
wandten in Betreff des Lösef^eldes abhängig ist. Diese ist eine
spätere Erscheinung und hängt mit der strengen Unterscheidung der
Arten des Todtschlages zusammen, je nachdem sie die Versöhnung
zuliessen oder nicht. Neben der Versöhnung steht die Reinigung
als religiöse Ceremonie und mit ihr ist sie zugleich gegeben, tritt
aber später auch ein, wo die Versöhnung nicht nothwendig ist a. B.
bei gesetdich erianblem Todlaaiilag. Die vAstihnung aber hat in
Athen neben der religiösen nodi eine, ieh darf vielleicht aagen: rdn
jniietiaehe Seile. Wenn man die eratare für Hemer anch angeben
und annehmen kdnnte, daaa im Falte der Lfianng dnroh die lewtfi
eine Art {ka^yAg stattgefonden habe, ao tritt aie doch aehr anrOck,
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1
UND IHRE COMP£T£NZ. 7
raasiden S. 162). Die Exegeten «tandeii mit dem del-
phischen Orakel iu engem Zusammenhange. Möglich, das»
der Fortschritt zu einer menschlicheren Auffassung auch
der BlntschukL seine Ursache in dem Einflüsse Delpbi's
bat, welchen man dodi wol ebne Augentäiuebang ai^
auf anderen GeMeten im Ittteren Grieebenland in emsehiffii
Spnren wirksam siebt. Jeden&Us aber bediente sieb der
ausgezeicbnete Geist, dem jenes Rechtssystem seine Auf-
nahme verdankt, des Orakels zu seiner Sanctionierung,
und darin spricht sich dann wenigstens ein nicht bloss
äusserlicber Znsammenbang ans.
Oap.l. Die fanf KablBlttten.
Die Mahlstätten befanden sich abgesehen von einer
(Fbreat^) in der nnmittelbaren NiUie von HeiligtbUmem,
und die juristisehe Seite fehlt ganz. Es ftlilt jede Spi^ dsvon,
da»s eine äussere Norm üher dem Belieben der Betheiligten stand.
Die al&eoi; bei den Athenern in ihrer straiaufhebeBden und straf-
kürzenden Wirkung hat freilich ihren Keim in dem homerischen
Löfiungavertrage zwischen Verwandten und Todtschläger ; man er-
kennt in ihr noch das Princip der Selbstbestimmung der Zunächst-
betheiligtcn. Aber das athenische Institut ist ethisch bedeutend ge-
läutert, es ist auch gesetzlich bestimmt dem homerischen gegenüber.
Und das Bewundernswerthc an dem auf den Todtschlag angewandten
System der Sfihnung und Heinigung, wie es uns in Athen entgegen-
tritt, ist ebea disM gewtiliche Nonalemag, mtdie d»i allgvoeine
religite-ethiacbe Qefiüil, dae aucli in honerisclkeB Zeitalter vwhaa-
dm' gnmva sain «iid, in fealen und piaktiieh v«rwandbaien
Satmageii fiberleitete. Diese SitiangeQ abar abd, soviel man siebt,
Uk Atben tnaist und sisni^ selbständig eot-wiekcb, so alt aueh die
Glaubenssätze und CnltnafonBen seio mfigen, im weldM man sieb
' dabei anschloss.'
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8 DIE FÜNF BLUTÜEiUCüTSSTÄTTEN
welche yorhanden waren, ebe sie jener BeBtimmung dien-
ten. Bei zweien derselben fPalladion und Delphinion)
erfand die Sa^^e eine Begründun^^ dieser \'ereiuigung. Für
daB PrytaneioE fehlt eine solche Begründung, und bei
dem Areopag, mit welchem wir beginnen, hat sich der
wirkliehe Hergang durch das SagengefUge verdonkelt.
1. Der Areopag.
Die äusscrlichste und darum am wenigsten befrie-
digende Erklärung für den Namen des Areopag ist die,
nach welcher der Hügel von dem an seinem Fasse ge-
legenen Arestempel seinen Kamen erhalten haben soll.
Denn entweder war die Birichtnng des . Heiligthums an
dieser Stelle zufällig, nnd dann kann die Benennung
schwerlich auf den Httgel übertragen sein. Oder es be-
stand zwischen dem Areopag und dem Culte des Ares
ein innerer Zusammenhang, welcher die Grllndung des
Tempels hervorrief, und dann müsste aus diesem Zusam-
menhange der Name des Hügels nachgewiesen werden.
Wir lassen darum diese Erklärung, welche hei neueien
Gelehrten sieh hie und da findet, auf sieh beruhen.
Richtiger suchten die Alten den Berg zum Ares selbst
in Beziehung zu setzen. Spätere Schriftsteller verstehen
unter dem Areopag den MordhUgel oder den TodeshUgel
als Stätte des Blutgerichts ^} ; aber diese Erklärung ist
Said. T. 'Apeto; T^d-^on iffcl td fovcxd (txdECn. & (i'Api)ciiä
tfiv f6rHm tt. Andre. 'Apnoe «a ^to« Cham bei Sohol. Arietid.
Panatfaen. (3 p. 65 Dindf.) Bei den Neueren findet eich die Er-
kUniBg ikfter. Au» Steph. Byi. t. 'Apctoc h^yoc achebt, irie X.6hler
Hermea. 1871 S. 104 bemerkt, hervorsugebea, daaa aohon ApoUodor
icspl 0S(üN diese Erklärung aufstellte, denn die dort an zweiter Stelle
aufj^eführte, mit Fhilochoroa belegte, welche von dem Oeriohte Aber
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DKD IHRB COMPETEKZ.
9
gemacht, denn sie ist viel zu rationalistiscli, um volks-
thlimlich zu sein. Andere leiteten die Bezeichnung voa
dem Gerichte her, welches die Sage hier ttber den Ares,
als er den Halirrhothios ersehla^n hatte, gelialten sein
Hess. Diese Ansieht findet sich bei Euripides Elektra
1255 ff., in der Parischen Chronik Ep. 3, bei Pansan. 1,
28, 5. Die Ableitung lag für den , -welcher die Sage
kannte, nahe und war besonders populär. Was ihr Alter
betrift't, so sehen wir zunächst aus einem Fragmente des
Hellanikos, dass dieser die Tier berühmten mythischen
Urthdlssprilche des Areopag Uber Ares, Kephalos, Daeda^
los and Orest chronologisch nach der Geschlechterfolge
anordnete"). Ging auf ihn auch die Ableitung des Na-
mens zurück im Anschluss an den ersten Fall? So wird
freilich angegeben und man könnte eine Bestätigung
dafür in Aescbylos' Eumeniden zu haben meinen, wo
diese Ableitung sich noch nicht findet. Aber nach der
Dichtung des Aeschjlos whrd auf dem Areopag zum ersten
Male Uber Orestes gerichtet, das Blntgericht wird bei dieser
Gelegenheit eingesetzt. Die Ansicht galt weder, vor
Arm ansgeht, wird zu der Ansicht ApoUodors in Qegensats gebracht.
Aber in der Bibliothek 3, 14, 2 berichtet gerade Apollodor von dem
Gerichte über Ares, ohne jene erstgenannte Etymologie aufzustellen.
Ist vielleicht der Verfasser der Bibliothek ein anderer, als der die
Chronik, r£pl Oewv u. 8. w. schrieb? — \Vecklein Berichte der
Münch. Akad. 1S73 S. 22 weist zu Gunsten jener Etymologie auf
die Stiftung des Altars der Athene 'Apeia (Paua. 1, 28, 5) hin, was
doch nicht beweisend ist.
Schol. Eur. ürest. 1648 » fr. 82 Mflll. — Preller Ges. Aufsätze
S. 42 f.
Sttid. 'Aptioi^ Ttd-pi (Hellan. fir. 09' MfllL) .... mi tpi^oN
EXXdhitxo« tt a*. Dem folgt Wettarmann bei Füuly 1* unter dem
Worte.
10
DIE FÜHF BLUTG£&ICHT88TÄTT£2i
Acschylos, noch ist sie, wie die eben angeführten »Stellen
lehren, nach Heiner Zeit darcbgedrungen. Sie ist seine
Erfindung. Mit ihr yertnig sich niefat der areopagitiBch»
UrtiieilsBpnieh iüm Ares, und wenn darnm der Diehter
diesen einfach bei Sdte lieM, so iblgt daraus dooh keines-
wegs, dass er die Sage niefat kannte. Dass sie aber
lange vor ihm existierte, ist eben so gewiss, wie es klar
ist, dass niclit erst Ilellanikos kommen musste, um zu
zeigen, dass dieser Fall als der älteste und wichtigste
nnter den genannten yier anznsehen sei. Schon w^ er
* einen olympischen Gott betraf, aeiofanete er sich yor den
anderen an». Dann lag es aber aueh lange vor Hellanikoa
nahe, den so natürlich scheinenden Schluss von dem ersten
und berühmtesten Reehtsfall auf den Namen des Areopag
zu machen, und die Ableitung wird nur danim auf den
Ilellanikos zurückgeführt sein, weil dieser ausfahrlich
darüber handelte nnd zufällig unseren Lezicis als Quelle
diente.
Trotz ihres hohen Alten nnd ihrer Popularitftt braucht
diese Erklärung nicht das nichtige getroffen zu haben.
Vielmehr wird man , wenn sich eine geschichtliche Ver-
anlassung zu der Benennung des AreshUgels auffinden
lässt, zu der AnBicht kommen, dass die Sage von dem
Gerichte Uber Ares erst nachträglich an den Httgel ge-
knüpft ist, yielleicht sogar dem Bedttrfbisse einer ErklBr-
rung ihre finfstehnng verdankt. Eine solche Veranlassung
ist aber aus deutlichen Spuren geschichtlicher Thatsachen
neuerdings von U. Köhler wieder hervorgezogen worden
Der Areopag ist die von der Natur geschafl:eue Angriffs-
basis gegen die Akropolis. Was die Sage in der Erzäh-
lt) Der Areopftg in Athen, HermeB 1874 S. 92 ff.
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UND IBBE COMFETENSS.
It
luDg 7on dem Kampfe der Amazonen, die vom Areopa^
ans die Akropolis angrififen , ausdrückt, das mochte in
den Kämpfen der Sltesten Zeit wer weiss wie oft sich
sngetragen haben. Kähmen doch aach die Perser noch
im J. 480 bei der Belagemng der Akropolis d^ Areopag
zu ihrer Angriffsbasis (Herod. S, 52). Der älteste unserer
Gewährsmänner, welcher diese Erkläning des Areopag
als „Kriegshltgel" bietet, ist Aeschylos ; denn meiner An-
sicht nach ist kein genügender Gmnd yorhanden, die
Stelle der Eomeniden, welche die Schilderang des Httgels
oiihSlt, zn yerwerfen^^). So natürlich nun yon hier ans
die Benennung sich eiklftrt, so begreiflich ist es, dass
man, als der wirkliche Zusammenhang sich verdunkelt
hatte, auf mythologischem Gebiete einen Anhaltspunkt
suchte und fand.
Das alte AreiE^eüigtbnm, an dessen Stelle dann sp&t^
der Tempel gebaat wurde, erkttrt sieh ebenfalls ans der
geschiehtlichen Bedeutung des Httgels, wenn auch die
populäre Ansicht das Heiligthum als Erinnerungsmahl an
das Gericht über den Kriegsgott auffasste.
Für die Einsetzung des ältesten Blutgerichtshofes
. gerade auf dem Areshügel ist nunmehr die Veranlassung
nicht in dem Ouite des Ares zn suchen, sondern in dem
Heiligthnm der Emneniden oder, wie sie in Aäien yor-
zugsweise hiessen, der SeftvaC am Fusse des Areopag, der
Erinyen, deren Rache der Mörder auf sein Haupt lud.
Das hohe Alterthum dieser Stiftung, welche durch das
i3i Kleidemoa bei Plut. Thes. 27. Köhler "weist nach Steph.
Byz. V. *Apeio; ra-fo; auf die Analogie zwischen dem Areahügel und
dem römischen Marsfelde hin.
^ ivie Dindorf thut. Aesch. Eura. T. 686 C (653 Wellauer).
Die Stdl« itt unten Abtcbnitt Y bei Anm. 175 aiugeflchHeben.
I
«
12 Dl£ FÜNF BLUTGKBI0HT88TÄTT£N
Geschlechtspriesterthum der Hesychiden verwaltet wurde,
steht fest '•■•). Dass diese Göttinnen gerade hier ihren Sitz
hatten, ist zufällig, wenigstens keunen wir keinen Grund.
Denn eine innere Verbindung ihres Cultes mit dem des
Ares, wie sie 0. Mttller^^ * nAchzuweisen versnehte, nm
dann das Blutgericht an die gemeinsamen Cnlte anzu-
knüpfen, lässt sich, wie leb glaube, nun nicht mehr auf-
recht erlialten. Die Anknüpfung des Blutgerichts gerade
an den Eumenidencult zeigt sieb noch deutlich in bekann-
ten Einrichtungen, in dem Schwur der Parteien, sowie in
dem Opfer der Freigesprochenen nach dem Schlüsse der
Verhandlung.
Der Areopag war nach der allgemeinen Ansicht des
Alterthums die älteste der Mahlstätten. Die mildere Auf-
fassung und Behandlung der Blutschuld, wie sie sich in
der späteren Mehrzahl der Mahlstätten mit ihren bestimmt
abgegrenzten Urtheilsgebieten zu erkennen gibt, war
sicherlich auch in Athen nicht die ursprüngliche. Auch
hier galt ehemals das strengere Verfahren der heroisehen
Zeit, welches alle FUlle des Todtschlags ohne Rflcksidit.
auf mildernde Umstände gleich behandelte (S. 4) . Dieses
Verfahrens einzige Stätte ist also damals der Areopag ge-
wesen, und seine Beschränkung auf schwerere Fälle des
Todtschlags trat erst mit der Stiftung der anderen Mahl-
stätten ein.
*B) O. Müller Eumen. S. 178 ff. Köhler S. 102 f.
^ S. 15A. 169. 179. G^ienfiber der antiken Etymologie, irelche
von dem Oeridite Uber Ane «negeht, hat die Mtdlenehe Auffatanng
den Vormg der Inneriicbkeit. ihr aber die Stfltaen in der Ueber<
Uefening fislilen, ao vird aie der von KOhler betonten, hiatoriacb be-
gründeten Aneicht vom Areopag weichen mOaaen. Ueber lifiUera
Bemeter-Erinya a. jetit A. Roaenberg Die Ermyen Berl. 1S74 S. 30 ff.
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UND IHRE COMPETEMZ.
13
2. Das FaUadion.
Das Palladioii, in dessen Nähe über unfreiwillig be-
gangenen Todtschlag gerichtet wurde, ist das alte Heilig-
thum im Osten der Stadt ausserhalb der Mauern ; hier
wurde neben Zeus Athene verehrt, von deren Bildern
in Athen namentUeh das hier befindliehe als Palladion
bezeidmet wird"). Die Stiftung des Heiligthomes wird
von den Alten meist in unmittelbaren Zusammenhang mit
der Einsetzung des Blutgerichts gebracht; indessen ist
das wirkliche Verhiiltniss so zu denken, dass das Gericht
erst später hierhin gelegt wurde. Denn für eine tirsprUng-
liehe Verbindung fehlt ein Anhalt in der Bedeutung der
Onltusstiltte. Die Sage erfand einen solchen, indem sie
von den Ansprüchen ausging, welche Athen, wie manche
andere Stadt, auf den Besitz des troischen FaUadion
machte.
Die Ursprungsfabel, soweit wir sie kennen, findet
sich zuerst bei den Atthidenschreibem und zwar in dop-
pelter Fassung. Wie Kleidemos erzählte, kam Agamem-
«) Wachmnath Rhdu. Mut. B. 23 8. 19.
») xh fSo; r?]; HaXXa^io; C. I. Gr. n. 491 Weihinschrift «U8
später Kaiserzeit). Dass das Priesterthum des hier erwähnten Zeus .
Toy itd Uahl'xUoi in dem Geschlecht der Buzygen erblich gewesen,
geht aus der Inschrift nicht hervor, denn wir wissen nicht, ob der
Sohn des Polyacnos es in seiner Eigenschaft als ßo-jC'jyT]; bekleidete.
— Die Göttin heisst 'AÖT^vaia izl IlaX/.aoü;), wie das Verzeichniss
entliehener Tempelgelder aus der Zeit bald nach dem Nikia^^lrieden
bei Kirchhoff C. I. Att. n. 273 e f. zeigt.
1«) fir. 12 Mall, bei Suid. ivX IlaXXa&ttp am Ende, der aus
dem Lexikon des Fausanias sehöpll. Derselbe Bericht findet sieh
bei anderen Lexikographen s. B. Haip. t. II«XX., der Kleidemos
nicht nennt, sondern Demosth. g. Aristokrates n. Aristotdes' PoUtie
der Athener.
14 DIB FOITF BLirraERICBTBBTiTTEN
non Ton Dien nach Athen; Demophon raubte ihm das
Palladion nnd tOdtete dabei Tiele Ar(pyer, wofür er von
dnera ans 50 Athenern nnd 50 Argivera znsammengesetxten
Gerichtshöfe gerichtet wurde. In den abgekürzten Re-
dactionen, welche uns vorliegen, ist die Hauptsache ver-
loren gegangen : die Motinerung der Competenz des palla-
disehen Gerichts durch den M^-thns, welche in der zweiten
FasBong, bei Phanodemoe'^«*) erhatten ist. Die AÜuiaßt
tDdten nSmlieb einige Ton den Ankömmlingen, ohne %n
wisaen, dasses Argiver sind, also gewissermassen ohne
es zu wollen. Akamas entdeckt, dass die Erschlagenen
Griechen sind, und nun folgt das Gericht. Anstatt Aga-
memnons werden nur die Argiver schlechthin genannt.
Nach den EriLondigongen, welche Pansanias in Athen
einzog (1, 28, 9), war es nnbestritten, dass ttber Demo-
phon hier zuerst iieeht gesprochen sei, welcher, als die
Argiver Yon Troja her mit dem Pblladion hei Phaleron
landeten, entweder — denn hier weichen seine Gewährs-
männer von einander ab — einige von den Fremden er-
2^) fr. 12 Müll, bei Suid. v. IWü.ri^j'm im Anfange. (Lexikon
des Pausanias^ : 'ApYcTot ^ap dr.o IXtoy zXdovxe;, fjvlxa rpoalr/ov OoiXifj-
poic, u::6 ADTjValtuv df^>io{iii.f^oi avT]p£^sav. Tortpov oe 'A'xatxivro;
•y^piawroj xai toO llaXXaSlou Evtpcdivco;, xord yyrp^ile^ vuro&t to orxa-
oTT^piov Aidktiav, cu; Ootv6^pio;. iHunelbe bei Polliiz 8, 119 mit d«B
Zusatl xdl •( (iiv Ta^p^vrcc dxv&V6( 7cpo9i]]fopcOdY]oav toO SsoC y pf^aavco«.
Sollte hier eme Confanon voiiiegeii, vännlaBrt dnreh die ÄfBvcTc,
00« Sv irfwf^ tue, Aber irelche am Fiytucdon (unten Amn. 24) ge-
nehtet iraideF Boadohnr Heeyeh. d-pta«: tt^^cMi to&« fMtd
^ t4)c *IX(ov icXoIW ^aXi]pot ^eposy^vta; xol dvatpedivTac &ic& Ar|{j.o-
fAvTO« xafij[*ai. — Pausanias hfttte die Berichte der beiden Atthi-
dographen, eine ältere Quelle enthielt wo! daneben das Zeogniaa
der Politie, auf welches wir öfter Rücksicht nehmen werden ; die
demusthenische Rede kann viel eher von den Späteren direkt benutzt
worden sein.
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UND IURE COMPETii^NZ. 15
schlug, ohne zu wissen, dass es Argiver waren, oder un-
versehens einen Athener Uberritt. Danach soll er entweder
Yon den Argivern oder von den Verwandten des Atheners
verklagt und vor Gerioht gesogen sein. In diesem Be-
lichte igt die Ersählimg von dem ttberrittenen Athener
effenhar dne spitter hinsngetretene, passendere Begrün-
dung der Competenz des Gerichtes Sonst stimmt der
Bericht zu dem des Phanodemos. Anstatt Agamenmons
— bei Kleidemos — tritt hier als Führer der Argiver
Diomedes anf. Diesen wird aucli Phanodemos genannt
haben 2^).
3. Das Deiphinion.
Am Delphinion .wurde Recht gesprochen Uber solche,
welche einen Todtschlag gerechter Weise begangen zu
haben behaupteten. Dies ApolloheiMgthum gehOrt nach-*
weislich zu den iiiteste ii Stiftungen Athens. Es stand
bei der ..IlausthUre des Aegeus'', hing also mit den An-
siedlungen der ionischen Colonie zusammen, deren Be-
deutung für die Stadtgeschichte Wachsmuth neuerdings
in*s Licht gestellt hat"). Dass das Ueiligthumi als Theseus
nach Athen kam, bereits im Bau begriffen war, erzShlt
auch Pausanias [1, 19, 1), und TheseuB war der Erste,
über den hier Recht gesprochen wurde, als er die auf-
rührerischen Pallantiden erschlagen hatte. Damit ist zu-
20*) Lex. Seguer. bei Bekk. anecdot. 1 p. 311. So auch F. C.
Petersen Om Epheterne etc. in den dänischen Videnskabernes Sel-
skabs Skrifter, Femte Raekke förste Bind 1852 p. 32.
2*) Schol. Ariatid. Panathen. 187 (p. 320 Dindf.j 6 fdp AT)(i.ofav
(vulgo A7){j.ö<jpiXo() icapd AiofAV^ocj; apitdarn cU ti|V letfXtv f^i^a^ts (t&
^ Plnt. .Th«t. 12 naeh Atthidognphen} Wadmnith Bhein.
Miis. B. 23 8. 19; 24 8. 34.
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16 DIE FÜNF liLLTÜÜlUCUTSSTÄ'rrEN
gleich die Oompetenz des GerichtB begründet^). Hier
hat sich zunächst deutlich erhalten, wie das Gericht an
das bereits vorhandene Heiligthum gelegt wird. Femer
ist aus der Natur des delphischen Apollo — man denke
nur an Aeschylos' Eumeniden — klar, wie man dazu kam,
gerade an ein ApoUoheiligthnm eine GerichtBStiltte mit
dieser Befngniss zu legen.
4. Bas Prytaneion.
Es bleiben noch zwei Gerichtsstätten zu besprechen,
weleke keine erhebliche praktische Bedeutung hatten,
theils weil sie Fälle behandelten, welche nur selten Tor-
kommen konnten, theils weil das Verfohren bloss cere-
monieller Natnr war. Da sieh deshalb die folgenden
t Untersuchungen nur mit den erstgenannten drei Stätten
beschäftigen werden, so fasse ich hier gleich zusammen,
was Uber diese zwei letzten zu sagen ist.
Am Prytaneion. dem alten Stadtheerde von Athen,
wurde ein iScheingericht gehalten Aber leblose Gegen-
s^de, Balken, Steine u. dgl., welche durch Herabfielen
den Tod eines Menschen herbeigeführt hatten, sowie Uber
den nicht ermittelten VollfUhrer eines Todtschlags .
23; Paus. 1, 28, 10; den Theseus erwälmen auch Lexiko<?raphen,
Pollux S, 119 setzt den Pallantiden noch die von Theseus gelodteten
B&uber hinzu. Mehr unten Anm. 91.
Dem. g. Aristokrat p. 645 § 76 lAv X(9o; ^uXov iq silrfioi
Ti toto&cov i([kiC60&v mtdS^, «al tj^v ^^v^ ßoiXivra ol^'^oi] tu, aÖTÄ H
Tolwv i^jfüywv «iX. Danach Harp. t. hA npuTotveitp u. Polhix 8,
120: ttxcCCtt tc*pl Tftv dicoKTCtvifvcow, «A« Aotv dfavttc, x«tl «epl tAv
<i4'6y(uv Twv l(jinea6vrQiv xfx\ dicoxTsivdtvTov. — Paus. 1. 28, 10. Das
Formelhafte dieser Ausdrücke zeigt auch Aetcfaines g. Ktesiphon § 244
11. viele Scholien u. Lexikaatellen, welche ansuf&bren aberflüwig ist.
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UND IHRE COMP£T£NZ.
17
Hier liegt, wie längst erkannt ist, ein Znsammenbang vor
mit dem altattischen Feste der Buplionien oder Diipolien,
in welchem , wie es scheint , der ücbergaiig vom unblu-
tigen Spenden der Feldfrüchte zum Opfer von Thieren,
vielleicht auch von vegetabilischer zu ammaliBcher Nah-
rung Teransehanlioht nnd religiös gerechtfertigt werden
sollte. Ein Bind wnrde znm Altar des Zeus Hypatos oder
Polleus am Erecbtbeion getrieben und, wenn es von dem
aufgeschütteten Getreide oder Backwerk gefressen hatte,
von dem ,3oo'fovoi oder ßou-uTio; mit einem Beile erschla-
gen. Der Letztere ergriff die Flucht, warf aber daa Beil
von sich, welches nun, nachdem es am Prytaneion vemr-
theÜt war, in's Meer versenkt wnrde
Es fragt sich, ob das Gericht über das Beil der Bu-
phonien, wie Pausan. 1 , 28, 11 meint, das Ursprüngliche
war, was dem Scheingerichte am Prytaneion zu Grunde
Moaunieii Heortoiogie S. 460 f. Nur hfttt« das Amt des
ßouT'jroc nicht das Oescblecht der (Eteo-) Butaden, sondern das der
0auXo)v(oai s. Meier De gentil. Att. p. 40. — Hesychios v. Bo jttj; . . .
4toT« AttroX'ot; xd ßou'i<5via hpihs halte ich für einen auf etymologischem
-Wege entstandenen Irrthum, während Andere wenigstens die Vor-
standschaft der Butaden daraus schliessen wollen oder einen anderen
Titel des ßo'j-rj-o; darin erkennen; Hermann Gottesdienstl. Alt. § til,
17 ff. Die bekannte Steinschrift Up£a); Bo'jto-j bezieht sich vielleicht auf
einen Priester des Heros. — Im einzelnen bleibt manches an dieser
Ceremonie unklar, da die Quellen nicht übereinstimmen. Nur meine
ich, dass Pausan. 1 , 28, 11 den Akt missversteht, wenn er das Beil
freigesproehen vmrden Iftsst (ä<pei37] xpiöel;}. Den Sinn des Vorgangs
drflckt dagsgen richtig die Eis&hlung von den Tfaasjern aus, welche
die Statue des Theagenes, die einen Menschen enchlug, in's Meer
versenken, iiraxoXoufti^ettVTtc "pdbfin tig Ap<bumoc, 8« *A9i]va(oce 9t-
ap.o'j; 7pa<{^ac fevixo{l»c 6nep<6pioe xal td ^vyjx xxk, (6, 11, 2). ~ Der
Thasier Grenie war das Meer: Petersen Om Ej^heteni^ etc. p. 75.
2
18
Dl£ FÜNF BLUT0ERICUT88TÄTTEN
lag, oder ob nicht etwa dieses bereits existierte und da-
rum auch hier Uber dan Buiihonienheil Kecl^ gos])rochen
wurde. Ein Grund, aus welchem das Oericbt an das
Piytaneion gelegt wurde, lässt sieb nicht finden, selbst
«laim nielit, wenn Pausamafl Redit hätte, da die Verbin-
dung des Prytaneion mit dem Baphonienfeste ebenfalis
nicht auf nachweisbar innerem Zuflammenhange bemht.
Der (Gegenstand, ttber welchen gerichtet war. wurde
über die Grenze gebracht (orspopi'Csiv) . Dass dies (ie-
sdiäft die vier Stammkönige zu besorgen hatten, sagt
ims Pollux 8, 120, dessen Angabe fllr uns uncontrolierbar
ist. Wenn er aber den Phylobasileis aneh die Vorstand-
Schaft bei diesem Gerichte znsdireibt, so dttrfen wir das,
* obwol die Neueren meist es gelten lassen, als einen ans
jener Obliegenheit erst gemachten Sehluss verwerfen.
Denn das Präsidium bei allen Blutgerichten . also auch
bei diesem Scheingerichte, hatte der Archon-Künig , und
eins der vielen Anzeichen des übersichtslosen Compilierens
ist es, wenn PoUox an einer anderen Stelle (8, 90) dieses
Prtsidinm richtig unter der Compctenz des ßaotXeuc anf-
itihrt: fiixaC^t 8& xal xolq tü)v a^o^fov d{xa;^^).
6* PhreatlyB.
Was wir von der Gerichtsstätte an der kleinen Phre-
attvR- Bucht der Piraeushalbinsel iv <l>o£aTToTl wissen.
Steht in der bekannten Auseinandersetzung über die Blut-
g^ehte bei Demostb. gegen Aristoiirates p. 645 § 77 ff.
Daraus haben die Lexikographen geschöpft Harpokrat. v. iv
OptttTtot u. A. Paasanias 1, 28, 12 stimmt mit Demo-
tt) haäJOtvt nt beksnnüieh der Ausdruck für Frlsidieran in der
älteren Oerichtnpraohe, wihrend ein Bich ten einet Beamten unter
dem Piiiidinm einei ^erereoIlcgiumB Unnnn wire.
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UND IHRE OOMP£T£NZ.
19
sthenes Uberein, fügt nur noch einen mytliischen Rechts-
gpruck, den über Teukros, als den ersten lünza^^).
Es sollte hier Kecht gesprochen werden ttber solche,
welche einen nnfreiwilUgen Todtsehlag vollführt nnd noch
vor Ablauf Ihrer gesetzmlsaig bestimmten Verbannongs-
seit besehnldigt wurden, einen ferneren Mord a b sieht -
lieh ijegan^en zu haben . Die Hekla^en stellten sich
natürlich freiwillig, sprachen, ohne das Land zu betreten,
vom Schiffe ans, während die Bichter vom Ufer aas er-
kannten. Dass Fälle vorkommen konnten, in denra es
jemandem wttnsehenswerth schien, sich von solcher An*
sehnldigung anf diesem Wege zn reinigen, sieht man wol
daraus, dass die aristotelische Politik (4, 13; 6, 16 Bk.).
welche das Trytaneion als übertiiissig- beseitigt, eine der
athenischen Phreattys entsprechende Gerichtsstätte beibe-
halten wissen will.
Einzelne Ausdrücke des Pausanias finden sich bei Polluz 8,
120 wieder, der übrigens auf Demosthenes zurückgeht und am
Schluss von dem sich Vertheidigenden sagt jxVjt drojilaJ^oav aT;r a^AU-
pav et; yf^v ßa/.),6ijL£vov. Dies ist wol eine der vielen Uebertrei-
bungen, welche beim Compilieren aus dem Wunsche, etwas neues
zu geben, entstehen. Helladios bei Thot. C. 279 p. 534 a Bk. sagt
einfach, dass der Angeklagte vom Schilfe aus Anker warf, weil er
das Land nicht betreten durfte.
*} huwatm Demosthenes. Dagegen darf man nicht, wie Weber
mu Arislocratea p. 266, geringe, abgeleitete Zraginaae anführen, nm
aneh den ^p^s ixoöotoc hieriienwnehent auch Ariatoteks Politik
4, 13; 6, 16 Bk. nicht, denn dort ist der Ansdruck «Ugemein, bei
Demosthenes aber lautet er bestimmt genug.
2«
20 DIE FÜNF BLUTÜI-IRICUTSSTÄTTEN
Cap. 2i Die Gompetenz der Höfe auf dem Aieopagy am
Falladion nnd am Delphinioiit
In Bezug auf die Oompetenz dieser Höfe steht ein-
zelnes fest; dies wird im folgenden kurz zusammengestellt
werden. Anderes ist sehr bestritten; hier soll eine Lö-
sung versucht werden. Letzteres ist begreiflicher Weise
da der Fall, wo die direkten Quellen, die lledncr, welche
wirkliche Fälle behandeln, ans im Stiche lassen und wir
anf die abgeleiteten Quellen angewiesen sind. Ueber
diese folgen zuerst einige orientierende Bemerkungen.
1. Hie Quellen*
Man geht gewöhnlich bei der Behandlung der Blut-
gerichte von dem Artikel Aixaarr^pia 'Ai)r]vr^oi bei PoUux
8, 117—120 aus, welcher die fünf Mahlstätten bespricht.
Nachdem von den Gerichten am Piytaneion nnd in Phre-
atiys bereits gehandelt ist, kommt hier nur noch der
erste Theil des Artikels 117—119 in Betracht. Dazu
kommt eine grosse Anzahl einzelner Glossen in den
Lexicis, welche alle anzuführen tiberflUssig ist. Denn
sobald ihre Quelle nachgewiesen ist, braucht nur noch auf
das von dieser Abweichende Rücksicht genomineu zu wer-
den. Die eine Hauptqnelle, aus welcher der grOsste
Theil dieses Vorrathes geschöpft ist, war die für das Blut-
reoht classische Rede des Demosthenes gegen Aristokrates,
namentlich der grosse Abschnitt p. 642 § 67 ff., welcher
die bequemsten Anknüpfungspunkte bot. weil er in ab-
handelnder Weise über die einzelnen Blutgerichte sich
verbreitet. Diese Quelle liegt zunächst bei Pollux zu
Grunde, dann aber auch vielen Stellen der Anderen.
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ÜKD lUiUi COatPETJCNZ,
21
Die zweite Quelle ist die dem Aristoteles zugeschriebene
Politie der Athener, welche Harpokratiou an drei Stellen :
hu IlaXAad{(p, eirl AsX'fivtti) und ßouXsuaEwc, an den ersten
beiden neben Demosth. g. Aristokrat, citiert. Die Ab-
weichungen zwischen Demosthenes und der sthenisehen
Politie können nnr unerheblich, so zn sagen: znflUilig
sein. Denn beide benutzten ja die besten Quellen, die
athenischen Gesetze. Aber an einzelnen Stellen Rind sie
genügend bemerkbar und, wie sich zeigen wird, nicht
werthlos für uns. Weil diese Abweichungen yorhanden
sind, so ist auch nicht anzunehmen ^ was an sich nicht
undenkbar wäre — , dass Harpokration, der beide citiert,
oder seine Quelle den Demosthenes durch Vermittlung
der Politie benutzte. Ausserdem ist z. B. die Stelle aus
Demosthenes bei Harpokration v. Iv OpsatToI zu lang, als
dass sie in der Politie hätte Platz haben können ^s»), Pollux
benutzt von diesen beiden nur den Demosthenes — ausser
.vielleicht für das Delphinion s. Anm. 91 — ; und zwar
benutzt er den Demosthenes nicht nur in Bezug auf diese
eine Bede, femer auch nicht direkt, was bei den einzelnen
Punkten näher nachzuweisen ist. Endlich kann einzelnes
bei Pollux, was entschieden nicht aus Demosthenes ge-
flossen ist, den Worten nach wol aus Antiphon (vom
Morde des Herodes und Uber den Chorenten) g«iommen
sein. Aber auch Antiphon ist nicht direkt benutzt, da er
stets bei Pollux nur für einzelne Worte und immer mit
dem blossen Namen, nie mit einer bestimmten Bede, wie
die meisten der anderen Redner, citiert wird. Da sich
nun im Verlaufe dieser Untersuchungen herausstellen wird.
^) Hier eitiert Harp. cUs 16. Buch der theophraatiiohen Oeaette,
aber offenbar nur für den Namen des eponymen Heros.
22 ' DIE FÜKF BLUT6£BlCHTä8TÄTT£N
4ms bei Pollnx die gröbsten nachweisbaren Missverstftnd*
nisRe vorkoniiuen . so ergiebt sich daraus der {gleich hier
aufzustellende Grundsatz . dass seine Aussagen , wo sie
von dem ander>veitig Bezeugten abweichen, oder sonst
nicht zu belegen sind, kaum als Zeugnisse aufgestellt
werden dürfen.
Bei dem Bestreben, diese späteren Zeugnisse anf
Quellen der besseren Zeit znrttekznfnhren nnd sie dann
nebep den älteren Schriftstellern, namentlich <len Rednern
zu benutzen, komnit uns die wichtige von Köhler Her-
mes ^867, S. 27 ff.) lesbar gemachte und zum ersten
Male Tollstiliidig heran^gegebene Insehrift zn Hülfe, welehe
einen athenische YolksbeseUnss vom Jahre 409/8, be-
treffend die Aufzeichnung der drakontisehen Gesetze, ent-
hält. Diese Inschrift giebt uns erwünschte Parallelen und
Ergänzungen zu nielircn demosthenischen liedeu und er-,
weitert in vielen Punkten unsere Kenntuiss der hier zu
behandelnden Gegenstände. Sodann ist sie von Wichtig- .
keit für die Frage nach der Echtheit der bei den attischen
Bedn^ eingelegten Urkunden. Nachdem ich sie früher
in den Neuen Jahrb. f. Ffail., 1872, S. 577 ff. fihr alle
diese Fragen auszubeuten versucht habe, ist sie jetzt in
einen besonderen Anhang verwiesen und mit Bemer-
kungen begleitet, welche ihr Verhältniss zu den in die
Rede gegen Aristokrates eingelegten Gesetzesformeln be-
stimmen. Dagegen ist sie im Zusammenhange der hier
folgenden Untersnchungen stets nur Air die Fragen be-
nutzt, in denen sie unmittelbaren Aufschluss geben kamt.
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UND IU&£ COMP£T£NZ.
23^
2. Torsätslieher und miTorsatsliclier Todtsehlag
(Areopag und l^alladioii) und Terletnmg in tSdt*
lieher AMeht (Palladion).
Leber vorsätzlichen Mord wird auf dem Areopag, Uber
ttüTorsätzlichen am Palladion geriehtet. Die technische
Bezeichnung für jenen findet sich in dem Gesetze, welches
Dem. g. Aristokrat, p. 628 § 24 citiert: tijv ßouXi^v Si-
xaCstv «povoo xal Tpaufiatoc irpovoCac «'xal iropxtttac xal
(japjiaxwv, eav tk; aTroxTsivTQ 6oo;2i»j. Hier gehört iv. -po-
voi'a? auch zu cpovo;^" . FUr ^povo; ex zoovoia; gebraucht
man auch cpovo^ exouaio;, sowie Wendungen mit 4xa>v und
andere Ausdrücke, welche gleich anzuführen sind. ^
Unyorsätzlicher Todtschlag ist ^ovo« «xoooioc» ehenso kom-
men Wendungen mit ä%m yor. Hier steht die Gompetenz
des Hofes am Palladion fest^i).
Ob Areopag oder Palladion zu wählen war, das hing
von der Eingabe des Klägers ab, aber auch von dem Er-
messen des Archon-KOnigi der an sämtlichen Mahl*
29) Das ganze Citat nahm Pollaz 8, 117.
*>) Meier hat im Haller Index 1849/50 p. 5 (s. opusc. aead.)
gdcgentlich der Recension von Webers Ausgabe der Aristoeratea
gegen diese Verbindung Einsprache erhoben, weil der Zusatz über-
flüssig sei und nie so gefunden werde. Ersteres bestreite ich, für
letzteres verweise ich auf Din. g. Bemosth. § 6; twv ix icpoNoiat
Demosth. a. O. § 71 sagt über das Palladion : Aeirepov o'Stspov
itxaaTTjptov TO Tüüv (ixouoltuv '^6vqiv xtX., danach Follux S, 118 . . .
:tepl tAv (buKiabw fdvow. — Harp. t. inl üaXXaSiqi giebt, nachdem
er suvor ArktolelM' athmtache Fdide citiert hat, dxooadMi fivou
(aingiil.) mal ßooXc6««c, wakitet letitaie PoUux forÜiMt, wdl Ci bei
Demostfanwa fehlt. Man aiebt alao, das« Harpokxatiea und Pollioi
verachiedeaen Qudlen fbigen.
I
24 DIB FONF BIfITTGEBICBTSSTiLTTEll
Stätten den Vorsitz hatte und die Klage nach dem £r-
gebniss seiner Vomntersuchnng hier oder dort einbringen
musste .
Nicht der Erfolg, welcher in Ijciden Füllen der gleiche
ist, sondern die Absicht des Thäters giebt bei der Wahl
des Gerichtshofs den Ausschlag. Es mnss also, wenn
der Areopag gewählt wird, die Annahme vorliegen, dass
des Thäters Absicht anf Tödtong gerichtet war, nnd nnr
diese Absicht wird mit dem Ansdmcke irpovota bezeich-
net. Ich hebe das deshall) hervor, weil neuerlich Blass
bei Besprechung der Tetralogien des Antiphon Ijcnicrkt
hat, dass es für den cpovo; ixousio; »einerlei ist, ob die
Absicht geradezu auf das Tödten ging nnd ob Ueberle-
gnng dabei war oder nicht«?'). Dass das durchaus nicht
der Fall ist, zeigen gerade diese drei Mnsterreden, in de-
nen der Redner beide Parteien zweimal gegen einander
sprechen lässt, deutlicher, als es vielleicht aus einer wirk-
lich gehaltenen Rede erwiesen werden könnte. Uni in
einer, wie mir scheint, feststehenden Sache nicht zu weit-
läufig zu werden, begnttge ich mich, die Stellen, auf
welche es fftr den Zusammenhang der Beden ankommt,
kurz auszuziehen.
Die dritte Tetralogie fingiert, dass ein junger
Mann einen älteren beim Gelage erschlagen habe. Die
Plato Ettthyphron, Eingang. Antiphon Choreut. § 38—42.
») Blase Die attische Beiedsamkeit S. 154. S. IGO t «Es sind wenige
Kategorien, in die alles eingeswingt weiden mnss; Zwischenstufen
^ fehlen. Wenn es also bd uns ein mildernder Umstand der erheb-
lichsten Art vrftre, dass der Oetödtete den Streit angefangen, die
Todesstrafe aber schon der Umstand ausschlösse» dass die Absieht
■
^ des Tödtens fehlt, so ist hier weder dies letztere von Einfluss, noch
der Begriff von milderndem Umstand ftberhaupt vorhanden.«
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ÜND IHK£ COMPETEKZ.
25
Anschuldigung ist auf (povo? Ixoo^io^ von Seiten des
Klägers gerichtet. Das zeigt die ganze Tetralogie, na-
mentlich a § ö: »wenn er ihn axcov getödtet hätte, könnte
man ihm verzeihen; nun aber muss er sterben«. Der
Kläger hält dem Angeklagten ^ § 4 eine Schlussfolgening
entgegen, welche auf den ersten Blick ftlr die Ansicht
von Blass zu sprechen scheint : »Der Angekla^e behauptet,
der Getödtetc habe den Streit angefangen und sei (laruni
selbst sclnild an seinem Tode (,3o'jX£'jTr,v tou öavaro-j) . Ich
meine anders. Denn da die liände ausführen, was der
Mensch beabsichtigt (a 6iavoou(*6da), so ist, wer schlägt,
ohne zu tOdten, schnld an dem Schlage (t^c icXij-pj« ßo»--
l&oTr^i] , wer aber todt schlägt, am Tode ; ix ^ap ov ixei-
vo; SiavoT^Ost; ISpaasv, o avr^p Ti&vY)X8V.« Dann heisst es
plötzlich: »Der Schlagende hat mit seinem Schlage Un-
glück gehabt, der Geschlagene ist gestorben. Dieser ist
durch das , was jener that , ums Leben gekommen, nicht
durch sein, sondern durch des Anderen Versehen. Jener
aber, der mehr that, als er wollte, hat das Unglttck ge-
bäht zu ttklten, den er nicht tOdten wollte.«
Während die 'ersten Sätze deutlicli ^enug dem An-
geklagten die Absicht zu tödten schuld geben, betonen
die letzten im offenbaren Gegensatze dazu nur den Erfolg
der Handlung, für den der Handelnde, auch wenn er nicht
deutlich der Absicht sich bewusst gewesen, die Verant-
wortung tragen mttsse. Dieser Gedanke, welcher wol
Blass zu jener Ansicht führte, kann, wenn man die ganze
Tetralogie betrachtet, nur als eine rhetorische Uebertrei-
bung aufgefasst werden. Man vergleiche, was der An-
geklagte in seiner ersten liede gesagt hat ß § 5. 6: »Das
Oesetz spricht mich frei, denn es sagt, der sei der Mi^r-
der, welcher die Absicht hat zu tddten (m y^p iictßoo-
26
DIE FCNF BLUTGERJCHTÄ8TÄTTEN
XeoaavT« xeXsusi cpov^a s?vai). Ich hatte aber nur die Ab-
sicht ihn zu schlag:en, weil er mich schlug u. s. w.« Ge-
gen diese richtige Argumentation bringt der Kläger das
eben Angeführte vor. indem er zuerst den Satz aufstellt:
•was der Menseh thut, das beab8ich%t er aaeh, da-
rum hat jener den Mord beaibsichtigt«; dann fügt er, weil
er dem Argnmente selbst nicht völlig traut , binzn : »nnd
wenn er auch nicht die Absicht gehabt hat, so ist er doch
des Todes scliuldig«. Die zweite Vertheidiguugsredc kehrt
darum v § 4. 5 völlig richtig zu dem in der ersten auf-
gestellten Satze zurttck, dass der Angeklagte nicht für den
imßooXsuoa^, den ßGoXsuii^c too davaTou angesehen werden
kdnne. Diese Wendungen mit ßooXsoetv und imßouXeuetv
beziehen sieh aber kemeswegs anf das Verbrechen der
[:Jo'jX£i)3i;, von welchem gleich gehandelt werden wird,
sie sind nicht, wie Blass 154 meint, »als An-
stiftung oder Verursachung dem Vollbringen mit
eigener Hand (xeipi epYaaaodaiJ entgegengesetzt«. Denn
der Angeklagte ist ja eingestandener Massen selbst der
Thttter; nnr ob die Absiebt zn todten vorhanden war, ist
Glegenstand des Streites. Vielmehr bilden jene Ansdrücke
den Gegensatz zu dem Erfolge, zudem, was dieselbe
Person erreicht hat. Sie sind also eine Umschreibung
des technischen Ausdruckes icpovota^^). Hält man das fest,
34) Man vergleiche hierfür zum Ucberfluss die erste Tetralogie,
Es wird jemand vor dem Areopag angeklagt, einen Mann bei Nacht
ftuf der 8Cmw efrschlagen zu haben. S» ist ^vo; exo6otoc und mit
diesem Ausdraoke weehsels die aaderen intßouXsöctv se. tiv Arfvorov,
imßojX^t sc. dnoxtchcr» als gleiehworthig ab. Das i;nßet»Xc6siv be-
seichnet also die Absicht im Oegensatie au dem, was dasselbe Sub-
jeet Tollbringt. — Oaaa anders liegt die Sache in der sweiten
Tetralogie. Ein Knabe ist im Oymnaaion durch den Speer ge-
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UND IHBB COUFETENZ. 27
t
Bo sieht man, dass Bede mid Gegenrede rieh in dem
Streite bewegt, -ob die ^rpovoia y<»faanden war. Der Klä-
ger behauptet, der Angeklagte bestreitet es.
Dies ^'eiiü^t zn zeigen, was uns die dritte Tetralogie
des Antiphon f Ur den cpovo; btooatoc lehrt : dass die Tcpovoia
auf das Tödten gerichtet sein mnss. An yielen Stellen
jedoch tritt dieser Hanptgerii^tspiuikt zurück, weil der
Angeklagte, bezidrangsweise sein Yertheidiger, sich nicht
damit begnügt, die irpovoioi in Abrede sn stellai, sondern
noch einen Schritt weiter geht und den Erfolg, den Tod
des Mannes, ans der falschen Behandlung des Arztes an-
statt aus dem Schlage abzuleiten sich bemüht (ß § 4, y
§5, Ö § 3). Das geht soweit, dass sogar am Schlosse
S § 11 mit einer Anspielnng auf den Arzt den Bichtem
die Ermittelung und Bestrafung des wirkliehen Tbft-
ters nahe gelegt wird. Es handelt sich also nicht, wie
Blass S. 160 meint, um einen für den Fall der liede
unpassenden Gemeinplatz.
Nachdem so gezeigt ist, dass bei gleichem Erfolg
der Handlung (Tödtung) die Absicht des ThUers das F<h
mm bestimmt, die vorhandene itpovotä dem Areopag, die
nicht vorhandene dem Palladion zur Besta^fting zuge-
wiesen wird, kann es uns nur natürlich scheinen, das»
lödtet, welcher einem jungen Manne unversehens aus der Hand flog.
Dieser wird wt dem Palladion w^n dxo6«te« f^oc angeklagt.
Der Kliger macht nicht einmal den Versuch« ihm die Absidit schuld
SU geben; nur um*daa Factum, den Erfolg handdt es sidi, ob^eser
ihm sur Last su legen sei. Selbst diesen sucht der Vertheid%er (der
Vater des Angeklagten) von seinem Sohne abzuwälzen und dem Ge*
tödteten selbst zuzuschieben ß § 6 ff. f § 7. Man sieht also auch
Ton hier aus, das« bei <fövo( ix^uoto« die Absicht (ic^oto) auf das
Todten gerichtet sein muss.
28 DIB FÜNF BLUTOEBIOHTSSTXtTBN
«aeh bei einer -gewaltthätigen Verletzung, die den Tod
des Angegriffenen nicht zur Folge bat, nach der Gesin-
nung des Handelnden das Forum sieb bestimmt.
Der Areopag richtet, wie die Worte des Gresetzes und
vorhandene lieden^*»] zeigen, über rpaoaa sx Ttfiovotot;
d. i. Verwundung, welche in der Absicht zu tödten zu-
gefügt wurde, aber ohne Erfolg blieb. Auch hier ist be-
stritten worden, dass die ir(>oyoia die Richtung auf das
T6dten gehabt haben müsse, indem man eine nur über-
haupt böswillige Gesinnung an ihre Stelle setzte ^«l. Und
doch Hagt der Redner der dritten Rede des Lysias deut-
lich genug: »Als -povoia gilt nicht das. wenn jemand
den Anderen, ohne ihn tödten zu wollen, yenvundet, son-
dern wenn er ihn verwundet, um ihn zu tOdten, seinen
Zweck aber nicht erreichte'').« Ausserdem ^re es un-
yerstilndlich , warum sonst der Areopag mit diesem Ver-
brechen sich befasste. da vor die fünf Blutgerichte nur
die cpovixa gehören, und was sich dieser Gattung nicht
entweder dnreh den Erfolg der Handlung Tödtung) oder
durch die auf das Tödten gerichtete Absicht des Handeln-
den unterordnet, tob der Competenz dieser Mahlstätten
ausgeschlossen ist. Denn — und das ist der zweite Fall.
— wenn diese irpovota nicht mit einem rpaufxa verbun-
den ist, so gehört das Verbrechen vor das Forum der ge-
wöhnlichen bürgerlichen Gerichtsbarkeit und ist durch eine
^ Lysias gegen und die unbeiaohnete 4. Bede.
^ Am auaHahrlichsten von Heraldus Animadveraiones in Salmas.
5, 3, S p. 343 gegen Salmasius MisoelL defens. Cap. 9 p. 280 ff., der,
wie so häufig, Hecht hat.
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Ul^D IHRE C0M1»ETENZ. 29
Klage oßpeto« oder alxkc zu verfolgen. Beispiele dafür
bietet fast jeder Redner.
. 3. Böswillige Yeranstaltang — ßouXsuoic (Falladiou,
nicht Areopag).
Die Ansdrtteke ßooXsoeiv, iictßouXeoetv nnd Redens-
arten, welche mit Ableitungen vom Stamme dieser Verba
gebildet sind, begegneten uns unter der vorigen Kategorie
[2) zur Bezeichnung dessen, was das Subject beabsich-
tigte, im Gegensätze zu dem, was es als Erfolg seiner
Handlung erreichte^). Dieselben Ansdrtteke bezeiehnen
aber zweitens die Anstiftung, welebe sieh, zur körper-
liehen Schädigung eines Anderen, einer dritten Person
bedient. Der Ausfahrende [yß^pl epYaaajxEvo?) ist also von
dem Veranlasser zu unterscheiden. Dieser, der »intellec-
tuelle Urhebera^»] verfällt dem Blutgerichte. Das
Verbrechen, dessen er sich schuldig macht, wird mit dem
techniscben Ansdrueke als ßooXeootc bezeidmet, so jedoch,
dass an dessen Stelle auch die anderen oben angeflllirten
Wendungen gebrauebt werden. Ob die Absieht des ßoo-
Ac'jaa; gerade auf das Tödteii gerichtet sein muss, wird
erst die Untersuchung ermitteln können, welche sich jetzt
auf sehr verwickelte Wege zu begeben hat, um das so-
wol im späteren Alterthume als unter den Neueren be-
strittene Forum dieses Verbrechens festzustellen.
Nach Harpokration y. ßouXsooe«»; gab es eine Rede
*B) Aach icpovocltflb», Stmoelo^t und Aehnliches kommt vor^ ent-
sprechend dem teehnisdien Attedmeke icpdvota.
^ Forehhammer De Areopago non private etc. Kiel 1828 p. 31.
. ^) i7«X.<^Mnoe £«0|Aa iiH ftvoT^ tatT6|«svov icpaYfMknv. ti piiv f dp
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I
30 DI£ FÜKF BLUTGEHlCm^TÄTTEN
des Isaeos. nach welcher das Palladion Fornm war: eine
Rede des Dinaich nannte dagegen den Areoi);i<r: mit Isaeos
stimmte die aristotelische Politie der Athener überein.
Dieser Angabe gemäss scheiden die neueren Gelehr-
ten zwei Arten der ^oXeotn«, deren jede einem der bei-
den Geridite zugewiesen wird. Am rerbreitetsten ist die
AnffasBnng, welche Schümann auBspricht ; nach ihr ge-
hört das Verbrechen, wenn der Anschlag geluu^^en und
der Tod orf<ili;t . vor den Areoi)ag, im anderen Falle
vor das Palladiou. Dafür scheinen die Worte zu sprechen,
mit denen Haipokration jene Unterscheidung einleitet : ȧou-
AsuoK ist . . . wenn jemand durch böswillige Veranstal-
toag den Tod eines Anderen herbeizuftihren snehti sowol
wenn der Betreffende stirbt, als wenn er nieht stirbt«;
denn die letzten Worte scheinen ja den Eiutheilungsgrund
fUr die zwei Arten des Verbrechens schon zu bieten. End-
lich ge>vinnt die Auffassung eine scheinbare Bestätigung
durch eine Erzählung bei Demosth. g. Konon p. 1264
§ 25 ff., welche aber so beschaffen ist, dass ihre Rrttfimg
besser nach der Benrtheilung des ttbngen Materials vor-
genommen wird.
riiffTiO'J, iv "Aijs'w) rA-(i\i. 'ApisTOTi/.T.; Se ttq WDr^vaituv rroAtrela xi\)
'loaioj ouiA^ojvei. — Die Klage der zweiten Art hat mit dem Blut-
gerichte nichts zu thun, sondern wird angestellt von einem Schuldner
viegen «böswillig versäumter Löschung«, nachdem die Schuld doch
abgetragen ist. S. Sohlftr Demosthenes 3. B. S. 117. Daher eine
Verwedulttiig bm M>tthii ItGioelhuie« philoL 1 p. 160.
4t) Orieefa. Alt 1 s 8. 49 1. So schon JlatthU Wao. phfl. 1 p. 150,
Bdckb Beriiiwr Index 1826/7, ÜBRMf RaaehniBtein Phüolofus 10
(1855) S. 602, ^rohberger ^nlcH. lu Lyalasg. Eratosth. (1 S. 21 f.),
Blass Beredsamkeit 8. 185. Die Frage ist viel bei Bespreehung der
Choreutenrede Antiphons berOlvt worden.
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UND IHAE COMPETENZ. 31
Ein Bedenken macht sich von vom herein ^egen
diese Auffassung geltend, dass nemlich nun plötzlich der
Erfolg für die Bestimmung des Forums massgebend sein
soll, nachdem doch in den bisher betrachteten Fällen die
Oesinnimg des Handelndeni die diavoia, das BestimmeBde
irar. Da aber das Frincip ja möglicherweise meht durch-
gehend befolgt ist, so ist es sicherer, den Gegenbeweis
von einem bestimmt vorliegenden Falle aus zu führen, wie
ihn die wirklich gehaltene liede Antiphons fllr den
Choreuten behandelt.
Der Sprecher hat zum Thargelienfeste einen Knaben-
ehoi: in semem Hause einüben lassen. Einem der Knaben
ist in Abwesenheit des Sprechers Ton dem Bean&ichtigen-
den angeblich ans diätetischen Gründen ein Trank ein-
gegeben, in Folge «dessen der Trinkende stirbt. Die Rede
ist Vertheidigungsrede und zwar, wie Anspielungen zei-
gen -^^j, die erste von den beiden, welche jede Partei vor
dem Bltttgerichte zu halten pflegte. Iii Bezug auf die
Auffassung dieser Rede befinde ich mich mit manchem
bisher vorgetragenen in Widerspruch und schliesse meine
Bemerkungen am passendsten an die neueste Besprechung
des Gegenstandes bei Blass^^) au. Eins ist unbestritten.
Die Gegenpartei behauptet nicht, dass der Angeklagte den
Knaben mit eigener Hand getödtet habe, sondern nur,
dass auf seine Veranlassung dem Knaben der Trank, an
dem er starb, eingegeben sei. Er ist Urheber, nicht Voll-
bringer^^). Also ist sein Verbrechen ßooXsooi;.
Da aber der Tod des Knaben erfolgte, so müsste die
floij>.T|Xat «{mlv. ■
IMe att. BendMonkeit S. 184 ff.
^} S. § 16 und tonst mehT&oh.
32 DIB fCxf blütgeuchtmtattks
Bede nacli der oben au^esteDtoi Untefsdicidiiiig S. 30}
Tor dem Areopag gehallen sein. Dts ist indi & An-
sicht der meisten Gelehrten Fllr diese Ansicht wird
aus der Rede selbst nur ein Grund ab^releitet djis Lob
der Richter am Schiasse soll in seiner l eberscbwän^lieh-
keit nur auf die Aieopagiten ])asäen^^. Aber warum
sollte man nieht ebensogut die Biehter am PaUadioO; also
Epheten, als die igottesfilrehtigsten nnd gereehtesten
Riehter nnter den Hellenen« anreden kOmien! Nadi Blass
freilich hätten zur Zeit, da unsere Rede gelialieu wnrde,
am Palladion die gewühnlichen Heliasten gesessen. Aber
das ist nur fUr die 2Seit bald nach dem Archontat des
£akleides 403/2 bezeugt und daraus folgt nicht, dass es
Toriier ebenso war, wie Yielfiieh behauptet wird. £s liest
sidi jetzt sogar das Gegenthdl ansdiflekUeh beweisen:
dass nemfieh noeh gegen Ende des peloponnesisehen
Krieges Epbeteu am Palladion Sassen^'), und denen konnte
fUglich jenes Lob gespendet werden.
üebrigens wäre diese ganze Entgegnung überflössig,
wenn der Schloss der Bede nneoht wäre. So viel ich
sehe, ist das noch nieht ansgespioehen w(»den. Yielleieht
8. HAtthÜ, Böckh, Bauchenstein, Blass oben Anm. 41. —
Für du Pallmdion eatfeheid«! neh Forehhiinaier De Areopago etc.
p. 29 u. Maetsner so Antiphon p. 248 ; neaerdings auch Christenseii
Areopagot p. 35 f.
i 51 «oTov o5v Zauurl^wt o&x ob» l>.8otcv l^iear^oomc, ^ tCm«
SpMU« oihi dv ToXfii^ooncv ««paiPatMcv oStot oi iwndmmut oItwc« «al
•jjxa; fjXOOOiv i;a-7Tf,3ovre; et oi'^atvro, &pxo'JS T0I«6tw« Su>(i.03a{UN0i.
So aehon Böckh, der ähnliche Gemeinplätze aus anderen Schrift-
steilem zusammengestellt hat, Berl. Index IS26/7 p. S.
*'! Den Beweis liefert der VolkabeechloM von 409/8; 8. unten
Abschnitt V. Cap. 4 im Anfange.
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UND IHBB COMFBTENZ.
33.
gelingt es mir , für diese Ueberzeugung auch Andere zu
gewinnen. Dass die Rede mit den jetzigen Schlags-
Worten nicht völlig znm Ahschlnss gebracht ist, hat man
sehon früher beobachtet, und aach Blass stellt sieh zu
dieser Ansicht. Dann ist aber doch diese volltönende,
sehlussformelartige Periode wenigstens auffällig. Nun
findet sich aber zwei Paragraphen früher bereits derselbe
Gedanke, zum Theil mit den gleichen Worten ausgedrückt ;
nur fehlt jene Anrede, und der Gedanke nimmt eine weit
speciellere Wendung auf den vorliegende Fall, als der
gegenwärtige Schluss, und schliesst mit den Worten hZvjk
«uTou Trirpoxtat Ta 'j:pa'{\La':oL § 50 passend ab. So weit
war, meiner Ansicht nach, Antiphons Rede erhalten.
Dann fügte jemand, um einen äusserlichen Abschluss zu
geben, den mit ttoTov . . . beginnenden Satz an, dessen
Vorbild man in den unten ausgeschriebenen Worten des
§ 49 erkennen wird^^).
Dagegen s]» rieht etwas an der Bede gegen den
Areopag und für das Palladion. Alle vorhandenen, nach-
weislich vor dem Areopag gehaltenen Reden zeigen die
Anrede w ßouXi] in solcher Uebereinstimmung , dass ich
behaupte: unsere Rede, welche Z av8psc> einmal w avSpe^
8txaaTa{ hat, kann nicht vor dem Areopag gehalten sein.
Dann ist aber nur das Palladien möglich.
Damit halte ich jene Unterscheidung des Forums der
ßouXsuai? nach dem Erfolge für umgestossen. Es lässt
sich aber aucli leicht zeigen, dass sie widersinnig ist, und
hiermit knüpfe ich wieder an das prindpieile Bedenken
.... tci'jtoj; vo[j.U£tv . . . dvocttu-aTO'j; -cxntojv dvOocuztuv. o^toi
tj tba; opxo'jc o'Jx av loAixfjafctav napaßaivetv, ol twec 8pxou4
totoikouc W(Jt6sinT0 ....
a
.34
DIB fDvf blutobbiohtsbtXttebt
«n, welches sich gleich anfangs gegen jene Unterschd-
•düng geltend machte (S. 31). Die Gegner des Spreehera
unserer Rede gestehen zu, dass der Tod des Knahen ron
ihm nieht beabsichtigt, sondern ohne seine Schuld dnreh
die Wirkung des Trankes erfolgt sei^'^). Der po-jÄsuji^
fehlte also die Tipovoia, und das allein sollte auf die An-
nahme hinfuhren, dass nur an das Palladion, nicht an
den Areopag als Gerichtshof za denken sei. Blass da-
gegen S. 185 folgert anders : »Es ist also die ßotältoaK
nicht dieselbe, von der Harpokration nnd Andere als ron
einem besonderen Verbrechen reden und welche als sirt-
ßo'VvSuoi? und böswillige Veranstaltung der Tödtung erklärt
wird ; die hier gemeinte gab einen rechtlichen Unterschied
niclit ab. Weil man dies verwechselte und nun den
Antoritftten bei Harpokration folgte, nach welchen die ßoo-
Xsoot^, nemlich offenbar die Veranstaltung ohne den Er-
folg, ror die Epheten beim Palladion gehMe, haben
Forchhanmier und Maetzner geleugnet, dass der vor-
liegende Process vor dem Areopag verhandelt sei. Aber
einmal hatte über die Klage cpapjAaxa>v nur dieser die Ge-
richtsbarkeit ; zweitens« [folgt der bereits erledigte Hin-
wds auf das Lob der Bichter). Obgleich Blass kurz zu-
vor in den Ausdrucken pooXeoeiVy ßoo>^otiQc n. s. w. die
Beziehung auf die intellectnelle Urheberschaft im Gegen-
satze zu dem Vollbringen mit eigener Hand /sipl ipya-
oao&at) anerkannt hat, spricht er dennoch von einer Klage
9ap(Mixo»v oder 90V00 , welche gegen den Sprecher ein-
gebracht sei. Diese Vermischmig so natürlicher Gegen-
sfttze hängt offenbar mit der oben (S. 24) wideriegten
rpovota^ y.rfi ix r.aj^aaxvjf^i ^eviodai xov ^avarov T(j> r.aiU ....
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UNO mUB OOKPETIirS.
35 •
Ansieht znsiuimi^, es branohe b^i ^ovo^ ixoooio« die Ab-
sicht nicht gerade »nf Tödtong gerichtet zu s^n, und sie
ist bei einem feinen Kenner der Redner aulßillend. Gehen
wir von dem, was fest steht, aus: «povo? Sxooato? (mit
updvoia) gehört vor den Areopag, cpovo? axouaio; (ohne
icpdvoiaj vor das Palladion. Wodurch soll sich nun aber
die Annahme erklären, dass der Veranlasser (ßouXeüTi}?)
eines TOdtangsfalles , wenn er die icpovoia nicl^t hatte,
in Besng auf das Fonun dem VoUbringer des ^ovo« ixooaio^
gleichgesetzt worden sei, — während in dem weit schßm-
meren Falle, dass die Trpovoia vorhanden, der x\nschlag
aber zufällig nicht gegUlckt war, das Falladioii , — und
endlich, bei erfolgreicher ßouXeuai; mit Tipovota, wieder der
Areopag als Forum gegolten hätte? Hier ist ein ver-
nünftiger Idtejider Grundsatz, welcher in Ermangelung
direkter Ueberliefening einer Annahme als Sttttze dienen
könnte, nicht zu entdecken. Die angenommene Anordnung
beruht auf blosser Willkür und das einzige, was dieselbe
zu empfehlen scheint, ist das abgeleitete Zeugniss des
vielleicht schlecht unterrichteten Harpokration : »ob der An-
gegriffene getödtet wird oder nicht, immerhin fin4ct ßoi^
Xemii statt.« Wollen denn aber diese Worte wirklich den
Eintheilnngsgrund fttr die gleich darauf erwähnte Alter-
native des Forums geben? Nicht einmal das ist sicher!
Halten wir uns dagegen an die gute Quelle, welche
uns in Antiphons Kede über den Choreuten vorliegt, so
begegnen wir d^ bestimmten Falle einer Klage wegen
ßooXsooi«; denn Ansdrtteke wie ^voo duoxovre« (§ 9) und
ähnliches beweisen in ihrer Allgemeinheit nichts , da ja
unter allen Umständen es um die Gattung der Unai <povt-
xo( sich handelt. Die Tcpovoia ist eingestandenermassen
nicht vorhanden. Das PaUadion ist Forum. Der Ange-
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.36 DIE FÜKF BLUTGEBICHTflBTilTTEN
klagte leugnet nicht etwa die Trpovoia, soudeiii überhaupt
den Znsammenhang des Todesfalles mit einer von ihm
veranlassten Massregel. Was geschehen ist, wurde ohne
sein Zuthnn ausgeführt (§ 17). Genau ebenso tritt mit
seiner Einrede der Sprecher der zweiten antiphonteischen
Tetralogie am Palladiou der Anklage wegen <povo( axou-
9to$ gegenüber (Anm. 34).
Wer diesen Andeutungen gefolgt ist, .^rird sich nun-
mehr die Frage stellen, ob denn nicht etwa in der vor-
handenen oder nicht vorhandenen Ttpdvota der Unterschied
gelegen habe, nach welchem die ßouXEoai; das eine Mal
dem Arco])ag, das andere Mal dem Palladiou zugewiesen
zu werden pflegte. Diese Vermuthung, auf welche unter
den Neueren nur Sauppe^<>) gekommen zu sein scheint,
verträgt sich einerseits mit den Worten Harpokrations : »ob
der Tod wirklich erfolgte oder nicht« (das macht keinen .
Unterschied; es ist eben in beiden Fällen pouXEoai:) .
Andererseits bat sie um des klaren und conscquenten
Grundsatzes willen, welcher nun in dem ganzen Systeme
zu Tage tritt, etwas geradezu bestechendes, wie die fol-
gende Uebersicht zeigt:
Aldivota: Erfolg: Kategorie den Ver- Forami
brechens:
1. Mit icpövot« Tod (f<^vo; lxo6otoc Areopag
2. nicht Tod Tpctj^xa ix itpovob« Areopag
3. „ „ I ßo6Xwoi« (d» npovoio«) * Areopag
uucht lou
4. Ohne icp^ota Tod ^^voc dito6oio« Palladion
5. „ nicht Tod alx(a oder dgl. BOrgeii Gericht
6. „ Tod ^Xsuou (ohne np^ot«) PaUadion
7. nieht Tod ßoöXsust« (P) Bflzgerl. Oerieht.
SO) Orat. Attici 2 p. 236.
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mtD IHBB OOMFETENZ. 37
Die ßouXeoot« (3. 6. 7) entspricht allemal dem x^^P^
ip-^dooLabai (1. 4. 5) ttbereinstimmend mit den bei Ando-
kides Myster. § 94 citierten Gesetzesworten : tov ßooXeuaavta
Iv TO) auroj hsysobai xal tov t^ X'^P'- Sp'C^iaoiixsvov, welches
etwas anders bei Antiphon Tetral. 3 ß § 5 wiederkelurt : tov
^T:tj3ouXso3avTa <povia eTvau — Die 7. Kategorie , welche
der VoUstibidigkeit wegen nach Verrnntbong angesetst ist,
findet durch die 5., deren Gegenstück fop ist, ihre Be-
stätigung, so dass sie In Bezug anf die thatsftehlidie Be-
handlung jedenfalls richtig eingeordnet ist. Nur was den
Titel betrifft, wird man sie \*iellcic'lit unter die alv.'.a ge-
rechnet haben. — Es bedarf noch einer Bemerkung darüber,
dass die Kategorie ßodXsootc ohne icpovota (6) nur schein-
. bar einen Widersprach enthält, nemlich wenn man sieh
ängstlich an Harpokrations Worte hält : oTav imßouX^c xU
«vt xaraoxsuaoiQ davotov. Dieses xaTaoxsuaoai dovorov passt
aber nicht nur zu der Voraussetzung der rpovoia mit oder •
ohne Erfolg, sondern auch noch zu der nicht vorausge-
setzten irpovotot, wenn nur der Erfolg des Tödtens statt-
findet. Ist weder «povoia noch Erfolg vorhanden, so stimmt
die Definition nicht, deshalb hat ja aber anch diese ßoo-
Xsoat; (7) unter den «povtxa keine Stelle. Der Ausdruck
^irißouXr,; dagegen bei Harpokration passt nur unter der
Voraussetzung der rpovoio, und hier lehrt uns Antiphons
Rede tLber den Choreuten ^^^] , dass Harpokrations Definition
zu eng gezogen und nach den häufigeren Fällen gemacht
ist. Denn es musste seltener vorkommen, dass jemand
ohne die Absicht semen Feund zu tOdten, nur um ihm
^) t. Anm. 49 : die Gegenpartei räumt ein, dass der Angeklagte
ohne Ttpo/o a gehandelt habe. Damit ist auch Christenaens Auf-
fassung, Areopagoa p. 37, nach welcher ßo^Xtueii ohne icptfvow gar
nicht denkbar aein aoU, widerlegt.
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\
38 DIE fOITF BLUTGBBlCBTSflTlTTEK
irgend welche kffiperlielie Gewalttliüligkeiteii znzufttgen,
einen Anderen anfhetste nnd dieser wieder in Beiner Ge-
waltthätigkeit weiter ging, als er sollte und wollte. Im-
merhin miisste aber auch ein solcher Fall in der gericht-
lichen Behandlung seine Stelle finden.
So sehr nun dieses System in seiner principiellen
Consequenz die Gewähr seiner Richtigkeit zu tragen
scheint und so 6chr ich mich auch es gefunden zu haben
freute, so entdeckte ich doch bald, dass es in Bezng auf
die pouXeooK an einem eoncreten Falle, welcher uns Über-
liefert ist, sich nicht bewährt. Eine Fminng der Rede
des Antiphon Uber die Stiefmutter hat mir nemlich
gezeigt, dass es aufzugeben ist und dass ein fernerer
Weg gesucht werden muss.
Die Rede tlber die Stiefmutter behandelt folgen-
den Vorfall. Der Sprecher klagt seine Stiefmutter an,
seinen Vater vergiftet zu hal)ci> durch einen Trank, wel-
chen sie indessen nicht selbst ihm reichte, sondern durch
das Kebeweib eines Andmn (Philoneos) ihm geben Hess.
Sie selbst hatte die Absieht, ihren Mann sn tOdten, hatte
diese Absicht bereits öfter zu yerwirkliohen gesucht; der
anderen Frau hatte sie eingeredet, es handle sich um einen
Liei)estrank , welcher beiden die erkaltende Neigung der
Männer wieder zuwenden würde. Die Männer starben
beide. Die Vollbringerin des Giftmordes wird sofort dem
Henker übergeben, d. h. wol dnroh Apagoge den £ilf-
miimm zngeftlhrt nnd stirbt anf dem Rade (§ 20), ob-
schon sie, wie der Kläger anerkennt, im Glanben nichts
böses zu thun gehandelt hat. Dies Verfahren , welches
vielleicht auch ein aussergewöhnlich hartes war , berührt
unseren Gesichtspunkt nicht, denn sie war eine Fremde,
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UXrO imtE OOIIFBTBNZ.
39
keine Atheneriu^^j. Das Blutgericht hatte sich nun mit
« ■
der AuBtifterin zu beschäftigen. Was das Verbrechen be*
trifft, weloheB der Stiefinutter in der Klagerede Antiphons
zur Last gelegt wird, so finden sieh hier aUe die Aus-
drücke gebraucht, welche die mtellectaelle Urheberschaft
bezciclmen, während dem Kebsweibe des Philoneos das
Xetpt EpYotoaaöat zugeschrieben wird ^2^. Es ist also die
eigentliche [^ouXsoat?. Während aber der Angeklagte in
der fiede Uber den Ohoreuton das Vorhandensein der
ßooXtuotc Ton vom herein zurttokwies, weil er die Verab-
reiehmig des Trankes nicht einmal veranlasst haben wollte
(S. 36), — giebt die Stieimntter die Veranlassung ihrer-
seits zu, sie bestreitet nur, die Absiebt des Tödtens ge-
habt zu haben, indem sie behauptet, dass sie einen Liebes-
trank habe geben wollen").
Während aber in der Bede Uber den Chorenten dem
-Angeklagten von Seiten der Gegenpartei diese Absieht gar
nicht schnld gegeb«i wurde, tritt hier der Vorwurf der
TTpovoia zugleich mit dem der ßouXeuai; auf ^^j . Wir haben
also die sclilimmste Art der ßouXsuai;, die mit -povota ver-
bundene, und femer ist sie vom Erfolg begleitet.
Ehe wir das Zengniss der Bede fUr unseren Zwwsk ver-
wenden, bedarf es einer Bemerkung zur Feststellung seiner
AtttoritSt. Handle haben die Bede für eine Uebnngsrede
«
M) Penn sonit hätte Phfloneot nicht beftbaiohtigen kAnntn, aie
^) § 3 i( ^RtßooXl]« «od icpoßovX'j)« . ■ . (pov£a oSaoN. § 9 xtji Ttatpl
. . . dtfvatov f/iT)xctv(D(i.ivt]v ^pap(A(ixotc. § 15 «paoxouaa aOrTj« (acv touto
e'j&Tjjict, ixeC-vTic 5' JiTryjpfnrjua. § 20 Die TTaXXax-Zj ist die ^taxov^oasa
xal -^eipoup7T]aa9a, die Stie^^aalUtter «itla. $ 26 "j) |acv ^op ixouaUpc xai
ßouXc6oaoa töv davaTOV ....
M) § 9 im cplXTpoi«.
M) S. Anm. 52 u. sonst in der Kede § 5. 25. 27. 28.
40 DIE FÜSF BLUTGEBICHTflSTÄTTEN
des Antiphon erklärt, wie Meier De hoim damnat. p. 20
Ätt. Process S. 311, Mactzucr zu Antiphon p. 125. Diese
, Ansicht ist durch die gründliche Auseinandersetzung von
Blass Att. Beredsamkeit S. 180 ff., wie mir scheint, y((lUg
widerlegt. Die Beweisführung, zu welcher ein Bedner
allenfalls der Uebung bedurfte, fehlt; die Erzählung da-
gegen ist mit einer Aiistnbrlichkeit gegeben, für web^be
in einer I ebungsrede keine Veranbissung ist. Hat man
aber an eine wirklieb gelialtene Rede zu denken, so tritt
die Altematire auf: Antiphon oder nicht? Spengel oov-
a-^ttypi Texv«»v p. 118 spricht die Bede dem Antiphon ge-
radezu ah. Man hat dann aher jedenfalls eine Bede vor
sich, welche der Zeit des Antiphon niclit fern steht. An
eine spätere Klietorcnarbeit blsst sieb nicht denken. Das
ist das Entscheidende. Wer mitten in den Thatsachen
stand, konnte einen Fall nicht in falschen Formen behan-
deln, und deswegen ist das Zeugniss der Bede, yon wem
sie auch herrtthrt, unh^ingt yerwendbar!
Wir würden nach dem oben aufgestellten Schema er-
warten, die Angeklagte w'egcn pouAsoai; ex rpovoiac vor
dem Areopag angeklagt zu sehen (S. 36). Während nun
nach dem Inhalte der Bede gar kein Zweifel sein kann,
dass die Stiefinutter wegen ßooXeuoK yerkhigt ist, lautet
die Ueberschrift : xomQ^op^a 9ap|iai»Ca< xaxa t^c {ii^tpotSc*
lieber Giftmord wurde aber am Areopag gerichtet. Das
hat Blass verleitet, an die Stelle der ßouXeo^K; eine vor
dem Areopag verbandelte Klage cpapiiaxwv in dieser Rede
anzusetzen ^^j . .Nun ist aber der Titel der Bede unbe-
•■*) Beredsamkeit S. 177: »Bekanntlich gehörte eine .... Ypa^•^J
(jiap(Adxt0v gleich der wegen cpövo; exouoto; überhaupt vor das Gericht
des Areopag; es wurde auch kaum ein Unterschied in dem Mittel
der TOdtung geftinden . . . Es inirde aber jedenfkUs als todeswflr-
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UKD IHBE COHFBTENZ.
41
denklich als später liinzugefügt zu beseitigen, zuerst um
des Widerspruchs willen, in dem er sich mit dem Inhalte
der Bede befindet — ohnehin wird sie im Alterthnm nicht
dtiert — y Bodonn auch um der Form willen, die donk wohl
nur xata tirfTpuia; ^ap^oncoiv hätte lauten können. Fragen
wir aber, warum die Stiefmutter gleichwie der Aiigeklap:te
in der Clioreutenrede niclit <fa[)u.ay.tov, sondern [5o'jXcua£u>;
angeklagt wurde, so liegt die Antwort in der Gesetzes-
bestimmung: cpap;jtaxcDv, iav ti? aitoxtsfviQ dou^^^), welche
eben die Eigenhändigkeit als Bedingang zu solcher Klage
hinstellte, während bei der ßooXeosK das Mittel, wie wir
sahen, keinen Unterschied macht.
Aber die Rede ist nicht vor dem Areopag gehalten,
wie Blass in Uebereiustimmung mit Anderen annimmt ■''^j .
Das zeigt auch hier, wie schon bei der Choreutenrede, das
zmrUUisige Kriterium der Anrede, welche durchweg «»
avfipe« lautet^). Da ich das mit Zuversicht behaupte,
diger Mord angesehen, wenn es sich erwies, dass Mittel, die den
Tod herbeiführten, in schlimmer Absicht gegeben waren; ob gerade
der Tod beabsichtigt war, kam aicht in Betracht.«
»Stemm qui p0r alium eurauet ui veneman dardur, eum
oporktä ßogXc69s«BC mmuarif emm rei ^sen^htm extaf praeter hone de
Goretti« aroHonem m äUa Uem Aniiphonieaf quae weer^Uur faptMi-
«tCa$.« Fovohhanimer De Anopagp etc. p. 30. Ebenso Mfietsner
Add«nda xu Ant^hon p. 282.
SV) Meier Attieeher Broeen S. 311 (»Uebunguedoi).
tt) oixaCovre; steht an einer von BlaM mit Recht als Interpo-
lation bezeiduoten Stelle § 7. — Das Argument, dass Jj civope; nicht
auf den Areopag gehen könne, schon bei Meier De bonis damn. p. 20
und in späteren Schriften und bei vielen Anderen. Forchhammer De
Areopago etc. p. 36 sieht darin sogar eine specifi.sche Anrede für
Epheten. Aber das ist nicht der Fall. Sie konnte auch Heliasten
gegeben werden, wie ich unten Abschnitt V Cap. 4 am Ende zeigen
werde. Zu meinem Ergebniss: ßouXeuoi; und Palladiun ist auch
Christenaen Areopagos p. 40 in Bezug auf diese Rede gekommen.
42 DIE FOlffF BLUTGEBICHTSflTiTTEN
80 gilt mir die Kede , welche den Fall der ßouXcuoic ex
icpovoi'a«) behandelt, als Beweis daiUr, dass Uber dies Ver-
bref^en nieht auf dem Aieopag gerichtet worden ist,
sondern am Palladioii) also yor Epheton. Das a)»er be-
stiUagt uns weiter die beste Quelle, das atbenisehe Gesets
selbBt. Es steht jetzt fest, dass die von Demosthenes in
in der R. g. Aristokrates zitierten Gesetzesbestimmungen
dem vo{io; (povixo^ angeboren, wie er in der Hauptsache
wenigstens auf Drakon zurückging. Die Bestätigung,
welche der grOsste Theil dieser Citate neuerdings durch
den Volksbeschluss; von 409/8 erhalten hat, erstreckt sich
auch auf die Theile, wdche entweder zufUllig auf der
Inschrift nicht erhalten sind oder welche der Eintheilung
nach auf einer der anderen nicht aufgefundenen Tafeln ge-
standen haben müssen ^'^). Zu diesen gehört das Gesetz
ttber die Gompetenz des Areopag : StxaCsiv tiqv ßouX7,v u. s. w.
Wbr findet sich also die ßou^iu9tc nicht erwähnt. An-
dererseits ist uns das Gesetz Uber die Gompetenz des
Palladion bei Demosthenes nicht erhalten, und wo dieser
mit seinen eigenen Worten über das Palladion spricht, da
erwähnt er nur den ^fovoc axouaio;, der sich deshalb auch
allein bei seinem Nachfolger Pollux 8, 118 unter der
Gompetenz des Palladion findet. Aber Harpokration t.
M UoLKKaliii^ hat uns das Gesetz bewahrt: iv <p StxoCoootv
axoooCou (povoo xal ßooXeu9sii>c ol itptoi, — und zwar nach
der Politie der Athener, da Demosthenes gegen Aristo-
krates, welchen er ebenfalls als Quelle nennt, ihm dies
nicht bieten konnte, wie wir oben gesehen haben (Anm. 31).
Man sieht dies auch daraus, dass er an der andern Stelle
Y. PouXkoom>c> wo von dem zwei&chen Forum der ßooXsoaic
») Siehe den Anhang § 7.
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UND IHBB COMPETENZ.
43
die Bede ist, angiebt, Aristoteles habe sich in der Politie
der Athener fOr das.PaUadion aU Forum entschieden
(Anm. 40). Und so finden wir denn andi in dem vo|ao<
9ovtxo< der Inschrift die ßooXtoot« neben dem «povo« axoooio«
unter der Competenz des Palladion wieder ß'^).
Diesen positiven Zeugnissen gegenüber lUsst sich aber
die Aussage Harpokratious von dem doppelten Forum der
ßooXsooic gar nicht mehr aufrecht erhalten. Schon Forch-
hammer hat in seiner kurzen, aber glänzenden Abhandlung
Uber den Areopag<>>) mit wenigen Worten die Bewds*-
tKhigkdt der Stelle des Harpokiation entkiMet. WSre
diese Schrift nicht meist nur nach Citaten bekannt ge-
wesen, so hätte man wolil die Alternative : Areopag oder
Palladien? schon längst aufgegeben. Es muss doch zu-
nüehst aufifaUen, dass Harpokxation zu Gunsten des Areopag
gegen Isaeos und die athenische Polltie nur eine Stelle
des Dinaroh aulllihren kann, witfurend wir sonst von
der Spruchföhigkeit des Areopag Uber die ßooXeoait; gar
keine Kunde haben. Ueber die Rede des Dinarch gegen
Pistias erfahren wir nun folgendes. Der, Sprecher der noch
erhaltenen Rede Dinarchs gegen Demosthenes ^^j war früher
durch den Areopagiten Pistias eines nicht nilher bestimm-
ietk YeigehenS) weldies irgendwie den Areopag bertthrt
haben muss, beschuldigt worden. Demosthenes soll jetzt,
kurz ehe die erhaltene Rede gesprochen wurde, behauptet
haben, es sei damals zu einer Uutersuchnug und Anzeige
«>) S. die iBMhnft Z. 12.
61) De Areopago non privato etc. Kiel 1628 gegen Btekh Ber-
liner Index 1826/7.
^■-i) S. für das Folgende Din. g. Demosth. § 48 If. — Von der
ÜTtotpaou § 48. 49 handle ich noch einmal in einem anderen Ziuam-
menhan^e unten Abschnitt IV Cap. 4. 1.
44
DIB FOHF BLUTGEmOHTSSTiLTTEN
Yon Seiten des Areopa^ (orRo<pa3i$ an die VolksTersamm-
long) gekommen; der Sprecher leugnet das und behauptet,
es sei grundlose Verleumdung des Pistias ^^cwesen. Er
selbst habe dann den Pistias durch die zhi-^-fzUa als '
Ilocliverräther mit Erfol<^ zur Kcchenschaft ^^ezogen. Natür-
lich geschah dieses nicht wegen jener Verleumdung, son-
dern wegen eines anderweitigen Verbrechens, auf welches
aber nur das Wort icpMrrfi (§ 52] hindeutet. Bei dieser
Gelegenheit muss es sich zugleich gezeigt haben, dass
die Verleumdung grundlos war. Das fordert der Zu-
sammenhang.
Die hier erwäliiite Rede ge<;en Pistias, welche eben-
falls Dinarch schrieb, führt Dionys. Hai. Dinarch c. 10
[ebsT^eXCa xaxa IlioT^oo) und die Vita X. erat. p. 843
(^(vapxoc iv xttTa IltoTCou) auf. In dieser nun kann
der Sprecher, wie Forohhammer^^) bemerkt, you den
Ränken und Nachstellungen des Pistias gegen ilin in
solchen Ausdrücken (ßouXsuai; u. dgl.) gesproclien haben,
dass diese Stelle dem Harpokration zu dem Missverständ-
nisse, die ßouXtoo« als Verbrechen habe vor den Areopag
gehört, um so eher Anlass geben konnte, als Pistias
Areopagit war und der Areopag als Corporation in jene •
ganze Verleumdungsgeschichte verflochten war^].
®) De Areopago eti:. p. 31. — Wx Belbst gelang et ent spät,
in den Besiti der aeltraen AUomdlung su kommen. Ich traute der
Alternative des Harpokration von vom herein nicht, faaste aber die
Frage nicht an der «nÜEudisten Stelle an, von der aus Forchhammer
sie angriff, indem er das Zeogniss Dinard» entkriftete; sondern ich
prfifte die ganze Ueberliefemng Aber die ßoöXeusi; und gelangte nun
von Antiphon und den Oesetiesworten aus zu dem gleichen Beaultat,
irie Forchhammer von jener anderen Seite.
^) Das Missverständniss bei Harpokration ist vorhanden, wie
der Zuaammenbang lehrt. £s hilft darum nichts, in dem Satse
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UND KBE COlCFBTBNZ.
45
Ehe wir die Untersuchung über die ßouXsoat? ab-
BchlieBsen, haben wir uns noch mit einem Vorfalle, welchen
DemoBthenes g. Konon p. 1256 ff. erzählt, abzu-
finden, weil dieser für das Verbrechen den Areopag in
Anspruch zu nehmen scheint. Der Spreeher ist yon Konon,
von dessen Sohne und Anderen, welche ihm angetrunken
bei einem Spaziergange auf dem Markt begegneten, über-
mUthiger Weise angegriffen und so gemisshandelt worden,
dass er dem Tode nahe war. Deshalb verklagt er den
Hauptschuldigen. Ganz so schlimm wird freilich die Baete
nicht gewesen sein, wie er sie darstellt. Sonst hätte er
sieh nicht damit begnügt, eine ein&che Klage wegen .
Körperverletzung — oi'xt, ai/ia? — , mit welcher die Rede
sich beschäftigt, durch die Thesmotheten vor die Heiiaea
bringen zu lassen. Yon vorn herein sucht er die Schuld
des Gegners zu steigern. £r hätte, so sagt er im Ein-
AcKap^^oc 5i Ttj) vtiTd ritOTiou, £v 'Afieün tA-^ui seil. "/Ä'^^i thu Tdc
hixai) mit Maetzner zu Antiphon p. 120 lltotio'j -zo'j Apeo-aYiTou zu
conigieren. Eine andere Erklärung der Stelle des Uarpokration
giebt Chzisteiuen Areopagus p. 38, welcher ebenfalls uiubhAngig
von Forchhammer die auf jenes Zeugnias gebaute Unterscheidung
der po6Xsuots beseitigt hat: »Es ist bekannt, dass der Beichthum
des attischen Gerichtswesens an Klagefoimen es einem davehtriebenen
Idanne leicht machte, seine Sache vor ein anderes Forum, ak das
gesetilichef na bringen. Es Ist dann keine unwahrscheinliche Ver-
muthung, dass Dinarch in der Kedc gegen Fistias zufällig eine Sache
erwähnte, welche der Angeklagte als ßoüXeusi; vor das Gericht am
Palladion gebracht hatte und dann äusserte, sie hätte vor den
Areopag gebracht werden müssen ; natürlich weil er meinte, es sei
keine ^o'jXe-joi?, nicht aber, die (^ouXs'jai; als solche gehöre vor den
Areopag. In dieser let2teren Bedeutung aber hat Harpokration seine
Worte axifgefasst.« Man sieht dabei nur nicht, was den Angeklagten
zu jener Vertauschung des Forums brachte und in wie fern ihm da-
mit d«r Kläger, was er, satter Tendern nadi doch mnsste, Eigennuts
vorwerfen konnte.
46 DIB FOwr BLUTOBBICHTaSTlTTEN
^^ange, seinen Gegner auch durch euie Klage wegen
Kaubanfalls (X«MroduTu>v aica^uiY^) ^Qgen frevelhafter
MiBshandlnng (fpa^iQ ußpetoc) belangen kOnnen. Aber seine
Freunde riethen ihm es mQgliohst müde sa machen, und so
habe er die Form der SCxi] aixta; gew&hlt, bei der es sieh
eben nur um Erwirkung einer Geldbusse bandelte [§ 1 .
Diese Tendenz des liedners muss mau berücksicbtigen, um
seine ferneren Behauptungen auf das richtige Mass des
Thatsächlichen zorttckzuftihrai, während sie ausserhalb des
Zasammenhanges betrachtet frdüeh als wirldiehe Zeug-
nisse gelten konnten, dass die ßouXsoai« anter Umstiiiiden
, dem Areopag zur Abartheilung oblag**).
Der Angeklagte Konon stellt die Sache wie einen
ziemlich harmlosen, wenn aucb in der Ausführung etwas
plump ausgefallenen Scbcrz dar, an dem er selbst sa-
nächst gar keinen thätlichen Antheil genommen, den er
höchstens nicht gehindert habe (§ 13—23). Demgemäss
hat er anoh in einer früheren, diesem Proeessstadinm
vorausgegangenen Verhandlung vor einem Schiedsrichter
eine entlastende Einrede gemacht und zur Erhärtung- der-
selben seine Sklaven zur Folterung angeboten 26— 28) .
Daranf nun entgegnet der Redner : »Wenn es ihm Emst
gewesen wäre mit seiner Emrede, so hätte er gleich, als
ich noch krank darnieder lag, seine Skiaren ang^ten
und von den Areopagiten einige herzngemfen. Denn
wenn ich gestorben wäre, hätten diese Uber die
Klage abzuurtheilen gehabta^^j. Matthiä^^j und
('^^•j So Böckh Berliner Index 1S2Ü/7 p. 8. Hermann Staataalt.
$ 105, 5. Schömann Anliquit. p. 293, 14 u. A.
§ 28 . . . xai tAv 'Ape(o5> icdfou xivd« icapexeCXii. el -yoip
^) Miscell. phü. 1 p. 148: »neque vero Utntum consiUum ned
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UND IUR£ COMPETENZ. 47
Andere haben aus dieser Behauptung einen Schluss auf
die Competenz des Areopag gemacht. Und doch steckt
gleich hier ein Saohwalterkniff! Wenn, im. Falle der Tod
erfolgte, der Areopag zu €teiiehto sasB, so war das Ver-
brechen 90VOC Ix icpovo(ac; dann aber mnsste oder konnte
jetzt, wo der Erfolg ausblieb, yor eben demsdben Areopag
auf tpautiot ex TTpovoia; geklagt werden. Dies behauptet
aber . wolweislich der Redner nicht. Giebt er aber die
Absicht zu tüdten den Gegnern nicht schuld, so hätte
anch, im Falle der Tod erftdgte, nur das Palladion
der zuständige Geriehtsbof sdn k5nnen.
Betraehten wir nun nach dieser ersten F^be redne-
rischer Argnmentation die entscheidende Stelle (§ 24) :
»Konon ist des Gesetzes über ußoi^ und über Raubanfall
(twv XwttoSutwv, schuldig. Und wenn ich ihn nicht darauf
hin verklagt habe, so ist das ein Zeichen meiner Nach-
sieht nnd nicht seiner geringeren Schuld. Denn wenn
ich starb, so wurde er ja des Mordes angeklagt. Wenig-
stens hat der Areopag den Vater der Priesterin der brau-
ronischen Artemis, der zugestandcncrmasscn den Getödte-
ten nicht einmal berührte, sondern nur den Thäter zum
^Schlagen aufmunterte, entfernt«^*). Wer die hier er-
zählte Begebenheit nur nach den Ausdrücken erklärt, ohne
durch die Anwendung, welche der Redner ron ihr auf ^
seinen Fall maeht, sich beeinflussen zu lassen, wird sie
nur so rerstehen kOnnen, dass der Areopag in dem Vater
der Priesterin eines seiner Mitglieder wegen der eines
eveiUum spectatum esse in causis ad Areopayum deferendis, patet e
Demosth. in Cmon. p. 12(^5«.
§ 25 tiv ^OüV tljc Bpaup<uN48«v Upeta; raxspa ö|jioXoYOU(j.ev(u;
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t
48 DIE FÜNF BLUTOEBICUTSSTÄTTfiN
Areopagiten unwürdigen Handlungsweise aus seiner Mitte
ausstiess. So versteht VVestermann in seiner Ausgabe die
Stelle, und für i/ßaXXsiv als technische Bezeichnnng des
AasstOBseuB ans der Mitte eines OoiieginmB zeugt eine ähn-
liche Erzählung bei Dinaieh^^]. Wie man aber ixpoXXsiv
von demjenigen sagen kann, welcher durch eine schwere
Anklage es veranlasst, dass ein Anderer entweder, um
der Strafe zu entgehen, freiwillig Hicht oder vom Gericht
in die Verbannung geschickt wird^^), — so mag es auch
von dem Areopag gesagt werden können, wenn er als
Gerichitehof die Ursache ist, dass sieh jemand der Unter-
suehung durch die Flucht entzieht War dies Letztere
aber bei dem Vater der Priesterin der Fall, warum wählt
der Redner statt eines deutlicheren diesen mehrdeutigen
Ausdruck? llaiidclte es sich aber in dem erzählten Falle
um einen Dimissionsakt des Areopag, so begreift es sich,
dass der Bedner die Sache selbst nicht zu entstellen wagt,
wol aber zu einem Trugschlüsse zu verwenden versucht.
Denn was er daraus schliessen, damit belegen will, ist
^ g. Demosih. f d6 iceiXtv x\si -d^ mytcB^poxi^tav iicl to3 }f.\
T^^v (Up(Sa Tt^ ^ 'ApeCou zocfou -roXfAi^aavia disoij«9at napd xd v^fUfi«
™) Ebenda § 63 i^^ßaXe; au Ap^^lvov ix t^c TtoXe»; ItCk rpoooolqt
naTÄ TÄ; TTj; ßo'jXfji; dTto'fosci; xal TifAcopCoc u. § 30. Lysias 4 § 13
i% xfjC -aTpioo; sz-pctAetv. Von den Richtern: Din. g. Demosth. §
"',1 Der Ausdruck findet siih zur Bezeichnung der Verbannungs-
strafe vom Areopag gebraucht Din. g. Dem. § (i srS'iXerv Tj Oavartp
^■r][xiiüoai. Aber an die Verbannung als Strafe kann in der Kede
gegen Xonon nicht gedacht werden. Denn da auf (p6vo( ixoüsio;
Todesttrai^ steht und das Geiets beitimiiit, dan der füraXtÖM« dam
/£tpl dpYaaa{XEvo; gleich stt behandeln aei, so kann die Strafe fOr
Po6Xko«ic, wenn diese überhaupt vor den Areopag gehörte, nur die
gleiche gewesen sein.
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JJVtD IHRE OOMPETENZ.
49
ja doch ebenfalls falsch: »wenn ich starb, cpovou xal
TÄv ostvoToiTtov av "^v oiroSixo;«. Sei es nemlich. dass man im
Falle wirklicher Tödtiui^ den Konon als ßouXsoaac oder als
auToxatp belangte, — die Absicht zu. tOdten, weldie das
schwerste Verbrechen und auch die härteste Strafe be-
dingte, konnte man ihm ja doch nicht vorwerfen, da der
Redner jetzt im Falle des Nichterfolges nicht daran denkt,
sie ihm zur Last zu legen. So, glaube ich, dürfen wir
durch die ohnehin als sophistisch erkannte Argumentation
eines Redners nicht die bis soweit qnellenmässig bewiesene
Aolfossnng der ßouXsooi« als eines palladisehen Verbrechens
erschttttem wollen, znmal da der erzahlte Fall, auf den
es doch allein ankommt, an sich und abgesehen von seiner
rednerischen Verwenduii^^ betrachtet, eine ganz andere
Interpretation hervorrufen würde ^^*).
Anders, aber für unsere Frage in demselben Sinne beur-
theilt Christensen Areopagos p. 39 den Fall. Er bezieht das ötxo-
KOffj'jixi'w};. (oben Anm. Os) auf die ?2inrede des Beklagten, die der
Kläger nicht zugegeben zu haben braucht, wenn er ihn etwa wegen
TpaDij-a £•/. TCpovota; verklagte, während der Angeklagte behauptete,
er habe nicht Hand angelegt, sondern nur dazu ermuntert. Der
Ax«opag hat dann trots der Bimred« den Beklagten mit Verban-
nung bestraft. Der Sprecher der demostheniseben Bede aber, welchec
«eigen wollte, daM ein verhiltoissmissig geringes Verbrechen hart
bestraft sei, konnte auf Kosten der Wahrheit das 6|M»XoYou(«iveD« ver-
allgemeinem. — Zu erwihnen ist noch Lyrias g. Thwmnestos (ge-
halten 384 8. § 4] § 32, wonach der Sprecher 399 oder 398 gegen
einige Ton den Dreissig wegen der Tödtung seines Vaters klagte und
swar erfolglos: Ire^^XOov toi; xpiaxovxa h 'Apeitp rA-^i^. Das wäre
also ein Fall der ßo6).euat; (denn die Dreissig werden den Vater nicht
selbst ermordet haben), welcher für das Forum des Areopag spräche
nach Frohberger zur Rede und Einleitung zu Lys. g. Eratosth.
(1 S. 21 Anm. üOK Nehmen wir an, dass in diesem Falle gegen
die »Dreissig« ein Vorwurf der ßouXeuat; vorlag, wie gegen Agoratos
in der gleichnamigen Bede des Lysias oder gegen Menestratos ebenda
4
50 DIE fOHP BLimBBtCffrSffPlTTER
Entsprechend anserem bisherigen Bestreben, die vor-
handeBcn £iiirichtiingen auch ihrem GnmdMtze nach
«1 Terstdien, hittan wir noch zu fragen, warum die
ßouXfttMi« nnter allen Umsttnden dem Mladion llberwiesen
war, wirom hier der erkannte Gnmdsafs, dass die Stavoi«
zwischen Areopag und Palladion entscheidet, verlassen
ist? Darauf lässt sich nur antworten, dass fUr ein areo-
pagitisches Verbrechen abgesehen von dem bestimmenden
Momente der irpovoia die eigenhändige AufÜhning als er-
forderlich erachtet wude, so dass man, wo diese, wie
bd der ßooXsootc, fehlte, selbst die «povota nnherUek-
sichtigt liese nnd die im Range nSdiste Qerichtssfittte am
Palladion wählte. Indessen diese Erklärung ist nur ein
Nothbehelf und es bleibt nichts übrig, als die Thatsache
von den Quellen hinzunehmen. Nur das wäre wider-
sinnig, wenn die ßouXeooic^ jenadidnn sie mit oder ohne
irpovoia eondpiert war, anch in den Folgen des Urtheil-
spmches gleich behandelt worden wäre. Dass aber hier
dn üntersdiied gemacht wurde, wird sich demnächst bd
I 56, durch Demmtiation oder fidtche Anklage jemanden an» JaSwsl
gebredit ra babm, ao wtkrde dort, wie in dieaen I%lleni die Foim
der Ameivfii an den fiüfininnem Tonraaanaetaea aetn, welehe ja
anawr der eigend&dien f^vfiii ^ou aul&ssig war und vom Kliger
gern gewählt wurde 8. unten Abschnitt II Cap. 3, 2. "Warum
wählte der Sprecher der R. g. Theomnestos diese nicht? Die Töd-
tung seines Vaters kann auf andere Weise vor sich gegangen sein;
die näheren Umstände erfahren wir nicht, wissen also auch nicht
einmal, ob das Vergehen unter ßouXeuoic zu rubricieren war. Und
wenn er seinen Zweck nicht erreichte , was nach dem Ausdrucke
ja wol feststeht, so kann er sogar wegen Nichtzuständigkeit des
Areopag abgewiesen sein, was später deutlich zu melden natürlich
nicht in seinem Interesse lag. So venig eignen sich die kuraen
Worte der Bede meiner Anaidit ntch an einem Argument!
