ROM IN WORT UND
BILD: EINE
SCHILDERUNG DER
EWIGEN STADT UND
DER CAMPAGNA
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ROM
IN WORT UND BILD.
ERSTER BAND.
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ROM
IN WORT UND BILD.
HINK SCHILDERUNG
DER EWIGEN STADT UND DER CAMPAGNA
VON
RUDOLF KLEINPAUL.
'/
ERSTER BAND.
MIT i 7 - ILLUSTRATIONEN.
LEIPZIG
HEINRICH SCHMIDT & CARL GÜNTHER.
1882.
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SEINER MAJESTÄT
König Albert von Sachsen
IN TIEFSTER UNTERTHÄN1GKEIT
GEWIDMET
RUDOLF K LI CIN PAUL.
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Alma parcns hominum, populorum magna sacerdos,
Lucida militia, relligione, fide:
Bis suprcma globi regina, bis arbitra terrae
Et nostri sedes scilicet imperii:
Roma, caput mundi, vetus orbis domna rotundi,
Tot confessorum sanguinc rubra pio:
Urbs sacrata diu mortalibus imperiturae
Saxoniac Regem rite salutat: Ave!
\
\
VORWORT.
Schritt beflügelt und uns einen der vielen Wege
mächtiger Name wie Dunnerrollen unser
ohne die Schauer der
Wir sind m Rom ; ein Genius hat unserr
die nach der Welthauptstadt fuhren.
Ist das jenes Rom, das eine WeJt in sich
kindliches Ohr und die «wachend« Phantasie betäubte, das wir
Unendlichkeit zu fühlen? —
Ist das Rom, die Niobe der Nationen ; ist das Rom , die grosse Karawanscrai der Christenheit , ist das
Rom. das Aachen Italiens, die Krönungsstadt und das ruhmvolle F.rbtheil unserer deutschen Kaiser! —
Ist das die ewige, die heilige, die Sicbcnhugclstadt ? —
Ja, sie ist's! Sie liegt vor Gott in ihrer Majestät und Grösse; eine himmlische Luft zieht belebend in
unsere Brust, eine urwüchsige Vegetation heisst uns erstarken und gesunden, blaue Berge umkränzen duftig und
sanftansteigend das weite Blachfcld — und ein milde*, überirdisches Licht blüht über den sieben Hügeln, verklärt
die schweigenden Ruinen und die hemmstehenden Marmorbilder, weckt in uns eine nie geahnte Stimmung von
feierlicher Ruhe, von andächtigem Gebet, von ernster SabbaUtille.
Es ist, als lernten wir hier erst unsere Erde und unsern Himmel kennen — als seien wir wie Kinder auf
einen Stuhl gestiegen, um naher am Angesicht der unendlichen Mutter zu stchn und sie m erlangen mit unserer
kleinen Umarmung.
Und wie Kinder ruhen wir am Herzen der grossen Mutter, spielen wir mit ihr, laufen wir in ihrem
Hause umher, horchen wir auf die Geschichten, die sie uns erzählt, entzucken w ir uns an den Bildern, die sie vor
uns ausgebreitet hat
Das alles dringt auf uns ein — Altes und Neues, Zerbrochenes und Ganzes, Vergangenes und Umge-
wandeltes, Heiliges und Profanes — das Leben der Göttin und ihr ungeheures Dasein umbraust uns wie ein Meer,
verwirrend, berauschend, hinreissend, überwältigend,
Wie fangen wir es an. einige Ordnung hineinzubringen und diese Flut von Kindnicken zu bemeistern
und zu dämmen! —
Da begegnet uns ein ehrwürdiger Greis, ein alter Romfahrer und deshalb von den Italienern Romeo
genannt : der giebt uns aus dem Schatze seiner Erfahrung einen guten Rath.
Er sagt : Liebe Kinder, seht euch alles an , wie es eben kommt. System ist von Ucbcl in Rom ; da
läuft alles durcheinander, das musst ihr nicht künstlich auseinander nehmen wollen. Denkt an den nachtlichen
-Sternenhimmel uml seine Pracht : da giebt es Sterne, deren Licht Jahrtausende braucht, um zu uns zu gelangen,
andere, die wrr nach Jahrzehnten und noch andere, die wir fast in demselben Augenblicke wahrnehmen, wo sie
erscheinen. Und doch sehen wir sie alle auf einmal und sie bilden für uns alle zusammen ein grosses uner-
messüches Sternenzelt, wie die Kinder und die Greise, die Jünglinge und die Männer eine einzige bunte Gesell-
schaft für uns bilden- Kennt ihr den hellen, rothlichen Fixstern in der Nähe der Plejadcn? Wenn wir unsere
Augen aufschlagen und sein glänzendes Licht bewundern, kann er vielleicht langst untergegangen sein, denn die
Reise, wdche ein Strahl von ihm zurücklegt, dauert an siebzehnhundert Jahre , und doch freuen wir uns seiner,
als begrusste uns ein trauter Zeitgenosse. Solche Sonnen und solche Sonncnwciten finden sich auch in Rom:
bald sind es Aeoncn, dass eine Steile und eine Ruine wie ein Sternbild geleuchtet hat, bald nur ein paar Momente.
Aber in der Gegenwart und im Augenblicke flicssen die alten und die jungen Strahlen zu einer Glorie und zu
einem Kranz zusammen : ich bitte, zerpflückt sie nicht , die blühende Himmelsrose und lasst Rom sein Antlitz,
das tausendfaltige, das ewig w rchselnde, das allgegenwärtige, lebt wohl ! —
Wie wir nun die trefflichen Worte in unseren Herzen bewegen, begegnet uns ein anderer Romeo und
giebt uns abermals einen guten Rath.
Er sagt : Ihr musst methodisch zu Werke gehn. Ei, meine Kinder, Rom zu scheu ist ein grosses Glück
für euch ! Also nutzt dieses Gluck recht aus. Macht euch eine Einthcilung und durch den Kör)>cr der Stadt wie
durch ein Gebirge verschiedene Qucrdurchschnitte. Auf diese Weise gewinnt ihr Profile, durch welche die Structur
und Mächtigkeit der historischen Schichten bloßgelegt wird. Unten fangt ihr an: da lagert klar und stark wie
estdn das cJassische Altcrthum. Es zerfallt in drei parallele lagen, die kostbare Versteinerungen
in der obersten entspringt glcissend die goldene Ader der christlichen Religion. Weiter hinauf gewinnt
Petrus völlig die Oberhand; es entsteht ein secundaria Gebirge, reich an Todtücgcndcm : daran schlicssen sich
kalkige Niederschlage und jüngere Krupttvgebilde. So hauen sich über einander und stetig wachsend die Formationen
auf, bis endlich die verwitterte, zerfressene, von Thälern durchfurchte, selbst in ewiger Wandlung begriffene Kruste zu
Tage kommt, die zu guterletzt vom italienischen Basalt gesprengt und durchbrochen wird. Jede dieser Formationen
musst ihr für sich betrachten und auf ihre Fossilien und ihre Pctrefacten prüfen, dabei wie gesagt mit der ältesten
und mit der jüngsten schlicssen. Rom ist ein Bild der Erde: Glück auf! Treibt in Rom Geognosie.
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Aber wahrend wir wieder über diese Methode nachdenken, begegnet uns ein dritter Romeo und Riebt
uns einen dritten guten Rath.
Kr Mag! : Meine jungen Freunde, Rom ist wie das Meer; seid ihr wie Seeleute, die seine Tiefen messen,
»«gleich oberflächlich und gründlich, frisch und staubig und mit einer blendenden Körnt über bodenlose Wege
täuschend Ihr fahrt lustig auf der Überflache — sie ist eben und spiegelglatt : aber der Meeresgrund bald näher,
bald entfernter. Bald ist das Wasser so tief, dass ihr den Moni Rlane oder den Chimbarazo hineinwerfen konntet
und die Wogen sich über ihnen schlissen . bald ist es so flach, «las* ihr es mit euren Armen abreicht. Nun nehmt
ihr eure Sonde zur Hand und lasst das -Senkblei an der Leine in die Tiefe gleiten : es geht richtig zu Hoden und
steigt langsam wieder in die Höhe, alle Tiefenschichten stetig und der Reihe nach durchbohrend. Ob zweitausend
Kaden oder nur zweihundert gclothct werden, das Niveau des Meeresspiegels bleibt darum doch dasselbe, ohne
örtliche Anschwellungen, der idealen Flache gleich, welche entsteht, wenn wir uns den Meeresspiegel unter den
Gcbirgsmasscn der Erde fortgesetzt und die letzteren gleichsam abgeschnitten denken: Ihr sitzt in eurem Sehifflein
und schickt euer Tiefloth abwärts an einer Stelle nach der andern und habt gleichsam ein Gebirge von Wasser
unter euch, das mit ungleichen Gipfeln den Meeresboden ausfüllt, aber dessen breiten Rücken nur Sonne und
Mond durch ihre Anziehungkraft verändern oder ein spielendes Lüftchen kräuselt.
Das Meer ist die räthselhafte Ewigkeit, die Rom umgiebt ; der Meeresgrund ist der classischc Boden,
über den sie lautlos ebbt und fluthet ; der Meeresspiegel ist die Gegenwart, in der ihr ankommt.
Und die Faden, nach denen die Tiefe gemessen wird, sind die Zeiten und die Perioden Roms : sie haben
kein Ende, sie haben kaum einen Anfang, sie thürmen sich immer hoher, und Jedes Gestern verschwindet unter
einem Heute, das wiederum vom Morgen überdeckt wird.
Die älteste Zeit bespült den jungfrauliclien Meeresgrund. Das Ist das antike Rom : es hat das Hwipt-
bassin geschaffen und angefüllt. Auch die nachstürzenden Fluten hiihlen sieh ihre eigenen Becken aus : sie nehmen
ihren Weg in die Campagna , sie verbreiten sich über das Marsfeld , sie clringen Ins auf die rechte Tfberseitc ;
und die Ticfscc erhalt sich stellenweise rein und unvermischt, dass wir ihre krystallrnrn Wogen bis auf den
heutigen Tag mit unserem Kiel durchschneiden . zum Beispiel am Palatm Aber gewöhnlich laufen die jüngeren
Strome über die Spiegel der alteren Gewässer und bleiben wie Ocl über ihnen stehen oder berühren sich mit
ihnen und tauschen sich aus und bilden ein wunderbares Amalgam. Ist nicht unser Meer wie ein Gebirge aus
Schichten zusammengesetzt unil ruht nicht ulier dem Ocean die Luft, ein anderer Occan? Wer oben üi) Aethcr
schwämme und sich gleich einem Taucher herunterliesse , bis er zu den Korallenriffen und den Ungeheuern der
traurigen Ocdc tief unter dem Schall der menschlichen Rede käme, der vollbrächte eine Reise wie sie das Batho-
meter des louristen in den Abgründen der römischen Ewigkeit zurücklegt.
Wenn wir den Vergleich der Jahre mit den Maassen, die zu Tieflothungen dienen, beibehalten wollten,
so könnten wir sagen, dass das römische Meer bis an dreitausend Faden hat - da wo es ha in die Urgeschichte
I. atiums hinabreicht; dass es an zweitausend Kaden hat — da wo es bis ins christliche Alterthum lünabreicht ;
dass es etwa tausend Faden hat — da wo es bis in die Aera Karls hinabreicht ; und dass es nur zwölf Faden
hat — da wo es in's moderne Italien hinabreicht
Aber es ist nicht gesagt, dass es nicht auch eine Tiefe von vielen tausend Faden haben könnte, wo
eben die italienische Strömung herrscht, weil dieselbe ihre empörten Wellen wohl über das Urmccr und über
alle Tiefcnschichtcn zusammen treiben kann.
Wäre ich nun wie ihr, ich kundschaftete die Stellen aus, wo das Meer ungefähr die gleichen Faden hat,
und misse zuerst die tiefsten , dann ginge ich Schritt für Schritt oder Seemeile um Seemeile zu den flacheren und
endlich zu den flachsten. Dabei habt ihr den Vortheil . einen festen Ausgangspunkt zu besitzen und zwar den
allernaturlichsten: den, wo ihr eben seid. Ihr braucht nur an Bord zu gehn und die Segel aufzuhissen. Es ist
eine lange Reise: die Götter geleiten euch; fahrt wohl! —
Das ist die Methode, nach welcher wir im gegenwartigen Werke haben fahren wollen. Wir sind auch
in Rom, wenn nicht der Wirklichkeit so doch der Einbildungskraft und dem kunstvollen Bilde nach — dem Bilde,
welches einem Gegenstände nicht ferne steht der selbst tin Bild ist, und welches, seiner Klarheit und Deutlich-
keit wegen, einem schwer erkennbaren Original nicht selten vorzuziehen ist. Die ewige Stadt wirft gleichsam ihre
S< hatten in unser.' enge Zelle. Nun diese Schatten zu ordnen erfordert genau so viel Ueberlegung als eine Reise
nach Rom und ein liebevolles Studium an Ort und Stelle ; und da haben wir eben von der Gegenwart ausgehen,
aber uns in der Gegenwart, ohne sie zu verlassen und ohne je mehr aU einen einzigen Punkt >> flomi zu nehmen,
analog dem blciscnkcndcn Seemann vertiefen wollen, das topographische und historische Verfahren combin.rcn.l.
Und sie senkten den Bleiwurf ein, heisst es von den Schiflfslcuten, so I'aulum gen Rom fuhicten, in der Apostel-
geschichte, und fanden zwanzig Klafter tief, und über ein wenig von dannen senkten sie abermal. und fanden
fünfzehn Klafter. Wir sind Nachkommen Pauli, wir haben sein Loth gefunden : luthen wir in Rom selbst
B.tll*.Lel P il|, Z4- J.ni IM*. Kudolf KldlipiiUl,
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INHALTS-VERZEICHNISS.
ERSTER HAUPTTHEIL.
Wanderung durch das antike Rom.
Das Forum. Mu
Erster Anblick — Das Forum, der Marktplatz und die Ding9tatt des alten Rom — Buden und Rathhauscr
Tempel und Gefängnisse — Triumphieren und Khrensaulen I
Die Velia.
Hin Tempel, der in eine Kirche verwandelt w orden ist — das Tcmplum l'aos und die Constantinsbasilica —
Der l'orticus der Octavia — der Triumphbogen und der Triumphzug des Titus 20
Palatium.
Rerniniscenzen an Roinulu» uml Remus und die viereckige Stadt — Besuch im Eltemhause des Kaisers
Tiberius — Augustus macht einen Palast aus dem Palatium — Gastmahl Domitians in der Domus
Flavia — Einfalle müssi^er Pagen im kaiserlichen Pagcninstitut — die Ruinen vom Palast des
Scptimrus Severus 30
Das Thal des Colosseums.
Tempel der Venus und Roma — Colossus, Colysaeus und Colösseum — Besteigung der oberen Stock-
werke des flavischen Amphitheaters — Gladiatorenspiele und Thierhetzen — Plan. Maasse und
Einrichtung des Colosseums — Zerstörung, Ausbeutung und Wiederherstellung des Gebäudes —
Der 1 riumphbogen Constantins 56
Die südlichen Thäler der Stadt.
Auf die appische Strasse — Abstecher auf den Caelius — Die Thermen des Caracalla — Der grosse
Kirchhof der alten Römerwelt — die Grotte der Egeria, das Grabmal der Caecilia Mctella und
der Circus des Maxentius — Pancm et Circenses — Ruckkehr über die Via Osticnsis und durch
das Paulsthor — die Pyramide und der Scherbenberg — Partie nach dem sogenannten schonen
Ufer und der Mundung der grossen Kloake — der Rindermarkt und das Vclabrum 77
Die nordöstliche Hochebene.
Configurat.nn der siel>en Hügel — Wall uml Mauern des Servius Tullius — Sprung auf die Carmen und
Besuch der Titus -Thermen — Die Ruinen des Esquilin — die Diocletians . Thermen auf dem
Viminal — der Quirinal und die Kolosse von Monte Cavallo " .... 100
Das Marsfeld und die kaiserlichen Fora.
Der Tum- und Excrcicrplatz des alten Roms — Gnomons und Mausoleen — das Gcrichtsvierlel lies alten
Rom — die Säulen des Traj.tn und des Marc Aurel — das Pantheon oder der AUgöttertempel
des Agrippa , ein Abbild des Himmelsgewölbes - die Gruppe des Pasquino und die Pasquinaden 1 1 4
Das Capitol.
Marfono — Topographische Uebersicht über das Capitolium und seine Hciligthumcr - Es ist nur ein Schritt
vom Capitol zum tarpciischcn Kelsen — Die Reitersutue Marc Aurel's, der bronzene Gast Ron»
— das Capitolinischc Museum — Schluss der Wanderung durch das antike Rom 13 3
V
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ZWEITER HAUPTTHEIL.
Wanderung durch das altchristlicho Rom,
Santa Maria In Ara-Celi. .„..
Die tiburtinischc Sibylle zeigt dem Kaiser August ms den künftigen Wcltbchcrrschcr — der Altar des
Himmels und die Kirche, die sich über ihm erhebt — die christlichen Basiliken, ihre Entstehung
und ihre Hinrichtung — Christus, Petrus und Rom Ijl
Santa Purtenziana und Santa Prassede.
Der Apostel Petrus wird in dem Hause des Senator l'udcns aufgenommen — Praxedis und Pudentiana,
seine beiden Töchter — die alten Pfarrkirchen und die Cardinälc. ihre Glockenturme, ihre Tri-
bünen und ihre Mosaiken - das F-rbbegralmiss der Familie Pudcns 163
San Paolo fuori le Mura.
Paulus in Rom — seine Hinrichtung und die Abtei der drei Quellen — seine llestattung und die Theodo-
sianische Rasilica — die neue Paulskirche und der Kreuzgang des anstossenden Mcncdictinerklostcrs
— die Mutterkirche von San Paolo fuori le Mura. Santa Maria in Cosmedin 178
San Clement«» Romano.
Gemens Romanus, der apostolische Vater — sein Elternhaus wird in eine Kirche verwandelt, wahrend er
selbst in der Verbannung stirbt — die alte und die neue liasilica oder die Ober- und die L'ntcr.
kirchc von San Clcmcntc — Darstellungen aus der Hcilsgi-j»chichte, der Legende de» heiligen
Clemens und andern Legendenkreisen if?9
Die Callistus- Katakomben und die heilige Caecilia.
Abermals auf die appischc Strasse — Domine quo vadis? — Zurück nach Trastcvcrc — Kirchc und
Legende der heiligen Caecilia — Zum drittenmal auf die appischc Strasse — System, Einrichtung
und Ausschmückung der allchriMlichen Friedhofe — Christus als Orpheus, der Pfau ein Symbol
Li,;: '.;i.;,-,.;l>iiilütit . , , . 1 1 1 1 . 1 1 1 1 , . 1 1 . . , , . . , ■ 1 . 1 20&
Santa Maria in Domnica und San Lorenzo fuori le Mura.
Inschriften in den Katakomben, Sprache und Form — Dominica, die lateinwehe Cyriaca - ihr Haut und
die Amtswohnung des Archidiaconus — das Martyrium des heiligen Laurentius — sein Grab und
seine Kirche in der Campagna 112
Sant' Agnese fuori le Mura und die Agnese-Katakomben.
Legende dg heiligen Agnes und ihr Zusammenhang mit Agnu.>, Lamm — der Friedhof, der sich an ihre
Gruft anschlicsst und angebliche Katakombenkirche — Christus als guter Hirte 228
San Gioyanni in katerano,
Santa Gr»«« in ücrusalemmc. — Santa Maria Maggiore,
Conxtantin der Grosse «rhtrbt d;is nihstentrium zur Staatsrc'.igion und räumt dem HUchot" Mclchiadcs einen
— Omnium
urbis et orbis ecclcsiarum matcr et Caput -
- Episode
aus der Zeit Innocenz III —
Gestalt, die
dcr.t 1 .-,tfrr.nji'.it« Sixtus V. gegeben hat
— Scene
aus der heutigen Zeit : das
johannisfest
profane und iLls christliche Mii--.euni (
les Lateran
Sophocles und der heilige
Iii: polytus 23;
~ — m-— :
Verzeichniafl der Tafeln.
Vit«
Stil«
IXe Hauten Caligula's: Reste seiner Brücke . . T
•3°
Tempel de» Vespasian und des Saturn auf dem Koruni
4
150
8
Treppe tu S. Maria in Araceli .
'5'
Gcsarumtbild des Forum Romanum ......
I 2
Tribuna und Mosaiken von SS. Com
Die Balustraden det Rcdnerbuhnc auf dem Forum .
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■ 7»
M
Die alte Paulikirrhe; a! Triurnphla
>gen und Aptif,
Der Triumphbogen des Titus auf der Via Sacra .
>8
180
3*
llasilica di San Paolo fuori le murj
181
Plan der Ausgrabungen auf dem Palann ....
36
191
Klick durch den Titmbogen auf da» Thal des Co-
Hochaltar von Santa Cccilia in Tri
stevere .
21 2
$«
Die Papstgruft in den CaMstus-Ka
Ji6
60
Deckengemälde aus den Calltstu». Katakomben
»18
68
IzO
7*
Confenion von S. I.orcnto fuori 1c
mura ....
tat
76
Tabernakel Uber dem Hochaltar von
S. Lorcnio fuori
80
•M
84
Der Ambon des Evangeliums in San Lorenzo . .
22b
96
Alte Malereien aus den Katakomben
von Sant' Agnese
*}»
Üdysseiu in der Unterwelt, Wandgemälde vom Ei-
Fatade von Santa Mana Maggiore Sant r Antonio
108
Montc Cavallo oder Piaira dcl Quirinale ....
III
»44
tJO
Zwei frühchristliche Sarkophage .
146
176
Sanctus Hippolylus, sitiende Statue
Ml
Verzeidhniss der Text -Illustrationen.
Die westliche Seite des Forum mit dem Capitol .
1
•i
Das Forum in seiner C
3
Die Spottes des Jemsalctner Tempels, Sculpturen
Der V'espaslantctnpcl un<
1 der Porticus der 1 2 Götter
5
26
Der Concordia-Teropel reslaurirl (nach Caninai . .
7
Der Zug des Triumphalen, Sculpturen vom Titusbogen
*7
9
30
Der Carcer Mamertinus
10
3>
1 1
34
Der Faustinatcmpcl
■3
Grundpinn des Haukes der Livia auf dem Palatin .
.5 5
'4
37
'S
Wandgemälde des Tablinuins im Hause der Livia .
.19
Der Tempel dci Romolu
s, jetit SS. Cosiua e Damiano
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Haus der Livia: Linker Flügel des Tabknums . .
4'
Die Constantinbasilica
22
4 3
Hauptbagen der Consta.
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Marroorgclandcr der Brücke Caligula'» 46 I Seiteneingang tat Kirche S. Maria in Ara-Celi . . m
1 V
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Der Crrptoportkus
49
Obere Gallerie des Kreuxgangs von S. Maria in
\nvi,-h; ,i c <. PaUrin und dr; ('in i: ■ Mixirr.ns
Hethitern- t nrr.ilf.n- im kln.lrr enn S Maria in
Pfcilerhallc und Exedra des Stadium Palatium .
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Ara-Celi
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Antike Treppe im Palast des Septimius Severus . .
SS
/ , V r irn -n in', k'lr.srr-r vnn S \lni. in Wl ( ( Ii
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Inniii- Ansicht Jw Cfilnwum« , , , , , .
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Altes Port.i) ' i Santa Pudcn/iana
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Apsis und Mosaiken von Santa PudenaiaM .
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Kloster und Clni lti-.ilrii.rm vmi Sann Pudiniiana .
1'. 1
LH
LU
Durchschnitt und Aufrtsi i)h Colnstcums ....
60
Innern vi» Santa Pnmuli-
Gladiatoren, nach einer altrOreischen Malerei . . .
71
Die Capeila della Colonna in S. Prassede ....
19
■Mir- \ljlrr.-i mit Arn l'nq j| i. k~ iHtimilwn . . .
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Vcsübulum und Haupteingang von S. Gcmcnte . .
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Sogenannter Tempel iler Furtuna Viriii* ....
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Wall de* Senilis Tulliu»
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S. f1«rn>nti. ■ WirenVr am Hralw» «Ii.« h-il fl-m-r..;
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Die Reservoire der Tituathermen
106
Legendariichc Darstellungen in der Untctkirche von
107
20S
Soiretianclcr !t»i;icl der Minerva Medica . . . .
100
S Cl-.-lilcl.tL-: l.a;i:i .L i]._-. ni-lht;. :! Aie.Miu
_ u
Innerei des Temixls der Minerva Medica
1 10
S. demente 1 Legende des heiligen l.ibertinus . .
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Die Dioakuren auf Monte Cavallo
112
Eingang au den Callistuskatakomhen .....
2 a 9
Der Genius des Mörsfelds mit dem Gnomon . .
1 1 s
Vorhalle von Santa CVr.ilia in Traitevm ....
; 1 j
Tempel des Mars Ultor auf dem Forum des Augustus
...
Valerianua nnd Caecilia, Mosaik in Santa Cecilia in
Das Forum des Nerv« — Lc Colonoacce ....
119
1 ; 1
Säule des Marc Aurel
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Die heilige CacciJia. tnodellirt von Stefano Madeno
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Sogenannter Tempel dea Antoninru Pins ....
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CaUistuikatakombcn 1 Der Todtengriber Diogenes
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Du l'au1l'.eii:i , . ,
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> M.ul.i 11 irasn.".i>. . .
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Ua* Innere de» Pantheon (Ursprüngliche Anlage
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Chriatua all Orpheus. Malerei aus den Calhstus-
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Die Vorderseite des CapitolsplaUes mit den Dioskurcn
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Die drei Maurer im icunir.cn Ofen Malerei :ius den
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Canistutkalakombcn
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Der Capitolaplatz links vom Senatorrnpalasl gesehen
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Da» Capitol : Frc: treppe des. rtenatoreupalastes reit
Laurentius-Medaille
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Kremgang des Kletten S. Ijorenru fuori le mura .
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Der Satyr des Praxiteles im Cauitolinischeo Museum
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Die heilige Agnes. Mosaik in Sant' Aenese . . .
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Arcosolium in den Katakomben von Sant' Agnese .
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Marius — Die j innere Agrippina, Mutter Nero's
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Piazza di S. Giovanni in I-atcrano
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Die heilige Treppe (SS. Sahatore deJIe Sole Sante)
Tauben auf einer Wasserschale 1 Mosaik
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Qaerxchiff und Aml>onen von S. Maria in Ara-Celi
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Haupiemgang der Kirche S. Maria in Ara-Celi . .
■5.1
Antike Sutue des Sophoklea Im [ airran-Miiseuisi
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IHr wpj liehe Sdte des r'otuen out tlera Cipüol, in ihrer jem£en CwUli, im Vunlrrpttwlc dl« Knie der Pwilio Jvlio.
ERSTER HAUPTTIIK1L.
Wanderung durch das antike Rom.
Forum.
L
Abhang eines steilen Hügels, der durch eine Einsattelung in zwei Gipfel zer-
legt und dessen ungleiches Areal mit Palästen, Klöstern und Statuen bedeckt
ist, stehen wir; rechts gegenüber erblicken wir einen amiern, viereckigen Berg, den
ein Chaos von Ruinen und blühende Gartenanlagen überkleiden; und in der
Tiefe dazwischen liegt in grossartiger Verwüstung, rings einstürzend und von öden Brand-
stätten umgeben, der ausgestorbene Marktplatz einer alten Stadt. Er ist wie gekehrt;
kein Hauch von Leben regt sich in dieser Welt von Trümmern; nur hier und da lehnt
ein fremder Pilgrim sinnend an einem kunstreichen Gebälk, einer eingerissenen Marmor-
wand, während über ihm auf den drei Säulen die drei Sibyllen sitzen, und die Sajjc
unsichtbar und riesengross durch die verlassenen Hallen schreitet Wie wird uns?
Welch ein heiliger, ehrfürchtiger Schauer fasst uns an? Der Abhang, auf dem wir
ist der capitolinische , auf jenem Ber^e erhob sich das alte Palatium, und dieser Platz
Forum.
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O, sei gegrüsst. du ehrwürdiger alter Marktplatz, in deinem schauerlichen Ruin, in deiner
«lüstern Grösse! Wagen wir's, zu dir hinabzusteigen? Darf der Sohn einer neuen, glorreichen
Zeit die Steine betreten, auf denen Riesen wandelten, über die der triumphirende Feldherr die
Nationen schleifte, wo die Catonen und die Caesaren ihre Fusstapfen zurückgelassen haben? —
Noch hallt der Donner der riceronianischen Bcraltsamkeit von den zwiefachen Rostris
wieder, das erstaunte Rom hinreissend; noch tagt eine brausende Volksmenge, gleich einem
aufgewühlten, launischen Meere auf dem Comitium; noch richtet sich angesichts dessellten der
Leichnam mit der dreiundzwanzigfachen Wunde geistergleich und dämonisch vom Todtcnbettc
in die Höhe, und die Flammen seines Scheiterhaufens steigen wie Brandfackeln himmelan, mit
denen der Triumvir das Weltreich entzündete.
Grosser, grosser, welthistorischer Platz, wo jeder Stein zu uns spricht! — Die ungeheure
Wirkung, die Rom auf die Menschheit ausgeübt hat, klingt noch heute nach: es lebt Niemand
auf Erden, dessen Dasein durch diese Stadt nicht näher oder entfernter, directer oder indirecter
berührt worden wäre. Nun , gleich wie Rom die Welt elektrisirt , so das Forum Rom : denn
das Forum ist gleichsam ein Rom in Rom, wo sich die Adern des Reichs als in einem Herzen
sammeln, wo der „L'mbilicus Romae" aulragt, wo derlleerd des Staates gegründet ist und das heilige,
unverlöschliche Feuer der Vesta brennt - es ist auf kleinstem Räume das grösste, vollständigste
Bild der Weltgeschichte, vor dem die hohe Sonne, wenn sie in ihrem täglichen Laufe vorülier-
kommt, trauernd anhält, denn wie der melancholische Hirtc klagt, der hier auf dem ( amjio- Vaccino
in Ziegenfelle gekleidet an einem Wagenrade lehnt. Rom ist nicht mehr, wie es einst gewesen:
Roma ! Roma ! Roma !
Roma non e piü come era prima.
IL
Das Wort Forum bedeutet soviel wie Marktplatz, den Ort, wo die Wochenmärkte (nundinae)
abgehalten und die unentbehrlichen, schnellem Verderben ausgesetzten Nahrungsmittel, wie frisches
Gemüse, rohes Heisch, Fische, Eier, Milch den Consumenten dargeboten werden. Es ist dies
ein wesentlicher Bestandteil aller Städte, die gleichsam aus Marktflecken hervorgehen und daher
oft genug sogar ihre Namen von diesem Lokal entlehnen: Wie wir Städte Namens Marktbreit
oder Neumarkt haben, so gab es im Alterthum ein Forum Julii, das heutige Friaul, ein Forum
Iivii, das heutige Forli, und zahllose Fora nova. Ja, mit der zunehmenden Ausbreitung einer
Stadt entstehen sogar in derselben mehrere Märkte. Zu dem Altmarkt tritt ein Neumarkt,
ein Kohlmarkt, ein Viehmarkt, ein Grempelmarkt hinzu; ebenso sprachen die Alten von einem
Forum boarram, d. L einem Rindermarkt, einem Forum suarium, d. i. einem Schweinemarkt,
einem Forum piscatorium, d. i. einem Fischmarkt, und einem Forum olitorium, d. i. einem Gemüse-
markt IX-r alte Hauptmarkt aber gab zugleich die natürlichste Stätte zu Volksversammlungen
und Gerichten her: Mitten auf dem Forum wurden also die Comitien oder die Bürger-
versammlungen abgehalten, in welchen das gesammte, in seine Abtheilungen gegliederte Volk
über die Gesetzesanträge abstimmte, und der Marktplatz war zugleich der Maalplatz oder,
wie es mit einem andern altdeutschen Worte heisst, die Dingstatt. Nel>en diesen allgemeinen
Versammlungen gingen wieder diejenigen nebenher, tlie ein Ausschuss der bejahrten Patrizier,
der sogenannte Senat, in einem Rathhaus abhielt: dieses Rathhaus, vor welchem eine Kanzel, die
Rednerbühnc, stand, hiess Curia und lag, wie gewöhnlich, abermals am Markte. Wie endlich bei
uns in dieser Gegend die ältesten und bedeutendsten Kirchen zu stehen pflegen, ich will z. B. an
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den Markt in Regensburg, in I lalle, den Gensdarmenmarkt in Berlin und an soviele Domplätze erinnern,
die zugleich Marktplätze sind: also wurden an einem Forum die Tempel der (iölter und der
alten Schutzpatrone, des Saturn, der Concordia, der Üioskuren angelegt, während man auf ihm,
wie auf modernen Plätzen, für verdiente Bürger Denkmäler errichtete, l'nd so war denn ein Forum
für die Nation etwa dasselbe, was das mit den Penaten geschmückte Wohnzimmer für die Familie
— das bürgerliche lleiligthum des Volks.
I Jas ungefähr sind die wesentlichsten Züge in dem Bilde , das hier noch kümmerlich und
stückhaft vor uns liegt, und das zu reconstruiren wir uns eben irgend einen modernen Markt-
platz vor Augen halten müssen, obwohl sich ihm sicher keiner an Pracht und Herrlichkeit nur
annähernd vergleichen dürfte. Wenn wir jetzt von einem Forum reden, so pflegen wir dabei
zunächst an Gerichtsverhandlungen und Volksversammlungen zu denken, und die Reste, mit denen das
römische bedeckt ist, und die durchgängig sogenannten öffentlichen Gebäuden angehören, scheinen
auch nur auf dergleichen forense Zwecke hinzudeuten. Aber ursprünglich war das Forum nichts
Uli Va
tu (rillet 4>Uiu|>criij«le
weiter als der
Marktplatz von
Rom, zu welchem,
wie es heisst,
der König Tar<|ui-
nius Priscus die
Tiefe nordöstlich
vom Palatin be-
stimmte. Sie war
noch ein Morast,
ein schilfumwun-
dener Sumpf, der
erst zugeschüttet
und trocken gelegt
werden musste :
der König that es
durch ein unlcr-
Bühne, auf der so erhabene und so weitreichende Dramen abgespielt werden sollten, in Wahrheit be-
schränkt wie eine Bühne — abermals ein Beweis dafür, dass das, was die Geschicke der Welt regiert,
nicht der planmässige Calcül, nicht die l>ewusst und regelrecht zugeschnittene Anlage- des Menschen-
verstandes ist. Die abgezirkelte Symmetrie moderner Bauten, die mechanische Gleichförmigkeit
Berliner und Pariser Plätze findet sich nicht am Forum der Welthauptstadt, das enger und
winkeliger als der Leipziger Marktplatz war. Es bildete ein Trapez, das sich vom Capilolinischen
Hügel im Nordwesten bis zur Höhe des Titusbogens, der sogenannten Velia im Südosten
erstreckte: diese Strecke beträgt etwa 200 Meter, während die Breite am westlichen Ende zu etwa
60, am östlichen zu etwa 35 Meter gemessen wird. Der leipziger Marktplatz, di r ebenfalls kein
ganz regelmässiges Viereck ist, hat, von der Mitte je einer Seite nach der Mitte der gegenüber-
liegenden und von Haus zu Haus gemessen, allerdings nur eine Länge von 153, aber eine Breite
von 70 Meiern.
An den beiden Langseiten dieses Trapezes Hess nun Tarquinius Priscus Hallen und Buden,
die sogenannten Tabernae anlegen: die an der Südseite waren die älteren, sie Messen daher veleres.
die an der Nordseite kamen später hinzu, sie Wessen daher novae. Besagte Colonnaden enthielten
ungefähr alles, was wir in unsern Markthallen erblicken und was wir oben namhaft machten: Kohl
irdisches Riesen-
werk , die soge-
nannte grosse
Kloake, deren un-
längst entdeckten
Hauptarm man
nach soviel Jahr-
hunderten noch
heute am Ostende
des Platzes unter-
halb der Basilica'
Julia bemerkt.
Der so gewonnene
tiefe, künstlich ge-
ebnete Platz war
weder gross, noch
regelmässig : die
und Hülsenfrüchte, Gänse und < Ichsenfleisch — es war ein Fleischerladen am Forum, an welchen sich
eine tragische Scene der Republik anknüpfte. Appius Claudius, der tyrannische Decemvir, hatte,
auf seinem Richterstuhl sitzend, zu verschiedenen Malen ein schönes, junges, kaum erwachsenes
Mädchen in eine Volksschule am Forum gehen sehn. Virginia, die Tochter Virginias', eines
angesehenen Plebejers und die Braut eines Volkstribunen. Ihre naive Schönheit reizte den vor-
nehmen Wollüstling, und er beachten sie in seine Gewalt zu bringen. Einer seiner dienten, Marcus
Claudius, musste vorgeben, Virginia sei kein rechtes, sondern ein untergeschobenes Kind des
Virginias, und zwar die Tochter seiner eignen Sklavin, die er, Marcus Claudius, als sein Eigenthum
reklamire. Der Vorgang ist echt römisch und wird liewunderungswürdig von I.ivius geschildert.
Keine Entführung, kein Betrug, keine offenkundige Gewaltthat ; »lern Frevel bleibt der Schein der
höchsten Gesetzmässigkeit gewahrt. Ein Fremder, der den Grund der Intrigue nicht durchschaute,
hätte in «lern Decemvir den gerechten, durch keine Rücksicht abgelenkten Richter bewundern
müssen. Trotz der Schwüre des Vaters der aus dem Lager herbeigeeilt und in Trauerkleidern
auf dem Forum erschienen ist; trotz der Drohungen des Tribuns und seines Anhangs; trotz der
Tlllinen der unglücklichen Braut spricht er dem Marcus Claudius die Jungfrau zu und heissl ihn
sich ihrer als seiner Sklavin bemächtigen. Da bittet «1er hoffnungslose Vater den Appius um
die Erlaubnis*, noch irinmal, in Gegenwart seiner Tochter, die Amme befragen zu dürfen, tritt
mit den beiden Frauen ein wenig abseits an einen Fleischerladen, ergreift ein Fleischcrmesser und
stösst es Virginia ins Herz — die Rose brechend, ehe sie der Sturmwind entblätterte. Wir
glauben die Emilia Galotti oder Mass für Mass zu lesen, und wirklich ist ja die Geschichte der
römischen Virginia typisch für alle ähnlichen geworden.
Jene Buden waren ursprünglich klein und hölzern, nach Art unserer Jahrmarktsbuden; später,
etwa 290 v. Chr., wurden sie in Peperin und alletruskischem Style aufgeführt, und Luxusläden traten
an die Stelle plebejischer Fleischbänke und Bäckereien. Sie heissen Silberhallen (argentariae
tabernaeV und wir werden uns darunter einerseits Wechselgcschäftc und Bankhäuser, andererseits
Werkstätten von Goldschmieden und Juwelierläden zu denken haben, in denen ein Gallus Air seine
I.ycoris Ohrgehänge mit Perlen und einen bernsteinernen Halsschmuck kaufen konnte: diese neuen
Arkaden müssen eine frappante Aehnlichkeit mit den Gallerien des Palais Royal oder mit dem
Florentiner Ponte vecchio gehabt haben, wo bekanntlich ebenfalls ausschliesslich Schmuckwaaren
und Luxusartikel vertreten sind. Als der Dictator Papirius Cursor im Jahre 309 v. Chr. über die
Sammler triumphirte, wurden die erbeuteten goldenen Schilde den Juwelieren am Neumarkt über-
geben, um damit ihre Läden zu decoriren ; sie lagen nämlich an der Strasse der Triumphatoren
der zum Capitol hinaufführenden Via sacra, an ihnen zogen die Glücklichen vorüber, um sie
erschollen die Danklieder der Erretteten. Endlich, um 197 v. Chr., verschwanden auch diese Peperin-
hallen, nachdem sie ein Jahrhundert l>estanden hatten, daher sich der obenerwähnte Dichter Gallus
wohl vergeblich nach ihnen umgesehen und einen unnützen Weg gemacht haben wird. Allmählich
nämlich wurde der Platz für das mächtige Leben, das sich hier zasammendrängte, zu eng; man
masste daran denken, das Forum zu erweitern und den Verkehr seitlich auszuladen. Dies geschah
durch eine Reihe von Prachtbauten, die, griechisch und mit einem griechischen Fremdworte bezeichnet,
in Rom eine ganz cigcnthümliche Ausbildung erhielten — die sogenannten Basiliken. Man versteht
darunter grosse öffentliche Gebäude, deren Inneres grosse Aehnlichkeit mit einer alten Kirche hatte:
Ein oblonger, durch zwei Säulenstellungen in drei Schiffe getheilterRaum, deren mittleres die grössere
Breite hat und in eine Nische oder Tribuna ausläuft: dieser Theil des Gebäudes Ist von dem
vorderen durch ein Gitter, gleich einem Chore, abgegrenzt, sodass ein reservirter und der profanen
Menge unzugänglicher Raum entsteht; in demselben werden die Gerichtssitzungen abgehalten,
hier wird plaidirt und processirt, während das Schiff dem Handel und Wandel und diu Geschäften
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<l<:r Kauflcute dient. Die zwei Säulenreihen tragen überdies eint! Kmpuru oder eine Gallcrie, die vun
Müßiggängern und neugierigen Zuschauern bevölkert wird, und wo man das bunte Gewühl beobachten
und den Schwurgerichlsvcrhunülungcn folgen kann, ohne sieh seilet hineinzumischen. Hin Dach
scheint nicht gewöhnlich, sondern das Ganze eine offene Halle gewesen zu sein. F.ine solche
Basilica war also ein .Mittelding zwischen Hörst: und Rathhaus oder zwischen Börse und Gericht,
und wohl mögen wir uns den fieberhaften Drang, das dumpfe Brausen solcher Orte vergegen-
wärtigen, wenn wir die Pfcilerstümpfe der Bu-ilica Julia und die unkenntlichen Areale so vieler
anderen aufsuchen.
Denn das Forum bekam gleichsam einen breiten Saum von Basiliken. lJing.s der alten
Buden liefen zu beiden Seiten Strassen, und an diese stiessen Häuser und Gründe von Privaten.
letztere wurden expro-
priirl, die Grundstücke
angekauft und darauf
Basiliken erbaut, die mit
ihren I-angsciten Front
gegen das Forum mach-
ten: die Buden ver-
schwanden , was noch
von Viklualienhändlern
da war erhielt andere
Plätze, und der Haupt-
markt war, ohne seine
ursprüngliche Gestalt
und Anlage zu ver-
lieren, auf die geschick-
teste Weise und sozu-
sagen durch einen Kunst-
griff um das Dreifache
erweitert worden. Der
alte Cato scheint den
klugen Gedanken zuerst
gehabt zu haben. Fr
kaufte vier Stände in
den Markthallen an der
Nordseite und die 1 löte
Der Vcs|Kuüu1cmi*t und Oer I' -rticu-. <lcr u Cutter.
von zwei anstossenden
Häusern an und erbaute
im Jahre 184 die nach
seinem Geschlechtsna-
men benannte Basilica
Porcia, die im Jahre 52
gleich dem benachbar-
ten Rathhause ein Raub
der Flammen wurde ;
179 folgte die Basilica
Acmilia, 169 die Basi-
lica Sempronia; endlich
Caesar, der mit den
meisten grossen Herr-
schergeistern die Leiden-
schaft zum Bauen ge-
mein hatte, der ein
neues Forum, das Fo-
rum Julium ansetzte und
einen Durchstich durch
den, Capitol und (Juiri-
nal verbindenden Rücken
plante, um den Verkehr
mit der im .Marsfeld auf-
blühenden Neustadt zu
erleichtern, er gründete nach der Schlacht bei Thapsus (46 v. Chr.) die grosse Basilica Julia an
diT Südseite, die erst spät vollendet, dreimal durch Brand zerstört, dreimal wieder aufgebaut
und, untergegangen und Jahrhunderle lang vergessen, im Jahre 1871 freigelegt ward: bei der
Ausgrabung fand man die Reste einer Kirche, die in ihr errichtet worden war, und fast bis
zum heutigen Niveau menschliche Gebeine; hier war nämlich der Kirchhof des anstossenden
Hospitals der Consolazione (vgl. unsrr Bild S. 1).
Sie war ein prachtvoller Marmorbau; noch jetzt sieht man geringe Reste der kostbaren
Platten, mit denen der Fussboden getäfelt war, und auf denen die allen Römer nicht bloss Ge-
schäfte abzuschliessen, sondern gelegentlich auch Dame zu spielen pflegten. Der Grundplan ist
ein Rechteck von etwa 100 Meter Länge und halb so breit; dasselbe zerfällt nach einem abweichenden,
aber grossartigen Plane in einen oblongen Mittelraum und einen denselben rings umschlicsscnden,
zwiefachen Gürtel von Seitenschiffen, die durch backsteinerne, mit Travertin verkleidete Pfeiler,
nach der Strasse durch dorische Halbsäulen gebildet werden; das durch Eisengitter geschlossene
Mittelschiff vertrat die Stell«: der sonst üblichen Tribuna oder Apsis, denn in ihm fanden die
Sitzungen des über Civilsachen urtheilenden Collegiums der Hundertmänner statt. Die Gallerien,
auf denen das Publikum den Vorträgen folgen konnte, fehlten nicht, von den dazu führenden
Trep|ien sind noch Ansätze an der Südseite erhalten. Hier lehnten sich ältere Bauten aus Tuff
an die Basilica an, vermuthlich Wechslcrbuden, die sich nach der vorbeilaufenden Strasse öffneten.
Steigen wir auch einmal auf so eine Galleric hinauf, einer Gerichtsverhandlung beizuwohnen,
und machen wir einmal im alten Rom den Pflastertreter. O, die römischen Richter waren nicht
lauter Catonen, sondern Menschen wie andere. Kin Redner entwirft uns von ihnen ein anmuthiges
Charakterbild, aus einer Zeit, wo noch auf dem Comitium Recht gesprochen ward (c. i 70 v. Chr.).
Er schildert sie, wie sie, sorgfältig parfümirt, noch unmittelbar vor der Sitzung bei Tische liegen,
Würfel spielen und mit schönen Mädchen schäkern. Wie es zehn Uhr, d. h. nach unserer Rechnung
etwa drei Uhr Nachmittags wird, schicken sie einen Sklaven auf's Comitium, der sich erkundigen
soll, wie die Sachen stehen, wer für das Gesetz, wer dagegen gesprochen, und welchen Verlauf
die Abstimmung der Tribus genommen hat. I Herauf entschliessen sie sich endlich aufzubrechen,
damit sie ihren Termin nicht versäumen und die Geldbusse bezahlen müssen. Unterwegs sprechen
sie, des süssen Weines voll, wiederholt in kleinen Anstalten ein, die im alten Rom genau so wie
in den gegenwärtigen italienischen Städten eingerichtet gewesen sind. In etwas katzenjämmerlicher
Stimmung kommen sie auf dem Forum an. „Die Sachwalter vor !" rufen sie; der Präsident lässt
die Zeugen vorladen und gehl al>crmals hinaus, sich seines Ueberllusscs zu entledigen. Wie er
zurückkommt, sagt er : „Schon gut, ich hat* gehört, gebt die Stimmtafeln ab." Kr will sie lesen,
al»er die Augen fallen ihm zu, so trunken ist er. Nun ziehen sich die Geschworenen zurück, den
Wahrspruch zufallen, aber dabei klingt es ungefähr so: — „Das verfluchte Geschwätz! 'Irinken
wir doch lieber eine Bowle Meth und essen einen feisten Krammetsvogel oder einen Hecht, der
zwischen den zwei Brücken gefangen ist!"
Der Hecht, der im Schlamme der Tiber zwischen dem Pons sublicius und dem Pons
palatinus fett geworden war, genoss einer besonderen Berühmtheit.
Diejenigen Gebäude am Forum, die zunächst die Augen aut sich ziehen, weil von ihnen
verhältnissmässig noch am meisten erhalten ist, und die mit ihren Säulen gleichsam die Wahrzeichen
des Platzes bilden, sind die Tempel. Wir haben ihrer sechs: drei uralte, dem des Saturn, den des
Castor und Pollux und den der Concordia; und drei jüngere-, verstorbenen und vergötterten Kaisern
geweihte, den des Caesar, den desVespasian und den des Antoninus und der Faustina. Von ihnen stehen
drei am Kopfende des Forums, arn Abhanjje des Capitolinischen I lügcls und unmittelbar unterhalb
des antiken Staatsarchivs, des aus grossen Peperin<|uadern erbauten Tabulariums, dessen mächtigen
Unterbau, vom Senatorenpalast gekrönt, wir auf unserm Bilde (S. 1) im Hintergrund erblicken:
nämlich der Saturn-, der Vcspasian- und der Concordientcmpel ; drei andere am Fussende des
Forums, nach der Velia zu: nämlich der Dioskuren-, der Caesar- und der Faastinatempel ; beide
Reihen bezeichnen etwa die Schmälseiten des Forums, wie die Hallen vorhin seine Lan^seiten
bezeichneten; durch die zwei mittleren, den Vespasianstempel oben und den Caesartempel unten
könnte man allenfalls die Axe des Forums legen. Von dem Faustinatempel steht noch die ganze
Vorhalle mit zehn Säulen und ein Theil der Cclla; von dem Saturntempel stehen noch acht
III.
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Säulen, von dem Vespasianstcmpel und dem Tempel des Castor und Pollux noch je drei Säulen;
von dem Concordicntcrnpcl und dem Cacsartcm|>cl steht gar nichts mehr.
Wir übersehen hierbei den runden Vestatempel, der südöstlich vom Caesartempel am
Kusse dtis Palatin und neben der königlichen Amtswohnung des Pontifex maximus, des antiken
Papstes lag, da wo jetzt die Kirche S. Maria Liberatrice steht.
Der Temj>el des Saturn, (siehe unsere Tafel) dessen acht ionische Säulen, sechs vorn
und je eine von der Langseite auf einem fünf Meter hohen L'nterbau, erst einer späten
Restauration anzugehören scheinen, ist einer der heiligsten, ältesten und sozusagen römischsten
von ganz Rom ; seine Stiftung wird in die mythische Zeit zurückverlcgt. Saturn war. nach einer aus
Der Coocorilli • Tempel, restaurirt • ouh Cinina/.
Aegypten bekannten Vorstellung, nicht nur ein Gott, sondern auch ein alter König von Latium.
Die Sage erzählte, er sei nach längerem Umherirren unter der Herrschaft des Janus nach Italien
gekommen, von diesem gastfreundlich aufgenommen worden und habe sich auf dem Capitolinischen
l Iügel niedergelassen, welcher darob den Namen „mons Saturnius" erhielL Kr lehrte die Menschen
den Ackerbau, brachte ihnen die Segnungen der Civilisation und das goldene Zeitalter; er schuf
sozusagen das Land, welches nach ihm „Saturnia tellus" heLsst; ja in dem Namen Latium selbst,
der Flachland bedeutet, wollte man eine Anspielung auf das Verschwinden, die „Latenz" des
Gottes erkennen, der ihm plötzlich entrissen ward. Ihm zu Khren errichtete man am Abhang
des Capitolinischcn Berges einen Altar ; später {49 t v. Chr.) weihten ihm die Consuln Sempronius
und Minucius an derselben Stelle einen Tempel. Wer dieses Heiligthum betrat, der erblickte darin
das Bild eines alten, bärtigen Mannes mit verhülltem l linterhaupte, wollenen Banden an den Küssen
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und einer Sichel in der Hand; es troff von Od. denn um den Reichthum l.atiums ,in Uelbäumen
anzudeuten, war die hohle Statue mit Olivenöl angefüllt. Seine Gemahlin hiess Ops, die Personi-
ficalion des Kei<:hthums, dessen letzte Quelle der Landbau ist
Ks schien deshalb eine sinnreiche Klee, ihn zum Hüter der aufgehäuften Keichthümer der
Welt zu machen: der Saturntempel war seit den ältesten Zeiten «las Aerar oder die Schatz-
kammer des Staates wie das anstossende Tabularium das Staatsarchiv. In unterirdischen Kellern
wurden hier die öffentlichen Gelder nebst den dazu gehörigen Rechnungen, auch andere Werth-
sachen und Papiere, wie Feldzeichen, Abschriften der Senatsbeschlüsse, Gesetze, Patente und
dergleichen aufbewahrt; eine besondere Abtheilung bildete das Aerarium sanetius, die geheime
Schatzkammer, für die höchsten Nothfälle, namentlich für den einer gallischen Invasion bestimmt.
Gegenwärtig hat bekanntlich nur das Deutsche Reich einen Staatsschatz von Bedeutung: den
Reichskriegsschatz, der im Juliusthurrn der Citadelle zu Spandau in Reichsgoldmünzen niedergelegt
ist; dieser Juliusthurm ist der Saturntcmpel Berlins und noch immer gegen Gallien gerichtet.
Als Caesar bei Beginn des Bürgerkrieges (März 49) dem römischen Volke ein«: Grafikation
versprochen hatte, fehlte es ihm an Geld: er liess sich durch seinen Senat autorisiren, den
Staatsschatz im Tempel des Saturn zu nehmen. Kin Tribun, L. Metcllus, widersetzte sich,
„Ich habe Gallien überwunden", sagte Caesar, „dieser Grund existirt nicht mehr, und die Zeit
der Waffen ist nicht die Zeit der Gesetze". Aber der Tribun vertritt ihm den Kingang und will
den Schatz nicht herausgeben. „Ich werde dich todtschlagen lassen", drohte Caesar zornig, „wisse,
junger Mann, es ist mir weniger leicht, es zu sagen als zu thun."
Das Aerarium publicum, welches der Senat verwaltete, ist verschieden von dem Fiscus
der Kaiserzeit, womit man die aus den Hinkünften der kaiserlichen Provinzen gebildeten kaiserlichen
Cassen bezeichnete, und welcher unserer Civilliste entspricht. Besagte Einkünfte wurden in
Körben eingehoben, und solche aus Binsen oder Stroh geflochtene Geldkörbe, wie sie vermuthlich
auch im Saturntempel standen, führten den Namen fisci. Ursprünglich legte man in den Fiscus
nicht Geld, sondern Obst, Käse u. s. w., und noch heute hat sich bei der römischen Bevölkerung
das Wort tiscella für die Binsenkörbchen erhalten, in welche man eine Art süssen Käse, die
Ricotta, legt.
Links vom Saturntem]*! und unmittelbar unterhalb des Tabulariums erblicken wir eine Säulen-
halle (siehe unser Bild S. 5), den sogenannten Porticus der vereinigten Götter (deum consentum), welcher
auf zwei Seiten die Schola Xantha, ein Lokal für Schreiber und Notare begrenzt; erstcre sind mit
unsern Stenographen zu vergleichen. Dahinter ragt (siehe unser Bild S. 7) schroff und düster
der tarpejische Felsen auf. Rechts davon stösst an das Tabularium die edle Ruine von drei
korinthischen Säulen aus carrarischem Marmor, die rechte Ecke der ursprünglich sechssäuligen
Vorhalle des Tempels, welchen Domitian seinem Vater errichtete und nachmals Kaiser, Senat
und Volk restaurirten (estituer, die einzigen Buchstaben, welche von der Inschrift am Friese der
Vorderseite übrig blieben. (Vgl. unsere Bilder.) Das Gettälk mit seiner reichen Ornamentik
wurde lange Zeit als eins der herrlichsten Vorbilder betrachtet: am Fries der auf unserer Tafel
sichtbaren Seitenfront lassen sich noch ein Stierschädel und zwei Opfergefässe unterscheiden. Aber-
mals weiter rechts und el>enfalLs mit der Rückwand an das darüber ragende Tabularium gelehnt
stand der Concordiatempel , von dem wir auf S. 9 ein prächtiges Gcsimsstück , wie sie rings
umherliegen, bewundern können, während er auf unserem Bilde S. 7 mit der heiligen Strasse
davor, dem Tabularium dahinter und dem Vespasians- und Saturntem|iel daneben die her-
vorragendste Stelle einnimmt
Der Concordiatempel wurde im Jahre 366 v. Chr. von dem Dictalor M. Furius Camillus
erbaut. Als der greise Kriegsheld die Gallier zum letzten Male geschlagen hatte und nach
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Rom zurückgekehrt war, weihte (t den Abend seines Lebens einem Werke der Versöhnung:
er vermittelte die Annahme der Licinischen Gesetze und dadurch den Frieden zwischen Patri-
ziern und Plebejern, worauf er der Eintracht dieses schöne Denkmal setzte und, von ganz
Rom betrauert, starb. „Concordia res parvae crescunt", das legte er seinen Mitbürgern wie ein
scheidender Vater auf dem Todtenbette an's Merz, das sollte das Füllhorn ausdrücken, welches die
Göttin der Eintracht in ihrer Linken hielt; in ihrer Rechten hatte sie einen Oelzweig. Der (von Tiberius
restaurirte) Tempel erhob sich, wie unsere Abbildung zeigt, auf mächtigem Unterbau ; eine Freitrep]>c
führte zu der Vorhalle mit siths korinthischen Säulen an der Front; Fussboden und Wände waren
mit farbigen Marmorplatten bekleidet, der Saal mit Gemälden und Statuen geschmückt. IX;r Saal,
denn in ihm versammelte sich in den Zeiten der Republik zur Beratschlagung wichtiger An-
gelegenheiten, wie unter
anderem bei der Catili-
narischen Verschwörung,
der Senat,
Die Senatoren
hielten ihre Sitzungen
gewöhnlich im Rathhaus
ab, in der von Tullus
Hostilius 2u diesem
Zwecke am Comitium
erbauten Curia Hostilia.
die an der Nordseite, bei
der Kirche S. Adriano,
zu suchen ist, und vor
welcher die älteste Red-
nerbühne stand; letztere,
welche von den völki-
schen Schiffsschnäbeln,
mit denen sie geschmückt
war, den Namen Rostra
führte , war halbkreis-
förmig wie eine Kanzel
ausgebogen, genau ent-
sprechend den Ambonen
altchristlicher Kirchen,
OnnmulutV rum CcnrodiiUeMptt.
und so eingerichtet, dass
sich der Redner nach
Belieben zu den Sena-
toren und zum Volke
wenden, in die Curie
hinein und zum Comitium
hinaus sprechen konnte;
denn die Sitzungen des
Senats waren halb öffent-
lich, er berieth bei offe-
nen Thüren, und auf den
Bänken am Portal der
Curie sassen die Volks-
tribunen. Sj>äter indes-
sen traten die Senatoren
auch in Tempeln oder
sonst einem durch die
Auspizien geheiligten Ort
zusammen, und so hatte
sie Cicero am K. No-
vember 63 in den Tem-
pel des Jupiter Stator
auf dem Palalin berufen,
wo er seine erste Catili-
narische Rede hielt :
Quousquc tandem abutere, Caülina, patientia nostra! Die zweite und dritte war an das Volk
gerichtet, aber die vierte (5. December) abermals an den Senat, der diesmal im Tempel der
Concordia versammelt war, um über Leben und Tod der Gefangenen zu entscheiden. Hier
war es, wo der Consul indirect die härtere Strafe anempfahl, und der Senat, trotz Caesars
Widerspruch, unter dem mächtigen Eindruck einer zweiten, von M. Porcius Cato gehaltenen
Rede, auf sofortige Hinrichtung der Verbrecher erkannte, welcher verfassungswidrige Bcschluss
(denn nach altem Rechte konnte nur die gesammte Bürgerschaft über einen römischen Bürger
das Todesurtheil aussprechen) noch am Abend desselben Tages in dem unterirdischen Gefängniss
nebenan, dem Carcer Maniertinas vollzogen wurde.
„Est in carcere locas <|uod Tullianum appellatur, circiter duodeeim pedes humi depressus.
Eum muniunt unditjue parietes atque insuper camera lapideis fornieibus vineta; sed incultu, tenebris,
odore foeda atque terribilis ejus facics es»".' 1 So beschreibt Sallust das grauenvolle, in den Capito-
linischcn Berg eingehauene Verüess, wo die Scharfrichter den Verschwörern die Kehle mit einem
Stricke zusammenschnürten. Ks ist das untere, von Servius Tullius angelegte Gemach des Kerkers.
Auch Jugurtha wurde nach dem Triumphzuge nackt ins Tullianum geworfen : „Herkules", rief er
lachend, „wie kalt ist euer Bad!" Dann ranj,' er hier sechs Tage lang mit dem Hunger. Alle feind-
lichen, im Siegesgepränge aufgeführten Fürsten und Feldherren wurden hier vom Lehen zum Tode
gebracht, aber gewöhnlich erdrosselt, wie jene Staatsverbrecher; die Leichname dann mit Haken
herausgezogen und an die Gemonischen Treppen, den altrömischcn Rabcnstcin, geschleift. Wir werden
auf dieses Lokal zurückkommen, das an Schrecklichkeit keinem italienischen Gefängniss etwas nach-
giebt, und wo der Tradition nach auch der Apostel Petrus geschmachtet hat : auf sein Gebet ent-
sprang daselbst ein (Juell, mit dem er seine Wächter, Processus und Martinianus und 47 Mit-
gefangene taufte. Das Loch, über welchem die Kirche der Zimmerleute S. Giuseppe de' Fale-
gnami steht, heisst daher S. Pictro in Carccrc.
Wenn hier, wie so oft, das Christenthum selbst in"» Heidenthum hineinspielt, so liest sich
dafür die Geschichte des Diöskurenlem|>els, in welchem elient'alls häutig Senatssitzungen gehalten
wurden , wie Schlachttages
erschienen auf
dem Forum 2
Götterjünglinge
in glänzendem
Waffenschmuck ,
tränkten ihre
Pferde an dem
Brunnen beim
Vestatempel
und verkünde-
ten der erstaun-
ten Bevölke-
rung den Sieg.
I )as .ir<-fi dii:
Ua Carter Mamertiftiu.
die einer christ-
lichen Kirche.
Es ' war ein
Wunder , wie
man es von un-
sern Heiligen zu
sehen gewohnt
ist. Am Regil-
1er See hatten
die Römer 496
v.Ch. einen Sieg
über die Latiner
davongetragen.
Am Abend des
Dioskuren, Castor und Pollux, und man beschloss den beiden Schutzpatronen dankbar an dieser
Stelle eine Votivkirche zu gründen. Das republikanische 1 leiligthum wurde späterhin von Tiberius
mit deutschem Gelde verschönert und erweitert, und diesem Neubau des Tiberius gehören die drei
korinthischen Säulen von parischem Marmor an, die wir auf S. 1 1 erblicken, und die der Mitte der
südöstlichen 1-angseite des dem Forum zugekehrten Tempels angehören.
Sie sind ausgezeichnet durch ihre schönen Verhältnisse sowohl, als durch die vortreffliche
Arbeit der Verzierungen, die man zumal an dem wohlerhaltenen Gebälk bemerkt. Wahr-
scheinlich standen ihrer dreizehn an jeder Langseite und acht in der Front; der Unterbau ist
sieben Meter hoch. Die Stufen, die hinauf führten, sind noch grossentheils zu erkennen; am
Forum sprang eine Freitreppe von achtzehn Stufen vor. Dieser Tempel hatte einen Antipoden
in dem schräg gegenüber an der Via sacra gelegenen Faustinatempel, zu dem ebenfalls eine Frei-
treppe von zwanzig Stufen hinaufführte; die beiden Freitrepjwn waren sich wie Füsse oder, wenn
man will, wie Stirnen zugekehrt. Durch die neuesten Ausgrabungen ist die Facade des Kaustina-
') 1« Genlagniu ist eil Ranm, de» TullUnum genannt «ir<l, etwa xwnlf Fun UM» der Erik. Ihn ■muhUcu» rlngsam RMl
«ml darutxf liegt eine andere Kimaver mit einem Krvargtwulut ; »ba in Folge seiner Wandten, Pirtncrnut uitd Auvjuuuuiig lluut er Furcht
and EoticUfa do.
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tempels vollkommen freigelegt, die Säulen sind nicht mehr halb im Schutt begraben, die- Strasse,
welche sich hier am Forum hinzog, existirt nicht mehr.
Die Gemahlin des frommen Antoninus war eine ernaneipirte Weltdame gewesen, und doch
machte er ihr zu Ehren nicht nur eine Stiftung für arme Mädchen, welche puellae alimentären:
Faustinianac hiessen, sondern widmete ihr auch einen Tempel, der ihm nach seinem Tode auf
Beschluss des Senats (Divo Antonino et Divae Faustinae ex S. C.) mitgeweiht ward. Die Vor-
halle dcssellien hat zehn korinthische, aber nicht cannelirte Säulen von Cipollino, sechs in der Front ;
die Capitäle sind verstümmelt gleich den Greifen, welche, durch Candelaber und Vasen geschieden,
die Decoraiion des Frieses bilden. Die Mauern der Cella bestehen aus Feperin<|uadern , die
mit Marmor bekleidet waren: von dieser Bekleidung bemerkt man noch ein Pilasterrapitäl. Benrits
1430 legten sich die
römischen Apotheker in
der Vorhalle eine kleine
Capelle an, die, weil sie
das ehrwürdige Monu-
ment verunstaltete, bei
dem Einzüge Karls V.
niedergerissen wurde ;
1602 bauten sie eine
neue in die Cella ein.
Diese geschmacklose
Kirche, zu welcher seit-
wärts eine Brücke über
den tiefliegenden antiken
Boden führt, krönt ba-
rock die etilen Reste des
Alterthums, und dennoch
nannten sie unsere Apo-
theker San Lorenzo in
Miranda, ein Name,
der augenscheinlich von
den bewundernswerthen
I Denkmälern in ihrer Nähe
hergenommen ist.
Zwischen dem
getragen und vor den Rostris niedergesetzt: Antonius stieg hinauf,
er, „wenn ich einen so grossen Mann allein loben wollte. Hört die Stimme des ganzen Vater-
landes." Und langsam las er die Senatsbeschlüsse vor, nach welchen dem Caesar göttliche
Ehren zugestanden waren, in denen er heilig, unverletzlich, Vater des Vaterlandes genannt ward.
Wie er diese letzten Worte aussprach, fügte er, zum Todtenbette gewandt, hinzu: „Und das
sind die Beweise ihrer Güte. Bei ihm fand jeder, jeder Hülfe, und er konnte sich selbst nicht
retten : sie haben ihn ermordet Und doch sc-.hwuren sie, ihn zu vertheidigen, sie fluchten allen,
die nicht mit ihrem Leben für ihn stünden !" Hierauf erhob er die Hände zum Capitol : „O, allmäch-
tiger Jupiter, Hüter dieser Stadt, und ihr himmlischen Götter, ich rufe euch Alle zu Zeugen an:
vernehmt meinen feierlichen Eid : ich werde ihn rächen !" Er trat wieder an den Sarg und
stimmte einen Hymnus auf den grossen Todten an; mit fiebernder und glühender BeredLsamkeit
Uct DkukuiYDtanpcl.
Dioskuren- und dem
Faustinatem|vcl, hart vor
dem ersteren und gleich-
sam einem der beiden
Dioskuren die Aussicht
versperrend, aber selbst
Forum und Comitium be-
herrschend und gerade
das Capitol anblickend,
lag der Tempel Julius
Caesars, davor die Red-
nerbühne, die er hierher
verlegt hatte, und auf
welcher Antonius dem
Ermordeten die Leichen-
rade hielt.
Bereits stand sein
Scheiterhaufen auf dem
Marsfeld ; aber erst
musste auf dem Forum
nach altem Brauch die
Slandrcde gehalten wer-
den. Mit Pomp wurde
der Leichnam auf elfen-
Ivcinerncr Hahre dahin
„Es wäre Unrecht," sagte
schilderte er seine Krieg*', seine Triumphe, seine Eroberungen-. „O du siegreicher Held, hast
du deine Schlachten nur geschlagen, um mitten unter uns zu fallen" — und er reisst die Toga,
die den Leichnam deckte, weg, zeigt dem Volke das Blut, mit «lern sie gcröthet ist, die Stiche, wo
die Dolche der Unmenschen hineingefahren sind. I>ie Menge beginnt zu schluchzen, der Redner
weint selbst; aber er braucht noch eine neue Wendung. Der Todte lag ausgestreckt und den
Blicken unerreichbar auf der Bahre. Plötzlich richtete er sich auf. Der Imperator mit den
dreiundzwanzig Wunden in der Brust und im Angesicht, wahrscheinlich ein Wachsbildniss , er-
steht und dreht sich langsam im Kreise herum, dass man auf dem ganzen Forum den Blutenden
sehen kann; und der Trauerchor singt: „Ich habe sie gerettet, um durch sie zu sterben."
Da erträgt das Volk den Jammer nicht mehr; es glaubt den Schatten zu sehen, der
Rächt! von ihm fordert: man rennt zu der Curie, wo Caesar erschlagen worden ist, steckt sie in
Brand ; man sucht die Mörder, und durch die Namensähnlichkeit getäuscht, reissen die Wüthenden
einen Tribun in Stücke, den sie für Cinna, den Praetor halten. Die Curie des Pompejus steht in
Mammen ; sie nehmen die glühenden Keuerbrände und setzen den Verschworenen den rothm Hahn
auf die Dächer; dann eilen sie zum Leichnam zurück, der im Jupitertempel selbst verbrannt werden
soll. Da die Priester Einspruch erbeben, tragen sie ihn wieder aufs Forum, vor die bereits er-
wähnte Königsburg des Xuma. die Regia, wo Caesar als Pontifex Maximus gewohnt. Linen
neuen Scheiterhaufen improvisirend , hauen sie die Bänke, die Richterstühle, die Wechslcrtischc
klein; die Soldaten werfen ihre Speere, die Veteranen ihre Kränze, ihre Ehrengeschenke, ihre
Auszeichnungen, die Frauen ihren Schmuck ins Feuer; man glaubte die Dioskuren Castor und
Pollux zu sehen, wie sie selbst die erste brennende Fackel brachten. Das Volk verbrachte die
ganze Nacht beim Scheiterhaufen. Ein Komet, der um diese Zeit erschien, gab dem Fanatismus
Recht: Caesar war unter die Götter aufgenommen worden, für die Mehrzahl ein wirklicher,
unumstößlicher Glaubenssatz. Dem einen sichtbaren Ausdruck zu verleihen, Hess Octavian im
Venustempel eine eherne Statue seines Adoptivvaters mit einem goldnen Stern auf dem Kopf auf-
stellen; Später, nach der Schlacht Itei Actium, erbaute er ihm auf der Vcrbrennungsstälte, die bisher
nur ein Altar bezeichnete, oberwähnten Tempel, dessen massiver Kern 1X72 aufgedeckt worden ist.
IV.
In den Tempefal wurden die Götter und zu Göttern erhobene Menschen angebetet. Al>er auch
groSM Männirr verehrte man auf dem Forum : ihre Standbilder waren unbedeckt auf Postamenten
und Säulen aufgepflanzt ; dieser Platz glich nicht nur einem Pantheon, sondern auch einem
Nationalmuseum.
Ein Wahl von Fhrensäulen und Ehrenstatuen überwucherte den Marktplatz, mehr Schatten
gewährend als die drei edlen Culturgewächse , welche von den Plebejern als die köstlichsten
Geschenke des Himmels auf ihrer ursprünglichen Malstatt angtrpflanzt worden waren, und du-,
von Geschlecht zu Geschlecht gepflegt, fortdauerten und grünten, nachdem das Forum lange
gepflastert war, bis in die Kaiserzeit hinein: der Feigenbaum, die Weinrebe und der Oelliaum.
der gleichfalls auf das Comitium versetzte heilige Feigenbaum , unter welchem die Wölfin die
Zwillinge gesäugt, verdorrte unter Nero. Tacitus erzählt es mit dem Gefühle, dass der
Untergang des Grossen in cler Menschheit auch die Natur berührt, und mit dem Ausdruck«?
vaterländischer Wehmuth, die sein unsterbliches Werk durchzieht. Diese Kinder einer vergessenen
Natur versteckten sich furchtsam , wie einsame Fremdlinge , vor der stolzen Pracht und den
glänzenden Schöpfungen der Kunst. Vor diesen steinernen Männern, diesen metallenen Reitern,
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die hier wie die Pike aufgeschossen waren; schon Cato wollte lieber, dass die Leute frügen,
warum ihm keine, als warum ihm eine Statue gesetzt sei.
Die Ehrensäulen mussten nicht gerade nothwendig Portraitstatucn auf ihrer Spitze tragen:
die des Duilius, von der Nachbildungen auf dem benachbarten Capitol im Conservatorenpalast
und bei der Auffahrt zum Pincio zu sehen sind, war nur mit den von ihm erbeuteten Schiffs-
schnäbeln geschmückt; die des Maenius ebenfalls unbesetzt, denn auf sie stieg täglich vermittels
einer Leiter ein Gcrichtsdiencr hinauf, um, nicht unähnlich einem orientalischen Mueddin, Mittag und
Sonnenuntergang auszurufen, sie vertrat also gewissermassen die Stelle einer Marktuhr. Uebrigens
diente die Columna Macnia auch als Pranger, woran schuldige Sklaven und Diebe angebunden
und öffentlich gezüchtigt wurden. Gewöhnlich indessen gaben diese Säulen nur Piedestale, vor
Der FftuilinMempel.
allem für Kaiserbilder ab, wie auf drei anderen römischen Säulen gegenwärtig Heiligenbilder
stehen : und ein solches Piedestal ist uns auf dem Forum noch erhalten, nämlich das letzte seiner
Art, die berüchtigte Phocassäule (S. 14), die Jahrhunderte lang das Wahrzeichen des verschütteten
Forums geblieben ist
Auf ihrem Gipfel erhob sich die Porträtstatue des byzantinischen Kaisers Phocas, dessen
struppige, koboldartige Miss^eslalt in vergoldeter Bronze wiedergegeben war. Sie selbst ist canne-
lirt und von korinthischer Ordnung: ihre Arbeit, die den gut?n Zeiten der Kaiser entspricht,
setzt ausser Zweifel, dass sie einem älteren Gebäude entnommen worden ist. Das Postament
ruht auf einer viereckigen Substruction von Backsteinen und diese wiederum auf einem pyramidal-
lormigen l'nterbau, an dessen vier Seiten Stufen hinaufführten, die stellenweise noch erhallen
und aus antiken Bruchstücken zusammengesetzt sind. Daneben liemerkt man noch verschieden«
Postamente, auf denen vermuthlich ebenfalls Ehrensäulen standen: Fragmente von rothem orienta-
lischem Granit liegen haufenweise umher.
Auf unserer restaurirten Ansicht des Forums erblicken wir rechts von der Phocassäulc
auch eine Reiterstatue, die eine /weite Gattung von Khrmdcnkmälcrn repräsentirt. Ms ist nach
der Ausdruckweise der Römer, denen das Ross mehr als der Reiter in die Augen zu stechen
pflegt, das Pferd Domitians (K(|uus Domitiani), für uns besonders dadurch merkwürdig, dass unter
seinen Vorderhufen unser Rhein, der gefangene Rhenus liegt; der Kaiser, der mit der aus-
gestreckten Rechten Frieden gebietet, in der Linken eine gewappnete Pallas hält, hatte einen Feldzug
gegen die Hessen unternommen und denselben beendet, ohne einen Feind gesehen zu haben, aber
dennoch geglaubt, einen glänzenden Triumph feiern und sich aufs hohe Pferd setzen zu müssen.
Es stand in der Mitte
des Forums, auf cl>rn
jener Stelle, wo dereinst
ein besserer Ritter, Mar-
cus Curtius, der höchste
Schatz Roms, in dem
gähnenden Abgrund ver-
schwunden war: Nichts
besseres hatte Rom, als
Waffen und Helden-
muth. Das eitle Monu-
ment Domitians wurde
vom römischen Volke
selbst, gleich allen Bild-
nissen des verhassten
Kaisers, unmittelbar nach
seinem Tode zerstört und
mit Wuth, als gälte es
dem lebenden Tyran-
nen, in Stücke gerissen.
Ein ähnliches Schicksal
wurde einem anderen
Denkmal eines Sieges
über Germanien zu
Thcil , dem Triumph-
iii« Pbocauluic.
bogen Tibers, den wir
auf demselben Bilde
zwischen dem Saturn-
und Vcspasianslcmpi-1,
hinter Ehrensäulen ver-
steckt, wahrnehmen, und
der die Wiedereroberung
der unter Varus ver-
lorenen Feldzeichen ver-
ewigen sollte: der Tri-
umph des (iermanicus,
in welchem er Thusnelda
sammt Sigmund und
ihrem eignen neugebor-
nen Söhnchrn aufführte,
war vielmehr das Ende
als der Anfang des
römischen Glücks ge-
wesen, das wie jene
Denkmäler, ja wie Cae-
sar Germanicus selber,
frühe unterging und
starb.
Der Triumphbogen
Tibers führt uns auf
eine dritte Gattung von Ehrendenkmälern, der wir in der Stadt noch wiederholt begegnen werden
und von der wir jetzt im Triumphl>ogen des Septimius Severus das erste Beispiel sehen: die
Arcus triumphales. In der republikanischen Zeit verstand man unter diesem Ausdruck ungefähr
dasselbe, was wir in Deutschland unter einer Ehrenpforte: einen provisorischen, hölzernen, über
die Strasse, wo der Triumphzug durchkam, geworfenen und nach dem Feste wieder abge-
brochenen Bogen. Erst unter den Kaisern wurden diese fliegenden Ehrenpforten in dauernde,
marmorne verwandelt: sie dienten nicht mehr zu Thoren für den kommenden Zug. sondern zu
Denksteinen eines längst vorübergegangenen, obwohl sie naturgemäss noch immer gern über die
Triumphal-Strasse , namentlich über die letzte Hälfte derselben, die Via Sacra, gesjtannt wurden,
auf welcher die Spuren der Triumphwagen noch heute sichtbar sind. Wir versparen uns die
Beschreibung dieses merkwürdigen Schauspiels auf den Tilusbogen auf, weil er der interessanteste
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ist und die lehrreichsten Details enthält: der gegenwärtige soll uns nur eine vorläufige Idee
verschaffen.
Anfangs waren die stehenden Triumphliogen klein und schmucklos und hatten nur einen
Durchgang, aber allmählich bekamen sie grosse Dimensionen und eine reiche bildnerische Decoration.
Das beweist der Bogen des Seplimius Severus, der diesem Kriegsfürsten wegen seiner Siege über
die Parther 203 n. Ch. vom Senat, laut Inschrift, errichtet wurde; die Buchstaben der letzteren
waren mit Metall ausgelegt, wie zahlreiche Nietlöcher beweisen. Er ist von pentelischem Marmor
und hat drei gewölbte Durchgänge, einen grösseren in der Mitte und zwei kleinere zu beiden Seiten,
zu welchen Stufen führen; diese Durchgänge communiciren vermittels zweier Bogen auch wieder
unter sich; alle fünf Gewölbe sind kassettirt und mit Rosetten verziert Jede der beiden I lauptfronten
IV? ScvcmtKjgeu-
schmücken vier hervorspringende cannelirte Säulen, wie die gegenüberstehenden Pilaster, römischer
( )rdnung. Die äusserst verstümmelten Reliefs in den vier Feldern , welche sich , zwei vorn und
zwei hinten, links und rechts von den Scheiteln der Seitenbögen zum Gebälk hinaufziehen, stellen
Begebenheiten aus den Kriegen vor, zu deren Gedächtniss dieses Monument errichtet wurde und
/war angeblich an der Forumseite links ilen Entsatz von Nisibis, rechts den Rundesvertrag des
Severus mit dem König von Armenien und die Belagerung von Hatra; an der Capitolseite rechts
die Einnahme Babylons, links den Uebergang über den Euphrat und Tigris und die Eroberung
von Ctesiphon und Seleucia. Sie sind ungleich gearbeitet und durch Horizontallinien in je fünf
Abtheilungen zerlegt
An den Friesstreifen, unter diesen Reliefs, sind ebenso viele Triumphzüge vorgestellt; jetler
einzelne geht nach einer Roma, welche die Gefangenen knieend um Gnade anflehen ; in der Mitte
Mehl die besiegte Parthia, in Barbarenkleidung und eine phrygische Mütze auf dein Kopfe. In
den Winkeln des I lauptl>ogcns sieht man Victorien mit Trophäen, unter ihnen Genien der Jahres-
zeiten, auf den zwei Schhisssteinen desselben den siegreichen Mars; in den Zwickeln der Seitenbogen
Flussgöttcr und auf den dreistufigen Postamenten der Säulen Körner mit gefangenen Barbaren.
Den First, zu welchem eine Treppe im Innern des Gebäudes führt, krönte ein Sechsgespann des
Scptimius Severus und seines Sohnes Caracalla; rechts und links je ein Fusssoldat und an den
beiden Ecken je ein, gleichsam darüber hinaussprengender Reiter. Von dem ursprünglichen
Ganzen gewährt das Münchener Siegesthor eine vortreffliche Anschauimg, welches ja im Stil
römischer Triumphbogen entworfen worden ist.
Im zehnten Gesänge von Dantes „Purgatorio" gelangen die beiden Dichter auf schmalem
Felsenpfad Iiis zur ersten Gallerie des Berges, deren Rückwand marmorn und mit herrlichen
Basreliefs bedeckt ist. Sie stellen Beispiele der Demuth dar, die den Stolzen zur Lehre dienen
sollen, und unter ihnen befindet sich auch die Geschichte Trajans, die Gregor den Grossen
veranlasste, bei Gott einen Antrag auf seine Begnadigung zu stellen. Trajan stand im Begriff,
.i-i r..-r Sj.it/'.- meines Heeres in den Krieg EU liehet). Da tritt ihr:-, eine arme Wittwe in den
Weg, der der Sohn erschlagen worden war, und bittet den Kaiser, ihr Recht zu verschaffen.
Trajan sagt erst, sie solle bis zu seiner Rückkehr warten, und wenn er selbst nicht zurückkomme,
so werde sein Nachfolger für sie sorgen, gewinnt es aber schliesslich doch über sich, der unglück-
lichen Mutter wegen seinen Feldzug aufzuschieben, lässt den Mörder aufsuchen und, da dies sein
eigner Sohn ist, so fragt er sie, ob sie ihn sterben sehen oder anstatt des Verlorenen zur Sühne
annehmen wolle, womit sie zufrieden ist.
Warum mir diese Anecdote einfällt? Weil hier auf dem Forum hinter der Phocassäulo
zwei 1873 gefundene Marmorbalustraden stehen, die von dem Dante'schen Berg zu stammen scheinen,
obwoltl sie vermuthlich die Plattform der Rednerbühne umgeben haben. Ihre Reliefs beziehen
sich ebenfalls auf Wohlthaten des Trajan und zwar auf solche, die er der Stadt Rom auf dem
Forum erwiesen hat; der Senat, welcher seine Nachfolger mit den Worten hegrüsste; „Sei
glucklicher als August und besser als Trajan", er wollte ihnen seine Verdienste auch sichtbar vor
Augen stellen. Das erste war, dass er den römischen Bürgern die rückständige Erbschaftssteuer
erliess: er that es, indem er die Steuerregister t syngraphae 1 von Lieferen zusammentragen und auf
offenem Markte verhrennen Hess, wie auf unserem Bilde links zu sehen ist; rechts davor auf der
Rednerbühne stellt Trajan, links der bereits erwähnte heilige Feigenbaum, der unter Nero verdorrt,
aber wieder ausgeschlagen war, und auf dem Postament daneben eine Statu« des geschundenen
Marsvas; eine solche war nämlich auf dem römischen Forum, wie oft auf antiken Marktplätzen,
aufgepflanzt, wie man will als Sinnbild der städtischen Freiheit, ich möchte eher glauben, als
warnendes Beispiel für Anmassende; dahinter bemerkt man zwei Tempel und einen Schwibbogen
oder gewölbten Durchgang (janus). Die zweite Wohlthat war, dass er ein Waisenhaus stiftete, in
welchem Waisen und arme Kinder freier Eltern alimentirl werden sollten, und darauf beziehen
sich die Reliefs der andern Baiastrade, die wir nicht sehen, wo das betreffende Kdict dem Volke
auf den Rostris durch einen Magistrat verkündet wird, und der auf dem curulischen Sessel sitzende
Trajan die Kindlein zu sich kommen lässt. Auch hier wird das Forum durch den Feigenbaum
und den Marsyas gekennzeichnet Die Kehrseiten beider Platten zeigen je drei Exemplare von
Schlachtvieh, an denen jeder Metzger seine Freude haben wird, nämlich je einen Eber, Widder
und Stier, die Elemente des grossen Sühnopfers, der sogenannten Su-ove-Uur ilia: Die Thiere
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wurden, wie deutlich zu erkennen, mit farbigen, rcichgestfcfctieil Banden idorsualibus) um den Leib
und weissen Wnllflockcn (infulac) um den Kopf unter Gesängen und Gebeten dreimal um die
Versammlung herumgeführt und hierauf gesehlachtet ; Trajan scheint also gleichzeitig eine städtische
Lustration vorgenommen und das Sühnopfer gebracht zu haben. In den löchern der oberen
< iesimsfläche mögen die die Schenkungsurkunden enthaltenden Bronzetafeln befestigt gewesen sein.
Auf diesen Balustraden haben wir also ein altes Bild des Forums, wie es Ende des
ersten Jahrhunderts n. Chr. und zur Zeit seines höchsten Glanzes l>estandcn hal>en mag. Der
Weg, den es seitdem zurücklegen musstc, um bis zu seinem gegenwärtigen, man darf sagen,
ärmlichen Zustand zu gelangen, ist ein weiter und trauriger, für die Menschheit beschämender.
Dass dieser Platz allmählich vereidete, als er sinnlos geworden und Roms Freiheit und Bürgertugend
untergegangen war, begreift sich: jemehr er sich mit den Standbildern von Kaisern und Kaiser-
knechten füllte, um so leerer wurde er an Römern, für die überdies von Caesar bis Trajan fünf
neue Fora angelegt worden waren, den allen Mittelpunkt mit den Prachtbauten des Marsfeldes
verbindend. Aber dass dieses ehrwürdige und heilige Forum im Laufe dunkler Jahrhunderte ganz
zerstört, ganz zusammengeschlagen und ausgeraubt ward; dass man in diesen edlen Bauwerken
nichts mehr als ergiebige Steinbrüche sah und aus dem köstlichen Marmorrelief nichts besseres
als Kalk zu machen wusste ; dass von einein der prächtigsten und reichsten Stadllheile, die die;
Knie getragen haben mag, schliesslich nicht viel weiter übrig blieb, als die gestohlene Säule und
das zusammengestückelte Postament etnirs blutbefleckten Tyrannen von Byzanz — das begreift
sich schwer. Und doch ist gerade diese systematische Zerstörung ein Beweis dafür, dass Rom
nicht gleich Pompeji verschüttet und plötzlich wie durch Zauber von allem I.cbcn gesauln-rt
worden, sondern fort und fort von Menschen bewohnt gewesen ist, welche sich die Reichthümer
des Alterthums in einer neuen Zeit für andere Zwecke zu nutze machten. Ohne Rücksicht und
Pietät; aber dass dergleichen neue Zwecke da waren» ist immerhin ein Merkmal von der Fort-
dauer der Stadt. Krst diejenige Zeit, die das Forum nicht mehr braucht, lässt es ausgraben.
Das Mittelalter brauchte unser Forum. Es brauchte die Basiliken und Tempel: man
legte Kirchen und Kirchhofe darin an. Ks brauchte die Triumphbogen: Man setzte Thürme
darauf und verwandelte sie in Burgen. Ks brauchte das Tabularium : man baute auf seinen
Trümmern ein neues Rathhaus für die Sitzungen des mittelalterlichen Senats, dessen ()l>erhaupt
schlechtweg der Senator (Senatore) hetsst. Indessen die I>imensionen des Alterthums waren so
riesig, die Massen so kolossal, dass sie- nicht gleich auszufüllen waren: was übrig blieb, gab noch
unerschöpfliche Fundgruben ab. Man brauchte sie auch. Man nahm die Säulen und die Werk-
stücke und schleppte sie fort, um noch an andern Stellen Kirchen, und Festungen zu bauen, selbst
fremde Städte, wie Pisa, Pavia, Salerno holten sich Baumaterial in Rom; und um den Mörtel bequem
zu haben, richtete man in den Basiliken Kalkbrennereien ein. Man vergass auch die vergoldeten
Lettern nicht, mit denen die Inschriften ausgelegt waren: man schlug Zecehinen daraus, an einem
einzigen M l>efand sich eine Krone Goldwerth. Auf diese Welse bewältigte man das Forum.
Zu der eigenen und freiwilligen Zerstörung gesellte sich nun aber auch, ganz abgesehen
von dem Zahn der Zeit, die Zerstörung durch Feindes Hand, durch Gothen-, durch Vandalen-,
durch .Normannenhand; die Vorstellung der Christen, dass die Götzenbilder und die heidnischen
Greuel des Forums dereinst von Mammen verschlungen werden müssten, schien bereits durch die
Westgolhen bestätigt worden zu sein ; der schreckliche Brand, der im Mai des Jahres 1 08 1 Rom
vom I .ateran bis zum Capitol in Asche legte, als Guiscard die Stadt erstürmte, hat sicherlich
auch das Forum nicht verschont. Feuer und Schwert, Krieg und wülhender Parteikampf halfen
den christlichen Römern nach, das aufräumend, was die Maurer und was die Kalkbrenner etwa
noch stehen gelassen hatten. So ward der römische Marktplatz endlich völlig leer, und das
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Forum, bis auf die ehrfurchtgebietende Tiefe seihst, von »1er Bildfläche der Rrde hinweggetilgt.
Dämmerung brach ein, dunkle Nacht, eine undurchdringliche Finsternis* lagerte darüber, durch
welche die „tria fata", die drei greisen Parzen oder Feen mit ausgebreiteten Schwingen, wie
riesige Nachtfalter, lautlos zu flattern schienen: denn mit diesem räthselhaften aber sinnreichen
Namen bezeichnete man vom achten Jahrhundert an das Forum.
Veranlassung zu ihm sollen drei Sibyllenbilder in der Nähe der Kednerbühne und der
berühmten Thorhalle des Janus am Fusse des Capitols gegeben hal>en, welche, weil sie zum Beginn
eines Krieges geöffnet, nach Beendigung desselben geschlossen wurde, „Templum fatale" hiess.
Jetzt ward es zum Müllkasten und zum Kehrichtwinkel Roms: vier Jahrhunderte luden
ihren Bauschutt in ihm ab. Sie füllten es mit .Wust, der stellenweise eine Mächtigkeit von 13
Metern erreichte, und unter welchem die Fläche des Forums vollständig begraben ward. Schon
die Mauern der Thürme und Burgen, mit denen der Adel den Platz bedeckt hatte und die seit
1221 niedergerissen wurden, lagen chaotisch und trümmerhaft umher; al>cr man verschüttete es
auch geradezu, indem man bei Neubauten den Grus und die Abfälle kurzweg in das Forum wie
in eine dazu hergesetzte Mulde warf. Als der Pajwt Faul III 1536 eine Triumphalstrassc für
Karl V. anlegen Hess, wurden an zweihundert I läuser, die zwischen dem Titus- und dem Severus-
bogen standen, planirt und die Schutlmasseil in die grosse Grube zwischen Palatin und Capitol
verfahren. Wäre das alle, prächtige Forum in seinem vollen Glänze zugeschüttet worden, so
hätte man das beweinen, aber man hätte sagen dürfen, dass es gleichsam begraben und im Schoss
der Frde für eine schönere Zukunft geliorg« n worden sei. Aber es wurde vielmehr erst zerstört und
all seines Schmuckes beraubt, und der leere Kaum dann wie die gemeinste Abfallgrube benutzt.
Tiefer konnte es nicht herabgewürdigt werden.
Nun entstand der Campo Vaccino, wörtlich das Kuhfeld, gleich dem anstossenden Heumarkt
(piazza de' fenili) und dem capitolinisch.cn Ziegenbeige (Monte caprino) ein getreuer Reflex der
jeweiligen Bestimmung dieser Gegend.
l.'nd der Kinder
ltrdtgeilirnli-, cbli«; ScJmUUCH
Kommen bniHind
• Die KCwohMcn Stalle füllend.
F'.s sind die Zugochsen, die aus der Campagna Heu in die grossen Futtermagazine beim
I'orum bringen, und welche die Fuhrleute hier auf der weiten Fläche, zu Füssen der alten Tempel
ausspannen und lagern lassen: Bei ihren Karren ruhend und mit den langen gewundenen Hörnern
an die vereinzelten Zeugen antiker Kunst und Pracht anstossend, bringen sie einen wunderbaren
Zug von idyllischer Poesie in das immer noch majestätische Gemälde. Zugleich scheint auf dem
Campo Vacdno, wie auf einem neuen Forum boarium, ein wirklicher Viehmarkt abgehalten worden
zu sein ; vor dem Porlicus des Faustinatempels stand ein Thurm, wo Zoll von Vieh erhoben ward,
und Schwcinehändler hatten ihren Posten auf dem Comitium. Dem entsprach die übrige Nachbar-
schaft des Forums : vom Bogen des Septimius Severus bis zum Faustinatempel sassen Stellmacher
und Schmiede, welche Karren, Joche und alles verfertigten, was der I-andmann braucht. Man
konnte sich in die Zustände unter Tanjuinius Priscus zurückversetzt glauben: das Forum war
gleichsam zu seinem l rsprung zurückgekehrt, ja geradezu wieder geworden, was es in vorgeschicht-
licher Zeit gewesen, ehe noch eines Menschen Hand daran gerührt und eine Kloake angelegt -
ein Sumpf, ein undurchdringlicher Sumpf, wenigstens zur Regenzeit, unwirthlich um! unwegsam
und von einer unglücklichen Allee kranker Bäume gtfs]Mmsterhafl durchzogen.
In einer Schilderung des Lebens und Treibens auf dem römischen Forum, die uns von
Plautus erhalten ist, gehen die guten und wohlhabenden Bürger, die vor Gericht und an der Börse
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nicht* weiter zu suchen haben, die weder zu den falschen Zeugen auf dem Coinitium , noch zu
den Schwätzern an der Kednerbühne, noch zu den I lalsalxschneidcrn in tlen Wechslcrbuden, noch
zu den Feinschmeckern am Fischmarkt , noch zu den Roues in der Basiliea gehören, ruhig am
untern Kndc des Forums stieren. Im achtzehnten Jahrhundert lustwandelten die Quinten
wiederum die stille Allee entlang: sie hatten gleichfalls nichts mehr auf Forum und ("omitium zu dum.
Diese Phase in der Geschichte des Platzes ist abermals vorüber: die Ausgrabungen, bereits
von Raphael geplant, dann abwechselnd unterbrochen und, so namentlich in unserem Jahrhundert
unter Fca's und Canina's Leitung fortgesetzt, sind seit 1 87 1 von der italienischen Regierung mit
Energie wieder aulgenommen worden: an der Spitze derselben stand erst Pielro Rosa, seit 1875
thut es Giuseppe Fiorelli, der Generaldirektor der italienischen Museen und Ausgrabungen. Dank
ihnen liegt das römische Forum wieder vor uns, nicht das unversehrte, aber doc h wenigstens das
zerstörte Forum, will sagen der Marktplatz selbst. Wir erwähnten bereits, dass die Strasse, welche
es auf der Xordseite begrenzte, nicht mehr existirt ; die Allee ist gleichfalls gefällt, ul>er, damit
man die Tiefe überschreiten und vom Marsfeld zum Palatin gelangen kann, zwischen San Lorenzo
in Miranda und S. Maria Liberatrice ein Damm nach Art des vom Severusbogen zum Capitol
gelassen «Orden. Die rechteckige, von vier Strassen umrahmte Mitte des Forums, die Travertin-
täfelung dieser und das polygonale tavapllaster jener, samt den verschütteten Postamenten und
Substructionen der Denkmäler ist wieder und dabei sogar noch manches Neue ans Licht getreten,
so das berühmte und wichtige Puteal Libonis, das Rendezvous der römischen Wechsler und
Wucherer, eine von Jupiters Blitzen getroffene, darum heilige und mit einer Hrunncnmündung
eingefasste Stelle. Der Fremde, der bei den drei Säulen, an der Rückseite des Diuskurcntempcls
zu den Ausgrabungen hinabsteigt, hat wirklich das Vergnügen, das versunkene Theater der
römischen Weltherrschaft zu betreten und ahnungsvoll über einen Platz zu schweifen, der an
Anschaulichkeit und Schönheit der Ruinen etwa mit dem Trümmerfelde auf der athener Akropolis
nicht verglichen werden kann, der dennoch unbedingt der inhaltreichste des Abendlandes ist.
Ihn in seiner ganzen Länge und mit seiner monumentalen Einfassung wiederherzustellen, trotz aller
Hindernisse wiederherzustellen, welche durch die Ansprüche des modernen Verkehrs in den Weg
gelegt werden, erscheint als ein schöner Act der Pietät gegen das römisch»: Alterthum, zugleich
aber auch als ein Act, durch welchen der Platz endgiltig von der Stadt an die antiquarische
Forschung übergeben wird.
Denn dies ist keine neue Epoche des Forums, es ist nur die Redintegration einer vorherge-
gangenen. Die: Wissenschaft hat, wenn ich mich so ausdrücken darf, dem Leben gegenüber
etwas Impotentes, und indem das Forum zum Tummelplatz der selten einigen Archäologen wird,
die nichts Neues schaffen, sondern nur das Alte erkennen wollen, hört seine Theilnahme am Dasein
der Stadt völlig auf. Das Forum, das beim Volke den Namen der „tria fata" führte, hat selbst
seine drei Schicksale gehabt, nicht mehr: es ist erst der Marktplatz, dann der Steinbruch und
endlich der Kuhslal Roms gewesen — jener Roma, die vom Glockenturme des Senatoren-
palastes, an das christliche Kreuz gelehnt, stet und göttcrgleieh auf dies Treilx-n hernieder-
schauL Am 11. April, dem Tage der Gründung Roms und dem alten Feste der Palilien, wird
das Forum illuminirt: dann erglänzt über dieser Roma in künstlichem Magnesiumlicht ein blendend
weisser Stern. Dieser Stern bedeutet Roms, er bedeutet Italiens Glück und Stern. Er ist ein
Bote der Tria Fata und der Götter des Forums, die nach so viel Wandlungen diese Stadt in
neuer Gestalt umschweben ; die, ob sie es gleich verlassen haben, noch immer aus dem Forum, wie
Rauchwolken aus einem Krater, aufzusteigen und über seine ausgebrannten Wände hinzuirren scheinen.
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Die V c 1 i o.
1.
Nordöstlich vom Palatm zieht sich ein I [QgclrÄcken gegen jene Spitze des hviuilin, welche
im Alterthum den Namen Carinae trug, und die jeUt die Kirche S. I'ictro in Vincoli bezeichnet ;
er scheidet das südöstliche Thal des Colosseuins von dem nordwestlichen des Forums, welche» am
Vkua Tuscwi, einer vom Tiber her kommenden und vor dem Caesftrtcmpd vorbeilaufenden Quer
strafe, seine tiefste Einsenkung halle und sich, von hier ab wieder steinend, denselben hinan cr-
strecktt:. Dieser Hügelrücken, dessen Höhe, wie bereits bemerkt, der Titusbogen krönt (19,8 m) und
einmal hineinschauen.
Eine alte Rotunde, auf
die spätere Kaiserzeit
deutend, mit einer mo-
dernen Kuppel ül »er-
wölbt, die durch eine
runde OetTnung Lieht
erhält; diese Oeffitung
war ursprünglich unbe-
deckt, jetzt hat man sie
mit einem kleinen run-
den, an den Seiten
mit Fenstern versehenen
Thürmchcn, einer soge-
nannten Laterne, ülier-
baut; ein starkes Echo,
wie durch einen dop-
pelten Boden verursacht,
begleitet gespenstisch
unsere Schritte. Wo
sind wir? Im Tempel
der Stadt Rom? Wir
w issen es nicht, aber wir
gehen immer weiter,
denn die eigentliche
Kirche scheint erst noch zu kommen und diese Rotunde nur ein Atrium zu sein. Ganz recht: dahinter
liegt eine Basilica, einschiffig und durch eine halbkreisförmige Nische abgeschlossen, die gleichfalls
aus einem antiken Geliäude entstanden scheint Ks schweigt und dunkelt; aber hier, im Dämmer-
lichte des versunkenen und vergessenen Heiligthums, überkommt es uns wie eine himmlische Vision :
aus einer goldenen Wolke taucht der Erlöser auf, majestätisch und üliermenschlich schwebt er
über uns in der Mitte der Austxwähltcn, die ihre Kronen halten, und von helläugigen Cherubim
umflattert, liefsinnig schreiten die Lämmer der Apokalypse auf das mystische Gotteslamm zu, das
auf dem Stuhle sitzt — es ist, wie die Inschrift unter dem Gewölbe der Tribüne meldet;
Gott«» Aula rrgUtnil im Schmucke lauteren Goldes,
Herrlicher noch als Gold funkelt der Glaube darein.
Wir sind in die seltsame Kirche zweier Heiligen gerathen, die, Aerzte und auf italienisch
Metlid genannt, deshalb als die Schutzpatrone der Florentiner „Media" gegolten haben und,
über den die jene Thäler
verbindende- Sacra via
ging, hiess Velia, ein
Name, der, mil dem ei-
ner unteritalisijhcn Stadt
{Elea) identisch, angeb-
lich Moosherg bedeutet.
Diesen bescheidenen Gi-
pfel wollen wir zur Feier
des Abends eben noch
erklimmen und von ihm
aus auf den durchleb-
ten Wandertag zurück-
schauen, aber indem wir
auf ihn und den Titus-
bogen zusteuern, fällt uns
links eine runde Kirche
auf, deren Portal durch
zwei antike Porphyrsäu-
len und einen ebenfalls
antiken Architrav gebil-
det wird. Sie ist un-
besucht, alKT offen und
die bronzene Thür nur
angelehnt : wir werden
Per T«m|»c1 *\c* Komuliu, jeLrl SS. Coorfii c Itamianci.
20
arabische Zwillingsbrüder, an dieser Stelle auf die römischen Zwillinge, Romulus und Retnus, gefolgt
sind ; ihnen (ursprünglich nur dem Romulus und zwar nicht dem Erbauer der Stadt, sondern dem
Sohne des Maxcntius) war die antike Rotunde geweiht, die, wie der l>enachl>arte Tempel des
Antoninus und der Faustina, in eine christliche Kirche umgesehaffen worden ist ; die hervorstehende
Mauer links ist vermuthlich der Rest der ehemaligen Vorhalle dieses (iebäudes, zu welcher auch
zwei halbverschüttetc Cipollinsäulen rechts (vor dem Oratorio della Via Crucis) gehörten. Wie
dort ein antiker Forticus zur Vorhalle der Kirche San Lorenzo, so dient hier ein antiker Rund-
tempel zur Vorhalle der Kirche SS. Cosma e Damiano, die nicht minder unmittelbar auf antikem
Grunde steht; der alte Fussboden der Rotunde, welcher auf gleichem Plane mit dem des Temjiels
des Antoninus und der Faustina gelegen und nur allmählich durch den Schutt des Forums verdeckt
worden ist, tritt nämlich noch in einer L'nterkirche zu l äge, zu welcher in der Apsis eine Thür
hinabführt, und die ein drittes Element in den verwickelten Bau-Complcxc darstellt; sie ist nichts
anderes als das Gewölbe, welches Urban VIII. 1633 über dem alten tiefen und feuchten Pflaster
aufführen liess und wodurch er die Kirche wieder auf gleiches Niveau mit ihrer erhöhten l'mgebung
brachte. Dass Felix IV., welcher sie 527 anlegte, gerade diesen Tempel als Bauplatz wählte,
wird wohl durch die Analogie der beiden Brüderpaare veranlasst worden sein, da man bei „Romulus"
auf alle Fälle zunächst an Romulus und Remus dachte, und die Kirche immer das Princip gehabt
hat, in die heidnischen Tcm|>el I leilige einzusetzen, welche den daraus vertriebenen Göttern einiger-
massen entsprachen; vielleicht hatte man l>creiLs des Namens Romulus wegen diese Wände mit
dem marmornen Plane des alten Roms bekleidet, dessen merkwürdige Fragmente gegenwärtig
an der Treppe des capttolinischen Museums eingemauert sind und die wiederum zu dem Titel
„Templum l Irbis Romae" führten. Fs heisst aber überdies, dass hier bereits in alter Zeit ein
medieinischer Club bestanden und unser Rundtempel eine Art „Jatreion" abgegeben habe : hier
mag Antonius Musa aus und eingegangen sein, der August durch seine kühne Kaltwassercur vom
Tode gerettet hatte, nachdem er von den übrigen Aerzlen schon aufgegeben war; hier mag der
Zahnarzt Cascellius, der Bandagist Hermes, der Augenarzt Hyginus, der I lühncraugcn-Operateur
Fannius verkehrt; hier mag der berühmte Galen, der Leibarzt des jungen ("ommodus, den Teulhras
getroffen und einen Vortrag über die Frage gehalten haben, ob der von Erasistratus bekämpfte
Aderlass nicht in gewissen Fällen unerlässlich sei. Hin Grund mehr, das Ijocal den heiligen,
umsonst praclic irenden und daher von den Griechen „Doctoren ohne Geld" genannten Medici anzu-
weisen. Ihre Gebeine befinden sich nicht hier, sie wurden vielmehr 1649 von Bremen nach München
übergeführt und in der Michaeliskirche beigesetzt.
Wir müssen es uns leider versagen, bereits hier auf jene grossen Mosaiken näher einzugehn,
und die Beschreibung und Abbildung derselben auf die christliche Zeil versparen, wo uns ein
günstiger Stern hoffentlich wieder einmal um dieselbe Stunde, auf der Rückkehr von den Katakomben,
über die Velia führen und uns der Herr Christus wieder erscheinen wird; gegen Al>end ist
nämlich das beste Ficht für diese feierlichen, tiefergreifenden Darstellungen. Für heute lassen
wir uns an der flüchtigen „Vision" genügen und kundschaften zunächst das Terrain noch weiter aus
das uns immer von neuem zu einer liebevollen Vertiefung in das classische Alterthum hindrängt.
II.
Interessante und fragenreiche IV-nkmäler begleiten unsern Weg in unablässiger Folge.
Hinter den Heiligthümern des Romulus und des Antonin und der Faustina, genauer hinter den
Plätzen, die sie später einnahmen, lag der berühmtP Tempel, den Vespasian nach der Eroberung
Jerusalems mit grosser Pracht inmitten eines neuen Forums erbauen liess, und den er gleich diesem
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der Güttin des Friedens der den Oelzweig und den Caduceus führenden Pax weihte: die beiden
sich in einander windenden Schlangen daran sind rin Symbol der Eintracht ; den Reichthum, den
wir oben mit der Concordia und dem Saturn vermählt gefunden haben, trägt die Pax als Kind
auf ihren Armen, wie eine schöne Statue der griechischen Irene in der Münchener Glyptothek
beweist. In dem Friederistemi>el stellte Vespasian unter andern Kunstwerken und Weihgeschenken
auch die Jerusalemor Sjiolion auf, die der Kronprinz Titus mitgebracht, das heisst den sieben-
armigen Leuchter und den Schaubrodtisch, denn die Vorhänge des Tempels und die Gesetzbücher
waren in den kaiserlichen Palast auf den Palalin gekommen. In der fürchterlichen Feuersbrunst
unter Commodus, die uns der griechische Geschichtschreiber ilerodian ausführlich beschrieben
Du: K„iucaiiüu&ta»llka.
hat, c. HjO n. Chr., brannte <ler herrliche Bau Vespasians nieder; die jüdischen Schätze wurden
angeblich gerettet und an einem andern unbekannten Orte niedergelegt, wo sie Jahrhunderte
lang verblieben.
Dieses vespanianische Templum Paris hat man nun in den erhabenen Ruinen erkennen
wollen, welche gleich neben SS. Cosma e Damiano liegen und die schon ihres Umfangs und ihrer
Erhaltung wegen zu den merkwürdigsten Roms gehören. Drei einsame riesenhafte Bogen gähnen
abgrundgleich dem Wanderer entgegen, als ob sie ihn samt der Velia und dem gegenüberliegenden
Palatin verschlingen wollten, drei Gewölbe von ungeheurer Spannung, wie drei Peterskirchen
neben einander; wirklich dienten sie der Renaissance beim Bau dieser Weltkirche zum Vorbild.
Sie wären des Vespasian nicht unwürdig gewesen, doch lag der Friedenstempel, wie wir bereiLs
bemerkten, nicht nebern, sondern hinter dem Tempel des Romulus, mit welchem diese grossen
Reste gleichen Ursprung haben: sie stammen wie jener vom Kaiser Maxenlius und von einer
32
Basilica desselben her. Aber alle prachtvollen Werke , mit denen Maxentius Rom geschmückt,
weihte der Senat nachmals, nachdem er von seinem Mitkaiser Konstantin dem Grossen geschlagen
und im Uber ersauft worden war, dem glücklichen Sieger: und so wurde Konstantins Name auf
den Rundtempel , den der Vater dem S>hnc gewidmet, und aul die „Konslantinsbasilica"
übertragen. Als solche hat sie der Archäolog Nibby zuerst erkannt, und seine Ansicht wurde
lUuptbtigcü ,lcf KuluUliliiittuMik?.
seinerzeit durch eine Münze mit dem Namen Maxentius bestätigt, die in einem herabgestürzten Stück
Gewölbe steckte; es liegt dicht vor der zweiten Tribüne. Nur beim Volke leben noch heute
die schönen Namen „Tempio della pace" und „Via del tempio della pace" unvergesslich fort
Mine eigentümlich variirte, ausserordentlich (76 m zu 100 m IJinge) breite Basilica. bei
der an die Stelle des Säulenbaues das Princip der Grwülbeconstruction getreten ist, der Ilaupt-
richtung nach etwa mit dem Forum parallel, also mit der einen I.angseite der Sacra Via und
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dem Palatin, mit der einen Schmalseite dem Colosseum zugekehrt; von diesem her, durrh eine
zum Thcil noch erhaltene Halle, der jetzt in einen Kornspeicher verbauten Tribüne gegenüber
war der ursprüngliche, enge und niedrige Eingang. Später, vielleicht durch Konstantin den Grossen,
erhielt die Basilica eine zweite Tribüne und einen zweiten Eingang: zu (lern Zwecke ward von
der Via Sacra her eine eilfstufige Treppe zu ihr hinaufgeführt und am Portal eine Halle von vier
Porphvrsäulcn errichtet. Vor die neue Tribüne stellte man zwei Säulen, deren Gebälk umherliegt ;
von ihr erkennt man noch den Stuhl des Präsidenten, das Tribunal, und die Sitze der Geschworenen,
die durch ungeheure, mit Victorien verzierte Kragsteine geschieden sind. Dazwischen haben
byzantinische Künstler betende Christen gemalt, welche stehend die ungefalteten und ausgebreiteten
Hände gen Himmel erheben; die Heiden beteten auch so, hielten aber die Hände nebeneinander.
Was stellen nun die drei so grosse Bewunderung erregenden Bogen in dem beschriebenen
Gebäude dar? Die Tonnengewölbe des rechten Seitenschiffes die nach der Breite der Basilica
gerichtet sind, und deren mittleres die zweite Apsis enthält. So kühn und gewaltig ihre Wölbung ist-
so wurden sie an Mächtigkeit doch noch durch die drei der Längsrichtung entsprechenden Kreuz-
gewölbe des Mittelschiffes übertroffen; denn während sie 20,5 m breit, 17,5 m tief, 24,5 m hoch
sind, so betrug die Breite der drei Kreuzgewölbe 35 m bei 35 m Höht- und 20 m Tiefe. Ihre
Flächen sind darch achteckige (.'assettoni, wie man die vertieften, kastenmässigen Felder nennt,
in den Zwischenräumen mit Rosetten und Raulen belebt; der Hauptbogen sticht durch verschiedene
Zeichnung derselben ab. Vor den Mittelpfeilern standen acht Riesensäulen von weissem Marmor
korinthischer Ordnung, eine davon werden wir auf dem Platze vor S. Maria Maggiore, von der
h. Jungfrau liestanden, wiederfinden.
Hinter der Basilica liegt ein Haus, in dem arme Mädchen von ihrem sechsten Jahre an
bis zu ihrer Vcrheirathung oder anderweitigen Versorgung nach Art der „puetlae alimentariae
Faustinianae" unterhalten werden , das „Conservalorio detle i>overe zitelle mendicanti" ; und diese
armen Mädchen halien auf den drei Gewölben einen Garten angelegt. Man spricht viel von den
hängenden Gärten der Semiramis; auf den Resten des Frieden.stem|>els hängen die Gärten der
römischen Bcttclmädchen, in ihrer Art auch Königinnen. Vermittels einer Wendeltreppe klettern
sie hinauf und hegen auf dem erhabenen Beete Rosen und Lilien, und dalwi überblicken sie
ahnungsvoll, in der Abendsonne verglühend, die Sieben- Hügelstadt und ihre ewigen Ruinen. Hat
der Dichter wohl an sie gedacht, als er sagte, prächtiger als wir in unserem Norden wohne der
Bettler an der FngeLspforten, denn er sehe das ewig einzige Rom? —
Inzwischen ist es, bei der in Rom ohnehin kürzeren Dämmerung, völlig Nacht geworden,
und indem wir endlich auf der Höhe der Vclia ankommen, finden wir uns samt dem Titusbogen
in Schatten eingehüllt, die der siebenarmige Leuchter nieht aufzuhellen vermag.
III.
Aber das ist die rechte Stunde, wenn wir die Vorbereitungen zu dem Triumphzug sehen
wollen, den dieses berühmte Monument besiegelt und verewigt; denn sie wurden in der Nacht
und an einem andern Platz gemacht. Hören wir den Josephus der Augenzeuge war. Diebeiden
Imperatoren, Titus und sein kaiserlicher Vater Vcspasianus brachten die Nacht auf dem Marsfelde
nahe beim Isistempcl zu; die l 'nterfeldherren ordneten während derselben das siegreiche I leer in
Rotten und Schaaren. Bei Tagesanbruch erschienen die Herrseher, lorheerhekränzt und festlich
angethan, vor der erwartungsvollen Menge und begaben sich zu den Säulengängen der Octavia,
allwo sie vom Senat und den obr-rsten Behörden empfangen wurden. Alles jauchzte und jubelte den
Glücklichen zu, die würdevoll auf ihren curulischen Sesseln sassen; der Kaiser Vespasian aber
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erhob sich, verhüllte sein Haupt und betete zu den Göttern; dann lud er die Soldaten zum Fest-
mahl ein und entliess sie. Verweilen wir, ehe wir die Triumphatoren weiter verfolgen, zunächst
ein wenig bei jenen Säulengängen der Octavia, in denen die mediccische Venus gefunden ward,
und deren edle Reste sich noch heute an der Grenze des Ghetto und des früheren Fischmarktes,
in pittoresker Umrahmung über einem dunklen graubraunen I Iäuserknäuel erheben.
Säulenhallen oder Colonnaden, wie man in gewissen Gegenden auch sagt, Lauben, das.
heisst lange,
schmale, mit
einem auf
Säulen ru-
henden Dach
bedeckte
Gänge sind
in allen süd-
lichen Län-
dern ein IVe-
dürfniss und
finden sich
daselbst aller-
orten «rtd zu
allen Zeiten
in verschie-
denartiger
künsderischer
Ausbildung.
Sic gewähr-
ten zugleich
frische Luft
und Schutz
gegen die
Wärme der
Sonne oder
die Feuchtig-
keit der At-
mosphäre
und stimmten
in dieser Be-
ziehung mit
Oer l'iKtiaii der Ckuvl*.
unsern Pas-
sagen sowie
mit den Mün-
chener Arca-
den überein:
namentlich
leiten sich von
ihnen auch
die Kreuz-
gänge der
christlichen
Klöster her.
Den Grie-
chen, welche
sie Stoen
nannten, wird
ihre Erfin-
dung zuge-
schrieben,
von ihnen
adoptirtensie
die Römer
unter dem
Namen Por-
ticus. In Rom
wurden sie
wie gewöhn-
lich ins Gros-
se ausgeführt
und in jeder
Hinsicht ver-
vollkommnet.
und verschönert, bald mit Anlehnung an andere Gebäude, balil als freistehende und selbständige
Construcüoncn und bald privatim, bald öffentlich. In letzterem Falle, wenn für die grosse Menge
bestimmt, wurden sie bald zu beliebten Sammelplätzen der Bevölkerung und deshalb wie unsere
Promenaden mit Bänken und Stühlen versehen, mit Gemälden, Reliefs und Statuen decorirt:
die Venus von Medici sollten die Blicke der römischen Spaziergänger erfreuen. Denn die pracht-
volle Halle, welche Augustus erbaute und nach seiner Schwester Octavia benannte, war eben ein
glänzendes Beispiel eines solchen antiken Porticus.
Wir haben oben bei SS. C'osma e Damiano einer marmornen Karte des alten Rom
»5
Erwähnung gethan, die an den Wänden der Treppe des Capitolinischen Museums eingemauert ist
Auf ihr besitzen wir den Grundrill des Gebäudes. Dasselbe bestand aus einer doppelten Säulen-
reihe und bildete ein längliches Viereck, worin zwei Tempel, ein Jupiter- und ein Junotempel
eingeschlossen waren ; es erhob sich auf einigen Stufen. Der Haupteingang ist auf dem Plane
in der Mitte der rechten Seite deutlich zu erkennen: er wurde durch einen Vorbau bezeichnet,
.der Aehnlichkeit mit der Vorhalle eines Tempels, einem Pronaos hatte. Zweimal vier Säulen und
je zwei Anten an den Ecken trugen einen Giebel von edler Form und, gleich Säulen und Gebälk,
von weissem Marmor; die Anten d. h. die Wandpfeiler bestanden mit Ausnahme der Capitäle aus
Ziegeln, die aber, wie noch Spuren zeigen, mit Marmor bekleidet waren. Diese Halle vor der Halle
ist noch grossentheils erhalten, aber durch spätere Reparaturen und moderne Einbauten sehr
entstellt: Wir haben auf Seite 25 die Aussen- und auf unserer Tafel die Innenseite derselben vor uns.
An jener, welche nach dem Fischmarkt zu gelegen ist, bemerken wir den schönen antiken Giebel,
rechts eine Ante und einen backsteinernen, zur Unterstützung des Gehälkes, wahrscheinlich bereits
unter Septi-
mius Severus
und Caracalla
an Stelle zwei-
er Säulen auf-
geführten Bo-
gen ; links,
ziemlich ver-
steckt die bei-
den andern
Säulen. Von
der inneren
Seite stehen
nur noch zwei
Säulen nebst
einer Ante.
Säulen und An-
Ltie Spotten de* Jertnalenwr Tempfii, Stvl|*nn-ii vom Titus fcogm.
len sind von
korinthischer
Ordnung , die
Basen ver-
schüttet , die
cannelirten
Schäftearg be-
schädigt An
den vortreff-
lich gearbeite-
ten Capitälcn
erscheinen an-
statt der
Akanthusblät-
ter und der
rankenartigen
Voluten Adler
mit Donnerkeilen in den Klauen, dic_ Vögel Jupiters, dessen Tempel, wie bemerkt, in der Halle
eingeschlossen war. Rechts und links vom Vorbau sieht man überdies je einen den weiteren
Fortgang des Porticus andeutenden Ziegelbogen ; unter dem Anfang der Wölbung haben diese
Bögen, welche gleich den Anten mit weissem Marmor bekleidet waren, noch marmorne Gebälke,
die mit Rosetten verziert sind, wie auf unserer Tafel links zu sehen ist.
IV.
Von dem Porticus der Octavia begaben sich die Imperatoren zu dem freistehenden Thore
auf dem Marsfeldc, durch welches gewöhnlich eingezogen ward (porta triumphalis), nahmen ein
Frühstück ein, opferten vor den hier aufgestellten Götterbildern und legten die Triumphatoren-
gewänder an: das palmcnnestickte Hemd (tunica palmata) und den purpurnen, mit goldnen Sternen
übersäten Mantel (toga picta). Nun begann die Procession: langsam und feierlich, ein unabseh-
barer Strom, ergoss sie sich über den Flaminischen Circus, dann am westlichen Ende des Capitoli-
nischen Berges durch die Carmentalis in die Porta eigentliche Stadt, von da zum Circus Maximus,
durch diesen und zwischen Palatin und Caclius zur Velia und auf der Via Sacra zum Forum,
w6
endlich den Abhang hinauf auf das Capitolium — zum Tempel des Jupiter, in welchen so einzuziehn
ein fast übermenschliches Glück erschien, und an dessen Stufen einst Caesar ehrfurchtsvoll die
stolzen Knie beugte, um demüthig hinauf zu klimmen.
