Die
Aussprache
des
griechischen
Konrad Zacher
5?arbarü College Htbraro
FROM TUE
CONSTANTIUS FUND
Established by Professor E. A. Sophocles of Harvard
University for "the purchase of Greek and Latin
books, (the ancient classics) or of Arabic
books, or of books illustraring or ex.
plnining such Greek, Latin, or
Arabic books." Will,
dated 1SS0.)
Received
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DIE ALTS SPRACHE
DES
GRIECHISCHEN.
VORTRAG
GEHALTEN IM
WISSENSCHAFTLICHEN VEREIN ZU BRESLAU
VON
Dr. KONRAD ZACHER
—
A. O. PBOFS88OII DBll KLABS. liliLOLOOIX AN 1IEH UNI VKHBITÄT BKKSLAl'.
LEIPZIG,
DRUCK UND VERLAG VON B. G. TEUBNRK.
1888.
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OCT 16 1 9ÜU ,
HERRN GEHEIMEN REGIERUNGSRAT
PROFESSOR DR. M. HERTZ
ZU SEINEM 70. GEBURTSTAGE
DEN 7. APRIL 1888
IN VEREHRUNG UND DANKBARKEIT DARGEBRACHT
VOM
VERPASSER.
Hochgeehrte Versammlung!
Wenn ich für den heutigen Ahend einen Vortrag über
die Aussprache des Griechischen angekündigt habe, so bitte ich
Sie, von mir nicht eine eigentliche gelehrte Abhandlung zu
erwarten. Ich will Ihnen weder neue Resultate eigener For-
schung vorlegen, noch eine vollständige Übersicht über den
Stand unseres Wissens von dem Gegenstände geben. Wie
könnte dafür auch die kurze mir zum Sprechen verstattete Zeit
hinreichen? Würde doch eine erschöpfende Darlegung dessen,
was wir über die Aussprache des Griechischen wissen, fast
gleichbedeutend sein mit einer Vorführung der gesamten grie-
chischen Lautlehre. Denn die Lautlehre ist ja eben die Lehre
von den Lauten, also von den Klängen oder Schällen, aus
welchen sich die Sprache zusammensetzt: ihr Bestreben ist, zu
erkennen, welchen Laut die Zeichen, in denen uns eine Sprache
überliefert ist, gehabt haben, daraus festzustellen, welche Laute
die Sprache überhaupt gehabt hat und wie dieselben sich im
Lauf der Zeit geändert haben: — das ist doch nichts anderes
als Geschichte der Aussprache.
Somit konnten Sie schon aus der Fassung des Themas
ersehen, dafs mein Vortrag nicht eine wissenschaftliche Tendenz
hat (sonst hätte das Thema etwa lauten müssen: „Über die
Lautwandelungen im Verlauf der griechischen Sprachentwicke-
lung", oder „Über den Lautwert der griechischen Schriftzeichen
in der klassischen Zeit"), sondern eine praktische. Es fragt
sich, wie sollen wir das Griechische sprechen, wie soll es auf
den Gymnasien gelehrt werden? Ist die jetzt bei uns übliche
Aussprache richtig, und, falls sie das nicht ist, empfiehlt es
sich, sie durch eine andere zu ersetzen und durch welche?
Die Frage, wie das Griechische gesprochen worden und
wie es zu sprechen sei, ist ja bekanntlich gar nicht neu, sou-
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dern schon seit Jahrhunderten Gegenstand der Erörterung, ja
der leidenschaftlichen Polemik gewesen. Die Kenntnis des
Griechischen war dem Abendlande übermittelt worden durch
byzantinische Gelehrte, und von diesen hatte man auch die
neugriechische Aussprache adoptiert, deren hauptsächlichste
Eigentümlichkeiten sind, dafs die Zeichen 1 rj u ei 01 ui wie /,
e und ai wie ä, au und eu wie aio ew resp. af ef, 6 und b
wie scharfes und weiches englisches th, ß wie w, T wie säch-
sisches g in Tage und Segen, l wie weiches s gesprochen
wird. 1 ) Allmählich wurde man gegen die Richtigkeit dieser
Aussprache, namentlich derjenigen der Vokale und Diphthonge,
mifstrauisch und suchte die ursprüngliche Aussprache wieder-
herzustellen, wobei man sich teils durch allgemeine theoretische
Erwägungen, teils durch bestimmte Anhaltspunkte in der klas-
sischen Litteratur leiten liefs: die neue Theorie der griechischen
Aussprache, welche dadurch eine mächtige Unterstützung er-
hielt, dafs Erasmus sie, wenngleich in oberflächlicher scherz-
hafter Weise, empfahl 2 ) (woher dann diese Art der Aussprache
dieErasmianische genannt wurde), gewann trotz heftigen Wider-
standes der Verteidiger der überlieferten Aussprache allmählich
das Feld und herrscht jetzt fast überall aufser in Griechenland
selber. Freilich in einer durch die Bequemlichkeit depravierten
Form. Die Grundidee war: jedes Zeichen mufs einen beson-
deren Laut ausdrücken, Doppelzeichen einen Doppellaut. Da
nun r\ die Länge von € darstellt, so hat es nicht den Laut i
sondern e; die Diphthonge ei cti 01 in sind als Kombinationen
von e + h « + h o + h V + ' auszusprechen, die Diphthonge
au ou eu als Kombinationen von a -j- w, o + e + «• An
Stelle dessen ist, wenigstens in Deutschland, die Praxis getreten,
den griechischen Zeichen einfach den Lautwert unserer Zeichen
unterzuschieben; wir sprechen ei wie unser ei, d. h. faktisch
wie ai, eu und oi wie unser eu, d. h. wie aü, während wir für
ou, da uns diese Zeichen Verbindung fehlt, die neugriechische
Aussprache u adoptiert haben. Dafs diese bei uns übliche
Aussprache unrichtig sei, ist allgemein anerkannt: es handelt
sich nur darum, ob es sich verlohnt sie zu ändern und was
eventuell dafür einzusetzen sei, und darüber ist auch in unserem
Jahrhundert verschiedentlich debattiert worden. Diese Frage
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von neuem aufzuwerfen, erscheint aber gerade jetzt zeitgemäfs,
wo man korrekte Aussprache der n euereu Sprachen durch deu
Schulunterricht zu erzielen eifrig bemüht ist und zu diesem
Zweck sogar die Lautphysiologie heranzieht 3 ), und wo man
auch an eine Reform der lateinischen Aussprache ernstlich zu
denken scheint. 4 ) Den unmittelbaren Anstofs zur Behandlung
dieser Frage hat mir das Erscheinen eines Buches von Eduard
Engel 5 ) gegeben, in welchem die neugriechische Aussprache
wieder einmal einen leidenschaftlichen Verteidiger gefunden hat.
Nicht etwa, dafs ich Ihnen dieses Buch zu anderer als
erheiternder Lektüre empfehlen möchte. Dem Verfasser fehlt
es zu sehr sowohl an Kenntnissen als an methodischer Schulung,
um in dieser schwierigen Frage überhaupt mitsprechen zu
können 6 ), und wenn er sich trotzdem auf das hohe Pferd setzt
und den Philologen Unwissenschaftlichkeit, Borniertheit und der-
gleichen mehr in den kernigsten Kraftausdrücken vorzuwerfen
nicht müde wird, so kann das eben nur erheiternd wirken. Aber
er unterscheidet sich von seinen Vorgängern dadurch, dafs er sich
nicht an die Philologen wendet um sie zu überzeugen, sondern
an das grofse wissenschaftlich gebildete und an der Schule
Anteil nehmende Publikum um es zu überreden. Das reizte
mich, den Versuch zu machen, ob es mir gelingen würde, den-
selben Stoff vor einem gleichen Publikum kurz, anschaulich
und objektiv so zu behandeln, dafs auch der Nichtphilologe
eine klare Einsicht gewinne, um was es sich handelt und auf
was es ankommt. Eine solche Orientierung wird aber, glaube
ich, auch manchem Philologen erwünscht sein; denn bei der
heutigen Arbeitsteilung in der Wissenschaft ist nicht jeder
Philologe in der Lage, dem Fortschritt derselben auf allen Ge-
bieten zu folgen, und das treffliche Buch von Blafs über die
griechische Aussprache 7 ), auf welches ich zu genauerer Infor-
mierung verweise, ist so streng esoterisch gehalten, dafs es
nur für engere Fachgenossen bequem zu benutzen ist.
Übrigens handelt es sich hier keineswegs ausschliefslich
um die Wissenschaft. Es ist eine praktische Frage, die wir
behandeln, und es ist gerade ein Hauptfehler Engels, dafs er
fortwährend Wissenschaft und Praxis verwechselt. Aber freilich
darf die Praxis von der Wissenschaft nicht getrennt werden:
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um die Frage zu beantworten, welche Aussprache wir auf der
Schule lehren sollen, müssen wir uns erst darüber klar werden,
was die Wissenschaft von der Aussprache weifs.
Und hier hat mir Herr Engel wiederum eine Anregung ■
gegeben. Er fragt unaufhörlich: „Woher wissen die Erasmianer
das?" Er sagt: „Welche Mittel besitzen wir, um auch nur eine
Ahnung von der Aussprache einer Sprache, lebenden wie toten,
zu kriegen? — Die Schrift?! Was sagt mir ein stummes
Schriftzeichen?" Eine kindliche Frage, zu deren Beantwortung
nur Kenntnisse gehören! Aber die Fragen der Kinder sind
für den Erwachsenen, so lästig sie ihm auch häufig fallen, doch
auch mitunter recht nützlich. Er wird dadurch gezwungen,
sich über manche Dinge Rechenschaft zu geben, die er sonst
als selbstverständlich ansieht, und das ist immer gut, denn
dadurch wird der geistige Besitz zu einem bewufsten. So ist
es auch für den Gelehrten ganz gut, wenn er mitunter durch
die verblüftende Frage eines Laien: „Woher weifst du denn das?"
dazu veranlafst wird, sich einmal wieder zu vergegenwärtigen,
auf welchen Grundlagen sein Wissen beruht, das Wissen, welches
für ihn meist schon zum Handwerkszeug geworden ist, mit
dem er weiteres Wissen erobert. Und daher wird es auch
Ihnen vielleicht nicht unangenehm sein, wenn ich hiervon aus-
gehe, wenn ich Ihnen zuerst die Hilfsmittel aufweise, welche
die Philologie hat, um die Aussprache des alten Griechisch zu
erkennen, wenn ich Ihnen dann an einem einzelnen Beispiele
in grofsen Zügen die Methode zeige, welche die Wissenschaft
anwendet, um mit jenen Hilfsmitteln sichere Resultate zu er-
zielen, und dann nach einem kurzen Überblick über das, was
wir von der Aussprache der einzelnen Laute wissen, zu der
praktischen Frage nach der Aussprache in unseren Schulen
übergehe.
Ich will ganz ohne jede Voraussetzung beginnen. Woher
wissen wir, welche Laute die alten Griechen mit den Buch-
staben ihres Alphabetes bezeichneten? Die Schrift zeichen selbst
sind stumm. Das geben wir Herrn Engel vorläufig zu. Müssen
wir aber nun mit ihm und anderen Verfechtern der neugrie-
chischen Aussprache weiter folgern, nur die mündliche Über-
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lieferung lehre uns den Lautwert jener Zeichen, mithin sei diese
der höchste Richter in Fragen der Aussprache? Das wäre doch
wohl eine zu rasche Folgerung. Dafs unser Wissen vom Alter-
tum überhaupt in erster Linie auf der Tradition beruht, ist ja
selbstverständlich. Wenn die lateinische Sprache nicht das
ganze Mittelalter hindurch in Gebrauch geblieben wäre, so
sollte es uns schwer werden, sie aus den Buchstaben allein
herauszulernen. Und ebenso steht es mit dem Griechischen.
Aber schon wenn wir dio Überlieferung für die eine der beiden
Sprachen hätten, so würden wir, natürlich mit Aufwendung
grofser Mühe, in der Lage sein, die andere zu entziffern, da
Entlehnungen und Übersetzungen aller Art uns genügende
Hilfsmittel an die Hand geben würden. Die Tradition hat uns
aber auch nur die erste Grundlage zu unserer Kenntnis des
Altertums gegeben, auf der wir dann mit eigner Forschung
weitergebaut haben. Wenn unsere Kenntnis der griechischen
Sprache und des griechischen Altertums auf das beschränkt
geblieben wäre, was die griechischen Gelehrten des 15. Jahr-
hunderts nach dem Abendlande brachten, so würde es damit
recht traurig aussehen. Und ähnlich steht es mit der Tradition
der Aussprache, ja noch schlimmer. Denn diese Tradition
widerspricht sich häufig selbst Wir haben ja nicht nur eine
Tradition, sondern mehrere, nämlich aufser 4er überlieferten
Aussprache der Neugriechen die überlieferte Aussprache der
griechischen Lehnworte des Lateinischen. Für die Tradition
der lateinischen Aussprache dürfen wir doch wohl dasselbe
Kecht in Anspruch nehmen, wie für die des Griechischen; das
Lateinische ist das ganze Mittelalter hindurch eine lebende
Sprache gewesen — denn anders kann ich ihre Bedeutung als
internationale Sprache der Geistlichkeit, der Juristen und Staats-
männer nicht auffassen — und so ist seine Aussprache mündlich
zu den Humanisten, und dann bis zu uns Überlieferl Aber —
da sieht man recht deutlich, was man auf die mündliche Über-
lieferung geben darf — nicht einmal die Aussprache des Latei-
nischen ist in allen Ländern gleich, sondern national gefärbt.
Wem soll man nun glauben? Das altgriechische KOiunTripiov
sprechen die Neugriechen kjimiürion, das daraus entnommene
lateinische coemeterium sprechen wir (swmv(erium t die Italiener
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Ischemeter iummc. Welche Überlieferung ist die getreue? Oder
einige andere beliebig herausgegriffene Beispiele: uTroidvouca
neugriechisch ausgesprochen ipolinusa, lateinisch hypotenusa;
UTro0r|Kn. neugriechisch ausgesprochen ipothiki mit dem Laut
des englischen harten th, lateinisch hypotheca mit der Tenuis;
Anunjpioc neugriechisch Dimitrios mit dem Laut des weichen
englischen th, lateinisch Demetrius u. s. w.
Dergleichen mufs doch schon gegen die Überlieferung
inifstrauisch machen. Nun kommt hinzu, dafs die Zeichen
keineswegs so stumm sind, wie sie scheinen. Auch für einen
ganz voraussetzungslosen Betrachter sprechen sie ganz laut
und vernehmlich zunächst das aus, dafs die neugriechische
Aussprache wenigstens zu jener Zeit noch nicht herrschend war,
als die Griechen mit Buchstaben zu schreiben anfingen. Das
Neugriechische hat für den Laut / sechs Zeichen, nämlich
i i] u ei 01 ui, für den Laut e zwei, € und cu, für den Laut o
zwei, o und w, dabei sind € und cu, o und in nicht etwa durch
die Quantität unterschieden, denn Quantitätsunterschiede der
Vokale kennt das Neugriechische überhaupt nicht, oder viel-
mehr alle Vokale sind kurz, aufser wenn sie den Accent tragen,
durch den sie lang werden. Sollten die alten Griechen wirk-
lich damals, als sie ihr Alphabet von den Phönikiern ent-
nahmen, für einen und denselben /-Laut sechs verschiedene
Zeichen gesetzt haben? Und was sollte sie veranlafst haben,
einen einfachen Laut, für den sie aufserdem ein einfaches Zeichen
oder gar .mehrere hatten, auch noch mit einem doppelten zu
bezeichnen, das aus zwei einfachen zusammengesetzt ist, also
den e-haut mit cu neben e, den /-Laut mit ei oi ui neben i r\ u?