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mD IHAE COmTEMl.
51
Betrachtung der Strafe zeigen, welche mf die einzelnen
Verbrechen gesetzt war.
4. Giftmischnng — <pap{iiaxa — (Areopag).
Die Gompeleius des Areopag bezeugt die von De-
nuMfteoeB oitierte Gesetsesfonnel (S. 23). Die Stiefinntter
in Antiphoitt erster Rede wurde deshalb nicht hier yer-
klagt, weil sie das Gift nicht selbst gegeben, sondern die
Tödtung veranlasst hatte. Ihr Verbrechen war fiouAsuai;,
wobei das Mittel keinen Unterschied machte. Bei der
Kategorie der fopfiaxa war also entsprechend der Gesetzes-
formel: Idiv Tt< imoKal'rQ ftoo« eigenh&ndige AnsflUming
yonuiQgesetzt^. Damit die Klage angebracht werden
könne, mnss Tod erfolgt sein (ietv airoirrtfvio) . War
aber die icpovoia erforderlich .' Die Neueren haben zum
Theil das geleugnet"''), irregeführt, wie en scheint, durch
die Eede des Antiphon über die Ötieänatter. Hier wird
die Thäterin, das Kebsweib, welche doch nnr einen
liebestrank zn veiabrdchen meinte, dem Hooker «her-
geben. Aber dies llsst gar kdnen Schlnss zu anf das
ordnungsmässige blutgerichtliche Verfahren, welches man
mit ihr angestellt hätte, wenn sie eine Athenerin gewesen
wäre. In diesem Falle — behaupte ich — würde man
sie bei dem Areopag nur dann verklagt haben, wenn man
ihr die Absieht zn tOdten schuld gab. Ob sie selbst die-
selbe dngestand oder die Untersuchung die Anklage be-
stätigte, ist eine andere Sache. Die Behauptung musste
aber von Seiten des Klägers aufgestellt werden. Nach
Beseitigung des nicht hierher gehörigen Falles der Stief-
^ 8. oben 8. 41.
^ Meier Att. Fkoeen 8. 311. Blatt BeNdsamkeit 8. 177.
4*
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52 DIB FONP BLUTG£iUCUTdSTATT£N
matter in derselben Kede giebt uns ein Beispiel einer
Gtftmischerin mir die aristotelische grosse Ethik 1, 16 (17),
wodurch zugleich, was ich über die Tzpovoia bemerkte, be-
stätigt wird. £in Weib gieht einem Manne ein ^iXrpov,
woran dieser stirbt. Sie wird beim Areopag verklagt,
aber nieht znm Tode verurtheilt, $ton oox ix icpovo(ac.
Das Mittel war niebt gegeben \tsxa SiavoCa^ too dmoUabai
aoTov. Man sieht, dass sie auf zpovoia hin verklagt war,
dieselbe aber in Aljrede gestellt hatte und das Gericht
nach der Untersachung ani' ihre Seite getreten war'^i.
Wenn die irpovot« von Seiten des Klägers nicht be-
hauptet wird, so hat man, im Falle der Tod erfolgt ist,
90VOC dncoo9to< nnd Palladion anzunehmen. Das Mittel
kommt dann ebensowenig in Betracht, wie bei der ßouXeosic
{S. 31). War aber der Tod beabsichtigt, ohne dass er
erfolgte, so konnte die Klage ebenfalls nicht angestellt
werden, aber keineswegs, wie Meier Att. Process 8. 312
annimmt, an ihrer Steile eine Klage ßou^eooMK* Da« ist
sohon deswegen nnmOg^eh, wdl bei der fovXMwm das
auroxetpC ansgeseldossen ist. Unsere Quellen schweigen
Uber diesen Fall. Der Analogie nach mttsste man eine
der Klage Tpaujxaio; ix -povoi'a; entsprechende Klage und
zwar bei dem Areopag annehmen ^^J.
5. Tödtung Ton Nichtbürgern.
Hiermit sind die Arten der Verbrechen, n^lche das
Gesetz zwischen Areopag und P^dladion vertheilt, er-
schöpft. Es tritt nodi die Fl:age auf: ob die Natur
Eine Enftblung bei Aelian Venn. Oeech.- 5, 18 lehrt nichts.
^) Die Klage mipmciS« hat nut den ifwaui nidits su thun und
wird darum spftter berackmchtigt werden Abschnitt IV, Cap. 2, 2
und Anm. 15.
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ÜND IHBB COMPETEMZ. 53
der getödteten Person eine Abweichung von den
angestellten Regeln veranlasste, ob auch im Falle vor-
sfttzlieher Tödtnng eines Niehtbttrgers (Metoeken, Skla-
ven) das hOehste Gericht, der Areopag, in Anspruch ge-^
nommen sei, oder oh in diesem Falle etwa das Palladion
gegolten habe? Unter den Neueren weist namentlich
Hermann 'ß) alle derartigen Fälle dem Palladion zu, indem
er dem Scholien zu Aeschines Gesandsch. § 87 fojgt:
id{xaCov 6i axooaW fovoo xal ßouXsüoaiD« xal oCxin^y r
(liTotxov ^ Uvov aitoxtt^vfltvrt. Nnn sind aber alle Fälle
der Tddtnng eines NiehtbUrgers, welche bei den Rednern
erwähnt nnd dem Palladion zugewiesen werden, der Art,
dass die Natur des Verbrechens abgesehen von dem
Stande des Getödteten an sich das Palladion fordert.
Bei Pseudodemosthenes g. Euerg. und Mnesib. p. 1157
§ 59 wird eine in dem Hanse des Sprediers wohnende
Ftoigelassene seines Vaters von Eindringenden gemiss-
handelt nnd in Folge dieser Misshandlnngen stirbt sie
(§ 67) . Der Sprecher denkt daran, die Thäter am Palla-
dion zu verklagen (§70), aber die Absicht zu tödten giebt
er ihnen nicht schuld; es handelt sich also um «povo«
axoooioc .
Von derselben Art ist der Fall, welchen die Rede
g. Keaera p. 1348 § 9 f. erzählt. Stephanos will den
bekannten Staatsmann ApoUodor ins Unglück bringen und
ersinnt, dieser habe in Aphidna, wo er einen flüchtigen
Sklaven aufsuchte , ein Weib — eine Sklavin oder Frei-
gelassene, wie das Folgende beweist — geschlagen xal
(on) ix Ttfi ickrjfpifi TsAsuTigaeiev ^ avdpa»ico«. Dadurch sucht
'«) De Dracone legumlatore p. 15. Staatealt. § 104, b. 10. Die-
selbe Auffassung bei Christensen Areopagos p. 36.
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54
DI£ FÜHF BLUTGEEICUTaSTATTSK
er den ApoUodor in einen Process am Falladion zu ver-
wickeln, freilich vergeblich. Die Ausdrucksweise zeigt,
das8 aAch hier an cpovoc axouoio; gedacht werden moas.
ffiemach wird man auch die EnShhuig bei Isoki»-
tes g. EallimaehoB § 52 ff., welche gewQhnlieh und so
isneh bei Hermann mm Beweise angeführt wird, anders
beurtheilen. Kallimachos und sein Schwager haben Streit
mit KrutinoR und verstecken, als es zu einer Schlägerei
kommt, eine ÖkUtvin und behaupten dann, diese sei von
KratinoB geschlagen nnd an den Folgen des Schlages ge-
storben ^7). Nim kommt es zu einem Frooess am Falla-
dion, ans welchem die ElSger natttrlidi mit Sohimpf her-
vorgehen. Den Ausdrücken nach kann man auch hier
eine Klage wegen «ovo; axouat.o; annehmen, während Her-
mann und Andere an tpovo; iv. rpovoi'a; denken'^).
Hiermit ist die Zahl wirklicher Fälle, an die wir nns
halten kennen, erschöpft. Proeesse vor dem Areopag we-
gen getOdteter Niohtbtliger werden thatsSefalieh nicht er^
wfthnt. Die systematischen Nachrichten tlber die Gompetenz
des Palladion {S. 23 Anm. 31) fuhren die im Schol.
Aeschin. hinzugefügte Kategorie (Fremden-, Metoeken-,
Sklavenmord) nicht mit auf. Diese aber mit Hermann
als ausge^ftllen bei Harpokration v. iizl IlaXXaStq) hinter
^ooCou ^voo xal ßooXioosm« einznrftcken ist vrillkttrlich.
Aus den Quellen Iftsst sich also eine ausnahmslcNBe Gom-
petenz des Palladion in FftUen der TOdtnng von Nicht-
bürgern nicht begründen"^).
iv. oe Toü TpajjidTOC cpaaxovre; dnodavelv avdptuJiov, Kaf^d--
vouotv auttjj ({pövou olxT^v dzl ila)v/..a§((j).
^) Pnisoniiii ra Aelian Tenn. Gmeh. 5, 15. — ^6voc dftoöstoc
SuliOiiuniii Antiquit. p. 290, 7 n. A.
^) Doch will ich hier auf eine htsher in dieser Beikhung nicht
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UND IHHB COMPBTINZ.
55
6. Erlaubter Todtschlag — 90VOC (ixatoc
(Delpldiiloii)«
Am Delphinion wurde über gesetzlich erlaubten Todt-
fichlag gerichtet. Ehe die Competenz des Gerichtshofs
genan festgesteUt werdm kann, ist w nOihig, über die
llberaas nmftng^che Kategorie des l^Cxato« tpovoc eine lieber-
sieht zu gewinnen.
Die erste Reihe der Fälle giebt Demosthenes g.
Aristokrat, p. 637 § 54 IF. mit den Worten des alten Ge-
setzes''*']: av Ti; SV al>Aoi<; a*ioxT£iv^/ xiva, av h roXifJwo
«Y^OTjaa?, T] Itti 3a|j,apxi ij inl \ir(zp\ tj doyaTpi', im izak-
Aaxg rjv ov in: iXeoOipoic icatolv iyiQ, Welche Art von Kebs-
weibem hier gemeint ist, ISsst sich weder doreh Lysias
Mord des Eratest^. § 31 enfseheiden , wo der Ausdruck
iraXXaxT; ohne jede Bestinunung wiederkehrt, noch durch
die Rede g. Neaera p. 1386 § 122, wo der Begriff nach
einem vüUig anderen Gesichtspunkte bestimmt wird. Unter
den drei angestellten Erklärungen (gewöhnlich: iicl xe-
xv(tt9si iXsuO^pcov ica{8a»v; Beiske: iicl ita{^v iXsu9fy<i>v
Ospoitsf^ xal ieat8e%; Westermann : ovkov iXeuOipwv ica{^v]
scheint mir nur die erste zulässig, so dass nur Sklavinnen
als TzoLkkoLTLai ausgeschlossen sind. Aus den Parallelen in
beachtete Stelle anfinerksam machen. Pausanias sagt, nachdem er
von den Heiligthümern der Unterirdiaehen geaprochen hat 1, 28^ 6
d6ou<it hi %a\ aXXmc ^Ivot xe &|i.o((»( xal dffcol. Klingt das nicht,
als ob nach saner Ansicht die Fremden in dem ernten Falle nieht
in die Lage kommen konnten zu opfem?
welche zum Theil im Volksbeschluss von 400/8 sich wieder-
finden. Darüber und über das Verhältniss der bei Demosthenes ein-
gelegten Gesetzesformel zu den beiden Fassungen s. den Anhang § 4.
56
©IE FÜNF Bl.UTGERICHTSSTÄTTEN
Piatos Gesetzen , welche, weil ihr Wortlaut für eine
demnächst aufzustellende Frage wichtig ist, unten ausge-
schrieben sind, kann man schliessen, dass das Gesetz
auch denjenigen zu tödten erlaubte, welcher bei einem
r<rn^ eXsuOcpoc von dessen Angehörigen betroffen wurde.
Dafür spricht auch eine AuseinandersetaEimg belLysias^^).
Man darf danach annehmen, dass dieser Fall wenigsten»
der späteren, in der Rednerzeit geltenden gesetzliehen Oh-
servanz unterlag, wenn er auch in dem alten Gesetze
nicht berücksichtigt war.
Die zweite Gattung des oi'xaio; cpovo« ist der im Stande
der Nothwehr verUbte Todtschlag. Die Formel lautet
im wesentlichen: djAovopevo« ap^ovia yijsx^ kUntm^
^ p; 865 A tt TIC iv d^ävi xal dftXotc ^fxooioic dExcw ....
n^lMv .... xa8ap9eU «Btrd t6v Ix AeX^Av «o|ftW0ivttt tepl toÖToiv
vö|Mv loTo xoAttp^«. Dies entspricht dem ersten Theile det süheni-
sclien Oesetses hei Demosthenes g. Aristoknttes. FUto ordnet den
Fall unter die dbio69tot ^övoi, doch das ist individuell; er gehört
unter die oixatot, wie das athenische Gesets und die Straflosigkeit
^ei Plato zeigt, p. 874 'B Sis hi b xtcIv«« iff olc tc ^p&Ac &v xaftopic
«fi], Tc£5' loTO) -xal idv IXeud^pav ^uvaixa ßidCifjTol Tic ratoa
::ept tä dcppoSfsia, vTjroivl TeSvaTto Orö xe toO ußptoö^Koc ßla xat uttö-
Tra-rpöc ^ dSeX^p&v t; uletuN. £dv Te dWjp d::tT'jyTj y'^H^t^Q -(uvaixi ßiaCoitivi]^
XTeivac tov ßiaC<5|i.£vov ivztu vtadapo; t<|> vop,»}).
*') Mord des Eratosth. § 32. 33 . . . idv ti; dvöptur.ov dXeuöepov
Ttaioa (letzteres vielleicht »Sklave«) aloy^uv^ pdf .... idv 5i ifüvaT»«
Nur diese Verbindung kann etwas beweisen. Die Dednction.
des Bedneis besieht sich «if ein anderes Gesets, als das des Demo-
sthenes über ((m»oc f^o«. Die Stelle ist jeden&lls cormpt und sehr
unklar. Ftohberger hat mit gewohnter OrfindUchkeit in seinem
kritischen Anhang sie besprochen. Ich habe sie nicht berfleksichtigt»
weil rie meine Untersuchung nicht berOhrt. Im folgenden sind Ober-
haupt nnr die Parallelen herange«^[en, aus denen wir den Haupte
stdlen g^nflber etwas neues lernen.
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t
UKD IHRE COMPETENZ. 57
xTsi'vrj und wird unendlich oft namentlich von den Rednern
verwendet; ein Yerzeichniss von Stellen giebt Maetzner
zu Antiphon p. 184. Dass die Bestimmung dem alten
Gesetze angehörte, zeigen SjHifeii auf der Inschrift mit
dem' YollEBbesehliisBe von 409/8 Z. 33. 34 : a^wra xeipSv .
Mwaii^, — Hieran soliliesst dch die Bestimmviig dech
selben alten Gesetzes bei Demosthenes g. Aristokrat.
p. 639 § 60 : £av aYovta cpepovra ßi'a a8i'xa)c £uöu<; ajJLO-
vo|jievo; xTeiv^^ vr^noivel xedvavai, welche die Inschrift be-
stätigt^].
Das etwa war der ursprüngliche Bestand des Gesetzes
Uber 8(xaioc ^ovo«. Zur Zeit der Redner hat sieh der
Kreis erweitert. Man sieht bei den gelegentlichen Er-
wähnungen nicht immer deutlich, in wie fern eine später
geltende Bestimmung an das alte Gesetz erweiternd an-
knüpfte oder durchaus Neues gebracht hat. Noch weiter
geht Plato in seinen Gesetzen, und hier ist nicht allemal
anszumachen , was Ton ihm selbst hinzugesetzt imd was
den geltenden Bestimmnngen analog nachgebildet
ist. Flato erstreckt die Kategorie des Sfxaio<; ^ovog anf
Tödtung der Nachtdiebe, was ein von Demosthenes
erwähntes sogenanntes solonisches Gesetz bestätigt ;
femer auf Tödtung eines Strassenräubers^*), sowie
auf Todtsehlag, wetehen jemand begeht, indem er ehiem
82) S. den Anhang § 3.
83) Z. 37. 38. S. den Anhang § 4.
p. 874 B vuxTwp (fibpoi el; oixtav ebtovTa irSi xXoinQ ^pTjixaxoav
ädv ihiis xteiv]] tu, xadapöf loim. Demosth. g. Timokrat. p. 736
§ 113 cl U ttc v6xxa}p 6toüv «Xlictoi, xoi^cov i^tlm maX dbcoxrtTvat ««l
TpAoat SttbxofVTa xal dicaYa^etv toT« fv^x\ cl ßo^Xocro.
tt) p. 674 B luA XoMcotÖTqv d(Auv^(Aevo« dnoxtctv^, «dht^
l9tfD.
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58 DIE FÜÄF BLUTGEßlCUTÖSTÄlTliN
Familie&initgliede Htttfe gegen Gewaltäilltigkeit
bringt Der Aret; weleber durch seine Bebandlong,
ohne es zu wollen, den Kranken ums Leben bringt, ist
nach Plato (ies. p. 865 B xaOapo;, — o "/ap vojxo? aroXiisi
auTov, sagt Antiphon Tetral. 3 ^ § 5. Der Fall gehört
nicht, wie man ans Plato schliessen könnte, unter ^ovoc
axoooio«) denn er anterliegt Überall keiner Strafe, und das
ist das EiiteriiuB des d6iaioc ^ovo«. Desgleicben ist nach
Plato p. 869 G xadapo« wer im offenen Aufruhr einen An-
deren, selbst seinen eigenen Bruder ansNothwehr iOdtet;
denn der Aufruhr ist dem Kriege gleichgestellt.
Endlich erwähnt Lykurj": g. Leokrates § 125 ein Ge-
setz, nach welchem derjenige ungestraft getödtet werden
dorfitei welcher nach der Tyrannis strebte oder als Hoch*
verMudf die Demokratie zu stflmen suchte ^^j. Dies €le-
sets wurde, wie der Redner bemerkt, unmittelbar nach
der Vertreibung der Dreiesig gegeben. Die Kategorie des
Si'xaio? cpovoc muss auch in dem bereits nach der Ver-
treibung der Vierhundert erlassenen Psephisma des De-
mophantos (410) aufgestellt gewesen sein, obwol das, was
die Schriftsteller von dem Inhalte dieses Psephisma er-
wähnend^) , niebt den Worten nach mit der Bestimmung
^ p. 874 C xaH ittt rvi icatpl ßonqSAv Mvotov, |MQtiv Mmoi
^) Lykurg, g. Tieokrat. § 125 . . . . Ids -rt; rjpawClt iirittdijtai ?|
diEO««i(vavta vgl. § 126. 127. — § 124 jAerd ^dp toü; TpidxovT« . .
Lykurg, g. Leokrat. § 127 ctO[A(u{i.6xaTe o' iv tiö 'LTjcptafAatt tu»
ATjjj-o'fdvTou xTiivetv TÖv TTjV raTj/to« rpoSioövra xai Ip^tp xai /etpi xai
4nr,<fo,j, Demosth. g. Leptin. p. 505 § 159 . . . r?,; ATjtjio^dvToy oryjXtjc
... ^ fifpar.zai %<x\ ijxtüjjioToti, dv ti; d|jL6vtov ti rdtt^ "nj ir^fj-oxpatlf ,
aördc Qiibaetv Suipedi; doTiep 'Ap(Jiooi({> xal 'Apia-o-j^eitovt . . .
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UNO IHftfi COMP£TKKZ. 59
bei Lykurg- übereinstimmt. Man vnrd daraus schliessen,
dass das Psepbisma des Deniophantos, welches durch die
Amnestie ausser Kraft getreten war, nach der Vertreibung
der Dreissig. etwa mit Zusätzen, erneut wurde. Endlich
erwtthnt Andokides ein 8ok>iuBelies Gosels, welches be-
stimmte» dass, wer nach Aufhebung der Yolksherrschaft
unter der neuen Begiemng ein Amt bekleide, nngestraft
getödtet werden dttrfe**). Ob das Gesetz wirklich solo-
nisch war, lässt sich nicht ausmachen. Aber es hindert
nichts, anzunehmen, dass schon vor dem Dcmophantos-
Psephisma es eine diesem ähnliche Bestimmung gab,
welche zum Schutze der Verfassung eine spedelle An-
wendung von der Kategorie deB^5(xaioc ^ovo« maehte^).
Diese Au&Shlung mag hier graittgen. Um das Ter-
haltniss dieser Erweiterungen zu dem alten Gesetze auch
nur in einigen Punkten festzustellen, bedürfte es näheren
Eingehens auf das Einzelne, was hier zu weit vom Wege
abfuhren würde.
Was nun die Oompetenz des Gerichts am Delphinion
betrifft, so soll hier gerichtet werden, wer einen Ufod
dngesteht, ihn aber StxaCwc begangen zu haben be-
hauptet*^). Dieses Richten war aber nicht etwa eine
^ Myiter. § 95 3$ Av röXei r^c &i)(ioxparc(ac xaraXu-
4Mo7);, vT^Rocvrt tcSvdhtttf «od tiv diMitxtbavcft Smov clm «al td yrtT^^t-vn
^scv ttö dnoSoMÖvcoc. — toxi f% tiv SöXflvve« v6(io^.
^ KiOger Dionys. HaL hiitoriograph. p. 375, 57 mOehte da«
QeMti fBr Mlonifleh halten. Aus dem Demophantos-Peephiema war
die Bestimmung jedenfalls nicht genommen, wie Meier De bonis
damnat. p. 3 will, denn das musste Andokides noch kennen. Das
bei Andokides § 96 eingelegte Psephisma übergehe ich, weil, wenn
auch Stücke davon authentisch sind, doch die Echtheit des Qansen
für mich nicht zweifellos ist.
Uarp. V. iTzl AeXfiviij) ^ unter Berufung auf Demosth. g.
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60
DIE FÜNF BLUT6£BICHT88TÄrr£N
blosse Fonn, wie es nach den Ausführungen neuerer Ge-
lehrter scheinen kann. Sondern es wurde untersucht, ob
die Einrede des Beklagten mit den Thatsachen Uberein-
stimmte, und Fälle, in denen die Kläger das Gerechte
des Todtsehlages bestritten, konntea häufig vorkommen.
Die Rede des Lyslas vom Morde des Eratosthenes ist vor
dem Delpbinion gehalten. Während der Angeklagte be-
hauptet, den GetOdteten bei seiner Fran ergriffen nnd,
wie es das (leset/ erlaubte , getödtet zu haben , suchen
die Kläger zu beweisen, dass er aus lange unterhaltener
IMvatfeindschaft ihn in sein Haus gelockt und erschlagen
habe^^). Der Archon-Ktfnig hatte nun diesen Fall vor das
Delpbinion an bringen, weil ihm nach der Vonmtersnchang
die Einrede des Beklagten begründet seMen.
Andererseits ist die dritte Tetralogie Antiphons —
nach der Ffetion des Redners — vor dem Areopag ge-
halten. Auch hier begegnen wir der Behauptung des An-
geklagten, er habe eigentlich im Stande der Nothwehr
sich befunden, also öixaiu>( gehandelt. Aber dies ist nur
Aristokrat, u. Aristoteles' athen. Politie) : ol ifioXo-fo-ivTc; (aev dTzoxt-
xxov£vai, Stxaiu); oe T.t-olT^%is>x^ toüto /ifo^'^^C- Demosth. g. Aristokrat,
p. 644 § 74 Äv Ti4 61*0X07^ fiev xtcTvat, äwöfjuu; Ii tp^ ^c^paxivai.
FoIIqx 8, 119 tAv DciXXavntov, 08« cu{xoX(iYei (tiv dicontctvat, (umiUdc
I^T) to&ro Scftpoxivat (nemlieh Thewoi). TU» Abirdchang von De-
moBthenes und die HunnfOgung der FeUuitiden leigt, dtM die Be-
Dtttiung der Quelle jeden&ÜB keine direkte wer. Vielleicht gehen
Harp. und andere Lexikographen, in weiterem Abetande anch PoUox»
auf die Politie zurück.
ö2) § 40 cl . . . i-^oi iireßo6Xeuov 'Epatoodivet ... 46 iXiztp dhixmi
eTre&6fio'jv auTOv dzoXioat . . . Die Gegenpartei hatte also eine Klage
wegen cp<5vo; Exouato; beim Basileus eingereicht, dieser aber auf
Grund der Einrede des Beklagten den Process vor das Gericht am
Delphinion gebracht.
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ÜND lUKE COMP£T£NZ.
61
ein Httlfeargnment. Seine eigentUelie Ärgamentation geht
darauf hinaus, 90 vo; axooato? zu beweisen — und den-
noch musste hier der Archon durch die Anklage auf 90V0;
£xou:;to; sich leiten lassen und die Sache vor den Areopag
bringen.
Es ergiebt sich daraus der Grundsatz : zu einer wirk-
liehen, materiellen Yerhandlnng konnte es am Delphinion
nur kommen, wenn der KlSger fetoooioc ^ovoc, der An-
geklagte dagegen S(xaio<; <povo( behauptete und der Archon
diese Einrede begründet fand. Im anderen Falle brachte
dieser die Sache vor den Areopag. Materiell unterschied
sich also der Process am Delphinion nicht von dem auf
dem Areopag geführten. Denn am Delphinion konnte
Yerartheilung und £rkenntniss auf ^vo< ncouoto«, auf dem
Areopag Freisprechung, nnter Umstünden sogar Erkennt-
mss auf 8(xaioc oder axouoioc erfolgen.
Wenn aber — so ergiebt sieh nun weiter — der
<povo? oi'xaio; von vorn herein fest stand und von keinem
etwaigen Kläger das oi'xatov bestritten wurde , so konnte
überhaupt von einem wirklichen Process keine Jßede sein.
Die Eichter hatten der Formalitilt zu genügen und das
Gerechte des Todtschlages zu hestiitigen, und an dieses
rein formale Ver&hren schlössen sieh die Beinignngs-
eeiemonien an.
Nach einer Meinung freilich hätte es der letzteren
bei dem oi'xaioc ^ovo« nicht bedurft, sondern nur bei dem
93) ß § 3 otxafro; o' av izt^r^xt^, wenn er gleich gestorben wäre.
— Der Angeklagte bestreitet die npövoia 8. die Besprechung der
Tetralogie oben S.24 ff.
»•} Hermann ötaatsalt. § 104, 15. 16; Schömann Griech. Alt. 2 2
8. 342; Maetsner zu Lykurg g. Leokrat. § 125, der sich durch das
62 DIE FCNF BLUTG£&ICUTSäTÄTT£N
Demoe^nes g. Leptines p. 505 § 158 fasst die ganze
Classe der unter oixaioc «povo? gehörenden Handlungen
zusammen, indem er ßagt: o Apotxcuv .... effr^xsv i'f' oi?
UeTvai oiiioxuvvuvai , xav outu> ti; opaoiQ, xa^apov du»ptocv
etvat. Der Aasdruek icp' otc lEeoriv öitvoxteivsiv begegnet
nns BD hftnfig, cUun et als die stehende Beseiehnnng fUr
alle, Venalaseniigen gegolten liaben nrnse, nnter denen
der <povo( ein tdtatoc wnrde. Der Ansdniek xoftapo^ lono
in Bezug auf den AnsAlhrenden, welcher ebenihlls stehend
ist und mit dem anderen rr^-ovnl TEUvarto vom Getödteten
gesagt) abwechselt, bedeutet aber keineswegs, dass von
einer religiös-symbolischen Keiniguug bei dem Voll-
bringer des hUavK ?ovoc abgesehen wurde. Wessen Hände
Mensehenblnt yergossoi hatten, der war nnrein nnd mnsste
durch Beinigang der mensehiiehen Gesellsehaft znrQek-
gegeben werden. Das Ittsst sich dnrch einen Schlnss ans
dem feststellen, was die Redner, Antiphon namentlich,
oft geheimnissvoll und tiefsinnig Uber die Wirkung jedes
Blutvergiessens aussprechen. Das bestätigt femer die
Reinigung Apollons selbst von dem Blate des erschlagenen
Dradien, desselben ApoUon Delphinios, an dessen Tempel
an Atiien Uber gerechten Todtschlag gerichtet wnrde *^).
Und Plate führt in seinen Qesetsen, da wo er zuerst die
EiMchiebael der intetpolieiten Udichr. Demotth. g. Philipp III p. 122
I 44 (öttfie i xh iicoKistvai ine führai lisat Hemum besieht
Porphyr, de abatin. 1, 9 oI|m» h* iparft «al to^c au]pw](a»(»)(iiyot»c bitA
xa8ap(i.&v unrichtig auf oc/ousto;, Schömaiiii freilich auf Mxatoc,
aber mit der Bemerkung, dass solche Reinigung nicht nöthig gewe-
sen, sondern nur von gewissenhaften Leuten angenommen worden
w&re.
^) O. Müller Eumeniden S. 140 f.; Schömann De Apolline
Ath. custode (opusc. acad. 1 p. 346 f.), Oriecb. Alt. 2^8- 339.
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UND IHRE COMP£T£NZ. 63
Fälle . in denen der Todtschläger straflos sein soll , mit
dem Worte xaC^apo; einleitet, dieses mit dem Zusätze ein :
xadap&sk xata tov Ix AeX^wv xojj-ia&^vTa zepl tootidv vojiov
Im xadapos. Das xadapo«, welches bei den Bednem sieh
. findet, abwechselnd mit oder vijirotvsi (isdvavai), ist
demnach, wenn ich so sagen darf, im juristischen
Sinne zn nehmen als Gegensatz m dem xa&apoc raq
XeTpa? (fovou, womit der vorsätzliche Mörder bezeichnet
wird fPlato Cfes. p. 864 F.). Diese reinigende Seite der
Mordsühne wurde nicht bei Seite gelassen, während die
versölmende, welche zwischen dem Todtschläger nnd den
Verwandten des Getödteten äich Tollzog, nicht bei dem
Sixatoc, sondern nnr bei dem ^ouoioc <povoc ansgeliht
wnrde. Denn diese versöhnte den GetOdteten mittels
seiner Angehörigen. Jene galt nur der Reinigung der
Per^ioii des Todtschlägers , welcher mit demjenigen, den
er gerechter Weise erschlug, sich nicht versöhnen konnte
und wollte»®].
-*') lieber die hilastische und kathartische Seite der Moidsflhne
s. unten Abschn. III Cap. 2, 1 im Anfange.
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n.
Das gericlitliülie VerMreu au den
Höfen auf dem Ai'eopag-, am Palladion
und am Delphinion.
5
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'7
Ueber das Verfahren vor den athenisehen Blntgeriehten
ist in Handbttehem und Monographien ao oft gehandelt
Worden^), dass das Allgemeine und mehr Aensserliohe
als bekannt Toransgeseizt werden kann. Dieses wird
darum nur um des Zusammenbanges willen kurze Er-
wähnung: finden. Anders steht es mit der Kenntnis»
dieser Dinge in einzelnen Fragen, welche das innere
Wesen der Einrichtungen berühren nnd deren Beantwor-
tang snm Verständniss der äusseren Formen nnd der in
ihnen sich bewegenden Sehriftsteller nofhwendig ist. Hier
flieht man sieh yielfkeh vergebens naeh einer befriedigen-
den Antwort nm. Manchmal ist auch eine doch nahe-
liegende Frage noch gar nicht aufgeworfen worden. Solche
Fragen niöclite die folgende Untersuchung ihrer Entschei-
dung näher bringen.
Es kommen Übrigens nur die Stätten, an denen wirk-
lidies Gericht gehalten wurde, der Areopag, das Palladion
nnd das Delphiniou in Betracht. Das Gericht in der
Bucht Fhreattys , ttber welches wir nichts besonderes er-
fahren, erledigt sich damit von selbst.
1) Am besten SchömaDn Antiquit. p. 289 ff. (§ 62. 63).
5»
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68 DAS GEKICHTUCUE VEKFA11KEJ4 AN DEN HÖFEN
Cap. 1. Einleitende Massregeln; die Kläger.
Die Klage .wird bei den Athenern im allgemeinen
SCxri genannt nhd kann entweder dnrcb die Verletzung
eines iudividnellen Interesses henorgerufen werden, dann
ist sie 5i'xT| im engeren Sinne Privatklage^; oder sie ent-
steht durch eine Verletzung, welche nicht bloss das In-
teresse des Einzelnen, sondern ancli das Geraeinw^ohl be-
rührt nnd den BechtsschntE, welehen der Staat allen seinen
Angehörigen gewährt, in Frage stellt, dann ist sie rp^fii
(Offentliehe Klage). Zn der letzteren Gattung gehören
die Klagen, welche unter die Jurisdiction der Blntgerichte
fallen, und diese können darum, abgesehen von der all-
geiiieincn Bezeichnung oi'/ai, auch -'pacjai' genannt werden.
Zu den Eigenschaften einer vpacpri gehört unter anderen,
dass sie nieht nur, wie die dixr^ im engeren Sinne, der
Gesehttdigte, sondern jeder attisdie Bürger anstellen
kann, weil mit dem Gtesehadigten der Staat nnd in ihm
jeder Einzelne yerletzt worden ist. ffier aber bilden die
{povixai die hauptsächlichste Ausnahme. Sie können nur
von dem Verletzten angestellt werden und wenn dieser
getödtet ist, von den Verwandten desselben. In den
Zeiten, da das Geschlecht noch in fester Organisation alle
seine Angehörigen umsehloss, war aneh die Blutrache
— und aus dieser hat sieh die ${xij <povixi^ entwickelt —
Sache des Geschlechts. Eine Erinnerung an diesVer-
hilltniss hat sieh audi in feststehenden Ausdrücken noch
später erhalten, obgleich die Geschlechtsverbände sich ge-
lockert haben und statt des (Jeschlechtes die nächsten
Vcnvandten des Getödteten in die Pflicht der Blutrache
2; ol Iv 7<vtt tmd Ähnliches.
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' AUF DEM ABEOPAG, AM PALLADION, AM DSLFHINIOir. 69
oder der gerichtlichen Verfolgung eingetreten sind. In
der solonischen Verfassung hat bereits das Geschlecht als
Corporatioii keine Stelle mehr^). Es ist dämm von yom
lierein wahrscheinlich, dass das Gesetz, welches die Pflicht
der Blutrache an besthnmte Yerwandtschaitsgrade knüpft,
nicht jünger ist, als Solon. Nun nennt die Rede gegen
Euerg. und Mnes. ( Dcmostli.] p. 1161 § 71) ürakon als
den Urheber dieses Gesetzes, und dass dies keine jener
üblichen allgemeinen Angaben ist, welche alles auf die
^ovtxa bezügliche ohne weiteres an Drakons Namen
knüpfen, bezengf nns der Yolksbeschluss von 409/8,
welcher einen Theil des drakontischen Gesetzes wieder-
gieht und in Bezug auf die zur Blutrache berufenen Ver-
wandtseliaftsgrade uns deutlicher sehen lehrt, als es bis-
her nach sämtlichen Erwähnungen der Redner mög-
lich war.
Der Anzuklagende galt für unrein von dem Augen-
blicke des Todtschlages an. Er durfte nicht Markt , und
Tempel betreten — die Blutgerichtsstätten lagen nicht auf
dem Markte — , sobald das Verfahren gegen ihn ein-
geleitet war. Dieses begann darum der Kläger damit,
dass er dem Angeklagten feierlich gebot, Markt und
Tempel zu meiden^).
Schümann sagt, es sei dem Beklagten dreimal ge-
kündet worden: von Seiten des Klägers zweimal, zuerst
am Grabe des Getddteten, dann auf dem Ifarkte zugleich
mit der Einreichung der Klage , endlieh ron Seiten des
>} S. meine Beiträge zu einer Geschichte des att. BOrgerreehtes
S. 190 ff., wo auch über Drakon Nachweise.
*) Antiphon Choreut. § 34 ff., Mord des Herodes § 10. Demosth.
g. Leptines p. 505 § 15S.
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I
70 DAS ti£i^C&TJUgH£ VEHFAUAEH A>I D£K BÖF£N
Aic'lion bei Annahme der letzteren^]. Genaue Prüfung
der Quellen bestäti^^t das nicht. Der erste Fall kommt
nqr einmal vor and ist blosse Ceremonie, wie wir gleich
Beben werden. Von einem Künden des Are hon sprechen
niur Lexikographen*); hier wird »her natttrlieh, was der
Kläger thnt) sohleehtfain auf den Aichon tthertragen, wdl
ja doch die Ettndnng nnr auf dessen Qeheiss geschehen
kann. Es bleibt also nur das einmalige Künden, Uber
welches die Reduerstellen Anra. 1 Nachricht geben. Aus
der erstangeführten des Antiphon sehen wir, dass dies
Künden mit dem Verklagen verbunden war. Daher
konnte man auch die Ansdrtlcke des Kttndens gebrauchen,
nm das Klagen za beseichnen^}. DasKtbiden (icpoppijou,
xpoeimTv, icpoaYopsusiv) geschah also, nachdem der Archen
die Klage von dem Kläger angenommen hatte, im Ein»
verständniss mit dem Archon durch den Kläger.
Weil das Recht, dem TodtschlUgcr zu künden und
ihn au verklagen nur den Verwandten des Getödteten
instand, so finden wir im Eingange der erhaltenen Klage-
reden gewöhnlich Bemerkungen, welche Uber diese Be-
rechtigung des Spreehers den Biohtem gegenüber sich
yerbreiten.
Welchen Verwandtschaftsgraden steht nun
dies Recht zu? Die Hauptquelle, welche auf diese
Frage Antwort gab , bestand bisher in einem Theile der
bei Pseudodemosthenes g. Makartatos p. 1069
§ 57 eingelegten Gesetzesformel. Obwohl der Werth
5) Schömann Antiquit. p. 289. Griech. Alt. 18 S. 495.
«) Poll. 8, 90. Bekk. anecd. 1 p. 310 u. A.
"} Z. B. [Dem." g. Neaera p. 134S § 9 Ttpotizev autij» ircl OoXXa-
^i(p (pövo'j, was genau dem r.ooi tov ^aoiX£a Xan^otvciv g. Euerg. und
Mnes. p. 1160 § 69 entspricht.
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AUF DEM ASEOPAO, AM PALLADION, AM I>£LPBXMJON. 71
aller dieser eingelegten Urkunden durch die neueren
Untersuchungen bedeutend beeinträchtigt ist, so pflegte
man doch diese Stelle stets bei der Beantwortung unse-
rer Frage zu Grunde zu legen. Nur in Bezug auf £inze^
bdten des Textes heirochten vieUacb abweiehende An*
slehten. Diesem Sehwanken liat der YdlksbeBeliliiss tob
409/8 ein Ende gemaeht, indem er einen Theil des Ge^
sefees, welolies in die Rede eingelegt ist, bietet. Wenn
die Inschrift nun den Text der Rednerurkunde im wesent-
lichen bestätigt, so folgt daraus, dass dem Verfasser der
letzteren das athenische Gesetz in irgend einer Ueber-
liefemng ingänglich war. Abgesehen von fiesem nnn*
mehr in iweiilMsher Fassung UiieirUeferleB C^tie be-
stehen nnsere Qoellen in eimgen Stallen der Bedner nnd
Plates, sowie in Anftthnmgen des Mlnx, weleher sieh aber
hier als einen geradezu unzuverlässigen Compilator er->
weisen wird.
Die Formel bei Demoethenes lautet nach den Hand-
schriften : icpotiTcetv xxstvavrt Iv orfopa evTo; av£<|/toTyjTO<
xal &»e^oc xal mSepooc tmü «ve<|iui8«io< tm\ 9p«itpot^*).
Die Insehrift dagegen weieht naeh KOUevs Herstellinip
(Z. 20 — 23) im zwdten Satsgliede folgendermassen ab:
ouvoicüxEiv 0£ xal ave^iouc xat ^ve<{«itt>v Tialoa^ xal 'j^a^i^pou^
xal irevdspou? xal (ppatspac.
Die meisten Gelehrten und mit ihnen die Heraus-*
geber haben bei Demosthenes, sehen nach Beiskes Vor-
8) So wird statt tppflfropac zu schreiben sein, bis sich etwa in
einer Inschrift jene andere Form zeigen sollte. S. Cobet Mnemos.
11 S. 138 und van den £« Do iure fuuUiarum apud Athemenses»
Lugd. B. 1864 p. 102 f.
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72 DAS GE&ICHTUCHE VERJ^AREEN AN DEK UÖFEK
fwhlage, xal avs»|;too") gestrichen, was die Inschrift nun
unmöglich macht. Das Wort aL^t^i6rr^;. hat. wie gleich
gezeigt werden soll, eine engere und eine weitere Be-
deutung; letztere ist hier gemeint, und zur näheren Be-
Btimmnng ist dvetl'toc hinzugefügt. Da aber die Verbindung
imc wtw^TTifKfK xal avK([»too anstössig schien, lasen
Andere, was schon Beiske wollte, xal inw^o^^^). Ich
schlage Äve^riSv vor, was die Inschrift ebenfiill8 gestattet.
Sodann handelt es sich um die Ausdrucke avE'liÄv 7:aiSa;
und avs'J/totooo:. Bunsen , Müller. Hermann und Meier
haben beide Worte beibehalten; die ersten beiden er-
kUbren avs(j>ia»y iraTSa; als »Söhne der rechten Yetteni«
{camohrmanm ßHi, Verwandte im fünften Grade nach
rOmischrechtlicher Bezeichnung), dve^itaSotk als »Vettern
im zweiten Grade« («oMm, Verwandte un sechsten Grade).
Aher SehOmann zu Isaeos p. 456 f. hat bewiesen, dass
die Worte völlig gleichbedeutend sind und. wo beide zu-
sammen in Handschriften sich finden, das eine als Glossem
zu dem anderen zu betrachten ist. Das bestätigt unsere
Inschrift, welche nur fttr eines (avs^iwv icaiSa;) Platz
hat. Nun können aber beide Ausdrücke doppelte Be-
deutung haben und sowol die ccmobrinwrum JUn (fünfter
Grad), als die whrim (sechster Grad) bezeichnen. Um
diese Zweideutigkeit zu vermeiden, setzt z. B. Plato Ge-
setze p. 925 A anstatt eines dieser Worte den Ausdruck
TzaTnrou 7rat«5a>v oiooT, Enkel der Söhne des Grossvaters
d. h. £nkel des Onkels oder consobrinorum ßlü. Dass
^ So Meier De gentil. Att. p. 18. Schömann Antiquit. p. 2S8,
Hermann De Dracone p. 13. Schellings ;De Solonis legibus p. 72j
willkürlichen Herstellungsversuch übergehe ich.
^Oi So Bunden De iure hered. Athen, p. 37. O. Müller £ume-
niden S. 126.
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AUF D£M AKEOPAU, AM PALLADIO^', AM DELPHINION. 73
in Drakons Gesetze ebenfolls diese und niebt die sohrini
(Vettern im zweiten Grade) gemeint sind, steht fest. Denn
auf die avc V.ot, die Vettern, folgen die Vetterssöhne. Bis
zu diesen gelit also die avs-J/ioxr^; im weiteren Sinne. Mit
ihnen macht auch die Intestaterbfolge bei den Athenern
eine Grenze*^), nnd Blutrache und Erbfolge beruhen auf
demselben Prindpe.
Das Blutrecbt zieht jetzt noch die angeheinMiheten
Verwandten, Schwiegerväter nnd Schwiegersöhne, heran,
und dann folgen die Genossen der Pliratrie, zwischen
denen die Verwandtschaft nicht mehr nach Graden be-
stimmbar ist.
Nun machte aber die Art, wie hier das icpoeitcsTv und
das ouvduoxsiv den einzelnen Graden zugewiesen ist, der
Erklftmng, welche von Demoethenes ausging, bisher grosse
Schwierigkeiten. Wir mtlssen nemlich festhalten, dass
mit dem irpostitetv keine blosse Formalität bezeichnet wird,
sondern dass mit ihm die Anhängigmaeliung der ivlage
bei dem Arclion verbunden ist (S. 70 Anm. 7), dass
also die auvoioixovTs; nur Gehtilfen, Unterstützende bei
diesem Geschäfte des Kttndens und Klagens sind. Trotz-
dem sollen die Verwandten icpoeucsTv ivro; ave4>toTi]To< xal
etveij^uov, und diese avetjrtoC erseheuien wieder an der Spitze
der zum auvStwxetv berufenen. Bunsen, Mflller, Hermann
und Meier haben deshalb xat avs^ioo? in der Kategorie
der jownoxovTs; gestrichen, so dass das a-jvoiw/siv ei*st mit
den avs'^tÄv ratös; beginnt. Schömann streicht ausser-
dem xoti av£'{>itt)v irotSa;, weil auch diese bereits in dem
ivn^ ave^lrioTTiToc begriffen seien : er überträgt das aovStco-
X81V allein auf die fai^Ppot, leevöspo^ und 9p«C8pe(. Bdde
M) Die Stellen bei Hermann Priratalt. § 64, 12—14 (Stark).
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74 DAS 6£&ICBTLICH£ V£BFAHBEN AN DEN HÖF£N
Aenderungen bernben auf falseher Erklärung der Worte
^vTo; av£<yioTr^To; und werden durch die Inschrift widcr-
lep:t. in welcher Kühler richtig xai av£<^iou; xai av£'l;uuv
uaiöa; xai Yajißpou? xott ~£v&epou? xal (ppatcpa; hergestellt
hat. Die Inschrift stimmt nnn mit den Handschriften des
Demosthenes ttberein, abgeflehen yon dem in dieae ein-
gedningeneii ave^iaSotK und der versebobenen Eeibenfolge.
Beide Ueberliefeningen stttteen sieb gegenseitig, nnd die
Bncbstabenspnren der Inschrift mit ihren Zwischenräumen
gestatten keine weitere Aenderung.
Köhler vermuthet, dass mit den Worten avro? ava-
^lozr^o^ xai dve^ioiv die Vettern als Grenze gesetzt, aber
nicht ein-, sondern anageBoblossen sdeii, dass also die
Grade y welebe dem GetOdfteten näber steb^, als die
Vettern, itpotineiv, diese selbst aber nnd die anf sie folgen-
den Orade oovStoxstv sollen. IMese Erklttmng, welebe
mir lange zweifelhaft schien, finde ich nach genauer Er-
wägung nothwendig. Entscheidend ist die Bedeutung von
dve«j»to'ni5. Sie ist eine engere und eine weitere, wie die
des dveij^io^ (S. 72). Der ave<{>io; im engeren Sinne ist
reobtor Vetter nnd die onv^vtii das Verwandtsehafls-
Yerbältniss Ton Gesebvisterblndem sn dnandfr (vierter
Grad bei den BOmem). Die dve^ioxr}« im weiteren Sinne
reiebt naeb nnten bis zn den Kindern des Vetters (fünfter
Grad), auch wol bis zu den Vettern im zweiten Grade
(sechster Grad) — beide heissen avs'j/iuiv TraTos? oder ave-
<J^iaöoi — ; doch führte der Kechtsbegriff der ave^j^iorr,?,
wie er im Erbrechte und also auch im Blutrechte galt,
niebt weiter, als bis zn den Vetterskindem (fünfter Grad)..
Wie weit reiebt nnn die iy^^wa^^ naeb oben biat Ge-
wiss niebt weiter als bis zn den recbten Vettern [dvE(]/iQt).
Denn die näheren Verwandten, welche diesen rechten
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AUF I>£M AREOPAU, AM PALLADION, AM DSLPOtNION. 75
Vettern voran geben: Sohn, Gesohwister nnd deren Kin-
der, sind nicht avetj^ioi. -Die avs()>io{ folgen erst auf
die Kinder der Geschwister .
^) S. den Eingang der K. des Isaeos über Hagnias Erbschaft
und Bunsen De iure hered. Ath. p. 8 ff., wo nur die Ansicht,' dass
dvcijriAv icatSic den fünften, dvs^jMoSol den seehaten Grad beseidweB,
nadk Sehömann m. Iiaeoi p. 456 f. bu berichtigeii iat. — Kinder
und Geschwister einer Person heissen niemals deren dve'|to(, Kinder
der Oesch-iirister erst in späterer Gräcität, bei den Rednern stet«
doeXcfüv 7Tai5e;. Danach folgen die Verwandtschaftsgrade bei den
Kednem nach folgendem Schema auf einander:
X
X
Vetter im 2ten Grade
(6ter Grad)
X
(4ter Grad)
X
Peraon, Toik der aus <i^eX<p6c
gerechnet wird (2terGrad)
X
mm dhmfrtaSeOc
Vetteiiloha
(61er Grad)
X
(Itter Grad)
X
(3terGnid)
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76 DAS OERICBTUCUE VEBFAHREN AN DEN HÖFEN
Wenn nun eine Reihe von Verwandtschaftsgraden
durch eine von \iiyy. abhängige Gradbestimmung ange-
geben >vird — z. B. [Demosth.] g. Euerg. ii. Mnesib.
p. 1161 § 72 100^ irpooijxovTo; . . . fA^xpt ave^naSwv — .
so kann dieser äusserste Grad ans- oder eingeschlossen
sein. Die Entscheidung kann nur der Zusammenhang
geben. Anders ist es, wenn die Bestimmung durch hn6^
gegeben wird, ivro; ist entweder »diessci^tsc oder
»innerhalb«; im ernten Falle diesseits einer Linie,
welche selbst ausgeschlossen ist, im zweiten innerhalb
eines Kreises, dessen Peripherie nicht Uberschritten wer-
den soll. Z. B. ivTo$ BoimrCa; kann entweder — von
Attika ans — heissen : »bis an die Sttdostgrenze Bdotiens«,
die dann nicht Überschritten werden darf, oder — yon
Böotien ans — »innerlialb der Grenzen Böotiens«. aber
niemals — von Attika aus — »bis nach ßöotien«. so dass
die Grenze Böotiens gegen Phokis die nicht zu über-
schreitende Linie bildete. Demnach können oi ivro< ave-
<|»ioTi]Toc sein:
a) wenn avs'^io'-n); im engeren Sinne genommen ist,
die Verwandten , • welche näher stehen , als die
av8<)fio{, also Sohn, Geschwister und deren Kinder;
b) wenn es im w^eiteren Sinne genommen ist, die
avö'|;'o'' mit Ausschluss der näheren Verwandten,
also die Vettern und deren Kinder;
aber niemals:
aj wenn avs'V.oTTjC die engere Bedeutung hat, die
nächsten Verwandten und die Vettern oder
0
b] wenn es die weitere Bedeutung hat. dieselben und
die Vettern nebst deren Kindern.
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AUF DEM AREOPAO,.AH PALLADIQH, AM DELPHINION. 77
Sollte nim in dem Gesetze das ivrot ava^ftoxijto« in der
zweiten der beiden allein mOgliehen Bedeutungen ge-
nommen werden, so wttrde den hz^iol das Tcpoeiicety
zugewiesen, die näheren Verwandten aber, Sohn,
Bruder und Geschwisterkinder, würden ausgeschlossen
sein. Da aber diese doch zunächst berücksichtigt werden
mussten, so kann der Ausdruck nur die erste Bedeutung
haben und die nächsten Verwandten bezeichnen, muss
also die Vettern und natllrlich auch deren Kinder ans-
Bohliessen. •
Die Hinzufttgung von he^imv ist allerdings dem An-
sehein nach überflüssig, denn dieser Ausdruck ist nicht
deutlicher als dvc']/toTT^;. Aber wenn man bedenkt, dass
das Abstractum avs'^iorrj; leichter und häufiger im weiteren
Sinne gebraucht werden konnte, als das Concretum aw^wi,
so konnte jemand wol auf den Gedanken kommen, dieses
Wort hinzuzufügen,* um jenen Begriff auf das bestimmteste
efnzusehränken und eine Grenze zu geben, die selbst aus-
geschlossen ist, während oi Ivto; av8T}»ioTT]To? ohne jeden
Zusatz wenigstens leichter zweideutig aufzufassen war.
So sind also die svto; avc'}ioTT,To; xai avs']/iu)v die Ver-
wandten, welche dem Getödteten näher stehen als die
ave4»io{: Sohn, Geschwister und deren Kinder. So erklärte
schon Beiske, und diese Erklärung, welche von den
Späteren verlassen wurde, hat Köhlers Herstellung der
Inschrift als die ein/ig richtige festgestellt. Demnäehst
treten als Unterstützende zu diesen luiclisten Ver-
wandten die Vettern, deren Söhne und die angeheiratheten
Venvandten hinzu. Sie müssen oder dürfen also, im Falle
jiähere Verwandte des Getödteten vorhanden sind, nur
dann an der Klage theilnehmen, wenn diese bereits von
den letzteren anhängig gemacht worden ist.
78 DAS GBBIOHTLICHE VXBFAHBEN AK DSV HMEBT
Sehen wir mm, ob zu dieser Interpretation die Übrigen
Zengnisse des Altertbnms stimmen.
Bei [Demostfa.j g. Bne^. n. Ifoesib. p. It6t § 72
heisst es: x£X£U£i o vojjlo; tou^ Trpoar^xovra; STre^i^vai jJ-£/pi
avs'{/taöu)v. Das hier erwähnte Gesetz (rou; v6(xo'j; tou?
TOI ApaxovTo? dx T^; atr/ r r § 71; ist dasselbe, welches wir
eben besprochen haben. Die w&^iahoX sind dv8(|>ui»v icaidec,
ftnfter Grad. Aber ^liivat (»Tei^lagen«) entspricht weder
dem tcpoetmtv noch demoovSumtMv (»mit verUagen«]. Es
nimmt auf die Unterscheidung, welche das eben betrachtete
Gesetz macht, keine Rücksicht. Darum kann auch \dy^i
dv£'}'.aott)v nicht die Grenze angeben, welche in dem Ge-
setze die rposiTTovTc; von den ouvowuxovts; trennt. Der
Redner hat vielmehr die letzten unten den Blutsver-
wandten genommen, welche noch an der tlwl^ theil
haben» und sagt, bis zu ihnen gehe die Pflicht oder das
Beeht der Blntrache, ohne Rtteksicht darauf, dass das
Gtosets sie nur dann heranzog, wenn nähere Verwandte
bereits die Klage einreichten. Denn es kam dem Sprecher
nur darauf an, eine Verwandtschat"tsjz:renze anzugeben,
welche ihn selbst nicht um£Etöse. Er hat darum die
Verschwägerten und Phrateren fortgelassen .
Plato, welcher die Verwandten zur Ahndung des
Mordes yeipfliGhtet und im Unterlassungsfälle sie fttr
strafbar wkllrt, beseidmet den Grad: o (aiq iir4u&v
avSpo»v T£ xai Yuvaixmv 7rpo<3T^xü)v t(u T£XiUTT)oavTt (Gesetze
p. 871 B). Er verbindet das TtpoEtrcTv mit dem iTTE^iivat
und theilt es denselben Graden zu, darum muBS tu>v
ivtoc &vs(|»ioTi)toc mit beiden Partioipien verbunden werden.
^ Uebw den Vorgang in der Rede t. unten Cftp. 3, 1.
Oigitized by
AUF DEM ASEOPAG, AM PALLAUION, AM D£LPiiIi«lON. 79
Hier ist es aber T()llig klar, dass mit dem Ansdnicke
der Grad bezeichnet wird, welcher als Grenze aus-
geschlossen ist. Denn wenn die avs'^.o» eingeschlossen
werden sollten , so würden die näheren Verwandten,
welche nicht av£*{;io{ sind, unberücksichtigt bleiben: SohU)
Brader und Neffe des Verstorbenen. Diese sind also
dntdi icpooiQXfDv teUot^ottVTi näher bestimmt i^).
Jetzt kommt noch Pollux 8, 118 in Betraeht, wel-
cher OT "Äpsio? uraYo; sagt: I^tjv lirsEievai {a^xP^? avetj/töv.
Die Stelle wurde bisher mit der eben angeführten des
Pseudodemosthenes zusammengestellt und der Widerspruch
so ausgeglichen, dass man entweder Demosthenes nach
PoUnx oder diesen nach jenem corrigierte oder schliess«
lieh annahm, Polluz habe den als Grenze genannten Ver-
wandtschaftsgrad einbegriffen , ifi^lhrend Demosthenes ihn
habe ausgeschlossen wissen wollen. Vergleicht man aber
M) Zur weiteren Bestätigung dient Gesetze p. 877 C : Bei schlim-
men Streitigkeiten zweier Eheleute soll die Ehe gelöst werden und die
Kinder sofort in ihr Erbe eintreten. Sind aber keine Kinder vor-
handen, so sollen die Verwandten im Verein mit der Behörde einen .
Erben einsetzen. Diese Verwandten werden genannt a-jY^eveic p-^XP^*
^v«<|;iAv 7ra(S«»v der idiuldigen Eluihftlfte, djAcpoTepuidev icpö; xe olv5p«v
«al TTpo; YuvmxOv. Da Kinder nicht existiwen, so kommen nur die
Seitenlinien in Betracht: Oewhviater und Kinder der Oesdnriater,
Vettern und Kinder derselben. Letztere sind nach Analogie dea
drakontischen Gesetzes über die Blutrache als eingeschlossen zu be-
trachten. Dem Ausdruck nach könnten sie auch ausgeschlossen sein.
Vermieden ist der Ausdruck dvto; dv6t{;i6T7)To; ; denn entweder (ivxöc «
»innerhalb") würde er die Geschwister und deren Kinder ausschliessen
und nur die Vettern und deren Kinder bezeichnen, oder f£vTo; =
"diesseits«! die Vettern und deren Kinder ausschliessen und nur die
Geschwister und deren Kinder bezeichnen.
Ersteres Schelling De Solonis legibus p. 76 ; letzteres Petitus
Legea Attieae ed. Wessel, p. 624.
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80 DAS OEBICHTUCUE VERFAHBEN AM DEN HÖTEN
beide Stellen, so eigiebt sich» dass Folluz gar kane der
demofltlieiuBcben Stelle parallele Ueberliefernng bietet, son-
dern dass seine Worte aus denen des Demosthenes ge-
flossen sind. Die Abliängigkeit des PolUix von Demo-
sthenes erstreckt sieb bis auf eine Corruptel in den Hand-
schriften des Demosthenes, welche dem PoUux oder seinen
Gewährsmännern zu einem seltsamen Missrerständnisse
Anlass giebt^
Pseudodeniostheiies . Pollux :
xsAcUSi ^ap b vojxoc tou; (povou Se l^r^v iizz^ihai
-poarJxovTa; eits^iivai \>^X9^ H^XP^* ovs<}^t«ttv, xai ev t<p
ave<{>iadcov. xai iv T<j> opxq» opx(j> iTzzpunav xlz irposr^xcov
SiopCCsrai o ti icpooiQxoiv ioftl, ioü xtXhBvm, xav ohirrfi
xav oCxinjc tootcuv xa; Isnoxi^fctsiv 9iiYxe}^«»pijTau
Dann fährt Demosthenes fort : ifioi ös ours y^vsi Tipoa-
Ospaicaiva 78. a^ctro ^ap hm tou icorpo; too 2{iou iXeu-
8ipa n. 8. w. Der Eid, von welchem der Bedner spricht,
mnsste von dem Kläger bei Einreichung der Mord-Klage
geschvvinen werden, was aus § 70. 713 folgt. Durch
ihn wurde das Venvandtschaftsverhältniss, in wekheni der
Kläger zu dem Getodteten stand, festgestellt Danach
konnte der Archon entscheiden, ob die Klage zulässig
war oder nicht. Die Worte xav olxinjc toot«»v tac
im9XKj<j;sic eivai lässt man gewöhnlich mit Beiske von
8top(C8Tai abhängen und ttbersetzt: »der Verwandte soll
die Klage anbringen können, auch wenn er Sklave ist« ^").
i^'i otoplCexai (»genau angegeben«) &n (so haben die Handsohriften ;
Cxtaehreibt Bekker nach ReiskesBvminefeni«) rpoaif^x<nrv (seil, ti;) lat(.
17] 8. die ErUftrer des Demosth. und Kfibn su PoUux 8, 118.
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AUF DEM AREOPAG; AM PALLADIOM, AM DELPHINIOJS . 81
Aber das ist ans zwei Grttndeii miinöglicli. Erstens
kann ein Sklave überhaupt nicht Kläger sein ; deun einen
Verwandten unter den Bürgern, dessen Tod er rächen
könnte, kann er nicht haben; der Tod eines Sklaven aber
wird nicht durch seinen Verwandten anter den Sklaven
gerächt (Sklaven haben ttberhanpt keine Verwandtschaft
in reehtlieher Bedentimg des Begriffes)} sondem duoh
den Herrn des Sklaven i^). Der Sklave kann nur da-
durch mit dem Blntgerichte in BerOhning kommen, dass
er entweder Zeugniss ablegt oder von seinem sterbenden
Herrn Auftrag bekommen hat, den Mörder dem Archon-
Köuig anzuzeigen ; dann pflegt er als Beweis einen von
dem Herrn beschriebenen Zettel einzureichen**). — Zwei-
tens beweisen auch die Worte des Bedners, dass der Sinn
von xoiv fiUikr^ tootwv tac Iicioxiq^'^k elvat ein anderer
war. Der Redner folgert daraus — ijiol S& oots yhn
xtX. — , dass er den Mord der Frau nicht ^rächen kOnne,
weil er weder ihr Verwandter, noch sie seine Sklavin
ist. Der erste Theil dieser Folgerung ergiebt sich aus
den Worten /eXsuei ^ap o votio? tou? itpoorJxovTac iiceliivai
(ji^pt avs<|»ia5«»v * xal iv opxtp SioptCexai o xi TcpoaTjxwv
ioT{. Der zweite, dass er als Stoicdn]« den Tod der
Sklavin wttrde haben rüehen kdnnen, mnss ans xav olxin]«
TouTtDv xüLi htim^^&i^ ihoii gewonnen werden können.
Folglich können diese letzten Worte nur heissen: »der
Seororr,; kann den Tod seines Sklaven rächen«. Das sagt
aber der Text nicht. Das Wort -rouTtov, welches alle
Handschriften haben, ist verderbt. Denn wenn man es
^) l^toxi Tu> Seanörj], av §oxiq, ize^eXdetv uTtep toü oouXou Antiph.
. Mord des Herod. § 48.
1^] 7pa|A(ji« Antiphon Stieflnutter § 30.
6
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82 DAS OB8I0HTLICHE VEBFAH&EN AK D£N HÖFEN
«neb als Plural auf den Smgalar Mxtfi bezogen sich
ge&llen Hesse, so kann es doch nur objectiTer Gtonetiy
sein : »man soll diese verklagen dürfena 20) . Ein solcher ist
aber sinnlos. In toutcuv muss oin Genetivus subjecHvus
stecken, welcher den Kläger ausdrückt. Wenn man
dafür To>v 6£a7coTU)v schriebe, so wäre alles in Ordnung.
Der ganze Satz gewinnt ein neues Ansehen, wenn man
die interpnnetion hinter av8(j»ia8<ov streicht und die Worte
xoiv .... sTvai, die nicht Inhalt des £ides sein können,
von xsXsuet 0 vo^; abhängen Ittsst : »Das Gesetz bestimmt,
dass die Verwandten bis zu den Vetterskindern rächen
sollen — und in dem Eide, den man schwört, wird ja
ausgesagt, in wie fern der Kläger mit dem Getödteten
verwandt ist — und dass, wenn es sich um einen Sklaven
handelt y die Herren sollen klagen kennen.« Wie man
auch Uber diese Aenderong denken mag, jedenfalls steht
fest, dass die Stelle diesen Sinn haben muss, und
*)) Denn insxtjrteoöai (nicht STiioxTjTZTetv wie Pollux 8, 118 fälsch-
lich ändernd angiebt; dietet bedeutet «jemandem eine Klage auf-
tragen«) heiflst entweder »-wegen fiilaohen Zeugnisses klagen« oder
wie hier »vor dem Blntgerichte verklagen«. 8. Att. Frocess S. 384.
— Es nimmt nun in seinem Casus, dem Dativ, den Namen des
Beklagten zu sich und kann im ^anv auch ine ein Transiüvum«
persönlich construiert werden. Der Genet. object., welcher von dem
Substant. LtAtat/j'.'; abhängt, kann nur den Beklagten, nicht aber
denjenigen, dessen Tod man durch die Klage rächt, bezeichnen.
Auch in der Rede g. Euerg. § 70 — tojtojv rf,v otouctv thai — sind
ouToi nicht diejenigen, um derenwillen :sc. ur.ip, 2v$xa, rrepi
lieiske) man jemanden, also liier den Mörder, verklagt, sondern die
Verklagenden (dc&xovTe;} , — obsdion seit Reiske und Matthiä
Miscellanea philolo|^a 1 p. 159 n. 28 vielfach so erklärt worden
ist, dass man die Getödteten, deren Tod jemand durch dia, Klage
rftdite, verstand.
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AUF DEM AREOPAG, AM PALLADION, AM DELPHINIOX. 83
dasB dieser, wenn man tootwv behSlt, nicht gewonnen
werden kann.
Was ist Ulm l)ei Pollux aus dieser Stelle geworden?
Er sagt: »in dem Eide konnte man fragen, wer der Ver-
wandte des Verstorbenen sei.« Das iTrspwTav in einem
Eide, den der Kläger leistet, ist Unsinn und offenbar
eine durch das Pronomen S ti veranlasste Gorreetnr fikr
StopCCsTfli^ welche Pollux selbst gemacht haben könnte.
Nun findet sich aber in zwei Yenediger Handsehriflen des
Demosthenes (F n. Q) eine durch das Zeichen yp. als aus
einer anderen Handschrift genommen bezeichnete Variante :
xai £v T(j) opxco d-spiorav TTpoarjxov (F ; xai .... lusowrav xi
•KpooT^xov (Qi. Man könnte glauben, dass diese Lesarten
aus Pollux geflossen wären und dieser demnach schrieb :
xl icpooijxfDv (»in wie fem einer verwandt ist mit dem Ver-
storbenen«) und man würde so eine Uebereinstimmung
zwischen Demosthenes und Pollux, abgesehen von dem
thOrichten licepcorav, erreichen. Aber Pollux schrieb sieher
Ti; (»wer der Verwandte sei« , denn er fährt fort xav
oixs-Tj; ^ »und wenn er ein Sklave ist, so war (ihm^ ge-
stattet, eine Klage einzureichen.« Pollux hat unter dem
Sklaven nicht den Getödteten verstanden, denn dann würde
ja der Kläger fehlen; sondern den Verwandten , der als
Kläger auftritt. Dabei kam es aber nicht darauf an zu
wissen, in wie fern Jemand verwandt sei, sondern wer
der Verwandte sei. Jene Lesarten können femer nicht
aus Pollux geflossen sein. Denn ihr JSinn [»fragen, was
schicklich sei« konnte nicht aus Pollux' deutlichen Worten
(•wer der Verwandte sei«) entstehen. Wol aber konnten
sie aus der Lesart aller anderen Handschriften des De-
mosthenes on icpooijxiiyv entstehen, wenn statt dessen zu-
nächst 0 ti icpMijxov eintrat, dann t( «po^ijxov und schliess-
6*
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84 DAS GBBICHTUCBE VERFAHBEN AN DEN HÖFEN
lieh iiRpotTav fttr SioplCnai geschrieben wurde. Diesen
Lesarten Y<ni FQ ahnlich lautete dann der Text, aus dem
Pollnx oder seine Quelle schöpfte: bietet Pollux doch
auch sonst Lesarten, welche keine Handschrift des De-
moBthenes mehr hat 2').
Pollux giebt uns also eine, wie gezeigt ist, sachlich
falsche Notiz nach Demosthenes. Sie ist yeranlasst durch
die verderbte Lesart xwetm, die auch unsere Handschriften
sämtlich haben, und durch eine andere schlechte Lesart,
welche nur seine Handschrift enthielt, eine Phrase mit
£7r£pu)Tav. Man darf darum die Stelle des Pollux nicht
nach Demosthenes corrigieren, da sie auf einem Missver-
ständniss beruht. Ist aber dies richtig, so erklärt sich
auch das avs'j/iiuv des Pollux für avetj^iaötov bei Demosthenes.
£8 ist eine Lesart, welche bei Demosthenes nur jene zwei
Glossen yp* haben, welche ftlr Demosthenes also
äusserst schlecht bezeugt ist, von Pollux aber, in dessen
Handschriften sie stand, als richtig angenmnmen wurde.
Oap. 2. Die Insiraction der £lage und der Beohtssprooh.
Aus dem Eingange des platonischen Euthyphron gehen
wir, dasR Klagen, welche vor die Blutgerichte gehörten,
bei dem Archon-König in dessen Amtslocale, der Königs-
[Demoßth ] g. Phormion p. 918 § 32 xrtl -zn'jrn ravTe; lore
Ttj» zo^r:£[t(j otcifjieTOojtjLEvot ohne Variante PoUux "J, 45 lässt Travxec
fort und liest cictatTpojaevct) ; — g. Stephanos 1 p. 1115 a. Ende
(eingelegte Urkunde, die in X fehltj . "L-ziffv^oi . . . {jiapxupTjoa;
Ttj) fponki^fXTt'nf fc-(f)n\t[iiw. (Pollux 8, 58 hat fpd^ai und lisst YC7pa{x>
(ii^a fort] ; — g. Olympiodor p. 1171 f 13 xal oiSroc cUrco . . . Tf|V
olxtav* if6 V fXaßov . . . d'jv olxUtv tf|v i-dpov ohne Vazitnte (PoUu
9, 39 tjjv o{«io«t)y . . . t^jv olxlov ohne iripav).
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AUF DSU ABBOPAO, AH PALLADIOK, AH DBLPHDnON. 85
halle auf dem Markte , eingereicht wurden (S. 24) . Der
Archon hatte zu bestimmen, vor welcher Mahlstätte der
Process geführt werden sollte.
Der Process, sowol der gemeine bttrgerliohe, als der
Blutprocess zerfiült in zwei Stadien, in die Instroction
(avaxpi9ic) nnd die eigentliche Yerhandlimg (Stxr^). Die
letztere besteht nnr ans den Reden der Parteien, anf
welche dann das Erkenntniss der Richter unmittelbar
fol^^t. Das ^^anzc Material aber an Beweisen, Zeugen-
aussagen, Eidesleistungen der Parteien moss schon in der
Yoruntersachang der Art beschafft sein, dass die Redner,
wie die erhaltenen Reden zßigen, bei der Verhandlnng
ein&ch darauf sich beziehen kOnnen.
Die Vomntersnchung wurde in den tUw, 9ovtxa( nut
besonderer Sorgfalt geführt. Sie fand in drei anf einander
folgenden Monaten statt; die Termine musste der Archon
ansetzen (T:po5ixa3{at} . Erst im \ierten Monate wurde die
Stx7| abgehaltenes).
Diese icpoSixaofat sind nun meiner Ansicht nach anf
dem Areopag, am Palladien oder Delphinion abgehalten,
denn sonst könnten nicht Akte, welche in die icpoStxaafat
gehören z. B. Eidesleistungen, als an der betreffenden
Mahlstätte volhogen erwähnt werden^). Dadnreli, dass
S2j Antiphon Choreut. § 38—42. Daraus folgt, das» in einem
der drei letzten Jafaretmonate eine solche Klage Oberhaupt nicht an^
genommen wurde. Die Instruction konnte 'nicht Von einem Archon
auf seinen Naehfolger flhertragen irarden.
Das geschieht unzweideutig Lysias g. Theomnest. I § 11.
Demosth. g. Aristokrat, p. 642 § 67 (Areopag) ; [Deraosth.] g. Euerg.
u. Mnesib. p. IIGO § 70, g. Neaera p. 134S § 10 (Palladion;. Der
Umstand hat "Wachsmuth Hellen. Alt. 2 S. 271 verleitet, von zwei-
maligen Eiden vor den Blutgerichten zu sprechen. Bei den Anderen
findet sich keine Bezugnahme darauf.
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86 DAS 0£B1CRTUC1IB VERFAHBEN AN DKN HÖFAM
diese rpoor/aaiai an einer der Mahlstätten abgehalten
werden, ist bereits die Art des Verbrechens, der Klage
entsehieden» also ein Theil der VoniDtersuchuDg avaxpMt«)
aUi YoUzogeB voransgeselst. Der erste Akt der Yonmter-
saebnng, die Bestimmung der Klage und ihre Znw^ang
an eine Mahlstittte dnreh den Archen mnss demnach be-
reits in der Königshalle vorgenommen sein, denn ausser
dieser und den Mahlstätten findet nich kein Local erwähnt,
welches der Voruntersuchung als Zvvischenstatiou — zwi-
schen der Annahme der Klage und den TrpoSixooiai —
hätte dienen können. Nun sahen wir aber, dass auf die
Emreiehung der Klage gleich die Kttndung folgte, nach
welcher dem Beklagten der Zutritt zum Haikte nicht mehr
freistand. Aber anf der anderen Seite, so scheint es,
konnte der Archon die Klage nicht an die Mahlstätte
Uberweisen und ihre Natur bestimmen, ohne den An-
geklagten gehört zu haben. Es bleibt hier nur als Aus-
weg Übrig anzunehmen, dass entweder der Archon vor
der KUndung anch dem Angeklagten Gehör gab, was
freilidi nirgend erwähnt wird, oder dass, weil in vielen
Fällen der Thatbestand bekannt war und die Situation klar
genug lag, alsdann der Arohon nach dea Angaben des
Klägers und seiner Zeugen diese erste Vorfrage sofort
erledigen konnte. Eine andere Lösung dieser bis jetzt
noch nicht zur Sprache gebrachten Schwierigkeit lässt sich
nicht gewinnen.
Weil das Material, nach welchem die Biehter in der
8(xt} zu erkennen hatten, in den icpoSixaa{ai verarbeitet
war und nur von hier aus die Richter einen Einblick
in den JStand der Sache gewinnen konnten, so ist es
wahrscheinlich, dass sie den Voruntersuchungen beiwohn-
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AUF DEM AEEOPAG, AM PALLADION, AM DELPlUKION. 87
fen . Bezeugt wird das freilicli nirgend. Dagegen lässt eine
Bemerkung des Ausgeklagten bei Antiphon Uber den Cho-
reuten § 14 schliesBen, dass die Zuhörer, welche bei der
tixii zugegen waren, auch den Yorrerhandlungen beige-
wohnt hatten^).
Der wiehtigste Akt der VoranterBuchnng war die
Vereidigung nieht nur der Zeugen, sondern aneh der
Parteien. Sie geschah unter besonders feierlichen Cere-
mouieu. Auf dem Areopag traten die zu Vereidigenden
an die Opferstttcke der geschlachteten Thiere, eines Ebers,
eines Widders und eines Stiers, heran; sie schworen bei
den Erinyen und wünschten Verderben auf sich und ihr
Geschlecht yon den Gktttem herab, im Falle sie nicht die
Wahrheit aussagen wttrden^*). Da feierliche Eide aneh
am Palladion erwähnt werden, so müssen sie hier nnd
am Delphinion in ähnlicher Weise abgelegt worden sein 2').
Diese Einrichtung erscheint, wenn man sie, abgesehen
von den äusseren Formen, über welche oft gehandelt ist,
nach ihrem Wesen betrachtet, so merkwürdig, dass sie
eine nähere Untersuchung herausfordert, welche ihr noch
nicht zn Theil geworden ist. Eine Vereidigung der Zeugen
hat nichts befremdliches. Aber ein Eid, in dieser Weise
den Parteien auferlegt, entspricht so wenig der Auffassung
des Eides, welche wir bei den Römern und im neueren
Hechte finden, dass nichts so sehr wie diese Einrichtung
^ Vemuthimg SohOnurnns Griech. Alt. 1^ 8. 496.
25) icoXXol x9r* letpicoTcbToav toyrtov rd p.ev TTpa^fMiTa xaliTa icdvta
ixpi^öii eTrloTovrat, xai toü öpxtoroü äxojojai (haben gehört).
Demosth. g. Aristokrat, p. 642 § 67 otofxeTToii xctr ^StuXelac
auToO xal •fho'j<; f.n oWa;. Antiphon Mord des Merodes § 11 f. 88.
■-") Demosth. a. O. § 71 (Palladion;, § 63 la'jzi :iarca ivX (toU?)
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88 DAS GERICUTLIÜHE VER^AU&EN AN DEN HÖFEN
geeignet sein dürfte, nns die Ueberzeugimg sn gewfthieiii
dasB die Athener kein RechtBTolk waren.
Sehen wir zuerst, um einen Standpunkt zur Beur-
theilung zu gewimien, von der Behandlung des Eides vor
den Blutgerichten ab, so kommt bei den Athenern im
gewöhnlichen gerichtlichen Verfithren der Eid in zweier-
lei Anwendung vor.
Die eine Anwendung, welche im römischen Rechte
und im heutigen RechtsYerfiihren ihre Analogie hat, be-
steht darin, dass im Laufe der Ävaxpistc eine Partei der
anderen einen Eid zuschiebt, welcher entweder geschworen
oder zurückgewiesen wird und im letzteren Falle für den
Richter ein Vorurtheil zu Gunsten der zuschiebenden Partei
begründet. Hier finden sich, abgesehen von den all-
gemeinsten Bezeichnungen (o|fcvuvai u. dgl.) die Ausdrucke
opxov douvat und S^aodai. Die Partei kann sieh auch
selbst erbieten, einen Eid zu schwören; und dies Anbieten
sowol als das' Auffordern der anderen Partei heisst zpo-
xaXsToUai i-poxAr^ai; . Näheres Eingehen auf diese Art
des Eides ist Uberflüssig: fast jeder Redner bietet Bei-
spiele dafür. Das Wesentliche, worauf es ankommt, ist,
dass dieser Eid die Geltung eines Beweismittels hat
und dass ihn, wenn er Uberhaupt geschworen wird, stets
nur eine Partei ablegt.
Die zweite Anwendung des Eides zeigt sieh zu An-
fang der avaxpi9i;. Hier sollen nach der Darstellung
Schömanns 2») , der einzigen, welche dieser Gegenstand bis
Att. Process S. 624. Das Verzeichniss von Stellen habe ich
nur um wenige vermehren können. — S. Matthiä Miscell. philol. 1
p. 258. Auch die vortrefiTliche Schrift von Hudtwalcker Ueber die
dfFeatL und ^ivataohiednciehter leittet in diesem Punkte weit mehr,
•Is man für die Zeit (>812) erwarten tollte.
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AUF DEM AE£OPA<;, AM PALLADION, AM DEU>HUIION. 89
jetzt erfahren hat, beide Parteien, die eine auf ihre
Klage, die andere auf ihre Einrede, vereidigt worden sein.
Hier findet sich , wenn wir von den nicht mit lebendigen
Beispielen belegbaren Angaben der Grammatiker absehen,
anstatt jener Ausdrücke die Bezeichnung avT«»|M9(a [avT-
oftvuvat), aueh wol Sui>}i09{a (Sioposdai) . Von vom herein
mvoB dieser Brauch Wunder nehmen, da doeh in den
meisten Fällen Toranssiehtlioh eine F^irtei gezwungen
war^ falsch zu schwören. Sodann hört dieser Eid auf
Bew eismittel zu sein, wie wir denn auch in den erhaltenen
Reden nicht nur thatsächlich sehen, sondern es auch als
Grandsatz ausgesprochen finden, dass auf das von den
Parteien Beschworene keine Rücksicht genommen wird,
sondern der Beweis daftUr noch mit anderen Mitteln an-
getreten werden muss. Endlich wozu bedarf e& der Yer-
eidigang beider Parteien im Anfange, wenn im Laufe der
Anakrisis der angebotene und zugeschobene Eid als Be-
weismittel zur Verwendung kommt?
Von diesen Bedenken gegen die hier vorgetragene
und allgemein angenommene Ansicht ausgehend, prüfte
ich die einzelnen Beden und fand, dass nach allen Stellen,
welehe für uns noch sicher vers^dlieh sind, dieser In-
troductions^d, welcher gewöhnlich arw^loL genannt
wild, nachweisbar nur dem Kläger auferlegt ist. Wenn
eine i^here Untersuchung, welche ich hier nicht anstellen
kann, dies bestätigen sollte, so witrdc ein Eid bloss des
Klägers im Anfange der Anakrisis sich wenigstens in
so fem erlüären lassen, als das Gesetz darin eine Art
Garantie gegen leichtsinnig angestellte Klagen schaffen
wollte, wenn auch die Einrichtung nicht von einer tiefen
Aufifossung des Eides zeugt.
Qehen wir nach diesen Bemerkungen zu dem vor den
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90 DAS 6£R1CHTLICH£ VEBFAHSEN AN DEN HÖFEN
Blntgeriebten ttblicben Verfahren Uber, bo fehlt hier, wenn'
ich reebt gesehen habe, die ersterwähnte Anwendung des
Eides, die -po/Xr^ai;, ganz. Der Eid ist also kein Be-
weismittel. Dagegen werden beide Parteien von vorn
herein durch jene oben erwähnten leierlichen Schwüre
vereidigt. Der Ausdrack ist, abgesehen von dem einfachen
o)iiVuvai woi immer 8to(fcvoo9ai (du»(M9t<).
Em Theil der Stellen spriebt allerdings nur von der
Diomosie des Klägers^). Andere Stellen aber lassen
keinen Zweifel dartlber, dass derselbe Eid auch yon dem
Beklagten abzulegen war. So sagt Demosthenes g.
Aristokrat, p. 64u § 63 zuerst allgemein: ottoooi vouol
ic£pl Ttt»v (povuwv dixaoir^ptoDV Eioi, xoXsiot^ai Xe^ovrec
(Miptupeiv 1) 5io(ivu9&at tou« afttviCot^voo; r^ oi)X onoov
und nachdem er dann den Eid des Klägers
auf dem Areopag ausftlhrlich besehrieben hat, wendet er
sich XU dem Beklagten : (peoYovtt xa \ih x^c SuttjAooCet«
TvoTGT (§ 69). Näheres ttber den Inhalt der Eide sagen
uns andere Rednerstellen. Wir sahen oben , dass der
Klüger sich bei der Einreichung der Klage Uljer sein
Verwandtschaftsverhältniss ausweisen und seine Aussage
beschwören musste (S. 80). Nach einer Stelle des Anti-
phon'®) hatte er sich femer eidlich zu veipflichten, dass
er nur sachgemässe Argumente vorbringen und nicht durch
Absehweifhngen das Urtheil der Bichter m Ungunsten
des Beklagten irre ftihren wollte. Dies letztere hängt ndt
dem oft ausgesprochenen Grundsätze zusammen, dass die
[Demosth.] g. Euerg. und Mnesib. p. 1160 § 70, g. Neaera
p. 1348 § 10. Antiphon Mord des Herodes § 11. 12. 96. LyoMg.
Simon f 1. 21.
Mord des Herodet $ 11 dfXX« xcrnj^op^mtv ... ^sii
tiv ^dvov «tX.
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AUF DEM ABEOPAG, AM PALLADION, AM DEIJ'UINION. 91
Reden an den Blntgericbtsstiltten sich anf das aUernotli-
wendigste zu beschränken, den Epilog namentlich zu
meiden hatten ^'l. Und wenn nicht nur der Kläger, son-
dern, wie mit Sicherheit anzunehmen ist, auch der An-
geklagte eidlieh versichern musste, sich dieser formellen
Fordening fügen zn wollen, so ist das eben so verstände '
lieh, wie jener eidliche Nachweis des Klägers tther sein
Yerwandisehaftoyerhttltiiiss zn dem GetOdteten. Nnn aber
beschränkt sich der Inhalt der Eide keineswegs anf das
Angegebene; sondern es wurde auch der materielle
Theil der Klage sowol als der Einrede beschworen, wie
Antiphon über den Choreuten § 16 sagt: aurwv §8 tourmv
3^ij oxoitetv a te oütoi 8ia>{ioaavTo xod a i'(<o , Trorepot aXifj-
d^oTspa xal «uopxoTSpa. Sito^ioaaVTo bk outoi jxev aicoxTsTvaC
)tt AtoSoTov ßooXeooavra tov davercov^ ftY«» -8i fti^ olicoxTstvat,
{tT^Ts ip'(aLad\ieyo^ {aiJts ßouXsooa^'^. Hieraus eriüttrt
sich, warum die npoxXTjoi? im Blntgerichtsverfahren nicht
vorkommt. Der unter den Parteien gegenseitig angebotene
oder zugeschobene Eid konnte nur den Zweck haben, den
Verdacht des Verbrechens durch einen Beweis zu ersetzen
oder zn beseitigen. Diesen Zweck aber erfüllte den Bich-
tem gegenüber der Eid nicht mehr, sobald er von vom
herein in seiner fderlidisten Fonn glei^sam abgenutzt
Sl) Lytias g. Simon (Areopag) § 46 nap* o6 n^|ai(»^v ioriv
i^ui Toü TtpdYixaToc liftv* (in Bezug auf den Epilog). Iiykui^. g.
Leokrat. § 12 (in Bezug auf Abschweifungen überhaupt; Areopag).
Antiphon Choreut. (Palladion) § 9 xoO vöfAou o3t(o; lyo'^Oi, eU aitö
TO Ttpaffxa ■xatTjfopcTv ; und PoUux 8, 117 npooifiidCsodat 6c o6x i^v,
ouft' ©{xTiCeoöat. Aristot. Rhet. 1, 1.
Ebenso Lysias g. Theomnest. I § 114 uh -yop ^ituxoov dbc
IxxeiNe oiöfJLv'jtai, ö oe cpe^Yiuv cb; ojx ^vcxeivev. g. Simon § 21 ezet^
H aix^ IftiXtt tftv Spttaav fiv Si«>|jiöoaTO, iKi()aoo{ii.at «al iccpl div
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92 DAS UE&ICHTLICUL VERFAHREN AN DEN uOFEN
war und dazu hatte dienen rnttssen, zwei einander gegen*
ttber stehende Anssagen als wahr zn erhärten, von denen
doch nur eine wahr sein konnte. Das führt uns nun
auf die durchaus unbegreifliche Seite dieser Einrichtung.
Man könnte zwar den eben augefllhrten Stellen gegenüber
meinen, der Eid habe sich nicht anf das Factum selbst
erstreckt, sondern anf die Ueberzengnng des Schwörenden
hinsiohtlioh der Umstttnde. Dann konnte immerhin die
eine Anmge thatsi&chlich Falsehes enthalten, ohne sah-
jectiy nnwahr zn sein, ohwol es klar ist, dass anoh dann
die Forderung vielfach zu einem Meineide führen musste.
Aber es scheint doch nach anderen Stellen vielmehr, als
habe man den Eid einfach auf das Factum abgelegt, denn
der Eid galt als Meineid (iTciopx{a), sobald das thatsäch-
lieh £nnittelte dem Inhalte der durch den £id bestätigten
Aussage widersprach. Bei [Demosth.] g. Euerg. u. Mnes.
p. 1160 § 70 will der Sprecher den Tod einer alten
IMenerin seines Vaters dureh eine Klage am Palladion
ritohen. Die Exegeten rathen ihm davon ab, weil sie
weder seine Verwandte noch seine Dienerin sei; den Tod
eines Erschlagenen sollen aber Verwandte oder Herreu
rächen. »Also,« fahren sie fort, »wenn du mit Weib
nnd Kind am Palladion schwörst und euch und euer
Haus (im Falle du nicht die Wahrheit sagst) verfluchest,
so wird dir^s dodi nichts helfen, denn wenn er frei-
gesprochen wird, so hast du einen Meineid
geschworen; wenn du aber gewinnst, so machst du
dir Feinde.« Damit vergleiche man die Erzählung bei
[Deraosth.J g. Kcaera p. 1348 § 9, auf welche später
noch einmal zurückzukommen sein wird Stephanos hat
den ApoUodor am Palladion wegen Todtschlages ver-
klagt, aufhetzt nach des Sprechers Auffassung durch
Oigitized by
AUF D£M ARE0PA6, AM PALLADION, AM DELPULNION. 9'6
die Feinde des letzteren. Er legt den Schwur ab, aber
der Betrag wird erkannt nnd iUXsYx^sl; ImopxSv xal
<|;euS^ ahia^ ezi<^ep«»v — ani^X&sv diriu)pxrjxu>( xa'i oo^a«
icov7]po; Eivai.
Bei dieser Behandlung des Eides miisste wol jede öi/r^
tpovixij einen Meineid zur Folge haben, und es klingt für
unser Gefühl geradezu naiv, wenn DemosÖienes g. Ari-
stokraftes p. 642 § 68, nachdem er ttber den obenerwähn-
ten KUIgereid am Areopag sich ausgesprochen hat, zum
Lobe des blutgerichtlichen Processganges sagt: »Und auch
dann noch findet, wer diesen feierlichen Eid geschworen
hat, nicht Glauben, sondern , wenn es sich erweist, dass
er nicht die Wahrheit redet, dann bringt er die Folgen
des Meineides ttber seine Kinder und sein Geschlecht
und es hilfit ihm seine Aussage nichts «^'J. Die »Folgen
^ Merkwürdig ist eine Stelle bei Aeschines Gesandtsch. § b7 :
»Es ist schändlich, dass Uemosthenes mich durch seine Lügen in
Lebensgefahr bringt. Man fordert doch sogar, dass vor dem Blut-
gerickte der Kläger die Wahrheit aeiner Atte««g«i «dlMdi «diirte.«
— wd Tolrco 6(*tv tcdkpt^v iete« fn* %a\ vQv — TtfXijfH} «al Uxctta
elpT^xivat, tl hi }i7], i^toXr] ajTov elvat izapäod^t xai Tf,v oix(av t^v
ajToO. Tot( oe (ixaotatc e&ycadai roXXd xal d^«^ elvat; xat (jidXa
ipftöj; xoit TToXtTtxÄc. — tl yoip fAT^*^^^ 5v 'jtxSv iotUT^iv d[var).f;aai '>f(5voy
Sixaio'J ^ouXoiTo, /; rou äoly.rjj <f'jAä;aiT dv, Tf,^ 'J/'jyr^v ty^v o'jiiav
r^jv drciTiaiav tivö; öcf eX^juevo;, lov auTO'j; ävTjfiTjxaot tive;, ol 5e
xai ^T^pioola fiTtXeynrjoav. Von einem solchen Eide, den der Kläger
nach der Abstimmung der Bichter, wenn er gesiegt hat, leistet, um
damit die Verantwortung fta daa riohterliche Erkmntniaa auf deh
SU ndmien, hiiven wir aonat nirgend I Denn bei Lykui^ g. Leokrat.
(12 wird lum Beweise itlr die gwediten Entsch^ungen dea Areopag
nur gesagt, dasa selbst die Verurtiieilten die Gerechtigkeit anerkennen
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94 DAS OEBIOBTLICHE VEBFAHREN AM DEK HÖFEK
des Meineides« bestanden aber in der Strafe der Qi^tter;
das irdische Gericht verhielt sich hier gleichgültig, und
wen nicht selbst der Zorn der Götter traf, dessen Bestra-
fung verschob die Ansicht der Gläubigen bis ins dritte und
vierte Glied Lykurj; g. Leokrat. § 79 . Daiuit war der
Glaube befriedigt , dov Ungläubige aber sicher gestellt.
Einer Kritik dieser Behandlung des Eides Uberhebt uns
Plato durch eine herrliche Stelle seiner Gesetze (p. 948],
welche die Eide, durch welche die Parteien ihre- Sache bei
der Anakrisis beschworen, als nnzeitgemäss verwirft. In
(Äffte xal itap* a&toT; ij^oXo^slodai tolc diXtaxoiiivotc itxatav icoicToftoi
tift xpfaiv), wo es auch irap* a^Sn tAv dXt8X0|Aivaiv httte helssen
können. Auf die Aescbinesstelle wird aufmerksam gemacht in dem
von Jo. Luzac herausgegebenen exercitationum academicorum speci-
men tertium L. B. 1703 p. 177 ff. und mit Hinweis auf Timaeus
Lex. riaton. v. avTtotjLosia ein dreifacher Schwur vor den Blutgerichten
angenommen: einmal rolv eireiv d. h, im Antange, sodann iaetoi töv
irpötepov Xo^ov (in Bezug auf die Wahrheit der biäherigeu Aussagen^ ,
endlich nach der Abstimmung (nur von dem obsiegenden Theile}.
— Die Worte iid [laXXa&dp bei Aeechines lind ein Oloaeem, wie ich
schon im Rhein. Mus. 29 8. 10 nadigewiesen habe. Denn t^jv
4>tixf|v i>t nicht, wie mehrfach geschehen, mit fokd^wx dv, sondern
mit (i(feXö|i.evo; zu verbinden, so dass Todesstrafe, Confiseation und
Atimie die vom Gerichte verhängten Strafen smd. Das passt für
das Palladion weniger als für den Areopag. Ausserdem will der
Redner nur auf den Eid des Klägers überhaupt hinweisen, welcher
in jeder oixt^ cpovixf, geleistet wurde. Wünschte er aber eine Steige-
rung seines Ausdrucks tat; ^ovixai; o'.xat;, so würde er, wie die
Redner öfter thun, den Areopag anstatt der Blutgerichte überhaupt
genannt haben. Das Glossem wird von einem Leser hinxugefügt
sein, der sich an Stellen erinnerte, wie [Dem.] g. Euerg. und Mnes.
p. 1160 § 70 Aer t( hwyäl M DoiXXatdp wi^. Wer nicht beachtete,
dass es sich hier am einen speoieUen Fall, bei Aeschines dagegen um
ein Aetentisches Argmiient handelte, konnte den Zusats l^ht machen.
Für 4n)T(Cto9at las schon Scaliger i^jpbOai, was jedenfidis genaner
dem Sinne ent^richt.
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AUF DEM ARBOPAO, AH PALLADION, AM DEI4FHIKION. 95
t
KhadamanthyB' Zeit, als die Menschen noch von Gröttem
abstammten, emp&hl es «ich, die Streitigkeiten dnreh Eid-
sohwnr zu schneller Entseheidnng zu bringen. «Jetzt aber,
wo ein Theil von uns Uberhaupt nicht mehr an Götter
glaubt, ein anderer aber wenigstens meint, sie kümmern
sich nicht um uns, jetzt ist es schrecklicli zu denken, dass
bei den vielen Processen, die da stattiiodeu, fast die Hälfte
der geschworenen Eide Meineide sind.« ^
Wenn die drei icpoSixao{at in drei auf einander folgen-
den Monaten beendet waren, so fand im yierten der eigent-
liche Frocess d. h. die Haltung der Reden und die rich-
terliche Entscheidung ioiv.r^, xpioig statt Pollux 8, 117
vertheilt dieselbe auf die letzten drei Monatstage. Will
man ihm folgen, was unter der Voraussetzung, dass er
hier eine uns nicht zugängliche Quelle benutzt hat, zu-
lässig ist^), 80 gelangt man zu der Ton Schümann vor-
genommenen Vertheilung der einzelnen Akte ^) . Jede Partei
hatte zwei Beden zu halten, einen icpotEpoc, einen Sotspoc
Xo-fo^, was abgesehen von anderen Zeugnissen aus Anti-
phons Tetralogien hervorgelit. Der erste Xoyo; würde am
ersten, der zweite am zweiten Tage gehalten und am letz-
ten auf beide die richterliche Abstimmung gefolgt sein.
Die Sitzungen wurden unter freiem Himmel gehalten, da-
mit Kläger und Richter nicht mit dem Angeklagten unter
3«} Antiphon Choreut. § 42.
35) Pollux würde eine Bestätigung finden in der Angabe der
Grammatiker, welche die drei letzten Monatstage als T,|xepai drocppaoe;
bezeichnen. Elym. Magn. p. 131 s. Schumann De comit. p. 50 f.
Au. Process S. 152 f. Dass einzelne Raths- und Volksversamm-
lungen auf em«!! dieser Tage fmien (Wettemaim AbhdL d. ■iche.
Oes. d. Wiu. 1850 8. 11), kann immerhin amnea besonderen Ornnd
haben.
») Antiqutt. p. 291.
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96 DA8 OBRICHTUCHE TBBFADBBH AN DEN BÖFES
einem Dache weilten s^]. Nach der ersten Rede konnte
der Angeklagte stick dnrck die Flnckt entziehen^). Diese
Angabe wird in Bezug anf das Gerieht anf dem Areopag
gemacht. Wir sahen aber bereits oben , dass die Eide
auch am Palladioii und Delphinion geleistet wurden 8. 87) ,
femer zeigen Antiphons Tetralogien, dass die Vertheilung
der Beden am Palladion dieselbe war, wie auf dem Areo-
pag, nnd die Angabe Uber die drei Monatstermine nnd die
Schlnssverhandlnng , welche PoUnx 8, 117 nnter !Apeto(
icavo; giebt, macht Antiphon in der am Palladion gehalte-
nen Ghorentenrede. Man sieht deshalb nieht ein, warum
nicht aucli der am Palladion Verklagte die Freiheit gehabt
haben soll , sich durch die Flucht den Folgen der Ver-
artheilang za entziehen, und der Fall ist praktisch denk-
bar, wenn es sich auch dort um Todesstrafe handeln
konnte, was später zn zeigen ist. Dasselbe gilt vom
Delphinion für den Fall, dass der Angeklagte befttrohtete,
ungeaditet seiner Einrede anf d6iaio< ^ ovo^ wegen &xouoio<
^ovo« Terurtheilt zn werden [S. 61).
^) Antiphon Mord des Herodes § 11. Lukian, dem dies noch
nicht schauerUch genug ist, Ifisst die ffitiungen bei Nacht halten:
Hermotim. 64, ittpl zo'j oi%oii 18, was Antiphon nicht verschwiegen
haben würde. — Die Sitzungen des Areopag in dex Ktaigshalle
iDemosth ] g. Aristokrat. I p. 77t> § 23) pflegt man sich ausser Zu-
sammenhang mit den 5fovi7.d zu denken und mit der sonstigen Thfitig-
keit des Areopag in Zusammenliang zu setzen.
*) Antiph. Mord des Herodes § 13. Demosth. g. Aristokrat,
p, 643 § 69 Tiv rpöxepov hi l^soxiv eiirrivTa i.rj^ou fxETaSTfjvai und da-
nach Pollnx 8, 117, der aber noch hinaofagt r^v et ti( fovia« tXri
dncxTONdbc. Daa ist nieht irnter belegbar und da ic^v in den meisten
Hdschr. fehlt, so wollte Petitns Leg. Att. p. 608 ed. Wessel. cC xt«
i% npovoioc schreiben. Aber seit Hemsterhuys aus F das nX^ er-
ginat hat| Iflsat sich nichts mehr ändern.
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AUF DEM ABBQPAO, AM PALLADION, AM DELPUiUlON. 97
Die Form der hUai, sagt Antiphon , war für alle
8(yat <povtxa{ die gleiche. In Bezug auf den Areopag er-
fahren wir noch von Pausanias, dass beide Kedner auf
unbehauenen Steinen (Xtt>oi dp^oi] standen, der Angeklagte
auf dem Frevelsteine (X{&o; ußpew«), der Kläger auf dem
Steine der UnversOhntfaeit (avat8e(ac) . Endlich am letz-
ten Tage erfolgte die Entsdieidong der Richter durch ver-
deckte Abstimmung mittels zweier Urnen . Bei Stimmen-
gleichheit war der Angeklagte frei^^j j)qy Freigesprochene
(»I)fcrte den Erinyen und den anderen Unterirdischen in
ihrem Heiligthume^^}.
Oap. 3t Nichtverwandte als Kläger; dieApagoge.
,Die Frage, ob auch an Stelle der Yerwandten andere
Kläger fttr einen OetOdteten an diesen Hahlstätten auf-
treten konnten, ist iu zweifacher Weise zu stellen. Zu-
erst handelt es sich um Tödtung von Nicht bürgern,
sodann um Tödtung von Bürgern. Der Stand des Ge-
tödteten macht fUr die Frage nach dem Kläger einen
natürlichen Unterschied.
») Hevod. § 88.
Forchhammer Kieler Index 1843/4. ^ Oder dem Stein der
Anklage, wie Wecklem Ber. d. Münch. Akad. 1873 S. 16 gut be-
merkt, denn der Nichtausgesöhnte ist eben der Kläger.
*h Die bekannten Stellen bei Matthiä Miscell. phil. 1 p. 165, 39.
*-\ vt/öt r/ '(IrJüTT,?, %av {o<5i|>7;9oc ^piöi^ Aeschyl. Eumen. v. 741
Dindf. und über den calculus Minervae O. Müller Eumeniden-Anhang
S. 4(» ff. und Schümann Eumeniden S. 77 ff. Gleiche Stimmenzahl
spricht lus : Antiphon Mord des Merodes § 51.
«) Paus. 1, 28, 6.
7
98 DAS OEElC'HTLiCUE VEEFAHREM JOH DEN UÖFEN
1 . Am einfachsten liegt die Saebe im Falle der TOdtuDg
eines Sklaven. Hier kann ein Verwandter unter den
Sklaven nicht als Kläger auftreten, weil der Sklave über-
haupt kaiae Rechtshandlung vornehmen kann.
Die Vertretung des Getödteten ist also Sache des
Herrn, wie bereits frtther erörtert worden ist (S. 81).
Ausserdem gebört biwber die Eizäblnng bei Isokrates g.