Mit ihr gelangen wir also wieder auf unsere Velia und zu jenem Bogen, der dem Kaiser
Titus nachmals zum Gedächtnis* dieses Tages errichtet wurde: an ihm können wir uns noch heute
die Hauptmomente des Triumphes, der wegen der Zerstörung Jerusalems 71 n. Chr. abgehalten
ward, lebendig vergegenwärtigen. Den Zug eröffnete der Senat, welcher die Truppen an den
Thoren Roms empfangen hatte und sie nun gleichsam in die Stadt einführte. Hierauf kam die
Musik, grosse gewundene Hörner (cornua) und geradeaus laufende Trompeten itubae); dahinter
eine Reihe von Wagen, die mit der Kriegsbeute beladen waren: die interessantesten und werth-
vollsten Stücke wurden auf Rahren (ferculis) dazwischen getragen und den neugierigen Blicken
der Menge ausgesetzt. Das Basrelief an der Seitenwand unter dem Titusbogen, welches wir
umstehend abgebildet haben, gibt ditrsen Theil des Zuges treu wieder. Römische Soldaten tragen
die Spolien
des Herodia-
nischen Tem-
pels auf ih-
ren Schultern
durch die
Porta trium-
phalis : acht
den goldnen
Schaubrod-
tisch (i. Ki">n.
7 , 48) und
die silbernen
Posaunen,
mit denen
das Halljahr
durch ganz
Einfall hat
Palästina ver-
kündigt ward
f3.Mos.J5,o);
acht andere
den goldnen
Leuchter, der
im Heiligen
stand , und
dessen siel>en
Arme die
sechs Wo-
chentage mit
dem Sabbat
in der Mitte
vorbedeuten
sollten: wohl
aus eignem
der Bildhauer auf dem Fusse Stiere, Adler und andere Ungeheuer angebracht.
Der Zug des Triuaptiators, Suüptnren rom Titiulmgen.
Nach diesem tausendmal copierten Leuchter, welchen man in Stuck auch an den Wänden
unserer Judenschulen abgebildet sieht und von dem der im mailänder Dome aufgepflanzte Cande-
laber eine lehrreiche Anschauung gewährt, hiess der ganze Bogen im Mittelalter „arcus septem
lucernarum"; er allein hat der Nachwelt die Gestalt des heiligen Geräthes überliefert. Nebenher
werden an der Spitze langer Stangen Placate getragen, auf welchen die Zahl der Gefangenen,
der Werth der Beute, der Name der eroberten Stadt und Provinz in grossen Buchstaben zu
lesen ist: diese Placate heissen tituli, und ihre eigenthümliche Form hat sich auf die Marmor-
tafeln, welche die Nischen der italienischen Friedhöfe verschliessen, ja bis auf unsere Fünfmarkscheine
vererbt : das Täfelchen auf der Rückseite, welches die Worte „Fünf Mark" enthält, ist ihnen ganz
ähnlich. Auf dem Original folgen hier noch gefangene Juden, denen die Hände auf dem Rücken
zusammengebunden sind.
Von jetzt ab müssen wir uns den Triumphzug wieder mit der Phantasie ausmalen. Hinter
den Spolien marschirte eine Bande von Flötenbläsern (ttbicines), die den weissen, ritualmässig
geschmückten ( )pferstier anführten, welchem wiederum die Priesterschaft mit ihren Acoluthen folgte.
Dieser Opferzug ist mit mehreren Rindern am Friese des Säulengebälks dargestellt, dabei der
»7
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personincirtc Jordan, der als Greis auf einer Bahre wie vorhin getragen wird : wir sehen das auf
unserer Tafel. Dann gab es wieder Waffen, Fahnen und andere dem Feinde abgenommene
Trophäen : bei uns würden in diesem Falle die vernagelten Geschütze figuriren; ihnen schleppten
sich und ihre Familicm trauernd die besiegten Fürsten und Feldherren und, mit Ketten beladen,
die Gefangenen alle nach. Der greise, gramgebeugte Held da, der barfuss und in schwarzem
Kleide hinter den Gesetzestafeln herwankt, Ist Simon Bar Giora, der jüdische General; wenn der
Triumphzug das Capitol erreicht hat, wird er im mamertinischen Gcfängniss erdrosselt werden.
Vae victis! Warum liess er sich auch einfallen, Jerusalem und den Tempel Jehovahs gegen das
allmächtige Rom vertheidigen zu wollen? —
Nun kam der Kern und die Krone des Festzugs, und zugleich fangen unsere Bilder wieder
an, die uns jetzt das Basrelief an der gegenüberliegenden Innenwand abspiegeln : Die kronprinzlichen
Li Ctoren treten auf, in Civil, will sagen in Toga, Stime und Fasces mit Lorbeer bekränzt,
gleichsam die Fhrengarde oder die Vorhut des Triumphators , welcher in der obenbeschriebenen
Uniform, auf dem Haupte einen Lorbeerkranz, in der Hand einen elfenbeinernen Stab mit einem Adler
an der Spitze, aufrecht auf einem kreisförmigen, von vier Schimmeln gezogenen Wagen steht, ein
gottgleichcr Mann und ein Rivale Jupiters, daher auch sein Gesicht, wie das thönernc Bildnis des
Jupiter Capitolinus, mit Mennige geschminkt ist; dahinter hält ihm ein Sclave eine mit Edelsteinen
geschmückte Krone von massivem Golde über's Haupt und ruft pathetisch : Bedenke , dass du
ein Mensch bist! Homo es, non Deus! — eine Mahnung, die übergrosse Freude weise zu massigen,
wie sie der Geras noch heute dem neugekrönten Papst ertheilt. Wenn er sich in der Feterskirche
zum Hochaltar begibt, wird eine Flocke Werg, die an der Spitze eines silbernen Stabes l>efcstigt
ist, angezündet und vom Volke ausgeblasen, wobei der Ceremontenmeister zu dem Erwählten
spricht: Sic transit gloria mundi ! — und diese symbolische Handlung noch zweimal bis zu seiner
Ankunft am Altar wiederholt. Bei dem Krönungszuge nach dem Lateran, der offenbar einem
antiken Triumphzug nachgebildet war, musstc er sich früher zu demselben Zwecke auf einen Nacht-
stuhl setzen. Dem weisen Amtsdiener, der so kluge Bemerkungen an den goldnen Lorbeerkranz
knüpfte, hat der Künstler auf unserem Basrelief poetisch die Figur einer geflügelten Victoria gegeben,
wie denn vier langgestreckte Siegesgöttinnen auch die Bogenwinkel beleben; die Rosse der Triumphal-
quadriga führt nicht minder poetisch die Göttin Roma am Zügel, die man auch in der ver-
stümmelten Figur auf dem Bogenschlusse erkennen will ; Lictoren zählt man zwölf. Den Titus
hat der Bildhauer in seinem weichlichen, fetten, nicht gerade idealen Habitas allein ohne seinen
allerdings noch hässlicheren Vater, der mit triumphirtc, dargestellt. Kinder besass Titus nicht^
sonst würden dieselben bei ihm im Wagen gestanden hahen, während die älteren Söhne als
Postillone auf den Schimmeln oder auf besondern Pferden nebenher zu reiten pflegten. Hinter dem
General marschirten die hohen Offiziere, die Legati, die Tribuni und die Fquites, alle zu Pferd,
dazu die Bürger, die er aus der Kriegsgefangenschaft hefreit, den Freiheitshut auf dem Kopfe:
das gesammte siegreiche Armee-Corps, lorbeerbekränzt und Lorbeerzweige in den Händen, schloss
den Zug, bald Hymnen zu Fhren ihres Feldherrn, bald nach altrömischer Sitte derbe Spottlieder
auf el>en denselben singend und in das „lo triumphe" des Publicums einstimmend. Auf dem
Capitol verrichtete der Triumphator ein Dankgebet, opferte dem Jupiter und legte dem Gott seine
goldne Krone, sowie den Lorbeerzweig, welchen er in der Hand trug, später statt dessen eine
Palme in den Schoos, weihte ihm auch einen Theil der Beute. Zuletzt gab er seinen Freunden
und den angesehensten Männern der Stadt auf dem Capitol ein splendides Gastmahl, von dem er
abends mit Fackeln und Musik nach Hause begleitet wurde.
Diese Reliefs sind wahrscheinlich Nachbildungen von Gemälden, auf denen der Krieg in
seinem ganzen Verlaufe dargestellt war und wie sie bei Triumphen gewöhnlich auf hohen Staffeleien
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mit umgetragen wurden. Ua sah man. sagt Josephus, da» Land verwüsten, die Feinde nieder-
metzeln, die Mauern einbrechen, die Festungen benennen, die Stadl anzünden und jenen Tempel
einäschern, welcher die letzte Schutzwehr der verzweifelt«) Juden gewesen war. Oer ganze Bogen
und Triumph beweist übrigens, dass die Kömer das -Volk Israel als keinen geringen Feind betrach-
teten — „die Nation der Juden bezwungen und die solange- vergeblich angegriffene Stadt Jerusalem
endlich niedergeworfen zu haben", erschien ihnen besonders glorreich.
V.
Es erübrigt nun noch, das Wenige nachzuholen, was an dem Rogen sonst bemerkenswerth
sein dürfte — dem Bogen, denn in der That ist es. im Gegensatz zu andern, ein einziger,
einfacher, nur durch je zwei länglich viereckige Fenster unterbrochener Bogen. An beide Facaden
sind je vier Säulen angelehnt, je zwei an den Eckel) und je zwei zu Seiten des Gewölbes, unter
ihnen aber nur die beiden mittleren an der Facadc nach dem Colosseum, wo die Inschrift steht,
antik, und diese die frühesten Beispiele der römischen Säulenordnung, deren Kapital aus dem
korinthischen Akanthusblätterkekh und den jonischen Voluten zusammengesetzt ist. Der Kern
des Bogens besteht aus Travertin, die Attika aus enormen Marmorblöcken, die in den Feuern
des Tages last lebenswarm entbrennen . im Schatten einen kalten , grünlichen Schein annehmen ;
mit pentclischem Marmor war derselbe ursprünglich ganz bekleidet, aber als er im zwölften Jahrhundert
zu einem Thor der frangipanischen Festungen erhoben, und das berühmte Monument mit so vielen
anderen in eine grosse finstere, zinnengekrönte Burg verschmolzen ward, die dann wieder langsam
von ihm abbrach und gleich einer Schale barst mag auch sein weisses Kleid in Stücke gegangen
sein. Laut der schönen, leserlichen Inschrift an der Attika, an welcher dem Laien die l'nzer-
trenntheit der Worte und die stehende Wiedergabe von U durch V auffallen wird:
SENATVS
POPVLVSQVF.ROMAS'VS
DtVtmrODtVlVESI'ASlANIK 1I.R)
VESPASIANOAVGVSTO —
— Vcspasianus war Beiname auch des Titus - wurde der Bogen dem vergötterten Titus,
mithin erst nach seinem Tode errichtet, was auch daraus hervorgeht, dass am Scheitel der mit
rosettirten Kassetten und hübschen Arabesken darum herum verzierten Tonnenwölbung (wir sehen
sie am vollkommensten auf unserer zweiten Tafel) Titus' Apotheose dargestellt ist: der Kaiser
wird von einem Adler zum Himmel emporgetragen. Fin Adler flog nämlich bei der Ceremonie
der Apotheose oder Consecration vom Scheiterhaufen auf, wie man glaubte, die Seele des Verstorbenen
entführend. Alle Kaiser nahmen diese Ehre für sich .in Anspruch, die den Göttlichen in der Regel
durch Senatsbeschluss zuertheilt ward, aasgenommen Vespasian, Titus' Vater.
Noch heute mag kein Jude durch den Titusbogen gehn, der ihn an den vollständigen
Verlust der politischen Selbständigkeit und die verhängnissvolle Zerstreuung seines Volks über
das Abendland erinnert, und den dieses sein Volk Jahrhunderte lang beim i>äpstlichcn Kröjiungszuge
mit Tcppichen und seidnen Stoffen decoriren musste; er geht zwischen ihm und dem Palatin hinunter.
Auch glaubt er nicht etwa, dass dem I leiden, dem er wohl gelegentlich einen Stein an seinen Titus-
kopf wirft, die Zerstörung der heiligen Stadt so hingegangen sei: nein, Jerusalem Hess sterbend seinen
Stachel in ihm zurück. Beim Triumphzug drang dem Imperator eine Mücke mit kupfernem Stachel
durch die Nase ins Gehirn, ihn fortan ununterbrochen quälend. Als er einmal bei einer Schmiede
vorbeizog, hörte das Insect, erschreckt von dem Gehämmer, zu stechen auf: Titus war schon froh, er
wollte nun neben seinem Palast beständig ein I lammerwerk unterhalten lassen. Allein die Mücke
gewohnte den Hamm erschlag, eine Phrase, die beiden Juden sprichwörtlich geworden ist.
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Cuin Firnt*:, Aa/gmc «"» l'ilatiu.
P a 1 a t i u m.
!.
ie Velia billigt geographisch nur einen Abhang des höchsten und berühmtesten
unter den sieben Hügeln, welcher, ursprünglich eine grüne Bergtrift und mit alt-
lateinischen Sennhütten bedeckt, Pulalium d. i. Anger oder Alm genannt ward: der
Name, den man sogar von den über ihn zerstreuten Schafen und I Emmern (a bala-
ovium) hat ableiten wollen, hängt wahrscheinlich mit Pabulum, Pastor und mit
der Hirtengöttin Pales zusammen, deren Schutz man, wie heutzutage dem heiligen Anto-
nius, das Wohl der Heerden anbefahl, und an deren Fest, den bereits erwähnten Palilien,
dreimal über die reinigenden Flammen brennender I leuschoher gesprungen ward. Sie
3t bildet den nordöstlichen, nach dem Forum und dem Fsqutlin zu gelegenen Abhang dieses
Hügels, während ein nordwestlicher, Germalus oder Cermalus genannt, nach dem Capitol
und der Tiber, ein südöstlicher nach dem Caelischen Berg gerichtet, endlich ein sudwestlicher
durch das Thal des Circus vom Aventinus geschieden war; mit diesen Abhängen stellt er ein
unregelmässiges Viereck dar, dessen Umfang 1 744 m, genau soviel wie der Tuileriengarten, beträgt
und das sich, durch ein schon in alter Zeit überbrücktes Thal in der Richtung von Nordost
nach Südwest durchschnitten, bis zu 51,2 m über den Meeresspiegel, 35,4 m über das antike
Niveau der Stadt erhebt Beim Besteigtm der Velia und noch vor deren Gipfel, von welchem
der älteste Aufgang war (durch die Porta MugionLs; einen zweiten, durch die Porta Romanula,
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hat man am Forum um! einen dritten, die Treppe i)e_s ("acus am Cirius aufgefunden), bemerkten
wir rechts, gegenüber der Constantinsbasilika, ein Portal, darüber ein Einhorn, «las Wappen der
Farnese, und die lateinische l "eberschrift :
Horti Palatini Farnesiorum,
die uns auf das Palatium einzuladen schien. Wir können jetzt der Versuchung nicht widerstehen,
statt die Velia auf der itndcrn Seite und zum Colosseum hinabzugehen, erst zu diesem Thore
einzutreten und die dräuenden, von immergrünen Eichen umrauschten Felsenwände zerstörter
Kaiserpalästc zu erklimmen, trotzdem wir voraussehen, dass wir uns in einen labyrinthischen Irr-
garten und in ein verzaubertes Schloss begeben, aus dem wir nicht gleich wieder herauskommen
werden — und indem wir die breiten Stufen der ersten' Rampe bequem hinaufsteigen, wieder-
holen wir uns eine alte, bekannte Legende.
Die Tiber ist ausgetreten und begräbt eine wüste Landschaft in einer wüsten Mut, unter
deren Andrang Busch- und Strauchwerk nachgibt und aus welcher die sieben Hügel wie Inseln
aus einem
Nil aufragen.
Auf dieser
Flut treibt,
wie weiland
das Körb-
chen Mosis
in Aegypten,
eine mit zwei
lebendigen
Knäblein be-
ladcne
Wiege. Es
sind auser-
wählte Kin-
der , Werk-
zeuge des
Schicksals
llie Wufün nlt kooiulu* uml K
].:>.-.!.,.. ■ t I : .;ir-, \rr.z: im Lupcrdl, fClJl Ulf dem CipUdl.'t
und die un-
bewussten
Träger einer
grossen Zu-
kunft — die
Zwillinge des
Mars die in
Albalonga,
den Plänen
des Usurpa-
tors zum
Trotz , aus
dem jung-
fräulichen
Schoosse ei-
ner Vestalin
entsprossen
und auf Amu-
lius' Befehl den unbarmherzigen Wellen übergeben worden sind. Aber sanft trägt sie der
gelbe Strom die niedrige Campagna und his an den Palatin hinab, wo ihr steuerloses Fahr-
zeug von ohngefähr an dem knorrigen und ausgebreiteten Geäst eines wilden Feigimbaumes,
der Ficus Ruminalis, hängen bleibt. Gottes Hand ruht sichtbar über ihren Häuptern: eine
grimme Amme, eine Wölfin hört ihr Schreien und säugt sie — säugt sie, bis sie erstarkt
die kräftigere Atzung eines Spechts vertragen, der mit andern heiligen Vögeln hülfreich ge-
llogen kommt. Welch Wunder! Faustulus, der fromme Schäfer, betrachtete es staunend: er
nahm die Zwillinge, trug sie in seine Strohhülte am Rande des Berges und brachte die von
wilden Thieren an Kindesstatt atigenommenen Wölflein der Acca Larentia, welche sie Romulus
und Remus. nannte, während die alte Mutter heulend in ihre tiefe Höhle, das finstre Lu-
percal kroch.
Sie legte sich hier zu Füssen ihres Herrn, des mit Ziegenfellen bekleideten Faunus Lupercus,
dem alle Wölfe unterthan sind, und der sie nach Belieben zur Heerde sendet und von der Heerde
abwehrt (lupos arcetj-, ihm zu Ehren ward nachmals hier alljährlich im Februar das volksthümliche
Fest der Luperealien gefeiert, das in Shakesj>eare's Julius Caesar vorkommt, ja, das in anderer
Diqitize
Form noch heute unter den römischem Katholiken tortlebt, sintemal es von der Kirche in die
L ich t) 1X88 verwandelt worden ist')
Auferzogen auf der Alm, in Sennhütten wie schlichte I lirtensohne, wuchsen die Findlinge
zu kecken Knaben auf, die sich im Kampf mit wilden Thieren und mit wilden Räubern massen und
es mit aller Welt aufnahmen. Eines Tages gedeihen sie in Streit mit den I Iirten des reichen Numitor,
die auf dem Aventin weideten; Remus wurde gefangen genommen und vor den Herm in Alba-
longa, seinen eigenen unbekannten Grossvater geschleppt Das Gesicht des Gefangemen, sein
Alter, sein wunderbares Schicksal, alles das fiel dem Numitor auf; er schickte auch nach Romulus,
der mit Faustulus herbeieilte. Da offenbarte sich die Abkunft der Zwillinge: mit ihren beider-
seitigen Gefährten, den Quiptilii und den Fabii. erschlugen sie den Usur|»tor, setzten ihren Gross-
vater wieder in seine rechtmässige Würde ein und kehrten selbander an den heimatlichen Strom
zurück, um an seinen Ufern eine Stadt zu gründen.
Gleichen Alters, gleich stark und gleich angesehen, haderten die Bruder, wo diese Stadt
zu stehen kommen, wessen Namen sie. tragen, wer über sie herrschen solle. Schliesslich wollten
sie es den Göttern anheimstellen und das altlateinusche Augurium des Yogelflugs befragen. Als
Weissagevögel galten Rahen, Krähen, Adler, Spechte und Geier: deren sah Remus, auf dem
Aventin stehend, sechs, aber fast gleichzeitig flogen vor Romulus auf dem palatinischen Auguratorium
zwölf Geier auf; dies entschied zu seinen Gunsten. Der Aventin, später ein Hauptsitz der Plebejer,
war noch immerein Unglücksberg gewesen: an ihm haftete von früher her das verwünschte Andenken
des Cacus ; jetzt wurde er für Remus zu einem Orte schlimmer Vorbedeutung, und noch heute
scheint ein Fluch auf ihm zu ruhen, denn er ist eine Kinöde, welche Klöster und Wcinl>crge bedecken,
nur von schwermüthigen Einsiedlern bewohnt
Somit ward Rom von Romulus gegründet. Am 1 1 . April, dem ersten Frühlingstage, nach
Varro's Berechnung im 3. Jahre der 6. Olympiade- oder 753 v. Chr. spannte ct nach etruskischem
Ritus einen Stier und eine Färse an einen Pflug und zog eine Furche um den erwählten Berg:
diese Furche bezeichnete die Stadtmauer und die sacralrechtliche Schranke zwischen Stadt und
Feldmark, das sogenannte Pomoerium, jenseits dessen, extra muros, das profane, fremde, plebejische'
Gebiet begann. Schon erhob sich die aus mächtigen Tuffquadem ohne Mörtel nach Läufern
und Bindern geschichtete Ringmauer, als Remus spottend mit einem Satze darüber sprang; Romulus
nach Andern Celer, durchbohrte ihn und rief: So soll es jedem ergehen, der hier darüber springt!
Die Stadt, die mehr Blut vergiessen sollte als sonst eine in der Welt, ward selbst in ihren
Grundmauern mit Bruderblut gefärbt
Das war die Roma quadrata, die älteste, mit dem palatinischen Hügel zusammenfallende,
viereckige Stadt. Etymologen wollen wissen , jener mit eherner Pflugschar gezogene Mauerkreis
sei orbis oder urbs und das Thor porta genannt worden, weil man daselbst den Pflug aufhob
und hinübertrug (von |>ortare, tragen); später wendete man den Begriff auch auf I läusereingäiige
an. Diese Erklärung hat etwas Ansprechendes, namentlich für Rom, das so oft mit dem Erdkreis
identilicirt wird, doch müssle man dann „orbis" und „Kreis" in einem sehr weiten Sinne nehmen,
weil sonst „urbs quadrata" eine musterhafte Contradictio in adjecto wäre, und die altitalienischen
Städte überhaupt nicht kreisförmig gebaut gewesen sind. Das palatinische Rom, der Keim und
l) IfcuorlW w»i ein Ranlipingsfc.!, duich wtkbn .dein «mxdil det „Wollutlmchrrr" aU »ielmthr da „IsrfnKhtcr" i'Inmnl versöhnt
wCTdcti »llt>. An 15. Felxiur (XV. Kil. Man.) fand« |M die Prieslcrcolle,;!.« .kr Falw «ad Oainctilii ao> Pilaün cia i
in, Lupen»] - un.j.[uafUch vielleicht et» Mr»«brao|.feT. «ic dir», .chlirsKe, kann, dus die Opferprioter fwa
mit milchECtranlittr Wolle wieder l
.clh,t nl»r l..hr» musttea. Sich .lern Oplersehiwu«- /emhtiitt min die Fett, der geopferten Bücke ia Kiemen aad Uppen:
uir-KUtlft, die eitleren wie Geiiaela ickwlapad, liefen die PricKer, die uuu »IM luperri hiessen, nackt darch die Stadl .
nam.nilur. uiifmchltiue und schwingcrc Wcllei jvitnhrod. Diele letudiung nnaiile Vin Jfhnuü»' - , d.i.
«rliiuam-, den Feulat ..dies fctiruituy and den £ *tu-n Moeut ..memi» fet.niiiu.» »<.hcr nnier „Kehnur-,
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Kern der Weltstadt und des W eltreichs, war, wie man auch über die L'rformen der Dinge denken
mag. nicht rund, sondern viereckig, dem östlich abgestumpften Faralleltrai>ez entsprechend, welches
der Hügel bildete, und dieses Trapez mit der durch drei Thore unterbrochenen Mauerlinie auf
halber I Iöhc des Abhangs ganz umziehend. Vielmehr haben die Alten eben in der Roma (juadrata
ein Emblem der Welt gesehen, die sie sich als ein Viereck dachten, die vier Zeiten und vier
Gegenden besass, die wie die Lotosblume aus vier Blättern zusammengesetzt war und wie ein
Wagen auf vier Rädern vorwärts rollte, wie sie später in den sieben Hügeln, auf denen die mit sieben
Palladien gesegnete Stadt erbaut war, ein Abbild der himmlischen Planeten -Sieben zu erkennen
glaubten; sie verglichen die bewohnte Knie mit einer ausgebreiteten Chlamys und mit einem Pallium,
beiiles viereckigen Gewändern. Ja. dergleichen kosmische Bezüge haben zu der stolzen
Bezeichnung „Aetema urbs" geführt
IL
Die Sage verfahrt gerade umgekehrt wie die Wissenschaft, welche bekanntlich Rom nicht
durch Romulus, sondern Romulus durch Rom entstehen lässt: sie betrachtet diesen Heros nur
als eine etymologische Personifikation des Ursprungs einer Stadt, deren griechischer Name Roma
etwa unserem „Starkenburg" und dein lateinischen „Valentin" entspricht,' 1 -seine Geschichte (abge-
sehen von der aus einheimischen Mythen compilirten Erzählung über seine Geburt und einzelnen
andern Bestandteilen ähnlichen Ursprungs) nur als eine den nachmaligen Vorstellungen von der ersten
Bildung und ältesten Verfassung des römischen Staates entsprungene Fabel, die auf keiner
positiven Ucberlieferung beruht. Romulus ist augenscheinlich ein Diminutivum von Romus, wie
Faustulus von Faustus i«iui gregi fauslus), Romus aber, welches an sich soviel wie „Starke" 1
bedeuten wurde, nur aus der Projection der Idee eines Stadterbauers in tiie Wirklichkeit hervorge-
gangen, Remus eine andere Form seines eignen Namens oder aber eine ähnliche Personification
einer Stadt Rem[uri]a auf dem Aventin. Der Name Romulus ist in dem modenesischen Familien-
namen Romoli heute noch lebendig, wie sich denn die Italiener gern nach historischen und
mythologischen Grössen nennen, und so ein moderner Romoli, trotzdem er nur als ein später
Schatten des ersten Königs von Rom erscheint, dennoch eine ungleich realere Figur.
(Jod doch scheint uns eben der alle Romulus seine Existenz mit Brief und Siegel zu
belegen. Während wir nämlich über dergleichen Reminiscenzen die Rampe hinaufgekommen und
in eine pittoreske Wassergrotte gerathen, aber in Gedanken weiter gegangen und eine neue Treppe
bis zu demCasino hinaufgestiegen sind, werden wir urplötzlich durch eine prächtige Wölfin überrascht,
welche, erfüllt von zarten Muttersorgen , bang und scheu in ihrem Käfig auf und abhuscht.
Verwundert betrachten wir dieses lebendige Stück römischer Gründungssage: Lebt am Ende die
alte Luperca noch, die unsere Zwillinge gesäugt hat? Wir befragen dent'omthur Rasa, ("onservator
der KaiscTpaläste und Inhaber des Casino, über dieses archäologische Specimen — ob er etwa die
Amme des Romulus eingefangen habe? Und er theilt uns mit, dass sie allerdings die echte römische
Wölfin sei. In ihren Adern rolle das Blut des Romulus. Vor ein paar Jahren habe der Graf
Pianciani , damals römischer Bürgermeister , angeregt durch die Bären Bern 's und die Adler des
protestantischen Rom 's, eine Wölfin angekauft und in die Gärten des Capitols, links von der asphaltirten
Elachtreppe, gesetzt. Grober Missgriff! Wo war denn das Lu]>ereal ? Hier unten am Germalus. Da
erkennt man ja noch die Wolfsschlucht und das ehrwürdige Zwillingsheim, unterhalb der 1 lutte
des Faustulus. Kr habe also flugs eine andere Wölfin für die farnesischen Gärten des Palatin
gekauft ; und nun sei die Wahrheil gleich offenbar worden. Nämlich die Wölfin des Grafen Pianciani
war keine Wölfin, es war ein Wolf! Das kommt davon, wenn man die Topographie vernachlässigt
■) Neben ihm t üiürlc noch ein fijeaerlichcr Nlme der Stull, Klüt», iin.i ein Kclirimct, uwwcpircklklirr, »eU ruijlmh 'Irr Ort Sdnilt-
CiKhen Jet Stadt, die «nridlkhe PtieMet nichl «M anrufen und den Rumetn iMpMNlg wathm durfte», ..ItocS: Ar»«», da. von Kuno.
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Es steht zu hoffen, dass Herr Rosa auch die bronzene Wöllin, jene etruskische Nach-
bildung' des römischen Wappenthiers, das uns von allen Omnibusen und von allen Bannern der
Stadt entgegengrinst, wieder vom Capitol herunterholen und an den Eingang des Lupercal, oder
in die benachbarte Kirche San Teodoro verpflanzen wird, die für einen alten Tempel des Komulus
und Remus gilt, und in welcher sie im sechzehnten Jahrhundert stand.
Unsern Vätern, den Germanen, war das Erscheinen, der Angang eines Wolfes ein glückliches
Vorzeichen, daher gaben sie sich des guten Omeas wegen den Namen Wolfgang. Das war
also jetzt auf dem Palatin ein wahrer Wolfgang für uns. L'ebrigens aber sieht es hier oben
nicht nach Wolfsschluchten und nach den Sennhütten der Gründungszeit aus: jene ländlichen
Traditionen werden von welthistorischen Jahrtausenden erdrückt. Welch ein Bild, das sich vor
uns entrollt! Ein starres Ruinenmeer, wüst und unübersehbar, voll erschütternden Ernstes, beredt
in seinem Schweigen.
T («artrn »o( drm I'aUtir».
Es xab sehünre Zeilen,
AU die unsern, das ist nicht zu streiten !
Und ein edler Volk hat einst gelebt.
Konnte die (ieschtchte davon schweigen,
Tausend Steine würden redend zeugen.
Die man aus dem Schoos» der Eide graut, (Schiller.) •
Schönere Zeiten? Mich dünkt, diese Steine zeugen vielmehr von ungeheurem Frevel, von
masslosem Beginnen und vom Wahnsinn der Caesaren. Aber sie zeugen allerdings zunächst
von den grossen Zeiten der römischen Republik, von jener Periode, die auf die mythische der
Könige gefolgt ist, und in die wir uns jetzo vertiefen wollen, indem wir hinter der Wohnung des
Dircctors in einen langen gewölbten Gang, den sogenannten Cryptoporticus, eintreten, in welchem
dereinst auf gleichem Wege Caligula ermordet worden ist, der uns aber glücklicher und ohne
andern Aufenthalt als den bei einem merkwürdigen Sarkophag mit der Fabel der Medea zu einem
altrömischen Privathaas gerade an dessen Eingang leiten wird.
Frühe waren sechs kleine Ortschaften auf benachbarten Waldhöhen in die romulische
Altstadt eingegangen und das Palatium hatte sich zu einem Septimontium erweitert: das Andenken
an ihre Aufnahme erhielt sich in dem alljährlich im Dezember gefeierten Siebenhügelfest, welches
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gleichfalls Septimontium genannt ward. Der gegenüberliegende capitolinische Berg wurde zur
Burg der Stadt ausersehen; die heimathlosen Flüchtlinge, denen Romullis hier ein Asyl gewährt
hatte, kamen auf diese Weise /um römischen Bürgerrecht Auf dem (Juirinal sassen die Sabiner :
nach hartem Kampfe, in welchem Romulus den Jupiter Stator anrief, dem Fluchtsteller den noch
heute bei der Porta Mugionis erkennbaren Tempel angelobend, fand die Vereinigung mit ihnen
statt und damit eine weitere Annexion. Den Caelius zog Tullus Hostilius zur Stadt, indem er die
Bewohner des zerstörten Alba dahin verpflanzte; den Aventin der König Ancus Marcius, der ihn
I^ateinern anwies. Und so wurde wie gesagt ein Hügel nach dem anderen erworben und das
Pomoerium mehrmals vorgerückt, aber der Palatinische Berg darüber nicht verlassen. Im Gegcn-
theil, die ehrwürdige <iuadrate Mutterstadt, voll uraller Heiligthümer und durch die nationalen
Sagen und Wahrzeichen geweiht, mit Inschriften bedeckt, die dem Fremdling wie noch heute
von der Ur-
geschichte
des römi-
schen Volks
erzählten,
sie blieb
nicht nur
die Resi-
denz der
meisten Kö-
nige, i. B. •
des Ancus
Marcius
des
Priscus
iServiusTul-
lius wohnte
auf dem Ks-
i(uilin), son-
dern auch
der Stamm -
und Lieb-
lingssitz der
alten Patri-
zierfamilicn,
genau so
•I«. H.u.r, ,Sp Livi» „,,f <l.m F»1.lin wbt Seile }J1.
Familien in
Wien oder
in Paris
nicht die
Vorstädte,
sondern die
von Glacis
umgebene
innen: Stadt
zu bewoh-
nen pflegen.
Wer kennt
nicht das
] trächtige,
an Kunst-
schätzen
reic he „Pa-
laisdeScau-
rus", nach welchem Mazois seine Untersuchungen über das römische Haus betitelt hat? Nun,
sothanes Palais stand auf dem Palatin , da wo , gegenüber dem kleinen Museum , eine Tafel
die Wohnung des Clodius angibt, denn dieser in den Zeiten des Unterganges der römischen
Republik vielgenannte Agitator kaufte es für beiläufig drei Millionen Reichsmark. Berühmt ist
seine Feindschaft mit Cicero und diese Feindschaft schien sich sogar auf die Häuser der beiden
Staatsmänner zu vererben; sie waren Nachbarn und recht hämische Nachbarn, denn Cicero spricht
es offen aus, dass er dem Clodius die Aussicht verbauen wolle, um selbst das Vergnügen zu
haben, ihn von oben herab anzusehen. Cicero bewohnte das Haus des Crassus, das er für etwa
eine halbe Million Mark erworben hatte. Catilina, sein anderes Kreuz, ärgerte ihn gleichfalls
durch seine verhasste Nähe ; endlich sein Rivale, der reiche Hortensias, mit dem er um die Palme
der Beredsamkeit rang, wohnte auch bei ihm auf dem Palatin. Bekannt ist ferner, dass das alte
Geschlecht der Lutatier, die Livier, die Antonier hier sassen, und so wird es uns auch nicht
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Wunder nehmen, wenn es die Familien thaten, welche Rom seine ersten Kaiser gegeben haben:
die Familie Julius Caesars, der anfangs ein bescheidenes Haus in der Niederung zwischen Caelius
und Ksc)uilin, der lebhaften Subura innc hatte, aber als Pontifcx Maximus die hiesige Amts-
wohnung, die Regia bezog, und die des Tiberiiis Claudius Nero, des alten Tiberius oder des Kaiser-
vaters und Gemahls der Livia Drusilla, an dessen Thür uns eben unser Cryptoporticus geleitet,
und dessen stillem Heim, als dem letzten palatinischen Privathaus, wir gegenwärtig einen Besuch
abstatten wollen. Da sich die Livia, welche von ihrem Gemahl geschieden und an den Kaiser
Augustus abgetreten worden war, nach dessen Tode wieder hierher zurückzog, wird es von den
Italienern gewöhnlich „Casa di Livia" (Domus Liviae) genannt. .
Der Fremde nimmt zwar im Allgemeinen auf Treu und Glauben hin, was ihm die Gelehrten
sagen; aber er möchte doch auch manchmal erfahren, wie sie zu ihren Bestimmungen und ihren
Resultaten kommen. Woher weiss man z. B., dass dies gerade Kaiser Tiberius' Elternhaus
Vorstellt, höre ich einen fragen, wo es doch weder im Brandkataster steht noch an den Wänden abge-
sehen werden kann? — Ich will dem liebenswürdigen Skeptiker verrathen, woher man es weiss,
und ihm eine Probe archäologischer Forschung geben. Dieses backsteinerne Häuschen ist erst
i S69 blossgelegt und seine Taufe allerdings auf Grund eimT alten Inschrift vollzogen worden, die
nur nicht gerade über dem Portal zu lesen ist. Nein, sie ist auf den Bleiröhren zu lesen, die
da unten an der linken Wantl des mittleren Zimmers lehnen. Sie leiteten das Trinkwasser in das
Haus und wurden 1870 in einem unterirdischen Gange gefunden. Auf ihnen stehen also ab und zu
die Worte: JULLE AUG., d. h. Juliae Augustae. Julia Augusta hiess Livia nach Augustus'
Tode: indem ihr der Kaiser ein Drittheil seines Vermögens im Testament vermachte, nahm er
sie zugleich ins Julische Geschlecht und in den Julischen Namen auf. Nun aber ist wiederum
bekannt, dass dergleichen Gerätschaften regelmässig mit dem Namen des Hausbesitzers gezeichnet
sind: zu Juliae Augustae hat man etwa ..proprietas", Eigenthum hinzuzudenken. Mithin gehörte
das Gebäude sammt jenen Röhren der Kaiserinwitwe Livia.
Der Palatin wurde mit Wasser durch die Aqua Claudia versorgt, von der man noch fünf
Bogen im Osten erblickt; von hierher kam also wohl auch der ebenerwähnte unterirdische Kanal.
Fr wurde nachmals durch den Palast der Flavier unterbrochen, die „Aedes publicae" Domitians:
aber vor denselben bemerkt man eine von rechts her einmündende Zweigleitung, wahrscheinlich
bestimmt, das Wasser um den Palast herum dem ! lause der Livia zuzuführen. Zu dieser Zweig-
leitung gehörte die ebenfalls hier aufbewahrte Röhre, auf der man folgende Buchstaben entziffert :
IMPnOMlTIAN[CAE.SARAUü. SUBtTRA
EUTYCH1L. PROC. FEC HYMNZSCAESARNSER
will sagen:
Imp(eratoris) Domitiani Caesar(is) Aug(usti). Sub cura
Eutychii Uiberti) produratoris) feefit) Hymnus Caesar(is| niostri) ser(vus),
oder zu deutsch:
lEigenthum) des Kaisers Domitian. Fabricirt. imter Leitung des Freigelassenen Eutychius
von Hymnus, unserer Kaiserlichen Majestät gehorsamem Diener.
Bei Livia's Tode ging nämlich das Haus in den Besitz des Germanicus Caesar, ihres
Enkels über und wurde dann Bestandtheil der kaiserlichen Domäne überhaupt. Es kam also, wie
eben diese Bleiröhre beweist, auch an Domitian, der es nicht nur bestehen, sondern so sorgfältig
unterhalten Hess, dass er bei der Anlage der Aedes publicae Massregeln ergriff, um ihm seine
Wasserleitung nicht zu entziehen. Ja, dasselbe Haus hat sich, fort und fort geschont und eben
deshalb tiefer als die umliegenden Paläste, für welche das Areal erhöht ward und von denen
man auf Stufen zu ihm herabsteigen musste, bis ins dritte Jahrhundert hinein erhalten, wie eine
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Plan der Ausgrabungen auf dem Palatin.
*Ai *t rr>m t+vi ji». ttiasttm iU^vjWw . . .-
Li. Kl M^ii« f/fT.-wu aram >tmf r.-tetriur.
J >. /eWs <rrrY# 4>Wirt i*4t'ji\ti imfidtt /rr ur>t mr+*iü /W.irV.n
«>ii* i
j }. MM . nn.l/ CVf/rM,
f ■ <faü). farada« imrürm
1 ). / ■..,.'-■ ^Wt«w,i iTaCIT. /Inn. xti, 14. >
II. R**i» v*ad>«u «4 ikCjfii a »II»», f«* t« In A)*****«. <T>T< tiv.)
L, kam» ^udnu «1 *J tupirttl".» &cal*mm Ort VaS«« tarauaut» »fct
lugumai tzii Fautluli, ibt SCpuuIj» mmnuni, (StUMnJ
r». Paria MuguB.it a Kanüle inililKi.
E, tftrnulm i fefainli Romtfo tt Ke»o, quc-J ».) i<a*i ruM«lm i>ii
Invantfc, q*0 4<)u» hiotin» TtUrll *4l aaiularat tn *lraa>}a «Mf-MMU.
(Vnn», aV /.raf. j« L )
F. Teil* Ri'ikani iotliluu cit a Romnio inaaao dito Vittor»«:. {FKittra}
0. Antun In pallll* «J f-jft»fa Mhf>*ab Mcwidua «atat tu* ntmrj, aV
s.!«< lanv« «tt, [V»»*g «1 *>-.wac*.>
H. Caliajula, foiiu traDiuui palatiun. Ll.ipitiJin»iq&c csajaaxit.
(Si'ii. CW.]
1. Caligul». rfc«xoa pu w nocili vi^ili» tu>Madiqut it«li.i .... mm« jar Ion*
g.Ki*!»« panicu* vaf m, Inrocan idmt>A«r» at^ua * » • p«c i*r« kuc«m
- 1 • ;t •*! iL (Sun. Ca/.)
K. CaligaJa parle* pulaüi *ti Fora« «a<juc faanw^il.
U Otbe p«r TiUthiBMi 4««iu» V«Utr«\ ia«a ad mlllurtna auM^at
aaa> »Aim Sai^rai parfii (Taut. .4mn.\
Sl Viealüua, capla atb«. per »cram ptlatii ptrttca AvintMuoi ia danuia
uioril icJfaU iefctlur. dem «olälilal« ia(«ftll Ül fftlMlo ttfl*4il*f,
(Facit. Hin. (II. mav.)
DOgle
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andere mit der „Julia Augusta" zusammengelöthete Bleiröhre beweist, die Herr Rosa 1870 unter
der Täfelung des Perislyls entdeckt hat und die folgende Inschrift trägt:
L. PESCENN1USF.ROS. CAESAKUM.
das heisst: •
l^ucius) Pescennius F.ros (fecit). Caesarum (proprietas) :
In obgenanntem Ingenieur hat man wahrscheinlich rinen Freigelassenen der Familie des
Pescennius Niger zu erblicken, die „Caesares" würden dann Septimius Severus und sein Sohn
Caracalla, oder aber dieser und sein Bruder Geta sein. So viel lässt sich noch nach Jahr-
tausende aus ein Paar unscheinbaren, in der Erde vergrabenen, wahrlich nicht für die Archäo-
logen gezeichneten Röhren lernen.
In ihnen giebt uns also der alte Tiberius Claudius Nero gewissormassen seine Visitenkarte und
wir haben das Vergnügen, uns gleich irgend einem reisenden Hyperboräer bei ihm umzusehen und
einen indiscreten Blick in seine Häuslichkeit zu thun. Pompeji bietet nichts Interessanteres. Da
Aiiigrabunc dm Haan «Irr Livii.
stehen wir also zum ersten Mal in unserem Leben in einem Atrium , einem wirklichem , echten,
antiken Atrium. Wir wissen lange, dass das den Mittelpunkt des römischen Wohnhauses bildete
— dass es Atrium hiess, weil hier der Kochherd (focus) stand und es von Rauch geschwärzt
(atrum) war — dass es ausserdem das Khebett, die Webstühle der Sdavinnen, die Familiengöttcr
und den Geldschrank enthielt — dass es ein viereckiger Hof war mit Oberlicht und mit einem
Dache, das in der Mitte eine Oeffnung hatte, welcher Oeffnung, Compluvium genannt, unten im
Fussboden ein Bassin, das Impluvium entsprach — in diesem Bassin sammelte sich das Regenwasser,
das durch das Compluvium niederging — dass aber auch das Compluvium fehlen und der ganze
Raum mit einem gewölbten Schutzdach, wie mit einer Schildkrötenschalc itestudo) bedeckt sein
konnte, und dass eben unseres ein solches Atrium testudinatum war — das Alles haben wir
im Vitruv gelesen und unterschiedliche Grundrisse davon gesehen; der marmorne Stadtplan auf
dem Capilol selbst musste herhalten, um uns eine Idee von einem Schildkrötendach zu geben.
Ja, wir haben es wohl gelesen, aber wie mächtig belebt doch unser Studium die unmittelbare
Anschauung; welch ein ander Ding ist es doch, leibhaftig durch die offene I lausthürc (janua) in
den Hausflur einzutreten, kecklich die Thür zum Atrium (ostiuim aufzumachen, den kostbaren
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i
Mosaikfussltoden zu l>eschreiten und in den vier Wänden an den Resten eines Laren-Altars auszu-
ruhn: man lebt wirklich mit den Alten und bekommt gleich Lust, sich im Triclinium zu lagern und
«•in „Prandium" einzunehmen, oder man tritt an das gemalle Fenster und sieht mit anderen Gaffern
der schönen Dame nach, die da unten, gefolgt von ihrer Sklavin, vorübergeht und sich mit einem
Flabellum Luft zufächelt. Man wird eben über Vieles, ich möchte sagen, bereits an der Schwelle
aufgeklärt, welche Schwelle, wie wir sehen, direct an der Strasse lag: ein Vestibulum, wie es
unsere Lehrbücher jedwedem regelrechten römischen Haus vorlegen, gab es nicht. Ei was, ein
Vestibulum! Will sagen, ein grossartiger Vorplatz, der durch vorspringende Seitenflügel zwischen
Haus und Strasse vor der Facade gebildet wird, wie vor dem Versailler Schloss! Ein solcher
hatte offenbar nur bei grossen und ausgedehnten Palastanlagen statt, während Privathäuser wie
unseres nichts weiter als einen engen, zwischen den zwei Hausthüren gelegenen Corridor, das
sogenannte Prothyrum besassen, welches man sehr irrthümlich mit einem Vestibulum verwechselt;
das ist so wahr, dass man in der ganzen kleinen Provincialstadt Pompeji nicht ein einziges
Vestibulum antrifft.
Auch an andere Räumlichkeiten darf man nicht einen Masstab l<!gen, den man wohl an die
eines modernen I lauses legt : das PalaLs einer deutschen oder russischen Kaiserinwittwe ergäbe gar
andere Ruinen. An das Atrium schliessen sich dem Eingänge gegenüber drei Gemächer, deren
mittleres den Salon oder, um mich so auszudrücken, die gute Stube, das Tablinum darstellt; an die
rechte Seite des Hofes lehnt sich ein länglich viereckiger Raum, dessen Wände im schönsten
pompejanischen Roth entbrennen, der Speise-Saal, mit einem griechischen Fremdworte Triclinium
genannt, weil es Sitte war, drei Ruhebetten hufeisenförmig um die Tafel aufzustellen, während die
vierte Seite frei blieb. Nun, schon diese Säle sind für eine so vornehme Dame wie die Livia
nicht gerade bedeutend; sie haben mehr Tiefe als Breite, die Höhe der Mauern übersteigt keine
vier Meter. Wenn man aber vollends auf dem hölzernen Treppchen an der rechten vorderen Ecke
des Atriums zu der hinteren Hälfte der Wohnung hinarusteigt. welche die Schlaf- (eubicula) und
Fremdenzimmer (hospitiaS die Bäder ibalnea) und die heizbaren Gemächer (hypocausta), die Vorraths-
kammern und Wirthschaftsräume enthält und gleichsam das Privathaus im Privathaus darstellt, so
wundert man sich geradezu, wie; bescheiden und dürftig dasselbe angelegt ist Die kleinen Schlaf-
zimmer, ohne Verbindung unter sich und ihr Licht vom Hof oder hochgelegenen in den Hof schauenden,
Fenslerchen erhaltend, mit schmalen BetlnLschen in den Wänden können kaum so comfortabel
wie unsere Schlafstellen oder Alkoven gewesen sein. Diese Beobachtung wiederholt sich in
Pompeji, wo die vornehmen Häuser gleichfalls weite Höfe und darum herum ein«! Meng«; kleiner
auffallend kleiner Räume haben, aber solch Missvcrhältniss gründet sich zum guten Theil auf
die Lebensgewohnheiten der Alten und der Südländer insbesondere. Sie waren nicht viel zu
Hause, sie lebten mehr unter freiem Himmel und in reger Theilnahme an der Oeffentlichkeit ;
und im Hause liebten sie wie<lerum «len Aufenthalt in den Höfen und Säulengängen, wo sie ihre
Klienten empfingen und der frischen Luft genossen; die Stuben und die gedeckten Räume be-
trachteten sie dagegen m«;hr wie einen augenblicklichen Unterschlupf und als eine Herberge , in
der man einkehrt, um sie bald wieder zu verlassen. Dergleichen Einrichtungen und Sitten konnte sich
natürlich auch eine Dame, und wenn sie eine Livia war, nicht entziehen. Sie schloss sich auch in sofern
daran an, als sie an einer Ecke ihres Hauses, nach der Strasse zu, welche dasselbe vom Tempel
des Jupiter Victor schied, zwei Läden (tabemae) an Kaulleute vermiethete; Läden gehören auch
in Pompiji, wie im heutigen Neapel zu den st(;hend«;n DejM-ndcnzen vornehmer Häuser.
Dafür war die künstlerische Decoration und die Ornamentik ihres Wittwcnsitzes so anmuthig
wie jemals eine, und schönere Fresken hat kaum eine moderne Majestät, als sie hier, nach fast zwei
Jahrtausenden, frisch und harmonisch an den Wänden des Tablinum» prangen; es ist wahr, dass
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sie Herr Rosa wieder mit antikem, nach Yitruv's Recept bereitetem Fimiss überzogen hat.
Diese (iemülde sollen in dem fensterlosen Räume abbilden, was durch Fenster im Freien oder
auf der ; Strasse zu sehen ist, wie man noch heutzutage an der Riviera blinde, mit allerhand
parrhasius'schen Schyzen bemalte Fenster liebt, und ähnliche Ueberraschungen sich in den
\\ xnileef&ilde des TiKitmlm im Haute der Liria.
italienischen Villen überhaupt und in Rom selber wiederholen. Die ganze Malerei beruht auf einer
Augentäuschung, und als diese; Kunst noch neu war, schien man Gefallen daran zu finden, die
Täuschung möglichst vollkommen zu machen. Aufschiessend von einer braunen, scharlachumsäumten
Sohlbank , tragen fingirtc Säulen, deren Kannelirungen durch Kränze unterbrochen werden, gleich-
falls perspectivische Karniese von einem seltnen Reichthum : zwischen ihnen und abwechselnd mit
einfachen Feldern, die, lebhafter geröthet und gelb cassettirt, durch Friese von zartem Blau
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gehoben werden, durch diese elegante, bizarre, caprieiüse Architektunik hindurch erblicken wir die
wohlerhaltenen Bilder.
Stylistisch das schönste ist das kleine Gemälde rechts, in dunkelbraunem Rahmen zwischen
zwei geflügelten Victoricn, welches die Fabel der Jo zum Gegenstände hat. Die Tochter des Inachos
wurde von Zeus geliebt und aus Furcht vor Hera, deren Priesterin sie war, in eine Kuh ver-
wandelt. Dennoch bekam die eifersüchtige Gemahlin Wind davon und setzte den hundertäugigen
Argos zu ihrem Hüter ein: im Auftrag des Zeus musstc Hermes dem Argas den Kopf abschlagen,
worauf die Göttin die verhasste Nebenbuhlerin durch eine Bremse von I-and zu Land und von
Europa nach Asien unstät jagen liess, bis sie endlich in Aegypten Ruhe fand. Von diesem
Mythus, welcher eine Vermenschlichung des wandelnden, nachts vom Sternenhimmel (Argos) be-
wachten, in der Morgendämmerung (Hermes) befreiten, al>er nun vom Glanz des Tages (Juno) ,
überschienenen und gleichsam durch die Himmel gejagten Mondes (Jo) zu enthalten scheint —
ihn als eine weisse Kuh und seine Sicheln als die Hörner derselben aufzufassen, ist eine uralte
Symbolik — sehen wir hier den Moment der Argostödtung dargestellt. Jo sitzt in menschlicher
Form, aber mit Kuhhömern zu Füssen einer Säule, auf welcher die Statue einer bekleideten Juno
aufgepflanzt ist; Argos, mit l~anze und Schwert bewaffnet, den rechten Fuss aufgestützt, über dem
gebogenen Knie ein Stierfell, ist, schlaftrunken und seiner kaum mehr mächtig, über sie gebeugt,
daher er sich auch mit der Hand an den milderen Felsen anhält; denn bereits umspielt seine
Sinne süss und bestrickend das Flötenspiel des Hermes, welcher vorsichtig heranschleicht, um
ihn mit seinem Schwert oder, so sieht es aus, mit einem Steinwurfc zu tödten. Diese Darstellung
wiederholt sich oft, namentlich auch auf Vasen; Hermes ist wie Argos nackt, aber als alter
Reisender durch den breitkrämpigen, geflügelten Filzhut (petasus) charakterisirt.
Daneben, an derselben Wand spielt sich die bereits oben angedeutete Strassen scene ab,
überaus merkwürdig, weil sie uns zeigt, wie die Bürgerwohnungen des siebenten Jahrhunderts in ,
Rom aussahen : nämlich so wie die zwei I läuscr, die hier neben einander an einer Strasse liegen,
eins auf das andere gezeichnet, mit einflügeligen Thüren, die oberen Stocke mit Balkons oder
Altanen versehen, nicht viel anders als heutzutage; eine massive Schnur grenzt die erste von der
zweiten Etage ab. An einem Fenster und auf den Baikonen stehen drei Personen, mit den Augen
einer trefflich drapirten Dame folgend, welche eben mit einem jungen Mädchen das Haus
verlassen hat und einen Fächer aus Pfauenfedern (flabellum) in der Hand hält. An der
Wand dem Eingang gegenüber endlich erblicken wir Galathea, die, von anderen Nereiden
umgaukelt, auf stolzem Seepferd über die Finthen des sicilischen Meeres sprengt, sich verächtlich
von Polyphän! abwendend, der, liebebedürftig und einen Eros auf der Schulter, der wonnigen
Nymphe nachsieht.
Oben sind kleinere Bilder zu Schönleistcn des Staatszimmers verwandt. Da wird ein Lamm
geopfert, da wird Zauberei getrieben. Das Opfer haben wir auf unserem Bilde in der Mitte.
Eine griechisch gekleidete Priesterin schüttet aus einer Amphora Wein auf den Altar, vor welchem
eine römische, portraitartige Matrone schweigend sitzt, sie hält el>enfalLs einen Fächer in der
Hand: Wein auszugießen und dem Thiere Weihrauch und Dinkelmehl mit Salz (mola salsa)
zwischen die Horner zu streuen, war der gewöhnliche Beginn eines Opfers. Die Heldin der
zweiten freieren Composition ist vermutlich Phaedra, welche dem Hippolytus einen Liebestrank
brauen will. Sie sitzt und hält ein Kästchen auf den Knieen, eine Zofe steht aufrecht hinter ihr ;
vor einem Dreifuss mit wabernder Lohe erhebt sich gross und- feierlich die Magierin, von der
Königin angstvoll beobachtet; sie reicht ihr einen Gürtel oder ein Degengehänge. Diese beiden
kleinen, als wirkliche Malereien gedachten Skizzen geben eine deutliche Vorstellung von dem antiken
Tafelbilde, welches zusammenlegbare Flügel gleich einem Klap]>enaltar hatte.
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Die Wandgemälde der übrigen Räumt: zeigen dieselbe Anordnung in Felder, welche durch
simulirtc Säulen, Stühle und Gesimse begrenzt und auseinander gehalten werden. Im linken
Flügel des Tablinums, den wir umstehend abgebildet haben, sind die Säulen grau und mit lauch-
grünem Laubwerk umwunden, die Säulenstühle roth; die durch breite, isabellfarbene Plinthen
vermittelten Felder braun und blau gerändert. Ueber ihnen läuft eine goldene, mit ausschreitenden
Löwen und Greifen geschmückte Schünteiste und darüber wieder eine Reihe purpurumrahmter
Tafeln hin, deren höchst anmuthige Decoration an die Titusthermen und die Loggien des Rafael
erinnert: Auf hellem Grunde sieht man blau-, grün- und rosageflügelte Genien zu zwei und zwei
um leichte Araliesken spielen. Im rechten Flügel sind die Felder Isabellfarben und mit Festons von
Blumen- und Fruchtguir-
landcn schwerbehangen,
während auf einer Leiste
darüber, unterhalb eines
dunkelgelben Frieses,
Scenen aus dem dama-
ligen Strasscnverkehre
figuriren. Nichts pikan-
ter als diese Schildereien
des Volkslebens vom
Ende der Republik. Ein
Consul , begleitet von
Lictoren ohne Beile und
einer Ordonnanz (accen-
sus), geht seinen Ge-
schäften nach ; Matronen
besuchen den nahen Tem-
pel, andere die Gräber
an der appischen Strasse,
wo sie ein Todtenopfer
bringen ; Frauen aus dem
Volke mit Körben (spor-
tis| in der liand wollen
auf dem Markt Einkäufe
machen; Advokaten eilen
lliof der Ltvät Liaker Flügel des Tnbliminu,
aufs Forum, das vor
ihnen abgebildet ist ;
Kaufleute führen ihre
schwerbeladenen Ka-
meele; Freigelassene ma-
chen ihre Läden auf,
Jäger kehren in die Stadt
zurück, ein Fischer spannt
seine Netze aus. Der-
gleichen Wandgemälde
sind oft lehrreicher als
die Wände selbst
Das Triclinium ist
mit Landschaftsbildern
geschmückt An der
Wand rechts sieht man
eine Gegend im Ge-
schmack des Schwetzin-
ger Schlossgartens dar-
gestellt, mit Phantasie-
bauten, mit Sculpturen,
mit Zugbrücken , mit
Muschclwerk, mit Was-
serkünsten; im Vorder-
grunde kommen drei
F-nten, lange Furchen ziehend, unter einer Grotte hervorgeschwommen, Hirsche und Eber scheinen
über das Gesims zu laufen. Die Rückwand belebt ein zweites Landschaftsbild , ein Rasenplatz,
in dessen Mitte ein mit einer griechischen Vase gekrönter Pfeiler aufragt; rechts und links
ziehen sich auf einer Schönlcistc jene fabelhaften Wesen hin, die aus Löwen und Adlern
zusammengesetzt sind und welche man Greife (gryphos) nennt Endlich an der Eingangswand
bemerkt man grosse transparente Obstschalen (calices), deren Form an unsere Tafelaulsätze und
an den heiligen Gral in Genua erinnert — sie sind die einzigen Beispiele von Gcfässcn, in denen
bei den Alten Früchte aufgegeben wurden.
Was denn für Früchte ? Vielleicht denkt Mancher : recht schöne Apfelsinen ; die italienischen
Ciceroni, die diese Gegenstände zeigen, glauben selbst welche zu sehn. Ich besuchte einmal die
Villa der Kaiserin Livia, die in der Campagna bei Prima Porta gelegen ist und die von den daselbst
gezogenen Hühnern den charakteristischen Beinamen „ad Gallinas" trug : daselbst finden sich ähnliche
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Malereien ; unter blauem Himmel , in einem mit Rosenhecken umzäunten Garten stehen die ver-
schiedenartigsten Zieqjflanzen, mit Früchten beladen und von zahlreichen Vögeln tielebt. Darunter
wies mir nun die Schliesserin Feigen, Mandeln, Pfirsiche, Citroncn und Apfelsinen, wie man in Rom
sagt, Portogalli. Die gute Frau ahnte nicht, das eben dieser Name, welcher an die Einführung
der sinesischen Acpfel über Portugal erinnert, ihre Auffassung unmöglich mache: eine Orangerie
hat unsere Kaiserin nicht besessen, nicht einmal Citronen. Wie Schouw nachgewiesen hat, dass
in Pompeji weder Cacteen noch Agaven dargestellt sind, so darf man a priori behaupten, dass
in dieser Zeit auch Niemand Agrumen malte; ja, selbst die Normannen haben die Orangen noch
nicht gekannt, und wenn Grcgorovius erzählt, sie hätten welche von Salemo an ihre Brüder nach
der Normandie geschickt, um ihnen zu zeigen, dass das Land ein Paradies sei, so ist das ein
Anachronismus. In gedachter Villa, die als ein Pendant unseres palatinischen Hauses zu betrachten
ist, wurde 1863 die schöne Statue des Augustus gefunden, das vorzüglichste Abbild dieses
grossen Kaisers überhaupt, welches ihn in einem reich mit Reliefs geschmückten Panzer wiedergiebt
und das wir dem Leser bei den vaticanischen Museen vor Augen stellen werden, während gegen-
wärtig sein Haus unsere ganze Aufmerksamkeit erfordert.
Augustus machte einen Palast aus dem Palatium — dieses Wort, in fast allen modernen
Sprachen die Bezeichnung für die Wohnungen der Fürsten und Könige, entstand, als der Sieger
von Actium das Haus des Hortensius kaufte und seine Residenz auf den alten Adlerhorst verlegte,
wo er selber geboren war: der Hügel, über den ein paar arme Hirten ihr Vieh getrieben,
auf dem dann eine Stadt erbaut ward, welche Stadt wieder als innere Stadt einen Kranz von
Vorstädten hervortrieb, er entwickelte sich jetzt zum Schlossberg und zu einem Typus für alle
ResidenzschU'isser, alle Zwinger und Hofburgen der Welt.
Salvator Rosa , der Ahn unseres Archäologen vom Palatin , hat einmal clie Glücksgöttin
gemalt, wie sie die Schätze der Erde aus ihrem Füllhorn über eine I leerde Thiere ausschüttet : auf
den dummen Fsel, der Büchirr, Pinsel und Malerpaletten ungeschickt betalpst, regnet es Lorbeerkränze,
das Schwein watet in rothen Rosen, wühlt in Perlen und Mehreres dergleichen, was eine
Satire auf den römischen Hof sein sollte. Wie merkwürdig I Eben das lateinische Wort Cohors,
aus welchem das italienische Corte und das französische Cour hervorgegangen ,sind, bedeutet
einen Viehhof, die „Turba Cortis", wie man die Schaar der Höflinge nennen könnte, bestand
wirklich aus Schweinen, Eseln und anderen Hausthieren. Klingt es nicht wie eine gleiche Fabel,
wenn von einem „Palazzo" und einem „Palais" die Rede ist, aus welchem letzteren unser mittel-
hochdeutsches Palas und (indem wie bei Papst ein T antrat) unser heutiges Palast ward? —
Unmittelbar nahmen wir das Wort Palatium in der Form Pfalz in unsere Sprache auf, womit man
gleichfalls zunächst den kaiserlichen Palast, dann das zu ihm gehörige, für den Unterhalt der
Pfalzgrafen bestimmte Gebiet bezeichnete.
Auch die Tuilerien lassen sich mit dem Palatium vergleichen, indem sie bekanntlich aus
einer Ziegelbrennerei (tuilcric) hervorgegangen sind.
Der Palast des Augustus, die Domus Caesaris oder Augustana, die schliesslich, alle
Privathäuser verdrängend, den königlichen Hügel überdeckte, lag an der Stelle der sogenannten
Villa Mills, welche bisher den Klosterfrauen von der Heimsuchung Maria angehörte, aber neuer-
dings angekauft worden ist, anstiess, von derselben Villa eingefriedigt, ein grosser Apollotempel
und die berühmte Bibliotheca Palatina. Augustus hatte in den Gewässern des Ambrakischen
Meerbusens, des heutigen Golfo di Arta, bei dem Vorgebirge Actium am 1. September des
III.
Jahres 3 1 v. Chr. den Seesieg über Antonius und Cleopatra erfochten , welcher ihm die
Weltherrschaft sicherte. Auf besagtem Vorgebirge stand ein uralter, der Sage nach von den
Argonauten gegründeter Tempel des Apollo, und es war natürlich, dass Augustus fortan diesem
Gott eine specielle Devotion widmete und ihn gewissermassen als seinen Patron betrachtete,
wie er eine solche Patronin bereits in der Venus, der angeblichen Stammmutter des Julischen
Geschlechtes hatte. Er Hess also nicht nur den Tempel des Apollo Actiacus erweitern, die
erbeuteten Trophäen daselbst aufhängen und die früher hier gefeierten Festspiele erneuern, sondern
führte ihm auch 28 v. Chr. einen neuen Tempel auf dem Palatin neben seinem Palaste auf, gleichsam eine
Hauskapelle ; ja, selbst die elegante Statue des eidechsentödtenden Apollo, die seine Privatgemächer
schmückte, und die, 1777 gefunden, gegenwärtig in der vaticanischen Galleria delle Statue
aufgestellt ist, mochte er mit einer Art von gläubiger Verehrung ansehn. So bauten christliche
Sieger unzählige Mal den Heiligen Kirchen, an deren Namenstage ihnen Heil widerfahren war. Der
palatinische
Tempel war
sehr reich,
sein Portal
mit Schnitze-
reien von
Elfenbein be-
deckt und in
ihnen Apollo
dargestellt,
wie er an sei-
nen Feinden
Rache nahm
— an den
sein Delphi
bedrohenden
(ialliern, die
von dem Par-
kte der HiM.ulhcc* 1'aUuin.
nass herab-
gestürzt wur-
den, an den
Niobiden, die
seinen Pfeilen
widerstands-
los erlagen.
Nichts ist von
ihm übrig als
die Beschrei-
bung des Pro-
perz (II, 311.
Unter dem
Bilde des
Gottes wur-
den in zwei
vergoldeten
Schränkchen
i forulLsi die Sprüche beigesetzt die für seine specielle Offenbarung {Apollinis beneheium) galten und das
Evangelium der alten Römer bildeten: die sibyllinischen, unter Augustus neugesichteten und sorgfältig
revidirten Bücher. Aber unter seinem Schutze standen noch sehr viele andere profane Bücher, und die
Scripta, Falaunus i|uaccunu|iic receuit Apollo,
zu katalogisiren, mag eine schwere Arbeit für die römischen Bibliothekare gewesen sein. Wir machen
uns im Allgemeinen ein falsches Bild von der Cultur des Altrrthums, das wir als eine Vorstufe für
unser Mittelalter und die darauffolgende Neuzeit ansehen, während sich doch diese Perioden in der
Geschichte jedes einzelnen Volkes wiederholen und z. B. das augusteische Zeitalter durchaus nichts
Alterthümliches an sich hat, sondern bis auf unwesentliche Mängel nur mit den hochentwickelten
Zustanden moderner Grossslädle verglichen werden kann, über die es in manchen Dingen sogar noch
hinausgegangen sein mag. So dürfen wir auch nicht zu gering von der literarischen Bewegung desselben
denken, ob es wohl noch keine beweglichen Lettern gab: Bücher und Büchermacher, Sortimenter und
Verlagsbuchhändler, gute und schlechte Dichter und Autoren gab es eben genau so viel wie bei
uns. Man hat ermittelt dass Martial's Gedichte, erste Sammlung in der Prachtausgabe, 5 Denare
(4,12 Reichsmark), etwa soviel wie 1 leine's Buch der Lieder, in der wohlfeilen Ausgabe etwa
die Hälfte kosteten, und dass die Firma Schwelger (Tryphon 1 seine Xenien zu 4 Sesterzen (87 Pf.)
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nach des Verfassers Meinung viel zu thcucr angab; dass die Auflage beiläufig 1250 Exemplare
stark war, und die Druckkosten, will sagen die Schreibkosten doppelt soviel als heutzutage, wo
der Verleger im Allgemeinen den Druckbogen mit dreissig Pfennigen berechnet, betragen haben
mögen. Es gab also auch Bibliotheken, öffentliche und private, griechische und lateinische die
Hülle und die Fülle, mindestens soviel wie gegenwärtig : Asinius Pollio, der, ein Redner wie Cicero,
ein Dichter wie Virgil und ein Historiker wie Sallust, zur Zeit des Augustus blühte, soll zuerst in
dem Tempel der Libertas auf dem Aventin eine Bücherei angelegt haben, die dem lesclustigen Publicum
zu gewissen Stunden des Tages geöffnet war, und Augustus selbst gründete deren zwei, eine in dem
früher erwähnten Porticus der Octavia, die danach Bibliotheca Octaviana hiess (sie ging bei dem
verheerenden Brand unter Titus in Feuer auf) und die Palatina in einer dem Tempel des Apollo
Palatinus angebauten Säulenhalle, die, von seinen Zeitgenossen als die reichhaltigste bezeichnet,
ebenfalls ein Raub der Flammen unter Commodus wurde. Bekanntlich heisst auch die von den
Kurfürsten von der Pfalz gesammelte Heidelberger Bibliothek Bibliotheca Palatina. Da Pfalz dasselbe
Wort ist wie Palatium, so werden wir uns über dieses Zusammentreffen nicht verwundern.
Wenn wir der Tafel mit der ausdrücklichen Angabe „Bibliotheca Palatina" trauen dürfen,
so besitzen wir noch die Reste dieser berühmten Sammlung: den Porticus von sechs Cipollin-
säulen, von denen zwei ganz, vier theiiweise erhatten sind, und die wir umstehend abgebildet
haben. Daneben liegt, hart am Rande des Berges und eine herrliche Aussicht über das enge
Circusthal hinweg auf den Aventin, die Tiber und die südliche Campagna mit den gross-
artigen Linien und dem warmen, prächtigen Farbenspiel gewährend, ein viereckiger Raum, der
durch eine tribünenartige Ausbuchtung abgeschlossen und von Sitzen umgeben ist, angeblich
die Akademie, wo Dichter und Rhetoren ihre Vorlesungen | recitationes) hielten. Gleich der
Schriftstellerei, so blühte nämlich auch im alten Rom l>ercits das Vortragswesen, indem die Autoren
ihre neuesten Werke in geschlossenen Gesellschaften, zu denen man nur auf besondere Einladung
Zutritt hatte, vorzulesen pflegten. Wie Wilhelm Jordan als wandernder Rhapsode seine „Nibelunge"
declamirt, so trug Statius mit gleich angenehmem Organe seine „Thebaide" vor. I>ie Wuth
der Dichterlinge, ihre Sachen privatim vorzulesen, ein unglückliches Opfer mit Vorlesungen zu
verfolgen, kennt wohl Mancher unter uns, der einmal wie Horaz von einem Sohn der Musen
angepackt worden ist, aus eigener Erfahrung. Dass sie vollends die Gelegenheit, sich öffentlich
und vor den Kaisem selber hören zu lassen, begierig ergriffen, lässt sich denken.
In Herculanum hat man 1753 eine vollständig ausgestattete Privatbibliothek entdeckt,
und man kann sich danach eine Idee machen, wie die alten Römer ihre Bücher oder PapyTus-
rollen aufstellten und aufbewahrten. Nämlich in den Fächern mannshoher, numerirter Wandschränke
(armaria); im Centrum stand ein besonderes Bücherbret in Form eines viereckigen Pfeilers, nach
allen vier Seiten hin Front machend und ebenso wie jene Schränke angefüllt, den drehbaren Bücher-
gestellen unserer Zeit entsprechend (forulusi; ein solches Schränkchen sieht man auf einem
Sarkophage abgebildet, der gegenwärtig in einer römischen Strasse zum Brunnenbecken dient.
Dieses Bibliothekzimmer ist allerdings so klein, dass es ein Mann mit ausgespannten Armen abreicht ;
die grossen römischen Bibliotheken hatten andere Dimensionen und luxuriöse, mit den Porträts
und den Büsten berühmter Männer, mit den Statuen der Minerva und der Musen geschmückte
Lesesäle. Avitus wollte z. B. gern das Bildniss des Martial für seine Bibliothek, und der Dichter
konnte nicht umhin, es ihm nebst einem Exemplar seiner Gedichte durch seinen Bruder Turanius
zu verehren ; Asinius Pollio hatte in der aventinischen Bibliothek Varro's Statue aufgestellt. Wie
diese alten Bibliotheken bei Tempeln, so liegt noch heute die besuchteste Bibliothek in Rom bei
einer Kirche, sinnreich bei der Kirche S. Maria sopra Minerva, und man nennt sie schlechthin „la
Minerva", genau so wie oben Horaz die Palatinische Bibliothek schlechtweg den „Apollo" nannte.
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Das Haus des Augustus war bescheiden und ohne Prätension ; aber als 1 laus des Kaisers
und des Pontifex Maximus, dessen Amt für ein Attribut der Kaiserwürde galt, ist es immerhin
der Grundstein der nachfolgenden. Prachtbauten und seine Anlage epochemachend für die Geschichte
des palatinischen Bergs gewesen, der seitdem die Privathäuscr abzuschütteln anfing und zu jenem
complicirtcn Kaiserstuhle ward, der auf die Phantasie der Völker einen so mächtigen, noch
heute lebendigen Eindruck hervorgebracht hat. Die Dornas Cacsaris ward ausgebaut, etwa
wie in Mün-
chen zu dem
alten Schloss
der Königs-
bau und der
Festsaalbau
hinzugefügt
worden ist,
oder wie sich
in Berlin ne-
ben dem kö-
niglichen
Schloss das
Palais des
Kaisers und
desKronprin-
zen erhebt.
Tiberius
setzte da, wo
sein Vater-
haus lag, die
mit diesem
nicht zu ver-
wechselnde
Dom us H-
beriana an,
welche , die
Niederung
des Vela-
brums be-
herrschend,
über die Do-
Mm do. Tilwflm.
mus I.iviae
hinaus bis an
den Westrand
des Hügels
vorgerückt
und im Osten
und im Süden
mit unabseh-
baren Säu-
lenhallen um-
gebenwar: in
diesen Galle-
rien , deren
Ruinen un-
sere Augen
• vergeblich
zu ermessen
streben, irrte
sein geistes-
kranker Nach
folger Cali-
gula, ein ruhe-
loser Nacht-
wandler, in
der erträum-
ten Gesell-
schaft der Un-
sterblichen
umher. Hier
konnte man
hören, wie er
dem Jupiter
die l-cviten las, ihm drohte, er werde ihn heimschicken nach Griechenland; hier war es, wo er
in mondhellen Nächten, wenn das Gestirn Dianens voll erglänzte, die keusche Göttin beschwor, sich
nicht lange zu zieren und in seine Arme zu kommen. Dieser Unglückliche, in welchem kein Arzt
etwas Anderes als ein Opfer gewöhnlichen Grössenwahnes erkennen wird, der mehr Gott sein als
die Götter und sein Reitpferd zum Consul ernennen wollte, er erweiterte die Schlossanlagen" nach
dem Forum und dem Givus Victoriae zu. Kr hatte den geistreichen Einfall, den Tempel des
Castor und Pollux zu einer Portierloge und die Dioskuren, zwischen die er sich gelegentlich stellte,
um sich mit ihnen anbeten zu lassen, zu seinen Thürhütern zu machen: er durchbrach deshalb
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die Cella des Tempels, damit sie leichter eintreten konnten Kr hatte auch den Finfall , ein
Stündchen mit dem capitolinischen Jupiter verplaudern zu wollen: von Zeit zu Zeit sah er den Alten
gern: er verband also Palast und Capitol durch einen Yiaduct, .wobei er sich mittels ungeheurer
Substructionen auf dem Niveau des Palatin erhalten und, mit Naturgewalten wetteifernd, gleichsam
den Berg selbst fortsetzen musste. Ei, er, der Jupiter Latinus ! Das Herrgottstiefelchcn '), dessen
Altar auf dem Palatin stand ! Vor dessen goldenem, täglich nach seiner Mode gekleidetem Bilde die
Flamines rothflügelige Flamingos, schwarze Gänse, Pfauen, Auerhähne, Fasanen opferten ! Hatte er
doch ein anderes Mal, um den Xerxes zu übertreffen, im Golf von Neapel eine anderthalb Stunden
lange Schiffbrücke von Misenum nach Puteoli schlagen und bei ihrer Einweihung der Volks-
bloss sie, sondern reichte
bis auf den Kstjuilin
hinüber. Wie der Pa-
latin dereinst die sieben
Hügel absorbirt hatte,
so verschlang jetzt der
Palast eines Finzigen
die Stadt, deren Grund
und Boden er wie ein
Riesenschmarotzerpilz
überwucherte. Es muss
einen märchenhaften An-
blick gewährt haben,
dieses goldene 1 laus des
Nero mit seinen Mar-
mor wän den, seinem leuch-
'tenden Säulenhallen, sei-
nen vielartigen Frei-
treppen, seinen Räucher-
becken, seinen Sphinxen,
seinen Kolossen, seinen
Lustgärten, Wäldern und
Seen — obgleich es in
der Welt nicht gerade
einzig dasteht, und zum
Beispiel der Zwinger Augusts des Starken in Dresden, von dem bekanntlich nur der Vorhof fertig
geworden ist, recht ähnliche Aspirationen und Dimensionen aufweist: Vor ihm spielt die Scene
der „Lebenden Fackeln Ncro's," welche 1 lenri Sicmiradzki auf seinem Kolossalgemälde verewigt hat.
Dies«: alles Mass überschreitenden Pläne gaben die sparsameren Flavier, Vespasian und seine Söhne
auf: sie beschränkten den Palast wieder auf das Palatium und legten in der Einsenkung zwischen
der Domus Augustana und der Domus Tiberiana, hart an dem uralten Tempel des Jupiter Victor,
') Der Num Califula hcilmct Stiefelette. Caliga bicii der Schuh, den die rueaischen Soldaten mk BimAlilw der Centurioncn {nicht
der Höheren OrTutere) trugen. Ks war ein £e»chliMaeuer llaltisliefeL welcher den ganteu Kuss liedrclae, eine dapprke, mit eisernen Nnyeln
Unvi hUgene Sohle halte »cid mit Kiemen befntigt wurde : ein iletglclcheli Sih ihnsscher ward lallgariui ernannt. Cutis Caesar nun erhielt diesen
Heinsnien, weil er schon aU Knahe ans kheitt unter deu Lcguwirn des Germanica« die Cnlig» trag. Gienau mui dieselbe Weise erhielt der
Kaiser Asrelius Aatuiiiw, llamiauus den Zunamen CaracaUa . weil er ein der e;*ll»crirn CaracoJIu analoges Gewand in Roan einführte, wrli-lirs
wit.lem tllrrmriii «imi WM. gclnu-ca. iplter «un den mmisen katludlurlwn l'rii-dern angenommen ward wnd noch hewte MM dem Nimm
der Sutlana fortlebt
•
4«
menge, die daraufstand,
die Schippt? gehen lassen.
Die unlängst blossge-
leglen Träger der römi-
schen Brücke, die sich
in thurmhohen Unterge-
schossen und Wölbungen
verlieren, erblicken wir
auf unserer Tafel ne-
benstehend ein noch
erhaltenes Stück ihres
Geländers, der marmor-
nen und durchbrochenen
Cancclli.
So erhoben sich
nun bereits drei kaiser-
liche Pfalzen ; aber erst
durch Nero's ungeheure
Neubauten, nach dem
grossen Brande, wurde
der Privatbesitz von
diesen Höhen gänzlich
ausgeschlossen: sein „Gol-
denes Haus" {Domus
Aurea) umfasste nicht
MirosLTgclander der Bracke CalignlsY
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dessen Schonung auf die Richtungslinie einen unverkennbaren Kinfluss übte, auf einer künstlich
hergestellten Fläche und über alten Häusern aus der Zeit der Republik, den Grund zu der nach
ihrem Geschlecht genannten Domus Flavia, welche, zum Sitze des römischen Reiches (Sedes
lmperii Romanil und zum Regierungsgebäude (Aedes Publicae) erhoben, die Kaiserpalastbauten
vorläufig einmal abschloss und mit ihren deutlich vorliegenden Räumlichkeiten gegenwärtig das
Hauptinteresse des Palatin bildet Wir gelangen zu ihr, indem wir dem mehrerwähnten bedeckten
Gange, dem Cryptoporticus , folgen, der gleichsam den Faden der Ariadne in dem Labyrinth
IV.
Die Geschichte hat uns die Beschreibung eines Gastmahls aufbewahrt, welches Domitian
bei Gelegenheit eines Triumphes über die Dacier den vornehmsten Senatoren und den ange-
sehensten Rittern gab. Es spricht ebenso sehr für die bizarren Launen dieses Kaisers, der sich
eine Freude daraus machte, die Menschen zu ängstigen und zu quälen, ab lur die Schwäche und
die tiefe Gesunkenheit jener berühmten Körperschaften unter dem Kaiserreiche. Als die Gäste
beisammen waren, liess sie Domitian in einen Saal eintreten, der ganz schwarz ausgeschlagen und
von ein paar Grablampen unsicher beleuchtet war. Vor jedem Platze stand ein Sarg und darauf
der Name des Eingeladenen. Zugleich kommt eine beflortc Schaar von Lemuren hereingehuscht,
die das Ansehen bleicher Schemen haben und um die Tafel einen schattenhaften, gespenstischen
Tanz aufführen. Nachdem sie ausgetanzt haben, stellen sie sich hinter die Gäste, die von diesen
Schreckges|>enstem bedient werden sollen. Was bekommen sie zu essen r Die Speisen, die man bei
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Leichenmählcrn den Verstorbenen vorzusetzen pflegt — schwarze Bohnen und ähnliche Todtenfrüchte;
Schädel sind ihre Trinkgefässe. Ein tiefes Todtenschwcigen herrschte unter der Versammlung:
Domitian allein sprach und unterhielt die verdutzten Würdenträger von Blutgerüsten, Exccutionen,
Rabensteinen. Endlich liess er sie in Leichenwagen stecken und in denselben ■ nach Hause
zurückbetürdern. Sie begannen aufzuathmen — Botschaft vom Kaiser! Schon recht, unser Todes-
urtheil. Aber nein, es sind die Lemuren von vorhin, die Larven, die den Mummenschanz abgethan
und sich in unschuldige Kinder verwandelt haben. Sie bringen kostbare Geschenke.
Die Herren Senatoren und Ritter konnten wahrlich froh sein, dass sie mit dem blossen Schrecken
davon gekommen waren: denn in der Kaiserzeit wurde kurzer Process mit ihnen gemacht.
Man erinnert sich, dass dereinst Commodus während der Spiele, den abgehauenen Kopf eines
Slrausses in der einen, das gezogene Schwert in der andern Hand, unter die zuschauenden
Väter trat, indem er mit seltsamem Kopfwackeln andeutete, er werde es mit ihnen betreffenden
Falles ebenso machen, wie mit dem Vogel. Die Pantomime soll freilich so possirlich gewesen sein
dass sich die
Senatoren
trotz der Ge-
fahr nur
durth Kauen
von I-orber-
blättern das
Lachen erhal-
ten konnten.
Da ste-
hen wir in
dem domitia-
nischen Ban-
ketsaal : der
Cryptoporti-
cus hat uns
gerade hin-
eingeführt.
Wahrlichdas
AcJra Pnblitw.
Im HinMrgnMd* am KatTaekau« dar Farne», racbla «Ui Villa Milla.
Andenken
der schauri-
gen, von Dio
Cassius ge-
schilderten
Mahlzeit wer-
den wir nicht
los: es ver-
folgt uns in
dem herrli-
chen Salon,
der, 34 m
breit und 30
m tief, jeden
falls Raum für
eine ansehn-
liche Tisch-
gesellschaft
bot , dessen
goldstrahlcnde Decke ein domitianischer I Iofpoet, Statius, mit dem unendlichen und unerreichbaren
Himmelsgewölbe zu vergleichen wagte, und dessen Fenster sich nach Norden auf die kühle Nymphen-
burg, eine Grotte voll plätschernder Springbrunnen, das Nymphcum öffneten, während im Osten der
viereckige, säulenumgebene Garten, das Peristylium an ihn stiess: ein Garten von 54 m Umfang im
Quadrat, nicht unähnlich einem italienischen Campo Santo und gleichfalls mit Wasserwerken, mit
holländischen Buchsbaumspielereien, mit zierlich beschnittenen Bäumen und Hecken, Lauben und
Alleen reich belebt. Diese Mauem sind voll von kaiserlichem Extravaganzen und Bubenstreichen
— von fliegenfangenden und spiessenden Domitians — der Menschen Tugend schreiben wir in
Wasser, ihr böses Treiben lebt in Erz. Sic sind auch voll von Attentaten und Staatsverbrechen:
ihr Geruch ist Mord. Beregt es Peristylium führte im Alterthum den Namen Sicilia, wie eine
Abtheilung des Tuileriengartens in Paris Provence genannt wird; und der Speisesaal den Namen
Jovis Coenatio, wie Lucullus ein Esszimmer Namens Apollo hatte, wahrscheinlich hier wie dort,
weil die gleichnamige Statue darin stand; Coenatio. womit man sonst einen Speisesaal im ersten
Stock bezeichnet, war ein Synonym von Triclinium. Nun in dieser Sicilia und in dieser Coenatio
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wurde Pertinax von den verschworenen, bis hieher gedrungenen Prätorianern niedergemacht In
demselben Zimmer wurde Commodus erdrosselt, nachdem er bereits Gift bekommen hatte ; Domitian
selbst wurde hier in seinem Schlafgemach ermordet. Wer wurde nicht ermordet? Wie viel römische
Kaiser starben eines natürlichen Todes in den Armen der Ihrigen ? Nicht mehr ab Czaren Russlands.
Die Laren , die dieses Haus behüten sollten und deren bekränzte Gestalten man noch
heute in der bekannten typischen Darstellungsweise am Altare I.arariums erblickt: als gestiefelte,
hochgeschürzte Jünglinge , die in der erhobenen Hand ein Trinkhorn (rhytium), in der anderen
einen Eimer (situla) halten — der Genius familiaris, der verhüllten Hauptes an der Vorderseite
desselben Altars steht — sie haben wahrlich nicht viel für ihre Schutzbefohlenen gethan.
Das Lararium, wo Alexander Severus, wenn man seinem Biographen Lampridius glauben
mals rückwärts ein
darf, Abraham , Or-
pheus und Jesus von
Nazareth unterbrachte,
bildet in unserem Pa-
laste ein besonderes
Gemach und einen Sei-
tenflügel des Thron-
saales, der Aula Regia,
welche sich rückwärts
an das Peristylium an-
schliesst , der andere
Seitenflügel war eine
Basilica, wo der Kaiser
Recht sprach i Basilica
Jovis); auf den Thron-
saal, einen gewaltigen
Raum von 36 mal
45 m, mit einer Apsis
für den Thron und acht
abwechselnd runden
und viereckigen Ni-
schen für kolossale Ha
saltstatuen, folgt aber-
litr CryiilufKirui*!»
breiter Vorplatz , die
Halle, wo die Leib-
wache aufgepflanzt war,
und wo sich meldete,
wer vorgelassen wer-
den wollte: mit dieser
Vorhalle stehen wir am
nordwestlichen Rande
des PJateaus, welches
hier (man vergleiche
unser Bild auf der vor-
hergehenden Seite) nach
dem Muster eines Be-
satzes ä la Grecque in
rechtwinkeligen Zinnen
symmetrisch zu dem
alten Niveau des Hü-
gels der Via Nova und
der Porta Mugionis
abfällt. Von da wird
man auf den Stufen
einer breiten Treppe
(Gradus Palatii) zu dem Palast emporgestiegen sein, der in Einer Flacht Wache, Thronsaal, Garten.
SjHiisesaal enthielt. Wir sehen diese Flucht, welche im Allgemeinen der gewöhnlichen von Atrium,
Tablinum, Peristylium, Triclinium entspricht, auf unserer Abbildung, und zwar nicht in der Linear-,
sondern in der Kayalierperspective von der Seite, etwa von der Villa Mills aus, die auch hier wieder
den Ausgrabungen hindernd im Wege steht: das südliche Drittheil des Gartens und des Speisesaals wird
nämlich durch die rechtwinkelig hervorspringende Umfriedung des Salesianerinnenklosters vorweg-
genommen, sodass der Plan dieser Räumlichkeiten in Gedanken seitlich über die Klostermauern
hinaus zu ergänzen ist. Analog hat der nebenanlicgende, von Quintus- Kabius Maximus Rullianus
nach der Schlacht bei Sentinum 1295 v. Chr.) ex voto gestiftete Jupitertempel den Bauten selbst
Hinhält gethan und zum Beispiel die Veranlassung dazu gegeben, dass das Gemach rechts neben
dem Nympheum in spitzem Winkel abgeschlossen wurde. Dergleichen l'mstände wirken nun
bestimmend bis auf den Holzschnitt herunter, der nach Jahrtausenden von den Ruinen entworfen
wird. Die Mäche links, die von ihrer einstigen Pracht, von ihrem sicilianischen Blumenflore nichts
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bewahrt hat als einige Spuren der Marmorbekleidung, die Stümpfe der vierzig im Quadrat aufge-
pflanzten Säulen und die imponirenden Dimensionen, ist das Peristylium, darüber hinaus sehen wir
die Coenatio Jovis, das noch in seinen l.'ebcrblcibscln reizende Nympheum mit dem elliptischen
Bassin, rechts, uns zunächst das Lararium, jenseits desselben den Thronsaal, dessen gegenwärtige
< )cdc gleichfalls einen auffallenden Contrast zu dem „Augustale Solium Caesariani Palatii" und seiner
erhabenen Verschwendung, seinem Giallo antico, seinem Pavonazzetto bildet; der riesige, pittoreske,
rothbraunglühende Mauerrest dahinter, stammt von der Basilica. Dieselbe hat ganz die früher
einmal angedeutete Form dieser Gebäude : sie zerfällt durch zwei Reihen von je fünf Säulen in ein
Mittelschiff und zwei schmale Seitenschiffe, welche drei Schiffe durch Marmorschranken von. der
Südwestlicher Abhftajg Je* Palftlin,
halbrunden Tribuna an der westlichen Schmalseite geschieden sind ; diese Tribuna, wo die Gerichts-
verhandlungen stattfanden, schloss das Ganze. Von den Marmorschranken, welche nach Art von
Radspeichen durchbrochen waren, steht noch ein Rest; man nannte sie, wie oben das Geländer
an der Brücke Caligula's. cancelli ; noch heute heisst ein Gitter im Italienischen cancello und etwas
durch gitterformige Federstriche ausstreichen, gleichsam ausgittern, cancellare. Auf diese „Cancelli"
ist unser deutsches Kanzlei zurückzuführen, ursprünglich der mit Schranken umgebene Ort, wo die
öffentlichen Urkunden, die landesherrlichen Rescripte, die Gerichtsurtheilc u. s. w. ausgefertigt wurden,
und dessen Vorsteher den Titel Kanzler führte; nicht minder unsere Kanzel, die sich aus den Lese-
pulten oder Amboncn an den Chorschranken altchristlicher Basiliken herausgebildet hat, ja die
vielleicht selbst von Cancellen umgeben war, wenigsten sollen es auch die antiken Rostra gewesen sein.
Im Westen geht der domitianischc Palast, dessen Länge über 1 50 m, dessen Breite etwa
halb soviel beträgt, nicht über den Speisesaal hinaus: die Räume, welche sich an die Rückwand
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desselben anschliessen, die vorhin erwähnte Bibliothek und Akademie, seheinen, obgleich sie ihrer
Bestimmung nach überhaupt nicht klar sind, eher zu dem 1 lause des Augustus gehört zu haben ;
doch bilden .sie mit den llavischen Zimmern Eine Reihe und gleichsam eine über den Hügel von
Osten nach Westen und von Rand zu Rand gelegte Kette, denn unmittelbar hinter dem Conferenz-
saal fallt, wie bemerkt, das Terrain zum Thal des Circus, der Vallis Murciae, ab, die von den
Juden zum Friedhof auserkoren und wie ein Thal Josaphat mit Leichensteinen übersäet ist. ja,
der vielgliederige Palastkörper erreicht sogar dieses Thal und streckt seine Fühlhörner bis in
die Tiefe aus ; denn am Westabhange des Palatin, genau unterhalb der Academia und der Veranda
der Villa Mills liegt noch eine Dcpendenz desselben : das Paedagogium, zu dem sich die Strasse
von der Südwestecke des Jupitertempels aus wie von einem Alpenpasse in grossen Kehren hinuntersenkt.
Eine Reihe gewölbter Kammern mit einem Portjeus davor, an deren Wänden man einmal über das
andere eingekritzelt liest: „CORlNTHUS EXIT DE PAEDAGOGIO MARIANUS AFER EXIT
DE PAKI)A(HKiK)" etc. De Paedagogio? Was ist das, ein Paedagogium ? Etwa dasselbe wie
eine deutsche
Cadcttenan-
■»talt oder wie
die Militär-
schule von
Saint ■ Cyr.
Vielleicht am
allerrichtig-
sten das kai-
serliche Pa-
geninstitut,
denn die hier
erzogenen
Knaben Wes-
sen Paeda-
gogiani Pueri
und daraus
ist das Wort
Amlvlit ilc* Tabula und ik> Circus Muunui.
„Page" ver-
mutlich ent-
standen. Sie
stellten auch
der Sache
nach Pagen
vories waren
junge Skla-
ven, die, ei-
nes gefälli-
gen Aeus-
seren wejjen
zu Gespie-
len der Kin-
der des I lau-
ses auser-
sehen, unter
der Aufsicht
alter Sklaven sorgfältig ausgebildet wurden. Dies geschah nicht blos beim Kaiser, sondern bei
reichen Leuten überhaupt. Wenn sie nun von der Schule abgingen (exibant de Paedagogio), worauf
sie sich vermutlich ebenso sehr freuten, als unsere Cadetten, so malten sie's an die Wand.
Diese Kritzeleien sind das Interessanteste. Es heisst: Narrenhände bemalen Tisch und Wände,
und die Herren Pagen sind gehörige Narren gewesen. Und sonderbar! Was so ein Philologe in
der Gegenwart keines Blickes würdigen, eventuell mit einer Carena bestrafen würde, das sammelt
er aus dem Alterthum mit einer Art von Ehrfurcht. Ein dummer Junge braucht nur ein paar
Jahrtausende alt zu werden, so beschäftigen sich liebevoll die grössten Gelehrten mit ihm. Sie geben
diesem mit Griffel >stilusi auf Stuck bewerkstelligten Gekritzel den pompösen Namen Gratnto,
worunter man eigentlich eine kunstgerechte Manier der Wandmalerei versteht. Bekanntlich gab
einmal ein französischer Schriftsteller und Reisender, Emanuel Domenech, die Croquis Hinterwäldler
Bübchen in dem berüchtigten „Livre des Sauvages" für amerikanische Hieroglyphen aus. Für Hiero-
glyphen werden nun die Graffiti gerade nicht ausgegeben, aber herausgegeben, erklärt,
studiert trotz jenen.
Au>ser über ihren bevorstehenden Abgang halten sie der Nachwelt noch verschiedene
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wichtige Mittheilungen gemacht und zunächst wie natürlich in grossen Buchstaben, griechisch und
lateinisch, ihre Namen angeschrieben, z. B. den Namen PßUCt04BMKtair. l'nter diesen Namen,
die oftmals von Porträts begleitet sind, liest man allerdings nicht blos solche von Schülern, sondern
auch von alten gedienten Soldaten, z. B. gleich rechts an der Eingangswand :
HILARIUS MI. V. I». N (d. > mfle* vetcranu* domini nowi)
oder aber:
BASSUS BT SATUKUS PKREQRIN1 (m. miliie*. die mdit lAnlttbc Biuf{er waren).
Man hat daher hier auch Wachtstuben und einen Palasteingang gesucht. Doch warum
könnten das nicht die Namen der Institutslehrer gewesen sein ? —
Aber auch eine Menge witziger, muthwilliger Caricaturen machten unsere Pagen, genau
so wie Karlchen Miessnik. Das Büffeln und das Ochsen mag ihnen schwer geworden sein: sie
trösteten sich mit dem Esel, der die Getreidemühle treiben muss, eitle äusserst anstrengende Arbeit,
die man auch durch Sklaven verrichten liess — und schrieben darunter:
I.AHOKA ASELLX QVOUOitO RUO I.ABOKAVI
BT l'KODKKIT 'I HM
Arbeite, Eselchen, wie ich gearbeitet habe, und es wird dir zum Guten sein.
Das ist echter altrömischer Schublubenwitz. Die Mühle sieht ungefähr so aus: Auf einem
Kegel ruht die untere Glocke eines sanduhrfürmigen Steines gleich einem Hute ; die obere Glocke
Stellt einen offenen Trichter dar. In diesen Trichter wird das Korn geschüttet und, durch Um-
drehen der Sanduhr, zwischen Mut und Kegel zu Mehl zermahlen, welches in eine um die Basis
des Kegels herumlaufende Rinne fallt.
Fast noch charakteristischer ist ein zweites Zerrbild, das von den heidnischen Pennalen
zur Verhöhnung des „gläubigen Alexamenos" eingeritzt worden ist — man liest diesen Namen.
ALEXAMENOS FIDEI-IS in der That noch jetzt an einer andern Stelle, am Fuss einer
Marsfigur. Vor einer an einem Kreuze hängenden menschlichen, aber eselsköpligen Gestalt steht
anbetend und die Hände aufhebend ein, gleich dem («-kreuzigten, mit wollener Unterjacke ..interulai
und loser Blouse itunicai bekleideter Mann, darunter der griechische Sa«:
'AAKMAHKUOC CKBKTK (sie. »oll hcim.fi CKBKT.il, HKn.V ./.
das heisst:
Alexamenos verehrt seinen Gott.
Dieses Bild bestätigt die Angabe Tertullians, dass man Christus, den in der Eselskrippe
liegenden Gott ii»K*oir^<i spottweise mit Eselsohren abgebildet habe, und es ist höchst merkwürdig,
wie dasselbe mit einer seltenen, ohne Jahres- und Ortsangabe erschienenen schlesischen Satire
zusammentrifft, wo von einem auf dem Zobtenberge aufgestellten, mit den Insignien des römischen
Cultus versehenen, männiglich verspeisten Esel die Rede ist — wahrscheinlich ebenfalls eine
heidnische , gegen das vordringende Christenthum gerichtete Farce. Das von einem Jesuiten
1856 entdeckte Stuckfragment befindet sich nicht mehr an Ort und Stelle, sondern in der
chrisüichen Abtheilung des Museo Kircheriano in der Lehranstalt der Jesuiten; nicht ungeschickt
hat es Henri Siemiradzki auf seinen „Fackeln des Nero" verwerthet, wo das Spottcrucifix auf den
die Anklage enthaltenden Täfelchen unter den Worten. „CHRISTI ANl 'S, INCENDIATOR I RBIS
GENERISQUE HUMAN] HOSTIS" angebracht ist.
Man liest in der Apostelgeschichte, wie Paulus in Athen einen Altar fand, welcher dem
unbekannten Gott geweiht war, und wie er an diesen unbekannten Gott anknüpfte, als er auf der
Akropolis predigte. Nun hier, nur ein paar Schritte von dem Paedagogium. erhebt sich so ein dem
unbekannten Gott geweihter Altar. SEI DEO SEI DE1VAE SACRL'M. wie auf dem Travrrtinblock
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der den muldenförmig vertieften, mit zwei Voluten verzierten Altarstcin trägt, alterthümlich
geschrieben steht. Hatte etwa Paulus auch dieses Heiligthum entdeckt, es zum Ausgangspunkte
eines Vortrags in Rom genommen und die Familie des Alexamcnos bekehrt?
Wir haben das Paedagogium verlassen und sind an Gemüsebeeten und namenlosen Trümmern
vorbei, links über uns in unerreichbarer Höhe die Cypressen der Villa Mills, treppauf, treppauf
bis zu einem
Platz gekom-
men, der im
Osten und im
Süden von
neuen, höchst
grossartigen
Ruinen -Com-
plexen einge-
schlossen ist.
Es sind die
südlich gelc-
genenKaiser-
patäste , die
malerischen
Resteder An-
lagen des
Septimius Se-
verus und des
räthselhaften,
siebenstücki-
gen Septizo-
niums , das
seinen Lands-
leuten aus
dem dunkeln
Weltthcil bei
ihrer Ankunft
in Rom zuerst
in die Augen
fallen sollte,
denn Septi-
irnus Severus
war ein ge-
borener Afri-
kaner ; sie
werden von
dem alten Pa-
last des Au
gustus durch
eine Wett-
laufbahn, das
elliptische,
185 m lange
Stadium ge-
trennt , wel-
ches der Zeit
Domitiansan-
gehören soll
und von dem
man an dem
Westende
noch das Ziel
(metaund an
der Südseile
noch die kai-
serliche Tri-
büne (Lxe-
dra)erkennen
will. In der
Ruinenmassc
jenseits ist
angeblich die
kaiserliche
Loge (pulvinan am Circus Maximus erhalten — an jenem Grcus, in welchem jetzt, umrauscht von hohem
Schilfrohr, die weissen jüdischen Leichensteine Stenn. Wir schauen zurück: Ungeordnet, unerkannt,
al>er warm und harmonisch, das .schwelende Zicgelwerk von dunkeln Kpheuranken liebevoll umsponnen,
dehnt es sich vor uns aus gleich einem Chaos: es liegt vor Gott in seiner Leere, mit seinen ausgestor-
benen Corridoren, seinen hohlen Gewölben, seinen gähnenden Gallerien: wer sich in ihnen verliert,
den graust es. Darüber blüht und duftet die Damastener Rose : aus den Ritzen schiesst Goldlack und
wilde Reseda auf, und I lecken von Raslardloröeer bekleiden die ausgedörrte Wand.
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Wir überschreiten eine Brücke und treten auf die Plattform des Belvedere — ein
erhabenes, einziges Panorama thut sich auf, das wie der Anblick des Meeres oder der feierlichen
Wüste mit nichts zu vergleichen ist — jene grosse Kbene, die von dem weiten Amphitheater
ewig klassischer Gebirge und ewig klassischer Gebirgsstädte eingeschlossen, des Ruhms und der
Krinnerungcn müde, die Last von fünfundzwanzig Jahrhunderten schweigend trägt. Links neben
uns der ungeheure, halbentblätterte Mauerkranz des Colosseums; vor uns der stille, idyllische
(oelius mit seinen lX>rfkirchen . seinen I-andhäusern , seinen duftigen Wildnissen; rechts der
verlassene Aventin, an dessen Fuss, riesig und ernst, ein öder Denkstein, die Cestiuspyramide,
steht, und darüber hinaus der unabsehbare, monumentale Kirchhof der alten Römerwelt, bis dahin,
WO am Horizonte der lichte Streifen des tvrrhenischen Meeres hell erglänzt.
Die« feuchten, mit Rohr so lange tiewathincn Gestade.
Diese mit Btttimcn und Busch duster tiesrhattctcn Hoh'n.
Wenig Hutten «igten sie erst; dann sahst du auf einmal
Sie vom «iromclndcn Volk glücklicher Riubcr belebt.
Alle» schleppten sie drauf an diese Statte zusammen;
Kaum war das Übrige Rund deiner Betrachtung nuch werth.
Sahst eine Welt hier entsteh», sahst d.um eine W elt hier in Trümmern,
Aus den Trümmern auf's neu fast eine grossere Welt !
Goethe richtet diese Verse an die Sonne, die lx;wundernd über Rom weilt — sie ist abermals
im Westen hinler der Kuppel von Sanct Peter hinabgesunken — aber sinkend wirft sie mit ihren
letzten Strahlen einen milden, verklärenden Schimmer über die TrOmmerstättc — mit ihrem tiefen
Golde umspielt sie die grauen Mauern der viereckigen Stadt — die Kaiseri>aläste stehen sprühend
in den Mammen des Sonnenuntergangs — den palatinischen Berg bedeckt wie ehtsJcm ein
königlicher Purpur — über ihm wölbt sich der I limmel furchtbar prächtig wie ein glühender
Baldachin, in dessen Feuer die Cypresse und die Palme von San -Bonaventura ihre stolzen Wipfel
selig träumend taucht.
Die Natur allein ist noch kaiserlich auf dem Palatium — sie allein vergoldet den Hügel noch,
bekleidet ihn noch mit einem Purpurmantel — übrigens ist er wieder zu dem Anger, der Trift
von ehedem geworden, auf der die Heimchen zirpen — durch die offenen Hallen streicht der
Wind — der Custode geht neben seinem Amte ländlichen Geschäften nach Ziegenheerden, ja,
Zicgenhcerden beweiden den grünen, von den Ausgrabungen noch nicht berührten Rain —
während vor uns ein Volk von Geiern, wie zu Romulus Zeiten, krächzend auffliegt und, im blauen
Raum verloren, seine majestätischen Kreise zieht.
O, Welt, du rollendes Rad! Wie dieses Palatium, so werden dereinst auch unsere
Paläste, auch unsere Tem|)el, auch unsere wolkenhohen Thürme zerfallen und untergehn; so wird
auch für uns einmal der Tag kommen, wo die heilige Ilios in den Staub sinkt — wo der Fuhrmann
über die Pegnitz fahrt, mit der Peitsche knallt und hinwirft: Hier stand Nürnberg! — oder wo,
wie Macaulay sagt, ein Neuseeländer auf der London Bridge die Ruinen der Paulskirche
zeichnen wird.
lieber die Vergänglichkeit alles Irdischen und über den Kreislauf der Dinge nachzusinnen,
in welchem das Kleine gross und das Grosse klein wird, ist ein Lieblingsgeschäft aller Philosophen,
und von Salvator Rosa besitzen wir ausser dem oben angezogenen auch ein Bild, das die
„Fragilitä umana" zum Gegenstände hat, und wo sothane Fragilitä in Gestalt eines schönen, mit
Rosen bekränzten Mädchens auf einer Glaskugel sitzt, während vor ihr ein Knabe Seifenblasen
steigen lässt, ein anderer, das an einem Spinnrocken hängende Werg in Brand steckt Aber,
wahrlich, Niemandem kann dieses Geschält leichter werden als dem Herrn Pietro Rosa, der, wie
wir mittheilten, ein Verwandter des Malers ist und der, indem er aus dem Palatin ein neues Pompeji
macht, zu dem' Bilde seines Urgrossvaters gleichsam die Staffage liefert. Ja, nicht blos die alten
BeSuEGf und Schöpfer dieser Gärten, die römischen Caesarrm, sondern sogar die modernen Herren
und Kaiser derselben mCKsen ihm Stoff zu recht lehrreichen Betrachtungen gewähren — die
farnesischen Gärten hat Napoleon III. nach der Schlacht bei Sedan auf Wilhelmshöhe bei Kassel
an Victor Fmanucl verkauft, weil er sich in (icld Verlegenheit befand. Kr bekam vorläufig
80,000 Francs dafür; später im December 1870 wurden sie von der italienischen Regierung
für 650,000 Francs angekauft — ungefähr die Summe, welche den Cicero das Haus des Crassus
gekostet hatte. Napoleon selbst hatte die farnesischen Gärten im Jahre 1861 von Franz IL, dem
Exkönige beider Sicilien, für 250,000 Francs erworben, als dieser kapitulirte. Sonderl>are Ironie und
Analogie des Schick-
sals!. An die neapoli-
tanischen Bourbons
waren die Gärten ge-
kommen, als ihnen das
Erbe der Farnese zu-
fiel, die 1731 mit Don
Antonio erloschen, und
deren Grösse sich von
dem Gründer der Villa,
Papst Paul III. Farne«:
herschrei ht.
Die übrigen
Grundstücke, z. B. die
Vigna Nussiner und
die Vigna dcl (.'ollcgiu
lnglese. in der wir
stehen und wo, wie es
heisst , die reizende
Aphrodite Kallipygos
gefunden ward .... doch
da zupft uns der Cu-
stode am Ohr, wie der
Cynthische Apollo den
Virgil, als er Schlachten
AurlLe Treppe Im l'ftlo5l *Icj Scp:imias Severus.
und Könige besang.
„Es wird geschlossen,
meine Herren, 's ist
vierundzwanzig Uhr,
haben Sie das Ave
Maria nicht läuten hö-
ren?" So pflegt
Septimius Severus, der
gewöhnlich zuletzt da-
ran kommt, seine Gäste
hinaus zu bckompli-
mentiren: der Palatin
wird zugemacht Ge-
dankenvoll gehen wir
den Weg zurück, den
wir gekommen — zum
Tempel des ' Jupiter
Victor, zu den Aedes
Puhlicae, zum Hause
der Livia, um den
ganzen Palatin herum
— wir brauchen keine
Angst zu haben, dass
wir uns verirren, denn
um sicher zu sein, dass
wir nicht oben bleiben, begleitet uns unser Custode selber wie ein hülfreicher Engel bis an das
Casino des Directors und zum Labyrinth hinaus. Die Gluth des Sonnenuntergangs erlosch : Ucber
die I-andschaft legt es sich plötzlich wie dn Bahrtuch; dir Ruinen erstarren und erkalten, die
Cypressen zeichnen sich schwarz am Horizonte ab ; der opalisirende Himmel nimmt den Schein einer
bläulichen Todtenfarbe an. Nur das Nachleuchten des Tages breitet noch über das durchwanderte
Trümmerfeld und über die mit uns herabwallende Menge eine matte, fast geisterhafte Helle.
So langen wir wieder an dem Thore des Palatin und auf unserer Velia an, wo uns die
heilige Nacht mit ihrem breiten Schatten zum zweiten Mal umhüllt.
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Das Thal des Colosseums.
L • ■
eurig ist der Vollmond aulgegangen; mit einer im Norden unbekannten Wärme ist
er aus dem abendlichen Dunsumer emporgequollen und das Auge der Nacht ruht
wie ein Traum der Sonne , still und magisch über der ausgebreiteten Traumwelt,
meinem Lichte taucht die Stadt wieder auf, aber eine neue Stadt : sie ist es und ist es
}$# nicht, ein anderer, seligerer Geist bescheint sie und spiegelt sich in ihr; mit unsichtbaren
Strahlen verklärt er das alte Rom, und indem sie gleichsam alles Einzelne verschlingen
T&k und von den Ruinen nur die grossen, allgemeinen Umrisse übrig lassen, entfaltet sich eine
einfachere, aber eben darum noch erhabenere, feierlichere Landschaft. Line überirdische,
X süsse Helligkeit umlliesst die sieben Hügel; die Himmelsflur, eingelegt mit Scheiben lichten
™ Goldes, zieht uns magnetisch an wie eine ferne Heimat, lockt unsere ahnungsvolle Seele
wie ein verwandtes Geisterrcich , wo unzählige Unsterbliche ihre leuchtenden Kreise beschreiben
und harmonisch durcheinander schwingen und klingen, ihre liebliche, vom Lärm des Tages nicht
mehr übertönte Musik anhebend — und indem wir sehnsuchtsvoll hinhören, schweben uns von
den Blenden links die silbernen Gestallen der Venus und Roma auf, schreiten Arm in Arm und
riesengross über die heilige Strasse hin und bergen sich dann wieder in den Nischen ihres Tempels,
welchen sie schwesterlich und göttlich, unüberwunden durch die Stürmt- der Jahrtausende bewohnc-n.
Ja, sie sind's, die AlLsiegreichen , die Allbezwingerinnen, die AlUwherrscherinncn ! Nicht
zwei Göttinnen, sondern eine, nur gleich einem Janus mit einem Doppelantlitz vorwärts und rück-
wärts blickend ! Die Mutter der Welt in kriegerischer Rüstung, Minerven ahnlich dem Colosseum,
die Stammmutter des Julischen Geschlechtes in dünnem Gewand, durch welches die Formen ihres
ambrosischen Leibes hindurchschimmern, dem Forum zugewandt ! — Das, beide Gottheiten als eine
und gleichsam als zwei Seiten eines und desselben unfassbaren und unausdrückbaren Wesens
erscheinen zu lassen, war augenscheinlich die Absicht I ladrian's, des kaiserlichen Baumeisters, der
die Pläne zu diesem grössten und prächtigsten Tempel der Stadt selber entworfen hat; deshalb
wollte er, dass sie unter einem Dache zusammen wohnten . deshalb widmete er ihnen nicht zwei
Tempel, sondern einen Doppeltempel, dessen conj;ruente Zellim mit den Scheiteln ihrer Apsiden
an einander stiessen, sodass man der zweieinigen Göttin bald von oben bald von unten nahen
und ihr zu gleicher Zeit auf zwei Altären diesseits und jenseits Opfer bringen und Weihrauch
anzünden konnte ; deshalb weihte er beide Heiligthümer zugleich am Feste der Falilien im Jahre
135 ein, am 2 1. April, dem Gründimgstag einer Stadt, die beide personiricirten, ja, nach welcher
der Doppeltempel vom dritten Jahrhundert an schlechthin Tcmplum l rbis hiess.
In der That, diese Zusammenstellung war keine willkürliche, sie brachte nur einen Gedanken
zum Ausdruck, der im Bewußtsein Aller längst geschlummert hatte. Die Sage vom trojanischen
Ursprung der Stadt Rom und von der Ahnenschaft der Frau Mutler Venus ist bekannt: mit der
Erweiterung der römischen Macht und der Fntwickeluni; der römischen Weltherrschaft bekam sie
eine allgemeine Geltung und wurde durch die lateinischen Mythngraphen und Dichter, besonders
üigmz
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der Familie der Julier zu Liebe, eifrig gepflegt. Der fromme Aeneas, Sohn des Anchises und der
Aphrodite, war nach Lalium gekommen, den Grund zum römischen Volk zu legen : die Localsagen,
nach denen er bald hier bald dort das Ziel seiner Fahrt gefunden, wurden ignorirt, und diese Orte
als Stationen in die weite Reise von Troja nach den italienischen Küsten eingereiht. Der Sohn,
den er hier mit der Lavinia erzeugt. Aeneas Silvius, gründete das Geschlecht der Könige von Alba
longa, sein Erstgeborener Julus, den er von Troja mitgebracht, gründete Alba longa selbst und das
grosse Julischc Geschlecht: aus jenem ging nach dem Rathschlusse der Götter der erste König,
aus diesem der erste Kaiser von Rom hervor. Ja, der Wunsch, den Sitz des Römischen Reiches
an diesen seinen Ursprung zurückzuverlegen und gleichsam den Kreis seiner Geschicke zu schliessen,
hat, verbunden mit der hinreissenden Schönheit der trojanischen Gegend, nachmals den Kaiser
Konstantin bewogen, Byzanz an Stelle Rom's zur Welthauptstadt und damit dem Römischen
Reiche selbst ein Ende zu machen - gemäss der Prophezeiung dt!s lloraz,' wonach es in's
Nichts versinken sollte, wenn dereinst ein Nachfolger des Augustus zu seinem Ausgangspunkt
zurückkehren werde.
Die Venus war also die Mutter jener Stadl, deren Personificalion wie eine Doppelgängerin
an ihrem Rücken lehnte, und schon das hätte genügt , eine solche innig«; Verbindung zu recht-
fertigen. Aber dieselbe hatte noch einen anderen, tiefsinnigeren Grund. Wie kam die Menschheit
wohl darauf, eine Roma als Göttin und in einer Gestalt anzubeten, die erst Winckelmann von
der einer Minejva unterscheiden gelehrt hat? — Von Jugend auf erblicken wir mächtige Wesen
über uns und vor uns, deren allumfassende Natur wir nicht anders als unter dem Bilde einer
Gottheit anzuschauen vermögen. Dergleichen Wesen sind der Himmel und die Erde, die Sonne
und das Meer - - warum nicht Rom ? Denn diese ungeheure Localität forderte zu einer kindlichen
Verehrung genau so auf, wie jene elementaren Kräfte, und wenn man, wie dies noch heute
geschieht, gewöhnliche Städte verpersönlichte, so konnte man wohl die allgebietende Stadt Rom
'vergöttlichen. Es entstand eine Göttin Roma, wie es liei uns etwa eine Göttin Germania oder
bei den heutigen Italienern eine Göttin Italia geben könnte; und indem sie als solche das Erden-
rund zu symbolisiren schien, musste sie sich abermals mit einer Göttin decken, die im tiefsten
Grunde eine Versinnbildlichung der Mutter Erde, der blühenden, fruchtbaren, meerentstiegenen
Erde, der Braut des Adonis war, und welche in Griechenland Aphrodite, in Latium Venus, ja,
wie Rom selbst genannt ward: denn der priesterliche Name Flora, welchen die Stadt neben
ihrem bürgerlichen hatte, galt auch für ein Praedicat der Venus, der Ahnmutter der Aeneaden.
Die Vorstellung der Liebe und der Alles bezwingenden Schönheit, welche gleich dem
Wein und gleich dem Tode die Welt überwindet und das Universum in ihre Fesseln schlägt —
diese Vorstellung, welche man s|>äterhin an Venus zu knüpfen pflegte, als ihre kosmische Bedeutung
zurückzutreten anfing: sie war nicht minder geeignet, die Mutter Amors zur Kehrseite der weit-
beherrschenden Stadt zu machen.
Alles das und noch vieles Andere mochte der gläubige Römer in seinem Herzen bewegen,
wenn er sich dem weitläufigen Gebäude näherte, welches alle uns bekannten T empel in Rom,
selbst den des capitolinischen Jupiter, an Grösse übertraf; wenn er die Marmortrepjien zu der
äusseren Säulenhalle emporstieg, die gleichsam seinen Vorhof bildete, und zu welcher die in
dieser Gegend herumliegenden Granitsäulen - Bruchstücke gehörten ; wenn er durch sie in eine
zweite, innere Halle eintrat, die von cannclirten Säulen griechischen Marmors getragen ward:
wenn er endlich durch die Riesensäulenreihcn eines dritten Porticus hindurch die colossalen
Ciestalten der Schwestergöttinnen in ihren parabolischen, innen mit Alabaster . und Giallo antico,
aussen mit weissem Marmor bekleideten Gellen gross und übergewaltig sitzen sah. Sie waren
so gross, dass ein Baumeister spottete, sie würden nicht aufstehen können, ohne mit dem Kopfe
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an die goldene Cassetürung des Gewölbes anzustossen: der Baumeister hiess Apollodorus und
er hat mit seinem Spotte selbst derb angestossen, ja er hat ihn selbst den Kopf gekostet. Der
geniale Schöpfer des Forums und der Säule des Trajan, des Odeons und anderer trajanischen
Monumente, zum Beispiel der berühmten Donaubrücke unterhalb des Eisernen Thores (Porta
Trajana) hatte bereits damals Hadrian'* Künstlich terei mit einem Stolze und mit einer Energie abge-
wiesen, welche bei einem Griechen jener Zeit in Verwunderung setzt Hadrian war eben in der
Architectur ein Dilettant Als nun der Dilettant seinen Venustempel fertig hatte, konnte er sich
doch, war es Eitelkeit oder eine dem Künstler gestellte Falle, nicht enthalten, dem Apollodor
den höchsteigenhändigen Riss zu übersenden. Apollodor beurtheilte 1 ladrian's Plan verächtlich
und büsstc seine ungebundene Frcimüthigkeit mit dem Leben.
Von beiden Cellen stehen noch auf einer von Tuff und Peperin in Mörtel gebauten, ihnrr
Travertinbekleiduhg eniblössten Substruction die Seitenmauern und die feingerauteten Apsiden,
deren eine, sehr wohlerhaltene in das Kloster von S. Francesca Romana verbaut und im Hofe
hinter der Kirche zu sehen Lst, während die andere dem Colosseum offen gegenüberliegt Hier,
wo die Göttin Roma thronte und sich am Anblick des flavischen Amphitheaters weidete, stehen
auch wir plötzlich wie festgebannt: ein Weltwunder blendet uns; wir finden nichts, womit wir
es vergleichen könnten.
An uns vorbei senkt sich die Strasse hinab nach dem Colosseum, dem Amphitheater des
Titus, welches die Thalsenkung zwischen Palatin, Caelius und Ksquilin mit mächtiger Ellipse
ausfüllt, ja, eben dieses Thal durch seine eigene Schwere gebildet zu haben scheint. Denn den
Boden mit ihrer Wucht eindrückend, massig und doch organisch gegliedert, liegt sie mondbe-
strahlt gegenüber, die grösste Ruine der Welt und in ihrer Grösse nicht unwerth für ein Symbol
dieser majestätischen Stadt und der Welt selbst zu gelten.
Qtiandiu stabil Colyseus, stabil et Roma.
Qiuodo ladet Colyseus, ladet H Roma,
Quaudo cadet Roma, tadet et Muixlus —
Millionen fremder Pilger, die das ungeheure Monument der llavischen Dynastie vielleicht
noch in seiner ursprünglichen Herrlichkeit erblickten, haben dieses echt römische, zu Beda's
Zeiten geltende Sprichwort wiederholt; noch ein Pilger dieses Jahrhunderts, ein Landsmann des
angelsächsischen Mönches, spricht es nach:
Whilc Stands the Coliseum, Romc shall stand,
Whcn falls the Coliseum, Romc »hall fall,
And whcn Romc fall» — the World —
und die Jahrhunderte werden noch, wenn wir an ihrem Flammcnhcrzcn längst verglommen sind,
diese erhabene Rundung anstaunen und bekennen :
So lange das Colosseum steht, nird Rom stehen,
Wenn da» Colosseum fallt, wird Rom falten,
l'nH mit Rom fallt die Welt
Denn noch immer ist sie unfassbar — sie zieht uns an wie eine Erde mit centripetalcr Kraft —
wir verlieren uns in ihr wie eine Welle im ewigen Ocean — wir gehen auf sie zu, wie unser
Leben unwiderstehlich in den Schooss der unendlichen Mutter, der Natur hinabsinkt
Nichtig und unbedeutend erscheint alles Menschenwerk neben dem Colosseum, und wäre
es noch so riesig; ja man darf ohne die eitlen Hyperbeln kleiner Reisender sagen, dass weder
der griechische noch selbst der aegyptische Genius, zu dessen auffallendsten Charakterzügen die
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Kolossalität gehört, «was so Grandioses hervorgebracht hat. Trotzdem ist es nicht wahrscheinlich,
dass das Wort Colosseum wirklich von der kolossalen Grösse dieses Gebäudes hergenommen
sei, da dasselbe in seiner ältesten Gestalt, bei Beda Venerabiiis, nicht Colosseum, sondern Colyseus
oder Colysaeus lautet, und dieses Colysaeus bis auf den heutigen Tag in dem italienischen Coliseo.
dem französischen Colisee, dem englischen Coliseum und dem spanischen Coliseo fortlebt; man
kann nicht begreifen, wie Colysaeus aus Colosseum entstanden sein und sich hartnäckig erhalten
haben soll, während es umgekehrt sehr nahe lag, das wunderliche Colysaeus an das geläufigere
Colossus anzulehnen und als ein kolossales Gebäude (aedificium colosseum) verständlicher zu
machen. Das italienische Volk, zumal das römische ist sehr geneigt zu Wortspielen und zu
etymologischen „Spropositi": es sagt z. B. nicht „Arabia Pctraea", sondern „Rabbia Petrella",
nicht „Chili", sondern „Qui e Li", nicht „Cecilia Metella", sondern „Sciscilia minestrclla", nicht
.,S. Maria in Via lata", sondern „S. Maria üiviolata", nicht „aut Caesar aut nihil", sondern „o
Cesare, o Niccolö"; und es vertauscht das obenerwähnte Coliseo. kraft einer ziemlich ordinären
Anspielung, gewöhnlich mit Culiseo, was der Grund ist, dass die Italiener „11 bei di Roma" oder „II
piü bei di Roma" an ihren Körper haben. Mittelst einer analogen, edleren Verdrehung bildeten einige
Nationen, eigentlich nur die Deutschen aus Colysaeus Colosseum, ja noch kühner Colossus selbst
hervor, welche Namen dann auch auf andere grosse Amphitheater, z. B. das von Capua und das
von Lima übertragen wurden. Man darf vermuthen, dass bereits dem Masculinum Colysaeus der
Gedanke an Colossus zu Grunde lag, und dass das Gebäude ursprünglich Colysaeum oder Colyseum
hiess, mithin nicht sowohl einem Worte wie Coryphaeus, als vielmehr einem Worte wie Museum
zu vergleichen war, obwohl in jenen barbarischem Jahrhunderten die Geschlechter überhaupt vielfach
ineinanderlaufen und z. B. Palatius neben Palatium, Vocabularius neben Vocabularium gesagt wird.