In der That ist diese Annahme so durchaus unwahrscheinlich,
dafs selbst ein so eifriger Verteidiger der neugriechischen
Aussprache wie Ran gäbe' 4 ) zugesteht: „Dafs r\ in der ältesten
Periode der Sprache sich nicht von i unterschieden habe, wird
niemand behaupten" oder: „Es mufs richtig sein, dafs dort wo
die phönikischen Buchstaben von den Griechen zuerst auf-
genommen wurden, jedes Zeichen seine Aussprache, also jeder
Diphthong die Verschmelzung zweier Laute vernehmen liefs";
und eben derselbe schliefst aus dem Vorkommen des Zeichens
H für den Spiritus asper in den ältesten Inschriften,- „dafs es
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t *
— 11 -
Zeiten und Gegenden in Griechenland gegeben hat, in welchen
dieses Zeichen wirklich ausgesprochen war," wahrend es be-
kanntlich im Neugriechischen uicht ausgesprochen wird. Es
darf also als zugestanden und ausgemacht gelten — ich ziehe
den Schlufs in der vorsichtigsten Form — , dafs zu der Zeit,
als die Griechen das phönikische Alphabet einführten, also
etwa im neunten Jahrhundert 9 ) vor Chr., eine Anzahl von
Zeichen nicht den Laut ausdrückten, den sie jetzt im Neu-
griechischen bezeichnen; und dies Ergebnis ist, so bescheiden
es scheint, doch principiell wichtig, weil dadurch die Tradition
einen zweiten Stöfs erhält und mit Sicherheit festgestellt wird,
dafs die bis heute durch mündliche Tradition überlieferte Aus-
sprache nicht von jeher geherrscht hat, dafs die Aussprache
des Griechischen sich im Laufe der Zeiten geändert hat; ein
Ergebnis, welches niemanden überraschen kann, der sich über-
haupt mit wissenschaftlicher Sprachforschung beschäftigt und
aus ihr gelernt hat, dafs die Laute in fortwährendem, bald
rascheren, bald langsameren Flufs sind.
„Ja/' sagen nun die Verteidiger der Tradition, „wir geben
zwar zu, dafs in grauen Zeiten einmal Unterschiede in dem
Lautwert von n. i u, von e und ai vorhanden gewesen sind:
welches aber diese Laute waren, das zu sagen wird jetzt
niemand mehr im stände sein; wir geben zu, dafs die Aussprache
in jener Zeit nicht dieselbe war als die heutige, aber wie sie
in der That war, wissen wir nicht." Es liegt mir nun ob
Ihnen zu zeigen, dafs wir das in der That wissen können und
mit welchen Mitteln wir zu diesem Wissen gelangen.
Um jedoch jedes Mifs Verständnis zu vermeiden, schicke
ich voraus, dafs dieses Wissen natürlich nur ein approximatives
sein kann. Bei der unendlichen Mannigfaltigkeit der mensch-
lichen Sprachlaute, der unendlichen Menge feiner Nuancierungen,
welche möglich sind und faktisch vorkommen, wäre es ver-
messen zu behaupten, dafs man die Aussprache einer toten
Sprache mit derselben Genauigkeit wiedergeben könnte wie
die eineHebenden. Doch werden Sie sehen, dafs wir zum Teil
eine sehr grofse "Genauigkeit in der Bestimmung des Lautes
erreichen können; wenn dies nicht überall in gleichem Grade
möglich ist, und unser Wissen manchmal ein etwas unsicheres
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bleibt, so ist das die- Folge der Mangelhaftigkeit oder Lücken-
haftigkeit der gerade in diesem Falle uns zu Gebote stehenden
Quellen oder Hilfsmittel.
Unter den Hilfsmitteln zur Erkenntnis der griechischen
Aussprache hat man von jeher als ein besonders gewichtiges an-
gesehen das Zeugnis des Lateinischen, d.h. den Schlufs den
man aus der Schreibung griechischer Worte im Lateinischen
und umgekehrt lateinischer im Griechischen ziehen kann. Aber
dieses Mittel hat doch nur sehr bedingten Wert: ja, wenu wir
uns auf den Standpunkt völliger Voraussetzungslosigkeit stellen,
so gut wie gar keinen. Denn was wissen wir denn von der
Aussprache des Lateinischen? gerade so viel wie von der des
Griechischen. Solange also, als wir nicht nachgewiesen haben,
dafs und mit welchen Mitteln man die Aussprache dieser
Sprachen nachweisen kann, so lange bleibt die Aussprache des
Lateinischen für uns eine ebenso unbekannte Gröfse als die
des Griechischen; wir würden nur eine unbekannte Gröfse durch
eine andere ersetzen. 10 ) Aufserdem ist dabei die schwierige
Frage in Betracht zu ziehen, welche Wörter des Lateinischen
wirklich aus dem Griechischen stammen oder etwa gemeinsames
Erbgut sind 11 ), und in welcher Zeit die Wörter aus dem
Griechischen entlehnt sind; und in der grofsen Mehrzahl der
Fülle würde das Lateinische ohnedies nur für die Aussprache
des Griechischen in der Zeit des Verfalls beweisend sein.
Ähnlichen Beschränkungen unterliegt der Wert eines
/.weiten Mittels für Erkenntnis der griechischen Aussprache,
nämlich der ausdrücklichen Angaben der Grammatiker. Die
Bedeutung der geistigen Arbeit dieser Männer und ihr eminenter
Wert für unsere Kenntnis des Altertums wird von den Laien
gewöhnlich weit unterschätzt, ja man hört sogar sehr oft in weg-
werfendem Tone von den alexandrin ischen Grammatikern reden,
während die Philologie unserer Zeit emsig bestrebt ist, die
Werke dieser Gelehrten zu rekonstruieren und dabei einen
immer gröfseren Respekt vor ihnen gewinnt. Aber das Schlimme
ist eben, dafs wir uns diese Werke erst rekonstruieren müssen
und dafs das doch nur in sehr fragmentarischer und häufig
nicht zweifelloser Weise gelingt. Von Originalwerken grie-
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chischer Grammatiker aus der Blütezeit dieser Disciplin ist
uns fast nichts erhalten, unsere Kenntnis schöpfen wir meist
aus Scholien, Lexicis und dürftigen grammatischen Traktaten
der Byzantinerzeit, in denen, durch lange und nicht immer
saubere Kanäle abgeleitet, Brocken der alten Gelehrsamkeit
zusammengeflossen sind, von sehr verschiedenem Wert, von
sehr verschiedener Güte der Erhaltung, und meist namenlos.
Da ist es denn ein sehr mühsames Werk, diese Fragmente
ihren Urhebern zuzuweisen: einen sicheren Anhalt geben nur
diejenigen, die mit ausdrücklicher Angabe des Namens über-
liefert sind; aus deren Charakter und Eigenart schliefst man
auf die übrigen, und vieles bleibt unsicher. Und dabei führen
uns diese Fragmente doch nur auf die Zeit der Blüte der
Grammatik zurück, also die Zeit etwa von 250 vor Chr. bis
200 nach Chr. Sie beweisen uns nichts für die Sprache der
eigentlich klassischen Zeit der griechischen Litteratur.
Die griechischen Grammatiker konnten von der Aussprache
früherer Zeiten nichts wissen, für sie waren die Zeichen in
der That stumm, da ihnen die Mittel abgingen, sie zum Reden
zu bringen. Aber sie hatten auch kein sonderliches Interesse
daran: die Lautlehre spielte bei ihnen eine sehr untergeordnete
Holle,, wurde sehr oberflächlich behandelt, und daher sind Be-
merkungen der Art, dafs sie für uns Wert haben, meist nur
beiläufig und bedürfen erst unserer Interpretation. Solche Be-
merkungen bieten uns übrigens nicht nur die eigentlichen
Grammatiker, sondern auch andere Schriftsteller. Die Kenntnis
der Grammatik war in späterer Zeit selbstverständliche Voraus-
setzung höherer Bildung, aber auch schon vor der Ausbildung
der eigentlichen Grammatik haben sich Philosophen und Lehrer
der Beredsamkeit mit grammatischen Fragen beschäftigt. Bei
der Wertschätzung solcher Notizen werden wir nun immer die
Zeit, die Heimat, die Bildung und die Tendenz des betreffenden
Schriftstellers in Betracht ziehen müssen und daraus die mög-
lichst vorsichtigen Schlüsse ziehen. Wenn z. B. der skeptische
Arzt und Philosoph Sextus Empiricus in seiner Schrift ad-
versus grammaticos '*), in der er sich bestrebt, die Theorieen
der Grammatiker ad absurdum zu führen, ausdrücklich ai €i ou
als (peöifYOi uovoeibeic und ctoixeia bezeichnet, so ist das natür-
— 14 -
lieh ein Beweis, dafs er sie nicht diphthongisch sprach, sondern
wie ä i u. Aber wann lebte er, wo war er her? das wissen
wir nur ungefähr dahin zu beantworten, dafs er in der ersten
Hälfte des 3. Jahrhunderts nach Christus als Schriftsteller
thätig war und vielleicht aus Afrika stammte. Das beweist
also herzlich wenig für die Aussprache des Griechischen über-
haupt; im besten Fall für die Aussprache im 3. Jahrhundert
nach Christus in gebildeten Kreisen, vorausgesetzt, dafs der
Mann nicht seine afrikanischen Idiotismen mitbrachte. Wich-
tiger wäre das Zeugnis byzantinischer Grammatiker, welche
Wörter mit e und ai, also z. B. Trctibec traben, kcvöc kcuvöc
so unterscheiden, dafs sie sagen, die einen würden biä toö
e uuXoö, die anderen bid Trjc ai bupSÖYfOu geschrieben 18 ),
für den Gleichklang von e und cu im 2. Jahrhundert nach
Christus in den Kreisen der fein und gelehrt gebildeten
Griechen in Alexandria und Rom, wenn dieselben in der
That aus den Schriften des berühmten und hochbedeutenden
Grammatikers Herodian entnommen wären, was von einem
hervorragenden Kenner der griechischen grammatischen Litte-
ratur und des Herodian speciell behauptet, von anderen ge-
leugnet wird. 14 ) Dagegen schliefst jeden Zweifel aus, was
Dionysios von Halikarnafs, der eifrige Bewunderer und För-
derer rein attischer Sprache zur Zeit des August, also in
der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts vor Christus, sagt, die
Zusammenstellung der Worte Kai 'A6r|vaiiuv bei Thukydides
sei hart, weil die Laute des i und des a sich nicht mischen
könnten. 15 ) Daraus geht hervor — ich bin wieder so vor-
sichtig und voraussetzungslos wie möglich bei der Schlufs-
folgerung — , dafs man damals in der guten Gesellschaft der
fein gebildeten Griechen, welche sich bestrebten, an Stelle des
aus dem attischen Dialekt abgeleiteten, aber im Laufe der
Jahrhunderte arg depra vierten Gemeingriechisch (der sog. KOivr|)
das echte alte Attische zu setzen, das ai noch diphthongisch
sprach.
Solche direkte Zeugnisse, welche einfache Thatsachen mit-
teilen, sind äufserst schätzenswert; dagegen sind gänzlich
wertlos die so sehr beliebten und massenhaft erhaltenen
Etymologieen. Von Lautgesetzen hatte mau keine Ahnung,
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und so beruhen die Etymologieen auf einer Kombination von
zufälligem äufseren Anklang und einer gewissen Ähnlichkeit
der Bedeutung, wobei uns aber zum Teil ganz Unglaubliches
zugemutet wird. Alle möglichen Laute können in einander
übergehen, Laute willkürlich eingefügt werden, und die Be-
deutungsübergänge werden bei den Haaren herbeigezogen.
Diesen Charakter tragen — der Natur der Sache nach — in
noch höherem Grade die Etymologieen Piatos im Kratylos,
welche daher für die Aussprache der Zeit gar keine Beweis-
kraft haben. Als Beleg dafür, dafs Plato r\ wie i ausgesprochen
habe, hat man sich z. B. berufen auf eine Stelle des Kratylos 16 ),
die ich in Übersetzung hier mitteile:
Sokr. . . . Du weifst, dafs unsere Vorfahren das i und
das b gern brauchten, namentlich die Weiber, welche die alte
Aussprache am zähesten festhalten. Jetzt aber setzen sie an
Stelle des i entweder e oder n., an Stelle des b ein l, als ob
das vornehmer wäre.
Herrn. Wie so?
Sokr. Wie sie zum Beispiel in der ältesten Zeit den
Tag iu£pa nannten, später £u^pct, und jetzt n.u^pa.
Herrn. So ist es.
Sokr. Weifst du nun, dafs nur jene alte Benennung den Ge-
danken des Namengebers kund giebt? weil nämlich den Menschen
das Licht nach dem Dunkel zur Freude und Erfüllung ihrer
Sehnsucht (lueipouciv) erschien, deshalb nannten sie es lulpa.
Herrn. Das ist klar.
Sokr. Jetzt aber, wo die n.U€*pa hochtönend aufgeputzt
ist, versteht man kaum, was sie bedeutet.
Hier kann nur einer, der Plato und seine spielenden
Etymologieen im Kratylos nicht kennt, die Behauptung, dafs
flippet früher ijue'pa gelautet habe, überhaupt ernst nehmen.
Fügt Plato doch gleich hinzu: Jedoch meinen einige, der Tag
sei so genannt, weil f\ nuepa n>€pa ttoici", womit er nur eine
andere eigene Etymologie giebt. Die flüchtigsten Anklänge
genügen ihm für seine Etymologieen; solche positive Behaup-
tungen aber, wie die, dafs die Alten iuepa gesagt hätten, sind
nur plastische Einkleidungen seiner etymologischen Phantasieen
wie die Mythen seiner theosophischen.
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Beweisender als solche Etymologieen, aber auch manch*
mal beweisender als ausdrückliche oder.beiläufige Angaben sind
mitunter Spielereien, absichtliche Zweideutigkeiten, reimende
Lautanklänge und dergl. Doch auch hier mufs man in seinen
Schlüssen sehr vorsichtig sein. Viel ausgenutzt sind von den
Freunden der neugriechischen Aussprache namentlich zwei
Beispiele der Art Das erste findet sich bei Thukydides im
zweiten Buch. 17 ) Hier erzählt er bei Gelegenheit der Be-
schreibung der Pest, man habe sich damals eines alten Orakel-
spruchs erinnert: r\Zei Awpiaicdc 7TÖXeuoc Kai Xoiuöc äu' auiuj,
und sich gestritten, ob Xoiuöc oder Xiuöc gemeint sei: infolge
der gerade obwaltenden Umstände habe die Auffassung, es sei
Xoiuöc gemeint, den Sieg behalten, „sollte aber," setzt er hinzu,
„später wieder einmal ein dorischer Krieg ausbrechen und
Hungersnot eintreten, so würde man wahrscheinlich die Weis-
sagung darnach umdeuten". Daraus geht allerdings meines
Erachtens das hervor, dafs der Diphthong 01 damals in Athen
nicht so gesprochen worden sein kann, wie wir ihn sprechen,
sondern dafs er dem i näher lag (und dafs das in der That
der Fall war, werden wir weiterhin sehen), es folgt aber nicht
völlige Gleichheit in der Aussprache von 01 und i.
Ein anderes viel besprochenes Wortspiel findet sich in
einem Epigramm, welches dem Kallimachos zugeschrieben
wird. 18 ) Hier lauten die beiden letzten Verse:
Aucctvui, cu bk vmxi kcxXöc xaXöc — äXXä TTplv emeiv
toöto cacpüjc, 'Hxuj <pnd Tic* „"AXXoc £x*i"
Hier ist es unzweifelhaft, dafs die Worte dXXoc £x ei das Echo
von vcuxi KaXöc sein sollen, dafs also der Verfasser cu wie e,
€i wie i sprach. Aber wer war der Verfasser? Das Distichon
hat mit den vorhergehenden Versen, mit denen zusammen es
überliefert ist, gar keinen Zusammenhang und pafst gar nicht
zu ihnen. Da überdies ein so albernes Echo, welches die
Worte umdreht, einem feinen Dichter wie Kallimachos kaum
zuzutrauen ist 19 ), und da wir aus anderen unzweifelhaften
Indicien mit Sicherheit schliefsen können, dafs zur Zeit des
Kallimachos in Alexandria in guter Gesellschaft zwar vielleicht
schon ei wie i, aber keinesfalls ai wie € gesprochen worden
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ist, 20 ) so ist die Annahme einiger Gelehrten 21 ) höchst wahr-
scheinlich, dafs diese beiden Verse gar nicht von Kallimachos
stammen. Dann aber sind sie herrenlos und beweisen nichts.
Aber auch wenn sie von Kallimachos wären, so würden sie
im besten Falle nur beweisen, dafs in Alexandria um die Mitte
des 3. Jahrhunderts v. Chr. ai wie e, ei wie i gesprochen wurde
(und auch in diesem Falle könnte man noch an einen von Kalli-
machos aus seiner Vaterstadt mitgebrachten Provinzialismus
denken) : es wäre damit noch nichts bewiesen für andre Centren
der Bildung wie Athen und etwas später Pergamon.