Kallimacb. § 52 ff. , wo Eallimaebos oder der Schwager
als ösarorai der Sklavin aufzufassen sind ;S. 54 1.
Dem Sklaven zunächst steht der Freigelassene,
welcher, wie der Metoeke Uberhaupt, Rechtsgeschäfte nur
unter Vorantritt eines Patrons (irpo^TatTj?) vollziehen kann.
Der natttrliche Patron des Freigelassenen ist der Frei-
lasser. Folglicb kann die Klage wegen eines getOdteten
Freigelassenen nicbt von dessen Verwandten, die entweder
Freigelassene oder Sklaven sind, sondern nur von dem
Freilasser eingereicht werden. Hieraus erklärt sich die
schon oben (S. 78; aus einem anderen Gesichtspunkte be-
trachtete Erzählung bei [Demosth.] g. Euerg. und Mnesib.
p. 1160 § 68 ff. Der Redner ist in Zweifel darüber, ob
er den Mord einer Frau rftcben soll oder nicht, da sie
weder seine Verwandte noch seine Sklavin ist, sondern
nur von seinem Vater her, dessen Freigelassene sie ist,
auch zu ihm in einem Verhältnisse der Pietät gestanden
hat. Nach der Entscheidung der Exegeten, welche er um
Rath fragt, liegt ihm die Pflicht gerichtlicher Verfolgung
(ditt>^i( § 70, iire^isvat § 72) der Mörder nicht ob, du diese
nur den Verwandten und — bei Sklaven — den Herren
auferlegt wird. Dagegen soll er naeb ihrem Chitaebten
die Kttndung [rpoppr^at«) ttbemebmen, aber in ganz eigen-
thttmlicber Weise. Er soll nicht ovo^iaori -poaYopsusiv, ob-
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I
AUF D£M AEEOPAG, AM PALLADION, AM DELPillKION. 99
gleich doch die Mörder bekannt sind, sondern nnr den
Thfttem im allgemeinen kttnden (toT; SeSpaxooi xal «tefvaot)
uiul dauu abwarten, ob sich etwa ein Angehöriger der Ge-
tödtetenhnde, der das Weitere li})ernehme. Es scheint, als ob
mit diesem Aufldrucke (iipo37|Xu>vj nicht ein Verwandter
gemeint sein kdnne, da der Verwandte eines Freigelassenen
ja doch vor dem attischen Blntgerichte nicht selbständig
auftreten konnte. Man konnte deshalb darin eine Bezeich-
nmig für den Freilasser sehen wollen, da ja nach dem an
das Familienverhältniss erinnernden Pietätszusammenhange
zwischen Freigelassenem und Freilasser dieser wol als ein
• »Angehörigero des ersteren bezeichnet werden durfte. Aber
die Exegeten wussteu ja, dass der wirkliche Freilasset,
der Vater des Hedners, todt war. Man sieht daraus, dass
der ganze Akt eine blosse Geremonie ist, aus der eine
wirkliche Klage gar nicht herroigehen kann und die nnr
den Manen des GetOdteten Gerechtigkeit TersehaffBn soll.
Diese Ceremonie vertritt also nur die Stelle der eigent-
lichen 7rpop(>T,ai; und wird in Ermangelung der Verwandten
Ton einem Nichtverwandten freiwillig unter ganz beson-
deren Umständen übernommen.
Als Patron eines Nichtbttrgeis ist aber £uthyphron
im Eingange des gleichnamigen platonischen Dialogs auf-
zufassen, welcher im Amtsiocale des EOnigs in Athen sich
meldet als Kläger für einen seiner Arbeiter auf Naxos
(TrsXatY,; xi; r,v £}xo; p. 4 C,i, den der Vater des Euthy-
phron durch schlechte Behandlung ums Leben gebracht
hatte. Daraus erklärt es sich auch, warum Stephanos bei
[Demosth.] g. Neaera p. 1348 § 9, als er den Apollodor
beim Palladion beschuldigt, eine dem Sklavenstande an-
gehOiige Frau in Aphidna erschlagen zu haben, Leute vom
Sklavenstande Torfkihrt, die sich fttr Verwandte der an-
7*
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100 DAS GiJiJCUTLICHE VERFAHREN AN DEN HÖFEN
geblich Erachlagenen ausgeben mQssen^). Diese können
nicht selbständig als Kläger auftreten, wol aber können
sie dem Stephanos bezeugen, dass er der Herr oder wabr-
scheinliclier der Freilasser jener Frau sei. Und nach die-
sen letzten beiden Fällen sind Uberhaupt in Bezug auf die
Frage nacb dem Kläger alle Fälle, in denen Metoeken ge-
todtet rind, zn benrtbeilen.
2. Nicht 80 glücklich stehen wir mit dem tiberliefer-
ten Material der zweiten Frage gegenüber: ob auch ein
Nichtverwandter für einen getödteten Bürger in einer
oi'/.T^ rpovix-xj als Kläger auftreten konnte, wenn Verwandte
nicht vorhanden waren oder znr ErftÜlnng ihrer Pflicht
sieh nicht bereit finden liessen. Die Frage ist von den
Neueren bald vemeinend, bald bejahend beantwortet wor-
den«).
Was zunäebst die wirklichen Fälle betrifft, so findet
sieh l)ei den Kedncrn, soviel mir bekannt ist, kein Bei-
spiel einer derartigen, von einem Nichtverwandten ein-
gereichten Klage. Andererseits sprechen auch die vielen
Betrachtungen Uber das Übliche VerfSahren und die Be-
ziehungen auf GesetzesBtellen Tiehnehr für die Unzulässig-
keit der in Frage gestellten Möglichkeit.
Unter den systematischen Schriftstellern begegnet uns
J'ollux mit seinem Abschnitte über die Ypa'^ai (8, 40 ff.),
unter denen er auch einen Theii der <povixai aufführt. Aber
zapaaxsuaedfAcvoc do6Xouc xat xataoxsudlettc «bc Kupi}-
vaiot eiTjGav.
*'^) Gegen das Aviftrcten von Nichtverwandten : Meier Att. Process
S. 104, Hetiter Ath. Gerichtsverf. S. 142. 144, Hermann Staatsalt.
§ lu4, 5. — Dafür: Palmeritts su Petit. Leg. Att. p. 625 ed. Wessel.
— Vennittelnd SehOmann Antiqiiit. p. 288.
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AUF DEM ABBOPAe, AM PALLADION, AM DELPHINIOM. 101
seine Bemerkung tauta; to? ofx«; oaai xoiautai i;^v tw
ßouXo[jiv(t> Ypacpeadai kann fUr unsere Frage nicht entscheiden.
Sie ist für die Ypa^aC im allgemeinen richtig (S. 68) , für
diese eine Gattung aber wol eben so nnriehtig, wie die
folgende Bemericnng entschieden falsch ist, dass in allen
diesen Klagen den Kläger, wenn er das Fünftel der rich-
terlichen Stimmen nicht erlange, die Busse von tausend
Draclimen treffe. Denn von dieser Bestimmung ^^j waren
die cpovixa» sicher ausgenommeu. Nun erwähnt Plutarch
Solon 1 S ein solonisches Gesetz, welches Jedem gestattete,
für einen Geschädigten lüagbar einzutreten: icavrl Xaßsiv
S£xi]v uicBp Tou xax«»; irtitovdoto^ ISa»xe. xal fop icXtqy^vtoc irspou
xat pXaßivTo; xal ßiasOivtoc i|ijv $ova}iiv({> xal ßouXo^isvtp
Ypa'fsjOai tov dStxoovTa xal $i«»x8tv. Von dieser Stelle,
auf welche Palmerius zuerst hinwies . ausgehend . meinte
ich selbst friilier ^"i , auch in den or/.at ciovr/ai den Niclit-
verwandten ein Xlagerecht in zweiter Linie zugestehen zu
dürfen. Aher wenn man bedenkt, dass der Satz Flutarchs
ja nicht einmal in Bezug auf die von ihm speeificierten
Privat klagen in dem attischen Bechte der historischen
Zeit seine Besfötigung findet, so muss man auch für unsere
Frage die ganze Stelle fallen lassen. Es kann ihr trotz
der trtiben Quelle, durch welche sie uns vermittelt ist.
eine Thatsache zu Grunde liegen, aber die Formulierung
braucht nicht echt Uberliefert zu sein, und der Wortlaut
leidet mehrfache Erklärung.
Aber es musste doch dem Staate daran liegen, dass
ein Verbrechen nicht ungeahndet blieb, auch wenn die zu-
^ welche noch Matthiä Miio. phil. 1 p. J65 Von Follux auf
Glauben hinnahm.
^'i Palmerius a. a. O. — Beitr. s. e. Gesch. des att. Bürgerr.
S. 195 f.
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102 DA8 GERICHTUCBE TEBFABBEN AX DEM HÖFEN
nächst Betheiligten die gerichtliche Verfolgung zu Uber-
nehmen nicht Lust hatteB. Aus dieser richtigen Erwägung
floM yielleicbt die eben betrachtete Stelle bei Platarch und
das, was ihr thatsaehliehes in Solons VerfaasangziiGnuide
liegen mag. Soll nnn die absiehiliebe TOdtang eines Men-
schen ungestraft bleiben in dem durehans denkbaren Falle,
dass kein Verwandter als Kläger auftrat? Unsere Quellen
gestatten uns nicht das zu venieinen, und das Unbegreif-
liche dieses Verhaltens von »Seiten des Staates findet zur
Noth auch eine Erklärung. Der politische Gesichtspunkt,
weleher jene Fordening stellt, trat gerade in der Behand-
lung der Umh fovtxaC hinter dem religiösen znrttek, unter
welchem allein die Blntrache nnd das ans ihr entwickelte
BlutgeriehtSTcrftihren begreiflich ist.
Vielleicht wlirden wir zu einem anderen Ergebniss
kommen, wenn wir Genaueres Uber eine andere Klage-
form wUssten, welche ebenfalls in Fällen böswilliger
TOdtung oder Verwundung anwendbar war und dabei weit
mehr den Charakter einer politischen, von der Gesetz-
gebung gewollten Einrichtung trifft, lieber diese, die
Apagoge, muss ich darum hier einige Bemerkungen an*
schliessen.
Die aicaYtüYr] ist diejenige Handlung oder Klageform,
durch welche der Kläger den Verbrecher ohne vorherige
Ladung der Behörde zuführt, welche, wenn sie die Klage
annimmt, den letzteren vor das Gericht bringt. Der Be-
klagte toitt, wenn er nicht Bürgschaft stellen kann, sofort
ehie Untersuchungshaft bis zur Entscheidung an. Die Apar
goge war zulässig ftlr eine Reihe schwerer Verbrechen,
welche uns hier nicht beschäftigen, ebenfalls für Todt-
schlag. Die zuständige Behörde waren in diesem Falle
die Eilfmänner, die Vorsteher des Gefanguisswesens, das
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AUF DEM ARUOPAG, AM PALLADIOK, AM DELPHINIÜN. 103
entscheidende Gericht war ein heliaetisches. Diese onraYwYr^
tpovou hatte für den Kläger ihre Vorzüge gegenüber der vpotcpiQ
(fovou vor dem Blut^erichte. Die langen Fristen ZNvischen
den einzelnen Terminen fielen fort. Dem Beklagten war
es kaum möglich, sich durch die Flacht den Folgen der
richterlichen Entseheidimg zu entziehen. Aber die Zn-
Utosigkeit der Klageform war an bestimmte Bedingungen
geknUpft, und zwar mUseen sich hier im Laufe der Zeit
Veränderungen zugetragen haben, weil sonst die abwei-
ehenden Angaben unserer Quellen, der erhaltenen Keden,
nicht begreiflich sind.
Das wichtigste Beispiel einer aicafcvYri ^ovou giebt uns
Lysias' Bede g. Agoratos, welche vor einem heliasti-
sehen Gerieht unter Vondiz der EilfmXnner gehalten ist.
Wir sehen daraus; dass die Klageform ursprttnglieh
nur zulässig war, wenn der Verbrecher auf frischer That
I8-' auTocf,(opu)) ertappt war^S). Aus der Art und Weise,
wie im vorliegenden Falle über diesen Zusatz in der Klage-
schrift : Itz auTO'f wpu> zwischen Kläger, Beklagtem und der
vorstehenden Behörde hin und her verhandelt wird, hat
Bauehenstein den Naehweis geftihrt, dass aUmählieh eine
laxere Auffiusung an die Stelle dieses Erfordernisses den
Begriff des offenkundigen, unbestreitbaren Ver-
brechens gesetzt babe*^). Diese Vertauschung der Merk-
Gegen Heier, der Att. Prooess 8. 226 ff. dies in Abrede
stellte uad fBr iic* eiötofibp«p rtuherische Absieht subsUtuierte, hat das
bewiesen Saiippe Epist. erit. p. 140 ff.
^ Bauehenstdn im Fhüologus 5 ;1850] S. 513 ff. und suLysiu
gegen Afontos; dazu die gründliche Besprechung der Frage bei
Frohberger zu Lysias' Rede. ~ Blass Beredsamkeit S. 553 f. —
Die übrigen -wichtigsten Fälle der Apagoge sind Antiphon Mord des
üerodes und Lykurg, g. Leokrat. § 112 igegen die Mörder des
Phrynichos); g. auch oben S. 49 Anm. 71<^ am Ende. — Mit Becht
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104 DAS G£EICUTL1CU£ VEEFAilKEN AN D£N HÖFEN
male ist zur Zeit der Bede — bald nach 400 — bereits
eingetreten.
Dieser Auffassung gegenüber macht eine Auseinander-
setzung des Demosthenes g. Aristokrates p. 646 § 80 ff.
Schwierigkeit. Nachdem der Redner das Verfahren an
den fttnf Blatstätten beschrieben hat, fährt er fort: »Neben
allem diesem giebt es noch ein sechstes Strafverfahren.
Wenn nemlich jemand die anderen Arten nicht gekannt
hat, oder die Termine Terstrichen sind, an denen sie vor-
genommen werden mUssteu . oder er aus irgend einem
anderen Grunde jene Arten der Klage nicht anwenden
wollte, so steht es ihm frei, wenn er den Mörder in
Tempeln und auf dem Markte umhergehen sieht,
ihn ins Geföngniss zn ftthren (oRafstv sie to SeojAAimjptov)
n. s. w.« Hier wird die Apagoge gänzlich mit der yp«?^!
90V00 in PaiaUele gesetzt, sodass die Wahl einer Form
dem Kläger freigestellt scheint. Die Bedingung Itc ao-oowp«),
welche bei Lysias — bald nacli 400 — wenigstens noch
formell nöthig schien, fehlt jetzt nach nicht völlig fünfzig
Jahren ''^'') ganz. Dagegen wird die Voraussetzung gemacht,
dass der Mörder auf dem Markte und in der Nähe der
Tempel sich sehen lasse, welche doch bei der axa^u^
gegen Agoratos nicht vorlag 1 Einige zwar nehmen dies
Verhalten des Agoratos als Voranssetzimg fttr die Rede
des Lysias an^'J. Dann wäre der Gegensatz, in welchem
irebt Blass S. 554 die Annahme Fxohbeigen, die B* gegen Agoratos
sei vor dem Delphinion gehalten worden, zurück. Eine Apagoge
lind die Vorstandschaft der Eilfmänner schliessen von TOm herein
eine Blutgerichteat&tte aus, und die Bede ist gar kein «gentlicher
^) Die demusthenische Rede ist 352 gehalten.
Heffter Athen. Gerichtsverf. S. 207. Rauchenstein in einem
späteren (1855) Aufsatze über das Ende der Dreissig in Athen,
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AUF D£M ABEOPAG, AM PALLADIOXTi AM DELFHINIOK. 105
die beiden Beden zn einander stehen, bald ansgeglieben :
das &v ispoT; xal xat« xr^v ayopav irspitevat wäre die eine
Bedingung der Apagoge, das Jic aÖTocpwpq) die andere,
und diese letztere wäre zunächst, zur Zeit der Rede des
Lysias durch eine weitere Interpretation des Worthiutes
geändert und endlich, in Demosthenes' Zeit, ganz über-
sehen worden. Wir hätten also einen regelmässigen Ver-
l«nf in der Entwerthnng der einen Bedingnng, während
die andere geblieben wäre. Aber fUr diese letzte Voraus-
setzung bietet die Bede des Lysias gar keinen Anhalts-
punkt. Im Gegentheil, wenn Agoratos an heiliger Stätte
oder auf dem Markt betroffen wäre, so würde dies der
Kläger bei seiner sorgsamen und eines Stutzpunktes sehr
bedürftigen Argumentation nicht übergangen haben. Man
kann bei diesem Stande der Ueberliefenmg. wie mir seheint,
das SIC auTTxpiopip und das Betreten des Marktes und der
Tempel sieht als eine Alternative von Bedingungen, noeh
aneh als eine doppelte Bedingung hinstellen, an welche
die Zulässigkeit der araYw^r^ ^ovou geknüpft war. Mau
wird vielmehr sagen müssen, dass die erste, ursprünglich
Streng beobachtete Bedingung allmählich zurücktritt, die
zweite aber, soviel wir sehen, nnr in demosthenischer
Zeit erwähnt wird. Ob sie indess ein £rsatznuttel für
jene sein soll oder aber vielldcht dne Zeit lang neben
ihr gegolten hat, ist nieht zn entscheiden.
Die Art, wie Demosthenes über die a.-a';io';r^ 'fovou
dogmatisiert. verbunden mit der Wahrnehmung, dass
es hier mit einer rein politischen Massregel, welche mit
Philol. 10 S. 591 flF. (S. 601y. — Da» Richtige bei Frohberger Ein-
leitung zur K. § 6 ff.
63) So X. B. Heffter Athen. Gerichtsrerf. S. 207, Blass Bered-
8imk. S. 553.
106 DAS OERICHTUCHE YEEt^AHBEN AN DEN HÖFEN etC.
der religiösen AnfTasgung der blvtreehtlieben Gesetegebnng
nicht zusammenhängt, zu thun liaben, könnte wol auf die
Vermuthung führen, dass bei dieser Klage auch solchen,
die mit dem Getödteten nicht verwandt waren, die Initiative
' zugestanden habe. Aber ZengniBse für diese Annahme
sind niebt vorbanden, wenn man nieht den allgemeinen
Ansdrack, weleben Lykurg fttr die Bäeher des Fbiyniobos
gebranebt^^, dafHr nehmen will. Ausserdem war diese
Freiheit auf jeden Fall durch die ursprünglich streng be-
obachtete Bedingung Itt auro'ftopw wesentlich beeinträch-
tigt. Wir haben also auch von dieser Seite nicht die
Möglichkeit gewinnen können, die am Eingange dieses
Capitels anfgesteUte Frage im Falle < der TOdtong eines
Bürgers nut Sicherbeit bejahend zu beantworten.
9S) g. Leokffttes f 112 »al x^ilnm (die MOrder) Xi^fMvtwv taX tt«
TO §eo[MDTif]ptov dirotidivTtDv 6176 tSiv Toti O^i^o» 5p(X«w . . . Dsrgani«
Vorfall, in Bezug auf weichen Lysias g. Agoratos § 71 etwas ab-
weicht, lässt überhaupt kaum einen SchluM auf da« in ruhigen Zeiten
al« gesetimftssig geltende gu.
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IIL
Die Folgen des Urtheilsspruches
(Strafe und Sühne).
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Gap. Ii Die Strafe.
Wir haben znerst das Thatsfteliliclie für die einzelnen,
bereits oben ^Abschnitt I.) betrachteten Verbrechen aus
der Ueberlieferung festzustellen , um alsdann zuzusehen,
ob ein allgemeiner Grandsatz in der Feststellung des Straf-
masses za erkennen ist.
Anf absiehtliche Tddtong stand Todesstrafe, deren
VoUziebnng die Kläger beiwohnen konnten (Demosth. g.
Aristokrat, p. 642 § 69). Bestritten ist, ob damit Ver-
mögensconfiscation verbunden war oder ob diese nur dann
erfolgte, wenn der Angeklagte, was ihm freistand, nach
der ersten Rede durch die Flucht der Strafe sich entzogen
hatte. Dieses Letztere, was schon Matthift Miseell. phil.
1 p. 168 angenommen zu haben seheint, versuchte Meier
De bonis damnat. p. 18 ff. zu beweisen und hat es auch
später im Attischen Proeess S. 308 gegen Heffters schüch-
ternen Widerspruch (Athen. Gerichtsverf. S. 134) aufrecht
erhalten. Schümann dagegen Antiquit. p. 293 nimmt Con-
fiseation in jedem Falle an. Dies halte auch ich für das
Sichtige. Da aber die GrUnde Meiers noch nicht wider-
legt sind, so mOgen sie eine kuize Prttfbn^ aushalten.
Meier bespricht zuerst einige Stellen, welche sdner
Ansicht entgegenzustehen seheinen. Die erste giebt De-
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110 . DIB FOLOEir DBS UBTHBIL8SPHUCIIE8.
moBfh. g. Midias p. 528 § 43 licsift' oi <povixol (vo|m>i) tooc
(i&v ix icpovo<a( oncoxitvvovTO^ davati|> xal ost^uYia xal hij^
xai (piXavi>pa>7:i'a; -oaXt;? Tj^i'toaav. Hier muss nach Meier
das xat vor 021907 i'a; disjunctive Bcdeutuii^^ haben . wie
sie auch sonst vorkommt*), weil, wer getüdtet wird, mcht
mehr in die Yerbaimiiiig geschickt werden kann; daraus
soll dann weiter folgen, dass die Confiscation durch das
sweite xa{ nur mit dem zweiten GUede der Alternative
(asicpuYia) verbunden iverden kOnne. Die Stelle beweist
aber weder dies noch das Gegentheil ; wir haben nur eine
allgemeine Sentenz, wie solche sich auch sonst finden 2),
und diese nennt die Folgen des Verbrechens neben ein-
ander, ohne die Combination im einzelnen bestimmen zu
wollen. — An einer anderen Stelle (g. Aristokrat, p. 634
§ 45) bespricht der Redner eine Gesetzesbestimmung Uber
die Kategorie der avopocpov«»v twv UeXiiXudoTwv^ <ov ra x^'h"
fMixa iitfrtf&a und bezieht dieselbe richtig auf den in der
Verbannung befindlichen Vollbringer eines unfreiwilligen
Todtschlages. Das folge, sagt er, aus dem Zusätze: wv
TO )(p"i5{iaTa iiciiijMi. Denn: täv "yap ix rpovoi'a; (irscpoveo-
xoTwv) ^67^{xsutai xa ovra» Diese Begründung berlicksich-
tigt nur das Vermögen des geflohenen vorstttzlichen
Horders, denn in der ganzen Auseinandersetzung wird vor-
ausgesetzt, dass der Todtschläger am Leben ist. Sie sagt
darum , wie man Meier zugeben muss , über Confiscation
bei dem <^ovo; irpovoia; nichts abschliessendes aus.
Z. Ii. äTToxTEivetv xai dra^etv in dem Oesetz bei Bemosth. g.
Aristokrat, p. tiliu § au, wie schon Heraldus «ah Animadven. in Salmas.
4, 5, 10 p. 29B. S. auch unten Anm. 35.
S) Antiphon Tetnl. 1 a § 6. Moxd det Hcrode« § OS.
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8TIÜLFE UND SÜHNE.
III
Aber ebensowenig beweist, was Meier fttr seine An-
sicht anführt: Zunächst, wenn bei Antiphon Tetral. 1 ß
§ 9 der vor dem Areopag wegen cpovo; sxouaio; Verklagte
sagt^j : »Ich will euch zeigen, dass ich vernünftigerweise
die Klage wegen Todtschlages , gegen die ich mich jetzt
yertheidigen muss, mehr fürchten nmsste, als den Process,
in welchen mieh der GetOdtete verwickeln wollte nnd zu
dessen Beseitigung ich ihn erschlagen haben soll! Wftie
ich in jenem Processe yerurtheüt worden, so hätte ich
mein Vermögen verloren, nicht aber mein \'aterland und
mein Leben, und meine Freunde hätten mir durch milde
Beiträge wieder aufhelfen können. Wenn ich aber jetzt
verurtheilt werde und sterben muss, so werde ich unsäg-
liches Leid meinen Kindern hinterlassen oder fliehend als
alter Mann ohne Vaterland in der Fremde betteln gehen.«
Dieser letzte Satz erschöpft kemesw egs logisch streng die
zweifache Möglichkeit im Falle der Verurtheilung , da es
doch den Kindern el)enfall8 schrecklieh, ja fast ebenso
schrecklich sein musstc , wenn der Vater nur verurtheilt
wurde und vor der Hinrichtung floh. Das erste Glied ge-
denkt der Lage der Kinder« da von dem Todten nicht
mehr die Bede sein konnte; das zweite der Lage des Ge-
flüchteten, und die ist besonders hart wegen der Vermögens-
confiscation, welche doch, im Falle der Verurlheilte hin-
gerichtet wurde, für die Kinder neben den otvooia ovsiotj
nicht so schwer wiegen konnte. — Erheblicher würde das
Zeugniss des PoUnx sein, welcher unter den Obliegen-
heiten der Poleten ganz speciell den Verkauf der Hinter-
lassenschaft der dem areo]iagitis(dien Gerichte Entflohenen,
3) Die lysiassische K. über den Mord des Eratosthenes , aus
welcher Meier ein nebensächliches Argument gewinnt| wird gleich
im entgegengesetzten Sinne verwendet werden.
•
112 DIE FOLGEN DE« URT 11EILS8FRUCHE8.
niebt der Vernrtlieilteii überhaupt aufführt 8, 99: icmXijTal
ta; TÄv 'Apstoo tra^ou jista xov zooT£pov X6*'ov
u'/ovrojv 0031'a; xat ta osor^txiuuiva (7:izpar/oo3i , wenn es
nicht eben das Zeuguiss des Pollux wäre. Bei -jjaufxa ix
Trpovoi'a? kam, wie wir gleich sehen werden, sicher Con-
fiscatioii vor, wad auch hier besorgten die Poieten das Ge-
schäftliche, wie bei allen diji&toicpata. Soll man denn nicht
anch PoUnx zum Beweise dafttr anfuhren, dass anf ipauaa
ix icpovo(a(; die Confiscation nicht stand? Die Glossen
des Pollux sind, was sich gerade auf den Gebieten, welche
die Redner behandeln, wegen der ausgiebigen Ueberliefe-
rung vorzüglich controlieren lässt, zum sehr grossen Theile
ans einzelnen Erwähnungen der Redner zusammen-
getragen. Enthielten diese allgemeine Urtheile, so konnte
auch die nns erhaltene Fassung bei Pollnx das Bichtige
treffen. Oft aber sind sie, wie sich an vielen Beispielen
zeigen lUsst, von Pollux oder dessen Quelle fälschlich ver-
'allgenieinert worden. Diesen Thatsaclieii i^cuenüber wird
man schwerlich aus dem, was bei Pollux fehlt, ein argu-
mentum ex silentio machen dürfen!
Endlieh fahrt Meier einen allgemeinen Gmnd für seine
Ansicht an: Jede Vermögensoonfiscation sehliesst einen
Vortheil ftlr den Staat in sich; diesen konnte aber das
Gesetz nicht in das Belieben eines Einzelnen stellen, so
dass der Vortheil dem Staate entging, wenn der Getödtete
oder die Verwandten dem Mörder verziehen hatten. Man
hätte vielmehr erwarten müssen, dass eine Klage, an wel-
cher der Staat ein materielles Interesse hatte, jeder Athe-
ner, nicht nnr der Verwandte, ttbemehmen konnte. —
Diese Argamentation ist ganz ohne Gtewicht, denn sie
geht von der, wie sieh später zeigen wird, dnrchans ti-
schen Voraussetzung aus, dass es den Verwandten frei-
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8TAAFE UND SÜÜKE.
113
stand, den Mörder eines absichtlich Getödteten durch Ver-
s(»hung von der gesetzlichen Strafe zu befreien.
Ein Grand dafür, dass Confiscation nur, wenn der
Vernrtheilte floh, eintrat, nicht abeti wenn er hingerichtet
wnide» iBt gar nicht zn finden. Vielmehr erscheint diese
Unterscheidong ziemlich nnTemttnftig. Aber einen Beweis
gegen diese Annahme Meiers wird die gleich zn betrach-
tende Rede des Lvsias vom Morde des Ei atosthenes liefern,
in welcher der wegen cpovo; ixouaio; Augeklagte als Strafe
den Tod und Confiscation fürchtet. Um dieses Argu-
ment zn entkräften, bezieht Meier den ersten Ausdruck
{<im\M) auf Verbannung, was er bezeichnen kann, aber
nicht SU bezeichnen braucht^).
2. Tpaufta ix icpovoCa;.
Dies Verbrechen wurde um des fehlenden Erfolges
willen insofern leichter bestraft, als niemals Todesstrafe,
sondern nur Verbannung eintrat. Der Sprecher der zwei-
ten liede des Ücmosth.j g. Boeotos hat jemanden in diese
Klage zu verwickeln gesucht, um ihn durch Verbannung
zu entfernen: o»? ^oYaSsuatov i% x^? ttoXcO); (p. 1018 § 32 ff.).
Die Verbannnng wird nicht, wie für den böswilligen
Mörder, lebenslänglich gewesen sein. Denn wenn es bei
Lysias g. Andokides § 15 von dem Vollbringer des rpaup-a
heisst: «oto; jisv xata tou; vo{j.ou; tou; £; 'Ap£i'oo tcaYOO
^eufetat rr^v xoü aoixTjÖ£v-o; tzoXiv^), xai iav xatiiQ, svSet—
*) 8. unten Anm. 24. 2$.
^ Nach lE^iv haben dit Hdidir. ^ T(»a6|>«To; ix icpovotae, was
die Herausgeber fast alle mit Recht fortlassen. Meier p. 100 denkt
an einen Ausfall nach 7t6>av: tcx oe ypruiim Qi&to3 hri^iövi £c-:ai. Die
Rede ist übrigens keine Sophistenarbeit , wenn iauch keineswegs
lysiassisch. Ihren Charakter scheint mir Kirchhoff Andocidea (Her-
mes 1 [1866] S. 1 ff.) richtig erkannt su haben.
8
114 DIE FOLGEN DES UttTHEXLäSPKUCHES.
X^eU dav«T<{> C7){iio>&iiJaeTai, 80 kann damit immerhin ein
Zurückkehren vor Ablauf einer bestimmten Frist gemeint
sein , deren vom Gesetz bestimmte Länge uns indessen
nicht bekannt ist.
Zugleich mit der Verbannung trat Confiscation ein.
Beides fürchtet der Angeklagte in der Bede des Lyaias g.
Simon § 38 : xal i»pl Tcaxpfio^ %a\ t^c ^08(a< x^c iptau-
too oncaoiQc xivSoveooi (vgl. § 42. 47). Iq der vierten Bede
des Lyflias, welche gleichfalls zur V^räieidignng eines
wegen xpauixa £x Trpovoia; Angeklagten gehalten ist, findet
sich neben den auf die Verbannung anspielenden Aus-
drücken (irspl i^; TzoLx^ioQi'f in icaTpioo^ dxßaXeiv § 13)
der Satz: i^pl x^c iraip{$o; fioi xal tou ßtou e dY<»v ionv
(§ 18) ; mit letzterem — »Lebensunterhalt« — mnss also
die Confiscation angedeutet sein, während dieselbe in der.
Phrase: o» ^ap alioc (siuO "ifauYetv tt^v Ijxaurou (§ 20)
ebenfalls mit gemeint ist, denn ep.auTou ist mehr als t]
icaTpt(.
3. ^ovos axoooioc.
Ein axttiv xTe(va< konnte weder am Leben, noch mit
ewiger Yerbannnng nnd V ermlJgenseonfiscation gestraft wer-
den: das beweist im allgemeinen die oben besproch^e
Stelle des Deniosth. g. Midias (S. 110). Die Unversehrt-
heit seines Besitzstandes bestätigt das Gesetz, welches
Demosthenes an einer anderen Stelle citiert: wv ra yj^r-
yjoxa kKix%\uL^), denn was dem Fiseos verfalit, ist axi{M»v^).
♦"'l Oben S. 110. — Harp. Phot. Suid. v. ön ol dXövTc; ir dxouoltf»
tfi'ii't e;o'joiav elyov cl; 8to{7tT]atv täv ihims mit Verweisung auf unsere
Rede und Theophrasto Gesetze, Buch 13. Dies ist also Theopbrasts
Ausdruck !
') Demosth. g. Aristokrat, p. ti4U § t)2 izi^oi loxtu xal ol Ttaioec
x(kX -za ixelvou.
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ST&AFE miD 6ÜHSB.
U5
Es trat als JStrafe nur eine zeitweilige Verbannung
ein. Wie lange daaerte diese? Hier sind zwei Fälle zu
scheiden.
Erstens konnten die Verwandten des Getödteten die
Strafe für unfreiwilligen Todtschlag kraft ihres Beehtes
der VersOhniing (aOtsoK), Ober weldies im folgenden Ca-
pitel gehandelt werden wird, erlassen; sie konnten die
Verbannungszeit abkürzen, indem sie die Versöhnung, nach
Antretung der Verbannung von Seiten des Todtschlägers,
jederzeit eintreten zu lassen das Hecht hatten. Darum
kann Demosthenes g. Aristokrates p. 643 § 72 sagen : »Das
Gesetz befiehlt, dass der nnfreiwillige Todtschläger in ge-
setzter Frist anf bestimmtem Wege sieh entferne und in
der Verbannnng bleibe, bis sieh einer der Verwandten des
Getödteten mjt ihm versöhne <^)t. Aber da die Verbannnng
jedenfalls keine iinmersvähreude war, so musste sie ein
Ende finden, auch wenn die Verwandten die Versöhnung
nicht eintreten liessen, oder, da die Versöhnung noth-
wendig war, so musste endlich — nnd das ist der zweite
Fall ~ ein Zeitpunkt eintreten, wo das Gesetz dieselbe
nicht mehr dem fireien Willen der Verwandten flberliess
sondern sie forderte. Das ist ein so sicherer Schlnss*],
dass die Sache auch ohne Zeugnisse feststände.
^) Sv al&ioijtot tna tAv ifi:fti to& lEsnovMro«. Aber an
allen anderen Stellen heimt «ItcTeVoi Terieihen (von den Ver-
wandten gehraucht) a. die Bospiele bei Weatermann inr Stelle nnd
O. Mfiller Eumeniden S. 134. Darum irird man trots Haipokration
oMtonSat, der an dieeer mnen Stelle Mne andnre Bedeutung (»um
Verzeihung bitten«, vom TodtschlSgw) annimmt, für Ttva ti; oder
selbst mit Sauppe Tt; aUT<Sv herstellen mttssen. Denn der Ausdruck
ist technisch und Uarpokrations Ansicht beweist nur, dass das Vw^
derbniss unserer Stelle sehr alt ist.
^} Nur Heffter hält sich bloss an die Demosthenesstelle und be-
8*
116 DI£ FOLGEN DES UBTUEILSSPKUCHEd.
Die neneren Oelehrten nehmen als Maximum ein Jahr
an . Aber ein Beweis dafür lässt sich nicht führen, wie
schon Hermann Staatsaltert. § 101, 11 bemerkt. ^5cho-
liastcn und Lexika") sprechen von einer Verbannung der
Todtscbläger unter dem Namen aicsvtaimopo« und geben
als Zeitdauer ein Jahr an. Aher sie weisen einerseits
nicht auf athenisohen Brauch hin; andererseits ist die Zeit-
bestimmung ans dem Worte selbst gemacht. Denn Plate
gebraucht in den blutreehtfichen Bestimmungen seiner Ge-
setze p. 804 D ff. die Worte azc./<.wjv.z\i.6c, arsviaoteTv und
aTTsviauTTj^'; als technische Ausdrücke so, dass er die Zeit
der Verbannung nach Jahren hinzufügt z. B. xpietei^
aTrsviaunJasi; öiars^eiv ; und das ist natürlich, da der lviat>-
Toc bei den Griechen ursprOnglich nicht den euien Jahres- •
lauf bezeichnet, sondern auch grossere Zeitperioden. Man
gewmnt aus alledem also nur soviel, dass ftlr die Ver-
bannungsstrafe in Athen diese Ausdrücke neben anderen
gebraucht wurden , insofern Plato meist von athenischen
Rechtsbestimmungen auszugehen und auch an deren Ter-
minologie sich zu halten pflegt. Die Dauer aber des oltts-
viGumojMc eines in axoiMdp ^ovcp ^suYoyv könnte nur durch
ehien Schluss aus den besonderen Bestimmungen bei Plato
gewonnen werden. Plato giebt allerdings dem axoiv xxefvoc
ein Jahr Verbannung, und nach Hermanns Ansicht könnte
man dasselbe im gleichen Falle für Athen annehmen ^^j.
streitet die gesetzliche Beschränkung der Verbannungszeit S. 136.
440 f 0 Müller Eumeniden S. 128 f. giebt die Möglichkeit zu,
aber zweit'elnd.
J") Petit. Leg. Att. 6. 1, b. 9. Matthiä p. 169. Meier De bonis
damn. p. 99 und Att. Process S. 307 f. Schömann Antiquit. p. 392.
S. Hermann Disputat. de vestigiis etc. Marbg. 1830 p. 51 S.
»; Oeietie p. 865 E. 866 C. 869 £.
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8TSAFB UND SOBNB
117
Aber gerade hier dürften sich Piatos Bestimmaugen mit
dem athenischen Gesetze am wenigsten decken. Denn
wählend dieses nur zwei Arten des strafbaren Todtschlags
— btoooio« und oixouoio«; — kennt, hat Plate noch zwei
weitere Zwischenstufen. Seine Strafscala lautet: ein-,
zwei-, dreijährige Verbannung, Tod ' ') . In Bezug auf die
letzte Bestimmung findet UebereiiiHtiinimm^- mit dem athe-
nischen Gesetze statt. Der cpovo; axouaio; dagegen , in
welchem sich drei platonische Kategorien zusammenfassen,
braucht gerade darum nicht in Bezug auf das Straf-
mass der ersten gleichnamigen Kategorie Plates entspro-
chen EU haben. Und wenn man schliesslich noch aus
der rhetorischen Behandlung der für den Sntwt xrefva? in
Aussicht stehenden Strafe bei Antiphon ct\yas folgern darf,
so scheinen doch einer einjährigen Verbannung gegen-
tiber die Ausdrucke allzustark gewählt, mit denen der
Vater des axuiv xtefva? in der zweiten Tetralogie im Falle
der Yerurtheilung am Palladion sein und seines Sohnes
Loos b^ammert: hd ts yap tootoo StacpBop^ SpCorrov to
X8iico)ievov too ß(ot> Sto^tt», itd n ifxauTou aitaifi(«|L C«»v In
x«Topux^]ao}jLai ß § 10). Es ist darum wahrscheinlich, dass
die vom Gesetze dem a/wv xraiva; bestimmte Verbannungs-
zeit die Dauer eines Jahres überschritt.
13) ^^ot di«o6aio(i 1 Jahr Verbannung.
fövot 8uti^ f rjfovdtf«, dnpoßovXcötwc hit 2 Jahre.
ifirm <k»|A^ |Aiv 7SY«v6Ttc» fut* imßouXji« H: 3 Jahre.
f&m ixo6otoc: Tod.
S. p. 867 CD. 871 D. Die Scala ist aus scharfer empirisch-psycho-
logischer Beobachtung hervorge^anpen und nicht durch die Con-
»tmctionen platonischer Metaphysik in nachtheiliger Weise beein-
flusst.
HS DIB FOLGEN DES UKTH£IL8SPBUCH£S.
4. ßooXtooic. '
Wenn der Tod erfolgt ist, 80 mnss das von den Red-
nern erwähnte Gesetz in Kraft treten, nach welchem der
intelleetuelle Urheber dem Vollbringer gleich geachtet wird :
Tov sTcißouXsusavTa xsXeuci (o vo|m;) ^ovia elvai (Antiphon
Tetral. 3 ß § 5) ; xatrot outo; o vo{io; xal zpoTSpov f^v co^
xoiX»c ^<i>v xal vov Irl XP^^^ am^, tov ßouAAuoavta sv ,
auT^ sv^fio&ai xal tov x^P^ i^aoayjswt^*). Hierin stimmt
Flato Gesetze p. 872 A mit dem athemschen Qesetse
ttberein .
Nun sahen wir oben , duss es bei der ßouXsuai; tür
die Wahl des Forums keinen Unterschied abgab, ol) der
ßouXsuaa; die Absicht hatte den Angegriffenen tüdten zu
lassen oder nicht; beide male entschied das Palladion (S.
50). Fttr die Strafe aber macht es, wie dort bereits
angedeutet wurde, einen Unterschied. Der Angeklagte in
Antiphons Ohorentenrede war der pooXtoot« heziehtigt, ohne
dass ihm die tcpovota Schuld gegeben wurde (S. 34). Er
befindet sich also in dem gleichen Falle, wie ein axmv
xTs^va;, und so muss seine Strafe Verbannung sein. Aus
den Worten der Kede ßouXovxai (txs) Cr^iiidioai xal kizkaoai
ex xwTt^i (§ 7) bat man zwar geschlossen , dass
'4 Andok Myster § \H. ^taXy^ §xi Sloiter Leot. And. p. 13»
für Hdschr. : %'xi vüv Isn y.at.
Auch auf denjenigen dehnt das Gesetz die Straffälligkeit aus,
welcher durch unrechtmässige Anklage den Tod eines anderen ver-
anluit. Antiphon Mord des Herodes § 92 xal (jLir;v rf^v tor^v -^t S6-
va|Mv ijjfUf toTi« TS Sv ^etpi dirarntty^ d8bc«K %aX Sorte ^?(!>*
'WirkliÄe Beispiele dner lolehen ßoßXcuotc : Ag(HWtoe in der gleich-
namigen Bede des LysiM und Menestntos ebenda § 56, wo vom
Kläger anstatt einer ftbn) fd^i» die Form der isetPfWfi^ gewihlt ist*
oben S. 102 f.
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STRAFE UND SOHHB.
119
der Angeklagte neben der Verbannung noch Confiscation
seines Vermögens ftlrchte ^'^i . und Cr^ixioTiv kann allerdings
Mim Gelde strafen« bedeuten. Wer aber den ganzen Satz
ansieht^'), wkd den Eindruck bekommen, dass es sich hier
Waat nm eine allgemeine Bezeichnung ftlr »strafen« han-
delt, welehe dem SixadiK xtiMDpstodat entgegengesetzt ist
nnd dann dnrdi iUXaoai ix xijc y^c xaven^^ näher bestimmt
wird. Die ganze übrige Bede enthftlt keine Einweisung
anf eine etwa drohende (Jüulisciition, selbst nicht an einer
emphatischen Stelle, wie § 4. wo der Redner seine ganze
Gefahr schildert. Endlich würde auch die Gonüscation
principiell unbegreiflich sein.
Den zweiten Fall, dass dem ßooXsoooc die icpovota
Schuld gegeben wird, liaben wir in der Rede Antiphons
gegen die Stiefmutter (S. 39). Diese entspricht also dem
ht irpovo(a? xT8(vac. Darum beantragt der Kläger Todes-
strafe (§ 27 u. öfter . Confiscation ist selbstverständlich
nach dem bisher Bemerkten. Erwähnt wird sie vermuth-
lich deshalb nicht, weil die Frau kein fiigenthumsrecht
im vollen Sinne des Wortes hat.
Der dritte vor dem Blutgerichte zu verhandelnde Fall
^ Maetsner zu Antiphon Choreut { 4. Sdifimaan Antiquit. p. 294.
1^) o3toi yuh fä^ t^v (Aiv Uo»Siv cAocßclatc ht»d ^fw icotsToftttt xal
ToQ ocxaloti, T-^v oe xaTTj^opIov Aicvsov iceisoir^vTai ttoßoXlj« ivoMt iml
4itaT7]; .... o'jx D.if^OiSTti, et xi dotxflj, ouatoi; \is ßouXovrat ti-
litopeiaSat, <i>.> i '/t7ßaX<5vT£;, xat tl jaTj^ev äotr.iu, ^Tjjxi&aat xaX xt).. In
dieser streng antithetiRchen Fügung entspricht C'rjxiö)57t als allge-
meiner Ausdruck dem TiatapiisDat und dann erst folgt die genaue
Bezeichnung der gefürchteten Strafe. Vgl. noch § 1 r.trA toü C(u(iato(
ganz allgemein. Dass xr^v Tiö/.tv cb^eXf^oat § 9 nicht auf einen Vor-
tlieil anspielt, wie er dem Staate aus der Confiacation der Ottter des
Angeklagten erwachsen könnte, lehrt aufmerkaames Beaditen der
Gegenafttae.
I
I
I
120 DIE F0L6SN DES IJBTflElLBflFBÜCHES.
ist der, in welchem der ßouXsuacc^ zwar die Absicht tödten
zu lassen hatte, der Erfolg aber ausblieb. Die Kategorie
wttrde in Bezog auf die Strafe dem Tpa&tta ix «poWac
entspreohen. Ein Beispiel ist nicht ttberliefert. — ßooXeoou
endlich ohne zpovoia und ohne Erfolg gehört nicht Tor
das Blutgericht (S. 37).
5. Giftmischuiig*
Bei dem Mangel an ülierlieferten Fällen ist über Gift-
mischung nach dem friiher Bemerkten nicht \ncl zu sagen.
TodesBtrafe ist, wenn die irpovoia erwiesen und der Erfolg
erreicht war, selbstverständlich; dazn mag Aelian Verm.
Gesch. 5, 18 als Beispiel dienen in Ermangelung besserer
Zeugnisse ; denn die Bede Antiphons gegen die Stiefmutter
geh()rt nicht hierher, wie oben S. 51 f. nachgewiesen ist. —
War die Trpovoia nicbt erwiesen — woflir die dort ange-
führte Stelle aus der grossen Etbik ein Heispiel giebt —
der Tod aber erfolgt, so wird man die Strafe des axtuv
xteCva^ annehmen dürfen. — Erfolgte dagegen der Tod
nicht, während er doch beabsichtigt war, so wird man
den Fall dem tpaujMi ix irpovoia^ gleichsetzen ktfnnen.
Oonfiscation wud man eben&lls wie bei <povoc ixot>atoc
und Tpaufta tu irpovoCa« in den entsprechenden Fällen an-
zunehmen haben ^^j.
Den allgemeinen Grundsatz, auf welchem dieses Strafsystem be-
ruht, zeigt folgendes Schema, in welches die Kategorie cfapfxaxto-.^ nicht
aufgenommen ist, weil wir hier ganz auf Analogieschlüsse angewiesen
sind. BeBtimmend ist lovol der Erfolg als die Bttfvot«. Wo nur
entweder der Erfolg oder die icp6wia vorhanden ist, fttUt die letztere
schwerer in die Schale der Strafe als der erstere, wie die Strafe bei
2 and 4 im Yerbtttaias lo 5 und 6 seigt. Die ßo^Xraot« wird der
w^To^tipta gleich behandelt:
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BTBAFE UND SÜHMB. 121
6. Strafe für Tödtung Ton Nichtbürgeru.
Es wurde oben die Ansieht emiger neueren Gelehrten
berührt, Bach welcher, wenn es sich um Angriffe auf das
Leben eines NiclitbUrgcrs liandelte, eine Abweichung in
Betreff des Forums stattgefunden und auch bei den schwer-
sten Verbrechen dieser Art das Pallailion gewählt sein
8oU| eine Ansicht, welche indessen die Uuellen nicht be-
stittigten (S. 52 ff.). Hit jener Ansicht hängt die Annahme
zusammen, dass im Falle der TtJdtnng eines NichtbUrgeis
auch von der schwersten Strafe Abstand genommen und
selbst bei böswilliger Tödtung statt auf Todesstrafe nur
auf Verbannung erkannt worden sei . Was zuerst die
Metoeken anbetrifft, so besteht das einzige Zeugniss für
diese Ansicht in der Glosse des Verfassers der 6ix&v
ovo}AaTa bei Bekk. anecd. 1 p. 194: iav {uioixov ti< ono-
xiefv^, (Mvov xaieStxaCero. iov ^otov, davato?
1] C7)|x{a. Ein solches Zeugniss kann zur Begründung
dieses Unterschiedes der Bestrafung nicht ausreichen.
Fälle von Bestrafung wegen Tödtung eines öklaveu sind
itäiKtut: Erfolg: Xategori« 4«« T«r> Forun: Straf«:
brechen*:
1. Mit TiQövout Tod 9Övoi btovaun Areopaj^ Tod tt. ConflKatloik
S. „ nicht TM xfm^ta in ffifaMAv Anop«f VerbMunnif n> ConflN.
9. M Tod> /toinMi0iv(jki«ifO*o/a^) FaUatfon lüod «. Conflaeation
4. aiehtTod fiovhvai^ [i* naovofai) Palladion Verbannung u. Confiac
ä. Obae »^dvoia Tod iptivoi (txovoios Palladion Verbannung
t* n Tod ßQvkevati (ohne npfSvottt) Palladion Verbannung.
So Hermann De Dncone p. 14 ; Staataalt. § 104, 8. 10. Heflter
Athen. Oeriditiverf. 8. 135 mit einem nnsalSnglichen Ai^amente;
Weber m Demosth. g. Aristokrat, p. 176. Dagegen Meier De bonis
dainn. p. 23 und Haller Index 1849/50 p. 5 (s opaac. acad.).
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t22 DIE FOLGEN D£8 URTU£IL88PBUCH£8.
uns nicht llberliefert. Wenn ein Ansspracli des Lykurg^)
in seiner All^^cmeinheit überhaupt etwas beweisen kann,
so spricht er eher gegen diese Uuterscheidimg. Ein anderer
Satz l)ei Antiphon 2') bezieht sich wol, dem Znsammen-
liange nach zu urtheiieu , eher auf die gerichtliche Be-
handlung überhaupt im Gegensatz zur SelbsthUlfe, als auf
die Bemessung der Strafe. Aus Platos Gesetsen^^} aber
allein Sehlflsse aaf das atbenisehe Gesetz zu machen ist
nnstatthaft.
7. Strafe am Falladion und Delphinion*
Am Palladion nnd Delphinion konnte nach der An-
sieht SchOmanns Antiqnit. p. 293 f., welche auch von
Anderen angenommen worden ist, anf Todesstrafe nicht
erkannt werden. Der Satz ist unrichtig und bedarf einer
Widerlegung, die nach den bisherigen Ergebnissen kurz
sein kann.
Wenn es richtig ist, was ich oben zu beweisen suchte,
dass Uber ßouXeu^t; nur am Palladion gerichtet wurde
(S. 29 ff.), so eigiebt sich daraus Ton selbst, dass — im Falle
der ßooXeooti; ix icpovo(ac mit Erfolg — hier auf Todes-
strafe erkannt werden mnsste. Lautete aber die Anklage
anf ^xoo9to;, so konnte natttrlith von Todesstrafe in
keinem Falle die Rede sein, denn es handelte sich bei
der Untersuchung nicht, wie es nach Schümanns Worten
Lyk. g. Leokrat. § 65 oüöe (oi dpycitoi voiioöiTottj tov jacv
dXX' 6|Ao(«}; hA icSfft xal tote iX«]^l3tot; T:apoivo|Atj{j.a«« fttfvvcov Aptootv
tlvai T^jf» Cv)K-^'
**) Antiph. Mord des Herod. $ 48 . . . . x«l 1) ^fOi Xwt 86vaT«t
Tfj» ^üXov dnoxTcivavTt %<sA xi^ dXeudepov, cU6s tot xtA ^'^jfov YB^foft«
ittpl aäto5 f^v, unii |irj ixpitov ciroDaverv aOrciv utp' Citxtüv.
»j p. 805 CD. 886 BC. 888 A-C. 889 D. 872 B.
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STRAFE USD BOhNB. 123
scheint, darum ob der TodtscMag axo-jjio); oder ixouatm;
begangen worden sei; wäre diese Alternative in Frage
gekommen 7 so hätte ja der Areopag Mahlstätte sein
mttsaen. Sondern es handelte sich daram, ob die An-
klage, welehe anf ^ovoc dixoooio« lautete , sieb bestätigley
dann trat die darauf geseisEte Verbannungsstrafe ein, oder
ob der Angeklagte Uberhaupt nicht getödtet habe. In
diesem Falle erfolgte Freiaprechiing. Worauf es bei einer
Klage am Palladion ankam, zeigt die zweite Tetralogie
des Antiphon (S. 26 Anm. 34] 23) .
In Bezug auf das Delphinion habe ich oben ge-
zeigt, dass es sieh nicbt immer um eine blosse Formalität
handelte, sondern nur dann, wenn der Kläger die Einrede
des Angeklagten, das Stxab»? irecpovsox^ai, zugab (S. 61).
Wo nicht, so fand Anklage auf rpovo; exouoto; statt ; denn
an 90V0; axouaioc war ja nicht zu denken , da der An-
geklagte eingestand, den Grctödteten mit Absicht umge-
braeht zu haben. Jetzt konnte natürlich das dtxata»c
Ton dem Gerichte anerkannt werden und dann erfolgte
keine Strafe. Aber es konnte die Einrede auch abge-
wiesen werden, dann blieb nur die- Kategorie «povoc
stehen, und jetzt ist es principiell nothwendig, daas auch
die Strafe verhängt wurde, welche darauf stand.
Es wäre seltsam, wenn das die L'eberlieferung nicht
bestätigen sollte. Hier kommt die Bede des Lysias
^ Demnach x«t such unriehtig, wa« Schömann sagt Antiquit
p. 297 : ■ Ctiierum koe forüMe non rmro fiebat, ui qui noUei inUt'
feetorempropm^vita, ted tatdummodo hontt et pairia prwaref
propttr Amte ^p««im ««MMm, tHamn eaedmn eonmUo et nefane com'
ffisaiam crederet, non tarnen apud Areopagum nd upud BaUadntm
reum fiwi paterttur, ubi gtiamn condemnaku »aet non tamtn morte
ptmiretur:
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124 DIE FOLGEN DES UBTHBIL8BPB17CHE8.
Uber den Mord des Eratosthenes in Betracht, welche
ja am Delphinion gehalten worden ist (S. 60). Das was
der Angeklagte, im Falle seine Einrede rerworfen und
er yenurtheilt wird, fürehtet, drttckt er am Schlnsse der
Rede so aus : 'Eyw - ap vov xal rcpl too ocojxaTo? -/.ai itepl
TÄv y^pTjjxaxtüV xat -£p'i tuiv aXXtuv a~avt(uv y.ivG'jv£"j(t). Also
um »Leben und Gut« handelt es sich. Man hat freilich
nepi Tou owjjiaTOi auf die Strafe der Verbannung bezogen ^^j,
aber ohne zwingenden Grund. Denn a&\ia kann allerdings
bei den Athenern, wie bei den Bömem capnt, den statns
civilis bezeichneni so dass xivdoveusiv, äY(DvtC«90ai icepl too
o«»(iaToc nnd ähnliche Ansdrttcke Processe bezeichnen,
deren Folge im Falle der Vemrtheilnng Atimie oder Exil,
Bürgerrechts- oder Freiheitsentziehung ist. Dies ist sogar
die häufigere Bedeutung von awjjia, aber keineswegs die
ausschliessliche, denn es ist auch Bezeichnung für das
physische Leben und dann enthält die betretfonde Kedens-
art eine Beziehung auf die Todesstrafe ^^i. Da dieser 6e-
Meier De bonis damn. p. 21, Schömann Antiquit. p. 294;
richtig auf Todesstrafe: Frohberger zur Stelle und Blass Beredsam*
keit S. 578.
25) So z. B. mit Sicherheit Antiphon Telral. 1 ? § 9, wo der
beim Areopag wegen 90V0; exo'joioc Verklagte sagt toj Ii ocupaio;
«cd T^c icöXecDC o&x ioTcpo6{iiQv, denn der Zusamnenhaag lehrt, dais
et sieh um eine AlternatiTe, nidit um ein Hendiadyoin handelt —
Sammlungen von Stellen fQr gA|mi » capnt bei Mder De bonit damn.
p. 142 f. und Schömann De comitiis p. 75 f., doch steht nieht in
allen diese Bedeutung so zweifellos fest, uie in der ?on mir ange-
führten die andere (= Leben]. S. auch Frohberger zu Lysias Mord
des Eratosth. § 50; unter den hier angeführten Stellen bezieht sich
jedoch bei Din. g. Demosth. § 6, Lys. g. Philokrates § 11, Isaeos
Pyrrh. § 62 ctüp-a theils auf Verbannung, theils auf Atimie. 15ei
Din. g. Dem. § ü schreibt Blass zvj oiufjiaTo; -xai x^s oiialcx; für
^'y/ffi der Hdschr., welches in N gänzlich fehlt. Aber ^x^^
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STRAFE UND SÜHNE. 125
brauch gesichert* ist, so hat man hier das an und für
sieh zweideutige Wort nicht nach der Mehrheit der Bei-
si)iele, sondern nach dem durch den Zusammenhang der
Sache gelorderten Sinne zu deuten und auf Todesstrafe
zu beziehen. Damit ist die einzig vernünftige Vorstellung
über das Gericht am Delphinion als wirkliches Ge-
richt gewonnen^).
Gap. 2. Die Blatsöhne.
1. Allgemeines.
Die religiOs-sittliehe Anschauung der alten Zeit for-
derte, dasB der MOrder, wenn er dem Tode entging, durch
bestimmte Handlungen auf der einen Seite mit dem Ge-
tödteten versöhnt, auf der andern aber auch selbst ge-
reinigt und dadurch der menschlichen Gesellschaft aU ein
beizubehalten; dann ist oü)|Aa nicht = caput iMaetzner;, sondern
gleichbedeutend mit ^'JJTi, wie »Leib und Leben«.
IBb) Die Rede des Lysias gegen Eratosthenes (12} ut nwiiw
Anncht naoh nicht vor dem Ddphinion gehalten, wie Viele anneh-
men, suletxt Frohbeiger, auf denen Besprechuag ich Terweise. Das
(txaCme tritt sarOck, die Bede enthält viel Abechwttftmgen i. B*
§ 62 IT., die in einem Xii^ec fovix6« nicht vorkommen duxften, auch
wenn er vor Heliasten gehalten wurde; denn diese saaeen aller-
dings zur Zeit der Rede — um 403/2 — am DelphinioB (unten Ab-
schnitt V Cap. 4;. Die li^de ist überhaupt kein Xiyo; «povtxo;, die
Person des Getödteten (rolemarchos; tritt hinter dem sonstigen In-
halte der Hede zurück. Ob sie nun ejöuvat; gehalten wurde, wie
Grote und neuerdings wieder Blass Bereds. S. 540 f. annehmen, und
ob Lysias als Isotele bei dieser Gelegenheit auftreten konnte, das
llsft sich nicht sicher entseheideB. BinstweQen aber ist diese An-
Mcht, welche Blass gut entwickelt, die wahrscheinlidiste.
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/
12Ö DIK FOLGEN DES U&TÜE1L8»PKUCU£S.
Rainer znrttokgegeben wttid6>*). Diese Foidenuig bildete
auch der atbenische Staat abgesehen von der geriebtlielien
Behandlung des Todtschlages aus. Die versöhnende Seite
dieser Gebräuche findet ihren Ausdruck in der aloeaic,
welche die Verwandten an der Stelle des Getödteteu dem
Todtschläger gegentlber Übernehmen. Sie ist Gegenstand .
eines ganzen S} stems von gesetzlichen Vorschriften, wel-
ches ans in historiseher Zeit in vollständiger £ntwieklnng
entgegentritt. Dagegen tritt die andere Seite der Mord-
sllhne, die Beinigong, bei den Rednern znrtlek, weil diese
nnsere Gewährsmänner sieh nnr mit der jnristischen Be-
handlung der einzelnen Fälle beschäftigen uud weil in
fast allen diesen Fällen die Keinigung nur mit der ai'o£3i;
erfolgte, neben dieser aber sich von selbst verstand^').
* Hilastische und kathartische Ceremonien. lieber die Götter,
welchen diese Gebräuche galten, — dort der Sühu-Zeus, MEi/'/fj;,
hier der reinigende Zeus, KctBdtpat^j; — , ihren Zusammenhang mit den
chthonischen Göttern und die Stellung Apollons findet man die Stellen
der Alten bei O. Müller Eumeniden S. 138 ff., Schdmann Griech.
Alt. 2* 8. 337 ff., HenMnn Oottesdieactl. Alt. § 23, 18. 21. (Stark).
Daw beide Seiten nicht sdiarf m trennen und und Welfiich in ein-
ander Ubeigehen, ist oft bemerkt worden. £e zeigt sieh i. B. in
Attika in der Stellung des Geschlechti der Phytaliden. Sie reinigen
den Theseus, nachdem er die Käuber erschlagen hat, aber am Altar
des Zeus Meilichios, dessen erbliche Priester sie sind 'Paus. 1, 37, 3j,
sühnen ihn auch wol gar (xal [jLsdtyta duaavre; Plut. Thea. 12), obwoi
doch der gerechte Todtschlag keine Sühne forderte.
^'1 Die Keinigung, vielleicht auch ein Theil der Sühnung, .soll
in Attika Mitgliedern des Geschlechts der Phytaliden erblich zuge-
standen haben; Ober diese s. Meier De gentU. Att. p. 53 f. Aber
die aftsei« wird doch dnrdi- die jedesmaligen Verwandten des Ge-
tödteten unter Aufidcht der Epheten und vieHeieht der dr« Ex^eten
vollzogen, wie uns Oesetses- und Kednevstdlen sicher bezeugen.
Hier ist nun von der Reinigung fast nie die Kede. Eine der wenigen
Stellen, die sie erwähnt, Demosth. g. Aristokrat, p. 644 § 72 lehrt
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I
STiUiE VüD SÜHÄ'E. 127
Denn nur bei dem S^xaioc lOste sieb diese Ver-
bindung. Wer seinen Gegner mit Beebt erseblagen batte,
musste und konnte sich nicht mit ihiD und seinen Ver-
wandten versöhnen ; aher der Keiuigung hatte er sieh,
wie ohen (S. 62) bemerkt ist, dennoch zu unterziehen.
Wenn aber auch in diesem Falle der Reinigung bei den
Kednern nicht ausdrUckUcb gedaobt wird, so liegt daa
darin, dass in dem ^ixauoc ^vo4 infiUlig wenige dordi
fiedner Überlieferte flUle sieb bewegen. . Deabalh werden
nhfi im folgenden nur die gesetzlicben Beatimmangen
ttber die ott^otc beschäftigen.
L'm zuerst einige Vorfragen zu erledigen, so tritt uns
gleich die Erwägung entgegen , ob es der aTosoi? auch
für denjenigen bedurfte, welcher nicht wirklicb getödtet
hatte, also z. ß. für den Vollbringer eines rpaufxa hi
icpovofa«? Die Quellen erwäbnen der aiWc nur in Bezug
aaf den avSpo^owc* Aber dies Wort batte ebemals eine
uns, dau lie für den unfrrivilligen Mörder eintreten rausste, naeh-
dem «r -dl^otc erUoigt hattet dXXd «sl IKHoat taX «attopSf^ai «al
dO^' äTta^ ttsipijxsv A ^p^ notffin . . . i v<|m«. — De die Bedaei und
daa Gesetz sich nur mit der juriatischen Seite dea Aideaia beachSf-
tigen und die Katharsis fast ganz übergehen, das ganze religiOae
Coremoniell aber doch immer fortbestand, so mag hier eine Bethei-
ligung der Phytaliden stattgefunden haben, ohne dass wir sie be-
weisen können. Athenaeos p. JlO A führt eine Stelle in Betreff der
Katharsis der Iv.i-'xi an, welche Dorotheos aus den -«Tpta tüjv \iu-(a-
Tfiioüjv mitgelheilt habe (denn dies ist nicht der Titel der Schrift des
Dorotheos, wie Einige meinen). An Stelle des sinnlosen Hyya-piod)v
bat Lobeek Aglaoph. p. 185 ^inakASn gewtat, O. Mfiller Bamfinideii
8. 163 £6iccnpt8Av mit Hinwda auf die ^ £6inrtpift&v i^-^-ffvl C. L
Graee. n. 766. MOllera Yermuthung hat meiner Anaicht nach aacfa-
lieh gerade sov-iel für sich, als die Lobeoka, paliograjAuadi aber ist
sie, noch wahrscheinlicher, als diese. Der drei Exegeten Bethejügung
bei der Katbertia besesMgt Suid. v. ^etj^fiftai Z.
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128 DIE FOLGiilN D£8 L'RTUEILaSPEUCllEä.
weitere Bedentong. Denn derselbe Anadmok findet sieh
stets in den Gesetzen, wo von dem »Fembleiben von
Markt und Tempeln« die Rede ist, und diese Bestimmung
fand trotzdem auf den Vollbriuirer des Tr>au}xa ix Trpovoi'a;
Anwendung. Denn auch ihm wurde »gekündet« ^s) . Ferner
iässt sich ja auch in diesem Falle eine Versöhnung des
Angreifers mit dem Angegriffene nnd mit dessen Ver-
wandten als Beistftnden (ouvfiuftitomc) sehr wol denken.
Der MOglidikeit einer solchen Annahme steht dämm von
vom herein «chwerlieh etwas im Wege. Aber da unsere
Quellen sie nicht in bestimmter Weise unterstützen . so
;i:enUg:t es darauf hingewiesen zu haben, um fortan nur
die Fälle wirklichen Todtschlages ins Auge zu fassen.
Die aXozaiz hat recht eigentlich ihre Stelle bei der
Behandlung des fdvo; axouaio^ Diesem ist die eine Art
der ßooXsooK (ohne Absicht zu tOdten, aber mit tOdtlichem
Erfolg) gleichartig, denn das ergiebt sich einmal aus der
durchaus parallelen Behandlung des pouXsusai und des
Xeipi ipYaaas^ai, sodann In bestimmterweise daraus, dass
das gleich näher zu behandelnde Gesetz die Bestimmungen
Uber die aiSsai; bringt, nachdem es zuvor die Kategorie
des cpovo; axouaio; und der ßouXsüai; aufgeführt hat.
Noch ein anderer Punkt muss hier schon angedeutet
werden: wie sich die atSsot« gegenttber dem beim Areopag
verklagten, aber flttchtig gewordenen vorsätzliohen MOrder
verhielt? Denn auch in diesem Falle soll naeh der An-
sicht einiger unter den Neueren die atSeotc ihre Stelle
haben. Die Annahme wird sich im* Laufe der Unter-
suchung als unhaltbar erweisen. Einstweilen ist aber
auch diese Kategorie der av$po(povoi zu berücksichtigen,
^) Wie die Auedracke vfntmh u. dei^ anndunen laiaen.
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&TSAKB UND flÜHME.
129
da das Gesetz, wie wir sehen werden, unt^r bestimmten
VoKuiflsetEiiiigen diese der vorigen (der Kategorie der
axoua(a>« xTsCvavrs^) gleich behandelt. Und was von dem
ixm icTs{va< gilt, das findet natttrlich andi auf den ßoo-
Xsoaac ^ itpoWac Anwendung.
Ehe wir die Bedingungen der aiSsai? selbst festzu-
stellen .suelien, haben wir das Verhalten zu betrachten,
welches das Gesetz dem flüchtigen Mörder bis zur Er-
langung der SUbne vorschrieb.
2. Die Lage des flfichtlgeii Morden.
0. Müllerei') hat die Lage des fluchtigen Mörders in
so ergreitend schöner Weise geschildert, dass mir nichts
übrig bliebe, als seine Schilderung hier zu wiederholen,
wollte ich länger bei der Betrachtung dieses allgemdn
gehaltenen Gemäldes verweilen. Ich mOdite dämm, ent-
sprechend dem schmnddosen , fast nflditemen Wortknte
des athenischen Oesetzes, auf die Eriedigung der 'Fragen
mich besehi^nken, welche wir nns, nm die einzelnen Be-
stimmungen im Zusammenhange zu begreifen, beantworten
müssen. *
Gleich nachdem bei dem Könige die Klage gegen
den Todtschläger eingereicht war, hatte dieser die feier-
liche Weisung erhalten, Markt und Tempel femer nicht
zu betreten. Die Wirkung dieser Weisung dauerte ttber
das gerichtliche' Erkenntniss — wenn dieses nicht auf
Freisprechung lautete — hinaus fort bis zu dem Zeit-
l)unkte, wo seine Kückkehr aus der Verbannung' ihm
durch die Süline ennö^liclit war. »Das Land nieidena
* und »von Markt und Tempeln fem bleiben« sind Aus-
Eumeniden S. 133 S.
9
130 DIE FOLGEN DES DETUEILSSPBUCHES.
drücke flir dieselbe Sache, für die Lage des in der Ver-
bannung lebenden Todtschlägers. Demosthenes g. Aristo-
krates giebt drei Bestimmungen aus dem «Gesetze des
Drakom, welche das Verhalten des Mörders während der
Zeit seiner Verbannung regeln und welehe sich in der
Inschrift wiederfinden''^).
»Wenn jemand«, sagt der Bedner § 38 , «den Mörder
todtet oder den Tod des Mörders veranlasst, der sich fem
hält vom Grenzraarkt, von Kampfspielen und amphiktio-
ni sehen Festen, der soll behandelt werden, wie der Mcirder
eines Atheners : die Epheten aber sollen richten.« Der
Mörder geuiesst ausserhalb des Landes und innerhalb der
Grenzen seines Bannes den Schutz der athenischen Ge-
setze; sein Mörder wird wie der Mörder eines Atheners
behandelt d. h. ^voi> angeklagt. Dass dabei die Epheten
richteten, erwShnt das Gesetz ansdrUcklieh , denn es ist
eine Besonderheit, da ja <p6vo? Ixooaio? vor die Competen«
des Areopag, auf wclcliciii Areopagiten richteten, gehörte.
Der Ausdruck otaYivvtotJxstv vom Richter 'wie oixa!^civ vom
Präsidenten) ist in der älteren Sprache technisch und auch
später noch gelegentlich anzutreffen z. B. Antiphon Uber
den Ohorenten § 3. Ans den Worten <ooicsp tov 'Adr|vaiov
xis(vavTa hat man mit Unrecht schHessen wollen'^), in
Athen sd der Mord emes Niditatheners, also z. B. eines
Metoeken nicht mit dem Tode bestraft worden, während
sie doch nur ein kurzer Ausdiuck für die ungemeiu natUr-
3ü) Z. 2() ff. — An allen drei Stellen bei Demosth. sind Gesetzes-
formeln eingelegt, welche mit den Citalen des Redners nicht durch-
aus übereinstimmen. Ich gehe hier von den letzteren aus, dem
Sicheren. Ueber die Constituierung der Inschrift und ihr Verhältniss
SU den Abireichungen der Formeln sagt der Anhang §1.2. Nih^res.
>i} Hefiler Athen. Gerichtaverf. 8. 135 u. A. Oben Anm. 19.
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STRAF£ UND sOHNB.
131
liehe Anschauung sind, welche den Verbannten während
der Verbannungszeit nicht mehr als Landesangehürigen
betrachtet, also auch von dem Kechtsschutze des Staates
ausnimmt. In der Bestimmung der Orte und Gelegen-
heiten» welche der TodtBehläger zu meiden hat, ist der
»Grenzmarkta (a^opa ixftt^a) d. h. der an der Landesgrenze
gelegene >^ eine ebenso kurze wie treffende Bezeichnung
dafür, dass der MOrder das Land flberall nicbt betreten
soll. Die IvUiidei'uniiel nannte Markt und Heiligth Ilmer
von Athen, diese sind hier von selbst ausgeschlossen.
Die Kampfspiele aber und Amphiktionenfeste hat er
aucb ausserhalb Attikas zu meiden, weil er ja dort seine
Landsleute treffen konnte. Weitere Beschränkung ihm
innerhalb des fremden Landes anftnerlegen- ist nicht Sache
der Gesetze Adiens, sondern des Landes, in welchem er
aiflh aufhält.
»Im Inlande«, heisst es an der zweiten Stelle, »darf
mau die Mörder tödten oder gefangen nehmen (auaYsiv),
*-) Diese Erklärung giebt Demosthencs selbst. Die Neueren
haben sie theils angenommen (Saimasius De modo usur. p. 770,
ü. Müller Eumeniden S. 128, Lachmauu Spartan. Staatsverf. S. 163),
theiU, wie Heraldus Animadvers. in Salm. 4, 5, 15 p. SOOmsem^
WiderapnidiageiBt gegen Sabnuius, dfopd und dcpopia trennen wollen,
weil ja Demostfames selbst ei nicht sicher wisse. Aber wir heben
kmn Becht dam, denn die Lexikographen Harpokrat. Phot. Sdd.
opb, Et H. T. dfopol i^plo, Bekk. Anecd. 1 p. 204, audi die,
welche ihre Erklärung nur an das eine Wort l^opk anschliessen,
haben alle aus Demosthenes geschöpft, den sie eitleren. Bei Har-
pokrat. ist noch das dritte lUich der theophrastischen Gesetze citiert,
aber die Erklärung lautet doch ebenso. Also diese alle, auch Pol-
lux 9, S, der mit Demosthenes stimmt, wissen nichts eigenes. Darum
ordnen wir uns wol dem Demosthenes unter.
Vgl. Antiphon Choreut. § 4 dydfxri . . . etp^eeOai mSXcoic»
Upwv, 6uot&v, didisan, &Tztp (xi^iora xal mW^tota toTc dvdpdbicoic.
9*
132 DIS FOLGEN D£8 ÜBTHBILSSP&UCOES.
aber keine Unbill ibnen zufli^^en noch Lösegeld er-
pressen«^^). Das Leben des Mörders ist jetzt verfallen:
aber dennocb giebt daa Gesetz ihn nieäl völliger Willkttr
preis. Er kamt entweder von dem ersten besten ohne
weiteres getOdtet werden oder^) dieser fall ihn dnieh die
Handlung der Apagoge der BdiOrde rar Bestrafiing ra-
znflRhren. £in& iiraY^Y^ «povoo zu den EMnämieni, die
au die Stelle einer vor den Basilens und eine der Mahl-
stätten gebrachten Klage trat, lernten wir früher kennen
(S. 102). Dort aber handelte es Hich um den zu richten-
den, noch nicht verartheiltra Mörder. Hier dagegen ist
das Urthdl sehen gesproehen. Die Todesstrafe braucht
nnr nedi Tolbtreekt ra werden. AUr die Behörde, weiehe
sie ToHsdehen IHssl, nennt vm der Redner selbst dSe sedia
"Utes Mie lh e teB . Er erinnert nenDiHek an einen derartigen
Verbrecher, der aus der Volksversammlung von ihnen
fortgefllhrt worden sei foTr' ^xeCvtov aTraytMvra), d. h. ent-
weder sofort zu dem Henker, oder zu den Eilfinännera,
welche die Hinrichtung vollstrecken Hessen und beauf-
sichtigten. Dann fUhrt der Redner fort: toutoik oov
oncaifsiv l^si (o ndsU 'rov vopov). Diese ouiot sind aber
nicht etwa die Eilfinänner, yoa denen ja gar nieht die
Rede war, sondern die Thesmotheten , weiehe er später
^) Die Worte des Redners Dem. g. Axist p. 629 § 29 ff. Anhengf 2.
^ ditMxsCvetv «al dndrfaa, Jenea MUiMitM|iefea aus. Bubjeet iet
danini tOr dbcoxrttvctv nidit die BdiAide, sondern jeder beUebl^,
welcher auch die dTztxfmxii vornehmen kann. Damm ist xa( =« 4},
wie bri Plato Geaetie p. 871 D i itpotrnjywv . . . xxtc^ixm, t) . . . toT«
apyouot . . . xreXsai 7rap<x8<5Tt». Die andere Erklärung würde wenigstens
umgekehrte Stellung fordern. Die richtige Erklürung Imt Heraldua
Animadvers. in Salmas, p. 299 und Wesseling zu Fetitus Leg. Att.
p. GIO, danach Westermann zu Demosth. g. Aristokrates § 29 j die
falsche Weber zu derselben Stelle.
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HTKAl-'K UND SÜHNE. 133
dentlieh b^Qsdk^net (o aizar^m^ . . . c»c tou? ^oiaoMt«^)
als die Behörde, der jeder beliebige einen avSpocpovoc zn~
ftihren kann, und welche auch vorher als die strafver-
hängeude Behörde genannt sind: oi OsofioOetai touc lid
ifwtf f^nrftmai xupioi davatvp O^^aaai ebu Die Eilf-
wlnw Also luiben bei -dieeer Axt der .^^iig;oge keiae
S4eHe, abgesehen TieQeieht Ton einem ganz äuEneiilehen
an der ISseention^).
DieTödtung eines Mörders (airoxTe(v£tv) unterlag also
kdner gerichtlichen Ahndung. Ebensowenig durfte diese
aber auch denjenigen treffen, welcher derartige Tüdtung
nur vecaulasste, ohne sie selbst auszofUhreii. Veranlaiat
aber wurde sie auch durch eineAnzdge oder einelUai^.
So erU&i ai^ die dritte hierher geh^ge Geseteeaatelle,
weloiie DenKNtiieBeB analeht and weki» meiner Anaidit
^) IKe diwfwfii Venutheiltw oder Veibannter, wddie nidit
turOckkelureD sollten, zu den Thesmotheten muis wol etwa« su
der ständigen 'Competenz dieser Behörde gehörendes gewesen sein.
l>arum beedüiMot ias Volk im peloponnesischen Kriege in Bezog
auf diejenigen, weiche in das vom Feinde besetzte Dekelea überge-
treten waren : cav xi; aÄT&v ^Travioiv äXfcxTjroti, draya^erv 'AOtjvoiojv
TCiv ßouXofjLEvo'^ Tcpo; TOÜ; Oeofxriftlxo;, rapaXdßo-jTi; oe rapaooüvai Tiji
tili TCiü öpjYfAaxo;. Dies Verfalucn, welches Lyk. g, lieokrat. § 121
angiebt, erläutert zugleich den demosthenischen Bericht. — Uebrigens
iwIhm ich Uer «ad kei Demethenes 8. den Anhang § 2 —
die 6 Thesnotfaeteii und niokt nach der urtprtai^idienf w e ite rwi
Bedeutung, weleke nach spater in dnsdnen FiUen s. B. in dem
Ausdruck ato|fto9tTAv dvdxpteic dek findet, die 9 Archonten an,
trotz Pollux 8, 86 ! weil ich nicht glaube, dass ein Kedner des vierten
Jahrhunderts den xweideutigen Ausdruck in einem solchen Falle
anders als in seiner sjÄter gewöhnlichen Bedeutung gebrauchte.
Etwas anders ist es in feststehenden Formeln, deren Bedeutung jeder
kanntt^'. Von dieser Art sind die Fälle, in denen bei den Rednern
die 0 Archonten unter ikafioS^Tai verstanden Averden z. B. Dcmosth.
g. Eubulid. p. § üt> und dagegen g. Le|)tin. p. 484 § 90,
I
134 DIE FOLGEN DES UKTILEIL68PBUCHE8.
nacli uiich in der Inschrift herzustellen ist"'} : »Klage
wegen Mordes ist gegen (Hejenigen nicht zulässig, welche
die TodtschlUger, sofern einer derselben sich begiebt wo-
hin er nicht darf, zur Anzeige hnngen.«
Es bleibt nooh die wichtige Frage zu erledigen, was
ittr eine GUsse von MOrdem nnter der Bezeichnung des
avopo'fovoc in diesen drei Gesetzesahsohnitten verstanden
ist. Welchen Mörder durfte man ungestraft titdten, wenn
er im Lande sich aufhielt, zumal Markt und Tempel be-
trat? währeiui im Auslande ihn zu tJidten Jedem anderen
Morde gleichgeachtet ward. Die älteren Gelehrten haben
mit ilu^n umfangreichen Auseinandersetzungen diese Frage
darum nicht gefördert, weil sie den Gesichtspunkt nicht
beachteten, nach weldiem allein das athenlsehe Gesetz
die Qualität des Mörders untendded: ist der Mord ixoo-
oi'to? oder «xooafi»? begangen? Wichtig aber nenne ich
diese Frage darum, weil Demosthenes hierin von der
Intention des Gesetzes, welches die Inschrift giebt, ab-
zuweichen scheint. Liest man uemlich die Ausführungen
des Redners § 25. 28. 29 — 14, so wird man nicht zweifeln,
dass er nnter dem avdpo^ovo^ an der ersten und zweiten
Stelle (§ 38. — § 29 ff.) einen yorsätzlichen Mörder ver-
steht'^). Besonders deutlich geht dies aus § 45—50 her-
vor. Wie er die Qualität des Mörders an der dritten Stelle
(§ 51 f.) beurthcilt, sagt er nicht ausdrücklich, wahr-
scheinlich aber doch in demselben Sinne. In der Inschrift
dagegen geht das Gesetz aus von dem ^vo< axoüoio«,
^1 Dcmosth. Aristokrat, p. 6:^6 § 51 f. Anhang § 2.
•'") Und zwar in diesem ganzen Abschnitte den gerichtlich vcr-
urtheilten. Diese Einschränkung gieht er später § sü auf, wo er
von der aTrafu^rj gegen den noch nicht verurtheiiten spricht, welche
eben an die Stelle einer "jfpatj«?^ ^övou tritt.
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8TBAFB UND BOHME.
135
Spricht dann von dem Verhalten der Verwandten des 6e-
tOdteten ond knttpft schliesslich Z. 26 ff. diese diei Be-
stimmungen Uber Massregeln gegen den oivSpocpovo? an.
Der Zusammenhang beweist also , dass dieser avopo'f ovo? •
als ax(oi' x-civa; anfgefasst wird, denn nur darum können
diese Bestimmungen hier unter der Kubrik des unfrei-
willigen Todtschlages Platz gefunden haben.
Wie ist dieser Widersprach zwischen Demosthenes
und der Inschrift zu Uisen? Bisher bezog man die Be-
stimmungen entsprechend der Anwendung, welche Demo-
sthenes von ihnen macht , anf Tddtung des Yorsätxlichen
Mörders**). Die Inschrift lehrt uns, dass sie in gleicher
Weise für den Fall der Tödtunj;: eines unvorsätzlichen
Tüdtschlägcrs galten. Jenes ist cl>cn so sicher wie die-
ses. Denn einmal beweist uns das die Interpretation des
Demosthenes. Sodann ist es nothwendig, dass die Aech-
tong, welche die Inschrift ttber den axcwv xts(vac ausspricht,
vollends für den 1% icpovofa« xtsCvo« gilt, so nothwendig,
dass, wenn uns nnr die Inschrift erhalten *vi^bre, wir den
SchlusSj welchen uns jetzt das Zeugniss des Demosthenes
erspart, machen würden, während nach den Worten des
Redners allein auch die Annahme möglieh w\äre, das
Gesetz habe das Leben des unvorsätzlichen Todtsehlägers
unter allen Umständen geschützt, wie ja anch anf^voc
axouoio? von Cterichtswegen nie Todesstrafe stand. «
Wb sehen nnn also ans der Vergleichmig der Inschrift
mit Demosthenes, dass das Gesetz den Urheber eines Yor-
sätzlichen Mordes, welcher durch die Flucht der gericht-
«) HatdiÜ Blisoell. phiL 1 p. 168. Meier De bonis demnat.
p. 43; irie es whdnt, auch SchOmann Antiquit. p. 296 undOriedi.
Alt 1> 8. 498, audi Wachsmuth, deaeen ganser Abwhiiitt (Hdlen,
Alt. 2 8. 216) ahrigeoa viel falfches enthalt.
«
13Ö DIB FOLOKN DES ÜRTHK1L8SPBUCHBB.
liehen Strafe entgangen kt, durchaus gleichstellt dem
Urheber des cpovo; axooaioc, welcher vom Gerichte ver-
bannt worden ist. Im Lande, namentlich anf dem Markte
and an heiliger SUltte betroffen, sind beide yogelfird.
• Ansserhalb Attikas dagegen zielit ihre TOdtong Anklage
anf Mord nach sich. Jener soll Überhaupt nicht heim-
kehren, dieser in der Beobachtung- seiner Verbannungszeit
den Spruch des Gerichtes achten. Es bestätigt sich also,
was 0. Müller Eumeuiden S. 128, freilich ohne es zu
beweisen, aussprach: »Dabei dauerte die thatsäehliche
Blutrache immer noch für bestimmte Fälle fort; sie trat
alsdann ein, wenn der eines vorsätzlichen oder unvorsätz-
lidien Mordes Gestiindige oder Ueberwiesene (dies ist der
rechtliche Begriff des av8po<povo;) sich auf eine wider-
rechtliche Weise im Lande aufhielt.« Die Inschrift er-
wähnt diese Bestimmungen nur flir den einen Fall unter
der Kubrik cpovo; a/ouaioc. Selbstverständlich ist, dass
auch bei der Behandlung des anderen Falles — unter cpovo;
h. icpovofac -r diese Bestimmungen wiederholt worden sind
oder doch auf sie verwiesen wurde.
8. Die Sflline.
Die Verbannung- des Todtschliigers hatte untci- allen
Umständen ihr Ende erreicht und üückkehr war ihm ver-
stattet, sobald er die Versöhnung von Seiten der Verwan-
dten erlangt hatte., lieber diese aiStoi« handelt die In-
Schrift und zwar unter der Yoransfletzung des ^vo« eixoo-
otoc Z. 13—19. Mit ihr stimmt in der Hauptsache die
bei [Deiiiosthenes] g. Makartatos p. 10(>9 einfj^clegte 6e-
sctzesfornicl überein, welche als rarallclstelle schon frlihcr
bei der Betrachtung der Üiage-Einreiühuug [S. 71) heran-
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STRAFE mm SÜHMK.
137
gesogen worden ist^). Wir haben saent das lliueerliclie
Verfiediren bei der at^sot« namentUoh in Bezug auf die
Personen, welche sie gewähren konnten, zu behandeln.
Eist dann kann die Frage beantwortet werden, inwiefern
dies Verfahi-en auch dem vom Areopag zum Tode ver-
urtheüteu av8po(p6vo< gegenüber anwendbar war. ^
1. Die Inschnft nennt Z. 13 ff. die nahen Verwan-
dten, weldie einstimmig (iq tov xoiXoovTa xporsTv) den Mörder
durch Veneihung von aller Strafe befreien lUSnnen. Ob
ÄBeX(poi;, wie alle Handsehriften des Demosflienes geben,
richtig ist oder Ä8eX<pot. lässt sieb nicht entscheiden. Z.
1 6 ff. hcisst es : »Wenn solche — eben genannte — Ver-
wandte nicht existieren, sollen die Epheten zehn Mitglieder
der Phratrie des Erschlagenen auswählen, und diese kön-
nen eben£ftlls, wenn sie wollen, durch Versöhnong den
Mtfrder von der Strafe befreien.« Z. 15. 16 ist eine grössere
Lttoke; Z, 16 liest man S[pit]ov und K6hler mdnt, hier
sei von dem Eide die Bede gewesen, durch welchen der
Kläger vor Gericht sich als Verwandten legitimieren musste
(S. 80). Nun ist aber befremdlich, dass, abgesehen von
den nächsten Verwandten (Vater, Bruder, Sohn) nur
die Phrateren das Kecht haben sollen dem Mörder die
Str^e zu erlassen, nicht die Neffen, Vettern und Vetters-
kinder, die ihnen doch weiter unten Z. 21 f. bei der
Inschrifl: aio£aaoOat ddv (aev -zirrip tj tj ctoeX'^o; t; -jf);,
a-avTi; tj xov xtoXuovrct nfjaTEiv — I,ücke — döv 5e toOtojv iirfiO.'; ^,
xxelviQ 6e axcuv, f^mfii oe ol ttevrrjxovxa xat etc ol i^ixtii axcivta xtetvat,
ioio^tuv oe ol (ppctTepec l«v iftiXostfi hixa, to'jtou; ht ol nevTy^xovTa x«t
$U dpioTlv(t]v alpetodwv. IM» Brg&nzungen giebt der Test im Anhange.
Den Text der Urkunde in der Mokartatoerede adixeibe ich nieht an«,
weil er lieh au» der Betpreohung eigiebt
138 DIE FUf^EN DES UKTHEIL88PRUCHEB.
7rpopprj3t« and SttD^t« vorangehen (S. 77). Da nun Z. 15
a[v]e?p[ot]oT[T,]Toc crg:änzt werden kann, so glaube ich, das«
abgesehen von dem Eide, hier noch d i c Verwandtschafts-
grade genannt waren, welche auf die I)ereit8 genannten
drei nächsten Verwandten folgen, bis zu den Angcheira-
thet^y dass erst dann [ih Bs toutwv [irfizU ijj Z. 16) die
9pat8ps< eintraten. Uebrigens weicht die Inflchrift (aiS^oa-
oOat) von den DemostiieneB-Handsehriften (ioiv Se alU^a-
o9ai Beiß] ab, während sie Z. 18 das ia^Siov aller Hand-
flohriften, welches allgemein in Texten nnd HandbUchem in
a?o£3aa}hov geändert worden ist, bestätigt; ioeaOtuv heisst
aber «hereinlassen«.
Z. 18 lautet: toutooc Se oi TrevTT^xovTa xai zU aptan'vSr^v
aipsiaOmv. Bei Demosthenes, wo die Handschriften touto^
haben, eorrigierte Keiske tooroui;, und nnr dieses hat in der
Inschrift Platz and ist dem Sinne nach nothwendig, wie
wir gleich seheo werden. Statt apioT{v$rjv wollte SchO-
mann Antiquit. p. 196 bei Demosthenes «Yx^orfvBr^v (»nach
der Folge der Verwandtschaftfigrade«) lesen. Die Con-
jectnr ist, soviel ich weiss, von den Späteren nicht an-
genommen; sie wird durch die Inschrift widerlegt und ist
anch dem Sinne nach nicht annehmbar. Denn wenn die
Verwandtschaftsgrade soweit erschöpft warei^, dass die
Fhrateren an die Reihe kamen, so konnte yon näherer
oder fernerer Verwandtschaft mit dem GetOdteten nidit
mehr die Bede sehi — der ^parr^p ist eben nicht mehr
wirklicher Verwandter — wol aber konnten die Epheten
*•) TOlTOi = Touxoj;, nicht toutoi;. Wecklein Ber. d. Münch.
Akad. 1873 S. 5 bemerkt, da» auch toOrotc Fiats gehabt h&tte, wenn
man tOx i%Shm (NXeiw schrieb. — Xirohhoff C. I. Att. n. 61 evgtnst
mit vevindeiter Stellung: Mot[o]v 6i[«a ot ^paTopec töv IMXweiw.
to6TeiK i was w^en des nun im Nadisatie feUenden U vonuiidien.
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STRA^ UND SÜHNE. 139
•
zolin Phrateren nach ihrer Geburt d. i. Vornehmheit auK-
wählcn. Diese wurden dann ans den Geschlechtsangehöri-
gen genommen, welche zugleich mit den Nicht- Genneten
der Phratrie angehörten"), denn nur auf Gentilität be-
zieht sieh bekanntlich das Wort apior^vSijv. Nur die Gen-
tflen der Fhratrie hatten also naeh der Inschrift das Becht,
Strafe zn erlassen, wenn Verwandte nachweisbar nicht
Ywhanden waren.
Ich bemerkte bereits, dass die Lesart toutoo? die einzig
richtige sei. Es ist seltsam, dass wir auf den» Wege,
dieses zu begründen, die Entdeckung machen mUssen,
dass wieder eine und zwar eine sehr berühmte Stelle des
PoUnx auf missverständlicher Aaffassnng des Demosthenes
, beruht, nämlich 8, 125: Imitat tov (wv apiB|Aov eu xal
KSVTi^xovTa, Äpoxoiv 8* aotooc xar^anjacv apiot^vfii^v alpsBiv-
T«;. Abgesehen von PoUox haben wir in der Inschrift
und der entsprechenden Urkunde bei fDemosthenesJ g.
Makartatos das einzige Zeugnis« für die Zahl .51 der
Epbeten. Wer bei Demosthenes toutoi; öe oi TrevrrixovTa
xol eis ol dy^oi otptiTtvSrjV alpeioJ^cov las, musste erklären :
»von diesen oder fUr diese sollen die 51 Epheten nach
Geschlechtern gewählt werden«; dass das tootok bei ge-
nauerer Betrachtung aemlich nnversiändlieh blieb, ttber-
sah ein Gompilator leicht Bedenkt man nan, dass der
Ausdruck aptozivor^v aipetoöai und die Zahl 51 der Epheten
**) S. meine Beiträge zu einer Gesch. des att. Bürgerr. 8. 180.
*2) So übersetzt noch Petitus Leg. Att. p. 624 Wessel. : »adsunto (!)
phratores si velint decem, his quinquaginta et unus ex optimatibus
eliguntor«, und schlägt dann p. 62<> vor outoi ö' u\ . . . atpeiaÖtuv zu
lesen, tvas sich bei Meier De gcntilitate Att. p. 19 wiederfindet.
Diese Aenderung schien bisher durch PoUux empfohlen zu werden,
da ja idiie Stelle ab locua daaiieus über die Bpheten galt.
140 DIK FOLGEN DJüS U&TUEJLSSrJiUCilKS.
nnr in swci FawnngeD des BeKtten — in der In-
sebrift und der Rede gegen Makartatos — und bei PoUnx
sich findet, dass ferner bei Pollux das apiorivoTjV aipsiaOat
auf die Epheten aU Object bezogen ist, während es
doch nach der Inschrift auf die zehn Phraieren gehen
sollte, und dasg schliesslich jene Beziehung nur bei
der Lesart louroi«, welebe alle Demosthenes-Handschriften
bieten y mSglieb war, so ist es nnzweifdhafi, dass die
Worte des P<dlnx m jener Uiknnde der Bede gegen IIa-
luurtaloB geflossen aind*^.
*^*) Weil bei Pollux hier und b, 58 (= [Demosth.j g. 6tei)han. 1
p. 11J5) Urkunden demosthenischer Beden sieh viederfinden, so
folgt, dMB m feiner Zeit ein Theil dieser Urkunden bu Demoethenes
bereite eingd^ war. Wedilein «. O. 8. 6 hilt Binnen Sohlius fdr
nmichtiff und hebt das eben besproebeae xaütmi der Denwrtihenee-
handschriften herTor, sowie dM iccvt^xovra xat et; 7) ol dtp^rat, was
auf flüchtige Benutzung einer inschriftlichen Quelle (HOI
F.<PRTAl) hinweise und schlägt dann Krateros als Quelle des PuUux
vor. Das halte ich ni^p für gan^ verkehrt, will aber zuvor nocli ein
hübsches Beispiel dafür anführen, dass Pollux allerclin<^s inschrift-
liche Texte benutzte. Er nennt 10, 96 f. unter dem Kochgeschirr
Bratspiesse oder etwas derartiges (xpaTcutat) und dann jAoXußooxpaTeu-
tal, wie man auf einon Veneicbniis oonfiacierter Oflter lesen könne
iv tvüe ^A-crneaTc on^Xaic, xstvrai k* HXctwlyi. Das Wort ist falsch
gelesen für |MX6pSw» nL^tmwnA »Stangen Blei«, was sich s. B. auf
einer Werkiediniuig vor EnUeidea findet C. L Att n. 119: (tdXu^c
. . « «paicoitti Sd^cxa; das Blei wurde in solchen Stangen von be-
stimmtem Gewicht in den Handel gebracht, wie Kirchhoff sicher
richtig bemerkt. Was nun Pollux und Krateros betrifft, so sind
die angeführten Lese-Fehler nicht Beweis direkter Benutzung;
einmal begangen, erhallen sie sich bei jedem neuen Ausschreiben.
Bei PüUux Hndet sich unendlich vieles, was sicher aus Demostheues
stammt, ich selbst habe oft darauf hingewiesen. Weswegen soll nun
die eine Mekirtatoe-Ihknade «ua Kiatevoa stammen? Diesen hat
FtoUm nieht benntet; sonst würde er — er citiert ihn einmal —
eine so eigiebige Qnelle nieht so bald aus der Hand gelegt habe».
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I
STRAFE UND SlIUNE. 141
2. Wir liftben mm die Frage an %«urtwqrten, wann
(1. h. bei welcher Art von Todtschlag die aiösai; der Ver-
wandten stattfinden durfte? Die aiBsai? ist aufzufassen
als ein letzter Rest der Selbstbestimranng des Verletzten
oder des Betheiligten, welchen die Gesetzgebung aus der
«Heil Bhttraeiie, di« auf den GnmdBatze der S^bsthlUfe
bembt, mit herUbmiibiii, als de an deien SteHe das
gericbäidie, yom Staate geleiMe Verlieren Mtite. Ob-
wol nnnmebr der Staat die Strafe festgesetzt hat nnd ydII-
zieht, SU räumt er doch noch dem Betheiligten eine Art
Ich erlaube mir, um der Forschung einen Anatosa zu geben, die
Bemerkung, dass ein Sammler dieser Zeit, wie PoUux, neben wirk-
lichen Lexikonartigen Sanimelw«rken flbttdiuipt hOdutens die däni-
schen, Tielgelesenen Autoren kannte, dan inaondnrhwt des Work
des Krateroa jetit Ungst nicht md^ al^ndn belunnt ver. Bb
nur erkürt deh die geringe Zahl der erhaltenen Fragmente des
Letzteren. Wir wissen nicht einmal, ob ein solches Werk überiianpt
durch die. alexandriniBchc Bibliothek noch weiter verbreitet wurde,
da jMie wol viel vollständigere Sammlungen — von Gesetzen
wissen wir das bestimmt: Athenaeos p. öS"» I) — ^ besass. Und wenn
nun PüUux nicht einmal einen Demosthenes .selbständig benutzte,
wie das Zufällige seiner Auswahl zeigt, z. B. da.ss er ä, 118 bei der
Blutrache der Verwandten nicht die ausgiebige, 8, 125 benutite
Makartatos-Urknnde, eondam dne üd dttrftigaie StiUe {Dmoelh.]
g. Euerg. und Hnes. p. 1161 § 73 su Grande legt, — ao «iid man
vd noeb Toreiditiger adn nflaien in der Annabme prunint QudUeD
far Pollnx. Auf der anderen Seite erklixt aMea bei der Be-
nutaung von Onomastika, welche nur Partikeln aus Autoren ent-
hielten. — Was übrigens die im Texte besprochene Stelle betrifft,
so findet sich apirrhoT^v noch einmal bei Pollux 8, 112, gebraucht
Von den 2(J Männern, deren Erwählung nach der Vertreibung der
Dreissig nur er und Andokides Myster. § 82 berichten. Bei Pollux
heiast es: elXorco . . . rffi roXitela; xat Ta»v vijfituv ^rifieXifjTäc, dpi-
9r(v&i]y iictXegd((Mvo<. An solchen Einfluss der Geschlechter kann nun
damalfr kebi Verntnftiger gedaiebt haben. Se^ CtueHe aagte ale<»
etwa to(k df (ctouc*
142
DIE FOLGEN D£8 UBTU£ILSSPRUCU£S.
von EinfliiM darauf ein, ob die Strafe gauz oder theil-
weise vollzogen werden soll oder nicht. Der Betbeiligte
ist entweder der Getödtete — welcher vor seinem Tode
dem Mörder Versöhnung gewähren kimn — oder es sind
die Verwandten, deren Grade frUher bestimmt sind (S. 137).
Was die rechtliche Wirkung der avUaa betrifft, so
beschränkt sie loniehst das Strafinass, indem sie die
Ritokkehr des Todtschligers ans der Verbannung vor Ab-
lauf der Yom Gerichte verhängten Strafe mOgUch macht.
Das zeigt deutlich Demosthenes g. Aristokrates p. 644 § 72 :
cpEUYSiv > ^">? 3tv aloioT^zai n; täv ev '(hei tou ttcttovOotoc.
Aber sie konnte auch die Sfrafe gänzlich aufheben , so
dass die Verbannung gar nicht angetreten zu werden
braochte. Dieses wird zwar nicht durch die Inschrift be-
wiesen, wie ich Mher glaubte^), denn deren Bestimmong
lantet ganz allgemein. Die Annahme scheint mir aber
trotzdem nothwendig. Denn wenn die Verwandten den
Todtschläger unter gewissen Umständen zurückrufen konn-
ten, wann sie wollten, so mussteu sie ihm auch die
**) Neue Jahrb. f. Phil. 1872 S. 595. 604. — ea^oOtuv Z. l« der
Intchrift iat kein bildlicher Ausdruck »zu Qnaden an nehmen«, son*
dam dar Aafenthdt dm Todtacblägers im AiulMide wird wirUieh
vomugewtit. <ft(rf€V* Z. 11 kann entweder, wie bekanntlich eo oft,
Beaeichnong filr den Stand dea Beklagen, oder, waa wol lichtiger,
dne Strafbeatinmiiuig aeint «aoU Vobannnngaatiafe «leiden«. Sie
steht ganz oben an, eben veil sie allgemein ist, obwol doch der
Todtachläger bei dem Urtheilsspruche Z. 12 f. nöch anwesend sein
niiBs. Und gerade weil sie allgemein ist, es aber doch eine gesetz-
lich bestimmte Verbannungsfrist gab. nach deren Ablauf der Todt-
schläger auch ohne den Willen der Verwandten zurückkehren konnte,
deshalb, meine ich, musste eine andere Inschrift Stral'bestimmungen,
auch über den (pövo< (ixo6oio(, enthalten, und verstehe nicht, wie
WeeUein Ber. der MOndi. Akad. 1B73 8. 15 daa hier TinkoaineBde
seibat fOr Dnkona Zeit fltar genfigend halten kann.
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8T&AFE UND SÜUKE.
143
Strafe der Verbannung ganz erlassen können abgesehen
vielleicht von der Erfüllung einer blossen Formalität ''^) .