Dieser Colossus, welcher im zehnten Jahrhundert auf das Colysaeus des achten folgte,
brachte die" Gelehrten wieder auf eine neue Gedankenassociation. Sie Hessen Colosseum gelten,
meinten aber, das sei nicht etwa selber ein Koloss, sondern nur eines Kolossen Nachbar,
gleichsam das „Amphitheatrum in Colosso" — und gründeten das auf folgende Erwägung. Vor
dem Eingang des Colosseums stand einmal ein Koloss — ein gletscherhafter Koloss, dessen
Höhe auf vierzig Meter angegeben wird, mithin fast noch einmal so gross als die Münchener
Bavaria (20,5 m) und der heilige Carlo bei Arona (24 m); auch die aegyptischen Kolossalstatuen
brachten es niemals viel über zwanzig Meter, ja selbst der Koloss von Rhodus, der angeblich
mit gespreizten Beinen über dem Hafeneingang stand, dass die Schilfe darunter durchsegelten,
war sechs Meter niedriger. Nämlich die eheme Bildsäule des Nero, das Wunderwerk Zenodor's,
deren Geschichte interessant zu lesen ist Drei verschiedene Köpfe hat sie nacheinander gehabt:
zuerst, wie billig, den des Nero, dann wahrscheinlich den des Titus, der aber die Sonne
vorstellen sollte und deshalb mit Strahlen von sieben Meter Iünge umgeben war, endlich den
Kopf jenes grossen, einzigen Mannes, der 735 Mal als Gladiator auftrat und liooo Fechter
mit seiner Linken niederschlug, des herculischen Commodus. Und analog hat der metallne
Riese dreimal den Platz gewechselt und ist wie ein eherner Gast von Piedestal zu Piedestal
gewandert, jedesmal einem Gotte weichend: er stand ursprünglich in einem Hofe des Goldenen
Hauses, da baute Vespasian seinen Eriedenstempel hin und schickte den Koloss auf die Via Sacra.
Kaum hatte er hier Posto gefasst, so kam dem Hadrian die Idee zu dem Tempel der Venus und
Roma: es half nichts der Herr Gouverneur zu Fusse musste wieder abziehen und weiter nach unten
rücken : aber, müde zu gehen, Hess er sich in aufrechter Stellung von vierundzwanzig Elefanten bis
vors Colosseum tragen, und hier auf einem dritten Fussgestell, einem aus Backsteinen und Gussmörtel
aufgemauerten Schemel, wie er ihn brauchte, fand er endlich Ruhe; hier blieb er, bis er vermuthlich
von den Gothen todt geschlagen ward. Man sieht dieses letzte, grasbewachsene Postament noch
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heute zwischen dem Tempel der Venus und Roma und dem Colosseum; da» erste, unter Nero
selbst erbaute nimmt aufllenri Sicmiradzki's mehrerwähntem Bilde im Vordergrund zur Linken die
ganze Höhe bis zum oberen Rahmen ein. Ks gleicht einem Festungswerke, und man darf es
nicht etwa mit dem armseligen Rest eines domitianischen Springbrunnens verwechseln, der, nach
seiner konischen Form Meta sudans. triefender Kegel, sozusagen Trippstein zulienannt, auf unserer
Tafel rechts daneben vor dem Colosseum steht, obgleich, nach der I löhe der Wassercntnahmestolle
und dem Röhrendurchmesser zu urtheilen auch dieser in seiner Art recht grossartig gewesen
sein und die prächtigen Fontainen auf dem Platze von Sanct Peter weit übertroffen haben mag.
Dergleichen Metae, deren Mantel sich zu einem bedeutenden Umfange erweiterte und an denen
der herabstürzende Wasserstrahl absatzweise zwei Cascaden bildete, gab es auch anderwärts,
zum Beispiel eine ganz ähnlicht; in Bajae.
I>er Koloss des Nero nun war allerdings, als der Name Colosseum auftauchte, längst
untergegangen und den erz- und goldgierigen Gothen anheimgefallen: immerhin ist er als ein
merkwürdiges plastisches Pendant zu dem architeclonischen Ungeheuer zu betrachten, von dem es
uns nicht Wunder nehmen kann, wenn es, um mich so auszudrücken, mit ihm über einen Kamm
geschoren wird. Die Sage, die gleich der Schleiereule in altem Gemäuer haust, die im Augen-
blicke der Zerstörung in die Ruinen einzieht, sie nicht verlässt, so lange noch eine Spur von
ihnen übrig ist, und um so besser gedeiht, je einsamer sie sind, sie nistete gleichsam in dem
Winkel zwischen den beiden Monumenten und flatterte behaglich vom Bronzekoloss zum Maucr-
koloss hinüber. Sie erzählte, das Colosseum sei ein Ort in Rom (<[uidam locus Romae), wo einst
die Bilder aller Provinzen aufgestellt gewesen wären, und in ihrer Mitte hätte Roma, ihre Herrin
und Königin gestanden mit einem goldenen Apfel in der Hand. In diesen Statuen habe Zauberei
gesteckt, sobald nämlich eine Provinz gegen das Reich aufstand, kehrte ihre Bildsäule im Colosseum
der Roma den Rücken zu , und gleich schickten die Römer ein I leer nach der Provinz , den
Aufstand zu dämpfen: tali arte, so schliefst unser Wintermärchen, Romani Trojani mundum
subjugabant. Ob mit diesen Provinzen die Standbilder gemeint sind, welche zum Schmucke
der mittleren Stockwerke in den Bögen an der Aussenseite des Amphitheaters standen, und
ob die Roma das Götterbild von der dem Colosseum zugekehrten Nische des hadrianischen
Doppeltempels war, welches in der Erinnerung der Völker mit dem ehernen Koloss
verschmolz? Denn der goldene Apfel ist unzweifelhaft die Weltkugel, welche die römischen
Kaiser in der Hand zu halten pflegen und aus welcher unser Reichsapfel hervorgegangen
ist. Eine spätere, mimler ursprüngliche Version derselben Sage versetzt diese Statuen in der
Zahl siebzig auf das Capitol und hängt ihnen Glöckchen an den Hals, mit denen sie zum Zeichen
der Empörung läuten.
Eigentlich bevorzugte unsere Schleiereule den Koloss des Nero, den grossen Simson, wie
er auch genannt wird; die Sage haftet in dieser Stadt überhaupt lieber an Bildsäulen als an
todten Monumenten. Das beweist schon die eben, mitgctheiltc Fabel, aber auch in andern ist
immer nur von einer Statue die Rede. So in der, welche an die Legende von der tiburtinischen
Sibylle und Octavian erinnert — dass Romulus da, wo die zwei Tempel der Pietas und der
Concordia stehen, sein goldenes Bild mit den Worten aufgestellt habe: Es wird nimmer lallen, bis
eine Jungfrau gebären wird (non cadet, donec virgo pariet); und dass es, als dies geschah,
augenblicklich zusammengestürzt sei: mit den zwei Tempeln der Pietas und der Concordia ist
nachweislich der Duppeltempel der Venus und Roma gemeint , und ich glaube , man kann den
goldnen Romulus nicht besser als auf den goldnen Nero deuten, bei dessen Fall die Erde gezittert
haben mag. Ja, ich halte sogar, gestützt auf die unverkennbare Analogie, dafür, dass die oben-
erwähnte Prophezeiung des Beda Venerabilis : Quando cadet Colyseus, cadet et Roma, ursprünglich
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vom Koloss des Nero gegolten hat, und erst nachmals auf das benachbarte, allein übrige
Colosseum bezogen worden ist.
Wäre dem so, so würde die ganze Frage nach dem Ursprünge des Wortes Colosseum
eine andere Gestalt gewinnen. Es würde in Wahrheit auf den Koloss des Nero zurückzuführen,
aber nicht von Colossus abgeleitet, sondern identisch mit dem Namen Colysaeus sein, den der
Koloss trug und aus diesem Colysaeus hätte sich dann stufenweise Colysaeum, Coloseum, Colisseum,
Colosseum entwickelt. Das ist auch recht wahrscheinlich ; trotzdem bleibt das Räthsel des
Colysaeus selbst noch immer unaufgclöst Statt Colossus hätte man allerdings wohl Colosseus
(Ao/onsiKir»..-), der Kolossale sagen dürfen, aber es ist absolut nicht abzusehn, wie aus diesem Colosseus
Colysaeus werden und der sonderbare Fehler Jahrhunderte lang im Munde aller Völker bleiben
konnte, während doch das Wort Koloss in andern Ableitungen keineswegs erlosch ; und deshalb
ist man verpflichtet, im Stillen auf eine andere Etymologie zu denken. Fs will sich keine recht
darbieten, nicht einmal das so naheliegende Wort A'«iirr>«c: wenn dieses Käfig bedeutete, so
liesse sich üaraus allenfalls AWrcrnJoi- , Menagerie gewinnen und mit dem Namen Verlascio vergleichen,
den in Italien viele Amphitheater führen und den man als „Bärengelass" erklärt — — aber
es sei mir gestattet, hier zum Schluss eine Vermuthung vorzubringen , die zwar eben so wenig
durchschlägt, die sich indessen hören lässt, weil sie auf historischen Daten fusst.
Wir sprechen wohl von einem Goldtischteiche oder von einem Karpfenteiche ; und analog
könnten wir von einem Meerjunkertrichc sprechen. Meerjunker heisst nämlich bei uns, Rcgen-
bogentiseh bei anderen Völkern, einer der schönsten Seelische, dessen Farben auf das mannig-
faltigste in einander spielen und sich beständig mit dem auffallenden Licht verändern.- Er Ist
ol>en blaugrün mit orangefarbenem Längsband, an den Seiten silbergrau und violett gestreift,
am Kopfe braungelb, blau und silbern gemustert, an der Rückenflosse purpurn, an den übrigen
Flossen blauroth. Der Junkertisch gehört zu derselben Familie wie der ebenfalls prächtig gefärbte
Papageilisch, der auf dem Rücken purpurroth, an den Seiten rosenroth und violett, an Brust- und
Bauchflossen orangegelb und mit veilchenblauen Linien gezeichnet ist.
Die Alten kannten und liebten beide Fische: sie nannten den Meerjunker Julis, den Papa-
geifisch Scarus ja, es heisst, dass Tiberius eine Flotte ausrüsten liess, um den letzteren im
griechischen Inselmeere aufzusuchen und in den italienischen Gewässern zu verbreiten. Sie kamen
sogar auf die Tafel, al>cr man darf behaupten, dass dies wie bei den Pfauen weniger um ihres
Wohlgeschmacks als um ihrer Farbenpracht willen geschah. Für Julis galt auch der Name
Coris, desgleichen der Name Colisa, den französische Gelehrte dem Meerjunker bis auf den
heutigen Tag geben.
Nun steht fest, dass Vesi>asian sein Amphitheater an der Stelle eines künstlichen Sees
gründete, welcher im Umkreis des Goldenen Hauses lag; und nichts hindert uns anzunehmen,
dass Nero diesen meerähnlichen Teich mit jenen berühmten Fischen bevölkert hatte: im Gegen-
theil, das ist im höchsten Grad wahrscheinlich. Die Meerjunker stechen angeblich wie die Wespen.
Wer weiss, der Tyrann belustigte sich am Ende damit, Christen in seinem Teiche baden und sie
von den Meerjunkern beissen zu lassen.
Jener Teich könnte wie Nymphaeum nach Nympha, nach Colisa Colisaeum genannt, und
der Name dann auf das hineingebaute Amphitheater übertragen worden sein; bei den Schiffs-
kämpfen (Naumachieni wurde ja die Arena sogar noch immer in einen See verwandelt und mit
Fischen angefüllt. Sind nicht nach Aalen, Karpfen. Heringen Dörfer und Städte in der Welt
benannt? Warum nicht in Rom ein Amphitheater nach den Junkerfischen? —
61
i«
DL
Wir pochen an die Holzthür in der Arcadc am Eingang vom Palatin her. Ist der Herr
Custode da? Können wir die oberen Stockwerke besteigen? Wollen Sie uns durch diese
tinstern Corridore leuchten? —
Welch ein bewunderungswürdiges Oval! Wie ist die grosse Ellipse mit Meisterhand
gezogen! Wie sie harmonisch in sich selbst zurückkehrt! Wie sich Sitzreihen über Sitzreihen
und Gallerien über Gallerien staffelförmig und concentrisch aufbauen! Wie die Wände des
ungeheuren Kessels rinics in die Arena, als in einen Abgrund zusammenstürzen' —
I la I Ich erkenne sie wieder , die siebenundachtzigtausend zuschauenden Römer ! Der
i
\
Innere Amichl <lr» Cokutcuirn.
überwältigende Anblick eines versammelten Volkes wird mir abermals! Vom Boden aufwärts bis
an den Rand, über den Bauch des Kessels hin, in wundervoller Ordnung ist terrassenartig ein
Reich von Königen gelagert : golddurchwirkte Tcppiche spannen sich schützend über ihre Haupter,
und Wohlgerüche strömen in Nebelschauern kühlend auf sie herab.
Ave, Caesar Imperator, morituri te salutant! Die Gladiatoren kommen! t'n<l Heerden
wilder Thiere, afrikanische und asiatische I-öwen, indische Elefanten, Eber von den L'fern des
Rheins, Bären aus den Wäldern Apuliens, Stiere aus den pontinischen Sümpfen, die Ungeheuer
des Nil, Krokodil und Hippopotamus, Tiger, Nashörner, Panther und Hyänen, durch Stacheln,
Feuerbrände und Peitschenknallen gereizt, stürzen wüthend auf den Sand — und das Volk
jauchzt vor Entzücken, wenn sich die Rasenden zerfleischen — wenn die Samniten und die
Thracier brav aufeinander einhauen — aus den Reihen ertönt es triumphirend: Habet! Er hat's! —
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Der schwer Verwundete hebt einen Finger in die Höhe und bittet um sein Leben — aber die
Quinten wenden den Daumen nach unten, man soll ihm den Todesstoss ertheilen — und ich höre sie,
wie sie sich erbittern, weil er nicht gerne sterben will: Treibt ihn mit Peitschen in den Kampf.
Stosst ihn mit den Glüheisen zurück! — wie sie, die furchtbarsten Bestien unter allen, nach Blute
lechzen, in Blute schwelgen und in einem Anfall von Wahnsinn Wollust und Grausamkeit vereinen.
Und ich theile für einen Augenblick den' kolossalen Taumel dieses Volkes : der Kitzel des
Schrecklichen, der allgemeine Rausch des Gemetzels und der fremden Todesqual ergreift mich,
reisst mich wider Willen fort gleich einem Wirbel; und wie der Mann, der dieses Amphitheater
schuf, in seinem eigenen Meisterwerke den Raubthieren vorgeworfen und der ersten Märtyrerkrone
in dem Colosseum ge-
würdigt ward : so büssen
auch wir, die wir uns
dasselbe in Gedanken
wieder aufbauen , die
Schuld unserer Phantasie
damit, dass wir den Lei-
denschaften , die gleich
Tigern des Menschen
Brust bewohnen und unter
dem Zauber einer sanf-
teren Religion entschlum-
mert sind, von Neuem
zum Opfer fallen.
Der Architect,
welcher den Bau des
Colosseums in Accord
nahm und es unter Titus
im Jahre So n. Chr. be-
endigte , schuf damit
nichts Neues, er befolgte
nur die Regel, die längst
für diese Art von Schau-
spielhäusern feststand.
Theater, in denen einer-
Eiu Corrvlur des Cotosscm.
seMts Gladiatorenspiele,
andererseits Thierhetzen
gegeben wurden, kannte
man bereits seit den
Tagen des Caesar und
Pompejus, denn in den
letzten Zeiten der Re-
publik fingen diese grau-
samen Lustbarkeiten an
Mode und von den Macht-
habern, welche darin an-
geblich ein männliches
Vergnügen und ein Mit-
tel zur Erhaltung und
Stählung des kriegeri-
schen Sinnes sahen, im
Grunde aber nur um
die Gunst des Pöbels
buhlten, ausdrücklich her-
vorgesucht zu werden.
Die Fechterspiele waren
das Ursprüngliche , die
Thierhetzen kamen erst
im Laufe der* Zeit hinzu;
und zwar gingen jene von
Leichenspielen aus. Beim Leichenbegängniss eines Feldherrn eine gewisse Anzähl von Kriegsgefangenen
wie Vieh auf seinem Grab zu oplern, war in grauen Jahrhunderten eine allgemeine Gepflogenheit nicht
bloss der Etrusker, sondern auch der Griechen: Homer lässt in der Iliade den Achill bei der Bestattung
des Patroclus zwölf junge Trojaner schlachten; und so mochten es auch die alten Römer und die
Trojaner selbst gehalten haben, deren Stammhalter Aeneas dieses Opfer dem Anchises in Sicilien
wahrscheinlich nur deshalb vorenthält, weil er keine Griechen zur Hand hat. Späterhin erachteten sie
es für einfacher, die Gefangenen sich selber untereinander morden zu lassen: sie, oder an
ihrer Stelle Sklaven und verurtheilte Verbrecher mussten sich in aller Form am Scheiterhaufen
(ad rogum) duelüren, und schwere Duelle wurden nun auch im Frieden bei vornehmen Leichen,
namentlich zu Khrcn des gestorbenen Vaters auf öffentlichen Plätzen vorgenommen; Virgil hätte
auch diesen Zug benutzen können, während den ersten derartigen Fall vielmehr Valerius Maximus
erwähnt Im Jahre 161 v. Chr. liessen Marcus und Decius Brutus bei der Bestattung ihres
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Vaters drei Paare auf dem Ochsenmarkte fechten ; ein halbes Jahrhundert später traten beim
Begräbnis* des M. Aemilius Lepidus zweiundzwanzig Paare auf die Mensur, wozu sich die Ouiriten
drei Tage hintereinander auf dem Forum versammelten ; Scipio Africanus feierte den Doppelte«!
seines Vaters und Oheims 210 in Spanien durch ein Kampfspiel, an welchem sich sogar
freie Männer betheiligten. Man sieht, diese blutige Solennität gehörte durchaus zu den römischen
Kxscquien, ja hat bis in das letzte Jahrhundert vor Christus dazu gehört, denn um die Mitte
desselben gab Cajus Scribonius Curio beim Tode seines Vaters noch immer Fechterspiele. Dieser
Mann aber machte in der Vorführung der Spiele eint: wichtige Neuerung, sozusagen eine Erfindung,
aus der die bis dahin unbekannten Amphitheater hervorgegangen sind.
Bisher waren für das Publicum auf dem ausgewählten Platze einfache Tribünen wie bei
unseren Rennen kunstlos aufgeschlagen worden, während es zu dramatischen Aufführungen bereits
seit 145 v. C. vollständige Theater gab. Curio kam nun auf die Idee, zwei hölzerne Theater
mit dem Rücken an einander bauen zu lassen, die Vormittags wie gewöhnlich zu Schauspielen
benutzt, Nachmittags aber um ihre Bühnen erleichtert, mitsammt den Zuschauern wie Karouselle
herumgedreht und zu einem Kreise verbunden werden konnten: auf dem von beiden Theatern
umschlossenen Platze wurden die Fechterspiele ausgeführt. So entstand ein Haus, wo der
Zuschauerraum nicht halbkreisförmig die Bühne vor sich, sondern wo er kreisförmig die Bühne
in der Mitte hatte: nicht sowohl ein doppeltes als vielmehr ein ganzes Theater, dem gegenüber
die bisherigen nur halb gewesen waren. Man nannte es Amphitheatrum und den elliptischen,
mit Sand (arena) bestreuten Kampfplatz Arena, welches zugleich der häufigste Name der Amphi-
theater im Mittelalter geworden ist. Ziemlich lax wird mit dem Worte Amphitheater in neuerer
Zeit ein stufenweLs aufsteigender Halbkreis, ja im Theater der der Bühne gegenüberliegende
Theil des Zuschauerraums allein bezeichnet, und man sollte zum Betspiel nicht sagen, dass sich
Neapel amphitheatralisch am Gestade des Tyrrhenischen Meeres erhebe, sondern theatralisch.
Dieser Plan war ebenso einfach wie grossartig, ebenso zweckmässig wie schön, elwnso
überraschend wie leicht verständlich: er musstc wie ein Naturgesetz alle nachfolgenden beherrschen,
und es konnte sich, abgesehen von dem Grade der Rundung, nur um das Material und die
Dimensionen handeln, in denen er ausgeführt ward. Die letzteren mussten gross sein, denn das
harte und freiheitsstolze Volk fand am Anblick der im Todeskampf ringenden Sclaven immer
mehr Geschmack, es strömte zu den Parade-Manövern, die ihnen die Magistrate bei ihrem Amts-
antritte und nicht etwa blos bei Leichen, sondern alle Augenblicke gaben, um sich populär zu
machen; und in demselben Masse waren die Zahlen der Auftretenden gewachsen, die von den
Festgebem* bandenweise zusammengekauft, auch freiwillig angeworben, ja gewaltsam gepresst
wurden und die, schulgerecht ausgebildet und organisirt, nach der Führung ihrer Hauptwaffe
(a gladiando) Gladiatores, Meister vom langen Schwerte hiessen. Ja, durch seine Verbindung mit
grossartigen Menagerien, die alle Schrecken der Wüsten Afrika's und Asien's enthielten, in denen
sich die ersten Lüwenjäger und die kühnsten Thierbändiger aller Zeiten producirten, oder in denen
man die aufregende Scene einer qualvollen Fxecution durch Bärenklaue und Tigerzahn gemessen
konnte, hatte das Institut vollends an Zugkraft und Ausdehnung gewonnen. Es war daher nach-
gerade natürlich und nothwendig, dass man daran dachte, stehende Amphitheater wenn auch
zunächst nur von Holz anzulegen, wie man wohl in unsem Metropolen bleibende Circusse und
permanente Ausstellungspaläste baut, und ein solches dauerndes Amphitheater bekam definitiv
folgende Einrichtung.
Ein aus lauter concentrischen und allmälig abfallenden Ellipsen oder Kreisen
Gebäude erhob sich vollkommen und in fehlloser Reinheit auf dem Plane und grenzte
wie ein dazwischen gelegter Ring von der eirunden Arena ab. Die Mauer, welche letztere von
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den Silzreihen und den Korridoren schied, vertrat die innerste, tiefste und kleinste Linie dieses
Rinkes j die Umfassungsmauer, die aus mehreren Reihen senkrecht auf einander gestellten Arcaden
gebildet war, die äusserste, höchste und grösste Linie: die zwischen der äussersten und innersten
liegenden Curven , die an • Höhe wie an Weite symmetrisch abnahmen , waren die Sitzreihen
(gradationes), welche von der höchsten bis zur letzten und in gerader Richtung bis zu dem die
Bühne selbst umgebenden ("orridor von Treppen durchschnitten wurden ; diese i>erpendiculären Treppen
theilten den
ganzen 1 lohl-
raum in keil-
förmige, un-
ten schmale,
oben breite
Ausschnitte
(cunei). Um
die Arena
herum befan-
den sich die
Behälter für
die wilden
Thiere und
die Kammern
für die Gla-
diatoren.
In republi-
kanischer
Zeit sassen
alle Stände
ohne l 'nter-
schied unter-
einander ; in
der späteren
Kaiserzeit
aber wurden
jeder Volks-
klasse beson-
dere Sitzrei-
hen angewie-
sen und diese
(I:
Hm GflBf do CoIosmi»,.
durch Schran-
ken und Kor-
ridore ge-
trennt Die
unterste und
vornehmste
hiess Podium
(it. Poggio) :
hier war die
kaiserliche
Loge , der
Ehrenplatz
des Spiel-
gebers und
der Vestalin-
nen; hier sas-
sen, Lictoren
zur Seite, die
Kampfrichter
auf ihren un-
sern Fcld-
stühlen glei-
chenden Eh-
renscsseln
(sellae curu-
les). Nach
der Bühne zu
war das Po-
dium durch
Gitterwerk
und überdies
durch einen
breiten und tiefen Graben vor den Gefahren geschützt, die aus der unmittelbaren Nähe der
Kampfthiere entstehen mochten: man war jedenfalls durch Erfahrung klug geworden, zum Beispiel
wird berichtet, dass in den einst von Pompejus gegebenen Spielen wüthende Elefanten die
Barrieren, welche sie vom Volke trennten, niederzureissen versuchten. Auf das Podium folgten
die sogenannten Macniana, das heisst einzelne, unsern Rängen entsprechende Stockwerke von
Sitzreihen, die durch Brustwehren (baltei) von einander geschieden waren und deren cm bald mehr
bald weniger, je nach den Dimensionen des Gebäudes gab ; ganz oben lief rundum eine Gallerie,
die sich mit unserm Paradiese vergleichen lässt Die Sitzbänke fgradus), welche in den ältesten
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Amphitheatern 36 Centimeter hoch und ebenso breit gewesen waren, erhielten später eine Breite
von 72 bis 95 Centimetern, so dass man seine Füsse ausstrecken konnte, ohne dem Untermann
auf dem Kopfe herumzutrampeln. Zum Ein- und Austritt dienten in allen Stockwerken Pforten
(vomitoria), durch welche man zu den im Innern umlaufenden Gängen, don in sie mündenden Treppen
und schliesslich zu seinem genau bezeichneten und numerirten Platz gelangte: jede dieser Pforten
stand wiederum mit anderen Treppen in der Dicke des Gebäudes in Verbindung, welche nach
Aussen führten, so dass die Menge fast gleichzeitig ohne das geringste Gedränge das Haus
verlassen konnte; man hat berechnet, dass sich der Strom von neunzig oder hunderttausend
Menschen, der sich bei den Spielen in die Amphitheater ergoss, durch diese Treppen und Pforten
in nicht fünf Minuten wieder zu verlaufen im Stande war. Für die obersten Staatsbeamten gab
es einen reservirten Eingang.
Dergleichen grosse und mächtige Amphitheater zählte nun die Weltstadt seit Cajus Curio
bereits beinahe ein Dutzend, aber noch alle waren sie, wie gesagt, von Holz oder wenigstens
grösstentheils aus Holz, selbst das, welches Statilius Taurus unter Augustus errichtete, denn wie
könnte es sonst bei dem Neronischen Brande in Flammen autgegangen sein? Aus demselben
Grunde brach einmal ein Amphitheater in dem benachbarten Fidenae zusammen und begrub unter
seinen Trümmern fünfundzwanzigtausend Menschen. Augustus selbst wollte ein steinernes bauen,
kam aber nicht dazu. Erst Vespasian, der sparsame Vespasian nahm seinen Gedanken wieder auf
und legte den Grund zu einem Gebäude, welches, von Titus im Jahre So vollendet, nicht nur
alle früheren Amphitheater an Umfang und Pracht weit übertreffen, sondern, ein Wunder von
Solidität und gleichsam für die Ewigkeit bestimmt, die ganze römische Baukunst vorher und
nachher in Schatten stellen sollte. Es bildet namentlich einen frappanten Contrast zu dem Goldenen
Hause, von dem es eine bedeutsame Stelle einnimmt. Der geile Luxus des Nero verschwand über
Nacht wie ein üppiges Schlinggewächs. Die tüchtige Schöpfung Vespasian's trotzt wie ein starker
Eichbaum mit ungezählten Ringen den Jahrtausenden.
Material drei Perioden der römischen Baukunst unterscheiden: die Peperin-, die Travertin- und
die Marmorperiode. In der älteren Zeit bauten die Römer mit Pfeiferstein oder Peperino, einem
vulkanischen Tuffstein von aschgrauer oder grünlichgrauer Farbe, aus welchem ein grosser Theil
der Berge und Hügel von I.atium besteht; vorzüglich ward er am Albanergebirge gefunden und
deshalb nannte man ihn lapis Albanus. Er musste, weil sich feinere Gliederungen in ihm nicht
ausführen liessen, im Laufe der Zeit dem härteren, leichteren, wc:gen seiner porösen Beschaffenheit
besser bearbeitbaren Kalktuff weichen, der in der Nähe der Stadt Tibur gebrochen ward und
der deshalb den Namen lapis Tiburtinus führte: aus diesem Tiburtinus ist das italienische
Travertino entstanden. Der Travertin endlich pflegte in noch späterer Zeit durch den Marmor
ersetzt zu werden, der unter Augustus allgemeine Verbreitung fand und aus den entferntesten
Gegenden herbeigeschafft ward, nachdem zuerst L. Licinius Crassus in seinem Hause sechs
kleine Säulen aus hymettischem Marmor angebracht und Mamurra auf dem Caelius das seinige
mit Marmor bekleidet hatte. Doch ist der Travertin neben dem Marmor immer ein sehr gesuchtes
und beliebtes Baumaterial geblieben , die grössten Gebäude des alten wie des neuen Rom
bestehen sämmtlich aus Travertin. Auf der Strasse nach Tivoli begegnet der Reisende noch
heute Büffelgcspannen , Vier-, Sechs- und Achtgespannen , die auf rohen zweirädrigen Karren
Blöcke des bald weissen, bald grauen, bald gelblichen, bald röthlichen Gesteins langsam und
durch Nasenringe gebändigt in die Capitalc Iransportiren. Sie kommen von den Travertinbrüchen
am Anio, von denen schon Strabo spricht, und aus denen halb Rom hervorgeholt worden ist. Hier
ruhte, wenn ich mich so ausdrücken darf, in den Tiefen der Erde verschlossen, die ganze Peterskirche,
rv:.
bis ein Papst mit starker Hand ihre ewigen Ketten sprengte; hier hatte vor ihr, unter jenen grünen
Hügeln und Thälern, der berühmte Koloss geschlummert, den die flavische Dynastie aus seinem
Bann befreite, den sie zum Staunen der Welt von seinem Bette aulriss, den sie hier Stück für
Stück und Glied für Glied an's Tageslicht hervorzog.
Wer könnte ihn vergessen, den rothgelblichen Sterin des Colosseums, der im Abendsonnen-
glanze so tief und unbeschreiblich glühen kann, und dessen tausend Lücken wuchernder Hpheu
vergebens zuzudecken sucht? Dieser Stein ist der tiburtinisehe ; Travertinquadern , durch Eisen-
klammern zusammengehalten, bildeten den Hauptl>estandthcil des flavischen Riesenbaues, neben
dem nur im Innern auch Tuff und Ziegel zur Verwendung gekommen sind. Zu zwei Dritteln
ist er nicht mehr vorhanden; den Werth des übrig gebliebenen Materials hat man nach den
laufenden Travertinpreisen noch immer auf acht, ja ein andermal auf siebzehn Millionen Lire
veranschlagt. Das ganze Amphitheater soll an sechzig Millionen Lire zu bauen gekostet haben,
und zwölftausend gefangene Juden mussten dabei frohnen. Ein Architect mag die Genauigkeit
dieser Ziffern beurtheilen . wenn er etwas von den Maasen des Gebäudes erfährt. Dieselben
werden ausserordentlich verschieden und meist sehr viel höher angegeben, aber nach den zuver-
lässigsten Messungen beträgt in Metern:
Der antwrc Umfang des Colosseuius 524
!>er Umfang der Arena jjS
Die grosse Axc «ler äusseren, das Cime umschreibenden Kllipse . 187,77
Die kleine Aac derselben 155.ft.vS
Die grosse Axe der inneren, die Arena umschreibenden Kllipse s 5.75 6
Die kleine Axe derselben SJ,*»-»
Die Hohe der Aussenwand 48,5
Die Weite der Enilastungsbiigen 4.1
Die Höhe derselben 7 (abnehmend bis 6,41
Die Weite der l laupteingangsthure . 4,6
Aus dem geringen Unterschied der Länge der beidesmaligen Axen geht zugleich hervor,
dass die Exccntricität der Ellipsen keine grosse gewesen ist, und dass sich namentlich die Umfassungs-
mauer der reinen Kreisform genähert hat In der That erscheint das Colosseum auf den ersten
Blick dem ungeübten Auge als ein Zirkel, erst später, namentlich von oben und bei Mondlicht,
tritt die elliptische Anlage mehr hervor. Der deutsche Baumeister Johann •Michael Knapp, der
im Verein mit dem römischen Ingenieur Lucangeli zu Bunsens Zeit der Vermessung, Herstellung
und Nachbildung des Monumentes Jahre angestrengter Arbeit gewidmet hat, nennt die Ellipse
des Colosseums die schönste und kunstvollste, die man kenne.
An diesem Riesengebäude nun lassen sich vier Hauptpartien unterscheiden, die wir
gesondert betrachten müssen, und die sich wieder in Unterabteilungen gliedern, daher wir sie
der leichteren Uebcrsicht wegen mit Buchstaben bezeichnen wollen.
A. Die Aussen seite. Man wolle einen Blick auf unsere Tafel und auf die nord-
östliche, nach dem Esquilin zu gelegene Hälfte des Gebäudes werfen, wo dasselbe noch fast
vollständig erhalten ist. Ein 2,6 m breiter Kreis prächtiger Travertinquadcrn umgiebt es und
hebt es vom Strassenpflaster ab; dieser Kreis ist nach vorn durch eine Stufe abgetheilt, die sich
zum Abflüsse des Regens leise senkt. Inmitten desselben ragt stolz und felsenfest die grosse
Ruine vor, von der wir zunächst nichts weiter als die Umfassungsmauer sehen. In vier Stockwerken
steigt sie auf, in den drei unteren durch je achtzig Bogen entlastet, im obersten von rechteckigen
Eensterchen durchbrochen, die über je zwei Bogen der unteren Geschosse stehen ; ein Kranzgesims
schliesst sie ab. Die Pfeiler zwischen den einzelnen Bogen sind mit halben, ein einfaches Gebälk
sammt Attika tragenden Säulen geziert und zwar, entsprechend der Last, in einer ebenso zweck-
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massigen wie harmonischen Anordnung. Bekanntlich weist die dorische Säule die einfachsten
Formen und schwersten Verhältnisse, die jonische llüssigere Formen und leichtere Verhältnisse,
die korinthische die reichsten Formen und schlanksten Verhältnisse auf. Demgemäss gehören
also die Halbsaulcn am ersten Stocke der dorischen, am zweiten der jonischen, am dritten der
korinthischen Ordnung an, und nach derselben Proportion ist der zweite Stock etwas höher als
der erste, der dritte ein Minimum niedriger als der zweite. Der oberste; Stock, zu dem überdies
noch das Gesims hinzukommt, ist der höchste ; er hat korinthische Pilaster , die genau über den
vorhergehenden Halbsäulen stehen ; zwischen ihnen lehnten runde Schilder (clipea) von Bronze, auf
denen Brustbilder der Ahnen der flavischen Familie und ähnliche Darstellungen in Relief angebracht
waren: die Sitte, dergleichen Ahnenschilder, an deren Stelle im Mittelalter die symbolischen
Wappenschilder traten, an öffenüichen Gebäuden aufzuhängen, war eine sehr alte, angeblich
trojanische. Die hundert und sechzig Bogen der beiden mittleren Stockwerke waren mit ebenso viel
Statuen von Erz oder Marmor ausgefüllt, die in der Höhe der Brüstung auf einem Travertin-
untersatze standen ; die achtzig Bogen des Krdgeschosses dagegen leer und nicht für ein marmornes,
sondern für ein lebendiges Volk bestimmt.
Sie bildeten die Eingänge oder Thore des Amphitheaters, gleichfalls achtzig an der Zahl.
Die vier vornehmsten lagen an den vier Scheiteln der Ellipse, da, wo die grosse und kleine
Axe die Umfassungslinie traf, offenbar den ausgezeichnetsten Punkten des Gebäudes; sie waren
dreischiffig . überhaupt breiter und prächtiger als die übrigen und von je einem ehernen Vier-
gespann überragt. Die an den Scheiteln der kleinen Axe gelegenen Portale, mit einem Vorbau,
der von mächtigen cannelirten Säulen phrygischen Marmors getragen ward, dienten für den Kaiser,
die kaiserliche Familie und die fremden Gesandten und Könige ; die an den Scheiteln der grossen
Axe einerseits für die Gladiatoren, die bei Eröffnung der Spiele durch diese Pforten im Parade-
marsch eintraten, ihren festlichen Umzug um die Arena hielten und, bei der kaiserlichen Loge
vorübergehend, dem Imperator zurufen mochten : „Sei gesegnet, Kinder des Todes grüssen dich" ;
andererseits für die wilden Thiere und die Maschinen, die hier vor den Spielen hereingeschafft
und den Depots unter der Arena übergeben wurden. Die übrigen sechsundsiebzig Bogen waren
für das Ein- und Ausströmen des Publikums bestimmt, doch durfte man nicht zu jedem beliebigen
hineingehn, sondern, um Verwirrung zu vermeiden, hatte jeder Einzelne eine bestimmte Thüre zu
wählen, deren Nummer auf seinem Einlassbillct, der Tessera amphilhealralis (nicht zu verwechseln
mit der Tessera gladiatoria) ausdrücklich angegeben stand; zu dem Ende waren die sechsund-
siebzig Bogen numerirt, von XXIII bis LIV lassen sich die Ziffern noch erkennen. Sie sind in
den Travertin eingehauen, der also hier nicht mit Stuck (opus albarium) bekleidet gewesen sein
kann wie er es anderswo, namentlich in den Gallerien, die zu den kaiserlichen Logen führten,
war; man behauptet, der Maler Giovanni da l'dine, der grösste Meister der neuen Kunst in
solchen Verzierungen, dem von den Italienern die Wiederernndung der Stuccaturarbeit zugeschrieben
wird, habe dieselbe dem Colosseum und den benachbarten Titusthermen abgesehen und die
Decorationen jener Gewölbe ihrer Schönheit wegen gezeichnet
B. Der Zwischenbau. Im Vorigen haben wir die Aussenseite des massiven Ringes
und gewissermassen das geschildert , was den Begriff des Colosseums in der Phantasie der
Menschheit constituirte , wie es sich dem Beschauer darstellte, wenn er die heilige Strasse
hinunterkam, und wie es auf alten Münzen abgebildet ist. Dieser Aussenseite ist nun offenbar
die Innenseite des Ringes entgegengesetzt, die man um sich erblickte, wenn man auf der Arena
stand; aber in das Colosseum kann man nicht wie in einen Fingerring hineinsehen, man kann
auch nicht über das Kranzgesims hineinfliegen, wie ein Stein, der von aussen hineingeworfen
wird, sondern, um hineinzugelangen, muss man es gerade so machen, wie der alte Römer, der
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uigmzeo Dy VjUü
gle
die Spiele besuchen wollte: man muss durch den Ring hindurchgehen, Und zwar hatte der
Römer, je nachdem er tief unten oder hoch oben sass, in dem Kerne des keineswegs hohlen
Ringes Strecken zu durchmessen, die in umgekehrtem Verhältnis* zu der Höhe des gesuchten
Stockwerks standen. Nämlich der Ring, der nach aussen eine senkrechte Mauer bildete, fiel
nach innen terrassenförmig ab und hatte hier gleichsam eine Menge neuer Ringe angesetzt, die
immer kleiner und niedriger wurden, bis der aufgemauerte Gürtel seine vollständige Dicke erreicht
hatte. Die Folge war, dass man wagerecht um so mehr Schichten zu durchbrechen, um so mehr
Schalen zu durchbeissen hatte, je näher man an der Arena sass, und dass z. B. der Kaiser, dessen
Loge unmittelbar daranstiess, wohl ein Dutzend Mauern und Korridore kreuzen musste, während
der Proletarier, der oben die Gallerie bestieg, sofort ans Freie kam. Die ganze Partie nun,
welche von dem verborgenen und linstern Ringkern gebildet wird, und die zwischen der Aussen-
seite und der Innenseite desselben liegt, haben wir als Zwischenbau bezeichnet.
Derselbe ist einerseits als Unterbau, andererseits als eine Art Kanalbau aufzufassen. Zu
inneren Rundbaus
bildeten. Die fol-
genden vier stell-
ten sich, im I>urch-
schnitte gesehen,
als Scherwände
dar, nach innen
gesenkt , um die
Sitze der Zu-
schauer zu tragen,
und den äusseren
lTiorhogen ent-
sprechend durch
gerade hindurch-
führende Gänge
und Treppen unter-
brochen. Die letz-
teren sind das, was
wir eben als Kanäle bezeichneten; denn sie lassen sich, wenn wir das Bild eines Menschen -
Stroms festhalten, mit dem Röhrenapj>arat vergleichen, durch welchen das Trinkwasser in einer
Stadt vertheilt, in die einzelnen Häuser geleitet und in den Häusern bis in alle Ftagen gehoben
wird. Gleich dem Wassertropfen trat das Individuum in die Rinnen des Amphitheaters ein und
ward in denselben auf verschlungenen Wegen bis zur Mündung des Rohres emporgeführt:
solcher Mündungen, Vomitoria genannt, gab es im C'olosseum hundert und sechzig. Hier ange-
kommen oder „ausgespieen", hatte der Zuschauer nur die oberhalb jedes Ranges hinlaufende
Gürtelbahn (praecinetio) zu verfolgen und den Cuneus zu erreichen, der seinen Platz enthielt, dann
stieg er die nächste Treppe hinab, bis er an seine Sitzreihe kam und brauchte nun blos die
paar Personen zu incommodiren , die etwa vor ihm sassen. Dieses viclverzweigte System von
bald Stollen-, bald schachtartigen Gängen, Treppen und Stiegen, Passagen und Pfürtchen war
unbedingt einer der kunstvollsten und bewunderungswürdigsten Theile des Colosseums, welches
durch ihn das Ansehen eines grossen Badeschwamms erhält; es gleicht einem Ringgebirge, aber
einem klaren und luftigen Ringgebirge, das von geschäftigen Gnomen nach allen Richtungen
hin durchbohrt und durchlöchert worden ist, und durch dessen Lücken jetzt, wo diese Hallen
fr,
jenem gehören die
fünf Mauern, die,
durch Umgänge
i.ambulacraj von
einander geschie
den. innerhalb der
Umfassungsmauer
und parallel mit
dieser tar.gr* : g. 'tl
sind. Die erste
dieserinneren Mau-
ern war wie die
Aussenmauer aus
Bogen, nur zu einer
geringeren Höhe
aufgeführt, sodass
beide gleichsam
die Vorhalle des
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längst verödet sind, Myriaden Geister schlüpfen und gleich den durchstreichenden Winden statt
der Lebendigen circuliren.
C, Das Innere (Cavea). Endlich, nachdem wir durch den fünffachen Mauerring
hindurchgedrungen sind, stehen wir zum zweiten Mal im Umkreis des Gebäudes und können uns
das Colosseum wieder von innen ansehen. Wir thuen es nun mit besserem Yerständntss und unter-
scheiden ohne grosse Mühe folgende fünf Hauptabtheilungen des Zuschauerraumes:
1, Das Podium, zu unterst und zu innerst, unmittelbar über der Arena. Hier befanden sich
an den beiden Enden der kleinen Axe die beiden prachtvollen, je mit einem Polster (pulvinar)
versehenen Kaiserlogt-n (eubicula) : in der einen nahm der Kaiser mit seinem Gefolge, in der
gegenüberliegenden die kaiserliche Familie und der Hof, die; Damen inbegriffen, Platz. Die beiden
Curven rechts und links von diesen beiden Logen füllte die Elite des Weltreichs, zu welcher
auch die Vestalischen Jungfrauen gerechnet wurden — ein glänzender Kreis und wohl majestätischer
als irgetnd ein modernes Parterre von Königen. Hier sassen und zwar in Einer Reihe, nicht in
mehreren hintereinander, auf elfenbeinernen Stühlen die höchsten Würdenträger der Monarchie,
die curulischen Magistrate, die Consuln, Censoren, Praetoren und curulischen Aedilen, alle in der
mit einem Purpurstreifen eingefassten Toga Itoga praetexta), daneben die Mitglieder der höchsten,
geistlichen und weltlichen Aristokratie, oft untermischt mit fremden Fürsten und Gesandten, die
damals natürlich genau so die Rücke auf sich zogen, wie heutzutage. Als nach Victor F.manuels
Tode Küttig Humbert den Eid vor den vereinigten Kammern leistete, zeigte man sich im Parlament
auf Monte Citorio die vornehmen Gäste, die zum Begräbniss in Rom erschienen waren, den
deutschen Kronprinz, den Erzherzog Rainer und den Marschall Canrobert. So llüsterte man sich
wohl im Colosseum zu: „Seht Ihr dort den blonden Hünen mit den himmelblauen Augen in der
engen, knappansehliessenden Tracht? Das ist ein deutscher Häuptling,
Germania quo« homda partum
Ken» ;
seht Ihr dort den Andern in der hohen persischen Mütze und dem weiten goldstrahlenden Gewand*
Das ist ein Ptolemaeus. Nein, es Ist Hvrcanus, der JudentursL Kein, es ist der König von
Armenien, Tiridates, der neulich in Puteoli mit einem einzigen Speerwurf zwei Stiere durchbohrt
hat". So ging's her im Colosseum. Zufällig steht das römische Parlamentsgebäude auf den
Ruinen eines alten Amphitheaters, nämlich des obenerwähnten, von Statilius Taurus errichteten.
Auf das Podium folgten, durch Mauern und Terrassen geschieden und wie gewöhnlich
von Trep)>en in Keile leunei) zerspalten, drei grosse Ordnungen von Sitzreihen oder Ränge
(Maeniana), die der dreifachen Abstufung der Stände in Senat, Ritterschaft und Volk entsprachen.
Wir bemerken von unten aufwärtsgehend
2, den ersten Rang I Maenianum primum, ima Cavea) mit zwanzig marmornen Sitzreihen.
3, den zweiten Rang 1 Maenianum secundura, media Cavea) mit sechzehn Sitzreihen über-
einander
4, den dritten Rang (Maenianum tertium, summa Cavea) mit vierzehn Sitzreihen, deren
Stufen steiler sind. Endlich über dem dritten Rang erhob sich
5, die bedeckte Säulenhalle (Porticus): hier sassen auf hölzernen Stühlen in zehn Reihen
die Frauen, abgesehen von den 1 Iofdamen und den Vestalinncn, die wir vorhin unten am Podium,
in unmittelbarer Nähe des grausamen Spiels erblickten. Das Dach der Halle bildete eine Terrasse,
und diese diente als Stehplatz für die römischen Proletarier, die Pullati, die keine weisse, sondern
nur eine dunkle Toga itoga pullaj halten. Wie man nämlich heutzutage, namentlich in England
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beim Besuch eines guten Theaters in „füll dress", d. h. in Frack und weisser Cravate erscheinen
muss, so war für das Colosseum die weisse Toga und die Bekränzung mit Lorber vorschriftsmassig,
wenigstens für die Bürger, denn die zahllosen Fremden, die wir uns in der Weltstadt
jedenfalls unter den Zuschauern denken müssen, werden wohl ihre Nationalcostüme beibehalten
haben. Die Armen waren also nicht salonfähig, aber von ihrem Paradiese aus konnten auch sie,
glcichmässig gegen das Wetter geschützt, das Lieblingsschauspiel der Römer gemessen, ohne den
Anblick des versammelten, festlich bekränzten und bekleideten Volks zu stören. Neuere Schrift-
steller werden nicht müde, die Pracht dieses Anblickes zu preisen und als ein Schauspiel
hinzustellen, „so überwältigend gross, wie die Welt es nie, weder vorher noch nachher, gesehen
hat." Nun, es soll allerdings nicht geleugnet werden, dass sich kein volles Haus der Neuzeit an
Grossartigkeit und Schönheit nur entfernt dem gefüllten Colosseum an die Seite stellen könnte,
obgleich am Knde das Theaterpublicum auch bei uns eine recht glänzende Versammlung und
gleichsam das Abbild und Emblem eines wohlgeordneten Staates ist. Trotzdem klingt es etwas
eigentümlich, dass die Quinten, die doch überdies an diesen Anblick gewöhnt waren, hauptsächlich
in das Amphitheater gegangen sein sollen, um sich selbst zu sehn und so zu sagen ohne Gage
mitzuspielen. Diese Ansicht schmeckt nach archäologischer Stubengelehrsamkeit ; sie liegt den
Antiquaren nahe, weil sie die grossartigen Ruinen der Cavea noch bewundern, aber von den
Spielen gar nichts mehr sehen. Für den alten Römer war sicherlich der Anblick des Publikums
etwas Nebensächliches ja nicht einmal so interessant, als er es für uns in unsern Theatern ist,
weil die Damen fehlten. Diese waren in den früheren Amphitheatern keineswegs so streng
von den Männern geschieden, sondern sossen mit ihnen in bunter Reihe, wie aus der charak-
teristischen Anecdote des Plutarch hervorgeht. Es traf sich einst, dass eine schöne und vor-
nehme, al>er jüngst von ihrem Manne geschiedene Frau, Namens Valeria, bei den Spielen nahe
dem glücklichen Sulla zu sitzen kam. Sic trat von hinten an ihn heran, riss sich, an ihn
gestemmt, eine Wolltlocke von seiner Toga ab und kehrte auf ihren Platz zurück. Sulla sah
sie gross an; sie antwortete: „Kein Wunder, Imperator, ich will auch ein klein wenig von
deinem Glücke abhaben." Das kitzelte Sulla, er ling augenblicklich Feuer und erkundigte sich
heimlich nach dem Namen und den Verhältnissen der Dame. Nun warfen sie sich, heisst c!s
wörtlich, verliebte Blicke zu und lächelten sich an und schauten sich in die Augen und verlobten
*'i Zwei SMimlicn haben gegen iwct Mirnulljncs gemeinen. In der Grupc»e li&Lf «reckt der beilegte Snmnjie die Ilarxl au., um
Ute Gnade des VoUcs iu eräehen, wlhrer.d der Sieger sich tijo leinem Fechtmeiilcr Ulli««; luvtrurtissen weht, um seinen Gegner ru opfern,
KecliU i« ei der Mirmillu, welcher kMNUfa »crwnndel Hill. Auf iiem Krie«: .in-l die Namen der GUdiah-rc», ihrer Herren und die Zahl
ihrer Sicje angncnrieliCT.
V
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sich schliesslich, als ob sie nicht Sulla und Valeria, sondern Hans und Grete geheissen hätten,
und wirklich wird auch Sulla von wegen seiner knabenhaften Entzündlichkeit hart getadelt.
Die erwähnte Terrasse gab nicht blos ein Stehparterre , sondern auch einen Schnür- und
Maschinenboden ab: auf ihr konnte man eine höchst grossartige Anlage der alten Schauspiel-
häuser studieren. Für das Behagen der Zuschauer war in jeder Weise gesorgt: die Gänge
wurden mit Blumen bestreut, die Treppen mit Walser angefeuchtet, wohlriechende Essenzen und
Bou<)ucts durch ein Druckwerk bis zu den oberen Sitzen emporgesprengt (sparsio). Natürlich,
dass man auch daran dachte, sie vor Regen und den brennenden Strahlen der Mittagssonne zu
schützen: zu dem Ende wurden purpurfarbene Zeltdächer aus feinem Linnen über ihnen aufges|>annt;
Nero liess einmal in ein solches Zeltdach den ganzen gestirnten Himmel und in der Mitte sein
eigenes Bild zu Wagen sticken. Diirse Zeltdächer hiessen Velaria, und sie wurden wie Segel
durch Matrosen der kaiserlichen Flotte mit Hülfe von Tauen, Kolben und Flaschenzügen an
Mastbäumen (mali) je nach Bedürfniss aufgehisst und wieder eingezogen. Am Colosseum bemerken
wir nun unmittelbar über den hohen Fenstern des oberstet) Stockes auswendig grosse und schön-
verzierte Kragsteine , auf denen dergleichen erzbeschlagcjie Masten mit ihrem Fusse ruhten und
die den runden Spuren an kleineren Theatern, z. B. dem pompejanischen. entsprechen ; durch die
Löcher im Gesims über den Kragsteinen wurden die Masten hindurchgesteckt. Die an ihnen
befestigten Taue sollen slrahlenweise nach einer über der Arena ausgespannten , durch ihre
gleichmässige Anziehung in der Schwebe gehaltenen Ellipse gelaufen sein, so dass das Ganze
einem riesigen Spinnengewebe glich und die Segel zwischen den Speichen des Kades flatterten.
Jedenfalls standen die Matrosen, welche diese Segel bedienten, gleichfalls auf der Terrasse,
wo sich der Abschaum der Stadt anzusammeln pflegte: es mag ein wüstes Treiben hier oben
geherrscht haben, das zu schildern ein anziehender Vorwurf für einen Emile Zola gewesen wäre.
Gegenwärtig läuft über die Mauerkrönung statt allen Tauwerks ein Telegraphendraht.
D. Die Arena. Der ovale Platz, auf welchem die wilden Thiere und die Gladiatoren
kämpften, und auf welchen die Blicke der ungeheuren Menge gerichtet waren, wurde durch
einen Bretterboden gebildet, der auf colossalen Substructionen ruhte, das, was wir heutzutage
unter einem Pociium verstehen; man bestreute ihn mit Sand, um das Ausgleiten der Füsse zu
verhindern. Es liegt in der Natur der Sache, dass er an sich nichts weiter Bemerkenswert!! es
enthielt: eine Bühne, auf welcher gespielt werden soll, muss leer sein. Nur unter ihr pflegt noch
eine complicirte Maschinerie und eine ganze Welt zu stecken : wer jemals eine grosse Bühne mit
ihren Versenkungen, Kanälen, Freifahrten, Wägen und den Apparaten gesehen hat, die bald zur
Bewegung der Kulissen, bald zum Emporheben aus der Knie aufsteigender Erscheinungen dienen,
der weiss es. Eine solche Untermaschinerie gab es natürlich auch im Colosseum, wo die Scenerie
oft eine märchenhafte Pracht entfaltete und aus unterirdischen Schlünden bald eine Heerde von
hundert Löwen, bald" ein Zauberwald mit ausländischen Vögeln, bald ein ganzer zoologischer
Garten in die Höhe geschleudert, bald eine See-, bald eine Landschlacht, bald wieder eine
mythologische Pantomime gegeben ward; ja, die vielen wilden Thiere machten ganz andere
Vorrichtungen erforderlich , als sie unsere Theater haben, wo höchstens einmal ein Hündchen
oder ein lammfrommes Pferd lebendig auf die Bühne gebracht wird: der l.'nterraum der Arena
musste eine ungeheure Menagerie vorstellen. Da liefen schräg ansteigend bald in geraden, bald
in Schraubenlinien gemauerte Gänge hin, auf denen die Elephanten. die Rhinocerosse und ähnliche
verständige Thiere heraufgetrieben wurden; da lagen bei den Fundamenten des innersten Mauer-
ringes Kammern und Käfige für die reissenden; durch einen einfachen Mechanismus wurden
die letzteren sammt ihren Behältern emporgeschnellt, und in demselben Momente sprang die Thüre
des Käligs auf. worauf der jäger (Venator) das Thier reizte herauszukommen und entweder
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den Kampf mit ihm selber und seinen Hunden oder mit dm Verurtheillen aufzunehmen, die sich von
ihnen zerfleischen lassen sollten: Christian! ad leones! Christiani ad belluas! — Man begreift
nicht recht, wie sich die Zuschauer auf dem Podium, das nur etwa drei Meter über der Arena
erhaben gewesen zu sein scheint, trotz aller Gräben, Netze und Scheuchen - sicher fühlen
konnten ; ein wüthender I-öwe überspringt wohl die grössten 1 lindernisse. Man muss annehmen,
dass sich das damalige Geschlecht überhaupt weniger vor Katzen fürchtete, die der Kaiser
gelegentlich selbst zu Dutzenden erlegte.
IV.
Die Geschichte des Colosseums ist im Allgemeinen die aller grossen römischen Ruinen :
erst Zerstörung durch Feindashand , dann Fortitication durch die fehdelustigen Barone , dann
rücksichtslose Ausbeutung zu finanziellen Zwecken, dann kirchliche I leiligung, endlich Ausgrabung
und sorgfällige Erhaltung des Uebriggebliebenen durch die Archaeologie.
Von feindlicher Zerstörung ist nicht viel zu vermelden, erst als Guiscard's Normannen Rom
10S4 verwüsteten, scheint das Colosseum in dieser Beziehung gelitten zu haben ; wohl aber Einiges
von Zerstörung durch Naturgewalten. Als unter Macrinus die Vulcanalien, das Hauptfest des
Feuergottes, in ihm begangen wurden, fiel der Blitz darauf, und die obere Gallerie. an der
vieles Holzwerk war, sowie die Stufen verbrannten; unter Elagabalus und Alexander Severus
wurde der Schaden geheilt, so dass unter Philippus Arabs im Jahre 248 das tausendjährige
Jubiläum der Stadt mit nie gesehener Pracht im Colosseum gefeiert werden konnte. So erblickte es
vielleicht noch Karl der Grosse in seiner ursprünglichen Herrlichkeit, und erst sehr viel später,
am I.Juni 123t, stürzte wieder ein beträchdicher Theil bei einem Erdbeben ein. Diese Krdl>eben
wiederholten sich noch oft, jedesmal ein paar Blöcke wie Felsstücke niederreissend , aber das
Ganze nicht bezwingend. Inzwischen hatte das Christenthum von oben herab zur Abschaffung
der Fechterspiele hingedrängt, namentlich seitdem einmal ein fanatischer Mönch, Tetemachos, der
in heiliger Entrüstung unter die Kämpfenden sprang, von dem unwilligen Volke zerrissen worden
war (405) ; nur Thierhetzen fanden noch immer im Colosseum statt, besonders scheint es fort
und fort zu Stiergefechten benutzt worden zu sein, welche sich, ursprünglich in Thessalien
einheimisch, als Reste der amphitheatralischen Vorstellungen bis in unsere Zeiten erhalten hallen,
welche auch in Italien local bis vor ungefähr fünfundzwanzig Jahren üblich gewesen, hier aber meist
aus den Amphitheatern in die Ballhäuser verlegt worden sind. Berühmt ist ein glänzendes Stier-
gefecht, welches der römische Adel am 3. September 1332 im Colosseum gab, wo die Sitzreihen
abermals mit scheinen Frauen bevölkert waren, die edelsten Ritler nach mittelalterlich-römischer
Weise als ihre Horatius', ihre Aeneas', ihre Tanjuinius' auftraten und achtzehn Matadore den
Tod gefunden haben sollen.
Daneben aber war das Colosseum in den Fehden desselben Adels eine der Hauptfestungen
der Stadt geworden und hatte bald den Frangipani, bald den Anibaldi als Donjon dienen müssen.
Als die Ritter heraus waren, zogen die Industrieritter ein : es ward eine Räuberhöhle, welche die
Brüder der Capelle Sancta Sanctorum säuberten ; zur Belohnung erhielt diese Brüderschaft, deren
marmornes Wappen, das Bild Christi zwischen zwei Leuchtern, noch heute an einem der innern
Bögen zu sehen Ist, den dritten Theil des Gebäudes vom Municipium geschenkt; sie legte ein
Hospital darin an. Im Uebrigen wurde das Colosseum von jetzt ab allgemein, namentlich während
des Aufenthalts der Päpste in Avignon, als Steingrube benutzt.
Drei der schönsten und grüssten römischen Paläste, der Palazzo di Venezia, della Cancelle-
ria und Farnese sind sämmtlich mit Steinen vom Colosseum erliaut und gleichsam Geburten, die
1»
73
dieser mächtige Organismus von sich abstiess, während in einem andern Winkel Kalk gebrannt,
in noch einem andern eine Salpeterplantage, abermals in einem andern eine Tuchfabrik angelegt
ward. Damals mögen auch die vielen Löcher in den Mauern des Colosseums entstanden sein,
indem man die metallenen Klammern zwischen den Quadern entwendete; einige darunter sind
wohl gewöhnliche Rüsüöchcr, deren Verstuckung ausgefallen ist, wie man sie an allen alten
Gebäuden findet
Benedict XIV. im vorigen Jahrhundert setzte der barbarischen Zerstörung zum ersten
Mal- ein Ziel. Schon längst waren auf dem durch das Blut so vieler Märtyrer geheiligten
Boden Charfrcitags Passionsspicle aufgeführt worden, an welche noch eine Ansicht Jerusalems an
einem inneren Bogen erinnert; ja, Nonnen und Büsserinnen nach Art der heiligen Wiborad
hatten sich hier als „Reclausae" einmauern lassen. Jener Papst machte nun einen wirklichen
Kalvarienberg daraus, er verwandelte die Arena in eine Via Crucis, wo der Leidensweg des
Erlösers mit seinen vierzehn Stationen abgebildet war, und vor das in der Mitte aufgepflanzte
Kreuz setzte er eine Kanzel, wo jeden Freitag ein Kapuziner zum Schlüsse der Andacht eine
Predigt halten musste. Koch jetzt werden sich Viele dieser charakteristischen Predigten erinnern,
die, seitdem die Stationen 1874 wieder entfernt wurden, gleichfalls verklungen sind; die Wegnahme
dieser Kapellen Lst bezeichnend für die allgemeine Entheiligung und Entzauberung , die das
nüchterne Italien über Rom und über das Colosseum, Rom's Symbol, gebracht hat, und geht
neben der tölpelhaften Ausrottung der vierhundertzwanzig Nummern starken Flora, welche diese
Trümmer belebte, her.
Mit Pius VII. und Napoleon begann die Zeit der Restauration. Die äussere Mauer
gegen den Lateran drohte den Einsturz: ein mächtiger, anspruchsloser Strebepfeiler verhütete ihn
noch gerade zur rechten Zeit. Einige Jahre darauf wurde der antike Boden um das Colosseum
blossgelegt, noch ein paar Jahre später in der Arena gegraben, deren unterirdische Anlagen man
auffand. Auch unter den nachfolgenden Päpsten war man ununterbrochen damit beschäftigt, die
bedrohten Theile zu sichern und die schadhaften Stellen auszubessern ; nur die Arena ward wiederum
begraben und vergessen. 1874 ging man abermals daran, sie und was darunter lag von Schutt
und Erde zu räumen, wobei Säulenbruchstücke, Marmorplatten und andere Fragmente zum
Vorschein kamen; ja. gegenwärtig Lst die Hälfte sämmtlicher innerer Substructionen aufgedeckt.
Aber das sich ansammelnde Wasser und die Schwierigkeit, demselben einen Abfluss zu schaffen,
werden wohl die abermalige Zuschüttung veranlassen, wenn man nicht durch die Ausgrabung das
Colosseum wieder zu dem machen will, was es gpwesen ist — ein See.
V.
Neben dem Colosseum steht, am Eingänge in die Schlucht zwischen Caelius und Palatin
und auf der Mündung der letzteren in das Thal das Colosseums. der Triumphbogen Constantin's
des Grossen, die alte hier durchgehende Triumphalstrasse überspannend.
Unter allen römischen Triumphbogen ist dies der hc-sterhaltene , zugleich wenn nicht
der schönste, so doch der grossartigste und prächtigste, daher ihn Friedrich von Gärtner
bei der Erbauung des münchener Siegesthores speciell zum Muster genommen hat. Er
wurde «lern Kaiser von Senat und Volk gewidmet, weil er nach Gottes Rath und durch GeUtes
Kraft mit seinem Heere in gerechtem Kriege dem Staat an dem Tyrannen und an dessen
Partei gerächt hatte:
MFCAES H.CONS1 \N TIXOMAXIMU
PtlO, F[ELICI AUC.CS TOS PQ-R-
QUODIKSTINCIITDIVINITATISMENTIS
NLVGXmi lINECrMEXERCm.rsiK)
TAMI IETYRANNOQUAM [ >EO»tXIEIUS
FACnuXECXCVrFMPOREIUSTIS
rew*übuca»h;ltusestar>iis
arcumtriumi'hisins10xe.mi>1cavit-
Gemeint ist der wehhistorische Sieg, welchen Constantin am 27. Oct. 312 bei Saxa Rubra
am Pons Milvius über seinen Gegenkaiser Maxentius erfocht, und dessen meisterhafte Darstellung
wir im Vatican in der Sala di Costantino wiederfinden werden. Statt „Instinctu Divinitatis" soll
es ursprünglich „Nutu J(ovis) Oiptimij Mfaximij" geheissen haben, und jener Ausdruck erst durch
die Christen hineincorrigirt worden sein. War es doch auf diesem Zuge gewesen, dass dem
Constantin nach einer berühmten Legende unter der Sonne ein flammendes Kreuz mit der Unter-
schrift erschien, die ihm unter diesem Feldzeichen den Sieg verhiess f«r TW«* AW; In Hoc
Signo Vinckes'); und dass er die Kriegsfahne, das Labarum, gleich den Schilden der Soldaten
mit dem Kreuze bezeichnen liess.
Beim Bau dieses Monumentes hatten sich Senat und Volk an die- Muster der älteren
Triumphbogen und zwar an die zuletzt errichteten gehalten, die nicht nur mit Säulen und
Sculpturen überreich geschmückt, sondern auch, wie der des Septimius Severus, mit drei E>urch-
gängen statt des ursprünglichen einen versehen waren: einem grösseren in der Mitte und zwei
kleineren zu beiden Seiten. Jener ist 11,5 m, diese sind 7,5 m hoch. Aber Senat und Volk
copierten nicht nur die alten Bogen, sie machten die neuen auch buchstäblich aus den alten,
und wie Kinder, die mit dem Baukasten spielen, rissen sie ihre Kunstwerke nur ein, um sie
anderwärts wieder aufzusetzen. Der Bogcm. den sie einrissen und den sie in den constantinischen
verbauten, war ein Triumphbogen Trajans, der am Kingang des Trajansforums stand ; so lächerlich,
ja, so unglaublich es klingt, sie nahmen nicht nur die Materialien und die architectonischen
Zierraten, sondern sogar die Basreliefs, als ob dieselben gar keinen Sinn gehabt hätten, zum
grossen Theil von diesem Monumente, das ihnen vielleicht deshalb entbehrlich schien, weil das
Andenken Trajan's schon ein anderer Bogen verewigte. Nun bei der Architectur kann es uns
nicht viel versrhlagen, welchem Zeitalter sie angehört, ob zum Beispiel die vier korinthischen
Säulen an den beiden Fronten, alle mit einer einzigen Ausnahme von Giallo anlico, durch welche
die drei Thore gleichsam eingerahmt werden, neu sind oder nicht. Aber die Sculpturen müssen
wir in zwei ganz verschiedene Gruppen sondern, je nachdem sie sich auf die Thaten des Trajan
oder des Constantin beziehen — nämlich auf die letzteren nur ein verschwindend kleiner Theil,
der Bogen trägt den Namen Conslantin's des Grossen, aber das Kleid und die Farben des
Optimus Trajanus.
A. Darstellungen aus der Geschichte des Trajan:
1. Ach< oblonge Reliefs welche in die Anika eingelassen sind. Je zwei sind zu eine« Tafel vereinigt,
.in deren Seiten Statuen gefangener Hauer gleichsam Warne stehen,
a nördliche Front odet Colosscutnscite, von links ab:
«». Trajan zieht, von de« Roma gefühlt, von der < inarle (dementia) und der EmtegOttin lAnnuna)
l>cgleilet, iieggekrünt, nach dem ersten dactichen Kriege durch die Porta Ca|.ena in die Stadt ein.
') lUalig «Ird aui den Anfangd "KliüiKn der drei criten Worter dieses Sz:/es die licUanlc Sigl? erklärt, die nun Uber den I'mfe-»-
hsj-ern der J«-.uiirii *icht : I. IL S. Dies ift jedoch nur ein lUÜIhses Zusammentreffen; l II. S sind die drei erden FSnrhdaNcn de* Namrm
' IHXOYS (Jesus), wie ^£ die jwei criten des N«raen> XP/STol (ChristtH) Lateinisch Iramcrihirt hstitr lic cignulfc» I. K S- l.iuie»
■nasse«, »ber im Unwissenheit h*li<ss nun den [«eilen KuchM»l.eii, weil er »inem lateM.rhen (II) glich, such in uVt lalcituxlwn Schrift.
Di« -Sgl« .lamm, noch äs der Zeit, -o man sich scheine Chrtaus leiblich slwibildtn.
75
Dacien ist ungefähr mit der heutigen Moldau und Walachei identisch. Oer Kancr fahrt nirht.
sondern geht : 4U Fuss, von seiner Krau Pompcja Plotma begleitet, war er schon bei seiner Thron
besteigung, ak er von Köln kam. eingebogen.
fi. Trajan verlängerte die Arische Strasse, die ursprünglich nur bis Capua ging, bis nach Brundusium.
dem Ccbcrfahrtsonc nach Griechenland (leg n. Chr.) l>iese Strasse ist tinter dem Hilde einer
liegenden Frau vorgestellt, welche den linken Arm auf ein Rad suit/t, den rechten gegen den
Kaiser erhebt. Neben diesem stehen zwei Männer, welche der in )cncr F^ioche ungewöhnliche
Barl als griechische Philosophen kennzeichnet. YicUeichl sind es Wcgchaumcistcr und heisst der
eine Apollodor
y. Trajan stiftet, auf den Rostris stehend, Alimente flu - Waisen und fur Kinder dürftiger freier Fitem.
4. Trajan entsetzt, auf dem Suggcstum stehend, den Parthainasir», dem sein Onkel Arsakes XXV die
armenische Krone verschaffen wollte ; ■ 1 5 n Chr;
b südliche Front, welche auf unserer Tafel abgelötet ist. Hier sieht man ton links nach rechts folgende
11. Trajan verleiht, auf einer Tribüne (suggestum) stehend und von seinen TMppta mit ihren Feld-
zeichen (signa militari») uingelscn, zu Ktesiphun dem armenischen Prinzen Panhamasiiatei die
armenische Klone 1,116)
f. Trajan verhört in derselben Weise zwei des Hochverrat!» angeklagte Dauer, welche von Soldaten
vorgeführt werden. I>as gekrümmte Instrument rechts ist wahrscheinlich ein Aug-.irciutah (HMM]
jr. Trajan halt, abermals auf dem Suggestum slehend. eine Ansprache an das Heer (AzfccMb).
». Trajan bringt für sein Heer das feteilicJic Opfer der Sitovetauriüen dar. Im Hintergründe iwmerkt
man ausser zwei Feldzeichen auch zwei Fahnen (vesilla).
3 acht runde Reliefs unter den oblongen
a. nördliche Front oder Colosscumseitc :
«■ Trajan ■ Pferde auf der Jagd.
Trajan opfert dem Apollo
y. Trajan vor einem erlegten Löwen.
<f. Trajan opfert dem Mai».
I>. südliche Front, die auf unserer Tafel abgebildet ist:
«. Trajan zieht auf die Jagd.
( 5f. Trajan opfert dem Hercules.
y. Trajan zu Pferde einen Baren erlegend.
i. Trajan upferl der Diana.
3 Zwei ausgezeichnete Ketiels an den beiden Schmalseiten 'der Attica, jedes au» einem einzigen Stück
Marmor gearbeitet und eine Dacicrschlacht darstellend.
4. Zwei Relief« im mittleren Durchgang.
11. Barbaren riehen den zu Pferrlc sitzenden Trajan um Gnade an. Darülier steht, auf Cunstantin bezüglich:
laberatori urbis.
,i. Trajan wird von <ler Siegesgöttin gekrönt. Daruber: Fundatori cjuietrs.
B. Darstellungen aus der Geschichte Conslantins :
r. Vier Victorien und die Genien der vier Jahreszeiten in den Zwickeln des Mittellmgen». Flus>göiter und
Nymphen in denen der Seitenbugen; den Schlüssel des Mittcilingens bildet eine Roma.
2. Die Reliefs, welche sich als Friese über den Seitenbugen hinziehen.
11. nördliche front.
a. Cunstantin halt vom Tribunal herab eine Ans|>rachc ;Allocurin) an das Volk.
0. Constantin macht dem Volke eine < ieldsiiend« (congiarium). IVer Geber sitzt auf einer Tribüne
(suggestum) ; die K.mpfanger treten einer um den andern vor und erhalten eine Anweisung i,iesseia>
aui eine bestimmte Summe, weicht Anweisung dann dem Vorzeiget in den kaiseilirltvn Ka-se'i
ausgezahlt warxL Bisweilen wurden diese Anweisungen auch aufs Geraihrwohl unter die Menge
ausgeworfen; dann nannte man sie Missi'.ia. Tittcriu* schenkte jedem Bürger 300 Denare (lingtrfahr
W46 M-irk'i als Congiarium, Caligula zweimal 300 Sestcrzen (ungefähr 25 Mark , Nero 400 (ungefähr
33 Mark\ Daneben blieben alter immer auch noch Schenkungen von Lebensmitteln in natura
üblich, worin die Cnngiaria ursprünglich bestanden hatten; z. IL theilte Hadrian wieder Provisionen,
Aurelian Kuchen von 700 Gramm Gewicht, Brod, Wein und Schweinefleisch aus. Einige fuhren
auf diese Cnngiaria die unter dem Namen Cocagna bekannte Vulkslustbarkeit zurück.
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b, «idlichc Front
«. Hc-lagcrim« de» Stailt Sefnimo (Su»)
/f. Schlacht am l'ora Müvius
0. Schmalseiten : Triiun|ihriigc ConMantim und seines Sohnes C/ispus. F-tiendaselbst wrei Medaillons mit
SoniH.' und Mond, Sinnbildern der Kwigkcil.
3. Die Relief* an den Saulciwtuhlen, welche Siegesgöttinnen, Soldaten und gefangene Hatluren, so»ic die
acht BnuthOdtr in den beides Scitcndurchglngen, welche Glieder der Familie Corrstantin* darstclkic
Man kann dieses Denkmal so gut wie den Severusbogen besteigen, doch sieht man von
«lern Triumphwagen, der es wahrscheinlich krönte, keine Spur. Im Mittelalter wurde es mit dem
Titusbo x en und dem Colosseum in die grosse frangipanische Burg verbaut, in deren Trümmern
es Jahrhunderte lang verschüttet liegen mochte.. Im Jahre 1804 ward der Bogen ausgegraben
und bei dieser Gelegenheit das Pflaster der Via triumphalis, welche vom Circus maximus
in gerader Linie durch ihn hindurchging, wieder entdeckt.
Die südlic hen Thnlcr der Sladt.
Dial wischen l'alalin und Cxlim - /wischen Palatin und Avenlin — wischen Caelira und Aventin —
Asvntüi und Tcstaccus — /wischen l'alatin, Capitol und der Tiher.
N 1
ähreml wir hier unten am Bogen Constantins verweilen, öffnet sich daroben ein
antleres Siegesthor : Flammend springen die Pforten des Ostens auf, Krühroth färbt
<len Schnee der Lionessa, und, angethan mit Purpur, tritt der junge Morgen durch
das himmlische Portal — es ist der ewige, tägliche Triumphzug, den der Vater des
Lebens unter dem Jauchzen der Creatur über die entweichenden Schatten hält
Hohe Sonne, die du des italienischen Tages glanzreiche Gegenwart bringst
und wegnimmst, und, eine andere und doch die alte, nach dem prophetischen Gebete
des t ntzückten Wchters, nichts Grösseres schaust denn Rom — deine irdischen Abbilder
zerfallen und zerstieben , und der eherne Koloss , dessen goldstrahlendes I laupt dein
glorreiches Licht nachäffte, stürzt ohnmächtig zusammen und sinkt blindlings in dumpfe
Vergessenheit zurück. Du allein alterst und stirbst nicht, o grosser Triumphator. Du
deine Rosse und lenkst sie mit Götterhänden über die Flur des Himmels wie vor grauen
Jahrtausenden. Ein ewiger Rosengarten entbrennt unter ihren Hufen, und mit feuerblühenden
Rosen kränzest du deine Locken, unauslöschlichen, unvergänglichen, unverwelklichen ! —
O, weiche Seligkeit, dieses wunderbaren Frühlichts 2U gemessen, das in Safranfarlx-n um
alle Bäume und um alle Steine spielt, in dem das alte Rom abermals wiedergeboren wird, und
dessen Andenken in unserer Seele fortleuchtet wie ein erschienener Geist! Welche Er<|uickung,
welch höhere Wonne, an einem solchen Morgen ungebunden durch diese feierlichen Thäler. um
diese Hügel zu schweifen, wo nichts die süsse, träumerische Ruhe und die schöne Sammlung des
Geistes unterbricht! Denn einsamer und stiller ist kaum eine Gegend der Stadt als die, welche
wir betreten. Klagend singt hier im Lenz die Nachtigall, und wenn die Hochsommerhitze unter
dem harzigen Pinienbaldachine brütet, zirpt traut und heimlich in den Zweigen die Grille des
Anakreon. Was einst zur Zeit der Päpste mehr oder weniger ganz Rom der Menschheit gewesen
in
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ist — eine Stätte der Andacht, der frommen Finkehr in sich selbst und der inneren Beschallung, das
lindet sie noch in den Weinbergen und Gärten der südlicheren Hügel, in den Landhäusern des
Caelius, in den Einöden des Circus Maximus. in den Klöstern des Aventin und auf der appischen
Strasse, dem grossen Kirchhof der alten Kömerwelt. Die Kuhe eines Kirchhofs, wie man sie oft
genannt hat, aber eines schönen, eines bencidenswerthen Kirchhofs, jenes Kirchhofs, aUf den
Giuseppe Giusti in einer Erwiderung an Lamartine die ironischen Strophen gedichtet hat:
Deutaoh :
Vegtia »ul munumenlo K» K^h' » uhl dein (Italic
iVrprluo lume il solo Eine hrennemle Kaikel auf;
K <a da lorrU J rem«; . Den Todten liltihn jeur Lahe
U- rote, le vicile, l^rkojt-n und Rrewn H ll.vnf,
I pamnani, gli ulivi Die ( Nivenlaume, die Rehen,
Son simlxilo di |iianw — Sie tragen vnn <!ram und Leide -
O ihc Iwl Campn S.mtii () Friedhof, Friedhof zum Neide
Da f.ir invidia a' vi«! Den lebendigen gegeben!
Die Strasse, welche vom Constantinsbogen /.wischen Palatin und Caelius hin bis zu der
Gregor dem Grossen geweihten Kirche, seinem einstigen Vaterhause führt, ist nachts ganz
unbetreten, stockfinster, beinahe unheimlich; wer spät Abends aus der gastlichen Villa Celimontana
in die Stadt zurückkehrt und sie zu Fuss passiren muss, dem wird wohl eine Walle, oder
wenigstens ein geh ör iger Knüttel mitgegeben, damit er sich der Räuber und der hier umgehenden
Gespenster erwehren könne. In der That war der Caelius bereits in alter Zeit, obwohl damals
einer der bevölkertsten und glänzendsten Stadttheile, durch seine kreischenden Nachtvögel verrufen;
auf ihm stand ein Tempel der Nymphe Carna, der Geliebten des Janus, welche vom Volke um
Schutz gegen die „Striges" angerufen ward. Man versteht darunter geflügelte alte Weiber, die
sich unsichtbar durch die Luft schwingen und namentlich mit vampyrartiger Gier, um ihnen das Blut
auszusaugen, auf die unschuldigen Kindlein stürzen. Tier Glaube an diese t 'nholdinnen, zu welchem
die phantastische Erscheinung der Ohreulen (striges) Veranlassung gegeben hat, ist ein allgemeiner,
nicht blos in Italien, sondern im ganzen Orient, besonders aber in Griechentand verbreiteter; und
hat in beiden lindern das Heidenthum überlebt. Das Hauptfest der Carna, an welchem der
Familienvater dirr guten Göttin die Kinder anempfahl eine zweijährige Sau opferte, die I laus-
thüren dreimal mit Zweigen des Krdhecrbaumcs schlug und sein ganzes Grundstück mit
Wasser reinigte, fiel in den Monat Juni, auf die Zeit der Sommersonnenwende, den nachmaligen
Johannistag. Nun noch heute wird in der Mittsommernachl in Rom auf dem benachbarten Lateran-
platz ein Volksfest abgehalten, bei dem man Knoblauchdotden und Lavendelblüten in der
l land trägt, um mit ihnen die bösen Geister zu vertreiben ; noch heute stellt die Trasteverinerin am
Johannisabend eine volle Salzmeste vor die Hausthür und legt zwei Besen kreuzweis daneben,
damit die „Streghe", die erst alle Salzkörner und alle Besenreiser zählen müssen, nicht herein zu
den schlafenden Kindern können. Allerdings hat sich in Italien aus der fabelhaften Strega
allmählich der realere Begriff einer gewöhnlichen I lexe entwickelt, so dass die alte Eule schliesslich
zu einer wirklichen alten Frau geworden ist. Analog hat der Italiener für eine Coquotte den
Ausdruck Käuzchen, weil dieses bekanntlich zum Vogelfange dient (Civetta).
Jetzt, wo es Tag ist, haben wir jene unheimlichen Gäste nicht zu fürchten; das Licht der
Sonne hat sie längst in ihre Höhlen zurüekgeschcucht. Herrlich, gleich unersteiglichen Schroffen
ragen rechts von uns die Kaiserpaläste in die klaren Lüfte; auf der Höhe ihres Kammes recken
die Palmen des FrancLskanerklosters, von herabhängenden Fruchttrauben gleich üppigen Locken
umgeben, ihre schwanken Häupter, wie Fürstinnen, die aus einem Traum erwachen ; während links
von uns, am Abhang des Caelius, in dem von Najx>leon I. angelegten Garten die Pinien und
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die immergrünen Eichen ihre Dächer wirthlich wölben, und die feuchte Wiese im Schmucke von
Millionen Perlen frisch erglänzt. Bald erblicken wir oberhalb derselben,' in dieser mehr als länd-
lichen Einsamkeit, die malerische Gruppe von Gebäuden, welche die Rückseite der Kirche
SS. Giovanni e Paolo mit ihrer zierlichen Tribüne, dem alten Glockenturme und dem Kloster der
Passionislen bildet, etwas näher am Wege die hohe Ereitreppc von S. Gregorio; und zwischen
beiden Kirchen, unter Ziegelbogen und Strebepfeilern hindurch, steigen wir den alten Stieg des
Scaurus, den
Clivus Scauri
zum Caelius
hinauf, wo
sich beide
Tempelberge
in der Höhe
von Villa Cac-
limontana
vereinigen.
Der Cae-
lische Hügel,
so breit wie-
der Aventin
und so hoch
wie das Ca-
pitol {50 m),
hiess ur-
sprünglich
von den ihn
bedeckenden
Eichen- Wäl-
dern der
Eichenberg
(Möns Quer-
<|uetulanusr,
seinen jetzi-
gen Namen
erhielt er von
dem etruski-
schen Feld-
herrn Caeles
nämlich die fünfte der sieben „Cohortes Vigilum
W'achtstube der siebenten ist vor etwa fünfzehn Jahren in Trastevere bei S. Crisogono aufgefunden
worden; an die fünfte erinnern nur noch zwei monumentale Namensverzeichnisse (Vigilum Romanorum
latercula duo Caelimontana), die, in Erz und Marmelstein gegraben und unter den immergrünen
Eichen der Villa Celimontana aufgestellt, jedem modernen Nachtwächter den Muth erheben mögen.
Diese „Vieles," die unter dem Commando des Nachtwachtmeisters (nyclostrategus) standen, sollten
Überhaupt die öffentliche Sicherheit in der Stadt während der Nacht aufrecht erhalten und die
Bürger und ihr Eigenthum gegen Mord und Diebstahl schützen; speciell aber lag ihnen das
Uer llucrp ifc» l)„taWI«.
Vibenna, der,
den Römern
gegen die Sa-
binerzu Hülfe
geeilt, auf ihm
sein Lager
aufschlug.
Tullus I losti-
lius zog ihn
zur Stadt, da
er die Be-
wohner des
zerstörten
Alba dahin
verpflanzte ;
unter Augus-
tus machte
der Berg den
1 lauptthcil
der zweiten
Region aus,
die von ihm
Caelimontana
oder Caeli-
monlium ge-
nannt ward.
Daher ver-
legte auch
Augustus
eine Schar-
wache auf
da) Caelius,
welche die nächtliche Polizei handhabten: die
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Feuerlöschwesen ob, und die sieben Wachtstuben waren zugleich sieben Feuermeldestellen, daher der
anükisirende Römer sein£ Feuerwehr, die sonst sogenannten Pompicri (welche einmal der Kaiserin
von Russland zu Khren auf der Piazza del Popolo ein eigens dazu erbautes zweistöckiges Haus
in Brand stecken und sammt den hineingesetzten Menschen und Thieren retten musslen) gern mit
dem augusteischen Titel „Vigili" beehrt; der italienische Ausdruck „Guardia del fuoco" ist nur
eine Uebersetzung der deutschen „Feuerwache." Ihre Caseme (Caserma de' Vigili) ist gegenwärtig
im Marsfeld, an der Piazza Borghese ; wachte das Auge des Gesetzes noch . über dem Caelius,
so könnten wir die Villa Celimontana des Abends unbesorgt verlassen, während wir auf die
obengedachten Listen schwerlich mehr zählen können, trotzdem dass sie von einem jungen danischen
Gelehrten, Olaus Kellermann, herausgegeben worden sind.
Ausserdem ist bekannt, dass auf diesem Hügel die grosse Speisemarkthalle, das aussen
von Colonnadcn umgebene und von einer Kuppel (tholus) überwölbte Macellum magnum stand,
in welchem man Lebensmittel aller Art, als Fleisch, Wildprct, Gemüse, Geflügel, aber nicht roh,
sondern gekocht zu kaufen bekam, wo man auch bei grossen Gelegenheiten Köche engagirte, und
das daher eine gewisse Aehnlichkeit mit einer Garküche oder einer pariser Rötisscrie gehabt haben
muss; gegenwärtig versteht man zwar unter einem Macellaro einen Fleischer, aber im Alterthum
hiess dieser Lanio. Line zweite solche Markthalle, das Macellum livianum, war auf dem EsqiaKn.
Man hat wohl die grossen, aus massivem Travertin gebauten Arcaden, die eine Seite des Bergs
bekleiden, für Reste des Macellums angesehn, wie man sie ein andermal für Thicrkäfige erklärt
hat, die Dependenzen des Colosseums gewesen wären. Gegenwärtig erkennt man darin vielmehr
Substructionen der üomus Vecliliana, welche Commodus bezog, um den Schlaf zu rinden, der ihn
in den Kaiserpalästen floh — eins der vielen glänzenden und vornehmen Privathäuscr, mit denen
der freie, der Campagna nähere Berg bedeckt war. und unter denen das des Mamurra, das der
alten Familie der Lateraner und das Grossvaterhaus des hier geborenen und crzogcmui Kaisers
Marc Aurel unser Interesse namentlich erregt.
Etwas Nennenswerthes hat sich auch von diesen nicht erhalten: das von schönen Garlcn-
anlagen umgebene Haus des Venis, wo der kaiserliche Philosoph seinen ersten Jugendtraum
geträumt hat, würde man ebenso vergeblich suchen wie etwa das Schloss des Tullus Hostilius
oder die „Mansiones Albanac", von deren Söllern die Weiber von Alba weinend auf das heimatliche
Gebirg und das verlassene Paradies zurückgeschaut haben mögen. Die deutlichsten und unmittel-
barsten Spuren des Alterthums stellen die herrlichen Bogen dar. auf welchen Nero einen Zweig
der A<|ua Claudia über den' Caelius leitete (Arcus Neroniani), und auf die wir stossen, indem wir
links in der von Mauern eingeschlossenen Strasse weitersteigen. Ihnen einverleibt finden wir
einen andern, einfachen, selbständigen Bogen aus, Travertin , welcher, laut Inschrift (P. Cornelius
P. F Dolaliella C. Junius C. F. Silanus Flamen Martial. Coss. Fx. S. C. faciundum curaverunt
Idemque probaverunt) von den Consuln Dolabella und Silanus aufgerichtet, kurzweg der Bogen
des Dolabella heisst. Dolabella, soviel wie Hacke, ist ein mehrfach unter den Corneliern vor-
kommender Zuname, der bekannteste Träger desselben der Schwiegersohn Ciceros, Publius Cornelius
Dolabella, ein kleines Persönchcn, das. als es einmal mit einem langen Schwerte zum Schwiegervater
kam. diesem Veranlassung zu der scherzhaften Frage gab, wo denn das Schwert mit dem Mann hinwolle.
Dieser Dolabella war Consul . und zwar im Jahre 44 v.Chr.; ebenso kennt man einen Consul
Junius Silanus aus derselben Zeit. Doch wird die Erbauung des Bogens in das zwölfte Jahr
n. Chr. gesetzt, und man hat um so weniger Grund, dem zu widersprechen, als seine Bestimmung
vollständig unklar ist. Auf unserem Bilde sehen wir ihn rechts, links ist das Portal des I lospitals
von S. Tommaso in formis mit dem Wappen der Trinitarier, auf das wir später zu sprechen
kommen werden. Die nähere Bestimmung ,in formis' wird wohl von dem Aquaeduct entlehnt
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sein, da .forma* im Mittelalter Bogen, speciell Bogen einer Wasserleitung heisst. L'ebrigens Ist
der Berg wie das angrenzende Thal unter der Porta Capena schon von Natur ausserordentlich
>|uellenreieh; ein Beispiel bietet die vom klarsten Wasser erfüllte Grotte, die noch im Umkreis
der Villa Celimontana liegt, und in welcher man vielleicht, wenn nicht das Heiligthum der
Nymphe Egern, so doch die hei den Allen durch ihre eigentümliche Kraft und Frisch«: l>erühmte
Aqua Mercurii wiedererkennen darf.
II.
' Wir kehren nach dem kurzen Besuche, den wir dem Caelius abgestattet haben, wieder
zu unserm Ausgangspunkt, auf die Piazza di San Gregorio zurück. Hinter derselben theilt sich
die Strasse: rechts zieht sich, der Westseite des Palatins entlang und am (istlichen Rande des
Circus Maximus, dessen Thal an «lieser Stelle halbkreisförmig abschliesst, die nach ihm benannte
Via de' Cerchi hin; links geht zwischen Caelius und Aventin die baumbepflanzte Via di Porta
San Sebastiano ab. Sie führt uns zu einem Thore; aber wir stehen bereits hier an einem allen
'Ihore und an der Grenze des ehemaligen Weichbilds. Nämlich an der Porta Capena, dem Capuaner
Thore, von welchem die Lateinische und die Appische Strasse auslief, die eben mit der obengenannten
identisch ist, 7.ü diesem Thore zog Hüraz hinaus, als er nach Brundusium reiste; vor demselben
Thore ging Juvenal s|iaziercn, als er den Trüdeljuden begegnete. Ks lag neueren Ausgrabungen zufolge
in dem Weinberge von San Gregorio. Um das Vorkommen eines solchen Tliores in der Stadt und
vor einem zweiten zu begreifen, braucht man nur an andere grosse alte Städte wie Wien oder
Paris zu denken, wo es ebenfalls in einer Reihe hintereinander mehrere, mit den Mauerringen
veraltende Thore giebt: die innersten sind die ältesten, die äussersten die jüngsten. l>ic Porta
Ca|iena entspricht etwa dem Wiener Burgthor oder der pariser Porte St. Denis. Die erste
Mauer Roms war die um den Palatinischen Berg gewesen, wo wir auch die ersten Thore gefunden
haben; die zweite zog der König Servius Tullius, indem er das ganze, durch Hinzufügung fünfer
Hügel vergrösserte städtische Gebiet mit einer Befestigung umgab; sie schloss nur den Aventin,
auf dem Remus die unglücklichen Auspicien genommen hatte, nicht in sich; und unter den Thoren
der Stadt des Servius, die sieben bis acht Kilometer im Umfang hatte, befand sich die PorU
Capena am Caelius. Kndlich einen dritten Gürtel bildete die Mauer des Kaisers Aurelian, die
Rom in dem Umfange von nahe achtzehn Kilometern umgab, und in ihrer Linie, die wesentlich
noch die der jetzigen Stadtmauer ist, lag die Porta Appia, die gegenwärtig Porta San Seba-
stiano heisst.
Welch ein Gewühl mag das einst an der Porta Capena gewesen sein, wo die wichtigste
Strasse des alten Italien ihren Anfang nahm ! Jetzt gehört diese Stätte, ' der frühere Richtplatz,
zu den stillsten und einsamsten des alten Rom. Vom Palatin gähnen die weitläufigen Ruinen der
Kaiserpaläste herab auf die wüste Rennbahn, wo der ewige Jude an den Gräbern seiner I.ands-
leute trauernd sitzt und die darauf gelegten Steine überzählt, während der Bach Marrana
träge auf der Sohle des Thals dahinschleicht Grosse Schuttmassen gleiten rüfenenartig
vom Aventin herab, den grünen Rasen erdrückend, der die amphiteatralischen Sitzreihen
wieder überkleidet , wie damals als hier die ersten Römer gelagert waren und ihre Sabinerinnen
raubten. Melancholisch klingen die Klostcrglocken von S. Saba und von S. Sabina drein;
durch das Schilfrohr flüstert es wie ein Memento mori; und neben uns geht ein Sedier in den
Alleen der Sebastiansthorstrasse auf seiner Reperbahn bedächtig hinter sich und zieht seine
Sache in die Länge.
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Indem wir diesen Seiler, der wahrscheinlich noch dort steht und gleich einem Verdammten
des Tartarus an seinem unendlichen Seil arbeitet, kreuzen und die Via di Porta S. Sebastiano
zehn Minuten lang verfolgen, gelangen wir, die trübe Marrana überschreitend, zu den Thermen
des Caracalla, welche, rechts von der Strasse, in der Weitung des Thaies zwischen Caelius und
Aventin, gelegen, die Landschaft umher beherrschen.
Die Thermen des Caracalla sind der prächtigste Bau des kaiserlichen Roms gewesen, und
ihre Reste gehören zu den gewaltigsten der Stadt Sie waren das Wunder der Folgezeit,
welche nicht mehr einsah, wie man die Decken dieser ungeheuren Säle habe construiren
können; eine Menge der berühmtesten Kunstwerke sind aus ihren Trümmern hervorgezogen
worden, so namentlich alle Farnesischen : die Flora, der Hercules und die kolossale Marmor-
grupi>e des Farnesischen Stiers; der ganze Gebäudecomplex hat den Umfang einer Meile; in den
Thermen des Caracalla steckt ein gutes Stück altes Rom.
Was sind Thermen? Unter Thermen pflegt man warme Quellen {«jj/mi) zu verstehen.
Es heisst; die Thermen von Karlsbad, die Thermen von Ragaz und Ptäfers, und so sprach man
schon im Alterthum von den Thermae Himerenses in Sicilien, dem heuligen Termini, welches
genau dasselbe wie das deutsche Warmbrunn und das slavische Töplitz ist Zugleich begriff man
darunter die natürlich damit verbundenen warmen Bäder; und endlich wandte man das Wort
auch auf künstlich angelegte und auf die Gebäude an, die alles enthielten, was zu einer voll-
ständigen Badeanstalt gehört: kalte und warme, Wasser- und Dampfl>äder — wo sie dann im Laufe
der Zeit mit Kursälen, Konversationszimmem, Bibliotheken, Ballhäusern, Reitbahnen, Promenaden,
Gcmäldegallerien und anderen Bedürfnissen einer reichen und luxuriösen Bevölkerung ausgestattet
wurden; die Gegenwart würde noch Spielbänke, Billards, Journale, Bazare, Concerte und Rauch-
zimmer hinzuthun. Dergleichen Thermen, die mit den Kurhäusern der deutschen und den Casino's
der italienischen Bäder eine täuschende Aehnlichkeit gehabt haben müssen und sich von ihnen
nur dadurch unterschieden, dass sie natürliche warme Quellen nicht gerade zur Voraussetzung
hatten, gab es im ganzen römischen Reiche, ja wir besitzen auf eigenem Grund und Boden ein
vortreffliches Exemplar derselben, in dem der Diana des Schwarzwaldes (Dianae Abnobae)
gewidmeten Rümerbad von Badenweiler, wo jene Voraussetzung wirklich erfüllt war. Wenn die
römischen Legionen ein Land eroberten, so wurden ihnen auch Bäder angelegt. In Rom Selbst
lassen sich noch drei beträchtliche Etablissements dieser Art nachweisen : die Thermen des Titus
auf dem Esquilin, wo die Laocoongruppe gefunden ward, die Thermen Dioclctians, welche einen
Theil lies Viminal und des Quirinal bedecken und von denen ein einziger Saal die zweitgn'wste
Kirche in Rom hergab, und die gegenwärtigen des Caracalla am Fusse des Aventin, auch nach
seinem KaLsernamen Antoninus Antoninianae genannt, begonnen von Caracalla im Jahre 2 1 2 n. Chr.,
erweitert von seinem Nachfolger Heliogabalus im Jahr 218, und vollendet von dessen Nachfolger
Alexander Severus im Jahr 222.
Die gesammte Anlage mass 330 m im Quadrat; das eigentliche Thermengebäude, welches
innerhalb dieses Quadrates stand , war ein Oblongum und 2 20 m lang, 114m breit. In der Mitte
desselben lag im Kellergeschoss der grosse Ofen, der zunächst zur Luftheizung gebraucht ward: vom
Ofenraum (hypocaustum) ausgehende Kanäle führten die erwärmte Luft in die oberen Räumlichkeiten.
Ueber dem Ofen waren in ingeniöser, holzsparender Weise drei Kessel (ahena) übereinander
angebracht; aus dem obersten (frigidarium) floss kaltes Wasser in den mittleren (tepidarium) und
von hier, abgeschlagen, in den untersten (caldarium), um heiss zu werden. Aus jedem Kessel
gingen Röhren, die mit silbernen Hähnen (epistomia) versehen waren, in die Bäder; der
oberste erhielt sein Wasser aus einem Reservoir (castellum), das durch einen besonders dazu
angelegten A>|iiaeduct (Aqua Marcia) gespeist ward. Die Einrichtung der Bäder selbst war ganz
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die der irisch-römischen, ') wie man sie in jeder grösseren Stadt und speciell im Oriente findet, und
nur insofern vollkommener, als man weniger zu bezahlen brauchte.
Begleiten wir einen alten Titius oder Cajus in die Thermen des Caracalla. Durch eine
leichte Bewegung vorbereitet, betritt er zuerst das Appdyterium, wo er sich gemächlich auf einem
Stuhle auszieht, und die Sachen während seines Bades an dem hölzernen Haken hängen bleiben;
es ist Reglement, dass er sie hier ablegt, damit er nichts stehlen und darunter verbergen kann.
denfalLs noch
gründlicher
beseitigten
als die bei
uns gewöhn-
lichen wol-
lenen Faust-
handschuhe ;
worauf er in
das Calda-
riumgcht,um
entweder nur
zu schwitzen
oder auch
das heisse
Wasserbad.
welches einen
bedeutenden
Temperatur-
jjTad hat, zu
vi rsucrhi -n.
Dieses Cal-
darium, des-
sen Seiten -
wände hohl
sind und des-
sen Fussho-
den auf klei-
nen Pfeilern
ruht, schwebt
gleichsam in
der heissen
Luft, die vom I Iypocaustum ausströmt und es in allen Richtungen umfliesst I lier wartet unser
Cajus, bis der hervorbrechende Schweiss Tropfen zu bilden beginnt. Ist es ihm noch nicht
üannbegiebt
er sich in das
Tepidarium,
einen Raum
mit massig
trockener
Wärme, wo
er sich zur
Vorbereitung
auf die hö-
here Tempa-
ratur des
nächsten Zim-
mers in lau-
warmemWaS'
sit badet und
nebenbei mit
Gel salbt, was
er während
der Opera-
tion noch öf-
ters wieder-
holt.- Dem-
nächst lässt
er sich frot-
tiren und mit
Striegeln(stri-
gilibus) be-
handeln, wel-
che die ver-
brauchte
Oberhaut je-
Der Uogen des Dm
<) Der sotickrharc Name deutet an, doss *u die runilsthen Uhler, die doch seiner Zell von den kL-rortn selUt 1*1 um eingeführt
Vörden und, in nroerer /ril ij einem ungeheuren Iniwege wieder empfangen hoben. Dieser Umweg est folgender. Die Runter treiben ihre
Thermen Mch in Griechenland und in Constantinopcl her; daselbst tuulen sie die Türken vor, welche säe mit ihren religiösen Gebrauchen in
Verbindung brachten und rnr nationalen Sitte entwickelten. Vom Orient aus war ihr Andenken in Deutschland abermals, zur Zelt der Krati-
rüge, aufgefrischt, aber im 17. Jahrhundert wieder vergessen worden, als der Besuch der Wddbnder und der Mineralwasser al. Ver-
gttdgwagsorte aufkam. Erst vor iwoniig jähren bürgerten sich die Thermen rum dritte« Male ein, als sie ein Engländer, Namens Urtiuharl,
in der Tarkei kennen lernte and ihre Anlage in Irland, in St. • AmVs- Hill bei Cork veranlasste { 1 856). Von hier gelangten sie nach l>eutsch-
Uud, nfiasa i»6o l>r. Lwther in -Vadersdorf bei Wiltesiberg das erste „irisch rumische Bad" gründete.
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hriss genug, so zieht er eine metallene Klappe (cüpeus) am Boden mittels einer Kette in die
Höhe, um mehr Wärme hereinzulassen: und er setzt sich unter den Bänken, die amphilheatralisch
an den Wänden herumlaufen, auf die oberste; von Zeit zu Zeit benetzt er sich mit dem kalten
Wasser des flachen Beckens (labrum) in der» Ecke ; dann verweilt er wieder ruhig so lange, bis der
Schweis» auf der Haut reichlich herabrieselt. Nun lässt er sich durch einen Sklaven vom Scheitel
aus mit lauwarmem Wasser übergiessen und macht dann dass er in das Frigidarium kommt, um
durch das kalte Bad in dem Bassin die erschlaffte Haut wieder zu stärken, worauf der Körper
zum letzten Mal mit Oel gesalbt wird. Abgekühlt und gereinigt, kehrt er in das Zimmer
zurück, in dem er sich ausgekleidet hat, und lässt sich auf ein bequemes Polster nieder,
den narbenvollen Leib in behaglicher Ruhe zu recken und zu strecken. Hierdurch wird
dem Ausbruche eines zweiten Schwcisscs vorgcl>eugt und seiner Haut der durch das starke
Schwitzen einigermassen beeinträchtigte Tonus wiedergegeben. Endlich gieht er sich neugeboren
den geistigen und materiellen Genüssen hin, die ihm im Umkreis der Thermen an allen. Ecken
uml Enden geboten sind. «
Unsere Tafel zeigt die grosse, von Fenstern durchbrochene Rotunde des Caldariums, deren
Gewölbe eingestürzt ist; sie hat 50 m im Durchmesser und tritt buckeiförmig aus der geraden
Grundlinie des Parallelogramms heraus. So mag das Pantheon aus den Thermen des Agrippa
herausgeslanden haben, die wir auf dem Marsfelde finden werden. Die Bestimmung der Räume
im Einzelnen ist schwierig und unsicher; man staunt über die riesenhaften Verhältnisse und ülier
die noch überall sichtbare glänzende Ausstattung, ohne den deutlichen Einblick zu haben, den
die kleineren Bäder zu Pompeji so überraschend gewähren.
Von den Caracallathermen kehren wir auf die Strasse zurück, die hier bereits zur Gräber-
strasse wird: links, wo die Via della Ferratella abgeht, gleich hinter der Kirche von San Sisto,
bemerken wir ein erstes Monument, welchem dann noch innerhalb der Stadt, nachdem abermals
links die Via l.atina abgezweigt ist, in den anstossenden Vigncn, durch Cypressen bezeichnet,
die Grüfte der Seipionen (Sepulcra Scipionumj und verschiedene Columbarien folgen. Die Römer
hatten Gräber sowohl für einzelne Personen als auch für ganze Familien und Corporationen ; auch
errichteten mehrere Familien zusammen eine gemeinschaftliche Grabstätte (sepulcrum commune).
Solche für eine oder mehrere Familien, meist unter der Erde erbaute Grabkammern bildeten
längliche Vierecke und enthielten in ihren Wänden, auch wohl an besonderen Massiven in der
Mitte, mehrere Reihen von Nischen übereinander, die, weil sie an einen Taubenschlag erinnerten,
Columbaria hiessen und je zwei Aschenkrüge (ollae) gleich einem Nest aufnahmen. In Rom und
anderen grossen Städten mochten auch dergleichen Columbarien auf öffentliche Kosten oder
auf Speculation gegründet werden, wo sich dann minder Bemittelte einen Platz für eine Urne,
eine Inschrift, ja selbst für eine Büste kaufen konnten. Nun diese Grüfte wurden vorzugsweise
in der Nähe der Städte aut eigens dazu irrworbenen Arealen längs der grossen i lecrstrassen, in
Rom zum Beispiel längs der Via Elaminia, der Via Latina und eben der Via Appia angelegt:
die langen Reihen grossartiger Denkmäler, die ihren Saum auf beiden Seiten bildeten, gaben
eigentümlich schöne und imposante Strassenprospekte ab und forderten den hindurchgehenden
Wanderer mehr als etwas zu ernsten Gedanken auf. Innerhalb der Mauern von Rom selbst bestattet
zu werden, galt, abgesehen von dem alten Armenfriedhof am Esquilin, für eine hohe Ehre, die nur
ausnahmsweise vom Senat ertheilt werden konnte; dergleichen Ehrengräber befanden sich zumal
auf dem Marsfelde. Wenn wir also den grossen Friedhof schon hier beginnen sehen, so dürfen
wir nicht vergessen, dass diese Gegend ausserhalb der Porta Capena lag und erst von Aurelian
im dritten Jahrhundert n. Chr. zur Stadt gezogen ward.
Unmittelbar vor dem Thorc und gleichsam ein Vorthor bildend, erhebt sich ab das letzte
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Monument im Weichbilde der Stadt der Bogen, welcher dem Drusus Claudius Nero, dem Besieg«
der Germanen (Germanicus) errichtet wurde. Der Stiefsohn des Kaisers Auguslus, der diesem
von der l.ivia drei Monate nach seiner Hochzeit geboren ward (mlf *iir/or<n »«i ii/i/tt,vn nnttiu)
war tiefer ins Innere von Germanien denn irgend ein Römer eingedrungen, als er plötzlich an den
Ufern der Elbe stehen blieb. Durch die Erscheinung eines erhabenen Weibes bewogen, das ihm
in heimatlichen Accenten sein nahes Ende geweissagt, trat er, wie es heisst, den Rückzug an,
auf welchem er, noch ehe er den Rhein erreicht hatte, infolge eines Sturzes vom Pferde, starb.
Das Andenken seiner Siege feiert eine der schönsten Oden des Konz (IV, 4) und dieser Triumph-
bogen, der, aus Travcrtin<[uadem erbaut, mit weissem Marmor bekleidet und von je zwei Saiden
afrikanischen Marmors flankiert, sp&ter zum Träger des von Caracalla in seine Thermen geführten
Zweiges der A<|ua Marcia ausersehen und mit einer Kruste von Mauerwerk bedeckt ward. ,
Das Thor selbst, noch im Mittelalter Porta Appia genannt, besteht, gleich dem viereckigen
Unterbau der beiden mittelalterlichen Thürme, aus grossen weissen Marmonjuadern, die wahr-
scheinlich von den Denkmälern in der Nahe hergenommen sind.
Die Via Vi .1
III.
Die appische Strasse führt anfangs ziemlich trostlos zwischen Weinbergen hin, die von
hohen, beengenden Mauern eingefriedigt sind. Sie senkt sich den alten Clivus Maitis hinunter,
der von einem vormals hier stehenden Marstempel den Namen hat, läuft dann unter der Maremmen-
bahn hindurch und überschreitet den Bach Almo, in welchem die Statue der Cybele (wie spater
das Bildniss des Heilands auf dem Forum) alljährlich abgewaschen ward. Aber je weiter man
kommt, um so schöner wird die Aassicht, um so grossartiger die ganze Seenerie, bis wir zuletzt
in eine Landschaft von wahrhaft erhabenem Stil eintreten. Das alte polygonale Pflaster der
Königin der Strassen, einem bis hierher geflossenen Lavastrom entnommen, kommt zu Tage;
gerade vor uns die herrliche vulkanische Gebirgsgruppe von Albano, über welche der Weg nach
den Pontimschen Sümpfen und nach dem glücklichen Campanien weitergeht: rings um uns ein
unabsehbares, undulirendes Land, eine Steppe ohne Anbau grün, durch die der berittene
Hirte mit eingelegter Lanze gleich einem Wüstenkönig jagt, während die fieberkranken Knechte
von dem nahen Pachthof die ärmliche Osterie bevölkern und eine Winzerfamilie in irgend einer
formlosen, epheuumrankten Ruine Schutz sucht Links unten in mächtiger, hier und da unter-
brochener Gontinuation die ehrwürdigen Bogenreihen der Aqua Marcia und der (zum Theil in
»t
SS
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die moderne Feiice verwandelten) Acjua Claudia, an die Viaducte unserer Zeit errinnernd; die
Strasse dicht und meilenweit mit Denkmälern besetzt, unter denen Alles ruht, was Rom an Feldherm,
Staatsmännern, Rednern Grosses gehabt hat, und die mit ihren Reliefs mit ihren Inschriften ein-
gehendster Betrachtung werth sind; eine erstaunliche Fülle bedeutender Reminiscenzen überall.
Um uns dieselben einigermassen zu ordnen und anschaulicher zu machen, wollen wir versuchen,
sie auf die Häupter dreier alten Römer zu concentriren, die zu verschiedenen Zeiten und
in verschie-
dener Ab-
sicht , aber
auf derselben
Strasse mit
uns zum Thor
und in die
Campagna
hinausgegan-
gen sind und
die uns als
Wegweiser
zu den typi-
schen Stellen
derselben
dienen.
üiese
drei alten Rö-
mer sind: der
fromme Kö-
nig Numa,
der reiche
Crassus und
der Kaiser
Maxentius.
Der er-
ste besucht
nächtlicher-
weile seine
Freundin, die
Nymphe
Egeria ; der
Iiic Grolle der Egeria.
zweite be-
sucht das
Grab seiner
Gemahlin,
der Caecilia
Mctella; der
dritte be-
sucht den
neuen Circus,
den er sei-
nem frühver-
storbenen
Sohne Romu-
lus zu Ehren
errichtet hat,
wie ein An-
dereraufdem
Sarge seines
Kindes die
circensischcn
Spiele seihst
abbilden
lässt, weil das
menschliche
Leben schnel-
ler dahin eilt
als Räder am
Wagen.
Schlägt
man hinter
der Kirche
Dominequo-
vadis bei einer kleinen Kapelle den Feldweg links ein, und wendet man sich dann, auf der Wiese
abermals links hinunter nach der Mühle, so stösst man auf ein kleines antikes Bauwerk, der Tempel
des Deus Rediculus genannt- Obgleich es das nicht, vielmehr ein Grab aus I ladrians Zeit ist, so
bietet doch diese Benennung einen willkommenen Anhalt, um sich den Wendepunkt in der Geschichte
des zweiten punischen Krieges daran zu merken. Im Jahre 2 1 1 suchte Hannibal das belagerte Capua
vergebens durch einen Marsch gegen Rom zu retten: er musste umkehren (redire) und dem
Gotte, der ihn zu dieser Umkehr veranlasste, (Deo Rediculo) bauten die Römer vor der Porta
Capcaia einen Tempel Nun, als die späten Enkel den Ort suchten , wo der Schreckliche mit
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seinem Eber* gelagert hatte, fanden sie keinen passenderen als den grossen Krater auf der Höhe
des Albanergebirgs, der daher noch heute Hnnnibals Lager (Campo d'Annibale) genannt wird;
und für den Tempel erklärten sie das ebenerwähnte Grabmal. Aber unmittelbar daneben locali-
sirten sie ein noch viel älteres Hreigniss, suchten sie ein noch interessanteres Heiligthum und
zwar ebenfalls mit einer Kühnheit, die ohne grosse kritische Sorgfalt zugreift, der wir nichts
desto weniger ein neues Stück Poesie verdanken.
Der weise und gerechte König, der den neugegründeten Staat durch die Religion und
durch friedliche Institutionen befestigte, wurde von der Sage nicht nur 211 einem Schüler des
Pythagoras gemacht, sondern auch in ein Verhältnis? gesetzt, welches einen gewissen modernen
romantischen Charakter und die schwärmerische Verehrung der Frauen, ja den Glauben an ihre
Inspiration zur Voraussetzung hat. Numa Pompilius besass eine Freundin in der Nymphe Egeria
wie Pericles in der Aspasia oder wie Augustus in der Livia, eine Freundin, mit der er alle
wichtigen Fragen durchsprach; wenigstens gab er aus Klugheit vor sie zu besitzen und seine
und dieser
Neigungzum
.Vagabundi-
ren entsagte
auch der Kö-
nig nicht, er
ward fort und
fort in der
Einsamkeit
der Wälder
von der schö-
nen Nymphe
berathen und
beglückt, die
sich , als er
starb , der-
massen be-
trübte, dass
Gesetze k la
Moses und
ä la Moham-
med von ihr
offenbart zu
erhalten.
Schon als
Jüngling
übernachtete
er gern bei
Mutter Grün
in der Cam-
pagna und in
heiligen Hai-
nen, wo erdes
Umgangs
der L'nsterb-
lichengcnoss:
sie von der mitleidigen Diana in eine Quelle verwandelt ward. Daher war ihr auch vor dem
Capuaner Thore eine Grotte inmitten eines heiligen Haines geweiht, in der eine Quelle sprudelte
und wo die Vestalinnen täglich das zum Opfer und zur Besprengung des Tempels nöthige Wasser
holen mussten. Diese Grotte {Vallis Camenarum) befand sich also vermuthlich in der Umgebung
des Caelius, an der Servianischen Mauer; aber durch die darüber hinaus wachsende Stadt irre
geleitet, verlegte man sie später weit in die Campagna hinaus, ausserhalb der Aurelianischen
Mauer und nannte ein Nympheum, welches man trifft, wenn man vom Tempel des Deus Rediculus
im Thal des Almo aufwärts geht, „Crotta d'Egeria" und den kleinen Busch von immergrünen Eichen
auf dem benachbarten Hügel „Bosco dellc Camcne" d. i. Hain der Camenen, als in welchem die
Camene Egeria ihren sterblichen Freund empfangen haben soll : Camenae, in älterer Form Casmenae,
sind die altitalLschen Musen, ursprünglich wie diese Quellgottheiten und Personiricaüonen der zum
Weissagen und Singen (zu Carminibus = Casminibus) begeisternden Kraft der Quellen.
Von den topographischen Schwierigkeiten abgesehen, muss man zugeben, dass die
Bezeichnung „Grotte der Egeria" gar nicht übel passt. Man versteht unter Nympheen (wir haben
bereits eins auf dem Palatin gefunden) Bauwerke, welche Quellcnbchälter umschlossen und unter
l.nWal da Cltlli» Modi» — <:»|~- di txrrr.
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den Schutz der Nymphen gestellt waren. Nun dieselben haben schon so wie so eine grottenartige
Anlage gehabt, und eben das gegenwärtige hätte selbst, als es neu war, wohl mit der künstlichen
Höhle eines englischen Parks verglichen werden können. Wie es sich aber vollends jetzt darstellt
— ein kleines, tief in die Böschung, an der es lehnt, versunkenes Gewölbe — mit einer Nische
im Hintergrund, in welcher, auf Kragsteine gebettet, die verstümmelte Statue eines Flussgottcs
ruht als eines Schlummernden — das Netzwerk der Mauern von dem durchsickernden Wasser
feucht erhalten und in Folge dessen mit üppigem Frauenhaar und einem dichten Moosteppich
bedeckt — angenehm belebt durch das leichte Geriesel einer Quelle, die in einer kunstlosen, aus
Dachpfannen limbriecs supini) hergestellten Rinne austritt und niederträuft — welch eine kühle,
lauschige, anmuthige Grotte ist es! Wie den Musen und den Najaden ein willkommener Aufenthalt!
Welch ein hochentzückendes Nympheum ! Denn wenn dasselbe auch dem Flussgott, der das Thal
bewässert, zu Fhren errichtet worden und der obenerwähnte Torso eben dieser Flussgott sein soll, so
mahnt uns doch schon der Name zunächst an keinen Almo, sondern an eine F.geria zu denken, die das
silberne Nass aus ihrer Urne ausgiesst Die Hirten der Campagna, die hier ihren Krug zu füllen
kommen, bezeichnen das nicht gerade besonders köstliche, aber immerhin gesunde Wasser seiner
verhältnissmässigen Reinheit wegen als ein leichtes, als „ac<|ua leggiera." Es wäre nicht undenkbar,
dass dieser einfache Ausdruck mitgewirkt hätte, es zu einer „acf|ua dell' Egeria" zu stempeln.
Gegenüber dem Hügel, welcher den Hain der Camenen trägt, liegt auf einer andern
Anhöhe die alte Kirche des heiligen Urban, des Rebenpatrons und des christlichen Bacchus,
der an dieser Stelle auf den alten Bacchus folgte; und von hier führt ein schöner, mit Bäumen
besetzter Weg auf eine neue Chaussee, die oberhalb der Catlistuskatakomben wieder in die alte
appische Strasse mündet. Vermittels desselben kehren wir also in unser altes Gleis zurück, in
welchem wir nun direct auf das stolze Grabmal der Caecilia Metella losgehen, auf jenen runden
Thurm , der unsere Blicke schon lange auf sich gezogen und der den volkstümlichen Namen
Ochsenkopf (Capo di bove) angeblich von den seinen Fries zufällig schmückenden Stierschädeln
erhalten hat, der aber vielmehr selbst wie ein Ochsenkopf hervorragt und die Campagna beherrscht,
genau so wie das Haupt und Herz des Fichtelberges Ochsenkopf genannt wird.
CAECILIAE Q. CRETICI F. METELLAE CRASSI, der Caecilia Metella, Tochter des
Quintus Caecilius Mctellus Crcticus, Gemahlin des Crassus. wie die Inschrift auf der Marmortafel
meldet; ob dieser Crassus gerade der bekannte Triumvir ist, ob der reiche Crassus hier den Manen
seiner Gemahlin Wein ausgegossen und Hecatomben geopfert hat, wie er es einst dem Volke an zehn-
tausend Tischen that, erscheint freilich zweifelhaft. Ein mächtiger, mit grossen Tavertincjuadem
bekleideter Rundbau von 20 m Durchmesser; der einem erst einen Begriff von solidem Mauerwerk
giebt, um mit Goethe zu reden. Er erhebt sich auf einer viereckigen Basis die ursprünglich ebenfalls
mit Travertin bekleidet war ; oben krönt ihn der mit Blumengewinden und Stierschädeln geschmückte
Fries, der durch ein Kranzgesims abgeschlossen wird; der Zinnenaufsatz stammt aus dem
13. Jahrhundert, wo die Gaetani das Monument in ihren Bergfried verwandelten, um von hier
aus die Bewegungen der Colonna zu überwachen. Die Ruinen dieser Gaetanischen Burg, des
Scfilosshofs und der Burgkapelle liegen nebenan auf der andern Seite der Strasse, die durch sie
gesperrt ward; man erkennt daran noch das Wappen der Gaetani, das sie vermuthlich von dem
Capo di bove entlehnten; einen Ochsenkopf.
An der Südseite ist der Eingang in die Gruft, deren Wände mit Backsteinen bekleidet sind
und die sich nach oben kegelförmig verjüngt ; der verschüttete Fussboden hat 5 m im Durchmesser.