Das Echo führt uns auf die Nachahmung von Natur-
lauten durch die menschliche Stimme, und die Wiedergabe
solcher Nachahmungen durch die Schrift. Solche Nachahmungen
können für die Bestimmung der Aussprache einen grofsen
Wert haben, aber doch nur in seltenen Fällen. Denn wenn
der Naturlaut nicht einem klaren und reinen menschlichen Laut
genau oder fast genau entspricht, so wird er von verschiedenen
verschieden gehört und wiedergegeben werden. Daher sind als
gänzlich wertlos auszuscheiden Nachahmungen rein elementarer
Schälle ebensowohl als des Klanges von Musikinstrumenten.
Das Rollen des Donners, das Brausen oder Heulen des Windes,
das Plätschern des Wassers läfst sich in artikulierten mensch-
lichen Lauten (und nur diese sind durch die Schrift fixierbar)
ebensowenig genau nachahmen, als das GpeTTCtveXö des
Philoxenos, das Tr|V€X\a des Archilochos und das uuuö des
Aristophanes 22 ) uns den Klang der Kithar und Flöte auch
nur einigermafsen zu vergegenwärtigen im stände sind. In
Betracht kommen können für uns nur Laute, welche in ähnlicher
Weise wie die menschlichen Laute, durch ungefähr dieselben
Schall Werkzeuge hervorgebracht werden, d. h. die Stimmen
der Tiere. 23 ) Und auch hier wird man sehr unterscheiden
müssen. Nicht alle Tierstimmen sind der Art, dafs sie von allen
in gleicher Weise gehört werden müssen. Das Mautzen der
Katze, das Gebell des Hundes, das Brüllen des Ochsen sind in den
Lauten so unbestimmt, und aufserdem individuell zum Teil so
verschieden, dafs der einen groben Fehler begehen würde, der
etwa aus unserem muh schliefsen wollte, die Griechen hätten
in uuKäouai das u wie u gesprochen, oder aus unserem wau
ZAcnr.n, Die Ausspräche» des Griechischen 2
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18 -
wau, das au des Hundes in Aristophanes' Wespen habe hau
gelautet. Aber es giebt auch Laute in den Tiersfcimnien, die
unverkennbar sind, und in der That überall in der Wieder-
gabe derselben wiederkehren: so das kar oder kra der Krähe
(KÖpaH Kopiuvri corvus cornix kra), das kucku des Kuckucks (wobei
der Vokal allerdings etwas unklar bleibt, aber zwischen o u ü
schwankt), das gr beim Schwein (ypuZeiv, grunnire, grunzen);
und die Griechen waren feine Beobachter. Das ßp€KK€Ke£ Koä£
KodH des Aristophanes giebt das Geschrei des gewöhnlichen grünen
Wasserfrosches (rana esculenta) unvergleichlich viel getreuer
und charakteristischer wieder als unser quak quak* 4 ), und ebenso
kopiert sein tiö tiö tiö tiö tiE, sein iuj idi Ituj ituj ituj das
Flöten der Nachtigall viel getreuer als das zikftth ziküth unseres
Märchens. Daher dürfen wir wohl ein Gewicht darauf legen,
dafs der Koniödiendichter Kratinos die Schafe ßfj ßfj sagen
läfst. Natürlich mufs man dabei das Unwesentliche abziehen;
bei dem Froschgesang des Aristophanes ist dem griechischen
Auslautgesetz zu liebe das eigentlich schliefsende k zu £ ge-
wandelt, und auch das ßp ist willkürlich; und das ßr) ßfj des
Kratinos könnte ebensowohl ufj urj lauten (wie denn das Verbum
un.K(xouai heifst); das Wesentliche ist dort die Zusammen-
stellung der Vokale und des A-Lautes, hier nur der Vokal.
Solche Kriterien, welche äufserst vorsichtig zu behandeln
sind, nur in seltenen Fällen positiv etwas beweisen, durch
scharfsinnige Korabination allerdings schon zum Teil recht
hübsche Resultate, aber doch immer nur sporadisch, ergeben
konnten, waren es, worauf in der Hauptsache die Wissenschaft
bis vor etwa 50 Jahren angewiesen war. Es kamen noch
hinzu grammatische Erwägungen und Schlüsse aus Schreib-
fehlern der Handschriften und Inschriften; aber die Beweis-
kräftigkeit dieser letzten beiden Kriterien wurde wesentlich
beeinträchtigt durch die Mangelhaftigkeit der Kenntnis, Einsicht
und Methode auf beiden Gebieten.
Gerade hier liegt nun das Verdienst und die epoche-
machende Bedeutung der neueren philologischen Richtung, die
in der Hauptsache ein Erzeugnis deutschen Geistes ist und
Deutschland auch auf diesem Gebiete zur führenden Nation
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gemacht hat. Unsere Kenntnis des Altertums überhaupt, und
vor allem auch seiner Sprache ist seitdem eine ganz andere
tiefere und umfassendere geworden, und so sind wir auch in
der Lage, die Frage nach der Aussprache der alten Griechen
mit ganz anderer Genauigkeit beantworten zu können, als es
früher möglich war.
Drei Faktoren sind es, welche den gewaltigen Fortschritt
der Philologie in unserem Jahrhundert veranlafst haben. Erstens
die strenge kritische Methode der Forschung, welche zu einer
bewufsten nach Regeln ausgeübten lern- und lehrbaren Kunst
geworden ist und von jedem erlernt und gehandhabt werden
mufs, der selbständig wissenschaftlich arbeiten will. Diese
Methode der Kritik wurde zuerst ausgebildet an den Texten
der Schriftsteller, und namentlich Karl Lachmann war es, der
sie hier zu höchster Vollendung brachte und ein fruchtbarer
Lehrer derselben wurde; dann aber ward sie übertragen auf
jede Art der Forschung und ist jetzt Gemeingut der Wissen-
schaft. Zweitens die historische Auffassung, welche jede Er-
scheinung in ihrem ursächlichen Zusammenhang zu erfassen,
welche das Werden und die Entwicklung zu erkennen sucht,
Diese Richtung, welche ja auch die Naturwissenschaften unserer
Zeit beherrscht, wurde in der Philologie zur Geltung gebracht
auf dem Gebiet der Altertumswissenschaft im engeren Sinne,
d. h. der Erkenntnis des staatlichen und gesellschaftlichen
Lebens des Altertums, hauptsächlich durch Boeckh: auf dem
Gebiet der Sprachwissenschaft gab den Anstofs vor allem
Jakob Grimm, dann Franz Bopp, und es entwickelte sich die
historische Grammatik, welche man, wenn sie durch Ver-
gleichung verwandter Sprachen frühere Sprachzustände zu er-
kennen sucht, Sprachvergleichung nennt. Der dritte Faktor
endlich ist die Aufschliefsung der klassischen Erde, namentlich
Griechenlands. Unermüdlich wurde der griechische Boden
durchwühlt, immer systematischer wurden die Ausgrabungen
unternommen, und wie reich diese Mühe belohnt wurde, das
ist ja heute jedermann bekannt. Kunstwerke und Urkunden
entstiegen in Menge der Erde, unschätzbar für uns als zeit-
genössische und daher zuverlässige Zeugen einer Zeit, die uns
sonst nur durch die Berichte der Litteratur, also durch die
2*
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(stets mehr oder weniger unzuverlässige oder lückenhafte)
Tradition, bekannt war. Für die Kenntnis der Sprache handelt
es sich natürlich speciell um die Inschriften, und die reiche
Fülle von Inschriften, die allmählich aufgedeckt wurden, ist
in der That für unser Wissen von der griechischen Sprache
von gröfster und einschneidendster Bedeutung geworden, nament-
lich nachdem man gelernt hatte, die Inschriften kritisch zu
sichten und zu vergleichen und daraus die richtigen Schlüsse
zu ziehen. Die frühere Zeit hatte zwar auch Inschriften ge-
kannt, aber ihr fehlte eben noch die kritische Methode und
der historische Gesichtspunkt: — jetzt entwickelte sich eine
besondere Wissenschaft, die Epigraphik. Man lernte aus den
verschiedenen Formen der Buchstaben das Alter der Inschriften
zu erkennen, man verfolgte die Veränderungen in der Form
der Schriftzeichen von der jüngsten bis in die älteste Zeit, aus
der uns Inschriften erhalten sind, man sah, dafs in dieser
ältesten Zeit verschiedene Buchstabenformen in verschiedenen
Gegenden üblich sind, die doch auf eine Grundform zurück-
gehen, man sah, dafs dieselben Zeichen in verschiedenen Zeiten
und Gegenden anders verwendet werden, man sah, dafs die
Schreibung mitunter willkürlich gewechselt wird — kurz es
entstand die Geschichte der Schrift. 26 ) Aber die Schrift läfst
sich nicht vom Laut trennen. Das Schriftzeichen bezeichnet
einen Laut, und so wurde man dadurch mit Notwendigkeit auf
die griechischen Laute hingeführt, man schlofs aus der ver-
schiedenen Verwendung derselben Zeichen, aus der Aufnahme
neuer u. s. w. auf den Lautwert derselben. Dabei wurde man
wesentlich unterstützt durch die Entwickeluug der historischen
griechischen Grammatik, und diese ihrerseits stützt sich wieder
wesentlich auf die Inschriften. Die Inschriften geben nicht
nur ein treues Bild von den allmählichen Lautwandelungen
im attischen Dialekt und der daraus abgeleiteten allgemeinen
Schrift- und Umgangssprache: sie zeigen uns auch die mund-
artlichen Einflüsse in verschiedenen Gegenden: sie lehren uns
vor allem die Mundarten in ihrem ursprünglichen reinen Be-
stände kennen. Die Inschriften haben uns griechische Mund-
arten erschlossen, von denen litterarische Denkmäler nie vor-
handen gewesen sind und von deren Existenz wir vorher kaum
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etwas wufsten, wie von der thessalischen, der arkadischen, der
kyprischeu, der elischeu, sie haben uns von den Mundarten,
die wir durch die Grammatiker oder durch erhaltene Texte
schon einigermafsen kannten, wie der ionischen, der lesbischen,
der böotischen, eine genauere und zuverlässige Vorstellung
gegeben. Durch die Vergleichung dieser Mundarten mit der
gleichfalls durch die Inschriften genauer erkannten attischen
sowie mit der älteren Sprachform, in der die homerischen
Gedichte überliefert sind, und dann weiter mit den verwandten
Sprachen, indem zugleich die Resultate der allgemeinen Sprach-
wissenschaft über die Gesetze des Lautwandels überhaupt be-
rücksichtigt wurden, ergab sich nun ein Bild von der Ent-
wickelung der griechischen Sprache, speciell des griechischen
Lautsystems, welches allmählich immer klarer und deutlicher,
immer mehr bis in alle Einzelheiten hinein erkennbar wurde.
Wir sind infolge dessen jetzt im stände, die Laute der griechischen
Sprache einerseits chronologisch von der Zeit der Trennung von
den verwandten Völkern ab bis in die späte römische Kaiser-
zeit, ja die byzantinische Zeit hinein, andererseits räumlich in
ihre Verästelungen in Dialekte und Dialektnuancen hinein zu.
verfolgen. Natürlich ist uns noch immer vieles verborgen
und anderes kontrovers: aber das liegt in der Natur der Sache
und im Begriü* der Wissenschaft: wo nichts Neues mehr zu
finden, kein Problem mehr übrig ist, da hört die Wissen-
schaft auf; aber es ist durch die Beschränktheit menschlichen
Wissens und Könnens dafür gesorgt, dafs es nicht dazu kommt.
Einen sehr erklecklichen Schatz festen Wissens haben wir
immerhin schon geborgen. Und nun erst ordnen sich jene
mehr sporadischen Ergebnisse, die aus den vorher betrachteten
Kriterien zu gewinnen sind, dem Ganzen ein und finden jetzt
erst Halt und Zusammenhang.
In welcher Weise nun die Wissenschaft all diese Mittel
anwendet, um ihre Resultate zu erzielen, davon will ich Ihnen .
jetzt ein Beispiel vorführen, und ich wähle dazu eben die
Laute, welche vor allem ein Zankapfel gewesen sind und noch
sind, nämlich die Vokale und Diphthonge, weil wir gerade
hier zum Teil zu ganz zweifellosen Resultaten kommen können.
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Wir gehen aus von dem ßr| ßf) der Schöpse bei Kratinos.
Aber da wir ganz voraussetzungslos zu Werke gehen wollen,
so müssen wir zunächst fragen: was wissen wir darüber und
woher wissen wir das.
Kratinos, der grofse Vorläufer des Aristophanes und eigent-
liche Schöpfer der alten attischen Komödie, war Zeitgenosse
des Perikles, den er jedoch überlebte. Von seinen Komödien
ist nichts auf uns gekommen, als dürftige Fragmente, die von
Grammatikern citiert werden. So wird auch von verschiedenen
Grammatikern aus seinem Dionysalexandros folgender Vers
angeführt:
6 b* nXiGioc uJCTTep TrpößctTOV ßfi. ßn. Xerwv ßabttei
als Beleg dafür, dafs dies das uiunriKÖv Tf)c tüjv TTpoßonuv
qpujvnc bei den Attikern sei. 26 ) Die grammatischen Werke, in
denen sich dies Citat findet, stammen alle aus byzantinischer
Zeit, und von ihren Verfassern hat keiner ein Exemplar des
Kratinos zu Gesicht bekommen, sondern sie haben das Citat
aus älteren grammatischen Werken abgeschrieben. Und einer
von ihnen, Eustathios, nennt auch seine Quelle, nämlich Aelios
Dionysios. 27 ) Das war ein gelehrter Grammatiker zur Zeit
Hadrians, der aus der Sprache der alten attischen Klassiker
ein besonderes Studium machte und ein Lexikon attischer
Worte und Redensarten schrieb, das von den Späteren viel be-
nutzt worden ist. Dieser also las entweder selbst in einem
Exemplar des Kratinos das BH BH, oder entnahm das Citat
seinerseits wieder einem älteren Werke, vielleicht der KwuiKf) XeHic
des Didymos, einem sehr reichhaltigen Lexikon zu den attischen
Komikern, das für eine grofse Anzahl uns erhaltener Notizen
Quelle gewesen ist. Jedenfalls las man in römischer Kaiserzeit
in den Handschriften des Kratinos BH BH. Aber hat er selbst
so geschrieben? Das ionische Alphabet, in welchem das Zeichen
H einen 6'- Laut bezeichnete, wurde in Athen erst 403, geraume
Zeit nach dem Tode des Kratinos, officiell eingeführt; das bis
dahin in den öffentlichen Urkunden gebrauchte altattische
Alphabet verwendet das Zeichen H für den Hauchlaut (Spiritus
asper) und hat für den kurzen wie langen e-Laut nur das eine
Zeichen E. Also schrieb Kratinos selbst BE BE? Das folgt
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daraus nicht. Denn in Athen war es nicht wie bei uns, wo
eine neue Orthographie von oben herab dekretiert und nun
erst ins Leben eingeführt wird, sondern das Leben ging voran,
der Staat folgte nach: der demokratische Staat war in seiner
Praxis äufserst konservativ. Hat Athen doch auch die alter-
tümlich unbeholfenen Münztypen noch bis in eine Zeit hinein
befoeh alten, wo die Kunst sich schon längst zu voller Freiheit
und Schönheit durchgerungen hatte. So ist das ionische Alphabet,
das als das entwickeltste und vollkommenste der verschiedenen
in verschiedenen Gegenden gebräuchlichen Alphabete schon
früh eine gewisse internationale Geltung bekommen zu haben
scheint 28 ), in Athen im Privatgebrauch längst eingebürgert ge-
wesen, bevor der Staat sich entschlofs, es auch officiell ein-
zuführen. 29 ) Schon vor 432 benutzte Kallias in seiner wunder-
lichen ABC -Tragödie, in der er die einzelnen Buchstaben
auftreten und sich selbst buchstabieren und syllabieren liefs,
das ionische Alphabet: ßfjTot aXqpa ßa, ßn/ra ei ße, ßnja nja ßn,
ßrVra iilna ßi, ßn/ra ou ßo, ßn/ra u ßu, ßn/ra w ßw u. s. w. 30 ),
und Euripides liefs in seinem uns verlorenen Theseus, der
früher zur Aufführung gekommen sein mufs als die 423 auf-
geführten Wespen des Aristophanes , da in diesen eine Stelle
aus ihm persifliert wird, einen des Schreibens Unkundigen die
Schriftzüge des Namens ©nceuc so beschreiben, dafs das zweite
Zeichen ein Eta ist; nämlich als zwei Linien, die von einer
dritten auseinandergehalten werden. 81 ) Auch in Inschriften,
sowohl öffentlichen als privaten, finden sich seit 450, anfangs
vereinzelt, später immer häufiger, ionische Schriftzeichen. 82 ) Es
ist daher durchaus nicht unwahrscheinlich, dafs Kratinos, dessen
litterarische Thätigkeit ungefähr in die Jahre 460—424 fällt,
sich in dem Manuskript seines AiovucaXcSiavbpoc des ionischen
Alphabets bedient und BH BH geschrieben habe: aber auch
wenn er noch das alte Alphabet brauchte und BE BE schrieb,
*
so wurde das Ganze doch sicher in den für den Buch-
handel bestimmten Exemplaren sehr bald in das ionische
Alphabet umgeschrieben, und dabei für jenes BE ein BH ge-
setzt. Es ist somit unzweifelhaft erwiesen, dafs gegen Ende
des 5. Jahrhunderts das Zeichen des ionischen Alphabets H
in Athen den langen offenen e-Laut bezeichnete, also unser
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langes ä (in phonetischer Schreibung c oder ä?) oder fran-
zösisches <?.
