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iVord un Süd
Xlotb unb Sü&
(Eine beutfcfjc HIonatsfdjriH
herausgegeben
von
paul £tnbau.
mit portraiis von: 5«nny Ctwalb, Mbolf Saffian anb mattin ©reif.
23 r e gl a u.
Drncf unb Ocrlog pon 5. Sdfottlaenber.
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3nfjalt bes 50. &anbes.
3IuU. — Slugiift. — &eptemött.
1889.
Ctyomas Zldjelis in Bremen.
Hbolf Boftton
^raneois €opp£e in Parts.
(Eine ^byfle roflljrenb ber Belagerung. Ztooelle. I. II 2*8. 585
folget Dradnnann in Dänemarf.
Pier IlTeerlieber f>8
^einriefy €fjrlicfy in Berlin.
Der ITTufiMDinter *888— J889 2*0
EDolfgang €ras in Breslau.
Die $i(dje im fjausljalt ber Hatur unb in ber Küdjc 63
23u6olf ron <Bottfd)aü* in £eip$tg.
$anny £eu>alb 3*
2TTartin (Breif in ZHündjen.
Drei fjerbfxgebidfte 297
St. Ijemmann in fjerrliberg am «gündjfee.
Sealsjtelb pofd 337
2TTori$ tjoernes in JDien.
Die Kelten in 5u><Detrerreid? *so
fjans ^opfen in Berlin.
€s rjat fo foDcn fein. Spricr/roort in einem 2Ict 139
fjermann r>on 3fyering in Hio (ßranöe bo Sul, Süöbraftlien.
Kio be Janeiro 3*3
M4841?
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ZXovb unb Süb.
(Eine öeutfdje ZTTonatsfdjrift.
herausgegeben
von
Paul £tnbau.
L. Sank — 3ult (889. — £)eft ^8.
(Hlir rinrm Portrait in Kaoirung: $amiy Cttoalb.)
05 r e ?ll au.
Drucf uuö Verlag von 5. Sdjottlacubcr.
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JsZ- -\ c
Jrütjltngsftimmcn.
Hopeüo
l>on
CDtto Koquctte.
— DarmjtaM. —
„(ri brechen im frtaöenben Weißen
Xic tfrüf)ling*ftimmen Io3;
Sic föunen'ä nicfjt länger berfdmmgcn,
Die SBonnc ift gar ju groß.
iWot)in?
Sie afmen eS felber faum.
(S* rübjt fic ein alter, ein füget Xraum."
3)a3 ute(gefungene ßieb ftang aus bem Öartenfaat fjerauf in ba$
3tmmer, in roeldjem Hubert, über ein grofcc» 3e^en^rett gebüdt, mit
beut ©riffel befajäftigt war. ©r t)atte ba3 %en$ex geöffnet, um bie batfamifaV
l'urt fyereinftrömen ju laffen, unb aud) unten fd^ien bie ©laStljür nadj
ber Xeraffe offen ju ftefyen, benn beut(idt) tönte bie jmeite Strophe an
fein ©etyör:
„3>ie .QnoSben fdiroctten unb glüljcn,
Unb bringen fief) an bao £id)t,
Unb toarten in fcljnenbem lÖlüfjen,
$a& tiebenbe £anb fic bridjt.
ifiiotiinV
Sic abnen c3 felber faunt.
($S rübrt fic ein alter, ein füßer Iraum.
@s roar eine Überaul jarte Stimme, bie ifjm eigentlidj *u ber ©eftalt
ber Sängerin nid)t 511 paffen festen. $enn er glaubte biefelbe geftem
bereite gefetyen 5U fyaben. Sie mar groß unb fa;[anf, ba£ @efiä)t uietleidjt
l*
ioogle
^rüljliitgsftimmen. 5
erfüllte £uft. 2luf abwärt! geneigtem Voben blühte ber ganje ©arten,
^lieber, ©olbregen unb Schneeball, baju purpurne Päonien auf beut diafen,
Apfelbäume in rofiger Jütte; feitwärt! ber Vuchwalb im erften ©rün, unt»
barüber frinau! bie 2anbfd)aft mit ihren Mügeln in fonmgem grühling-3:
glanje. Der iunge Wann empfanb ben lebhafteren Xriebr ben ©riffet
weg^uroerfen unb in'! greie $u eilen. 2X6er bie Stunbe ber 9Jiu§e war
nod) nicht ba, unb fo überwanb er fic§ unb ging §u feinen 3cidmuugeu
jurücf. —
Xex ©egenfafc feiner augenbticftidjen £age *5u feinem büherigen geben
in ber geräufdwollen £auptftabt befchäftigte feine ©ebanfen. (Siner feiner
ehemaligen £ehrer, $u überbürbet, um eine neue 2lrbeit!laft auf fid; >u
nehmen, harte ihn, al! ben ©efdncfteften, beoorjugt unb Um für bie 9luf=
gäbe corgefchlagen. £*! galt bie Erweiterung einer großen Einlage für
Wafajinenbau. Hubert, eigentlich 2lrchvteft, hatte bodj in ber 3)?af deinen -
tedjnif genügenbe Stubien gemacht, um für ba! umfangreiche Sßerf geeignet
-,u erscheinen. Vom ©efühl eine! unoerhofften ©lüde! beflügelt, hatte er
einige 3clc^nUT19cn entworfen unb fte bem ©ut!* unb #abriff)erru über=
fenbet. Siefer, fehr befriebigt baoon, lub ilm ein, fo balb al! mögtidj ju
ihm $u fommen unb alle Vorarbeiten an Crt unb Stelle $u ooüenben.
Dafc Hubert nxdjt allein burch feine 3e*c*mun9en> fonbern aud; briefüd)
burch feinen ^rofeffor fein* gut empfohlen mar, jeigte ihm gleich ber (Smpfang.
Gr melbete ftc^ juerft in ber gabrif. Die ©ebäube berfelben lagen, burd)
ben $arf getrennt, uon bem äöofjnf)aufe ab, unb meber ilu* ©eräufch, nod)
ihr Dampf flörten ba! Veljagen ber gamilie. Da& für öubert^ die\&
bretter in ber alten Weberlaffung fein recht $wecfmäj?iger 9iaum ju finbeu
fei, hatte £>err ^ormann, ber gabrifherr, bereite erfannt. 3lüar tefanb
fid} ein geräumige! $au! bort, welche! &err Xhormann bi! 5um Vau ber
Villa felbft bewohnt hatte; aber nirgenb! ba! begehrte 9?orblid)t für bie
3eidmer. So nahm er feinen jungen Vaumeifter ohne Umftänbe hinüber
in bie Villa unb wie! ihm einen Saat 3ur »rfftatt unb ein baran ftofcenbc!
3tmmer jum Sd)lafgemad> an. ©! waren eigentlich prächtig ausgeftattete
©efeüfchaftäräume, bie ben ©afi nicht wenig in Verlegenheit festen. SSic
foüte er in biefer ungewohnten Umgebung feine Sifche aufhellen, ohne
©efahr für ©olbleiften, feibene ^olfter unb foftbare^ «|3or$cllan? Slber
ba ber ©ut!herr ihm eingefd)ärft, ftd) gan$ nach ©utbünfen einjuridjten,
fo hatte « burch *>en Diener Dielerlei hinausräumen laffen, wa! mit feinen
3wecfen unoereinbar war, unb wohnte nun feit fünf Sagen immer nod;
gldnjenber al! er e! büher gefannt hatte, um ungeftört feiner Arbeit
5U pflegen, ©in höflicher Diener beefte ihm auf unb forgte pünltüch für
feine 3Kabfjeiten; eine freunbliche Sitte hielt ba! ©ohnjimmer in Crbnung.
Veibe fprac^en nur wenig, unb Hubert fcheute fia), fie nadj ben SÜerhältniijeu
ber Hausbewohner ju fragen, obgleich er nun bereit! etwa! neugierig würbe.
Möglich hörte er bie liebe «eine Stimme ihre grühlingsltcber fingen unb
^ Otto Koquctte in Darmflaot.
fonfttge weiche ©efäntje, bie für ben Umfang tr)rer Stimme unb für ir)rc
9luSbrucfSfäbigfeit befonberS gewagt 511 fein Lienen.
(Sin SöenigeS aber erfuhr er bei einem ©ange nad) ber $abrif boch
jufäUig burd) ben alten SSerfmeifter. £err X^ormann mar Söittroer.
Xie fdjöne SBitta hatte er für feine grau, bie immer leibenb getoefen, er=
bauen laffen. Sie mar uor brei Sauren barin geftorben. $er 9Ilte
mochte oorauSfefeen, baj? ber ßerr Saumeifter über 2WeS unterrichtet fei,
baf>er erjagte er nichts, unb Hubert entnahm nur biefeö unb jenes aus
feiner Unterhaltung. 9luf bem ^üefioege begegnete er noch einmal ber
jungen 3>ame, welche ben 9ioHfituf)l oor fid) t)erfc^ob. Obgleich etwas ent*
feint unb burdj eine breite SHafenflädje oon ifn* getrennt, grüßte er boch
wieber unb empfing ben ©egengrufc; ja audj bic uerfchleierte $)ame beugte
fid) oor unb oeraetgte fidt) mehrmals, ©r fchwanfte, ob er näher treten
unb fid) tjorftetten follte? 9lber ba oon ben $amen fein 3e^en bex
3lufforberung augging, unb er fid^ fdjeute — oieffeidjt gegen ben 3Bunfcr)
beS Hausherrn — oorjubringen, fo bog er fdmett in einen Seitengang ein.
£rofebem bafj feine Arbeit rüftig uon Statten ging, begann bie (Suis
famfeit bem jungen 3)?anne unbehaglich ju werben. $a, er empfanb e£
fd>on nicht mehr lieblich, bafj aUe £age ju beftimmter Stunbe unter ir)m
bie grühlingSftimmen „losbrachen." (Et begann Heine ^efanntfdjaften
machen. 3uerft tnit bem ©ärtnerjungen, ben er an einem ÜMumenboSfett
befdjäftigt fanb. $)iefe SBejielmng führte it)n bann 3U bem ©ärtuer, von
bem er fid) im ©efprädj über botanifd)e $ingc belehren lieft. Gr fnüpfte
mit einigen älteren Arbeitern in ber gabrif Unterhaltung an unb fanb in
i^nen orbentlidje £cute, welche oon ben Vertorfungen ber „Arbeiters
bewegung" nod) unbeirrt geblieben waren. @nbtid) fühlte Hubert ben
£rang, ftet) einmal etioaS weiter umgehen, als im Umtreife beS £aufe3
unb ber gabrif. ©r nahm ben SBeg burd) ben SBalb nach bem eine
Stunbe entfernten Stäbtdjen. &ier fanb er eine alte ftirdje, beren bau-
liche 33erhälrniffe ihn überrafchten, unb bie er [ich 00m tfüfter auffchliefjen
liefe, ©r trat in einen öffentlichen ©arten, wo Tijroler Sänger ein $obeU
con^ert gaben, unb genoj? feinen 2lbenb mit ben ^Bewohnern beS StäbtchenS.
@S fchien eine fpäte Stunbe für baS $auS $u fein, als er gegen
jehn Uhr wieber in ber SBiUa anlangte, £er Liener trat bei ihm ein,
mit ber Anfrage, ob es ihm genehm fei, ,§errn Xhormann nod) $u em-
pfangen? $erfelbe fei gegen 2lbenb jurüefgefehrt. Hubert erflärte fich
bereit, ihn unten $u begrüfjen, erfuhr aber, bafe ber Hausherr es oorjiehe,
hier oben mit ihm ju fprechen.
©leich barauf trat 4?err £h°rmamt Gefolgt oon bem Liener,
ber eine auSerlefene Slafdje unb ©läfer h^intnig. freut mid)/'
rief ihm ber ©utsherr entgegen, baß Sie fid) einige Unterhaltung außer =
halb meines Bereiches geflieht haben, ba fie bergleichen im $aufe nicht
finben tonnten! 3$ bin länger ausgeblieben, als ich oorauSfal). Sftun
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^rnblingsjiimmen.
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aber unUfornmen!" Cr bot ifjm baS gefüllte ©las bar, unb fuf>r fort:
f,3hre ©infamfeit in meinem $aufe barf ju ©übe fein, wenn Sie felbft
bie ©efeüfd)aft ber ÜJJeinigen tb,eilen wollen, $ie Herf)ältniffe in meiner
gamilie finb leiber nidjt fo, bafe fie einem lebensvollen jungen SWanne
üiet bieten fönnten. 3J?eine Sdjroefter, n>eld)e feit bein Sobe meiner grau,
bie 3üQel bes §aufeS fübjt, mar bei meiner Slbreife frauf, fo baj? idj Sie —
roie fonft bie Singe liegen — nid)t gut als ©aft unb Xifdjgenoffen ein*
führen fonnte. 9hm, ©ott fei 2)anf, fie ift ia roieber auf ben ^Beinen!"
,,3a) glaube ber toürbigen Dame fd)on ein paar SJfal begegnet ju
fein — " fagte Hubert.
„Sem? deiner Sdjroefier? rief ber £auSf>err.
„Sie würbe oon SQrem gräulein £od>ter im ÜRollftub,! burd) ben
©arten gefahren. Cber —V
$err Xtjormann fdjüttelte ben £opf unb fd)roieg einen 9lugenblt<I,
roäbjeno ein trüber Statten über fein ©efid)t flog. „Sie fiub im %xx--
ttwm!" entgegnete er. „£ie ©eftalt im ftoüftuljl, roela)e Sie oermutt);
£idr> nur bidjt oerfdjleiert gefefjen Ijaben, mar nid)t meine Sdjroefter,
fonbern meine £od)ter (Säcilie, ein junget üDiäbdjen oon adjtjefm Sauren.
Tie Slnbere, meldte if)r ben SiebeSbienft ernneS, ift gräulein itoae, irjre
©efeüfdjafterin unb greunbin, eine junge $ame, roeldje mein &auS nad)
bem 2obe itycex eitern als baS irrige anfeilen barf."
Hubert mar verlegen, unb fud)te feinen STttfjum 3" entfajulbigert.
„Qdj merfe, futjr ber ßauSfjerr fort, bafe man $\)x\exi über meine
gamilie nod) nidjts zugetragen fjat. SWeine £eute fdjetnen bie Slnmeifung,
meine £eimfef)r abzuwarten, ganj gef)eimnifeüoll genommen ju fyaben.
Unb bocf) ift nid)ts babei 5U uerfdjweigen. SDfeine Sodjter ift ein überaus
?arte3 unb gebredjlidjes Siefen, um meines mir bie Sorge niemals los*
»erben. 9?ad)bem mir brei fwffnungSuoHe Söf)ne geftorben, ift biefes
einzige flinb mir geblieben, unb — roie lange icb, es nod) behalten
werbe? (?S gilt, ifmt jeben Sag fo erträglid) unb erfreulid) als möglid)
>u machen, unb baS Sßenige was ib,m, bei fo oielem ©ntfagen, an ©enuft,
beS XafeinS möglid) ift, ju gewähren. Säcilie ift nid)t eigentüd) gelähmt
— fie geljt burd) bie Limmer, ermübet aber fo leidet, bafj fie im greien
auf ben ga^rftuljl angewiefen ift. 9ld), es ift 2lHeS fdjwadj, Einfältig,
fümmerlicb, an ir/r — unb bodj ift fie ein fo liebes 5tinb! ©in ©Ifid* ift
if)r geblieben — wenigfienS fafjt fie bie f leine 9?aturgabe fo auf: ein wenig
Stimme für ben ©efang. ©igentlidj nur ein Stimmten ju nennen, aber
flar unb b,ell, baS mit ben Sögeln in bie SBette fingt. $ä) f)öre, fie l)abe
in ben Sagen meiner 2lbwefeub,eit fogar meb,r unb frör)ltd;er gefungeu, als
fonft. £offentK<$ ift ber Älang nidjt ftörenb bis 5u3()nen herauf gcbrungen?"
Hubert oerfid)erte baS ©egent^eil. $m Stillen aber freute es ilm,
baB baS fleine Stimmten nid)t ju ber großen, fd)lanfen ©eftalt Südens
geborte, ^perr 2t)ormann fuljr fort:
I
6 Otto Hoquettc in Darmftao t.
„ftun, für morgen labe id) Sie an unseren tfamilientifd) ein. Ct»
Sie unfer täglid)er £ifd)genoffe fein wollen, wirb uon Sfyntn allein abfangen.
Sie finb $u nid^ts oerpflia)tet."
2)a Hubert baran lag, £erm S^ormann gleid) einige feiner (Entwürfe
oorjulegen, na^m biefer bie Sampe unb ging mit ifntt jutn 3eid)entifa). ©r
mar erfreut, nnb mit 2lHem einoerftanben. Gnblid), nad)bem er fidr) wieber
niebergelaifen, feufjte er unb begann:
„3ttan fönnte mia) fragen — unb metleid)t tf)un Sie es aud) —
roarum tdf) nod) fo viel bauen laffe? SBarum idr) meinem ©efdjaft eine
immer nod) größere 2lu£bef)nung gebe? Unb für wen id) bal Stilen in*5
2ßerf fefce? &abe id) bod) feinen Soljn, bem id) es einmal übergeben
fönnte! 3J?ein armes Ätnb ift meine einzige Grbin — wenn fonft — " Gr
brad) ab, um feinen traurigen ©ebanfen uidr)t SBorte 51t geben. „2Senn
id; mid) nod) tn'3 ©rofje ausbefjne," futjr er fort, „fo gefd)iel)t es wirf(id) um
ber 2öiffenfd)aft unb £ed)nif im SlUgcmciuen mitten. SRüfcig fann i<$ nidjt
fein! So fud)e id) Söefriebigung in bei* 2lrbeit. 2Ber, wie id), in ber
Sage ift, fid) nüfclid) 51t mad)en, ber tyat aud) bie ^>f(id)t, c3 $u tr)uii.
3eber gortfdjritt auf unferem ©ebiete reist mid), il)n ausbeuten. Unten
in unferm Söibtiotjjetjimmer finben Sie 2lfle£, wal an 93üd)em unb SciU
fa)riften für unl oon Gelang ift. SBenufcen Sie e3 nadj Setieben!"
£er &au3l)err fagte feinem ©afte gute 9tod)t unb entfernte ftd&.
Hubert aber lehnte nod) lange am genfter, badjie über bie ^erljältniffe
bei ßaufeä naa) unb fragte im Stillen, wie rootyt bie Stimme Sucienl
flingen werbe? Gr fonnte nid)t uml)in, fta) auf bie Begegnung unb auf
ein ©cfpräd) mit if)r 3U freuen.
©in grüljlingSgewitter 50g mit leidstem erquidenbem Siegen burd) bie
9tad)t. borgen! funfeite ©arten unb $Balb roieber im Sonnenfd&ein.
Hubert gab fdfjon in aller grüf)e feinem Crange nad), fid) im greien §u
ergeben. Gr lief burd) ©arten unb Sfi>alb unb fefjrte fröfylid), fogar mit
einem Straufc gelber Jameln, bie er uon ber SSHefe mitgenommen f)atte,
jurüdf. Ginen fa)eu forfd)enben SBlid warf er nod) nad) ber Xerraffe unb
ber £f)ür bei ©artenfaalä. 2lber für bie weiblid)en 33ewofmer bei £auie3
war bie Stunbe wof)l nod) $u friu), um fid) rjier fd)on fidjtbar ju mad^en.
Gr ging au fein 3eiÄ)ttwrett, aber er war jerftreut, unb bie Arbeit wollte
nid)t re$t förbem. Mittlerweile fiel i&m auf, bafj l)eute feine 9)?ufif $u
il)m l)eraufflang. Gl war bod) md)t wieber 3emanD *m &öufe franf
geworben? Gr war brauf unb bran, bie alte Stufwärterin, roeld)e er im
9tcben$immer walten f)örte, ju fragen. 2lber er unterfagte eS fid) bennod)
unb fud)te ftd) jur 2Irbeit §u faffen. Gnblid) — bie HHittagftunbe fyatte
nod) nia)t gefd)lagen — erfd)ien ber Liener mit ber 2lnfrage, ob bie tarnen
um feinen 33efud) bitten bürfteu?
2Ul Hubert in bal Gmpfanglsimmer trat, erhoben fid) bie brei tarnen ju
freunblid)em ©ruße. 9Iud) (Säcilie ftanb aufregt unb faf) itjm läd)elnb ent=
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,früblirtgsfiimmen.
7
gegen, um bann wieber $lafc ju nehmen. Sein erfter $ltcf galt $war
Furien, aber ber 2lnblicf Saalten* überrafchte ilm gleich in unerwarteter
S&eife. Qx fah eine jierlidhc, faft elfenhaft jarte ©eftalt cor fid), ein läng*
lidjcä feines 9lntlifc, au* welkem ihm jwei bunfle 9lugen entgegenblicften —
fo groß, baB fie mit ber Äleinljeit ber ^üge im 2Biberfpruch ftanben, unb
ifm faft unheimlich berührten. $te betben jungen Samen waren in gelten
Sommerfleibern, unb e* entging bem ßintretenben niefy, baB jebe einen
Keinen Strauß twn gelben ^rimeln oor ber ©ruft trug. $rau Steinbad),
bie £ante, trat ihm entgegen unb bot ilmt bie ^anb. Gine ftatttic^e alte
Xame mit frönen hellgrauen Dorfen.
„£err Hubert SBitting — ?" begann fie, inbem ftc iljn ihrer Richte
unb ßueieu oorfteßte. „s2iMr haben bi^f)cr bie ©aftlidtfeit nur mangelhaft
aueüben fönnen," fagte fie, „wollen nun aber ba3 ^erfäumte nachholen."
„Sie fyaben fidjerlich bisher oon une nur fct)r wenig geraupt, $err
SBitting," begann Sude, gleich einen heiteren £on ber Unterhaltung an*
fdjfageub, „wenn Sie uns aua) täglidj muficiren hörten unb ein paarmal
gefetjen höben."
Hubert beforgte fein*, fie würbe ihn mit feinem S^thum anziehen,
in Gädlien eine „alte £ame" oermuthet ju tyiben; allein fie fuhr fort:
„$l*tr aber wiffen fdjon fehr oiel oon 3hnen> oenn wir haüen dnen Spion,
ben wir freiließ nicht hinter $\)t\en hcr 9cfd)idt hoben, ber unä aber frei^
willig täglich uon ^^nen erzählt. Unb biefer Spion ift nod> baju ein
guter ^reunb oon 3fonen!"
„23er fönnte basfdn?" fragte &ubcrt, bie brei lääVlnben Tanten
ber diefye nach anfehenb.
„2lud> 3fae mangelhaften flenntniffe in ber 53otanif hat er un£ ucr=
rathen!" fuhr £ude fort. „2Bte fann man aber auch eine Magnolie mit
einem Xulpenbaum oerwedjfeln?"
„3(d>, ber ©ärtnerjunge!" lachte ßubert, ber fich erinnerte, bei ben
tulpenartigen weifjen ÜJJagnolienblumen eine ßaienfrage an ben ©artnev
getljan ju haben.
„3luch wiffen wir/' fuhr Sude fort, „baB Sie für ^obelgefang febr
eingenommen finb, unb geftein in einem ©artenconcert lebhaft applaubirt
$aben."
„91ein, fo weit bin idh wirf lid> nidjt gegangen !" rief Hubert. „?(ber
wer fann mid) benn bort auägefpürt fyoben?"
„Xerfelbe fleine Safob !" entgegnete ßueie. „Gr war in ©efdjaften nach
ber Stabt gefdneft worben, wollte fich ba$ (Sonccrt nicht entgehen [äffen,
unb fletterte auf ben 3aun/ um °&ne ©intritt^gelb ju genießen. Unb
bort von feiner &öhe aus entbeefte er Sie unter ben 3"^rern. Unb
fo höt er un* audh heute oerrathen, ba§ Sie fdjon in aller *#rül)e fpajireit
gegangen unb mit einem Straufe juruefgefehrt wären."
8 (Dtto Hoquctte in Parmfta&t.
„3a, unb baburdj erfuhren ivir erft, ba{$ bie Sd)lüffelblumen fcfjou
aufgeblüht finb," fuf)r Gäcilie mit finbUd)etn £äd)eln fort — unb fo fyahe*
mir uns aud) aufgemalt, um uns Sträuf$en ju tjolen."
„linier Sd)inucf beroeijt es!" befd)lojj Sucre ben 93erid)t.
2llfo barum unterblieb (jeute bie Sttufif! backte Hubert, inbem er
umt»iüfürtid) einen Sölid nad) bem Jylügel toenbete. Sie Xante bcmerfte
es. „SBenn Sie mufifalifd) finb, jagte fie, fo rieten Sie nur nid)t $u
ftreng über unfre t)äuSlid)en Seftrebungen!"
3<6 fa&e l"e^ Gern Pgetyört, entgegnete er, unb Ijoffe eS fünftig aud)
in ber S^äfjc trjun ^u bürfen." (5r oernetgte fid) leidjt oor (SäriHen,
ftufete aber, als er itjre Sangen plöfelid) lebtjaft gerottet fal), märjrenb itjrc
großen 3lugen ifm glänjenb unb faft ocrroirrenb anblidten. GS war it)m
lieb, bafj bie Xante bie grage an tt)n tljat, ob er ftlaoier fpiele? Gr er=
r)ob fid) unb fäjritt juin glügel, nur rafdj ein paar Slccorbe unb £äufe
anfdjlagenb, inbem er fid) fdjon baburd) ben Tanten als geroanbt unb
funbig auf ben Xaften oorfteüte. Söenn graulcin Sucie 6i-?t)er bie 25e;
gleitung beS ©efangeS übernommen bat, fagte er aufftefjenb, fo ift eS mir
uieüeidrjt geftattet, jumeilen itjre Stelle ju oertreten?"
„3a!" rief Gäälie lebhaft — aber, mie erfd)redt unb eingeflüstert,
fuljr fie leife fort: „3Benn id; fonft — babei fingen fann!"
£er £>auSl)err trat ein, freute fid), ben ©aft fdfjon bei feiner JycLiixitte
ju finben, unb man ging 511 Xifd&c. £uäe zeigte fidt), bei aller 9?atür=
lidjfeit beS &>efenS, als bie formenfunbige 2Beltbame unb lieft bie Unter*
Haltung nid)t ausgeben. Sie mar in ber &auptftabt erroadtfen, rjatte im
&aufe irjrcr Gltern tunftlerif^e unb miffenfd)aftlid)e ßretfe rennen gelernt,
unb raupte fomit $efd)eib in ben Umgebungen, aus melden Hubert f)er;
gefommen mar. GS mürbe il)r Ieia)t, ilm reben unb erjagen $u madjen,
unb ba fid) mandje gemeinfame $e$iel;ung 511 ^erfönlia)feiten fanb, fo
erwärmte er fidr) mcrjr unb mefjr in ben ©efprädjen. £in unb roieber
ftörten ilm bie rätselhaften 2lugen GäcilienS; im ©anjen blieb feine
Haltung jebod) fo, bafe bie gamilic fid; feiner als eines guten ©cfellfdjafterS
freuen fonnte.
2113 man fidt) erl;ob, flüfterte bie Xante, mit einem Slicf auf Gäcilien,
ilmi ut: „9?adj Xifdje pflegen einige oon uns eine Stunbe ju rul;eu.
Xürfen mir Sie $ur Kaffee$eit mieber einlaben, um unfere ®efpräa> fort*
5ufefeen?M
£ubert füllte fid) nad) längerer Giufamfeit burd) biefe Stunbe am
gamilientifdje fel)r angeregt. Wlit GäcilienS SBefen mußte er freilidj noch
nidit surea^t ju fommen. Sie mar meift fdjmeigfam gemefen; menn fie
aber fprad), fo gefdjal) es in ber 2lrt eines 5tinbeS, roelajeS l)alb fragenb
umljerblidt, ob es aud) baS -Hid)tige gefagt fyabe't Unb bod) brang ein
paar 3)ial ein beftimmteS 9?ein über il)rc kippen, unb es jeigte fia) augen=
fällig, baf? fte oermölmt mar — r»ielieid)t oermö^t merben mufjte. Älar
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rütylingsflim me n.
utib lebensvoll ftanb ifjm baffir SucienS Siefen oor ben 2lugeu, unb er
freute fi$, bafj ber erfte Slnblicf if>n nid^t getäufdjt fjatte. 9?ur fonnte er
fid) nidjt barein finben, bof? fie fcf)on ftebenunbäwaujtg 3af)re alt fein
follte! 2Iber fie Ijarte e? felbft bei £ifdfje unumwnnben ausgebrochen, als
ue bei irgenb einer 3eitbeftimmung jurücf regnete unb oon ir)rer „ba;
maligen Sugenb" fprad). Siebenunbjwansig ! £ann mar fie ja gleiten
Hilters mit ilmi! Unb fie faf) bod) fo jung, fo Ijerrlid) unb beftrtcfenb aus!
Gr fanb bie gamilie bereite wieber oerfammelt, als er in ben ©arten*
faal jurücffe^rte. Gr würbe aufgeforbert, etroaS oor$ufpielen, unb lief]
fid) nic^t nötbigen. 2llS er geenbet fyatte, trat Sucie ju ilnn. „2Benn mir
Sie uon biefer Seite idjon ge!annt Ratten/' fagte fie, „bann würben wir und
fd)n:erli($ adjt £age überwunben fyaben, Sie ju uns ju nötigen! 2lber —
ba liegen unfre gewöhnlichen Sieber aufgefdjlagen — wie immer! fügte
fie läct)elnb binju. SBollen Sie Sfyx 2>erfpred)en wafjr madjenV Oetjört
fjaben Sie unfre Äünfte nun bo<$ fd)on — "
„Xarf id) mid) jur ^Begleitung anbieten, gnäbigeS gräulein?" unter;
brad) er bic Sprecherin, gegen Gäcilie gewenbet.
$)tefe erfwb fid), unb trat befangen unb mit leidstem Grrötljen 51t
itjm. 2>ie Sumte brachte forglid) einen Stu^l herbei, Sucie aber winfte
tyr unb 30g ijm feife bei Seite. So begann er benn mit bem üblichen
Slnfang: „GS bredjen in fdfjallenben Zeigen bie grül)lingSftimmeu los!"
Gäcilie fang juerft fc$ud)tetn unb jitternb; aber er nicfte ifu* 2)iutl) 51t,
unb balb Ijatte fie fid) geiammelt, unb ließ erf lingen, was iljr an Stimme
gegeben war. £teS war aber fjeute meljr, als bie ^Ijrigen jemals oon
iljr gehört Ratten, unb man war überrafd)t burd) bie größere gülle uon
£on, bie fwf) glei^fam über 92ac^t bei U)r entwicfelt fjatte. Unb als fie
geenbet, wenbete Gäcilie fid) um unb fal) mit triumpfnrenbem 2lusbrucf
bie .»jH^re* ant oenn fü<e eine (Senugt()uung, aufredet fteljenb ba*
ganje Sieb burdjgefungcn ju f)aben. ^efct erft fd)ob Sucie ibr leife ben
Stuf)l l)in, auf welchem fie unaufgeforbert ^ßlafc uaf)m. greilid) mur>te
nun eine gan5e SRetfje if)res 2?ortatf)S burcfygenommen werben, benn Gäcilie
haftete förmlid) aus einem Siebe in baS anbere, wäfyrenb Sucie oergeblid)
rerfud^te einige ©efpradjSpaufen bajwifd&en ju fcfyieben.
Gnblidj gebot ber ^auStjerr Ginljalr. £emt er fal) bie SBangcn feiner
£od)ter glühen unb erfannte eine unerwünfd)te Erregung in itjrem iü>efcn.
3t)xe 3lugen, bie nod^ großer geworben ju fein fdjienen, funfeiten uuftet.
SUIeö in 2lHem fc^ien fie in ber ge^obenften greubenftimmung. Gs tt>at
bem S3ater leib, biefelbe jn unterbred)en; aber er wußte aus Grfafynmg,
ba§ Slufregungen fd^äblid) auf Gäcilien wirften.
Hubert empfahl fid^ nac^ einiger Seit, um an feine 9lrbeit ju geljcn.
9)?an wollte i^n ni$t langer jurücf galten. Sucie aber rief il)tn beim i}lb-
fd^teb ju: „^üten Sie fxc^ cor bem f leinen ^afob, wenn wir einmal
(Dtto 2\oqucttc in Darmftabt.
nicht erfahren follen, wie Sie (e6en! (Sr bringt uns jeben borgen frifd&c
Blumen uom ©ärtner unb ift eine ^pfaubertafdje!"
2lls Hubert gegen 2lbenb einen Spaziergang burd) ben $arf maä)te,
trat ihm aus einem Seitenwege grau Steinbach, bic £ante, entgegen.
(5S machte ftdj non felbft, baß er fid) ihr im ©efprädj anfdjloß. „Sie
haben beute fehr 2)ierfroürbigeS bei uns beroirft! fagte fie. Gäcilie ift in
einer Söeife aus fid) heraufgegangen, wie mir es nodj nie an ihr gefehen
^aben. 9lber wenn Sie fonft nicht »erfdunaljen, wieber mit it)r 31t
muiicieren, bitte — bann fchränfen Sie bie Slnjafil ber ©efänge etwas
ein! GS wirb Sie ja wof)l feine Ueberwinbung foften!"
w3ft Sröukw Gäcilie fein" teibenb ?" fragte Hubert.
„Sic muß fo bebanbelt werben, obgleich bic Sierße uns tröften, baß
tf)r £er$fet>Ier nid)t unbebingt jn fürchten gebe. 3£ie bem aud) fei —
Sie haben felbft gefehen, weld/ ein partes sJ>flänsd)en wir in unserem
&aufe ju behüten haben. Sie ift wie ein Stinb — swar geiftig fehr
entwicfelt, fo baß man gelegentlidj über fie erfiaunt, bennodj aber in fid)
oerfchloffen, unb es ift, als ob fie aus ihrer inneren $Selt mit Grftaunen
auf ihre Umgebungen blitfe."
„3a, biefe 2lugen!" fagte Hubert. „3$ l)<xbe mid; in ber erfteu
Stunbe faft gefdjeut oor ihnen."
„GS geht uns 9lnbern auch wof)l fo, entgegnete bie alte ©ante. Sir
müifen ftets fehr genau hincinKhen, um baS 9iid)tige barin $u lefen.
l'ucte allein oerfteljt biefe Spradje ganj. Sie werben begreifen, baf?
unfre Gäcilie, bei ihrer #infälligfeit, ein uerjogeneS unb eigenwilliges
flinb werben mußte. 9)ton oermieb 9IUeS, um ihren Gigcnftnu, ihre
#eibcnfchaftlid)feit ju werfen, ©iefe aber fprid)t juweilen bennod) aus
ihren 3lugen, ja, id) oerfidjere Sie, es $udt in gewiffen 2tugcnblicfen fogar
etwas SämonifdjeS barauS h^oor, was fid) mit biefer uon ber ÜWatur fo
windig auSgeftatteten ©eftalt gar nicht vereinbaren läßt. %a, bie £eftigfeit
beS ftinbes gewinnt bann aud; SBortc, bie — ad), unfre Sucie ift eigentlich
bie Ginjige, bie fie richtig $u beljanbeln weife! Sie ift ber gute ©eift
unfres Kaufes, oljne ben wir faum ju leben wüßten!"
DiefeS Hob SucienS tl)at bem Sutyoxev fehr wohl, boch »erfdjloß er
es mit Schweigen in feiner SBruft. $ie £ante aber fuhr fort: „Gäciliens
SBater unb id) fönnen in unfrer Sorge eben nicht umhin, baS junge
ÜKäbdjen als eine ßranfe ju behanbeln. £aS aber will Gäcilie nid)t.
Sie fennt feinen anbern 3uftanb als ben ihrigen, unb nimmt ihn in einer
3trt oou ftarfwißiger ©enügfamfeit fyn, wie er ift. Sucie aber, wie fie
auch bie einzige ganj ©cfunbe in unferem £aufe ift, beftärft bie kleine,
in bem ©efühl ihrer Sufriebcnheit, wenbet im Stillen ab, was fie reiben
ober ftören fönnte, unb forgt in fluger Söeife beffer für Tie, als wir
beiben 9lltcn cS rermögen. 9lber, oerjeihen Sie! Sie müifen biefer
Sd)ilberung längft mübe fein — mir ift es bod> lieb, mit ffinen gefprocheu
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tu fjaben. ©inige $erf)altungSregeln," fugte bie alte Taute lädjelnb
f)in$u „werben Sie meinen iDlitt&eilungen ja audj freunblid) entnehmen!"
(Sine SBodje barauf ljatte ficr) Hubert oollfommeu mit ber gamilie
eingelebt. 3war fragte er fid& juweilen, ob er red)t tfme, bie ©ajtlia>
feit in biefer Sßeife auszubeuten; allein er wufete nun fd^on, bafe man
ir)n auSgelacfjt (jaben würbe, wenn er fidr) aus folgern ®ruube r)ättc jurücfs
jiefjen wollen. Sßar bod) ber 3>erfef)r mit ben £auSgenoffen immer nur
auf wenige XageSfhtnben befdjränft. Ter S3au auf ber gabrif fjatte be*
gönnen, unb forberte r)aufxg feine ©egenwart; aud) an feinen 9teijjs
breitem madjte er fid) nod) oiel ju fdjaffen. Tajj bei Tifdje unb fjin unb
roieber SlbenbS baS ©efpräcr) jwifcrjen ifmt unb bem Jabriffjerra fidr) audp
über XecrjnifdjeS oerbreitete, liejjen bie Tarnen fidr) fdjroeigenb gefallen;
bafür mufjte er ifjnen audj oon feiner gamilie, feiner SJtutter unb <£djwefter,
er$äfjlen unb fanb fiets freunbltcr)e ,8uf)örer. @r freute fid), bajj Sucie fidt)
immer gleid) blieb in it)rer natürlichen SiebenSwürbigfeit unb iljrem jus
gleidj fo tactoollen SBefen; bagegen tonnte er ficr) in CSäcitieu je länger
je weniger ftnben. 6ie fpradt) wenig, ifjre 2lugen aber waren faft unoer*
roanbt auf ifm gerietet. SBon itjrer geiftigen ©ntwicfelung, welcher bie
Xante baS SBort gerebet, t)atte er nod) nichts entbecft; im ©egentjjeil gab
ee Slugenblicfe, wo er awifctjen Scr)recf unb 3Tiitleib bie Sieben eines
imbecilen ÄinbeS $u rjören glaubte, ©r bemerfte, wie Sucie in folgen gaffen
fctjnell für fie eintrat unb ir)rc 2ßorte ber Unterhaltung anjupaffen wufjte.
2(lS Hubert eines XagcS in ber gabrif nact) einigen 3lbbilbungen
fragte, bie nid&t gleid) $u finben waren, fagte ber alte ©erfmeijter: „Tann
werben fie in ben ^immern beS &errn SKeinfjolb fein." <5r fd)idte bar)in,
um fie ju fuct)eu. Hubert erfuhr, bafe ein SRcffe beS £errn Tormann,
9tomenS iJteinfjolb, ber in ben SBerfftätten feine »raftifdjen Stubien gemadjt,
nocf) feine 2Sofmung in bem alten #aufe rjabe. Ter Dljeim r)atte irjn,
$um Xtjeil in ©efd)äften, mefjr aber ju feiner 2luSbilbung auf ein ftalir
nacf) 2lmerifa gefdjitft. Hubert ermähnte feiner nicrjt, ber #auSf)err felbft
aber tfyxt es eines XageS bei Stfdje, inbem er erjäljlte, er f)abe einen
Srief oon 9ieinr)olb erhalten, auf weldjen bie SRücfferjr beS Detters wof)l
balb folgen werbe.
(Säcilie futjr auf, als fie biefen tarnen nennen Ijörte. ^Ijre klugen
funtelten wie jornig, unb mit ^eftigfeit rief fie: „Qx barf nicfjt In'er bei
uns wohnen ! 9?ein, ^aoa, er barf nicfyt ! <sr würbe bei uns 21ÜCS uer*
änbern unb jerftören!"
„3lber, mein UebeS tfinb, er rjat ja braufjeu feine woljleingeridjtcte
■ilSofmung!" begütigte ber SSater.
Gäcilie aber ful)r erregt fort: „Tu follteft ilju gar uidjt 311 uns
wieberferjren laffen! @r ift mir oerrjaßt. 2ßenn id; fein wiberwdrtiges
©eftajt fünftig oon Beuern unb alle Xage fer^n fotl, bann werbe \d) franf
oor 3lerger! Qx foll nid)t $u uns 5urüc!fer)rcn — nein, id) will es uitt)t!"
\2 (Dtto Koqacttc in Dcmnftabt.
©ine fo lange 9iebe fyatte Hubert oon (£actlien nodfj nidjjt gehört, uub
es überragte it)n sugleid) bie Energie, mit melier bas Heine SBefen ihrem
©rolle 2luSbrucf gab. üttan fudjte baS iungc 2fläbchen §u beruhigen. (rs
fei ja immer nod) eine 2Heile InX bis er 9iem=2)orf oerlaffen tonne, unb
es liefee ftd) oielleidht eine fonftige Stellung für ilm finben.
Söon biefer Stunbe an mürbe Hubert etwas aufmerffamer auf (Säcüten,
richtete Sßorte unb fragen mc*)r an fa/ unD empfing mandje Statroort, bie
er nid)t erwartet tjatte. Sie wagte ficlj aus ihrem inneren 9tücfhalt hcroor,
oerlangte f leine Xienfte oon if»n, unb beoorjugte ilm augenfällig. Sie
übte fidj Sieber ein, bie er als befonberS fdhön bejeid^net hatte, unb bat
bann, bafj er fte begleiten möd)te. ©ine ©ntmicfelung festen fidt) in ihr
5U oolljieben, über meldte ihre 9lngehörigen überrafdjt, unb jwar freubig
berührt, waren, bie ihm aber ein unbehagliches, ja peinliches ©efüfjl gaben.
£enn fo ungern er es fidt) geftehen mochte, ©äciltens Singen fugten ihn
allein, fpradjen allein ju ilmt, unb nur ifmt friert tf)r ganzes Sßefen
gehorchen! Sie las, wooon er mit Seifall gefprodfjen; [\e $e\lte 93lumen
vor fid) auf, bie er im ©arten bemunbert fjatte. @r jätete fidj bereite,
irgenb etwas als ilmt angenehm $u bezeichnen, benn es mufjte für
ihn ba fein, ober ihre eigene Umgebung fdjmücfen. 2Baren es immer
ttleinigfeiten, fic fonnten nicht »erborgen bleiben. @S gefd)ah oor Silier
2lugen, unb 2llle täfelten nur, wie man fid) über baS ©lücf eines ÄinbeS
freut. Ober wufcten fie nur flug ju oerbergen, was fte innerlich boch
beunruhigte? SDiefe grage taufte in bem ©emüth beS jungen Cannes
plöfetia) erfd)recfenb auf, unb er fnüpfte bie anbere baran: ob er in Meiern
§aufe länger oenocilen bürfe?
Unb mit Sucien hatte er, obgleich balb ein 3)Jonat oerfloffen, noch
nicht jelm Sorte ollein gefprodjen, roie fehnlich er aud) bie (Gelegenheit
baju fudjte. ©leidmwhl beftanb bereits ein fchwetgenbeS Vertrauen jwifeben
ihnen. $e$og es fid) aud) immer auf Gäcilien, fo beglüefte es i^n bodj.
Gin ftummer "Mnt, bieS ober jenes ju th'un, ein paar geflüfterte 23orte
etwas 3U oermeiben, ein heller Slicf beS ©inoerftänbniffeS — baS war
ihre Sprache unter einanber, welker er felbft auch wof>l nod) einige beionbere
3eid)en feiner (Smpfinbung hinjufügte.
2lls er eines Borgens bie Xf)ür beS 93ibliothef$immerS öffnete, um
in einem 2I*erfe über 3lrd)iteftur etwas nach$ufd)lagen, fufjr er faft jurücf,
beim er fanb fiueie an einem ber Sdnänfe, roetdje literarifd^e unb poetifebe
5li>crfe enthielten.
„C — fo früh Won bei ben Suchern V rief er in freubiger lieber*
rajehung. ©S war in ber %\)ai erft fieben Uhr.
„Guten borgen!" entgegnete fie unbefangen. „34) mufe mich eilen,
um beim grühftücf beweijen ju fönnen, bafc id) geftem 9lbenb !KcdE)t gehabt.
&Mr ftritten nämlid) über ben ^erfaffer eines ©ebid)teS. Gäcilie befwtete
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^riüjlntgsjtimmen. \3
fct oon Geitau, bte Xante fchneb e$ Ufilanb $u, unb ich wollte dltötxt
$um 9?erfaffer/'
„2£cnn Sie mir ben Xitel ober Anfang bejeidmen, fönnte id) Shnen
»ielleidjt Reifen. habe früher oiel in Spoefie gefdjroelgt."
„X)a$ tjl nun frei(idt) ©ebeimnifj ber #rauengemächer!" jagte Sucie.
„9lber wenn ich bebenfe — ba flehen allein oon 9iüdfert fünf öänbe ©ebichte,
jtoei von £enau, unb Uhlanb baju — ich fönnte redj)t lange fudjen ! 2llfo —
ba3 ©ebidjt beginnt mit ben Söorten* .Gr, ber &errlichfte oon Slllen'"
— fiucie blicfte babei fcheinbar gleichgültig in ben Südjerfchranf, toährenb
Hubert ftufcte unb fich ebenfalls abroenbete.
„©3 tft oon ßhamijfo/' entgegnete er trotfen; „au3 beut Gncluä:
grauenliebe unb &eben."
„2öo r)atte ich meine ©ebanfen?" rief £ucie. „Sie rjaben 3ied^t!
Unb Robert Schumann fjat e$ in Sftufif gefefet. SSMr befifcen ja ba$ &eft.
2tlfo ba|er bat fie es! — £>ann werben mir e£ rooftf balb einüben. 3$
banfe 3hnen, §exx Eitting, bafc Sie mid) be3 langen Suchend über;
hoben haben!"
Sucie fd)loß ben Sdjranf unb fajien bie iMbliotfjef oerlaffen ju motten,
toährenb Hubert jroif^en Verlegenheit unb Gntfdhlufe fämpfte. £ann rangen
fi<$ plöfelich oon feinen Sippen bie SBorte:
„^raulem £ucie — ratzen Sie mir! 2Bär' e$ nicht am beften, id;
oeTliefce ba§ £au3 — ?"
finde blicfte ihm mit ruhigem ©ruft entgegen. Xann fagte fie: „gür
Sie felbfi märe ba« oielletdjt angenehmer — aber roaS toirb aus uns,
roenn Sie gehen?"
„3lu$ — unäV rief er mit freubigem ©rrötljen. „0, Jräulein i'ucie,
mürben Sie meine ©egemoart ein wenig oermijfen?"
Sie unterbrad; tr)tt fd)nell. „20a« Gäcilie trifft, fann nicht ohne 25e=
beutung für bie gute Xante unb fürmidj bleiben. 2Öir fönnen \l)x nidjt
erfefcen, toa3 fie jefct an ©lud befifet — roenigftens ju befifcen träumt.
2£er möchte für ben Ginbrud beim (Srroadjen fter)en ?"
„3lber barf ber Xrauin benn f ortbauern ?" rief er erregt. „Unb barf
ich iMcfy aud; fragen, roaä baratfS toerben foll? 3<h/ ber ich mich im
anberen #alle hodjbeglficft fühlen fönnte — füllen Sie mir nach, bafj ich
mir faft lächerlich oorfomme?"
„9fein, lieber &err SBtttiug, baS fann ich 3hn<m nicht nachfühlen!"
entgegnete fie lädjelnb. „2lber baß Sie fid) unbehaglich fühlen, unb baf?
3(men, al^ einem rechtlich unb ebel gefinnten jungen 9)iann, bie Situation
im §auje etroa« peinlich fein mufj, baö erfennen .§err Thontiann unb bie
gute Xante Techt wohl. Unb roa^ mich betrifft — ich benetbe Sie nicht
— bei allem Mitgefühl für Gäcilie."
;,3lber roa« foll idj baoon benfen/' rief er, „bafj ^err Xhormann,
roa^ er mit 9lugen fieht, fo ruhig gehen läfit V 3)Jüf}te er mich nicht eigeutlid;
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(Dito Hoqucttc in DarmftaM.
felbft oeranlaffen, fein &auS 3U meiben, gleid()üiel, ob id(j oerbredfjerifdje
£{)orf)eit im ^erjen nährte, ober nur ®egenftanb — für ein oieüetd&t
fjerannafjenbeS Unheil bliebe!"
„&err Sljormann unb bie £ante galten ju oiet von Sfyuen, um ^i)ve
bauernbe ©egenwart im &aufe nidjt ju wünfdjen! Sitte, faffen Sie feinen
übereilten ©ntfdjlufj! hieben Sie mit feinem oon Reiben von einem 9U>=
fd)ieb! Vertrauen Sie mir! 3$ roiß wacfjfam fein. Unb wenn ia) nidjt
eine gefiederte Ueber^eugung in mir trüge — mürbe id& Sie fo geladen
juriic! falten ?"
Sie lefcten 2ßorte Hangen boppelfinnig, unb Hubert beutete fte, von
greube burdfoudt, nad) feinen 2$ünfdjen.
„Sucte!" rief er, i§re £anb ergreif enb. „2Benn id^ Ijoffen bürfte!"
„£aS müffen mir laffen, He6er greunb!" fagte fie, ifmt ityre £anb
rafä) cnt5ier)enb. „Sie £age forbern mid) t)ter ganj unb gar. 3$ fntfre
^flidfjten — gebenfen Sie aud) ber ^fjrigen!"
Somit eilte fte aus bem ^immer.
£mbcrt aber ftanb in lebhafter ©rregung unb oergafc, baS Sud) nadf);
jufdflagen, um beffen willen er gefommen mar. (£r Ijatte im reinften Sers
trauen mit &ucien fpredjen bürfen, unb audj baS rafdfje Söort, weldfjeS er
gewagt, mar von iljr oerftanben worben. (Sine uöllige Slblefjnung wollte
er aus it>rcr lefcten SSenbung nidjt gehört faben, fonbern e&er ein ftiHeS
(rinoerftänbnijj, unb auefj wieber ein Vertrauen auf feine 2luSbauer unb
ruhige Haltung. Unoerftänblid) blieb ifmt freiliaj bie Sorglofigfeit beS
Kaufes in Setreff GäcilienS unb baS 3umficf)tlia;e in beu 2Borten
l'ucienS, wäf)renb er felbft bodf) feiner günftigen £öfung entgegen fe^en
fonnte!
Ser Sommer braute Regentage, meldte bie Hainen auf baS ,§auS
beföränften. &ubert fjatte, um baS oiele Sfluficiren 3U oermeiben, £ucien
fdjon öfter im Striefen abgelöft. Sa man if)m gern juljörte, rourbe er
nad) unb nacb in feinen 9)Ju§eftunben ber eigentliche Sorlefer, unb man
burfte fia) auf feine Vlu3maf)( oerlaffen. @s mar an einem oöllig oer*
regneten Sonntag, als fid) bie ganje §amilie 9tod)mtttagS in baS 33ibliotr)ef-
jimmer begab, um es fia) an bem runben Xifd) bei einem Sudje befiaglidj
ju madjen. £ubert I>atte Gtdjenborffs ItebenSwürbigen „Taugenichts" au»
bem Sdjranfe genommen, eine ©efdjiajte, meldje ber ©efellfdjaft, aufecr
fiueien, nod) unbefannt mar. %lad) einer Ijalben Stunbe 3uf)öreuS waren
2lllc in bie fjeiterfte Stimmung werfest.
Sa öffnete ber Siener bie £f)ür unb rief in'S ^i'un^r:
„Ser £err Meinljolb ift plötilid) angefommen! Gr legt im Sorfaal
bereite ab."
3lüeö blidte nicf)t ofme Seforgnifc auf Gäcilie, beren kippen fic^
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^rnfilingsfHmmeri.
15
aufeinanberprefcten, wäfjrenb es rote glühenber 3oxn aus ihren STugen
fprühte. 25er Hausherr ging hinauft, ben Neffen ju empfangen, mefteidjt
auct) fein ©intreten oerjögem. Slber fdjon jwei Schritt oon ber Schwelle
tarn SHemlwlb ihm entgegen unb trat mit ger&ufchooUer 33egrüf?ung in bas
3ünmer. ^ebe™ bie $anb fchüttelnb, ging er oon einer ber tarnen pr
anbern, mit oielen SBorten beS SöiflfommenS, (adjenb unb, wie es fd)ien,
oon ber greube, meldte fein fiberraf<f>enbeS Eintreffen erregen mufjte, feft
überzeugt.
„Unb Du, mein Keiner Sdjafc!" rief er, fidt) neben Gäeilie nteber;
laffenb. „91a), was für ein fleine«, fa)maleS 2lffenhänbd)en Du noa) immer
fjaft! Unb fo folt, fo falt! $a) will es Dir in meiner &anb warnten!"
„Ungejogener! Unterjteh' Dtd)! 2Beg oon mirl" tief (Säcilte, über
feine Annäherung aufgebracht.
tReuu)olb aber Iad)te: „&oho! 2Bie böfe! SSarte.nur, la) oerföhne
Dia) balb, wenn ia) Dir jeige, was id) Dir mitgebracht tyabe!"
©r würbe barauf mit Hubert befannt gemalt, oor bem er fid) nur
flüchtig, bodj nicht ohne einen fcharf prüfenben SBIicf, oerneigte.
Hubert fah einen jungen 3Kann oon etwa ffinfunbjwanjtg fahren
oor fid), gut gewad)ien, ein wenig jur ftülle geneigt, mit fdjönem Schnurr*
bart unb in mobemfter Steifefleibung. Seine 3uaA fein ganjeS SBefen,
fpraa)en bas oollfommenfte Sia)erheüSgefühl aus, ofnte bafj er ftd) fd)on
anmafeenb ober formwibrig betragen t)ätte. 2faa) fajien weber $err ^ormann
noa) bie £ante (SäcilienS ftarfen SöiberwiHen gegen itnt ju teilen, Sie
liefen ifnt plaubern unb erjagen, fragten ü)n allerlei, ladeten über manage
feiner Späfje, fo baj? er ftd) ihnen gegenüber beS angene^mften SBtHfommenS
getröften fonnte. Hubert fd)wieg, ba er feine Gelegenheit fanb in bie
Unterhaltung einjugreifen. Der junge SSeltmann mißfiel ihm nta)t gerabe,
er glaubte fogar mannen faßbaren on ihm ju erf ernten; adein ein
befttmmtes Gefühl wollte ihm oorauSfagen, bafj oon 9ieimjolb aus fid) ihm
ein ßonflict oorbereiten werbe, ber feine 33ejief)ung 5um &aufe Xlwrmann
oeränbern muffe. Diefen Gonflict wollte er jebodj mÖglia)ft lange oer*
meiben, unb er befa)lofj beshalb heute bie Jamilie unter fich ju laffen. 211$
man fia) erhob, um in baS Speife^immer 5U gehen, wo um ber SBewirtfjung
9teinholb$ willen ber 9lbenbtifd) etwas früher hergerichtet worben war, unb
er fi«h ftillfchweigenb entfernen wollte, faf) er plöfclia) Gäeilie an feiner Seite:
„flammen Sie $u uns!" flüfterte fie. „3a) fpeife mit Sucien allein."
„Unmöglich, gnäbigeS #räuletn!" gab er jurücf. „3a) bitte fogar
mia) für ben SReft be3 9lbenbS oon ber ©cfellfchaft ju beurlauben."
„SBenn Sie bod) nicht bei uns bleiben wollen/' entgegnete fie fd&moffenb,
„fo ift es mir gleich, wohin fie gehen!" Schnell aber wieber in freubtgen
ion übergehenb, fut)r fie fort: „2lber morgen, nicht wahr? 2Öir fingen
wieber, unb oiel — unb immerju, bafe ber oerhafete SWenfo) gar nia)t mehr
ju Söorte fommen foü!"
Kail unb 6ib L., 1«. -
16
0tto Roquctte in DarmftaM.
(Sin paar £agc «ergingen, olme bafj eine 2lmtäfarung ber beiben
jungen Scanner ftattgefunben fatte. Hubert fud)te fie nid)t, unb Weiiu)olb
friert fic^ irtel;r auf baS Beobachten beS unerwarteten ®afteS, ben er im
&aufe oorgefunben, $u befdjränfen. 25er junge Baumeifter füllte fid) in
biefen Sagen befonberS unbefagltd) in ber gamilie, benn (Säcitie tfat
2llleS, um bie ©unft, in ber er bei ben Sfaigen unb bei ifa felbft ftanb,
red)t in baS £td)t p fcfeen. Um biefe 2tuffälligfeit ju befd)ränfen, liefe
er jwei Sage [einen Sßlafc am 3ftittagStifd)e unbefefet unb entfdjulbigte
fid) mit Besorgungen in ber Stabt. 9lbenbS fonnte er aber ber ©inlabung
in bie gamilie nid)t entweichen. ®r muffte am Glauier (SäcilienS ©efang
begleiten, bie „grüf)lingSftimmen" unb 2llleS, was fie fonnte. Sie gab
bem Detter §u faren, was fie geineinfam gelefen, unb mar lebhafter, als
biefer fie jemals gefefan fatte. Unb ber Bater unb bie £ante fafan unb
Nörten baS an mit einem 2äa)cln, falb beglücft unb falb wehmütig —
fetbft Hubert begriff es nicht; um fo mehr muffte es bem Better auffällig fein!
ftcinljolb gab fidj gleid)woh( ganj gelaffen unb leidet, als beobachtete
er ma)ts BemerfenSwertfaS. ©leidjwohl füllte er fid) innerlitt) auf baS
Stärffte farauägeforbert. CDic Bergröfcerung unb baS Bauen in ber
gabrtf moa)te lungeren, e$ tag it)m wenig baran; ber Baumeifter aber
fd)ien ifai ein ßinbernifj §u werben, war eS üiclleid)t fd)on geworben!
SJton fatte biefent bie Limmer im oberen Stocfroerf ber Billa eingeräumt,
mäfaenb er felbft in ber ftabrif wofaen muffte; £err £fannann unb bie
£ante waren feines £obeS ooU; ©äcilie beoorjugte ifa ganj offen; fein
©tnflufj im £aufe war unuerfennbar. $)em muffte gefteuert werben, unb
9ienü)olb faffte es in ber einfad)ften äöeife ju tfan.
Hubert ftanb eines Borgens über fein 9iei§brctt gebeugt, um feine
lefete große .JJddjmmg. ju ooÜenben. 2£ar biefe fertig — unb er faffte
fie bis morgen ju bewältigen — , bann war ein fo großer 9tam für feine
Slrbeit nid)t mefa nöthig, unb er wollte &errn S^ormann bann bitten,
Um nad) ber gabrif überfiebeln ju laffen. Gr war nerfrimmt über feine
Stellung in ber gamile, mefa nod) bebrütt, bafj &ucie ilmt in feiner
SGBeife entgegen fam, ihm fogar jebe Annäherung ju crfd)weren fud)te.
$a würbe ftarf an feine £()ür gepod)t, unb farein trat 9ieim)olb,
ofae &ut, mit angejünbeter Gigarre, wie ju einem ganj familiären ©efpräd).
„©Uten £ag, #err Baumeifter! Staffen Sie fid) bei ber 3lrbeit nicht
ftören! 3<h fomme auf ein $piauberftünbd)en, weld)es wir einanber
eigentlid) fd)ulbig fmb." Gr betrachtete Huberts Zeichnung einige klugen*
blicfe. „Ellies fefa fcfan!" fuhr er fort. „$er Dnfel fann fid) gratuliren !"
£ann warf er fid) in bie Gcfe beS SopfaS, Hubert gegenüber, unb be=
gann in ebenfo bequemer Söeife ein ©efpräd), weld)eS er balb auf bie
fauslid)en Berfattniffe übersuleiten wuBte. „(5S ift am Beften," fu^r er
fort, „wenn id) ^faen fage, wie id) jum ^aufe meines CfaimS ftefa.
3d) werbe nämlid) meine Coufine Gäcilie fairatfan/'
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^rnfylingsftimmen.
Hubert futjr von feinem 3ei<$en&rett ßuf unb fal) Um erftaunt an.
„9hm? 2Öa« fiufeen Sie benn?" fragte 9ieinf)olb mit einem fd)arf
prfifenben ^licfe.
„2$erjetf)en Sie", entgegnete Hubert, ,,e« ift §tytt eigene Singelegen -
^eit — "
„33erftef)t fia)! 2lber Sie fdjeinen überrafd)t burd) meine Sttittyeüung.
SSas faßt ^t)nen babei auf? Sieben Sie ganj offen!"
„sBenn Sie bereit« mit gräulein GäcUie unb öftrer gamilie barüber
einig finb, bann f>abe id) feine Meinung barüber au«sufprea)en."
„So fefcen Sie einmal ben gall, ta) märe — mentgften« mit meinem
Ctyeim noa) nid)t einig barüber — "
„$ann mürbe ta) meine SBerrounberung nid)t oer&ef)len, roie ein
9Wann baran ben!en fömtte, ftd) eine fo — fo fränflia)e junge $ame $ur
©attin §u wählen/'
„So? Seiter nid^t^ ?" entgegnete 9ieinf>oIb. ©leia) barauf fing er
an ju lad)en. „Sie fdjerjen! ßäctlie ift eine ber reid)ften Partien auf
weit unb breit. 3d) bin ja nid)t ber ©injtge, ber ba« in'« 2tuge faßt.
2Ber fie $ur grau geroinnt, ber ift burd) ba« <£rbe Dnfel £fwrmann«
gefta)ert; unb fo roünfdje id;, rote id) tfmt unb ifjr einer ber 9Md)ften bin,
aud) mir felbft ber 9täd)fte 5U fein/' iWein^olb ftredte fid) ber Sänge
nad) auf bem Sofa au« unb warf einen Settenblid auf ben 3^örer.
„Ta« ift Stiles flar unb oerftanblid)," fagte biefer, an einem SBlet*
ftift fpifcenb; „unb roenn gräulein (Säcilie Sfmen ü)re 3uneigung fd)enft — "
„3)tad)t mir feine Sorge!" fiel 9?einf)olb ein. „Sie meinen, weit fie
jefct etroa« fpifcig gegen mid) tfmt ? $d) fjabe immer gut mit it)r geftanben,
unb tfjre böfe Saune roirb »ergeben, greiltd) fann id) mit tf)r nidjt muficiren,
wie Sie e« fo gerne tf)un — "
„So gerne — ?" rief Hubert bajtoifd)en. „9iun, ja, ba e« tf)r unb
i^rer gamilie eine fleine greube berettet, fo fyxbe id) e« aud) gern gettjan.
Uebrtgen« — fjabe id) fd)on bejfer fingen Ijören!"
„flarat td) mir fd)on benfen! $d) aud)!" rief 9ieuü)olb lad)enb. „2llfo,
Sie Ratten nid)t« einjuroenben gegen meine &eiratf) mit Zaditen ?"
„2iMe foüte id)? 2lber — offen geftanben, beneiben mürbe td) Sie
eben nid)t um biefe« ©lücf. ©in fo jarte«, hinfällige« junge« 2Sefen — "
„$af>!" rief SReinfjolb mit abroefjrenber $anbberoegung. „Äann fein,
fie lebt ntd)t lange — u)r Vermögen bleibt bod) bei mir! Cime Sentimen=
taütät — Sie f)Ören, id) bin aufrid)tig!" Gr jünbete eine neue (Sigarre
an, unb ba Hubert nid)t Sufl ^atte etroa« ju entgegnen, fo entftanb eine
firrje ^ßaufe.
£ann begann biefer: ,?&m feften Sie aber einmal einen anberu
galt. £err Tormann ift nod) in rüjtigen ^xtw, wenig über fünfzig.
S^enn er fid) roieber üer^eirat^ete, unb Umt in ber jroeiten (£l)e ein Solm
geboren mürbe — ?"
2*
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18
(Dtto Soquctte in Dormfiabt.
9tattf)olb fuljr vom Sofa auf, augenfdjeinltdj) im Grnft erfdforoden.
„2SaS?" rief er f>alblaut. „Unfinn — es tft ja lä#erli#! Ober wie —
tyit fid& etwa in meiner 2lbwenfenf)eit bergCcid^icn angefponuen? 34 war
aufria^tig gegen Sie — jefet fein Sie es gegen midj! SHeben Sie!"
,,©S iffc ja nur ein (SinfaU oon mir! 9lber fo ganj abjumeifen ift
ber ©ebanfe bod& ni4t!"
„9Jein! Sie f)aben 91e4t. Unb plöfclidj fommt aua) mir fo ein
(SinfaU — ba ift eine ^erfon im &aufe, biefe Sucie! 34 fa&c fi* n*e
leiben tonnen. Söenn bie am (Snbe i^re Stfefce nad) ifmt ausgeworfen
tyitte -!"
Hubert füllte fidj oon 3°m burd&judt, Südens tarnen in biefer 2>ers
binbung unb oon foldjeu kippen oerunefjrt &u Dören. S)aS 39Iut fajofj
ilnn m'S ©cficr)^ er jerbradf) ben unfdmlbigen ©riffet in feinen &änben
unb warf bie Stüde hinter fidf). 9ieüu)olb mar innerlich ju befajäftigt,
um es ju bemerfen. §r ging ein paarmal rafdfj im Simmer auf unb
nieber, bann blieb er fteljen unb fagte ruln'g: „34 glaub' es bodj nidjt1-
es liegt nidu* in ber Statur beS 2llten. ftenfen mir nidjjt me^r baran!
Unb nun, &err Söttting, nadjbem \$ m{% f0 rüdtjaltSloS gegen Sie aus*
gefproajen f)abe, tf)un Sie es gelegentlidt) audj, unb oiellei$t fönnen mir
^ier ganj gut neben einanber beftetyen. 3df> will jefct meinen Traunen
nodj etroaS tummeln, ©uten borgen!"
9ieinbolb liefe feinen Traunen anfangs fd>arf auSgreifen, lenfte tfm
aber im SBalbe balb in gemäd)lid)eren Stritt. GS ging ifmt t>iel im
.tfopfe umtjer. Seine (Siferfud&t gegen Hubert burfte er oietteia^t 311m
Sdjweigen bringen, fo backte er; aber bie ©egenwart beSfelben im #aufe
feines Dljeims fdt)ien ifwn immerhin gefäl;rlia). Cb &err Tormann bie
2Ibfid)t l;egte, feinen Neffen im SobeSfaUe feiner £odf)ter junt ßrben ein*
pfefcen, mar fraglich $enn SHemljolb, oon $aufe aus felbft wot)lf)abenb,
gehörte aud) nad) bem SBerwanbtfc&aftSgrabe nid;t ju ben nädtften ©rb=
berechtigten. Sein SBater, ber Sd&wager beS gabriffjerrn, l)atte ben Solm
oor einigen 3^^r^ fcierfjer gefdjidt, bamit berfelbe anfange, fid& ernulidf*
mit etwas 511 bef duftigen. 9ieinljotb fam bann aud) fo leiblid) in bie
3lrbeit tyineiu, mufjte fid^'ä jebod) nadf) berfelben ober in Raufen wofyl fein
ju laffen. wie er es liebte, £er ©ebanfe, ftdj burd) eine &eiratfy mit
(SäcUien in ^efife ber ©rbfdjaft 5U fefeen, war ilnn fo naa) unb nacr)
gefommen, jumal Gäcilie bis ju feiner 3lbreife nad) 2lmerifa fia^ feines 5
wegS fo ablefmenb unb wiberwiflig gegen ifm gezeigt ^atte, wie bei ber
3iüdfe()v. ©in öcbeufen, ob ein fo gebrea^lia^eS Siefen überhaupt $u
Ijeiratljen fei, war iljm no6) nia^t gefömmen. Seine Sclbftfudjt unb
fflüd|id)t£lofigfeit Ratten nur ben $ortl)eil beS 23efifeeS im 9luge, ofnte ba§
man feine ©emütl)(oftgfeit fdwn Ijätte ^öosljeit nennen fönnen; es war
er)er etwas 9iaioeS in feinem (SgoiSmuS. 3>on |)aufe aus oermölmt, brauste
er viel für fidj, woUte uiel befi^en unb fdjeute nid^t baoor juruef, burdb
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^rütjlingsflimmen.
\9
ein Littel bahin $u getanen, roeldjeS bem jungen Säumet jier faft uer*
breä)ertfch oorfam. ftun hatte biefer feinen ©ebanfen ptöfelid) bod) eine
anbre s23enbung gegeben burd) bie au$geiprod)ene 9Jtöglichfett, bafj £err
Xfjormann, ben iHeinfwlb faft fcfjon für einen uralten Sftann gehalten,
iid) nodj einmal »er^eirattjeit^ unb itd) nod) eines männlichen ©eben er=
freuen tonnte. 3n biefem JaHe, fo meinte er, g'ibe e$ aud) roof)l beffere
<pariieen als Gäcilie! Unb wie ihm juerft £ucie aU bie Jeinbin feiner
3Sünfd)e eingefallen war, fo taufte ber Sßdrbacht gegen fte roieber auf,
unb wollte ihn nid)t loalaffen.
Da er oiel Selbftbeherrfchung befafj, fo beobachtete er in ben nachften
Zagen, fdjeinbar in ber beften ßaune, ben gefelligen SJerfehr im $aufe.
Daß Hubert ftd) jurü^altenb genug l)ielt, roährenö (Sacilie ihn in jeber
SSeife beoorjugte, mar ju augenidjeinlich, als" bafc er e3 nicht hatte erfennen
follen. 3mmerl)in ärgerte e$ ihn, benn fein $lan auf (Säcilten war nicht
fd)on aufgegeben. gleifeiger richtete er feine Beobachtung auf bie 33e-
Stellungen Südens $u £errn Xhormann. Obgleich er mußte, baß fie feit
Selm $atyren roie eine Xodjter be» &aufe3 in ber gamilie lebte unb ben
Hausherrn unb beffen Schroetter als Dnfel unb Xante anrebete, jog er
jefct au3 unfdmlbigen Korten, :ölicfen, t leinen Dienften, allerlei Lerbach t,
ber bei ihm nur lebhafter um fid; griff. SBenn e3 gelänge, Süden aus
bem £aufe ju entfernen, fonnte ba nid)t mancherlei oerhinbert roerben?
Da er es nicht liebte, baS roaS ilm aufregte, lange in ftch herumzutragen,
unb fdmell uon (Sntfchlüjfen mar, nahm er ftch oor, ftd) juerft einmal mit
ber Xante über Sude $u unterhalten.
Gr fpraa) ©iniges ju ihrem Sobe, roorin ihm grau Steinbad) bei-
pflichtete, unb fam bann fo leife barauf gU fpredjen, roie er ftch eigentlich
nmnbre, bafe Sucie ftd) nod) nid)t oerheirathet l)abe. „Der Dnfel roürbe
fie bod) gerotfj fehr gut ausftatten," fügte er ^inju, „ba er fie wie jum
,§aufe gehörig betrachtet!"
„Das glaube idt) aud)," entgegnete bie Xante. „Doch baoon abgefehen,
tonnte man bem 9Hanne nur ©lücf roünfdjen, ber ein fo oorjügliche*
3Käbd)en als Jrau heimführte."
„freilich! greilich!" fuhr er fort. „Unb es giebt ja aud) Männer,
bie über ben Langel an Vermögen hinipegfehen, menn fte felbft reid)lid)
genug bamit bebadjt unb."
grau Steinbach rourbe aufmerffamer unb betrachtete Meinholb nach*
benflia) prüfenb.
„2&is meinen Sie roohl, Xante?" fuhr er fort, fid) nadjläfftg in
einem 23iegeftuhl auf unb nieber beroegenb. „üb Sucie nia;t fa)on im
Stillem jemanb roeife, bem fie ihre £anb 3U fd)enfen \)oftt%"
„Darüber ^abe ich ^i"e Meinung, lieber ^Heinholb, meil id) nid)t$
baüon roei§. 9lber mie f ommft Du auf folch ein ©efpräch über üueien ?
Siegt barin etrca ein ÖefenntniJ? 2öie roerth Dir Sucie immer fein mag
20
Otto Hoquette in Darmftabt.
— fei etwas auf ber #ut! 3$ glaube nidjt, bafc idj CDir oiel &offnuna,
machen formte, bie £anb Südens ju gewinnen I"
„2ßaS? 3d& unb Hoffnung auf — ? 33) Sude ^cirat^en ?" rief er,
laut auflactjenb unb fcf)r beluftigt burd) biefe überrafdjenbe SSenbung.
„Sie ift ja aud) ein paar $af)re älter all idjt" Mr er fort. „Die mufc
einen alten Herren Ijeirattjen, ben fie pflegen unb warten fann!"
grau Stetnbad) Rüttelte oerwunbert ben tfopf. „3$ glaube nidjt,
bafc baS nötfjig wäre!" fagte fie. „UebrigenS — ift Sucie flug genug, in
it)rer 2£af)l ba£ 9?id)tige &u tf)un, felbft wenn fie, nur iljrem &er$en
folgenb, itpre £anb einem SHanne fdjenfte, ber jünger wäre, als fie."
güt)lte fid) SHeinljolb oon biefem ©efprüdje wenig befricbigt, fo würbe
fein SSiberwiCe gegen Sude nur nod; gefteigert, ba ifrm allerlei einfiel,
wofür er ifn* eigentlich nod) Vergeltung fdnilbig fei. Denn fie Ijatte irm
tjäufig ein wenig getjänfelt, foweit eine Ii eben« würbige Dame es barf,
wenn ein jüngerer 9Jiann in ^usfprüdjen unb 33et)ouptungen fid) flößen
giebt. Unb baran liefe es 9teinl)olb nidjt fehlen, ba er wenig gelernt
fjatte, in literartfdjen unb fünftleriföen Dingen ganj unwiffenb war unb in
feinem Selbftgefüfjl gerne fdmeH aburteilte ober bodfj breinfprad).
Südens Entgegnungen Ratten bann nidjt feiten baS @eläa>ter ber 3ln=
wefenben fjeroorgerufen. Die Erinnerung baran regte ifjn nad)trägli(i)
mefjr unb mel)r auf, unb er fann parauf, if)r bafür in irgenb einer 2£eife
räd)erifd> beijufommen.
*
Gäcilie war feit einigen Dagen hinfälliger unb müber all fonft, ofnte
bafe fie fia) franf füllte. 9?aa) bcm SßiHen beS SlrjteS follte fie möglid)ft
oiel in ber Suft fein. Sie t)atte im ^arf einen SieblingSplafc, nid^t weit
oom &aufe, ben man in ber gamilie einfad) „bie 9Iu^fid^t" nannte. 3m
dürfen t)od>aufgefd)offenes ©ebüfd), fprang ber flieSboben im £albfreife
etwas fd)roff gegen bie Diefe oor unb bilbete eine 9lrt oon 33aftei, unter
welker fidt) Derraffeu mit SBeinfpalieren abfenften. Söalb unb &ügel
gegenüber, ber Söltcf in bie freie Ebene gaben ein einfaci) freunblid&eS
SanbfdiaftSbilb. ©artentifdf) unb Seffel luben $um SluSruljen ein unb
würben fjäufig gegen Slbenb benutzt, um bie füf)lere Stunbe 5U genießen.
Da Gädlie es wünfdjte, würbe nad) einem Ijeifeen J3ulitage l)ier ber Difd)
für bie 9lbenbmal)l$ett gebeert. Sie felbft oerliet} ityren gai)rftut)l nidjt,
gab fid) aber Reiter unb aufrieben mit ifjrer Sage, inbem fie if>re 5lugen
balb auf Hubert balb in bie Sanbfdjaft richtete.
Da flog oom 2£albe t)er ein 2lbler auf, unb fdfjwebte in mächtigen
Greifen burd) ben Suftraum.
„0 fef)t, wie fd)ön!" rief Gäcilie. „^er ba mitfönnte!"
Unb nad)bem fie eine Steile Ijinaufgeblicft, begann fie wieber:
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tfrüliltngsjHmmen. 2\
,,2ld)! p beS ©eiftcS 5-lügeln wirb fo leidjt
ftein förtxrlictjer Slügcl fidj gefeilen!
$od) ift es jebem eingeboren,
Xafc fein ©efüfjl fjinauf unb uortt)ört8 bringt,
2ßenn über und, im blauen 9iaum öcrloreu,
3f)r fcrjmetternb ßieb bie ßerc&e fingt,
il^enn über fdjroffen t$id)tcnf)öf)en
3) er 2tbler ausgebreitet fdnoebt,
Unb über Stadien, über «Seen
$er flranid) nad) ber §cimat ftrebt!"
Hubert füllte ficr) innerlidjft gerüful burdj ben 2luSbrucf ber ©timme
GäciltenS, unb aud) bie gamilie blidte mit fdjroeigenber 33en>egung auf bie
jarte ©eftalt unb bie ftiUe 23erflärung in ben $tyci\ beS jungen 9Häbdjen£.
Mer wie auf gaujte (*rgu§ tieffter ©mpfxnbung Söagner mit ber trodenften
$rofa entgegnet, fo fragte iefct 9ieinf)olb, mit bem £one, urie man jid;
etwa an ein ftinb roenbet:
„ftleine, n>a3 beclamirft $u benn ba für ein üDerfä^roängUd^el $oem?"
Gärilte roürbigte ü)n feinet SötideS, bie Uebrtgen lächelten. $)a be=
gann £ucie: „@t, ei, ^err SHeinfjolb! &aben Sie ^rjren 2i>allenftein fo
oergeifen, bafc ©ie fia) ber SSorte £t)ef(a3 nidpt mef)r erinnern?"
„9ld> fo! 9ttd)tig!" rief 3tein()olb, inbem er mit Ueberseugung beibe
§änbe in bie ©eitentafdje fteeftc. „3$ bin feit lange in feinem beutfdjen
Sfyeater geroefen."
Xarauf folgte aber ein allgemeines Sadjen, roäfjrenb beffen ^Mein^olb
fragenb unb ärgerlidj aufgeregt oon ©inem jum 2(nbcrn bliefte.
„Öieb $id) jufrieben!" fagte ber Cfjeim. „211$ id) fo alt war, iuie
£u, tonnte mir aud) allerlei begegnen, benn meine literarifdje ^ilbung
mar nidjt ftarf, unb ©oetrjeS gauft modfjte noef) batnatö nid)t fo populär fein,
roie heutzutage. Sucie mar e$, bie unfere fünftlerifdje ©rjieljung erft .begann
unb ju förbern roujjte. Smmerfnn fonnteft $u $idj nad) biefer 9tid)tung
aud) etroaS mef)r umfef)en!"
^telletdjt l>ätte fid) 9ieinf)olb 5U anberer 3eit über eine folcfje flehte
£emüt^igung ladjenb rjinroeggefefct ober audj fie gar nid)t empfunben; in
bieiem Slugenblitf aber füllte er ftdj in feiner ©elbftüberfdjäfeung auf ba£
SHtterfte beleibigt. @r warf einen jornfunfelnben »lief auf Furien, bereu
Rederei ifm in bie gaUe gelodt unb bem ©elä<f)ter auSgefefct r)atte; er
blidte grimmig auf Hubert, roeldjer, wie es ifyn oorfam, am lauteften ge=
ladjt hatte unb fid) jefet leife mit Gäcilien unterhielt.
„Unb er fpielt bennodf) meinen Nebenbuhler bei ihr," fo baa;te er.
„3HIe* mar SBerfteOung unb £eudjelei! $er Ginbringling foß mich noch
fennen lernen!"
*
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22
(Dtto Koquctte in DarmfU&t.
(Säcilie würbe von £ag ju Sag fdjmädjer, aber in ifjrer flinblidtfeit
^uflleic^ ItebenSwürbiger, als Hubert fie nodj femten gelernt f)atte.
,,3d) bin jefct immer fo mübe unb mag nid)t fingen!" fagte fie 511
ifnn. „Spielen Sie mir unfere lieber r»or, bie grfif)lingSitimmen, unb
was Sie mir fonft begleitet Ijaben. Sie madjen baS fo fd)ön, bafj mir
ift, als fange idj es felbft!"
Unb Hubert folgte ,it)rem 2öunfdje jefct lieber als bisher, benn fein
SWitgefüljl für baS gute 5?inb fieigerte fid) mit GäälienS &infäöigfeit.
Ser ^plafe mit ber 9luSfid)t würbe jefct täglidj ber Sammelplafc ber
&auSgenoffen, ba bie 9Ibenbe lau waren unb Gäcilie borten begehrte.
(SineS Xages war Hubert etwas früher bafjin gegangen, innerlid) befdfäftigt
mit feinem wunberlidjen SBerOältmft ju bem £l;ormann'fcr)en Jamilienf reife.
Ser &auSl)err Jjatte feinen 2ßunfä), ifm nad) SBoQeubung ber 3eidjnungen
in ber gabrif ©ofmung nehmen ju laffen, freunblidj aber entfdjieben ab-
geleimt mit ben ©orten, bie 9tenberung laffe fidj iefct nidjt gut tyerftetlen.
Unb fo lebte er nad) wie »or in ber gamilie, im täglichen $erfef)r mit
Sucien, für bie fein $ers immer lauter unb bringenber fprad), olme baf$
fie ifmt bie fel)nlid)ft gewünfd&te 2lnnäf)erung geftattete.
Sa fd)lenberte audj SNeinlwlb bem ^lafce ju, bie fteitpeitfdje nodj in ber
£anb, ba er von feinem Traunen abgeftiegen war. „9iun? Ser &err 23aiu
meifter nod) allein ?" rief er Hubert in nid;t eben freunbfdjaftlidjem £one
in. Sa Hubert nid)t3 entgegnete, fo fd)mieg aucr) SHeinfjolb einige 2(ugen*
bliefe. Sann begann er wieber : ,ßlxt Gäcilien gef)t'S waljrfdjeinltd) 51t
£nbe. Den 2Ilten aber fd>int bie <perfon wirflid) im Sacfe 5U t)aben!"
„$on wem reben Sie?" fu^r Hubert auf.
„$on wem werbe ia; benn reben, als oon ÜDtamfeÜ £ucien, biefer
erbfdjlcidjenben SBeftie, bie fidt) fn'er eingeniftet f>at — "
„&err!" rief Hubert auffaf)renb. „Sie werben in anftänbigerem Xone
oon einer Same fpredjen, bie ju Styxex gamilie gehört!" ■
„©aS fällt ^Ijnen benn ein?" entgegnete Sfainfwlb fdjeinbar gelaffen.
„ÜöaS ge^t Sie meine ganülie an ? 3<f) barf über jeben ©injelnen reben,
wie id) Suft Ijabe!"
,/)tta)t ungeftraft! ftdj werbe für jeben ©in^elnen eintreten. Sa«
ungezogene ©ort gegen gräulein Sucie werben Sie jurfidneljmen !
„©arum nidjt gar! ©egen fo ©ine — !" entgegnete 9ieinf)olb mit
gezwungenem Sadjcn.
„Sie werben es!" rief £ubert jur &eftigfeit aufgeftadjelt. „Cber
Sie werben mir — mir, fage id)! — ©enugtlmung bafür geben! 5Benn
Sie gräulein Sucie beleibigen, fo belcibigen Sie aud) mid)! Sinb Sie
ein (^renmann, fo werben Sie aud) wiffen, wie biefer £anbet auSju=
tragen ift!"
„3$ foll mid) boa) nia;t gar mit 3l)uen fdjiefeen?" fagte ^einlwlb
rjölmifd) lad)elnb. „gür gewiffe Seute ift mir bie fteitpeitföe gut genug!''
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^rüfylincjsfiimmcn. 23
„eienber!" rief «pubert, unb mit rafd)em ©riffc rijj er feinem ©egner
bie 3Baffe aus ber £anb unb fd)leuberte fie weithin in baS ©ebüfeh.
darauf war SReinholb nicht gefaßt gewefen. W ber in tf)m aufge=
fantmeltc ©roll mar plöfelid) jum töbtlidjen $afc gefteigert, unb in oöHtger
©elbftoergeffenheit ftürjte er fu$ über ben 3einb, um i(m oon ber ÜBajtei
,u werfen, an bereu 9tonbe fie fidj nur ju nahe befanben. 2lber er hatte
feinen 3J?ann gefunben, benn Hubert ftanb ihm unb fuchte ftdg nur aus
feiner Umfdjlingung loszumachen. Den ©djrei aus weiblichem Sttunbe,
welcber in ber 9fähe laut würbe, ^örte Hubert mit ©rfd^reden, roä^renb
3leinholb im Ungefdjtcf feinet wüthenben Angriffs ftraudjelte, unb Hubert,
nicht im ©tanbe fia) fd^nett genug oon ihm ju befreien, ben 33oben oerlor
unb mit ihm in ber Xiefe oerfchwanb. Angriff unb 6turj waren baS
©djaufpiel weniger 2lugenblicfe geroefen.
©in neuer 2luffchret, ein 3urufen DC^ GntfefcenS oerfdnebener ©tiim
men folgte bemfelben. Die Samen waren in bie SRähe gelangt, Ratten
mit angesehen, wie 9ieinholb fid) über Hubert warf, unb ben unerhörten
Vorgänge beigewohnt. Da fprang ßäcilie mit neuem ©djrecfenSruf aus
ihrem 5at)rftul;t unb flog bem 2lbhang entgegen, wo fie ohnmächtig jufam=
menbrad) unb oon Furien unb ber Dante in ben Sinnen aufgefangen würbe.
Seibe fühlten fich felbft wie gelähmt oor ©djrecf ; boct) hatte fiueie ©eifteS;
gegenwart genug, Gäcilien nur fdjneU in ihren gat)rftut)t jurücf $u tragen,
fie in baS £auS ju fchaffen unb nadj bem Strjte in bie ©tabt ju fdjufen.
9ttcht lange barauf fam Hubert bie ©teintreppe sur ©eite ber Saftei
herauf, ©einen ©egner hatte er aus ben 9lugen oerloren. Der ^att war
nicht ferner, weil nicht gar tief, gewefen, unb eine ernfte s#erlefeung glaubte
er nicht zu fpüren. Slber in bem ©efüf)le einer unerhörten ©dnnach hätte
er fi<h oor ber ganzen SBelt oerbergen mögen. Denn ihm mar bie ©egemuart
ber gTauen nicht uerborgen geblieben, unb er wollte verzweifeln, oor ben
2lugen Südens in fo gemeiner Situation betroffen worben zu fein. Dafi
er fich gegen ben Angreifer nur oertheibigt hatte, bradjte er faum in 3lnfa)lag,
ba bie SHeberlage bod) bie gleiche gewefen war. 2Bie oernichtet, ging er,
um 9ttemanb ju begegnen, auf weiten Umwegen nach &aufe unb in fein
3immer. ©eines Bleibens burfte \)kt nicht mehr fein, fo war feine
Meinung. Siefi fid; in ber gabrif feine Söofmung für ihn finben, fo wollte
er im benachbarten ©tabtehen ein Unterfommen fuchen, fo lange feine
■Hufficht über ben 33au nod) nöthig war. 33or SlHem, galt es, fich Imt
$errn ^ormann auSeinanber zu fefcen.
2öie eS um biefe 3ei* in ben grauengemädjern ausfah, wufjte Hubert
nicht. 211S er unten nach bem Hausherrn fragte, entgegnete ihm bie alte
Dienerin, er werbe ihn iefet fdnoerlid) fpredjen fönnen, ba er mit bem 2lr$te
bei gräulein Gäcilie fei. 3Iuf feine grage, was ihr gefct)et)en fei, fuhr
bie 3(lte fort:
„(sin &erjframpf hat baS liebe ßinb niebergeworfen. (SS fodte immer
2^ (Dtto Koquette in DarmfiaM.
oor Aufregung, oor Sdjrecf befonberS, bewahrt werben, ba bergteidjen auf
ba£ liebe f leine &er5djen jebeämal f<f)äblid) gewirft fyat; nun aber mufe
etwas porgefallen fein — e$ fdjeint red)t bebenflid) mit bem graufein $u
ftefjen!"
£ubert roenbete fid) rafdj ab unb ging in fein 3imwer hinauf, crfl
red)t beftürjt über bie empfangene 92adjrid)t. $afj er felbft oermutfilid) mit
bie ©eranlaffung $u ber ©efafyr, in welker GäcUie fdjmebte, gegeben hatte,
rief neue Sorgen in fein ©emütf). 2Benn er nur $emanb oon ber gamilie
l)ätte fragen fönnen! 2iber einzubringen toagte er ntd)t, ba bie 5kfd)ämung,
ifm nod) ju brücfenb be^errfajte. Um bodj etmaä ju tfmn, fing er an,
feine Siebenfadjen einsparten. @£ mußte ja bod) bemnädjft gefd)ef)en.
2)a würbe an bie £f)ür gepod)t, unb bie alte Wienerin trat ein mit
ber grage, ob ber Xoctor audj ju ifmt heraufkommen folle?
,,3d) wufjte ja gar nid)t, bafc $(men etwas fehle?" fügte fie fnnju.
„gräulein Sude ift beforgt mn Sie, weil Sie geftürjt fein f ollen'/'
„gräulein Sucie? So?" rief Hubert. „SÄadjen Sie ir)r meine
@mpfef)(ung — ber gaH f)at mir gar nichts angetfjan ; idj bin ganj worjl
— id) laffe bauten!"
»3a aber — wie fief)t es benn tyev aus?" fufn* bie 2llte mit einem
©lief burd; ba$ gimmer fort- >/^er Meifefoffer mitten in ber Stube, unb
fflxe Sadjen rings um^er — was giebt es benn nur? SBoffen Sie wer«
reifen?"
„2?teHeid)t — jefct aber fpredjen Sie graulein l'ucie meinen £>anf
aus, unb — fragen Sie, ob fie mir nid)t unten für ein paar SBorte ©efjör
fd;enfen motte ?" ©S mar heraus! Ser f filme ©ntfd)lu& tyatte fid) im 91u
über bie Sippen gebrängt.
25ie gute 2Ilte ging oerwnnbert hinunter. Hubert, burdj (Erwartung
ju aufgeregt, um feine 33efd)äftigung wieber aufnehmen ju fönnen, burdj*
fdjritt eine S5?eile baS Limmer. 2lber feine SBotiu fam nicht roieber.
Statt irjrer trat ber ^aul^err in baS 3immer. „Sie moüen oerreifen ?"
rief er. „SaS geht iefct nicht, lieber greunb! ©leiben Sie! 3$ bitte
Sie — gerabe jefet finb Sie meinem &aufe nöthig!"
„Wach bem, was oorgefallen ift, entgegnete Hubert — nach bem
fd)mad)üolIen 2luftritt, ben Sfyxe Samen mit eigenen 9tugen anfeilen mußten
— fann ich jemals wieber uor ilmen erscheinen? ton id> länger in
Shrem &aufe oerweilen?"
„2BaS bie grauen gefeljen haben, fann feinen 9)iafel auf Sie werfen.
Wicht Sie werben mein $au$ oerlaffen, fonbern ^Ijr ©egner, ber meine
Schwelle nid)t me^r betreten foll. Senn er, ber 5um ^aufe gehörte, \)at
ba$ ©aftredjt in ber plumpften unb infamften Steife oerlefet! 68 freut mid),
bafe Sie bei bem Stur$ feinen Stäben erlitten fjaben. 3)?einem Neffen
gefdjiel;t eä 9?ed)t, bafe er übler baoon gefommen ift. W\t einer tüd)tigen
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rättltngsjltmmeti.
25
$erjtau$ung beS Wirmes Ijat er feine Normung erreicht. £er 2lr$t ift
eben von uns itjm gefahren."
„Sie befinbet fid) aber gräutein Gäcilte?" fragte Hubert.
Xtx Qauifyetx feufete. „Keffer — nun ja, beffcr! Sefeen wir uns,
lieber greunb, id) Ijabe ^nen ein lange« 53efenntni§ ju tfmn! Unfer
§auSar$t ift mein grewtb fa* SToanjig ^afjren — ein ebrltdjer Wann,
ber midj nidjt mit £äufdmngen Jjinljält, wo es nidjts ju hoffen giebt.
Sdwn im tfriifjjaljr uertraute er mir, baß meine £od>ter üielleidjt ben
JOcrbft, f<$roerlid> ben hinter nod) fieranleben werbe. 9Sir fottten bem
lieben Äinbe bie rurje 3«t fo freunbltä) als mögliä) geftalten. 2öir fugten
es auf unfere SBeife ju tfmn, aber es fam anberS, über alle Erwartung!
(Säcilie nmrbe glüd ltd), ja in ifjrer SSeife glüdlid) ! £enn Sie erfdjienen
bei un«, unb oon ffiex erften Begegnung an roaren (SäcilienS ©ebanfen
nur nodj mit ^fynen befd)aftigt. Sic fdnen bem Seben nod) einmal ge*
geben, fie fdjien auf$ublüf)en, ein noä) unbefanuteS ©lüd oerfd)önte ir)r
Xafein. siBir faf)en es mit 'Jiüljrung, unb mir liefjen es eben gefjen, benn
wir erfannten 3(jre tactooUe Haltung, unb mir banften 3!)nen im Stillen
bafür.
„Sie brausen mir ntd&ts ju entgegnen," fut)r &err Sbonnann fort,
ba er beobadjtete, roie Hubert mit verlegener 3)?iene nad) Störten fudjte.
„Sie follen nur erfahren, bafj Sie uns 9lHen ein unenblidjeS ©lüd gebracht
tyaben, ein ©lüd, roeldbeS Sie nadj unferer ©mpfinbung $u bem Unferen
mad)t. ßäcilienS ©efütyl für Sie ift oieHeid)t finblidj raunfd)loS, roenigftens
fd)ien fie ftetS glüdlid) aufrieben mit bem Sftafc freunblidjen ©ntgegen*
fommenS, baS Sie ifp boten. 3°) a^r fdjäfee Sie, lieber ftreunb, um
fo f)öf>er, baß Sie biefeS 2Ha§ niemals Übertritten ^aben — nein, id)
brüefe mia? nid)t richtig aus — baß Sie oielmefjr rfidftdjtSüoll genug
waren, ein entgegenkommen über fidj ergeben ju laffen, bei weldjem Sie —
überwinben f)atten! SBenben Sie nichts ein — id) bitte Sie barum!
Uns aber follen Sie nidjt oerfennen, bafj mir fd)einbar gelaffen jufatjen
bei einer augenfälligen Neigung, weldje, wenn meine Xodjter gefunb wäre,
nur bann t)ätte gebilligt werben tonnen, wenn fie auf ©egenfeüigteit beruhte.
3efct, ba bie £age meines armen ßinbes gejagt finb, roenn es i&m aud)
augenblidlid) beffer gct»t, jefet bürfen Sie uns nid)t uerlaffen! $ie reine
SebenSfreube, meiere burd) 3f>re ©egenwart in ein junges .'perj gebrungen
ift, laffen Sie fie noä) fortroirfen — rootjl nur nod) für fur^e $z\V.
bleiben Sie bei uns! 2Bir 2ltte bitten Sie inftänbig barum!"
Hubert fal) in bie feud)ten 9lugen beS befümmerteu Katers, unb bewegt
jeine §anb ergreifenb, rief er: banfe %i)nen für bies Vertrauen!
3* bleibe!"
311s er am anberen borgen fia) ju einem ©ange nad) ber gabrif
anfa^idte, trat u)m Sucie plö^lid) entgegen. Sie trug sJtofen in ber £anb,
bie fie für Gäcilien aus bem ©arten geholt Ijatte; unb fie felbft faf), für
26
Otto Hoquette in Darmftafct.
Huberts Augen, fd)öner aus als olle SRofen. „Sie wünfdjten mich geftern
Abenb 5U fprechen," rief fie tlmt entgegen; „ict) war aber burdj bieSpflidht
gebunben. Sie wollten nad) <£äciliens Sefmben fragen, nicht wahr?"
,,30) war nicht minber erfüllt oon meiner eigenen Angelegenheit ! Sie
haben mid) bei bem befd)ämenbften Auftritt gefetjen — "
„Waffen (Sie uns baoon nicht reben/' fagte Tie. „Suchen mir eS $u
oergeffen. (Säcilie ifl beglüeft, bafj Sie gefunb fmb. Sie wirb aufgehen
unb will ,fingen', baS fyeijjt, fid) oon mir, ober lieber noch oon 3hncn'
ihre f leinen lieber oorfpielen laffen. Unb Sie tfwn eS — gewtfj! Sein
Sie noch eine SSeile gütig unb — gehorfam!"
„dürfte iä) nur ein 2öort oon ^fyxen oerneljmen," rief er „baS mir
meinen ©ehorfam troftreid) unb boffnungSooU machte! Sucie, Sie müffen
erfannt haben, was in mir oorge()t! fta) fann bie Sprache meines ßerjcnS
nicht mehr 5urüdE^alten — ad), ^ucie, was foll barauS werben V"
Sie fal; il;n mit einem 23licfe an, ber ifm befeligte, unb fagte: „sBaS
aus uns Reiben merben foll? £f>euerfter greunb, baS oerfierjt fid) \a von
felbft." Aber als er ir)re &anb an fidj> rifj unb einen ßufj überftrömenber
greube barauf brüefte, fut;r fie haftig fort: „Still! 9lo$ bürfen roir (ein
eigenes ©lud oerlangen, ba bie Sorge um uns tyx roolmt, unb bie Trauer
fdion auf bie Schwelle tritt. Ueberwinben Sie fid)! 3$ baue auf Sie!"
Sie eilte an ihm oorüber unb in bie ©emädjer. Aber eine oon ben 9tofen,
bie, ihrer $anb entfallen, am iüoben liegen geblieben roar, t)ob Hubert
auf unb ftedte fie oor bie 33ruft. Gr fdjritt haftig feines SBegeS, oon
einein Hochgefühl getragen, barin ijm alles Sdjroierigfte beS SebenS leicht
unb ausführbar erfchien.
3n ber gabrif fanb er einen 33rief, ber bafelbft im ©efdbäftSsimmer
für tr)u liegen geblieben roar. (Sr erfannte bie Sd^riftjüge feiner 3)2utter
unb 50g baS &latt baftig aus ber Umhüllung. $)ie 3Jtutter fdnieb ifmi,
fie fei in ber legten Seit oiel unwohl geroefen, unb tjabe redete Sehnfucfyt
nad) Db er fich nid^t ju bem 33efua;e, welchen er ihr 5um &erbft
oerfprochen, fdjon etroaS früher rüften fönne? (SS waren nodj ®efd)äfte,
aus beS oerftorbenen 33aterS legten £agen her, abjutbun, für welche Uire
Sadjfenntnijj nicht ausreiste, unb bie fie gern in bie praftifdjen $änbe
it)reS Sohnes legen möchte. Hubert fannte biefe ©efdjäfte, unb, bewegt
burd; bie liebeoollen iüorte feiner 3)iutter, wäre er gern nod) beut w üfre
Arme geeilt. Aber hatte er nicht geftern erft &errn Xhormann baS $$er=
fprechen gegeben, fein &auS jefct nicht $u oertaffenV gür eine SReife $u
feiner eigenen gamilie würbe ihm ber gabrifberr unter anberen 35erbältnifyen
unbfDingt Urlaub gegeben haben, ja er hätte ihn fich fogar ohne Anfrage
nehmen bürfen; allein wie bie 2)inge augenblidlia) ftauben, glaubte er
nid)t einmal Urlaub ocrlangen ju bürfen. Unb auf wie lange er ftcb
burch fein &Sort tyitx gebunben fühlen follte, war nicht absufehen. X;er
Gonpict jweter gamilienoerpflichtungen machte ihn für ben Augenblid
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^rfifjltngsfiimmen.
27
ratlos unb roirfte wie ein oernid&tenber 9?üdf3>lag gegen ba$ ©effil)l
be* ©lüdeä, roeldf>e$ iljn nur eben nodf> gehoben fyxtte.
Da begegnete ifmt im glur ber alte £au$arjt, weiter bie Streppe
fjerabfam.
„@ut, bafe id& $f)nen begegne," rief berfelbe if)m entgegen.
tybe ba oben einen feljr ungeberbigen «Patienten, bei bem Sie mir trieHeidtf
$u &ülfe fommen fönnen."
„Sie meinen bodfj roof)l ni$t £errn 9tönf)olb?" entgegnete Hubert,
„eben ben. Äommen Sie in fein >$immex."
„Urlauben Sie/ roenbete Hubert ein, „idj jroeifle bafe mein 23es
fud& ifmt angenehm fein werbe, roie id& benn befenne, bafe t# nudfj irid&t
baju entfdjiliefeen fann. @$ liegt ein ernjter ßanbel äroifd&en uns -— "
,3$ weife, ^err £f>ormann fjat mir baoon erjagt. DennodEj, fein
Sie grofemütf)ig, unb tl)un Sie ben erften Schritt entgegen!"
„fleineSroegä!" rief &ubert erregt. „<Sr ift mir bie ©enugtlmung
no<$ fdjulbig — !"
„$a boay greiltay. 316er ba$ Ijat ia nodfj 3^*! 93orerft ift er ber
burd) feine eigene Sdfmlb Unterlegene, audj moralifdE) feiner gomilie gegen*
über; Sie aber fterjen in ber 2l<f)tung be$ ^paufe^ gefid&ert. <5r fjat
fu$ in Gonflict mit feiner Familie gefefet. 3$ rjoffe auf eine 3)iöglidf)feit,
benfelben noa) gütlidf) beijulegen, unb baS roirb burä) Sie unb ^l)ren guten
©illen am beften ju beroirfen fein."
„3$ wägte roirflid) nid)t, roie mir ba£ gelingen follte!"
Hefter, %fynen fmb fd&on merfroürbigere Dinge im &aufe £f)ormamt
gelungen! Der ©ntfd&lufe junt SBerfudfj roirb Sie bie SWittel fd&on finben.
laffen. Blfo fommen Sie, unb tfjun Sie nodfj ein Uebrigel!"
So ferjr Hubert innerlia) roiberirrebte, er liefe es gefd&efjen, bafe ber
SSrjt irm unter ben 9lrm fafete unb mit fid& führte. Der alte &err öffnete
bie £fjür bei tfranfenaimmers, f<f>ob ben unerroarteten Gtojt hinein unb
entfernte fid), um nadfj ber $iHa ju fahren.
2U^ 3ieinf)olb ben iBaumeijter eintreten faf), futjr er auf; aber bie
rafdje Bewegung üerurfadjte ilmt heftige Sd)mer$en, fo bafe er laut fd>reienb
jurüdfauf.
„2£er l)at Sie l)ergei3>idt ?" rief er jornig. „SoOen ober roollen Sie
midfj oerljöfmen? Speeren Sie fia) $um Xeufel."
„3$ oerfid&ere Sie, bafe idfj e$ bei biejem angenehmer finben mürbe,
als bei Sfimen !" entgegnete Hubert mit ruhiger Raffung. ,,3d) mürbe aud>
nid)t au$ fpdffljerjiger Biegung 3^ 3^mcr betreten l)aben, nur bafe ber
Doctor midf) überrebete, feiner 5lur bei 3lmen ju $ü(fe 511 fommen. SStenn
3^ncn an ber $>er$eifmng unb 3lu5fö^nung 3l)ie^ Cficinis- liegt, roa$ ia^
oermut^e — gut, fo roiU ia^ bei üjm ein 2t^ort für Sic roagen."
,,3ct) »erbitte mir jebe (Sinnüfdjung in meine eignen 9lngelegenl)citen !"
„Um 3^etroiUen mürbe id[> es aua^ geroife nia^t tljun, fonbern nur
28 Otto Koquette in DarmftaM.
auä £f)eünaf>me für &errn £lwrmann, ben id) Ijöljer fdjäfce, als Sie.
öftrem C&eim gef)t e3 meljr $u &er$en aU Sfmen, bafe er fernem Schwager,
Syrern Sßater, fdjreibeu mufe, er f)abe fid; genötigt gefefjen, Sie um 3§rcr
2luffüljrung willen aul feinem &aufe ju weifen!"
9hm fjatte Steinlwlb freilidj in ber legten 3ctt unb oorwiegenb Hubert
gegenüber meljr bie rol;ere (Seite feiner f)odjfal)renben 9iatur fjeroorgefetjrt;
gleidjroof)[ waren feine ©mpfinbungen im Innern unb für feine gamtlie
feineSwegS oöllig ftumpf geworben ober in Selbftfudjt oerfunfen. Sluf ba3
ftrofcnbe $erweifung§wort feine! Dljeimä fjatte er wenig ©emidjjt gelegt,
ba er es ntdt)t für ganj emfujaft nalmt; als er es aber jefct oon Hubert
all eine 2^atfad)e auSgefprodjen l)örte, erfdjraf er bod). $er ©ebanfe an
ben ftummer, ben er baburd) feinen Gltem, befonberS feiner 2Rutter,
bereiten würbe, beftürmte ifm fo ftarf, bajj er plöfclidj in bie f^eftigften
S^ränen auSbradj. ©3 war ein ^üdfdjlag, 5U welkem feine förpcrlrdfe
SWteberlage ba« ^rige beitragen modjte.
Hubert ftufete, als er il)n fdjludjjen f)örte, unb, fdfjon an ber S'tyur,
feljrte er um unb betrachtete iljn aufmerffam. SBudjS audj feine fQoty
ad}tung nid}t, fo regte fid) bod) etwas oon 9Witleib für feinen ©egner. ©r
nalmt am Sager ^ßlafe unb fd&wieg einige Slugenblicfe, um abjuwarten, bafe
berfelbe ftd) beruhigte, all bieS gelungen war, begann Dteinlwlb: „Sie
tonnten feinen größeren Xriumpf) über mid) gewinnen, all biefen! 3<f)
nmfe Stynen nodj mein" jugefte^en — idt) fjabe Unredjt gegen Sie begangen.
Srofebem bitte td) Sie — ba Sie ©eltung bei meinem D^eim §u faben
fa;einen — fprca>n Sie bei ilmt für mid)!"
würbe ba« aud) ofme 3^re befonbere Sitte getljan f)aben," ent--
gegnete Hubert, „benn id& felbft überwänbe eS nid)t, wenn burd) meine
^eranlaffung ober aud) nur burd) meine ©egenmart im &aufe ein Senoürfniß
in ,$f)rer gamilie auffäme." @r erljob ftd); jugletd) aber trat ber SBärter
ein, ber ilmt ein $8riefd)en überreizte. Hubert rannte bie £anbfd)rtft
nid)t, aber er las mit freubepodjenbem £er$en ben tarnen ber Sd)reiberin
unter ben 3*ifen. „Slommen Sie fo balb all mogltd) nad) ^aufe! Gäcilie
ift fein* matt, unb fragt fortwä&renb nad) 3fyten. — Sucie."
©r mad)te fid) in Gile auf ben 2Beg. £er SJrjt ^atte ifm uom
genfter aus fommen fe^en unb trat ^inaul, it)m entgegen. „9öal Sie
braufeen aulgeridjtet ^aben/' begann er, „bamad^ werbe id) Sie fpäter
fragen, ^efct folgen Sie mir an ein anberelj Äranf enlager ! Unb, wenn
eä ^^neu möglid) ift, mit einem red)t unbefangenen unb freunblidjen
©efid)t!"
Sie fanben (Säcilien in i^rem ga^rfeffel im Sßolnwmmer, oöllig an;
gefleibet, aber mübe jurürfgelefjnt unb mit l)albgefd)loffcnen 2lugen, um-
geben oon ben Ölungen. i)ie SBlicfe ber beiben Weiteren unb Öucieno
fagten bem 9lnfommenben, bafe er mit Selmfudpt aud) oon i^nen erwartet
worben fei. Gr näherte fidt) reife ber Traufen unb fagte mit leifer Stimme:
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^rüblinqsftimmen.
29
„@uten Xag, gräutcin Goalie!"
£a3 junge Räbchen fd&lug bie 9lugen grofc gegen ifnt auf, unb eine
fprad>lofe Jreube burdjriefelte fie unb belebte ihre 3u9e- ®r reifte ihr
bie §anb, in meldte fie bie irrige legte, fo flein, fo §art, bajj Hubert
nicht umhin fonnte, fie wie bic eines SlinbeS ju [treideln.
„36) freue mich fo fef)r," fagte Gäcilie mit fchroadjer Stimme, aber
mit frohem 2lu3brud, „bafe Sie ganj gefunb finb! Unb audj — ba§ Sie
roieber ba finb! Denfen Sie nur, idj fyabe immerfort geglaubt 3Wufif $u
hören — bie „grühlingSfrimmen", unb bas „erfte $eild)en" unb bann
ba£ „liebttdt)e ©eläute!" Bitte, nun fpielen Sie e$ mir oor — ad) nein!
Shicie foll e3 fpielen! 3$ fann Sie bann 6effer anfehen!"
£ucie fdjlug baS £ieberheft auf unb fpielte ba$ Begehrte in jenem
^iano unb ^taniffimo, an welche« fie fidj bei ber Begleitung nun fdjon
gewöhnt ^arte. Gacilien« 3u9e zeigten, bafc fie innerlich jeben %on unb
jebe« 2£ort mitfang, unb plöfelicf) ftredte fie beibe 3lrme gegen Hubert
au«. 6« mar nur ein SBerf ber Sarm^ersigfeit, bafj er fid) auf ein flnie
oor ihr nieberliefe unb fein ©cfid&t bem irrigen näherte. Sie aber legte
beibe &änbe auf fein £aupt, unb er hörte bie geflüfterten 2öorte: „31$,
ich bin fo glüdlid)! So glütfltch!" $ann fanf fte in ba« ßiffen jurfid,
liefe bie 9(rme fmfen unb fchlofc bie 2lugen. Sucie hörte auf $u fpielen,
bieUebrigen traten beforgt näher.
Gäcüte feinen nur ju fdtfummern, bo<$ überlebte fie biefen $ag nicht,
äbenb« Ijörte i^r £erj auf ju ichlagen, ba« fleine junge &erj, ba« einen
grüftfing unb Sommer lang fein betreiben Xl)eil ©lud bod) aud) empfunben
tjatte. <Qerr 2^ormann fah fein $au« finberlo«. 2luch einem lange er=
warteten Sdnnerje wirb nicht« oon feiner Sd^merjlid^feit genommen. Selbft
ba« Aufhören einer Sorge im #aufe fann nrie Beröbung nrirfen.
£er &au«herr, bie £ante unb fiueie fafjen im SBofmsimmer bei ber
fcampe, ber alte &au«arjt leiftete ilmen ©efeUfchaft. $a« nur fpärlidje
Öefprädj l)atte bie legten £age Gäctlien« $um 3nhaß- Hubert fam leife
bura) ben fDtufiffaal gefd)ritten; ba er aber in ber Unterhaltung feinen
tarnen nennen hörte, fo trat er nicht ein, fonbem fdjritt nach ber ©arten;
oeranba, roo er, an einen Pfeiler gelernt, ftetjen blieb. $er Xag hatte
ihm eine medjfeloolle EHci^c oon Ginbrüden gebraut: ©lud am borgen,
SJeforgnifc, grollenbe« Unbehagen, barauf ben roiberftrebenben Blid in bie
lonnnenben Statten be« £obe«. Unb er mürbe ein peinliche« ©efühl
nicht lo«, bafe er hier eine 5lrt oon Wolle gefpielt habe, für rcelche er innere
lid) nicht« aufjutoenben hatte, al« 9iüdfid)t unb Selbftüberminbung. Da
hörte er ein leife« ©eräufd) unb erfannte finden, bie au« ber Saaltl)ür
trat unb ftdj ihm näherte.
5anny Sopctld.
Von
H i^olf oon <5ottf djall.
— £cip3ig. —
ie 2?eteronin ber heutigen ftoman^rtftfteu'erinncn, gann«
öeroalb, blieft auf eine reiche literarifdje £f)ätigfeit juruef, unb
obfdjon fie fidj mit ftarfen Stritten ber 2llterggrenje ber
S$giget nabt, ift iljrc Jeber feineSroegä erlafjmt. Gtft oor tfurjem fjat il)re
©rjä^lung „3ofia3", bie in ber „©artenlaube" erfdjien, beroiefen, bafe it)re
fdjriftftellerifdjen SSorsüge nidjt uerblajit finb, ba§ fie mit unroanbelbarer
©eifteäfraft auf ©emutf) unb SBerftanb ber £efer ju roirfen weiß. Wobc-
fcrjrififteQerinnen, bie in beftimmten ©podjen ben £on angeben, mögen
ihren 3hu>n überleben, ©ine fold)e Üttobefdjriftftellerin ift gannu £etualb
nie geroefen; baju ift fie ju eigenartig, unb fie Ijat nie bie Stuftet einer
großblumigen ober fleinbeblümelten $arftetlung sur Sdjau geftellt, meldte
in ben Sabcnfenftern ber Unterljaltungäblätter bie grojje Stenge anlotfen.
#annn fieroalb ift eine Cftpreufjin; in ber ©tabt ber reinen Vernunft
tjat fie baä Siajt ber S5>elt erblicft, roo ber fategorifdje ^inperatiu, aud)
nad&bem ber ^fjilofopfyenbamm, auf bem einft ftant mit bem Wegenfrf)irm
promenirte, bem neuen (Sifenbarjnoiertel ben ^>lafe geräumt Ijat, bodj nod)
gleid)fam auf ben ©trafen fpajieren ger)t. %n ber Xbat, ba$ oftpreufeifdje
Naturell fjat etwa* ©efunbeS unb ftritif<f>e3, nid)t im Sinne moberncr
£>9perfritif, fonbern in bemjenigen ruhiger oerftanbe*mäf,iger Grroägungcn.
Tie Cftpreufjen baben flopf unb &erj auf bem redeten ^le<f: fo ein
ebelfter XnpuS ift ein Genfer roie tfant.
Hamann, ber 3Jfagu3 aus bem Horben, unb Berber, ber grofte 3ln=
empfinber ber 3Polfs= unb Weltliteratur aller Reiten, tragen biefen 2npu$
«ort unb 2 üb L.. 14-. 3
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33
$is jum 1832 ^atte gannn Seroalb bie ^regelftabt ntd&t uer=
laifen. Xann machte fie mit ihrem Sater eine Steife nad) Berlin uub Saben*
Saben unb mit ber Emilie if»rc^ Dnfels an ben 9iljem unb nact) Schienen.
3n 33reSlau oerroeilte Tie längere Seit bei ihren Serroanbten; fner trat ein
für ihr innere^ Seben entfdjeibenbeS (§jreignij} ein, ihre Siebe &einrid;
Simon, bem Sof»i ihrer £ante 3Jtinna, ber fidj fpater als ein bebeutenber
^olitifer geigte. X>och biefe Siebe war eine unglücflidhe ; lange tjarrte
gannn oergeblich anf irgenb eine 21euf?erung, aus ber fie auf eine Qx-
roieberung ihrer Neigung hätte fdjliefjen fönnen. 25a, bei ihrem 3Ibfd)ieb
von SreSlau, begleitete er fie nach &aufe, unb bort fanfen fie fid) bitterlid)
roeinenb oor ber Xrjür ber äBormung in bie 2lrme. „$ann raffte er fid)
jufammen, mir gaben uns bie §änbe unb trennten uns — um uns nach
einer ^Heifje oon mir fdjroer burcfjlittener Safyxe ju einer greunbfdjaft
toieber jufammenjufinben, bie bis ju bes unoergefjlidjen Cannes £obe
uns in nicfjt roanfenber Xreue unb geftigfeit uerbunben hat." Sange ftanb
fie in Gorrefponbenj mit bem Setter; im ^aljre 1839 erfuhr fie enbltch
bura) einen oon irjr oeranlaj&ten Örief Heinrich Simons, bafe ihr ©e?
liebteT — unb jroar ebenfo hoffnungslos roie fie — eine 2lnbere liebe, £en
(SemüthSjuftanb, in ben Tie bura) biefe SJtittheilung oerfefct rourbe, ^at fie
in ergreif eitber Seife in ber jroeiten 3lbtf)eilung ihrer SebenSgefchidjte:
„SeibenSjaljre" (2 £l>eile. 1861—62) gefa)ilbert. 3Jr Seben in ÄömgS=
berg roar in ber änuichenjeit ein ferjr etnfameS unb unbefriebigtes geroefen.
©inen com Sater empfohlenen etn-enoollen $eiratf)Sanirag hatte fie trofe
ihrer finblid&en ^ietät jurüdgeroiefen; trug fie bod) bamals noch eine
fdjönere Hoffnung im ßerjen. Sie liefe es nid)t an Selbftanflagen fehlen
unb harte bas rranft)afte Seftreben fia} nü&lid) 5U mad)en unb biefen
ftufcen faft in geschäftsmäßiger gönn naefonroeifen. So führte fie ein
#uch, an welchem fie mit peinlicher Sorgfalt nachrechnete, roie oiele Xafchen=
tücher fie an einem Xage geiäumt, roie oiele $aar Strümpfe fie geftopfr,
roaS fie überhaupt für bie Samilie mit Spähen, Sdjneibern, Sftufifunterj
rieht geleitet hatte, um es am ©nbe beS 3)fonatS naa) feinem (Selbroertf)
berechnen $u fönnen.
söalb follte fie aber in bie (Sine, für ihr ganjeS Seben SluSfchlag gebeube
$atm gelocft werben. 3leujjeren Slnlafe ba$u gab ihr Setter 2luguft Scroalb,
ber bamals bie 3eüf<hrift «(Europa'' in Stuttgart rebigirte unb überhaupt ju
ben oielgenannten ^ournaliften uno Schriftftelleru gehörte, (rr hatte oljne
ihr Skiffen fchon einige Stellen aus ihren Briefen über Äönigsberger
3ufiänbe jum 3lbbrud gebracht; bann rourbe fie oon ihm aufgeforbert, einen
Äuffafc über bie &ulbigungSfeicrlid)feiten ju fdjreiben, bie bamals 1840 in
.Königsberg ftattgefunben. Sie fommt biefer iUufforDeruug nach; ihr Sluffafc
finbet Beifall. So fchreibt fie gegen ben Hillen ihrer Familie fclbftftänbig
ein Härchen, eine 9cooelle, unb ba 3luguft Seroalb bics alles lobt unb honorirt,
fo faßt fie ben Gntfchlufc, fid) gan$ ber fchriftftellerifchen Xf)ätigfeit $u rotbmeu.
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3^ Kubolf oon öottfdjall in £cipjig.
3f)r 3?ater machte ju biefem ©ntfdjlufc eine bebenflidje SJJiene; bod) trat
er if)r nid;t Ijinbernb in ben 5£eg, fonbern roünfdjte ifjr oon ^cr^en ©lud
baju. Sie war gerührt, unb roa$ fie in jenem SDfoment feierlidjer 2Bci^e em*
pfunben, ba$ ©elübbe, ba3 fie bamalä abgete^t, wollen mir mit irjren eignen
Sorten fyier nieberfdjreiben ; fie ift in ber Xljat bemfelben nie untreu ges
roorben. @ä war !ein unberoufeteS &erumirren in ben 3<*ubergarteu ber
v$oefie. ,,3d) fjatte eine große Sßorfteüung oon ber 2Had)t be3 $ia)terä auf
ben ©eift feines 23otfe$ unb oon ber ©eroalt be$ 2öort3 über baä fterj ber
Sflenfdjen. Unb roeil id) bie 2öat)rl)eit fudjte unb bie 2Ba&rf)ett über alles
fd)äfcte, reo id) fie erfannt Ijatte, fo naf)tn tdj mir uor, ifjr in feiner 3eile unb
mit feinem ©orte jemaU abtrünnig §u roerben, unb roie grofc ober gering
mein (rinflufe jemals roerben fönnte, tfm nie anberä als im Xienfte
beljenigen ju otrroenben, was mir Sd)önl)eit, greift unb 2öaf)rl>eit ^eißt.
Unb biel $erfpred;en habe id) mir treu gehalten."
3m 3al}re 1842 erfdjien il)r erfter Vornan, „fllementine", meiner an
©ufcforoS „SBerner ober ^erj unb SÖelt" erinnern mochte, ©r befyutbelte
bie Störung ber ©fje burd) eine frühere 3ugenbliebe, eine Störung, roeldje
burd) $fltd)tgefüf)l unb 23erjid)tleiftung ausgeglitten roirb. «anbelte e$
fid) (jier um einen ßerjenafonflift innerhalb ber £f)e, fo bilbete biefelbe
als religiöä=bürgertid)e3 ^rtftitut in ben bciben foigenben Romanen ben
SHittelpunft ber #anblung. Xer flare $erftanb ber $erfafferin fd)redte
fo wenig cor oerroidelten 9ied)t3fragcn jurütf, bajj fie biefelben eingeljenb
mit einer geroiffen Vorliebe bef)anbelte. .^ierju fam ber ©rang nad>
(ftnancipation in 23ejug auf confeffionelte gragen, ber bamals in ber Sfujt
beS ftönigSberger StberaliSmuS lag. ®ine biefer fragen war bie jübifd)-
d)riftlid)e 3J?ifd)el)e. (riner ber SBorfämpfer ber liberalen Partei, Dr. gerbinanb
Jfalffon, ber oor Sturjem feine intereffanten (Erinnerungen aus ber oft=
preujjifd)en BeroegungSepodje r»eröffentlid)t hat*), oermod)te in ^reufjen für
feine (£f)e mit einer (Sljriftin nid)t bie Bewilligung ju erhalten unb gab alle
betreffenben 9lctenftude lierau^. 2>ie grage ftanb bamalS auf ber S'ageSs
orbnung, unb gannn Seroalb mit ihrem lebhaften Sinn für 2llle3, roa$
fcaö öffentliche Seben betraf, unb mit ihrem eifrigen Beftreben, für ba3
3ubentl)um unb bie ©leidjberechtigung ber Gonfeffionen eine Sanje ju
bred)en, bemächtigte fid) biefer Stoffel in ihrem Vornan „Sennn" (1843),
welcher wohl ber ^eroorragenbfte ans it)rer jugenblid)en Sturmi unb Drangt
periooc ift. Sie gab bem Gonflift feinen oerjöt)ulid)en, fonbern einen
trarttidjen 9lu^gang unb liefe it)rt in einer Doppel^anblung ftdt) abfptelen.