Aber diese zweifache Wirkung giebt keinen passenden
Eintheilungsgnmd für die Betrachtung der Zuliissigkeit
der aidsoK, sie fordert ttberhaapt keine weitere Behand-
lung, weü der Unterschied für die Saehe gleiehgUltig ist.
Wichtiger ist die erst erw|ihnte AttemntiTe: ob der
GetQdtete selbst noch die atSeot; geehrte oder erst nach
seinem Tode die Verwandten. Diesen Unterschied wer-
den wir fUr die Folge im Auge zu behalten haben , und
hier mag gleich erwähnt werden, was von vorn herein
natttrlicli scheint und auch durch die Quellen sich bestä-
tigen wird, dass das dem Ersteren yon der Gesetagebnng
emgeränmte Beoht «m weiteres war, als das welches
den Letzteren instand.
Die Bestimmungen Uber die aXUm^ in der Inschrift
bezichen sich auf 90VOC axouaio;. und in demselben Sinne
ist deshall) die Parallelstelle in der Rede g. Makartatos
zu erklären. Dabei ist freilich die Möglichkeit nicht aus-
geschlossen, dass eine verlorene Inschrifttafel Bemer-
kungen Uber die ZolSssiglLeit der aidsoi« audi im Falle
eines ^dvoc ixoooto« enthielt. In d^ That hat die An-
nahme, dass die Verwandten den wegen yorsülslichen
Mordes Geflohenen aus der Verbannung zurttekbemfen und
•
mit ihm sich versöhnen konnten, unter den neuereu Ge-
lehrten Vertheidiger gefunden ^^]. Aber es spricht dagegen
**) Die dritte Möglichkeit, dass die atoeoi; nach völlig abge-
bflsster Strafe gewährt werden muss (S. 115) hat gar keine recht-
liehe Wirkung und kommt darum nicht weiter in Frage.
^ Meier De bonfo damn. p. 22, Att Procese 8. 308, De gentU.
Att. p. 19; Hermann Staatsalt, f 104, 6 (ivAhrend er in der Alteren
Abhandlung De vestigu» ete. p. 53 noch im Widerspruche gegen
144 DIE FOLGEN OES UBTUEILSaPSOCHES.
die schon früher betrachtete Stelle des Demosthenes g.
Midias p. 528 § 43 : ol <p^txol (vo(ioi) toü« jisv ix rpovofac
«icoxnwüvia« davorcp xai asirpoT-Ccf xal Sij^ooet täv oitap-
XovTtt)v Cr^fitoooi, Touc V amaiüK fdUauK Mil f iXavdp«rfa«
voKk%^ ^liooav. Wo 8o bestimmt von der immerwSlireii-
den Verbaimimg de» Morden gesproclieB wird, mas& doob
die AbkUmmg derselben dnreh die o^Seat? anggescblossen
sein, wenigstens durch die aiosai? von Seiten der Ver-
wandten, an welche allein au dieser Stelle gedacht wird.
Der Getödtete selbst freilich konnte vor seinem Tode dem
Jtförder verzeihen und ihm dadurch die gerichtliche Strafe
erlassen. Das, aber aneb nicbt mebr als das, beweist
äne andere Stelle des Demostb. g. Pantaenetos
p. 983 § 58 ff., wekbe mit Unreebt Ton den Anbängem
jener Ansiebt in ibrem Sinne verwendet worden ist. Der
Redner führt den Gedanken aus, dass ein Kechtshandel
dnrch eine Uebereinkunft der Parteien beendet sei nnd
nicht einseitig wieder aufgenommen werden dürfe. Das
gelte ja selbst von Processen in Angelegenheiten, welche
wichtiger seien, als die seimge. Denn : xoil foip oxouotoi 90V01
xal ußpstc e^c a |MQ Set xal iroUa oKKa 'tütaBta lirgymt.
ofMBc aitavnov x(mn«»v Spo( xal Xooi( toi^ «aOoQai i;^-
XTttt to mtMnaQ &fwmi» xal xoS^' oiyte» ^(xatov
itSotv layyzi mm, äv IX«v axot>9(ou cpovou xal aa'i^a>;
diriSsi^ac txT^ xaOotpov \lztol taut' aiosar^tai xai acp|^ , ouxir'
IxßaXeTv xupio? lov outov Iotiv. ouöe y'> *v 0 TcaOiuv
aoToc a^j Tou ^ovot», icplv xeXsox^oai, tov 8pa-
Meier der im Texte vertheitligten Ansicht folgtU Gegen Meier: O,
Müller Kumenidon S. 127 und Schöniann Aiiliquit. p. 2^»7. Die
Aelteren, welche entweder ohne Gründe oder doch ohne hinreichende
Begründung su oder so geiegeutlich sich aussprechen, führe ich hier
nicht auf.
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STRAFE UND SOHNB.
145
oavTa. ooosvi -u)V Xoittwv o (iiv e^saTtv Itte^-
tivai, dX// ouc ixicinxeiv xai <peuY&t'V, av dA.t9X(t>v-
rat, xal Tsdvavai irpoaTaTTooatv o{ vojioi, totSrooc
eiv a<ped£otVj aisai a«avTa>v ixXtisi twv Sciv&v
TooTO TO ft^' ^ ^TCffi t'^BTioTvoiy
olmnc b)rosi xal {tivei t6 dt^tvai, oidp Sb ^pif])»aT«»v xoil
2A,aTT0va>v i^xXT^ixawv äxopov forai; jirjoatimc Beider Br-
kläruii^- dieser oft niissverstandeiieu Stelle ist von den
letzten Worten auszngehen. Da hier von einem Erlassen
auch der Todesstrafe (uusp ftsv ^u^^) die Rede ist, so
folgt, dass in dem Vorhergehenden nicht nur ^ovoc axou-
010« (welcher ja nieht mit dem Tode vergolten wmrde)
TOiaiiBgesetzt ist, sondern aaeh 90V0« ixoooio«; das be-
stätigen aneh die rorhergehenden Worte : otk • • • itdvavai
icpo<rraTioo9tv oi vo{&ot. Aber diese Vdranssetsnng des «povo«
4x00310? tritt erst mit eben diosem Satze ouoe , ov 0 Tca-
&o)v auTo<; a^fj toü cpovo-j ein. In den ersten drei Sätzen
dagegen — xai 7010 bis tov aotov imv — wird nur an
(povo; axouaio; gedacht, was durch den Schluss des dritten
Satzes, der nur Verbannung, die Strafe des ^ovo« axouotoc
erwihnt, bewiesen wird: oox^* ixßaXtiv xopio« tov autov
l(mv^^). Nuchdem aber der Redner bis soweit nur von
der Znlässigkeit der atBsoic der Verwandten im Falle omes
«povo? oxoüoio; gesprochen hat, wendet er sich jetzt zu der
aTo£3i?, welche der Getödtete selbst üben konnte und hier
tritt, wie die Ausdrücke TsiWdvat und uTcsp ^^x^i^ zeigen,
die Beziehung auf den 90V01; exousio; mit hinzu. Hier
kann man das ixuCicretv als Folge des ersten, das ^eu^etv
*"j Daraus folgt, dass die Lesart des einzigen Bavaricus exoyoio'j
(für dixoufliou), welche Keiske aufnahm, ebenso verkehrt ist, wie die
VcnnothuDg Heien dbtovobo ixoueloo.
10
146 DIE FOLGEN DJ£8 D&TliEILSSPAUClLKS.
und TsUvavai als Folge des zweiteo Vergehens auf-
fassen ^^j.
Der Getödtete konnte in beiden Fällen dem Mörder
die Strafe erlasfleii) die Verwandten nur im Falle des
^voc axoi>9ioc* Hier zeigt uns die Ueberliefenuig, dass,
wie Yorhin bemerkt wurde, dem Getödteten ein weiter-
gehender EinflnsB anf die BeehtBentseheidnng eingeräumt
war, als seinen Verwandten. Darin Hegt aber kein Wi-
derspruch mit der Stelle der Rede gegen Midias, welche
von der asicpuYi'a des vorsätzlichen Mörders sprach. Denn
wem der Getödtete verziehen hatte, der hrauchte ja diese
907'^ überhaupt nicht anzutreten, und auf diese von dem
GetOdteten zu gewährende aiozau nahm jene allgemein ge-
haltene Stelle keine Rttcksieht.
Mit dieser Stelle, wenn ieh sie richtig erklärt habe,
ist der Beweis geführt, dass die Verwandten nicht die
Strafe für (povo; ixoooioc erlassen oder den fluchtigen Mör-
der zuruciiruteu konnten; und es bedarf keines tieferen
Eingehens auf Phitos Gesetze, welche Uhrigens hier mit
dem attischen Rechte übereinstimmend keiner aideoic Er-
wähnung thun (p. 871).
Wir wenden uns jetzt zn dem ^vo« iatwam mit der
Fra^e, oh ea hier im Belieben der Verwandten stand,
•) Mit tteuat a. O. «— Der ganze Passus dieser Rede mit Aus-
lassung der gesperrt gedruckten Worte oOSi — ^fjjxa findet sich
wieder in der Rede Nausim. u. Xenopeith. p. 990 § 21 ff. Es
scheint von den bisherigen Erklärern nicht beachtet worden zu sein,
dass, da durch diese Auslassung die Beziehung auf den «fivo; exojoto;
fortgefallen ist, die Folgerung tW ürep jacv ^^x^fi . . . eine ent-
schiedene Unrichtigkeit enthält. Ein Ausfall des Satses ut nicht
angunelimML Man neht also, mw fttr Oedeakenlosigkeiten bei der
Wiederholung von Oemeinplitien einem Redner passieren können.
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8TKAFB UND SOHNB. 147
die Strafe der Verbannung dem Todtscbläger durch aiSeoic
zu eijjassen oder abzukllrzeu ? Die Ausdrücke, welche iinB
bisher begegneten^-'), sind ganz allgemein gehalten.
. In einem FaUe war sicher diesem Belieben eine
Schianke §;e8etKt, wenn nemlidi der Verstorbene Tor sei-
nem Tode ihnen die Weisung, den Mord zu ahnden, hin-
terlassen hatte. Die zuföllig erhaltenen Beispiele eines
solchen Verhaltens ^o) beziehen sich zwar auf den Fall des
böswilligen Todtschlages, aber dasselbe ist auch bei dem
9ovo; axouato; denkbar, und dann verstand es sich von
• selbst, dass der Todtschläger seine Strafe völlig abbüssen
mnsste. War jener Auftrag von Seiten des Getödteten nicht
gegeben worden, so mag die afSeoK dem Ermessen der
Verwandten anheim gegeben sein, denn so nur lasst es
sieh erklären, wenn Demosthenes g. Aristokrates sagt,
der Todtschläger solle verbannt sein, av aiSiorjTai' nc
Tuiv £v Y^vEi Tou rsTTovDoTo;. Es muss eben unter einer
Voraussetzung dem Willen der Verwandten ein Spielraum
gewährt worden sein. Aber es war Gewissenssache für
sie, and es versteht sich von selbst, dass, wenn die Klage
einmal gerichtlich anhängig gemacht war, auch eine Er-
ledigung derselben von Seiten der Verwandten nicht ohne
die Einwilligung der Epheten, denen die Ueberwachnng
der Sühne oblag, und der Exegeteu, welche das heilige
Recht auslegten, stattfinden konnte. Ganz verkehrt ist
darum die Auffassung einiger Gelehrten, nach welcher die
^ attioasftai in dem Geaetie, ai^seoo; bei Demosth. g. Mid.
■p. 528 § 43, Imi Set aliioi]Ta( xvi «tX. bei Dem. g. Aristokrat, p. 644
i 72.
^ hnmilpem* mit «nem Vwlmm dei Eligeiit oder Verfolgern
Antiphon Stiefmutter § 1. 29. 30. Lyiies g. Agoratoe § 41. 92.
10*
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148
DI£ FOliOEN DES UBTaEILBäP&UCUES.
Strafe für Todtschhi- mit (Jelde abgekauft werden konnte-'»').
Denn wenn Thcokrincs nach der Angabe einer unt^ den
demosthenischen betindlieheu Kede^^), als sein Bruder gc-
waltBamen Todes gestorben war, zaerst die Thäter auf-
spürte, sogar mit Klagen beim Areopag drohte und sieh
eiidlieh von den MOrdem mit Geld abfinden Hess, so ist
das natürlioli ebensowenig gesetzmässig, wie wenn er das
▼on dem Bnider bekleidete Amt eines Upoirotoc ohne wei-
teres übernimmt.
Nachdem wir den Umfang und die Wirkung der aiosaic
festgestellt haben, bleibt noch die Möglitlikeit zu erwägen,
dass die betreffenden ^'erwaudten ihrer PHicht gegen den
GetOdteten nieht nachkamen nnd dem Mörder gegenüber
sieh willfiAriger bewiesen, als das Gesetz in Bezug auf
die Stthne nnd die geriehtliehe Verfolgang es znliess. Aus
Demostbenes g. Androtion p. 593 § 2 sehen wir, dass es
einem jeden gestattet war, eine Ypacpr^ anzu-
strengen gegen solche, welche mit einem des Mordes Be-
zichtigten verkehrten. Man hat dauaeli mit Berufung auf
Piatos Gesetze angenommen, auch gegen diejenigen habe
das geschehen können, welche ihre Pflichten als Kläger
Tema^htosigten^). Aber es schemt mir unzulässig, aus
Flato, der in so vielen Punkten andere Bestimmungen
aufttellt, als das athenische Gesetz, Sehlttsse zu machen,
wenn für dieselben in der sonstigen Ueberlieferung jeder
Anhalt fehlt. So ist es hier, denn die Beschuldigung des
'•i) Meier De bonis damn. p. 22. Hermann Staatsalt. § 104, 6.
Petersen Om Ejjhetcrne etc. p. 53.
■■»-j g. Theokr. p. l'.VM § r.aoi tou; ^öuojc.
Schümann Antiquit. p. 297, h namentlich mit üezug auf
p. 871 B (86S B).
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STRAFE UND BÜHNE.
149
Aesehines^^), Demosthenes habe eine Klage wegen tpaufM
Ix icpovo(a« im Stiebe gelassen und sei dafür yom Areopag
bestraft worden, diese Besehuldi^^^ung — ob sie nun wahr
ist, oder niebt — beweist nur, dass das Bliitgericbt, wie
jeder andere Gericlit.sliof, den Kläger strafen konnte, wenn
er voreilig und ohne Grund die Beniiihungeü der Itichter
in Anspruch genommeu hatte. Ob aber, wenn ein Grund
vorhanden war und der Kläger alsdann seiner Pflicht nicht
genügte, der Staat selbst die Saehe in die Hand nehmen
konnte oder SIQttel besass, den Kläger znr ordnnngsmäs-
aigen Fflhmng seiner Sache zn zvdngen, dartlber mttssen
wir bekennen im unklaren zn sdn.
Aesch. Geaandtichaft § 93.
IV.
Befugnisse der Areopagiteu ausser der
Blutgericlitebarkeit (im Zeitalter
der Redner).
I
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Während die Gompetenz der Epheten, seit diese deut-
lieh in nnseren Oesiehtskreis treten, also seit Drakon,
stets auf die Blntgeriehtsbarkeitbesohi^inkt blieb, erstreckte
sieh die Wirksamkeit des Oolleginms der Areopagiten anf
vielerlei Gegenstönde, welche mit dieser Bcfugniss gar
keinen Zusammenhang haben. Die Areopagiten sind nicht
nur Kichtercollegium , sondern auch Verwaltungsbehörde
und Staatsrath. Aber in diesen Befugnissen hat sich im
Laufe der Zeit so vieles geändert und an den entschei-
denden Punkten erweist sich unsere Ueberliefenmg als so
unzuteiehend, dass es niemals gelingen wird, diese Seite
der areopagitisehen Gompetenz scharf zu umgrenzen.
Es ist oft bemerkt worden, dass die Grenzen der
areopagitisehen Rechtsbefugniss im Zeitalter der Redner,
wo unsere Quellen noch am reichliclisten fliessen . nicht
nur fUr unsere auf alle Fälle unsichere Erkcnntniss und
etwa in Folge der unvollständigen Ueberlieferung, son-
dern in Wirkliehkeit und nach der Anschauung unserer
Gewjfbrsmäimer selbst, unbestimmt und dehnbar erscheinen.
Eine blosse AuMhlung der einzefaien hierher gehörigen
Fftlle hat darum keinen Werth, wenn auf diesem Wege
nicht eine Vorstellung über diejenigen Zeiten , wo diese
Grenzen noch deutlicher gezogen waren, gewonnen und
danach die im Laufe der Geschichte eingetretenen Ver-
154 BEFD«KI88B URB AXEOPABTTEH
Sndernngen benrtiheilt weiden können. Ifit anderen Wor-
ten: wihrend die Feststellung der blntrichterlidien ThÄ-
tigkeit der Areopagiten abgesehen von allem geschicht-
lichen Interesse ihren Werth hat für das Verständniss
einer grossen Anzahl erhaltener Reden, kommt die Be-
trachtung der übrigen areopagi tischen Competenz durch-
aus der Verfassungsgeschichte zu gute. Für die
Erklärung der Redner ist sie kein so nothwendiges £r-
fordenÜBB, da unter der Voraussetzung einer nicht scharf
begrenzten Befhgniss die einzelnen Vorkommnisse auch in
ihrer Vereinzelang sich begreifen lassen.
Aber auf der andern Seite ist es klar, wie ungenü-
gend leider die Grundlag:e ist. welche wir uns auf diese
Weise für eine Geschichte des Areopag schaffen können.
Denn wie schwer ist es ältere und JlUip:ere Bestandtheile
zu sondern, wenn uns an Stelle bestimmt abgegrenzter
Rechte und eines fttr Rückschlüsse oftmals so werthyollen
ausgepdigten Fotmenwesens eine Menge innerlich
scheinbar wenig zusammenhängender Thatsachen entge-
gentreten, welche bald auf wirkliche Rechte schliessen
lassen, bald aber auch in zufällig so oder so getroffenen
Einrichtungen oder thatsächlichen Zugeständnissen ihren
Grund haben können!
Diese Bemerkungen werden es rechtfertigen, wenn ich
im folgenden nur in grossen Zttgen eine Uebersicht Uber
die Competenz der Areopagiten in der Bednerzeit^)
>) Natflrlich abgeadien von der bereits behandelten Blutge-
richtebarkeit. — Auf die BednerBeit beschrankt eich dieser Ab-
aehnitt dämm, wdl et wfiaaehraiweith iiti fta eine systemalMohe
Uebersicht eine Art lESnhdlt der Zeit su haben. Diese ist aber für
den Areopag in dem genannten Zeiträume gegeben, weil das Jahr
des £ttkleide8 403/2 hier keine Epoche macht. In Kleinigkeiten ist
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^ AUSSER DER BLUTGEUCtlTSBARKEIT. 155
gebe, ohne mich anf Einzelheiten eiuzulaBsen, welche den
vorliegenden Zweck nicht fördern. Das vorhandene Ma-
terial ist, 80 gut es gehen wollte, nacli bestimmten Grup-
pen geordnet. Innerhalb der letzteren ist auf die chrono-
logische Bedeutung der einzelnen Zeugnisse hingewiesen,
hie und da aaeh ihr Werth fttr die Haaptmpmente der
GeseUehte des Areopag Torlftnfig angedeutet worden.
Oap. L BefiignisBe des Aieopag, welche mit dem Gultiui
zusammenhängen.
Um von zwei sicher bezeugten Thatsaehen auszu-
gehen , so stehen die Areopagiten zuerst in nahem Zu-
sammenhange mit dem Cnlte der Enmeniden, deren Prie-
sterthum in dem Geschlechte der Ilesychiden erblich war.
Der Areopag wird hier mancherlei anzuordnen gehabt
haben ; ein Zeugniss erwähnt die Wahl der Opferbesteller^j.
Zweitens lag dem Areopag die Beaufsichtigung der hei-
ligen Oelbäume ((Mp^at) ob, welche sämtlidh der Stadt-
gOttin gehörten und iheils zu grossen Pflanzungen auf
einem OlfentKchCn Gmndstficke neben der Akademie ver-
einigt, theils Uber Privatländereien zerstreut waren, deren
aus sachlichen Kücksichten die Grenze bisweilen nicht strenge inne-
gehalten. Uebrigens wird, was sich auf die Zeit vor E{)hialtes einer-
seits und andererseits seit Demetrius von Phaleron bezieht, in dem
letzten historischen Abschnitte behandelt werden.
S) O. Mflller Bomeniden 8. 180. Uebor die Hetyehiden: Meier
De gentä. Att. p. 45, die BeateUung dar kpoirotot : Sdiol. Demosth.
g. Mid. p. 652.
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I
ibü BEsvommit dbe abeopagitkk
Besitzer dann die Pflege als Servitut /a\ tragm hatten'*).
Die Zerstörung eines dieser Bäume war ein P'revel gegen
die (lottheit und wurde durch die Ypa'fi^ aoeßsi'a? verfolgt,
welehe in diesem FaUe sicher den Areopagiten nnter
dem Yorsitse des Aiehon-Etinig znr Entaeheidung unter-
lag^).
Anders aber stellt siek die Sache, wenn wir das ganze
ausserordentlich weite Gebiet der Vergehen ins Auge fas-
sen, welclie das athenische Gesetz unter den Begriif der
Keligionsverletzuug stellte und durch die Ypacpig otaeßsia?
zu verfolgen gestattete. Die zalüreiehen Beispiele dieser
KUige gehören den verschiedenstei^ Zeiträumen an und
sind (Alfter zusammengestellt worden z. B. von Meier Att.
Process S. 300 ff. und Platner Process und Klagen 2
S. 138 ff. Doch die daraus gewonnenen allgemeinen
Grundsätze haben sich mir nicht bestätigt. Um in einer
Frage, auf welche eine für alle Einzelheiten sichere Ant-
wort doch nicht mehr zu gewinnen ist, nicht weitläutig
zu werden, theilc ich diMä Jlirgebniss meiner Prüfung mit.
Vorstand bei den Processen wegen aoipeia ist der Archon-
König; aber auch nicht einmal immer; Richter sin^ ent-
weder die Areopagiten oder die Heliasten, bisweilen sind
diese aus der Zahl der in die Hysterien Eingeweihten ge-
nommen (Andokides Mysterienrede § 29), auch wol etwa
durcli P^uiuolpiden ersetzt''). Man kann nun nicht sagen,
dass die Competeuz der Areopagiten das Kegelmässige ist
3j Lysias irepl xoü ar,xo5 und Rauchenstein. Meier Att. Process
S. ;3U2. üelbäume im Privatbesitze [ilä.'xi] gingen den Areopag
nichts an; ihren Schutz Uess sich indessen der Staat angelegen sein.
*) Lysias a. O.
^] Uemostb. g. Androt. p. 601 § 27, [Lysias] g. Andokld. § 10
und Meier Att. Frooeas S. 117.
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AUflSEU DEU ULUTORRICH'l^BARKEIT. 157
und ein heliastiBclies Gericht in AnsnahmefftHen eintritt.
Man kann die Verechiedenheit der Richter weder aas einer
der Zeit nach verschiedenen Beluinclluii^^, noch durch Anf-
stelluuf::: iiUgeniciner Grundsätze geuügcud erklären. Nur
soviel seheint festzustehen, dass die Heliasten in histo-
rischer Zeit die zuständigen Richter waren nnd, wo die
Areopagiten eintreten, eine für uns ni^t immer mehr er-
kennbare besondere Venudasänng angenommen werden
mnsB, wie sie die Bede des Lysiafl ttber den Oelbanm jfür
den einen Fall zeigt.
Ebensowenig wie diese Proeesse von vorn herein vor
das Forum des Areopag gehörten, lässt es sich nachwei-
sen, dass der letztere iu historischer Zeit gesetzmässig
dazu Ibemfen war, Massregeln zum Sehutze des Cultus zu
treffen ansser insofern etwa ein solches YerÜEÜiren durch
besondere, ihm übertragene Befugnisse, von denen später
die Rede sein wird, yeranlasst war. Auch die Aufnahme
neuer Culte hing nicht von seiner Entscheidung ab, wie
man vielfach aus ilarpokration geschlosscu iiat. Die-
•) lEbip. V. iT.iHroui iuprcdi. 'looxpdtrji dv 'ApeoiraYmx^. Td; jx-^
a&toT« xal iiAbvtd xt>m, 6iidoa ja^ iceirpta Uvin i^ 1$ *Apc(ou ttd^o^t ßouXi?)
idxaCsv, «bc oafic icoieT Aoshtc «tX. Das erate knüpft an Uokrat.
Areop. § 29 an, der gar nicht den Areopi^ «rwfihnt; das andere
bezieht sich auf Commissionen des Areopag, ^rffi<stti u. dgl., nicht
auf CultCj wie Schömann früher De comitiis p. 299 nach Petitus an-
nahm. Neuerdings will Christcnsen Areopagos p. 17 f. dies wieder
auf den Cultus beziehen und zwar auf geduldete, aber nicht officiell
anerkannte Privatculte. Waren diese der Staatsreligion oder der
Sittlichkeit schädlich, so stand es dem Areopag zu einzuschreiten.
Aber Christensen dehnt die mit dem Beligionswesen zusammenh&n-
gende BeAigniss Tiel lu sehr ans, was ich hier ein ftr allemal be*
teerke, da ich anf eine Kritik dieses Theils seiner Schrift lücht ein-
gehen kann.
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»
158 BEFÜONIBSB DBB ABBOPAGITBN
selbe vollzog sich vielmehr, wie jeder andere legislative
Akt, auf dem gewöhnlichen Wege eines Yolksbescblosses
imter Mitwirkung des Raths der Fttnfhnndert^j.
Gap. 2. Markt- and Baupolizei.
1 . Auf marktpolizeiliche Befugnisse hat man eine Be-
stimmung in einem athenischen Volksbeschlusse aus spä-
terer Zeit bezogen^;. Dieser verfügt die Anfertigung von
Mustermassen und Mustergewichten, welche in üUeosis und
an bestimmten Stelleu Athens aufgestellt werden sollen,
bedroht femer die Beaehädiger oder Verfälscher dieser de-
ponierten Normalstflcke (iav Ii tt< oXbxi^tai
TOI (jiiTpa xal Ta mS^yk ta xef^uva . . .) mit der Strafe,
welche das Gesetz über die xaxoopyoi yerhänge, und fUgt
schliesslich hinzu : ertfxsXetsDtu o£ xat rj ßooXTq rj I; Apci'ou
TtdtYOi) xai Tov xa/G'jpYouv-a ti Trspi xaura xoXaCsTo) u. s. w.
Die hier dem Areopag ertheilte Competenz hat mit der
Marktpolizei gar nichts gemein, da die Straf bestiomung
sich nicht gegen den Gebrauch üalscher Masse, sondern
gegen die Beschädigung der Muster richtet. Der Areopag
soll also Vergehen nntersnchen und bestrafen, durch welche
Einrichtungen des Staates zum Nachflieile seiner Ange-
hörigen verletzt sind.
Wir wissen nicht, ob eine solche Aufgabe dem Areo-
pag jetzt zum ersten male übertragen ist, oder ob die
Schömann De comitüs p. 297 ff. opusc. acad. 3 p. 42S ff.
*) Westermann «Areopag« in Paulys Realencyklop&die. — Volks-
beschluss bei Böckh Staatsh. 2 S. 356 ff.
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AUSSER DE& BLUTGE&ICUTSBAlUUi^T.
159
Bestimmnng, was nacb dem Wortlaute ebensowol möglich
ist, auf eine für diese Zeit ständige Befugniss sich be-
zieht, und iu dem zweiten Falle lässt sich nach dem einen
Hechte der ganze Umfang der Befugniss nicht beurtheileu.
Auf jeden Fall aber handelt e$ sich nicht um ein Recht
von erheblicher Bedeutung. Die Inschrift stammt aus
der Zeit der swOlf Phylen und mrird mus später noch ein-
mal beschäftigen >J.
2. Nach der' Atbeniscben Politie des s. g. Heraklei-
des Pontikos hatte der Areopag die Sorge dafür, dass nicht
öffentliche Wege und Plätze verbaut würden ^^j; das Zeug-
niss scheint sogar auf den ersten Blick auf die Zeit kurz
nach den Perserkriegen sich zu beziehen"). Aber bei
näherer Betrachtung ist doch mehr als wahrscheinlich, dass
hier verschiedenartige Notizen zusammengestellt und nach
Aus&ll einzelner Worte nothdiirflag zu einem Ganzen ver-
bunden sind^, welches wol bei einigem Aufwände von
Interpretationskunst den erwähnten Sinn geben kann, als
historisches Zeugniss aber nicht mehr verwendet werden
darf.
Kun bleibt uns noch der interessante Bericht des
*) Abaehnitt V Cap. 3, ^ hier beseiehoete Befugniss dnrdi
dn Beispiel aus TadtiiB erUtutert ist.
Oft ausgesprochen z. B. Schümann Antiquit. p. 300, 10.
Böckh Staatsh. 1 S. 92. Nur Hermann Staatsalt. § 109, 10 misa^
traut dem Zeugnisse nach Schneidewin.
") Wachsmuth Hellen. Alt 2 S. 419: »Themistokles und Aristei-
de» wirkten einen ßeschluss des Areopag aus, dass niemand u. s. w.«
*2) Schneidewin zu Herakieides p. 41 ff. BeiAiOTOxXiit xai Api-
0Ti(8i)c "h 'Apc(ou wtjm icoXXd ISAvoxo xal töv
6(ibv imiuXoQvcat (nemlich die 6ioiioto() 6nwc ^ xtvtc dvotxoftofftAeiv
160
BEFUOKIME DER ABROPAGITEK
Aesohines g. Timaroh § 80 ff. ttbw einen Antrag des
Timaroh an die Volksversammlnng, die verödeten Quar*
tiere um die Pnyx hemm zn bebauen. Diesen Plan hat
der Areopag in einem -Ctntaehten verworfen, welches einer
der Areopaj^nten der Volksversammlung vorträgt; vielleicht
ist das ganze Collegium , jedenfalls ein Theil desselben
in der Ekklesie anwesend '3).
Auch hier ist zu fragen, ob es sich um einen verein-
zelten Fall oder um eine süUidige Competenz handelt ^^).
Das Eingreifen des Areopag erscheint nach der Erzählung
des Aeschines als etwas so gewöhnliches, dass es jeden-
falls in seiner Competenz flSae diese Zeit — viertes Jahr-
hundert — begründet sein mnss. Denn wie konnte ein
beliebiger Bürger beantragen, der Areopag solle den Ge-
genstand seines Antrages priltcn , wenn der Gegenstand
an sich den Areopag nichts anging! Dass aber die An-
gelegenheit wirklich nichts für den Geschäftskreis des
Areopag fremdartiges war, zeigt vielleicht eine kleine An-
spielung des vortragenden Areopagiten: »Wundert euch
nicht, dass Thnarchos in diesen EinOden besser Bescheid
weiss, als der Areopag.« Die Tolksversammlung lacht und
bezieht das aufTimarchs sehlechten Lebenswandel. Aber
der Areopagit will das nicht genieint haben und fährt fort :
»Wir Areopagiten wollen den Timarchos weder beschuldigen
noch freisprechen, denn das ist uns nicht aufgetragen,
können aber seinen Plan einigermassen auf folgende Weise
uns erklären. Er meint, dort in der EinOde k(tnntet ihr
sehr billig leben, t Das Volk lacht und tobt nooh heftiger,
§ 84 icapo6arj; tt^; H 'Apsiou Ttdfoo* ^wXfii. — touttov £vovt(ov.
Ersteres Schömann De comitüs p. 294, Schneidewin zu
Herakleides a. O. Letsteres Sohömaim Aatiquit p. 300, 10 und
Andere.
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AUSSER D£R BLUT6£EICUTSBABKE1T.
161
indem es nicht an die wolfeilen Bauplätze denkt, sondern
an Timarchs einsame Freuden erinnert zn werden glaubt.
Der Areopagit, welcher hier in streng sachlicher Weise
referiert, das Gelächter der Athener unwillig aufnimmt
mid sich gegen falsche f'olgenmgen aus Beiner Bede Ter-
verwalurt, kann mit den ersterwähnten Worten: xal icepl
T^C 2piltt^ TauTijc wa toicoo totS iv IIuxvl [aiq ftaofAo-
-Kütyw — nicht anf Timarchs Erfahrung in schlechten Din-
gen, auf seinen Lebenswandel, anspielen wollen, sondern
er darf nur von seiner eingebildeten Geschäftskenntniss
reden, in der er sich mehr zu wissen zutraue, als der
Areopag versteht. Der Areopag muss also durch seine
Beschäftigung mit ähnlichen Angelegenheiten eine gewisse
Erfahrung sich haben verschaffen können.
Direkte Zeugnisse ttber die baupolizeiliche Befhgniss
des Areopag in itlterer Zeit haben wir nicht. Aber es ist
oft und, wie ich glaube, mit Recht daran erinnert wor-
den, dass die Gerichtsbarkeit Uber Brandstiftung,
welche der Areopag ausübte und w^elche doch mit den
rpovixct, neben denen sie stets aufgeführt ist, keinen Zu-
sammenhang hat, am besten als Ausfiuss eines Yerwal-
tungsreohtes sich begreifen lässt^^). Alsdann müssen wir
dieses letztere, die Baupolizei, zn den ältesten Bechten des
Areopag rechnen, denn die tp«?^ icupxaiSc fährt bereits
das drakontische Gesetz in seiner ältesten, uns ttberliefer-
ten Fassung neben den cpovixa unter dem Spmehgebiete
des Areopag auf^^j. Und sonderbarer Weise hat auch
dieses Recht mit am längsten gedauert, denn es besteht.
Heffter Athen. OeTicMsverf. S. 180, Meier Att. Prooess S. 315»
Schömann Antiquit. p. 300, 11.
Oben S. 23.
11
162 BEFUä2<I8ä£ D£Il AREOPAOITEN
noch in ritolfleber Zeit, wie wir bei der Betraclitang der
späteren behicksale des Areopag sehen werden ^^}.
Gap. 3. Aufsicht über das Erziehuugsweseu und
Sittenpolisei.
1. Die Schilderung, welche Isokiates im Areopagitikos
§ 37 — 55 von der segensreielieu Aufsicht des Areopa^^ Uber
die Erziehung der Jugend und die Führung der Erwachse-
nen entwirft, bezieht sich auf die Vergaiip:euheit. Wie viel
in ihr den einstigen Verhältnissen wirklich entspricht, wie
viel aus dem Wunsche des Lohredners der alten Zeit, es
m($chte wirklich so gewesen sein, hervorgegangen ist,
können wir nicht mehr entscheiden. Einen spedellen An-
theil an der Jugenderziehung weist nur der späte Verfasser
des pseudoplatüuiöcheu Axiochos dem Areopag zu'*»].
2. Damit ist, was über den Areopag als Erziehungs-
rath überliefert wird, erschöpft. Bei der Betrachtung sei-
Unten Abschnitt V Cap. 3.
^**) p. 367 A xai irä; b toD ijt.etpax(!T7to'j y_p<5vo; dariv üiro oo>^po*^tT:dc
xal TT,v iri TO'j; vlo'j; ctTpestv rffi iz Apsiou rAy/j ßo'jXi^;. Die zehn
Sophronisten kommen allerdings sonst nur in den Lexicis und spä-
teren Inschriften (C. 1. Gr. n. 214) vor s. Böckh Staatsh. 1 S. 337,
Schömann Antiquit. p. 337. Ob sie aber, wie Schömann will, erst
•eit aleundrimacher Zeit existiMten? Bemotth. 0«saadtw»b. p. 433
( 2S5 enthllt doch wol eine Anspielimg atif das besteheode Amt»
während der Gebrauch des Wortes bei Thuk. 3, 65. 6, 67 eich ans
der bekannten Vorliebe für substantiviieh^ Ausdrücke anstatt verbaler
erklären Usst, wie namentlich der Singular an einer dritten Stelle
klar macht töv SiJ(ftOV Av xs «otta^JT^j^ cTv«t «ai ixelvoiv 9m^^-
<«t3TT)V 8, 48.
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AUSSER D£K BLUTUEUICUTäBARKEIT.
163
Her sittenpolizeilielieii Befugniss empfiehlt es ddi Ton zwei
häufig' aiigcl'iiinteu P^inriclitungen auszugehen.
Gegen M ii s s i g g ä n g c r und V e r s c h vv ende r konnte
— 80 lautet die gewiJhnliche Ansicht — jeder Atlieuei
bei dem Areoi)ag klagbar werden, in jenem Falle durch
die Yp«9^ apif£oi(> in diesem durch eine Klage wegen Ter-
sehwendung (ra icatpipa xattdriSoxivat) .
Der vo(M>c apY^^ gehSrt zu den älteren Bestandtheilen
der athemseben Gesetagebung, denn unsere Quellen werfen
Uber ihn die so oft wiederkehrende Streitfrage anf, ob er
von Solon oder von Drakon stamme . und suchen Uber
das Verhältniss der Bestimmungen beider Gesetzgeber zu
entscheiden. Nach zwei Fragmenten lysiassischer Reden
stammte das Gesetz von Drakon und war von Solon bei-
behalten worden; dieser hatte verfügt, dass jeder Athe-
ner die Klage anstellen könnte, und als Strafe des Be-
klagten bei einmaliger Yemrtheilnng 100 Drachmen , bei
dreimaliger dagegen Atimie festgesetzt. Wir werden nieht
irren, wenn wir annehmen, dass dies das zur Zeit gel-
tende Verfahren war, welches der Redner — mit wieviel
Kecht, steht dahin — auf Solon zurückführte. Wenn er
^} Von Neueren nenne ich nur Meier De bonie damn. p. 130 f.,
Att. Process S. 298 f., wo die enrihnenswerthe iltere Literatur aiif-
gefOhrt ist. Meine Stellensammlung ist noch etwas vnllsttndiger und
genauer. Meier nimmt als Vorstand den Archon Eponymos an, ee
muss natürlich der Basileus sein.
20 Nur nacli Herod. 2, 177 und ])iod. 1, 77 holt Solon das Ge-
setz aus Aegypten, was sich von selbst widerlegt. Nach Theophrast
bei riut. Solon 31 soll das Oesetz erst von Pisistratus stammen, <{i
Tfjv TS '/(»pav ivepYesrfpav xai t^jv röXiv fjpe[jLaioT£pav drolr^aev. AUein
die SehArfe des O^ensaties hat irol nicht in der Absieht des Oe-
wihrsmanne«, sondern in der CompQationssiethode dea Ueberliefem-
den ihren Onuid. Pie anderen Quellen geben Drakon oder Solon.
II»
164
BCrUGinME DES ABEOPAGCTEN
ferner sa^. nach Drakons Gesetze sei TtMlesstrafe auf das
Vergehen gesetzt, so ist dies Urtheil aus der allgemeinen
Ansicht des Alterthums, nach welcher Drakons Gesetze
keine geringere Strafe als diese kannten, hervorgegangen ;
wenigstens haben wir dieser Beobaehtnog gegenttber keine
anthentlM^e Ueberliefemng Uber diesen elnzebien Fall
zum Beweise aoziifUireii*'). Wir haben nur ein Zengniss
daftr, dass das Gesetz noeh in der Bednerzdt galt, nem-
lieh Demosth. g. Enbnlides p. 1308 § 32, also yermnth-
lieh in der von Lysias als solonisch bezeichneten Fas-
sung-- . Vor welches Forum die Klage in dieser Zeit
gehörte, erfahren wir nicht. Nach Plutarch hatte Solon
den Areopag zum Kichter eingesetzt .
Weniger wissen wir Uber die Klage gegen Ver-
schwender, nnd das wenige, was überliefert ist, wird
zn einer von der gewöhnlichen Ansicht abweichenden Anf-
fassnng ftthren. Unter den Notizen der späteren Sammler
sind nnr solche zn gebranchen, welche anf Quellen znrHek-
gehen. die fllr uns noch controlierbar sind. Die eine
giebt Follux 6, '69 : Xr:zo^or^; >.Ta ovra xaTGt^ißpujxsv« r^r^oiv
avTi 100 »xaiedi^ooxsvtt. lu welchem Zusammenhange Hy-
<i) Lysits bei Laert. Diog. Solon 55 Ap^hovcd ^ot Yt^paf ivat
t6v vifjLOv, 2»5).wva Ii TeSEtvivat. LeJL rhet. hinter Photios v. dp^ia«
fit*"!): A'JOiac iv Ttji xTza 'Apiaroiv^c <fr^9V* ?Tt Apdhcwv f^-t 6 öcU T^v v4-
d).A d-:i[J.tav, iav t'.; 6.'f <[> -zhon 'lies toi;\ ä-- 0' otra;, !|T,fjLtoyo8at opaypa^
EvtaTov. Ebenso Plut. Solon 17 in Bezug auf Drakon. Pollux 8, 42:
TT,; Ii ÄpY''» H^^*' i^pdxovTO; dTt(xia r^"» xo x{{i.T^[Aa, izi hk XöAxuvo;^
ei Tplc Iii äXijir^, f^TtjAo^To, eine seiner vielen' Ungenauigkeiten t
11} Flut Solon 22 t^v ig 'Apstou ndfO'j ßo.>X-?;v {xv^cv immo-
icctv, 88cv fnaeroc ^<t iicn^^t«« »al tovc dpTOu« xoXdCitv.
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* AUSSER DES BLUTGERICBT8BABKEIT. 165
pendes Yon diesem Vergehen spraeh, lehrt uns die zweite
Stelle 8, 44: 8oxi(i.ao{a S& tote apxouatv iiniifY^^^*^ • • • •
eiT* imn^8eto( eZotv ap^siv elxe xal xal tote Sriixa^wYoT;, &{
T|Taipr^xoTS(; eiev \ ta icaTp^a xateSijSoxoTE; \ xou; y^^^*''^ xexa-
sivai xal jxr, Xsysiv. Diese ist vvahrscheiulich aus der Kede
des Aeschines Timarch^^j, jedenfalls aber aus einer
gleichartigen BednersteUe geflossen, und sie ist das ein-
zige Zeugniss, welches nns zeigt, in welcher Bezie-
hung das in Bede stehende Vergehen bei den Atiienem in
Betracht kam. Danach handelt es sieh nun nicht mehr
um ein dnreh eine Klage von einem beliebigen Athener
zu verfolgendes Verbrechen. Sondern die Vergeudung des
Veniiügens ist eines von den vielen unehrenhaften Ver-
gehen , welche den Thäter unfähig machten, ein Staats-
anit zu bekleiden , als Redner in der Volksversammlung
au&utreteu oder eine ähnliche öffentliche Handlung vor-
zunehmen. In diesem Falle konnte jeder Athener Ein-
spruch thnn und fordern, dass der Betreffende, wenn er
auf seinem Vorsatze, Jene Handlung vorzunehmen, bestand,
zuvor sich wegen des ihm zur Last gelegten Vergehens
verantworte. Das weitere Verfahren war processualisch.
Haui)tkläger war der, welcher Einspruch erhoben hatte;
das zuständige Gericht war ein lieliastisches^*).
Wir haben also diese »Klage gegen Verschwender«
ganz aus dem Spruchgebiete des Areopag zu beseitigen
^oox^ .... vorher § 2S tou; alr/pü); ^eßituxcSTac. — tiv icotipa
'■^^) Näheres über diese »Dokimasie der liedner« S. Att. Process
S. 209 ff. Schömann Griech. Alt. S. 418.
166 B£FUG1I188£ DER ABEOPAOITEN
und wenden uns jetzt zur Betrachtung derjenigen histo-
rischen Zeugnisse, welche für die sittcnnchtcriiche Com-
petenz des Areopag angeführt zu werden pflegen.
Die Bede gegen Neaera2<>) erzählt folgenden Vorfall.
Theogenes ist Archon-König and hat seine Frau, welche
als Tochter der Neaera eine H^T^ ist, in ihrer Eigenschaft
als Gemahlin des Königs die Opfer vemchten lassen,
welche doch nur eine atlienisclie Bürgerin besorgen durfte.
Als nun die Amtszeit abgelaufen ist und der König mit
den übrigen Archonten zum Eintritt in das Collegium der
Areopagiten sich meldet, zieht ihn dieses zur Verantwor-
tung und wiU ihn strafen. Da der König aber den Be-
weis liefert, um die Abstammung seiner Frau nicht ge-
wusst zu haben und sie sofort zu Verstössen yerspricht,
so kommt er mit einer Verwarnung davon. Die ganze
Erzählung mit allen ihren Wendungen ^"j zeigt, dass es
sich hier nicht um eine allgemeine sittenrichterliche Macht
des Areopag handelt, sondern um Massregeln . welche die-
ser bei der Dokimasie eines künftigen Mitgliedes zu
tthen hatte. Jene andere Auffassung wird sogar durch
das etwa gleichzeitige Zeugniss des Isokrates auf das be-
stimmteste widerlegt. Dieser bezeichnet auf der einen
Seite die Sittencensur des Areopag als zu seiner Zeit nicht
mehr existierend ^) . Auf der andern — sa gt er weiter ^
») [Demosth.] p. 1372 § 79 ff.
^) Um falschen SeHlussfoIgerungen zu begegnen, hebe ich nur
Folgendes hervor : ob; . . . dv^^rjoav e{; 'Apeiov Ttd^ov ol Wiia Äpyovxec
Tat; xaÖT,xo6oat; i^lxiptli. — oj -fdo ciOToxpdxopi« itoiv, d)( ov ßo6Xama(,
'Adr^valtuv Ti'^d xoXdaai (ol Aoeo-aYiTai) .
^) Die Rede gegen Neaera ist nach 343 gehalten; der Areopa-
gitikos fällt reichlich 10 Jahre früher. — § 46 ff.
^ § 38 iiceiMv cU "Apciov icd^ov dvaßdeiv .... Chriateiuen
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AUSSER DBB BLUTaiOUCflTSBASKKIT. 167
— »kann man von dem emstigen Emflnsse des Areopag
noch eine Spnr erkennen in dem Yensagten Wesen, womit
die Arelionten, welehe sieh früher bei ihrer Erloosnng und
ihrer Dokimasie (als Archonten) und sonst noch so ttber-
miithig beualiinen, danu vor den Areopag treteu, weim
sie zum Eintritt in das Collegium sich melden müssen«.
Also auch hier nur die Macht des Areopag bei der Doki-
masie zur Aufnahme der jedesmaligen neuen Mitglieder ^^'^),
Übrigens keine sittenricbterliche Gewalt!
£s bleiben noch zwei Fftlie, in denen der Areopag
eensofisehe Gewalt ansgettbt haben soll, zn betrachten.
Bei Athenaeos p. 168 A heisst es: ^ Utoi^ doraoc xal
Areopagos p. 15 f. 50 bezieht , wie auch Andere gethan haben,
den Fall der Kede g. Neaera auf die liefugniss des Areopag, den
Cultus zu überwachen, welcher er eine meiner Ansicht nach viel zu
weite Ausdehnung giebt. Hier halte ich diese Auffassung für be-
stimmt unrichtig.
^) Ob der Areopag die Neadntretenden immer eiwat fOnnlidien
Dokinaftie untenrärf, wisaen mt nicht; Lyal g. Euandroa f 11
apridit nidit dagegen ; jedenfalla aber erhob er gegen ihren Eintritt
crfolf^reichen Einspruch, so oft er dazu Grund zu haben glaubte,
wie die Stellen der K. g. Neaera und des Areopagitikos bewetseni
sowie Athenaeos p. 5(56 F nach Hypcridcs, welcher to-j; 'Apeoira-
YiTa; (pT^aiv dpta-rTjaavTa usi xri~T^}.tun xojXüjat ävid>at el; "Apetov
zo'yov. Ebenso suspendierte und removierte er seine Mit^
giieder, wie ein anderes CoUegium, z. B. der Kath der Fünfhundert ;
darüber a. unten Cap. 4, 1 und die Anmerkungen 47 — 19, der Fall
der demoatheniiehen B. g. Konon p. 1256 ff., den ich gleiohfUla
hieriier AA», iat oben 8. 48 beaprochen. Ebenao war schUeadich
der areopagitiache Rath reehenaehaftapflichtig wegen der
maneherlei Geschäfte, welche er führte, — zunflchat natarlich der Ein-
zelne , wie der einzelne ßouXe'jrr]; h. Schömann Antiquit. p. 302 und
Aeschines g. Ktesiph. § 20 rf,v ßouXf,v Tr,v £v ' Aptm 'd-^ot i-^f^d'^£V4
TToö; Toü; Xo^ioxac 6 vöiao; -xfXe'jei Xo-jrrt xal eOöu^oc otöovai , woran
Grote Hist. of Gr. 5 p. 47b keinen Anstoss zu nehmen brauchte.
168
BEFCOÜISaE DEJt A&EOPAGIT£N
Too; l^.T^ £/. tivo; 7:£pioui(a? C«>vtGt; to Tza/.a'.ov avsxa/.oGvTO oi
'ApeoTra-j'iTai xat dxoXa^ov , i3T0pr,aav <I)avoorjtj.o; xal OiXo-
)ropo; aXXoi te rJ.z.ion^. MeveSr^fiov ^o^v xa't 'A^xAT^riaoTiV
n. 8. w. Jetzt folgt eine Erzählang, nach welcher der
Philoeoph lleuedemos von Eretria and sein etwas älterer
Freund Asklepiades in ihrer Jagend, als sie philoeoplü-
Bchen Stadien oblagen, vor den Areopag dtiert Warden«
am y da sie anyermtfgend waren, Uber die Mittel ihres
Lebensanterhaltes Ansknnft zn geben. Auf das Zengniss
eines Müllers, bei dem flie nachts arbeiteten . werden sie
von den Areopa^ten mit 200 Drachmen beschenkt ^'^ .
Ausfuhrliche Nachricht über beide giebt Laert. Diogenes
im Leben des Menedemos (2); nach ihm arbeiten sie in
ihrer Jagend bei einem Maurer. — Den zweiten Fall er-
zählt Diogenes im Leben des Kleanthes (7). Dieser wird
in seiner Jagend hei einer ähnlichen Yorladang auf das
Zeagniss eines Gärtners and einer Mehlhändlerin von dem
VörwurfCf welchen ihm der Areopag macht, freigesprochen
and mit einem Geschenke von 10 Minen bedacht, welches
zu nehmen ihm indessen sein Lehrer Zenon verbietet.
Wenn an den hier berichteten Vorgan^^en auch vieles
Ausschmückung ist, so haben wir doch keinen Grund an-
zunehmen, dass beide Erzählungen gänzlich erfunden sind.
Wir werden darnm das 'Hiatsäehliehe derselben aaf eine
^'i Aus den angeführten Autoren ist die Erzähhing schwerlich
genommen. Denn wenn wir auch des Menedemos Jugend, in wel-
fiiier dar Vorfall aidi satrug, mügUclut hoch hmftufirüokeii (t. unten
Anm. 32), ao lag daa Erdgniia für Philochoroa do^ noeh nicht weit
genug atvQck, ao dasa er mit demaelben die Sittencentar dea Areopag
in alter Zeit (t& ««Xqu<Sv) hätte bellen können. Philodiotoa und
Phanodemos hatten wol die Zeit vor Ephialtes im Sinne und Atfae>
naaoa aetste die Ers&hiung nach einer anderen Quelle hinan.
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AUSSER DBB BLVTOEBI0HT8BABXBIT. 169
8{xi2 «PT^c'*) zarttekznftthren haben; die Aieopagiten fas-
sen ja die wissenschafUiche Mnsse der unTennOgenden
jungen Leute als Mttssiggang aaf. Eine genaue Zeit-
bestimmung ist nicht möglich, weil wir ttber die Lebens-
daten weder des Menedeinos. noch des Kleanthes genügend
unterrichtet sind. Aber da Meuedemos nach den Gewährs-
männern bei Diogenes am Ende seiner Vita bald nach
278 im hohen Alter starb 32), so fällt seine Jugend jeden-
fiüls noch nicht in die Zeit der Staatsverwaltung des
DemetrioB von Phaleion (317 — 7), welcher die sittenpoli-
zeiliche BeAigniss dcB Areopag wiedw aufiErisehtei son-
dern, um einen möglichst weiten Spielraum zu lassen,
zwischen 350 und 330. Kleanthes dagegen war jeden-
falls jünger, indessen wissen wir über ihn nur soviel,
dass er J^achfolger Zenons in der Stoa wurde, als dieser,
Man muas dann natariieh annehmen, daas das Moment des
Klagens in der Ueberiie&rnng verloren g^angen und nur da» Haupt-
aäohliolie, das Eingreifen des Areopag, in den Oeschichten festge-
halten ist. Aber man kann auch den Erzählungen nach ein der hiia]
d(>|ia« analoges eigenes Vorgehen des Areopag als Sittenpolizei (dve-
xn'f.r'riro, a£TotT:Ea'I;o|jL£vot) annehmen; nur würde das eine bedeutendere
Stellung des letzteren voraussetzen lassen, als sie in dieser Zeit vor-
handen scheint. Dagegen begreift sich die ähnliche Geschichte bei
Athen, p. lüTD über den jüngeren Demetrios : d^^axaXesapiivtuv ayxov
xSn *ApsoicaYtTfiiv xal «tXsoövtartf ßiX-Rov Cv . . . gut in der Zeit naeh
Demetrios von Phalerou] nach 262 wegen des Königs Antigonos in
Athen.
a^/ Nach Herakleides & Aipißo« im Alter von 74 Jahren. Doch
vielleicht ist S4 oder 94 zu lesen. Dies hängt davon ab, ob Mene-
demos noch für einen Schüler Piatons (f 347) zu halten ist oder nicht.
S. Menage und die anderen Ausleger des Diogenes. Christensen
Areopagos p. 13. 5(3 setzt den Fall viel zu spät, erst in die Zeit
des Demetrios, wie es scheint.
t70 BBFUONI88B DXH IBXOPAOlTmr
wahncbeiiilich mn 260, 8t»b und dass er selbst es zu
emem sebr bobea Alter bniebte^).
Knn ist es allerduigs anfallend, dass uns in dem
ersten Falle jedenfalls ein Beispiel von der Sittencensnr
des Areopag ohngefähr aus dcrselljcn Zeit überliefert wird,
in welcher Isokrates diese ausdrücklich und scbiiierzlich
venuisst^^}. Indessen da ja auch ftir die Anwendung des
vo{io; aL^'{(a.i, welche Demosthenes um dieselbe Zeit er-
wähnt (S. 164), der Areopag zuständig gewesen sdn kann,
so bleibt uns nnr mit Btteksicht aaf Isokrates die Beob-
acbtnng zu machen: dass in diesem Zeitranm der Areo-
pag die Sitteneensnr wol noch in einzelnen fUllen ttbte,
ohne sie in ihrer ganzen ehemaligen Strenge aufrecht zn
erhalten.
Gap. 4. Der Areopag als Staatsrath.
Unter diesem Titel stdle ieh diigenigen Tfaatsaehen
zusammen, welche keinem der diei bisher betraditeten
Wirkungskreise angeh6ren und in Verbindung mit den
allgemeinen Aussprüchen älterer und späterer Schriftsteller
Uber den dunkelsten Tlieil areopagitischer Competoiiz, die
rein staatlichen Kechte des Areopag, einige Aufklärung
geben können.
i. Um von dem Einfachsten auszugehen, betrachten
wir zuerst die Untersuchungen, welche der Areopag
^ S. Diogenes Leben des Kleanthes am Ende und die dort
von den Auslegern angeführten SteUen. lieber Zenons Tofiesjahr:
Meier Commentatio epigraphica II p. 82 f.
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▲0MB1I im BI.1ITQKBI0HT8BABXEIT. 171
Uber 8taat8gefährliche Veibrechen aiiBtellte (CijtaTv, C^qn^otv
icotsToOai), um seine Ermitteliuigeii (eopCoxeiv) demnitohBt
der VoULsyersamnilQiig vonalegen (aTro'f a(vctv , dso^aotv
icoiewÖai)'*). Diese Untersuchungen, Ober welche wir
hauptsächlich hei Gelegenheit des harpalisohen riocesses
unterriehtet werden, nahm der Areopag. wie Diuarch g.
i>emosth. § 50 S. im allgemeinen ausfuhrt, auf zweierlei
Weise vor >'« : entweder auf eigenen Antrieh (adti^ icpoe-
Xo^ievifj) oder im Auftrage der Ekkiesie (toü «pooxa-
In dem zweiten Falle, mit welchem wir uns zu-
erst beschäftigen, beauftragte die Yolksyersammlung den
Areopag durch ein Psephisma. Die Thätigkeit des Areo-
pag erstreckte sich nur auf die Ermittelung des That-
sächlichen, w^elches dann der Volksversammlung unter-
breitet wurde. Das Volk ernannte öffentliche Ankläger
und brachte die Sache vor ein heliastisches Gericht, wel-
ches ttber Schuld und Strafe entschied. Dies ist das
Verfahren, welches in dem harpalischen Prooesse beob*-
' achtet wurde ^7). Ebenso verfhhr man um dieselbe Zeit
gegen den nach Megara geflohenen Polyeuktos, welcher
im Verdacht hochverrätherischer Beziehungen zu den Ma-
kedoniern stand ^""l. Mit der airocpasi; war kein Straf-
antrag des Areopag verbunden. Die Strafe war Sache
^} Ausdrücke bei Din. g. Demostb. und bei Hyperides g.
Danctth. nAmentlidi fragm. XI.
^ Out hat Aber die diwf^t« gdumdelt Flataer Fioeen und
Klagen 1 8. 38 ff. Dan die gcfla^elien Benerkwigeii von Ifaetmer
SU Diu. g. Demosth.
^) Din. g. Demoatli. § 3 ff. 82 ff. Sohftfer Demoithenes 3
S. 293 ff.
3») Din. g. Demosth. § 5S.
172 BKFüoinsaB deb abbopaoitek
des Gerichts und konnte in verschiedener Weise festgestellt
werden. Entweder war der Proeess unschätzbar, d. h.
die Strafe war dnrch ein Gesetz oder dnreh den betref-
fenden Volksbescblnss bestimmt, — oder er war schStz-
bar, dann hatte ganz dem sonstigen Processverfahren
entsprechend das Gericht zwischen dem Strafantrage der
Kläger und dem des Beklagten zu wählen * Auf diese
Weise konnte auch das Gericht auf Freisprechung erken-
nen, wenn gleich nach dem Ergebniss der Untersuchung
des Areopag der Angeklagte schuldig schien. Dies ereig-
nete sich wirklich bei der eben erwähnten Anklage gegen
Polyeuktos, welcher dem areopagitischen Gutachten zu-
folge den makedonischen Parteigängern in Megara sich
angeschlossen haben sollte . Darauf geht ^uch die in
der Rede des Dinarch dem Demosthenes in den Mund
gelegte Beliauptung : apa TT'jÄXoo; yj ßouXrj aTro-loa-j'/sv
adixeiv Tov ot^ij-ov, oI aTcoicecpsuY^st-v eiae^kUovte; to ötxa-
onQpiov, xal r^ ßouXr^ Itt Ivfcov to Trejxirrov jxepo; ou {isrei-
Xi2<p8 twv ^r|Cpa>v^i). Wie die Entscheidung des Areopag
für die Richter nidit verbindlieh war, so mnss auch der
Areopag seinerseits eine ihm vom Volke au^tragene
Untersuchung haben ablehnen können, denn auf diese
Möglichkeit weist Dinarch bei dem har])ali8chen Processe
hin . Und eine Untersuchung, welche schon im J. 335
^ Ueber die Strafsohätzung gegenüber den Angeklagten im
haxpaliioheii Flroceas: Scliifer Demosth. 3 S. 312 ff. Maetxnmr tu
Din. g. DeniMth. § 55 meint, bisweilen habe auch der Areopag eine
Strafe TOigeaeblagen. Aber in § 63 i^^ßoXec 0& 'Apyjvov H xffi icO^o»;
lid 7cpo2)oa(a xatd xdc rf|C ßouXii« dticocpioei« xal T(uu)pia; haben wir
meiner Ansicht nach nur einen stark abgekfinten Ausdruck vor uns.
***) § 58 dreX'jsa»)' OjaeT;.
<>; Din. g. Demosth. § 54.
*2j § 11 (julj rpoooijresbat (rrjv CTf)T*i9iv].
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X1T8SEE D£E BLUTGESICHT8BARKEIT. 173
der Areopag Uber aogeblich von Demosthenes tmd andern
Staatsmännern angenommene persische HUlfsgelder im Auf-
trage des Volkes zu flihren hatte , wurde in der That
von ihm nicht erledigt, wie es scheint, weil die Unter-
Bttchimg im Interesse der Makedonier get^hrt werden sollte
und dämm das Unternehmen zur Zeit nicht iiopnlär war,
weshalb natUrlieh später Dinarch das damalige Verhalten
des Areopag tadehi mnss^').
Die Bedentnng dieser Art von Untersnehnngen fUr
die Stellung des Areopag seheint mir am besten dnreh
eine Parallele erklärt werden zu können, welche Dinarch
selbst uns an die Hand giebt. Kallimedon w^ar nach Me-
gara geflohen in hochverriitherischer Absicht i-\ xaraAuost
Tou otJjiou zur Zeit des harpalischeu Processes und gleich-
zeitig mit dem eben erwähnten Pol} euktos . Daftlr
hatte ihn Demosthenes durch die Bisangelie belangt, und
das war bekanntlioli das gewöhnliche Verfahren gegen
Hoehyerriliher^''^). Wenn nun zur gleiehen Zeit und aus
dem gleichen Grunde gegen Polyeuktos der Areopag auf
Volksbeschluss eine Untersuchung einleitet und dieser
Volksbcschluss doch natürlich durch einen Einzelnen be-
antragt werden musste, so sieht man wol deutlich genug,
dass der Areopag mit seinen Ci^rijoei; und atrof aast; die
Stellung einer Oommission einnimmt, deren Htllfe man,
wenn der Fall verwickelt genug erschien, in Anspruch
nahm, eben so gut aber auch umgehen konnte. Eine be-
deutende, einflnssreiche Stellung des Areopag folgt also
aus dieser ThätiglLeit nicht.
^ § 10. 11.
*^ Din. g. DemcNith. f 94. Die andoen SteUen Ober Kallimedon
bei Idaetiner aur Stelle und Schifinr Demosthenes 3 S. 290.. 1.
^ Hager Quaeat. Hyperidear. capita duo. Lipa. 1870 p. S3 f.
174 BEFUGKiaSfe DEB ARB0PA6ITEN
Ich wende mich jetzt za der ersten Art der aro-
^aosi;, welßhe der Aieopag auf eigenen Antrieb
machte . Auch hierUber unterrichtet ans znnüchBt Dinareh
in der Bede g. Demosthenes. Die Ansieht der Neueren
geht dahin, dass der Areopag derartige Untersuchungen
theils gegen seine eigenen Mitglieder in Bezug auf Ver-
gehen, welche die Interessen der Körperschaft verletzten,
anstellen konnte, theils aber auch gegen Nichtareopagiten
im Interesse des Staates Tomehmen durfte ; aus dem letz-
teren Theile dieser Gompetenz weiden dann einige bei
anderen Rednern erwähnte Fälle erklärt^*). Eine genaue
Prttihng der Ueberlieferung wird dagegen das Ergebniss
liefern, dass die selbständigen Untersuchungen von Seiten
des Areopag nur auf dessen Interna gerichtet sind und
die andern, bisher dieser Competenz zugewiesenen Fälle
auf jene o])en behandelten a^o'fäasi; xara TipoaTa^tv zurück-
geführt werden müssen.
Zuerst habe ich nachzuweisen, dass die TOn Diuarch
erwähnten selbständigen aico9aasi; des Areopag sich nur
auf dessen innere Angelegenheiten beziehen.
Der Redner will die Behauptung des Demosthenes
widerlegen, es sei fHlher Tom Areopag eine äiro^aoic fiber
ihn — den Redner — gemacht worden :§ 48. 49). Eine
aTCO(paai; xara TTpoara^tv könne das nicht gewesen sein,
denn Demosthenes wisse weder den dazu erforderlichen
Volksbeschluss anzuführen, noch die bei solchem Verfah-
ren üblichen» vom Volke ernannten ö£fentlichen Ankläger
namhaft zu machen (§ 50). Ebenso wenig habe eine selb-
ständige enco^aaic vorgelegen, denn das Zeugniss der Areo-
*«j Demosth. Kranz p. 271 § 132 ff. Aesch. g. Ktesiph. § 252. .
Lykurg g. Leokrates § 52.
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AUäHEU DhAi ÜLL TCiEUlCHTSBARKEIT.
175
pagiten selbst spreehe zu des Rednen, nieht zu Demo-
stiienes* Gnns^ii (§51).
Wir sehen also, dasß bei diesen selbständigen Unter-
suchungen keine öftentlichen Ankläger bestellt wurden,
und dies giebt wol einen vorläufigen Fingerzeig daftir, dass
es sich dabei nicht um Staatsverbrechen im eigeutUcheu
Sinne handelte.
Der Bedner Wai fort, ob liege der Behaaptang sei-
noB Gegners nnr die Tliatsache einer persOnUdien Ver-
leumdung von Seiten eines Areopagiien (Pisiias) zu Grunde
(§ 52^54], und geht nun näher anf die zwei Arten areo-
pagitiseher Untersuchungen ein (§ 55) ^'1. Die Beispiele,
welche jetzt für selbständige Untersuchungen angeführt
werden, beziehen sich auch alle drei auf Vergehen von Areo-
pagiten, durch welche der Staat gar nicht berührt wird ^''i .
In dem letzten der erwähnten Fälle bat der Areopag
8^ Mi^flied vorläufig ansgestossen, in den andern Fällen
aber die Angelegenheit angezeigt (oin^^iivs]; die heliasti-
itctp' a'jToT; dotuTjfiaT« .... vojjifCoyaa töv iv toi; jAixpoi; ouvediW-
jXEvov dlrAzXv, T'/ÜT'>v TS jae^'x).'! tSv doixTjixaTojv E'jyepeaTcpov rposoc^eaöai.
Der Text steht nicht völlig fest, aber aus den letzten Worten sieht
man deutlich-, dass als Gegenstände selbständiger Untersuchungen
verhältnissmässig unbedeutende Vergehen Torausgesetst Verden.
§ 56 oi'^rep ti>v ic«p* a&räv dieootepf^aavT« t& vaOXov xiv i:opd|xea
CQlutfiram np6; dicifiijve. irdXcv Tj^ ncvteSpoxH^ov inl tup toG
fdj icapövTO« dvd|Mitt XopcTv dSubsovco, xal toStov 6|t?v didfijvc, xol t&v
tJJv |&cp(ia rJjv 2| *Apc(ov ttcJ-jou TO/.|Ji.T|aavTa dnooiJ^öai rapd xA vö(j.tui
t^tf a6x6v Tp<i~ov Ct;(xt(69aoa d^l^aXe. Die einzelnen Beziehungen sind
uns nicht genügend bekannt. — § 57 toOtou; ujjieTc xotvotvTe; d^i^xaze,
O'jyY'oVT] H'^/'* '^•i' oixalt{i TpoaOeixevoi, xai W,v TijXöjplav {jLe(C(u vo-
(AiCoviec elvai Tij; üit& tw*^ xptvojiiviuv Y^T'^^iH-^''^« d|xapTUc.
176 B£FUUMI68£ D£R ABEOPAUITEN
sehen BIcbter dagegen haben das aieopagitisehe Straf-
erkenntniss, welches für die zwei ersten Fälle nicht an-
gegeben wird, cassiert, weil sie die Strafe zu hart fan-
den. Wir können hieraus für die selbständigen a-o'^a^si-
auf ein den aico<pa9st; xam Tcpoata^tv entsprechendes Ver-
fahren Bchliessen, mit dem Unterschiede nur, dasB bei
den enteren der Areopag eine Strafe bestimmt, was b^
den anderen meht der Fall war (S. 171) nnd dass keine
dffentlicben Ankläger, welebe wir dort fanden, bestellt
werden").
Danach meine ich nun, dass die eigenmächtigen Un-
tersuchungen des Areopag sich nur auf seine eigenen An-
gelegenheiten beziehen und dass die ganze Rede keinerlei
Bestütigung fUr die Ansicht enthält, welche selbständige
Ermittelungen des Areopag in wichtigen Staatsangelegen-
heiten den vom Volke übertragenen gegenüberstellt. Man
würde sogar behaupten können, dass diese selbständigen
Untersnchnngen nur gegen Areopagiten gefUhrt werden
konnten, stilnde nieht die Yerleumdongsgesobicbte, von
welcher der Redner ausgeht (§ 48) , im Wege. Hier wird
aber die Möglichkeit einer solchen Untersuchung gegen
den Redner von ilnu selbst vorausgesetzt, denn er wider-
legt die Thatsache, während sie, falls nur Areopagiten
diesen Untersuchungen unterstellt werden konnten, keiner
Widerlegung bedürfte. Denn den Kedner etwa znm Areo-
pagiten zu maehen, gestattet doch wol die Art, wie er
vom Areopag redet, nicht.
^ Das StmferkeniitDiss des Areopag gegen aeme Mitglieder
unterlag also noch der weiteren Inatans eines heliastiachen Qenehta-
hofes, wie Maetaner mit Becht aus dieser Stelle acUiesst. Denn
Aeachin. g. Ktesiph. § 20 oO% i-cxzöytsiy, Idv xtc itap' aifzoXi [li] dSix^,
dXX* Mv TU ig«|MpT«(>nQ, «oXdCouotv ist allgemein ausgedrückt.
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AU88EB DEB BLUTGERICHT8BABKEIT. 177
Was ihatoftchlieli jener EnsiUilimg des Bednen zn
Grande liegt nnd welehes die Anffiuwnng des Demosdie-
nes von der aico<paoi; war, die der Redner beltiUnpft, das
sehen wir leider nicht deutlich genug. Prüft man aber
den ZusammenhaDg und die einzelnen Ausdrücke, so wird
man immerhin sehen, dass es sich nicht um ein wichtiges,
für den Staat hoehbedeatendes Verbrechen handelt, ine
dasselbe bei jenen dnco^oott« xoroL icpootoltv vorlag^.
EQennit haben wir, was Dinareh Uber die eigenmSeh-
tigen Dntersnehnngen des Areopag sagt, betrachtet. Der
Redner wendet sieh weiterhin zn den &ico(paoeic xotTol irpoo-
Ta;iv § 58 ff.), welche ich bereits behandelt habe (S. 171).
Von Wichtigkeit sind für meine Behauptung die spä-
teren Auseinandersetzungen § 61—63. Dinareh knüpft an
den Anftrag an, welchen der Areopag bei dem jetzigen
Frooesse wegen der harpaliscben Gelder anf Antrag des
DemosÜienes zn seinen onco^aosic erluelt, nnd zählt dann
eine Reihe Ton FSllen anf, in welchen attenisohe Bttrger
in Folge derartiger areopagitischer Untersnehnngen anf
Antrag des Demosthenes theils jetzt theils früher bestraft
worden sind^^).
Mitten unter diesen Fällen , welche alle als auf De-
mosthenes' Antrag, also xaToi Trpoaraliv vollzogen bezeichnet
werden ^2), findet sich die Erzählung Yon der Hinrichtong
*•) § 48 ff. Besonders § 53 ort {lev et« iWfi I^tjoc ritarlat 'Apto-
«} f 63. Der Vater und Sohn (vgl. § 82), der Naohkomme des
Hannodios iiad Arehiaos ^d nieht weiter bekannt. S. Ifaetsner
aar SteUe.
to6t(»v %a\ Twv dXXojv 'A^vatojv xup(av elvat vijfi *Ap<U>v vAfW ^WiKif»
«oXdaai xiv icapd tou« v^jiouc nXT)|A{A8XoGvt«, xfmyjtnft toTc narptot«
12
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17S BEFUG^UbäL DER AR£OPAGITEN
4e8 Antiphon: isrpißXiMav 'Avtt^Svra xal hchmv^wt ootot
{die HeÜÄSten tf^ rr^z {iou\r^z «TTOcpaast itewWvT«? {§ 63'.
Der Vorfall ereignete sicli nicht sehr lange nach 34G.
Damals hatte sich Antiphon, wie wir aus Deniosthenes
wissen, dem Philipp angeboten, die Werfte im Piraeus
anzuzünden, und wäre trotz des Demosthenes Bemühun-
gen mit Hülfe des Aescliines entkommen, wenn nicht der
Areopag seine oico^aot« bei dem Volke eingebracht nnd die
' Heliasten in Folge derselben den Hochverrilther znm Tode
yemrtheilt' hätten. Diese Untersuchung wird von den
Neueren für eine selbständig unternommene angesehen .
Dagegen spriclit. wie ich schon bemerkt habe , der Zu-
sammenhang bei Dinarch , in welchem die Hinrichtung
und die aTro'fast? als von Demostheues veranlasst dar-
gestellt wild. Diese ausdrückliche Bezeichnung vermisst
man bei Demosthenes, aber die Erzählung, welche an das
den Athenern bekannte VerfSahren nur erinnert, verträgt
sich doch mit der Annahme einer onto^poot« xard icpootoliv.
Demosthenes hatte die Angelegenheit in die Hand ge-
nommen, die Ekklesie zeigte sich zuerst nicht gewillt auf
Antiphons Bestrafunjx einzuirehen. Dann wird die Apo-
phasis des Areopag und ihr Erfolg erwähnt. Der Areo-
pag kann durch sein moralisches Ansehen den Demosthe-
nes in der Auswirkung eines Psephisma unterstützt haben,
vö|jLOt;. § 63 xatd oe oa'jToä xcti xaDta YP^'i'*^ oüxö; tö ^fiSfia
^ Vom Knuiw p. 271 { 132 ff. AntiphoA mr nbht Bfliger, er
war bei der IKi^i^hine toh 346/5 ans der Denoienliete gestrichen.
Die Vemitheaung ftUt 344 neeh SchSfer Bemoathenea 2 S. 346.
M) Schömann De eomitiis p. 224 Ortech. Alt. 1 3 S. 527. Wester-
mann und Andere. — Anders, wie es aeheint, Meier Att. Proceia
S. 344, Schftfer Demotthenea 2 S. 346.
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AUSSER DER BLUTÜEEICHTSBAJEIKEIT.
179
aber anzunehmen ist eine solclie BeseUnssfossung, welebe
die Untersucliuiiii: des Areopag anordnete und die Verhaf-
tung des Antiphon vielleicht nachträglich sanctionierte.
Man möchte grössere Ausführlichkeit wttnschen, aber zur
Annahme einer selbständigen aico^aaic reicht die Aus^
dnicksweise allein moht aus^^J.
Abgesehen von diesem Falle tinden wnr den Areopag
unmittelbar nach der Schlacht von Chaeroiiea in einer Thä-
tigkeit, welche bisher vielfach aus einer ständigen poli-
tischen Competenz abgeleitet und mit jenen selbständig
TOigenommenen Untersnchnngen in Verbindung gebracht
worden ist. Nach der Schlacht hatten nemlich Bürger
«ich ins Ansland begeben oder wenigstens ihre Angehö-
rigen und ihre bewegliehe Habe dorthin in Sicherheit ge-
bracht. Diese Vertrauenslosigkeit musste Landes verrath
gleich geachtet und strenge geahndet werden, wenn nicht
der Staat unter der Wirkung solchen Beispieles schwer
leiden sollte. Aescliines erinnert längst nach dieser Zeit
daran, wie damals , der Areopag Uber jemanden, der nach
Samos ab&hren wollte, als Uber einen Landesrerräther
^} Demosth. § 133 xal d «xi^) ßouX:^ -j) Apeiou rAfo-^ . . . .
int^r^zr^'St tov (£vftpoo7Tov %i\ a-jXXaßoOo' ^TT-avfjaYev tbc üfj.5; (Heliast^n),
i^jpTraot' av xx).. >;5v o' ufxei; oTpeßXiuicivTe; aOtov ärrexteivaTe ....
Man könnte vermuthen et' i'^ii-rpe, um den technischen Ausdruck
Ci]x£iv zu gewinnen, aber dazu passt nicht der Accus, der Fer.son.
Da IHniMh die iaci'f aan fOr di«aen Fdl bemigt, lo «teht die Saehe
Int und liciCt)TcTv kurn UmBchreibiing sein. ouXXaßsN »ergreifen«
entspricht dann dem »ab ichuldig emitteln« des Areopag vgl. Ly-
hntg g. Leokrat f 5S Xapo&ea didmvtvc. Bm Flntarch Demosth. 14
ist die Geschichte völlig ins Rohe gezogen, so dase man das au
Omnde liegende Verfahren nicht mehr erkennt.
12*
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180 . BEFUGNISSE D£A AOEOPAGITEN
den Tod verliiiiigte . Gleich damif gedenkt er des
Leokrates, der naeh Bhodos entkam nnd von da nach
Megara ging, nach seiner Rückkehr aber nach fast acht
Jahren von Lykurg durch Eisangelie als HochverrUther
verklagt und nur mit Stimiiierif^leichheit sti'affrei ausge-
gangen war. Aus Lykurgs Anklagerede gegen Leokrates
sieht man, dass das Einschreiten des Areopag gegen den
samiBchen Flttehtling nieht ein vereinzelter Fall war.
Gegen viele, welche damals ihr Vaterland im Stiche Hes-
sen, ist so verfahren worden ^^).
Der Zusammenhang muss nns dieses Auftreten des
Areopag verständlich machen. Von Leokrates steht es
fest, dass er unmittelbar nach der Schlacht entwich. Ein
bei Lykurg erwähnter Volksbeschluss, welcher alle Flücht-
linge für Landesverräther erklärte ^^), ist also sicher
durch diesen Vorfall veranlasst; ob die Übrigen ebenfalls
vorher oder, nachdem der Besohlnss gefasst war, fluch-
teten oder zu fliehen versuchten, mag unentschieden blei-
ben. Kun bedient sich Lykurg um 330 zur Belangung
des Leokrates der Form der Eisangelie. Dieselbe Form
wendet er schon einige Zeit nach der .Schlacht gegen den
Areopagiten Autolykos, welcher seine Familie ausser
Landes gebracht hatte, an, und Autolykos wird hingerich-
56) g. Ktesiph. § 252 . . . ävfjp {o»6tt)c, 6; ixiiXcTv tli
Apelou TtdfO'J fiouXf,; Savatq) i^^TjiAKudir].
*') Lykurg g. Leokrat. § 52 -^j jjiev Y^p iv 'Apeiij) itdfif ßouXi^ (xal
tM])tU jJioi l).pj;:r,37^" tay-cr^v ^ap UTtoXapißdva» {jieYionjv tdte Y^faSat
ic^et aain)p(av) tod« f^yf&naa üj^ itatpita «al iptataXmdvTac tdte toU
icoXc|a(oic XoPoSo« dnfacncvt.
M| § 53 . . . i ^|ao« . . . i'l^Tj^föato f^ö/ouc eivai ttI) TipoSoal? xoö«
Tt(*a»p(a«.
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AUBftES DIS BCOTOBBEOilTSBABKBIT,
181
tet. Andeie Flttelitliiige dagegen werden auf VenuilaS'
sang des Areopag mit dem Tode bestraft. Die AnadrlU^e
bei Aesebines nnd Lyknrg geben in ibrer Kllne Uber die
Form des Verfahrens keinen Aufschlüsse^). An einen
Gewaltstreich des Areopag ist ebensowenig zu denken,
wie an eine plötzliche Anwandlung von Souveränitäts-
bewnsstseiu. Der envUhnte Yolksbeschluss muss also auch
den Areopag zn bestimmten Schritten ermäehtigt haben.
Erinnern wir nns nun an die Mher besproohenen diro^aosic
xaTtt irpomitv, 80 wttrden wir diese Vorkommnisse naeh
der Seblaobt von Cliaeronea an der dnco^ooic des Areopag
ttber Polyeuktos, welcher ttber zehn Jahre später nach
Megara ging (8. 171 , zu messen haben. Aber das ganze
Verfahren nach der Schlacht bei Chaeronea hat einen mehr
summarischen Charakter. Der nach Samos Ausrückende
bei Aeschines wird noch selbigen Tages hiugenchtet.
Auch gegenüber den von Lykurg erwähnten Flttehtlingen
kann das bei der ano^aot^ xocra icpo9ta&v ttbUcbe Verfah-
ren — Ueberweisnng an ein heliastiscbes Gericht und Er-
nennung von dffentliehen Anklägern durch die Volksver-
sammlung — nicht stattgefunden haben. Denn sonst
wUrde Lykurg, welcher Präcedenzfälle für die von ihm
empfohlene Hinrichtung des Leokrates gewinnen mochte,
nicht erst die vom Areopag Hingerichteten und zwar be-
gleitet von einer Vertheidigung des Areopag, anfuhren
und dann erst auf Autolykos, welchen der Spruch der
Heliasten zn Tode brachte, kommen. Es bleibt also nur
die Möglichkeit, dass durch die Flucht des Leokrates und
vielleicht ähnliche Fälle veranlasst, das Volk für dieses
ganz bestinmite Vergehen, dessen häufigerem Vorkommen
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182 BXFDGHim DBB ABEOPAOITEH
man entgegensah und dessen Kriterien leicht festzustellen
waren, dem Areopag eine schnellere Erledigang ohne die
ttbliehen Specialermächtigiuigeii und fieferate gestattete.
Der Urheber dieses Volksbeschlnsses ist natürlich der
energische Lyknrg. Die Massregel aber war den Make-
donierfirennden besonders unerwttnscht gewesen, und die
Erinnerung an sie erweckt noch nach acht Jahren unter
den Kichtern einiges Murren, welchem darum Lykurg nun
noch einmal als Kedner selbst entgegentreten muss*'^].
2. Die bisheriire Darlegung: hat uns. da die selb-
stiindigen Untersuchungen des Areopag eine politische Be-
deutung nicht beanspruchen können, das Ergebniss gelie-
fert, dass die Ekklesie durch besonderen Beschluss den
Areopag in dem Zeitranm von etwa 350 bis 320 mit der
Untersnchnng staatsgeföhrlioher Verbrechen zn betrauen
pflegte. Eine weitergehende, generelle Vollmacht, wie sie
ihm unmittelbar nach der Schlacht von Chaeronea gegeben
wurde , scheint von den Zeitgenossen als etwas ausser-
ordentliches aufgcfasst worden zu sein.
Plutarch berichtet, dass zu derselben Zeit, als im
Volke eine Partei den Charidemos zum Feldheim gewählt
haben wollte, die andere mit Hülfe des Areopag in der
Ekklesie die WaM des Phokion durchsetzte hk wel-
cher Eigenschaft der Areopag hier handelte , lässt sich
nicht ermessen, und auf die Fassung der Worte Flu-
tarchs darf kein Nachdruck gelegt werden, da bei der
®0) Ueber Lykurgs Auftreten gegen die Flüchtlinge nach der
Schlacht von Chaeronea: Schäfer Demosthenes 3 S. 10 f. Böhneke
hält Lykurg für den Urheber jenes Psephisma: Forschungen 1 S. 548.
Ueher sem Verhalten gegen J^eökrates: Schftfer 3 S. 199 ff.
<>) Flut. Phokion 10. Sehifer Demosthenes 3 8. 8 verbindet
dies mit dem oben Anm. 57 beseugten Auftreten des Areopag.
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AUÖÖJiii Dm, BLÜlGEllICHTSliAKKEIT. 183
Art, wie dieser seine Notizen yeiarbeitet, so häufig ent-.
scheidende Momente verloren gegangen sind.
Wie weit die Wirkung eines besonders ertheilten Auf-
trages gehen konnte, zeigt ein Vorfall, den Demosthenes
berichtet. Als die Athener 343 bei einem Streite mit den
Deliern um das delische üeiiigthum einen Syndikos zum
Amphiktionenratfae schicken mnssten und in der £kklesie
den Aeschines erwüMten, setzte es der Areopag dnrdi,
dass dieser als Landesverrttther znrflcktnit und an seiner
SteUe Hyperides entsandt wnrde . Wenn hier der Red-
ner nieht znfölliger Weise erw&hnte, was er; da es ftlr
seine Zuhörer unwesentlich war, leicht Ubergehen konnte,
dass der Areopag eine besondere Vollmacht in dieser An-
gelegenheit erhalten hatte, so würde man geneigt sein,
daraus einen bedeutenden Einfluss des Areopag in dem
betreffenden Zeitabschnitte abznleiten. So aber erscheint
es als nichts ausserordentliches. Jedes GoU^nm, welches
es ttbemahm, die Vergangenheit des Aeschines zu prüfen^
konnte dieselbe Einwirkung anf den Gang der Angelegen-
heit ausüben.
Hier zeigt sich deutlich die Unzulänglichkeit unseres
Materials, sofern es in gelegentlichen Erzählungen ein-
♦"'ä) Demosth. vom Kranze p. 271 § 134 TOi^^apo&v etSuta tauO' i^
ßouX-^ -i] 'Apeto'j -dfo'j töte rouTip ~tT:paf[i.iso. rrpoEiXeo^e
xdxelvTj'rf -All Toü rpa-cfAito; xuoictv crroirjaaTS xtX. zpoeiAeade ist sonder-
bar; Wolf: 7tpo^t'0sa%t; Voemel nach Droysen: RpoelXeto (nach Di-
nareh g. Demosth. § 5ü ajir^v rtfoit.ol^.£^^r^^l, »da der Rath es telbat
wollte und ihr deoadben aogar lum BeToUrnftehtigten in dieaer An-
gdegenheit maehtet«. Aber dann wllrde doch da Sati lauten müaaen i
ifac KpodXtTO «ai 6(ACfc «ir^v oder hiäsfft toS icpdxi««Toc . . . Auaserr
dem bezieht sich xup'iav auf ein Mandat vom Volke (tuiTd TTposTo^v)
und dann ist das selbständige Auftreten des Areopag ausgescbloaaen.-
Also ist wol Wolf« Vermuthnng nothwendig.
184
BKFDGNraUB DBB ABBOPAOITEN
leliier VorfUle besteht. BenihoB soldie MaehtänBMnmgen
des AraopBg auf jeweiligem Huidaty so beweisen de fttr
seine Maehtstellnng idcbts. Ist das nicht der IUI, so
Ulsst die Möglichkeit besonderer Nebenamstände , welche
uns vielleicht verschwiegen werden, einen sicheren Scbluss
nicht zu. Denn nun tritt die Frage ein: haben wir eine
aus der Competenz des Areopag abgeleitete Function vor
ans oder eine augenblickliche Mehnmg seines Ansehens?
Als ün J. 404 Thenunenes vom Volke unnmsehränkte
Vollmacht forderte, nm emen, wie er vorgab, günstigen
Frieden zn' Stande zu bringen, snditen Viele veigebens
das zn hindern nnd auf ihrer Seite stand der Areopag *^''^] .
Die kurzen Worte , mit denen Lysias des letzteren ge-
denkt, erinnern uns an die Wendung, mit der Lykurg das
Einschreiten des Areopag gegen die Flüchtlinge nach der
Schlacht von Chaeronea vertheidigt*^^] , an den grossen Preis
femer, mit welchem Dinarch die Wirksamkeit des Areo-
pag erhebt^). Dinarch hat aber den Zweck im Ange,
LyB. g. Eratoith. § 69 icpattro^oi)« |ftiy rijs 1^ Apsiou icdpu
P<N»Xi}( MKc^pia ....
oam)piav oben Anm. 57.
^) Din. g. Demosth. § 9 (t6 otivifiptov) ^ rf^v tü>v o(u|xdT0Dv ^uXa-
«■fjV 6 ofjfjLo; rapaxaTaUrjXTjV eocuxev, tp rrjv roXiTetav xai OTifj-oxpirtav
ro/w/.dxi; iY-^^syetpiitev , ö oiazecfy/.aye to aov amiAa toj ßXaocpT,aerv repi
auToü {A^XXovto; roXXdxi;, cb; oy cp-rj;, izifJo'jXeuÖiV, ö cpuXtxrret rdc
<ii:oppY]TO'j; Ötjxa;, iv oi; xa rf^i itöXeoit oojT-rjpia xeitai. Der erste
mid dritte Säte benebt ndi e«if den Areopag ab Halijerioht; der
sweite klingt abertrieben, erliuteirt rieh aber diir& f Vi, wo von
BemoBÜienea geäugt wixdi mpitamac e& «al tw^td^VMc -d^ vOx*
diCQWov taÖTQ, wnl auf aemen Antrag dem Areopag die Untersuch-
ung im harpalisebm Processe übertragen wurde; also haben wir
hier eine Beziehung auf die dzotpaoei; xaxd zpocrra^iv. In dem letzten
endlich, wo die Conjectur Wolfs vor den handschriftlichen Les-
arten öialHjxa; und dic(»dif)xa( den Vorsug zu verdienen scheint, ha-
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I
AUSSER DJSS BLUTOEKICHTSBASKETT. 185
die dem Areopag bei dem harpalischen Processe ertheilte
Vollmacht zur CrJ-njai? und diro^aai? in das hellste Licht
zu setzen, um das »Schuldig« des Areopag für die Richter
bindend darstellen zu können. Wenn er nun auch in der
Wahl der Ausdrücke nicht enthaltsam war, so zeigt doch
sein Beispiel deatii<^, eine wie grosse thatsächUche Be-
deutung' jemand den Mandaten beilegen konnte, wäh-
rend die Ausdrucke ' keinen Schlnss auf die danemde
Gompetens des Areopag zulassen; dass femer ein Vor-
fall, wie der bei Lysias erwähnte, mit grösserer Sicher-
heit auf ein Mandat zurückzuführen, als zum Beweis der
derzeitigen Bedeatimg des Areopag zu verwenden ist^^).
3. Von einiger Wichtigkeit für die Beurtheilong der
Gompetenz des Areopag ist eine Einrichtong, welche mit
der Reform des Ephialtes getroffen sein soll, die Ein-
setzung der vo}io(poXax8<. Die Ansichten gehen in
ben wir eine Beziehung auf iigendwelche dem Areopag anvertraute
myttenfiae YemiichtnlflM, Aber welche man nur Veimuthtmgen auf-
stellen kann. 8. Wolfs und Lobecks Bemwkungen bei Maetiner
zu § 9.
•) "Wie das vielfach geschieht. — Auf einem Inschrift fr ag-
ment, welches wahrscheinlich zu einem Yolksbeschlusse über die
Eintreibung der Tribute aus den letzten Zeiten des delisch-attischen
Bundes '432—12: gehört: C I. Gr. n. 75 = C. I. Att. n, 3Se
findet sich vielleicht, wenn die Ergänzung richtig ist, eine Bezie-
hung auf den Areopag: [tt^jv] ßojXtjv Ti,v ApeEou ttciyou ergänzte
Böckh C. I. Gr. 1 p. 114 und Staatsh. 1 S. 208, — t^jv ianpo^aoav
Sehftniann sum C. L Or. I p. 896, wobei natOrlich nicht mehr an
den Ateopag gedacht ist Im entra Falle dsgegen konnte man sehr
wol an dne dem Areopag ertheilte Commission denken. Lsh habe
die Stelle nur der Vollständigkeit wegen erw&hnen wollen. Zu
Schlüssen Iftsst sich die nicht einmal sichere Besiehung nicht Ter-
werthen.
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dieser yerwiekelten Frage einigennaSBen ans einander. Irre
ich niebt, so wird in der folgenden Besprechung eine
etwas umfUnj^lichere Benutzung der Quellen das Haupt-
resultat auf einen festeren Boden stellen.
Es gilt als feststehend, dass die Nomophylakes zur
Zeit des Demetrios von Phaleron existierten (317 — 307).
Streitig ist, ob die BeliGrde erst von ihm eingesetzt wnrde
oder ob sie älter ist*^.
Philoehoros sprach im siebenten Buche der Atthis,
worin er nher die Zeiten des Demetrios nnd anch Uber
die damals eingesetzten Gynaekonomen bandelte, von den
Nomophylakes^'^). Da nun bei den Schriftstellern der
C') 8. Meier Att. Frooess S. 6S ff. und Ullrichs Schrift Ober die
EilftnSnner daselbst. Die Frage ist erst mit Entschiedenheit behan-
delt, seit Forchhammer das Zeugniss des Philochoros (Anm. 6S, 2)
hervorzog u. Allg. Schulzeitung 1830 S. 065 gegen Voemel veröfTent-
lichte. Trotz dieses Zeugnisses datiert Böckh die Nomophylakes erat
seit Demetrios Atthis des Philoch. S. 'l'i f.', ebenso ü. Müller
Eumeniden S. 118, — für perikleisch halten sie dagegen Schümann
Antiquit. p. 299. Griech. Alt. 1 » S. 361. 524. Hermann Staatsalt.
§ 109, 6. 139, 6.
^ 1. Http. T. vo(*o(p6Xaxsc t ipfi\ ti« imp* *A8i)va(otc oSt« ImXsIto»
Iwfipmaa tön dta|Aodrc&v. Asbapx^c »aft* 'Ifupaiou taX tt x^xvcd
8ti o'jToi xds dp'y^dl; i^tTjvdpta^ov T0T5 v<5aot; /o-^aÖat %f,Xoiv. — ^Ot*
u. Suid. V. vo{io^'jXax£c = Harp. ohne die beiden Citate.
2. Lex. rhet. hinter Porsons Photios v. so\i. (5= Müll. Fragm.
bist. 1 p. 407) ^xepoi etat täv ötcuoftctibv, lu; <|)tX<5yo|ioc cv tq C'. ol
jjiv Y«? äpyo\~€^ dv^^ai'rfOv ei; 'Aoeiov £aTecpav(o[ji.£vot. 01 hi vofxo-
(p6Xa%ec OTpo^la ya/.xä 'lyj-nt^, xai ("ai;i Ösoti; ivavTiov äp/övxiu'y
toTc ^»öfioie fj^^n, «al Iv 'TQ ixx>.T;a{qi «al iv tiq ßouXiQ (xeTot Tftv icpo-
Itfwv ixdlV^e, x»X6ovk{ td da6(ft(popa icpdmtv. 'Eittd
^eav, «ttl »etileT«)eav, die ^Xj^epoc, Stt 'E^idXTQ« «orlXti» t{ IS
3. Phot. tt. Siiid. V. oi wpkOf6X«xe«. t(vc«; f&o^i tioi tou( oät«^
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AUSSülK DER BLUTtiERICUTSBABKEIT.
187
ttteveo Zeit yon der Beh(h:de idelit die Rede ist) so wttide
die Einsetzung durch Demetrios wahrscheinlich sein, wenn
man die au der zweiten Stelle dem Philochoros zuge-
schricbeue Mittheilung, die Nomophylakcs seien bereits
seit Ephialtes vorhanden, ohne weiteres verwerfen dürfte,
me Böckh, 0. Muller und Andere es thim. Hält man
dagegen diese Nachricht trotz ihrer etwas sonderbaren
Umgebnngy auf welche ich gleich näher eingehen werde»
für echt, so mnss man annehmen, dass Philochoros die
Nomophylakcs in seiner Darstellung der Verwaltung des
Demetrios ausfülirlieher besprach, während er die That-
sache ihrer Einsetzung bereits im dritten Bliebe kurz })e-
rllhrte Aber es muss dann noch ein Grund gefunden
werden, weshalb gerade in dem Abschnitte über Deme-
trios die Behörde eine so äusfUhrliche Behandlang finden
konnte.
Zuerst mochte ich anf ein bisher abersehenes sicheres
Zeugniss hinweisen, dass die Behörde wirklich vor De-
metrios vorhanden war. Das knrze Oitat des Dinarch
bei Harpokration ist bisher von allen Gelehrten flir das
Zeugniss eines Zeitgenossen des Demetrios augesehen
vouo'fuXaxe; otpoc^toic XeuxoT; iypmvTO , -/at h Tctt; >)£ai; izi i)p<iv(uv
txaÄT^vTO %a-' ävTupy täv ivvea dpyovTojv vtal ttJ IlaAÄdot t:o[A7;-^v
ix6o(iiouv, ort %0[x(CotTo t6 $oavov in\ •rijv 8a>.aoaav. ■rjvrxY^''C'5'^ S$ xal
Toi« ipx^^ ypfjodai TOls v«5p,ot;. xai i^t iili dx^Xr^atai; exaÖTjvTO (xexd
T&v icpoiSpoDV, x«>X6ovccc 4^f(C<iv, sf Tt Ttapvio^un vholi hoztu^
d86|t^FOp«v icdXf t. — Pollnx 8, 94 Cut ebenso, aber sehr abgekant.
Dies ist SehOnwims Ansieht, ihr sehKesat sieh Hennann a«.
Fhüoohoros handelte im 2. u. 3. Baehe der Atthis Aber den Areopags
fr. 17 Müll. dSbcoCov oiW ApcoicoftTat Ai . . . ^iX^xopo« iv
188
B£FUaNIS8£ D£B AB£OPAGIT£N
worden Da aber Himertieos, gegen welehen die snerat
erwähnte Rede des Dinarch sich richtete, der Bruder des
Demetrios ist, so muss die Rede älter sein als 322. wo
Himeraeos auf Antipaters Befehl hingerichtet wurde; in
die Zeit vor des Demetrios Verwaltung gehört auch die
Bede gegen Fytheas^*). Also Komophylakes existierten
▼er Demetrios; aber seit wann?
Die oben (Anm. G8) aosgesdhriebenen Stellen der
Lexikographen beginnen ausser der Stelle des Pollnx da- '
mit, mehr oder weniger ansfUhrlich die Ansicht zu wider-
legen, als seien Nomophylakes und Thesmotheten Eins.
Dem Irrthum, welchen diese Stellen voraussetzen, steht
ein anderer zur Seite: man verwechselt im späteren Al-
terthnm die £ilfiDänner, welehe dem Gefängnisswesen
TO; Auch von Strenge Quaestion. Philochor. Gotting. 18G8p. 14,
dessen Beweisführung , dass die Nomophylakes erst von Demetrios
herrühren, nicht überzeugt. Nur Ostermann, dessen Commentat. de
Demetr. Phal, etc. part. 1.. Hersfeld 1847 ich erst ganz zuletzt
erreichte, macht p. 47 auf die wirkliche Zeitstellung des Zeugnisses
aafinerkaam. In Besug sof die EinseUung der Nomophylake« stdlt
er lieh p. 46 f. Böckh (t. o. Anm. 67} entgegen. Die Schrift ent-
hilt siemlieh Tiel Blaterial« bedürfte aber einer itrengeren Durch-
arbeitung.
■^*) Diese Rede g. Himeraeos meint wol Dionys Dinarch c. 10:
xard 'Iixepafo'j elaiYifeXTtx'i;. o>o£>a NO(Ai![a), tu 'AÖT^vaioi; über seine
Hinrichtunfj; im J. ',V22: Schäfer Demo.sthenes 3 S. 358. — Die zwei
Keden des Dinarch ^evta; und reol Töiv -aito. to ifA-ootov zhiYiif ia Dio-
nys a. a. O. Hager Quaest. Hyperid. p. 65] gegen Pytheas, einen
der zehn öffentlichen Ankläger im harpaliachen Prucess, sind viel
älter als 317. Vgl Sekifer 3 S. 299. — In dnem Znntte m dem
neuen Abdrucke der Abhandlung aber die Atthis (BAckh Kl. Schrif-
ten S 8. 424) werden diese Zeugnisae so beseitigt, dais die Rede
gegen Himeraeoe nuf einen jOngeren des Namens besogen , unter
der Rede Dinarchs gegen Pytheas aber nicht die ^vAn verstanden
wird, sondern eine spiter unter Demetrios gesdiriebene.
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AUSSER DER BLDTGBRICHTSBASKEIT.
189
Tontanden, mit den Thesmotheteii'^). Ja, PoUuz berichtet
geradezu, Bnter Demetrios seien diese Rilftnftnner zn vo(m»-
fdXoxe« nmgenaimt worden^').
Die erste VerweeliseliiDg (NomopbylakesssThesDMH
theten) erklärt sich aus der Gleichheit von vojxo; und dsajxd?
leicht, aber selbstverständlich muss sie einer Zeit ange-
hören, in der es Nomophylakes nicht mehr gab.
Die zweite Eilfmänner = Thesmotheten) kann auf
zweierlei Weise entstanden sein. Entweder Hess man sich
dnreh eine Bezeichnung der Eilfinänner als OeojM^uXaxe«
verleiten, und in diesem Falle mttsste man auch die An-
gabe des Pollux auf diesen Irrthum zurückfuhren. Oder
diese Angabe enthftlt wirklich etwas richtiges , — man
konnte ja eine Polizeibehörde wol »Gesetzeswächter« nen-
nen — , alsdann ist die Verwechselung der Thesmotheten
mit den späteren Nomophylakes (seit Demetrios) ebenso
natürlich, wie mit den älteren, welche nicht mit den Eilf-
männem identisch waren. Unter dieser Voraussetzung
sind aber natttrlich die Nomophylakes des Demetrios etwas
durchaus anderes, als die der älteren Ver&ssung. Beides
ist mdglich. Empföhle sieh aber die erste Möglichkeit
durch andere Gründe vor der zweiten, so würde man auch
das Zeugniss des Pollux beseitigen können.
'2) Z. B. schül. Arist. Plutos v. 277 . . ol deo[jLodiTai xaxd ^j/.^Jjv
Ixvatoc xol Mtuttoi h Ypat^t^TCJc .... Wespen 775 . . . fteojAodiT«!
«al ivUxatoc b fpaiAiAateu; x}.T^poj9i totkc (naoidc ....
IS) PoU. 8, 102 ol h^oM .... vo|M)96X«xcc «otÄ M.i]fla
7«) Eilfmänner später S<o(M>f 6Xentt( t Stdlen bei Mder Att. Pro--
cess S. 72, 20. Dies könnte entweder aus «^eafjLotpuXax«« venchrieben
oder wirklicher Titel gewesen sein. Ersteres nach Herm&nns (Staats*
alt. § 139, 6. 7), letzteres nach Meiers Ansicht.