Die Verwendung des Zeichens H für den Laut w haben
die Athener, wie gesagt, von den loniern übernommen. Nicht
das Zeichen selbst. Dieses ist allen griechischen Alphabeten
gemein, und aus dem phönikischen Alphabet entnommen. Aber
wie es dort einen Hauchlaut ausdrückt (das Chet), so bezeichnet
es auch in den meisten griechischen Alphabeten den Hauch,
den wir Spiritus asper nennen. Auch im ionischen Alphabet
hat es ursprünglich diese Funktion gehabt; aber da im ionischen
Dialekt das h sich schon sehr früh verhaucht hatte, so erschien
ein Zeichen dafür überflüssig, und man verwendete dasselbe
nun zur Bezeichnung einer Nuance des ß-Lauts, der bis dahin
unterschiedslos mit E bezeichnet worden war. Schon die
ältesten uns erhaltenen Inschriften in ionischem Alphabet, die
Söldnerinschriften von Abu Simbl aus dem 7. Jahrhundert 33 )
zeigen diese Übertragung fast vollendet: das B (denn dies ist
die älteste Form des Zeichens) wird teilweise noch für den
Spiritus gebraucht, teilweise bleibt derselbe unbezeichnet, da-
neben aber wird B stets gebraucht, wo wir jetzt x\ schreiben.
Wodurch unterschied sich nun das E und das H (B) in der
Aussprache? Sicher nicht nur durch die Quantität, so dafs mit
E alle kurzen, mit H alle langen e- Laute bezeichnet wären.
Denn für eine bestimmte Klasse langer e-Laute blieb das E
konstant im Gebrauch. Es sind diejenigen, welche wir, der
jüngeren attischen Orthographie folgend, mit ei bezeichnen,
d. h. die durch Kontraktion aus e -j- e entstandenen, wie z. 13.
eixo v aus e-exov, eure aus d-(F)€Tre, eiroiei aus eiroi€-€, und die .
Dehnungen aus kurzem e, welche auf griechischem Boden,
nach der Trennung in Dialekte, durch Schwund von Konso-
nanten (sog. Ersatzdehnung) veraulafst sind, wie in eiul aus
kui. Dafs diese E einen langen Vokal bezeichnen, geht aus
ihrer Natur und ihrer metrischen Verwendung hervor, dafs sie
uicht einen Diphthong, sondern einen einfachen f-Laut aus-
drücken sollen, ist erstens schon aus der Art ihrer Entstehung
zu schliefsen, folgt aber zweitens mit Sicherheit daraus, dafs
sie von den El sorgfältig unterschieden werden, da die Schrei-
bung El beschränkt ist auf diejenigen Laute, welche entweder
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durch sogenannte Steigerung aus i entstanden sind, wie in
eibwc, oder aus e + i kontrahiert sind, wie buvduei aus buvaue-t,
oYreXeia aus dTe\€(c)-ia. Das E bezeichnete also aufser dem
kurzen auch einen langen t'-Laut. Wie klang dieser und wie
unterschied er sich von dem durch H bezeichneten? Die Athener
übernahmen, wie wir sahen, das ionische Alphabet mit dem
Werte as für H. Nun sehen wir, dals in den Inschriften des
ionischen Alphabets mit H bezeichnet werden erstens diejenigen
langen <?, die allen Dialekten gemeinsam sind, also aus der
Zeit vor der Trennung in Dialekte stammen, dann aber die-
jenigen specifisch ionischen e, welche durch Eontraktion aus
ea entstanden sind, wie fjv aus £dv, oder welche infolge einer
eigentümlich ionischen Lautaffektion aus langem a entstanden
sind (infolge eines ähnlichen Lautübergangs, wie der, welcher
aus germanischem a im Englischen einen <?-Laut gemacht hat)
und somit einem ä der anderen Dialekte entsprechen, wie bnuoc
Yever) TpinKÖuoi, entsprechend einem bäuoc yeveä TpiaKÖaoi in
den anderen Dialekten. Die durch E bezeichneten langen
6'-Laute dagegen sind zwar auch erst auf ionischem Boden
entstanden, aber aus reinem e. Nun hatte aber das €, wie wir
aus vielen Anzeichen entnehmen können, nicht den Laut unseres
kurzen e f d. h. einen offenen, sondern vielmehr einen geschlos-
senen, nach i zu klingenden, wie das heutige italienische kurze e.
In vielen Dialekten geht das so weit, dafs e vor Vokalen
in i überzugehen pflegt, wie im böotischen, kretischen, lako-
nischen, kyprischen 0töc für Geöc. 34 ) Somit werden wir zu dem
Schlüsse hingedrängt, dafs mit H das lange offene e (c oder «?),
mit E das kurze und lange geschlossene e bezeichnet wurde (in
phonetischer Schreibung e und <f). Mit diesem Resultat stimmt
die Thatsache überein, dafs mitunter E für El oder El für E
sich geschrieben findet. Das wäre nicht möglich, wenn nicht
die Laute ähnlich gewesen wären; aber sie waren auch nicht
gleich, da in der Regel die Schreibung sie trennt. Also war
der durch E bezeichnete Laut ein langes e> das nach i hin klang,
der durch* El wiedergegebene ein Diphthong, dessen erster Be-
standteil ein geschlossenes e, der zweite ein i war (wie im
ostpreufsischen nein).
Dafs man mit der Unterscheidung von H und E nicht
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die Quantität sondern die Qualität der Laute bezeichnen wollte,
geht auch aus den Modifikationen hervor, welche die Anwen-
dung dieser Zeichen auf einigen Inseln des Ägäischen Meeres,
namentlich Naxos und Keos erlitt. Hier werden nämlich mit H nur
diejenigen rj bezeichnet, welche einem dorischen a entsprechen,
wie in MHTEPA, OIKIHN, oder aus ea kontrahiert sind wie in
EPHN = Ineäv, wo dagegen auch das Dorische einen e-Laut
zeigt, derselbe also gemeingriechisch und aus der Zeit vor der
Dialekttrennung herübergenommen ist, wird E gebraucht: ME
für urj, ANEOEKEN dveOnKev. Ja eine alte naxische Inschrift
bezeichnet sogar das kurze e (die Kürze ist durch den Vers
* gesichert), wenn es aus ä entstanden ist, mit B, in Aeivobhceuj
und dXXewv, „in welchen das e der specifisch ionische Stell-
vertreter eines a der übrigen Dialekte (Aeivobfcao [-a], dXXdiuv
|-ävj) ist". 3 *)
Nachdem man die Nuancen des 6'-Lautes durch verschiedene
Buchstaben zu bezeichnen sich gewöhnt hatte, fühlte man das-
selbe Bedürfnis auch für den ©-Laut. Hier freilich stand kein
freigewordenes Zeichen zur Verfügung, man niufste ein neues
schaffen. Das. that man etwa gegen Ende des 7. und Anfang
des 6. Jahrhunderts 30 ), indem man das bis dahin allein übliche
Zeichen 0 modificierte, und zwar machte man das au ver-
schiedenen Orten in verschiedener Weise; man unterschied von
dem alten 0 ein C oder ein O oder ein Q. Die letzte Unter-
scheidung ist später allgemein geworden, weil sie in dem
Alphabet der kleinasiatischen Ionier durchgeführt war. Gleich-
viel aber, wie das Zeichen modificiert wurde, der Unterschied
des Lautes, der durch die verschiedenen Zeichen ausgedrückt
werden sollte, war überall derselbe, nämlich, dafs das eine
Zeichen für den Laut steht, den wir jetzt mit ui bezeichnen,
das andere nicht nur für das kurze o, sondern auch für die
durch Kontraktion aus o -j- 0 und» o 4- e, oder durch Ersatz-
dehuung aus kurzem o entstandene Länge, die wir ou schreiben,
z. B. TO = toö (aus TO-[j]o), KAPTEPO£ KCtpTepouc (aus Kap-
Tepovc). Dagegen wird in den Formen des Pronömen outoc
stets OY geschrieben. Wir schliefsen daraus, dafs jene durch 0
bezeichnete Länge nicht mit ou gleichklang, und kein Diphthong,
sondern ein einfacher Vokal war. Wie derselbe sich von der
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durch Q bezeichneten Länge unterschied, darauf weist zunächst
die Analogie der Unterscheidung von E und H hin; wie dort
• das eine Zeichen den offnen Laut, das andere den geschlossenen
wiedergiebt, so wird es wohl auch hier sein. Nun ist die
durch 0 bezeichnete Länge die Verlängerung von o, oder aus
Kontraktion zweier o, resp. eines o und e entstanden. Das o
hatte aber den Laut eines kurzen geschlossenen o und klang
sehr nach u hin. Das geht mit Sicherheit daraus hervor, dafs
€0 im ionischen Dialekt öfter zu eu wird (z. B. TTOieövTa aus
TroieovTa, 'ImroKpdTeuc aus 'iTnroKpaieoc) 37 ), wie sich umgekehrt
in ionischen Inschriften eo ao für eu au geschrieben findet 88 )
wie <peÖY€iv, XeoKOic, äoTÖc. Solcher Lautübergang und solche
Verschreibungen wären nicht möglich, wenn nicht einerseits
das Y der Diphthonge eu au den Wert von u gehabt hätte,
andererseits das durch 0 ausgedrückte kurze o einen ge-
schlossenen, dem u sich nähernden Klang gehabt hätte. So
wird auch die Dehnung dieses o einen geschlossenen Klang
gehabt haben, und darin der Unterschied von dem in beruhen.
Mit 0 wurde also der kurze und lange geschlossene o-L'aut, mit
Q der offene bezeichnet. 39 ) Das OY aber wurde, da es mit zwei
Zeichen geschrieben, und von der Dehnung 0 sorgfältig unter-
schieden ist, als Diphthong gesprochen, und da wir sahen,
dafs in EY AY das Zeichen Y den Lautwert u hatte, so wird
es denselben auch in OY gehabt haben, das also wie o -\- u
klang.
Hier sei mir eine kleine Digression gestattet, die uns zwar
von dem sicheren Boden, auf dem wir uns bis jetzt bewegt
haben, auf weniger bekanntes und zuverlässiges Terrain führt,
uns aber einen Blick eröffnet auf Zeiten, welche weit hinter •
der durch äufsere Zeugnisse bekannten Geschichte des griechi-
schen Volkes zurückliegen.
Wenn wir von den specifisch ionischen Lauten (also
namentlich dem aus a entstandenen n.) absehen, so zeigen die
durch E und 0 einerseits, durch H undvQ andererseits be-
zeichneten langen Laute, abgesehen von ihrem qualitativen
Unterschiede, noch einen anderen sozusagen chronologischen:
sie sind verschieden alt. Die mit E und 0 bezeichneten Längen
sind erst auf griechischem Boden entstanden, nachdem die
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Dialekte sich von einander geschieden hatten, und in jedem
Dialekt selbständig. Denn wir finden in manchen Dialekten
noch die Grundformen, oder eine andere Umbildung derselben.
Die Inschriften des kretischen Dialekts zeigen uns noch die
Akkusative auf -ovc, die Partizipien auf -evc, die im ionischen
auf -0£ -E£ (-ouc -€ic, z. B. touc ittttouc TiGeic aus tovc
unrovc ti0€v(t)c) auslauten; für das ionische EMI (eiui) finden
wir im lesbischen Dialekt £uui, das ebenso wie jenes aus dcjut
entstanden ist; und von dem Genitiv TO (tou) liegt die ältere
Form im homerischen toio vor. Diejenigen Längen dagegen,
welche mit H Q bezeichnet werden, sind (mit Ausnahme eben
der specitisch ionischen) allen Dialekten gemeinsam, sind also
aus einer Zeit herübergenommen, bevor das griechische Volk
sich in scharf getrennte Stämme, die griechische Sprache sich
in scharf getrennte Dialekte gespalten hatte. Das sind z. B.
Längen wie in Ttarrip TTOiur|V prjTUjp troiricai rjcOiov yvwtöc
TTeiTUJKa, in denen gleichfalls eine Dehnung des kurzen Lautes
(der in anderen Formen derselben Wörter hervortritt, wie in
TTdTepec Ttoiuevec pnropec iroteouev ecOiw tvövtcc ttotöc) vor-
liegt, aber eine viel früher eingetretene als jene, welche durch
E und O bezeichnet wird. Da nun diese älteren Längen in
der Zeit, in welcher jene Schreibungsunterschiede gemacht
wurden, einen offenen Laut hatten, so schliefst man, dafs in
der Zeit, in der sie aus den kurzen Lauten entstanden, auch
diese, also e und o, einen offenen Klang hatten, also etwa wie
ä in Äcker und o in Wort (phonet. e od. w und o) klangen. 40 )
Indes weifs ich nicht, ob der Schlufs völlig richtig ist. Es
besteht bekanntlich im Griechischen ein eigentümliches Ver-
hältnis zwischen e und o, welches man Ablaut nennen kann,
uud welches unzweifelhaft durch frühere Accentverhältnisse
bedingt ist. So wechseln z. B. cpepo-uev cpepe-xe, cp^pw cpopd
bopu-cpöpoc, kXctttuj xe'KXocpa, Xe'YW Xöfoc, ftvoc fovri, (ppe'vec
(ppovew u. 8. w. Dieser eigentümliche Wechsel zwischen einem
e- und einem o-Laut ist nicht aufs Griechische allein beschränkt,
er findet sich, wenngleich nicht mit gleicher Konsequenz und
häufig durch individuelle Lautentwickelung getrübt, auch in den
anderen verwandten Sprachen, geht also auf die Ursprache
zurück. 41 ) Nun läfst sich dieser Lautwandel meiner Meinung
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nach nicht anders erklären, als so, dafs das €, um das es sich
handelt, ein ziemlich unreiner und dumpfer Laut war, der
etwa zwischen 6 und w (e) lag 42 ), und daher, wenn er in den
Tiefton kam, sich ganz gut in einen zwischen ö und o liegen-
den Laut verschieben konnte. Dafs die reinen Vokale das
Älteste seien, ist ja eine längst als unhaltbar erkannte Theorie.