$rjre eigenen Veben*erfal;rungen f)at fie mit grofjer Offenheit unoer^üllt in
bemfelben bargcftellt: nad) biefer Seite Ijin entl)ält ber Vornan i^re Con-
t'es.sions. 3ennV ift wie fie felbft au^ Siebe §u einem Alanbibaten ber Al>eo;
*) "Sic liberale ^etucflunn in .QöntqSbcrg (1840— 1848). 9ttcmotren-83lätter oon
■Jcrbiitanb galffon. Ü*rc*fan, 3. SdjPttlaenber.
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logie jum Ghriftentrmm übergegangen, bereut aber triefen Stritt, weit fic
ftch mit bem firctjlichen Dogma ber Dreteimgfett nid)t oerftänbigen fann.
Der (beliebte, ein orthoborer Xtjeologe, tuenbet fid) von if)r ab, als er
ftä) überzeugt, bafj trofc ber Xaufe bie flluft ihrer religiöfen 3lnf<hauungen
nic^t ju überbauten ift. ßierju fommt nodj ein SJcotir» ber ©iferfucht.
Senng wirb baburdj getröftet, bajj ein ®raf il)r, ofme Nüctficht auf
©tanbe3Dorurtr)eüe, $ers unb £anb bietet: bodj fällt ber Verlobte in
einem Duell, in welchem er einen unoerfchämten ^öfterer $u süchtigen
fudjt, ber natürlich bie öffentliche Meinung in aufbringlicher Söeife »ers-
tritt, ^ennp frirbt mit gebrochenem ^cr3en an feiner Seiche. Da$ ift
in ber einen .ftälfte ber Sebensroman ber #amii) Veroalb: Derjenige be3
Dr. 5«tbinanb galffon fpielt fich baneben ab. (Sin junger jübifdjer 2lrjt
liebt bie Dochter eines SBanfierS: bod) wegen ber ftluft ber (Sonfeffionen
tarnt er fie nicht heiraten; er felbfi null nicht jum ßhrijtenthum übergeben,
mit er für bie bürgerliche unb poIiti|ct)e ©maneipation feiner ©laubenS'
genoffen ju nrirten fuajt. So oerjichtet er unb finbet einen Droft barin,
ba§ einer feiner greunbe, DCr fo(dr)es ©lücf oerbient, feine ©eliebte
jum 2Utare führt. 3luch h^cr weicht ber Vornan oon feiner thatfächlicfjeit
®runblage ab, benn Jalffon r^at feine Sraut in (Snglanb geheirathet. 25er
Vornan \\t frifch aus bem £eben ber bamatigen 3«it gegriffen ; bie iübifche
@efeUfchaft in ihren #oupttnpen, forooht in ihrem patriarchalischen Jamilien;
leben, roie in ihren anmafjtichen lleberhebungen ift getreu gefcf)ilbert; bei
einzelnen (Hjarafteren fehlt auch bie rminorifUfche Järbung nicht. Nüchterner
unb oft in bie jurifiifche $rofa rjinabfinfenb roar ber nächfte Vornan:
„©ine SebenSfrage" (2 Sbe. 1845). (Sin dichter, ber eine 5änfif<he unb
üerftänbnifjlofe grau hat, fleht h^r *m SÄittelpunfte be$ Vornan«, ber fich
gan5 um bie Jrage ber Ghefcrjeibung brecht.
tiefer Vornan beratet, baf? ba« Dalent ber SSerfafferin bie Sebent -
oerhältniffe, in benen fie fta) beroegte, fchon erfchöpft hatte unb leicht hätte
üerfümmem tönnen, wenn ber „Äneiphof" unb bie „i'aftabie" ber Sßregel«
ftabt für alle 3eit bie Dekorationen ihrer £eben$bürmen geblieben mären.
Dod) e$ trat eine glüefliche Beübung ein, bie fie 00m ^regel an ben
Xiber führte, Sie r;at biefe ©poche unter bem Xitel Befreiung unb
2£anberleben" in ber britten Abteilung ihrer £eben$gefchichte gefchilbert
(2 Xheile. 1862). Schon bie grofee Sahl bebeutenber $erfönlid)feiten,
mit benen fie auf ihren Reifen jufammentraf, erroeiterte ihren ©e|tcht$fretd
unb gab ihr eine güUe oon Anregungen. Sie jeigte aU ^ortraitmalerin
einen fcharfen Slicf unb eine gute Beobachtungsgabe, unb bie Silber, bie fie
oon Dörnhagen oon @nfe, Xheobor Sttunbt, ßlara TOhlbaa), föerroegh, u. 31.
entnrirft, fmb treffliche ©hnraftertöpfe. &at fie boer) oon ihrer ftunft ber
^ßortraitmalerei in ben „3roölf Silber aus bem Seben. Erinnerungen"
(1888) erft neuerbingä roieber eine Sßrobe gegeben, bie jum ^heil noch
an jene SBanberepoche anfnüpft.
5ö
Subolf ton CöottfdfaU in Ceipstg.
3m $al)xe 1845 unternahm fic bie 9Jeife nach ^olien, bie für ihr
ganjeS fpätereS £eben fo bebeutfam werben fottte. &ier fanb jie 2lns
regungen jeber 9lrt; baS fatte lanbfchaftlicr)e Äolorit, baS bunte SÖolf Sieben
befristete ihre $^antafie nnb gab auch ihrer ganjeu Darftellung lebhafteren
Schwung. Xie Sajjaroni am ©olf oon Neapel waren bodj ein Sftenfdjeiu
fdjlag mit mehr sJ>oefie als bie £a|iträger ber JtönigSberger Saftabte, unb
bie fchöngefdmmngenen Sinien btefeS ©olfs, ber Stranb mit feinen
Bulfanen unb 93ergeSfuppen t)atte bod) einen ganj anberen 3aubev als
bie baltifdjen ©eftabe mit ihren einförmigen ^alroen. £>a$u bie güüe
ber Jhmftfchäfee, bie garbenpradjt ber ©emälbe, bie $oefie ber Some,
bie SJteifterwerfe ber Slrdjiteftur, bie burd) bie flunftwerfe in ihrem
Innern großen SNationalmufeen gleiten — baS mar für bie jfibifdje unb
proteftantifdje 2Beltanfchauung, in metd&er fich gannn fieröatb bisher
beroegt hatte, mit ihren bilblofen ©laubenSfäfeen unb Berftanbesbegriffen an=
fang« etwas grembartigeS, baS aber einen madigen (Einfluß ausüben, nicht
Mos ben geiftigen &orijont momentan, fonbern auch baS fa^riftfteUerifd)e
Talent beleben, ja jutn £heil in neue tabuen lenfen mußte. 9Jo<h ent*
fchetbenber mar für gannp l'emalb bie Sefanntfchaft mit 9lbolf Statjr:
ber Safe, baß entgegengefefete Naturen bie größte SlnsiehungSfraft auf=
einan berausüben, betätigte fid) tyev ooHftänbig. greilid), baS ©emeinfame
buvfte nicht fehlen, unb baS mar l)ier bie gleichmäßig fyofye ©eifteSbilbung,
baS gleiche ^ntcrreffe für S5kil>rt)eit, <5d)önr^eit unb ein ebleS 9)tenfä)en=
t()um. Doch bei Staljr gewann baS 2llleS einen entt)ufiaftifd)en SluSbrucf,
welcher bergreunbin gänzlich fcrn ^9; 1° warm fic empfntben mochte, es
überwog bod) bei iljr bie ruhige Prüfung unb Grwägung, bie 23efonnen;
heit gegenüber ber Begeiferung. SUber baS fonnte nicht ausbleiben, baß fic
oon StahrS oft überfchwänglidjer (EmpfinbnngSweife mit fortgeriffen mürbe
unb fo aus ber bisweilen fühlen Harmonie ber eigenen heraustrat. $)ies
farbenhellere ßolorit ber Schreibweife jeigte fich fchon in bem „3taltenif<hen
Silberbuch" (2 33be. 1847); unb wenn mir baran gleich baS fpäterc 9tach=
fchlagebuch „(Snglanb unb Sdwttlanb" (2 Bbe. 1851—52) reihen, fo
haben mir eine bebeutenbe unb feljr hoch Su ftcllenbe Seite it)rer litterarifd)en
^hdtigfeit oor Slugen, biejenige ber 9ieifefchriftfteUerin. 2lber ganm; l'eroalb
ift feine Xourifitn gewöhnlichen Schlags ; auch reifebilbert fie nicht mit bem
©fprit ber &eine'fchen Schule: in iljrer maßooUen $arftellung prägt fi<h fcharfe
Beobachtungsgabe, ber aufgefchloffene Sinn für alles Schöne, Rumäne,
geiftig Bebeutiame aus, unb ber (Sinbrucf einer bebeutenben SßerfÖnlichfeit
tritt uns faft lebhafter in biefen Schriften entgegen, als in manchen ihrer
Romane. Sie tragen oft baS maßoolle ©epräge einer apoftolifchen Senbung
unb jeigen jenen gattenwurf ber rebnerifchcn Eoga, welche bem aus
innerer Ueberjeugung quettenben iöort ein würbeootteS 3lufehen giebt.
3hren Romanen felbft merfte mau sunächft ben ©influß ber italienifdjcn
fHeifc nur in ber freieren Stoffwahl an; eS war nicht mehr bie Suft bes
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Sanny iewalb.
37
Äönigeberger flneiphofS, bie man früher auSfchließlidj in ihnen athmete.
3n bas 3ahr 1847 fällt i^rc ^erfiflage ber &ahns£ahn'fchen Nomone
„Diogena", eine $arobie, bie au« fd^arf finniger Beobachtung ber Schreib =
weife ber ©räfin h«toorging unb jum X^eil mit einer ber Dichterin fonft
fremben äfcenben Scharfe abgefaßt mar. £>er große ©egeniafc jwifchen ber
ben ßapricen bes &erjens unb ©etfteS fmlbigenben 3lriftofratin unb ber
bemofratifdjen ^übin, beren fiojung bie (Smanripatton unb ber flampf gegen
bas Sorurtheil mar, genügt nicht, um ben £on unb bie Haltung biefer
Schrift ju ertfären; bie ©iferfutfct fam hinju, unb fie oorjugSweife ^at baS
^aSquiH biftirt. SBeibc Jrauen liebten ftemvid) Simon, unb biefen 50g
fein £er$ jur ©räfin, bie aber nicht ben SWuth befaß, ihre StangjMung
ihrer 2eibenfd)aft ju opfern. ©anj unrecht mag man ber Berfafferin
einer SebenSbefchreibung ber ©räfin &ahns£ahn, 3Karie Helene, nicht geben,
wenn fie, atterbtngs in einer ju fd&arf betonenben Söeife, fagt: „2BaS immer
unb welche ©rünbe bie berebte ^eber für bie Veröffentlichung ihres bie
berühmte Sd)riftfteu*erin parobirenben Romans „T>iogena" angeben möge:
wir füllen uns 511 ber Sinnahme berechtigt, baß es ber ,§aß gegen bie
beoorjugte Nebenbuhlerin mar, ber fie leitete unb ber bem tiefoerrounbeten
^erjen Sd)mäfwngen entlocfte, bie ebenfo maßlos finb wie baS ©efüf)l,
öaS jenen &aß erzeugte."
Ser SSerfeljr mit SBarnhagen oon (Snfe unb in ben berliner Greifen,
welche manche (Erinnerung an frühere 3e^en pflegten, ^atte fie ju einem
geschichtlichen Cornau angeregt, in beffen SHittelpunft fie ben „grinsen
£ouiS Jerbinanb" (3 33be. 1840) ftellte. $atte boch Stahel, VarnhagenS
©attin, in ihrer 3u9cno *n nahen freunbfä)aftlid}en Beziehungen ju bem
§oheu$oHern geftanben. $)er Aufgabe, aus feiner ©pod)e heraus bie ©es
ftalt beS gelben $u erflären, mar gannn fiewalb nicht ganz gewachfen.
Der preufcifcbe 3IlcibiabeS fyxtte auch einen fjelbenhaften 3«9/ mährenb er
in bem Vornan wefentlich als S)on $uan auftritt; bod) audh als folcher
erfdjemt er ju gemeffen, es f etjCt bem ©anjen, obfd)on bie Siebesabenteuer
in ben 35orbergrunb geftellt finb, ber leictjt plänfelnbe £on ber bamaligen
frtoolen ©efeöfchaft. 2tu<h 9tohel ift ju fchmärmerifch, es fehlt ihr bie
idjlagfräftige ©igenart mit ben Treffern eines genialen JfaftinfteS. £>ie
Sdn'lbenmgen finb im Uebrigen lebenbig unb einige Gharafterföpfe mit
feften, fd)arfen Umriffen gejeicemet. £>aß inbeß ihr Talent beweglicher,
ihre ^ß^antafie erfmbungSreicher geworben mar, bemies fie burch eine Steihe
rafd> aufeinanberfolgenber Veröffentlichungen, f feinerer (Stählungen, wie
bie „Lünens unb öerggefdjichten" (2 5tt)ei(e. 1856), „ßiebeäbriefe eines
©efangenen" (1850), in benen Sieflerionen über Staat unb Sieligion übers
wiegen, „Stuf rother @rbe" (1850), einen Vornan aus ber preußischen
fteoolutionSseit, welcher !lar unb lebenbig bargeftellt unb in weld;en ber
fctebeSroman mit ©eichtet oerwebt ift. 2tffe biefe Schriften ftanben unter
bem ©inbruet ber SRärjreoolution, welche bie ©emüther mächtig bewegt
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38
Hufcolf von (Sottfdjall in £eip3tg.
unb eine SJienge uon gragen aufgeworfen hatte, bie, fufm geftcttt, auch fühn
beantwortet würben.
$od> bie legten 9iaä)f länge be§ gewaltsamen politifdjen 9Iuffchwunge3
»erhallten allmählich; bie Äritif trat in ibre SHedjte ein unb bie fchärffte
ßritif übte ber ftortgang ocr Greigniffe felbft, ber baä Unreife unb lieber*
[türmte oerurtheitte, inbem er pnächft in gänjttch anbere Sahnen lenfte,
faft ofme 5lnfnüpfung an bie Sofungeu jener ftürmifchen Sage. <£& trat eine
3eit trüber 9ieaction ein, unb mancherlei Staublungen ber Ueber^eugung,
befonberä auch ber religiöMirchlichen, bie unter ber Regierung be$ 5lönig$
griebridj Söilbetm IV. ftetS befonberä betont würbe, waren an ber £age3*
orbnung. 2lu$ biefer Stimmung heraul fdnHeb JJannn Seroalb ben Vornan
,,©anblungen"(4$änbe.l853), obfd)onfiebenfelben mehr in bie oormärjtic^e
3ett »erlegte. Ofian würbe freilief) bem Vornan Unrecht thun, wenn man
ihn ihm einen Keffer, ber (Spod)e unb eine @hronif uon lauter 2Banblungen
ber ©efinnung fuchen wollte: es hanbelt ficr) in ihm ebenfo um SSanblungen
ber Neigung, unb ber ©runbgebanfe wirb nicht burch alle SBerwtcflungen
be3 9ioman3 gebetft, fonbern nur burch bie Schief fale ber jwei £aupt=
perfonen. griebrieb 33ranb, ber Solm eineä XifchlerS, befreunbet fich auf
ber Uniocrfttät mit bem 53aron ©rieh uon ^eibenbrücf, wirb in bie
Jyamilie eingeführt unb lernt bie Schwerem ©ridjg, bie fajöne Helene unb
bie intereffante Cornelia, feunen. Gr lernt Helene lieben, fie fd^enft il;m
iljre ©egenliebe, aber als er um ir)re £anb anhält, wirb er jurüefgewiefen ;
ber junge Geologe erfdjeint ber 93aronStod)ter nicht ebenbürtig, feierte
heiratet einen ^Diplomaten, ben ©rafen oon ©aint^ajau, bewahrt aber
im &er$en bem jungen Stubenten ihre Neigung, tiefer, befreunbet mit
einem jübifdjen Slrjt, in beffen 6t)araftcrfopf man wohl bie 3äge be§
&ierfragenmanne$, beö Dr. ^acobu, wiebererfennen fann, wirb bem ©lauben
untreu, ben er befennen unb lehren fofl. 9?aa) mancherlei gafjrten heiratet
er eine 33erwanbte be$ freiherrlichen £aufe8, 2lugufte, bie ihn in einer
Äranfheit gepflegt hat, fchon aus ©itelfeit, um bem fiaufe, ba$ eine SBerbtnbung
mit ihm für unmöglich gehalten, bodt) noch uerwanbt ju werben. $ie ®he
ift inbeffen unglüeflich; griebrich geräth in Gonflift mit bem (Sonfiftorium,
wirb feines 9tmte$ entfefct, nachbem er längere 3eit in 9iom feinen äftctr>t=
fchen Neigungen gelebt. $ie ©he wirb gefchieben. Sugufte r)eiratr)ct ben
^Pfarroifar, ber ihn währenb feiner 9lbwefenheit oertreten. Helenen« ©atte,
ber Diplomat, oergiftet fich, als er feinen fieberen, burch SÄuSfchroeifungen
jeber 9lrt h^ocigeführten 9iuin oor 9lugen fielet, unb Helene wirb julefct
bie ©attin jriebrichö, ben Tie nie $u lieben aufgehört hat. 3hre Schroetter
Cornelia geht juerft in'3 Sager ber ^iietiften über unb heiratfjet bann ben
rabtfalgeftnnten, freigeiftigen 2lrjt. ^i)xen früheren Bräutigam, ben ^ßictiftett
^leffen, finben wir als 3Hönch in einem italienifchen JUofier wieber.
3wifchen biefen 25>anblungen verfließt natürlich eine geraume 3eü-
£ie ganblung felbft ift überreich: außer ben erwähnten perfonen treten nod>
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$a nny £cn>al 6.
39
bie beiben jüngften Sö^ne be« 53aron«, @ridj unb ©eorg mit iljrer Siebe
SU ber llnteroffi$ier«tocf}ter Regina in ben $orbergrunb. Ter Vornan ift
etroa« ju fef)r in'« breite gearbeitet, unb bie ftd) f)in* unb jjerroeubenbe
Tt)eilnat)me ber £efer ermübet btemeilen gegenüber einer fidt) in 3irf5atf;
linien bemegenben £anblung. SBojjl aber gehört er ju ben gebauten*
reiften SBerfen ber SSerfafferin, unb biefe ©ebanfen ftnb in einem <Stit
von tfarem, feiten ©epräge au«gebrücft. $n SBejug auf fdjarfe Beobachtung«*
gäbe unb feine Seelenmaleret nimmt ber Vornan eine heroorragenbe Stellung
ein; bie Anatomie ber geiftigen Dichtungen unb bie ©eftnmmg biefer
•Kegion be« innem -JHenfchen, in meiner ©eift unb ^erj oerfchmeljen, er=
innert an bie Romane ©ufefon)«, mit benen er auch gemein f)at, bafj
er au« einem leitenben ©ebanfen ^erau« gefchaffen ift unb au« biefem bie
^emncflungen unb Sdjicffale ber -Dienfdjen erfinbet unb regulirt. Tie*
geflieht feiten ofme ©mbufee an jener Seid^tigfeit ber (Stählung, meldte
fid) bequem unb behaglich bort geltenb macht, wo ein beliebiger tfjat*
fachlicher Stoff au« bem Seben aufgegriffen unb ofme jeben 9lnfpruch auf
geiftige ^ebeutung bet)anbelt wirb.
^eben ben „Söanblungen" ift ba« umfangreichfte, in größerem Stil
angelegte, 22erf ber Tidjterin ber 9tomancnflu« „33on ©efchlecht 511
@efchlecht" (8 $be. 1864—68). tiefer Vornan hat ein burd)fid)tigere«
(Befuge al« „bie Sikmblungen"; er fpielt fidr), roie fdfjon ber Xitel ergiebt,
in einer ftolge ber a&/ foba§ nicht juoiel ©leich&eitigfeit aufgehäuft
ift. Tie Tenbenj be« Sßerfe« ift eine bemofratifche, roie in allen
Schriften ber gannn £eroalb; fie ift auf bte 2tu«gleidmng ber Stäube
gerietet, unb folcbem IJortfd&ritt ber (Sultur nachjufpüren, folgt fie bem
Verlauf ber Seiten unb ber Schicffale ber Gi^elnen, roie fic fid) in ben auf*
einanberfolgenben Safn-jehnten geftalten. Ter ©egenfafe snnfehen ben ©efehiefen
ber oollbürtigen Sprößlinge einer arifto(ratifd)en gamilie unb berjenigen
eine« bürgerlichen 33aftarbgefa)lea^te« bilbet ben Slngelpunft be« SBerfe«.
9lm bebeutenbften erfdjeint un« bie erfte 2lbtf)eilung- „Ter greiherr" mit
ihren leben«ooüen SRococobilbern ; fie fpielt in Teutfd)lanb jur 3eit ber
franjöfifa^en SHeoolution. 2Bäf)renb ba« ©migrantenthum fid> in beutfd>en
Sajlöffern einniftet, erhebt ba« öürgertfmm ftoljer fein &aupt unb felbft
ba« ^ubentlmm lernt fich immer mehr al« eine gefeUfd)aftlidje SHacht burch
feinen Deichtfmm fütjlcn. fllopft bodj ber £elb biefe« Vornan«, ber alte
greiherr oon 2lrten, al« 33ittenber an bie Pforte be« reiben 3uben
SJliep. Ter 93aron ^at ein SBerhältnife mit einem S3auemmäbd^en
^auline, ba« er einer fdjredlidjen Seuche entriffen r)at unb ba« mit inniger
Siebe an ilmt hängt. 9(u« biefem 33erl)altnifj ftammt ein Sofm, ber fpäter
ein eigenwilliger, ftarrföpfiger Änabe oor be«JBater« unnatürlicher Strenge
in bie weite SSelt entfliegt. Tie SRutter aber fu$t ihren Tob im Saffer
be« Ärtener Söurggraben«, al« ber 33aron jur ^och^eit mit ber jungen
©räftn angelita fä^rt. Tiefe empfinbet balb, bafj ben ©aUen ein Sdjmers
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^0 Knbolf von ©ottfdjall in £eip5tg.
bebrücft, ber einer früheren Siebe gilt. $odj balb wirb bas eljelidy
33erf)ältnifj bnrd) 33erwtcflungen, bie an ©oetljeS „SMjloerwanbfdjaften''
erinnern, nodj mef)r geftört ; eine franjöfifdie .fterjogin unb if)r $ ruber, aus
granfreid) uertrieben, fudjen ein 9lfnl auf ©cfylofc 2lrten. 2)ie pifante
£>erjogin erobert fidj ben greifjerrn, roäfyrenb ein junger 3lrd)iteft, ber um
eine ßapeUe unb Äirdt)e ju bauen auf ba3 Sdilofc eingelaben ift, altmäljlid)
bie Neigung ber öaronin erwirbt, ©ie gefielt biefe nur geiftige Untreue
bent ©arten. £>od) btefer, in feiner ©telfeit Deriefet, wenbet fidj ganj von
\\)x ab: fie Derfättt in eine fdjwere ßranfljeit unb ftirbt. hinein 6tamm=
kalter beS Kaufes r)atte fie inbefe fdjon cor biefer @poä)e ber 2öaf)löer=
manbfdjaften ba3 Seben gefdjenft. 60 fann benn gannn Seroalb ben
gaben roeiterfpinnen „von ©efdjledjt ju ©efd)lecf)t". &er Sobn SPauIinen$
unb ber ©of)n 9lngelifa3 werben bie Präger ber fidj weiter entwicfelnben
.§anblung, bie in ben folgenben 2lbtf)eilungen bargefteüt wirb.
£)ie 33erwanbtfcf)aft be£ (Stoffel ber erften 21btl)etlung mit beni
@oetf)efd)en Vornan fjat aud) ber 2)arftellung einen geroiffen goetlnnrenben 3ug
gegeben. $cr Stil f>at l)ier roie in bcm ganjen Sß>crfc einen burdjauS eblen
Xon, einen würbeooUen 2lu$brucf, unb bie ©ebanfen, benen e£ an Briefe nia)t
fel)lt, eine fdjöne burdjfidjtige gaffung. 3ßir fönnen f)ier nidjt nä^er auf
ben $nl)alt ber folgenben Sänbe be$ Vornan« eingeben, audj ift uns sBe-
fa)ränfung geboten, gegenüber ber anbauernben fdjöpferifdjen £f)ätigfeit,
welche bie $id)terin im Saufe langer Sa^elnite entwtcfelte. 9tor ba£
SBebeutcnbe unb Cfiarafteriftifdje tonnen mir f)ier fjeroor^eben ; benn audf>
bie fleinen (vr$äl)lungen, bie einzeln ober in Sammlungen erfdjienen,
tragen ba3 gleichartige ©eprnge wie bie größeren, roenn e$ aud) nidjt fo
fajarf ^eroortritt.
gannn Seroalb fyatte ftd) nad) i^rer italienifd^en ■'Weife in Berlin
niebergelaffen, roo fie fidj 1854 mit Slbolf Stafjr oerf>eiratbete. 3lud) nad)
bem £obe be* geiffreidjen ©elef)rten im Saljre 1876 blieb fie ber
preufeifdjen &auptftabt getreu, bie ft<^ nidjt lange barauf in bie beutfdje
^Heia)$f)auptftabt »erwanbelte. £a* rege geiftige Seben ^Berlins übte auf
eine grau roie gannn Seroalb bauernbe Slnjiefnmg aus. ©ine bebeutfante
9iad)wirfung ber großen nationalen ©reigniffe inbejl läfjt fidj in i^ren
Romanen nidjt gerabe nad) weifen: luelt bodj mit ber nationalen Gnt;
wicfelung Diejenige ber liberalen ^rineipien, wie fie bie oftpreu&ifa^e
Bewegung am 2lnfang ber weniger %a\)tc oertrat, nid&t Stritt, unb aus
bem Sanne ber 2lnfd)auungen eines Sodann 3ac001J ift gannu Seroalb
fdjwerlidj herausgetreten. 9lucf> tt)re eigenen SebenSerfaljrungen tonnten itjre
p^antafieuoUen ©rfinbungen roenig bereichern, minbeftenS fprad) baö 5lutos
biograpJifa)e in i^ren neuen Romanen nid&t, roie in ben früheren, mit unb
jroar mit einem oft warmen &er$en8antf)eil. 60 finb roir bei ben Herfen
ber lefeten ^a^rje^nte bura) feine innere 9iötf)igung an baS ^^"o^öiWc
gebunben unb fönnen fie nad) anberen ©efidjtSpunfteu äufammenftellen.
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3u ben trefflid&ftat gehören roof)l bie jtoci Romane: „Dag SWäbcljcn
oon &ela" (2 SBbc. 1860) unb „Die Grlöferin" (3 33be. 1873). Der
erfte I>at ein oorjüglidjeg Socalcolorit. .§ela, eine in bie Dftfee Inn*
einragenbe #albinfel, bic nur burdj eine fd)male unb md)t leidet ^u
pafftrenbe Sanbenge mit bem geftlanbe sufarnmenfjängt, bietet für baltifd)e
vBeemalerei miCtfornmenen Stnlaß, unb gannn Seroalb roar baju burd) bie
Erinnerungen ttyrer Sugenb berufen. Die 33eroof)ner jener $albinfet
haben, abgefperrt oon ber übrigen SBelt, einzelne finnige 33olfgfitten be-
roalul, bie in bog Seben ber ftelbin unb if)re &er*engoerf)ältniffe miteins
greifen. Diefe abgefd)loffene Söelt, biefe Stranbibulle mit iljrer geizigen
unb fittlia)en ftlaufur fyit bie Did)terin mit realer 9Sal)rr)eit gefdjilbert.
Tie <ganblung ift etnfadj unb unb fpannenb. „Dag Sttäbdjen oon &ela"
bürfte ber oolfgtfyüinlid)fte Montan ber gannn Seroalb fein. 9tud) „bie
ErlöfeTin" fpielt an ben balttfdjen ©eitoben. Die £elbin ift ein oftpreu&ifdjeg
^Pfarrergfinb, unb eine ^ßfarribnlle, ber bie fpeciftf d>en (Bereden ber
SJefnungen in Cftpreufcen nid)t fehlen, inbem bie Jyrau ^ßfarrerin felbft
im ^reibfanbe ju ©runbe gef)t, bilbet bie ^ntrobuetion $u einer traultd)
anljeimelnben 21ugfü()rung. Die Siebe ber jungen $u(ba ju bem 33aron,
einem eblen (S&arafter, ber aber nidjt glaubt, baft ein roeiblid)eg SBefen
ilm lieben fönne, roeil er trofc feiner feelenoollen 2lugen etroag oerroadjfen
ift, bie rHfitffidjten ber Emilie, beg SBaterg 2Bunf<f> unb 9lbratf>en be=
roirfen, bafj bie fd^roererfranfenbe £ulba rejignirt, ein $Ber5td)t, ber ben
$aron felbft an ber Siebe feiner 23raut irre mad)t. ®r oerlobt fid) mit
einer jungen SBeltbame, ßonrabine, roeldfje burd) eine Keine ^ofaffaire
in'g ©erebe gefommen; bod) furj cor ber &od)jeit roenbet fie fid) roieber
bem gürften ju. Da gebenft ber 23aron feiner &ulba, bie injroifdjen
in bie weite aBett JjmauSgeflüd&tet, unb (rolt fid) feine ©rlöferin oon ben
roeltbebeutenben 23rettern; benn $ulba tyatte fid) mit fd)önem unb road)fenbem
Erfolg ber #üfme geroibmet. Die ßanblung ift fefjr einfad), aber mir
folgen berfelben mit regem, roadrfenben 2lntf)eil. Die ©faraftere fmb mit
2Bärme unb 2Ba^r^eit gefd&tlbert. Dag Seben im ©djlofc, im ^farrfjaufe,
in ber Süfmenroelt ift mit augbrucfgooller £reue bargefteUt. 2Bie ber
Setter einer ruhigen Kontemplation über bem ganjen 2öerfe blaut, mit
einer Dura)fid)tigfeit, bie fid) aud) bem meiftert>aften Stnl mitteilt, fo
fpiegelt er fid) aud) in einer Spenge oon flar auggeprägten Sammlungen
unb 3fefIertonen.
6g iommt in biefem SRoman eine Söeltbame ftrau oon SBilbenau
cor, bie über Siebe unb ©f)e feljr fefeerifdje 3lnfid)ten fjegt unb augfprid)t:
ni<$tg fei fo trügerifdj roie bie fogenannte Siebe unb nid)tg weniger ber
Prüfung roert^, alg bie Sßerfon, mit ber man fid; oerbinbet; man roürbe
balb über bie Siebeg^eirat^en roie über Ätnberfpiele (adjen, unb fein ^enfa;
roürbe metyr glauben, ba§ man aug Siebegfummer fterben ober fia; bag
Seben nehmen fönnc. @ine £a\)l ber Seroalb'fdjen Romane fdjeint biefer
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^2 Kubolf ron <ßo tif d?all in fetpjifl.
ffeptifchen Tarne SRedjt ju geben; fie mad>en gront gegen bie SHomantif
ber Neigungen unb plaibiren für eine folibe, oernünftige ©he. So „Slbele",
bie einen jungen 9tomanfd)riftfteller liebt, aud) bann noch, als er ber
reidjen Söittwe eines $ud)hänblers vox it>r ben SBorjug gegeben. <£rft al§
er if)r nachher noch mit einem SiebeSantrag naf)t, wenbet fie fidj von iljm
ab unb t)eiratl;et ihren Detter Samuel, eine fetjr profaifdje 9?arur. Tiefer
Detter oertrttt bie bürgerliche Solibität, er ift ber „Samielhilf", ben bie
HebeSüerjücften üfläbchen anrufen follen, um ins redete ©teiS ju fommen,
berrettenbe Tritte! „Tie flammerjungfer" aber (2 33be. 1856) ift eine jmeis
bänbige Tarnung für 3J?äbd)en, nicht über ihren Staub 5U r)eiratr)en. 2öenn
aber grau von Söilbenau meint, es werbe 3?iemanb mehr an Selbftmorb
aus Siebe glauben, fo tfyeilt bie Tidjterin feineäwegS bie 91nfchauungen
ber freigeiftigen Tarne; fonft hätte fie nicht jwet Fontane gefd)rieben, rote
„Öenebift" (1874) unb „Senoenuto" (2 &be. 1876), in benen bieS ltn=
glaubliche uns mit pfndjologifdjer Sßat)rf)eit gefdjilbert wirb. $n bem erften
liebt ein 9Jtöndj ein reijenbeS SBeltfinb unb enbet burdj Selbftmorb; in
betn ^weiten liebt ein 9)tobe!l ©loria einen uornetnnen SJtaler unb nimmt
ftdj baS Seben, als fie uon it)m oerlaffen wirb. SeibeS ift wohl unb
glaubwürbig motünrt; aber wo bie ßeibenfchaft ftd) 3U tragifdjer ©eroalt
erhebt, oermiffen wir baS fdjwunghaft ftinreifjenbe ber TarfteHung.
2>on ben ©Zählungen ber $anm; Sewalb, welche unter einem gemein =
famen Xitel sufammengefteHt finb, erwähnen wir nur noch bie „bleuen
Romane" (4 33be. 1859), in benen sunt T&eil baS oftpreujjifche Jlolorit
»orjüglia) getroffen ift. TaS gilt befonberS oon „Schlofc £annenburg", in
welchem uns gebiegene (Sharaftere oorgefüljrt werben, wie fie in jenen
baltifdien ^rooinjen heimtfö finb. Tie fpannenbfte biefer Stählungen ift
„ber Seelwf." 3n „&illa SJteunionc", Stählungen eines alten XanjmeifterS
(2 Ü3be. 1864) finbet fidj nad) bem SJtufter Boccaccios eine sJ?abinener$äl>lung;
bod) er§äfjlt hier ber Xanjmeifter allein. Tie erfte ©efdjithte, bie Siebe
einer ^rinjefftn ju einem jungen Äunftreiter, ift ein 9J?otiu oon abenteuerlicher
SRomantif, für meines gannn Seroalb nicht bie regten garben hat, welches uns
beShalb falt läfct. Ter junge Äunftreiter, wenn er auch nad;her ein gefreuter,
weltgewanbter Xanjmeifter wirb, ift boch eigentlich ein bummer 3unäc> unD
bafj bie ^rinjeffin zeitlebens biefe blöbe $ugenbefelei in ihrem £er$en ein*
balfamirt haben foUte, baS würbe boch ^uf eine geroiffe ©eifteSbefdjrftnft*
heit beuten. Tie zweite Grjählung „eine traurige ©efchtduV' ift pfncho=
logifch intereffant, aber im Tetail ju weitfchweifig. Tie 9)toral ift, bafj cS
auch in ben Greifen beS SBolfS innerlich unbefriebigte ©h«n giebt, bie ju 9lu3*
fdjreitungen uerlocfen. „@in ©chiff aus Äuba'' ift eine etwas 511 feierlich
erjählte 21necbate. Tie befte biefer ©rjäh^"9^ ift „Tominico." Tie 33er*
fafferin beS altrömifchen 33ilberbuchs bewegt fidh h'er in ihrem Clement.
6in alter oerfaüener römifd)er ^alajso, ein anberer in bracht unb ©lanj,
3(bel unb ÄleruS in 9iom, bie geiftliche ^polisei, bie genrehaften 93olf$=
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gehalten wie Die Cftftuerfauferin, unb bie Schuhmacher, bann roteber bie
rtunftgegenftänbe unb ©emälbe, bie fte bis in ba$ Xetail hinein fcnnt
unb beren fcf>rounghafte SBefdjreibung fie gelegentlich in bie £anblung $u
oerroeben roeijj — ba$ bilbet einen tebenbige« farbenreichen &tntergrunb,
von bem fi<h ba£ Söilb einer fchroärmerifchen Siebe, roie fie ber SJJaler
£omimco ju ber oerarmten ©rafentochter empfinbet, mit grofjer Sebent
raahrhett abgebt. 3lu<h ift ber ©ang ber (Sreigniffe nicht ohne üBechfel
unb Spannung.
£ie beutfchen, italienifdjen unb engltfchen 3)taler in dlom: baS mürbe
ein Sieblingathema ber 3>erfajferin, roie aud) ihr bereits oorerroähnter
„SSenoenuto" beroeifi. Sie ^atte offenbar bie Slbfid&t, einen ©nfluä foldjer
ÄünfueruooeUen 5U treiben, bodj erfdnencn fie einzeln ohne jufammen*
paffenbe £itel. Qiextyx gehört „Jgelmar" (Berlin 1880), roelcheS $um
Hauptinhalt bie Siebe eines beutfchen Malers ju einer italienischen ©räfin
hat, beren $anb eT am Sdjlujj erwirbt, roährenb bie Einleitung ber ®e*
uhidjte auf ojfcpreuBifchem 93oben fpielt unb bie patriarchalifchen 3uftänbe
auf einem l5belf)ofe ber Jfteimatprooinj mit ibnliifchem 9Reij unb oteler
SebenSroabrheit f Gilbert, genier gehört fyextyx: „Stella'', (3 23be. 1883)
in meinem Vornan jroei ©efchidjten oerfnüpft finb, bie glücflich ablaufenbe
Samiliengefchichte eine* italienifchen ©rafenhaufeS unb bie tragifd) enbenbe
Her^enSgefdjichte eines 2J?äbchenS aus bem 3?olfe. £iefe nämlich, Stella,
liebt einen uomefjmen englifd)en 9Waler, SRilarbo, auf ben ein leibenfcbaft^
lieber junger Börner, ber ebenfalls Stella liebt, einen Sttorboerfud) macht,
babei aber Stella töbtlid) trifft. $rei SJlaler fpielen in biefem Vornan
eine 9Me: man möchte juriel ^talicn^ juoiel 2ltelierS, juoicl ^infel unb
Palette in biefen Äünftlergefa)id)ten finben. 3n ber (Sr$äl)lung „-Treue
Siebe" (1883) beroegte fia) bie Serfafferin mehr auf bem s3oben bes
idjlichten ©efühlS, ber einfachen £erjenSroahrheit : anjieljenb ift bie £elbin
Ulrife, welche burch ihre pflichttreue ben Sieg über bie fembltchen
©eroalten baoon trägt, ihr Seben ftören. &ier fpielt bie ßanblung in
SSejiphalen, unb aud) ^ier ift bas Socalcolorit rtihmenSroertf). 3n „$atcr
unb Sofm" (1881) $eigt fia; in »ielen Säuberungen, befonberS im
e^arafterbilb ber jungen Rumänin, baS Talent ber ^erfafferin. $odj ift
ber Stoff, ber an „bie beiben ftlingsberg" erinnert, eigentlich ein £uftfpiel=
ftoff unb bie 33eljanblung bafür ju ernft unb fajroer.
Huch auf bem ©ebiete ber touriftifchen Literatur, auf welchem fie
mobeme Lorbeeren errungen, fjat bie Schriftftellerin noch mehrere Erzeug;
niffe oeröffentIid)t, benen man biefelben ^orjüge nachrühmen muß, roie ben
früheren unb roeldje im ©runbe Ergänzungen berfelben bilben. Staden
unb ©nglanb finb unb bleiben bie Sänber, in benen fie immer roieber
einfehrt; nur einmal führt fie ihr 2£eg nadj ber ftönigeftabt im Horben,
unb ein anbereS 9)?al raftet fie am ^uroel ber Schweiber Seen bort, roo
fid) ber 3öuberblicf auf bie Saooner 3llpen auftl;ut. ffie sJieifeid)rtften
4$ Kubolf roti <8ottfd?alf in £etp3ig.
au£ fpäterer3eit finb: „fteifebriefe aus Teutfdjlanb, Italien unb granf-
reia?" (1880). ,,»om Sunb jum ^ofilipp" (1883).
Stile SBerfe ber ofipreuf$ifd)en Sdjriftftellerm laffen fidj unter einen
<jemeinfamen ©efidjtapunft bringen. Sie f>at fid) nid^t in verriebenen
bid^terifd^en formen oerfudtf; fie hat feine ©ebidjte, feine Dramen oerfaBt;
fic hat als tjerüorragenbe Sßrofaiftin in ihren SHomonen unb 9looelIen roie
in ihren ^eifefdjriften eine roohlenoogene, nie äfcenbfcharfe Äritif unferer
gefeßfd^aftlid^en 3uftänbe gegeben unb Reformen aus bem innerften ©rang
ihrer Üeberjeugung fjerauö geprebigt. 3l\6)t blofe in romanhafter ©in*
fleibung hat fie biefem Sleformbrang gefwlbigt, fonbern auch in felbft=
ftdnbigen Schriften über bie grauenfrage, roeldje baber ben Ärete U)rer
itterarifdjen Söirffamfeit oerooaftänbtgen. %n ihren „Dfterbriefen für bie
grauen" (1863), bie juerft in ber Siationaljeitung erfchienen, roenbet
fie fid) jum Sejten ber ununterrtdhteten, ber unerzogenen, ber in jeber
^infid)t oernachläffigten &anbarbeitermnen an bie unterridjteten unb er-
logenen grauen ber SSohlhabenben unb ©cbtlbeten. Sie nimmt fich ber
Sienfhnäbdjen an, unb bie sJiat(rfä)Iäge, roeldje fic ben ftauäfrauen unb
£öä)tern für bie $ef)anblung berfelben erteilt, jeugen ebenfo oon Humanität
wie oon @infid)t. Sie oerlangt für bie Tienftmäbdjen £ehre unb gort=
bilbung, Speifehäufer unb Verbergen für bie 3eiten, too fid) ein 3Jläbd)en
aufcer Tienft befinbet ober um einen folgen ju fudjen in bie große Stabt
fommt, ftranfen= unb 2lltcr$oerforgung3faffen, Vereine jur Unterhaltung
für bie Sonntage, bie oon gefitteten $erfonen geleitet unb übermalt werben.
Ter gleiche praftifdje Sinn, ber fet)r weit entfernt ift oon bem jungbeutfdien
4£manapationdbrange, fprid)t fidt> in ihren „Briefen für unb toiber bie
grauen (1871) aus. (Sine üftenge praftifdjer ©efidjtSpunfte wirb in biefen
33 riefen erörtert; baS Streben, bie grau ju bilben unb fie tüchtiger unb
beffer $u machen unb 3rcar ftets auf ©runblage ber ©rfaljrungen Oes
roirflichen £eben§ finbet überall einen flaren, beftimmten 2lu£brucf.
So tritt ba$ ©efammtbilb biefer Sdhriftftellerin oor un£ hin; man
mag fie in ihrer (Eigenart erfaffen unb nicht mit einem frcmbartigen
unb unpaff enben SWafjftab mejfen. 3iid)t auä einer überqucllenben £uft
am gabulireu gingen ihre Romane tyxvox: fie fajjte mit flarem Tenfen
(Srlebtcä auf unb fdjuf anbere ©rlebniffe aus ben ©ebanfen h^auS, Die
bei ihr ftets eine reformatorifche 9tid)tung hotten. $iyc Stil hat ftets etwa*
©ebiegeneS unb 9JiafeoolIeS; er hat SBarme, aber nicht ^egcifterung ;
fie wirft nicht Inn, fie fuajt ju überzeugen, ja ihre oerftanbeSmäfcige
Äritif serfefct oft ben Sauber jener SUufionen, an benen phantaficooüc
Naturen fid) ergehen, bisweilen felbft auf Soften beS poetifdjen Clements,
baS il;nen eigen ift. Tie SHomantif ber ifiebe liegt il;r ferner als bie
'^hvfiologie ber Ghe, welche fchon für ihre elften SBerfe charaftcriftijaj
mar roie für Diele fpäteren. ä£er geroöhnt ift mit fieberhafter £afl eine
gülle oon ©reigniffen ;u ucrfchlingen, welche ihm ein gefälliger 9tomanbid)ter
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janny £emüli>.
*5
oorfefct, her roirb bei gannn l'eroalb nid)t feine Medmung ftnben unb fid) mel=
leidet über bie magere unb bürftige Äoft beflagen, bie man auf iljrem ftoft-
tifd) finbet. 2Ber aber empfänglid) ift für eine 2tntf)eU roedenbe Gfjaratteriftif,
bie aümäljüd) mit ben ©ebanfengängen unb &er$en3gel)eimmifen ber oorge=
führten ©eftalten oertraut madjt unb fic un£ liebgeroinnen tefyrt, oljne
bajj fte un3 aufbringlid) in bie 2lrme gefdroben werben; roer für
ba£ 2Sot)(erfannte unb forgfam 9lu$gefüt)rte innerer Sßanblungen unb Um=
ftimmungen <3inn fyxt unb für eine jroar ntd)t oon (Sfprit funfelnbe, aber
bod) immer auf ba$ geiftig 33ebeutenbe gerichtete 2)arftellung: ber wirb
in ben Romanen ber Seroalb w>He 33efriebigung finben unb baS epifd)e
33etyagen, baä fie atlnnen, mit einer geroiffeu Sidjerfjett be$ ©enuffesi
nad&empfinben.
2>a3 aber roirb jebe unbefangene tfritif ber Ijoajbetagten 6a)riftfteüerin
jur 6tn*e nadjfageu müffen: fie fyit nie eine 3eile gegen if)re Ueberjeugung
gefdnneben, nie ben roed)felnben Meinungen unb Saunen beä £age£ ge^
nulbigt, nie ber (jerrfd&enben 9J?obe 3ugeftänbniffe gemalt. Unbeirrt ift
fie ifjren 2öeg roeiter gefd)ritten, con 3"9enb auf ftetä ein fefteS 3iel im
Sluge fjaltenb: Humanität unb ed)te 3reif)eit!
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Die pro^c^foftcn
<£inc Stuoie
ron
— rolinotcn. —
ii ben nacf>folgenbcn 3eilen foll ber SBerfucJ gemalt roerben, in
einer ber brennenbftcn fragen ber Giegenirart eine ^erftanbiguna,
(jerbcijufürjreu, eine l*erftänbigung, bie inbejj tyier wie überall
5iinäd)ft ein nolkä 2>erftänbnif? be£ «ctreitgegcnftanbeS norauSiefet. Unb
KK$t als irgenbiüo fonjl märe gerabe bei biefer grage ein nolleS SSex*
ftänbnife 31t nmnfdjen; benn ber Langel an r> ollem SSf.rftäntotij? trübt
nnb uerfälfd)t gerabe I)ier tagtäglid) baS gefunbe Urtr)eif.
SBir 3lnroä(te föimen faft taglid) bie (Srfatjrung maä)en, bajj in <yolge
ber ftetigen klagen fidt) baS icd)t*iud)enbe $u6Uftun ein ganj faljdje*
öiÖ) uon ben ^rojeöfoften mad)t. ftn ber £f)at fmb bie Soften beffer,
als iljr 9tttf. 3« iljrer Weiammtfjeit ftnb fie fanm auSreidjenb.
bie ttofteu beS ftaatlid)eu ^uftijapparateS bcden unb ben 9lnroälten ein
ItanbeSgemäjjeS Ginfommen ju fid)ern. Stuf bie Ginjelfälle aber fmb fie
— unb bal)er rühren bie häufigen unb bereinigten Htagen — fo unange=
meffcn unb 1*0 unbiltig uerttjcilt, bajj in üielen, nieten fallen ganj un=
angemeifene, ja oft gcrabeju fjimmelfdjreienbe ^iejultate fid) ergeben. Leiber
liegt es nun in ber 9iatur bes 9Renf$en bcgrünbct, bafe bie %ä\lc, in
benen bie Soften aufeer 2>ert)a(titi| Sur 6ad)e ftcljeu — |"o gerin gaud) itjre
3al)I gegenüber ber großen ftkiammtfjeit ift! — laute JUagen beruorrufen,
roäljrenb alle bie Salle, in benen ein nötigeres £ta$ftftmB jtattfiinbet,
mit 2tilIjd)U)eigcu uorübergetm.
3« rceldjem 5>ert)ältniB fallen benn bie Soften 5itr Sad;e fteljenV Xie
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Die prosefcf often.
4?
often fotten fo ücrt^ctlt fein, bcifc bie f (einen Sad&en wenig, bie größeren
Socken tnefn- Soften tragen, weil eben bie größeren <5ad)en mel)r Soften
oertragen tonnen. Leiter aber erfd)eint e3, namentlid) was bie .ftonormutg
her Anwälte anbelangt, atö eine ber erften ftorberuugen ber SHttigfett, baß
eine fangwierige mfirjeooüe £r)ätigfeit entfprecr)enb fwa) bejaht, eine einfaa)e
mübelofe Seiftung bagegen and) mit entfpredjenb geringem (Sntgelt bebaut
tuerbe. £tefe Slbjiufung nad) einem boppetten (SefidjtSpunft ift trjeoretifct) un*
oergleidjlid) fdjön. Unfere floftengefefce fdjtiefeen ftcr) berfelben an, unb fud>en
tf)r auaj naa) beiben Seiten l)in ju entfprea)en. Sel)en wir an einigen 33et*
ipielen, mit meinem (Srfolg!
3a; fjatte, ate idj noa) am £anbgeria)t 5U tfyätig mar, etneS Xage*
brei SBedjfel für ben namlicf)en 5ftanbanten cinjuflagen, 2Bed&fet über
17000, 14 500 unb 11000 9Kf. Xie ©adjen gelangten gfeidj beim
beginn ber <Sifeung jutn Aufruf, unb in weniger al£ brei Minuten waren
bie Urteile erwirft. 3Heine ©ebürjren betrugen 340 Wl f.; bie (*ntrüftung
meinet 3Kanbanten glaube td) nod) t)eute ju fel)en. %n berfelben Sifcung
jianb aud) einer von beu rrielen Terminen an, in benen id) bie i)ted)te
eines Sdjäferg ju oertreten I;atte, ber mit bem ©igentt)ümer feiner beerbe
in Streit geraden mar. Der SWanu flagte feinen £irtenloIm non etroa
30 9Hf. ein; ba$ 2lmt3gerid)t rjatte il)m nur 12,50 2J?f. juerfannt, unb
er tjattc bagegen Berufung eingelegt, Der (5igentf)ümer fanb ben Sofmfafc
an fia) ju r)od); e$ feien aud) $u Diele £age in 9iea)uung gefteüt. Dann
aber tjabe ber Schäfer jugefagt, für bie &ütung ber @d>afe ©aaren bei
bem Gigentfjümer, ber gleid^eitig einen flehten Specereifjanbel betrieb, &
entnehmen, r)abe aud) oerfdjiebene Sßaaren entnommen, aufeerbem ein Dar=
lefcn erhalten. Den (Empfang tos Darlehens fonnte mein Sa)äfer nid)t
befreiten, weigerte fia) aber, baäfelbe auf feinen 9(rbcit§tor)n oerredjnen 511
lajfen, jumat e£ nodj nidjt gefünbtgt fei. SSaaren tjabe er atterbing* ent=
nommen, bem aber [tünben anbere Seiftungen feinerfeite gegenüber; fjabe
er bod) im »ergangenen 3ar)re Arbeiten auf bem Gmte feinet ©egners
angenommen, wofür er nadj übergebener 2üiffteüung 115,50 W. 5U er=
falten ^abe; es fei irmt hierauf nur 73,95 3Rf. baar gejagt, unb aua)
gerbet oereinbart, bafi ber 9?eft an SBaaren $u entnehmen fei, unb nun
habe er bie fraglidjcn Söaaren auf biefen 9teft, nia)t aber §ur 9lnrea)nung
auf feinen .§irtenlor)n entnommen. Die Entgegnung hierauf — . . . boa)
ia) will bie ©ebulb meiner Sefer nid)t mit einer Mögen 3lufjäI)Iung ber
ctreitpunfte ermüben; e5 genüge anjufüfjren, ba§ in biefer Sad)e 14 ober
15 oor bem ®eria)t oerljanbelt würbe, ba^ jebe 3>err)aublung eine
langwierige Vorbereitung erforberte, bafj meine Partei fia) wenigftenS
^n>an3igmal mit mir über bie Sad)e befprea)en mufete, ba§ bie fdjrift*
lia)e girirung ber Streitpunfte ein btcfeö 3lftenrjeft füllte, unb bafe biefe
Öemü^ungen fa)liefelid) tarmäfjig mit — fea)ö Wart entformt worben fmb!
^ wären nid)t fed)^ Warf gewefen, fonbern oier, wenn nid)t ein Xu^enb
Korb unb Sitb L., 14S. 4
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^8 Kedjtsanroalt 33. IToeft in Solingen.
3eugen waren »ernommen werben. Unb bodj befdjroerte fidj mein (Slient, .
als er ben $rocefe t>ertoren ^atte, bitter über bie &öhe ber Äoften. ^er
9ftann fyatte allerbingS von feinem ©tanbpunfte nid)t Unrecht; fyatte er
bocb aufeer meinem Honorar ein gleiches für ben ©egenanroalt unb 7,20 'Sit.
an ©erichtsfoften aufjuroenben gehabt, aujjerbem aber an Auslagen (SabungS;
foften, Sdhreibgebühren, $orti, 3^U9«n9ebü^ren/ ^SfänbungSfoften) mehr
als 40 Tit. bejahen muffen, fo ba§ ber geringfügige ?$ro5ef$ i!m mehr
als 60 Tit. gefoftet hatte!
3d) gebe gern ju, biefe beiben gäHe finb ertreme; aber gerabe bie
ertremen ftälle finb es, meiere laute fllagen ^eroorrufen, unb biefe ßlagen
rieten fich bann nicht gegen bie UnbiQigfeit im <Sin$elfatt, fonbern gegen
bie angebliche $öhe beräoften überhaupt.
©ehen mir nun baju über, unfere floftengefefee rennen ju lernen, ü)re
SBorjüge unb it)re großen gehler ju betrauten, unb fchliefelict) Darüber ju
ftatfje ju get)en, roie biefe 5>orsüge bemalt, biefe get)ler aber befeitigt
merben fönnten. SSerjeihe mir ber geneigte Sefer hierbei üon nom herein,
ba£ icr) als ^Rechtsanwalt baS mir 3unäd)ft Siegenbe, bie 9lnwaltSge=
büfjren, uorsugSweife in 23etract)t jiehe!
XaS, tr)eoretifö^ fo fd)öne, ^ßrinctp unferer floftengefefee ift alfo. ba§
bie 5toften befto pt)er fein fotten, je gröfcer baS Sßrocefjobject ift, unb
wieberum befto höh« fein foüen, je größer ber Umfang beS ^rocejfeS ift.
9iun ift aber btefeS, tbeoretifd) ia fo tjortreffttd^e, ^rinjip leiber praftifa)
gan$ unausführbar. 3)ie gebadeten ©efefce fyabcn es bur<fy$ufüf>ren üerfudjt,
unb fte haben ftatt ber erftrebten 3lngemeffenf)ät ber Äojten bie !raffeften
Unebenheiten fjeroorgerufen, oft bie geringfte 5Rür)e mit unnerhältmfjmäfjig
hohem £ot)n, oft bie größte Wlüty mit fläglid) geringem (Entgelt bebadjt;
oft baS Dbject burd) Soften oerfd^Iingen laffen, unb oft für bie fd)leunigfte
unb erfolgreiche &ülfe üerfct)minbenb geringe betrage angefefct!
Um junäd)ft bie Soften nad) ber ©röjje ber ^ßrocefjobjecte ab jufhifen,
greift baS ©efefc &ur SMlbung beftimmter Kategorien, fog. 3£erthfiufen.
Sie erfte 2öertr)ftufe begreift bie Cbjecte bis ju 20 Tit. einfdjliefelidj, bie
zweite biejenigen bis ju 60 Tit., bie britte bis 3U 120 Tlt; bie fünfte
5Uaffe greift oon 200 bis 300 Tit., bie sehnte non 1200 bis 1600 Tlt
3eber biefer (Stufen entspricht eine fefte ©ebühr, fog. $ßaufd)gebühr,
unb $war beträgt biefe ©ebül)r für bie oben herausgegriffenen 2Berth=
(rufen :
1 2,40 4,60 11 unb 38 Tit. für baS ©eridjt,
2 3 4 10 unb 32 Tlt für ben 2lnwalt.
me unooUfornmen biefe Slbtheilung nach »rthltufen it)rem 3wecf ent*
fpridjt, werben mir in Der gotge fct)en, 9Iocr) weit unoollfornmener aber ift ber
gefefclia> ed)emattSmuS, roo eS fich barum t)anbelt, bie floflen nad) bem Um=
fange beS ^roceffes, nach ber 2öeitläufig!eit ber ©adje abjuflufen ; hier gerabe
fdjlägt bie theoretische Crbnung in bie beut 6ar größte praftifd)e Sßtberfmnigreit
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Die pro3c§foftcn.
49
über. «Statt ber unenbltd&en SJiannigfattigfeit ber gäße aua? nur einigen
Spielraum ju geroäfjren, Reibet ber ©efe&geber ben ^Jroce§ in 3 ©tabien
unb beftimmt für jebeS ©tabtum bie einmalige $aufa)gebüf)r, in ber oben
angegebenen ^öl)e. 3>a3 ©eridjt ergebt bie jeweilige ^3auf($gebüf)r für bie
33er&anblung, für bie Beroetequfnafmte unb für bie ©ntfdjeibung ; ber Anmalt
ergebt fic für bie ^rocefjleitung, für bie Berljanblung unb für bie Beweis
aufnähme nebft Darlegung berfelben. SDian braucht fidt) nun lebiglid) eine
33orfteflung baoou -m machen, was 9lße$ unter einer folgen Kategorie ent*
galten ober audj nid^t enthalten fein fann, um fo viele klagen über bie &öf)e
ber ^rocefefoften ju oerftet)en unb ju mürbigen. Bon ben beiben oben bar*
gelegten Beifpielen waren im erften gaße, im SHed&felprocefe, Vi* (Statten
be$ SßroceffeS in einer fwt)en Söertljftufe burcr)gema<$t, wäfjrenb ber $rocefs
bed (SdjäferS 3 <Stabien in einer niebrigen 2£ertljftufe erfüllte; in beiben
gäflen ift bas 2Rifeoerl}ältnifj ber Äoften in bie 2lugen fpringenb.
Unter ber burä) bie jeweilige $aufd)gcbüt)r $u entgeltenben ^rocefes
leitung be$ Anwaltes ift 3U r>erftef)en fein münbttdjer ober fd)riftli#er
«erfetyr mit ber Partei, bie gertigung ber klagen unb Sdjriftfäfce,
enblid) bie Beaufficftigung unb Betreibung ber Saa^e burä) Sabungcn,
3ufteßungen, Mitteilungen. (Sin Xljeil biefer 9JhUiemaltung ift fiber=
roiegenb medjanifdjer, ein anberer übermtegenb geiftiger 9totur. @£ ift aber
flar, bafc bie geiftige fowoljl als bie medjanifdje £ljätigfeit in bem einen
#afle fefyr umfangreich unb fd)wierig fein wirb, in bem anbern gaße ba*
gegen faum merflia) ift. 3n bem einen ^rocefc genügt es, bafj ber
SRanbant einen RedmungSauSsug beibringt, melden ber 2lnwalt prüft unb
feinem Bureau jur weiteren Besorgung übergiebt; in einem anbern
gaße erforbert bie (5ad)e bie ©rforfcfmng eines oerwtcfelten ^atbeftanbe^,
ein Stubium |d)wieriger Rechtsfragen, eine mannigfache, anftrengenbe, aß;
jeitige Bemühung. 2£äre es ba nid)t bie erfte 5or^eru"9 Der Billigfeit,
baß in bem teueren gaße baS Honorar ein Arnual ^ö^ere» märe, als in
bem erfteren? Unter ©efefo genügt biejem <£rforbernif} aber in feiner Steife,
ftanbelt eS fiel) um baS nämliche Cbject, fo ift in beiben, einanber faum
gleich ju fteßenben Säßen baS Honorar baS gleite; finb aber bie Cbjecte
oerfchieben, fabelt es fidj etwa im erfteren gaße um 2000, im lefeteren
#aße um 20 9JIf., fo ift bie mürjelofe Xljäigfeit im erften gaße mit
36 3Rf., bie 3Jtuf)e bes $weiten gafleS mit 2 9Hf. entlohnt. 2Bäl)renb
in bem einen gaße im föanbumbrefjeu eine l'iquibation entfterjt, bie man
fid) fdjämen möchte ju präjentiren, wirb im anberen gaße bie (Stunbe
geiftiger anfpannenber X^ätigfeit mit 20 Pfennigen unb weniger gelohnt.
Unb um nichts beff er ftebt es mit ber B e r h a u b l u n g S g e b ü h r ; auch
tner baS offenbarfte SJftfwerhältnift jwifchen Seiftung unb Öolw, oft hoher gofm
für geringe fieiftung unb oft eine Xagelöhnerbesafjlung für mütjeooße
geiftige Arbeit. Zuweilen mu6 oer Client für eine einjige Berl)anblung
50 3Wf. erlegen; aber wie oft fommt es Dagegen uor, ba^ nad) ,^ebn ober
4*
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50
HedjtsaniDalt 33. ZTocft in Solingen.
jmölf Terminen, beren jeher eine eingefjenbe SSorbefpredmng unb Vorbereitung
erforberte/eine (Scbü^r oon 3 ober 4 3J?f. fällig geworben ift! Steigt oft bem
91 n matt mit SHedfot hierüber ber Unmutf) auf, fo mag er fidj bamit tröften
ba§ bie erfteren %aüt bie lederen au^gleidfoen, unb fajliejjltdE) ein ange»
mcjfeneä ©efammtrefultat erhielt wirb, $em Sftanbanten bagegen fann man
c$ ntdjt oerargen, wenn er in bem erfteren $aHe laute klagen ergebt. 9fur
gefjt er in 99 unter 100 gäflen ju weit, inbem er nidjt bie unbillige 2Birfung
ber Äoftengefefce in feinem ftalle, fonbem generell bie ^>Öt)e ber Äoften
besagt; er glaubt f elber unb oerleitet aua; feine Mitbürger ju bem irrigen
©lauben, alä fei ein burdjgreifenber Sftifjftanb oorfjanben, ber nur buraj eine
grünblidje £erabfefeung ber Soften 511 begeben fei. 2Ber unfern obigen
2lu£füf)rungen gefolgt ift, nrirb erfennen. wie feljr ber SJZann im Srrtfjum ift,
aber aud), wie )*ef)r reform b eb ürftig unfere ftoftengefefce finb. 3^
wenigftenä, bie Soften ber 9Jlüf)ewaltung möglidjft angaffen, fyaben fie
mit i^ren brei ^aufd^gebüf)ren oollftänbig oerfeljlt.
2tber aud) mit bem anberen sJ>rincip ift co nidjt beffer gegangen, mit
bem $>rincip ber 2lnpa|fung ber @ebüf)ren an bie £ölje be£ Streitgegen*
ftanbeS. 2öiU fid) ber geneigte Sefer bie üftülje mad)en, unfere Skmerfungeu
über bie SBertfrftufen ju recapituliren, fo nn'rb er ftnben, bafe nad) bein
gefefelidjen SdjcmatiSmuS ber Sßrocefe über 5 W. genau fo oiel foftet,
wie ber über 20 9)if., ber ^rocejj über 21 W. aber ebenfo oiel wie ber
über 60 *D?f. Unb bodj gefjen Soften, bie bei einem Streitwerte oon
60 9Jif. angemeffen finb, bei einem betrag oon 21 2Jif. über alles <Sv*
träglidje fjinauä. Xaä ift alles 2tnbere eljer als 2tnpa|fung ber Äoften an ben
Streitwert!)! Unb bodj wäre mit einer genaueren 2lnpaffung ber ©ebü^ren
nodj wenig geholfen; bie fidt) immer gleidjbletbenben 2luSlagen oerberben
bie ganje iHed)nung. Söofjer fommt bie allgemeine Klage über $rocefefoften
bei geringen Dbjecten? weshalb f)at mein Schäfer mef)r als 60 2Hf. für
feinen Meinen Sprocefe ^a^len müffen? 2)ie ©ebüfjren waren io gering, ba£
fie für bie erljeblidje 9Jtül>emältung eines afabemifdj gebilbeten Wannet
wie &ofm dingen; fein 2k5t würbe für gleiten £ofm eine gleidje Sfjättgfcit
übernehmen. 2lber nun eridjeinen bie 2luSlagen, bie in flehten Sadjen ganj
biefelben finb wie in ben größeren; in ben größeren Saasen bilben fie ein
blofceS 2liU)ängiel ber ©ebüfjren, bei fleinen Sadjen aber brängen fie bie
©ebneren gänjüd) in ben &intetgrunb, unb fie finb es jumeift, bie „bas
Cbject bura) Soften uerfd)lingen." <3ft aber aud) biefe Älippe glücfltcf)
oermieben, fo fdjjlagen fdjliefjlid) bie ©eridjtsfoften, bie ©ebüljren beiber
2lnwälte, bie l'abungS^, ^fänbungS* unb ScitreibungSfoften, bie 3cugens
gelber, 2llIeS über Ginem Raupte Mammen; unb wenn fo alle Soften auf
©inen 2)?ann getrieben werben, auf bie unglüdlidje oerlierenbe Partei, ba
mu§ allerbingS aud) bei ben geringfügigen ©cbüfjrenfäfeen in fleinen
Saasen bie 3(ngemeffcnl)eit ber sJ>rocefefoften ju bem äi>ertt)e beS Streitgegen=
ftanbeS ein frommer, ein feljr frommer ©ebanfe bleiben! —
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Die pr<>3e§fofkn.
51
$a$ fittb unjerc Koftengefefce, iln* fchöneS ^rincip unb ihr wenig
erfreuliche^ 9tefultat. ©egen biefeS Enbergebnifj ift oor Kurjem ein
©efefcentrourf in'S gelb geführt roorben, welker im 3öefent[td)en golgenbes
oorfchlug: (Sine r)albe ^aufchgebühr beä 2lnroalte£ fommt in Fortfall, in
$erfäunmifefacben toirb bie 93erhanblung£gebfihr oon fünf 3ehuthttkN auf
brei 3*()ntf)eüe berabgefefet, bie Schreiberlöhne be£ 9lnroalte$ roerben ihm
nicht erftattet, feine SReifefoften ermäßigt, bie ©erid)töfofteu bleiben bie
nämlichen. Es roar bieS ein 9iecept, geeignet SlUtnben 511 fchlagen, rtict)t
2£unben $u Reiten. 2Bärc biefer Gntrourf ©efefe geworben, fo roäre ber 2lns
roaltjumb, beffen Stellung ohnehin feit ^aljrjefjnten ntc$t fo prefär geroefen
ift, roie jefet, auf bie Stufe eines geiftigen Proletariats gebraut, bem
^ublifum aber roäre bodj nicht geholfen roorben. £enn eine jur Seiftung
aufcer allem Verhältnis ftefyenbe h°he ©ebülu* roirb nidt)t baburdj erträgt
lieber, bafe man fie um einige 9Jlarf ermäßigt, unb ebenforoenig roirb ber
Öefefcgeber begrünbeten Klagen baburch gerecht, bafj bie Soften ftellenroeifc
ftort 100% beS StreitroertheS fortan nur 95% beSfelben betragen roürben.
Ta roo Klagen berechtigt finb, l>atte bie SRooeHe feinerlei roefentliche 21b*
hülfe gefcr)affen, bagegen roare in taufenben oon gaUen bie jefct fcf>on un*
angemeffen geringe Entlohnung beS SlnroaltS noch wnt einige ©rabe färg*
lia)er bemeffen roorben. £urch einfeitige sJiebuction einiger Säfee fann
ba nicht geholfen werben, roo baS ganje Softem fo fehr in feinen SBurjeln
franft, bafj bie finnreichften ^rineipien ein ijerrbüb, ein roiberfumiges
^efultat ergeben.
II.
$ae mangelhafte, ben SSerhältniffen ber ©injelfälle fidj nicht genügenb
anfdjmiegenbe Softem unferer Koftengefefce ruft, roie roir gefehen tyiben,
in Verbinbung mit ber $öhe ber 2lu3lagen, felbft bei Keinen Dbjecten,
unb in Verbinbung mit bem Sßrinrip ber Koftenabroäljung auf bie oer*
lierenbe Partei bie lebhaften Klagen über bie &öf)e ber procefcfoften
heroor, Klagen, bie in oielen Einzelfällen berechtigt finb, aber bodj mit
Unrecht generalifirt roerben. Eine 9lbf)tilfe biefer Klagen ift auf bem
2Sege, welchen bie 9?ooelle 00m Qabre 1886 einfchlagen rooüte, nicht ju
erreichen; vielmehr ift burapgreifenbe 2lbf)ülfe nur ju erroarten oon einem
Verlaffen be£ fehlerhaften Softem 3. Unb fo erroädjft uns jefct bie
fchroerere Aufgabe, barjuthun, roie fid) eine beffere Vemeffung unb 2lb-
ftufung ber Koften erreichen liejje.
9iun roäre nach 3Tnficr)t beS VerfajferS fchon eine ganj roefentliche
Verbefferung ju erzielen, roenn man ben fchlimmften gehler be£ geltenben
Softem^, bie Starrheit feiner 2Bertf)ftufen unb ^aufchgebühren
abflogen wollte. 35enn e3 ift roiberfinnig, oon einem ^rocefj über 21 2Jcf.
biefelben ©ebühren ju erheben roie oon einem foldfcjeu über CO Uflf., unb
nicht minber roiberfinnig ift e$, für bie Vernehmung eines einzigen 3euöen
biefelbe ©ebühr roennf bie 2Bertr)ftufen gleich, oieüeicht fogar bie sehnfach
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52 Hedjtsanroalt 23. Tioeft in Solingen.
f)öf)erc ©ebüfjr wenn bie 2Bertf)ftufen oerfdjieben finb , 51t gewähren, rote
für bie SBernefjmung oon $wölf Senden in einer anberen 6aä)e. Um
folgen Söiberfmnigfetten 3U begegnen, madje man bie 2öertf)ftufen unb
^auidjgebüfjren gefdjmeibiger gegenüber ber 9Jtonnigfaltigfeit ber (SinjeU
fälle, man fel)e fie ate baS an was fie nnr fein fönnen, al$ dornten,
niä)t at§ fefte SJtofeftäbe, ba fie in ber £l)at feine conftanten ©röfcen fmb.
©3 wäre leiä)t burdjjufü^ren unb würbe fo mand)er Älage bie Spifce
nehmen, wollte man ftatt naä) weitfaffenben 2Bertf)ftufen eine $emeffung
ber ©ebüf)ren naä) ^rocenten be$ ©treitgegenftanbeS oorfd)retben ; wer
über 21 2flf. proceffirt, t)ätte bann ceteris paribus aud) nur ein drittel
ber Soften $u tragen wie ber, ber über 60 proceffirt. ^nbeffen wäre
e3 reicht, einen (Stritt weiter ju tl)un, unb, wenn einmal naä) ^ßrocenteit
beä Streitwertes gemeffen wirb, ben ^rocentfafc etwas glei<$mäf$iger 511
geftalten, unb baburä) bie t leinen Dbjecte §u entlaften. Die heutige
^aufä)gebüt)r für jebeS ^rocefjftabium beträgt bei einem \itrevtmertfje 001t
2 »H.
2 m.
= 100 "/u beS
8treitgegenftonbe§
20 SRI.
2 aw.
= 10 0/0
s
21 3»f.v
3 9Jlf.
= 14%
60 sjh.
3 m.
=■ 5 °/o
120 <mt
4 30.
= 3 «;«
121 sjh.
7 3Wf.
= 6>
-
1 600 SM.
32 3Wf.
= 2u/o
16000 m.
80 SM.
= y2 °/o
Säre eä ba niä)t angebradjt, bie
Keinen Dbjecte ju entlaften, unb über=
all eine ©ebüljr oon 3 <M> für jebe^ ^Jrocefjftabtum ju ergeben? ober, roifl
man niä)t fo rabifal uorgetyen, bie l)öä)ften Streitwerte immer mit 2°/o,
bie geringften aber niemals mit mefjr als 5% ju belaften?
3n gleicher aßeife mären bie für jebeS ^rocejjftabium beftimmten
<ßaufä)gebül)ren um$ugeftalten. Die @ebüt)r ift Ijeute unabänberlidfj oor=
beftimmt. Sie beträgt bei einem Streitwert*) 3wifä)en 200 unb 300 3Jif.
für bie ^rocejjleitung beS Anwalts 10 3flf., niä)t mefjr unb nidf>t weniger;
mag bie ^rocefjleitung in ber faft medjanifdjen gormulirung einer einfad&en
ftlagefä)rift befielen, ober mag fie weitgreifenbe Stubien, anfjaltenbe, im*
auSgefefcte 9ftül)eroaltung erforbent. 2BeSf)atb biefclbe ftarre ©ebüfyr, wärjrenb
bie 9Hüf)cwaltung, bie fie oergüten foH, nidjts weniger als oorbeftimmt ift ?
©erabeju notljroenbig ift es, will man niä)t £ag für £ag bie anfdjetnenb
begrünbetften klagen f)eroorrufen, biefen ftarren ©ebüf)renfäfeen eine gewiffe
^atitübe ein3uräumen, ein minimuni unb ein maximuru feftjufefcen,
jwifdjen wetzen beiben je naä) ben Söefonberfjeiten beS Einzelfalls bie ©ebü^r
311 bemeffen ift. Dann enblid) wirb ber Hnwalt niä)t me^r genötigt fein,
tyeute für eine geringe 3Jiül)e anftöfetg ljol)e ©ebüljren ju ergeben, unb
bafür morgen fid) für eine lange mü^euolle XJättgfeit mit einem jammer*
ooUen ©ebüljrenfa^c abfinben ju (äffen.
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Die prosejjfoften.
53
25iefe beiben ISorfötäge, bie Semeffung ber ©ebüf>ren nad)
^rocentfäfcen beS (Streitwertes, unb bie iöeftimmung oon
.§öd>ft; unb SJHnbeft* ©ebüf)renfäfceu feinen fid; allerbingS cinanber
auSjufdjliefjen. Bebe einjelne biefer 9ieforroen würbe nun für ftd; allein fdjou
ben heutigen Uebelftanb burdjgretfenb inilbern; tnbeffen ift eS burdjauS ans
gängig beibe Reformen miteinanber $u oerbtnben. 3U biefem 3wede
möge man ^olgenbeS erwägen.
9tod) bem tfjeoretifct) richtigen fßrineip unferer Jtoftengefefce follen bie
©ebü^ren einerieits bem SSertlje beS ©trettgegenftanbes, anberfetts bem
Umfange ber £fyatigfeit entfpreerjen. 3MefeS 2)oppelprinäp rjat jebodj baS
3Hij$lidje, bafj es aud) tjier unmöglidj ift, 3meien Herren 3ugleid) ju bienen.
Xem 3<ifjtongSpflidjtigen erfdjeint nad) üerseifuidjer menfdjilidjer <Sdjmäd>e
jebe 3ötyung, bie er leisten mufc, efjer su fwdj als 3U niebrig, unb unfere
Xoppelbemeffung geftattet it)m, fidj nadj belieben auf ben einen ober ben
anberen ©tanbpunft ju ftellen, um fein 2Kijjoergnügen ju begrünben.
9Jun mujj na# unferem Eoppelprinap bei einem fjofjen Dbject bie ©ebüln:
l'elbft für eine geringe 2Jrüf)ewaltung eine gemiffe &öf)e meinen; ebenfo
imm aber aud) bei einem Keinen Dbject bie ©ebütyr für eine bebeutenbe
SRüljewaltung im 8erf)ältmj3 $um ©trettgegenftanb fyofy erfajetnen. 2luf
biefe Sßeife bietet ftd) bem 3af)lungSpfIid)tigen ein anfd&einenb ganj be*
grünbeter 2Inlafe, bie ©ebürjr als ju fwdj ju oerfdjreten, iubem er fie ganj
naa) belieben balb nur mit bem Streitwerte oergleidjt unb bie bebeutenbe
2Jiüf)ewattung aufeer 3Idj)t läfct, balb mit ber geringfügigen 9)iül?e oergleicrjt
unb ben tjorjen Streitwertf) oergtfct möchte behaupten, bafc bie 9Jtef)r;
>ar)f ber Sefdjwerben auf biefe wtllfürlidje 2Sa^l beS StanbpunfteS 3urücf=
jufüljren ift. 3<$ barf an bie (Eingangs oon mir bargelegten beiben JäHe
eiinnem. 2Wein großer SÖedjfelprocefj erjeugte löefdjwerbe wegen bes
3Rijjöerr)ältni|feS meiner geringen Srjätigfeit 3U ber jäoljen ©ebüln-; bat*
ein fo r)ot)eS Dbject in grage ftanb, würbe oon meinem SHanbanteu nicr)t
genügenb bebaut. £)er Sd)äfer bagegen flagte über baS fdfflieBlidje SMifc-
oerfyältnife ber Soften 3U bem geringen Strettgegenftanb, wätjrenb bod;
wa(>rüdj meine müfjeoolle ^ätigfeit farg genug bejaht war.
Sflun gäbe es meines SradjtenS wotjl ein Littel, um unter 33eibe=
Haltung beS an fia) ja oortrefflidjen XoppelprincipS biefem SRigftanbe ab=
Reifen, llnfer 3)oppelprinctp, 2lbflufung ber Soften nad) bem Streit--
roerttje unb nad) bem Umfange ber Xfjätigfeit, ift nämlidj eben fo uor=
trefflidj unb praftifa) für bie Semeffung ber ^kocejjfoften im ©anjen, aü
fe^ler^aft unb unausführbar für bie $3emeffung ber ©eria)ts= unb ber
Slnwaltäfofien je für ficr). $ie ©erid^tsfoften werben oon bem red)tfucr)enbeu
^ublÜum mit !Recr)t als 3ufti5fteuern betrautet, welche oon einem Ijoljen
Cbjeft^och, oon einem geringen Cbject gering 3U ergeben geredet unbnatürlia)
erfdjeint. ©0113 anberS aber ift es mit ben 2lnwaltSgebül)ren. 3um 9iea)te=
anwalt fommt baS $ubli!um wie jum 2lrjt, es bejaht itmt feine XJ)ätigf eit.
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Hedjtsartroaft 8. Hocft in Solingen. - —
(Sl ift1 mof)l geneigt, eine aufopfernbe, müheooUe X^ätigfeit reidjltdh §u
vergüten, fclbft bei einem geringen Dbject; el empftnbet el bttgegen all un-
billig, wenn für eine ganj geringfügige £t)ätigfeit, menngteid) bei fjoljem
Streitgegenftanbe, eine lwhe ©ebü^r in 9ted)nung geftettt wirb.
Hub biefem vJied)tl= unb iöilligfeitlgefühle fdjlägt unfere jefeige ©ebühren:
orbnung gerabeju in'l ©efi^t. Sie bemifct ©eridjtlfoften unb Slnmaltl;
Honorar nad) ganj benfelben «ßrineipien, wäfjrenb bodj bei ben erftereu bal
Cbject, bei bem lederen bie^atigfeit cl ift, na<$ meiner ber Zahlungspflichtige
mit dlefy feine 3al)tungäpflic^t bemifjt. ^eformire man baher biete ©e=
bührenorbnung bahin,bafj bte©erid)tlfoften wefentlidj na$#öhe
bei Streitgegenftanbel, bie 9lnwaltlgebühren ober wefentlid)
nad) bem Umfange ber 2l;ätigfeit bei 9lnwaltl bemefien werben!
Sie ©eri.djtlfoften feien wefentüch nadj ber &öl)e bei Streitgegen=
ftanbel bemeffen; nur, mödjte idj vorfdjlagen, mit Unterfdneb banad), ob bal
Urteil ofme Streitoerhanblung im Sßerfäumnifwerfahren ergebt, ober ob
eine Strettverljanblung ftattfinbet. SBenn ber Kläger gehalten ift, 5% bei
Streitwerte! all Öeria^tl!oftenoorfd)u6 einjujahlen, unb ber $3eflagte,
weldjer ben 2lnfprud) beftreitet, ebenfall! 5°/o bei Streitwerte! ju erlegen,
fo wirb bie ©eridjtlEaffe mit ber ©rhebung von 5% bej. 10% bei Streit;
werthe! ftatt ber bisherigen (Gebühr fdjtverlidj einen 2lu!fall erleiben, wäfjrenb
cl eben fo wenig jeber ber ftrettenben Parteien jur übermäßigen :öefä}werbe
gereichen wirb, 5% bei Streitwerte! all ©eridjtltoften jn erlegen.
2)ie Slnwaltlgebüljren bagegen feiert hingegen wefentlid) nach ber
Xl^ätigfeit bei Slnwalt! bemeffen, mit ber Unterfd^eibung etwa von Sachen
großen, mittleren unb geringen Streit wertfjel. $rei ©ebührenfäfee, ent*
fpredjenb biefen brei Kategorien, feien vorgefehen für bie gormulirung ber
Klage; unb (5in(affunglfd)rift, für jeben Dermin unb für jebe SBafation, b. h-
für iebe Stunbe in anberer SBeife auf bie Sache verwenbeter Xl)atigfeit. Xa
aber bie 2lbfaffung einer Klagefdjrift, bie 3Bahrnehmung einel Xerinml :c.
in ben verfd^iebenen ©in^elfäHen ein feljr verfd)iebenel 3Jlaa& von ^hätigfeit
erforbert, fo fei jebe ber hierfür beftimmten ©ebühren mit einem £ödjft=
unb einem 3)Unbeftbetrage aulgeworfen.
(Sine berartige Drbnung ber (Gebühren, bal glaube td) annehmen
5U bürfen, würbe geftatten, bie ©efammteinnahme bei ^uftijfilful unb
ber Anwälte auf ber billigen &öf)e $u erhalten, von ber fie ohne
Sdjäbtgung ber äufaSPflege unmöglich abgeben fonn, unb gleichwohl bie
klagen bei ^ublifuml ju beheben, ba biefelben wefentlidj auf ber iefeigen
fehlerhaften Slbftufung ber Soften beruhen. 2&ünfchenlwerth wäre el bann
noä), aud) bie beiben weiteren Duellen berechtigter Unjufriebenheit ju ver*
ftopfen: bie jefcige £öf)e ber 2lullagen felbft bei geringen Dbieften, unb
bie fä)liefeltd)c 2Ibwäl$ung ber Roften auf eine Partei.
$ie Stullagen finb el, welche vordem bie fleinen $roceffe ver*
theuern, ba fie in f leinen s£roceffen benfelben unoeränberlidhen Safe auf*
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Die pro3C§f often. 5f)
weifen rote in großen. $ur$ zweierlei Littel ift bem Uebelftanbe ab=
Reifen. §inmal foHten überhaupt bie ^lu^Catjen etngefcr)ränfr werben, wenn
ber Streitwerth gering ift; unb fobann follte man bie 2lu3tagen in f leinen
Sachen tfjeilweife auf bie größeren Saasen abwäl&en. 60 fonberbar ba$
ledere flingt, fo einfad) ift e$ burefouführen, inbem man bie regelmäßig
unb annät)ernb gleichmäßig wieberfehrenben 2lu3lagen, wie 3uftellung$foften,
Nortis unb Sdjreibgebühren nicht befonberd liquibiren läßt, fonbem an
it)rer Stelle einen 3uWa9 Su oen ©ebürjren bewilligt, meldte ja bei ben
©erichtsfoften burchauä, unb einigermaßen auch bei ben 2lnwalt3gebühren, mit
ber §öl)e beä Streitgegenftanbea fteigen unb fallen foHen.
(rine ßinfehränfung ber 2lu£lagen in fleinen Saasen ließe fidr) leidet
burch Vereinfachung cor SlHem ber 3ufteHungen bewirten. Sobann märe,
rooJ allerbingä im SBefentltcfjen nur burcr) ©erichtsgewofmheit §u erreichen
wäre, auf eine 23efcr)ränfung beä Sd>rcibwerte unb oor Mem auf eine
(sinfa)ränfung be$ foftfpieligen 3euÖen^erDC^feö in Weinen Saasen ju galten.
SBerben, nacr)bem auf biefe SBetfe bie ©ebürjren angemeffener abge=
ftuft, bie 2(u$lagen oerminbert finb, bie fämmtlidjen ftoften ber oerlierenben
Partei auferlegt, fo wirb fie an biefer ftoftenlaft erl)eb(tdt) leidster al£ gegen-
wärtig 5U tragen haben. Unb bodj wäre worjl al3 Sdt)lußftein ber Reform
su erftreben, baß mit ber unfeligen 9JIetr)obe gebrochen werbe, bem uer*
lierenben ^t)eil unter allen Umftänben bie gefammten Soften, bie
®eria)t^fo ften,bie. Sofien b eiber Anwälte, fämmtlicheSluSlagen beibe r Xtyeik
$ur £aft $u legen, ©3 liegt biefer SJiaßnahme wie ben meiften unnötigen
3Jtoßnahmen ein berechtigter ©ebanfe $u@runbe: wer einen ungerechten
^3roceß füt)rt, ber fou* feinen ©egner nicht burcr) feinen ungerechten Angriff
fdjäbigen bürfen, er foU it)m jum SDiinbejten ben fofort liquibe ju ftellenben
Schaben, feine Auslage an ^Sroceßfoften, vergüten. 9c*un befielt aber, eben
fo wenig wie bie Ält nur au£ Ingeln unb Teufeln ä la 3)?arlitt befteht,
ba* proceßfütjrenbe ^ublifum ganj unb gar nict)t eineätheilS aud beuten,
bie mit Unrecht, Habgier unb G^ifane fich auf ihr Dpfer ftürjen, unb
anbererfeitä au$ frommen rechtlichen beuten, bie, 00m Unrecht bebrängt,
nia)t$ als ihr gutes SRedn" oerfolgen ober oertheibigen. fteht oielmefir
in nicht ftreitigen (33erfäumniß=) Saasen ber unjweifelhaft im 3ied)t be=
fmblidje ©laubiger burct)weg einem Schulbner gegenüber, ber gern jaulen
möchte, aber nicht, memgftenS nicht fofort, satjlen fann. $a ift es um
gebührlich f)art gegen bie Schulbner unb in feiner SBeife gerechtfertigt für
ben ©laubiger, bie fämmtlichen ^roeeßfoften bem Schulbner jur Saft su
fefcen. Wlantyx Schulbner, ber fonft noch wieber empor gefommen wäre,
ift burch flojten mehr als burcr) 3infen ruinirt worben. £er ©läubiger
hingegen erlangt burch feinen ooUftrecfbaren Xitel ein unjweifelhafteä wirth*
fcfjaftücheS ©ut; Sicherung feiner bebenfltcr) geworbenen gorberung; unb
ba ift e£ bod) billig unb recht, baß er biefeä wirthfehaftliche ©ut wie jebes
anbere bejah len muß. 5ß5e«r>alb fott benn ber ©läubiger, ber bereit =
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56
Kedjtsanroalt 23. Hoefi in Solingen.
willig einem 9lu3funftäbüreau für erteilte 3lu$funft ober einem 3nfaffo=
inftitut für ©injielmng feiner gorberung einen Sßrocentfafc berfelben über=
läfjt, nur bann nidjt3 zahlen Dürfen, wenn ihm bieStaatäanroaitfdjaft ihremad)t:
oolle &ülfe uerleüjt; nid)t£ jahlen tum Wafytyil bt$ genugfam bebrängten
SdjulbnerS, bem er oielleicht leidjtfinnig geborgt hatte, unb sunt SRadjtheil
ber übrigen ©laubiger, bie ba$ jenige für ihre gorberung nicht mehr t>er=
werben fönnen, wa$ er ihnen auf Rechnung feiner Äoftcn oorweg ge=
nommen ^at!
Unb noch weniger ift e$ in ftreitigen Saasen gerechtfertigt, bem Unter =
liegenben bie Äoften färnrntlid) aufjuerlegen. ftn ftreitigen Saasen trifft
es boäj burdjweg nicht $u, bafj bem geredeten Spanne ber argliftige tüdtfcfje
9led)t§feinb gegenüber ftefrt* ; in ber weitaus größten 3^t ber gälte glauben
beibe Steile in iljrem Stecht ju ftehen. Unfere 3ttetf)obe märe berechtigt,
wenn ber Unterliegenbe Durchweg ber (Schulbige unb Schulbbewufcte
wäre; nun wäre aber im ©egentfyeil bie Behauptung mehr als fülm, bafe
ber objectiu Schulbige Durchweg unterliegt unb ber objectio im Stet^t
ftet)enbe oben bleibt. Denn ob ich Siecht behalte, baS hängt ja in erfter
^inie nicht baoon ab, wie bie Sache fid) wirflich jugetragen bat, fonbern
baoon, nrie Tie fidj> auf ©runb ber Seroeigführung bem 3iicr)ter barfteUt.
•gäbe ich für meine Sehauptung feinen 3eugen, °ber brü<ft mein 3*uge
nid}t richtig, nicht benimmt au$, fo »erliere td> ben ^rojefc trofc meinet
beften JfedjteS! ^Jfft aber bie Seweiänahme erfchöpfenb genug auSgefaÜen,
fo lä&t fie fia), ba* weife jeber praftifche Surift jur ©enfige, mit ©rünben
bieSfeitä unb jenfeitä, nach biefer ober jener Seite barftellen unb beuten.
Unb wenn, ein in ftreitigen Sachen immerhin feltener gatt, ba$ <Sa&
oerhältnife über allen 3it»eifet flar geftellt ift, fo ift oft bie 9techt$frage
mehr als sweifelhaft. Dem Seufjer ,/Ba3 ift 2Baf)rheit V" fönnen mir
wahrlich ben Seufjer anreihen „sBa$ ift Siecht?" SBie oiele treffliche
©rfenntniffe oerfdnebener ^nftanjen über biefelbe Sache unb benfelben
Sadwerhalt entfdjeiben jebeä anbevä wie baS anbere! 9llle Hochachtung
oor unferer ^Rechtspflege ; aber fie ift unb bleibt ein 9)ienfdjenwerf mit
allen menfchlichen Unoottfommenheiten. Sei ben beften ©efefeen unb ben
beften dichtem wäre e£ eine pharifätfche Ueberljebung, ben Unterliegenbeu
burdjweg aU ben Sdmlbigen, gefdjweige als ben Sct)ulbbewuj3ten anäufefm.
können wir ba3 aber nicht — wie fönnen wir e$ rechtfertigen ober nur
entfa)ulbigen, bafj bem unterliegenbeu £heil eine fo fchwere Strafe auf er *
legt wirb, ale es bie Prägung fämmUicher Soften aller 3«ftanjeit unb
aUer Setheiligten ift?
3ft bie gerügte 9Jietf)obe ungeredjt, fo ift fie nicht minber f (haben -
bringeub für alle Setheiligten unb für bie gefammte SiedjtSpflege. Demi
wer erwägt, wela; eine ©efammtfoftenlaft ihn im gaHe be3 Unterliegend
treffen wirb, ber mu§ fidt) breimal bebenfen, einen ^proce§ an3ujteHen ober
aufzunehmen, beffen 3lu^gang nid)t ganj zweifellos unb oerbrieft ift. 3^ber
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Die pr<>3e§foftcn.
57
Sforoolt weiß, wie oerantroortlid) e$ ift, einem ÜRotyfudienben bie Slnfteffung
eme$ $roceffe$ ju empfehlen; je na<§ bem 2tu3faff ber SBeioeteaufnafjme
unb ber ©ntfdjeibung ber 9led)t3frage ift ein Unterliegen bei ber geredjteften
Sa<$e möglid), unb auf ben Unterliegenben regnen von äffen «Seiten bie
flojten pfornnten. 3ft leiber nad; menfdjlidjer Um>oflfommenf)eit jeher
^roje§ fdjon ein Sßagfpiel, fo foffte man ben (Stnfafe nidt)t nod& baburdj
er^en, baß man bem Dbfiegenben ooffftänbige ßoftenfreif>eit auf Soften
be3 unglücfltdjen Unterltegera oerfpridjt; ba3 fjetßt, ben ftedjtfudjenben von
ber Verfolgung aud) ber gerea)teften <Sad)e abfdjretfen unb baburd) gerabe
bie G&ifane unb bie Slrglift ermutigen, bie man jurfidforängen will.
ferner aber — unb baä füfjrt un$ auf unfer £f>ema jurficf — ift
e$ platterbingS unmogtid), eine berartige uon äffen (Seiten jufammenges
Raufte floftenlaft in einem anftänbigen Verf)ältniß jum 2öertf)e beö (Streit*
gegenftanbeS ju galten, e3 fei benn bei ganj großen Cbjecten. SRögen
bie Äoften no$ fo finn? unb fa<$gemäß abgeftuft, bie ©ertdjUfoften nodjj
jo niebrig gehalten, bie 2InroaIt^foftcn nod) fo betreiben bemeffen, bie
Auslagen naä) affer SWöglidjfeit eingejcfyränft fein: fo roirb bod) bie
Summe aller biejer Äoften nadj einigermaßen langwieriger SBerfjanblung,
gefdjrocige benn nadj 2lbfobirung mehrerer Qnftanjen, ba3 Streitobject
erreidjen ober überfteigen muffen. Soweit bie heutigen klagen über
tjotye Sßroceßfoften bie ©ejammtf oftenfumme unb beren 9Wißoerf)ältniß
jum Streitgegenftanbe betreffen, finb fie nad) beutiger Sage ber ©efefcgebung
einfad) unvernünftig. Denn meun ber $roceß über 50 2J?f. nad) SJefd&reitung
jroeier $nftan$en, nacffbem er ein %ai)x f)inburd) ober länger oier Sttidfjter
unb oier Stmoälte, ben ©ericijteoollätefier, eine SJtenge oon 3eu9*n in
S^ätigfeit gefegt f)at, an ©efammtf often be£ ganjen Apparates nidjt
mein* ate r;öd)|len3 20 3Rf, foften foflte, fo müßten bic beteiligten Drgane
ilnre 3)ienfte ja um ©otteS Sofm oerridjten. Unrecht aber ift e§, bem
fdjließltd), oieffetajt nad) oieten (Sdjroanfungen be£ ,3üngtem3/ Unter«
liegenben bie ganje große ©efammtlaft aufjubürben; trägt ^ber feine
eigenen Äoften, fo ift ein fadjgemäßeä 23crr)ältnt§ überall n>of)l $u erreichen. —
$a3 mären 9ieformoorfd)läge, oon bereu $urdjfüf)rung id) mir eine
jebenfaltö beffere ©ejtaltung be3 ÄoftenroefenS oerfpredje, als e3 bie heutige
ift Ueber bie 3n>e<fmäßigfeit unb $ur$füf)rbarfeit berfelben mag fidfj ja
irreiten laffen, unb id) bin geroiß weit baoon entfernt, biefelben für nid^t
oerbejferung$fäf)ig unb* bebürftig 5U galten. Sefentltdf) baran ift mir
gelegen, unb ba$ modjte id) bur$ bie oorftefjenben feilen bargetyau §aben,
baß man, um au« ber heutigen Äoftcnmifcre fierau^ufommen, nid)t bie 2öege
roanbeln foffte, roeldje ber ©ntrourf oom 3af>re 1886 befd)ritt, fonbern
eine burdjgreif enbe Reform be« Ijeutigen, in feinen ©runb*
jügen oerfeljrten, 6nftem« oorneJimen muß unb foU.
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Vier IWcevlxebev.
Von
^olger Drad|maun.
— Dänemarf*) —
Allein auf 6cm Ded.
uf bcr Zlorbfee bafyer fommt ein Sdjiff im Sturm,
So fdjiucr auf bcr See ift fein Sdjroanfen;
Den 33ng roafd?t IDaffer, unb iDaffer quillt
Dura? mannen £e<f in ben planten.
Die lüaaren im Sajiffsraum burdmätjt es im ZTu.
„3nm Teufel bie IDaaren, nnb gab' es nur Hut}'
t?or ber pumpen ero'gem Speftafell"
Der Sdfijfsfyerr fatjt felber am Steuerrab 311,
Das Sdnff „Icri3t cor Copp nnb Cafel." l)
So fdjroanft es von bannen in mäßigem £anf;
Das IPaffer im Haume fteigt,
Sd>on balb an bie Detfbalfen fdjlägt es tnnauf,
Unb rings fein fanb ftd} 3eigt.
„„So pumpt nun alle ITIann,
pumpt 3UI Das märmt eud? bie frofrigen Singer!""
„Der 2llte fpridjt luftig, unb t?5rt man iqm 3a,
Steint 2IIJcs in (Drbnung unb's Hab in Hut}';
2lls ob mir nidjt fdjon jmei (Lage lang nu
rnfi§tctt Hinbert nagen fo b,art mie ein f djub,;
IHit bem ^Ieifdje ging es 3a <£nbc,
Unb t>om Pumpen fdjon bluten bie £}3nbe!"
■J 21ns btm Dänifdjrn überfetj« von ^tdjalig in Drrsbim.
I) Impn i>or Zopp unb lafcl bei fdjtocrfm Sturm ganj ob,ne St$tl oor bem tthnbr fabren.
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Pier Utecrlieber.
59
Der Sturm evbxanft, uno bte Stur3fee brofjr,
Der Gimmel um3iertt ftdj fupferrotb,,
Biteft nnfjeilfünbenb herunter.
„Kameraden, 3t»ei (Eagc lang liefert roir's geb/n;
Dodj was nns erwartet, muß 3*&*r KÖ* Wn.
KHr finfen mitfamt Dem plunber!
Dort fegelt ein #fdjer »inbroarts ja noeq,
3dj benfe, roir geb,en 3nm Kapitän;
Unb rpiH er nidjt mit, fo bleibt er bort fteb/n,
2IUcin als IHatrofe unb Stemarb unb KocbJ"
Sie prei'en bie Scbmarf ; *) unb bie Sdjmacf „brety bei '. 2)
„Kapitän, wir fönnen's nidjt änbern;
Do et» vernünftigen gweef tjat's feinerlci,
dtüetgt mit ber Barf noeb, 3U fentern,
Die fo morfdj unb alt fcfjon feit 3at)ren!
tt>ir paefen nun ein unb fabjen,
(Erlaubt ober nidjt, roir fragen nicfctt mebj,
Unb nur für bas pumpen noeb, banfen roir feb,r;
IDir fatjren mit anberem „(Bange", s)
So ging es furvabr fdjon 3U lange!"
Sie fetjn, vir's bem 2IIten an UPorten gebricht ;
<£r br tieft ben Sübrvefter tief ins (Seftcbt
Unb läßt einen Blicf auf fte fallen.
Der bringt bureb, bie (Deljacfen 2Wen.
„„3tjr geljt! Hun, (SlficF auf bie Eetfe rounfeb/ icb,
Da 3fa *s nimmer fönnt änbern;
Do* von Bauern gefragt unb oon Binnenlänbem,
X>ctge§t nidjt 3U fagen: 3fc ließet im Stieb,
Den 2iften, ber brausen mag fentern!
3br fagt, bie Barf fei alt. Das ftimmt,
eßeburt unb (Eanfe pereinte uns Beibe;
fjab1 mit itjr gefegelt in ^reub' unb im £etbc
Unb tfoff' , baß ein gleicb.es <£nbe es nimmt.
tt>tr 3met ftnb €ins, 3^r fonnt's niettt oerfterm:
3br fegelt ja nur für bie fteuerl *)
n?ir Beibe muffen 3ufammengefm ;
Hun fürjr' ict» allein benn bas Steuetl""
Sie nefjmen bie Kißen unb anberen Kram
hinunter in ben norroeg'fcr/en pratjm;
Der fet»anfelt fo gut auf ben IDogen.
Sie faßen im prafym unb rttberten n>eg,
Unb blieften 3U ib,m auf bas öbe Decf,
Pon ferneren (Sebanfm burebjogen.
I) prfirn anrufen; 54? marf ^ifdjerfnrtrjrug, rorifer unten Qia t] m genannt. 2|hrit>tehrn
kidjt beim IPinbm bolttn. langfam rojjrfn. 5) £tn ©ana ift bft H>c$, l>rn ein SAiff btim tavitrtn in
geratet Htdftonq bti ttm {Pinto mad?t, bis <s trir&cr u*n{*t. 4) tjcutr = Coljn, miftlie t*s Sdfiffsoolts.
60
fjolger Dradjmanh in Danemarf.
„Hocb, fann er ja fommcnl" 3fc 3rrtlmm mar gro§l
3n'# faufenbc dafelroerf fdjwingt er fidj ferf,
(Er fappt ben Befd?lag, bie Segel finb los.
^at feine ITTannfcbaft, boeb, ftdjres Se^erf, *)
Unb Hilles madjt „flar" 2) nun ber 2IIte- —
<£s brauft bie See, ber Sturmwinb brüllt,
Das IPaffcr ba unten im Sdjiffsraum fdjwillt,
21ls ob bas ^ab^eng ftcb, f palte.
Die $auft umflammert bas Hab, unb es fradjr,
€r fieuert ben Kurs in bie wilbc ZTadjtl
Sein Sd?iff war einfad?, er fetbji gebret|t
21ns bem £70(3, bas im Sturme nie untergeht!
& c r n ft c t n.
Sie weilten am wogigen ItTeer,
Unb Hillen rjüpften im <Can3e
Dab> mit bem fajaumfeudjten Kranje.
Sie wanberten langfam fjanb in fjanb
Unb bfirften ftcb, oft unb fud?ten im Sanb
XIacb Bernjlein untrer.
IPas b,eim 3um (SebenFen fte trug —
Sdjön warb es gcfdjltffen unb würbe ein Eje^e.
<Es leuchtete tjcll, wie bie ljerrlid$e Ker3e.
Sie trug es am iJufen unb fü§f es gar febr,
(5ab bafür iijr eigenes fyer,
Dod> bas war ein fytit, bas fa>(ug(
€r fuin: auf bas wogenbe IHcer,
Sie fatj ib,n nimmer wieber.
Sie trug fein fjer3 unterem ITCieber
21m etg'nen l^e^cn in ^reub' unb Ceib,
Sie wn§te nimmer 3U fdjeiben fie beib';
Unb feines war Beruftem — nichts mein:!
I) Scftfff iil i»if Örrfvimundi unb öfitMiimung i>f* thtti 6e* Sd?iffes nae^ &«t Statte.
:j 21 Uf» Mar madjen MUfs tu Ö)t&nuri<j bringen unb Mrnjiffttii halten.
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Vier Hleerlieber.
Kannft Du erflären mir, Illeer — ?
Kannft Du, erflären mir, IHecr:
lUojtt in ber IDelt idj ringe unb flrebe?
EDestpilb ia? bjer fitjenb im ^nnerften bebe,
üerge|Te bie OTab^eit unb ftarre tfernieber,
^nb,r faum nod) bie naffen, burdjfrorenen (ßlieber,
Unb fdjaue fynab, beftänbig bebad?t
§n faffen all' Beine (Bröfje unb HTacbt,
§u fdjaffen ans Deiner Stnrmmelobic
mir done ureigner poefte?
2Id;r n>enn mein fdjönftcs Spiel Dcrraufdjt —
IPie viele fmb es, bie itmi gelaufdft?
IDie Diele, bie redjt oon I7er3en es meinen,
<Db ^reunbe fic halb, gan3 ITtacenc erfdjeinen?
(Db tfreub' meinem t onb idj gebradjt, ob (ßenünn,
Da idj ein Spielmann roorben bin?
„Du frageftl Um Jlntroort ijt mir faji bang.
ZTur loenig oerfteb/ id) oon Didjtung unb Sang,
Ejab' nie genommen b'rtn Unterridjt,
Unb Sinnen unb (Srübeln besagen mir nidjt.
Dod) nrillft Du u>ob,l tptffeit fonft meine UTeinung:
IXnn mob.1, 1D03U linge unb ftreb' idj hmauf,
Der Z£>inb unb idj in Dereinung?
„rüir folgen beftänbig bem alten £auf,
Unb braufeu unb faufeu unb beulen unb pfeifen,
Hnb mürben gereift es fdjroerlicb, begreifen,
U?enn 3*manb uns mahnte: £^alt einl
3df finge mein £ieb unb möge barein,
Bin meifi auf ber ^arjrt, unb feiten in Hut}'.
XDir ftnb auf ber Keife — mas fd)eert uns bas £anb?
Unb fragen niemals: ID03U?
„3<b, fönnte ein mübUeid} oielleidjt audj fein
Unb fönnte ein OTubJenrab breb.cn;
(gern wollte idj, mödjt' es nur gcb,ent
Dodj bin idj nun einmal fo 3at?m nidjt unb f lein ;
ITCau grolle bem IDaffer noäj fo fein*:
3a> fann nidjt anbers. 3d> bin bas HTeer!"
Die $tfd}c
im f?aust)alt bev IXatuv unb in bex ßüdjc.
Von
IDolfgangi €ras.
— Breslau. —
3br, #üb btr 5r<il»tit, ltb<n*r'rof)t ,t!''c1k!
it'if lieb' id> tue* — arbratcn auf beut Xi'i)t 1
3- $• Btfi.
ou ben brei 9ieiä;en: 2uft=, SBaffers unb (Srbreicfj ift baS sweite
wof)l ba* oon gieren am reichten beoölferte unb üiefleidjt
aud) ba3 an 2Irten reidjfte. äßeldj riefiges Kontingent [teilen
allein bie ^ifdje! Sftan fennt etroa neuntaufenb ber ©egenroart angef)örige
unb jroeitaufenb uorweltlidfje; aber watjrfdtjeinlidj bat man erft ben ge=
ringeren Xf)eil atter iefct lebenben Slrten beobachtet, alfo bis jefet oon
ber ^annigfaftigfeit biefer ^ierflaffe noch feines w*eg3 eine ber 2öirf =
lichfett entfprefj£>enbe SBorfieHung gewonnen. :örec)m fagt in feinem
„Zfnerleben" : „2Me gäfjigfett ber gifcfje, in ben oerfchiebenarttgften ©e=
trjatH'nt/ unter ben oerfchiebenartigften Umftänben unb ^erhältniffen ju
reben, ijt ebenfo aufjerorbentlich wie bie Sdjmiegfamfeü ber SBögel anberen
©Muffen gegenüber. GS giebt äufeerft wenige ©etüfiffer, in benen mau
feine tfifctie finbet. «Sie fteigen oon ber Weberung au$, ben Strömen,
giüffen unb Saasen entgegen)^ roimmenb , bis in baS ©ebirge empor
unb oerfenfen fiel) im Stteere bis in Siefen, ju bereu genauer Grforfa)ung
uns noch heute bie Wittel mangeln, einzelne oon ihnen beoorjugen bie
oberen 2Bafferfdtjichten, anbere halten fid) im ©egentheil in ben nieberften
auf unb [eben hier unter bem 2)rucfe einer aöafferfdute, beten ©ewiebt
wir mor)[ beregnen, uns aber faum oorfteUcn fönnen. Den neueßen ftunbeit
jufolge bürfen wir glauben, baß bie Sfleerestiefen oiel bidjter beuölfert
finb, als wir malmen. 9fodt) bie höh*™« SJreitengmbc fefcen ber $ev*
breitung ber Stfdjc fein Biel. 9lHerbing$ fmb bie $cecrc bes [jei&etl unb
«Irrb unb 2ii$. L.. U*. , ">
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Die ^tfdje im ^ausbalt ber Hatur unb in ber Küdje. 65
trad)tigt, wie bieg bei ben warmblütigen Diaub tfjicren bei*
galt ift, roenigftenS ber gall fein foll.
tarn ein eigenes Urtfyeil abgeben über geräucherte SBarenidnnfen,
gebacfene SBärenflauen unb gebratenen gifdjotterrücfen. Weines Grad)tenS
gehören biefe gefugten Stüde von raubenben SBierfüjjlern nidjt eigentlich
unter bie Eelicateffen, fonbern unter bie Guriof itäten ber mobernen
äüdje. gaft alle Golfer — cultioirte wie 9totun>ölfer — oerfdmiäfjen
baS gleifd) warmblütiger 9iaubtf)iere, unb wenn eine 9(uSnaf)me gemalt
wirb, fo erftredt fte fidj immer nur auf einjelne Xl)eUe bes betreffenben
SSübeS. Xiefe Abneigung fann nur auf örfatjrung berufen.
$ei einer 3agbpartie auf ber £ber, bie furj na$ eingetretenem ©is*
gange ber ©nten wegen unternommen würbe, fonnten wir leiber fold&e
nia)t ju 6ö}ub befommen, weil fie immer $u frül; aufgingen ober beim
^orüberftreidjeu für uns ju Ijodj waren. @S würbe nun, in Ermangelung .
con Reiferem, ein flräbenfdjie&en oeranftaltet. 2ln ben nod) mit ©is be=
fefcten $lu§ufern fletterten, 9tof)rung fud)enb, oiele 6d)mar$fräl>en unb
9?ebelfräf)en untrer, welche gut gelten. SRadfj einiger 3eü bemerfte idj,
ba§ mein $tafjnfüt)rer, ber jebe tobte <Sd)mar$fräf)c forgfältig einfammelte,
bie gefdwffenen 9iebelfräf)en liegen liefe. 2luf meine grage, warum er biefe
ni<f>t audj mit nad) &aufe nehmen wolle, erroieberte er: „Die fdjmecfen
Ttiä)t!" £afc bie auSgelöfte $ruft einer iungen ©d&marjfräfje einen cor*
treffUä)en traten liefert, weife id) aus @rfaf>rung. £augt bagegen, —
wa3 idj gern glauben will, — bie SRebelfräfje ntd)t, fo wirb man bie Ur*
fadje woljl in bem Umftanbe fudjen müffen, bafe fie rjauptfädjlidj von ant*
malifdjer 9torjrung lebt (junge Sßögel, aud) fleine föafen würgt unb frißt),
wcü)renb bie 3<$warsfräf)e eine SSegetarianerin oon ber ftrengcn Cbfer=
t?an$ ift.*)
33ei ben Sifdjen geflaltet fidr) baS 33erf)ältnife beinahe umgefefjrt. Unter
aßen Slrten oon Süfe* unb 6eemafferfifcr)en übertrifft feine bie (Salmo*
niben an ©ofylgefdmiacf. Unb was für fred)e Räuber finb biefe! ^d) fjabe
ein 33eifr»iel oon ber ©efräfeigfeit ber bei uns oerbreitetften Salmart — ber
goreüe — bereits angeführt.
Ter SSertj) ber Jytfdje als Nahrungsmittel ift frül; erfannt
roorben; aber bodj nid)t fo frül), wie einige ältere Sd^riftfteDler uns gfaubcn
mad&en wollen, bie aus etumologifd)en ©rünbcn annehmen, gifdje feien
überhaupt baS erfte Nahrungsmittel ber 9)?enfa>n gewefen. Sie SliaS
fpridjt alleTbingS fd)on uon bem gifd^er, bel-
auf Dorra^cnbc fllipOe gefetjt, ben gewaltigen ajJccrfifrf)
Aufwärt* jietjt au^ ben 3rlutl)en an ©dimtr unb eherner Ütriflet." (XVI, 406 f.)
*) 3^ bntf mit f)icr t)ieffetd)t noä) anjumerfen erlauben, bafj betbc Sträfienartctt
qan3 airägeseidmete Gncv leßfn, bie nadi meiner Meinung bem Ätebiyei nur tpcitig uadj-
fielKU unb Diel feiner oon ©eidjmae! fiub als 2Jlöoeneier. äüenn nur utd)t ba^ 31 uö*
nehmen eine fo gefährliche ®efd)id)tc »ärc!
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66
Ittotfgaug <£ras in Srcslau.
316 er bie rjomerifchen gelben greifen pr $ifd)foft nur bann, roenn fic fein
3leifd) Ijabcn. £a3 jeigt unsiueibeutig jene Stelle in ber Dbnffec, reo
r»on ben &ungeroualen bie 9tebe ift, welche bie S^fa^rer auf Stjrinafia
ju erbulben haben, unb bie fo ftarf finb, bajj fich bie ©efährten beä götb
liehen SulberS ^liefet an ben Ijeiligen SRinbern beä $elio$ oergreifen.
„%bcx ber Süb burdrftürmte bcit ganjen 9Jtonat, unb niemals
#ub fid) ein anberer 2Binb, alö ber Oft unb ber I)errfd>enbe -Sübuunb.
$od) fo lang' ci an (Spetf'unb rott>cin SSeine nicht fel)ttc,
3d)oneten 3cne bie Otinber, ifjr füfeeS 2eben gu retten.
Unb ba enbtid) im @d)iff ber ganje Jöorratf) Derart mar,
Streiften fie 2Ule an8 9totI), Don nagenbem junger flefolteri,
3>urd) bie Snfel untrer, mit frummer SIngel fid) ftifdje
Cber SBögcl ju fangen, — loa» ifcreu £änben nur oorfam."
(XII. 325 ff.
meine, bafj bie 3ubercitung ber gifdje, — obgleich fie ja, roie
unfere tfüftenüölfer unb bie S8eroof)ner ber Sonaunieberungen uns rjeute
nod) lehren, hö# primüiu fein fann, — immerhin geroiffe ^orfehrungen
unb Apparate erfordert, bie ben bamaltgen Gtulturmenfchen nur feiten jur
£anb gewefen fein mögen. 3ebenfaß$ mar e3 für bie 3ctt9*n°fTen
fürfttid^en $od)fünftler$ Ütd>ide^ eine meit leichtere Hufgabe, einen flaffifchen
Spießbraten anjufertigen, als einen größeren gifa? äujubereiten. &ie
grage ber tecrjnijdjen föerftellung bürfte ber §auptgrunb ber $erna$s
läffigung ber gifchfoft im (;omerifa;en 3eita^er geroefen fein, dagegen
afe man jur 2Jlüthe$eit 2ltl)eu$ mit befonberer Vorliebe unb ent=
wicfelte in ir)rer HuSroaljl unb 3«bereitung eine unglaubliche ^einfchmecferei,
r>on ber nur bie menigften jefct lebenben greunbe einer guten Skrföjltgung
eine 3llmung haben bürften.
23aron uon SBacrft hat in feiner „©aftrofophie" eine recht in=
itruetioe unb unterhaltenbe ^Befd;reibung jener £afeleten gegeben, meldte
bem t>ornef)men 2Itl)ener gleich hoch geftanben haben muffen, mie ^ptjitofop^ie
unb Staatsfunft*). £er Jvifchfoft ift in bem umfangreichen gefiberichte, ber
fid) faft fo gut wie ein Feuilleton unfere^ trefflichen Submig ^piet f dt)
lieft, befonbere Slufmerffamfeit gemibmet, unb ich tonn m^ lu<h* oerfagen,
hier einige Stellen barauS mitjutljeilen.
„®a3 9)ieer" — fagt ber &a)t 3wn>3 — „rjergiftt nicht, feinen
33el)errfd)ern ben fdmlbigen Tribut ju jaulen. Sifcfje finb bei ben ©riechen
überhaupt, unb oorjugSweifc bei uns Athenern, noch mehr Sadje ber
*) „$cä 2tnad)arii3 £efd)reibung eines atljenifdjen (Saftmal)!*" — ©afrrcfoprjie,
IT. 11)1., 6. 186 u. ff. — ift burd) fterrn oon Söaerft nad) J8artl)eIemttS „Voyage du
yjuno Anacharsis en Gricc. Taris. 1788*' mit äJenu^ung Oerfd)iebener alter Sdjrift^
ftcUcr telbftitäubig componirr. 2ttl)enäui unb Xiuciau bürften baö ^auptmatertal basu
geliefert tjaben, locuigftenS finbet fid) faft alle§ ba§, )oa8 Ijter üon ben (Säften jum
greife be§ ^arafitentl)itni3 gefagt wirb, 311m Xfyil iuörtlid), bei ßueian.
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ZHc ^iftte im ^anstjalt ber tfatur unb in ber Küdje. 67
Scibenidjaft als ber Gfjbegierbe; ficbt man bod& bie SBorncfmiften felbft auf
bem gif($marft fidj um bcn 3Serfäufcr brängen. 2lud> (äffen mir uns nid)t
nur aus 3tol"n, nein uon ben fpanifd&cn lüften Secfiftfie fommen. ©in
Xifytev, ber feinen Nebenbuhler oerfludjen wollte, fanb feinen ftärferen
SluSbrucf als: 9Köd>teft Xu, wenn Xu auf ben Wlaxtt fommft, um 2(ale
$u faufen, feine flnben !
„Xer <£ompiluS ift uns fogar ein ^eiliger gtfdj; er ift ber trüber
ber 2?enuS, wie biefc aus bem SMute ber ©otter unb bem Sdjaume bes
leeres erjeugt. derjenige gifd) aber, bcn man in 3tyoboS ben gudjs,
unb in 3nrafuS ben §unb nennt, ift fo berühmt in ganj ©riedjcnlanb,
bafc $Unig S^efrop^*) (naaj SgnfatoS oon 8amoS) einen geringeren 3iuf
bat als er. Xiefcn gifdj muß man ftd) §u allen greifen anzueignen fud)en,
ibn effen, aud) wenn man ifm niajt bejahen fann (sie!), unb fyernad) über
f\ä) ergeben (äffen, mag irgenb ein unmenfdjlidjer (Gläubiger null unb fann.
2i?aS finb ade Greigniffe beS menfd&lidjen £ebcuS im 3>ergleid) mit bem (Würfe,
btefen Jifd) genoffen $u fjaben! SBer einmal biefen ©lanjpunft erreidjt fjat,
ber fjat nid)ts meljr uom <2ä)idfal ju fürdjtcn. ffi?aS bcn gifdj 2(per anbe*
langt, fo fönnen nur bie 9ieidn"tcn baran benfen, Um ju genießen; cS ift
ein ©erid)t für 2Bud)erer, ftinancierS unb ©nbariten. Gr ift fooiet roertl),
als er ®olb wiegt, unb, um mid) ber ©orte eines Xid)terS $u bebienen,
er ift ein ©ericfjt ber Gföttcr, er ift bie lölmne beS ütteftar»!
Xer 9Ial ift baSjenige unter ben 5iWen> u>aS föelena unter bcn
Jrauen ift. 3lber man mufj if)u in SJIangolbblätter eingetuicfelt fodjen,
um fein ^leif^ luftiger unb fdjmadljafter ju erhalten. Xer Gomöbien=
bia^ter 3lntfjipf)aneS gef)t fo roett, ju behaupten, bafj bie unfterblidjen ©ötter
wohlfeiler ju faufen feien als 2tafe. „Xenn," fügte er erflärenb fjinju,
„burd) baS Cpfer einiger Cbolen erfaufe ia) mir baS 2Sol)lgefaUen Jupiters,
aber für jefin gute Xradnnen fann id) nodj feinen guten 2lal fiubcn!"
„Gin großer Jyifdjeffer glaubte fdjon burd) biefe Gigeufdwft ein 2bt;
red)t auf baS £>of)lmollen aller Bürger 2ltf)enS $u ^aben unb fe&te uorau«,
ba& er felbft als ©taatSoerbreajer Önabe finben mürbe. Xer SHebner
$nperibeS ^atte fidj, roie oiele anberen iRebner, oom geinbe beftea^en
laffen. XimofleS fagte (naa) ^aufaniaS) in feiner SBertljctbigungSrebe ,su
bem atf>enifa^en 5öolfe: ^erjei^et ilmi! Gr liebt fo fe^r bie gifd)e, bajj bie
Syif^rei^er nidjts gegen i^n finb; wenn il;r i^m eine grofee ©elbbuße auf=
erlegt, fo ruinirt i^r oiele gifa)l)dnbler.
„Xer gemeine &aufe läfet fia) oom Namen blenbcn unb finbet 3lffc^
gut bei einem Xinge, baS nur einmal Nuf f)at, SBir aber, bie mir baS
roa^re $erbienft bis 3U feinem Urfprunge oerfolgen, mir effeu oom Säubling
nur baS Storbertffeil', ben Äopf uom sJ)teerat, bie ^ruft uom £f>un, ben
*) J)er 3?eßriinber ber ©urg üon SU^en.
68
IPoIfgong <£ras in örcslan.
dlüdew vom Noamen; ben !Heft überladen wir foldjen Scuten, bie uid)t $u
effen uerfteben."
Senn man foldje cptraoagante $erjenSergüffe tieft, fo fann man Oer*
fielen, wie ein Gato baju fam, von Seuten ju reben, „bie all ü)ren Ber=
flanb im ®aumen baben!"
2lua) bei ben Römern ftanben bie gifc&c al§ ©enu&ntittel in f)o$em
2lnief)en. 9flan braucht nur ba$ Haffifaje SBerf be3 Äod&s ?Iptciu$ „de
re coquiuaria libri decenr4 — roeldjeS neucrbingS Don Grn\ £1). S#ud>
(&eibelbcrg, 2Binter, 1874) ebirt roorben ift — na<$jufd)lagen, um einen
Begriff baoon ju befommen, roie forgfaltig unb auf rote mannigfaltige
Seife bie Börner if)re gifcrje jusubereiten roufctcn.
einen d>arafteriftifa>n Beleg für bie 3Sertl)fd)äfcung ber gifdfe Seiten*
ber römifdjen Säjlemmer bilbet bie m'erte Satire be3 3ut>enal, ber äroifdjen
47 unb 132 n. tyv. lebte. $er £>id;ter djarafterifirt in berfelben ein befonberä
oerädjtlidieä ©remplar beS ftofgefdjmeifeea, ben fd)on in ber erften Satire
genannten ßri3pinu£, weiter als ebenfo fütenlos unb blutbürfrig, rote
l;abfüd)tig unb oerfdjroenberifcr) geidjilbert roirb. tiefer (SriSptnuS fjabe
eineö XageS um ben roalmftnnigen ^reiä oon GOOO Sefterjien (ungefähr
1000 SJcarf) eine aufeerorbentlid) grojje Seebarbe getauft — au£ reiner
Berf$roenbung3fud;t. 2lu3 bem treiben biefeä Höflings roirb nun auf
feinen faiferltdjen £erm gefdjloffen unb bei biefem eine 2lnefDote äfmlüfjen
§nfjalt£ jum 9)lafeftabe ber Beurteilung gemalt. Unter Domitian*
Regierung, berietet 3uoenal, rourbe einft bei 21ncona (an einer Biegung
ber Jtfifte be3 abriatifdjen 9Jieere3 im ©ebiete ber ^Jicenter gelegen) eine
Butte üon ungewöhnlicher ©röfee gefangen, roeld&e ber betreff enbe gtfdjer
für ben 5taifer beftimmte unb foglei$ ttpn felbft überbrachte. Xer gtfd(>
mar ntdjt fletner aU einer au£ ber 3)toeoti$, bem jefeigen afoiofdjen SJieer,
roie folä)e bort im Sinter unter bem ßife gebeten unb, wenn biefed im
grüf)iaf)r aufgebt, in ben ^Jontu3, b. i. ba3 fdjroar^e 9Jceer, getrieben
werben. 211-5 fid) ber gifd)er mit feinem gange auf bem 2ßeg maä)t, tffc
bie falte 3at)re*3jeit bereite eingetreten unb für bie ^altbarfeit ber Barbe
bafyer nichts ju fürchten. $er Äaifer befinbet ficb in 3llbanum, in ber
Öegenb beS jefoigen Älafteff ©aubolfo, feinem Sieblingäaufentljalt:
„9ümm f)in ^icr," forad) ber $tcenter,
„*3a& für ben §erb öon un& Zubern ju grofe ift; feftltd) begangen
ihkrbc ber lag; madf etlenbs ben klagen gum fÖftIid)en gang »weit
Unb bann fpetfe ben ftifdj, ber eigens für $>id) ja üerfpart toarb;
Selber jum gang ja bot er fid) an."