Meier Att Process S. 72, Böckh Atthis des Phil. S. 24.
190 BEFUGNISSE DEB ABBC^AOITEH
Nach diesen Bemerkungen versuche ich, die Ueber-
lieferung Aber die Nomophylakes aus dem »lUderlichen
Artikela des Fhotios-Anhaiigs (Bi^okh) unter Vergleichnng
der Parallelnotizen festzustellen.
sämtliche Artikel ausser PoUuz gehen von der Ver-
wechselung der Nomophylakes mit den Thesmotheten ans.
Eine solche war natürlich in Philochoros' Zeit und fttr Phi-
lochoros' Leser unmöglich. Nur ein späterer Gelehrter
konnte diese Berichtiguu^- eines in seiner Zeit mogliclien
Irrthums geben, und darauf gehen alle diese Artikel zu-
rtlck. Die Veranlassung zu solcher Belehrung liegt bei
Harpokration vor in den Beden des Dinarch, welcher von
Nomophylakes gesprochen hatte. Der hetreffimde Gelehrte
wandte sich nun an das siebente Buch des Philodioros
(genannt bei Harp. und Fhotios-Anhangj , wo er zunftchst
die Ehrenrechte und Befugiiisse der Nomophylakes be-
handelt fand: Ehrensitz t)ei den Spielen gegenüber den
Archonten (Photios-Anhang, Phot. u. Suid. v. oi vojj.09.);
Theilnahme an der Procession am Plynterienfeste (Die-
s^ben und Polluz); Aufsicht Uber die Ausfuhrung der Ge-
setze (Alle ausser Follux); Sitz in der Ekklesie mit den
FMdroi (Phot. und Suid. v. oi vo(io<p. und Follux) und
im Rathe (Photioe-Anhang) ; Recht des Einspruches gegen
Abstimmungen Uber staatsgetährliche Anträge (Photios-
Anhang, Phot. und Suid. v. voixo^. und Polluxi.
Beziehen sich diese Angaben des Philochoros auf die
Nomophylakes des Demetrios oder auf die älteren? Die
Nachricht Uber den Sitz iu den Versammlungen kann nur
auf die spSteren gehen, denn es giebt Stellen aus der
Zeit der Bedner, in denen Aensserlichkdten Uber die
^ Momnuen HeoKologie 8. 429.
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AÜ88BR DES BLUTaEBICHTSBARKEIT. 191
Geschäftsleitung in der fikklesie ndtgetheilt werden nnd
die Komophylakes erwübnt sein mttSBten, wenn sie damate
in die Geaehttftsleitang eingegriffen hätten^).
Dasselbe glanbe ioh von einer anderen Aeusserliehkeit
behaupten zu dürfen. Der Photios- Anbang sowie Phot.
u. Suid. V. vouLO'i. beginnen die Uiitersclieidung zwischen
Thesuiotheteu und NomophyUikes mit der Bemerkung,
dass jene mit Kränzen zum Areopag gingen;, diese aber
Binden «Is Kopfbedeckungen trugen. Bekanntlich tra-
gen Beamte, Rathsmänner und Redner in Function den
Kraus, welcher suglmch für die Arohonten, wenn sie nach
Ablauf ihres Amtsjahres Rechenschaft abgelegt hatten und
In den Areopag eintraten, der Ehrenkranz gewesen sein
mag. Abgesehen von diesem Insigne hat der athenische
Civilbeanite der älteren Verfassung kein Abzeichen '■') .
Eine Binde wäre eine seltsame Ausnahme von dieser
Kegel. Sie kann also wol nur den Nomophylakes unter
Demetrios gegeben sein. Jener Gegensatz zwischen Kranz
und Binde wird sich Überhaupt bei Philochoros in dieser
Schärfe nicht gefunden haben. Sondern Philochoros nannte
^) Z. B. Aeschines g. Ktesiphon § 4 (worauf Böckh und An-
dere hingewiesen haben). Xenoph. Hellen. 1, 7: Ekklesie nach der
Arginuseuschlacht , worauf Grote liist. of Gr. 5 p. 50-4 aufmerksam
UMhi. — X«h bemerke «oMmrävm, den nach den Ergebnieeen der
neueren Forschung PtoBdroi anetatt der Frytanen eU Vorritsende
ent im vierten, noch nicht im fOnften Jahrhundert vorkommen; Her-
mann Epicrisis quaeetionis de proSdxia apud Ath. Göttanger Indes
1843/44, Meier De epistatis Atheniens. comment. Haller Index 1855.
^} orpo^la yahm Phot.-Anhang ; Xvjxd Phot. u. Suid. ol vo(«.096X.
und PoUux. Was das Kichtifre ist, oder ob beides, weiss ich nicht.
Anders natürlich die Priester und Priesterinnen, und deshalb
hat auch der ßaaiXeu; eine Amtstracht: xpT^rixöv (Mantel) und ßasi-,
(Schuhe) PoUux 7, 77. 85. .
192 BEFDOHISBE DER ABBOPAOITIV
das Abzeichen der NomophylakeSi and der Gelehrte, wel-
cher ihn zn Rathe zog, suchte nnn naeh einem ähnlichen
Abzeichen ftlr die Thesmotheten. Da er natttrlieh kein
spedeUes Ingigne angegeben fimd, so sah er f&r ein
solches die bei dem Eintritt der üiesmoüieten oder Ar-
ehonten in den Areopag etwa erwähnte oTecpavTjcpopta an,
und der Gegensatz war fertig. So ist es gekommen, dass
einmal (Photios - Anhang! es den Anschein hat , als seien
auch die Nomophylakes mit ihren Binden in den Areopag
eingetreten ^o) .
Nicht so sicher scheint es, ob man die Nachricht des
Philochoros Uber die Gesetzeswaeht nnd das Becht der
Einsprache bei den Abstimmangen auf die alten Nomo-
phylakes oder anf die des Demetrios beaiehen solle. Ich
bin geneigt das letztere zn thun, einmal am der umge-
benden begleitenden Zusätze willen, sodann, weil bei den
Rednern sich doch wol ein Beispiel dafür finden müsste.
Nun aber verschwinden uns die älteren Nomophyla-
kes fast unter den Händen ! Sollte auch vielleicht Dinarch
bei Harpokration den Ausdruck nur in Übertragener Be-
deutung gebraucht oder ron dem Begriffe der Magistra-
tur, welche sich in vielen anderen griechischen Staaten
fand, gesprochen haben? Ich glaube das nicht, weil dann
unser Gelehrter sich schwerlich ttber die athenischen
Nomophylakes bei Philochoros instruiert haben wUrde.
Ausserdem operiert in Xeuophons Üikouomikos Ischoma-
chos mit diesem Begrifife der Art, dass man wol eine
solche Behörde in Athen schon früher yoraussetzen muss,
wenn auch gerade die dort bezeichnete Befugniss wieder
Was mehrfach auch von Neueren aU Thatsache angenommen
wird %, B. Grote Hiit. of Gr. 5 p. 504.
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AÜ88ER DE& BLUTQ£BICBT8£ARK£IT.
193
gar meht anderwdt naehwdBbar ist^^. Und endlich habe^
wir ja das ansdrHckUclie Zengniss des Fhilocboros im
Photios-Anhang fUr die Einsetzung durch Ephialtes oder
zur Zeit desselben, ein Zeugniss, welches für uns dieselbe
Bedeutung haben muss, wie irgend ein anderes dieses
Grewährsmanncs , nachdem die Termeintlichen Sonderbar-
keiten, welche dasselbe entwerfchen konnten, uns in
ibiem Verbfiltnisse zn Pbilochoros dnrebans TeratSndlieh
geworden sind^^.
leb gelange darum sn folgendem Beenltat. Die Ko-
mopbylakes waren seit der Reform des Ephialtes einge-
setzt und l)estauden in Athen, vielleicht mit Unterbre-
chungen und in der für uns controlierbaren Zeit der
Keduer olme grosse Bedeutung. Unter Demetrios von FbA-
8') Xen. Oec. 9, 14 eoiSaaxov oe auT^jv OTt xai £v xat; £uvo[i.o'j-
[xivatc rröXeotv (wozu doch Athen gerechnet werden wird!) oüx dpxeiv
Toit «oXitai?, t^v vojao-j; xaXouc •yp*'!''"'''*'» «^Ad xol vofio'fuXaxac
«pooatpoGviat, oItivcc imonoiGoifvtcc t&v ficv itotoOvT« td vöpufjia inm-
voQaev, ^ ttc icopd touc vöpioüc icoiiq, C-rj(i(o!}ai. Weniger gebe ich
ftuf Tlato Oes. p. 954 E, 055 A. Nomophylakes in andezen Staaten:
Elii (P»n. tt, 24, 3. Die •tefUfMoxcc Thuk. 5, 47 etwas andereBP),
Lakedämon (Paus. 3, 11, 2), Kreta (Plate Minos p. 320 B), Korkyra
(C. I. Gr. n. 104. 1845,, Lokroi Epizeph. ;Stobae. Sermon. 42).
82 Die Siebenzahl wird von den Neueren, welche die Einsetzung
der Noraophylakes in perikleischer Zeit annehmen , hingenommen.
Strenge Quaest. Philochor. p. 28 protestiert dagegen, denn wie hätten
sie sonst mit den sechs Thesmotheten verwechselt werden können?
Aber dae Azgument bedeutet nichts. Wie koonten denn die ieehe
Theamotheten mit den Eilfinänneni verwechselt werden? Katftriich
nur von Gelehrten, die das ThatsieUiche und also aueh die Zahlen
nicht genau kannten! 8. mmne Bemerkungen o. 8. 190 f. — Aber
die Siebenzahl ist freilich fflr ein athenisches Beamtencollegium
auffallend, und es scheint mir wol möglich, dass das iTz-i hk -^aav
durch einige Zwischenstufen aus dem Citate dee siel>.enten Buches
des Fhilocboros entstehen konnte.
J3
194 BBFUOHIStE DSB ABEOPAOTTKM
teroa wurde die Hagistimtiir im« gecndnet; ob in der Ton
PoUnx beseiclineteB Weiie, ist nicht nnt Sieherheit m
beillmmeD, aber et scheint doch kanm. leh mOehte eher
ftnnehmeQ, dass PolHix Worte auf irgend einem Missver-
ßtändniss beruhen oder ein Versuch sind, jene Verwechs-
lung zwischen Thesmotheten und Eilfmännem 8. 189)
auszugleichen. Erst durch Demetrios bekam die Behörde
wieder eine Bedeutung, welche sie in dem letzten Jahr-
hundert Tor ihm nicht mehr gehabt haben kann. Das
muB8 der Grund gewesen sein, weshalb HiiloehoroB Uber
sie bei der Behandlung der Verwaltung des Demetrios
sprrach; er wusste wol, dass sie ilter war, aberttberfhie
Befugniss in der älteren Zeit hatte er keine bestimmte
und ausreichende Ueberliefcrung mehr*').
Wollen wir nun von dem Institut der Nomophylakea
einen Schluss machen auf die Befugnisse, welche der
Areopag vor Ephialtes hatte und nach Ephialtes nicht
mehr hatte, so befinden wir uns in derselben Lage, wie
Fhilochoros. Wir können die Befiigniss, auf die Aus-
ftihnmg der Gesetze zu achten und staatsgef^rliche Be-
schlüsse möglichst zu hindern, von den Nomophylakea
des Demetrios zurückschliessend, den alten Nomophylakes
— so wie sie wenigstens in der ersten Zeit nach ihrer
Einsetzung waren — zuschreiben und gewinnen dadurch
ttj ChriatMueii Areopagos p. 5t ff. kt in Brnrag auf die No-
BiophylakM la dtaaelben Betultete wie Bflekh gekommen, ohne deo-
•en Abluuidlwig (Anm. S7) sn kenne«« er hiU die DinarchofiteU«
(Anm. 71) für ein Zeugniss der Zeit des Demetrios, vertraut aaf
PoUuz und meint endlich, es könne in Athen in der älteren Zeit
keine solche Behörde gegeben haben wegen Aristotel. Polit. 6, 5;
7, 8 Bk.: Tpiöv o&sdjrv dpy&v, *aö' Ä; olpoüvxal Tive; tip/d; tdU xupioiK,
vo[i.O(puXalxu)v rpoßouXtuv ^ouXfjC, ol piev vo|xoQp6Xaxc( dpurroxjMtixÖY, dXt-
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AUSSEA DKa BLUTGERICHTSBAKKEIT.
195
das negative Ergebniss, dam der Areopag diese Befag-
niss nicht mehr hatte . was ja auch Philochoros im Pho-
tios-Anhang deutlich genug sagt: ots 'E'fiaXrr^; }xova
xariXiice ii 'Apeiou tcckyou ßouX^ tol unep xoü 9(U[iaTo^ .
Hiermit stehen wir am Ende unserer Uebersieht.
Jßine Znsaiiimeiifiusiiiig der BeiiigiusBe des Aieopag in
der Bednerseit yerschiebe ieh bis auf die Beliandlimg^ der
Ephialtes-Frage, bei welcher ich yon der hier gegebenen
Uebersieht Gtebranch maehen werde.
Christensea Areopagos p. 53 vanteht unter ^eMm An«-
drucke nicht die «pevciid, «mdem in etwas wdterer Bedeutung eapi-
taUot alles, worin erkannt werden konnte auf Strafen, welche Leben
und Persönlichkeit des Bürgers trafen, so dass auch Religion sfrevel,
worauf Verbannung stand, einbegriffen wäre. Ich glaube vielmehr,
dass Philochoros einfach an die cpovixof dachte, ob sein Ausdruck
passend ist, das ist eine andere Frage — s. Schömann Antiquit.
p. 299 — , ebenso, ob mit dem Ausdrucke erschöpfend das bezeich-
net war, was dem Areopag nach der ileform verblieb. Philochoros
nennt eben nur die Hauptsache!
13*
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V.
Ursprung und Geschichte der Epheten
und des areopagitischen Gollegiuins.
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Wir haben uns bis jetzt fast ausschliefislich mit den
fünf atheniBchen Mahlstätten beschäftigt, an welche be-
stimmte Competeiuen, tfaeüs geriehtUohe and politisehe,
wie bei dem Areopag, theils nnr gerichtliehe, wie bei
den anderen vier Mahlstittten, geknttpft sind. Anf die
föehteroolleg^en, welche dort nnd hier fungierten, brauch-
ten wir bei der Feststellung der Corapetenzen nicht näher
einzugehen. ücHn einerseits waren für die Befugnisse
die Stätten, nicht die CoUegien massgebend. Anderer-
seits hat sich in der Besetzung der Stätten seit Selon
nichts geändert, mit der einen, geringfügigen Ausnahme
nnr, dass die Epheten, welche in historischer Zeit am
Palladion, Delphinion, Prytaneion und an der Bucht
Fhreatfy« richten, später, seit Eukleides' (403/2) Ton de»
ersten beiden Stellen durch heliastische Richter Terdrftngt
sind. Auf die Bedeutung dieser Aenderung werden wir
nachher unser Augenmerk zu richten haben ' . Abgesehen
hiervon fanden wir den Areopag den Areopagiten, die
anderen vier Mahlstätten den Epheten zugewiesen.
IKese Vertheilung der fünf Mahlstätten an die beiden
Torhaadenen Gc^egien geht znnlichst auf die 8ol<»iMhe
Veifassuag snrttek. Andm war es zu Drakoos Zeit und
>} Unten Cap. 4 dieses Abiehnitu.
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200 UBBFBUNO DVD OKBCmiOHTB 1>BR BPBETEN
Yor Drakon. Mit der Betrachtimg dieses Verhältnisses
wenden wir uns nim za den beiden Golleg^ien, den
Areopagiten und den Epheten, welehe in ihrer gesehieht-
liehen Entwieldnng zuerst gemeinsehaftlieh, ftir die sp&iere
Zeit aber gesondert zu behandeln sind. In Bezug auf die
Anfänge begegnen wir bei den Alten abweichenden, zum
Theil unsicher vorgetragenen Meinungen anstatt einer
festen Ueberiieferung. Sorg^ltige Benutzung der vor-
handenen geschichtlichen Spuren wird uns in Besmg auf
einige Fragen völlige Glewissheit geben. In Bezug anf
andere kommen wir )m dem gegenwärtigen Zustande der
Qaellen meht Uber dn mehr änsserliehes Zurechtlegen der
üeberlieferang hinaas. Aber auch das hat seine Berech-
tigung und kann seinen Werth für später um so eher
haben, als wir nach einer neuerlich erfolgten Vermehrung
unserer Quellen die Uofiäiung auf ferneren Gewinn nicht
aufgeben dtbrfen.
Cap. 1, Die Einsetzung der Epheten und des areopagi-
tisohen OoUeginms; die aolomBohe VerfasBiiDg.
1. Die in historischer Zeit geltende Theilung der
Competenz zwischen Areopagiten und Epheten, nach wel-
cher die Areopagiten auf dem Areopag, die Epheten an
den anderen vier Stätten richten, geht, wie ich schon be-
merkte, snnSehst anf die solonisohe Ver£usnng snrllok,
nieht anf Drakon, wie man etwa g^hen kihmte. Denn
das frtther betrachtete Gesetz Uber die Competenz der
Areopagitra: tr^v po jÄTjv (tT|V iv 'Apefq> iraYq>J SixaCetv 90VOU
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UND DES AKEOPAUITISCIUilN C0LLE6IUM8. 201
•
xal Tpau|xaTo; ix icpovofo^ xtX. (S. 23) gehört der Boloni-
schen Verfassimg an, nicht den Gesetzen. Drakons, wie
die meisten anderen Bestimmungen des Blutrechtes. Das
beweist die Auseinandersetzung Plutarchs im Solon 19,
welche uns die Ansicht des Altertliums Uber den Ursprung
des areopagitischen CoUegiums mittheüt. Die Vulgär-
ansieht, welcher auch Plutareh sieh anschliesst, sah das-
selbe für eine Stütnng SokmB an nnd sttttste sieh darauf,
dass Diakon in seinen Geselaen stets von Epheten, nie
Yon Areopagiten spreche. Dieses Gesetz aber wttrde
ja, wenn es von Diakon stammte, das Qegentheil be-
weisen.
Steht demnach die seit Solon bestehende Vertheilung
fest, so wUrde sich aus ihr fllr die vorsolonische. zunächst
an Drakon anknüpfende Vertheilung folgendes ergeben.
Seit Drakon richteten an allen fünf Stätten die £pheten;
Solon aher überwies den "Apstoc intYoc dem von ihm ans
ehemaligen Ar^onten nengehildeten aroopagitisehenBathe:
an den vier anderen Stiltten riehteten, wie zu Drakons
Zeit, die Epheten. Dies ist nach Plutareh (Solon 19) die
Vulgäransicht des Alterthuras, welche Pollux bestätigt 2)
und welche allmählich auch bei den Neueren zu allge-
meinerer Geltung gelangte. Nur in einem Punkte wichen
diese von Plutareh ab:' in Bezug auf die Einsetzung
des areopsgitiBehen Bathes durch Soion. Dies war ja
eine These, für welche Plutareh keine Ueberlieferung
hatte, welche er nur durch einen, wie es schien, keines-
wegs zwingenden Sehluss gewann. Das Areopagiten-
eoUegium konnte also sehr wol älter sein, als Solons
8, 125 iSboCov . . . i-v toi; T:£vTe oix39Ti)pioic. SöXoiv S a6-
202 maRBDiro und oBaomcRrB dbb efbetbn
Verfikssnng, nur mit dem matroehto durfte es vor Sokm
niehtB so thmi haben; deon das sdiieiieii allerdings
Drakons Gesetse, welche niemals der Areopagiten oder
des areopagitisehen Ratbes erwSbnten, zn beweisen. Dieses
Collegiuni der Areopa^inten musste sogar älter sein, als
Solon und selbst Drakoii. und zwar deshalb weil erst
Drakon nach der bisher geltenden Ansicht die Epheten
eingesetst hatte. Denn wenn diese vor Drakon nicht
ezistierteii , wer andm, als die Areopagiten, sollte vor
Drakon an den ftlnf MaUstfttten, wo doch seit nralten
Zeiten Uber Blnt Recht gerq^chen ward, gesessen haben?
So sehloss man nun fttr diese folgeweise eingetretenen
Veränderungen weiter : Vor Drakon richtet das CoUegium
der Areopagiten au allen ftlnf Stätten: Drakon setzt zu-
erst. Epheten ein und da diese nach seineu Gesetzen alle
fUuf Mahlstätten in Anspruch nehmen, so können die
Areopagiten jetzt, seit Drakon, nur eine Art Staatsrath
gewesen sein; Solon organisiert diesen Rath anders —
doreh Ergttnzang ans den jedesmal abtretenden nenn
Arehonten — und ttbertilgt ihm das Blatgeridit auf dem
Areopag, wahrend an den vier anderen StUten die Ephe-
ten bleiben ^] .
In ein neues Stadium ist diese Frage eingetreten,
seit ich gezeigt habe, dass das einzige Zeugniss des
Alterthums, welches Drakon den Stifter der Epheten
Diese Ansicht htt SdiSmanB voigetnigeii opnse« aead. 1
p. 190 ff. (1833) und später beibehaltea. 8ie ist vielftdi «ngenonf
men. Ich beschränke in diesem grasen Abschnitte die Verweisun-
gen auf die Ansichten neuerer Gelehrter und ihre Vorläufer unter
den älteren auf das nothwendigste Mass , um die Aufmerksamkeit
möglichst ungetlieilt für die in den alten Zeugnissen gegebenen that>
sächlichen Grundlagen der Beweisführung zu erhalten.
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I
WD DES ABBOPAOinBOBBlff ^jOLLTOlüM». 203
nennt, kleinen Werth -mehr beanspruchen kann. Wenn
die Hai^lstoll^ Uber die Epheten, FoUu 8, t25, ihran
grOmten Theile nach auf mtssverBtandenen Kacfariohien
beruht, so brauchen wir auch ihre Angabe : ApoxiDV V stU
toü; tou; E'f exa?) xa-£3TT,o£v nicht mehr als UeberlieferuDg
zu achten. Denn wer jenes Missverständniss beging, der
konnte auch die Einsetzimg der Epheten auf Drakon über-
tragen, dessen Gesetze, soweit sie von Solon retnpimrt,
also den späteren Griechen aUgonein b^annt waren,
ansschUesslioh mit dtib Epheten sieh beschüftigten^).
Ausserdem spricht auch die aristoteliBche PoMtik von Dair
kon in solchen AnsdrHcken, dass eine so erhebliche prak-
tische Masnregel, wie die Stiftung eines BichtercoUegiumSi
damit kaum verträglich erscheint^).
Haben wir nunmehr vor Drakon in den Epheten
Richter fttr alle fünf Stätten geradeso wie nach ihm, so
kommen wir um die Verlegenheit hinweg, die Existenz
der Areopagiten in der Zwisehenseit zwischen Drakon
und Solon annehmen zn mttssen, ohne doch angeben zn
kennen, was dieselben damals gesollt haben. Denn das
Blutgericht hatten ja jedenfalls die Epheten ausschliesslich.
Von einer Thätigkeit der Areopagiten aber als jjouXri findet
sich nirgend eine Spur, wo man sie doch erwarten sollte,
z. B. bei dem kylonischen Aufstände. Wir kommen nun
«} Oben 8. 139 (frflher Neue Jahib. t PhÜ. 1872 8. 604 f.). Die
ConsequeBt in Besag auf die Naehiidit dee Polluz über die Ein>
seteong der Epheten durch Dnkon hebe ieh im Bhein. Mut. B. 29
S. 11 f. aiugetprochen und nunmehr ohne Bedenken gesogen. Ebenso»
unabhin^g davon, Wecklein Der Areopag, die Epheten und die
Naukraren, Ber. d. Münch. Akad. 1873 S. 1 ff. und L. Lange in
einer demnächst zu nennenden Abhandlung.
^) 2, 9 ; 12 Bk. Apotxovxoc Ii vö|ioi (Uv ciot, noXtTei«^ o unap^oüo^
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204 uBsesuHo und ossohiohtk dbr bpbktbn
Ilm die Annahme dieser etwas gewaltsamen A^ndenm-
gen Drakons in der Vertheüung der Mahlstätten hinweg
und kdnnen zu der yon Plntareh empfohlenen Ansieht
des Alterthnms xnrilekkehren, nach weleher Selon einen ,
areopa^tisefaen Rath ans den abgegangenen Ardionten
stiftete und diesem iielien anderen, rein politischen Befug-
nissen das Gericht auf dem Areopag Ubertrug, die Epheten
also, welche von Alters her an allen fünf Stätten gerichtet
hatten, nur von dieser einen Stätte entfernte. Dazu müssen
ihn dann besondere Gründe yeranlasst hahen, welche auch
an&nfinden sind.
Zu diesem Ergebniss kam snetst 0. MflUer, welcher
das Zeugniss des Pollnx Aber Drakon als Stifter der
Epheten verwarf, ohne freilich diese Verurtheilung zu be-
gründen. 8eine Auffassung hat eben deswegen bis in
die neueste Zeit keine Nachfolger gefunden
Prüfen wir nun die Grandlage dieser Auffassung, so
handelt es sich zuerst um den von Solon eingesetzten
aieopagitisehen Bath. Hier möchte ich ansdrttck-
lich herri^heben, dass das Alterthum ans kein direktes
Zeugniss für das Vorhandensein des areopagitisohen
Bathes vor Solon überliefert hat. Wir haben in der
aristotelischen Politik 2, 9; 12 Bk. eine fast dialogisch
gehaltene Betrachtung Uber Solon, deren Verfasser ttbri-
* gens Aristoteles, wie ich fest überzeugt bin, nicht ist'..
Dort heisst es: »Manche halten den Solon für einen be-
deutenden Gesetzgeber wegen der vortrefflichen Mischung
seiner Ver&ssnng; der areopagitisehe Bath ist oligarehiseh,
6) O. MüUer Eumeniden S. 152 ff., vgl. Dorier 1 2 S. 336. 2 2
S. 134. Gegen ihn richtete sich die Anm. 3 genannte Abhandlung
Schümanns.
S. unten Cap. 2, 4 u. Anm. 131.
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«
UND OBS ABBOPAOmBCBBll COlXMimM. 205
die Aemterwahl aristokratiseh, die Volksgerichte demo»-
kmtisch.« >Al»er«, fügt der Ver£user selbst hinm, »Soton
seh eint Areopag and AemterwaM Torgefnnden, die Volks-
gerichte dagegen selbst eingesetzt zu haben.« Die Ansicht
also, dass erst Solon die ßouXTj sv 'Apsup t:ol'((^ einsetzte,
welche Plntarch den »Meisten« beilegt, bildet auch hier
den Ausgangspunkt. Der Verfasser stellt ihr sein Ibixe
entgegen. Ein Zeogniss kann auch er nicht dagegen anf-
bieten 1 — Allgemein gehaltene Verherrlichungen aber der
nralten Stiftung bei den griechischen SchriftsteDem be-
deuten gar niehts. Denn sie beweisen höchstens, dass
man die Befiignisse, welche an den "Apeio; ita^oc sich
knüpften, seit unvordenklichen Zeiten mit ihm verbunden
glaubte, und sie erklären sich vollständi-;, wenn nur vor
den solonischen Areopagiten ein anderes Collegiurn, also
etwa die Epheten, dort seinen Sitz hatte. Die Ablösung
dieses OoUegiums durch eine später eingeciebtete, immer-
hin doch auch sehr alte BehSrde unterbrach die Continuitttt
des Sagenmhmes, wenn ich diesen Ausdruck gebrauchen
darf, in den Augen der Späteren nicht. Und man traut
wol dem griechischen Zuhörer einer aeschyleischen Tri-
logie zu viel kritisclie Reflexion zu, wenn man meint, die
Einsetzung des areopagitischen- Gerichtshofes durch Athena
fUr Orestes, welche Aeschylos in den Eumeniden dichtete,
hätte Anstoss erregen mttssen bei solchen, die da wussten,
dass die eigentliche ßouXi^ iv Apstcp icafif» erst eine Schöpfung
Solons war; während Yor Solon ein anderes CoUeginm
dort richtete, welches eben&Us zugleidi eine ßooXiQ war.
Eine ßouXrjl Hier mache ich gleich auf einen Punkt
aufmerksam, der uns für diese ganze Frage stets gegen-
wärtig sein musR. Das solonische Areopagitencollegium,
welches sich aus den jedesmal abtretenden Archonten er-
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206 UK8PUUKU UND GESCHICHTE DLR ETHETEK
gSDzto, war niebt nur Blatgeriehtihttf aaf dem Areopag,
sondern aneh StaatBraih, wie wir frtther gesehen haben
(S. 170). Auch vor Solon liat es einen Ötaatsrath ge-
geben, schon in der Königszeit, vergleichbar der home-
rischen ßouXr, fspovTtov, einen Rath, dem der König, später
der oder die Archontcn präsidierten. Am natflrlichsten
soheint es, hier eine Repräsentation der alten Gesohlechter
ainanehmflii, eÜMn Rath also Yon 360 MVanem^. Manehe
bezweifeln die Zahl 360 für die alten ^ivi^ nnd glauben,
sie berohe auf einem yon Späteren kttnsüieb gemaehten
Schema, was sich weder beweisen noch widerlegen lässt.
Wir kennen allerdings in Attiiia keine wirkliche, leben-
dige Einrichtung, welche auf diese Zahl gegründet ist.
Trotzdem kann diese Zahl der Geschlechter wirklich ein-
mal Torhanden gewesen, aber frühzeitig verringert wor-
den sein; wissen wir dooh, dass noeh in historischer Zeit
viele Gesebleefater ausstarben Es kJtane nnndaraafan,
Spnren euoier solchen Körperschaft in yorsolonischer Zeit
an finden, welche wir für den Adelsrath, die eigentliche
pouXrJ und Vorläuferiu der solonischen ßouXr^ iv 'Apsi'o) Tzdfv^
— sofern diese Rath, nicht Gerichtshof war — halten
mllsstcn. Gross ist die Auswahl nicht, wenn wir uns
innerhalb der Grenzen des Ueherlieferten halten und keine
weiter gehenden Vermutbungen aufstellen wollen. Denn
wenn die ßooXi) iv 'Apticp icaY<P ®^ KensehOpfiuig Solons
^) Di« SteUen in. meinen Beitr&gen i. e. Oeich. des att. Borger-
nohtee S. m, 223.
*| Itokntet vom Frieden § 88 fvotv) dtv m HtX%t* yÄUvn t&
emifv icdXc|Miv 5ii^puYM, f6p^ao|Ar» . . . dvaetdro*^ ^vy*^!'^^"**
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UND DES AÄEOPAGITISCUÜN COLLEÜIUMS. 207
ht, 80 kommen eigentlicli wäi die Epheien, welche 0. MttUer
wählte, in Frage.
Neuerdings freilich hat Wecklein diesen Adelsrath in
den Naukraren zu erkennen geglaubt, ^vas aber von
vom herein unwahrscheinlich ist"'!. Denn die Naukrarien
sind jedenfalls kein dem athenischen Yerfassungswesen
Yon Alters her eigenes Institut. Wenn wir in ihnen
aSohiffshenenhesirkea erkennen dllifen, wonm ich g^be,
80 ist die Zeit ihrer Einrichtang sogar ziemlich genau zn
bestimmen ^1). Aber auch wenn man diese Etymologie
verwirft 1^), mnss man in den Naukrarien eine Landes-
eintheilung erkennen, welche der römischen Centurien-
"ordnung vergleichbar das Land wehrhaft machen sollte,
alle Eingesessenen, Adliche und Plebejer, umfasste, kei-
neswegs aber den Interessen des Adels allein diente oder
gar dem Adel ursprünglich anhafte, wie das System
gentilieiseher Gorpoiationen^'). Und ein Staatsrath, der
nijßht auf gentilieiseher Grundlage beruhte, ist in dem
Ältesten grieehisehen Staatswesen, welches ausser dem
Könige nur Adel und eine in der Hauptsache rechtlose
tt) Ber. d. Mflnoh. Akad. 1873 S. 38 ff.
S. unten Anm. 44. Die Etymologie giebt Follux S, 108;
doch können vir sie selbst machen, und ob er sie sicher oder iwei-
felnd (tacu;) vorträgt, davon hängt ihr Werth nicht ab.
•2) Wie Grote Hist. of Gr. 3 p. 72, der die »Hausherren« Wachs-
muths (Hellen. Alt. I S. 367 j wieder aufnimmt (von vaUiv). Weck-
lein S. 43 leitet vauxpapo; von vauetv (s. Phot. u. Hesych. v.], vaö;
(eeol. vaSe«) her die »Heerdhenen« des Frytaneion, was mir trots
der MharftiDDigen Beweiaftbruag am mehren CfarOnden nieht u-
nehmbar leheint. ÜAer die Stallen der Alten e. anaMr WeoUein
Bflekh fitaatsh. 1 S. 708 Anm.
Hierfür möchte ich auf meine Beiträge S. 168 ff. Terweisen,
wo man in Anm. 12 den Druckfehler »der Prytanen« in «und deren
Prytanen« ändern wolle.
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208 ÜBSPRÜliG UND GE8CHICHTK ULB JEPHKTE^'
Masse kennt, gar niebt denkbar. Noeb leiebter wiegt
ein prineipielles Bedenken, welcbes Weeklein veranlasst,
einen von den Epheten Müllers und den Areopagiten Schö-
manns verschiedenen Staatsrath in vorsolonischer Zeit
anzunehmen. Er meint, dass im Gegensätze zu Sparta,
wo die Gerusie als Staatorath und als Gerichtshof über
Capitalverbreeben tbätig war^^), in Athen yon Hans ans
die Yerwaltang von der Geriditsbarkeit getrennt gewesen
sei 1^). Dies ist eine VoranssetEnng, die sieb weder dnreb
die Tbatsacben bestätigt, noeb in sieb wabrsebeinlieb ist.
Denn eine solche Trennung ist in dem griecbischen Staats-
wesen viehiK hr Folge späterer Entwicklung und Uberhaupt
nie in der Schärfe vollzogen worden, welche der heutige*
Begriff fordert. Wenn wir demnach auch für Athen die
ursprüngliche Vereinigung administrativer und jurisdictio-
neller Befugnisse in einer Bebttrde annebmen, so dient
uns dasu die Analogie anderer Staaten wol als Finger-
zeig. Den Beweis aber müssen und werden die Tbat-
sacben selbst tiefem.
Wir haben jetzt die Epheten darauf anzusehen, ob
sie, wie 0. Müller wollte, den alten Adelsrath darstellen
können, welcher dann bis auf Solen zugleich als Blut-
gerichtshof an den fünf Stätten fungiert hätte. Bei dieser
Gelegenheit ist es zweekmässig gieicb alles, was wir Uber
die £pbeten wissen, zusammenzustellen.
2. Die Epbeten riebten in histoiiscber Zeit und
zwar sdt Solon an den vier Höfen (ausser dem Areopag) .
Das ist alsö die thatsächliche Grundlage, auf welcher die
") Arist. Pol, '6, 1 ol U fi^mwi xAi ^vmdi,
>S) a. a. 0. S. 12. 29. 47.
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I7ND DBB ABBOPAGITIBOHEK OOLLB&imiB. 209
Siteren attisoheii Redner in dieser Hinsieht stehen. Seit
Enkleides sind fAe aneh Ton den Mden Höfen am PaUa-
dion und Delphimon Terdrttngt (8. 199) . Die Bedner be-
richten nns znfölKger Weise Uber dieBpheten gar nichts.
Die einzige Erwähnung der Epheten bei einem Keduer
findet sich bei Demosthenes g. Aristokrates p. 632 § 38
5iaYiYVü>ax£tv os tou; ecpsta;, ein Citat aus einem drakonti-
schen Gesetze (S. 130). Ausserdem werden die Epheten
in demselben Gesetze in der öfter erwähnten Inschrift
(YolksbeschlnsB yon 409/8) genannt. Jetzt kommen die
Artikel der Lexikographen. Von diesen geht ein Thdl
nachweisbar anf die aristotelisehe PoUtie der Athener
zurück. Der Kürze wegen nenne ich hier nnr die Glos-
sen des Harpokration und nicht die gleich oder ähnlich
lautenden der anderen Lexikographen. Harpokration citiert
an drei Stellen v. im riaXXa5tu), irzi AeX^iv^cf), ßouXeuseoic
die Polltie, an den ersten beiden daneben die demosthe-
nisehe Bede gegen Aristokrates; er citiert femer t. iv
OpeanoT ohne die Politie den Demosthenes nnd v. h\
llpuiavEiq) anch diesen nicht, obwol er ihn benutzt. Dass
. er aus der Politie schöpft und was er darans nimmt, zei-
gen deutlich in dem Artikel irA lIaÄXaoui> die Worte
axoüoiou cpovoo, wofUr Demosthenes den Plural hat, sowie
ßouXeuasu); und e^p^xai, was beides Demosthenes fortlässt,
es zeigt femer in dem Artikel ßouXeooeo; dieses Stichwort
selbst ^^). Endlich zeigt es die Glosse v. i^itai: Aijjao-
o8^vi2c xat' 'AptoToxpoTotK* oC SixaCovtsc toc l<p' atfiAtt
xpCosi« hA ^aXXaS^> xal hc\ IIpoTave^ xal iitl Ä8X<piv{cp
lieber dies Quellenverh&Itniss ist schon S. 21. 23. Anm. 31.
u. S. 42 gesprochen , wo auch die Stellen der demosthenischen Rede
bei der Besprechung der einzelnen Gerichtshöfe angeführt sind.
14
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210 VBSFEmrO vsd gssohichtb dss bphbtbv
Tffd iv %9«TTpt .hfiwi ixoXouivto. Bier wird jswar die
Politie nicht geiuumty aber deniiioeh kann nur sie benutzt
sein. Penn die Icpiteu erwihnt ja Demosthenes in einem
ganz speciellen Falle (S. 209), für die vier GerichtsbOfe
aber giebt er sie nicht als Richter an. Also bot sie
hier dem Lexikographen oder seinem Gewährsmauue die
PoUtie der Athener.
Hiermit ist zugleich, worauf es mir ankommt, der
Beweis geliefert, dass die aristotelische PoUtie, so weit
sie in diesen und den gleiehartigen Glossen benutzt ist,
von den Epheten, die an yier, nieht an fUnf Höfen rich-
teten, also zur Zelt der alteren Redner und nicht etwa
vor Solon, sprach! Ich bemerke das darum, weil es sonst
nahe läge, für alle die Anj^abeu, welche andere (llossen
bieten , auch die Politic, die ja in den eben betrachteten
genannt wird, Terantwortlich zu machen.
Wir haben nemtich bei Photios und Saidas y. s^^ai
1 — 3 drei Glossen ohne Quellenangabe, welche theilweise
ttbereinstimmend auch bei anderen Lexikographen wieder-
kehren und noch etwas neues ttber die Epheten sagen.
Die dritte stimmt mit Harpokrat. v. ecpetat ttberein, nur
dass die Quellenangabe (Demosthenes g. Aristokrat, fort-
gelassen ist; sie geht ebenso wie der Artikel des Harpo-
kration auf die Politic zurück und berücksichtigt die
Epheten in der Bednerzeit. Die zweite lehrt uns etwas
Ydtlig neues Uber die Epheten: ein Alter ttber fUnftig
Jahre und die Voraussetzung guten Lebenswandels al».
Bedingungen ihres Amtes. Sachlieh steht der Annahme
einer solchen Altersgrenze nichts im Wege, und das fOnf-
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UND DES ABBOPAGJTISCUEN COLLBOIUM8. 21t
zigste Jalur hat wol nodi sonst in emBelnmi ftUleii eine^
besondere Bedeutung gehabt; der Ausdruck oi unsp icsv-
tr|Xovra sty] y^tovotsc ist eine Art technischer Bezeichnnog.
Ein Brauch, welcher wirklich einmal bestand, forderte,
dass die Leute dieser Altersklasse in der Volksversamm-
lung zuerst angefordert würden ihre Meinung zu sagen .
Bei Plut. Perikl. 1 7 werden zwanzig Gesandte aus derselben
Klasse ausgesehiekt (Yjgk 0. 1. Att. n. 40, 1). Aber gerade
wenn »die ttber fttnMgjShrigen« ein bekannter und im
praktischen Leben oft vorkommender Ausdruck war, so
konnte in unserer Glosse diese Angabe ttber das ftlr die
Epheten nothwendige Alter leicht aus einer anderen ent-
stehen, welche hier sich nicht findet und doch zunächst
n(3thig war: aus der Angabe Uber die Zahl der
Epheten (51). Man könnte als Mittelglied eine Lesart
uicsp icevnjxovTtt ovte^ (ftlr &U aal icsvT^Qxovta] annehmen,
doch ist das nicht nOtfaig. Dieser Ursprung der Angabe
wird noch wahrscheinlicher gemacht durch das sonderbare
^toTtt ßeßtoxivat uicoXiii<|«iv i)(ovT^, was doch wol nur eine
falsche Deutung und Uebertragung der Bezeichnung api-
arivoTjV («nach den Geschleehterm) ist, eines Ausdruckes, den
die Quelle dieser Glosse ebenso wie Tollux 8, 125 direkt
auf die Epheten übertrug'"'*). — Die erste Glosse lautet:
avSps; oiTtvs? ir' ovT8« (icsptovre; Phot. und Lex. Seguer. ;
oYfio^xovra ovrs; Zonara» p* 926) töCxaCov. i^^ixai hk Ukr^-
dtjoav'jjtot ort iid a?{Mm SixoCoootv i^ on l^psoic xrX. Man
W) Awehia. g. Timaioh. f. 23 vgl. g. Ktesiph. f. 2 ff. Auf die
F«B|{e Uber du Alter der Cffentficheii Biaeteten (^ermann Staataalt.
S 145, 16) gehe ieh «bikhtUeh nieht ein.
'») Oben S. 140. Hiendt ttimmt auch Wecklein Ber. d. Münch.
Akad. 1873 S. 20 überein. Wenn der Artikel auch nicht auf PoUux
beruht» «o kann er doch mit ihm auf die gleiche Quelle surückgehen.
14*
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212 UBSPRimO ÜHO G180HI0HTB DBB BPHBTBN
ftthrt die Varianten im Anfange des Artikels gewöhnlich
auf eine araprltaigliohe Lesart mpiiom« znrttck, welche
freilieh nirgend erhalten ist^^). Damit wäre das abweeh-
Sehlde Richten der Epheten bald an der einen, bald an
der anderen Gerichtss^tte bezeichnet, wie auch die Ba-
gatellrichter für die Demen TrepiiovTs; xata otJjioo; genaunt
werden (Pollux S. 100 . Aber es sclieint mir kritisch
ebenso gerechtiertigt, als ursprüngliche Lesart eine Zahl-
bezeiehnnng anzunehmen, also va ovrec^ was durch ic
hindurch einerseits an mpi-, andererseits zu anderen
Zahlbezeiehniingen fthrte.
So kmmne ich zn der Ueberzeugung, dass die Lexiko-
graphen und Seholiasten mit allen ihren Notizen über die
Epheten nichts weiter wissen, als was sich auf die Ked-
nerzeit bezieht: dass die Epheten an den vier iStätten
richteten und dass es 51 gewesen sind. Die aristotelische
Politie kann noch mehr Uber sie, auch in Bezog auf die
ältere, vorsolonische Zeit, mitgetheilt haben, aber bis
jetzt haben wir von solchen Mittheilnngen keine Spur
geihnden. MOglieherwose haben wir eue derartige ans-
drttckliche UeberMeferung bei Pollnx 8 , 125 : iSCxoCov fti
ToTi; ai|ian §iu)xo|iivoi; iv toT? irevTs SixaoTT/pioi? (den
Areopag mit eingeschlossen). i'oXwv o aiitoT; Ttpo^xar^-
oTTjOE nriv 'Apsi'o j -za'foo ßouXT^v^i). Es könnte aber auch
die Fünfzahl der ephetischen Gerichtshöfe vor Solon auf
dem ein£Bchen Schlösse beruhen , dass der are(^agitisehe
Rath, wenn er erst von Solon gestiftet war, fftr die Tor-
solonisehe Zeit wegfiel, also die Epheten damals den
So Porson sa Pbotios, O. Müllei £umeniden S. 161, Weck-
lein S. 19 u. A.
2') Beweisen Usst »ich das freilich nicht mit Wecklein a. a. 0.
S. 20.
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JSKD DS8 ABEOPAOimOHBir COLLBOIUlfB. 213
"Apsio; Trayoc mit besetzten. Dieselbe Schlussfolgerung
haben ja auch wir Neueren gemacht (S. 201].
Von Wichtigkeit fUr unsere Yorotellung Uber die
£pheten ist die Bedeutung ihres Namens, ttber welche
in alter and neuer Zeit viele Yermathnngen aufgestellt
sind. Sie alle anznftthren wttide nutslos sein. Denn un-
ter der ganzen Zahl ist nur eine, gegen die sich nicht
von vorn herein gewichtige Bedenken geltend machen;
diese stunimt von »Schümann -2] . Nach ihr sind die Eplie-
ten diejenigen, welche durch ihr gerichtliches Erkenntniss
feststellten (Icpi'saav oder d^isvto), wie im einzelnen Falle
gegen den Angeklagten zu verfahren sei. Diese Bezeich-
nung ist aber doeh fttr die Epheten zu allgemein und
kl^nnte auf jedes Bichteroollegium bezogen wer4en2^.
Auf eine ganz andre Ableitung ist neuerdings L. Lange
gekommen. Er sieht in dem Worte ein Compositum aus,
kszi und Irr^; f^^i^i "^id bestimmt die s9£Tai als
Vorsteher der Geschlechtsgenossen, der einst alleinigen
VollbüBger, ein durch Wahl, beziehungsweise Präsentation
aus den Geschlechtera hervorgegangenes CoUegium 2*) .
Diese Erklärung scheint mir sachlich und sprachlich (oi
cid ToT; hau SvTac, prarfecH etarum vgl. eirtoraOpoc, e^o-
u. dgl.) so treffend, dass ich mich ihr aus voUer
üeberzeugung anschliesse. Wir haben nun eine Körper-
schaft, welche nicht nur als Gerichtsliof passend erscheint,
sondern auch, und zwar vonviegeud als Adelsrath ; dieser
^■-j Opusc. acad. 1 p. 19(3 und später Griech. AU. 1 3 S. 494.
23;, Wecklein S. 28, dessen eigene Erklärung »Bluträcher« oder
»Ausüber der Blutrache« mir so weuig zul&ssig scheint, wie die
früheren.
M) Jj. Lange De ephet. Atheniena. nomine, Leipziger PreiiTer-
theilungsprogramm 1873 p. 11 ff.
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214 UBar&uNG und gisschicute deb epueten
Bath bal dano, wie die spaiiaiuflelie Genune, den wieb-
tigsten Theil der Gerichtsbarkeit wahrgenommen. Zugleich
erhalten wir durch die neuprefundene FItjTaologric in Bezug:
auf die gentilicische Zusanimensetzung und den durchaus
aristokratiBcben Charakter der Epheten diejenige Kennt-
niss wieder, welche uns durch die kritische Verwerfimg
der PoUnx-Stelle (apt(R{voi)v ai^Mna^ S. 139} Terloten
Wissen wir nim endlieb, dass die Epheten niebt,
wie Polinx angiebt, Ton Diakon eingesetzt, sondern dass
sie viel älter sind S. 203), so wird es uns begreiflich,
dass üi)er die Anfänge eines so alten Collegiums im Alter-
tbum keine Ueberlieferuug mehr existierte^).
So eiad wir in der Hauptsache wieder zu 0. Müllers
Auffassnng zarttckgekehrt, nach weleber die £pbeteu als
die adliebe ßooXij seit alter Zeit bis auf Selon zogleieb
an den ftnf MablstStten Uber M9rder nnd Todtschläger
sn Geliebte sassen^). Dass Selon nnnmdur die an die
eine Stätte, den 'Äpsio? irayo;, gekntipite Oompetenz sei-
nem areopagitischen Käthe überträgt, hat 0. Müller auf
folgende Art zu erklären gesucht 2' .
Die Anwendung der Sühnungs- und Reinigungsge-
bränehe, deren es am Palladion und am Delphinion, auch
am Frytandon, bedurfte, erforderte eine Kenntniss des
bdiigen Becbtes, wekbe in den Adelsgescbleobtem sidi
vererbte. Zn dem Eikenntniss Uber yorslttslieben Mord,
dem wichtigsten Tbeile der areopagitiseben Jarisdiction,
war sie nicht erforderlich, darum konnte Solen diese
^ Denn m» Kleid«niot darQbcr berichtet, iit natflrlicb keine
wiiUiehe Ueberliefening. Oben 8. 13. Anm. 19.
») Enneniden 8. 151 ff.
8. 153.
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UND DBS ABEOPAGinSCHEN COLLEGIÜMB. 215
Competenz einer Behörde übertragen, welche, weun sie
auch tbatsächlich zunächst noch aus Adlichen bestand,
doch hinfort kein Adelscollegium mehr sein sollte. Ausser
diesem Gnmde, welcher nur erklärt, warum Selon diese
Aendening madiäi konnte, mttssen aber noch andm
wirksam gewesen sein, welche ihn bewogen, die Aende-
nmg. wirklich yoizanehmen. Die BeingBisse eines Staate-
ratiies, welche 0. Mttller in yorsokniischer Zeit fUr die
Epheten in Anspruch nimmt, ttbte ja doch seit Solon
nachweisbar die ßooXi^ sv 'ApEuo tA'ho aus. Nach dieser
Seite trat also jedenfalls eine bedeutende Schmälerung
der Epheteu ein. Die Competenz der Mahlstätte auf dem
Areopag war ferner unter allen die für den Staat weitaas
wichtigste. Uebertrag also Selon solche Fälle, an deren
gerichtlicher Behandlung dem Staate am meisten liegen
mnsste, dem areopagitischen Rathe, so folgt daraus,
dass er auch hier eine Besehtifoikung der Epheten beab^
«ichtigte und glaubte, es sei besser für die Wohlfalirt des
Staates gesorgt, wenn diese Gerichtsbarkeit von einem
Collegium wahrgenommen würde, welches der Staat durch
Volkswahl, nicht aber <ü« Geschlechter durch Präsenta-
tion zusammensetzten.
3. Gegen die bis Jetzt yorgetnigene Auf&ssung, nach
welcher Solon der alten ßouXiJ der Epheten einestheils die
rein staatlichen Rechte einer ßooXr^, anderen theils den
Rechtsspruch auf dem Areopag entzog und beides seiner,
aus den ausgeschiedenen Archonten neu geschaffenen.
ßoüXiQ ev *Apei({) iza.'^nf Übertrug, — gegen diese Auffassung:,
könnte zunächst ein principielles Bedenken geltend ge-
macht werden. Lag eine so durebgreifende Aendenmg
wifklk)h im Interesse seiner Anordnungen, welche mög-
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216 UBSPBDNG UND GESCHICHTE DER EPHETEN
liehst an das Bevtehende anknUpfen miUBteii und auch
zum Tlieil als organische Weiterbildungen des Vorhande-
nen sich noch erweisen lassen? Wäre jene Auffassung
nicht durch ein nachdrücklicheres Argument anzufechten.
80 Hesse sich das angeftlhrte Bedenken wol beseitigen,
etwa durch die Erwägung, dass die Eupatriden doch zn-
lUlchst thatsi&ehtieh dnreh die Befenn sich nicht l^in-
trttehtigt fehlen konnten. Sie waren doeh ja einstwetten
die zum Areopag benifenen Candidaten, so lange das
Archontat nnr von Pentakosiomedimnen beklddet werden
konnte und der grosse Grundbesitz wol ausschliesslich
dem Adel gehörte.
Aber es giebt noch ein Hindemiss hinwegzuräumen,
an welchem sich die Erklärer in alter nnd neuer Zeit
iriellRoh versucht haben.
Flutaioh iUhrt im Soltm 19, nachdem er die Vulgär-
ansieht des Alterthums Uber die Einsetzung des areopa-
gitisohen Bathes durch Selon berichtet hat, das bertthmte
8. g. Amnestie j;c setz (richtiger: Restitutionsgesetz)
des ISolon an, welches so lautet : 0 6s tpiaxaiBixato; a^tov
TOü ^oXa>vo; xov oyoGOV iy&i täv vojacov outoj; autoT; ov6}ia3t
Y8Ypa)i)&8V0V. »At(}mdv oaoi aTi}xoi -^^av. irptv >] ZdAo>va apEai,
Iirt{(m>u; Elvai idi^v oooi ü 'Ape{ou ica^ou i] oooi ex twv
hftxwi Ti «X npt>tav8{bo xotadixoodlvtB; m tiov famkiwv
i(pavr^ oSsa^^}. Er entdeckt darin einen Widerspruch gegen
»J Piutarohs (Htat geht auf die alexaadxiniaob« Bibliothek surQek,
deren Geeetisamwlongen Kaliiuaehos katalogtsieit hatte; Adienaeot
p. 585 D ciUeit einen Tpfio« nivo^ xStt ^<|m»v. Aua dieser Qudle
schöpfte Didymoe fQr seine Schrift über Solons d&)vec (M. Schmidt
Didymi &agn. p. 399). I>en Didymos beniHit Platanh im Solon
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I
UHD DES AREOPAOrriSCHEN C0LLEGIUH8. 217
jene Ansiolit: »Das sieht nun wieder so ans, als ob vor
Solons Arcbontat und Gesetsgebnng es einen areopagiti-
scben Rath gegeben habe. Denn wer sind die vor Solon
auf deui Areopag Verurtheilten , wenn erst Solon dem
areopagitischeu Rathe Gerichtsbarkeit verlieh?« Um die-
sen Widersprach zu beseitigen, schlägt Plutarch in letz-
ter Instanz einen Ausweg vor. Man könne das Gesetz so
erklären, als habe es Solon in Bezug auf di^enigen ge-
geben, welehe wegen solcher Yerbreehen flüchtig wurden,
ttber die jetzt — zur Zeit, da das Gesetz erschien —
Areopagiten, Epheten und Prytanen richten. Diese Er-
klärung ist natürlich ganz unzulässig..
4. Das soloni sehe Kestituti onsgcsetz bei Plu-
tarch Solon 19 habe ich früher zum Theil im Anschluss an
mtere Erklttningen so anfgefasst, dass es sich mit der An-
sieht, erst Solon habe die areopagitische pooX^ eingesetzt,
yertrug^'J). Dieses ist auch das Ergebniss emer übrigens
erheblich von der meinigen abweichenden ErklSrung, welche
gleichzeitig Wecklein aufstellte . Dagegen kommt eine spä-
ter von L. Lange"**) im Anschluss an die eben genannten Ar-
beiten geführte Untersuchung zu dem Resultate, dass das
Restitutionsgesetz einen von den Epheten verschiedenen
(Rose Aristot. pseudepigr. p. 415. K. Trinz De Flut. Solonis fon-
tibuK, Bonn 1S69.)
Daa AmnestiegeseU des Solon und die Prytanen der Nau-
kxuren u. b. w. im Rhein. Hub. B. 29 8. 1 ff. S. den Naehtng
8. 12.
^ In der dfter angeführten Abhandlung: Ber. d. Mflneh. iCkad.
1813 S. 1 ff.
31) Lange Die Epheten und der.Areepag vor 8olon> Abhdl. der
Bfichs. Oes. d. Wias. 1874.
•
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21S üBBFBiiiiro vm> axsomoBn dbe bphsten
areotMigitisehen Rath vor Solon ToransBetse. Auf Gnnid
dieser Arbeiten gebe ieh eine möglichst prädse Darlegung
des Inhaltes jenes solonlschen Gesetzes.
Wir haben drei Behörden vor Selon und drei Arten
von Verbrechen, wegen deren die anaoi verurtbeilt sind:
1. ik Apei'ou itotYOü — eiri ^ovip
2. Ix Tttiv s^psToiy — hd ««paYatsiv
3. i% fipuravs^ou — inl Tupawi'di.
Zwischen den Behörden nnd den Yetbrechen findet keine
genane Entspredinng statt, welche ich früher annahm,
aber iSngst aufgegeben habe. Das zeigt die zweite Reihe :
Die Ephcten richteten vor Solon an den verschiedenen
GericlitsstUtten , und die betreftenden arifjLoi waren vor
Solon entweder von ihnen mit Verbannung beßtraft wor-
den oder aber, um der Todesstrafe zu entgehen, geflüch-
tet. Das, worüber die Epheten richteten, kann nun nicht
als at^al beseiehnet werden. Denn die w^ai sind nidit
als ein geringeres, der ^faettsdien Gompetenz nntersteU-
tes Verbfech^i dem ^povo< entgegengesetzt^, sondern,
wenn der Ausdruck streng genommen wird, so enthält er
die technische Bezeichnung für Massenmord, Gemetzel in
Zeiten bürgerlichen Zwistes '3). In dem solonischeu Ge-
setze geboren die Ausdrücke iizl cpovw irj a^aYaiaiv zu-
sammen nnd bezeichnen als »Mord und Todtschlag« die
Verbrechen, worttber der Areopag nnd die £pheten er-
kannt haben. Dass die drei Gerichtshöfe nicht den drei
Verbrechen entsprechen, sieht man auch ans der Satz-
yerbfaidnng:
32) Wecklein S. 28.
^) •^'ivoc a private murder, scpayT; a maußer* §6il, m tnotu eksüiß
Dobree Adveiaaria ed. Scholefield 1 p.
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UMD DES AREOPAGITISCUEM COLLEGIUMS. 219
einerseits Sooi M — ^ Soot 'x . . . !J ix
andererseits 4icl rpovcp a^ayawtv — ^ fori TopawCSt^
nach welcher dort der Areopa^ den Epheten und dem
Trytaneion , hier Mord und Todtschlag dem Hochverrath
entgegengesetzt sind 3*; .
Von den drei Gerichtshöfen, Areopag, Epheten und '
Prytaneion, betrachten wir jetzt zunächst den dritten, das
Prytaneion. Anf dieses bezieht sicAi die dritte Kate-
gorie der iid lopawfSt Vemrtheilten. Hiemnter versteht
man fast allgemein die Theünehmer am kylonisohen Auf-
stände, lieber den kylonisohen Aufstand berichten Hero-
dot 5, 71 und — abweichend von ihm — Thukydides 1,
126, sowie Plutarch Solon 12. Nach Herodot »regierten
die Prytanen der Naukraren in Athen «, als die Kyloneer
auf der Burg belagert wurden. Sie sind es aueh, welche
die Aufetftndisehen bewegen, die Burg zu verlassen (avt-
oT&ot) und ihnen Sehonung des Lebens versprechen (dicrf-
Yuooc ic^fjv OavaToo). vAher die Alkmaeoniden beschuldigt
man, sie getödtet zu haben«. So Herodot. Thukydides
bespricht die Blutschuld der Alkmaeoniden da wo er er-
zählt, wie die Spartaner zu Anfang des peloponnesischen
Krieges die mittelbar gegen Perikles gerichtete Forderung
stellen, man solle die Alkmaeoniden verbannen. In 4er
Erzählung des kylonischen Aufstandes weicht er von He-
rodot ab. Er sagt in absichtlichem Widerspruche gegen
jenen , dass die neun Archonten damals in Athen regier^
ten- (ra noXX« töv fcoXittxöv &rpaaaüv) . Bei ihm sind es
auch diese anstatt der Prytanen, welche die Kyloneer
aufstehen heissen i avaaTr^aavTei] . AtTchon eponymos war
bekanntlich damals Megakles.
HieAuif bat Langt hingvwiewn 8. 46 ff.
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220 UBSPBUNO UND 6E80HI0HTB DBB BPHBTBK
Bei der Beiirthoilimg dieses Widerspruches zwischen
Heiodot und Thakydides handelt es sich nicht darum, ob
die Prytanen der Naukraren damals Überhaupt an den
Ereignissen Antheil nahmen oder nicht; denn dass sie
existierten und auch eingriffen, muss man Herodot, der
allein diese BeliOrde erwähnt, unbedingt glauben. Er
kann sie nicht erfunden, aus der Luft gegriffen haben.
Es kommt vielmehr darauf an , ob sie d i e Stellung ein-
nahmen, welche er ihnen im Gegensätze zu Thukydides
anweist. Der Schwerpunkt der Frage liegt in der Veran-
lassung zu der ganzen Erzählung von dem Aufstände.
Trifft die Alkmaeoniden wirklich «fie Schuld, wegen derea
früher Eleomenes den Elisthenes verbannte und jetzt die
Spartaner den Perikles zn entfernen streben? Ich meinte
früher^^^ . der Bericht des Herodot gebe die für die Alkmaeo-
niden ungünstigere, der des Thukydides die günstigere
Auffassung; es sei dem Thukydides darum zu thun, die
Blutschuld des Megakles und der anderen Alkmaeoniden,
welche Herodot wie eine persönliche Verschuldung dar-
stellt, durch die damalige amtliche Stellung der Arehon-
ten, an deren Spitze Megakles stand, zu rechtfertigen,
zumal da sie nnumschriinkte Vollmacht ftlr diesen Fall
bekommen hatten ^*'') . Während so Thukvdides die officielle
Stellung der ivaYsT? herauskehrt, betont Herodot die amt-
liche Bedeutung der Prjtanen. Natürlich kann Herodot
nicht aus persönlicher Parteinahme gegen die Alkmaeoni-
den entstellt, sondern nur aus sachlichen Qrttnden einer
für jene ungttnstigen Version sich zugewendet haben.
35) Rhein. Mus. B. 2!> S. 4 f.
dpyo'jat TT(V «puXaxi^jV xai tö röv aÜTOxpdTopai ötaO&tvai ov ipioxa oia-
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miD DBS ikBm^AGIIMCHBN OOLLBOIDlfS. 221
Anders, nrtfaeilen Wecklein und Lange'') ttber das Ver-
hlütaiss der beiden Berichte; nnd ihre Darstellung hat mich
dayon ttberzengt, dass die Version Hetodots doch mit
grösserem Rechte in einem für die Alkmaeoniden günstigen
Sinne sich interpretieren lässt. Wenn nemlich Herodot
von einer Anschuldigung spricht, welche man gegen die
Alkmaeoniden e r h e b e , und ausserdem statt der Archon-
ten, weldie bei Thnkydides die Kylone^ »anfiitehen
heissen« die Fiytanen der Nankraren anfireten, diese
anch die höchste Begierangsgewalt in Händen haben Ittsst,
so wftizt er damit die Terantwortnng fftr das nachher
Geschehene, also die Blutschuld, von den Archonten,
deren Erster Megakles war, auf jene Prytanen ab. Thu- •
kydides dagegen widci'spncht ihm in Bezug auf die da-
malige Stellung der Prytanen, er lässt die entscheidenden
Schritte von den Archonten ausgehen, kann also auch
die Alkmaeoniden von der »Blntschnld« nicht freisprechen.
DafUr aber weist er am Schlnss sebes Gapitels auf die
Nichtigkdt der spartanischen Forderang, Welche auf diese
. Thatsache sich stützt, hin, indem er bemerkt, dass ja
die Alkmaeoniden nach ihrer ersten Verbannung unter So-
Ion und ebenfalls nach der zweiten durch Kleomenes
längst zurückgekehrt seien und keiner bisher an ihrem
Verweilen in der Stadt Anstoss genommen habe.
Welcher Gerichtshof hat nnn damals die Kyloneer
verbannt, wer sind also die ix npotavefoo Bichtenden?
Ifit dieser Frage kehren wir zn dem solonisehen Gesetze
znrUek? Die meisten Versehworenen wurden, als sie die
Weeklein a. a. O. S. 32 f. Lange 8. 55 f.
^ ^eüaai hi aÜTOu«; alt tri ^X^^ 'AXxfMUWvt^. Der Berioht>
erstatter giebt durch die Anwendung dieser Redensart kein eignea
Urtheil ab. Deigleiehen 5, 70. 73. 6, 115.
222 UB8PBOKO UKD GESCHICHTE DEB EPHETEK
Barg yerliesBen, niedergemetzelt; Kylon imd sein Bruder
waren vorhor schon entflohen (Thukydides). Plotanoh
Solon 12 fttgt noeh einige Einzelheiten hinin. Als die
Kyloneer die Bnrg verliessen, stellten sie sich unter den
Sehnts der Athene, indem sie an ihr Bild eine Schnur
knUpfteu und diese anfassend heniieder stiegen. Als sie
am Fusse des Areopag, dem Akropolisautgange gegen-
über, angekommen waren, da, am Heiligthum der Eiime-
niden, zerriss der Faden und das Gemetzel be^^ann,
dem einige unter den Verschworenen, welche sich schütz*
flehend an die Weiber wandten, entgmgen. nutaroh er-
wShnt hier, dass Megakles die Verschworenen zu einem
Gerichte hinnnterznifthren Tersprach^<>). Ein Gericht Uber
39j Dieses Moment wurde nach Grotes ansprechender Vermu-
thuiig zur Vertheidigung der Alkmaeoniden in dnen SjwiM eiAmden
und xum Bewdie angeführt, dan die Göttin lelbtt die Aufrtftndiachen
dem verdienten Schicksale abezlaseen hätte; Hitt of Gr. 3 p. lU.
^ lid (ix) «anXOtN fictMcv d. h. er bewog sie henantersakom-
meil unter der Zusicherung, sie einem ordnungsmä«sigen Gerichte
Itt untentellen, ihnen nichts zu leide zu thun, wie Thukyd. sagt
«0 [jlTjSev yjTiöv rrofrjso'jaiv seil. ot'jTO'j;, , ureY^uov»; tXtjv ftivatou
nach Herodots Worten. Ich sehe nicht ein , Avarum das Verban-
nungsurtheil im Prytaneion nicht auch über die Geretteten gesprochen
• worden sein soll; Lange freilich S. 53 meint, Tod und dti^j-^ia sei
durch die Capitulation ausgeschlossen, also zu einer oixt) keine Ver-
anlassang mehr gewesen» aber Thnkydides' Worte beliehen sieh nicht
aof gerichdiehe Strafe, sondern auf wideireditiiche Gewalt, wie sie
den Kyloneem thatslehUch naehher am EumentdenhmligUium doch
angethan wurde. Naeh SehoL Arist. Bitter 44S sollten die Kyto-
neer auf den Areopag gefahrt werden, um dort ihr Urtheil xu
empfangen (ol «u'pcaTaxXeiadivre; Ttu KuXtuvt h dxponöXsi ei; Tf|V
xp(oiv xarlßr^aav h \\ptw> ra^tij;. Lange denkt hier an eine admi-
nistrative Entscheidung der areopagitischen j^ou/ t) , der sich beide
Parteien unterwerfen und die von der oixtj im Prytaneion verschie-
.den gewesen sein soll. Ich halte die Steile für eine ganz werthlose
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UND D£8 ABEOPAeirnOHEN 00LLBGIDM8. 323
Hochverrath wurde nun jedenfalls abgehalten und über
di^nigen, welehe geflohen waren^ das YerbannmigBurtheil
naehtrSglieh ansgesproehen. Dasselbe Urtfaeil erging decb
aneh wol ttber die bei dem Blntbade Geretteten (Flntsreh).
Dieses Urtheil nun ist im Prytaneion gesprochen. Wer
aber sind die Richtenden in diesem Prytaneion? An
den bedeutungslosen epbetischen Gerichtshof im llpu-
xaveuf), weicher über leblose Gegenstände und unbe-
kannte Mörder ein ceremonielles Urtheil sprach, kann na-
tttrlieh hier nidit gedacht werden ^^). Phitareh Selon 19
nennt in seiner firklttrung des Gesetses als Biehter Prj-
tanen. Aber er weiss offenbar nicht mehr, als was in
dem Gesetze steht, sonst wttrde er sagen, was fttr Pry-
tanen er meint. Die Neuereu denken fast alle au die
Prytanen der Naukraren, weil sie Herodot bei dem
kylonischen Au&tande nennt und diese, die einzigen aus-
drücklich so — TrpuTavsi? — genannten, dadurch auf das
»Prytaneion« des soloni^hen Gesetzes allein Anspruch
zu haben scheinen 4^;. Aber wenn Herodot in seinem
Entstellung eines dem plutarchtschen ähnlich lautenden Berichtes;
auf den Areopag gerieth ihr Urheber wegen des KuXaivewv, welches
ja am Fusae desselben lag. S. Rhein. Mus. B. 2!) S. 4 Anm., wo
ich auch gegen die Verwendung dieser Stelle ^Gesch. d. att. Bürgerr.
S. 223/ Einspruch erhoben habe.
Dvt^bM lufneht unter den neoeien Gelehrten faat Einstim-
migkeit. Und doch ist zuletst WecUein 8. 36 f. auf diewn QeriobU-
hof tta Kylen und seinen Bruder tnrSekgekommen. Seine GrOnde
lind meht lureicheBd. Der ßoufövoc beim DiipolienAMte (t. oben
S. 17 Anm. 25) ist freilich nicht unbekannt als Thiter, wird aber
doch als d^povifi« attf||efasst, denn darum h< man sich an sein
Werkzeug; Kylon und sein Bruder aber sind ja nicht einmal Mör-
der, was sollen ihnen gegenüber die Epheten?
*2) Schömann Opusc. acad. 1 p. 197 und später; Schöll Heimes
1871 S. 20 ff. u. Andere, früher auch ich lihein. Mus. B. 29 S. 3.
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224
DBflFBUNO UND GEiCHICHTE DES EPHXTEN
Berichte die Bedeutung der Prytanen der Naukraren
stark ttbertrieben hat (S. 221], so lässt sich daraus kein
Ansinnicih mehr herleiten^').
Weiter aber zeigt es sich, dass sie nicht die irpuco-
vsi« schlechthin sind, sondern nnr die Vorsteher, der
Anssehnss eines GoUeginnis, neben welchen anch andere
Prytanen anderer Collegien bestehen konnten. Diese
Prytanen sind eine verhältnissmHssig: junge Behörde.
Denn die 4« Naukrarien, welche Klisthenes auf 50 ver-
mehrte , sind nicht älter, als etwa das jährige Archontat
(683), während das Fl^taneion so alt ist, wie die Stadt
selbst^). Vor den Prytanen der Nankraren mnsste
Dagegen ist mit Recht Lange S. 55 ff. aufgetreten und hat ebenso,
wie kun vor ihm Cinrtina Ueber den Uebergang des KdnigthamB in
die Republik bei den Athenern, Ber. d. Beil. Akad. 1873 8. 284 ff.
das Frytandon fOr die Archonten in Anq^truch genommen.
^) Lange S. 58 macht darauf aufmerksam, daas trotz Herodots
Bericht die Naukrarie-Prytanen den Ardionten snr Zeit des kyloni-
schen Aufstandes unterstellt gewesen sein können. Die Vollmacht
'Anm. kann den Archonten auch bei Thukydides' Ausdrucksweise
von dem Adelsrat he gegeben sein. Das ävaof^oai, Mas nach
Thuk. die Archonten, nach Herodot die Prytanen thun, können die
ersteren durch die letzteren haben thun lassen; ähnlich schon
Sehamaim De eonilt. At^. p. Xm.
Die Zeit der Einietxung der Nankrarien habe ioh firfiber im
AnschliiBse an Duncker Gesch. d. Alt 3^ 8. 450 naeh den aua-
wirtigen Verhiltniaaen (E|^twickelnng der Seemacht von Korintii und
Megara, Krieg zivischen Chalkis und Eretria} bestimmt: Gesch. d. att.
Bürgerr. S. 152, wozu A. Sch&fer in s«ner Recension N. Jahrb. f.
Phil. IST! S. 54 historische Nachträge gegeben hat. Zu den Wenigen
hingegen, weiche ein weit höheres Alter der Naukrarien annehmen,
ist noch Schöll Hermes 1871 S. 22 getreten, welcher seine Annahme
selbst auf die Naukrarie-Prytanen ausdehnt, was insofern natürlich,
als er diese mit den vier cpuXoPaotXeic gleichsetst, begreiflich ist.
Doch diese CQaichsetzung ist unrichtig, s. unten Anm. 58 ff.
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UND DES ABEOPAGmflCHEN C0LLEOIUM8. 225
dann jedenfiUlB eine andere Behörde hier ihren Site
haben«»).
Das Prytaneion aber,' der Gemeinde- nnd Staats-
heerd, kann, wenn es Sitz irgend einer Behörde war;,
nur der höchstregierenden zukommen, und wenn diese in
den Nankrarie-Prytanen nicht zu finden ist, eine andere
Behörde aber besseres Recht darauf hat, so würde dar-
aus folgen, dasB die Nankrarenvorsteher mit dem Fry*
tandon tlherhanpt nichts zn thnn haben.
Die Erben der KOnigsgewalt sind die nenn Ar-
chonten. Der Site der königlichen Eegicmng war das
Prytaneion. Finden wir nun nach der Aufhebung des
Königthums in dem Amts- und Speisehause des Königs
vor der Zeit der solonischen Verfassung eine Behörde,
sei es ständig, sei es zur Wahrnehmung eines aasser«
ordentlichen Geschäftes versammelt, so müssen es die
Ardionten gewesen sein, welche auf diese Weise auch
änsserlich in die kOnigliohe Stelinng eintrete ^*J. Ihre
Befbgniss ist spttter mehr und mehr besehiSnkt worden
und nnr noch in wenigen Fftllen handeln sie gemeinsam
als CoUegium. Die besondere Begrenzung der verwal-
tenden und rechtsprechenden Thätigkeit, in welcher wir
jetzt den Archon, den Basileus, den Polemarchen und
die sechs Thesmotheten antreffen, ist höchst wahrschein-
lich eine Folge der solonischen Gesetzgebung ^'J. Nahmen
^) Auf die whiltaiinnäMig junge Intütution der Nuikrerieii
weilt aueh Curtiiis hin, Ber. d. BerL. Akad. 1873 8. 292, der de
in der Oriech. Gesch. 1 > 8. 282 in die KOnigaieit hbanfrSokte.
»} Curtius a. a. O. Lange S. 61 ff.
Ueber die gemeinsame Thätigkeit der Nenn noch in spä-
terer Zeit spricht Pollux 8, 86 f. vgl. Hermann Staatsalt. § 138, 2.
Doch steht nicht alles einzelne fest und für die Berichtezstatter lag
15
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1
226 UBaPBÜKO ÜKD GEBOmCHTB DBB EPHBTBSr
sie vorher die Kegiernng imd den Rechtasprach in der
Begel gemeinaam wahr, so kann auch das Piytaneion in
eine Verwechselung zwischen den 9 Archonten und den 6 Thes-
mothcten nahe , weil man früher gewöhnlich und später noch ge-
legentlich alle neun »Thesmotheten« nannte. So habe ich früher
S. 133 Anm. 35* für die 6 Thesmotheten eine Befugniss in Anspruch
genommen , die PoUux hier den 9 Archonten luschreibt. — Dass
die später übliche CompetensÜheihiiig — einnlnei au^enommen, wme
llter ift — von Solon herrOhit, liest eich tta die Jarisdiction
ntehveiien, wenn Langes (8. 76) Hantdlung tmi Said. dtpx<v» «
Lex. Seguer. bei Bekk. aneod. 1 p. 449 in der Hauptsache richtig
ist. Der Artikel stammt aus ApoUodors zweitem Buche ü]]er die
Nomotheten s. Laert. Diog. Solon 58, wo schon derselbe Fehler,
und lautet : xat r.ph txev töv 2<iXa)voc s6\im^ oj% i^fj^ o'jtoT? «[xi mxd-
Ceiv, dXX' 6 |xev ßaotXeut xa^aro rotpd xiti xoXoujxivcp flouxoXel<]j • xö oe
f(V rXrjoiov lo'j flpuTavetoi» " 6 oe roXIjjiotpyo; iv A'jxslip , xot 6 dpywv
rapd Touc iroivufAOuc, oi dcs{jLodexai Tiapd x6 decpiodioiav. Hier sind
nun sicher die Eponymen und das A6«6tev (Harpoktat. nach-
solonisohe Institatc, also kann sich die im AnscUuss an sie berich-
tete Competensrertheiittng nicht auf die Zeit icp6 xAv 2<Xai>N)c vojaom
beliehen. Wir brauchen feiner einen Gegensatz von icp6 S<SX<»<«o;
und SoTcpov, wie er in dem zweiten Theile der Glosse wiederkehrt:
(vor Solon) x6pto( tc "^^aav, &m tdc Jlxac oixoxeXeu rouiadai, Soxepov
SöXdjvo; oöhky Stepov oOtoIc reXEixoti (1. dxeXeixo) irj [x»5vov J)ToxoivO'j3t
(1. dvaxpiveiv) xou; dvxiSlxou;. Hier nimmt der V'erfasser eine Be-
schränkung der Archontengewalt durch Solon an, also muss auch ia
dem ersten Theile von einer solchen die Rede gewesen sein. Eine
Beschrinknng ist abor die Theilnng der Ccunpetenz gegenober
dem Afi« fttxdCsMi dämm ist erstexe das Nadisoloniwhe, letsteres das
Voisdonisehe. Nun eiginie ich mit Lange x«d icp& |uv tOv SdXoivos
y6|mbv dl|*a KiaaCov» Sstspev hk xibs ZöXoivoc v6|a»v oä«
i^v. . . . Soviel halte ich für sicher. Hinter i(M iSfacaCov mit L. x^t
npuTavetip (als Amtslocal der Neun) vorauszusetzen, weil nachher das
Prytaneion als etwas bekanntes erwähnt wird , ist schon gewagter.
Anderes in dem Artikel lasse ich jetzt auf sich beruhen, weil es mir
genügt, seinen Hauptinhalt für die vorliegende Frage verwenden zu
können.
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UHD DES AUEOPAUmSCUEN COLLEQIUMS. 227
dieser älteren Zeit ihr gewöhnliches Amtslocal gewesen
seiu^'*).
Wenn man andererseits , an der Stelle der Ar-
chonten als der Prytanen schlechthin, die Prytanen der
Naokraren mit dem Prytaneion in Verbindung brachte,
80 geschah das abgesehen von der £rzählimg iSmdots
(S. 219) mit Rlleksioht auf eine Einrichlong, weMe noeh
knn besprochen weiden mnss. • In der athemsehen Ge-
richtssprache hat sieh die Bezeichnung ra irptiraveia für
die von den Parteien zu erlegenden Gebühren dauernd
Nur kann ich mich nicht davon flbecseogen, dass wir dafar
ein ZeugnisB haben bei Phot. iepo(tmt«(a: ot ^dvip ((xo«
iv oXi i| exoripou (Upou; \6foi rpociievTat. Bergk zu Sehillers Ando-
kides p. 128 meinte, dass die ganze Voruntersuchung in Blutpro^
cessen im Prytaneion abgehalten sei, was gewiss nicht richtig ist.
S. oben S. 84 f. Curtius Her. d. Berl. Akad. 1S73 S. 291 acheint
dasselbe anzunehmen. Lange S. 69 meint, in vorsolonischer Zeit
seien diese Klagen von den Archonten im Prytaneion gemeinsam
«ngenmumm und darauf dem Pziitdenten des Blutgeriohtahofs, dem
PamXt6s abergeben worden; er mnmt hinter <v ^poT«N«^> eine Lücke
an und Teibindet diese Worte mit i7MXe6|ievot. loh kann nur, wie
froher, Bhem. Mus. B. 29 8. 10, mit Schdll Hermes 1871 8. 22
eine etwa aus Antiphon Choreut. § 42 geflossene Notiz aber die
Voruntersuchungen im Blutprocesse mit einem ungehörigen Ein-
schiebsel h !Ip'jT7V£[(i) erkennen, dessen Veranlassung nicht mehr
festzustellen ist. Auch bei Suid. v. irapaxataßoXfj ist die Notiz dv
■^clp Ttii np'jTaveit^) iTi&esiv ra; tü»v oix&s Yp«'fa; nur aus dem Aristo-
phanes-Citate np'jTavei' gemacht. Denn später sind ja die
»PrytaneiftK sioher nidit im Prytaneion niedergelegt; und Aber die
Torsolonisehe Zeit, wo dio Arohonten alle im Prytaneion sassen,
■oll sieh ^e Naehrieht hiexh» verirrt haben?
^ Wie suletit SehöU Hermes 1871 8. 20 ff.« ieh, Bhein. Mus.
B. 29. 8. 3, Weeklein Ber. d. kfinoh. Akad. 1873 S. 32 ff.
15»
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228 UKSPSUMU UND GESCHICHTE D£B £PH£TEN
erhalten Kui kennen wir in den Kolakreten eine
Finajusbehi^rde von hohem Alter; denn dastelhe Amt findet
sich in Eyiakos wieder, wohin es doch wol von Athen
aus seit der ionischen Wanderung Uber Milet verpflanzt
wurde ^®). Seit Klisthenes trat in die meisten Befugnisse
der Kokkreten ein neugeschaffenes CoUegium, die Ap<H
dekten, ein ; jene hatten abgesehen von einigen gerin-
geren ObliegenheHen nnn nur noeh die Besorgung der
« Mahheiten Im Prytaneion nnd die Ansiahlnng des Bioli-
tersoldes, seit dieser euigefllhrt war, sn leisten. Vor
Klisthenes aber hatten sie unter anderem aneh die Gasse
der Naukrarieu xa vauxpapixa] zu verwalten ^^). Die
Kolakreten stehen also mit dem Prytaneion einerseits
und andererseits mit den Naukrarien in Znsammenhang.
Daraus folgt aber nicht die Beziehung der Naukrarie-
Prytanen zum Prytaneion. Das Yerhältniss dieser In-
stitttte zu einander muss Tielmehr folgendes gewesen
sein. Der Ausdruck icpotavcta für Geriehtsgebtihren ent-
hält die Erinnerung an die Gesehenke od«r Abgaben,
welche den im Prytaneion Sitzenden oder Richtenden von
Alters her zukamen, ehemals dem Könige, später also
den Archouten. Die Annahme und Verwaltung dieser
Gaben lag den Kolakreten ob, welche also Schatzmeister
der Ptytanen, ursprünglich des KOnigs, sind. Ihnen ver-
S. die Lexikographen v. itputavclov, sputavcla, nputavelo,
itapaxataßoXif).
90) C. I. Gneo. n. 36S0: Kolakreten in Kynko«. Die Stellen
aber die «ttiechen Kolakreten bei Bflekh Staatah. I 8. 237 ff. 240.
477. Sehm 8. 22 ff. Wecklein 8. 88 ff. Lange 8.. 65 Anm. 115»
wo auch eine neue Etymologie t aZenehneider («fipctv) der Opfer-
•tficke«, vgl. Ta|A(ac von tifjivctv.
Androtion fr. 4 Müll.: Ausgaben i% t&s vauxXtjpixAv. Böckh 1
8. 241. Lange S. 66, dem ich im folgenden mich anschliease.
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UND D£8 AK£OPAGITISCH£N COLLEGIUMS. 229
bleibt auch spftter die AusrttBtang de« Maiües im Fiyr ^
taneioo; zngleieh wird ihnen die Anstheilung des Biehter-
Boldes Ubertragen, weil man hierfHr die Gerichtsgebtthren
als die natürlichen Fonds ansehen konnte, diese Gebühren
aber aus den einstigen Ehrengaben sich entwickelt hatten.
Sind nun die Naukrarien entschieden jünger, als diese
Ehrengaben (icpoTavsTa) , so ist auch die Venvaltung der
Naukrarieneasse eine Befugniss, welche den Kolakreten
▼erhftltnissmftiBig spftt, als ihr Wirkungskreis nnd ihre
Beziehung zn dem FiTtaneion nnd dessen P^^tanen lingst
sich festgestellt hatte , Übertragen wnrde nnd zwar des-
halb, weil sie die Staatsschatzmeister waren und die
Beiträge der Naukrarien den Staat wehrfähig machten,
der Sitz der Staatsregierung aber das Prj'taneion war.
Seit Klisthenes £&llen die Kolakreten für die Naukrarien
fort, demu diese werden nun mit den Demen in Verbin-
dung gesetzt (S. 224) nnd die Gontrole der Finanzverwal-
tong abemimmt der Bath der Ftlnfhnndert.
Nachdem jetzt wol hinreichend festgestellt ist , dass
die in dem Gesetze Solons erwähnten Richter im Prj-
taneion die Archonten als die Prytanen schlechthin sind,
wende ich mich zu der ersten Behörde des Gesetzes,
den 'Apstou 7:0170 u Recht sprechenden. Hierin er-
blickt Plutarch den Widerspruch gegen die Valgäransicht,
nach welcher erst Solon den areopagitisdien fiath ein-
gesetzt haben sollte. 0. Httller, weteher diese iknsicht zu
der seinigen machte, hat sich mit dem Zeugnisse nicht
abgeAinden. Schümann hillt den Widerspruch aufrecht
und erklärt die Stelle folgendermassen. Die areopagitische
ßouXiJ ist viel älter; als Selon; Drakon aber nimmt ihr
>*) Opusc. acad. I p. m. m.
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230 URSPRUNG UND GESCHICHTE ܣR EPHETEN
das Gericht auf dem Aieopag, um es auf die Epbeten zq
Übertragen. Also besieht sich dieser Theil des Gesetzes,
welches Solon im Anfange seiner Gesetzgebung erliess,
auf diejenigen, welche vor Drakon , also vor reichlich
25 Jahren von der damals noch richtenden areopajritischen
ßouXiQ vemrtheiU waren ^^}. Allerdings konnte noch der
' eine oder andere der damals Verbannten am Leben sein»
und unter dieser Voranssetznng, welehe das Gesetz , am
YdUig sidier zu gehen, machte, scheint es mir nicht so
nnznlässig anzunehmen, dass mit i( 'ApsCoo icayou ein
längst nicht mehr bestehender, mit Ix tov ein be>
stehender, aber seit ebenso langer Zeit auch £v 'Aps{(j>
r^ä-(i^ richtender Hof gemeint sei^*). Aber diese Erklärung
ist jetzt aus einem anderen Grunde nicht mehr aufrecht
zu erhalten. Seit wir wissen, dass die Epheten weit
älter sind, als Drakons Gesetzgebung (S. 203] , kOnnen
wir nicht mehr glauben, dass Drakon in der Besetzung
der Mahlstiltten Überhaupt eine durdigrdfende Aenderung
eintreten liess. Riebteten nach ihm die Epheten an allen
fttnf Stiltten, so war auch Tor ihm f^r ein ans Areo-
pagiten gebildetes Richtercollegium kein Platz. Und dass
es ausser den Epheten noch ein CoUegium der Areo-
pagiten gegeben hat, muss ja erst bewiesen werden.
Wecklein erkennt ausser den Epheten vor Solon und auch
vor Ihrakon Überhaupt keine Areopagiten an. Er ver-
steht darum das ^ ApeCoo irai'jfoo von der Gerichts stfttte^)
tt) Di^te Erklärung ist zuerst von Petitus Leges Atticae p. 327
ed. Wenel. gegeben , von Mearrimi Areop. p. 2078 im S. Bande
von GhroDovt TlMwunu bennU aagedAntet und weiter migefilhrt von
Weetennann Ber. d. siehe. OeMlIach. d. Wies. 1849 S. 151 ff.»
weldmr selbst noch eine andere ErUirong aufstellt.
M) Wie Lange S. 37 findet.
»} Ber. d. Manch. Akad. 1873 S. 28.
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UND DES AREOPAGITISCHEM COLLBOJUMS. 231
nnd mngg nim, da doeh die Epheten bereits genannt
sind, welche an allen Stätten, also auch anf dem Areopag
richteten, einen DÜeberfluss des Ausdrucks« annehmen,
welcher sich schlechterdings nicht rechtfertigen lässt.
Denn wenn die Epheten bis auf Selon an allen fünf
Stätten Recht gesprochen hatten, so war eine Uudeut-
liehkeit, welcher der Znsatz Ü 'Aps^oo ica^oo hätte vor-
bengen kOnnen, gar nicht vorhanden. Ich seihst habe
frtther die Worte 'Ape(oo «0700 anf den Gerichtshof be-
zogen, welcher einige Zeit vor Solons Archontat über die
Alkmaeouiden richtete'»"). Wie Plutarch Solon 12 er-
zählt, war damals ein heftiger Kampf entbrannt zwischen
den einstigen Theilnehmern am kylonischen Aufstande und
ihrem Anhange einerseits und den seit jener Metzelei von
der öfifentlichen Meinung gebrandmarkten Alkmaeoniden
andererseits. Solon bewog die letzteren, sich einem Ge-
richte zn unterwerfen, welches xpiaxootoi eiptoT(vdi]v di-
xaCovT8$ abhielten nnd welches das Yerbannnngsurtheil
Uber die Blntschnldbeladenen aussprach. Wo diese 300
Sassen, sagt Plutarch nicht. Bei der feststehenden Com-
petenz der fünf Mahlstätten konnten sie, wenn die An-
klage auf (povo; Tipovoia; lautete, sehr wol auf dem
Areopag zusammentreten. Und eine Bestimmung Uber die
Alkmaeoniden wird man in dem solonisehen Gesetze, wel-
ches anf ihre Qegaet, die Kyloneer, Blicksieht nimmt,
nur passend finden Unter dieser Voraossetzong sehemt
Bhein. Mus. B. 29 8. 6 nach Westennann t. Anm. 53.
s>) Lange Die Bieten und der Areopag 8. 51 f. wendet am,
die Alkmaeoniden bitten doeh wol die Einrede anf Mxaiec fdvo« ge-
macht, aeien alao am Dei^hinion venirtheQt worden. Enteret glaube
auch ich, aber wie ich schon S. 123 bemerkte, konnte ja im ge-
wöhnlichen Bltt^vocewe der inetruierende Arehon-KOnig trots dieaer
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232 UBSPBL'NÜ UND G£ä€UlCUTK DER EPilETEN
mir aneh die fnoongnieius des AnsdniGlu nicht so an-
stOraig, welcher neben den Epheten, die an allen fUnf
Stätten, also auch h *Apzi<p rtaya^ richteten, noch einmal
dieselbe Stätte, den Areopag, auÄdrllcklich nennt, wo fUr
diesen Fall ein anderes Collegium zusammentrat.
Diese £rklänmg ist jedenfalls die einzige, die das
Einrede, wenn sie ihm ungegründet schien, eine Klage vor den
Areopag bringen. Warum vollends nicht hier, wo die Sache eine
so hervorragende politische Bedeutung hatte? — Ein anderer Ein-
wand gegen die Beziehung des Gesetzes auf die Alkmaeuniden geht
von dm kriMwitchen Kriiige mw i 8olon kOni» nkkt im Jahn aeines
Arehonttti 594 die Verhwinnng d« AUcmaeoniden aufrecht eriiallea
wdlen, da dieae bereita vorhat leatitiuert aeien, denn nach den A^^&v
6ffOffcvif)(Mta (Plut. Solon 11) war ja Alkmaeon, jenea Megakles Sohn,
in dem Kriege athenischer Feldherr s. Joh. Droysen De Demophanti,
Patroclidia , Tisameni populiscitis Berol. 1873 p. IS f. Aber auch
um dieses Hindemiss Hesse sich wol hinwegkommen. Der pythische
(ifcbv ypTjfjLaTl-nj? wurde nach der Eroberung Kirrhas Ol. 47, 3 = 590/89
eingerichtet (Pansche Chronik, Epoch. 37 und die Erklärer,. Der
Krieg dauerte zehn Jahre und im zehnten wurde Kirrha erobert nach
Kalliathenea bei Athenaeoa p. 560 C { danach miiaa der Beginn dea
Kriegea um 590 Meui vihrand Andere ihn nach SchoL Find. Pyth.
Ai^um. um 505 b^innmi und nach der Eroberung Kinhaa ntoch
£Dnf Jahie, alao bis gegen 586 fortdauern lassen. Daa Gericht über
die Alkmaeoniden lieaa Solon abhalten ffir^ S6^av tjfw* (Plut.' Solon
12). Nehmen wir nun an, das» dies nicht lange TOr seinem Ar>
chontat (594) geschah und dass Alkmaeon im Anfange des Krieges,
den wir nach KalUsthenes um 599 beginnen lassen , Feldherr war
und dass dann die Reibungen zwischen den Kyloneern und Alk-
maeoniden (bei Plutarch) stattfanden, so kann Alkmaeon vor Ende
des Krieges verbannt amn ui^d 594 nodi unter dem Banne dea ado-
niacfaen Geaetiea atehen. Man wird dieae Zuieehtlegung nicht fOr
au kflnatlich halten; denn geiade in Folge dar Auaaeiehnung Alk-
maeona konnte ja aehier Partd der Kamm schiveUen, und wenn er
nicht den gansen Krieg zu Ende fahrte, erklärt es sich um ao dier,
dass seine Strategie in den Quellen nicht in den Vordeigrund trat und
Plutarch dafür die delphischen &iTe|Av^(Mcva aufruft.
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ÜND DBS ABEOPAOrmCHEN COLUOlülfS. 233
HmdenuM besdtigen kann, welches das Amnesti^geBets
der Annahme in den Weg legt: es hahe vor Solmi keine
areopagitische ßouX;^ bestanden ausser den Epbeten. Diese
richteten an allen fünf Stätten, und in ihnen würden wir
mit 0. Müller nun auch den vorsolonischen Staatsrath, die
alte pouXij erkennen, welche Selon dnrch seine neue Or-
ganisation ersetzte.
*Trotadem bin ich bereit, einer neuerdings von Lange
angestellten soharfrimdgen Erkllbrong die meinige preis
an geben, weil wir mit jener zugleich von der Entwick-
lung der Regicrungsgewalten im Siteren Adien ein an-
schaulicheres Bild erhalten, dessen einzelne Züge viel-
leicht noch einmal weitere Bestätigung finden.
Ehe wir uns zu jener Erklärung wenden, bedarf es
noch einiger Bemerkungen über die »Könige« des solo-
nischen Gesetsses, weil über sie gar viel widersprechendes
yermnthet worden ist und die Insehrift von 409/8 nun
endlich dem Schwanken dn Ende gemacht hat. Es heisst
in dem solonischen Gesetae : oooi m 'Apc(oo ica-^oa T| ooot
H Ttov ^8t«»v Tj ix npDTavs(oo xatoStxBoMvtBc oico twv
Man bezog bisher die Worte uro ttov flasiXiwv allein auf
die letzte Classe der aTijjtot, die Ix npo-avei'ou verurtheil-
ten. Unter den » Königen « verstand man die vier Stamm-
kDnige, welche '0. Müller mit den Prytanen der Nau-
kraren identificierte. Zu dieser Annahme ist spiUer Scholl^*)
zurUcdcgekehrt, weil dodi die 48 Naukrarien Unterabthei-
langen d^ vier alten Fhylen sind und die > Vorstdier« der
48 Naukraren nur die Vier Phylenkönige gewesen sein
58) Eumeniden S. 157.
^) Hermes 1871 S. 21.
234 17B8PBUKO UND GE^UICUTE OER £PH£T£N
kKnnen. AUerdhigs nehme auch ich 48 Nankrmn an,
einen für die Nankrarie, der die laufenden Geschäfte
besorgte*®], nicht ein ganzes Collegium för jede Naukra-
rie, wie man vermuthet hat*^'). Denn in dem letzteren
Falle würden wir die in den alten Glossen stehend wie-
derkehrende Yergleichung zwischen dem vauxpapo; und
dem oT^piapxoc nicht begreifen; wie es einen Demarchen
in dem Demos gab, so war aneh fttr die einzelne Nan-
krarie nnr ein Nankrar Torhanden. Aber die Vorsieher
oder Ansschnssmitglieder der 48 vauxpapot y die Prytanen,
haben sielier der Zahl nach eher den Oberabtheilnngen
der Naukrarien, den zwölf Trittyen, entsprochen, als den
vier Phylen , denn die Trittyen sind ja gemacht , um die
48 Naukrarien mit den vier Phylen zu verbinden. Die
Prytanen der Naukraren sind also sicherlich nicht iden-
tisch mit den Stammkönigen Schömann hält darum
die vier StammkOnige, die ßaotXfiu des solonischen Ge-
setzes, für die Präsidenten der Nankrarie-Prytanen,
wenn diese im Ihrytandon richteten oder sonst tagten*').
Als ein Rest dieser einstigen Vorstandschaft wird es dann
• angesehen , dass noch später den uXopaoiXel^ die Pflicht
^ Hesych. v. vauxXapot.
Zelle Beitr. z. ält. Vfgesch. Athens S. 27, Schömann Opusc.
acad. 1 p. 19$, Antiquit. p. 173. dagegen Griech. Alt. 1 » S. 345:
einer für die Naukrarie.
Auch nach Herodots Vorstellung nicht, welcher 5, 09 von
den Staamikönigen , die er (f^Xapyoi nennt, spricht, und 5, 71, wo
r die Naoknrie-Fkyttnen enribnt, rieb ideht euf jene Stelle tuyflek-
beaidit. wae er getheii bitte, ireim w Fiytanen und Staauakanige
Ar deieelbe hielt Dies bemeikt SdiOnia&B Opaee. aead. 1 p. 198
gegen O. Mflllm.
^) Opusc. acad. 1 p. 199, auch später Antiquit. p. 173 und
Oriech. Alt 1 ^ S. 346. Zelle Beiträge S. 31.
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U2n> DBB ARBOPAOmflCBBK COLLBGimiS. 295
oUag, bei dem Geriehte ttber leblose Gegenstände iicl
npoTav8&|^ das eorpus delicti ttber die Grenze zu brin-
gen*^}. Aber diese ziemlicb untergeordnete Obliegenheit
kiinn schweriich der Ansflnss einer einstigen Hegemonie
sein , wenn auch der Schluss des PoUux : Trposiotigxeoav
OE TouTou Tou oixaoTTjptou cpuXoßaaiXsi; auf dieser Voraus-
setzung beruhen mag. Sodann gestattet dieser bedeutungs-
lose Gerichtshof am Prytaneion keinen Schluss auf die
Behörde, welche im Prytaneion, an dem Sitze der könig-
liehen J^gierang nach dem solonischen Gesetze ttber
Hodiverrath richtete. Der Gmnd, ans welchem jenes
Scheingericht gerade am Firytandon gehalten wurde, ist
für nns nicht mehr erkennbar . Darum sollte man von
dem Prytaneion aus überhaupt keine Schlüsse auf die
einstige Bedeutung der Stammkönige machen , in Bezug
auf deren spätere Bedeutungslosigkeit es uns genügen
muss, an das Thatsächliche uns zu halten <>^J. Endlich
lassen sich, abgesehen von allem anderen, die Stamm-
könige nicht mehr als Vorsitzende der Kankrarie-Ftrytanen
aufrecht erhalten, wenn diese letzteren das Frytandon
gar nicht inne gehabt haben. Fttr die fuXoßaoiXttc ist
also Uberhaupt kein Platz*').
Pollux 8, 120.
«) Oben S. 18.
^] Nach Pollux &, 1 1 1 war ihr Amislücal is ßooiXcdp T<f» netpA
th ßouxoXclov. Dies Gehege der Opfcirinder erinnert mw en dM Fett
der Bou^i« 8. 17. Einige bringen atttt d«r Stanunkönige den Ar>
du»n-KOiüg dahin nadi Sold. v. iffim Anm. 47, wo nach «aM)«To
togar tt ^«eiXcdp aoagefirilen aein kann. Das ßaetXcnv kann aller-
dings das ältere Amtalocal des Königs, Tor der oroa pasiXeto« anf
dem Markte, gewesen sein. Möglich wäre endlich, dass die Stamm-
könige mit oder unter dem Könige dort residiert hätten, was sich
wol nicht mehr entscheiden lassen wird.
Neuerdings zieht Wecklein die Stammkönige wieder herein
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236 VBSPWBSQ vm oisohiohxb deb jepheten
Denmaeh kann man in den ßaatAttc des aolonischen
Cbsetzes nur den Arehon-König erkennen. Dase das
dem Ansdmcke naek mOgliek Ist, zeigt jetzt das insehrift-
lich tiberlieferte drakontische Gesetz , durch welches ich
schon früher <^^J diese Erklärung gestutzt habe. Neuerlich
und zwar in ganz eigenthümlicher Weise. Er versteht nemlich unter
dem ix IIpjTaveloy des Gesetzes das Ceremonial-Gericht dri flpuTa-
veltp, wogegen ich schon Anm. 41 mich erklärt habe. Nun hält er
für dessen Präsidenten nicht den Archon-K.önig, sondern diese cp'j).o-
ßaoiXei;. Endlich ergänzt er das Gesetz bei Plutarch aus dem bei
A&dokidM Hyster. f 77 IT. eingelegten PateoUeides-Fkepliiuui aot
«X^ Seoc ig *Aps(ou rä-fou tj Soot AtXf tviou Unh tSn hftxSr* ^
ix npuTQNfioo «oToScxaeSimc 6ico ta<« ^omUm und «USrt nun:
WUeopag und Ddphinion, an wekhen Stitten die Epheten; Pryta-
neion, wo die ßaoiXet; zu Gericht sassen«. Ber. d. MQnch. Akad.
1873 S. ,28. — Dies Verfahren halte ich für grundverkehrt.
Denn abgesehen von dem Anm. 41 Bemerkten, sind unstatthaft die
beiden ooot im ersten Gliede, während das "Wort im zweiten vor int.
npuT. fehlt; das eingeklemmte Particip xa-riowaaHi^Te;, welches doch
hinter ^aai/icuv g^etzt werden müsste-, der Gegensatz zwischen den
Epheten, die doch Richter sind, und den Stammkönigen, die ja
t^efAdvs« i«3 inuwnjpCeu Min foUen. Wm endüeli cUe Eqpliuniiig
dee OeaetiM bei Flutaich ans dem Patrokleide»>Pa«pliiMM betrifft,
•0 eiad auf den Gedanken schon iltere Gelehrte gekommen» selbst
Ifaflhii 1 p. 144. Man hfilt ja meist diese Einlage für authentisch
und nimmt auch wol ziemlich allgemein an, dass Patrokleides die
für seine Zeit gar nicht mehr passende solonische Formel einfach,
vielleicht selbst ohne sie zu verstehen , herübergenommen habe in
sein Psephisma, welclies doch zu praktischem Zwecke gegeben war.