Wenn nun jene ursprachlichen e und o solchen unreinen Laut
hatten, so mochte sich dieser im Griechischen erhalten in ihren
Dehnungen, also den gemeingriechischen n. und uu 7 während
die Kürze sich zu einem klareren Laut, d. h. geschlossenem e
und 6 entwickelte, dessen spätere, auf griechischem Boden ent-
standene Dehnung (die im ionischen Alphabet mit E und O
bezeichnet wird) also auch den Laut c und ö hatte. Als ein
dritter Laut wird dann hinzugekommen sein die specifisch
ionische Umwandlung eines gemeingriechischen a in ein scharfes
offnes tf, etwa der hannoverischen Aussprache des a in offner
Silbe entsprechend, so dafs wir also zwei lange offne <?-Laute
zu scheiden hätten, einen klaren scharfen speciell ionischen,
und einen unreineren dumpfen gemeingriechischen 43 ); und so
liefse sich auch die Eigentümlichkeit in der Schreibung der
Inschriften von Keos und Naxos erklären. Ein ähnlicher
Unterschied wird auch zwischen dem gemeingriechischen €
und dem specifisch ionischen aus a entwickelten e bestanden
haben: den asiatischen loniern erschienen die e der letzteren
Art aber vielleicht an Zahl zu unbedeutend, um sie durch be-
sondere Schreibung auszuzeichnen, oder ihr Klang assimilierte
sich bald der Mehrzahl der €.
Wie dem aber auch sei, in der Hauptsache ist es klar fest-
gestellt, dafs das ionische € o einen geschlossenen Klang hatte,
die Dehnung desselben, die von den loniern selbst ebenso wie
die Kürze mit E O, von uns mit ei ou geschrieben wird, eben-
falls einen geschlossenen Laut darstellte, wie e o, endlich mit
H Q ein offnfer langer Laut bezeichnet wurde, dessen Klang-
farbe verschiedene Nuancen haben mochte. Und weiter haben
wir konstatiert, dafs mit El ein dem langen geschlossenen e
ähnlich klingender Diphthong (also ei) bezeichnet wurde, dafs
in €u au der zweite Teil wie u lautete, und haben dasselbe
für ou als wahrscheinlich erkannt.
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Kehren wir nun nach Athen zurück.
Die älteren attischen Inschriften sind in einem Alphabet
geschrieben, welches dem Ionischen nahe verwandt ist, aber
teils in der Forin, teils in der Verwendung der Zeichen seine
Eigentümlichkeiten hat. Uns geht hier nur die Bezeichnung
der e- und o-Laute und der entsprechenden Diphthonge an.
In dieser Beziehung steht das altattische Alphabet noch auf
der primitiven Stufe wie das ionische vor Einführung des H
als /'-Laut und des Q; auf derselben Stufe wie alle nicht-
ionischen Alphabete: d. h. sämtliche ^-Laute werden durch E,
sämtliche o-Laute durch 0 bezeichnet. H steht noch für den
Hauchlaut. El und OY dienen nur zur Bezeichnung der aus
i und u durch sog. Steigerung und der aus e + i und o -f- u
durch Kontraktion entstandenen Diphthonge. Nach der offi-
ciellen Einführung des ionischen Alphabetes tritt auch die
ionische Orthographie ein: der Hauchlaut bleibt unbezeichnet,
E H El, O 12 OY werden in derselben Weise verwendet wie
im Ionischen. Dafs H in dieser Zeit den langen offenen tf-Laut
bezeichuete, haben wir schon gesehen; wir werden auch im
übrigen annehmen müssen, dafs die Zeichen denselben Laut aus-
drücken sollten, wie im Ionischen, dafs also die durch E und O
bezeichneten Dehnungen aus e und o einen langen geschlossenen
Laut hatten, und sich noch von den Diphthongen El und OY
in der Aussprache unterscheiden liefsen. Doch mufs der Unter-
schied schon ziemlich gering gewesen sein, denn immer häufiger
findet sich statt eines langen E ein El, statt eines langen O
ein OY gesetzt, und seit der Mitte des 4. Jahrhunderts ist diese
Schreibung durchgedrungen 41 ), die von da an bis auf unsere
Zeit herrschend geblieben ist: die auf griechischem Boden durch
Dehnung oder Kontraktion aus kurzem e und o entstandenen
langen geschlossenen c und ö werden El und OY geschrieben.
Da nun die ganze griechische Lauteutwickeluug auf Mono-
phthougisierung der Diphthonge hindrängt, so* ist es ganz
unwahrscheinlich, dafs aus jenen einfachen e und ö jetzt
Diphthonge ei und ou geworden wären 45 ), sondern es ist ganz
offenbar, dafs die ursprünglichen Diphthonge ei und ou zu
einfachen Längen geworden und in ihrem Klang mit jenen e ö
zusammengefallen waren. Das benutzte man, um die langen
)igitized by Google
- 31 —
geschlossenen e und o einerseits von den kurzen geschlossenen
€ und o, andererseits von den langen offenen rj und uj zu unter-
scheiden, indem man die Schreibung der ursprunglichen Di-
phthonge auf die einfachen Längen übertrug, mit denen sie jetzt
ja im Klang identisch waren: und so kommt es, dafs wir noch
heute jene Laute, welche nie diphthongisch geklungen haben,
doch mit zwei Zeichen schreiben.
Verlassen wir jetzt wieder auf kurze Zeit Attika und
machen eine Exkursion über die Grenzen nach dem Nachbar-
land Böotien. Auch diese Landschaft hatte sich das phönikische
Alphabet in ihrer Weise zurecht gemacht und bediente sich
dieses heimischen Alphabetes bis ins 4. Jahrhundert. Dasselbe
hatte, wie das altattische, für den <?-Laut nur das eine Zeichen
E, für den o-Laut nur das eine Zeichen 0. Von der Länge
E unterschied es den Diphthong El, wo dieser aus i durch
Steigerung, oder aus e -j- i durch Kontraktion entstanden war.
Aber an Stelle dieses Diphthongen El wurde schon damals
ebenso oft ein einfaches I geschrieben 46 ); ein Beweis, dafs aus
dem ursprünglichen Diphthongen damals schon in Böotien ein
einfacher Laut geworden war, der beinahe oder ganz wie i klang.
Um die Mitte des 4. Jahrhunderts tritt in den böotischen In-
schriften an Stelle des alteinheiinischen Alphabetes das ionische.
Das war eine einfache Folge der geistigen Hegemonie, die Athen
behielt, auch als seine politische Hegemonie aufgehört hatte.
Nachdem Athen, der Brennpunkt und das Centrum aller höheren
Bildung in dieser Zeit, das ionische Alphabet angenommen hatte,
mufsten alle anderen Staaten, die nicht zurückbleiben und ver-
bauern wollten, folgen. Aus Athen entnahmen sie die Schrift-
zeichen, und an den Schriftzeichen haftete der athenische Laut.
Und da ist es nun sehr interessant und lehrreich, zu sehen, wie
ein Dialekt, dessen Lautsystem von dem attischen so erheblich
abweicht, wie der böotische, die aus Athen übernommenen Zeichen
des ionischen Alphabetes verwendet; daraus lassen sich für die
Aussprache in beiden Dialekten sehr wichtige Schlüsse ziehen.
Es sind hauptsächlich die Buchstaben I H Q und die Buch-
stabenverbindungen El und OY, welche anders verwendet wer-
den als in Athen. Die Schreibung I für den ursprünglichen
Diphthongen €i breitet sich aus und wird fast allgemein. Mit
— 82 -
El wird nunmehr nicht nur das durch Dehnung aus € oder
Kontraktion aus €€ entstandene lange geschlossene e bezeichnet,
welches auch im nacheuklidischen attischen Alphabet El ge-
schrieben wird, wie in öqpeiXiu, Trapueivavxa, eTuev, <t>äeivoc,
tto0€i\€to, TTpocrcnreTuev, sondern auch die urgriechische Länge,
die im Attischen mit H bezeichnet wird, .wie in EuueiXoc,
eTioeicavGo, xP €iu( *twv, *Apictok\€ic , TTcrmp (= att. EüunXoc,
^TtoiricavTO, xptm aTUJV i 'ApiCTOKXrjc, Trcrrrip) u. a., woneben aller-
dings mitunter die Schreibung mit H sich findet. 47 ) In der
Regel aber wird H vielmehr an die Stelle eines AI des alten
Alphabetes, welches attischem AI entspricht, gesetzt, also
TToXn-nc statt ttoXitcuc, Oeißnoc statt Onßaioc, ku. für Kai u. dgl. m.
Das Zeichen Q wird nicht nur für die urgriechische Länge
verwendet, die auch im Attischen mit Q bezeichnet wird, wie
in BoiWToi, <J>iXwv, büjpov, tüjv ttoXitiküjv etc., sondern auch
für die Ersatzdehnung und Kontraktionslänge, die wir in Be-
folgung der nacheuklidischen attischen Praxis ou schreiben,
also ßuuXd, attisch ßouXrj, Mujcai, attisch Moucai, tu) bäuiu,
attisch toö bn.uou, tujc TroXeudpxux, attisch touc TroXcudpxouc etc.
Die Buchstabenverbindung OY wird gebraucht für den eigent-
lichen Diphthong, z. B. in den Formen von ßoöc und outoc:
ßouujv, ßouecci, outo, und an Stelle des früheren Y, dem
attisches Y entspricht: TTooöwv statt rTu6uJV, ourrep statt im^p,
Toüxa statt Tuxrij dpYOÜpiov, Aiwvoucioc, TToXouEevoc u. s. w.
Gegen Mitte des 3. Jahrhunderts v. Chr. tritt noch eine weitere
Veränderung der Schreibung ein: von da ab wird vor Konso-
nanten und in Endsilben das bis dahin bräuchliche Ol durch
Y ersetzt: Ximöc = Xonröc, Fulda = okia, tuc irpo^vuc = toic
TrpoHe'voic, tu couvebpu = toi (ot) cuvebpoi u. s. w.
Was können wir aus diesen orthographischen Änderungen
lernen ?
Wir sahen vorhin, dafs um die Mitte des 4. Jahrhunderts
in Athen mit El der lange geschlossene ^-Laut, mit H der
lange offene bezeichnet wurde. Denselben Laut werden auch
die Böoter mit diesen Zeichen haben ausdrücken wollen. Der
ursprüngliche Diphthong ai hatte sich bei ihnen also schon
zu einem einfachen offenen langen e («•) zusammengezogen;
die früher offen gesprochenen e hatten einen geschlossenen
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— 33 -
Laut angenommen und waren somit im Klange mit dem ur-
sprünglichen geschlossenen langen c zusammengeflossen; aus
dem ursprünglichen Diphthong ei endlich war ein einfacher
Laut i geworden. Alle diese Erscheinungen haben eine ge-
meinsame Ursache, nämlich eine Neigung des Dialektes, die
, Diphthonge zu monophthougisieren und die zwischen a und /
liegenden Laute zuzuspitzen. Diese Neigung, die im Böotischen
zuerst mit Macht auftritt, hat ja die griechische Sprache über-
haupt: sie hat schliefslich zur neugriechischen Aussprache ge-
führt. Zugleich wird uns durch diese Schreibung im Böotischen
zum Überflufs bewiesen, dafs in Athen damals ei und rj noch
nicht wie / gesprochen wurden und AI noch seinen diphthongi-
schen Klang hatte, sonst würden die Böoter eben nicht
I El H sorgfältig geschieden haben, und keinen Grand gehabt
haben, ihr altes AI durch H zu ersetzen.
Etwas schwieriger liegt die Sache hinsichtlich der o- und
w-Laute. Zwar, wenn alle langen o-Laute mit dem Buchstaben
Q bezeichnet werden, so haben wir einfach zu schliefseu, dafs
die Böoter eben nur einen langen o-Laut hatten, und zwar
einen offenen. Aber wie haben wir uns die Ersetzung von Y
durch OY zu erklären? Das Zeichen Y hat, wie uns die Ver-
gleichung der verwandten Sprachen zeigt, ursprünglich den
Laut u wiedergegeben. Für den ionischen Dialekt haben wir
oben nachgewiesen, dafs es diesen Wert u behalten hat in den
Diphthongen EY und AY. Aus denselben Kriterien geht ein
Gleiches aber auch für die anderen Dialekte und speciell den
böotischen hervor. So wird im Böotischen aus CaöunXoc
CauueiXoc, aus TTpaöxa TTpauxa. Nun findet sich im Böotischen
aber auch einfaches u öfter mit o verwechselt: 'Auoviac, 'AuövTac,
öodnc für Suciaic u. a. in., und umgekehrt TrapYivuuevuuc statt
Trapcrrivou£"vouc, 'Ovüucictoc statt 'Ovöuacioc. Das läfst doch
darauf schliefsen, dafs auch das einfache u noch nicht wie ü
sondern wie u gesprochen wurde. Und dieser Laut u soll
offenbar durch die Schreibung OY bezeichnet werden. Im
Gegensatz zu den ^-Lauten hat also das Böotische bei den
o-Lauten die Neigung zur Verdumpfung des Lautes. Für die
Aussprache des Attischen aber folgt daraus, dafs damals, also
Mitte des 4. Jahrhunderts, als iu den athenischen officielleu
Zacher, Die Aussprache ik'S Grk'i'liisclu'ii. 3
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Inschriften das die Länge bezeichnende 0 allgemein durch OY
ersetzt wurde, diese Länge, welche ursprünglich ein geschlossener
o-Laut gewesen war, mit dem ursprünglichen Diphthongen
ou in dem langen w-Laut zusammengeflossen war. Die Athener
sprachen zu dieser Zeit sowohl das aus o durch Kontraktion
oder Dehnung entstandene als das ursprünglich diphthongische •
ou wie ü, das u aber (aufser in den Verbindungen au eu) nicht
mehr wie u sondern wahrscheinlich wie ü. Dies letztere wird
bewiesen durch die letzte Schreibungsänderung, die im Böo-
tischen vorgenommen wurde, die des 01 in u. Das 01 hat im
Griechischen niemals so geklungen, wie wir es aussprechen,
als eine Verbindung von offenem o und iL Denn wir haben
gesehen, dafs der kurze o-Laut ein geschlossener war (auch
im Böotischen, wie die Verwechselung mit u beweist): diesen
Klang mufs er auch in dem Diphthongen ou einmal gehabt
haben, sonst hätte dieser sich nicht zu u verengt: diesen Klang
wird er auch in dem Diphthongen 01 gehabt haben. Und
ebenso war das i der Diphthongen cu 01 nicht wie bei uns
ein offenes, sondern ein geschlossenes, spitzes. 48 ) Nur so er-
klärt es sich, dafs die mit i auslautenden Diphthonge so
häufig, und in den verschiedensten Dialekten, vor Vokalen ihr
i verlieren, wie KXdui aus kXcuw, e\da aus eXctia, ttoeiv aus
7T0ieTv, XPO° aus XP 0l ° u « s - w * 49 )> was De ' unserer Aussprache
nicht möglich wäre. So klang denn das griechische 01 un-
gefähr wie unser ui in pfui. Wenn sich das monophthongi-
sierte, mufste daraus der Laut ü werden. Wenn also die
Böoter ihr altes Ol durch Y ersetzen, so schliefsen wir daraus,
dafs bei ihnen das 01 schon zu ü geworden war, in Athen
aber und der attisch -hellenischen Schriftsprache noch nicht,
und dafs das Zeichen Y im Attischen den Laut ü ausdrückte.
Das letztere wird aufserdem bewiesen durch die auf den In-
schriften des 4. Jahrhunderts in bestimmten Wörtern vor-
kommende Verwechselung von Y und I. 50 )
Es war eine etwas mühsame Wanderung, auf der Sie
mich begleitet haben, aber wir haben doch einen recht hübschen
Ertrag von derselben mitgebracht. Sie haben gesehen, wo wir
uns die Mittel herholen, die wir anwenden, um die stummen
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Buchstaben zum Reden zu bringen, und Sie haben gesehen,
wie wir sie anwenden. Und dabei habe ich Sie im schnellsten
Teinpo auf den breitesten und betretensten Wegen geführt:
nur hin und wieder pflückten wir etwas seitab vom Wege,
und so manches, was von Interesse und Wichtigkeit ist, haue
ich Ihnen nicht gezeigt, weil es uns aufgehalten hätte. Das
Wesentlichste haben Sie gesehen, und nun lassen Sie uns zum
Schlüsse eilen.
Zuerst vergegenwärtigen wir uns noch einmal ganz kurz
das Ergebnis unserer Untersuchung. Es hatte sich heraus-
gestellt, dafs im attischen Dialekt des 4. Jahrhunderts (denn
auf diesen lief alles hinaus) folgende Zeichen folgenden Laut-
wert hatten:
E bezeichnete den kurzen geschlossenen e-L&ut = e
El „ „ langen geschlossenen <?-Laut = e
H „ „ langen offenen e-Laut = e (w)
0 „ „ kurzen geschlossenen o-Laut = o
Q „ „ langen offenen o-Laut = ö
OY „ „ langen «-Laut = ü
AI =* al
01 = pi oder ui
Wenn ich mich nun anschicke, das Bild des attischen
Lautstandes und seiner Weiterentwickelung in der griechischen
Schriftsprache zu vervollständigen, so beschränke ich mich auf
eine skizzenhafte kurze Vorführung der Hauptresultate der
Wissenschaft und verweise für weitere Belehrung auf die
Specialschriften.