3lber leiber ftellt fid) Ijerau^, bafj für biefen gifa^ jebe int faiferlidjeu
^Sauöljalt uorljanbene Sdjüffel ju fletn ift. %\\ golge beffen roirb eine
(Berjeimeratlj^fitjung berufen. (Silenbä mufe ber Sflaoe bie &errn
Senatoren, fofern fie nidjt bereits im Borsimmer roarten, berbei^olen.
Sie werben uom ^ia)ter namentlich angeführt unb fa^arf a^arafterifirt.
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Ute ^i|'*e im ßjusfjalt ber ITatur unb in ber Küd?c.
69
6rifpinu3 fommt babei fdjlcdit weg: fdjon frül) am borgen pomabiftvt er
fta), um feinen angeborenen ©djroetfegerud) bamit jujubeefen. $ejeuto
beutet ba3 (*reigni§ be3 gtfdjfangeä als ein 3e^en ^on glänjenbem
6ieg. (£nblia) wirb ber 2$orfd)lag be3 3KontanuS angenommen, eine
befonbere tiefe 6cf)ü}fel für ben gewaltigen gifcf) anfertigen ju laffen.
Unb nun fommt bie SRoraC:
„Dann ergebt ftd) ber Surft, entläßt ben 9tatl), nnb bie ©Dien
Können nad) £au&. Sic foattc ber mächtige $errfd)er berufen
3n bie albantfc^e 2Jurg, unb (Site befohlen unb Sdjrecfen
3&nen erregt, als f>ätt' er oon (Statten unb wilbeu Sngambrern
©twaS 31t jagen, als war' oon üerfdjiebeneu X^eileu ber Srbc
Oben ein ängftlid)er ©rief mit eitenber Sdjwingc gefommeu.
Unb bod) beffer, er rjatt* auf ät)nlid)c hoffen bie ganzen
Seiten be3 SBütljena öeramnbt, ftatt ftraflo*, otme SBergelter,
3&rer erlaudjteften Sölme bie Stabt unb ba8 dttid) 311 berauben!"
SJefonbcrä fwd) ftanben bem Börner bie 8d)nurrpfeifereten be3 Modj;
unb SaucenfünftlerS beim (?ifc$fo$en. ^on SucuU wirb erjagt, er fjabe
einen Karpfen oon feiner Xafel mit bem $3emerfen jurüdgeroiefen: „^ßfui
Teufel! biefer Karpfen fd^medt ja nadj Karpfen." 9lnbererfeit3 will man
uns arme ©pigoneri glauben madjjen, ba§, wie fdjon bie atfjenifdjen ^ein*
fdjmecfer es oerftanben Ratten, am ©efdmtatf bei §:ifd)eä mit Seftimmtfjeit
ju erfennen, an melier ber 3af)lreidjen gried)ifd)en $nfeln, an weldjer
Külte, an meinem gluffe er gefangen mürbe, ebenfo audj bie römifdjen
®ourmet£ gleich geroufjt hätten, ob ein gifdj 3mifd)en ben £iberbrücfen ober
weiter unterhalb gefangen werben fei*) (Brillat-Savarin niGditation IT, 14).
3dj halte btes für ein Stficfdjen gafteofophifcher Menommtfteret , bem ich
nur bie in ber „Physiologie du goüt" gleich barauf folgenbe 2lngabe
SrillatsSaoarinS an bie ©eite ftetlen fann, bafe bie franjöfifdjen gein=
fehmeefer ju feiner 3*tt am ©efehmaef ber Stänber beä gelbrjufmä ju
erfennen permodjt hätten, auf meldten Stänber ba3 Qufyn bei £ebjeiten
ju ruhen pflegte. $5a3 Unfinnige einer folgen Behauptung geht fd)on
barauS §eroor, bafc alle SBögel, meldte im Sifc einen ©tauber emjUjiehen
pflegen, balb ben redeten unb balb ben linfen ausruhen laffen ; fte roechf ein
ben (Stänber fogar im 6cr)laf, ohne aufzuwachen, — wie idj aU Knabe
in meinem elterlichen &üfmerjtoll (um midj im Stile eines befannten
Parlamentariers auSjubriirfen) oft beobachtet Ijabe.
*) äöenn 3uüenal in ber fdjon enuäljnteu Satire Don bem Senator 2Houtanuä fagt :
3)cr erfaijrenftc 6ffer 311 meiner
3eit war er. (Sr erriet^ oon 3tuftent beim erften ^iiteinbife,
Ob fte Äirfeii geboren, ber ©runb oon Wutuptä, ober
Cb ber lucriniiaje gelS fte babe ju Xagc geförbert —
fo Witt bie* ntd)t üiel ^ageu. (Sine englifa^e ?lufter oon einer italieuif(l)eu 311 uuter-
fd)eiben Oermag id^ aud). 5jdj bxaud)t utd)t einmal I)ineui3u0eiften. iHutupiä war
eine ^afenftabt in Süboftcn ber heutigen ©raffdjaft .^ent, Äirfeii ift ber fieutige Monte
Circello, ber Sucrinerfce liegt bei »ajä
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21? o 1 f ^ a ii a €ras in Srcslau.
£ie ©egenmart hat fid^ bie Aufgabe gefteüt, bie Jifdje nicht Mob
als ©enufjmittel, fonbern als Nahrungsmittel, nicht b(o§ auf ihren
Sßoblgefchmacf, fonbcvn auf ihren Nährwert!) $u prüfen unb hiemach
nU würbigen. $iefe Untersuchungen lieferten, ba bie organifcfje chemifdje
9lnafpfe erft neuerbings 511 wirfltd) juoerläffigcn Sttctfjoben gelangt ift,
anfangt Nefultate oon jweifelhaftem Üüerthe. 3lber immerhin bieten bie
bisherigen gorfdjungen genügcnben 3X«l)ttft für bie Behauptung, baft bie
gifdje jtüar an Nährwert!) bem gleifch im Allgemeinen nicht
gleich fommen, aber erheblich mehr Nährwerte; befifcen als bie
©emtife. Ginjelne billig ju befdjaffenbe Seefifcbe ftehen in genüffer ftinficht
(nämlich an (Siroeiftgefyalt) fogar bein Jyreifdr>c gleich, wenn nicht über bem*
felben. 311 biefer &inficf)t ift namentlich ber gering unb ber Stodfifd)
$u nennen.
oüjjwafferfifche finb oorläufig — bei uns in Seutfdtfanb weuigftens
— 5u feiten unb $u treuer, um ein SSolfSnabruugSmittel $u werben. SJei
rationeOer ^croirtl)id)aftung unferer SMnnengewäffer (Bäche, glüffe, Seen
unb Xe\d)c) fönnte bieS anberS fein. Unb es follte anberS fein, benn
©raf fünfter (unfer franjöfiicher Botfehafter) fagt mit Ned)t in ber 3>or=
rebe ju bem uon ihm in beutfdjer Ueberfefeung herausgegebenen flod)budh
feiner oerftorbenen ©emablin (einer (Snglänberin) :
„35 ic tfifdjerci ift nüfelidjcralS bicjaflb unbljatben großen S3or=
ttjeil, baß 3fifä)c niemals fdjaben, im ®cgentl)cil, beu (Bemäffcrn, in
benen fic leben, 91 mjen bringen. iPct übermäßiger (Sdjonung ber 3agb tann
ÜötlbfrfHibcii Slnlafe y\ begrünbeten klagen geben; bei ber tytfdjcrei fann baS niemals
ber fall fein . . .
Klüfte, Xetdic ober Seeen ntd)t mit tfifd)en gut befefct ju galten, ift eine
ebenfo große 2?erfd)toenbung, als loollte man guten 9lder nncultiütrt liegen [äffen."
So gifdjäitdjt, gifchfang unb gifchbanbel in rationeller Seife betrieben,
100 für Einbürgerung ber gifdjnahrung in geeigneter Seife geforgt wirb,
ba erroäd)ft einer großen 3af)l birect unb inbireet beteiligter ©eroerbs
treibenbev toi)nenber Serbien ft, ba wirb ber BolfSnahrung unb mithin
ber £etftungsfäf)igfeit beS Golfes mistiger Borfdjub geleiftet. Sei
im* in £eutfd)laub ift bie* leiber nur in fehr befcheibenem Wabe ber gatt.
„(Gebratene SJögcl unb ^i)i)c
3inb gute Speife bei Xtfdje"
fo lieft mau häufig auf irbeneu unb metallenen Slurichtefdniffeln, ©rjeug*
niffen beS ^eutfdjen flunftgewerbes aus vergangenen ^^Wunberten. fieiber
ift's aber nicht immer wahr, was ber Spruct) fagt. 3$ l)abe fdjon fehr
häufig „gebratene Bogel unb Jifdie" uorgefefct befommen.. bie fidj bei
näherer Unterfud)ung burdjaus nid)t als „gute Spcife" erwiefen. Unb
wenn id) jurüdblicfe auf meine langjährigen Erfahrungen, fo miß eS mir
f feinen, als ob bie Jifdje weit häufiger nichts getaugt hätten, als bie
Bogel. Es ift 5. Diel leichter „eine jute jebratene 5U erlangen,
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Die ^tfdje im Jjausfult ber ITatur unb in ber Küdjc. 7{
— roeldje nidjt nur nadj her Meinung be£ Berliners, fonbern fo jicmüd)
nadj 3ebermann3 2tnftd)t, jumal um Wartim, „eine jute 3abe Rottes" fein
fott — , ate einen fdjmadfjaften Salinen. 3dj t)abe bie meiften Staaten
SuropaS bereift, unb mit :öefd)ämung mufe idj befennen, bajj nirgenbs bie
oerabreid&te gifd^foft burd)fdf)nitttidj auf einer fo niebrigen Stufe ftef)t unb
fo oernadjfäffigt ift. roie in $>eutfd)fanb.
Soran famt bie$ Hegen? Söenn man bebenft, bafc eiue rationelle
^errcertfmng be* gifdjreidjtbumä unferer 9)?eere unb SMnnengeroäffer für
ben 25o$lftanb unb bie (Ernährung beS beutfdjen SBolfed tum f)öd)fter 33c--
beutung fein würbe, fo lolmt ed ftdj föon, ben Urfadjen biefer betrüben*
ben (ftfdjeinung naäjjufpüren.
£a§ bie gifd)f oft in einem Sanbe, roetdjeä nid)t nur pr ästige Ströme
unb Sanbfeen aufeuroeifen bat, fonbern aud) mit au£gebefmten $üften=
fireefen fifdjreid)en beeren näd)ftbenad)bart ift, qualitatio unb quantitatiu
prürfftebt, ba£ fann, abgefef)en uon einer oerf elften ®efdjmad£rid)tung
ber Seroofmer (bie in unferem Zeitalter nid£)t oon langer 2>auer fein mürbe)
nur Dreierlei Urfadjen fjaben: 1.) relatiue Seltenbett beä SftatertaU
— wenig 5Iu3roabl bei tyojjcn greifen; 2.) ©eringroertf)tgfett bc^
3J?atcri(f£ 5 — bie gifdjej taugen nidjtö; ober enbltd) 3.) 9ttanget =
baftigfeit ber 3u&ercilun9 — ßödje unb flödjmnen tljun nidjt
i^rc Sdmlbigfett.
$dj roiu* mit meiner 21nfid)t nidjt $urüdf)a(ten unb behaupte, bafj in
£eutfd>lanb mef)r ober minber alle brei Urfadjen jufammenroirfen.
Sttan Ijalte mid) nidjt für einen Krittler, bem ntdt)t^ red)t ju machen
ift, ober für einen Unbanfbaren! 3$ befenne offen, bafj id) audj in
Eeutfdtfanb mandjen ^errlidjen gifd) gegeffen Ijabe. 3lber leiber roaren
bie gifdjgeridjte, roetdje eine fd)led)te Genfur cerbienten, oiel 3af)treidjer
al$ jene, benen man mit gutem ©eroiffen eine III— II ober gar eine
I geben fonnte!
treten mir alfo siue ira et studio ber grage näfjer, warum in
$eutf<$lanb nid&t beffere gifdtfoft oerabreidjt wirb?
9todj metner Meinung liegt uor: erftenä wenig 2lu3waf)l bei
relatio fjofjen greifen. 3n @roj?britannien beförbert man auf ben
föfenbatmen befonbere gifa^roagen, bie gleidj ben 9Jiila> unb Sktterroagen
in bie Schnetts unb Gourierjüge eingefteUt werben, $a, fogar feparate
giid)train£ für frifd) gefangene Seefifdje giebt es in (Snglanb. 2Bo tonnen
nur $eutfdjen eine äfmlidie, bie ÜKarftfüCfe ungemein mefjrenbe unb gfeia>
jeitig unoerborbene gute 2llaare bem ßonfumenten garantirenbe (Sinria^tung
aufweifen? £ie einjige erfreuliä^e 2Iulnabme mad)t uieHeia^t Berlin mit
feinen 9)2arftballen, in benen grofee Senbungen fdjöner Seefifa)e anfommeu
unb rafdj in ben 39efi| be« JUeinfyänblerS übergeljen. SBir armen ^xo-
oinjiaten aber bleiben in ber &aupt)adje barauf angetoiefen, uxi$ in ber
3Bmter3$eit bei an^altenber Äälte per $oft „ein roenig gifebe" oon ben
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72 lUolfjjang (Eras in Breslau. —
©eftaben ber 9torb= ober Cftfee fommen ju laffen. m$ ia> 1871 nad)
*8re«lau fam, wußte man in ber äweitgrößten Stabt be« preußifdjen
Staate« faum, wie ein frifdjer gering au«fief)t, gefdjwetge benn, wie er ge=
baden, gebraten ober gefotteu fdjmedt. 2Ran fannte ben gering mir in
jenen 3"&erettung«formen, welaje f)ier §u Sanbe in ben fogenannten
„^ommerfdjen i'äben" ju finben finb nnb biefen in ben Stugen jebe«
£rinfer« oon ^Jroj effion befonbere 2ln5iefmng«fraft oerleüjen : al« gefallenen
gering, 9täud)erfif($ unb „föollmop«" (faurer gering).
§eute werben oon $re«lauer SetaiEUften jur 2ötnter«$eit fdjon große
^Partieen frifdj gefangener geringe bcjogen unb billig abgegeben, greilia)
oielfaa) in einem 3ufuwbe, ber bem geinfdjmeder ein gelinbe« ©rauen
oor ben barau« bereiteten gifdjgeridjten bereit« auf mehrere Schritt &nU
f emung beibringen muß ! 911 « id) einmal oor mehreren ^fl^en einen ßorb
geringe jur 2Beifmad)t«$eit au« Stettin belogen unb biefen in einem mad)=
tigen Gi«berge auf meinem SBalcon fyatte einfrieren laffen, oerfügte id)
mehrere 2Bod>en lang über einen fein* woljlfdmtedenbengifd), unb meine greunbe
erftaunten über bie SJfannigfaltigfett ber au« gering ^erjufteHenben ©peifen.
3lm heften ift ber gering, wenn er gleidj nad) bem gange luibfdj fruftig
gebaden wirb. 3lud; fann mau if>n auf einem 9iofte braten, muß ifm aber
wäf)renb be« Skaten« bann tüd>tig mit SButter ober gett befdjöpfen. <*r
fömedt naa)f)er aud) falt fer)r gut mit etwa« ©ffig ober Gitronenfaft. £)er
gefaljene gering ift meine« ©ragten« eigentlich nur bann wotjlfdmtedenb,
wenn er eben gar geworben ift. ?lber nid)t«beftoweniger bleibt aud) ein
alter, fein* fdjarf gefallener unb jiemlid) Ijart bejw. troden geworbener
gering ein gute« unb oor allen Singen ein billige« 9iaf>rung«mittel. £ie
Gnglänber müffen ficf) ofjne ben Salmering bereifen, benn fic oerwetfen
benfelben al« „rol)" unb be«f)alb ungenießbar mit großer Gntrüftung uon
i^rem Stfdje. 6« gehört ju ben oerfdjiebenen Lebensarten, mit benen ber
Gnglänber fid) über ben Seutfdjen luftig mad)t, aud) bie $5ef)auptung, baß
wir „rolje gifaje" äßen, unb bamit ift unfer Saljljering gemeint. 2lußer
bem, 10a« an unferen Äüften gefangen wirb, bilbet eine jäf)rli<$e (Sinfuljr
oon etwa 1100 000 Xonnen ba« Littel 5m: öefriebigung unfere« Ste
barf« in Xcutfd'lanb. "üJian fann übrigen« — naa) ©retnn« (Sd&äfcung
— annehmen, baß an ben europäifdjen ftüften jäljrlid) mel)r al« jefmtaufenb
Millionen geringe gefangen werben, unb mit beren 5ßerwertl)ung, be3w.
(Sonferoirung wäre e« fcl;r fd)led)t befteflt, wenn mir ba« SSorurtfjeü ber
Gnglänber feilten. Ser &ollänber ift im birecten ©egenfafc $u feinem
englifdien Sßetter ein großer ^ereljrer be« gefallenen gifdje«, unb ben frifd)
eingeladenen „9)iatje«" ober Sungfernfjering entgrätet er funftooll olme
2lnwenbung oon 9J?effer unb ©abel. Sie <£eefifd;e finb gleia) iljren (£üß=
waff er co liegen fel)r letd;t bem SBerberbcn au«gefe^t; fie geraten oiel fd)neller
in gäuluiß al« ba« au«gefa)lad)tete gleifd) warmblütiger Xl)iere, 2iHlb=
pret, au«genommenex> ©eflügel unb bergl. „griffe gifd^e — gute
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Die Jfifdjc im Jjanstjah bei ZTatnr unb in bet Kfidje. 73
gif che" ift ein gar wahre* s^ort; man ifct aber in beutfdjen £anben mit
wahrhaft rührenber ^affion Seefifa)e, bie nichts weniger als frifd) finb.
(Sljren* ober Schanbenhalber barf bei gewiffen feftlia)en Gelegenheiten ein
ein Nein wenig aus bem 9)iunbe riechenber Seejanb, Schellfifch ober 35utt
auch auf bem Difa) unserer Kleinbürger nicht mehr fehlen. Die nötige
£anbratte hat fich an biefe eigentf)ümlia)feit ber Seefüdje fa>n gewöhnt
unb finbet nichts mehr babei. Sehr djarafteriftifch ift bie 2lnecbote, meiere
Saron o. Vaerft in feiner (vJaftrofoptjte oon bem befannten Dr. Sa) alt
(geb. 1780, ge»t. 1833, Suftfpielbidjter unb SBegrünber ber 23reSlauer
3eitung) erjagt.
SdjaU war ein grofjer 33eref>Ter ber 2luftern unb oerjehrte fie in
SWengen; aber sum $erbrufj beS guten SBaerft gab es in Breslau bamalS
nur fef)r geringe, burdj bie lange SReife fyalboerborbene Sluflern. Der
®aftrofopb befdtiloft bafyer, als bie erften SdjneHpoften eingerichtet mürben,
feinem greunbe, bem Literaten, einen befonberen ©enufe 51t bereiten. ®r
lieg auf bem fa^neflften SBege ein göfjchen frifdje fd)öne 3luftent oon
Hamburg fommen unb lub i^n jum grühftfirf. Schall oerfa)tang ein Sßaar
Dufcenb, bann legte er baS 2)ieffer weg unb fagte ju o. SBaerft: „3$
begreife gar nicht, wie Du mir foldj fdjaleS 3eug oorfefeen fannft!"
Sutt) mir ^at einmal ein SreSlauer ©ourmet gefagt: fyabe es
gern, wenn ber Seefifa) etwas nad> ber See fchmedt," worunter id) mir
nichts für ben Sprecher Schmeichelhaftes benfen tonnte.
$6) foüte meinen, bafc bei jwecfmäijtger Organifation beS Seefifchhans
bels — ein förberfameS (httgegenfommen ber StaatSbahnoermaltung oorauS=
gefefct — jebe ßurier$ughalteftation im nörbliajcn unb in 2)iittel=Deutfchlanb
mit frifchen Seefifchen wetyrenb beS gansen 3al)re* ju oerforgen fein müßte!
9iia)t minber übel ift es um bie 23efriebigung unfereS SebarfS an
S üfjwa ff er fifajen befteHt. Der gifa^reid)tf)um ber beutfdjen Ströme
hat im neunzehnten Safn^wibert ungemein abgenonunen. 2Jiand)e &albs
nrifter meinen refignirt, hiergegen anjufämpfen fei überhaupt ausftdjtslos ;
bie gortentwidelung ber gabrinl)ätigfeit unb bei glu&fchifffahrtoerfehrS,
(infonberheit ber Dampffdjifffahrt) führe mit 9tothmenbigfett baS allmälige
StuSfterben ber gifa^beoölferung unferer Ströme herbei.
2öir unterfchäfeen ben Stborua) nidht, ber bem gifd;beftanbe bura) ben
inbuftrieHen gortfehritt erwädjft unb erwachfen muß; aber mir finb über=
jeugt, baß ber glufefiicherei burch irrationelle 25ewirthfd)aftung weit
größerer Stäben jugefügt roorben ift, als bura) jene ftörenben äußeren
tSinflüffe. <5S lägt fich nach weifen, bafc biefelben bura) geeignete 3)tafc
regeln fehr wefentlich abgeschwächt werben fönnen.
Sßenn man feine $orfel)rungen trifft, um bie Vergiftung ber äöaffer«
laufe burch bie grofeen Stabte, burä) gabrifen unb iüergwerfe möglichft
ju oerhinbern, fo wirb baburch nicht nur bas l'eben ber glufefifche fonbern
auch baS beS SSieheS unb bie Öefunbheit ber 3J?enfa)cn gefährbet. Die
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IPoIfgang <£ras in 3reslan.
Untersuchungen ber com cngttfc^en Parlament eingelegten River Pollution
Commission (1868—1874) fyaben bie$ in unanfechtbarer 2i>eife bargethan.
Xurcr) flohlenwafchen 5. V. fann ein gfufj in beut 3)fafee mit flohlenftaub
uerunreinigt werben, bafj biefer bei bem 2lustreten beS ^luiteS bie be-
nad;6arten 2Beiber»lä§e unb SBicfen oergiftet. 3ln ben Ufern be3 gluffed
9iotbcr unterhalb Grjefterftelb entftanb in Jolge beffen ein grofjeS Viel)s
fterben. 9J?an fanb im SRagen einer gefallenen £ul) nicht weniger al»3
$wei Duart &of)lenftaub. Viele von ber Gommiffion vernommene $lb~
jacenten englifdjer ^ylüffe fagten aus, bafe fie wegen ber junehmenben Ver*-
giftung be£ 2öafferlaufS feine Gnten unb ©anfe mehr galten tonnten, ba
biefe nach furjer Seit eingingen. Xie genannte varlamcntarifche Unter*
fucr)ung§'6ommiffion gab it)r ©utaäjten über bie beiben ^lüffe, welche
Bonbon mit 29affer oetforgen, über bie Xtyemie unb ben £ee, auf ©runb
forgfältigfter Prüfung bal)in ab, baß beibe ^lüffe jur Vefriebigung beä
häuslichen VebarfS an SBaffer nicht mehr bienen fönnten!
3ur Verhinberung ber Verunreinigung ber Sßafferläufe burdj geroerb =
tic^e 2Jnlagen fann in ber £l)at uiel gefc^et)ett. Gin Söeifpiet bieten hier
in 6d)lefien bie 3ucferfabrifen. $>äf)renb einige uon ihnen, welche burdj
bie lUnfiichtebehürbe jur 2lu$führung ber ©icherungSanfagen mit Strenge
angehalten mürben, baS 2'ßaffer ber ©räben unb Väcfje in ber Umgegenb
uoüfommen flar unb blanf laffen, erfüllen anbere meilenweit jeben SBajfcr«
lauf mit weißer Schlief erbilbung.
£ie River Pollution Commission hat fich ein wefentlicheS Verbienft
baburch erworben, ba§ fie juoerläffigc Erhebungen über ben ©rab ber fo*
genannten Selbftreinigung ber SBJafferläufe aufteilte. 2ln jwei $lüffen, am
^rwall unb am Carmen, würbe uachgewiefen, ba§ bie 3uiammeniefcmig
be£ 2Baffer£ eines uerunreinigten Stromes fich währenb eines Saufet uon
11—13 (englifchen) teilen, auch wenn feine neuen Verunreinigungen
hinsufommen, faft gar nicht änbert.
2ßic bie (Snglänber im $a\)xe 1877 $u einem wirffamen ©efefc wiber
bie Verunreinigung ber 2i>aff erlaufe gefommen fino, fo hoben auch mir
in Greußen in unferem gifchercigefefo uom 30. 9)Iai 1874 eine ^anbhabe
gewonnen, um einer weitereu Vergiftung unterer Ströme 3U fteuern. &ier
wie bort §at ber ©efefcgeber Vebadjt barauf genommen, baß buret) ben
8chuv^ ber 2$afferläufe gegen Verunreinigung bie oaterlänbifche .^ubuftrie
nicht ungebührlich belüftigt werbe. 21(3 ich wich meinem oerehrteu greunbe,
bem Dr. 2£ebSf«:2t<üftewalterSborf (^itglieb beS SieiäjStagS unb bes
StaatSratl)*) gegenüber einmal abfällig über bie oielfact)e Verunreinigung
ber ©ewäffer im &}albenburgcr ^Heoiere geäußert unb auf bie 2ttÖglichfeit
eines energifcheren Eingreifens ber 2luffid)tSbchörbe hingewiefen hatte, er*
wiberte mir berfelbe: „SitaS ift ^nen lieber, bie «Surücfoerfefeung ber
bieftgen Vädje unb ^lufeläufe in einen ber ftoreüenfifcherei unb £a<hs$ud)t
bienlichen 3uftanb, woburch r)ödr)ften5 einige Saufenb 3Karf im 3ahre ge*
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Die 3ifd?e im ffausfyill ber tfatnr unb in bcr Küdje. 75
wonneu, ober £aufenbe oon Arbeitern ihrer heutigen Erwerbsquelle beraubt
werben mürben, ober bie 2lufrechterhaltung beS yi)nen fo mißfälligen
Status quo?"
3er) mußte jugeben, baß bie gragftellung im fpecielleii Salle berechtigt
fei, fonnte aber anbererfeits auf ©runb meiner Erfahrungen unb Stubien
conftatiren, baß im 3lilgemeinen ber 9?ationalöconom bei ber 8id)erung
ber glußläufe gegen Verunreinigung einem folgen „Entrocber-Cber" nid)t
gegenüber fiebt- ES fann — unb wirb hoffentlich — in biefer 53ejiel)ung
in ^eutfdjlanb nod> red&t oiel gefchehen, ofme baß baburd) bie inbuftrielle
2^ätigfeit ber 23eüölferung im ©eringfteu laf)m gelegt mürbe.
SaS preußifdje gifchereigefefc bebeutet einen wefentlicf)en gortfdjritt
namentlich burd) bie in ihm ausgesprochene gänjHrf;e Öefettigung ber wilben
gifdjerei unb burch mancherlei im Sntereffe bes gifchfdjufces in ausflickt
geftellte Einridjtungcn , welche jum tycii in bie £änbe ber SBe5irfe=
regierungen gelegt worben finb.
3ur Ausführung bes ©efefeeS fmb für bie einzelnen ^rooinjen
königliche Verorbnungen erlaffen, bie sunächft bie 3)iimmalgröße ber ju
fangenben giferje beftimmen. Eremplare, weldje bie vor geschriebene ©röße
nicht h«ben, bürfen nicht in ben §anbcl gebraut werben, mögen fic nun
aus gefchloffenen ober nicht gefdjloffenen ©ewäffem entnommen fein. ©e;
fdjloffene ©eniäffer finb einer (£cr)on$eit nicht unterworfen; alle nicht ge=
fct)loffenen einer wöchentlichen unb einer jährlichen Sdjon^eit. £>ie wöcrjent=
liehe Scrjonjeit bauert oon Sonnenuntergang am Sonnabenb bis jum
Sonnenuntergang am ©onntag. $ie jährliche <Sd)on$eit bauert entroeber
oom 15. Cctober bis sunt 14. £)ecember i&Mnterfdwnseit), ober tont
10. 9lpril bis jum 9. Suni (grühjahrSfdjonjeit). (Sine unb biefelbe
Strede eines ©ewäffcrS fotX immer nur einer jährlichen Sdjonjeit unter-
liegen. 91efce mit weniger als 2,5 cm ÜRafchenweite (oou knoten ju knoten)
gehören ju ben verbotenen ganggeräthen, welche ber (Einziehung unterliegen.
iöei ber 9lnorbnung ber Sdwn$eiten ift man in bcr Söeife »erfahren,
baß biejenigen ©ewäffer, in benen (naer) 9lnnah»ne ber Herren gifchmeifter)
bie GnprinuSarten oorherrfdjen, ber grühjahrSfcr)onseit, anbere, in welchen
bie Salmoniben ftärfer oertreten finb, ber £erbftfdwn$eit unterworfen
würben. £abei ift bie Sßiberftunigfeit herau^gefommeu, baß man 5. 33. in
bem einen ©ebtrgSbacfje (wie es aud) ganj in ber Drbnung ift) im
Wouember feine gorelle fangen barf, bagegen in bem anberen, weldjcr
jenfeits beS wafferfcheibenbeu ©ebirgSrüdens feinen &>cg 311m sJJieere fud;t,
mit hoher obrigfeitlicher Bewilligung bie armen, uom Xiaichgefchäft
abfrrapejirten Ebelfifche, bereit gleifch um biefe 3eit birect ungefimb ift,
ausfifchen unb in ben &anbel bringen fann. 3lud; mangelt nun jebe
Eontrole im gtfdrt)anbcl. Xem gefangenen gifdj fann man es uid)t a\u
fehen, ob er aus einem ©ewäffer flammt, baS ber ^erbftfd^onjcit, ober
aus einem anberen, welches ber grülijahrSfchonjeit unterliegt, £er ^er=
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lüolfgang <£ras in Srcslau.
fäufer roirb immer in ^erfudmng fein, biejenigen Slngabe $u madjen,
roeldje if)m gerabe paßt.
Gbenfo, roie im Sfagbfdrongefefc bie Sdpnjeiten für bic einlernen
$>ilbarten gefonbert normirt finb, fo müßten audj im gifdjereigefefc bte
oerfdjiebenen gifdje ir)rc nerf$iebenen Sdjonseiten tjaben. $ie batrifdje
gifdjereigefefcung bringt biefen allein nötigen ©runbfafe bereits jur
©eltung, unb ber fünft(erifd) fo fd)ön auSgeftattetc 2Hünd)ener tfalenber
bcS Vereins für trdjenbau ($u be$ief)en bur$ Wlipp &x$, CbeonSplafe
9?r. 15) erwarb fid) ein SCerbienft um bie bairifdje £ifa>ret, inbem er
pro 1887 eine fortlaufenbe btlblidjc Earfteüung ber roidjtigften gifdje,
ityrer Sc&onjeiten unb 9)iinimalmaße braute.
3lud) in SJe^ug auf öilbung von l'aidjfdronreoieren, bie in bem
^>reußtfcr)em ©efefe fel)r nerftänbiger 2£eife in 9luSfid)t genommen ift, Ijaben
mir $ef)(grtffe &cr SSerroaltung ju oer^eidmen. 2£aS fott man s. 93. baju
fagen, baß im s3reSlauer SftegierungSbejirf baS fog. SHittelroaffer in ber
Stabt Breslau, ein Softem oon SBafferfträngen änrifdjen ber oberen unb
unteren Stauftufe, faft aulnafnnetoS eingefaßt burdj Ufcnnaueni unb
r)öl$ernc Spunbroänbe, bebedt burd) einen nia)t unbeträdjtltdjen SdjifF5
farjrts« unb glößereibetrieb, jum „Said)fd)onreüter" erflärt roorben ift?
Lucus a non lucendo! 2atd)fd)onreüier wirb baS ©eroäffer genannt, weil
e3 fo gut roie gar nid)t oorfommen bürfte, baß gifdic bort laidjen.
Unfer gifd)eretgefefe t)at anfdjeinenb ber ^nitiatioe ber Sntercffenten,
ber ©emeinben unb communalen $?erbänbe 51t otel überlaffen. 2)ie Sin«
tage oon SadjSftegen unb gifdjpaffen ift in 2luSfid)t gefteUt; aber, of>=
gleidj feit bem (Srlaß beS ©efefeeS faft 15 3af)re in'S £anb gingen, er 5
fdjetnen nod) oiele glüffe in i^ren Oberläufen unb beren Söerjroeigungen
für bie Söanberftfdje abgefperrt. 2£enn man lieft, baß bie £ad&Sfifrf)erci
in ben brei fd)ottifd>en glüffen £roecb, Spei) unb £an allein allen
800,000 9Jif. jäljrlic&c ^ad)t einbringt, fo roirb man mit geredetem S3e=
bauern barüber erfüllt, baß in unferen fdjönen, für ben £ad)S fo geeigneten
Strömen biefer eble gifd) faft gan* ausgerottet werben tonnte! 3In ber
rapiben 9tbnaf)mc ber 91ljrinlad)fe tragen bte .^ollänber bie £auptf<§nlb,
roeldje itt unucrantroortlidjer SBeife alle Eeftrebungen $ur $>teberbeoölferung
beS Stromes mit biefem gifd^e bura) iljrc Sperr: unb gangoorridjtungen
an ben Stvontmünbungen *u nickte madjten. 9ln bem Verfall ber £adjs*
fifdjeret in ben anberen beutfdjen Strömen finb mir auSfdjließlid; felbft fajulb.
üln ber oberen (5lbe benufetc man, rote Dr. gric beridjtet, ben £ad)Slaid)
früEier als Sdjweinefutter, roaljrenb bte (Siiglanbcr bte 9iaturgefd)td)te be$
Sad)fes längft raunten unb mußten, bafe jeber ^aa^S oon feinen
Ausflügen tn's 9Weer bal)itt roieber jurüeffe^rt, roo er jung getuorben ift.
dkfyt erfreulid) ift bte ^batfadje, baß bei bem SluSbau unferer 3^affer-
laufc im Sntereffe ber Sd)ifffal)rt unb w ^ermeibung oon ^odjroaffer:
fa^äben nenerbtngS Seitens ber föntgüdjen Staatsregierung bte gifeberei*
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Die ^Jifdje im Rausfjalt ber Hatnr unb in ber Küdje. 77
intereffen nidjt mefjr unberüdndjtigt bleiben. <So rourbe 5. V. bei Anlage ber
Stauftufen im canalifirten 3)?ain für jtoecfmäBig confrruirte gifdjpäffe geformt.
23enn befmfs 2lbftelhmg ber in ben legten $af)ren fo oerljeerenb ge=
toefenen Ueberfdjroemmungen in unferen (MtrgSbiftricten jur 2lntage oon
(SammelbaffinS in grofcem 9)Ja&ftabe bemnädjft wirb gedrittelt werben
müffen, fo erhält bie £eidjfifd>eret baburdj einen neuen unb roefentlidjen
Smpuls. @s würben bie niebergefjenben ©eroitter unb 2öolfenbrüdje im
9tte|engebirge beifpielStoeife nid)t fo gro§en <5d)aben getf)an fjaben, roeun
bort nid)t grofee glasen, bie etyemats £etd)e unb ©ümpfe geroefen finb,
im £aufe be£ ^[a^rfjunbertä in 2Biefen unb 3lecfer oerroanbelt roorben nmren.
$ie £et$u>irtyf$aft l)at lange 3al)r$efmte lang in 3)eutid)lanb als
unrentabel gegolten; neuerbingS liefern ^eroorragenbe ßanbroirtfje ben
SJkdjioeis, bafj bei einer rationellen 3u$ln)£M)t uno auSreidjenbem <3djufc
ber gifdje gegen Zauber aller 9trt bie £eic$urirtf)fdjaft fef>r* gute, ja fogar
glänjenbe 9iefultate 5U liefern in ber £age ift. <So fjat beifpielStoeife
©raf greb granfeubergsSittonufe als Karpfen jüdjter gro&e Erfolge auf jus
loeifen. (5r forgte aber aud) für bie Vertilgung ber in feinen auSgebelmten
Sßalbungen gern tyorftenben ^eitjer — bie in ganj unglaublicher Sßeife
unter ber Äarpfenbrut aufzuräumen pflegen — inbem er feinen Jörftern
an (BdMBprämie 12 2Harf pro Stücf bejahte. £>iefe erfjeblidje 2luSgabe
für Vertilgung ber 9ieif)er erroieS fid) als gut angelegtes ®elö. £5ie Ver=
nxiltung eines befannten föntglidjen ©djatullenguteS in ©djlefien fonnte
nod} oor je^n S^rat für $ad)t ber gorellenfifdjerei in bem bie ©uts=
lanbereien burd)fd)neibenben ®ebirgSbad)e jäf)rltdj einige 80 s3Jtarf oereiu-
nofjmcn. $)a ftellten fidj in einem garten SSinter bie gifd)ottern ein,
roeld)en uon unferen geroöf)nUdjen Sägern unb Syattettftettcrn nur aus=
na^mSroeife beijufommen ift. Sttan badete baran, einen Dtternjäger aus
©eftjalen*) fommen ju laffen; aber biefer oerlangte aufjer ber Veute
150 SRarf SHeifefoften, unb bafür gab es feinen Soften im etat ber
Domäne. Sie Cttem oerridjteten itjr SBerf mit gerooljnter ftrünblidjfett.
£eute tfk baS glü&djen abfolut forettenrein unb bringt aud) nidjt mefir
einen Pfennig ^adjt!
2luf ber jroeiten ©anberauSfteUung ber Eeutfdjen SanbioirtljfdjaftS'
gefeafdjaft in Breslau fanb eine prächtige Karte ber im gürftentlmm
£rad)eiiberg oortyanbenen Xeid)e unb bie jugeljörige (SrtragSberedjnung ber
bortigen beroäiferten Xeidje pro 1886 oiel Veadjtung. @S gab im £radjem
bcrgtfajeit 27 Xci^e mit 1752 ha ©efammtflnd)e, 1418 ha aöafferfpiegcl.
Von biefen auf ber Äarte oerjeiajneten Seiden loieS bie sJied)nungSüber-
ftdjt 17 betoäfferte mit 661 ha 2£afferfpiegel in it)ren 5öefa^= unb 3w-
roachSoer^ältnifien, mit Unterfdjeibung ber Jifdjarten unb Qualitäten,
foroie in Ve^ug auf ben SEertlj beS 3uroad)feS nad;. 531 (Sentner ^ifdje
*) 2>en rü^mli(ftft befannten (Stoatb 6(^mibt 3U Sdxtbt§mü6(c bei ^aßcit.
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78
i&olfgattg <£ras in Breslau.
würben eintiefest, 1898 Gentner auSgefifd)t; ber (SewidjtSäuwadjS war
atfo 1367 Gentner, entfpredjenb einem SSertfouwadj* oon 64192 9)torf!
£er Grtrag pro ha mar mithin im Satire 1886 runb 97 Sttarf ober
pro borgen etwa* über 24 Sflarf. 2BaS bie Ginridjtung biefer Xeidje
beut», baS Seichen unb Seftfdjen an Speien t;efoftet f)at, war freüid; ni$t
gejagt, aber immerhin wirb man bem &errn dürften &afcfelb feinem
ftefultat gratuliren bürjen.
roenbe mid) 511 bem 5 weiten fünfte meiner ^etradjtung, $u
ber Sefymptung nämlid), bajj baS in ber beutfdjen .Uüdje jur S3er =
wenbung fommenbe gif d) = 2Jfatenal oielfad) geringwertig tft
ober gar nidjts taugt. 9tid)ts märe tt)önd;ter als §u glauben, ein
Äarpfen fei eben ein Karpfen, eine Sd)leie eine Schleie; es fönnten feine
Dualität$unterfd)iebe oorfommen! 2Iuf bie Xtyatfadje, bafj l)äuftg birect
oerborbene gifd^e jubereitet werben, will idj Iner erft gar nid)t eingeben,
9lud) oon ifjnen abgefefjen, weldje uncnblidje SNeifje uon QualitätS^
unterfdn'eben bei jeber gif djgattung ! 2£enn bie 2IIten tr)re geinfd>meeferei
fo weit trieben, bafi fie einzelne gifdje nur bann effen wollten, wenn fic
in einem beftimmten ©ewäffer gefangen waren, fo gingen fie hierin ent*
f Rieben 51t weit. 2(ud) r)alte id) 'es für ein abgefdnnacfteS SBorurtfyeU,
wenn man fyeute behauptet, ber SöeferfadjS fei fd)led)ter als ber 9if)etnladjs. .
2£agenlabung3weife geljen prädjtige 2Seferlad;fe oon Jameln nad> -äflains,
werben bort geräudjert ober frifd) in ^anbel gebracht unb finb nun natura*
Iifirte „r)ocr)feine 9it)einladjfe". 2lber baS ift gemifj, nidjt jebeS ©ewäffer,
nidft jeber See, jeber Seid) ift im gleiten 9J?a§e geeignet $ur 2Iuf$ud)t
einer beftimmten gifdiart. 91amentlid> weidje gifdje nehmen gern etwas
oon bem ©efömacf eines unfauberen fte^enben ©ewäfferS an, in bem wir
fie aufhellen ober in baS wir fie einfefeen. «Die Karpfen unb Sdjleten
aus mannen Seiten unb ©räben finb wegen eines wiberlidjen 3)?obers
gefdmtads, frifdj) gefangen, gar nia^t ju effen; fie muffen erft eine 9teinigungS*
cur in gefunbem SSktffer burdjmadjen. Xem glufefifd), ben man fjeute auf
bem 9Jtorfte tauft, fann man es nietjt anfeljen, aus welker <Pfufce er
geftern auSgeftfdjt würbe; unb- fomint er nun gebraten auf unferen Xxfd):
welaje Gnttäufdmng!
2)er Hauptfehler ift aber ber, bafe man in 2)eutfd)lanb ganj allgemein
bie giftfje jur Unzeit ifet. GS giebt feinen gifdj, ber wätjrenb beS
gansen ^al;reö gleid) gut $u effen wäre. -üJtondje gifdje fmb wäfjrenb
einer gewiffen ^'eriobe im 3<xfyxe ungenießbar, anbere nid)t tyalb fo gut
als fonft, unb alte fter)en nur jeitroetfe auf ber £>öf>e tlnrer Gntwicflung
als Material für bie ftüdje. flurj r>or, wäfjrenb unb nod) eine 3*itlang
nad) bem £aid>gcfd)äfte follte man jebe gifd)art mit bem gange uerfajoneu.
SSäfjrenb in Gnglanb in ben eigentlidjen 23intermonaten felbft ber geringfle
9)ianu feinen Saltneu i§t, ber um biefe $e\t nod) ganj gefajwäd^t 00m
l'aid)gefd)äft im gcfod;ten ^uftanbe ein blaffet, trorfeneS, ungefunbeS gteifdi
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Die ^ifdj« im fyiusbalt ber «atur unb in ber Küd^c. ?9
beftfct, finbet man in beutfdjen Sanben aua? auf bcn tafeln fyofjer $errs
fünften unb nielfadjer Millionäre roäfjreub ber ganjen Sallfaifon ben
bleiä)füc()tigen £a<$$. Ungefähr um Mitte Mär$ rafft fiaj biefer tfifdj
roieber auf, e£ beginnt bie gliegemnaft, unb nun befifct fein gleifa? gefodjt
eine fdjöne rofenrotfje garbe; er ift fett unb beticat, aber jefct fagt bie
©efyeimratfysf ödn'n : „Meine jnäb'jen $errfcf)aften fjaben fidt) ben £a$3 fd&on
jum Ueberbrufc jejeffen; jefct muffen mir ifmen anbere gifdje rjorfefcen!"
£a faft jeber gifdj, ber im &au3f)alte in Eetradjt fommt, eine anbere
fcaidjäeü f)at, fo ift e* allerb tngä feine gan$ leiste Aufgabe uon jebem
mit Sidber^eit au$ bem (Stegreif 511 fagen, mann er gut ift. 3$ fjabe
barum für ben vereinten Sefer bie naajfteljenbe Xabetle entworfen, au3
melier mit einem SBlicf ju erfefjen iftf mann bie einjelnen gifajarten ge=
geffen roerben foHten unb mann nid)t.
^tfcfyfalenber.
®aftrofop^ifa)e Jang= Q unb 6cf>on* |§ 3eit unferer giföe.
3ifd)art.
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&er Mögltd)feit, gute gifdje auf roeitere Stretfen uerfenben unb biers
burdj ba3 örtliche Material für bie ftüdje ergänzen unb oermebreu gu
tonnen, ftef)t in £eutfdjlanb üielfaü) ba$ 23orurtfjeU entgegen, bafj $lujj=
fifdbe ftet$ nod) lebenbfür ben tfüdjenbeb arf eingefauft roerben
müßten. 34 &aIte *>tä, wie gefagt, für ein $or urteil unb fann
mid), n>enn i# unter geroiffen Umftänben ben tobten gifd) bem lebenben
fogar r>or$iel)c, auf ben treffttdjeu §orrotf$ berufen, ber in feinem bereit-?
genannten 28erfe hierüber fagt:
3n $eutfcbtanb ift c8 jur ©etuebnbeit artoorben, bic ftlufififcbe m« lebenb 311
ücrfaufcn; bic ®erüObnb,eU aber ift eine 9)tod)t, unb beutsutage roiÜ «einer einen
«Ptb nah 6üb. L., 148. 6
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80
IDolfgong €ros in Breslau.
tobten 8fifd) taufen, dagegen werben in (Snglanb alle gij'dje, mit £infd>lu& ber Soreüen
uno Steffen, tobt üerfauft. 3d) floi> mir grojje 2)tül)e, ju unterfudien, roeldjeS baS
beftc Verfahren fei, unb finbe, bafj fid) für unb gegen beibe Birten mand)cS auffmben
läfjt. 3- ®- loirb tt>of)l 9ltemonb in Jlbrebe fteQeu, bog eine Oforelle ober SlefdK,
bie 1 bis 2 Stunben, nadjbem fie gefangen, getöbtet toorbeu, fdjmadijafter ift, als
eine, bie £ag$ äuöor gefangen, in einem ftorbe uerpaeft, tueit fortgefd)i(ft mürbe.
2)cnnod) fdmtecft fte nodj meit beffer, als ein Srtfctj, ber nadj beutfdjer Srt erft tage=
lang in einem gifdjfaften aufbemaljrt mürbe, ©in foldjer <yifd) oertiert ntdjt nur
an @efdnnacf, fonbern aud) bebeutenb au (§kmid)t, ei mirb mager unb gefdmtacfloS.
3n $eutfd)(ant> beachtet ober fennt man biefe £l)atfad)e nid)t unb tauft benfelbeu
nur tcbenbig gern. 2>aS aber ift ein grofjer Segler, unb id) oerfic&ere meine £efer,
ba& eine am ftadjmittag ober 2lbenb gefangene ober fofort getöbtete Srorelle ober
Slefdje am nädjften Xag nod) bie £afcl eincS geinfdmtcdi'rS gieren fann. Um biefe*
äu ermöglichen, folge l)icr eine Siegel, beren forgfame 23ead)tung id) als unbebingt
nothwenbig empfehle. Sofort nad) ber Slnfunft gu £>aufe öffne man ben ftifd) unb
reinige benfelbeu auf's «Sauberfte, momoglich mit Oueumaffer, reibe ib,n barauf leicht
mit einem leinenen Xuche aus unb fülle tön mit ©als, reibe biefeS tt)eilmcife mit
ben 3-ingeru leid)t ein unb lege ben gifdj auf eine trotfne $orsetianfdjüffel ; trage
ihn in einen füllen SMer, aber lege ihn nie in Gaffer. 3d) bchanbele ftet§
meine ftifebe nad) biefer Lanier, menn fie £agS barauf gegeffen merben füllen.
Sluch länger fann man ftifche fo aufbeben, bod) ift bieS nicht gerabe ju empfehlen."
2£a* ben britten unb legten ©egenftanb meiner $rebigt: bie oft
aufcerorbentlid) mangelhafte 3uoerettung ber gifdje anlangt, fo
meine idfj, bafj in einem Sanbe, roo ber gifdjeretfport (eiber ®otte3 nodt)
in ben ßinberfdjufjen ftedt, ber roidjtigfte J^ntpuU für bie 9lntoenbung
rationeller 3UDere^tun9^arten W*- $er ©nglänber, roeldjer mit Slufs
menbung großer fluuftfertigfett nadb. langem ^emüljen einen frönen 6almen
an ber gltegenrutb,e gefangen unb gelanbet hat, toa<$t mit bem 3luge be3
^rotectora über ber 3ubereitung feinet ganges. 9tt<$t feiten unter$icf)t er ftdj
felbft biefer 9flüf)emaltung; e3 bürfte in (Snglanb fourn einen gtfd>ereiliebf)aber
geben, ber fid) nidjt auf bie 3ubereitung ber gifdje oerfiünbe. ©ine ber
gebräuajlidtften englifa^en gifdjfaucen, biejenige, toeldje auä fetter 6alme
(SHafnn, Dberä) unter 3uiafe rjou Senfpuloer, 3"<fo unb etroaS Gurrt)
bereitet wirb, ift eine (hfinbung jenes £erbu, ber ben $ratfpie§ ebenfo*
gut &u Ijanbfjaben nm&te, roie bie gliegenangel unb bie ^irfc^büa^fe. $er
beutfaje ©djlofc ober £au$h,err, beffen gifa^c burä^ irgenb einen Sebieufleten
gefangen ober um fdjnöben 9Wammon in ber 3)torftf)alle erworben merbeu,
nimmt an bem Sdbicffal berfelben, beoor fie auf ben Xifd; fommen, nur
ben halben 3lnt^eil. 9iid)t mit Unrast fagt ^örillat^aoarin: „(Sin ge=
biatene^ gelbfmljn gerätl) am heften, menn c$ in ®egenmart beS
subereitet mirb, ber ei gefcöoffen Ijat."
©ebratene unb gebarfene gif^e finb in ber 9iege( beffer als gefönte.
^DaS Giroeife, ber £eim unb anbere 6ti(fftofftrager foa^en l)erau3 unb
werben meggegoffen. Wati) meinem dafürhalten ift ba^3 (Sintaud)en be$
gifd;e« in fiebenbe<5 friferje^ Del ober gett bie befte 3ubereüung$metlwbe ;
babei incruftirt er gut, mirb rafa; gar unb bleibt fdjön faftig. 9JZan fann,
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Die ^ifd?e im Jjansljalt ber ilatnc nnb in ber Kiidje. 8^
nachbem man irm mit bem (£cr)öpfgitter ausgehoben hat, jebe beliebige (Sauce
Zufügen. 3m oe ^iüe 511 Xrieft habe ich 3. Sö. fo jubereitete
gifche in einer »ortrefflichcn ^rofecco= Sauce gegeben. $er ^rofecco ift
ein halbfüfcer, an ber balmatinifchen Äüfte reifenber unb von 9totur etwas
tnouffirenber 2Bein, ben fa;on bie Kölner fannten unb I)odjjd)äfeten.
©egen bie Slnwenbung beS ClioenölS (mir fefccn oorauS, bajj es von
tabellofer griffe unb Feinheit beS ©efdnnacfeS fei) $u eifern, ift baarer
Unfmn. ©S giebt fein beffereS 3Rebium jum Skcfen unb traten, unb es
ift unwahr, wenn einjelne 9ieifeube behaupten, in Italien fdjmecften ade
©peifen unangenehm nach Del. 3$ babe gefunben, ba& bie in guten
italtenifcf}en ©peifehäufern juberciteten ©endete in erfreulicher SBeife beS
SeigefctmiacfS von ranjiger Butter unb fehlerem sJftnbStalg ermangeln,
welchen man fo oft bei ben ^robucten ber beutfdjen tffict)e beobachtet.
UebrigenS weiß ich in bieder ^Bejiehung ein ergöfelidjeS ©efchichtchen ju
erzählen, ©iner meiner greunbe, SöerufSofftjier, mar im franjöfifchen gelb*
juge bei ©raoelotte fdjwer oerwunbet worben. 2US er nothbürfttg roieber
bergeftellt mar, fchicfte man ihn ,ur SJefdjfeunigung feiner ©enefung in
irgenb einer t)al6arnt(idr)en Function nach 9lom. 6r miethete ficr) bort in
einem ©afthaufe ein unb oerabrebete mit bem Söirtf), bafe ihm täglich ju
einer geroiffen 6tunbe ein 33eeffteaf — „aber nach beutfdjer 3(rt in guter
93utter gebraten" — feroirt werben follte.
Xie SBeeffteafS waren fer)r gut unb fdjmecften meinem greunbe aufeers
orbent(ict) worjt oierjerm Xage lang ober langer. Xa brachte man ihm
eines XageS ein Seeffteaf, welches nach feiner Meinung faum ju genießen
mar; es tjatte feine fo fcr)öne bunf elbraune Trufte rote bic früheren, es
war in ber 3Kttte noch roh unb an ben 9tänbern grau, roährenb bie anberen
burch unb burdj fchön blafcrotf) geroefen waren; eS war auch wicht fo faftig,
unb cnblicr) hatte eS einen unangenehmen -öeigefchmacf nach oem 5ett, in
bem eS jubereitet worben war. 3)er ©aft rief ben Äellner, unb biefer mußte
ben 95>irth citiren. £er 2Birtf) uerfprad) bie fchleunigftc unb grünblichfte
Unterfuchung. 9toch einiger fttit fehrte er jurücf unb fagte unter oielen Gnt=
fdjulbigungen, burch ein bebauerlidjeS ^erfeljen in ber ftüdje habe man bis
heute alle auf baS Limmer beS £errn Lieutenants gelieferten 23eeffteafS auf
bie gewöhnliche 9lrt (mit Del) zubereitet; tyute wäre aber burch einen 3it4
faU ber Dbertoch baran erinnert worben, bafj ber beutfche Cffijier feine
SeeffteafS in SButter gebraten fyiben wollte! — 60 würbe mein wacferer
greunb oou feinem $orurthetl gegen eine 3ubereitung ber Speifen in Dliuenöl
geheilt. Sie Teilung ber Sdmfjfractur, bie er fid) auf bem gelbe bel-
ehre geholt, war leiber nid)t ebenfo fdmeu" unb glüdlich ju bewerffteliigen.
sBenn ber gijfy ia gefocht, b. h- Behufs feiner ^Übereilung in ftebeus
beS Söaffer geworfen werben mug, bann empfehle id) feljr, bie ^rübe
nicht ju breit ju machen unb irm nid)t ju lauge 311 fod>cn. ©ie ©räfin
fünfter treibt in ihrem bereits erwähnten tfod)bud)e, aus weldjem man
6*
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82
tDotfgang €ras in Breslau.
unenblicf) otel lernen, nach beffen Vorfchriften man aber nicht ofme Sßeüere*
oerfahren fann, unter 3h. 169 über bie SJtatelote oon Jtarpfen ober Waten:
„(Sincn Qiofeen ober jroet deine Karpfen fc^netbe in 7 ober 8 ©tücfe, brate Re in
ein njenig Söutter, füge bann '/» ßtter SWotljtoetn, einen grofeen Söffet ftraftbru&e
3wtebeln, fträuter, ©eroürj unb Salj fn'nju, unb todbe fie langfam 3|*©tunben."
3df) habe mir erlaubt ranbfchriftlich in meinem (Somplar beS gräflichen
4lodjbucf}3 anjumerfen: „$)ann wirb (auter Suppe baraud!"
9Jian foll ben gifch nicht ju lange fieben, aber unter allen Umftänben
lange genug, um bie Garanten ju tobten, benen ber gifch otelfact) als
2öohnftätte bient unb welche bem sUienfc^en gefährlich werben tonnen,
fofem fie noch lebenb bejw. entwicflung$fär)ig beim Verfpeifen be$ gifches
aufgenommen werben.
Unter ben ©elerjrten, bie neuerbing« auf biefem ©ebiete burd)
wiffenfchaftliche gorfchung [ich oerbient gemacht haben, ift namentlich ber
$orpater Zoologe <jkofeffor 23 raun ju nennen. (Sr hat u. 91. nachge*
wiefen, bafe für ben 3Wenfchen ber £ed)t unb bie Ouabbe als 3roifcben=
roirthe für Bothriocephalus latus ansehen finb; ferner baß oon ben
in ber Siflänbifchen Unioerfitätäftabt sunt SJtorft fommenben fechten nidht
weniger als 90 > mit Sothriocephalenfinnen inficirt finb, unb baß, ba
in ßiflanb ber £ecf)t oielfadt) nur fdrwach geräuchert, alfo ^atb roh, forote
fein at£ eine 9lrt Gaoiar jubereiteter £atch gegeffen wirb, ber SBurm
majfenhaft bort auf 9ttenfchen übertragen wirb. $ie Verbreitung beä
Bothriocephalus latus unter ben SHenfchen oorpgSweife gerabe in folchen
©egenben, wo oiel ungenügenb jubereitete gifche oerjehrt werben, alfo
in ßoHanb unb Belgien, in Schweben, in ben ruffifchen Oftfeeprooinjen,
in Cftpreußen, in ber weftlichen Schmeiß unb in ben angrenjenben franjöftfdjen
$>iftricten, beftatigt SkaunS 2lnfiä)t, baß ber Bothriocephalus oorjugSweife
burch gifchnahrung bem SJienfchen jugefütjrt wirb.
ÜDiein !Ratt) geht bat)in: 3fe wie einen gifch, ber am 9tücfgrat bejro.
bort, wo Äopf unb 9iü<fgrat fid) oerbinben, noch blutig ift. 25a ber otogen
unb bie 3Witct) meift f eparat ab gefocht werben, fo erheifchen biefe Stüde,
wa£ ba£ 23lutigfein anbetrifft, ganj befonbere 9lufmerffamfeit. 2)ie ginnen
fifcen houptfächlich im ©efd)eibe unb in ben 2öeid)theilen ber gifche.
Uebrigenä fann ich eine wenig befannte unb oortreffliche SJcetfjobe
angeben, um fechte unb anbere t)arte gifche fo aufbereiten, baß eine
^nfection burd) ^otriocephalenfinnen für benjenigen, ber ben gifch ifft
gänjlich auägefchloffcn ift. (Rod) ober J^ödnn freilich, welche ben gifch
fchlachtcn unb jubereiten, bleiben immer gefätjrbet, fofem fie fich nicht ber
größten Sauberfeit befleißigen unb etwa bie ginger ^um SKunbe führen,
mit benen fie eben noch ben rohen gifch angefaßt rjaoen.) 2Jiein 9?ecept
ftammt au$ bem £aufe beä (SommerjienratheS S. 3)?., beffen ftüaje unter
ben jDeoorjugten, benen ihre ^robucte femten ju lernen oergönnt war,
fich eines oorjüglichen 9iufeä erfreut.
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Die #fdje im fjansbalt ber Hatur unb in ber Küd?e. 83
ftauft fletne £edjte — wenn fic mef)r als einen guß lang finb,
fo f ann i$ fie f djon nid)t empfehlen, ba bie 9teget beS 33aron oon SBacrft :
oon Ijarten Sif^en junge, oon weisen Sifajen alte, ausgeworfene ©remplare
ju wägten, beim §e$t jutrifft — unb werft ben oorfjer aufgenommenen
in fiebenb ^ei§ef SBaifer, weldjeS i^r oon ber platte herunter ge*
nornmen tyabt. 9tod& ein $aar Minuten wirb ber gifdj fid) bequem ab*
fäkalen unb entgräten laffen. £)ann serfdjneibet u)n in (Stüde oon mittlerer
©röfee unb legt ilm 2 ©tunben lang in SDJild). &at er biefe Skbecur
abfoloirt, fo fiebet ilm in $ett ober Del nur furje Seit, fo baß er fd&ön
^eU unb $art bleibt. 1 X^eil 9iinbsfett auf 3 Xfjeile Sdjwetnefdjmalä
ift eine bewährte SHifdmng. 9ftan fann bie Stücfe aud) oorljer paniren;
inbeffen tyibe idj gefunben, baß bieS ben eigentlnimlidjen 2Bof)lgefdjmacf bes
.§ed)tS einigermaßen oerfümmert. 9llS einjige 2Bür$e ju biefem gtfdjgeriajt
ift junge ^eterfilie $u geben, beren f leine Steige, ebenfo wie oorfjer ber
gifdj, in bem befannten $raf)tforbe bem fiebenben gett übergeben unb naä)
furjer 3«ü fäön gebaefen unb fnuSprig roieber heraufgezogen werben *).
Säfet man giia> in einer wäffrigen ftlüffigfeit (öritye) längere 3eü
fod>en, fo löft fid) alles gleifdj oon ben ©räten, unb gießt man fobann
ben ganzen Sub burd) ein genügenb feines Sieb, fo erf)ält mau eine
tjalbflare JJifdrfuppe. 3ur 91ot() fann man beS Siebe« aua) entratyen,
ba bie ©raten unb bie ausgetobten gleifdrfafern oermöge tyreS größeren
fpecifrfdjen ©ewid&tS $u 93oben iinfen, fobalb man ben Äeffel oom geuer rüdt
unb feinen ^nr;alt erf alten läßt. $ie Suppe fann bann abgegoffen ober ab-
gefeböpft werben. So bereitet ber ungarifa> gifa>r feine tägliche Stoljrung,
baS ©alädjle, feine gifdjfuppe. $aS „flleinjeug," was er beim 2luS--
werfen be§ WefceS tagsüber fängt, wirb in einen Aeffct geworfen, ber
wäljrenb bes ganjen SagewerfS über fd&waajem flofjlenfeuer eine SBrülje aus
Üßtoifer, Sal5, 3rotebeln, oiel Sßaprifa, unb oft woljl aud) etroaö fauren
©ein, in gelinbem 33robeln erhält. Mefjrt ber %i\$ex bann bei ftnfenber
9to$t naa) feiner fiagerfiätte am Stranbe jurüd, fo ift bas tfoljlenfeuer
niebergebrannt, bie gtfdjfuppe ift im 21bfüf)len begriffen, bie ungenießbaren
Steile bes Äeffelinfjalts fjaben fidjju 33oben gefefct, unb nun wirb gefuppt!
$(f) habe bie ungarifdje gifdjfuppe entfpredjenb ben 2lnforberungen
unterer mobemen Äüa)e 5U oerbeffern gefugt, unb meine Jreunbe behaupten,
baß mir bieS gelungen fei. maa)e ju biefem Söcljufe einen 3ufa&
oon ÄrebSbrü^c unb SRinbsbouiUon. Ärebfe werben rol) in einem
Dörfer jerftoßen unb in Butter angebraten, e^e ia; fte austobe, ^er
*) Äcccptc für bic 3nbcrettung ber ^fifd&fpeifcn $u liefern, foim im SlUflcmcincii
fcter nubt meine Aufgabe fein. me^rt fid) ja täglid) bie 3nt)l ber in allen Spradjen
bei SBelt afdjcinenben ffod)büd)er. 3nbeffen ift mir eine 3)Jonoflropoie befannt, bte id) auf
bad &*ärmftc empfehlen barf: Mba8 öfifdjlodjbud) beS fti|"d)öercin8 für öen Streit
Horben," n>eld;cä öon Hermann Jbraa^utS in Horben unb ^oibernet) jum greife oon
25 beißen werben fann. $ier b.cißt ei einmal auäna&memeife „billig unb gut".
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8^ ^ IDolfgang <£ras in Breslau.
3ufafe uon uiel ©rünjeug unb einer geeigneten Sorte 2Bein (Sfjerrr; ober
Ungarwein) unb einer genügenben Portion Sjkprifa ifit bei ber Grtraction
ber fämmtliajen ,3*ngrebien$ien eine &auptfad)e. gleifd)*, ftrebSs unb gifdbs
brüfje muffen, nadjbem man fie burdj baS Sieb gegoffen unb mit einanber
Bereinigt f>at, nod) entfprea)enb einfoa^en. 9lud) fann man beim 3(6=
fdjmeäen etwas ,3u<ier äufefcen. 2>iefe Suppe ftef;t in ihren Sirfungcn nad>
meinen langjährigen Erfahrungen ben uon ^rillatsSauarin im Reimten 2tyiie$
feiner berühmten ^udjes angegebenen „SiärfungSmüteln" mmbeftenS gleidj.
$em bered&tigten SBunföe, beim Sieben eines gifdjeS jener närjrenbeu
unb wofjlfdnnedenben SBeftanbtljeile, weld>e berauätodjeu, nid)t uerluftig ju
geljen, uerbanft aud) bic SKatelote it)re <*ntftef)ung. Sie fcfpn ber sJtome
anbeutet, rjaben mir eS mit einem 9ftatrofengerid)t ju trmn, alfo mit einer
Grfmbung uon öeuten, bie burdj tyr ©ewerbe auf baS feuchte Clement unb
feine Sewofmer Ijingewiefeu werben. 3ur SJiatelote nrirb in granfreia) in ber
Siegel ein wetdjer unb ein fetter gifd), j. 33. Äarpfen unb Slal, uerwenbet.
$ie gifa> werben in Stüde gefdmitten unb in fü&em feurigem s™etn, manty
mal aud) in 2JJo[t, gefotten. £aS ©eridjt tomint mit ber 23rülje auf Den
Xifd), bie man burdj (Sinfodjen mit einem 23rot= ober 2)tel)ljUfak uoiljer
eingebidt bat. Unfer jefet in ganj $eutfdjlanb befannter „polnifdjer
Karpfen'' ift eine SHatelote, bei weldjer iöter unb ^fefferfua)en au bie
Stelle ber 28einf»rflf)e getreten finb.
9tud) bie sJ)?atelote fann man feljr wefentlid) uerbeffern, wenn man,
was id) auf baS Särmfte empfehle, sunäd)ft eine „uerbefferte" gifdjfuppe
unter 23enufeung uon allerfjanb „illeinjeug" aus bem nädjften gifdjtroge
berftellt unb bann in biefer gifdifuppe ben gifd) fiebet. 6s uerfiebt
fid) uon jelbft, ba§ bie 2hüf)e bis auf Saucenconfiftenj eingefoebt werben
mu§ unb bajj man fie burd) 3ufafc 1,011 ftrebsfd) wänden, gefüllten ÄrebS*
nafen, 9Jiord)eln, 3lmorettcn u. bergl. auf baS SMnmutfngfte ucrjieren fann.
Ter SMftänbigfeit wegen barf id; nid)t unerwähnt laffen, bafj man
im ganzen Mittelalter bem gifdjgenufe anregenbe 2£trfttngen ;>ufd)rieb
äfmlid) jenen, weld)e ber Trüffel unb bem Sellerie ein gewiffcs Sienommo
uerfdjafft l;aben. 9Wan erjagt in biefer üBe&iet)ung oiele ergofclidie
2lnecboten, uon benen bie uom Sultan Safabiu unb ben beiben £erwifd)en
bie bemerfcnSroertf)efte fein bürfte. Salabin wollte fcl)eu, wie cS mit ber
(Srjarafterfeftigfeit ber $erwifd)e eigentlidj befteHt fei. (£r liefe jtuei ber
frönunften in feinen v}Jalaft fommcu unb tynen wod)cnlang eine auSgefudjt
fräftige gleifdjfoft uerabreidjen. Sie triumpf)irten über jebe s^erfudjung.
9cun foütcn fie jur 2Jelotmung nod) eine Solang bei ^ofe bleiben unb mit;
effen bürfen, was 3af)re*$eit unb ^lücben^ettel eben bringen würben. Zufällig
gab es mehrere £age Ijintereinanber gifd^geria^te — unb ftel;e ba, bie Ter*
wifa^e würben ihrem ©elübbe untreu. (Biillat-.Savarin, ru6diiation VI, 41.)
Tanad; wäre bic gifdtfoft freilia^ ganj unb gar uia)t geeignet als
gaftenfpeife!
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21us bem (Drient.
Slüdjtiqe Huf$eii?nungen.*)
Don
Paul Cinbau.
— Berlin. —
XI.
Hm Konftantinopel.
$ie dauern. — f^a^rt na* bcr afiatifcf)cn ftüfte. — ÜlWoba unb ftabiföt. —
$er arofce »irdtfof üou ©futari. — $tc afiatifdjc XürfenftaM. — (Sin munber»
lieber fceiltacr.
8 wäre eine SBermeff entyeit, wollte idj jene ftoljen Tenfmäler
au3 ber bi)$anttmfd)en 3eit/ bie ba$ entfte Stubium be$
2lrd>äologen erforbern, bie iä) aber nur mit bem 23licf bc$
£aien im Sßorüb ergeben geflreift tyabe, in ben .Kreis meiner oöllig <mfpru$£«
lofen 3luf$eiö)nungen jiefjen. gür mid) waren aU biefc Säulen unb Cbc*
liefen, bie jefct lieblog ber S3erwaf)rlofung überlaffen finb, biefe Gifternen
unb Xrümmer großartiger Sauten, cor 3111cm aber biefe cnflopifdjen
dauern, mit benen äonftontin feine ßauptftabt befeftigt Ijat, nur bie
berebten 3*u3en ber mutigen SBergangenljeit, efjrmürbig meland;olifcf;e
2£afn-$eia>n ber gefallenen ®röfce.
„. . . ©ine £aüartnbe
Siegt aufgefaltet über bem ©efunben,
Unb jeber fjitBtritt toanbclt auf 3crftöru!tg."
SMefe 2Borte be3 £>id)ter$ werben uns mit einer £inbringlid)feit
fonbergleid&cn, namentltd) burd) bie gewaltigen dauern, in'^ 0ebä$tnift
jurütfgerufen. So oiel aud) jerfallen ift, bas, was bem Sturm ber $eit
*) 2lbfd>lufe bet fteifebüber in fceft 139 unb 140.
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86
panl Ctnban in Berlin.
getrofct hat, ift nodj von übermalttgenber ©röjje. $iefe riefiQcn Stein*
auffdfjichtungen , aus benen jefct baS biete ©eftrüpp ^erooriüudVrt unb
mächtige 33äume aufftreben, machen auf uns, wenn mir ben grofjen Spajier*
ritt um bie ©tabt unternehmen, ber uns all bie Schönheiten, bie mir fchon
berounbert haben, nrieber in neuem Sid;te unb in immer neuen ^erfpec*
ttuen $eigt, ben unauSlöfchltchen ©inbrucf ber granbiofen $erlaffenheit.
£)ie SWauern haben eine Sange non natjeju Heben Kilometer unb ner*
birtben etwa hunbcrt&wan}ig meift oiereclige Thürme miteinanber. Seit
langen 3a^rt)unberten hat man ben colojfalen fteinernen Mng bis auf wenige
unerhebliche Strecfen ber langfamen gerftörung burdj bie 3eit preisgegeben,
hat man ruhig oerfallen laffen, was eben oerfallen ift, unb feines SWenfdjen
&anb hat bie raftlos fchaffenbe SRatur, bie bie ©rbe jroifchen ben Stein*
häufen befruchtet, in ihrem oerf ähnlichen ©rjeugungStoerfe geftört. 3u
unburchbringlichem ©eftrüpp hat ftch baS Unfraut »erbietet, unb auf ben
£öhen fchaufeln fich iefet breitäftige Säume im SBinbe. Stuf unferm £rb*
theil roüfete ich faum d*t«i ^au 3U nennen, ber bie trofcige nnb boch oer=
gebliche Auflehnung beS 3J?enf<$emperfeS gegen bie unauffjaltfame 3erftörung
burch bie 3eit, ber bie 2?ergänglia)feit alles Qrbif a>n in erfchüttemberer
SBeife jum 2luSbrucf brächte, als biefe riefenhaften Ruinen.
35er rounberfame Gontraft jtDtfd^ett ber feierlichen Stille hier an ben
dauern unb bem roüften Öärm in ben engen ©äffen, biefe 9tochbarfdjaft
ber fchroffften ©egenfäfee, tritt uns auch fonft in Gonftantinopel oft in
befremblicher 2Beife entgegen, bitten in ben oolfreidrften ©egenben finben
mir bie Trümmerhaufen, bie unangetaftct bleiben, unb auf benen baS
Unfraut wuchert. Unb inmitten beS ooflften unb lännenbften Sebent ber
©rofjftabt finben roir bie ^uheftätten für bie Tobten: aufcer ben großen
Kirchhöfen sahireiche f feinere Segräbnifjpläfee, bie überaä jerjlreut in ber
Stabt umherliegen. Ter größte unb roichtigfte griebhof ber ganzen Türfei
ift ber oon Sfutari, auf beffen fdjroermüthig finfteren (Snpreffen unroiH^
fürltch fich unfer 33licf jebeSmal roieber hiulenft, roenn wir über bie grofce
örficfe gehen. T>er griebhof oon Sfutari ift nicht nur an fich eine Sehend
roürbigfett, er bietet nebenbei aud) ben uieHeicht fchönften 3luSfichtSpunft
auf Gonftantinopel unb baS ©olbene #orn, auf bie ^rinjeninfeln, baS
2Jiarmara = 9J?eer unb ben Bosporus.
5ln einem herrlichen fonnenhellen Tage fuhr ich mit meinem liebend
roürbtgeu ©aftfreunbe, bem Ingenieur, ber mich i,n 23ajar herumgeführt
hatte, nach ber afiatifchen Hüfte hinüber. 2ln ber grofjen 33rücfe nahmen
mir ein ftaif, eines jener f$(anf gebauten leichten 33oote, bie pfetlfdmeu*
burdh baS ©affer fdnefcen. Xk beiben iöootfüf)rcr roaren rounberherrlidhe
©eftalten, 9)JobeUe, wie fie fich ein 9)?aler nicht fchöner hätte rounfdjen
fönnen. Namentlich ber eine war eine prachtoofle Ghrfcheinung. Gr mar
oon ber Sonne ganj fdjroars gebrannt. Unter bem gej quoll baS oolle
#aar heroor, ein ganj fraufer, ziemlich bünner Sottbart umrahmte baS
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2Ius bem (Drtent.
87
ebelgefdjmttene ©efidjt, aus bem jtoei brennenb heiße bunfle 2Iugen funfeften.
Seiner ^cefe hatte er fidj entlebigt; er trug nur baS $emb unb breite
ioei§e ^luberrjofen, bie bis über bie ftniee reiften. £aS &emb roar
nicht gefchloffen, unb man fah, rote Srabantio fagtr „beS UnholbS ped)=
fchroarje 33ruft". <5r hatte bie £embärmel aufgeftreift unb jeigte ein paar
arme oon wahrhaft tyerfulifdjer SftuSfulatur.
Sahrenb unfer Keines Schiff unter ben wuchtigen 9toberfchlägen bie
blaue glutf) burdjfaufte, tummelten um unfer ftahrjeug ^unberte oon
luftigen Delphinen, bie bie lächerlichften flooffprünge matten. ©S fah
beinahe fo aus, als ob Tie uns eine (Srtraoorftettung geben wollten. Da*
bei jogen in langen Letten bie tieffliegenben Sögel an und uorüber, unb
bie Sonne gierte in bem cnanenblauen Sßaffer, baS eine f)errlid)e Äüt)le
oerbreitete. GS roar ganj wunberooH.
gür bie SBewofmer oon ßonftantinopel, bie gewiffermafjen ä cheval
srotfdVn jroei 2Belttt)eilen ftfeen, fyat Sfutart mit ben anliegenben Ort*
fcfcaften nidr)t^ befonberS (SinbrucfSoolIeS met)r. 2Iuf mich aber machte eS
bod) eine eigentümliche SBirfung, als ich ben gu& jum erften Sflat auf
ben Soben 3lfienS fefete.
SHoba, baS oberhalb ber gleichnamigen Sucht in wunberooHer Sage
auf fdjroff abfallenber &öbe aufgebaut tft, bilbet gewiffermafjen bie 33ors
ftabt ju ßabiföi, bem alten Gbalcebon, ber Stfachbarftabt oon Sfutari.
$n SHoba unb ftabiföt leben fef)r oiele Deutfd&e, bie fid) ba inmitten
Keiner blüt)enber ©ärtajen befdjeibene pbfdje Käufer gebaut höben. 3Ran
tyit oon f)ier aus eine entjücfenbe SluSftcht auf baS Warmara^eer unb
namentlich auf bie ^Srinjeninfeln, bie wärjrenb ber Sommermonate oielen
Seioofmern (SonftantinopelS unb unter biefen auch namentlich oielen unferer
Sanbsleute eine fühle 3uffucht3ftätte aus ber aisbann unerträglich ^eifeent
Stabt bieten. 3n flabiföi rjerrfdjt währenb biefer 3C^ em re3e5 Sabe*
leben. 2htfeer ihrer unoergleidjlich frönen Sage bieten bie beiben Drte
nichts SefonbereS. 2öir bura^farjren fie fchneU, um uns, roieberum auf
einem unmöglichen 2£ege, jur &öhe beS großen Kirchhofs oon Sfutari
fjtnaufrfitteln ju laffen.
©in ungeheurer Gupreffenhain. ber über eine Stunbe lang ift, nimmt
unS auf. Die Saume oon ungeroöfmlicher Stärfe unb Schönheit beferjatten
taufenbe unfc abertaufenbe oon ©rabfteinen, bie ben Soben gan§ bebeefen.
3u Äopf unb }u ffi^en jebeS lobten ift fenfrecht ein etwa fünf bis fecf)S
Ju§ Ijo^er SRarmorftein aufgerichtet. %t\>e männliche Seiche ift baburef)
gefennjeichnet, ba& einer ber Steine einen Durban, neuerbingS auch mit=
unter ein ftej trägt. 2Jiit funftooU oerfchnörfelter Ornamentif — bie
tfirfifchen Stetnmefee bergen bafür eine befonbere Oefchicflichfeit — unb
mit langen Sluffchriften finb biefe Steine gefchmfitft. Die «erjierungen
unb Schriften finb häufig in bunten Sorben ausgeführt, oergolbet ober
blau, roth unb grün. $a, roo ber ftopffchinuä grün unb fchroarj gefärbt
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88 panl £inbau in Serlin. —
►
ift, ruht ein Semrifch. Sie eigentümliche ©leichgültigfeit ber dürfen au
ber (Spaltung be$ ©efdjaffenen, if)r uns unbegreiflich erfcheinenber &ang,
ber jerftörenben ©eioalt ber ©lemente unb ber 3«t in träger ©elaffenheit
5U$ufdjauen, jeigt ftch auch hier. So herrlid; bie Steine finb, mit benen
bie dürfen it)re lobten ehren, fic laffen fie ruhig oerberben unb r>cr:
wittern unb fümmern fich nicht im ©cringften um bie ^nftaubhaltung ber
©räber. Sie junädjft fenfredjt eingetriebenen fcr)maten Steine oerlieren
fet)r balb burd) ihr eigenes Schroergenricht il)rc urfprfinglidje Stellung; fie
fenfen fich balb nach rechts, balb nad) linfs, balb nach oorn, balb naa)
hinten, unb fein 3Weufct) benft baran, fie roieber in Mefy unb ©lieb $u
rieten. So macht beim biefer rieftge 5lird&l)ofr ber größte beS Oriente,
bei bem roüften Surcheinanber unb ber völligen Unregelmäßigfeit ber
©rabfteinc trofc ber Schönheiten im (Sinjelnen benfelben (Sinbrucf gren*en=
lofer ^enoahrlofung, wie mir Um l)ier ju Sanbe auf Schritt unb Sritt
empfangen. Sie große Sobtenftabt unter ben efjrroürbigen, fchtoermüthigen
(Snprejfen ift gerabe fo oernrinfelt unb oernad)läfftgt, nrie bie Stabt ber
Sebenben.
3lber bie ungeheure HuSbehnung, bie Waff enhaftigfett ber unzählbaren,
jum ^tjeil fet)r funftooll gemeißelten 3Jtormorfteine unb oor 3lUem bie
Sa^önf)eit ber finfteren SJäume ergreift bod) mächtig.
Sfutart felbft mar bie erfte unoerfälfdjte afiatifd&=türfifdr)c Stabt,
bie ia^ fenneu gelernt Ijabe. Sie &ol$h$ufer, in benen jebeS Stocfroerf,
oon föroadhen eisernen Stüfeen getragen, über baS anbere heroorfpringt,
ftnb unansehnlich unb unfd)Öit. iHlle Jenfter finb mit einem boppelteu
©itterioerf, einem Ijöljernen nach ber Straße 3U unb nach ber SBofmung
ju noch mit einem aus 9iof)r geflochtenen, abgefperrt. iöiStoeilen fpringt
noch ein ebenfalls bid)t oergitterter Haften, ber genau wie ein Ääfig aus*
fieht, roof)l eine 2lrt Grfer, aus ber Stirnfeite hervor. Sic Stabt ift rote
ausgeftorben. §ier Ijört man fein SSagengeräufch, hier fieht mau faft
feinen 3Jienfd)en. Sie SJiänner finb iool)l 311m großen Sbeil unten am
Stranbe, vielleicht and) im ^ajar, wo fie ihre haaren feilbieten, unb bie
grauen finb, oor 9lÜer üBlicfen oerborgen, in ihren frcublofen ©emächern
ober in jenen buftenben unb blühenben, aber einfamen ©arten, bie bura)
hohe dauern 2lller flirten entzogen finb. Sritt einmal eine bidt)t ver*
fd;leierte Sürfin auf bie Straße unb wirb fie beS gremben anfichtig, fo
hufcht fie mit einer hier auffälligen ScbueÜtgfeit oorüber.
3n einer ber oben Straßen, bereu Traurigfeit hier im blenbenbcn
Sonnenglan^e noch befonbers traurig roirfte, fal> ich ein merftoürbiges
Sdjaufpiel. ^on jroei jer lumpten Serroifdjen rourbe auf einer Sänfte ein
fd;rcdlicbcS menfcbliajes Gefeit getragen, ein oertrottelter Mrfippel, aus beffen
blöben 9lugeu ber Stumpffinn ftarrte. Sic beiben Männer fangen gatij
merfioürbig mit überlauter Stimme, 6 s toaren tforanfprüche, bie fie vor-
trugen. Sa$tvifd)en lallte ber arme SMöbfinnige. Sie Ärüppel fmb ben
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Mus &em Orient.
89
9J?uf)amebanern f>eüig. (5$ toar alfo ein fettiger, ber ba umhergetragen
unb für ben ocrmuthlidh bie 2Nilbthätigfeit ber fteajtgläulngen antjerufen
rourbe. 9Jirgenb$ ift mir bie (5igcittt>ütuUcr)feit be$ ffiam anfa)aulid)er
geworben, als* in biefer feltfamen Gruppe ber plarrenben Träger unb be$
(aßenben 3bioten.
Unb roie Jjter überaß bie ©egenfäfce getoaltfam aneinanberftoßen, fo faf>en
roir, ate wir um bie nä<$fie (Srfe bogen unb ben Ginbrutf, ben ba$ miber*
»artige Sdhaufpiel auf un£ gemalt, faum übernmnbert Ratten, aus all biefem
Jammer, au$ all biefer Sraurigfeit unb SBerlaffenfjeit hinaus» auf ba§ in
ber golbigen Sonne glänjcnbe blaue 3fteer unb auf tie gegenüberliegenbe Alfifte
oon ftonfiantinopel, baä nun gan$ oerfdnoommen im Sonnenbunfte in buftigen
Umrißlimen wie ein phantaftifa) märchenhafte* 33itb oor un£ lag unb in
flimtnembem ©Limmer aus bem Gaffer aufftieg. Unb mir bauten nun
nid^t mehr an all bie «päßUchfeiten unb Sraurigfeiten, an benen unfer 23eg
un* oorbeif üt)rte^ wir hatten nur nod) bie eine (Smpftnbung : e$ giebt nid)U
Schönere* auf ©otteä fdjöner SBelt!
3u meinem ^ebauern Ijatte ich erfahren, baß wenige Tage oor meiner
Ümfunft in Alonftantinopel unfer Sotfchafter, &err oon sJiabonnfe, ber mir
jebesmal, roenn wir uns getroffen Ratten, mit außerorbentltdier ,311001-=
fommenhett begegnet mar, unb bei bem ich eine freuublidje Aufnahme $u
fiitben geroiB fein burfte, feinen Urlaub angetreten Ijatte. «Dafür mürbe mir
aber bie große greube bereitet, £errn Dr. (Siemen« 2(uguft Sufdj, unfern
früheren Unterftaatäfecrctar in; 3IuStoärtigen 2lmte, bisherigen ©efanbten
in Stfufareft unb jetzigen ©efanbten in £totft)o(m, ber mit ber Leitung
ber s43otfc§aft3gefchäfte in ßonftantinopet betraut mar, loieberjufehen.
3<b fann ^errn Dr. $ufch für alle £ieben*ioürbigfeiten, bie er mir
roährenb meine« 2(ufentf)alte$ in rtonftantinopel erioiefen fyat, uia)t Ijer^
lieh genug banfen. ©3 mar mir audj oergönnt, ba er fid; in einer
amtlichen Angelegenheit nach bem Sommerpalato ber ^otfe^aft in 2:i)erapia
,u begeben hatte, unter ben angenehmften ^ebinguugen oon ber Sitelt in
ieiner öefellfcr)aft ben SJoäporu« unb bie beiben lieblidt)ften ^ospontefletfen,
XI)erapia unb 2Beutmf=b£rö, fennen ju lernen.
$a ber 21ufenthalt roährenb ber beißen 2)Jonate in ^ßera felbft ge=
funbheit$fcr)äblich, ja unerträglich ift, fo haben bie großen 9)iäd)te für ihre
Vertreter in Xljerapia unb 23eut)ufsb6r6 Ipxxiiä) gelegene fd)öne Sommer*
reftbenjen errietet, 3Me ^erbinbung mit tfonftantinopel wirb burd) eigene
Heine £ampf:?)ad)ten, bie fogenannten 3J?oud)e3, oermittelt. Siefe allein
liebften f(hneUfahrenben Keinen Schiffe tragen bie sJieid)$farben ber be=
treffenben Sotfd;aften unb werben oon ben ÜDlannfdhaften ber oor Gon*
ftantinopel ftationirten tfriegsfduffe bebient. Unfer fleiner beutfdjer "SoU
fchaftebampfer, oon bem au« id; bie .§crrlid)feiteu ber iüodporu*4lfer
betounbern burfte, rjat leiber, n>ie fpeiter in ben 3eituugen 311 lefeu ftanb,
öurdt) 3ufammenftoß mit einer anbern „Pouche", ich glaube, mit ber
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90
paul £inban in Seriin.
ber ruffifdjen SBotfdjaft, fdjweren ©djaben erlitten; irre idj midj nid&t, fo
ift er fogar gefunfen.
©djabe um ba$ faubere, fd)öne, fd)nelle fleine 6djiff!
XII.
^af^rt auf bem Bosporus,
»lief bon bem bcutfdjen $öotföaft3Ualai&. — Stuf bem SBaffer; 2>eiDfcinc unb wüer*
bamratc Seelen". — 2)ie Ufer. — $ie rumeltfdje unb anatoüfdte SSefte. — X&eraoia
unb Söeunuf-bere. — $cr SommerRö unferer 23otfd)aft. — 2>ie Cuaifira&en. — Durd)
Sariiar nad) bem SHofentfjaf. — äkrüfjmteS 2Baffer. — (Sin SHettcrftücfdjen. — SRücf*
faljrt. — Slbfdjieb öon Sonftantinopcl.
mar ein fonnenheller, wunberooller Dag, an bem mid) &err
Dr. 93ufd> von unserer 33otfdjaft jur Dampferfahrt abholte. Da« beutfdje
^alate ift auf ber hödjften £öf)e uon $era errietet. ijt ein ftattltd&es
©ebäube, ba$ bem gremben, ber uom 9Jtormara=9tteer ober oom 33o$poru3
^er in ben &afen oon Gonftanttnopet einfahrt, fogleidj in bie 2lugen fallt.
@3 hat in Einzelheiten, fo in ber ©lieberung ber beiben unteren 6toä=
werfe unb in ber Krönung be« ©iebels mit ben 9iblern, eine gewollte
ober ungewollte 3lefmlid)feit mit bem fdjlichten föniglidjen ^oiaiä, baS
unfer grojjer tfaifer bewofmt hat unb in bem er geftorben ift. 2lber ba=
' burch, bafe man nod? ein Stocfwerf aufgefegt hat haben fid) bie Verhält*
niffe uöllig oerfdpben, unb bie Söirfung ift eine ganj anberc geworben
— eine weniger harmonifdje unb oornerjme. Da« SBotfdjaftSgebäube hat
jefct eine unermünfdjte 2lehnliä)fett mit ben 2)Jieth«fafernen ber neuen
berliner Viertel unb imponirt mehr burd) feine ©röfje als burd) feine <Sdjön*
heit. 2lber bie Sage ift herrlid). 3?on bem oor bem (SmpfangSräume liegen =
ben 2Utan aus hat man ben freien Slueblicf auf ganj $era unb Stambul,
auf bie 6eraifpifee unb bie 9ttoSfeen, unb bann tjinübcv auf bas 3Heer
unb bie nmnberbare afiatijdje ©ebirgsfette mit beren uon blauen sJSeßen ums
flutteten 93orfd)iebungen, ben fogenannten ^rinjeninfeln. 3wr fechten oer*
liert fid) in blauem Dufte in weiter gerne baS $ruffas@ebirge, au« bem
ber afiatifche Dlnmp heroorragt — ber falfdje Dlnmp, beffen fdmeeiger
©ipfel fich mit ben r>on ber Sonne befchienenen ebenfalls fd)neetg wirfen«
ben 2Bolfen oermiid)t. Wngäumljer grünt unb blüht e«. Die bunten
Käufer, bie jur 23otfd)aft hinaufklettern freuten, geben bem ©anjen einen
freunblidjen luftigen (Sharafter. Unb unten in ben r)crrlid)en ajurenen
glutfjen raften bie mäd)tigen <5d)iffe, unb bie StaxU unb fleinen Dampfs
?)ad)ten tummeln fröt>tidr) um fie her, gegängelte filberue gurdjen hinter
fid) jiehenb.
©ine gahrt auf bem 93o«poru« bei golbigem Sonnenfdhein, in ber
föftlichcn Srijche, bie ba« tiefblaue SBaffer uns ^ufädjelt — e« giebt nid)td
(Sntjücfenbcre« ! 3lu« bem faftiaen ©rün, oon blflhenben ^ofen unb Oleanbem
umfränjt, treten bie 9)?armorpaläfte mit ihrem sierlidjen luftigen <Sa^mucf;
werf funfelnb am Ufer heroor. Da« Panorama ber farbigen Doppelftabt
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2Ius 5em (Orient.
mit iljren fuppelförmigen Ueberragungen unb fpt^en ftfjtanfen £f)ürmd)en
oerfd)iebt fu$ in reijoollfter Söeife, wirb unbeftimmter, traumhaft unb oer=
fdjroinbet ftt)liefe(id) in fltmmernben 3^e6et. £ie Sonne befprenfelt ba$
unoerglcic^üc^e Xiefblau be$ 3Öaffer3 mit golbigen tupfen, ©ro&e Sdjaaren
oon $elpf)inen begleiten unfer Keines Sd)iff unb ftellen mit biefem eine
%ti 2ßettlouf an, in ben übermütyigften ^urjelbäumen balb aus bein SBaffer
auffdjneüenb, bann roieber fopfüber barin untertaud&enb. Unabläffig sieben
in größeren unb fteineren fletten oon fecf)$ bis über- breifeig unb in &iemliä>r
Siefe fonberbare SßögcC über bie äöafferflädje Inn. Salb fommen fte uns
entgegen oon ber sJtia)tung be$ ed^roarjen ÜHeereS, batb überholen fie
unfer Sdjiff com 2)tonnara:9tteer rjerflatternb. SBon weitem gefefjen er*
fa)einen fie wie f^roarae ^Seitenlinien über bem 28affer. 2ßenn Tie ftd)
und näjjern, fo fetyen roir, wie in ber Sonne ifjre Leiber fdjneeig roetfj
glanjen- Sie fjaben in iljrem rjaftenben gluge etwas merf würbig Sdjeues
unb 2lngftootte$. 2)ie Seute oon ßonftantmopel behaupten, bafe man biefc
Sögel nie rjabe rufjen fefjen. Sie fdjwännen beftänbig fu'n unb roieber, in
ber engen äöafferftrafee ber 2)arbanellen, roie in ber breiteren unb ferneren
be$ SoSporuS, ojme 9^aft unb 9fuf)e. Xefyalb nennt man Tie aua) in
Gonftantinopel bie „oerbammten Seelen." 3nroieroeit bie wiffenfc&aftlidje
JeftfteUung mit bem ©tauben im 2$olfe übereinftimmt, wei§ id) nidjt.
3a) glaube, man järjlt biefe $ögel, bie id) f)ier jum erften 9Wal gefefjen rjabe,
ju ben «galcnonen. ^ebenfalls aber ift bie oolfstfyümlidje SBejeidmung fe^r
jutreffenb; fte madjen einen mu)eimlid) rufjelofen traurigen (Sinbrucf.
Unb gerabe fner, in biefer munberf>errlid)en greubigfeit ber Statur,
über biefem äBaffer, an beffen fräftig fd)önem 23Iau man ftdj ntdjt fatt*
feiert fann, in biefer erquidenben flüt)le, in biefer behäbigen grieblidtfeit
ber grünenben, blüljenben Ufer wirfen bte jappelnben angftooHen @es
ja)öpfe, bie ba beftänbig auf unb nieber fcrjwirrcn, boppelt befrembtid) unb
gefpenftifd).
2>ie Ufer be3 33o£poru$ fmb oon ben 2luäläufern oon Gonftantinopel
an bis naljeju rjinauf jum ©ingang in ba3 Sd)warje Sföeer faft gan$ mit
Käufern unb §äusa)en bebaut, glecfen reifet fid) an glecfen. 3ebe
Ginjelfjeit unb 2ltle3 jufammen ftrarjlt in luftigfter garbigfett, in fjeiterftem
@lanje. greüid) barf man aud) rjier ba3 ©injelne nid)t aH$u fct)arf in'$
äuge faffen. 2lud) an ben wunberfcfjönen Ufern be3 Bosporus würben
nur o^ne 2)2ü!)e bie berebten 3tu$zn ber orientalifdjeu ©igent^ümlid)feit
unb bed traurigen 3uftanbe3 oer ^ürfei in^befonbere beutlia) roafuTietmten :
öte grenjentofe Sorglofigfeit, ben SBerfaü* o^ne Äummer, ben fanget
o^ne Älage. 3lud) l)ier roolmt in ben genfterbö^en ber eingeäf^erten ©c-
baube baö ©rauen. -öenlid^e Sommerfi^e, bie ficr) in befferen 3eiten bie
roo^I^abenben Seute oon ßonftantinopel t)ter errietet l;abenf fielen nun
oertaffen unb oerroa^rloft ba, unb bie frönen ©artenantagen oon efjebem
finb in erjd^redEüa)er 9ßeife oerroitbert. 2tber ba« ©anje ift bod; fo
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I
92 paul £inbau in Berlin. - —
urnnberooH, bafj man fidj burdj biefe 2Barjrnef)mungen nid)t oerftimmen
unb baS wohlige Serjagen, baS uns bie ©efammtf)eit bietet, nidjt oer*
fümmern läflt. 2Bir Miefen über all bie Serioarjrlofungen, über bie <Sc^utt-
unb £rümmerf)aufen Ijinroeg unb freuen uns ber ladjenben &äuSd)en, bie
an ben fanft auffteigenbeu Ufern aufgebaut ftnb, an bem £iefgrün ber
alten Säume, bie fie begatten, unb an ber Slütrjenpraa)t ringsumher.
3n baS friebltdje ^bnll, baS fid) auf beiben Seiten beS blauen
SßafferjS entlang jierjt, tritt plöfclid) unoermittelt unb trofeig bie Oeroalt
friegerifcr)er bauten.
Unroittfurlid) mufjte idj an bie £elI=Cuoerture benfen: roie in baS
liebliche QbpU beS 5fuf)reigenS rot) unb jär) bie friegerifa^en Trompeten
beS brutalen (Eroberers rjincinbrüUen. 2luf beiben Seiten bei UferS beS
SosporuS, ber fid) Iner am meiften oerengt, erleben fid) impofante unb grofc
artig unb geioaltfam roirfenbe geftungSbauten: ju unfererSinfen bicrumelifdje
Sefte, bie gröjjte unb bebeutenbfte, ju unferer 9ted)ten, gegenüber, bic
anatotifd>e — SHumili &iffar unb 2lnaboli £iffar — warjre 3'^ngburgen,
bie wie lauernbe Ungeheuer auf ber &öl)e liegen, mit (loggen, runben,
auSgejadten Stürmen, bie miteinanber bura) mächtige dauern oerbunben
finb, unb oon benen ebenfoldje plumpe, fd&toerfällige, flofeige dauern jum
Ufer Innabfüfjren. Die hellgrauen Steinhaufen ragen aus bunflen
Gopreffenfjainen auf, unb am Ufer ftef)t man unter biefen Gpprejfen
lüieberum bie formalen, nnllfürlid) äufammengeJjäuftcn Steine, bie nad)
allen sBinbrid^tungen r)in fidt) gejenft haben, toieber einen ber jarjKofeu
$Urd)t)öfe. fyfy W fia) in biefe fnegertfdje 3ianr>r>eit bie ®emäd)ltd)fett beS
befdjaulidjen ©euiefcenS ^incingefiljt. 3rotfd)en ben trofcigen dauern finb
hübfd)e Sanbljäufer angebaut, bie fid) um iljre mächtigen unb brof)enbeu
fteiuernen 9iad)barn nidjt mehr fümmern. 3ftau wirb an baS befanute
Silb oon spaul Wenertjeim erinnert: an baS ännfd)en ben flauen beS Sötoen
gemütl)lid) fdjlafenbe &ünbd)cn im S^n^r. Die runben rumelifä>en
Dtjürme mit tfjrem Seitenftüd am anbern Ufer, ben anatolifchen, bilben
einen ber fdiönften fünfte beS Bosporus. Die Sljürme finb ein ^abr
oor ber (Eroberung ftonftantinopels burd) bie dürfen oon SKuhameb H.
1452 erbaut roorben. Die alten bij^antinifd^eu Gfjronifcn berichten in
fer)r berebter Spradje oon ber fürd)terlid)cn Aufregung, oon bem finnlofen
Sdjreden, ber fid) ber Scroolmer beS alten Sosauj benuidjtigte, als jene
foloffalen Sauten in beängftigenber 9todjbarfcf)aft aus bem Soben auf-
ioud)ien. Unb bie iUngft war nur 3U begrünbet.
SiMr bampften frohgemut!) an ben Stürmen, bie jefct, ba fie alles
Sdjredljaftc oerloren Ijaben, nur noch oon unbefcbreibltdjer becoratioer
Sdjönbeit finb, oovüber unb fliegen erft in Xljerapia an'S £anb.
£ljerapia unb baS benadjbarte Seuouf = b6r6 finb bie beliebteften
unb elegantefteit Soinmeraufteblungen beS Bosporus, in einer Sage wie mau
fie fid) ^errlidjer faum oorftellen fanu. (SS ift nid;t bloS bie Bereinigung oon
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2Jus bcm OJrient.
93
9Jaturfchönheiten unb SWenfcbemoerf: ba$ nnmberooüe Gaffer, bie malerifchen
Ufer mit bcm bunflen ©rün, bie freunbltchen Käufer, bie Jjerrlicfyen
Slumen, bie biefem gefegneten Jletfchen ßrbe feinen &auptreij oerleiljen, e£
ift oor 3lUem bie föftlidje 2uftr eine frifdje tfüljle, eine Feinheit unb
s®ürse, bie bie Sruft erweitert unb mit einer ©enufefreubxgfeit ohnegleichen
erfüllt. 5t Ue Sporen öffnen fich, um biefe frifdje freie #uft einjujiehen.
2Jian atfmtet langfam unb bebächtig unb mit magrem ©enuffe, man fdjlürft
biefe fiuft wie einen £abetrunf. Selbfi in ben fjeifeeften Sagen roetjt oon
ber benachbarten grofcen 2£afferfläche be$ Schwarten 9J?eere$ burch ben
So»poru3 biefer auffrifdjenbe ,§auch, ber mit £eben$freubigfeit erfüllt.
%n biefen beiben Jlecfen', bie fich nur wenig ooneinanber unter*
fajeiben — ob mau bem reijenben £herapia ober bem ebenfo lieblichen
Seuimf=bt?r6 ben Sorpg giebt, ift Sache bc3 persönlichen ©efäjmacfö — ,
^aben aud) bie Sotfdjaften i^re Sommerrefibenjen.
Da3 neuerrichtete ©ebäube ber beutfchen Sotfdjaft in £l)erapia fyxt
eine pradjtooHe £age am So3poru3, in einem herrlichen alten $arf, im
fa)attigen @rün alter fräftiger Säume, eingefchloffen oon bichtbeftanbenen
lieblichen Anhöhen. Da« ©ebäube ift in einem etnmS nnUfürlidjen
Phantaftifchen Sittenftit aufgeführt, in bem fid) bie Elemente ber norbifdjen
Saufunft mit benen be£ SchioetjerhäuSchenS oerfchroiftem, unb für bie Dma=
mentif auch bie ©inmifchung ber maurifchen unb ber orientalifchen tfunft
bulbfam jugelaffen ift. @d fteht in biefer lanbfchaftlichen Umgebung mit feiner
bräunlichen garbe oietteicht nicht anmutig unb luftig genug au$, aber
immerhin ift e$ ein ftattlicher, wohlgefälliger Sau, unb bie innere @in=
richtung fott fefjr praftifd; unb bequem fein. $n bem «gauptgebäube finb
bie ©efeüfchaft«; unb 2ßohn$immer be* Sotf dufter*, in bem 9lnbau bie
©efchäftäräume.
Sei £h*rapia bilbet ber SoSporu* eine (leine Sucht, bie als &afen
für bie Sergnügungsbampfer unb fonftigen galjrjeuge benufot mirb. ßängS
ber Ufer ift hter tote in Seui)uf*b6r6 eine nad> ben Serhältniffen be*
Oriente ungeroöhntich gutgehaltene Strafce angelegt mit jum Dheil recht
hübfcheu Käufern unb leiblich guten ©afthöfen. Stuf biefen freunblichen
Cuaiftrafeen, bie an bie eleganten ^romenaben uuferer fchönftcn Seebaber,
CftenbeS, ScheoeningenS u. f. 10., erinnern, ergehen fich in ber Äüljle, bie
ba3 Gaffer fpeubet, bie QHücflidjeu, bie ber quälenben &ifee oon 5lonftan=
ttnopel höben entrinnen bürfen. Da treiben fich auch bie Serfäufer umher,
bie ihre SBaaren fchreienb feilbieten, bie Sermiether oon Ziagen, ^ferben
unb ßfeln uub bie unoermeiblichen Settier; unter biefen natürlich serlumpte
3igeuner mit rounberoollen 2Iugen, bie gelähmte täppifdje Saren unb
fchäbig auägepufete alberne 2(ffeu heimführen unb Schauluftige um fich
fammeln. Die Öuaiftra§e in Seupuf^böre ift tpof)l noch eleganter aU bie
oon £f)erapia.
3ur 3eit/ ba ich bie So$poru3*Drtfchaften befudjte, c)atte bie eigent-
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9*
paul £in&aii in Berlin.
lict)e ©aifon nod) iticht begonnen. (£S Ratten fid^ bamals erft wenige
Soinmergäfte eingefunben. ftie großen Rotels, in benen man gut aufge-
hoben ift, tearen alfo noch fpärltd) befefct. 3)ie 5Utfmffif)rer unb ^>ferbe*
oermiether, bie lang auSgefirecft am Vobeu lagen unb fich bie ©onne auf
ben (Scheitel brennen ließen, betrachteten uns noch mit befonberer 9hifmerf=
famfeit unb boten uns mit ber Vetjarrlichfeit ber Orientalen ihre $ienfte
an. Srofe unserer Abwehr oerfolgten fic uns oiertelftunbentang.
3Wit magrem Vergnügen erinnere ich mid) nod) beS prächtigen dürfen,
ber uns burchauS $mci feiner $ferbe auffdjwafeen rooUte. @S mar noch
ein Stürfe oom alten 6d)lage, wie er im 33ud) fteht: ben Xurban um
ben opf gefd)lungen, ein ebelgeid)nitteneS ©eftc^t oon tiefbrauner gärbung
mit faft fchwarjen ©ommerflecfen, mit großen, fchmermüthig braunen &ugen,
fdmeeweißem Vollbart, in ber edjten orientalifd)en Xrad)t: ber furjen ^aefe,
ber breiten, bunten Schärpe, ben weiten ^Uberhofen unb ben geftidten
6affiau=Sd)uhen mit aufgeschwungenen Spifcen. ©r ^atte fein «Hofelein,
einen ftarfen, filbergrauen ^onnn mit langer 3Jiärme unb langem Schwans,
fofett auSgepufet: mit SHofenfnoSpen an ben Chren unb einem großen
Vouquet am Scrjwanj, unb er wollte burd) Vorführung feines hftf>fchen
XhiereS in uns bie Suft entfachen, mit ihm in geschäftliche Unterhanblungen
ju treten. ©r parabirte mit feinem ftoljen f leinen ©aul cor unferen 3Iugcn
in allen ©angarten. (£r ließ baS Sßferbchen fpringen unb pirouettiren.
Unb wenn mir uns nicht im §ote( gum grühftücf angefagt hätten, fo r)ätten
mir tiefen Socfungen aud) fdjwerlich roiberftehen tonnen.
3n ben SRachmtttagSftunben machten mir oon Veunuf=b<§r6 aus einen
größeren Spaziergang, ber uns $unäcr)ft burch ein türfifcheS $orf, baS
Sarijar heißt, führte.
$)as $orf ift an ben Ufern eines f leinen JluffeS aufgebaut, über
ben oerfcfjiebene etenbe ^oljbrücfen führen. Stein SRenfch ließ fich in ben
Straßen fehen. £ie oergitterten Käufer roaren allefammt wie auSgeftorben.
©leid) h^ter bem £orfe wirb es wunberooü. Vor uns breitet fiel)
ein liebliches, in reichfter Vegetation prangenbeS Styil aus, baS 9iofenthal ge=
nannt, baS tangfam auffteigt unb ju einer §öhe hwanführt, auf ber ftch
ein im ganjen Sanbe weit unb breit berühmter Vrunnen befinoet. £aS
Duellmaffer hat feine anberen($igenfd)aften, als bie allerbingS fehr refpectablen
ber oölligen Feinheit, ber grifd)e unb beS äSohlgefchmacfS. 2)ie Sürfen
finb große SBafferfreunbe unb fommen aus weiter 9iachbarfchaft barjer, um
hier ihre großen £h°nfrüge mit bem fühlen reinen äikxffer $u füllen. 2£ir
begegneten einem ftämmigen Ü3urfd}en, ber fo einen gewaltigen flrug fd)leppte,
unb ber fich mit ber SiebenSwürbigfeit unb 2lrtigfeit ber Xürfen als frei^
wiütger 3ül;rer unb Begleiter uns anfd)loß. (Sr unterhielt fich mit $erm
Dr. iBufch fehr angelegentlich unb erzählte biefem SBunberbinge über bie
heilfame üiMrfung beS berühmten 2&ifferS. ©r ftettte Theorien auf, benen
unfere Vrunnenärste wohl nicht ohne Weiteres beipflichten werben. Er
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2Ius bem (Drient.
95
behauptete unter 2lnberm, man fönne ein ganjeS Samm aufeffen; wenn
man bann oon bem Gaffer nur $mei ober brei @las trinfe, fo löfe fid^
baS Samm im Ziagen ooüüanbtg auf unb fjinterlaffc nid)t bte gcringften
$ef anwerben.
$a oben am Brunnen tyxt ftdj eine 2ßirtbfd)aft aufgetfjan. 2ßir
tranfen guten türfifdjen ßaffee unb mehrere ©las beS aHerbingS föfc
Hajen 3£afferS. ^ox uns lag baS fdiöne grüne £bal, oon bidjtbe*
roadn'enen Mügeln eingefdjloffen, in ber oollen griffe bes jungen Sommers,
©in beraufdjenber 2£of)lgerudj oon ^lütfjen unb »turnen bampfte ju uns
auf, unb Eufcenbe uon SGaa^tigallen flöteten unb feufjten baju. (£s waren
mwergleidtftd) fdjöne Stunben, bte wir ba in gemäajlidjem ©eplauber
utrtiraajten.
2lls wir ben $eimweg antraten, mürben mir mieberum oon spferbe*
oerlei^ern beftürmt, unb nun entfdjloffen mir uns enblia), baS fidj immer
roieberf)olenbe bringenbe Stnerbieten anjunelmten. 3$ fjabe mta) niemals
für einen Kunfrreitcr ausgegeben. $aS eble Sfoft, baS id) beftieg, mar
Qua) ein ganj uernünftigeS Xljter, baS meine wofjlmeinenben ?lbfid)ten
burajfOKiute unb $u bem tdj batb in ein rea^t gemütfjltdjeS 2Jer&altm§ trat;
aber es f)atte feine Surfen, eS gehörte $ur äufcerften fiinfen, es fjatte einen
$rang, na<f> linfS fnnüberjuidneben, ber mir um fo unangenehmer mar,
als gerabe linfs oom 21'ege bie #öf)e $temlid& abfäjüfftg unb fdjroff abfiel.
9Rein Begleiter oergnügte ftd) fönigtid) über meine oergebliäjen »emüfnmgen,
baS 2^ier nadj redjts ju bringen, $er 3unge, ber uns bie ^ferbe ge=
geben f)atte, trabte fdjmetfjtriefenb hinter uns brein. 9JUeS ging audj ganj
gut, bis mir in baS £orf jurüeff ehrten. 2)a fam mein $ferb auf ben
unglfitflid&eu (Einfall, $u galoppiren. 3$ &at bringenb, biefe überflüfftgen
cd^erse su unterlaffen; benn baS spflafter mar miferabel, unb id) rourbe
burdjgefdjüttelt roic eine SHebicinflafdjc. 3lber es fyalf nia^ts. (5s galoppirte
nun einmal unb jwar gehörig. £abei wafule es in öejug auf ben 2öeg,
ben es nalmt, baS freie 9Jed)t ber Sclbfibeftimmung. 2Bäl)renb Dr. 33ufd^
mit bem jungen über eine ber ^Brüden Ijinmeg an ber redeten Seite beS
JluffeS entlang trabte, blieb mein Sßferb, feinen politifa^en Ueberjeugungen
treu, auf ber linfen Seite unb galoppirte in eigenmääjtiger gröl)lid)feit
mit mir fdjarf ItnfS. 2tber es giebt im Sebcn ein SBieberfeljen, unb
fd)ltefjlid) Bereinigten mir uns gemädjlidj am SluSgangc beS Dorfes.
25a trafen mir audj ben alten dürfen mieber, ber nodj immer auf
feinem filbergrauen ^Jonni; renoimniftifdj parabirte. Gin fo grünbltdj vex-
ädjtlidjer 2Utd, mie aus ben 5(ugen biefeS braoen sDianneS, als er mid)
in ungewolltem (Mopp auf bem wenig reijooüen f>5aule oorftberfaufen fab,
fjatte mid) nod) nie* getroffen.
Sie Sonne ftanb fa^on jiemlid) tief, als mir mieber an 33orb unferes
Reinen Dampfers ftiegen. Xie frifa^e, ftarfe Suft würbe atfmäfjlid)
tlvxi nnb Süb. I«, HS. 7
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96
paul £iit&au in Berlin.
empfinblid^ fu^ter. 2Bir jogen unfere roarmen 9tocfe an unb faljen nun
im golbigen £id)te bcr fdjeibenben Sonne bie traumhaft frönen Ufer an
uns ooriiberjiehen. 9ied)t3 unb linfs oon unä fchurirrten nodj immer in
langen Stetten bie Keinen $ögel, bie „oerbammten Seelen", neben un$ tyer.
@rö&ere unb fleinere Dampfer begegneten un$, pfeUfd^nelle StaiU. Unb
unter bem glutljrotf)en Gimmel falj ba3 Ijerrlidje Äonftantinopel roie in
(Mb getauft au3, als mir an'3 fianb fliegen.
Selten habe ich frohere, genußreichere unb behaglichere Stunben oer*
bracht, aß an biefem unuergeßtichen Sage auf bem 33o$poru3 in ber ®c=
fetlfchaft be§ anregenbften unb tiebenSroürbigften Begleiters . . .
$er einige 3roecf, ben ich bei meiner Steife nach flonftantinopel uer=
folgt hatte, mar nun erfüllt, 3$ hatte ba3, roaS auf ber Oberfläche liegt,
ba3 SlugenfäHigfte, auf mich mirfen laffen, ohne mir burä) ben unglüd*
liefen $erfuch be3 tieferen Einbringend bie &armlofigfeit meiner ©inbrürfe
ju uerberben. Unb fo burftc id) benn mit 23efriebigung auf meinen 2lufent*
halt jurücfblitfen unb au bie fteimfehr benfen.
ftonftantinopel gehört nid)t §u ben Stäbten, bie ben gremben burch
anbere ^eije, ati bie Schönheit ber 9?atur, beä Goloritd unb ber orientalifäen
Eigenart, langer fehlten. $ie Stabt, felbft baS von Europäern be*
roofmte ^pera, ift nach meinem ©efehmaefe oottfommen rei$lo§. 2Benn man
fidt) nicht an eine gamilie anfaulte ßt — unb ber grembe, ber ber freie
&err feiner Bewegungen fein will, pflegt foldje Stnfnüpfungen nicht $u
fudjen — , fo ift man am 9lbenb jiemlidt) ratt)lo£. Sobalb bie Somte
untergegangen ift, weife man nicht mehr, roa§ man machen foK. £ie beiben
beutfcfjen Glubg finb recht anftänbig, aber fie ftnb ziemlich fpärlid) befugt;
unb man geht boch nicht gerabe nach ßonftontinopel, um 3e^nden ?n
lefen ober eine Partie Seat ju fpielen. <5ä finb aud) nod) einige SSirtb-
fd)aften ba, in beneu beutfdje» 33ier oerjapft nrirb unb unfere Sanbäleute
fid) &um abenbltchen gemütlichen Älatfch jufammenfinben. 2lud) ba$ ift
ja gan§ nett, aber e§ ift bod) eben ein mäßiger ©enujjj. (5$ giebt fein
einigermaßen anftänbtgeS £f)eater, unb felbft bie £ingels£angel, bie, roie
man mir fagte, eigentlich nur bie Vorhatten 51t jroeifelhaften Spielhöllen
bilben, finb oon einer Sangroeiligfeit unb Sebernheit fonbergleichen. 3)ie
Slbenbftunben, bie in anberen europäischen Stäbten bem gremben an 3erc
ftreuungen unb ©enüffen gerabe am meiften bieten, finb in Slonftantinopel
von fürchterlicher Cebe. &ätte mir mein liebenäroürDiger früherer Goüegc
3uliuS ©roffer nicht ©efeüfchaft geleitet, ich wäre oor langweile franf
geroorben.
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21us bem Orient. CJ?
XIII.
Port tfonftantinopel über öas Sdjroa^e IXleet nad} BuFareft.
Sin 3?orb bcr „Mta". — Ungcmütfjlic^tcit auf bem ©dfaargen 3Rcer. — lieber S»arna,
9iufrfcfiuf unb ©iurgetoo nad> 23ularcft. — (Sfjaralter bet ©tobt. — $te ffetnen Käufer
imb Öärten, — 2>ie guten Sagen unb bie ruffifdjen Sfutfd>cr. — $)ie (Sfjauffee
ßifieleff. — XoitettenlufuS ber Samen. — 58öfe 9tad)rebc — 2>a3 Sdjmtnfen. —
Sttrdjen unb Capellen.
3u ben 9fad)mittagSftunben eines fonnig frönen SMtageS begleiteten
mid) meine «yreunbe unb Sefannten in ßonftanttnopel an ^Jorb beS 2(onb=
bampferS „Stefta". 35>ir oerabfcfyiebeten uns jjerjlia). Um brei Ul>r mürben
bie 2infer gelittet. XaS ©d)iff n>ar überfüllt, unb mit SJfitye unb 9?otl)
^atte idj in einer engen Kajüte als dritter im 33unbe ein notdürftiges
Unterfommen gefunben. Unter ben $aff agieren befanben fid; mehrere mir
befannte Familien aus Berlin unb Jranffurt unb aud) ber alte ungarifdje
föeuolutionjSgeneral £ürr. £ie fiatyrt liefe fict) gut an. Stuf bem ruljigen
SoSporuS bampfte unfer ©djiff norbwärts, unb nodj einmal fallen mir in
golbigfter 23eleudjtung bie malerifdjen Ufer au uns porüberfliegen. 2lber
je weiter roir fiu)ren, befto jtumpfer würbe baS Sidjt. $er Gimmel be$og
ftd). Unb als mir an ber 2luSfal)rt aus bem Bosporus angelangt waren
unb in baS Sd)mar$e 9Jteer einliefen, mar baS Detter ungemütylidj, raul)
unb roinbig geworben.
3luS meiner 6ecunbaner5eit, in ber id) burdj CoibS £riftien bie erfte
natyere Stefanntfdjaft mit bem ^ontuS ©urinuS madjte, fjabe td) eine un=
üfcerwinblidje abergläubifdje 2(ntipatl)ie gegen baS Sdjwarje 2tteer beibe-
halten. 3$ wufjte, ba& es mir ba nidjt gut geljeu mürbe. Unb idj
täubte mid) nid)t. $ie lebhaften Unterhaltungen, bie fi$ unter ben 33e=
tonnten entfponnen Ratten, Perftummten allmäljlia;. ®aS mirfltd) rea)t
ungaftlid) auSfefjenbe 2Baffer mar fel;r bewegt, unb unfer fümmerlidjeS gabr=
jeug würbe unbaruu)ersig f)in= unb fjergefdjaufelt. 3uerft jeigten bie Hainen
eine intereffante SBläffe, unb eine naaj ber anbern oerjdjwanb ganj fachte
com $ecf. SBalb folgten aud) SiberftanbSfräftigere. GS würbe immer unge-.
mütylidjer. Smmtx bitter unb unfreunblia^er jogen fid) bie Wolfen §u-
fammen, unb lange oor ber falenbermäfjigen brad; baS Tuntel fjerein.
©in rauher 2öinb peitfdjte bie Spellen auf, unb nun unterlagen aud; bie
Stanbljafteften. ga|t alle ^aftagiere mit nur feljr wenigen MuSnafymen
würben feefranf. fnelt eS mit ber 3ttef>rl)eü. 9)iir war in ben 2lbenb*
ftunben in ber engen fajwülen Kajüte unb in ber GJefeUfdjaft pou jmei
mir unbetonten unb nod; oiel fränferen Gnglänbem gottSjämmcrlid; ju
9)httt)e. Unb in biefem 3uftanbc Faum ertraglidjen UnbefjngenS unb
idSmöbefter SBeltoeradjtung fielen mir auf einmal alle möglidjen ^erfe oon
7*
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paul £inban in Berlin.
Cüib ein, an bie id) fett smanjig Sauren unb länger nidjt gebaut f)atte.
Suft, ShJojfcr unb £anb waren mir gleichermaßen abfdjeultd), unb id) citirte
in apatljifdjer 9iiebergefd)lagenl)eit:
N«'c caclum patior, nec aquis adsuevimus istis,
Terraque nescio quo non placet ipsa modo.
316er. enblid) fd^tief id) bodj cor Girmattung ein, unb id) Ijabe nie
roonniger, befcligenber geträumt, mict) nie freier gefüllt, als auf bem
garten 9iotl)bett in ber engen Äajüte ber „$efta" unter bem unbarmherzigen
Sdjroanfen beS Schiffes unb in ber benfbar unangenefpnften 9tod)barfd)aft.
Der Draum !;atte mir $lüget gegeben, unb td) fdjroang mid) über alle£
Ungemad) fn'enieben in föftltdjer gretfjeit (jinroeg. Boraus id) fdjlie&e, bafj
man am 2lbenb nidjt 5umc( effen foü; benn mit geleerteretn 2Ragen bin id)
nie eingefdjlafen, unb füfjer fjabe id) nie geträumt.
$d) ertoad)te hirj r»or Sonnenaufgang. Die ÄriftS mar vorüber, id)
füllte mid) ganj oergnügt. Gtroa um tjalb fedjs Uln* Borgens fafjen mir
baS feljr malerifdje $arna am Ufer aufzeigen, Die 2)tinaref)S laffeu er=
fennen, bafj in biefer mistigen Stabt ^Bulgariens nodj niete dürfen an*
fäffig fiitb. 9lber neben ben fdjtanfen Dljürmdjen ragen aud? bie Äreuje
auf ftattltdjercn Capellen auf, unb cor 2lllem fällt unfer *Uid auf eine
fdjöne große tfira>, bie Meranber oon Sattenberg errietet Ijat — „als
er nod; Spring war uon Slrfabien!" 9(ua) baS ©ebäube, baS auf ber ftorb*
feite ber $ua)t unfere 33lidc oor Mein feffelt, ift eine SBiOa beS früheren
bulgarifdjen gürften.
Der Dampfer fann nid)t bis ans Ufer gefangen. Die Sanbung auf
fleinen 23ooten ift redjt fdjuierfätlig unb unbequem. 9Sir trafen es nod&
gut, benn bie glutf) Ijatte einigermaßen nad)gelaffen. 216er immerhin mußten
bie Schiffer ocrjroeifelte 9Inftrengungen maa)en, um uns burd) bie jiemlidj
fjoajgefymben 2öeUen glütflia) ans &mb ,u bringen.