Vgl. jetzt Joh. Droysen De Demophanti , Patroclidis, Tisameni po-
puliscitis Berol. 1873 p. 17 ff. Mir scheint das undenkbar und ich
halte darum die Einlagen der Mysterienrede, wenn auch nach guten
Qodlen gemaeht, doch nicht iQr anthentisoli. Wer aber anoh mtine
Ansieht illr ginilieh verkehrt bilt, wird mir doch sugeben, dass bi«r
Plntandis Geseti ans Andokidet erginien nichts anderes ist, als das
Unsichere zur Grundlage des Sicheren machen.
68) Rhein. Mus. B. 29 S. 8. Den Archon-K.5nig nehmen auch
Kirchfaoff zu C. I. Att. n. 61 und Lange an. •
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Vm D18 ABBOPAGinBOHBIC OOLLMIDltt. 237
ist Kwar die ErgSnzung Köhlers Z. 11 ff. qtxaCsiv U looc
paotUac aM»[v] ^[voi>] i] [pooXsome)« xov oel ßaoiJXsooavra
von zwei Seiten beanstandet worden. Kirehhoff nimmt
ein Versehen des Steinmetzen an und schlägt touc ml
paoiXsuovTa? vor**), wodurch sich für die Sache nichts
ändert, da auch er an die nach einander regierenden
Archonten-Könige denkt. Cnrtias dagegen glaubt, dass
ganz abgesehen von 'dem sprachlichen Bedenken gegen
jene Eigftnznng der Flnral ßaotXst« nnr ein GoUeginm,
nicht aber die Teraehiedenen, einander folgenden Archon-
ten-KOnige bezeichnen kdnne'<>}. »KOnige, weiche in der
Mehrzahl eine poHtische Ttötigkdt ansttben, sind weder
vor Kodros , noch nach der definitiven Einsetzuug des
Archon-Basileus in Athen denkbar.« Wo sie dennoch vor-
kommen, hätten wir Spuren von Ueberlieferungen aus
der Uebergangszeit , welche benutzt werden mttssten.
Demnach meint Cartius, es sei der KOnigstitel, welcher
noch unter den zehigtthrigen Archonten als Archonten-
name vorkommt (Pänsan. 1^ B, 2), auch mit dem Einritte
des jährigen Archontats nicht aufgehoben, 8<mdem es
seien entweder alle nenn oder die ersten drei noch ßaai-
Xa; genannt, nnd diese ßaoiXsT; erwähne das solonische
Gesetz (im Prytaneion; und auch der drakontische Thes-
mos als Vorsitzende der Epheten. Cartius hat die engere
Genossenschaft der Archonten in ihrem amtlichen Wirken
in der älteren Zeit gegentlber der späteren, wo die jnris^
dictionelle Gollegialitäti das a(ia StxaCtiv, so gnt wie
gänzlich anfgehoben ist'^), mit Becht hervorgehoben, anoh
die Beriehnng der Arehonten als der eigentiiehen Pryta-
«»} C. I. Att n. 61.
•0) Ber. d. Berl. Akad. 1873 S. 2^. 290.
S. oben S. 226 Anm. 47.
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238 USmUNG UND G£8CUICHT£ DER EPUETEN
nen zum Ptytaneion, ihre Anknilpliiiig an den einstnials
einen Prytanis, den König oder Archen, treffend darge-
le^ct (8. 225 . Aber was den Ausdruck ßaadsu in dem
solonischen Gesetze betrifft, so scheint es mir unzulässig
eine solche Collegiaibezeichnung noch nach der Ein-
richtung des jährigen Archontats, sei es für alle nenn
Arehonten, sei es fUr die ersten drei, anzunehmen. Bei
den ßa9(AtTc aber des drakonttsehen Gesetzes an ein Prä-
sidialeoUeginm zn denken, ist wol kaum mOglicb. Denn
0 ßaoiXsu; ist ja später sieh er der YorsitKende heim Blnt-
gerieht. Uud wenn mau nicht im Jahre 409/8, wo man
das drakontisehe Gesetz doch für den praktischen Ge-
brauch abschreiben liess, so den Pluralis des Thesmos
yeretanden hätte, so würde man ihn haben ändern müs-
sen . Wenn aber sogar Köhlers Ergänzung tov azl ßaoi-
Xtoaovta richtig sein sollte, so wäre gar keine Zweideu-
tigkeit Yorhanden: »der allemal in die ßaotXsia Eingetre-
tene«^^. Das Bedenken gegen den Ausdruck (owC mit
Aorist) lässt sich durch Parallelstellen beseitigend^), so
^ Indom mftii einfiMh tiv ß«oiXla Mtite. — Dagegen Curtiiu
8. 291 : »W«iin alao trots dm erwihnten Bedenkens (dtw man «nen
Scbieibfehler ßoDnXcösaNt« lUr ß«otXt6«vta annelunen mUnte) die Köh«
lersche Ergänzung richtig sein •oUte, ao würde 4oh annehmen, das«
t6v iti ^amU&wm Apposition zu ßaaiXetc wäre, um durch diesMi Zu-
satz den aus einem älteren Staatsrechte stammenden Amtsnamen
dem geltenden Verfaftsungszustande (nach welchem der König prä-
aidierte) anzubequemen.«
") Und wie will man sonst die Lücke ergänzen? Man könnte
ein ilvoti oe ivo^ov xal töv ßouXeuaavTa hineinzubringen suchen; aber
nach Ebipokiat. t. liH'naXXoAbp und ß«oXs6etaic ndunt ieh an, dasa
dieser Genetiv ab Beieichnung der Buleusis in dem Oeaetae stand,
ana wetehem die PoUtie dar Athener, des Lexikographen Quelle,
aehepfte, s. oben 8. SS9. Das bemeikt aueh Lange 8. 43 Anm. 81.
Auf welche Lange 8. 42 aufinezfcsam nuudit: Xen. Hell. 2,
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ÜMD DXB ABBOPAGirnCHBK C0LLB0IUH8. 239
dass wir der Annahme eines SohreibfehlerB nielit bedür-
fen. So dient uns der Plural paotUo« unter allen Um-
sülnden zur Bestätigung, wenn wir unter den ßaatXst^ des
solonischen Gesetzes gleichfalls die in einem bestimmten
Zeiträume einander folgenden Jahreskönige [oi dsi) ver-
stehen.
Also der ßaaiXsu; hatte in den Fällen, auf welche
das solonische Gesetz Rücksicht nimmt, präsidiert, sowol
wenn die £pheten gerichtet hatten (also gerade wie sjflr
ter) als auch bei dem Gerichte &v 'Ap«{i|> wafif und end-
lich im Prytaneion. Hier richteten aber die neun Arohonten
(S. 225), also ihnen wttfde er, der zweite Arehon, prä-
sidiert haben 1 Das scheint sonderbar. Aber das Bedenken
lässt sich beseitigen'^). Jetzt aber muss man nicht, wie
bisher geschehen ist, die Worte utto tuiv paai/i(ov auf die
letzte Classe der ix nputavs^ou wegen Hochverraths Ver-
urtheilten beziehen, sondern auf alle drei, wie auch das
Partieip xaTaStxaoO^vTs«'*). Sprachlich ist das viel natür-
licher. Man wttrde auch nie auf die andere Verbindung
gekommen sein, wenn man nicht in den ßaoiXsTc Yon vom
herein die 'fu>vopaoiXeT? vorausgesetzt hätte, fllr die dann
zum Areopag und zu den Epheten keine Beziehung zu
gewinnen war. Dass schliesslich in allen drei Fällen —
bei Areopag, Ephetenhöfen und Plytane^on — die Verur-
theilung als von dem ßaotXsik ausgehend dargestellt wird,
SOV* d6IB
tttbaat. eiact. «ntaprieht, abliSiigig von ixlXniov. Heiod. €. 58 (die
Spartaner bei dem Tode eines Königs) <pa(x£voi t6v Sacarcov dsl dito-
YCv6|WV0N Tä)V ßa9t>ifi)V, TOÜTOV ^ Y^^'^A* .<ipt9T0V.
S. unten S. 242.
Rhein. Mus. B. 29 S. 8. Ebenso Lange S. 40 u. Joh. Droyaen
De popttliscttis p. 19.
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240 UBmUMO USD OBBOHICHTB DBB BFHITBN
der doch nur Vorsitzender war, entspricht ganz dem älte-
ren gerichtlichen Sprachgebrauche, nach welchem hekaani-
lioh da8 fiixaCtiv dem PiiteideBten , das luv^vimanm den
Riehtem'ziikommt.
5. Wir haben bis jetzt nach sorgfältiger Prüfung der
Ucberliefemng gefunden, dass in der Zeit vor Solons
Gesetzgebung unter dem Vorsitze des Archon-König die
Epheten an den fllnf Mahlstätten (den Areopag mit ein-
begriffen), die Archontcn im Pr^taneion — und zwar so-
weit das Amnestiegesetz bewies, über die Kyloneer, also
in einem bestimmten Falle — richteten, dass endlidi anf
dem Areopag ein Geriehtshof, yielleicht aneh nnr dnmal;
etwa Uber die Alkmaeoniden, richtete. Wenn dies fAtk so
yerhielt, so sind die Epheten bis auf Selon der alte
Staatsratb gewesen, welcher zugleich als Blutgerichtshof
damals an den fUnf Stätten sass.
liier ist nun der Ort, auf Langes Erklärung der
Worte des solonischen Gesetzes il Apefou TraYoo tj ... ix
Twv iftttttv einzugehen nnd in ihr einen £nata fttr die
meinige danabieten.
Seit ym durch den Volksbesehlnss von 409/8 wissen,
dass die Zahl 51 der Erbeten die alte, vorklisthenisehe
ist nnd nicht etwa eine spätere, mit den klisthenischen
10 Phyleu zusammenhängende, reicht keine der bisherigen
Erklärungen fUr diese Zahl mehr aus. Denn dass zu je
12 Männern aus jeder der alten 4 Phylen, also zu 48
die 3 Exegeten hinzoznrechnen wären ^^j, kann man nicht
gnt annehmen, da diese als ein CoUeginm jenem anderen
Colleginm gegentlbeistehen, wenn andi vielldefat ein ein-
Wie Schömann wollte Opusc. acad. 1 p. 196. Aatiquit. p. 171.
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UND JJE8 ARE0PA0ITI8CUEN CüLLEGlUMS, 241
zelner Exeget als EniNiibride zngldeh i^e-n^c gewesen
sein kann.
Bei einer Körpersohaft, wie den » Geschlechtshäuptern «
muss aber Repräsentation vorausgesetzt werden. Lange
is?t nun auf den Gedanken gekommen, da die Zahl 51
fUr uns durchaus anverstäiidlich ist, die 9 Arcbonten,
welche bekanntlieh Tor Solon Eupatriden sein nrassten,
hinzuzurechnen, so dass aus jeder der 4 Phylen 15, aus
jeder der 12 Phratrien &, im ganzen also 60 Männer
durch Präsentation hervorgehen. Die Zahl wttxde dann
auf die Epoche , mit welcher die 9 Arohonten eintraten
(683), zurückgehen und kann frUher eine andere gewesen
sein und zu den Geschleehtsabtheilungen in einem anderen
Verhältnisse gestanden haben, worüber wir einstweilen
nichts v ermuthen können. Aus diesen GO gehen nun 9
als jährliche Pry tanen oder Archonten, wie sie später
Yoizitgswdse heissen, herror. Dies Verhältniss hat nichts
hefr^dliches filr eine Zeit, wo die »Beamten« — nach
späteirer Auf&ssiing — noch nicht vom Volke ervrtlhlt,
sondern jedenfalls von den Eupatriden bestellt worden
siud, also als ein Aiisschuss ihres Rathes aufgefasst
werden können. Diese 60 sind eine ßouAr], welche zu-
gleich als Gerichtshof fungiert. Die GeschUftsleitung bei
den Berathnngen der ^uXr] können die 9 Archonten, als
Prytanen, gemeinsam gehabt haben. Das Gericht an den
vier Stifctten (ausser dem Areopag) halten aber, wie wir
sicher wissen, schon zu Drakons Zeit, also auch wol seit
683, die 51 Epheten unter dem Vorsitze des ßaoiXsoc ab,
d. h. die OeschlechtshSupter ohne die Prytanen abgese-
hen von dem einen als ständigem Präsidenten. Trat nun
ein Gericht Uber den wichtigsten Theil des Todtschlags,
die Competenz des iVpeio^ itd-)(0(, ein, so richtet die ganze
16
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242 UaSPBUNU XJüV Ü£SCUICHT£ DEK E1>U£T£N
ßouXr^, ancb die Arclionten. Den Vorsitz mtiss aneb hier,
wie später , der [BiaiXso^ gcluhrt hüben. Das ist mm
allerdings auffüllend, dass dann der zweite Arcliun —
vor seinem ersten Collegeu — präsidiert haben soll. Auf
diese Incongruenz machte ick schon früher in Bezug auf
das Gericht im Prytaneion aufmerlasain (S. 239). Hier
wird aber zur Erg^Uiznng der Langesehen AufiGBMsnng eine
Annahme zulässig sein. Bis 683 haben wir einen alle
zehn Jahre wechselnden Ardion -Basilens, dann treten
neun Archonten ein, ron denen später sicher der zweite
der i'ex sarrontm ist. Sollte nielit auch Solon, welcher
die Machtbefugniss des Arehontats in Bezug auf das
StxaCeiv beschränkte (8. 225 , es gewesen sein, welcher
den ßasdeu;, um die rein sacrale Bedeutung der ßooiXsCa
noch mehr hervorznheben , von der ersten Stelle, welche
er bisher einnahm, an die zweite rOckte? Nimmt man
dies an, so ermOglieht Langes Erklärung eine dnrchans
befriedigende Interpretation des Amnestiegesetzes : der Kö-
nig präsidiert, es richtet die ganze ßooXij oder die 51
Epheten oder endlich die Aichonten .
Lange 8. 22 f. Den Oedanken, dass areopagitische und ephe-
tisehe Biohter vor Solon nudtt vettchieden gewesen amen» apraoli Tor
O. Müller Eumeniden S. 153 schon Fiatner aut: Der Process und
die Klagen (1824) 1 S. 21. Er wirft dann am Schluss die Be-
merkung hin, bei den auf dem Areopag verhandelten RechtsföUen
möchten wol neben den Epheten noch die Archonten zu Gericht
gesessen haben, da sonst nicht begreiflich sei, wie Solon gerade die-
sen Gerichtshof in einen Senat von so bedeutenden Befugnissen um-
gestaltete. Bdde berufen lieh auf eine Yon Lusac Exeratatimram
academ. specim. tertium (L. B. 1793) p. 181 ausgesprochene Anaidit,
weldie aein Sohflier Shiiter Lectionea Andoeideae p. 138 nach aeinem
CoUegienhefte siemlieh entstellt vortrigt. Deshalb und «eil das
erstgenannte Buch den Früheren nicht aur Hand gewesen ist, setze
ich die Steile daraus hierher t »Nam qua» [%, B. die Eidesleistung)
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UND DES ARE0PAGITI8CHEN C0LLE6IUMS. 243
Jetzt veratelieii wir anch, worin Solons Oiganisatioii
das Bestellende änderte; wir erkennen ein mehr orga-
nisches, weitwhildend ansehliessendes Fortschreiten, kein
so gewaltsam änderndes Einschreiten. Solon gewährt den
neun Archonten nach tadelloser Verwaltung ihres Amtes
das, was ihnen bis dahin als lebenslänglichen Mitglie-
dern der ßouXr^ von selbst zugestanden hatte: sie treten
in den areopagitischen Rath ein , dem sie erst von nun
an lebenslänglich angehören. Die Competenz dieser ßouXij,
sowol die richterliche, als die rein politische, bleibt in
der Hauptsache dieselbe, wie früher. Die Epheten bleiben
ebenfalls nach ihrer Competenz — der (Mlehtsbarkeit an
den vier Stätten — und nach ihrer Emennungsart , aus
den adlichen Geschlechtern, dasselbe, was sie vorher
waren. Fortan scheiden sich die beiden Collegien der
Areopagiten und der Epheten, ^aber ganz allmählich. Das
Ooliegiam der Epheten wird, wenn durch den Tod Lücken
eintreten, nach wie vor ergänzt, aber die von nun an
Hinzutretenden gehören nicht zugleich zu der ßouXi] iv
'Apst({) Tca-^q). Dieser aieopagitisdie Batii wiid ^nstwdlen
durch die von Solon Torgefnndenen Epheten nnd die in
jedem der folgenden Jahre abtretenden Archonten gebil-
det, so dass er schliesslich, wenn alle 51 Epheten, welche
aut in Areopago aut apud J^hüm m ^aüadio legitime fuerwü acta,
«a lowm ka^ummi in omiMBMt irikmßi&ua seu potiut in omnätu
heia ni« de emuu homiei^ fuä iudieattnn. Quin ei vita »o&m eiyipeiat
et ffiretf aSguando eumne demonetrahirit Areoipagmn a eeteru fuaiuer
ir^muUAue, quae de caede pronuntiahani , non nisi loco oUm/kieee
dtverwtun ei ante Solenie aetatem suh communi Ephetarum nomine
fniHse comprehensum; quo in nodo haeserunt veferes , Plntarelnis
praesertim etc. Nach Soloa b^ont die Treunung/ wie weiterhin
noch bemerkt wird.
16»
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244 US8PRCK6 UND 0E8CHICBTS DEB EPH£TEN
Solon voigefoiideii hatte, gestorb^ Bind, nur noob ans
ehematigen Arohonten bestellt.
Dass dies Yerbttltniss der Neuordnung in unseren
Qnellen nicht beschrieben wird, braneht nach dem bisher
Bemerkten nicht gesagt zu werden. Plutarch hat keine
Vorstellung davon, sonst würde er nicht Uber das Ver-
hiiltuiss von Areopagiten und Epheten hin und her ratheu,
ohne zu einer festen Ansicht zu kommen. Ich glaube
anch nicht, dass man wol daran that, unsere Quellen in
der Weise snrecht zu legen, dass sie dies Ergebniss ans-
drtleklieh ttberliefem^*). Aber alles, was sie über den
areopagitisehen Rath, insofern er erst von Solon einge-
setzt oder älter sei, sagen, stimmt mit dieser Auffassung
von dem wirklichen Hergänge überein. Denn so erst wird
es völlig begreiflich , wie mau den areopagitischen Rath
bald fttr solonisch, bald für älter, als Solon, ausgab.
Beides war ja richtig. Insbesondere kann man nun wol
glauben, dass PoUnx, wenn er die £phcten vor Solon an
allen fttnf StStten richten und doch Solon die pooXij iv
*Apt((|> ««7«^ hinznftgen iSsst, einer guten, fUr uns nicht
mehr nachweisbaren Ueberlieferong folgt so viel irr-
thttmliches er auch dazwischen gemischt hat.
■'^i Wie es Lange S. 3U f. versucht. — Die Ueberlielernden
haben jedenfalls keine Vorstellung von dem im Texte dargelegten
Verhältnisse, und ihre Angaben sind dem Wortlaute nach auch nicht
denrt, dam mco bd ihzwi QueUmi diäte Binncht ▼oravsMtien müaite t
Polluz 8, 124: liSkm t* critoT« icpo«MtiaTi)ot tf|v l( ^Aptloo jcd"^ ßou-
Xt|v 8, 118. Plut. Solon 19 s mvttfiiynem hk «rijv iv *Apc(tp itifif
{io'J\i^'i i% tAv %aa? iviaiit^ dp//vTa>v. Das alloi sieht so aus, als .ob
die Gewährsmänner nur an eine durchaus neue Organisation Solona
dachten. — Der Artikel des Maximus '= Philochor. fr. 58. Müll.) ist
für mich ganz Avcrihlos ; ich habe ihn unten Anm. 148 in einem
anderen Zusammenhange besprochen.
»; Pollux b, 125. S. 212.
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UND DES ARE0PA6ITI8CUEN COLLEOIUHS. 245
Zu erwSbnen bldht noeb, dass Lange neben der
kleinen flouXij der 60, dem Vorbilde der solonischen ßooXr|
ev 'Ap£i'(|) 7:aY(i); eine grössere ßo-jArj in vorsolonischer Zeit
annimmt. Er sieht nemlich in den rpiaxo^iot apiarivor^v
2'.xa!IovTe;, welche über die Alkmaeoniden richten (S. 231),
nicht ein einmal zosammengetretenes Adelsgerieht, son-
dern einen atSndigen Adelarath, denselben, welehen später
Eleomenes nnd iBagoras im Kampfe gegen Klisfhenes
wiederberznstelien Bachen«*}. Diese 300 (75 ans jeder
ffikri, 25 aas jeder «ppatpia) würden dann das Vorbild
des solonischen Käthes der 400 gewesen sein, indem
Solon 100 Nichteupatriden , 25 aus jeder der Phylcn,
denen diese nunmehr angehörten , hinzufügte. Für die
Existenz einer zweifachen ßooXr^ finden sich auch ander-
wi&rts Analogien ^'^} . Man hat freilich öfter auf die Ver-
* aammhmg der Naokraren, als daa Vorbild des solonischen
Batfaes der 400 hingemesen^. Wir kSnnen aber wie
bd dem späteren, kUsÜheidschen Bafhe der 500, so aaeh
bei dem solonischen der 400, Rathsprytanen , d. h. «n
wechselndes, aus der Mitte der ßouXrl bestelltes Präsidium
annehmen. Die Prytanen der Naukraren aber bestanden
seit Solon sicher nicht mehr, da wir sonst wenigstens
etwas mehr von ihnen wissen mtLssten. Die Naokrarien
mit ihren vauxpapoi sind also in irgend einer Wdse dem
solonisehen Batfae der 400 «nierstellt woiden, welober
91) Hecod. 5, 71 ; woran auch Hennum denkt Stutialt. § 102, 17.
^ Aber die det neohsoloniaohen Athen nüt der ^wMi h Apclq»
ledrfif und der ß<K>X<4 der 400 genQgt wol fiSr das m Tonolonisdier
Zeit vorauszusetzende Verh<niss.
^} Veranlasst durch das doch nur fiusserliche Moment, dass für
die NaukrarenTer.<)ammlung Prytanen überliefert sind, die man fttr
die solonische '^VJKT^ ebenfalls voraussetzt.
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246 UB8PAUMG UND GESCHICHTE DER EPUETEN
gleich dem kllst^eniseheii die müittriflcbe und Finanz-
Verwaltung besorgt babeu wird. Die Rathsprytanen unter
Klisthenes und Solon sind dann im IVasidium die Nach-
folger der neun Archonten, welche einst sowol dem klei-
nen Rathe der 60 auf dem Areopa^;, als dem grossen der
300 präsidierten.
6. So gewinnen wir einen denttichen Zusammenhang
in der Entwioldnng der Regienmgsgewalten , von dem
Torsolonisdien Käthe h *Aps(({> Tcayq) bis zn dem soloni-
sehen, von dem grossen Adelsrathe der 300 bis zu den
vom Volke erwählten oder durch das Loos bestellten
Rathsversammlungeu der 400 und der 500 seit Solon und
Klisthenes, endlich vom Könige bis zu den Archonten als
Begierenden und als Vorsitzenden jener Körperschaften.
Der KOnig'ist der Hausherr des Fiytaneion und der
Ftytanis seines Gesohleehterrathes, den er ^nm Begieren
und zum Bicfaten um sich versammelt. Die Medontiden, '
in deren Geschlechte nach Eodros' Tode die oberste
Herrschaft erblich sich fortsetzt, werden von den Späteren
bald als Könige, bald als lebenslängliche Archonten be-
zeichnet; ersteres, weil sie erbliche Könige w\aren, letz-
teres, weil ihre Macht an den Willen oder die Mitwir-
kung der Geschlechter, des Adelsratbes, in irgend einer
Form gebunden war^). Auch während des zehnjährigen
^} Die Uebedieferung über das sogen. lebenslängliche Azohontat
ist am aorgdUtigeten geprOft von Lngebü Zut Oeich. d. Staatsverf.
von Athen 1871. Jahrb. f. clais. Phfl. 5. Supplementb. 8. 539 C,
welcher, wie schon Duncker, das lebenslängliche Archontat aus der
Geschiehte au beseitigen und dem bisherigen Königthum gleichzu-
stellen versucht. Die Annahme der Verantwortlichkeit dieser Herr-
scher ^v>nfi6duvot Paus. 4, 5, 4) sei aus der Uebertragung später gel-
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Vm DES ABEOPAGirmCHEN 00LLBGIUM8. 247
Arcbontats, welches gleichfalls als ^aaiXei'a aufgefasst
wird, bleiben die Befugnisse des Höchstregierenden und
des BathspräBidenten [icpotavt«) noch in einer Hand ver-
einigt. Ebenso unter den neun jährigen Arehonten, deren
einer und zwar yermuthlich der erste nun ßaaiXsoc heisst.
Die Arehonten sind die Prytanen des grossen und des
kleinen Rathes; der ßaaiXsu; ist der Trytanis der übrigen
Arehonten und der Vorsitzende der Epheten . wenn diese
ohne die übrigen Arehonten zum Gericlite zusammen-
treten. Dieses ist das Yerhältniss bis auf Selon. Mit der
£infühning der soloniscben Verfassung hOren die Regie-
renden piineipieU auf Eupatriden zu sein. Das Präsidium
Im Rathe der 400 geht an wechselnde Bathsprytanen Uber,
wie später bei dem klisthenisehen Rathe der 500. Die
Arehonten hören also auf Prytanen zu sein, und der
Archontenname wird als oflficielle Bezeichnung nothwen-
dig; die ßaaiXsia aber bleibt bei dem Einen und damit
sie nicht als ein politisches Vorrecht, sondern nur als
sacrales Xönigtbum erscheine, wird ihr Träger der zweite
des Collegiums.
Oapt 2i Der Areopag anter Peiikles and Ephialtest
Zwischen der Einführung der soloniscben Verfassung
und der Einschränkung der areopagitischen Gewalt durch
tender Formen auf frühere Zustände hervorgegangen, in denen jene
Verantwortlichkeit noch gar keinen staatsrechtlichen Ausdruck habe
finden können. Da dies entschieden verkehrt ist, so bleibe ich bei
der Sltnen Anaieht, welch« noch luletit wieder Curtins betont hat.
Ber. a. Barl. Akad. 1873 S, 289.
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248 UBdPBUNO UND OESCiilCHTE DER £PUET£N
Ephialtes liegen fest 150 Jahre. Dieser Zeitraum ist ftlr
unsere Ucberlieferung der Geschiehte des Areupag so gut wie
uicht vorhanden. Denn fast die ganze Masse der erhaltenen
Nachrichten beschäftigt sich mit dem Areopag, wie er
ans der Reform des Ephialtes hervorgegangen war. Nor
ans diesen Nachrichten einerseits und andererseltB ans denii
was wir Vibet den solonisehen Areopag wissen, können
wir eine YorsteUnng gewinnen Uher seine Stellnng in
dieser Zwischenseit Direkte Zeugnisse, welche auf diese
Zeit ^h beziehen, haben wir streng genommen nur zwei :
die Nachricht Uber eine Wohlthätigkeitsuiassregel des
Areopag kurz vor der Schlacht bei Salamis bei Plutarch
Themistokles 1 0 (aus Aristoteles und eine wichtige Stelle
der aristotelischen Politik (5, 3; 8, 4Bk.), nach welcher
der Areopag in dieser Zeit strenger und eigenmfichtiger
aufgetreten sein soll, als früher. Beide Zeugnisse weiden
erst spttter besprochen werden^], denn sie lassen sich
nnr im Zusammenhange mit dem wichtigen Ereignisse
beurtheilen, m welchem wir jetzt uns wenden: der Be-
form des Areopag durch Ephialtes.
1. Wir sind Uber die äusseren Ereignisse, hinter
welchen die Areopag -Katastrophe sich abspielt, besser
unterrichtet, als Uber diese selbst. Auch die politische
Situation, welche dem Vorgänge zum Hintergrunde dient,
ist wenigstens in den Hauptsttgen deutlioh ttberliefert.
Was wir daraus ftr unseren Gegenstand lernen, mnss
zuerst angedeutet werden.
Zwei Ereignisse beschäftigten die Athener in den
»} 8. unten bei Anm. 162 ff. und fOr die Ariatoteleutelle
Anm. 173l
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mrD OBS JUKEOPAOmBOHBV 0OLLE0IDM8. 249
letzten Jahren yor dem Angriffis aaf den Areopag: der
thasiscbe Erleg und eine HtÜfsaendnng an die Spartaner im
dritten messeniBehen Kriege. Die Thasier waren yon der
deliBch-attischen Bondesgenossenschaft abgefallen, nach
fast dreijährigem Kampfe aber von Kimon unterworfen
worden. Sie hatten im Laufe des Krieges die Spartaner
um Hülfe gebeten, und diese zeigten sich schon bereit
auf das Gesuch einzugehen, als das grosse Erdbeben und
der Massenanfstand der Heloten sie zwang, ganz ihren
eigmen Angelegenheiten sich zn widmen s*]. Trotzdem
Blickten gleich nach dem Falle von Thasos die Spar-
taner einen Gesandten naeh Athen mit der Bitte nm
Hülfe; die Aufständischen hatten sich auf Ithome ver-
schanzt, und Sparta konnte ihrer allein nicht Herr werden.
In Athen fand das sonderbare Gesuch an Ephialtes einen
heftigen Gegner, aber auf Kimons Betreiben wurde es
dennoch gewährt , und dieser selbst führte den Spar-
tanern das erbetene Uttl&eorps m
Bald aber worden die Athener allein von allen Bun-
desgenossen schneide nach Hanse geschickt. Knn mnsste
mit Sparta gebrochen werden. *Athen sagte sich yon der
seit den Perserkriegen bestehenden Symmaehie los und
Bchloss sofort einen Bund mit Argos , welches durch Un-
terwerfung umliegender Städte sich zu einem mächtigen
Gegner der Spartaner gemacht hatte. Das neue Bündniss
wurde durch Hinzuziehung der Thessaler verstärkt ^^).
Kimon, der 'angesehene Freund und Proxenos der
Spartaner, sdt Ariatides* Tode Führer der Gonservativen,
86) Thuk. 1, 101. Plut. Kim. U.
^} Plut. Kim. 16 a. E.
»i Thuk. 1, 102. Plut Kim. 16. 17.
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250 UHSFRÜNO UND OBSCmCBTE DER BPBETEN
war seit dem Earymedonsiege der angesehenste Mann in
Athen. Knn war seine SteUnng enchtttt^ nnd Perikles
nnd die Sdnen im Yorthefl. Zwar war der thaaisehe
Sieg sein Werk gewesen. Aber sehen vor demselben
mnsste sein Programm Verstimmung erwecken, wenn man
in Athen sah, wie seine Freunde, die Spartaner, wol den
Thasiern geholfen haben wUrden , wenn sie nur gekonnt
hätten. Unmittelbar nach dem Siege aber hatte er einen
Process zu bestehen, in welchem er nur mit Noth der
Vemrtheilnng entging, grossentheils in Folge der Mäs-
signng des Perikles, welcher zn den vom Volke bestell-
ten Anklägern gehdrte. Man warf ihm vor, Gelder yon
Alexander yon Makedonien angenonmien zu haben, den
er ftir seine Parteinahme ftr die Thasier hätte zttchtigen
sollen. Plutarch, der uns allein von diesem Processe er-
zählt, führt einen Bericht an, nach welchem die Fürsprache
der Elpinike den Perikles in seinem Verhalten gegen
Kimon bestimmt haben soU*^^). Die Wahrheit wird sein,
dass Perikles die Zeit zn Kimons Sturze damals noch
nicht gekommen wtthnte« Jetzt war die messenische Ex-
89; Plut. Kim. 14 u. Perikl. 10 fast gleichlautend nach Stesim-
brotos ; für die Unechtheit dieser Quelle ist zuletzt Kühl Quellen
Plutarchs im L. des Kimon S. 37 f[. eingetreten. — Demosth. g.
Arittokfat p. 686 } 205 1 «al K((x
««tt, iccvH|«ovT« Bi TdXavT« iMicpogflcv. Ueber die Erklirongsrertttehe
la dieser Stelle s. Westermann. Vischer Kimon S. 54 dachte an
einen Zug nach Faros, über den vrir aber nichts wissen. Oooken
Athen u. Hellas 1 S. 133 ff. liest Bctsimv und bezieht den Vorgang
auf den Process bei Plutarch , was meines Erachtens unmöglich ist.
Denn eine Verurtheiiung in 50 Talente ist doch wahrhaftig keine
Freisprechung, der anderen Differenzen nicht zu gedenken. Meiner
Ansicht nach bleibt nur (kbrig, bei Demosthenes eine Verwechselung
lUmons mit Miltiodes ToraiunisetMn. .
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UND DES AR£0PA6ITISCH£N COLLEGIUMQ. 251
pedition, welche Kimon nur noch mit Mtthe hatte durch-
setzen können, zu schmäblichem Ende gekommen. Das
BUndniss mit Arges war offene Absage von dem Pro-
gramm Kimons. Die Lage schien günstige ibn zu stürzen.
Ucber das Eingreifen der nun folgenden Ereignisse —
der Yerbannimg Kimons und des Angriffs auf den Are-
opag — hemoht nieht vOUige Uebereinstinimiing. Es ist
darum nOflngi ehe wir weiter gehen, die Quellen genau
sa prüfen. Thnl^dides in seinem kurzen Berieht Uber
den thasischen und messenischen Krieg (1, 101. 102) er-
wähnt nur in dem letzteren Kimou als Führer des HUlfs-
corps, er berichtet femer die Verstimmung der Athener
über den Ausgang des Unternehmens, ohne aber des Kimon
und der inneren Angelegenheiten Athens weiter zu ge-
denken. HierfUr ist abgesehen yon einigen Notizen An-
derer, .namentlieh Diodors, Plutareh einzige QneUe. Dieser
aber hat dnrch seine Art, yersebiedene Beridite in dn-
andeir zn Terari>eiten, eine in mehren Fonkten nnver-
ständliche Erzählung geschaffen.
Er erzählt im Leben des Kimon C. 14 — 17 die Er-
eignisse in dieser Aufeinanderfolge. C. 14 : thasischer
Krieg und Process Kimons wegen der angeblichen Be-
stechung durch Alexander. — C. 15: Trotz dieses Fro-
cesses gelangt Kimon gleich wieder zu grossem Ansehen
im Staate. Wahrend seiner Abwesenheit aber auf einem
neuen Seezuge (»c U icaXiv hcl orpaTc^av iUicXeoos) wird
der Areopag durch EpMaltes gestürzt. Kimon kann bei
seiner Bttckkehr trotz aller Bemühungen die alte Ver-
fassung nicht wieder herstellen, denn Periklcs und die
demokratische Partei haben jetzt die Oberhand. Kimon
wird wegen seiner spartanischen Sympathien geschmäht. —
€.16 bringt statt der zu erwartenden Erzählung yon der
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252 URSPRUNG UND GESCHICHTE DER EPUETEN
YertMuiiiiiiig Eimons eine lange Anseinandenetsnng Uber
seinen Lakonisrnns, seinen fHlberen Kampf mit Themi-
stoklea, seine jetzige Stellung den Athenern gegenüber,
welche aus einer hochangesehenen endlich eine ganz un-
haltbare geworden ist. Letzter Anlass dieses Umschwun-
ges der öffentlichen Meinung ist der messenische Krieg.
Dieser wird erzählt: das Erdbeben; der Aufstand; spar-
tanische Botschaft; Httlfssendiing anf Kimons Betreiben. —
0. 17: Bttckkehr der Athener ans dem Peleponnes nnd
zweites Httlfsgesnch der Si>artaner. Nene Sen-
dung nnd schimpfliche Rtlckkehr . Ostrakismos des Kimon .
Unter dem Seezuge des Kimon, während dessen der
Areopag angegriffen wird, verstand 0. Müller den etwa
um die Zeit der Rückkehr Kimons aus dem Peloponnes
beginnenden ägyptischen Feldzug der Athener^). Kimon
mtlsste also nach dem nnglttcklichen Ausgange der mes-
senischen Expedition yor seiner Yerbannnng noch einmal
entsandt sebii — während docb die Yerbannnng am na-
tttrlichsten an die Hanptnrsacbe, welche ihn zum Falle
brachte, sich anschHesst nnd von einem Antheil Kimons
am ägyptisclicu Fcldzuge nicbtä bekannt ist^^j. Ist dem-
O. Müller Eumeniden S. 118. Viacher Kimon 8. 58 ff.
Curtius Griech. Gesch. 2 ^ S. 147. 737.
91) Man vergleiche Plut. Kim, 17. Periki. 9 am Ende. Selbst
der Bericht des Thukydides, der über Kimon schweigt, zeigt doch,
wie die antispartanitche Stimmung in Athen nach der Rückkehr der
Athener Ton Ithome ihren HAheponkt «rr^ht hat. <— Phitenik frei-
lich ipmäA von Seesflgen des Kimon neeh Aegypten, Kyptoe nnd
Citicien knn yat Themistoklee* Tode (Them. 31. Simon 18] ; indessen
hier beruht Kimons Antheil doch wol anf einer Verwediselnng mit
der Expedition, welche dieser viel später, nicht lange vor seinem
Tode unternahm , wie öfter bemerkt ist , zuletzt von SchAfer p. 12
der in Anm. 92 angefahrten Abhandlung.
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UND DES A^OPAGITISCHEN C0LLEGIUM6.
253
nach diese Erklärung nicht zu halten , so rnttsate Eimona
Abwesenheit yon Athen während des mescenischen Krieges
gemeint seiu. Für diese Ansicht ist nach Verwerfung der
ersten A. Schäfer eingetreten . Plutarch spricht nem-
lich von zwei Expeditionen nach dem Peloponnes, einer
gleich beim Ansbnich des messenischen Krieges, einer
kurz vor Eimens Verbannung Diese Auf&ssnng be-
ruht auf einem LrrÜium, zu welchem sich Flutarch durch
die Aristophaiiesatelle, welche er 0. 16 anzieht, verleiten
liess. Aristophanea iSsst den spartanischen Gesandten
unmittelbar nach dem Ausbruche des Erdbebens und des
Aufstandes nach Athen kommen , Phitarch wuüste von
einer HUlfsseiidung im Laufe des Krieges und die Ver-
doppelung der Expedition war fertig ^^). Diese seine
zweite Expedition soll nun nach Schäfer Plutarch mit
dem iUffXfti>98 0. 15 meinen.
Aber dann würde ja Kimon zur See nach dem Pe-
loponnes gehen und eine Gedankenlosigkeit Plutaidis zu
dem Irrthume sich gesellen I Ausserdem beginnt die Er-
o*j Dioputalio de rer. pott beUum Penicum ete. temporibus 18tt6
p. 17.
W) Kim. 16 K{|JLoiva . . . i^X9eTv ^oTjOoOvta ... 17 irA hi ßot)-
8'/j9ac ToTc Aars^atixovioi; oTiTjet .... Ol 5i Aay.ESatfx'iviot touc 'Aftrj-
Naiouc auÖtc dxaXouv izi toj; h 'If^cuaiQ Mcasrjvlouj xat tT/.m-n, IX86v-
M) Lysistntte 1137 ff.
Als inräianiUch nacligeiriewn hat diese Aufibwung Flutardis
sttent O. Maller Eumeniden 8. IIS unter HSnirdmug auf Thuk.
1, 102, der nur eine Expedition kennt, g^eb Clinton, v^her Plu-
tarch folgte. Erklärt und auf die AristophanesstcUe aurückgeführt
hat sie KrOgev Hist. -phil. Studien 1 S. 154, der freilich Müller
gründlich in*s.s versteht. Die Krttgerscbe Auffassung auch bei Grote
Hist. of Cr. 5 p. 429.
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254 URSPRUNG UND GEtKJUICUTE DES. £PU£T£N
Zählung Yon der ersten meBsenisehen Expedition, an
welche Plntareh bei diesem »wiedemm« gedacht hätte, Ja
erst im 16. Capitel. So wie die Worte 8s iroXtv litt
oTpaTEi'av I^STrXsoos jetzt stehen, können sie nur im Ge-
gensatz zu dem C. Ii erzählten thas Ischen Feklzuge
gemeint sein, von welchem Kimon zurückgekehrt war,
um gleich in dem Staatsprocesse wegen der Anklage auf
Bestechung sich zn yerantworten. »Als er nun wieder
ansftdmt, stürzten seine Gegner den Areopag. Die ganze
Wendnng ist eine Folge der Unselbstiiadigkeit, mit wel-
cher Plntareh seine Qnellen rerarbeitet. Die Entstehung
der Notiz lässt sich , glaube ich , auf folgende Art nach-
weisen.
Die Hauptmasse des 14. und 15. Capitels — der
thasische Sieg des Kimon, der Angriff des Demokraten
Ephialtes auf den Areopag, den der edle Kimon ver-
gebens zn Bchtttzen sucht — geht auf Theopomp zurttck
nnd zwar auf das zehnte Bach der Fhüippika,^ welches
mit den Staatsmännern auch des älteren Aihen sieh be-
schäftigte {Tt&pl Gr^[xaYü>Y(ov fr. 102 Mttll.)« Thcopomps
Parteinahme fttr Kimon zeigt sich bei Plutarch deutlich
genug, und an ihrer Färbung lassen sich auch in den
folgenden Capiteln 16. 17 einzelne Partien als theopompisch
erkemien. Ruhl. auf dessen Schrift ich für das Einzelne
verweise ^"•) , hat aber mit Recht darauf hingewiesen, dass
die Darstellung der mesBenischen Expedition im 16. und
17. Capitel jedenfalls nicht anf Theopomp zurückgeht,
sondern vielleicht auf Ephoros*^). MdgUeherweise er-
wähnte Theopomp den Krieg gar nicht im Zusammen-
Quellen Plutarchs im L. des Kimon 1867 S. 18. 23.
a. a. O. S. 19. 9.
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UND DES AREOPAGITISCHEN COLLEGIUMS.
255
hange mit Kimono weil die tmyortbeilbafte Rolle, welehe
der letztere hier übernahm, wenig zu dem Bilde passte,
welches Theopomp von seinem Lieblingslicldcn entwerfen
wollte 5^). Jedenfalls aber tritt für riutarch Theoponip
erst wieder nach der Beendigung der nicsseuisehen Ex-
pedition im 17. Capitel als Quelle ein. Hier heisst es
nemlich plötzlich, naebdem die kränkende Bttcksendang
der Athener ziemlich ttbereinsthnmend mit Thnkydides^)
eizfthlt ist: xal tov K(|M»va {iixpSc &iciXaßo{ievoi icpo^os«»«
i|<i>aTpaxiafltv tU inj tinia' Toaoorov fap )rpovoo teraYpi-
vov aTiaai toT; l;oiTpaxiCo(xsvoi;. Der »unerhebliche (Jiiind«
der Verbannung passt offenbar nicht zu dem eben zuvor
erzählten messenischen Kriege, ^nd man wird Kühl darin
Recht gehen müssen, dass die Worte »Ueberbleibsel einer
Relation sind, welche yon dem messenisehen Kriege
schwieg« 1^^).
Auf Theopomp scheint in Cap. 16 nur das Stück HiS+ift'i
&IE^ tAv Aaxc6a(|i.ov(oiv — ipAvtec f^^dovro siutlckzugehen, die Schil-
derung von dem Umecshwunge dw Meinttog in Besag auf Kimon.
00) Kim. 17 Oi M Aaxcfotf&dvtot . . . . t^v t6X|MN txA tJjv Xa(*icpö-
vrftOL ScCeevTic diwicii^mvco |jivous xOr* wyi^Jym . db« veoTeptaret;. ot
Ik 7:06; <ipf?,v dze/.ftovTe; ^fir] toTs XcQtoivCCouet <pocvepä>c iyakitzavtw . . .
Thttk. 1, lu2 Ol Aaxs&otpiövtot . . . (cCesvccc rSr* 'Aftt)va{(uv t6toX-
^u[xud/<uM ctr^TTea'lav u. s. w. Die Erinnerung an Thukydides Tiel-
leicht durch Ephoros (Rühl S. 4).
Kühl S. 20. Auch das 9. Cap. des Feriklcs erwähnt am
SehlusB neben der SchiAilerung des Areopag die Verbannung K&nons
als Spartanerfireundei mit Uebeigehung der meaaeiÜMfaen Expedition»
md hier haben irir aicher in der Hauptaache Theopomp ala Quelle
a. Sauppe Quellen Flutarcha tfkt daa L. dea Periklea 1867 S. 16 f.
d. h. abgesehen von dem ersten Drittel des Capitels bis £v dp^iQ
piev Yip . . . (Rühl Neue Jahrb. f. Phil. 1869 S. 657 ff.). Ja sogar
die Bemerkung aber die Lftnge der durch den Oetrakiamos entachie-
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256 UBSPBUKG VSD GE80HICHTB DBB EPBBTEN
Jetzt wird sieh das vielumBtrittene tu; oe icoXiv ivi
oTpateCav lEivXsuos C. 15 erklaren. Wenn Theopomp den
meBsenlBehen Krieg Überging, ihn wenigstens niebt im
Zosanunrahang mit der Verbannung Kimons erzShlte,
Plntarch andererseits den thasischen Krieg und den Stars
des Areopag C. 14 und 15 nach Theopomp erzählte, um
dann C. tö nnd 17 vor der Verbannung Kimons die mes-
seniscbe Expedition nach einer anderen Quelle einzufügen,
so muss er bei Theopomp wenigstens eine kurze Bemer-
kung gefunden haben, dass Kimon, während Ephialtes
seinen Antrag stellte, wiederum — d. h. naeh sdner Bttek-
kebr von Thasos — abwesend war. An die Expedition
naeb Messenien, welebe Theopomp hn Sinne hatte, dadbte
Flutarch nicht, weil er diese im Znsammenhang mit
Kimons Ostrakismos nach einer anderen Quelle sich zu-
rechtgelegt hatte. Bei Tlieopomp ging der Zug nach
- Thasos vorher. Im Gedanken daran entstand bei Plutarch
das eMi^Xsuoe; ob sich damit bei Flutarch die deutliche
Vorstellung einer noehmaligen Fahrt Kimons nach Thasos,
welches ja bereits unterworfen war, verband oder nidit,
ist ungewiss, für unsere Frage aber auch gleichgültig.
Die messemscbe Expedition war also die letzte, welche
Kimon vor seiner Verbannung unternahm, und diese er-
folgte bald nachher, etwa gleichzeitig mit dem Abschlüsse
des attisch-argi vischen Bündnisses.
Endlich haben wir zu fragen : Wann wurde der Are-
opag seiner Bechte beraubt? vor der Verbannung des
denen Verbannung finden wir Perikl. 10 Anfang wieder: 6 {acv o3v
iSoorpctxtOfji^; luoiafilvr^v ilyt v<iu.ii) f.txntrla^ toT; tivjfO'jzi-i . Das möchte
ich den Worten Sauppes entgegenhalten : »Was er noch im Cap. 9
über die Vertreibung Kimons sagt, ist so kurz und flüchtig, das von
bestimmten Quellen nicht die Eede sein kann« [S. 17).
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UND DES AiUSÜPAUlTISCUEN COLLEGIUMS. 257
Kimoiii etwa während semer Abwesenheit im Peloponnes?
oder nach seiner Verbannung ? Die neneren Gelehrten
sind darüber verschiedener Meinung ^^^^ Diodor (11,77)
setzt den Stnrz des Areopag unter dem Archon Phrasi-
kleides Ol. 80,1 = 460 59 an. Aber mit diesem Zeug-
nissei auch wenn man es für zwingend ansieht, ist nichts
gewonnen. Denn weder für Eimens Verbannung, noch
für eins der anderen bis jetzt erwähnten Ereignisse ist
d«r Zeitpunkt bestimmt überliefert. Die Ereignisse smd
nur im VeihSltniss m einander, nach ihren Zwischen-
rilnmen, einigermassen genau bestimmbar . Wir sind
darum, um unsere Frage zu beantworten , einzig auf den
Gang der Erzählung in der Quelle aufgewiesen, welche
Kimons Verbannung im Zusammenhange mit den andern
Ereignissen bericlitet; wir müssen Plutarch zn Bathe
Ml) Vor Kimons Verbannung: lassen das Ereigniss eintreten
O. Müller S. 118. Schömann Eumeniden S. 48. Curtius 2 3 S. 148.
Oluken. 1 8. 133 ff.; nach dezadben Ofote 5 p. 440. 494. Sehifer
p. 17. 18.
^ Aus den hi^r mitgedieilten neuesten Antetiungen nebt man,
dMs die Zwischenräume aioh nemlich i^deh bleiben.
Thasoe llllt: 463 (Onoken) 462 (Schafte und Cmrtiua)
Kimon nach Messenien: 462 461'
Kimon kehrt zurück: 462/1 461
(Bund mit Argos)
Kimon verbannt: 462/1 460 Ol. 80,1/2 (459).
Für Kimons Verbannung bekommen wir auch dann kein sicheres
Datutt, wenn wir nach Theopomp fr. 92 MflU. von dem Zeitpunkte
•einer ZurSekberufimg an fünf Jahre rarSduredmen, da dieser Zeit-
punkt seibat nicht feststeht. Der Ansati des Ostrakismos bei Cur-
tius ist, glaube ich, au spät im Vexhiltniss su dem Zeitpunkte der
Bfickkehr Kimons aus dem Peloponnes, obwol ich in der Ostraki-
sierung natürlich keine Bestrafung. Kimons fta das Missgeechick
%ehe (Flut. Kim. 17. Periki. 9).
17
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258 VBsniiivo vm oBscmoHTE dbr ephbtbn
ziebea oder, um gleich den eigentliehen Gewährsmann
eintreten zn lassen, Theopomp.
Die Erwähnung des Ostrakismoe im Eimon 17 besagt
an ihrer Stelle nichts, da sie sich ohne Rttckeicht anf
den Areopag an den Bericlit Uber den niessenischeu Krieg
anschliesst. Ist sie aber theopompiseh , wie wir früher
angenommen haben (S. 255) , so gehört sie jedenfalls
hinter die Partie des 15. Capitels, welche, ebenfalls
nach Theopomp, den Starz des Areopag nnd Eimens Ver-
halten dazn erzählt. Aher selbst ftir deigemgen, welcher
die Znrilekfilhning dieser Notiz des 17. Capitels auf
Theopomp zu gewagt finden sollte, mnss die Erzählung
des 15. Capitels an und fUr sich betrachtet dasselbe Re-
sultat geben. Dort wird die Beschränkung des Areoj)ag
durch Ephialtcs als vollendet geschildert und Kimon ein-
geführt, wie er nach seiner KUckkehr aus dem l'elde (tos
licavr|XdEv) das Geschehonc vergeblich rückgängig zu machen
sucht. Für seine Bemühungen werden ihm nur gehäs-
sige Vorwürfe zu Theil. Seine Veibannnng steht also
noch* boTor. IGt dieser Aufeinanderfolge stimmt eben-
fidls die zweite Hälfte des 9'. Capitels im Leben des
Perikles (= Theopomp, Anm. 100) ttberein, welche die Er-
zählung vom Sturze des Areopag der Erwähnung des
Ostrakisraos vorangehen lUsst.
Soweit unsere Quelle. Man hat darauf hingewiesen,
wie die Umgestaltung des Areopag einen längeren Kampf
voraujBsetze, wie sie durch Antrag und Gegenantrag bis
zur endUehen Entscheidung mehre Jahre hindureh sieh
habe hinziehen kennen. An sieh wäre darum der Kampf
um den Areopag eben so yersttndlich, wenn seine Ent-
scheidung erst in die Zeit nach Kimons Verbannung fiele,
wie man das z. B. aus der Darstellung Grotes sieht.
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UND DES ARE0PA6ITI8CHEN COLLEaiUUB. 259
Da aber Theopomps Bericht der einzige ist , welcher uns
vorliegt, und dieser das Gegentheil bezeugt, so können
wir nur annehmen, dass der entscheidende Streich bereits
vor Kimons Verbannung gefallen ist, wenn auch die fer-
neren Massregeln zur Ausgestaltiuig der Beform noch ge-
ranme Zeit in Ansprach nehmen mochten.
2. Das Bild toh dem Kampfe der Parteien znr Zdt
da der Areopag gestürzt wurde (um 460), verdanken wir
in der Hauptsache ebenfalls Theopomp ^^^l . Mag hie und
da stark aufgetragen sein , in den wesentlichen Zügen
entspricht es doch den Vorstellungen, welche wir über
die innere Geschichte des älteren Athen anderswoher ge-
winnen. Kimon steht mit seinem politischen Bekenntniss
noch in den Traditionen des grossen BefireinngskriegeB.
Er will nicht ohne Sparta gehen, welches damals zu
Athen gestanden nnd mit Ihm die Symmachie gegen den
Erbfeind geschlossen hatte. Die Freiheit, zu welcher
Pcrikles und seine Anhänger die Masse des Volkes er-
ziehen ^vollen , erscheint ihm bedenklich , der Areopag
insbesondere ist ihm die sichere Schutzwehr, welche alte
Zucht nnd Stärke nicht entweichen lässt. Von dem Zage
der Zeit, welcher jetzt auch den Geringsten ans dem
Volke zum Antheil an den öffentlichen Angelegenheiten
beruflt, wnsste man nichts in den Tagen, als man die
Meder besiegte. Damals folgte die Masse gehorsam dem
Strafifen Regimente der Angesehenen, welches in dem
nutanh Perikl. 9 ron h* (tiy ydlp an bis sa Ende
(oben Anm. 100). — Ximon 10 von -ii It Ktp-iuvo; dfSo^ta bis Xi^s-
Tal 'PoioaxTjv . . . ; 15 bis cU & xai "rd F/jr^Xtoo« . . .; 16
^ {»RÖ x6v ActKe&ai|iovi(BV bis xol o^tös iicl ita'^xi . . .
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260 UBflüRDKO UHD «E8CBICHTB DES EPBETEH
Areopag eine Hauptstlltze fand^^). Aber Kimon über-
sah, daas der fertige Staat nicht in denselben Fesseln
welter gehen durfke, die ihn in seinen Anfängen ttber
Zeiten schwerer änsserer Bedrängniss glücklich hatten
hiuwegflihren helfen. Er war aufgewachsen in den An-
scbauungen, welche sein Vater Miltiades und Aristides
pflegten, und hatte von der hellenischen Aufgabe Si)artas
eine Yorsteliang, welche fUr diese Zeit nicht mehr zu-
treffend war. IMe Zustände während der Zeit der Perser-
kriege waren fttr Athen doch nnr, man darf vielleicht
sagen, proTisoriseh. Damals kam es daranf an den
Staat, unter welchen UmstSnden nnd Zngestibidnissen aneh
Immer, zn retten. Jetzt wollte Athen änsserlich stark
und selbständig neben Sparta stehen. Darum musste es
in den Bahnen weitergehen, welche Themistokles vor-
gezeichnet hatte, als er die Stadt ummauerte , den Piraeus
gründete und den Schwerpunkt der athenischen Kraft in
die Flotte legte. Wie aber Spartas PoUtik schon damals
dieser Biehtong in Themistokles begegnet war, so war
sie auch später die natUrliche Gegnerin des Perikles.
War es aber nSthlg, dass Athen in seiner äusseren Po-
litik von Sparta sich trennte, durfte man gar für die
Folge mit einem offenen Bruche die Möglichkeit feind-
seligen Begegnens erw^arten, so folgte daraus zugleich
die Noth wendigkeit, das Volk, auf dessen Kraft die
Zukunft des Staates gestellt war, mit dem Gefühl der
Selbständigkeit auszorüsten , wie es die freie Verfassung
in Zeiten äusserer Blttthe giebt, andererseits aber Per-
sönlichkeiten und Einrichtungen unschädlich su machen,
IM; s. die wichtige Nachricht bei Arist. Polit. , welche unten
Anm. 173 näher besprochen ist.
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I
UNB DES ABBOPAOranOHEN OOLLTOIOlfS. 261
an welche die von dßa ZeUlttafen ttberhoHe Bpartafreuid-
liehe Politik der Aristokraten alten SeUageB sich hätte
halten kitanen. Damm mnas Ephialtes, der Beformator
des alten Areopag, Kimons Oegner sehi, als die Httlfb-
leistung ftir Sparta in Frage kommt, darum Kimon wieder
der Gegner des Ephialtes, als man an die Aeuderung der
areopagitischen Verfassung geht.
üass der oügarchisch gesinnte Theopomp hier auf
der Seite Kimons und der Bewegnngspartei gegenüber-
steht, ist natttrüeh. San Lehrer Isokrates nrtheilte ja
ebenso und Shnfich lautet die Spraefae Diodora, wel-
cher ans woi die Mdnnng des Ephoros wiedergiebt*^).
Gegenüber diesen Yom oUgarehisohen Färteistandpnnkte
beeinflussten Berichten über die Massregeln der Fort-
schrittspartei gegen den Areopag üuden sieli einzelne Ur-
theile, welche den Vorgang sachlich kurz mittheilen, so
namentlich die Worte des Verfassers eines Capitels der
aristotelischen Politik (2, 9; 12 Bk.) : xal Tr,v jiiv 4v
'Apdip tca^cp ßooXi^ iaXti|< ixoXooot [xal n«pt3Ü%]t üw-
ner eine Stelle bei Flntareh^*^, während dne andre Stelle
lOj) Areopagit. § 50 tuax' oix av et^orto; to-jtoi; (den Zeitgenossen)
irtTt(jL({j7]v, d)«Xd roXy oixat^-repov toi; 6'Ki'(t\} rpö tjixüiv T^jv rJAiu otot-
u*) IKod. 11, 77 : 'EfidD.Ti]« 6 So^poiviiou , (Y)(A«Yt»x^ «al
{MtAtfot T^v ^Afctou icd^ou ßouXif)v, xol lUirpt« «al irtptß^ijr« v^|jitf&«
«ofCoXQvat. o6 (&V]v ddpöai; (dfttfo« Sauppe) ^t^^'^T^ ttjXcxo'jtoi; dvo*
}jif,p.a9tv dirißaX«5uevo; , d/.Xd rf,; vjxtöc dvoipcöei; doTjXov loye tt,v toü
ßto'j TeXeuTTiv. Vgl. Pausan. 1, 29, 15: 'EfidXTQS, fit Td -v^{M|Aa td
iv 'Apeup r.dyp (j-iXista dX'j[jL-f,vaTO.
W7) Praecept. reip. ger. c. 15 (Perikles) ii' l>fidXTOJ -rijv dg
Apc(o'j rdfO'j ßo'jX')|V itaRcivoiw.
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262 VBMBWaSQ VJSa> eStOHICHTE DER J^UKTBN
derselben Schrift den Vorgang vom Standponkte der
Neuerer ans ansieht ^^^). Uebertrieben nnd dem rhetori-
schen Ursprünge dieser Qesehichtssohreibnng entsprechend
ist bei Theopomp namentlich eine gewisse Zuspitzung der
Motive nach der Seite des Persönlichen hin, so wenn in
Verbindung mit des Perikles Bemühungen gegen den
Areopag darauf hingewiesen wird, er selbst habe keinen
Antheü am Areopag gehabt, da er niemals Arehon ge-
wesen 8ei*<>^), gleich als ob ein so kleinliches persdnli-
ehes Interesse hier hätte in Frage kommen können. Be-
merkenswerth aber ist, dass Theopomp dnreh seine
parteiliche Stellung zu der Sa ehe sich nicht in seinem
Urtheile über die Person bestimmen Hess. Neben aner-
kennenden Ürtheilcu über Ephialtes' Persünlichkeit finden
wir nemlich in unserer Ueberlieferung auch einzelne ge-
hässige Aeusserungen über ihn. Ungunst liegt überhaupt
schon in dem Vergessen seiner näheren persönlichen Ver-
hältnisse bis auf dürftige Ueberbleibsel. Was aber an
Kachriohten sicher anf Theopomp znrttckgeht, das stellt
dem Umgestalter des Areopag ftlr seine Person das aller-
günstigste Zeugniss ans^*^). Die Aristokraten räumten
'Oöi c. 10; Es giebt mohre "Wege um sich berühmt zu machen.
Am sichersten ist es einem cfaOXo; wie dem Kleon gegenüber zu
treten, oyx ifsoiü oi, oxi ßouXfjV xive; ir.a/ßf^ xai (iXi-yapytx-^jv xoXo6-
ffavTcc, aaitcp 'EffidXtij; 'Aa /,vT^ot .... Aber das ist gefahrvoll.
e|MftiTt)c Xo^tjEv. Die BegrQadiing halte ich ftlr theopompiacii (trote
Flut. Solon 19 im Anfange), wenn auch die AusfOhrlichkeit derselben
in Plutarchs Ueberarbeitung ihren Grund hat und die fügende Be-
merkung über den Eintritt der Archonten in den Areopag nnr TOn
Plutarch selbst herrühren kann (Sauppe Quellen S. 18).
Dies hebt Sauppe hervor Quellen S. 20 ff. Ephialtes un-
bestechlich: Flut. Kimon 10 (Theopomp). Damit stimmt Aelian Verm.
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UND DES ABBÜPAAXnSOHEN COLLEaimfS. 263
den yerhasateu Gegner doroh Meuchelmord aus dem Wege.
EphoroB, dessen Auffassung wir wol bei Diodor yor uns
haben, erblickt in dem Schieksal die gerechte Strafe für
das frevelhafte Beginnen ^^^). Der Epikureer Idomenens
Yon LampsakoB giebt nach fiist 200 Jahren einen Berieht,
nadi welchem Perikles ans iäfersneht anf den Ruhm sei-
nes Parteigängers dessen Ermordung veranlasst haben
sollte. Plutarch, welcher uns denselben aufbewahrt hat
(Perikles 10:. beruft sich dagegen auf das Zeugniss des
Aristoteles, d. h. der unter seinem Namen gebenden athe-
nischen Politie. Hier wird uns, während zu Antiphons
Zeit der ThAter noch nicht ermittelt war, als MOrder
AiistodikoB Ton Tanagra genannt nnd als Anstifiter des
Ephialtes Feinde,* also die Aristokraten. Wir haben zu
glauben, dass das Gertteht von der Partei der Betheilig-
ten in Umlauf gesetzt worden ist, und dürfen daraus ab-
nehmen, wie hoch Ephialtes dastand
Was schliesslich das Verhältniss des Ephialtes zu
Perikles anlangt, so stellt ein Theil der Nachrichten den
Perikles bei dem Angriffe anf den Areopag in den Vor-
dergnind, wlihrend in anderen wieder Ephialtes als die
Seele des Unternehmens hervortritt. Man darf anf diesen
Untersehied schon darum kein zn grosses Gewicht legen,
Oeiob. i, 43. 11, 19. 13, 39 (mm ThaU Anekdoten). Wegen seiner
dv^peht nnd 8»caioau<yr, bei Flut. Demosth. 14 neben Aristides und
Kimon genannt. Alt Feldheer sok See nennt ihn ILaUiethenes bei
Plut. Kimon 13.
»"} Oben Anm. 106.
112) Grote HiT»t. of Gr. 5 p. 500. Vischer Kimon S. 62. Sauppe
a. a. O. Antiphon Mord des Merodes § 6S meint mit den dico-
«iftvccmc, die noeh nicht «mitteÜ leien, nicht etwa die Urheber de«
Moidee, eondem die Thller, wie der Zuaemmenhang soner MTorto
leigt.
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^64 UBBPKDirO UND OB80HI0BTB DER mOSTEXf
ireil er nachweislich bei einem nnd demselben Gewährs-
mann, bei Theopomp, sich findet und wdl der Aus-
gleich auf der Hand liegt. Insofern die Beschittnknng des
Areopag mit den politischen Hassregeln des Perikles im
Znsammenhang stand, konnte dieser anch als Urheber
jener einen Keforiii aufgefasst werden , wUlircnd anderer-
seits naturgemäss Ei)hialtes da hervortritt , wo von den
besonderen äusseren Veranlassungen die Rede ist, welche
ihn zu diesem Schritte geführt haben sollen.
Von diesen Veranlassungen handeln wir schicklicher
im Znsammenhang der nvn an&nwerfenden Frage nach
der yerfassnngsgeschichtlichen Bedeutung der
Beform des Ephialtes.
3. Die bis zum Ueberdruss bebandelte Frage . ob
durch Ephialtes dem Areopag die Blutgerichtsbarkeit ent-
zogen oder ob nur diese ihm gelassen sei, eine Frage,
an deren Lösung noch Niebuhr verzweifelte, ist von Förch-
hammer endgültig in dem Sinne erledigt worden, dass
dem Areopag die llwt <povixa{ nach wie vor yerblieben *^*J .
Die letzte Entscheidung gab das schon oben betrachtete
Zeugniss des Philochoros, wonach 'E^iaXtr^; (^dva xaxiknzs,
"3] Vgl. Flut PeriU. 9 A. £. St* ^EfidXtou mit Kimon 15:
IM) Forchhammer De Areopago von privato per Epbialten homi-
cidü iudicüs contra BoedLhium diapvlatio Kiel 1828; das Phüoeho-
ros-Zeugniss in der Schulzeitung 1830 S. 665. Niebuhr Vorlesungen
(1829/:30: '2 S. 29 kannte beides noch nicht. — Alte Ansicht: Böckh
Berl. Indices 1826/7 u. 182S/9, etwas anders Meier Rhein. Mus. 1S28
S. 265 ff. — Während Schömann Antiquit. p. 301, 18 u. Hermann
Staatsalt. § 109, 6, auch Grote Hist. of Gr. 5 S. 495 Forchhammer
zustimmten, beharrte Böckh Atl^s des Philoch. 1832 S. 27 auf seiner
Ansicht.
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UND DES ARE0PA6ITISCHEN COLIxEGIUMS. 265
II *Aps(bo nirfon ßouX^ ts hmk^ toB oofiaToc (S. 186).
Uebeiblicken wir mit unserer heutigen Einsiebt in die
athenische Verfassungsgeschichte die lauge Keihe der
Erörterungen, auf welche jetzt niclit einmal mehr zurück-
zukommen nöthig ist, so scheint es uns fast unbegreiflich,
wie man erst jenes zufällig aus seinem Dunkel hervor-
gezogenen Zeugnisses bedurfte, um die jetzt feststehende
Ansieht zu gewinnen. Denn die BlutgeriehtsbarlLeit ist
einerseits das ursprflngliohste und unTeräusserUehe Beeht,
welehes ganz abgesehen von der Stellung der Areopagi-
ten zur Zelt des Perikles an die St&tte des 'Apsio^ ra^o;
sich knüpft, gestützt durch religiöse Ordnungen und alten
Glauben, deren Entstehung gar nicht mehr nachzuweisen
ist. Andererseits war aber dies die unschädlichste, durch
politische Wandelungen kaum berührbare Befugniss, mit
deren Beseitigung iUr die Beformbestrebungen der perl-
l&leisehen Zeit gar niehts gewonnen war. Ein Zeugniss
nur, so sehdnt es, hfttte dieser Andebt mit Beeht hin-
derlieh sein dürfen, die bald nach dem Jahre des Enklei-
des gehaltene Bede des Lysias über den Mord des Era-
tosthenes , in welcher es vom Areopag heisst : (f v.ai
Trarpiov ioxi xat Icp' ojiuiv aTrooi'ootat too cfovou ra; 8ixa;
5'.xaUiv (§ 30;. Denn die Worte scheinen allerdings für
eine Unterbrechung in der Austlbong der Blutgerichtsbar-
iLeit YQin Seiten des Areopag zu spreohen. Aber hierbei
ist nur an die Aufhebung defselben unter .den Dreissig,
denen ein selbstilndig ttber Todtaefalag riditender Geriehts-
hof unbequem war, und an die spätere Bttekgabe unter
EuUeides oder bald nachher zu denken i^^). Dies kommt
»«3) Dies die Ansicht Rauchensteins Philol. 10 :iS55; S. 604 f.
und Grotes Hist. of Or. 3. p. 496. 8ie ist aber schoa von SchO-
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266 DBIFKCNO UBD OE8CUI0UTE IKBR BFHETBN
mir nemlich wahrscheinlicher Tor, als wenn man annimmt,
der Bednar spiele gar nicht anf diese Unterbrechung
an, sondern er woUe nur sagen: »Sowol TCn Alten her
als ancli jetzt hat der Areopag das Blntreeht m ttbenc'^*).
Denn auch dann lässt si<di der Aussprach des Demosthe-
nes aufrecht erhalten , dass diesem Gerichtshof allein
keine Verfassungsveränderung seine Gerechtsame, über
Mord Recht zu sprechen, habe nehmen können^'"). Die
Zeit der letzten Schreckensherrschaft war ja kurz, die
Einschränkung des Areopag vorttbergehend, nnd Demosthe-
nes sprach &st Ainftig Jahre nachher, als der Areopag
llingst wieder in TOller Ansllbang seiner Rechte dastand.
Wenn dem Areopag die Blntgerichtsbaikeit allein
verblieb nnd die übrigen Beebte desselben in der ?orpe-
nunn Xahrb. f. ihm. Krit 1829 8. 379 (BeoeniIo& Yon Forchham-
men Schxift) au^sprochen, nicht die der folgenden Anm. 116, wie
es nach Sch&m. Eameniden 8. 102 wheinU Alle lesen mit einer
gelingen Handschrift d-Kolllvzn. Bei dieser Erklärung wird es sieh
empfehlen, statt des handschriftlichen i<f b^ims zu leawa btp' 6{i(üv.
Neuerdings stellt Schümann Griech. Alt. 13$. 5SI gegen Curtius
Griech. Gesch. 3 S. 13 die Suspendierung des Areopag durch die
Dreissig in Abrede.
»cui et patrium sit de caede iudicare et nuuc quoque ea pO'
testat eompetatu Hermann De hyperbole 1829 (opusc. 4 p. 304 ff.)
und danach fiele Andere. Man kann mit Hennann l^^ Votv —
dKo^i&oirat lesm. — Andere If' ^v^i nnd Ftahberger bdiSU das
handsehriftliehe dnoiltotai nnd betieht es auf die tigUch. Torkoin^
menden Fälle. S. denselben 2 8. 180 (krit Anhang zur Stelle).
1'^) Demosth. g. Aristokrat, p. 642 § 66 : toOro |aövov t6 (ixatrrfjpioM
TeTÖ).fji.T,x£v xtA. Sehr an Verständlichkeit gewinnen diese Worte durch
eine feine Bemerkung von Christenseu Areopagos p. 31, welcher
darauf aufmerksam macht: der Bedner spreche so vom Areopag im
Oegensatse su den Epheten , welche ja damals und swar SMt 403/2
• in ihrer jurisdictionellen Thfttigkeit besehrftnkt waren.
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UND DX8 ABE0PAGITI8CHEN C0LLE6IUM8. 267
nkldflehen Zeit uns Tollstftiidig bekannt wären, so wOrde
ein Sehlnss anf das Wesen der Reform des Epbialtes
leicht zn machen sein. Aber erstens ist das »allein« kein
völlig zutrefl'ender Ausdruck, man kann dem Areopag
z. B. manche seiner mit dem Cultus zusammenhängenden
Befugnisse, namentlich die Besorgung des Eumcniden-
cults (S. 155) nieht genommen haben; dasselbe könnte
demnaeh anob. yon anderen politisch nieht gerade wich-
tigen Beehten gelten. Zweitens aber kennen wir ja die
Swnme der areopagitischen Befugnisse in der Zeit vor
Perikles nicht dnreh gleichzeitige oder aneh nur ansdrttck-
liehe nnd direkte Zeugnisse. Wir kOnnen sie nur einer-
seits wiederum erschliessen aus den Nachrichten Uber das
Ereigniss, welches wir uns klar macheu wollen, über die
Einschränkung des Areopag durch Epbialtes, sowie aus
den Zeugnissen Uber den solonischen Areopag, ande-
rerseits aber ans denjenigen, was in der Bednerzeit als
dem Areopag znstehend oder nicht mehr znstehend be-
richtet wird. Dieses Material, welches der Abschnitt IV
in einer Uebersicht Yoritthrte, kann allerdings nnr mit
grosser Vorsicht verwendet werden. Aber es lässt sieh
doch manches mit Sicherheit erschliessen, wenn man sich
nur bescheidet, nicht alles einzelne wissen zu wollen.
Der Ueberblick über die Befugnisse des Areopag im
Zeitalter der Bedner gestattet uns folgende Schlüsse mit
Sicherheit zn machen.
a) Die wenigen auf den Onltns sieh beziehenden
besonderen Befugnisse, welche der Areopag in späterer
Zeit ansttbt (S.'I55), kOnnen so wenig wie die 8(xat «po-
vtxa( von Ephialtes angetastet sein, weil ihre Aufhebung
für die Zwecke der perikieischcn Reformen keinen Werth
hatte. Was insbesondere die yF^Y^ aoeßeCa; betiifft, für
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268 tnWPBUlTG UND GESOHIOHTB ]»B EFHXTBM
welche in Itutoriseker Zeit aowol der Areopag als auch
die HeUastan nuttadig sind (8. 1&6), so kann wol hier
die Oompelens des Areopag nrsprlinglidi eine weitere ge-
wesen sein als sjAter, weil es eher denkbar ist, dass
man das Spruchgebiet der Heiiaea erweiterte, als das <les
Areopag. Ein Zusammenhang aber mit den Reformen des
Ephialtes, wie er mehrfach angenommen worden ist'^^),
' erweist sich durch den angegebenen Grand als unwahr-
scheinlich.
b) Als baupolizeiliche Behörde haben wir den
Areopag in der Rednerzeit kennen gelernt, auch später
noch ist er nach dieser Seite hin thätig; und in Anbe-
tracht seiner richterlichen Competenz über Brandstiftung
glaubten wir hier ein Recht zu erkennen, welches in
die älteste Zeit znrttckreicht. Mit Rücksicht auf diese
Continnität einerseits und die Katar der Befogniss ande-
rerseits werden wir ans dahin entscheiden dürfen, dass
aach nach dieser Seite hin eine Einschribiknng des Areo-
pag durch Ephialtes nicht statt fand.
c) Die Erziehung des heranwachsenden Geschlechts
und die Anfsicht Uber die Ftthrong der Bttrger liegt in
der Bednenseit dem Areopag naehweishar nieht mehr ob
(S. 162); and doeh mnss einstmals dies ein wichtiger
Theil seiner Competenz gewesen sein, wie wir ans la»-
krates' Areopagitikos nnd anderen Zeugnissen sehen, lieber
die Art wie der Areopag diese Befuguiss ausübte, wissen
wir nicht viel. Die 5i'xrj apyia; ist nur eine Aeusserung
der Yon dem Areopag geübten Sittencensur (S. 164] ; der
Areopag konnte — orsprttnglich jedenfalls, ob später
IM) 2. B. Meier AU. Process S. 305.
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UKD DES AREOPAUITISCUEN C0LLEGIUM8.
269
noch) steht dahin — in allen derartigen iWen ans eige-
ner Initiative handeln, ohne eine Anklage ahznwarten .
Denken wir uns dieses Eecht der Censur im weitesten
Umfange geübt, auf Beamte und Privatleute, Erwach-
sene und Heranwachsende angewendet, so haben wir hier
den irciaxoiro? icavtiov im vollsten Sinne, zu welchem nach
Plntaroh Selon 19 der Gesetzgeber den Areopag bestellte.
Dieses Recht der Censnr, von welchem sieh in der Bed-
nerzeit nur kleme UeberbleilMiel erhalten haben, ist dem
Areopag yon Ephlaltes genommen worden. Wir könnten
das mit Sicherheit aus der Natur des Rechtes, welches
einem zu freierer Verfassung fortschreitenden Staatswesen
unbequem und hinderlich sein rausste , schliessen , auch
wenn Isokrates nicht gerade für die Beseitigung der Sit-
tencensnr jene ältere Generation von Staatsmännern , wie
er sie anspielend nennt, verantwortlich machte ^^^j.
d) Wir haben endlich gesehen, wie in der Zeit von
350 bis 320 der Areopag als Untersuchungscommis-
sion in wichtigen Staatsprocesseu auf besonderes Mandat
hin thätig ist [S. 171), bisweilen auch, wie nach der
Schlacht von Chaeronea, mit einer Art von General- Voll-
macht versehen in den einzelnen Fällen selbständig han-
delt nnd gelegentlich bei anderen wichtigen Staatsange-
legenheiten entsehddend eintritt, ohne dass jedesmal ein
besonderer Anitrag uns ttberliefert wurde (S. 182). Oh
em solcher anoh in diesen Fällen gegeben wurde, liess
sich nicht mit Sicherheit entscheiden [S. 185). Nehmen
wir das ohne ausdrückliche Uebcrlicferung an , so geht
freilich aus dieser ganzen Wirksamkeit keine bedeutende
Schömanns Ansicht Griech. Alt. 1 3 S. 523.
Alreopagitikos § 50 xoU öXIy(|> icpö i^'i xj)v nöXn Siotxi^oaotv.
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270 URSPRUNG UND ÜESCHICHTK DER EPIIETEN
politische Ifaohtstelliing des Areopag fttr diesen Zeit-
ranm her7or. Aber es liegt darin das Ueberbleibsel einer
einst bedeutenden Befhgniss. Denn auf der einen Seite
wird man nicht glauben wollen, dass diese Einrichtung
in dem Zeiträume, für welchen sie zufällig überliefert ist,
aus nichts geschaffen wurde. Auf der anderen wissen
wir, dass die Beschränkung des Areopag durch £phialtes
auf staatsrechtlichem Gebiete lag, nnd jene eommissa-
risdie Beftigniss des Areopag wird za emer ftirehtbaren
Macht, wenn wir cde nns von dem Mandate losgelöst,
unabhängig denken iS*). Unter diesem Gesiohtspnnkte
werden die vom Areopag gefflhrten Staatsprocesse histo-
risch verständlich. Mochte der Areopag diesen Geschäfts-
kreis von dem älteren Gesetzgeber Uberkommen oder
selbst im Laufe der Zeit an sich genommen haben : die
Reform der perikleischen Zeit machte ihn dem Willen des
Volkes nnterthänig, nnd dafUr war der Ausdruck jenes
oft genannte Psephismaf welches dem Areopag spltter die
jeweilige Vollmacht Übertrug.
Hier erinnern wir uns endlich des Schlusses, wel-
chen wir bereits früher von den vojio'fuXaxe; ans auf den
alten, vorperikleischcn Arcdpag machten (8. 195). Wenn
die Wirksamkeit der Gesetzes\Yächter auch fllr uns nicht
mehr in bestimmten Thatsachen nachweisbar ist, einge-
setzt ist die Behörde, und wie kuiv.e Zeit sie sich auch
in der vollen Ausübung ihrer Befugniss erhalten haben
mag, ihre Befugniss sollte sein, Einfluss zu ttben auf
Mi) Unter diesem Gesichtspunkte wird man die "Worte des Diu.
g. Demosth. § 9 t^v TroXixetav xal STjfi-oxpaTiov roX/ axt; i-pt-f/tiovxvt
(i G^jtxo;) wol nicht mit Schömann Griech. Alt. 1 3 S. 529 für eine
bloss rhetorische Phrase halten. Sie beziehen sich, wie § 62 zeigt,
auf die Cyjti^sci; und dnotfaseis.
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UNO DES ASEOPAGITISCHEN C0LLE6IUM8. 271
Gesetzgebung und QeBetzesbeobaehtimg, und was ihr ge-
geben wurde, muss dem Areopag durch Ephialtes genom-
men sein. In welcher Form der Areopag seinen Antheil
an der Regierung ausübte, lässt sich nicht mehr ausma-
chen, weil dies Recht ja später nicht mehr besteht. Doch
ebenso wie wir später in anderen Angelegenheiten den
Areopag duroh eine Gommission oder yoUztthlig in der
YidksTersammlnng vertreten sehen wird er aueh da-
mals mit Baäi und Ekklesie in unmittelbarem Verkehr
gestanden haben. Die Bedeutung dieser vWaeht Ober die
Gesetze«, welche nach Plutarch Solen 19 Solon dem Areo-
pag tibertrug, möchte ich nicht eingehender zu bestimmen
versuchen. Nur darin schliesse ich mich völlig 8chö-
mann^^aj an, dass wir nicht an einen constituierenden
Antheil an der Gesetzgebung zu denken haben, sondern
an einen hemmenden £influss, welcher nachtheilige und
gesetzwidrige Massregeln sowol auf dem Gebiete der ei-
gentlichen Geset^bung als der übrigen Regierung zu
yerhindem hatte.
Um nun die von Ephialtes eingeschränkte Competenz
des Areopag möglichst kurz zu bezeichnen, so war der
Areopag bis auf seine Zeit eine Art Staatsrath , welcher
auf Gesetzgebung und Regierung Einfluss ausübte, und
eine Polizeibehörde mit censorischer Macht* Aus dieser
zweifachgetheilten Stellung als Begierungs- und Verwal-
tungsbehörde floss abgesehen von der Strafbefugnisse
welche sieh you selbst versteht, eine ziemlidi weite rieh- '
terliehe Competenz. Von dieser ist die aus der poUzei-
^) Aeachines g. Timarch § 80 ff. oben S. 160; Lytias g. Erar
toRth. § 69 und Plttt. Fhokion 10 oben S. 184. 182.
123) Verfassungsgesch. nach Grote S. 76 ff. Aatiqait p. 299
und Qriecb. Alt. 1 3 S 524.
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272 URSPRUNG UND GE8CUICUTE DER £PiI£T£N
Uchen Stellung abgeleitete S&n) fllp^Ca« nur dn znflUlig
ttberliefertee Beispiel. Den grossen ÜmÜEuig dieser Ckmi-
petenz kann man sich deutlich machen an den mannich-
facheil Aiiliisseii zu processualischen Verbandlungen, welche
in dem Umkreise der Verwaltungsmacbt des Areopag la-
gen. Also der iicioxoicoc tcocvtcuv und der <puXa£ vouwv musste
zugleich oixaarr^piov sein '^^l . Nehmen wir dazu den wich-
tigsten Theii der Blntgerichtsbarkeit , welcher auch nach
Ephialtes dem Areopag verblieb, so ist es wol begreif-
lich, wie swei Atthidenschrdber die Oompetens der Areo-
pagiten in yorperikleiseber Zeit mit den Worten beseieh-
nen konnten: »Sie entschieden Uber fast alle Vergehen
und Gesetzwidrigkeiten« *25j. El)eu8o begreiflich ist es,
dass das was Ephialtes dem Areopag nalini , Tbeuponip
als TOLi icXfturra^ xp(aei( oder Ta; xpiaei; 7:Xf^v oXiy<i>v ana-
aa; oder ta Trarpiot vojjtijia, Ephoros als ta Ttarpta xäil icept^
ßoTixa vo(»i|Aa bezeichneten, denn »Entscheidungen« waren
ja mit jenen Befugnissen gegeben und politiseh uigleieb
wichtigere, als die nun noch yerbleibenden tUai tfwvnaL
4. Nach der Ansiebt Grotes und seiner Nachfolger
stand die Einschränkung des Areopag durch Ephialtes
•2*; Diese für die Reform des Ephialtes in Betracht kommende
areopagitische Competenz umschreibt am bestimmtesten Schömann
Griech. Alt. 1 3 S. 351; «Diesen areopagitischen Rath bestellte Solon
zugleich als eine Oberaufsichtsbehörde, welche die gesammte Staats-
veifwaltung, die Amtsführang der Obrigkeiten, die Verhandlungen
der Volkflwrsainmliiiig su OberwadMii und effqfdcrUdien Falle ehi-
suedireiteii, dasu aber gau allgeiMm auch die öffentUcfa» Zueht-
und fiSttenpolisei xu handhaben und in Polge desaen dae Beeht hatte,
aueh die Fristen wegen anstflesigen Betragens rar Verantwortung
au liehen.«
»2») zept rovToov oyeoiv tws ocpaX|uftar» wil itepavotuAv. Andro-
tion u. Philochoros (fr. 17 MüU.}.
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VKD DES ABE0PAGITI80HEN G0LLBGIÜH8. 273
mit den perikleischen Anordnungen anf dem Gebiete des
Gerichtswesens in einem nocli engeien Zusammenhange,
als es die bisherige DarsteUnng jenes Ereignisses zeigte.
Diese Ansicht hängt mit der Groteschen Anffassnng von
der Erweiterung der richterlichen Befiigniss des Volkes
in dem Zeiträume von Solon bis Perikles zusammen, und
diese muss ich hier soweit berühren, als es £Ur die Be-
urtheilung des Areopag nothwendig ist.
Grotes Ansicht geht bekanntlich dahin, dass durch
die solonische Yer&ssnng d«n Volke nur das Becht ge-
geben sei» seine Beamten in derEkklesie zu wählen und
in einer Versammlnng, welche er Heiiaea nennt, zu con-
trolieren d. h. ihre richterlichen Entscheidungen nnd an-
deren Amtshandlungen zu bestätigen oder zu cassieren;
dass dagegen YolksausschUsse mit wirkliclicr richterlicher
Befugniss erst nach Klisthenes und namentlich durch Pe-
rikles eingesetzt seien *^^]. Diese Darstellung wurde zu-
nächst von Sehömann einer einschränkenden Kritik unter-
zogen^^]. Weiter ausgeführt wurde sie dagegen von
£. MttUer und namentlieh in Bezug auf den Areopag von
Oncken unter fheüweisem Vorgange von Säve. Auf
Onckens Darstellung hat endlich Schömann geantwortet .
Eine allmähliche Entwicklung des Geschworenenwe-
seus bis zu der Ausbildung, in welcher wir es seit Peh-
^ Seit Klitthenes Hiat. of Or. 4 p. 163. 189 ff. Aehnlich 5
p. 483. Andenrirts «ntadiieden erst seit PeriklM s. B. 5 p. 477 ff.
Verfassungsgesch. Ath. nach G. 1854.
1«) E. Müller Neue Jahrb. f. Phil. 1857 S. 741 ff. (Recens. von
Schömann); Säve De Ar. et iudiciis heliasticis apud Ath. quaest.
Upsal. 1&62; Oncken Athen und Hellas 1 S. 147 ff.; Schömann Die
äülun. Heiiaea und der Staatsstreich des Ephialtes, Neue Jahrb. 18ü6
S. ÖS5 ff.
18
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274 UBSPBUNO UND GESCHICHTE DER EFHETBK
kies finden, ist eigentlich selbstrerständlich ebenso wie
eine stufenweise Erweiterung der Volksreehte und insbe-
sondere der richterliehen Befugnisse des Volkes ; und dass
vieles ron dem, was die Redner als dureh Solon dem
Volke zufi:estandcn hervorheben . l)ei einer historischen
Darstellung- der solouischen Verfassung in Al)zug zu brin-
gen ist, war auch vor Grote eingesehen worden
eigentliche Gegensatz zwischen (xrote und Schömann aber
liegt in folgenden zwei Punkten. Grote lässt erstens seit
Solon die Rechenschaftslegung der Beamten (to0ova) vor
einer allgemeinen Versammlung, welche sich you der £k-
klesie nicht thatsftchlich , sondern nur durch diese beson-
dere Aufgabe unterscheidet, erfolgen und kennt ausser
diesem einen Hechte keine ricliterliche Befuguiss des Vol-
kes, während Schümann eine engere , durch Altersgrenze
ihrer Theilnehmer [zurückgelegtes dreissigstes Jahr und
Eid beschränkte heliastische Körperschaft annimmt, welche
in einer allerdings nicht umfangreichen richterlichen Fun-
ction steht. Bei Grote sind zweitens bis auf Perikles die
Archonten die einzigen Richter mit unappeUabler
Spruchgewalt [abgesehen von jener eodova), während nach
Schümann schon seit Solon Volksgeschworene neben die
Archonten treten, theils als Appellationsinstanz, theils als
erste Instanz , filr welche die Archonten als Vorsitzende
den Process instruieren.
Ich glaube, dass abgesehen von den Zeugnissen un-
serer Ueberlieferung, auf welche ich gleich komme, zwei
Die Einsetzung heliastischer Ausschüsse klisthenisch : Bergk
Verh. der 9. PhUol.-Vers., Jena 1847 S. 3S ff.; Duncker Gesch. d.
Alt. 4 S. 474 f.} Droysen in Schmidts Zeitschrift fOr Oeschw. 1847
8. 387.
laoj Oder wenigstens bis auf Klisthenes s. o. Anm. 126.
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UND DBS ABB0PAOITI8CHEK COLLBOiUHB. 275
principielle Ai^nmente, welche Schtoiann dfler Torgetra-
gen hat, sehwer wiegen. Erstens ist eine VerBammlimg
aller Bürger vom ^zwanzigsten Jahre an mit der Befng-
niss , die Beamten , namentlich auch ihre Urtheilssprüche
zu überwachen, ein \iel demokratischeres Institut, als es
ein engerer Ausschuss von Heliasteii wäre. Zweitens ist
der Schritt von dem Archonten als Eiuzelrichter ohne jede
Appellationsinstanz bis zu dem Yolksgericht, welchem der
Archen nnr Torbereitend nnd präsidierend beigeordnet ist,
ein so gewaltiger, dass, wenn dieser Schritt ohne Zwi-
schenstufen von Perikles gethan wäre, wir nach dieser
Seite eine deutlichere Spur der perikleischen Beformfhä-
tigkeit finden mttssten, als sie unsere Ueberlieferong be-
wahrt hat.
Unter den Quellen, welche für diese Frage in Be-
tracht kommen, steht eine längere Auseinandersetzung der
aristotelischen Politik (2, 9; 12 Bk.) obenan, welche
mit den Worten schliesst: insl 16km 73 eoixe tqv divaY-
xatotatijv aicoStSovai t$ ^^HH» Suva|itv , to Tot< aCpet-
o&at xal euSovetv. (M)d& ^o^p tootoo xopio« «»v 0 S^|ioc^ 8ou-
Xoc av 8111) xal iioX^|iio«*>^). Es ist viel gestritten worden,
ob das Capitel aristotelisch sei oder nicht; ich kann an
Aristoteles schon deshalb nicht denken, weil gleich darauf
unter den solonischen Censusclassen die Zeugiten als
zweite, die Kitter als dritte Stufe genannt werden. Aber
die Fragstellung ist, glaube ich, gegenüber der aristote-
lischen Politik Überhaupt nicht zutreffend, weil man einst-
weilen noch gar nicht sieht, wie Tiel aus der ganzen
131) Ueber die Disposition dieser Auseinandersetzung Schöraann
Verfgesch. S. 35 ; Oncken Athen u. Hellas 1 S. 160 fF. ; Schümann
Ueliaea S. 588, dessen Worte gleich im Texte angeführt werden.
18*
276 17B8PBUK6 UND GEbClUCUTE DEU EPllETEN
Masse wirUich auf Aristoteles snrttdLgeht Die Auseinan-
dersetzung selbst mnss für sich sprechen nnd sie ist
jedenfalls einsichtsvoll abgefasst. Ob fde aber ein histo-
risches Zeugniss zur endgültigen Beantwortung einer sol-
chen Frage ist? »Der Autor«, sagt iSchömann, »verthei-
digt hiermit den Solon gegen seine Tadler, aber die Art
wie er sich ausdrückt, lässt erkennen, dass er selber
Uber das eigentliche Mass dessen, was Selon dem Volke
er&eilt habe, nicht sowol eine genaue und sichere Kunde,
als eine allgemeine Yermuthung hatte. Das Nothwen-
digste, sagt er, was Solon dem Volke einzuräumen nicht
umhin konnte, war die Walil und die Euthyna der Obrig-
keiten, dies stellt er als gewiss hin; ob Volkswahl der
Obrigkeiten auch schon vorher stattgefunden oder durch
Solon erst eingeführt sei, lässt er unentschieden and
ebenso ob ausser der Wahl und Euthyna der Obrigkeiten
dem Volke auch sonst noch etwas zugestanden sdn möge
oder nicht. Hier giebt also sdn »es scheint « uns die Frei-»
heit, das Wahrscheinliche selbst zu suchen.« Dieses Ur-
theil unterschreibe ich TQllig, und wenn Oncken mit £.
Müller in den kurz vorher erwähnten von Solon eingerich-
teten »Dikasterien« jene zur Euthyna schreitende Volks-
versammlung Grotes wiedererkennt, so genügt wol der
Zusatz xXTjpomv ov um zu erkennen, dass der Verfasser
des Capitels an wirkliche Gerichte nach Art der spftte-
len, durch das Leos zusammengeseizten schon unter Solon
dachte Der Anachronismus in Betreif des Looses ist
^ tÄ ftni«9rT;pta iroi-f^aac ix ravtrov. — x'jptov KCii-fjOavta tö itx«-
orfjptov urfvTtDv, Tt).T;f.a>TÖv Zu. — Toc ht oixiTrf^pta [iia8o?p<5pa xaT£aT7)oe
IleptxX^jc. Oncken 1 S. 168. £. Malier S. 746. Schömann Heiiaea
S. 590.
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UND DES ÄBEOPAGITIäCHEN COLLEtiiUMS. 277
freilioh zugleich ein nemeB Zeichen, welches uns an Aristo-
teles zu denken verbietet.
Oncken beruft sich auf zwei fernere ^Stellen der Po-
litik zum Beweise, dass ihr Verfasser, wenn er von einer
richterlichen Befugniss xpi'vsiv, ^txaCstv] des Demos in
älterer Zeit rede ,^Bur an die Abnahme der fiechenschaft
(euduva) denk»^^j, und geht dann zu einer schon von
Grote angeführten Stelle des Isokrates Uber, an welcher
dieser yon der gnten, alten fii^tAcxparfa spricht. Diese
habe, im Gegensatz zn der heutigen politischen Vielge-
schäftigkeit der Menge, dem Demos verstattet xa; ap-x«?
xara^Trjaai xat XajSöTv ot'xr^v zapa tcuv i^ajxapTovTwv . Hierin
wird nun mit Grote die Gesammtcompetenz des Demos
zur Zeit der solonischen Verfassung erblickt, das
&{xi]y auf die euöova der Beamten bezogen, da doch zu
l^tiaptovTtov nur a^ypvtm ergänzt werden kann, und der
Beweis ist fertig, dass Solons Demos keine weitere richter-
liche Befugniss hatte i*^). Aber will denn die Stelle em sol-
ches Zeugniss ablegen, und glaubte Isokrates wirklich nicht
US) Oncken 1 8. 103 f. Arirt. polit. 3, 6 (11 Bk.}: Uiietm ^
(fUr das niedere Volk} toü ßouXeuesOat xal «pCvtcv |ASTi/etv a^roO«.
St^rep xal SöXoiv xat twv ä}Xo)^ Tive; vo|i.odcTa»v T(Crcou0tv ini rc x9/6
dp'/notQi'Xi xai Ta; EuÖyva; täv dpyivxn)*;, Äp/£iv 5« xaTa[ji<5va; oix iöj<n.
Hier ist xptvciv ein weiterer Begriff als eüöuva; , wie auch das ßou-
Xe6sodoi mit dem "Wählen {äy/.} nicht erschöpft ist. — 6, 2 (7, 4
Bk.) TO xup(ou; etvat toD e)iadai xi: £0Ö6v£iv genügt der Menge
ftti hii «cd ou(A(jpipov iorl ..... alpeiodai fiiv xd^ ^PX^^ lASiWtw xol
ftneiCBiv mtnaa. Wiimm nicht audi lüer das (ntrfCct« ein weiterer
oder anch neuer Begriff aein aoll, sehe idi nicht tia. Der Pasaus
iat flbrigena nieht völlig in Ordnung und daa Oanxe aieht aua, wie
Fragmente einer ursprünglich längeren Auseinandersetiung.
>3«) laokiat. Panathen. § 147. Orot« 3 p. 174. Oncken 1
S. 164.
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278 vBSPBiniro üin> oescbicbtb dbb epheten
an eine Jurisdiction des Volkes vor Perikles, wenn er sie
hier nicht erwähnte / Wenn man alle ähnlichen Aussprüche
der vorhergehenden Capitel in dieser Abgerissenheit zu
historischen Zeugnissen madien wollte, so wttrde man
sonderbare Dinge Uber das Thema »Einst nnd Jetzt« hin-
nehmen mttssen. Isokrates hat aber znletzt von dem Trei-
ben der Menge zu seiner Zeit gesprochen, namentlich von
der Aemterjagd um des eigenen Vortheils willen. Ehe-
mals dachte nicht jeder an ein Amt. Das Volk hatte
genug daran, Beamte anzustellen und den, welcher un-
recht that, zu strafen, wie ein gut situierter Haasherr es
macht iSzsp orapj^si xat tdiv Tupavvcuv toT<; £u8ai|xov«OTa—
ToicJ. Dies Bild ist dem Isokrates geläufig. Der Areopa-
gitikos enthält eine ähnliche Parallele, welche Grote nnd
Oncken nicht anfahren. Am Schlass derselben heisst es
§ 26 : H 9ovto{x(u; el-nza, ixeivoi (Solon nnd Elisthenes)
Ste-YVioxoTec -^oav , oti Sei tov \iky 5rj{iov woTrep tupavvov
xaöioTavai lai <ipX^? >^'3ii xoXaCeiv toü;; i^ajiaptavovTa«; x a l
xpi'veiv TTspt Twv ap.cpi3pT^T0Uji.evtuv, T0U5 öe ay(Qkr^'f
aYsiv 6uvap.£vou? xai ßiov ixavov xsxTr^fievou? eripieXsTodai
Ttt)v xoivuiv wa^sp oixeTttc n. 8« w. Also die Beamten sind
die Diener, der Demos ist der Herr, wetoher sie anstellt
nnd bestraft nnd — ttber Streitigkeiten richtet. Es wird
kanm jemand behaupten, dass die letzten Worte mit der
eoduva yOlUg sich decken 1 Wenn aber auch der letzte
Zusatz ganz fehlte, wie im Panathenaikos, so wäre daraus
doch nicht zu schliessen , dass nach Isokrates' Ansicht
das Volk von Solon keine ricfiterliche Befugniss bekom-
men habe. Demi Isokrates entwickelt seinen Gegensatz
zwischen Sonst und Jetzt aus dem verschiedenen Verfah-
ren bei der Besetzung der Aemter: während diese frü-
her das Volk nicht selbst zu bekleiden, sondern nur zu
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UND DES AREOPAQITISCHEN C0LLE61UM8. 279
beBetzen und zu eontrolieren yerlangte, will sie jetzt ein
jeder ausnutzen. Wie es mit der richterlichen Befugniss
damals stand und jetzt steht, darauf kommt es dem Schrift-
steller gar nicht an und jenes xpivsiv Trepi ruiv a[jL'^io,3T^Tou}jie-
vu)v ist ein Zusatz, der für den Anspruch an strenge Dis-
position des Gedankens sogar besser gefehlt hätte. Um so
deutlicher zeigt er vm, dass Isokrates weit entfernt war,
dem Volke nnter Selon und Elisthenes alle richterUcbe
Befbgniss abzusprechen.
Das HanptzengnisB aber giebt Flntarch Solon t8^^).
Nach ihm sind die Heliasten der solonischen "Verfassung
zunächst nur AppcUationsrichter den Archonten als erster
Instanz gegenüber; demnächst werden sie mehr und von
vom herein in Anspruch genommen, und so gewinnen
wir den Uebergang zu der späteren Zeit, wo bekanntlich
die Archonten nnr Instmenten des Processes sind. Grote
yerwirft das Zengniss; seiner Ansicht nach sind die He-
liasten nie Appellationsinstanz gewesen, sondern seit sie
existieren, sind die Archonten nicht mehr Bichter, nur
noch Instmenten. Das ist consequent. Anders denken seine
Nachfolger. E. Müller sieht in dem otxaaxr^piov die zur
Euthyna yersammelte Ekklesie, in den dixaorai Ekkle-
. . . 9fjT£c , Olc o'joefilav äpyT,v £öiuxev i&yeiv, ä/J.ct Tt» cjw/.- •
ivimictfv <U TO&c it«aeTd(. «al -^dp ooa TaTe ^px^u It«^ «p(-
vctv, i|fco(n« xol icepl dxtlvoiv tic t6 8t««ati^ptov Effecte Kon» toT«
(jilvouc Y<^P ^'^^ "^^^ vö^Aoiv &iaXudf|V<zt itepl fitt^äpovro, «uv^ßaivev del
(eladai ScxaoTwv xat icdv dftvt dfif iGßf|[ti}(Mt icpi« lattCvws» tpöico'V xtvd
T&v >fö|M»v xupic6oyca(.
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2S0 UBSPBUKÜ UND GESCHICHTE DBB KPHETKK
siasten^^). Oneken macht sieh, wenn icli ihn recht ver-
stehe, folgende Anslegung i^^) : Das SixdCetv nach Solons
Verfassung ist nichts weiter als das oft erwfthnte cudo-
vEiv (1er Beaiuteu ; später — also wol seit Perikles —
kommen die meisten Sachen vor die nunmehrigen He-
liasten (Sixacjxac). Von den Sprüchen der Einzelrichter ans
ist aber schon seit Solon Appellation an die Volksver-
sanunhing (Stxoonjpiov) zulässig. Aber trotzdem darf man
nicht an eine spfttere Besohrttnknng der Arohenten durch
die Yolksyersammlung denken, denn im folgenden (X^ye-
Tai 8i) flBid unter Tiqv twv 8uaoTi]p(o>v Co^^v nnd 8txaoT«&v
plOtslieh wieder die Archonten als Einzehrichter gemeint.