Ausgelassen waren in der vorhin geführten Untersuchung
die Diphthonge au eu und die mit langem Vokal. Was die
ersten beiden betrifft, so sind sie sicher nicht, wie im Neu-
griechischen, aw ew resp. af ef gesprochen worden, da sie
metrisch lang gebraucht werden, aber das u klang in ihnen
auch nicht w, wie in selbständiger Stellung, sondern hatte wie
im Ionischen und Böotischen seinen alten w-Laut erhalten, sonst
hätte eben die neugriechische Aussprache sich nicht entwickeln
können. Von den mit langem Vokal beginnenden Diphthongen
können wir wu als unattisch aus dem Spiel lassen: nu klang
wie et* oder cm, fiel aber später mit cu, d. h. eü, zusammen. Die
3*
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Diphthonge, in denen ein langer Vokal mit i verbunden ist,
und die wir jetzt mit dem sog. Iota subscriptum schreiben
a rj uj, klangen ursprünglich wie der lange Vokal mit nach-
klingendem /; diesen /-Nachklang haben sie später gänzlich
verloren, aber bis im 3. Jahrhundert v. Chr. wurde er in Athen
noch gehört: erst seit etwa 200 v. Chr. tritt auf den Inschriften
die Schreibung A H Q statt der alten AI Hl Ql ein.
Die Weiterentwickelung des Vokalismus ist zwar an sich
sehr interessant, aber für uns von untergeordneter Bedeutung
und auch nicht so klar zu erkennen und darzulegen wie für
die ältere Zeit. Denn in der älteren Zeit haben wir es immer
nur mit einem Dialekte zu thun, welcher von allen Bürgern
der Stadt gesprochen wird: jetzt aber bildet sich aus dem
attischen Dialekt eine Schriftsprache heraus, die überall ge-
sprochen wird, wo hellenische Zunge klingt, aber eben deshalb
einerseits verschiedentlich mundartlich afficiert wird, anderer-
seits sich in Gegensatz zu der Mundart setzt. Die Sprech-
weise des Gebildeten wird eine andere als die des gemeinen
Mannes, die Sprachforscher fangen an, Normen für korrekten
Sprachgebrauch aufzustellen, es zeigen sich Reaktionen gegen
die zunehmende Verwilderung der Sprache. Daher wird die
Weiterentwickelung der Laute eine vielfach unregelmäfsige, ge-
hemmte, beeinflufste. Das Wesentliche aber ist das Folgende/' 1 )
Im grofsen und ganzen folgt die griechische Sprache in
ihrer lautlichen Entwicklung dem vorhin schon erwähnten Zuge,
welcher zuerst mit Energie im Böotischen sich geltend macht,
aber auch im attischen Dialekt schon im 5. Jahrhundert zu
bemerken ist, die Vokale und Diphthonge zu vereinfachen,
indem diese monophthongisiert werden, jene sich zum gröfsern
Teil mehr und mehr verengen, während einige umgekehrt sich
verbreitern.
Der erste Laut, welcher der Tendenz zur Verengerung zum
Opfer fällt, ist das ei, d. h. das lange geschlossene e, in dem
das alte lange E und der alte Diphthong El zusammengeflossen
waren. Der Laut desselben spitzte sich immer mehr zu, und •
ging endlich in / über. Dieser Prozefs ist schon um 100 v. Chr.
zum Abschlufs gekommen, und die Grammatiker hatten ihre
Not, in jedem einzelnen Falle festzustellen, ob historisch richtig
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ei oder i zu schreiben sei. Wie das lange geschlossene e zu i
wurde, so spitzte sich auch der ursprünglich offene Laut des r|
zu einem geschlossenen zu. während umgekehrt das e einen
offenen Laut bekam. Das ersehen wir aus der Verwechslung
beider in den Inschriften mit cu. Seit etwa 100 nach Chr.
wird cu mit n, und e verwechselt, mit rj aber nur bis etwa
150 v. Chr., mit e von dieser Zeit an besonders häufig. Daraus
folgt, dafs ai in Athen (denn nur auf die Inschriften Athens
beziehen sich diese Angaben) um etwa 100 nach Chr. zu einem
^-Laut geworden war, und zwar zu einem offenen, dafs r| um
diese Zeit noch den offenen Laut hatte, aber im Laufe des
Jahrhunderts sich verengte und zu e wurde, sodafs man nachher
vielmehr in e, das zu einem offenen e (cb) geworden war, den-
selben Laut zu hören glaubte wie in cu. Die Verengerung des r\
ging weiter, und schon gegen Ende des 2., Anfang des 3. Jahr-
hunderts hat es den Laut / angenommen. Im 3. Jahrhundert
nach Chr. wurde auch die Aussprache des ot wie ü allgemein;
am spätesten, erst in byzantinischer Zeit, folgte u dem ita-
cistischen Drange und wurde zu /. Dem entgegengesetzten
Triebe folgte, wie das €, so auch das o, das aus einem ge-
schlossenen o-Laut ein offener wurde, wie es auch jetzt im
Neugriechischen noch ist.
Das sind, wie gesagt, nur die grofsen Grundzüge der Ent-
wicklung: im einzelnen haben vielfache Nuancen und Schwan-
kungen stattgefunden, auf die einzugehen hier nicht der Ort ist. 52 )
Wir wenden uns jetzt zur Betrachtung der Konsonanten.
Hier ist die Bestimmung der Laute schwieriger und gelingt
nicht immer mit Sicherheit.
Uber die Nasalen v und u ist weiter nichts zu sagen,
als dafs nicht nur im Inlaut, sondern auch im Auslaut v
sich einem folgenden Konsonanten assimilierte, also vor
Labialen zu u wurde (Tn.u ttöAiv), vor Gutturalen zu dem
gutturalen Nasal (phonetisch geschrieben *j), den wir in
unserem enge Onkel haben, was an der Schreibung T zu er-
kennen ist (z. B. tot TpapM<*T€a). Die Buchstabenverbindungen
TT T* wurden ausgesprochen wie unser ng und nk. — Das p
war ein Zungen -r, was daraus hervorgeht, dafs p mitunter
mit X wechselt (Kpißavoc und xXißavoc, n>öov aber epxopat)
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und in einigen Dialekten aus c entsteht (sog. Rhotacisinus,
namentlich im elischen, lakonischen und eretrischen Dialekt:
elisch Toip Tip = toic Tic, lakonisch rcaXeöp = iraXaiöc, eretrisch
ÖTröpai st. ÖTiöcai u. v. a.)/ )3 ) — Das c war ein scharfer Laut,
weswegen es nicht für schön galt (Pindar nannte es tö cctv
KißbnXov) M ), eine Häufung desselben vermieden wurde, ja mit-
unter eine Virtuosität darin gesucht wurde, ganze Gedichte
ohne ein Sigma herzustellen. Übrigens war der Laut des c
wahrscheinlich in verschiedenen Gegenden, zu verschiedenen
Zeiten und an verschiedenen Wortstellen verschieden; darauf
läfst schliefsen die Verwendung zweier verschiedener Zeichen
AA und £ in den älteren Inschriften (allerdings nie neben-
einander), ferner die Schreibung cc statt c vor Konsonanten
im Inlaut ('ÄccKXn.Triöc äpiccra u. a.), Z vor Medien und Liquiden
im Anlaut (Zuupvot, Eßevvuui), die sich nicht selten findet,
endlich die verschiedenen Schicksale, welche c vor Vokal im
Anlaut und im Inlaut gehabt hat. Doch ist das noch nicht
genügend klar gestellt. Auch das cc, welches in den meisten
Dialekten aus kj xj tj Qj entstanden ist (wie in Tipdccuj) und
einem tt in anderen (dem Bootischen und Attischen) ent-
spricht, dürfte kaum ein richtiges ss gewesen sein. In einer
alten Urkunde aus Halikarnafs 55 ) findet sich mit ZX. wechselnd
für diesen Laut ein besonderes Zeichen T (unterschieden von
T = t), das sich auch sonst mitunter wiederfindet, und als
Zahlzeichen Sampi erhalten blieb. 50 ) Vielleicht war der Laut
dieses ss ein unserem sch ähnlicher, aber schärferer (phone-
tisch ausgedrückt, dorsales s). bT ) — Der Hauchlaut h ist in ver-
schiedenen Dialekten zu verschiedener Zeit geschwunden, am
frühsten im ionischen und lesbischen (sog. äolischen); im
attischen war er gegen Ende des 5. Jahrhunderts schon so
schwach, dafs die Steinmetzen zweifelhaft waren, wann sie
das Zeichen H zu setzen hätten, und es daher fälschlich setzten
oder wegliefsen, und dafs er nach Einführung des ionischen
Alphabetes ganz unbezeichnet gelassen werden konnte. Wann
er ganz geschwunden ist, läfst sich mit Sicherheit nicht feststellen.
Was die Mutae betrifft, so ist zuerst daran zu erinnern,
dafs wir in Norddeutschland eigentlich gar keine richtige
Tenuis kennen, sondern das, was wir in der Grammatik Tenues
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nennen, in der That als eigentliche Aspiraten sprechen, d. h.
mit mehr oder weniger scharfem, dem OfFnungsgeräusch fol-
genden Exspirationsstofs. Solche eigentliche Aspiraten sind
auch die griechischen cp x 9 ursprünglich gewesen. Das be-
weist die älteste Schreibung PH KH, das beweist der Übergang
von tt und t in q> und x vor Spiritus asper (d(p' ou, U€0' ou),
das beweist die Verwandlung einer Aspirata in die Tenuis,
wenn die folgende Silbe mit Aspirata anhebt (eT&)nv). Das
alles wäre nicht möglich gewesen, wenn die Aspiraten schon
damals Spiranten gewesen wären und den Laut gehabt hätten,
den sie jetzt in der neugriechischen Aussprache haben, nämlich
9 wie f } 8 wie englisches hartes th (phonet. geschr. $), x vor
a o u oder einem Konsonanten wie im deutschen ach, vor c i
wie im deutschen ich. Immerhin müssen sie sich dieser spi-
rantischen Aussprache schon früh genähert haben, sonst hätte
man nicht für sie eigne Zeichen geschaffen. Am frühsten hat
diesen Weg betreten das 0, für das sich nie TH findet, sondern
schon in den ältesten Alphabeten das Zeichen © (daneben
vereinzelt ©H). Aber der Klang dieser Laute kann sich zu-
nächst von dem der Tenues noch nicht sehr weit entfernt haben,
und für einen Fremden waren sie jedenfalls von den Tenues
schwer zu unterscheiden. So setzt der Skythe bei Aristophanes
in den Thesmophoriazusen an Stelle jeder Aspirata eine Tenuis:
ireuYei st. qpeurei, EiTTOuaKaipa st. Hupouäxaipa, emxuueTc st.
emeuueTc, und ebenso gaben die Römer in älterer Zeit das
griechische qp x © durch p c t wieder (tesaurus Pilemo calxj. 58 )
Noch in späterer Zeit konnte man zweifeln, ob Lysias an einer
Stelle "AvSeia oder "AvTeia geschrieben habe. 5 ") Dafs q> nicht
wie f gesprochen wurde, geht sicher aus dem Umstand hervor,
dafs die Römer dafür nicht ihr f setzten, sondern <p durch ph
wiedergaben, und noch gegen Ende des 1. Jahrhunderts nach
Christus hebt Quintilian ausdrücklich den Unterschied im Laut
des q>, der dulcksime spirans littera, und des f hervor, das da-
gegen triste et horridum sei. 60 ) Erst seit dem 3. Jahrhundert
nach Chr. ist die heutige Aussprache durchgedrungen. Das
heifst natürlich in der Schriftsprache; in den Dialekten hat
sich der Lautwandel zum Teil viel früher vollzogen, wie denn
das G des spartanischen Dialekts schon von Aristophanes mit
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c wiedergegeben wird (vai Tib ciw = vai tuj Geai, uucibb€ =
uuGiEe etc.); ein Beweis, dafs die Lakedäinonier schon damals
das 6 als Spirans aussprachen.
Schwieriger ist es, die Aussprache der Mediae festzustellen.
Schon das ist nicht ganz klar, was die alten Grammatiker mit
dem Namen uecai haben bezeichnen wollen. Ursprünglich
scheinen sie den Laut gehabt zu haben, den wir in korrekter
Aussprache mit den Buchstaben g b d verbinden, dann aber
sind sie allmählich zu den Spiranten geworden, welche sie jetzt
in der neugriechischen Aussprache sind. Die Neugriechen
sprechen ß wie w, «f vor a o u und Konsonant wie sächsisches
ff in Tage (phonetisch geschrieben 3), vor € und 1 wie j, end-
lich b wie weiches englisches th (phonetisch geschrieben rf).
Dafs für das f die spirantische Aussprache wie j schon früh
üblich wurde, beweist der Spott der Komiker zur Zeit des
peloponnesischen Krieges über Hyperbolos, weil er öXioc ge-
sprochen habe statt 6XifOC. 61 ) Das setzt als normale Sprech-
weise olijos voraus. Dann findet sich in den ägyptischen Pa-
pyrosfragmenten häufig f fälschlich zugesetzt oder weggelassen
in Nachbarschaft von i- und ^-Lauten. Dagegen ß kann die
Aussprache wie w erst gegen Christi Geburt angenommen
haben, denn bis dahin wird römisches v im Griechischen kon-
stant durch ou wiedergegeben (OuctXe'pioc etc.), und erst in der
Kaiserzeit dringt allmählich die Schreibung mit ß ein. Was
endlich das b betrifft, so fehlt es uns an bestimmten Anhalts-
punkten: ich glaube aber doch, dafs es schon in klassischer
Zeit den Laut des weichen englischen th (pnonetisch (?) hatte,
und zwar schliefse ich das aus der Natur und Geschichte des t.
Der Laut des Z ist zwar ganz besonders kontrovers, aber
doch läfst es sich, wie ich glaube, gerade für ihn zu einem
ganz sicheren Ergebnis kommen. Das griechische l ist meistens
aus by entstanden. Von bj zu der heutigen Aussprache wie
weiches s (phonetisch z) bildet den natürlichen Übergang der
Laut, mit dem die Italiener ihr z aussprechen, nämlich eine
Verbindung von d und weichem s, phonetisch ausgedrückt dz.
Wir werden annehmen dürfen, dafs das griechische l diesen
Laut einmal gehabt hat. Nun geben aber Grammatiker des
1. Jahrhunderts vor Chr. 62 ) an, dafs l wie cb gesprochen
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werde: in den Texten der äolischen Dichter Alkaeos und Sappho,
sowie in denen des Alkman und der Korinna war cb statt Z ge-
schrieben (in Inschriften aus guter Zeit findet sich diese Schrei-
bung nicht): und im attischen Dialekt (wie auch in anderen)
sehen wir in der That in einigen Wörtern Z aus cb entstehen,
wie in 'AGnvaCe aus 'AGnvacbe, 0€Ö£otoc aus GeöcboToc u. a. Wie
stimmt das nun zusammen? Ich glaube folgendermafsen. Aus
dem Laut dz war allmählich ein Laut zz (wie ein gedoppeltes
oder lang ausgehaltenes weiches s) geworden: zuerst im äolischen,
vielleicht auch lakonischen Dialekt. Um diesen Laut von dem
attischen Z, das noch dz klang, zu unterscheiden, suchte man
nach einer anderen Schreibung und fand sie im attischen cb
= s(t. Diese Zusammensetzung eines scharfen s mit eiuem
weichen Spiranten d war wenigstens ein annähernd ähnlicher
Laut. Allmählich ging aber auch im Attischen sowohl das cb
= sd, als das Z = dz in diesen selben Laut zz über, sodafs
man nun hier an Stelle von cb ein Z setzen konnte. Schliefslich
vereinfachte sich der Laut zz zu dem z des Neugriechischen.