2Jian fttFjtt, fobalb man in Stoma nur einige Sdjritte gemalt t)at,
baß man fid) kfct in einem anbern Sanbe befinbet. Der Unterfajieb sioifajen
ben Beamten unb Solbaten in ^Bulgarien unb in ber Dürfei ift augenfäUig.
Dort gemäd)lid)e $erlotterung, Ijier ftrammere Sud&t. Die ^olijiften an
ber SBalm, bie Solbaten in ir)ren burdjauS bem rufftfa)en Sdjnitte fidj
anfdjließeuben Uniformen fefjen fauber unb orbentlid) aus. 3ttan füf)lt,
baß mau jefct tuieber in engeren 3ufammenf)ang mit bem übrigen ßuropa
tritt. Die 35ei>ölferung freilid; hat nod) gan3 ben (Sf)arafter beS Orients.
Die Dradjten haben bie bunten garben mit Stidereieu, man fleht ben
Durban unb bie ftopf6efleibungen aus 3tf$ unb ^ßel§. DaS SRätfrfel, baß
man gcrabe ba, wo bie Sonne am meiften brennt, fidj ben .ftopf mit ben
jdjroerften unb roarmften ,Oüten unb Pütjen bebedt, t)abe id) bis jefct noa)
ntd;t 511 töfen uermodjt.
DaS Stüd Bulgarien, bas wir nun burd)fat)ven, ift Ianbfd;aftlid)
fetjr fdjön. (5s iü bergiger 23 oben. sIl!nr feljen intereffante unb abfonberlia>
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2lus bem (Orient.
99
Sanbftrinformationcn, üppiges ©tun, bicf)t6eruad^fene &öEjen unb Serge.
216er baS £anb fdjeint wenig beoolfert 511 fein. 3n großen Stbftänben
liegt hier unb ba ein Söeiler unb Jlecfen mit rohgefügten Steinbauten in
einfachftem Sroedmäjjigfeiteitüe, ohne irgenb meldte fünftlcrifchen Slnfprüdje.
Mitunter feJ>en wir auch beerben oon 9iinbern unb 3^e9en/ unb nber bie
cümpfe, an benen wir oorbeifahren, jiehen btdjte SKogelfchaaren ba^er.
D(me ein befonberS aufregenbeS Scrjaufpiel oor 2lugen gehabt 5U haben,
gelangen mir fo in hirjer nach SRuftfdjuf, wo wieber eine £orbe
oon Srägern, serlumpte Äerle, fchweifjtriefenb, in fielen, bie $uin UebeU
roerben nadj ßnoblauch unb nad) Schlimmerem buften, fid^ auf uns ftürjen
unb uns unfer ©epäcf entreißen.
©S ift eine recht liifiigc unb befcr)werliche 3fleife! 2Öir müffen jefct
über bie Donau fefeen. Sie Ueberfalnt nach ©iurgewo wirb burä) er=
bärmtid) Meine unb fdjlecfjte Dampfer beroerfftelligt. Sa beftetgen mir
roieber bie 2Jafm unb fahren nun burdj eine lanbfdjaftlid) siemlid) reijlofc
6tr«fe bis jur &auptftabt Rumäniens, wo wir Nachmittags gegen fünf
Ityr eintreffen.
2lufeer Äonfiantinopet giebt es wof)l !aum eine Stabt, über bie bie
Urteile weiter auSetnanbergingen, als über SBufareft. Sie ©inen nennen
es ein Älein^ariS — jebenfalls mit mehr 9cecf)t als Seipjtg — , rühmen
ben gro&ftabttfchen 2lnftrich ber öauptftrafeen unb bes StrafjenlebenS, bie
Scheit ber £äben, bie ©legan$ ber Soiletten, bie ^orjügltchfcit ber
öffentlichen guf>rwerfe. Sie 3tnberen fd)impfen über ben miferablen 3u*
ftanb ber (Strafjen, in beren Äoth man bis über bie Jtniee oerfänfe, ben
roiberwärtigen Samt, baS renommiftitdje ©etjabe unb ©ethue. Sie Se*
fdjwerben über bie abfcheultcheu ungepflafterten Straßen mit ihren Ijals*
bredjerifdjen Slbgrünben flammen jebenfalls aus einer früheren 3«t. öe^t
wären Tie burdjauS unberechtigt. Unb ich meine, baS Urttjeil überhaupt roirb
gewiß recht wef entlich burd) ben Umftanb mit beftimmt, ob man aus bem
Orient ober aus bem SBeften nach Sufarcft fommt.
©ufareft bilbet in ber Xt)at fo jiemlidj bie Scheibe jwifchen bem
Cfien unb 2£eften. GS Bereinigt in fich charafteriftijche SJJerfmale bes ©inen
unb beS 3lnbern. Sie 00m SBeften ßommenben, bie \)\ex jum erften sJ5Jal
baS orientalifche Straßenleben fehen, baS fich in ocm neuen 33ufareft allers
bings fchon aus bem (Sentrum hat oerbrängen laffen, fich nach ben Peripherien
$u oerfrochen unb fo recht unb echt eigentlich nur nodj im ^ubenotertel unb
in benSSorftäbten fich erhalten &at, werben fidjerlid) erftaunt unbnicht angenehm
überrafcht fein oon biefem unfaubem, lauten, oorbringlidjeu ©ewimmel unb
Öeroühl, oon biefen rjalbjerfallenen SBeljaufungen, für bereu ^nfianbhaltung fo
gut wie nichts gefdneht, oon biefem miferablen tßflafter mit ben offenen ©offen,
bie baS ©egentheü beS SBoljlgeruchS oerbreiten. ihJer aber bie entfefclichen
(Baffen b<S alten Stambul gefeiert hat, bem fallen biefe JUeinigfeiten faum
noch auf, ber betrachtet fie eben als berechtigte (Sigentljümlichfeiten beS
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\00 paul Einbau in Berlin.
Crientö unb nwnbert fidj nid^t mein- Darüber; ber bellet im ©egentheil
nur ba£ empfänglich^ 2luge unb bic ooflfte Daufbarfeit für baä faubere,
frcunblid) anfpredjenbe, mitunter fogar großartige Straßenbilb, wie e3 ifmi
ba$ neue 33ufareft bietet — bie elegante Stabt mit ihren uortreffliä) ge=
pfTaftcrten Fahrwegen unb gußfteigen, mit ihren bequemen unb gefchmaef;
Döllen Käufern — ; ber bat feine fyetle greube an ben ungewöhnlich wty*
reiben unb guten 2Bagen unb ^Sferben, an ben gefdunadoollen unb reiben
Toiletten ber Tanten, an bem Stuljertfmm ber begünftigten spflaftcrtrctcr^
an ber (Sauberfeit ber abretten Offiziere; ber fühlt tyier jum erften Wale
roieber, baß er fic^ ber Heimat nähert.
3[a) ^abe Sufarejt nur uon ber angenehmften Seite rennen gelernt
unb eine banfbare Erinnerung an bie bort r>erbrad)ten £age bcroaljrt.
Die $auptftabt ber Rumänen fjat entfebieben einen burdjau3 t>or=
nehmen unb großftäbtifdjen (Sharafter. ES nüfct ihr »ietteid)t nicht »ief,
baß fie noch großftäbtifcher n>ir!en möchte, aU fie tt)atfadt)ltdt) ijt. Xa$
Eigentümliche, ba$ jebem ^remben, ber Sufareft befugt, in'* 2Iuge fpringt,
ift bie glüdlidje UeberfüHe an größeren unb fleineren ©arten unb in ben
&auptoierteln bie beneibenäroertye Eigenheit, baß bie Söofmhäufer faft alle*
fammt in befdjeibenen ©rößenuerhältniffen, sunt söeino^nen für nur eine
gamilie, eingerichtet fmb. ^loeiftödtge Käufer gehören in 33ufarejt fdjon
51t ben Seltenheiten.* ^Nichtige 9Jiieth3faferuen giebt e$ fo gut wie gar
nicht. SLUele ber liebenäroürbigen $äu$d)en, bie überroiegenb in einfachem
Stil gehalten finb, trenn auch felbftuerftänblid) ber SBohlftanb ber Seftfcer
auf bie 33efä)affenheit beS 2)iaterial£ unb bes fünftlerifchen 9lu*fd)mud$
ber grontfeite eingenrirft hat, Hegen im ©rün verftedt. 9(uf weite Steden
ftehen biefe &äuSdjen in ihrer grünen Umrahmung 00m benachbarten ©ruub*
ftüd loSgelöft ba, unb nur in ben großen $yerfehr$ftraßen unb in ben
ärmeren Vierteln reihen fidj bie Stein* unb £ol3bauten $u eigentlichen
Straßen jufammen. 2lu3 biefer Eigenthümlichfeit ergiebt fidj, baß öufareft
einen für feine Einwohnerzahl ungewörmlidj großen Flächeninhalt bean=
fprucht. Die Entfernungen fmb größer als in irgenb einer anbern gleich*
beüölferten Stabt.
Eine anbere Eigenthümlichfeit ift bie, baß es on einem eigentlichen
monumentalen 3)cittelpunft fehlt. Das oornehme Seben concentrirt fi<$
freilid) in ber ©egenb t>om 23ouleuarb unb ber Siegesftraße bis $ur
Ef)fluffce ttiffeleff. 3tt biefer Stabtgegenb finb bie fchönften 2)?aga$ine,
ba rollen bie oornehmften Equipagen bafjer, ba fieht man bie bemerfen^
wertheften ftäbtifcheu Erfdjeinungen, bie gute ©efeöfchaft unb wa§ fxc3t> ba$u
rechnet. Die Käufer finb wol)l auch fd)öner als in ben anberen Straßen.
2tber im Uebrigen nnterfdjeibet auch biefer reid)fte unb elegantefte 5^ei£ ber
Stabt fid; nid)t befonberS oon ben weniger begünftigten Vierteln.
^ergeblid) fpäljt baS 3luge nach einem großartigen Sau, ber burd)
feine impofanten $erl)ältniffe auffiele, uad) einer mächtigen flathebrale,
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aus bem Orient \0\
nad) einem gebieterifdjen s}>alafte, nad) einem monuäieäftfcft'i&umteit:-.
finb biefelben f leinen Käufer, biefelben freuubtid^eit" (Säften " wie überall.
So wirft bie Stobt wie ein oorneljme« Viertel 311 /atcr ^»atffcgä?
ftabt, bie nicr)t oorbanben ift, etwa wie ba« Giertet be« £(jiergarten« von '
^Berlin ofme Seipjigerftrafee, Sinben, Sd)lofjplatj nnb ßbnigftrafee, wie
Bonbon« 5Beitenb orjnc Xrafalgar Square unb Gitn, wie bie Straften
jroifdjen ben (£fyamp«-'©(of6es unb bem ^Sarc Sflonceaur olme 33ouleoarb
unb 9?otre*2)ame. 3lber fa'ibfdi bleibt e« be«wegen 006), befyaglidj unb
freunblidj, unb in biefer 33efcr)ränfung audj burä)au« groBftäbtifd).
3a, in einigen 58e$ier)ungen ift ba« oerrjältniBinäöig nidjt übertrieben
arojje Sufareft nie! gro&artiger, al« bie ftoljeren unb mächtigeren &aupt=
ftäbte be« SBefien«.
So auägesetdjnete« unb sugfeid) fo billige« öffentlidje« Jutyrwerf
wie in «ufareft giebt es nirgenba in ber äöelt. 33eim ftrengften &errn
fönneu bie eleganten unb Teilten Goup6« nid)t beffer unb fauberer gehalten
fein, al« biefe 3metr)«wagen. Unb rote fef)en bie Äutfdjer au«! Eie
meiften unb Muffen, bie jener fanatifdjen Secte ber ßiporoaner (Sfopjen)
angehören, bie wegen iljrer unmenfdpliajen «erftümmelungen au« 9tufelanb
ausgewiesen finb unb in Rumänien 9lufnalwne gefunben tyabeu. Sie tragen
ben langen, oon ber $üfte an tuet gefalteten ruffifdjen Sammetrocf, ber
bi« ju ben Äuödjeln herabfällt, gewöfmliä) in bunfelgrüner, bunfelblauer
ober fdjroarjer garbe, mit jroei 9?eif)en biä)t aneinanber ftefjenber SRetaH*
fnöpfe, bie r»om fragen jur £üfte immer weiter au«einanbergeljen, um
ben £eib eine breite feibene Sdjärpe, bie meiften« tiejrotf) (sang de boeuf)
ober oud) lummelblau ift auf bem Ätopf bie breittellcrige ruffifdje 9Jttifce.
2tUe« in tabeUofer Sauberfeit unb 2lccurateffe. 9ftd)t ein Stäubten ift
an ber Äleibung biefer Äutfdjer ju bemerfen. <£« ifl mir rein unbegreiflid),
wie biefe £eute im öffentlichen Xienfte bei 2Binb unb Sßetter tr)re fleib*
famen Sraäjten in fo mufter^aftem ^uftanbe erhalten fönnen. Sie alle
roirfen, al« l)ätten fie eben itjreu größten Staat angelegt.
Xie ruffifdjen ftutfdjer fefjen einanber fatnmt unb fonber« 311111 $er=
wedtfeln afmlid), unb e« ift fdjwer 3U beftimmen, ob fie adjtjetm ober
fünfzig 3afjr alt finb. Sie finb infolge ber fdjauerlidjen SSerftümmelung
bartlo«. Q^re ©efid)t«farbe ift lebem galliggelb, bie 2lugen liegen ^iemlid)
tief in ber &öl)le, unb bie ^adenfnodjen fpringen uor; ba« ftumpfblonbe
ftarfe £aar ift am Warfen in geraber Sinie glatt abgefdjnitteH. (£« finb
rurjige, orbentlidje, ftille Seilte, bie in söufareft feljr beliebt finb, unb bie
Diel ©elb oerbienen. Xenn in feiner Stabt wirb fouiel gefahren wie
gerabe hiev. Safe oon 3ett $u Seit $erbred;cn au« religiöfem ganati«mu«
Dorfommen, ift befannt; aber biefe bleiben immer innerhalb ber Secte
felbft. 3m Nebrigen finb bie Sipowaner burdjau« ungefäbrüäje braue
Männer, bie fiä) nie an frembem (Sigentlmm oergreifen unb rutjig i^r
öbe« l'eben für fiä) leben. Sie feljen ernft, ja frcublo« au*, fie uerfel)ren
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\02
paul £inöan in Berlin.
ultb ;f cremen ^tt-^ii ,§altepläfcen fcfjr wenig miteinanber. lja6c fie
nie', ''wie untere Wttdj.er, ein Älatföfränjd&en btlben, idj tyabc fie nie
ßftne lligeVtf)umlt$feit biefer ftutfdjer ift, baß fie bie Tanten felbft
ber widjttgften Strafjett nidjt feimcn. Senn man einen Sagen befteigt,
fo giebt man ümen nidjt etwa, wie bei un£, bie Straße nnb Hausnummer
an — ba3 oerftefjen fie niajt — ; fie werben wäfyrenb be§ gafirenS oom
galjrgafte felbft birigirt. £ie Söewofmer oon Sufareft (jaben e£ barin
einer gertigfeit gebraut, bie bem gremben oiel Vergnügen berettet. Slber
ber grembe, ber in ber Stabt felbft nidjt Sefdjeib weiß, ift $iemlid) übel
mit ben Seuten baran. (£r fann fid) nidjt mit ifynen oerftänbigen, unb
ber Äutfdjer fät)rt einfadj in geraber ^idjtung barauf lod. Senn er nadj
red)t£ abbiegen folf, berührt man mit bem Stoo! ober SRegenfdurm feinen
regten 2(rm, natf) linf* ben linfen, unb wenn er galten foU, fäfn*t man
ifjm gerabe über ben dürfen, gür Crtsfunbige ift ba3 ja ganj einfad),
aber ber grembe ift, wie gefagt, in einer redit übten Sage. Xie leisten
Sagen, bie mit fefir guten f leinen ^Pf erben befpannt fittb, ftnb außer *
orbentlid) angenehm, unb bie ^ferbe taufen wie ber 33lifc.
2>aS ga&ren in Mareft ift ein wirflid>e$ Vergnügen. Säfrrenb ber
guten 3eit ift benn audj jeben sJtod)mittag affgemeine Spazierfahrt, ein
wirfli$ großartiger Gorfo, wie ifm faum eine anbere &anptftabt beftfct.
2ltte3 fä^rt nad) ber f)übfd&en Gfymffee Äiffeleff fjtnauä. 3ft n«w einmal
an ber G&auffce angelangt, fo brauet man fid> um niajts weiter sm fümmern>
bann weift ber Äutfa^er gan$ genau, ma3 er $u tjwu f)at. Gr fäfjrt w~
nädjft ben langen unb bequemen Seg bis ans ©nbe. $a fie^t man
Ijunbertc oon eleganten ^rioat*- unb 3ttietf)3wagen, bie tjier faum oon ein*
anber ju unterfdjeiöen ftnb, mit Herren unb tarnen ber oornefmtften ®e*
fettfdjaft befefct. 21m ßnbe oben Ijält ber Sagen mit ben anberen an.
weiß nidjt, weshalb, aber e£ gefdjieljt immer. 9tod) einer Seile fa^rt
ber ftutfdjcr wieber lo$, etwa bis $ur Hälfte ber (£l>auffee, ba Ijält er in
ber 9tötye MaffeefjaufeS unb raftet wieber einige SJUnuteit, um al£s
bann bie gafjrt fortjufefcen. £a$ Vergnügen mieberljolt fidt), fo oft man
ed eben wünfajt.
Siefe nad)mittäg(id(>en (SorfoS, bie fid) wie ber „tour du lacu im
öoulogner öefjölj f)ier 311 einer wirflid)en ftäbttfdjen GHnridjtung unge*
$wungen tjerauagebübet unb mit ben f tnbifajen unb ftnbliajen 9tad)almuingen,
bie bei un£ in regelmäßigen Stbfiänben uerfua^t worben finb, uiajt 0a5
Gieringfte gemein Ijabeu, bieten ben Gin^eimifd^en unb gremben biefelben
2lnuel)mltd)feitcn. 3(uf ber „Gfyauffee" treffen fid) 3lUe, bie $ur oome^men
©efcllfdjaft geboren ober gehören motten, tauften ©ruße, treffen 3?erab=
rebungen, fofettiren, banbeln an, fd)nwlten unb flatfd)en; unb ber grembe
fielet ba in einer Ijalben Stunbe alle bemerfenöwertljen unb iutereffanten
^>erfÖnlid)feiteu ber erften Greife oon öufareft.
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2(u5 bem ©ticnt.
\0o
tiefer arglofe grembe fommt oor Grftaunen gar nicht ju fidj, wenn er
feinen 33lüf auf bie im SSerhältnifc $ur ©röfje ber ©tabt oerblüffenb ftarfe
Stojahl präd)tigfter äöagen unb $ferbe unb auf ben £oilettenluru3 ber in
ben Goup63 läffig angelernten tarnen fajmeifen läfjt. 2ttan fieht auf
biefem Spazierwege mehr Hainen in ^öä^fter unb rafftnirtefter ^3arifer
ßleganj, al* fie eine ©roßftabt oom boppelten ober bretfadjen Umfange
unter normalen Sebingungen aufzubringen oermöchte. ^an rotrb batyer
nothgebrungen $u bem <Sdjluffie geführt, bafj bie Sßerhältniffe nicht normale
fein tonnen, bafj es nicht mit redeten fingen jugehe, unb bebauert bie
annen Seemänner, oon benen bodj nur ein iörud)tf)eil im Stanbe fein
bürfte, ben fabelhaften £uru», ber t)ier oon ben gndbigen grauen, ben
heranblühenben unb oerblühenben Töchtern jur <5d)au getragen wirb, aus
einem richtig oertheilten, roohlgeoibneten iöubget ju beftreiten. Senn roenn
bie SluSgaben ber Hainen für ir)rc Toiletten als Rorm für bie Ginnahmen
ber «Könner bienen füllten, fo mürbe 33ufareft oon 2Mllionären roimmeln
muffen.
GS fc&etut aber, als ob SBufareft in aöar)rr)eit nid)t reicher fei, als
eine anberc Stabt, unb als ob ber $ang ber gluthaugigen Rumäninnen $um
$ufc aUerbingS geroiffe mtfjlitt> Serhältniffe herbeigeführt \)abe, bie $um
®lücf nidjt als normale ju bejeidmen fmb. S3öfe gütigen unb aud) fola>,
bie nia^t einmal böfe finb, behaupten, bafe es nic3t)t immer ber Ghegemahl
fei, ber bie Soften für biefen übertriebenen £uruS ber grau trage. 2)tan
erzählt — man flüftert es nidjt, man fagt eS laut — , bafj bie ^öroimten
ber „Ghauffee" jum nicht geringen 5Tr)cite jener Kategorie ber GoaStödjter
angehörten, bie Gmüe iugier „lionnes pauvres" getauft, unb oon benen
er in feinem ergreif enben 6djaufptel ein graufigeS ^öeifpiel t>ingefteUt fyat
in jener (Seraphine, bie es junächft bulbet, baß iljrc ©eroiffenSbifie roegen
beS 33rud)S ber ehelichen £reue burch jarte ©efchenfe einigermaßen be*
fchroithtigt roerben, unb bie fdjlie§lich fold)e GJefchenfe in weniger jarter
gorm, fchliejültcr) fogar in ber unjarteften, nämlich in flingenber 2)iün$e,
in ber Stählung oon Rechnungen ber <5d)neiberm unb «Dcobiftin, forbert.
bin natürlich roe^ baoon entfernt, gegen bie anmuthigen Samen,
bie auf ber „Ghauffee" an mir oorübergerollt finb, unb an bereit Grs
fcheimmg tcr) meine arglofe greube gehabt habe, eine fo ffyroere unb be»
leibigenbe Slnflage 3U erheben. 33) fyabe nur ju confiatiren, baft biefe
Staffage oon ben CrtSfunbigen, unb nid)t etroa oon ben eingeroanberten
gremben, nein, oon ben S3oUblutrumänen felbft in rücffid)tSlofe|ter Seife,
ohne alle Sefchöniguug, ja fogor ohne alle Gntrüftung, rote etroaS Setbft*
oerftänblicfjeS, erhoben roirb. 2£enn bie Samen oon ^öufareft nicht im
beften Rufe ftehen, fo fyaben M lebiglidj bei ihresgleichen bafür ju
bebauten. 3$ habe nie eine Stabt gefehen, in ber mit einem folgen
Langel an Refpect oon ben befannteften Samen gefprodjen wirb, rote in
^ufareft.
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I
pjul £inbau in Serlin.
Unb fie felbft Ijaben ftd) nebenbei auch einigermaßen ju befchulbigen,
ba§ fte burdj bcn übertriebenen 2lufroanb für ihre äu&ere Repräsentation
ben 2>erbadjt, fich jur Beftreitung itjrcr foloffalen Ausgaben verborgene
unb nidr)t gan$ lautere Duetten ber einnahmen ju erfchliefeen, Raum geben.
2Benn man ftd) nach ben intereffanteften unb auffälligften Crfcheinungen
auf ber ,,(£f)auffee'' erfunbtgt, fo erhalt man unter sefmmal neunmal bie
9lntmort: 2>a3 ift grau Sounbfo, bie ©elicbte mm bem unb bem! (5£
ift eine einfache 2luäfunft, bie ofme aüe (Sntrüftung gegeben unb entgegen^
genommen roirb.
3um Sheil ftnb bie frönen tarnen von Bufareft Blenberinnen. ^ei
ber erften flüchtigen Betrachtung roirfen Tie, namentlich au« einer geroiffen
Entfernung gefehen, wie rounberbare Schönheiten, Sie grofeen bunflen,
feurigen 9Iugen mit ben ftarfen, fchroarjen, monbfichelgeformten Brauen,
ba« roorjlgeorbnete fchroarjie $aar, bie üppige Büfte, bie runbe Xaitte, bie
f (einen güfje, bie burchau« nicht oerfteeft merben, unb ber ©lanj ber ge*
fehmaefoottften unb reichften Variier Toiletten — 9ltte$ ba$ bietet bem
2luge ein mohlgefättige«, heiter fchöneä Bilb bar. 2Bie fehr oornefmte
tugenbhafte Xamen fehen fie atterbing« nicht aud. SBenn mir unter unferm
farbenarmen Gimmel im ^Thiergarten einer foldjer weiblichen ©rfcheinung
begegneten, wie mir bereu fehoefroeife auf ber „(Hjauifee" in Bufareft fehen,
fo mürben mir ihr oermuthlich in ber fllaffification ferneres Unrecht an=
thun unb nicht ahnen fönnen, bafj bie betreffenbe 2)ame bie befte ©eiellfchaft
befucht unb bei fiel) empfängt. 2lber wie ber &umor, fo ift auch D<*3,
ma3 mir im meiteften Sinne beö 2Borte3 einmal als $ecen$ ober 2Bohls
anftänbigfeit bezeichnen motten, boch etroa« mehr ober minber SocaleS;
unb ba«, maS fyex anftöfcig mirfen fonnte, ift bort nicht bloä juläffig, e$
ift nicht einmal auffällig. GS ift felbftoerftänblich.
3er) mitt natürlich nicht behaupten, bafj es in bem fcfjönen S3oIfS-
fcfjlage ber Rumänen nicht auch in ber grofjftäbtifchen ©efettfehaft lieblich»
frifche, jugenblidje grauen unb Räbchen gäbe, roirflidhe Schönheiten, Die
eine aufmerffamere unb forgfältigere Betrachtung ihrer Rei^e oertragen.
9lber bei fef>r oielcn biefer auf ben erften Bltcf fo entjücfenben ©ef$öpfe
ift atterbing« bie Berliner Sßarnung angebracht: „Rieh fo bichte ran!"
Xie Rumäninnen treiben mit ber 3lnmenbung ber fo^metifchen &ülf3mittel
5ur Erhöhung ber natürlichen Reije unb jur 9Iufbefferung ber S8cfcr>äbi=
gungen burch bas unerbittliche 9llter mitunter roirflich übertriebenen
brauch, 3m Vergleich ju ihnen fmb fogar bie 2lmerifanerinneu, bie fid>
in biefer Begehung ja auch temen 3TOan9 auferlegen, unbeholfene Äinber.
Sdmüufen ift unter ben Manien Rumänien« eine faft allgemein oer-
breitete Unfitte. Unb nicht blo£ ba$ oberflächliche SdEmunfen, baä eins
fache 2luflegen oon S&eif? unb Roth. 9Nit forgfältigfter Äunft bemalen
fiel) bie Manien, ^u feinften Schattirungen lagert fid) ein rofiger £aucb
über bie fangen. Tie fchiuellenben Sippen erglänjeu in feurigem Roth
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2tns bem Orient.
105
ber üppigen 3ugenb. £ie uerrätf)ertfd)en gältdjen an ben Slugemuinfeln
werben jugebeeft, unb ein jarteä Söeifj, burd) ba$ gemalte blaue 2lbem
liebrei^enb flimmern, oern)ifd)t bie unnad)fid)tigen ©ingrabungen be$ bitter*
böfen SlltcrnS. 3axte fd)roar$e feine Striae unter ben 9lugen laffen ba3=
felbe größer erfdjeinen unb oerleif)en bem $Micf einen oieloerfpredienben
feurigen ©lan^. $te 33rauen fmb fd)n)ar$ nadjgejogen, unb bie fd)Öne
SRunbung ift burd) funftooHe 9tetoud)e 1x06) intereffanter geworben. .Hurj
unb gut, fte ReUen aus tfjreu ©efid)tern oollfonmiene sJ)?auoai3=©enrebilber
fyer. Sie Unfaire be3 Scr)minfen$ ift übrigen^ nid)t nur in ber ftöbtifd)en
unb oornelmten ©efeUfdjaft Rumäniens verbreitet, aud) bie Sienftmäbdjen
unb bie Bäuerinnen fdjminfen fid).
fät>rt fid) angenehm auf ber „Gfriuffee" unb auf ben guten, neu*
gepflafterten ©tragen. 2lber es läßt fidt) aud) in ber SSiUenftabt, aus
beren jaljUofen ©arten im ÜJtoi, namentlid) nad) Sonnenuntergang, bie
ftiedjroetbe unb ber gaulbaum iljren beraufdjenb fiarfen, fd)arf füfjlid)en
CDuft auSftrömen, red)t bel)agltd) fd)lenbern; unb man famt feine sroanjig
Stritte mad)en, olme an einer ftird)e üorbeijufommen.
Hütt) in 23e$ug auf Ktrd)enreid)tfmm fteljt Sufareft roofjl jiemlitt)
einzig ba. 9Hau behauptet, bie Stabt jal^e genau 365 ©otte^äufer, fo
bafc alfo ein frommer 9ftann an jebem Xage im -3af)re eine neue 93et=
ftätte befudjen fönnte. barf aUerbingä nid)t üerfd)n)iegen bleiben, ba§
aud) bie oornefjmften biefer Ktrd)en ben red)ten großartigen unb roeit)e=
t>ou*en (Sljarafter oermiffen lajfen. 2lud) bie bebeutenbften finb jiemlid)
unanfetjnlid) unb befd)eiben in ben Sßerfjälrniffen, unb bie überroiegenbe
3J?er)rf)eit finb einfad)e Kapellen unb $etf)äuter. Sie finb jum größten
£f>etf unter 2Inleljnung an ben bü3antmtfd)en Stil erbaut, mit mehreren
in Kuppeln auilaufenben Stürmen, bie baS Kreuj als Krönung tragen,
lieber bem £auptportal unb an ben Slufeenroänben finb grobe Malereien
in finbifd)er 3c^nun9 uno bunten garben angebrad)t, mitunter aud)
Sttofaifbilber. £>ie $äd)er finb mit glattem 23led) be|"d)lagen, ba$ im
<8onnenfd)ein freunblid) leud)tet unb funfeit.
XIV.
Das rumäntferje Königspaar.
£önia (Sarol. — ©in Attentäter. — Ghntjfanflääimmer ber ÄÖnigin. — 93ibliotlicf bc3
ÄönißS. — Sönifltn (Slifabeth, unb (Sannen ©tjloa. — (Sin 23auermäbd)en ou3 Sieben*
bürgen. — 3iflcuner. — 3Nufif ber rumänifdjen unb unßarifdjen Bißeuner.
Unter ben ^Srofanbauten $ufareft£ fallen einige ^aläfte, bie 311m
großen £t)eil im Sefvfc ber gamilien ber früheren ^o^pobare finb, burd)
tyre oornelmte 6d)önf)eit auf. Slber aud) biefe finb, nrie aUe 2Jaulid)feiten
in Bufarejt, oon mäßigem gormat. £a$ gilt aud) uon bem freunblid)en
unb eleganten, aber fetneSroeg« impofanteu fönig Ii cfjen ^alafte. 3Me
innere ®inrid)tung bagegen ift oon roatjrljaft fürftlidjer ^rad)t unb befunbet,
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\06 paul £ini>au in Scrlin.
rote alte 35>erfe be* tfönigS unb ber Königin, ben fein geläuterten fünftle*
rif^en ©efcfjntad be£ rumänifd;en &errfd;erpaareg.
34 !>attc bie El;re, gleidj am Xage nad; meiner Munft oon gijrer
üttajefiät ber Königin unb an bcn folgcnben £agen forootyl uon ber lw£>en
grau, roie con ©einer Sfajeftät bem ftöntg $u roteberfwlten Sflalen empfangen
5U werben unb ftunbenlang in ©efellfdjaft ber erlaubten $errfd;aften »er=
roeilen ju bürfen. 34 geftefje, baß id; uon ^Befangenheit nid;t frei bin,
wenn id; über biefe etunben hier fpred;en fott. 2i>oUte td) wahrheitsgemäß
berieten, mit welker unenblichen ©üte unb ^er^tdifeit ba$ rumänifcr)e
Äönigspaar mid; aufgenommen, wie bei Urnen ba*3 rein 2)?enfdr)ltc^e bie
23erfd;iebenheit ber ©eburt beseitigt, roie bie ©mfad$eit unb SSabrheit ber
Empfinbung ben ftarfen 2lbftanb überbrüdt, roie man nad; wenigen 9higen*
bilden nur noch baS beruf)igenbe SBeroußtfein \)at, »omelmt fithlcnben unb
üornctjm ^anbefnben Naturen gegenüberstehen — rooHte td; baä in bartf *
barer Erinnerung an 91lle3 ba*, roa£ id; empfangen unb empfunben tyibe,
hier fo fdjilbcrn, roie id; es möchte unb müßte, fo würbe id) bem s£or=
rourfe brj$antimfd;er £iebebienerei unb höfifdher Seroilität faum entgegen,
fo unuerbient biefer Vorwurf thatfädtfid) aud) wäre.
Xen ftönig (Sarol faf; id) juerft bei einem ^arffefte, ba$ 511 irgenb
einem wohltätigen 3roecfe oeranftaltet worben war. Xex ftönig ift etma£
über mittelgroß, oon fdjlanfer unb jugleid; männtid) fräftiger ©eftalt.
£a3 von bem Vollbart umrahmte ©eftdjt J)at ben cblen Schnitt ber fürft«
lidjen &ol;en$oUern. 35a3 bunfelgraue fmnenbe 9(uge giebt bemfelben
einen ernfteu, nad;benflid)en, nicht forgenfreien 9lusbrud. ®aS Haupthaar
ift braun unb l)ie unb ba fdwn uor ben 3<4™n ergraut.
£er Einbrucf be3 Ernften unb ^fliajtgetreuen, ben ba$ SJeußere mad)t,
wirb nod; oerftärft, wenn man mit bem Könige fpriajt. 3)?tt freiem $licf
bc^errfd^t er einen weiten 0efia;t$fret2>. Er ift be£ 2öorte3 in ungemöfm*
lieber 2ßeife mäd&tig. Er fprid;t fd&arf, flar, unb fein 2lu$brucf ift immer
elegant. Er fpricrjt mit großer Freiheit, immer rul;ig unb befonnen, aber
ohne alle ängftlidje <Sd;eu, fein Urteil burch bie 3iüdfid)t auf feine 28ürbe
einengen $u laffen. (St weiß, baß er md;t3 $8efonbere3 ju tlnm brauet,
um biefe Sürbe ohnehin 311 roal;ren. Er ift unbefangen unb wohlwoüenb
in ber 33eurtl;eiluug ber |>erfonen unb 3terl)ältmffe. 3ebem feiner Sorte
^ört man an, wie ernft er feinen fürftlichen 33eruf auffaßt, wie er unab=
läffig bemül;t ift, ba$ 3iid)tige ju erfaffen, ba3 3iü<jlid;e ju t^un, bie
<Sd;äben ju befeitigeu. Er ift oon allen 5>erl;ältniffen feinc§ Üanbel genau
unterrid;tct, unb nid;t burd) gefällige 3"red;tmaa;ungen, fonbern burä) eigene
9Infd;auung, burd; <3elbftftubium. 3» ^ög^" ber fyofyen ^olitif, ber
internationalen ^e^ieljungen $eigt er eine feljr bemerfengwerthe Sd;ärfe ber
Sluffaffung. Er ift feft ol;ne Eigenfinn, ein ed;ter ^lohenjoüer, ber feine
^utdjt fennt, unb ber fid; au*3 feiner genauen ilcnntniß ber ^crhaltniffe,
wie fie fid) burd; bie gefd;id)tlid;e Entwidlung geftaltet r^ben, feine
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Uns &cm Orient.
107
beftimmten unb unoerrücf baren Anfielen gebilbet fjat ü6er bie Aufgaben,
bie ber ©egenwart obliegen, um allen Anforberungen einer wahrscheinlichen
3uhinft gegenüber gerüftet bajufteljen. ©in Staatsmann ofme phantaftifcbe
3been, ein fachlich nüchterner Siealpolitifer unb oortrefflicber Solbat. £abei
auch ein greunb unb görberer ber fünfte. @S war fein anempfunbener,
ffinjtliä) aufgepfropfter (^tbufiaSmuä, e* mar bie echte unb wirf liehe greube
am Schonen, mit ber ber tfönig mir feine Sd)ä&e, nament(id) bie frönen
Silber oon Gireco, oon £i$ian unb anberen alten italienifchen 9Jteiftern,
jeigte. Unb nur ein oon lauterer Segeifterung für bie Jtunft burch*
brungener gfirft r)at im herein mit ber eben fo funftbegeifterten ©emabün
jene* flarpatbenwunber heroorjaubem fönuen, ba* Schloß spelefch Reifet.
Als id) ben £önig unb bie Königin im ^arfe GiSmegiu, in bem
alle möglichen £*erfauf*buben aufgefd)lagcn waren, luftwanbeln fab, umringt
oon einer Schaar oon Äinbern unb Neugierigen au* allen Stänben, ofme
alle mUitairifche Segleitung, ja ohne Abiutanten, mitten im $olfe, ba
fleHte fidt) in meinem öeifte neben bie ruhig männliche 6*rfd)einung bei
Äönig* Garol plöfclich ber gewaltige Sultan. §ier ber £errfä)er mitten
im ©eroüf)l, in größter ©elaffenheit unb Nulje, ohne aud) nur oon bem
©ebanfen an eine fdjuöbe X^at behelligt $u werben, bort ber ©rojfterr
aller Moslem, emgeferfert in feinem ^ßalaft, unb bei ber einzigen uner=
läfjücben Ausfahrt ber 3Boche oon taufenben bt* an bie 3ähne bewaffneten
argwöhnisch bewacht. Unb ich backte an ben $er* unferer Nationalhymne,
ber mit ben SBorten beginnt: „Wicht sJlo§ nicht Neifige . . ."
Unb eigentlich hätte Äönig (Earol bod) wof)l einige Heranlaffung, etwa*
t>orfia)tig ju fein. $)afj er fidr) auf einen Soften geftcUt bat, ber feine*«
roeg* gefahrlos ift — Niemanb weifj es beffer als er fclbft. &af} fid)
in bem com ^parteifjaber burä)wüblten , burch lange lange 3fltßf)errfd)aft
jemifenen Sanbe, bem er mit Aufopferung aller feiner Gräfte geftigung
unb Stube geben toill, auch ein burch Fanatismus, ©rojjinannSjudjt ober
eine fonftige Art be* SöabnfinnS aufgereihte* ^nbioibuum finben fann,
ba3 unter Umftänben $ur äöaffc bei Stteucbelmörber* greift unb ba*
Seben bei gürften bebroht — er hatte es foeben erft erfahren müffen.
Seit bem Attentat waren nur wenige Sodjen oergangen. (Sin SDtenfd),
ber früher Solbat gewefen, au* ber Armee ausgesogen unb wegen oer*
brecherifdher £anblungen im ^uchthaufe gewefen war, ber ftd) ein halbe*
Safjr oor feinem Anfd)lage all ^eibbiener beim Könige gemelbet hatte,
feuerte oon ber Stra§e au* jwet wohlge^ielte 3dt)üffe burch bie erleuchteten
Sä)eiben in ba* 3immer ftönig*. 25er Äönig war jufälligerweife im
3immer nebenan. vi3enn ber ßönig, wie gewöhnlich um biefe 3eit, an
feinem Arbeitsttfcbe gefeffen hatte, fo wäre ba* Sdhlimmfte oielteidjt ein«
getroffen. £er Äönig fprach mit größter SHufje unb ol)ne bie gerinqfte
(rreiferung über biefen Vorfall, beffeu trauriger .§elb, wie e* feinem 3,veifel
unterliegen famt, ein ^ahnfinniger ift. ^er Attentäter wollte um jeben
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JOS ^ paul finbau in Berlin.
$reU berühmt werben, ©r l;at feinen 3roed nia)t erreicht, ©ein 9Jame
ift in Rumänien fdwn oergeffen, unb im 2Iuslanbe erft red)t.
©£ eriftiren oon biefem SHenfd&en ocrfd&iebene ^Photographien, bie für
bie 9iidjtigfeit ber £ombrofo'fd)en £f)efe ju fpredjen feinen: bafj es
SJienfdfjen giebt mit einer angeborenen oerbrecf)erifa)en ©runblage, bie nacr)
ber 2luffaffung be$ berühmten ^ßf^drjiaterS nur eine Unterart jener grofeen
Äranffjeit btlbet, bie unter bem ©efammtnamen ,,2ßaf>nfinn" $ufammenge=
fafet wirb. Der Attentäter f)at fid) fdjon ein halbes ^a^r cor bem Attentat
alä Selbftmörber Photographien laffen. Gr fteht ba, ben 9feooloer auf
bie öruft rict)tenb, neben ifjm feine 23raut, bie ihm in ben 2lrm fällt unb
ihm ben Sfteooloer ju entreißen fuä)t. $ch beftfee bie merfmürbige tyfyoto-
graphie, bie mir ber Honig gefdfjenft jjat. ©in anbereä 3Jilb jeigt ben
Attentäter in ber fofetteften rumänischen 9lationaltrad)t, ftarrenb im Saffen*
fdjmutf. Der SHenfdji hatte eine ^uchthauöftrafe wegen 2)iorbe$ abjubüjijen
unb ift, wegen guter Rührung an ben 5lönig empfohlen, oon biefem naefj
einigen fahren begnabigt worben. So I)at er benn feinem 2£of)ttf)äter
gebanft. Gr ift burdh ben Sprud> ber Sadjjoerftänbigen bem Srren^aufe
überwiefen worben, in ba$ er freilich etwas &u fpät gefommen ijt, ba3
er nun aber hoffentlich uid)t wieber oerlaffen wirb.
Die 2£ofm; unb ©mpfangSräume im föniglid)en Sdjloffe fmb pradjt=
ooll unb jeugen oon auSerlefenem ©efd&macf. Der SHaum, in bem td) bie
©hre hatte, Stytx 9Jtajeftät ber Äönigin ©liiabetf) jum erften 2flal gegen*
überjutreten, ift ein grofjer, in anmutiger Söiüfur geglieberter Saal,
©r wirb abgefchloffen burdfj ein ©abinet mit erhöhtem ^Sobium, baS im
reitt)ften orientalifa^en Stil eingerichtet, mit f oftbaren Stiefereien, Deppichen,
niebrigen ^olftern u. f. w. in behaglichfter SBeife auägejtottet ift. Daran
fd)liefjt fid) ein fdnnaler Wintergarten mit ^Jahnen unb fonftigen großen
^lattpflanjen, ber ben ©ingang bilbet. Der &auptraum ift ber Sänge
nad) burdj eine Duerwanb mit breiten Spüren oerengt, fo ba§ ftdj neben
biefem nodt) ein langgeftredtcS, fe(?r gemütliches 3immer beftnbet.
9ludj biefer £auptraum ift bura) bie oerfdjiebene Joöfje ber ^ßobien
unb burch eine ©alerie, ju ber eine Dreppc oon ber ©rhöhung hinaufführt,
in feiner Monotonie in erfreulicher Söcife unterbrochen. $ier fielen in
ber 9)titte jwei gute Jlugel unb an ber 2öanb eine fdjöne Drgel, baueben
bie Nürnberger Stfabonna in £ol$. 3ln ber £>auptmanb befinbet fid) neben
fetjr frönen Silbern oon Hubens, oan ©pfenS, 9lo|fo SHoffi, Dominica
Söenejiano, ^ereiba :c. ein 9)feiftcrwerf oon Nembranbt, ©ftfjer unb Alja^oer
barftellenb. Ueberau*, wo irgenb s^Iaft ift, unb aud) ba, wo erft ^piafe fytf
gefd;aff en werben müjfen, finb Äunftwerfe angebracht, unter Anbenn eine
fefyr fa^öue 9icprobuction beä 9)?ofe£ oon 3)2id)el Hngelo. Die IjerrUdjften
Stictereien unb ^Teppid;e bebeden ben 33oben unb alle ©erät^e, unb ba£
©anje mad)t in feiner Leitern ©runbfarbe unb in feiner launigen unb
bod; fo fein abgeftimmten ©unt()eit, in feiner jwar etwa^ fraufen, aber
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2Ius öcm (Drient. J09
babci boä) fo ruf)tgeix iünorbnung mit all btefen auserlesenen tfunftfdjäfeen
unb ber fä)arfftnmgen ^ert^cilung beS SRaumS, bie aHecorten laufdjige
Sdjmottwmfet unb reijenbe ^lauberpläfcdjen gefdjaffen fyat, einen ebenfo
reiben wie liebenSrourbig anmutljenben Gmbrutf. Der ganje Gompler.
von 3imment wirb burä) Oberlidjt erhellt.
&eroorragenbe 9Jtenfä)en reiften tyrer Umgebung meift etwas von
iljrem eigenen SSefen, ben Stbglanj if)rer Snbioibualität ju uerleifyen.
3Wan empfängt einen gan5 fonberbaren ©tnbruef, wenn man aus ben eigens
artigen 3immern b*r Königin, aus biefer buntfd)iflemben SBerfd&ioiftcrung
öon gewagten Jarben unb frembartigen Sinien, aus biefer reiäuoHen
fammenmürfelung oon ©egenftänben, bie urfprunglid) nidjt jufammengefyören,
bie in weit auSeinanberliegenben Seiten unb Räumen entftanben finb, f)ier
aber $u einem Reitern unb f)armonifd)en ©anjen jufammenfliefeen — wenn
man aus bieten ©emädjern einer für bie Sd)önf)eit begeifterten fyof)en
grau in bie nid)t minber inbiotbuellen 3inwter tyres foniglid)en ©emafjts,
etwa $uerft in feine SBibltotljef, tritt.
Da ijt oor ber ftrengen marfigen Stilifirung alles Soielenbe unb
gefällig 2Billfürliä)e oerfdjwunben. Qn bem ganjen großen Raunte (es
mar ber frühere Xfjronfaal) Ijerrfdjt eine fo einfaä) confequente 2tn;
orbramg ber arä)iteftonifä)en unb becoratioen Elemente — 21lleS getauft
in bie ruf)ig bunfle garbe beS (5tä)enf)olseS, baS überall wteberfefjrt: in
ber Täfelung ber Sßänbe, in ber reid)gefdmifcten Xreppe, bie &ur ©alerie
fnnanfüfn-t, in ber Ealuftrabe biefer ©alerte, in ben weit uorfpringenben
23üc^erfa)rän!en felbft unb an ber Decfe — , baß man $uerft !aum wagt,
aud> nad) ben ©injetyeiten ftd) um5ufef)en, um noä) etwas mefjr als nur
jenen faa)liä) ftrengen, großen ©efammteinbrud* mit &tmoegsunef)men. Unb
bod), wie rounberbar ift biefeS ©injelne! 2öie oortrefflid) t)at es ber SKeifter
ber ®$nifefunft oerftanben, bei ber Überall geroaljrten Energie unb ©roß*
Unigfeit beS ©anjen bod) liebeooll unb biScret ju fein, auf baS flleinfte
unb 3artefte einjuge^en, ofme nur ein einziges 2Wat burd) baS aufbringe
lid&e heraustreten einer folä)en (Sinjelljeit baS 2Iuge beS $efdjauerS ju uer*
wirren! ^n biefer ernften, faft möd)te man fagen: feter lid) büftern Um-
gebung pflegt ber ftöntg mit feinen 9fatf)gebern ju arbeiten. GS ift nid)ts
SÄblenfenbeS unb 3erftrenenbeS in biefem Raunte. Selbft bie grelle
ntmämfdje Sonne muß tf)r £id)t gebämpft unb abgetönt burd) bie matt*
gefärbten Sdjetben ergießen, unb oon bem sJiaffeln unb Sännen bev lauten
SiegeSftraße ba unten bringt faum ein bumpfeS DioHen in biefc arbeit«
fame Stille . . .
Die Königin ift eine wa^rljaft fürftltdje Grfäjeimtug. Die f;ot>e
(Seftalt ift oon flafftfd)em Gbenmaß in ben äJcrljältmffen, rul)ig, fid)er
unb elegant in ben ^Bewegungen. Der cbelgefd)nittcne Mopf mit ber Ijofyen
Stirn, bie oon üppigen, fd)on oorjeitig oon Silberfträfinen burd)jogenen
paaren umrahmt ift, mit ber feingefd^mungenen sJ?afe unb jenen „fd^ön
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UO paul £inöau in Berlin.
gereimten Sippen/' bie man, nrie feilte fagt, nur bei Dichtern finbet,
erhält namentlich burd) bie Hauen glänjenben Slugen, bie mit wahrer
Sünblidrfeit um ftdj bltäen, ben d)arafteriftifchen 2luSbruct oon ©üte unb
Klugheit, ©ine forgenbe gälte, bie fid) in bie Stirn eingegraben hat,
giebt bem @efid)te aber .Migleidj auch etnjaS fchroermüthtg traurige*,
DulbenbeS. Die beutle gürftentochter, bie, nrie ihr fönigtierjer ©emahl,
ir)re Aufgabe als gürftin auf bem X^ron Rumäniens fe^r ernft nimmt,
hält fid) oon allen Staatsangelegenheiten grunbfafclich oollfornmen fem.
Sie fudjt ihre Aufgabe nur in ber Sinberung ber Noth unb beS (Slenbs,
in ben SBerfen ber 33armberjigfeit unb in ber görberung alles beffen,
bas national fdjön unb erbaltensroerth ift. 2ln ben 2Berfen ber mmänifd>en
flunft unb ßiteratur nimmt fie baS regfte unb förberfamfte ^ntereue. Sie
fammelt bie eigenartigen 33olfSgefänge unb fudjt burch ihr Söeifpiel bafnn
5U mirfen, bafc bie aufeergeroöhnlich malertfche, farbenprächtige, fdböne
rumänifdhe Nationaltracht, bie [ich eigentlich nur noch auf bem platten
Sanbe erhalten hat, in ber ©rofcftabt aber burd) bie fränfifche ü)iobe
oöHig oerbrängt ift, erhalten bleibe unb auch in ben Greifen ber SBeoor--
jugten roieber ju Ghren fomme.
5Dte Königin befifct eine burdjauS ibeal angelegte Natur. Sie ift
oölltg wahr unb begreift baher auch nicht, bafe man lügen fönne. 2sknn
fie auch mitunter fchmerjlidje Erfahrungen hat machen müffen, fo ift ihr
Vertrauen 511 ben 9Nenfd)en barum bod) unerfchüttert geblieben. Sie liebt
baS ©ute unb glaubt baran. Sie ift eine einfache gerabe Natur, raftloS
fleißig, unb hat an ihren (Erfolgen als Dichterin aufrichtige greube. Sie
beftfct bie loärmfte @mpfänglid)fett für alles Schöne, eine unglaubliche
fieid)tigfeit in ber ©eftaltung, eine rege unb erftaunlich fruchtbare ^hantafie.
lieber ihre fchriftfteUerifche Befähigung, bie fie als ©armen Sgloa
in ben zahlreichen Dichtungen unb in ©emeinfehaft mit grau SKite
Hremnifc in ben befannten Erzählungen unb Nomonen oon „Dito unb
3bem" („2luS jtoei Helten", „9Jftra" u. f. n>.) mit noüftem ©elingen
betätigt hat, ftef)t baS öffentliche Urthcil feft. Das &auptroerf ©armen
SnloaS, bie grudjt oon mehr als jroanjig arbeitsreichen Satyrn, ift eine
Sammlung oon etioa oierhunbert Inrifdjen ©ebichten, biß fie unter bem
£itel „sJ)?eine Nul/' oeröffentlicht hat.
Diefer £itel „3J?eine Nuh" entfpringt nicht nur ber pietätoollen unb
fefmfüdjtigen Erinnerung ber Königin an ihre herrliche &eimat, an ben
raufchenben Nljein, reo in bem ©rün ber fdjlanfen Suchen baS anmutige
Sagbfdjlofe SNonrepos liegt, baS ber Sieblingsaufenthalt ber jugenblict)en
^rinjefftn oon &>icb geroefen mar. „Sfteinc Nuh" offenbart ben Sefem
mehr als irgeub ein anbereS 3i>etf ber hohen grau, wie bie s$oefie ihr ber
liebreiche unb tvöftenbe 3uflud)tSort oor allem ßurnmer unb allen £aufchungen
ftetö gemeien ift unb noa) ift. Styct ganje Sebensfreube, ihr tieffter
Sdjmerj, ihr fcharfer Spott, 2tlleS, toaS ihre Seele freubig unb fdmterjlich
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2las Dem Orient. \l\
berührt hat, 3)lutterg(üdf unb Mutterleib, bie begeifterte unb tiefe Siebe
jur Üftatur, namentlich jutn beutfd&en SBalbe, aber and) bie bittere 9?er=
adjtung unb bie beifeenbe Verhöhnung all beS fiebrigen nnb ©eineinen,
baS eine ßönigin oieUcid;t noch mehr als anbere (Sterbliche $u flauen unb
ju ertragen gezwungen ift — mit einem Söorte: ihr ganzes ä&fen hat hier
feinen berebteften 2tuSbrucf gefunben; unb echter unb wahrer, als alle
biographifäen Mitthetlungen fünben uns biefe brei 33änbe Sieber nnb
Satiren, wie Carmen Snloa warb, was fie liebte unb litt, was fie wirfte
unb fchaffte.
Xie Königin befifct aber auch neben ihrer allbekannten bichterifchen
Begabung großes Xalent jum 3eidmen unb Scalen. Sie hat für bie
fchönfte bnjanttnifche Äirche ^Rumäniens — unb oielleicht ber äöelt — , für
Gurtea be Slrgefch, ein rumänifcheS ©ebetbudjj in reichfter Crnamentif, im
®efchmarfe beS bnjantinifchen Mittelalters gemalt, baS oon Sachkennern
als ein wahret Meiftermerf gerühmt wirb, unb beffen Schönheit auch ber
fcaie rückhaltlos benmnbert. Slua) für bie Mufif ift bie oon ber 9tatur
üerfcrjwenberifch auSgeftattete gürftin in tjo^em ©rabe ueranlagt.
ÜBdhrenb meines SlufenthalteS in $3ufareft würbe bie Königin oon
einem jungen, ernften unb fehr begabten englifchen 3Mlbf)auer, <g. ßitfon,
mobelürt. 3U biefen Sifcungen mar ich gewöhnlich eingelaben, unb mir
unterhielten uns täglich ftunbenlang über alles Mögliche, namentlich über
fünftlerifche unb literarische ^erhältniffe unb ^erfönlichfeiten.
öei einer biefer Stfeungen ereignete fich nun eine wirtlich rührenbe
Scene. @ine Mlbluibfche unb blutjunge rumämfche 33äuerin aus Sieben*
bürgen hatte ben weiten Seg oon ihrer Heimat bis jur ^auptftabt
Rumäniens jurücfgelegt, nur um bie Königin unb ben Hönig $u fehen.
Xie Äönigin liefj baS Mäbchen, baS feine fleibfamfte unb reichfte National;
rracht angelegt hatte, in baS fleine jum 3ltelier hergerichtete 3immcr ein«
treten.
$5aS Mäbchen blieb wie gebannt auf ber Schwelle flehen. Unb in
ber £hat, fo, genau fo hatte fich ber SPhantafte ber Bäuerin bie Vor*
fteflung oon einer richtigen Äönigin bilben muffen. $ie Königin fafe bem
Äünftler in gro&er Salltoilette. Sie trug ein tiefgelbes, golbfunfelnbeS
3ltlaSfleib mit langer Schleppe unb auf bem Raupte ein herrliches £iabem
oon feiten frönen £\>alm unb diamanten. $te reijenbe Bäuerin glaubte
unzweifelhaft, bajj bie £errf<herin ^Rumäniens bejtänbig in biefer Xradjt
bahergelje. So mufcte es fein unb anberS tonnte es nicht fein! 3a, bae
war eine rechte unb echte ftönigin!'
2US bie gürfiin bem Mäbchen freunbltchen ätuafomm geboten unb
ü)r bie &anb entgegengeftreeft hatte, trat bie Bäuerin heran, oerneigte fich
teljr tief unb füfete bie #anb mit einer ©rajie unb einem lUnftanbe, um
bie fie manche &ofbame hätte beneiben bürfen. 9ta würbe baS #inb
com Sanbe auch gan$ unbefangen, wenngleich fie ihre befcheibeue Haltung
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paul £inbau in Scrlin.
nidjt einen 2lugenblirf aufgab. 2tuf bie fragen ber Königin e^lte ne
mit fa;ttd)ter 9lnmutf), was üe na$ ber £auptflabt ^Rumänien* geführt
Ijabe. Sie überreizte ber gürftin ein bübfd>e* ®ef$enf, eine funittwUe,
oon iljr felbft gefertigte Stieferei, unb fagte, ba& fie um bie ©nabe bitten
mödjte, immer bei 3()rer ^Kajeftat bleiben 5U bürfen; ein f leinet 3immera)en
werbe fiaj in bem grofeen Sdjtoffe \i)on finben, unb fic brause nidjt Biel
$lafc; fte möchte eben nur bie @f)re fjaben, in ber 52ä^e ber Königin bleiben
ju bürfen.
2He Königin madjte baä fuibfdje ftinb lä<f>elnb barauf aufmerffam,
baB fic^ ba£ bodfj nidjjt fo olme SöeitereS madjen taffe; wenn aber irgenb
eine ©teile frei werbe, fo werbe fie fid) bes jungen 9ttäbdjen$ gern er*
innem. SJian faf} e3 ber Königin an, ba§ ifjr biefe SSorte febr ernft
gemeint waren; benn ber liebliche 9lu3brud be3 frifdfjen runben ©eftdjtesi,
bie 9trtigfeit ifjreS Auftretens, bie freunbltdfje 9?aioetät ttjrcs ganjen 2öefen3
matten auf bie gürftin offenbar einen fer)r angenehmen GHnbrurf. £a
aber antwortete bie Bäuerin: 3$re SJiajeftät fabe fie mtfjoerftanbcn; fie
fei majt naa) Sufarefi gefommen, um eine Stelle $u fudfjen. ^n unferer
gamilie bient man nid)t," fagte fie mit rutjigem Stolj. Sie wollte eben
nur in ber 9töf)e ber ßömgin bleiben, nid)ts weiter! 2)ie ftonigin fonnte
nur wiebcrf)o!en, bafj bie ©ewäbrung biefer Sitte bod) nidjt ganj fo einfach
fei, wie e3 ba£ gute Mbd>en fidj oorjufteHen fdjeine. 2)ie anbere Sitte ber
Säuerin aber, ben flönig oon 3(ngefidf)t §u ?tngefidjt 3U fe^en, würbe itn*
bereitwillig gewährt, obwoljl ber JJürft gerabe in jenen £agen ungemein
befd)äftigt unb fd)tocr sugängliaj war.
Sei jenem Sßarffefte in ßtemegiu, ba§ oon ben 3J?ajeftaten unb allen
Vertretern ber oornelmten ©efeßfdfjaft oon Sufareft befugt würbe, fpielten
aufjer oerfajiebenen regelrechten Capellen aud) rumänifdje 3iscunerbanben.
3<$ mufe fagen: biefe „Sigeunermufif, oon ber man behauptet, es fei
bie urfpnmglidjfte unb alleredjtefte, biejenige, bie oon ber Mtur am meiften
verfd&ont geblieben fei — mir will fie gar nid)t besagen! $a mag benn
meinetwegen lieber bie 2llle$ belcrfcnbc Kultur ein bissen mitmadjen unb
bie Uriprünglidfjfeit fajäbigen, wenn fie jenen einzigen <Sbarafter, jene feltfam
ergreif enbe Klangfarbe Ijeroor^ubringen oermag, wie fie ben ungartf djen
3igeuncrfapeflen $u eigen ift. ftier aber war nidjts waljrjunelnnen oon
jenem wunberfam wefmmtfjigen Schlucken, SBimmern unb finnlid&en 2luf*
jaudjjen, baä bie ungarifd)en 3i9euner ^rcn ©eigen unb (Stjmbeln 5U ent*
locfen wiffen; unb mit fdjmerslicfjem Sebauern gebaute ta^ ber fiebelnben
braunen jungen, bie id) in ^>eft gebort fjatte, unb bie idj ju meiner
größten ftreube in Sdjmcfd , ober Xatia^üreb, wie eä jefct Ijeifct, wieber «
treffen füllte — ber eckten, ber wahren, ber alleinigen 3^9c"ner^ — i<t
ber edjten, wenn fie meinetwegen aucr) tjiftorifd) nid;t fo ed)t finb wie bie
^Rumänen, ber unocrgleidjlidfjen (Sjarbaefpieler au-S Äafd^au, mit ibrem
eleganten ^riinaä dlac) 05i)ula an ber Spifce. 2)a3 waren bie wabren
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2lns bem (Orient. U3
Naturrunftler ! @ljen! Unb im $ergleid) ?u biefen Ungarn roaren bie
rumdnifdjen Qi^vmet, bic man, glaube id;, aud> Sautari nennt, elenbe
Stümper!
$ier tjörte idj nur ein entfefclidjel Öeftebel, tarantellenartige £än$e
oon ermübenber Monotonie, ein unerfreulidjel ©ebubel, begleitet oon ben
grillen £önen ber 9iof)rpfeife, wie totr fie nur nodj an ben Statuen bei
tßan erblicfen, eine! 2Jtorterinftrumentl, auf beffen Sötern bie Sippe bei
braunen ^^mmermannel frampffjaft tyn- unb Ijerrutfdjt, unb oon ben
bumpfen Sa)lägen einer erbärmlidj fleinen, cor ben &eib gebunbenen
tragbaren Gmnbel, bie t)tcr blol f)äf?lid) unb tf)öria)t flingt.
Jyranj £ifjt behauptet in feinem $ud)e über 3i9cunermuftf> Da& bie
Gjarbal unb $olfllieber, bie bie ungarifdjen 3i9euner auffpielen, nidjt
magnarifd>er ^erfunft, fonbem nrirflid) aul bem 3igeunerftamm fjeraulge=
machen ieien. 3$ roilt gegenüber einem fo fyeroorragenben 2Mftcr ber
STonfunft, ber über biefel Xc)ema ftdjerlid) eingefjenbe Stubien gemadjt fjat,
natürlidj feine roiberfpredjenbe 33emerfung toagen; aber bie 25ec)auptung
£'tf$tl fefct midj boa) einigermaßen in ©rftaunen. 2Bol)er fommt el benn,
bafc bie fingenben ^iflßuner -RuBlanbl in ijjren ©efangen ftarfe 2lnflänge
an bie flaroifd>e 3Wufif fyaben? bafj ifjre Sieber mit benen ber ungarifd)en
3igenner nid)t bie geringfte $erroanbtfdjaft aufroeifen ? Unb wofjer fommt
es, baß roieberum bie rumänifdjen 3i9euncr ßine 9an5 befonbere 9flufif für
ftd) fiaben, bie roeber mit ber ruffifdjen, nodj mit ber maggarifdjen 3t9cuners
mufif gemeinfame 3"9e auf meifk ? 2Belj)alb haben benn bie fpanifdjen
3igeuner überhaupt feine Sftufif ? 3$ glaube, baß bie 3^eunermufif bodj
fefjr fhvrf oon ber Nationalität, innerhalb beren bie 3t9eu«er leben, beein--
flufct wirb. Ungarifd^e 3i9«w«ennuftf, bal Reifet, bie a)arafterijtifd)fte,
merfroürbigfte unb padenbfte, fpielen nur bie aul Ungarn ftammenben
3igeuner auf. Unb id) glaube, 3of)annel 33ral)ml bat dledjt gehabt, baß
er bie oon ifmt in Ungarn gefammelten 3i9eunerioeifen unter bem Namen
„Ungarifd&e Sänje" herausgegeben ^at.
3n Rumänien finb übrigen! bie 3igeuner bie 9)tourer unb 3immer=
leute bei Sanbel. 2>te Rumänen arbeiten ntdjt fefjr gern, wie man fagt.
XV.
Sinaja unö Sctyloj? pelcfdy.
Sie früheren 2Htmficr. — Sinaja. — 3)a8 fllofter. — $a$ Äarpatljenidjlofe v}Me?ch.
— @d)»terigleiten beim S3au. — $te innere ©inridjtunß.
$}ei ber Älürje meine! 3lufcnt^altl im Sanbe roerbe id) nidjt fo ge;
fdjmacflol fein, mir ein Urtt)eil über bie nationalen (rigentFjümlidjfeiten
ju erlauben. 3$ fönnte übrigen! ben Rumänen nur ba£ 33cfte nad)fagen,
benn id) bin in iöufareft 00m ©lücf in ungeroölmlidjer ^i>eife beoorsugt
8*
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\\$ Pau l £int>an in 33erlin.
worben unb l)abe birect, ober inbirect burd) bie mir befreunbete umjetnein
liebenäwürbige Familie be$ Dr. Äremnifc unb feiner Jrau, ber <Sduift*
ftetterin SJtttc .Üremnit}, nur tüchtige unb ausgezeichnete Männer fennen ge=
lernt: ben überaus freunblidjen unb gefällicjeu GantacujSne, ben r)er=
twrragenben Ueberfefeer ber 8d)openhauerfd;en philofoplnfdjen SBcrfe iu'v
gra^öfifche; ben bamaltgen Stttnifterpräfibenten äiofetti, ber, wie feine
früheren Gollegeu im SJiinifterium, beren persönliche 23efanntfd)aft id>
ebenfalte Gemacht fyabe, ber 2Rimfter be$ Sleufcern, Garp, unb ber AMtu3*
minifter Sftai'oreäco, eine gebiegene beuffdje Silbung befifet. Die Drei
genannten ÜJJinifter haben lange Qahre auf beutfdjen Uniuerfitäten frubirt.
Garp mar actiuer Gorp3burfd)e in Sonn bei ben ^reufcen, alfo unter
9lnberm audj ein Gorpäbruber unfereä jefoigen StaatSfecretärä ber 2lu3=
wärtigen Angelegenheiten, be3 ©rafen Herbert Siämarcf. Sflofetti, Garp,
unb 2Hai'ore$co betjerrfdf)en bie beutfdje Spradje nollfommen. -Der Äuttui-
minifter 9Jiai'ore$co fprid)t fogar ein auffällig elegantes Deutfdj, mit fub=
tilfter Unterfdjeibung ber nerwanbten fprad)lichen begriffe. Gr l)at audj)
eine phUofopl)ifd)e 2lbhanblung in beutfdjer Sprache erfcfjeinen (äffen.
G3 mar mir gegönnt, mit meinem lieben grcunbe Dr. Äremnifc ba3
herrlidje föniglid>e Suftfchlofj in Sinaja unb mit bem Slultusminifter
3ftaiore3co unb beffen ©efellfdjaft ba3 ueuerftanbene SSunber ber bpjan^
tinifdhen Saufunft, bie .Htrdje von 2lrgefd), ju befudjen.
Die iKumänen fmb ein befyenbeä Solf unb in Sejug auf Socomotion
mel weniger fd) werfällig al$ mir. SluSflüge nach fünften wie ben eben
genannten erfctjeinen ilmen ate etwas tjanj Selbftoerftänblidjea. Unb bodj
ift ber nad) Sinaja, ber inSgefammt für ijin unb jurüd eine Gifenbahnfabrt
uon neun 6tunben ucranlafct, md)t ofme 3lnftrengung in einem Dage ju
bewältigen. Der nad) Gurtea be Slrgefd) erforbert jwei uolle Dage.
Der Üh>eg nad) <3inaja ift junäapft ziemlich langweilig. SJiit über*
rafdjenber linmittelbarfeit finb wir auf einmal mitten in ben Karpathen.
Der Uebcrgang ift uerblüffenb jäl). 2i>ir burdjfaufen eine bergige etredfe
uon <Ed)iefer, Öerött, mit fallen gclfen, zwifchen bie fia? ab unb $u bid)t*
beftanbene anmutige Serge in fanften UmrtBlimeu einfeilen. Da feljen *
wir benn baS frifdje ©rün bes £aubf)ol$e3 unb ba3 bunfle ber Nabeln,
namentlich mächtige Gbeltaunen. Die Salm, bie bem Saufe beä gluffeS
folgt, ^at uiele £>tnbcrniffe mit Srürfen unb Dunnels $u überwinben.
»cinaja, bas bem jefcigen Mönigspaare fein mächtiges Aufblühen uer*
banft, ift in bcrrlidjer Sage eingebettet jwifdjen l)ot)e Serge, beren ©ipfel
noch mit Sdmee bebeelt finb. 3?on wunbeiuoller ©irfung ift namentlidt)
ein $öl)eiuug in bijarr jerriffenen Linien, ber in bem fchönen malerifdjen
Garaiman* Reifen mit feinem fmaragbgrünen hatten, bie wie ein ^Jolfter
in baö Grau bes Steinet eingefügt finb, großartig abfd)lie§t. $\\ biefem
weiten Äeffel finb nun in feljr furser 3^it eine 2lnjar)l freunblid)er Hillen
in meift gefdnuacfuoHer, wenn aud; feine^weg^ ftilgerea^ter Sauart, mit
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2tus bcm Orient.
allen möglid)en Xtjürmcn unb Tdürmc^en, mit 3innen uub 3a(&n/ inmitten
hübid)er ©artenanlagen erftanben. 2luS biegen ragen einige größere bauten
auf, Rötete, iBabeamtalten u. f. ro. 2llleS mad)t beu (Sinbrucf bes eben
gertiggeroorbenen, Neuen. 2luf baS £ebhaftefte erinnerte mid) ber
auf 3inaja an bie frifd) erftanbenen Stäbte beS amerifanifd)en SikftenS
uub gan* befonbers an baS fiuruSbab SaS $egaS in 9ieits<Dterico. Unb
aud) t)ier roef)t biefelbe herbe, auffrifdjenbe fiarfe Suft, aud) bier erfreut fia)
baS 2luge an bemfelben faftigen (Brün, unb 2llleS, roaS ?tteuid)em)anb
gemalt hat, ift aud) hier fo neu unb frifd)ba<fen wie brüben im Söeften.
£od) nid)t Mcs! .frier im ttarpathenfetTet finb bod) SBahrjeidjen
einer alten (Sultur oorbanben.
3>a fteht im fd)önften fünfte ber £anbfd)aft baS alte ßloiter, baS
con feiner $öf)e herab baS roeltlid)e treiben ber fröt)tidr)en Sommerfrifd)ler
beberrfdit. Um bie flöfterlid)e Strenge ber 9Wönd)e unb Tonnen foll es
übrigens md)t gar fo fd)limm befteUt fein. sBton erjafjft fid) über baS
rea)t roeltlid)e treiben ber brauen ttlofterleute ^ter allerlei SBunbergefd)td)ten,
bie id) nid)t roieberboten mag, weil id) fie eben auf ihre ©laubiuürbigfeit
nid)t t)abe prüfen fönnen. 9lber es fdjeint: ein freies l'cben führen fie!
$n einem Dingel- Langel niebrigfter ©attung, baS id) eines fd)önen ?lbenbs,
als ia) nidjts SeffereS ju tl)un rjatte, befugte, fanb id) unter ben 3m)örem
ober beffer: 3uid)auern — war eigentlid) mehr ;,u fd)auen als 511
hören — aud) einen efjrroürbigen ©eiftlta)en ber orthobojren .Utrd)e, ber
feine langen .fraare — bie griechifdHatholifd)en ©eiftlia)en bürfeu baS
Haupthaar nid)t fd)eeren — in einen 3°Pf gefloa)ten unb unter bem Mragen
geborgen fyaite. 3JJein Begleiter rounberte fid) barüber, baS id) mid)
barüber rounberte, ben geiftlid)en £errn in biefer fdmöben 2Beltliä)feit
anzutreffen, ©r fanb baS ganj felbftuerftdnblid).
£aS Älofter ba oben, baS roir befia)tigten, mad)t einen gan,} bettern
(Jinbruc!. $n ber Keinen ftloftcrfirdie, auf beren getünd)ten SSänben fid)
allerlei fteif beinige ^eilige unb roibcrroärtige Srafccn, bie meüetä)t feljr
durafteriftifd) fmb, aber unenblid) häfjlia) auSfd)auen, herumtreiben, unb
* bie ©ortlob oerroittem, ried)t es fehr ftarf naa) Mnoblaud), unb in ber
3efle, in bet ber eljrtuürbige 3)iönd), ber uns herumführt, häuft, riea)t es
nod) uiel fd)limmer. 15 s ift faum jutn Aushalten. 9lber ber üWä* oon
biefer rtapeüe auf bie SSiUenftabt unb bie &öhen',üge ift cnt;>ücfenb.
3JiS iefet läjjt inbeffen nod) nid)ts ahnen, roela)es Sunbcr fia) in ber
nädmen 9iäf)e unferen 33licfen barbieten foll.
3luf fd)attigem th*ege fahren roir faum eine fnappe ^iertclftunbc,
burd) ^ud)en, ilaftanien unb Mannen, als plöfelia) roie burd) einen 3rtU^^f
ein h«rlid)es <Sd)lofe, ein wahres 3Jtärd)cnfd)loB, oor uns roie aus ber
Söerfenfung auffteigt. ©anj abgefdjloffen 00m Srciben bes 9)Jobebabes,
in einem fdmtalen Seitenthale, baS ber luftige ^elefd) fröhlid; burd)s
plätfd)ert, über Äiefel raufd)enb unb t)üpfcnb unb fia) nur eine fur.jc Mab
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\\6 paul £inbau in Berlin.
gönnenb, um bann in muntenn gall thalwärtS weiterjufpüugen — ba,
wie ein ftleiuob in grünen Sammet eingefchachtett, liegt es ba, baS un*
uergleichlich fd)öne <Sd)lofe! ©ine Serwirflidmng ber phantafitfehen flünftler*
träume eines ©uftau ®or6!
3a, ein SJcarchen! Sie Schöpfung eines gürjten unb einer Dichterin!
greilid) fjat bie 91atur eine föftlid)e Bereinigung beS ©ewaltigen unb
3lnmuthigen l)ier gefäjaffen. 2lber fo tyxxliä) unb gar fo gütig, wie fie
uns jefct Iu'er erfcheint, ift fie uon uornherein bodj nicht gewefen. 3fian
t)at it>r etwas nachhelfen muffen. Xer SBalb, ber früher bis an ben glufj
hinabfletterte, tyat jurüctroeidden unb für ben Sau 'kaum geben muffen.
Unb nicht in fo lieblicher Senfung roie jefot ftrebte bie &öhe cor bem
Schlöffe bem £ljale 5U. 3Wan ^at thatfächlicr) Serge uerpflanjt, baS eine
Ufer geebnet, ba &öf)en abgetragen, unb auf bem anbern, wo fidj baS
neue Säjlojj ergeben follte, eine &öf)e aufgetürmt. Sie Schwterigfeiten
bei biefer ©eftattung beS wiberfpänfttgen Kobens waren unglaubliche,
bitten in bie halbfertigen 2lrbeiten ber ©runblegung fprubelten auf einmal
Duellen fnnein, bie 2lHeS, was müheuoll gef Raffen mar, wieber $u Sä)anben
matten, unb bie erft abgeleitet werben mußten. Millionen finb uerfchlungen
worben, ehe ein fefter Untergrunb für ben Sau h^geftellt werben fomtte!
Sann galt es bie ©rbe, bie $unäcr)ft eben nur ein unerfreulicher Sanbs
hügel war, ju beleben. Sa würben weiche SHajen gelegt, Slumen gepflanjt,
ba würbe ©ras gejät; unb nun grünt unb toht 3lHeS ringsumher; in*
mitten bes faftig grünen ©rafeS ber £öweu5afm unb aü bie lieblichen
bunten Slumen, bie blauen unb gelben, bie ftcr) in greiheit unb Unbänbig*
feit im ©rün fo woljl fühlen.
60 liegt benn baS Sdhlofe im tyai uerfteeft auf einer fanften, bid)t=
bewad)fenen grünen 21ul;öt)e, im sJiüden gebeett uom uralten Salb mit beu
gefunbeften, fräftigften Säumen, rings eingefchloffen uon mäßigen Sergen,
als bereu ftärffte fteinerne &>acht jener fd)ön $erflüftete gelfenfamm ba-
ftefjt, ber in bem trofcigen Garaiman enbigt. So liegt baS Schlofc ba,
befpült uom $elefa), beffen gall ftarf genug ift, um einen hohen Spring*
brunnen oor bem Schlöffe aufjujagen unb bie Sttaidunen jur eleftrifchen
Seleuchtung ju treiben.
SaS Schlofj, im Stile ber beutfdhen Surgen, wirft in ber frohen
jKMÜfür feiner ©lieberung unb 2lnorbnung, mit ben oieredigen unb runben
Sl)ürmen, ben ©iebeln, (Srferu unb ©alerien, ungemein malert)*. 9lber
uon gerabeju uerblüffenber Schönheit unb bracht ift bie innere Einrichtung.
3ebe Giujelfjeit ift ein ÜJieifterwerf in ihrer 2lrt. Son uoflenbeter
fünftleiifcher 2)ieifterfd)aft finb oor 2lü*em bie &oläfcfmifcereien, bie uon
einem uor$üg(id)eu Äünftler, Stöfjr, herrühren, ben ber Äönig eigens
aus Seutidjlanb berufen hat. Sie £hürett unb genfter, bie ©laSmalereicn,
bie Secfen unb 2i!änbe, bie Wobei unb all bie taufenb Ueberflüfftgfeiten,
bie in gejcjmacfoüllfter Slnorbnung 5um 3(uSiä)mucf angebracht finb; baju
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2lus Dem Orient.
bie herrlichen Äunftwerfe, bie meifterlidjen ©emälbe ber 2lltcn, bie ®e*
rät^aften, ©täfer, iüedjer unb Ärüge, theils au» Gbelmetall Jetrieben,
theils in Elfenbein unb ^olj gefdbnifet, t^eilö au« gebranntem Sljon,
2Jiajolifa unb Xerracotta gefonnt — alles baS, all biefer feltfam fd)öue
Wirrwarr oon äSunbern ber ftunft ift gerabe§u beraufd)enb in feiner
Wiriung.
£in$elne Zäunte fmb in bem einheitlichen Stile ber Seit ober beS
fcanbeS, 2lnbereS ift wieber ofme alle anbere iflütfficht als auf bie fd)öne
Wirfung luftig aus alten unb jungen Xagen unb oon nah fern $u*
fammengefteUt, anfd)einenb rein jufäüig hingeworfen. 9lber ein wie feiner
äftf)etifcher Sinn fyit hier orbnenb gewaltet!
Unb baju biefe wahrhaft fürftliche $;ad)t! (SS ift 21HeS aus bem
Voüften gegriffen unb bod) als oberftes ©ebot bie 33ehaglid>feit, bie ruhige
Vornehmheit, bie SSermeibung alles sJ>ro&en= unb s}>runfhafteu aufgeftellt.
9)ian fühlt fid) in liefen Diäumen wie gebannt. Unb forfcht man nad)
bei Urfadje biefer überwältigenben Wirfung, fo ift es gerabe baS Wohn-
liche, baS ©emüthliche, baS frauliche. 3Kan fief)t, 9iüe^ baS ift heraus*
gemachten aus ber innerften unb wahrften greube am eigenen £eim. (SS
ift nicht ba, um tUnberen gezeigt ju werben, es ift ba, um bewohnt $u
werben. 9iid)t ein Sct)au|tütf für grembe, ein freubigeS (Stgcnthum ber
^nfaffen. GS ift ganj inbiuibueü.
£aS gilt fowol)l oon ben ©emächern beS Königs, bie auch in biefem
Buen retiro ftrenger im Gharafter ber Arbeit angelegt fmb, als oon ben
3immern ber Königin, bie hier ein wenig ungeftörter als in ber ^efibenj
ihrer Sieblingsneigung, bem Sd)önen fdjöpferifd) ju bieneu, nachgehen barf.
Sie hat ftch ^ier ein wunberbares £>id)terheim gef Raffen, jugleich 3)iufifs
faal unb 9Nalerwerfftatt. Sa ftchen ^nftrumente aller 21rt: ber glügel,
bie Crgel, bie &arfe, bie Gittjer, bie 2)tonboline unb fonfttge Saiten*
inftrumente. Sa ftel;t aud; in gutem ßid)te bie Staffelei, baneben auf
bem Xifd)chen ber 2Halfaften; unb in einer 9?tfche ber f leine anfprud)S;
loie Xifdj mit Sdjreibjeug, au bem (Sannen Snloa bid)tet.
SllleS, 21UeS ift gleichermaßen fd)ön unb erfreulid) in gorm unb garbe.
Wohin baS 9luge blirft, überall ftreift es baS 9iei$enbfte unb £ieblid)fte,
was Stenfchentjanb fchaffen fann. Unb fdjweift ber 33lict burch baS genfter,
bura) biefe mächtige Ceffnung, beren bunte glügel weit offen ftel)en —
unb baS gan$e genfter wirft, als ob es geöffnet fei, beim bie grofce
Smegelfcheibe, bie aufjer ben bemalten glügeln bie genftei Öffnung fchliew,
ift oöUig unerfenntlid); man bemerft fie erft, wenn man ben ^erfud) madjt,
ben Äopf hinauSäufteden, unb bann plöfclid) auf ben burd)ftchtigen Wiber*
ftanb ftöfet — , blidt mau hinüber ins grete, bann fielet man nod; Schöneres,
als baS gelungenfte 3)ienfchenwerf ; man fieljt baS Sd)önfte, baS bie 9iatur
fchaffen fann: Walb unb Eerg, ben blauen Gimmel ba oben unb ben
luftig föäumenben gluß im Xljal.
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paul Siitbaa in Berlin.
3d> will hier nid^t als grembcnfufjrer alle GJemädjer burdjwanbern
unb auf bie3 unb ba$ aufmerffam machen. %&) mag mid^ nidjt loSlöfen
uon .bem ©inbrucf beä ©efammten. Unb wo war es am fdjönften?
Unten in ben $rad)träumen ober oben in ben (itoftjtmmem ober auf ber
©aleric beä XfnmneS? 3a> weife es nid)t. 2lber idj hatte bie ©mpfiubung:
I)ier lä&t fidj niljen unb träumen, I)ier läßt fid) benfen unb planen, hier
lagt fid) ferjaffen unb bieten.
XVI.
y Curtea öe 2lra.efcr).
Unfer^^cifeflefeUfdiaft. — *)er äUeg nai) 9Iraefd). — 3>ic 2Mfd)of3fird)e. — Ter
2i\jKx ältoiroobe 9Jcagoc. — £a§ Saptifterton. — 35aa ^tciifjcrc ber ftirdje. — 35tc
(uffiunbenen 2l)ürme. — innere: SJorfoxlle, 2Hittelfdjiff, ätoeiter £aupttl>etl,
^anchiarium. — Sie Silber bc8 ftöntßä unb ber Sfontgiti. — 2er Sifdjof (Shcnabitö,
— Ter bifd)bflid)c Sdjaö. — £ehnfef)r. — ffiuffifdje i*ropaßanba. — Xic Xradrten
ber Sauern.
9Wit nidjt geringer greube benfe icf) juriuf an unfern 2lu*flug nadj
Gurtea be 2lrgefd}.
Untere f leine Gtefellfdjaft beftanb aus bem ÄultuSminifter 2Wai'ore3co
unb beffen Damen, feiner grau unb Schwägerin, bem franjöfifdjen
SIrdjiteften £ecomte:bu*9io üu , ber bie $ifdEjof3tin$e uon Slrgeict) oon
©runb auf reftaurirt r)at, bem ?lbgeorbnetcn Tjuoara, einem jungen,
fet)r begabten unb berebten ^olitifer, unb mir.
2)Jan braucht, um uon Öutareft nad) (Surtea be Slrgefd) :>u fommen,
gute adjt Stunben: brei Stunben s*8at)n bis ^itefti, bort raftet man etwa
anbertljalb Stunben unb fär)rt bann oier Stunben im ÜBagen bura) eine
liebliche, wenn aud) uid)t gerabe großartige l'anbfdjaft.
ift ein Vergnügen, *n Rumänien \w fahren, icr) mufc e$ nod) ein-
mal fagen. Tic oier ^ferbe, bie uor unfern Sagen gefpannt finb, laufen
wie ber Satan. 2luf unferm Segc begegnen wir $af)lreid)cu dauern, bre
nod; fammt unb fonber* bie fofette, t^eatraltfdr) fleibfame Nationaltracht,
gewöhnlich weiter Wrunbftoff mit fdjwarjen, rotten unb blauen Stidereien,
tragen — faft burdnueg ernfte 3»änner mit fovgenoollen 9lugcn. 2llie
geigen eine gemeffen ehrerbietige Haltung, alle finb Ijöflid) unb grünen.
■Hud) 3igeunertrupp$ $icf)eu an \m oorüber. Ta3 Setter ift herrlid).
ftaubt nur wenig. SPon 3eit $u Seit fällt ein btedjcn biegen herab,
gerabe genug, um ba$ grüne Vfanb aufmfriferjen unb ben fanbigen 2£eg
$u befiucngcu. %m üintergrunbe jeigen fid; bie frönen Linien ber
Karpathen. (5* gel;t bergauf. Tie ^ferbe laufen im fdtjarfen Öalopp,
augefeuert burd) ben JRutfä)cr, ber feine ^eitidje oon unenblidjer l'änge
uon 3eit ju 3eit aufhebt unb etwa wie Xbeobor Sattel aU ^oftillon
uon l'oujumeau mit einer etwa* affectirt grajiöfen ^anbbewegung fd)wingt,
jebod) ohne ju fuaflen unb olme ben 9iücten ber ^?ferbe aua) nur m
berühren. Mer bie ^hierc t)aben offenbar 2tugen auf bem dürfen;
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21ns bem Orient.
beim fobalb ber Äutfdjer bic Speitf^enfd^nur in ber Suft tanjen läßt, jieljen
fic fcfcärfer an.
?lUmäf)lid) fließt fiefc um uns ber äreis ber Serge. 25ir finb in
einem großen weiten Xf)ale, baS nun ringsum oon Sergen in großer
^eripberie umgrenjt ift. £ie Gfjauffee ift auf ber ganjeu langen ©trerfe
por^üglia) gehalten. 2öir gelangen nun enbltd; an unfer 3iel: baS ^anb-
ftäbtdien 3lrgei<$, baS mit feinen artigen Semofmern, bie allefammt refpect*
vott ben &ut lüften, als mir oorüberfaljren, einen redjt freunblidjen (Siubrurf
madjt. sii>ir fahren eine ©trerfe weiter, unb ba uor ber ©tabt liegt baS
3i*unber oor uns . . .
(rs mirft glcid) auf ben erften Slitf entjütfenb. $u biefer SSeltab«
gcfd>iebenf)cit, in biefer freunblid) füllen 9totur, in biefer weiten grünen
(rbene, gan$ umrabmt von bofyeu Sergen, bie in allen färben fd)iüern,
liegt bie Mirdbe ba — ein wafjreS ftuwel, nid|t übertrieben groß, feinet •
wegS gebieterifd) unb impofant, aber oielleidjt baS lieblidjfte £>auS, baS
bem Ziemte beS &öd)ftcn überhaupt in ber Glnüftenwelt errid)tet ift. (5 s
fiefjt aus wie bie jarte 2lrbeit eines GJolbfdjmiebS. (5s fd)illert in grüner
unö blauer garbe unb glifeert golbig. Der 9luSfdnnucf ift von großartigem
?{eidjtfnim unb babei bodj in ber äStrfung uon uornel)mer DiScretion.
£ie mäßigen Serf)ältniffe beS SaueS finb erflärlid) aus feiner ur-
fprunglidjen Seftimmung. 2U8 Sotiufircf)e war er angelegt unb auSges
fütjrt. (£in walad)ifd)er ftürft, ber 2£oiwobe 9feagoe, wie er auf ben $n-
fcr>riften tjeifct, 9iogoje, Dtyagon ober 9?nagor, wie er aud) fonft genannt
unb gefdjrieben wirb, ber uon 1511 bis 1520 regierte, ein gar göltet
fürdrtiger unb frommer $err — was aUerbingS nid)t oerljinberte, baß es
unter feiner £errfd>aft mandjmal $u einigen gelinbcn Horben fam, an
benen er felbft uieUeidjt nidjt ganj unbeteiligt war — , füllte ob feiner
^erworfenlieit ©ewiffenSqualen unb wollte ftdj mit feinem ©ort abfinben.
%n ber Grfenntnife feiner fajwcren 3Ki|fetI)atcn, bie freiließ weber feine
^eitgenoffen nodj feine Stodtfommen baoon abgehalten Ijaben, ben cuergifc&eu
dürften als ben ebelften unb gläubigfteu djriftlidjen £>errn *u pretfen unb
ilnn ob feiner 22cisl)eit ben Seinamen beS walad)ifd)eu 8alomo beizulegen,
flagte fid> ^eagoe an, baß er ein ©ünber fei, wie es einen größeren in
ber Gbriftcn^eit oom Aufgang bis $um Untergang ber (Sonne nidjt gebe,
baß er gearbeitet f)abe, mit uieler sJJJüljc unb 8d)roeiß unb junger unb
£urft unb ©djmadj unb ©d>anbe unb 8d&cltwort, baß er ein ueröbetcr
Weinberg, ein unfruchtbarer Feigenbaum, ein in ber Stifte fierumirreubc*
©djaaf fei. Um nun bie rcinfte 3Jiutter GwtteS $u ocrfiHjnen, errichtete
er biefeS Sct^auS unb bat fic um gütige gürfpradje bei bem Sobu, auf
bap biefer am Xage bes ©eria^ts iljm, bem oerworfenen :3ünber, ein tnilber
$Hid)ter fei, unb ba§ aud) er, ber fünbige Mnea^t, ber sii>oiwobe ^;ol)anu
9?eagoe, in ©naben eingebe sur ewigen 8eligfeit. 2llfo nia)t für eine
grofee ©emeinbe ift bieS &auS gebaut, cS folltc nur als ßrabftätte bieneu
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\20 panl £inban in Serlin.
für ben fromme«, bu&fertigen SBottooben unb beffen ©emal)lin unb ein
SBethau* fein für ben gürftcn unb bie bem gürften Rädjftftehenbeu. 3ur
3ett ber Regierung biefef föerrn fameu am tfonftantinopel geflüchtete
ftünftlcr burct) ba$ ßanb, unb e$ unterliegt reinem Zweifel, baf> Reagoe
einen ober mehrere biefer tunftlcrifchen Flüchtlinge bei fid). aufgenommen
unb biefe mit bem 23au ber Jttrdhe beauftragt hat. $a3 ©lücf hat irm
unterftüfct. Ed finb grofee TOeiftcr getoefen, bie biefen 33au aufgeführt haben.
Vor ber Kirche unb mit biefer jefct burdj eine einheitliche Einrahmung
organifch jufammengefügt, wenige (Schritte oon ber treppe, bie jum £>aupt=
portal führt, ftef>t, wie bieS bei ben bnjantiuifchen Mirdjenbauten fehr fjdufig
oorfommt, ein f (eineref ^uppelgebäube. baf ben technischen tarnen Äantharuf,
alfo etwa „ßanne" ober pumpen", führt, ba3 ich an Crt unb Stelle
aber „Vaptifterion" fyabe nennen hören. £en tarnen beä .§umpen£ ober
eines SSafferbebälterS hat & jebenfallf oon feinem urfprünglichen 3roecI^
benn in biefen t leinen ©ebäuben mürben bie oor bem betreten bef ©ottef*
häufet oorgefchriebenen Reinigungen unb Söafdmngen oorgenommen: be*3
©efichtä, ber &änbe unb ber güjüe. $n bem flantharuf unferer Wirdbe
aber ift oon berlei Vorrichtungen jur 3i>afd)ung nichts wahrzunehmen.
Subroig Reifeenberger, ber im „Jahrbuch ber f. f. Eentralcommiffton
Sur Grforfdnmg unb Erhaltung ber Vaumerfe" (SBien 1860) bie bifchöfliche
fllofterfirchc oon 2lrgefd) oor ihrer Reftauration jum ©egenfianbe eines
fehr eingehenben StubtumS gemacht hat (1. c. 4. Vanb, Seite 177 — 224),
ift baljer ber 3lnfi<ht, bafj baf fleine ©ebäube fykv nur eine fgmbolifche
Vebeutung gehabt unb ben S^ecf oerfolgt haben mag, bem ©laubigen oor
feinem Gintritt in bie fettige 8tätte ju einer geiftigen Reinigung, $ur
Sammlung, jur Einfehr, jur 2lnbad)t 5U bienen. Siefeä fleine t\o$U
artige Vorgebäube ift burdjaue im Stile be$ &auptgebäube3 aufgeführt.
Ef enthält bie 9lnbeutungen jener 9)iotioe, bie in bem &auptgebäube
großartigerer Entfaltung gelangen folien.
Von biefem Gantharuf ober Vaptifterion auf betrachten mir nun biß
unmittelbar oor um liegenbe Kirche. Sie erhebt fid) auf einem jiemlicr)
hohen, feften gunbament, fo baft 511m &auptportal eine 'JHarmortreppe von
sroölf Stufen hinaufführt.
Tm ©ebäube ift in einen obern unb untern Sau gegliebert. Ter
Unterbau ift in oiereefige gelber eiugetheilt, bie in ben oerfchiebenartigfteit
unb rcidjften farbigen Cruameuten, namentlid; in golbburchjogenem mattem
Vluu, bie £'ia)töffnungen, bie man faum geufter nennen fann, enthalten.
Es finb formale, in bie flauet oertiefte Rifeen, bie mit buntem ©laä,
ba* fid) in ber garbe ganj ber Crnamentif anfchlietjt, bebeeft finb, fo bat?
man oon außen eigentlid) nur bie reiche bunte Verzierung, ben arcf)iteftonifd)en
3lu*fchmucf, ntd;t aber bie Sidjtöffuumj , baf eigentliche genfter ficht.
lieber Meiern Unterbau \\d)t fich, zugleich alf Sd>eibung 00m Cber^
bau, ein mäd;tigcr Sltolft in gorm eine* großartigen Sa)iffötauef um ba$
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Uns bem (Orient. \2\
ganje ©ebäube fjerum, baS aus Pier Strähnen pon oerfdjiebener Crnamentif,
balb mit <Sdmppen, balb mit Saubroerf, balb mit ©infurdmngen, unb ebenfalls
in perföiebener gärbung, hellblau, fjellgrün unb ©olb, äufammengeflodjten
ift. Xiefc ard)iteftontfd)e funftpolle Umfdmürung ift oon ^errtid^fter äl>irfung.
2>er Cberbau ift ringsum mit fäjübartigen 23er$ierungen in ben mannig*
faltigften unb fjerrlic&ftcn duftem, jum £f>eil in burdjbrodjener Arbeit,
gefc&mücft. %on ben oierjig biefer fd&ilbartigen 33er$ierungen gleicht audj
nidjt eine ber anbern in ifjren gefdjmacfpollen unb fjerrlidjen SBerfajlingungen.
:!lbgefd)loften wirb ber Oberbau burd) ein prad)tpolleS Äranjgeftmfc, baS
mit feinen £öf)lungen unb 2lnfcf)n)euungen, mit feinen gerablinigen unb
frummlinigen 2luSfdmitten bie Serounberung aller gadjmänner rjerporruft.
£en tiefften ©inbruef biefeS ungemein reiben, jierlidjen unb jugleidj
roürbepoüen unb oornefmten iöaueS madjen bie Pier &uppeltf)ürme. iNed)tS
unb linfs an ber ^orberfeite ergeben fia; 5toei feinere Xfjürme, bie au»
einem niebrigen quabratiidjen Unterbau aufmachen, $iefe beiben Stürme
haben eine 6igentl)ümlid)feit, bie id) nirgenbroo gefefjen fjabe. 3)ie gaitj
fdmtalen, rifcenartigen Ceffnungen, bie $um Ginbringen beS &idjts bienen,
unb bie aud) fjier, wie im Unterbau bes ©ebäubeS, burd) bie reiche bunt*
farbige unb golbige Crnamentif, pon außen betrautet, faft unerfenutlidj
fmb, fter)en fd)rag, fo bajj bie Stürme mit biefer febrägen Crnamentirung
alfo fpiralfönnig roirfen, als ob fie gerounben ober gebreljt waren. (Ss
ma$t einen ganj feltfamen Ginbrucf! Unb biefe beiben f leinereu £l)ürme
geben bem ganzen ©ebäube etwas burdjauS Originelles.
hinter biefen, in ber SHitte bes ©ebäubes, fteigt mäd>tiger unb grofj-
artiger ber mittlere fluppeltljurm auf, ber, roie alle (Sinjel^eiten biefeS
söaueS, mit bem prädjtigften unb jterltdjften 9luSfd)mu(f perfefyen ift. Unb
rjinter biefem, ben mittleren ftuppelttyurm nodj ein roenig überragenb, er*
fjebt fict) über bem großen Cuerfd)iffe, ebenfalls auf pieredigem Unterbau
unb in berfelben reiben unb pradjtoollen ardnteftonifdjen Seforation, ber
£auptfuppeltf)urm.
STie ganje Mirale r)at alfo pier Stuppeltljfirme: redjts unb linfs am
Eingänge bie beiben gerounbenen, bann einen größeren unb mäßigeren über
ber mittleren fluppel unb, biefen nod) überbietenb, über bem (cdjiff ben
fuppelförmigen £aupttrmrm.
Unb alle £t>eile biefeS ©ebäubes, bie uieretfigeu gelber beS Unters
baueS, bie <Sdjilber beS CberbaueS, bie Stürme, bie ^roifdjeugüeber : jener
fa^iffStauartige SSßulft $roi)djen Ober-- unb Unterbau unb bas ttran$geiuinbe,
baS bie Sdjeibung beS ©ebäubes Pom Sadje bilbet — Silier baS ift mit
ber finnreid)ften, gefdjmadooüften unb $ierliä)ften Crnamentif be* Clients,
in fauberfter 2luSfüf)rung — roafjrer Jiligranarbett in Stein — , in ent*
jücfcnber gärbung, in jattem ©riin, in mattem 2Mau mit ©olb burd)tutrft,
unb in unerfdjöpflidjer Sftannigfaltigfeit ber Biotine gefajmüdt. GS ift pou
einer 6auberfeit, pon einer 3lnmutl) unb ^radjt unb jugleid; oon einer
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{22 paul Cinbau in Berlin.
geierlidtfeit unb Sdjönfyeit fonbergleidjen; unb jefof, in feiner munberbaren
2öieberr)erftellung burd) bcn geiftuollen unb bebeutenben 2lra)tteften £ecomte=
bu=9toüij, einen ber fyeruorragenbften teuer ber bnjantinif<$en 2taufunft,
ber ein Sa^ermt eifrigften unb unablaffigften 6tubium3 unb funftfreubigfter
2lrbett auf bie Sßiebererfteljung biefed l)errlid;en 23aue-3 uerroanbt &at, mel=
leidet ba$ einzige sJ)ionument, ba$ und bie ganje Eigenart unb &errlic§fett
bed bnjantini^en iöauftiU in einem feiner reijüoaften Söerfe in unner=
fester $rad)t uor bie Singen säubert.
2i>ir treten ein, unb ein frommer Stauer überriefelt und. £a3 innere
madjt einen überroaltigenben ©inbrud, r»or 2(ttem burd) bie $eleud)tung.
9lu3 ben fdjmaleit £id)töffnungen beS Unterbauet, ben burdjbrod&enen
Arbeiten ber Sd)i(ber bed CberbaueS unb t>on ben fluppeln rjerab flutten
burd) bie bunten ©djeiben bie farbigen Sidjtroellen ju einer rounberfamen
geljeimnifjoollen Harmonie sufammen. ($3 ift eine unbefdjreiblidje Dämmerung,
ein feltfam farbiges &albbunfel in fanften Xönen, ba$ ganj mäd)tig er=
greift. UunüUfurlid) ruft man mit gauft aud: „SBillfommen füfjer Cammers
fd)ein, ber bu biet &eüigtlnim burdjioebft!"
£a£ GJebäube ift im Innern in brei Steile georbnet. 2>er erfte
ouabratifaje Xbeil ift roieberum in verfdjiebenc 2lbtl)eilungen gegliebert.
Cr£ ift junädjft diaxim für eine 2lrt $torl)alle gelaffen. &ier ruljt ber ^e-
grünber ber Mirale, ber jültoimobe 9Jeagoe unb feine fromme öemafjlin
®efptna, bie in einem f inblidjeu . &3anbgemälbe mit if)ren fed)3 Äinbem
bargefteüt finb, bie Äird)e ber Butter ©otted barbringeub.
£er 3Kittelraum bicfcs erften Sljeite, ber burd) bie jroölf Sauten
eingefaßt mirb unb geroiffermafjen baä 9Jftttelfd)iff bilbet, über bem fid)
ber erfte grotfeftuppeltlmrm roölbt, l;at redjtd unb linfs sroei fleine<Seitenfd)iffe.
2ln biefeu &auptt^eil fd)lie|jt fid) ein ^weiter au, über bem fid) ber
.§auptfuppeltl)urm ergebt. 5Ter 2lra)iteft fteifjenberger fyat nid>t Unrecht,
roenn er fagt, bafj biefe 3weitf)eilung ein rcenig oermirrenb wirft unb baß
ein gemeiufamer iDiittetpunft für alle Söautfyeile baburdj oerloren geljt.
Sin biefeu jiunten <paupttf)eil fttjlicfjt fid) bad ©anctuarium, ba$ burd)
einen praajtoollen Sdnnutfbau oon ben übrigen Räumen getrennt ift: £rei
Xljiiren in nwnberbarer oergolbeter Arbeit fügten in biefen !öau. lieber
ber mittleren, ber größten £l)ür, ift ber tfopf ^efu (Sljrifti bargeftellt, unb
an bem reidjen, l;errlidjen ©eftmd, baS über biefer Xijüx quabratifdf) auf;
fteigt, Gljriftus am .sTrcu^e. 2lud) über ben anberen Spüren finb ^eiligen;
bilber in ÜDiebailionform, unb redjtd unb ltnf$ oon ber &aupttl)ür in ber
Hatte finb uneberum CSljriftuö unb bie beilige ÜNutter ©otteä mit bem
Clniftfinb bargeftellt. £iefer malerifd)e ^anbfdnnud ift tyeifS in gredco;
färben, tbcils aua) in 3)iofaifarbeit au^gefüljrt unb natürlid) faft immer
auf (^olbgrunb, bad (üansc in frifdjer garbenpraa^t; bie 3)tetalltl)üren ftnb
in Aeuer ucrgolbet, fd;öne getriebene Arbeiten mit Gmail unb bunten
Steinen befüt. Dura^ biefe Xhüren blidt man alfo in bad <Sanctuarium,
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21ns bcm Orient. [2o
in betii ber f^errttc^e 3lltar ftefn* mit feinen großartigen, nach ben fdjönften
■Kuftern geformten £>eiligengeräthen.
3n beut bem Sanctuarium nädjftliegenben 9iaume fterjen bie £hron;
feifei für ben «König imb bie Äönigin unb ber Xfjronfeffet für ben 93ifcf)of,
ebenfalls Sßerfe ber mobemen ßunft, aber nach ben oorsüglidjften 9)?uftern
ftTeng im Stile ber 3eit unb be* SanbeS, entmeber uorliegenben Urfunben
nachgebilbet ober bodj burd) bie tfunftwerfe ber Seit angeregt.
3lud) im Innern $eigt fid) biefelbe erftaunlid)e flraft in ber Grfinbung
ber becoratioen SRotioe, bie mir fdjon 6ei ber Betrachtung be$ 9(eufcern
anijcftauitt fyiben. Sie Kapitale ber --wölf Säulen, bie ba$ Schiff ein=
faften, fmb ganj wunberooll. 3n einigen ber Säulen feljrt in ben Schäften
bie fdjräge 3lu$f$mürfung wieber, bie biefe fpiralförmig erfahrnen läfct,
unb bie mir in fo eigenartiger $urdjbilbung an ben beiben Keinen tfuppel*
türmen 3ur ^ec^ten unb 5ur Sinfen beä (Eingangs fdjon brausen bewunbert
toben. 'gier im Innern wirft biefe fcheinbare SBinbung ber Säulen im
3fo|"a;lu6 an bie gewöhnlichen womöglich nodj ftärfer. fommt gemiffer*
maßen in bie fteinerne Starrheit Bewegung hinein. GS wirft wie [ein
Jaltenrourf in einer ©ewanbung aus unbeweglichem Stoff, Sie ganje
innere Einrichtung ift ofme irgenbroeldje übel angebrachte Sparfamfett aus
ebelftem 2Jiaterial mit gewiffenhaftefter Sorgfalt unb mit großartigem ©e-
lingen burchgeführt. 5>om 3Wofaif bes gufebobens bis ju ben Kapitalen,
bie bie herrlichen Seelen tragen, bis hinauf ju ben kuppeln, bie fidt) ba
oben wölben, erftrahlt 2tlIeS in Farbenpracht unb ©olbesglanj.
Safe baS ho<hh^räiöe Sürftenpaar, baS biefeS SBunber uor ber W\t-
R>elt unb für fünftige ©efdjlechter auf ^ahrlmnberte hinaus ju anbäd)tiger
Serounberung neu \jat erfterjert laffen, in biefer t)errüdöen .Üirche oerewigt
werben mufj, ba§ tyex ben alten Sarfteflungen oon 3teagoe unb Sefpina
fict) bie Silber oon ftönig $arl unb .Königin Glifabetf; anjureihen tyiben,
bebarf feiner Begrünbung. GS gebietet fid) oon felbft. 2lber bie ©emiilbe
bes ÄömgSpaareS, bie jefet in ber bifchöflichen ftlofterfirdje ju 3Jrgcfd| an=
gebracht finb, wollen mir gar nicht behagen. Namentlich ba» S3ilb ber
Äöuigin roitft fentimental anfpruchSoofl. Siefe burd) unb burdj mobernen
unb nicht einmal gelungenen SKalereien finb burd) bie 3eitwibrigfeit ihres
ßljarafterS ftörenb; unb es ift ju hoffen, bafe ein gefchmarfooller ßünftler
Wh finben wirb, ber ber Aufgabe, baS fürftliche ^aar, baS Gurtea be
2lrgefch wieber hergeftellt hat, fyex an Crt unb Stelle bilblid; bar^uftellen,
in einer Söeife fich gewachsen jetgt, bie bie fchroffen ©egenfäfee 3wifdjen
ber alten unb neuen 3eit fünftlerifd; «ermittelt unb biefen Schmud ein*
hettlich in ben Stil beS ©anjen einfügt.
3n ber anregenben ©efeüfchaft beS flugen, hochgebilbeten unb beftridenb
tiebenSwürbigen sJNinifterS SMoreSco, beS auSgejeidjneten ßünftlerS £ecomtc*
bu^oüü, ber biefe SBicberherfteUung, ein Weifter werf beS ÄunftuerftänbniffeS
nnb ©efchmadd, gefchaffen, beS lebhaften jungen «politifers unb ber an*
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[2^ panl £inbau in Berlin.
mutagen jungen tarnen verbrachte tdj in bem fHtten Stäbtdjen, in bem iefct
auch wegen ber $ahlreid;en gremben, bie biefc einzige Äird)e heranlocft,
ein recf>t gutes ©afthauS entftanben ift, fef)r heitere unb genußreiche Stunben.
Ter SBifc^of ©henabios, ein fajöner 9J?ann unb ein fiterer Gumpan,
ber, roie id) ^öre, nebenbei auch bie ^ntereffen feines JttofterS, feiner rounber*
»ollen Stirpe unb feiner eigenen ^erfon mit großer Umfielt unb weltlicher £lug:
heit roaf)ren foll, roar ungemein liebenSrofirbig. Ta meine SReifegefährten
bie ^tedjte beS fwd)roürbigen #errn, an beren Zeigefinger ein mächtiger
gifcherring funfeite, ehrerbietig fügten, worauf ber Söifdwf jebem ©injelnen
bie beiben fangen füßte, fo machte id) es gerabefo. Ter Sifchof in
feinem langen faftanarrigen ©eroanbe mit weiten 2lermeln, auf bem oon
einem braunen Vollbart umrahmten ftopfe bie hohe barettförmige 93efleibung,
von ber ein langer Tuchfchleier über bie Schultern ben Etüden herabfällt,
in ber $anb einen fehr großen Stab mit funftooH eifelirtem golbenem
©riff, immer gefolgt oon einem Tufeenb fdjwarjgefleibeter 5JiÖndje, machte
einen fefjr feierlichen unb ftattliajen Ginbrutf. Gr felbft führte uns burdj
feine üirdie unb hatte bie größte ftreube barau, uns alle &errlid)feiten
im Ginjelnen bewunbern su laffen. Gr bebauerte nur, baß mir unfere
3lnfunft nicht oorher angefünbigt Ratten. GS roar ifjm baran gelegen,
uns ben ganjen bifa^öflidjen Sajafc ju jeigeru 5Dtefe 2Iu3fteHung orbnete
er für ben nädjften borgen an. 3Heine Begleiter fannten bie Saä>n bereits.
Ter !öifd)of holte mich alfo allein ab unb empfanb einen rül;renben
Stolj über aH bie £errlichfeiten, bie er in ber tfirdje felbft ausgebreitet
hatte, über bie prad)töotten ©eräthe, SSeihbeden, Tauffdjaalen, Steldje,
!23ifd)of$ftäbe, SBifdwfSfronen unb ganj befonberS über bie wirflid) unuer;
glei^lid) herrlidjen ©ewänber. Gr ^attc beren roohl ein paar Tufcenb,
baS eine immer foftbarer als baS anbere, sunt Theil alte Stidereien aus
bem fechjehnten unb ftebjeljnten Qahrrmnbert, jum Theil moberne
Slrbeit, alle aus ©olbs unb Silbcrbrofatftoff, aus fchwerftem Seibenjeuge
in farbigen 9)Juftern gefertigt, $on befonberer Schönheit roaren einige
SHeliefftidereien, bie bie heilige Jungfrau mit bem Äinbe ober ^eilige bar;
ftellten. Tie ©eroänber roaren in allen garben. 3Sorroiegenb roaren bie
(Stoffe auf ©olbgrunb mit Sdjarlachroth, Tiefblau, Smaragbgrün beftieft
unb burchroirft, mit funfelnben Steinen unb perlen befefet unb mit luftig
flappemben Sdjcüen an ben Säumen ber Stola. SJefonbere greube machte
bem 23tfd)of ein großer Stab aus Glfenbein, mit in ©olb unb Silber
getriebenen Slrbeiten, unb bie golbene tone mit echten Gbelfteinen, gefrönt
von bem ftreuj in großen brillanten. $on auSerlefener Schönheit roaren
bie zahlreichen Grucifire. 9(uch bie prad)tuoHen Ginbänbe ber heiligen
Schriften unb ber SJfeßbüdjer hatten bebeutenben fünftlerifchen ©ertrj.
Schmunjelnb fyob ber £Ufdrof ein prachtoolleS ©eroanb nad) bem
anbem auf unb geigte es mir. Gr murmelte babei mir unoerftänblicf?e
Saute; aber ich hörte bem Tonfalle bie behäbige greube unb ben f inblichen
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Uns bem <T>ricnt. —
\25
Stol^ an. Senn unfer ©efpräd^ war naturgemäß nid)t fefjr geiftreid).
Ser Sifdjof fprach nur rumänifch, bic anberen flulturfprachen waren ihm
nur beut tarnen nach befannt. 21Ur unterhielten un$ trofebem ganj gut.
3$ oerabfchiebete mid) oon bem freunblidjen £errn mit lebhaftem Sauf.
Gr reichte mir wieber bie £anb $um Äuffc bar unb brüdte mid) bann mit
aartlidjen Hüffen an feine Sruft.
3n befter i'aune traten mir ben 9iüdmeg an. 21U mir in einem
Sorfe 5roifa)en Gurtea be 9lrgefch unb ^itefti, um unteren $f erben Seit
5U laffen, fich ein wenig 31t oerfdmaufen, furje S^aft matten, fiel mir in
bem f leinen ©ajtyofe ber fonberbare Simmerfchmud auf: Silbniffe be$
3aren unb feiner ©emahlm unb nod) anbere Silber, meldte ben Saxen an
ber Spifce rufftfdjer Gruppen barftellen. <5$ waren elenbe garbenbrude
in billigen Stafnnen. $ch wunbertc mich einigermaßen barüber, baß man
^ier in Rumänien bei ben Sauern bie Silber be3 rufufdjen $aifer$ fäfje,
wäfjrenb bie be3 rumänifdjen 5tönig$paare3 burdj ir)re 9tbmefcnl)eit
glänzten. 3)ian erzählte mir nun, baß bie 3lgenten ber panflawiftifchen
^ropaganba beftänbig ba$ Sanb burchjiehen unb mit allen Mitteln bie
Sauern bearbeiten, um Stimmung für ba£ große 3arenreid) ju machen,
befonberS burd) Sertheilung von ruffenfreunblid^en Schriften, »on ruffifd)en
^eiligen* unb gürftenbilbern.
.fcier auf bem £anbe ift bie nationale Sradjt nod) »orherrfchenb. Sie
ift ungemein fleibfam, aber, mie ich fd)on fagte. für eine Solfätrad)t vieU
leicht ein bischen $u fofett. Sie Männer tragen meift (Stiefel mit hohen
Schäften, in bie bie weißen Seinfleiber geftecft finb. Sic ©runbfarbe
ber ganjen .dleibung ift faft auSnahmeloä weiß. 3lm Seinfleibe, aber nod)
mehr an ben furjen Soden, ftnb sahlretche Stiefereien in ferjr frönen
Sftuftern, entmeber fchwarj ober blau ober roth, angebracht. (Sinige tragen
auch ba3 gefridte £emb über ben Seinfleibern, über ba$ bisweilen nod; eine
hirje ärmellofe 3ade gejogen roirb, fo baß ba$ £emb fdjurjartig herabfällt.
ftod> oiel reifer ift bie Sracht ber äöeiber. Scr faltcnlofe, aber immer
reichgejtidteStod fcbjießt fid) eng an ben&örper an unb fällt bi$ sumünie herab,
ein breiter, ebenfalte üppiggefchmüdter ©urt ift um bie &üfte gewunben. Sie
3acfe mit ihren fc^r weiten Slermeln, bie bisweilen frei herabfallen unb ben
naeften 9lnn fefjen laffen, bisweilen auch am öanbgelenf jufammengerafft
getragen werben, $eigt benfelben oerfchwenbertfeheu Sdmtucf an bunten
©tiefereien. Um ben Äopf ift ein burchfidjtiger, oft ftarf gemufterter Sdjleier
gefdjlungen, ber gewöhnlich über ber Sruft jufammengefügt wirb, fo baß er
bae ©eficht einrahmt unb über ben 3tücfen lang herabfällt. Sie gatue 2rad)t
ift in gorm unb Schnitt außerorbentlich malerifch, aber etma^ tl;catralifd>.
3u oorgerüdter 2lbenbftunbe, nach fechSunbbretßigftünbiger 9lbwefenl)eitf
fuhren wir in ben Sahnhof oonSufareft ein. 3$ brüdte meinen sJ{eifebegleitcru,
oor 3lllem meinem lieben^würbigen 33ir t tjc 5D?ai 0 r e ?5 co , mit wahrer Sauf barfeit
für bie herrlichen unoergeßlichen Stunben, bic id) ihm uerbaufte, bie $anb.
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[26 ^ panl Sinban in Berlin.
Sjr xvii.
€in Kinoer feft im parfe <£otroceni.
»^,k.'rmo>NO dVnfants". — Der %<sx\ Oon (Sotroceni. — Die ©efcüfcftift. —
Sie Gofrünte ber ftinber. — Der Stufjug. — Der äßaflen ber Königin. — 55er 9Rarft.
— Merlet 23elutftfliuiflen. — Der (Sremit — SlbfeitS Dom «jfeftc. — DaS ©rab ber
fleinen ^ritijcffin SJtaria. — 21bf<f)ieb§tt>ort.
Das 2öenige, baS idj oon Üiumänien ^atte fefyen wollen, fjatte idj
nun ungefähr gefeljen, unb id) wäre woljl am onbern 9Rorgen baoou=
gebampft, wenn mir ni<$t bie Königin bic @ljre erwiefen Ijätte, mid) $u
einem großen ßtnberfefte, ba£ bie f)ot»e grau im ^arfe tl)re$ Sommer^
fd)loffeä Gotroceni oeranftaltet f)atte, einjulaben.
3u biefem flinber;Ctoftümfeft, ba£ bie Königin felbft geplant unb in
allen (ftnjelfyeiten burd)gefüf)rt fyatte, waren feit langen SBodtjen 3>or=
bereitungen getroffen. 2tUe 9Jtitglieber ber erften Q$efeHfdt)aft oon 23ufareft
waren mit irjren ßinbem ju biefem lanbltd;en gefte gelaben. Die allge=
meine Sßorfdjrift lautete: gür bie flinber bie Drad)t beS oorigen 3aln*=
lumbert*. 91ud) bie ©inlabung war nad) bem SJiufter be3 fönigliä)en
SBerfaille* im granjöfifa) be§ oorigen 3a$r(mnbert3 abgefaßt.
Seit 2Boa)en bilbete biefem geft bie Dual ber Altern, ba3 ©nt$utfen
unb frolje Erwarten ber Äinber unb ben ©egenftanb ber fteten ieun=
ruljigung bei ber f)of)en Skranftolterin. 2llIeS mar auf Suftbarfeiten im
greien angelegt, unb ber Gimmel, ber wätjrenb ber legten Dage redjt
unjucerläffig gewefen mar, madjte allen Setfjeiligten bange Sorge. 2lud)
am gefttage felbft fal) e3 SBonnittagS nodj redjt bebrofjlid) aus. 3e nafoer
aber bie gcfteSftunbe rüdte, befto freunbliäjer rourbe ba$ SÖetter. Unb
biefer ßauptmitarbeiter an bem gefte t^at fdjltefclidj feine Sdjulbigfeit in
ooHftem 3J?afje. ©3 mar ein warmer unb fonniger Dag, oon füllen
Sßinben aufgefrifdjt, ein Sommertag, roie er fdjöner gar nidjt §u benfen war.
Sie @efellfd)aft, bie fid) oon Ijalb brei Ut)r 9tadmüitagS an in bem
Ijerrlidjen ^arfe mit feinen fd&attigen #aubgängen unb freunblidjen
SBiefen, bie burd) GJartenanlagen unb $eete f)ier unb ba anmutf)ig unters
brod)eu werben, oerfammelte, bot ein ganj einziges 23ilb bar. 9lHe3, was
in SBufareft Wang, Stellung unb Slawen tjat, war fjier in farbenluftigem
©emifd) oereinigt: bie l)öa)ften ÜSurbenträger beS Staate, bie ©efanbten
ber fremben 9Jfäa)te, unter biefen aud) unfer ©efanbter, &err ^ernfyart»
oon ^ülo w, einer unferertüd^tigften unb juf unft^reia;ften jungen Diplomaten,
mit feiner entjudenben, geiftoollen unb funftfinnigeu grau, geborenen
^rinjeffin Gamporeale, ber Stieftochter be^ italicnifd)en Staatsmannes
SJlingljetti, alle l)o^en Beamten bed Giuil3 unb ber SWilitärberjörben, bie
Präger ber ebefften Tanten be^ £anbe3, bie dürften oon ®eburt, bie
Marone ber Jyinan^ — bie Königin rief, unb 21Ue, 2tUe !amen!
^on ben Damen Ratten aHerbingö fel)r oiele unb oon ben Herren
na^eju aüe oon bem ücedjte ber s^id)tcoftümirung ©ebraud) gemalt.
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Xus öcm (Dricnt. \27
5lber bie reijenben gefdjmadoollen Sommertoiletten bcr frönen, bunfeU
äugigen grauen liefcen bieten fanget faum erfennen. Die tarnen aber,
bie freunbltdj genug geroefen waren, mit ben flinbern ^ugCeid^ bie Xradjt
be$ achtzehnten ^aJ)r^unbert^ anzulegen, fafjen mit ihren roeißgepuberten
öaaren ober auch mit ben weisen ^errüefen in ben ertraoaganteften
formen, mit ben fofetten Sd)önf)eit$pfläiierd>en, unb jeitgemäfj noch ein
biScben mehr als gewöhnlich gefchmtnft, ganj entjüdenb aus. Die Laniers
unb (Sotillone unb audj bie Schleppfleiber waren gan$ richtig, jumeift aus
geblümten Stoffen, in ben buftigen färben beS jarten SBIau unb Stofa
gefertigt. Sarunter mifd^ten fia? aber aud) brachten in fräftigereu
Farben: ttefrotfje mit grofjen SBlumen, faffrangel6e. flurj unb gut, es
war ein höchft erfreuliches, bunte« S3itb. ßu ben lieblidjften @rf Meinungen
gehörten bie (rhrenbamen ber .Königin: bie eine mit ben ftrengen eblen
3ugen unb ben gebanfenoollen 9lugen, bie anbere mit ihrem entjüdenben
feinen, lebenSoollen (Berichte, „rote gemalt oon SWeifter ©reuje."
diesmal aber Ratten bie (Srwadjfenen befa^eiben in ben £tntergrunb
;u treten, bemt es mar eine „kermesse d'enfants". SJlan fann fid^ nichts
^er^igereS benfen, als biefe fleine Sanbe, com jarteften 2llter an bis jur
Örenje beS 33adftfchthumS, tfinber oon brei bis oier fahren bis 5U jener
?UterSgren$e, wo baS 9)Mbe( beinahe fdjon jum gräulein herangereift ift, unb
ber halbwachfene ^unge bie ungelenfen 2lrme unb Seine für bie entbefjrlichften
unb läftigften Dinge ber Schöpfung hält. 2ln ©efa^mad unb 5Heichthum
ber Goftüme Ratten {t$ bie SWütter überboten. Ginjelne ber Keinen puppen
waren oon unroiüturlid) retjenber Storni!, unb ein mebltcheS flinb Mte
bad* anbere immer in ben Statten. Sie waren jum ^eit jum £obt=
lachen in ihrem feierlichen ©rnfte, biefe jungen Marquis oon fed>S fahren,
mit ben rotten Warfen, mit Dreimafter unb ftaarbeutel, ben ©alanterie-
begen an ber Seite, ber unbeholfen jmifd-en ihren 33eind)en fdj lotterte;
biefe Keinen 2Rmiatur=2lbb6S=galantS mit bem ganj fchwarjen ^JMnteldjen
aus ftarrer Seibe; biefe jungen DoctoreS mit bem fyofyen £ut unb ber
großen NJ$errüde — 2llIeS baS in einem Duft unb ftaud) pon ölau unb 9iofa.