Hier befand sich der marmorne Sarkophag, der die Gebeine der Verstorbenen bewahrte und der,
während die Stürme der Belagerung unablässig über ihm rasten, nimmer wankte, bis er im sech-
zehnten Jahrhundert unter Paul III. in den Hof des Palastes Farnese zu stehen kam. Die Leiche
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der Caecilia Metella wurde nicht verbrannt: ihre Verwandten mussten keine Freunde der
Feuerbestattung sein, die entweder privatim auf dem Bustum, oder öffentlich auf der grossen
l'strina, an der a|>pLschen Strasse rechts, fünf Miglien von Rom, zu erfolgen pflegte. Eine solche
Gruft wird von den Alten gewöhnlich Conditorium genannt, ebenso der Sarkophag selbst; Condi-
torium heisst z. B. der Peperinosarg des L. Cornelius Scipio Barlutus, der in dem Grab der
Scipionen gefunden ward und dem wir im Yatican begegnen werden.
Die Caecilia Metella fascinirt: man hat Augen nur für sie: man geht auf sie zu, ohne
was dazwischen liegt zu bemerken. Und doch ist es überaus merkwürdig: hier dehnt sich links
von der appischen Strasse der Circus des Maxentius aus, der einzige, von welchem sich deutlich
erkennbare Trümmer erhalten haben, denn auch der Hippodrom zu Konstantinopel, bis zur
Zeit der Türken ein vorzügliches Specialen, bildet gegenwärtig nur einen grossen, viereckigen
I'l.itz, ähnlich wie die Piazza Navona. Den Circus des Maxentius müssen wir besuchen, wenn wir
uns eine Vorstellung von dem grossen Circus machen wollen, in dessen ödes Thal wir schon so
manchen ahnungsvollen Blick geworfen haben: er ist zwar nicht so umfangreich und misst nur
4S2 m in der IJinge und 79 m in der Breite, während jener 640 m lang und 130 m breit war,
Der Cirn» •!« Moucntim.
er taute keine 260,000 Zuschauer, sondern nur etwa iS.ooo: aber dafür hat er den Vorzug,
überhaupt noch zu bestehn und uns die Einrichtung der alten Turfs lebendig zu vergegenwärtigen
— uns Begriffe zu gewähren , welche wir mit unserer Phantasie beliebig in die Vallis Murcia
oder wo sonst Wettfahrten abgehalten wurden, z. B. auf den Vatican und auf das Marsfeld
oder meinetwegen nach Bovillae projiciren können.
Wenn wir gegenwärtig von Circussen reden, so verstehen wir darunter Häuser, in welchen
sich Kunstreiter produciren, und zwar sind dic-se Häuser gewöhnlich kreisförmig angelegt Die
Bestimmung ist keine ganz moderne, die Form auch keine neue, im Gegentheil gerade die aller-
älteste. Das Wort Circus, von dem die Praeposition circum der Accusaliv und unser Zirkel das
Diminutiv ist, bedeutet einen Kreis, und als Tari)uinius Friscus zum ersten Male die Eroberung
der kleinen Stadt Apiolae in dem trockengelegten Thalc durch Rennen und Boxen feierte, mögen
wohl auch die Patrizier im Kreise darum herumgestanden haben. Den Namen belicss man, der
Bahn aber und den um die Bahn gelegten hölzernen Tribünen gab man die länglich -runde,
hutVisi-nartige Gestalt, die offenbar für Weltfahrten viel angemessener war, die auch unsere
Circus.se besitzen würden, wenn die römischen Bigen noch eine Rolle darin spielten, die sich aber
bei uns vielmehr auf die Turfs und auf die Hippodrome vererbt hat — eben die Gestalt des
langen und schmalen Thaies, welches die Natur zwischen den parallel streichenden Abhanden des
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Aventin und Palatin zu dem F.nde eingeschnitten zu haben scheint. Allerdings wurden im Circus
verschiedenartige Schauspiele geboten, namentlich militärische, Parademanöver, Carrousek der
von Virgil in der Aenei's beschriebene Ludus Trojae; auch Fechterspiele und Thierhetzen, späterhin
die Specialität der Amphitheater, mögen wohl zur Zeit der Republik, ja noch unter den Kaisern
auf diesem Platze stattgefunden haben : die rührende Geschichte des Androdus — wonach dieser
seinem Herrn, einem Proconsul in Afrika, entlief und in der libyschen Wüste einem Löwen einen
Dorn aus der Tatze zog; wieder aufgegriffen, wurde er nach Jahren in Rom dem mittlerweile
gleichfalls eingefangenen Löwen vorgeworfen , aber das dankbare Thier erkannte seinen Wohl-
thäter, legte sich ihm liebkosend zu Füssen nnd leckte ihm die Hand — diese rührende Scene,
die sich unter Caligula ereignet haben soll, wird von Seneca und von Aulus Gellius in einen
Circus verlegt; desgleichen verlautet, dass der vaticanische Circus, auf dessen Stelle jetzt die
Peterskirche steht, der Schauplatz der Christenschlächterci unter Nero (04) gewesen sei: hier liess
der Tyrann, zu dessen noblen Passionen das Fahren gehörte, wie später das Fechten zu denen
des Commodus, als Jockey auf einem Wagen stehend, nach dem Zeugnisse des Tacitus, die
Märtyrer bald in Thierfellen von Jagdhunden zerfleischen, bald nächtlicher Weile in Form von
Pechfackeln anbrennen, ja, hier nach einer Legende eben den Apostel Petrus kreuzigen (67).
Indessen das Haugtgaudium des Circus war von jeher, mit Rennen und Kunstreiterei verbunden,
das regelrechte Wettfahren selbst gewesen; wenn der römische Pöbel
duas Mnumi res anxius opiai,
Pancm et C'ircciisev.
so hat' er die „cursus" und die „agitatores equorum" und die berühmten Sattelpferde, den
Andraemon und den Tigris und den Passerinus im Kopf. Wäre das nicht gewesen , so hätte
die langgestreckte Form des Circus gar keinen Sinn gehabt : denn so passend, ja so nothwendig
eine solche Bahn für die Evolutionen der Kutscher und der Bereiter war, so unpassend würde
sie für stabile Schauspiele gewesen sein, die nicht gleichsam vor jedem einzelnen Zuschauer
vorüberflogen, sondern sich um eine einzige Stelle drehten, indem dann der eine unverhältniss-
mässig gut, der andere unverhältnissmässig schlecht gesehen hätte.
Uebrigens war ja Bühne und Alles, was darum und daran hing, nur für Wertfahrten
eingerichtet, so dass man kaum begreift, wie hier für andere Aufführungen Platz gewesen sein
soll. Die Vorderseite des Circus, das heisst, die beide Schenkel des Hufeisens verbindende Linie,
hat in der Mitte das Portal für die grosse Procession, mit welcher die Spiele eröffnet wurden
(Porta Pompaei, zur Rechten und zur Linken desselben je sechs mit hölzernen Gatterthoren ver-
schlossene Schuppen oder Ställe, einen für jeden Wagen (Carceres). Sie waren überwölbt und an
beiden Kcken mit Thürrnen fiankirt, daher auch die Stadt iOppidum) betitelt. Die Axe der wie
im Amphitheater Arena genannten Bühne oder Bahn vertrat eine niedrige Mauer (Spinal, welche
ungefähr drei Viertel von ihrer Länge einnahm und sowohl ihrer Lage, als ihrer Gestalt nach
treffend mit dem Rückgrat eines Wirbelthiers 1' Spina) verglichen werden konnte. Sie bildete die
Barriere, um welche die Wagen fahren mussten, und die Regel ihres Laufes; dicht an ihren
beiden Enden, aber auf einer abgesonderten hohen Basis stand je eine Gruppe von drei geraden
Kegeln (Metaei, die untere „Meta prima", die obere „Meta secunda" genannt — die beiden
Cardinalpunkte, um welche sich Alles drehte. Die Mitte der Spina schmückte ein Obelisk,
ausserdem war ihr Grat mit Götterbildern. Säulen, Altären und zwei Gestellen (falaei besetzt,
von denen das eine sieben Delphine, das andere sieben Hier trug: mit diesen Delphinen und mit
diesen Eiern, welche man nacheinander aufsteckte, sowie sie vorüber waren, wurden die Umläufe
gezählt, deren bei jedem Gange (missusj sieben stattfanden: jene beziehen sich auf den Neptun,
der das Ross erschuf, diese auf die Dioscuren, welche die Rosse bändigten. Gegenüber dem
Processionsthor , am Scheitel des Hufeisens, bemerkt man ein zweites Thor, durch welches die
Sieger aus dem Crem zogen (porta triumphalis), am rechten Schenkel ein drittes, durch welches
man die verunglückten Kutscher hinaustrug i porta libitinensis) : ein viertes und fünftes endlich an
den Schuppen für die Wagen.
Am Tage des Rennens ist es schon, ehe der Morgen graut, lebendig auf den Strassen.
Eine feierliche Procession, die schon erwähnte Pompa Circensis. eröffnet das Fest. Unter schallender
Musik, unter Wolken von Weihrauch zieht sie vom Capitol über das Forum nach dem ("ircus und
in diesem die Rennbahn entlang, geführt von dem die Spiele leitenden Beamten, der in Triumpha-
torsuniform auf einem Wagen steht. In derselben werden die Attribute und Bilder der Götter,
die Portrait* der kaiserlichen Familie theils aut Bahren und Thronen iferculis) getragen, theils
auf kostbaren Wagen itensis; von Elefanten oder Maullhieren gezogen. Zahlreiche Priesterschaften
und religiöse Corporationen geleiten sie Voraus ziehen Scharen von Knaben zu Fuss und zu
Pferd, die zum W'etu'ahren bestimmten Wagen und die tausend Virtuosen, Boxer, Ringer, Läufer.
Tänzer, die sich nebenbei an den Spielen betheiligen, Dabei ist Alles auls peinlichste und pedantisch
vorgeschrieben ; der geringste Verstoss macht die Feier ungiltig und eine Wiederholung nothwendig.
Auf den Festzug folgt noch ein Opfer, dann beginnt das Rennen.
Wie gewöhnlich rennen vier vierspännige Wagen. Hie Gatterflügel der Schuppen sind
.sprangeweit geöffnet: die Kutscher, grün, roth, blau und weiss, in einer Tracht, die an unsere
Jockeys erinnert, in der Hand die Peitsche, in dem breiten Gürtel ein Messer, um im Falle der
Noth die eben daran hängenden Zügel zu durchschneiden, tummeln ihre Pferde in der Vorbahn
und fahren dann langsam in einer Front und in der durchs Loos bestimmten Ordnung vor dem
kreideweissen Seile lalba linea) vor, welches in der Höhe der Spina, vom untern Ende derselben
bis zu den Tribünen «per über die Bahn gespannt und an zwei kleinen Pfeilern ihermulae)
befestigt ist. Bei diesem Seil wird abgelaufen; damit alle Parteien bis hieher gleich weit zu
fahren haben, bilden wohl auch die zwölf Schuppen keine gerade, sondern eine krumme Einie.
I ngeschickt lassen unsere Archäologen die 1 höre der Schuppen selbst durch ein Seil sperren
und die Wagen direct aus dem Stalle auf die Rennbahn zum fröhlichen Wettlauf stürmen: sie
müssen noch niemals ein Rennen, namentlich nicht das alte Wettrennen beim römischen Carneval
gesehen haben, wo die Berberhengste natürlich auch nicht gleich aus dem Stalle hinausgejagt,
sondern erst in die Schranken auf der Piazza del Popolo geführt, letztere aber noch immer mit
einem ausgespannten Seile verschlossen wurden. Ohne dieses Seil würden die unbändigen Thiere,
die so schon beständig darüber hauen und sich ungeduldig bäumen, das Signal nicht einhalten,
sondern versuchen eins vor dem andern abzurennen. Das Signal, wann kommt es? Denn erst
wenn es ertheilt wird, fällt das rasch an einer Seite losgemachte Seil.
F.s heisst, dass einst Nero in einem solchen Momente bei Tafel sass. Es war in seinem
Goldnen Hause, in einem Saale, dessen Fenster auf den Circus gingen. Draussen tobte und" brauste
das aufgeregte Volk, weil das Rennen nicht begann : aus dem dumpfen Thale donnerte es herauf wie
aus einem grollenden Vulcan. Da nahm der Kaiser eine Serviette vom Tische, warf sie zum
Fenster hinaus und gab damit das Zeichen. Die Anecdote ist erfunden, um einen uralten Gebrauch
zu erklären: denn in der That gab der Vorsitzende regelmässig das Zeichen zum Beginn der
Wettfahrt indem er von seinem Balcon aus eine weisse Serviette (mappa) in die Luft warf.
Ein ungeheures Geschrei: die Wagen sind in einer Wolke von Staub verloren. Eine
Weile rollen sie noch nebeneinander und in einer Linie, aber sehr bald bleibt einer hinter dem
anderen zurück und sie bilden eine Colonne: deshalb ist die Arena am Anfang breiter als am
Ende, und nimmt die Spina eine beträchtlich schiefe Richtung. Der Umläufe von Linea zu Linea
sind sieben: auf der rechten Seite der Spina wird hinauf, auf der linken hinunter gefahren: die
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Metae lässt der Kutscher regelmässig links oder, wie die Römer sagten, innen (interiore rota): seine
Kunst besteht darin, die Kegel geschickt zu umfahren und zwischen sich und ihnen nicht soviel Platz
zu lassen, dass sich ein Anderer dazwischen drängen kann, ohne doch andererseits zu nahe daran
zu streifen und eventuell durch einen Stoss an ihre Basis umzuwerten, den Wagen zu zertrümmern
und von den Pferden geschleift zu werden: deshalb wurde auch das beste Pferd, auf dessen
Schnelligkeit und Dressur es am meisten ankam, in der Regel zum Sattelpferd gemacht.
Die Werke der Alten sind voll von Anspielungen auf die Wechselfalle, auf die dramatischen
Peripetien, welche durch die
meta fervidis nfan rotis
veranlasst wurden und die sich an ihrem Fuss abspielten; und da sie mit einer solchen Wettfahrt
das menschliche Leben zu vergleichen lieben, so sind die Worte Meta und Linea stehende
Bezeichnungen für Ziel und Ende aller Dinge und für den Tod. die „ultima linea rerum" geworden.
Noch heute sind die römischen Kutscher Meister ihres I landwerks, das sie überhaupt mit Passion
betreiben, und welches fast durchgängig in den Händen eingeborener Römer ist. Am Antonius-
feste (17. Jan.) pflegte sonst der Adel und der Papst selbst seine Pferde an die Kirche dieses
Heiligen zu schicken; man Hess sich dann gern mit einer glänzenden Equipage sehn, z. B. die
Familie Boncompagni mit einer sechzehnspännigen. Es war nichts Leichtes, eine solche mit Grazie
durch die engen Strassen der Stadt und um soviel natürliche Metae herumzubugsiren. Uebrigens
werden ja gelegentlich in Rom und in Florenz, hier auf dem Platze von S. Maria Novella, dort
auf dem Maccao cnler in der Villa Borghese. ja im Circus des Maxentius selbst noch wirkliche
Wettfahrten nach antikem Ritus abgehalten.
Bei solchen Gelegenheiten werden für das Publikum hölzerne Tribünen aufgeschlagen, wie
es in der ältesten Zeit der Fall war: was Circusspiele anbetrifft, aber auch in vielen andern
Dingen steht Rom seinen rohen Anfängen näher als dem Glanz der kaiserlichen Aera. Denn
schon vor der Vertreibung der Könige scheint man an Stelle der provisorischen Tribünen ein
stehendes und permanentes Gebäude aufgeführt zu haben, welches abgesehen davon, dass es
mehr in die Länge gezogen war, dem immer wiederkehrenden Plane eines halben Amphitheaters,
oder, was nach unseren früheren Erörterungen dasselbe ist, eines Thealers folgte. Zehn terrassen-
förmig aufsteigende Sitzreihen, durch ein dreifache Stockwerk von Bogen Wölbungen getragen —
die unterste (Podium) durch ein Geländer und ausserdem durch einen Kanal, den Euripus, geschützt
— links und rechts, einander schräg gegenüber zwei Logen iPulvinaria), die eine für den Kaiser,
die andere vermuthlich für den Festgeber (editor ludorumi bestimmt — äusserlich von Arcaden
umgeben, wo die Kramläden und die Garküchen und die Obsthöken dicht aneinander stehen,' in
deren I lallen Wahrsager, Winkelastrologen und tausend Gaukler ihr Wesen treiben und dazwischen
hindurch in bunter Tracht die spanischen Tänzerinnen und die syrischen Freudenmädchen schwirren
— so ist es ungefähr, wie wir uns den Circus vorzustellen haben, dessen Ruinen wir vor uns
sehen. Er wurde im Jahre 311 von Maxentius, wie wir bereits vermutheten, zu Ehren seines
verstorbenen Sohnes Romulus (D1VO ROMl L( ). N'[OBILISJ. M[EMORIAE]. V[1R0], FILIO DTOMINTJ.
N[OSTRl]. MAXENTI1) und zwar in einer Manier erbaut, welche die Gelehrten mit bewogen hat
«las Gebäude in diese späte Zeit zu setzen: l'm die Last der Gewölbe und mithin ihren Schub
zu vermindern, hat man dieselben aus I lohlziegeln oder Töpfen hergestellt, sogenannte Topfgewölhe
angewandt. Für ein Heroon des Romulus gilt auch die Rotunde vor dem Circus, auf deren
Lnterbau sich ein modernes Haus erhebt.
IV.
Wir lassen uns heute an diesem Stück der Via Appia genügen und kehren in die Stadt
zurück. Da wir nicht pressirt sind, wählen wir einen Umweg und schlagen unmittelbar hinter der
Sebastianskirche links die Via delle Sette Chiese ein, welche nach zehn Minuten die Via
Ardeatina schneidet und dann durch die Paulshügel hindurch, in einem angenehmen, an herr-
lichen Aussichten auf die Campagna reichen Thalc zur Paulskirche und damit auf die Via
Ostiensis führt ; auf derselben gelangen wir, abermals unter der Maremmcnbahn hindurch, in einer
halben Stunde an die Porta S. Paolo, die alte Porta Ostiensis. Hier erblicken wir wieder, von
Cypressen und Pinien beschattet, die aurclianische Stadtmauer und in dieselbe eingeschlossen eine
Pyramide , das um das Jahr 1 3 v. Chr. errichtete Grabmal eines Mannes , dessen Namen und
Qualität eine Inschrift folgendermassen angibt:
C CKSTtUS. I. K POE KPl'i.o. PK. TU. PI..
VII VIR. KPl'l.dSI M.
Das heisst, er
war Praetor,
Volkstribun
und — Gour-
mand: F-'pulo
heisst das in
der That ;
doch bedeutet
es hier in die-
ser Zusam-
menstellung
einen Fein-
schmecker
von Amt und
Würden.
Nämlich ein
Mitglied der
reiten und zu serviren, resj>cctive dann selbst zu sich zu nehmen.
Epitaphium an wie die bekannte Grabschrift des Herzog Magnus zu Doberan: In dieser Welt
hab ich mein Lüst Allein mit Kalter Schalen gebüsst u. s, w.
Dieses Grabmal lag ursprünglich frei an der Via Ostiensis und wurde erst durch Aurelian
in den Ring der Stadtmauer verbaut; es lag an der Strasse nach Ostia, wie sonst eins an der
Appischen, eine Viertelmeile vor ihm bemerkten wir die von einem Winzerhäuschen gekrönten
Ruinen eines zweiten. Auf einer 84 cm hohen Unterlage von Travortin erhebt sich die vierseitige
Pyramide in einer Höhe von j6,6 m (die grosse Pyramide von Gize in einer Höhe von ursprünglich
146,52 m); sie ist aus Backsteinen aufgeführt und mit starken Platten von altersschwarzem
carrarischen Marmor bekleidet; fertig geworden sein soll sie in nicht ganz einem Jahre, während
Herodot an der grossen Pyramide hunderttausend Menschen alles in allem dreissig Jahre arbeiten
lässL Die Spitze ward neuerdings restaurirt, nachdem sie der Blitz zerstört. Im Innern befindet
sich die gewölbte Grabkammer, 6 m lang, 4 m breit, 5 m hoch: ein fester Stuck überzieht
die Wände, an denen sich noch Spuren von Malereien zeigen: sie sind 1661 von Pietro
Santi Barloli, der so viele antike Monumente vervielfältigte, in Kupfer gestochen worden. Die
Septemviri
Epulones, ei-
nes Priester-
kollegiums,
dessen Haupt
funclion darin
bestand, bei
gewissen Fes-
ten den Göt-
tern, deren
Statuen man
in aller Form
zu Tusche,
setzte, eine
gute Mahlzeit,
«las Lectister-
nium, zuzube-
tmmerhin muthet uns solches
93
königliche Form der Pyramiden, welche ja auch in Aegypten n ' e c,ncn andern Zweck gehabt
haben, wurde von den Etruskern und den Römern nicht selten für Grabdenkmäler gewählt: dem
reichen Cestius, von dem man wissen will, dass er testamentarisch eine bedeutende Summe zu
einem Denkmal auswarf, gefiel sie wie dem Fürsten Pückler- Muskau; Gräber sind die Bergspitzen
einer fernen, unbekannten Welt F.s ist interessant zu beobachten, wie auch das Schicksal der
Copien und der Originale ein analoges gewesen ist.
Während man sich im Innern nicht besonders streng an die aegyptischen Vorbilder
gehalten hatte (die in der Regel massiv über unterirdischen Felskammcrn aufgehäuft, mit polirten
Granitplatten ausgelegt, aber am Kerne sorgfältiger und besser gebaut sind als an der Schale),
ahmte man sie äusserlich auf das Genaueste nach. Die Eingänge zu allen echten Pyramiden
befinden sich an der Nordseite, bei der grossen Pyramide auf 1 5 m senkrechter l lohe ; sie wurden
durch kolossale Blöcke verrammelt und durch die Bekleidung unkenntlich gemacht. So befand
sich auch der antike Eingang zur Cestiuspyramide an der Mitternachtsseite, er war mit einem
Marmorquader vollkommen verschlossen und so hoch, dass man ihn nur mit Leitern erreichen
konnte. Dank diesen Vorsichtsmassregeln Standern die aegyptischen und römischen Pyramiden
Jahrtausende lang, ohne dass jemand ins Innere derselben eingedrungen wäre; ihr Andenken ver-
dunkelte sich und verschmolz mit mythischen Namen und Begriffen, mit den Kornspeichern des
Joseph, mit der gefeierten Rhodopis, mit dem unglücklichen Remus. Aber die Hoffnung Schätze
zu finden trieb endlich doch dort die Araber, hier die Römer hinein; ja, wie in Aegypten der
Khalif Mamun mit Feuers Hülfe einen neuen Eingang in die grosse Pyramide brach, so der Papst
Alexander VH einen in die Pyramide des Cestius an der Abendseite. Damals wurde das merk-
würdige, tief verschüttete Denkmal bis zu seiner Basis ausgegraben , und aus dem Schutte das
davorstehende Säulenpaar, sowie ein kolossaler Fuss von Bronze, jedenfalls ein Fuss des Cestius
selbst, gegenwärtig auf dem Capitol im Conservatorcnpalast hervorgezogen. Auf dem kleinen,
von einem tiefen Graben umschlossenen Raum vor der Pyramide wurden seit Ende des vorigen
Jahrhunderts die zu Rom heimgegangenen Nichtkatholikcn begraben: hier ruhten und ruhen zum
Thcil noch der deutsche Maler Asmus Jakob Carstens, der englische Dichter John Keats und sein
Landsmann und College Percy Bysshe Shelley (-j- 1822). Die Asche des Letzteren wurde kurz
darauf von seinem Freunde, dem kürzlich verstorbenen Kapitän Trelawny herausgenommen und
auf einem anderen Platze seitwärts oben an der Mauer beigesetzt, worauf man, weil die starke
Anpflanzung von Cypressen dem Anblick der Pyramide Eintrag that, auch andere Akatholiken
hierher zu bringen anfing. Seit 1815 besteht demnach neben der Pyramide, aber von ihrem
Schatten immer noch gekühlt, ein neuer „Cimitero degli Acattolici", auf welchem der Deutsche
wenig grosse, dagegen recht viel unrafc und unglückliche junge Männer beweint.
Zur Charakteristik dieser malerischen Gegend der Stadt gehört noch ein mit einem Kreuz
bezeichneter, ebenso schöngeformter, wie räthsclhafter Haufen, der poetischen Gemüthern von
jeher die tiefsinnigsten Vergleiche und die geistreichsten Märchen eingegeben hat: der 35 m hohe,
umfangreiche Hügel, welcher, in der südwestlichsten Ecke Roms, in unmittelbarer Nähe des
Tiberflusses und der Stadtmauern gelegen, ganz aus Scherben antiker Thongefässc besteht. Er
heisst Möns Testaceus (Monte Tcstaccio), und dieser Name, der zum ersten Mal auf einer Inschrilt
des 8. Jahrhunderts erscheint, ist zweifelsohne von Testa, Topf oder Scherbe, abgeleitet: nach
einer volksmässigen Anschauung hat dieses ,Testa' später die Bedeutung von Hirnschale oder
Kopf angenommen, genau so wie unser eignes .KoptV welches eigentlich soviel wie Kelch
Ist Es gilt gegenwärtig für ausgemacht, dass dieser Scherbenberg bereits in der Mitte des
2. Jahrhunderts unserer Acra stand, und die Scherben von den vielen spanischen, afrikanischen,
griechischen Transportgefässen stammen, welche in dem grossen Entrepöt am Tiber (Emporiumi
in nächster Nähe ausgeladen wurden. Die thciLs heim Ausladen selbst, thcils in den I-agerhäusem
des Hmjxjriums massenhaft zerbrechenden Getässe würden zusammengeworfen und allmälig
zu einem Berge aufgehäuft, in welchem nun der Archäologe wühlt und eine Pinselinschrift
nach der anderen entdeckt. Dass in der Nähe grosser Städte aus den in den Wohnungen
gesammelten und von Rathswegen abgeholten Abfällen aller Art unaufhörlich kleine Berge gebildet
werden, ist bekannt: Paris stösst täglich Millionen Kubikmeter von sogenannten „Gadoues" oder
„Boucs de rues" aus, welche man am Ufer der Seine in langen Schichten von i m Höhe und 2 m
Breite aufhäuft, um sie später zur Düngung zu benutzen. Doch waltet zwischen diesen Kehricht-
haufen und dem Scherbenberge ein doppelter l "Mörschied ob: der letztere ist (wenigstens gegenwärtig)
nur aus Scherben zusammengesetzt, und er soll nur eine Ablagerung des benachbarten Emporiums,
Die Ktitcnpferte des Septimns Severus.
nicht der ganzen Stadt vorstellen. In der That sehe ich den Grund für diese Kinschränkung
nicht ein: der Monte Testaccio könnte wohl nachgerade die Abfälle des alten Rom überhaupt
enthalten haben und ein Pendant der in der Nähe, am „pulchrum littus" mündenden grossen
Kloake sein, in welch«: man vermuthlich Scherben ebensowenig werfen durfte als man es bei uns
in die Aschengrube darf. Dass aber gerade Scherben die Hauptrolle darin spielen , darf uns,
abgesehen von ihrer unvergleichlichen Dauerhaftigkeit (gebrannter Thon ist bekanntlich der
unvergänglichste aller Stoffe) deshalb nicht Wunder nehmen, weil es bis zu Plinius' Zeiten weder
in Griechenland noch in Rom hölzerne Fässer gab: erst nachher kamen, vielleicht unter deutschem
Kintluss , hölzerne, aus Dauben hergestellte und durch eiserne Reifen zusammengehaltene Kufen
(cupae) in Gebrauch, bis dahin hatte man ausschliesslich lederne oder irdene. In der Villa
Albani befindet sich ein Relief, welches den Diogenes in seiner Tonne zeigt, und es erstaunt
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vielleicht Mancher, statt der Tonne ein grosses rundes Thongefäss zu sehn. In Wahrheit bewohnte
aber auch der Cvniker keine Tonne, sondern eine Vase, nämlich ein Dolium, das ihm einst ein
junger LarTe aus Muthwillen zerschlagen konnte. Dolien standen in dem antiken Weinkeller wie
Fässer im modernen — wie eben in jenen Kellern, die gegenwärtig den ganz.cn Umfang des
Hügelseinnehmen und mit Weinschenken verbunden sind. Dieselben werden jetzt nicht mehr so
stark besucht wie früher, namentlich am Sonntage des Carneval, wenn sich noch die Römer von
den tributbringenden Völkern und von den Töpfen, die diesen Tribut enthielten, und von den
hier herumliegenden Scherben dieser Töpfe viel erzählen mochten.
Merkwürdig, für den Monte Testaccio gibt es in Aegypten eine schlagende Analogie,
wie für die Pyramide des Cestius. Erd-, Geröll- und namentlich Scherbenanhäufungen fehlen
nirgends, wo eine alte aegyptische Stadt gestanden: *. B. rinden sich sehr hohe bei Bubastis.
Die Araber nennen sie schlechthin Haufen (Köm).
V.
Der Monte Testaccio liegt am Austritt des Tiber aus der Stadt, mitten in der südlich
vom Aventin beginnenden Ebene, welche durch den westlich ausbiegenden Fluss gebildet wird.
Unser Weg führt uns aus besagter Ebene heraus, auf den Südfuss des Aventin zu und links
darum herum an den westlichen Abhang des hart am Wasser hinstreichenden Hügels, den Ufer-
saum entlang, der hier gleichsam von der Natur gespart wird; die Strasse heissl, weil da seit
alter Zeit der carrarische Marmor ausgeschifft wird, Via della Marmorata, weiter oben, wo der
Rand breiter und links wieder mit Häusern besetzt zu werden anfängt, nach den grossen Salz-
magazinen, unter denen sie hindurchgehl, Via della Salara. Letztere mündet in die weitläufige
Piazza di Bocca della Vcritä, welche einen Thal des alten Rindermarktes einnimmt: das Forum
Boarium, auf «lern das regste gewerbliche Treiben herrschte, dehnte sich links bis an den Tiber
aus und hing rechts mit der kleinen Fläche westlich vom Palatin zusammen, die Velabrum hiess;
sie wird durch die alte Kirche S. Giorgio in Velabro ziemlich genau bestimmt. Neben dieser
Kirche steht eine dem Septimius Severus von den Wechslern und Kaufleuten des Rindermarktes
204 n. Chr. errichtete Ehrenpforte (Arcus Argentariorum) ; ebenda, am Kreuzungspunkt zweier
Strassen hat sich auch ein Durchgangsbogen mit Hallen, wegen der vierfachen Stirnseite Janus
Quadrifrons genannt, erhalten. Wie eine Rumpelkammer ist dieser entlegene, unter dem Palatin
versteckte Winkel mit heiligen und profanen, überflüssigen und nützlichen Dingen vollgepfropft : bei
dem Janus Quadrifrons liegt eine Papiermühle, und an dieser Stelle steigt man unter Backsteinbogen
zur Cloaca Maxima hinab. Hier arbeitet die alte etniskische , auf Strebemaucm (anterides)
gestützte Riesin still und verborgen zum Wohl des Volks und trotzt den Jahrtausenden. Ein
paar hundert Meter weiter mündet sie in den Tiber, und wenn wir an der Piazza di Bocca della
Vcritä ein Boot nehmen, können wir ihr vom Fluss aus in den Schlund hineinsehn. Es ist das
jedenfalls empfehlenswerther als auf die benachbarte Brücke, den Ponte Rotto, zu treten und das
Pulchrum Littus* nur aus der Ferne zu betrachten.
Vielleicht aber auch, dass wir den ganzen Weg zu Wasser zurückgelegt und bereits an
der Paulskirche einen Kahn bestiegen haben: die Fahrt auf dem flavus Tiberis ist überaus
belohnend. Magie der Erinnerung! Zauber des dassischen Bodens! Er ergreift uns dort fast
mächtiger, als wenn wir ihn seilet betreten.
Sa*tt »ispcnsam hunr ispicc rujicml
Erkennst du die steilabstürzenden Felswände des Aventin, voll altheiligcr Stellen? Den
Altar des Evander, die Höhle des Cacus? Wo mag der unglückliche Remus gestanden haben,
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als er mit dem Bruder ausschaute nach den Geiern? Ob der Lorberwald noch über Titus
Tatius' Grabe rauscht? —
Ich grüsse dich, Diana vom Aventin, in nächtiger Ferne schwebst du mondhell vor mir
auf! — Dort oben, wo jetzt drei Klöster burgartig herabsehn, stand ihr mit den Hörnern der
fatalen Kuh '> besteckter Tempel , das lateinische Bundesheiligthum ; stand der Tempel der
Dea Bona und der Juno Regina, den Camillus nach der Eroberung von Vcji gründete. Juno war
die Schutzgöttin der mächtigen etruskischen Stadt gewesen, und im dortigen Junotempel hatte
Camillus Veji nach zehnjähriger Belagerung erobert, indem er durch einen unterirdischen Gang
eingedrungen und den V'ejentern mit der Darbringung des Opfers, an dem nach einer
Weissagung des Haruspex der Sieg hing, zuvorgekommen war. Kr hatte gleichsam die Juno
selbst erobert, die freiwillig dem kühnen Kntführer folgte; denn Rom fahndete nicht nur auf
fremde Städte, Rom fahndete auch auf Götter. Ja, die Liberias, die Göttin der Freiheit, hatte einen
Tempel auf dem Aventin, von einem Gracchus aufgebaut und von einem Gracchus mit Bildern aus-
geschmückt,
weil er im
zweiten Pu-
nischen Krie-
ge bei Bene-
vent (a 1 4 v.
Chr.) durch
Freiwillige
(volones)
Sieg gewon-
nen; denn die
Gracchen
wohnten hier
nebst vielen
andern gros-
sen plebeji-
schen Ge-
schlechtern ;
VcazalcmpeL
der Aventin
war gleich-
sam die Burg
der Freiheit
undderGrac-
chen.dievom
Senat mit
Sturm genom-
men werden
musste und
die in ihrer
. tragischen
Geschichte
oft genannt
wird Kein
Zweifel, dass
diese Remi-
niscenz es
war, die nachmals den Rienzi bestimmte, auch seinen Anhang auf diesem Berge zu versammeln.
O, alter, gelber Tiber, in dessen kaltes Bette die erschlagenen Gracchen geworfen wurden, was
hast du gesehn ! Von was für kühnen Schwimmern könntest du erzählen ! Ueber diese Flut , die
jetzt unser Nachen theilt, schwamm dereinst der einäugige Horaz (Horatius Codes), der Held der
altrömischen Legende, als die hölzerne Brücke hinter ihm abgebrochen war ; hier, wo ein armseliger
Ziegelbogen steht, erreichte er das heimatliche Ufer, trotz aller etruskischen Pfeile und Geschosse
— denselben Tiber durchschwamm, an der Spitze ihrer Jungfrauen, die muthige Cloelia, dem
Porsenna auf dem Janiculum entspringend — und abermals über diese Flut schwammen Caesar
und Cassius um die Wette, schlugen den brüllenden Strom
Mit w»circn Sehnen, »Anen iho bei Seit
Und hemmten ihn mit einer Brust des Trotz«
doch da haben wir die Kloake.
■J f5n Sabiner balle ein* prachtvolle Kuh. Die Seher verkündeten, wer lic der Iiiann von Aventin opferte, denen Rate wurde die
hcmclicnd* werden. deich rührt «Irr Hirt nein Rind rum Tempel der Diana «od schickt sich mm Opcer an, aber eiai laleiai*chcr Priester
unnerbfiuV Ihn: „Cnglm-kUchet, was wiDtl du tbwn! Der tkeiin opfern, ohne dich gereinigt ru haben T !>a onleu flieul der Tiber: laufe unH
wasche dach!" Der Arme liaat sich verblüffe» uod ueä£t »am Kluva hinab: al, er wieder Luinaat, hat der »araiav daa Opfer dargebracht.
ftiescr fromsae Betrug, fugt Uvbaa hlniu, fand altfcmdut» Heüall; er verhalf Rom rar llrgvnujiiie u'wr Laliwm.
'-<-
Begonnen unter Tar<|uinius Priscus, um die stagnirenden Wasser des Velabrum und der
benachbarten Niederungen aufzusaugen, respective Platz für Markt und Rennbahn zu gewinnen,
nachmals durch Agrippa zur höchsten Vollkommenheit gebracht i|. besteht dieses grossartige Werk,
wenn auch zu zwei Dritteln seiner Höhe verschlämmt, seit mehr als 1400 Jahren. Ein Netz
unterirdischer, im vollen Bogen überwölbter ,- geräumiger Kanäle, die sich, oben mit Oeffnungen
versehn, in die Tiefen zwischen den Hügeln senken und, zu immer grösseren Adern zusammen-
gefasst, endlich in einer Hauptröhre vereinigen: letztere ist es, die hier vor uns in die natürliche
Kloake des Tiberflusses mündet. Sie zeigt die älteste bekannte Anwendung des für die gesammte
römische Architcctur so wichtigen Bogenschnittes: drei concentrische Bogen l'arcus), aus enormen
Steinen ohne Mörtel gewölbt, umschliessen das finstere, in die Substructionen des antiken Quais
gestossene Mundloch; sothaner Quai hiess, wie schon bemerkt, die schöne Promenade (Pulcrum Littus).
Die Sehne de» innersten Bogens misst 4,014 m, seine Höhe ist unbekannt, doch variirt sie je nach
dem Wasserstande zwischen 3,96 und 4,27 m, so dass man mit einem Heuwagen bequem durch-
fahren könnte; die Blöcke haben eine Länge von 1,672, eine Höhe von 1,003 II! s ' e sm d jenem
schwarzen vulcanischen (iestein entnommen, welches die Basis des capitolinischen Hügels bildet
und das gewöhnliche Material für die Constnactionen der Königszeit gewesen ist In und bei
den Kloaken nisteten im Alterthum die Verbrecher und die Bettler so gut wie heutzutage.
In Paris gehört es zum guten Tone, einmal während der Saison in die Egouts hinabzu-
steigen und die Eingeweide der Stadt zu Fuss, per Schiff und mittels Eisenbahnen zu durchreisen ;
und so verlässt auch Rom kein Fremder, ohne sich gelegentlich diese durchstochenen Berge, diese
gewölbten Flussbetten anzusehn , die mit den Wasserleitungen und den Strassen laut von Rom's
Grösse und dem starken Wollen des Alterthumes reden ; die zwar nicht mehr, wie zu Theodorich's
Zeiten, unvergleichlich daslehn, im Gegentheil von dem ebenso genial coneipirten als solid aus-
geführten Kloakensystem Londons übertroffen werden, die indessen eine unvergleichliche Probe
bestanden und den modernen Grossstädten ein unvergleichliches Modell geliefert haben. Zugleich
aber enthält die Piazza di Bocca della Veritä noch einen andern Anziehungspunkt, namentlich
für die Damen, die es gleichsam als ihr eignes Heiligthum betrachten — ich meine nicht die
antike Brunnenmaske, von welcher der Platz den Namen hat, auch nicht die Tritonen, welche den
Brunnen in der Mitte des Platzes stützen, sondern das anmuthige runde Tempelchen, welches als
eine reizende Staffage hart am Ufer, gerade ül>er der Kloakenmündung steht und gewöhnlich
den Namen Vestatempel führt.
Ein seltsamer Zufall paart es mit einem zweiten antiken Tempel, dem Tempel des Glückes,
welches die Frauen in der Liebe bei den Männern haben, der mit den Gelübden keiner Vestalin
vereinbaren Fortuna Viriiis. Die Pudicitia Patricia, die Andere darin sehen, würde es besser
gewesen sein. Seit 880 verehrt man an dieser Stätte die Maria von Aegypten.
Aus der Kunstgeschichte ist der Ausdruck Pseudoperipteros bekannt: man versteht darunter
ein Gebäude, das scheinbar von einer Colonnade (Pteron) umgeben Ist, in Wirklichkeit aber nur
an seiner Vorhalle (Pronaos) freistehende Säulen hat, während in die Mauern der Cclla blosse
Halbsäulen eingelassen sind: es sieht so aus, als ob jene Mauern zu weit, bis an die Säulen-
stellung, die sie gleichsam ausfüllen, vorgeschoben seien, und in der That war der Zweck dieser
Anlage, mehr Platz für das Innere des Heiligthums zu gewinnen. Der Tempel der Fortuna Viriiis
ist ein jonischer, mit je fünf Halbsäulen geschmückter Pseudoperipteros gewesen; bei der Um-
wandlung desselben in eine Kirche hat man auch die vier, respective sechs Säulen der Vorhalle
») Indem fr nah einem Aufwand loa tlrcl Udlünen Mnrk nicht allein neue Kanäle bauen und die ahen reinigen lieas, «indem »tlth
sieben Havhr lii»durcht<i<rte, mit einem Gefalle, dut rfl den Anrath gleich Oercttromea out lieh fortrissen Vielleicht iit die kryilnilcne '„Kiclle
welch« KiiA Ina der Pnpienirehle in die Kloaie ergfcail, die «Mike Jaturnn, einer dieser Ulche: du Wasier, welches den Fremden mm Ttinlc«
aaf-ehuWn wird, jrt.l Ac|un di Sin Giorgio genannt, eilt n.xh heule fo eim der besten in Rom.
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mit Ziegelmauern ausgefüllt, so dass nun «las Gebäude, wenn ich mich so ausdrücken darf, ganz
zu ist Die runde Cclla des Vestatempels, die sammt der Mauer nur 10 m Durchmesser hat,
umgibt eine Colonnade von zwanzig korinthischen Säulen aus weissem Marmor; ehemals wölbte
sich wahrscheinlich über der Höhlung eine Kuppel, jetzt steht ein dürftiges, kegelförmiges
Holzdach drauf ; es gereicht der Ruine nicht zur Zierde, wirkt im Gegentheil geradezu antipathisch.
Die Gelehrten halten den Vestatempel, welcher als Kirche S. Stefano delle Carrozze und
beim Volke S. Maria del Sole heisst, für einen Tempel des Hercules: der Heros, welcher den Cacus
in seiner Höhle am Aventin erschlug und sich nach erkämpftem Siege seihst einen Altar, die Ära
Maxima, erbaute, besass allerdings in dieser Gegend mehrere Heiligthümer. Die populäre Bezeich-
nung ist zunächst durch die nmde Gestalt des Gebäudes veranlasst worden, denn der Tempel,
auf dessen I lerd das ewige Feuer unterhalten ward, war ebenfalls ein Rundbau; und der Umstand,
dass ihn l loraz in einer seiner Satiren als eine Station auf dem Wege vom Forum nach Trastevere
erwähnt, schien diese Ansicht zu bestätigen. Der Dichter wird auf der Via Sacra von einem
aufdringlichen Schwätzer angepackt; um ihn los zu werden, gibt er vor, Jemanden besuchen zu
wollen, der weitweg, bei den Gärten Caesars über dem Tiber wohne; aber jener lässt sich nicht
abschrecken und sie gelangen selbander „ad Aedem Vestae". Ich gebe nun freilich zu , dass die
beiden Spaziergänger in der Satire etwas lange dazu brauchen; nichtsdestoweniger steht fest,
dass der Vestatempel am Hauptmarkte lag, der durchaus nicht bis hier hinabgereicht hat — an der
nördlichen 'Ecke des Vierecks, welches der palatinische Hügel bildet, und an Stelle der Kirche
S. Maria Liberatrice. Verhüte Gott, dass sich der arme Horaz mit dem lästigen Gesellen noch
durch die „Tusci turba inpia vici" bis aufs Vclabrum und das ganze Forum Boarium habe
hinunterschleppen müssen. Wie? Vielleicht hätte er's doch gethan? So wollen wir einmal ver-
suchen, ob wir ihm begegnen. Kein, es ist nichts von ihm zu sehen, auch beim richtigen Vesta-
tempel nicht: er hat sich längst aus dem Staub gemacht Aber dafür sind wir von Ungefähr
wieder auf dem Forum und freuen uns nach unserer Irrfahrt in den südlichen Regionen das
alte l>ekannte Pflaster zu betreten. Sic nos servavit Apollo.
Sogtttumler Tonpel da Kwrtani Virilis.
99
Die nordöstliche Hochebene
mit ihren Ausläufarn: Möns Esqulllnus, Collis Viminalis und Collis Quirinalis.
L
an hat Messina mit einer Sichel, Amalfi mit einem Hammer verglichen: die sieben
Hügel, auf denen Rom erbaut ist, lassen sich ungefähr nach dem Schema eines
$fcteÄk*yf Ankers ordnen, den man von Nordwesten nach Südosten wagerecht über die Stadt
gelegt denkt Wenn das Ankerkreuz am capitolinischen Hügel befestigt wird, so
J füllt der eiserne Stiel die tiefe Rinne aas welche, durch den Buckel der Velia unter-
brochen, vom Capitol bis zum Colosseum läuft, liier, vom unteren Ende des Ankerschafts,
liehen in entgegengesetzter Richtung zwei gekrümmte Arme aus: der eine nach unten in
südwestlicher, der andere nach oben in nordwestlicher Richtung, jener den Caclius, den
Avt-ntin und mit der äussersten eingebogenen Spitze der Ankerflüe den Palatin, dieser
die übrigen drei Hügel, den Esquilin, den Viminal und den langgezogenen Quirinal
liiührend. Indessen zwischen beiden Armen besteht ein Unterschied: der südliche ist
durch Thäler in d/ei Stücke zerschnitten, der nördliche massiv: er bildet einen einzigen, tort-
laufenden Rücken, eine Hochebene, welche die genannten Berge wie Zungen nach Westen und
Süden ausstreckt: alle diese Zungen convergiren in der Tiefe, welche, in alter Zeit einer der
lebhaftesten Thcilc Roms, Subura, die Gegend unten am Berge (fnufit;) hiess. Man kann auch
den Esquilin als die gemeinsame Basis ansehn und den Quirinal und den Viminal als Ausläufer
des Esquilin betrachten. Der Weg, den wir vorhin zurückgelegt haben, entsprach dem südlichen
Ankerarm: wir werden jetzt die entgegengesetzte Curve beschreiben, vom Thale des Colosscums
aus den Esquilin erklimmen und dem nördlichen Arme folgen bis dahin, wo er in der Tiefe der
Piazza Barberini, dem Pincius gegenüber abbricht.
Der eigentliche Esquilin, der gleichsam zwischen zwei Amphitheatern, dem Colosseum im
Westen und dem Amphilheatrum Castrense im Osten liegt, hat, von kleineren NiveauditTerenzen
abgesehen, zwei Hauptspitzen, die in der Gegenwart von zwei Hauptkirchen bezeichnet werden:
die Carinae mit der Kirche San Pietro in Vincoli im Südwesten und die Höhe von $anta Maria
Maggiore im Norden. Ausser ihnen sind uns noch verschiedene Gipfel des Esquilin, der Cispische,
der Oppischc, und der Septimische dem Namen nach bekannt, doch hat sie die alles nivellirende
Zeit längst von seiner Bildnache getilgt Der Umfang des Plateaus beträgt 4 km, seine grösste
Erhebimg 75 m; an der Subura hat der Esquilin fast gleiches Niveau mit dem Viminal (54 m)
und dem Quirinal (52 ml. Seit 1870 beginnt er wieder bebaut zu werden, das ganze Terrain ist
in der Umgestaltung begriffen, ein neues Esquilinisches Viertel im EnLstehen.
Diese Gegend der Stadt betritt der Reisende zuerst, da der Bahnhof auf dem Viminal
liegt : die stolze Basilica von Santa Maria Maggiore und die ungeheuren Thermen Dioclctian's
sind die ersten Eindrücke, die er von der ewigen Stadt empfängt. Ein seltsamer Zufall, oder
vielmehr kein Zufall, sondern eine innere Nothwendigkeit hat das moderne Ve
100
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denselben Stelle entstehen lassen , wo der sechste römische König einen Wall aufführte , damit
Niemand hinein könnte in Rom : der Wall wurde thalsächlich eingerissen, um den Bahnhof hinein-
zulegen, und seine Ruinen contrastiren sonderbar mit den hier mündenden Schienenwegen und den
Ankunfts- und AbfahrLshallen, die ältesten Rauten mit den jüngsten. Wir haben bereits Gelegenheit
gehabt, von der Mauer des Servius Tullius zu sprechen. Dieser König, der selbst auf dem
Esquilin wohnte, umgab das ganze, durch Hinzufügung der nordöstlichen Hochebene vergrösserte,
städtische Gebiet mit einer Befestigung. Eben der Nordosten war die schwächste, feindlichen
Angriffen am meisten ausgesetzte Stelle: ejuer über das breite Plateau, welches der Ksquilin,
Viminal und Quirinal zusammen bildeten, wurde daher als Bollwerk der dahinter liegenden Stadt
ein starker Erdwall, der Agger Servii Tullii, aufgeschüttet. Er war ungefähr 16,25 m breit ""d
19,5 m hoch, und mit Thürmen und einer Brustwehr zur Deckung der auf ihm stehenden Ver-
teidiger versehn: vor dem Walle ein 32 m breiter, 9,75 m tiefer Graben. An der Porta
Esquilina en-
dete der Wall
im Süden; von
hier lief die
Befestigung
als bethürmte
Mauer (Mu-
rus) um den
Caelius und
den Aventin
herum , auf
den Hügelab-
hängen hin bis
an da Tiber
(Porta Trige-
mina). Von
der Porta Tri-
gemina ah bis
zur Porta Flu-
mentana un-
terhalb der
Südwestspitzc
des Capitols
gab es, wie
es scheint,
keine Mauer,
weilderStrom
hinlängliche
Sicherheit ge-
währte. An
der Porta Flu-
mentana fing
die Befcsti-
gungslinie
wieder an
und zog sich,
die Fläche
des Marsfel-
des aus-
schliessend,
an den Ab-
hängen des
Capitols und des Ouirinals hin, bis sin das nördliche Ende des Walls bei der Porta Collina
wieder erreichte. Beide, Wall und Mauer, pflegen unter dem Begriffe des Servischen Mauer-
kreise* im weiteren Sinne (Munis Servii Tullii) zusammengefasst zu werden. Die Zahl der Thore,
welche ihn durchbrachen, ist ungewiss und die Lage mehrerer zweifelhaft. Plinius giebt aller-
dings ihre Zahl auf siebenunddreissig an; gewiss aber hat er dabei viele jüngere, secundäre
Pförtchen mitgezählt, die der Communication zwischen dem inneren Bezirk und den Vorstädten
dienen sollten, da die Mauern Servius Tullius* von dem ausgewachsenen Rom längst gesprengt
worden waren. Der Bogen des Galiienus, den wir gleich näher betrachten werden, bezeichnet
die Stelle der Porta Fsijuilina am Südendc des Walls, wo die Via Praenestina und die Via Labi-
cana ihren Anfang nahmen; er ersetzte sie wahrscheinlich. Bis zu ihm liess «ich noch vor kurzem
die durch eine starke Erdböschung gestützte Mauer des Walls und der breite Graben davor
verfolgen ; jetzt steht nur noch auf Piazza Manfredo Fanti, mitten in dem neuen, von italienischen
Namen widerhallenden Ouartier ein Rest des Walles, ein anderer beim sogenannten Auditorium
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des Maecenas an der Via Merulana. Das bedeutendste und Unterhaltene Stück des Servius-
walles aber ist durch Abtragung des .klonte della Giustizia" an der Nordostseite der Hahnhofs-
gebäude blossgelegt worden: das Hauptzollamt (Dogana Centrale) liegt gerade mitten drin. Rom
halte damals die Grösse Athens: zehn Kilometer im Umkreis.
Die Servische Mauer war gleich einem künstlichen Kamme <|ucr über den Esquilin
gelaufen: die Aurelianische umschloss ihn gleich einer Schnur, die in seine Flanken einschnitt.
Die Stadt, die wie ein Hühnchen aus dem Ei geschlüpft war und nur die alte Schale noch mit
sich herumtrug, wurde von Auguxtus in vierzehn (Quartiere, sogenannte Regionen eingetheilt , die
wieder vermöge einer Unterabtheilung, analog den Sacellen des Servius Tullius, in einzelne
Gründe (vici) zerfielen; von denen kamen ganz oder theilweise vier auf die drei nordöstlichen
Hügel, nämlich Nummer 3" (Isis et Sera] >Ls. die Carinae), 5 (Es<|uiliae), 6" (Alta Semita, d. i. I loher
Weg. Quirinal, Viminal und ein Stück des Hindus) und 7° (Via Lata, d. i. Breite Strasse, der
westliche Ab-
hang desOui-
rinal mit dem
anstossenden
Theil iles
Marsfeldes).
Das Glacis
viruandelte
Maecenas ge-
nau so, wie
es bei uns
zu geschehen
pflegt, in eine
Promenade.
Als nun in
den Zeiten
des Verfalls
wo die Stadt
aufhörte Re-
sidenz zu sein
und die In-
M.-Hirr ttr* Set-Tip, Tullittv
vasiou dir
Harba/en
drohte, Kai-
ser Aurelian
daran dachte,
Rom aber-
mals mit ei-
ner Mauer zu
versehen, die
Probus 176
vollendete
und Horton w
zu Anfang
des 5. Jahr-
hunderts wie-
derherstellte:
so musste
diese Mauer,
um die neuen
Stadttheile
mit izu um-
spannen, wie ein Gummiband ausgedehnt und in die Länge gezogen werden. Dabei führte man
ihre Linie auf dieser Seite durch mehrere hervorragende Punkte, an denen man sich ihren Lauf
am besten merken kann. Das grosse verschanzte 1-ager an der Nordostecke der Stadt, wo die
kaiserlichen Gardetruppen (milites praetoriani) kasernirt waren, von Tibcrius in der kunstvollen
Form der römischen Castra aufgeführt, wurde der Aurelianischen Mauer, aus der es viereckig
vorspringt, einverleibt: es ist der in neuerer Zeit vielgenannte Campo di Maccao, auf dem der
König am Verfassungsfest die grosse Parade abhält. Der Name erinnert an eine chinesische Insel
und rührt wirklich von derselben her; das Lager der Praetorianer befindet sich nämlich in einer
grossen Vigna, die zu dem Noviziatc der Jesuiten gehörte und der Mission in China zu Ehren
„il Maccao" getauft ward. Die Schüler der Propaganda kamen wöchentlich einmal zur Erholung
in den „Villino de' Gesuiti". Ein grosses Amphitheater weiter im Süden, das backsteineme,
52 m in der grossen Axe haltende Amphitheatrum Castrcnse ging ebenfalls als ein einfaches
Glied in die mächtige Kette ein. Endlich wurde zwischen diesen zwei ausschlaggel)cnden Punkten
102
ein ehrwürdiges Monument, welches Claudius für seine beiden Wasserleitungen, die Claudia und
den Anio Novus errichtet hatte, von Aurelian zu einem Thore der neuen Stadtmauer benutzt,
und dieses Thor, Porta Pracncstina genannt, nur wenig unterhalb der Porta Tiburtina, ist
die gegenwärtige Porta Maggiore, will sagen das Grosse Thor, zu dem man hinausgeht, wenn
man von Rom nach Palestrina will
Die Aqua Claudia und der Anio Novus, beide von Caligula 36 n. Chr. begonnen und
von Claudius im Jahr 50 vollendet, sind, was Schönheit des Baues und stilvolle Ausfuhrung
anbelangt, die vornehmsten Aquaeducte der wasserreichen Stadt- Jedermann kennt die Moch-
• luellon Wasserleitung Wiens, die auch nach ihrem Schöpfer Kaiser-Franz-Josephs-Hochi|uellleitung
heust; sie führt der Capitale in einem neunzig Kilometer langen gemauerten Kanal reines und
frisches Quellwasser aus dem Gebiete des Wiener Schneebergs, des Ostcaps der Alpen zu, bald
durch Stollen, bald über mächtige, oberirdische Brücken taufend. Was dieses grossartige Werk
für die österreichische, das war die zwiefache Wasserleitung des Claudius für die alte Kaiserstadt.
Die Aqua Claudia, nach derMarcia die vorzüglichste, begann bei dem 45. Meilenstein der nach Subiaco
führenden Via Sublacensus: sie durchlief im Ganzen achtzig Kilometer, auf Bogen sechzehn Kilo-
meter. Der Anio Novus begann beim 6i. Meilenstein an derselben Strasse ; seine I-änge betrug
hundert Kilometer, die Höhe seinef- Bogen bis zu dreissig Metern. Beide Leitungen wurden also
von den Quellen des Anio gespeist, der in den Simbriviner Bergen, am Rande der marsischen
Hochebene entspringt — die Alten rühmten die Klarheit, Lieblichkeit und Frische seines Wassers ;
beide stellten gewissermassen einen cingefangenen und gezähmten Anio dar, ja gaben ihm, der bis
zu seiner Mündung in den Tiber hundertundzwanzig Kilometer braucht, an I-änge wenig nach. Warum
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ihn wohl die Römer an seinem Quell aufsuchten? Warum sie so tief in's Gebirge und so weit
hinaus über Tivoli gingen , wo der Fluss bedeutende Fälle bildet ? Ah, offenbar, weil sie reines
und köstliches Bergwasser trinken wollten, das noch nicht durch die Erden und den Schwefel der
Ebene getrübt war — von Tivoli ging in der That eine alte Wasserleitung, der von Marcus
Curius üentatus gestiftete Anio Vetus, aus; damals, im Jahre 273 v. Chr., konnte man sich so gutes
Wasser noch nicht bezähmen, es wäre zu kostspielig gewesen ; den Luxus gestattete sich erst der
Kaiser Claudius. Genau so Hessen sich die Wiener, ehe ihnen der Kaiser Franz Joseph und der
Graf Hoyos - Sprinzenstein die drei Schneeberger Quellen schenkten , an der Kaiser - Ferdinands-
Wasserleitung genügen. Auf der Fahrt nach Tivoli und nach Subiaco, in das so classische. wie
romantische Thal des Anio, hat man die riesenhaften Reste der Kaiser-ClaudiusHochquellleitung
beständig wie Wegweiser zur Seite.
Nun beide Leitungen, die Aqua Claudia und der Anio Novus, vereinigten sich, in zwei
Kanälen übereinander auf denselben Bogen lliessend ; und die Porta Maggiorc war ursprünglich
nichts weiter als ein 14m hohes Bogenpaar, eingerahmt von drei niedrigeren, gegiebelten Bogen
in Travcrtin und deshalb besonders hervorgehoben, weil es* zwei grosse Strassen, die Via Labicana
und die Via Praenestina, überbrückte; Labici und Praeneste, da* heutige Palestrina, waren zwei
alte, am Abfalle des Gebirges gelegene Städte Latiums. Drei Inschriften am Gesims, welche;
Claudius als Stifter, Vespasian und Titus als Wiederhersteller des Aquacductes nennen, beweisen
das; die oberste lautet wörtlich:
TKXAVMWDRVSI F^\IS^R AVGVS'nsvr.ER>L\NICV^PC)\T^ MAXIM
TRIBVNICIA -TO TKSTATK XII COS VIMPKRA Ii IRXXV1I IKK VA TRI AK-
AQVAM I.AVWAM FXFOOTIBVS QVI
1TKM ANIKNEM-NOVVM'A'MII.LIARKH.XII-SVA-IMI'ENSA-INA'RBKM-I'KRI A'CKNDAS'CVRAVIT.
Von hier wurde die Aqua Claudia nachmals durch Nero beim Tempel der Spes Vetus abgeleitet
und über die bereits erwähnten herrlichen Bogen auf den Caclius in den Tempel des Claudius
geführt, allwo sie sich in die Reservoirs (Castella) der Marcia und Julia ergoss. Ein ganz ähn-
liches, der Vereinigung dreier Aquaeducte, der Aqua Julia, Tepula und Marcia, gewidmetes
Monument steht vor der benachbarten Porta Tiburtina; doch Ist das unsrige das imposantere.
Als Aurelian seine Mauern zog und das feste Gebäude zu einem Thore benutzen wollte, eignete
es sich um so besser, als es durchweg Bäuerisches Werk (Opus Kusticum), und nicht nur die
Mauern, sondern auch die Säulen, welche das Gebälk der kleineren Bogen trugen, quadersteinartig
und rauh bekleidet waren ; eben diese Mauerbekleidung aber, welche einen gewissen schwerfälligen,
massiven Charakter hat, wird ja auch bei uns für die l'ntcrstocke von Stadtthoren gern gewählt.
Honorius setzte später auf der Ausscnseitc, die unterbrochene Stadtmauer ergänzend, zwei neue
Thore an, deren Zinnen klein und schmarotzerhaft durch die Wölbungen des riesenhaften Baues
hereinschauen. Im Mittelalter ward er von den Colonna zum Kern einer Burg gemacht und zu
diesem Zwecke wieder hinter dem I lonorius'schen Thore ein babylonischer Thurmbau aufgeführt :
den Colonna, deren wichtigste Besitzung die Stadt Palestrina war, musste das Palcstrineser Thor
am besten passen. Von allen Monumenten Roms hat dieses eine kriegerische Bestimmung am
längsten beibehalten. Erst 183 8, unter Gregor XVI (der den nördlichen Durchgang der Accise
wegen wieder vermauern Hess), wurde das edle Gebäude des Claudius wenigstens von jenen
barbarischen Vorwerken entlastet, und bei dieser Gelegenheit im Kerne eines Thurmes das Grabmal
des Bäckers Breitschild (Kurysaces) aus der letzten Zeit der Republik entdeckt : es besitzt die
Gestalt eines Backofens, auf dem Getreidesäcke liegen; am Friese hat der unsterbliche Philister,
zugleich Bäcker und Müller, den ganzen Apparat seines ehrsamen Dopiiclhandwcrks, das bereits
damals einen goldnen Boden gehabt zu haben scheint, in Relief abbilden lassen — Backöfen
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und Mühlen, Teigrollen und Mehlsiebe, Brodwagen und Eichscheffel. Von Plinius wissen wir, dass es
erst seit dem Jahre 185 v. Chr. professionsmässige Bäcker (Pistares) in Rom gab; bis dahin war
das Kommahlen und das Brotbacken als eine häusliche Operation hetrachtet worden, die jeder
selbst verrichtete, genau so wie sich jede Familie selbst ihre Suppe kocht. Nach dem macedo-
nisehen Kriege bildete sich zwar eine selbständige Bäckerinnung, doch schloss sie wiederum
embryonisch ein anderes Handwerk in sich, das sich seinerseits erst viel später emaneipiren sollte :
die Müllerei. Jeder Bäcker mahlte sich das Getreide, das er brauchte, selbst, genauer, stampfte:
es sich selbst, denn das Korn in einem Mörser zu stampfen war die älteste Methode der Mohl-
bereitung; Mahlmühlen und Mühlsteine, durch Sclaven, Vieh, Wasser, Wind getrieben, sind abermals
von jüngerem Datum : das Wort Pistor, so viel wie Bäcker, bedeutet eigentlich einen Stampfer und
erst im Anschluss daran einen Müller und, weil damit verbunden, einen Bäcker. Unser Eurysaces,
ein Grieche, buk vielleicht den Marius und den Cicero das berühmte Athener Weissbrod, wie
Ade oder Meyer den heutigen Kömern Wiener Brod bäckt: in Gedanken sehen wir aus seinen
Oelen. mit seiner Schutzmarke versehen, tausend runde in Sectoren eingetheilte Maden, die Olx-r-
kruste mit Mohn, die Unterkruste mit gehackter Petersilie bestreut, hervorgehen.
11.
Nachdem wir unser Gebiet im Vorigen mit 1 lülfe der zwei Mauerlinien umrissen haben,
wenden wir uns gegenwärtig zur Betrachtung der innerhalb dessellwn versteckten Reste des Alter-
thums. Wir beginnen dabei mit den Titusthermen , deren mächtige Trümmer auf den Carinen,
einige hundert Schritt vom Colosseum, im linken Schultergelcnk des Ankers belogen sind.
Ebensoviel wie Noro's Goldenes Haus verschlungen , gab es wieder von sich: es glich
einer Riesenamme, die, unfähig, sich selber geschlechtlich iörtzupllanzen . «wischen zwei ähnliche
Generationen trat. I )enn der Stadt Rom ging es wie einem Kinde, das vom tyrannischen Vater
zu hart geschlagen worden ist und nun von einer zärtlichen Mutter zur Entschädigung mit Lieb-
kosungen überhäuft und mit Süssigkeiton gestopft wird ; statt des Spielzeugs, das man ihm weg-
genommen hat. bekommt es ein anderes und es steht sich schliesslich in Folge seines Verlustes
besser als zuvor. An Stelle des grossen Teichs erhob sich das Colasseum, an Stelle des Pavillons
(den Titus ursprünglich selbst bewohnte) erhob sich ein glänzendes alle damals vorhandenen an
Geräumigkeit und Comfort übertreffendes Badehaus. Das sind die Thermae Titianae. hinter die
später, ebenfalls auf dem Esquilin, die kleineren des Trajan zu liegen kamen; eine Pest hatte
vielleicht Titus' Aufmerksamkeit auf die öffentliche Gesundheitspflege gelenkt und ihn veranlasst, die
Schuld Nero's nicht blos durch ein luxuriöses Amphitheater, sondern auch durch eine gemeinnützige
Anlage zu sühnen.
Wahrscheinlich wollte er, dessen Menschenfreundlichkeit durch so viele grosse nationale
Unglücksfälle auf die Probe gestellt ward, zugleich den Schaden wieder einigermaassen gut machen,
den ein elementarer Nero in der Stadt angerichtet hatte, nämlich eine schreckliche, drei Tage und
drei Nächte wüthende Feuersbrunst
Die: Tilusthennen samt den dazu gehörigen sieben Reservoirs (Sette Sale) sind weniger
an sich als vielmehr durch die Kunstwerke, die sie enthielten, berühmt geworden : sie waren eine
reiche Schatzkammer des Alterthums. Als man sie zu Rafaels Zeit auf der Suche nach Statuen
entdeckte, waren es vornehmlich die an den Gewölben befindlichen Aralveskon und Stuccaturen,
welche mit ihrer reizenden Phantastik, ihrer anmuthigen Bizarrerie die allgemeine Bewunderung
erregten, nachdem sie ihrerzeit von Vitruv und Plinius hart getadelt worden: diese Deco-
rationen, aas wunderlich verschlungenem Laub- und Thierwerk zusammengesetzt, machton damals
IT
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mehr Aufsehen, als .sie heutzutage machen würden, weil man Herculanum und Pompeji noch nicht
konnte, und sollen neben denen des C'olosscums Giovanni da Udine und dem grossen Maler selbst
die Vorbilder für die Loggien im Vatican geliefert haben. Bekanntlich war die ganze antike
Malerei wesendich eine solche Ornamentalmalerei, nämlich einerseits Wandmalerei al Fresco oder
in enkaustischer Manier, andererseits Vasenmalerei. Unter den grösseren, auf gelbem und rolhem
Grunde ausgeführten Scenen glaubte man eine heute noch beliebte zu erkennen : den Coriolan, den seine
Mutter zum Rückzüge bewegt. Man nannte diese unterirdischen Zimmer und Gänge Keller oder
Grotten (grotte = cryptac) und danach elegante und phantastische Verzierungen im Stil der Titus,
thermen überhaupt Grotesken (it. grottesche, fr. grote.v|ues), woraus unser Ausdruck «Grotesk» für
eine Gattung des Närrisch-Seltsamen, des Niedrig-Komischen hervorgegangen ist.
Pie RcMrroirc 'ler Ticuitbcnoea, genannt „Le Settc Sole".
In dem langen, durch sechzehn Fenster mit Oberlicht versehenen Corridor, welcher den
nördlichen Abschluss der Anlage gegen die Gärten hin bildete, bemerkt man nicht weit vom
Eingang rechts unten an der Wand zwei aufgerichtete Schlangen (duos anguesj mit einem Altar in der
Mitte. Dies ist keine Groteske, sondern eine zarte Erinnerung an den .Genius loci," der diese
Räume überwacht, dem Kreuz zu vergleichen, welches man im modernen Italien oft an die Mauer
malt. Ks deutet symbolisch an, dass hier in den Thermen des Titus „Verunreinigung verboten"
ist Wem diese Symbolik zu fein sein sollte, für den steht explicite, mit göttlicher Grobheil
die antike Verwünschung da:
1 IV< N >K< IM l)K< >S KT I »KANAM KT J< >VKM OlTVM V M.
M.VXVMVMIkA TOS HAHKATQVISQX IS1MO
MINXKR1 I AV1 < Ai: \RIT.
106
Bei den sieben Reservoirs, wohl nur zufallig nicht in den Bädern selbst (in dem Saale
des „Coriolan") wurde im Januar 1506, von einem gewissen Feiice de Frcddi, im Beisein
zweier grosser lebenden Küasder das Wunder der Kunst fil Portento dell'.arte) ans Licht hervor-
gezogen — die Laokoongruppe,
Versetzen wir uns einen Augenblick in jene empfangliche, für Alterthum und Kunst glühende
Zeit, wo die Morgenröthe eines herrlichen Jahrhunderts aufging. Kaum war der genannte Schatz-
gräber in
seiner Vigna
auf das be-
wunderungs-
würdige
Denkmal der
griechischen
Kunst gc-
stossen , so
hatte er auch
die Ahnung,
dass es ihm
geglückt sei,
einen wirk-
lichen Schatz
zu heben. Kr
schickte Bo-
ten in den
Vatican, es
dem Papst zu
melden. Der
ehrgeizige
Julius sah auf
von der Po-
litik; er liebte
die schönen
Künste und
Wissenschaf-
ten: sie sind,
pflegte er zu
sagen, Silber
für das Volk,
fcjgc* lies. GalJkfliu.
Gold für den
Adel und für
einen Fürsten
Demantstein.
Der Baumei-
ster Giuliano
da San Gallo,
gerade wie-
der in Rom,
ward abge-
ordnet ; die-
ser nahm Mi-
chel Angelo
mit, und beide
Künstler be-
fallen sich
an Ort und
Stelle. Sie
stiegen zu
den Ausgra-
bungen hinab
— „das ist
Laocoon, von
dem Plinius
redet !" rief
der gelehrte
Architect; in
der That
preist Plinius
die Grup|)e
alsdiebcdcu-
denste Lei-
stung aller Zeiten; derselbe Plinius erwähnt, dass sie den Palast des Titus schmückte. — „Ein
Wunderwerk, ein ewiges Wunderwerk !" wiederholte Michel Angelo begeistert, „aber Plinius schreibt,
die Gruppe sei aus einem einzigen Marmorblock verfertigt, und hier bemerke ich eine Fuge". —
„Und der rechte Arm des Vaters fehlt," erwiderte Giuliano, „er muss sich ausstrecken, um die
Schlange abzuhalten: Simul manibus tendit divellere nodos, heisst es bei Virgil." — „Wer darf
es jemals wagen, dergleichen zu ergänzen?" bemerkte der grosse Künstler, der sich vielleicht in
diesem Momente?, beim Anblick des schmcrzcrtullten Vaters, daran erinnern mochte, wie er selbst
in einer Jugendarbeit den erhabenen Schmerz einer Mutter darzustellen versucht hatte.
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Abo feierte die Laokoongruppe ihre „Renaissance". Freddi trat sie dem Heiligen Vater
ab und erhielt dafür mm Lohne die Hälfte der Accisen an der Porta San Giovanni iintroilum et
portionem gabdlac portae Sancti Joannis Latcrancnsis): er wurde also Thorschreiber; Imo X übertrug
ihm statt dessen durch ein Breve vom November 1517 das Officium scriptoriac ai<ostolicae_
Wie ein grosser Entdecker wurde er in der Basilica von S. Maria in Araceli auf dem Capitol
nehrn dem Reisenden Pictro della Valle und dem Bcschreiber Roms Flavio Biondo di Forli l>eigesetzt.
Hl.
Die sich an den Vignen des Ks<|uilin hinwindende Via delle Settc Sale mündet in die
öde \ r ia di S. Pietro in Vincoli, und durch sie gelangen wir in die Gegend der Stadt, welche
im Mittelalter von einem Palaste der Cornelius Morula (Domus Merulana) den Namen La Merulana
führte. Via Merulana heisst die grosse, einen Kilometer lange Strasse von S. Maria Maggiore bis
zum Lateran. An derselben halbwegs ist 1874 ein antiker Hörsaal (Auditorium) ausgegraben
worden , wo die Celebritäten der Zeit Vorträge gehalten haben . ungefähr von der Form eines
anatomischen Theaters. Da das Gebäude zu den fast den ganzen Fsrjuilin bedeckenden Gärten
des Maecenas gehurt haben soll, so konnte es auch ein theatralischer Abschluss einer grossen Mittel-
perspective gewesen sein. In diesen Gärten wurde im Jahre 1006 beim Bogen des Gallienus die
Aldobrandinische Hochzeit aufgefunden; in denselben hat man die schönen Odysseelandschaflen
entdeckt, welche mit jenem grossen Gemälde in dem Gabinetto delle Pitturc antiebe der Vatica-
nischen Bibliothek untergebracht sind, l'nter ihnen befindet sich eine, deren Sujet dem eilften
Buche entnommen ist — man sieht in den Fingang der Unterwelt, ein natürliches Felsenthor,
am westlichen Fnde des Weltstromes hinein: hier, vor den kraftlosen Schatten steht Odysseus
(OJtVK)C), den Tiresias (/ TJEII'ECIM?) über den Modus seiner Heimkehr zu befragen; Perimedes
und Furylochos haben ein schwarzes Schaf geopfert; oben am Felsenhang sitzt trauernd der
eben verschiedene, schneller als Odysseus mit seinem Schiff angelangte Flpenor (K.tMtSur). Die
Kimmerier lagern, begraben in Finstcrniss, umher, weisser Asphodclus schiesst auf, es riecht nach
dem moderigen Hades, feucht und dumpf. Wie sonderbar! Ehe Maecenas unsern Hügel in den
prachtvollen Park verwandelte, dessen Pavillons diese Gemälde schmücken mochten, war der
Es<|uilin ein solcher Hades — das felsige Plateau durchsetzten Massimgruben , die sogenannten
Puticuli, in welche, wie dies noch heutzutage in Neapel geschieht, die Sclavein die Armen und
die kleinen Leute, die kein eigenes Grab erschwingen konnten, zu Haufen geworfen wurden:
Hoc miscrac ptetn stabat commune scpulcrum (Hör. Su. I, S\
Horaz, der oft hier eingesprochen hallen mag, hatte auf dem Esijuilin noch einen andern Freund,
L. Aelius I«amia, in dessen Gärten ebenfalls 1874 die Venus vom Fsquilin gefunden ward.
Von der Via Merulana zweigt links die Via di S. Vito ab und diese führt unter dem bereits
erwähnten Gallienusbogcn durch, welcher, neben der gleichnamigen Kirche eingeklemmt, im Volks-
munde Arco di San Vito heisst. Zwischen ihm und der Kirche S. Maria Maggiore lag die Markt-
halle der Livia (Macellum Livianum).
Der Kaiser Gallienus war alles — Redner, Dichter, Gartenkünstler, Gastrosoph, ein Liebhaber
des Neuplatonismus — als Plotinos vorschlug, in Campanien einen platonischen Musterstaat, eine
Platono]H>lis zu gründen, ging er mit Begeisterung darauf ein - er hatte eine bedeutende Frau,
Cornelia Salonina, zur Gemahlin, die im Jahre 368 Augenzeugin seines Falls in Mailand wurde —
nur war er kein Fürst : seine ästhetischen Neigungen stimmten wenig für jene wilde Zeit. Wenn
daher ein einfacher Privatmann, M. Aurelius Victor, vielleicht ein Vorfahr des Historikers, auf die
Idee kam
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'lllth fllt\ i.'iji, Htfuiov Ti$atttlau.
Siehe, da kam der Schatten Tiresias de« 'lliehanen,
In der Hand ein Scepter, und wie er mich kannte,
Ihm
so rief er:
„Ji'JffK, ^xaepllutfq, .10/1 /if^in 1 ' Vy.JiacM .
t»?t»' biV, ij «Ji'Orrrr, imür y«o s - ./.mwi
f{lv&K, IJr; «<d tri»ß.r»rr
„Kdler Si ihn des l.aertes, erfindungsreicher Odysseus,
Mann de» Jammers, was trieb dirh, da» lirht der
Sonne iu lassen
Und hinab «1 der Todtcn trübseligem Hause tu
steinen ?
n'/i' «.-r<ir«J>» (li&(fot; Smtfxt ii <f< oyumv
Akt weiche iiiruck und stecke das blitzende
m,
Schwert ein,
alfttttot i\<fQu .-»im xni 101 n«i(iiii »In»."
Dass ich vom Blute koste und dir die Wahrheit
verkünde."
Odruee XI, 90 «.
Odysscus in der Unterwelt, Wandgemälde vom Esquilin.
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GAUJENCKXEMKNTlSSIMO-nUNCiro
CVIVS INVICTA MRTVS-
SOLAPIETATESVI'ERATA EST-
nebst der schönen und heldenmüthigcn Salontna einen Triumphbogen in Travertinquadern zu er-
richten, von welchem noch der mittlere Durchgang erhalten ist, so mag derselbe als ein Aus-
druck persönlicher Verehrung für das Kaiserpaar aufzufassen sein, das menschlich gewiss recht
liebenswürdig war, aber auf dem Throne getadelt wird. Menschen zu sein, verbietet man den Kaisern.
Als die Römer am 6. Januar 1 200 Yiterbo besiegt hatten, hingen sie die Schlüssel dieser
Stadt als Trophäen am Bogen des Gallienus auf. Vielleicht dass sie gerade auf ihn verfallen
waren, weil in unmittelbarer Nähe, in den Nischen einer grossartigen Fontaine, des monumentalen
Sogenannter Tempd der Minerva Mexico.
Reservoirs der A<|ua Julia, zwei antike Trophäen standen, die Trophäen des Marius, auch kurzweg
Cimhern (Cimhri) genannt. Dem Besicger der Cimbcrn waren seinerzeit dergleichen gestiftet
worden, die Sulla umstürzen und Caesar als curulischer Aedil gegen das Gesetz von Neuem
aufrichten liess; mit Thränen im Auge konnten die Veteranen eines Morgens den geliebten Feld-
herrn nebst den Zeugen seines Ruhms auf dem Capitol im alten Glänze wieder erstehen sehen.
Für besagte Trophäen wurden nun im Mittelalter die obigen gehalten, um so mehr gehalten, als
an dieser Stelle einmal ein Siegesdenkmal des Marius gestanden haben soll; ja, in diesem Glauben
wurden sie 1585, unter dem Ponttticate Sixtus' V. wirklich dem Capitol zurückgegeben und vorn
auf der Balustrade zu beiden Seiten der Dioskuren aufgestellt Hier stechen sie dem Sohn der
jütischen Halbinsel heute noch in die Augen , und es ist sinnreich , dass er die vortrefflichen
Werke samt dem gefangenen Knaben wirklich nicht ohne alle Wahrscheinlichkeit auf sich und
M
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das
sein Volk beziehen darf — dass er vielleicht in der That die Trophäen des Marius vor sich hat.
Das heisst, in Marmor und in effigie, denn ein Tropaeum war eigentlich ein Baumstamm, der auf
dem Schlachtfeldc selber vom Sieger aufgepflanzt und mit diversen Beutestücken behangen ward.
Die Ruine der Fontaine heisst beim Volke nach wie vor Trofci di Mario; jüngst restaurirt, füllt
sie eine Ecke der weitläufigen, wüsten Piazza Vittorio Emanuele, ein tausendjähriges Monument
auf einem Platz von gestern. Die Anlagen und „Gründungen" der „Societä Fondiaria" waschen
einer Kuppel
überwölbt,
die an Mäch-
tigkeit nur
vom Panthe-
on übertrof-
fen wird. Fast
ganz einge-
stürzt , von
Epheu und
Buschwerk
umwuchert,
gewährt es in
seinem Ver-
falle ein noch
malerischeres
Bild. Man er-
klärte es für
den Tempel
der Minerva
Medica , der
angeblich auf
dem Esquili-
nischen Felde
stand , weil
der Sage
nach in ihm
die schöne
Pallas Giusti-
niani gefun-
den ward,
eine Minerva,
Terrain
aus , über-
schwemmen
Kohlgärten
undArtischo-
kenbecte wie
eine Sturm-
Hut ; bereits
haben sie
noch eine an-
dere Ruine
erreicht —
den interes-
santen , täg-
lich vom Ei-
senbahnzug
gestreiften
Tempel der
Minerva Me-
dica.
Vor uns
liegt ein Zehn-
eck von 50 m
Umfang, mit
einer grossen
Nische und
einem Fen-
ster an jeder
Seite, die Fin-
gangsseite
ausgenom-
men, und mit
zu deren Füssen sich eine Schlange ringelt : diese Schlange, eigentlich die athenische Burgschlange,
wurde hier wie das Attribut Aesculaps, nämlich als Symbol der I leilkraft aufgefasst und die Statue
deshalb Minerva Medica getauft. Alles das ruhte aut schwachen Gründen, und ausserdem stand damit
der volksthümliche Name der Ruine: Le Terme di Galluccio, abgekürzt Le Galluzze, in Wider-
spruch, welcher auf voraussctzliche Thermen des Gaius und Lucius, obscurer Enkel des Augustus
(Thermae Gaii et Lucii) zu leiten schien ; stellte doch auch das Pantheon den Rest einer Thermen-
anInge dar. Wir schweigen von andern Vermuthungen. Galluccio und Galluzzo kommen als Orts-
namen auch anderwärts, z. B. bei Florenz und bei Caserta vor, beide Formen sind unverkennbare,
Trinpcl» der Mioera Medici.
I 10
auf gewöhnlichem Wege abgeleitete Diraüiutiva des gemeinen Namen* Gallo und haben mit
<iaius und Lucius schwerlich etwas zu thun; man begreift kaum, wie ein der italienischen Sprache
auch nur einigermassen Kundiger, ja ein Italiener selbst auf eine so abgeschmackte Etymologie
gerathen kann, die durch kein historisches Zeugniss bestätigt wird, denn Niemand weiss etwas von
Thermen eines Gaius und Lucius. Wahrscheinlich verdankt der Zusatz ,di Galluccio' seine Entstehung
lediglich dem Umstand, dass das Gebäude von einem Gallo, nämlich dem Architectcn Antonio
da San Gallo, dem Aelteren, vulgo Galluccio, um 1500 gezeichnet worden ist; diese Zeichnung,
auf der unsere ganze Kcnntniss des ursprünglichen Plans beruht, wird noch in der Barnerinischen
Sammlung aufbewahrt «Le Terme di Galluccio» ist dasselbe wie «Le Logge di Raffaello..
IV.
Der Viminal, dessen Name an die diesen Hügel einst bedeckenden Wcidichte (Viminal erinnert,
in der Mitte zwischen Es.|uilin und Quirinal gelegen und individuell am schwächsten ausgeprägt
wurde, im Gegensatz EU dem vornehmen es<|ui!inischen Quartier, gleich den Abhängen des Quirinal,
von der ärmeren Gasse, unter Andern der Legende nach von den ältesten Christen bewohnt,
wofür nicht nur die hier gefundenen kleinen Häuser, sondern auch die zahlreichen Thermen dieser
(iegend sprechen — Thermen waren nicht nur die Bäder, sondern auch die Paläste und die
Casinos des Volks. So kam denn auf den Viminal, genauer auf die Scheide zwischen Viminal,
Quirinal und Servius- Wall um 303 n. Chr. auch jener Riesenbau zu stelTn, dem fast alle hier befindlichen
Trümmer angehören: die Thermen Diocletians welche dieser Kaiser in Gemeinschaft mit seinem
Mitregenten Maximianus anlegte und die zu vollenden den jüngeren Caesaren, Constantius und
Galerius, seinem Adoptiv- und Schwiegersohn vorbehalten war. Die grössten Thermen unter allen,
fast doppelt so umfangreich als die des Caracalla, mit dreitausend Badezellen und zweitausend
vierhundert Marmorsesseln, verbunden mit einer Bibliothek, einer Gemaldcgallerie, < Pinacotheca I,
einem Conccrthaus (Odeumi und einem Conversationssaal (Exedraj; letzterer, an der südwestlichen
Grundlinie des grossen Parallelogramms gelegen, welches die Umfassungsmauer bildete, schloss
wie gewöhnlich mit einer runden Ajjsis ab, in welcher die Stühle standen, und diese Apsis (derselbe
mächtige Halbkreis, den die hier anhebende Via Nazionale in zwei Quadranten zerschneidet) sprang
wie der Halbring eines Transporteurs mitten aus der Grundlinie heraus, deren Endpunkte zwei
andere Rundgebäude, die Kirche S. Bemardo und das Gefängniss vis-a-vis bezeichnen. Von
den Thermen heisst der römische Bahnhofsplatz Piazza di Termini neuerdings pedantisch Piazza
■
delle Terme).
Beim Bau des Colosseums mussten Juden, beim Bau der diocletianischen Thermen Christen
frohnen, angeblich vierzigtausend ; unter ihnen befanden sich der Bischof Sisinnius und der Diacon
Cyriacus, die beide während der nachherigen Verfolgungen den Märtyrertod erlitten. Deshalb
wurde dieses Bad schon zu Honorius' Zeiten, als es noch allgemein in Gebrauch stand, von den
römischen Christen mit frommer Scheu betrachtet, dem heiligen Cyriacus sogar eine Kirche darin
erbaut Die letztere verschwand, aber das Gebäude blieb nach wie vor geheiligt. Im vierzehnten
lahrhundert wurde es zu einer KarUusc bestimmt und im sechzehnten eine solche wirklich darin
auf Kosten der Kartäuser angelegt, während Pius IV. die Erbauung der Kirche auf sich nahm.
Die berühmtesten Architectcn reichten Pläne ein: der Papst wählte den Michel Angelo's, des
Baumeisters von San« Peter. Er gab auch dieser der Königin des Himmels (S. Maria degli
Angeli) geweihten Kirche die Form eines griechischen Kreuzes, dessen Pfahl der 170 m lange,
100 m breite, 29 m hohe, von acht Granitsäulcn getragene Prachtsaal der Gemäldegalerie bildete,
während er die hundertsäulige Palästra in den Kreuzgang umschuf; Vanvitelli veränderte 1749
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diesen Plan, indem er den Pfahl zum Querbalken machte. Die Kartäuserkirche, am 5. August
1 56 1 eingeweiht , war das Letzte, was der sechsundachtzigjährige Künstler in Rom vollendete ;
die vier Cypressen, welche er um den Brunnen des Kreuzgangs pflanzte und von denen heute
noch, wo er als Militärdepot dient, drei wie grüne Pyramiden zum Himmel ragen, pflanzte er
sich selbst. Er starb wenige Jahre darauf. Bald werden auch sie verdorrt sein: durch die
schweigende Kartause, um den heiligen Bruno, der so sprechend dargestellt ist, aber der noch im
Steine Thore und Schlösser vor seine Lippen legt, lärmt die italienische Soldatesca; vor Michel
Angelo's Kirche hält ein piemontesischer Posten Wache; und auf dem Platz der diocletianischen
Thermen stehen Schaubuden und Menagerien.
Auch die Kolosse von Monte Cavallo, die einzigen lebenden Zeugen des Altcrthums auf dem
Quirinal, der sich als das äusserste Glied der Gruppe sanft einwärts gekrümmt von Nordosten
nach Südwe- Reihe dieser
sten gegen mm " Anlagen be-
das Thal hin jfc M MiwflHf schliessen-
erstreckt und flfe^^ 'Xnm\u\W\ < ' ( n ' ' a zu
zu dem wir J^JPv g*z* ^ em letzten
,u! I: : .i_hi"i- •**JJ[ TT I l^T*'^ Um. öffentlichen
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Strassen, der " ^mmm^ ■ jflH welches das
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tane und de| £^^1 J | ,.^ ^^^^^^^^ denlTicrmen
Thermen und spurios, ihre
zwar zu den WMk - ,B "* Mow * c *""* Stelle nimmt
letzten, die der Palazzo
Rospigliosi ein. Nur die beiden nackten Riesen stehen noch wie Memnonssäulen mit erhobenen
Armen und geballten Fäusten auf dem Gipfel des sabinischen Bergs, denn sie zählen das Kommende —
sie sind Symbole der Wahrheit, die sonst in einem geblümten Rocke nach I lofe kommt, aber diesmal
unverhüllt vor den römischen Kaiser trat — weder Auge noch Geist sind hinreichend sie zu fassen.
Als Christine von Schweden in Rom war, gab ihr der Papst ein paar Cardinäle zu ihren
Ciceroni. Einst entzückte sie sich an einer Statue Bernini's, die Wahrheit darstellend. Ein Cardinal,
der sich vermuthlich etwas auf seinen Witz zu Gute that (der Italiener liebt das Wortspiel) meinte,
er bewundere mehr noch eine Fürstin, die, was bei gekrönten Häuptern selten, die Wahrheit liebe.
«Ja.» erwiederte die Königin, < nicht alle Wahrheiten sind von Marmor. >
Warum trat Christine nicht auf den Monte Cavallo, auf jenen eigenen, individuellen Platz, so
unregelmässig als erhaben und wundersam ? Denn hier hatte Tiberius selbst marmorne Wahrheiten
errichtet. < Warum geht ihr nackt ? » fragte er zwei junge Gymnosophisten, die zu seiner Zeit nach
Rom gekommen waren, Phidias und Praxiteles mit Namen. — «Weil alle Dinge, ja, deine eignen
Gedanken vor uns nackt und offenbar sind, und wir die Welt für nichts achten, > war die Antwort.
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Kr prüfti; ihre Weisheit: wahrlich, es war vor ihnen Alles nackt und offenbar, und was er in stiller
Kammer ins Ohr geredet hatte, das predigten sie auf den Dächern. Da beschloss er ihr Andenken
zu verewigen und sie nackt auf dem Quirinal aufstellen zu lassen und zwei bäumende Rosse,
Sinnbilder der mächtigen Herrscher der Welt dazu.
Denn das Pferd stampft die Krde gleich einem Konige — Terram ungula fodk, exultat
audacter; in occursum pergit armatis, contemnit pavorem, nec cedit gladio. Super ipsum sonabit
pharetra ; vibrabit hasta et clvpeus, fervens et fremens sorbet terram, nec reputat tubae sonare
clarigorem (Hiob Cap. 39). Ks ist dies vielleicht die schönste, anschaulichste unil treffendste
Schilderung dieses edlen Thieres in der gesamten Weltliteratur, wohl auf einem Platze zu citiren,
der nach ihm benannt um! gleichsam ihm geweiht ist.
Wir sind besser unterrichtet als die Pilger des zwölften Jahrhunderts, welche die gewaltigen
Rossebändiger für Philosophen und „Phidias und Praxiteles" für die Namen sothaner Philosophen hielten.
Diese beiden herrlichen, 5,6 m hohen Heldenjünglinge, die zwei verhältnismässig kleinen Pferden in
die Zügel fallen, nicht völlig nackt, sondern mit einer leichten Chlamys bekleidet, die vom linken
Arm herablallt, und mit dem rechten Fuss an einen Panzer gelehnt, ohne Hut, aber wohl ursprüng-
lich mit Kranz und Stern bezeichnet — sind die Dioskurcn, die Zwillinge, die der bedrängte
Schiffer auf stürmischem Meere anruft, und die Götter des Sports, die als Pferdeliebhaber auf
weissen Rossen reiten oder sich mit ihrer Dressur beschäftigen. Wenn sie jetzt erschienen, würde
man sie zu Präsidenten eines Jockey-Clubs erwählen; im Alterthum standen ihre Bildsäulen am
Eingänge der Rennbahnen, gelegentlich auch am Kingange der Thermen, wie hier vor denen
Constantins, der die colossalen Werke Gott weiss woher genommen hat. Die Inschriften: OPVS
PHIDIAK und OPVS PRAXITKLIS sind apokryph, beide Gruppen jedoch sowohl durch die
Grobheit in den Verhältnissen des Gliederbaus, als durch den bewunderungswürdigen Ausdruck
heroischer, übermenschlicher Kraft ausgezeichnet, namentlich besitzt die dem Phidias zugeschriebene
Figur, die freilich auch am l>csten beleuchtet ist, einen hohen Kunst wert h ; sie scheinen unter
Augustus nach griechischen Bronzen aus der besten Zeit gearbeitet und Originalen aus der Schule
des Lysippos nachgebildet zu sein. Auf ihre Vortrefflichkeit machte die Deutschen zuerst Carstens
aufmerksam. Diese tCaballi Marmorei' wurden nie verschüttet: bis zur Zeit Sixtus' V. standen
sie bei<ten Constantinischen Thermen, 1 jSi; wurden sie härter am westlichen Rande des ijuirinalischen
I lügels, vor dem apostolischen Palaste, und zwar parallel nebeneinander aufgestellt (respeclive die Pferde
nach Einigen verstellt); den Transport leitete derselbe Domenico Kontana. der unter demselben
Sixtus den grossen Obelisken vom vaticanischen Circus auf den Petersplatz gebracht hat Im
vorigen |ahrhundert endlich, unter Pius VU, wurden sie mit einem Obelisken vom Mausoleum des
Augustus zu einer ziemlich geschmacklosen Gruppe vereinigt, in welcher die «Fratres Helenae,
lucida sidera» einander den Rücken kehren. Das Becken des Springbrunnens vor dem Obelisken
bildet eine antike Schale von orientalischem Granit, deren Umfang 25 m beträgt. Einst, als die
Kolosse noch bei den Thermen standen, sass bei ihnen, von Büchern umgeben, eine weise Frau,
die eine Schale in der Hand hielt und eine Schlange tränkte, vermuthlich eine Hygiea, schön
für ein Bad und für den gesündesten Hügel der Stadt geeignet den Pilgern erschien sie als die
Kirche, welche die Bücher der Offenbarung verschliesst, aber Niemand mag sie lesen, der nicht
gleich der klugen Schlange begierig aus dem Becher des Heiles schlürft.
""<J0Ö , ">
"3
Das Marsfeld
und
dlo kaiserlichen Fora.
L
leichwie gegen Südwesten zwischen Capitol und Palatin zum Velabrum, öffnet sich
das Thal des Forums gegen Norden zwischen C apitol und Ouirinal zum Marsfeld :
beide Flächen, durch zwei susspringende Bogen des Stroms gebildet, hängen ihrer-
seits am südwestlichen Abhänge des Capitols durch eine .schmale Niederung, wie
durch eine Landenge zusammen, sodass Forum, Marsfeld und Velabrum eine
1. y ununterbrochene Ebene darstellen, aus welcher der Capitolinische Hügel inselartig
aufragt. Indessen ist das Marsfeld das Hauptstück dieser Ebene und gleichsam
tyj das grosse aufgelegte Tuch, von dem die übrigen Plätze wie Fetzen abgeschnitten
& sind ; es ist die Fbcne Roms schlechthin. Weit und glatt, in l>ehaglichcr Breite
dehnt sie sich von den Abhängen des Pincius, Quirinal und Capitolinus ausserhalb
des städtischen Friedensbezirks bis zum l'fer des Flusses aus, in dessen Arm sie wie in einer
Schlinge hängt: der grosste Theil der heutigen Stadt liegt auf ihr. Sie soll ursprünglich im
Besitze der Tarquinier gewesen und nach ihrer Vertreibung dem Vater Mars, dem längst hier
waltenden und längst hier verehrten Kriegsgott gewidmet worden sein; daher ihr Name Campus
Marthas, der gleich Forum, Palatium und Capitol typisch und auf so viele fremde März- und
Marsfelder übertragen wurde. Es war der Turn- und F.xercierplatz des alten Roms, der
Berliner Hasenheide zu vergleichen; die südöstliche Seite, zunächst der Stadt, diente neben dem
Forum zu Volksversammlungen ; und zwar anfangs nur für die Versammlungen der Bürgerschaft
nach ihrer militärischen Gliederung iComitia centuriata), später auch für die V ersammlungen, in
welchen das Volk nach Nachbarschaften zusammentrat (Comitia tributa). Die dabei beschäftigten
Auguren, Consuln und andere Magistrale, sowie die fremden Gesandten hatten ein zweistückiges
Casino (Villa publica) auf der Dingstatt; die Versammlungen selbst wurden im Freien abgehalten:
Rotten und Gemeinden standen vor der Stimmabgabe in Gehegen (Seplis), die wie Schafställe
eingepfercht und mit Hürden umgehen waren, deshalb auch den Namen Schafstall (Ovile) wirklich
führten; erst Caesar verwandelte diese hölzernen Zäune in Marmorschranken und umgab die
patriarchalischen Ställe mit reich ausgestatteten Colonnaden, die Agrippa beendete; sie hiessen
noch immer Septa. aber nach ihrem Stifter Septa Julia. Auf einer Münze Nerva's sieht man, wie
die Wähler einzeln in der Toga aus ihren Schranken treten, über eine Brücke (pons sutfragiorum
schreiten und die Stimmzettel (tabcllae) in eine L'rne (cista) werfen. So lange der Antheil an
öffentlichen Dingen noch allgemein und lebendig war, versammelte sich das römische Volk wie
eine Herde in rohen und unbedeckten Ställen. Als die Freiheit untergegangen war, versammelte
es sich in Palästen und in schimmernden Säulenhallen.
Ein Herold rief die Ccnturier und die Tribus zum Stimmen auf (in Campo Martio centuriatim
populum citabat Liv. 6, 20, 10); von sothaner Citation erhielt der Platz, wo die Septa standen,
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respective die späterhin entstandene Anhöhe den Namen Möns GUtorius (Monte Citorio). Diese
Erinnerung bewog die Italiener im Jahre 1S71 das Parlament auf dem Monte Citorio tagen zu lassen.
Aber allmählich begann die Ebene auch mit andern herrlichen Gebäuden geschmückt und
das Feld des Mars von seinen dankbaren Söhnen eifrig bestellt zu werden. Man will wissen,
dass die weitere Entwickelung der meisten grösseren Städte nach Westen gehe, indessen ist
dieser Gang wohl nur eine Folge des zufälligen L'mstands, dass bei vielen unter ihnen gerade
im Westen Platz war. Wie Berlin über den nicht zum Weichbild gehörenden Thiergarten hinaus
vorgedrungen ist, also schritt Rom über den ausserhalb des Pomeriums liegenden Campus Martius
hinaus. Derselbe Agrippa, der die Wahllokale vollendete, legte 25 v. Chr. auf .lern Marsfelde
die ersten öffentlichen Thermen an: schon vorher 1220 v. Chr.i hatte Cajus Flaminius im Süden,
auf den ITaminischen Wiesen einen Circus, PompejtU nordwestlich davon ein steinernes Theater
155 v. Chr.) und Statilius Taurus ein Amphitheater erbaut 129 v. Chr.). Zu den Thermen des
Agrippa gehörte das Pantheon, welches nachmals in einen Tempel umgewandelt wurde; es war
ebenfalls nicht einzig
in seiner Art . vor ihm
stand schon der Tem-
pel der Uellona, von
Appius Claudius dem
Blinden im Jahr 296
v. Chr. während heisser
Schlacht gelobt und mit
der Kriegssäule 1C0-
lumna bellica! verbun-
den, dem fürchterlichen
Grenzpfeiler des Reichs,
an den der Fetial trat,
wenn er mit der Formel :
Bellum justum in-
dico facioque ei-
nem Staat den Krieg
erklärte und den in Rlut
getauchten Speer in
ja, dem hier vorwaltenden Gölte selbst, dem Mars dem alljährlich im Oclober auf dem Campus
das Streitross geopfert ward, dem erhabenen Stammvater, dessen Andenken man jährlich zweimal,
am 27. Februar und am 17. März auf derselben Stätte durch Pferderennen iequiriai und martia-
lische Spiele tludi martialesi leierte, erhob sich seit dem Jahre 138 v.Chr. statt des alten Altars
ein Tempel, gestiftet von dem Consul D. Brutus Gallaecus, erbaut von dem Archilecten Hermodorus
und berühmt durch eine Bildsäule des sitzenden Mars, das Meisterwerk des Skopas. Cebermächtig
und kolossal, konnte sie für ein Symbol des grassgewordenen Volkes, der aus kleinen Anfängen
erwachsenen Stadt, ja eben des Feldes gleiten, auf dem Romulus verschwand.
Es heisst, Mars war seiner ursprünglichen Bedeutung nach ein Sonnengott, als solcher
brachte er über Herde und Flur bald Fluch, bald Segen; mit seinem Monat, dem März, l>egann
der Frühling und das alle römische Jahr. Nun auch der Sonnengott und der Jahrgott beschien
die römische Ebene, mit seinem himmlischen Lichte still die Tageszeiten ordnend. Er zählte
die Stunden seiner Stadt, und das unterworfene Aegypten hatte einen versteinerten Sonnenstrahl
als Weiser dazu geliefert — einen Obelisken aus der Sonnenstadt Heliopolis. Es war Augustus,
115
Feindesland schleuder-
te : in dem Tempel der
Bellona gab der Senat
den Gesandten fremder
Völker, welche die Stadt
nicht betreten durften
und den Feldherren,
die einen Triumph for-
derten . Audienz
Hercules als Vorsteher
der Musen (Hercules
Musarum) hatte einen
Tempel beim Circus
Flaminius, den M. Ful-
vius Nobilior 189 v.
Chr. erbaute und mit
einer Gruppe der neun
Musen aus Ambrakia
in Epirus schmückte —
der Rom mit einem Gnomon, d. i. einer Sonnenuhr beschenkte und das Marsfeld um einen sinnigen
Schmuck bereicherte; er that es mit Hülfe des gelehrten Manilius, der ein Gedieht über Astro-
nomie und Astrologie verfasste. F.in Gnomon Lst ein Instrument zur Bestimmung der Hohe der
Sonne und der Zeit des Mittags und nichts Anderes als eine Säule, welche senkrecht über einer
horizontalen Mittagslinie steht: ihre Länge, durch die Länge ihre» Schattens dividirt, ergiebt die
Tangente des Höhenwinkcls der Sonne. Dazu sollte also hier der grosse, 76 ra hohe Obelisk
genommen werden, den Augustus nach Besiegung des Antonius heim gebracht, und den Plinius
mit Unrecht dem Sesostris zuschreibt:
IMPCAESAR AVGVSTVS POOTtFEX-MAXIMVS,
AEGVPTO IN POTESTATK^l FOFVIJ RONlANl KKliVCTA SÜLl OU.VV ÄI UED1T.
wie die antike Inschrift meldet; sie ist gleichlautend mit der des gleichzeitig entführten
Obelisken auf Piazza del Popolo, der im Circus Maximus aufgerichtet ward. Aber wegen der
Bildung des I lalbschattens waren die Bestimmungen ungenau, die Spitze des der Frdaxe parallelen
Obelisken zeichnete sich im Schatten nicht scharf genug auf der steinernen Fläche ab, die der
Kbene des Ae<|uators parallel daran gelegt war: deshalb brachte Manilius auf dem ( >behsken
eine vergoldete Kugel an, deren Mittelpunkt mit der Spitze lies Oliolisken zusammentraf: in dem
Mittelpunkt des elliptischen Schattens, welchen die Kugel warf, hatte man nun den Schatten der Spitze
esact vor sich. Gegenwärtig pflegt man noch glücklicher mit der Spitze des Gnomons eine durch-
löcherte Metallplatte zu verbinden, wo dann das mitten im Schatten sichtbare, unbeschattete Loch
die wahre Höhe anzeigt. Die meisten römischen Obelisken trugen diese Kugel, wie sie jetzt das
Bild der Erlösung tragen, zum Beweis, dass man sie alle in Gnomons verwandelt hatte; auch
den Gipfel des grossen Obelisken auf dem Petersplatze, in dessen Schatten Goethe am 22. November
1786 mit Tischbein auf und ab ging, und vor welchem im Jahre 1817 wieder eine Mittagslinie
in Porphyr gezogen worden ist, schmückte ursprünglich anstatt des Kreuzes eine hohle Kugel
von vergoldeter Bronze: das Volk glaubte, dass in ihr die Asche Julius Caesars enthalten
sei, und ein Dichter machte die Choriamben darauf:
Caesar, laimis cras, quantiB rt cirlns,
Scd nunc in modico tUudcri* antm 1
Der augusteische Gnomon steht jetzt auf Monte Citorio vor dem Parlamentsgebäude und erfüllt
seinen Zweck noch immer, wie es besser oder schlechter jeder Obelisk, jeder Baum, jede Berg-
spitze, ja, jeder in die Höhe gehaltene Finger thut: wirklich pflegen sich die italienischen Land-
leute mit dem eigenen Mittelfinger eine Sonnenuhr zu improvisiren, indem sie sich gegen Norden
stellen ; Gnomons sind die ersten astronomischen Instrumente gewesen, weil sie gleichsam von der
Natur geliefert werden. Er ist die Veranlassung, dass das Marsfeld auf Bildwerken (z. B. auf
dem Piedestal der dem Antoninus Pius unweit des Monte Citorio errichteten Säule) durch einen
liegenden Genius, der den linken Arm um einen Obelisken schlingt, bezeichnet wird.
Geschah es einer aegyptischen Vorstellung, etwa einer Osirisirung des Mars zu Liebe,
dass man auf dem Marsfelde auch begraben sein wollte? Jedenfalls ruhten viele bedeutende Männer,
z. B. Sulla, Agrippa, Hirtius und Pansa auf dem Marsfeld, vielleicht in einer am Fluss hingehenden
Totenstrassc, und Augustus selbst legte sich mitten in derselben sein berühmtes Mausoleum, die
Augusta (I.agusta) des Mittelalters an, von welcher die umliegende Gegend den Namen .in
Augusta' bekam. Sit- hätte auch .in Caesarea' heissen können denn in dem Mausoleum des
Augustus wurden auch fast alle seine Nachfolger bis auf Nerva beigesetzt : es enthielt die Grüfte
nicht nur der Jütischen, sondern auch der Flavischen und der Clpischen Familie, ja der Gründer
'I Carar, v*tt< **> |pi*s oh wir ilrr Krilircis.
Aeh. du» <lo KrugVin klciü jtuo dich ciaacMinXl
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selbst hatte darin seine Verwandten und Freunde, so den Agrippa aufgenommen: es war Roms
Kscurial, bis Hadrian ein neues am andern Ufer erbauen Hess. Mit Strabo's Hülfe können wir
uns ein Bild von dem prächtigen Monumente machen. Kr beschreibt es als einen kegelförmigen,
mit immergrünen Bäumen bepflanzten Hügel, auf dessen Spitze das eherne Bild des Kaisers
Augustus stand: er war auf der Höhe eines geraden, viermal verjüngten Cvlindcrs aufgehäuft,
dessen Grundfläche einen Durchmesser von 97 m hatte und im Centrum die Gruft Octavians, an
der Peripherie die gewölbten Grabkammem der Ucbrigcn enthielt. Die Sage, welche die Er-
innerung an das alte Imperium nimmer los wird, erzählt, der Kaiser habe von allen Provinzen einen
Korb voll F.rde kommen und auf sein Grab werfen lassen, um so gleichsam in einem kurzgefassten
Auszuge seines Reichs zu ruhen. Ich weiss nicht, ob man an diese Sage gedacht hat, als man 1872
auf dem Turnplatz in der Hasenheidc bei Berlin dem Turnvater Jahn ein Erzstandbild auf einem
Hügel errichtete, zu dem Deutsche aus allen Gauen und selbst aus überseeischen Erdtheilen
Steinblöcke gesendet hatten. Ausgedehnte Parkanlagen, durch Marmorbilder belebt, umgaben dies
letzte Palatium, in welchem die müden Götter nach so vielen Herbergen eine ewige Wohnung
fanden ; vor seinem Eingang standen, wie vor einem aegyptischen Tempel, zwei kleinere Obelisken,
während ebendaselbst das ruhmvolle Leben Augustus' auf ehernen Tafeln beschrieben war. „Dies
sind", so will ein Pilgrim an einer Grabkammer gelesen haben, „die Gebeine und die Asche des
Kaisers Nerva und der Sieg, welchen er gewonnen hat." „Dies sind", so konnte Titius
zu seinen Freunden sagen, „die Thaten und die Siege Octavians. Hat er seine Rolle gut
gespielt? So klatscht."
Auch dieses Mausoleum ward im Mittelalter zu einem Bergfried umgeschaften : es bildete
den Kem der Festungen der Colonna, zu denen auch der nahe Monte Citorio gehörte, und theilte
die Schicksale derselben; auf Befehl zweier Colonna verbrannten am 11. October 1354 in seinen
Trümmern auf einem Haufen Disteln Juden Rienzi's Leichnam. Nur die dicken, in Netzwerk
(Opus reticulatum) aufgeführten Mauern des gewaltigen Cylinders standen noch; gegen Ende des
vorigen Jahrhunderts richtete man darin einen Circus für Kunstreiter, Stierhetzen und ähnliche
Lustbarkeiten her; vielleicht erhielt es davon den Namen Tanzsaal {Aniiteatro Corea [chorea]),
der dann auch auf den davorliegenden Palast Vivaldi (Palazzo Corea) überging. Gegenwärtig
befindet sich ebendaselbst ein Tagestheater mit oft vortrefflicher Truppe. Abermals heisst es:
Haben wir gut gespielt? So klatscht
Bekanntlich that Augustus diese Frage auf seinem Todtenbette. Als der fast Sechsund-
siebzigjährige sein Ende nahen fühlte, forderte er einen Spiegel, ordnete sein Haar und sagte zu
den Umstehenden: Habe ich meine Rolle gut gespielt? So klatscht! Nunc, spectatorcs, clare
plaudite! — Hat er geahnt dass man dieses Bonmot dereinst auf seinem Grahe in eigentlichem
Sinne wiederholen werde? —
II.
Wenn sich im alten Rom Cajus über Sempronius zu beklagen hatte, so citirte er ihn vor
den Praetor, und stellte er sich nicht, so forderte er Titius auf, für ihn Zeugniss abzulegen. Zehn-
mal für einmal wollte Titius nicht, bald aus dem, bald aus jenem Grunde: in dem Falle hatte
Cajus das Recht, Titius beim Ohrläppchen zu nehmen und „per aurem" mit Gewalt vors Gericht
zu führen. Daher die in Frankreich und Italien landläufige Redensart wenn sich Einer nöthigen
lässt: se faire tirer l'orcille.
Es scheint mir, dass eben in diesem Augenblicke ein solcher Kläger kommt und uns beim
Ohrläppchen von der Promenade weg aufs Forum schleppt Nämlich auf die besonders für
m
"7
Gerichtsverhandlungen bestimmten Kaiserfora, die in der Ebene nordöstlich vom alten republi-
kanischen Forum liegen, die dasselbe gleichsam topographisch mit dem Marsfeldc vermitteln und
die zunächst zu besuchen in Ordnung gewesen wäre. Erst sollt ihr Zeugen unserer Herrlichkeit
und unseres Glanzes werden, ehe ihr aufs Feld geht, rufen Xerva und Trajan: ja, August us
macht uns gleichsam zu Augenzeugen eines wirklichen Strafgerichtes. Vor dem rächenden Mars
sollen wir uns beugen , che wir uns in Speculationen über den Sonnengott verlieren. Die an
Caesars Mör-
dern vollzo-
gene Rache
will der Tem-
pel des Mars
Ultor verewi-
gen : der Gott
war bei Phi-
ippi mit ih-
nen ins Ge-
richt gegan-
gen ; der
Todtemitder
dreiundzwan-
zigfachen
Wunde selbst
hatte gegen
sie Zeugniss
abgelegt ; ja,
noch heute
hört man ihn
auf dieser
Stätte, bei
diesen drei
korinthischen
Säulen wim-
mern —
— von wannen
deine Reue?
l>auert mich die
äiebenhügel-
«udt?
Tempel de« Mi
<lei Auguslu»
Oft geweinet
hall' ich um
die Waise,
tlxvt sie nimmer
einen Caesar
hat.
Mit Julius
Caesar be-
ginnt die
Reihe dieser
kaiserlichen
Fora, die all«!
mit Mauern
umgeben wa-
ren , deren
Mittelpunkt
stets ein gros-
ser Tempel
bildete, und
bei denen es
gar nicht auf
einen wirkli-
chen Markt
platz ankam,
sondern auf
einen mög-
lichst präch-
tigen Gebäu-
decomplex ;
hauptsächlich
Gcrichtsstät-
ten , bestan-
den sie fast nur aus Basiliken und Hallen, bevölkert von den damaligen Herren der Robe und
vom Gezänk der Parteien widerhallend wie das „Palais de Justice" in Paris ; auch die öffentlichen
Schreiber (notarii), jene Stenographen des Alterthums, die ihre Protocolle mit Chiffem (per notas)
und so geschwind aufzeichneten, dass sie den Gedanken der Richter und der Advokaten zuvor-
zukommen schienen, werden ihre Bureaus hier aufgeschlagen haben:
Currant vertu licet, nunus CM vclocior üb»;
Nondiun Imgua. suum devira iwtegil npin ;MnrtuTi.
Man wird sich die Lage dieser Fora am deutlichsten machen, wenn man sie nach dem Schema
Hl
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eines Kreuzes ordnet, dessen kurzer Pfahl vom nordöstlichen Gipfel des Capitols gegen den
Quirinal gestemmt ist, während der (Querbalken von der Velia bis ans eigentliche? Marsfeld reicht.
Caesars Forum Julium und das Forum Augusti bilden den IJingsstamm, das von Domitian
begonnene Forum Nervae (auch, weil die Strasse vom Markt zur Subura darüber ging, Forum
Transitorium genannt) und das Vespasianische Forum Pacis den rechten Arm, das Forum Trajani
den linken Arm des Kreuzes; die beiden Arme entsprachen mithin der Richtung der Rinne,
welche vom
republikani-
schen Forum
nach dem
Marsfeld und
der hier auf-
blühenden
Neustadt lief,
deren Be-
nutzung an-
fangs ein
quer vorlie-
gender, Capi-
tol und Quiri-
nal verbin-
dender Rük-
ken noch er-
schwerte, die
aber seit Tra-
jan durch ei-
nen grossar-
tigen Durch-
stich voll-
kommen aus-
geteuft und
practicabcl
gemacht wor
den war.
Wenn man
sich den
I.ängsstrich
von unten
I >bi Komm da Nerv» — I.« (*utu«iii»u:r.
nach oben
und den Quer
strich von
rechts nach
links gezogen
denkt, so hat
man zugleich
ein Schema
für die histo-
rische Auf-
einanderfolge
dieser Bau-
ten, die unten
anfangen und
links glän-
zend endigen.
Auf dem
Forum Ju-
lium stand
der bei Phar
salus gelobte
Tempel der
Venus Geni-
trix, davor
Caesars Rei-
terstatue
(Equus Cae-
saris) ; auf
dem Forum
Augusti das
schon obener-
wähnte Tem-
plum Maitis Ultoris; auf dem Forum Pacis der gleichnamige Tempel; auf dem Forum Nervae
ein Tempel der Minerva; auf dem Forum Trajani die Basilica L'lpia, davor Trajans Reiterstatue
(Kquus Trajani), dahinter die Trajanssäulc (Columna Trajani) und hinter dieser wieder, gleichsam der
Knopf des linken Kreuzesarms, ein von Hadrian seinem Vorgänger geweihter Tempel iTemplum
Divi Trajani). Das Trajansforum mass über 200 m im Quadrat
Von dem Forum Julium und dem Forum Pacis sieht man so gut wie gar nichts
mehr. Von dem Forum Augusti steht noch ein Stück der aus Peperinquadern ausgeführten
Umfassungsmauer, in ihr, sie durchbrechend und bis auf eine Höhe von 5 m in der Erde
119
I
begraben, früher geradezu versumpft, daher auch Arco de' Pantani genannt, der Bogen, durch
den die Via Bonella nach den anliegenden Stadthöhen führt , endlich in Form dreier Säulen ein impo-
santer Rest des daran lehnenden Tem]>els. Das Forum Nervae ist durch zwei korinthische, gleichfalls
tief verschüttete Säulen vertreten, die das Volk seit dem Mittelalter, ein pejoratives oder
verschlimmerndes Suffix anfügend, ,Je Colonnacce", etwa die Schandsäulen betitelt, und welche zu
dem abermals an einer Peperinmauer lehnenden Tempel der Minerva gehören mochten; oben an
der Attica zwischen den Säulen bemerkt man noch in verstümmeltem Relief die Figur einer
Minerva und am Friese das Gebälks andere auf diese Göttin bezügliche, aber bis zur Unkenntlichkeit
entstellte, wenig Genuss gewährende Bildwerke, den prächtigen Tempel liess Paul V. abbrechen
und die Säulen zersägen, um den grossen Springbrunnen auf dem Janiculum, den Fontanone
dell' Acqua Paola damit zu schmücken. Endlich das Trajansforum,* jenen überwältigenden, einzigen
Prachtbau, dem selbst die Götter ihre Bewunderung nicht versagten, bezeichnet noch wie ein Zeige-
finger des Allmächtigen die Säule, die sich an der Nordseite der fünfschiffigen , theilweise auf-
gegrabenen und mit Granitsäulcnstümpfen besetzten Basilica Ulpia erhebt
Im Jahre 357 kam Constantius II. in Begleitung des persischen Prinzen Hormisdas zum
ersten Mal nach Rom. wo er vom Senat feierlich und pomphaft empfangen ward. Staunend
durchwanderte er die Stadl, die unter Hadrian und den Antoninen eine märchenhafte Pracht
erreicht hatte ; ein Monument stellte immer das andere in Schatten, eins war immer bewunderungs-
würdiger als das andere; als er aber an Trajans Forum kam und diesen ungeheuren, himmel-
erhabenen Bau erblickte, da, sagt Ammian, stand Constantius wie vom Donner gerührt — im ganzen
Sonnenreiche hatte er etwas Aehnliches nie gesehn.
Nur schade, pflegte er zu sagen, dass auch in Rom die Menschen sterben müssen.
Dass sogar der Urheber dieser Pracht, der gute und gerechte Trajan selber gestorben
ist! Und dass er als Heide in den Flammen der Hölle leidet! — Leber diesen zweiten Umstand
äusserte ein paar Jahrhunderte später ein Kirchenfürst sein Bedauern, der gleichfalls in Erinnerung
versunken über das herrliche Forum ging, der Papst Gregor der Grosse. Sein Blick war auf
ein Relief gefallen, welches den Trajan darstellte, wie er einer armen Witwe Gerechtigkeit wider-
fahren liess — eben jene Scene, die Dante auf die erste Gallerie des Fegefeuerberges überträgt
und die wir auf Seite 16 beschrieben haben. Unendliches Mitleid erfasste den Hirten der
Christenheit, und mit Thränen im Auge kehrte er nach Sanct Peter zurück. Aus der Tiefe seines
Herzens betete er zu Gott: er rang im Geiste mit dem ewigen Weltcnrichtcr und drang in
ihn, Trajans Seele zu erhwen — und der Vater der Barmherzigkeit erhörte sein hohenpriesterliches
Gebet. Trajans unsterbliches Theil trat vor den siegreichen Papst und empfing von seiner Hand
das Sacrament der laufe. Seine Seele war gerettet
Vielleicht dass wir dieser Legende und der dadurch gesteigerten Verehrung Trajans die
gute Erhaltung der Marmorsäule zu danken haben, unter der er begraben ward und deren Spitze
das Bild des Kaisers zierte; erst Sixtus V setzte 1587 an seine Stelle eine Statue des heiligen
Petrus von vergoldeter Bronze, nach einem Modell von Tommaso della Porta. Es war eine
Ehrensäule, kein Werk Trajans, sondern dem Trajan unter seinem Nachfolger von Senat und
Volk zur Erinnerung an die Eroberung Daciens errichtet, und als solche zugleic h das Maass der
Höhe, bis zu welcher sich die bei der Anlage des Forums abgetragene Quirinalschicht ursprünglich
erhob, nämlich bis zu 29,6 m:
i
SENATVS -POPVLVSQVE ROMAXVSvlMP-CAKSARl Ol Vi NERVAEF-
NERVAETRAIANOAVG GERM ÜAC1CO -PONTIK MAX-TRIB-POT-
XVUl,MP\'lCOS\'IPPAt)l)ECLAR.\NI)UMQfANTAK.M.H -
TUDINIS MÖNS ET-LOCVS TA.\TIS-OPER]BVS SIT-HGE-S T\ S
120
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Forum und Säule dos Trajan.
Google
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besagt die 114 gesellte Inschrift auf dem Piedestal; 29,6 m — 100 altrömische FussfC pedes)
ist die absolute Höhe der Säule bei unten 3,6, oben 3,3 m Durchmesser; mit Postament und
Statue misst sie 45,7 m, der schneckenförmige, aus 23 Stücken zusammengesetzte Schaft allein
27 m, das Postament 5 m, die Statue 7,47 m. Man zählt sie der dorischen Ordnung zu; die
im Innern des Schaftes ausgesparte Wendeltreppe, die zu der aussichtsreichen Plattform empor-
führt, erwirbt ihr den Titel einer Columna Cochlis. Sie hat 185 Stufen und empfangt Licht
durch 45 schiessschartenartige Fensterchen. Um die Säule windet sich in 22 Spiralen ein 200 m
langes, meterbreites Band von Reliefs, die Begebenheiten des dacischen Kriegs darstellend: sie
enthalten, von Thiercn, Maschinen und andern Gegenständen abgesehen, nicht weniger als 2547
Menschenfiguren; diese sind unten 6 cm gross und wachsen in demselben Verhältniss wie sie steigen;
trotzdem entziehen sie sich durch die weite Entfernung dem Auge zu sehr, und können daher
nur in Gipsabgüssen genau betrachtet werden. Rafael, Giulio Romano, Caravaggio, Piranesi
machten sie nebst den Trophäen an den vier Seiten des Piedestals zum Gegenstand sorg-
fältigen Studiums. Unter den Bildwerken will man sogar Pfahlbauten wahrgenommen haben.