Deren Macht soll gesteigert sein durch den undeutlichen
Ausdruck der solonischen Gesetze, welcher die Parteien
zwang , zum Archonten zu gehen . anstatt sich selbst zu
helfen. Jene Appellation aber, welche Solon gestattet s?;
TO StxaoTT^piov , ist nach Oneken ' nichts weiter als die
eo&ova des Volkes, deren Natur Grote ^'^J verkannt hat,
wenn er von einer Iftoi« nichts wissen woUte.
Waa fttr kluge und in die Qehdmnisse der atheni-
sdien VerfiuNNingsgeschichte eingeweihte Leser muss sich
Plutarch gedacht haben, wenn er unter Dikasteu und
Dikasterien zuerst die Volksversammlung, dann die spä-
teren Heliasten und endlich die Archonten verstand und
doch noch verstuiden zu werden hoffte! Ftir die Gleich-
setzung von 1^891? und euOuva beruft sich Oneken (1 S. 165)
abgesehen vm Sftves Abhandlung p. 24 auf Hermann
De iure magistratnum apud Atiienienses (1829) p. 65:
«») E. MüUer a. a. O. S. 747.
137) a. a. O. 1 S. Iö7 £f.
»3«) 1 S. 16«.
3 p. 172.
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UKD DES ABB0PA01TI8CHEK OatLSQIIJMS, 281
*PtovoeatioM8y ^uaa Fhtiarekua appeUat, nihil nki querelas
in eudov«i« yWwss» titOmmm*, Dagegen in den Staatsalter-
thUmern (4. Aofl. 1855) § 107 findet sieli kein Hinweis
mehr auf die ältere Ansicht, dafür aber eine Erklärung
der Pluturclistelle, welche nicht nur zeigt, dass Hermann
an wirkliche Appellation im Sinne der späteren Zeit
dachte, sondern auch übrigens erheblich von der Auffas-
snng Onckens sich unterscheidet: »Was aber die GeriobtS'
barkttt des Volkes betrifft, so geht ans Pintarehs eigenen
Worten mit dewissheit hervor, dass sie sich nrspranglioh
anf Bemfimgen oder Besehwerden einschifinkte, während
die gewVhnliehen Biehter nach den solonisohen Gesetzen
fortwährend Archonten oder sonstige Beamte sind: und
erst als letztere nicht mehr aus Wahl hervorzugehn an-
fingen, konnte die Unzulänglichkeit des einzelnen Rechts-
bachstaben fUr die verwickeiteren Verbältnisse späterer
Zeiten Ursaehe werden, dass dieselben die Entsebeidnn-
gen, deren Venmtwortlichkeit sie fürchten mussten, sofort
den nnverantwortliehen Yolksgeriohten tlberlies8en«i^<>].
140] Plutarch sagt d^^oetc l^mxe toT; ßouXo(ji£Not(. Bei der Rechen-
schaftslegung konnte bekanntlich jeder Beliebige gegen den Rechen-
schaft ahle<?endcn Beamten auftreten, woraus noch nicht folgt, dass
Plutarch unter den d'f ^oet; die eüduvai versteht. S. weiter unten :
Solon iravTi Xaßsiv oI-at^v y-ip tou xaxw; 7:e:tov8oT05 EOtuxe. xai y^P
rXTj£vTo; et^poj xai flXo^ivro; xal ßiasdivroc, igf^v %uva{jiiv(p xal
ßo'j>.op.iv4i dttmoGvctt «al (tdbxnv .... Danaeh konnte
Fintaich Tim gewöhnliehen Brooeiaen m apredien, da ja b^annüxdi
aveh naeh apItenBk Veiliiton nnter gawiawn Umatiiiden ein Un-
betheiligter die TP*v4 anatellen dorfte» wo annächtt nur ein indifi-
dudles Interesse verletzt schien und man den Verletzten als Kläger
erwarten sollte. Onckens Protest (1 S. 165) gegen Westermanns
durchaus verständige Bemerkung (zu Plut. Sol. 18 a. E.) ist mir
nicht deutlich. Plutarch will offenbar die eben berührte Kechtsauf-
fassung, nach welcher was scheinbar eine lS,%i\ sein musste, als ifpa^^
282 UBSPHyNG UÜD GESCHICHTE DER EPHETEN
Bißt den lefsten Worten ist in die Stelle des Plntarch
etwas mehr liineininterpretiert, als darin liegt, doch das
ist für die Hauptsache unwesentlich. Aber, was wichtiger
ist, ich bestreite, dass nach Plutarchs Ansicht die Ge-
richtsbarkeit des Volkes ganz anf die Annahme von Be-
schwerden beschränkt war, und lege mir «eine Worte in
folgender Weise ans: »Das Bichteramt, welches Selon
dem Volke gab, bedeutete an£uig8 nicht yiel, i^ter aber
desto mehr«, (ob erst seit Perikles oder schon vorher,
steht dahin, jedenfalls lange nach Selon) »denn es erwei-
terte sich der Wirkungskreis der (heliastischen) Richter
sehr.« [Dies ist der erste Grund für das »später aber
desto mehr«, es folgt nun ein zweiter.) »Denn auch von
den Archontensprtlchen erklärte Selon Appellation an die
Heliasten für znlttssig.« (xal yoip ooa ..; fap zeigt, dass
nach des Yer&ssers Ansicht die Ton Selon eingerichtete
Appellation ein Grand der späteren Macht der Yolksge-
richte war, xa( dagegen, dass die Thätigkeit der Heliasten
schon damals nicht bloss anf Annahme Ton Appella-
tionen sich erstreckte. Jetzt folgt ein letzter, ohne beson-
deres Gewicht vorgetragener Grund der später steigenden
Bedeutung der Heliasten:) »Der ungenaue Wortlaut der
solonischen Gesetze musste noch die Zahl der Processe
yermehren, nnd Manche sehen darin eine Absicht des
Gesetzgebers. «
So ihOridit nun dieser letzte Pankt ist, so haben wir
alles in allem eine nicht missznTerstehende Anffassung
von der Entwicklung der richterlichen Volksgewalt seit
behandelt 'werden dufte» auf 8olon saraekführen. Ob die Untere
Scheidung von Stxv) und Ypacpif] schon in diese Zeit gehftiti iit dabei
gleichgültig. Plutarchs Quelle bedient sich eben der apiter ge-
biioohlichen Terminologie.
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VKD DES ARKOPAGITISCHEN COLLBGIUMS. 283
Solon vor uns: danach hat Solon selbst den Volksge-
richten ausser der Entscheidung von Appellationssachen
ein richterliches Urtheil in erster Instanz zugestanden.
Ein anderes Zeugniss bietet noch Saidas ^^^]. Hier-
nach soll von dem Sprache der Archonten aus vor Solon
keine AppeUation mOglieh gewesen sein, naeh Solon da^
gegen sollen die HeHasten Richter in erster Instanz, die
Archonten nnr noch Instraenten gewesen sein. Hier fiillt
erstens die Appellation fort, welche wir bei Flntarch als
Uebergangsstadium von der unappellabeln Spruchgerechtig-
keit der Archonten zu der aus späterer Zeit bekannten
Gerichtsbarkeit erster Instanz der Heliasten kennen lern-
ten. Zweitens wird diese später auf Kosten der Be-
amten vollzogene Erweiterung des heliastischen Wir-
knngslLreises schön auf Solons Yerfassnng zarttckgeflLhrt.
Sdi9mann mnss das Zengniss in seinem zweiten Theile
einschri&nken'^^, denn die Ardionten können nicht seit
Solon schon zo blossen Instraenten herabgesetzt sein,
sie müssen auch jetzt ausser jener Thlitigkeit zunächst
noch ein Spruchgebiet gehabt haben, auf welchem sie
allein als Richter erster Instanz thätig waren.
Durch diese nothwendige Berichtigung verliert aller-
dings das Zeugniss überhaupt etwas an Gewicht und wer
es, wie Qncken*^') verwirft, scheint mit einigem Bechte
V. op/mv (= Lex. Seguer. Bekk. anecd. 1 p. 449;,: . . . xOpiof
TE Tjoa'^ (ol apxovxe;), ättc xdc Slxa; oCixoTeXei; ::oitiaöat. uotepov Ss
SöXcuvoc ou5iv C^epov autolc xe^weixat (iTcXelxo) ^ (jlovov 'j;:oxplvouot (ttva-
xplveiv) To&c dm^bcmi«. Ueb«r den eisten The3 des Artikda iit oben
Ann. 47 gehandelt.
1«) Verfgeseh. 8. 40. Heüaea 8. 593.
1 S. 159. — Die Uebertreibnng, welche in dem outev frepov
«1^. liegt, ist aus dem Beetreben entstanden, eine mOglu^ scharfe
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284 UB8PBUN0 UKD fiEBOHICHTB DBB EPKETKN
ZU handeln. Dagegen ist die Auseinandersetzung bei
Plntarch in sich zosanunenhängend und ihrem ganzen
Umfimge nach rerstilndlich. Freilich können wir ihr nicht
die sichere Antoritftt eines alten, gut unterrichteten Ge-
währsmannes verschaffen, und darum kann allerdings eine
Meinungsverschiedenheit darüber stattfinden, ob man mit
Schümann das Zeugniss in seinem ganzen Umfange
für die solonische Verfassung aufrecht erhalten muss,
oder ob man in der Anknüpfung an Solon eine theilwcise
Anticipienmg zn erkennen und fttr die Entwicklung der
Volksgerißhtsbarkeit bis zn diesem Ziele die Zeit nach
Solon mit in Ansprnph zn nehmen hat. Ich stelle mich
zn der letzteren Ansicht, ohne das jetzt näher auszttffth-
ren, meine aber, dass wir nicht bis auf Perikles die
Gerichtsbarkeit einzig auf die Einzelrichter beschränken
dürfen, um erst dann und zwar gleich in vollem Um-
fange die Yolksgerichte eintreten zu lassen. Denn das
verbietet die Stelle jedem, welcher sich noch zu dem
etwas veralteten Yomrtheil bekennt, dass ein Zeugniss,
so lange es nicht ans inneren Gründen unmögliches oder
durch bessere Zeugen zu widerlegendes enthalt, bei der Dar-
stellung historischer Vorgänge Berttcksichtigung verlangt.
Hieraus folgt wenigstens eine Einschränkung des bei
Grote öfter wiederkehrenden Satzes: durch Perikles und
Ephialtes sei den Archonten einerseits, dem Areopag an-
dererseits ihre bis dahin unumschränkte richterliche Be-
fngniss (abgesehen natürlich von der Blutgeriehtsbarkeit
Antithese zwischen dem vor- und nachsolonischen Zustande zu ge-
winnen, wodurch dann der thatsäcliliche Uebergang in der Entwick-
lung der Jurisdiction des Archontats nach Solon hier beseitigt ist.
Verflach. S. 42 ; Animadvers. de iudiciis heliasticis p. 7 (opusc.
aoad. 1); H«li«eft S. 591; Antiquit. p. 175.
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UKD DES ABEOPAOmSCHEN C0LLE61UM8. 285
deB Areopag) genommen und dieselbe auf die nen oon-
stitnierte Heiiaea übertragen werden i^]. Das eine fireilieh
ist niobt elf bestreiten: so gnt wie durch die perikleiscbe
Reform die Hcliasten den Einzel richtern gegenüber an
Bedeutung gewannen , so mussten auch , wenn der Are-
opag jetzt sein Oberaufsichtsrecht und seine Sittencen-
snr und die daraus heiTorgehende politische und bürger-
liche Jurisdiction (S. 272) verlor, — . so mnssten aneb,
mit Philoehoros zn sprechen , viele der «90X110x0 nnd
icapavo{fc{ai , Welche bis dahin seinem Bprucbe nnteriegen
hatten, zn Processen w^en, Uber welche die Heiiaea zn
entscheiden hatte. Aber das Wesentliche der Umgestal-
tung des Areopag liegt doch nicht in dieser, ich möchte
sagen : materiellen Erweiterung des Spruchgebietes der
Volksrichter, sondern in der Beschränkung des Areopag
als Behörde und der dadurch herbeigeführten politisch
freieren Stellmtg des Volkes sowol in der Ekklesie, als
in ihren Anssehüssen, den Qeriditen. Dagegen findet
die Einscbrltnkiing der Arohonten, soweit sie der peri-
kleischen Zdt angehört, durchans anf dem Gebiete der
Jurisdiction statt und daraus erwächst der Heiiaea ein
Gewnnn, welcher weit bedeutender und direkter ist. Des-
halb steht auch die Reform des Geschworenenwesens in
einem engeren Zusammenhange mit der Einschränkung
der Archonten, als mit der des Areopag.
Oncken hat die angedeuteten Wechselbeziehungea
noch finner ansgeführt und bezeichnet den Kampf gegen
den Areqwg geradezu als einen Kampf gegen die Ein-
zehichter und nm die Yolksgerichte^^^). Diesen Znsam-
1«! Hist. of Gr. 5 p. 481. 484. 496 f.
1 S. 178 ff.
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286 üiMPBinro ünd gesobichtb dbb bpbeten
menhang sollen unsere Crewährsmänner nicht verstanden,
trotzdem aber» ohne es za wollen, noch gerade so yiel
nns ttberliefert haben, dass wir daraus ihre faUehe Anf-
fassnng berichtigen kSnnen.
Abgesehen von der Interpretation einiger Quellen-
stellen Uber den Sturz des Areopag, zu denen ich mich
gleich wende, stützt Oncken seine Auffassung durch fol-
gende , durchaus neue Annahme . Der Areopag mag
früher eine Appellationsinstanz gewesen sein, welche in
letzter Instanz jene öfter erwähnte su&uva = S9sat; ab-
und annahm. Denn die Beschwerdeftthrung bei der Volks-
versammlnng war znm Schntze des Volkes gegen die
Hachtspraehe der Arefaonten kanm ansreidiend. Aber die
Appellation an den Areopag, der ans lanter ehemaligen
Archonten besteht, unter denen der zur Verantwortung
Gezogene binnen kurzem als lebenslänglicher Feind des
Beschwerdeführers sitzen wird, diese Appellation hat
für den Einzelnen auch ihr Missliches. 80 stürzt denn
Ephialtes den Areopag, und wie die Archonten ihren
Bechtsspraoh in erster Instanz an die Heliasten verlieren,
so httrt anch der Areopag auf, Appellationsinstanz zn
sein. — Einer Widerlegung bedarf die Annahme nicht,
da d«r Areopag niemals Appellationsgericht gewesen ist
MT) 1 8. 174 ff.
^ Die PanOlele mit den Epheten ist nicht zutreffend (1 8. 176),
weil diese keine Appellationiriditer gewesen nnd. Daa GoUegium
der Epheten ist auch nicht später mit den Areopagiten verschmolzen
worden. Denn in der sonderbaren Stelle des S. Maximus (fr. 58
Philochor. Müll.}: ix Tfdp tojv issia xa8iaTajx£vo>v dp/'$vT(uv 'Aöi^vtjai tou?
ApcoTxaYlxai loet ouveoravat oixa<rrd;, oj; {pT,otv 'AvopoTitov ocyripa
xöi'* 'AtdiBoiv. UoTcpov oe rXetövwj f^YOvev 'ApeCou itoyoj ,^o'j)t;.
Toutiottv dvop&v nepif avesripcuv Tievnfjxovxa xal ivoc xt).. ist die Zakl
51 der Areopagiten Znsats mnee Lesen, der die Zahl dw I^he-
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UND DBB ABB0PAOITI80HEV OOLLEOIUIIS. 287
Unter deu Stellen, welche beweif^cu sollen, dass der
Angriff auf den Areop&g nur ein Kampf der Volkspartei
um die Gerichte gewesen sei, ist die erste Flntaroh
Eimen 15 (Theopomp S. 254): Das Volk nimmt dem
Areopag ta; xpf^si; rXr^v oU-^wf onrnoac nnd maeht sich
zum Herrn der Gerichte, während Kimon nach seiner
KUckkehr versucht zaX'.v av(o rac oixa; avaxaXsToÖa» ; — die
andere, Plutarch Perikles 10 Aristoteles S. 263): 'E^iaX-niv
)isv ouv 'fo,36pov ovta tot? oXiYotpxtxotc xal icepl to; £uÖuva<
xal $u0^ic TU)v Tov Br^{jtov aStxoovTCDv aTrapaCTijTov imßou-
XBooavTt« oi ix^poi dt.' ApwTo5{xoo xoo Tava|pixou xpo^aCoK
&vstXov, üK 'Apt9nx4Xi]< e?pi]X6v; — die dritte ein Artikel
der Sixwv ivotiora (Bekk. anecd. 1 p. 188), welcher in
seiner gegenwärtigen Ueberliefemng lantet: *E<piaXTr(c:
ooTo; uppiadeU iaoTov t^? ßouXr^; direorepYjoe xaia/.piva;
Die letzte Stelle versteht Oncken so. Ephialtes ist
Archen gewesen . denn sonst könnte er nicht auf den
Eintritt in den Areopag yeraichten; er wird, im Begriffe
emzntreten, Yom Areopag irgendwie beleidigt sein, yer-
zichtet nnn freiwillig anf den Eintritt nnd whrkt eine
ten kannte, su Andfotiom Worten od» oli«r su einer durch An-
dxotiont Worte TeranlaMten Bemerkung: »du» splter der Areopag
au« mehr Menschen , eis den enten 9 Ardiont^ bestanden habe«.
Denn dies war su natOrlieh, ak dus es Androtion in dieser Form
bemerkt haben tiollte. Eine Zahl der Areopagiten aber konnte dieser
nicht hinzufügen, weil bei dem Eintrittsmodus und der nicht an be-
stimmte Termine gebundenen — Sterblichkeit der ehemaligen Ar-
chonten diese Zahl überhaupt keine bestimmte sein konnte. Langes
Versuch, aus dieser Stelle eine Ueberlieferung über die sulonische
Organisation des areopagitischen Bathes im Gegensatze zu dem vor-
solonischen Veihältniase zu gewinnen, kann ich schon wegen des
Sfftepov nicht fttr erfolgreiiih halten. 8. o. S. 244 n. Anm. 79.
288 UR8PBUN0 WSD GESCHICHTE DER EPHETEN
Veniriheiluiig des Areopag ans , was nur darch die jetzt
zum ersten male erfolgte Appellation an die Volksgemeinde
möglich war^^'). — Diese ErkWmng hat mit früheren»«)
die Richtigkeit des sonderbar geschraubten Ausdrucks
»sich des Käthes berauljena zur Voraussetzung und fügt
die Unmöglichkeit der Verurtheilung einer ganzen Kürper-
schaft hinzn, fUr welche freilich nach der gegenwärtigen
Lesart kanm ein Ersatz geschafft werden kann. Sanppe
bemerkt dämm glttckikh : »Der Urheber wollte oder sollte
nach dem, was ihm als Quelle Torlag, sebreiben: u,3pt-*
oösU uTTo (oder of^ptoctdijc adtov) tt^; ßouXr^? aTrsatipT^oe
Ttaaa^ ra; xpi'oEi? (ta; xp{3£(.c) aunr^v « ''^') . Wir
behalten nun anstatt des durchaus Unannehmbaren als
neu nur die Nachricht von einem persönlichen Znsam-
menstosse des Epfaialtes mit dem Areopsg, wortlber nä~
beres vermuthen zu wollen kaum gerafhen scheint. Wir
erfahren ftnuer aus Aristoteles, dass Epbialtes den Ari-
stokraten verbasst war, weil er bei der Reohensdiafts-
legnng als nnerbittliober Ankläger der Beamten, welche
die Interessen des Volkes verletzt hatten, auftrat. So
etwa drllckt Grote sich aus • •2;. Man kann auch
unter den aoixouvTs; mit Onckeii ' ''i geradezu die Ar-
chonten verstehen. Warum sie aber nur in ihrer Eigen-
schaft als Richter zu fassen sind, leuchtet nicht ein. Dass
die OUgarehen in den Trügem der Amtsgewalt ttber-
"9j 1 S. 183 f.
IM) O. MeU«r Eumemdra 8. IH. ShitentB su Flut. Per. p. 106.
»i) Quellen Flutansiw S. SS vgl. Flut P«r. 0. Kimon 15. Chri-
ftenten Areopagot p. 29 bemerkt mit Recht, daes anch dieie Stelle
irol auf l%eopMnp inrflekgehe.
i^-i] 5 p. 493. Sanppe S. 22 tokt an die ihaim.
1 S. 182.
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UND DES ABE0PA0ITI8CHEN C0LLEGIUH8. 289
liaupt ihre Partei angegriffen fühlten, ist auch ohne dies
genügend verständlich. Meine Ansicht über die erst-
erwähnte Stelle (Kimon 15) ist schon mit dem gegeben,
was ich oben über die natürliche Erweiterung der Com-
petenz der heliastiBohen Geriehte durch die EinBohrän-
kmig des Areopag bemerkt habe (S. 285). Onckens Auf-
fassung gianbe ich aber dämm, ablehnen zu mttssen, weil
sie die eine wichtigste Seite der ephialtischen Reform
^^anz zurückdrängt. Der Demos konnte sich seit Ephial-
tes und Perikles allerdings, um mit Plutarch zu reden,
den Herrn der Gerichte nennen, aber er war es nicht
geworden durch das Mehr, was der Areopag an Juris-
diction verlor, sondern dadurch dass dieser aufhörte
iravTokv und ^poXoE rm vofwiv zu sein.
5. Urthei4e namhafter Gewfthrsmilnner ans
dem Alterthum über den Schritt des Ephialtes sind uns
leider nicht in der Deutlichkeit, wie mau sie wünschen
möchte, erhalten. Der wichtigste Theil unserer Zeugnisse
entstammt einer Quelle, welche die Handlung ungtlnstig
beurtheilte, bedauerte, als deren Urheber wir Theopomp
'ansehen durften (S. 261). Die aristotelische Politie der
Athener stand vielleicht anders zu der Sache, so ii^eit
man ans ihrem rttckhaltslosen Urtheil Uber das Ende des
Ephialtes einen Schluss machen darf. Schmerzlich em-
pfinden wir es, dass nicht Thukydides seine knappe
Pentekontaetie zu einem Blicke auf die innere Geschichte
Athens in dieser Zeit um wenige Capitel erweiterte. Wir
haben nun noch ein Zeugniss eines Zeitgenossen und
Zeugen des Vorganges zu betrachten. Sprache es sich
deutlicher aus Uber die Sache und die Stellung seines
Verfassers zu derselben, so bitten wir es allen voran-
19
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290 US8PRUNG UND G£äCHICUT£ DER EPHETEN
Stellen und als Ftthrer bei der Benrtheüiin^ der areopa-
gitischen Reform benntzen müssen. So wie es aber be-
schaffen ist, hat es voizU^iich um seines Urhebers willen
Werth und verlangt vielmehr seinerseits Erklärung und
Beleuchtung aus den vorher betrachteten und festgestell-
ten Thatsachen.
Die Oresteia des Aesebylos ist nach der Di-
daskalie Ol. 80,2 (= 459/8), also im Anfange des Jabres
45^ anfgefttbrt worden. Die Macbt des Areopag war jetzt
gebrochen, und nicht stand der Angriff des Ephialtes noch
bevor, wie 0. Müller annahm ^^^i . Denn so unsicher die
Chronologie der einzelnen, an den Sturz des Areopag sich
knüpfenden Vorgänge ist. keines dieser früher betrach-
teten Ereignisse lässt sich unter das Jahr, in welchem die
Trilogie Uber die Btthnc» ging, hinabrUcken. Danach
mttssen also die Aenssenmgen, welche der Dichter in der
Schlnsstragödie , den Enmeniden, Uber den Areopag
macht, beurtheilt werden. Die neueren Darstellungen
haben auch die Aufführung der Trilogie an den Scliluss
jener Ereignisse gesetzt ^■'^} , nachdem schon Schömanu
darauf hingewiesen hatte, dass die Tragödie selbst nichts
enthalte, was der Annahme dieses Zeitverhältnisses ent-
gegenstehe, dass namentiidi die drei von 0. Mttiler für
sdne Anfifossnng geltend gemachten Stellen, an denen
Athene diesen Bichtenrath fttr alle Zeit einsetit, anch
nach dem Oesetae des Ephialtes ihre volle Bedeutung
W) Eumeniden 8. 116. Dagegen Schdmann Emuniden 8. 102
(lOgernd: 8. 43).
^ Grote Hift of Gr. 5 p. 499. Curtiiu Giieeh. Gesch. 2 '
8. 149. Droysen za Aetehybs 8. 561 (3. Aufl.) u. A.
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UND DBB ABEOPAOinaCHBir 0OLLBOIÜM8. 291
haben ^^'^j. Das was Athene hier nach Aeschylos zum
ersten male dem Areopag Uberträgt, die Blntgenchtsbar-
keit, war ja durch Ephialtes nicht angetastet worden.
Eine andere Frage aber ist es, wie Aesdiylos per-
sönlich zu der Hassregel des Ephialtes stand? Hier be-
gegnen wir meistens der Ani&ssung, dass er sie be-
dauert, sogar vielleicht gewünscht habe, den Areopag in
seiner alten Macht wieder hergestellt zu sehen . Nur
Grote sprach, ohne sich bei der undeutlichen Ausdrucks-
weise des Dichters unbedingt zu entscheiden, die Ver-
mutbung aus, es könne Aeschylos auch den Zweck ge-
habt lufcben, die Gegner der ephialtischen Massregel mit
derselben sa versöhnen nnd den Färteihass zu besSnf-
tigen'^^). Noch einen Schritt weiter ist Oncken gegan-
gen, welcher geradezu den Dichter zum Freunde der
Bewegung und ihres Ergebnisses zu machen sucht. Auf
diesen sehr beachtenswerthen Versuch ^^^) habe ich in einer
kurzen Prüfung einzugehen.
Die Beweisführung Onckens stützt sich hauptsächlich
auf drd Momente. Das erste ist des Dichters unrerholene
Yeriierrlidiung des kürzlich mit Aigos abgesehlossenen
Bttn^isses (S. 225 — ^29}. Diese offen ausgesprochene
Sympathie scbUesst die Farteinahme gegen den vor-
AeMh. Enrn. 46S Wellauer (464 Dindoif)} 542 (572); 654
(667). Schümann Eum. 8. 102.
*9i) Curtiiu (Anm. 155), Droysen 8. 555 ff., Weil zu Aeschyl.,
Schömann u. A. Am entschiedensten rertritt dieeen Standpunkt
Thirlwalls in vielen Punkten rorzügliche Darstellung; nach ihr ist
Aeschylos der Kämpfer für den Areopag : Oesch. Oriech. 1 S. 425 ff.
der üebersetzung.
»w^ 5 p. 409.
1 S. 219—261.
19«
292 UB8PSUNG UND GESCmOBTE DBB £PHST£N
ephialtisehen Areopag in sich . denn Sparta und der alte
Areopag sind die zwei Bollwerke der Aristokratie; wer
das eine freudig aufgiebt, kann nicht das andere erhalten
woUen. Das hiesse dem Aeschylos einen unmöglichen
Hittelweg anweisen. — Der zweite Beweis wird ans
der Geschiebte des Areopag geflüirt, welche zeigt, dass
Ephialtes nicht das Bestehende nmstttrzt, sondern eine
vorhandene, aber entartete Einrichtung im Sinne ihres
ursprunglichen Gesetzgebers, des Solon, wiederherstellt
(S. 234 — 44). — Den dritten Beweis endlich geben die
ausdrucklichen Worte des Dichters selbst (S. 251 ff.).
Dieser letzte Beweis Wird mit Stellen geführt, welche
Ton Anderen, nicht nnr von 0. Mttller, anders verstanden
sind, so dass die Entscheidnng nach objeetiven Grttnden
wol nicht so einfach nnd sicher ist. Das erste Aiigament
ist noch mehr sulijectiver Natur. Wir beginnen daher am
besten mit der Prüfung des zweiten, wo wir bereits be-
kannte liistorische Thatsachen vor uns haben, auf welche
bloss hinzuweisen genügen wird.
Der Areopag steht nach Oncken wesentlich in der-
selben Stellung, welche ihm Solons Gesetzgebung verbürgt
hatte, auch später da. Damals sollte er ^oXal twv vofMov
nnd ln(oxoicoc icavT<ov sein und imoxoitstv Sdsv Sxooto^ l/zi
m imxrfiEia xal too? ap^ouc xoXaCsiv (FInt. Solon 19. 22).
Für die spätere Zeit nun wird auf ciuen bei Plutarch
Themistokles 10 erzählten Vorfall vor der Schlacht bei
Salamis hingewiesen ; ferner auf das Eingi'cifen des Are-
opag Theramenes gegenüber bei Lysias g. Eratosthenes
§ 69; sodann auf eine Stelle des in Andokides' Myste-
rienrede eingelegten Tisamenos-Psephisma vom Jahre
403/2; endlich auf den Preis des Areopag bei Dinarch
g. Demosfhenes § 9. 50. 64 ff. Von diesen Stellen ent-
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VSD DBB AXEOPAOITISOHBN COLLEGIDIU. 293
halten die des Dinarch allgemeine AuBdrttoke ^^*^) . Die
Stelle des Lysias en&hlt einen Vorgang, welchen wir
endgültig zn beurtheilen anaser Stande sind, ans welchem
aber nnbefongene Prttfiuig nicht mehr ableiten wird, als
ich Mber angegeben habet*»). Nicht anders ist es mit
der Plutarchstelle, auf welche ich kurz eingehen muss.
Plutarch erzählt in Bezug auf die Zeit, wo die Athe-
ner vor der salaminischen Schlacht ihre Familien fort-
schaffen: odx ovratv hk Sr,}xoa{a)v jrpTjjiaTcov toT? 'A&r^vai'oi?,
Api9T0TiXi]« yjh ^ot Ti)v *Ap6(oo icttYoo ßooXijv icop{«
oaoocv oxT(» fipax|ia< ixdoivp twv 0Tp«T800|jiv»v alTuoTanjv
yvtMai To3 iiA.-i]pu>&^vai tdc tpii^psi«, KX8£$i)}ioc 84 xal
TOOTo totJ 8ef&i9ToxX^oo< icoietTai orpaTT^'pjfMi. Fragt man,
woher der Areopag das Geld nahm, so denken die
Neueren entweder an Privatbeiträge der reiclicn Are-
opagiten ^^^) oder an eine Bewilligung von Tempelgeldern
zum Zwecke der Ausrüstung ^^^^J. Letzteres scheint be-
stätigt zu werden durch das von Plutarch angeführte
ZeugnisB des Atthidographen Eleidemos, wonach Themi-
Btokles diese Mittel schaffte, indem er unter dem Vor-
wande, das abhanden gekommene Gorgoneion der Athene-
statne suchen zu wollen, ans verstecktem Aufenthalte
plötzlich grosse Schätze hervorzog. Hier wird man doch
an Tempel-Thesauren zu denken haben. Warum konnte
nun nicht in einer Zeit grosser Noth der Areopag eine
derartige Verwendung Ton Tempelgeldem yeranlassen,
1») Weldie früher beurtheat sind Aam. 131 u. S. 184 Amn. 65.
'6«) 8. 185.
>6S) Wachnmath Hellen, Alt. 1. S. 568. Grote Hiet. of Or. 5
p. 152.
163] Hermann De iure ma^istratuum etc. p. 4d. Sintenis zur
SteUe.
294 UBsnomo und obsohiobtb der ephbten
welche nach der anderen QneUe ein Kunstgriff des The^
mistokleB zagSngüeh und angreifbar machte? Mehr sagt
dodi nnsere Stelle im iMiBsenten Falle nicht, so dass
wir anf bedeutende , dem Areopag verfassungsmässig zu-
stehende Rechte Bchliessen könnten. Selbst die thatsäch-
liehe Bedeutung des Antheils, welchen der Areopag an
der Rettung des Vaterlandes nimmt, wird bei den Neueren
stark Ubertrieben . Der Rath der Fünfhundert hält ja
seine Sitzungen auf Salamis, verhandelt mit dem Volke,
wie sonst. Die Bathsherren steinigen eigenhändig ihren
feigen GoUegen Lylddesi<^} und des Areopag wird nicht
weiter gedacht. Anf denselben Vorgang bezieht sieb
Cicero de off. 1 , 22, 75. Dieser yergleidit hier staatsmftn-
nische Erfolge mit Kriegsthaten. Bisweilen, sagt er, sind
jene höher zu achten , als diese. So ist, obwol Themi-
stokles berühmter geworden ist, als Solen, doch die Ein-
setzung des Areopag durch diesen etwas bedeutenderes,
als der salaminische Sieg des Themistokles. lUud enim
semel frofuU, hoc Semper praderü cimiaii, hae cotuHio
lege9 A^ememum, Aoc maionm imtiiuia serwmiur. Et
Tkemütaelea quidem mhü dixerii, in quo ipse Areopagum
adiuverit, at ille vere ah se adiutum Themistoclem. Est
enim bellum gestnm consilio sejiatus eins, qui a Solone
erat constitutui< . Die Wendung ist auf den ersten Blick
auffallend, durch den Zusammenbang aber erklärbar.
Curliiit Griech. Oeaeh. 2> S. 70. Dvoysen m Aesohylos
S. 539 (3. Aufl.). — An den Areopag als Finanzbehöide schlechthin
in der älteren Zeit zu denken, ist keine Veranlassung, da für das
Finanzwesen der Rath der 500, früher der 400 und die Naukraren
ausreichen. S. darüber schon Thirlvali Gesch. Griech. 1 S. 513 der
Uebersetzung.
i6^>i Herod. 9, 4. Lyk. g. Leokrat § 122.
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VSD DK8 ABBOPAeiTIflCHBH coLLBeima. 295
Cicero will sagen: »Themistokles kaim nichts anfttliren,
wodurch er Antheil an der Einsetziing oder FtbrderuDg
des Areopag hStte, Selon dagegen kommt ein Theil Ton
den Erfolgen des Themistokles zu, denn sein Areopag
hat sich an der Führung des Terserkrieges betheiligt.«
Danach mtisste freilich dem Areopag eine wichtigere
Rolle zugefallen sein, als es nach der Erzählung bei
Plutareh scheint. Aber wenn es sich bei Cicero wirklich
nm mehr, als eine rhetorisch stdgemde Verallgemei-
nerong handelt, so mOehte ich annehmen, dass ein Miss-
verstftndniss irgend eines Siteren Berichtes Torliegt, welcher
von den Sitzungen des Raths (der Fünfhundert] auf Sa-
lamis redete. So thut z. B. Herodot 9, 5 und ist in der-
selben Weise von Neueren missverstanden worden.
Ueber das Tisamenos - Psephisma bemerke ich fol-
gendes. Die Worte über den Areopag ^^^) werden aller-
dings allgemein znm Beweise ftir eine Art von Bestitntion
des Areopag im Jahre des Eokleides nnd zwar auf dem
Gebiete seiner C<Hnp6tenz angeführt, welches gerade yon
der Reform des Ephialtes betroffen wurde. Ich kann
daran nicht glauben, weil der Areopag diese Controle der
Magistrate in der Rednerzeit nicht hat, und der Are-
opagitikos des Isokrates einer solchen Annahme geradezu
widerspricht. Was die Urkunden der Mysterienrede be-
trifft, so sind allerdings einzelne eingelegte Namen durch
inschiifUiche Poletenverzeichnisse jener Zeit bestätigt wor-
den nnd es finden dch anch orthographische Eigen-
M) Andok. Myster. § 84: imiuXtb^i» i^ ßouXi^^ i] 'Ape(ou Tid-^or*
xStt v6)unvy hcsK 8v ai dfxol toTc «ctiUvoi« v6|M>ie ^^pAvtat. Die im
Text beieiclmete Anaidit findet rieh Tielfiw^, noeh siiletst bei Behö-
mann Oriecli. Alt. 1 ^ S. 366.
Kixehhoff Ber. d. Berl. Akad. 1S6& S. 545. C. I. Att. a.
"296 UBSPBUNQ UKD GE80HI0HTB DSE EPHBTSH
thttmliehkeiten, welche ftlr ei|ie alte, ursprttiij^cb in-
soliriftlielie Quelle BpreGhen^''^). Dennoch enthalten die
Urknnden soviel ungewöhnliches, selbst anstössiges, dass
die Benutzung guter Hülfsmittel von Seiten ihres Verfas-
sers, selbst wenn sie in noch grosserem Umfange fest-
gestellt würde, nicht l\ir die ganze Masse des Eingelegten
Bürgschaft leisten kann. Denn dass die Dokumente znr
Zeit der Abfassung der Bede noch nicht yorhanden wa-
ren, steht ja fest^*^). Ich mache darum mein Bedenken
gegen den Inhalt dieser Stelle geltend, zu dessen Recht-
fertigung sich kein paralleles Zeugniss aus der ganzen
Rednerzeit beibringen lässt.
Die angeführten Stellen beweisen also meiner Auf- •
fassnng nach gar nichts für die Fortdauer des ehemaligen
Einflusses, sondern höchstens für ein verhältnissmässig
bedeutendes Ansehen des Areopag auch in späterer
Zeit, woran indessen bis jetzt noch niemand gezweifelt
hat. Dass der nacheukleidische Areopag an Macht-
umfang etwa dem solonischen entspreche, mttsste durch
andere Gründe bewiesen werden.
274 — 77 aus Ol. 91, 2 =415/14 ausser 274, welches etwas später.
Von den sieben Namen der Inschriften, welche sieh in der Rede
findeu, kommen Oionias und Kephisodor hier nur in den Einlagen,
nicht bei dem Kedner vor.
z. B. § TS ?j Itr.h Tü)v ßaaiXlüjv aus HTFUl.
Nach § 9G, wo der Redner sich auf eine andere Urkunde
besieht, alt welche eingelegt ist. Für die Echtheit der Dokumente
tritt Johanne« Droyaen ein in aeiner TortreffUchen Diaaertation De
Oemophanti, PatxoeUdia, Tiaameni populiicitia, Beiol. 1873. Aber
' irir kAnnen doch nnr die fbnndle Coneetheit nachwaiaen, und daa
aehlieast zum mindeatm Liteipdationen nicht ana. Ueber daa Fa-
trokleidea-Ptq^hiima s. o. Anm. 67. Auf Isokrates weist auch Chri-
stenien Areopagoa p. 45 ff. in demaelben Sinne, wie ich im Teste» hin.
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UND D£S AE£0PAQ1TI8CU£N C0LLE6IUMS.
297
Onoken snelit ntm naeli einer Dimertation Gnstay
Schwabs"®) den Umfang der rein staatlichen Rechte des
Areopag nach der soloniscben Verfassung zu bestimmen
und findet, dass der Areopag in der Zeit vor Ephialtes
Uber diese ihm zugestandenen Befugnisse eigenmächtig
hinausgegangen sei. Denn während Selon ihm bei lUths-
und YolksbeschlttBsen nnr heraihende, nieht entseheidende
Stimme verlieh, habe er in der Zeit vor Ephialtes ein
^ngemasstes Veto bei der Gesetzgebnng ansgetlbt) wie
die Befugniss der durch Ephialtes eingesetzten Gesetzes-
Tvächter nach Philoclioros beweise"'). Nun bezeugt uns
aber die schon einmal berührte Stelle der aristotelischen
Politik (S. ^60) eine thatsächlich gesteigerte Amtsgewalt
des Areopag ohne gesetzmässige Begründung. Also kurz
Tor Ephialtes yereinigt der Areopag »alle Hoheitsreohte,
Kegiemngy leg^latives Veto und Geriehtswesen in seiner
Hand^ e^ ist weit hinansgesohritten -ttber das, was ihm
gesetzlich zukommt, und Ephialtes ist es, der ihn in die
alten Schranken flir immer zurückweist« [8. 242). Nach
dieser scharfen ünterscheidini.ü: zwischen der areopagiti-
schen Befugniss in solonischer Zeit und derjenigen kurz
vor Ephialtes sollte man meinen, die Schriflt TOn Schwab
habe genane Zeugnisse Uber die erstere vorgetragen; aber
sie •enthält nicht mehr, als was wir früher angeführt
haben nnd leider für nnznreiohend halten mnssten, um
daraus eine genaue Vorstellung über die staatliche Maeht
des Bolonischen Areopag zu gewinnen 'S. 271;. Aus die-
sem Grunde würde ich nicht wagen, das xtuXiieiv, welches
1^ QuMitio nain quod Anoptgtu iu plebiicita aut oonfirmandft
ant wiioienda ios exereiwxit tegitjnmm. Stuttg. 18IS.
«nX^ovcfc Td do6(fcfO|M( t|j ic^Xet ic|Klmiv. 8. o. 8. \H.
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298 IJBflFRITKG UNO QB8CHICI1TE DES EPHETBN
der Areopag gleich den späteren Gesetzeswächtern aus-
übte, zu dem soloniBchen Theile areopagitischer Befug-
niss in Gegensafts sa bringen, ganz abgesehen von der
Erwägung, dasB doch wol Epbialtes eine rein angemasste
Thätigkeit des Areopag schwerlich in einer nen ernch*
teten Behörde danemd gemacht haben wttrde. So hat
man auch bisher das, was riutarch im Solon über den
Areopag angiebt, mit der Philochorosstelle verbunden,
um eine ungefähre Vorstellung von den staatlichen Kech-
ten des Areopag seit Solon zu gewinnen "^J, und sich
stets daran erinnert, dass man Uber eine ganz allgemeine
Yorstellnng nicht hinauskomme. Eine historisch-kritische
Scheidung zwisdien dem Areopag seit Solon nnd kurz
Yor Epbialtes kann sich darum nur an die Stelle der
aristotelischen Politik "^j halten. Aus dieser sehen wir,
dass der Areopag zur Zeit der Perserkriege, gestärkt
durch äussere Erfolge , ein strengeres Regiment ausübt,
als früher ; denn natUrlioh ist, wie Oncken bemerkt, nicht
an die sittenrichterliche, sondern an die rein staatliche
Befngniss gedacht. Späterhin, seit der Schlacht bei Saia-
^"^i z. B. Schümann Antiquit. p. 2'jS.
*73j 5, 3; 8, 4 Bk. MexaßaXXouat oe xal et; Üd'cx^y/jn-^ -Aal eU
i'fJfAOV xai eU TtoXi-elav ix xoü ejcioxifj-fjoai ti ^ a6|Ti«)f,vai t, cipy eiov ^
M^txoTc iSo^ OUVTOVWTipav icot-^sat r^jv icoXiTci««. «eil icdlXtv 6 vouTtK^c
iiio(Y]M. — Onoken 1 8. 241 f. — Hit i/f^tXw ist der Areopag ge-
XOMXLt, wie mit [i6piov rf^; itöXeoi« der vauttxö« ff^Xo;. Ich vermuthe,
dass liOL T?jv xaxd ddXaTxov S6va(jitv ein Olossem ist. Da i^j^ef^ovlac
(die Hegemonie über die übrigen Griechen , die Bündner) wol von
aiTio; abhängt und mit hiä. xauTTj; der Seesieg als Ursache der He-
gemonie bezeichnet wird, so würde die Forderung der Deutlichkeit
die Stellung xat xf^; oid la'j'ZTfi '^-j^ep.oviat erwarten lassen.
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TOD DES ASEOPAGITISCHEN C0LLE6IUMS. 299
mis/ li6bt deh die Volkspartei und die VerfiuMniig wird
demokratischer, ffierbei mag der Verfasser an den Sturz
des Areopag gedacht haben. Das alles gebe ich zu,
glaube auch, dass diese steigende Bcfugniss, in welcher
der Areopag Uber die Absicht des ursprünglichen Gesetzes
hinaoBging, einen formellen Ausdruck gegenüber den Ver-
sammlmigen des Raths und Volkes gefunden babe. Aber
wenn man bier stehen bleibt» — nnd mehr Ulsst sieb
besonnener Weise ans ätr Stelle nicht gewinnen — so
folgt daraus höchstens, dass die Massregeln des Ephialtes
durch das Verhalten des Areopag mit veranlasst sind,
dass die Gewalt des letzteren unerträglicher war oder
wenigstens der Volkspartei schien , als es unsere Quellen
nns melden. Wir können aber nicht daraus schliessen,
dass £pbialtes nur die angemassten Functionen ihm nahm
nnd dass alles, was der Areopag später nicht mehr hat
nnd doch einst hatte, angemasst ist. Ephialtes konnte
trotz dieser Stelle weiter gehen nnd den Areopag ttber
die sülonischen Grundlagen hinaus kürzen, damit ähnliche
Uebergriflfe fortan unmöglich wäreu, und die sonstige
üeberlieferung spricht sogar dafür, dass er es gethan hat.
Ist mir nun nach dem Gesagten in der Beform des
Areopag durch Ephialtes die »Zurttckfühmng auf sein
nrsprtkngUcbes Frincip«"') nicht so bestumnt und sicher
1 S. 236. — Auf Onckens Auffassung der in der liedner/eit
vom Areopag geführten Untersuchungen S. 25G f. brauche ich,
weil ich mich mit ihr som Theil in UfebereinatimmuDg befinde, hier
nur noch mit wttugen Worten einxug^en, nachdem ich 8. 170 aue-
f&hrlich darQber gehandelt habe. Nach meiner Darlegung mflaaen
mnSohat die selbstftndigen Untersuchungen bei der Beitunmung
der staatlichen Befugniaae dea Areopag ausgeaehloaten werden. Was
übrig bleibt, Usst sieh passend mit Oncken unserer Staatsanwalt-
I
300 UBSPBUNG UND QE8CH1CUTE DUii Ki^lilLTKH
erkennbar, bo wttrde es mich aneh nicht wundem, wenn
einem Zeitgenossen , wie Aeschylos, die ganze Massregel
so kurze Zeit nach ihrer Vollziehung doch reichlich ge-
waltthätig erschienen wäre. Sehen wir uns darauf hin
nun mit Oncken (S. 251 ff.) die Worte des Dichters an.
Ein blosses politisches Tendenzstttck , welches nur um
der Zeitläufe willen geschrieben wäre, wird man in der
dnen Trag^e der Trilogie nicht sehen wollen. Dann
aber erkUrt sich der hohe Preis des Blntgeriehtshoft,
welcher ja auch mit der Wirklichkeit nach Ephialtes
nicht in Widerspruch tritt, aus der Sache. Weiterge-
hende Beziehungen enthält die grosse von Athene vor
der Abstimmung gehaltene Kede, welche ich ganz aus-
schreibe .
icpcBTac himQ xptvovrsc aT{taxoc "/wou,
OTpflGVip
•diaft veii^eiclwn. Audi darin •timnie ieh mit Onckoi Aberein,
dasB dieWB in der Redneneit thatsScbUch Toarbandene Becht nicht
etwn erst smt Üukleides besteht, sondern an die Reform des Ephialtes
rieh anaddiesat Dasselbe aber mit Oncken genetisch aus dem solo -
ni sehen Oberaufsichtsredit lu entwickeln, ist nach unseren Quellen
ntdkt mflglich, vollends wenn man den soloniachen Areopag so
knapp ausstattet. Darum ist es vorsichtiger und unserer Ueberlie-
ferung mehr entsprechend , daas mau das Mandat , an welches das
Recht in späterer Zeit gebunden ist xara rp'iaTactv), an die Keform
des Ephialtes anknüpft, es aber unentschieden lässt, in wie weit die
für die vorephialtisohe Zeit zu folgernde unumschränkte Befug-
niss auf die solonisehen Anordnungen mrOokgeht oder auf lliat-
stidiUclien Uebergriffm beruht
tn) 651 ir. Wellauer; 681 ff. Dbdorf. Die folgenden kursen
Scholien wollen nur den Leser der Muhe des NaobseUagens flber-
heben.
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XSlSD DES ABBOPAOimCHBXr OOLLEGnilfS. 301
tCtt^OV CApStOV*) tOV&% 'A|MlC0V«»V SSpGCV 65S
9XY)vac ot' ^ftov 8i}9^a»c xara ^dovov
otpaTTjXaTOoaai^ xal iraXiv vtoirroXiv
■nJvS* u<}/f7ropY0v avteiropYcMav tote**).
lApst o' ei>oov, IvÖev lor I7:ü>vuu.oc
iretpa, iraYo; "Apeto;. iv ös T<p oißa? 660
d9T«»v <popoc TS ooYY^^^^ fjuxdixsiv
o^ijost TO T "^p-ap xal xät eo^povijv o;xu)(,
auTwv icoXiT«9V (M) 'ictxatvoovnov***) vo|aoo(*
xaxaTc licippootot ^ppopipf) 8^ oSoip
Xa[i7:pov {iiafvcttv o»ro0* euprjas« itotov. 665
TO {XTjT avapyov {ai^ts SeoitoToujuvov
datoT; ^tpiat^AXooaiff) ßooXsu«) os^siv,
xal TO ösivov Tcav ttoasux; e^o) ßaXelv.
TU Yttp Ssdoixtuc ^rfih evoixo; ßpOTa»v;
xoiovSe TOi ToppouvTs^ ivdCxxiK o^ßo« 670
*) 'Apeiov tilgen die Meisten , weil erst 660 auf die Erklärung
des Namens dieser selbst folgen dürfe. Meiner Ansicht nach hat
Sehtamn Enm. S. 333 den Anitcea beawtigt.
**} »Der Feste neuen, hoehgethflmten Baw besieht der Seho-
liast anf den Azeopag. So auch SehOmann 8. 186 u. WeQ, der fOx
x6xt schreibt ffö>^t d. 1. »der Akropolis enlgegttnthflxmten« ; Maller
dagegen S. 108 und Droysen auf die Akropolis, ersterer erklärt dv-
TtTt'jpYOJv it6Xiv »die Stadt durch eine Oegenbui^ auf dem Areopag
angreifen«. Ich stelle mich zu der Erklärung des SchoHasten und
finde Weila Conjectur ansprechend. Wegen dieser Stelle und an-
derer Ausdrücke verwirft Dindorf 653 luxai — 660 ftpoTtüv als inter-
poliert. Auf seine Gründe, welche mir nicht stichhaltig scheinen,
antwortet W«l, der aneh darauf Umveiet» daaa 677 ü^vf eine
längere Bede Totaussetse.
***} aneuem« HflUerf Schömann» Droyaen u. A. Hdsehr. mx«-
vivcwv. Yalekenaer: mxpaev^tvw, was Dindorf als des Interpolatoit
wOniUg billigt.
•M Dindorf interpungiert v6(aoo« «axaU dTrtppoiTat • ^op^'^ptu ....
if) »piotiXXboo« Mfüler, Droysen u. A. iifttrsorgend rath' ich's.«
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302 UBBFRUKO ÜHD OE8<?HI0H1X DBB EPHBTBN
lpu}ia TS ywpa; xal roXso}^ aton^ptov
£)^oit' av oiov ouTU av&pa>ica»v l;(et,
icepSwv adtxTov pooXeoTiQpioVi
a{8oiov, i^u0u(jiov, s&fi^vrwv Sicsp 675
^YFTr^P°* 9poupr,jxa '^r^i xaÖmafiat ff f ) .
TOOTT^v fisv e^sTsiv 1(101? icapatvsatv
aatoTaiv to Xoinov
Wir tiiideii hier ^eret allgemeine BezeichDungen der-
jenigen Seite areopagitischer BefngniflSi welche aller<!iiig8
durch die Befoim des EphiaLtes angetastet wurde : lpo(ui
X«»paC) iroXscK oomqptov, coSovtwv oWep ftypilYO^C ^poopt})»«
YTj?. Solche Aasdrttcke geben aber über des Dichters
Stellnng keinen AnfBchlnss ; sie können allerdings in nach-
drucksvollcr Erinnerung auf den alten, politisch noch
nicht geschwächten Rath zurückweisen, sie können aber
auch ohne Anspielung aus der Situation des Stückes her-
aus gesprochen sein, denn rein sachlich betrachtet stehen
sie ndt dem nachperikleisehen Areopag ebenso wenig in
Widerspruch, wie die tthnlichen Wendungen bei den Red-
nern; ein Zugestibidniss an die Neuordnung enthalten
sie keinesfalls. Eine entschiedene Anspielung auf Zeit-
verhältnisse enthalten aber die Verse h 51 -(ji 3£j3a; u. s. w.,
welche freilich Dindorf, meiner Ansicht nach allzu kri-
m) 674 «cptov — 676 «ttSUrc«|Mtt ▼«netieii Hennänn und Dm-
dorf hinter 652 yyxo^, was nur nicht nothwendig scheint s. Schö-
mann S. 186 u. WeiL Enterer erklärt S. 222 die Anakoluthie 655 if.
(ra^ov 5' 'Apetov t6s^ , wozu das Verbum fehlt) durch den längeren
Zwischensatz, woran dann 660 h xij) oißa; anknüpft, anstatt dass
es in regelmässiger Fügung hätte heissen können : toüto ßouXe'jrfjpiov
.... x6vo' ds\ v£|i.ov . . . cp(iß(]) roXlta^ euoeßei ro'j y^ii ihitsh oyi^ati.
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UND DES ABBOPAOmaOHBN 00LLB0IUU8. 303
tisch, verworfen hat^'^}. Der Areopag, sagt die Göttiii,
wird alle Zeit seinen Segen für die Stadt haben
»Wofern nicht selbst die Bürger ändern am Gesetz.
Wenn du durch Zufluss schlimmer Art und trüben Schlamm
Das reine Wasser trübest, labt dich nicht der Trank.
Nicht zügelloser Willkür, noch auch Knechteszwang
Rath' ich den Bürgern zugewandt und hold zn sein,
Kieht alles zn verbannen, was Ehrfnreht gebeut.
Denn wer, der niobts mebr fürchtet, thttte Becbt!«
In seiner Besprechung hebt Onckeu den Gegensatz
hervor zwischen der Warnung, nicht alle Furcht zu ban-
nen, nnd der Ermabnnng, nicht durch fremdartigen Zn-
satz zu trttben; die erste denkt er sich an die gerichtet,
welche ttber das Ziel des Epbialtes hinausgehend, am
liebsten den Areopag ganz beseitigt hätten, die andere
an die Gegner, welche den Areopag mit grosserer Macht
ausgerüstet batteu, als ibni uach der ursprünglichen Ver-
fassung zukam. Der Mittelweg, welchen der Dichter
geht, müsste also das volle Einverständniss mit der Re-
form des Ephialtes bezeichnen. Soviel ansprecbendes
diese Auffassung der Worte hat, so ergiebt sich doch
ungezwungen daraus noch eine andere Erklirung, wenn
wir uns den Dichter nicht von vom herein als emen
Freund der Reform denken. War hingegen Ephialtes in
seinen Augen ein »Neuerer am Gesetz«, so konnte er
auch die Neuerung als »trüben Zufluss« bezeichnen.
Denn wenn sie gleich dem Areopag nahm, anstatt ihm
zu geben, so brachte sie doch auch in den engeren
Schranken, staatsrechtlich ausgedrückt: in den Formen,
an welche nun die Behörde gebunden war, etwas bisher
»TO) s. •♦).
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304 UB8FBI7HO ÜHD 6E80HI0BTE DEB BPHBTEN
niclit vorhandenes hinzu*''). In dem ^^r^x^ Oi37:oroua£vov
kann der Dichter dem Einwände begegnen, als wolle er
die Bürger geknechtet wissen, während das i^x avopx^^
und das xo dsivov icov icoXs«b< i|a> ßaXctv auf 'das, was
Ephialtes in seinen Augen gethan hat, hinweist. Oder
aber es kann aneh in s^mtliehen Worten der Dichter
warnen wollen, noch weiter zn gehen, als Ephialtes that,
ohne dass er damit den Schritt des letztern billigt oder
glaubt durch seine Malinuiigcn ihn ungeschehen machen
zu können. Kurz, die Verse können mit demselben Bechte
auf die ablehnende Haltung des Aeschylos gegenüber den
Reformen bezogen werden, nnd es ist am gerathensten,
' bd der Unbestimmtheit der Ansdrttcke anf die genaue
FeststeUnng der Beziehungen zn Terzichtra.
Eine sichere Entscheidung bringt uns auch die letzte
Instanz, au die wir uns halten können, nicht, die deut-
lich ausgesprochene Ycrlierrlichung des argivischen Bünd-
nisses i'^). Denn es konnte sehr wol jemand nach der
schmachvollen Behandlung, welche die Athener vor Ithome
er&hren hatten, die Berechtigung des Ansehlnsses an
Argos anerkennen nnd sich darüber fronen, dass Atiien
in einer glflckverheissenden Bnndesgenossensehafl nicht
vereinzelt der Möglichkeit eines Krieges mit Sparta ge-
genüber stand, ohne doch in die Nothw endigkeit einer
Reform des Areopag im Sinne der Fortschrittspartei sieh
rückhaltslos zu fügen, selbst wenn er auch nur meinte,
dass diese Partei in diesem einen Fankte zu weit ge*
'■^i Ich erinnere nur daran , dass Droysen zu Aeschylos S. 555
den »schlechten Zuguss« auf die durch Ephialtes eingeseUten Nomo-
phylakes bezieht.
V. 279 Wellauer (2S9 Dindorfj; 639 (669)j 734 ff. (764).
Hiketiden t. 670 ff. (697). Oncken S. 226—229.
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UHD DBS AfiBOPAOmaCHBH COLLBeiÜliS« 305
gangen sei. Oncken erscheint dieser Gegensatz als ein
Räthsel und der Versuch 0. Müllers, dasselbe durch Hin-
weis auf die inneren Verhältnisse Athens zu erklären"*),
Vemttglttckt. Das ist nim Saeke der subjeetiveii Meintmg.
Wir Bind es Ja gewolmt» bd der Art uuimr Ueber-
li^ferong Rttthseln gegenüber sn crteh^, die aiefat so ein-
§Mh imd klar sidi lOieit, atd es dttrob Onckens Iitterpfre-
tetion geschieht, und nicht nur 0. Müller, sondern auch
Schömann und selbst Droysen, dem man äusserliches Ver-
mitteln in der AuiTassung politischer {Situationen nicht
BCbnld geben wird, baben sieb genttgen lassen und vor
diesem Bttthsel Halt gemaebt.
Wenn nun Aesebylos der B^fittm des EpbiiiltMi Mbr
abgeneigt ist, als Eogethan, obne dass aus seiner Tn^
gOdie eine entsoMedette Psrtdstellüng für nns sieb er^
giebt, — • so haben wir noch in Xenophons Memoiren
eine dem Sokrates beigelegte Aeusserung, welche, glaube
ieh, über das Verhältniss ihres Urhebers zu der Keform
gar nichts aussagt ond aussagen will. Böekb frs^ch muss
anderer Ansiebt gewesen sein, weil «r es nn|»i6se&d findet,
dass Xenopbon diese Aeusserang den Sokrates in siner
Unterbaltnng ndt dem Sobne des Penkies verbringen
lasse, und Gucken findet sogar, dass mit dieser Stelle die
Auffassung, Ephialtes habe den Areopag eingeschränkt,
anstatt ihn im Sinne der solonischen Verfassung umzu>
bilden, völlig onverträgUcb ist^^**].
Euitteniden S. 123 f.
IM) ... %a\ 6 £cuxpdry)c I(p7] ' 'H dv 'AptUp itärfv^ ßowXifj, iu Ilept-
oö» i% Tä)v &c&oxi(MO(i.dva}V «a^ororcai ; Kai \idK<t, IfY). Olada ouv
Tiva«, fcft], xdXXtov ^ voji.i(itt»t£pov ^ oefAvfJtepov tj StxaiOTepov rot; te 5lxa;
li%d^osxa<; xat toXX« Travta zpatTovia; ; UO fJiejx^fopLai, t<prp TOUTOt«. (I'j
Tolvuv, l^f], Bei ci8t>jxetv cw; oüx euTaxTtuv Jvtoov 'AHr^vaicov. Xen. com-
ment. 3, 5, 20. ßöckh Berliner Index 1826/7 p. 9. Oncken 1 S. 259 L
30
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306 UBSPBUNO UND GESCHICHTE DEA EPHETEN
Das Grespräch zwischen Sokrates und dem jüngeren
Perikles (3, 5) wird in die Zeit bald nach der Schlacht
bei Delion (424) verlegt. Atlieu, noch unter dem Ein-
drucke der furchtbaren Niederlage, der zweiten seit der
Schlacht von Koronea, scheint durch Thebens Wachsthnm
gefiihrUch bedroht (§ 4). Der kttnflige Stratege sieht
schwarz in die Zukunft, Sokrates spridit ihm Math ein.
Während jener in allerlei Anzeichen den Yerfoll der tüim
Kraft nnd Sitte sieht, sucht ihn Sokrates durch seine
Beobachtungen zu widerlegen. Man hat im Auge zu be-
halten, dass es sich hier um eine ganze Reibe von Ar-
gumenten und Gegenargumenten handelt und unter den
letzteren auch das Walten des Areopag als ein Zeichen
des noch nicht eingetretenen YerfsUs aofgeführt wird, dass
femer der Areopag nieht nach sdner politisohen Beden-
tung, nach seinem Einflasse anf Staat and Volk beartheilt
weiden soll, sondern lediglich wegen seiner nntadelhaf-
ten, Verehrung erweckenden Amtsführung gelobt und als
Muster hingestellt wird. Ein sctlchea Lob, selbst wenn
wir uns es wörtlich so von Sokrates gesprochen denken,
schliesst eben so wenig eine ausdrückliche Billigang der
ephialtischen Umgestaltung in sich, wie die vielen, noch
weiter gehenden Lohsprttche der Redner. Wer -eine solche
Beziehnng Sachen wollte, mttsste sieh an die Gegenwart
des jüngeren Perikles halten. Aher anch dann kommt
man zu keiner anderen Erkenntnis«. Denn wenn wir es
mit einem von Xenophon erfundenen Vorgange zu thun
hätten, so wäre doch das ganze Gespräch für die Areopag-
frage zu nnbedeutend, zu wenig tendenziös, als dass wir
meinen könnten, Xenophon habe eine Ansicht Uber die
ephialtische Beform darin niederlegen wollen. Fand das
GespilUsh dagegen etwa in dieser Weise statt, so kann
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UND DBS ABB0PJU»m8CHSN OOLLDOnnfS. 307
man sich nur an die Aeusserung selbst halten, und meint
man nun, dass, wenn Sokrates den Areopag Uber 30 Jahre
nach seiner Beform dem Sohne des Perikles gegenüber
erwähnt, er an jenen Vorfidl sofort sieh erinnern mnss,
so beweist doch aneh das nur, dass Sokrates darin nichts
beschftmendes für den Vater sah, woran erinnert zn wer-
den dem Sohne unangenehm gewesen wäre. Dies ist im
äussersten Falle die Tragweite jener Aeusserung. Darin
liegt aber weder eine Billigung der Massregel des Ephi-
altes, noch ein historisches Zeugniss, welches uns veran-
lassen mttsste, diese Beform als möglichst gering, mög-
lichst Terfossnngsmässig and bei den besseren Zeugen
des Altertfanms möglichst beliebt uns zu denken.
Oap, 8. Der Areopag in späterer Zeit.
In die Zeit von der Beform des Ephialtes bis auf das
Jahr des Eukleides (403/2) fällt kein für die Qeschicbte
des Areopag wichtiges Ereigniss. Wir haben ihn uns in
der Ausübung derjenigen Befugnisse , welche ihm nach
Ephialtes ge])lieben waren, thätig zu denken. Unter den
erhaltenen oder auch nur dem Titel nach bekannten Reden
des Antiphon ist keine vor dem Areopag gehalten. Doch
das ist zufällig, vaiß. die erste Tetralogie setzt wenigstens
die Handhabung der Blutgerichtsbarkeit von Seiten des
Areopag voraus
In das Jahr 404 fällt das Auftreten des Areopag
gegen Theramenes, dessen Bedeutung früher dargelegt
S. o. S. 26. Anna. 34.
20«
dOS USSPEUNG UND 6E8CUICUTE DER EPUETKN
ist (S. 184). Unter der Hemebaft der Dreissig ist der
Areopag auch als Blutgericht wenigsten« thatsäehlich
eine Zeit laug suspendiert. Mit der Restauration unter
Eukleides trat er von selbst in seine bisherige Stellung
wieder ein, ohne dass ihm weiter gehende Befugnisse Ter-
liehen wSreni^.
Ftir die nun folgende Zeit liegen nns die reichen
Berichte deir Redner yor toh Lysias bis Hyperides nnd
Dinatch. Wir finden den Areopag abgesehen von seinem
YerhSltnisse zu gewissen Culten thätig als Blutgericht,
als baupolizeiliche Behörde, als Untersnehungscommission
bei Staatsprocessen i . Die sitteupolizeiliche Aufsicht
übt er unseren Zei^issen zufolge nicht unbedingt oder
in seinem ehemaligen Umfange aus, denn nur ein Beispiel
konnte mit Sicherheit darauf zurttekgefohrt werden
Damm muss hier wtthr^d- der zehigährigen Staats-
verwaltung desDemetrios von Phaleron (317 — 7) eine
Verschärfung eingeti*eten sein. Denn ein Fragment des
Philochoros aus dem 7. Buche seiner Atthis nennt die
Areopagiten neben den Gynaekonomen in der Weise, dass
man nur an einen fUr diese Zeit feststehenden Brauch,
nicht an einzelne Fälle denken kann. Die Gynaekonomea
aber sind als Sitten- und LaxQ8p<^iei Ton Demetrios
eingeselst*^^), nnd die Areopagiten müssen zngleieh mit
J»2j S. o. S. 265 u. S. 295.
ifi3j S. o. S. 267.
IM) S. o. S. 26S. 170.
'^J Philoch. fr. 143 bei Athenaeos p. 245 . . , ol 'jusixt%o\6\ioi . .
Ifdixot« xal xaXt SkXaii 9uo(at;, — und daselbst die etwas älteren Zeug-
niste der Komiker Timokles und Menander. IKe Gynaekonomen smd
«n Athen nicht alter als die Yerfiuinng de« Demetrios i BCekh Atthia
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UND DBB ASBOPAomiaoHBH oouxmm», 309
der Beiordnung des neuen CoUegiums wieder mehr
in diesen Theil ihres frttiieFeii Wirkungskreises hinein-
gezogen sein.
Für die folgenden Jahrhunderte bis gegen die rö-
mische Zeit hin haben wir kein erwAhnenswertbes Zeug-
niss über die Stellung des Areopag.
Zur Zeit des Cicero finden wir zunächst noch die
Areopagiten mit baupolizeiliclicr Befugniss bekleidet. Sie
haben dem Memmius die JE^rlaubniss ertheilt, in Epikurs
Garten die Trümmer von dessen einstigem Wohnhanse
zum Zweeke eines Nenbanes fortsohaffen zn dürfen. Anf
Bitten der Epikureer wendet sich Cicero 51 y. Ohr. von
Athen aus brieflich an den Tags vor Oiceros Ankunft
abgereisten Memmius, damit dieser auf das erworbene
Eigenthumsrecht verzichte und die Areopagiten ihr Decret
aufheben können . Ein solches Promemoria des Are-
opag wird noch einmal erwähnt, in der Inschrift einer
Statuenbasis Yon der Akropolis , welche frühestens in die
Zeit der flaTisehen Kaiser fidlen kann. Danach bat eine
Atheneiin ihrem Sohne ein Standbild gesetat xorA tov
des Philoch. S. 24 f. und danach Ostennann De Demetrio Phal.
p. 42 f. Einige halten das Amt fOr Uter s. B. Curtios Oxiech.
Gesch. 2 3 S. 150 (seit Ephialtes).
^) Cic. ad fam. 13, 1 (an- Memmius,: Quamohrem peto a te,
ut scribas ad tuos, poaa« tm voluniaie decreium iliud Arep^agitarum,
jfUMt iiroiAVT^aTiaixöv tSHi w)omt, toUi. An Attiem Mhieibl «v dar-
über 6, 9t Std guum Mro meewn ejfüiet, ut petenm u vukro Ant^
emmoäm «mm» m< ... im od Manmmn »eriUn, ftd prUH§ quam
sffo AthenaB t'Atit, MytUmMt profeetus erat, tU is ad suoa serüteret, .
p09§e id tua voluntaU^ri; non mmdiAUabai Xeno, quin ab Areo^
pagitis tnvi'fo Memmto impetrari non pottet (weil nemlioh MenunittS
die ErUubniss einmal erhalten hatte).
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310 URSPRUNG UND GESCHICHTE DER EPHETEN
^AptoicoYciTwv uico(jivr||ftaTi9(Mv<*'). Wir Bchliessen daranSi
das« zar Erriebtimg einer Statue, etwa an einer be-
stimmten Stelle, es noch um diese Zeit der Genehmigong «
des Areopag bedurfte.
Die ErwiUmnng des Areopag in sfAteren attischen
Inschriften auf Stataenbasen ist sehr httnfig, aber sie hat
meist eine yöllig andere Bedentang. Da dieser Gegen-
stand noch nicht im Znsammenhange behandelt ist, so
TCrsuche ich darüber einijre Gesichtspunkte aufzustellen.
Auszuscheiden sind erstens alle Fälle, in denen
der Areopag zugleich Stifter der betreflfenden Statue
ist. Dahin gehört z. 6. die bekannte Inschrift mit dem
Namen des Kttnstlers Strabax: 'H ßouXiQ i) ü 'Apstoo ko^oo
la^vfom MoXooooo 'HAeTov^^). — Anf anderen Inschrif-
ten dieser Art wird neben dem Areopag das Volk ge-
nannt"»), — anf anderen endlich Areopag, Rath und Volk
zusammen ^'^^'} . Wo der Areopag allein genannt ist , tritt
Rom Demen von Atüka S. 95.
«) Hixvdifeld Tftnli ttatnarionim n. 34. Buigab^ Ant hell. 2
n. ins nSchte de wegen der Erwihonng des Areopag in die Kai-
aeneit aetsen, aber sie ist natOrlioh viel läter. Der Areopag konnte
j« jeder Zeit eine Ehrenstalne enrichten laaaen. Aua der Kaiserieit:
C. I. Gr. n. 400 (Commodns), 377 ^Hadrian). Ebendan. 3831 findet
sich eine Inschrift in Form eines Briefes des Areopag an die Ge-
meinde von Aizanai, demzufolge der Areopag einen um Athen hoch-
verdienten Bürger von Aizanai zu ehren beschlossen hat ävoptdvTO^
dhtad^oet xcti e{x6vo; in Athen h ^ av ßouXr^ai TÖiitp xal icap' u(aN
(Zeit: Antoninus Pius vgl. n. 3S34).
C. I. Gr. n. 315. 316 Anfang der Kaiserseit) 370 (später).
Boss Demen n. 141. C. I. Gr. n. 33a. 361. 'EcpT,(i.. dpx-
n. 104 — Dittenberger Ephem. areh. 1673 p. 241 ff. n. 6. Roaa
Archiol. Aufs. 1 8. 164 (Tgl. Hirsehfeld TituH p. 60). C. I. Gr.
n. 361. 415. 417. Dittenbexger a. a. O. n. 0. C. I. Gr. n. 417.
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ÜHD DBS ASBOPACOnsOHBir CX>LLBQIDM8. 311
er nicht in Beiner Eigenschaft als Behörde auf, sondern
gleich jeder andern Ck>riK>ration, welche irgend jemandem
eine Statne setit. Wenn Areqwgy Bath nnd Volk tüek
zn diesem Zwecke Tereinigen, so haben wir allerdings
die ganze in dieser Zeit bestehende Regienmg von Athen
bei einander. Aber die Sache ist doch nicht anders zu
beurtheilen. Denn es findet sich nicht nur Areopag und
Rath verbunden ohne das Volk, sondern auch Rath nnd
Volk, jedes für sich, letzteres z. B. auf drei Basen,
welche einer Dedication dnreh Areopag, Bath nnd Volk
gldchsdtig rind»i).
Eine zweite Olasse von Inschriften nnterscheidet
sich dadurch von der erstgenannten, dass die Stifter ent-
schieden andere sind, als die Behörden, welche die Er-
richtung der Statue genehmigen. Es wird ausdrücklich
vermerkt, dass die Stifter die Behörde vorher gebeten
oder bejfragt haben. Die Bittenden sind z. B. die Ephe-
ben, welche einem der Ihrigea eine Statue setsen, ahr^
oaiMvoi icapa t^c ^ 'Apetoo ica^ou ßooX^c oder icapa 'Apso-
KccYsitwv^*^. Aber in dem VerfaJÜtDisse des Areopag znr
Ephebenschaft liegt der Gmnd dieses Vorganges nicht,
denn anderwärts sind die Befragenden andere Körper-
schaften und Privatpersonen*^^). Wir mtlssen vielmehr
420. 421. 4;^3. 438. 372. Die Beispiele reichen von der frühesten
bis m die späteste Kauerxeit.
t«) Bei BoM Aiehid. Anfr. 1 8. 184 (vgl. Hinehfeld TituU
p. 80). ^ Trftjras Zeil
PhOiitor i p. 381 » Keil Fhüol. Supplem. 1 S. 593. vgl.
Hixwhfeld Bullettino 1672 p. 120. <— C. L Or. n. 263 (Hadriani Zeit
und etwas später).
'■•^^ C. I. Gr. n. 379: xatd tö i7r£p<6'nj[Aa tJJ; 'Apeiou nd^on
ßGuXf);; die Eumolpiden ; Zeit der flavischen Kaiser :? . — 402. xito.
t6 iiup«bTY](Mi Tttiv ' ApconafiTwv i ein Collegium (Marmor Elgin, Vis-
ans solche Insehriften, nach denen unter derselben Formel
(wLxtL TO hwfmr^^ und dgl.) die ^E^rlaubniis mi^i
dem AreopAg luÄhgeanfibt dien ßoblitt» nif^ieB,
t$ ticli mn doe obrig^tiwbe Gen^toigniiir band^,
weMe mit der i^eolellHi BetngsIlBB im Areopag gar
nicht zusammenhängt .
jEine dritte Gruppe bilden solche Inscbriften, nacb
deren Wortlaut es nicht völlig klar ist. ob der Areopag
oder die sonstige Behörde ^urch Beschluss einem iSti^ter
nur die Erlaabniw zur Errichtang eines Denkmals ge-
geben bat, oder ob die Behörde selbst bei der IMieatieji
niher beOdligt ist, be^ebvogswelse naeb der Anfitoniig
des officielkii Stik als beteiligt gedacht ist. Erstem
könnte man annehmen nach solchen Inschriften, in denen
der Stifter im Nominativ genannt ist und die Behörde im
genet. absol. mit t}^r^<^ila\^Jivr^i und dgl. angefügt wird.
Hier wird als Behörde der Areopag genannt, aber auch
Areopag, Bath und Volk zasaimnen i^^) . jLet^teres wtUrde
«eh dmdi andere Insehriltw empfehle» » anf welehea 4ie
Beh0f4e Im Nominatir genannt ist, daneben aber enie
Fersen, die entvreder als fitifiter geradesHi beaelebnet wiiA
conti n. 40 des Memorandum) Kaiserzeit. — 445: y.. t. i. tIiv 99-
fjLvÄv ApeoT:. Eltern eines Mädchens ; nicht vor M. Aurel.
MM) c. 1. Gr. n. 395 : Rath allein, nach H. Aurel. ^ 390; Aieo-
pag, Rath der 750 {TN, also sehr ipftt, 370?) und VoDl.
«») Axaopag allaiii: Dittenbezgar Ephan. areb. 1873 p. S41 ff.
n. 7 ]>6dicaat tan Atbenar, 4^^Ma|Aivf)c rfjc *Aptim* «^you ßau^c ;
Zeit: Hadrian bis Antonine. JSbmnMO C. I. Or. n. 422, fimgmen-
tiwt (Fourmont), wol nicht vor M. Aurel, w 427 1 ein CoU^wn da-
dtciert; das Diogeneion erwähnt; Zeit? —
Areopag, Rath und Volk : Bursian Ber. der sächs. Ges. d. Wiss.
1860 S. 218 = 'K'fTiix. dpx- n. 363. vgl. Dittenberger a. a. O. n. 8;
ein fremder Staat dediciejrt, ^ni^nQf toafiivy)« rj}c %xK. Hadrians Zeit.
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VHD i>£3 A&£(>P^äITi$Cü£N C0LLE6IUM». 313
(asalHfxfx: mit Personennamen) oder doeh wol nnr so auf-
gefasst werden kann. Auch hier kommt neben dem Are-
opag noch Areopag, Rath und Volk, sowie Areopag und
Volk Yor^*^^). Möglich ist auch beides, so daas die hier
erwähnten Inschriften nach zweierlei Fällen zu sondern
wAien, was ich bei der geringen ZM meiner Beiapieie
nieht m ^itsolieiden wnge^).
IHnae Jnseliriflen hsim nna ndltoa in die rOndaebe
Zelt hineingeführt, wo der Areopag als Regierungsbehörde
im officiellen Stil der Urkunden seine Stelle vor Rath und
Volk findet. Doch das ist für uns eine blosse Aeusser-
lichkeit» auf welche wir noch zurttckkommen. Von einer
Befugnis s des Areopag als Behörde kann nur bei der
sweiten nnd dritten Gruppe der Insehriften die Bede
s^, hei dnr dritten nber nudi imr in dem F«Ue, dus
der Besehluss (<}/7^9iaa(jivrj;) als Erlnabniss geftsst wiid.
Weil aber die ausgesprochene Oenehmigung nicht rom
Areopag ausschliesslich ertheilt wird, so handelt es sich
nicht um ein Recht, welches etwa aus der besonderen
banpoUzeiUchen Befugniss des Areopag abzuleiten wäre.
Der Areopag handelt eben in dieser Zeit neben den «t-
4») Aitopig allein: C. I. Or. a. 446) ein Ehegatte echebt
Süftar ftt leiB; naeb Hadrian
Areopag, Kath und Volk: C. I. Gr. n. 313; Standbild der Julia
auf Koeten eines Pedioanten (dvadivro« ... ix t«wv iiior»); Claudias'
Zeit (?).
Areopag und Volk: C. I. Gr. n. 444; ir.^^x\r^H'^-f)i rf^c dvrtM-
oem; Toy iTAX^r.o'j, nemlich des Mädchens, einer (AUTj^siact äcp' isTti;.
deren Standbild von den zuerst geoftnnten Behörden der Demeter und
Kore geweiht wird; Kaiserzeit.
^ Dw dritte Band des C. I. Att. irixd uns darab« besflete
Amlüuift geben' Im Hinbliek 4axauf wollte ieh mich der grossen
Habe, alles jetit so sehr yeistieate sn lammeto, nieht onteriielien.
314 UBSPKUNG UND 6£SCH1CHT£ D£S EPUETüIK
dern beiden Körperschaften als RegierungsbeliOrde im
allgemeinen und so auch in diesen Fällen. Vielleicht
lässt sieh aber durch umfangreichere Beobachtung noch
ein Unterschied, je nachdem der Areopag ailein oder mit
Bath mid Volk zusammen die Erlaubnis« ertheilt, be-
gründen, in der Weise, dass im eisteren Falle ein Ver-
liältnisB des Areopag zn den Bittstellern oder dem Orte
der Anfiitellung die Ursache ist. Diese Competenz kannte
sich dann natürlich erst in der späteren Zeit entwickelt
haben. Da aber der Areopag in der Kaiserzeit keines-
wegs ausschliesslich das Recht hat, bei der Errichtung
von Statuen die Genehmigung zu ertheilen, so hat sich
auch wol in dem meines Wissens nur einmal inschriftlich
bezeugten uiro}«.vij|jkaTto(Mc (S. 310) nur die formelle Er-
innerung an das einstige Recht erhalten, so dass der JEVdl
der Inschrift saehfidi den FSUen gleichzusetzen ist, wo
der Areopag gebeten oder befragt ist und beschlossen bat.
Ueber die wirklich ausgeübten Befugnisse des Are-
opag in der römischen Zeit schweigen unsere Quellen fast
gänzlich. Mit einzelnen allgemein lautenden Zeugnissen,
welche ausserdem stark übertreiben*^^), ist nichts ge-
wonnen. Die Blntgerichtsharkeit wird der Areopag auch
spftter wol noch ausgettbt haben, wenn gleich einzelne
Ton spätem Schriftstellern llberlieferte Geschichten schon*
durch ihre anekdotenhafte Verzerrung als Erfindungen sich
zu erkennen geben , so die Erzählungen bei Aelian Venn.
Gesch. 5, 18 von der Schwangeren, welche man vor ihrer
Hinrichtung erst gebären Hess, bei Quintilian 5, 9, 13
von dem Knaben, welcher wegen Thierquälerei Ycrurtheilt
^ CSo. de nat. deor. 2, 29, 74: Al^tmHuAm rempubUeam
cmHUq regt Areopagi. Val. Mftz. 8, 1, 2.
Digitized by
mu DES A££0PAGm8CH£lI COLLEGIUMB.
315
wurde. Selbst die bekannte Geschichte yon dem römischen
Statthalter in Asien, Dolabella, der (vor 66 v. Chr.) einen
Rechtsfall an den Areopag verwies, worauf dieser wegen
des schwierigen Falles die Parteien nach hundert Jahren
wieder vor sein Fomm beschied, — gelbst diese Ge*
sehichte kann nicht in dieser Weise rorgefiül^ sem***).
Nur zwei Beispiele der Wirksamkeit' des Areopag
smd noeh in glaublicher Weise ttberlieferfc. Er sdl anf
Ciceros Veranlassung 200) den Peripatetiker Eratippos als
Lehrer fttr Athen zu erhalten gesucht haben, ein Zeichen
also, dass er sich um die Bildung der Jugend beküm-
merte Sodann belichtet Tacitas, dass im Jahre 18
nach Chr. der römische Legat Piso nach Athen kam nnd
den Athenern eine grobe Strafpredigt hielt, in welcher er
ihnen nnter anderem yorvrarf , dass sie einen der Sei-
nigen, einen gewissen Thcophilus, nicht anf sein Bitten
freigegeben hätten, Areo iudicio falsi damnatum^^).
Was das falsum mit dem Areopag zu thun habe, ist bis-
her nicht erklärt wwdcn. Eine Fälschung, dem Spruche
des Areopag unterstellt, lässt sich wol nur mit JÜttcksicht
iM) G^. n. a. 13, 7 nach VaL Max. (8, 1, 2) tm Ammian. 29,
2, 19.
Fiat. (Hc. 24.
^) Oh ApoBtelgesch. 17, 19 Paulus sur Verantwortung nach
dem Areopag geführt wird, oder weil er dort auf dem nächsten stillen
Platze von den Philosophen besser gehört werden konnte, als auf
dem geräuschvollen Markte, weiss ich nicht zu entscheiden. Der
Bericht scheint letzteres anzunehmen. Aus Christensen Areopagos
p. 18 f. sehe ich, dass diese Auffassung von Hovgaard vertheidigt
wird, dessen Ansicht daselbst ausführlich kritisiert ist. Christensen
selbst entscheidet sich fOr ein Gericht auf dem Areopag, ohne
mich SU fibeneugen.
»«) Annai: 2, 55. .
316 UB8P&UK6 UND 0£aCHICHT£ D£B £PHBTEN
auf firwilmiing des Areopag in dem frtther betraeh-
teteu Volksbeschlusse {S. 158i verstehen. Dort soll der
Areopag die Beschädiger und Verfälscher der aufgestellten
MuBtermasse und Gewichte nach dem Gesetze Uber die
UebelthlUer strafen und mass natürlich vorher die Schuld
feetstedlen. Dm Vergehen de» Theophilus fiUU in elwas
firiUMve Zeit,* als Pisos Anweeenhttt in Athen. Nehmen
wir an, dass der VolkgbeseUmss etwa bondert Jahre fHlher
erlassen wurde, so konnte sich eine darin festgestellte
oder von neuem anerkannte Wirksamkeit des Areopag
sehr wol noch bis in diese Zeit erhalten 20^) .
Es liegt auf der Hand, wie verkehrt es bei diesem
Stande der Ueberlieferung ist, von einer in der Römer-
aeit allmähUeh sonehmenden censorisehMi , riditerliehen
und politisefaen Gewalt des Areopag sogar im Verglaioli
Ä*) Bei dieser Gelegenheit erkläre ich die sonderbare Stelle des
Pollux 8, 86 s fol Ö£3[j.oft^Tai — Ebd^ojsii xi\ td; o'xa; tü)> 'Izrjho-
fiapxupimv Tä>v iz 'Apcio'j TTaYOJ. Derartige Klagen giebt es nicht. Ent-
weder liegt hier eine auf Missverständniss eines kurzen Zeugnisses
beruhende Verwechselung mit einem solchen Falsum zu Grunde,
oder Pglkiz fiad das Wort iiRoit:f|ini«8«c in Verbindimg mit dem
Aieopag genannt, und weil dieees technitch von dem, welcbtr
w«gen üilsobfin Zeugnisses verkkgt, gebz«u«ht wiid, aber anefa von
denijen^^en, welcher beim ^lyericbte klagt, so UesB er sieb durch
jene gew<dinlichere Bedeutung verleiten, eine ^Ur, <];suooixctpTupiü)v mit
dem Areopag in Zusammenhang zu bringen. Das« Pollux 8, 33 die
zweite Bedeutung als etwas ausserordentliches anführt: irAoxr^ini Ii,
tX Tt; Ti^,v otafxaf^Tupiav tu; tj^suof^ ctitirpTO • Iiaio; oe xoti xo ir.\ cpov^
rpoetrctv " »sl; Apeiov zotYO"' ofjT(u i~^<3xr^\x.\^'xt.", — spricht nicht gegen
dies Miasverständnisa , da derselbe Autor oft durch Vergessen von
etwas einmal gesagtem su Widersprochen mit sich selbst kommt.
Unter der Competens der Thesmotbeten die gefondene Klage form
auftufDbren, war in beiden Fftllen für Pollux gleieb natOrlicb.
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UHD D£8 AB£0PA61TI8CH£N C0LLE6IU1I8. 317
mit der Kediierzeit zu sprechen Wäre das auch nur
annähernd richtig, so mtisste doch, so lückenhaft auch
unsere Ueberlieferung über die innere Greschiebte Athens
in der römischen Z^t ist, weoigstMUi etwas daron in d«ii
Quellen zu Tage treten. Die sfebkeicben Inselirilteft dies^
Zeit beleltren uns nnr ttber dae Aensserlicbe. Wann die
neue Bangfolge , welche auf den Inschriften sieb findet,
eintrat, weiss ich nicht zu bestimmen. Da sie sich aber
wol nicht über die Zeit des römischen Einflusses zurück-
verfolgen lässt, so wird man den letzteren darin erken«
nen dürfen.
An der Spitze des Areopog steht ein nener Beamter,
der x%)o| t^c i| ^Aftlw icafoo ßooXiJCy decb wol derselbe,
auf den die einmal 'O') erwähnte imoraoCa ttjc U *Ap8(ot>
icayou ßouXr^^ Sieb beziebt. Dieser wird natOrlicb in der
Honoratiorengesellschaft des damaligen Athen eine sehr
ansehnliche Figur gemacht haben, da wir einen gewe-
senen Strategen und Basileus noch in der Stellung des x^pu^
finden 206). Ob er aber, wie Hertzberg meint (1 S. 444),
fiEMstiscb einer der mäcbtigsten Beamten war, mnss dabin
gestellt bleiben, da wir Übnlidies ja niebt einmal vom
Areopag selbst behaupten kihmen. .
Ancb der Anibeil am Areopag war nißbt mehr, wie
^) So Hertibcrg Qesch. Oriechraliadt u. der Hezndiift der
BAmer 1 S. 311. 444 f. 2 8. 339.
Der abtehlSi^ge Beteheid suf des Oetueh der Bemer, den er-
mordeten MarceUiis innerhalb der Stadt beerdigen su dürfen (45 v.
Chr/, welchen Hertzberg S. 465 und sonst erwähnt, wird flbrigene
weder durch Cicero ad fam. 4, 12, noch, soviel ich sehe, in den
anderen Quellen mit dem Areopag in Zusammenhang gebracht.
Plutarch an seni etc. c. 20,
C. 1. Gr. n.,397. 180 f. 3831. Meier Comment. epigraph. I
n. 36.
318 UB8PSDN0 UND G£8CHXCUT£ DER fiPHETEN.
seit Solons Zeit, an das Archontat p:ekuUpft und zwar
nachweislich schon zu Plutarchs Zeit, da dieser sonst
nicht seinen Lesern den durch die solouische Verfassung
geschaffenen Eintrittsmodus als eine der Vergangenheit
angehOrige Einrichtung darstellen konnte. Die nnnmehr
eintretende Art der ErwiUiliing aber ist nns gttnzUdi nn-
bekannt
Gap. 4. Die Epheten in späterer Zeit
Der Zeitraum der Wirksamkeit der Ei)heten endet
viel früher als derjenige . in welchem die Areopagiten
thätig sind, und während wir diese noch his in sehr späte
Zeit hinein verfolgen können, wo die Kunde ihres Wir-
kens bereits angehört hat, verschwinden jene gSnzlich
aus unserem Gesichtsfelde zugleich mit den Spuren ihrer
Thätigkeit.
^) Plut. Per. 9 : dvißaivov. Westermann bei Pauly 1 ^ unter
dem Worte.
208) Denn eine öfter angeführte Stelle des Cicero pro Balbo
13, 30 sagt darüber bei nAherer Betrachtung nichts aus. Cicero
■prieht Aber das nünm aeU verUndi eauaa, wodurcih das rOmische
BOigenreeht vedorsii gehe. Nach dem Staatsrecht anderer Völker
kOnne jemand Bfliger mehre r Staaten sein i. B. hei den Athenern«
IKeser Unterschied sei manchen Römern aioht bekannt. Derartige
Rechtaonkimdige habe er getrofTen jUhenis in numero iudinon atque
Areopaffttantm, certa trtbu, cerio numero (sinnlos! Glossem? und wo-
für?; quum \ifinorare)d , dass .sie dadurch ihres römischen Bürger-
rechtes verlustig gingen. Von einer Leichtigkeit des Eintritts in
den Areopag wird also keineswegs ge.sprochen , ja nicht einmal da«
bt strenggenommen ausgeschlossen , dass die betreffenden Areopa-
giten vorher attische Archonten waren!
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UKD DES ABEOPAOITISOHEN COLLEGIUMS. 319
Die Epheten blieben noch nach der Einfuhrung der
solonischen Verfassung Richter an den vier Geriehtsstätten
am Palladion, am Delphinion, am Prytaneion und in der
Baeht Phreattvs. In der Zeit der grossen Redner sitzen,
wie wir gleich sehen werden, am Palladion und wahr-
seheinUch auch am Delphinion an ihrer Stelle Heliastoi.
Wann trat diese Beschrftnknng der ephetischen Competenz
ein?
Nach einer meines Wissens zuerst bei Rauchenstein
hervortretenden Ansicht geschah dies schon in Perikles'
Zeit 209). Diese Auffassung scheint aus der zuerst von
Meier aufgestellten Behauptung sich entwickelt eu haben,
d^s anf dem Areopag seit der Be6>rm des Ephialtes an-
statt der Areopagiten heUastische Richter sassen>^<^). Seit
wir bestimmt wissen, dass die Blntgerichtsbarkeit den
Areopagiten dnreh Ephialtes nicht genommen wnrde, liegt
gar kein Grund mehr vor, an eine schon damals vor-
genommene Beschränkung der ephetischen Competenz zu
denken. Sollte das noch zweifelhaft erscheinen, so wird
jetzt jedes Bedenken fortgeräumt durch das Zeugniss des
oft erwähnten Yolksbeschlusses von 409/8. Die Att|!zeich-
nnng des drakontischen (Gesetzes konnte natürlich nnr
den Zweck der praktischen Verwendung haben, und da
der Anfang der Inschrift uns den Rechtssprach der Epheten
über axooaio;, also am Palladion, verbürgt, so steht
es fest, dass bis jetzt an der Competenz der Epheten noch
Rauchenstein Philol. 10 S. C<»3 Anm. 9. Das nimmt auch
Frohberger Einleitung zu Lysias g. Eratosth. § 11 an, wenn ich ihn
recht verstehe.
«0) Meier Rhein. Mus. 1828 S. 265 S. Dagegen traten schon
Böckh Berliner Index 1828/9 und Forchhammer De Areopago etc.
p. ae auf.
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320 UB8PBUNO UND ftfiSCHICHTE D£R EPBETBH
nicht jBreUndert worden war. Demnach haben wir auch
früher in zwei Reden des Antiphon Zeugnisse fllr die
richterliche ThiUigkeit der £pheteii in diesem Zeitraame
anerkamit.
Dagegen finden wir in xwei Ton Isokniies nnd Demo*
stbenes eriiiUinten «m PalUdion geftthrteii FrooeMtn
je 700 mid ftOO IKehter Mtig, welebe also nur HeliMten
gewesen sein können 2» i). An einen zufälligen Ersatz der
Epheten durch Heliasten kann zwei Fällen gegenüber,
welche fast fünfzig Jahre aus einander liegen, nicht ge-
dacht werden. Da nun auch die Versuche, den Wechsel
der Richter nnr für diese beiden Fälle ans der Katar der
yofMegendea Proeesie m eriüXren, misee^ttekt lind^, so
0tebt die Tkatoache Ust, dnsa die Epheten nunmehr g^
setemSmdg Tdn dem Geiiehle am Pdladion amgeseMossen
waren. Die ältere der beiden Reden, die des Isokrates
ist, wie man aus § 27 ff. und 45 ff. sieht, nicht nach 397,
also nicht lange nach der Restauration (403/2) gehalten;
der darin erzählte Processvorgang (§ 52) braucht nicht
gerade viel früher stattgefunden zu haben.
Ueber den Ansediluewi der Spheten vom Delphinion
haben ^r kerne so bestknmten Zengnisee. Wir lind Uer
auf die Bede des Lysiae Ober den Moid de« EratosfheneB
angewiesen, welche sieber yor dem Delphinion gehalten
und der obenerwähnten isokrateischen Rede ungeföhr
2") Isokrat. g. KaUimaoh. { 52 ff. [Demosth.] g. Neaera p. 1348
§ 10. Schörnann Antiquit. p. 295. — Forchhammw Kieler Index
1845/6 conjiciert an erster Stelle § 54 far iirraxooCoov — iic dxouei<|i
und liest an der zweiten TrevTaxoolcuv Soayjx&v dzfjXftev drttupxTjxtftc-
212) Platner Proccss u. Klagen 1 S. 68: weil bei Todtschlag an
Sklaven verübt Schadenersatz gefordert sei. F. C. Petersen Om
Epheterne etc. p. 93,
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ÜHD DES ASEOPAOITiaCHBN COLLEGIUIIS. 321
gleichzeitig krt. Ob sie aber an Heliasten odef an Eplie^
ten gerichtet ist, darüber gehen die Ansichten aus ein-
ander 213). Wir haben einen ^070^ rpovr/oc von ziemlich
knappem ZoBchnitte, aber diese Eigenschaft, welche wir
▼OD den «reopagitiadieii Bedei^ auf alle (^ovtxoi anszudehnen
beroditigt flind, würde wol nieht genkto für Eplwteii be-
welfeii, da ja denkbar ist, daas sie aneh satter der Qat^
tmig eigen büeb ohne Rlleksieht anf den Weoheel des
Richterpersonals. Das einzige Kriterium, an welches wir
uns dann noch halten können, liegt in der Anrede an
die Richter. Hierüber ist so viel zum Theil widerspre-
ehendes vorgetragen worden, dass ich diese Frage, so weit
et mOgüeh iet, abeehliessen ntf^te. Bei frttheren Gele-
genheiten haben wir das Kriterium der Anrede zn einer
fieheran Entscheidnng in der AltematiTe: Ephetiu oder
AreopagHen? Terwendet (S. 83. 41) . Jetst kommt es darauf
an, ob dasselbe auch auf die P'rage : Epheten oder Heli-
asten? entscheidend zu antworten vermag.
InBezng auf die Anrede verhalten sich in Process-
reden — Ton den Demegoriett and epideiktlsehen Beden
sehen wir ab — die einseinen Bedner folgend^rmassen.
Antiphon hat in zwei vor den £pheten gehaltenen
Beden (g. die Stiefmutter und Ohoreut.) u» avSf>ec; in der
ersten steht § 7 w oixaCovTs? in einer Interpolation, in der
letzten einmal m avSps; oixaoTai. Ganz wie die letztere
verhält sich die vor Heliasten gehaltene üb. d. Mord des
Herodes. Den Tetralogien fehlt mit der knnstvollen ihe-
«8) Für Heliasten: Schömann Att. Frocess S. 143; Scheibe
Frohberger, Blass Beredsamkeit S. 577. — Für Epheten: Förch»
hammer De Areopago etc. p. 36 und Andere.
21
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322 UBSP&UNa und geschicute des ephetek
toriflchen Avsflllimiig such die Anrede (ausser 2 ß § 2 <S
a. ^ixwnd; anderer Art sind die Phrasen i p § 13. 2 a
§ 1. 2 Y § 31.
Bei Andokides in der Mysterienrede findet sich
f» avS^; bei Isaeos in de;i eilf ersten, handschriftlich
zusammen überlieferten Erbschaftsreden m avdpsc, dagegen
in den grosseren und kleineren Fragmenten der ttbrigen
meist bei Dlei^ Ton Halikaniass erhaltenen Offentlieben,
aber andi Piiyatproeessreden (z. B. fr. 4, 15 ff. 22 f.
Scheibe) <o avSpe; 6ixaatat.
Bei Lysias haben wir, wenn wir zuerst von unserer
Rede absehen, einen Wechsel zwischen w avdpec dixaaxaC
und (ü avBps; 'A&7jvaTot, nach dem Principe etwa, dass die
leiste Anrede da gebraucht wird, wo sich der Redner an
das Bewnssts^ der Biehter als atheniseherBtIrger wendet.
Ebenso beiDemosthenes; nur ist hier die Anrede
o avops; 'A^vatoi in OffentHehen Reden Tie! hilnfiger, als
die andere, und sie wird sogar, worin Demosthenes wol
ganz allein steht, auch in Privatreden mit Vorliebe an-
gewendet 2»^).
Isokrates steht ungefähr wie Lysias, doch ist die
Anrede bei ihm überhaupt selten und die Zahl der er-
haltenen Flrooessreden bekannflieh gering.
Bei Hyperides findet sich wol nur «S ItvSps«
SixoterraC.
Bei Aeschines und Dinarch erscheint eine neue
Anrede : o» 'Atlr^vaToi , welche vorherrscht. Daneben findet
sich bei Ersterem bisweilen «» av8pe; A&r|Vaioi und w av-
ftp«, wol nicht ci» avftps« Sixototat. Bei Dinarch findet sich
Joh. Sigg Der Verfasser neun angeblich von Demosth. für
Apollodur gehalt. Reden, Neue Jahrb. f. Phil. 6. Supplementb.
(1873) 8. 419.
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UND DES AAE0PAG1TI8CHEN C0LLEQIUM8. 323
auch dieses, wenn gleich seltener, daneben alles andere,
namentlich auch häufig »5 otvSps; in öflfentlichen und Pri-
vatreden (s. den Katalog der letzteren bei Dionys Di-
narch 12).
Bei Lykurg g. Leokrates endiioh haben wir oi av-
Ipt^ und o 'A(h)vaioi, eratere« weit häufiger.
Nun haben wir in unserer — ersten — Rede des
Lysias 22 mal die Anrede w avdpec, welche Lysias sonst
nie gebraucht, zweimal c« 'AOr^vaToi § 6 und 7. Da diese
Anrede ebenfidls sonst bei Lysias sich nieltt findet 2»), so
wäre ieh geneigt, aneli Mer m «fvSpsc zu oonigleren oder
wenigstens ^Spe< vor 'A^r^vaToi einznsebieben'^^ . Indessen
darauf kommt für unsere Frage nicht viel an. Die Haupt-
sache ist, dass Lvsias hier in einer Rede die Anrede
<L avops; anwendet, während er sonst nur w avöp*; 5i-
Ttavtai oder w avSps; 'A^r^vaioi sagt. Was sollen wir dar-
aus mit Rücksicht auf den angefahrten Sprachgebrauch der
tlbrigen Redner schliessen?
Um zunächst dnige Ordnung zn schaflTen» so betraehte
ich Aeschines, Dinarch und Lyknrg fUr nnmassgeblich,
weil deren Reden ftlnfeig Jahre und länger nach der uns-
rigen gehalten sind und bei Aeschines und Dinarch we-
nigstens gar keine absichtliche Unterscheidung wahrzu-
nehmen ist. Nun herrscht bei den Aelteren (Antiphon und
Andokides) die Anrede «i» avöps« fast ausschliesslich, wäh-
In der 34. Rede über die Wiederherstellung der Demokratie
<bei Dionys) hat Useneir Neue Jahrb. f. Phil. 1873 S. 158 dieselbe
beseitigt und & dMpc« *Afti]vatoi («• b & Mptc 'A0. vie im Avgu-
stanits dee Demosthenes) geschrieben.
••8; Der Palatinus hat § 6 di a; § 7 uj Aötjvaioi.