3(ber baS adjtjehnte 3«Wu"Dcrt — bie oorgefdjriebene 3ei* — ift
long, unb roenn auc| bie ©epuberten unb 33ejopften bie TOet)rf>eit bilben,
fo finb bodj auch aus bem Anfange beS 3ahrhunberts finblidje Xräger
ber ftrengeren Sofrüme jur Stelle: mit Sdjnfirröden, ben „SurgraoeS",
ben breiten ^ßluberhofen, ben $öuteSs,ct)auffe$ unb Sdjnallenfchuheu, bie
auf biefen J^rpfen reijenb lächerlich roirfen; unb aus bem @nbe beS
^ahrhunbertS bie brachten beS GonoentS: fchon ber hohe &ut mit ertra=
oaganter Ärämpe, bie lächerlichen fträcfe unb r)or)en §embfragen, unb bie
bie 3lntife parobirenben SBetbertrachten, — bie ^ncronables unb Wer:
oeifleufeä. Das S^obelanb granfreia) bominirt natürlich, inbeffen finb aua)
anbere Sänber oertreten. Da fehen roir einen florentinifchen Sänger mit
ber SRanboline, fo em^üdenb albern unb lieb jugleid) — ein tfinb jum
9JfTb unb 6ib. L . 14«.* 9
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\28 paul £in&au in Berlin.
Slnbeifjen. 2lu<$ erotifdje (Srfdjeinungen fmb ba, aus bem Reiften SKorgen*
lanbe unb aus ben falten 3onen, aus üftorb unb ©üb, GbeUeute unb ^Bauern.
Um r»ier Ufpr fommt in bic bunt bewegte Spenge eine fonberbare 23e=
roegung. $aS Drdjefter ftimmt einen SWarfd) an. £er Jtönig erlernt
auf ber 2Biefe, unb ber 3U9 orbnet fid) nun. 2luf Söagen unb Äarren,
auf bepatften ©fein, bie programmwibrig fd)reien, werben bie SEBaaren, bie
von Äinbern an ßinber oerfauft werben foHen — Sittel, was fo ein
ßinberljerj fid) nur erfefynen fann: Äüdjen unb Surgen, SHöbel unb Qn=
ftrumente — , ju attarfte gebraut. 2lud) für baS nötige (Mb ift geforgt.
£ebeS Äinb befommt ein 33eutel<$en mit jwei blanfen ©olbftüden, bie
eigens für baS geft geprägt finb. ©S finb freilid) nur Gentimes, aber
ftc funfein wie eitel ©olb.
SBäfjrenb fid) fo ber ÜDtarft bilbet, barf natürlid) aud) ber Gfyarlatan
nidjt fehlen, ber auf feinem SBagen Söunbertränfe aller 2lrt für Grwad)fene
feilhält, ©eine ©e^eimmittel feilen bie bebenttid)ften ©a>äd)en: ©itelfeit
unb gautyeit, Sßerlogen^eit unb Neugier.
©an$ am ©dtfujfe bes 3«9^ lommt ber präd)ttg ausgefdjlagene
SBagen, r»on oier ifabeflenfarbenen $onnn* gejogen, auf bem bie Königin
bes JJefteS, bie nebenbei audj bie Königin bes SanbeS ift, thront, £ie
eblen unb reijenben Spiere, ein ©efajenf bes ÄönigS oon ©d&weben, fmb
mit SRofenfetten gefdjmfirft, unb bie ©tallfnedjte, bie auf ij)rem 9Jüden
fifcen, tragen ebenfalls bie Hautfarbene £rad)t beS fofetten föoeoco. 2>ie
Königin ift unjweifelfKift in iljrer impofanten Grfd^einung bie grofeartigfte
©d)ön^eit beS gefteS. ©ie trägt ein ijerrlid&eS, ftilgeredjteS «Pompadour;
fleib aus golbigem ©toff, allerbingS ojme bie baufd)igen Uebertreibungen,
bie unfer bem ©rtraoaganten entwöhntes 3luge niä)t mein" mtragen mürbe.
$)ie t&urnü)o§e ^errüde ift mit 33änbern umfdjlungen.
2öäf>renbbem t>aben nun bie 9?erfäufer it)rc ©tänbe aufgefc&lagen.
$ie fdjönften ©adjen liegen jum Söerfaufe ba. Slber bie bummen Meinen
Käufer ftefjen fdnldjtern baoor unb glauben nidjt red)t, bafj fie all bie
bargebotenen #errlid)feiten erfdjwingen fönnen. Xie Äöntgtn rebet ben
deinen freunblidj ju. GS bauert jebod) eine ganje SBeile, e^e ber Warft
in redeten ©djwung fommt. ©djliefelidj f)ilft 3m*eDen« Slttmä^lia^ legt
fia; bie ©djüd&terntjeü, ein 3ebeS greift ju, unb alsbalb r)ört man bie
fd)redlid)en Saute aller möglichen Slinberinftrumente. Unb fobalb ber Särm
ba ift, ift aua) bie ©tinmmng ba.
■iftun entwidelt fid) ein äufjerft lieblid)eS ©d^aufptel non ftinberluft
unb Äinberübennut^. GS bauert gar nid;t lange, unb alle SSorrät^e, bie
junädjft unerfd)öpflid) fd^ienen, fmb roie weggefegt. ©S ift auSoerfauft.
SSenn fid) nur uid^t bie 2lengftlid;feit ber auf bie ©djönfieit ifjrer Äinber
aUju ftoljen Gltern aU temperirenbes Clement f)ineinmifd)te! 2öir mürben
balb baS auSgelaffenfte treiben unb bie finblid^fte Unbäubigfeit fe^en.
Slber bie ©Item paffen auf, unb bie liier vereinigten 5ttnber Ijaben nur
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21ns bem Orient.
\29
einen geiler: fie finb ju artig. Der 2lnblicf ift barum nicht minbcr ent*
jüctenb. ÜJtan faim fich nichts #übfct)ereS benfen, als biefed ©eroirr unb
©etreibe oon mehreren hunbert in ^öd^fter ßleganj fofett coftümirten Äinbern,
mit ben thöridjt lieben ©efidjtern, bie fo ernft bretnfdjauen unb babei fo
luftig falb. 3mmer bilben fia) neue ©nippen, bie ber 3uf°^ in garben
unb Snpen föftti<her compontrt, als es ber größte SJJeifter oermoä)te.
SDaS 2luge fchweift oon einer ©nippe auf bie anbere. 2J?an weife nicht,
welche bie reijenbfte ift. £a$u ein fä)Öner leichtberoölfter Sommerhimmel
mit bem tiefften 3)lau, in wechfelnben Sonnenblinfen, bie beftänbig neue
garbeneffecte ^eroorjaubem.
2luf bein ^ahnnarfte giebt'S natürlich aUerfjanb Seluftigungen. $a
ift ein Äafperle=£(jeater; ba werben 33auerntän&e in nationalen Goftümen
aufgeführt; ba marfchiren bie Turner auf; ba fieht man fd&erj&afte
bUber. Unb auch für bie ©rofecn ift geforgt, obwohl es eigentlich gar
nicht nött)ig wäre, benn biefe haben mit ber Söewunberung beS S<f>aufpielS,
baS bie kleinen Urnen bieten, ooüauf ju thun. 3$ mufc aber boct) wohl
annehmen, ba& ber weife ©Temit eigentlich nur für bie recht ©rwadjfenen
ba ift $enn bie SRathfchläge, bie biefer fromme 3Wamt feinen 23e=
fudjem erteilt, finb oon auSgeroachfenfter Soweit, ©S finb bie Sebent
regeln beS grünblid)ften ^effimiSmuS. Unb bie Sßerfafferin biefer guten
SRathfchläge ift roieberum Carmen Snloa. ©S finb Sprühe oott ©eift
unb Schlagfertigfett, aber oon einer recht trüben 3luffaffung ber SJtoifdjen
unb 2>inge.
Snbeffen ber gute ©remit, ber fchredfliä) umftürmt wirb, ift mit
feinem Latein in aHju fchneUer 3«ü P ©nbe. Gr hat wof)l bie ©mpfinbung,
bajj es i^m nicht ganj leicht werben wirb, jefct, ba ihm ber Souffleur
fehlt, in bemfelben Stile feine fcharffinnigen Slubienjen fortjufefeen. ©r
macht ed fidi bequem unb erflärt, ba§ er nichts mehr weifj. $en SKatt)*
bebürftigen giebt er nun anftatt ber böfen Sehren lieber ein fleineS ©ouoert
mit ben rooljtgetroffenen 3Hiniaturbilbniffen beS ßönigSpaareS — eine liebe
©rinuerung an baS herrliche geft.
SBährenb bie steinen fich tummeln unb bie ©ro&en über bie Sehren
beS ©rennten nachbenfen, bie Capellen ihre SBeifen aus bem oorigen 3<*hrs
hunbert auffpielen unb bajroifd)en bie roalachifchen 3ijJ€uner, bie Sautari,
in ber alten echten bracht, mit faftanartigem ©eroanbe, mit bunten Dorfen
Darüber unb fonberbarer ftopfbefleibung, einem riefigen främpelofen §ut,
ber fich ungeheuerlich nach oben erweitert, auf ber alten glitte pfeifen, auf
ber giebel fragen, bie ©uitarre hupfen unb baS $a<fbrett fchtagen, ent:
fernen wir uns burch einen ber fdjattigen ©änge ein wenig oom Schau*
plafc beS hatwfos auSgelaffenen Treibens, ber f inblich frohen Suft.
©S wirb ftiUer unb ftiHer. 93on ber gerne bringt faum noch ein
bumpfer Saut beS f eftlichen Rubels bis ju uns. SRun wirb es ganj frieb*
lieh unb ftitt. 2Bir hören nur baS fehnfüchtige gidten ber Nachtigall.
9*
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8ibliograptpfd?e Hotijcn. \5ö
Stutfjcu be8 (Bebüfd^ed über ifnn 3ufammenfd)lagen. (Sr fonntc bic mächtigen, ?lUe§
jennalmenbcn Cäufe mit bcr fiano berühren l
3eb,r bebeutfam ftnb bie Urtbeile liBißmannS über ben (Sbarafter ber oerfd)iebenen
Sfcgcrftämme unb über bie Ütfirffamfeit bcr Araber im öftlid>en (Sentralafrifa. (Sr
hält ci in $ejug auf biefe für burcbattS unrichtig, ben ©HaDcnhanbel unb bie S3er*
müftung burd) bie 2Jcubammebaner nad) unferen eigenen ^efürjlen ui beurteilen unb gu
richten; benn fomohl Sflaöerct. al§ auch rüdftd)tSlofe SluSnufcung bcö tiefer ftebenben
Solted nertrügen fid) mit (Glauben unb (fr3icb,ung ber Araber, ia ftc würben burd) beibe
gerabeju fanetionirt. 35er Strenggläubige oerabfebeue wohl Xrunffucbt, llnreinlicbfett
unb Feigheit, febe aber im 3ftaDenbaitbel unb in ber Vernichtung tiefer ftetjenber Un*
gläubigen nid)t3 VerädjtticbeS. 2)ie Araber feien barum nicht als Derbred>crifd)e Räuber
angufehen. (£inc gang anbere 3ragc freilich fei e3, ob ba$ ciDiüfirenbc, tonangebenbe
(furopa mit aufeben Mine, baf$ öerb<Utnifjmäöig wenige Zugehörige einer nicht mehr mit
ben iHnfcbauuugen be$ 3abrhunbertä in (Sinflaug ju bringeuben JReligion bie flttgentein-
tjeit fdjäbigten, bie Vernichter gleichberechtigter Kreaturen mürben unb bie fjödjfteu ®üter
ber iifcnfcbhcit mit tyüfcen träten, wie bie3 bie Araber im oollfteit Tlabt burd) ©flauen*
jagben, Kaub unb rücffichtSlofe Verbinberuug jeglicher europäifdjer ßoncurretu thäten.
äiUßmann fchlicfet biefe 2Jiebitationen mit folgenbcn fchöuen Korten: w9?ad)bem id)
je^t fiebeu $af)xt lang mit unb unter ber auf focialem ftinbe&ftabium ftebenben
^eger^affe gelebt habe, mürbe e£ mein böfbfteS 3«! U'm, meine (Erfahrungen für bie
fo wichtige 2/tiffion ber Srgiefwng berfclben öerwenben gu tonnen." 3eöt, wo er
«cicfaScommiffar für baä öftliche Slfrifo geworben ift, bat er ©elcgenhcit genug, feine
Erfahrungen gur Geltung 511 bringen.
3n ber $anbbabung ber Spradje wenig gefdiult, befifct Sifemann boch ein
wunberbareö (srgä&lertalent. (5r fdjreibt anfehaulich unb führt ben £efer oorrrefflid) Ist
ba* bunte Slatur- unb Völfcrtcben ein. 'Sie 3ßuftrationcn üou SHubolf Sjellgrcwe,
ber sroar ba$ äquatoriale 2lfrifa ebenfalls fclbft bcfudjt hat, aber bic fteifefttHeii nur
nach 2!*iBmannS eingaben macheu mußte, föunten beffer fein ; immerhin »erben fie ba--
3U beitragen, baS Sutereffe an bcr ficetüre be8 fdjöncn Vudjeä 3U fteigeni. H, J.
Bibltograpfytfdje Ho^en.
Oubtftc Mrifrffi.non. Von 9tid)arb
®arbc. Jöerlin, ©ebrüber $aetel.
X\t oorliegcnbcn 9teifeffig3en fmb Don
ihrem Vcrfaffer auf ®runb forgfältig ge*
führter Xagebüdjer aufgearbeitet morben,
Welche biefer mäbrcnb cincS nahezu anbert-
halbjährigen 'Jlufentfjaltä gu wiffenfeftaft--
licben 3roeefen in Derfchicbencn Orten 9torb*
inbienö, befonberSiu Venarcä, unb währenb
einer (ihrfwlungäreife in (Schlott geführt
hat (£» finb im (Sangen ad)t früher
tn oerfchiebenen 3«itfcfjriftett erfdjienenc
Arbeiten fjier — mit 2lcuberungen unb
3ufäöen, bie iebodj nidjt cinfdjneibcnber
Slrt ftnb — ju einem einbrucfdoollen ©angen
Dereiuigt: 1) oon irieft nadj Combat); 2)
»ontba«; 3) bic inbifdjen ^Jrachtftäbtc;
4) ein SrubtenjahrinÖcnareS; 5) bie$aupt=
ftabtbe«inbtfchenS?aifcrreiaje8; 6) Sommer^
friiehe im ftimalaoa; 7) (SrholungSrcife
nach Getjlon; 8) fieben bcr (Suropäcr
in 3nbidt (ben Seferu öou „9brb unb
3üb" au* bem^ulihcft lsss betannt). Sieje
äluffä^e gehören gu bem SJeften, \va$ über
baS eutigc3nbicn gefchrieben ift, unbbtlbcn
eine Portrefflid)e (^rgängung ber ehoa-5
einfeitigett Steifebriefe Rädels, welcher über
feinen 3ecthiercn unb ^flanjeit bic oid«
taufeubjährige Vergangenheit ber i'iciifdicn
in 3"bieu nahegu uergijjt. 2freunbcn ber
6ulturgefd)id)te fann baä frifch unb Ieb=
haft gefchriebene Such bc8 ^önigdberger
3an8fritprofe|for8 auf* iüärmfte empfohlen
werben, ba feine Sarftellung bcnmit3ubicn§
Vergangenheit innig öertrauten belehrten
Derräth unb gugleid) oou llebertreibungcu
jeber 2lrt fid) fern hält. (SS ift fchabc,
ba\i bie VerlagSbud)hanblung bem 2)ud)e
nia)t aud) einen äußeren 3d)mud* burd)
Beigabe oon 3Huftrationen, bic feinen ÜBertb
nod) erhobt haben würben, Dcrlieben hat.
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Sibliogra pfyi
DiefcS, benSutberfeftfpielen entgegengebracht
bat, ift ein tjübrcr burd) blefe £tteratur
millfommen, meld)e älter unb reicher ift,
ai» oen meinen oeiannt tetn ourTic. <saion
gu Rüthers Scbgeitcn entftanben Dramen,
bic ben ©öarafter Don Sfampfipielcn trugen ;
ebenfo ift baS 17. 3abrbunbert reich an
l'utberbramcn. 3mrationaliftifcben 18.3abrs
hunbert ift cS ftiü baoon, bagegen fülirt ber
SJcrfaffer au$ bem neungclmtcn nicht toeniger
als breite hu beutfebe unb ein Italien ifdjcS
auf. -Die referirenbe Darfteilung beB
erften DbeilS acht allmäblid) in eine Iritis
ftrenbe über, JttefonbcrS eingefjenb lourbe
aus bem Anfange unfcreS Sabrhunberts
3ad)ariaS ferner unb Älingc*
mann, aus ber ©egenmart Mengen,
Deoricnt, fcerrig unb Xrümpcl*
mann bcfjanbclt, mobei DeDrient bcrSBreiS
guerfannt ttirb. 3uui Scblufe tyebt Söer*
faffer bie SBebeutung biefer Spiele für bie
Äircbe unb bie Sütjnc beroor; bod) fann
er $errig$ SSeftrcbungen, foweit He auf
eine Umgestaltung beS gefammten SÖütmen*
tocfcnS gerichtet fmb, fid) nidjt anfdjliefecn.
K J.
Silber nuo ber fron göfifdK n ftebo>
Intion. 3Wit befonberer 5Öerücfftd)tigung
ber Sdtfcffale ßubmig XVI. unb feiner
§amüie nach gebrueften Quellen gu*
fammengefieltt Pon C5.3JI. § ö ü e r. 2 2Jbe.
(fünfter, 2lfd)enborff).
Cbmobl eS nid-t an Darftellungen ber
frangofifdjen SReoolntion feblt, fo muffen
mir bod) bem Sfcrfaffer Dant toiffen, bafj
er bicr bem qebilbeten i?efer ein SBerf
bietet, mcldic* bte$auptepifobcn biefeS mclt=
gefdncbtlicben xHbfdmittes in angenehmer
(Srgäblung üorfübrt Der S?erfaffcr be*
nu?t bie äßerfe beS »opalifteu SöeaucheSne,
ber SRepublifancr ßouiS SBIanc unb XbierS
unb enblid) beS 9capoleoniften ? urup. 3Jfau
merft beSfjalb häufig einen gemiffen 6in=
ftafc ber ober jener Cuelle unb Dermifet biS=
meilen baS eigene Urtbcil. immerhin aber
genügt baS SSBert ben ^Infprüdjen Demjenigen
3hiblirumS, für baS es beftimmt ift; es
gemährt bem Derftänbigen £'aien gugleidj
Belehrung unb Unterhaltung. pa.
La premiere republfque fron^alse
en 46 gravurea. Keproduction de
l'edition du coinmcucement de ce
liecle. fieipgig, IL Xmietmeper.
3u ben gasreichen älteren unb neueren
Derlen über bie frangöftfebe JReDolution
bilbet biefe Sammlung Don faft gleichzeitigen
;jumrranonen, c*eren erue Den 'cenmur im
fdje ITotigen. (37
»aflbaufe barftcllt, roährenb bie jüngfte
Napoleon als „erften Gonful" Deran*
fdiaulidjt, eine tpillfommcne örgänjung.
Xic mobernen üid)tbru<fe erreichen ^toar
nicht Dollfommcn bie Schärfe ber Stupfer,
meldjc bie erfte, am Slnfangc biefcS 3abr=
hunbertä erfdjienenc, 2lu»gabe fdmiücften ;
boeh genügen fte, um ein anfdjaulicbeS
j S3ilb ber ergretfenben bargefteüten 3.^or=
gänge ut geben, unb ber $rei« Don 2
SKarf 40 $f. ift bei ber guten 2lu*ftattung
be» J8änbd)cn8 ali ein fetjr mäßiger gu
begeidjnen. P.
^avic- unb Worbfrantretd). Xritte
Auflage, ßeipgig , SBibliograPhifche»
3nftitut.
2lud) biefer Xty'ü Don M5Dccper8 Steife*
büchern" ift in neuer, an Crt unb Stelle
umgearbeiteter Auflage erfaiicnen unb bilbet
ein überaus lun Mirko , bem prattifdien
iHeifebebürfni^ genau angepaßte» %uch mit
gahlrcidicn fdjbnen Plänen unb Starten unb
einem iüJegtoeifer burd) bie aßeltauSfteüung.
ör gibt ein getreue» SMlb beS heutigen
SPariS mit feinen SehenSmürbigteiten,
ffuuftfcbäeeu unb iJufrbarfeiten unb ift ein
guoerläffiger Führer in bie prächtige Um»
gebung ber Seineftabt unb nad) ben bc=
fudjteften Orten Worbfranfreid)«.
<£ic beiben Sdjtueftern unb anbere
Stobeüen au» bem sJteugried)ifchen. llon
». m. SRangabe. SöreSlau u. ßeipgig,
S. Sdjottlaenber.
fteinc biefer 9coDellcn hat ihren Schau»
plafc in ©riedjenlanb: ber Söeri affer Derfcöt
un» nad) Italien, i^nglaub, ?lmerita, hirj
überall babin, mo 3lnbere ebenfo gut gu
^»au8 finb, als er felbft c8 ift. Uns märe
eS i utereff auter, ihn ßanb unb ßeute feiner
Heimat fdjilbcrn gu hören. (Sine ber
WoDcllen freilich ergäfjlt er gmei jungen
ÖJriediinnen, bie aber burd) ihre erftaunteu
3tDifd)cnfragen nad) ielegraph unb (£ifen=
bahn befunben, bafe bie Wooellen in einer
meit hinter uns liegenben 3«it entftanben
fmb. Saraus erflären mir es uns, bafj
biefelben in ihren Sujets unferer Öe=
fdjmacfsrichtung nid)tmchrreditentfpred)eii ;
bod) befenneu mir gern, Dafe ber feinfinnige
Skrfaffer allen feinen 2HotiDen eine ed)t
tünfilcrifche Jöehanblung gu Xhcil merben
läfet unb ihnen baburdj merthDoUcn ©c»
halt Dertciht. mz.
^croeffene Sieber Don 9cahiba
I Sturmhöfcl. Seipgig, ©ufiao ftoef.
35ic Dichtungen biefer fehr Derchrteu
Dame lann man nicht ernft nehmen. Der
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{7>8
Horb unb 5üb.
oon ifjr auf ben Parnaß fjinaufgequälte
^egafuä muß redjt unmufifalifd) unb and)
lab,m geiocfen fein. 3clbft bic größte
sJlaioetat in mctrifdjcii Singen faitn i oldjc
SJerfe ntdjt rechtfertigen, iMudj bic llnge-
uirtbeit, mit ber bie Serfaffcrin 2lnletb~eu
madjt, ift riifjrcub. Stein 2id)ter ift uor iljr
ftdjer, fein &egenftaub, feine ^crjon. 3a
fclbft über ben tobten aifer ftrtebrid) mac^t
tte i Li vc unpaffenben Serie, bei benen mau
nidjt meifj, ob man lachen ober fiefj ent*
ruften foll! ISingefjenber, als e3 und ber
ocrfügbare iHaum geftattet, lia; ftd) in Ijbdjft
ergötjlid)er äöeife, bie w$eutfdK ^idjtung"
in il)reni3lprUI)eft l&Wmttbicfer w2)id)term
ber Öegeuwart" beidjäftigt.
Eingegangene Bücher. Besprechung nach Auswahl der Redaetion vorbehalten.
Ach «jus, Der Werth der Berliuer jwlitischeu
Presse. Berlin. Brachvogel je Ranft.
Kall eilt rem, Kufomi.i Gräfin, Die l'london Frauen
von Ulmenriod. Dresden u. l.-i; ziif, E. Pierson.
Bantn*x*wMsrh, K. S-, Die Sklavin. Roman.
Dresden und Leipzig, Heinrich Minden.
Bruhiuen, l)io drei gestrengen Heiligen und andere
Novellen. Hamburg, Hoffmami \. Ciunpo.
Bugsier. Lexikon der musikalischen Harmonien.
Hültsbuch für Unterricht und Selbststudium.
Berlin S\V., C. Habel.
4 onrad, M. G., Pumpiujella. hin Bach für geist-
reiche Loute, die abseits «oheu.
— Fantasio. Geschichten und I^ebembildor.
Leipzig, W. Friedrich.
DondorfT, Das hellonisehe Land als Schauplatz
der althelleniscJien Geschichte. (Getneinvor-
standl. wissensch. Vorträge. Neue Folge
Heft 72). Hamburg, Verlagsanstalt.
Duktilerer. Fr , Joseph und Atvid. Gedichte.
— l'ietro Aretino. Drama in fünf Acten.
— Spurius Carvilius Huga. Drama in fünf
Acten. GGtiMII. Paul Schottler in Comini»siou.
K.rnestl, L., Aus den Fluthon des Lebens No-
vellen Breslau, S. Schottiaouder.
Feilmann, J., Sturm und Stille. Novellen.
Dresden und I/'tpzig. E. Pierson.
iUsper,L, Goethe al« Dramatiker. Leipzig, G. Fock.
Holl in. inn. H., Iwan der Schreckliche und «»inHund.
Roman. Stuttgart, Deutsche Verlags-Anstalt.
Chr., Halligenbuch. Kino unter-
gehende Inselwelt. 2. Aull. Schleswig, Julius
Borgas.
-nimel, 0., Deutsche Geschichte. Heft l.
Dresden, C. Hockner.
Kirchhof!. A., Länderkunde von Europa Liefrg.
04. ti5. Prag und Leipzig, F. Temisky.
Klcinsrhmldl. Dr. A., Charakterbilder aus der
fr;uizösischen Revolution. Mit «4 Portrait«.
Wien, A. Hartloben
kraulchfeld-tiardner, M. v, Minuie Hartford, or
,,Otlii'rs not seif". Hamburg, Verlagsanstalt.
La prent lere Kepnbllque t. \i\ uiseon t'i Gravures,
Leipzig, A. Twietinoyer.
Mllencron, D. Freiherr v., Gedichte. taipzig,
W. Friedrich.
Mantejruzza, 1% Das heuchlerische Jahrhundert
Autor. Lebers. aus dem Italien, von Hulda
Meistor. Jona, H. Cost^noble.
Mejera, ,Paris und N'ord-Frankroich". Leipzig,
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Alletloi zu .\uu und Kurzweil für Touristen und
Kurgast-». 4. verb. Aufl. Leipzig, H. Hassel.
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Muschi, J. B , Anhalt't*chas Üescbi rhtonbueh für
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(Sammlung gemeinvorst. Wissenschaft. Vor-
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Orell, M. u. J. Allyu, Bruder Jonathan und sein
Lind. Autoris. Ueberä. a. d. Franz. von E.
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Ostwald'* Klassiker der exaeten Wissenschaften.
Nr. 1 : Helmholtz, Aber die Erhaltung der
Kraft. Leipzig, W. Engelmann.
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(Bosserscho Buchhandlung).
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Riman-Bibliothek.lS» Stuttgart, J. Engelhorn.
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vers.-Wörterbuch für Reiso und Bans. II.
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Reiches und die Grüudung dreier selbst-
ständiger Stuten. (Sammlung gemeinverst.
wissensch. Vorträgo. N. F. Heft 70). Ham-
burg, Verlagsaustilt.
Salinger, E , Zu häßlich! Roman einJs Kindes.
Broslau, S. Schottlaendor.
Schiller, Fr., Die Künstler. Gemeinverständlich er-
läutert von A. Cless. Stuttgart, A. Bonz &. Co.
Srhlügl. Fr., Vou den besten Büchern. Auch
ein Gutachten. Wien, A. Hartleben.
Schubin, O., Unheimliche Geschichten. 2. Aufl.
Dresden u. Leipzig, H. Minden.
Spieltagen, F., Em neuer Pharao. Roman.
3. Aufl. I^il>zig, L. Staackiikum.
Steiner, R., Goethe ah Vater einer neuenAesthe-
tik. Wien, Pornerstorrer.
Stendhal (Henri Beyle). Lanaiel. Roman ineüit.
publi6 par Casimir Stryieniki. Parif, Maison
yuaiitiu.
Tausend and eine 3ach(. Liefg. 11—15. Stutt-
gart, Riegor'sche Verlugsbnchh.
Telmaun, K . Aus der Fremde. Gedichte. Min-
den i. \V., J. C. C. Bruns.
Vtichcr, F. Th., Altos und Neuas. Noue Folge
Stuttgart, A. Bonz Sc Comp.
Vogt, C, Pfiffig und Genossen. Novellen. Breslau,
S. Schottlaender.
Voss, R., Nubia. Erzählung. Stuttgart, Deutsche
Verlags-Anstalt.
Walrker, K., Grundriss der Statistik der Staaten-
kunde. Berlin, Mayer & Müller.
Wehl, F., Aus dem früheren Frankreich. Kleine
Abhuidlungen. M.nden i. W., J. C. C. Bruns
Wllda, Joh., Marine-Novellen. 2.
von ,,Aur hoher See und im
Schleswig, Julius Bergas.
/citsrhrln d. hist Gesolls-rhaft für die Provinz
Posa«. Herausg. v R. Prümers. Jahrg. IV.
lieft 3—1. Posen, Jol 'wicz.
a#öiairt unter Vt rantt»ortIid}ft it brs l^cruusgcbrrs.
Dru<f unb üfrld^ Pon 5. Scb,0ttlaeubec in Urcslau.
Unbfrrdjtigter lladj&ruJ uu> t>tm 3nbalt birjer 5flt)d?rift unterin^t. llrbfnrftunijsrrdjt Dorbeboirrn.
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Die Karlsbader Mineralwässer und Quellenproducte
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Löbel Schottländer, Karlsbad i Böhmen
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Die Füllungen am Apollinaris-Brunnen
(Ahrthal, Rliein-Prcusscn) betrugen
im Jahre 1887 *
11,894,000
und im Jahre 1888
12,720,000
Flaschen und Krüge.
THE APOLLINARIS COMPANY, Limited,
LONDON,
UND REMAGEN A. RHEIN.
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Zlotb xrnb Süb.
(Eine öcutfdje 2X1 o n a t s f dj r i f
fjerausgegeben
ton
paul Ctn&au.
L. 23anö. — 2lugufl J889. — fjeft W).
(ITlir rinrnt pottroit in Ka&irung: Jl>o!f Saftiati.j
23 1 e £ I a ii.
Drucf unb Pcrlag pon 5. Sdfottlaenber.
<£s fyat fo follcn fein.
Spricfytport in einem 21 et
Von
fjans £}opfen.
- Berlin. -
2tn kühnen gegenüber SRanufeript.
^erfotten :
SHartfa bort Stro&bcrß. I Gin retfenDer fcartbtoerteburfd).
(5gon bon (Sicfrftäbt. 2Salbb,iiter PtauS.
SFacfetträßer.
fctditung tot Söolb«. fctnf« jiebt füb ein 2ikg in bie Oöbe, ber fiel) im vtntergrunb unter Zäunten
•«rliert. ifcinf» unb reefcta immer Dom 3«f*fluer ?u nehmen.) 3m 2ttittclirntnb neben yvn ooer brei
beben Räumen eine ofte 3aa>bütte, unter beren gebeertem Sorraum in ber 'JJlttte eine in halber fflantü:
*öb< gefcMojjene Sretterthür, ju beren beiben Seiten ie eine Öonf.
1. Scctte.
3Ji(irtf)(l (einen groften Strohhut im JJacfen, ber ihr beim fcau;en Dom Srfieitel genttidit ii'i,
3Ravpi, SRoIfoften uub ein 3(it):nbud)lein unterm Ärtn, fommt haftig, ftuditarttg ben §iigefuKg aui beut
£intergrunbe linf» herab, juroeilen änoftlidj nlcfiBärtS febenb. 3m «ortoärUeileu). ^(fy rtlftUbC
gar, er folgt mir! . . . £er Um>erfd)ämte ! ... s2Bie fommt ein frembcv
Wann in unfern Sparf? ... Gr faf) aus wie ein ÜHUbbieb . . . 9fa!
Cie ift in ber v«ft in Uiitte ber $übne Uber ihr Vfleib unb eine JBauuuuurjfl gruolpert, in'ö stniee ntJ
brachen unb bei u>a9 fte in $änben gehalten theilroeife faHeit laifen. 3"bem fte bie Sachen ipict>cr uifamueni
Heft unb fkb. langfam mit 3eicben be» Scfimenel erhebt) 2)a£ fomint baüOn! Jff ! 2L>ariUU
fürdjt' \d) m\ä) auti) am fyeüen £ag nor einem fremben Wlaxm unb Taufe
roie oerrüeft oor tfmi baoon! 9$, mein armer itnöa^et . . . m *»m*»
3<5) glaube gar, ba ift er fdjon roieber! Cf)! vw, ohne e« » mett«, bas etiwtu.
buch an ber Orbe liegen, unb frürmt, beutlidi bin'enb, redjt« im SÖorbergnmb ob).
10*
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<£s tjat fo follen fein. ^
Wlt'm SiebfingSpIafc, nod) einmal, ei)' id) fdjeibe,
2BiU id) $id) tief in meine flugen faffen,
$en Xburm, ben ©ec, bie bunflen Sölättermaffen
£ier feftigen mit ungefdjidter Sfreibc.
2cb* toobl, $u meiner Sugenb Shiflentocibc !
(Sinft toarft 2>u mein, nun mu& id) 2>id) Derlaffen
llnb tann nidjts tbun, als einen @dmrfen Raffen,
$en id) um meinen SJieblina&plafe beneibe.
SJiein SBatet ftatb aus ©ram ob bem SBerlufte,
91 dein bei ©cfjelm, ber tr)n beftof)len, tmiftte
3)en JRaub 311 ftd)ern biefer 2Mbe8grünbe.
£a nabt fein (Stbe, ba& er mir toerfünbe,
äßie id) für immer 2Üd) ücrlieren mufjte —
Söer3cib' mir'S ©otr, id) baff* ibn, tote bie <3ünbe!
öraoo! ... Sic bietet! fte matt! fie ift bilbfdjön! fie läuft uor
mir bauon! $aS ift ja ein unuergleiä;lidjeS ©efdjöpf ! . . . Unb bas
muß ein ganj erbännlidjer 9Renf$ fein, ber foldj einem ©efdt)öpf fold&e
Gefühle einflößt. „3dj ^aff' Um wie bie Sfinbe." 3$ audj! (n^benm*.
. . . 2Ben? 2>en ©igentyümer ifjres £iebling$plafeeS ? . . . 2lber ber bin
\a idj! Dfro! . . . 25er ift benn fie? «blättert Mti« wr unb }urüd) flein 9tome!
(erbu* tn&ii* jwti «umtoben auf bem (^inbonb) 9li<f)tig! 3. äöiH fagen 9ttartf)a
Studberg! $ie Softer beS früheren SefifeerS biefer ©egenb, meine fefjr
entfernte (Soufine, bie icr) feit unferer flinberjett nidfjt tne&r gefeljen tyabe.
SBerrofinfdjteS ^ed)! SBarum gerabe $ie, feiiger Dnfel Dtto? Sie gefiel
mir Ijeute fo fein*! Unb fie fjafjt midj . . . roie bie Sünbe? dummes
3eug! %l)t SSater oerfpielt fein @elb unb nad) btefem ein gut Xtjeil
feines ©runbbefifcea an meinen Dnfel Dtto. Unb nun bin td> in tyren
frönen 3(ugen ein Sdjeufal, weil mein Dnfel in „9Mne Xante, Xeine
Xante" mefjr ©lud gehabt f)at, als if)r fjödjfteigener, f)öä)ft leidjtfinniger
GrjeUgerV 21$, Wag! (ßttA ärgert^ bat Sud? in feine Zafcbe unb loenbet fi* jum Öeben).
3. $cene.
Sagbarer <&auö unb ber SSoriae.
(SlttUS (b«r f<t»on loä&rmb ber Ickten SBorte hinter (?aon aetr<tett ift unb ihm, rote biefer fleh
ummenbet, bart fleaeniiberftebt). #alt ba ! . . . 9tebe geftanben! 2i>ie f)eijät erV
S5>aS fudjt er In'er? unb roie fommt er fjier herein?
©gon (fltianen). bleiben roir bei ber lefeten grage! 3d> fam in biefeS
mein fteoier burd) meines ^aufeS X^üre. SBerfte^t er? — benn roir
erjen uns, roie id) eben oemommen f)abe — bamit ^ottal); unb roie fommt
er in mein ©e(>ege?
Glaus. Sein ©e^ege! . . . &ef)e! 25ie glinte f)er, 2öilbbie6, ober! . . .
(5g on. £bu' er mir ben ©eroeljrlauf oon ber 3iafe roeg, alter ©rb=
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\%2 fyans topfen in Berlin.
förfter! 9Jur feine tragifdfjen Gonflicte, roenn'S beliebt. 3ft bet ©runb
f)ier Strobbergtfdj ? . . .
Glaus. Seit ffinfjig Selxen bin ia*j . . .
©gon (»>n unterbrtdjenb). Seit fünf 38o<$en bin id) f)ier £err! Seit
fünf Sauren vaax es mein Cnfel! stet) ©ott l>abe $)iä) feiig, SDnfel
Ctto! (3u Glau*) Söenn bev Selige aus ©rünben, bie mirf) uidjtS angeben,
ftd) ferne oon feiner Sefifeung fydt, . . . melleidjt um 9tiemanb, ber früher
Ijier gebot, ju fränfen, fo oerjidjtete er barum nidf)t auf fein gutes 9ied)t.
beweis beffen, bafe er bas ©igenttium an biefem $oben nad) feinem %b-
leben auf mid) »ererbte.
Glaus. &ätt' er fidj f)ier blirfeu laffen, mit biefer meiner glinte
mürb' id) ilmt gejeigt fjaben, roaS für ein sJJed)t if)m gebührte, . . .
Stanbred)t!
©gon. £1)0, grauer 2$albmcnid), er fotf ftd& nidjt oerfünbigen!
Glaus. 3$ mid)'? 9(n bem?! . . . Söenn er unferen alten §erru
gefefjen f)ätte, wie id) in biefen unfeligen ^atjren, mie er am £erb fafc
unb fid^ bie Stiefel mannte unb an feinem grauen iBart faute, weil er
nidjt reben, roeil er ben Unmutl) nidt)t laut werben laffen rooüte! ©S mar
feine SieblingSjagb gerabe fjier f)erum. Unb baS $erj r)at es iljm abge*
briieft, bafe er Ijtcr feine Flinte mefjr Ijat abbrüefen bürfen.
©gon. Cnfel Dtto f)ätt'S ilmt nid)t gemehrt!
Glaus. 2lber fein Stol$ roeljrt' es ifmt. ©r »ergab es fidj felbffc
nie, baß er ben fd)önen Seftfe in tollen 9iäd)ten oerfdnoenbet Ijatte.
£rittbalb %al)x fdjleppt' er fidj mit feinem ©ram fo (jerum, bis er ifnn
3U fdnoer rourbe. ©ineS £erbftmorgenS in aller grüfje . . .
©gon (abmcbrenH 3$ roeifj, id; roeifj . . .
Glaus. ... £a fanb id) feine blutige Seid;e. 3luf bem neuen
©renjftein fifeenb, f)atte er fta), als ber £ag aufging, mit feinem eigenen
^agbgeroe^r erfdj offen.
©gon. $er anne &err! £aS gottoerbammte Spielen!
Glaus. 3^ i«i £er 2lnbere roufcte roo^l, warum er fid; nidjt fjiers
fjer traute! . . .
©gon. l'affe!
Glaus. Unb roenn ia) feinem 9tad)f olger ratfjen barf, fo . . .
©gon. Xer 9tad)f olger beS Seligen bin id). Sein Proben madjt
auf mid) nid)t ben geringften ©inbrurf. £en freunbliajen 9?ad)barn roerb'
id) allemal millfommen f)eijjen. £em ©robian roeif \<fy bie 2Bege. 3Kad)'
er, bafj er mir aus ben 3lugen fommt! SJtarfdj!
(3tummeS £i>itf. ßlouS grtH nodj tininaC nad» txr 5liutf, mit um on?ufd)iaflttt tfgon bleibt brob^nb
tmb gflantn oor ihm fteben. J<r Ultt btfmnt ftdi, lotuba fidj unb fä&rt mit b«r ^>onb ftb« bie «ugenk
©gon (^.ftcr). ©t war an ben alten ^errn oon Srrol)berg rool)( fc^r
gewöhnt?
©laus. $a, £err. 3d) mar fein Sagbgenojj oon ÄinbeSbeinen an.
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€s bat fo follen fein. H5
Gr mieb in ben lefcten $af)ren allen anberen Umgang, felbft feine Xamen.
Seine £unbe nnb idj, baS waren feine befte ©efellfdjaft.
Ggon. 9hm, unb bie tarnen beS §aufeS?
Glaus. Xie #rau weinte uiel ü6er ben ^erluft befferer jjtxten.
6g on. 3ft nidjt aua) ein gräulein ba?
Glan1?. tetewifj. 35aS Jräulein nxxr Damals in ?ßenjion, bort unten
wo am Genfer ©ee. £er &err fjatte niajt uiel ©inn für weibliajen
Umgang. Um fo mef)r liebten ifm bie Frauensleute. liüie'S fo gef)t . . .
Seine £od)ter lebt unb webt im &aß gegen ben f(f>led)ten ÜRadjbarn . . .
^a fo! . . . 9Jid)tS für ungut, £err . . .
Ggon ua*t>. ffi werbet Gud) 2llle miteinanber an ben fd)led)ten
5?aa)bar gewönnen tnfiffen. 9JMr gefällt'S Iner auSgejeidjnet.
Glaus. £aS giebt ein Unglütf!
Ggon. ^a) liebe bie 3agb. &alte was auf meine Unb
ba er jum Unterfdjiebe oon feinem feiigen .öerrn bie iKedjte — beS
fd)lea)ten 9toa)barS — md)t anerkennt unb nadj wie uor feine äöalbgänge
auaj auf mein 9teoier auSbeljnt, fo la§ er fief» jefct meine Tarnung ge-
fallen. 3d) will fold) einen feinbfeligen alten £rofefopf in meinem Dfcoier
mcb,t wieber begegnen, nid)t mit ber ^linte begegnen — bis id) if>n etwa
felber ba$u aufforbere.
Glaus. Sie mia)?
Ggon. 3a wol;l . . . 2ßeun'S midj melleid)t einmal gelüftet, nodj
metir oom feltgen &errn unb ben . . . anberen lieben 9tod)bam $u er*
fahren.
Glaus. &on mir erfahrt Eiemanb was. Unb iaj will, nidjts für
ungut, mit bem $errn nia)ts ju fajaffen f)aben, wenn'S mir nid)t oon
meiner &enrfd)aft geboten wirb. Unb baoor finb mir äße iüeibe itrfjer.
SSenn idj $i)nen aber als guter 9iaa)bar gut ratljen barf, fo laffen Sie
ben SMenft, welken td) aus. bummer ©ewofmfjeit fo fort oerfefyen Ijabe,
bura) einen juoerlaffigen 3Jtonn an meiner Statt oerfefjen. $ie Sanbftrafee
jie^t Ijart an unferm . . . ad), oerjeiljen Sie, an 3fn*em SiJalb oorbei,
unb nid)t feiten treibt fia) barin ©efinbel fjerum, auf baS man 2ld)t fjaben
muß. Grft fjeute . . . boa) genug baoon! . . . Unb ©ott befohlen!
(i&nbct \uS) unb fl«J)t laneiom.btit Sttifl Ginau', offne fkf> no$ einmal uinjuftljrcit),
Ggon. (Gleichfalls! ... ticm «wen «kWc*«*.) 2Mn id) beliebt t)iex*
unter ben beuten! äßaS? . . . $aS finb ja red»t gemütfylidje ^erfjält*
niffe, in bie id) f)ier arglos eintrete! SHomeo unter ben GapuletS. 9?ur
mit beut Unterfdneb, bafj mid) meine 3ulia nid)t auSftefjeu fann. Unb
warum ma)tV GS ift ju bumm! . . . 2lber mie bem fei, bange laff' id;
mir nidjt mad)en. 3lua) uon Xir nia)t, alter äßänoolf! «-v(au* vn^n.;^
tten utiltr Ixn JPdmntn.)
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W F?ans r?opfcn in Berlin. —
4. Gceite.
Ggon allein.
(SgOU (bie Trimtf beifeitc ftetfeub, bie 3aflbtafrf)e in bic Mtle hdnqenb). ü£l)UU VOIT, wiß
wenn wir bafyeim wären ! 34 Ijabe junger. Unb über beu 2öalb $iel)t
ein ©ewitter herauf. 34 fatt'* ni$t gemerft oor lauter Gifer im
©efpräd). 2lber id) werbe ntid^ f)üten, in baS Sßetter Inneinjulaufen.
GS ift weit bis in'S £erren!jauS jurücf. <*on etwa« ja efie« o«» feiner iaf*t »no
f«*t rtd) tot bie satte.) 3Jiir ift alle £aune vergangen, ber 9Ierger Ijat Tie auf =
gefreffen, wie bort über ben SBipfeln bie graue Sßolfe baS fä^öne lichte
himmelblau einfd)(urft. mtn\>\ 2BaS fie für fdjöne blaue Slugen Ijat! . . .
©djabe! ... Sie ift nun wof)l lange baljeim unb madjt ber 9Hama
graulid) mit bem fremben SWann im 2Balbe, ber wcujrf^einii^ Sßiemanb
anbers ift, als . . . ber fd)led)te Setter unb neue Stod&bar. bem 3a«t»
päfd4i<n in ber «onb): $anf $ir, feiiger Dnfel Dtto, nudj für biefe 9to45
barfajaft! . . . Slber was ift baS? Gin SBUb? (««in nad, ber äüw) 21$
nein! an« >« bie *fi«e
5. ®ccne.
(igon in ber J&iittc. 2Jiartl)a Don redjtä.
3)iartr)a (bjntenb, fid) an ben feigen botienb, oon redjt* born, ruienb): (SfaUS! . . .
(rcoenb> 2£ar mir bo<^, als r)ätt' idj ben alten Glaus reben gehört . . .
34 fann nidjt weiter, ber Änöa)et fc^merjt ju fel)r. 34 fann faum auftreten.
34 fafj auf einem 33aumftamm unb glaubte, ber©ä^merj würbe fid) verlieren.
Slber nun id) aufftanb, füfjlt' id), bafj id) fo nid;t weit gefjen fann, nidjt bis
nad) &aufe . . . Unb eS jieljt ein SBetter auf. 214 ©Ott! . . . SHir fdjemt,
ia) tjabc in ber SSerroirrung ber Slud)t ben Seg r»erfel)lt. äßar id) nid)t
fd)on eben t)ier gewefen? . . . %a, baS ift bie alte 33orfenf)ütte! . . .
Sllfo no4 fo weit oom £aufe! . . . ^nn^rljin ein ©lütf, bafj id) t)ier
mid) bergen fann, wenn ber sJiegen loSbrid)t. mz eintreten, $m bewerfen*, tritt
fte eniM'cbrcienb jnnief.) 9ld)!
Ggon (ebrerbictifl gniHenbj. 3Jlein Jräulein . . .
SOlartlja. 2SaS wollen ©ie fö)on wieber l)ierV!
Ggon. 34 ? • • • 3°) midj mübe gelaufen auf ben unbefannten
SBafbpfaben unb wollte mid) in biefem &üttd)en ein wenig ausrufen unb
ftärfen. ftreilid) nun, ba baS Unwetter fo naf>e ift, bafj man es fd)on in
ben Gipfeln fpürt ... nun möa)t' id) mit 3^rer ©rlaubnifj woljl länger
gerinnen auSbauem.
gjZart^a Co&ne iD« a«jufeöen). £aS ift fe^r f d)abe ! ^erfucW weiter su fcöreüen).
Ggon (»erbeuflt fid, ww. für fw». Xer Anfang ift nid)t fef)r aufmuntemb.
Slber warte! . . . (scm> Sie l)infen, gräulein? Sie leiben ea)mer3en? . . .
2BaS gefa)cu)V
3)Iartl)a. 3er) warb burd) einen aufbringti^en aflenfdjen, ben ia) nia)t
fenne, beim 9)ialen geftört; lief baoon, ftolperte unb fiel . . .
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€s fjat fo follen fein.
Ggon i&tfiöv &ierV
SHartha (W umfrbenb^ 3^ glaube: ^icr.
(5g OU (auf *>» *ii*Itin in feiner 2afd>e Hopfenb, für ftd>). 3l^j! Uttb fo üerticrt
man ^otijbficher! (2ant) Söerjeihen Sic bcm aufbringlichen Sftenfchen, bcn
3ie nicht fenncn unb ber Sic nicht tarnte, wenn er eS wagt, g^nen
feine Sienfte an$ubieten. Sie bebärfen ber #ilfe.
Hartha. Seiber! Selber!
(Sgon. £arf ich Sie nicht bitten, f)ier einjutreten, es fict) bequem
ju machen unb ben «Regen abjuwarten, ber in einer ber nächften Minuten
losplafcen muß? Sie tonnen tyx £eimroefen, roie nah es auch r>or bem
SSalbe fein mag, alfo ^infenben tfufjeS nicht erreichen.
9J2artha (mit «m™ xbräneio. Seiber! Seiber! iSini*) $a§ ber SHenfch
auch noch 9iedjt haben mu§!
©gon. Sfox ^ub bebarf ber Schonung. £er weite 2Beg, bie über?
rnä&ige Slnftrengung tonnten leicht eine gefährliche (Sntjünbung oerurfachen.
Unb babei würben Sie tropfnafe bi^ auf bie &aut, unb eine (Srfältung
wäre Sfmen ficr)er . . .
Sflartha <f«r m>u Qx hat fd)on wieber stecht!
6g on. ^d) bitte bringenb, üerjeiljen Sie bie Ungezogenheit oorfnn
. . . ba broben. treten Sie unter $adj unb pflegen hier ber 9huje!
Hartha (für m. Säuerlicher 9Wenfch! £f)ut er nicht, als war er
hier ju &auS unb lübe mich ein, unter feinem £act)e s}>lafe $u nehmend
(Jsknbet fiii ju <&$on unb ficht ifcn ai\\
(Sgon <brinöenber). bitte!
Hartha <^«r ^titte ju^infenb, n«it einem SciifjerV mufj T00t)t ! 2Beil \d)
nicht anberS !ann! . . .Oh!
ßgon (beifphnfltnb). Qeber Schritt fchmerjt Sic! is« onw««5) £)arf
ich mir erlauben, mein gräulein, Sie ju ftütjen?
Hartha (i&9trnb, nu^t oijue .tod^muth). Unb mit wem ha&' i$ eigentlich
bie ©hre, Wx *m JBSalbe?
Ggon mrm. Sag ich ihr, wer ich fo läuft fie mir trofe Stegen
unb Schmerlen baooit. SWein 9tome flingt nicht fct)öu. £f)ut aud)
nichts 5ur Sache. 3er) bin ein luftiger, ehrlicher fei, ein alter ^urift,
ber suweilen in feiner Sflenfchenfreunblichfeit etwas ju weit geht . . .
Sie erinnern fteh, mein gräutein, bort brüben (no* im» <*<» beut«*, »<m «o* iü
iß ber erften Scere gefotntnen).
Hartha. D ja!
(Sgon. 3lber ich bin, genau betrachtet, ein braoer 3)tonn, unb Sie
bürfen ineinen 3lrm getroft annehmen. 3$ mW nichts, als Styxen be*
hüflid) fein unb Sie fo rafch als möglich aus biefer unangenehmen Sage
befreien.
Hartha, immerhin eine feltfame 2Irt fuh uorjufteUen!
©gon (f*jur*fttte fleitUenb). SBenn auch! ... So, nunfefcenSie fich,
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Fians ^opfen in Berlin.
ftreden fia) aus, fdjüfcen fid) oor bem biegen. GS ftnbet fia) aud) etwas
SRimboorratl) ba brin. Unb fowie bcr alte 2Salbf)üter, ben baS Unwetter
rooty auä) nad) $aufe treibt, wieber oorüberfommt, fa)iäen wir ifm su
^rer grau 9J?ama unb laffen ben Söagen Ijolen. Sitte einjutreten.
(Seibe bitf)t »or t*r Sbilr).
2ttartf)a üfm r*arf w§ «U0e foffenbx Sie tfum l)ier, als ob Sie ein 9iea)t
flätten, ^fenmnb in bicfe &ütte laben?
©gon (etwa» ocrttflf«). ©i, bie ift ja wofjl für Hermann, ber t>orüber=
foimnt unb ermübet ift . . .
aJcart^a. So lange fie meinem SSater gehörte, mar baS ir)re 33e=
ftimmung ma)t. $er neue ©igentf)ümer . . .
©gon. 28irb fidler nia)ts bagegen tyaben!
9Jiartf>a. SBiffen Sie baS gemife, mein &err?
©gon. glaub' es §u wtjfen, mein gräulein.
2) ?artl)a. Stnb Sie oietleia)t felbft biefer neue ©igentf)ümer £
Sautet ber 9?ame, ben Sie mir fo feltfam oerl)eimlid)en, üieöeia)t ©gon
©idrftäbt?
©gon oiad» furstm 3ööern). 91HerbingS, liebe ©oufine, ia) bin ©gon
(Eicftftäbt in leibhaftiger ^erfon.
9)Jartf)a (ü<d a«* ftmem ann reifjtnb, ouöer fi*>. Unb Sie wagen eS, midj
ansufprea^en ? Sie fa)ämen fia) nid)t, mir in ben 2£eg §u treten? gort!
(Do» Sluftrtten madjt it>r fldjtlict) Schuten).
©gon. gräulein -Jftartfja, Sie oergejfen $ljren Sa)merj! treten
Sie boa) nia)t fo beftig auf! $f)r armer gufc! 3a) bitte Sie!
3) J artrja. $0) bebenfe nid^td ! $a) fü^le feinen förperüa)en Sa)mer$
mein*! 3$ fm)le nur, baß ia) baS Slinb meinet SSatcrg bin. Unb tcf)
fe^e ben alten 5)tonn uor mir, ber ben ginger über fein graues #aupt
aufgebt unb fagt: „SBergife eS ifjnen nie! Sie f)aben mia) arm
gemaa)t, fie fyaben mir meine SebenSfreube genommen, ben ©runb unb
Stoben genommen, worauf meine Hölter gefeffen; fie Ijaben mia) oor ber
3eit in'* ©rab gebraa)t!" 3a) werb' eS nia)t, id^ roill es nidjt oergeffen.
&err oon ©id)ftäbt, ia) bitte, gelten Sie mir aus ben 91ugen! Cber wenn
Sie nidjt geljen wollen, fo werbe ia) gef)en, fo Ijart es mia) anfommt,
unb ben ©runb unb 23oben, ber jefct hinten gehört unb auf bem ju
wanbeln ta) fein $ea)t me^r l>abe, räumen, ©ntfa)ulbigen Sie mia) nur,
wenn eS fo langfam gefa)ief)t. (ww ob.)
©gon (it)r ben sjjea oertretenb). üHein, Sie bleiben, unb ia) werbe geben!
3a) werbe nad) $l)xcm ^aufe gel)n unb forgen, ba§ man fflnen ben
äßagen fa)idt.
9)Jartl;a (toio. ^d) bitte barum.
@gon. 21ber oorljer laffen Sie mia) ein guted SSort reben!
SKart^a. 9?ein, fein SBort! 3^ m^ ^in 2öort työren, ia) miß
Stye Stimme nia)t l)ören! Sie ift bie Stimme eines geinbes, meines
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<Hs fjat fo follen fein.
fdjlimmjten fteinbeS. 3()r Cnfel ift tobt. Sie finb gern fein (Srbe. (Srben
«Sie audj unferen §afc! (5r wirb ^neu in ungebrodjener güfle jugemeifen!
©gon. Unb warum? 23a$ fjab idj %fonen, ma§ fjab id) 3()rem
feiigen 3?ater getfjan?
3Rartf)a. 2Öa3? Sie fterjen auf biefem $oben unb nennen ifm ben
übrigen!
Ggon. Cr ift e3!
9Rartf)a u^nb,. Unb burd) weldjeS 3iedjt!
©gon. £urd) ein SRed^t, ba3 nidjt beftritten werben fonnte, ba$,
wie 3*ire gamilie in allen brei Snftanjen erprobt f)at, unanfechtbar ift.
3)cartrja. O über ba3 fdjöne »tedjt! 2lm Spieltifd), in ber 2£ein=
laune, in ber ftifce tf)öridjter Seibenfdjaft wirb e$ gefdjaffen jwifdjen 5Jtodjt
unb borgen, wie ein $erbre$en, ba3 ben Sag fdjeut. Gine oornefmte
^Jaffion! (Sine oomefnne Sadje ba3 um fo ein SRect)t! ... unb cor*
netmr wafjrlidj, wenn man ftdj barauf beruft unb e3 auSnfifct!
©gon. Sflein Gimmel, (Soufine, Sie rebcn, als ob itf) 9lermfter
•Obren &errn 2?ater — ©ort t)ab* ir)n feiig! iljn wie meinen guten ünfel Dtto !
— mit gebunbenen &änben 511m Spieltifdj gcfct)(cppt unb ifmt allba ©elb unb
©ut geroaltfam aus ber Xafdje gebogen f)ätte. 3<$/ ber idj feine 5tarte fenne !
3)Jartf)a. 3§i faubercr £err Cnfel fannte fie um fo beffer!
©gon. ©r fannte fie nidjt beffer, al$ — oerjeijjen Sie ber 2i>aljrf)eit,
bie laut werben will — Onfcl Dtto fannte bie toten nidjt beffer, als
3fc eigener £err 3?ater fie fannte; er liebte ba$ Spiel nicrjt mefjr, ate
eben biefer e$ liebte unb übte.
Wartha. Sagen Sie nidjte gegen meinen tobten $ater!
©gon. 3a) benfe nid)t baran! 91 ber glauben Sie mirfltd), ber
Selige, ben Sie lieben, würbe, wenn mein Cnfel ©elb unb ©ut oer=
fpielt t)ätte, nid)t aud) genommen unb behalten fjaben, was il)m mit Jyug
unb iftedjt jufam? ©i ber £aufenb, wer ftd> jum Spiel fefct, ber willigt
uon oom §erein in ben 2?erluft! (^* >f« oamaijUd) no^ bunti« [nidjt fmfttr] amort*«.)
2Jfartf>a. Unb grämt fid) bann 511 £ob cor Beib unb tfinb!
«StTtmÜt fü* bie Huflcn.)
©gon (tfctinctonenb). 9J?ein ©Ott . . . ©oufine . . . gräulein 2Hartf)a . .
3Diart^a (a«wn*nb in %d) verbitte mir, bafe Sie mid& bei
meinem Sßomamen, bafe Sie mid) oerwanbt nennen! 3$ bitte Sie, baft
Sie mid> allein laffen unb tmdj nia)t wieber fenncn, fouY e$ ber böfe
3ufall rooaen, bafc mir uns noa^ einmal begegnen.
©gon. ©erben Sie boa^ ru^ig! nehmen Sie boa^ Vernunft an!
3d) bin roirflid^ nid^t aufbringlidj unb roünfdje oon ^erjen, £l)ren Seiners,
fo fränfenb er fidj gegen mia^ geberbet, ju fronen. 9lber ia) fann Sie
bod& je^t nia^t, ^ier im SBalbe nia^t allein laffen! ^3ei biefem Better!
Xer 3lbenb finft, ba3 SKetter bria^t lo^, unb auf eine f)albe Stunbe ift
feine 9)?enfdjenn)ofmung ju erreichen.
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W fja„s topfen in Berlin.
9ttartf)a. ©feichoiel! 3<h bin oertraut mit bem Sföalbe. Unb ta)
bitte Sie bringenb, mich ju oerlaffen!
Ggon. gürchten Sie fi<h benn nicht?
Wartha. 3<h fürchte nicht. 3<h ImfFe nur.
Ggon. 3n ©otteS tarnen, Raffen Sie mich, aber bulben Sie mich
in %t)xex Stfähe, nur fo lang bis anbere £ilfe, anbere Begleitung für Sie
fommt. 3dj will fein ©ort mit 3fmen reben, ich will Sie nicht einmal
anfeljen, fo leib nuYs thäte, id) will nur 3hr SBddjter unb, wenn'« fein
mufc, 3hr Sd)ufc im Söalbe fein.
Hartha. 3>aoor fei ©ort! @gon @iä;ftäbt mein Schüfeer. Qatyityxl
Ggon. 9iu nu! Sie Sanbftrafee geht ^art am Söalbranbe vorbei.
3hr Glaus fjat mir vor Äurjem felbft gefagt, bafj fich oft red)t nerbächttgeS
©efinbel Ijter herumtriebe, barauf man Sldjt haben müjste.
SRartha. 3* nun, mir foll jebeS £anbftreid>erS ©efellfchaft lieber
fein, als bie eines Bttenfchen, ber fic3t) an unferem Unglücf bereichert hat,
ber am £obe meine* Katers sunt 9Witfä)u(bigen geworben ift.
(Sgon OKrftw. $rr! baS ift fehr Deutlich . . . 3<h fytbe bie &)te,
mich bem gräutein uon Strohberg ju empfehlen, unb wünfebe nur, bafe
3hnen hto nic^tö Unerfreuliche res begegnen möge als bero ergebender
Liener. (Verbeugt fidtj.)
SKartha (f»»ittf<f)> 2)aS lXnerfreu!idt)ftc geht eben worüber,
©gou. 3<h ban!e oerbinblichft! (»<w u?r bie srmte i>in-> Sehalten Sie
wenigftens mein ©ewet)r fyiet. ^n fann 3ubringliche bamit erfdjrecfen . . .
(Stellt e«, ba ftc nidjt antwortet, in bie §iltte unb wenbet ftd; bann rafdj jum Hbgebn nad; rtdfll, für ftdj)
£rofcfopf! Unb fie hatte mir fo oerbammt gut gefallen l m »m «tobn
no^mot» no^ swart&a um.) Sie ift wirflich bilbhübfeh !
(©äbrenb SRartba unter bal »orbad) ber viMe linf» tritt unb <5gon abgeben will, fdimettert tut Sinter«
gnmb rem ein »lib burd» ben SSalb, unb ber Bonner groß: langatmig barnadj. wirb nod) buntter,
unb tnoit bi>rt e* beutlid) regnen).
Hartha (bie Hugen öertjiiUenb), 2U) !
ßgon (M wäijrenb e» bo.mert, noct) t&r um»«nb:ub) #aben Sie gerufen ? . . .
3ft Shnen . . .
Hartha. Vichts, nichts! . . . 3lbieu!
©gon (adrftljurfenb fie betradjtenb) . . . 2lbieu! (Sie madjt am gan»en 8:ib< jiüernb
eine fertige Öewegung, a« wollte fl« ibn juriiirufen, fampft aber bie »nwonblung nieber unb brfteft ftb
abgewanbt in bie <Sdt unter bem SJorbadj IintJ. Gr fetjrt fidi, t\) er abgebt, nod; einmal Wie fragenb,
wie eine beffere SRegnng erwartenb nad» i^r um unb gebt bann, ba fte iUm ftarr abgewanbt bleibt, rednl
weiter.)
©gon. 3ch meine, bie güfee rourjeln mir in bem SBoben, wenn ich
fiC noch lang anfehe. Ä »o« »egen burd)fd)auert, nacb oben bliefenb.) Unb biefeS
Schanbroetter ! 9hd)t meinen 3«9bh"nb fehieft' idh oor bie 21)ür! Vichts
befto weniger 2lbieu! 21 ber weit geh ich nicht. $rr! ^eiliger Dnfel Dtto,
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€s tjat fo follen fein. H9
^aft £u nidjt irgenbmo im Sßalb einen SRegenfdjirm ftefjen (äffen? . . .
<(*r f*Iä« feinen Tüfingen bod» ober nimmt fonft eine £ü>'e gegen b«n fliegen bor, ftetft bie .fränbe in
bie lafdjen unb geht mit großen Griten linf» in ber jmeiten Cxmltfie ob.)
7. Zceue.
3J?art^a (c^tn unter bem Sorbadj ber glitte. SKoit bört e» immerfort beutlirf) regnen, t<odi
fo, bös ti webrenb ber SRebe bie 2Sorte be» »daufptelert nie ftdrt, gefduoeige gor übertönt). 3JZit
jtttern alle ©lieber . . . oor Sdjred . . . oor gura)t. $fui über baS
fd&roadje ©efd)led)t! SBäV idj ein 2ttann, id) ladjte ber ©djreden ber
9laä)t, beS UngemitterS unb ber (Sinfamfeit, toäl)renb id) f)ier im biegen
fdjaubernb f)ane unb bie $änbe aufgeben mochte, um ju bitten: £affen
Sie mid) nidjt allein fjier! 3d) fomme mir oor mie ein Äinb, baS feinet
33aterS Sdjmert 511 führen fidr> üerma& — unb bem bie fdjneibige £ajt rotber
2£iüen aus fdjroäd)ltd)en &anben gleitet. So füfjl idj mid) ju fdjroädjltdj,
ben £afj meines 58aterS ju galten unb ju führen, unb er entgleitet meinem
9)hitt> — roarum? weil fid; eine 2öolfe über bem SSalb ausfluttet.
S^mac&ling, Jeigling, elenbeS armfeligeS $>ing, baS id) bin, unb baS
nichts fann als meinen, meinen unb fid) fürd)ten! . . . 9lber nein, id) mid
nidjt meinen! SÖeint bod) ber Gimmel gerabe genug! Unb id) will mid)
nidit fürdjten, roiU mid) nid)t von mäbdjenfjafter 3lngft nieberbrüefen (äffen.
•Nein, id) bin eine Strofjberg! %d) roiU nia)t, roiU mid) nidjt fürdjten!
8. £ceite.
SS 0 r t fc a unter Icd* . Son reditt aus ber erften (Jouliffe f ommt ein reifenber ^anbu erftburfdie.
«Ron b,ört be*tig regnen, unb in ber Jerne bonnert unb Mifct eft julueilen, rote in ben beiben eongen
Seenen.
^anbmerfS6urfd) (re<f,t mie ein Stroit au*fe$enb, einen Hegenidiirm in ber *anb,
ber aber bie idneften &öd>«r t»ot. 3m Hutten). 9iun foK mir ein er)rlidt)er SRenfcf) fagen,
in maS für (Kalamitäten fo ein armes Suberd&en mie unfereinS geraden
fann. C roef), o roef), o roel)! 92a§ bis auf bie «gaut! Unb fein $ad),
fein £adj feit Stunben! Unb babei baS SMtfecn! Witten imSßalb! 2IMe
(eidjt idjlägtS an fo 'nem ©aumftamm runter, ber anne SKenfd) gebt gerabe
baran oorbei, unb futfd) ift er, ©Ott f)ab ifm feiig! &err ^efeS, baS
Segnen! Unb ber <Sd)irm! (»tnnt gegen einen Poum.) 2lu, au! Unb bie ginfter*
niß! ^Ter 2«alb ift mie oerljert.
Wartha <% m. ©el)t ba nidjt mer? 2Bagt er es suriidjufel^ren ?
^anbmerfSburfd) im H4» an ber rediten ffefe ber t»iitte fleftosen, für fü*). J^aS
ift benn baS roieber für eine egnptifdjc ^>lage? daft« we *oiten entlang) ^>aS
ift ja ein &aus ober fo was berg(eid)en? 3ud>l)e! Unter %ati)\ ©efc^ioinb!
Wartha <f*rcimb). ©er ba?
^anbmerfsburfd) (unter bem »orbod». ©ut greunb! 21M II fagen ein armer
Reifenber. den $ut in ber «anb.) ^ute gar fd)öu um einen 3e()rpfennig. 6ie
bürfen ft<$ bei ber ginfternifc aud) in ^^rem werten Portemonnaie oer=
greifen unb es mehrere Pfennige fein lajfen.
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\Ö0 £?ans £jopfcn in Berlin.
SKart^a. öefjen Sie!
&anb werfe b urföö. Xa müßte mein £erj ein Dtorr fein!
9Hartf)a. ©efm Sie! 3öa* motfen Sie Iner?
£anbn>erfaburfd). 2Me ftrage! Unterfte^en roitt id). SBci bem
§unberoetter werben Sie einem armen teufet bod) fooiel gönnen!
2Jiartr)a cur m. 3d) fürd>te midj $u £obe neben biefem unljeim-
Hajen Strold).
£>anbruerf 3burfdj genau« bctTaAttnb). £ören Sie einmal, Sie finb
ja bilbfjfibfd)! unb ba ftfcen Sie ganj mutterfeetenaHein im roilben 2£alb
fpajieren? 9fa, na, na! <sdjaut n* mn>. SSirflidj ganj allein? «9*antin bte
mu, für m. mxUiä) allein! 9tf), bas ift gut!
9)Jartt)a (angim*». ©efjen Sie bodf)!
&aubn>erf Sburfd). 23ci bem SBetter? 23eUeibe! . . . (•■reanMidrfo
diMen Sie lieber ein wenig. Gelegenheit madjt £iebe, unb e* fyaben
roofjl unfer jroei auf ber 33anf ba ^lafe <f»"at>
Unb neben fchöuen ^ränlein, ba fifct ftd)'<& tDunberfcfyön!
(fpridit) Sdjafcfinb, wie haben Sie fid) benn hierher «erlaufen?
9JIartt)a. Steden cte auf! dtufnren Sie mid) nidjt an!
^anbroerfSburfd) (jubrinand». ifiur ein gauj Keine* biffel. Xa*
Söetter mad;t einen gar fo fdjaurig, unb ba rüdtt man gern näfjer $u*
fammen.
Sftartfja (ftm«at auf, trflrdft ba* Ortoetir uub febrett). £affen Sie midj ober
id) fdjiejje! &Ufe! Glau«! . . . i»*b ««««a« uebeminbuna.) Ggon! Ggon!
^anbroerfiSburfd). ^ädjerlid^! <3<W ba*<3<toel>r, fie ringen unbbtr 2vfcub gebt loa).
9. Scene.
Sie Vorigen, Ggon öon red)t3 au* ber jioeiten Goultfi'c mit fliegenbem Schritt.
Ggon. $a$ mar ja ein Sdmfj ober narrt mtd) ber Bonner . . .
SBar mir'« bod) aud), id) fjörte mid) beim tarnen rufen ?
£>anbn>erf*burfa) (bot jwaff« o« ft* B«nommtn). Spiele nid)t mit
Sdjiefegeroefnen!
Ggon (oor ber ^ütte). gräulein uon Strobberg! . . . Siub Sie nodj
t)ier . . . unb in ©eieflfdmft ?
2){artf)a. Um (SottedmtQen, befreien Sie mid) uon biefem Stroldj!
.ftanbroerfsburfd). 311), ab, af)! Strold)?! s#itte feljr! §ä) bin
ein eljrfamer "panbroerfer.
Ggon. 2ßer Sie aud) fein mögen, rote fommen Sie ju meiner
^■linte? £er bamit!
^anbioerf sburfd). Sad)te, 9)länndjen! $er jroeite £auf ift nod)
gelaben!
Ggon. .per bamit, fage id)! <^<< nwn um samt. <$wn wirb einen nuw-
lltcf juriiifjcit'tJrütt. Mit er lutt&er aitßrdfett Witt):
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<£s tjat fo follen fein. \3\
#anbwerf$burfcb (ntr ftd.). £alt 9totur! Safe c$ an einem 3M
genug fein! . . . Unb Du, o £err, ftu)re uns md)t in $erfua)ung!
(Egon fi>« fi# »ä&renb btr üortfltn JBortc einen Vauatafi oom »oben ourgeicftn l>ot imb nun
äum ÄHagtn ausboru £er mit ber SSaffe! . . .
£anbwerf3burfa). 92a, meinetwegen! Da tyaben Sie fxe! 2öei(
Bie gar fo fjöflid) barum bitten unb weil baS SBetter gar fo fa)ön ift . . .
Seben Sie woljl alle Scibe miteinanber! 2Beiter um einen 2BaIb!(cw*
IMl ab.)
10. Zeent.
ößon. Wartha.
3)iartf)a '«» *™t faf««». 9Wein ©ott! 3$ bin mefjr tobt als
lebenbig.
©gon (bm tonbnwrttburfcfKit nadffeqtnb). (&X ggf)t (nad> oben) unb ber 9?egeU
f>at aufgebort . . . 3°) ty&e &eibe$ nid)t erwartet. 2lber gut war'$ bod),
baß id) mtc^ nid)t ju weit entfernte. (3« Partim.) äöie ift 3*)nen?
3Wartt)a. 3$ oanfc- Sa)recf fifet mir in allen ©liebem.
Ggon. Unb ber Jujj?
SJlartfja. Sd)mer$t . . . 3$ fann nid)t auffielen . . . 3lber id)
möchte 3^ncn banfen. ($3 mar brao oon Sfyxitn, bem bewaffneten 9)lann
fo energifd) entgegen ju treten. Sie finb ein mutiger, ritterlicher ÜJtenfa).
3$ oerfage 3tmen Danf unb Hnerfennung nid)t. (5$ brauet fonft in
unferen Sejielmngen nia)t$ geänbert ju werben.
(rgon. 2lber Sie begreifen nun boa) aud), bafe id) Sie Ijier nid)t
allein laffen !ann. swortöa fdm>tiat) Darf id) bleiben?
SHartlja («laernc«. 3d) fann leiber nia)t nein fagen. 3d) muß Sie
fogar bitten $u bleiben . . . aber, bitte, brüben auf ber anberen Seite!
(£km5 Weit brüben! «*«ou fallt fein Okacin in*« Sau«, nimmt bamt am anötreit tfnbe air ber
Sfcwf Unf* cor t*r 2t)ü« Watj.)
3Wartf>a (für tu», Gourage fiat er! csiüfi txnwen na« n»m.>
©gon. Darf id) mit 3^en reben?
9Ji 0 r 1 tj a < fdjiittelt ba» #aupt »e rntinenb).
Ggon. 33on ganj gleia)giltigen Dingen? . . . SBom Söettcr?
9Hartf)a. Da$ Detter wirb bura) Sieben nid)t ben er gemaa)t.
©gon. 3« oer Sljat. (53 tropft fd)on wieber! (£«e &mb ou*ftrt*nb.)
@d regnet.
3ftartf)a (n* ein6airenb\ gießt! 2ld), Du meine ©üte! £Sätten nur
boa) ben Strola) nad) bem Sa)lo[fe gefanbt um einen Ziagen! . . .
(Sgon. 2öir fonnten if)m ia ben 2Beg nid)t angeben. Seien Sie
frof), bafe er fort ift.
3Kart^a. Cb ia) frot> bin!
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\52
Vians ^opfcn in Berlin.
11. Brette.
#aubu>erf*burfdb fe&rt |u twn SBoriflen t>on t'mt» «urürf.
£anbmerfsburfdj. 3ft baS bie ßütte? ... 3a, ©Ott fei Sauf!
3J?artI)a. $a ift ber 9Kenfd; mieber!
@gOU <auffpriitfl«nb). gurÜcf!
$anbmerf sburfdj. 9ttein gutefteS §err$en, meine uerefjrtefte
$ame, gräulein ober grau, nidjtä für ungut! 33ei beut SKetter jagt man
feinen &unb oor bie Xl)ür. 3$ bitte, laffen Sie mid) unterftefm.
ßgon. 33croa^re!
£anbroerf£burfdj. Sagen Sie maS Sie motten, tljuu Sie roa§
Sie mögen, fließen Sie meinetwegen ein gan§e3 Siottenfeuer allein ab . . .
idj bleibe! . . . (irftt unter Ja*.)
©gon. üDtein ®eroef)r! (»ur «jut na*.)
ÜJlart^a (Mt auf unb öda i6n om «nn feft». Saffen Sic i§n! ^Ucr arme
Xcufel ift tropfnaö, unb ber Siegen fdjüttet fo unbarmljerjtg herunter . . .
@gon. 2lber . . .
SWartfja (f«w fl* »u«b«r>. SBenn Sie f)icr finb, fürdjt' id) midj nidjt.
Unb genauer betrautet, ift er roof)l aud) nidjt fo furd)tbar.
©gon am* $<mb bleibt in f«tticr). SBenn Sie meinen.
^anbroerf ^burfa^ (t»eu ttoDf au« b« xbürt ftrerftnb). 9to fef>n 'Sie: jefct
»ertragen mir uns äße £)rei l)übfd) frieblidj miteinanber.
■Dlartfja (bie &mt $nru£fjicbtnb). 2IUe XxeVi
£anbroerf Sburfdj. 6i ja! 3$ nüd) Ijier brinnen unter $adj unb
gadj unb Sie fid) mit öftrem &errn ©cma^l ober Bräutigam, roa£ er
nun eben ift!
3Kart^a (cntmft«). $er &errV!
6g on (Info. 9lber id) bitte Sie, gräulein, ber brauet bodj nidjt
ju miffen, bafj mir un£ fymtc jum erften 3Jtal fpred)en. 2öie fott man
ba$ fold) einer Statur in Äürje erflären!
£anbmerf3burfdj <»u &gon). SBarum fe|en Sie ftd) berni md)t nafjer
ju ^i)xem gräulein 33raut? 3mntcr bidt)te ran! T(mn Sie bodj, mie
wenn Sie Ijier ju -Jpaufe wären ! 3d) roW nidjt ftören. 3$ oerfd^voinbe.
( blc Xliürc btr gattc juriief.)
Sflartfja <»u ^oo«. ber r«4 nöo« ne&en i« 8cf<«t hat, reift). £a$ ift roiber bie
2lbrebe, mein &err.
egondnfe). Xulben Sie mid) bod) in 3l)rer Stäfje! können Sie
mir ein Sort im Vertrauen!
3)Jartl)a ^«icötnb). 3$ nuif? ja mol)l!
(5gOU. ÜJiÜffen? 9?ein! WH auffteöew. ?a «Meint)
^anbroerfsburfd) o»teber »ber ber 2f,ürv erlauben Sie gütigft! &ter
brinueu auf bem Xifdj ftefjt fo roaS, ba$ fief)t au$ . . . ba« buftet fo,
wie . . . mie ein 3ägcrfrüf)ftüd. 3a) Ijabe fett fieben Stunben feinen
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(Es tjat fo follcn fein.
153
Siffen gegeffen, Bin feit fünf Stunben $u guß, feit jroei Stunben im
Siegen. SStain Sie bie ©aftfreunbfdjjaft fo roeit treiben wollten, mir
nur einen Keinen Rappen, fo'n öemmchen mit toaS brauf . . .
(Sgon. Pehmen Sie roaS Sie wollen, effen Sie, fouiel ^nen be--
liebt, ober (äffen Sie uns in grieben!
äanbroerfsburfd). 3flit bem benfbar größten Vergnügen!
feȊbct>,
(Sgon (nir M). ^öffentlich giebt er nun 9hü)e! esetfe m m<mfia) (Soufine!
Hartha. «Wein £err!
6gon (teif«). 9K$t fo föroff! tlnb war es nur beS Heben Scheines
wiffen, gönnen Sie mir freunblidje 9iebe! 2Öo(Ien Sie oor bem 9Renf$en
ba mich fchlecfjt ber)anbeln? 2öaS foff er benfen? Unb, wenn mir uns
janfen, roirb er für einen oon uns Seiben Partei ergreifen. 28ünfcr)en
Sie ftet) folcfjen Parteigänger?
arrha, ©etoiß nidt)t!
(Sgon. 9hm alfo! £enfen Sie für biefen furzen -flegenabenb, es
wäre nichts gefd^e^en, roaS uns entjroeite . . .
9Jiartha. £aS benft jtä) auch fo leidfjt . . . fo auf (Eommanbo!
@gon. Unb ift benn mir flieh etwas gefdjeljen, was uns entjroeien
mu§! 23m ich für ben 9lechtSfinn meines DnfelS, finb Sie für bie Spiel*
routr) ^fjreö SBaterS oerantroortlich? 2ßenn es ber SBefife ift, ber uns
entjroeit: ich roerf ihn oon mir. ^ä) bin reicr) genug, bie paar borgen
2£alb unb 5«lb ju entbehren, unb bin glücflicr), wenn Sie fic toieber jurücf=
nehmen motten, als 3hr rechtmäßiges Grbe . . .
Hartha. Niemals!
©gon. SBarum nicht? 3$ ha&e ^ine 3rcuoc mehr an biefem
(rigentfmm, wenn 3hf #aß barauf roäcrjft. 2ttir ift eS als öefife nur
roertbooll, wenn eS micr) ju Sfoxem lieben Machbar madjt; mir ift es ein
föräuel, wenn eS mich nur oon $r)neu trennt . . .
«Wartha. SWeine Butter roürbe nia)t in fold) ein Verbieten willigen.
Unb roenn auch fte . . . tcr) niemals!
(Sgon. 3tber oielleid^t in ein anbereS, baS mir noch lieber wäre.
3Jtartlja (ttmMwn»). Sie meinen boefj nicht etwa gar? . . .
6g on. 3aroof)l, baS mein' ich . . . Unb eS liegt in unferer
Situation fo nahe, baß felbft <ncd> ber $utu beut«*) folrfj ein SHauhbein biefe
£öfung erraten muß.
«Wartha. Sie mißbrauchen meine traurige Sage!
£gon. «Rieht bodj! ^ct) r»erfter)e fte nur, rerftelje ben tieferen Sinn
biefer Sd^icfung.
«Wartha. Scljictung?!
ßgon. 3a. «DJvr ift nicht anbers ju SRutlj, als hätte ber herbe
Stile unferer oerflärten Sitten uns heut unb fo jufammengeführt. IHHeS,
roaS roir feit einer Stunbe erlebt habe«, muthet es nid)t aud) Sie an
Jlotb unb 6ub. L , 149. 11
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frans Jjopfen in öerlitt.
tüte Sdnchmg üon oben? 3^ei junge 2)Jenfdjen, bie arglod, o^ne an
einanber ju benfen, am borgen ftd) ergeben unb 2lbenb$ an einem
menfdjenöben Crt mitten im Sßalbe gefangen ftfeen, olme ftd) trennen jtt
bürfen, unb fo ju Sdntfc unb £rufe aufeinanber angerotefen, roie mir. $a,
mein Fräulein, id) glau6e fefi, ba& bie betben alten greunbe broben in
2öalf)all ftd) gefunben, oerglidjen unb attlgeföfmt ^aben unb bafe fic broben
bei etttanber fifcenb, wie wir l)ier unten, nur ctroaS näljer, (ni* nahen
befd)loffen rjaben roie folgt: ?luf ftreitigem ©runb unb 33oben fuhren mir
bie uttroiffenben Äinber jufammen, binben bem Gilten ben gu& unb bem
3iubern ben 2lrm unb löfen fic nid)t el)er, benn ba§ audj fte bem &af$ unb
£aber ein fröfjlid) ©nbe bereiten unb ftc§ bie £äube reiben jum eroigen
33unbe, ben ®egenftanb be$ Räbers in gemeinfamen iöefifc nefmtenb, bamit
unferer Sünbe golge oom ©rbboben oerfdjroinben unb mir $eibe roieber
rurjig barunter fdjlafen fönnen. — 3)tartf)a . . . graulein 2ttartf)a, fpridjt in
3l;rem ^erjen feine folaje Stimme? (aRnrtua mt innen«* (önwenb, Nrom »u»oben>.
^anbroerf Sburfd) un» b<r $mtte, aber ber H)»ir erf^emenb). Gntjdmlbigen
Sie, ift baä Gaoiar?
GgOU (entntftei über bie Störung $a! . . . Ultb (Sauiar ffiVS ^olf
roie mir fdjeint!
^anbmerf^burfä) Cnicrt »eranüflt unb laut, mit 3etcfteit be» Jagens über bie .v>ail>.-
t&iire ßeleljnr, rubjg weiter).
Ggon (fer aufflefpnmoen ift, mr m ©egen ben muß idj einmal meine
Serebfatnfeit ilt'3 ©efed)t führen. (@eflcn ben <?aubU>eTi*burfd>en mit erhobener Summe.)
2)ienfd), mir Ijaben ^Imen Dbbad) geroäfyrt cor bem Unwetter, wir Ijaben
Sutten ein ebettfo unerwartete^ roie unoerbtenteä Slbenbbrot in ©eftalt oon
laltcm Gntenbraten, Gamarfdmitten unb Gognac aufgetifdjt . . . wir er^
roarten bafür nid)t3 weiter, aU bafj e3 Slmen gut fdjmetft unb Sie und
in unferer Unterhaltung nidjt ftören. Sie aber ftören uns immer roieber!
Slöoücn Sie bei ben fogenannten gebilbeten Stdnbcn ba3 a$orur%ü wad)=
rufen, bafi e3 bem beutfdjen Arbeiter an 3artgefül;l, an Sä}icfltcf>fcit3=
gefüljl, an cblen 9tüdfid)ten gegen Slnbere gebräche . . .
&anbwerfsburfdi. £crr jemine, bie Stimme! 3« freilid)! baö
ift . . . tSBerfdrtDinbet, um ßWidj borauf beroii»mfommen).
Ggon (bewnien ludttrperorirtnb). 2Bte foll ber aufrichtige §reunb ber
arbeiteuben Waffen foldj fopflofem ©ebatjren gegenüber . . .
.^anbroerföburfd^ (H* q» (5(ion bräHflenb). §a, ja, Sie ftnb'3! . . .
Xie Stimme in biefem £on fettn' id) am jüngften Sag nod) aus Iiunberten
herauf! £a§ \<b Sie nur nid)t gleidj erfannteV! £aran ift ba^ uer=
bammte Unroetter Sdjulb. 9ld) ©ott, a.a^ Öott!
Cr g ott. 2i>a3 l;at er benn?
.c^attbroerf dburfd;. $a, fennen Sie mid) benn uidjt roieber?
(5*gon. Xurdjau^ nid)t! Sie irren fid) in ber $crfon!
^anbroerf*burf$. ^d) mia^ irren?
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(Es Ijat fo follen fein. \55
9JJartf)a. 2Ba^ fott bal?
£anbwerf3burfdj. 2£aren Sie ntajt einmal in 3«>idau beim
fönigliajen Strafgerid)t ?
(Sgon. 2lllerbing3! 3$ oerbientc mir bort meine Sporen $um
SftKffor. 3d) oertyeibigte bort einige Spifobuben . . .
£anbroerf3burfd). 9?un fefjen Sie, einer oon ben Spifcbuben
war idj!
2) cartl)a (fprinat geantftst auf). Um ©otteSroitten!
§anbroerf3burfä) uu sjiartk) 2ldj, benfen Sie nidjt* 23öfe3! 9hir
fo sroei 3äfjrlein 3udjti)au£. ©in bteajen tförpcruerlefcung ofnte <5§roerfuft.
(r$ war, weife @ott, nid^t bös gemeint geroefen . . .
SJiart^tt. ©in 3^t()än5ler! 91$ ! (f*«ii au-" unb »IC bawnlaufen, tommt aber
uiät uxu unb fc«t fuft »ietxt).
Ggon. Surften Sie nidjtä!
$anbroerf3burfd). 9Jein, gräulein, fürd;ten Sie nidtfv>! ÜJiein
Seben für ben SJiann!
3) fart()a. Sie fennen ben §erm?
^anbroerfsburfd). £errn 2lffeftor oon Gidjftäbt? (Sgon oon eiaV
itäbt ? ben nieftt feinten ¥ CJ!
vJ)iartf)a <J«r f^>. Sirflidj? Seltfame Begegnung!
&anbroerf3burfd}. SBenn Sie ben SJlann rennten wie id; . . .
(Sgon «untertredKnb). Seien Sie nur rutjig! 2£a3 ift benn audj an
unferer öef anntfdjaf t ?
HJfartfja «r.r ,id,.. £ie ^Befanntfdjaft mit einem Spifebuben! (3»* w
^anbioerfäburfd). Senn Sie ifm gefeljen fjätteu, nrie er fo baftanb
im langen Xalar roie ein fcrjroarjcr Sdmfcengel! Senn Sie itm gehört
Ratten, roie er fpradj . . . mit b er Stimme fpradj: Steine Herren ! fpradj
er, unb . . . 9?a, id) armeä 2uberd;en fanu'ä ilnn nid)t nadnnadjen, id)
roeifj aud) bie Sorte nidjt mefjr . . . 5lber id)ön war'* . . . 2Jtir liefen
bie bideu tränen über beibe ^aden, fo gerüljrt mar id) . . . 3$! . . .
2lber bie Herren Jttdjter, bie ^artgefottenen 9J?enfd)en, bie waren nidjt ge*
riü)rt. £ie Ratten Sad)3 in ben Cr)rcn, oon bem 2£aäj3, woraus bie
9iafe ber ®ered)tigfeit gemalt fein foll . . unb fie oerfuurrten mtdj nn-
barmber^ig, roie'S ber 2lnbere, ber &efcl)unb ber ©credjtigfeit, ben Staate
anroalt mein' id), oorgefläfft fjatte. itollgeftridjene jwei 3<xl)xe mufjt' id)
auäljalten! lange 3afjre! Sa^ für 3alne jioei! emm v*> bie «u,Wi,.
Ggon «unatbuieifl). g^a, alfo!
3Kartr)a. Unb für jroei 3afjre 3ua)tl)au§, bie Sie nid)t einmal
oerbient ju t)aben glauben, finb Sie tyxem ungefd)idten SBertfjeibiger fo
banfbar ?
$anbwerf$burfd). 3a! baS bin idj! ... 2)enn ma^renb id)
mir in ben sroei 3a§ren bie kippen abnagte oor ©ram unb Sorge, baß
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\56
^ans topfen in Berlin.
meine alte SRutter, befdjimpft unb oerlaffen, &ungerS fterbcn würbe, gab
ifir bet 2J?ann ba, ber ungefd)idte 2?ertheibiger, ehrlich ju oerbienen . . .
Unb als idj wieber an'S Siebt ber greirjett (jeraugfam unb nicht au«,
nid)t ein wuftte, wie ben geregten 9JHtmenfd)en unter bie SJugen treten unb
reo einen Lebensunterhalt erarbeiten, unt nid)t roteber ber grauen $ade
ju verfallen aus Verzweiflung : ba hatte ber ungefdjidtc 9Wann bafür ge*
forgt burdh ein gute« Söort ^ier unb bort, ba§ id> toieber toie ein ehr*
lieber C^riftenmenfa) mein 33rot enoerben unb mia) attmählidj toieber unter
bie 3lnberen einreden burfte, meiner felbft fidler.
Hartha (ju <Hon\ Das haben Sie getfjan? gür einen fremben
9Kenfdjen?
©gon. 2Hetn ©ott, was ift babei! Gr mar mir ja ni<f>t mehr fremb,
unb ich füllte midj gewiffermafeen oerpflid^tet. $ei einem gewanbteren
Vertf>eibiger mär' er unfehlbar freigefproeben worben. 3$ (jatf ihm bureb
mein Ungefd)id äwei ^aljre 3udjthau£ auf ben £als gerebet — was
&>unber, bafe icb ihm bann ein toenig behilflich mar, nicht ganj ju oer=
tommen! $ft ntebt beS Aufhebens wertb!
Hartha (mwmm*) ,§err oon ©icbftäbt, Sie ftnb ein braoer 3Hann!
£gon. Hartha!
ftanbwerfsburfcb <ju 3Worti»o). hänfen Sie ©Ott, bafe Sie an ben
9flann gefommen ftnb!
Hartha. 2SaS fällt 3ftten ein?!
$aubn>erf Sburf dt) (om m im machen »u tonen). 3$ weift ja freiließ
nid)t, wie lieb Sie ihn ba6en, gräulein! 9lber id) fag' 3hnen/ ®ic fönnen
ihn gar nicht lieb genug h<*&en. ©r wirb Sie glüeflich machen! Gr ift
ber befte 9Wann unter ber Sonne! 9lber wenn audj Sie ihn einmal reebt
glüeflich ntachen werben, . . . wenn Sie einmal feine liebe Hausfrau unb
bie SJJutter feiner frönen Äinber fein werben . . .
Hartha <fWI abiuenbenb\ Olj!
.§anbwerfsburfcb <fortfat>renb). Xann foü er baran benfen, ba§ ein
armes, altes Mütterchen, Das er oor bem ärgften (ilenb bewahrt unb ba$
ihm bie Rettung ihres Sohnes gebanft, fleißig für ihn gebetet höt, auf
bafe es ihm wohlcrgefje auf (Srben!
SKartha abrombenb, reife für fidj). 3$ fann nidjt . . . $cb barf niebt!
(5g on (b*r «» bemerft bot, ^um vanbiperfsburfciKn). Sie irren fich, lieber SRann.
$aS Fräulein . . . ift gar nicr>t meine Vraut . . .
.§anbwerfsburfcb. 5iid)t $\)xe SBraut? . . . 9?a, waS benn?
(ig 011. 9?ur ber 3uTaI* • • • baS Unwetter h«t uns fax 5ufannnen
aufgehalten.
.ftanbrnerfsburfd). 3S>ie f cr)abe !
Ggon. Sic bringen bie Tarne unb mid) felbft in Verlegenheit mit
folgen Lebensarten.
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— €s Ijat fo follen fein.
157
^anbroerföbtirfd) (batb bte <5tne, bafo btn «nbereii enrtdufdJt anblWtiib).
baure unenblidj!
6g on. 2lber Sie fönnten un$ Seiben einen grofjen ©efallen timn.
ßanbroerfaburfd). 3$ . . . ^rmen? 3eben, reellen Sie be*
fehlen, &err Slffeffor.
(Sg on. 311$ Sie bed Sege* rjerfamen, bemerken Sie ba nidjt nafje
an ber Sanbftra&e ein Sdjlöfjapen mit oier Xf)ürmen, in einem grojjen
©orten gelegen?
£anbroerf äburfdj. Qaroofu'! ©in breitet Stjor aus SJjmiebeeifen
unb red)t3 unb linfs auf einem Sanbfieinpfeiler einen ßöroen, ber roie ein
9*ubelf)unb aufwartete unb bie ^Pfötdjen gab, etwa fo!
SJiartlja. ©ans red)t, ba£ ift ba3 ©artentljor tum Studberg.
<5gon. Würben Sie ben 2Beg jurueffutben?
£anbroerf$burfa). 3$ glaube roof)l, toenn'S ntdf)t au> rafd;
finfter wirb.
©gon. 25er Stegen tjat nadjgelaffen, unb Sie rjaben fid) geftärft.
(Silen Sie borten unb berieten, ba3 gräuletn oon Stro&berg rjabe fid),
im Salbe über eine SBaumrourjet faHenb, Sdjaben getrjan unb fifee tjier,
unfähig, mit bem 3ufj aufzutreten, cor ber Sorfenfjutte. 3Han folle un^
Derjüglia) anfpannen unb fie mit einem bequemen Sagen abholen, hoffen
Sie ba* beftetten?
^anbroerfaburfd). Sa* Sie befehlen, £err äffeffor, fa)nurfrradte.
9htr . . . . n>a$ ba3 Setter anbelangt, ba guden Sie fid; einmal bie
Solfe an, bie bort rjeraufaieljt, ein föroarjer JHiefenfadt ooll &agel, 23lt$
unb Schlag. 9lber gleidjoiel, toinbelroeid) ober firolnroden, für Sie, £err
Sifeffor, burd^ Saffer unb Seuer! («<> in Me $«tte).
SJfartfja. Jtöftlidjer Gtnfall! Senn er nur ben Seg nidjt oerferjlt!
©gon. Senn nur ba£ Setter nidjt ju frur) losbricht!
^anbroerf^burfd) (erfdKint »Uber mit $ut unb Stanjert unb Sdjirm).
(5g on. Gilen Sie!
3ttartr;a. $a, bitte, eilen Sie.
$anbroerf$burfd). Saä ofme Flügel an ben Jü&en gemalt
werben !ann, fott gef^etjn. 2lber e$ ift weit! Soffen Sie fid) unterbeffen
bie3eit nid)t lang werben, unb ©Ott befohlen, meine $errfd>aften! im™*
red**. (Jgon ftebt i&m, fytlb in ber Qoulifft, natb.)
12. tocent.
2)lattt)a allein, (Sgon in ber (Soultne.
aWar trja (*or*enb). Sein Sdjrttt t>erl)aflt . . . Sann fommt er wieber ? !
Salb . . . SaS jammert ba$ tf)örid)te £er$ fo fjeftig? 2lu£ Ungebulb? . . .
(hatten .tKrnemfnb ben sh>po. 9fciii! Seil $u wieber mit $enem ganj allem
bift! C&!
egon an bie coaiifie mfenb): $rauo ! 9Iur fo frifd) weiter ! . . ^opp,l)opp!
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\58 fjans £jopfen in Berlin.
}Jiattf)Cl (»«< ÖalWout«* Jenten fdtfidit bor ftdi tyntufpredjen):
2Rein gaujeS (Sein füb,lt fidj ju ifjm getrieben.
Sdjön ift fein 2(ngefid)t, fein $era üott 9Jiutf),
Unb ebel ift er, fnlfreid), treu nnb gut,
Unb bod) . . . icf) borf mid) nidjt in tr)tt öcrlicbenl
3d) foll ifm Raffen, ift mir toorgcfdfriebeu,
©efdjrteben mit beS eignen SßaterS Sötut,
3>a8 er bergofe in ungefüllter 2Butb,
2a nidjtS ibjn als fein §af$ unb id) geblieben.
2tfot)l bünft mid) f>eut, er läcfielt in »erflärung,
3)ern>cil mid) bange 3roetfcl f)ier befdjlcidjen
Unb Neigung fämpft mit <JSflid)t imb mit 2kreh,rung.
£arf Üiebe jenen alten §a& begleidjeu?
$anu gönne, 2?ater, deinem ffinb Söeleljrung!
3d) fiel)' £id) au: gieb mir ein ficfjtbar 3eid)cn!
13. Zcewc.
i'Jartlja. 6g on (Don red)U jurütffcfjrenb).
ßgon (bie tfaiib ouaitrfcfcnb unb nadi obm fdunb). ©.g fängt, 1t»etft ©Ott,
nneber uon Beuern an ju rennen unb ju Maien, $uf), bie fdjtoarse
Söolfe! <3« ^rtijo iKicnb, fie tinbtiiicnb) ©etroft, mein gräulein, noa) btefen legten
ärgften ®uft aufgehalten, nod) bie lefcte SBiertelftunbe in ®ebulb oerbrad)t,
unb bie ©rföiung ift ba. 3m bequemen &>agen forgfam gebettet, rollen
Sie bann fad)te bem $eimatf)aufe ju unb täfeln morgen frülj über baS
fleine Abenteuer im &>albe, ba3 Sföritn ein 23i«?d)en bange gemalt ^at.
'SWart&a. ©in Jöisdjen? 3a) banfe!
(5 g on. £arf id; mta) morgen — ober übermorgen naa) öftrem
iöefinben erfunbigen?
3ftartr)a. 2t)uu Sie' 3 lieber nid)t!
CSgon. 3()rcr 5rou SKutter roegen?
9Wart^a (idiittclt imi .fcaupt Dcnuintnbv
(Sgou. Sterben mir uuö nia)t nneberjeljen ?
aRarttja. Sieht!
Ggon. 3lf)! '«lein« ipoufo. Raffen Sie mid) noa) immer ... wie —
bie SünbeV
sJJiartI;a. 9Jein, id) f)ane Sie nid)t mefjr. Sarum fott id) lügen ?
3d) ^abe — rotber Hillen, ja bod)! — idj t><*be Sie als einen braoen,
uornefmt benfenben, liebenSroürbtgen 9Hen|d)en erfannt. Unb — roiber
Hillen, ja boa) ! — e£ tf)ut immer vooty, einen guten 9)ienfd)en mefjr auf
biefer &>elt ju nriffen, bie oon fä)lea)ten wimmelt.
Ggoiu £ie 9Jienfcr)cn fiub gar nid)t fo fa)lea)t, mie e£ 3fmen ein
bequemer ^effum£mu3 einrebet. ©lauben Sie'3 mir, ber id) Safu-elana,
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<£s tjat fo follen fein.
*59
Spifcbuben oertfyeibigt fjabe . . . unb mit roeldfjem Erfolg! ?lber gefegt bcn
ftaü, bic ©uten roären roirflidj fo rar, roär'3 mdjt ein ©runb mef)r, ba&
ftd) bie ©uten enger an einanber fdfjloffen?
SWartfja. 3d) bin nidfjt gut.
Egon. D ja!
Sftartfja. 3Öiffen Sie ba3 fo benimmt?
Egon. 33) ^iauhe e$ ju roiffen. Unb felbft wenn Sie nid&t fo gan$
gut wären, wie Sie finb, (»ärmer) bas roei& i<$ beftimmt, bafc i$ Sie in
meinem Seben nidfjt mefcr entbehren fann.
3ttartf)a. SBeld&e SpradEje! SSoCen Sie mit ben testen 2lugenbliden
unteres 3ufarouttifeina mir bie gonje Erinnerung baran verleiben?
Egon. 3m ©egentljeif, iü) roitt Sie redfjt oft unb red)t freunblid)
an biefe rounberfom fdjaurige Stunbe erinnern, in ber idfj Sie roie eine
$lume im roilben 3Salbe fanb, fo Ijolb erblüht unb fd&ön wie ba§ ©lud
meinet Sebent!
2Hartf>a. Still!
Egon. Seien Sie roaf)rf)aft! Eine 9totur roie bie Sfcrige fann nidjt lügen.
ES ifi unmöglich, bafe ein fo fjeftiges @efüt)l, roie ed jefct bo brinnen in
meiner Sruft tobt, einfeitig auf bie SSelt fäme unb nid)t ben anbern mit
ergriffe in groeigejüngter glamme! 3fjren alten &afc in Efjren, id; bin
3^nen fo roenig gleid&giltig roie Sie mir!
3ttartf)a <^xmt am, »in». 3ßer jagt ^nen ba$?
Egon. Um ©otte£ mitten, bleiben Sie fifcen! Sie roerben fidjj
melj tfnm!
2Rartfja. 3$ roitt mir roel; tlmn. 3$ will mir förperlidje Sdjmerjen
ocrurfad^en, um ben Sdjmerj ba brinnen ju übertäuben. 3fl/ ®te
fef)enber £f)or, ja, Sie (jaben 9?ecfjt! Sie finb mir nid)t mef)r oerfjafct.
Sie finb mir niajt gleidjgtltig. 9lber Sdfjanbe auf mtdjj, wenn biefe 3ln=
manblung über meine fjeiligften Erinnerungen, über meine SUnbe^liebe, über
meine &inbeäpfltd)t &err roürbe! 3$ nmfj biefen 2Iugenblid£ oergeffen,
unb id) rotll unb roerbe eä! SBerlaffen Sie fid) barauf!
Egon. Unb id} fage nein! Sie roerben nid)t uergeffeu! . . Cber
uielleidjt einmal in fpäten 3a(jren, roenn uns füfee Erinnerungen nidjt»
metjr angaben fönnen. tUber fo lang $t)t &er$ noü) fdfolägt in 3ugenb=
luft unb $afeinsfreube, fo laug bie ^Blumen unb ber Söalb, ber fprubelnbe
Cuell unb ber roolfenjagenbe Gimmel $foxe 23ruft nod) iaudjsen unb
weinen laffen, fo lange roerben Sie meiner gebenfeu unb biefer Stunbe mit
umdfjfenbem Seelenfdjnnerj geben!en, roenn fie bie tefete bleibt jroifd&en
3*men unb mir.
5J?artf)a. 3$ benfe '"ir mein Seben lange fdjjon als fein t)eitere^ . .
WÜ& tf)Ut 3 ! (23i«bcrl)0ltti, toenn nocf) (eifere* 23(i?cn unb Xonnern begleitet, otjttc bo« epredutt
iu ndren bie ßonje Scene.)
Egon. 2^örid;tel 5tinb, ba$ mit bem geuer fpielt unb ben Teufel
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\60
$ans ijopfen in Berlin.
cm bie SBonb malt! . . . 2öa$ ift bas tnenf$K$e Seben bcnn?
Gine SRacht im nrilben 2Balb wie biefc! Der SRegen raufdjt, bic SMifce
fprühen, unb bcr 2Binb rüttelt an allen $foften 2)eineS Räuschen«. 23eh
$ir, wenn £u nicht eine ©teile haft, too $u cor ben ärgften Unbilben
$icf) flüchten magft unb einen treuen ©enoffen, ber SHdj, bie Schaubernbe.
an fein fixeres ^erj steht, um mit $ir bie lange gefahrumfluthete Sebent
nacht $u burdjroachen. £a$ Seben ift arm genug an fich . . man brauet' 3
nicht noch mit SüiHen ärmer &u machen! Unb wenn ba3 ©lue! ftch jetgt,
fafc es bei ber &anb unb halt e3 feft ober $u freoelft! . . . Wartha!
(er reitet lf>r feine $änbe &in).
9flartf)a (oD«e r« äu um™). 3roifd)en 3t)nen unb mir fteljt ein Statten,
ber meine £änbe feifeit.
Ggon. (Sin Schatten? Gin «Phantom, eine Ginbilbung, ein 9ttdjt*l
9flartf)a. Gin furchtbarem GtroaS! 2Hein heüigfteä Gmpfinben!
Ggon. Unheüig ift ber &ajj, unchriftlid) unb oenoerfltch !
Sflartha. Äinbe8pflid)t ift immer gottgeboten.
Ggon. §at 33ater ^nen geboten, mich 3U Raffen?
Hartha. 3a!
Ggon. Gr ^at mich nie im £eben gefefjen.
9Jtartf)a. Gr nahm feinett au« oon ber gan$en Sippe!
Ggon. 2)a$ mar nur in einem Jteberroafm möglich-
Hartha. Schmähen Sie bie lobten nicht!
Ggon. £obte ober Sebenbtge, ich trofee 3lflem, iua$ mich *>°n 3htten
trennt.
Hartha. Sluch meinem eigenen Gmpfinben, S^orV
Ggon. 9Iud) öftrem eigenen Gmpfinben, Xhörin! . . . ( swbeibe« &&nbe«
foffettb) Raffen Sie mich wenn Sie tonnen!
SJiartha (f«4 «bm miib,fam unb l>eftig entwlnbenb). gludj, S^am Unb Schanbe
über mich, wenn ich'3 nicht fann! 3<h fyab' getonnt. 3<h ro^b'
es toieber lernen! . . . Uno lernt' id/S nicht, fo raouY ich, fo wahr mir
©ort helfe, ba3 SSetter, ba£ bort oben näher unb immer näher jüngelt,
es baüte feinen fchroerften 23Itfe jitfammcn unb fchlüg' ihn geraberoegS auf
mia) nieber, bafj ein Gnbe märe, beoor ein närrifcheS ^erj an ft<h felber
3um SSerräther wirb!
Ggon. Sic freoeln!
9Jtartf)a. Sei'S brum! 3lmen! . . .
(Um Artigem ifconnerMlaa jutft ein »Ii* über bie Süijne unb jcripltttert linfi ber £ü:te einen »cum,
ber aHniäl)Ü4> ju glimmen beginnt).
3)iartha (fareit auf) 3e|*US! falrjt W in ffgon« Hrme, ba» «naefi$t an femer
»ruft turbergenb. SUoufe).
Ggon U'td) a(Imä$ficn, nad>beu»ber Xonnerfttjlaa »erbaut ift, faffenb, 3)iartbabo»$aar fire icbelnl>>
£a ftefjft $u nun, geliebtes HRcnfcf>enfinb,
mt tl)örid)t oft bcr 9?ienfrfjeu SBünfdK fmb,
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€s tjat fo follcu fein.
Unb nie bic ®ottl)eit, bie man ftift oerblenbet
Um Untfjat angefleht unb Untergang,
35 ir halmoiUfaljrenb e& jum Söeften wenoet!
3>u riefft bcn 2Jli$, er tarn, er fdjlug unb fdjlang
$en 9tod)bar »aum, ber nun in Rammen cnbet;
2)irfj aber toarf er jäljlingS Doli (Erbarmen
9ln meine ©ruft, unb S>u enoadrft in meinen 2trmcn!
3)cart^a (ambiiefenb). O roet^ ein armfeligeS, fdjroäcf)ltd)e$ ©efdjöpf
t)t baä Sßeib! ... Dl) ! (ö* faaubert 2Rartba not* einmal über ben «amen Üeib, unb fif
birst obtrmal* baS Seilet an Gflon» »ruft).
&QOXI (iftr fanft eiaen Äub in'i «aar briiefenb). ßattett Sie nid)t b«t ©eltgen
um ein S^djen gebeten?
3Kartf>a (auwwenb). Sott id) für einen Stfrcffaläroinf nehmen, n>aä
3^nen niemals etroaS 2lnbere3 als ein blinber 3ufall fein wirb!
Ggon. 9iidjt fo ganj gufall . . . Sammeln Sie fid&! Rommen
Sie 5U fidj! (Sr geleitet fU balb getragen »u btr Bant, worauf fte fidj erfAüpft nieberläfet. ögon
neben ti,r). 2flir fällt ein Sieb ein, ba$ ia) iüngft gelefen. ©3 pafjt fo gut
Ijier&er. 23ie roar'3 boa) gleidj? (Sucbenb.)
3* fiel im Salb unb biinfte mid) öerloren . . .
SHartlja. 3$ lernt'*!
CS^on. (So fag1 es!
l^artlja. Sdjelm! (flacb furjem »efinneifl:
3d) fiel im Salb unb mahnte mid) üerloren;
2>er ©ötter Statur unb ber 2Renfd)cn Sie,
35er Silbnife (Sdjreden unb be8 Rimmels 23Iit$,
Bit fdjienen alle miber mid) öerfdjworen.
3>a tarn, ein SRofenfrängletn auf ben Clären
Unb in ber $anb ben $fetl, fo fdjarf, fo fpilj,
3u meinem I>offuung8lofen ^afenftö
2>cr flehte (Sott ber Sdjmärmer unb ber Sporen.
(£<&auberr. flotft unb ötrbirgt bas Okfkft mit ben >>dnben).
(5gOn (fortfaftrenb, fonft ihre fcänbe berabjiefjenb).
£u Ijältft bor fefj'nben 21ugen eine Sinbe,
©firaa) er, allein mie fruchtlos, fdmiad) unb ficht
3ft Siberftanb oou einem 9Wenfd)cnlinbe,
Senn bie 9totur befahl! tergteb $id) brein!
$f}U ab aü' alten ©roll unb ©ram gefdnoinbe
Unb glaube mir: eö f)at io follen fein!
(»leine $anfe, bann hört mon hinter ber Scene rufen unb Börner Hafen).
SJlarttja. £or$! ... ©in &ornruf . . . 2Nenfd)enftimmen !
(Sgon (unmiaifl ouffteb.enb). Unmöglta)! £er $anbroerteburfd) fann bodj
in ber !urjen 3«t ben 2Öeg jum Sä)lo& niajt (nn* unb jurüdgelaufen fein.
(iSieberbolte Kufe hinter ber Scene, ober fdion näher).
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\62 170ns fiopfen in Berlin.
3Jtartl)ö. &ören Sie bod) nur! . . . t«u« m bie Qouim £ier! &ier!
Stimme mt« ber ecem). Sir fommen! . . . So? . . . §ier!
(.^ornnife).
9J?artf)a (wenb). mir! (Sprcaenbv 3dj er f enne ben alten Glaus an
ber Stimme . . . 3ft ba» nidjt gacfetlid)t? £ort brüben!
Ggon. ©ig fdjeint fo.
9)tartt)a. (Snblic^!
Ggon. ©Ott uergeir) mir's: mir fommen bie guten fieute uiel &u friUi!
■Wartha. Sie mögen Sie nur fo reben! Qd) fiebere cor Sdmierjen.
Ggo n. 3$ fiebere aud) — aber nid)t oor Sdjmerjen!
14. uttb Iel|te Scettc.
35ie Hörigen. ftaubtoerfSburfd) unb Glaus treten mit tJacfelträgern unb
einer Xragbabre, bie aus 3tocigen bergcftetlt fein mag, in fettem Raufen auf.
Glaus mtx atiKmio«). ©ort fei getobt! Xa finb Sie ja, gräuleiu! . . .
Sir Jaben Sie gefugt, nrie eine Stednabel im «gaferfaef ... unb oer*
zweifelten fä>n Sie ju fmben . . . ba begegneten mir pm ©lücf bem
trüber Straubinger, ber fitf) im Salb oertaufen ^atte.
Ggon. Verlaufen? 3d} badete, mir Ratten i|m auf bie ridjtige
gdrjrte genuefen!
$anbiuerfsburfa)e. 9?ette gäl)rte ba«! $ei biefer ginfternife!
SJJein Lebtag bätt* idj aus biefer Silbnife nia)t bcrauSgefunben, wenn ber
Salbteufel ba nidjt mit feiner Laterne gefomtnen wäre.
^artlja (währenb man ihr auf bie Iraflbotjre hilft). ©Ott fei Xaitf ! . . .
Seife meine SHutter?
Glau*. &ie gnäbige grau bat fidj balb tobt geängftigt. Sie banb
uns auf bie Seele, Sie ju fudjen unb 5U finben, unb wenn mir biuter
jeben 23aum im Salbe leuchten fotlten. 3<b jagte il)r, ba§ taj . . . bem
&errn ba begegnete . . .
3)iartl)a. 9tun unb . . .?
Glaus. 3)aS erfdbreefte fie iu'S tieffte &er$. Anfangs . . . Sann
faltete bie gnäbige grau bie £änbe, wie 3um ©ebet . . . unb fagte nad>,
einer Seile . . .
9ttartba. 9iun toaS beim?
Ggou. §erau$ bamit!
Glaus. Detter Gid;ftäbt ift ein ©jrenmann, fo oiet idj t)öre — fagte
fie — ©eb'S ©ott, bafc er mein Minb finbe [unb belnite! £afj fidj bie
Süiiben ber 58äter nia)t audj an ben ftinbern rächen ! ©otteS Sille
gefdjelje !
(5g Olt (frcubiß<. 2lmen! . . . *3»> Hartha, bic it«t auf txn 2d>ultem ber Iraker er*
hoben unb x>s>n ben 5a<t« unfern timhngt wirb). SJfartlja! . . . £arf idj Sie nunmefjr
iüieberfe()en?
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<£s bat fo follcn fein. J63
SJJartlja (tf»n tu venb b<rcb«üienb) 2.UelIeid)t !
Ggon. 3ldj n>a$, id) gel)' gleidj mit. 3$ muß Sie bodj Sfyrer
£?rau Warna heimbringen . . . Xa3 ift nidjt mefjr als fd)idlidf}.
Glau3. 2}orroärt3 3l)r Seute! 91id)t ftilfgeftanben !
(?Q0n <nod> immer 2Rartba4 $afc haltcnb, tȊbrenb \xr 3"fl M formt). D^Ult gc{)t'v2>
ruie'-j im Siebe Reifet:
34 bringe 2)id) 311m lieben 2Jiütterleiu
8RÜ .^örncrflang unb 3racfelfd)ciu . . .
Unb tüill um 2>id) in aller Crbnung frci'n!
2s?a3 iagen beim 3ie baju?
9fattb<) <bi< Stamm jiirfcrtb, ladKlnb).
Saft glaub' id) felbft : es fjat fo follcn fetal
©a,o n. Xu Siebe! 19*« m b«n cm uiftcab g<gt» boa >4Jubiifuni) <gabe Xanf,
feiiger Cnfel Ctto, ba£ l)aft Xu fd)ön gemadjt!
Glaus. SßorroärtS, $f)r Seute, mit föurralj!
Uran es. £urralj!
<2?äbrenb fit Wtt, (?gon bUftt ntbtii Ulartba, mit #urrab. unb ^önurflang über bit 2ccue ßtöen,
fallt b<r Sorbang.)
21öoIf Saftian.
Von
(Ef|otnas 2t dj e 1 i s.
— Bremen. —
|üt bie ©ejd)id)te ber mobernen ihMffenfchaft ift Lichta charafte;
viftifd^er al£ baä V)bd)\t oeränberltche Sßerhältnifj, in welchem
ctroa uom Gnbe be$ oorigen ^rljunberta ^^iloi'op^ie unb Natur
nriffenföaft ju einanber geftanben h<*ben. Smroer ift e3 bie lefote geroefen,
welche ihrer älteren Schwerer bie unentbehrlichen Materialien für bie
Gouftruction einer sufammenhängenben Sßeltanfchauung geliefert hat, bi$
fie fiel), in feltfamer 3>erfennung ihrer eigentlichen 23eftimmung, ju einer
OJebietäüberf Breitling Herleiten liefe unb bie Probleme ber ©rfenntnijjtheorie
ober gar ber roeltentrücften 3)ietap^pfif in ben 5trei3 ihrer Unterfuchung
50g. tiefer Streit über ©renjoerlefeungen, biefer jähe 6turj ber erhabenen
ääeCttoeid^eit uon ihrer fo unnahbaren ,§öbe, biefe Äataftrophe be$ ebenfo
einseitigen unb ucrblenbeteu Materialismus finb &u befannte ©pochen be£
logifchen ?ßrocejfe£, als baß fie h^r noch weitläufig erörtert ju loerben
brauchen; aber es ift betn gegenüber feltfam, baf? eine Sßiffenfchaft, welche
jo recht ba£ innere ^erbinbungSglieb junfehen ben beiben alten Gegnern
bilbet, bie Gtlmologie ober, mit bem geläufigeren tarnen bezeichnet, bie
SJölferfunbe, fo wenig OJegenftanb einer eingehenben Söürbigung geroorben
ift. greilich ift fie bie iüngfte Tochter ber f inberreichen 9Jaturroiffenfchaft ;
aber nidjft, wie roir hinzufügen möchten, ihre unbegabtefte. 3hrer über=
rafchenb fchuellen (Entfaltung roegen fyat fie fich faum in größeren Greifen
bie erforberliche 2lnerfennung oerfchaffen fönnen. {Jn ber Meinung ber
meinen Menjcheu figurirt bie genannte 2i3iffenfchaft gewöhnlich noch al* eine
encnclopäbifchc ^tfammenfteHung alles Üitonberbaren unb Merfmürbtgen,
Google
Jl&olf Bafiiau.
\6o
wa« auf unterem (ShrbbaH erifttrt ; fic ift ein unterhaltenbe« 5)iaritätencabinet
ohne weiteren entsaften .guntergrunb, t^öd^ftenS eine Unterabteilung ber
©eograpfne, auf jeben JaDi a6cr jeber cutturgefchicfjtlichen Jorfcrjung bei
weitem untergeorbnet. $aß mir e« hter nur mit einem hergebrachten
2*orurtr)eil 51t tlmn haben ; baß bie Gtfmologie ober pfncf)tfche Anthropologie •
eine SStffenfchaft ift, werth be« allgemeinften unb ernfteften Sntereffe«;
baß erft fie bie inbuctioe fiöfung aller berjenigen 9?äthfel ermöglicht,
an welchen eine füfme, a6er erfahrungafeinblidje Speculation fidj fo oft
uergeblich verfugt hat — biefe SBahrfjeit fort unb fort mit prophetifcher
Stimme oerfünbet ju Ijaben ift ba« Verbienft be«jenigen 2flanne«, ber
jugleidj in unermüdlicher 9lrbeit auf feinen au«gebefmten Reifen bie
Eaufteine jufammengetragen bat, au« benen eine fünftige (Generation bie
SSiifenfchaft oon 3)Zenfc^en errieten fann, Slbolf 23aftian«.