Ein dacisches Dorf wird von den Römern geplündert und in Brand gesteckt. Vorn zur Linken
zwei Hütten, die eine auf Pfählen, die andere auf ebenem Grunde stehend und mit einer Thür ins
Freie. Die erste ist überdies von einer Reihe Schanzpfahlc umgeben. In der Schweiz hatte
Caesar keine Pfahlbauten mehr vorgefunden.
Die Trajanssäule ist, wie das ganze Forum, eine Schöpfung des Apollodnras von Damascus,
des berühmten Baumeisters, den wir bereits bei Hadrians Tempel der Venus und Roma kennen
gelernt haben. Je länger wir dieses erhabene Monument betrachten, um so mehr imponirt es
uns durch seine Grösse, durch seinen sorgfältigen Bau und durch die vorzügliche Ausführung der
Sculpturen, die, wie bei den Büchern der Alten, gleich steinernen Blättern um den riesenhaften
Schall gerollt sind. Obgleich dieselben von Niemandem recht gesehen und genossen werden
können, und die spiralförmige Anordnung keine sehr vortheilhafte ist, so darf man doch dem
genialen Gedanken, der Nachwelt auf so knappem Räume eine solche Fülle historischer That-
sachen zu überliefern, seine Bewunderung nicht versagen; die Trajanssäule ist die Säule aller
monumentalen Säulen und das typische Beispiel ihrer Art. Und dabei scheint sie eine fast ewige
Dauer zu versprechen — unser Romantiker Unland besingt ein Schloss, von dem nur noch eine
hohe Säule steht, auch sie über Nacht zu stürzen drohend — die letzte Säule von Trajans
Schlosse droht nach siebzehn Jahrhunderten noch keineswegs zu stürzen. Daher sie auch das
berühmteste AdeLsgeschlecht Roms, das Geschlecht der Colonna, in seinem Wappen führt, obgleich
sich der Name der Uolonna nicht von der Trajanssäule, sondern von einer andern antiken Säule
und einem finstern Castcllc herschreibt, welches sich am Abhänge des Gebirgs über der Pale-
strinescr Landstrasse erhebt
III.
Die Trajanssäule wurde häutig nachgeahmt, und eine ihrer besten Copien ist die Säule des
Marc Aurel, von den Italienern Colonna Antonina genannt, aber nicht zu verwechseln mit einer
Khrensäulc, welche Marc Aurel und L. Veras ihrem Vater, dem Antoninus Pius in derselben
Gegend errichteten, und von welcher nur noch die Basis in der Mitte des vaticanischen Giar-
dino della Pigna erhalten ist ; die Säule seihst wurde zersägt und von Pius VI. zur Ausschmückung
der vaticanischen Bibliothek verwandt. Die Säule Marc Aurels erhebt sich — und damit treten
wir eben wieder auf das Martfeld, vielleicht durch die Militärmusik angelockt, die an Sommer-
abenden hier spielt — in der Mitte des schönen Platzes, der nach ihr Piazza Colonna heisst; sie
m
121
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wurde diesem Kaiser vom Senat zur Erinnerung an den glücklich beendeten Markomannenkrieg
gestiftet {180). Sie hat im Wesentlichen die Form der Trajanssäule , ist aus 28 Stücken von
weissem Marmor zusammengesetzt, mit Capital und Basis 29,6 m hoch und ebenfalls mit einer
Wendeltreppe versehen, die 206 Stufen und 56 Fenster hat; der Schaft endlich wie dort in
schneckenförmigen Abtheilungen mit erhobenen Arbeiten bedeckt, welche Begebenheiten aus dem
erwähnten Krieg darstellen. Es sind unsere Brüder, die hier von den Legionen bewältigt werden,
und der Kampf entbrennt an der schönen blauen Donau. Unter diesen Legionen gewahrt man
auch die christliche Donnerlegion, die Legio fulminata.
Es war 1 74 in Ungarn , in der Gegend des heutigen Gran , dass die Markomannen und
die Quaden den Kaiser eingeschlossen hatten, während sein Heer zugleich vor Hitze verschmachtete.
Da beteten die Christen,
aus welchen die zwölfte
Legion bestand, um Ret-
tung zu ihrem Gott, ja,
ihrem Beispiele folgend,
sank der Kaiser selber
auf die Knie. U nd siehe,
plötzlich fiel ein er-
quickender Regen auf
das römische Heer herab,
während die Feinde ein
Hagel- und Donnerwetter
traf. Dieser Augenblick
Ist auf unserer Säule
wirklich dargestellt: man
sieht einen Soldaten be-
ten, während andere den
Regen auffangen. Die
heidnischen wie die christ-
lichen Schriftsteller er-
zählen diese Begeben-
heit den 1 lauptumstän-
den nach übereinstim-
mend, doch schreiben sie
die ersteren vielmehr auf
Siulr de* Mi AturcL
Rechnung eines ägypti-
schen Zauberers. Etwas
Zauberei muss freilich
dabei sein, wenn es ein-
mal an einem schwülen
Tage wittert. Das ge-
wöhnlich der ersten
„Apologie" des Märty-
rers Justin us beige-
druckte Schreiben des
Kaisers Marc Aurel ist
unecht, und den Beinamen
fulminata, die vom
Blitze getroffene (man
las früher fälschlich ful-
minatrix , die Blitze
schleudernde) hat die
zwölfte Legion schon vor
ihm geführt. Gran ist
die Wiege des Christen-
thums in Ungarn, man
nennt es das ungari-
sche Rom.
In die Marc-Aurel-
Säule selbst hat der Blitz
einmal eingeschlagen, überhaupt litt sie sehr durch Feuer. Jahrhunderte lang war sie im Besitz
ikr Mönche von S. Silvestro in Capite, die sie verpachteten, denn sie ward von den Pilgern
und Fremden oft bestiegen, und die erlegten Kintrittsgelder bildeten eine einträgliche Rente.
Ucbrigens geschah dies bereits im Alterthum, und man kennt einen Custoden der „Columna Divi
Marci" aus dem Jahr 193, Namens Adrastus. Sixtus V. Hess sie im Jahre 1589 unter der Aufsicht
Domenico Fontana's ausbessern und weihte sie dem andern Apostclfürsten, der hier den Marc Aurel
von ihrem Gipfel herunterdrängelte, dem heiligen Paulus; die vergoldete Bronzestatue ist 4 m hoch.
Sanct Peter und Sanct Paul, zwei Päpste an der ausgezeichneten Stelle zweier Kaiser und zwei
Säulenheilige an Stelle zweier Säulenphilosophen, sind sprechende Repräsentanten einer Kirche,
welche die F.rbschaft des römischen Reiches antrat und sich aus dem Thron der Welt vergnüglich
den Stuhl Petri gezimmert hat.
122
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Die Piazza Colonna bildete das Centrum der Antonin-Bauten, und von den vielen darüber
zerstreuten Steinen derselben soll der südlich gelegene, nur durch ein Gässchen getrennte Platz
den Namen Piazza di Pietra erhalten haben. An diesem Platz steht das alte Zollamt, die Dogana
di Terra, wo ehemals alle zu Lande ankommenden Fremden ihre Koffer öffnen lassen mussten,
wie sie es jetzt auf dem Bahnhof thun — Jean Paul, der den Einzug seines Titan in Rom
künstlich beschreibt, hätte sich dieses Stadium nicht entgehen lassen sollen ; und in die Vorderseite
des Zollamts zwischen den Fenstern sind elf korinthische Säulen nebst dem Gebälke einge-
schlossen, Ueberbleibsel einer Säulenhalle, welche einen Peripteros umgab, und zwar einer der
langen Seiten dieser Halle (15x8). Die Höhe der Säulen beträgt 12,9 m. Der Tempel trägt,
wie der am Forum, den Namen des Antoninus Pius. In srinen Ruinen standen ehemals Hütten;
Alexander VII. liess diese
1664 wegräumen, setzte
aber, um das baufällige
Gebäude vor dem Zu-
sammensturz zu bewah-
ren, ein Zollhaus an ihre
Stelle, in dessen Mauern
die kolossalen Säulen ge-
bettet wurden. Von hier
führt die Via de' Pastini
auf die Piazza della Ro-
tonda zum Pantheon, wel-
ches im Volksmunde la
Rotonda heisst.
IV.
Es ist bekannt,
dass man in der Archi-
tectur unzähligemal ge-
spielt und sich darin ge-
fallen hat, Gegenstände
der Natur oder der
menschlichen Industrie
ausdrücklich nachzubil-
unscrem Auge misfallt ; denn ein tieferblickender Geist erkennt wohl in der ganzen Baukunst nur eine
Nachahmung der Natur, und die architectonischen Formen scheinen ihm fast immer auf Copien und
eine unbewusste Wiederholung gegebener Muster hinauszulaufen. Wer möchte leugnen, dass die
erste Anregung zum Bau eines Hauses die bis dahin bewohnte Höhle gegeben hat? Dass allen
Bauwerken der Araber der Gedanke des Zeltes zu Grunde liegt? Dass der Aegypter auf die
(^Instruction der ersten Säule durch den Anblick des I.otosstcngels, der Mohammedaner auf sein
Minaret durch die Cypresse gekommen ist? Dass die Burgen in den Gebirgen, die Hallen in den
Wäldern, die Wasserleitungen in den Flüssen, die Kloaken in den Schluchten gleichsam vorgebildet
sind? Ja, das Firmament und das Himmelsgewölbe selbst hat man aus Steinen aufgeführt; ent-
zückt von seiner Festigkeit und Symmetrie, machte man es in luftigen Kuppeln nach, schuf
Welten in der Welt
«23
Sogenannter Tempel dei Antonia« Pin*.
den; dass man dem Es-
rurial die Form eines
Rostes, der römischen
L'niversitätskirche die
Form einer Biene und
den meisten andern Kir-
chen die Form eines Kreu-
zes gegeben hat — aus-
drücklich und mit Ab-
sicht gegeben hat, wäh-
rend andere Gebäude
nur zufällig mit haus-
backenen Dingen zu-
sammentreffen und vom
Volke spottweise, z. B.
die Berliner Bibliothek
mit einer Kommode, der
Palast Borghesc mit ei-
nem Klavier verglichen
werden. Man tadelt sol-
che Nachahmungen als
bizarr, und doch ist es
vielleicht blos die un-
passende Wahl eines he-
terogenen Vorbilds, die
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Das Pantheon des Agrippa ist einer der ältesten unter diesen Himmeln, und an ihm werden
wir gleich gewahr, dass es nur darauf ankommt, das Rechte nachzuahmen : als Tempel aller Götter
könnte es nicht sinnreicher gestaltet sein, es gefallt uns ausgezeichnet Zwar soll es ursprünglich
nur ein integrirender Bcstandtheil der grossartigen Bäder gewesen sein, die Marcus Vipsanius
Agrippa, der Freund, Feldherr und Schwiegersohn des Augustus während seines dritten Consu-
lates 2 5 v. Chr. dem römischen Volke schenkte : fast alle antiken Thermen enthielten Rundgebäude
mit Decken, die nach der Form einer Rotationsfläche gebildet waren; doch hat es Agrippa jeden-
falls nachträglich in einen Tempel verwandelt und den Göttern des Julischen Geschlechtes, nament-
lich dem Mars und der Venus geweiht. Der Name „Pantheon" kommt schon zu Nero's Zeiten
vor. Auf die Vollendung des Tempels bezieht sich die ehrwürdige Inschrift am Friese
der Vorhalle:
M AGRIWAI.K COS TERTIUM FEQT-
Oefters vom Blitz getroffen und durch Feuersbrünste beschädigt, bereits unter Domitian
und Hadrian restaurirt, wurde das verfallende Gebäude durch Septimius Severus und seine Söhne
wieder herge-
stellt; von die-
ser Herstel-
lung spricht
eine andere In-
schrift 21 v.
Chr. hatte es
in die Bild-
säule des Au-
gustus einge-
schlagen, de-
ren Hand da-
durch die
Lanze entfal-
len war. Im
Jahre 607
schenkte der
Kaiser Pho-
IHm r>nlhcim
kas, jener Pho-
kas vom Fo-
rum das All-
götterhaus
dem Papste
Bonifatius IV.,
und dieser wid-
mete es, unter
deutlicher Be-
zugnahme auf
die „Götter-
mutter", deren
Statue angeb-
lich auf dem
Scheitel der
Kuppel stand,
und auf die
„nant; 9toi",
der „Mutter Gottes" und „allen Märtyrern", mit Bewilligung des Phokas das Pantheon in
ein Panagion (Santa Maria ad Martyres) verwandelnd. Achtundzwanzig Wagen voll heiliger
Gebeine liess der Papst von verschiedenen altchristlichen Begräbnissplätzen in die neue Kirche
bringen und (Reliquien werden in die Altäre immer eingeschlossen) unter dem Hochaltar nieder-
legen, während die falschen Götter und ihre Abzeichen, die „Unreinigkeiten der Abgötterei",
wie Paulus Diaconus sagt, hinausgeworfen wurden. Am 13. März 610 wurde sie eingeweiht
und bei dieser Gelegenheit das Fest eingeführt, welches die griechische Kirche am Sonntag
nach Pfingsten zu feiern pflegte, das Fest Allerheiligen (Ognissanti) ; letzteres indessen im Jahre
835 durch eine Bestimmung Gregors IV. auf den 1. November verlegt. Zu Allerheiligen
pflegte daher der heilige Vater das Hochamt im Pantheon zu halten. Es ist anziehend, sich in
der Phantasie den Augenblick auszumalen, wo diese typische Metamorphose vorgenommen und
der christliche Olymp gleichsam en bloc an Stelle des heidnischen gesetzt ward — sich vorzu-
stellen, wie das christliche Kreuz an den AUgöttertempcl pocht, zu den weit geöffneten
Thüren der römische Clerus unter den Klängen des Gloria in excebis einzieht, der Papst das
1*4
frohe Himmelsgewölbe beweihwassert und beweihraucht , und Mars und Venus und die Rhea
Cybele mit allen ihren Kindern durch die runde Lichtöffnung entweicht.
Und der alten Götter bunt Gewimmel
Hat sogleich dii stille Haus geleert,
Unsichtbar wird Kiner nur im Himmel,
Und ein Heiland wird am Kreuz verehrt;
Opfer fallen hier,
Weder Umm noch Stier,
Aber Menschenopfer unerhört.
Die unsagbare Wehmuth des Untergangs einer schönen Welt ergreift uns ; in dem träumerisch
erhellten Rund bricht es ein wie eine Götter- Dämmerung. Und doch möge der Freund des
Iis» Innere <lc, Pantheon (l'nprenglicbe Anlage).
classLschcn Alterthums nicht ungerecht gegen diese eifernden Priester sein. Nicht allein das
wolle er bedenken, dass hier nur eine Form gewechselt hat, und keineswegs blos Einer im Himmel
unsichtbar wird, sondern im Gegentheil durch das ferne Fluggewölk eine tausendfältige Glorie
neuer Götterdynastien hindurchscheint ; dass auch jene Märtyrer, gegenwärtig noch armselig und roh,
der künstlerischen Auferstehung harren, und dass dercinstmals ihre Königin, die Mutter Gottes, in den
wunderbaren Farben des Mannes, der hier ruht, einen rührenden und himmlischen Glanz verbreiten
wird — der Mann, der hier ruht, heisst Rafael mit Namen auch das wolle er erwägen, dass
der alte Tempel durch die christliche Exauguration vom Untergange gerettet wird, und dass diese antiken
Maucm und diese erhabenen Gewölbe nicht stehen geblieben, sondern durch eine kriegerische
Verwendung und deren Folgen unfehlbar, gleich dem Mausoleum des Augustus, zu Grunde
gegangen wären, wenn sie der Papst Bonifacius nicht für die Maria und alle Märtyrer in Anspruch
genommen hätte. Die Kirche hat viel zerstört; sie hat auch viel erhalten.
Wirklich war es nur das Gebäude, welches stehen blieb, während alle seine sonstigen
WS
Zierden entstellt und weggenommen wurden. Im Jahre 663 wurde das Dach des Pantheons
abgedeckt ; Kaiser Constans wollte die vergoldeten Bronzeziegel nach Constantinopel haben ; es
erhielt eine bleierne Bedeckung. Unter Urban VIII. kam der mittelalterliche Glockenthurm weg,
der bisher davor gestanden hatte, aber dafür set/tc Bernini, der I-cibarchitect dieses Papst«» aus
dem Hause Barberini, zwei andere Glockentürme, die sogenannten Eselsohren (orecchi di ciueo)
auf den Kopf des Tempels selbst; derselbe Bernini schmolz unter demselben Urban die Nägel
und die ehernen Balken ein, die dem Dachstuhl der gewölbten Vorhalle unterstützten, um
daraus eine Himmelsdecke für den Papst und Kanonen .für die Engelsburg zu giessen.
Der barbarische Raub, der noch dazu durch eine Inschrift in der Vorhalle verewigt wird, veran-
lasste den Pasquino zu einem seiner besten Witze, in dem er mit Anspielung auf die Herkunft
Urbans sagte:
Was man nach allen diesen und andern Barberineien — denn es fehlen ausserdem die
Erzreliefs, welche das Giebelfeld schmückten und vielleicht den auf dem Donnerwagen stehenden,
die Giganten niederschmetternden Jupiter darstellten, die Bildsäulen auf der Spitze und an den
beiden Ecken des Giebels, sowie die Colossalstatucn des Augustus und Agrippa in den beiden
Nischen der Vorhalle, es fehlt das edle Metall, welches die Cassetten der Kuppel vergoldete, es
fehlt der Marmor und der Stuckühcrzug der äussern Mauern, es fehlt Tausenderlei — ich sage,
was man vom alten Pantheon noch sieht, ist dies.
1) Der Porticus, 33,5 m breit und 13 m tief, getragen von sechzehn Säulen aus orum-
talischem Granit, deren marmorne Capitäle zu den schönsten Beispielen dieser Gattung in der
römischen Kunst gehören; der Umfang der Schäfte beträgt 4,5, die Höhe 12,5 m. Acht Säulen
stehen in der Front, die übrigen acht bilden, zu je zwei mit der ersten, dritten, sechsten und
achten Frontsäule verbunden und an der Vorderseite des Pronaos durch vier vortretende Pfeiler
oder Anten completirt, vier auf die Zelle zugehende Reihen, so dass drei Schiffe entstehen; das
mittlere führt zum Eingang, während die beiden Seitenschiffe ihren Abschluss in zwei grossen Nischen
zwischen den Anten linden. Ursprünglich führten fünf Stufen zur Vorhalle empor, später erhöhte
sich der Boden ringsum so, dass man auf ebenso vielen Stufen dazu hinabging; auch jetzt liegt
der Tempel immer noch niedriger als der Platz und wird daher von dem austretenden Tiber am
ersten überschwemmt
2) . Der Pronaos oder der den Zugang zur Cella vermittelnde geschlossene Raum an der
Vorderseite des Tempels, mit Pilastern geschmückt, rechts und links zwei Treppen zum Oberbau
und in der Mitte das Portal enthaltend. Die Schwelle der Thür ist von africanischem , Sturz
und Pfosten sind von weissem Marmor; die beiden Thürflügel von Holz, aber mit starkem
Bronzeblech beschlagen. Den oberen Theil derselben bildet, sei es der Ventilation, sei es der
Entlastung wegen, ein metallenes Gitter.
3) Die Cella oder das Innere. Ein hohler Cylinder, aus Ziegeln von vortrefflicher Qualität in
einer Dicke von 6,7 m aufgeführt, erhebt sich auf einer Basis von Travertin, mit einer Grund-
fläche von 42 m Durchmesser und in gleicher Höhe; auf dem Cylinder steht eine reine Halbkugel,
deren Durchmesser 43.4 m beträgt, und deren Pol ein offener Kreis von 8,5 m Durchmesser,
das sogenannte Auge (occhio) bildet; es erleuchtet den ganzen, wunderbar einfachen sphärischen
Raum. In dieser erhabenen, kühnen Einfachheit wird alles Detail gewissermassen absorbirt: man
bemerkt nichts weiter als das heilige, grosse, freie Wcltgebäude, durch dessen Wölbung
die Sonne wie das Auge der durch den alten Himmel ziehenden Venus mild und fromm herein-
schaut In der Mauer des Cyündcrs befinden sich sieben Nischen, in welchen die Götterbilder
Quod non feccrjnl Baibari,
Feeerum BiuUüinL
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4- I
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standen, gegenwärtig Capellen; die vor dcnselhcn herumlaufende Säulenstellung gehört erst der
unter Hadrian erfolgten Restauration an. Ueber ihr erheben sich eine Attica und eine Pilaster-
stcllung, worauf das mächtige, aus Gussmasse bestehende und mit colossalen Cassetten geschmückte
Rundgewölbe beginnt. Der Fussboden ist mit Porphyr und edlen Marmorarten belegt; er neigt sich
etwas nach der Mitte zu, um den hereinfallenden Regen zu sammeln ; derselbe Aiesst durch einige
Löcher in eine kleine, unter dem Fussboden verborgene Schleuse ab.
Als christliche Kirche ist das Pantheon unbedeutend, aber berühmt als Mausoleum: in
der Mittagsstunde geht Rafaels Geist aus seinem Grabe und streift es mit seinem göttlichen
Widerschein.
Ute hie cü Raphael, timuit quo suspiie vinci
Kerum magna MMN et moheiite moti —
Rafael ist es: solang er leUe, befürchtete ihre
Niederlage Natur, mit seinem Tode den Tod —
dieses Distichon, dessen Anfang der elegante Latinist, Cardinal Bembo, wohl noch etwas eleganter
hätte machen können, bezeichnet nebst einer Madonna die Grabstätte des grossen und glücklichen
Rivalen der Natur; er hatte sich den dritten Altar links in seinem letzten Willen selber für seine
irdischen Reste ausgebeten; daneben ist die Gruft seiner Braut Maria, der Nichte des Cardinais
Dovizio di Bibiena. Rafael starb am (harfreitag 6. April i 520 im 37. Lebensjahre; sein Skelett ward
1S33 b-' einer Oeffhung des Grabes noch ziemlich wohlerhalten gefunden. Der Epitaphist, Cardinal
Bembo las angeblich die Bibel nicht und betete sein Brevier nicht, um sich sein gutes Latein
nicht zu verderben; er sagte, er vertauschte es nicht mit der Markgrafschaft Mantua. Ausser
Rafael ruhen noch viele namhafte Künstler im Pantheon, so seine Schüler Baldassarre Peruzzi
/
< 1
(t '537). Perino del Vaga (■}■ 1547), Giovanni da Udinc (7 1564) und Taddeo Zuccaro (f 1566).
auf ausdrücklichen Wunsch wurde noch 1609 Annibale Caracd an seiner Seite gebettet. Rafael zu jy y
Ehren ist wohl auch die Brüderschaft der Künstler (Compagnia de' Virtuosi) mit dem Pantheon ^ [i
verbunden. In der Capelle links neben dem Hochaltar steht ein Kenotaph des Cardinais Ercole J f "
Consahri (t 1824}, der unter Pius VII. den Kirchenstaat neugestaltete, ausgeführt von Thorwaldsen, J>
einem seiner vornehmsten Günstlinge; endlich rechts neben dem I lochaltar befindet sich die provi- / . X
sorische Gruft Victor Emanuels IL, des ersten Königs von Italien (f 9. Januar 1878). lf y
Er hat versprochen, in Rom zu bleiben, und er vcrlasst Rom auch im Tode nicht, der
König-Ehrenmann: er bleibt in seiner Hauptstadt, ein heiliges Vermächtniss. Im Pantheon, dem
eifersüchtig gehüteten Eigenthum der Päpste, schlägt er seine ewige Wohnung auf; in dem offenen
Tempel, unter dem Bilde des Himmels, den er so sehr geliebt, will er schlafen und von einem
langen, glorreichen Lebenswerke ausruhen, gleich der königlichen Dido,
Urbem praeriaram «tatui, mea moenia vidi,
Kl nuivr magna mei sub terras Ml
Er zieht noch einmal durch die Stadt, die er gleichsam neugegründet : die Eiserne Krone
setzt er auf: dann besteigt er sein Bett und legt sich bei Lampenscheine inmitten des mächtigen
Rundes nieder. Der ausgespannte Himmel ist umflort : dicht und schwer hangen undurchdringliche
Wolken auf den Sarkophag herab: an seinen Stufen liegen die Löwen des savoyischen Hauses
gramvoll ausgestreckt Todesstille und Todesnacht in dem Allgöttertem|>el — das Vaterland neigt sich
trauernd über den grossen Toten. Es ist nicht Victor Emanuel. es ist Italien, das sich hier Rom
im Pantheon verpfändet — sein Stern steht verschleiert im Zenith darüber — der Vater hatte
ihn entdeckt, der Sohn hatte ihn vom 1 Iimmel hcrabgeholt
127
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V.
Südöstlich vom Pantheon lag Domitians Tempel der Minerva Chalcidica, auf dessen
Trümmern jetzt (sopra Minerva) die grosse Marienkirche, die Hauptkirche der Dominicaner steht:
die Madonna, welcher ein beredter Prediger dieses Ordens, Pelbart von Temesvär, unter dem
Pontificat Alexanders VI. eine weltumfassende Weisheit zuschrieb — die Grammatik, denn sie
machte niemals im Sprechen einen Fehler — die Rhetorik, denn sie beherrschte die heilige
Schrift, die nach Sanct Augustinus alle Redeblumen der Erde enthält, vollständig — die Logik,
denn sie bekämpfte die Ketzerei erfolgreich — die Musik, denn ihre Stimme musste harmonisch
sein, da sie dem vollkommensten Ohre, dem Jesu Christi wohlgefiel — die Arithmetik, denn sie
berechnete die Jahre, die von Abraham bis zum Messias verlaufen waren — die Geometrie, denn
sie löste das Problem des Ezechiel, die Maasse des Tempels und der Stiftshütte betreffend — die
Jurisprudenz, denn man erkennt einen geschickten Advokaten daran, dass er vor einem gerechten
Richter gegen einen listigen Widersacher einen verzweifelten Process gewinnt: nun, die Sache
des Menschengeschlechtes war eine verzweifelte, die heilige Jungfrau hat sie vor Gott, dem gerech-
testen und aufgeklärtesten aller Richter, vertheidigt und hat sie gewonnen gegen den Teufel,
einen verteufelten Widerpart — — diese Madonna konnte die Nachfolgerin auch der Göttin der
Weisheit und die Patronin der hier aufgestapelten Bücherschätze werden. Vor der Kirche stellte
Bernini 1 667 auf dem Rücken eines Elefanten einen kleinen Obelisken auf — die von dem stärksten
aller Thierc getragene Weisheit der Argypter sollte abermals ein Symbol der Kraft wahrer Weisheit
sein — man will, dass dieser Obelisk zugleich mit dem auf der Piazza della Rotonda von dem
berühmten und berüchtigten Isistcmpcl stamme, dem Iscum - et - Serapeum, dessen heiliger Bezirk
sich bis zur Minerva ausgedehnt hat. Hier, „in Isidis casto" wäre der Schauplatz der sechsten
Satirc des Juvenal zu suchen, hier hätte die Erzählung von Paulina und Decius Mundus gespielt,
die aus Josephus in die italienischen Novellen übergegangen Ist:
Meide das Heiligthum dort, wo die Niloüschc Kuh thront,
Buhlcrin war sie dem Zeus. Buhlinnen wirbt sie tarn Dienst —
man darf wohl annehmen, dass böse Zungen über diesen geheimnissvollen Dienst mehr verbreitet
haben, als wirklich dahinter steckte. Auch die Gründung des Iscum -et- Serapeum, will sagen
eine Neugründung des mehrmals eingerissenen, wird von Einigen dem Domitian zugeschrieben;
gewiss ist, dass der ägy ptische Gottesdienst, dessen Mittelpunkt der Isistempel war, seit den Zeiten
Domitian's (Vespasian und Titus brachten hier die Nacht vor ihrem Triumphe zu) einer
immer steigenden Beliebtheit genoss, und dass ihn erst das aufkommende Christenthum langsam
verdrängen konnte. Endlich richtete Domitian auf dem Marsfeldc für Wettläufe, Wettfahrten und
VY ettrennen ein Stadium ein, dessen Form und Umfang in der heutigen Piazza Navona, nach
dem Pctersplatze dem grössten in Rom (250,25 m lang, 54,6 m breit) erhalten ist; der Name
Navona, durch Umschreibung mit der Prät>osition in gebildet und aus Nagona In agone her-
vorgegangen, erinnert an die einst hier abgehaltenen classischen Agonen, die noch heute nicht
völlig ausser Gebrauch gekommen sind. Den Eingang des Stadiums schmückte vielleicht die
ausgezeichnete Marmorgruppe, welche, obgleich sie sich durch keinen homerischen Vers belegen lässt,
nach Viscontis Vermuthung den Menelaus darstellt, wie er den Leichnam des Patroclus von der
Erde aufhebt (die Schultern des letzteren zeigen angeblich die Wunde, die er dem Homer
zufolge im Rücken von Euphorbos erhielt, bevor der Stoss in den Unterleib von Hector's l^anze
sein Leben endigte) — und, nachdem sie Jahrhunderte lang zu Boden und auf dem Bauche gelegen
hatte, wo dann der breite Rücken des Menelaus bei schmutzigem Wetter als Trittstein diente, 1501
in verstümmeltem Zustande von der Strasse aufgelesen und an der stumpfen Ecke des Palastes
128
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Orsini, gegenwärtig Draschi aufgestellt ward. I>urch alle diese und andere öffentliche Gebäude,
deren Zahl sich unter den späteren Kaisern noch vermehrte, wurde der freie Raum immer mehr
eingeschränkt und das Marsfeld nach und nach bis unmittell>ar ans Ufer zurückgedrängt. Als Augustus
die Stadt in Quartiere theilte, machte er die grosse Hälfte desselben zur neunten Region, während
er den östlichen, an den Hügeln anliegenden Strich zur siebenten Region schlug; jene ward nach
dem Circus Flaminius , diese nach der Via Lata , ihrer westlichen ■ Grenzlinie genannt. Das war
das Lager des Kriegsyottes, wo ciast die blutige, weltdurchsausende Lanze llog, und auf dem sich
allmählich das bunte, ironisch gefärbte, mit tausend Reminiscenzen verquickte, halb antike, halb
mittelalterliche, aber immer grossstädtische Leben des modernen Roms entfaltete.
Es überstrahlte Alles; es war so jjross, dass Rom selbst nur wie ein Anhängsel dazu
erschien — bis im Laut
der Jahrhunderte, was
Jahrhunderte gebaut
hatten, langsam wieder
einsank, und diese mit
Tempeln und Säulen
bepflanzte Ebene, diese
schimmernde Marmor-
stadt sich wieder in ein
Feld und in einen Sumpf
verwandelt«, nicht un-
ähnlich jener Palus Ca
prae, wo Romulus mit
den Rossen seines Va-
ters Mars unter Blitz und
Donner gen I limmel ge-
fahren war. Ruinen-
stadt ohne Gleichen !
Erhabene Wüstenei!
Aus deren Schutte die
alten Götter wie schlum-
mernde Kinder aus
ihrem Bett hervorsehn
— die nur noch das
heilige Gras des Mars
oder Dornen und Di-
steln trägt, um einen
Ketzer zu verbrennen.
Und doch, das Mars-
feld verödete nicht wie
Palatium und Komm:
zu ihm zog sich die
übriggebliebene Bevöl-
kerung hinab. Absuch-
ten sie den Schutz des
Gottes, der darüber wal-
tet, nisteten die moder-
nen Römer eng zusam-
mengedrängt in der
verschütteten Wunder-
welt, in den Resten
der Säulenhallen, in den
alternden Palästen : Gas-
sen bildeten sich, zwi-
schen Trümmern zu
Trümmern führend,
deren ursprüngliche Be-
stimmung ganz abhan-
den kam: Tempel waren zu Kirchen, Mausoleen zu Burgen, Circusse zu Reperbahnen 1 ), Theater
zu Schmieden geworden, und an der Stelle, wo die Gruppe des Menelaus mit dem Leichnam
des Patroclus unbeachtet lag, auf der Via in Parione legte sich gegen Ende des 1 5. Jahrhunderts
ein Schneiderlein ein Kleidergewölbe an, wo sich die Professionisten und die kleinen Leute zu
versorgen pflegten. Der Meister hiess Pasquino; er war ein lideles Haus und mitsamt seinen
vielen Gesellen ein grosser Spötter, sein Laden in jener journallosen Zeit eine Art Redactionsbureau
für die guten Witze und die pikanten Anecdoten und die Klatschereien der StadL Andere sagen,
er sei ein Schuhlltcker gewesen, wir würden ihn eher für einen Barbier nach Art des spanischen
Figaro gehalten haben. Mit seiner scharfen Zunge schonte er keinen Papst und keinen Cardinal.
Trotzdem erschien ein Handwerker der Regierung zu unbedeutend, um sich ernsthaft mit ihm und
') So der Circni l'Uuninius, de» «ich dre Seilet xa Ihrer Wcrk.lllle »mcnnlKti, und
S. CMcrim de" eWI acht.
deucn Trimmern eine nach tlieier Zuuft \>e
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seinen Einfallen zu beschäftigen, und deshalb schoben gelegentlich auch andere Leute ihre Anecdoten
dem Meister Pasquino in die Schuhe, wenn sie eine ungestraft in Umlauf bringen wollten: Pasquino
war der allgemeine Zungensündenbock. Er starb, aber das sarkastische Feuer, das in der Hölle des
römischen Schneiders gelodert hatte, brannte lustig weiter, und da gerade um diese Zeit, ihm
gleichsam vor der Nase, der Sturz auferstand, dessen originelle Missgestalt eine unleugbare
Wahlverwandtschaft mit dem wackeren Meister zu haben schien, glaubte das Volk, Pasquino's
Seele sei in diesen Sturz gefahren, nannte ihn Pasquino und schrieb fortan auf Rechnung des
steinernen Pasquino, was es aus dem Munde des lebendigen zu vernehmen gewohnt gewesen war:
es fand die „Pasquinoli" an seine Brust geheftet, sie schienen ihm wie den Heiligen die Papier-
streifen auf alten Gemälden zu entströmen. So entstand die lachende Pasqui na ta, ein Ableger
der antiken Satira, und der volkstümliche Pasquillo, ein speeifisch römischer, römisch classisch-
biblisch-historisch-kosmopolitischer Kladderadatsch, respective der Schulze des Kladderadatsch, indem
die Rolle Müllers zuweilen ein anderer Geist, Marforio, übernahm, dessen Bekanntschaft wir auf
dem Capitole machen werden, ab und zu sogar noch der Abate Luigt und die Madama Lucrezia,
ebenfalls alte marmorne Stammgäste des Marsfelds aufzutreten pflegten. I3ie Franzosen machen
sich Luft mit Chansons, die Italiener mit Pasquinaden.
Merkwürdiges Fragment ! Iis bewegt sich nicht, es lebt ; es hat keine Augen noch Ohren,
es sieht und hört Alles; seine Nase ist bis auf den letzten Rest verschwunden, aber es spürt und
wittert wie ein Polizeispion. In ihm wohnt nicht die Seele des armen Schneiders, die Seele des
römischen Volks durchdringt es und belebt es, und durch seinen Mund haben Sannazaro und
Poliziano und Ariost geredet; es kennt die heilige Schrift besser als Padre Tosti, es hat mehr
darin gelesen als der Papst, der das zehnte Mal unwissend ist, wie Paulus schreibt, und es
schleudert seine Blitze mit überraschender Präcision in Sprüchen aus dem alten und aus dem
neuen Testament. Hütet euch vor ihm! Der alte Pasquino ist ein mächtiger Kritiker: tausend
stolze und wichtige Gesichter hat er einst erbleichen, tausend erröthen ') machen. Wer wagte es
ihn zu stürzen? Im Jahre 1592, unter dem Pontilicat Gemens' VIII, sollte er zerstückelt und in
den Tiber geworfen werden. Die Prälatur hatte ihn verurtheilt, die Cardinäle Pietro und Cinzio
Aldobrandini, Nepoten des Papstes, schworen ihm den Tod — wer erhob seine Stimme für ihn?
Torquato Tasso! der grosse und unglückliche Tasso ! Er sagte zum Cardinal Pietro: „Tastet ihn
nicht an! Dem Staube Pasquino's würden Frösche ohne Zahl entkriechen und am Ufer des Flusses
quaken Tag und Nacht." Tasso's Worte wurden dem Papste hinterbracht, er zog ihn zur Rechen-
schaft. „Ja, ja, seligster Vater", antwortete der Dichter, „wenn die Statuen nicht übel reden sollen,
so müssen die angestellten Beamten auch nicht übel thuen (Se la vostra Beatitudine vuol che le
statue non favellino male, faccia che gli uomini ch'ella jione nc' governi operino bene). Wenige
Tage darauf verkündete es Pasquino: Die Poesie hatte die Satire gerettet
Besonders stark war Pasquino im Auffinden und im Anbringen von Bibelstellen. Ein
Papst hatte in seinem Wappen einen Weiastock. Desselben Papstes Glück hatte ein Fürst ge-
gründet, gegen den er sich sehr undankbar benahm. Pasquino sagte:
PlanUvi vineaiu, et feat lalmisrum.
Das heisst: ich habe einen Weinberg gebauet und wartete, dass er Trauben brächte, aber
er brachte Heerlinge. Der Papst war empfindlich getroffen; er versprach demjenigen eine
l'< Er hat alirr .Dich einmal vurarogesagt, «laut ne nicht erruten werden. In dem franruiiscben Nalioualconcil von 1681 war der
fnrpxr Errbnchuf r'rancoit de Harlai mit besonderem Eifer für die Unabhängigkeit der Gallicanischen Kirche vam Italigen Stuhle eingetreten.
Da erxhirn in Korn eine Medaille, des PrthUea darstellend, wie er vor dem Heiligen Vater auf da Knie«! lag. l'mijadno stand dabei und
ansehnliche Belohnung, der ihm den Urheber der Satire nennen wollte. Den nächsten Morgen
fand man ebendaselbst folgende Afliche:
Jssias. Cap. 5, I.
Diese Taktik wurde, weil den Päpsten nicht zu trauen war, gemeiniglich befolgt Ein
ander Mal hatte der heilige Vater den Tabak besteuert oder die Steuer darauf erhöht. Eines
schönen Morgens konnte alle Welt, ich weiss nicht ob am Fussgestell Pasquino's oder an den
Mauern des apostolischen Palastes selbst, den 25. Vers vom 13. Capitel des Buches Hiob lesen:
Com» foliuro, quod vcnlo rapitur, obstendis potentiam tuain,
et »lipulam siccaiu persequeri»?
Zu deutsch: Willst du wider ein fliegendes Blatt so ernstlich sein und einen dürren Halm
verfolgen f — Der Papst, dem man es hinterbrachte, befahl, dass man die Worte stehen lasse, und
sagte . es würde ihm Vergnügen machen, den Autor kennen zu lernen, der ein geistreicher Mann
sein müsse. Des Wunsches ward er gewährt, denn bald darauf hatte sich der Autor unter-
schrieben, nämlich:
Job.
Nun Hess der Papst aussprengen, er würde dem Satyriker ein glänzendes Honorar zahlen,
wenn er sich entdecken wollte; der aber, durch gewisse Präcedenzien gewitzigt, machte sich
nächtlicherweile auf und schrieb neben den Namen Hiobs:
gratis.
Und so mochte der gute heilige Vater bersten vor Aerger, er bekam ihn nicht heraus.
Man sagt in Italien, ein Papst bekomme nimmer die Wahrheit zu Gesicht, ausgenommen
wenn er das Evangelium lese. Wahrlich, das Evangelium hat ihnen Pasquino des Oeftern vor-
gehalten, er verfolgt sie noch im Tode mit seinen Bibelstellen. Gemens VIT. hatte sich durch
den Genuss von Melonen und Pilzen, die er übermässig liebte, ruinirr, er nahm einen neuen Arzt
an, einen gewissen Agnolo, der ihm eine neue Diät vorschrieb; das beschleunigte seinen Tod.
Die Römer, die darüber wenig trauerten, hingen das Porträt des Arztes an die Statue des
Pasquino und schriclven den 29. Vers des 1. Capitcls vom Evangelium Johannis darunter:
Eccc Agnus l)ci,
cccc qui tollit pcrciMum mundi.
Siehe das ist Gottes Lamm, welches die Sünde der Welt hinwegnimmt — was an die Grab-
schrift für die Mutter des Herzogs von Orleans erinnert: Hie jacet otium, hier liegt der Müssig-
gang. L'oisivete, heisst es, est la mere de tous les vices.
Aber Pasquino machte auch seine eigenen Witze: Welches Ist der Superlativ, fragte er
einmal, zu dem es keinen Positiv gibt? — Der Papst, antwortete er, den man den heiligsten
Vater (santissimo padre) nennt und der doch oft genug nichts weniger ist als heilig. Er sprach
auch nicht immer I^tein, er sprach nicht immer gelehrt, er sprach die „Volgar Lingua." Nament-
lich, wenn er sich mit Maribrio unterhielt; aber gelegentlich redete er auch seinen Liebling, den
heiligen Vater, italienisch an. Als Pius VII. nach dem Sturze Napoleons wieder in Rom einge-
zogen war, crliess er eine Verordnung, wonach alle, die unter der kaiserlichen Regierung gedient
hatten, entlassen und jeder Anwartschaft auf eine neue Stelle verlustig erklärt wurden. Den
nächsten Morgen stand auf dem Piedestal Pasquinos:
Padrc santo, padie santo, voi l'avcte unto
e iM)i 1'ahbUmo leccalo,
das heisst: Heiliger Vater, heiliger Vater, du hast es geschmiert und wir haben es geleckt, oder
mit einem uns gewöhnlicheren Bilde, du hast die Suppe eingebrockt und wir haben sie gegessen.
'3'
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Ganz aus derselben Zeit (1814) stammt folgender Dialog, den Pius VII mit Ludwig XVIII. zu
Pasquinos Küssen führte:
Ludwig. Heiliger Vater, wie hast du doch einen Usurpator krönen können?
Pius. Was willst du, mein lieber Sohn ? Du fehltest.
Ludwig. Aber mit meiner I^gitimität , heiliger Vater , herrsche ich auch , wo ich fehle.
Pius. Aber mit meiner Infallihilität , lieber Sohn, habe ich Recht, selbst wenn ich fehle.
Wie hinter dem alten Schneider, so verbargen sich auch hinter seinem Torso oft genug
die eminentesten Personen, ja Glieder des heiligen Collegs, die seine Hülfe namentlich bei Ge-
legenheit von Conclaves in Anspruch nahmen. Unter den zahllosen Pasquinaden , mit denen
Alexander VI. überschüttet ward, befanden sich genug, die ohne Zweifel auf seinen unversöhn-
lichen Gegner, den Cardinal Giuliano della Rovcrc, den späteren Julius II. zurückzuführen sind;
nahm er sich doch ein andermal gar nicht erst eine Pasquinade vor den Mund, sondern nannte ihn
offen „papa marrano c simoniaeo e traditore." Hin Jahrhundert später, im Jahre 1669, sprach
man in Rom davon, den Cardinal Giovanni Bona zum Papst zu machen. Pas<|uino erklärte
augenblicklich :
Papa Mona est oratio incongma,
d. h. Papa Bona ist (weil Papa männlich) ein Genusfehler; der schlagfertige Cardinal antwortete
sofort mit folgendem Distichon:
Vana volciccismi non tc connubet imago:
End j>ai>A bunub. si Bona |japa foret.
Abgesehen von der sonderbaren Metempsychose, durch welche sie zum Krben des Witzes
eines Schneiders geworden war , lebte die antike Marmorgruppe auch als solche fort ; das heisst
nicht als die Gruppe des Menelaus mit dem Leichnam des Palroclus, denn dafür erklärte sie
erst Visconti, sondern als die des schwarzen Klitos mit dem .schwerverwundeten Alexander oder
des Spiculus mit einem sterbenden Pechler oder des Hercules mit dem nemeischen Löwen oder mit
der Hydra, oder wofür man sie sonst hielt; ja, in dieser ursprünglichen Kigenschaft pflegte sie
bei Processionen, die hier vorüberkamen, z. B. lx:i den päpstlichen Krönungszügen, namentlich
auch am 25. April zu Marci wie eine Puppe angezogen, mit Karben bemalt und allegorisch
ausstaflirt zu werden. Ihr Schicksal ist wohl das seltsamste, welches jemals eine Mannorftgur
gehabt hat Ein unvergängliches Meisterwerk, die höchste Stufe hellenischer Kunst bezeichnend,
dem Torso des Hercules im Belvedere zu vergleichen und noch in seiner Verstümmelung von
einem Bernini einem überalpischen Krcmdcn als das vollkommenste Kunstwerk Roms genannt —
zu des Kremden Befremden so genannt, er wollte Bernini fordern, weil er glaubte, dass sich der
Künstler lustig mache über ihn — dieses Meisterwerk als Trittstein auf der Strasse, um trocken
von Trottoir zu Trottoir zu schreiten, mit Küssen getreten im eigentlichen Sinne — ein homerischer
Held, von dessen rechter Schulter das Wehrgehänge mit dem Schwerte herabfallt, während das
heroische Gewand über die linke geschlagen ist, bewohnt von einer Schneiderseele. Witze im
Ton des gemeinen Volkes reissend und Bibelstellen citirend — ein Phidias, beflickt mit Epi-
grammen, in eine Narrenkappe gesteckt, travestirt in hundert Manieren — mit einem Wort ein
Pasquino — welch ein beissendes Pasquill!
h^MH-
Das Capitol.
L
asquino mit seinen etwas nach der Schule .schmeckenden, aber originellen Scherzen
''hat uns interessirt; wir sind neugierig, anch die Bekanntschaft Gevatter Marforios
zu machen. Wo wohnt Marforio? Auf .Martis Forum'? — Wir theilen für einen Augen-
blick diese seltsame Phantasie der Römer, die in ihren Ktymologien oft so unglücklich
sind wie die Alten selbst; bis wir einsehen, dass es ein Forum Martis nirgends gab, und
dass Marforio oder Marfolio, wie Pasquino, ein Personenname ist Kxistirt er doch noch
heute: Girlos Marfori hiess ein bekannter Günstling einer bekannten Königin, der sich
rühmte, der Sohn eines italienischen Kochs zu sein. Koch und Schneider sind treffliche
Kumpane. Wir müssen uns also aufmachen und den Signor Marforio erfragen ; leider
scheint er dem Volke nicht mehr recht vorgestellt zu sein, und wenn uns einmal ein Koch
genannt wird, so ist's ein französischer. Line ganze Weile irren wir in dem verwetterten
Gassenlabyrinth umher, endlich bringt uns unser Stern an den Palast Vidoni. Da ist er ja,
rufen wir entzückt , indem wir an der Ecke desselben eine verstümmelte Togastatue gewahren,
Pascjuinos Widerspiel! Ein Römer in der majestätischen Tracht des Römers! Marforio athmet
römischen Geist, martialischen Witz! — Aber der Mann mit der Toga grinst uns an: er sei
der Abate Luigi. — Entschuldigen Sie, Signor Abate, es war ein Missverständniss; übrigens
haben wir auch von Ihnen gehört. Herrn Abate Luigi unsern ergebensten Gruss! Und unsern
Mut hoch lüftend gehen wir weiter. Wir gehen bis zu Bibulus' Grab, des ehrenfesten Republicancrs —
es lag einst dicht an der Grenze der antiken Stadt, es liegt jetzt umgekehrt an der Grenze der
modernen — und gerathen auf den römischen Marcusplatz. Hier vor San Marco stösst uns aber-
mals etwas von Pasquinos Sippschaft auf, eine verstümmelte Marmorbüste; aber es ist nicht
einmal eines Mannes Büste. Madama Lucrezia unsern ergebensten Gruss! Wir haben auch von
Ihnen gehört, aber wir suchten Marforio. 1 >en ganzen Campo Marzo . . . „Marcello } Den Marcello
suchen Sie? Werde Sie führen", unterbricht uns ex improviso ein junger Cicerone, der eine mäch-
tige Meeräsche in einer Reuse trägt, und ohne eine Antwort abzuwarten, läuft er mit seinem
Fische voraus und ruft uns zu und winkt uns, und wir müssen ihm folgen, wir mögen wollen oder
nicht. Er kommt uns vor wie der junge Tobias, der in seiner Freude, einen guten Fang im
Tigris gemacht zu haben, zum Engel der Menschen wird. Hui! Da sind wir auf einem Platz,
wo die I.andleute, die Frauen, die Kinder, die Esel dicht beieinander stehn — sie verdingen sich
an die Oeconomen, sie probieren Schuhe, sie kaufen sich Nägel, sie zählen ihre Soldi -• sie lassen
sich rasiren, sie beschlagen sich ihn; Sohlen, sie dictiren Briefe, sie essen Kuchen, sie trinken
Limonade — die Männer tragen blaue Mäntel und spitze Hüte, die Frauen knappe weisse Mieder
und rothe Schürzen — es sind Gruppen wie aus der Bibel, lauter heilige Familien, zum Malen.
„Da sind wir, da sind wir", ruft unser Tobias nach dem Porticus der Octavia enteilend, und überlässt
uns unserm Schicksal. Wo sind wir denn ? Auf der Piazza Montanara ; nun, was soll's ? Wir schauen
uns um: an den Platz stösst, bis zur Hälfte verschüttet, eine Schmiede, eine riesige, halbkreis-
förmige, rauchgeschwärzte Schmiede: das bläst und hämmert und dengelt und schlägt Funken
wie beim leibhaftigen Vulkan. Und, sonderbare Schmiedewerkstätten das! Jeder Schmied hat ein
H
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Gewölbe von Traverün und einen Bogen, dessen Schenkel Säulen dorischer Ordnung schmücken;
darüber erhebt sich in jonischem Stil ein zweites Stockwerk, aber mit zugemauerten Arcaden; ja,
es folgte wol am Ende noch ein drittes und viertes Stockwerk. Eine Ruine! Kann man auch
hineingehn? Nein, aber hinauf; in Schutt und Moder ist sie zu einem Berge angewachsen, und
auf dem Berge abermals in vier Stockwerken ein Palast aufgeführt Er muss an die Orsini ge-
kommen sein, da zwei steinerne Pctzchcn (orsini) an der Auffahrt Männchen machtm. Dass dies der
Monte 5a-
velli und die
Ruine das
Marcellus-
theater ist?
Das Theater,
welches Au-
gustus dem
Andenken
seines zärt-
lich gelieb-
ten, auf dem
Marsfelde be-
grabenen
Neffen weih-
te, in dessen
unmittelbarer
Nähe nach-
mals die
Thürme der
Pierleoni
standen, das
endlich die
Savelli zu
ihrem Hor-
ste wählten }
Kein Zweifel,
er ist's! Wir
wissen, dass
die Orsini den
Savelli'schen
Palast im vo-
lJ*e \ jtderscitc de* Cipitolsplaues am den OiosXores.
rigen Jahr-
hundert kauf-
ten, im ge-
genwärtigen
bewohnte ihn
Niebuhr als
preussischer
Gesandter,
und in der
Nähe muss
die Goethe-
kneipe sein.
Marcel-
lus! Götter-
begünstigter,
frühentraff-
ter, im Ge-
sanguivsterb-
licher Dich-
ter unsterb-
lich lebender
Marcellus !
Als der from-
me Aeneas in
der Unter-
welt vorah-
nend die Ge-
schicke Roms
erschaute, da
war deine ide-
ale, jugend-
schöne Er-
scheinung das Letzte, was ihm auffiel ; mit deinem rührenden Bilde schloss die unabsehbare Reihe der
sich vor ihm entringenden Heldensöhne wie mit einem Seufzer ab. So klingt dein Name auch hier, wo
wir nicht vorwärts, sondern rückwärts geschaut haben, den silbernen Gestalten der Vorwelt nach gleich
einem leisen Seufzer — wehmüthig, mit einem Lächeln entsagst du dem süssen Leben, entweichst du
zum Vater Mars und mahnst uns, dass für die Blumen der Menschheit kein Bleibens hinieden ist,
dass der Genius die Erde nur im Fluge mit seiner Helligkeit berührt und wie ein Meteor verschwindet :
ottendent terris hiiw lanuim lata no|ue ulua
cmc sinem.
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Ks scheint, wir haben kein Glück mit dem Marforio: er entwindet sich uns gleich einem
Proteus. Aber ein Königreich, ein Rom für Marforio! Auf dergleichen flüchtige Schönheiten
capricirt man sich erst recht, und das Capitol mit allen seinen Schätzen kann uns gestohlen werden,
so lange wir ihn nicht haben. Links von der Piazza Montanara geht es nach Piazza Araceli und
hier in drei Wegen zur alten Burg hinauf: links führt eine Treppe von 124 Stufen zur Nordspitze,
respective zur Kirche S. Maria in Araceli (50 mi, rechts eine Rampe zur Südwestspitze, respective
zum Palazzo Caffarelli und zur deutschen Botschaft (47,5 m), in der Mitte eine asphaltirte Cordonata,
das heisst nicht etwa eine Treppe, auch keine flache Treppe, sondern eine statt von Stufen von
steinernen Cordons durchschnittene schiefe Kbene zur mittleren Einsenkung, dem .inter montes' ge-
legenen Intermontium, respective der Piazza del Campidoglio (30 m) empor. Diese Piazza del Cam-
pidoglio ist ein Viereck
von über j6o m Umfang,
das drei grosse Paläste
zu Seiten hat, den Palast
des Senators, wir würden
sagen , die Polizeiprae-
fectur mit dem Glocken-
thurmc im I lintergrund,
links den Palast des Mu-
seums, rechts den Palast
der Conservatoren ; die
offene Vorderseite oder
Grundlinie des Vierecks
stellen zwei Säulenjjelän-
der dar, welche sich schen-
keiförmig an die Balustra-
den des Aufgangs schlies-
sen und , rechtwinkelig,
aber wagerecht von ihnen
abspringend, in entgegen-
gesetzter Richtung nach
den Ecken des Vierecks
laufen ; sie sind gleich,
denn die perpendiculär
auf die Grundlinie gefällte
Cordonata trifft dieselbe
in ihrem Mittelpunkte
und halbirt sie. Am
I Ialbirungspunkte, auf den
Scheiteln der Winkel,
stehen zwei antike Sta-
tuen der Dioskuren kolos-
saler Grösse, in halbei-
formigen Hüten, jeder
mit seinem Pferde, vom
Theater des Pompcjus
stammend ; die Füsse
der schräg ansteigenden
Balustraden bezeichnen
zwei wasserspeiende Lö-
wen von Basalt, alt-
ägyptische Werke und
unübertroffene Muster die-
ses Stils (merkwürdig ist
Bulwers Irrthum, der sie
mit Rienzis lebendigem
verwechselt 1 ; die hori-
zontalen Schenkel sind
in demselben Verhältniss, wie sie sich beiderseits und in verschiedener Richtung vom Mittel-
punkt entfernen und den Ecken nahem , mit Bildwerken besetzt , die wie die Meilensteine sym-
metrisch an divcrKircndcn Strassen stehn; auf die Dioskuren folgen die Trophäen des Marius,
die Seite 109 erwähnten Cimbern, auf diese zwei Statuen aus den Constantinsthermcn, Kaiser Con-
stantin den Grossen (CONSTANTINUM AUG.) und seinen Sohn, Constantin II. (CONSTANTINUM
CAES.J darstellend, auf diese endlich an den Enden des Geländers zwei wirkliche antike Meilen-
steine in Säulenform (Milliaria), von denen indessen nur der auf der rechten Seite echt ist: er
bezeichnete mit der Ziffer 1 das Ende der ersten Meile oder, was dasselbe ist, die ersten tausend
Schritt (Millia passuum) auf der appischen Strasse, von der Porta Capcna an gerechnet Nach
Plutarch war es Caius Gracchus, der die italienischen Strassen nach Meilen eintheilte und die
ersten Meilensteine i*iora< xitfooiv ayitia 101" ,«. - r " errichtete; Inschriften auf dem unsrigen
sprechen von einer zweimaligen Erneuerung desselben durch Vespasian und Nerva. Den Gipfel
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der Säule schmückt eine antike Metallkugcl, die nicht darauf gehört — diese beiden Meilensteine als
„Milliaria aurea" auf das Capitol zu setzen hat selbst keine rechte Pointe, ja, bis auf die Trophäen des
Marius, entbehrt dieser Pointe der gesammte plastische Schmuck des Platzes, der nur durch
äussere Rücksichten , namentlich auf Pendants gerechtfertigt werden kann ; im Mittelpunkte des-
selben steht, das heraufkommende Volk erwartend und den rechten Arm zu einem Salamalek
erhoben, übrigens selbst zu Pferde mehr Philosoph als Cavalicr, die eherne Reiterstatue dt»
Kaisers Marc Aurel, während eine geringfügige, noch dazu falsche Roma, die an der Freitreppe
des Senatorpalastes in einer Nische sitzt und als Brunnenfigur über den kolossalen Bildsäulen
des ägyptischen Nils und des römischen Tiber thront, einen fast erbärmlichen Abschluss bildet.
Michelangelo, dem die Gestaltung des modernen Campidogüo zugeschrieben wird, wollte, um
ihm wenigstens einen Abglanz der alten Herrlichkeit zu geben, eine Kolossalstatue Jupiters
an ihre Stelle setzen, die besser gepasst hätte. Den Glockenthurm krönt, wie früher erwähnt,
gleichfalls eine Roma. Dieses Ensemble von Bildwerken, die meist gar keine nähere Beziehung
zum Capitole
haben , auch
sich nur zum
Theil über die
Mittelmässig-
keit erheben,
sieht echt an-
tiquarisch-ge-
lehrt und pe-
dantisch - zu-
sammenge-
tragen aus;
bereits auf
Seite 33 ha-
ben wir er-
zählt , dass
man auch eine
lebendige
Ifcr Opitufepbtt Hak« vom Setiatirotip&Uu £<*«lxti.
Wölfin dazu
gesperrt hat.
Die Grösse
des Platzes ist
die histori-
sche; wie er
(im Gegensatz
zur Peterskir-
che) dem leib-
lichen Auge
grösser er-
scheint als er
ist, weil der
freie Raum
nach der Tiefe
breiter wird,
so täuscht der
Name Capitol
und die mächtige Erinnerung an den religiös-politischen Mittelpunkt des ganzen Römischen Reichs
auch unser geistiges. Oder will es uns etwa nur in diesem Augenblicke so bedünken, wo
wir den Marforio im Kopfe haben? Vielleicht! Thatsache bleibt, dass wir, wie wir an der Nord-
seite heraufgekommen sind, an der Südseite wieder hinunter gehen und theilnahmlos an Marc
Aurel vorüber den Abhang hinab zum marmertinLschen Gefängniss eilen, dahin, wo wir am
Anfang unserer Wanderung durch das antike Rom gestanden haben. Marforio, wo bist du? Dass
wir mit diesem Seufzer auf den Lippen wiederkehren würden, hätten wir damals nicht geahnt.
Es ist dir, lieber Leser, wohl schon in Berlin oder sonst einer grossen Stadt des öfteren
begegnet, dass du einen guten Freund gesucht hast, und dass dir, nachdem du seine Wohnung
endlich mit vieler Mühe aufgefunden, der Bescheid ward, er sei unlängst ausgezogen ; ja, dass du
nun eben wieder zu einem 1 lause zurücklaufen musstest, bei dem du vorhin vorbeigegangen warst,
weil du seine Anwesenheit nicht ahntest. Genau so geht es uns jetzt hier, bei San Giuseppe
de' Falegnami mit dem Marforio; in Berlin verändern die Menschen ihre Adressen, in Rom die
Statuen. Denn denke dir, dass wir in dieser Entfernung von Pasquino gleich hinter dem Capitol
wirklich eine „Salita di Marforio" erblicken! Und denke dir weiter, dass wir, während schon alle
13«
t
I
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unsere Pulse schlagen, an einem Häuschen gegenüber dem Carcer Mamertinus über der Thür
eine Anzeige lesen, Marforio habe hier gewohnt, aber er sei aufs Capitol verzogen!
HIC ALIQUANDO INSIGNE
MARMORKUM SIMUI.ACRUM KU1T,
QUOI) VUIjGUS (tl! MAR I IS FORUM
MARFORIUM
NUNCUPAVIT;
IN CAHTOLIUM t'BI NUNC EST
TRANSLATUM.
Das heisst Unglück im Glücke haben ! Jetzt können wir wieder umkehren und abermals auf
den Burgberg, wo recht viele alte Leute versorgt zu werden scheinen, steigen — und jetzt
werden wir uns das Capitol genauer ansehen.
II.
In der That, wie in alter Zeit auf dem Sattel des Capitolinischen Gebirgs die Unglück-
lichen und die Verfolgten ein Asyl gefunden haljen, so fanden im Mittelalter auf demselben Joche
die verfolgten Antiken, Gotter und vergötterte Kaiser eine Zuflucht, indem man sie wie schwache,
unvermögliche Leute nicht nur unter freiem Himmel auf dem Platze selbst, sondern auch in den
anstossenden Hospizen unterbrachte; und welches Areal hätte sich wohl besser zu solchen
Stiftungen geeignet als das capitolinische, das vom Andenken der alten Götter noch umschwebt
war und wo ihre vornehmsten, heiligsten Tempel gestanden hatten. Wir müssen nur erst in die
Paläste, wo auch der Marforio sein Altentheil hat, hineinsehn, so werden wir auch die paar
Statuen vor ihnen in einem andern Licht betrachten — das ganze Capitol bildet gleichsam ein
einziges Museum, von dem die Dioskuren und die Trophäen des Marius nur einzelne, im
Schaufenster ausgestellte Splitter und Proben sind ; und dieses Museum hat ein historisches
Recht, es ist tief in der Vergangenheit des Bergs begründet, die capitolinischen Sammlungen
sind voll Sinn. In Rom hängt Alles wie im Weltganzen zusammen, es giebt keinen Zufall drin ;
durch alle Theilc dieser merkwürdigen Stadt geht eine gewisse gebieterische Logik.
So auch durch's Capitol. Eine alte ungeschickte Legende lässt auf ihm, im Baugrund
des Jupitertempels , unter der Herrschaft des Tanjuinius Superbus den Kopf eines Menschen mit
frischem und unverwestem Antlitz, den Kopf eines gewissen Tolus oder Aulus Vukentanus
gefunden werden ; und dieses Caput Toll, in welchem man ein Symbol des Caput Mundi und der
Hauptstadt der Welt erkannte, soll die Veranlassung gewesen sein, dass man Tempel und
Tempelberg Capitolium benannte, während der letztere bis dahin Möns Saturnius oder Tarpejus
geheissen hatte. Die Legende beruht auf einer erbärmlichen Volksetymologie , wie eben eine
solche in unserer Zeit zur Anlehnung an Campus und der Umgestaltung des Wortes Capidolio
in Campidoglio geführt hat Aber soviel ist richtig, dass der Käme Capitolium wirklich mit
Caput und Kopf zusammenhängt, indem er etwa soviel wie Koppenfels bedeutet; ja, in einem
figürlichen Sinne kann man sagen — Menschenkopf steckt in dem kleinen Capitol wie im römischen
Boden überhaupt, Kopf für alle sieben Hügel, Kopf, viel Kopf.
Dass ein Berg mit einem Kopfe verglichen wird , ist etwas Alltägliches : der Vergleich
lag hier besonders nahe, weil das Capitol nach allen Seiten steil, am steilsten gegen Westen und
Südwesten in die umgebenden Sümpfe abfiel; hier wo gegenwärtig das deutsche archäologische
Institut und das protestantische Hospital, die Casa Tarpca steht, hat man den Tarpejischen
Kelsen (Rupe.s Tarpeja) zu suchen, von welchem die Staatsverbrecher herabgestürzt zu werden
pflegten; obgleich die Abschüssigkeit des Terrains im Ganzen durch Anhäufung von Schutt und
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•37
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Trümmern, Häuseranbau und Abbröckclung des Gesteines selbst erheblich vermindert worden ist.
gibt es doch im Garten des Hospitals noch eine Stelle, wo die Felswand in einer Höhe von
ungefähr 20 m senkrecht abstürzt, und welche "man den Fremden als Rupe Tarpea zeigt. Im
Alterthum mochte der Hügel in seinem gesamten Umfang (925 m) solche schroffe, unersteigliche
Mauern zeigen ; denn eine auffallende Bergkuppe bleibt er immerhin. Finsam und trotzig ragt
er in die Höhe: auch vom Quirinal, der ihm im Nordosten gegenüber steht und mit dem er
ursprünglich mittels eines breiten Rückens zusammenhing, ist er gegenwärtig durch ein enges
Thal und das darin liegende Trajansforum geschieden, im Osten trennt ihn das Forum des
Augustus und die heilige Strasse vom Esquilin, im Südosten die Tiefe lies Forum's vom Palatin,
im Süden das Forum Boarium vom Aventin; seinen südwestliehen Fuss, genauer den schmalen
Uferstreifen, der das Marcellustheater und den Kohlmarkt (Forum Olitorium) trug, bespült der
gelbe Tiber. Aber dieser dominirende, eiförmige Kopf ist wiederum nicht einfach, sondern, nach
Art einer gekrümmten Hantel, in zwei Köpfe und einen Hals, sozusagen in ein Geköpf gegliedert —
vielleicht dass der Begriff Capit-oli-um etwas dergleichen bedeutete: ein Kopf und zwar der
höhere sitzt an dem nordöstlichen Fnde der länglichen Masse auf, ihn krönt die Kirche und das
Franciskanerkloster von S. Maria in Araceli; ein anderer Kopf sitzt am südwestlichen , ihn
bezeichnet der Palazzo Caffarelli ; der 1 lals oder Busen ist die Piazza del Campidoglio. Die Südost-
höhe, welche an den südwestlichen Gipfel anstösst und die deutschen Institute trägt, führt den
Namen Monte Caprino oder Geissl>erg, derselbe ist ein Pendant zu dem Namen Kühweide (Campo
Vaccino), welchen das Forum führte, und ein Beleg, dass auch das Capitol wiedergeworden ist,
was es in vorgeschichtlichen Zeiten war — ein wildes, struppiges Gebirg, einst golden; Virgil
hatte diese Worte gerade umgekehrt.
Aurea nunc, ulim JwUilllU hurrida dumih. Aen. 8,34s.
Fragen wir nach dieser topographischen Uebersicht, wie sich die glänzenden Gebäude
vertheilten, welche den Berg im Alterthum bedeckten, so erhalten wir folgende merk-
würdige Gleichungen :
Franrivcanerklosler = Ilurg (Am)
S. Maria in Ära Ceti = Miliue tMoivcta) und Tempel der Mutvgöttin ijuno Moneta)
Piaita del Campidoglio = Freistätte (Asylum)
Scnatorpalast — Staatsarchiv (Taliularium)
Protestantisches Hospital — Rirhtstatte (Rupo TarjKrja)
Palast Caffarelli — Jupitcrtcmpel (Capilolmm).
Die Burg, deren Name Arx, italienisch Arce zu der näheren Bestimmung ,in Ära Ccli'
wahrscheinlich die erste Veranlassung gegeben hat, war das älteste unter diesen Gebäuden.
Schon vor der Frbauung der Stadt mochte der Hügel eine Cultstätte und von den an seinem
Fusse wohnenden Hirten befestigt gewesen sein ; als Romulus gegenüber, auf dem leicht zugäng-
lichen Palatin das viereckige Rom gegründet hatte, befestigte er ihn systematisch : diese jähen
Felsen waren an sich schon stark; durch künstliche Festungswerke wurden sie in eine wahre
Citadelle umgeschaffen. Sie ist eng in die älteste Geschichte Roms verwebt. Um Ueberläufer und
Flüchtlinge anzuziehn und dadurch die Bevölkerung der neuen Stadt zu mehren, eröffnete Romulus
unter den Fichcn, die den Rücken zwischen den beiden Gipfeln sperrig bestanden, eine Freistatt
(Asylum); worauf er die benachbarten Stämme aufforderte, sich mit seinen Römern durch die
Bande der Fhe zu verknüpfen. Man wies ihn verächtlich ab: gründe, so hiess es, auch für die
Frauen eine Freistatt. Romulus erwiderte nichts, aber als bald darauf die Feste des Gottes
Consus, die sogenannten Consualia, abgehalten wurden und die Nachbarn sich mit ihren Frauen
und Töchtern dazu eingefunden hatten, liess er die letzteren während der Spiele greifen und .die
>3S
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.Sabinerinnen rauben'. Die schwer beleidigten Gäste erklärten ihm den Kriege der Sohn des
Mars schlug sie nach einander aufs Haupt und brachte die Waffen Acrons, des Königs der
Cäninenser, als Khrcnbcute (spolia opima) dem Jupiter Feretrius dar, welchem er auf demselben
Capitol einen Tempel aufgerichtet hatte. Nur mit den Sabinern von Cures hatte er einen schweren
Stand. Unter ihrem König Titus Tatius belagerten sie die Capitolinische Burg, deren Commando
dem römischen General Tarpejus anvertraut war. Dieser Tarpejus hatte eine Tochter Tarpeja,
die ihr Vaterland verrieth und dem Feinde ein Thor der Festung öffnete: als Preis hatte sie
gefordert, was die Sabiner am linken Arme trügen — goldene Spangen. Aber an demselben
Arme trugen sie noch etwas Anderes: eingelassen warfen sie ihre Schilde auf die Verräthcrin,
sie unter ihrer F-ast erdrückend; und zum Andenken an Tarpeja wurde der südöstliche Abhang
Du Cm|Hlel: Frcittrpp« .W» ScMturetij»!«.!»« mit Arm St — Aufcwig tum Minrte C«pri»o.
des Burgfelsens, wo auch ihr Grab war, fortan der tarpejische genannt und zur Richtstätte für alle
Verräther, die Cassius und Manlius ausersehn ; dieselbe Execution hatte man in Delphi, wo die Ver-
brecher von den Phaedriaden, und in Athen, wo sie in das Barathron gestürzt zu werden pflegten.
Der Umstand, dass ihr an demselben alljährlich Todtenopfer gebracht wurden, legt die von
Schwegler gegebene Erklärung nahe, dass Tarpeja ursprünglich eine alte, an dieser Stätte verehrte
I.ocalgotthcit gewesen und die Sage entstanden sei, weil sich neben jenem Grabe ein allzeit offenes
Thor befand. Noch heute glaubt «las Volk, dass im Innern des capitolinischen Bergs, umgeben
von unermesslichen Schätzen, die schöne Tarpeja schlafe, aber dass, wer zu ihr gelangen
wolle, unrettbar verloren sei; es ist die einzige antike Legende, die sich bis auf unsere Tage
erhalten hat. Hinrichtungen fanden bis in's Mittelalter auf dem Tarpejischen Felsen, zu Rienzi's
Zeiten auf dem Capitolsplatze selber statt; an der Treppe des CapitoLs stand ein Löwenkäfig
l}9
und ein Madonnenbild, vor welchem die Missethatcr das Urtheil vernahmen, und die Glocke, mit
welcher der Tod des Papstes verkündigt und während des Carnevals das Zeichen zum Anfang
der Maskerade im Corso gegeben wird, läutete auch für die armen Sünder. Arnold von
Brescia wurde schwerlich auf dem Capitol verbrannt, wohl aber am 39. August 1354 Fra
Monreale hier mit dem Schwert gerichtet, ja Rienzi selbst am 8. October desselben Jahres von
Checco del Vecchio erstochen. Im Jahre 148S übertrug man die Richtstätte auf die Piazza
di Ponte Sani' Angelo, in unserm Jahrhundert wieder auf die Piazza de' CerchL Auf demselben
Capitol empfing man die Triumphatoren und krönte man, promovirte man die Dichtet, zum Beispiel
den Petrarca. II n'y a qu'un pas du Capitole ä la Roche Tarpeienne.
Es ist wahrscheinlich, dass diese älteste Hurg auf dem südwiwtlichen Gipfel, mithin
auf eben der Seite stand, wo man den Tarpejischen Felsen sucht, und dass sie erst später auf
den nordöstlichen verlegt ward. I>och thut man wohl, sich durch solche Wahrscheinlichkeiten nicht
verwirren zu lassen, sondern unverbrüchlich an der Thatsache festzuhalten, dass sie die grosse
Zeit hindurch auf dem nordöstlichen Gipfel stand, und dass Arx und Ära Celi identisch sind.
Hier hörte Manlius, des Capitols Ruhm und Opfer, die Gänse der Juno schnattern. Auf dem
südwestlichen Gipfel ward späterhin der Tempel des Jupiter, das römische Nationalheiligthum,
gleichsam das Capitol auf dem Capitol, errichtet.
Der alte Tarquinius begann den etruskischen Bau, der, vom stolzen Tarquinius vollendet,
und 507 v. Chr. eingeweiht, dreimal durch Keuersbrunst zerstört und dreimal nach dem alten
Grundplan, aber in immer grösserer Höhe und in immer grösserer Pracht, zuerst durch Sulla
und Quintus Lutatius Catulus (69 v. Chr.), das zweite Mal durch Vcspasian (70 n. Chr.), das dritte
Mal durch Domitian (83 n. Chr.), wiederhergestellt ward. Sein Areal war fast quadratisch,
60 m lang, 56. m breit Es enthielt drei parallele und unter einem Giebel vereinigte Zellen:
die des Jupiter (CeUa Jovis) in der Mitte —
media emi seilet aede deus (0»id, « fonto IV, 9, 3»^
links die der Juno —
Jupiter Optiniui Maximus. Juno Regina et Minerva lUviu» III, 171,
rechts die der Minerva —
pröüimos Uli tarnen oerupavit
Pallas honores (tforu, Od. I, ■>, 19);
zu seinem Bezirke (Area Capitolina) gehörten überdies die uralten Tempel der Venus Erycina,
des Jupiter Feretrius und der Fides, der Göttin der Treue, nebst vielen anderen Caiiellcn und
Heiligthümern. Eine dreifache Reihe von Säulen trug den Giebel, eine doppelte bildete auf beiden
Seiten eine Colonnade; die der Stadt abgewendete Rückseite hatte keine Colonnade. Die Statue
Jupiters bestand lange Zeit aus Thon und ward von Zeit zu Zeit mit Mennige angestrichen; der
Gott sass auf einem goldenen Thront;, daher ihm die Triumphatoren, wenn unten im Kerker die
gefesselten Könige, oben die schneeweissen Stiere abgeschlachtet wurden, den Lorherzweig in den
Schoos legen konnten. In diesem merkwürdigen Gebäude concenlrirte sich der ganze römische
Gottesdienst: mit Opfern auf dem Capitol begann und endete jede wichtige Staatshandlung ; in
den capitolinischen Kellcrgewölben wurden, bis sie im Jahre 83 v. Chr. mit dem Tempel ver-
brannten, die Sibyllinischen Bücher aufbewahrt ; dorthin blickte „pro rostris" jeder Redner, dorthin
richtete jeder Altgläubige seine Gebete. Die Peterskirche der altrömischen Welt erhielt sich bis zur
Plünderung durch die Vandalen, welche die vergoldeten Erzziegel raubten (455); seitdem ent-
schwindet sie unserer Kunde. Gegenwärtig sind nur noch einige alte Quaderfundamente im
Garten des Palazzo Caffarelli erhalten, welche dem Tempel des Capitolinischen Jupiter um so
zuversichtlicher zugesprochen werden können, ab im November 1S75 bei Erdarbeiten im
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Gartenhofe das benachbarten Conscrvatorenpalastes nebst anderen Resten derselben Substruction ein
Säulenfragment zu Tage kam, welches auf eine korinthische Säule von 2,05 m Durchmesser
schliessen lässt : eine so kolossale Säule kann nicht wohl einem andern Gebäude angehört haben als
dem Jupitertempel. Die Einführung der korinthischen Säulenordnung anstatt der tuscischen war
die einzige Neuerung, die man sich beim erstmaligen Wiederaufbau zu Sulla 's Zeit gestattete; die
Säulen wurden damals, wo gerade Athen erobert worden war, den unvollendeten Tempel des
Olympischen Zeus entnommen. Diese paar Steine sind minder geeignet, uns eine Anschauung
von dem berühmten Capitoiium zu verschaffen, als ein antikes Relief, welches auf der Treppe
des Conservatorenpalastes an der Wand des kleinen Hofes eingemauert ist Es stammt von
einem Triumphbogen Marc Aurels. Der Kaiser opfert dem Jupiter Capitolinus, dessen Tempel
im Hintergrunde erscheint; in der Mitte des Giebelfeldes ist Jupiter zwischen Juno und Minerva
zu bemerken. Obgleich die PerxjMxtivc nicht sehr treu beobachtet ist, so erkennt man doch
alle wesentlichen Züge des Gebäudes, nach seiner vierten, domitianischen Gestalt : die korinthischen
Säulen und die drei Zellen unter einem Giebel, respective drei, sofort auffallende, Thürcn. Wer
mit den Alten lebt, weiss sehr wohl, dass es eine constante Praxis der griechischen so gut wie
der römischen Künstler war, den Ort der Handlung und alias Accessorische in einer gewissen
herkömmlichen Manier vielmehr anzudeuten als auszuführen; und dass sie sich durch diese
Praxis von den neueren Schulen, wo die Scenerie bis ins Detail ausgemalt zu werden pflegt,
wesentlich unterscheiden.
Das Capitol war eine Schöpfung des berühmten Volkes, welches Italien in alter und neuer
Zeit die höheren Elemente der Civilisation vermittelte: die Tarijuinicr, wahrscheinlich selbst Etrusker,
hatten es ihren Landsleuten in Accord gegeben. Die gesammte römische Cultur wurde bisher
nur als ein Ableger der etruskischen betrachtet; jedenfalls lernten die Reimer von Etrurien viel,
unter anderem auch die Zeitrechnung, die genauen Gesetzen folgte. Auf die Etrusker ist mithin
auch eine altertümliche Gewohnheit zurückzuführen, die auf eine sehr frühe, mit der Schrift noch
unvertraute Periode hinweist , und welche man aus Hochachtung für dieses Alter auch später
beibehielt. Nämlich jedes Jahr an den Iden des September (13. September) in die Seitenwand
des Jupitertempels einen bronzenen Nagel (Clavus annalis) einzuschlagen, um so die Zahl der ver-
gangenen Jahre zu bezeichnen. Sie muss ausgesehen haben wie der Stock am Eisen, das Wahr-
zeichen von Wien.
Jupiter, Juno und Minerva bildeten sozusagen die antike Dreieinigkeit ; auch diese Zusammen-
fassung war etwas Ktruskisches , die etruskischen Tempel scheinen in der Regel drei Zellen für
drei verschiedene Gottheiten enthalten zu haben. Ein einfaches Tempelchen derselben Trinität,
dessen Erbauung dem Numa zugeschrieben ward, stand auf dem Quirinal: man nannte es der
Analogie wegen, aber nach dem capitolinischen Tempel, gleichfalls Capitoiium, und zum Unter-
schiede das alte (Capitoiium vetus). Diese beiden Capitole meint Martial, wenn er zu einem
esquilinischen und aventinischen Hausbesitzer sagt, er habe Aussicht auf den neuen und auf den
alten Jupiter:
Esquiliis domus «l, domus est übi tolle t)iliiae;
lade novum, veierem prospidh inde Jovem (MulM. Ep. Vtl. JJ).
Gegenwärtig möchte man abermals den capitolinischen Jupiter den alten und den neuen
Jupiter den Herrn von Keudell nennen : Ascanio Caffarelli , ein Page Karls V., erbaute im sechs-
zehnlen Jahrhundert den Palazzo Caffarelli, und dieser Palast, auf Jovus heiligem Grund gelegen,
ist Sitz der deutschen Botschaft; durch das archäologische Institut und das protestantische Hospital
wird diese ganze Seite des Capitolinischen Berges Deutschland vindicirt. Es ist wahrlich ein
seltener, tiefbedeutsamer Zufall, dass auf der ehrwürdigsten und höchsten Stelle Rom 's die deutsche
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Fahne weht, dass unser Volk in gewissem Sinne heute noch die Siebenhügelstadt beherrscht. Bei
jedem andern Schriftsteller klänge das wie Phrase: ein deutscher braucht vor so stolzem
Ausdrucke nicht zurückzuschrecken, denn Rom war unser, es ist die Hauptstadt des deutschen
Reichs gewesen nicht blos Jahre, nicht blos Jahrzehnte, nein Jahrhunderte lang; unsere Kaiser
hiessen römische Kaiser so gut wie dieser Marc Aurel. Herrscht doch Deutschland noch in den
Romanen über halb Europa. Die Loose, die im Schoos der Zukunft liegen, sind dunkel; doch
wir wollen an diese dominirende Stellung und an den .Novissimus Jupiter 4 des Capitols keine
Augurien, sondern nur Reminiscenzen knüpfen. Und da wir gerade den Marc Aurel genannt und
von einer neuen Seite, als Vorgänger unserer Kaiser, kennen gelernt haben, so möchten wir auch
diesen philosophischen
Fürsten noch einmal
betrachten.
m
Wir haben schon
einmal darauf aufmerk-
sam gemacht, dass den
Römern bei einer Rei-
terstatue das Pferd das
Wichtigste zu sein
scheint ; sie nannten
auch diese einfach nach
letztcrem, und zwar im
Mittelalter irrthümlich
(diesem Irrthum ver-
dankt sie ihre Krhal-
tung) Caballus Constan-
tini, in neuerer Zeit Ca-
vallo del Campidoglio.
l.'nd doch ist dieses
Pferd nichts weniger als
schön, sondern ein kräf-
tiger, breiter, etwas
schwerer Gaul ; aber es
hat etwas Individuelles
und der Ausdruck des
Lebens ist bewunderns-
werth. Nach ihm mo-
dellirte Andrea del Ver-
rocchio in Venedig das
Pferd des Bartolomeo
Coleone, Leonardo da
Vinci «las Pferd des
Herzogs Francesco
Sforza. Der Marc Au-
rel ist würdig und ein
.schönes Beispiel der
Kaiserporträts in Feld-
hermtracht und im Au-
genblick der Anrede
(Allocutio) an die Sol-
daten. Daher die gleich-
sam sprechende Bewe-
gung des Arms; eine
abgeschmackte Sage,
die Gregorovius um-
ständlich erzählt und
nach der die Statue das
Denkmal eines Vater-
landvertheidigenden
Bauern war, lässl die
Hand zur Erinnerung
daran ausgestreckt sein, dass er den feindlichen König damit gefangen genommen hatte. Die
Statue Ist ehern, mit Spuren von Vergoldung, das aus einem antiken Fragment verfertigte Posta-
ment von weissem Marmor; es hat einen grossen Vorzug vor unsern thurmartigen Gerüsten —
die angemessene Höhe.
Sie gestattet auch den Kopf des Reiters zu betrachten : ist derselbe doch schon als solcher
ziemlich hoch. Im Jahre 966 liess der Papst Johann XIII den Stadtpräfecten Petrus bei den
Haaren nackt am Marc Aurel aufhängen, worauf er wieder abgenommen und rücklings auf einen
Esel gesetzt ward.
Das Pferd des Capitols war ursprünglich ein Pferd des Forums, dann ein Pferd des Late-
rans; im zehnten Jahrhundert wurde die Statue als Abbild Konstantias auf dem lateranischen Felde
Statue des Marc Aurel.
aufgestellt, wo der „AposU-lgleiche" bei Lebzeiten gewohnt, wo er die Mutter und das Haupt aller
Kirchen gegründet hatte. Als sich Rienzi am t. August 1347 im Lateran zum Ritter schlagen und
in der Taufkapelle Konstantias des Grossen von allen Flecken der Sünde reinigen Hess, floss bei
dem verschwenderischen Festmahl, welches die Feier des Tages beschloxs, aus dem ehernen Nüstern
des Rosses vermittels zweier hindurch gelegter I.eitungen Wein und Wasser: zwischen den Hinter-
backen bemerkt man noch das Loch, durch welches die bleiernen Röhren hineingesteckt wurden.
Dergleichen Improvisationen aus dem Schlaraffenland waren im Mittelalter nichts Ungewöhnliches:
auch bei der Krönung des deutschen Kaisers gaben die öffentlichen Brunnen Wein statt Wassers,
und als Herzog Ulrich von Würtemberg im Jahre 1511 mit der Prinzessin Sabine von Baiern
Hochzeit machte und
nicht weniger als sieben-
tausend Gäste in Stutt-
gart waren, sprang eben-
falls aus zwei Brunnen-
röhren Tag und Nacht
rother und weisser Wein.
Die Aufstellung auf dem
C'apitol erfolgte im Jahr
1538 unter der Leitung
des Michel Angelo. Be-
reits olum erzählten wir,
dass der Tribun hier-
selbst ein paar Jahrhun-
derte früher seinem
Wahnsinn zum Opfer ge-
fallen war. Das Ross,
das an seinem Ehren-
tage funkelnden Wein
in Strömen ergossen hat-
te, trabte mitleidlos und
mit eisernem Huf auch
über die Blutspur des
grausam Ermordeten.
Statuen, die so
alt, so gut erhalten und
Der S4t)T ikl I'iuIil'Ic» im ("apiloüiuwlieii Museum (S. 14$.)
ohne jemals unter dem
Schutt vergraben zu wer-
den , beständig unter
freiem Himmel aufge-
pflanzt gewesen, ja. von
einem Platz zum andern
gewandert sind , schei-
nen mehr als Statuen zu
sein : sie werden gleich-
sam zu lebendigen, aber
übermenschlichen Mit-
bürgern der Stadt, zu
unbeweglichen Zuschau-
ern ihres Geschicks, zu
viclcrfahrenen Zeugen
ihrer Vergangenheit Ks
ist gleichsam schwer,
sich diesen „bronzenen
Gast" als ein blosses
todtes Bildwerk vorzu-
stellen — als ob er den
Untergang des Reichs,
die neue Ordnung der
Dinge, die Greuel der
Völkerwanderung, die
ganze grosse, tragische.
erschütternde Geschichte dieser Stadt bis zu dem Jahre, wo man ihm die italienische Tricolore
in die Hand gab {1847), nicht gesehen habe. Vor seinen Augen sind alle Päpste, die kleinen wie
die grossen, die guten wie die bösen vorübergegangen und gestorben; er zählte die deutschen
Kaiser, die nacheinander und in langer Reihe über die Alpen stiegen und sich, wie fascinirt durch
den Zauber Italiens, die römische Krone holten j er hörte die Kanonen des 20. Septembers donnern
und Bixio's Bomben vor dem Vaticanc platzen. Marc Aurel war ein stoischer Philosoph, er hat bei
Lebzeiten vortreffliche Selbstbetrachtungen angestellt Wahrlich, in der Philosophie wird er seit-
dem Fortschritte gemacht haben, und die Selbstbctrachtungen, die er auf dem .Caballus Constan-
tini' angestellt hat, müssten interessant zu lesen sein. Sie sind leider noch inedirt
»43
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IV.
Doch es ist Zeit, das» wir in den linken Seitenpalast eintreten und dem Capitolinischen
Museum einen Besuch abstatten, wo die Kaiser und die Philosophen gesammelt und, wie wir uns
oben ausdrückten, gleich armen, kranken und verkrüppelten Leuten untergebracht sind. Wie traurig !
Aber das ist der Sinn aller römischen Museen, welche, was Statuen, Reliefs und Sculpturen aller
Art betrifft, die ersten Europa 's bilden, und unter denen die im Vatican, im Lateran und auf dem
Capitol die berühmtesten sind. Die Marmorbilder stehen da wie Menschen, die sich nicht mehr
nützlich machen können auf der Welt, von ihrem ursprünglichen Standort losgerissen, gleichsam
ihrem Wirkungskreis entfremdet, ohne Bedeutung und ohne Beziehung zu dem Platz — nur
gesammelt, um sie vor dem gänzlichen Untergang zu retten. Sie gehören nicht zur Gegenwart,
sie leben nicht mehr mit uns, sie v(a-köqM!rn nicht mehr einem entzückten Volke in grandioser
Bildlichkeit seine Erinnerungen und seinen religiösen Glauben. Nur der Gelehrte richtet sinnend
und forschend ein kaltes
Auge auf sie und prüft ihre
Attribute und diagnosticirt
sie und setzt ihnen Arme
und Füsse an und operirt
sie und stützt sie und heilt
sie wie ein Arzt; während
sich der Kunstfreund theil-
nahmsvoll über die hinwel-
kende Schönheit beugt und
mit nassem Blick ihre Auf-
lösung erwartet. Giebt es
auch Krankenwärter in dem
Spital? Genug; sie heissen
Cusioden.
Der greise Marforio
ist der erste Kranke, den
wir im Hospitale treffen: er
liegt gleich im Hofe an dem
Im that Brom, (5. ms .
Brunnen, dem Eingange ge-
genüber, eine Muschel in der
Hand. Das ist der Koloss,
welcher dereinst als Gott des
deutschen Rheins auf dem
Forum unter dem Pferde
Domitian's und nachmals am
Fusse des CapitolinLschen
Hügels dem Carcer Mamer-
tinus gegenüber gestanden
hat. Die Aerzte haben ihm
den rechten Arm, die linke
I land und den rechten Fuss
ergänzt. Alter Freund, da-
hin ist es mit dir gekommen ?
Wo sind nun deine Schwan-
ke? Deine Lieder, deine
Blitze von Lustigkeit? Ist
jetzt keiner da, der sich über
dein eignes Grinsen aufhielte? Hat dich Sixtus V, unter dessen Puniihcat du hierhergebracht wurdest,
endlich lahm gelegt ? — Mitunter musste Pasquino erst gefragt werden, wenn er etwas Gescheites
sagen sollte; und der Frager, der seinen schlummernden Witz weckte, hiess eben Marforio. Sixtus V.
war der Sohn eines Bauern; er musste Schweine hüten; seine Schwester wusch. Als Papst erhob
der Schweinehirt die Wäscherin zur Herzogin. Eines Tages frag Marforio seinen Gevatter, warum
er kein reines Hemd anhabe. Was soll ich machen? antwortete Pasquino, meine Waschfrau ist
eine Prinzessin geworden!
l'oine Imj da Carc? l-i mU UumLiLa
* ■! 11, -1' .1.1 ' TL I] '
Der Papst war wüthend , aber , ein Meister in der Kunst der Verstellung, machte er bekannt, er
würde dem Autor das Leben und obendrein eine Prämie von zehntausend Scudi schenken, wenn
er sich nennen wolle- Der Thor ging in die Falle und Sixtus hielt sein Versprechen, liess ihm aber,
„damit er nie wieder so scandalöse Sachen schriebe 4 , die rechte Hand abhauen. Mit der Wäsche
wurde Herr Sixtus oft gehänselt. Fr hatte das Volk wiederholt durch seine Strenge und durch
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den Druck seiner Auflagen erbittert. Hin andermal hing- also Pasquino ein nasses Hemd /um
Trocknen auf: es war ein Sonntag; Marforio fragte, warum er nicht warte, bis der Sonntag vorüber
sei Ich habe keine Zeit zu verlieren, antwortete Pasquino, morgen rr.uss man am Ende das liebe
Sonnenlicht bezahlen!
Und doch hat Marforio die geistreiche Conversation gelegentlich noch in unserm Jahr-
hundert fortgesetzt Als Bonaparte Italien, ein undankbarer Sohn, die werthvollsten Codices und
Kunstwerke, die einzige übergebliebene Glorie weggenommen hatte, fragte Marforio schläfrig:
Pasquino, was ist für Wetter? Hu, antwortete er, ein Hundewetter (wörtlich ein spitzbübisches,
un tempo da ladri) ! — Und ein paar Tage darauf fragte er abermals : Pasquino ! Ist's wahr, dass
alle Franzosen Spitzbuben sind ? — Nicht alle, aber ein guter Theil:
Tum. no; nu Li ort a - parte.
Nun lebe wohl, Mar-
forio. vielleicht dass du
noch auf dem Capitol
der Bruder Lustig bist
und mit deinen artigen
Einfallen in einsamen
Stunden das Kranken-
haus erheiterst *)
Dil hast ein zahl-
reiches Auditorium —
fast das ganze römische
Volk, den Brutus und
Marius, die Kaiser vom
ersten bis zum letzten,
ja sogar schöne Frauen.
Der Brutus ge-
hört zur Neuen capi-
tolinischen Sammlung
im Conscrvatorenpalast
wo er nebst der Wölfin
im Zimmer der Bronzen
steht: wir nehmen ihn
ein Fragment sein könnte.
A^ifj'io», lientshlrn «In Gtnn*n*cu».
mit in unsere Gallerie
herüber. Gemeint ist
Lucius Junius Brutus,
der grosse Republika-
ner, der die Tarquinier
vertrieb und mit dem
Schwert in der Hand
die Ehre der römischen
Frauen rächte : schon
damals wurde ihm auf
dem Capitol in der
Mitte der sieben Kö-
nige eine Statue er-
richtet , von welcher
dieser schöne und cha-
raktervolle Kopf mit der
ehernen Stirne und dem
liefen Feuerblick, den
überhangenden Augen-
braun, den felsenfesten
Kinnladen , der gebo-
genen Nase allenfalls
Das Gesicht ist mit einem bürstenförmig abgestutzten Bart bedeckt und
gehört jedenfalls einem Römer aus der Zeit vor den punischen Kriegen an. Die Augen sind von
Elfenbein eingefügt Der starke Hals ist auf eine metallene, mit der Toga bekleidete Brust
neueren Ursprungs aufgesetzt; sie ruht auf einer Säule von Porta santa. Der Kopf des Mannes,
der seine eignen Söhne standhaft hinrichten sah, trägt den Charakter des Schrecklichen; in der
Schreckenszeit der französischen Revolution wurde diese Büste von der Section Marat den Depar-
tements zugeschickt.
Das Wort „barbatus", bei den Rumänen soviel wie Mann schlechtweg, war bei den lateinischen
Schriftstellern synonym mit patriarchalischer Einfachheit; denn seit dem Jahre 300 v. Chr., wo
der erste Barbier nach Rom kam, trug man keinen Bart mehr, die Bildnisse aus dem letzten
*) Obgleich der Miribrw in gruiuitigea» StUe cehtl'lei »ntl »"'er *li« extet» itlivtfucben Werke de» Allerthnmr in Rum gekört,
so haben wir doch Toegerogem. »1» von nt>ch härterem Kiinwiwerth, tlep S»lyr «le* Pnnürle* nitruheldm, Uie betfe 'Irr erbetenen Kei4ikcn (lUter
dreiisigt aaii wahrscheinlich eoeefiUs in einem Krumen niiFgtMeltl.
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Jahrhundert der Republik erscheinen fast durchgängig bartlas; erst Hadrian liess sich den Bart
wieder wachsen, um die Muttermale in seinem Gesichte zu verbergen. Um dieselbe Zeit begann
die Toga ausschliesslich Mode und im Gegensatz zum griechischen Mantel das eigentliche National-
gewand zu werden — der Metisch hat nie ein majestätischeres Kleid getragen : weit und harmonisch,
in eleganten Falten über die kalten Bilder ausgegossen, welche dieses Volk uns von sich
gelassen hat, die blendende Weisse durch den breiten Purpurstreif der Tunica gehoben, trägt die
Toga mehr als etwas dazu bei, unsere Vorstellungen von dem römischen Ernste, von der römischen
Würde, von der .gravitas Romana' zu befestigen. Daher denn auch Marius, jener grimmige Feld-
herr, den sich wohl Niemand mit glatten Wangen und glattem Kinne denkt, barbiert und im
Friedensgewand erscheint. Es existirt im grossen Saal des Capitolinischen Museums eine männ-
liche Togafigur, die man für den Marius erklärt ; wir geben ihn in einer Büste, die sich im Museo
Chiaramonti (Riquadro XXI) wiederfindet, sie steht dort auf einer Löwentatze. Der Kopf ist
ausdrucksvoll und lebenswahr, die Nase dagegen nichts weniger als römisch. Das wäre also der
Morhn. Die jüngere AgripTtCd, Mllltrr N'ero'i. Meift.-ilin.-i.
Besieger der Cimbern und Teutonen; das wäre der Gewaltige, der zu Minturnae hingerichtet
werden sollte, aber dessen blitzende Augen und dessen Donnerstimme der Henker zu ertragen
nicht vermochte. Du wagst es, Mensch, den Gajus Marius zu tödten! — „Ich habe mir immer
gewünscht," sagt Kosinsky, „den Mann mit dem vernichtenden Blicke zu sehen, wie er sass auf den
Ruinen von Karthago — iüt wünsch ich es nicht mehr."
Nichts interessanter und nichts lehrreicher, als solche Personen, von denen man viel gehört
und gelesen hat, endlich einmal mit Augen zu erblicken und das Studium der Geschichte durch
reale Anschauungen zu beleben. Das Capitolinische Museum bietet eine vortreffliche Gelegenheit
dazu ; man glaubt sich in Castan's Panopticum ; die Sammlungen von Büsten berühmter Männer
des Alterthums, die sich in dem sogenannten Philosophenzimmer (Stanza de' Eiloson) und in dem
Kaiserzimmer (Stanza degli Impcratori) befinden, sind die vollständigsten der Welt, die Benennungen
zwar im Einzelnen manchem Zweifel unterworfen, aber doch im Grossen und Ganzen durch Münzen
sichergestellt. In chronologischer Ordnung hat man die Büsten der Kaiser, ihrer Gemahlinnen und
Anverwandten vor sich, eine Herrscherreihe von drei Jahrhunderten und Typen jeder Art — der
hohen Regentenweisheit und der wahnsinnigen Selbstvergötterung, der Milde und der frevelnden
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uigi
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Tyrannei, der Majestät und der niedrigen Gemeinheit Wer erinnert sich nicht an die schönen
Männer und Frauen aus der Julischen Dynastie, an die genialen Züge des ersten Caesars, an
das unergründlich tiefe Gesicht August's, an die makellose Schönheit des stolzen Weibes, welches
ihn beherrschte ,• an den herrlichen Germanicus und an seine hochherzige Gemahlin, die kühne und
mit Mannestugenden geschmückte Agrippina, die mitten im Kaiserzimmer auf einem Sessel ruht und,
das Muster einer römischen Matrone, in faltenreichem Gewand, voll Sitte und voll Anstand einen
so auffallenden Contrast zu ihrer entsetzlichen Tochter und Namensschwester, der Mutter des
Nero, bildet ? Wer hätte nicht mit Neugierde die reizende und üppige Poppaea Sabina betrachtet,
welche den Nero zur Ermordung seiner Mutter verleitete und selbst von ihm während ihrer
zweiten Schwangerschaft durch einen Fusstritt getödtet ward? Sie ist unbedingt eine der
schönsten Frauen in der ganzen Sammlung, man weiss, dass sie auf ihren Reisen beständig eine
Heerde von Eselinnen mit sich zu führen pflegte, um sich in ihrer Milch zu baden. Ihre Büste,
aus einem einzigen, aber verschiedenfarbigen Marmorblock gefertigt, ist am Kopfe weiss, die
Ott SKrbcn'lf Fechter.
bekleidete Brust hat violette Flecke und Adern. Nicht weit von ihr steht, kenntlich an ihrem
gekräuselten Haarputz, die berüchtigte Messalina.
Augustus liebte bekanntlich den Virgil und den Horaz; bei Tafel pflegte er in ihrer
Mitte zu sitzen. Nun, Virgil hatte kurzen Athem und Horaz eine Thränenfistel ; Augustus sagte
daher im Scherz, er befinde sich zwischen den Seufzern und den Thränen: Ego sum intcr
suspiria et lacrymas. Er sitzt zwischen den Seufzern uud den Thränen noch im Steine,
obgleich die angebliche Büste des Virgil nach Visconti eine mythologische Person vorstellt, da
die Fülle langherabwallcnder Locken dem römischen Costüme gänzlich widerspricht.
Viele dieser Büsten sind Muster einer geistreichen Portraithildnerei , namentlich die des
Galba und der überaus fein charakterisirte Basaltkopf des Caligula. Ich habe niemals eine
Physiognomie gefunden, welche das Wesen einrr historischem, praktischen, prosaischen, ironischen,
menschenbeheiTSchenden und menschenverachtenden Persönlichkeit besser ausgedrückt hätte, als die
Vespasians, dem die Regierungsgewalt mittels der Urkunde in der Stanza del Fauno, der nachmals
von Rienzi gefundenen und erklärten Lex Regia übertragen ward ; sie verleugnet auch den Geiz des
alten Mannes nicht, der sich nicht scheute auszusprechen, was heutzutage kein Staatsmann wagen
würde, Geld sei immer gut, möge es kommen, woher es wolle : make money, my son ; if you can.
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honestly, if not — makc money, my son; niemals die Gcfrässigkeit und den Charakter der rohen
Materialität deutlicher ausgeprägt gesehen aJs auf dem Gesicht des Vitellius; dieser römische Kaiser
hat ein so langfleischig herabhängendes Unterkinn, wie es nur der Gärtner Kahle besessen haben
kann. Goethe sagt, Geschichte lese sich von Rom aus ganz anders als an jedem Ort der Welt; ander-
wärts lese man von aussen hinein, hier glaube man von innen hinaus zu lesen. Er hätte dazu
setzen können, anderwärts habe man den blossen Text, in Rom eine illustrirte Ausgabe desselben.
Das Capitolinische Museum ist ein historisches Prachtwerk ohne Gleichen.
In der Mitte des Philosophenzimmcrs sitzt der Consul Marcus Claudius Marcellus, der
sich durch seine Thaten im zweiten punischen Kriege den Namen des Schwertes der Römer
erwarb, auf seinem curulLschen Stuhle; in eben demselben Zimmer befindet sich eine Büste des
Asinius Pollio. Man gedenkt dabei einer historischen Anecdote. Man sagt in Frankreich von
einem Ignoranten , der auf einem Katheder sitzt , er stelle das Wappen der Stadt Bourges dar
(qu'il represente les armes de Bourges); dieses Sprichwort hat gegen die Söhne der alten
Stadt ein ärgcrJichcs Yorurtheil erweckt. Und doch ist es durch Wcglassung eines einzigen
später vergass man den Namen
Asinius, das i war auf dem Bild
nicht deutlich mehr zu lesen: man
las nur Asinus. Das Andenken
an den wahren Sinn erlosch mit
dem Andenken an das geschicht-
liche Ereigniss, und der hochge-
bildete Feldherr verwandelte sich
im Sprichwort in einen Esel, der
auf einem Lehrstuhl sitzt.
Stammte vielleicht der
Gallier aus Bourges, der schwer
verwundet, mit niedergesenktem
Haupte, im Ausdrucke des
Schmerzes auf seinem Schilde
sitzt und der, unter dem Namen
des sterbenden Fechters (Gla-
diatore moribondo) bekannt, eine der vorzüglichsten Antiken Roms repräsentirt ? Den Gallier
kennzeichnet die lange, mächtige Statur, die schwielige Haut, das gedrungene Gesicht, der
Knebelbart, das Struppige Haar und das schnurartig aus Goldfäden gedrehte Halsband (torquis),
welches auch römischen Soldaten (milites torquati) als Auszeichnung gegeben, aber ursprünglich
von fremden Nationen, namentlich Persern und Galliern, getragen ward. Er ist dem Tode nahe:
die Wunde, aus welcher sein Leben dahinströmt, erscheint unter der rechten Brust; die Muskeln
erschlaffen, um seine Lippen spielt ein letztes Zucken ; das linke Bein ist ausgestreckt, das rechte,
auf welches sich die linke Hand stützt, krampfhaft eingezogen, der rechte Arm hält den Ober-
körper nur mit Mühe aufrecht — noch ein Augenblick, und dieser kräftige, gemeine, aber durch
sein Schicksal und bitteres Leiden geadelte Körper sinkt entseelt auf seine selbstgewählte Bahre
und ist eine Leiche. Ein mächtiger Vermittler ist der Tod, er heiligt auch den Geringsten; und
sein Eintritt hat auch bei unbekannten Personen etwas tief Ergreifendes. Wer ist dieser Mann,
den uns eine realistische Kunst mit erschütternder Wahrheit im Momente der Agonie vor Augen
führt ? Ist er, wie der Name besagt, als Gladiator im Duell oder auf dem Felde der Ehre als
Soldat gefallen ? I lat er die tödliche Wunde von fremder Hand empfang™ oder endet er abseits
•
148
Jota entstanden. Caesar hatte
Bourges 52 V. Chr. erobert und
den Asinius Pollio zum Statthalter
ernannt Die Stadt wurde von
den Galliern belagert, während
der Statthalter krank darnieder
lag. Schon drohte sie der Feind
im Sturm zu nehmen, da liess
sich Asinius auf die Wälle tragen,
um den Muth der Soldaten durch
seine Gegenwart anzufeuern. Er
sass da auf seinem Sessel wie
hier Marcellus; und .Asinius in
cathedra* blieb Sieger. Man
malte ihn in dieser Stellung und
betrachtete das Bild als das
würdigste Stadtwappen. Aber
vom Schlachtfeld durch Selbstmord, den Tod der Gefangenschaft vorziehend und sein treues Horn
«erbrechend? Sehr ansprechend ist Nibby's Vermuthung, dass diese Statue, die gewöhnlich der
Fergamenischen Schule zugeschrieben wird, zu den auf Seite 43 erwähnten Sculpturen gehörte,
welche den Giebel des augusteischen Apollotempels schmückten, und in denen, nach Properz, der
Sieg der Griechen über die Gallier auf dem Parnass vorgestellt war. Von denselben stammtauch
die sogenannte Gruppe der Arria und des Paetus in der Villa Ludovisi. Der Titel Fechter oder
Gladiator sollte geändert werden: er gibt zu einer ganz falschen Vorstellung Anlass.
Oer Schild (clipeusj, auf welchem man ausser dem zerbrochenen Hörne auch noch das
Schwert bemerkt, ist gross und oval, auf dem Rande: eine mäanderförmige Verzierung. Die schöne,
unter der rechten Brust verwundete Amazone, die wir als Gegenstück zu dem sterbenden Fechter
bringen, eine Nachahmung der Amazone des Polyklet, hat auch einen Schild, aber einen sichel-
förmigen, an einen Baumstamm angelehnt, während sie mit dem linken Fusse einen Helm berührt ;
ihre Waffen sind die Streitaxt und der Bogen; der Köcher hängt an der linken Hüfte. Sie ist in
Kinbrüstige be-
kommen. Die Bild-
hauer haben den
Amazonen dem-
gemäss auch wirk-
lich meist die
rechte Brust ab-
geflacht , sei es
dass sie dieselbe
bekleidet oder ent-
blösst darstellen.
Und doch beruht
jene Fabel wahr-
scheinlich nur auf
der willkürlichen
Ausdeutung eines
kaukasischen
Tauben auf cioer Wasaenrhile iMotaJb;.
Amazonen tracht:
einer kurzen Tu-
nica und der Chla-
mys. Die Griechen
erzählten bekannt-
lich, den Amazo-
nen sei die rechte
Brust ausgebrannt
worden , damit
sie ihnen nicht
hinderlich beim
Spannen des Bo-
gens sei, eben von
der weggebrann-
ten Brust hätten
sie den Namen
Amazonen, d. i.
Fremdworts, soviel wie Mond; sicher gehörten die Amazonen zu dem Cultus der grossen
asiatischen Mondgöttin, welche die Griechen mit ihrer Artemis identificirten , und ihr halb-
mondförmiger Schild, welcher Pelta heisst, bezog sich eben auf das lunare Wesen der
streitbaren Jungfrauen.
Doch genug von Helden und Heldinnen und lautem Waffengeklirr < Ich erinnere mich, dass
Shakespeare irgendwo von einer weissen Taube inmitten eines Schwarmes schwarzer Raben spricht
Ein paar weisse Tauben flattern auch durch die Rabenschwärmc des Capitolinischen Museums,
um! mit ihrem friedlichen, idyllischen Bilde wollen wir diese historische Gallerie beschliessen. Zwar
wäre es leicht auch sie derselben organisch einzufügen und den vier wilden Tauben zu vergleichen,
welche bei den aegyptischen Krönungen, als Sinnbilder weitreichender Herrschaft nach den vier
Weltgegenden ausfliegen; aber wir ziehen es %or, sie in ihrer naiven, gedankenlosen Freiheit
zu belassen. Ein antikes Mosaik stellt vier auf einem Wassergeiasse sitzende Tauben vor:
es ist überaus fleissig ausgeführt und aus lauter natürlichen Steinen verfertigt, die so klein
sind, dass hundert und sechzig auf einen Quadratzoll kommen. Das anmuthige Werk, die
Nachbildung eines Originals von Sosos, wurde, auf einer weissen Marmorplatte in den Fuss-
boden eines Zimmers eingesetzt und von gröberen Mosaiken umgeben, in der Villa Hadrians
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bei Tivoli gefunden — wo hätte es anders gefunden werden können? hs ist die liebliche
ländliche Ruhe nach dem Drang der Staatsgeschäfte und den aufregenden Scenen einer
mächtig bewegten Welt.
Das Capitol ist ein grosser Typus : als Centrum der Staatsreligion und als feste Burg hat es
den Städten des Ostens und des Westens zum Vorbild gedient, sein Name klingt heute noch am
Rhein und an der Rhone, in den entfernten Pyrenäen, ja, jenseit des Weltmeers wieder. Vielleicht
dass es nur ein zufälliges Zusammentreffen ist, wenn in jenen Gegenden, z. B. in Toulouse, der
Municipalrath , ja der einzelne Schöffe Capitoul genannt wird, da dieser Titel mit Capitulum zu-
sammenhängen kann; aber unzähligemal haben die Städte das hohe Rathscollegium wirklich und
unmissverständlich als ihr Capitol betrachtet, und keinen andern Namen führt das schöne Gebäude
der Vereinigten Staaten zu Washington, in welchem die Kongresssitzungen stattfinden — in
moderner Form die bewussteste und grossartigste Wiederherstellung des berühmten Heiligthumcs.
Wer möchte sich nicht vor diesem Weltwort, vor diesem capitolinischcn Ansehn beugen? Es
wird dauern, so lange es eine europäische Cultur und eine römische Tradition im Leben der
Menschheit gibt
Das Capitol ist ein Typus — ganz Rom ist einer ; seine Kaiser und Kaiserhäuser, seine
classischen Institutionen sind mustergiltig für eine Welt gewesen; kein Ort, wo man nicht einen
Palast, ein Forum, ein Pantheon, ein Colosseum, ein Amphitheater, ein Tivoli fände — wie
man sagt, dass jede französische Stadt ein kleines Paris, so kann man sagen, dass jede
europäische Stadt ein kleines Rom repräsentire : Die alte C a p i t a 1 e hat ihnen allen mit elementarer
Gewalt ihren Stcmi>el aufgeprägt
Darauf beruht der unvcrwelkhche Reiz und der bildende Einlluss dieser Stadt. Der
sterbende Sokrates malt im Phaedon seinen Schülern die Seligkeit eines höheren Lebens aus —
jenes Lebens, wenn die unsterblichen Seelen wie Fische, die über die Oberfläche des Wassers
schnellen, auftauchen aus dem Dust der Atmosphäre und die herrliche Erde reiner und heller
betrachten werdea Sie erscheint gleich einem Prachtball : sie ist nicht mehr wie hinieden zerfressen
und verdorben, sondern eitel Glanz und Schimmer, wie Edelsteine und lautere Malerfarben glühn —
dort oben, sagt der scheidende Weise, ist der wahre Himmel, das wahre Licht und die wahre Erde.
So in Rom, wo gleichfalls ein helleres Licht leuchtet und eine goldenere Sonne aufgeht als
im düstern Norden. Wie unser Tag nur als ein Abglanz des römischen und das Farbenspiel
unserer Natur nur als ein Widerschein der italienischen aufgefasst werden kann, so sind unsere
Schöpfungen und unsere Einrichtungen zum grossen Theile nur Spiegelbilder und abgeblasste
Copien der glorreichen Originale, die in diesem Boden wie platonische Ideen geschlummert haben.
Einmal geschlummert haben; das alte Rom ist nur einmal dagewesen; das deutsche, das christ-
liche selbst nur eine schwache Reminiscenz desselben. Wir haben die ewige Stadt durch-
wandert: inskünftige werden wir nur ihren eignen Schatten und die schwankende Erscheinung
der grossen Gedanken sehn, die einst in ihr zu vollem, unvergesslichem Ausdruck gekommen sind.
V.
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'^Hierschiff tun! AmboD» der hasüLci von 5, Maria i> Ära -Ceti,
ZWEITER HAUPTTHE1L.
Wanderung durch das altchristliche Rom.
Santa Maria in Ara-Celi.
I.
» ist Weihnachten in Rom und das Fest des berühmten, unvergleichlichen Christkindes
auf dem ( apitol. In einer Krippe, zwischen Ochs und Esclcin liegt es, und vor
ihm kniet inbrünstig betend die Madonna, während der heilige Joseph, auf seinen
Lilienstab gestützt , in andächtiger I laltung zur Rechten steht. Die Engel und die
himmlischen Heerschaaren fehlen nicht, die lobsingen und sprechen: Ehre sei Gott in der
M he und Friede auf Erden und den Mensrhen ein Wohlgefallen: die Hirten kommen
eilend, denen der Heiland geboren ist; und ein glänzender Komet leuchtet, ein unverkenn-
barer LeitStem, den drei Weisen. Es ist Weihnachten, aber es ist kein blosses Fest wie
anderwärts; es ist nicht die späte Feier eines welthistorischen Geburtstags, nicht das
liiMl.Him eines Kreijjnisses , das vor zweitausend Jahren stattgefunden hat. Das Wunder
ereignet sich von Neuem, es ist heute noch Weihnachten in Rom. Siehe, jene himmlischen
Heerschaaren kommen leibhaftig und wirklich angezogen: in Jacken von Schaffell, mit Dudclsack
und Schalmei steigen die Hirten von ihren Bergen paarweise nach Bethlehem hinab und blasen
'S'
dem .Santo Bambino' das Wiegenlied; der ewige Vater streckt in Wolken ruhend die gelassene
Hand aufs Capitol hernieder; und tausend kleine Engel schweben leichtbeschwingt und holdselig
auf und ab, und treten vor die Krippe, und loben Gott deutlich und vernehmlich, und fangen an
von ihrem göttlichen Brüderchen zu predigen und zu weissagen und draussen auf den Strassen
mit gläsernen Trompeten das Evangelium zu verkünden -- lieblich und hell tönt es durch
die heilige Nacht —
Wa» liegt doch in d«n Kröpelin?
Wer «1 das schone Kindelin:
K« ist das liebe lesulin — —
doch, was will jene hochbetagte Greisin, die tief unten am Horizont in grauer Ferne auftaucht
und mit ausgestrecktem Finger gebieterisch auf die heilige Krippe deutet? —
Majestätisch und hehr und geisterhaft erscheint sie — um ihre Locken wallt ein durch-
sichtiger Schleier — ihre Augen blitzen, in schönem Wahnsinn rollend, hinauf zum Himmel und
hinab zur Erde — und neben ihr steht ein Schatten in kriegerischer Rüstung und blickt unverwandt
auf das neugeborene Kind und staunt.
Das Ist der Kaiser Augustus und das ist die tiburtinische Sibylle — sie weist dem
Allmächtigen den künftigen Weltbeherrscher sie führt den Unsterblichen zum wahren Gott und
zum wahren Gottessohn — dem gottbegeisterten Dichter gleich, offenbart sie seinem zweifelnden
Gemüth die grossen Rathschlüsse des Schicksals und die geheime Saat der Dinge — zeigt ihm,
wie in diesem Augenblick eine Gestalt des Lebens altgeworden ist, und mit Christi, des I Iimmels-
kindes, Zukunft eine neue, seligere Ordnung anhebt
Ultima Cymaei »eml iani camunw aet-iA :
Magnus ab integro sacclorum nasciiur ordo:
Bekanntlich haben christlich.; Schriftsteller diese Verse, mit denen Virgils vierte Ekloge
beginnt, als eine messianische Weissagung gedeutet; die fromme Auslegung setzte sich so fest,
dass der grosse Zauberer mitsamt der Sibylle den alttestamcntlichen Propheten gleichgestellt und
, als ein Vorläufer der neuen Aera in die katholische Liturgie aufgenommen ward.
Die Sibylle träumt nimmer von einem Imperium, sie ist von einem abstracteren Gott ergriffen
— ihre alten Bücher, die auf dem Capitol verschlossen wurden, sind verbrannt, sie bringt eine
neue Märe — — und Augustus wirft sich anbetend zur Erde nieder; er steigt auf den Capito-
linischen Berg und richtet dem himmlischen Sprössling auf dem uralten Göttersitz einen himmlischen
Altar auf, einen heiligen Opferherd, den eine Stimme von oben als den des Gottessohnes bezeichnet :
HAEC ÄRA FILII DH EST,
daher er eigenhändig aufschreibt, dass es der Altar von Gottes Erstgeborenem sei:
ÄRA l'KIMlKiKNITl I )KI ;
der Altar hiess fortan 1 limmelsaltar oder Ära Coeli , und er steht noch in der Cappella Santa,
unter dem Altare der heiligen Helena, im Querschiffe der schönen, Unserer lieben Frauen
geweihten Kirche des Capitols, die von ihm den Namen Santa Maria in Ara-Celi führt.
Sculpturen auf der Vorderseite des beregten Denkmals stellen den Kaiser Augustus, welcher
der heiligen Jungfrau eine Krone darbringt, und ein Agnus I>ei vor; auf einem Sockelbilde unter
der .Disputa' in der Stanza della Segnatura sieht man die Sibylle selbst, wie sie dem Augustus
ihre prophetische (iaht; mittheilt und die Mutter Gottes zeigt. Nach einer andern Version der
schönen Legende tritt statt der tiburtinischen Sibylle die delphische Pythia ein, die. das letzte
aller Orakel, dem Kaiser gebeut dem hebräischen Knahen Platz zu machen. Nur Historiker, die
IS*
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von der Bedeutung der Volksetymologie und dem unberechenbaren Einfluss sprachlicher Annähe-
rungen auf die Sagenbildung keine Ahnung haben, finden diese Legende in Widerspruch mit der
Annahme Nicbuhrs, wonach ,in Ara-Celi' aus ,in Arce' hervorgegangen ist Die Legende widerspricht
nicht nur nicht der niebuhrschen Etymologie, sie setzt sie vielmehr voraus — würde sie voraussetzen,
denn mit apodiktischer Gewissheit lässt sich diese Art der Entstehung freilich nicht behaupten. Sie
ist aber schon deshalb wahrscheinlich, weil der Ausdruck Ära Coeli' statt ,Ara Christi' oder
,Ara Filii Dci' an sich etwas Auffallendes, ja Unpassendes hat und füglich nur durch Anlehnung an
einen andern vorausgehenden erklärt werden kann ; als ein solcher bietet sich Arce, vielleicht Aredia
weit ungesuchter dar als etwa der von Gregorovius vorgeschlagene „Aureo Coelo," Das Wort
Arce beruht keineswegs auf einer willkürlichen Voraussetzung, kommt vielmehr nel>en dem
orientalischem Costüm
unter dem scharlachro-
then Mantel) — die äl-
teste Kirche von ganz
Rom und der Himmels-
allar der erste christliche,
ja, so zu sagen ein vor-
christlicher Altar sein ;
der Sohn Gottes schnell
wie Caesar siegen und
noch bei Jovis Lebzeiten
das Capitol ersteigen, die
Weltherrschaft mit ihm
theilend. Obgleich wir
wissen, dass er sich lang-
samer Bahn gebrochen
hat, und dass die Kirche
der christlichen Himmels-
königin durchaus nicht
in das augusteische Zeit-
alter zurückreicht, so ha-
ben wir sie doch zum
Ausgangspunkt unserer
Betrachtung wählen und
den Wanderstab da einsetzen wollen, wo wir ihn am Ende des ersten Haupttheils niederlegten, weil
uns dieser legendarische Altar mit seiner heidnisch-christlichen Geschichte gerade zu Passe kommt :
wie ein mythischer Grenzstein liegt er in der Mitte zwischen zwei grossen Aereti und bildet, an der
l'ebergangsstelle aufgerichtet, wenn ich mich so aasdrücken darf, die Schwelle des Christenthums,
Zudem ist die Kirche, von der ein Cardinal den Titel entlehnt, aber deren Patronat wie billig dem
römischen Senate zusteht, wirklich früher Gründung: schon um 882 wird das Kloster S. Maria in
Capitolio erwähnt, und man darf annehmen, dass es bereits Jahrhunderte zählte; das Kloster setzt
die Klosterkirche natürlich voraus. Das ergibt also immerhin eine recht alte Kirche ; und dem wider-
spricht auch die Bauart derselben nicht: alterthümlich, gothisch angehaucht, erinnert sie an die
ernste, würdige Form einer christlichen Basilica, wie sie sich allmählich aus der antiken Basilica
0 Vnmt Altar Ut Uli Alu Ar» ähnlich mMmmtugtu^n, wie Adler au» t'rfelau; n bedeutet die Hohe Ar» oder deu Hoch-Altar,
eine TMliJop, wie ueiw mau »aiji, „Heiliger St. Florian" oder „l.irl.ct iiier Mumien". Iter Golhe vetJetuichte du Kreanlauit «luicl, opfei
itatte, der tafdMkM d»r«h Tem|<(l*lt.
tn
'5J
gebräuchlicheren Kocca
heute noch hin und wie-
der im Sinne von Burg
und Burgberg vor; zum
Beispiel heisst Arce eine
bekannte Stadt Ln der
Provinz Cascrta, welche
von einem alten uner-
steiglichen Castelle ma-
lerisch überragt wird. 1 )
IL
Der Legende nach
würde die Basilica von
Santa Maria in Ara-Celi,
wo man die Figuren einer
Sibylle und des knieen-
den August us zu Weih-
nachten auch wirklich
vor der Krippe aufzu-
stellen pflegt (letztere
kraft eines sonderbaren
Anachronismus in halb-
Hau|<lcinc*nc der Kirche S. Maria ja Ara-Celi
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herausgebildet hat, und ist nur hier und da durch Zuthaten und Zierrathen im neueren Geschmack
entstellt. Als Konstantin der Gross«! das Christenthum zur Staatsreligion erhob, verwandelte er
mehren: alte Basiliken in gottesdienstliche Gebäude: die Rathhäuser, die Börsen, die lauten Geschäfts-
lokale hallten jetzt von frommen Gebeten wieder : Basitica, sagt Ausonius zum Kaiser Gratianus,
olim nrgoliis J>tcmi, nun< VOtti pro Ina salulc Utsctptis. Ihr Plan, den wir auf Seite 4 angegeben
haben, der oblonge, durch zwei Säulenstellungen in drei Schiffe getheilte und durch eine halbkreis-
förmige Apsis abgeschlossene Raum war diesem Zwecke vollkommen angemessen, indem sich die
Gemeinde in dem breiten Mittelschiff versammelte, die Priesterschaft in den reservirten und
erhöhten Sitzungssaal zurückzog, in dessen Centrum unter einem Tabernakel der Altar zu stehen
kam; er wurde daher im Ganzen und Grossen auch in der Folge bei neuen Kirchenbauten beibehalten
und nur insofern modificirt, als man das Mittelschiff zu einer unverhältnissmässigen Höhe emporführte,
mitunter auch vor der Altartribüne ein yuerschiff von der Höhe und Breite des Mittelschiffs anbrachte,
wodurch einerseits im Grundrisse die heilige Gestalt des Kreuzes, andererseits der ganze Innenraum
vor seinem Abschluss noch einmal in grossartiger Ausbreitung erschien. Daher kommt es, dass auch
das Wort Basilica bei den Kirchensehriftstellern jener Zeit gleichbedeutend mit Kirche ward, und
in Rom die alten, nach diesem Plan gebauten Kirchen bis auf den heutigen Tag Basiliken heissen.