Diese ganze Entwickelung beruht allerdings auf der Annahme,
dafs b spirantisch gesprochen wurde. Dafs das aber wenig-
stens in Dialekten geschah, beweist uns die Ersetzung des b
durch Z in elischen Inschriften schon des 6. Jahrhunderts
vor Chr. 63 ): Zi Ekciia 2äuoc statt be bkaict bäuoc.
Dies ist der Thatbestand. Nun haben wir daraus die
praktische Folgerung zu ziehen. Sie sehen bestätigt, was ich zu
Anfang meines Vortrages sagte, dafs unsere übliche Aussprache
des Griechischen falsch ist. In keiner Zeit und iu keiner
Gegend haben die alten Griechen jemals so gesprochen. Dasselbe
aber gilt von der neugriechischen Aussprache, ja wir können
sagen, dafs die Aussprache des Griechischen in der eigentlich
klassischen Zeit von der neugriechischen noch weit mehr ver-
schieden war als von unserer: ganz allmählich, nach und nach
haben dann, wie ich Ihnen gezeigt habe, die Laute sich ver-
ändert, und erst na<* mehreren Jahrhunderten, am Ausgange
des Altertums und beim Beginn der byzantinischen Zeit, finden
wir die Aussprache voll entwickelt, die noch jetzt das Neu-
griechische zeigt. Dafs sich in der langen Zeit seitdem die
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Aussprache nicht geändert hat, liegt in dem Umstände be-
gründet, dafs jenes nachklassische Griechisch des ausgehenden
Altertums im byzantinischen Reiche ebenso eine Gelehrten-
sprache wurde, wie im Abendlande das Lateinische*, wie hier
neben dem Lateinischen sich die romanischen Volkssprachen
entwickelten, so dort die Vulgärdialekte: und wie sehr diese
in jeder Beziehung, auch in den Lauten, von der heutigen
Schriftsprache, die doch viel Vulgäres aufgenommen hat, ab-
weichen, zeigt ein Blick in Foys Buch über das Lautsystem
der griechischen Vulgärsprache. 64 )
Mit welchem Rechtstitel beansprucht nun die neugriechische
Aussprache, an Stelle unserer bis jetzt üblichen gesetzt zu
werden? Dafs die Behauptung ihrer Verteidiger, sie gebe uns
das zuverlässige Bild von der im Altertum selbst üblichen
Aussprache, falsch sei, haben wir nachgewiesen. Es bleiben
zwei Gründe. Erstens, dafs wir die Aussprache des Alt-
griechischen doch nur annähernd feststellen können, während
wir von dem Neugriechischen ganz genau wissen, wie es ge-
sprochen wird. Ich verspare mir die Beantwortung dieses
Grundes auf nachher. Der zweite Grund ist rein praktischer
Natur. Unsere Schüler sollen das Griechische in neugriechischer
Aussprache lernen — damit sie es im Verkehr praktisch ver-
werten können. Rangabe träumt davon, dafs „eine Sprache,
die in allen civilisierten Ländern einen notwendigen Bestand-
teil des öffentlichen Erziehungsplanes bildet, wofern sie überall
auf gleiche Weise ausgesprochen wird, als allgemeines Umgangs-
mittel der Gebildeten aller Völker dienen kann" — eine fromme
Schwärmerei, die man dem für seine Nation und Sprache be-
geisterten Hellenen verzeihen wird; und Engel weist darauf
hin, dafs die Zahl der zu Zwecken des Studiums oder zum
Abschlufs ihrer höheren Bildung nach Griechenland reisenden
Deutschen immer zunehme. Nun, wegen deren braucht er
unbesorgt zu sein: so gut wie sie in Italien Italienisch lernen,
werden sie in Griechenland die neugriechische Aussprache
lernen: müssen sie doch noch allerhand anderes lernen, was
ihnen das Gymnasium nicht hat lehren können. Aber wer nur ein
wenig Sprachsinn und Sprachtalent hat, dem wird das nicht
sonderliche Mühe machen. Wenn Engel aber auf den wachsen-
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den Levautehandel hinweist, so werden es doch wohl in der Haupt-
sache ehemalige Schüler von Realgymnasien sein, die davon
profitieren. Aber auch angenommen, es wendeten sich gerade
frühere Schüler des Gymnasiums dieser Thätigkeit zu, so heifst es
die Grundidee des ganzen Gymnasialunterrichts völlig verkennen,
wenn man als eigentlich selbstverständliche Forderung aufstellt,
das Griechische müsse gelehrt werden, um nachher praktisch
verwendet zu werden. Wenn es nur darauf ankäme, so müfste
das Latein, die Religion und anderes aus dem Lehrplan heraus-
geworfen werden, dafür könnten einziehen Englisch, Italienisch,
Russisch, Chemie, Hygiene, Anfange der Nationalökonomie etc.
- Aber das ist doch wohl Zukunftsmusik. Unsere heranwachsende
Jugend, die dereinst die Blüte der Nation darstellen, die die
höchsten geistigen Interessen derselben in sich hegen, pflegen
und fördern soll, die führen wir deswegen in das Studium des
Griechischen ein, damit sie sich an dem ewig frischen Born un-
vergänglicher Schönheit, der in den Werken der griechischen
Dichter quillt, einen unauslöschlichen Durst nach Schönheit
trinke, damit sie aus der Lektüre der grofsen Philosophen, Redner,
Historiker einen Schatz von Begeisterung für Edles und Grofses
gewinne, der für das ganze Leben vorhalte; und zu diesem Zwecke
mufs sie die Sprache lernen, denn Übersetzungen thun es
nicht: — nicht aber um die Kenntnis der Sprache später einmal
praktisch verwerten zu können. Und da sollen wir die armen
Jungen noch plagen mit Erlernung einer für den Deutschen ziem-
lich mühsamen Aussprache, die noch dazu nicht einmal die rich-
tige Aussprache der Autoren ist, die sie lesen?! Nimmermehr!
Es wäre eine reine Zeitvergeudung. Die Aussprache des
0, des b, die doppelte Aussprache des f und x sind für einen
Deutschen allerdings gar nicht leicht (eine wahre Pein zum
Beispiel xQic nach neugriechischer Weise auszusprechen): ihre
Einübung würde viel Zeit erfordern, und schliefslich würde es
doch nicht einmal zu korrekter Aussprache kommen. Und hier
komme ich auf den vorhin vorläufig beiseite gelassenen Ein-
wand zurück: wenn auch die Aussprache des Neugriechischen
nur approximativ zu erreichen ist, so verschlägt es nicht viel,
wenn wir die richtige Aussprache des Altgriechischeu nur
approximativ bestimmen können.
- 44 -
Noch einen anderen Übelstand würde die Einführung der
neugriechischen Aussprache haben. Infolge der vielen gleich-
lautenden Zeichen würden sehr viel mehr Fehler im schrift-
lichen* Gebrauch der Sprache gemacht werden. Engels Be-
rechnung leidet an einem sehr elementaren Rechenfehler. Er
rechnet sieben neue Fehlerquellen heraus: „Verwechslung von
ai mit e, von o mit u>, von i, rj, €i, 01, u", während daraus
zwölf hervorgehen, da von den fünf letzten jedes mit vier anderen
verwechselt werden kann. 65 ) Übrigens würde dies Bedenken
wegfallen, wenn das griechische Skriptum wegfällt, was ja
wohl nur eine Frage der Zeit ist.
Nun können Sie wohl sagen: Wenn es beim griechischen
Unterricht nur auf den Inhalt ankommt, wenn die Grammatik
eben nur gelernt wird, um in den Sinn der Autoren einzudringen,
nicht aber um die Sprache selbständig zu beherrschen, und
wenn infolgedessen die Aussprache, die bei der Erlernung einer
modernen Sprache so wichtig ist, für den Unterricht im Grie-
chischen auf dem Gymnasium ziemlich gleichgültig erscheint,
so ist es doch eigentlich müfsig, die Frage nach der Aussprache
des Griechischen überhaupt aufzuwerfen. Wenn auf die Aus-
sprache so wenig ankommt, weshalb bleiben wir nicht einfach
bei unserer traditionellen Aussprache?
Und Sie dürften damit vielleicht recht haben. Über
Rechtschreibung und Aussprache, d. h. recht äufserliche Dinge,
zu klügeln, ist Sache der Pedanten. Aber unsere Zeit ist nun
einmal pedantisch. Sie will die geheimsten Geheimnisse aus
Goethes Leben wissen, sie will ein historisches Theaterstück
nur in ganz historisch getreuem Kostüm sehen, sie will auch
eine möglichst echte Aussprache gestorbener Sprachen haben.
Doch im Ernst, es ist ein in seiner Weise wohl berechtigter
Wunsch, die Schriftwerke aus längst vergangenen Jahrhunderten,
die wir lesen, uns auch in jeder Beziehung so vergegenwärtigen
zu können, wie sie damals auf die Zeitgenossen wirkten. Und
wie die Meisterwerke nicht nur der Dichtkunst, sondern auch
der Prosa auf die lebendige Mitteilung von Mund zu Mund
berechnet waren, so möchten auch wir uns gern den Ton
wiederherstellen, in dem sie einst erklangen. Wenn wir nun
auch nicht alle Nuancen uns wieder reproducieren können, so
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sind wir doch im stände, uns im grofsen und ganzen ein Bild
von der Klangwirkung zu machen. Warum sollen wir unseren
Schülern das vorenthalten?
Freilich müssen wir auch hier wieder mit der Prosa des
Lebens rechnen. Nicht alles ist uns selbst klar, nicht alles
ist geeignet, den Schülern gelehrt zu werden. Die Bedenken,
welche wir vorhin gegen Einführung der neugriechischen Aus-
sprache vorbrachten, dafs die Schüler mit Erlernung ihnen
fremdartiger Laute zu viel Zeit verlieren, bleiben auch jetzt
bestehen. Es gilt also, einen Mittelweg zu finden, auf dem
man der altgriechischen Aussprache einer bestimmten Zeit und
eines bestimmten Dialektes möglichst nahekommt, ohne doch
den Schülern zu viel Aufwand an Zeit und Kraft zuzumuten.
Welcher Dialekt für die mustergültige Aussprache auszu-
wählen ist, kann keinem Zweifel unterliegen. Es mufs der
attische sein, als derjenige, in dem die meisten Prosaiker,
welche die Schüler lesen, in dem die Tragiker geschrieben
haben, der die Grundlage der gemeingriechischen Schrift-
sprache geworden ist. Innerhalb des attischen Dialekts aber
ist es die erste Hälfte des 4. Jahrhunderts, deren Lautstand aus
inneren und äufseren Gründen am geeignetsten ist, unserer
Schulaussprache des Griechischen ^u Grunde gelegt zu werden.
Was den Vokalismus betrifft, so mufs vor allem aus-
gemerzt werden die wahrhaft abscheuliche Aussprache des ei
und €u. Das letztere müssen die Schüler lernen wie e-u aus-
zusprechen, mit geschlossenem Laut des e\ für das erstere
würde sich empfehlen, allgemein den Wert des französischen e
einzuführen, wogegen n. wie französisches e zu sprechen wäre.
Der Unterschied beider Laute ist den Schülern ja schon vom
Französischen her geläufig. Für die Erlernung der Grammatik
bietet diese Aussprache einen wesentlichen Vorteil : eixov eTToiei
erklärt sich von selbst; das Verhältnis von Indikativ und Kon-
junktiv tritt klar hervor u. dgl. m. Ob für diejenigen ei,
welche richtige Diphthonge sind und von Haus aus i als
zweiten Bestandteil haben wie iröXei £x ei > die Aussprache wie
geschlossenes e mit /-Nachklang (e-i) sich empfehlen würde,
möchte* ich bezweifeln. Auch die geschlossene Aussprache
von o und e, die offne von w wird sich schwer erreichen lassen,
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falls nicht ein guter Lehrer die Schöler anregt, desgleichen
die spitze Aussprache des i in cu und 01: für das letztere
würde sich aber ohne Mühe die Aussprache ui einführen lassen.
Die Diphthonge mit langem Vokal und Iota subscriptum qt rj tu
richtig so aussprechen zu lassen, dafs das i dem langen Vokal
nachklingt, äi cei öi, wird keine Schwierigkeiten haben.
Der einzige Laut, der den Schülern zu Anfang etwas
schwer werden würde, den sie aber bald lernen würden, ist
das eu. Im übrigen wird auf diese Weise eine annähernd
richtige Aussprache der Vokale erzielt. Schwieriger ist das
bei den Konsonanten.
Da wir über die Aussprache der Aspiraten in jener Zeit
nichts Genaueres wissen, so wird es sich empfehlen, für diese
die später durchgedrungene spirantische Aussprache der jetzigen
Griechen durchzuführen (wobei jedoch die Schüler über das
eigentliche Sach Verhältnis aufgeklärt werden müfsten), also
nicht nur wie bis jetzt, q> = f } \ = cä, sondern auch konse-
quenterweise 8 wie englisches th> neugriechisch 0. Dieser
Laut, aber auch nur dieser einzige, würde den Schülern wirk-
liche Schwierigkeiten machen; wenn jedoch, was wohl nicht
lange ausbleiben kann, das Englische in den Lehrplan unserer
Gymnasien eingeführt wird, so würde sich das gegenseitig
unterstützen. Die Mediae ß y b behalten am besten den Laut,
den sie jetzt haben, höchstens könnte man für y den Laut 5
und j einführen, den es in norddeutscher Aussprache wohl
schon hat. Den Spiritus asper nicht auszusprechen, erscheint
zwecklos; c müfste immer scharf gesprochen werden, l wie dz
oder zz (worüber zu entscheiden Sache der Praxis ist, die
wahrscheinlich das erstere vorziehen wird). Tm übrigen wäre
an der jetzt üblichen Aussprache nichts zu ändern.
W enn wir also von den ausgesprochenen frommen Wünschen
absehen, so verlange ich eine Abänderung der gangbaren Aus-
sprache nur für ei eu (q. rj in) 0 c £, wovon nur die Aussprache
des 0 eine schwierige sein würde. Mit dieser Modifikation
unserer hergebrachten Aussprache aber würden wir der wirk-
lichen Aussprache des Attischen zur Zeit des Plato ziemlich
nahe kommen, jedenfalls aber unvergleichlich viel näher als
die Neugriechen mit der ihrigen.
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Anmerkungen.
Vorweg bemerke ich, dafB ich mich im Interesse der Leser, für
welche ich diese Schrift bestimmt habe, des lautphysiologischen Jargons
möglichst enthalten zu sollen geglaubt habe. Phonetische Transakription
der einzelnen Laute, um die es sich handelt, war jedoch, der Kürze
halber, nicht zu umgehen. Doch habe ich dieselbe möglichst einfach
einzurichten gesucht. Für die Vokale ist das Princip durchgeführt, dafs
der geschlossene Laut durch einen Punkt, der offene durch einen Strich
unter dem Buchstaben bezeichnet ist: dazu kommt über dem Buchstaben
die herkömmliche Qnantitätsbezeichnung. So bezeichnet also z. B. e
den langen geschlossenen e-Laut, wie in Schnee, Ehre, e den langen
offenen in Bär, Bede (der offene e-Laut ist aufserdem auch durch ee
bezeichnet); o das offene kurze o wie in Wort, ö das lange geschlossene
wie in Ofen. Auf die Bezeichnung feinerer Nuancen habe ich verzichtet.
Was die Bezeichnung der Konsonanten betrifft, so genügt es zu be-
merken, dafs mit z das weiche s, mit jü das englische harte th, mit d
das englische weiche th Dezeichnet ist, mit 3 der Laut des g in sächs.
Tage, mit ij der gutturale Nasal in Enge, Anker.
1) Damit will ich natürlich die Aussprache des Neugriechischen nur
im grofsen und ganzen charakterisieren. Wer sich genauer unterrichten
will, sei verwiesen auf die Schrift von Karl Foy, Lautsystem der griechi-
schen VulgUrsprache. Leipzig 1879.
2) In dem Dialogus de recta Latini Graecique sertnonis pronun-
ciatione, zuerst erschienen Basel 1528 und dann oft wiederholt. Dafs er
dazu durch eine Mystifikation veranlafst worden ist und selbst nicht auf-
gehört hat, die neugriechische Aussprache zu gebrauchen (Ger. Vossius,
Aristarch I, c. 28) ändert an der historischen Bedeutung jenes Dialogs
nichts.