$a« Seben eine« beutfchen ©ele^rten, fo reid) e« an inneren (5rleb=
niffen unb großen ©rfolgen fein mag, pflegt meiften« ftill unb fdjlidjt ju
oerlaufen; wenig bringt oon feiner emfig fdjaffenben 2:f)ätigfeit an ben
lauten Warft be« öffentlichen Sehen«. $a« ift auch ber gatt bei unferem
forfcher. ©eboren am 26. Sunt 1826 in Bremen, fanb er feine ßnttoicflung
in ber ©poche ber mächtig aufftrebenben 9toturwiffenfchaft, bie fi<h mi«
ben Sanbeii ber allein herrfdjenben <Philofophie befreite unb auf eigene pffe
[teilte, unb be«halb haftet feinem ganjen Senfen bie charafteriftifche mbuc*
tioe 3)lethobe unb Dichtung an. 9tod)bem er anfang« ju &eibelberg 3ura
ftubtTt hatte — ein Umjtanb, ber ihm fpäter für bie ^Beurteilung oermorrener
ftechtSDerhältniffe ber 9?aturoölfer fehr &u Statten fommen folltc — ,
uwnbte er fich in Serlin, 3ena unb SBürj&urg ben SRaturwijfenfchaften 511
unb pollenbete als Dr. med. feine 2(u«bilbung in ^JSrag. 9ta erfaßte
irjn ein umoiberftehlicher £rteb, ba« 2Saä)«thum ber menfajlichen ©cfeH*
ichaft unb ©eftttung an ben einzelnen Vertretern auf ben oerfchiebenen
kontinenten möglichft anfd&aulich fennen &u lernen. Somit begann er
im 3af)re 1851 feine weltumfpamtenben Reifen, bie er mit einzelnen Unter;
Brechungen über ben 3citraum üon ^ fahren au«bel)nte, unb jwar
größtentheil« auf eigene Äoften. (S« würbe ennüben, biefe oerfchiebenen
Etappen in topographischer Umftdnblichfeit genau aufzählen $u wollen;
wir begnügen un« be$r)alb au« ber ganzen gülle nur einige bemerfen^-
roerthe Stationen fjerau«$ugreifeit, bie für bie ©efchidjte ber ©tlmologie
überhaupt bebeutfam geworben finb. £aljin gehört ber 33efuch in San
£alöabor, ber £auptftabt be« Königreich Äongo, eine ^ftcife, bie ben jungen
Srjt alfo mitten in ben bunflen (ftbtheit führte. £ie literarifche Frücht
biefer fiehen 3<*hre bauernben Jährt um bie ©rbe war außer einer fpccietten,
ben afrifanifchen ©rforfdfmngen gewibmeten Arbeit, ein größere«, bret*
bänbige« Sammelwerf : ®er 9ftenfch in ber ©efcfjichte, mit bem bejeidmenben
3ufafc: 3ur 93egrünbung einer pfpdjologifchen Sßeltanfchauung. Sie zweite
Cfrpebition war bem Stubium be« in Gruropa bamal« noch oöllig unge^
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{66
Cfjomas 21 droits in Bremen.
uügenb befannten 33ubbf)i$mu3 gewibmet, unb btefer 3wecf würbe baburdj be*
fonberä gefördert, bafj Vaftian wäfjrenb eineä fedj$2Wonate bauernbcn jroangä^
weifen 2lufentf)a(t§ in 9J?anbalao burd; bubbt)iftifd)e ^riefter in bie oer*
fdjtungenen SJJfabe biefeä wettoerbreitefien aller religiöfen Sr,fteme auf
ba3 grünblidjfte eingeführt würbe. 3U9^4 würben aber auf biefer fünf»
jäfjrigen 9fleifc ^apan unb Gr)tna burd)forfcr)t unb bie ©rgebniffe in einem
fünfbänbigen 2Berf : £>ie Völfer be3 öftlidjen 2lfien3, oeröffentlid)t. 9tod)=
bem Saffian 1869 im herein mit SBirdtjoiti unb 91 #artmann bie 3citftt)rift
für Gtfmologie, 9(utr)ropologie unb Urgefd;ia)te gegrünbet (im ^r 1868
war er mit ber Verwaltung ber ©trjnofogifcfien Slbtljeilung ber föniglidjen
sJRufeen in Söertin betraut), unb nad)bem fid) im fotgenben Saljre, wefentlidj
mit auf feine Veranlaffung r)tn, bie ©efeHfd)aft beSfelben Hainen« in ber
9ieid)Sf>auptftabt gebUbet unb ber fülme Gntberfer fid) fobann als $rioat=
bocent ber (Senologie bort Ijabilitirt fjatte, fdjlofe er fid) fd)on 1873 ber
befannten beutfdjen Grpebition an bie £oango*5tüfte an, um bie weft-
afrifamfäjen Vertjaltniffe grünbltcr) fennen &u lernen. Von feinen übrigen
Steifen, bie fidj, wie fd)on angebeutet, auf fämmtlidjc kontinente erftrerften,
erwarmen wir nur noa? bie überaus fruchtbare (Srforfdjung ber pohjneftfdjen
Snfelwelt, wo e£ Vaftian burd) bie ©unft be3 Königs Älalafaua ge-
mattet war, ein für bie 5*enntnijj ber t)aroaiifd)en 9)h)tlw(ogie unb Xrjeogonie
grabeju unfaßbares 2)tonufcript ju überfein unb beibeS literarifd) $u
oerwertljen. 9teben biefen unermüblidien Säuberungen über ben ganzen
©rbbad unb aufjer ber oöUig etnjigartigen wiffenfdjaftlidjen Sßrobucttoitat
SaftianS — feine 2ikrfe füllen allein fdjon eine ganj aufe^uUc^e Vibliotljef
— oerbient nodj ber Umftanb befonberS Ijeroorgelwben §u werben, bafe
3taftian mit raftlofem (Sifer beftrebt war, für bie reidjen Sdjafee ber ifnn an-
oertrauten Sammlungen ein würbiges Slful §u gewinnen. @r faun
im gewiffen Sinne ber geiftige GJrunber be£ ftoljen ÜDiufeumS für Vblfer=
funbe in ber 9?eid^^t)auptftabt genannt werben, wie er überhaupt immer =
fort bemüht ift, oon allen Seiten Mitarbeiter ju werben für bie xneU
feitigeu Aufgaben ber umfaffenben Sßtffenfdjaft oom Menfdjen. So ift
er eine ganj eigenartige ^erfönlidjfeit; auf ber &öl)c eines arbeitäooUen,
immer im 3Menft ber Ijoljen, ifm oöHig beljerrfdjenben $bee tljdtigen Sebent
ftetjenb, ein SSanberer auf unferem Planeten, wie' fein Ruberer je juoor,
oertraut mit ben oerfäjiebenften ^biomen ber Völfer, ein Sdjriftfteller
trofc ber reifereu ^cfyxe unb ber oielfadjen anberweitigen 33eruf£pfltd)ten
oon fo erftaunlict)er SdjaffenSfraft, babei oon äufeerfter ©enügfamfeit in
ben materiellen 2lnfprüa)en an ba$ Eafetn, ift er bodt) fern oon jenem
unliebenäwürbigen Stolj, ber fo manche ßoropljäen unferer mobernen
Siffenfdjaft für gewöhnliche Sterbliche fo unnahbar madjt. Unb baäfelbe
gilt für fein literarifdje* 2luftreteu; wäbreub für manche sünftige Vertreter
unferer afabemtfdjen Söilbung ein geioiffer rautjer Vruftton grabeju uneut-
be\)xl\% 3U fein fc^eint, namentlid} wo e$ fid) um fogenannte offene fragen
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2Ibolf Saftian. \67
Ijatibelt, oerltert bcr Slltmeifter ber Gtfjnologie trofc aller garten unb un-
gerechten Angriffe nie bic oornefune dlvfye unb ©elaffenheit, welche immer
ein 5tenn$cid)en einer reifen unb ttefburchbadjten £eben$anfd)auung ift.
Um nun einen näheren ©inblicf in ben Slufbau ber mobemen Golfer»
hmbe §u gemimten, wie fic eben höuptfädjlich burd) Saftian ftd) geftaltet
hat, bebarf es cor Slllem einer furjen Darlegung ber 2)? et hob e, weil von
biefer Vorfrage felbftrebenb 2tlle$ anbere abfängt. 2öie fid) biefe gleich*
fam erft an ber £anb ber leitenben (Erfahrung entwickelte — trofc gewiffer
allgemeiner ^Srincipien — , ba£ laßt fich am anfdjaulichften an ber £ar*
ftellung unferes ©ewahrSmanneä felbft beobachten, ba fid) in unb an ifmt
bie Stlbung feiner ©iffenfehaft tnpifd) abfpiegett. SDte ganje übermältigenbe
Schroierigfett ber Ausführung beS neuen, faum erft fonuulirten Programms
ftanb bem jungen ®el ehrten fdwn Aar oor 9lugen, als er fidt) ju feiner
erften großen -Reife einfdnffte, aber ba» fchmad)te feinen 9Jtuth nicht „^n--
befj ift in allen Singen ein erfter Anfang ju machen. $ycrn von (Suropa
unb lange &eit befajränft im fprad)lid)en Serfehr, feimten bie hier nieber;
gelegten 3been unter Slnfdjauung ber mannigfaltigen Serhältniffe, in roeldjen
bie SSölfer auf bem (SrbbaUe jufammen leben. $n ber Stille ber 2öüften,
auf einfamen Sergen, in SHexi "ber weite 3Jieere, in ber erhabenen
SRarur beS SübenS reiften fie im itoufe ber 3af)re empor unb fchloffen
fich jufammen in ein harmonifcheS Silb. 2Bof)lbefannt mit ben oerfdnebenen
3roeigen ber Literatur, habe ich mich junaajft bemüht, bie in ben Sdmlen
aufgenommenen Dogmen möglidtft auf ber Xafel beS GJebäd)tniffeS ju oer-
wijchen. (Srft wenn baS aus einer rein objectioen unb fo oiel tlmnttd)
oorurtheilsfreien Beobachtung erwachfene Sßrobuct iene beftätigte, oon felbft
ju ifmen führte, liefe ia; fie auf's 9teuc als berechtigtes ©lieb in bie Sor=
fteüungSretheu wieber eintreten. 3n uuferer ©egenwart beS lebenbtgen
6ebanfenauStaufcheS aber mufc jebes allzulange 3foliren jur Ginfeittgfeit
fuhren, unb ia) würbe bei forgfamerem Uebcrarbeiten gefürchtet fyaben,
felbft in ben $ef}(er beS 1fyoxe\i)\xen$ $u oerfaHen, Snüeme aufstellen,
bie immer nur falfdje unb ungtücf liehe Halbheiten bleiben, wenn fie in
bem ßopf eines ©meinen, aus bem Sparren, ber in bem 5topfe ber
Slutoren fteeft, sufammengejimmert werben, ba fie orgauifa) nur aus ben fich
rectificirenben iiScuffionen ber Literatur erwachsen fönnen." ($er 2flenfd)
in ber 0ef djieffte, Sorwort S. 16). £rofc biefer objectioen unb fubjectioen
Sdjwierigfeiten, trofcbem es galt, bie neue 2Btffenfd)aft erft frttifd) ju be-
grimben, fal) Saftian fogar fd)on baö enoünfd)te 3iel tiax vox 2lugcn, unb
ba« Littel baju mar bie auf naturroifienfctyaftlidEjer 5Uafi^ errichtete oer^
glridjenbe ^pfochologie. 2)a3 mar ber Äernpunft ber neuen 2Öeltanfd)auung,
unb Deshalb richtet unfer Serfaffer gleid) oon 2lnfang an barauf fein
9lugenmerf. „Sie ^Jfnchologie" — fo erflärt er — „barf nid)t jene be=
fdjränfte SiSciplin bleiben, bie mit unterftüfeenber ^erbei^iehung Pathos
logifdjer 5pf)önomene^ ber oon ben ,3mnhäufern unb burch bie ©rjiehung
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(68 CLbomos 2Jrfjelts in Srcmen.
gelieferten Säten fic^ auf bie Selbftbeobadjtung beS SnbioibuumS befdjränft.
Ser Sftenfdj als politifdieS 2f)ier finbet nur in ber ©efellfdjaft feine (5r=
füllung. Sie 3JJenfdjf)cit, ein SSegriff, ber fein &öf)ereS über fid) fennt,
ifi für ben 2luSgangSpunFt ju nehmen, als bas einheitliche ©anje, inner:
fjalb roeldjeS baS einselne 3nbiuibuum nur als integrirenbes S3ruc^tr)eit
figurirt. . . Ser in bie^orjeit gurit<ff$auenbe33(icf folgte bem gegebenen ^faben
ber Srabition, fo weit fie ilmt einen bcutlidjen 2öeg oorseidjnete, bis $u ber
331ütt)e3ett einer Literatur, jur 2luSbilbung ber Sdjrift, bie erft bauernbe
Ueberlieferung ju bewahren oeTmodjte, unb bie lange SHeifje ber SPorftabien
überfebenb, bie ber 9ftenfdjengeift überrounben fiaben mußte, bis er biefe §öbe
erftieg, fdjloß er, uon ilirer £eße geblenbet, mit einer UrmeiSfyeit ab, oon ber
fpäter nur ein^erabftnfen benfbar mar. <Bo gab bie ©efd>td)te bisher ben ©nt=
roictlungSgang einzelner haften, ftatt ben ber 9Jienfcr)l;eit, ba§ glänjenbe £ictjt,
baS r>on ben 6pifeen ber ©efellfdmft auSftrcmte, oerbunfelte bie $reiten=
grunblage ber großen 9J?affen, unb bod; ift es nur in ibnen, baß beS
(Staffens Gräfte feimen, nur in ifmen fretft beS Sebent 3aft . . . Ser
innere Organismus beS pf)ilofopf)ifd)en SSerbenS fann einsig in ber
<pft)d)ologie erfannt werben, ber ^fndjologie, bie nid)t allein bie ©nt«
roidfelung beS 3«buribuumS, fonbern bie ber 2Henfd)f)eit aus uerfolgt, bic
fid) auf ber 33afiS ber ©efcf>id;te bewegt/' (a. a. D. 6. 11). Sie
lanbläufige, rein inbioibueüe £anbf)abung ber pfnd)ologifdjen Unterfud^ung
ift bamit enbgültig oerlaffen; ber -JJtenfdj eyiftirt niibt mein, wie ber
UtilitariamSmuS immer noer) behauptet, als fvnguläreS Snbtoibuum, fonbern
nur als orgamfdjeS ©lieb ber gefeßfa;aftliä^en Crganifation, bie ifm ge=
boren fmt, unb fein ganjeS Söefen, ade feine nerfdnebenartigen Styätigfeiten
finb nur bie 6traf)lenbred)ungen biefer gemeinfamen pfi)djologifd>en ßraft,
bie ftd) trofc aller topograprjtfdjen unb etnograpf)ifdjen Unterfdjiebe bis auf
geroifTe übereinftimmenbe 3üge überall gleichmäßig offenbart, liefen magren
XnpuS beS oft fälfdjlid) als allgemein menfdjlidjen angegebenen GljaraftcrS
bat erft bie üergletcfjenbe Senologie, ju golge i^reS umfaffenben, alle
Golfer beS Crrbballs umfpannenben Materials entbeefen tonnen, obwohl
Um fdjon, freilief) in befdjränfterer £?orm, bie SBölferpfndjologie erfaßt bat.
(SS ift legten GnbeS nur bie ^cnuirflidjung beS alten ariftotelifdjen SatyeS,
baß ber 5)ienfa^ tum 9?atur ein gefclliges ©efd)öpf fei, bie fid) in biefer
i'luSfüljrung Salm bricht ; unb wie bie Spradje längft als ein gemeinfames
(Srjeugniß biefes focialen ^ufammenlebens aufgefaßt wirb, fo galt uon nun
au biefer ©runbfaft aud) für alle anberen 9ftamfeftationen beS menfa^lidben
©elftes, für Religion, 9ied)t, Sitte, tfunft u. f. w. „Saß nidjt mir benfen,
fonbern baß es in uns benft, ift bemjenigen flar, ber aufmerffam auf bas
*it fein geroolmt ift, roas in uns Borgest. GS märe im ©runbe ein gleicr)-
nülttger 3Bortfheit, ob man biefe unfere ©efammt^eit betreffenben ^roceffc
als unfere eigene Xl)citig!eit be^eidjnen bürfte, menn nid^t in ilmen felbft
rirabueae 9?erfdneben^eiten ftattfanben, bie es fefterer Definition roegen
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2lboIf Baftian. \6<)
wünfdjensmertf) madjten, ben begriff be* felbftänbigen eingreifend nur
auf befonbere *u befdjränfen. 25a* 9tfaturer$eugm& ijt au» ber Wählt er=
*eugt, e* mädjft fjeroor au* jenem bunUen Stytjo*, ber nidjt wegen weiterer
Entfernung be* Anfange* ben 2lugen entgeht, fonbern wegen ber Unmög=
liajfeir, bie bort laborintifd) oerfd)lungeneu gäben oon Urfacfye unb Sßirfung,
be* &ntjte§en*, 23ergef)en* unb SBieberwerben* mit ben 33 liefen ju ent;
wirren; benn nur, wo fidj bie 2öed)felbe$iefmngen be* &rei*laufe* ju ber
Unabf)ängigfeit einer neuen Schöpfung gestalten, barf für biefe ein relatioer
Slnfang gefegt werben, ben als abfohlten unferc auf Unenbli<$feit unb (Swigfeit
bafirte SBeltanfajauung nid)t fennen barf." (Seiträge jur oergletd^enben
"ty'ndjologie, S. 1). SMefe (Erwägungen betreffen fo fefjr ben ganjen Aufbau
unfere* mobernen @mpiri*mu*, bafc wir genötigt finb, einige 2lugenblicfe
bei ilmen ju oerweilen; fjängt bod) oon biefer Vorarbeit, oon ber gefttgfeit
ber tragenben gunbamente bie Sicherheit be* ftoljen ©ebäube* ab, ba*
ua) bie SBiffenfchaft com 3Wenfd^en errietet fyatl $ie gefammte mobeme
gorfdjung bearbeitet ein oerhältni§mä6ig eng begrenze* ©ebiet, ba* nad)
beiben leiten hin (Anfang unb ©nbe be* ©efö)ef)en*) oon ben Wallensen
Stögen eine* unburd)bringlid)en 9iebelmeere* ben fpähenben ©liefen entzogen
wirb. £af)er finb alle, häufig mit beregnetem emphatifdjen Sfachbrucf ein-
geführte Unterfudjungen über bie fogenannten Urfprünge be* ©eins ebenfo
wiffenfcfuifthd) unjuläffig unb unberechtigt, wie alle auf fabenfdjeinige
Analogien geftüfcte (Stomatologien über bat ©übe aller £inge 9Iber wof)l
lajfen fid) oon biefer fo abgemeffenen Sphäre ber beutlichen (Srfenntnifj
fid;ere Sdjlüffe über unfere ^Beziehungen jur Statur im 2lllgemeinen unb
*um Sßeltatt überhaupt jiehen — foweit foldje Probleme natürlia) mit ben
Mitteln ber eracten flritif lö*bar finb. darüber fann man nad) bem über*
einftimmenben .Seugnife aller competenten Snftanjen fein 3weifet mehr
auffommen, ba§ bie gäocentrifdje unb anthropomorphe Anficht über bie
beoorjugte Stellung unfere* Planeten in*befonbere unfere* fmgulären
eine unberechtigte unb überwunbene ift, oielleicht noch wirffam in ben breiten
Schichten ber nieberen 2lufflärung, aber nicht mehr in ber fdjärferen
?ltmofpl)äre ber wiffenfd)aftlid)en Beurteilung. £rofc biefer ßinfälligfeit
be* 3nbioibuum* ift biefe* aber unleugbar ber einzige Präger jeber weltbe*
wegenben 3bee, jebe* gortfehritte*, jeber 2ßat)rt)eit ; es fommt baljer 2llle*
barauf an, bic Stellung eben biefe* gactoren $ur Umgebung, jur Söelt,
jum tfo*mo* flar ju erfaffen. Siefe lefete entfeheibenbe Sejeidmung, welche
unfereiu flüchtig oerrinnenbeu 2>afein bcn Stempel ber Gwigfeit aufbrüdt,
finbet Saftian in ber uuau*gefefcten, freiließ inbioibueU l^ödjft oerfdnebens
artig abgeftuften 2öed)felwirfung be* Subject* mit bem l;armonifd)en
&o*mo*, unb bie* f>od) erhabene unb tief ernfte 33ilb l)at er mit einer
Segeifierung unb Spänne entrollt, wie e* nur auo einem übcrquellenben,
fid) felbft gewiffen (Befüfjt fommt. „sBir fdjweben in einem unermeßlichen
31U, wo fid) ber 9iaum auf allen Seiten in unabfeljbarc gönnen oerliert;
*totb unb Süb. L., HO.
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170
Ctjomas 2Idjclis in Srcmcn.
nur leben in ber Spanne ber Seit, beren fcfjroaä) ffacfernbe^ Sicht bafb
in bem Tuntel ber Vergangenheit, balb in bem £unfel ber 3«^nft er»
lifd)t; mir benfen in bem SShmber bes 33ewui3tfeinS, ein 9tätf)fel unterer
Umgebung, ein Mäthfel uns felbft. 3Bo# mag ber ©eift fidj jurücffefjnen
nad) jenen £agen, wo ein fefteS Firmament fid) unserem Raupte ummölbte,
wo in if)m ein liebenber SBater thronte; er mag fid> gern uerfenfen in bie
träumerifdje 9Jiorgenbämmerung feiner tfinbhcit — aber mürbe es it)n jcfct
befriebigen, mieber Äinb ju werben? . . . 2Bof)l jiefjt bittere SBehmuth
ein, ber bange Sdjmerj ber Verzweiflung in manches &er$, wenn es
plötjlid) 3WeS fo öbe unb leer um fiöt) erblicft, wenn alle bie Vetteren
^^antafiegebi(be, bie freunblid>en ©öttergeftolten, an beren ÜWunbe er als
5lnabe fo gläubig hing, bie glänsenben ^beale, für bie fidj ber 3üngling
begeifterte, wenn alle wie in ein 9Jidjt3 Derfdjwvnben, in teere 9Zebel 5er *
fließen. GS finb bie klagen eines oerjärtelten SdjwächlingS, ber bie
9?atur nur aus ben genftern ber äfomtenftube r)atte fennen lernen, ber
jefot, mo man ifjn hinaufgetrieben, cor jebem SBinbftojj jittert unb fldt) nadj
feinem meinen Sette jurücfroünfcht. 2Bäre unfere ©eneration in ber Sdmle
pfndjologifcher ©runbfäfoe erlogen worben, mir mürben bie alberne $eriobe
beS SeltfdmterjeS uns erfpart tyaben. 3n feiner Volifraft ausgeworfen,
rnufc ber Wann in fidt) bie genügenbe Vefriebigung füllen. 2Bohl fehen
mir ring« um uns nur baS SBalten in ttjrer legten Urfad&e unoerftänbli^er
©efefee, aber mir fefjen fie jufammenwirfen im harmonifäjcn ©inflang. 2iMr
haben fein fefteS 3iel, bem mir entgegenftrcben, aber mir haben audj bie
£üge entlarot, bie uns burdj Suftfpiegelungen taufd)en wollte; wir haben
nidjt bie tnranmfchen Saunen eines eiferfüdjtigen ©otteS ju tragen, wir
fürchten nicht mehr, wenn ein mächtiger jeinb unferen Sdjüfeer auf bem
©inmtel treibt, mit ihm in ben Slbgrunb ber Vernichtung 5U oerfinfen, wir
jitterit nicht mehr bei bem entfefclidjen Sdjaufpiel, wo ber SBelt allmäcfrtger
Schöpfer fidt) felbft $um Opfer barbringen mu§, um brohenbe ©efafjren
abjuwenben . . . Unb was ift, es was baS Sttenfchenberj begehrt? £af
©anjc 5U fennen, von bem es felbft nur ein integrirenber %l)e\i ift. flann
ef hoffen, biefeS ©anjc jemals anbers $u oerftehen als in bem Moment feines
eigenen WitwirfenS in bem allgemeinen 3ufammenhange? formt ihm ein
fidjererer unb erhabenerer Sroft geboten werben, als fid) felbft ein 3ltomtu ber
Unenblidjfeit unb Groigfett ju wiffen, unenblidj unb ewig wie biefe? . . .
Xer fünftlidje ^orijont ber 2)färd)en unb Anthologien ift burdj bie 5Ratur=
rotffenfdjaften jerriffen. Unfer 2luge blieft tyvavß in bie Unenblichfeit —
warum fie leugnen? Suche felbft unenblid) ju werben, wenn Sich bie
Unenblichfeit umgiebt! 33alb wirft £u bie ©ebanfen, bie 3been au3=
ftrömen füljlen in bie Groigfeit bes 2111s, bu wirft fie Söurjeln fdjlagen
fühlen überall in ben ©efefcen beS h^w^W611 Kosmos, bu wirft mit
ihm vermachten unauflöslich, ewig, unenblich wie er unb bid) felbft
erfüffen in bewußter Harmonie, ^idjt nur jeber Sölicf, ber uns mit
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2lbolf Baftian.
ben ©lernen üerfnüpft, jeber 9ltf)emsug, ber bie ftets oerjüngte 2ltmofpf)äre
affimilirt, fidjert baS ewige gortbefteljen, fonbern mefjr nodj, frei oon
ollen planetari^en unb foSmifdjen ©djranfen, bie göttlichen Sbeen, roo=
bura) rotr bie ©efefee be£ 21HS in uns probuciren." (Sex Sflenfd) in ber
ttefajidjte I, 29).
fDa$ mag 3)?and)em auf ben erften 33li<f pf)antaftifdj unb fcfyroärmerifcf)
»orfommen, oöllig über bic ängftlidj gehütete ©renje ber fritifr^en ©r--
fafjrung tn'nauägefjenb ! Unb bennod) Ijoffe idj im weiteren Verlaufe ber
5EarfteUung $u erroeifen, baß roir es luer mit einer tneüeidjt poetifdj ans
Qcfjaudjten, aber ber SBegrünbung nad) völlig roiffenfdjaftlid) eracten 9iuf-
fajfung ber 2Belt ju tfnm ^aben. Vorläufig mu§ e£ genügen, wenn ia)
ben für ba£ S8erftänbni| ber ganjen (Senologie ma&gebenben ©afe roieber^
Ijole, baß ba£ roafjre unb eigentliche Cbject it)rer Untersuchung nidjt baS
einzelne $nbtoibuum ift, fonbern ber gefetlfdjaftlidje 2)tenfd& auf ben
Derfa)iebenen ©tufen feiner focialen ©ntroiäelung; unb ba biefe oerfdnebenen
Stabien lefcten ©nbes roieber nur bie 9iefleje ber geiftigen Entfaltung, furj
beS menfa)tia>en öeroufetfeins felbft finb, wie e$ fid) in SRed^t unb (Sitte,
Sieligion unb Äunft betätigt, fo umfaßt unfere SBiffenfa^aft von if)rem
unioerfellen pfi;djotogifd)en ©tanbpunft au£ baS pfnd)ifa> &tad)8tf)um beS
menfdjliajen ©elftes auf unferein Planeten. Unb eben burdj biefe focial*
pfijdjologifdje gormulirung roirb ber unmittelbare 3ufammenf)ang beS fonft
fjaltloä im fieben fdjroebenben einzelnen ju bem, rote SJaftian fid) auSbrücft,
^armonifd^en Kosmos verbürgt, als beffen integrirenbes ©lieb fid) &u füllen
freilia) nur SBenigen unb aud) biefen nur in roeifjeoollen ©tunben befd&ieben
fein mag.
2Benn nun audj biefe pfudjologifrfie SBafiS unb 9luffaffung fidj niebt
mefjr red)t£fräftig anfechten läfct, fo roirb es fid) in sroeiter Sinie um bie
Sef Raffung beS SKateriaU ^anbeln, baS ber weiteren fociologifdfjen S3er=
arbeitung (jarrt. ®er grofee ©djöpfer ber Gflmologie in unferem SSater*
lanbe fyxt nun roie fein 2lnberer burd) eigene unermüblidje ^f)ätigfeit bie
SBaufteine für bie fünftige Söiffcnfdjaft f)erbeigefd)afft. 9toftlo£ bemüht auf
feinen roeltumfpannenben Reifen bie burd) bie uerfjängmjgoolle 3lbforption
ber Gimltfation rettungslos ber Vernichtung geroeif)teu Xnpen ber 9Jatur*
oölfer in perfönlid)er 2lnfdjauung fennen 311 lernen unb oon il)ren etroaigen
Grjeugniffen in ben SJtufeen ju bergen, roaS fid) ber Vergeffenfjett entreißen
liefe, läfet er immerfort feinen malmenben 5Huf erfüllen, ntcfjt bie 3^it 51t
oerfäumeit, et)e es 5U fpät ift. SSie unglaublia; rafa) biefer nioellirenbe
^rocefe fid) ooÜ5iel)t, baS mufete er felbft 5. in Sßolnnefien erleben, roo
bie europäifd^e ©efittung alle originellen Slütljen ber l)öa)ft intereffanten
3nfelroelt überroudjert ^at, unb baS Ijaben in unferem 3al)r$ef)nt bie Gr*
fa^rungen 2Bi§mannS in Gentralafrifa roieberum beftatigt. ©oll bie
©tfntologie roirflid) mit ber ©ia)erljeit ber inbuetioen ^aturroiffenfd^aft
arbeiten, fott fie frei bleiben oon ben oerbangnißoollen fpeculatioen 2"rug=
12*
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\72
(Lljomas 2Idjelis in Cremen.
idjiüifen, ^euen ja bie ©efchidjte ber mobernen s^f)ilofopt>te fo reich in,
fo mufj felbftoerftänblich ber Stoff fd)ier unüberfel)bar oor bem gorfdier
aufgefdjidjtet fein. 3n ber Xfyat ift bas für gewiffe grunblegenbe gragen
fd)on jefct ber gall, fo bafe nur nach bem ^eftanbe bes bisherigen Kiffens
mancher ^Bericht eine« ^eifenben olme weitere Prüfung man fönnte fafi
faqen, apriorifc^ beftätigt ober oerworfen werben fann. bie ^erfön*
lidjfett beS 33erid)terftatterS felbft, wenigftens mittelbar, eine gewiffe 9ioHe
babei fpielt, ift ju natürlich, um weiterer Söegrünbung ju bebürfen; aber
eben beärjatb ift es charafteriftifd), bafj man $u golge einer $u ein=
feitigen l)iftorifdjen 23eurtheilung ein Verbiet über einen SdjriftfteUer
fällen fonnte, beffen ©laubwürbigfett im Uebrigen nicht bezweifelt
würbe. 60 ift es j. 33. bem SSater ber ©efdjidjte, bem alten $erobot,
ergangen, ber fid) wegen feiner 23emerfung über bie Sufier, baß fic fid)
nach iljrer Butter nennten — unb bafj bie Äinber einer Bürgerin mit
einem 6claoen ebenbürtig wären, bie eines Bürgers mit einer (Sclaoin aber
nidjt, bie bitterften Urteile über feine ^annlofe ©infalt t)atte gefallen
laffen müffen. Grft bie comparatioe 23el)anblung biefer (Streitfrage burd)
bie 9lcten ber (Senologie tyti bie ©fjre beS oieloerfpotteten &iftorifer3
wieber Ijergeftellt, inbem fid; jefct auf einmal herauSftellte, bafe ber fragliche
üBrau$ thatfächlid) eine weit oerbreitete, bei ben oerfdjiebenften unb $wat
ftammfremben 3>ölfern ber Grbe wieberfehrenbe ^echtsinftitution war, nämlid)
ein 2luSbrutf eines für bie primitioen ßntwidelungSftufen äufcerfi wichtigen
^rincipS, ber ©onäfofratie. 3lber biefe Umwanbluug ber ganzen <3aa>
läge fonnte natürlid) erft erfolgen, als eben Material genug oorljanben
war, um bie bis bal)in oielleid>t aud) noch gebrauste Grflärung einer
feltfamen (Saricatur oollftänbig ju befeitigen. freilich fefct tjier eine immer
nod) falfdj oerftanbene SNethobe ber 9iüdfdjlüffe ein, bie nach einem, auf
ben oerfd)iebeuften ©ebieten ber mobernen 9iaturwiffenfd)aft geläufigen
unb erfolgreich angewanbten biogenetifchen ©runbfafc eS geftattet, bei gleiten
Sirfungen biefelben treibenben Urfadjen oorauSjufefcen , einerlei ob im
Uebrigen ber örtliche unb zeitliche Sufanwumljang fid) entfpredjen. £iefe
£ljeorie bat gan* befonberS unter ber £anb beS befannten engltfdjen
gorfdjers (sbw. Xylor fict> glänjenb entwidelt, fpecieU burdj baS überaus
fruchtbare Littel ber oon irmt fo benannten survivals, b.l). berd)arafteriiHfd&en
Uebcrbleibfel eines s3raud)eS, bie eben für baS 3luge beS funbigen gorfchers
baourd) bie innere ©efdjidjte ber bie 6itte fdjaffenben 3bee oerratben.
£iefe sJieconftruction ift aber nur möglich, menigftens in ber unbegrenzten
3lnwenbung, wie fie bie moberne (rtlmologie fennt, wenn über bie gewöhn *
lid)eu£d)ranfen bertopograptnfd)enuub l;iftorifd)cnsJluffaffung hinweg eine gc-
meinfame, allgemein mcnfd)lid)e ^erfpectioe fid) eröffnet, jene pfndjifche ©leid)=
artigfeit unferer Jiaffe, bie felbft bis auf bie merfwürbigften Abirrungen
hin fid) nicht oerleugnet. 9iur unter biefer anerfannt erften mafegebeuöen
^orausfcfcuug (511 ber unter auberen bie fdwn früher erwähnte fociale $er*
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21 b o I f Saftian.
*75
anlagung be£ 9)?enfd)en gefjört) fann eine berartige uergleidjenbe 3eit unb
Crt ignorirenbe Unterfudjung unb (Kombination fieser unb frei uon
phantaftifdjen (Sinf allen arbeiten, ganj nad) 2Irt einer inbuetiuen SiScipliu;
aber bes^alb ift um fo mehr, wie bereite angebeutet, eine nüchterne
fdjränfung auf bie wiffenfd>aftlidj eracten Probleme erforberlidj. 33 e*
trauten mir aber biefe bebingt bura) bie allen 3roeifcfn entrütfte fociale
9iatur beä 2flenfd)en, fo würben nach biefem SJtaßftab alle bie jefct tuel=
fach fo beliebten Erörterungen über bie Stabien, weldje uor biefem fünfte
liegen, 5. 23. über ben Urmenföen, uon ben Aufgaben ber fritifdjen
^orf(J)ung auägefchloffen werben mfiffen. „3n allen 9toturgegenftänben, bie
5um Stubium geftellt finb, räthielt ba£ Senfen an fidj felbft Ijerum, an
ben Problemen eigener Griftenj im Safein. %xi mel)r ober weniger
bewußtem ober unbewußtem ©efühl einer folgen, menfchliche söeftimmung
audfüllenben Aufgabe locft leidu" bie Sßerführung, im Sturmesangriff ju
nehmen, wa$ nur nach langfam umftänblich befdjroerlicher 3lrbeit metlp-
bifdjen gorfdjer3 am ©nbjiel bejfelben mit ber Siege^palme lotmen fann
unb wirb. So wirb bie Urfprungä frage rorangcftellt unb baburdj in alle
Sgfteme ber Speculation ihr ^wxov 'föZcz eingeführt, ba unenblicfye
Leihen 5U äffen f)aben, fo lange nid)t ber Galcül einer integral; unb
Sifferentialredmung ju ihrer ^Bemeifterung erfunben ift." (Sie &ef)re von
ben geographischen ^rooinjen, Berlin 1886, S. 57). liefen uerhängni|>
uollen Sprung in'3 SJietaphnfifdje, welken bie neuere 9toturroiffenfdjaft
in ber ^Ijat gelegentlich nicfyt gefreut l)at, oerurtl;eilt 23aftian fomit auf
ba3 Sdjärffte, waljrenb er im Uebrigen ein offener 2lnf)änger be3 großen
Darwin ift. Siefen fpeculatiueu (Srbid)tungen gegenüber ^at er in ben
fogenannten „geographifd)en ^rouinsen" einen fefteu 2lu$gang3punft für bie
iSttmologie gefajaffen. ISr oerfteht barunter bie oerfdjtebenen topograpf)ifd)en
SÜariationen be$ 2Nenfcf)engefchlecht$, wie e$ fid) trofo feiner allgemeinen
pfudjifdjen ©leidjartigfeit bod; unter ben einseinen £immel*ftrichen äußerlich
unö inuerlid) abmeichenb geftaltet Ijat. „Sie geographischen ^rouinjeu
ergeben n<J aU gefefclich umfdjriebene 2lreale, innerhalb weldjer als ©e=
fammtprobuet pfwftfalifdjcr 3lgentien im gezogenen gaät ein feft geprägte*
4>robuct organif a)eu Xnpuä in bie (rrfdjeinung tritt, mit ber s4>flan5e in
botanifcher, mit bem ^iere in joologifd)er ^rooinj unb mit bem 3)ienfd)en
in antl)ropologifd;er (unter ber in öc)djia)täben)egung gc$ogenen Seite
eihnologifchen <pori$onte*). (Sie Seit in ihren Spiegelungen, Berlin 1887,
S. 101). MerbingS wirb e$ häufig feljr jd)wierig fein bie inneren Hk--
jietjungen swifchen bem getftigen Verhalten be$ 9)fenfdjen unb ber um=
gebenben 9iatur (monde ambiante ober surroundinfr) jn befttmmen, unD
aua) hierin finb früher bie ^erfud;e gerabe nid)t immer glücflic^ au^gefd)lagen
(fo trofc alfer umfangreichen ©elcljrfamfeit nod) bei i^udle) ; aber biefe
anfängliche Sdnoierigfeit unb Sunfell;eit wirb fd)wiubcn, je mehr eben
bae jur 33ergleichung oerfügbare 3)?aterial junimmt. „311^ mit beginn
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QCljomas 2Idjelts in 33rcmcn.
ernftlidjer gorfdmng in ber (Ethnologie baS barin angefammelte Material
fid) ju mel)ren begann, als es roud)S unb roud)S, rourbe bie 2(ufmerffamfeit
balb gefeffelt burdj bie ©leid)artigfeit unb Uebereinftimmung ber Vor=
ftellungen, roie fie aus ben oerfdnebenften ©egenben fid; mit einanber
bedten, unter ihren localen Variationen, grüner war man burd) folche
manchmal bei oberflächlicher Veobachtung getäufebt roorben, mit näherem
(Einbringen liefe \\ö) balb jeboa) bie nur local bebingte gärbung von bem
überall gleichartigen barunter roaltenben ©efefc Reiben. Anfangs mar
man nod) geneigt, raenn frappirt, com 3ufaK Su fpredjen, aber ein ftet§
roieberholter .ßufall negirt fid) felbft. 2>ann rounberte man fid) über
bie rounberbaren Goincibenjen, unb balb war, roie immer ber .geheime
Vautrieb' bereit, feine ^npothefen aufstellen, in Uebertragungen unb
.tiünfteleien monftröfe Völferbe$icl)ungen fchür^enb. EieS war ber gefäljr*
lidjfte geinb für ben gefunben gortidjritt ber (Ethnologie, befonberS auf
fo fd)lüpfrigem ©ebiet roie baS $fi;d)ifche . . . ^efet in golge beS fic^
tljeilroeife erichöpfenben Materials haben leitenbe ©efefee fidj uon felbft
3ufammengefd)loifen unb bürfen fo, als nid)t mit fubjectioer 2lbficht, foubem
rein objecto gewonnen, auf naturgemäße Vegrünbung 2tnfprud) machen.
Von allen Seiten, aus allen (Eontinenten tritt uns unter gleichartigen
Vebingungen ein gleichartiger SHenfdjengebanfe entgegen, mit eiferner Diotfc
roenbigfeit . . . 3lUerbingS ift unter fltmatifchen (ober localen) Variationen
anberS bie Sanne beS Horbens, anberS bie ^alme ber Tropen; aber
in beiben fchafft ein gleichet ä£ad;SthumSgefefc, baS fic^ für baS pflanzliche
©anje auf roiffenfehaftliche formen $urüdjühren lafet. Unb fo finben roir ben
©riedjen unter feinem heiteren Gimmel oon einer anbereu ©btterroelt
geiftiger Schöpfungen umgeben, als ben Scanbinaoier an nebliger ftüfte,
anbers bie 3)tntr;ologie beS Snbexä in rouubeibaven ©eftaltungen beS
UrroalbS, um biefen su entfprecheu, unb fo über weite 9)ieereSflä<hen treibenb
bie bes sJ*olunefterS. Ueberali aber gelangt ein fdjärfereS Vorbringen ber
iUnalwfe ju gleichartigen ©runboorftellungen, unb biefe in iljrem primären
(Elementar gebauten, unter bem ©ange beS einroohnenben (EntnndelungSs
gefefee», fefauftellen für bie rcligiöfen ebenforoohl, roie für bie rechtlichen
unb äfthetifchen 2lnfdiauungen. 3llfo biefe (Erforfdmng ber in ben gefell-
fdjaftlichen Xenffdjöpfungen manifeftirten äßadjstlmmsgefe&e beS 3)ienfcr)en*
geifteS, baS, roie gefagt, bilbet bie Aufgaben ber (Ettnnologie, um mit^u*
Ijelfen bei ber Vegrünbung einer SKiffenfchaft oom 9J?enfd)en!" (Tier Vötfer*
gebanfe, im 3lufbau einer 2£iffenfchaft uom 3)tatfd)en Verlin 1881
6. 8 ff). XeSfjalb betrachtet auch unfer gorfdjer feine ganje riefenhafte
Arbeit als Material ju einer ©ebanfenftatiftif, im Ueberblid beffen, roaS
in Religion unb ^>^iCofoptyte auf bein (Erbenrunb jemals unb überall
gebaut ift ; als eine (freiließ noch in ^xen srften ©runbjügen faum begonnene)
inbuetioe ©efduchte ber menfdjlidjen Vernunft, frei uon. allen fuftorifchen
unb linguiftifchen Schranfen, eine (Entroidelung beS menfchlichen ©eifteS.
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Jlbolf Bafliau.
316er wirb mit biefer, wenn auch füfjnen, fo boa) nicht unbebenflichen
©leichgiltigfeit gegen bie gleichfam burdj bie 9?atur oorgefd>riebenen 9iubrifcn
ber geschichtlichen Betrachtung nicht ein wilbeS Gf)aoS ber bunteften s2£>ill=
fürlichfeitcn unb &>iberfprüche hevaufbefchworen? Diefe Befürchtung ift
es namentlich, welche feitenS beS ftreng gefchulten .§iftoriferS immer nod),
wie fcfwn bewerft, eine unbefangene 3£ürbigung ber (£tfmologie er^
fdjwert. 3unää}ft mufi man fich erinnern, bafe unfcre SBiffenfchaft es in
erfter Sinie mit ben Anfangen ber focialen Gntwicfelung ju tfjun hat, bie
eben, wie oerfchiebentlich heroorgefwben, burd&weg eine überrafchenbe
©leidjförmigfeit 3eigen, bie ©efchichtSwiffenfchaft bagegen mit ben coim
plicirteren ©ebüben einer befonbcren oölfergefchidjtlicheu Differenjirung;
je weiter oorgefchritten biefe ift, befto inbioibueller mujj fic fein unb bem=
tjemäfc rwn anberen charafteriftifd) abweichen. Sobann ergiebt fich ohne
weiteren Beweis oon felbft, bafe jene oergletchenbe, pfnchologijche Be=
hanblung feines befonberen Gahmens mehr bebarf, wie ihn bie &tftorio;
graphie in ber Chronologie befifct; was foüte fic auch mit ber Seitbe^
uimmung, wo es fich ««r u»1 oie Jeftfteüung allgemeiner pfnchologifdjer
Otefefce banbelt? „2llS erfte ift hiev bie grage $u fteüen, wie weit ein
geschichtlicher ©efichtSpunft in bie Gtlmologie überhaupt tjinetngetrajjeit
werben barf ober wie weit er für biefelbe juläffig ift. ^ebenfalls bod)
nur foweit, wie eine gefdjidjtlid) gefiederte Baus gebreitet ift als an fich
erforberliche Unterlage, um überhaupt feften gufj 5U f äffen. Die Öefchichte
hat aus ben uerfduebenen Gpochen ihrer ©efchichtSuölfer bie Documentc
vor fich liegen, unb ihre Äunft erweift fidt) barin, ben hier hiftorifch oer-
Mnbenben gaben für belehrenbe 2lufflärungcn weiter ju weben. Dicfer
ganje Apparat jällt oon uorne herein aus, wenn eS fich w«1 fc3t)rifttofe
9Jaturoölfer hobelt. 2Bir treffen fte fo. wie fte beim Auftauchen in bei*
(Sntbecfung fich för &ie DarfteUung geftaltet haben, oielleicht noch mit bem
f erwachen üftad)hatl einiger Drabitionen in bie lefot oergangenen ^ahrlmnbette
^urücf. darüber hinaus 2lUed bunfle 9tacht, baS Sollen beS ^0 im
polnnefifchen 2luSbrucf. 2i>aS alfo wäre hier alt, was jung? . . . Uralt
ftingt meinem Cfn* baS, worin UrfprünglidjeS noch tönt, unb uralt beShalb
jene Üieberflänge Hawaiis, gleich alt oielleid)t mit benen £eftobs . . . Sie
lrtl»notogie hat nun aber, um ihre wiffenfehaftliche Beljanblung burd; bie
^inbuction $u ennöglichen, folche etlmiidje ©eiftesorganismen $u fammeln,
trjpifthoriginell in fämmtlichen Bariationen, um bann mit ben Differenzen
irjre Differentialgleichungen anjufefcen. Das (Sntfcheibenbe über bie
Originalität beS Dnpus liegt babei für uns flar oerftänblid) barin, baS
$Hlb ber 9?aturftämme ungetrübt ju gewinnen 00 r bem (Sontact mit unferer
(Sioilifation ober, ba bieS untlmulich ift, in Meiern Moment beS
(SontacteS felbft." (3ur Alenntniö Hawaiis, Berlin 1883, S. 125 ff),
ftür bie Probleme ber uergleichenben (Senologie hat bie Begrenzung beS
(Stoffs nach ben Dafeln Der fogenannteu ^cltgefchidjte burajauS feinen
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\<6 Stomas 2td?dts in öremcn.
3öertf) unb Sinn, £anbelt es fid; 5. um ba3 SBorfommen irgenb einer
bebeutfamen fitttidjcn ober redjtlid;en ^nftitution, fagen wir be£ Matriarchat «,
fo ift es offenbar gan$ gleidjgittig, weil für ba3 SBefen biefe£ fociologifdjen
Begriffes nidjtöfagenb, 06 idj bie einzelnen SBölfer, bei benen biefe Structur
nadjroetölid) oorfornrnt, innerhalb itjrer gefdjidjttidjen Chronologie aufführe,
alfo bie £nfter 3. 23. neben bie heutigen SJtalanen auf Sumatra fefce.
Tagegen ift entfdieibenb bie gleidj fociale CrganifationSftufe, bie eben über
bie Höffens unb 3ettunterfä}iebe fjinweggreift unb in gewiffen allgemein
menfd)lidjen Anlagen biologifcfyer unb focialer Watur fid; lefcten (rnbc*
begrünbet. „SMfyrenb bie Gtjmologie bie pfi;d)ifd)en ßlementaroorgänge
im tl)?enfd)enleben comparatio für bie emjelnen .ftreifuugen überblicft unb
in jebem berfelben nad) ben 2lnlagen einrourjelnber tfeime genetifd) uer=
folgt, liegt eä ber concreten ©efdn'dne ob, ber aus ben SRefultaten geo*
grapf)ifd)er 9?atureinflüffe für ben Silbjuftanb fowof)l, wie auö ben geiftigeu
sH?otoren bei* in 9led;t£wtrfungen erblüljenben (Eultur gefdjürjten Jinoten bee
Problems für leben einzelnen gall erflärenb ju löfen." (2lUg. ©runb=
$üge ber (Senologie, $orrebe S. 11. Berlin 1884). Teäfjalb fann aud;
bei einigermaßen oorurtl;eil$freier Prüfung be3 Tl;atbeftanbe3 $wifcf>en ber
uniucrfellen etfmologifdjen unb ber d)ronologifd)en unb topograpfjifdj
bebingten Ijiftorifdjcn Huffaffung fein Streit beftefjen, fonbern e£ müßte
— was leiber aber nid;t zutrifft — ba$ befte einuernetjmen l;errfd;en.
Ta3 märe in großen 3ügen bie fritifd;e ©egrünbung Der 3fletI?obe
ber naturroiffeufdjaftlidjen, auf bem weiten ^Material ber $ergleidmngen
fuifenben ^fijdjologie ber (Senologie; i()rc Aufgabe aber I;ier aud) bem
ganzen Umfange nad; fdjilbern ju mollen, mürbe un3 felbftrebenb oiel
5u weit führen. (5$ muß oietmeljr genügen, wenn mir au£ ber uncnblid)en
gütte be$ Stoffe nur einige befonbere intereffaute Gapitel l>erau$f)eben,
um in ilmen jugleid) bie ^ilbung unb (Sntwirflung unferer religiöfcn unb
fittlidjen ^bcen 51t oeranfdmulidjen. 2lbftraf;iren mir, fomeit bieS eben
möglid) ift, von bem ganzen ©ewebe unferer fpeculattoen begriffe, bie un*
feft umfd)lingcn, fudjen mir ben (rnbpunft biefer logifd)en ©ebilbe $u
erf äffen, inbem mir uns bie ftrage uorlegen: meld)eS finb bie einfachen
ftrunb^üge bev? $seltbilbe$, mie es fid) im ftopfe eine* oon ber SWbung
uod) nid)t uerfälfdjten stfaturmenfd;en abfpiegelttf Tarauf antwortet ^aftian
folgenbermaßen: „3nbem ber IshMtbe in ber anah;tifd)en SerfefcungSarbeit
beffen, was er cor ftd) fieljt, rajd) erfdjlafjt, inbem er bie (Jrtftenj bes
Unbefannten fold;en $ugiebt unb mit ben zugeteilten Tanten in feine
©ebanfenreiljen einführt, fo l;at er fid; bamit felbftroiHig einen Tc^poten
gcfcjjt, bem er fuca)tifd; unb bemütt;ig ju bienen l;at, el;e e» bem Tenfen
fpäter einmal gelingen wirb, ifjrt tu feine conftitnirenben demente aufju*
löfen unb biejetben im fortfdjreitenbcn ^erftäubnifj §u bemeiftern. Ter
9)ienfd) lebt im ^orijout feiner eigenen 3lnfd;auungen, innerhalb ber objecto
projectirten Sdjöpfungen, bie ilm in einer engen Kreislinie feftbannen, btö
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2IJ>oIf Safttan.
er fiä) auffdjwingt, bie ^bentität ber fubjectioen öefefce mit benen beS
21US jU erflären. Gr ift ftets oon ben Borftellungen befjerrfd^t, bic in
il)m baS Uebergewid)t geroinnen, in bem Stubtum ebelfter &umanitätsblütt)e
fowohl, roie in bem fri) ptogamif djen ber SBilben. 9)iit 2Utfnal)me beS
llnbefannten hat ber 2Mbe eine unbegrenjte ©röfce in feine öebanfenreüjen
jugelaffen, ein £ Don nicht befinirtem unb nicht befinirbarem SBerthe, baS
bei allen geiftigcn Berechnungen, bei jebem Abwägen neben einanber fdnoingem
ber ©ebanfcnfeiten für biejenigen, roorin es eingebt, ben 2luSfd)lag geben, biefe
als bie fdjwerfte §ur bominirenben machen muß. 2)er SÖilbe ift fortan
rettungslos ber £nrannei biefes Unbefanntcn unterworfen. (5r fieljt es
überall um fid), aus jebem 9?aturgegenftanb heroorblidenb, er wagt feinen
bcrfelben 5U berühren; felbft bie ^flan^e, bie als -Nahrung $ur Sebents
Unterhaltung nothmenbig ift, barf nur unter fütjnenben (Serimonien gepflüdt
werben.'" (Beiträge juroergleichenben 5pfnd)ologie 8. Off). deshalb fühlt fid>
ber üJiaturmcnfch auch immer unter Seinesgleichen am wohlften, wäljrenb
altes Anomale — fei eS übermenfchlid), fei es cretintjaft oerfümmert — ihm
ein unbeftimmtcS gura)tgefül)I erwerft. Saher and) ber übermächtige, er*
greifenbe ©inbrud, welken ber £ob auf feine fenfible Sßhantafie ausübt.
„33enn ber Siebenmenfd) (mit bem er bis baf)m ruhig formlos oerfeljrt
jjat) bem £obe anheim fällt, bann ift biefe ^bentität gebrochen, bann fieht
er aua) in ber förperUc^en &ülle feines bisherigen 3)Jitmenfa)en ein ihm
frembeS üHaturobjcct, bann fühlt er auch aus ihm ben Sdjauer bes Un*
befannten auSftrömen, unb bann bringt er $ttternb &ulbtgung oar, bis eine
cblere 9£>eltanfchauung bie Climen ber Slbgefdjiebenen aus fpufenben ®e*
fpenftern in gütige unb fdjüfcenbe fieroeu uerwanbett." Unb wie ber Sob
bem 2ßilbeu nur crflärliä) ift als ein plöfclicher (Singriff in ben normalen
Sauf bes Gebens, fo ift für ihn auch bie tfranfheit baS äöerf eines fdjaben=
frohen Xämonen, gegen ben felbft bie heilkräftige Jürbitte eines ^>ricfters
oft machtlos ift. 60 erflärt fid) unter bem $injutritt anbermeitiger Momente
23. oon 2raumerfd)einungen) ober 2lnalogien förperlidjer 2lrt (5. 33. beS
2lthemS unb Blutes) ber ertreme Spiritualismus, oermöge beffen bie regfame
einbilbungsfraft beS Silben bie ganje ihm jugängige äöelt beoölfert mit
einer Schaar geiftiger 2Sefen, oon ben frauenhaft oerjerrten ©eftalten eines
blöben 3ctifd)iSmuS bis 3U ben erhabenfteu, im Sichte bichterifcher 3>er^
llärung hellglänsenbcn göttlichen Öeftalten, wie fie uns in bunter gulle
bie ÜJinthologien ber ocrfd)iebenften Golfer aufbewahrt haben. $n ben
Göttern lebt unb fpiegelt fich ber 3i)cenfch, unb beSljalb ift bie $efd)id)te
fetner Religion $ugleid; auch unmittelbar ein getreues Bilb feiner ge=
fammten geiftigen unb fütlidjen (Sntwidelnng. 2lu« ben urjprünglid) auf
einen engen Bejirf befdjränften divi manes wirb bann im ^aufc ber Seit,
bura) Berfd)iebung localer Beziehungen unb Bübung oon größeren Stammes -
genoffenfehaften ein göttlich verehrter &eroS unb in noch weiterer 3lus«
behnung für ein ganzes Bolf ein fiegreidjer Öott, ber im Kampfe mit ben
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^ 78 (Thomas 2td}clis in Bremen.
finalen ftd) alä ber mächtigere erroeift unb bie alten Ctmnpier entthront.
£iefe finfen bann im SBoIf^glauben $u ^otenjen sroetten unb britteu 9tange£
herab, ober fte werben in fdjarf bualiftifchen Snftemen gar jur ,§öUe I)in=
abgefanbt — ba$ roiberfubr 5. ben inbifd)en ©ottheiten bei ben Verfem.
2luf ber anberen Seite entroidelt fid) mit ber fteigenben (Sioiltfation unb
ber philofophifcfym Schulung be3 ©laubens ber begriff ber Seele in immer
neuen gormen weiter, bis er in ber furdjtbarften, alle perfönliche %xe\tye\t
fd)led)terbing3 au3fd)liefjenben £ärte ber ^etempfudrofe (roie in ben ägi)pti*
fdjen unb inbifd)en Snftemen) gipfelt; fyat bod; gerabe bie verheißene Gr=
löi'ung von biefetn entfestigen Kreisläufe ber Gyiftenjen bem üBubbfjtömuä,
ber bafür bie »Kühe be$ unperfönlidjen 9tirroana einfette, bie ungejäblten
Scfcaaren feiner heitebebürftigen Sefenner in bie 2trme getrieben. Unb bod)
mar in biefer urfprüuglidj ait|eibnifd)en Religion bie alte ^bee bet Biebers
geburt fo roirffam, bafj felbft hier in ber fid) eroig erneuernben ^erfon be$
Xaiai £ama ber fleifdjgeroorbene ©Ott ben ©laubigen bi* an ba* £nbe
aller Sage erfdjeint.
äöie fo bie uergleidjenbc (£tlmologie ba$ 2£ad)Stfwm ber religio fen
^been in il;ren oerfd)icbenen Entfaltungen als einen naturgefefcücfjen,
jeglid;er inbioibuellen &>illfür entrüdten ^rocefj fennen gelehrt t)at, fo er*
öffnet fie unö jugleid) einen wollen (Sinblid in bie Struftur beS gefeüfchafu
liehen Sebent unb bamit in bie Einrichtung beä 9ied)t3. 3lud) bier wirb
man fidj geroöfmcn muffen, oon ber bisherigen, nur fpecutatioeu Ableitung
au» beftimmten apriorifd)en Wahrheiten 2lbftanb 511 nehmen unb bie einzelnen
MedjtSbeftimnmngen oiclmeln* als concreten 9Üeberfd)lag ber focialen ©efefce
aufjufaffen. £al)er roedjfelt ber 3ul)alt biefer formen je mit bem Gharafter
biefer mafegebenben focialen Üterl)ältniffe, unb waä ber einen Stufe alä
heilig unb billig erfcheint, uerjällt auf ber anberen ftrenger i?Xr)nbung. 2ln=
fänglidj auf ben flciuen ^e$irf ber bluUuerroanbten StammeSgenoffenfdjafteii
befdjränft, bie fid), forocit eben möglid), nad) 2lufjen hermetifd) abfchliefceu,
tritt mit bem (rinfefcen erogamifdjer Ghebimbniffe unb bem 2(bfd)lufs eines
bamit bebingten £anbelsocrfcl)r3 eine Erweiterung biefer engbegrentfen
Med)t3fäfce ein, bis aus ben fleinen iUcrbänben im £aufe ber gelt fid)
ein 2>olf3tf)um unter monarchischer Verwaltung entroidelt. „Unter Einfefcen
gefchichtlidjer Bewegung erhält baS Mönigthum bann eine uöllig oeränberte
^hafenroanbluug, burd) .v^erabftnfen ber eingeborenen Sdjidjtung beim Ueber*
fdjieben einer ariftofratifa^en ber Eroberung, beren fiegreicher Seiter, aUS
Surft auf ben 6d)ilb erhoben, nun bie ©etreuen beä aus ben ©teichaltrigeu
gebilbeten ©efolgcS mit SanbeSuertheilnngcn belohnt unb fo bei ber ibefifcs
ergreifnng auf Xerrain bie ^uftitutionen beS JeubaliSmuS auf ^iftorifc^en
"Woben uerpflanjt." (Mg. ©runbjüge S. 49). Unb auä) hier, uüe in
ber 9)i!)tl)ologie fiuben fid) tro^j ber unenblidjen 3lbroeichuugen in Den
einzelnen ^oltetypeu geroiffe fd)lechthin unioerfelle v3eftimmungen bes focialen
VebenS, bie fid; uberall roiebovholeu. p,u folchen primären ober Elementar^
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a&olf Saftian.
179
gebauten gehört (um ben 9aftian'f$en 3lu3brucf beizubehalten) 23. bie
eigentümliche matriardjale Struftur ber primitiuen ©cfcVechtSgcnoffenfchaften
mit ftarf ausgeprägten communiftiföen 3u9eu/ Gntnricflung ber föäupt;
lingfdjaft, be3 5c"baK3mu£ in feinen oerfdnebenen Verzweigungen, be*
priefterfönigthuntö u. f. w. 9iaffe unb ^ahrfjunbert fpielen auch l)ier feine
ftolle; entfäjeibenb ift nur bie gleidje feciale Crganifationäftufe, ob fid)
biefe nun bei ben ßhinefen, ©ermanen, SDialanen ober anberen uöllig
ftammfremben Golfern oorfinbet.
3um Schluß noch ein 2Sort über ben oiel angefochtenen Stil $3a(Hatt'£.
freilich, wer feine Schriften als blofce UnterrjaltungSlectüre benufcen wollte,
eine bunte Jyotge oon ^eifeabenteuern erroartenb, ber würbe ftd) fdjwer je*
täufcht f er)en ; aber auch für bie Vertreter anberer wiffenfd)aftlid)en Sisciplinen
älteren Datums, wie ©efdjichte unb Philologie, ift bie abfällige Atritif fel)r
wohlfeil, ba fie felbft in ausgetretenen ©leifen wanbern. 2lnber$ t)ier in
einer neuen, faum gegrünbeten Jorfdjung, 100 erft bie jüngfte Gegenwart bie
©runbfäfce ber methobifchen llnterfudmng feftgefefct unb begrünbet hat ; unb
eben aus biefem ©runöe ftnb biefe Vorwürfe ungerechtfertigt, weil e$
unferem Gewährsmann in erfter Sinie, mie er öfter auSgefprodjen, nur
auf eine möglichft auSgebefntte SKaterialanfammlung anfommt, märjrenb er
Die formelle 9lbrunbung unb derart eitung ber gefammelten Sd;ä|je gern
ber 3uhmft überlädt, ©üblich barf man nicht uergeffen, ba& für eine fo
meit auöfdjauenbe Vergleichung, n)ic fie eben bem 2Utmeifter ber (Senologie
möglich ift, wo oon allen Seiten bie gleidjartigen Sbeen unb parallelen
dou felbft fia) aufbrängen, bie Schwierigfeiten einer flar abgegrenzten Stil*
orbnung eine unenblid) oiel größere ift, als für ben engen ^ejirf Oer
meiften l)iftorifcr)en unb linguiftifchen Jacher. 3ft biefe ©efal)r loächft um
fo mehr, als fia) bie Probleme ber pfpct)ifd;en Anthropologie, wie wir hoffent*
lieh erwiefen haben, auf baS engfte mit ben bunfetften fragen ber Gr*
fennrnifetheorie berühren unb fomit geeignet finb, eine oollftänbige Um:
mäljung ber ganzen ^eltanfchauung herbeizuführen.
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Die Helten in Süö*(Defterreid?
€in Kapitel curopäifcfjcr U r g c f et) i d) t c *)
Don
21Tort5 £joerncs.
— Wien. —
M f^püv ^* **U9C CWwto* W Rittet jeber gefdjidjtlidjen
fl KT?^ (s3röf5e eine bräuenbe Sdjattengeftalt, bie — 9tad)rid)ter unb
ILS^ ^"rbc 5ugleid) — fid) allntäljlid) uerbid)tet unb riefig anfdmuflt,
bi£ jene junt ft-alle reif unb iljre eigene 3eit gefonunen ift, bie 3^it, tu ber
fie, uon ber &>eltfonne befdjienen, Ijeroortritt unb in baS 2lntlifc ber (Srbe
iljre ftnfjtapfen cinbrüdt. <2o fteljen bie 9iorbuölfcr (Surouaä hinter
jenen be* clafftfdjen 3Ütertlnnn3. &>ät)renb bie altclafftfdjen 3>ölfer jur
^enmnberung aller ft-olgejeiten an ber (Erfüllung Ujrer 3Jiifiton arbeiteten,
bie eble anttfe öefittung fd^ufen, bcn Orient Ijellenifirten unb Stalten als
ben 6ifc einer fünftigen &*eltmadjt einrichteten, roetterleucf)tete es fdt)on Iiinter
ben bergen, roelcfye bie Vanbfefte unfereä Grbtf)eU3 uon ben .§albtnfeln im
*) 3n bcu lagen oom 5. bis 10. Slngufi finbct in Sien eilt gemeinfamer
(Songres ber Seutfdjcn unb ber Liener Slnt&ropologifd>cn ©cfcllfdiaft
ftatt, toeldjcr 3uglcid) bie XX. regelmäßige Söcrfammlnng ber beutferjen antfyropologifdjen
Gefell fdiaft bitbet. Sie 2ikl)t biefeS SkrfammlungSortcS rechtfertigt ftd) unter Anbetern
bind) ben au{jerorbcntlid)en i)teid)tf)um au urgefdud)tl tdjen £en finalem, roelcbe
in Sien onfgefammelt finb. Xiefclbcn mürben igröfetentrjcilS in bcn legten Satiren
für bie piüöiftortid)e Sammlung beS f. f. natuvrjiüorifcfjen ftofmufeuma bureti tnn>
faffenbe Ülusgrabungcu im ©üben ber 2Honard)ic gewonnen. 2tn biefen Ar-
beiten, bie Don allen llrgcfd)id)t3forfcf)ern (ftiropaä — bem 2tltmctfrer biefer SSifienfdjait
in £cut|"d)lanb, £errn Stubolf SStrdjoio, uoran — als epoerjemadjenb anerfannt tourben,
bat ber öerfaffet feit einer JHcük tum 3al)ren burd) Bettung Derfdjicbcner Ausgrabungen
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Die Kellen in Süb-CDefterreid}. \8\
(Sübeu abfe^eiben, roie oon einem bi$ in bie SBoIfen gefdjroungenen WfyU
beil ; unb manchmal brörmte ein bumpfer Sonnerf djlag roie $ur ^erfünbigung,
bat? ba£ ©eroitter fid) nidit oersielje, fonbern Ijerannafje. <£in foldjer Bonner,
oor bem Italien erbebte, roar ber ©inbrudj ber Atelten unter 23rennu£ atn
•Beginne be£ oierten 3af)rf)unbert3 oor unferer 3eitred;nung. $a$ junge
:Hom fanf roie geblenbet in bie tfniee; aber atebalb raffte es fi<*> toieber
empor, ergriff Sdnlb unb Sdjroert unb begann ben &ermdjtung3fampf
gegen bie ftodjsljaarigen einbringlinge. !Rid)t lange naef^er oernafjm aud)
ber Cften ber antifen SBelt ein fernem ©rollen. 2lte 2Ueranber, be$
iphilipou* 8ofm, auf feinem gelbjuge gegen bie jenfeite be* Skifans
roormenben Sfjrafer roeit in ben Horben ber &al6infel o orbrang, famen,
roie ^olemäu$*£agt (bei etrabo 93ud) VII. pag. 301) berietet, leiten,
bie um bie 2lbria herum fe§(jaft roaren, ju bem Könige, um greunb=
i<f)aft unb ©aftoerbinbung mit itjrn ju fdjltefjen. $er große 2Ueranber nahm
fic freunblid) auf unb unterhielt fid) mit ümen beim Xrinfgelage, roobei
er unter 3lnberem fragte, roa$ fte am meiften fürd)teten. 6r erwartete,
Tie roürben ifm felbft als ben ©egenflanb ihrer größten Sorge bejeidjnen.
Sie Helten oom Sianbe ber 2lbria anroorteten jebodj: „9itdjt$! aujjer,
baB etwa ber Gimmel einfrürje/' £od) roürben fie bie #reunbf$aft
eines ÜJianneS, roie bes AdnigS oon SJfacebonien, über 9lllc3 h0(hfd|äfcen!
XiefeS SBort erinnert an ben 2Iu3fprud), welchen oor nia^t langer 3^it ber
größte Xeutfdje im §inbti(f auf broljenbe, friegSluftige ©ren5nad>barn ge*
tljan hat. Strabo citirt e$ aU Söeleg für bie furd)tlofe ©erabljeit unb berbe
llnerfdjrodenheit ber norbifa^en Sarbaren nebft anberen 3eu9mffcn //einer
gegriffen oolfethümlidjen Einfalt", rooburd) fid) bie 9?orblänber nach ber
Meinung biefeä ©rieben oon ben Süboölfern auSjeidjiteten. ift ja
befannt, ba§ bie Hellenen in SHrjtrjen unb bunflen 9Jadjrichten feit uralter
3eit bei ben 3folf$ft&mmen, bie rjod) oben „jenfeitö be$ 23orea$" häuften,
eine ?(rt ^}arabie$ ber fd)lid)ten Üöieberfeit unb ©eredjtigfeit oermuthet
haben. Unb mit -Red)t fagt flafpar 3eu6 von oer Urjeit ber Äelten unb
©ermanen: „9113 &erobot am Spontuä nad) ben Golfern ber ^iorbroclt
forfdjte, faften fie, oon bem wißbegierigen ©anberer nidjt einmal erfragt,
unb biird) «Öiiit&cilung iprer (?rgebniffe in ft-acbäeitfdjrirten teilgenommen. ;<c»ier ücr=
fuept er e§, eines ber nridjtigftcn Probleme ber öfterretd)tfd)cn ^räfjiftoric, nämltd) bie
Jlblöfung be8 fogenannten Jpallftätter " 3°rmcnf reifes burd) bie üa^Xuite*
(Sultur- unb ben (Sfjarafter ber leötgenannten an ber £>anb ber <yunbtf)atfad)en für ein
qröfcere§ publicum barsufieOen. (5r l)offt babnrd) ehnaö baju beijutrnfleit, bafe bie
jene* GongrcffcS in einem »eiteren »reife befannt »erben, unb ba» feine Jtrüdjte jene
allfeitige X^eilnaljme finben, toelaie fic getoiß Oerbienen inerbeu. ^)ie Stefultate ?,a\)U
reicher oon Sien, Slaibcuh unb Xrieft au« untentontmener ^ocalforfdjuimcn an fpeeifi-
iaVn ßa^Xine^duIturftatten Marren [bereit nec^ irjrcr $ubIicatton, locrben jebod) ben
^efudiern bti eongreffe« burdi 21utot)fie jugänglid) fein. 3n ben SliisftcUungcn unb
Ceröanblungen beSfelben njirb mau fonad) and) bie: Smiftrattoiien unb nafjercu 'Jlni^
fü^rungen bea fjicr befianbelten ©egenftanbeS finben.
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. ITT o r i 3 fjoerncs in IPteit.
in ruhiger Stille an ben SHorbfüften, ebenbürtig ben gebilbeten SBölfern
beS Sübens, welche ihre benmnberten ©eifteSbenfmäler burä) bie glüeflier)
unter ifmen entwidelte $uchftabenfd)rift ber Fachwelt überlieferten unb in
ber üppigen belebenben Statur beS SüblanbeS ftdj ber ÜluSbilbung ber
t)iebe unb &unft imwanbten, wäf)renb jene im rauheren Horben, oon ber
^oriefmng wie juin ÄriegSwerfjeug aufbewahrt, um eine neue Selige ^
ftaltung herbeizuführen, als fräftige ftaturfölme lebten."
$ie 9ieufa;öpfung ber gealterten „claffiiehen" Seit burdj bie Golfer
Nüttel- unb StorbeuropaS ooü>g fid) unter furchtbaren Grfchütterungen,
nach einem fingen 23ruft an törujt, aus welkem bie anttfe Seit Slnfang«
fiegreia) f)eruor3ugef)en fd^ien- 6eit jene gallifchen Helten, wie eine erfte
SHolfSwoge, bie ben unbefchüfcten Stranb überfpült, in Italien unb fpäter
in ©riechenlanb einbraugen unb bis nadt) 2lfien Ijinüberflutheten, machte
bie Seit beS Sübens immer entfdjiebener gront gegen ben Horben unb
baute £amm auf 2)amm, fdjob ir)re Sehren unb Schufcbauten immer
höher tjinauf in bie unwirklichen ©ebirgS* unb Salblänber Mitteleuropa^.
Grft mußten bie 2llpen, bann bie $)onau unb ber $f)em als unoerlefcliche
©renjfdfjeibe gegen bie Barbaren Italien, £eflaS unb alle im Greife um
bas 3)iittehneer gelagerten, oon gellerem Sonnenftrahl befchienen £anbs
fchaften oor bem Einbruch ber Dtochtoölfer beäen. 3n biefem Ufingen
würbe bie erfte Sd)lad)tenrethe ber lederen, bie Sielten (farnmt $>em,
was fia) oon germanischen Stammen gemaltfam bajwifchen fdwb, wie bie
(Simbern unb Teutonen) naljeju oöllig aufgerieben, nicht oernichtet, aber
atomifirt, feiner Selbftftänbigfeit beraubt, burdj 5triege gebrochen, unter =
worfen unb affimilirt. Xiejer :Uft bes großen SramaS, mit bem bie neuere
@efd)id)te beginnt, füllt eines ber ältefteu, aber aud) ber merfwürbigfteu
(Sapitel in ben Sollen, welche bie ©efd)ide unfereS SKaterlanbeS aufgezeichnet
bewahren. 2>er allgemeine Hergang ber Greigniffe ift längft erfannt unb in
ben äußeren 3uÖen Den Berichten alter Schriftfteller unzweifelhaft
feftgeftellt. Sie füblid)ften Xtyile beS gegenwärtigen Üaiferftaateö Cefter=
reid), bie Cftalpenlänber unb baS flfiftengebiet, waren in ben ältefteu 3eiten,
aus welken uns Sölfernamen überliefert finb, bewohnt oon Stämmen,
bie — ben Süboölfern oerwanbt — gleichfam eine Vormauer berfelben
gegen ben Horben bilbeten. 60 fafjen in Xirol unb ber Cftfchmeij bie
Mbätier, ein $olf gleicher 3lbftammung wie bie ©truSfer, bie auf ber
füblia; angrenjenben £albtnfel feit unoorbenflicher Seit eine mistige
Molle gefpielt unb burd) Uebernalmte ägoptifcher unb norbaftatifcher (fpäter
griechifdjer) Gulturelemente bem Ginfluß beS DrtentS auf baS 2lbenblanb
eine breite Salm geöffnet haben. So befmten fid^ weiter öftlidr) oon ben
Wfyitiem, in Kärnten, flrain unb auf bem ßüftenlanbe bie 3 linder aus,
lange 3*it in ununterbrochenem 3"fantmenhange mit tt)ren StammeSbrfibern,
welche an ber Cftfüfte Italien! tynab bis an'S Gnbe ber $albinfel uno
ebenfo im heften ber 23alfanf)albinfel bis ju ben ©renken ber griedjifcben
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Die Kelten in 5üb.0eftcr rcid?. J83
3unge fefchaft waren. Siefen Golfern fiel ein eigentümliches £oo3. 3n
ber Urjeit, beren Schleier burdj Ausgrabungen unb tiefere Cueüenftubien
ju lüften, erft unferen £agen vergönnt war, befanben fic fid) im SBeüfce
gleicher Gultur mit ben nadmtal3 clafftfdjen Süboölfcrn. %ene alters
thümlidjen Lebensformen, welche in ben (Oeffingen &omer£ unferer 2ln=
fdjauung erfcfcloffen finb, tjerrfd)ten gleichmäßig im UrfprungSgebiet biefer
lieber, wie bei ben nörblichen Nachbarn ber ©rieben, ben X^rafem unb
^lluriern. Ser $>erbreitung$bejirf biefer Gultur in Mitteleuropa fdt)eint
fid) ungefähr mit bem ju beeren, was man nad) bem gormenfehafc beS
reidjften urgefchid)tlichen ^unbpla^es in ©uropa als „&allftätter
©ulturfreiS" bejetdmet t)at. Ser (Stil biefer Lebens unb biefer 5lunft,
bie uns auö) t)öd)fl belefjrenbe figürliche Sarftellungen ^intedaffen t)at,
ift im Vergleich jur fpäteren claffifd)en ©ioilifation ein primitiver, ar=
djaifcher. ©r beruht in ber $auptfadje auf einem Jortleben jener ©r=
fcheinungen, welche in einer früheren ^eriobe ber menschlichen 5lraftent=
faltung, ber fogenannten ^ronsejeit, fid) auSgebilbet r)aben, unb ift be-
reichert burch bie Aufnahme beS ©ifens unter bie ju 2Baffen unb 28erf;
jeugen oerarbeiteten Stoffe, fowie burä) einen (namentlich in ber äfthetifdjen
Seite beS Gebens) unoerfeimbar h^roortretenben ©influfe beS femttifchen
CrientS. Siefe alterthümliche Stufe tourbe unter ber wärmeren Sonne
beS Sübens balb überwunben, unb fpät erft, in unferer überall auf ben
Örunb einbringenben ©egenwart, finb [\e, tief unter bem Schutt ber
fpäteren CultuS* unb 2Bolmftätten in Unteritalien wie auf ber ^elopSinfel
roieber 3U Sage geförbert roorben.
$ei jenen nörblichen Stämmen, namentlich bei ben ^Uuriem, blieb
aber biefe feltfam gemengte Gultur mit ihrer Sedjnif unb ihrem Stile
noch lange in ©eltung. ©S trat tytx, nad)bem ein geroiffer «gö^epunft
ber ©ntrokflung erreicht mar, ein Stillftanb ein, ber für bie gefchichtliche
Betrachtung nothwenbig bie gorm eines StucffchritteS annimmt. Senn
mährenb bie füblichen üfladjbarn unb Stammoermanbten bem Öipfel,
antifer (iköjje jueilen, werben jene 3lnbent anne unb verachtete Barbaren.
Surd) bie ©ntwicfelung ber griechifchen Golonifation, burch baS ^errifd;e
Auftreten ber aeferbautreibenben hochcioilifirten Hellenen an ben -Jiorbfüften
ber mittellänbifchen ©ewäjfer bilbet fid) bann jener fd)arfe unb feinbfelige
©egeniafc r)crau3, Der °*e ©ingeborenen gleichfam in bie Üßüfte jurücf fließ
unb alle 33erbinbungen mit itmen aufhob. Ser norbifche 33ernfteiu, ben
bie illnrifchen Stämme fonft ben (kriechen ^brachten, wirb nicht mebr
gefchäfct. Sie arbeiten noch emfig in ihrer alten uorsüglidjen fDietaUtechnif
fort, aber fie machen feine gortfehritte, feine ©rftnbuugen mehr; felbft wo
fie ftch 9U bilblichen Sarfteäungen aufschwingen, uerfallen fie einer unfäg*
liehen Sürftigfeit ber 9J?otioe, bie auf einige uralte 3Sorbilber jurüefgehen.
So erscheinen fie reif jum Salle; unb bie @efä}id)te fäumt nicht, biefer
Urtheil §u ooüftrecfen. Sie Vormauer ber Süboölfer wirb oon jroei
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18$ DT o r 1 3 fjocrnes in IDicn.
Seiten unterwüfjlt unb burd)brod)en : r>ou Horben I;er burd) ben Slnbrang
ber Helten, uon £üben burd& bie 9)fad)tau§breitung 9iom$. Xie italifdjcrt
^ünrier werben f)elleniftrt unb fpäter romanifirt, ber ittprifd^e 6taat auf
ber iBalfantjalbinfel von ben Römern bejmungen; in baS ©ebiet ber norb=
illnifdjen 6tämme finb fd)on früher bie feltifdjcn Gröberer jerruttcnb
unb auflöfenb eingebrungen.
tiefes gefdjaf) ungefähr um biefelbe ^eit, wie jener Stofj in'*
.§erj ^tßtienö, oor welchem 3tom betäubt l;infanf. $amaU f)at ba£
gallifd)e 9iorboolf in ungeftütnem 2lnpraH auf wette Streden bie ©djraufeu
niebergebrodjen, weldje it)re Heimat uon ben blttyenben Süblänbem
trennten, unb pm Xtjetl von ben lederen 23efvfc genommen. G3 mar ein
äufjerftcf) fefyr äfmlid;e£ Sßorfpiel ber grofjen conftitutrenben S3ölferwanbe=
rung, als bercn &auptactorcn viele 3af)rfmnberte fpäter bie germanifdjen
Golfer auftreten. Unb im ©runbe ift bie 3iel)nlid)feit ber bciben Greig=
ntffe, wie uerfd)ieben aud) irjre $vtnenftonen, ,§auptrid)tungen unb Göns
fequensen gewefen finb, nidjt 6loj3 eine äufjerlidje. G$ ift fetjr bebeutfam,
bafe uns uon ben alten Sdjriftfteßern be3 Sübens nafyeju bie gleiten
antl)ropologifd)en 3Jlerfmale für Helten unb ©ermanen überliefert werben.
s^l)t)fifd) von gleicher s3efd)affenf)eit roie bie (Germanen, meldten fie nact)
ben Seugmff cn bes (Säfar unb £acttu$ etyebem überlegen waren, Ijaben bie
Helten burd) iljre längere Sefjfjafttgfeit im milben weftlid^en (Europa unb
watyrjdjeinlid) aud) burd) bie ^errfdjaft über eine bort einljeimifaje fd)wäd)ere
Pfaffe, uon ber fie it)re gelber beftellen lie&en, manage ber ftrengen £ugenoen
abgelegt, welche bie ©ermanen im raupen 9iorbbeutfd)lanb treu bewahrten.
Sie gleite 2£ud)t be$ 2lnfturm3, auö bem gleiten 6ä)Oofe entf prangen,
fällt bodj nidjt mit bem gleiten ©ewidjt in bie 2Öagfdjale, ba nia)t bie=
felben Dualitäten Ijinter il)r ftefjen. G$ war ju allen Seiten ba3 6d)irffal
5rantreid>3, jweigrunboerfd;iebene9iaf)enclemente 51t beherbergen, oon melden
ba$ eine, l)errfd)füd)tig unb friegSluftig, 00Ü Gnergie, aber burd) ben
Gontact mit bem anberen Glemente moralifd) gefd)wäd&t, feine Unter*
nefmumgen in bie gerne ridjtet unb Guropa erfdjüttert (Heltens unb
Jvranfenjüge, ttreu^üge, Napoleon Ü), wäfjreub ba$ anbere, emfig unt»
fricbferttg, bie frua)tbare 8d)olIc bebaut unb bie ©unben l)eilt, welche
jenes bem 9?ationalwol)lftanbe fd)lägt.
Xie Vorläufer unb präbiftorifcfjen Urbilber ber tfriegSfdjaaren flarU
be* ©rofjen, ÖottfriebS oon Bouillon unb be£ corfifdjen £tctatord jogcn
uon ifyren 6ifcen am weftlid&en Ccean auö unb fälligen oerfd&tebene SBege
ein, wie bies bei planlofen, elementaren Bewegungen faft natürlich ift.
Gin STieil flieg über bie grajifdjen 2llpen in bie ^abuelanbfdjaft hinab
unb grünbete fid) bort auf Soften ber GtruSfer neue auSgeberjnte 2£obu=
fifce. Rubere 3)?affen wälzten fid; über ben 9il)cin, unb bie ©onau, an
bereu fmd;tbaren ©elänben fie fid) niebalienen, warb il;neu, wa$ jenen
ülnbereu ber ^auptftrom Cberitalicnö. %n fpäterer 3^ erjäljlte mau
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Die Kelten in f üb- ©efterrci*. J85
tfjre iKtanberungen in ©eftalt einer ©efd>td)te von ben 6eiben Königsnefjen
öellooefuS unb SigooefuS; bie $iftorifer glaubten auf ben ©runb ber
(Sreigniffe $u gerjen. toenn fte biefe Sage oerwarfen unb von angeborener
Sföenteuerluft be3 feltifdjen StannneS fpraa)en. 20 ir erf ernten and) tyier
jenes 9taturgefe$, weldjeä bie gefdjtd)tlidjen Umwälzungen bef)errfd)t : ba0
©efefc, nad> welchem fdjwädjere Golfer bie 33eute ber [tarieren werben
muffen, fowie fid^ öejielnmgen $wifdjen ifynen anfnüpfen. ©cnau fo, wie
bamals bie ©truSfer jwifdjen Römern unb Kelten serquetfajt würben, ftnb
fpäter bie Helten fctbft jwifdjen Römern unb ©ermanen aufgerieben worben.
XamalS aber waren fie, wie bereite ermähnt, nia^t nur ben ©ermanen,
fonbern an KriegSfunft fogar ben Römern überfegen, unb bie 9iömer felbft
fjaben anerfannt, baft eä ifjnen befdjieben fei mit allen anberen Hölter n
um <%e unb (Gewinn, mit ben Kelten aber um il)re (Sriftcu$ unauff)örtid)
$n ringen.
Um wieoiel mefjr mufeten fiä) bie Kelten als geborene Herren unb
Eroberer ber JÖarbarenlänber an ben Duellen ber Donau unb Den fruajts
baren Ufern biefeS Stromes betradjten ! Sie fie uns oon ben griednfdjen
unb römtfdjen $erid)terftattern in fatten färben gefdjilbert werben, erfdjeinen
fie jubem fo redjt gefajaffen, als unerbittliche unb nad)brüdlidf)e SBollftreder
jenes 9farurgefe$eS (Strusfern unb Syriern gegenüber aufzutreten, ^troftfä)
pon ben Süboölfern burd&auS cerfdn'eben, f)od)gcwad;ieu , mit wetfeer
Hautfarbe, blonbem £aar unb blauen klugen, jeigen fie aud) in ifjrem
©eift unb Gbarafter eine oon claffifdjer 3uä)t unb Sitte uöttig abweidjenbe
2lrt. Dem Rillen treiben bes gelbbauS unb ber länblidjen Se^aftigfeit
abfwlb, lieben fie bie ©motion entweber in ber ©eftalt eines ungebunbenen
£irtenlcbens ober in beut turbulenten ©etäebe itjrer Sieden unb Stäbte,
wo if)re ^ratjlfuajt unb rKebeluft ein weites Jfetb unb reid)tid)e Wahrung
finbet. »m willfommenften aber ift tynen ber Kampf, fowoljt in ber bem
claffifdjen 2lltertfmm unbekannten £orm beS Duells, als im fingen ber
ausjie^enben ©ewaltljaufen nadj neuen Sofmfifcen unb rufjiuooller iöe=
tfjätigung auf bem Sa)laa)tfelbe. UcbrigenS gar fo auSia)lie6lid) $um
Unfegcn unb gar fo ofjnmädjtig ju 9ieufd)öpfungen an Stelle ber von Urnen
aufgelösten Drbnungen, roie manage .§iftorifcr (aud) 3)iommfen) naa) ben
feinbfeligen "Serid&ten ber altclaffifa)en Sdjriftfteller bie Kelten fdiilbem,
ift biefe Nation uiä)t geroefeu. Die Kelten l)abcn tl)atfäd)lid) — was man
früher nidit rotffen fonnte, jefct aber auf ©runb tieferer bura) IHuS-
grabungen gewonnener £infta)teu ausfpred)en barf — eine neue, iljneu
eigentljümlidje Gultur in weiten ^anberftreden jur £errfd)a(t gebrad)t.
3ene Gulturftufe, über weldje fie, lange oor ber Süislulbung ber prouinjial =
römifa^en Gioiltfation, oerwüftenb Ijingefaljrcn finb, war bie alt* mittels
europäifdje, in ben 6rrungenfa)aften ber reinen ^ronjejeit wur^elube
,^aüftdtter Gultur." ^re Ueberwinberin unb Wadfjfolgerin, jugleid; bie
^'orftufe ber proüin$ialrömi)d)en Lebensformen, ift bie felttidje, auf einem
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(86 IITori3 tjocrncs in Wien.
oiel auS^ebelmteren ©ebraudje bes ©ifenS beruljenbe, Gultur oon 2a =
Xune", fo genannt na$ einem berühmten ??faf)lbaufunborte am Heuens
burger See in ber Sdjroeij.
#aüftatt; unb ^a=$cne=Gultur, baS finb bie bciben jüugften präs
tnfiorifajen (Stufen, bie wir faft in bem ganzen weiten Sänberfreife Defter^
reidj=UngarnS an überreichen ^unbtfyatfadjen ftubiren tonnen, unb weld)e
namentlid) im Süboften ber 9J?onarä)ie oon gefdjidjtlidj beseugten Stämmen
— bie erftere oon ben Sönnern, bie (entere oon ben Helten — ge^
tragen würben. $iefe beiben Kulturen fielen einanber im Sunfel ber
Sßälber unb Xl)alfdjfud)ten Mitteleuropas gegenüber roie bie oorberften,
bem Untergange gemeinten Sd)lad)treif)en oon Süb unb 9torb, als hexen
Xriarier unb unfterblidje £auptfämpfer bie antife römifdje unb bie mittel -
alterlid)e germanifdje Gultur erft oiel fpäter jum Streit antreten. 3>ie
.s^aÜftatt: Kultur ift ameifeßoS unter (Sinflüffen entftanben, bie mir oom
Crient, für (Suropa fpeciell oon ben füblidjen &albinfeln beS SalfanS unb
beS 2lppeninS, herleiten müffen*). lieber ben erften Urfprung ber £a*
£öne=£ultur finb wir bagcgen im Unflarcn. 2Hir fefjen nur aus ben (£r*
gebniffen ber in unferer 3rit fo fd)wungl)aft betriebenen SluSgrabungS*
ttjatigfeit, bafj biefe ßultur in ben ä&ftlänbern Europas (©aUten)
topifd>er 2luSbtlbung gelangt ift unb oon bort, offenbar burd) bie feltifäjen
SSanberjüge, naa) bem ©üben unb Cften oerbreitet mürbe. 2öela> ©in*
flüffe fic im feltifajen Stammlanb in'S £eben riefen, melden glft<f(ia>n
Umftänben baS Grwad&en biefes ©ebietes ju neuer, oielfadj an fpätere
(SntwidlungSftufen ber 9ttenfd)f)eit erinnember Styatfraft unb Äunftfertig=
feit su$ufd>reiben ift, barüber enoarten mir 3luffd)lüffe oon ber 3Htunft,
unb fic werben nia^t ausbleiben. Vorläufig fjat man erfannt, bafc bie
Kelten an ber ftonau unb an ber 2lbria nidjt als oerwüfteube Barbaren,
fonbern als Xrager einer neuen, f)öf)eren (Sultur erf Lienen finb. Unb roie»
oiel fie ftdj audd oon bem SBefito ber unterworfenen ^olferjdjaften angeeignet,
jebenfaDS ^aben fie bie (feineSwegS unbebeutenbc) (SntwidlungSjtufe, auf
weldjer bie Börner baS ftüftenlanb im Horben ber 3lbria unb baS Dftalpen=
gebiet antrafen, 3ur 33ollenbung gebrad)t. ®ie &ts££nes(Sultur ift aber
nidjt nur bis fjod) in ben ffanbinaotfdjen Horben Ijinauf, wof)in nie eines
Sielten gufj gebrungen, als gortfdjritt unb 3>erbefferung ber äußeren £ebens=
formen bantbar aufgenommen worben; fie Ijat audj, wie bereits erwähnt,
ber prootnjtalrömifdjen Gultur ben 33oben bereitet. $a unter ber 9legibe
*) Weiteren 2(nnaf)meu sufolgc, loeldje gegentoärttg inSbcfonbere pon & i r cb, o w
berrreteu loerben, bärten mir Otalieit al8 tai UrfprungSgebict beu §aQftatt=Kultur in
Mitteleuropa angufeljen. (Meacn bie au^fdjlicfelid)c frerlcirung berfefben uon biefrr
.ftalbinfel babe id) in ben ÜDlittfjeilungen ber Liener JlntbropoIogifdKn ©efcüfdjaft,
ibanb 18 <5it}una>25er. @. 58 («Sur tfiage ber älteften Jöcätefntngen jtt)ifd)en 2WttteI*
unb ©übeuropa") bie ßJriinbc gcltenb gemadjt, wouacb, aud) bie S3 a lf a n b a 1 b i u f e l
tbetltüeifc als MusgcmaBpunft Dicfer Gultur in'i ^luge 511 faffen tüäre.
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Die Kelten in f ti&-(Dcfierrcicb.
berfelben lebt fie eigentlich fort, unb mau erfennt if)re Slusläufer noch
in ben Grfchetnungen ber VölferroanberungSjeit unb in bem Gulturbefv|
germanifcher Stämme niäbrenb be£ neuen 3eitraum£, ben jene eröffnet.
So laufen grofje gefdjichtliche Gonflicte immer auf einen Verf<hmel$ung£s
procefc hinaus, wie ja auch ber £auptfampf ätuifchen ber antifen unb ber
gennanifchen ©eftttung unb Ältanfchauung nid)t $u einer Vernichtung beS
unterliegenben feiles, fonbem $u einer gegenseitigen 2>ura)b ringung beiber
Elemente geführt tyat.
9la<fy biefer Darlegung be£ Suiaiumenfwnges, welche sroifchen ben
prätjiftorifdt)eu Völferbeioegungen im Cftalpengebiete unb ber Gulturgefduchte
©efammteuropaS beftef)t, bürfen mir für jene Sielten, roeldje bem grojjen
2Ueranber eine fo überrafchenbe 2tntroort geben, ein geioiffeS l)ör;ere^ 3ntere[fe
bei unferen Sefern oorauSfefeen. äöir bürfen oermuthen, baß es ihnen
nic^t ummllfommen fein wirb, eingeführt 511 werben in bie ^intevlaffenfchaft
jener Männer, aus bereu Sorten an ben größten Slonig beS Sllterthumä
ber «Qauch beS SBeltgeifteS roehte, ber bie 9corboölfer $u furchtlofem Vor-
bringen gegen ben Süben befeelte unb antrieb.
II.
$amit treten mir an ben 9ianb jahtlofer ©räber unb Schutthaufen;
nnr überfdjretten bie Schwelle eines ftillen emften £obtenreuheS, bem faft
jroei ^ahrtaujenbe ungeftörter dlufye oergönnt waren, fochten bie tarnen
ber Sllpenfelten, wie fie SßtolemäuS, Strabo unb ^linius überliefern, in
ben ©efchidjtsbücbern fortleben — ihre Slfdje unb ihre &abe, wie fie bie*
felbe in ©r&bern geborgen, unter SBalbmooS unb 3lcf ererbe jurücfgelaffen,
blieben unberührt. Grft baS lefete ^ahrjehnt, ja erfl baS lefete Suftrum fal)
bie Sluferftehung ber $ocumente, welchen mir bie über ben Söortlaut
alter Schriftquellen weit hinauSreichenben Ginfichten, bereu in ben r»or=
ftehenben Seiten gebaut ift, oerbanfen. 3Kan oerfuchte wohl fchon früher, fett
ben Anfangen ber prähiftorifchen 2Biffenfchaft, eine Verfnüpfung ber archäolo*
gifchen gunbe beS SRorbenS mit ben 3eugniffen ber clafiifchen Schriftfteller.
Slber bis oor ganj turjer 3C^ führten biefe sBeftrebungen nur 5U bem (nod)
heute in oielen ungrünblichen £)arftellungen feftgehaltenen) Qrrthum, 2lUeS
was fia) nicht unjweibeutig als römifdjc ober germanifche &interlaffenfd)aft
ju erfennen gab, ben ftelten jujufchreiben. ©an$ abgefehen oon bem
3Kißbrauch, ber mit bem tarnen unb begriff biefeS alten SBolfeS getrieben
würbe» inbem man bemfelben eine mit ben ä^öwfte" ber Claffifer ganj
unoereinbare SHuSbelmung gab, mar es 5U einer 2lrt oon ©laubenSartifel
geworben, bajj 33ronjen mitteleuropäifcher gunborte, wenn fie nicht römifch
feien, nothwenbig feltifch fein müfjten. 2BaS römifch unb was nid}t:römifch
war, unterfchieb man leicht, gür baS Sefetgenannte gab Mathias Äod)
in feinem 2ßerfe „über bie ältefte Veoölferung Cefterretd)S unb Vaierns"
(2etp$ig 1856 S. 23 f.) bamals folgenbe binbenbe Slnweifung: „©räber,
13*
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\SS niorij tjocrncs in lüicn.
bereu ganje 2Öaffen= unb 2lnticaglienbeigabe au3 ^ronje befielt, finb auS;
gemacht felttfch unb werben nie anberS gebeutet werben fönneu. Das*
felbe gilt oon ©rabern, beren 33eftanbthei(e nur Stein unb Söronje mit
Sronjenjaffen finb. Stein allein unb Stein mit (£ifen berechtigt 5U
einem giltigen Schtufj auf ©ermanen (!), was ooöenbä uon (Stfen allein
fidr) jagen läjjjt. SBronje unb (Sifen tonnen auf Helten unb ©ermanen be*
pgen werben; aber in foldjen gälten entf Reibet bie ©efdnchte ber ©egenb,
reo bie gunbftätte fich befinbet."
$on biefen Säfcen fleht heute faum einer mehr aufredet. £>ie reine
Sronjeperiobe ^at in unferen ©egenben lange oor ber feltifdjen ^noafion
ihr ®nbe erreicht. 2fi>er aud) öronje unb CSifen in ihrer innigen Schmefter*
fdjaft, wie fie unter ber £errfdt)aft ber &aUftatts(5ultu: auftreten, gehören
^ier einer 93ölfergruppe an, bie welthiftorifd) in einem gewiffen ©egenfafce
§u ben Letten fleht. Ueberhaupt ift man jefet bauon jurücfgefommen, aus
bem 3)?ateriale ber ©rabbeigabeu allein Seelüfte auf bie Nationalität ber
begrabenen $u sieben. 9^tdr)t einmal aus ben gormen, welche gleichfam
ben ßomparatio 511 ber in bem SHateriale gegebenen erften 93ergleidmng$:
[rufe bilben, fann man bie etfmologifche 3ugel)örigfeit ber einfügen Sefifcer
ober fertiger beS prähiftorifdjen $au£rathe3 mit Sicherheit erfchliefeen.
SJton fann nur mehr ober minber ftidjhaltige 3jermutt)ungen auffteUeu,
wobei allerbings bie literarifch bezeugte Vergangenheit be3 ©ebieteS, in
welchem bie gunbfteUe liegt, ein entfcheibenbeS Sort mitfpricht. 3luf
biefem SBege ift man bahin gelangt, nach ben legten grofeen ©ntbecfungeu
archaifdjer Metropolen in Cberitalien, Qfrrien, tfrain unb bem- Äüftenlanbe
bie h^r fo glänjenb oertretene ^attftatt^ultur ben ganriern Mufchreiben.
3a, $aolo Crfi in SnrafuS, welcher juerft in biefem (Sinne „snlle nuo-
vissime scoperte neir Istria e Delle Alpe Ginlie o sulla necessitä
di costituire un nuovo gruppo archeologico" gefchrieben fyat, benft fchon
baran, illnrifchen Stämmen, bie ja einft oiel weiter nach Horben hinauf
fe&haft waren, aud) bie fjaUftatt = ähnlichen ©enfmäler, welche in Steter;
marf unb 9tieberöfterreid) füblich ber ionau gefunben finb, wie auch bie
berühmte oberöfterreidjifche Metropole felbft, als (Sigenthmn ju oiubiciren.
9luf bemfelben Sege fyxt »nein burd) Ausgrabungen in 2Be)leuropa,
namentlid) in bem feltifchcn Stammlanb ©aflien, ben 3ufamme"han9 Dßr
l'a^ene^ormen mit biefem norbifchen SBolfSelement feftgeftellt. ©8 tyxt
eine an ©emifcheit grenjenbc Sahrfdjeinlichfeit, bat} int Bereich ber ^errs
fdjaft unb ber Säuberungen feltifcher Stämme baS ftärfere Auftreten jener
formen ba£ (Srfdjeinen ber Mteu auf ber gefä)ichtlld)en Schaubühne an«
seigt. Sir werben ben bezüglichen ftonnenfreis unten, wo wir baS ftn*
oeutar frainifdjer unb füftenlänbifcher ©räber betrachten, näher fennen
lernen. $ier fei nur eines Stüdes gebadet, baS als werthoollfter XnpuS
bie 3ioUc einer Seitmufchel in ben präqiftorifdjen Sdn'djten ^Mitteleuropas
fpielt — ber Jyibef. Sie gibel ber £a*£one=3eit unterfcheibet fich auf's
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Die Kelten tu Süb.CJefterretdj. \8<)
3tt)ärffte oon ber früheren ©eftaltung biefeS £oilettenftüdeS burdj bie
SJilbung bet beiben Gnben beS Bügels, inbem baS rüdioärtige, ber febernbe
Äoof, eine in meljrjaäjen äöinbungen beiberfeitd nad) auSioärtS gebogene
6r>irale bilbet, roät)renb baS oorbere Gnbe, ober ber guß, nad)bem eS ben
9iabclbalter gebilbet, fd)räg nad) oben emporfteigt, fid) roieber ber SJtttte
be» Bügels näljert unb mit bemfelbeu burd) einen Jtnopf oerbunben
in. Siefe geringfügigen £etails in ber Formgebung eines an fid) un*
roefentlidjen Stüdes unter bem Gulturbefifc ber nicr)tclaffifcr)en 33ölfcr beS
2lltert&um8 finb, roie bie $>tnge in ber präfjiftorifdrjen 9lrcr)aologte Ijeute
legen, oon ber allergrößten 3i>id)ttgfett für bie 33eftimmung ber djrono-
logifdjen unb etlmologifdjen Stellung eines gunbeS. 2(ip& ber ©efellfdjaft
mit fo geftalteten ©eroanbrjaften bat man erft bie roarjre iöebeutung anberer
£npen ber &a=X(>ne=Gultur, foldjer £ppen, voeldje ben Grjarafter ber letzteren
mel ftarfer jum SluSbrucf bringen, iuie ber langen C5i f enf et) ro e vter , ber
breiten eifernen Sd)ilbbudel, geroiffer fdjlanfer Streitärte u. f. ro., er 5
formt unb gelernt, biefelben als 3ü"uftration eines ber roidjtigften gactoren
ber europäischen Urgefcrjidjte 5U oerroenben.
2US man foroeit gefommen mar, geigte fid) golgenbeS. Sidjere Spuren
ber oftroärts genuteten gaUifdjen Si>anberungcu — oon ben nörblidjen
3lu5ftrar)lungen ber feltifdjen Gultur abgeferjen — fanben ftdj überaus
jatjlreia) in allen £änbern anriföen granfreid) unb bem meftlia^en Ungarn
roie aud) (nur an 3af)l geringer) in Cberitalien. 3n Deftcrreid) erroieS
fid) nament(id) SBölnnen, baS £anb ber feltifcben 23ojer, mit einigen claffifdjen
gunbpläfeen (ftrabiste bei Strabonic, $ur u. f. ro.) an foldjem Material
ergiebig. Mein merfroürbiger Seife wollten bie öfterreid;ifd)en Sauber
füblia) ber $onau, roorjin bod) fo nafmujafte feltifd&e Stämme, roie bie
Saurisfer unb ftaruer, i^ren SSeg gefunben r;aben, mit fpärlid)en 3luSnarjmen
(türenberg bei ^allein in Salzburg) su biefem 9)toteriale feinen Beitrag
liefern. GS fdjien alfo, baß bie Cftalpen unb baS ßüftenlanb im Horben
ber 2lbria tro$ ber Sdjriftftellcr, roelcr)e fjier ein reidjeS Seben feltifctjer
$olf*elemente bezeugen, aus bem &errfd)gebiete ber Sa«Xene^ultur aus*
jufa)ließeu feien. ftoer) im %a\)xc 1883 fdjrieb einer ber eifrigften Gr?
forfajer urgcfdr)idr)tCic§er Ueberrefte in Ccfterreidj, Jerbinanb oon#oa>
ftetter, in feiner otelangefoajtenen 2lbl)anblung über ben „Guiturfreis ber
^allftatter ^eriobe" (S. 42): „Sir fennen uodj feine ©räber in ben
öfterreid&tfdjen 2Upen, beren Qnfjalt auf eine Gulturperiobe r)init>eifen mürbe,
bie fid) 5roifd)en bie &allftätter ^eriobe unb bie römtfdje $eriobe ber
erflen Oafjrlmnberie nadj Gljrifto einfdjalten ließe ; rootjl aber ©räber, beren
^nrjalt ben unmittelbaren Uebergang ber einen ^eriobe in bie anbere
barftellt." Gr mußte alfo, tror^ feiner oon älteren 9lnfdjauungen unah-
gängigen Haltung, glauben, baß roenigftenS in bie Cftalpen bie gcfa^id;ttid^
bezeugten Äcltenftämme oöUig unter bem Ginfluß ber $aHftätter Gultur
geftanben Raiten, womit er fict) nod) gan$ auf bem Soben beS alten 3ftatf)iaS
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19<>
JTTort3 ßoernes in Wxtn.
$o<h unb feiner £ef)rfä|je befanb. 2fud) greiljerr oon 6aden, ber
aüerbing« fein berühmtes 33udj über ba« ©rabfelb oon £aüftatt um
anbertt)alb ^arjrjefptte früher fchrieb, roar ja ber 9lnjid)t, bafe bie ^e*
grabenen jenes oberöiterreid)ifchen 33ergroinfel« mit ifjren ©djäfcen an fünfte
doH gearbeiteter 23ronje nidjt« anbere« at« Helten geroefen fein tonnten;
unb fo glaubt man e« in bcn minber unterrichteten Greifen, welche fia>
für jene epochemadjenben gunbe intereffiren, auch beute nod> roeit unb
breit. 3um ©M ftrccften aber bie begrabenen roirflicfjen Sielten auch
im 2ltyen* unb flüjtcngebiet balb tjie unb ba einen ginger aus ber beefenben
8d)otte. 2J?an mürbe unter beut Ginbrud ber anberroärt« (namentlich
oon C Xifajlerin &önig«berg) fo erfolgreich betriebenen 2a ^«ne*Stubien
auch bei un« auf biefe gingerseige aufmerffam; unb fietye ba! ba« iüngftc
i'uftrum brachte un« eine gan^e 9ieif)e ber roid)tigften Gntbedungen.
3m 3al;re 1885 [tiefe ber CSuftoö be« frainifd)cn &mbe«mufeum«
G. 2>efd;mann juerft auf eine ©räberftätte au« ber &ts£ene^ßeriobe
ober ben Dörfern eiepfdief unb ßeiligenfreuj bei 9?affenfufe in Unter»
frain. ^icfelbc grenjte unmittelbar an eine au«gebelmte, mehrere 3od) um*
faffenbe ^Jefropolc au« bei £allftätter speriobe, roooon über 400 ©ruber
mit siemlid) reichen gunben, tfjeü« 8felett=, tlieit« Sranbgräber mit ober
ofme Urnen, aufgebeeft morben waren. „SBir Ratten/' erjagt Sefcrmiarm
in feinem, auf ber .Sllagenfurter 2i>anberoerfammlung ber SEtcner antrjro*
pologifchen ©efcüfchaft am 19. 2tuguft 1885 erftatteten Senate, „iene§
grofje, ber £aUftätter ^ßeriobe angef)örige ©räberfelb beinahe ganj au«ge*
beutet, al« roir an bem über biefen ©räbern beftnbltcrjcn £ügelrüden
loeitere 9iachgrabung«Derfucbe machten. 2a überrafdjte un« plöfclich bie
eigenttuunlidje 3lrt unb Ütfeife ber ^eftattung, bie oon ?IHem, roa« roir
bisljer in Jlrain gefefyen fyatten, oollfommen abroia). G« roaren feine
Sfelette oortjanben, fonbern jerftreut in größeren ober geringeren Gut*
fernungen in bem $oben unb jroar in bem brödligen Solomitfel« au«ge*
böfylte colinbrifdie ©räber, beiläufig V- m tief unb im $m. ca. 25 cm
breit. 3m ©anjen roaren beren etlidje sioamig. 2(uf bem ©runbe ber*
felbcn befanben fidj bie roeifeen ftnodjen, roeldje au« bem Seid&enbranbe
eigen« au«geflaubt $u fein fdjienen, obne irgenb eine Beigabe oon ftoblen,
nur mit Xolomitfanb übcrfdjüttet. $u bieten ©rc.bern ober oielmeljr
2öd;em ftedten bie boppelt sufammengebogenen ©chroerter unb nebftbem
bei einzelnen auch noch Van$enfptfccn, oon benen einige ganj umgebogen
roaren, anbere aber eine fdjroadje .Urümmung batten; ferner 6dnlbbudel,
grofee S)ic;"fer, 2lerte mit horizontalem 6djaftlod) u. a. m.
„2)ort, reo Jrauengräber roaren, fanb man fa)alenförmige, geglieberte
Armringe, jeboch alle jerbroa^en, ferner Fragmente oon ilkonjefibclu, aber
auch einige gai^e Gifen* unb ^ronjefibeln, einen ©la«riug, dic]ic oon
gläfernen 2lrmbänbern."
^öei ben Schroertern ber feltifdjen Männer fanben fich t^eitroetfe auch
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Die Kelten in Süb (Deftcrrct dj. \9\
noch bie eifemen Ketten, woran jene getragen würben. Sie beftefjen aus
jopfförmig geflochtenen ©fiebern, welche mittels eiltet furjen föäfchenS unb
eines Tinges um bie 2Jfitte beS SeibeS befeftigt waren. £a$u ftintmt ber
Bericht beS römifchen £iftoriferS &iobor uon Steiften, baft bie Helten ihre
Sanierter mittels Metten an ber redeten Seite beS Körpers getragen hätten.
$ie Schwerter felbft finb ibentifd) mit ben anerfannt feftifd)en Ufingen ber
3£eftfd)roei5 unb 5ran^re^^- @k unterfcheiben fid) oon ben Schwertern
ber ^aflftatt^eriobe burc^ eine uicl brauchbarere, namentlich jum fechten
tauglichere §orm. £>or 2lllem finb bie ©riffe länger unb frei oon jenem
Verliehen, aber im ©ebraua) fein: tnnbertichen Knäufen ober gefchweiften
'iluffäfcen, worin bie &allftatt*Sdjwerter (wie man fidt) aus Sadens
^ublication überzeugen f ann ) großen Suru* unb manchmal eine wahre
bracht entwideln, inbem ba Soppelipiraleu ober 3ieri<heiben aus Sronje,
Irlfenbeinfnäufe mit 58ernftetn= (Einlagen unb bgl. auftreten. SaS Duer-
ftüd jroifchen ©riff unb Glinge ift fchwad) in bie .fcölje gefchweift, unb
biefer ?luSbiegung entfpricht eine baju paffenbe glodenförmige Grhöhung
in bem Scheibenranbe. Sie Sdjwertfcheibe ift fel)r ^erlief) mit einer 9?anb=
einfaffung umgeben, welche an bem unteren ©nbe burd)brochen ift. Sie
Klinge mifjt ca. 1 in unb hat an beiben Seiten parallele Sdjneiben. Sie
in oon üorjitglicher $ärte, ©lafticität unb Reinheit. XaS untere (Snbe
ift ftumpf abgerunbet. $aS gaüifche Schwert war bemnad) mehr eine
$au* al* eine Stichwaffe. $ic gorm beofelben ift übrigens nicht gan*
conftant, fonbem erfuhr im £aufe ber legten 3ahrf)unDerte *>or Ghrifti ©?s
burt oerfdnebene fleine 3)?obificationen, wie Ctto £ifd)ler in feinem &or*
trage „über bie ©lieberung ber &u£tmess}kriobe unb über bie Secorirung
ber (Sifeuwaffen in biefer 3^*" (auf Dßr ÄarUruIjer ^erfammluug ber
beutfehen anthropologifcheu ©efellfchaft 1885) beS Näheren §eigte. Diefer
treffliche ©elehrte untertreibet in ber feltifdjen (Sulturperiobe brei Hilters*
ftufen, welche fich äufeerlicf) bura) bie 2i'anblungen ber für um midjtigften
£i)pen jener ^periobe, ber Schwerts unb gibeltnpen, charafterifiren.
2öie lange hat bie ©Zählung com Sdjwert beS ^Bremms unb uon
bem Uebermuth, mit welchem ber gaüifche ^eerfbnig fein> Gifen in bie
^gfdjalc ber äugftlichen römifdjen Stabtbürger warf, in ©efchidjtsbücbern
unb 2lne!boteufammlungen ihren pafe behauptet, bis> es enblid; gelang, ben
sü!alb oon ©ifeu, ber bamals auf diom heranrüdte, in weiter ä^rftreuung
wieber aufjufinben unb bamit allenfalls auch ber SUuftratton jenes s^or-
ganges unter bie 2lrme $u greifen! 2lber biefer abgebrofehene ©efd;id)tchen
— ob nun Jabel ober Wahrheit — hat {ebenfalls einen hiftorifchen Sinn,
unb in uaetter Kürje fyat ihn Salluft ausgesprochen, wenn er ber feltifchen
Nation ben 23orjug im äßaffenwerf oor ben -Körnern sugeftefjt. £aS
23rennuSfct)wert als halbmuthifdje 23erförperung ober bie feit wenigen ^aljreii
an fo oielen Crten ausgegrabenen feltifchen Klingen oon formibabler i'äuge
unb Cualität — baS finb Stüde jenes langoerborgenen Kriegs werf ^
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\<)2 IHori3 Ijoerncs in HHen.
jeugea, als weldje* ber bcutföe ftiftorifer bie 9Zorboölfer in itjrer elften
©rfdjeinung auffaßt. 2lber ba$ fettijdje Sdnuert verbitterte an bem mit
©olb versierten 8tal)lpan$er ber antifen Gultur, nnb erft ber germanifdje
Speer vermodjte beffen brüchig geworbene glanfen 51t burdjbringen.
Die merfwürbige gunbftelle bei 9iaffenfufe liegt ungcfäljrt in ber SHitte
jroifd)en l'aibad) unb i'lgram, nur wenig füblid) von ber allen iNeifenben
befannten Gifenbalmftation Steinbrüd an ber Saue, wo bie Sübbalmlinie
fid) gabelt unb cinerfeits na<J) ber öauptftabt Kroatiens, anbererfetts nad)
Saibad) unb trieft weiterführt. Die 9tod)grabungen würben mit anbauernbeu
Grfolgen, an benen audj ba$ SBiener .ftofmufeum partieipirte, fortgefefot.
geigte fid), bafj bie l'ocalität, ät)ulidj jener von 3i>atfd) unb uon St. 2)iid>ael,
mehrere größere unb Heinere 9Jefropolen umfaßte, meldje bie &ügellanbfd>aft
jwifdjen brei Dörfern einnehmen unb bauptfädjlidj ber ^allftattperiobc ange=
ijören. 3n ber unmittelbaren iHadjbarfdjaft biefer Metropolen liegt auf erster
Stette ba3 JBranbgräberfelb ber fcltifdjen (Somiuiftaboren. (Sine zweite
33egräbninftätte biefer erobernb ©üigebruugeueu würbe atebalb in bemfelbeu
Sterglanb, in bem weiter füblidj gelegenen WeridjtSbestrfe Seifender g, bei
SBallitjcrjenborf aufgefunben. 3lud) l)ier tarnen gallifdje 8 d) werter,
£an$enfpifcen mit befonberS breitem äUatt, riefige Keffer unb fd)lanfe
Streitärte vor. Das fdjönfte ftunbftüd war ein vor^üglid) erhaltener
geglieberter $roir3egürtel mit einem fdjön gearbeiteten vJ>ferbefopf aU
£afen.
Munmefjr reiben fidj bie (Sntöeduugen feltifdjer ©rabftätten in ben
Cftalpen, iüo man fte fo lange vermifst r)atte, in ununterbrochener golge
an einanber, unb audj an Siebelftätteu, von meldten man annehmen barf,
bafc ifjr ctrjnologifdjer ©runbd)arafter burd) bie feltifa)e 3iroafion — jo=
wie fpäter burd) bie römifdje Cccupation beä Raubes feine 33eränberung
erlitt, würbe bie ^a=Tnie*^eriobe als 2ttittelglteb swtfa)en ber .ftafljtätter
unb ber römifdjen Gulturftufc nadjgewiefen. Soldje 2lnfieblungcn von
fefjr langer £ebensbauer fiub in Süb-Xirol (bei Gl e£), im Kärnten (auf
ber Wurina bei Dellad) im ©aUÜ)a(e) unb in Kroatien (bei ^ro$or im
Ctacaner NegimenUbejirf) conftatirt unb burd) ausgebeizte 9iad)grabungen
für bie 9?iufeen in Xrieut, 2üien unb iHgram ausgebeutet worben. Sdwn
auf ber .vUagenfttrter ^crfammlung gefdjalj aud) beS merfwürbigen Junb*
planes von St. 3)Jid;acl bei ^Oelsberg im fübweftlidjen tfrain (Sr=
wä^nung, weldjer unmittelbar nadjfjer (1885 unb 1886) für bie Slntrjro*
pologifdje ©efellfdjaft fnüematifd) unterfingt würbe.
Der Junbort von St. ^Nidjael befteljt in einem von (Srb wällen unb
JyelSabljängen umgebenen natürlia)en Maftcll unb in iöegräbni^pläfeen, bie
auf mehreren fanftgeneigten ^v(äd)en in ber Umgebung bes lederen ange^
legt finb. Siefer auSudjtreidje unb bod^ gut verborgene „(»kab" occupirt
eine ^orftufe be£ ftcilen Waltos, beS SBetterpropljeten ber Sdjiffer im
©olfe von Srieft, unb bel)errfa)t bie frud}tbare X^alflur ber <|ioif, burd)
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Die Kelten in Süfr-tDefterreicb. 193
reelle jefct bie ©tfenbalm ber nafyen Seefüfte jueilt. (5$ war für Barbaren,
bie, oljne felbft Seefahrt ju treiben, oon ber 9?äf)e be3 länberoerbinbenben
2fteere$ gerne 9tofeen gießen, ein fef)r günftig gelegener $unft, nidjt unälnu
M) jenem uralten SKnfenä „im Söinfel ber roffenäf)renben 2lrgo$." iie
Metropolen biefer ÜiMburg, bie oieÜeid)t aU SNaubneft nod) §u Gäfarä
Reiten eine Spotte gefpielt Ijat, al£ pürier m<t> Helten, wie -Uppian beridjtet,
£ergefte unb Slquileja mit ^lünberung bebrof)teu, tonnen fid) allerbingS mit
ben Söurggräbern ber „golbgefdmiüdten &errfd)erftabt" i?lltgrieti;enlanb£
mcf)t entfernt meffen. 2)odj boten fie be3 ^ntereffanten immerhin über=
genug, 9tamentlid) mar iljr ^nl)alt tnpologijd) leljrreidj für ben Ueber=
gang ber (Suiturformen auö ber fpät^altftättifdjen in bie oolte l'a=£öne=
^'eriobe. Qn einer großen SZn^at)! oon Braubgräbem treten nämlia) £npen
biefer beibeu Venoben neben einanber auf unb ifluftriren fo eine 3)iifd)-
cultur, meiere aud) ber ©eograpb Strabo anbeutet, wenn er bi£ an ben
Cfra (Binibaumer SSalb, im 2iüden beS 9?ano$) ein iünrifaVfeltifdjeä
v])ii|tt}Dolf roofmen läfjt, ba0 ftd) tätomirte unb audj fonffc illurijdje Sitten
beibehalten, aber bie feltifdje Bewaffnung angenommen Ijatte. 2lrd)atfd)e
Snpen oon biefem gunborte finb bie grojjen bronjenen „Gertofasgibeln,"
bie jdnnalen ^anjenfpifeen mit ftarfem ®rat unb fur$er 2>üUe, foroie bie
einidjneibigen langen $old)meffer ober Jlrummfdjmerter, wela)e bie ©rieben
unter bem Tanten „9)todwira" ober „5bpt$" tl;eiU felbft im ®ebraud)e
Ratten, tljeils bei barbarifd&en Elfern a($ 9iationalwaffe beobachteten,
jüngere gönnen geigen bie geraben breiten Schwerter, fd)Ianfe Streitäxte,
breite &m$enipifcen, äöurffpeere mit Keinem Blatt unb langem (Sifenftab
jioifajen SdjaftbüUe unb Spifce, femer £a=£ene«gibeln, Sdjwertfettcn,
9Ke[)er unb bgl. 2Iud> in St. m$ad lag unfern ber ©rabftätten aus
ber Mtenperiobe ein Seidjenfelb au^ ber <gaüftätter ^eit, in weldjem
tty&S unoerbrannte, tljeils oerbrannte menfdjtidje tiefte (bie lefeten ent=
roeber in Urnen ober in ber blofeen Grbe) beigelegt waren. ^Die gönnen
ber &rabbeiQabt\\ in biefer festeren Metropole finb oon bem ^noentar
ber erfteren bura>u$ oerfdneben unb bejeugen eine ganj erljeblid; ältere
Sulturftufe, für welche inäbefonbere bie au$ Bronjebraljt ^ierlid) gewunbenen
XoppelfpiraUgibeln unb allerlei S#murfaiU)ängfel d&arafteriftifd) finb.
(Gegenüber ben Mtengräbem oon ^affenfufe oertritt ber oerwanbte
Öegräbnifjplafc oon St. 2Hid)ael ein früheres; ©ntwidluug^ftabium ber i*a=
Sine* (Sultur in ben Cftalpen. 2>a3felbe ift bejeidmet burd) bas gort:
leben einiger §ailftatt*£i)pen, fenter burd; ba$ Ueberwiegen ber Streitäpte
über bie Sdjwerter unb burdj ba$ get)len ber großen eifernen Sdjilbbutfel.