Ks gibt ihrer dreizehn, die in zwei Klassen zerfallen, nämlich in:
Ii die fünf alten oder I lauptbasiliken i'Basiliche Patriarcali)
1. San Giovanni in I.ateiaiu>, die älteste, von Consiantin gegrumtet Hast Ihm (JonstantinianaX
2. Satt IVuo in Vahrann, aus Konslantiimrhcr Zeit.
3. San l'aoln sulla via OriieflM, etwnfalU ans ConMantiniseJier /eil.
4. Santa Maria Maggiote (Basilira l.ilieriana).
5. San Lonme Mm delte mura;
man merkt sich diese Patriaichalbasiliken, tlie an ihre ursprüngliche Bestimmung unter anderm
dadurch noch erinnern, dass sie wie Gerichtshöfe den ganzen Tag offen gehalten und nie geschlossen
werden, wie die Zeichen des Thierkreises oder wie die Parzen, mit Hülfe eines lateinischen Distichons:
Parins, Virgo, Petrus, Laurentius atque Joanne».
Hi |>atriarehatus minien in utl>e MMOL
Hl die acht kleinen Basiliken (Llasilic.be Minoril
1. Santa Cmrc in Cenisalemme llasilira Sevtnriana'.
San Sehartiano.
Die beiden vorgenannten pflegen nebst den fünf alten von den Pilgern vorzugsweise aufgesucht
und daher mit ihnen unter dem Namen der Sieben Kirchen (Sette Chiese) zusammengefaßt zu werden.
.1. Santa Maria in Trastevere.
4. San l.oren*o in Damaso.
5. Santa Maria in Cosmedin.
6. SS. A|KMoli. angeblich ebenfalls von Costanün erbaut, daher Costantiniana dei SS. XII Apostoli genannt.
7. San Pietio in Vincoli .Ilasibea Kudoxiana).
S. San demente, das vcrbidlniislivüsMg treueste Bild <ter baulichen Hesrhaflenheit und inneren Kinriehtung
einer altrhristlirHeii HaMlica gewahrend-
Bereits bei diesen alten Namen wird dem I.eser auffallen, was sich bei allen römischen
Kirchennamen wiederholt : dass die nähere Bestimmung, mag sie? nun vom Orte oder vom Krbauer
oder von einer Reliquie oder sonst einem I leilthum hergenommen sein, regelmässig mit Hülfe der
Praeiiosition 1,1 hinzu gefügt wird. Dem Volke erschien das Merkmal gewissermassen als die
Basis, auf welcher das ganze Gebäude ruhte. Santa Maria in Trastevere bedeutet eine Marien-
kirche in Trastevere ; San Lorenzo in Damaso bedeutet eine von dem heiligen Papst Damasus zu
Khren des heiligen Laurentius gestiftete Kirche : San Pietro in Yincoli, lateinisch in VinculLs, bedeutet
'54
eine Peterskirche, welche die Ketten (vineula) des Apostels in einem Reliquienschrein vcrschlicsst
Genau so ist der Titel der Kirche gebildet, von der wir ausgegangen sind : Santa Maria in Ara-Celi.
üben dieselbe vertritt eine dritte Klasse von Basiliken, zu welcher man ausser ihr etwa
noch San Martino ai Monti, San Vincen«> ed Anastasio bei den Tre Fontane, Santa Sabina, San
Crisogono, Sant' Agnese fuori le mura und andere rechnen könnte, das heisst, von altcrthümlichen,
den ursprünglichen Charakter sehr treu bewahrenden, stil- und stimmungsvollen Kirchen. Schon
die Vorderseite imponirt uns durch eine gewisse ]>alriarchalische Würde und Einfachheit Während
man die Basiliken innen mit prachtvollen Mosaiken zu schmücken pflegte, entbehrte ihr Aeusseres
jeder Dekoration, nur die in grossen Dimensionen ausgeführten Fenster brachten einige Abwechselung
hinein. Indessen Iw-gann man später den oberen Theil der Facade mit Musivgemälden zu belegen,
de' Monti, entwarf einen
Plan zu einer ihrem Cha-
rakter entsprechenden
Ausschmückung der Fa-
cade , insbesondere ei-
ner Wiederherstellung
der Mosaiken; derselbe
kam nicht zur Ausführung,
obgleich der Cardinal
Consalvi testamentarisch
eine Summe zu diesem
Zwecke hinterlassen hat-
te; eine dem Charakter
nicht entsprechende Vol-
lendung wurde durch
Overbeck verhütet Die
drei Eingänge hat die
l'amilieder Mattei, deren
Wappen (ein geschach-
ter, balkenweise geseil-
ter Schild, auf dem ein
gekrönter Adler sitzt) am
mittleren erscheint, kunst-
voll mit Marmor verklei-
den lassen. L'eber dem
Hauptportal wölbt sich ein Zirkclbogcn, in dem Reste eines Marienbildes zu bemerken sind; die
Seitenportale haben Spitzbogen, und im Rahmen derselben Reliefs der Evangelisten Matthaeus und
Johannes. Von Piazza Araceli hinauf führt eine hohe, 15 m breite Freitreppe, deren 124 Marmor-
stufen dem Tempel des Gottes (Juirinus auf dem (Juirinal entnommen sind ; die Kosten zu derselben
wurden von dem Almosen bestritten, welches die Kirche erhielt, als das in ihr verehrte Marienbild
bei der Pest von 1 34S in Procession herumgetragen wurde. Es ist dies eine der grossen Treppen
iScalonii in Rom und ein Pendant der Spanischen, welche vom Spanischen Platz nach S. Trinita
de' Monti geht und 125 Stufen hat aber, obgleich vor der Ära Coeli, nicht mit der Scala Coeli,
der Himmelsleiter zu verwechseln, nach welcher eine Marienkirche bei den Tre Fontane benannt ist
Eine andere Treppe führt vom CapilolsplaUe zu einem Seiteneingange empor, üImt welchem
die heilige Jungfrau zwischen zwei leuchteltragenden Engeln in Mosaik erscheint.
«55
die untere Hälfte, re-
spective den I lauptcin-
gang durch einen Porticus
auszuzeichnen. DieBack-
steinfaeade von Santa
Maria in Ara-Celi ist völ-
lig kahl und nur in der
Mitte durch ein grosses
Fenster unterbrochen (an
seiner Stelle Ix-fand sich
vermuthlich früher das
runde von durchbroche-
ner Marmorarbeit, wel-
ches man in der Wand
links eingemauert sieht);
man hat sie, die der von
S. Maria in Trastevere
ähnlich werden sollte, nie
vollendet, und die Mosai-
ken, die an der Hohl-
kehlewirklich angebracht
worden waren, sind wie-
der abgefallen. Philipp
Veit der Maler der Hirn
melskönigi» in S. Trinitä
iur K.rthr S Mirl. i» Ara-l eU
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Das Innere ist wie bei jeder Basilica dreischiffig, das Mittelschiff tragen zweiundzwanzig
antike Säulen, meistens von Granit, aber von verschiedener Ordnung, Hüne und Dicke ; die dritte
links stammt urkundlich A Cl'BICl'LO AUGIJSTORL'M, aus den Kaiserpalästen auf dem Palatin.
Den drei Schiffen liegt ein Querschiff vor. Da wo das mittlere Langschiff in letzteres mündet,
ist nach herkömmlicher Weise eine grosse Bogenwölbung von der einen Wand zur andern
geführt, welche auf vortretenden kolossalen Säulen ruht und an den Pfeilern, mit denen die Säulen-
reihen schliessen, sowie an den Seitenwänden des Querschiffs ihr Widerlager findet ; dieser Bogen
hetsst, indem man einen heidnischen Namen auf Christi Sieg über den Tod anwandte, der
Triumphbogen {Arco trionfale) : durch ihn zieht gleichsam der triumphirende Erlöser in das Aller-
heiligste ein, wo sein Sieg im Sacrament des Altars gefeiert wird. Vor diesem Sanctuarium, in
dem länglichen Viereck , welches sich , von Schranken umgeben und für die niedere Geistlichkeit
bestimmt, in das Schiff der Kirche hineinerstreckt, gleichsam einen Chor vor dem Chore bildend,
müssen eigentlich die beiden Pulte stehn, die man Ambonen nennt : hohe, durch Trep)>en zugäng-
lich gemachte Bühnen für Vorleser und Redner, eine an der Nordseite für das Verlesen und
Erklären der Evangelien und eine an der Südseite für die Episteln. Diese Ambonen, die allmählich
in die Kanzel zusammengezogen worden sind, spielten bei der Ausschmückung der Kirchen eine
wichtige Rolle und wurden prächtig, anfanglich mit Mosaik, später mit Schnitzwerk bekleidet. Sie
fehlen auch in unserer Basilica nicht, aber im Jahre i 560 unter Pius IV. wurde alles umgeworfen,
die halbzirkelige Tribüne zerstört und ein neuer, länglich-viereckiger Chor erbaut, worauf man im
Jahre 1580 unter Gregor XIII. den alten Chor im Hauptschiffe vernichtete und den Fuss-
boden ausbesserte; und nun wurden die beiden Ambonen, Werke der bekannten Künstlerfamilie
der Cosmaten, hinter die beiden Pfeiler des Triumpfbogens verschlagen, ausserdem die Stürkc falsch
zusammengesetzt, sodass sie weder den richtigen Platz, noch die richtige Gestalt behalten haben.
Auf dem Ambon des Evangeliums, vom Haupteingange links, ist wie auf vielen Denkmälern des
italienischen Mittelalters, ein Adler gebildet, der eine Kidechse in den Klauen hält: am Pfeiler über
ihm erscheint der Grabstein der Königin Katharina von Bosnien, die 1 461 in Rom starb und sterbend
ihr an den grossen Mohammed verlorenes Reich dem Papst vermachte, llcberhaupt ist die Basilica
ein wichtiges Mausoleum : sie enthält die Grabdenkmäler vieler ausgezeichneter Männer, von denen
wir einige bereits Seite 108 namhaft gemacht haben, und, kenntlich an dem singenden Rosenstocke
zwischen rothen I^öwen und den rothen und goldenen Balken darunter, die Grüfte der edlen, an
Cardinälen und Päpsten reichen Familie der Savelli. Ja, sogar manche Deutsche ruhen auf Ara-
' Celi, an grauen Leichensteinen stehen bairische und elsässer Rittersnamen, und neben den Hüten
der Cardinäle lehnen auch die Helme und Schilde eines Ekbert Krech und eines Eberhard von
Erlach an ihren Sarkophagen. Sic sind vor mehr als einem halben Jahrtausend in dem Strassenkampf
vom 26. Mai des Jahres 131a gefallen, als Heinrich VII. von Luxemburg über Barrikaden und
Leichen in den Lateran zur Kaiserkrönung schritt, und die Kaiserlichen sich des Capitols
bemächtigten. Es scheint, seitdem die Lebenden nicht mehr triumphirend zu Capitole steigen,
tanzen sie hier den wirbelnden Todtcntanz, der auch eine Siegesfeier, auch ein Triumphzug ist.
Und doch, es fehlt auf Ara-Celi nicht an wirklichen, eigentlichen, antiken Triumphatoren.
Hast du, lieber Leser, die alterthümliche Decke der Münchener Bonifaciuskirche, die vergoldeten
Balken-, Hänge- und Sprengwerke gesehn? Das Gespärre bleibt meist sichtbar bei einer alten
Basilica. Das Dach von Santa Maria in Ara-Celi sieht weniger stilvoll aus. Die Seitenschiffe
sind gewölbt, das Mittelschiff trägt eine Holzdecke, die kassettirt und mit Trophäen und kriege-
rischen Hmblemen reich geschmückt ist. Sie wurde vom .Senatus Populusque Romanus - der heiligen
Jungfrau nach der berühmten Seeschlacht von Lepanto (7, Oct. 1571) gestiftet, als die von Spanien,
dem Papst und der Republik Venedig ausgerüstete Flotte die weit stärkere Seemacht der Türken
10
geschlagen hatte. Befehlshaber der zwölf päpstlichen Galeeren war Marcantonio Colonna gewesen,
unil zum Lohne durfte der mittelalterliche Ritter förmlich und rite triumphiren. Bei seiner Rück-
kehr ging ihm der Senat entgegen und begleitete ihn unter dem Beifallsrufen und dem Jauchzen
des Volks auf's Capitol zur Audienz des Papsles und in die Basilica von Ara-C.'cli, allwo er seine
Trophäen niederlegte und der Mutter Gottes eine silberne Schnäbel-Säule (Columna Rostrata) mit
einem I leiland auf der Spitze weihte- So hatten seine Väter dem Jupiter ihren Lorbeerkranz
gespendet, so hatten sie
im Tempel des Jupiter
Feretrius die „Spolia
opima' aufgehangen. Die
Colonna sind ein altes
Geschlecht; sie rühmen
sich ihrer Abkunft von
den gefeierten Helden
der römischen Republik,
denen die Columnae Ro-
stratae weiland selbst
errichtet worden waren.
Als Napoleon in Rom
war, speiste er mit einem
Colonnesen. Kr fragte:
Ist es wahr, mein Fürst,
dassSic von den Duilius
abstammen? — Sire, ant-
wortete der geistreiche
Edelmann , es sind an
zweitausend Jahre her.
dass man's bei mir zu
Hause erzählt (on le
prt-tend dans ma famillc
depuis deux mille ans).
Dieselbe Anekdote gilt
von den Fürsten Massimi
alle coloroie. den Nach-
kommen des Fabius
Maximus Cunctator.
In früheren Zei-
ten hatte Rienzi nach
seinem Siege über die
Colonna den silbernen
Kranz, mit dem er
sich ob dieses Sieges
schmückte, und seinen
stählernen Commando-
stab der heiligen Jung-
frau in derselben Kirche
und in demselben Sinne
dargebracht.
III.
Zu Jerusalem, im
Garten Gethsemane ste-
hen sieben alte Oel-
bäume, die aus Jesu Zeit
stammen und Zeugen
seiner Passion gewesen
sind : der Erlöser hat sie
einst in tiefer Herzens-
angst umklammert und
gesegnet, daher sie, ob-
wohl vor Alter gebor-
sten und umfangreichen
Ruinen gleichend, grünen
und blühen und köstliche
Früchte tragen ; ein
freundlicher Francisca-
ner, selbst ein (ireis,
wartet und pflegt der Greise; er friedigt sie ein, damit sie keine unberufene Hand beschädigt,
er umdämmt sie mit Steinen, damit sie nicht auseinanderfallen. Ihre Oliven werden eingelegt
und um hohen Preis besondere nach Spanien verkauft, das aus ihnen gewonnene Ocl ist beinahe
unbezahlbar, die Kerne verarbeitet man zu kostbaren Rosenkränzen. Es sind die Patriarchen
der Pflanzenwelt und des heiligen Landes heiligste Bewohner; obwohl man der malerischen Oclhäume
im Oriente, namentlich in Griechenland, für welches sie charakteristisch sind, viele sieht, so machen
sie doch nirgends einen so ehrwürdigen, feierlichen Eindruck wie in Gethsemane.
l'rsprünglich waren es acht Oelbäume, einer ging im Laufe des sechzehnten Jahrhunderts
ein. Aus seinem Holze schnitzten die Lateiner, die Gethsemane ihrerzeit käuflich erworben
IIa» Chntlkind — Gwi Hambinv.
157
hatten, in einer Länge von 60 cm ein Christkind und überliessen es an das grosse Kloster von
Santa Maria in Ära -Coli auf dem römischen Capitol. Die Statuette wurde, in seidene Windeln
gehüllt und mit Perlen und Edelsteinen geschmückt, als höchster Schatz, als heiliges Kiml (Santo
ßambino) in der Sacristei der Kirche aufbewahrt, zur Weihnachtszeit in der Krippe ausgestellt
und fast täglich wie das Sanctissimum zu Kranken und Sterbenden getragen, die durch seine
Berührung ihrer Leiden und des Lebens selbst genasen. Im Jahre 1848 kam es sogar zu Pferd
und Wagen. Die längst gefürchtetc Revolution war ausgebrochen: eine Provisorische Regierung
erklärte die Herrschaft des Papstes für abgeschafft und das Volk verbrannte die päpstlichen
Karossen. Eine darunter war besonders schön und künstlich: dem Triumvir Armellini that sie
leid: er schenkte sie dem Christkind. Als dann Pio Mono zurückkehrte und anspannen lassen
wollte, hatte er keinen Wagen: er fragte, wo seine Equipagen hin wären: die einzige, die noch
übrig ist, hiess es, hat gegenwartig der Herr Christus im Gebrauch. Nun, sie seinem Herrn und
Meister wieder zu nehmen, daraus machte sich der Nachfolger Petri ein Gewissen ; er sagte : Lasset
dem Papste,
was des Pap-
stes, und Göl-
te, was Gottes
ist — und er
fuhr diesen
Tag nicht aus
— und da-
für konnte das
Christkind
nach wie vor
ausfahren und,
von einem
Franciscaner
begleitet,
seine Kran-
kenbesuche
I'lpiüicher G&lawageo. gegenwärtig ii» llettue dw heiligen Kinde».
oder aüf dem
Corso eine
,Trottata' ma-
chen : wenn
man einen Ga-
lawagen kom-
men und ei-
nen weisssei-
denen Zipfel
zum Schlag
heraushängen
sah, wich man
ehrerbietig
zur Seite und
stieg aus,
wenn man
selbst in einer
Droschke sass, und betete knieend an. genau so, als ob man dem heiligen Vater selbst begegnete,
der in Rom immerhin mehr gilt als das heilige Kind.
Ausser ihm bewahrt die Basilica in dem Tabernakel des Hochaltars das obenerwähnte
wunderthätige Marienbild, welches dem Evangelisten Lucas, dem trefflichen Madonnen maier,
zugeschrieben wird. Diese beiden Kunstwerke sind der charakteristische Schmuck von Ara-Celi.
Das heilige Kind ist nicht unschön: mit seinen grossen Augen, mit dem Ernst, der sich in seinen
bedeutenden Zügen spiegelt, mit dem Schrecken, der sein Herz bei dem Gedanken an seinen
heiligen Beruf zu ergreifen scheint, erinnert es, in der schönen Krippe auf den Armen seiner
holdseligen Mutter ruhend, an den Knaben der Sixtinischen Madonna, und unwillkürlich wiederholt
man die tiefsinnigen Verse Schopenhauers:
Sie lrl|(t zur Well ihn — und ci schaut entsetzt
In ihrer Greuel unselige Verwirrung —
In ihres Tobcns wilde Raserei —
In ihrer Krankheit nie geheilten Schmerz —
In ihrer Liebe nie gestillte Sehnsucht — —
Entsetzt — — doch wählet Muth und Zuversicht sein Aug, verkündigend
Schon der hrlumng selige ("•eaUshcit — —
•
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man müsste denn vorziehen, mit einem seiner Landsleute solche witzige und gewählte „Legenden"
nachzuerzählen wie die, dass sich einmal eine Engländerin in den Bambino verliebt, dass sie ihn
aus der Kirche entfuhrt und an seine Stelle einen „Wechselbalg" gelegt, das heilige Kind aber
selbst den Rückweg gefunden und den nächsten Tag mit gebogenem Knie an der Thüre von
Ara-Celi gestanden habe.
IV.
Am hohen Neujahr, wenn die Krippe um den Stern und die fremdartigen Gestalten der
drei Könige bereichert wird, Nachmittags gegen 4 Uhr, ist in Ara-Celi grosse Procession. Das
Christkindchen wird von
einem Prälaten in der
Kirche herumgetragen,
dann draussen auf der
Plattform hoch empor-
gehoben und der glau-
bensvollen Menge, wel-
che über die breiten
Stufen der Treppe aus-
gegossen ist , gezeigt.
1 lirrauf wendet sich der
Bischof nach links und
präsenlirl den Santo
Bambino abermals dem
Volke, das auf dem C.v
pitolsplatze den verwun-
dert dreinschauenden
Marc Aurel umdrängt.
Die Ceremonie hat für
den Nordländer wenig
Erbauliches aber die
Frömmigkeit und die
glühende Begeisterung
der andächtigen Ge-
meinde verleiht ihr ein
< llicfc < i»lh-nr da Kr<tu£»a£s von S. Miri» in Ära Cell.
eigenes Interesse Je Tai
touche ! rief mir ein fran-
zösischer Priester mit
strahlenden Augen zu.
Was den Eindruck noch
steigert, ist die merk-
würdige Facade, zu de-
ren Füssen die heilige
Handlung vor sich geht,
gleichsam die Folie der
Erscheinung Christi auf
der Höhe des Capitols.
Diese hohe, alterthümli-
che backsteinerne Wand
mit den drei kleinen
Thören oberhalb der un-
ermeßlichen, aus antiken
Marmorstufen aufgebau-
ten Treppe, die wie eine
Himmelsleiter bis zu den
Wolken reicht — schroff
und schmucklos von einer
reichen Architectur, von
grünen Baumgruppen
und üppigen Lianen ab-
gehoben — dieses Emblem von Strenge, von Armuth und von Grösse frappirt die Phantasie
wie das schlichte, aber in seiner Schlichtheit erhabene Gewand des Mönches, der hinter der Thüre
steht. Die christliche Himmelskönigin trägt eine andere Krone als die lebensfrohe Juno: sie
trägt die Krone der Demuth, die Majestät der Bettelorden: sie kleidet sich in ihre Farl>e und
Livree — in tiefes Braun.*
Die Kirche gehörte ursprünglich den Benedictinern; im Jahre 1250 ertheilte sie Innocenz IV.
den Franciscanern, deren Orden vor einigem Jahrzehnten aufgekommen war : in die römische Burg
zogen mindere Brüder ein, und auf der antiken Münzstätte liess sich eine Schaar barfüssiger
Bettler nieder, geführt von einem Abte, dessen Gel>ot, wie das eines Generalissimus,
vom letzten fernen Poilen,
Der an die Dunen blanden hürt den Uelt,
'59
I
Ikr in der Krsch fruchtharc Thaler weht.
Bis iu der Wache, die ihr Schilderhaus
Hat aufgerichtet an der Kaiscrburg,
in allen Kapiteln und Kustodeien seines gewaltigen I leeres herrschte. An I leiligkeit dem Mutter-
haus von Assisi nachstehend, ist das Kloster von Ara-Celi dem Range nach das erste der zahl-
losen Gebäude, die das kreuzweis übereinander gelegte Armepaar bezeichnet (ein Kreuz zwischen
dem nackten Arme des Erlösers auf der einen und dem bekleideten Arme des heiligen Franciscus
auf der andern Seite, beide Hände mit den heiligen fünf Wundenmalen bedeckt, wie man es nennt,
stigmatisirt, ist das Wappen der Franciscaner) ; denn in ihm residirt der General der Franciscaner,
das alleinige Oberhaupt der europäischen, aller bischöflichen Gerichtsbarkeit entzogenen Gesell-
schaft — residirt er jetzt rungsversuchen entgegen,
noch, wo das Kloster auf- H für Aufrechterhaltung der
aus dem Franciscaner - Orden hervorgegangen. War es ein Wunder, wenn sie im Vatican eine
gewisse Anhänglichkeit an das Capitol bewahrten? 1 Trotz der zahlreichen und heftigen Kämpfe
in seinem Innern behauptete sich der junge Orden Jahrhunderte lang in der Gunst des Volks
wie des römischen Hofes; jenes drängte sich zu seinen Predigten und Beichtstühlen und seinen an
Ablässen und Reliquien reichen Kirchen, dieser überschüttete ihn förmlich mit Vorrechten aller Art.
Bei der Procession hat man Gelegenheit, den Convent zu sehen, der noch zu Anfang
des vorigen Jahrhunderts über 7000 Manns- und 900 Frauenklöstcr mit etwa 1 25000 Mönchen
und 20300 Nonnen zählte: in ihren dunkelbraunen Kutten, in ihren runden Kapuzen, Sandalen
an den Füssen und um den Leib einen Gürtelstrick, der in eine Geissei endet — in langen
Barten, bald steinalt und gekrümmt unter der Last der Jahre, bald noch hochaufgerichtet und
zum Kampf mit einer Welt gerüstet — Gesichter, auf denen die Leidenschaft und die verhaltene
Begierde und die glühende Askese tiefe Furchen gezogen hat, und andere, die voll Resignation,
Goltuicln; (.CTridore im Ktosur v«o S. Marn in Ari-Oli.
alten Zucht und Strenge
gewirkt. Zu den Neuerern
gehörte unter anderen der
von Dante (Paradiso XII,
134) erwähnte und in
Ara-Celi begrabene Ge-
neral Matteo d'Acijua-
sparta: l Jnola fuggc{ 1287).
Und viele Generäle des
FrancLscanerordens sind
wieder Cardinäle. ja Päp-
ste geworden und von
Ara-Celi auf den heiligen
Stuhl gestiegen, zum Bei-
spiel I lieronymus von As-
coli als Nikolaus IV., Fran-
ciscus von Albissola bei
Savona als Sixtus IV.,
Felix von Montalto als
Sixtus V.; ausser ihnen
noch zwei Päpste, Alexan-
der V. und Clemens XIV.,
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voll Frieden, geläutert in da» aufgelöste Spiel des krummgewundenen Lebens hinabblicken —
alle von einem fremden, fanatischen, finstem, drohenden Geist beseelt — so dcülircn sie zu zwei
und zwei an uns vorüber, an uns, mit denen sie nichts mehr gemein, von denen sie längst
Abschied genommen haben, unter denen sie wie Todte, perinde ac cadavera , wandeln. Wer
ist, dem nicht die entsagende, charaktervolle? Gestalt eines Mönches Respect einllösste? Hin
Mensch, der das Glück des Lebens seinen Zwecken zum Opfer bringt, wird immer Be wunderung
verdienen, selbst wenn diese Zwecke nicht nach unserem Geschmack sein sollten. Die FrancLs-
caner bauen die Krippe in S. Maria in Ära - Celi, in der zweiten Capelle des linken Seitenschiffes,
wie sie das zu Weihnachten in allen ihren Kirchen, z. B. auch in San Francesco a Ripa thun:
der heilige Franciscus brachte diese Sitte auf, er war der erste, der im Jahre 1123 zur Feier
des Christfestes eine so-
genannte Hütte (Capan-
nuccia)oder Krippe (Prc-
sepio) errichtete und die
Geburt Christi mit Fi-
guren aus Holz oder
Pappe plastisch dar-
stellte; wer weiss, ob
diese Liebhaberei nicht
der Grund gewesen ist,
dass dasgerade zu Weih-
nachten vielbesuchte
Kloster den Francisca-
nern übergeben ward.
Die kleinen Reden (Ser-
moncini), welche von Kin-
dern, Knaben und Mäd-
chen mit offenbartr An-
spielung auf die lob-
singenden Engel des
Evangeliums , in Rom
wie anderwärts, vor den
Krippen gehalten wer-
den, meist sehr monoton
gehalten werden, daher
Ziehbrunnen im Klirtfcrr v\ro S. Moria in An Cell
es von einem schlechten
Declamator sprichwört-
lich heisst : ,J>ar du recili
il sermonäno" — sind
selbst in protestantischen
Ländern nicht ganz aus-
ser Gebrauch gekom-
men: auch bei unsern
Bescheerungen ist es ja
Sitte, dass die Kinder
ein Lied oder etwas
Aehnliches aufsagen.
Lächerlich, was Leute,
die nicht mit eignen Au-
gen sehn, mit katholi-
schen Gebräuchen nicht
vertraut sind und, trotz
eines langen Aufenthal-
tes in Italien, ihre Vor-
urtheile über den Cha-
rakter der italienischen
Nation nicht ablegen,
von diesen simpeln Kin-
derpredigten alles zu er-
zählen wissen.
An das Kloster stösst ein Landhaus, welches durch einen oberirdischen Gang mit dem
Venezianischen Palaste verbunden ist, so dass man von einem zum andern gelangen kann, ohne
die Strasse zu berühren; dieses Landhaus, Eigenthum der Päpste und Appartamento del Papa
genannt, wurde unsern Mönchen gleichfalls zuertheilt ; von den Corridoren und namentlich von der
Loggia hinter dem zweiten Hofe rechts hatten sie eine schöne Aussicht auf das alte Rom und
den gegenüberliegenden Quirinal, zumal auf den hochragenden mittelalterlichen Thurm, in welchem
die Phantasie der Pilger den Palast Octavians erblickt«;, auf dessen Zinnen Nero zum Brande
Roms Zither gespielt haben soll, und der sich eben von hier aus besonders prachtvoll ausnimmt.
Paul IV. machte und Sixtus V., einer ihrer allen Herren, bestätigte die Schenkimg. Was für
Träume mögen auf dieser Loggia geträumt, was für weitaussehende Pläne geschmiedet worden sein !
Denn es ist kein Zweifel, in der Geringsten Einem, der diese Ixiggia ahnungsvoll betritt, steckt
161
das Zeug zu einem dreifachgekröntem Haupte, einem Vater der Fürsten und Könige: die Haupt
Stadt der Welt, die er zu seinen Füssen liegen sieht, kann er wohl einmal in seinen Ifettelsack
einstecken — si fanno di questa pasta.
Jener Sixtus V., der Sohn eines armen Bauern und durch Vermittlung eines Oheims in
ein Franciscanerkloster aufgenommen, aber den ehrgeizigen Sinn frühe auf die höchsten kirchlichen
Würden gerichtet, ertrug Fntbehrungen aller Art. Fr lebte von Wasser und Brot, er meinte
bescheidentlich. Wasser und Brod genügten zum Glück des Menschen:
l'ani* et aqua,
Vtta lical».
Und bei Wasser und bei Brot erreichte er die Tiara, und, wie er noch in der Wahlcapelle
den Stab, der ihm zur Stütze diente, wegwarf, so warf er gleichsam seinen Bettlermantel und
seine Betüermaximen weg, er sagte mit jenem Innocenz, dem die Regel der Franciscaner mehr
für Schweine als für Menschen geschrieben schien, Wasser und Brot sei ja nur ein Hundeleben:
A.pu M i«uik,
Vita ranis.
Man erzählt sich in Italien von den Kapuzinern, dass sie mit ihren Novizen den Kloster
thurm besteigen und ihnen dort das Feld zeigen, das sie hinführo bestellen, das Land, das
sie am Bettelstab durchwandern, als fromme Bettler machen sollen. Sie sagen zu ihnen:
Unverschämtheit! Sfacciataggine ! Und Alles ist Fuer.
Ob sie in Ara-Celi mit ihren Novizen auf die Loggia treten? —
V.
Die tiburtinische Sibylle zeigt dem Kaiser Augustus den künftigen Weltbeherrscher: der
Weltbchcrrscher ist das Jesuskind, das zu Bethlehem in einer Krippe liegt, aber eine flimmernde
Krone trägt : man hat diese Legende als eine der tiefsinnigsten des Christenthums gepriesen, und
die Sibylle mit ihrer Vision vor unsern eignen Augen den Vorhang weggezogen. Und doch giebt
diese Legende dem unbefangenen und philosophischen Betrachter der Weltgeschichte viel zu denken :
es ist viel dabei zu erinnern, viel einzuschränken, manches .Granum salis' ilarauf zu streun: ja,
die tiburtinische Prophetin hat kaum Recht
Nicht Christus ist der Herr der Welt geworden, sondern der Apostel Petrus; ein neues
Weltreich nicht aus Nazareth, sondern aus Rom hervorgegangen; die mächtige Kirche, welche
dieses Weltreich darstellt, heisst nicht die christliche, sondern die römisch katholische.
Nur im Orient führt der Christ den Namen Nazarener.
Wir erzählten oben, wie das heilige Kind zu einem päpstlichen Galawagen kam. Die kleine
Geschichte XtcsiUA einen eminent symbolischen Charakter. Wer in Rom bisher mit Vieren fuhr
war der Papst. Christus, der mit seinen Aposteln barfuss durch's heilige Land gezogen ist, kann
froh sein, wenn er sich eben mit aufsetzen darf ; eigentlich geht er betteln mit einem Bettelmönche.
Freilich pflegen sich die Päpste nur Christi Statthalter zu nennen: der wahre Herrgott
wohnt im Himmel, sie vertreten ihn auf Erden. Aber liegt die Sache etwa so, wie sie recht
häufig liegt — dass der Minister mehr als der Souverain bedeutet, der Haushofmeister grössern
Aufwand macht als der gnädige Herr? Nicht ganz: der angebliche Herr hat eine Herrschaft
nie gehabt: er hat als armer Zimmermannssohn gelebt, er Ist als Zimmermannssohn gestorben:
Herrschalt und Königreich haben sich die klugen, beharrlichen , kühnen Gouverneure ganz allein
erworben und befestigt. Ein seltener Stem führte sie wie die drei Könige nach Rom, nur mit
dem Unterschied, dass Kaspar, Melchior und Balthasar schon Könige waren, Petrus und Paulus
162
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erst welche werden wollten : heimlich und leise schlichen sie auf den wackeligen Wcltenthron und
machten einen bequemen Bischofsstuhl daraus; sie sagten: das alte Möbel ist ja niemand etwas
nütze, es knackt an allen Ecken und Enden, lasst es uns! Wir wollcn*s ja nur, um fein fromm
drauf zu beten! — Und ich wiederhole: ohne dieses geschickte, bewunderungswürdige Manöver
wäre die Secte der Christen in den Wüsten des Morgenlands verschollen; ohne die römische Fusion
würde heutzutage kein heiliges Kind in Gold und Silber strahlen, wie es geschieht, weil man ihm
Titel und Ehren aus Politik beliess.
Ereilich ist auch Petrus nicht gleich von Anfang gross, vielmehr gleich Christus ein armer
Märtyrer gewesen. Allerdings, aber er galt für den unmittell>aren, greifbaren, eigentlichen Gründer
dieses Stuhls; er hatte von Christus die Schlüssel des Himmelreichs erhalten und dann einen
Riesenschritt damit gethan, indem er mit seinem Schlüsselbunde auf den sieben Hügeln klingelte
und klirrte: als erster romischer Bischof trug er die Weltherrschaft in sich als wie in einer Nuss,
während Christus noch gar keine Anwartschaft darauf besass.
Wir haben oben den HimmeLsaltar einen Markstein genannt, der die Grenzscheide zwischen
Heidenthum und Christenthum bezeichnet. Wir werden jetzt noch etwas Anderes in ihm finden:
den Grund- und Eckstein, auf dem Christus seine Gemeinde bauen will. Man weiss, dass er damit
den Apostel Petrus meint, und dass dessen hebräischer Name Kcphas zu dem göttlichen Wortspiel
Veranlassung gegeben hat ; der Eelser, der sich nachmals sein Capitol auf dem Vatican und sein
Palatium im Lateran gemacht hat, passt vortrefflich auf den römischen Koppenfels. Die Welt-
kirchc, welche auf diesem Steine steht, wird jetzt noch nicht in ihrer vollen Pracht erscheinen ; nichts
destoweniger aber hebt mit ihm ein Gebäude an, welches, himmelweit von Nazareth entfernt, in Rom
eine neue selbständige Reichsidee verkörpert und, allmählich ausgebaut, langsam zu einer stolzen,
der alten Welthauptstadt nicht unwürdigen Höhe anwächst
Santa Pudenziana und Santa Prassedo.
o ist es denn nicht mehr wie billig, dass wir, nachdem uns im Vorigen der Heiland
geboren worden ist, gegenwärtig zusehen, wie sein grosser und glücklicher Nachfolger,
der heilige Petrus, ankommt; und dass wir Sanct Peters Bethlehem und die petrinische
Krippe in der ewigen Stadt aufsuchen. Auch ist dieselbe eine ungleich realere, denn
während das Jesuskind nur im Bilde, sozusagen im Altweibermärchen auf dem Jupitersberg
erscheint, lässt die allkatholische Sage den Petrus, wie den Paulus, in Person den Boden
Roms betreten, eine Gemeinde stiften und fünfundzwanzig Jahre lang (42—67 n. Chr.) des
Ol Hirtenamtes walten. Freilich ist auch dies geschichtlich nicht unanfechtbar, der erste der
|S| unter Petrus Namen im neutestamentlichen Kanon enthaltenen Briefe weist vielmehr auf Babylon
& als seinen späteren Aufenthalt hin, und der römische Klerus scllwt kann sich den entgegen-
T stehenden chronologischen und historischen Bedenken nicht veischliessen : unter dem Druck
der neueren Wissenschaft und Zeit musste der Papst im Februar des Jahres 1X72 eine öffentliche
Discussion katholischer Priester mit waldensischen Geistlichen über die Frage gestatten, ob Petrus
jemals in Rom gewesen sei. Dafür lebt die Tradition vom ersten römischen Bischof, der, in
Nachbildung des Todes Jesu am Kreuze, auf der Höhe des Janiculums mit den Füssen nach oben
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gekreuzigt worden ist, ungeschwächt und unerschütterlich im Bewusstsein der Gläubigen fort, und
sie ist «lern Philosophen oft mehr werth als die versiegelte und verbriefte Wahrheit der Cieschichte,
weil er in ihr den mythischen und sinnbildlichen Ausdruck einer höheren , wahreren Wahrheit
unterscheidet Ob Petrus jemals in Rom war? Müssige Discussion! I>eren Resultat für die
grossen Thatsachen der Kirchengeschichte genau so gleichgültig ist, wie für die römische des Romulus
Existenz. IX;m Geiste und der wirkenden und schaffenden Kraft nach ist Petrus wahrlich
dagewesen, des steht die Peterskirche ein augenfällig Zeugnis*. Auch hier gilt es, wie der
Prophet der romantischen Schule sagt, in Märchen und Gedichten zu sehn die ewigen Welt-
geschichten, und die, welche den L'rfeLscn wie Kpheurankcn umspinnen und umwinden, wollen wir
hier an alten heiligen Bildern in alten heiligen Kirchen andächtig ablesen.
Es sind in der That die ältesten und altrrthümlkhstcn unter den dreihundertvierundsechzig
Kirchen des heiligen Roms. Im neutestamentlichen Kanon befinden sich bekanntlich zwei Briefe
des Apostels Paulus an seinen früheren Reisebegleiter Timotheus, in welchen er ihm, dem der-
maligen Bischof der Gemeinde zu Ephesus, Anweisungen zur rechten Führung seines Amts crtheilt
Im zweiten dieser apokryphen, angeblich von Rom abgelassenen Briefe :Kap. 4, 21) wird
ein gewisser Pudens 1 llm'-ii,;!, der den Timotheus grüssen lässt, erwähnt Der war ein römischer
Senator und Hausbesitzer, und in seiner Wohnung, die in dem Thal zwischen Viminal und
Esr|uilin, im Vicus Patricius lag, der heilige Petrus abgestiegen. In ihr stiftete der Fürst der Anstel
nachmals selbst das erste Gotteshaus zur Versammlung der Gläubigen: das heisst, irgend ein grösserer
Raum in Pudens' Paläste wurde zu einem Betsaal hergerichtet , wie ihn kleine Gemeinden, die
noch keine eignen Kirchen haben, z. B. die Mucker, die Baptisten, die Deutschkatholiken gelegent-
lich auch bei uns benutzen, Dieser pudentianische Betsaal wäre also die Wiege des aposto-
lischen Amts gewesen: hier hätte Petrus gepredigt, hier das heilige Opfer dargebracht; hier, in
der noch heute erhaltenen, besonders verehrten und zu den Seelenmessen privilegirten Kapelle,
ein echter, umimstösslicher, hölzerner Himmelsaltar gestanden
Der Senator Pudens war (wie Aquila, der Gefährte und Gehülfe des Apostels Paulusi
verheirathet mit einer gewissen Priscilla, die ihren Glauben mit dem Tod bekannte und nach
welcher die Katakomben an der Via Salara benannt sind; sie stellten das Frbbegräbniss der
angesehenen Familie des chrisüichen Rathsherrn dar. Pudens und Priscilla hatten vier Kinder,
zwei Töchter und zwei Söhne, jene Pudentiana und Praxedis, diese Novatus und (nicht mit dem
ersten Bischof von Ephesus zu verwechseln) Timotheus mit iNamen. Sie vergrösserten das väter-
liche Haus und bauten ein Bad, die Thermen des Novatus an; und wie ihre Eltern den Apostel
Petrus, so nahmen sie Jusünus den Märtyrer gastfreundlich darin auf. Damals, es war im
Jahre 14a, sass der heilige Pius auf dem Stuhle Petri; von ihm wurde das Bad in eine förmliche
Kirche verwandelt und diese auf Bitten der Praxedis dem Andenken ihrer verstorbenen Schwester
Pudentiana gewidmet. So entstand in vorconstantinischer Zeit die erste Pfarrkirche und der
Titulus Pudentianae, welcher, was nicht befremden kann, ursprünglich auch einen Titulus Pudentis
in sich schloss; der letztere war wiederum, des Verdienstes wegen, welches sich der heilige Pastor
der Bruder des Papstes Pius und ihr erster Pfarrer, um die Stiftung der Kirche erworben hatte,
zugleich ein Titulus Pastoris. Der Ausdruck Titulus verlangt zunächst eine Erklärung; die
Definition, welche Gregorovius gibt, trifft nicht das Wesentliche. Einige römische Kirchen
hiessen Tituli, andere nicht Nämlich nur die Parochialkirchen , in welche eine bestimmte Ge-
meinde eingepfarrt und mit denen eine Pfarrstelle verbunden war, die mithin dem angestellten
Geistlichen den Titel eines Pfarrers (Parochus) einbrachten. Als Hauptkirchen der Stadt, um die
sich Alles wie um Thürangeln (cardincs) drehte, hiessen sie zugleich Ecclesiae Cardinales und die
an ihnen angestellten Pfarrer, im Gegensau zu den gewöhnlichen Presbytern oder Priestern,
164
Presbyteri Cardinales, woraus das Wort .Cardinal' entstanden ist: die römischen Cardinäle sind
ursprünglich nichts Anderes als römische Pfarrer, ihrer waren an ein Viertelhiuidert: von Papst
Marcellus (308 — 310) wird erzählt, dass er in Rom fünfundzwanzig 1 Tituli, quasi Dioeceses»
stiftete; die Päpste Sylvester, Damasus. Innocenz creirten je einen neuen Titel, so dass zur Zeit
Alexanders III. {1159 — ti8i) von achtundzwanzig die Rede ist. Der römische Kirchenhistoriker
Caesar Baronius, der im sechzehnten Jahrhundert lebte, denkt an eine andere Etymologie, Er
sagt, man habe die Gotteshäuser als Christi Eigenthum mit einem Kreuz bezeichnet, und dieses
Kreuz sei der ursprüngliche Kirchen- Titulus ge wesen , analog dem Titulus fiscalis, durch den man
Staatseigenthum kenntlich zu machen pflegte. Doch ist diese Bedeutung des Wortes Titulus zum
mindesten eine ungewöhnliche: im Alterthum verstand man darunter ein Täfelchen, auf welchem
geschrieben stand, dass
das Haus zu verkaufen
oder zu vermiethen sei,
und das man an das Haus
hing, genau so wie man
dies in Italien noch heut-
zutage thut; wenn das
Haus vermiethet werden
soll, so bedient man sich
in Rom sogar noch der
antiken Formel : EST
I.OCANDA, deren ich
hin und wieder an einem
dergleichen Titulus an-
sichtig geworden bin, und
von der die moderne?
„Appigionasi" nur die
l 'ebersetzung ist. l'n-
nöthig zu bemerken, dass
daher das italienische
Wort I .ocanda für I Ier-
berge oder Gasthaus
kommt. Man nannte das
^ntitkre faires suf> titu-
Akot l'urul Sur.« IAidenrtuu.
/«w. 44 An solche Täfel-
chen denkt man zuerst,
wenn es sich um Titel
handelt, die gleichsam
die I läuscr selber tragen,
und deshalb scheint es
natürlicher, letztere den
Menschen und den Car-
dinälen zu belassen, wel-
che sie bis auf den heu-
tigen Tag von den alten
Pfarrkirchen entlehnen.
I )ie Kirchen, welche keine
Tituli waren, hiessen Dia-
ronien oder Bethiiuser
(Oratoriaj.
Derselbe Unter-
schied besteht in der mo-
hammedanischen Welt
zwischen den grossen und
eigentlichen Versamm-
lungshäusern , welche
Dschamien, und den klei-
nen Bethäusern, welche
Moscheen genannt werden. Die meisten gottesdienstlichen Gebäude, die der Abendländer im
Orient zu Gesicht bekommt, sind eigentlich keine Moscheen, sondern Dschamien.
Die Kirche der heiligen Puden tiana wäre also unter den achtundzwanzig Pfarrkirchen die
älteste gewesen. Pudentiana ist ein Patronymikon , und es sieht fast so aus, als ob ursprünglich
die Kirche selber so geheissen habe : man nannte sie Ecclesia Pudentiana, das heisst, Kirche des
Pudens, personihrirte aber dann das Beiwort und bildete aus Pudentiana eine Sancta Pudentiana,
eine Tochter des Pudens und eine Schwester der Praxedis heraus. Auch der heilige Pastor, ihr
erster Pastor, könnte nur auf einer mythologischen Yerpersönlichung beruhen: das Wort Pastor,
soviel wie Hirt, findet sich als llebersetzung des griechischen MMpf» (F.pheser 4, 11) bereits im
kirchlichen Alterthume, allerdings vorzugsweise für Bischof ('JM*mht*c)> Jedenfalls muss es be-
fremden, dass alle Glieder der Familie Pudens ihre eigenen, selbständig™ Namen führen, und nur
die eine Tochter mit dem des Vaters gerufen wird.
1G5
II
Diese ehrwürdige, durch das Andenken des ersten Bischofs und des ersten Kirchenvaters,
des fast apostolischen Justinus geheiligte Kirche, deren Langhaus in der That auf den Gewölben
eines antiken Palastes ruht, wurde bereits Ende des vierten Jahrhunderts unter dem Pontificat
Siricius' von den Presbytern llicius und Leopard us erneuert, und bei dieser Gelegenheit die Tribuna,
welche dem Hause des Pudens unmittelbar entnommen scheint, mit ausgezeichneten Mosaik-
gemälden geschmückt, wohl den schönsten und ältesten von ganz Rom, die uns als Illustration
zum HaUU dt» Pudens dienen und über die wir, da sie unsere erste Probe jener feierlichen Reste
des christlichen Alterthums sind, zunächst etwas im Allgemeinen sagen müssen.
Die Kunst, nicht mit flüssigen Farben, sondern mit festen Körpern zu malen, die man
aneinander reiht. Jedermann doch mindestens durch einen Manschettenknopf bekannt, stammt
wahrscheinlich aus dem Orient: die ersten deutlichen Spuren linden sich indessen bei den Griechen,
welche die Fussböden und Wände musivisch auszulegen pflegten. Diese Anwendung Hegt offenbar
am nächsten: jedes Strassenpllaster , ja jedes Parquet und jede Mauer ist ja gewissermassen ein
natürliches Mosaik. Nach damaliger Sitte warf man beim Essen die ungeniessbaren Bestandteile,
die Knochen, Gräten, Schalen, Steine und Hülsen einfach auf die Krde, wie der Schah von
Persien ; der Fussboden eines Speisesaals sah nach beendigter Mahlzeit und ehe ausgekehrt ward,
aus wie ein Schlachtfeld; gemäss der genreartigen, auf Augentäuschung berechneten Richtung
der antiken Malerei, wählte also der Pergamenische Künstler Sosos diese Ueberbleibsel zur Nach*
ahmung auf dem Mosäikfusslioden im Speisesaal des Königs von Pergamon und schul das
sogenannte ungefegte Zimmer («bdf t«ä V wta^, welches auch bei den Römern beliebt gewesen zu
sein scheint; 1833 wurde ein solches „Asaroton" auf dem Aventin gefunden, welches man in der
Gemäldesammlung des Lateran an der Eingangswand des ersten Zimmers mit Interesse analysiren
wird. Die Römer scheinen überhaupt an der Kunst der Mosaikmalerei besonderes Wohlgefallen
gefunden zu haben : sie brachten sie zur höchsten Vollendung und unterschieden nach der Technik
eine Menge Arten „Pavimenta". zum Beispiel, das „Pavimentum sectile", welches aus verschieden-
farbigen, regelmässigen Marmorstückchen zusammengesetzt war, so dass das Ganze ein System
geometrischer Figuren darstellte, man denke an den Fussboden von Santa Croce in Gerusalemme,
der aus Dreiecken von Serpentin, aus Sechsecken von Pavonazzetto und aus Würfeln von Porphyr
besteht; das „Pavimentum tessellatum", welches man in den Thermen des Caracalla sieht,
ebenfalls mit verschiedenfarbigen, aber ausschliesslich viereckigen Marmorstückchen ausgeführt;
das „Pavimentum vermiculatum", die höchste, der Malerei am nächsten kommende Gattung, in
welcher belebte und unbelebte Gegenstände nach Form und Farbe nachgeahmt wurden; zu ihr
nahm man kleine verschiedenfarbige, aber nicht vollkommen viereckige Marmorstückchen, deren
Fuss man in eine Schicht starken Kittes bettete. Und zwar bildeten die Tälelchen nicht wie
vorhin parallele Reihen, sondern sie folgten den Umrissen und Farben des dargestellten Gegen-
standes, was, in der Entfernung gesehen, den Eindruck eines Knäuels um einander geschlungener
Würmer (vermiculi) machte. Zu dieser Gattung gehört das capitolinische Taubenmosaik, doch
gewinnt man hier, wo die Steine nur die Grösse eines Stecknadelkopfes haben, jenen Eindruck
minder deutlich.
Eine besondere Ausbildung erfuhr die Mosaik durch das Christcnthum, ja mit ihm trat sie
gleichsam in eine neue Phase ihrer Entwickclung, welche etwa vom vierten bis zum zwölften
Jahrhundert reicht, da sie später, durch die Frescomalerei verdrängt, nur noch in einzelnen Fällen
zur Anwendung kam. Den ersten Anstoss dazu, die Wände der christlichen Kirchen innen und
aussen mit Mosaiken zu belegen, gab das byzantinische Kaiserthum. In Byzanz setzte man
166
an die Stelle Her griechisch • römischen Marmormosaik die Glasmosaik , zu welcher kleine,
in der Masse gefärbte, somit larbehaltende Glaswürfel genommen wurden; mit solchen bunten
Glasstiften führte man reiche, erhabene Gruppen, riesige, würdevolle Gestalten mit bedeutsamen
Geberden und ruhig niederfliessenden Gewändern, und zwar, wie das in der byzantinischen Malerei
gang und gäbe, auf goldenem Grunde aus; der Goldgrund wurde ebenfalls mit durchsichtigem
Glasfluss überzogen, so dass eine ebenso glänzende wie dauerhafte Composition zu Stande kam.
Diese byzantinische Glasmosaik mit grossen Figuren von Heiligen auf goldenem Grunde wurde
dann von Byzanz aus wieder im weströmischen Reich verbreitet, indem Eleven der Pflanzschule
nach den italienischen Städten reisten, die coastantinopolitanischen Ateliers bestellte und unbestellte
Arbeiten in die Provinzen sandten, wohl auch abendländische Künstler nach dem Oriente reisten,
um in Byzanz oder in den Klöstern von Thessalonich und aut dem Berge Athos ihre Studien zu
machen; in Venedig, in Ravenna, in Rom fand man in der byzantinischen Glasmosaik ein heiliges
Mittel, die Wände, die Altarnischen, die KupjM-ln, die Fanden der Kirchen zu verzieren ; und sie
ist es, die uns in dem Helldunkel der alten Basiliken so geheimnissvoll und so feierlich anmuthet —
die untermischt mit einer tiefsinnigen Symbolik, von Andacht und Frömmigkeit getragen, der
geängsteten Seele einen höheren Tag und eine bessere Welt erschliesst — die den unbefangenen
Beschauer noeh heute, hier in Santa Pudenziana wunderbar ergreift , wie damals, als sie einer
entstehenden Gemeinde ihre Apostel und ihre Märtyrer, ihre Religion und ihren Glauben, ihren
Trost in diesem und ihre Hoffnung in jenem Leben magisch verköq»erte.
Fs gibt wenig Werke der christlichen Kunst, über deren Alter die Kritik so uneinig
gewesen wäre , wie über die herrlichen Mosaiken in der Apsis von Santa Pudenziana ; sie hat
zwischen dem Ende des vierten und dem Fnde des neunten Jahrhunderts geschwankt Das
«er
frühere Datum ist fast ohne Zweifel das correetere. Allerdings hat das Gemäkle, wir wir es
jetzt sehen, durch spätere Restaurationen zu sehr gelitten, als dass wir darüber aburtheilen
könnten. Aber die bemerkenswerthe Würde der Comi>osition , die Grossheit der Behandlung,
die Richtigkeit der Perspective, die edle Zeichnung, der majestätische Faltenwurf — das
alles sind Eigenschaften einer frischen, auflebenden Kunst, welche die classischen Traditionen
des Heidenthums mit einem neuen Geiste durchdrungen hat In späteren Mosaiken stehen die
Gestalten isolirt und starren gedankenlos ins Leere, hier bilden sie eine durchdachte, wahrhaft
malerische Gruppe voll Mannigfaltigkeit, voll Bewegung, voll individuellen Lebens. Selbst wenn
die Kirche erst der Zeit nach dem Siricius (390) angehören sollte, so würden doch ihre Mosaiken nicht
später zu setzen sein; man müsstc sie dann für Copien eines Siricischen Werkes halten. Das Gemälde
stellt Christus dar, der einen Halbkreis schliesst; den Halbkreis bilden die Apostel in römischen
C-'ostümen; zwei sind durch moderne Reparaturen zu Grunde gegangen. Jeder einzelne Apostel sitzt
vor einem offenen Portale, gleichsam innerhalb eines halbmondförmigen Kreuzganges mit einem Ziegel-
dache, über welchem sich die Zinnen und Dome des himmlischen Jerusalems erheben (Gsell-Fels erklärt
die letzteren etwas naiv für „Häuser des* damals noch prächtigen Vicus Patricias"). Sanct Peter und
San« Paul sitzen zu beiden Seiten Christi. Hinter ihnen und Märtyrerkronen über ihre Häupter haltend,
stehen zwei weibliche Figuren von ungemeiner Würde und Schönheit, vermutlich Praxedis und
Pudentiana, nach Garrucci Personiricationen des Juden- und I Icidenchristenthums. Keiner hat einen
Heiligenschein ausser Christus, und zwar ist dessen Nimbus /.irkeirund, ohne das sonst eingezeichnete
Kreuz. Der I leiland sitzt auf einem reichgeschmückten Throne, seine rechte Hand ist segnend aus-
gestreckt, in der linken hält er ein aufgeschlagenes Buch, auf welchem die Worte zu lesen sind ;
DOMINUS CONSERVATOR KCCLESIAK PUUENTIANAE.
Hinter seinem Throne ist auf dem Gipfel eines Berges ein grosses, mit Edelsteinen besetztes Kreuz
aufgerichtet, und in den Wolken, welche den Hintergrund bilden, sieht man die Symbole der vier
Evangelisten in grossen Dimensionen: den Menschen, den Löwen, den Ochsen und den Adler.
Es sind dies die vier fabelhaften Thiere, welche nach der Vision des Ezechiel (Kap. !, 10) und
der Offenbarung Johannis (Kap. 4, 6) den Stuhl der göttlichen Majestät umschweben: Matthäus
hat den Menschen, weil er sein Evangelium mit Christi Geschlechtsregister beginnt und seine
menschliche Abstammung erzählt: Markus den Ixiwen , weil er Jesu königliche Würde betont,
oder auch weil sein Evangelium mit einer schrecklichen Verfluchung aller Ungläubigen schliesst
(Kap. ifi, 16); Lucas den Ochsen, weil er bei Christi Priestcramt und Opfertod verweilt; Johannes
den Adler, weil er sich mit Vorliebe in Christi göttliche Natur versenkt.
L'eber den Nimbus, den wir vorhin um das Haupt des Erlösers messen sahen, müssen wir
noch einige Worte verlieren. Ursprünglich verstand man darunter den Nebeldunst, in welchen die
Dichter ihre Götter, wenn sie auf der Erde erscheinen, einzuhüllen pflegen, gleichsam einen dünnen
Schleier, vom Glänze der Himmlischen durchschienen und ihre Person umgebend, ohne sie zu ver-
hüllen. Da indessen die Darstellung einer so umfangreichen Hülle auf einem Gemälde Schwierig-
keiten gemacht haben würde, so nahmen sich die alten Künstler frühzeitig die Freiheit, den
Nimbus auf conventioncllc Weise anzudeuten, indem sie ihren Gottheiten einen Lichtkreis um die
Häupter zeichneten. So entstand die Glorie der heidnischen und der christlichen Götter, die man
mitunter von einer um den ganzen Körper messenden Aureole, dem alten Nimbus, unterscheidet.
Viele Culturhistoriker leiten den Heiligenschein von etwas Anderem, nämlich dem sogenannten
Mondchen (turioxos) der Griechen her; so hiess eine runde Metallscheibe, die über dem Haupte
einer im Freien stehenden Hildsäule angebracht war, um sie vor den Unbilden der Witterung
und dem Unrath der Vögel zu schützen ; doch ist wohl dieses Mondchen ein zu profanes Attribut,
als dass es stehend und auch ohne Noth aus Gewohnheit belassen worden wäre.
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III.
Um durch Läuten von Glocken den Beginn der kirchlichen Functionen anzuzeigen und die
Gemeinde zur Theilnahme an denselben einzuladen, legten die ersten Christen bei ihren Basiliken,
und zwar von deren Masse getrennt, Glockentürme (Campaniii) an, wie die Muselmänner Minarete
bauten, auf denen der Mueddin mit langgedehntem Gesänge die Gläubigen zum Gebete ruft. Es
sind thurmförmige Gebäude mit quadratischer, runder oder vieleckiger Grundfläche, mehreren all-
mählich abnehmenden Stockwerken, der Glockenstube, wo die Glocken hängen, (cella campanaria >
im obersten.
Neben dieser nächsten erfüllten die Glockentürme auch noch die weitere Bestimmung,
den und zu charakteri-
stischen Wahrzeichen
des städtischen Häuser-
meers zu machen.
Die römischen
Glockentürme sind wie
die venetianischen durch-
gängig viereckig; ihn:
Stockwerke äusserlich
durch mannigfaltige Ge-
simse geschieden. Jede
einzelne Abtheilung zeigt
eine bestimmte Anzahl
zusammenhängender Bo-
gen, mit oder ohne Säu-
len; manchmal bemerkt
man oben einen Balda-
chin oder eine Nische,
worin eine Madonna
steht ; Medaillons von
Porphyr, Serpentin und
andern Gesteinen sind
in die backsteinernen
Wände eingelassen ; ein
flache? Dach auf der Spitze. Derart die Glockentürme von San Lorenzo in I.ucina, Santa
Maria in Cosmedin, SS. Giovanni e Paolo, Sant' Fusebio, Santa Maria in Trastevere und Santa Croce
in ( ierusalemme; derart der von Santa Pudenziana, einer der ältesten {7. Jahrhundert).
Er ist auf unserem Holzschnitte hinter dem Kloster der Augustinerinnen sichtbar, denen
Pius VII. die Pudentiana 1S15 übergab, nachdem ihr altes Kloster unter der französischen Re-
gierung bei der Ausgrabung des Trajansforums zu Grunde gegangen war; gebaut haben es die
Bernhardiner, welche die Kirche vor ihnen besassen. Nehen ihm bilden wir noch das alte Marmor-
Portal der Kirche ab, dessen Gebälk sich auf zwei Säulen, mit spiralförmig gewundenen Kanne-
lirungcn erhebt. Sein Fries ist mit erhobenen Arbeiten, sowie mit den Brustbildern des Pudens
und Pastor und denen der Pudentiana und Praxedis, in der Milte dem des Heilands unter dem
Bilde des Lamms geschmückt Dies Portal bildet den einzigen Eingang der Kirche; um zu ihm
zu gelangen, durchschreitet man einen kleinen Vorhof. das bei alten Basiliken gewöhnliche Atrium,
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dem Wanderer in der
Ferne auf den ersten
Blick das Gotteshaus und
die Wohnungen der Men-
schen anzuzeigen. Der
neue Zweck, das Bedürf-
nis« nach reicher Pracht-
entfaltung und noch häu-
figer die Nalionaleitel-
keit, trieb die Glocken-
türme zu einer unge-
messenen Höhe empor,
einer Höhe, welche die
Vernehmlichkeit des Ge-
läutes keineswegs stei-
gert, da man dieses viel-
mehr von niedrigen Thür-
men besser hört, die aber,
verbunden mit einer ge-
schmackvollen Decora-
tion , nicht wenig dazu
beiträgt, diese schlanken
und luftigen Monumente
zu eigentümlichen Zier-
und in dieses hat man wieder von der Via Urbana auf fünf Stufen hinabzusteigen, weil die Kirche
gleich dem Pantheon unter «lern Niveau de» Strassen bodens liegt.
IV.
Die Kirche der heiligen Praxedis steht nicht weit von der ihrer Schwester, der heiligen Puden-
tiana. Sic ist ebenfalls am Esquilin und im Umkreis jener Thermen gelegen, die Bruder Xovatus
angelegt. Nicht minder zählt sie zu den ältesten römischen Basiliken; derselbe Pius, welcher die
Pudentiana schuf, gründete hier ein Oratorium, welches bereits im vierten Jahrhundert erwähnt, im
neunten unter Paschalis I. in eine Kirche umgestaltet ward. Innocenz III. üherliess sie 1198 den
grauen Mönchen des Ordens von Vallombrosa; sie ist immer noch interessant, ob sie gleich der
heilige Carlo Graf Borromeo, weiland Cardinal von Santa Prassede, vielfach verschönert hat.
Gleich beim Eintritt in das Hauptschiff machen wir die Bekanntschaft der heiligen Praxedis.
Wir treffen die Jungfrau in einer frommen Beschäftigung, nämlich wie sie das Blut der Märtyrer
sorgfältig mit einem Schwämme aufsaugt und in einem Brunnen sammelt; auf diese Weise ist auch
das Blut des heiligen Januarius von seiner alten Tante gesammelt worden. Die Kirche ist drei-
schiflig, vierundzwanzig antike Granitsäulen korinthischer Ordnung, von denen acht in Pfeiler ein-
geschlossen sind, begrenzen den Mittclraum; wir treten in das linke Seitenschiff ein: an der
Vorderwand finden wir eine Granitplatte eingemauert, auf der die Jungfrau zur Kasteiung ihres
Leibes zu schlafen pflegte. Auf der blossen Krdc zu liegen und das sündige Fleisch auf harten
Stein zu betten, war eine gewöhnliche Form der christlichen Ascese: das erzählt Hieronymus
von sich selbst, das erzählt Paulinus von dem heiligen Martin von Tours; derselben L'ebung
befliss sich das weibliche Geschlecht, Gregor von Nazianz berichtet, wie .seine Schwester Gorgonia
ihre zarten Glieder auf den Boden streckte, und Hieronymus rühmt seine Freundin Paula, die
selbst in schwerem Fieber die Bequemlichkeit eines Bettes verschmähte und es vorzog , auf der
rauhen Krdc zu schlafen, ohne andere Unterlage als eine Sackleinwand. Also Praxedis, die
Tochter des Senators Pudens. Vielleicht dass sie sich auch, um an den Leiden Christi theil-
zunehmen und die Glieder zu tödten, die «auf der Frde» sind, der freiwilligen Geisselung unterzog.
Um mit Christus gekreuzigt zu werden, brannte sich der Ascet das Kreuzesmal mit glühendem
Fisen ein, schleppte er ein schweres Kreuz von Holz, stand er mit ausgebreiteten Armen gleich
einem Gekreuzigten; um mit Christus und den Aposteln gegeisselt zu werden, peitschte er sich
mit Ruthen, mit Riemen und mit Ketten. Im Weitergehen sehen wir das Instrument mit Augen,
das dem Geiste der Jungfrau in Augenblicken der Fkstase vorgeschwebt haben mag. In der nach
ihr genannten Cappella della Colonna, der dritten Capelle rechts, befindet sich die Säule, an der
Christus gegeisselt worden ist; im Jahre 1223 hat sie der Cardinalpriester von Santa Prassede,
Johannes Colonna, päpstlicher Legat in dem Kreuzzuge unter Honorius III,, wie ein redendes Wappen,
aus dem heiligen Lande nach Rom gebracht- Dieses Denkmal der Passion des Heilandes besteht
aus Jaspis und hat eher die Form eines Candelabers als einer Säule. Die Capelle, von Paschalis
erbaut und ursprünglich dem heiligen Zeno geweiht, dessen Reliquien hier au i bewahrt werden, führt,
weil sie für besonders schön gilt, den Namen Paradiesgärtlein (Orto del Paradiso): ihr Portal
bilden zwei Säulen von weiss und schwarz geflecktem Granit um! ein antikes Marmorgesims, auf
welchem eine antike Marmorvase steht ; dahinter ist ein bogenförmiges, mit einem metallenen Gitter
verschlossenes Fenster, welches Mosaik-Medaillons in zwei parallelen Reihen umgeben. Die äussere
enthält die Brustbilder des Heilands und der zwölf Apostel, die innere die Brustbilder der Jungfrau
Maria und rechts und links die: Portraits der Familie dt» Pudens, zunächst der vier Geschwister.
Es sind theil weise wahre Caricaturen.
170
Die Innenwände dieses Paradieses sind durchaus mit Mosaiken auf Goldgrund geschmückt,
doch stehen sie, die etwa dem zehnten Jahrhundert angehören, trotz ihres barbarischen Glanzes,
in Zeichnung und Ausführung weit hinter den Mosaiken der Tribüne und am sogenannten Triumph-
bogen zurück, die aus der Zeit Paschalis I. stammen und denen von SS. Cosma und Damiano
fast sclavisch nachgebildet sind. Letztere, die wir bereits auf Seite 21 erwähnten, müssen wir.
zur richtigen Würdigung der gegenwärtigen, nothwendiger Weise anziehen. Die Kirche der heiligen
Cosmas und Damianus hatte Felix IV« im sechsten Jahrhundert erbaut und zu gleicher Zeit das
Gewölbe der Tribuna an Stirn und Laibung mit Mosaiken ausgeschmückt, deren Gegenstände der
Offenbarung entnommen waren. Es sind die folgenden:
a. an der Stirn 4ts GtUüUiu (fälschlich Triumphbogen genannt). Christus, unter dem
Innern vun Santa IVatwIc.
Sinnbilde des Lammes, ruht auf einem reichgeschmückten Stuhle, vor dem man das Ruch mit
sieben Siegeln liegen sieht Ihm zu beiden Seiten stehen die sieben Leuchter, während vier schöne,
lichte Engel aus einem röthlichen Gewölk aufschweben und die vier ezechielschen Thiere tiefsinnig
und räthselhaft dareinschauen (zwei davon, Ochs und Löwe, sind gegenwärtig durch Seitencapellen
verdeckt). Unten an den Gewölbschenkeln fallen die vierundzwanzig Aeltesten anbetend vor dem
nieder, der auf dem Stuhle sitzt, und bringen dem I Icilande ihre Kronen dar (von ihnen sieht man
nur noch rechts und links einen Arm mit einer Krone 1. Das sind die alten, brillanten Illustrationen
zu dem vierten und fünften Capitel der Oftenbarung.
b. an dtr Laibung da GewStbtS, An der Innenfläche erscheint in der Mitte Christus im
Typus der Abgarusbilder , aber colossal und in majestätischer Würde und mit einem goldgelben
Gewand von einfach grossartigem Faltenwurf bekleidet Ein runder I Iciligcnschein mit eingezeich-
netem Kreuz umrliesst seine edlen Züge, sein langlockiges Haar, das in der Mitte gescheitelt ist,
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den kurzen, gespaltenen Bart. Die Rechte erhebt er segnend, in der Linken hält er eine Rolle;
über ihm bemerkte man ehemals einen Lorbeerkranz mit einem Kreuze, den die Hand des ewigen
Vaters herunterreichte; am Schlussstein das Monogramm /^Ci' (Offenbarung i, 8.) Ein Sinn-
bild des Gekreuzigten und Wiederauferstandenen ist der Phönix, der strahlend und sternenhell
von der verwandten gleichnamigen Palme auffliegt; zu der durchgängigen Verbindung des Phönix
mit dem Palmbaum hat der griechische Name <P«m$, der das eine wie das andere bedeutet, wohl
die nächste Veranlassung gegeben. Rechts und links von Christus stehen. Kronen in den Händen,
die beiden Heiligen Cosmas und Damianus, die ihm von den grossen, sie weit überragenden Apostcl-
fürsten Petrus und Paulus zugeführt werden: schaudernd, aber zuversichtlich und gottselig nahen
sie sich dem Heiland. Neben «Uesen Paaren und unter zwei schwanken Dattelpalmen sieht
man am Rande des Bildes rechts den heiligen Theodorus (S. THEODORL'Sk links den Papst
Felix IV. (S. FELIX PAPA), der seine Kirche getragen bringt; ihre Füsse werden vom Jordan
(JORDANES) bespült.
Unterhalb dieser grossartigen Composition steht auf dem Berge, dem die vier Paradieses-
ströme entspringen, aufrecht und von einer Glorie umgeben das Lamm, dem von beiden Seiten,
aus Jerusalem und aus Bethlehem, je sechs andere Lämmer, die Apostel, entgegenwallen. Unter
dem Gewölbe liest man eine Inschrift in lateinischen Distichen, deren erstes wir auf Seite 20
citirten und welche die Dcdication des Papstes Felix enthalten; er widmet die Kirche den Märtyrern-
Aerzten als ein des Bischofs (Antistesj würdiges Geschenk, um sich selbst damit einen Platz im
1 limmel zu erwerben :
Aula Ihn dam radial «|i«t'»na mctaltis,
In <|uac plus fidei lux pretiosa miestt.
Martyritws Mcdicis populo spes ctrtt saluiis.
Vcnil cl cx saciu «cv« hunurc Iul-us.
OUulil bM donum Mb Anlerne dipmm
Mit diesen Mosaiken von SS. Cosma e Damiano wollen wir nun die noch mannigfaltigeren
von Santa Prassede zusammenhalten. Sie gliedern sich in die
1) Mosaiken des Triumphbogens. Hier sieht man am Seheitel das neue Jerusalem
(Offenbarung, Cap. 21, 2\ ül>er dessen Zinnen zwischen zwei Engeln der Heiland thront Er hält
die Weltkugel, auf der sich das heilige Kreuz erhebt; einen solchen Globus haben schon die
römischen Kaiser in den Händen, mit dem Kreuze combinirt, ist er zu einem Symbol der christ-
lichen Weltherrschaft und als Reichsapfel zu einem Reichskleinod geworden. Von rechts und links
kommen Männer auf den Heiland zu, die der Nimbus als Heilige kennzeichnet, und bringen ihm
zum Zeichen des im rechten Kampfe erhaltenen Sieges ihre Märtyrerkronen dar. Vier Engel stehen
wie Pförtner an den Thoren der heiligen Stadt, die Schaaren der Seligen einlassend, die in hellen
I laufen herbeiströmen, das Lamm Gottes zu preisen. Unter ihnen, zu beiden Seiten des Bogens, sind
die Gläubigen vorgestellt, die, in weissen Kleidern und Palmen in den Händen, dem Sohne Gottes
Heil zurufen (Offenbarung Cap. 7, 9).
2) Mosaiken der Tribüne.
ti. an der Stirn des Gasölba. Ueber dem Schlussstein des Gewölbes erscheint auf dem
.mit Edelsteinen geschmückten Stuhle: zwischen den sieben Leuchtern, vier Engeln und den sym-
bolischen Bildern der Evangelisten das Lamm. An den Schenkeln sieht man die vierundzwanzig
Aeltesten, die ihre Kronen vor dem Stuhle des Lammes niederlegen (Offenbarung Cap. 4, 10).
/'. an der Latiung des Gewölbes. In der Milte steht der Heiland mit einer Rolle; eine
Hand, zur Andeutung des ewigen Vaters, hält einen Kranz über sein Haupt wie über das eines
Triumphators. Ihm zu Seiten erblicken wir Petrus und Paulus, Praxedis und Pudentiana, den
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Tribuna und Mosaik von SS. Cosma e Damiano.
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heiligen Zeno und (durch einen viereckigen Nimbus als eine lebende Person bezeichnet) den Papst
Paschalis, welcher diese von ihm erbaute Kirche gleich einem Opfer darbringt. Rechts und links
am Rande erheben sich zwei Palmbäume; auf dem links sitzt als Symbol der Auferstehung, einen
Nimbus um den Kopf, ein Phönix. Den Vorgrund bildet der Jordan (JORDANKS), der als Sinn-
bild der Taufe zu Füssen der Gruppe fliessL Der darunter befindliche Streifen enthält zwei Züge
von je sechs Lämmern, die aus je zwei Städten auf ein Lamm zulaufen: es sind die zwölf Apostel,
die aus Jeru-
salem und
aus Bethle-
hem zu Chri-
stuskommen;
der allerun-
terste eine In-
schrift in la-
teinischen,
nicht ganz
correcten He-
xamctem.be-
sagend, dass
Pasrhalis, in
der Hoff-
nung, sich da-
mit die ewige
Seligkeit zu
verdienen,
hier der gott-
wohlgefäüi-
gen Praxedis
eine strah-
lende Aula
aufgebaut
und eineMcn-
ge zerstreu-
ter Reliquien
— von 2300
Heiligen —
unter ihren
Ijfc C.ppslU d«lk Cal
Mauern nie-
dergelegt
habe:
hminal aula püs
variis dwnrata
roetaflis
Praxedis doinino
super aethra
ptacenrix h<i>
norc,
lVntifkis summi
studio Pücha-
us aluinni
Sedh Apnstoli-
rjie, itastim qui
corpora con-
dcnn
l'lunuu xanrtn-
rumvuhter hatx.
mnenia ponit,
l-rrtus ut his Ii-
men lucicaiut
adire polurum.
Mehrere
Male be-
merkt man
das Mono-
gramm des
Paschalis {
Ostertag).
Unter
allen römi-
schen Kir-
chen ist Santa
Prassede an
Mosaiken wohl die reichste- Nirgends, Venedig und Ravenna ausgenommen, finden wir von der musi-
vischen Decoration in einem und demselben Gebäude so ausgiebig Gebrauch gemacht Nicht nur
die gewohnten Stellen, die Apsis und der Triumphbogen, sondern auch eine Seitenkapclle, ja sogar
noch ein zweiter Bogen, der das Schiff durchkreuzt, Ist mit diesem glanzenden Schmucke über-
zogen. Die Wirkung ist eine imposante, vom Kunstwerth und Charakter der dargestellten Gegen-
stände unabhängige. Werden die Augen nicht bezaubert, so werden sie wenigstens geblendet,
und erst nach einer Weile gewahren wir die Schwäche und die geringe Feinheit des Werks,
überrascht uns plötzlich der Verfall einer gesunkenen Kunst
In Santa Prassede erfolgte im Jahre 1 1 18, am Feste der Heiligen (1 1. Juli), der gewaltthätige
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Angriff der Frangipani auf Gelasius II, als dieser Papst im Lesen der Messe begriffen war.
Der unglückliche Greis entfloh, während des wüthenden Kampfes, unbemerkt zu Pferde und wurde
des Abends gefunden, wie er kummervoll und einsam vor Sanct Paul auf dem Felde sass.
V.
Ich eile von der schönen Erde hinab in jenes feste Haus. Wo steht es? An der uralten
Strasse, auf der die Sabiner ihr Salz vom Meere holten, der Via Sataria Nova, ausserhalb der
Stadt, zwischen dem ersten und dritten Meilensteine, liier, im Schooss der grünen Erde, ist die
Schlafkammer der Familie des Pudens, das Coemeterium der Mutter, der heiligen Priscilla.
O, freundliche Benennung ! Trostreiche Religion ' Seit Christus von den Todten auferstanden ist,
gibt es keinen Tod und keine Stätten des Todes mehr: sein bitterer Name ist ausgelöscht, er
heisst Schlaf. I^ie Verstorbenen schlummern, denn sie werden bald aufwachen; sie ruhen sanft
und selig, sie liegen als in Betten, sie verträumen die lange Nacht, bis der Tag im Osten jjraut.
Darum werden die christlichen BegräbnisspläUe Schlummcrstätten oder mit einem griechischen
Worte Coemeterien genannt - SV« iu'cäi;i mi »J itlni^mc ««i inavüa xtifuvm afi r»;/> r >,«ri niiü
xof/iü»iai xui kh^m'cIohji iSanct Chrysostomus, Homilien LXXX1).
Die christlichen Friedhöfe, nach jüdischer Sitte in unterirdischen Räumen und nach Art
eines Bergwerks angelegt, sind ursprünglich alle Privateigenthum gewesen. Die wohlhabenderen
Gemeindeglieder wurden auf eigenem Grund und Boden , in der Familiengruft beigesetzt, die
ärmeren, wie der Herr Jesus selbst, in den Villen oder auf den Feldern reicher Bürger, vermögender
Matronen, die den christlichen Glauben angenommen und ihr Grundstück zur Bestattung ihrer
christlichen Brüder hergegeben hatten. Diese Armen friedhöfe trugen gewöhnlich die Namen der
Donatoren, ohne dass sie gerade ihre Gebeine hätten enthalten müssen, da die reichen Leute eben
zu ihren Vätern versammelt wurden; wenn von den Coemeterien des Praetextatus, des Pontianus,
der Lucina, der I>omiti'la, der Cyriaca die Rede ist, so bedeutet das nur, dass das Areal
ursprünglich zu den Gütern des Praetextatus, des Pontianus, der Lucina. der Domitilla und der
Cyriaca gehört hatte. Doch konnte es auch vorkommen, dass jene Familiengräber selbst nrweitert,
der Gemeinde überlassen und in Todtenstädte umgewandelt wurden, deren erste Bürger und
Stammgäste die Besitzer wirklich waren : dann bedeutet der angehängte Name eine eigentliche und
|>ersönliche Anwesenheit; derart sind zum Beispiel die Katakomben der heiligen Caecilia. die späteren
Callistus-Katakomben, deren Schlüssel das edle Geschlecht der Caecilicr bewahrte, und die Grüfte der
Priscilla, wo zunächst die Särge der Senatorin, ihrer Kinder und Kindeskinder gestanden haben,
in denen aber allmählich auch eine zahlreiche Clientela gebettet ward. Wenn sich endlich unter
den Gräbern das eines berühmten Heiligen, eines ausgezeichneten Märtyrers befand, so wurde das
Coemeterium wohl auch nach diesem betitelt, zum Beispiel das der Domitilla nach Petri Tochter
Petronilla und den heiligen Nereus und Achilleus, das der Priscilla nach dem heiligen Silvester
und Marcellus; so dass der Eigenname, welcher bei einem Coemeterium als nähere Bestimmung
zu stehen pflegt, einen dreifachen Hinweis enthalten kann — entweder auf den einstigen Grund-
besitzer, oder auf den ursprünglichen Insassen, oder auf den vornehmsten Blutzeugen, der darin
aufgenommen worden ist. Bei den Callistus-Katakomben hat es eine besondere Bewandtniss: sie
erinnern an ihren früheren Inspector.
I>ic Katakomben der heiligen Priscilla gehören zur zweiten Kategorie: ihr Kern war das
Erbbegräbnis (Cubiculum) der Familie, in deren Hause wir mit dem heiligen Petrus eingekehrt
sind. Ein quadratfürmiger Raum, im Stil der Titusthermen mit Stuckarbeit bekleidet, mit Portraits
und Inschriften bedeckt, die in Vermillon und in griechischen Lettern auf Täfelchen (Alba)
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aufgetragen sind (Cappella greca). Während wir anderwärts in zwei Soldaten die Märtyrer unter Nume-
zian und vielleicht den Tribun Claudius vermuthen dürfen, erkennen wir hier gleich unsere Freunde und
1" reundinneti von oben wieder : das Cocmcterium steht im innigsten Zusammenhange mit den beiden
Kirchen, bildet sozusagen ihre unterirdische und ewige Succursale. Die anmuthigen, etwas in die Länge
gezogenen Gestalten der beiden Schwestern, die heilige Praxedis (SCA PRAXEDE) und die heilige
Pudentiana (SCA PVDAN . . .) begegnen uns abermals, jede von beiden trägt ihre Märtyrerkrone
auf dem Ann ; in der rechten I Iand, zwischen Mittel- und Zeigeringer, hält die eine ein Kreuz, die
andere eine Säule. Es liegt nahe, in dieser Säule das Urbild derjenigen zu sehen, an der Christus
gegeisselt, und die nachmals als heilige Beute in die Praxediskirche übergeführt worden ist; man
müsste dann, um einen Zusammenhang zu finden, gemäss unserer obigen Ausführung, annehmen,
dass die Jungfrau bei Lebzeiten selbst dieser Reliquie einen besonderen Cultus, wenn auch nur im
Geiste gewidmet habe. Erinnern wir uns indessen, dass ein italienischer Gelehrter nicht ohne Grund
beide Figuren für Allegorien und für Personificationen der Kirche des Judenchristenthums i Ecclesia
ex circoncisi-
one) und der
Kirche des
l leidenthums
(Ecclesia ex
gentibus) ge-
halten hat. und
combiniren
wir damit die
Thatsache,
dassdieeherne
Schlange, wel-
che Moses in
der Wüste zur
Abwehrgegen
den Guinea-
Ambrogio steht eine Granitsäule mit der ehernen Schlange auf der einen und eine Granitsäule
mit dem Crucifix auf der andern Seite; der interessante, aber sicher falsche Götze wird noch
heute von den lombardischen Müttern gegen Wurmkrankheiten angerufen. Es wäre also nicht
undenkbar, dass die Säule, welche Praxedis in der I Iand hält, das alttestamentliche Pendant zum
christlichen Kreuze, sie selbst auch hier die Gemeinde der Beschneidung vorstellen sollte. Die
Namen, an sich schon einigermassen mythisch, könnten später, als man die Allegorie nicht mehr
verstand, hinzugeschrieben worden sein.
Zwischen den beiden Schwestern steht ihr Hausfreund, der Apostel Petrus, in einer eigen-
thümlichen, dem gewöhnlichen Typus nicht entsprechenden Gestalt. Die frühesten Bilder, welche
wir von diesem Apostel haben und welche sich auf Glas in den Katakomben finden, zeigen ihn
als einen grossen kräftigen Mann mit kurzem und krausem Haupt- und Barthaar, rundem, nicht
sehr edlem Gesicht, langer platter Nase und gewölbten Augenbrauen. Die Laune des Künstlers
hat hier einen bartlosen, sanftmüthigen jungen Mann mit Kappe und Stola aus ihm gemacht, ihn
aber durch das unzweideutige und alte Attribut der beiden Schlüssel als den Nachfolger Christi
charakterisirt. Mit den Schlüsseln erscheint Petrus schon auf den frühesten Denkmälern der
christlichen Kunst, oft wird auch die l'ebergabe der Schlüssel selbst dargestellt. Eine Marmor-
gruppe von Giovanni Battista della Porta, welche diese wichtige Scene im sechzehnten Jahrhundert
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Alle Makrei. Kl'.akomhcn <ler h«li£en PristilU.
wurm aufrich-
ten lirss, ein
offenbarer Fe-
tisch, von den
alten Christen
als Symbol des
Heilands, und
die Säule, auf
welcher der
Fetisch thron-
te, als Symbol
des Kreuzes
aufgefasst
ward. Im Schiff
der Mailänder
Kirche Sant'
abermals wiederholt, schmückt die oben erwähnte Capelle, in welcher Petrus Messe gelesen
haben soll, neben der Tribuna von Santa Pudenziana.
Die Katakomben , welche sich an dieses Cubiculum anschliesscn , gehören nicht zu den
typischen. Die pudentianische Familiengruft war in Puzzolanerde gebohrt und ein solcher Grund
zur Anlage eines Friedhofs nicht geeignet, das Erbbegräbniss selbst nicht katakomben gerecht,
nämlich nicht in den Fels gehauen; sondern künsüich aufgemauert Puzzolanerde ist ein bröckeliger
vulkanischer Tuff, welcher bei Pozzuoli, unweit Neapel, gefunden wird, aber an der ganzen
südwestlichen Seite der Apertninen in grossen Massen vorkommt; er besitzt die Eigenschaft, bei
einfacher Vermischung mit gelöschtem Kalk einen hydraulischen Mörtel zu geben. Diese Frdc
war schon den alten Römern bekannt, welche sie Pulvis Puteolanus oder schlechthin Pulvis
oder (wie sie denn zumeist aus reichhaltigem Eisensand besteht i Arena nannten: die Sand- oder
Puzzolangrulwm Messen Arenaria. Nun dieses Wort Arenarium spielt in den Acten der Märtyrer
eine grosse Rolle; einmal über das andere liest man, dass ein Heiliger in arenario oder juxla
arenarium oder ad arenas oder in cryplis areuariis begraben sei ; weil denn Arenarium so viel wie
Friedhof zu bedeuten, das System der Sandgruben auch eine gewisse Aehnlichkeit mit dem der
Katakomben zu haben schien, so kam man auf den Gedanken, die christlichem Katakomben seien
nur Erweiterungen verlassener Puzzolangruben gewesen. Aber das war eine falsche Ansicht:
verlassene Puzzolangruben haben höchstens in Zeiten der Verfolgung als gehirime Eingänge zu
den Katakomben gedient , aber überdies in keinem Zusammenhang damit gestanden ; Arenarium
ist in den Märtyrcracten wahrscheinlich nur ein allgemeiner Ausdruck für Grubengebäude und
Hypogäen überhaupt, keineswegs für Puzzolangruben speciell. Die Bedeckung der römischen
Ebene, speciell der linken, die meisten Katakomben enthaltenden, Tiberseite ist fast gänzlich
vulcanischen Ursprungs, und diese vulcanischen Gesteine sind von verschiedener Zusammensetzung
und ungleichem Alter. Wir wollen nur drei Gattungen namhaft machen, die vorzugsweise in
Frage kommen: die ebenerwähnte sandige Puzzolanerde (pozzolana), den harten, als Baustein
gebrauchten Tuff, zu dem z. B. der Travertin und der Peperin gehört (tufo litoide) und den
körnigen Tuffstein (tufo granuläre, auch capellaccio). Nun die Puzzolanerde war für den Grubenbau
zu locker, der harte Tuff zu spröde: das richtige Element allein der körnige Tuffstein, der
Weichheit, Solidität und Resorptionsfähigkeit vereinigte. Katakomben wurden daher gewöhnlich
im Bereich des kömigen Tuffsteins angelegt; nur ausnahmsweise kommt es vor, dass sie die I.agcr
des harten Tuffs und der Puzzolanerde berühren. Wo das letztere der Fall ist, da werden
Pfeiler, Versätze, Strcbemauem, Thürstöcke, Widerlager, kurz alle Arbeiten eines complicirten
Grubenausbaues nöthig, durch welche das lose Gestein abgehalten wird, die hergestellten Räume
zu verschütten. Eben diese Arbeiten bemerken wir an den Katakomben der Priscilla, die man
voreilig in eine Puzzolangrube hinein und nachträglich mit Mauersteinen ausgebaut hat Die
heilige Priscilla liegt wirklich in arenario, aber eben damit weicht sie von der Regel ab.
Wir werden daher nicht die Priscillakalakomben wählen, um die innere Einrichtung dieser
merkwürdigen Stätten zu studieren, sondern in ihnen nur die Gemahlin des Pudens und die Mutter
der beiden Schwestern suchen, denen wir in diesem Capitcl näher getreten sind. Und doch
begegnet uns in ihren Gallerien noch eine andere Mutter, eine heilige Mutter, die wir noch unzählige
Mal und in allen Glorien des Himmels wieder sehen werden, an der wir aber hier nicht ohne
Verehrung vorübergehen dürfen, weil sie uns das erste Mal erscheint: das ist die Mutter Gottes.
Dort oben am reich geschmückten Plafond erblicken wir die älteste Maria. Ein Frcsco von
vortrefflicher Zeichnung und besonderem Adel stellt die Verkündigung dar, ein zweites gleich werth-
volles eine heilige Familie. De' Rossi setzt das schöne Werk, dessen anmuthige Freiheit so
lebhaft gegen die Armuth und die Steifheit der späteren Fresken absticht, in eine frühe Periode,
etwa in die Zeiten Trajans oder Hadrians. Die heilige Jungfrau, eine jugendlich kräftige Gestalt,
deren grosse Augen eine eigentümlich seelische Tiefe haben, überhaupt gleich den anderen
Figuren nicht ohne einen gewissen fremdartigen Ausdruck im Gesicht, aber ohne Nimbus, sitzt,
mit Tunica und Pallium bekleidet, auf der rechten Seite und drückt mit halbentblössten Armen das
nackte, ebenfalls nimbuslose Kind an ihre offene Brust; vor ihr steht ein junger Mann, der über
die nackte Schulter ein Pallium geworfen hat, in der Linken eine Rolle haltend und mit dem
Zeigefinger der aus-
gestreckten rechten
1 land auf die Jung-
frau und einen Stern
am Himmel deu-
tend. Man denkt
zunächst an Joseph,
und der Gedanke
ist insofern nicht
unpassend, als die
Conventionelle grei-
senhafte Darstel-
lung des heiligen
Pflegevaters . so
sehr wir auch da-
ran gewöhnt sind,
einer späteren Pe-
riode angehört. Da-
gegen erkennt De'
Rossi in dem jungen
Mann einen Pro-
pheten des alten Te-
staments, etwa den
Jesaias, der in einer
göttlichen Vision
den sehnlich erwar-
Aelte&tc tJ&rsteUung der Mutter Gotte^ neben Ihr der Prüpnei Jntklat.
ui Jen Kltakamh« der bctli^ert tVnuIU
Malerei
teten Messias und
den Stern von Beth-
lehem erschaut.
Gian Batti-
sta de' Rossi, der
berühmte christ-
liche Archäolog, ist
es, der jenen Stern
auf dem alten Bilde
entdeckt und nach-
gewiesen hat; er
gleicht selbst einem
Jesaias; und wir soll-
ten der ansprechen-
den Auslegung
nicht beitreten, die
uns in Katakom-
bennacht die Scene
von Ara-celi wieder-
holt i lOenn der
weissagende Jesa-
ias stimmt ja das-
selbe Lied an, wie
dort die Tihurti-
nische Sibylle, und
wie an der Decke
der Sixtinischen Kapelle die hebräischen Propheten neben den heidnischen Sibyllen aufstehn,
um die einen wie die anderen den Heiland und das tiefe Mysterium zu verkünden, so thun
sie es schon im christlichen Grabgewölbe. Wer die Sonne und die Stern«: lieh hat, muss
jetzt hier hinabgehn: der Bergmann in der Grube heisst das Grubenlicht seinen Stern — ist
der Christ kein Bergmann?
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San Paolo fuori lc Mura.
I
et heilige Paulus ist nächst <lem heiligen Petrus der gewaltigste Apostel des
Gekreuzigten, ja, er steht ihm last ebenbürtig gegenüljer. Kr vertritt das Heiden-
christenthum , wie jener das Judenchristenthum. Aus den Briefen des Paulus wissen
wir, dass Petrus auch nach dem sogenannten Aposteleonvent dal>ei blieb, das Evan-
^'■liuin nur den Juden zu predigen, und bei einem Besuche in Antiochien auf Andringen
■ Irr alteren engherzigen Apostel jeden Verkehr mit den dortigen 1 leidenchristen abbrach, eine
Wankelmüthigkeit, um derentwillen ihn Paulus mit scharfen Worten zur Rede stellte. Von
[f \ jenem Streite zu Antiochien datirt die Trennung des Paulus von seinem Missionsgehülfen
^ Barnabas, der auf Petri Seite getreten war. und seine bewusste, vorurtheilsfreie, aber durch
ununterbrochene Kampfe erschwerte Wirksamkeit l'eberall verkündete Paulus Juden und
* Heiden das Wort vom Kreuz als den alleinigen Heilsweg — aber auf Schritt und Tritt folgten
ihm seine Gegner nach, und mehr als einmal gelang es ihnen, seine I loffnungen zu Schanden zu machen.
L'm den kleinasiatischen Gemeinden näher zu sein, wählte er Ephesus zu seinem Hauptquartiere,
bis ihn das Herz drängte, zu den armen Christen in Jerusalem zu gehn und ihren tieferschütterten
Frieden durch Thaten der Liebe wiederherzustellen. Er besuchte nur noch die macedonischen und
griechischen Gemeinden und trat dann im Krühjahre 59 die beabsichtigte Reise an; bei seinen
Heidenchristen hatte er Liebesgaben gesammelt und dachte sie persönlich zu überbringen. Aber
als er den Tempel zu Jerusalem betrat, machte sich der Volkshass gegen den Abtrünnigen, gegen
den Verächter des mosaischen Gesetzes in gewaltsamer Weis«: Luft. Von dem Judcnrhristen
verlassen, wo nicht verrathen, fand er um den Preis seiner personlichen Freiheit Schutz bei der
römischen Obrigkeit. Der Statthalter Felix, der ein Lösegeld haben wollte, hielt ihn zwei Jahre in
Caesarea gefangen; er appellirte an den Kaiser: Porcius Festus, der Nachfolger des Felix, schickte ihn
nach Rom. Im Frühjahr 62, nach einem Schiffbruche bei der lasel Malta, kam Paulus in der
Welthauptsladt an, allwo er zwei Jahre hindurch, wenn auch als Gefangener, das Evangelium
verkünden durfte. Dann trat, im Juli 64, die Neronische Christenverfolgung ein, welche Paulus
schwerlich überlebt hat. In der judenchristlichen l'eberlieferung erscheint er unter der Maske des
falschen Apostels Simon, des sogenannten Simon Magus, welchem der echte Ajtostel Simon, Petrus,
von Land zu Land nachzieht, um ihn zu bekämpfen und schliesslich in Rom, wo der Magier gen
I limmel zu fahren versucht, auf das Schmählichste zu entlarven. Die ganze Geschichte des Simon
Magus, wie sie aus verschiedenen Quellen stückweise zusammengesetzt werden kann, ist nichts
als eine Parodie der Lebensgeschichte des Paulus.
Gegenüber dieser antipaulinischcn Sage kam in der altkatholischen Kirche die entgegen-
gesetzte auf, dass beide Apostel friedlich vereint die Gemeinden zu Antiochia, Korinth und
Rom gestiftet und zuletzt gemeinsam unter Nero, am Peter- Paulstag (Natalis Apnstolorum
Petri et Pauli, 29. Juni), den Märtyrertod erlitten hätten. Sanct Peter, der Apostel der Beschneidung
und Sanct Paul, der Heidenapostel, sie galten fortan als die beiden Hauptapostel, als die beiden
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I
grossen Apostelfürsten fPrincipes Apostolorum), als die beiden Säulen der Christenheit. Die
Zusammenstellung ihrer Porträts auf Gläsern, auf bronzenen Medaillen, auf Mosaiken und auf Sarko-
phagen erfolgte schon in den frühesten Perioden der christlichen Kunst, ja, sie findet sich noch
heute auf dem Siegel des Papstes, welches den Brcvcn in rothem Wachs, den Hullen in Blei, und
zwar den letzteren in Rechts- und Ehesachen an einem hänfenen, in Gnadensachen an einem gelb-
und rothseidenen Bande angehängt wird, dem sogenannten Fischerring (Annulus Piscatorius). Auf
dem Avers befinden sich die Bildnisse der Apostel Petrus und Paulus, auf dem Revers steht der
Name des regierenden Papstes. Dieses Siegel wird von dem Cardinalkämmerer (Magister Camera«
Papalis) aufbewahrt, nur vom Papste oder in seiner Gegenwart gebraucht und nach dem Tode
desselben vom Cardinalkämmerer zerbrochen. Fischerring heisst es, weil der Apostel Petrus vor
seiner Berufung ein Fischer war,
Seinen Typus habern wir ol>en kennen gelernt: Paulus erscheint gewöhnlich kleiner von
Wuchs und ein wenig gebückt. Fr ist kahlköpfig, sein Barl lang und spitz, sein Gesicht oval,
das Auge feurig, mit niedrigen Augenbrauen, die Nase gerade und lang, die ganze Physiognomie
Vornehmer und feiner als die des Petrus. Auf den frühesten Kunstwerken nimmt Petrus die rechte,
Paulus die linke Seite ein, später wurde die Ordnung häutig umgekehrt, ja die umgekehrte
Ordnung ward zur Regel, namentlich auf den päpstlichen Bullen. Auch vor der Peterskirche steht
der Apostel Petrus links, Paulus rechts. Wie dem Petrus die Schlüssel, so giebt man dem Paulus
das Schwert bei, weil er mit dem Schwerte hingerichtet worden ist; erst später sah man in diesem
Attribute eine Hindeutung auf die einschneidende Kraft der paulinischen Dialektik. Das spanische;
Kloster l.a Eisla rühmt sich dieses Richtschwert zu besitzen.
IL
Etwa eine Viertelmeile vor der Porta Osticnsis, an der linken Seite der Stras.se steht eine
kleine Kapelle, die sogenannte Cappella della Separazione. Sie bezeichnet die Stelle, wo Petrus
und Paulus von einander Abschied nahmen, als sie zu sterben gingen. Dieser Moment ist ül>cr
dem Hingang der Kapelle auf einem kleinen Basrelief dargestellt, und in italienischer Sprache
nach dem (bekanntlich untergeschobenen) Briefe de» heiligen Dionysius Areopagita liest man, was
die Apostel bei dieser Gelegenheit zu einander sagten. Paulus sagte zu Petrus: Friede sei mit
dir, o starker Felsencr, Hirtc der Schafe Christi! — Petrus sagte zu Paulus: Zeuch hin in Frieden,
du starker Prediger und Hort unseres Heiles! Darauf traten sie die letzte Reise an, Petrus
nach dem Circus des Caligula am vaticanischen Hügel, wo er gekreuzigt ward, Paulus nach dem
engen, wasserreichen Thale links von der Via Ostiensis, welches der Salvischen Familie (ad Aouas
Salvias) gehörte; hier beugte der müde Sendbote, an eine weisse Marmorsäule gebunden, seinen
Nacken dem Schwerte des Henkers. Wie gesagt, erfolgte die Kreuzigung Petri und die Ent-
hauptung Pauli an einem und demselben Tage, dem 29. Juni des Jahres 67 unter Nero. Der
abgeschlagene Kopf des Paulus that der Legende nach drei Sprünge, und wo er aufsprang,
brach jedesmal eine Quell« köstlichen und gesegneten Trinkwassers hervor. Diese drei Quellen,
le Tre Fontane wurden künstlich gefasst und mit einer Kirche, .Sa« I'aolo alle Tre I'ontane (i)
überbaut: das Thal der Tre l-'ontane war den ältesten Christen heilig, hier wurden angeblich
10,204 Märtyrer, die den Bau der Thermen des Diocletian zu Ende geführt hatten, darunter
der heilige Zeno, am 9. Juli des Jahres 296 ergriffen und getödtet; daher auch die Reliquien
des heiligen Mönches Anastasius, der in Persien, und des heiligen Diaconus Vinccntius, der an
demselben Tage (22. Januar, 303), in Spanien den Märtvrertod erlitten hatte, hierher ül>ergeführt
unil aut dem ehrwürdigen, durch das Blut so vieler Bekenner und des Apnsiels selbst gerötheten
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Acker begaben wurden; drei Tage später fiel das Fest der Bekehrung Pauli (25. Januar).
Den beiden im Tode vereinigten Heiligen Vincentiu-s und Anastasius zu Fähren erbaute Papst
Honorius 1. im Jahre 630 an dieser Stelle eine Kirche, SS. Vincenzo td Anastasio {2), die von
aussen noch ein vorzüglich altertümliches Ansehen hat; namentlich sind die Fenster, welche aus
Marmorplatten mit kleinen runden Oeffnungen bestehen, ganz im Charakter des früheren Mittel-
alters; die Glasscheiben wurden vielleicht erst in späteren Zeiten eingesetzt. Das zu dieser Kirche
gehörige Kloster, die Abbadia delle Tre Fontane, übergab Innocenz 11. 1140 dem heiligen Bern-
hard mit einigen Mönchen des von ihm gestifteten Cistercienserordens ; und weil dem heiligen
Bernhard dereinst in der unterirdischen Kapelle nebenan, beim Seelenmesselesen, eine Leiter
erschien, auf welcher die Fngel die durch sein Gebet aus dem Y egefeuer betreiten Seelen zum
Himmel führten, so wurde ül>er jener Kapelle eine Kundkirche erbaut, welche den Namen der
Maria zur Himmelsleiter, Santa Maria in Scala Coeli (3) erhielt.
Nach aUedem stehen in dem malerischen Thale drei Kirchen und ein Kloster zusammen,
doch waren sie bisher der ungesunden Lage wegen fast ganz verlassen. Die Malaria hauste hier
und die drei Quellen waren reich an pernieiösem Wechselheber :
Mkmi el nova fcbriuin
TVrri» inculiuit <:uhur«.
Daher wurde das gefährliche Kloster im Jahre 1 86S dem Zweige der Cistercienser überlassen,
dessen eigentümlicher Beruf es von jeher gewesen ist, unfruchtbare Gegenden anzubauen und im
harten Kampfe mit einer widerspenstigen Natur den Wüsten Brod und dem Tode Lehen abzu-
ringen — den französischen Trappisten. Diese Bauern-Mönche machten sich muthig daran, das
versumpfte Land zu entwässern, die Baulichkeiten trocken zu legen und der interessanten Stätte
ihre alte Bedeutung zurückzugeben; und führten dabei einen Baum ein, der vermöge seines
wunderbaren Wachsthums , der Brauchbarkeit seines Holzes und der aromatischen Ausdünstung
seines blaugrünen Laubes in Italien wie in Aegypten eine förmliche Mission zu vollziehen scheint :
sie nahmen umfassende Anpflanzungen des sogenannten Fieberhcilbaums (Fucalyptus globulus) vor.
Die australische Myrte ist ein gigantisches Gewächs: sie kommt, wenn sie dieselbe nicht über-
trifft, der californischen (Jeder, dem Mammuthbaume, nahe. Mit dieser zweifelhaften Ausnahme
übertrifft der Eucalyptus an Dimension jeden Baum der Welt, und da der Stamm bis zur Höhe
von 30 m fast immer astfrei ist, so kann man sich einen Begriff von seinem Werth als Werkholz
machen, zumal das letztere eine fast unverwüstliche Härte und Dauerhaftigkeit besitzt. Im Jahre
1855 wurde für die Pariser Ausstellung ein Bret von 50 m Länge. 52 cm Breite und 15 cm Dicke
hergerichtet, aber nicht expedirt, weil es von keinem Schiff»; aufgenommen werden konnte. Dabei
ist der Wuchs dieses Baumes so rasch , dass er binnen sechs Jahren eine Höhe von 20 m und
einen l Jmfang von 1 20 cm zu erreichen vermag. Schon das verleiht seiner L'ultur für den holz-
armen Süden eine hohe Wichtigkeit; eine noch höhere sein wohlthätiger Finfluss auf gewisse
atmosphärische Miasmen. Seine Blätter sind reich an ätherischem Oel, und indem er durch
dieselben viel Sauerstoff ausscheidet, trägt er in sumpfigen, lieberschwangeren Gegenden zur
Reinigung der Luft bei. Und das hat er eben bei den Tre Fontane gethan ; die gesundheitlichen
Verhältnisse sind bereits jetzt wesentlich bessere. Die schlechte Luft (aria cattiva) ist verschwunden,
seit 1873 kein bösartiger Fieberfall mehr vorgekommen. Zufolge dessen hat die italienische
Regierung die Aufzucht des Fucalyptus im Grossen angeordnet und aus ihren Baumschulen schon
viele tausend junge .Stämmchen gratis zur Anpflanzung in der Campagna abgegeben. Auch
anderwärts, in Spanien und in den (österreichischen Küstenländern werden grosse Hoffnungen auf
diesen Baum gesetzt; nur ist es noch zweifelhaft, ob er hier den Salzgehalt des Bodens ver-
tragen wird.
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Im Jahre 1643 erhielt der Cardinal de Lugo aus Peru die erste (Chinarinde, und damals
lernte man in Rom das souveräne Fieberheilmittel kennen, welches nun als Polvo de los jesuitos
weitere Verbreitung fand. Vielleicht dass man auch noch einmal nach Jahrhunderten des Augenblicks
gedenkt, wo die Trappistcn bei den drei Quellen des Apostels Paulus den ersten Fieberheil-
baum pflanzten.
III.
Der Leichnam des Apostels Paulus wurde von der frommen Matrone Lucina aufgehoben,
aul dem unterirdischen Gange, der von den 'Ire Fontane zur Paulskirehe führt und den die Mönche
von St. Paul am Feste des heiligen Anastasius (22. Januar) in Procession durchziehen, in ihr an
der Via Ostiensis gelegenes Landgut zurückgebracht und in den Gründen desselben, angeblich
Puzzolanjjruben (in dieser Gegend grub man Puzzolanerde vorzüglicher Qualität) beigesetzt.
Papst Sixtus II. liess am 29. Juli 258 die Reliquien des Paulus und die des Petrus in einem
Cubiculum der Katakomben von San Scbastiano bergen, doch wurde der apostolische Leib
später der ursprünglichen Gruft an der ostiensischen Strasse wieder zurückgegeben, wo er fortan
uugestört verblieb. Das war das „Sepulcrum Pauli Apostoli in praedio Lucinae", schon in den
ersten Jahrhunderten ein heiliger Wallfahrtsort und ein Gegenstand ewiger Verehrung für die;
Christen, die von allen Enden der Welt nach Rom strömten, um die Trophäen, das heisst die
Gräber der Apostel. Sanct Peters im Vatican und Sanct PauLs an der Strasse nach Ostia zu
besuchen. Der Legende nach erbaute Constantin der Grosse über dem letzeren eine Basilica. die
dritte Hauptbasilica, so alt wie die l'eterskirche und einst grösser und prächtiger als sie : San Paolo
fuori le Mura , das heisst . ausserhalb der Stadtmauern, lateinisch extra murin. Im Jahre 386
trugen die Kaiser Valentinian II., Theodosius und Arcadius dem Stadtpräfecten Sallust vermöge
eines (noch erhaltenem Rescriptes auf, anstatt der alten Basilica eine neue, grössere und schönere
aufzultauen, wie es die Heiligkeit des Ortes und die zunehmende Menge der Gläubigen erheische.
Diese alte berühmte Theodosianische Paulskirche bestand als die sehenswürdigste aller alten
Basiliken dank der Tüchtigkeit des ursprünglichen Baues um! der Sorgsamkeit der Benedictiner,
welche wahrscheinlich schon von den frühesten Zeiten hier wohnten, vierzehnhundertfünfundfünfzig
Jahre, nämlich bis zur Nacht vom 15. zum 16. Juli des Jahres 1823, wo (durch Unvorsichtigkeit
eines Bleideckers, der seine brennende Kohlenpfanne auf dem Dache stehen gelassen hatte)
Feuer auskam und in fünf Stunden fast das ganze herrliche Denkmal des christlichen Alter-
thums zerstörte. Es war ein Unglück und ein Verlust, mit keinem Theater- oder Kirchenbrande
der Neuzeit im Entferntesten zu vergleichen. Nur die Mosaiken der Tribüne und einige Monumente
blieben erhalten. Pius VII., der einst in dem hiesigen Kloster Mönch gewesen war, lag krank
darnieder, als die Post vom Brande der Paulskirehe durch alle Lande ging: er war eine Woche
vorher (6. Juli | aut dem Marmorboden seines Zimmers gefallen und hatte den Schenkel gebrochen:
er starb einen Monat später {10. August), ohne die Trauerkunde zu vernehmen. Der einundachtzig-
jährige Greis, der sein Geschick mit unerschüttertem Gleichmuth getragen hatte, würde wahrlich
bei diesem Schlag weinend zusammengebrochen sein.
Leo XII., der am 2S. September den pä|>stlichen Stuhl bestieg, setzte sofort eine Commission
von Künstlern und kirchlichen Autoritäten ein, die den Neubau begutachten sollte. Ks wurde
beschlossen, an Plan und Verhältnissen der alten Kirche nichts zu ändern. Nun lud eine Encyelica
alle Bischöfe ein, in ihren Sprengein Sammlungen zu veranstalten: mittels dersrlben und eines
jährlichen Zuschusses von 50000 Scudi, den die päjjstliche Regierung selber leistete, wurde die
Kirch«: in d n issig Jahren wieder aufgebaut. Gregor XVI. konnte 1840 Querschiff und Hochaltar,
1S1
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Pius IX. am 10. December 1S54, im Beisein der hundertsiebenundsechzig zur Proklamation des
Dogmas der unbefleckten Kmpfängniss erschienenen Prälaten, die ganze Kirche einweihen. Die dem
Til>er zugewendete Facade mit dem Atrium war noch im Entslehen, aber das Innere erglänzte
trotz Theodosius und würdig eines ockumenischen Konciles.
Bekanntlich trägt die grösste protestantische Kirche der Erde und das schönste Denkmal
neuerer Baukunst in England, die Londoner Kathedrale, ebenfalls den Namen des Paulus ; bekanntlich
brannte die Londoner Paulskirche ebenfalls in der grossen Eeuersbrunst vom September 1666,
welche 460 Strassen mit 13200 Häusern und 89 Kirchen in Asche legte, gänzlich nieder, worauf
sie nach dem Muster der damals vollendeten römischen Peterskirche unter Wren's Leitung
(si monumentum quaeris, circumspice) wieder aufgebaut ward. Bis zur Reformation stand auch die
römische Paulskirche unter dem Schutze und der Kürsorge der Könige von England, daher man
an der alten Kirche Über dem Seiteneingang den Orden des blauen Hosenbandes sah.
IV.
Kennst Du der TiUrmUndungcn Weg? Ihn krönt des Paulus Titel,
Wo links der Klus* das gtune Ufer gtlrteti
Königlich ist die Pracht der Sliittc : sie weihte ijn guter Herscher,
Austrcitend nMI erhabener Verschwendung
Gold und Kdclgcstcin aber Dach und Gebalk, damit c< leuchte
Feierlich wie Glut des Sonnenaufgangs.
Säulen von parUchem .Marmor die strahlende Decke
Gleich Hiromelspfeilern, vierfach ist die Reihe.
TauKOdbfbig, in mächtigem Schwung enuteigt des ]
So blinkt im Blumenflor die PrUhlHfMaa. ')
Mit diesen begeisterten Versen malt der christliche Dichter Prudentius, welcher die Theodosi-
anische Basilica in ihrem ersten jungfräulichen Glänze schauen durfte, nur zu anschaulich sein
Entzücken : Sie rinden sich unter seinen Gedichten auf die christlichen Märtyrer (Liber ntgi torf&rmr),
im zwölften Hymnus, welcher im Maasse der vierten Ode des Horaz 66 Verse zum Lobe der
Apostel Petrus und Paulus (Petri et Pauli apostoloruml enthielt. Prudentius könnte sie heute
noch niederschreiben, denn die Paulskirche steht wieder, wie sie einst gestanden ; ob sie gleich von
ihrer stillen Gross«! und ihrer einfältigen Pracht Manches verloren hat. Es bleibt ein Genuss, in
die Paulskirche zu gehen, über diesen spiegelglatten Kusshoden zu schlüpfen, sich in diesem
lichten Säulenraume zu verlieren, ahnungsvoll in den Anblick dieser wunderbaren Mosaiken zu
versenken, die den frommen Geist der ersten Jahrhunderte innig und unverfälscht ausstrahlen.
Hier ist Alles, Religion und Luxus, tiefer Ernst und weltliche Schönheit, historische Weihe und
moderner Glanz und Geschmack und Reichthum — wenn in der Welt etwas geeignet ist, dem
Pilger einen Begriff von der Majestät der speeifisch christlichen Kunst zu geben, so ist es die
stille, abgelegene Basilica des Apostels Paulus, die man betritt wie einen Ballsaal, in der man
verweilt wie in einer Gemäldegallerie und die man verlässt wie ein Hciligthum.
'1 Im Original laulcu ilar liurmaoMcn Sinn*«!, »eiche an« <M j;n«*cm A*clallucraitcli«i Vcr»c und .Iran MMaMMaM jambi.chen
1*«* ilis tilahim Pauli <ia »errat Oitimis
Ob dnpl amuä cear.it.rn •biumn;
Regia iwmpa loci est: iräiceps bem
riauiit |ur ruagnU anilxium Uilentii-
ISracteolis trabibui auWeait, nl l
Lux ess*l iotni, cco. jubar all ort«,
Subdidk et pariju fulaic larjuc-inbes i
I>istinguil iltic '|uoi |UH<iqus ordo.
Tum camnius hyalo ioaigni taric i
Sit prau vcrriu rloribi. rcniileuL.
i*a
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3
Ein bedeckter Säulengang (Porticus) führte im frühen Mittelalter vom Thore nach der
Kirche und ein Säulonvorhof, mit einem Springbrunnen iCantharus) geschmückt, umgab die Vorder-
seite nach dem Tiber zu. Das gegenwärtige Atrium ist heute (23. Febr. 1882) noch nicht vollendet:
es stehen, abgesehen von den Mosaiken, nur die zehn Säulen der Vorhalle und die vierkantigen
Pfeiler zu beiden Seiten; noch ist Alles durch Gerüste verdeckt; die bronzenen Thürcn, die im
Jahre 1070 auf Kosten des Consuls Pantaleone Castelli in Constantinopel verfertigt und in Jahre
1S-3 wieder aufgefunden wurden, befinden sich noch im Kloster. Unvorbereitet, von der Seite,
durch das „Atrium posticum" gelangen wir in den Tempel. O. Wunder! O, Freuden und Wonnen
des himmlischen Paradic-ses, ahnten wir solch eine märchenhafte Pracht ? Sind wir in eine Walhalla,
in einen Feenpalast getreten ? Hat jener Nero, der einst die Henker nach den Tre Fontane sandte,
in seinem goldnen Hause ein Prunkgemach gehabt, wie es jetzt »1er Apostel Paulus hat? —
1 20 m lang, (io m breit, j 3 m hoch, von achtzig Säulen getragen, fünfschiltig entfaltet sich
der imposante Raum. Die Säulen sind von Granit aus den Brüchen von Montorfano bei Baveno
am Eago Maggiore, die Basen und die korinthischen Kapitale von earrarischem Marmor: die Säulen
der alten Kirche, gleichfalls achtzig, waren antiken Bauten entnommen und aus weissem und pfauen-
blauem Marmor. Zwei colossale Säulen, je 3200 Kilogramm wiegend und gleichfalls von
Montorfano stammend , stützen den 1 4,7 m weiten Triumphbogen ; am Eingang stehen zwei und
am Tabernakel de_s I lochaltars vier durchscheinende Säulen von orientalischem Alabaster, die der
Vicekönig von Aegypten. Mehemed Ali. für die Paulskirche gesteuert hat. mit Basen von Malachit,
die ein Geschenk dos Kaisers Nicolaus von Russland sind. Die Decke des Mittelschiffs ist
cassettirt ; auch die der alten Basiüca war ursprünglich mit vergoldeten Platten, wahrscheinlich von
Bronze, bekleidet, später zeigte sie den offenen Dachstuhl. Mittel- und Querschiff erhalten Eicht
durch 66, die Seitenschiffe durch 40 Bogenfenster. Den Fusstioden bilden gegenwärtig schimmernde
Marmorfiiessen, der der alten war grösstentheils mit Bruchstücken von antiken Denkmälern und
Inschriften gepflastert. Im Hintergründe öffnet sich das Grab, wo der Ix-ichnam des Apostels in
seinem Sarge ruht, der Kern des ganzen Prachtbaues; es ist reich mit edlem Serpentin und
dunkelrothem Marmor ausgelegt, und über ihm erhebt sich das schöne, beim Brande zerschmetterte,
aber wieder genau zusammengefügte Sacra meiitshäuschen (Ciborium). Man nennt diese unter-
irdisch*; Grabstätte, wie in allen alten Kirchen, weil sie einen heiligen Bekenner und Blutzeugen,
einen Confessor Fidei enthält, Confession (Confessione).
Da steht er, der Apostel -Märtyrer, am Autgang zum Querschiff in colossalor Grösse; ihm
gegenüber steht sein College Petrus. Alles deutet darauf hin. dass Petrus und Paulus gleichsam
nur zwei Sriten eines Wesens und ein Papst in zwei Personen sind ; in den apokryphen Nachrichten,
die unter dem Namen der Acten des heiligen Sylvester bekannt sind, wird sogar erzählt, dass dieser
Papst die Gebeine der zwei Apostel getheüt und jede der beiden nach ihnen benannten Basiliken
eine Hälfte erhalten habe; aus dem Felsen Petri wurden gleichsam zwei Säulen zum Triumph-
bogen der Kirche herausgehauen, davon heisst die eine Paulus. Daher sieht man gerade hier an
dem Fries über den Säulen der drei mittelsten Schiffe und im Querschiff eine Folge von Porträt-
medaillons der Päpste in Mosaik, von dem heiligen Petrus bis auf unsere Zeiten, mit dem Namen
derselben und der Zeit ihrer Regierung. Sie sind in den Ateliers des Vaticans angefertigt worden,
mit einem Durchmesser von 1,5 m; wenn wir einst die päpstliche Mosaikfabrik besuchen, wo auch
die Meisterwerke der italienischen Maler für die Peterskirche nachgeahmt werden, werden wir sehen,
was das für eine mühsam«; Arbeit ist, und dass ein Mosaikarbeiter zur Vollendung eines einzigen
Gemäldes oft so viel Jahre braucht, als Petrus auf dem heiligen Stuhle gesessen hat — fünf-
undzwanzig. Dieser merkwürdige Fries würde offenbar besser für Sanct Peter passen, wenn eben
nicht Sanct Paul gleich Sankt Peter wäre — wenn wir nicht schon am Triumphbogen der
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Paulskirche die beiden Apostelfürsten, welche die Stadl Rom beide als ihr«: Schutzheiligen verehrt,
als unzertrennliche Gefährten neben einander sähen.