21*
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3^4 ujierauxa dsd ossciucutg i>£R epheten
rend sie bei dem yollendetsten Redner der Blttthezeit,
Demosthenes, ganz fehlt und erst bei AescWnes, Dinarch
und Lykurg wieder erscheint. Es scheint hier also ein
Archaismus vorzuliegen , welcher späteTi vielleicht . mit
BewQssteein, attfgefirisckft i»t. W&re mm die erste Rede
des Lysias die fiiÜMite «nter de» erlialteieii, so kffnald
jemand auf den Gedanken kommen, dass sie dämm diese
Anrede leigte, welche Lysias dann mit der ^fer gelän-
figeren vertauscht hätte. Aber das ist nicht der Fall. Und
selbst dann wUrde der Gegensatz zwischen dieser Rede
und den andecen kein so schrolSfer sein, es würde hie und
d$^ die ältere Anrede aach in anderen Reden wiederkeh-
i^eii^ denen einige der ersten Bedce dec Zeit oaeh nahe
stehen. UbensQwenig erhalten wir hei dem etwas jUageiFeft
Jaaeos anl diese Art eine ErkUining fUr den Wechsel von
o «vops; und <tt avdpE; dixamC. Denn die eüf Erbsehafts-
reden, in denen (u avope; gebraucht ist, reichen bis gegen
350 herunter; die zwölfte Rede dagegen (für Euphiletos)
ist wenig später gehalten, andere, in deren Fragmeuten
steh. ebeB£Ml8 ^ avSpe; Sixotocat findet, noch früher. Wir
mlljBsen danun bei Lysiaa sowol als bei. Isaeos eine, ah-
sichtliche Unterseheidnng annehmen, die mit der chro-
nologischen Stellang der Beden keinen Zosammenhang
hat. Nun aber zeigt uns sowol der ältere Antiphon, wel-
cher Epheteu und Heliasten gleichmässig w avSps; nennt,
als auch der jüngere Isaeos, welcher nie zu Epheteu
spricht, dass in der Anrede <5 avops; kein objective»
Kriitoriam fttr die Epheten Hegt. Fragen wir aber, was
SB einer individneUen Unterscheidang dieser Art ftthren
keimite , sei können wir m 'Beang «nf Isaeoa gwr ipohts
ausfindig machen, was ihn veranhisst hiltto, in den Erb-
schaitsredeu die ältere Anrede lu avSpe«; beizubehalten.
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UND D£a ARBOPAamSOHEN COLLEGIUMft. 835
Biiie Absieht idrd ikn gletelmol geleitet haben. Tür
Lysias wÜ88te ich nur folgendes anzuföhren. Unter allen
erhaltenen Reden ist die erste die einzige vor einem Blwt-
gexiotohof gehaltene . Mit Bttoksieht auf dies« besotir
den Beoohaienheit 4e8 Prooesses mag or «8 ittwbetid
gefimden Min, diü Ülen, vielleiobt IbtorHoker UiagMiMb
Anicöefewnet anatweBleD. Da «s «Ich abto ^aan nidrt
mn dfeia teehnisci iMrtBteheBde Forai, sewiam tnr mn ein
dnrobaue individuelles Ermessen handelt, so kann ibu
dieses gerade so gut geleitet haben, wenn am Delphinion
Heliaeten richteten, als wenn noch die alten Epheten dort
Saasen. Denn die Stätte an sich genügte als Yeranlas-
81111g daaa. .
«
Ava der Aumfe fti der efston Rade dea Lyaiaa «tgiebt
rieb also nieht mit Siehetfieit, data die Epheten zur Zeit
der Rede noch am Delphinion richteten. Es ist aber aus
einem allgemeinen Grunde vielmehr wahrscheinlich, dass
es nicht mehr der Fall war. Die Kede ist nemlioh
nieht lange nach dem Jahr 403/2 gehalten, wie sich atii
§30 ergiebt, in einer Zdt, wo es noeh zweifelhaft et^-
aelieinen konnte, ob der Areopag in Blntsaeben eompa«
ient aal, also bald naoh dem 8tane der Oreissig, mter
denen diese C^mpetenz thatslloiilieh geruht btfite {B. 269).
Nun seheti wir aus der Rede des Isokrates gegen Kalli-
machos, dass etwa um dieselbe Zeit das Palladion den
Epheten bereits genommen war (3. 320j . Beide Gerichts-^
attttan abar haben im Gegensatz zum Prjtaneion and an
Fbieattya efaie witkliehe ctittdnalrechtliehe Angabe att arrf
Das» die Reden g. EraUMthenei iiiid g. Agoratof keine Xi^w.
ifwtMi sind, habe ich früher beiMibt 8. 116 Abb. 85» n. 8. 101. "
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326 vasPBxmQ vm QmcmcaTE imee bfbetem
fHUen, wie leh oben aQMlnaiidergefletzt habe^^»), man
kann sosar sagen: sie haben beide die gleiebe Wichtig-
keit, so dass es bei dem erwiesene Anssehlnss der Ephe-
ten von der einen derselben wahrscheinlich ist, dass naan
auch die andere ihnen nahm. Und dann muss auch die
Zeit der Aendernng fUr beide Höfe die gleiche, nemlich
die Zeit der Restauration um das Jahr 403/ 2 gewesen sein.
Damit stimmt ttberein, was nnr Poilnx ^ naeh wel-
eher Quelle, ist sieht ansanmaehen — beriehtet, dass das
Gerieht der Epheten* «später znr leeren Form herabgesnn-
ken sei«^^*). Denn mit der Function am Fiytand«« nnd
Stt) S. 122. — Christensen , welcher ebenfalls der Ansicht ist,
dass den Epheten seit 403/2 das Delphinion sowol als das Palladion
nicht mehr zustand, findet im § 36 der Lysias-Rede einen Beweis
für heliastische Richter fAreopagos p. 27). Aber das ist nicht rich-
tig. Die Stelle verstehe ich so: »Wenn ihr mich, der ich den Ehe-
brecher erschlug , verurtheilt , so werden es die Ehebrecher fortan
gut haben, und sogar die Diebe, welche ins Haus einbrechen, werden
sagen, sie seien Ehebruchs halber gekommen, denn dann, wissen
sie, niid sie keiner aafitfien mögen. Denn Alle mOssen «idi dana
sagen, dess es mit den Qeeetsen wegen EhebnidiB niehts mehr ist,
euer UrtheOs^mch aber etwas selir schlimmes bleibt (tj^ Ik ^ffw
puDT<£Tt]), d. b. der Urtheilsprucb, durch den jemand» der einen "B^xe-
brecher getödtet hat, dennoch verurtheilt wird.« Dies gilt von den
Richtern am Delphinion, gleichviel ob sie Epheten oder Heliasten
sind !
Poll. S, 125: xa-a. fitxpov ht xart'^thl':dr^ tö töjv d^fETÜJv otxa-
«tVjpiov. Forchhammer Kieler Index 1844/5 will lesen xa-a |jLtxpd ht
«atijYsXdo^ (xttTa'ytXdCtu) : ad minora tantum iudicia congregatum est,
IMe richtige Erklärung giebt schon ein Olossem {xaTeX68r|} in C. —
F. C. Petersen Om Epheteme p. 22 schlägt vor umviäMkt^ awnrde ge-
brochen«, vnnetbig. Der Ausdmck «on^XdoSi) ist durchnas ver-
slindUdi. 8. Tbokyd. 3, 83 c&i]Sc« . . . mtvYcXaaSiv 'l^^ovielh],
iroinaf mick L. Lange auftnerkssm macht.
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UND DES ARE0PA6ITI8CHEN C0LLE6IUM8. 327
in der Bveht Fbreattys war ilmeii js em blosses Sehein-
reeht gelassen, dä an der ersten Stttte niemals ein Sprach
von criminalrechtlicher Bedeutung gefällt wurde, an der
anderen aber die Gelegenheit za richten selten und später
wol nie mehr sich bot.
lieben diesem Scheinrechte verblieben den Epheten
naeh gewOhnlieher Annahme 33<*) noeh zwei fiedite. Erstens
der BeehtBspmeh Uber demjenigen, welcher dnen MOrder
nngetotslioher Weise getodtot hatte. Dieser stand ihnen
naeh dem alten Gesetze zn^^^) und blieb aneh naeh ihrer
jurisdictionellen Einschränkung in Kraft, wie die Anfüh-
rung der betreffenden Gesetzesstelle durch Demosthenes
im Jahre 'ib2 beweist ^^^j. Zweitens der Antheil an der
Blntsllhne nnd der Feststellung des Oeremonials bei Ein-
reiehnng der hUt^ ^ovou. Hierbei mOehte ich aber hervor-
heben, dass wir kein ansdrUekUehes Zengniss haben.
Derjenige Theil des alten Gesetzes, welcher dieses Reeht
auf die Epheten ttbertmg, ist uns zwar in der Rede gegen
Makartatoß erhalten 223) . Aber wir wissen ja, dass die
Einlage später gemacht ist, als die Kede, und wissen
nicht, ob das Gesetz, welches der Redner § 59 anter den
Worten 00a oi vo}mi icposrarrouai xooc lepooigxovTa^ icoietv
▼ersteht, noch dieses^ alte nnd nieht yiehnehr ein aneh in
diesem Punkte inzwischen geSndertes war. Denn in an-
deren Ponkten, welche die Competenz der Epheten be-
trafen, war das Gesetz ja sicher geändert. Dass aber ein
späterer Gelehrter eine wirkliche Urkunde, nur nicht die
■^^} Schömann, Hermann und Andere.
S. den VolksbeschlusB von 409/8 Z. 2Ö ff. im Anhaoge und
oben S. 130.
g. Aristokrat. 632 § 3S. Oben S. 130.
») p. 1060 § 57 YotkäbeteUuM Z. 13 ff. Oben 8. 187.
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328 UMHUIHO DVD flEIMTÜBTHTl UKE ElfUKKES
passende und vom Redner citierte, in eine Rede einlegt,
ist elme Beispiel. JSs ist aueh «aoffisUeDd, dass
Oiossen der Lexikogfaphen Uber die treten so dttcfitig
fiiiid vod nidit ein Bdspid soldMr Fttnetfoii seitens der
Epheten ans irgend einer nicht auf uns gekommenen Rede
anzuführen wissen. Und in der einzigen erhaltenen Rede
dieser Zeit, wo die Erledigung der Vorfragen vor der ge-
richtlichen Verfolgung eines Mörders an einem bestimmten
Falle vorgeftlhrt wird , kommen nnr die JSxegeten , niebt
die Epbetm in Bekracbt»«).
Dodi ieh will mir smf diese Lfleice in vnseicir Udber-
Hefening anfinerksam genadit haben, ohne das Faotnm,
welches der gangbaren Annahme zu Grunde liegt , m
verwerfen.
Der Gmnd, weswegen man die Epheten so sehr zu-
rückdrängte, liegt einerseits in der Eigenschaft dieses
OoUeginna, anderenetts in der sonebmenden Bedenlong
des GesfliiworenMiweseaB. Die Epbeten wurden aicher nloht
Tom Volke «rwiUt oder aas dem gaoaen Volke genon-
nen, sondern sie waren ein CoUegium, welches nur den
Mitgliedern der Adelsfumilien offen stand und auf dessen
Zusammensetzung der Staat nicht den anderen Beamten-
oder Richtercollegien gegenüber üblichen Einfloss ausübte.
£iaer solchen Körperschaft wollte die fortschreitende
mokratfo keine riefateriiebe Faactioii von wiikUcber fie-
denlnng lassen. Sie aber den Affeopagüen an flbwtmgen^
dan» hfaideite elwBal fler fainlttBgliob aasgeMlIe Beraft»
kreis dieser Behörde, dann aber auch vielleicht die Ten-
denz, eher die Befugnisse der Ueliasten zu erweitem, als
die des Areopag.
■ •
^ g. Eaeig. H. IfhMilMil. p. 1160 | 68 ft Obta S. 98.
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UND DES ABBOPAOITISCHEN C0LLEGIUM8. 329
Bei dieser Bedeutungslosigkeit ist das Collegium der
Epheten doch wol beträchtlich frtiher gänzlich verschwun-
den , als das der Areopagiten. Die Erwähnung des De-
mosthenes g. Aristokrates p. 632 § 38, die einzige bei
den Bednem, ist zngleicli das letzte Zengmas ans dem
lebendigen Altertbnm Uber sie. Zwar die Bestündigkeit
der Einricbtongen, welche nocli 'so lange in ihren Fernen
fortbestehen, scheint jener Venniithung nidit günstig.
Aber auf der anderen Seite bleibt es doch merkwürdig,
dass unter der grossen Fülle späterer attischer Inschrif-
ten, welche so sorgsam die Namen und Titel aus der
athenischen yomehmen Gesellschaft uns bewahrt habeni
kein Zengniss sieh findet Uber die Existenz eines Epheten
oder seines Collogiuns.
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Anhang
Volksbeschluss von 40918 über Auf-
zeichnimg des drakontischen Gesetzes.
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Die bier mügeth^ilte Ihschnft, «nf welche After im Zusam-
menlieBge meiner UntersoehiingeiiBfldkiidit genommen ist, wurde
neret nnYollstlndig von Pittaids CBffff^ &px* ^^^^ ^ ^^^) ^
RaDflisbö (Antiq. hdlia, 1 n. 259), dum, in glinsender Herstel-
lung von KöUer (Hermes 1867 S. 27 ff.) heransgegeben. 8piter
ist sie Ton mir (Nene Jahrb. f. Fhil. 1872 8. 577 ff.) bespro-
chen. Ferner bat Bergk (Philol. 1873 8. 669 ff.) einen Her-
stellnngSTersndi des letsten Theiles Z. 83—38 YeiAffen^cht.
Schliesslich ist sie von Wecklein (Ber. der Münch. Akad. 1873
S. 1 ff.) behandelt und von Kirchhoff (im C. I. Att. n. 61) mit
einzelnen Veränderungen herausgegeben worden.
Der Inhalt der Inschrift ist zum Theil schon in den vorauf-
gehenden Untersuchungen besprochen worden, auf welche ich
«
hier verweisen darf:
Z. 11 — 13 (Bestimmung über cpovoi; axousiot u. ßouXeuoi^ S. 43 ;
über die ßaoiUT; S. 233 ff.
Z. 13—19 (über die aiosai; der Verwandten) S. 136 ff.
Z. 20—23 (über Kündung und Klage] S. 70 ff.
Z. 26 ff. (Bestimmnogen , welche sich theila an die Vorschriften
über ^ovo; axou^'.o; anschliessen, theils den Sixatoc
90 vo^ betreffen; also Palladion und Delphinion).
Diese Bestimmnngen von Z. 26 an finden sich wieder
bei Demosthenes g. Aristokrates, aber in doppelter
Fassong : einmal als Worte des IKedners im Znsammevhange der
Rede, sodann als eingelegte Gesetzesformebi. Das Verbaltniss
beider Fassongen zn einander ist derart, dass hi den meisten Ffll-
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934
TOLKUmORLm ObBE AümiCHXÜHO
leii die eingelegte Fermel, kleine UmsteUimgeii abgereefanet, mit'
den betreffenden Worten des Redners wftrtfieb llbermnslimmt» an
einigen Stellen dagegen die Formel mebr bietet, als der Bedner,
oder Ueine Abweidrangsn lelgt. Wibiend nmi Fr. Franke De
legnm formnlis, qnae in D. Aristooratea feperinntar, Meissen
1846 mit Znstimmmig von Hermann De Draooo'e legnmlatore
Attieo' p. 13 sa beweisen snebte, dass die Formeln Znsltie eines
Interpplators seien, weleher sidi naeh den Worten des Bedners
richtete und, wo er nrebr oder anderes bietet als dieser, selbst
erfand und zwar meist ziemlich unglttcklich , — findet Köhler,
dass durch die Inschrift die Abweichungen der Gesetzesformeln
von den Worten des liedners bestätigt werden. Er folgt deshalb
in der Herstellung der Inschrift dem Interpolator auch in Bezug
auf einen grösseren Zusatz (Z. 31. 32) , welcher meiner Ansicht
nach nicht festgehalten werden darf. Bergk hat dann bei der
lierstellimg von Z. 33 ff. eiueu weiteren Zusatz der Formel ver-
wendet.
In den früheren Untersnchongen habe ich, um nicht zu sehr
ins einzelne mich verlieren zu müssen , nur an die Worte des
Demosthenes mich gehalten und die Abweichungen der eingeleg-
ten Gesetze in ü^rem Verhältnisse zu der lasobrift nicht berück-
sichtigt (S. ISO ff. 55. 57). Aber die Frage nach dem Werthe
der Abweiebnngen ist TOn einiger Bedentnng. Denn wenn in
diesen angegebenen Flllen die Formeln doreh die Insehrift ge-
stfltst wurden, so konnten ihre Abweiebnngen von den Worten
des Bedners aneh an den anderen Stellen den Werth dner selb-
sltndigen üeberliefemng beanspmcben, nnd das Resultat der
Untersnchnng von Franke wttrde falsch sein.
Danun gebe ich hier xnnichst den vollständigen Tsxt der
Inschrift. Die darauf Älgenden Bemerkungen, welehe zmn Thefl
ans meinem frflher erschienenen Anftatze ausgezogen sind , be-
sprechen lediglich den letzten Theil der Inschrift, von Z. 26 an,
in seinem Verhältnisse zu den Citaten des Demosthenes und den
Gesetzesformeln der Aristokratesrede mit Rücksicht auf Köhlers
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I
Vm 'DBAKOHTISOHIH 0B8BTZBB. 335
und Befgks HenteUnofeii. Obirol trols der aii%eireiidelen M Ahe
iDMidiM noeh sw^dhaft bleibt, eo kOnaeii doeh die bier msMii-
nMngwtoUtea Bemerknngeii ftr spStere üotennefaiuigeii dieser
Art ibren KvtMii baben. Deswegen babe ieb sie milgetbeitt.
Die loeehiift ist oroixTi^cv geeebrieben ; die Zefle enlbllt 50
BnebstabeB. Di» Sigiani]ife& sind — abgegeben von Tielen
Ueinen Aendenmgen — die KObler^eeben. Anf zwei eibeblicb
abweichende Lesarten iu dem ersten Theile der Inschrift (bis •
Z. 26) ist bereits früher hingewiesen, nemlich Z. 18 kaiabio^ xxX.
S. 138 Anm. 40 und Z. 12 tou; ßasiAiac xtX. S. 237.
f£]5oUv ßooXjxalxf 8;^|Mt>[i]. AxarfA]avT[UiicptiTav]8oc,
[At]o[Y-] ^
vi}TOc if^muxtXM, EddoBixo[; ineajTarei. [S]e[vo9]ayi]c ■
8[I]7te- [t]Ä[v]
5 ^oxovTO« vo(MV tot& ictpl Tou (p[ov]oo av[aj']fpa[7]oa[v]T[o>v
{ tov vo|Mttv irapaXaßomc «ap« [t]chS [xora «pototvefav
fpa(i|i.]a«^
C ßouX% ioti^X'g Xi9(v|2 xa[l x]a[T]a[9iv]t[iitv irpeodtv
TTC ßaotXsfotc. ol Ik iN»Xi]Tal d[ir]o(i[t3da>9aVTaiv xorra
TOV vo](to-
V. oi 'EXXi]voTa|ft(«i Sevnov to a[(>Y<>piov].
10 Kpdio^ älm.
xal daji. *x [ic]povo[i'a]; [x]T[eivTQ tu Ttva,
aeUCeiv os tou; ßaaiAia; aiTta>[vj (:po[vou] iq [ßouXeuaeux; tov
osl ßaoiJX-
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\
336 V0LiLSBE8CHJLLS8 ÜBKB AUFZEICHNUNQ
womna, tou; [o]s £(pjcac ^aYv[äh«i. «iSteaAwS^^ icn
i adtX<po[c] i) u^c a3ca[vxac], i] to[v x]u>[Xi>«ivw x|^«
TsTv] (9 Stellen) o
15 Toioa . . e . pa . . 9 . . OT . toa xta (24 Stellen) o-
dai xov o[pxjov (10 Steilen) [lav toutoiv pi^Bd^
V]} ö4 a»«>[v]^ yN^^L^ TrevjrfT^xovTa xai st« ol^^rai.
axovra]
xtcivai^ ioe9b[w]v de [ot fpdtspec eav ibaXuioi öaxii^toovooc
i ictvT;^xo[v]T[a xal] ap[i]o[T{vSY]v aiptbdoiv. xal oi
icpo]Te[p-]
20 ov xTt{[v}«[vc«( &v t]d[tSt %s^i^ ivtx^oWv. icpoeucaTv
T(i» X-]
Tt([vam iv a]Yop[4 ^vt]o[c ave'{;ioT7|Toc xal avt^iioo. «ov-
84 [x«l avi]^[u>oc x«l änt^'iwv «alSac xal ^aiAßpooc xal iwv—
al 9[pa}TMp[«C (39 SMkn) i
M . . (98 atdlen) [wh mnrMnmL xa]l
25 fva (42 SteQa^ [9]ovoo
g[X]<ao[i] (35 Steilen) [Uv ti^] t-
o[v av6po<pov<y« mC^i) \ avno« ^ .povou , ane;(0(Asvov
pa]« [iyjo^
p([a]c [xal abkm xal Upov 'AjicpixTiovixiuv^ woicsp xov ABi]'
vott]ov [x-]
[leivavra, iv toi? auxoi? ivi^s^Dai, SiaYtvoiaxeiv 6i looc
30 [tou( ^ avSpo^ovou; d^ivai aicoxrei'veiv xal aitäiiVi iv];
T7)[l] T%{1£[8-]
Q9]ov [av x-j
[aTaßXa^l^
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DES DBAKONTISCÜEN GESETZES. 337
i (39 Stellen) [«PX^^J'^a X^^P-]
tt>[v dSixwv] (36 Stellen) aextov x-
35 Tsi [v^] ;;39 Stellen) Sjs tou? i-
[tpixa^] (39 Stellen) £ IXeoÖ-
e[p]o .... [xai idv ^epovra a'/ovra ßi'c^ doi'xtu; £uUu;
ajiuvjofxevo-
38 C XTL£l'v3[j, VT|7rOlV£t T£l)vaVCtl] (19 20 Stelleo) ij^OVTOC
(Bis Zeile 48 nur einzelne Buchstaben.)
Die Rede enthält im ganzen eilf Einlagen , von denen die
drei letzten nicht hierher gehören : nur 1 — S beziehen sich auf
die Blutgerichtsbarkeit. Unter diesen fällt die erste fort, weil
sie die Competenz des Areopag betrifft, diese aber in der In-
schrift nicht bertihrt wird. Sie ist § 22 eingelegt und stunmt
wörtlich mit dem Citate des Redners § 24 uberein. Es bleiben die
Einlagen 2—8 übrig: § 28. 37. 44. 51. 53. 60, 62. loh be- -
handle dieselben nach der Aofuoanderfolge der Bestimmungen in
der Inschrift — von Z. 26 an — , von der ich ausgehe. Mit der
BeBeiobnoiig »Formel«, welche ich den einzelnen Paragraplieik
voransteUe» sind die nach ihrer Reihenfolge (2—8) namerlrtfin
EinUigen bei Demosthenes gemdnt.
§ 1. Dritte Formel. Z. 26—29 det Insohiift [iav bis
Touc i<fixai} stimmt wOrtlich fiberein mit der drittenFormel §37.
Die Worte des Redners § 38 entspredien der Formel, abgesehen
von dem abweichenden Anfange dav xi? aitoxtsCv^j t6v avSpo-
cpovov. Dass dieser sich nicht in die Inschrift einfügt, ist klar.
Trotzdem aber beweist die Inschrift nichts für die Originalität der
Formel. Denn der Redner giebt unten § 39 den Eingang des
Gesetzes mit den Worten iav xi? xov avSpocpovov xreivif), hält sich
also hier genau an den Wortlaut des Gesetzes , den uns die In-
schrift bietet , während er an der ersten Stelle umschreibt. Der
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338 V0LKSBE8CBLU88 ÜB£B AUFZEICHNUNG
Verfertiger der Formel aber riclitete sich in Bezug auf den Ein-
gang nach der zweiten Stelle, um durch die Abweichung voD der
ersten seine Quelle zu verdecken. Zufällig traf er damit das
Richtige, ohne dass er dadurch, wie Köhler S. 34 meint, an
Giaubwtlrdigkeit gewänne.
§ 2. Zweite und fünfte Formel = Z. 30— :v> der
Inschi-ift (tou; oe bis xaxa^Xa'I/Tfj i . Die zweite Formel § 28 lau-
tetxoo? 8' avopocpovouc d^eivat aitoxreiveiv h rf^
Yjlis^aic^ xal avdyii't, «»c iv ripa^ovt aYopEuei, Xufiai-
vsadai Ss \lr^, \^r^hk aicoivStv, ^ SiirXouv o^s^Xsiv oaov
Scv xoraßAa^^. aiacpipsiv hk tou; ap^ovrac» «»v IxaoTOi SuaoraC
zhi, TO) ßouXopivtp. Tijv 8' f,Xia{iv oia^iYVojaxciv. Hiervon
lässt sich nur, was gesperrt gedruckt ist, aus den Worten des
Redners § 29-^33 gewinnen, welcher ausserdem etpr|Tat ftr*
oYopsosi hat. Diese Abweichung der FmrmiA, sowie der Zusats
iv t{ '^(isSoRf und der gasse Sdilius sind Yim Franke p. 5
fktr Eribdimgen des InterpoUtors erkUbrt worden. Köhler da-
gegen entdeckte anf dem Steine Spuren Ton t% ^yishm^, wie
es seheiot, aneh von Scov, und so werden seiner Änsidit naeh
die Worte der Formel dnroh die Inaehiift bestätigt. Dem Banme
nach lasBOi sie sich in die Ihschrüt einigen, s. Z. 30 — 32.
KOMer bemerkt 8. 35 bu seiner Ergänzung : »Dem Demo-
athenee ist in 4er Auslegung dieses Geseties ein starker Irr-
thum passiert, welchen man aadi neuerdings nicht bemerkt ni
haben scheint, indem er die Worte «Eovi OYopeusi
Mobs auf arocYsiv bezieht und behauptet, es werde damit auf
anderweitige die a^za'(^s)'(r^ betreffende Gesetze verwieseu ; allein
in diesem Falle konnte die Zahl des Äxon nicht fehlen u. s. w.«
Diese Ansicht scheint mir nicht richtig zu sein. Aristokrates hat
den Antrag eingebracht : »wer den Charidenios tödtet, soll, wo
er sich auch befinde, vogelfrei sein« {§H1). Um das Unge-
setzmässige eine.s sulchen Antrages darzuthun , verweist der
Redner auf das bis dahin geltende Gesetz, welches einen Mör-
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l>£d DBAKONTISOH£N UKSETZES. 339
der unter gewiwen Umstanden zu tödten und anfen&ngen ge-
stattet, aber nicht so unbedingt, wie Aristokrates durch seinen
Antrag es fllr den voransgesetzten HOrder des Gharidemos
fordert. Dies Oeseti wird dann erklftrt § 30 f. Uysi U t(;
a^wt% Äicoxct(vuv xal heA^iVt* Äp' «otov; u>; otv ßoo-
Xr/raC rtc; icoXXou xal Sst. &XXa iccuc; (u^ iv tw a^ovi '
eTprjtai , cpijaCv. toüto 8' e^tI ti; o uavrs? iTrioraaö* ojist;.
Ol J>eo}iobsTai too? ^irl tpovtp cpeuYovia; xupioi Oavattj) Ct^iaiä-
aai' eiat, xal tov ix rf^s; £xxXT,aia? 7:£pa3i -avTs; £a>pa-£ utt'
exii'vtüv a7ray(Ö2VTa. Das Gesetz, auf debseu Worte der Redner
sieh beruft, citiert selbst ein anderes Gesetz (a;ovtj und zwar
ein di akontisches , welches natürlich dem Redner in der solo-
nischen Redaction vorlag*). Nach Köhlers Ansicht besteht das
Gesetz, welches Demosthenes vor sich hatte, aus einem alten
Theile bis xaTajSXdt'liy} — welcher von ihm in der Inschrift her-
gestellt ist — und einem später hinzugefügten ; der erste wird
durch c»( iv alovi aYopsusi als aus der alten Gesetzgebung
herübergenommen bezeichnet.
Wenden wir uns nun zu dem von Demosthenes angeso-
genen Gesetze : iv ig|w5affj iiat die Formel allein ; es ist
aber nicht mit Franlra p. 4 ansinstossen , denn der Redner
umschreibt den Begriff (§ 34 ^ifi äXXot^i itXiqv iviauda.
§ 35 ffXi^v iv iqtisSttic^) und die Inschrift Z. 30 seigt, dass
die Worte in dem Gesetze standen. Dass aber der Verfertiger
der Formel sie giebt» beweist nichts für die Glaubwflrdigkeit
seiner anderen Zositze, denn er konnte sie leicht nach den
Worten des Bedners hinzufDgen. Nun erklftrt Demosthenes das
Gesetz (§ 30) : »Was sagt der Gesetzgeber? Bs sei erlaubt,
ihn zu todten und der Behörde YorzuAlhren. Aber etwa zu
sich hinzuschleppen oder ganz nach eigenem Ermessen? Kei-
neswegs. Yfk denn aber? Wie es im Axon steht, sagt er.
Was heisst das aber? Das wisst ihr alle selbst. Die Thea-
j Auf den Ausdruck a;(uv komme ich unten S. 354 zurück.
♦ 22»
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340 V0LK8BE6CULU86 ÜBER AUFZEICHNUNG
motlieteii haben das B«dit, die fluchtigen Mörder tMtan 211
lassen, und ihr selbst habt erlebt n. s. w.«^) Ich sehe niefat,
wie in diesen Worten liegen muss, der Axon enthalte ausführ-
liche Vorschriften über die Art der Apagoge oder, wenn das nicht
der Fall war, Demos^thenes liahe es irrthtimlich vorausgesetzt.
Der blosse Ausdruck aTraYeiv in Drakons Gesetze war verständ-
lich genug. Jeder wusste, dass damit die gesetzlich bestimmte
ar.r^'(^D''^r^ zu den Thesmotheten gemeint sei. im Gegensatze zu
dem Fortschleppen und Misshandeln . wie es Aristokrates in
seinem Gesetzcsautrage an dem Mörder des Charidemos zu thun
gefordert hatte (§ 34 a•(^ü''^l\^oi ertoi -avta/oOsv) .
Soviel über den vermeintlichen Irrtbum des Reduers. Wenn
BUB hier Demosthenes ein Gesetz anzieht, welches selbst wie-
der ein Gesetz des Drakon citiert , so folgt daraas , dass dae
ganze Gesetz des Demosthenes nicht drakontisch ist , dass ea
nicht in dieselbe Beihe gehdrt, wie die übrigen, in deren Mitte
ea bei Demoatfaenes ateht und welche wir in der iDachrift wie>
derfindeo. Es fragt sieh daher: woher nahm DemostheDeadie
ttbrigen? und wo befand aieh dieeea Geeetst
Man nimmt gewOhnliefa an, die Gesetae, welche aieh auf
den Blotbann beaogen, hitten sich anf dem Areofiag beftinden.
Das Gesets, nach welchem auf dem Areopag gerichtet wurde,
ist hl nnaerer Bede durch das echte Lemma § 22 beaeiöhnet:
vo)»oc Ix Tiov (povtxmv vofuttv Ta>v ^ '^pstbo itayou. Aber diea
Lemma besieht sich als GeneralflberscfaTift auch auf die folgen-
den Gesetze , welche nicht avsschliesslich auf die Competens.
des Areopag, znm Theil sogar um anf die dea Palladion nnd dea
Delphinion sich beziehen. Das Gesetz ferner, welches Lysias
Mord des Eratosthenes § 30 »von der Stele vom Areopag« citiert,
verbreitet sich über gesetzlich erlaubten Todtschlag , und am
Delphinion ist auch die Rede gehalten. Was soll also dies
Gesetz auf dem Areopag, wo es doch nicht zur Verwendung
^} Hierfür verweise ich auf meine Auseinandersetzung S. 132 f.
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*
DBB DllAKOKTISCilSN GESETZES. 341
komiaen konnte? — Nach unserer Insclirift Z. 7. S soll diese
Stele aussen an der Konigshalle angebracht werden. Hier, wo
der König, der Präsident aller fünf Blutgerichtshöfe, seinen Sitz
hatte, wo er Processe annahm und instruierte, d. h. sie nach
ihrer Beschaffenheit einem der Höfe zuwies, hier bedurfte
man der Gesetze. In den Localen der Richter waren sie über-
flüssig , denn das Urtheil der letzteren ward erst durch die
Publication des TjYsjA^^v rechtskräftig. In und vor der Kö-
nigshalle befanden sich aber nicht nur die Blutgesetze, sondern
▼iele andere. Nach Andokides Myster. § 82. 85 wurden dort
im J. 403 alle neu geprüften nnd bestätigten Gesetse anf-
geieiobnet: dvafpa<|iav iv oto^ — ei< ti^v otoov'). Es ist
feiner nieht znflüüg, dass der Schwnrstein, anf dem die Ar-
«honten den Eid schworen, die Gesetse zu halten, neben der
KdnigahaUe sich befand (PoUox 8, 86; Plnt. Solon 25 und
Westennann). Aber auch anderwärts befanden rieh Gesetse,
z. B. nach Andokides Myster. § 96 am Rathliaase. Es gab ge-
wiss, im Fälle dass in der KOnigshalle sämtliehe Gesetze
vorhanden waren, in den AmtBlocalen (ap)^eta) derjenigen Be-
amten, welche GerichtsTorstandsehaft hatten, wenigstens Ab-
schiiflen der hanptsSchlidien G^tse, welche die Gegenstinde
der Competenz der einzelnen betrafen, da man doch die Ge-
setze nach diesem Gesichtspunkte gruppieren konnte. Ist das
richtig, so wurde der Ausdruck »Gesetze auf der Stele vom
^ Da» eingelegte Psephisma de« Tisamenos sagt in Besog aaf
die jetst neu eriaaaenen Oewtie (iictfonv h* 9bi rtpwiU^)i cic toT^ov,
die Wand der Stoa (J^ Droysen De . . . populiscitis, Berol. 1873
p. 34). Aehnlich Harp. t. x6pße(; iPolitie der Athener): dva^pa^avTEc
TO'j« v(5(jiou? e{; TO'j; y.up.Sc'.; Iirrjaav «rroä tt] ßaaiXcia. was
man doch wol schon wegen des i^n-^^od'^/isTt^ nicht auf die bekannte
Versetzung der Gesetze durch Ephialtes beziehen kann. Die Worte
können entweder auf eine spätere Bedaetion, etwa die dlva^paf r, naeh
der Yertreibung der Vierhundert (Frohbetger Einl. la Lys. g. I^om.)
gehen oder auch wegen des Ausdruckes «öpßctc auf eine Sltere ZtSt
sich beneben.
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342 V0LK8BE8CHLÜ8B OBEB AUFZUCHNUMO
Areopag«, »areopagitische Gesetee«, da die Gesetze nicht wirk-
lich auf dem Areopag sich befanden^), für diejenigen ^re-
braucht, welche auf die Competenz des Königs als Vorsitzen-
den der lihitgerichtshöfe sich bezogen , also im wesentlichen
auf Drakon zurückgingen. Demosthenes nun nennt die von
ihm angezogenen Gesetze (Formel I — 8, § 22—62) »areopa-
gitische«: Lemma § 22^) und »drakontische« (§ 51], was sie
auch und nur mit der Bünachrftnkiuig, dass Solon sie redigiert
hatte.
Eine andere Bewandtniss musa es mit diesem s weiten
Gesetse haben (s sweite Formel), denn Demosthenes dtiert es
m einer Fassmig, welehe anf ein drakontiiieheB, von Selon re-
digiertes Gesets (^ov) Bezug nimmt. Es gehört also einer
Jungeren Periode an, als die ttbiigen von ihm dtierten, nnd
hat dnen Thefl dnes drabrntiseh-solonisehen Qeseties in sieh
anfgenommen. Da nnn die aicaY(i>Yij der elvSpocpovoi an den
Thesmotheten gesebah (8. 340) , so ist es wol kUur, dasa das
Geseti, welefaes Air diesen Fall noeh weitere Besthmnimgen
enthielt, als das Gesetz Drahons, cum Spruchgebiete der seehs
unteren Arehonten gehörte nnd wahrseheinlieh dooh aneh in
ihrem Amtsloeale, dem Theamothesion , sieh befand. Ob es
nnr hier an finden war oder auch in der Königshalle, lässt
sich nicht entscheiden, da nicht auszumachen ist, ob in oder
an der Königshalle alle Gesetze verzeichnet waren (S. 341).
Diese» Thesmotheteugesetz^) beginnt nun nach den
4) Wenigstens spiter nichti für die iltette Zeit — Diakon —
gestatte ich mir keine Vermuthung.
^] Vor der zehnten Formel § 86 beschliesst er die Reiher lari
fxev o'jxdTi Ttüv cpovtytüv Zhc 6 . . . \6tioz. Das neunte Gesetz § 82
über das dlv6poXTj'|iov rechnet er zu den «povtxol ; es geht uns iadessen
nichts an. Drakon tisch ist es schwerlich — trotz Hermann De Dra-
eone p. 14 wird aber den in der Kftnigshalle befindUchen «povi-
xol hiningefagt »eio, so due der Redner audk auf dieses die Kate-
gorie der 'Apetou icd^ou ausdehnen duifte.
luilTot ««ivT« taOra dmlpijxsv dyttxpoc «oi sa^c & »dTvIlcv
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I
DBS DRAXONTIBOBBir GESETZES. 343
Worten des Redners (§ 29 ff.) : »Es soll erlaubt sein, die Här-
der im InUmde so tOdt^n oder der BelUJrde sncafohren, wie
es im Axon steht, aber nicht sie in misshaadeln oder Löse-
geld von ihnon sn eiiiressen.« Nun ftgt die Foimel allein
hfam: ^ SiicXpov . . . dta^i'jfvomtv (8. 338). Der Verfertiger
der Formel konnte leieht auf den richtigen Gedanken kommen,
dass das angezogene Gesets noefa mehr enthalten haben mflsse,
als der Redner aas ihm eitiert. Aber was er uns giebt, kann
nicht in dem Gesetze gestanden haben. Die Sache, in welcher
v6(jioc- Mit diesen Worten fahrt Demosthenes § 28 das Gesetx ein.
Haip. V. 6 xdxm^ vi|i«c giebt nach Didymos ffir diesen Aasdmek
drei Erklärungen, deren letzte das Gesetz so bezeichnet wissen wiU,
weil Sülons Gesetze vor Ephialtes auf der Akropolis, später aber
unten auf dem Markte aufbewahrt wurden. Dass diese Erklärung
unpassend ist, versteht sich von eelbtt. Ebenso die sweite. Wol
aber darf man fragen, ob «irklich, wie ctie SrUirer seit Taylor all>
gemein annehmen, der Ausdruck nur bedeuten soll, dass dies Ge-
sets unten auf dem Zettel, von welchem der Vorleser alle vor-
las, oder unter dem vorher verlesenen stand? Denn was ging es die
Richter an, welche Stelle das Gesetz in der Abschrift einnahm,
da es für sie höchstens von Wichtigkeit sein konnte zu wissen, woher
es genommen war! An den Vorleser aber sind die Worte nicht
geriehtet, denn an dieeen wendet eich der Redner gkich danuf t
Xiys V oötolc T&v vdfAoy futd T«Dta. Finde man in dieser Rede
den Ausdruck 6 avtndev v<S(toc , so würde man sich sicher nicht be-
denken, ihn mit dem öfter gebrauchten b vöfxo; 6 'Ape(o'j izdfO'j
gleich zu setzen, obschon das Gesetz thatsächlich sich nicht auf dem
Areopag befand, die Bezeichnung also bildlich genommen werden
müsste. Öo gut wie man nun den Areopag die avw ßo'jX-Y] nannte,
konnte man ihn aw^ als dvoi Bneoet^iov den Civilgerichten als den
täxm hmun^pima entgegensetsen. Dflifte nicht demnaeh auch viel-
leidit durch den Ausdruck «dttodsv viftoc bei einem Athener der
Gegensatz eines dfvoi^ v6(ao;, eines »areopagitischen«, wie man sonst
sagte, hervorgerufen sein? Das würde mit der ersten Erklärung des
Didymos : Tf,v tjAtatav ).£-^ti h bTjTtup oii ro twv oivtaatTjpttuv rct ji.£V
dvw, Td oe xatco dvofidCeoi^ai übereintreffen, auf welche schon Meier
Kaller Index 1849/50 p. 6 («b opusc. acad.) hinwies.
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344 V0LK8BESCHLU8S ÜB£S AUFZEICHNU^Q
die BaUtstan riehten aoUen, ist nidit die des liSrden (Beirice) »
Bondern desjenigen, welcher diesen gemisshandelt hat (Weber).
Nun werden die ap/ovrs; als Vorsitzende genannt, welche
nach der gegeuwärti{i:en Lesart die Sache instruieren und vor
Gericht bringen sollen. Das kann aber nur sCaa^etv, nie
elarpipsiv heiasen (Franke p. 6 . Mit dem Dativ xw ßoaXo}jivu>
haben sich alle Erklärer vergebens abgemüht. Er wird er-
träglich, wenn man mit Scheiling De Soloois legibus p. 68
siacpepsiv o' tou? (so auch Köhler p. I liest und den
Satz von d^sTvat abhängig macht: »Wer da will, soll die Sache
vor die Archonten bringen dtlrfen.« Aber trotz aller Bemü-
hungen Webers lässt sich sbtp^peiv in der Bedeutung » ver-
klagen» oder »vor Gericht bringen« (vom Präsidenten) nicht
Tertheidigen. Dann heisst es in der Formel : mv ixaoroi Sixa-
ctai eiau Man darf BixaTTr^; in der Bedentong '^^e^ituv xo«^
8txatTn)pioü nicht unbedingt mit Franke verwerfen, obwol es
nur in der ähnlichen Stelle einer bei [Demosth.] g. Makart.
p. 1074 angelegten Urkunde sieh findet Denn der Auadrack
kann im Gebranehe der GesetMSspraehe gewesen sein, -so got
ivie man das SixaCsiv, welehes später streng genommen nur
den Bichtem ankam, ursprflng^eh dem -^simdv beilegte nnd
dann die Thätigkeit der Richter mit StaYipwoxsiv bezeichnete.
Aber der Belativsati ist nnverständliefa. Ifan kann nemlich
entweder mit Beiiehnng von <ov auf ap^o^ts« flbersetien:
»deren ein jeder Hegemon ist«, was eui gani flberflflssiger
Znsatz wäre. Oder man kann mit Weber xaura eiginsen nnd
dieses Ton siocpipsiv abliftugig machen. Nnn heiast es unter
Beibehaltnng der alten Lesart: »instruieren und vor Gericht
bringen sollen die Archonten das, wortlber jeder von ihnen
die Vorstandschaft hat« , — oder nach Schellings Correctur :
»vorbringen (als Kläger) vor die Archonten soll mau das,
worüber jeder von ihnen die Vorstandschaft hat.« Die Aus-
lassung des Tcrjxa ist hart und in einem Gesetze, wo dadurch
eine entschiedene Zweideutigkeit hervorgerufen wird, nicht vor-
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I
DES DRAK0NTI8CHBK GESETZES. 345
sumsetzen. Endlich aber ist die Vorstandsohaft der.»Archoii-
ten« hOehst verdichtig. Wenn, es feststeht, <(s8S die Thesmo-
tiieten das Formn sind, vor welches der «ofgefiingene HOrder
znr Bestrafoog gebracht wurde, — warum ging dann das Gesets
der natflrliohen Folgerang ans dem Wege, vor dasselbe Forom
anch deiyenigen sn ziehen, welcher den lfdrder bei der
diicaYw^r^ in gesetzwidriger Weise gemisshandelt oder an seinem
Gute geschftdigt hatte? zumal da alle Kla|^n wegen Beld-
digoBg and BshMdigong (i>ßpsu>(, ^ka^T^i}, öflbntliehe und pri-
vate, bekanntlich bei den Thesmotfaeten anhängig gemacht
wurden. Es kann Überhaupt nach allem, was wii- über die Ge-
richtsvorstandschaft sämtlicher Archonten wissen, kein Grund
ausfindig gemacht werden , aus welchem im Falle der iu der
Formel angegebeneu Schädigung bald dieser, bald jeuer unter
den drei ersten , bald die sechs unteren Archonten die Vor-
standschaft gehabt hätten. Soll aber ap)^ovT£; nur «Beamte«
heissen , so ist die Bestimmung völlig nichtssagend ^) und bei
der Einfachheit des zu beurtheilenden uud zu bestrafenden
Falles einem Gesetze unangemessen. So zeigt sich in diesem
Zusätze durchaus müssige Erfindung. — Was ist aber von den
dazwischen stehenden Worten r^ StirXoüv . . . v.axafKd^iQ zu
halten? Bei Plato Gesetze p. 877 B heisst es: «Wenn jemand
den Anderen durch Verwundung geschädigt hat [d v.axi^ka^i
Tov tpto&svxa) , so soll er den Schaden dem Geschädigten büssen.
Das Gericht, welches den Process entscheidet, soll die Schä-
tzung machen u. s* w.« Nun konnte man aber eine Schädigung
nicht nnr am Gute, sondern auoh am Leibe nach Geldeswerth
absdiMImn. Verdoppelte man diesen Werth, so hatte man das
ftucXouv. Wenn efaie Sdiädignng ohne Vorbedacht erfolgt war,
so pflegte einfache, wenn mit Vorbedacht, doppelte Schätzung
einentreten (Demosth. g. Hidias p. 528 § 43). Gegen die Sache
'') Anders bei Plate Gesetze p. 871 D 6 itpoavjyidis .... öf^oa;
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346
V0LK8BE6CULU88 ÜBER AUFZEICHNUNG
UM sieh also niehto einwenden, vnd dem Audnieke naeh
▼erwaadtes findet sieli aneh sonet i. B. in unserer Bede § 50
av TIC xaTaßXa(|)iQ rtv« ixwv ^Cxoc nnd Pinto Geselle p. 864 B
TT|V |ifiv ßXotpTjV T|V av Ttva xaTaßXat|/;Q. Aber in dem dra-
kon tischen Gesetze, welches sich mit dem Todtschläger und
nicht mit dessen Beleidiger beschäftigt, ist doch der Zusatz
unpassend und deswegen nicht bei der Herstellung der In-
schrift zu verijenden. Freilich könnten alle Grtinde nichts
helfen, wenn die auf dem Steiae erhaltenen Spuren dazu nö-
thigten, mit Köhler den ganzen Passus bis xaTaßXa^j^iQ in das
alte, drakontische Gesetz aafxanehmen (S. 339). Das ist aber
nicht der Fall.
Will man jene Lticke mit Benutzung der Buchstabenreste
ov ausfüllen, so wird man passender das fünfte Gesetz bei
Demoethenes (= fünfte Formel § 51) einrücken. Die Formd
laotet <povot> hUo/i alvai (iT^Safioo xarot röav too; '^eu-
YOVTOC ivSeixvovTtüv, lav Ti« xatiig ottoi \iri eEsonv. Hier ist
|ii25at«oo sinnlos , da nur Y<m Attika die Rede ist und ttber-
hsnpt SQ einer Ortsbestimmung gar imin Qnind vorliegt. Statt
ftoYovTO« sagt der Bedner ivSpofovooc. Das« er diesen Aiis^
draek ans dem Gesetie nahm, Iftast sieh swar niefat, wie Franke
meint, dnrdi die Untersdieidsng beweisen, welehe Demoethenes
km mm § 45 iwisehen den ^dpofoveiv t«iv iatxmol^
(povfp (AsdeoTiQxotwv nnd den dx npovo^o« ^ptty)fovtiwv madit.
Denn «peu^eiv Iconnte doeh nach von dem nnfreiwiUlgen Todi-
sddiger gesagt werden (§ 72. 77). Aber es geht daraus
hervor, dass das Wert avSpo(povo« in allen diesen Bestimmnn-
gen als feststehender Begriff anlbritt. Der Intorpolator wihlte
mm abeiehtlieh einen anderen Ansdroek nnd andere Wort-
stellung, als der Redner. Demnach lässt sich die Insehrift
durch dieses Gesetz in folgender Weise ergänzen :
Z. 31 [airoivav. xata täv evSeixvuvtjcöV [toutj
- 32. [dvöpo^ovou?, idiv xt? xaxlr^l 07:01 jj-r^ e-/Qtoxi, fifxac «po—
vou eivaj
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I
DES D&AK0MTI8CHEN GESETZES. 347
Z. 33. i [44 Stellen leer inclusive apj^ovjxa x^'[p~3
- 34. <j[>[v aoi'xmv] u. h. w.
Diese Ergänzung empfiehlt sich durch den Umstand, dass
die jetzt in der Inschrift auf einander folgenden drei Bestim-
mungen (= Formel 3. 2. 5 nach Demosthenesi sich gegensei-
tig ergänzen. Der Hauptsatz (= Formel 3] steht zu oberst :
»Wer den otvopo^povo«; , welcher den Bann achtet, tödtet oder
seinen Tod veranlasst, soll wie ein gewöhnlicher Mörder be-
handelt werden.! Den Gegensatz dazu giebt (= Formel 2) die
njUshste BeBtimmung : »Ueberschreitet der avSpocpovo; den Bann,
so kann er getödtet oder der Behörde SDgeiÜhrt, im letzteren
Falle aber nicht gemiisliaudelt werden.« Nun wird drittens
eine Folgerung aus diesem Satze hinzugefügt (s Formel 5) :
»Wer den ovSpo^ovoc, weleher den Bann flberselireitet, an«
xeigt nnd — haben wir hinsunisetseu — dadurch Urheber
sdnes Tedes wird, soll nicht des Mordes aagiklagt werden.«
Der IKnn dieser Bestinnnnng Ist einfaeh nnd natOrlich, obwpl
die Erklttrer ihn dnrch nnieitige BrUimngs- nnd Aendemngs-
▼ersnche yerdnnkelt habend). Des Mordes konnte nieht nur
derjenige angeklagt werden, der einen anderen selbst getOdtot,
sondern anch, wer dnreh eine scheinbar nngerechtfertigte An-
klage seme Hinriehtnug ?eranlasst hatte. Beweise daftr geben
die Bedner in Menge. Hier In der Inschrift whrd nnn dieser
Sftts als Folgenmg ans dem nnsoittelbar Twliagelienden des-
wegen gezogen, weü der erste Sats Ja nicht nor den Mör-
der, sondern auch den Urheber (ainoi;) des Todes eines av-
Bpo^ovog in Anklagestand setzte, im Falle der avSpocpovo? dm
Bann nicht überschritten hatte. Da nun in dem letzten der
drei Sätze diese Voraussetzung umgekehrt wird, so tritt da-
mit als Folgerung aus dem zweiten Satze für den Urheber
Straflosigkeit ein, welche der dritte Satz ausspricht.
*) So Salmanus De modo usurarum p. 784, Heraldus Animad-
vers. in Salmas, p. 318, Wesseling su Fetitns p. 617, Mmer Att.
Frocctf 8. 309.
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348 VOLKSBESCULUSS ÜBEB AUFZEICHDUiTO
§ 3. Die eben aDgeftthrte Ergänzung fuhrt uns bis zu dem
ersten Buchstaben von Z. 33. Hier haben wir bis zu der Er-
gänzung Köhlers apyovra /sipwv aofxtuv 39 Stellen. Die
Buchstaben zeigen , dass hier das bei Demosthenes nicht vor-
handene Gesetz stand, welches Todt.schlag im Falle derNoth-
wehr erlaubte. Die Inschrift wendet sich also von dem
axou3ioi 'fovo; zum oixaio;, vom Palladion zum Delphinion. Die
Redensart ap/tov ysipwv aöt'xtov findet sich abgesehen von un-
serer Rede § 50 bei Antiphon Tetral. 3 ß § l aauvoasvo«
ap)^ovTa x&ipwv TcpoTspov und bei Plato Gesetze p. 8 09 C,
irgl. Apollodor 2, 4, 9 0( av aa^vr^rai tov }(eip«5v dd(xu>v
'^[pH'xvTa. ddtpov sTvai. Das drakontische Gesetz mnse, um jene
39 Stellen zu fulien, einen volleren Anfang gehabt haben.
Bergk nimmt diese Zeile and die BaehBtEbenreste der In-
schrift für eine andere ErgSanug hi Anapraeh, welche ieh
gleich anftlhren werde.
§ 4. Siebente und sechate Formel. Z. 37 der
Inachrift hat Kdhler, durch Bnchatabenapnren geleitet, ein an-
deres Geeets Aber TOdtong im Falle der Nothwehr eingeigt,
welches wieder in nnserer Bede sich findet sa Formel 7 $ 60.
Wie EOhler den Text giebt xal &dv (pipovra i^ aYovra ßi'^
dSCxlBK aodo< d{iuvo]x«vo( Tfxthif^, vijicotvsl Teftvervat, so hat
ihn die Formel. Mit ihr stimmen die Worte des Redners § 60
llberein bis auf die Umstellung d^ovra ^^povra. Obwol
beides sich rechtfertigen lässt, so haben wir doch nach den
bisherigen Beobachtungen anzunehmen, dass der Interpolator
willktlrlich die Aenderung machte. Die Inschrift kann das
eine wie das andere gehabt haben.
Vor dieser Bestimmung muss, wie Köhler richtig bemerkt,
• — Z. 34 bis Anfan}; von Z. 37 der Inschrift — ein ferneres
Gesetz über erlaubten Todtschlag gestanden haben = sechste
Formel § 53. Um die Buchstabenspuren der Inschrift aus
der Rede zu ergänzen, milsste man an dem eben eingefügten
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DES DRAKONTISOHBN GESETZES.
349
Geeetse xal dav . . . TeBvavai Aenderungen vornelimeD, so das»
hinter dem 2Att>dc[p]o Z. 36. 37 der Inschrift Platz gewonnen
wflrde. Wecklein S. 4 soldägt vor iXsu8tpov cTvat* tav f
flffovra 1] ^povra (snstatt aal iv»), Dadoroh vird freilidi
Plats für das Verlnim «Tvai oder Ivra» ra eXeoftspov oder iXeo*
dspo« gewoBnen. Aber irenii sX8ute|>o< in der Bedentoiig
»strafloB« (sxaftapo;) in der Ineelirifk Torkam, so fand neh das-
selbe Wort sicherHeb nicht noch einmal in der Verbindnng nnd
Bedeutung gebrandit, welche das von Demosthenee citierte
Gesets giebt: sir iXfio&ipoic icato(v. Stand ei also nur ein*-
mal in der Inschrift, so vird es in diesem Zusammenhange
gebrancht worden sein, nicht in der von Wecklein angenom-
menen Bedeutung. Dapanf, dass bei Weckleins Vorschlage der
Wortlaut der Inschrift von dem Gesetze bei Demosthenes ab-
weichen würde , will ich kein so grosses Gewicht legen , weil
C8 doch in keinem Falle möglich ist, diese.-i Gesetz so ein-
znrtlcken , wie es sich durch den Vergleich der Rednerworte
mit der sechsten Formel § 5:^ etwa herstellen lässt. Demo-
sthenes hat also das Gesetz in einer anderen Fassung vor sich
gehabt, als es auf unserer Tafel gestanden haben kann. Von
Interesse bleibt es aber zu bemerken, wie der Interpolator die
Worte des Redners zur Herstellung seiner Formel benutzt hat.
Diese lautet: dav ti« dicoxTetv|2 ev adXotc ^xmv ev o6(j>
xaOeXu>v r^ev iroXi{ji(p oyvot^ooc eirl BajxapTi knl {ir^Tpl Tf
iic aSsX^ snl doyarpl ij eri icaXXaxJ, av sie iXso—
OlpOK iraiotv 1^^, toutwv svexa ^soysiv xte(-
vavta. Die gesperrt gedruckten Worte fehlen in der Re-
capitulation des Redners § 54 ff., der ausserdem fttr die ersten
Worte bis adXot« schreibt: £v ti< &v afrXot« otRoxia^v^ Ttva.
Dass der Schlnss von dem Interpolator gemacht sei, wird
man Franke p. 9 angeben^ auch wenn man den von Franke
▼oigeschlagenen Schluss xaia tooroiv 90V00 5(xac t<>^ elvat
nicht annimmt. Nach § 55 wflrde man iorw» erwarten,
wie es in dem Gesetse bei ApoUodor 2, 4, 9 heisst, oder
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3&0 VOLKäUi^äCULUäS ÜUEß AUFZBICHNU^'G
xa&opoc» was Demostb. g. Leptmes p. 505 § 158 in Betng
ftof dasselbe Gesets gicbt (Ygl. PUto Gesetze p. 865 B,
869 BO). £xo>v liest der Redner fort — Tielleielit iat das
auek nur, wie Bergk bemerkt, eiii Verseben der Absebreiber —
es Staad Ia dem Gesetae, wie a«s Z. 34 der Insehrift iium
xtet . . . und aus Plate p. 865 B henrorgeht. Der Interpolator
konnte das Wort leicht aus dem vom Redner § 54 gemachten
Gegeusatie ou to oujxßav . . . a>.Aa tTjV tou osopaxoto; öia-
voiav eutnehmeu. Uusere Inschrift halte xtci'vi[) , der Redner
a7;oxr£i'v(j, was vielleicht die Fassung des Gesetzes, der er
folgte, ihm bot (Z. 3U der Inüchrift ist otiroxTcivstv durch den
Umfang der Lücke sicher gestellt) ; vielleicht aber umschreibt
er ebenso wie § 38 a-oxTätVTf^ (Inschrift Z. 27 xtöi'vtu ) vgl.
§ 39 xTEivif) . Der luterpoUtor nimmt den Auödiuck aicoxTSivj^
vom liedner.
Der Zusatz ev o6(|> xaUcXcüv findet sich in Citaten aus
unserer Rede bei Uarpokration. Meiner Ansicht nacli beweist
dies zunJlchst nur , dass damals bereits die Formeln in die
Rede eingelegt waren, nicht aber, wie Sauppe Orator. Att.
zur Stelle wollte, dass die Worte wirklieb im Texte standen
und durch Verseben der Abschreiber später ausgefallen sind.
AebnUcb wie Sauppe, urtheilt neuerdings Bergk: entweder
sei der Znsats ausgefallen oder durch eine spätere Gesetzes-
reriflioii getilgt. Er befimd sieh jedoch nach Bergk in dem
Gesetse, welches dem liedner vorlag, aber dieser erklärt ihn
nicht, weil er ftir seine Zeit kebie Bedeutung mehr hat').
Im Vorbeigehen möchte ich Demosthenes wegen eines ihm
schuld gegebenen MissverstAndnisses in Schutz nehmen. Bergk sagt:
»Die beiden andern FiQe (tt dtfXoi«, h KoU^nit) erläutert er, fireilich
sehr oberflichlich, und das iv iMXIpp besieht «r mit ofTenbarem
Mi*sv»ntftndniM auf den Mord eine« roXIfAto;, während der Gesetz-
geber natflrlich nur an einen cpCXto; dachte.« Ich setze die Worte
des Redners § 55 hierher, aus denen man sehen wird, auf wessen
Seite das Missverständniss ist. ei y**? ^Y'" ^"'^^'"m"' otr^^sU
I
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t
DBB DJUAKO^TIfiCUEN tiEd£TZ£ä. 351
Beigk bat darum aneh diesen Znsati in Ansdilag gebradit
bei sebier Ergänzung der Inscbrift, zn welcher wir gleich
ttbergehen. Das Wort xaOeXtuv erklärt man entweder »töd-
teud" (mit Harp. v. xadsAuiv = avsXtuv ; dann ist aber
das poetische xaUaipsTv für das iu PiO:5a gebräucLliclie avaipsTv
genommen , und ausserdem , wie Bergk bemerkt , die Verbin-
dung lav a-oxT£i'vf^ xaOcAiüv so widersinnig, wie auoxxsiviQ
aTToxTEi'va;. Oder man Ubersetzt «niederwerfend« (mit Harp.
T. 71 h 0Ö4» = xaTtt^aXiuvi, was Franke beanstandete, Bergk
aber durch Plate Protag. p. 313 €. gestützt hat. Unter
006; versteht Harp. v. 0805 einen Hinterhalt (Xo^o?, dvsöpa).
Das geht natürlich nicht. Bergk denkt an »Nachstellungen
eines Wegelagerers in Zeiten , wo wegen der herrschenden
Unsicherlieit jeder bewaffnet ging«. Aber der Gesetzgeber
könne nieht jeden Mord anf der Landstrasse sanetioniert ha-
ben, darum müsse noch ein die Nothwehr bezeichnender
Znsatz hier gestanden haben und ausgefallen sein.
Jetzt gelai^ Bergk zn folgender Ergänzung:
Z. S8. iav m ad(x«»v ap^ovjTa x^^ip]"
- 34. c»[v iv oStp xadeX<DV Iv icoXi|Mp &]fVoi]oac ^ ai-
dXoic] di^xittv X-
- 35. Ts([v^, TOUTtOV
9xtiv 8]i Tooc k"
- 36. [^ito«. xal iav lid SajxapTi \ iicl itoXXaxj« «v
1X1) iitl] iXzud-
- 37. i[p]o[i$ leouol ij iicl [xr^rpl \ eirl «li^Xcp^ \ iicl duYa-
- 38. c xt[eiviq, xwtm Svexa (it; cpsu^eiv xtt(vavta.
Bergk bemerkt zn dieser Ergänzung: »Jetzt ist der Be-
griff der Nothwehr, den ich bei Demosthenes vermisse, klar
ausgesprbchen und, wie ich meine , die richtige Fas.siiug des
Gesetzes wiedergewonnen. — Ist meine Herstellung der In-
schrift gelungen, dann muss man annehmen , dass in der Ur-
kunde bei Demosthenes (sechste Formel § 53j zwei Paragra-
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352
V0LKSÜE8CULU84 ÜB£R AUFZEICUliUNO
phen des Gesetses in einen su««mmengesogeo sind. — Bei
Demosthenes ist nieht nor ti|x(u(>oj{jievoc ausgelassen, sondern
auch die Reihenfolge abgeändert, indem der iraXXaxi) die letzte
Stelle angewiesen wird. Dagegen glaubt Köhler hier den Pa-
ragraphen ZV finden, welehen Demosthenes § 60 anfuhrt xal
2av . . . TcBvavai. Demosthenes sagt allerdings X^y*
raura vojxov, indes« braucht man diese Worte nicht so streng zn
fassen , das Gesetz kann recht g\\t zwischen diesem Paragra-
pl»en und den Beatimmiiugeu über den Mord des Khebrechers
noch andere Bestimmungen enthalten haben.« — Bergk bezeichnet
selbst deutlich die Punkte , an deueu er mit Vermuthungen
reclmet. Die Entfernung der Köhler'schen Ergänzung xai
2av .... teUvavai von dieser Stelle emphelilt sich ja schon
wegen des bereits erwähnten allzuengen Zwischenraumes zwi-
schen dieser Ergänzung und dem Worte EAcuOspo .... Z. 37
(S. 349^ ; der Paragraph wird ja darum nicht ganz aus der
Inschrift beseitigt. Aber einmal zeigt uns die Lücke zwischen
dem Anfange der Bergk'schen Ergänzung und dem Wort-
schluss am Anfange von Z. 33 (sivai nach meiner Ergänzung
s. S. 347) , welche nach Köhlers für mich unannehmbarer
Herstellung der Worte bis xatoßXatl^ Z. 32 noch grosser wird,
— dieae Ltteke, sage ieh, zeigt uns, dass noch nieht alles in
Ordnung ist. Sodann kann ich mich nicht entsehliessen, das
Iv ofif xadiXm der Formel fIBr einen echten, hei DemosÜic-
nes ausgefallenen oder nnerldftrt gelassenen Oesetzestheil anzu-
sehen, da die Abweichungen der Formeln von den Worten des
Redners hi allen anderen Fftllen sich als wlllkOrlich erwiesen
haben und an einer Stelle (zweite Formel § 28j sogar etwas
nachweisbar falsches enflialten (S. 344 f.). Ich kann dämm
hl diesen Worten eines Interpolators, welcher ttbrigens keinor
whrklichen Qnellenttberlieferung folgte, auch Jetst nur einen
frei erfundenen Zusatz sehen, welcher allerdings nach Bergks
Erklärung nicht so onverstAndig sich erweist, als der eben
erwähnte.
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. • •
D£S DBASOHTISGHEN GESET2E8. 353
§5. Achte Formel. Die Erörterungen über die Blut-
gesetze schliesst Demosthenes mit der Verweisung auf einen
Schlusssatz, welcher am Ende einer drakontischen Gesetzes- i
tafel stand : oc av apytüv iSküttj; alTtos; -J tov Osojiov ouy-
j(uö^vat TovOE 7] {isTaTTon^oTQ a-jTov, otTiao? eoTo) xat ot TTaToes
xal ra ixstvoo § 62). Hier bezieht sich 0£3[jio? nicht, wie
Meier De bonis damnat. p. 142 wollte, auf die zuletzt ge-
nannte Bestimmung, sondern auf die Summe der Gesetze. Der
Verfasser der Formel § 62 hielt sich an die Worte des Ked-
ners; am Schlüsse giebt er atijjiov sTvat xai itaTBa? orCfiooc
xai Ta ^sivoo. Das Willkürliche dieser Aenderung bestätigt
der Gebrauch, welcher in derartigen Formeln das Wort artfioc
nicht wiederholt. Dass ein ähnlicher Sata auf dem In-
schiÜtsteine stand, seUiesst Köhler mit Beeht ans dem (ist]-
ait[o]i) Z. 47.
*
§ 6. Für mieh geht ans dem bisher betraehteten hervor,
dass ans der Insehrift kern Beweis Ar die Eehtiieit -der in
die Arlstftkratearede eingelegten GesetiesAnmefai gewonnen
werden kann.
Von den sieben bei Demosflienes dtierten Theiien des
vofioc (povixo; [S. 337) smd jetat alle in naserer Inschrift naeh-
gewiesen Ins anf einen, die vierte Formel § 44: lav
Ttva TÄv av8po^vu)v täv d^eXTjXoÖoTODV , «ov ta )rpr)jxaTa £7t{-
Ti|Aa, ::£pa opoo sXaov^ ij cpipiQ T/ ä'c^, ta loa o<p£{X£iv ooairEp av
£v rf^ T^fiEÖatr^ ÖpaoTß. Von den Worten des Redners § 45 f.
weicht die Formel nur darin ab, dass sie ta laa für tauia und ev
ri\i£.haTrq für oi'xot setzt. Das erste kann willkürliche Aen-
derung sein. Das zweite trifft vielleicht das Richtige, da der
Redner mit oixoi den Ausdruck des Gesetzes umschrieben ha-
ben mag. Der Interpolator wurde indess auf diese Aendenmg
durch blosse Vermuthung geführt , nachdem er bereits in die
zweite Formel § 28 ans § 35 dieselben Worte eingefügt
hatte.
23
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354 VOLK8BBSCHLU88 ÜBER AÜFZEICHKUNO
Wamm finden wir aber dies Geseti nicht in der Inschrift,
und woher nahm ee der Bednert Eine beatinunte Antwort
kann ich daranf nieht geben. Insofern daa Qesets den li5r-
der, welcher wegen (^ovoc axouoto< daa Land mied, bertteksioh-
tigt, konnte man erwarten, es anf tmaerem Stdne wiedersn-
finden. Aber es enthält weder flir denlfdrder, noch für den,
welcher diesen tödtet, eine Strafbestimmung, sondern für den-
jenigen, der ihn iuntrhulb seines Bannes beleidigt. Wenn es
wahrsclieinlich ist, dass es in dem drakontischen vojio; noch
besonders verzeichnete , specieller lautende Strafbestimmungen
gab (S. 142 Aum. Uj, ko wird unter ihnen auch diese ihre
Stelle gefunden haben.
§ 7. Wir haben endlich noch zu fragen, was zwischen
Z. 38 und der Schlussbesümmung auf dem Steine stand, und
was die Besiffemng irptotoc aloiv bedeutet? Für die zweite
Frage ist es nicht ohne Interesse, die Ansichten auch der äl-
teren Gelehrten zu hören, welche sich vielfach mit den früher
(S. 33S) besprochenen Worten des Demosthenes a»c iv rcj»
alovi cipiixai abgemüht haben.
Die meisten Erklärer haben hier nm des Ansdmckes
o^v willen eine Beaiehnng anf ein aolonisehes Geseta ge-
sucht, so, nm die oonAise Anseinandersetsnng Ton Petltns
Leges Atticae p. 610 ed. Wessel, an Ubergehen, Sahnaams De
modo nsnramm p. 767 ff. Nach ihm gab es solonische Zu-
aätae an den drakontischen Qeaetaen, und beide befanden sich
abschriftlich in den Händen der Areopagiten. Diese Anächt
i«t von Schölling De Monis legibus p. 62 und Hermann De
Draoone p. 8 weiter ausgestaltet. Auf den Tafbin , welche
Drakons Gesetze enthielten, waren kurze Zusätze späterer Re-
daction verzeichnet ; diese verwiesen auf diejenigen Stellen der
a5ov£s Solous, an denen dieser Gesetzgeber ausführlicher, als
es Drakon getban hatte, über das weitere, jeweilig zu beobach-
tende Verfahren sich aussprach. Wir hätten hiemach in dem
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DES DBAKONTIäÜU£N a£8ETZE8.
355
▼on Demosthenea oitierten Gesetze eiBen dnkontieelieii dssfios»
natttriieh in einer spiteren Redaetion, welehe demselben die
TerweisuDg anf einen sotonisdien a|a>v hinznfttgte. Das ist
aucli die Ansicht der neueren Heransgeber s. Weber und
Westermann zu der Stelle. Letzterer vermisst eine Zahl des
, «^tov und meint, dass diese ausgefallen sei, da doch sonst,
z. B. bei Plat. Solou 19 ein bestimmter Azon citiert zu wer-
den pflege.
Im Gegensatze zu dieser jedenfalls unrichtigen Auffassung
isprach schon Heraldus Aniraad^. in Salmasium p. 296 die
Vermuthung aus, dass auch ürakous Gesetze seit Solon auf
^5ovs; geschrieben seien , dass also in dem Worte a$u)v eine
Beziehung auf ein solonisches Originalgesetz nicht liegen
mttsse. Dafür kdnnte man nun in dem rptoro; a^cov unse-
Ter Inschrift eine Bestätigung zn haben glauben. Aber He-
raldus irrt in einem Punkte. Die urf^Xai — das ist seine
Ansicht — standen draossen vor dem Gerichtslocale der Areopa-
.giten nnd enthielten nnr die Hauptpunkte der drakontischen
6to(M>(, während drinnen die a6ove< mit den voUständigen
Oesetmn Dnikons standen, «nf welehe von den or^Xat ans
mit den Worten h a^t s?pi]Tat verwiesen wurde.
Dieser Ausweg ist su kllnsflieh, um das Blehtige su treffen.
Es ist bekannt , dass Bolon die Gesetie Drakons Uber den
Bintbann bestehen liess. Dsnaeli bat man die I^nge aufge-
werfen , ob sie dergestalt in den Codex Solons ttbergingen,
dass ihre einaelnen Thäle dem letzteren etwa an Teisebiedenen
dteUen einveiieibt wurden, oder ob sie aneh später ein Gan-
MS bildeten und einen besonderen Theil des Oodez ausmaebten.
Salmasius, Schölling nnd Hermann behaupten das Letztere ; mit
Recht, denn wenn es nicht schon aus den Stellen der Redner,
welche auf Drakon sich berufen , geschlossen werden könnte,
so würde es nun durch unsere Inschrift bewiesen sein. Die
«ntgegengesetzte Ansicht, welche an sich unwahrscheinlich ist,
£ndet sich tlbrigens bei Heraldus, dem Hermann sie bcod^t,
23*
356
V0LK8B£8CIlLUää ÜB£& AUFZEICHl^UNQ
nicht. Salnmios und Hemuum liaben mm aber einen Untencbied
«nfgesteUt swisehen or^Xai, fBr Geselse 0nkon8, und Sfym^ fttr
SoloBB Gesetie. Diesem widersprechen uuere Quellen raf das
bestimmteste. Denn was die or^Xai betrilR, so eitiert M**
lieh Lysias Mord des Eratostii. § 30 ein den Blatbann be«
treffendes, also drakontisches Gesetz ix ttj; aTTjXr,; tt<;
'Apeiou -rroiYOu, ebenso [Demosth.] p. Euerg. und Mnes. p.
1161 § 71 Tou; vouiou; tou? tou ApaxovTO? Tr|<; arr^XT^?.
Andererseits aber beruft sich Andokid. Myster. § 95 auf ein
Gesetz oc sv o'^^i^^Ti ^V'^po^^sv io'i tou ßouX£urr^pi'ou, wel-
ches er für solonisch hält und welches auf keinen Fall älter
ist, als die solomschc Verfassung (S. 59). Wie der Aus-
druck ott^Xy) jeden Inschriftstein bezeichnet , so galt er auch
für alle Tafeln, welche die Gesetze enthielten, nach denen
die Gerichtevorstände bei der Instruction der Processe ihre
Entscheidung zu treffen hatten , gleichviel ob sie alte oder
nene Gesetze enthielten. iV^ovs^ aber sind zunächst die Ori*
ginalezemplare der solonischen nnd der von Solen «nfgenom-
menen dvakontisehen Gesetse, welche swar noch in ihrer nr^
sprttm^chen Gestalt aufbewahrt wurden» aber nicht mehr dem.
praktischen Gebranehe dienten , weil ihr Inhalt auf ot^at.
flbertragen worden war. Anf diesen et^Xai erhielt sieh dann
flir den alteren s. g. sotonischen Thctil der Geaetse die Pfegi-
niemng nach a(ovc<. So wurd andi nnser Inschriftstehi, der
doch Gesetsestafel ist, Z. 7 anJXT] genannt
Die solonischen Originalgesetze — man sah sie we-
nigstens für die ursprünglichen an, mochten sie auch während der
persischen Invasion zerstört und später erneuert sein — waren auf
hölzerne d^ove; und xüp^eic verzeichnet. Die Stellen darüber bei
Preller tu Polemo p. 87 und Bote Axittotel. pseudepigr. p. 413.
Untenchied svisdien dlgovc« mid »6p^tc in Besag auf den Inhalt
der veneidmeten OeseUe bestfttigt sich nach den Nachrichten der
Aelteren (Politie der Athener und Eratoithenes) nicht. Auch Po-»
lemo , der sie sah . macht Eratosthenes gegenüber , welcher beide
dreieckige Körper nennt, nur den Untersciued geltend, daaa die
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0
DES DBAKONTISCHEN GESETZES. 357
Ist Bnn aber das icpärm; Stniv unserer Inscbrift eine Be-
siffemng der solonischen L^;islatar oder des drakoutischen
^esetseseodfix?
4&)niec ^efeckig, die x6p^ dreitekig säen. Ectt Arittoplia&es und
IMdymoi itdleii j«n«n mdtren Untenehied auf, weldwr mflgUcher-
veise, wie Kose vermuthet, gebaut ist auf Lys. g. Nikom. §. 17 J»;
yptj 8j£tv Ta; O'jata; TÖ; h. ~Sm •/.-jpßcwv xat T<üv ott).äv . denn hier-
nach konnte jemand annehmen, die y.jo]5£i; hätten nur gottesdienst-
liche Bestimmungen enthalten. Diese Originalgesetze waren lingst ,
nicht mehr im praktischen Gebrauche. Wo befanden sie sich? Pau-
«aniaa 1, 18, 3 sah ue im Prytaneion nördlich der Akropblia. Ebenda
varen f&» cehon au Polemo« Zeit um 200 yor Chr., den Flut 8ol. 29
nur auBschreibt; dies Prytandon muss also schon in hellenistischer
Zeit vorhanden gewesen sein (Schöll im Hermes 1871 S. 49). Was
die frühere Zeit betrifft, so befanden sie sich nach Anaximenes von
Lampsakos (iv — Zahlzeichen — <Dt/.{7:7:iy.u>v ; so wol zu schreiben
für iv <I)tXt7tnx<i»t) bei Uarp. v. ö xattudev vöp.01; im Rathhause. Dort-
hin — ei; TO ßouXiur^ptov «otl ti^v d-yop^ — • hatte sie Ephialtes von
der Akropolis, ihrem ftltesten Aufbeurahrnngsorte, gebracht Der
Ort ist passend. Denn urenn die Akropolis als froherer, das später
bestdiende (neue] Prytaneion als späterer Aufbeivahrungsort fest-
steht, so ist das Rathhaus auf dem Keramcikos eine passende Zwi-
schenstation. Das alte Prytaneion im Süden der Burg passte nicht,
weil der Altmarkt verlassen war. Auf dem Neumarkt aber im Ke-
rameikos gab es kein Prytaneion, sondern nur Tholos und Buleu-
terion, Amtslocal der RathspryCanen und Sitsungshaus des Bathes.
Eines von beiden wurde also sum AufbewahruQgsorte fOr die Gesetse
gewählt, und als endlidi'im Norden der Burg ein neues Prytaneion
entstand, um das später ein dritter Marktplatz sich legte, wanderten
auch sie dort hinüber. Pollux 8, 128 sl; tö nouTavsiov y.al -rr, ; ctYopäv
}jLeTexo{j.loJ)rjOciv wirft die beiden Versetzungen durch einander. — Wa-f
bedeutet nun aber die Versetzung durch Ephialtes ? deren Anaximenes
erwähnt, denn Harp. v. x6p[:iei; gehört nicht hierher s. o. Anm. 3.
Die Neueren leiten darans «itweder den Zusammenhang der Ein-
schiänkung des Areopag mit der Beform des Heliastenwesens her
oder sie meinen , es habe dadurch das Oesets vor Aller Augen ge-
bracht werden und der Bürger selbst zum Wächter desselben be-
stellt werden sollen. Ich kann mir nicht denken , dass man vor
Ephialtes überhaupt keine Gesetze in der Unterstadt hatte, Ephialtes
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358 voLEaBESCHLuas über aufzeicuhuno
Köhler nimmt unter Zustiramung von Kirchhoff das Erstere
an. Er vermuthet, dass die Inschrift zwischen Z. 3S und der
Schlussformel Gesetze enthielt über Fälle, welche am Pryta-
neion und in Phreattys erledigt wurden , so dass der erste
Axon Solons auf die vier Gerichtsstätten sich bezog, an wel-
chen auch nach Solon die Epheten richteten , der zweite aber
den c^ovo; £x rpovoia; behandelt haben würde, über welchen
auf dem Areopag seit Solon die Areopagiten Recht sprachen.
Gegen diese Anordnung spricht aber, dass der tob Z. 38 an
bleibende Kaum zur Aufnahme der Beatimninngen Aber jene
beiden Gerichtshöfe nicht aosreieht. Der ernte Axon wttrd»
fraiier unter der Voraussetzung dieses Inhaltes manches ver-
nüBsen lissen, was doch auch nicht in einem einzigen swei-
ten gestanden haben kann, z. B. Bestunnrangen Uber die
Strafe, die Daner der Yerbaanong, welche nicht gef«Bhlt ha-
ben nnd auch nicht in dem zweiten aJim, wenn dieser den
90V0« Ix icpovofo^ behandelte, gestanden haben können. Mm
kann dämm ebenso gnt annehmen, dass eine zweite Tafel
Bestimmungen Aber Prytantion nnd Phreatlys enfliielt, ^e
dritte Uber ^ovo« ex icpovo(ac handelte, eine vierte die Straf-
bestimmnngen nach den Kategorien gesondert brachte. Nimmt
man nun an, dass Jede dieser Tafehi einen »Axon« nm-
fasste, so liegt die Annahme nahe, dass das icpwTo; aSo>v der
ersten (nicht npoTcpoc} vielmehr eine ^ezialbeziffemng des
drakontischen vo{j.O( Trspi tou cpovoo sein soll. Dazu kommt
noch ein Moment. Nach der Vertreibung der Vierhundert
also die Gesetze für den prakti.schen Gebrauch der Richter erst jetzt
eigentlich zugänglich machte. Waren es aber die Originale, nach
deren Abschriften man bereits richtete, so mag die Handlung woL
eine symbolische Bedeutung gehabt haben, schwerlich aber eine
poraktiaehe Tfagw^te, wie denn aueh die Stelle dm Anaximenei gana
bdläafig nnd suftllig erwihnt wird ond kein Spttorer davon Avf-
hebens macht. Damm habe ieh froher (Abschnitt T Cap. 2) die
Sache übergangen.
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DBS DRAKONTISCmCN OESET2B8. ^59
ordnete man zwsr eine avafpatpi^ aller Bolomschen, nicht nur
der drakontiBehen Gesetse an (Fh^berger Einl. sa Lys. g.
Nikomaehee ; SehOmann Grieeh. Alt. 1' 8. 584). Aber die-
ser Volksbesdünss von 409/8 bedeht sieh doch auf die lets-
teren allein, und daram aeheint anoh die BesÜfening nnr anf
sie besogen weiden sn ktanen.
Das Teraolasste ndeh früher (Nene Jahrb. f. Fhtt. 1872
8. 593) gegen KOhler die BezeiehniiDg Tcpwroc SJ^fon auf Dra-
kons Codex (seit der solonisehen Redaetion) an besiehen.
Seitdem hat Weeklein S. 15 ff. an Gonsten von Köhlers Auf-
fassung verschiedenes geltend gemacht, namentlich die Schlnss-
formel bei Demosthencs § 62, welche am Ende der Inschrift
Z. 47 wicderkelirt und doch nur am Scliliisse des ganzen
drakontischen voijlo; gestanden haben konue. »Das Sachver-
hältniss« — so bemerkt er — »ist augenscheinlich folgendes :
In unserer Inschrift besitzen wir xov Apaxovto? vofiov tov Tiepl
Tou 90VOU d. h. den Theil des drakontischen Blutgesetzes,
welchen Solon unverändert (mit dem originalen Anfange xal lajx
\iri u. 8. w. Z. 11) in seine Gesetzgebung hertibergenommen.
Solon machte diesen ein^Msh ans dem drakontischen Codex
herausgehobenen Theil zum Ttpäto^ a^tov seiner Gesetzgebung.
Den vorausgehenden Theil Aber vorsätzlichen Mord musste So-
lon einer Aendenmg unterwerfen, ireil der betreffende Gerichts-
hof, der Areopag, durch ihn eine gans andere Gestalt erhalten
hatte.« Diese AnfEusimg ist sehr snsprechend, aber sie be-
wlhrt sieh nicht. SoD denn Sohm den ersten Axon sones
Codex, also seine Gesetse liberhanpt mit dem Satse xal 2av . . .
begonnen haben? IHe kommt es femer, dass Demosflienes,
^dier doeh die drakontischen Gesetse anch nnr nach der
solonisehen Redaetion kennt , in der Aristokratesrede snerst
§ 24 ff. dn areopagitisches Gesets, dann Bestimmungen
Uber (povo; axouotoc nnd Sfxatoc bringt nnd das aUes § 62
mit der Schlnssformel beschliesst? Wenn wir also die Schlnss-
formel Tür drakontisch halten müssen, so hindert nichts, an-
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360 YOLKSBESCULUSS ÜBER AUFZBIOBHinrO
lonehmeii , dass sie in der soloniBehea Beda^tioii ebeiflogut
dem «reopagiüaclien Gesetie aageiiiagt war, und dann kann
sie «Hell nach Jeder dmelnen Rnbrik d«r Blnligeseise wieder-
holt worden sein!
Tiotadem aber bestelle ieh nicht anf der Annahme, dass
die Worte itpdto< o^oiv täsM Speaialiiffer fttr das Gesets Uber
TodtBchlag sind , wenn ich sie auch nicht für widerlegt halte.
Ich denke mir das Verhältniss so: Selon wird die Gesetze
über Blutschuld au die Spitze seines Codex gestellt habuu ;
das Meiste kouiite er unverändert aus Drakons Gesetzgebung
herübernehmeu , das Gesetz über , tpauixa zpovoia;
u. s. w. musste er änderu. Alles das konnte er unter seinen
ersten Axon aufnehmen , konnte es aber auch auf mehre
a;ov£c vertheilen. Wenn man nuu während der um 410
beginnenden avaYpacpr^ durch einen besonderen Volksbeschlusa
eine Abschrift von dem Blutgesetze Drakous zu. nehmen ver-
ordnete und zwar mm praktischen Gebrauche, so konnte man
entweder den ganzen vo;xo; rcspl too 90VOU, wie er seit Solon
bestand, also auch die Bestimmungen tlber den Areopag und
seine Oompetens in ilirer etwas rerinderten Fassung, abschrei-
ben lassen. Oder man konnte das, was man für drakontisch
hielt / aas der solonischen Bedaetion ausheben. In beiden
FiUen konnte man die herkÖmmUehe solonische Paginiernng
beibehalten. Es ist aber keineswegs nothwendig, dass Jede
Stele einen ganaen Azon mnfasste, der Inhalt eines Axon
konnte aneh auf mehre Stelen Tertheilt werden and auf
jeder derselben, wenn der vo|mc tcepl loo 90V00 in dem er-
sten Axon Solons enthalten war, die Bezeielinnng r,^moi aim
sieh wiederholen.
Ob man aber den ganzen vofxo; i:spt too oovou oder nur
den drakontischen Theil desselben auf Veranlassung dieses
Psephisma aufzeichnete, das lässt sich lüclit sicher entschei-
den. Ich gebe nur folgendes zu erwäji^en. Mit den Worten
xal dav fing Solon seinen Codex nicht an. £r musste wenig-
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J
DBB DRAKONTUOaBir GESETZES. 361
steiiB, wenn wirUloh die damit beginnende BesCinunong den
Anfimg maohto, eine kniie aUgemelne Forniel TOituGMliioken.
Knn beginnt aber der materielle Theil der Insehift mit Je-
nen Worten. Dann bleiben nur swei MOglichlB^ten. Man
adnlSb das ganae Gesetz ab, dann ist unsere Stele nicht
die erste, sondern nnr ein fernerer Theil des ersten soloni-
sehen Azon , und dann müssen anch die Prttseripten des Pse-
phisma auf der oder den früheren Stelen , also anf Jeder der
Stelen wörtlich wiederholt sein. Das scheint 'mir kaum an-
nehmbar. Oder diese Stele ist die erste. Dann liob man
nur die drakontischen Tlieile aus, daher der abrupte Anfang,
lu diesem Falle wird man jetzt nicht die seit Solon den Areopag
betreffenden Gesetze wiederholt haben, sondern nur noch, was
das Prytaneion und Phreattys betraf und die Strafbestimmun-
gen , also die Competeuz der Epheten nach Drakons Gesetz,
soweit sie seit Solon noch galt und aufgezeichnet war. Be-
denkt man , dass die Competenz in Blutsachen sich strenge
zwischen Areopagiten und Epheten schied, so wird man diese
Annahme einstweilen , so lange uns nur das jetzige Material
zur Bildung emes Urtheils zu Gebote steht , für die sichrere
halten.
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Register.
(Die Zahlen beziehen sich auf die Seite ; ein beigesetztes A
bezeichnet eine der Anmerkungen.)
Aeschines Gesandtsch. § fil (Glos-
sem) 93 A.
n g.Timarch§80fr. 160 f.
Aeschylos Eumen. über den Are-
opag äflflff.
dfo^d £(pop(a i3J u. A.
aiScio^ai, Construction 115 A.
oTSect; s. Sühne.
Alkmaeon, Megakles' Sohn 232 A.
Alkmaeoniden 219 flf. 211 u. A.
Alter der Gesandten (und Ephe-
ten?) 21L
Äfta otxdCciv der Archoiiten 22fiA.
237. 242.
Amnestiegesetz Solons bei Plut.
Sol. 19j2Mff.
dvdxptoi; hh. f.
dvSpotpövoc, Begriff IM ff.
dsv^ioi, i'^t^ialoX 72 ff.
Anrede bei den Kednem 22 f. 41.
a21ff.
Antiphon Choreut. 2L1 ff. — Schluss
unecht 22 f. — am Pal-
lad, gehalten 23. — § L:
m f.
Antiphon Stiefmutter 38 ff.— ßo6-
Xcuai; 2ä. — am Pallad.
IL — Echtheit? Mf.
—
» erste Tetralogie 2fi A. —
ß § 9: 111. — zweite
2fiA.— dritte Ui. 6SL
v bei Demostb. 178.
avTtufiOOto SSf-
dr.afoifii (p<5vo'j lfl2 ff. — zur Zeit
der Dreissig 5üA. — ina^. zu
den Thesmotheten 1^ f. und
A. 226 f.
aTtcviauTiOfjLOC llfi.
Apodekten 22E.
Apollodor der Alexandriner 9A.
dzöcpaot« (CV)TT)Oi«; desAreop. 171.
269 f.
dpyeiv yeipaäv doixujv Mj
Archonten im Pr)'taneion 22^ —
Spätere Competenztheilung so-
Ionisch 22^ u. A. 242. — als
Richter von Solon bis Perikles
21Aff. 2fi2ff. — Lebenslängliche
und zehnjährige 2A£f.
.BEQI8TEB.
363
Areopag, Name und Sagen 8 ff. —
als Gericht: Verfahren fil ff. —
Beziehung zum Cultus 1^ ff. —
Baupolizei IM. ff. — als StaaU-
rath ilü ff. — Alter des areop.
Rathes 2Ü1 ff. m — A. zur
Zeit der Perserkriege —
unter Ephialtes und Perikles
212 ff. 2M ff. — A. und He-
iiaea 2S7. — A. in späterer
Zeit aül ff. — als Baupolizei
lifiä. — auf späteren Inschrif-
ten ILÖff. — in römischer Zeit
äl4 ff. — Eintrittsmodus geän-
dert S. Dokimasie.
dptonvST^v IM f. IM A.
Aristoph. Kitt. 443. Schol. apo-
kryph. 222 A.
Aristoteles Politie der Athener
2L 23A. m
» Politik 2, 9| 12 Bk.
275f.- 5^ 8.4Bk.
298.
Asklepiades lfi8-
Autolykos l&iL
d^ove; s. xupßetc.
Baaileus vor Solon erster Archon
ßaoiXerc des Amnestiegesetz. 22iZ ff.
ßao(Xeiov 2a5A.
Baupolizei l^ff. 2M. m
Bekk. anecd. 1 p. i&S rEtfidX-njc)
2S3 f.
Blutgericht, Processgang 9^ ff.
Brandstiftung IM.
ßouxoXcTov 235 A.
ßouXcuoic 29 ff. — Strafe 118 f.
Buphonienfest LZ und A.
ßoutpfSvoc 223 A.
Censorische Gewalt des Areopag
Charidemos 131.
C. L A. 38e: 185A.
Cic. pro Balbo 12, 31L: MSA.
» de off. L 22^ Ii: 221-
Confiscation bei cp<ivoc ixo'jotoc
IfiS ff. — bei Tpaüfia ix :rpo-
voia; 113f. bei ßouXcuoi; 115.
Delphinion, Stiftung und Sagen
15 f. — Gericht, Competenz
55 ff. — Verfahren fil ff. S.
Epheten.
Demetrios von Phaleron 3üfi.
Demophantos-Psephisma 5S f.
Demosth. g. Aristokrat. § 2ä ff.
m f. — §. a&i 130f.
— § Slf.mf. -§51ff.
55 — § 60: 57 — §66:
2fifi und A.
» g. Euerg. und Mnes.
§59 ff. 53. — §68 ff. 98 f.
— §12 : m ML
» g. Konon 45 ff.
» Kranz § 132 ff. 178 f.—
§ 134:18a.
. g. Midias § 4.'^i1H>.
» g. Neaera § 9f. 5i 92*
— § lÄ ff . Ififi.
« g. Pantaenet. § 5& ff.
IAA f.
Didymos, Quelle bei Plut. Sol.
21 6 A.
Diipolienfest II u. A.
StitdCeiv u. Ii'x-^i'(^i3i0%ti'i 130.
Dinarch g. Demosth. Hl ff.
I
B£0I8T£B.
364
Dokimasie der Areopagiten 166.
lÜIA. — der Redner lüü.
Drakon s. Areopag, Epheten,
Gesetze.
Eid des Klägers SiL — beider
Parteien äl ff. — Inhalt des-
selben
ixßa>^.etv, verschiedene Bedeutung
iu-zii bei Gradbestimmungen Iß.
Epheten nach Pollux von Drakon
eingesetzt 1 'M . — aber älter
203.— EtjTOologie 213.— Zahl
erklärt 2iü f. — zur Zeit Dra-
kons u. Solons 2üüff. -— rich-
ten seit Solon an vier Stätten
2ÜS ff. — zur Zeit der Redner
2mL aüL — in späterer Zeit
älS ff. — vom Palladion ent-
fernt Ü21L — vom Delphinion
a2Öf. 32fL
Ephialtes 2GL 2SI f . — sein
Tod 21bL — versetzt die Ge-
setze Solons ä^A.
irMtra lälA.
d7:tox-r)7rreiv und Medium 82 A.
157 A.
Erinyen LL — ihr Cult iä5 u. A.
Erziehung, Aufsicht über llii. m
Euthyphron bei Plato OS.
eSftjva 211, 27fi f. 2M. 2Sfi,
Exegeten L 12fiA. 127A.
Flüchtiger Mörder, seine Lage
mff.
Freigelassene, wenn getödtet, von
ihrem Patron gerächt SiS f.
Gemeinplätze bei Rednern ge-
dankenlos \(iederholt 146A.
Geschlechter, attische MUl 2üfi. —
einst zur Blutrache berufen &ä f.
Gesetze in Athen, wo aufgestellt?
340 ff. — Aufzeichnung dersel-
ben Ml u. A. 355 ff. — Dra-
kons und Solons 2M ff. SäfiA.
Gesetzsammlung der alex. Bi-
bliothek 216 A.
Gynaekonomen 308.
Harpalischer Process 171. 177.
Harpocrat. v. ßouXe'jseoi; 2dA.
aL A3f. — v. Irl Ae).«ptv{o)59A.
— V. drtdirou; eopta; 157 A.
Herodot und Thukyd. 22iL
Himeraeos ISS.
u7:o|xv7)|iaTiO[x6; des Areop. üfiSA.
ailL 314.
Idomeneus von Lampsakos 263.
Instruction der Blutprocesse durch
den Basileus Mff.— wo vor-
genommen?
Isokrat. Areopagit. § 2& : 278. —
g. Kallimach. § 02 ff. 54. 98.—
Panathen. § 141 : 277.
Kallimedon 173.
%aöap6;, xaftapii; s. Reinigung.
Ttfjpu; des Areop. 317.
Kimon 249 ff. — «ein Process
2&fi u. A. — Ostrakismos 255 f.
251 u. A. — seine Politik 259 f.
Klage alxiii 2^ Ah.
« ipfiii lliä f.
» doeßedc 1 äfi f. 2&!L — gegen
säumige Kläger? 148.
REGISTER.
365
Klage ußpeoK m M.
IMflf.
Kleanthes IM f.
Kolakreten 22&
Krateros nicht direkt von PoUux
benutzt 140A.
Krisaeischer Krieg 2^A.
Kylonischer Aufstand 215 ff.
Kündung (:rp6ppT^at;) fiS £ — als
blosse Ceremonie ääf.
xjpßeu und <S^ove; 341 A. aM ff.
Leokrates ISSL
Lösegeld für Todtschlag
Lykurg der Eteobutade lüfi f.
» g. Leokrat. § 125ff. äfi.
Lysias g. Agoratos 103 f.
» g. Eratosth. (Natur der
Klage) liSA. —
§ 6d : IM.
» Mord des Eratosth. (Natur
der Klage) — ob vor
Heliasten gehalten ? 32 1 . —
§ 30: 265 f.— §36 : 326 A.
» g. Theomnest. I § 32 : 49A.
Maximus = Philochor. fr.
2MA.
Mass u. Gewicht, Volksbeschluss
über IM. aifi.
Megakles 21£. 222.
Menedemos von Eretria IM f.
Metoeken, wenn getddtet, von
ihrem Patron gerächt äSff.
{ioX6ßSo'j xpateuTat 140A.
Naukrarien, Etymologie 2M A.—
Alter und Bedeutung 2üL 22i.
— ihre Prytanen 21Äff. 22i.
233 f. 2M.
Nichtbürger , wenn getödtet ;
Klage beim Areopag? ^ ff. —
Strafe geringer? 12L
Nichtverwandte als Kläger (bei
Tödtung von Nichtbürgern und
Bürgern) 21 ff.
vopLO<puXaxcc IM ff. 2HL
Nothwehr, Todtschlag aus
Oelbäume IM.
Palladion, Stiftung und Sagen
12 f. — Gericht, Verfahren 67 ff.
S. Epheten und ßo6Xeuoic.
raXXax-?j Iti iXeu^poi« Ttototv 55.
Patrokleidespsephisma 2MA.
Paulus auf dem Areopag 3iäA.
Paus. Ij 28,6 (Opfer am Areopag)
bhA.
^apfxdxov, Klage ^ ff. — Strafe
121L
Phokion lfi2.
<povo? ixoOoioc 53 f. —
Strafe
Iii ff.
» oixatoc äa ff. —
Strafe
123 ff.
£xo6oio; 23 ff. —
Strafe
um ff.
Phrateren HA. — zehn aug-
erwählte zur Sühnung 132 f.
Phreattys lÜ f .
Photios V. TtpoStxaala 221 A.
(puXoßaoiXelc 11. 231. 23& u. A.
23fiA.
366
BE0I8TEH.
Phytaliden, attisches Geschlecht
n&A. 121 A.
Pistias i3 f. UhL
Plato Gesetze passim 5fiA. älA.
5ä und A. IS, ISA.
Plut. Solon IS : 2ia ff. IM. S.
Amnestiegesetz.
» Themistokl. lü : m
Pnyx im
Pollux schöpft aus Demosth. M
u. A. — aus Inschriften , aber
nicht direkt 140 A. — 8^ 4D
falsch 101. — äl ungenau
IMA. — 8, M Quelle Ifiä. —
8_, SS Missrerständniss ülßA.
— 8^ ungenau 111. — 8^
117 ff. QueUe 2L — 8_, 113^
. 12 f. — 8, m (Epheten) m f.
{xaxtf&hdv^: ÜifiA. (*v toi;
ir^Tc gute Uuelle?) 211.
Polveuktos HL 173.
rpoSt-xaoia f.
rpoEtixeiv =s klagen 7Q.
rpöxXTjai; zuna Eide — kommt
im Blutprocess nicht vor 911 f.
rpovota Begriff ; die Absicht muss
auf Tödten gerichtet sein 21 f.
Mf.
Prytaneion 221 ff. 2M. 22h. —
Gericht ird llput. lö f. 22ä. —
8olons Gesetze darin ÜMA.
zpuxaveia, xd 221 f.
Pytheas ISSA.
Reinigung (xaÄapsi;) bei Homer
6A. — 12ß f. u. A. — bei
(Ixaio; ff6soi nöthig &2 f.
Salamis, Schlacht bei (Areopag)
2aii f.
Sittenpolizei (Areopag) lü3 ff. 2ß^
Sklaven können nicht klagen 81.
— wenn getödtet, rächt der
Herr 95.
Solon 8. Archonten, Areopag,
Epheten, Gesetze,
oüpia, Bedeutung 124 u. A.
Sophronisten lü2A.
otoTTjp'.a und otorrjpia IMA.
otfvfai, Bedeutung 218.
Steine auf dem Areopag 97.
qnfi'/.Tj, Gesetzestafel 356.
Stimmengleichheit spricht frei äL
Strafe von Seiten des Blutge-
richts auferlegt 121 A.
Sühne 125 ff. — bei Homer 6 A.
— 1^ ff. — ob auch bei <f6-
vo; ixo'icio; möglich ? lAl ff. —
steht bei cp. dxouato; nicht im
Belieben der Verwandten 147.
Suidas V. ap/oiv 22fiA. 283 f.
Thasischer Krieg 212.
dfjxat des Areopag IMA.
Theophilus i'Tacit. ann. 2^ 55)
315.
Theophrasts Gesetze 114A.
Theopomp 2M ff. 2k f. 2fi2 u. A.
Theramenes 1s4
Thesmotheten u. Archonten 1 33A.
220A. 344 f.
Thukydides und Herodot 220.
Tisamenos-Psephisma 295 f. 341 A.
Todtschlag, in der Heroenzeit i.
S. ^ö'jo;.
Tpaüfilo ix rpovoias 23- — Strafe
m f.
Tptaxdaioi dpiSTivBT^v oixaCovtec
231. 245.
Tyrannis. Tödtung der sie er-
strebenden erlaubt öS f. —
im Tupa^vioi 213 ff.
Verbannung für ^6voc ixodaioi
— Dauer llü f.
Verschwender, Klage gegen IM ff.
PER. 367
«
Verwandte aU Kläger [nach Gra-
den; 11} ff. — bei der Sühne
121,
Volksgerichte (Heliasten) seit So-
Ion und vor Perikles? 2jä ff.
Xenoph. comment. 3^ i (Sokrates
über den Areopagj 'iOSt f.
CVjTTjOi; s. dlrocpaoi;.
BERICHTIGUNGEN.
S. 21i Z. 2 der Ueberschrift steht in Folge eines ärgerlichen Ver-
sehens » (Palladioni « , während es » (Areopag) « heissen
muss, wie in der Inhaltsübersicht S. XV richtig an-
gegeben ist.
An Druckfehlern ist Folgendes zu verbessern:
S. Z. 4 der Anm. L academicarum.
» 12L »4» » Lder Aidesis.
» 2^ « 11 L Jetzt also,
a 25(). n A der Anm. L dass von.
» 264. »3» " Lnon privato.
» 300. » II L TO Xotrov.
Einige abgesprungene oder versetzte Accente wird der Leser
selbst zurechtstellen, wie S. 55^ 11 alY^oiljoa;; 78^ I toü; 339, 5 ap'.
Zu S. 3U0L Die Strabax-Inschrift neuerdings wieder von Hirsch-
feld Archäol. Ztg. lilL N. F. Taf. 60, m u. S. 22 mitgetheilt.
Zu S. 314. Ein uro(AVT](AaTtO|A<6; des Areopag wird noch genannt
'E^7)(x. dpy. IL 1468: xaft' ur. r?); 'A r.. ^ouX"?]; ElotScupo« Elol&oipov
töv u\6s und in einer Sitzinschrift des Theaters bei Keil Philol. 23^
S. 615 = Geizer Ber. d. Berl. Akad. 1872, S. ilÄi 'OXßla; Upt)a;
xa&' unofivT,(jiaiTi«(x6v xai xata Wjcpiofxa (Kaiserzeit).
Verlag der Weidmannschen Buchhandlung (J. Beimer) in Berlin.
Ihodt TM BitHteff vBd Hliitl ia Lalpsif .
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