3ln beiben Drten tjat man überbieS eine äi5ab/rnetjmung gemacht, beren ge^
id>ia)tlid)er Sinn nod> fefeuftellen fein wirb, $ie gibein oom Va*3:«%nes
Xnpud zeigen nämlia) audnalmtelo^ nia^t bie oon £ifd)ler in weftlia^en
unb öftlia)en ©rabfelbern biefer ^eriobe al^ ältere gorm erfannte Bilbung
„mit unoerbunbenen Sdjlufjftüd," fonbern finb fämmtli(§ fo gehaltet, wie
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\W IUorij Ffotxnes in Wien.
fic her genannte gorfcher für baS mittlere unb fpätere Stabium ber
feltifdjen (Sultur djaraftertftifd) finbet. hierin offenbart fidj ein roefent=
lieber Unterfd)ieb ber galltfcheu #interlajfenfchaft in ben Cftalpen oon ben
3)epötS, roelche bie &errfd)aft jener (Sultur in nörblicheren ©ebieten £ efter;
rcidjs, namentlich in üööhmeu, bezeugen. 28ahrenb bort, im deiche ber
felttfcr)en SBojer, alle brei Sßhafen ber jüngeren oorrömifchen eifenjeit oers
treten ftnb, fehlt bie grü^-Sa^ne* Stufe im füböftlidjen X^eile ber
Monarchie oöUig, ober rid)tiger: fie erfdjeint nnr in cin$elnen f leinen
groben (Jibeln) auf ©rabfelbem , meldje fonft ben ooüen Gfyarafter ber
ard)aifcr)en ^periobe an fidj tragen (föallftatt, SiSatfd;.) (£S fdietnt fonadj,
bafe, roährenb in nörblicheren ©ebieten bereite bie Jyrü():£a5^ne;(iultur
berrfdjte, fjiev bie $aHftatts(Sultur noch in ooller ©eltung mar unb erft
nach ber SluSbilbung jener ju ihrer mittleren Stufe oon berfelben abgelöft
mürbe. JQ;u ben Cftalpen tyat ja bie ^allftatt^ßultur it)re feftefte 2htrg,
hier entmidelte fie ifjr jähefteS Seben, unb mir bürfen annehmen, bafc fie
nicht oor bem beginn ber Wömerberrfdjaft gänjlid) unb auf allen fünften
aus bem gelbe gefd)lagcn morben fei.
iHujjer ben bereite genannten ©rabftätten hat flrain noch an mehreren
Crten — Seifefirdjen, St. 2)tarein, ^objemelj, 91ltenmarft unb ^lantna
im 2öippac^tl;ale — Sa^enesgunbfadjen geliefert, fo bafj es jefct unter
ben Säubern, welche baS Stubium biefer Gultur ermöglichen unb förberu,
in erfter iHcilje fteht. Tie berliner ©efellfchaft für Anthropologie, (*tlj*
nologic unb Urgcfdnd)te fonnte fidj oon biefer £bötfa<he überzeugen, als
ibr cor etma einem «oatjre $ird)oro — nadjbem er fur$ juoor einen fetjr
inhaltsreichen ^Bericht über feine Säuberung burd) bie SHufeen Süböfter=
reicf)S gegeben — baS ptjotograpt)ifd)e 9llbum ber ard;äologifchen Schäle
beS £aibad;cr 9)iufeumS uorlegte. 9lu ben Sdjlup unferer ©räberfchau
[teilen mir — gerabe weil fte eine ber allerbebeutfamften Metropolen ber
feltifchen Gulturperiobe in ben Cftalpen ift — bie ©räberftätte oon
Sbria bi iBaca im vitorale. Dicfer gunbort liegt an ber ftbria. oier
Kilometer aufwärts oon beren 3Jiünbung in ben 3fon$o. ?(n ber lederen
ergebt fid; baS Dorf Sta. Sucia, unb unfern berfelben birgt ein fchräg-
geneigter Jelb; unb sii>iefcnplan eine ber auSgebehuteften ©räberftätten aus
ber £aUftatt^eriobc. Sin biefem Crt fmb in ben legten 3afjren taufenbe
unb abertauf enbe oon letjten sMuheftätten einer iUnrifchen (oenetifchen)
^eoölferung mit bem Spaten geöffnet unb beren in ^ron3e unb Ttjon=
gefäfjen fomie in Sdjmucffadjen — faft niemals in Waffen — beftchenber
Inhalt tbcils nach 2iMen, theilS nad; Xricft beförbert morben. Xk 3«bl
ber töräber oon Sbria, bie mir nad) ber Sage biefeS JfynborteS ben
feltifdjen Hamern juf abreiben müffen, ift bagegen fcfjr gering, boch bie
3Henge ber beigaben im 2)urd)fchnitt größer unb baS I5nfemble inbioibueller,
charafteriftifcher. SaS ^noentar biefer ©räber fteht hinRchtlich feiner 3";
fammenfe^ung unter 9lttem, maS uns prahiftorifche ©enerationen oon ihrem
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Die Kelten in Sü&.Oefterrci*. ■ J95
Gulturbeüfc Jjinterlnffen fjaben, gan3 einjig ba. sJT\<bt ber Meid)tf)iim an
uollenbet gearbeiteten papierbünnen Sronjegefäfcen — (Sintern, Giften,
Ueffeln, Xöpfen, «Skalen, Sehern unb (Sieben — , nid)t bie oerfdjiebenen
Jormen efyerner nnb eiferner &elme, Sdjilbe unb Xrufcroaffen, nodf> bie
baroefe ©eftaltung ber Sdnnucffad&cn, fetbft nidjt bie auf Srnnjen graoirten
„norbetruefifd)en" unb römifdjen ^"Wnften, bie fid) in biefen Arabern
fanben, begrünben ben eigentbümlidjen 2Bertf> berfelben. tiefer ift x>\eU
metjr r)auptfäd)lid) beftimtnt burd) baS maffent)afte, in ber 9iad)barfd)aft
jener berfömmlidjen Seigaben boppelt befremblidje Sorfommen foldjer Glinge,
bie man am aflerroenigften in ©rabern oermutljen würbe: eifemer Pflugs
fdjaaren unb ^flugmeffer, (£enfen, <Scf>aufe(n, föaefen unb Seile, Sdjöpf-
löffei, Steuerungen u. f. ro., furj einer langen gormenreilje oou ©egen*
ftänoen beS £auSratf)eS unb ber ^anbroirtljf dtjaft , bie, ebenfo neu als
nüchtern, uns einen f)öa)ft belefyrenben (Sinblicf in baS £eben ber Männer
geroät)ren, bie cor beut beginn ber SRömerberrfdjaft baS öftlidje 2llpen=
lanb unb baS abriatifd^e ßüftengebiet im 9iorboften 3ta^eniS bewohnten.
siluS biefen roenigen ©räbern taua;t in plaftifd)er gülle baS eifen:
reidie, friegerifdje unb überoölferte, baS Sergbau unb £anbnrirtbfd)aft
treibenbe Borkum, tuie es bie Börner gefannt, gefürdjtet, ausgebeutet
— unb erobert f>aben, empor unb ragt mit bebeutfamen Ueberreften in
unferen Denfmälerbefifc fjerein. 60 unfdjeinbar biefe plumpen oerrofteten
Saften unb 3Berfjeuge, &auS= unb 3ldergerätl)fd)aften fein mögen, — für
bie nur auf ardjäologifdjem Sege ju ermerbenbe tiefere Jtenntnifc oon bem
2Bertb unb bem Seien unferer felttfdjen 21f)tten finb fte ebenfo roid)ttg,
roie bie (rntbeefung beS pergamenifa^en ©igantenfriei'es für unfere Ginfidjt
in eine lang oerfannte s£eriobe griedjtfdjer .Uunftgefd)id)te. 9flan mufe nur
abfrra^iren von genriffen uns in ber £d)ule anerzogenen Segriffen über
©lanj unb ©röfje, 3iel unb Seftimmung ber Sölfer biefer Grbe. Sir
fmb fein ßunftuolf luie bie ©rieben; au Sergbau, £anbroirtf)fd;aft unb
3nbuftrie ranft fid) baS Säumten ber mobernen Gultur fdum tn feinen
3ugenbtagen müfjfam aber fidjer empor. 9iid)tS ift bafjer berechtigter, als
bajj roir biefe älteften 3engniffe einer rationellen Seroirtljf^aftung unfereS
heimatlichen SobenS burd) tüdjtige SJienidjen, beren Slut aus unteren
91bern nodj md>t gefdjumnben ift, forgfältig famnteln unb mit g-leifc
ftubiren.
SaS für 3«oien baS Elfenbein, für Arabien ber Seifiraud), für
GfyoS ber Sein unb für ^aroS ber Marmor, baS roar für unfer Borkum
Gifen unb <Star)I. Das norifcfje <3d)»r>ert ftellt ber römifdje £id)ter als
ScbrecfenSioerfjeug bidt>t neben bie ^turmbranbung beS 3)JeereS, neben
Slifc unb £onnerfd)lag. $aS Sd;roert ber Seftfelten mar fd)Iea)t gcftäblt,
norifdjes Gifen bagegen nad) Coib „bärter als unerroiberte üiebe." Um
ben Seginn unferer 3eitrecr)nung genügten bie 6 cf)mel Kütten unb ^dmiiebei
öfen Storejas unb ber einfamen SUpentfjäler uia)t meljr, ben fteigenben
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J96 lTTori3 ^ocrncs in Wien.
Sebarf ber Monier §u becfen; eine Äette berühmter 2öaffenfabrifen fpanu
fic^ oon Garnuntum über 2Iquincum (2llt*Cfen) unb Sormium bi$ Verona,
2ttantua, Gremona u. f. m. im breite um Dioricum, beffen 33erge ihnen
ba£ metallene £eben£blut in reiben Strömen jufüfyrten. 3öie jähe manche
gönnen feftgehalten würben, toeldje norifd^e Sdnuiebe ihren Herfen gaben,
fehen mir barauä, bafe bie fdjioere oorrömifche ^flugfd&ar, roie mir fte in
ben ©rabern oon ^bria unb auf ber ©urina im nahen ©ailthale oor=
ftnben, in einigen Steilen Ürainä unb be$ ftüftenlanbeä noä) heute im
©ebraudje ftet>t. gür bie Technologie ber lanbmirthfd)aftlichen ©eräthe
liefert ber gunb oon ^bria eine Weihe ber bclehrcnbftcn Slluftrationen.
£a§ fleine ©räberfelb liegt an einer oon 9)touern geftüfeten gahr*
ftrafje unb mar burch bie 2lnlage ber lederen tbeilmeife jerftört. Sie
Gntbecfung gefdjal) 1886 burdj ben CSufto^ ber präl)iftorifchen #offammlung
in 2iMcn, £errn 3. Sjornbathu, $u ber 3eit, aU berfelbe auf bem
nahen gunbplafoe oon Sta Sucia mit ber 3lufbecfung oon ©räbern aus
ber £aüftätter v^eriobe befchäftigt mar. 3uerft mürben 21, im nädtften
3af)re fernere 25 ©räber geöffnet. 211$ groben biefer unfchäfcbar loerth*
oollen £epot£ führen mir ben ^nfialt einiger ©räber au. Ta$ erfte
enthielt: jmei Sbronseftbeln (eine baoon mit 9 fingen als 2lnl;ängfeln),
einen Söronse^alöring <ui$ fä)raubenförmig sufammeugeiounbenen Srähten
(„ton|iiisa), 2 einfdmeibtge nad; abmärta gefrümmte Solche ober ©ürtel*
fdjioerter au3 Gifen (1 baoon in bronjener Scheibe) ähnlich ben 9)?acbairen
oon <3t. 3)iia)ael, 2 furje ftrummmeifer, eine £ansenfpifce, 1 <Sä)roertfette,
1 Senfenflinge, 1 Baumfrevel, 1 Spifchmie, 3 große Sdjaftfelte Oöeile)
mit glocfenförmig gefduoungenenen Clingen, 2 SKeißel, ein üHeifetfen unb
bioerfe Gifenftäbe unb Bleche (Befdjläge ober Srudjftücfe oon &>erf$cugen).
Ta* fünfte ©rab enthielt mehrere Sronjegefäue, al$: 1 großen Meffel,
1 Topf, 1 Gimer, 1 &cnfelfchale, 1 Sieb, 1 Bedjer, 1 Schöpf becherchen
(oon ber flaffifchen gorm be£ tfalathus ber ©rieben), bann aus Gifen:
1 großen Schöpflöffel, 1 £elm oon ber tnpifchen gorm be£ römifchen
Solbatenljelma mit runber flappe, 9(acfenfcfm|j unb beweglichen Baden*
fdnrmen, ferner 1 Sanjenfpifce, 1 Streitart, 3 gelbbarfen, 1 9)ieißel,
1 Senfenflinge, 1 ^flugfchar, 1 s4>flugme|*fer, 1 geuerjange, Gifenftäbe,
fobann 9 — 10 gibein jum Xljeil oorrömifdjen GharafterS, jum Ttjcil oom
Topuö ber prooin^ialrömifa^en, in 9ioricum unb ^pannonien gebräuchlichen
©emanbnabeln. ©ine ber erfteren ift mit einem originellen 2Jufiafc oon
(eine <3d)lingenreif)e bilbenbem) 33ronjebral)t gefdunüdt^ melier fünf am
^3ügel aufgejapfte s^aarc oon ^ernfteinperlen f efthält. 5Diefe eigentlntms
lidje gibelbecoration ift bisher nur oon biefem ©rabfelbe befannt, l)\er
aber in mehreren (Sremplaren oertreten. Sußerbem enthielt biefes- ©rab
noch: 1 SchnaUe, Chrringe, 2lnhängfel aus ^ronje, gragmente einer
Torquiö, ÜefchlagftUcfchen oon Sron^e unb GHfenbledh, ^»oljrefte, ^iägel,
1 ^efferchen unb gragmente oon 2 Th°n9«frt»V«- 3« bem achtzehnten
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Die Kelten in Süt»'©ef*erretd\
(>>rabe fanben fidj ror: 1 $ron$ef)elm ber befannten gorm, roie fie in
©rabfelbern ber £au7tatt4'eriobe (2£atfdj, ^aUftatt) unb in bem $epöt;
funb oon 9iegau (Steiermatf) fd)on nneberholt beobachtet mürbe, t)ter mit
frityrömif<I)er 5lrafcinfd)rift („Protenius1-), uerjinnte Sronjeblec^ftreifen uon
einem ©ürtel, 1 Lanjenfpifoe, 3 Keffer, 1 §ohlmeifeel, 1 ibaumftd)el,
1 ^?flugfd>ar unb 1 Spflugmeffer, 1 S Raufet , 1 Senfe, 2 gelbharfen,
1 Sdhroert mit oerjinntem unb graoirtem freiärunbem Stidjblatt, 1 Sron^e*
fieb ron feinfter Ausführung, 2 £a*£<me:gibeln, 1 freiärunbe ^öronjes
^naüe, 1 Stücf ^olj mit Gifenroft. £te$ waren einige ber reidjeren
©räber. &ine$ ber ärmeren (9?r. 4) enthielt nur: Sommert fammt Scheibe
unb Äette, San^cnfpifoe, 33ron5efibel. 2lnbre, in roeldjen feine Staffen unb
SSerfjeuge gefunben würben, finb roohl grauengräber, fo 3lv. 2 mit
folgenbem Inhalt: Skonjctopf, &al3ring, Cljrringe, 2 bronjene unb
1 eiferne gibet, Sronjeringeld^en. 9Jtef)rerc ©räber enthielten nur £f)on*
gefäße unb jroar je 2 Stücf, jumeift rothgelbe jtoeihenflige 5fr üge, auf
ber Drehfd>eibe geformt unb römifdjem ©efd^trr fefjr ähnlich.
$)ie im $atytt 1887 geöffneten ©räber erroiefen fia) babura) nrieber
befonbcrS lefnretch, bajs fic theilroeife eine ältere (Sutturftufe, auf meiner
noch einige Ausläufer ber ftallftattperiobe ^tafe fanben, erfennen ließen.
2)ie* mären fonad} Analoge $u ben jüngeren ©rabfunben ron 6t. sJKid;aeI.
@ine$ biefer ©räber (29) jeigt folgenbe 2tu$ftattung: Sanjenfpifce unb
Streitart, 1 Gertofa= unb 1 2lnnbruftfibel, £1)x* unb gingerringe. Sin
jroei Heineren ^ronjegefäfeen unb einem 33efd)lagfragment fanben fia) ßrafc*
iniduiften in oonömtfchen Gharafteren, bie mit ben fogenauten norbetruäfis
feben 3Upbabeten ber 2Upenoölfer in eine ($ulefet ron Carl ^au(i in £eip$ig
bef>anbelte) ©nippe gehören. ©inc$ ber roia)tigften gunbftütfe ift ein
altertfjümlicheä :Bron$efigürchen, einen behelmten tfrieger barftellenb, ber
eine ärmellofe £umca trägt unb mit Mingen an 2lrm unb 33ein gefdjmüdt
ift. $ie Haltung ift bie eines Sdnlfcen; bod) pafct fie genau roeber $ur
Rührung be£ Vogens, noch juc Gntfenbung be3 ü&urffpeerS. rermuthe
in bem gigürchen einen Schleuberer, alfo eine Waffengattung, bie aud) im
römifchen &eere faft auSfchliefelich au$ Barbaren beftanb.
2ßie ber Sefer fieljt, flammen biefe gunbe fchon auä einer ^criobe,
wo bie römifche Gultur Ginflufc auf bie Lebensformen ber 2llpenuölfer
gewonnen hatte. 3Bir betreten bamit einen S^itabjchnitt, über welchen bie
römifchen ,§iftorifer theilweife bereite näheren 2luffdhlut5 geben, unb ber
nicht mehr auäfdjliefelich ber 2$orgefd)irfjte (hiropa* angehört. Tie
?{epublif hat fia) um baS treiben ber norböftlichen ©renjnachbam ^talien^
im ©anjen fefjr wenig befümmert. 3roar würbe ^ftrien bejmungeu, Ülimileja
angelegt, felbft friebliche (Sinroanbererfchaaren am ?ioricum in'e ftüften-
gebiet nicht jugelaffen unb in 2>erhanb(ungen jroifdjen bem Senat unb ben
gürften ber 3(lpenftämme ber ©runbfafe proclamirt, baf? bie 3(lpen a(c>
unoerle§liche Ü)farffa)eibe ^oifchen Helten unb ^talifern gelten hätten.
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ITIorij Jjoernes in Wien
3Ülein im legten ^ahrrjunbert oor unferer 3eitredjnung Tagen bie Verhaltniffe
fo im 2lrgen, baj? roä'hrenb baS feltifche Stammlanb ©allien burd) Gäfar
erobert, ©ermanien unb Britannien oon römifd)en $ee rfchaaren juerft be-
treten mürben — bie norböftlidje 2tprfdjn>elle Italiens oon ben räuberischen
unb friegSluftigen Slmoolmern unauSgefefct bebrof)t unb erschüttert rourbe.
Die (Einfälle ber ßarner unb SauriSfer haben oiel 2lermlid)feit mit bein,
roaS in unteren Sagen oon Sllbanefen unb Montenegrinern häufig berichtet
wirb, yinx manchmal gönnten fte, mie Strabo erjagt, ben Seioohnern
ber ©benen 9iuhc, um oon irrnen SBobenprobucte ju erhalten. Sie gaben
bagegen &arä, ^ed), Äienljolj, 2Baa)S, &onig unb ßäfe, mooon fte
Uebcrflufe Ratten. Die Dolche ber Gäjarmörber haben ben ^lan abge
fchnitten, tycx Drbnung ju fc^affen unb baS tfüftenlanb oon biefen unruhigen
©aften ju befreien. 2luguftuS nahm Um roieber auf, unb feine Stiefsöhne
haben tfm burchgeführt. Die römifchen 9lbler brangen auf allen Siegen
über bie befiegten 3llpen gegen ben «Rhein unb bie Donau oor. Der erfte
Stet in bem grofeen geschichtlichen Drama, bem unfere moberne Gultur ihre
©ntftehung oerbanft, mar abgefcfjloffen.
£ier beginnt erft bie unmittelbare, burd) Schriftquellen oerminelte
Seridhterftattung über bie 3$ölferoerhattniffe Gentrals(EuropaS. gür untere
Später (mie noa) l)ttitt für bie 9lnhänger oeralteter 2lnfd)auungen) fteht
hier erft baS portal jur ©efd}id)te unferer £eimat. 2BaS barüber hinauf
lag, barum bekümmerte man fich fo menig, rote Äaifer SiberiuS um bie
Mutter ber £efuba. Seither ift mit ben gefctjilberten Ausgrabungen eine
gülle oon ©rfenntnifc auf uns eingebrungen. Das pofitioe Söiffen eines
Mannes, mie 2(riftoteleS, oon ben Golfern Mitteleuropas reichte niebt
meiter, als bis ju ben iöyrifchen SribaHern an ber unteren Donau.
Diefen Strom läjjt er noch — tnttifen ©eographen oor ihm — fich
gabeln unb mit einem 3irm in ben ^ontuS, mit bem anbern in bie 2lbria
fich ergießen, ^p^itipp unb Sllerauber ftnb eben nicht meiter nach Horben
oorgebrungen, als bis ju ben Driballern, unb fo bezeichnet biefes $$olf
mit bem Sfter bie ©renje ber geographifchen (Einfluten nach biefer Dichtung.
Das ift ein hödtft bürftigeS SBiffen, namentlich im Vergleiche §u ber grofcs
artigen (Sntfchleierung ber Orients, roelche ber 3lleranber$ug nach ^erfien
unb $nbien ben ©rieben gebracht \)<xt. Die antife äöelt ^at unferem
armen Horben einfad; ben SHücfen gejeigt unb hier eine Sücfe gelaffen, bie
mir auf's Sdmierjlid)fte empfinben. %n biefe £üc!e ift feit relatio fur$er
3eit bie prähiftorifche gorfdmng ergdnjenb eingetreten. Sie, nicht bie alte
Literatur in iljren flüchtigen unb fa)manfenben Silbern, liefert bie gro§e
Einleitung jur ©efetjichte beS Horbens, £>ier ift nur ein fleiner 2luSfdmitt
biefer (Einleitung gegeben; bod) I>at uns fdjon biefeS Gapttel 9luSblide
naä) ben oerfchiebenften Dichtungen geftattet.
äÖitt mm^emanb, bie gefdnlbertenSßenbungen überfchaueub, ben tieferen
Sinn berfetben berühren, fo mirb er oieUeia)t fragen: Sßarum mufften
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Die Kelten in Süfr-Oefterreid}. 1<)9
bie Metten fo fpurloä oerfdjroinben, ein grofjeä mit glcmjenben Gigens
fcrjaften auSgeritfteteä , ben ©ermanen nafye oerroanbteä $olf? darauf
erroiebern mir mit einer ©egenfrage bie etroaä fettfam Hingt: 2Boju finb
bie Slaoen ba? Sttoa um ber gennanifd&en 9ßett untätig brotjenb im
«Huden ju ftefjen? ©eroig nidjt. Unb boä) ift bie$ irjre roeltgefdjidjtlicfie
Politur, .§infiä)tlicr) ber 2lblöfung ber 3(ntife burct) eine neue Söeft*
orbnung finb bie (Sinen p frür), bie 3lnberen ju fpät gefommen. Sarum
finb jene aufgerie6en, biefe jurüdgeftaut roorben. -Dabei gewahrt man
eine geroifje ©egenfäfclicfjfeit in bem SBefen biefer grüfiling^ unb jener
Üerbftfinber be$ Horbens. Sie flelten roaren äu&erUaj brillant oeranlagt,
eine ritterfictje , aber unftete Nation, fd)led)te 9(derbauer unb fd&leajte
Staatsbürger, ©erabe ba£ Umgefefjrte gilt oon ben Stauen. Urfprünglid)
geroiB oon gleicher 2trt, erfuhren fie burdj it)re ©efdnde eine fo oer=
fdjiebene ©rjie^ung. SBenn aber bie Stetten auf freier 23at)n ge-
fdjeitert finb, toär)renb ben Slaoen ber 2Beg oerrammelt rourbe, fo er*
fennt man barin abermals, wie bie Sftatur i()re großen Aufgaben (oft.
Sie fpart niäjt mit itjren Gräften, fie oerfdjroenbet fie. Ungleich) bem
müfjebelabenen Sterblichen, brängt fie mit ben unerfct}öpfUcr)en Mitteln, bie
üjr &au3(}aft barbietet, ben Sielen 3« unb erreicht fie über ben ®rab=
Ijügeln unb ^eidjenfelbern ungezählter ©enerationen. Unb enbltcf) finb bie
oerfajoüenen rufjelofen Helten ja nicr)t fo fpurlos oerfduounben, roie Sd)nee
in ber Senjfonne: fie bilben ein gutes Stüd ber etfmologifct)en Safts ber
gegenwärtigen Seoölferung SübbeutfdjlanbS unb Defterreid)S. -Diefjr als
einem rührigen Stamme ber Ginroot)nerfä)aft ©uropaS ift feltifct)eS 23lut
betgemengt, unb ifjm fann sunt Xtjeile bie ©emeinfamfeit beS GfjarafterS,
roelcfje biefe Stämme oerbinbet unb oon anberen im Horben beS ©rbtt)eiles
trennt, §ugefd>rieben werben.
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f? o l g e r Dracffmann.
<£ in 6antfcf}er Dieter.
Von
fjeinrtd} §fd?alig.
— Dresben. —
„Seit $f)auccr frof) gefebt,
3oß burrf) bic Straften unä fein i'tonn, beS ©djritt
(£o cmftg, beffen 2Ing' fo forfeftenb toar.
X es 3ungc fo gewanbt."
X^icfe $ulmteS$eilen, roetdje Saoage £anbor, ber Genfer « unb
Xidjtercinfieblcr non giefole, feinem ^eitgenoffen Robert Sronming in etwas
übertriebener SBcgeiftcrung roibmete, roüfjte td> aus &olger SanSfeS rafttoS
rtngenbem 33ifinger= nnb efalbengefd^lec^te auf feinen 21>ürbigeren anju=
roenben, als auf £ olger £rad) mann, ber ben Sefem biefer ^onatsfa)rift
fd>n aus beut ^ulibefte als Sänger beS SttecreS befannt ift.
Xie bänifdjen Mritifer unb £iterarf)iftorifer fetern $rad)mann als
einen ber fjeröorragenbften unb glänjenbften Vertreter beS jüngeren $id)ter:
gefriedetes in itjrem £anbe. „tfein bänifdjer Sidjter, mit 2luSnal>me
*3lid)crS," fdjretbt Söinfel £orn in feinem muftergiltigen £anbbudj ber
bänifdjen Literatur, „Ijat baS bänifdje SltolfSlebcn mit fotdjer 3Sat)rr)eit
unb foldjer voetifd;en äßirfung gefdjilbert, wie Sradjmann in feinen Silbern
aus bem Stfdjer* unb Seemannsieben. Seine ftärffte Seite jetgt er jebodj
als Snrifer." lUeljnlia) urteilt ©eorg SranbeS. „@r (Sradmtann) erfafu
bie bänifdje ^alblanbfdjaft, roie wenig 9lnbere, unb eine bänifdje Äüften«
lanbfd)aft wie fein 2lnberer. 3lües, was jur See gehört, üerftelu* er beffer
51t fdn'lbern, als es je einer uor ilnu in bäutfdjer Spradje getrau bat."
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Jjolger Dradjmami.
20 ^
3?obSfot), auf beffen oortrcfflid&e 2lbt)anblung über &olger $>ract)mann
(ogl. Spredte Studier, rooty baS Söefte, roaS bämfd) über $rad|mann ge=
fdjrieben iffc !) nid)t weniger 2öertf> ju legen ift, weil er fict) ntdjt fdfjeut,
aud) ©dnoadjen rficff)altlo3 §u tabeln, roeiji boef) fo Diel an &olger
Xracrjmann ju rühmen, bajj alle SDtängel baneben oerfdmrinben, wie bie
Unregelmä§igfetten an einem geifiooll fdjönen ßrjarafterfopf. $ie ^aupt*
fadje, meint er r)infid)tlici) feiner Snrif, fei 2lllen flar: „frifetje 3"flenbs
lid)feit, bie ifjreä 2Öege8 ba^infd)lenbert unb über 3llle3 fingt, roa3 i^r
oorfommt; bie reid) genng an Stimmung ift, um eS felbft mit bürftigen
unb jufäHigen Stoffen aufzunehmen. — $a3 flaffifci)e ^od), b. f). ba£
Senmfetfein, bafc alle näcbjHiegenben unb beften Stoffe fdjon längft t>on
gro§en Didfjtern aufgenommen feien, ein $ocr), ba$ fo mannen jeit»
genöffifcljen £id)ter fo ^art brüeft, fufjlt $ract)mann faum. .60 fd&eint er
berufen ju fein ber £elb be3 £age3 ju werben, ber eroig junge SMdjter,
her mit reicher §anb füfnie ©enrebilber unb pracfnooUe SrimmungSlurif
nad) allen Seiten auSfrreut."
Dfme Uebertreibung fann bafjer auet) 3. (S. Spoeftion, ber treffliche
Äenner unb Vleberfe^er auf bem ©ebiete ber norbifdjen Literaturen, oon
£racr)mann fagen: „Gr ift ni<r)t nur ber probuctiofte, fonbern ot)ne
3n>eifel auet) ber begabtere unter ben seitgenöffifdjen 2>id)tem ftänemarte.
©leidproofjl ift er außerhalb be<3 Horbens oiel roeniger Defannt, als §. 33. feine
nonoegifdjen $icr)terbrfiber SBjörnfon, Sbfen, Sie, tftellanb ober ber Sdjjroebe
Strinbberg, ja felbft als fo manage fetner älteren unb jüngeren bidjtenben
Sanbsleute, bie, roaS Begabung betrifft, roeit hinter Stahmann prüeffteben."*)
Xer Sefer oerjei^e bie sielen ßitate. Sie follten nur baju bienen,
XradjmamiS Iitcrorif<^c5 ' 2Infe^cn in feinem SBaterlanbe unb bei uns ju
Dergleichen unb bie grage ju rechtfertigen, ob biefer $icf)ter in $eutfd>
!anb mcf)t boct) oieüeicr)t ein roenig mef)r Mannt unb gelefen $u werben
uerbient.
$en ©runb bafür, bajj ifmt nod) fo roenig 23ead)tung §u ^r)eit ge«
roorben ift, erblich <poeftion in bem Umftanbe, bafc feine ßauptbebeutung
in ber Srjrif liegt unb bafc feine oirtuofe Spracttfunft einer bem Originale
and) nur naf)e fommenben Ueberfefeung faft unbeftegbare Scr)roierigfeiten
barbietet. $af)er fommt e£ root)l auet), bafe er bieder nod) feinen poetifdjen
Ueberfefcer gefunben l)at. Unb roenn ict) e$ im Jyolgenben wage, ben fct)on
im 3ulifyefte gegebenen Uebertragungen nod) einige neue groben an;,us
Teilen, fo fjoffe id), bafe ber Sefer biefelbe ^ad^fidjt üben roerbe, roie fie
ber Ueben^rofirbige ^)ia)ter felbft geübt t)at.
3lber ber ^oauptgrunb, roe$l)alb ^rad^mann bem beutfajen s^ublifum
*, 33gL Dr. @djn>eiö«'8 tbtn erfd)iencne w@cf<f)id]te ber ©tanbinaDifdjen ^iterotur",
Xiftü III. S. 358, »0 toir 2>racf)mamti »egen feiner »ebeutimg ßleicfjfaüö an bie
Spifce b«« jüngem 2>id)tergefd)Iecf>t$ in Xanemar! geftettt finben, roenngleid) aud) I)ier
flewiffe Mängel nid)t öerfdjwtegen merben.
3Qotb unb €itb L.. 149. 1^
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202 £?euuid? dfdjaltg in Dresden.
nod) fremb geblieben ift, mag bodj otel tiefer liegen. finbe u)n in
be$ $id)terg eignem SBejen. ©r ift ein 2Jiagnet, ber auf bie gerne feine
2lnjiel>ung$fraft ausübt, ber aber Seben feft an ftd) f abliefet unb deinen
roieber loaläfct, ber ilmt när)er tritt, gern oon bilcttarrtif^cr ©efallfu$t
ober oon Siebäugelei mit ber ©unft feiner &örer, bringt er als edjter
grofjer £)idjter nur baS, roaS feine Sp^antafie anregt unb ioa3 fein
3nnerfte§ beruegt. sJSie oerädtflid) irjm baffer jene füfelidje SBobeltjrif ift,
ber mir — ad% fdt>on fo oiele ! — „ßnoäpen, Blatter, S3lütr)en unb )8lumen=
frrffufje" oerbanfen, ba3 gel)t aus feinen eignen SBorten §eroor:
„SBotjl fönnf id) mid) lispeln gar leicht unb geltnb
3n manche gefüljfootte £er$en
2Rtt SBitten unb fanften Xönen :
3d) lernte ba3 Singen bei ftarfem 2Binb,
2lu8 ber SBogen frreuben unb Sdmtcräcnl"
2Bie fet)r er es ferner oerfd)inäl)t, fi$ ben 3"fP™d) De^ großen
<Publifum3 burd) wohlfeile fiodfmittel unb ©inurrpfeifereien ju erfaufen,
ba$ fpridjt er mit ftol^er s#efd)eibenr;eit in feinem liebenätoürbig r)umor*
oollen ©ebid&te: „Ad libitum" au3:
«3d) iW nidjt mit ttnegenbem Spiel einher
"Mit fiuureidjen tflötenfiguren,
2)en9Wunb gefpifct, bie 9?afe quer
Unb totrbclnben ftotoraturen.
3Rein Spiel ift nur fd)ltd)t, oieUcid)t aU"äU fd)tid)t;
2) od) toiU eS eud) fo nidjt besagen,
9fun »ol)!, fo bejaht nur ben Eintritt erft nidjt,
üNögt, Jreunbe, gur Seite eud) fdjlagen!
3dj gel)' meinen iJßeg, unb biete mein ÜHat)l
Unb flöte gemad) meine Steifen,
Unb fe&\ toic ba8 Wittum Hein toirb an 3atf,
Um ?lnbre gu fudjen unb preifen;
S)od) ift nod) geblieben ein Heiner ftreifc,
3) em id) trau*, e8 merb* ilmt betjagen;
3l)tn oerbeug' id) mid) böflid) unb rufe lei§:
?(uf bie Seite lafet, Sreunbe, un8 fdjlagen!
?luf bie Seite ein toenig, unb f)ört meinen Sang;
3m Stillen bie £Öne erflingen,
So ooll unb fo ftarf, aus fo el)rtid)em 25rang,
8i*ie wem nur oergönnt ift au fingen!
3a, etjrlid) ber $rang. bem bergen eutftammt;
$odj miU eS eud) nimmer besagen —
9htn tooljl, fo ift ber Sänger oerbammt,
Sid) fclbft auf bie Seite 3U fdjlageu!"
Gbenfo wenig roie um bie große, urtfjeilslofe 5)ienge, fümmert er
fid) jebo<$ audj um ba£ Heinlid) mäfelnbc „©emerfe" gegnerif^er Ärititafter
unb befielt ifmen gegenüber feft, \a IjerauSforbernb, auf feiner Eigenart.
3d) trage ben $ut, tote id) tottt,
3d) finge mein iiieb, tote id) rottt
Unb tote td) fann;
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f^ol^cr Dradjmann.
205
3d) fte^Ie nimm« aus Slnbrer SBerfe.
SBin id) bruin ein üerfc&mter SHann?
<3ofl mtd) brum ft^cltcn ba8 „©enterte'"*
S)ie ©änaeraunft fei, n>a8 fte tottl,
3dj bin, bet id) bin, aus eignet Srärfe!
Um aber DradjmannS Eigenart ridjtig 311 würbigen, mu& man fie
cor 5iüem riäjtig oerftefyen. SÖerfudjen mir baljer, fo gut e$ bei ber
gebotenen #ürje möglidj, $u jeigen ober wenigftens anäubeuten, worin
biefe ©igeuart beftefyt.
@in ^auptjug, ben aud) Sergföe ebenfo wie Sranbes einmütig ber=
t>orf>ebt, ift sunäd# eine gewiffe Unbeftänbigfeit be£ Did)ter3. „Die
23 SBänbe, bie mir bis jefct von ilnn befifeen," treibt Sßobdfoo im
3af>re 18S4 (nunmehr fmb e$ fdjon über 30!), „jerfallen in 8 ober 10
weit abroeidjenbe ©nippen, bie fidj nidjt nur im ©toff, fonbern aud)
in ber Xonart untertreiben ; unb jwar ift e$ nidjt nur bie Stimmung,
fonbem bie £eben3anfd)auung felbft, bie ju wed)feln fdjeint." Demnadj
tonnte man bie Eigenart beä DidjterS ober roenigjlenS einen raefentlidjen
3ug berfelben, in einer wed^felreidjen SHielartigfeit erbtiden.
9iäf>er betrautet [äffen fidj jeboct) in feinem bid)terifd>en Staffen jwei
Örunbelemente erfennen, oon benen ba§ eine ifmt felbft, ba£ anbere bem
3eitgeift unb feiner Umgebung entftammt, was ber geifireidje bänifd^e
.Hritifer burd) einen 23etgleid) auSbrüdt: „Der ÜBebftuljl mit feinen
oielen ungleichen gaben war bereite oorgerid)tet ju einem reidjen unb
bunten dufter, als ber Jlampf be3 £age3 ba$ Sdjiffdjen erfaßte unb
balb mit ber Segeifterung 9totf), balb mit bee 3weifels unb ©ebanfens
törau feine Seibenf djaften unb Saunen l)tneinoerwebte."
9US Xraa)mann im ^atyre 1872 fein erftes Jöänbdjen ,,©ebtd)te"
Verausgab, fjatte SranbeS, bem baäfclbe geroibmet ift, eben feine „Weoolutton
ber ©etfter" begonnen, bie ber bis batnn l)errfd)enben alten SteffenS'Detjlens
idjlägerfdjen ober beutfdHbealeu Siteraturridjtung bie neue franjöfifap
realiftifdje 3luffaffung entgegenfteüte. $tor es ein äBunber, wenn ber
oon gäfyrenber ,3ugenbbegeifterung erfüllte Didier ftd) biejer mächtigen
Strömung, meld)e bie fjeimifd^e ^oefie 31t verjüngen oerbiefj unb bie ifm
fogleiäj 3U iljrem poetifdjen SJfittelpunfte machte, 00U unb ganj überliefe ?
Salb ieboc3r), unb im ©runbe fdjon an feinen erften ©ebidjten, fonnte
man merfen, bafe ber ungeläuterte finnlidje 9feali£mu£, bem nid)t ber 3lbel
eines fittlidt) füfylenben unb 3ugleid) pfymtafiebegabten ©etftes aufgeprägt
ift*), nid)t feine Eigenart war. <5£ ging ifmt, wie 3lnbr6 (Sinter,
2öorb3roortl) u. 21. mit ber erften franjöfifdjen Revolution: er 50g ftd) fpäter
rerfrimmt jurüd.
Dem erften SluSbrud) einer ftünHH"a)en Did^tematur folgten bereite
*) Sßl. Dr. Älendc« ©ebanltn jur Reform unfeter ßiteratur in feinem geiftüoüctt
»od«: „am fflebfmöl ber 3"t," Xbeil.
14*
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20^ fjctnrt^ gfdjaitg in Bresben.
1875 „gebämpfte SMobien" (Dämpede Melodier); barauf 1877 feine
herrlichen „ÜJteereSgefänge" (Sange ved Havet), in benen gleidjfam feine
eigenfte 9totur jum Durd)bruch fam unb bie faft nur ©eflärteS enthalten;
bann „9ianfen unb 9iofen," worin er baS $öchfte, wenigftenS ^infi^tlid)
beS SBohllauteS 5. 33. in „Safuntala" erreicht tyit, unb enblich bie, feine
ganje Sugenbperiobe gleichfam abföliefeenbe Sammlung ^ugenb in
Dichtung unb Sang!"
Der ibeale ©runbjug feines SBefcnS, ber fich felbft in ben Dichtungen
nicht ganj verleugnet, in benen er uns als „SoUblutrealift" entgegentritt,
äußert fid^ befonberS in feiner Siebe jur traumhaften Vergangenheit, bie
ihn jum (Sagen* unb SJtärchenbichter macht. 2lls foldjer ^at er fidj
nid)t nur oortrefflich als poetifdjer (Srjähler, 5. in ben -Reim*
bichtungen: „bie tßrinseffm unb baS r)a(6e Jlönigreid;," ber Often für bie
Sonne, ber Seften für ben 2)fonb" u. 21., fonbem auch oli auSgejeichneter
Dramatifer bewährt. Der glänjenbe ©rfolg feiner ^ärdjenf omöbie :
„GS mar einmal" erwarb ihm 1886 ben Danebrogritterorben. Unb feine
neueften bramatifdjen Arbeiten, jugfeich bie jule^t erschienenen beS Dichters:
(„Tyrkisk Rococo" unb „Esther" 1888, fowie „Tusind og en Nat44, 3JZüte
2Jtoi biefes Jahres) werben, foweit fie aufführbar finb, gewiß auch außer«
gewöhnlichen Beifall erringen, befonbers „Daufenb unb eine Stacht" mit ber
herrlichen Sagengeftalt föarun al Dtafchibs.
2IIS 3Kärd)enbichter bietet Drachmann überrafä)enbe Vergleichs5
punfte mit unferem ihm aud) perfönlich befreunbeten 9fr. Saumbach.
3n einer Slnmerfung ju „@fther" äußert er fich über bie $erwanbtfd)aft
ihrer Stoffe felbft fo: „(Sin 3ufammentreffen mit Saumbad) — tief im
beutfchen Sinnenlanbe — überjeugte mich auf baS flarfte, in welch naher
$erwanbtfdhaft unfere ffanbinat)ifd)e ^omantif 5iir germanifchcn fteht. 2ßir
fchöpfen aus berfelben Duelle — ber ©ine in ben blauenben thüringifdhen
Sergen, ber anbere an ber fdjwermüthigen 9?orbfee."
«Rieht mit Unrecht wirb er baher oon ^oeftion als „Xräger ber 91eu-
SRomantif in ber ffanbinaoifchen Literatur", auch in ftinficht auf feine
gleidjjeitig meifterhaften naturaliftifchen Schilberungen als eine „Doppel*
natur" ^ingeftellt. Da jeboä) ein wirfticf>er 9IuSgleidj beiber Naturen,
ein harmontfcheS „Vereinwefen" noch nicht $u Stanbe gefommen ift, fo möchte
id) ih« Weber zugleich mit Sejiehung auf fein gefammteS menfdjlicheS
Denfen unb güf)len unb Sollen, wooon alle feine Dichtungen ftets nur ber
fünftlerifche 2IuSbrucf finb, als eine ßweifeelens ober gauftnatur bezeichnen.
Die eine Seele will ficr) fortwährenb oon ber anberen trennen; an bie
finnliche 3i*irflid)feit flammert fich bie eine, $u einer reineren 3been= unb
Traumwelt ftrebt bie anbere empor. Unb biefes fingen, biefer innere
Mampf wieberholt fid) baher in gewiffem Sinne auch in jebem feiner
SÖerfe. Daraus erflärt fid) feine ewige Unruhe, fein fortwährenbeS 2tufs
holen unb Söteberanfangen, feine immer wechfelnbe Stellung ju ben
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ftolger Dradjmann.
203
literarifdjen unb polttifdj Socialen Strömungen feiner Reit, baS herein*
jie^en fo oerfcrjiebenartiger Elemente in feine btd^teriid^e Stoffwelt, alle
bie äu&eren unb inneren kämpfe, an benen fein l'eben fo rei<$ ift, unb,
ba er bei aflebem eine leibenfd)aftlid)e 9latur ift, audj einerfeits bie jag=
Ijafte Selbfioerjmeiflung, bie il)n, wie wir wiffen, wteberrjolt fdwn bei
feinem Streben nad) 33olIfommenf)eit, nadj ber benfbar rjödrften SBottfornmen*
fieit, erfafct t)at, anbrerfeits baS ftarfe Selbftbewufetfein, weldjeS er $u*
weilen jeigt. Sflag aber ber Xrang nadj Vorwärts oft aud) ein bunfeler
fein, ber gute SDienfd) unb ber grofje $id)ter ift ftä) beS regten SSegeS
bod) bewußt!
So »iel über 2>radmiannS ftidjterperfönltdjfeit im allgemeinen. Um
bie Ijier nur in groben Striaen angebeuteten djarafteriftifd>n 3fige nodj
fprecrjenber rjeroorjurjeben, müßten mir frciüct) etwas mef)r nad) bem Sebcn
malen tonnen. Leiber waren bie wenigen, in ©efeHfdjaft beS ©idjterS
oerlebten fdjönen Sommertage beS oorigen 3al)reS ju fdrjnctt oerraufdjt,
als bafj wir aus feinem eigenen SRunbe villIeS baju äßiffenSwerttje Ratten
erfahren fönnen; unb eine auSjüljrlidje £ebenSbefd)retbung beS $)td)terS
bürfte erft nadj ©rfdjeinen feinet bereite angefünbigten größeren 9iomaneS
$u erwarten fein, ber, falls wir bie bei unferem SBefudj oemommenen
Slnbeurungen ntdjt mijjoerftanben tjaben, eine 2lrt Sclbftbtograprjie enthalten
foll. $)ie barauS in ber bänifcrjen 3eitfa)rift „Literatur og Kritik" im
3)cär$ biefeS ,3a^eS abgebrucften ©ebidue („Ulf Brynjulfens Digte og
SaDge") fdjeinen für bie 9iidjtigfeit unferer 3lnnoI»ne ju fpredjen.
(£iue auf perfönlidjen SWittfjetlungen berufjenbe, juoerläffige unb mit
liebeooüem Slerftänbnifj oerfafjte für je Sfi$se oon 2)rad)mannS Sebent
gange giebt ^oeftion in feiner oon und bereits meljrfadj ftittfdjweigenb
benufcten, lefenSwertfjen (Sinfeitung ju ben oon ifjm trefftidt) überfefoten
„See* unb Stranbgefd)id)ten" (Unioerfalbibliotfjef 2478 unb 79). äöir
müffen uns r)ier barauf befdjränfen, nur biejenigen Momente aus feinem
äußeren £eben Ijeroorju^eben, bie unferem flüchtig entworfenen Silbe tf)eils
jur Umrahmung, tfjeils oteUeidjt audj nod) jur .^injufügung einiger ge=
legentlidjer £id)ter unb Statten, einiger nod) fa^einbar oergeffenen 3üge
bienen fönnen.
£ie im 3uli^efte oeröffentlidjten SMdjtungen follten, fo weit bieS
einige furje groben eben oemtögen, 3eigen, welaje 5Jteifterfd;aft 2)rad)mann
als SDteereSbidjter befifct. ©in 9)feereSbia)ter foüte eigentlid) für ein
£anb, baS rings oom 3Jteer umwogt ift unb baS fd)on fo mannen oor=
treffliche» Seemaler fjeroorgebradjt tjat, fein allju großes &>unber fein,
roie es benn aud) in ber £rjat ber banifd)en Literatur nidjt an ©ebtctyten
unb ©efd&id&ten über baS 9)ieer fel)lt. Unb bod) bilben $rad)manns
SKeereSgefänge eine ganj neue @rfd)einung, ja eine gan$ neue lt)rifa>
eptfc&e ©attung; benn er fdjtlbert uns barin nidjt nur, was an unb auf
bem 2Heere ju fe§en ift, fonbem enthüllt uns oor 9lHem aud; bie geheime
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206
^einrieb, ©fdfalig in Dresbcn.
Sprache, gleidjfam bie gewaltige ©eele, bie grojje ^In'lofopfcie be« 3Heere«.
Sie 9totur fctbft fä^eint ifjn jum Solmetfä) if>rer gewaltigften ©rfdjeinung«=
form, be« Ccean«, beftimmt $u fyxben; bcnn feine meerblauen Etagen, fein
frauSgelocfte«, gletdjfam oon jittemben SBeHen umwogte« £aupt unb feine
an bie 9J?eere«riefen ber SSorjeit erinnembe (Seftalt freuten bem Stteere
$u entftamtnen. ÜBa« aber ber göttlidje ©eift ber 9?atur befdjloffen tyat, ba«
fonnen 9Renfdjen nidjt fjmbem. $er Skter 2)rad)tnann«, ein oerbienter
ÜJtorinearjt unb fpäterer Sßrofejjor ber Ortfjopäbie in Äopen^agen, wollte
jwar anfangt ben am 9. Cctober 1846 geborenen öolger $ur (See fenben,
nafjm it)n aber bodj balb au« ber ju biefem Qmede befugten Schule, um
ifni für feinen eigenen 33eruf auäbilben ju (äffen. So würbe $olger 1865
Stubent ber 9)lebicin. 9lflein bie Siebe jur ßunft überwog bei ifjm bie
l'iebe jur 2Biffenfd)aft, unb balb fefjen wir ifjn (al« eifrigen ftunft jünger
unb ©d&üler be« befannten Sflarinemaler« ©örenfen), wof)in fein ^>erj
Um 30g, am 9tteere!
£amt begab er fidjj jur weiteren 2lu«bilbung auf längere Reifen nacf>
ber ^orbfee unb bem mittellänbifdjen ÜWeere unb oerbradjte ein t)aCbe^
3af)r auf ©icilien. Gittfdjeibenb warb für ifnt ein Sfafentfjalt in Sonbon,
wo er längere 3«* al« S^uftrator unb 2ttaler oft gar tummerlid) fein
33rot oerbiente. daneben trieb er mit faft gleidjem ©ifer ÜDhiftf, 2lefu)etif
unb ^oefie. £ter war e« aud), wo er 1871 bie glüdjitlinge ber ^arifer
Commune unb bie willigen foctalen Söanblungen rennen lernte, weldje ber
Ärieg in granfreiä) mit fid) gebraut r)atte. 2Ba« er lu'er flaute unb f)örte,
mit bem Sßinfel ju malen, oermodjte er nid)t; ba oerfuä^te er e« mit
Sorten, unb fo entftanb fein berühmte« ©ebid)t, ba« nod) jefct ju feinen Sieb*
HngSgebidjten gefjört: „£>ie eng(if<$en Socialiften". Unb wie er fie ju
malen oerftanb, mögen folgenbe Seilen jeigen:
©cfdmöt doc bem 2Binb unb falten SNebeln,
lim beS SoljlenbecfenS qualmenbe ®tuten —
$ie ftoljlen ftnb Dom Straube gefio&len,
28o ber Scautmann löfdjt bie belabenen <5<bütcn —
Sifct eine Sdjaar. SBebedt ftnb mit SKufee,
2>tc tnotigcn Sirme in fdmtuötger &tnfe;
2Bof)I Dierjelm finb'8, fie löfdjteu bie ©ajutc,
2>ie §aut geugt Don Slngclfadjfenblute.
Gie murmeln unb fangen bie tönernen pfeifen,
3)a6 x'ilc gcb,t ()erum in tlappcrnben Scannen;
2Jlan fjat etwas Dor, mödjt' etwas ergreifen,
3Kan rotU aus ber 9?ottj unb möd)te fie bannen;
3Me 3trme erbeben, hrie Sriebertranfen ;
2>te ÜÖorte fehlen ben Dielen ©ebanten!
2)dü^ ofcne ©qftem mufe yMci erftiefen.
£a erfjebt ftd) ein SDlann mit fuufelubcu dürfen u. f. to.
Xer Erfolg feiner erften, 1872 erfd)iencnen „©ebia^te" unb me^r
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• Böiger Dradjmann. 207
nodj ber einer balb barauf unter bem Xitel „33on jenfetts ber ©renje"
(Derovre fra Gracnsen) herausgegebenen Sammlung oon ©fijjen, in benen
er berebt unb ergretfenb bie ^eroifdje 2luSbauer ber bänifdjen Solbaten in ber
$üppelfteflung fd^ilbcrte, liefen enblid) nadj längerem Scfyroanfen ben
$id)ter über ben Sftaler ftegen; unb nun fdjiuf er mit rafttofem gleite
arbeitenb, bie ganje ftatttid^e [9ieü)e von ©ebid)tfammlungen, STCooellen,
Romanen unb Dramen, bie mir jefot oon ilmt befifcen unb bie feine viel-
fettige ^Begabung in fo berounberungSroürbiger 2£etfe offenbaren.
©röfcere 9teifen, meiffc oeranlafjt burd) innere unb äufeere (namentlich
aua) politifäe) Äätnpfe im Skterlanbe, unternahm er bann nodj 1876 bis
78, befonberS nach ben europäifdhen ßauptftäbten.
3mmer mieber aber mar es bie Sefmfucht 5"*» ^aterlanbe unb be*
fonberS jum §eimifa)en 9tteere, bie ifm ber #etmat jurüefgab. ©in tief*
empfunbeneS poetifcheS 3e«9^§ ffir biefe Sefjnfucht ift fein, gleichseitig
oon flampfeSmuth erfülltes ©ebicht: „SBogelfchau" (im Suüfceft S. 62).
2Sela)e frohen 3iele er fi<$ als ,,<MeereSbichter'' ftettt, rote er ringt unb
ftrebt, „bie ©rö§e unb SJtodjt beS StteereS ju erfaffen unb jt<h aus feiner
Sturmmelobte bie Tom ureigner ^oefie $u fchaffen", baS liefe uns bie
oorhergefjenbe Dichtung er!enneu. $)afe er fidj jebod) aud) oortreffltdh
auf „©eitrebilber" , bie baS Stranbleben barbietet, oerfteht, (>at baS
fleine annnuthige 33ilb beroiefen, baS er „Stenftein" betitelte (ebenba S. 60).
Die Siebe jum Sfleere rote 5ur 9totur im Allgemeinen §ai ttnt
jum oertTauten greunbe ber 3* Wer unb Seeleute gemacht, ju benen er
fid) ftets flüchtet, roenn er ftch oon allju angeftrengtem Arbeiten erholen
roiH, ober roenn er es unter ben „9)ienfchen" wegen etwa 3U offen ge=
äufcerter, freier 2lnfichten einmal nidt>t mehr ausmalt. So lebt er auch
gegenwärtig mit feiner oortrcfflidtjen ©atttn unb feinen „füfjen oier
flinbern" an einem Keinen ©tranborte nörbltdj pon &elftngör, nach feinem
eigenen 9luSbrucf „jroifchen 2Bälbern, SHöoen, Jvtfchern unb Seefapitänett."
Safür wirb er aber audj oon ben gifchern geliebt unb oerehrt, roie nicht
leidet ein anberer Dichter oom $olfe geliebt roerben fann. 3Wan brauet
nur feinen tarnen ju nennen unb ju fagen, bafj man ir)n gern 1)at, fo
ift man auch ihr Jreunb. Söefonbers berounbern fte feinen Sleifj. „Hau
er meget flittig" fagen fie. „2ßenn wir 2lbenbS aus bem &rug, roo
roir miteinanber trinfen, raudjen unb uns ©efdjichten erzählen, nad)
$aufe fchlafen gehen, bann fefct er ftd) noch hin unb fchreibt unb fchreibt."
2öaS er bann ioot)l fdjreibt, roas er uns fojufagen „frifdj oom 3a$" giebt,
ift leidet 5U erraten. SefonberS ift er ein unübertrefflicher 3Keifter furjer
Silber unb ©ef<hid)ten aus bem Seben unb Xreibcn ber gifd;er unb See*
leute. ©r perfte^t, rote ^oeftion treffenb fagt, „bie fa^roere Äunft, oon
einer ^erfon in wenigen 3"gen ein abgerunbeteS "Mb ju geben, baS bem
l'eier unoergefelid) bleibt," unb baS er lieb geroimtt, fügen roir funsu«
^Das ifk benn aud) bie einige Seite, oon roeldjer $raä)mann bem beutfd)en
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208
fjeinridj gfdjalig in Bresben-
&efer fdjon einigermaßen befannt ift. Deutfdje Ueberfefcungen $rad>
mannfäjer <Seegefd)tdjten finb aufjer ^oeftiona bereite ermähnten prächtigen
<5ee* unb @tranbgefcf)id^tcn erfdjienen r»on 31. <5trobtmann: 2tu$ bcn
(Sanbregionen unb anberen ©r&ählungen von & Drachmann unb S.
Sacobfen; ferner jroei größere, fejfelnbe ©tranbnooeden (,/^aul unb SBirginie
unter nörbttdjen breiten'' unb „%u$ ber gamUiengefchidjte be^ $jörn;
gefdjlechteä") oon %. u. ©ngelharbt, ^eipjtg 1881. *
2öa3 enblid) Dradmtannä erjählenbe 9Jieere$gebichte anlangt, fo
fei nur furj noch erwähnt, bafe fidj in Urnen befonberS ba£ &elbenhafte fetner
9totur funbgiebt. <Sd)iffbrfidje, türme ÜHettungäoerfudje, grauen bie mit bem
ütettungStau um ben £eib ftdj in bie Sßogen fturjen, um ben ©eliebten
ju retten, Kapitäne, bie bas ftnfenbe Schiff nicht oerlaffen, oerfteh* er
uns jo ergreifenb unb fd>auerooH oor bie Seele %\x säubern, bafc n>ir
meinen fönnten, wir roären felbft zugegen unb nähmen ^ei(. ©ine« ber
befannteften ©ebtdjte biefer 2lrt ift baä großartig bramattfä) aufgebaute
unb gewaltig ergreifenbe ©ebtcbt „$on ber $üne."
fr3 ift, als ob man bie furchtbare 33ranbung be$ fturmerregten SHeereS
fetbft üernärmte, roenn man bie SBorte uortragen hört:
Stürme faulen, 20og.cn brüllen,
Sanb unb Saljflutfitropfen füllen
Bttterob bange 2uftbereid>c
S'itrgenbS ätfiberftanb nod) Set>r.
2Bo ber UfertoaU gefdmmnben,
Jöafjnt ftd) mad)tPDll uugebunben
Seinen Ȇben 2Beg bert 2Rcer.
SdjtDcrc iüJogenmafien fditeBcn
Unb ocrfließcn,
UebeTgtefeen
2öcitt)tn ftcf) mit meinem Sajanm;
SHingd im Waum
flehte nod) fo tleinc Stelle,
iöietet ftd) bem 5üf$ alä Sdtfoelle,
2tfo bu trogen fannft mit ÜRutb,
S?ranbungSbonnenoirbclflutl) !
3Bie feffelnb ift nid)t bie Säuberung ber uon ber Düne atemlos
au^fpähenben ©eliebten:
Unb inamifdEpcn gan, bort oben
iUui ber $üne nmibumtooben,
SJor ben 2lugenbrau'n bie ftanb,
Späf)enb, fpannenb, ftarrcnb ftanb
Sic, beö Mätljfels ßöferin.
*ana ber Slt&em, blafe bie Sippen,
Smmer ftarrenb nad} ben flippen,
9lad) bcni fdjmaräcn ^untte f)tn
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folget Dradjmann.
209
2üie ein 3tanbbilb, auSaeljaueit
Srtrann in Stein, folßt fie bent 2Joot,
ScuTjenb in bc3 6rurme§ (Brauen,
3itternb, bebenb toie ein 2aub.
Unb bann roieber ba$ Sfteer:
Unb Üidjt unb 3d)atten
2Becftfeln
lieber bem 3fleere.
Sie iagenbe §unbe,
©ie toütf)enb fid} beißen,
kommen etlenb bie SBogen;
Unb eS bellt and ber Xiefc
Dtaub, brüüenb.
Eiefer ©attung gehört aud) baä im 3ulif)eft Seite 58 abgebruefte
fa)öne ©ebidjt „Mein auf bem 2>ecf" an. 9luf eine anbere nidjt minber
bramatifdj ergreif enbe £id)tung: „2)ie tefetc itorabe" (beutfdj erf Lienen
im „SHagasin für bie Literatur be$ $n= unb 2lu$lanbe$," 1889, 9ir. 6)
fei fjier nur rurj rjtngenriefen.
liefen ©ebbten, tote allen feinen ©r$äljlungen unb ebenfo feinen
Dramen, gereidjt eä ju uni>ergleid)ltd)em SBortyeil, bafe er ate $id)ter bod)
jtets jugleidj geblieben ijt, rca$ er non <Qau$ aus mar, ein genialer 2flaler.
IWödjte e$ uns gelungen fein, burd) unfere nodj lücEen^aft gebliebene
Sfij5e bie in mandjer ^infic^t gan3 eigenartige Didjtergeftalt £radmtann$
ber beutfdjen i'eferoelt netter ju bringen! 2Bäre er berfelben fa>n oer*
trauter geroefen, fo f)ätte er aua) ,u einer ausgeführten üergleid>cnb= ftitifdien
Serraa)tung reiben ©toff unb frud)tbare Anregung bieten tonnen.
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Der JlTufiMDinter \ 888— 1889.
Don
— 33crlin. —
I ift unbenfbar, ba& im politiföen unb focialen £eben ftarfe
©egenfäfce, üerfd^iebenartigfte SBefirebungen fidj entroicfelten unb
$ur ©eltung gelangten, unb bajj im ÄunjMeben 9We3 redjt
rut)ig unb glatt oor fid^ ginge, von allen Vorgängen in anberen Legionen
unberührt bliebe; als ob Siebter unb SRufifer unb bilbenbe Äünftler auf
einem anberen Planeten Ijauften unb uon bort herab itjre SBerfe in bie
irbifcfjen Xtyeater, ^erlagäbucrjfjanblungen, Goncertfäle unb flunftauSfteüungen
| eubeten !
(SS märe oielmefn nia^t fdjroer ju bewegen, baß aüe Seroegungeu,
bie im öffentlichen Seben bura) f)öl)ere ^been ober niebere ©ebanfen
hervorgerufen würben, im fluuftleben 2lu£brucf — nidjt etwa $ars
ftellung! — erhalten. Xer ©eift beS ÄünftlerS ift eine 2lrt oon lörenn*
fpiegel, ber bie oerfd)tebenartigen ucretnselten ^beenftrablen (ober aua)
niebere ©ebanfen) in fidj 5ufammenfaf$t unb auf einen $unft leitet. $och
nochmals fei es f eftgeftellt : baS Äunftroerf ift 2luSbrucf uerfchiebenartiger
Bewegungen, nid)t etwa Sarftettung oon ^been. ©S märe ein Unfmn $u
behaupten, bafi bie Beetbooen'fchen Smnpbonien cor beut ungeheuren
Umfchrounge in ber beutjdjen Dichtfunft unb cor ber franjöfifdjen SReoolution
bätten entfteljen fönnen; ein noch größerer Unfinn aber märe eS, fie als bie
Xarftellung ber Sturnu unb £rang= unb ber DieoolutionSibeenfcu bezeichnen.
Unb wenn 9tid)arb 2Bagner einerfeits „mit ©ntjücfen" bie beutfehe 9Kothe
preifet, in melier if»n ber wahrhaftige „natürliche Sflcnfch" in feiner
Jansen Schöne entgegentrat, anberer|eitS benmnbemb oon ber Sdwpen;
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Der ITTnfif • IPinter isss—ieeq. 2U
fjauer'fdjen SBeltanfdjauung fpritf>t, nad) roeldber gerabe ba£ 9totürlicr)e im
9Renfa)en aus bem SBiflen sunt Seben entftet)t, ber nur Setben unb ©lenb
bringt unb in ber 33efriebigung fid) felbft jerftört , fo ift baS ber befte
Seroeis, wie mef unoerföt)nlict)e SSiberfprfidje im ©eifte be£ ftünftferä fi dj
freien unb bennod) jum Staffen eines großartigen Äunftroerfs beitragen
fönnen.
9?un Ijaben bie legten Sa^re fo oiel ©eroaltigeS unb ©eroaltfameS,
§od)ftrebeube£ unb 6treberifdje£, allgemein SHnregeubeS unb gemeinen
Regungen DienenbeS gebraut: unb bie flunft foHte oon aß £>em unbe*
riujrt geblieben fein? unb gar bie Sonfuuft, biefe oerbreitefte, fo 3U fagen
gefeüfdjaftlidrfte aller flünfte?
Suf bem gelbe ber Dper tonnten bie ftarfen ©egenfäfce ber oer=
fdjiebenartigen neueren ©runbfäfee nidjt jur ©eltung gebraut roerben, benn in
ü)r erf feinen SBagnerS SRufifbramen nod) immer allein gegenüber ben älteren
flaiiifdjen. Seine beutfä^en 3eit(jenoffen baben nict)t^ fjeroorgebrad&t, roaS
ibnen entgegen geftellt werben fönnte. Unb felbft bie 3lnl)änger italiemfdjer
Cpernmufif nrüffen gefielen, bafc Serbin lefeteS SBerf „CtfjeHo" gar «ietee
enthält, baS nicf)t gerabe eine 9fadjatmumg 2£agnerS $u nennen ift, aber
gcnr3 beftimmt ofme ben burd) ifm gegebenen 3mpul« nid)t beftänbe. Siefe
3trt ber £armonifation, ber Seclamation, ber 3nftrumentation r)ätte $erbi
niemals angeroenbet, toären nidjt bie 2Bagner'fd)en ©runbfäfee aud) fo tief
in bog Seroufjtfein fejr oieler italienifdjen SJJufifer unb ifufiffreunbe ge=
brungen. 3Me 23emerfung fotl burdjauS nidjt bie 2(nerfennung ber grofjen
Begabung beS SOtfanneS beeinträchtigen, ber ben „ballo in maschera-1, ben
britten 9(ct beS „©rnani", bie erfte Hälfte beS sroeiten Stetes in „9iigoletto"
unb bie „Wühl" componirt f)at*); fie foll nur bartfyun, bafe eben gemifte
Obeen nadj ben entfernteren Legionen auSftrat)len. Die Meinungen über
ben flunjtroertf) ber Sßagner'fdjen 6d)öpfungen mögen fcr)r uerfct)ieben fein ;
bafe fie aber bie beutfdjen 33ül)nen bef)errfd)en, bafc fie bie größten Qm-
nahmen bringen, ift eine feftftet)enbe Sfyitfadje. Unb wenn — md)t mit
llnred)t — behauptet wirb, bafj it)r ©rfolg nidjt burdj £aS allein beftimmt
nrirb, roaS fie als Äunfrroerf finb, fonbern in nidjt geringem ©rabe burd>
burd) baS oon 9lidt)arb SBagner felbft angeregte föineinsieljen lcibenfd)aft=
lidjer ©treitigfeiten unb Sßoranfteüen oon 9febenfragen, bie jur flunft felbft
in oft fefu* entfernter Sejietjung flehen : fo bietet biefe üöefjauptung nur
einen neuen ftarfen 33eioeiS, toie baS ftunftleben fjeute in nod) oiel ftärferent
^afje als efjebem oon allen geiftigen Regungen berührt roitf), unb mie jefet
aud) bie unfyaltbarfte 3ufanimenfleHung pl)ilofopl)ifdf)er 6i)fteme mit fünfte
lerifdjen ©rjeugniffen gläubige 2lnl)änger finbet. Ueber 3)iufif pljilofop^iven
*) 3*ber, beT ScbetS „ßunjantfic" Ijört, muß crfcimcit, baß tu üjr bic ©nutö-
Iage bererften Opern 9i Sßagnerä (^ollänber, Xannljäufcr, JL'o^enfltin) ru^tc; ex^.
berum baS foloffale ®enie beS ^idjter^omponiften als ein geringere« ?
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2\2 Ijeinridj (Ebrlicb, in Serlin.
ift ja eine Sieblingäbefdjäfttgung her gebilbeten ©efetlfd^aft, unb felbft ernft*
J»afte ©ele&rte leiften ber ©d&önrebnerei Sßorfd&ub. 3113 SWo^art bie „3aubers
flöte'7, als Seetyooen bie unermeßliche „Neunte" fd)uf, fiel e$ feinem 3Jlenfd^en
ein, bie ganj fixeren $e$iefmngen ber erften jut greimaueret barjulegen,
ober aus bem ©oetye'fdjen „3aufi" ein Programm für ba$ Mefenwerf yi*
fammensufefcen. sprogamme, b. lj. Ueberfajriften, unb mitunter bie fonber*
barften, c)at e3 oon jef)er gegeben: aber bie 2lu3legerei ift erft in ber
SReujeit jur sollen 9ieife gebradjt worben. 2öir finb jefet fo weit ge=
fommen, bajj bei ^eurtfjeüung oon ßunftwerfen eine SDtaffe Vorfragen ju
gruubliajer iBefpredjung gelangen, bie &auptfad)e aber: wie benn ba*
Jöerf gefdjaffen, gebietet, componirt, gemalt ift, faft nebenher bel;anbelt wirb.
Unb wenn man bie oerfdn'ebenen Goncertprogramme be3 oerfloffenen
Linters prüft, fo mödjte man faft behaupten, bafe felbft im ©eifte mand&e£
Gomponiften ni<3t)t ba3 9J2uftfalifd)e als ba£ 2£idf)tigfte waltete, fonbem
ba$ Söefrreben, ©reigniffe unb &anblungen bura) £öne barjuftellen, bie
ber befdjreibenben $id)tfunft unbebingt angehören, ber 3)ialerei in nur
bebingtem SHafee jugänglidj finb, ber 3nftrumental:9Wufif aber entfdjieben
ganj ferne liegen. &ä finb im legten äßinter jwei „6i)mpf)onifcbe £id)s
tungen" mit bemfelben £itel „granceSca ba 9iimini" aufgeführt worben, bie
eine oon Sajjini in SKatlanb, bie anbere oon XfdjaifowSfi) in Meters»
bürg. SBajjini (geb. 1818), eljemalä ein berühmter ©eigenfünftler, beffen
ebler £on unb fdföner Söortrag ifmt befonberS in $eutf3>tanb allgemeine
Snmpatfjieen erworben fyat, ift jefct 2)irector be3 SJtailänber Gonferoatorium*
unb in feinen Gompofitionen ein ^Inbänger ber neubeutfdjen Sdjule.
2fd)aifomSfo (geb. 1840), juerft ^urift, bann 9)iufifer unb Seljrer am
Petersburger Gonferoatorium, ein ungemein geiftreiajer Gompontft, gebort
ber jungruf fifdjen ©djule*) an, bie fein anbereS Äunftgefefc anerfennt,
aU bie eigene SBiflfür. Gr ift allerbings ber bei weitem bebeutenbfte
biefer Sdmle, benn er f)at aud) eniften Stubien obgelegen, oiel gelernt
unb fef>r gefd)idte ^anb^abung ber gönnen erworben. 3n einer 2uite
oon ilmt befinbet fia) ein ^rälubium unb guge, bie ju ben geifiretd>ft
erfunbenen unb trefflidtft gearbeiteten SBerfen ber 9ieu$eit gehören.
3lber ba£ Streben uad) Drigincllftem, 9itebageroefenem füb,rt auo)
ifm mandjmal ju Gypertmenten unb Kombinationen, bei bcnen jebe 9)hmf
aufhört. Xic Gptfobe au$ Danteä 3nfc™0> oie Grfdjetnung unb Qx-
^aljlung ber granceäca ba Siimiui als Vorwurf einer 3nftrumental=
compofition ju mäblen, war fdjon oon oon^erein ein oerfel)lter ^erfud).
ber X>ia)ter in SBorten anfdjaulia) befa^reibt, fann ber ÜWuftfer nid)t
toiebergel^en, benn iener bat beftimmte äöort für fidj, biefer fann nur
3mammenfteaung oon (Sinseltönen in 2lccorben bieten. Sa* ber ^id^ter
*) £ie ältere ruffifdje sJKufiff^ule, bereit bebeuteubften mämicx Stuoff nnb ©Utita
waren, fufetc gans auf bcutfdjer Xrabitiou, mit nationalen ihJeiibnngen.
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Der iriuf tf • IPinter 1888 — \esq.
2*3
bem £efer in brei SBerfeu*) er;,ärj(t, tnufe bcr SJhififer bem ßörer in einer
langen -Heilje oon harten begreifltd) $u matten jucken. Sie Dualen ber
armen com Sturme gejagten ©eifter mufj ber SDfufifer burcr) eine 9?ett)e
Don $iijonan$en 5U ©erfinnUdjen trauten, bei benen julefet ber mufifalifaje
£örer ein ©equälter wirb, ^oetifdje 2?ergletd)e, wie bie oon ben
ctaaren, bie mit breitem ^lügeC im falten Söinter bafu'n fliegen, ober oon
ben flagenben flranicfjen (SB. 40—50) fann bie Sflufif nidfjt wiebergeben.
Tie wunberbare Sa)önt)eit ber Slufpradfoe SanteS unb ber Sintroort granceSca*
ift ein ©igenfteS ber Sidjtfunft; oiefleicr}t wäre e$ möglid), bur$ ben ©efang
eine äfmlidje 2$irfung $u erzeugen. 2lber was foff bie ^ftrumentamtuftf
bamit beginnen? Sie beiben ermahnten „Snmplwmfajen Sidjtungen" (ber
2itet ift baS 8a)önfte an bem Singe!) fonnten einen ungeteilten ©rfolg
niajt erringen; bod) fanb bie $3a$$ini3 jebenfallS nod) merjr Xrjeilnafjme,
roeil in i&r boef) ber italtenifdje 3)hififer bie 9Mobie nia)t fo gan$ oer=
bannte, wie ber geniale Stoffe. weniger ©inbruef alz bie beiben
^anceScaS er$eugte ein 3Wwfifftüc! oon 6t. BaenB „^fiaeton", in welchem
nur bie mufifaftfdfjen Orrbarmen erfennbar waren, auf roeld&en ber (fetjr
geiftreidjie, aber offenbar eine 3«ü fong überfdjjäfete) Gomponift fidj Berums
treibt. Crä erjd&eint mir notfjwenbig, f)ier meine Ueberjeugung gegen-
über ber ^rogrammsSflufit1 auäjufpred&en. 3ebe3 wafjre Xonfunftwerf, aud)
baä fleinfte, ift «jSrogrammmufif, b. i). es mufe im gebilbeten &örer @m=
pfutbungen erroeefen, bie er mit geroiffen SJorflettungen in SJerbinbung
bringt unb io gu fagen jum Programm auSbilbet. Sie 2J}ufif, bie fola)e
Gmpftnbungen unb Sltorfiellungen nidjjt rjeroorruft, taugt wenig. 3lber nod)
nxniger taugt bie 3Hufif, ju beren i*erftänbnif$ ber gebübete &brer erft einer
2>orfd)rift für feine ©mpfinbungen, fojufagen eines äftr)etiid)en JRecepteS
bebarf. ©ntfrtelten be$ rjodjgeniafen 33erIio$ Smnpfjonieen „Gpifoben au*
bem Jtünfilerieben", „£arolb" u. f. ro. nic^t fo oiel edjt mufifalifd&e Sdjöns
Reiten in 2)lelobie, rrjutfmufdjer ©igentrjümlicrjfeit unb Xonfärbungen, fie
mären fdjon lange ber Süergeffenfjeit anheimgefallen. Sie Cuoertüre
..Carneval Romain" wirb bei guter 9Iuffüt)rung immer jünbenb roirfen, ofme
bafc bie §örer bei jeber ^fjrafe baran bähten, wa§ fie bebeuten foll.
©ute 3luffüf)rungen $Jertto$'fd)er 2£erfe fjaben wir nur bem unoei^
^eiä)lid&en &an£ oon iöülow $u banfen, beffen Leitung bie ^rji(fjarmonifcr)en
(Soncerte ju f)öcr)ftem ©fanje unb §u groftartigfter Sirfung gebraut ^at.
biefe Goncerte no$ unter ber Verwaltung einer ©cfeüfa^aft unb unter
fünftlerifcrjer gürjrung beä ^errn ^profeffor Dr. ^oadjim unb ^errn Rimb=
loortf) fumben, ba brauten fie nur järjvÜdje 2lu§fäße, wetd)e bie reiferen
ÜJlitglieber ber ©efeüfdiaft beeften, bis fie e$ bequemer fanben, fie nid)t me^r
J' vienui ia loc<» d'ogni luce muto
Che niugghia rome f» mar per tempesta
Se (Iii contrari vouti 6 . nmbattuto.
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fjeinridj €tjrüd} in Berlin. - -
ju becfen, unb jurücftraten, worauf bie 9XufIöfung ber ganjen SSerbinbung notf)*
wenbig erfolgen mufete. 3efet finb biefe Soncerte sJ$riDatunternehmungen be*
„Goncertbirector" &errn äöolf unb bie bei weitem einträgltchften — felbftoer;
ftänblid) burdj 23ülom£ 3auber;Xactftab. 2ßie er begeifternb, jortreiftenb,
eleftrifirenb auf ba$ Drdjefter unb baS 'publifum wirft, ba£ fann nur gebort,
nicht befcfjrieben werben. „2lltclaffifche" 28eurtr)et(er unb £iebhaber meinen I)ie
unb ba, er tüftle m oiel, er fua)e fo oiel einzelne intereffante 3üge tyenwr,
bafj ber ©inbruef beä ©anjen beeinträchtigt werbe. ©3 ift ba3 ber fonber*
barfte Vorwurf in einer 3eit, ba fo oiele gelehrte unb geiftreidje 9Hanner
an jebem 2>erfe oon ©oett)e unb S^afefoeare herumftubiren, bis fie irgenb
eine neue SBebeutung, eine ^ttejiehung tyerauSfmben, an bie bisher fein
2)?enfd) gebaut ^at, oieUeicht ber dichter felbft am wenigften*). 2ßer aber
$eetf)0t>en$> A-dur:6mnphonie, bie fo oft gehörte A-moll („©chotttfdje" )
oon 9ttenbel3fof)n, ja felbft bie fdwn abgeleiert ju nennenben Duuertüre
5um „Xannfjäufer" unter SülomS Leitung gehört fyat, ber mufete geftehen,
bafc ba neue ungeahnte Söirfungen herausgeholt, nicht etwa I)tneiuget^an
waren, bafe bie tfjemattfdjen Eurowährungen, bie rf)9thmifd)en ©lieberungen,
bie Sonfärbungen in einzelnen ^nftrumentatgruppen**) nodj niemals in
folcher fllarljcit, in foldh fünftlerifch ooUenbeter Ausführung tjeroorgetreten
waren. Unb t)at er nid)t baS oorauS oiel befprodjene, fpöttifd) ange*
zweifelte SSBunber oollführt unb bie „Neunte" am felben 9Ibenbe jweimal
aufgeführt, wobei bie übergroße 3JIel)rjal)l be$ ^ubltfumS bis an ba*
lefcte ßnbc uerweilte, olmc (*rmübung ju jeigen? Unb welche Littel ftanben
ihm hierbei eigcntlidt) §u (Gebote? SaS $Inlf)armomfd}e Drdjefter war feiner
Leitung gewohnt, aber ber CS^or (ber oon &errn Cd)S gegrünbete foge-
nannte „pn^harmomfehe") eriftirte faum feit brei Sauren unb hatte unter
iÖülow nod; nie gefungen, auch bie Stiften wirrten jum erften9J?al; unt>
gerabe bie Stiftung ber beiben lefctgenannten gactoren erregten Gnthufiasmu*.
£a£ fo fdjwere, faft unüberwinbliche Dnartett=6olo war nodj nie fo fdiön,
fo fidler unb frei aufgeführt worben. Söenige SBochen oorher hatte ber
neue Gapellmeifter ber ,§ofoper, &err Sudler, baefelbe ftiefenwerf oorgc=
führt mit ber fönißlidben Capelle, mit ben erften 6ängcrn ber &ofopcr;
aber bie 2i>irfung war nid)t annähernb ju uergleichen.
$n ber $öniglid)cn Dper bewegt man fid) feit jwei fahren in allerhanb
$erfud)en, ohne 3U jener einheitlichen geftigfeit ber Meinungen $u gelangen,
**) So 3. 58. bie ^igur bc$ Öaffe« am Subc be» erften SageS ber Jöcrttjoocit'
fdjen A-durjeump^onie.
*)3ag' beutltd)cr U)ie unb locim,
Xu bi)t un* nid)t immer flar;
ftute Seilte, mifet 3Ör beitn,
Ob id) mir'ä felbec war?"
(Moct^e.
3m Auslegen fetb frtfd) unb munter;
X?cflt 3b,r ntdjt au*, fo legt maS unter
Xcrfeltie.
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Der IKufif • IDutter J888— JB8'). 2\o
bie ju gleicher 3eit ö^ erftc^ Borrecht unb erfte Pflicht bcr größten
unb rcid^ft unterftüfeteni Bülme bcr beutfdjen Meieh3h<*uptftabt gelten müßte.
§err 2>eppe, ber erfte neue Capellmeijter an beffen Berufung bie neue
©eneralintenbenj bie größten äuoerfichtlichften Hoffnungen fmtpfte, erwies
[ich als ein Üttuftfer von feiner 2luffaffung, ber aber gänstief) ber Sicherheit
unb be£ Ueberblicts ermangelte, bie altein burä) langjährige Ue6ung
unb ©eroolmheit am ^ulte erworben werben, unb bie feine noch fo
bebeutenbe Begabung ju erfefeen oermag. ©r war 57 Satjre alt geworben,
ohne jemals eine Dper einftubirt unb geführt 5U haben, unb foltte ba$
nun mit einem SNale an ber flönigl. föofoper in Berlin ju Stanbe bringen!
.Hein äöunber, baß bie Borftellungen fehr ungleich würben, baß manche
Sceue gan$ gut oon Starten ging, anbere wieber in Verwirrung gerieten.
§err Seppe mußte julefet ben ^rrthum einfehen, ben er bei ber Annahme
l'old) ia)wieriger Stellung begangen, unb trat surftet. 9fun würbe &err
Sucher berufen, ber bisher am Hamburger Stabtheater gewirft hatte, ber
®emaf)( ber berühmten Sängerin, bie ebenfalls in ben Berbanb ber
königlichen Cper trat, ©r ift ein fel;r tüchtiger, fo ju jagen, fattelfefter
Gopellmeifter, ben feine Unficherheit ber Sänger, fein Sdjwanfen bes
Chorea in Unrube bringen fann, ber 2ltle3 $ufammenhält, unb auch feurig
leitet. 3tber tieferes ©inbringen in bie Schöpfungen ber großen SJteifter,
poetifche Sluffaffung liegt nicht in feiner SBeiemjeit, baS hat feine Bor=
fuhrung ber „Neunten" fattfam bewiefen. Seine ©emahlin ift noch immer
eine fehr bebeutenbe Sängerin ; in früheren fahren entjücftc fie burch ben
herrlichen Wohllaut ber Stimme unb bie Schönheit ihrer Bewegungen; in
neuerer 3eit, ba bie gülle ber Stimme ein wenig ab», bie beSÄörperS junimmt,
läßt fie fich in bebenflicher "©eife ju Uebertreibungen in ©efang unb Spiel
hinreißen. 9?eben, ihr finb jwei neue männliche Sterne in bie Bahnen
ber königlichen Oper geleitet worben. Der £enori[t Herr Süloa, ber
eine fehr fchöne Stimme befifet, aber ber beutfehen Sprache nicht gauj
mächtig ift, unb baher oft mit Starrheit be* SlusbrucfeS fingt; unb ber
Sächuichc tfammerfänger &crr Bulß, ber r)crrtid>c Stimme mit feurigem
Vortrage unb lebhaftem Spiele oereinigt, aber nicht feiten bie r)öt)erc
fünftlerifche 3luffaffung ben augenblicflichen Xheatereffecten opfert. Dafc
bie größten äBirfungeu unb ebetfte äiHebergabe bes JtunftwerfeS fich 3au?
gut oertragen, fyit ber große fünfter ®ura aus München, oon bem noch
fpäter Die iHebe fein wirb, fiegreich bewiefen.
2Öie ich fchon bemerft habe: eS fehlt ben Borftellungen ber königlichen
fcofoper bie funftlerifäe einheitlichfeit. Xie 2öiebergabe bes „Sriftan" im
SJtoi biefeS S^eS war bie wenigft befriebigenbe unter aflen bisherigen,
tfrau Sucher fchrie im ^weiten Stftc, wo ^folbe nicht mehr atS bie heftig
Erregte, b«i £ob Suchenbe, fonbern als bie in befriebigter l'iebe Schwelgende
erfcheim, gerabe fo wie im erften 2lcte, wo bie ßanblung ein Uebermaß
ber üeibenfehaft einigermaßen rechtfertigt. £err Stritt, aus Hamburg für ben
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2\6
fjcinrtdj €^rltdj in Berlin.
einen 2tbenb f)ierr)erberufen, ein fef)r fdjafcbarer (Sänger, ift ber £riftan;
Aufgabe nidjt gewadjfen; unb &err 33ulfi gab ben ßuroenal, ben treuen,
alten, büftern Liener unb ©efäfirten bed gelben mit fdjneibiger Seb=
l)aftigfeit bed 3lu$brucfe£ als war' er ein junger Seutenant, ber auf
2loancement fingt." &ier fei noä) bemerft, ba& bie neue Oberleitung, bie
im Anfange gan& befonbereS ©croid^t auf bie Stärfung ber rein floffifc^en
Opernwaljl legte unb bem SBagnercultuä ein ©egengewid)t ju bieten gewillt
fdjien, in allerneuefter 3e^ nur no$ äÖagner*(Sr>clen mit fleinen Opern
jweiten 9?ange£ abwedtfeln liefe. 33or biefer S&mblung würbe in Äönigl.
Opernf)aufe 28tlbenbrud)S Srama „2)ie Quifcom'3" gegeben, weil bie
9täume be3 SdjaufpielfjaufeS bem 2lnbrange ber '23efud)er md)t genügte:
bagegen befam Seetfjooena „gibelio" Quartier im Heineren Sdmufpielfjaufe.
5ln neuen Opern erfdjienen „£uranbot" oon Xfjeob. 3iel)baum, bie in
£ert wie in 3fluftf faum ben -Kamen einer mißlungenen Operette oer*
btente, unb „Soreler/' oon bem oerftorbenen ?ßrof. (Smil Naumann, bie
nad) wenigen 2luffüf>rungen in bas 9iid)t3 $urücffel;rte, au$ bem fie ge«
fommen mar.
ß& muß allerbingS 5ugeftanben werben, bafj bei bem jefcigen SWangel
an guten £ertbüdjern unb Opemcomponiften ieber ^eaterteitung bei ber
Sud)e nad) Sfteuigfetten eine fefjr fdpwere Aufgabe zufällt. 9lber fie wirb
nidjt erleichtert, wenn man ein unbejetdjenbareS SMng oorfüfjrt, ba$ gar
ntdjt in ben 9taf)men ber Äöniglidjen Oper gehört, ober eine Oper bie
bei Sebjetten be$ Gomponiften nirgenbs 2tnncu)me finben fomtte. So er=
iajeint es benn leid)t erflärltcr), roenn bie £f)eilna§me be3 Spubltfumd fid)
ber Ärofl'fajen Oper juwanbte, in weldjer juerft eine ^talienifdje Operu=
gefeUfcfjaft, bann im -Kai bie f)errlid}e 3Karcetta Sembrid), bann Marianne
$ranbt, (£telfa ©erfter, enbltdj ber berühmte Söaritonift 9teid)mami auf=
traten. Sie italiemfdje ©efeHfdjaft jeidmete fidj fdjon baburdj aus, bafe
fein einjiged bebeutenbed SKitglieb Italiener war: bie ^rimabonna von
3anbt entftammt ben oereimgten Staaten oon ftorbamerifa, ber £enori|t
diavelli Reifet eigentlich 9iaoel unb ift granjofe, bed Skritoniften b'2lnbrabe
Altern finb $ortugiefen. Sie 9Jlänner haben uns wahrhaft «it$cft, weit
fie wahrhaft fdjöit fangen; ber ^rimabonna ungemeine ßehlcngeläufigfeit
hat uns SBcrwunberung erregt, aber und falt gelaffen. Sonberbar genug
erfaßten e$ auch, ba§ btefe „3taliener" mit einer franjöfifchcn Oper
„Stocfme" begannen. Sänger unb Oper waren alfo eigentlid) nur in'£
Stalienifdje überfefct.
2Ba$ folt man nun oon Sttarcella Sembrid) fagen? Siefe grofee
tfünftlerin ift in fletem 2Bad)fen begriffen; unb feine lebenbe ©ängerin
fann fidj rüfimen gleid) i^r bie ooHenbetfte italienifd^e ©efangfd^ule mit ber
innigften beutfajen 5>ortrag^weife ju oereinigen. 2ttit 2ße^mutb erfüllte
und bagegen bie einft fo gefeierte C^telfa ©erfter. 3^ur wenige Momente
gab e$, wela> bie füf3C Stimme, ben natürlichen Siebreij bed Vortrage«
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Vex ITTnfif hinter \88S~\mu.
2\7
in ba$ ©ebäd)tniß $urüdriefen; bie meiften geigten nur oerblaßteu ©lanj
einer auf £I>eatereffecte 3ielenben ^rimabonna! Marianne 39ranbt ift noa)
immer bie erfte bramatifdje Sängerin, fie fingt fdjöner, maßooHer benn je,
ift nodj immer an ber &ofoper unerfefct; baß man fie nidjt jurüdruft,
gehört ju ben oielen unerflärlidjen ^nternte ber Verwaltung*).
Der größte beutfa)e Gtefangsfünfiler ift ©ura; er f)at jwei Sieben
concerte gegeben, unb bie £örer bura) ben Vortrag ber fd) werften Sdmbert;
idjen, Sdjumannfajen unb Sömefd>en ©efänge in bie größte Segeifterung
oerfe^t. Unb babei fingt er mit ber anfdjeinenb größten dlütye, ofme irgenb;
roeldjen Slufwanb oon befonberen C^ff ef tmitteln ! Unb wie pacft er ben
£örer! ,,^rometf)eu£" unb „©riedjengefang" oon Säubert, ber „9tö<f" oon
Söroe werben Qebem wtoergeßltd) bleiben! ©r ift aber nidjt etwa nur
als Sieberfänger f o groß ! 3$ §aüC $n üor einem $af)re in 9J?ünd)en ben
„3ago" in kerbte Ctfyello**) fingen (jören unb fpielen feljen, unb fann
oerfid^ern, er überragte ben ^taltenifdjen $ago ber erften 3Jtoüänber $or=
ftellung, ber id) beigewohnt (jabe, geiftig um Haupteslänge.
Öei biefer (Gelegenheit fei einer oernjunberlia^en (£rfd)einung im ßoncerts
leben gebadit, bie ein ©rseugniß ber üfleuseit, au$ ben allgemeinen Ver*
tfältniffen 31t erflären ift. 3n früheren 3eiten mar baS Sieb eine Beigabe
ber ^nftrumentalconcerte, ber (nrifdje 9M)epunft jroijcrjcn brillanten :öraoour=
Huden, ba3 feelifdt)e SWoment $wifd)en ben großen tedmifdjen Seiftungeu.
§eute finb bie Sieberabenbe 2Wobe, in melden ber Sänger ober bie
Sängerin ofme irgenb wetdje anbere mufifalifdje Steilnlfe ganj allein wirft,
15 bi$ 20, wof)l aud) nodj mef)r Sieber unb Anetten, (Ijie unb ba ein Duett
mit einem ßoHegen) oorträgt. Der oerfloffene hinter t>at 16 berartige
Sieberabenbe gebraut. Daß hierbei baä feelifdje Moment $utefet in ben
§intergrunb gebrängt werben muß, Hegt !lar. &$er foll eine fotdje 3)iaffe
oon Siebern mit gletd&er Stimmung unb Sammlung anhören '?
aber ba£ ganje Seben ift iefet auf bie Äußerung oon großer Alraft unb
Energie gerietet, ofme oiele SWüdfidjt auf 3(nbere«. Von biefer Wartung
geben aud) bie Goncertprogramme 3eugniß, bie ber Virtuofen roie ber
Sänger. Unb fo märe id) auf Umwegen auf ben ^unft jurüdgelangt,
con betn idj ausgegangen bin, unb fann fdjließen.
*) Wlan tagte, üe fjabc bor Saljreu trgenbwddjc ^ormcniel)(cr begangen. iJlun,
idtfimtner mit Sltoblifum unb 3ntenban;j umfpringen, als 5rau Succa getban, bürfte
iw>W feiner mogltd) fein, llnb wie würbe ftc empfangen! DaS .öofordjefter bltcS einen
£üicf>7toie nur beim (Srfdjeiiicn ber allerrjödjftcn fcerriaWten in Gtala«Opcrn!
**) Der überaa in Deutfdjlanb gegeben worben ift unb in Berlin 3U ben „er=
©arteten" Steilheiten gehört. — Dafür fjaben wir aber „Xnranbot" unb „i.'orclet)" gehabt!
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(Eine 2>bytte iräfyrenö bev Belagerung.
Don
^ran^ois € o p p £ e.*)
— paris. —
!i^SSllc^en ^ 3^re*3 1870 berootjute eine alle Tarne mit
LiSSf m ^rcm ^°^ne cm M'djeibeneS Quartier im fünften 6tod einel
!P*^yjr3l Ö^ufeö be3 Quai 6aint:5fttd)el.
$rau Jontaine fyatte ifjren ©atten, ber als sJkofeffor am Soceum
&oui3=le:@ranb angeftedt mar, uerloren. 3t)r <Boi)n ©abriel befafc ein
gebiegeneä SBiffen unb wollte ftdj gcrabe im 2lugenblicf, too ber Spater
ftarb, jur 2lufnalmteprüfung an ber Gcole normale melben. $er £ob
i^res ©rnä&rerä mar ein furä)t6arer Saplag für bie gamilie. ©err
Sontaine hatte roeber ba3 9Uter noä) bie Tienftjaljre, bie Um jur^enfiomruna,
berechtigten; feine SBittroe erhielt baf)er von ber Regierung nur eine gan$
unbebeutenbe Unterftüfcung. ©abriet mufcte auf bie l)öf)ere Unterrichte
carriöre Oermten unb auf augenblicfltd)en Söerbtenft bebaa)t fein, nur
um feine Butter ju erhalten. £er Xirector bes Snceumä, ein freunb=
lieber, rootyrooHenber &err, fefetc e3 buref), bafj ber junge SJiann im
UnterridjtSmintfterium mit einem ©efjalt non 1500 #ranc$ jäfu-liap angefteüt
nmrbe; unb biefeS Sümmchen, uerbunben mit ber t leinen ^enftou, bie
grau Fontaine erhielt, unb einigen f (einen, bei .^ebjeiten beS Katers ge=
matten (Srfparniffen reifte für ben täglichen Unterhalt beiber auä.
Sfjre befdjeibene 2öol;nung beftanb aus brei fleinen ©tuben unt>
einer Küche. £a* Speifejimmer trug mit feiner unoermeib liehen, eidjeiu
farbenen Xapete unb bem rotbraun geftrichenen gufjboben einen unenblich
banalen (Sljarafter. (S$ enthielt ganj oorfchriftömäftig ein 9Jtof)agoni*
*) 3lui bem Jyrau^öfifdjcn überfe^t t»on IV. SmU ©urfjcr.
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— - (Eine 3&Ylle »ästend öer Belagerung. — — 2(9
buffet, einen mit 2öad)3leinwanb überzogenen Difd) unb fed)£ ^o^rftü^le
nebft ben üblichen Strof)teu*ern. Die meinen, an Stangen befeftigten
©arbinen nnb ber flad&elofen mit grüner Sdjilbpattfärbung waren eben=
falte oertreten, unb ber einjige Sdjmud ber 2öanbe beftanb in eingerahmten
SajmetterlingSfammlungen, bie 3eugmfe ablegten oon ben entomologifdjen
Siebfjabereien be3 feiigen ßerrn gontainc. Das Sdjlafsimmer ber SBittwe
biente sugleidj aU ©mpfangSfalon. Den größten $Iafe naf)m ^ier baS
frühere Gljebett ein, baS unter grünen Damaftoorljängen oerftedt war. Die
©arbinen waren aus bemfelben Stoff; grauleinene Ueberjüge bebedten bie
Stühle unb bie ju beiben Seiten be£ tfamins fteßenben Sefcnfefiel. $wei
23ouquet£ fünfUidjer Blumen, unter ©laSgloden ftefycnb, fowie eine
alabafterne Stufcutyr, Stil ßmpire, fdjmüdten ben Mamtnauffafc. Darüber
r^ing ber Spiegel, in welken gerabe gegenüber baS Portrait beS oerftorbeneu
&errn gontaine rjineinfd&aute. ©in pietätloser Saufewinb r>om gadj Ijätte
biefem fogenannten Äunftwerf baS energifdje @pitf)eton „Subelei" wol)l
faum erfpart. (Ss ftellte ben würbigen Sßrofeffor in fd)war5er Slmtätradjt
bar, wie er mit bem Barett auf bem Raupte oor einem cnlinberförmigen
2lrbeit3tifdj fifcenb, beffen Original übrigens unter bem ©emälbe ftanb,
gerabe einen BerS aus Birgit mit einer ©änfefeber nieberfa^rieb. SBenn
ber SRaler in einer, mafn*f)aft fünfilerifdjeS ©mpfinben änjgerft uerlefoenben,
2Beife ben grellen Gontraft jwtfdjen bem fef)r weiften &aar unb ber febr
rotten ©efia)t$farbe beS £errn gontaine marfirt r>atte, fo geigten ftd) bod)
toenigfienS fein guter SBiHe unb feine ©ewiffentyaftigfeit in ber ©enauigfeit,
mit ber bie gauteutlnägel, ba3 £intenfafj unb bie ©olboerbrdmung ber
£oga wiebergegeben waren.
SBenn wir noö) Ijinjufügen, baf$ ein fdjmaler £eppid) einen £f)eil beS
ftetS mit Sdgefpänen beftreuten gtiefenfufebobenS bebedte, bafc $met Äupjers
ftidjenadj Delarodje, Sbonnementsprämien irgenb einer 3eitfa)rift, neben bem
nidjtsfagenben Bilbe beS oerftorbenen gamilienoaterS bie ganje fünftlenfdje
2lu3fd)mfidung beS 3i,nmer3 ausmachten, bafe auf einem runben £ifd)djen
neben bem einen £et)nfeffel, auf bem grau gontaine gewöhnlich fa§, ein
angefangener Strumpf, eine filberne Brille unb ein „GhriftlicheS £age--
roerf" lagen, unb enblidj, bajj 2lUeS in einer jwar fchmudlofen, aber bis
auf '5 Äleinfte fidt> erftredenben 9?einlid)feit funfeite, fo wirb ber Sefer ein--
fehen, wie beutlich fich in biefer freublofen, füllen ßäuslichfeit baS tugenb;
Ijafte, anfpruchslofe, beS eigenen 2£ertf)eS faft unbewußte Seben ber &Httwe
unb ilpeS Sohnes wieberfpiegelte.
Das britte Limmer, weites noch fleiner war, als bie beiben anbem,
biente ©abriel 5um Aufenthalt. @S war mit einer unfeinen Tapete be=
fleibet, blaue Blumen auf weitem ©runbe. ©in fehr niebriger janence*
ofen, beffen fd>war$es dloty an ber Stelle, wo eS bie 9)iauer burdwrach,
eine Biegung machte, biente ju feiner &et$ung. Das ©efammtmobiliar
beftanb aus jwei Stro^ftüblen, einem furjen, formalen, eifernen Bett ol)ne
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220
^ran<;oi5 <£opp<ic in parts.
Borl)änge, oon faft fpartanif^cr Ginfadräeit, einem {(einen Xifaj mit Secfe,
einer (Sommobe, bie Söäfdje unb ÄleibungSftüde enthielt unb auf ber ein
Safdjbeden ftanb, unb enbltdj aus einer bie Bibliotljef beS jungen 3RanneS
einfdjliefcenben Gtagöre. &ier befanben fidj Älaffifer unb Söörterbüdjer
in Setnmanb gebunben neben einer 2lnjaf)l oon Bänben in ©olbfdmirt,
3eugen ber 2luS$eidmungen unb Prämien, weldje ©abricl auf bem ©gm=
nafium bei oerfdjiebenen ©elegenfyeiten erhalten. 9lm Kopf beS Bettes §ing
bas Portrait feiner Butter, eine jener alten $>aguerrot«pien, bie man bei
»oller Beleuchtung nidjt anfeljen fann, ofme geblenbet §u werben.
$iefes (Sabinet mar noa; ärmlicher unb trauriger, als ber übrige
£I?etl ber Sßofmung; aber man burfte nur baS Jenfter öffnen, um eine
wunberoolle 2lu^fid&t oor fidj ju fyaben. $ßenn fidj ber Bewofmer biefes
fjoljen Simmers an einem f)eHen borgen jutn genfter hinauslehnte, fo fonnte
er eine* ber erf)abenften Sd)aufpiele geniejjen, bie ^aris $u bieten oermag,
beim biefe Stabt ift in ihrer rein lanbfa^aftli^en Schönheit oon Schrift*
ftellern unb $id)tcrn noch lange nicht genug gewürbigt worben. £er 9ting=
blief umfajjte ben ganjen Sauf ber Seine, ir)re oon SHenfdjen mhnmelnben
Quais unb Brüden, bie aus bem ©eroirr ber Xadjer emporfteigenben
monumentalen Äunftroerfe. 3ur ftie<hten, gan$ in ber 92cu)e, ber imponirenbe,
maffige Bau ber Äirdje 9?otre;$ame, oor ihm bie £f)ürmdjen beS 3uf^5s
palafteS unb ber oergolbete Änopf ber 8ainte;(5f)apeHe; weiter unten
jur fitnfen, erglühte in ber gerne burch bie SDtorgennebel hinburdj jenfeitä
ber anmutigen Biegung beS gluffeS unb ber Statue Heinrich beS Bierten,
bie ^armonifaje Sinie ber ^aläfte beS fiouore, in ber rounberoollen Ilms
rahmung ber Git6 unb ber Käufer beS Cuai beS 9lugujtinS. Bon aflcn
Seiten fliegen, oerftärft burd) ben machtoollen 3Biebcrr>an beS Stroms, bie
taufenb unb taufenb SebenSlaute ber ermadjenben Stabt ju ilmt empor,
bie feud^enben Stofefeufjer ber $Dampffd)iffe, baS Sollen ber Cmntbuffe
unb Söagen, ber 9cuf ber ©rünjeug= unb Cbftfjanbler unb baS £rompeten=
gefdnnetter ber aufjiehenben 2öad)e. Gr fonnte fidr) lange an biefem intens
fioen Seben, an biefem blenbenbeu Bilbe, an biefem jauberfjaften £<f)o
beraufdjen unb mit »offen Hungen bie freie, reine fiuft biefeS weiten, oon
Schwalben burchsogenen £immelSraumeS einatlnnen.
©abriel Fontaine war barnadj angelegt, fo großartige (Smpfinbungen
iu fid) aufzunehmen, obgleich baS Seben, baS er bis balnn geführt, nicht
baju angetan fchien, fie in ihm ju entwideln.
3m 9lugenblid, wo biefe ©rjählung beginnt, war unfer &elb ein
junger 3)?ann oon faum jroanjig 3^en, oon mittlerem SBudjS unb jarter
WeftchtSfarbe, immer fchwarj gefleibet unb bis obenhin jugefnöpft. £>anb
unb gu§ oerrietljcn i)iace. Gr tjattc ooffeS, faftanieubrauneS, welliges
,^»aar unb grofje, braune, leibenfa^aftSglü^enbe unb boaj babei fd)üa)teme
9lugen. Sein ©efid)t oon matter, fjeifjer Bläffe jeigte eine entfernte 3letm=
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(Eine 3öyUe »ä^rettD ber Belagerung. 22{
lid^feit mit bem grancia'fd&en „Homme noir" im ßouore, nur mit bem
Unterfdneb, bafe er felbft jünger war.
Sein Seben war einförmig. Gr ftanb frülj auf, tranf feinen Kaffee,
fteefte ein mit &htrft ober Sd)infen belegtet 23röta)eu ju fid) unb begab
fid> auf fein Bureau. £r ging langfam baf)infa)lenbernb an ber $ruftroef)r
ber DuaiS entlang, betrachtete baS &eben auf ben Sdjiffen, fat) beu 3lnglern
ju unb blätterte roof)l aud> bisweilen in einem alten 23ud)e ber bort it)re
äSaare feilbietenben Antiquare. ©ern las er ein ©ebidjt; aber er faufte
nie etroas, benn er mar fein* arm unb Ijörte oft, wie feine 9)iutter, eine
ängftlidje, fparfame grau, oon !©irtt)fd)aft*forgen fpraa).
„Res angusta domi,u mie fein $ater, ber feiige ^rofeffor ju fagen
pflegte. 33ei feinen 9ImtSbrübem im SRinifterium mar er beliebt. (Sr
noinn fdjeinbar Slntfyeil an ifjren ©efpräd)en, lädjelte über ibre SiMjje unb
oerria)tete gem bie Arbeit eines 2lbroefenben. 9JbenbS feljrte er langfam
unb auf Umroegen nad) bem Quai SaintsSJftdjel jurütf, na^m in ©efell=
fa;aft feiner Butter ein befdjeibenes, frugales Slbenbbrot, bie reine puppen*
maf^eit, ju fiaj. 3&nn bann bie SBittroe, bie oom fianbe mar unb genuffe
©eroofmfjeiten beS £anblebenS beibehalten t)atte, fidj um acr)t Ufu* ju Seit
gelegt, 50g er fid) auf fein 3imtner prücf, um 5U lefen ober $u träumen;
ober er ging, wenn aud) $iemtidj feiten, nodj einmal fort unb befugte
irgenb einen ©nmnafialfreunb, ber 3ura ober 2Jiebicin ftubirte.
Sonntags führte er feine SKutter in'S <pod)amt, in bie Saint=Seoerin=
flirre. Dort erfa^ien bie fleine, magere, alte grau, bie unter iljrem
95>ittn>enfdjleier nod) ben länbliajen flopfpufc unb bie altmobifdje ftaarfrifur
beS ^eimatlidben Dorfes trug, mit tyrem langen, ranjiggelben ©efidjt, üjrer
fmf>en, anbac&tsuollen Stirn unb irjren auSbrucfSoollen 3lugen mie eine
jener mnftifajen ©eftalten, toeldje ber «ßinfel &olbeins oeremigt fjat. Sie
folgte bem 3lmt nad) ben 2lngaben eines biefen 9He§buä)cS, beffen ©inbanb
in fajroarjeS £udj eingeioidelt mar, unb fang, mie in einer Dorffiraje, bie
Slntroorten auf ben ©efang beS ^riefterS laut lateinifa; mit. ©abriet, ber
als flinb fefjr fromm geroefen, in beffen Seele jebod) ber ^roeifel längft
eingebogen mar, ^atte bie unbeuttia;e ©mpftnbung, als müffe er fid) feiner
9J?utter fernen ; aber aus Sldjtung oor \i)x Ijatte er es nie geroagt, ifjr ben
Dfaxtf) $u geben, auf biefe ea)t bäuerifdje Sitte ju oerjidjten.
9?ad) ber 2fte|fe madjten fte einen Spaziergang in ben Einlagen beS
Sujembourg ober beS Harbin beS Alantes, ©abriel 30g ben legten roegen
fetner frembartigen, buftauSftrömenben Säume unb feiner langen, melam
ä)oi\)<S)en 2HIeen ganj befonberS oor.
Um es mit einem Söort ju fagen, ©abriel mar ein fanfteS, rufjigeS,
ftilleS SBefen mit angeborener Neigung jur Träumerei, ©r betrat nie
ein 6af6 unb mar aüem 2lnfd)ein nadf> immer feufd) gemefen.
Miemanb frrtte ilm je eine politifc^e 2lnnd)t äufeern f)bren.
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222
^ranvots £oppcc in paris.
II.
Xtm ©efefce folgenb, wclc&es bie Grtreme sufammenfüfirt, f)atte ©abriet
jum ipeaeüen greunbe einen Stubenten ber 2Webicin, mit bem er auf
bem ©umnafium sufammen gewefen, unb beffen 2Sefen baS gerabe ©egen*
tfjeil von bem feinigen war.
©r t)ieü 2)Jariu3 Gajaban unb war aus $alence=b'2(gen gebürtig,
ftlein, oierfa^rötig, mit wütljenb rollenben, feurigen 9iugen, tjatte er einen
fein ganzes ©efidjt überwudjernben 33art. Obgleid) faum majorenn,
fc^ien er bod) fdwn 35 ^afyre alt, in Jyolge jenes eigenttnlmtidjen 33orred)t3
ber Süblänber, bie jroar nie jung auefetyen, bei benen fidj aber bafür
bie 5lennseia)en beä 2Uter3 erft fpät einftellen. SJiit einem weidjen gilj
auf bem Äopfc, fiel er bura) fein greHrotljeS .§alstuti) unb fein ftets
furseä ftaquet auf; fein jpemb fam oor jmifdjen einer bt3 auf bie öruft
(jtnaufgerutfd&ten Söefte unb einem fjeUen, fo enganliegenben 23einfleib, bafc
man jeben 3lugenblicf fürd)ten mußte, es werbe plafeen unb irgenb ein
id)anU)afte3 2luge beletbigen.
5)i<\riu* Qa^aban mar 2lt()etft, Waterialift unb ein Unüerfötjn'tia^er.
£a3 2öort mar bamafö 9)Jobe. 3m (Saf6 be$ #ouleoarb Saint=^id)el,
auf beffen gepolfterten SBänfeu er ftd& fo red)t breit madjen fonnte, I)ielt
er mit jenem fa)recflid)eit 3lccent be$ Sübfranjofen bie reinen 5kanbreben.
irr tjatte beim Söegräbnifc Victor dloixä: lebe bie ftepublif!" ge=
rufen, unb mar ber feften Ueberjeugung, er werbe oon ber ^oli^ei im
©eljeimen beobadjtet. ©r ging oft be$ 9fad}t$, mit einem ungeheuren
tfnüppel bewaffnet, auf ben einfamften Straßen ber Stabt fpa^ieren, in
ber übrigens nid)t ganj ernft gemeinten Hoffnung, oon einem sJ>oli$etbeamten
abgefaßt 3U werben. Unb bie wütljenben &iebe, bie er bei biefem ©ebanfen
nad) allen Seiten füfjrtc, trieben bie oerfpäteten ^affanten in bie gludjt.
(£r bewolmte ein 3immer in einem £otel ber Ruc de l'Ecole-de-
M6dccine. £er enge &au*flur würbe burd) eine formale Xtjür gcfdjloifen,
über welker man auf burd)fid)tigem ©lafc bie Sluffdjrift la§: Hotel du
Progres et du Tarn-et-Garonne meuble. oerfefjrte barin meift
jene Sorte oon Hainen, weldje fidj ungefämmt unb in ber 9?adjtjade über
ba3 Xreppengelänber leimten unb nad) bem .*Mner riefen. SHartuS be*
fua^te ben 3kU 23ullier unb wußte längft, wa$ Siebe fyetßt. 6r fagte:
..le quartier", wenn er oom Quartier latin fprad), unb fjatte er eine
©eliebte, fo nannte er fie nadjbrucf*DOU* : „meine grau".
©r war fonft gutmütfug unb befaß jene leicf)t erregbare Stimmung
unb jene ^lUerweltfjerjilidtfeit, wie fie ben Sübfran$ofen eigen ift. 2Iuf
bem Secirboben raupte er feine pfeife, beren tfopf bie bamal« fo aü=
gemein beliebten ©efi$t$3üge beä 3°u™ftKftcn &enri 9iod>efort trug. 2tüe$
in Mem genommen war (Sajaban unau*ftef)lidj.
(5:3 war baber aua) nidrt eine waf)rc, innere 3uneigung, weldje ©abriet
5U ibm Ijinjog, fonbem oie!mel)r eine unflare ^ewunberung, bie bei einem
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— - <£ine 3i>ylle »äljrenb i»er Belagerung. 223
unerfahrenen jungen SJlanne leid)t erflärlidj ifl. %a, mir muffen e$ aus*
fpredjen: ©abriet fonnte fid) fogar nidjt eines gewiffen 9feibe$ erwehren,
wenn er ba£ unerfdjütterliaje Selbfbertrauen unb bas wunberbare juoer=
fid)tlid)e Auftreten bes Sübfranjofen fo tägliaj cor 2lugen fab.
64 ift ganj felbftoerftänbltd), bafj bie georbnete, fittenreine Sebent
weife ©abriete feinem ^reunbe unerfdjöpflidjen Stoff }u fpöttifd)en SWanb*
gloffen unb fdjledjten SBifcen bot.
DI.
3ln einem ber lefcten ^uliabenbe, einige Xage alt'o naa) ber Kriegs*
erflärung, ging ©abriel um bie £ämmerungSftunbe aus.
©r mar mi^geftimmt. Seim (£ffen fjatte feine 9)Jutter oerfdjiebene;
mal bie Sefürdnung geäufjert, er fönne ifjr burd) ben Ärieg entrifien werben,
unb er fjatte it>r nadjbrudlid) unb roieberr>oIt bie Serfidjerung geben muffen,
baß er als einziger Soljn einer 28ittwe feine ©efaf)r liefe, eingeftellt 511
werben.
9lber in biefer jugenblidjen, nad) wed)felnben ©nbrütfen bürfteuben
Seele, ber baS SBewufjtfem beS täglid) abgewtdelten ^enfums niajt ge^
nügte, grollte ber Sturm ber Empörung.
£aS ftanb ja ailerbingS feft, Solbat wie bie lUnbcren fonnte er niebt
werben, baS burfte er fd)on feiner Butter nicr)t antf)un. 3{ber er fagte
nd), ba§ ü)m baS ©efc&td! bod) einen fefjr beengten unb wenig erfreulidjeu
2£irhmgSfreiS angeioiefen Ijabe. Unb erbaute an bie langen SRadjmittage
auf feinem mit oergilbten 9lctenftüden ooügepfropften Sureau, an ben (Sfel
erregenben ©eruef» ber alten Rapiere, an bie beftänbige, naf)e Serüljrung
mit Kollegen, mit benen fein ©ebanfenauStaufdj möglid) war, an bie
Straße ooll greube unb Sonnenfdjein, ber er jeben -Btorgen ben dlüden
fefjren muffte, um in ben langen, jeudjten ßorribors beS sJ)iinifteriums
ju oerfdmrinben. (sr fab fidj fa)on im ©eifte als alten, fdjrullcnljaften, oer;
bummten Beamten, feine 9todärmel mit ©lan^fittei umfüllt unb mit iüaum*
wolle in ben Dfjren.
©abriel ftellte biefe traurigen $3etrad)tungen bei feinem Spaziergange
auf bem Öouleoarb Sebaftopol an, auf beffeu Srottoirs fid) eine bid)t=
gebrängte 3)ienfd>enmenge fortfdjob. $er 9lbenb war feljr; ^eifj. Gben
fjatte man bie ©aSlaternen angeftedt. £>ie Scutc fafjen oor ben lid^t-
ftra^lenben GafSS, $Mer trinfenb unb lebhaft bebattirenb, ^eben tUugenblicf
tjernafnn baS C^r ©abrielS fürs abgeriffene Säfce wie: „$er .Uaiicr f)at
fid) geftem auf ben tfriegSfd)auplafc begeben . . . Sie fönnen fid) barauf
perlaffcn, Se 33oeuf ift ernannt." Ungeheure 3}fenfd)emnaffen umlagerten
bie Äiosfe, unb biejenigen, weldje fid) bem bunflen ftnäul müljfam ent*
wanben, fdjwenften über tf)rem ßopfc eine entfaltete, nod) naffe 3eitonö-
$eulenb unb jof)lenb jogen bann unb wann ganjc Sd)aaren oon Straßen^
jungen unb Sloufenljelben oorüber, wütf)enb unb in monotonem Tonfall
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22$ £rati{ots £oppee in paris.
ben Sdjrei ausftOBenb: „9fadj Berlin!" Sann übertönte plöfclid) lauter
Xrommelwirbel ben ganzen Särm. (Ss waren bie ©aroeregimenter, welche
nadj betn Dftba^n^of $ogeu, unb ©abriel bemerfte auf betn galjrbannn,
über ben ftöpfen ber Neugierigen, in bem SSirrwarr ber fd)warjen Sd)afo3
ber (Sfrjaffeurä be $incemte£ unb ber ^öärenmüfcen iber ©renabiere >ben
t3olbenen 2lbler einer galjne ober ben .pelmbufd) eines Cberften p sterbe.
Siefe friegerifdje Stimmung, biefed militärifdje Sd^aufpiel werften
in bem ©eifte be$ jungen Cannes Xräume oon Stampf unb Nufnn. (rr
fielet am borgen ber 3d)laa)t bie bunften £ruppenmaf)en ftd) enbloS ba;
binden unb bie Ülbjutanten, bem t>luge faum erfennbar, bie (Sbene im
Garrtfre burdjftürmen. 9lud) er fteljt bort, ©eweljr bei #ufj, im crjtcn
©liebe ber 2lngriff$folonne. @r uernimmt ben bumpfen Bonner ber ita*
nonen, tjört ben fd)metternben Sdjall ber trompeten; mit gefälltem Sajonnet
ge^t'0 auf ben fteinb loa, &elbenftüo?lein nadj alter gouauenart werben
ooHbradtf. Unb fiel)e! bort am äufjerften Gnbe, twd& oben auf bem &ügel,
neben einer com flartätfajenfeuer &erfd&metterten 3flüljlc, inmitten ber bei
irjren ©efdmfeen im STobelfampf röaSelnben Äanoniere, erfennt er fid)
roieber in jenem gemeinen Solbaten, ber, oon Sßuloerbampf gefd)wär$t, im
fetten Sonnenfd)ein eine gafme aufpflanjt!
So bal)infdjlenbernb, gelangte er junt Stra&burger s3armtwf ; aber ein
Umljergeljen mar luer faft umnöglidj geworben. Sie Solbaten Ratten fid)
unter bie Spenge oerttyeilt, begeiftert reid)te man Urnen Gigarren unb ©elb,
unb in allen Kneipen fat» man fic, ba$ ©eroeljr an ber Seite unb ben
Xornifter auf bem 9iü<fen, ben Gtutliften jutrinfen.
©abriel madjte e$ wie alle 9lnberen, er blieb auf bem Xrottoir
ftetjen unb faf) $u.
£nippen, 9)hmitionäwagen, Äanonen brängten ftet) rjier jufammen unb
oerfperrten einanber ben SSeg. ^?ferbe bäumten udj, Cf friere flutten.
9iur mürjfam oermoajten bie ^oltjeifergeanten bie sJ?eif)en ber Neugierigen
$u beiben Seiten ber Strafjen jurüdjubrängen. ©affenbuben begrüßten
jaudfoenb eine ooruberfarjrenbe -Hiitrailleufenbatterie unb riefen: „Sa
fommen bie ftaffeemürjlen!" Ser 3etger ber 33arml)of$uf)r wies auf
neun Ityx.
3n biefem Olugenblicf füllte ©abriet, bajj ^emanb feinen 3lrm be-
rührte, unb f)örte, roie eine weibliche Stimme $u ifmt fagte: „5ld>, bitte
mein &err, laffen Sie unö r>or, bamit mir audj etwas fefyen."
Unb in ber Xfyat brängten ftd) jwei jugenblid)e ©eftalten in tyeuen
Kleibern oor ifm.
Sie größere, eine brünette mit federn ©efid)t$auebruc!, wanbte fid)
um, ein Üäa^eln bes Sanfeä auf ben Sippen; bann neigte fie ftd) $u trjrer
©efälnlin, um ifu* etwas tn'S Diu- 3U fagen. Sie fa^miegten fid) eng an«
einanber, wie crfdjretft barüber, ba& fte fid) auö i^rer füllen einfachen
<Oäii^lid)feit in ©etümmel gewagt Ratten.
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<£ i n e 3&yUe roäbrcnb &er BciagcniHcj. 225
©abriet beamtete fie anfangs gar nicht; aber ber fjinter ihm ans
roadjfenbe SJcenfdjenftrom brängte ilm nach oorn unb sroang feinen jers
ftreuten Slicf, fict> mit ihnen ju befchäftigen. Sie unterhielten fia) leife
unb lachten. SaS ©eftcht ber .Kleineren, welche fd)ä<^terner festen, als
ir>re greunbin, war burd) einen Soleier oerhüttt. ©abriet ftanb ganj nahe
neben ihr, unb bei jeber Bewegung, bie fte machte, würbe er oon ihrem
bleibe berührt.
3n biefem Slugenbticf, als gerabe ein 3U9 fernerer £rainwagen int
Xrabe uoruberfam, brängten bie (unten Stehenben ungeftüm na<f> oorn unb
bie fteinere grau, bie uor ©abriet ftanb, würbe mit ©ewatt auf ben
tfahrbamm gefdjleubert. s3)tit einem 9Iuffd)rei fanf fie $u 53oben unb märe
meüetcht unter bie 9iäber geraten, wenn ber junge 3)?ann, ber gleichfalte
vom Xrottoir ^eruntergeftofeen roorben mar, fic nicht aufgefangen hätte.
Sie ruhte lauttos unb wie «ergangen oor 2tngft brei ober oier Secunbcn
in feinen 9lrmen, bann raffte fie fich plöfcluf) auf; aber ©abriet, ber bei
bem Unfall itjre £anb ergriffen hatte, behielt fie in ber feinen unb nahm
medhanifch ihren 2lrm, wie von bem inftinetioen Verlangen geleitet, fie nod;
weiter $u beidnifeen.
„deinen Sie nid)t auch, ©ugenie, bafe wir von ©tücf fagen fönnen,
baft ber &err gerabe tjier geftanben t)at? 2ßa* hätte 3hr 9Rann wohl ge»
fagt, ber ^fyxen »erboten hatte, ausgehen ? Ser hätte mich tjeut 2tbenb
gut angefefm! Slber nicht wahr, lieber <Qerr, Sie werben uns hier ntct)t
im Stich (aifen? Sie muffen uns aus bem ©ebränge forthelfen. öS ift
Ijeut gan$ wie neulich am 15. 2tuguft, wo td) beim geuerwerf beinahe er-
brüdt morben wäre. %<i), hab' ich 'ne 9lngft gehabt! . . . Sie wiffen
roof)l gar nicht, ©ugenie, bafe ber ,§err uns baS £eben gerettet hat? —
Sft baS rjubfeh! ®an3 roie m einem Vornan."
Sie $ufammenhangSlofen 2£orte foraefj bie große brünette. Sie hatte
ben anberen silrm ihrer greunbin genommen unb begleitete ihre sJfebe mit
[eifern Äichern.
„3a wohl, meine ©amen," tagte ©abriet mit ;>itternber Stimme,
„wir muffen ^unädjft fehen, wie wir aus bem ©ebränge berauöfommen."
Sie ftanben wieber auf bem £rottoir unb ©abriet fühlte immer noch
auf feinem 2lrm bie föanb berjenigen, welche ihre greunbin ©ugenie ge=
nannt. (£r war im höchften ©rabe aufgeregt. 3"m erften 2)lal in feinem
^eben hatte eine grau an feiner 33ruft geruht.
Sie brachen fich mühfam burdh baS SßolfSgetümmel :8ahn, balb aufs
gehalten uon einer gamilie, bie in ^ränen aufgetöft einen $oltigeur sunt
2Ü>fd)teb umarmte, balb bei Seite gefetjoben »on einem ^ouauen, ber aus
einem Gaf6 h*rauSfommenb feiner Gompagnie mit flirrenbem Äochgefchirr
unb ftappernber gelbflafche nachjagte.
2tls fie auf bem SBouleuarb 3)?agenta, au einer Stelle, wo ba* ©c=
brdnge weniger biäjt war, angefommen waren, fühlte ©abriel, wie bie
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226
$ranrois CLoppee in paris.
junge grau ihren 2lrm freimachte. Tiefe Trennung oerurf achte i^m ein
feltfameS Unbehagen.
„Sefct, mein #erT,w fagte fie ju ihm, „haben wir Sfynen noch unfeTen
Xanf, unfern großen Xanf aussprechen."
Sfyxe Stimme ftang fanft , etwas gebnmpft, oietteicht wegen beS
ScbrecfenS, bet ir)r nod^ in allen ©liebern lag. Sie ftanb unbeweglich
nor ©abriet # ber fie betrachtete. GS war ein ungefähr jwanjig 3ahr
altes grausen oon jarter, wo£)lgebilbeter ©eftalt. Sie trug ein ooüftänbigeS
Moftüm aus tjellgrauem Stoff unb einen etwas fofetten &ut mit einer
gafanenfeber. Unter bem Soleier, ber nur einen flehten, feingefönittenen
3Hunb, fowie ein InttfcheS, wohlgenährtes Stinn fefjen liefe, [trauten ir)rc
p ©abriel emporblicfenben 2lugen. 3n bem rings ijerrfdjenben $albbunfel
fdjien es ilmt, als mären fie fefjr grofe unb uoller ©lanj.
91odj einmal legte fict) bie große brünette in'S Littel.
„Me Gugenie, Sie motten ben $errn jo fortfehiefen? 3m ©egentyeil,
ba er fo freunblia) ift, will icf> ihn bitten, uns auf unferen sBeg jurüefs
^bringen. Ueberhaupt finbe id) mich in biefem Giertet aud) gar nicht
aurecht. Vielleicht tonnen Sie uns fagen, mein &err, roo ber Omnibus
be la ©tariere oorüberfommt V 2Bir molmen in jener ©egenb."
„Slber liebfte grau &enrn, mir bürfen boer) bie ©üte beS £errn nicht
fo febr in 2lnfprudj nehmen/' fagte Gugenie mit leifem 9facr)brucf.
Xa ermannte fid) ©abriet ju einer bei it)m ungewöhnlich fühnen
üleuBerung. Gr betonte, bafe er bie Tarnen junäcbft in Sicherheit bringen
unb fie, wenn fie es geftattten, ju bem CmnibuS führen wolle, ber bort
ganj in ber 91ähe, -)ine 9{od)echouart, oorübertam.
grau &enrn nahm fofort an, unb fte machten fid) auf ben 2£eg, alle
brei in einer SHeifje, bie beiben grauen 3lrm in 2lrm.
Tie 9lad)t war pradjtooU. 9ttd)t eine Seele war auf biefem langen
Swuleoarb $u fetjeu. tfein HJionbfdjein, aber ein milchblauer, mit Sternen
überföeter Gimmel. Tos ©aS leuchtete fcr)r hell, ©abriet ging neben
ber großen brünette; er hatte es nicht gewagt, fid) ber Slnberen anju*
fd)lie§en. 9iod) nie hotte er fid) in ©efeü*fd)aft unbefannter grauen be*
funben; fein ftcr^ poditc heftig. Gr hörte, wie bie Stiefeletten auf bem
3lSphalt beS Trottoirs fnarften. (Sin leifer, füt)(er 9cad)twinb erhob fich
unb bewegte fanft bie .Uteiber unb bläutet ber beiben grauen.