Die Mosaiken desselben, theils noch die alten, theils gut ersetzt, stammen aus dem fünften
Jahrhundert, wo sie im Auftrag der Galla Placidia, der Tochter Theodosius des Grossen,
Schwester des llonorius und Arcadius, ausgeführt wurden, gehören demnach zu den ältesten.
Sie illustriren abermals in sinnvoller Weise das vierte und fünfte ("apitel der Offenbarung Johannis.
Wir sehen das Brustbild des 1 leilands, welcher unter dem Bilde des guten Hirten einen Kreuzstab
fuhrt; unter ihm halten zwei Kngel eine Inschrift, auf die Aula des Theodoras und Honorius be-
züglich: ein Strahlenkranz spielt in Regenbogenfarben um ihn (Offenbarung Cap. 4, 3). Zu l>eiden
Seiten des Erlösers erscheinen die vier symbolischen Bilder der Evangelisten auf Goldgrund und
unter denselben die vierundzwanzig Aeltesten, welche ihre Kronen darbringen, um sie Jesu zu
Küssen zu legen. Die zwölf dem I leiland zur Rechten erscheinen mit bedecktem, die anderen zwölf
zur Linken mit unbedecktem Haupte: zwölf der vierundzwanzig sind Judtm, das heisst Krzväter
und Propheten, die zwölf anderen Christen, das heisst Apostel; nun. Jedermann weiss, dass man
in der Synagoge (wie Mösts sein Angesicht verhüllte, als er sich mit Jehovah unterhielt) den Hut
aufbehält, in der christlichen Kirche (nach des Apostels Verordnung; abnimmt An den Schenkeln
des Bogens aber stehen unsere beiden Päpste — rechts Petrus und links Paulus.
Die Inschrift darüber besagt, dass Theodosius die durch den Leib des Weltlehrers i docloris
mundi) geheiligte Aula angefangen, Honorius vollendet habe;
THKOIHWICS CKP1T, l'KRI KCIT HONORIUS AULAM,
OOCTORIS HUND! SACRA TAM CORPORE PAULI.
An dem Tabernakel des Hochaltars wird der Apostel nach den Worten der Schrift (ApOCt 9, 15)
als das aaserwählte Gcfiiss oder Rüstzeug bezeichnet:
IT KS VAS KI.ECIION1S.
Hin Gcfass oder Blumentopf bildet daher auch in der christlichen Symbolik die Hieroglyphe des
Apostels Paulus, zum Beispiel auf den bronzenen ITiürflügcln der Peterskirche.
Die Tribüne, von noch grösserer Spannung, besteht aus kleinkörnigem Marmor mit edlem
Serpentin ; vier Säulen von violetter Rreccie tragen ein Karnies von weissem Marmor. Die
Mosaiken blieben vom Brand verschont: unter Honorius III. angefangen, unter Nicolaus III.
vollendet, stammen sie aus dem dreizehnten Jahrhundert.
Man sieht in der Mitte der I.aibung den Heiland mit dem Buche auf dem Throne und
vor ihm knieend, in ganz kleiner Gestalt, den Papst Honorius III. Dem Hrlöser zur Rechten stehen
Paulus und Lucas, zur Linken Petrus und Andreas; zwei Palmen an den Knden. Im Streifen
darunter erscheinen, eingerahmt von Palmen, die zwölf Apostel; in ihrer Mitte bemerkt man das
Kreuz und einen Altar, auf dem die Passionswerkzeuge liegen und den zwei Engel umschweben.
Unter dem Altar, ganz klein und Palmen haltend, die fünf unschuldigen Kindlein iSanti Innocenti).
deren Reliquien diese Kirche ursprünglich bewahrte; rechts und links zwei Achte, die vor einem
erhöhten Kreuze knieen. Inschriften nennen den Honorius als Stifter. Benedict XIV. 0/47) a ' s
Restaurator der Mosaiken. Unter ihnen steht der marmorne Bischofsstuhl.
I>as war die Zeit der Erhebung der italienischen Malerei in der romanischen Kunstepoche
und wenn man will, eine dritte Periode der Mosaik, in welcher zugleich die sogenannte Cpsmaten-
arbeit aufkam. Eint; Nebenart der Glasmosaik und eine ornamentale, stark orienlalisirende Specia-
lität. Man zerschnitt und zersägte antike Marmorfragmente in kleine regelmässige Stückchen,
welche geometrische Figuren bildeten, stellte sie zu Mustern nach Art des .Pavimentum sectile'
zusammen, hob ihren Glanz durch larbige Glaspasten und Goldplättchen und überzog mit dem
,s 4
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bunten Schirmeke Altäre un 1 Tabernakel, Amboncn und Bischofsstühle, Thürpfosten und Grab^
denkmäler; namentlich füllte man damit auch die Windungen der zierlich gedrehten Säulchen,
welche die Osterkerzen trugen oder das Gebälk der Kreuzgänge in den Klöstern stützten. Eben
der Kreuzgang des Benedictinerklosters , welches an die Paulskirchc stösst , ist reich an solchen
Decorationsmotiven: die kleinen, bald geraden, bald schön gewundenen Marmorsäulen, auf welchen
die Bogenstellungen ruhen, sind so wie das Gebälke mit farbiger Mosaik- und Steinarbeit aus-
gelegt, welche viel zu dem heiteren, eleganten Aussehen dieser klösterlichen Hallen beiträgt. Es
scheint, dass jene musivische Decorationsmalerei zünftig betrieben wurde und in einzelnen Familien
erblich war; von einer derselben, der römischen Eamilic der Cosmaten (Famiglia dei Cosmatii Ist
die Benennung des ganzen Genres hergenommen.
In der zweiten Kapelle des linken Querschiffs, der sogenannten Cappella del Crocilisso,
unter dem Krucilix, welches mit der schwedischen Heiligen Brigitta geredet haben soll, befindet
sich auch ein Mosaik, ein musivisches Madonnenbild; und vor ihm legten am 22. April 1541
Ignaz von Loyola, Jakob Laynez und Pierre Lefevre das vierfache Gelübde des Jesuitenordens
ab, indem sie zu den drei gewöhnlichen Gelübden der Keuschheit, der Armuth und des blinden
Gehorsams gegen die Oberen noch das vierte fügten — ihr Leben dem beständigen Dienste Christi
und der Päpste zu widmen, nur dem Herrn und dem römischen Hohenpriester, als dessen irdischem
Stellvertreter zu dienen, so dass, was ihnen immer der gegenwärtige Papst oder einer seiner Nach-
folger m Sachen des Heils und der Verbreitung des Christenthums befehlen, in welche Länder
er sie immer entsenden möge, sie ohne Verzug und Entschuldigung, soweit es in ihren Kräften
liege, Folge zu leisten gehalten sein wollten. So entstand die Gesellschaft Jesu, gleichsam eine
letzte paulinische Gemeinde. Ob Paulus den Schwur des heiligen Ignatius gehört f Ob sich
Jesu strengster Nachfolger segnend über den neuen Missionär geneigt und zu seinem Werk bekannt
hat? Prüfet, so schrieb er einst an die Thessalonicher, prüfet Alles und das Beste behaltet
I>ie Paulskirche ist eine tlcr fünf Patriarchalkirchcn und hat wie San Pictro in Vaticano,
Santa Maria Maggiore und San Giovanni in Laterano die goldene Pforte oder heilige Thür
[Porta Sancta), deren Pfosten aus einem röthlich-gelben Marmor bestehen müssen; dieser Marmor
führt eben davon den Namen Porta Santa. Sie ist durch eine Mauer verschlossen, auf welcher
sich ein metallenes Kreuz befindet, das man aus Andacht zu küssen pflegt, und wird nur bei
Jubiläen, an dem vorausgehenden Weihnachtsabend von einem eigens dazu bevollmächtigten
Cardinal (Cardinale legato a latere) geöffnet; dann bleibt sie offen stehn bis zum nächsten
Weihnachten, wo sie wieder vermauert wird. So wurden im alten Rom die Thüren des Janus-
tempels aufgethan und geschlossen. Pfarrkirche ist Sanct Paul erst seit dem Jahre 1 708 ; bis
dahin war die römische Paulskirche gleich der londoner, die bis heute keine Pfarrkirche und daher
so wenig besucht ist nur eine Filiale und zwar der Kirche Santa Maria in Cosmedin, welche, auf
Piazza dclla Bocca di Verita gelegen, so zu sagen ihre städtische Wurzel bildet Wenn
man von der Stadt nach der Paulskirche hinausfährt, kommt man bei Santa Maria in
Cosmedin vorbei; und wenn man von der Paulskircke direct in die Stadt zurückkehrt, läuft man
unfehlbar in den stillen Hafen ein, den ein altertümlicher , 36 m hoher Glockenthurm gleich
einem Leuchtthurme bezeichnet In diese alte Mutterkirche, an deren Pforten wir bereits einmal
(auf Seite 96) nach einem ausserrömischen Ausflug gestanden haben, müssen wir jetzt hinein-
schauen, wenn wir das grosse Bild des Paulus in Rom, welches im gegenwärtigen Capitel vor
uns aufgerollt worden ist, vervollständigen wollen.
V.
ISS
Sic erhebt sich in den Ruinen eines antiken Tempels, dessen Zelle mit einer Saulenstcllunx
umgeben war (Sx 1 5). Diese Säulen, gegenwärtig in ilie Wände des Gebäudes eingeschlossen, sind
von römischer Ordnung, aus weissem Marmor und mit Zierraten ülierladcn. Schon in den frühesten
Zeiten der Oberherrschaft des Christenthums, der Sage nach unter dem Pontiiicat des Dionysius
(259—268), war in dem zerfallenden Tempel eine kleine Marienkirche, die altertümliche Krypta
unter dem Prcsbyterium , errichtet worden, an deren Stelle unter Hadrian I. {772 — 795) die
jetzige, grössere trat: 11,5 x 33 m. Sie gehörte ursprünglich der griechischen Colonie an,
nächst der jüdischen der ältesten in Rom, (an sie erinnert noch der Vicoto della Greca in der
Nachbarschaft), und führte als griechische Nationalkirche den Namen Santa Maria in Schola Graeca:
bereits Anastasius bezeichnet sie als Santa Maria in Cosmedin. Cosmedin (KuofiiStor) hiess ein
Kloster und darnach eine ganze Vorstadt in Constantinopel, dieselbe, welche heutzutage den Namen
von Mohammeds Fahnenträger und Waffengefährten, den Namen Ejub -- Hiob trägt, und
nach diesem byzantinischen Kloster, dessen Mönche sie vermutlich bedienten, wurde eine
Kirche in Ravenna, eine zweite in Neapel und als dritte im Bunde unsere römische l>etitelt Das
Volk nennt unsere Kirche und den Platz davor Bocca della Veritä.
Durch Mariens Mund wird allerwegs die Wahrheit kund: Bocca della Veritä heLsst wörtlich
Mund der Wahrheit. Was ist das für ein Mund? Eine antike Brunnenmaske, die sich seit dem
Jahre 1632 in der Vorhalle befindet: wenn wir das überdachte, durch vier vorspringende Säulen
gebildete Vestibulum, recht«, von dem Springbrunnen Carlo Bizzaccheri's, durchschreiten, so sehen
wir an der Decke ex voto die Kinnbacken eines grossen Seethiers hangen und an der Seiten-
wand links die Kinnbacken eines steinernen Tritons lehnen: die letzteren sind es, durch welche
die Wahrheit kund wird. Eine Maske. Brunnenleitungen und Dachtraufen omamental mit
marmornen oder thönernen Masken (personae) abzuschließen, sodass das ablliessende Wasser von
einem lebendigen Wesen ergossen zu werden schien, war eine naheliegende, durch die Sprache,
welche die Oeffnungen von jeher mit Mündungen vergleicht, selbst gerechtfertigte Sitte : gewöhnlich
wählte man zu solchen Wasserspendern nach dem Vorgange der alten Aegypter I.öwen, weil die
Sonne zur Zeit der Nilüberschwemmung im Zeichen des Löwen steht, doch liess man auch Rosse,
Delphine, Drachen, Tritonen, Silene und Ganymede speien, ja die letzteren ihr Wasser gelegentlich
nicht durch den Mund, sondern vermittels eines anderen Apparates von sich geben, welcher ziemlich
genau den Hahn eines Fasses darstellt Nun, das in unserer Halle lehnende Alterthum, eine
runde Platte, aus welcher man das bärtige Gesicht eines Tritons herausgearbeitet hat, ist ein kolossales
Specimen einer derartigen Mündung, sie besitzt einen Durchmesser von 1,65 m; durch die Löcher
an den Seiten sind die Niete hindurchgesteckt worden, zu dem aufgesperrten Maule kam die
Flüssigkeit heraus. Den Meergott kennzeichnen die Hummerschcren — es riecht hier alles nach
Seeluft: Leviathan vor uns, Leviathan über uns, Leviathans draussen; ich weiss nicht, ob das zur
Erinnerung daran sein soll, dass die verfallene und verschüttete Kirche das sechzehnte und sieb-
zehnte Jahrhundert über inmitten eines undurchdringlichen Sumpfes und sozusagen im Meere gelegen
war. Das kam daher, weil die alte Maske fortan nicht den Lauf des Wassers, sondern den Gang
des Rechtes regulirte. Das groteske Steinbild regte die Phantasie der Menschen an: sie hielten
es für ein Zauberwerk Virgils oder für einen Götzen, der auf dem Hereulesaltar , der benach-
barten Ära Maxima gestanden: und damit die antike Gewohnheit combinirend, zum Schwur den
Altar zu berühren, auf den Altar, wir würden sagen, auf die Hostie oder auf's Evangelium zu
schwören (tangere aram), fabelten sie, man habe dieser Maske bei gerichtlichen Eidesleistungen
die Hand in den Rachen stecken müssen und sie im Meineidsfallc nicht wieder herausziehen können,
das Gesicht sie dem Lügner abgebissen; daher nun das letztere als ein Prüfstein der Wahrheit
betrachtet und Bocca della Veritä genannt ward. So habe das Bild, fügte man hinzu, alle Mein-
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eide angezeigt, die im alten Rom geschworen wurden, endlich aber durch ein ungerechtes Urtheil
seine Wunderkraft verloren. Mastro Grespino hatte seine Frau der Untreue angeklagt und die
Khebrecherin sollte ihre Unschuld beschwören. Sie vermass sich dessen auch und hätte die
falsche Hand sicherlich im steinernen Mund gelassen, kam aber leichteren Kaufes davon. Als
sie nämlich schwören wollte, kam der Geselle , mit dem sie sich vergangen hatte, auf sie zuge-
laufen und spielte wie Brutus den Wahnwitzigen. Kr umarmte und küsste sie, als ob er den
Verstand verloren hätte. Da seht den Narren! rief die Frau, auf seine List eingehend; mit
Ausnahme meines Mannes hat mich Niemand berührt als er! — Und sie legte ihre Hand in das
marmorne Gottesurthcil. Der Mund gab ihr die I land zurück und galt seitdem , obgleich er im
S. Mari* ia Comteikii,
Grunde nicht gelogen und die Krau nicht falsch geschworen hatte, für entzaubert: sein Prae-
stigium war hin.
Wahrer Mund und icinc Hand.
Wandern durch alle Stadt* und Land.
Im Innern erinnert uns Vieles an den griechischen Ursprung dieser Kirche: gleich am
Thürsturz gewahren wir Cosmedin. Hier sieht man symbolische Reliefs — Christus unter dem
Sinnbild des Lammes, «He vier ezechielschen Thiere, zwei Tauben, deren eine, wie die Menschen-
seele auf der Eitelkeit dieser Welt, auf einem Drachen sitzt, und die Hand Gottvaters, welche
zwei Schafe, Christi Schafe, segnet. Sothaner Segen geschieht nach griechischem Ritus, so
dass nicht die drei ersten Finger, sondern der Zeige-, Mittel- und Kleinfingcr in die Höhe,
Daumen und Goldfinger dagegen zusammengehalten werden: das soll die Dreieinigkeit zwischen
Alpha und Omega bedeuten. Beim Eintreten bemerken wir den schönen Mosaikfussboden.
Ein ,Pavimentum Sectile', wie wir es auf Seite 166 beschrieben haben, aber die besondere
Species, welche man alexandriner Arbeit (Opus Alexandrinum) nennt, dadurch unterschieden, dass
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Linien und Figuren nur zwei Farben, zum Beispiel Roth und Schwarz auf weissem Grunde, haben;
seit Alexander Severus nahm man gewöhnlich lacedämonisehen Marmor und Porphyr dazu;
unweit vom Haupteingange ist eine Porphyrplatte, welche mehrere Meter im Durchmesser hat-
Nuii diesen Mosaikfussboden, eins der schönsten Werke der Art in Rom, hat ein gewisser Kämmerer
Alphanus der Maria und der Weisheit, der Sophia von Konstantinopel stiften wollen (1123):
Von demselben Alphanus, dessen griechischer Name mit dem lateinischen Albanus
identisch scheint, rühren die zierlichen, in Marmor ausgelegten Ambonen her; er schenkte der
Kirche, die er wie ein Kabinet mit lauter Pretiosen und Nippsachen ausstaflirte und in der er
auch begraben ward, einen alabasternen Leuchter für die Osterkcrzc, dessen Postament ein Löwe
mit seinen Pranken mutant und gegenwärtig anstatt des Leuchters eine gewundene Cosmaten-
säule krönt; er schenkte ihr eine antike Wanne um die Altartischplattc darauf zu legen; er
schenkte ihr den kunstvollen Bischofstuhl, der, mit zwei Löwenköpfen geschmückt, auf zwei
halbrunden Stufen hinter dem Altar steht — fronte sub adversa gradibus sublime tribunal tolütur,
sagt unser Prudentius : ein solcher Stuhl oder Thron #e»io 4 - i>ip%X»i) heLsst Cathedra und # daher
eine Kirche, an welcher ein Bischof seinen Sitz hat, eine Cathedrale (Ecclesia Cathedralis).
Lieber ihm bewahrt man endlich in einem Schranke, der nur l>ei besonderen Feierlichkeiten
geöffnet wird, ein letztes Andenken an Konstantinopel und an die t erne, ewig junge Heimath,
die „o»(>«i!t ' tUXt'ti" : ein verehrtes Marienbild , einst von byzantinischen Griechen vor den Bilder-
stürmern nach Rom geflüchtet und im vorigen Jahrhundert als ein ausgezeichnetes Kunstwerk, ja
als das vollkommenste Gemälde der heiligen Jungfrau angesehen.
Ks fehlt also in der griechischen Kirche nicht an griechischen Reminiscenzen : aber die
Panama von Kosmidion ist eine Römerin, die Theotokos eine Deipara geworden, und die „Maria
in Cosmcdin" vertritt an dem Apostel Paulus Mutterstelle. Dieses Verhältnis» der beiden alten
Basiliken gibt Anlass zu mancherlei Combinationen. Der Apostel Paulus ist der Hort und der
bevorzugte Liebling der Protestanten: mit seiner logischen Conser|uenz, seiner spitzigen Dialektik,
seinem Predigertalent, seiner Emancipation von Petrus, ja mit seiner eigenen Bekehrung sagt er
ihrem Wesen ganz besonders zu, und in Rom selbst, an der Via Nazionale, haben sie ihm eine
evangelische Paulskirche gegründet. Umgekehrt ist die Jungfrau Maria gleichsam der Ausdruck und
die Verkörperung der schönen, innigen, frommen, heiligen katholischen Kirche, die auf den Felsen
Pctri gegründet ist. Es drängt sich einem daher unwillkürlich der Vergleich der paulinischen
Filiale mit der protestantischen Kirche auf, die sich von der römischen Marien - Pfarrkirche
abgezweigt und ausserhalb der Mauern, fuori le Mura, angesiedelt hat. Wie Petrus Jerusalem,
so ist Paulus Rom abtrünnig geworden. Der Simon Magus besitzt einen starken Zauber — sogar
im Tode mag man nicht von ihm lassen : auf dem Wege zur Paulskirche, am Paulsthore und an
dem Berge, wo die „Vasa electionis" liegen, gewahrten wir den Friedhof der Protestanten.
Die Parallele ist zu anziehend, um sie nicht noch etwas zu verlängern. Wir erzählten
oben, dass Pius IX., nachdem er am S. December 1854 das Dogma der unbefleckten Empfängnis*
verkündet halle, am 10. December mit seinen Prälaten in die Paulskirche zog, um den neuen Pracht-
bau einzuweihen. Mit ihm war gleichsam die Jungfrau Maria, unter deren unmittelbarem Schutz
er zu stehen glaubte; mit ihm der Geist der Jesuiten, unter deren Einfluss er so Grosses errungen,
deren Stifter hier die vier Gelübde beschworen hatte. Nun eben diese Madonna wird mit Bezug
auf ihre unbefleckte Kmpfängniss in der christlichen Symbolik als der feurige Busch bezeichnet,
der mit Feuer brannte und doch nicht verzehret ward 12. Mrsc, Cap. 3, 1).
Die PauLskirche war allerdings kein solcher Busch gewesen.
ALFANUS TIBI HKRI KECIT VIRGO MARIA
BT (iKNBTKIX RKGLS Sl.'MMI l'ATKIS ALMA SOI'HVA.
San demente Romano.
L
uellen unserer Religion, freudehell und wie Sternenblickc entspringen sie dem Felsen !
— Am 29. Juni des Jahres 67 waren die beiden grossen Apostel hingerichtet worden:
am 30. Juni bestieg der heilige Linus, als Nachfolger Pctri, den bischöflichen Stuhl.
Er regierte die römische Kirche dreizehn Jahre und drei Monate lang, bis zum
23. September des Jahres 80, wo er auf Befehl eines gewissen Satuminus den
Märtyrertod erlitt ; auf den heiligen Linus folgte der heilige Cletus, welcher unter
Domitian während der zweiten Christenverfolgung das Ixben lassen musste
(26. April, 90); nach dem heiligen Cletus endlich kam der heilige Clemens, um
das Jahr 30 n. Chr. in Rom geboren und daher Romanus genannt, der vierte
Bischof dieser Stadt und der dritte nach dem heiligen Petrus, Inhaber des heiligen Stuhls neun
Jahre, cilf Monate und zwanzig Tage lang vom Jahre 90 bis zum Jahre 100, Märtyrer unter
Trajan, am 23. November 102, im dritten Jahre der Regierung dieses Kaisers.
Die hervorragende Stellung, welche der erste Clemens, einer der Apostolischen Väter,
in der Reihe der Päpste einnimmt, die Bedeutung seiner Schriften, welche fast gleichen Anselms
wie die heilige geniessen, ja von Einigen geradezu den kanonischen zugezählt worden sind,
veranlasst uns, zunächst das I-egendarium aufzuschlagen und die Acten und Passionen nachzulesen,
wo sein l,eben beschrieben ist und deren Sammlung von ihm den Ursprung genommen hat
Als die verfolgte Kirche ihren Glauben mit dem Blute besiegelte, trugen die Christen
alle Nachrichten über den Tod der Märtyrer aufs fleissigste zusammen. Jede einzelne Gemeinde
schickte, wenn ein Bekenner seinen Dualen erlag, Briefe an andere Gemeinden; und zu diesen
Briefen kamen noch verschiedene weitere Documente, namentlich die gerichtlichen Protokolle, die
sogenannten Akten oder Acta, die Acta Apostolorum, die wir die Apostelgeschichte nennen, und die
Acta Sanctorum überhaupt. Sie enthielten nicht nur alles, was die Märtyrer und ihre Richter während
der Verhandlung ausgesagt hatten, sondern auch die Reden derjenigen, welche bei der Hinrich-
tung ihrer Brüder zugegen gewesen waren, um ihnen Trost einzusprechen und sich selbst auf den
Tod vorzubereiten. Aus diesen Briefen und diesen Acten wurden dann die I-eidensgeschichten
der Märtyrer, die sogenannten Passioncs, zusammengestellt, welche jede Kirche aufbewahrte, um
sie am Jahrestag ihres Todes zur Erbauung vorzulesen. So entstanden die sogenannten Legenden,
das heisst, die Leben und Tod der Märtyrer betreffenden Lesestücke, und eben von Sanct
Clemens wird erzählt, dass er während seines Pontificates sieben Notare, die Protonotarii Apostoliri,
eingesetzt habe, um die Acten der Märtyrer zu sammeln und zu registriren, wodurch jene Marty-
rologia entstanden, die nachmals zu so ungeheurem Umfange angeschwollen sind.
Clemens war Sohn des Patriciers Faustus und der Mattidia; der ausgezeichnete Kirchen-
historiker Tillemont will einen Juden aus ihm machen, doch ist das um so weniger wahrscheinlich,
als er, wie wir oben bemerkten, constant den Beinamen eines Römers führt Schon in früher
Jugend nahm er den neuen Glauben an: seine Bekehrung beschreibt er selbst in vierundzwanzig
Capiteln oder Homilicn eines Buches, welches, unter dem Titel 'Mnftuan in's Griechische
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übersetzt, ein Supplement der Apostelgeschichte bildet (Homiliae Clementinae). Der junge Clemens
macht eine Reise in den Orient, er sieht dort verschiedene Jünger Christi und den heiligen Petrus,
den wahren Apostel, der seine liebe Noth mit dem falschen Apostel, dem Magier Simon hat; durch
ihn lernt er Christus als den richtigen, schon in den Erzvätern erschienen Propheten, das
Christenthum als das echte Judenthum, die Heidenchristen nur als Proselyten des Thores kennen ;
mit Sanct Peter kehrt er endlich gelauft nach Rom zurück und hilft ihm die katholische Kirche
gründen. Hin Schüler des Apo6telfürsten und ein Mittelsmann zwischen Juden- und Heidenchri-
stenthum, wird er lA'Aw'^i) von Paulus in seinem Briefe an die Philipper als einer seiner Mitarbeiter,
als einer von denen erwähnt, die mit ihm über dem Evangelio gekämpft haben und deren Namen
im Buche des Lebens verzeichnet sind (Cap. 4, 3). Die Unterweisungen, die er von den beiden
Theodora, der wunder-
baren Art wegen, wie
der heilige Clemens den
Nachstellungen ihres Ge-
mahls, des dem Kaiser
Domitian befreundeten
Sisinius entging.
Ein Beweis sei-
ner pastoralen Klugheit
ist der berühmte Brief,
welchen er in griechi-
scher Sprache an die
Korinther schrieb; er ist
von jeher als ein Juwel
der Kirche betrachtet
und auf eine unmittel-
bare göttliche Inspiration
zurückgeführt worden.
Ein römisches Gemeinde-
schreiben, vom heiligen
Pontifex im Namen der
Römer abgelassen , um
in der von Parteien
zerrissenen korinthischen
Gemeinde die kirchliche Ordnung herzustellen (A. D. 96). Einige Schismatiker hatten, von
Neid und Eifersucht getrieben, wackere Priester verleumdet und verhetzt und sie schliesslich
vom Amte weggebissen; daher hält ihnen Clemens in seinem Briefe die schlimmen Folgen der
Zwietracht und den armen Verfolgten zum Trost das Beispiel der grossen Apostelfürsten vor, die
ebenfalls von ihren Neidern unzählige Angriffe zu erdulden hatten, aber endlich die Krone des
Martyriums erlangten ; er erinnert sie an tausend Auserwähltc , die sich durch die Bosheit
der Zeit hindurchgerungen, und an zwei ausgezeichnete Frauen Danais und Dircc, die trotz
schwerer Anfechtungen nicht vom Glauben Hesse» und, schwache Geschöpfe, glorreich
triumphirten. Die Korinther aber ermahnt er zum Frieden, zum Gehorsam und zur Unterwerfung
unter ihre gesetzlichen Oberhäupter. Dieser Brief, mit schöner, viereckiger Uncialschrift, ohne
Spiritus Accente und Wortabtheilung auf Pergament geschrieben, genoss von Anfang an einer
so hohen Verehrung, dass er bei den christlichen Versammlungen öffentlich vorgelesen wurde,
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Ajvosteln aus ihrem eig-
nen Munde empfangen,
die leuchtenden Vorbil-
der, welche er mit eig-
nen Augen gesehen hatte,
prägten sich seinem Her-
zen so tief tan, da.ss sie-
ihn nach der Aussage
des heiligen Irenaus sein
Leben lang nicht ver-
liessen. In ihre Fuss-
tapfen tretend, regierte
er die ihm anvertraute
Kirche als ein treuer
llirte, liess er sich die
Bekehrung der Ungläu-
bigen und die Einigkeil
seiner Gemeinde mit un-
ermüdlichem Eifer ange-
legen sein. Unter den
Seelen, die er dem Chri-
stenthum gewann , ge-
denkt die Legende na-
mentlich der frommen
Vrtiilmbnn nl
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nicht blas in der korinthischen Gemeinde, an die er gerichtet war, sondern auch in vielen anderen.
Man kann ihn heute noch im Britischen Museum zu London lesen; er findet sich in dem Alcxan-
drinischen Codex, jener wichtigen Bibel-Handschrift, welche der Patriarch zu Constantinopel Cyrillus
Lucaris 162S dem Könige Karl I. von England zum Geschenke machte (A). Minder berühmt,
minder authentisch und nur bruchstückweise erhalten ist ein zweiter Brief des Clemens an die
korinthische Gemeinde in demselben Codex.
Clemens krönte sein Pontificat durch das Martyrium: Trajan verbannte ihn angeblich auf
die Halbinsel der Dardanellen, den Thracischen Chersones, wo er um das Jahr 102 in's Meer
gestürzt ward. Als Märtyrer ist er immer verehrt worden ; unter den heiligen Blutzeugen, deren
die Kirche seit den ältesten Zeiten beim Messcanon Erwähnung thut. ertönt auch der Name
Setteoeingug ran S. Ckmte an der Latemutrasvr
Clemens. Er selbst hatte seinerzeit in seinem väterlichen Hause am Abhang des Caelius ein
Oratorium gehabt, wo heimliche Convcntikcl abgehalten, geistliche Gespräche geführt und die
Leviten beherbergt worden waren, und diese kleine, keimhafte Kirche beim Scheiden seinen
christlichen Brüdern hinterlassen. An der Stelle des clementinischen Oratoriums, wenn man vom
Colosseum zum Lateran geht, links und halbwegs auf der grossen, von Sixtus V. erbauten Via di
Sin Giovanni in Laterano erhebt sich die ehrwürdige und alte Basilica, in welcher die Christen-
heit den Apostolischen Vater anruft, in deren Mauem der Patriciersohn unter Tiberius das Licht
der Welt erblickte und der seine Gebeine acht Jahrhunderte später zurückgegeben wurden, seine
Wiege und sein Grab. Im Jahre 867 brachten die beiden Slawenapostel, Cyrillus und Methodius,
die wunderthätigen Reliquien des heiligen Clemens, die im Schwarzen Meere aufgefunden und in
Südrussland bestattet worden waren, von den Ufern des Dnjcpr auf einer langen Pilgerfahrt nach
Rom, allwo sie der Papst Hadrian II. in der Confession der Clemenskirche bergen und den
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Hausbesitzer wieder in sein Haus einsetzen Hess (sedi suac restituit). Der Bibliothekar Anastasius
wohnte der Feier der Ueberführung bei; er beschreibt sie in einem Briefe, der das Datum vom
i. April des Jahres 874 trägt; der Constantinus Philosophus, von dem er spricht, ist identisch
mit Cyrillus, der 869 in Rom starb und selbst ein Grab in San demente fand. So ruhte der
verbannte Römer endlich in der Vaterstadt und im römischen Vaterhause von den Stürmen des
Lebens und den Stürmen des Todes aus : hac jacet, konnte eine alte Inschrift am Chore vermelden,
Hac jacet ecelesia Gemens sanctissimiu, »ei|UOf
Quem diu ceUivit;
diese seine Kirche hatte bereits Jahrhundertc bestanden. Der heilige Hieronymus gedenkt ihrer
schon im Jahre 39 j, fünfundzwanzig Jahre später hielt der heilige Papst Zosimus eine Synode in
ihr ab, Gregor der Grosse stiftete das anliegende Kloster und predigte darin; seit jener Zeit
gehörte sie zu den Titeln, das heisst den Haupt- und Pfarrkirchen Roms, die wir oben als
Cardinalstitel namhaft gemacht haben. Factisch ist sie samt dem Kloster im Besitz der irischen
Dominicaner, welche von San Sisto Vecchio der schlechten Luft wegen hierher zogen. Aber
Sant demente erweist sich als ein vielfaches Gebäude.
IL
Ein Wunderkind hat einmal gesagt, wenn es in Rom den Ausgrabungen zusehe und
der Spaten des Arbeiters den aufgehäuften Schutt durchsteche, erscheinen ihm die einzelnen
Streifen verschieden gefärbter Erde wie die Jahresringe, an denen man das Alter eines
Baumes erkenne, wenn die Säge ihn mitten durchgeschnitten habe, oder wie die Kohlenlager
und die Formationen, aus denen die Erdkruste zusammengesetzt sei, und die wir in umgekehrtem
Vcrhältniss zu ihrem Alter zu Gesicht bekommen. „Kaum einen Fuss tief unter der Erde zieht
sich, wie im Bergwerke, ein Gang, eine breite Schicht von Asche und Kohlen hin ; das sind die
Spuren, die Robert Guiscard zurücklitss, als er nach Rom kam, um Gregor VII. gegen Heinrich IV.
zu schützen. Tiefer dringt der Spaten ein; er durchsticht sechs Jahrhunderte und eine dunkle
Schicht giebt Zeugniss von der Plünderung des Vandalen Geiserich. Noch ein paar Spatenstiche,
und nur schmale Streifen grauen Staubes wechseln mit neuen Kohlenlagern. Mit diesem schwarzen
Griffel hat sich Alarich in das Gedenkbuch Roms eingeschrieben. Nun aber folgt die dichteste
Lagerung von Asche und Kohlen. Das ist der Brand, den Nero angefacht hatte, um, das
Flammenmeer vom hohen Thurme überschauend, sich das Lied von Troja's Zerstörung vorzusingen.
Wir sind angelangt auf dem alten Pflaster; rcissen wir es auf, durchstechen wir einige Zoll
republicanischer Erde, welche die Zeiten Sullas und der Gracchen mit Blut getränkt haben, und
wir treffen auf die letzte Kohlenschicht, das Zeugniss des gallischen Brandes."
Ich wüsste gar kein anschaulicheres Beispiel für diese historische Schichtung aufzutreiben,
als San demente Romano, wo, wie in Rom die Städte, die Häuser und die Gotteshäuser, über-
einander lagern, und wo wir mit unserem Spaten alle Perioden der römischen Geschichte eine
nach der anderen durchstechen. Durch die Ausgrabungen, welche der Reverendus Dominus
Joseph Mullooly, Prior der irischen I.X>minicaner, seit 1858 mit eben soviel Eifer als Erfolg und mit
Unterstützung der gesamten christlichen Welt veranstaltet hat, ist unter San Clemente ein dreifaches
Stockwerk zu Tage gekommen, zunächst ein altchrlstliches, dann ein kaiserliches, zu unterst ein
republicanisches ; wenn wir gleich einem Bergmann in den Schacht von San demente fahren, so
treffen wir im Gesenke zwei Mauern, die im rechten Winkel aneinander stossen, mächtige Tuffstein-
Quadern, die am Caelius selbst gebrochen worden sind, sorgfaltig behauen und gelugt, den servi-
anischen zu vergleichen, rcpublicanische Fundamente; daran schliessen sich Baufragmentc aus
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Chor von San demente.
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der frühen Kaiscrzeit, backsteinemen Materials : drei zusammenhängende Räume, feucht, gleich einem
Tiefbau mit unterirdischen Wassern angefüllt ; der erste, an dem noch die Reste schöner Stuccatur-
arbeit ja, in Relief Hippolytus und Phaedra sichtbar sind, mag das Oratorium des Clemens gewesen
sein, die beiden anderen gehörten zu einem Mithras-Heiligthum : Mithras ist sozusagen der persische
Christus, ein Gott der Sonne und des materiellen und geistigen Lichtes, dessen Dienst mit mancherlei
auf die Reinigung der Seele bezüglichen Mysterien in der späteren Kaiserzeit (Heliogabalus war
selbst ein Sonnenpriester) zu höchster Achtung und weitester Verbreitung gelangte: unbefangene
Alterthumsforscher haben ihn nicht ohne einigen Grund für die Hauptquelle der christlichen
Dogmen und Cerimonien gehalten. Ausserordentlich häufig werden wir in den Museen des
INVICTO MI-
THRAE) gewid-
met sind. Nun wie
Mithras den Stier,
so opferte Chri-
stus das Lamm,
mit dem er sich
selbst verglichen
hat; und wie das
christliche, so fand
das persische, ver-
mutlich gleich-
falls verpönte
Opfer in unterir-
dischen Räumen,
in Höhlen und
Gräbern (Spelae-
is) statt, Bildern
der von Helle und
Finsterniss be-
herrschten trüg-
lichen Sinncnwolt:
eben das clemen-
tinische Mithras-
heiligthum , wo
man neuerdings
eine Statue des
Gottes gefunden hat, ist eine künstliche, mit kleinen porösen Steinen bekleidete Felsengrotte,
mit einem Altar im Hintergrund und zwei kleineren davor: im Hause des römischen Bischofs
hat man eben auch den Mithras, sei es nun mit, neben oder im Gegensatz zu Christus
angebetet und erst spät, nach dem constantinischen Friedensedicte fahren lassen. Damals, im
im vierten Jahrhunderte war es wohl, dass man auf dem Quaderbaugrund der republicanischen
Zeit in wechselnden Lagen von Tuff- und Backsteinen eine christliche Basilica aufführte, deren
Tribüne über das Oratorium des heiligen Gemens zu stehen kam; und nachdem sie im eilflen
Jahrhundert bei der Plünderung Roms durch Robert Guiscard ein Raub der Flammen geworden
war, legte am Anfange des zwölften Paschalis II. (1099 — 1118) auf ihren Trümmern und mit
theilweiser Benutzung der verschont gebliebenen und heraufgeförderten FJemente, zum Beispiel
Vatican und an-
derwärts einen
schönen, orienta-
lisch gekleideten
Jüngling mit phry-
gischer Mütze und
fliegendem Mantel
auf der linken
Schulter sehen,
der auf einem nie-
dergeworfenen,
nebenher von al-
lerlei Gethier ge-
quälten Stiere
kniet und ihm ei-
nen Dolch in den
Nacken stösst ;
dieser, der stier-
opfemden Sieges-
göttin nachgebil-
dete Jüngling ist
Mithras, der un-
besiegbare Gott
der Sonne, dem
diese Denkmä-
ler oft ausdrück-
lich (DEO SOLI
Inner« von S. ClmcMe.
des Chors und der Ambonen, einen Neubau an. welcher nun als Oberkirche der alten L'nter-
kirche entgegengesetzt werden konnte. Diese zweite und obere Kirche San demente war im
achtzehnten Jahrhundert abermals in tiefen Verfall gerathen, so das Clemens XI. (1700—1721)
auf eine durchgreifende Wiederherstellung denken musste; aber er verfuhr dabei mit einer
Mässigung und mit einer schonenden Pietät gegen das ehrwürdige Denkmal des christlichen
Alterthums, die um so wohlthuender wirkt, je mehr andere alte Basiliken durch ungeschickte
Restaurationen verballhornt worden sind, ja, der wir einen ungetrübten Einblick in die früheren
Gotteshäuser überhaupt verdanken Die Basilica des zwölften Jahrhunderts steht in ihrer alter-
thümlichen, keuschen Schönheit heute noch, und sie ist es, die wir zunächst in Augenschein
nehmen wollen, indem wir links in der Via di San demente vor das Zechenhaus der Clemen-
tinischen Grube treten und unserer Methode gemäss von oben nach unten fahren.
DL
Man erinnert sich aus dem Religionsunterricht , dass der salomonische Tempel in drei
Haupttheile, den Vorhof, das Heilige und das Allerhciligste gegliedert war; und man irrt wohl
nicht, wenn man annimmt, dass diese Gliederung, die sich bei den aegyptischen Tempeln wiederholt
und die auf eine stetige Steigerung und Rectification des eintretenden Volks hinausläuft, auch auf
das System der christlichen Basiliken neben der heidnischen Urform von Einfluss gewesen ist:
die hebräischen Synagogen sind keine Nachbildungen des jerusalemer Nationalhciligthumes, weil
dasselbe nach dem Begriffe der Juden ül>erhaupt nicht mehr als einmal existiren kann, wohl
aber uaserc Kirchen, in deren geringster die Gottheit und das Sanctissimum gegenwärtig ist.
Sie haben alle, kleine Tempel, einen Vorhof, ein Heiliges und ein Allcrheiligstes : der Vorhof,
wie dort mit einem ehernen Meere, dem sogenannten Cantharus geschmückt, heisst Atrium,
das Heilige entspricht dem Schiff der Kirche, wo die Gemeinde versammelt ist, das Allerhciligste
dem hohen, für die Priester reservirten und zur Feier des Altar ■ Sacraments bestimmten Chnrc.
Namentlich das Atrium, das in früheren Zeiten für ein wichtiges, unerlässliches Glied einer ordent-
lichen Kirche galt, aber in dem Plan der heidnischen Basiliken nicht enthalten war, scheint uns
in dieser Hinsicht ausschlaggebend ; allerdings läge es eben so nahe an eine Entlehnung desselben
vom römischen Privathause zu denken, dem ja ebenfalls und ursprünglich ein Atrium, und zwar
mit einem Bassin in der Mitte, vorgelegen hat. Die Häuser der Götter müssen der Natur der
Sache nach im Wesentlichen den Häusern der Menschen gleichen.
Das ist das Schöne an San Demente, dass hier alle jene Stufen in ihrer Gesamtheit
übersehen werden können. Wenn wir auf die (Juerstrasse treten, so haben wir zunächst das alte
Portal der Kirche vor uns. Durch ein vorspringendes Quadrat von vier antiken Granitsäulen,
die oben je zwei und zwei durch stumpfe Giebeldächer verbunden sind, wird ein Vestibulum
gebildet Durch dasselbe gelangen wir in ein zweites grösseres (Juadrat, den Vorhof oder das
Atrium, welches von einer vierseitigen Säulenhalle (Quadriporticus) umgeben und mit Marmorfliesscn
gepflastert ist. In der Mitte steht das Becken, an dem sich der Gläubige, ehe er in die Kirche
geht, die Hände, die Füsse und das Angesicht waschen soll: ein heller Brunnen, singt Paulinus von
Nola, plätschert in den heiligen Hallen, mit seinen Fluthen die Eintretenden zu reinigen:
Canllunw, inträntunxjuc manu* bvat anuic inimstro
K|>. 3J xd Nj|ikiu«o f«Tenini;
auch hier wurde das Wasser mitunter von grotesken Gestalten, von Bocche di Veritä und von
Löwen ausgespieen, man erinnere sich nur an das Bassin, welches Justinian vor der Sophienkirche in
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Constantinopel errichtete und das daher I^öwenquell {Mntifm] genannt wird. Weil bei unseren
Kirchen das Atrium fehlt, sind die Weihkessel in den Schiffen angebracht. Wer von der kirch-
lichen Gemeinschaft ausgeschlossen war, musste im Hofe bleiben, auch die Armen lagerten wohl
in den Hallen des Atriums, der Liebesmahle (Agapae) harrend, wie sie noch heutzutage an
den Thüren der Kirchen herumzulungern und dienstfertig den schweren Vorhang aufzuheben
pflegen : die wirklichen und activen Gemeindeglieder traten in das Innere und zwar zunächst in den
sogenannten
Narthex (iL
Nerbice), das
heisst, einen
für die Ka-
techumenen
und die noch
nicht zur
Messe zuge-
lassenen Pro-
selyten be-
stimmten
Vorraum,
endlich in die
richtige Kir-
che ein. Die-
selbe hat drei
Schiffe, aber,
als eine echte
Basilica, kein
Querschiff;
ihre Länge
beträgt 4 2 m.
Das Mittel
schiff, 1 1,5 m
breit , wird
durch sech-
zehn antike
Säulen und
zwei Pfeiler
von den Sei-
tenschiffen
Ambra der Epistel in S. demente.
geLrennt, un-
ter denen das
rechte, 3,5 m
breit , den
Männern, das
linke, 5,85 m
breit , den
Frauen ein-
geräumt war.
Der Dach-
stuhl wurde
bei der Wie-
derherstel-
lung unter
Clemens XI.
mit einer (la-
chen vergol-
deten Decke
bezogen.
Aber nur die
eine Hälfte
der Kirche-
Stand der
ganzen Ge-
meinde offen :
die hintere
gehörte dem
Clerus . und
zwar wiede-
rum zuvör-
derst der nie-
deren Geist-
lichkeit, die sich wie in einem chemischen Processe, gleich einem Sublimate von der flüchtigen
Masse abschied.
In dem Parallelogramme, welches die Kirche bildet, wird durch massive Marmorschranken
ein neues, concentrisches Parallelogramm ausgeschieden, der Chor, welcher, isolirt und unzugänglich,
mit jenem nur unten an der Grundlinie, da, wo diese von der Mittel- oder Altarlinie in rechtem
Winkel geschnitten wird, durch eine viereckige Pforte communicirt ; mit dieser Pforte correspondirt
otarn an der gegenüberliegenden Seite eine kleinere, durch welche man in eine neue Abtheilung,
das Presbyierium, gelangt ; die Grundlinie des letzteren fällt mit der oberen Schmalseite des Chors
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zusammen, geht aber rechts und links noch über sie hinaus, rjuer durch die Breite der Kirche;
die Schranken, welche sie bezeichnen, sind mannshoch. Ausser durch Marmorwände sind diese
beiden Räume, Chor und Presbyterium, auch durch Stufen vom Vorderraum geschieden ; der Chor
liegt eine Stufe höher als das Schiff, das Presbyterium drei Stufen hoher als der Chor. Die aus
viereckigen Marmorplatten zusammengesetzten Schranken sind mosaicirt, übrigens einfach orna-
mentirt; man bemerkt an ihnen hier und da zwischen zwei Kreuzen ein Monogramm, welches
Johannis' gelesen und neuerdings auf Johann Vitt {S72 — 882), den Restaurator des Chors, bezogen
wird. Wir sagten schon, dass der Chor samt dem Mosaikfussboden alexandrinischer Arbeit aus
der alten, vorpaschalischen Kirche stammt. An den beiden Langseiten des Parallelogramms steht
links der Ambon oder die Kanzel des Kvanyeliums, achteckig, mit Treppen zu beiden Seiten, vor
ihm eine gewundene Säule, Trägerin der Osterkerze ; rechts der niedrigere viereckige Ambon der
Epistel, mit einer TrepjH? und einem dem Altar zugewendeten Lesepulte; ein zweites, dem Volke
zugewendetes Pult davor war für die Sänger bestimmt
An den Chor grenzt also das Presbyterium oder Sanctuarium, wo die höhere Geistlichkeit
sitzt: es ist nicht nur durch Wände, nicht nur durch Stufen, sondern auch, gleich dem jüdischen
Allerheiligsten, durch Vorhänge den profanen Blicken entzogen; denn schrecklich,
Inmitten desselben, nach Osten gekehrt und erhöht, steht über den Reliquien des Apostolischen
Vaters der neue Hauptaltar, mit einem alten Ciborium oder Tabernakel aus Paschalis' Zeit bedeckt ;
es ist von weissem Marmor und wird von vier Säulen getragen, deren zwei von Pavonazzetto und
deren Capitälc vergoldet sind. I linter dem Altar, am Gewölbe der Apsis erhebt sich, von weissem
Marmor und über vier Stufen erhöht, der Bischofstuhl oder die Cathedra, laut Inschrift (Anastasius
Presbyter S. Clementis hoc opus fecit) im Jahre no8, unter Paschalis 11. von einem Cardinalpriester
dieser Kirche Namens Anastasius errichtet. So sehr Ist alles in dieser Kirche aus den ersten
besten Fragmenten zusammengesetzt, dass sogar die Marmorplattc, welche den Sitz bildet, zwei
grosse antike Buchstaben zeigt. Rechts und links schliessen sich an den Bischofstuhl die Marmor-
bänke der Domherren an; dahinter und ebenfalls durch Balustraden geschieden, waren
reservirte Logen, rechts für Mönche, links für vornehme Frauen (Matroneum). In den Ecken an
den beiden Pfeilern, die sich an die Tribuna anschliessen, stehen zwei einfache Schaubrodtische; das
gothische Häuschen an der Wand rechts von der Tribuna, ein sogenanntes Paslophorium, hat der
Inschrift nach ein anderer Cardinalpriestcr von San demente, Jacobus, ein Neffe Bonifatius' V11L
uoö gestiftet.
Wie anderwärts ist die Tribuna mit musivLschen Arbeiten geschmückt ; sie gehören der Zeit
Paschalis', dem Anfange des zwölften Jahrhunderts, mithin dem Ende der zweiten Periode an und
gliedern sich in die Mosaiken
1 ) an der Stirn des Gewölbes. Hier sieht man oben in einem Medaillon den I Iciland und
die vier Evangelisten unter den Bildern der Offenbarung; darunter links die heiligen Paulus und
I-aurentius, rechts die heiligen Petrus und Clemens; unter Laurentius den Propheten Jesaias, unter
Clemens den Propheten Jeremias; zu allerunterst endlich am Fuss links Bethlehem, die Stadt der
Geburt, rechts Jerusalem, die Stadt des Leidens und der Auferstehung Christi.
2) an der Laibung des Gewölbes. Aus einem Weinstocke, dessen Zweige sich in schnecken-
förmigen Windungen über die Innenfläche ausbreiten, schiesst ein Krucilix empor, auf dem
zwölf Tauben gebildet sind, Johannes und Maria stehen ihm zu Seiten. Zwischen den Zweigen
bemerkt man die vier Kirchenväter, welche den Stuhl des heiligen Petrus tragen: Augustinus,
wie ein frejjenwiirt'jcei 0<M,
Krglanjit durch des (Icuölbc* I'uistcmtwc
In Klaiiiniensi Krif: das Unaussprechlich«.
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Ambrosius, Athanasius und Johannes Chrysostomus ; ausserdem unzählige Menschlein und Vogelein.
Dem grünenden und blühenden Kreuzesfuss entspringen die vier Ströme des Paradieses, von
welchen zwei durstige Hirsche trinken; rechts und links sitzen zwei Pfauen; ganz oben erscheint
ein«: perlmutterartig schillernde Glorie, aus welcher eine Hand hervorragt. Die Pfauen sind
Symbole der Unsterblichkeit und der Auferstehung, die Hirsche der Menschen, die nach dem
Sacrament der Taufe schreien, die zwölf Tauben der zwölf Apostel; der Weinstock versinnbildlicht
die Kirche, die unter dem Gesetze verdorrt und unter dem Kreuze gedeiht —
Ecclesiam Christi viti simitabimus isti.
Quam lex arenteiu, Md cjux fach nuenlcra,
wie leoninische Verse sagen. Den Saum bilden zwei der inneren Wölblinie parallele Streifen; der erste
enthält das Gotteslamm
und die Apostcllämmcr,
der zweite, später über-
malte, dieselbe Gruppe,
aber in ihrer wirklichen,
menschlichen Gestalt.
Neben diesen mu-
sivischen enthält die
Kirche auch eigentliche
Gemälde, die Fresken,
womit der toscanische
Maler Tommaso , kurz
Maso und pejorativ Ma-
saedo genannt, ein früh-
reifes Genie, unter Mar-
tin V., im Auftrage des
Cardinaltitulars Gabriele
Condolmer, nachmaligen
Eugens IV, die Kapelle
links vom I laupteingang
geschmückt hat: da sie
der Hauptsache nach die
Passion Christi zum Ge-
genstand haben, so nennt
i'\f»nliru,ibc Mk'l
man die Kapelle „la Cap-
pella della Passione". Ob-
gleich kunstgeschichtlich
nicht ohne Wichtigkeit,
stehen sie doch an In-
teresse den merkwürdigen
Malereien und den un-
gleich älteren Fresken
nach, welche an den
Wänden der Unterkirche
langsam bleichen und
deren schlummernde Far-
ben wir jetzt in tiefer
Grabesnacht mit dem
Grubenlicht wecken wol-
len, indem wir auf breiter
Marmortreppe , von alt-
christlichen Inschriften ge-
leitet, von der Sacristei
zur ersten Strecke hin-
untersteigen — o, al-
ler, unterirdischer Cle-
mens und ihr verzauber-
ten Bilder und Schemen
früher Jahrhunderte, Geister des Bergs, wir grüssen euch, Glück auf! —
IV.
Nicht ohne Spannung bereiten wir uns, während die Custoden ihre Fackeln anzünden,
vor, die mysteriösen Hallen zu betreten, die uns wie ein verschüttetes Pompeji des Christen-
thums gemahnen ; die acht Jahrhunderte lang den Augen der Menschheit entzogen gcw<rsen sind ;
wo Gregor VII., der gewaltige Papst, die letzte Messe gelesen hat Eine unterirdische Cultus-
stätte scheint an sich nichts Ausserordentliches: die Märtyrergräber, über denen man die christ-
lichen Kirchen anzulegen pflegte, die sogenannten Krypten, wurden gar oft zu umfangreichen
Kapellen mit zwei und drei Schiffen erweitert, auch sie pflegten durch Treppen vom Langhause
aus zugänglich zu sein. Aber die alte Kirche, welche 5 m tief unter dem Tempel des heiligen
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Gemens langsam modert, lässt sich mit einer Krypta nicht vergleichen, weil beide Gottes-
häuser niemals gleichzeitig in Gebrauch gewesen sind. Sie war nicht eine integrirende Kapelle
der oberirdischen Basilica, sondern selbst eine Basilica, ja, die großartigere , breitere und
weitere Basilica, die beim Neubau des zwölften Jahrhunderts gänzlich abgethan und wie ein
Todter mit Erde zugedeckt ward. Eben darum verschwand sie nicht von der Bildfläche der
Stadt, sie sank unter sie hinab und dadurch wurde sie der Nachwelt fast unversehrt erhalten. Es
ist. als hätte der Ex - Cardinal von San demente , Paschalis, in einer Periode, wo der Krieg tag-
täglich ein Monument des Alterthums oder der christlichen Kunst in Asche legte, zu sich selbst
gesagt — da ist auch noch so eine schöne, rechtschaffene Basilica vom alten Stile. Bleibt
sie stehn, so geht die Zeit unbarmherzig über sie hinweg und lässt keinen Stein auf dem anderen.
Ich will sie cinbalsamiren wie eine Mumie; ich will sie verstecken wie ein köstliches Samenkorn.
Ich will sie wie einen Schatz im Schooss der Erde bergen, dass sie? künftige Geschlechter, wenn
ich einst lange todt bin, sehen und bewundern mögen; dass -einmal im neunzehnten Jahrhundert
ein gelehrter Ire oder ein wissbegieriger Sohn Deutschlands in Rom an der Eateranstrasse eine
Unterkirche von San Clcmente finden, des Apostolischen Vaters denken und seinen l-andsleutr-n
daheim von ihm erzählen könne.
Dann wird er auch meiner denken des armen, des unseligen Paschalis wird er denken,
der von Heinrich V., dem Rächer seines Vaters, in die Grube gebracht ward — er hat kein
Denkmal in Rom — sein Denkmal sei San demente.
Und er sargte den alten Clemens ein; er liess die marmornen Pilaster und die herrlichen
Säulen stchn. die Vorhalle und die drei Schiffe zu markiren; er befahl den Estrich zu kehren,
damit es ordentlich aussehe, wenn der Ire herunterkäme; und die Wände, aus denen heilige,
bedeutsame Gestalten in Eülle und in bunter Pracht quollen, rückte er /.urecht, Kunstwerke erhaltend
die, verschiedenen Epochen angehörig, um sieben und mehr Jahrhunderte auseinander, eine reiche,
complete Gallerie altchristlicher Gemälde constituiren.
Bedeckt mit ihnen sind sowohl die Umfassungsmauern des Gebäudes als auch diejenigen,
in welche man bereits vor Paschalb die Säulen des linken Seitenschiffes eingeschlossen hatte.
Das waren alte Einbauten gewesen ; neue machte Paschalis selbst, um seine Oberkirche zu stützen,
zu letzteren gehören zum Beispiel die Füllwände zwischen den Säulen des rechten Seitenschiffes
auf welchen die Ausscnwand, und die langen Mauern, auf denen die rechte Säulenreihe der
Oberkirche ruht. Durch die Risse des Abputze* hindurch gewahrt man hier und da ein unregel-
mässiges, aus schlechtem Material hergestelltes und mit antiken Bruchstücken versetztes Mauer-
werk. Noch andere Einbauten datirrn aus der allerneuesten Zeit, der Zeit der gegenwärtigen
Ausgrabungen: sie sind an der weissen Tünche kenntlich.
Wie sich das Auge an das flackernde Grulwnlicht gewöhnt, treten die Bilder mählich aus
ihrer Dunkelheit hervor. Gleich zitternden Phantassmen, gleich den unsichern Schemen einer Zauber-
laterne schweben sie hin und her, tauchen sie auf und nieder, nahen sie uns, entfliehen sie uns,
zerfliessen sie, erstarren sie, bald lieblich und bald strenge, bald wohlbekannt und heimlich, bald
räthselhaft und befremdlich. Seltsames Bilderbuch! Die Zeit, die Feuchtigkeit hat manches Blatt
darin vernichtet und unkenntlich gemacht, aber grosse Abschnitte haben sich auch wunderbar
erhalten. Die hageren, langgestreckten Proportionen, die einfachen, kräftigen Farben, die harten
Contouren, die gelben Fleischtöne, die grellen Lichter, alle jene Erzeugnisse einer rohen, primi-
tiven, byzantinischen Kunst dringen hier auf uns ein wie die unverwüstlichen Bewohner der aegyp-
tischen Königsgräber, als ob sie gestern geschaffen, gestern auf die Wand geworfen worden
wären. Sic erregen nicht immer unsere Symj»athic, und doch rührt uns die Macht und Kraft der
jungen Kirche, die Tiefe ihrer Andacht, die Strenge ihrer Entsagungsseligkeit Es liegt ich weiss
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nicht was Altjüngferliches in diesen Figuren; aus ihnen spricht eine gewisse unfrohe Resignation:
das I-cbcn gab sich ihnen offenbar nicht leicht Aber dafür athmen sie durchweg jene tiefe
Grundansicht, die das Christenthum mit der platonischen Philosophie gemein hat und die der
antiken Freude am Dasein so schroff entgegentritt: — dass man die Welt und was in ihr ist,
nicht lieb haben soll — dass diese schöne Sinnlichkeit, die uns umgiebt, und der hohe Tag mit
allen seinen Wundern nur ein Betrug und der wesenlose, verführerische Abglanz einer dahinter-
stehenden unsichtbaren, ewigen Sonne Ist — dass wir hinieden nicht leben, sondern sterben, täglich
sterben sollen, dass wir Krankheit und Alter nicht als Feinde fürchten, sondern als Freunde
begrüssen müssen, die leise und Schritt für Schritt unser unsterbliches Theil von den Fesseln
des Leibes losmachen, bis es der Tod, der grosse Wohlthäter, endgfltig befreit.
Es kommt in kunstgeschichtlichen Werken nicht selten vor, dass die Gemälde nicht
beschrieben, die dargestellten Gegenstände als bekannt vorausgesetzt, dagegen über Entstehung,
Stil , Manier , Schönheit und Nichtschönheit viele Worte verloren werden : es ist dies keine ganz
gerechtfertigte und
unanfechtbare Me-
thode. Denn nicht
nur dass der Inhalt
des Bildes keines-
wegs für Alle, na-
mentlich nicht für
ungelehrte Leute
wie unsereins ver-
ständlich ist : ein
philosophischer
Kopf wird die Kunst
überhaupt nur als
ein instruetives Bil-
derbuch betrachten,
das ihm die Wirk-
lichkeit und die
ewigen Dinge im
,cl Marli IlimnulfitirL
Spiegel zeigen soll
und über dem er
den flüchtigen, un-
bedeutenden Bild-
ner ganz vergisst.
Der Künsdcr selbst
muss hinter seinem
Zweck, dem Kunst-
werk, wie ein Gott
hinter seiner Welt
verschwinden, und
wir können ihm
keine höhere Ehre
anthun, als wenn
wir ihn ignoriren ;
es erscheint uns
kleinlich, seine Per-
son in den Vorder-
dauernden Gestalten
grund zu stellen und uns lieber mit seinem ephemeren Wesen als mit den
zu beschäftigen, die er mit seinem Pinsel nachahmt Sogar wie, ob er sie besser oder schlechter
nachahmt wird uns bis zu einem gewissen Grade gleichgültig sein, weil wir ja durch die Nach-
ahmung wie durch ein Glas nach dem Originale sehn und uns das Bild nur zum Zeichen dienen
lassen, mit dessen Hülfe wir uns des Urbildes erinnern: wenn uns das letztere überhaupt in's
Gedächlniss gerufen wird, sind wir schon zufrieden, wohl wissend, dass auch der höchste Meister
hinter der Natur zurück bleibt und dass, wie Theseus sagt, „das Beste in dieser Art nur Schatten-
spiel und das Schlechteste nichts Schlechteres ist, wenn die Einbildungskraft nachhilft"
Wir werden daher auch hier, bei den Fresken der Gementinischen Unterkirche, wenig
nach der formellen Schönheit, die Vielen zweifelhaft ist wenig nach der Zeit der Entstehung, über
welche die Ansichten getheilt sind, dagegen desto mehr nach den inneren Motiven, die ihnen zu
Grunde gelegen haben, nach den heiligen Themen, von denen sie eine Variation bedeuten, mit
einem Worte nach den grossen und ewigen Gegenständen fragen, und sie mit Rücksicht auf den
heiligen Gemens, der von Rechtswegen in ihrem Mittelpunkte steht, nach der Geschichte der
Stoffe selbst, folgcndcrmassen ordnen :
'99
i) Darstellungen aus der Hcilsgcschichte (dem heiligen Clemens vorlaufende
Periode). Zu ihnen rechnen wir. abgesehen von dfen alttestamentlichen Scenen, zwei bemerkenswerthe
Bilder der Mutter Gottes.
a) Maria mit dem Kinde, in einer Nische des rechten Seitenschiffes. Die Madonna
sitzt unbeweglich, starr, sphinxartig auf dem Throne, en face oder im Vollgesicht, lothrecht unter
ihr, auf ihrem Schoosse das Jesuskind, welches eine Rolle in der Hand hält, gleichfalls im Voll-
gesicht Sie hat ein glänzendes, reich mit Edelsteinen besetztes Diadem (man könnte die kleinen
runden Scheiben auch für Goldmünzen halten, die im Orient bis auf den heutigen Tag zum Schmuck
verwendet werden), darum herum einen zirkelrunden Nimbus; in dem des Christkindes befindet
sich als charakteristisches Zeichen seiner Göttlichkeit ein Kreuz. Man hält es kaum für ein Kind :
sein Antlitz hat etwas eigentümlich Altes und Betagtes; die Madonna trotz der grossen Augen
und trotz des kleinen Mundes keine hohen Reize, namentlich keine Wärme. Es ist keine Mutter
mit ihrem Kind, es ist eine aufgeputzte Leiche, die mit kraftloser Hand einen jugendlichen Greis
umfasst Wir kön-
nen das Bild, das
man in das neunte
Jahrhundert setzt,
als eine rechte
Probe des byzan-
tinischen Stils und
des byzantinischen
Kürpertypus be-
trachten.
b) Maria
Himmelfahrt
(Assumptio, X&ljtf-
01 { d i. Maria Schlaf).
Der Glaul>e an die-
ses Wunder grün-
det sich auf eine
Legende, die Gre-
S Ckmcnlc: Angeblich« Evodia,
gor von Tours zum
ersten Mal erzählt,
gefeiert wurde es
seit dem achten
Jahrhundert Die
Mutter Jesu starb
angeblich im 63.
Lebensjahr, am 15.
August des Jahres
48 nach Christus,
welchen sie in ih-
rem 1 5. Jahre ge-
boren hatte, zu
Jerusalem; hier wird
ihr Grab noch heute
im Kidronthal ge-
zeigt, lezteres des-
halb von den Chri-
sten Marienthal (Wädi Sitti Maryam) genannt. Die Apostel, die an diesem Grabe standen, hörten drei
Tage lang über ihm eine himmlische Musik und fanden, als sie Thomas, der bei dem Begräbniss
gefehlt, den Leichnam zeigen wollten, Lilien statt desselben. Die daraus gezogene Folgerung, dass
Maria zum Himmel aufgefahren, genauer in den Himmel aufgenommen worden (assumpta) sei, ist
durch die Kunst so gut wie dogmatisirt worden; und das Frcsco, welches sich an der Wand der
Vorhalle links befindet, vielleicht die älteste Darstellung davon. Es wurde im neunten Jahrhundert,
auf Befehl des Papstes Leo Pv r . (SANCT1SSIMUS DOM LEO [Qi:A]RT[US] PP ROMANUS)
ausgeführt welcher der unmittelbare Vorgänger ihrer Heiligkeit der Päpstin Johanna war; der grüne
viereckige Nimbus, welcher ihn umrahmt ist, wir wissen es, ein Zeichen, dass er bei Lebzeiten,
mit andern Worten, dass das Bild in der Zeit von 847 — 855 gemalt ward. Ein schlechtes
lateinisches Distichon darunter, das kein Klassenlehrer ungerügt durchlassen würde,
QUOI) HAKC PRAG CUNCTI8 SI'I.KNDRT MCTCRA DRCORK.
COMPUNKKK HANC STCIH.'It'i'R AKSHVTKK ECCE LKO
besagt zum Ueberfluss ausdrücklich, dass der Papst, richtiger der Priester 1 Presbyter) Iveo diese
glänzende Composition habe ausführen lassen, l-eo, wie Clemens ein geborener Römer, befestigte den
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Vatican und schuf die sogenannte I.costadt (Civitas l-eonina); 84g erfocht seine Flotte bei Ostia
einen glänzenden Sieg über die Sarazenen, und dieser Steg ist der Gegenstand einas Wandgemäldes,
das wir in den päpstlichen Wohnzimmern des alten Vaticanischen Palastes antreffen werden (Stanza
dell' Incendio). Kr, der viele Kirchen in Rom baute, restaurirte auch die Gementina.
Draussen auf dem Brachfeld ist ein offenes Grab; darum herum stehen die versammelten
Apostel, ihrem Staunen durch ebenso bezeichnende wie verschiedenartige Geberden Ausdruck gebend.
Bedeckt mit einem weiten Mantel, welchen sie mit ausgebreiteten Armen emporhebt, die Augen
gen Himmel gerichtet, wo sie ihren Sohn in einer Glorie von vier Engeln und einer elliptischen
Aureole sitzen sieht, schwebt die Madonna auf-, die Scene hat ein -Leben und eine Bewegung,
die in nichts an die byzantinische Kunst erinnert. Dem Papste Leo entspricht rechts der heilige
Vitus (SCS VITUS), welcher als Erzbischof der alten Stadt Vienne und Primas von Gallien den
Arianismus niedergeworfen hatte; unfern, neben einer Kreuzigung Christi, erblickt man das Portrait
des heiligen Prosper (f 463), den Leo der Grosse (440 — 461) aus Marseille berief, um mit
Augustinus die Irr-
lehren der Pela-
gianer (von der
menschlichen Frei-
heit und unserem
auch durch den
Sündenfall unver-
lorenen Besserungs-
vermögen) zu be-
kämpfen; er ist be-
waffnet mit seiner
Chronik, welche sich
an die des Hiero-
nymus anschliesst,
und mit seinem
didaktischen Ge-
S, ClettKQlc- Mdaalichcr K.i|<
tis^ : die Ingrati
sind diejenigen, wel-
che die göttliche
Gnade (gratia) nicht
anerkennen , die
Anhänger des gif-
tigen, von der briti-
schen Schlange
(dem britischen
Mönch Pclagius)
ausgespieenen
Dogmas,
ijuod ptetifem vnmuit
rolulicr sermone ISri-
unnus.
Eis scheint, als habe
Leo IV. mit diesen
Anathema csto M imt-
dichtc „de Ingra-
Compositionen allen Ketzern der Zeit ein unvergängliches, monumentales
gegenschleudern wollen.
2) Darstellungen aus der Legende des heiligen Clemens (Clementinische Zeit.i.
a) Zwei Köpfe natürlicher Grösse, ein männlicher aus dem vierten und ein weiblicher
aus dem fünften Jahrhundert, wohl die ältesten Fnsken unter allen, der eine auf einem Stück
dicken Bewurfes, der andere auf einem dünnen und glatten Abputz, durch welchen man die Mauer-
fläche hindurchsieht, haftend. Die Frau, an der man die Spuren eines Heiligenscheins bemerkt,
Lst ein rechter Typus einer römischen Matrone, mit schwarzen Augen, gewölbten Augenbrauen und
niedriger Stirne, wie man sie heute noch unter dem Volke findet; der Mann gleichfalls ein echter,
adlernasigcr , starkhalsiger , kurzgeschorener Römer; er erinnert an den Brutus, doch ist das
Kinn runder und das Auge sanfter und gedankenvoller. Seine Kleidung scheint die der guten
römischen Zeit, die Farben sind sorgfältig abschattirt Warum könnten das nicht die Eltern des
heiligen Gemens sein? In der Matrone will man bald Titus' Mutter, Domitilla, die Gemens
zum Christenthum bekehrte, bald Evodia oder Syntyche erkennen, deren Namen der A|iostel Paulus
in seinem Briefe an die Philipper mit dem des heiligen Clemens combinirt (Cap. 4, j).
b) Die Episode Sisinius, die interessanteste, am meisten charakteristische und
201
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am hosten erhaltene Nummer in der ganzen Serie, auf einem dicken und breiten Pilaster des
Hauptschiffes, ganz nahe beim Hochaltar zu sehen, aus dem eilften Jahrhundert stammend. Es
sind drei Fresken in drei Streifen über einander.
". Die Inthronisation. Sanct Peter (SCS PETRUS) setzt den heiligen Clemens,
(SCS CLEMENS PP), dem seine Vorgänger, die Päpste Linus i LINUS) und Cletus (CLKTl'Si
zur Seite stehen, feierlich auf den bischöflichen Thron (inthronizat dementem). Dieser Streifen
ist zur Hälfte zerstört; ohne die Unterschriften würden wir kaum das Sujet errathen. Das PP,
welches wir bereits oben bei Leo IV. fanden, ist vielleicht eine Abbreviatur von Pater Prior oder
Pastor Primarius oder von Papa selbst, jedenfalls deutet es die papstliche Würde an ; mit einem
einfachen P bezeichnen sich ja bis auf den heutigen Tag die evangelischen Pastoren.
ß. Die Vertreibung des Sisinius. Wir sehen in eine Kirche hinein, die, unter
Anspielung auf die sieben läge der Woche oder auf die sieben Gaben des heiligen Geistes, mit
sieben Lampen erleuchtet ist; die, welche über dem Altar hängt, hat selbst wieder sieben Dillen,
unterscheidet sich aber durch eine ampelartige Form von dem siebenarmigen Leuchter, den wir
auf Seite 26 abgebildet haben. Es ist Messe: auf dem Altar liegt das aufgeschlagene Messbuch
(Missale), daneben steht der Kelch (Calix) und das Hostientellerchen (Patena); der heilige Clemens
(SCS CLEMENS PAPA) celebrirt, das Pallium auf der Schulter und bekleidet mit einer Casula,
die ihm vorn bis an die Knie reicht und ihn gleich einem Häuschen (casula) isolirt, gleich einer
Hütte deckt; der Künstler hat den Moment gewählt, wo sich Clemens zum Volke wendet, die
Arme ausbreitet und, das zum Abtrocknen der Hände und der heiligen Gefässe dienende Handtuch
(Manipulum) über die linke Hand, zwischen Daumen und Zeigefinger geschlagen, ausruft: Friede
sei mit euch ! Pax Domini sit Semper vobiscum ! — in welchem selben Momente der Heide
Sisinius (SISlNV), den eine fatale Neugierde in den Tempel getrieben hat, erblindet und er-
taubt. Seine Schritte sind unsicher, ein junger Diener leitet ihn, von Schrecken erfasst, hinaus.
Seine Frau, die fromme Theodora (TEODORA), eine hübsche, gelungene Figur, sieht dem
Vorgang mit gleichgiltigen Augen zu. Links vom Altar kommen zwei Diaconen und zwei
Bischöfe, ausgezeichnet durch ihre Hiltenstäbe (Peda) und Weihrauchgefässe haltend, mit der
Tonsur versehen, die im Jahre 633 auf der Synode zu Toledo allen christlichen Geistlichen
gesetzlich vorgeschrieben worden war: sie stellen Seiner Heiligkeit die Stifter des Gemäldes, die
Donatoren vor, welche, elegant gekleidet, halb so klein als die übrigen Personen, Kränze getragen
bringen. Eine Inschrift, welche sich über dem Arabeskensaume hinzieht, stellt sie auch uns vor,
sie heissen Beno de Kapiza und Maria:
KCO HKNO DK KAPIZA CUM MARIA L'XORK MKA PRO AMOKK DOMINI KT BKATI W.KMKNTIS
da der Raum nicht mehr reichte, wurde das Ende des Satzes, dass es Beno de Rapiza
malen liess, in Säulenform und ohne Vocale, ja mit Weglassung einzelner Consonanten, in rechtem
Winkel an den letzten Buchstaben von CI.F.MENTIS angehängt:
Plin]C(c|R|c| F|c'C(iJ;
ein andermal liest man bei Gelegenheit derselben Formel nicht FEG, sondern FEGT, die dritte
Person des Vcrbums zur ersten Person des Pronomens (EGO;, eine Freiheit, die der Klassenlehrer
abermals einem heutigen Tertianer roth anstreichen dürfte. Der Name „Beno de Rapiza'" , etwa
„Benno von Rübenfeld", weist auf das eilfte Jahrhundert ; in der lliat kennt eine vaticanische Hand-
schrift, das Register der Benedictincrabtei Farfa einen begüterten Bürger dieses Stadtviertels und
dieses Namens aus dem Jahre 1080. Die Costümc sind griechisch, die Köpfe durch die Bank
recht ausdrucksvoll, die Gruppen auf das verständigste angeordnet Die ganze Scene hat eine
gewisse Aehnlichkeit mit der Vertreibung Heliodors in den Stanzen des Rafael.
302
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j>. Der Betrug des Sisinius. Das Gemälde am SockH ist fast r>och merkwürdiger,
und an den Inschriften könnte unser Klassenlehrer Studien „de vulgari eloquio" machen. Si-sinius
befahl seinen Schergen, dem Pfaffen die Kehle zuzuschnüren: statt seiner und durch ein
Wunder irregeführt, greifen sie einen marmornen Säulenschaft Der Heilige ist durch das Portal
entkommen: man sieht oder hört nur noch, wie er ihnen zürnend nachruft:
DURIT1AM CUR] HS VESTRIS (sie) SAXA TKARRK MF.RV1STIS
das heisst etwa: O, du hartherzige Bande! Du verdienst Steine zu schleppen. Die beiden
Schlepp heissen Cosmaris und Albertel. ALBKRTEL TRAI, Guter Albert zieh! ruft COSMARIS,
sich umwendend, in seinem Vulgärlatein; er zieht selber aus Leibeskräften, indem er das Seil
über die linke Schulter geworfen hat; hinten steht ein dritter Sclave und bemüht sich die Last
an der Basis mit einem
Stricke aufzuheben : er
sieht ängstlich zum Him-
mel auf, weil es gar
nicht fleckt: Plage dich
nur, sagt die spottende
Legende, plage du dich
nur hinten mit dem
schweren Pfahle ab, du
Aas (Caruncula):
FALl IT. DKRBTOCO U)
PALO CARVONCKI.I.K
man wird über ihre
Derbheit nicht erstau-
nen, wenn man den Si-
sinius (SISINIUM , ein
interessantes Beispiel für
das Ueberhandnchmen
des Accusativs) rechts
selber schelten hört:
KII.I DE1.K PVTE TRA1TR
das heisst; Ihr Huren-
söhne, zieht! — Man
sieht, diesen Künstlern
kam es auf drastische
S. demente: Kpitodc Sttioiiu.
Wahrheit und auf die
Sprache des Volkes an.
Die Stellungen der drei
jungen Sclaven haben
viel Leben und viel Ko-
mik ; jugendliche Gestal-
ten gelangen den christ-
lichen Malern gemeinig-
lich besser als alte,
Frauenköpfe besser als
Männerköpfe, Gewand-
figuren besser als nackte.
Ihre Ausdrucksweise
mag befremden , aber
man muss bedenken,
dass die Legende des
heiligen Clemens popu-
lär geworden war und
dass sich das Volk nach
der Andacht zuguter-
letzt an diesem Säu-
lentransport wie an ei-
ner niedrigen Posse er-
götzen mochte.
Wir|benutzen den
Anlass, welchen uns das Mittelbild bietet, hier beiläufig die für den katholischen Priester zur
Celebration des Hochamts vorgeschriebenen Gewänder zusammenzustellen. Es sind die folgenden :
I. l>cr Amictus ein viereckiges, weMsleinenes Turh, auch Humerale und Ephod genannt, ein Bild de» Wach-
samkeit gegen den Versucher. Der Priester kusst es, legt es sich erst auf das Haii]>t, dann um den Hals, mit den
Worten: Importe, »online, capiü meo galeam salutis ad cxpugnandos dubolkos inrurtus.
II. Die All ii, ein linnenex Hemd, das Symliul der Reinheit, angezogen mit den Worten: Ifcalba nie. Donünc,
et munda cor meum, nt in sanguinc agni dcalliarus gaudit» perfniar sempitemri.
III. Das Cingulum, eine weissseidene Schnur, mit welcher da* Unterkleid gegürtet wird, K.mblcm der Keuschheit :
Ptaeringe me, Domine, dngulo puritatis et exstingue in liunbis meb humorem libidinis: ut mancat in me virtus con-
tinentiae et rjutium.
IV. Das Manipultim, ein Handtuch. Der Priester kusst das cingewichnete Kreux und legt es um den linken
Arm mit den Worten: Merear, Donüne, portale manipulum rletus et doloris: nt cum exultarione reeipiam merec-
dem laboris.
203
V. Die Stula, eine weissseidene Rinde, ilie, im Ende mit drei Kreiwen versehen, kreiuwcisc Uber beide Schultern
ml che Brust herabhängt, ein Bild der Rechtfertigung (."hnsti. daher der Priester, indem er sie kiisst und umlegt,
Gott bittet, er »olle ihm das durch die Silnde der ersten Eltern verlorene Kleid der Unsterblichkeit wiedergeben : Redde
mihi. Domine, stolam immonalitati«.. rniam perdidi in praevaricatione primi parentis : et pMk indignus arced» ad luum
lacrum mystcrium, merea» tarnen gaudium «empitcmuni.
V. Die Carola, das olwnte, mit einem grossen Krem geschmückte Kleid, mit einem Schiit* in der Mille,
durch welrhcn der Kopf gebleckt wird, ähnlich einem Poncho, oder rirituget einem Joche, daher der Priester beim
Anlegen desselben folgende Formel braucht: Herr, der du gesagt hast, mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht,
gieb nur deine Kraft, dass ich beides würdig tragen möge (Doiiiine. qui divisti, Jugiim meum suave est et onus meum
leve : far at istud portarc sie valeam, quod consequar tuam gratiam. Amen}.
VI. Da* Palbum, ein handbreiter, weisswollencr Kragen, der von den Bischöfen Uber den Ornat gelegt wird.
Ein Streifen hangt Uber den Rücken, ein »weher längerer Uber die Brust; auf Kragen und Streifen sind sechs Kreuxc
vom schwarzer Seide aufgenäht. Dieser Schmuck vcrsinnlnldlirhi die Verbindung der Bischöfe mit dem heiligen Stuhle,
er wird mit dem, der ihn erhalten hat. begraben: »ir werden auf ihn nimckkniiunen , wenn wir die geweihten (HM
der heiligen Agnes sehen, aus
deren Wolle er gewebt wird.
c) Das Wun-
der am Grabe des
heiligen Clemens.
Der Leichnam des hei-
ligen Clemens war nach
Cherson gebracht, hier
beigesetzt und über dem
Grabe ein Altar errich-
tet worden, lieber dem
Altar erhob sich ein
Tabernakel, gedeckt mit
groben Ziegeln, wie die
Kirchen von Ravcnna,
und mit Gardinen ver-
hängt, die symmetrisch
zurückgeschlagen sind ;
an der Mauer ist der
Anker befestigt, den man
dem Heiligen an den
Hals band, als man
ihn ertränkte; drei Lam-
S. Clement«: Wunder am Grabe tlei heil. Clemens.
pen, Sinnbilder der theo-
logischen Tugenden, hän-
gen in vier Arcaden.
Den Altar verschlang
das fischreiche Schwarze
Meer, mit ihm einen
Knaben (PVER), der
beim Feste des Heiligen
zurückgeblieben war.
Das Jahr darauf, als
sich die Fluth zurück-
gezogen hat, findet die
betrübte Mutter, eine
Witwe (MVLIER VI-
DVA), das verloren ge-
glaubte Kind unversehrt
an den Stufen des Al-
tars sitzen : sie kauert
sich zu ihm nieder,
es streckt ihr die Aertn-
chen entgegen ; sie drückt
es an ihr Herz, esschmiegt
sich an sie ; es lebt, lebt
herrlich errettet, und der Clerus von Cherson (CERSONA), der, angeführt von seinem Bischof,
dazu kommt, wird Zeuge des grossen Wunders.
... KR BOGE LACKT RKPKTIT Qvi l'REVIA MATER,
meldet der darunter gesetzte Hexameter. Dieses höchst bemerkenswerthe Krcsco hat nebst einem
zweiten darüber, welches den Bau des Grabes durch einen Engel darstellte (. . . TVMVLV PARAT
ANGLS ISTVM) abermals HerrBeno de Rapiza und seine Familie gestiftet: sie ist um das Mcdaillon-
bild ihres Patrons gruppirt: links steht der Vater (BENO), rechts sein Söhnchen Clemens
(PVERVLVS CLEMENS), neben letzterem die Mutter (DOMMA - DOMINA MARIA), links von
dem Donator sein Töchtcrchen (ACTILIA), links von letzterem die Grossmutter (GE . . .); alle
bringen Kerzen und Kränze Auf dem Schild unter dem Medaillon steht kreuzförmig ein
gereimter (leoninischer) Hexameter:
ME PRECE QVKKENTES ES'IUlE NoQVA CAVKNTES
204
das heisst: wendet Euch mit Eurem Gebet an mich und seid dann vor Schaden bewahrt; auf
dem Votivtäfelchen rechts die offizielle, bereits erwähnte Widmung:
f IN NOMINE UNI ECO HKS»» l>K KAHZA ¥ AMÜRK
BEAT1 CLEMENTS ET RBDEMPTIONE AMMEB PINGERE PECtT,
das heisst : Im Namen des Herrn. Ich, Bcno de Rapiza, habe das dem heiligen Clemens zu Liebe
und um meiner Seelen Seligkeit willen malen lassen. Alles kostbare, für den Sprachforscher wie
für den Kultur
historiker
un-
schätzbare Do-
cumente.
3) Darstel-
lungen aus
angrenzen-
den Legen-
den, die dem
Stoffe nach
verwandt
sind und ülx-r
die Gregor
der Grosse in
der Kirche
gepredigt
haben mag
(der clemen-
tischen nach-
folgende Pe-
riode). Aus
d<-r Fülle der
selben haben
wir die nach-
stehenden
ausgewählt:
a) Legen-
den der
heiligen
Aegidi-
us, Bla-
Witwe, die ihrer Angst einen recht offenen Ausdruck giebt (man bemerkt dies Zeichen der
Trauer auch bei der Mutter des heiligen Alexius), hat eine Gräte verschluckt und ist dem Ersticken
nahe : der heilige Bischof rettet ihn vom Tode. Noch jetzt wird er deshalb vom Volke als einer
der vierzehn Nothhelfer, der sogenannten Yierzchnhciligen bei Halsweh angerufen.
f. Ein Wolf, der ein Ferkel im Rachen hält, durch einen Acanthusblättersaum vom vorigen
geschieden. Symbol der unreinen Seele, die in der Gewalt des Teufels ist
3. Anton in us (S. ANTONIN VSi, Märtyrer unter Diocletian in Nicomedia, der Hauptstadt Bithy-
niens, deren Kirche auf kaiserlichen Befehl zerstört ward, t 4- Mai 303. Verstümmelt,
f. Daniel (SCS DANIHHLj in der Löwengrubc, im Gebet und mit ausgebreiteten Armen
1-cgrmUriictic !>*f«!clluB£»ti I» tief tnlrrkiiifcr vun S. Ormrotr.
sius und An-
toninus, an
den Seitenflä-
chen desselben
Pfeilers , wel-
cher die Epi-
sode Sisinius
enthält, aus dem
neunten Jahr-
hundert.
«. Aegidius
•SCSEGIDIVSi,
in F rankreich
Saint Gilles, von
Geburt ein Grie-
che, Einsiedler
an den L'fern
des Gard , t
1. Sept 721.
Verstümmelt.
,i. Blasius (S.
BLASIVS), Bi-
schof von Seba-
ste in Kappado-
cien , Heiliger
und Märtyrer
unter Licinius,
f 3. Febr. 3 1 6.
Ein Knabe, der
einzige Sohn
einer reichen
205
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zwischen zwei Löwen stehend , die ihm schweifwedelnd die Küsse küssen, beliebtes Vorbild
Christi, der zur Hölle gefahren ist. Während der Prophet sonst nackend erscheint, trägt er
hier das elegante und halb kriegerische Kostüm der byzantiner Ritter im neunten Jahrhun-
dert Der alte Minister der babylonischen Könige hat eine Tunica, einen prachtvollen Gürtel,
einen gestickten Brustlatz; seine langen, enganliegenden Acrmcl sind mit kurzen Falbeln besetzt,
Spitzenmanschetten umschliessen das Handgelenk: die spindeldürren Beine stecken in kostbaren
Kothurnen. An seiner Person ist wahrlich nicht viel zu holen und man begreift die Gier der
C- fünf I~öwen darunter schwer, welche im Begriff sind zu ihm hinaufzuspringen. Die gezähnte
Schönleiste mit den Blumenketten zwischen beiden Tafeln ist überaus reizend,
b) Legende des heiligen Alexius, des sogenannten Gottesmannes (dci^puiiT»i rof- Omw), eines
Römers, t 17. Juli 418, begraben in der alten Kirche seines Namens auf dem Aventin, welche
an der Stelle seines Vaterhauses steht. Er lebte zur Zeit Bonifatius' I. und zeichnete sich schon
in seiner Jugend durch Wohllhätigkeit aus; er ist Patron der Bettler. Nachdem er lange Zeit
als F.insiedler im Heiligen Lande gelebt, kehrte er in das elterliche Haus zurück, wo er,
unerkannt und
von den Haus
genossen ver-
schmäht , gute
Werke voll-
brachte. Erst
kurz vor seinem
Tode gab er sich
zu erkennen. Auf
diese 1 lauptbe-
gebenheiten sei-
nes Lebens be-
Pilgerstecken und mit der Reisetasche aus dem Heiligen Lande heim: sein Vater, der
berittene Senator Euphemianils (EVFIMIANVS) nimmt ihn in seinem Palast unter die Zahl
seiner Diener auf, am Fenster steht seine Braut, die er, tief von der Vergänglichkeit der
Welt und ihrer Lust ergriffen, am Hochzeitstag verlies* , um in Wüsten zu fliehn. Sieb-
zehn Jahre bleibt er im Vaterhaus, gleich einem Odysseus das Gnadenbrod essend und unter
einer hölzernen Treppe schlafend.
ß. Alexius liegt auf dem Sterbebett, auf einer Matte an der Hausthür : Bonifacius I. (BONIPHA-
TIVS) kommt, gefolgt vom römischen Clcrus, den Heiligen zu segnen, auf den ihn eine Stimme
vom Himmel aufmerksam gemacht hat
y. Der Papst hat eine Rolle gelesen, die der Sterbende in der Hand hält, seine Autobiographie:
Eltern und Braut erkennen und beweinen den geliebten Todten ; er liegt jetzt in einem Bett,
bedeckt mit einer Steppdecke, auf die griechische Kreuze und Tauben in Medaillons gestickt
sind. Zwei schlechte leoninische Hexameter resümiren das Ganze:
KON PATER AGNOSUT, MISERER1QVE SIBI POSCIT;
PAPA TENET CAKTAM, VTTAMQVE KVNTIAT ARTAM.
Die Legende vom heiligen Alexius, ein schönes Beispiel der christlichen Selbsterniedrigung,
ist im Mittelalter sehr beliebt gewesen und viel besungen worden; am bekanntesten die mittel-
hochdeutsche Dichtung, welche Konrad von Würzhurg für «wei baseler Bürger lieferte. Aus-
führlich behandelt sie Goethe in seinen Briefeti aus der Schweiz; Cardinal Wiseman brachte sie
auf die Bretter. Unsere Fresken sind von Blumengewinden umgeben, durch welche Vögel flattern;
20f,
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ziehen sich drei
Bilder am dritten
Pfeiler des Mittel-
schiffes , die wie
auf Sarkophagen
neben einander ge-
stellt sind; sie stam-
men aus dem elf-
ten Jahrhundert.
a. Alexius (S.
ALEXIVS) kehrt
unerkannt mit dem
über ihnen der Rest eines Heilands, dem die beiden Erzengel, Gabriel (S. GABRIEL) und Michael
(S. MICHAEL) Weihrauch streuen ; neben letzteren steht links der heilige Clemens, rechts der
heilige Papst Nicolaus (S. NYCOLAVS).
c) Legende des heiligen Libertinus, Mönchs im Benedictinerkloster zu Fondi, f 591.
«. Der Abt von Fondi wirft sich vor Libertinus zu Füssen, der eine unverdiente Züchtigung
mit unglaublicher Demuth hingenommen hat. Dieser geduldige Libertinus war
Officicr gewesen.
ß. Libertinus erweckt in Ravenna ein Kind von den Todten auf.
y, Libertinus überträgt einer Schlange die Bewachung des klösterlichen Gemüsegartens:
Begrift von
S. Clement«: Ijegcude de» heiligen LlljcfttMU.
dem interes-
santen Mate-
rial zu geben,
welches die
spät entdeckte
Basilica dem
Kirchenhisto-
riker, dem Ro-
manisten, dem
Sittenschilde-
rcr und Men-
schenkenner in
den dunkel-
stenZeiten bie-
tet; es ist bei
weitem nicht
als nun der
Dieb kam,
machte ihn
die Schlange
dingfest und
pfiff dem Li-
bertinus, wel-
cher ihm sagte,
er solle hin-
füro nicht steh-
len , sondern
sich im Kloster
holen, was er
brauche.
Ich habe
versucht, dem
Leser einen
erschöpft Man wird mir die knappe, systematische Form zu Gute halten: es gilt hier nur zu
sehen und zu lernen.
V.
Am Feste des heiligen Clemens, am 23. November, dem Tage, wo der Winter nach dem
Sprichwort der Italicner einen Zahn ansetzt (Per San Clcmentc il verno mette un dente), ausser-
dem am 1. Februar und am zweiten Fastenmontag wird die Unterkirche beleuchtet: wie in
den ersten Zeiten des Christenthums wogt dann in den finsteren I lallen eine andächtige Menge
auf und ah. Der Tag vorher, der 22. November, ist der Gedächtnisstag der heiligen Caccilia,
an ihm findet die Beleuchtung der Callistuskatakombcn statt: Blätter sind gestreut, Teppiche
gelegt, lilicntragcnde Engel schweben von Sarg zu Sarg durch die grausenden Gallonen: im
tiefen Schoosse der Campagna, an palmenreicher Gruft ertönt das Requiem. Die Fremden wandern
von der heiligen Caecilie zum heiligen Gemens, der an die hundert Jahre älter ist als sie; denn
man setzt das Martyrium der Jungfrau in das Jahr 230.
Wir werden es, treu der Geschichte, umgekehrt machen und nun zum Sebastiansthor hinaus
auf die appische Strasse schreiten : es ist unser erster Kirchhofgang. Das wunderbare Feld grünt,
von den herbstlichen Regen erquickt, wie die beblümte Flur, wo die Proserpina geraubt ward;
ein mildes Licht iiiesst versöhnend und lieblich um die Hügel, Christus zieht mit seinen Aposteln
unsichtbar über den stillen Gottesacker, der voller Beine liegt Ach, möchten wir mit Jean Paul
-°7
ausrufen, vor der Seele, in welcher sich der Morgenthau der Ideale zum grauen, kalten Landregen
entfärbet hat, und vor dem Geiste, dem auf den unterirdischen Gängen dieses Lebens die Menschen
nur noch wie dürre gekrümmte Mumien auf Stäben in Katakomben begegnen, und vor dem Herzen,
das verarmt und verlassen ist und das Niemand mehr erfreuen will — vor allen diesen bleibst
du, o liebreiche Natur, mit deinen Blumen und Bergen und Quellen treu und tröstend stehen,
und der Unglückliche erhebt die nassen Augen, damit sie hell und weit auf deinen Frühlingen
und auf deinen Sonnen ruhen 1
ffir^frv Die Callislns- Katakomben und die heilige Caecal ia.
iäj 1
» U* err , wo gehst du hin? Domine, quo vadis? — So fragte Petrus den Heiland, als er
ge^vt »' ihm auf unserer Strasse, da, wo sie sich gabelt, begegnete. Der immer wankel-
" müthige Apostel wollte fliehen; die Christenverfolgung hatte begonnen: ihm bangte •
Ri vor dem Tode. Aber Christus antwortete: Ich komme nach Rom, um mich abermals
kr. uzigen zu lassen: venio Romam herum crucitigi. Petrus kehrte um.
Christus hat angeblich seine zwei Fusstapl'en (piante) auf Marmor zurückgelassen, der
M.in befindet sich in der Sebastianskirche, und über einer Nachbildung desselben, am
jSai* Orte der Begegnung, steht die kleine Kapelle Domine-quo-vadis.
Dergleichen Fusstapfen sieht man viele, zum Beispiel eine des rechten Kusses auf
dem Oelberg, an der Stelle, von welcher der Erlöser auffuhr: es sind in Wahrheit Grabplatten,
in den Katakomben und anderwärts gefunden und wahrscheinlich zum Dank für die glückliche
Vollendung der irdischen Pilgrimschaft gestiftet. Auch die Tafel, welche in San Sebastiano auf-
bewahrt wird und an der sich die schöne, von Ambrosius erzählte Legende in die Höhe gerankt hat,
stellt nichts Anderes vor: die siebente Basilica ist über einem der Hauptfriedhöfe erbaut, den
ersten Katakomben, die seit dem fünfzehnten Jahrhundert „ad Catacumbas" hiessen und von
welchen dieser unerklärte Name auf alle christlichen Coemeterien übertragen ward. Die Gegen-
wart einer solchen Grabplatte hat also nichts Auffälliges.
Wechsel der Zeit! Jetzt ging Sanct Peter an Christi Stelle nach Rom hinein, sich kreuzigen
zu lassen. Todt und gekreuzigt, zog er abermals zum Capuaner Thor hinaus, um seinen Ver-
folgern zu entgehn : er wurde nebst Paulus in den Katakomben beigesetzt : und abermals begegnete
ihm der Herr und abermals machte er Kehrt und über seinem Grabe erstand die Peterskirche —
und hundertmal hat Petrus Rom verlassen wollen und hundertmal ist er wieder umgekehrt —
und wenn er heute dem Pilger begegnete und den Pilger fragte : Domine, quo vadis ? 1 lerr, wo
gehst du hin? — und wenn der ihm antwortete: Ich fahre nach Rom — nach Rom, wo du
gekreuzigt worden bist ! — möchte er wohl das Herz haben, fortzugehn ? Und wie viele Pilger
sind es! Sieht man doch hier auf der appischen Strasse nicht Christi, sondern der christlichen
Völker Fusstapfen, die stromgleich, als ob die Menschheit auf der Wanderung wäre, zur heiligen
Caecilie und „ad Catacumbas" wallen.
Etwas weiter, fünfundzwanzig Minuten vom Thore, rechts, wo vier Cypressen ein grandioses
Monument beschatten, erreichen wir den Eingang zu dem Coemeterium Callisti; das Monument
war ein christliches, gehörte indessen nicht zu den eigenüichen Callistus-Katakomben, sondern zu
208
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einem Seitenquartier der grossen Todtenstadt, das in ihren Verband erst später aufgenommen
wurde. Jene gingen, wie wir schon früher angedeutet, aus der Familiengruft des alten Sena-
toren-Geschlechtes, der Clarissimi Caecilii, hervor, deren an Caecus anklingender Name Veran-
lassung gewesen ist, dass man die Heilige zu einer Blinden und zur Patronin der Blinden machte.
In diese ihre Kamiliimgruft wurde die heilige Caecilia, vornehmer Leute Kind, gebracht: wenn
wir bei San demente nach seiner Kalendernachbarin, beim römischen Bischof nach der römischen
Dame fragen , so werden wir unfehlbar auf den appischen Weg , in das Cubiculum (lentis
Caeciliac und in die enge Zelle gewiesen, aus der zwar schon zu Caeciliens Zeiten ein christlicher
Friedhof, mehr noch, ein kleines christliches unterirdisches Rom hervorgesprosst sein mochte,
Einging xu den C*Uiuiukaukont>cn.
die aber noch immer als solche fortbestand, ja, die erweitert und durch einen Schacht dem
Tageslicht erschlossen, heute noch fortbesteht
Von Niemandem, dem es auf eine elegante Fuhrung ankommt, wie dem modernen Petrus,
dessen Bekanntschaft wir bei Domine-quo-vadis machen und der uns an der Schwelle des Fried-
hofs veranlasst, kehrt zu machen. „Ei, ei", sagt er, quo vadis, Domine? „Die Römerin
ruht auch in Vaters Hause; wie Gemens aus Rassland, so ist Caecilia vom Lande in die Stadt
zurückgekehrt." — „»Es scheint"", antworten wir, „„die Heiligen hier beschreiben einen Zirkel:
und wo wohnt die Caecilia?"" — „Sie wohnt in Trastevere." — „„Man sieht noch etwas von
ihr?"" — „Man sieht ihr ganzes Haus: es ist die Kirche Santa Cecilia." — „„Wer hat sie
geweiht ? uu — „Der heilige Mann, der ihr Leben geleitet hat." „„Papst Urban?"" „Der-
selbe." — „„So wäre Caecilia doch erst unter Alexander Severus und nicht schon unter Marc
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Aurel gestorben, wie Fortunatus sagt?"" — „Halte Dich, mein Sohn, an die Legende, die Dir die
Kirche in Trastevere erzählt."
Und «ras erzählt uns diese?
Folgendes erzählt sie. Es war eine reine Jungfrau, schön, adelig und gottbegabt. Mit
vielen ihrer Verwandten hatte sie den christlichen Glauben angenommen, während ihre Kitern
noch dem donnernden Jupiter und der Juno Regina opferten. Und sie kannte nicht allein den wahren
Gott, der über den Wolken thront, sie diente ihm auch auf eine neue , wundersame Art — sie war
sehr musikalisch: Tag und Nacht sang sie geistliche, liebliche Lieder und spielte Orgel dazu; sie
erfand das herrliche, volltönende Instrument Wer erinnert sich nicht des berühmten Gemäldes
in der Pinakothek zu Bologna, das ein seltener Feuergeist durchdringt? Was die Verklärte in
der niedersinkenden Hand
hält, ist eine kleine Orgel.
Sic blickt zu den Sphären
auf, die ihrem Spiele lau-
schen, denn mit ihm ent-
zückte sie selbst die
Engel ; es gewann ihr die
liebe eines Seraph, der
das Paradies verschmähte,
um liei ihr zu weilen. Ti-
motheus, heisst es in der
erhabenen, von Händel
componirten Ode auf den
Caecilientag, Timotheus
raüed a mortui to Ihc »kies,
she tirought an angel down.
Drydeu, iMrundcr't Feuc.
Vorfallt von Suttm Cecill» in Trattrrrrr
jungen Edelmanne, zu
verloben. Die gehorsame
Tochter fügte sich, aber
Gottes Schaaren wachten
über ihrer Unschuld. In
der Brautnacht flehte sie
ihren Bräutigam an, er
möge sie nicht berühren,
sie sei nicht seine, sie sei
Braut des Himmels, sie
gehöre nicht den irdi-
schen Freuden an. Und
wie sie bat, zertheilten
sich die Wolken, ein lich-
ter Engel schwebte flam-
mend nieder und hielt
ihnen beiden eine Märty-
rerkrone hin. Der Jüng-
ling staunte : die Lust der
Entsagung , die süsse
Schwärmerei der Religion
ergriff ihn: er befragte
den alten Bischof Urban,
auf welchen sich Caecilia
An dieser himm-
lischen Liebe hatte Cae-
cilia genug, sie wollte als
Jungfrau sterben; anders
dachte ihr Vater, der
Senator, der sie zwang
sich mit Valerian, einem
berief: er empfing mit seinem Bruder Tiburz das Sacrament der Taufe. Beide Brüder erlitten den
Märtyrertod zugleich mit dem Amtsrichter Maximus, der mittlerweile von dem wunderbaren Mädchen
bezaubert worden war ; Caecilia begrub sie alle drei auf dem Friedhof des Praetextatus gegenüber
den Callistuskatakomben an der appischen Strasse links, dem sogenannten Coemeterium SS. Tiburtii,
Valeriani et Maximi (14. April 230). Das Brautpaar erblicken wir auf den Mosaiken der Tribüne,
in einer Tracht, wie sie im neunten Jahrhundert bei den höheren Ständen Mode war. Valerian
trägt einen weissen Mantel über einer grünen Tunica mit kostbarer Stickerei; Caecilia ein Kleid
und ein Peplum von Goldbrocat; die Märtyrerkronen, die ihnen der Engel brachte, halten sie in
Händen. Auf den Weg sind Blumen gestreut und zwei Palmen mit schwellenden Früchten,
Sinnbildern ihrer Verdienste, reichbeladen, bewohnt vom Phönix, wölben sich zu einem Triumph-
l>ogen über sie.
Auch Caeciliens Leben war bedroht: sie konnte es retten, wenn sie Christus abschwor
210
und zu den alten Göttern ihres Hauses betete: sie hielt fest am Glauben, Sie setzte sich an
ihre Orgel; noch einmal verkündete sie das Lob des Herrn in wunderbaren Weisen, dann zer-
brach sie das Pfeifenwerk und machte sich bereit. Der Praefcct Almachius befahl, man solle sie
in ihrem eignen Hause, in dem Badezimmer, das heute eine Kapelle der Kirche bildet, auf gute
Art verbrennen oder ersticken. Umsonst den nächsten Tag fand man sie gesund und munter: es war
ihr in ihrem Bade so wohl wie einem Fisch im Wasser. Da wurde beschlossen, sie dem Scharf-
richter zu übergeben: seitdem Paulus' Haupt unter dem Schwerte gefallen war. galt das immer,
wenn den Märtyrern sonst nicht beizukommen, für das letzte, unfehlbar anschlagende Mittel. Es
schlug auch bei der heiligen Caecilie nicht fehl, obgleich der Henker seine liebe Noth mit ihr
hatte : mit aller seiner Geschicklichkeit und Kraft bekam er das schöne I laupt nicht ab, und erst drei
Tage später,
freiwilligver-
liess das Le-
ben die ge-
knickte Blu-
me und zer-
flossklingend
in der ewigen
Harmonie. In
goldgestick-
tem Kleide,
bedeckt mit
einem seide-
nen Schleier,
das blutge-
tränkte Lin-
nen zu Füs-
sen, also wur-
de sie in ei-
nen Sarg von
Cypressen-
holz, mit die-
sem in einen
Marmorsar-
Vakfiftoui and CftttdlU- Mosaik U Suli Cedll* ia Trateverc
kophag ge-
legt und aus
derHerberge
hinaus zu
ihrem Bräu-
tigam ins fe-
ste Haus ge-
tragen (Cae-
cilienfest,
23. Novem-
ber ?3oj. Der
heilige L'r-
ban begrub
sie; sechs Mo-
nate später
ging er selbst
zur Ruhe; er
ward mit an-
dern heiligen
Männern un-
fern von Va-
lcrian, Tibur-
tius und Ma-
ximus in den
Katakomben des Praetextatus beigesetzt, die im vierten Jahrhundert auch den Namen Coeme-
tcrium SS. l'rbani, FelicLssimi, Agapiti, Januarii , Quirini führen (25. Mai, 231).
Was vergangen, kehrt nicht wieder, aber ging es leuchtend nieder, leuchtet's lange noch
zurück. Sechs Jahrhunderte schlief Caecilia, gleich einer süssen, in harten Felsen gebannten
Melpdie ; dann wachte sie wieder auf. Einst, erzählt der Papst Paschalis 1. von sich selbst, einst,
es war an einem Sonntag in der Morgendämmerung während der Frühmette, sass ich betend in
Sanct Peter vor dem Grab des Apostel fürsten. Ich hatte gestern in den Katakomben die
Reliquien der Bischöfe ausgehoben und auch nach den Gebeinen der heiligen Caecilie geforscht,
aber nichts gefunden. Bekümmert schlummerte ich ein: wahrscheinlich, dass sie mir Astolf, der
kriegerische Longobardenkönig, bei der Belagerung mit weggenommen hatte. Da erschien mir
die Selige im Traum. Der stille Glanz der Ewigkeit wob um ihre reinen Züge und sie sprach :
Was härmst du dich, Paschalis ? Ich bin nicht weit Gestern, als du in die Papstgruft hinabstiegst.
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bist du bei mir vorbeigegangen. Getröstet erhob ich mich; ich begab mich wieder zum
Friedhof des heiligen Callistus, suchte in der Nähe der Papstgruft, suchte unverdrossen : und hinter
den Bischöfen, an der Wand entdeckte ich ein Brustbild des Erlösers, ein Portrait des heiligen
Urban, die Figur der Jungfrau selbst und darunter in der niedrigen rechteckigen Nische den
kostbaren Sarkophag. Da lag sie unter ihrem seidenen Schleier, in dem goldgestickten Kleide, das
blutige Linnen zu Füssen, noch jetzt eine rührende und engelgleiche Schönheit. Vorsichtig liess
ich sie aufheben, nach Rom in die Kirche tragen, die ich neu gebaut hatte, und in der Confession
an der Seite ihres gottseligen, gleichfalls wiedergefundenen Bräutigamcs betten (8n).
Es vergingen acht Jahrhunderte: an der Neige des sechzehnten, 1599, erklang abermals
der Name Caedlia: Gemens VIII. licss ihren Sarg zum zweiten Male öffnen. Und wunderbar!
Di« heilige Cacril», iwKlrltlrt tot Strfiin» M*<lernc
Unschuld und Herzensreinheit feit Menschen noch im Grabe, sie lässt die irdischen Leiber nimmer
verwesen noch vergehn! I3ic holde Leiche lag anmuthig und sanft, wie sie in den Callistus-
Katakomben lag, wie sie im Jahre 230 auf ihrem Todtenbette lag — zu Boden auf der rechten
Seite, das schuldlose, untrennbare Haupt abgewandt und verhüllt, die geschlossenen Knie ein
wenig eingezogen, die Arme von sich gestreckt und starr als wie in tiefem Schlafe, eine marmor-
blasse Maid — es war, als horte man ihren Bräutigam, den seligen Valerianus, in der Volks-
weise klagen:
Weiss bist du, mein Mägdlein, k.innst nicht wdmet mehr sein,
Warm lieh ich dich, mein Mägdlein, kann nicht NIMM mehr Mit:
Ars sie 1odt »rar, mein Magillcin, war viel »erwer «e mich,
Und ich liebt' sie. ich Armer, viel »timKT dann noch — —
Aber der fromme Papst Gemens, der eben durch ein Wunder von schwerer Krankheit
genesen war, wollte nicht, dass dieser Anblick, dieses liebliche Schweigen, dieses junj^fräuliche
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Sterben der Menschheit verloren ginge. Kr legte den gebenedeiten Letb in einen silbernen
Schrein von tausend Pfund Gewicht, doch der Bildhauer Stefano Maderno, der bei der ( )cffnung
des Sarkophages mit vielen Koryphäen der Wissenschaft zugegen gewesen war, musste ihm die
marmorblasse Maid in Marmor wiederholen, und in weissem Marmor liegt sie (prorsus eodem
corporis situ) in der Nische unter dem Hochaltare, ein rührendes Bild weiblicher Anmuth, weib-
licher Ergebung, weiblicher Heldengrüsse, zart und hingeseufzt wie zitternder 1 larfenton, unfassbar
wie ein Hauch.
II.
„Gehe", so sprach die heilige taecilie zu ihrem Bräutigam Valerianus in der Brautnacht,
„gehe auf die appische Strasse bis zum dritten Meilensteine: dort wirst du arme Bettler rinden,
welche die Reisenden um milde Gaben bitten. Ich habe ihnen immer gegeben und sie kennen mich
einen Wachsstock und
beim Generalvicar auf der
Via della Scrofa, bei der
„Commissione delT Arche-
ologia Sacra" eine Ein-
trittskarte holen, die übri-
gens neuerdings nicht mehr
gefordert zu werden pllegt.
Die Via della Scrofa
hat ihren Kamen von einer
steinernen Sau (scrofa),
die daselbst eingemauert
ist. Dieses Thier, das
Mutterschwein von Alba,
welches dem Aeneas die
neue Stätte seiner Nieder-
lassung anzeigte, spielt in
der Urgeschichte eine grosse Rolle, man sieht es häufig abgebildet; die römischen Münzen hatten
vor der Wölfin, die erst auf Quadranten des fünften Jahrhunderts erscheint, auf der Bildseite
eine Sau. Sie mag uns hier als ein Symbol der Roma Subterranea und des neuen Reichs
erscheinen, das im Innern der aufgewühlten Erde gegründet ward.
In den Gräbern, die der Todtengrälwr Diogenes (DIOGENES. FOSSOR. IN. PACE.
DEPOSITl'S. OCTABV. KAI. ENI US. OCTOBRIS) mit den Eben m mner rechten Hand und
den Schlägeln, Hämmern und Hebeln um ihn herum beim Scheine des Grubenlichts gewühlt hat:
er war ein Christ, auf seiner Tunica bemerkt man die griechischen Kreuze, welche, aus vier
grossen Gamma's (T) zusammengesetzt, unter dem Namen Gammadia (payitfte) bekannt sind;
Tauben, Sinnbilder des Glaubens, sitzen über ihm, sogar das Geleucht, das er in der linken Hand
an einer Kette trägt, hat Taubenforrn ; er ist in den Katakomben begraben, die wir eben besuchen
wollen, und wir entnehmen ihnen sein Portrait.
Er hat brav gearbeitet, der alte Maulwurf Diogenes: er hat ein vielstöckiges Labyrinth
von Schächten abgeteuft — er hat an den Wänden unabsehbare Grakstelten und tausend
Kämmerchen eingehaucn — er hat mit Eisen und Schlägel ganze Gewölbe und Kirchen
ausgehöhlt.
M
213
wohl. Grüsse sie und
sprich: Uaecilia schickt
mich, ihr sollt mich zu dem
heiligen Greise L'rban
bringen, ich habe ihm et-
was zu bestellen."
Man sieht, der hei-
lige Stuhl stand damals
in der Roma Subterranea,
und wie Valerian im Jahr
230 von der heiligen Cae-
cilia zu den Katakomben
hinausgeschickt worden ist,
so werden auch wir jetzt
in 1 raste vi
re unsert
Reise
in die Unterwelt antreten
und uns nur noch vorher
Der TiiiHcuctMiei |)li>£mx.
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Die Stollen oder Gänge, welche meist sehr eng, durchschnittlich 0,8 m breit sind , heissen
Ambulacra; die Grabstellen, länglich - viereckige Nischen ungleicher Grösse, welche durch Stein-
platten oder Terracottentafeln geschlossen wurden, heissen l-oculi ; die kapellenartigen Räume, zu
denen sich die Corridore erweitern und die mit der Zeit als Versammlungsorte des Cultus benutzt
zu werden pflegten, theils Familien-, theils MärtyrergrüUc, den Oertern eines Bergwerks zu
vergleichen, heissen Cubicula.
Die Cubicula sind durch Sarkophage ausgezeichnet, welche an der Hinterwand, der Thür
gegenüber in einer Nische stehen. Diese Nische ist entweder viereckig, in Form den Loculi ent-
sprechend, doppelt so hoch als der längliche, in den lebendigen Felsen eingehaucne oder an der
Wand aufgemauerte Sarkophag, dessen schwerer Marmordeckel einen Tisch bildet: dann nennt
man ein solches Grab ein Tischgrab (Sepolcro a mensa, Table-Tomb). Oder die Nische ist oben
halbkreisförmig abgeschlossen und der freie marmorne Sarkophag von einem Triumphbogen über-
wölbt: dann nennt man ein solches Grab ein Bogengrab (Arcosolium). Letzteres ist die häufigere
und die ältere Form.
Meistentheils dienten die Sarkophage zu Altären, doch finden sich auch besondere Altar-
tische. Zur Abhaltung des Gottesdienstes mussten natürlich in den kellerartigen Räumen Lampen
und Kerzen angezündet werden, und dieser Gebrauch erhielt sich auch später in den Kirchen,
um so mehr, als in ihnen noch immer ein mystisches Dunkel herrschte; und wenn seihst in den
hellen protestantischen Gotteshäusern bis auf den heutigen Tag heim Abendmahl die Altarkerzen
brennen, so ist das eine Erinnerung an die römischen Katakomben und an die Zeit, wo die ersten
Christen ihre heiligen Mysterien in Gräbern zu feiern pflegten,
Auf diese Weise wechseln also im System unseres Friedhofs Nischen mit Sarkophagen,
Reihen einlacher Wandschränke mit möblirteti Zimmern, G rabsteilen , die gleichsam gar keinen
Raum einnehmen , sondern in den Ulmen und Stössen der Stollen selber ausgespart sind, mit
Grabcapellen und wirklichen Grüften ab: es ist dies beiläufig das System aller italienischen
Campi Santi.
Wenn wir uns den stehenden und alten Vergleich der Friedhöfe mit Coemeterien oder
Schlummerstätten zu nutze machen, so gelangen wir zu einer besonders klaren Anschauung der Sache.
Fin Jeder von uns hat wohl einmal die Kajüte eines Schiffes gesehen. An den Seitenwänden
derselben rechts und links unil reihenweise übereinander befinden sich die sogenannten Kojen, in
welche die Fassagiere hineinsteigen, wenn sie zu Bette gehen. Die Gänge in den Katakomben
entsprechen ziemlich genau einer solchen Schiffskajüte: man wolle lieber an die zweite als an die
erste denken, weil sich die Kojen in der zweiten unmittelbar nach der Kajüte zu öffnen. Die Koje
ist die Grabnische, der Passagier, der darin liegt, der Todte, der aus dem kleinen Sterbebette
in's grosse Bette aller Menschen getragen ward, der rothe Vorhang, den der Schläfer vorgezogen
hat, die Marmorplatte, hinter welcher der Pilgrim "in pace rei|uiescit\ Die Grabcapellen dagegen
entsprechen den Schlafstuben, weicht; der Passagier bewohnt, wenn er an's Land kommt und in
einem Wirthshaus einkehrt, die Sarkophage, die darin stehen, unsern Betten und Bettstellen; und
da sie nicht frei und unbedeckt an der Wand, sondern in viereckigen oder bogenförmigen
Vertiefungen in der 1 linterwand stehen, so können wir diese Vertiefungen mit unseren Alkoven
vergleichen: das arabische Wort 'al-kubbe', welches dem Fremdwort zu Grunde liegt, bedeutet
ursprünglich ein gewölbtes Gemach, und das stimmt trefflich zu einem Arcosolium. Zuweilen
wurden auch an den Wänden der Schlafstuben noch Kojen und Bettschränke ausgebrochen, so dass
beide Methoden combinirt erscheinen, und das ist eben bei der berühmten Kammer der Fall,
welche, nur durch einen Corridor von der Caecilischen Familiengruft getrennt, die erste Erweiterung
derselben, das erste Entwickelungsstadium der kleinen Zelle darstellt; die im zweiten und dritten
214
Jahrhundert die Metropole des entstehenden Kirchenstaats und das Centrum der päpstlichen
Administration gewesen ist; und in welcher der geistliche Herr der Welt in tiefer Abgeschiedenheit
damaLs sitzen und arlieiten mochte, als die heilige Caecilia ihren Bräutigam Valerianus zu ihm aul
die appische Strasse schickte, sprechend: „Mein Lieber, gehe zum Capuancr Thorr hinaus bis zum
dritten Meilensteine. lOort wirst Du Arme finden, die um Almosen bitten. Ich habe ihnen immer
gegeben und sie wissen um mein Geheimnis*. Sie werden Dich führen und zu dem heiligen Greise
l rban bringen ; mein Freund, lass dir rathen, habe die Sonne nicht zu lieb und nicht die Sterne,
folge ihnen ins dunkle Reich hinab."
Das war die Papstgruft.
s. Marl« i* Tra»ls*crc.
Die unmittelbaren Nachfolger Petri waren in den unterirdischen Thon- und Sandgruben
des vaticanischen HügcLs hinter dem neronischen Circus, auf seiner Märtyrerstätte begraben
worden ; diesen alten Begräbnissplatz nennt man die Memoria Petri Apostoii ei scpulttirae
episcoporum in Vaikano. Als derselbe aber gegen Ende des zweiten Jahrhunderts durch
kaiserliche Neubauten bedroht zu werden anfing, cedirte die vornehme Familie der Caecilier
der christlichen Kirche in der Nähe ihres Erbbegräbnisses ein Stück Land , um daselbst einen
Friedhof, zunächst eine Ciruft für die römischen Bischöfe anzulegen. Es war im Jahr 1 98 : auf
dem heiligen Stuhle sass eben Zephyrinus, und der übergab die Sache einem gewissen Calli-
stus, einem etwas anrüchigen Patron, einem Schwindler, der, als Diener eines reichen Christrai
eine IX"positenbank gegründet, Bankerott gemacht hatte, durchgegangen, arretirt und zur Stampf-
mühle verurtheilt, aber auf Fürbitte der armen Kunden begnadigt worden war; aus Dankbarkeit
«S
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ward er fromm und ein Antisemit, dafür abermals vor Gericht citirt und zur Deportation nach
den sardinischen Hütten- und Bergwerken verurtheilt, aber bald darauf auf Fürsprache der Mai-
tresse des Kaisers Commodus, der schönen und christenfreundlichen Marcia, abermals begnadigt;
worauf ihm eben Zephyrinus die Stelle eines Friedhofsinspectors gab. Dieses Amt, zu welchem
ihn die in Sardinien erworbenen Kenntnisse vorzüglich befähigten, verwaltete der geschickte
Mann recht gut; nach Zephyrinus' Tode (217) erwählte ihn ein Theil des Presbyteriums zum
Papst, während ein anderer den heiligen Hippolytus als Candidat aufstellte: als solcher nahm
er den Namen Calixtus') an; er war ein eifriger l'nitarier und Gegner der später orthodox
gewordenen Lehre vom Logos als zweiter Person der Gottheit, welche Hippolytus vertrat; in
diesem Sinne hatte er schon die Fresken der Sacraments- Krypten in unsern Katakomben
coneipirt, die vorzugsweise von johanneischen Anschauungen getragen werden. Im Jahre 223,
am 14. October. wurde er das Opfer eines Volkstumultes in Trastevere; er flüchtete in ein
Haus, die gegenwärtige Kirche San Callisto, wurde aber ergrimm, gesteinigt und in den noch
heute sichtbaren Brunnen geworfen. Der Nähe wegen brachte man ihn nun gar nicht einmal
in seine Katakomben, sondern in das Cocmetcrium Calcpodii an der Via Aurclia, der grossen
Küstenstrassc , welche Rom auf der Höhe des Janiculums verliess. Wie jener konnte er sagen:
Sic vos non vobis mcllifkatis , aj«»,
Sir viis non vuliis ntdtfu'atis , ilvck.
Während seines PontiiicaLs erbaute er in Trastevere, über einer zu Christi Geburt hervor-
gebrochenen Erdölquelle , dem symbolischen Vorbild des welthistorischen Ereignisses, die uralte
Basilica S. Maria in Trastevere, die Oelheim (Fons Oloi) genannt wird. Unsere Abbildung
zeigt den Platz vor dieser Kirche, den ein Springbrunnen schmückt, und die Vorderseite der
selben; in der Hohlkehle bemerkt man ein altes Mosaik, die Mutter Gottes, zwei Bischöfe und
die zehn klugen und thörichten Jungfrauen des Evangeliums (Matthäi XXV, 1) darstellend; in den
Händen der vier Bildsäulen auf der Ballustrade das päpstliche Kreuz.