3) Vgl. den interessanten Aufsatz von H. Klinghardt „Die Laut-
physiologie in der Schule" in Kölbings Englischen Studien VIII, S. 287 ff.
4) Was daraus zn entnehmen sein dürfte, dafs das preufsische Kultus-
ministerium für die nächsten Direktorenkonferenzen die Frage der Aus-
sprache des Lateinischen als Thema aufgestellt hat.
6) Eduard Engel, Die Aussprache des Griechischen. Ein Schnitt in
einen Schulzopf. Jena, Costenoble 1887.
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6) Was ich eingehender nachgewiesen habe in der Berliner philo-
logischen Wochenschrift 1888, Nr. 17.
7) Friedrich Blafs, Über die Aussprache des Griechischen. Zweite
Auflage. Berlin, Weidmann 1882. Die erste Auflage ist völlig veraltet.
8) A. R. Baogabe', Die Aussprache des Griechischen. Zweite venu.
Aufl. Leipzig 1882.
9) Ich übernehme natürlich für diesen Ansatz keine Gewähr. In
neuerer Zeit ist die älteste Geschichte des griechischen Alphabets Gegen-
stand verschiedener Forschungen und Hypothesen gewesen und mftnche
Gelehrte sind geneigt, den Gebrauch der Schrift in noch früherer Zeit
als dem 9. Jahrh. den Griechen zuzuschreiben. Zur allgemeinen Orien-
tierung verweise ich auf Hinrichs, Griechische Epigraphik, im I. Bande
des Handbuchs der klass. Altertumswissensch., herausg. von Iw. Müller,
S. 379 ff.
10) In der That sind wir auch über die Aussprache des Lateinischen
ziemlich gut informiert. Der Gegenstand ist neuerdings im Zusammen-
hang gründlich behandelt worden von E. Seelmann, Die Aussprache
des Latein nach physiologisch-historischen Grundsätzen. Heilbronn 1885.
11) Viel zu weit geht meiner Meinung nach in der Annahme von
Entlehnungen 0. Weise in seinem übrigens äufserst gründlichen Buche:
Die griechischen Wörter im Latein. Leipzig 1882.
12) Cap. 6, p. 625 Bekk.
13) Vgl. K. E. A. Schmidt, Beiträge zur Geschichte der Grammatik
des Griechischen und des Lateinischen. Halle 1869, S. 71 f.
14) Lentz, Herodiani technici reliquiae. praefat. p. CI. Dagegen
Blafs a. a. 0. Anm. 243. Vgl. auch Kühner, Ausführl. Gramm, d. gr.
Spr. I, S. 60 f. S. unten Anm. 26.
15) Dionys, de comp. verb. p. 167: dnepacToi tc top ai <pu>val toO t€ i
Kai toö a, Kai äTTOKÖirroucai töv ffaov.
16) p. 418 Bff.
17) Thuc. II, 64.
18) Anth. Pal. XII, 43. Callim. epigr. XXVIII.
19) Den Anstofs hat Petersen versucht wegzuschaffen, indem er den
zweiten Vers liest: dX\a irplv eiiretv toöto cacpüic 'Hxü>, q>nd Tic äXXoc
exeiv, und Blafs stimmt ihm bei. Aber wo bleibt da die Pointe? Ich
glaube nicht, dafs etwas geändert werden darf.
20) Blafs S. 53. 55 f.
21) Haupt und Dilthey (de Callim. Cydippa p. 6).
22) Vgl. Aristoph. Plut. 290. 296. Ach. 1228. Equ. 10. 276, nebst
den Scholien zu diesen Stellen und Schol. Pind. Ol. IX, 1. Archil. fr.
119 Bgk. Philox. fr. 11 Bgk.
23) Über die Nachahmungen der Tierstimmen in den klassischen
Sprachen und dem Deutschen handelt eingehend W. Wackeruagel, Voces
variae animantium. Basel 1869.
24) Oken sagt in seiner Naturgeschichte VI, 473: „Ihr Ton heifst
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quaken, weil sie einigemal hintereinander quoak quoak schreyen, worauf
sodann ein schnelles gäckgäckgäck folgt.* 4
25) Von den neueren Schriften über diesen Gegenstand ist weitaus
die bedeutendste und wichtigste, ein Muster zugleich von strenger metho-
discher Forschung und lichtvoller Darstellung, die Schrift von A. Kirch -
hoff, Studien zur Geschichte des griechischen Alphabets. Vierte um-
gearb. Aufl. Gütersloh 1887.
26) Hanptstelle Eustath. 1721, 27 (zu Od. u 265): "Oxi KupioXeKxwv
Mfei uuKn0uöv dKoöcai ßowv aüXi£ou€vdujv oUIiv x€ ßXnxnv. uuKÜüvxai fäp
ai ßöec, ßXnxäTai bi öic. ei b£ ttou £v 'IXidbt ^irl irpoßdxou Kai aixujv
KfclTül KOIVÜJC ÖUOÖ XÖ UrjKäCÖai, CuXXr)1TTIKÖC ö TpÖTTOC 4K€t. alxec ydp
Kupiuic |urjKUJVTat, irpoßdxiuv bk oük Icxi toöto, dXX' /| ßXnxr|. 'Icx^ov bk
öti udXicxa tö ßu. qjujvnc irpoßdTuuv £cxl cnuavxiKÖv. Kai <p€pexai rrapä
AtXiui Aiovudw Kai xpn c,c Kpaxivou xoiauxrj- ö b' nX(8ioc uteirep irpößaxov
ß»i ßn, X^fwv ßabteei. Dann Eust. 768, 14 ol b' aöxot (paav öjaoiujc ix\\ir\-
tikujc Kai ß^ ou utiv ßa(, ui'm1 civ irpoßdxwv <ptuvP|c. KpaXtvoo 6 b' nX(8.
ktX. Hierzu sind zu vergleichen Et. M. 196, 7: Bfj, tö uiuuxiköv tx\c
xüjv Trpoßdxujv (piuvflc, ooxl ßal Xdxexai 'Attiküjc. Kpaxivoc AiovucaXcSdv-
bpur ö b' nXie. ktX. önxopuo 1 ! bi kxiv t\ Mtic. Suid.: Bfi- xö niurj-
xiköv xr}c xüjv irpoßdxujv <pujvr|c. oüxl ßal X€y ouc i v 'Axxiko(. Kpaxivoc
AiovucaXeEdvbpur ö b 1 f\\iO. kxX. Die letzten drei Stellen gehen, wie
man sieht, auf eine Quelle zurück, doch wohl auch Aelius Dionysius;
somit wörde die Bemerkung oöxl ßa{ einen Beweis liefern, dafs schon zu
Anfang des 2. Jahrh. n. Chr. auch die Gelehrten ai wie e sprachen.
Vgl. oben Anm. 14.
27) Andere Erwähnungen des ßfi. gehen auf Herodian zurück, so
Theognost 166, 18 = Herodian Lentz 492, 17, und E. M. 78, 40, wo das
ßn. in einer auf den Accent bezüglichen Regel steht, in der ausdrucklich
der xexviKÖc erwähnt wird.
28) Daher die Söldner, die mit Psammetich im 7. Jahrh. v. Chr.
nach Nubien zogen, obwohl zum Teil Dorier, doch zu den Inschriften,
mit denen sie sich in Abu Simbl verowigt haben, alle ionisches Alphabet
benutzt haben.
29) Vgl. A. v. Schütz, historia alphabeti Attici. Berlin 1875, S. 58 ff.
30) tfber diese ABC-Tragödie ist zu vergleichen G. Hermann, Opusc. I,
p. 137 ff. Welcker „Das ABC-Buch des Kallias in Form einer Tragödie"
Kl. Sehr. I, S. 371 ff. Ü. Hense „Die ABC-Tragödie des Kallias und die
Medea des Enripides", Rhein. Mus. XXXI, S. 682 ff. Unsere Kenntnis
von diesem wunderlichen Werk beruht ausschliefblich auf Athenaeua X,
453 C ff. ; noch ist nicht alles klar gelegt. Die im Text gegebene Da-
tierung beruht auf der Angabe des Klearchos bei Athenaens (die sich
VII, 276 A wiederholt), dafs Enripides in den Chorliedern seiner Medea jene
Tragödie des Kallias nachgeahmt habe, woran doch wohl nicht zu rütteln
sein dürfte. Dafs das Buch eine Art Reimfibel zur Erlernung der Buch-
staben gewesen sei, ist eine nicht unwahrscheinliche Vermutung Welckers.
Zachkr, Die Aussprache des Gri«chiBcheu. 4
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31) TheBeus frgin. 385 Dind. Athcnae. X, p. 454 B. Die Worte
lauten: tö öeuTcpov bi npürra p£v -fpaupui büo, Taüxac bieiprsi b' iv
p£coic äXAn. pia. Die Stelle des Aristophaues ist Vesp. 312 f., wozu das
Sehol. zu vergleichen. Theseus frgm. 389. 390 Dind.
32) Vgl. K. Meisterhans, Grammatik der attischen Inschriften. Berlin
1885, S. 2 Anm. 12. Kirchhoff, Stud. z. Gesch. d. gr. Alph. Vierte Aufl.,
S. 93. 96.
33) Die Inschriften der älteren Zeit eitiere ich nach dem Werke:
Inscr iptiones graccae autiquissiniae praeter Atticas iu Attica
repertas consil. et auct. academiae lit. reg. Bor. ed. Hcrmannus Roehl.
Berol. 1882 (Abkürzung: IG A). Die im Text erwähnten Söldneriuschriften
stehen dort uüter n. 482.
34) Reichliche Belege giebt G. Meyer, Griech. Grammatik, 2. Aufl.
§ 60 (1. Aufl. § 34).
35) Dies hat zuerst erkannt und klargelegt W. Dittenberger in dem
Aufsatz „Zum Vokalismua des ionischen Dialekts" Hermes XV, S. 223 ff.
Vgl. Blafs S. 23.
36) Kirchh. a. a. 0. S. 26. 27. 64. 80. 83.
37) Vgl. Renner, De dial. antiquioris Graecor. poesis elegiacae et
iambicae. Curt Stud. 1, 1, S. 17yff.
38) Belege bei G. Meyer, Gr. Gr. 2. Aufl. § 119 f. (1. Aufl. § 117 f.)
39) In dem Alphabet der asiatischen Ionier, das später allgemein
wurde; in Paros brauchte man beide Zeichen gerade umgekehrt.
40) So Blafs S. 25.
41) Vgl. Brugmann, Vergl. Gr. § 311 ff.
42) Auf die Existenz eines solchen dunklen unreinen kurzen e-Lauts
noch im klassischen Griechisch weist das Schwanken zwischen e und o
auf attischen Inschriften in manchen Worten: '€pxopevöc 'Opxopevöc,
Köpiojpa K^pKupa, ö߀\6c ößoXöc, TTuaveipuüv TTuavoMnuüv u. a. Vgl.
K. Meisterhans, Grammatik der attischen Inschriften, § 6, lb. G. Meyer,
Gr. Gramm. 2. Aufl. § 25. 26 (1. Aufl. § 23. 24).
43) Eine Verschiedenheit im Klang dieser beiden ihrem Ursprung
nach verschiedenen n. nimmt aus anderen Gründen und in andrer Weise
au Merzdorf', Curt. Stud. IX, 226.
44) Vgl. Meisterhans a. a. 0. § 2, 3.
45) Was von Dietrich in Kuhns Zeitschr. XIV, p. 67 behauptet, von
Blafs S. 28 und Meisterhans § 10, 1 aufgenommen, und für eine gewisse
Klasse von Bildungen ausführlich zu beweisen versucht worden i*Bt von
Ködiger, Griech. Sigma und Iota in Wechselbeziehung, Berlin 1884, wo-
gegen zu vergleichen meine Recension in d. Wochenschr. f. klass. Phil.
1884 Nr. 42 u. 43.
46) So ist die Darstellung von Meister „Die griech. Dialekte" I,
S. 224 f. 227 ff. , die sehr unklar und ungenau ist, zu berichtigen. In
Inschriften des epichorischen Alphabets findet sich i nur für solches €i,
welches entweder Steigerung von i ist (TTiÖapxoc IGA. lf>7 TTiabwpföac
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212) oder aus e -f- 1 kontrahiert ('AOavoYmc 137. Quo^ha 261. KoXX»yitujv
259. GiOTdXia 142. EevökXio 164. GüT^Xia 223. Iimdpxia 260. XapÖKXio 302.
EuxXibac 157) oder durch Epenthese des l entstanden ('ApivoKX£r)c 157.
<PiXaiYipa 298). Ebenso oft aber findet sich ei: Teicauevöc 143. CiKabujuv
236. TT€ietOvöac 282. *ApiCTOKpdT€i 145. 'AvcpdXicei 220. TTpoicXeT 256. TTa-
ciKXeia 242. AuTOKpdreia 246. 'AueivoJtXefae 155. Die Dehnung aus e,
welche im ionisch- attischen Alphabet mit El bezeichnet wird, ist in den
epichorischen böot. Inschriften immer durch E wiedergegeben: EMI häufig,
<DANES = tpaveic 167. «^SEIMON mit metrisch bezeugter Länge 167.
47) An Stelle der aus ö entstandenen ionischen Länge r\ hat der
böotische Dialekt natürlich wie alle nichtionischen das alte ö: öäuoc,
uväua, Aapdrpioc etc.
48) Wenigstens in der Hegel, doch mögen dialektische Abweichungen
vorgekommen sein. So ist aus der Schreibung AE OE für cu ot auf
tanagräischen Inschriften (z. B. Aecxpovbac XocpiXoc) wohl zu schliefsen,
dafs in der Lokalmundart von Tanugra ai und ot mit offenem i gesprochen
wurden, wie wir es thun.
49) Belege bei Gust. Meyer, Griech. Gr.* § 155 (erste Aufl. § 161 f.).
50) Z. B. 'ApcptKxiovec 'AuqwcTUovcc, fjuicuc r)uucuc u. a. m. Vgl.
Meisterhans § 8.
51) Die Angaben des Folgenden über den Vokalismus Bind in der
Hauptsache aus Meisterhans, Grammatik der att. Inschr. entnommen.
. r )'J) Ebensowenig habe ich auf die Fälle eingehen können, in welchen
8p o radisch schon in klassischer Zeit solche Lautübergänge vorkommen,
wie Bie später allgemein werden, z. B. TToTeioecVrcu neben TToTeföaia,
£ujpa neben atiüpa, ff[ neben youo (hierüber vgl. meine Sehr, de nominib.
graec. in aioc S. 112), TToTeibdv und TToTiöäv, x^» 01 x e ^ 101 u « Die
Verteidiger der neugriech. Aussprache haben dergleichen Einzelheiten
begierig aufgegriffen, während doch nur die gesetzniäfsige und gleich-
mäßige Lautbewegung im grofsen und ganzen für unsere Frage mafs-
gebeud sein kann.
53] Vgl. G. Meyer, Gr. Gr. 2, Aufl. § 228 {1. Aufl. § 229).
54) fragin. dith. 79 (47J.
65) IGA. il 600.
56) Vgl. Hinrichs, Griech. Epigraphik (Handb. d. klasa. Altertums-
wissensch., hsg. von Iw. Müller I), S. 397. G. Meyer, Gr. Gr. 2. Aufl. § 282.
57) Vgl. die hübsche lautphysiologische Auseinandersetzung von
Theod. Siebs, Die Assibilierung des k und g. Tübingen 1886, S. 68 f.
58) Ritsehl, Monumenta epigraphica tria p. 2iL Curtius Grdz.* S. 417.
69) Athen. XIU, 586 E.
60) Quintil. inst. Qr. XII, 10j 2L
61) Plato com. fr. 168 K.
62) Dion. Thrax in Bekk. an. p. 632 und Dionys. Hai. p. 78. Die
Autorität des Aristoteles, die Blafs S. 95 anruft, beweist nur für die
Natur des Z als Doppellaut, nicht für die in ihm verbundenen Laute.
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68) IGA. 111. 112.
64) S. oben Anni. 1.
66) Engel S. 159. Die richtige Berechnung stellt sich so:
Verwechslung von i mit r\
€i
„ Ol
» » 1 » €i
»t oi
n „ « „ Ol
.1 u
» n 01 m u
Summa 10
Verwechslung von ai mit €
» >i O v
Summa 12
I
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HB WIDENER
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HU NMED Z