Doch zurück zu der Schöpfung, durch die der Name Callistus vorzugsweise jKipulär
geworden Ist und die er seinerzeit durch das Oratorium S. Callisli in arenariis auszeichnete. Ich
weiss nicht, wie er sich das .Cubiculum Pontificium' gedacht, ob er es zunächst nur für den regie-
renden Papst, für Zephyrin, bestimmt, oder ob er von Anlang an alle Päpste darin hat unterbringen
wollen. Als eine unregelmässige, 3,5 m breite, 4,5 m lange Capelle enthielt die Papstgruft
offenbar ursprünglich nur einen einzigen Sarkophag, der wie gewöhnlich an der Rückwand in
viereckiger Nische hinler dem Altartische stand, und dieser den Leichnam des Papstes Zephyrinus,
an dessen Stelle sj>äter der des heiligen, in den Praetextatus- Katakomben niedergemachten
Papstes Sixtus oder Xystus kam (6. August 258). Jedenfalls hat man die Gruft erst in der Folge,
als man noch andere Päpste zu begraben hatte, auch zu ihrer Aufnahme eingerichtet. Man tiefte
zuvörderst unten je zwei Nischen für neue Sarkophage auf ebener Erde aus, und als auch diese
nicht mehr reichten, half man sich, an den Wänden aufwärts gehend, mit einfachen, weiten, durch
breite Bänder von einander getrennten Bettschränken in Form der Loculi. Wir haben schon bemerkt,
dass dieselben wie Schmarotzer auch in andere Grüfte unorganisch eingedrungen sind. Wir
zählen ihrer zwölf (2 x 2 x 3). Auf Bruchstücken vierer zum Verschluss dienenden Marmorplatten
lesen wir noch in griechischer Schrift die Namen vierer Päpste des dritten Jahrhunderts, der
Bischöfe ('Eni**«™);
1) Die onpruneliche Form ist oh« Zweifel fkji— - KtOmit, et«. *> .icl wie ««, Seh.*. Atu CUUu« wurde, lade,
da» i wie bei Uli«c (flytsa) oder wie bei Xy*tt» (SUtu) in , auuutcte, ( »lli.i«. fMW* n* MMH| Call», Kelch, OdkWU.
Audi im Ponugiesi.chen uad S,.»niicheu Badet ei» lVt« t .u K ,Ur. lulrioi*hcn » In » M*tl , ,Uk* «inmt r. dort die Au.«nradw rilio l»cUe»
Zi-Knluutes, hier eiaei hloaea Hauche» i» (.nun. IM« - Mcvdu, |«.rt. NA* - FmW).
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Anten« {\JS}TEPSO.
Mim (+.1B\l\...1S0Q, in «rt-i
Lucius (\.I\01KIC\, enrtc.RdhC rechts.
Kulyrhianis (KrrrX[USOC\), creic
Dagegen wurde der Papst Cornelius (f 253) in den Krypten der Lucina, einem ursprünglich
selbständigen, aber nachmals mit den CallLstus- Katakomben verbundenen Cocmeterium, zu welchem
das Monument am Eingang gehört, und Papst Eusebius ff 3°9) m ^ ner eigenen Grabkammer der
Callistus - Katakomben (Area III) beigesetzt, was damit zusammenhängen mag, dass beide in
der Verbannung starben, ihre Leichname erst später nach Rom gebracht und nun von Verwandten
reclamirt wurden. Der letzte in dem Cubiculum Ponlificium bestattete Papst war Miltiades oder
Melchiades, mit dem zugleich die erste Periode des Papstthums schliesst (f 3>4)-
Nach den vornehmsten unter den genannten Päpsten und Märtyrern, zu welchen noch der
hervorragende Kirchenlehrer und Gegenbischof des Callistus, Hippolytus, gerechnet werden muss,
führt der ganze Friedhof in alten Zeiten den Namen Coemeterium Lucinae Zephyrini Callisti Hip-
polyt, und vom Papst
seit dem vier- Damasus zu
ten Jahrhun- ^<*S^ ^Oo >v Ehren Sixtus'
dert die Na- ^ ' ( ' Pn0 ^
sti; S. Caed- zierlichen Un
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Eine schöne ff im* ' \ MV ' " S ' '"'
metrische In- ff/m v -"^lS T * )er Pni,oca "
schrift an der ^^u^^hb Iiis eigens für
Rückwand, \ V die römi-
gegen Ende sehen Epita-
des vierten " 0nlhMj . yulmi ^ Amaoümm _ phia erfand.
Jahrhunderts den Literae
Damasinae, geschrieben, lässt uns keinen Zweifel, dass wir in der That „inter episcopos", „ad S. Sixtum
et S. Cacciliam" stehen: wir würden es schon aus den Gebelen und Ausrufungen, den sogenannten
Proscinemen (jifOi-xr»'w<rer<*) entnehmen können, die auf dem Wege dahin in fast verwirrender
Menge von andächtigen Pilgern an den Wänden eingeritzt worden sind.
MIC 1ATKOR DAMASUS VOl.lU MKA CONDERB MK.MHKA,
SKD CINKRES TIMC1 SANCTOS VKXARK l'IORUM.
Wenn der Priester, an dem vierbeinigen Altartische stehend, tief von seines Amtes I leiligkeit
durchdrungen, die Mysterien des neuen Glaubens feierte und in dem finstern Räume an den Gräbern
der ersten Bischöfe ein Volk auf Knien lag; wenn die Lampen brannten, die Wände von
Marmor schimmerten , und die Pfeiler der unterirdischen Kirche ein fernes, übersinnliches, höheres
Gottcsrcich zu tragen schienen, wie majestätisch, wie gross, wie unter der Erde überirdisch mag
sie gewesen sein, die Papstgruft ! — Gegenwärtig steht sie leer wie eine längst geräumte Wohnung ;
die Loculi klaffen gleich ungemachten Betten, gleich ausgenommenen Nestern dem Eintretenden
entgegen: abgebrochene Säulen, Fragmente von Marmorschranken, kümmerliche Reste von Krag-
steinen und Pilastern liegen wüst und unordentlich umher: der Stuck, der die kahlen Tuffwände
überzog, ist abgefallen, der Altar umgestürzt, der Bischofsstuhl in Trümmern — so schauerlich wie
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in dieser Papstgruft muss es aussehen, wenn dereinst Gottes Sturmwind über die Lande fährt, die
Riegel des Todes aufgerissen und die Leichen wie Spreu auf der Tenne gefegt und geworfelt
werden - wenn die Berge auseinanderliefen, tlie Gräber, von Jehovah's Hauch befruchtet, kreissen
und Krd und Himmel in Feuer und Rauch zergehen — wenn die allmächtige Posaune des Welt
gerichts erdröhnt — —
IV.
Was ist das für ein Klan«? Welch eine bezaubernde Melodie! Wer erklärt mir das
ausserordentliche, unerhörte Wunder? —
Zwischen Bäumen, die sich zu ihm neigen, eine Leier in der linken Hand, mit dem
rechten Kusse Tact schlagend, sitzt ein junger Mann: er trägt eine phrygischc Mütze und einen
losen Kittel, enganliegende Beinkleider, hohe Schuhe; und die wilden Thiere stehen um ihn herum
und lauschen : Löwen, Tijjer, Pferde, Füchse, Schlangen, Schildkröten, Pfauen und andre Vögel -
die drei Naturreiche drängen sich um den schönen Wunderknaben, von seiner Töne Macht gefesselt,
von seiner Stimme Lieblichkeit überwunden, in seiner Harmonien goldnen Strom verloren — es ist,
als ob der Gesang der Sphären über ihm stille stände, um ihn nicht zu stören
Und er spielt ihnen auf und sinjjt ihnen von dem tiefen Mysterium — von dem himmlischen
Frieden und dem neuen Jerusalem mit schaudernder Hand fährt er über die Saiten und greift
unbekannte herrliche! Accordc und hebt an:
Wie wird'» »ein, wie wiid's sein.
Wenn irh sich' in Salem fini-
ta dir Stadt der goldnen (iasvn
Herr, mein Colt, ich kann» nicht fassen.
Wa» da» nird iut Wutine »ein!
Siehe, da schlagen die Todten in ihren Betten die müden Augen auf; von den süssen Tönen
geweckt, regen sich die bekränzten Schläfer und stützen sich auf und horchen — und der
Sänger fährt fort:
Paradies, l'aradics,
W ie i»t deine Frucht 10 »ü»»!
Unter deinen l-i'iH.'nstaumtn
Wird um. sein, ait oh wir träumen.
Illing uns. Herr, ins Paradies! —
Er hält abermals inne: das Licht des Himmels blüht auf seinem Angesichte, und wer es erblickt,
in dem zergeht die Qual der Erde — es ist kein irdischer Tonkünstler, es ist ein Künstler über
alle Künstler — tts ist die selige Erfüllung der Weltgeschichte-, tias Wort des I .ehensräthseJs — auf
solchen Spielmann weisen stumm und bedeutend lausend silberne Gestalten, die zurück in dämmernder
Feme stehen, die wie unbewusste Boten um ihren Meister schweben, in denen er sich gleichsam
rückwärts spiegelt — die jetzt im Chor in seinen Gesang einstimmen, wenn er zum dritten
Mal beginnt:
Soiacs Lieht, «usves Licht,
Sonne, die durch Wolken (»rieht!
O, wann ueid ich dahin komnu-n,
l>as* ich dort mit alten Frommen
Schau dein holdes Angesicht — —
Das ist Orpheus, der Vorläufer Christi, und wir haben ein Bild beschrieben , welches die
Decke eines Cubiculums in den Callistus - Katakomben schmückt: der mythische Sänger, der mit
den Klängen seiner Leier Löwen und Tiger bezaubert, füllt das achteckige Mittelfeld des Plafonds,
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Deckengemälde aus den Callistus- Katakomben.
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die acht darum herumliegenden Trapeze enthalten abwechselnd Paradieseslandschaften und vor-
bildliche Scenen aus dem alten und dem neuen Testament. Der Orpheus ist das einzige Sujet,
welches die christliche Kunst der classischen Mythologie zu entnehmen wagte: der Rest war
verpönt, die allen christlichen Schriftsteller wurden nicht müde, sich über ihre angebliche Unreinheit
zu verbreiten. Bereits in den frühesten Zeiten wurde C.)q»hcus 1 Gahe, die wilden Thiere zu
zähmen. Steine und Bäume zu bewegen und gleichsam das Universum zu elektrisiren , als typisch
für die Allmacht des Evangeliums betrachtet, welches die Stürme und die wüsten Leidenschaften
des Menschenherzens sänfligt, die haderndem Parteien beschwichtigt und versöhnt und die gesammte
Menschheit zu einem gemeinsamen friedlichen Bund vereinigt. Die Sage von Orpheus galt für
eine Illustration der Worte Christi: Wenn ich erhöhet werde von der Krde, so will ich sie alle
zu mir ziehn (Evangelium Johannis XII, 32) und für eine Parallele zu den bekannten Prophezeiungen
des Jesaias, denen die gleiche Symbolik zu Grunde liegt: Die Wölfe werden bd den Lämmern
wohnen, und die Pardel bei den Böcken liegen. Hin kleiner Knabe wird Kälber und junge I-öwen
und Mastvieh mit einander treiben (Jesaias XI, 6 0. LXV, 25}. Daher spielen die Kirchen-
schriftsteller, Gemens Alexandrinus, Gregor von Nyssa, Chrysostomus, I .actanz u. s. w. gern auf
DkMIMMitMtaOlK o™i«. ■ «> , —
Alle Malerei ja den CaJIislu* - Katxktimben.
den orphischen Mythus an, wie sich eben dieselben oft auf die mystisch-theologischen Dichtungen
über den Ursprung der Götter und die Entstehung der Welt berufen, welche den Namen des
Oqiheus trugen. Ks kann uns daher kaum überraschen, wenn der Gegenstand eine Zeitlang bei
den römischen Christen recht beliebt war. Das gegenwärtige Deckengemälde, das wir auf unserer
Tafel gebracht haben, ist die beste Darstellung davon; mit unbedeutenden Variationen findet sich
dasselbe Süjct noch häufig, z. B. an einem Arcosolium, gleichfalls in den Callislus-Katakomben,
das wir umstehend abbilden, und in der Capelle der vier Evangelisten in den Katakomben der
heiligen Nereus und Achilleus, wiederum an der I>ecke- In Marmor ist uns nur eine einzige
Ausführung bekannt, nämlich an einem Sarkophag, den man in Ostia entdeckt hat, in Mosaik
oder in Miniaturen keimt
Auf dem erwähnten Sarkophage entspricht dem Orpheus ein Tobias oder ein Fischer: die
alte Kunst stellt sowohl Christus selbst als auch seine Schüler gern als Menschenfischer dar, und
einen solchen glauben wir auch auf einem der vier, biblische Geschichten enthaltenden Trapeze
zu erkennen (i). Die Auferweck ung des Lazarus (j) ist eine andere, vielbehandelte Scene des
neuen Testaments: wir begegnen ihr in Katakomben und in Kirchen, in der Malerei, der Mosaik
und der Plastik, auf Grabplatten und auf Sarkophagen. In frühen Darstellungen dieses grossen
Ereignisses erscheint Lazarus als eine kleine, mumienähnliche Figur, mit Binden umwickelt, das
Haupt mit einem Tuch umwunden, nur das Gesicht unbedeckt; auf unserem Bilde sieht er fast
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wie eine Schmetterlingspuppe aus. Vor diese Figur, die aufrecht am Eingang eines kleinen Temjwls
steht, tritt der Herr und berührt sie mit einem Stabe; in einigen Fällen erhebt er die Hand nur
zum Segen nach lateinischem Ritus, in noch anderen legt er sie dem Lazarus aufs Haupt Kur
auf gallicanischen Sarkophagen liegt der Todte ausgestreckt auf dem Boden Entgegen der Bibel
geben die Künstler dem Grabe Flügclthüren (die hier wie die Platte an einem Secrctär zurück-
geschlagen sind), während es in Wahrheit mit einem Steine verschlossen war; übrigens ent-
spricht auch die Gruft, welche man heutzutage in el-Azariye oder Bethanien zeigt, keineswegs
einer jüdischen Grabanlage.
Man liebte es in jenen frühen Zeiten alt- und neutestamentliche Süjets, zwischen denen irgend
eine reelle oder scheinhare Analogie obwaltete, nebeneinander zu stellen, und so entspricht auf
unserem Gemälde dem Christus, der den Lazarus auferweckt, ein Moses, der einen Kelsen mit
seinem Zauberstab berührt (3). Unverkennbar ist die äusserliche Achnlichkeit beider Vorgänge ;
aber man fand auch eine innerliche heraus. Das Wasser, welches aus dem angeschlagenen Kelsen
quoll, war ein Vorbild des Taufwassers und der göttlichen Kraft und Gnade, welche aus
dem Christusfclscn entsprang; noch in unseren Bibeln wird 2. Mose XVII, 6 als eine Parallel-
stelle zu 1. Corinther X, 4 cilirt. Christus kommt hier in eine gewisse Collision mit Sanct Peter
und in der That wird nicht nur dem Moses meist die traditionelle Physiognomie und Tracht des
Apostels gegeben, sondern auch die Gefangennahme des letzteren mit der Tränkung Israels
combinirt. Das letzte der vier historischen Trapeze endlich zeigt einen Daniel in der L~>wengrube,
über dessen Bedeutung wir eben, auf Seile 205, gesprochen haben (4).
V.
Wenn die Heiden beteten, so streckten sie beide Hände (duplices ad sidera palmas) stehend
gen Himmel aus, eine schöne und verständliche Geberde. Die Christen beteten anders; sie standen
auch, breiteten aber die Arme aus, ohne sie zu erheben — ne ipsis quidem manibus sublimius
elati-s sed temperate ac probe elatis, wie Tertullian sagt. Noch heute giebt daher das römische
Messbuch dem celebrirenden Priester folgende genaue Vorschrift: CeMrans exttndit manus ante
fiectus, i/o ul palma im ins manu* rttpiciai altera* ei digitit tmud juneiis, guorum sumtuitas
humerorum altiludimm dis/aiitiniinfut non txttdat: </uod in omni exltnsitmt manuum ante pectus
stn<atur. S/ans autem, ul sitpra exleusis nutniiiis, dicii Oraliimem.
In dieser Stellung sind in den Katakomben Männer wie Frauen vielfach gemalt vielleicht,
dass die letzteren einmal die christliche Kirche symbolisiren sollen, gewöhnlich sind es Porträts
der Todten, den Photographien zu vergleichen, die man hin und wieder an den Denkmälern der
Campi Santi trifft, daher auch oft mit Halsbändern und Schmucksachen überladen, nicht um ihren
Keichthum in diesem Leben, sondern um ihre Glorie und Herrlichkeit in jenem anzudeuten ; Jung-
verstorbenen gab man wohl einen flüchtigen Vogel als Attribut. Man nennt sie Oranti oder Betende.
Wir reproduciren eine derartige Orantin ; links von ihr stehen die drei Männer im feurigen
Ofen, in phrygischer Mütze, kurzer Tunica und Beinkleidern, gleichfalls betend, Vorbilder unserer
eignen von den Flammen der Hölle erlösten Seelen; rechts sehen wir die Geschichte des Propheten
Jonas, die einen sehr beliebten Typus für Christi Auferstehung abgiebt. Sie zerlallt in drei, zu
einem compendiösen Bild verbundene Scenen:
a) Der splitternackte Prophet wird ins Meer geworfen und von dem grossen Fisch ver-
schlungen. Derselbe ist eine Art Seeschlange mit langem Hals, starkem Kopf, grossen Ohren
und geraden Hörnern; er gehört nicht sowohl zu der Gattung der schwarzen Walfische, als
vielmehr zu dem Geschlechtc der Pistrices, er ist eine Pistrix.
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b) Jonas wird von dem Fisch ans Land gespieen. Brehm, welcher nicht wie Scheffel an
einen Walfisch, sondern an einen Haifisch denkt, sagt, ein ähnlicher Fall solle in der That ver-
bürgt nämlich ein von einem Haifische verschlungener Matrose wieder ausgespien worden sein,
nach dem der Capitän den Räuber mit einer Kanonenkugel zum Tode getroffen hatte-.
c) Jonas liegt, auf den linken Arm gestützt, scheinbar bekümmert, in seiner Kürbislaube, die
wie eine Weinlaube aus einem I-attenspalier besteht IXr Kürbis ist thatsächlich der schnellwachsende
Wunderbaum (Ricinus communis), der in Oberäj;ypten jedes Bahnwärterhaus beschattet.
Mit anderen Worten: unsere süsse schlafende Schwester wird auferstehn — ihre Anima
pura et munda wird, gleich den drei Männern erlöst, gleich Jonas und gleich Christus vom
Tode befreit, ins Paradies eingehen — sie wird das ewige Leben haben, den fromme Wunsch
erfüllend, den ihr ihre Verwandten in unzähligen Variationen nebst einem X au ** s Grab
geschrieben haben: VIVAS IN DEO.
Was soll er anders bedeuten, als dass unser Dasein nicht mit dem Tode aufhört und dass
die Grüsse dieser Erde auch auf das zukünftige Leben übertragen werden können — dass wir
gleich den Pfauen, die mit ausgebreitetem Schweife so häufig die I.aibungen der düstern (je wölbe
füllen, prachtvoll aufsteigen und unsere goldaugigen Räder schlagen werden.
Wie man auf unseren Tafeln Truthähne, Fasanen und andere Vögel aufputzt, indem man
sie in einen Laib Brot bettet und die Flügel mit den Federn und den radförmig ausgebreiteten
Schwanz daransteckt, so servirte man schon im Alterthum den gebratenen Pfau mit all seinem
Federschmuck. Der Pfau feierte mithin bei Tisch seine Auferstehung, ja er schien geradezu einer
Art Unsterblichkeit zu gemessen : man balsamirte ihn nämlich öfters ein, indem man ihn mit aroma-
tischen Kräutern füllte, wo er dann Jahre lang aufbewahrt und Jahre lang von der schönsten Dame
unter Trompetenschall auf goldner Schüssel aufgetragen werden konnte. Das geschah allgemein
bei grossen Banketten zur Zeit des Mittelalters, aber es geschah wahrscheinlich bereits znr Zeit
der Ofellus und der Hortensius, und es mag darauf die bereits von Augustin erwähnte Sage
zurückzuführen sein, dass das Fleisch des Pfaues nicht verwese: Quis enim nisi Deus creator
omntum dedit cami pavonis mortui ne putresceret? — Am Ende hängen wir doch ab von
Creaturen, die wir machten; so mochten schon die alten Aegypter an eine Fortdauer nach dem
Tode glauben, weil sie diese Fortdauer künstlich herbeizuführen pflegten. Jedenfalls galt der
Pfau, so wenig er sich sonst mit der christlichen Weltansicht vertrug, frühe für ein Symbol der
Unsterblichkeit, der Auferstehung und der himmlischen Herrlichkeit, daher noch Hans Memling den
Engeln Pfauenfedern in die Flügel setzte; er ward ein zweiter Phönix.
Dem Dichter Ennius erschien der Vater Homer im Traume und eröffnete ihm, er sei ein
Pfau geworden (memini ine fieri pavum). Es war dies wohl eine pythagoreische Vorstellung:
als Symbol das gestirnten Himmels und der Juno, der Himmelskönigin , war der Pfau das
rechte Thier, Homers Genius zu herbergen und zu hausen. Vielleicht dass er in den christlichen
Katakomben geradezu den gestirnten Himmel vorbedeuten sollte, der an den Gewölben der
ägyptischen Königsgräber prangt. Vielleicht dass des Christen Seele gleich dem Homer in den
nächtlichen Pfau eingehen sollte, dass sie eins seiner tausend Au^en. eine Feder an seinem
glänzenden Schweife zu werden hoffte.
Naturam expellas furca, tarnen usque recurret. Steigt in Gräber hinab, entsagt dem Licht
des Tages, verjagt den Pfau der Juno aus Haus und Hof und aus eures Herzens Kammer, er
kehrt flugs zurück; und wie ihr den Schein der Kerzen, die auf eurem Altar brennen und
die Gluth eurer Weihrauchfässer vom Sonnenlicht geborgt habt, so schlägt der HimmeLsvogel
Über den Särgen sein königliches Rad, das Sternenzelt abbildend, dessen Anblick uns stärkt wie
eine Heimat und über dem ein guter Vater wohnt
i«
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Santa Maria in Domnioa und San Lorenz/) fuori le Mure.
^ ' nschri ^ ten ""^ anderwärts wird dem Leser der Anklang ans Griechische, die Fülle
;'A '■ griechischer Formeln und griechischer Namen aufgefallen sein, die cinigermassen an
'JfcWfXßm. das massenhafte Eindringen französischer Elemente in unser Deutsch erinnert In der
PW^V' That man man, um sich in dem altchristlichen Rom zurechtzufinden, ebensoviel Griechisch
;jpf verstehn als Lateinisch. Die griechische Sprache ist ursprünglich die des Neuen Testaments
und der römischen Liturgie gewesen, mindestens wurde sie in den frühesten Zeiten ebenso
B häufig angewandt wie die lateinische, überwog sogar, entartend und Vocale und Diphthong«:
|| verwirrend, in den Krypten. Da liest man einmal überlas andere: Elfim 001 ijf», Friede
sei mit dir, oder £i,if«i< h xrgitf, magst du leben im Herrn, oder Xfunis pttü nur, Christus
cl, sei mit dir, oder Ifäfti, sei getrost; da findet man unter den „y**" 1 bald eine
% BUntt, bald eine 'Khtif, bald eine My«*,, bald eine 3mt<nU*%, bald eine süsse Glyco
die Namen Praxedis, Callistus, Theodora, ja die der drei ersten Päpste: Petrus, Linus, Cletus
waren alle griechisch; ja, wie bereits der antike Wunsch: Sit tibi terra levis, sei dir die Erde
leicht eine griechische Quelle hatte, so sind auch viele lateinische Redensarten der christlichen
Acra nicht einheimisches Gut, sondern Uebersetzungen aus dem Griechischen gewesen, das
fiquiscat in pac? geht dem } üvinui<atv lv »l^iy, das jtolite dolcre fiarentes, hoc fai iitndum fuit
dem ,tti) Xvnoi, Uxvor, oiJtlj <i&«rmo;', das prvas in dctt dem parallel, und unter
nationaler Maske verbirgt sich ein fremdes Blut.
So mag auch die Bezeichnung des Sonntags als des Herrcntags von Osten gekommen sein.
Wer heutzutage in Griechenland reist, der Ist sicher, die Bekanntschaft irgend einer A'ig(«x^ zu
machen, wie er in Italien nicht selten einer Domenica begegnet : beides sind Sonntagskinder. Der
Sonntag heisst nach der wohlbekannten Stelle (/r* I» nnifuat lv »gMMj jßfff) auf grie-
chisch $ xi-fiax!) fotfa, und es ist wahrscheinlich, dass dieser Ausdruck zunächst nur den ersten
Tag der Woche bedeutet hat; er wurde dann von den Römern in Dominica dies übersetzt. In
gleicher Weise entsprechen sich die beiden Frauennamen AYgi«^ und Domenica, zwischen denen
ein dritter in der Mitte steht: Cyriaca.
So hiess eine heilige Frau, die in der Geschichte der alten Kirche oft genannt wird. Sie
lebte um die Mitte des dritten Jahrhunderts und besass ein Haus auf dem Hügel Coelius. In
diesem Hause pflegten sich damals die Christen zu versammeln; in ihm war es, dass der heilige
Laurentius, der erste unter den sieben Diaconen der Kirche, und als solcher mit der Verwaltung
der Kirchengüter betraut, die letzteren, um sie nicht in feindliche Hände fallen zu lassen, vor
seinem Martyrium unter die Armen austheilte, eine bekannte, durch die Kunst vielfach, z. B. von
Fiesole in der vaticanischen Laurentiuscapdlc verherrlichte Scene. Besagtes Haus scheint mithin
eine der sieben Diaconiae gewesen zu sein, das heisst, eins jener Locale, in welchen die Diaconen
an die Armen Nahrungsmittel und Almosen auszutheilen pflegten, und die zu diesem Zweck mit
einer Halle, sowie mit einem Oratorium versehen waren: diese sieben Diaconien mit ihren sieben
Die ConTession von San Lurcnzo fuori le ruura.
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Diaconen entsprachen den sieben kirchlichen Regionen, in welche Fabianus 838 das christliche
Rom cinth« Ute; die Superintende nt hatte ein Archidiaconus, dessen Amtswohnung nachweislich
neben Cyriaca's Hause stand. Nachmals wurde die Diaconie Cyriaca, respective das Oratorium
derselben, zum Range einer Kirche erhoben, was, als sie keinen Zweck mehr hatten, auch mit
den übrigen geschah : solcher Diaconatskirchen giebt es vierzehn, deren jede einem Cardinal-
Diaconus zugewiesen ist: und es wird uns nun, nach dem Obigen, erklärlich sein, warum man diese
der Maria gewidmete Kirche Santa Maria in Domnicu = Dominica betitelte.
Dass die Person der heiligen Cyriaca nicht gleich der heiligen Pudentiana ein blosser
Mythus sei, dafür spricht die Thatsache, dass auch ihr Martyrium vom 7. Juli 2S2 bekannt ist
und dass es Katakomben der heiligen Cyriaca gibt, in denen sie ihrer/cit nebst dem heiligen
Laurentius beigesetzt wurde. Neben dem Beinamen ,in Domnita' fuhrt die Marienkirche auch den
,della Navicella', weil in der Vorhalle einst ein marmornes Schiffchen, eine Navicella aufgestellt
war, vennuthlich von einem Seefahrer ex voto aufgestellt war, denn Votivschiffe sieht man noch
heute in italienischen Hafenstädten, zum Beispiel an der Riviera, vielfach in den Kirchen an der
Decke hängen : abhanden gekommen und vergessen, wurde es kurz vor der Wahl Leo's X. in
Stücken aufgefunden, als ein besonderes < )men, als das Schiff des Aesculap gedeutet und nach
seinem Muster ein neues angefertigt, welches noch auf dem Kirchhof steht. I^t» X., der als
Cardinal Archidiaconus von S. Maria in l>omnica gewesen war, erneuerte die Kirche überhaupt;
um 820 hatte das Paschalis I. gelhan, derselbe Paschalis, den wir als Gründer, resj>cctive
Restaurator der Caecilien- und der Praxediskirche kennen. Die lateinischen Hexameter unter den
Mosaiken, mit denen er die Tribüne schmückte, wollen besagen, dass sie nach seiner Wieder-
herstellung wie Phoebus strahle, wenn er die Schatten der Nacht vertreibe:
ISTA IM)MVS MÜDEM FVBRAT CONFRACTA RV1N1S
NVNC RVT1I.AT JVUTER VARI1S DKCORATA UETALLIS
KT DBCVS ECCE SVVM SHiENnfiT CEV PHOEBVS IN ORBG
yvi post fvrva i'vu.vr tktrae veeamina sijctis
VIRCO MARIA TIBI I'ASCIIAI.IS l'RARSVL HOHBSTV8
CONOIOIT HANC avi.am i.aktvs per saecia manknham.
Die Mosaiken selbst sind im Stil derer von S. Cecilia gehalten; sie zerfallen wie gewöhnlich in
zwei Compositionen, nämlich in die
a) an der Stirn des Gewölbes. Christus sitzt, die Füsse auf dem Firmament,
zwischen zwei Engeln und den zwölf Aposteln; unten an den Schenkeln stehen in vergrößertem
Massstabe zwei Propheten, die auf ihn hinzudeuten scheinen.
b) an der Laibung des Gewölbes. Das Centrum nimmt nicht Christus, sondern
{das erste Beispiel dieser Modificalion) die Mutter Gottes ein: sie sitzt auf einem Throne und
hält kein Kind, sondern einen Zwerg auf dem Schoosse, welcher den Segen ertheilt Engel
stehen rechts und links in Rotten aufgereiht, vor ihr kniet, als Lebender durch einen viereckigen
Nimbus bezeichnet, Paschalis und küsst ihr den rechten Fuss, den er mit beiden Händen fasst:
das Knien wird ihm sauer. Auf dem Boden blühen Blumen, zwei Topfgewächse bilden, der
inneren Wölblinie folgend, die halbkreisförmige l'mrahmung; am Scherte), wo die Stengel
zusammentreffen, bemerkt man das Monogramm: |£
c
II.
Wenden wir uns nun von der Diaconie zum Diaconus, von der heiligen Cyriaca zum
heiligen Laurentius, der aus Spanien gebürtig gewesen sein soll, den man aber vielmehr für
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einen Sohn der alten lateinischen Stadt Laurentum halten sollte. Jedenfalls war er römischer
Bürger, arm an irdischen, reich an himmlischen Gütern, den seine ausgezeichnete Begabung, mehr
noch eine grosse Herzensreinheit bereits in früher Jugend dem Papst Sixtus (257—258) empfohlen
hatten: er ernannte ihn, wie gesagt, zum Archidiaconus. Eben als solcher ward er ein Gegen-
stand der neuen Christenverfolgung, die ihren Anfang unter Valerianus genommen und die es
speciell auf die Geistlichkeit, auf die Bischöfe, die Priester und die Diaconen abgesehen hatte:
ein Rescript an den Senat ordnete an, dass sie samt und sonders ohne Aufschub aus dem
Wege geräumt werden sollten; waren erst die Hirten fort, so hoffte man schon auch die Heerde
zu zerstreuen. Sixtus II. kam zuerst an die Reihe : er wurde nebst vier andern Geist-
lichen in den Katakomben des Praetextatus in dem Augenblick verhaftet, wo er vor der knieenden
und sich dreimal bekreuzigenden Versammlung beim Anschlagen des Mcssglöcklcins die Hostie
emporhob. Als man ihn zur Hinrichtung abführte, folgte ihm Laurentius; wo gehst du hin, mein
Vater, sagte er traurig, ohne innen Sohn? Warum nimmst du, 0 hoher Priester, deinen Diener
nicht mit- Wodurch hat er es verdient, dass da ihn znrüeklässt ? Ihn ich dem rechter Dia-
conus, würdig das Blut unseres Herrn Jesu ansziilhei/en, so zeige mir's. — Nein, antwortete
Sixtus, nein, mein So/in, ich lasse Dich nicht zurück, aber dir stellt ein heisserer Kampf bevor:
wahrlich ich sage dir, in dreien Tagen wirst du mir nachfolgen (6. August 258).
Noch an demselben Tage zeigte sich der Anlass, die Prophezeiung des sterbenden Papstes
zu erfüllen. Laurentius sass still zu Hause, da pochte es an die Thür. Ks waren zwei Schergen,
die der Praefect, Cornelius Saecularis, abgesandt. Vor ihn wurde der Waconus geführt; er
sagte : Es ist mir zu Ohren gekommen, dass Ihr Pfaffen in Huren Kirchen viele Sehatze und
Aleiuodieu habt; Ihr braucht hei euren Functionen goldene und silberne de fasse. Ihr seid reich
und eure Glaubensgenossen wetteifern, euch mich reicher zu machen. Gieb sie heraus, deine
Schätze! I>et Kaiser braucht Geld, er braucht Geld für die Soldaten; du tiehst, wie gnädig
ich gegen dich gesinnt bin, weiter soll dir nichts geschehn! . Iber schaffe die Kirchenschätze! —
In Wahrheit, erwiderte Laurentius, die Kirche hat viel Reich th inner und grosse Sehätze; gebt
mir zwei 'läge Zeit, so werde ich sie euch bringen.
Und , nicht unähnlich jener Cornelia , die ihre Kinder als ihren alleinigen und höchsten
Schmuck bezeichnete, brachte er ihm die Armen der Gemeinde die wahren Schätze der Kirche
— die Blinden, die Lahmen, die Krüpjiel, die Witwen und Waisen, denen nach des Krlösers
Wort das Himmelreich gehört.
Das sind, so sagte er zu dem verdutzt dreinschauenden Praefecten, das sind unsere
goldenen und silbernen Gcfässe, unsere Perlen und Edelsteine: das Gold, das du begehrst, ist
nur ein verächtliches Metall, ungezählter Sunden Anfang; das wahre Gold ist die Seele, die
täglich wie die Sonne l'crgotd geht; ich habe mein Wort gehalten.
Unter seine Armen hatte I-aurentius vorher wohlweislich vertheilt, was er in der Kasse
hatte, ja, er schonte nicht einmal die heiligen Gefasse, sondern machte sie zu Geld und
verschenkte den Erlös.
msi'KRsrr, dedit pavperibvs,
also steht auf dem offenen Buch geschrieben, das der Märtyrer als Diaconus in der Hand
zu halten pflegt
Der Praefect schäumte vor Wuth ; er Hess ihn peitschen ; und da Laurentius darum seine
Rede nicht besserte, befahl er, ihn in dm Thermen der Olympias (San Lorenzo in Paneperna)
nackend auf einen eisernen Rost zu legen und langsam zu verbrennen. Es war dies eine nicht
ungewöhnliche, unter dem Namen Catasta bekannte Art der Hinrichtung: ein Rost hiess eigentlich
Craticula, Diminutiv von Crates, und daher spricht man gewöhnlich von der Graticola di San Ix>rcnzo,
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Tabernakel über dem Ha^uptallar von San Lorcnzo fuori le mura.
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doch darf man solche Craticula nicht mit der Crates verwechseln, die ebenfalls zu Executionen diente :
das war eine Hürde, die man über den Verbrecher warf und mit Steinen beschwerte (sub cratc
necari). Laurentius wurde also nicht wie Stephanus gesteinigt, sondern wie ein Stück Fleisch auf
einem Rost gebraten: die Legende sanetionirt diesen unwürdigen Vergleich, indem sie ihn dem Meiligen
in den Mund legt. Mit übel angebrachtem Humor sagte er nach einer Weile: Au/ der einen
Seite bin ich braun, Wtndti mich! Und abermals nach einer Weile rief er dem Tyrannen zu:
Mm bin ich durchgebralcn, du kanmf anjangen zu essen. Endlich erhob er seine Augen gen
Himmel, betete inbrünstig zu Gott, dass Rom, seine geliebte Adoptiv- Vaterstadt, bekehrt werden
möge, und entschlief- Etliche Senatoren, Glaubensgenossen, trugen den verkohlten Leichnam auf ihren
Schultern in die Katakomben der heiligen Cyriaca an der Strasse nach Tivoli (Via Tiburtinaj,
S. 1. .f. i. ilMX lc n. in..
auf den sogenannten Ager Veranus: das Martyrium fiel auf den 10. August 2$&. Sixti und
Laurentii waren die grossen Erntefeste der römischen Kirche: noch heute werden am 10. August
in der Campagna die Stoppeln verbrannt, speciell ist es der Emtetag für die Nüsse. Am
10. August 1557 siegte Philipp 11. I>ei Saint Quentin, und deshalb machte er dem heiligrn
Laurentius (San l-orenzu el Real de la Vittoria) einen monumentalen Rost, den Escorial, dessen
vier Eck -Pavillons die Füsse, dessen (Juergcbäude die Stäbe, dessen Seiten den Rahmen des
Rostes bilden, während die Kirche den Griff darstellt. Das Original existirt auch noch; es ist
2 m lang und bildet die Hauptrelitjuie der uralten Titularkirche San I.orenzo in Lucina, von
welcher jederzeit der älteste Cardinalpriester den Titel entlehnL
Die qualvolle Hinrichtung eines römischen Bürgers war nichts Kleines: sie ist von Prudentius
besungen und vielfach abgebildet worden. Wir bringen eine sehr alte Darstellung des Martyriums,
die sich in der Vaticanischen Bibliothek auf einer hlriernen Medaille aus dem fünften Jahrhundert
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findet. Der Märtyrer liegt auf dem glühenden Roste, ein Henkersknecht hält ihn an den Füssen
fest; ihm gegenüber sitzt, ein Scepter in der Hand, irinen I«orbcrkranz auf dem Kopf, auf einer
Sella Curulis der Praefcct, vor letzterem steht ein Beamter : über dem Haupte des Heiligen bemerkt
man das Chrisma oder das Monogramm Christi (-f-), rechts, zwischen Alpha und Omega, in
weiblicher Gestalt, die Seele, die ihn verlässt, mit ausgebreiteten Armen aufsteigend und gekrönt
von Gottes Hand, welche einen Kranz herabreicht. Die Medaille wurde für eine Laienschwester
Namens Successa (SVCESSA VI VAS j ausgeführt, dit| sie umhängen und an der massiven Oese
tragen wollte : auf dem Revers sieht man sie , wie sie mit einer Kerze vor das korbartige , oben
mit Henkeln versehene, aber offene Grab des heiligen Laurentius tritt.
III.
Auch wir treten jeut vor das Grab des heiligen Laurentius vor den viereckigen Schrein,
in dem seine Reliquien nebst denen des andern grossen Diaconus, des Collcgcn Stephanus, auf-
bewahrt werden, und der, von einem metallenen Gitter umgeben, wahrscheinlich mit dem Korbe
auf der Medaille gemeint ist. Ueher ihm erbaute Constantin der Grosse an Ort und Stelle,
ausserhalb der Mauern
(foris muros) eine Basilica.
eine der fünf Patriarchal-
und eine der sieben Pilger-
kirchen, die im Jahre 578
von Pelagius II. neu ge-
baut, dann unter Hono-
rius III. im dreizehnten
Jahrhundert durch Verle-
gung der Front und An-
fügung eines Langschiffes
viel wie begraben werden
von Grund aus verändert,
auch später noch oft re-
staurirt ward, zuletzt unter
Pius IX., der sie mit neuen
Gemälden schmückte, die
ältere zugeschüttete I Iälfte
ausgrub und daneben, Ka-
takomben auf Katakomben,
den Campo Santo der Stadl
anlegte. .Andar a San
Lorcnzo' heisst in Rom so
es ist ein Feld nicht erst seit gestern heilig, ein Acker voll alter
verdorrter Beine, wer zu Lorenz geht, der findet gute Gesellschaft aus dem dritten Jahrhundert
und eben den Stephanus des Westens, dessen Kirche unmittelbar und unauflöslich mit dem grossen
römischen Friedhof zusammenhängt. Man erzählt, dass De Rossi dereinst draussen in der Cam-
pagna in eine Katakombe hinabgestiegen, irregegangen und auf gut Glück unter der Erde weiter-
gewandert sei, um einen Ausweg zu entdecken: auf einmal vernahm er zu seinem Erstaunen
Kirchengesang und Orgelspiel : er kam näher und näher, stiess eine morsche Thüre auf und stand
— in der Basilica von San Lorenzo.
Wie ein Todcsengcl, wie ein Wegweiser und Führer der Seelen, ein chrisdicher Psycho-
pompös beschreitet er die Säule vor der Kirche, begrüsst er die ankommenden
omn« una manet nox
el calcanda ümd via i.autenti.
Seine Basilica ist also eine richtige Katakombenkirche, sie ist als ein altes, stetig erweitertes
und verschönertes Cubiculum und als eine grosse Krypte zu betrachten, in der die kleine, anfängliche
jetzt Confession genannt wird : die Kirchen der ersten Jahrhunderte sind alle entweder aus Haus-
capellen oder aus solchen Gräbern hervorgegangen, erst später ward dieses Verhältnis umgekehrt
An der Facade über der Vorhall«! sind die Gründer und Plleger von San Lorenzo, die Constantin,
die Pelagius , die Honorius , die Pius in mosaikartigen Malereien auf Goldgrund dargestellt : Pio
Nono trägt als letzter die Basilica auf der Hand Diese Facade gleicht dem Titel eines Buchs,
226
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auf dem mehrere Autoren als Verfasser namhaft gemacht sind : jeder hat ein Stück davon
bearbeitet — Pelagius schrieb den ersten Haupttheil, Honorius den zweiten: jenem gehört die
hintere Kirche mit den zwölf korinthischen Säulen, diesem die vordere mit den zweiundzwanzig
angleichen Säulen an ; und ihre Werke sind zu einem complicirten Ganzen malerisch und wundersam
verschmolzen, so dass man in der Kirche wie in der Luchsburg bei Alexandersbad die Stulen
hinauf und hinuntersteigt, sich in den Jahrhunderten versehend. Die pelagianische Lorenz-Kirche
liegt nicht wie die Basilica von San demente unter dem Bau des Honorius, sie schlicsst sich
an denselben an, es ist keine Unterkirche, sondern eine Hinterkirche : dabei aber hat sie doch ein
(j, 8 m) tieferes, erst durch Treppen zugängliches Niveau, welches eben das Niveau der alten
Krypte ist, und in ihr selbst, in ihrem Mittelschiffe ist wieder bei dem Umbau des Honorius in
Krcnrguig <Iet Klinten S. Ijmmn} fnvri le i — k .
halber Säulrnhühe eine Kstrade gelegt und ein Chor eingerichtet worden, zu dem neben der Confession
rechts und links sieben Stufen hinanführen. Sie, urprünglich selbst eine und zwar eine dreischiftige.
ausnahmsweise mit einer Kmporc versehene, also zweistückige Basilica, bildet jetzt das Sanctuarium
der Vorder-Basilica, in welchem noch, nur verkehrt, der alte Triumphbogen mit den alten Mosaiken,
frühen byzantischen Stiles (5 79) stehen geblieben ist — die Figuren, von denen wir auf unserer
Tafel eben noch vier Küsse M'hcn, auf der einen Seite l.aurentius und Pelagius, die Sanct Peter
dem Heiland zuführt, auf der andern Seite Stephanus und Hippolytus, die durch Sanct Paul vor-
gestellt werden, haben wenig von ihrer Ursprünglichkeit bewahrt : AUes trägt Weiss, Christus sitzt
auf der Weltkugel, Bethlehem und Jerusalem, seine Wiege und sein Grab, stützen die ganze
bemerkenswerthe Composition. Dagegen wurden die beiden alten Ambonen, die mit Porphyr
und Serpentin in musivischer Kinrahmung belegt sind und von denen der des F.vangeliums mit
dem löwenhaltenden Adler so einfach, wie reizend ist, nebst dem gewundenen , lüwengetragenen
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Osterkerzenleuchter in das Mittelschiff der Honoriuskirchc übertragen. Auf dieser originellen
Verschmelzung zweier heiliger und reicher Basiliken zu einem einheitlichen Bilde, welches durch
die bereits erwähnte Empore mit den zierlichen Säulen, den kunstvollen Archivolten, dem aus antiken
Fragmenten zusammengesetzten Gebälk in seltener Weise gehoben wird, beruht der überraschende
Ajiblick dieser Kirche und ihr unerschöpflicher Reichthum an malerischen Perspectiven, den wir
mit drei Vollbildern zur Geltung bringen wollten. Uebrigens ist sie wie wenige, nebst dem
anliegenden Klosterhofe ein Sammelsurium von allerhand Raritäten und Antiquitäten, eine Kumpel-
kammer voll verstaubter Sarkophage, voll antiker und mittelalterlicher Trophäen und Bildwerke,
Batrachier und Saurier, anziehend für den Gelehrten, anregend für den Laien und doch mitten
in seinem Glänze, auf einer seiner heiligsten Stellen an das Fragmentarische, an das Epigonenhafte
des christlichen Roms erinnernd.
Sant.' Agnese fuori le Mura und die Agnese - Katakomben.
L
um 21. Januar, Vormittags sieht man Jung und Alt, Arm und Reich durch die Porta
Pia hinaus in die Campagna, auf das schneebedeckte Sabinergebirge zu, die alte Via
Nomentana entlang und in der Richtung der gleichnamigen Aniobrücke ziehen. Da
■ folgen sich die fürstlichen Equipagen und die einfachen Droschken in langer Reihe,
JL und dazwischen hindurch drängen sich die Schaaren der Fussgänger, der Spiel-
leute, der Marketender und der Bettler. Wo geht es hin ? Wollen sie eine Wallfahrt
nach Mentana unternehmen ? Wandert die Plebs abermals auf den Möns Sacer aas ? —
ht nach Sant' Agnese , am 21. Januar ist das Fest der heiligen Agnes, in der
alten Kirche, die Constantin der Grosse über dem Grabe des jungfräulichen Lammes
auf Bitten seiner Tochter Constantia gegründet hat, der man übrigens dieses hohe Alter
nicht gleich ansieht, werden heute zwei wirkliche Lämmer feierlich gesegnet. Auf dem
Altäre liegen sie, rosenbekränzt und mit seidnen Bändern geschmückt, wunderbare, lebendige
Symbole: nach dem Hochamt vollzieht der Abt von San Pietro in Vincoli ihre Weihe, worauf
sie einem Würdenträger vom Lateran übergeben werden, der sie dem Papste bringt: der heilige
Vater bestimmt ein Nonnenkloster, in dem sie auferzogen werden sollen, gewöhnlich das Kloster
des Jesuskindleins (Bambin Gesü), gegenüber S. Pudenziana. aber auch das von S. Lorenzo in Pane-
perna, oder die Kapuzinerinnen: eins von ihnen kommt (agnos vivos volunt vorare et in pariete
pictos adorare!) am nachfolgenden Charfreitag auf die päpstliche Tafel. Aus der Wolle beider
aber werden die bereits erwähnten Pallien gewebt. Das Pallium, ein weisswollener Kragen, der
um die Schultern gelegt wird, bis zum vierten Jahrhundert ein ausschliessliches Abzeichen der
rumischen Bischöfe , erinnert an die Pflicht des guten Hirten , die verirrten Schafe nach Jesu
Beispiel „mit Freuden auf seine Achseln zu legen und heimzutragen": dem guten Hirten werden
wir in den anliegenden Katakomben wiederholt begegnen. Da die Bischöfe diese Pflicht von
Petrus überkommen haben, dem Christus seine Schafe zu weiden ausdrücklich anbefahl, so werden
die Pallien am Vorabend vor dem Feste Pctri auf seinem Gral«; niedergelegt und hierselbst vom
heiligen Vater den abendländischen Erzbischöfen verliehen.
Obgleich das von der Kirche Alles in einen überraschenden, tiefsinnigen Zusammenhang
228
gebracht ist, so muss man doch bekennen, dass gerade die Pointe des Ganzen, die Lämmerweihe,
auf einer irrigen Voraussetzung beruht, nämlich auf der, dass der Name Agnes mit dem lateini-
schen Worte Agnus eine etymologische Verwandtschaft habe. Die heilige, von allen Kirchenvätern,
namentlich aber vom heiligen Ambrosius gefeierte Agnes wurde wie Caecitia um das Ende des
dritten Jahrhunderts in Rom geboren, und zwar gleichfalls in einem vornehmen, aber christlichen
und frommen I lause. Kaum zwölfjährig, wurde das schöne Mädchen von vielen Seiten zur Ehe
begehrt, unter Andern von einem gewissen Simplidus, dem Sohne des Präfecten Symphronius.
Aber sie, die sich als Christi Braut betrachtete, schlug jeden Heiratsantrag aus und blieb auch
auf ihrem Kopfe, als der Stadtpräfect selbst ein gutes Wort für seinen Sohn einlegte. Damals
(303) wüthete gerade die fürchterliche Christenverfolgung des Kaisers Diocletianus, und so kam
es, dass die eigensinnige Jungfrau als Christin angeklagt und vor Gericht geschleppt ward. 13er
Richter war der abgewiesene Vater selbst: er versuchte es im Guten und im Bösen, mit
Drohungen und Bitten, Ketten und Schmeichelein, er konnte sin nicht dahin bringen, ihren Glauben
stehend, vor
den unheiligen
Opferflammen
der Venus be-
zeichnete sie
sich mit dem
Kreuze. Da
wollte ihr der
Tyrann das
Allerschlimm-
ste anthun :
er sagte, er
würde sie, um
ihren Starrsinn
zu brechen,
von zwei Sol-
daten nackt in
ein Bordell abführen und daselbst prostituiren lassen. Gesagt, gethan. In jenen Gemächern an
der Piazza Navona, über denen gegenwärtig die Stadtkirche Sant' Agnese steht und wo
Algardi die Begebenheit glücklich in einem Basrelief geschildert hat, in den Gewölben des
domitianischen Stadiums wurde die heilige Agnes der Schande preisgegeben. Umsonst : ihr goldnes
Haar wuchs und umfloss sie wie ein Kleid: Niemand wagte sie zu berühren: und als sich ihr
Simplidus mit frevlem Mutti- näherte, ward er von einem Blitz getroffen und geblendet — er wäre todt
liegen geblieben, wenn nicht Agnes für ihn gebetet und ihm das Augenlicht zurückgegeben hätte.
Symphronius bebte vor Scham und Zorn : er sollte das Mägdlein nicht zwingen ! Ks ward
zum Tod veruriheilt. Nimmer ging, wie Ambrosius sagt, eine Braut vergnügter zu ihrer Hochzeit,
als die heilige Jungfrau zu ihrer Hinrichtung. Das Volk staunte, ein Wesen, ein Kind zu sehn,
das ein kaum angefangenes Leben so ruhig fahren liess; der Scharfrichter, den man kommen
lassen musste, weil die Flammen nicht verfingen, der Scharfrichter konnte es nicht über's
Herz bringen, sie zu tödten — „was zögerst du. Hinker,'* rief sie, indem sie das geneigte Haupt
erhob, „was haltst du die Braut auf, dit in die Arme des Bräutigame* fliegt? Henker, kannst du
keine Lilie knifken* Bleicher Henker, zittere tu'dtit* — und zitternd und bleich knickte der Henker
die Lilie: sie ging ein am 2 1. Januar 304 und wurde an besagter Stätte, an der Via Nomentana
M
229
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zu verleugnen,
den heidni-
schen Got-
tern zu opfern
und eine Sa-
crijicata, eine
Lapfa zu wer-
den, wie man's
nannte, oder
sich auch nur,
gleich den Li-
Mlatiei,d\xrch
eine falsche
Bescheinigung
(Clibellus) zu
retten: an ih-
ren Altaren
S. Agnes« fuori it raun.
auf einem kleinen Kamiliengrundstücke (pracdiolumi begraben, wo wenig Tage darauf noch eine
andere heilige Jungfrau die Palme des Martyriums erlangte: Emerentiana, die Milchschwester der
heiligen Agnes, die, als sie an ihrem Grabe betete, %'on den Heiden gesteinigt wurde (23. Januar
304). Ihre Ruhestätte ( Cocnuterium S. Apietis in ejusdem agello) ist der Kern der berühmten
Agneskatakomben, wie die Caeciliengruft der Kern der Callistuskatakomben war.
Nun die gebenedeitc Jungfrau, welche die Kirche als ein Muster christlicher Sittenreinheit preist
und der auf einer alten Glasmalerei zwei Tauben den doppelten Kranz der Keuschheit und des
Martyrium reichen :
■ luplcx coron» c*< prentita m.utvri
l"niJtmliu«. Ftriiteph. XIV, J —
diese unschuldige Agnes, die
noch auf den Brettern als
ein Typus mädchenhafter
Schüchternheit und Naivetät
fortlebt, hiess eigentlich nicht
Agnes, sondern Agne, heisst
sie im Gregorianischen Kanon
noch, und dieser Name, das
griechische V/jrrö , bedeutet
die Keusche und die Reine
— man möchte behaupten,
dass derselbe nicht zufällig,
sondern auf die Bildung der
l-egende von Kinfluss gewe-
sen sei. Mit Agnus, Lamm
hat er nichts zu thun, diese
Beziehung gründet sich nur
auf die äusserliche Aehnüch-
keit der beiden Worte. In
Südeuropa wächst einStrauch,
dessen bitterlicher Same den
Geschlechtstrieb unterdrücken
soll, dessen Zweige die
Vestalinnen in ihren Händen
trugen, die Priesterinnen der
Ceres in ihre Betten legten, den
man noch heute in den Klöstern
des Orients zu „Mönchspfef-
fer" benutzt: der sogenannte
Keuschbaumoder dasKcusch-
lamm. Diese Verehrung der
aromatischen Vcrlwnacee, die
dichte, ausgedehnte Gebüsche
an den Flussufern bildet, hat
keinen andern Grund als den,
dass sie im Griechischen den
Namen fiyvoi führt: dieses
ätto; verwechselte man mit
(S/M»» keusch, und schrieb
deshalb als Fürklärung das
lateinische castus bei, woraus
im Mittellatein die taulologi-
sche Benennung .Agnus ca-
stus' entstand : diese über-
setzten wir wiederum, weil
wir Agnos mit Agnus ver-
wechselten, in Keuschlamm.
Die AralMtr nennen die
Pflanze „Hand der Maria." — Das Keuschlamm, das der heiligen Agnes als Sinnbild gegeben wird,
erinnert nur zu stark an die Kette von Irrthümem, die um den zierlichen Strauch herumgclegt ist.
II.
Noch köstlicheren Samen bergen wir trauernd in der Erde Schooss, heisst es in der
Glocke; der Dichter denkt dabei an die Auferstehung. Wir können denselben Vergleich in einem
etwas andern Sinne machen. Der begrabene Märtyrerleib scheint recht eigentlich ein keim-
kräftiges Samenkorn zu sein, das aufgeht und Wurzeln schlägt. Wie eine junge Pflanze durch-
bricht er die Erde, treibt er einen Stengel hervor, wächst er auf zu einem Baume; wie eine
Pflanze schickt er tausend weit verzweigte Wurzeln abwärts.
Der Baum ist die Basilica, die über ihm ersteht, die sich über ihm wie eine Krone wölbt,
J30
an der die Mosaiken wie goldne Früchte hängen, aus der der Glockcnthurm herauskommt wie
ein Ast: die Wurzeln sind die Gräberreihen, die sich unter der F.rde wie Fasern von einem Stock
ausbreiten. Die C.ampagna war der Acker, auf den der Same des Christenthums gestreut ward
— er steht jetzt voller Bäume: diejenigen, die sie steckten, thaten es unter Thränen und in
Hoffnung — wie der Araber die Dattel nicht erntet, die er pflanzt.
So Sant' Agnese. Sie ging auf unter Constantin dem Grossen; unter Honorius I. (625
— 638) war
sie bereits
ein stattli-
cher Kirchen-
baum — ei-
ne dreischif-
fige Basilica
mit sechzehn
antiken Säu-
len und Em-
poren wie
San Lorenzo;
damals wur-
de die Tri-
buna mit Mo-
saiken ge-
schmückt,
welche die
heilige Ag-
nes zwischen
zwei Päpsten,
Hoiiürius
(PRAESVL
HONORIVS
HA FC VO-
TA IHCA-
TA DEDIT)
und Symma-
chus darstel-
len: sie hat
eine violette
Tunica, einen
Kaukottbcn Ton S. Agne*«.
goldgestick-
ten Purpur-
streif (latus
ciavus) mit
weissem Sau-
me und eine
Krone auf
dem Kopf, —
dieses starre
Prachtge-
wand, diese
steife Stel-
lung , diese
geraden Fal-
ten, die nur
durch dunkle
Streifen, die-
se rothen
Wangen, die
durch plum-
pe Tupfen
angedeutet
sind , alles
das stimmt
nicht sehr zu
dem anmu-
thig<m Bilde,
das wir uns
von dem drei-
zehnjährigen
Kinde ma-
chen und un-
ter welchem sie ein Tintoretto und ein Domenichino verewigt hat. Die Hand des ewigen Vaters,
wdche der I leiligen ihre Krone aus den Wolken herabreichte, haben neuere Restaurationen gleich
dem Schwert, welches als eigentliches Werkzeug ihrer Marter zu ihren Füssen lag, verschwinden
lassen ; statt des letzteren bemerkt man zwei ausschlagende Flammen, die wohl eine Anspielung auf
den ihr anfänglich zugedachten Feuertod sein sollen. Unter lnnocenz VIII. (1484 — 1491) fing
der alternde Baum bereits an hohl und morsch zu werden, und in unserem Jahrhundert konnte
man sich nicht einmal mehr ruhig auf seine Aeste setzen: am J5. April 1855 nach dem
Hochamt brach Pius* IX. mit seinem ganzen Gefolge durch den Boden der Seitenhalle
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durch und stürzte, ohne Schaden zu nehmen, in einen Keller. Damals wurde die Kirche zum
Und sie streckte ihre Wurzeln tief in den Grund hinein, indem sich das kleine Coemeterium
S. Agnctis im Laufe der Zeit mit dem Coemeterium S. Nicomedis und dem ausgedehnten Coeme-
terium Ostrianum verband ; die gesamte Anlage führt im vierten Jahrhundert geradezu den Namen
Coemeterium majns {ad Nymphas S. Pelri oder Fonlis S. Pein i), während wir sie schlechthin die
Katakomben von Sant' Agncse nennen. Sic sind nicht anders eingerichtet als die Callistus-
Katakomben, aber durch ein typisches Beispiel einer sogenannten Kirche ausgezeichnet; sie
veranlasst uns, noch einmal auf jene Räume zurückzukommen, die wir als Cubicula kennen gelernt
haben. Die letzteren hatten im Allgemeinen kleine Dimensionen und konnten nur eine beschränkte
Anzahl von Personen fassen. Doch findet man auch Hallen und Gemächer von grösserem Umfang,
die nach der Meinung der römisch-katholischen Autoritäten von vornherein für gottesdienstliche
Versammlungen bestimmt gewesen sind. Padre Marchi erfand sogar, ohne damit durchzudringen,
eine entsprechende Nomenclatur, indem er die kleineren Grüfte Cryptae, die grösseren Ecclesiae
betitelte. Er stützte sich dabei hauptsächlich auf die Agnes-Katakomben, wo im Jahre 1842 eine
hervorragende Ecclesia entdeckt ward. Dieselbe umfasst fünf quadratische, 2 m lange und 2 m breite
Gemächer, welche mit Einschluss der Durchgänge zusammen eine Länge von 13 m haben; das
letzte ist 2 m, die übrigen sind 4 m hoch. Sic liegen in einer Elucht, werden aber durch ein
quer durch laufendes Ambulacrum in rechtem Winkel geschnitten und in zwei Abschnitte, von
No. 1—2 und von No. 3 — 5 zerlegt, so dass die Proportion des goldenen Schnittes (3:5)
entsteht; No. 2 und No. 3 hängen übrigens nicht unmittelbar, sondern durch einen Corridor
zusammen, welcher von dem Ambulacrum zunächst geschnitten wird, wie man aus folgendem,
ungefährem Schema sieht:
Nummer 1 und 2 sollen für die Frauen, Nummer 3 und 4 für die Männer reservirt, die
beiden Kammern diesseits (a und b) Vestibüle gewesen sein; Nummer 5, durch einen Bogen, der
auf stuckirten Säulen ruht, geschieden, war das Sanctuarium, an dessen Rückwand die Cathedra,
der aas dem Tuff ausgehauene Bischofsstuhl stand; an ihn schlössen sich rechts und links Stein-
bänke an, die an den Seitenwänden hinliefen und Sitze für die Geistlichkeit abgaben. Hinter
dem Bischofsstuhl und hinter den zwei Chorbänken öffnet sich je ein Arcosolium, in dessen
Laibung kleine Loculi für Kinderleichen ausgebrochen sind ; die Mauern darüber enthalten gleich-
falls Reihen von Loculi. Keine Spur eines Altars: der Bischofsstuhl verschliesst das Arcosolium
durchaus und lässt keine Benutzung des Sarkophages zu. Daher glaubt Marchi, dass der
Altar tragbar gewesen sei. Das Ganze ist ohne jede Malerei und bis auf ein marmornes Tafel-
werk, von dem sich noch eine Spur erhalten hat, völlig schmucklos. Das Resultat der Forschungen
des gelehrten Vaters ist das hocherfreuliche, dass die beiden Geschlechter auf besonderen Treppen
und besonderen Corridoren zur Kirche gingen und dass dieselbe vor Anfang des dritten Jahr-
hunderts gebaut sein müsse, die Basis derselben indessen zu unsicher, als dass man seine Annahme
für mehr als eine Hypothese halten könnte.
Und hoffen, dass er aus den Särgen erblühen soll zu schönerm I.oos. Ich bin der YVein-
stock und ihr seid die Reben, sagt der Erlöser (Evangelium Johannis XV, 5), ein Weinstock ist
das älteste Sinnbild, welches die christliche Kunst angewendet hat, und in Santa Costanza, in
dem Mausoleum jener Constantia , auf deren Bitten Sant' Agnese gegründet ward , ein paar
Schritte von unserer Kirche, sieht man eine Weinlese musivisch dargestellt: der mächtige Sar-
kophag der Prinzessin, der jetzt im Eingangssaal des Valicanischen Museums steht, hat, weil auch
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auf ihm eine Weinlese gehalten wird, seinerzeit den Titel „Grabmal des Bacchus" erhalten. Die
Weinlese ist ein Symbol der Todesernte, d<-S Martyriums, bei welchem das Blut des Bekenners
wie der Wein aus der gekelterten Traube fliesst; der Weinstock das Symbol der Kirche, die
unter dem Kreuze aufwachst und deren Zweige sich über die Welt ausbreiten. Wohlan! Christas
hat das ganze Gebäude seiner Religion mit einem Gewächs verglichen; und wir sollten es im
Hinzeinen nicht können? —
III.
An den Mosaiken der oberen Kirche bemerken Kunsthistoriker eine bedeutende, das Empor-
kommen des
Heiligendien-
stes bezeich-
nende Ab-
weichung
von der bis-
herigen Sitte,
die, dass Ag-
nes die Stelle;
Christi ein-
nimmt und
von der Gott-
heit sozusa-
gen nur eine
1 land übrig
geblieben ist.
Vielleicht
haben die
Künstler ge-
dacht , dass
Christus
unten in den
Katakomben
schon oft ge-
nug gemalt
ist. Das eine
Mal auf dem
Schoossesei-
ner Mutter
am Plafond
eines Arco-
soliums , in
ArvutuliuB Bit docoi Krrjcugnnaiile Oer Unllff UtXIci. Knukuiaton tun S. Aj-hi^c.
steifer, sym-
metrischer,
byzantini-
scherManier,
ähnlich wie
in San de-
mente, etwa
aus dem Jahr
400 — das
Kind steht
in Viertelli-
gurvorn, be-
kleidet mit
einer blauen
Tunica , die
Mutter da-
hinten , in
grüner Tu-
nica und ei-
nem Pallium,
das ihr auf
die Arme
fällt, das
Haupt mit ei-
nem Schleier
bedeckt, den
Hals mit ei-
ner Perlen-
schnur um-
wunden, in
Stellung ei-
ner Beten-
den, beide sind ohne Nimbus, aber das heilige Monogramm (X) blickt sie von beiden Seiten an;
übrigens steht es abermals nicht ganz fest, dass es wirklich die Jungfrau Maria mit dem Kinde
ist — das zweite Mal, und zwar nicht blos einmal, sondern wiederholt als guter Hirte. Dieses
Bild , gleich dem Weinstock eines der frühesten und wichtigsten Symbole, hat für uns hier eine
besondere Bedeutung und deshalb wollen wir es zum Schlüsse kurz analysiren.
In allen Gegenden, wo das Hirten- und Nomadenleben vorgeherrscht hat, ist auch der
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Vergleich der irdischen und der himmlischen Könige mit Hirten traditionell geblieben: man liest
ihn im Homer, in den Psalmen und in den Propheten; Jesus wendet ihn auf sich selbst und
sein Verhältnis* zur Menschheit an (Evangelium Lucae, XV, 4, Johannis X, 12); und deshalb
gaben ihm die ersten Zeiten vor allen anderen, mit Ausnahme des vom Weinstocke, den Vorzug.
Es entstanden drei Typen des guten Hirten: einer, wo er mit Orpheus verschmolzen ist; ein
zweiter, wo er das wiedergefundene Schaf auf den Schultern trägt, mit aufgeschürzter
Tunica und Mantel (Penula), eine unbedingte Wiederholung des Hermes Kriophorus, sehr allgemein
zu finden; ein dritter, wo er einen Stab in der Hand hält und von einem Hunde begleitet ist,
minder häufig. Seit dem fünften Jahrhundert verschwindet der Typus, obwohl Constantin der
Grosse Statuen des guten Hirten auf den constantinopolitaner Plätzen hatte aufstellen lassen.
In den Agncskatakombcn herrscht der zweite Typus vor, mit mannigfachen Modifikationen.
Bald bläst er die Schalmei (Syrinx), bald steht er betend zwischen zwei Bäumen; bald blicken
zwei Schafe zu ihm auf, bald hebt er ein Umm auf der einen Seite auf die Höhe , während er
die Mutter auf der andern Seite melkt : einen Schemel (Seabellum) und eine Gelte oder ran Melkfass
(Mulctra) hat er gewöhnlich am Arme oder an einem Baume hängen oder vor sich stehen.
Wenn die ersten Herbstregen im Oetobcr gefallen und mit dem Brande der Sonne auch
die Fieberdünste verschwunden sind, wenn das üppig henorschiessende Gras alle Höhenzüge
überkleidet, dann steigen aus den schneebedeckten Abruzzen und vom Hochland Umbriens und
der Sabina die Schäfer mit ihren Heerden in die römische Campagna herab. Dann sieht man
die guten Hirten leibhaftig und wie sprechende Symbole, in Schaffelle gekleidet bei Sant' Agnese
vorüberziehn. Wir haben oben erfahren, wie innig der Zusammenhang dieses Sinnbildes mit der
Kirche der Heiligen Ist, und dass aus der Wolle ihrer Lämmer das Pallium gewebt wird, welches
der katholische Bischof nach dem Beispiel des guten Hirten auf seine Schultern nimmt, das er
zurück zum Schafstall und zu seiner Heerde trägt, das er mit Hülfe wachsamer Schäferhunde,
der Dominicaner, der Dömim CetfUS dem Rachen des Wolfs entrissen hat. O, Campagna,
wunderbarer Boden! Buch voll Gleichnisse, Bühne voll wandelnder Schatten, selbst ein Bild der
Kirche und der Erde, wer denkt dich aus.' Wer durchdringt deine mystische Vorbedeutung?
Es ist, als ob das Lamm, das dort rosenbekränzt auf dem Altar seiner Schutzpatronin liegt, tiefsinnig
aufstünde und sagte — ich bin nur ein armes, unschuldiges Thier, aber hinter mir steht ein
Universum. Du siehst mich an und kannst mich nicht begreifen. Die Welt ist eine Geheim-
schrift, lies sie ; sie ist ein uraltes Räthscl, gehauen in einen ewigen Felsen, versuche seine I.ösung ;
und wenn du dich den ganzen Tag damit herumgetragen, wichtigen Sinn herausgelockt, sehnsuchts-
voll und einsam darüber gebrütet hast, lege dich am Abend nieder mit der Hoffnung, dass <lir
die heilige Agnes oder ein befreundeter Gott im Traum erscheinen und das Wort nennen werde,
an das du so fest geglaubt hast! —
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San Giovanni in Later&no.
Santa Crocc in Gerusalemrae — Sanu Maria MagKiore.
I
* Koma nobilis, Oll is et domina,
Cllfftctanim urliium cxccUcntissirna,
Kosen manynim sanguinc rubca,
Anb et virginum lilüs CMdU*:
SaluU'in dirimit* tibi per omnia.
Te benedicirous, salve per saccula!
in hoc signo vinces! — Ausgekämpft ist der Kampf, ausgelitten das Mass des Martyriums,
ausgefüllt der Kreis der zehn Christcnverfolgungen. Friede sei mit euch! Der süsse
Friede kam, und in dem langen, schweren Streite hat das christliche Kreuz den Sieg
davongetragen , es ragt flammend und triumphirend auf dem Pol der Erdkugel in die Höhe :
der Kaiser, dem unter diesem Zeichen Obmacht verhirissejj worden, hat es mit eigner
Hand begeistert aufgepflanzt Nun kehren sie heim, die unter Thränen hinaus getragen
worden sind: die Märtyrer, die diesen Boden mit ihrem Blute geröthet haben, die heiligen
Jungfrauen, die ihn gleich weissen Lilien beglänzen, erheben sich aus den Gräbern,
den Katakomben und ziehen schaarenweise, wie Geisterkarawanen in die Stadt ein, wo
sie sorglich bettet — der Erlöser selbst schwebt von einer Mauer des lateranischen Palastes
glorreich und majestätisch auf und ergreift Besitz von seinem Jerusalem, weiht das Zion des neuen
Bundes, stiftet die allgemeine, apostolische, römische Kirche, die Bischofskirche und die National-
kirche der Römer und der Menschheit, die aller städtischen und irdischen Kirchen Haupt und Mutter.
OMN1UM URBIS Kr ORBIS KCCI.ESIARUM
MATER KT CAPUT
heisst — wovon die tiburtinische Sibylle in ihrer Entzückung träumte;; was jener Kriegsknecht
ahnte, da ihm das Scepter des sterbenden Tiberius vor die Füsse rollte und er es wie einer
Zukunft Vorhang wallen sah; worum der heilige Bekenner auf dem glühenden Roste flehte, es
ist erfüllt, das alte Rom die christliche, die heilige Stadl geworden, die der Pilgrim, wenn er sie,
an Ruinen gelehnt, betrachtet andächtig grusst und anruft —
Ewige Stadt, der Welt Hirtin und Htiterin,
Rom, aller Städte ruhmvolle Königin,
Von rosefarbenem Märtyrerblute roth
Und dem jungfräulichen Lilienflor umloht —
O, v»elbc»undcrte, nie aufgewundene :
Gesegnet seist du durch cbe Jahrhunderte! —
Man darf annehmen, dass diese welthistorische Wendung der Dinge durch politische
Rücksichten herbeigeführt worden war: Constantin hatte viele Gegner und Nebenbuhler, und es
lag nur in seinem Interesse, sich die zahlreichen christlichen Unterthanen geneigt zu machen.
Die legende drückt das so aus, dass ihm bei seinem Zuge gegen Maxentius, angeblich bei
Andernach am Rheine, ein flammendes Kreuz am Himmel mit der Aufschrift: IN HOC SIGNO
*3S
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VINCES, und in der Nacht, dir der Entscheidungsschlacht voranging, ein Engel mit dem Befehl
erschienen sei, die Schilde seiner Soldat™ mit dem Monogramme Christi zu bezeichnen : wir haben
bereits unter dem Triumphbogen gestanden, welcher den Sieg vom 27. October des Jahres 312
verherrlicht und den man als einen Triumphbogen des Kreuzes selber betrachten kann. Im
nächsten Jahre, 313, sicherte der Triumphator dem Christenthum mit I.icinius durch ein olficiclles,
zu Mailand erlassenes Edict umfassende Duldung zu und räumte bei dieser Gelegenheit dem der-
maligen Bischof Miltiades oder Melchiades den grossen und herrlichen, von Juvenal und Capitolinus
erwähnten Palast am Ostabhange des Coelius, die Domus 1-ateranorum zur Wohnung ein, speciell
den Flügel, den sdne Gemahlin Fausta inne hatte und der den Titel Domus Faustae führte. Dieser
Palast war seit den Zeiten Neros kaiserliches Eigenthum und hatte, wie der Name besagt,
ursprünglich den Lateranern, einer allrömischen Familie, gehört; mit den übrigen Gütern des
Geschlechtes fiel er an die Krone, als Nero den Consul Plautius Lateranus, der sich gegen ihn
verschworen, hinrichten liess, und kam nur vorübergehend, unter Septimius Severus, wieder in
die Hände der rechtmässigen Besitzer. /// domo Faustae in Laterans wurde bereits am 2. October
313 unter Miltiades ein Cond! gehalten und der Bischof Donatus wegen ungerechten Gerichts
verurtheilt; in domo Faustae in I^iterano wohnten die Päpste fast tausend Jahre lang, nämlich
bis zum Jahre 1305, wo sie ihren Sitz nach Avignon verlegten und in die „babylonische Gefangen-
schaft" zogen; nach ihrer Rückkehr wählten sie den Vatican zur Residenz.
Im Jahre 324 war Constantin Alleinherrscher des römischen Reichs geworden, und in
demselben Jahre sollte er durch eine besondere Führung veranlasst werden, sein Werk zu besiegeln
und das Christenthum zur Staatsreligion zu erheben. Die Geschichte will, dass Constantin der
Grosse, zwar längst Christ und bekehrt, aber noch Katechumen. das Sacrament der Taufe
erst in seinem vierundsechzigsten Lebensjahre, auf dem Todtcnbette von einem arianischen Bischof
empfangen habe; der Glaube an die sündenvergebende Kraft der Taufe, welcher nur der
Märtyrertod, die Bluttaufe gleichgeachtet wurde, bewog viele, dieselbe so lang«; als möglich
aufzuschieben. Wir müssen uns an die Legende halten, welche die nachfolgenden Jahrhunderte
beherrscht hat, ohne die das christliche Rom gar nicht verstanden werden kann, die auch den
Kern der Sache am geschicktesten formulirt. Also die Legende erzählt, dass der Kaiser eben im
Jahre 324, dem fünzigsten seines Lebens, an einer hitzigen Hautkrankheit schwer daniedergelegen
habe. Sein Leibarzt verordnete ihm animalische Bäder: der Patient sollte sich täglich einmal in
das warme Blut gesunder Kinder einbringen lassen: und zu dem Ende ward beim lateranischen
Palaste ein marmornes Badebassin (Baptisterium) erbaut Da hatte der Kranke eine Vision. Geh
zum heiligen Sylvester, hiess es; statt in das Blut unschuldiger Kindlein tauche dich in das
Wasser, womit der Täufer die Sünden der Menschheit abwäscht, so wirst du des Aussatzes
genesen. Constantin gehorchte, er liess sich in dem Bassin taufen, in dem er hatte ein Blutbad
nehmen wollen, der Aussatz wich von ihm, und aus Dankbarkeit erliess er, entschlossen, das
Christenthum in allen I-anden einzuführen, an seine Unterthanen eine zweite (von Eusebius ins
Griechische übersetzte) Botschaft, durch die er sie aufforderte, dem alten Aberglauben zu
entsagen und den wahren Gott anzubeten; und machte dem römischen Bischof, seinem geliebten
Bruder (dilecto fratri) den Kirchenstaat oder Petri Erbgut, das Patrimonium Petri nebst der
päpstlichen Tiara zum Geschenk, während er selbst eine allgemeine Kirchenversammlnng nach
Nicaea berief und persönlich den Vorsitz derselben führte (325).
Nun brauchte sich das ChrLstenthum nicht mehr in Katakomben zu verstecken: in
oder neben dem bischöflichen, weiland lateranischen Paläste ward eine Basilica, eine erste
öffentliche, christliche Basilica gegründet, die Basilica Lateranensts. Geweiht war sie vermuthlich
von Anfang an Johannes dem Täufer, dem Constantin der Grosse auch anderwärts, zu Ostia,
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Albano, Neapel und Constantinopel Kirchen baute, unter dessen unmittelbarer Protection die
anliegende Taufkapelle stand und der als die Personincation der 'laufe Constantins und der
Bekehrung Roms aufgefasst werden konnte; doch führt sie in alten Zeiten auch den Namen
Erlöser- oder Heilandskirchc (Basilica Salvatoris), weil sie an die wunderbare Heilung des Kaisers
durch die Taufe erinnerte und eben diese Heilung eine sinnreiche Beziehung auf die Heilung
und Rettung der ganzen Menschheit durch den Weltheiland darbot Als Sergius III. am Anfang
des zehnten Jahrhunderts den eingestürzten Tem|>el aus gänzlichem Ruine neu erhol), machte- er
den johanneischen Titel offiziell, und Johanneskirche, San Giovanni in Laterano, heisst die
Constantinische Basilica bis heute, wie die Taufkapellc San Giovanni in Fontc heisst; am Geburts-
tage des heiligen Vorläufers ist das Haupttest der Kirche, und nur ein Misversländnis hat
wieder den Täufer mit dem Evangelisten verwechseln und beide Johannes als ihre Schutzheiligen
verehren lassen.
Ks ist charakteristisch, dass es unter den eigentlichen 1 lauptkirchen der Stadt keine einzige
(Santa Maria
Maggiore)
allerdings zu
den Patriar-
chat - Basili-
ken gehört
Diese
letztere, nicht
blos die grös-
ste, sondern
auch die äl-
teste Marien-
kirche in Rom
und höchst
wahrschein-
lich in der
christlichen
Welt, stammt dennoch aus nachconstantinischcr Zeit: Papst Liborius baute sie im Jahr 351 auf
der Stelle des K«|uilins, wo am Morgen des 5. August, gemäss einem vorhergegangenen
Traumg<:sichte, frischer Schnee lag; zum Andenken an so wunderbaren Schneefall, nach dem sie
auch Maria im Schnee (S. Maria ad Nives) heisst, lässt man noch jährlich zur Kirmes beim
Hochamte und bei der Vesper weisse Blumenblätter von der Decke regnen, wie sie bei den
Passionsspielen in Oberammorgau Manna regnen lassen. Sixtus III, der die Kirche 435 erneuerte,
nannte sie S. Maria Mater Dei, weil sie der Mutter Golfes angehören sollte: die Gottosmutter-
schaft der heiligen Jungfrau war eben auf dem Concil zu Ephesus, im Jahre 430 zum Dogma
erhoben worden. Damit mag es zusammenhängen, dass man die echte Krippe des Jesuskindleins
aus dem heiligen Lande in diese Kirche brachte (S. Maria ad Praesepe). Aber vor der Krippe,
die nur eine Reliquie in der Kirche bildet, war ein anderes, vornehmeres Heilthum aufgefunden
worden und theilweise nach Rom gekommen, ein Heilthum, das selbst eine Kirche werth war —
das Kreuz, an welchem Jesus gehangen hatte, und es führt uns in die Nähe des Laterans und in
die Constantinische Familie zurück.
Am 3. Mai des Jahres 327 hatte Hei na, die Kaiserin -Mutter, in Jerusalem, das heilige
Kreuz erfunden (Inventio Sanctae Crucis). Unt r I ladrian war jede Spur von Golgatha vertilgt,
m
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und unter den
dreihundert-
vierundsech-
zig römi-
schen Kir-
chen über-
haupt nur
eine und die
andere Chri-
st uskirche
gibt , dass
man dage-
gen achtzig
Marienkir-
chen zählt
und die grös-
ste darunter
S, Cnxc i» eKTiMl^intiii-,
der Boden erhöht und ein zwiefacher Tempel des Jupiter und der Venus darauf errichtet worden.
Zugleich mit der Annahme dc_s Christenthums lasstc Constantin den Kntschluss, die heiligen Stätten
von jenem Greuel zu säubern, und dieser Entschluss ward durch seine Mutter Helena, die im Alter
von neunundsiebzig Jahren nach Palaestina reiste, und den Bischof Macarius ausgeführt. Mit Gottes
Hülfe und unter Anleitung eines gelehrten Hebräers, eines gewissen Judas, nachmals unter dem
Namen Quiriacus getauft, entdeckte man den Platz, schaffte die Erde weg, und in einer Reihe
nebeneinander erschienen die drei Kreuze. Auch das Täfckhcn mit der in drei Sprachen, Hebräisch,
Griechisch und Utcinisch abgefassten Inschrift (JESVS NAZARENVS REX 1VDAE0RVM),
welches Pilatus an das Kreuz Christi anheften lassen hatte, fand sich. Doch war es vom Stamme
losgerissen und die Aufgabe demnach schwierig, das Kreuz Christi von denen der beiden
Schacher zu unterscheiden. Zum Glück kam Macarius auf einen sinnreichen Gedanken. Eine junge
Jcrusalemerin lag am Tode, zu ihr brachte man die drei Kreuze. Die beiden ersten hatten nicht
die geringste Wirkung, als die Kranke aber das dritte berührte, genas sie augenblicklich. Das
war das rechte! Kreuz. Ein Stück davon wurde in Silber gefasst und dem Macarius übergeben,
der es in Jerusalem behielt, der Rest nebst den Nägeln an den Kaiser expedirt. Da sollte sich,
wie einige Väter sagen, die Prophezeiung des Sacharja (Cap. XIV, 20) erfüllen. Einen der
Nägel legte Constantin als Eiserne Krone (Corona Ferreai um seinen Helm, aus einem zweiten
ward ein Zaum für sein Ross geschmiedet; was vom Kreuze selbst noch übrig war, wurde zum
Theil in eine Bildsäule Constantins auf dem gleichnamigen Forum in Constantinopel eingeschlossen,
thcils, so namentlich die triglotte Inschrift, von der Kaiserin nach Rom gebracht und in der
Kirche niedergelegt, die sie noch vor ihrem Tode innerhalb der Umfassungsmauern des Sessoriums
im Jahre 328 stiftete (ßan'/üa Sanctat Crucis in Hürnsalem). Ausserdem hatte Helena auch die
achtundzwanzig Marmorstufen der Treppe eingepackt, die zur jerusalemer Landpllegerschaft führte
und die der schmerzenreiche Erlöser hinaufgestiegen war: diese heilige Stiege kam in den
bischöflichen Palast am Lateran (SS. Sa/va/ore delle Scale Santi).
Es ist wahrscheinlich, dass Constantin der Grosse an den heiligen Stuhl keine andere
Schenkung gemacht hat, als die des Patriarchium Lateranense und dass sich der Kirchenstaat von
damals in Wahrheit auf die Laterankirche reducirt. Nichtsdestoweniger, auch nicht ohne ein
höheres historisches Recht, hat die Christenheit den Anfang des neuen Weltreichs vom Jahr 324
datirt und (da das Zweigöltersystem in der römischen Geschichte hergebracht ist) in Constantin
dem Grossen und seiner Mutter Helena ein drittes römisches Gründerpaar gesehen. Wie die tteiden
geistlichen, gleich Saul und Jonathan „im Leben einigen und im Tode nicht getrennten" Brüder,
Petrus und Paulus, auf die beiden leiblichen Brüder, Romulus und Remus, die Erbauer der ewigen
Stadt gefolgt sind, also folgten wieder auf Petrus und Paulus der Kaiser Constantin und die
Kaiserin-Mutter Helena, die Apostclgleichen \'l^.4lloXToUtl). Die irdischen Reste der beiden Apostel-
fürsten befinden sich zur Hälfte in Sanct Peter, zur Hälfte in Sanct Paul, aber ihre heiligen Häupter
sind in der Lateranbasilica. Wer denkt hier nicht an das Caput Toli vom Capitol, «las diesen
Hügel zur Weltherrschaft praedestinirte ? Ks will symbolisch andeuten, dass die Constanlinlsche
Kirche das Haupt, das neue Palatium und Capitol der Erde zu werden vorbestimmt war.
An neun Jahrhunderte sind vergangen. Das Haus der Lateraner Ist nachgerade zu einer
kleinen Stadt und einem Jerusalem hochheiliger Orte angewachsen : es umschliesst Tempel, Klöster,
Oratorien, Taufbrunnen und apostolische Paläste: aber das Heiligthum unter den Heiligthümern,
das Sancta Sanctorum oder das Allerheiligste ist die päpsüichc Hauscapelle, die auch nach dem
11,
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berühmten Leviten, dem heiligen Laurentius, ernannt wird; sie hat zwar noch nicht die glänzende
Ausschmückung erhalten, die ihr Nicolaus III. geben wird, aber sie ist schon lange das unnah-
bare, nur dem Hohenpriester vorbehaltene Palladium der Stadt
Sie enthält die angesehensten Reliquien — die Häupter der Apostelfürsten und das nicht
von Menschenhänden gemachte Portrait Christi; zu ihr, die im ersten Stocke gelegen Ist, führt,
wir wollen es so annehmen, die heilige Trepj>c vom jcrusalemer Praetorium, die der Erlöser
kummervoll erklomm, als er zu Pilatus ging, auf deren Absatz er, ecce homo! als ein ergreifendes
Bild menschlichen Jammers stand.
Ist es nicht, als ob er jetzt noch oben stände? In dem wunderbaren Bilde, das der
Evangelist gemalt hat, das zu vollenden Engeischaaren vom Himmel herniedergeschwebt sind,
San Giorauii 1-itcraou.
scheint Christus selber gegenwärtig; er steigt sie noch immer hinauf, die achtundzwanzig Stufen,
und die Millionen, die ihm knicend nachfolgen, erkennen das Haupt voll Blut und Wunden, o
sehet, welch ein Mensch !
Nicht von Menschenhänden gemacht oder, wie die Griechen sagen, «V'P".'""',i<<>- Es
gibt zwei Bilder Christi, denen dieses Praedicat zukommt und die, wenn man der Lebende
glauben dürfte, die ältesten und authentischsten auf der Welt sein würden: das Abgarus- und
das Veronicabild. Das eine wie das andere ist gewissennassen als ein übernatürlicher Zeugdruck
zu betrachten, zu dem Christi eigenes Antlitz die Form geliefert hat. Ersteres entstand so:
Abgarus, König von Kdcssa, ein Freund des Augustus, hatte von dem wunderthätigen Arzte
Jesus in Judäa gehört und ihn, da er an den Füssen litt, brieflich zu sich eingeladen, aber von
dem Herrn eine abschlägige Antwort erhalten. Da schickte er einen Maler nach Jerusalem, der
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den Sohn Gottes abnehmen sollte; doch der war nicht im Stande, die überirdische Klarheit, die
um den Messias leuchtete, zu ertragen. Um ihm aus der Noth zu helfen, nahm Jesus sein Gewand,
hielt es vor sich und drückte sein Gesicht in dem Stoffe ab: den Abdruck, tö <innxnna/i«. schickte
er nach Edessa. Dieses Bild kam am 16. August des Jahres 944 nach Constantinopel und
taucht später in Italien, unter andern auch in Rom, in der Kirche San Silvestro in Capite wieder
auf; sie gehörte in der That Basilianern an, die während des Bilderstreites von Constantinopel
nach Rom geflüchtet waren. Ks stellt Christus in der Blüte jugendlicher Kraft und Schönheit,
mit hoher Stirnc, klaren Augen, gerader Nase, gescheiteltem Haar und dichtem braunem gespal-
tenem Barte dar. Das sehr verschiedene Veronicabild, das den leidenden, dornengekrönten
Erlöser zum Gegenstande hat und das uns in Sanct Peter gezeigt werden wird, ist ebenfalls
einem Stück Zeug, dem Schweisstuch der Veronica, eingedrückt — einer mythischen Personifikation
des wahren Bildes (Vera Icon). Das sind also zwei Acheiropoieta , und ihnen zählt denn bereits
Anastasius auch das Bild in Sancta Sanctorum zu, doch scheint es, dass sich der gelehrte
Bibliothecar die Begriffe nicht völlig klar gemacht hat Denn offenbar muss man darunter
Naturbilder verstehn, die gar nicht künstlich gemalt, sondern nach Art von Photographien oder
Lichtdrucken mechanisch hervorgebracht worden sind: eben darauf beruht der unvergleichliche
Wert derselben. Bei dem Bild in der päpstlichen Hauscapelle will die Tradition dagegen,
dass es von dem Evangelisten Lucas gemalt und von Engeln retouchirt worden sei. Lucas war
bekanntlich ein Maler, und ihm soll nicht blos Christus, sondern auch Maria und Petrus und
Paulus gesessen haben: die Lucas'sche Madonna befindet sich in Santa Maria Maggiore, in der
Kapelle der Eamilie Borghese. Allen Respect vor dem Pinsel des Evangelisten! Aber wenn
auch sein Portrait an Heiligkeit und Treue den beiden Originalabdrücken nahe kommen sollte,
so ist es doch immerhin ein Werk von Menschenhänden, respective von Engelshänden, keine
unmittelbare Reproduction — es ist nebenbei gesagt, ein Werk von byzantinischen Händen, viel
jünger als der Christuskopf, der sich in den Callistus - Katakomben findet und der für die
gesamte christliche Malerei den Typus gegeben hat.
Vor diesem Christusbild, das an Christi Statt in der Kapelle Santa Sanctorum hängt,
kniet Innocenz III., der Stellvertreter Christi: er hat eben den heiligen Stuhl bestiegen und
die dreifache Krone aufgesetzt bekommen: er ist in feierlicher Proeesston auf weissem Zelter
den grossen Strassenzug des Papstweges endang von Sanct Peter zum Lateran geritten: in der
Laterankirche hat er, angesichts des ehernen Caballus Constantini, von seinem Thron Besitz
(Possesso) genommen. Hier wohnt er, hier wurzelt er: in Sanct Peter ist er der geistliche Herr
der Welt, im Lateran ist er Bischof ; dort gebietet er ,,(>rbi", hier „Urbi". Stadt und Land sind
eins; aber die Stadt ist das mystische Emblem, das ihm die Weltherrschaft erst verspricht-
Der neue Papst steht auf, um in dem grossen Six:iscsaal, dem Triclinium Majus, das Fest-
mahl einzunehmen; er setzt sich an eine separirte Tafel, in die Tribüne, wo der Heiland in Mosaik
gebildet Ist, wie er seine Jünger mit der apostolischen Gewalt aussendet, wo er dem Papst
Silvester die Schlüssel des Himmelreichs und dem Kaiser Konstantin das Kreuzhanner übergibt,
wo Petrus Leo III. die päpstliche Stola und Karl dem Grossen die Fahne reicht: in einsamer
Grösse übersieht er, von Fürsten und Königen bedient, wie ein Gott seine Tischgesellschaft —
er wirft einen Blick auf das ererbte Weltreich, und über seine Stirnc; zieht der kühne Traum des
Papstthums.
Dieses Weltreich heisst die Kirche : es ist in der Lateranbasilica vorgebildet und inbegriffen
— sie ist ein Titel über alle Titel, sie verleiht ein Scepter über alle Sccptcr, in ihren Hallen hängen
wie im Tempel zu Jerusalem die Wagschalen des höchsten Richters, in welche die Loose der
Menschheit geworfen werden.
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So sitzt er am Webstuhle der Zeit, der grosse Weber, und wirkt Gottes Kleid : Geheimnis-
voll und mit wichtiger Miene gehen die Praelaten aus und ein — Brevcn und Bullen, an
denen das bleierne Siegel hängt, werden von Kanzlei zu Kanzlei getragen — Eilboten satteln,
um nach allen Richtungen der Windrose zu fliegen — Legaten und Nuntien ziehen aus, Schicksale
und Kronen in den Taschen — Bannstrahlen zucken wie Blitze in einer Gewitterwolke — man hört
hier das Herz der Weltgeschichte schlagen, man sieht hier die Länder der Erde zu seinen Füssen
liegen, man athmet hier eine Luft von lehnsherrlicher Majestät
Voll von diesen Gedanken legt sich Innocenz nieder und schläft ein; während seines
Schlummers hat er eine seltsame Vision.
Wohl twhl d.Lt Haus gezimmert <in<l gefUgt,
Dock iirh, m wankt der Grand, auf dem wir hauten I
UltrtlipUu lu... dl S. Coi»oni U> LaLeriaa.)
Es däucht ihm, die Kirche von San Giovanni in Laterano falle ein, wie sie vor ein paar
hundert Jahren eingefallen war: ihre Mauern schwanken, sie neigen sich drohend über ihn, sie
stürzen wie von einem Erdbeben erschüttert — da stemmt sich noch zu rechter Zeit ein Mönch
dagegen, ein fremder, unbekannter, geringer Mönch, und hält den sinkenden Tempel in seinem
Kalle auf.
Innocenz fahrt voll Schrecken in die Höhe: er sieht zum Fenster hinaus: da steht das
Haus der Kirche fest gegründet und gezimmert, und nichts wankt und schwankt. Er sinnt dem
Gesichte nach und über dem Sinnen schläft er abermals ein und hat zum zweiten Male einen
bedeutenden Traum.
Abermals bricht über ihm der Lateran zusammen , und abermals stützt ihn ein fremder
Mönch mit seinen Schultern, aber ein anderer ab vorhin.
i
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Den nächsten Tag Hessen sich zwei Männer bei ihm melden, zwei sonderbare Schwärmer,
ein Umbrer und ein Spanier, Franz von Assisi und Domingo de Guzman: sie kannten einander
nicht, aber der eine wie der andere wollte einen Bettelorden gründen; selbander fingen sie an,
sich für das evangelische Leben zu begeistern, selbander predigten sie die apostolische Armut,
die apostolische Strenge und Einfalt in dem apostolischen Palast, selbander hielten sie sich berufen,
unter die sich senkende Kirche wie Strcl>epfeiler unterzutreten — das waren die beiden Mönche.
Da ergriff den Papst das Zusammentreffen der Dinge und er ward die himmlische
Fügung und den göttlichen Fingerzeig gewahr. Er liess sich überreden, und bei dem berühmten
Concil , das vom 1 1 . zum 30. November des Jahres 1215 in der Laterankirche abgehalten
ward und /u welchem 482 Bischöfe, 900 Aebte und Prioren, Gesandte aus aller Herren Ländern
und die bedeutendsten Zeitgenossen, im Ganzen 22S3 Personen erschienen waren , in einer der
glänzendsten Versammlungen des Katholicismus bestätigte er die beiden Bettelorden der Francis-
caner und der Dominicaner, dass sie das schwankende Ansehn der Kirche wieder befestigten —
— wir würden diese Episode nicht herausgegriffen haben, wenn sie nicht ausdrücklich an den
Lateran anknüpfte und wenn nicht auf zwei Gemälden, die den Traum des Papstes zum Gegen-
stände haben, von Giotto und von Fiesole, die Laterankirche als die Kirche liguriite.
DL
Das hat sich sehr geändert. Am rt. Mai 1308, gleich nachdem die Curie nach Avignon
übergesiedelt war. ging die Basilica und das gesamte Patriarchium Lateranense durch einen
unglücklichen Zufall in Hammen auf ; die Kirche ward wieder aufgebaut, um 1360 abermals vom
Feuer verschlungen und abermals aufgebaut zu werden, aber der Palast blieb eine Ruine und
eine öde Brandstätte, völlig unbewohnbar. Als daher Urban V. im Jahre 1367 die ewige Stadt
l>esuchte, als Gregor XL im Jahre 1376 definitiv nach Rom zurückkehrte, mussten sie wenigstens
vorläufig den am entgrgrngesetzten Pole gelegenen, übrigens gleichfalls trostlos aussehenden
Vatican beziehen: ganz Rom wird von den leichtern jener Zeit unter dem Bilde einer betrübten,
in Schutt und Asche wehklagenden Witwe dargestellt Nachdem sich die Päpste nun einmal
weggewöhnt hatten, kümmerten sie sich auch nicht mehr um das 1 laus, in dem sie gross gewachsen
waren, und erst Sixtus V. liess im Jahre 1586 die Ruine schleifen und durch Domenico Fontana
einen neuen Palast aufführen. Derselbe, der noch gegenwärtig steht, ist bedeutend kleiner als der
alte und schliesst das Gebäude der Scala Santa, welches bei dem grossen Brande verschont
geblieben war, aus; es erhebt sich, als der einzige Rest des Constantinischen Patriarchiums, isolirt
und aus dem Zusammenhang gerissen, an der Ostseite dtrs Platzes, dessen Aussehen, wie das so
vieler anderer, durch Sixtus V. und seinen getreuen Baumeister bestimmt ward; sie schmückten
ihn auch, da die Aufrichtung das Vaticanischen glücklich gelungen war, mit einem Obelisken,
dem grössten Monolith der Erde, der Nadel des aegyptischen Königs Tutmes HL, welche, an
viertausend Jahre alt, an eine Million Pfund schwer, 32 m, mit Postament 47 m hoch, ursprünglich
vor dem Sonnentempel zu HelioiH>lis stand, im Jahre 357 n. Chr. nach Rom kam und hier den
Girat des Circus Maximus bezeichnete; sie bauten in der Stadt eüien wahren Wald von Obelisken
auf, einen dritten setzten sie auf die Piazza dcl Popolo und einen viert™ vor S. Maria Maggiore.
Der Lateran wurde wohl wiederhergestellt, der Lateranpalast gleichwohl nicht mehr benutzt, sondern
1693 in ein Waisenhaus verwandelt, 1843 zu einem Museum eingerichtet. Auf dem Platze, wo
einst der sausende Webstuhl der Zeit gestanden hat, herrscht jetzt tiefe Stille, der päpstliche
Hofstaat hat sich nach dem Vatican verzogen, und nur am Himmelfahrtstage, wenn der heilige
Vater vom Balcon der Basilica herab dem Volke den Segen ertheilt, wird es auf ihm lebendig:
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der Neugewählte nimmt noch immer Besitz vom Lateran, aber er besitzt ihn nicht mehr — ich
meine „besitzen" im eigentlichen Sinne, denn nebst dem Vatican und Castel Gandolfo hat der
l^ateranische Palast durch das Garantiegesetz vom 13. Mai 1871 das Privilegium der Exterri-
torialität erhalten.
Wenn man die Stadt Rom als einen Kreis betrachtet, so kann man sagen, dass die Päpste
ihre Residenz von einem Punkte der Peripherie: auf den andern verlebt haben. Und zwar auf
den gegenüberliegenden Punkt der Peripherie, denn wenn man vom I.ateran zum Vatican eine
gerade Linie
zieht, so geht
sie durch den
Mittelpunkt
des Kreises.
Die gerade Li-
nie, der Durch-
messer des
Kreises , ist
die Via Papa-
Iis, auf wel-
cher sich der
papstliche
Krönungszug
bewegt. Inncr-
halbder Kreis-
fläche habc;n
die Päpste nie
gewohnt, denn
der viel jün-
gere Quirinal
war nur eine
Sommerresi-
denz.
Nur die
I .aterankirchc
selbst bewahr-
te ihre Grösse
und ihren ehr-
würdigen,
über alle an-
eine Zuflucht in ihren Mauern linde. Sie ist vornehm und angesehn wie alter Adel — sie ist
auch conservativ wie alter Adel und hält unverbrüchlich an den ererbten Institutionen, an
ihren heiligen Familientraditionen fest. Nicht dass sie äusserlich dieselbe geblieben wäre; o,
keine Basilica ist so viel Unglücksfällen, so viel Veränderungen ausgesetzt gewesen als die
Lateranbasilica : Der Bau Sergius III. zerstörte die Kirche Constantins, und auf den Funda-
menten des Sergius -Baus erhob sich zwischen den Jahren 1560 — 1746 etwas ganz Fremdes,
ganz L'nconstantinisches. Seit dem fünfzehnten Jahrhundert ward die Basilica erneuert und reich
geschmückt, 1650 im Innern durch Borromini barock umgestaltet; 1754, unter Clemens XII.,
Hdlif« Treppe ISS. Siltaiorc Jtlle Scale San«).
dem übergrei-
fenden Primat.
IhrClerus ging
bei der glän-
zenden Fron-
leichnamspro-
cession vor
dem der Pe-
terskirche; sie
sprach kein
anderes Geljet
als das Gebet
des I leim ; in
ihr wurde beim
.Agnus Dei'
das ,da nolris
pacem ' weg-
gelassen, weil
sie selbst ein
Jerusalem und
der ewige
1-rx-de war:
ursprünglich
hatte sie, als
ein unverletz-
liches Asyl,
nicht einmal
Thüren , son-
dern einfache
Vorhänge, da-
mit männiglich
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einem Corsini, erbaute Alessandro Galilei die neue Facade und die schöne Capelle Corsini.
Sie ist völlig modemisirt; nur der Hauptaltar mit dem gothischen Tabernakel besitzt nebst
einigen Monumenten ein relatives Alter, er stammt aus der Zeit Urbans V., der die Basilica nach
dem zweiten Brande im Jahre 1360 wieder aufbaute und in jenem Tabernakel die bis dahin in
Sancta Sanctorum verwahrten Häupter der Apostelfürsten niederlegte; ausserdem stehen manche
Reste der altern Seryius'schen Kirche in dem schönen Klostcrhofe, der mit seinen gewundenen
und mosaicirten Säulchen an Farbe und an eigentümlichem Reiz nur dem der Paulskirche ver-
glichen werden kann; wie jener gehört er dem dreizehnten Jahrhundert an. Man sieht in ihm
den alten bischöflichen Stuhl und viele interessante Reliquien — einen ehemen Hahn, der die Nach-
folger Petri an die Schwäche der menschlichen Natur erinnern sollte (KT GALLVS CANTAVIT),
die Säule, welche sich,
„was die mehr als stei-
nernen Herzen der Juden
nicht gethan", in Jerusa-
lem bei Jesu Tode in
zwei Hälften spaltete
(KT PKTRAR SCTS-
SAK SVNT) und das
Mass Christi in Form
eines steinernen Tisches.
Schade dass sich unter
diesen Raritäten der
marmorne Nachtstuhl
(Sella stercoraria) nicht
findet, der in der Vor-
halle der Sergius'schen
Basilica, vor der heiligen
Thüre stand und auf den
sich der Papst bei der
Besitznahme niederlassen
musste, um der irdischen
Gebrechlichkeit einge-
denk zu sein : Kr hebet
auf den Dürftigen aus
Bnpincii im KlwmriKir «Ic« Lilcrstu-
dem Staube nnd erhöhet
den Armen aus dem
Koth, dass er ihn setze
unter die Fürsten und
den Stuhl der Khren
erben lasse (SVSCITAT
DK PVLVKRK KGK-
NVM KT DK STKRCO-
RK KR1GIT PAVPK-
REM, VT SKDKAT
CVM PRINCIPIBVS KT
SOUVM GLORIAE
TKNKAT, 1. Sam. II, H;
PS.CXIIL7). Der Sessel
war antik und ursprüng-
lich ein Badestuhl, ähn-
lich dem aus Rosso an-
tico, der im Pio-Cle-
mentinischen Museum, im
Gabinetto dcllc Maschere
aufbewahrt wird.
Man nennt sol-
che Hallen Kreuzgänge,
nicht etwa, weil sie
selbst kreuzförmige Gänge gewesen wären, da sie vielmehr den vier Seiten eines Quadrats
entsprechen, sondern, weil sich der Kreuzhang, d. h. der feierliche l'mzug der Mönche mit
dem Kreuze zur Andacht an den hier befindlichen Gräbern durch sie hindurchbewegte (tat.
claustrum, it. chiostro, franz. cloltre).
Der ganze Lateran steckt in dem alten Kreuzgang, Johannes der Täufer hat äusserlich
fast nichts von seiner früheren Herrlichkeit und Würde als die Mosaiken der Tribüne und den
Leoninischen Porticus behalten — und doch weht in dem complicirten Werke später, weit aus-
einander liegender Restaurationen noch der fromme, conservative Geist der ersten Jahrhunderte:
bis auf den heutigen Tag gilt es von der Lateranbasilica , was Abälard von ihr gerühmt hat,
dass sie allein unter allen Kirchen der Stadt die alte Ordnung 'des Gottesdienstes, das alte Officium
und die alte Liturgie unverfälscht bewahre, was nicht einmal die Peterskirche thue; noch heute
wird in ihr am Sonntag vor dem Hochamt unter dem Gesänge der Litanei in Procession gegangen,
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noch heute bei der Seelenmesse der Name des Verstorbenen genannt, noch heute am Johannis-
abend das Gewürznäglein eingesegnet: die Gewürznelken (Chiodi di garofano), in welche sich
die anwesenden Geistlichen theilen, haben eine unverkennbare Beziehung auf das Würz- oder
Johannisfeuer, in welches man von jeher aromatische Kräuter und Weihrauch geworfen hat. 1
Und noch heute werden am l.atcran, zu San Giovanni in Fönte die Ungläubigen getauft
— aus dem Brunnen, in dessen Wassern Constantin der Grosse und in Constantin dem Grossen
das Heidenthum untertauchte und des unheilbaren Aussatzes genas, steigt alle Jahre am Ostcr-
sonnabend die wiedcrgelxirene Schaar der Neophyten, der bekehrten Juden, Türken und Heiden in
weissen Kleiden) auf : ascendit grex dealbatorum de lavacro. In Gestalt der Osterkerze . gleich
der Feuersäule, die das Volk Israel durch's Rothe Meer geleitet hat, geht ihnen Christus voran
und empfängt mit ihnen von Täufers Händen das heilige Sacrament: der I-ateran ist noch immer
die Stätte, wo der Vorläufer das Mcssiasreich ankündigt und das alternde Erdenrund verjüngt.
Die stille Woche ist vorbei, sie war nicht nur still, sie war auch dunkel wie das Grab.
Die Sonne der Welt ging unter, sie versank weinend „in Tenebris"; die christliche Kirche ver-
hüllte sich und schwieg. Charlreitagsruhe und Charfreitagswehe lag bleiern auf der Natur, das
Universum schien sich in ein Castrum doloris zu verwandeln, in dem der Candelaber mit den
fünfzehn Kerzen brannte: die fünfzehn Kerzen erloschen eine nach der andern und durch die
Finsterniss erklang das Miserere. Kine lange Nacht, lang, hing und sternenlos — da endlich
graut der Morgen des grossen Sabbats, das himmlische Licht erneut sich und kehrt sieghaft wieder,
und, wie das jungfräuliche Feuer der Vesta, muss es frisch angefacht und der verborgene» Quelle
rein entnommen werden.
Aas hartem Stein wird der Himmelsfunken herausgeschlagen, ein Häuflein Kohlen in Brand
gesteckt und die Gluth in einer Pfanne zum Tempel hineingetragen. Hier ist die Geistlichkeit
versammelt: der Diaconus in weisser Dalmatica nimmt ein Rohr, an dem drei Lichter, Sinnbilder
des drei Welttheile bescheinenden Lvangeliums, befestigt sind: er senkt das Rohr, zündet das erste
Licht an und singt:
I Almen Chröti!
Kr geht bis in die Mitte des Schiffs und zündet das zweite Licht an:
I.umen < hnMi I
er kniet an den Stufen des Altars nieder und zündet das dritte Licht an:
I.umcn Christi!
Mit diesem , Lumen Christi' wird endlich die grosse Osterkerze, der Cereus Pasqualis, ange-
brannt, der gleich dem auferstandenen Christus neben dem Altar aufgepflanzt ist, der gleich dem
Leibe des Erlösers fünf Wunden und fünf Weihrauchkörner hat, und der die ganze Osterzeit
hindurch beim Gottesdienste brennt, bis zu Himmelfahrt, wo er während des Hochamts nach dem
Evangelium ausgelöscht wird. Zugleich werden alle übrigen Kerzen und Lampen der Kirche
angezündet und Strahlen der jungen Sonne auch der Gemeinde mitgetheilt. Es ist bekannt, zu
welchen Unruhen, ja zu welchem gottlosern Scandal das Fest des heiligen Feuers zu Jerusalem
in der Grabeskirche alljährlich Anlass giebt
Die Osterkerze ist das Licht, welches die Welt erleuchtet: sie erleuchtet alle Heiden; der
Taufquell, nach dem die Neubekehrten wie Hirsche nach frischem Wasser schreien, wird durch
sie erschlossen, durch sie geweiht, durch sie aus den Tiefen der Erde hervorgelockt. Statt
crrvHS desidtrnt ad fontes aquarttm — unter dem Gesänge diesem Psalmen ziehen die Täuflinge
in die Constantinische Taufkapelle, lange Zeit die einzige innerhalb der Mauern, in das mächtig
cmj>orstrebende, von acht Porphyrsäulen getragene Octogon und hinab in das Bassin, auf dessen
Grunde ein basaltenes Becken steht. Das ist der Taufstein: an ihn tritt der Generalvicar, wie
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Johannes an den Jordan, taucht die Osterkerze in das Wasser, theilt das vergottete Nass mit
der rechten Hand in Kreuzesform, es nach den vier Weitgehenden führend, sprengt davon auf
die Gemeinde und auf die Häuser der Stadt, giesst das Chrisina und das Katechumencnöl hinein,
und dann tauft er Constantin den Grossen und Constantin den Kleinen im Namen des Vaters
und des Sohnes und des heiligen Geistes, Amen Rom ist abermals eine christliche Stadt
geworden, es entsagt dem Teufel und allen heidnischen Werken und Gezierden, und es beginnt
die Feier des heiligen Abendmahls, welches heute alle Gläubigen, mit Ausnahme der Kxcommu-
nicirten, geniessen müssen. Man nennt das ,pigliar pasqua' oder .rendere la pasqua'.
In aedt curiae ment, quae S. Joannis in Laterano inscribitur, pasrhali redeunte ItuiMa,
satra de altari libavi — also lautet das darüber ausgestellte Zeugniss.
Das Fest Johannis des Täufers steht in einem bemerkenswerthen Gegensatz zu den
Festen anderer Heiligen, weil bei letzteren der Totlestag, als der Geburtstag ihres besseren
Selbst, gefeiert zu werden pflegt, während bei Johannes wie bei Christus und der Maria der
wirkliche Geburtstag zu seinem Rechte kommt Am 24. Juni, zur Zeit der Sommersonnenwende
wird gleichsam das Sommerweihnachten begangen; in der Mittsommernacht ist grosser Blumen-
markt auf dem Lateranplatz; in der ,Notte di San Giovanni' muss alles fröhlich sein.
Trotz des Mondscheins ist es dunkel: das Auge der Nacht verbirgt sich hinter den
Mauern der ehrwürdigen Kirche, deren Thürme und Bildsäulen sich grell gegen die klare
Luft abzeichnen. Rechts ragt der Obelisk stumm und in steinerner Ruhe in die Höhe, er blickt
unbeweglich auf das nächtliche Phantasiestück, das er so oft gesehn hat, seinen eignen Sommcr-
nachtstraum träumend. Denn ihm zu Füssen geht's lustig und lärmend zu : auf der Erde, die heute
wunderbar und wie fiebernd mit allen Bäumen rauscht, wird bei Lampenscheine ein Bacchanal
gefeiert; über das Glacis, das sich zur Aurelianischen Stadtmauer sanft hinabsenkt, braust und
irrlichtclirt und tollt es. Der Täufer hat seine Messe: überall sind Verkaufsbuden improvisirt. wo
Blumen und Sträusse feilgehalten werden: die ganze Atmosphäre ist mit dem Arom von Lavendel
und Thymian geschwängert, und die auf und abwogende Menge trägt sich mit Knoblauchdolden,
um die bösen Geister abzuwehren. Rundherum Tische, an denen Schnecken gegWMfl werden, deren
Saison beginnt : Augenkranke und Unfruchtbare, denen sie bereits Plinius empfiehlt, nehmen sie „per
devozione" in ungeraden Zahlen zu sich. Hier und da ist ein Holzstoss angezündet, um einen
„Spaccio di vino" zu erleuchten; um einen Hirten, der malerisch, mit brennender Kienfackel in
der Mitte steht, tanzt es den Ringelreihn, die Guitarre und die Mandoline klingt — alle-s
schwärmt, alles schmaust, alles schwelgt, der ganze Platz dreht sich wie im Wirbel, nächtlicher
Zauber spukt in tausendfacher Laune — da schimmert das Morgenroth über den Sabiner Bergen,
die Tische und Bänke werden weggeräumt, die Menge verliert sich und löst sich wie eine
Schaar von Elfen in dünne Luft auf: dafür wird's in der Laterankirche lebendig, die Glocken
läuten und die Frühmesse des Johannistags hebt an.
Als ob der heilige Vorläufer abermals seine Stimme in der Wüste erschallen Hesse und
predigte: Bereitet dem Herrn den Weg! — Denn es unterliegt keinem Zweifel, dass diese
nächtliche Johannisfeier gleich der Feier der Walpurgisnacht ein Stück Abgötterei ist, das in's
Christenthum hineinragt, und dass das versammelte Volk da draussen nach alter Sitte zu alten
Göttern betet - — zu jenen Göttern, die das bekränzte Jahr über die Erde führen, zu den Göttern,
welche die vorgeschriebene Reise mit Donnergang vollenden, zu den Göttern, deren Segen uns,
durch die Himmel wehend, hehr und ahnungsvoll umwittern.
IV.
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Kunst zeigt (Capitolinischcs Museum).
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Wie am ersten Mai der Einzug des I-enzes und der Sturm und Drang des Frühlings
Veranlassung gegeben hat, des einäugigen Wodans und des Wüthenden Heeres zu gedenken, so
mag es am vierundzwanzigsten Juni die Sonnenwende, die linde Sommerluft und das geheimniss-
volle Waldwcben gewesen sein, was unsere Väter überrascht und ihre Aufmerksamkeit heraus-
gefordert hat.
Kbcaso zweifellos ist es, dass jene alten Götter unter dem Kinflus.se des Christenthums zu
Teufeln und ihre Bekenner, die Heiden, zu Zauberern und Hexen herabgesunken sind. Dass
die Johannisnacht, wie bei uns die Walpurgisnacht, in Rom für die Periode gilt, in welcher verwunschene
Kulen ihr unheimliches Wesen treiben, haben wir bereits auf Seite 78 zu erzählen Gelegenheit
genommen. Auf dem fels-
bedeckten Scheitel des
Brocken erinnert man
sich der Zeiten, wo die
Sachsen dem Wodan Ge-
fangene opferten und
Rosse schlachteten; aus
dem hier gepflegten ( Wet-
terdienst entwickelte sich
dann, als das Christen-
thum obsiegte, die lue-
tische, mit Spukgeheim-
niss untermischte Sage.
So mögen die alten
Römer am I lügel Coelius
ihrem Mars und ihrem
Apollo geopfert haben,
und diejenigen, die daran
festhielten , später als
I lexen und 1 lexenmeister
verschrieen worden sein.
Der Gedanke an eine
Wechselbeziehung zwi-
schen Ketzerei, Heiden-
thum und Zauberei ist
schon in den ersten christ-
Anlike I\jftraMsulii« da SophoVla, (Mi
GrcguriailBm L*lcranenK.)
liehen Jahrhunderten auf-
getaucht ; der erste
Ketzer, welcher 385 zu
Trier unter Maximus, dem
Gegenkaiser Gratians,
den Tod durch Henkers-
hand erlitt, der spanische
Bischof Priscillian , war
auch der Zauberei be-
schuldigt.
Ks ist männiglich
bekannt, dass dann die-
sen I lexen und diesen
Zauberern der Process
gemacht und dass nach
gerade der Bekenner des
Heidenthums von den
Christen verbrannt wurde
wie vorher der Bekenner
des Christenthums von
den Heiden.
Man achte, wie
merkwürdig der Spiess
im Laufe der Zeiten um-
gekehrt worden ist. Wie
lange wird es dauern,
dass derselbe Laurentius, der auf dem Roste gebraten worden ist, selbst einen Rost über die
Kohlen stellt, um einen Ketzer darauf zu legen, dass der Märtyrer martert und dass der Heide
für seinen Glauben leidet
Das Museum Lateranense wurde 1 843 von Gregor XVI. gegründet und für Altcrthümer
bestimmt, die im Vatican und auf dem Capitol keinen Raum hatten; der Palast ist feucht und
ungesund, und da es die Menschen nicht konnten, .sollten die Statuen drin wohnen. Pius IX., der
Nachfolger Gregors der Zeit und der Nachfolger des Damasus dem Geiste nach, fügte 1857
eine Sammlung altchristlirher Sarkophage- und Inschriften, ilie Ausbeute von de Rossi's und P.
Marchi's Katakombenforschungen hinzu. Die beiden Kategorien sind getheilt: das Profan- Museum
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Ijcfindet sich im Erdgeschoss des Palastes, das christliche Museum im ersten Stocke; neben
letzterem, welches auch viele Kopien von alten Fresken enthält, befindet sich eine moderne
Gemäldcgallcric, darin das Portrait Sixtus V. als Papst und als Kardinal. Das gregorianische
Museum ist eins der drei grossen römischen, sein Cabinetsstück die antike, 1838 in Terracina
gefundene Portraitstatue des Sophokles, die würdig aufzustellen es hauptsächlich angelegt
ward; in ihm, möchte man mit der Iphigenie sagen, in ihm hab ich seit meiner ersten Zeit das
Muster des vollkommnen Manns gesehn. Aus «lern christlichen Museum bringen wir die sitzende
Statue des heiligen Hippolytus, die Winckelmann für das beste bekannt«? Beispiel der frühchrist-
lichen Bildhauerkunst erklärt ; man setzt sie in »las sechste Jahrhundert. Der angesehene Kirchen-
lehrer sitzt in würdiger Haltung mit dem Philosophcnmantel bekleidet auf einer Kathedra; der
rechte Elbogen ruht auf einem Buche, das er in der linken Hand hält, die rechte Hand ist auf
die Brust gelegt Da er sich durch Verbesserung des Ostercyclus um die Feststellung des
Kirchenjahres verdient gemacht und sein vom Jahre 222 bis zum Jahre 333 reichender Canon
Paschalis einige Berühmtheit erlangt hat, so ist derselbe an der Stuhllehne eingegraben worden;
auf der andern Seite steht das reichhaltige Verzcichniss seiner Schriften. So bemerkt man neben
dem Sophokles eine runde Büchse, die seine Tragödien enthält (Scrinium, Capsa).
Diese beiden Männer, der eine im profanen der andere im christlichen Museum, der griechische
Dichter und der altkirchliche Schriftsteller, zwei beiderseits hüchbedeutende Persönlichkeiten, sie
stehen da wie die Repräsentanten zweier Welten und zweier Weltansichten. Der eine mit sich
gelbst un d mit der Natur in l'ebcrcinstimmung, der andere mit der Natur zerfallen und ein
christlicher Weltüberwinder — der eine harmonisch ausgebildet und entwickelt, ergeben in das
Schicksal und heiter, in edler, stolzer Männlichkeit über die Knie schreitend, der andere die Spuren
geistiger Kämpfe im Angesicht, gedankenvoll auf seinem Stuhle sitzend und in Lieberzeugungstreue
die Hand aufs Herz gelegt der eine die Menschheit mit der leichten Grazie eines edlen Geistes
grüssend, der andere sie voll tiefen Ernstes auf das Jenseits und auf ein besseres Dasein weisend
— der eine ein lebensfroher Mensch, der andere ein Fremdling auf Erden, der etwas Höheres
als das Leben hinter dem Leben sucht
So ist das 1 leidenthum und so das Christenthum. Wer möchte leugnen , dass die Welt-
ansicht eines Hippolytus eine tiefere und gewissermassen eine vornehmere ist als die eines
Sophoklirs ; und wer möchte anderseits leugnen, dass sie gegenüber seiner urwüchsigen Gesundheit
einen schmerzlichen Zug und jene leise Traurigkeit besitzt, die, wie der Wolkenflor um die
Kuppe des Mont Blanc, so häufig um die Stirnen der edelsten Geister schwebt Die antike
Welt ist krank, krank und enttäuscht wie Hamlet, darum wird sie christlich. Sie ist sehr gebildet
und hat viel gelitten, darum wählt sie eine entsagende Religion, die in Wüsten flicht. Alle
Völker thuen das, wenn der goldne Traum der Jugend verllogen ist, der Buddhismus beruht
auf ganz ähnlichen Anschauungen. Und allemal stehen sie dann geistig hoher, aber sind auch
kränker; junge Nationen können derlei Philosophie zwar annehmen, aber niemals aus sich erzeugen,
sie besitzen dazu viel zu wenig innere Geschichte. Wie!' Sollte eine trübe Resignation, eine
wehmüthige Weltflucht das Vollkommenere sein ? Sie bezeichnet eine höhere , nicht die letzte
Stufe der Entwickelung. Wenn einst ein durchgebildetes Geschlecht sich mit der Natur versöhnen
und, vom Christenthum durchgeistigt und geadelt, zur schlafenden Antike sagen sollte: Steh auf!
Verkläre dich und erwache! - - dann würde das Weltall, wenn es sich selbst empfinden könnte, als
an sein Ziel angelangt, aufjauchzen und den Gipfel des eigenen Wesens und Werdens bewundern.
Es wäre verjüngt es wäre wiedergeboren, es erstünde ein neuer Sophokles, schöner,
erhabener und milder als zuvor.
> - '!»>■ ■<
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v.l
».
DATE DUE ,
JUL 1 1977
Stanford University L« brar '° S
Stanford Ca
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