„Sie bürfen ja nid)t etroa glauben/' nahm grau ^enrn baS ©efpräer)
in jenem familiären, etwas gewöhnlichen Tone wieber auf, ber ©abriet
fo fehr in Grftaunen oerfcfcte, „bafe meine greunbin unbanfbar ift unb
oergeffen tonnte, was Sie für fie getl)an; aber etwas fä>u ift meine fleine
Gugenie. 3ft fie bod) erft feit norigem 3ahre in ^aris, unb ihr 9)tonn
lä&t fie nicht oon £aufe fort. Sie ift noch nicht an baS gefeu*fa)aftliche
Veben gewöbnt."
©abriet fal), wie Gugenie bei biefen Sorten ihre greunbin jum
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(Eine 3&Yllc roäbrenb &er 33elagerutuj. 227
Seichen, bafj fie fc^toeigen möchte, am 9lenne( jupfte; unb grau &enrn,
roeldjer bie ßunft, einen paffenben Uebergang ju einem anbern ©efpräd)£s
ttjema $u finben, unbefannt ju fein fdnen, fragte ©abriel urplöfclid), olme
ifrni 3e^ 5ur Antwort $u (äffen:
„2£ie alt finb Sie benn eigentlidj? Sie müffen boa) nodj ganj jung
fein — jroanjig, einunbjiuanjig Satjr fjödjftenS, nidjt roaf)r? SBie fd)ön ba$
ift/ erft sroanjig $a\)x alt 5U fein! Söarum Iaffen Sie ftd) feinen 23art
ftetjen? 3ldj fo, Sie ftnb otelleidjt Sdjaufpieler. $od) nein, Dülmens
tunftler tragen längere §aare. Üaffen Sie mid) mal ratzen. (SommiS in
einem Sttoberoaarengefdjaft finb Sie bod) aud) ntdjt, ba$u fefyen Sie ju
fein aus . . . 2tya, jefct glaub' id), fcabe id) e3 . . . e3 brennt! . . .
Sie finb im 3)Uniftaium angefteUt."
@3 ift ba* eine allgemein gültige Siegel: bem SHanne aus bem
2>olfe, bem Bürger in befajeibenen $erf)ältniffen, foroie allen mit $er;
toalrungefaa)en unbefannten Prionen fd)toebt nur ein einziges 9)iinifterium
aU unflarer, unbeftimmter begriff oor.
©abriel gab ju, bafc er in ber Xf)at Staatsbeamter fei.
grau $enrn fuf)r fort:
„£a$ finb gute Stellen, weil man ein girum f)at. Sie ^abeu ja
gar, wie id) fefje, einen Trauerflor an ^fjrern $ute. Hnner junger «Diann,
trauern Sie um 3bre grau 9flama? 9iein. 2)amx roofmen Sie jeben*
falls bei if>r. SaS fief)t man fofort, bajj Sie bei Qljren 2tngel;örigeu
leben. Sie finb wirflid) feljr liebenSroürbig gegen uns ! . . . 2i>ie Reiften
Sie mit Stycem Vornamen?''
„©abriel."
„©abriel. £er Statue gefallt mir fefjr gut. Unb ^Imen, ßugenie?
mürbe jebod) Seo oorsiefyen. 9iur ja md)t Victor! So t)ei^t nämlid)
mein Sd)eufal oon 2)iann. SRa, ©ott fei ^anf, ben bin id) los, er ift
mir burd)gebrannt, {ebenfalls baS Söefte, roaS er ttmn (onnte . . . 92un,
^err ©abriet, roaS meinen Sie ju bem ftriege? ^a) glaube, rotr werben
geroinnen. greilidj roerben gar mandje oon ben armen Solbaten, bie
tjier cor unferen 2lugen abmarfd)irt finb, tobtgefdwffen roerben. ühMffen
Sie, beim blofeen ©ebanfen baran tfyut mir baS ^erj roef). Sdjliejslid)
aber roar ber Statfer bodj gejroungen, ben Ärieg 311 erflären! Sie fjabeu
ifm mit bem ^ßlebiScit gerabe genug gefränft."
söei foldjen Dieben oergafj ©abriel. feine Sdjüdjtenujeit; er gab
fdjliefjtid) 31ntroort unb fo rourben ber junge 3Jiann unb grau $enrij
mit einanber befamvt. $od) führte eine getjeimnifjooHe 9ln$tebung3fraft
immer roieber feine ©ebanfen 511 ber füllen jungen grau mrücf, roeldje
fie begleitete.
^n feiner Sd>fidjtenu)eit ging ©abriel einen ober jroei Stritt oon
ben beiben greunbinnen, unb feine unb ©ugenienS iölide begegneten fic^
oon 3eit ju Seit. 2lber bann f djlug er unroillf ürlia) bie 3lugen nieber,
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^ranvots (Zoppte in paris.
unb nicht ein einjigeS 2)Jal wagte er es, fie an$ureben. grau &enrn jdjien
baS SBohlgefallen, welches (Gabriel an ihrer greunbin fanD> rea)* 9^ Su
bewerfen; aber fie mar weit entfernt baoon, fidj irgenbwie ungehalten
baräber $u jeigcn. Sftein, ganj im ©egentheü, menn fie ilm inmitten ihres
©efchwäfceS unaufmerffam unb mit ihrer greunbin beschäftigt fah, liefe fie
jenes muntere, fcheinbar grunblofe Saasen hören, baS ihren rofigen, oon
^erlenjähnen blifcenben SWunb fo gut fleibete.
(Snbltch waren fie auf ber 9iue SHochechouart angelangt. $>er Omnibus
fam gerabe, unb man fafj in ber gerne feine beiben großen rothglühenben
Slugen.
„&err ©abrief," fagte jefet grau &enrn mit ihrer gewöhnlichen Un=
uerfrorenheit, „ich weife beftimmt, bafe Sie gern wiffen möchten, ob bie
f leine (Sugenie ftdjj oon ihrem Schrecfen erholt hat- $amit Sie'S roiffen,
ich mohne gaubourg Saint Jacques 9ir. 17. Sie werben ftetS will«
fommen fein.''
©abriel, oon biefer unoerhofften ©inlabung ganj entjücft, wollte ant=
Worten, aber ber Omnibus ftanb oor ihnen unb grau ^enrn ^attc bem
ftutfcher gewinft. Sie reifte bem jungen Wanne bie &anb unb fagte:
„3luf SBieberfehen, nicht wahr?"
©abriel gab ihr bie &anb, bie fie famerabfdjaftlich fchüttelte. Vielleicht
hätte er ftd) ju bem (S*ntfd;luffe aufgerafft, auch ©ugenie bie feine 511 bieten;
aber fie fagte ju ihm fdmell, mit einem legten 33licf fidf) anmuthSuoll
oemeigenb: ,/Jlbieu, mein &err, nochmal« meinen beften £anf!" unb eilte
ihrer greunbin nach.
©abriel fah fie in ben Omnibus einfteigen, ber fid& oon Beuern in
Bewegung fefete. (Sr hörte ben sweimaligen, furzen Älingelton beS @on=
bucteurS unb blieb unbeweglich auf einer Stelle flehen, bem fchwerfäüig
bahinroHenben SBagen nachfchauenb, wie er ben fteilen 2lbf)ang hinunter =
fuhr unb enblich an ber Strafcenbiegung oerfchwanb.
(Sr fehrte in fchnellem &auf nach &aufe jurucf. Sine feltfame 3(uf=
regung fyatte fich feines ganzen SSefenS bemächtigt, Sie fleinften ©tnjel=
heiten feines 2lbenteuerS ftanben ihm flar oor ber Seele. (Sr erbebte bei
bem ©ebaufen, bafc bie §aare ber jungen grau fein ©efidjt faft geftreift
hatten, als fie in feine 2lrme gefunfen war; noch fühlte er auf feiner £anb
ben ®rucf oon (SugenienS &anb; er erinnerte ftd), ba§ ihre ^anbfchuhe
aus fchwebifchem Üeber waren, ©r fagte fich, ba& er fie wieberfehen
werbe; er forad) laut $ufammenhangSlofe SÖorte. @r wieberholte fich
wohl hundertmal grau &enrt)S 2lbreffe, gaubourg Saint*3acqueS, üftr. 17,
als fürchte er, fie ju oergeffen. @r fam fich ftarfer, gefchmeibiger unb
leichter oor wie gewöhnlich; ja, fein Ölut fdjien ihm feuriger in ben 9lbem
;,u freifen.
2US er über bie iörücfe Saints3Wichel ging, fah er auf ber Sftirte
bes gahrbammeS eine Schaar Stubenten baherfommen, unter benen er
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€ine ^bylle n>äl}renb 5>er Belagerung. 229
in ber gerne feinen greunb (Sajaban erfannte. 2lffe brüllten bie 9War=
feiflaife.
„3^ s'ift ja wat)r, s'ift flrieg; ba3 Ijatt' ich ganj oergejfen."
IV.
©rft nach brei Sagen entfctjlofe fiel) ©abriet 3U einem Befuch bei
grau §enru.
& erfdjien ifmi bie3 als ein äu&erft gewagtes unb fehr fchwterigeä
Unternehmen. Seine ©ebanfen weilten beftänbig bei ben beiben greunbinnen.
$ie (Erinnerung an ba$ oerfchleierte, fdjweigfame grausen, mit ber er
nur einige fdjüchterne 33licfe gewechfelt, fjatte feine Seele gan$ gefangen
genommen, ©r raupte, bafc fie uerheirathet, ba§ fie fcheu unb unerfahren
mar; er ahnte, bafj fie fia) unglücflich füllte, ©r wollte fie wieberfehen
unb fagte (ich, bafj e3 baju fein anberes SfJlttteC gäbe, als grau
£enro einen Befuch absuftetten. 2lber ba3 ©ilb ber frönen Brünette
mit ben feurigen klugen, bie fo ungezwungen in ihrer 2lu3bructeweife
war, beren Cirfc^rotrje Sippen beim Saasen fo weifee Sßerlenjäfme jeigten,
rief in feinem ©eilte eine Unruhe fyeroox, bie faft an 2lngft grenjte.
©tneö XageS jebodt) ging er, geleitet oon ber (Erwägung, bafc fein gan*e£
bi^^erige^ Verhalten eigentlich fein befonbereS 3ntere[fe oerrieth, unb bafe
feine 2lufnaf)me eine um fo fühlere fein muffte, je länger er feinen Befuct)
hinausfdjob, etwas früher aus feinem Bureau fort unb lenfte feine ©abritte
nad) bem gaubourg ©atnt^acqueS.
2Bie jeber geigling, ber einer ©efatyr entgegengeht, ^atte er ben
längften 2£eg gewählt unb mattete immer langfamere ©abritte, je näher
er feinem Siele tarn.
2luf bem Bouleoarb ütflontparnaffe blieb er fünf Minuten oor einem
Xröblerlaben ftehn unb unterwarf eine Lithographie be£ ©eneralä 2lthalin,
be£ früheren .§ofcaoalier3 ber Äönigin Slbelai'be, einer näheren Betrachtung.
Um feine ©ebanfen uon bem ©abritt, ben er 5U thun im Begriff
ftanb, abjulenfen, oertiefte er fia) in baS 2lnfchauen btefeS EtilitairS unb
oerfefcte fid) im ©eifte in bie gemütliche, fpiefebürgerliche 3eit -ouil5
^ß^ilipp^. 2lCe ^oljfchnitte, bie er je aus biefer 3eit gefehn, ftanben
flar oor feinem geiftigen 2luge. ©r fah ben flönig, einen grauen &ut
in ber §anb haltenb, bie Königin nach englifa^er 2)tobe frifirt, mit langen
£ängeloden ju beiben ©eiten beS ©eftchta, bie $rin$en in altmobifchen
Uniformen, unb &errn ©uipt auf ber Mebnertribüne , bie Linfe in ber
Brufttafct)e beS graefs oerfenft.
3ln ber ©de beS Bouleoarb b'ßnfer, wo an jenem Tage grabe ber
^ferbemarft abgehalten würbe, blieb er oon Beuern ftehn. £>ier trieben
Strafjenjungen ganje ©eipanne fdt)öner meifjer ^ercfjerons uorbei, beren
Schweif mit ©trohbunbeln aufgebunben war. 2uidj fah er, wie jwei
3<o§täufd)er in fehr langen Bloufen unb mit hod;auf gebautsten SJiüfeen
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230
^raii9ois Coppee in paris.
cor ber £I)ür einet Sranntroeinfdjenfe über ben ^reiS einer alten Sdnnbs
mäfjre mit einanber oer()anbetten unb abroedjfelnb i^re ©angart probirten.
Selbft auf bem place be l'Dbferoatoire fonnte er nod) ju feinem
©ntfdjluffe fommen unb umf reifte jroecfs unb jielloS bie Seilt änjerbuben.
9?ad)bem er fo oiel fteit oergeubet, fefcte er fid), ganj roieber roie
ber richtige ^afenfufc, in fd)neUe Bewegung unb blieb, nadjbem er faft
rennenb auf bem gaubourg 3aint=$acqueS angelangt war, genau oor jener
Plummer 17 fielen, beren beibe 3Wern ifa1 *m Traume fo oft in feurigen
3ügen oorgefdjroebt Ratten.
©S mar ein altes, formal gebautes &auS, frifd) geftridjen unb mit
einer nriberioärtigen, gelblichen äßafferfarbe bemalt. ©S r)atte nur brei,
wenn gleid) fe^r f)of)e Stocftoerfe, unb jroei genfter SSorberfront Oben
auf bem 3iegelbad)e \afy man eine Sobenlufe mit einer eifemen Duerjtange
unb einem f)erabf)ängenben glafdjenjuge. Unten befanb fid) neben ber
&auStf)ür, bie 5U einem fein* bunflen ©ange führte, eine Speifetoirtf)fdjaft,
in beren Sdjaufenjter fid) bie unoermetbltdje, aus 3u^crf^^n aufgebaute
Sßnramibe jroifdjen jroei gro§en, mit 9ieiS unb (Sl)ocolabe angefüllten
Unterfäfeen präfentirte. £ie mclanc$oltfcf)e, ben 2lnfrrid) beS ©eroölmlidjen
tragenbe plmfiognomie beS Kaufes, bei ber man unroillfürlid) an baS
©eftdjt eines armen iganbroerferS badjte, gab unierem ©abrtel 3)httf).
9JUt heftig pocfyenbem iperjen ftürste er hinein unb eilte im ginftern jur
Portierloge, $u ber ifmt ber butd)bringenbe ©erud) einer 3wtebelfuppe ben
2öeg roieS.
„5öofmt hier grau £enrn?" murmelte er leife jum ©ucfloch hinein.
„Söofmt ^ier grau #enrn?" fragte er etroaS lauter.
„3m ^weiten Stod, gerabe aus," antwortete bie Stimme einer
alten grau.
Unb bei jeber Stufe ber bunflen Stoppe ftolpernb, taftete er fid) im
ginftern an bem altertümlichen, plumpen ^oljgelänber in bie $öl>e unb
fam enblid) oor ber bezeichneten £hür an, blieb f)icr flopfenben &er5enS
ftelm unb 50g bann mit jitternber &anb bie Mngel, naa)bem er noa)
einmal fo red)t tief Sltbem gefd)öpft r)atte.
grau &enrn öffnete fofort.
,,2ld), £err ©abriet !" fagte Tie. „Slber bitte, treten Sie bodj naher,
bitte, fefcen Sie fid)! &Me liebenStoürbig oon 3Imen, bafe Sie nod) an
midj gebad)t haben!"
$aS Limmer bilbete einen ebenfo glücflidjen roie unerwarteten ©egem
fafe jum Hausflur unb ber treppe. ©S machte mit feinen t)oh*n genftern
einen äufeerft freunblia)en (Sinbrucf, unb &idjt unb Sonne brangen in
breitem Strome herein, $ie Xapeten beftanben aus gelbem, mit fleinen
!öouquetS überfäeten 3ife- ^<*S 3immcr fattc einen £epPÜ*)/ niebrige
Seffel, einen Stuan unb einen bis auf bie (Srbe reidjenben Spiegel, in
■
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(Eine n>ät?ren& öer Belagerung. 25\
bem man itd) in uotler gigur fe^cn konnte. Unter ben jurücfgefd)obenen
©arbinen be£ SUfooenS bemerfte man baS f)of)e, breite 53ett, unb an feinen
©nben eine mit feibenen granfen befehle gu&berfe. 2Beiblia)e ^hifegegens
ftänbe lagen überall in malcrifd)er Unorbming untrer, auf bem runben
9tipptifd)a)en, ben ein buftenbeS SRofenbouquet jierte, auf bem Äamine,
bem eine fa)öne, oergolbete Uf>r ©laus verlief), ©abriete 2lufmerffamfeit
entgingen aua) nid)t bie bläulia)en ßerjen ber ßanbelaber, foroie ein
bemalter fleiner Sßorjellanpantoffel, ber mit Streidjljöläern gefüllt mar.
„Sie fef>en, id) mar gerabe im Segriff, meinen Sögeln ©rfines §u
geben/' fagte grau $enrn, als ©abriel auf einem gauteutl ^Slafc genommen
fjafte. „Sie geftatten, ba§ td) ju @nbe füttere."
$)er Ääfig, in iüeld)em ein 3^9 uno ßw ^Dompfaff fjerumfnipften,
ftanb auf bem Stifdje, unb grau $enrrj mufete, um bic bünnen ftalme
$roijd)en ben Stäben ljinburd)fd)ieben 5U fönnen, ftefjen, wobei fie ifjr
gkofil fyiib abgeroenbet jeigte, benn fie fefjrte ©abriel ben dürfen, ^n
iljrem langen föauSfleibe au£ feinem rotten £ud), baS faum ifjre Taille
erfennen liefe unb etwas auf ber (Srbe nad)fd)leppte, erfdjien fie fefjr grofc.
3br prad)tt>otfeS fd)marjeS £aar mar rjeraufgenommen unb bilbete auf bem
Sdjeitel einen ßlngnon, meiner burd) einen grofjen Sdjtlbpattfamm feftge-
galten würbe. 2lm Dfjrläppdjen lung eine fleine golbene Äugel.
„$aS fd)merjft mal präd)tig, baS ift bod) was geines! nid)t waf)r,
ifyc fügen Eäuba)en?" flüfterte bie fajlanfe »rünette in fd)meia)elnbem
Xone, beugte fid) über ben ftäfig unb afjmte mit ben Sippen baS Sd)mafeen
eines Ijer^afren ÄuffeS nad).
©abriel mar geblenbet. $ie 9tfäf)e biefer frönen jungen grau im
9leglig6 fjielt ilm wie mit einem ßauber gefangen, ©ebanfenloS hafteten
feine 23li<fe an ber golbglänjenben &aut ifjreS SRacfenS unb an ben
Keinen rebellifdjen ßaarloden.
Dbgleid) fie nid)ts faf), afinte fie mit bem wunberbaren 3nfttn!t ber
grauen biefe ftumme Sewunberung, füllte fid) angenehm gefd)metd)elt unb
beeilte fid) nid)t, fid) umjuwenben.
^löfclid) trat SugenienS 33ilb vov ben ©eift ©abriels. ©r erinnerte
fidj, ba& er um ifjretroiüen gefommen, unb warf es fid) feltfamerweife wie
eine Sünbe üor, bafj er fta) einen 2lugenblid oergeffen unb feine Sinne
fo gefangen nefnnen laffen fonnte, nad) bem 23efifo einer ?lnberen §u
»erlangen.
„Unb &at fia) benn ^re greunbtn," fragte er, „oon irjrem neu(id)en
Sdjreden fd)on erholt?"
grau $enrn roanbte fid) lad)enb um. „ßugeme?" fagte fie. „2lf)a,
id) fef>e fa)on, baS junge &erra)en fyaben nur au fie gebad)t. Sie meinen'*
fefjr gut, ^err ©abriel; aber ©ugenie ift oerfjeiratfyet unb tugenb^aft . . .
So etroaS müffen Sie fid) aus bem ßopfe fd)lagen."
„2Iber id) oeriid)ere Sie, grau ©enrn — "
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I
232 ■ ^ranvois £oppec in Paris.
„Sdfjon gut, fd^on gut. 2ÜS ob id) nculid) gar nidjtS bemerft Ijätte !
Sie ^aben ja bie ganje %t\\ über, wo wir ben Souleoarb SRagenta ent*
fang gingen, fein 2Iuge oon ifnr oerroanbt. 2lber eS ifl fo, roie i<$ ^^nen
fage . . . fittfam roie ein &eiligenbilb ! Unb offen geftanben, bas will
oiel jagen in ifjrer Sage, ©in netter 33urfdjc, biefer ©lement. Söunbert
mid) übrigens gar nidjt. Gr ift mit meinem Sftanne befreunbet geroefen."
„Oft fte unglücflidj?" fragte ©abriet mit tf)eilnef)meiiber Stimme.
„3um Steinerbarmen! 2lrmeS grausen! 2luf bem Sanbe bei ifjren
©Item, reiben ©utSpäd)tern, groß geworben, ift baS arme 2)ing uon allen
Seiten gef)ätfdjelt unb auf &änben getragen roorben. Unb ba fommt fo
ein langer tferl — er roar aus ifjrem $orfe unb rjattc fid) in sJtariS als
3immermeifter niebergelaffeu, Sie roiffen f$on, auf bem Souteoarb b'^talie
— rjeirat&et fie, befommt natürlich eine ganj l)übfd&e Mitgift mit, unb nun
finb fte fd)on über anbertrjalb fjier. ©S f)at aber gar nidjt lange
gebauert. ©r t)at fdf)on faft 2HIeS burdfjgebrad&t, unb i$ fürd&te, er ma<$t
feine guten ©efdjäfte. Unb babei roill'S mit bem $auen aud) nia)t oor=
roärts. — 2ßenn er noa) roenigftens ju feiner grau nett roäre! 2iber er
benft gar nid)t baran. $er reine gleifdjer, biefer ©lement, unb brutal
unb grob babei, unb alle 9Ibenbe in ber ftneipe . . . 2Öenn fie midj
nidjt l)ätte unb bei mir ifure 3lbenbe jubringen fönnte, fte ftürbe cor
Sangeroeile, bie arme Seele! 9todj ein wahres ©lütf, bafc er xfyc erlaubt,
mia) 5U befugen, roenn er ju Wittag gefpeift i)at. Sie bringt fidj bann if>re
Slrbeit mit, roir fodjen uns Kaffee unb plaubern. Sie erjagt mir, roaS
Tie MeS ju leiben tjat. So was tf)ut einem immer roo^l, nid&t roaf)r?
©S roäre bodj fein: fjübfa) uon $\)nen, $err ©abriet, wollten Sie mana>
mal ein Stünbdjen ju uns fommen. Sie tonnten uns immer baSs^etit
Journal oorlefen. 2)aS roirb jefct fet)r intereffant roerben roegen beS
HriegeS. 3a) weife ja, ber fann nid&t lange bauern, roir finb in oierje^n
Xagen mit unferen XurfoS in Berlin. $)ie sJ>reufjen f)aben boa) feine
SJUtratüeufen."
Unb fo fdjwafcte grau £enrn unauff)örli<f) in einem 2ltl)emjuge weiter
unb entfernte fict) $u ©abriels großem Seibroefen oon bem einzigen ©egen*
ftanbe, ber ben naioen Jüngling fo fein1 intereffirte. Äunfi unb Sogif
roaren il)r unbefannte begriffe, unb bie ©injeln^etten ir)reS eigenen letdjt=
finnigen, mit 9iid)tStr)un sugebradjten SebenS ftanben unvermittelt neben
ben feltfamften 9lnfid)ten über Literatur, Religion, Ärieg unb ^olittf.
3n wenigen 2tugenblicfcn erfuhr ©abriel, ba& fie in ©lignancourt geboren
fei unb für ben Sdfiaufpieler 9Mingue fdnoärme; ihr 2Jtonn Ijabe fie
wegen einer Herumtreiberin r»erlaffen; fie »erriete regelmäßig Borgens
unb SlbenbS if)r ©ebet; bie Söäfa^e fofte fie ein fdjwereS ©elb; fie fei
ber 2tnnd)t, bie iJUjeinufer müßten von granfreid) anneftirt werben; ityre
3)fabl^eiten laffe fie fid) tyier unten aus ber Speifewirt^fdjaft jjolen; fie
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<£ine tDätjrcnb ber Belagerung.
255
lefe bie 2Berfe §einridi Bürgers leibenfdjaftltdj gern, fei eine glütjenbe
Verehrerin ©aribalbiä unb habe ber ßinridhrung £roppmann3 beigewohnt.
Sie fafc auf einem gauteuü, ©abriel gegenüber. 3ftre ©Öbogen
ruhten auf ben tfnieen, mit ben ßänben ftüfete fte if)r Äinn, unb in biefer
Stellung fprad) fie ju ©abriet unb far) tljn babei unoerroanbt an roie
ein 3Hann.
Seinen ganjen 3D?uth aufbietend madjte ©abriet nodj) einen fäxoafyn
Verfuch, ba3 ©efpräd) auf ©ugenie ju bringen; aber grau &enro liefe ihrer
ßeiterfeit fo ungehütbert bie &ü$el fdjiefjen, fie brach in ein fo lautes,
fpöttifcheS Saasen aus unb machte fo boshafte Semerfungen über feine
Seharriichfeit, immer roieber baSfelbe $hema anzuregen, bafe ©abriet
fünfte, wie ihm ba3 ftoth in'3 ©efid)t ftieg unb feine Ofjren brannten.
$af)er gab er felbft bem ©efpräd) eine anbere 2öenbung unb ftanb einige
Sftinuten nachher auf, um fich ju oerabfehieben.
Gr mußte jebod) twrher oerfpreäpen, bafc er am nächften 2lbenb feinen
öefuch roieber^oten mürbe; bagegen oerfpradj ihm grau $enrn, als er fdjon
an ber Xt)ürfä)roette ftanb, bafc er bann auch ©ugenie antreffen werbe. Sie
begleitete biefe Semerfung mit einem fo bejeidjnenben Säbeln, baß er beim
2tbf<hiebnehmen oor lauter Verlegenheit faft bie finftere treppe hinunterge*
fallen märe.
3lber !aum mar er auf ber Strafe, fo burdjbrang bei bem ©ebanfen,
bafj er (Sugenie toieberfehen foHe, ein unbefchretbltdjes 2Bonnegefüt)l fein
ganjeS ^erj.. Gr beglücfmünfchte fidt) ju feinem Sefud) bei grau &enrt),
als t)ätte er eine ftelbentbat t>oflbrad)t. 2Rit ho<h erhobenem Raupte, mit
fdmellem, fto^em Stritt burchmafj er beim 9todjf)aufegef)eu ben fiu? emburger
^arf, über unb über beftaubt unb in Schweif? gebabet in golge ber ©luth*
hifce ber §unbätag$fonne.
Unter ben fdpnen Platanen ber gontaine SHebiciS, in jener 2ÜIee,
roo Sonnen unb SRütter, unter Säumen gelagert, eifrig ftriefen unb bie
auf bem Sanbe f)ingefauerten, fptelenben Äinber bewachen, traf ©abriel
feinen greunb Gajaban in büfterer Stimmung, ben J&ut tief in bie Stirn
gebrüdt.
©abriel mar in fo froher Stimmung, bafc er bie gan$e SÖelt hätte
umarmen tonnen. @r brütfte bem SJtanne be£ SübenS bie £anb unb ers
funbigte itd) mit $ärtlid)em ^ntereffe nad) ber Urfache feiner £raurigfett.
„Unb Xu fragft nod)?" fagte Gasaban 'unwillig. ,,$od) 'S ift ja
wahr, Xu bift fein 9tepubltfaner! &aft 2)u benn nirfjt bie £epefd)e ge=
lefen . . . oon bem Qungen, unb baf; er bie flugel aufgehoben t)at . . .
2öemt nämlich Sabinguet*) fiegt, $ummfopf, fo ift feine Snnaftte bt-
grfinbet, unb bann fyaX er granfreidj fo gut wie in ber Tafdje."
©abriel lag biefer 3beenfreis fo fem, bafe er $unächft gar nid;t baran
*) Spottname 9?apofeonS.
•Reib unb €üb. L., U9. 10
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23^ ^ran^ois doppec in Parts.
baä)te, wie wenig patriotifä) bie 33efürä)tung Gajaban^ war. SRur baran,
bafj Krieg war, erinnerte üjn bie Steuerung be« Sfibfranjofen. Dod) war
in SBesiefning herauf grau &enri)3 frolje 3uoerfid)t audj auf Um überge*
gangen.
„Um fo fölimmer für bie 9tepublif," fagte er Reiter. „3a; bin fia;er,
baft wir auf ber ganjen ßinie fiegen werben."
V.
2lm nädjften £age war ©abriet pünftlid) an Drt unb ©teile.
®r fanb grau föenrt) bannt befäjdftigt, ßaffee ju fodjen, unb ber
2Inbli<f breier Sßorjettantaffen, bie auf einem Keinen ^räfenttrteffer ftonben,
oerfefcte tfm in nidjt gelinbe Aufregung, benn fte waren ein 33ewete bafür,
bafe (Sugenie fommen würbe.
grau $enr» fajien feljr erregt, unb aU ©abriet fidj l)öfli<$ na<$ ifjrem
33efinben erfunbigte, antwortete fie ifmt:
„3$ weife wal)rf)aftig ni$t, wo mir ber Hopf ftel)t. Der ©ebanfe
läjjt mir feine 3ftilje, bajj oteHeiä^t gerabe in biefem 2lugenbli(fe untere
Solbaten fid) mit biefen abfd)eulid>en 5ßreufjen fyerumfd&lagen. 2ld>, e£
giebt Momente, in benen idj es als ein Unglücf empfinbe, fein SRarat
ju fein!"
Diefe Sorte flangen ©abriel wie ein Vorwurf. Seit geflern lebte
er nur in ber fieberhaften Erwartung be$ gegenwärtigen 2lugenbli(f3, imb
er mußte ftdj fagen, ba§ er audj feine eecunbe an ba$ Sd&itffal unfere*
&eere$ gebaut Ijatte. Der ©ebanfe, bafj ifpn eine grau, olme e$ ju afyten,
feine $flid>t bem SBaterlanbe gegenüber fo t>or 9lugen führte, fjatte etwa«
ungemein 23efdjämenbe8 für ilm. $alb feitwärt« an bie 33rüftung be*
genfter« gelernt, blieb er eine 3eit lang in Sttllfdjweigen oerfunfen unb
berradjtete bie oon ben fd;rägen ©trafen ber untergeljenben Sonne uer=
golbete Kuppel ber Sternwarte, fowie bie ©ipfel ber Saume, weld>e über
bie r)o^e üflauer auf ber gegenüberliegenben Seite ber Strafje iunau«*
ragten.
9lber plöfcliä) öffnete fid) bie XJür, unb (Sugenie trat in'3 Qbnmtx,
genau fo gefleibet wie an bem 2lbenb, wo er fte jum erften 2Rat gefefjen.
311« fie ©abriel erfaraite, blieb fie ganj beftürjt fiefm.
„Da fmb Sie ja, mein &erj$en!" rief grau föenrw ber jungen grau
SU, fügte fie unb mu>n tl)r &ut unb Sttantel ab. „Sie fmb bo$ Iwffentlid)
mit meiner Ueberrafd&ung aufrieben. (Srfemten Sie ben &errn nid^t
wieber? @3 ifl ja unfer fleiner 23efd)üfcer von neultdj. 3ft er nid)t nett?"
Dann fagte fie, in fdjerjtyafter Seife bie «erbütblidjen gormen einer
Dame ber oornefmten SBelt ftbertreibefib unb tyren 9J?unb jum anmutet*
ooUflen £äd)eln, über baS fie gebieten fonrtte, sufpifeenb:
„grau Clement .... &err ©abriel — #err ©abriel .... grau
Clement"; unb braä) fdjlieglidj in laute« &tdjen au*.
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— €»ne 3&y11* »atjrenb ber Belagerung.
255
©abriet mad&te eine tinfifd&e Serbeugung, grau Element ftammette
faum oerneljmbar einige SBorte.
$er Jüngling faf) fic an, aber er erfannte fie nidf)t; er fyörte fie
fpredjen, aber er oerftanb fie nidjt. Sftn quälte ein unerträglid&er $)urft;
er roufjte mdfjt, roaS er mit feinen $rinben anfangen follte. 2Bte burdfj
einen 9?ebel f)inbur<i) faf) er bie f leine, jiertidjje ©eftalt oor fidj) ftefnt.
3bre 9lugen roaren ju Soben gefenft. 3tyr graues SUeib f>atte einen
allerliebften, mit 9ftuffelm befefoten SftieberauSfdfjnitt. 3n ben Rauben trug
fie ein 9lrbeitStäfd)d(jen aus fa^roarjem Seber.
Da mad&te ©abriet eine ungeheure 3Infrrengung, fufjr fid) mit ber
£anb über bie fdjroeifjbebedte Stirn, unb fragte fie, nodf) ganj faffungSlos
cor Aufregung, ob fie nid£)t audf) fänbe, baß es fefjr Ijeifj fei?
grau ßenrnS lautet £ad&en übte auf Seibe eine erlöfenbe SBirfung.
„9to, fefct eud&, Äinberd&enS, ber Äaffee wirb fonft falt. Sie mflffen
fia) metyr 3ucfer bineintf>un, #err ©abriet . . . 9ta, mein ©d&äfe#en,
febon roieber mit ber ©ttderei befd&äfttgt? ©inb ©ie fleißig ! 2Bo mag
id) nur mein Stobeletui ^ingeftedt fjaben? 2la> fo! ba f)ab' id)'S in ber
£afa>. 3<f) bin bodj &u oerge&lia) . . . $aS f>at mir fajon taufenberlei
Unannef>mlid)feiten bereitet. 3um Seijptel geftern früt), wo tefc midfj mit
bem OmibmuS'Eontroleur auf bem $lace ©aint=3JH$el Ijerumgejanft
fabe, weil idfj baa)te, ia) t)ätte ilnn mein killet fdfjon gegeben."
©ie mar roieber einmal im 3"9e uno fp^ang in tyrem ©eplauber
oon einem ©egenftanbe jum anbern über, ©ie befd&rieb bis auf bie
fleinften ©injeln^eiten bie 2luSftattung einer Eoufine, beren Sater, $ol$<
bänbler in la ©Capelle, fid& fein Sein nidjt um stoeimalfjunberttaufenb
grancS f)ätte abnehmen laffen; ober geriet^ ganj aufeer fid) oor 3°™ bei
ber Erinnerung an bie Begegnung, bie fie neulidf) auf ber treppe gehabt,
wo ein &auSberoof)ner im ^weiten ©tod, Unterarzt in ber geburtsf)ilflid)en
fliinif, fic im ginftern t>atte füffen wollen.
©ie fa§en alle brei an einem runben Sifdjje. grau £enrn Ijatte
tyren Spiaj} in ber 5Witte unb fdjnitt fiel), olme ir)re Klauberei ju unter:
bred&en, nadf) ben 3e^nun9cn emer fltten Sflobejeitung bie oerfdnebenen
Sfjette eines 9tterinofleibeS 3uredf)t. Eugente fttdte frampfljaft weiter unb
oerroanbte lein 2luge oon ifjrer Arbeit, ©abriet roar oor lauter ©d)üdf)tern=
Ijeit nod^ immer nid)t fo recr)t ju fidfj gekommen unb ftubirte bie Malereien
auf feiner Äajfeetaffe. SBenn er ja bie 3lugen auffdfjlug, fo roagte er es
ma)t, fie auf Eugeirie ju rieten, fonbern betradfjtete baä oon ben genftern
eingeralmtte 33 lau beS ^immets> an bem teilte, gotbig fd^tmmernbe
Si>ölfc^en ba^infd^roebten als tefcte Erinnerung an bie ju Stufte gegangene
©onne.
3l(S Umi grau ^enn; baS $etit Journal reiajte mit ber Sitte,
etumS oorjulefen, glaubte er nid^t, baß er jemals barmt ju ©tank foitnnen
lörerte. ©S fd^ien ü)m, als 08 fia) bie 3«kn in fa^langenartigen sMnbungen
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236
(Jran^ois £opp£e in paris.
üor if)m bewegten, unb alä ob bie Sudjftaben fortwät)renb tf)re garbe
oeränberten. ©leiddroo^l braute er e£ fertig; aber bie SBorte, welche er
auäfprad), Famen if)m nidjt fo red)t flar jum ©emufetjein. ®r fyxttc eine
unbeutltdje 33orfteQung bauon, bafc von einem franjöfifdjen 9Jcarfd)alI bie
sJiebc mar, ber ein Gommanbo bei ber $Rt)ein?2lrmee erhalten t)atte. 3lu$
ber Sebenäbefdjreibung bicfeö Cffoierä würbe eine f)etbenmütt)ige Sfjat
berietet, als er nod) 3Sla\ox in Slfrifa war unb irgenb einen Sturm mit
beut Spajierftocf in ber #anb unb ber Gigarre im 9Jhmbe mitmachte.
Xie 9tod)t bradj attmä^iä) fjerein, unb if)re Statten füllten nad) unb
nad) baS 3immer. grau &enrn ftanb auf, um bie Sampe an$u$ünben.
(Srft jefct fafjen ©abriet unb ©ugeute einanber an, einem inneren
Crange folgenb, ber mäd&tiger mar, als it)r Söitle.
9lur eine Secunbe, eine einige nur, trafen fid) ifjre SBIide; bann
fenfte bie junge grau fofort mieber i&r &aupt auf itjre ©tieferei, obgleidt)
faft ni^tS meljr ju feben mar. 2lber ©abrief f)atte tr)rc Stugen wieber*
erfannt, jene großen, im föalbbunfel Ieu<$tenben 2lugen. ©anj fo Ratten
fie it)n einft auf bem Souleoarb SJtogenta beim Sdjimmer be3 ©a3lid)te£
angefdfaut, unb er füfjlte, wie fein Stut madjtooU bem ^erjen suftrömte.
9todjbem grau &enrn bie Sampe angejünbet, fefcte fic fidj wieber
t)in unb pfauberte mit itjrer greunbin. Sie fragte fie um SRatf), wie fic
tf)r flleib jufc&neiben fofle; unb (Jugenie gab Antwort, legte tyre 3trbeit
bei Seite unb jeidjnete mit ü)rem ginger, auf bem ein «einer gingerfwt
fafe, Striae auf bem Stoffe beä ÄleibeS. $abei fat) fic ©abriet md>t
ein einziges 3Hal an; aber man füllte, bafe e$ it)r Ueberwinbung foftete,
fo bebarrlidj feinem Slicf auszuweisen. Qx bagegen würbe breifter. 3a,
einmal trieb er bie Äüt)nt)eit foweit, ba$ 2Bort an fie ju ridjten. Sie
beantwortete feine 33emerfung nur mit wenigen Korten; babet blieb jebod>
i^re Stimme, bie füt)l unb abweifenb flingen foHte, fanft unb mitb.
Sann unb wann fat) grau &enrt) baä ^ärdjen mit einem langen, tnel*
fagenben 33licfe an, unb ein feltfames Sadtjeln umfpielte if)re Sippen.
ßnblid) oerfünbeten bie oier ober fünf ftirdjtfjürme beg SBiertelS bie
$elmte Stunbe. ©3 war eine fternenljeUe, warme Stacht, ßein 2Binbi)aud>
war bemerfbar. ©in grofcer 5?ad)tfd3metterling war au£ ben ©ärten ber
Sternwarte $um genfter hereingeflogen unb flatterte in bem Sidjtrrafe
über ber Sampe an ber £>ecfe unü)er.
©ugenie legte i^re Stieferei in ba$ leberne £äfdjdjen unb ftanb auf,
um nad) .§aufe ju geljn; aber grau $enrn fagte $u il;r mit halblauter
Stimme, als fie it)r bie 3)lantiüe ansehen t)aff:
„2i>a3 meinen Sie, ©ugenie? GS ift fo einfam auf ben äufjereu
Öouleoarbä . . . Senn Sie'« wünföen, fann £err ©abriel Sie begleiten."
„C nein, grau ^enru, ba3 ift uumögtid). 2Bal würbe mein 9Rann
fagen, wenn er mify träfe?"
,,^er? Sie wiffen boef} gan^ genau, ba§ er nie vor jwölf Ul)r au5
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<Eine 3dylle »äljrenb ber öclagernng. 23?
ber Änetpe fommt ... Sin 3förer Stelle würbe idj mid) füllten, fo allein
$u gef)en . . . $ie 3eüungen bringen alle Xage (ange ^orbgefdfndjten!"
„Saffen Sie midj, befte JJreunbin . . . e3 gef)t nidj)t."
Unb grau Clement gab ifjrer greunbin einen Slbfd&tebäfuB, ntdte
Gabriel ju unb war uerfd&wunben.
©leitd nad)f)er empfafjl fid) audj ©abriel bei grau fö^rn, bie, oor
bem Äamin ttefyenb, eine 9)lelobte trällerte unb fidt) behüte, rote 3emanb,
ber fo ret^t fcf>läfrig ift. hierauf begab er ftd) über ben einfamen, von
ben Straelen be3 SJtonbeS taghell erleuchteten Souleoarb Sainbattidjel auf
ben $etmweg ju fetner Butter.
25a über!am ifm plöfclid) eine tiefe 9Ziebergefd)lagenf)eit. ©r war
mit ftdj unjufrieben. ©r fanb ©ugenienS 33enef)men falt unb äurücfmeifenb,
unb ftd) madjjte er Vorwürfe, bafc er fid) bunmt benommen: er f)ätte am
Uebften meinen mögen.
3n ber 9lär)c be£ Glun« * SRufeum* faf) er bid&te 2Henfd)enfa)aaren,
bereu 2(uäfef)en ifmt unf)etloerfünbenb erfdjjien. Bürger, etubenten unb
Seute aus bem SSolf fprad>en (eife mit einanber. Siefe Trauer lag in
ifjren Lienen. 9)te#anif<f> blieb er ftet)n, um tfjnen 5Uju()ören.
Sßeifcenburg! ©eneral Xouat) überfallen unb getöbtet! 2>te Xuxto*
itacfc 2ßunbern ber Sapferfeit aufgerieben! $er getnb im Sanbe! %a*
erfuhr ©abriel in wenigen, mit oerbiffenem ©rintm Eingeworfenen Säfccn.
©r war fein ©goift; er liebte fein 3>aterlanb nid)t weniger, alä irgenb
ein 2foberer, unb biefe fa)redlid>e 9todj)rid)t fjatte jundajft bie 2Btrfung,
fein Stebe^felmen surücfjubrängen. 2lber als er wieber ju £au$ war,
ba$ £icf)t auSgeblafen fyatte unb in feinem f leinen 33ette lag, in jenem
2(ugenblicfe, wo alle anberen fparifer an bie SRiebermefoelung einer ganzen
2>tDtjion, an baä baljinftromenbe 33lut fo oieler granjofen badeten, flaute
©abriel, beffen ©eift fta) oon bem Silbe ber f)eifjbegef)rten grau nidjt
lo$mad>en fonnte, nur bie fwlbe ©eftalt ©ugenienä, wie fie in bem 3tmmer
beä gaubourg Saint ^QacqueS ifyrer Sttderet oblag, unb 2ljränen finblidjer .
Sfäfirung traten in feine 2lugen, wenn er fid) nod) einmal oergegeiu
wärtigte, wie fie fi<$ in ifjr gtngerdfjen ftad), e$ befyutfam jwifdjen itjre
^erlen$älme preßte, unb auf itjrem weißen ©runbe ein einziger, ganj
fleiner Xropfen 33lut jum &orfd)etn fam!
VI.
Unb nun nahmen jene langen, fdj)iner$en3retd)en 2lugufttage tyren 2lu-
fang, wo bie Sonne, wie jum &of)n in beftänbiger $ßrad)t erglänjenb, ifyre
glüfjenb Reißen <2ftraf)len auf bie geängftete, entfette Stabt {jerabfanbte.
3unäd)ft würbe ^iartä mit einer Unjafjl un^eilooHer 9todjrta)ten über;
fajwemmt. $te SRteberlage bei ^eid^d^ofen*) würbe befannt, jenes enlfefclidje
*) So benennen franjöfif^e a)iilttärf(öriftfteUer bie 2Mt bei ©ort^. %mn. b. llel^rf.
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258 ^ran^eis £opp£e in paris.
Unglücf, baS ber Patriotismus beS Spießbürgers burdj bie £egenbe oon
bem tobeSmuthigen 9litt ber ftol$en ©arbe*flüraffiere ju befdjönigen fudjte.
Tann famen in fdmeller Aufeinanberfolge, Sd&recfen oerbreitenb, unKare
Telegramme: ßeine Nachricht oon Jroffarb. 3llle$ fann noch
gut werben, ^aris ift fchleunigft in 2$ertheibigungS$uftanb ju
fefeen. Unb gorbach? Aßgemeiner 9iücf$ug *>er Unfrigen! Strafeburg be=
lagert! 3Kefe eingefchloffen ! Schon werben bie Sanken ber erften Ulanen
fid)tbar, an aüen fünften ring« im Äreifc tauten Tie auf, in immer größerer
9fäf)e. Tie Kammern erftären ftd) in permanens, baS vMnifterium fällt
ber allgemeinen 2i>uth $um Opfer, bie Sinfe tjcbt brohenb unb gebietertfdj
il)re Stimme, 9Jothgefefee werben gefd&affen, 3Waueranfd)läge uerfünben ben
BelagerungSsuftanb. Tann plöfcliche Stille, baS Ausbleiben jeber Nachricht,
beängftigenber als bie fdjlimmften Nachrichten. Tie $äuSlichfeit wirb auf
bie Straße uerlegt; bort werben bie 3«hmgen porgelefen, lauge hieben
gehalten, Tebatten aller Art geführt. Tie große SDlaffe, oon £eid)tgläubigfeit
unb Hoffnung betf)ört, nimmt alle ÜKärä)en oon Siegen vor 2Wefe unb in
ben Steinbrüchen oon .^aumont für baare SJiünje. ^Saris erhält jeben
Tag ein anbereS 2luSfehen. 9iod) geftern fah man überall bie lächerlichen
Uniformen ber Feuerwehrleute aus ber ^roomj. Tie Regierung, welche
ooüftanbig ben flopf oerloren hat, ^at fie herbeigerufen, um einen möglicher:
weife auSbredjenben Slufftanb $u unterbrücfen. .freute finb bie Straßen
gebrängt ooll oon fd&mufcbebecften, unooUftänbig auSgerüfteten früheren
Solbaten unb ^eferoiften in meift betrunfenem 3uftanbe. borgen be=
gleiten lieber unb rafenbe $urraf)S bie Abfahrt ber noch unbewaffneten
SDtobilgarben. &eute ()at ^aris, burä) eine fcüfdje SiegeSnachricht betrogen,
einen Tag lang geflaggt; morgen ftrömt es in bellen Sd)aaren ju ben
geftungSwerfen. £HS baljin waren fie nur 3^u9cn DC* Schäferftunben beS
tKefruten unb feiner Siebften, ober bienten ben 2>orftabtSbewofmern als
Tummelplafc ihrer SonntagSoergnügungen. £eute finb fie burch bie SchaufeC
ber (Srbarbeiter aufgewühlt, mit ^ferben unb Arbeitern bebedft. Ringsum
* hört man bie oon ben Abtheilungsführern gegebenen befehle, ^ie unb ba
funfeit im ®rafe ber Söfchungen bie SBrouje ber großen 33elagerungSge=
fchüfce. SBom ßriegsfieber erfaßt, lernen bie Bürger in ben tfafernenböfen
erercieren; fie finb rottenweife aufgeteilt unb ihre ©ewehrfolben erbröhnen
auf bem pflafter. 2luS ben Thüren ber 3Wairien, an benen bie bid)tgefchaarte
^enge bie noch feuchten 2lnfcf)lag$ettel lieft, treten Bürger heraus. 3eber
trägt ein @ewehr auf ber Schulter, aber er hält baS Bajonett oerfebrt. Schon
treibt bie gurdjt oor ber ^noafion bie Bewohner ber Umgegenb frrom«
weis 3U ben jyaubourgS herein. 3hr armfeligeS 2)iobiliar befinbet fid)
auf einem &anbwagen, ber 2Rami hat fid) oorn eingefpannt, bie grau
ftößt oon Ijiuten, bie Äinber finb mit karteten belaben. Unb als lefcteS
Srmiptom ber nahenoen Belagerung fielet man sahireiche beerben magerer
abgehefeter Cdjfen unb ftaubbebecfter Schafe in Umzäunungen eingepfercht,
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— - (Eine 3by1^ roäljrcnb ber Belagerung. 259
bie in aller (Site inmitten ber öffentlichen ©ärten unb auf ben oorftäbtifdjen
Bouleoarbs angelegt worben finb.
2lber berjenige ^arifer, ber fid) am wenigften um biefe rafenbe 2Iuf*
regung, biefe förnerpoHen Befürchtungen, biefe tf)öridjten Hoffnungen be*
fümmerte, mar ganj beftimmt unfer ©abriel.
@r hatte grau &enrt) wieber befugt, (Sugenie wiebergefehen. SlnfangS
roar er alle brei ober oier £age Eingegangen, bann öfter, bann alle 2lbenbe,
unb je&t lebte er nur noch für bie jwei Stunben, bie er in jenem 3tmmer
beS gaubourg, an ber «Seite ber beiben bei Sampenfchein arbeitenben
grauen jubrachte, mährenb ju ben offenen genftern ber würjtge £>uft beS
Raubes ^ereinftrömte, unb am Gimmel bie Sterne ber fdfoönen Sommer*
näd)te funfeiten.
3n ber erften Seit fdjien es, als fei bie ©egenwart beS jungen
9)2anneS ©ugenien unbequem, benn fie hatte fid) it»m gegenüber ftets äußerft
füjjt unb jurücfhaltenb gezeigt; aber ba fie urie er naio unb fchüdjtern war,
hatte fie fein ftttleS, fanfteS SBefen julefct gerührt, unb einige alltägliche
Lebensarten, bie er mit einer oor tiefer Aufregung jitternben Stimme oor=
zubringen gewagt hatte, waren oon ihr mit größerem 3utrauen beantwortet
roorben. Bisweilen ruf)te tr)r 33licf ooUer Sympathie auf bem ©efidjte
©abrielS. (SineS 2tbenbs richtete fie fogar suerft baS 2Bort an ihn, unb
unwillkürlich glitt ein trauriges Sädjeln über ihre Sippen, als fie bie un*
auSfprechliche greube bemerfte, welche in biefem 3lugenblicfe in feinen
klugen aufleuchtete.
(Gabriel mar augenfeheinlich grau §enrnS Schübling, 3)iefe grau
ohne ©rjiefmng unb oon vielleicht nicht ganj vorwurfsfreien Sitten fotmte
in SiebeSangelegenheiten unmöglich ein aHju ftrengcS SRidjteramt üben.
Sie hätte vielleicht ihrer greunbin gerabe feinen fd)led)ten 9iatl; gegeben;
aber es machte ihr Vergnügen, ju fehen, wie bie Siebe im fersen beS
jungen Cannes feimte unb wuchs, unb in ihrer unbewußten Unmoralitat
hegte fie faft ben ftiUen SBunfch, baß biefe Siebe geseilt würbe.
©abriel liebte mit jener leibenfehaftlichen ©luth, welche bie erfte Siebe
fennjeichnet, unb bie, ach leiber! nur einmal im Seben unfer £er$ entjünbet.
2£aS ihm grau &enr« oon ihrer greunbin erjagt, was ihm (Sugenie oon
ihrem SBefen unb ihrem Seben in ihren 2lbenbunterhaltungen offenbart hatte,
bies SlUeS hatte in feiner SBruft ein glühenbeS geuer ber 3ärtlidrfeit unb
bes 3RitleibS entflammt. ©r ahnte jefct, welch trauriges, qualvolles £afein
bie fleine grau in ber ©he führte. Einfachen ^e^enS, oon jarter, liebe*
voller ÜRaturanlage, war fie mit einem Arbeiter oerbunben worben, ber fid)
jwar über feinen Stanb erhoben, aber, oon &aufe aus roh unb heftig, jefct
noch burä) bie fchled)ten 3eitverhältmffc »erbittert war. Unfer &elb fühlte
wie elenb unb oerlaffen fie fid) in ber unermeßlich großen Stabt, in ber
fie Sfäemanb fannte, oorfommen mußte. Sein geiftigeS 2tuge folgte ihr
in ihre &äuStichfeit; er fal;, wie fie einfam unb allein, ohne Sienftmäbdjen
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240
^rati^ois Ctoppec in pari«.
3ltle3 beforgte unb ihrem Manne ba3 ©ffen fod^te. 3m 9lrbeitSrocf fam
er aus bcr ©erfftatt herüber, blieb oft noch an ber £hürfchtoelle ftehen,
um irgenb einem [einer Seute einen SBerroeiä ju erteilen, unb oerjehrte
bann in aller (Sile [ein Mittagbrot. Seine ganje Unterhaltung beftanb in
einigen furjen, mit rauher Stimme an feine grau geästeten Korten,
wobei feine umbüfterte Stirn nicht einen 21ugenblicf Reiter würbe, benn er
^atte beftänbig 2lngft um einen falligen SBechfel. ©abriet fannte bie un;
enblidj langen 2lbenbe, welche ©ugenie oor ihrer 33efanntfchaft mit grau
&enri) in bem bürftig auägeftatteten &och$eit£$immer jugebraa^t, beim Sicht
einer ßerje nähenb unb bie Mitternachtöftunbe erwartenb, wo Un* Mann
enblid) aus bem 2Birth$hau$ tarn. Seine Sloufe trug bann gewöhnlich
weifee Slretbeflecfe oom 33iHarbfpiel, fein Slthem roch nach ©lühroein, unb
oor bem Schlafengehn flopfte er bie 21fdje feiner legten pfeife auf bem
Marmor bc£ 5iamm3 aus. $m Sauf ber mit (Sugenie gepflogenen Unters
Haltungen hatte ©abriet oft nur burch einen Seufser, burch einen $um
Gimmel empor gerichteten 33li<f, burch ein fchmer^lich ironifdjeä Säbeln
erfahren, roeldje Seiben fie erbulbet, welch' bittere Xljränen fte im ©eheimen
fdjon uergoffen. 2£eld) Marter für ben armen Verliebten, ber fia) noch
baju fagen mufete, ba§ es barauS feine Rettung gab, ba§ fte oerheiratbet
unb mithin alles Mitleib oergeblich, aller 3°™ ohnmächtig war.
©inen £roft ieboch hatte er: er bemerfte, ba& jene Stunben harmlofer
Klauberei, bie fie alle brei bei grau &enru oereinten, einen gewtffen Räuber
auf ßugenie ausübten. (Sr hatte in feiner £er$en§etnfalt feine 2lbnung
unb ©ugenie hatte ftü>rlidj felbft feine fo redete Vorftettung baoon, welch
tief innerem ©lücf fie bei bem ©ebanfen empfanb, oon biefem Sfowtoia.
geliebt unb beiounbert ju werben. Sein fanfteS, ftiUeä 2ßefen, feine 3urücf *
haltung, feine $u ßerjen gehenbe Stimme, feine fchöne weifte £anb, bie
jum Streicheln unb Sicbfofen wie gefchaffen faxten, fein träumerifche*, ans=
brucfäoolleä fchwarjeS 31uge hatten ihr'S angetan, 3n feiner Unf(hulb fah
er ni(ht, welche gortfdjritte bie Siebe fchon in bem ^en ber jungen
grau gemacht hatte; aber fooiel mar ihm flar geworben, bafe Tie bei
ihren traulichen ^ufammenfünften auf bem 3immer beS gaubourg
Saint*3acque$ gar fchnett ihr. fdnoermfithigeS, trauriges Sefen ablegte,
ja, bafe fie fogar manchmal ganj fröhlich unb oergnügt lachte, wa$ ihn
ungemein beglüefte.
3eben Slbenb las er ben beiben greunbinnen baS $etit Journal
oor. (S§ mar bieä allen dreien fchon jur lieben ©ewohnbeit geworben, unD
für grau &enrp, bie nach ben erften ftieberlagen aufgehört hatte, Öona*
parttftin ju fein, eine ©elegenheit, bie Siepublif *u prebigen, unb ba$
Maffenaufgebot unb ben Sieg bei ben Älängen ber Marfeillaife $u forbern.
©abriet freute fid)f wenn fich bie fchöne brünette biefen patriotischen
#er$en$crgü))en hingab; nicht ate ob er ihnen fonoerlid)e 3lufmerffamfeit
gefchenft hätte, fonbern weil er bann feine Seftüre unterbrechen unb fich
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€tne 3&VlIe H>äljren& ber Belagerung.
fo re$t in ben 2lnbli<f (htgemenS oertiefen tonnte. SiSroetlen braute er
aud), um bie Sifeung ju uerlängern, ein üBudj mit unb roürjte bie tägliche
3ettungdfofi burd) ben Vortrag einiger SBerfe ober eine« feffelnben SKomanS.
So madjte er bie beiben grauen mit ben unfterblidjen ©rjählungen be*
i>lbb£ $reooft unb einigen ber letbenfäaftUdjften Eichungen SHfreb be
Sttuffetä befannt; unb roieber einmal bienten bie frönen 93üd>er, bie von
£iebe fpredjen, jroei fdjücfjternen Siebenben aß Vermittler.
VII.
3In einem ber lefcten Sluguftabenbe hatte bie £eftüre länger ate ge*
wöfmlich gebauert, unb auf grau £enrn$ einbringlidje* Sitten gab ©ugenie
fd&liefelich ihre (Sinroißigung baju, bafj ©abriel fie nad> &aufe begleitete.
3hr Wann mar nidjt in s$ari3, er hatte ftd) in gefdhäftlidjen Angelegenheiten
auf furje 3eit naa) Ghartres begeben, unb bie ©efaljr einer Begegnung
war ba^er au3geid)lof[en.
3um erstenmal in feinem fieben füllte ©abriel, roie ber 3lrm ber
jungen grau ftd) oertrauenSoou" in ben feinen legte, roäfjrenb fie ©eibe lang:
famen v2d)ritt^ unb fchroeigenb ben einfamen gaubourg entlang gingen, tuo
i^re Schritte in ber ftillen Sommernadjt auf bem über bie Jtatafomben
fü^renben ÜBege einen bumpfen SSieberhaÖ fanben.
So gelangten fie, olme ein äöort miteinanber geroedjfelt ju haben, auf
ben breiten, fd)önen ©ouleoarb be la ©lacu're, beffen t)or)e, heut oer=
fd^rounbene 23äume ir)re bunflen SStpfel jur sJ>rad)t be£ Sternenhimmel
emporftreeften. $n ber Witte ber Ülllee bemerfte man eine fid) roeit fun*
3ie^enbe, aus fd)Ied)ten ^Brettern jufammengefügte Verjäunung, über roeldje
bie fdjroarjfarbenen Börner ber rjier roegen ber brobenben Belagerung $u=
fammengepferd)ten Jiinber hinausragten.
2ll£ fie fidj im ©chatten beS ©ouleuarb befanben, mäßigte ©ugeute
plöfclicf) ihren Stritt unb fprad) mit bebenber Stimme:
„&err ©abriet, id) mufj 3hnen etroaS fagen, ba§ Sie mir fjoffentlidj
nid^t übel nehmen werben. Qdj felje, bafj Sie mir feit einiger Seit 51t
arofje 3lufmerffamfeit roibmen, unb baS macht mir oiele Sorge. 9tur um
midj mit ffinen barüber in aller Cffertbeit auSjufpredien, habe id) 3hre
Begleitung angenommen. 3$ roill nidjt, bafe Sie fidr) um meinethalben
Hummer machen. SBiffen Sie, roaä Sie tl)un müfcten, wenn Sie oerftänbig
mären '$ grau &enn) ntd)t mehr befugen. 2i>ohin follte es uns führen, wenn
mir einanber gut mürben ? Sie mürben barunter leiben, unb aua) idj bin
fo fd)on unglütfltdj genug. $abei tft'e gar nid)t red)t oon mir, bafj id)
flage . . . benn ba$ 2eben ift nun einmal fo."
Sie mar ftebeu geblieben, fie fprad) fd)nell, in größter Auflegung,
unb hatte ntd)t bemerft, ba& ihre ^änbe fd)on in beuen bes jungen Cannes
ruhten. 3lber plöftlia) hörte fie ein Säjluchjen, unb fie fühlte, wie ein
alühenbheiBer Xropfen auf ihre &anb fiel. Gabriel meinte.
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242 ^raucots <£opp*c tu paris.
2öa£ f prägen fie bo miteinanber ? 9ldj, tfrc wifjt es, bic ihr etnfi im
2)unflen am SBufen eines SBeibeS geweint, bie if>r einft baS Sßort „auf ewig"
mit tteffter lleberjeugung auSgefprodjen, bie ihr bett tootmigen Sd)mer$ ber
Siebe fettnt! 3h* allein wißt e$, bie ihr burd) einen oorwurfSootfen 23lict
teurer Sfagen benimmt, bie heiligften Schwüre, fefi unb tugenbljaft §u bleiben,
oerrathen habt ! 9toioe, erhabene föerjen, bie ihr, in einer einzigen Stunbe
eurer $ugenb baS ganje $beal eures Sebent oerwirf H<3t)t ju fehen geglaubt ;
bie |if)r mit jenem göttlichen Xraum baS ©lücf eures $)afeins begraben,
beren 9Iug' .fett jener Stunbe erlofajen, beren Stirn feit jenem Moment
gebleicht ift — ihr allein werbet 9)iitleib haben mit ben beiben armen 2Befen,
benen baS ©efc^icf fo wenig 2roft unb greube gegeben, unb bie, verloren
in ber ©infamfeit jener Ijeifjen, r»on 2Sof)lgerücf)en burdjwürjten (Sommers
nad)t, bei bem milben Sidjt ber Sterne bie ^flidjten ber ©efellfchaft ner=
gafeen unb ganj in ber UnenbUdtfeit ber Siebe aufgingen.
Sie Ratten fid> auf -eine 33anf gefefct, ©abriet weinte bitterlid).
Gugenie fuäjte ihn 5U beruhigen, ju tröften; fie troc!nete feine S^ranen mit
ihrem £afd)entud)e unb flehte ihn an, ihr ein Säd>eln ju fd^enfen.
£ann ftanben fie auf, liefen &anb in £anb, bt<f|t an einanber ge*
prefet, unter ben ^Baumen umher unb plauberten mit leifer Stimme. Sie
erzählte ihm ihre ganjc SebenSgefdhichte : wie fie als flinb bei ihren (Altern
auf bem Sanbe gelebt, wie man fie ju jung oerhetrathet, unb wie fie fid)
oor ber rauhen Stimme unb bem ftruppigen &arte ihres Cannes ge*
fürchtet habe, ^aris fei ihr oerhafjt, es fei ju grofe. Unb auch manchen
(inblichen 3ug uerflocbt fie in ihre 9iebe, unb berichtete ihm, bafe ber
grofee sil>achh«nb ju §aufe fie nie erfenne, unb bafe er, wenn fie in ber
9Jacht heimfehre, an ber Mette reifeenb ihr nachbelle.
©abriet hörte ihr 511 wie im £raum; er blitfte fie an, baS 2luge
umflort »on Kranen. 2)ann überfdjüttete er fie plöfclich mit fragen; er
wollte ihr ganjeS Sdjitffat erfahren, bie unbebeutenbften (£in3elhetten ihres
SebenS, bie geheimften ©ebanfen ihrer Seele.
deiner fpradj jum anbern von Siebe; fie beburften beffen nid)t.
(higeniens gefaltete &änbe hielten ©abrieU 9lrm feft umföloffen, unb fo
fatjen fie einanber in bie 3(ugen.
Sie blieben in bem Steile bes Söouteuarbs, weldjer über bie 33uore
führt, am 9tanbc ber fteinernen 33ruftwcf)r ftehen unb flauten einen
3lugenblicf Inn auf bie in ber finfteren 9fadjt nur nocfy fd)wer erfennbare,
büftere Sanbfchaft, auf baS bunfle, fdmiale SBett bes gluffeS, bie unbe-
weglichen, hodjragenben, ben gernblid bejdjränfenben Rappeln unb bie
freien s}?läfee, wo an Sdmuren 2^äfct)e jum Xrocfnen aufgehängt war.
Sangfam ertönten @lodenfd)läge in ber gerne, es war Mitternacht.
,/M), ift baö fpät geworben!" rief Gugenie erfchroden; „ich follte
fdjon läiiöft $u £au* fein. Sdmelt, fchneli!"
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€ine 3&ylle »ä^rcnb i>cr Belagerung. - —
2^3
Sie beeilten ihre Stritte unb befanben ftd) in wenigen Minuten auf
bem Souleoarb b'^talie, vor ber 2£ofmung ©ugenien«.
Seim Schein einer ©a«laterne bemerfte ©abriet inmitten einer halb
jerfaffenen 2Wauer eine große, roh gearbeitete höljerne Xfyüx. Ueber ber=
felben mar ein roeij? geftrichene« 33rett angebracht, auf welchem fid) in
ft^roarjen Settern folgeube S5>orte befanben, bie ber Siebenbe nur mit ge=
pre§tem &erjen $u Iefen oermod)te: „(Element, 3immermeifter." fie
bamt ganj nahe an biefer £f)ür fianben, unterfchieb ©abriet unbeutltch
burd) bie au«einanberftef)enben Fretter, au« benen fte gejimmert war, einen
jiemltcb grofjen 33auf)of, in meinem eine Unjatjl Satten unb Sohlen auf=
aefdjichtet lag, unb wo ein wfitbenbe« &unbegebell erfd)ou\ 9lm äufjerften
©nbe be« &ofe« fah man ba« niebrige, flache £ad) ber Serfftätte, unb
jur Sinfen enbtid) ba« fleine, im regelmäßigen Stered erbaute SBolwhauS,
ba« nur einen Stod hoch mar. @« war nod) gan3 neu, unb macfite mit
feinen fnrnmetrifchen ^entfern unb feiner fchmudlofen, jeber Ser$terung ent=
bebrenben gacabe einen trübseligen ©inbrud. &ier alfo, in fo nicht«:
fagenber, reijlofer Umgebung lebte ©ugenie mit bem 3lnbern $uiammen;
unb bei biefem ©ebanfen tonnte fid) ©abriet eine« ©efür)(« ber Sitterfeit
rrict)t erwehren. (Sugenie hatte fd)on ben Schlüffet in'« Schlofj geftedt.
„Sehen mir un« morgen?" fragte ber junge 3ttann unb feine Stimme
flehte um (£rl)örung.
Sie t)atte feine Segleitung nur angenommen, um itm 3U bitten, auf
ein Sßieberiehen ju r»er$id)ten; aber jefot, im entfdjeibenben 2tugenblide,
ließ fie ihr SKutf) ooflftänbig im Stich.
„3a, morgen!" antwortete fie, inbem fie mit ber einen £anb bie
fernere Xfffir öffnete, unb bie anbere ilmi entgegenftredte.
(£r ergriff bie bargereidjte $anb; unb plöfclich, einem inneren, uns
TDiberftefylidjen Crange nachgebenb, fanfen bie Siebenben einanber in bie
2lrme, unb oon leibenidjaftlidjem Seinen erfaßt, feiner Sinne faum machtig,
prefjte ©abriet feine fjeifcen Sippen auf ©ugenien« Stirn, it)rc gefenfteu
Slugentiber, itjren halbgeöffneten 5Hunb.
,,$a« ifi Unrecht! Saffen Sie mich, £err ©abriet! $a« ift fcr)r Un=
red)t!" murmelte ©ugenie, am ganjen Seibe erbebenb; ftd) ben 3lrmen bc«
jungen 3)?anne« entwinbenb, ftürjte fie in ben £of unb fd)lug bie 5Tr)ür
heftig hinter fid) 5U. 9tfit lautem ftradj fiel biefe in1« Schlofj unb gitterte
nod) lange nachher.
©abriel fah fie entfliehen unb in bem Käulchen oerfchromben. ^c)i-
gebannt blieb er oor bem bfifteren, abgelegenen Saubofe flehen, in weldjem
man ba« beulen eine« im £unfel verborgenen ßunbe« nernahm. Sein
2luge richtete fich empor jum ^immet^sett, an welchem unzählige
Sterne' funfeiten. Seine $änbe gitterten wie bie eine« ©reifet.
3hm jauchste ba« £er$ laut auf in ber Sruft. Gr l;ätte am licbftcn
fterben mögen.
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2<\\ ^rati^ois <£oppee in Paris.
VIIT.
©tneS £ages ging ©abriel gegen brei Ufir DtodjmittagS ben Quai
b'Crfan, ber ftdj' am ©arten beS GorpS SegiSlatif entlang $ief)t unb im
«ogen um baS GingangStfwr beS SHintfterium* beS Wurmartigen menbet,
(angfam auf unb nieber.
GS mar ein fef)r fdjöner, aber babei fcr)r feiger £ag. 9Han merfte
es bem jungen SJtonne an, bafe er auf feine Toilette bie mögliche Sorgfalt
oerroenbet fjattc. @r trug ein graues, elegante« Sommerbeinfleib unb einen
$ut r»on imitirtem Manama. ®r wartete auf ©ugenie.
2tm Xage nad) bem oon uns befdjriebenen nädjtltdjen Spa5iergange
fcfjrte if)r SHanu oon feiner 3ieife jurücf, unb ©abriel burfte in gotge
beffen bie junge grau nid&t mein- bis nadj &aufe begleiten. 2lber feit ber
IMebenbe bie SSonne beS 3ufammenfeinS ju Speien fennen gelernt, genügten
il;m bie SBefudje bei grau föenrn nid)t mefjr. ^eben 9lbenb oerabfa;iebete
er fidj jugleidj mit ©ugenie oon ber fdtfanfen Sörünette, ging einige
Sdjritte mit unb bat fo lange unb fo bringenb, bis fie ifym eingeftanb,
*ie gef)e mandjmal allein aus. „$8ieHeid)t fönnen mir uns fogar gleidj
morgen treffen; idj f)abe gerabe eine Seforgung auf bem ©roS^Gaillou.
3ft Üe erlebigt bann gefje id) über ben Dual b'Drfau nadj &aufe." Unb
an biefer SteUe ift es, roo mir unfern greunb, gepeinigt r»on allen Qualen
ber (*rroartung, roieberfinben.
Dbgleia) bie Stunbe bes DtenbejoouS nod) nidjt gefdjfagen fjatte,
fonnte fid> ©abriel oor Ungebulb faum faffen. £>en Reißen Straelen ber
Sonne fdjufelos preisgegeben, ging er unruhig auf bem 2lSpf)altpflafter
Inn unb Der. £)ie glüljenbe &ifce Ijatte es ertoeidjt, fo bafj ber 2lbbrucf
jebeS gufjes, ber es betreten, beutlidj erfennbar mar, oon ben formalen,
bid)t neben einanber Ijinlaufenben Spuren nieblidjer $amenfd)uf)e bis ju ben
breiten Sohlen fdjroerer iReiterftiefel, bereu 9iägel man fyätte jä^lcn fönnen.
©abriel Ijatte fa>n alles ÜDiöglidje oerfud&t, um bie Seit f)in$ubringen
unb feinen ©eift ju befdiäftigen. Gr roufete bie 3<# oer eifernen Stäbe
auSroenbig, roeldje bas ©ittertljor beS SJiinifteriumS bilbeten, er fonnte
genau angeben, wie oiel $äuma>n auf bem Srottoir gegenüber, bie $ruft=
metyr entlang snrifd)en bem s$ont be la Goncorbe unb bem Vßont beS
^noalibes ftanben. Gin ober zweimal war er fogar fd>on über ben gafyr:
bamm gegangen unb Ijatte feine 2lugen an ben mit 2lnnoncen bemalten
©laSroänben ber 3eitungS*ftioSfe auf* unb niebergleiten laffen, ofme ficr>
in fetner ©ebanfenlofigfeit über tfjren Sinn flar ju roerben. Slufmetffam
t)atte er bie Profile aller gefrönter Häupter auf ben ^reiSmebaillen be--
tradjtet, meldje ber C olonial=®efeÜfa)aft auf ben oerfd)iebenfteu 2luSfteHungen
für jpcrftellima, oor^üglidjer (Sljofolabe juerfannt roorben waren, unb mit
ftarrem ^licf Den sJ)totm mit oem ftruppigen £auptl)aar gemeffen, ber bie
■)lacftl)eit feines £orfo l)tnter einem ^ute oerbirgt.
Gr backte an bie sJ)iöglid)feil, bafe fie nicr;t fommen fönnte; oiettei^t
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<£inc 3&YIle n>ättreni> ber Belagerung.
245
hatte fic irgenb eine Abhaltung gelobt, ba$ wäre boch fchliefjlich ganj
natürlich. ©leich barauf fd^ien e3 ihm wteber, als mü&te er 6ei bem
blojjjen ©ebanfen hieran vor Schmer^ vergehen, unb er fagte fid), bafe fie
bamit eine unglaubliche ^erjlofigfeit an ben Tag legen würbe.
^löfclich fat) er fie unter ben Zäunten ber ©äplanabe im fchnellen Saufe
auf fid^ juformnen. ©r eilte it)r entgegen, fie fdjon oon fern mit freubigem
Säbeln begrüfeenb. Salb ftanben fie bei einanber, noch ganj außer Sltfjem.
©ugenie nahm feinen 2lrm, unb noH ©lücffeltgfeit blieften fid) bie Siebenben
in'S 2luge.
Sie trug Un* grauet Äoftüm unb ihren gafanenfeberhut. Die £i$e
unb ba$ fa^neHe Saufen hatten ihr ©ejicht leidet gerötet. Schweißtropfen
perlten auf ihrem Warfen. $er geftärfte &al$fragen tjatte bort eine jarte,
rofige Sinie gejeidmet. 3^e 2lugen [trauten, ber buftige ßaudj ihres
SlthemS ftreifte ©abriete ©eficht.
„2tä) ©ort/' fagte Tie, „ich W folche 2lngft. Senn uns 3emanb
begegnete . . ."
„3$ bäajte," fagte ©abriet, „mir gingen über bie SBrücfe unb fefcten
uns in ben Dampfer. 9Hit biefem fahren mir bis jum <point*bu*3our,
fieigen bort in bie ©urteleifenbahn, unb fommen fo bequem bis jur ^Sorte
b'3talie, ganj in bie ftähe 3hrer Sohnung. — Unbentbar, bafc wir
Semanben treffen . . .Sollen Sie?"
Sie niefte ihm $u, unb als fie jum SanbungSplafc heruntergegangen
waren, blieben fie cor bem Stege, ber jur ftampferftation führte, flelm. 25er
Kämpfer n>ar eben fort, unb fie fajjen ifm auf ber Seine in oollem Saufe bahtn=
jagen, feine luftig wtrbelnben 9iaud)wölFchen jum Sichte emporfd&leubemb.
beruhigt blitfte (Sugenie um fid). Siiemanb mar auf ber ftdj fanft
t)in unb ^r roiegenben SchiffSbrüde ju fer)n. SeiS raufchenb ftrömten
bie Sogen f^ran, welche bie gahrfpur beS Dampfer« begleiteten. Sluch
auf bem langen, fchmalen gufewege ben glufj entlang zeigte fia) feine Seele.
„Sollen wir nicht einen t leinen Spaziergang machen?" fragte ©abriet,
ben Suufd) feiner greunbin ahnenb, „mir fönnen ja am <pont b'tHlma
einzigen."
Sie machten fid) auf ben Seg. 3ur fechten ragte bie hohe, maffioe
Cuaimauer mit ihren runben ^uSguf$tf)üren unb ihren großen, eifernen,
in gleichmäßigen 3rot<$ienräumeu in baS 9J?auerwerf eingelaffenen fingen
empor. Cben am SRanbe ber fteinernen 33rufttoer)r waren 33aumfpifoen
ftchtbar, auch bann unb mann ein über bie 23rüftung gelehnter Spanier*
ganger. Sur Sinfen floß in ber Dichtung ihres SegeS bie Seine. $on
ihren frifchen, reinen, in munterem Saufe bahinftrömenben ©ewäffern
toefjte ein erquiefenber Sufthauch rjertiber. 2Me §ifce mar nicht mehr fo
brüctenb. ©in leifer Sinb hatte fich erhoben, unb weiße Sölfdjen bilbeten
fief) am Gimmel, ber ein weniger tiefet Ölau jeigte. Qm 2luguft herrfcht
fdwn in ben fpäteu 9tochmittagftunben eine herbftlich milbe Temperatur.
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2^6
ijraitsois £oppee in paris.
9luf ber anbern Seite bei Stoffes fahen fic Sännet bamit befchäftigt, bte
langen Staune austoben, bte auf Kanälen auä glanbem angefommnen
waren, unb auf bem Quai b'Drfao, hinter bem Vorhänge ber ihres Starter*
ichmuds fdwn tyatb beraubten ßinben erfd)ienen bie langen Dää)erreif>en
ber £abafS*gactorei unb ber faiferticheR Stalle.
„Kenten Sie auch manchmal an mich?" fragte ©abriet bie junge
grau, unb brücfte it)r bie &änbe. Gugenie, bie tr)te $anbfcbuhe ausgesogen
hatte, erwiberte biefe grage burch einen leichten £änbebru<f.
2tuf ihrem 2Bege famen Tie bei einem Angler oorüber, ber, am Ufer:
raube ftfcenb, feine Seine jum äßaffer herunterlangen lieft. 2)er Sftamt
breite fid) um unb warf irrten einen jerftreuten Slicf ju. ©abriet muftte
(rugemenS &anb loSlaffen. Sie felbft errötete tief unb fd)lug bie 3lugen
nieber.
2llS fie bie jum Sßont b'üllma fanft emporjteigenbe Söfchung ^inauf^
gingen, fiel ifjr Stiel jufäßig auf bie bort jum Schmucf ber Sriicfenpfeiler
aufgehellten fteinernen giguren beS (ShaffeurS unb beS 3ouaoen.
„2öie grofc finb fie bo<h, in ber 9lä> gefefm!" fagte ©ugenie, unb
geigte mit ihrem Sonnenfdjirm auf bie bciben ßoloffalftatuen.
©abriet antwortete: „©leid) baS erftemat, als i<h Sie bei grau
#enrp fah, fjatte ich bie (Sinpfinbung, baft id) Sie auf eroig lieben müftte."
Unb bie junge grau fenfte baS .§aupt unb feufjte.
3113 fie roieber auf ber anbern Seite beS $ont b'Sllma, am gtuffe
unten ftanben, tjiett ber Dampfer gerabe an ber SanbungSbrücfe. Sie
mar gebrangt ooll.
„2ßoflen mir mitfahren V fragte ©abriet eingeflüstert.
„92etn!" antwortete ©ugenie, „gehen roir lieber."
Sie festen ihren Spaziergang längs beS Ufers fort. 3ur Stedten
hatten fie jefct ben frönen, mit Säumen befehlen Quai oor bem ©arbe«
9J?euble. Sor ihnen tag ber $ont b'^ena, auf welchem oier ftot$ einher»
fdjrettenbe Stoffe ihre weiften Silhouetten am Gimmel abzeichneten.
Sie gingen fefjr langfam. ©ugenie, nad) oorn gebeugt, fd)ien bie
Steine ju jählen. ©abriet preftte irjren 2lrm fanft an ben feinigen unb
betrachtete il;r Profit. ÜJlit järtltcher 9tüt)rung haftete fein 2luge auf einem
flatternben Södfchen, baS, uom Sßirtbe bewegt, an GugenienS Dt)r erbitterte.
„GS ift alfo waljr, baft Sie mir ein wenig gut ftnb?" fragte er.
©in fo inniger Stic! traf it;n aus ihren fd)onen groften 2lugen, baft jebe
anbere Antwort überplüffig war.
„SBeShatb fprechen Sie fo ju mir, trofcbem Sie ganj gut wiffen, baft
bieS nicht fein barf'?"
Sie traten unter bie niebrigen, finfteren Sogen beS ^ont b'3etta,
wo baS äöaffer tauter ranfchte unb ber dharafter ber Sanbfd)aft fidt) ooU--
ftänbig änberte. Stiles ^atte fdjon einen mehr tänblichen Slnftridt). 2&r
ihnen lag, mitten im gtuffe hiugefrrecft, bie lange, fchmate ©eftalt ber
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(Eine 3&yllc roäljrcnb btv Belagerung.
2^7
©<$roanemnfel, prangenb im fdjönften ©rün; graue, nad) Süben 51t ftdj
neigenbe SBolfenfäulcn entftiegen ben vielen Sajornfteinen ber gabrifen in
©renelle, unb in blauer 'Seme, weit ienfeits ber ^otjbrucfe unb be£ ^eü-
fdjimmemben Viabucte jeigten ficf) bie unbeutlidjen Umriffe ber &ügeh
fetten oon SReubon, umfränjt non Ijeifeem golbigen 9?ebel.
mar mir ein roafjreä ^ersenäbebürfnifc, Sie einmal ju fpredjen,"
fagte ©abrief. „Söenn id) allein bin, fo lege idj mir 9lü*e£, roa$ idj Qfmen
fagen möd&te, in ©ebanfen &ured)t; aber wenn tdj bann bei 3fmen bin,
babe idj 3Hle3 roieber oergeffen, idj fann mir 9fid)t3 behalten. Unb bod)
fmb Sie baä einzige 2Befen, in be)7en ©efellfdjaft id) nidjt fdjüdjtern bin.
©3 liegt etwa* fo £erjlid)e3 in 3^rem ©lief, Sie fönnen ftdr) gar nidjt
benfen, roie glürflidj idj bin, bafe (Sie fjeute gefommen fmb. Vor vier
2Bod)en babe idj Sie jum erften 2ttal gefefm, unb babei bilbe idj mir ein,
idr> fyätte Sie fdjon immer gefannt. jeber einsige Xag, an bem idj
mit Stylen jufammen mar, bleibt mir feft im ©ebädjtni§, 2llle$ ift mir
nod) gegenwärtig . . . SGßiffen Sie nad) ben 3lbenb, roo ba3 Singen uor;
überjie^enber 9Wobilgarben Jrau $enrn an'§ genfter lorfte? Sie fafyen
muf> an, aU mir im jjinftern allein waren! . . . 3$ gitterte roie (Stepen^
laub . . . Unb roie Sie fieb in ben ginger fragen unb it)n §rotfdjen bie
3ä^ne preßten . . . Unb bann aud) ba$ blaufeibene &al3tüd)lein, ba3
Sie nur einmal umhatten, unb ba3 Sie fo gut Heibete . . . 2öo ift'3
beim fchtgetommen, baß Sie e£ nidjt mef)r tragen? 2ld), ahnten Sie,
rote &ei§ idb Sie liebe!"
(Sugenie antroortete: „2öie leidjt tonnten roir einmal SBefannten be*
aegnen!"
Tie kniete uon ©renelle lag fdjon hinter if)nen. $ie Quote Ratten
aufgehört. Sparlidje, fonnenoerbrannie ©raSljalme bebedten bie oon ben
Sttogen befpülte Vöfdmng. 3ur 9ted)ten faf)en Tie Vaufjöfe unb von ©arten
umgebene £anbf)äu$d)en, am anbem Ufer be$ ^luffeS bie ^abrif anlagen
3auete, unb unmittelbar cor ilmen, je^t fdjon in größerer Vltye, ftiegen
bie mäßigen, jroei Stodroerf fjofjen Bogengänge be$ Vtabucts empor.
©abriet unb (Sugenie blieben oor einer ©ittertfjür fielen, bie ju einem
fdjmuden Sa)roeiäerf)äu3djen führte. ÜJtit feinen $aar Väumletn, feinen
großen ©laäfugeln unb Springbrunnen fa^ es au3, als fdme es birect
au« ber Sptelfdjadjtel. %n feinem ©efammteinbrud bilbete e^ ba^ $ur
SBirflia^feit geroorbene 3oeal be^ für Sanbeinfamteit fa)roärmenben Spie^=
bürgert. 9lber fie fa^en barin nur ben SieblingStraum aller Verliebten,
ein SRcft im ©rünen. 3Wit fe^nfäa^tigem Verlangen flauten fte auf bie
bo^en ^pappelu, bie @berefd)en, in beren Slattroerf bie rotten Trauben
flimmerten, bie reiche $rad)t ber 9lftern unb ^erbftrofen.
Unb leife flüfterte ©abriel ber ©eliebten in'« üfyc: „Die^ 9Ült^
beii^en . . . unfer eigen nennen . . . unfer £iebeäglüd brin bergen . . .
fuer leben ... auf immer, auf eroig . . . roeld) feligeS ©ntjüden!" Sie
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248
^ran^ois <£oppec in Parts.
ernriberte nid^t^ ; ober fie feinte fid; beim Seitergefjen mit f)ingebung$uolIer
3ärtli$feit auf feinen 9lrm.
So gelangten fie bis junt ipointsbu*3our, am $yu§e beS $Biabuctö.
$on f)ier ab jeboa) foüte ber Spa3iergang jeben 9iei3 für Tie oerlieren.
£ie Ml)t ber (Sifenbafmfation fot am Ufer ber (Seine eine Unja^l #er*
gnügung^etabliffements, Gaf^s unb Äneipen in'S Seben gerufen. 2lud)
GarouffelS finben jid& unter ben 9lf ajien, unb rufftfdje Schaufeln, fürs,
baS Sanb wirb fner $ur 23orftabt. Siaj nidjt me&r fo gan$ fiäjer füfjlenb,
eilten fie f ähnelt weiter, heftig f d&rafen fie jufammen, als plöfclidj auf
einem Sdjetbenftanbe ein Sdmfc abgegeben würbe. Sie gingen bie £oljs
treppe hinauf, in ben $a(mf)of t)tnein, unb ©abriel löfte 3wei SBiUetS
$weiter Älaffe. $ann festen fid) 23eibe auf eine 33anf beS SBartefaalS
unb ftarrten gebanfenlos auf bie ^ßlacate.
„©ürtelbafm, etnfteigen, ©renelle, SSaugirarb, SJJontrouge, f^orte
b' Statte!" Sie traten auf ben Sßerron hinaus, gingen an ber laut
jifdjenben, bampfenbcn Socomotioe vorüber unb ftiegen in ein leeres
(Soupt. Gin $fiff, ein plöfcltdjer SHucf, ein laute« Gaffeln unb fllirren,
unb fjeibt, fort! £>a umfdjlang ©abriel feine (Beliebte mit beiben Sinnen,
brfirfte fie feft an feine $ruft, unb bie Sippen ber Siebenben fanben fidj
in einem langen, füfeen Hüffe.
„©renelle!" rief ber Sdjaffner mit gellenber Stimme unb rifj bie
£f)ür heftig auf. Unb ein 3)tonn mit rotf)em SBomnonbSgertdjt, bem man
ben 33ief)f)änbler auf ben erften 23licf anfalj, flieg in ben SBaggon unb
liefe fid) fäjroerfäHig auf ber 33anf ben Siebenben gegenüber nieber. <5r
trug über feinem dloäe eine ganj neue, furje blaue 33loufe, ein fyober
£ut bebedte feineu Kopf, in ber §anb fjielt er eine $eitf$e unb in bem
einen 9Wmtbnrinfel ftedte ein fdjwarjer ^fetfenfopf.
„%d) fjab' Tuar)rr)aftig geglaubt, id) mürbe ben 3«9 oerpaffen," fagte
er uergnügt ju ©abriel, wobei fein 2ltf)em einen ftarfen 2Beingerudj oer-
breitete. „So ein bummer Gonbucteur! will mein $ünbd>en mit einer
Suttbogge jufammen in ein Goup6 fteden! So unoorrtdjtig ju fein . . .
ber Herl ift oerbrcljt . . . ^radjtoolleä ai^etter übrigens sunt Weifen . . .
nid)t waljr, £err 9toä)bar?"
Gugenie Ijatte if)ren Soleier Ijeruntergelaffen unb oerwanbte fein
3luge oon bem Jenfter. ©abriel beobad&tete bie äufeerfte 3urü<fljaltung
unb tf)at wie Giner, ben man anborgen will.
©lürfliäjerweife fuhren fie gleid) wieber weiter, unb jwar famen fte
jefct burd) einen langen Tunnel, wo baS ©etöfe beS 3u9e^ Deni miber=
wärtigen Weifegefäljrten ba* 2Hort abfdmitt. 33iö auf baS fdjwadje Sidjt,
weldjea feine glimmenbe pfeife oerbreitete, war cS bunfel im SBaggon,
ba man bic 9iaa)tlampe an ber Sede anjufteden uergeifen Ijatte; unb im
^vinftern borte man bie fdnoeren 2ltf)em$üge beS £runfenen. ©abriel be-
nutzte bie ©elegenljeit, GugenienS .§anb $u erf äffen; aber er war bod>
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(Eine 3&?llc n>äl?renl> ber Belagerung. 2^9
über biefen SroiKhenfatt im P^flcn ©rabe erbittert, namentlich wenn er
an bie Dielen leeren £oup<?3 erfter 5Uaffe badfite, bie er beim ©infteigen
bemerft hatte.
2113 fie wieber an'3 2age3lid)t famen, fiatte ber 58ief$änbfer feine
klugen gefdjtoffen, a6er er raupte immer noch feine abfdjeultdje pfeife,
unb bie Siebenben wagten faum, fid? in ©egenwart be3 fremben, im
&albfd)lummer rubenben 2Jtonne3 einen 33Hdf ju$uwerfen. fte an ber
Station ^orte b' Stalte anfamen, empfanb fie es afe eine 2(rt ©rtöfung.
Unb bodj mußten fte fi^ fn« trennen, nod) beoor Tie ben öafmhof
»erließen, benn fie waren gan$ nahe bei ber SBofmung (StementS, be$ ge=
fürchteten ©atten. ©ugenie ging bafjer voxavß unb eilte bie ©trajje
entlang, olme fidj ein einzige« 2flal umjufe^en. ©abriet folgte ihr lang*
famen Schritte! oon fern, beglüeft burd) bie ©efiänbniffe, bie fie ihm
gemalt, unb befeligt burd) bie (Srimterung an bie fiiebfofungen, bie fie
geftattet unb ermibert hatte. ©r faf), wie fte fia; in ber Sttenge oerlor
unb fa)(ie§lia) an ber @cfe, wo bas alte 3°flfKiuä jtanb, oerfc^wanb, um
nad) bem äußeren Souleoarb einbiegen.
Unb bann litten fte ja audj mit einanber bie Serabrebung getroffen,
fiel) übermorgen um ein Uf>r Nachmittags an berfelben ©teile ju treffen!
IX.
9hm trug aber ber £ag, an bem ifjr ^enbejoou« ftattfinben fottte,
ba3 Saturn be§ 4. Septembers 1870!
Jrau Fontaine ^atte ihrem ©ofme beim grühftüd bie un^eiloolle
Hataftrophe, bie fie burd) bie 3Wild>fraujeTfahren, mitgeteilt : bie Kapitulation
oon ©eban, bie SSerwunbung 9Jlac*9Jlahon!3, bie ©efangennalmte beä itaifers
mit 80000 3ftann! 3S>ie fel)r aud) ©abriet burdj ben ©ebanfen an
fein beoorftehenbeä DflenbejoouS in Smfprud) genommen mar, fo hatte ihn
biefe fchrerfltdje Nachricht bod) in ungeheure Hufregung »erfefct.
911s er bie Quais entlang wanberte, fah er nichts, als befrfirjte ©es
ftd}ter; an ben ©trafjeneden fammelten fich ©paaren 9?ationalgarben; ein
<0auch ber Steoolution ging burd} bie ©tabt.
9lad)bem ©abriet ben feften ©ntfchtujj gefaxt, fic§ auch ein ©ewehr
5U holen, feine Pflicht wie alle 3lnberen ju erfüllen unb für bie 93er*
theibigung beS SBatertanbeS unb ber &auptftabt einzutreten, fet)rte fein ©eift
$ur ©eliebten jurütf. (5r badjte an bie ftreube be£ SBieberfelmS, an ba£
bejaubembe ©tüd, mit ihr auf bem einfamen föottoir beS Duai b'Drfan
jufammenjutreffen unb wieber einen Spaziergang an ben Ufern ber ©eine
5U unternehmen. Unb machte ihm bie ©timme be£ ©eroiffenS Vorwürfe,
ba§ er fich $w wenig um bie bem 9?aterlanbe brohenben ©efahren
befümmere, fo brachte er fie buret) bie bei einem Siebenben erflärltche (Sr=
roägung jum ©chroeigen, bafc er als Gin$elncr bod) nichts weiter $u thun
oermöchte.
?fcrb unb 8iib. L-, 145«. 17
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250
^ran^ots <£opp£e in paris.
©egen Ijalb ein Ufjr ging er, gern* erfüllt oon bem öebanfen an bie
©eltebte feiner Seele, ben Dual b'Crfat) entlang, als er am äußerften
(Snbe be$ 33ouleoarb Saint*©ermain Bajonette blifcen faf), welche ba3
Corps £egi£latif $u umringen fdjienen.
Slngfrooll beflügelte er feine Stritte, unb mit einem einzigen Ölicfe
überfaf) er ba3 für ilm fo fd)Tecflid&e Sd)aufpiel. (Sine bid)te, tobenbe
2flenge l)ielt ade 3ugänge ju ben Räumen, in benen bie BolfSocrtretung
tagte, befefct. Sie beftanb aus Bannern aller ©efellfdjafteflaffen, unb
Bürger im eleganten Wod wie £anbwerfer in einfacher Slrbeitsblouie
waren oermengt mit Sd)aaren jwar ungeorbneter, aber bewaffneter 9totional=
garben, bie trjcil^ nod) bie alte Uniform mit ben weißen ©pauletten unb
ber ^ktrontafdje, tf)eil$ als einziges mtlitärifd)e$ 3lb$etd)en nur ba£ tfept
trugen. 2lud) granetireurs in bunflen 9lnjügen mit amerifanifd)en Sflfifcen
unb ben Beinflcibern in ben ©amafd)en befanben fiä) barunter, $er
^ont iHonal, ber Bouleoarb Saint = ©ermain unb ber ganje, am ©orps
X'cgislatif liegenbe ^eil be8 Duate wimmelten oon Seuten unb ftarrten
von blifcenben ©ewetyrläufen. Äecfe Straßenjungen untren an ben in ber
9idt>e befinblidjen Saternen f)inaufgeflettert, anbere Ratten fidt) auf ben
Socfeln ber oier großen Bilbfäulen oor bem ©ebäube eingeniftet. ßinen
langgebelmten, immer wieber oon Beuern ertönenben 3ornc3ruf ^eß mcfc
SJtenge " fjören. ©abriel'3 D^r rjattc balb biefen aus 9Wer 9Jhmbe bringen -
ben S$rei untertrieben : „3lbbanfen! 2lbbanfen!"
$>er Slufftanb fjatte, um midp ber unübertrefflich fdjönen parlamenta=
rifd)en 2lu£brucf£weife ju bebienen, baS &eiltgtf)um beS ©efefceS offenbar
fd)on oerlefct; benn bie breiten 2lufgangStreppen be^ Calais waren unter
bem Strom ber (Sinbringlinge oerfd)wunben, unb ©abrtel faf), baß oben
in ber (Solonnabe eine große Aufregung ^errfä)te. ^lofelid) fjörte er einen
madjtüoHen !Huf erf drallen, ber fid) blifcfdjnell oerbreitenb bis $u ben unten
bid)t jufammengebrängten Sdjaaren gelangte, unter benen er ftdj einen
2£eg ju bahnen oerfudjte. Sie riefen 9lUe:
,,©S lebe bie ftepublif!"
©abriel far) bem ganjen Sd&aufpiel ootl Sdjrecfen unb Seirürjung
ju. 3ln ber Stelle, wo er Gugenie treffen fottte, unb bie er erft entbecten
fonnte, nadjbem er auf eine 33an( beä Quais geftiegen war, bemerfte er
ein wilbeS £urd;einanber oon $üten, flepis unb Bajonetten. Sie fdjred-
lid)e ©enrißfjeit trat oor feine Seele, baß, felbft wenn fidt) bie junge grau
in biefeS ©ebränge gewagt t)ätte, es ifmt unmöglich gewefen wäre, fic
^erau§sufinben. ©r ftteg oon ber 33an! wieber herunter unb ließ ftd& in
feiner Verzweiflung unb Sutl) willenlos com Strom ber 2Renge fort*
tragen, o^ne ftöj weiter um bie große f)iftorifd)e Sfyitfadje, bie ftdj oor
feinen 2lugen uolljog, $u befümmem.
„Nun haben wir boeb enblid) bie längft erfe^nte SRepublif !" ließ [ich
bie burdjbringenbe Stimtne Gajaban^ oerne^men, bet eine Secunbe oor=
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<£ine 3&ylle roätjrenb bcr Belagerung.
25 {
f)ex ©abriet am 2lnu gepacft tyatte, „unb $u bift aud) babei, bei ber
SHeoolutton nämlidj! ... 60 mufete es fommen! . . . SKauS mit bem
SBonapartiftengefd&meifj! ... Gin f)errlid>er Xag! 2td) greunb, id) bin
aufeer mir oor ©tüd. 3)en ganjen geftrigen 2Ibenb fjabe idj weiter nichts
getljan, als 2öappenfd)ilber fyeruniergeriffen uub faiferlidje 2lbler serbrodjen
. . . diesmal ift'S bie roafyre, richtige JHepublif roie im Safyxe 93 . . .
unb man foll uns nid)t um fie betrügen . . . Sief) mal oben in ber
Säulenhalle ben ©ambetta, roie er burd) feine 9tebe alles begeiftert . . .
Sraoo! GS lebe ©ambetta! . . . Steifet £>u, roetdjer es ifl? $>er mit
bem :öarte unb ben Wen Schultern . . . SHeinft 2)u oietteidjt, idj roerbe
2Md> loSlaffen? £enf gar nia)t bran, roir ge^en pfammen nad) bem
&6tel be 3?iUe."
©abriet faty i&n an mit fchmerjerfülltem SBlicfe. 2tufregung unb
Srunfenfjeit prägten fidj in ben 3ügen GajabanS aus, ber budrftäblidj von
Sdiroeife triefte, unb beffen roeidjer %il$ut burcf) einen gauftfdjlag einge*
brücft mar.
SötberftanbSunfäfjig überlief fid) ©abriel bem 3Hanne beS Sübens,
ber fortroafjrenb brüllte unb fidj oergebenS abmühte, oorroärtS $u fommen
unb ftd) mit feinen Ellbogen einen 2Beg jum @ingangSt()or ber gefeft5
gebenben SBerfammlung ju bahnen, ©abriet folgte tym ganj ju 33obeu
gefd)mettert unb liefe feine Slide felmfud)tSooU über bie SHenge fdjroeifen,
ba er auf bie unbeftimmte, roenn aud» unter folgen Umfiänben tl;örid)te
Hoffnung md)t oerjidjten mod)te, ©ugenie fjerauSäuftnben.
£ie Stunbe beS SRenbepouS mar längft oorüber. ©abriel r)arte ftdt>
buraj bie fdron gelitteten Sdjaaren t)inburdj mef)r als tmnbert 9M baoon
überzeugen tonnen, bafe fidr) bie junge grau nidr)t an ber oerabrebeten
©teÖe oor bem 9)tinifterium ber auswärtigen 2lngelegenf)eiten befanb.
^rofcbem rourbe es itnn unenblid) fd>roer, oon bort fortzugeben, als ©ajaban
ifnt mit fid) fdjleppte unb über ben ^Sont SRotjal führte, bamit fie, roie er
fid) auSbrüdte, ©elegenfjeit tjätten, fid) an bem erhabenen 3lnblid beS be=
freiten ^*aris ^u erfreuen. 9?ur mit bem äufeerften SMberftreben folgte
©abriel feinem greunbe, obgleich er root)t etnfaf), bafe ein längeres 3?ers
roeilen an jener Stelle feinen Sinn hatte. $n büfteres Sdjroeigen oer^
funfen, fdjritt er neben Gajaban baf)tn, ber in feinem reoolutionären
^Taumel gar nidjt bemerfte, roie fdjmersltd) beroegt baS 9lntli| feines
^reunbeS war.
„5öaS fann fie root)t abgehalten ^aben?" fragte fid) ber Ötebenbe
t>oll 2lngft. SBa^rfc^einlia) t)at fie ft^ gefürchtet, baS ©ebränge roar ju
gro§, fie fonnte überhaupt nicht I)in . . . Ober follte fie oieHeid;t gar nia)t
gefommen fein? Sie fam mir geftern 2lbenb bei i^rer greunbin fo oer*
legen oor . . . Cb ia; jurüdge^c? SDlöglic^erroeife ift fie jefet gefommen,
n>o ftd^ bie 9Hepge oerlaufen ^at. $)oä) nein, baS ift nia^t benfbar, el
ift ja fdjon jroei U^r."
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252
^ran^ois <£opp£e in Parts.
Unb e« ftanb für ilm fefi, baß nur ifyn fo etwa« paffiren tonne,
unb baß er ein ausgemalter ^edwoget fei.
Sie gingen über bie ^lace be ta Goncorbe unb bie -Hiuoliftraße entlang.
(Sajaban ^atte feinem greunbe ein großartigem Schaufpiel oerfprochen,
aber ©abriet fonnte baoon nid)t« entbecfen. @r fanb im ©egenthetl bie
greuben«au«brfiche be« <pöbel« für fein ©efühl ^öd)ft oerlefeenb in einem
2lugenblicfe, wo ein fo entfefelidje« Unglücf über ba« Sanb hereinbrach unb
fo furchtbare ©efahren e« bebrohten. da« feftliche 2lu«iehen ber prägt«
ooüen Straße mürbe nod) erhöht burdj ben im fdjönften Slau ftrahlenben
Gimmel unb ben {jerrlidtjen Somtenfchein, beffen reicher ©lan$ fig über
bie weißfchimmernben ©ebäube be« duileriengarten« unb feine im frifajen
©rün prangenben $arfanlagen ergoß, »ttationalgarben, theil« truppmeife
maridnrenb, theil« einjeln ihren 2Seg oerfolgenb, begegneten ümen in großer
3afu\ Sie roanberten heim, getragen oon bem ftoljen SBewußtfein, bie
neuefte 9iet>olution ju Stanbe gebraut ju Ijaben. diejenigen unter ilmen,
welche ju ben Bataillonen ber $orftabt«oiertel gehörten, unb bie neben ber
Sloufe ober bem 2lrbeit«fittel ein nagelneue« Äepi unb ein ^3ercuffion«=
gemein* trugen, jeigten in ihrer aufrichtigen greube über bie wieberge*
wonnene 9iepub(tf bodj wenigften« einen geroiffen ©rab oon SRaioetät.
denn gerabe fie t)atten ja oon jeher bei allen Hufftänben bie Rotyen au*
bem geuer geholt, unb beraufcht burdj bie Segenbe oon 92 lebten ne ber
froren ^uoerficht, ba« Baterlanb noch retten ju fönnen. 5lber ein ruhiger
Beobachter hätte über bie SBidjtigtfmerei ber in (rpauletten einherftoljtren=
ben Spießbürger gelächelt. diefe 9ficht«thuer, welche ftdc) an jenem dage
al« gelben auffpielten, marfchirten mit rofirbeoollem, abgemeffenem Schritt
in ber SDUtte be« gahrbamme«, mit wohlgefälligem Sluge oon ber großen
■Jflaife betrachtet, bie in ihrem befriebigten 9ia<hegefüf)l bie tiefe drauer
be« Baterlanbe« oergaß. denn fchon hatte °ie blinbe 3erftörung«muth,
bie unoermeibliche Segleiterin aller 93olf«aufftänbe, ihr finnlofe« 2£>erf be-
gonnen. SöieCc taufenb £änbe roaren bamit befdjäftigt, alle äußeren feigen,
welche an bie faiferliche Regierung erinnerten, 3lbler unb ©appenfchilber
au« (?rj ober au« Stein gebilbet, $u oernid)teu, unb fo oerlor man bret
foftbare Sage in einem Slugenblicfe, wo noch nicht einmal bie 28älle annirt
waren. 3ln ben dauern ber duilerien fonnte man neben obfcönen, auf
bie faiferliche Jamilie bezüglichen Sfambgloffen unb Seleibigungen mit
Äof)le gefchrieben auch ba« berüchtigte SBort: „dob ben dieben!" lefen.
©« fprach bie«mal wenigften«, ba« muß jugeftanben werben, nicht allen
Xl)atfachen berartig £>ofm, wie im Qahre 1848, wo ein paar arme Äerle
oon Spifcbuben ohne Urtel unb !Hed)t füfilirt würben, nachbem ber ^ktlaft
00m s$öbel fchon oollftänbig au«geplünbert worben war.
■Dfartu« (Sasaban, ben unglüdlidjen ©abriel immer t)tntcr ftd) her
fchleppenb, rafte wie ein voller burd) bie Straßen. Sein SBafmnn'tj hatte
ben ©ipfelpunft erreicht, unb fein -Teuf: „(£« lebe bie iRepublif!" mar
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€tnc 35yUe o>ät}reit& ber Belagerung.
253
fdjon mein* ein ©ebrüU ju nennen. 5XÖc sroanjig Stritt fließ er tfm aus
unb erroeefte bamit regelmäßig ein rounberbareS (Scfjo bei ben National*
garben, roeldje in ber 9Jlitte ber Straße mit ttjren XambourS an ber Spifce
marfd)trten. 3115 fie in bie 9täf)e beS Souore gefommen roaren, ritt
©eneral £rod)u, über nnb über mit Drben bebeeft, mit einem glänjenben
©eneralftobe im ©alopp oorüber, unb GajabanS £urra$ trug ifmt einen
banfenben 93licf beS berühmten SretagnerS ein. £>en ganjen 2Beg entlang
begegneten SRariuS fdjroarjbärttge junge 2ttänner, bie, nrie er aus bem
©üben ftommenb unb in bemfetben greubentaumet befangen, jubelnb feine
Umarmungen erroiberten.
Gabriel fat) bie« 9töe3 wie im Xraum. $aS alte &ötel be Sitte,
ber non 3Renf$en roimmelnbe $lafc r-or bemfetben, bie ©rfd&einungen
auf bem Salcon, baS golbene Stq>i SrodmS, ber fjalsbanbförmige Sart
3?uleS gaoreS, bie ^roftamirung ber Stepublif, ber im Sriump^ ^erumge=
tragene SRoajefort, nid)ts fonnte ifm r»on ber foen 3bee abbringen: er
Ijatte fein 9ienbe$oouS werfest! 2llö ©abriet, immer hinter (Sajaban f)er*
jietyenb, in baS #ötel be Sitte getreten mar, unb if>n biefer einem W\U
gliebe ber neuen Regierung, einem SJtonne mit ungeheurem Sadenbart unb
einer &abia)tsnafe, oorftellte, badjte er im 2lugenblid*e, roo er feine Sers
beugung madjte, an eine junge Platane beS Cuai b'Drfan. ©ine Stange
biente als Stüfee für tf>ren jarten Stamm, unb iljr guß mar oon einem
runben eifemen (Sitter umgeben. 9ln ber Stelle ftanb er neulidj, als er
©ugenie unter ben Säumen ber ©Sptanabe auf fu$ jueUen fat), unb es
foftete ifnt ungemeine Selbftüberroinbung, auf baS $u ^ören, roaS iljm
ber Staatsmann mit bem bieten Sacfenbarte jagte, unb it)n ju r»ert)inbern,
augenblicflidj feine Ernennung jum SouSpräfeften ju unterjetdjnen.
©nblid) gelang eS ifmi, bie läftige ©efettfd)aft (SajabanS loSjuroerben.
5>or^er mußte er itjn jebod) noef) nad) bem Ouartier Satin begleiten, bie
frof)e 92ad)rid)t bort in brei bis oier Äneipen oerfünben unb oerfdjiebene
Sdjnäpfe mit ifjrn vertilgen. £alb tobt cor 3Jtattigfeit, gequält oon
Unruhe unb Sangeroeile, fam er $u &aufe an. Seim 2Ibenbbrot, baS itnu
jur ©roigfeit rourbe, weit feine üflutter if)m alles 3)tögltd)c r>on bem &er=
anrüefen ber geinbe unb ben brofjenben ©efatyren oorjammerte, nalnn er nur
einige Stffen ju ftcf) unb eilte bann fofort nad) bemgaubourgSaint^acques.
grau $enn; roar auegegangen. 9ttd)tS roar felbftoerftänblidjer, als
bie 2lbroefenf>eit ber frönen Srünette, bie {ebenfalls burd) baS bramatifaje
^nterejfe, roeld)eS baS Stra§enleben in biefem 3lugenblidfe barbot, 00m
4?aufe fortgelodft roorben roar; aber bie ^f)antafte eine« Siebenben ift nur
ju leid)t geneigt, fid) 2:ruggebilbe ju f Raffen, unb fo falj aua; ©abriet
barin eine fd^limme Sorbebeutung für feine Siebe. 9Bobl fagte er fid),
ba§ ©ugenie Äenntni§ baoon l)aben müßte, baß grau ^enrn fie fjeut
3lbenb nidjt erwarten roürbe; aber ber ©ebanfe, er folle fia) bis jum
näd}ften Tage gebulben, roenn er feine ©eliebte roieberfefjen rooüte, roar
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25^ $ran<;ois <£eppde in paris. —
ifnn unerträglid). So irrte er benn bis tief in bie •ftad&t hinein auf
ben belebten, oon aufgeregten 23olf£maffen burdjwogten Strafen umt)er
unb glaubte in jeber oorübergefjenben grau ©ugente ju erfemten.
Dodj mußte er, als e3 auf bem Dtmrm ber ßirdje Saints3acque3
bu ^aut^toS sefm U^r fd)lug, aud) auf bie lefcte Hoffnung uerjtditen unb
woljl ober übel ben 2Beg nadj föaufe einfdjlagen.
Die ^adjt würbe ifnn entfefelid) lang, unb am nädjften SÖlorgen, in
aller grütye, nod) oor feiner Süreauftunbe, eilte er ju grau &enrp, benn
er füllte ba3 unabweisbare SBebürfmfe, etwa« 9fäljere$ über ba3 Sdjicffal
(£ugenien3 3U erfahren.
2115 er ben iljm mohlbefannten Älinge^ug in Bewegung gefegt, rourbe
eä plöfclid) im 3imnier tebenbig, unb ganj gegen ihre ©ewoljnheit lieft
itm grau #enrn einige Seit lang warten. 911$ fte enblidj in ber tyilfc
geöffneten £$ür, mit ungefammtem &aar unb einem in aller ©ile übeT=
geroorfenen 3J?orgenfleibe erfdjien, entfloh ein letfer 3luäruf be£ ©rftaunenS
it)ren Sippen.
„&Me, Sie finb'3, £err ©abriel ? . . . unb ju io früher Stunbe?"
rief fie ooüer Verlegenheit. . . . ,,3d) habe nämlid) Vefud) . . . 9lber
ba$ tfmt md)t$, bitte, treten Sie näher ... Sie fönnen gleid) bie 39e*
fanntfd)aft meines Vettere Robert madjen, ba ijt weiter nidjtä Dabei."
©abriet in baS 3immer fanb er e$ in größter Unorbnuug.
9luf einem £ehnftuf)l ^ingegoffen lag ein btlbhübfdjer junger 23lonbin, ber
joeben mit feinem grühftücf fertig war unb in aller ©emüthlidjfeit eine
(Sigarette raupte, ©r war Seconbelieutenant bei ber Sflobtlgarbe, benn
er trug auf ben Slermeln feiner aufgefnöpften Uniform bie golbenen treffen.
(Sin Cffaierfepi, barunter ein Säbel, lag neben ilnn in ber ©de 3wifdjen
bem flamin unb ber 2i*anb.
Die fdjlanfe brünette 30g in aller (Sile ifjr SJlorgenfleib über ber
Vruft sujammen, ftrid) mit betben $änben ihr ^erjauftes $aar glatt unb
jagte mit lebhafter Stimme:
„Robert, id; ftelle Dir Ijier &errn ©abriet gontaine cor."
Dann neigte fie fid) jum Cl;r be£ Dffaierä nieber, bem ©abriete
ülnfunft eine fein* unangenehme Ueberrafajung 31t bereiten fajien, unb fügte
mit halblauter Stimme t)in5u:
„Dir fann iay$ ja fagen, er fommt wegen meiner greunbiu."
Der Slngerebete war aufgeftanben, oerneigte fid) leid)t unb fefcte fict)
fofort wieber, nad)bem er bem 2lnfömmling einen äufjerft mifctrauifdjen
Vlicf zugeworfen.
Öabriel wußte oor lauter Verlegenheit nidjt au$ nodj ein. (£r war
jwar febv naio, aber bie Verwanbtfd)aft grau &enn;3 unb be$ CffijierS
ericfjien ilnu bod) mehr at$ jweifelljaft. £r fat) bie oon Speifereften be=
beeften Detter, bie geleerten 3i?einfla|d)en, untrügliche 3e^en eme* üor
5lur$em ftattgefunbenen geftmaljle*, ba3 ungeorbnete, mit ©arbinen nur
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<£htc n>äl]rcnb bei Belagerung.
255
fd)ledjt oerbedte 23ett in bem äUtooen, ba* fyalbnadte &?eib, ben jungen
9)iann, ber hier fo gemütl)lid) raupte unb ftdj fo 3roanglo3 benahm, ate
wäre er bei fid) ju &aufe, unb ein unnennbares ©efüf)t be$ (Sfelä über*
fam irm bei bem ©ebanfen, ba§ er bie SBefanntjdjaft Gugeniens in foldjer
Umgebung gemadjt. Der ©egenfafc jnrifajen bem garten, unfdjulbigen jungen
Sßefen unb biefer Scene grob gemeiner <Sinnlid)feü rief in feinem ©eifte
tief fa^merjlid^e ©ebanfen toadj. Gr hatte Sßta^ genommen, aber er fa§
auf bem äujjerften 9^anbe beä Stul)le3 unb roufjte nid)t, roa£ er fagen fottte.
„Slermfier &err ©abriet/' fagte grau &enrt) plöfclid), ,,id) habe Q^nen
eine traurige SRaajridjt mitjut^eilen. 3a) fyabe unfere fleine greunbin
gejteni um oier Uljr geforodjen . . . 2Bie fie mir fagte, ift fie geftern früh
mit in ba$ ©etümmel am Gorr»£ SegtSlatif geraten unb l)at babei eine
roafn-e £obesangft auSgeftanben . . . ©ie tonnen fid) ja benfen, Seute
com Sanbe . . . Dann nodj etioaS . . . 3t)r 3Hann hat il;r erflärt, er
fonne fid) nid)t toährenb ber Belagerung mit einem 2ßeibe befaffen unb
motte fie nodj ^eut 2lbenb nadj ber Barm bringen, um fie 3U ihren Glteru
511 fanden. 2lbcr roaS fehlt 3^ncn benn? 6ie finb ja ganj blafe geworben/'
©abriet roare nrirflid) beinahe in 0^nmaa)t gefunfen. Der ©ebanfe,
üon Gugenie getrennt ju fein, tarnte ben «jsuläfchlag feinet ^erjenä.
^efiimift roie alle Siebenben, natjm er ba$ erft brofjenbe Ungtücf at* fd>on
gefcfjehen entgegen.
Gr fitste ba3 Öebürfnifc, ^inau^jueilen, aufjuatlmien. 3um fiw&en
(Srftaunen be$ Cffi$ierä, bem ber gan3e Vorgang unuerftänbtid) blieb, ftanb
er auf, loanfte jur £t)ür, oerabfd)iebete fid) mit leifer, faum oerneljtnbarer
Stimme, brüdte grau &enr« bie £anb, unb floh, ben Dob im &er$en,
bie heroorbredjenben tränen nur mühfam unterbrütfenb, bura) bie froh=
belebten, im golbigen Sonnenfa^ein blinfenben Strogen.
X.
©abriet rjatte gar nidjt einmat erfahren fönneu, ob Gugenie audj
loirflid) 5pari^ oerlaffen f;atte. Den näd)ften unb bie folgenben Dage »er*
fudtfe er oerfd)iebene 2)?ale, aber immer oergeblia), bei grau .§enro oor*
$ufprea)en. Der Sortier tfjeilte ilmt mit, bafi fie faft nie 5U ,§aufe roäre,
feit ihr Detter mit feinem üDtobügarben^ataiUon nad) ^aris gefommen,
unb bafj bal>er aud) grau Clement uiajt mehr anzutreffen fei.
Gr mar in 33ersioeiftung. Die ganje 9iatur, meldte ifjm bie 3aubers
fraft ber Siebe roäfjrenb be3 frönen 2Iuguftmonat^ mit neuer, ungeahnter
garberipradjt au^geftattet t)atte, erfa^ieu i^m nun in ein £rauergeroanb ge=
tjüHt. Uebrigen» übte ber Sajmerj auf iljn bie iöirfung, bie er nur bei
uornefmten Naturen tjeroorjubringen pflegt : er ftimmte ilnt noa) fanfter.
Die Siebe ju feiner 3)hitter oerlangte naa) lebhafterer, äußerer ^ctl)ätigung.
5iur auf bem Süreau, feinen (Sollegen gegenüber mar er ftiller, surücf=
I^attenber geworben.
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256
^ran^ois <£oppec in Paris.
llnterbeffen belagerten bie ^reujjen $ari*, unb (Gabriel war bem
Seifpiel ber Uebrigen gefolgt unb bei ber ftationalgarbe eingetreten, 3n
einer @tfe be* Speifejimmer*, beffen fämmtlia> oerfdjliefcbare ftäume
3rau gontaine mit köpfen eingeinaajter grüßte unb Sarbinenbüdjfen
ooHgepfropft hatte, funfeite ber Sauf eine* £interlaber*. ©abriel erercierte
täglia) im £uremburger Sßarf unb 50g mit feinem Bataillon jmei bis brei*
mal wödjentlid) auf SBorpoften. 2)en Tornifter auf bem dürfen, ba* ©ewehr
auf ber Sd)ulter, rütften Tie oon bem ^antheonplafee nadj Iber $orte
b'^talie unb oerfahen hier ihren 2>tenft. (Sr ftanb bei einem gleidf) 3U
Slnfang be* Äriege* fonnirten Bataillon, ba* fid) faft nur au* ^Jrofefforen
unb heroorragenben, becorirten ^erfönlichfeiten jufammenfefete. @* fannte
nur einen Sdjlad&truf : „G* lebe granfretd)!" unb ftanb batjer im jHufe
reactionärer ©efinnung. Sein Nebenmann im ©liebe mar fein früherer
^J^ilofopl)iele^rer am Snceum Som*:le»©ranb, ein ^armlofe* Männchen,
ba^ in ben bienftfreien Stunben, auf bem geftung*roaüe ftfcenb, feinen
Seneca ftubirte. ©abriel mar am liebften in ©efeüfd>aft btefe* Satteren,
benn er 50g fie bei weitem bem finbifdjen 3eitoertreib ber ^arifer Spiefc
bürger oor unb hatte aud) nid&t immer £uft, ben fabelhaften Ärteg*aben*
teuem feine* rotbärtigen 3nftruction*4tnteroffiäter* jujuhören, ber mit
feinem ©eroef)r alle möglichen 2lfrobatenfunft|"türfe au*führte unb gern auf
Unfoften 2luberer einen Sdmap* tranf.
Xer Seg, welchen bie 9tationalgarbe einfdjlug, um 3ur SBaftion ju
gelangen, mar für ©abriel ooü fchmerjlicher Erinnerungen. Senn fie bie
dlue Sttonge entlang gegangen waren, (amen fie über ben 33ouleoarb b'^talie,
unb oon hier au* fonnte ©abriel, in SRei^ unb (Blieb marfdjirenb, hinter
einer halboerfallenen 3J?auer ba* $ad; jene* $aufe* fehen, wo feinet
2tnfid)t nach Gugenie nicht mehr fein fonnte, unb er la* oon Seitem auf
bem Scr)ilbe über ber 2pr jene Sorte, bie ihm fo fehr meßten: Clement,
3immermeifter. Gtwa* weiter oben, im gaubourg, befilirte bann ba* SataiUon "
an ber ftingbafmftation worüber, wo fidt) ©abriel einft oon feiner greunbin
getrennt, nadjbem fie ben benf toürbigen Spa3iergang in ber Umgegenb oon
^arte unternommen! 2ld), wie laut fd)lug jebe*mal fein &era, wenn er
bort oorbeifam!
Unb boaj hatte biefe* ungebunbene hieben unter freiem Gimmel auf
ben Sailen einen eigenen 9tei3 für ©abriel, benn er fonnte fid) fo gan$ .
feinen Träumereien Eingeben. Sie oiele Stunben lang ftanb er nia)t Ijier
auf feine S3üd)fe gelernt unb betrachtete bie fülle fcerbftlanbfdjaft ring**
um^er, in ber auf allen Seiten Tob unb $crberben lauerte, währenb ber
unglücklich Viebenbe in ben bunflen Umrijfen ber fernen &ügelreihen unb
ber blaffen gävbung be* Gimmel* nur einen Sieberfdjein ber eigenen traurigen
Stimmung fal; ! Sie oft oertiefte fid) ©abriel, wenn fchwere, oon geuer**
brflnften Ijerrühreube Mauchmaffen über ben Sälbern lagerten, wenn ba*
©rollen be* Slanonenbonner* oon Ga> ju (Seho getragen würbe, unb
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€tne 3HIIe n>äljren& ber Selagcrnng. 257
ring! um ifm ba3 wilbe ßagerleben tobte, in eine föftliche unb bod) ba=
bei fd^merjüoUe Erinnerung, oeffunfen im Einbauen ber geuergrotten ber
untergehenben ©onne!
Sud) be3 9tod)t$ ftanb er gern auf Soften, wenn er mutterfeelenallein
bei einem ungeheuren 33elagerung$gefchü&, welches ber Söinb mit fchauer*
liefen Älagetönen erfüllte, $urüdblieb, unb feine 2lugen ftdj an beT $rad)t
be$ geftirnten ßimmete weibeten. Siäwetlen fd&wieg bie (Stimme ber
gorta, unb es f>errftt)te bann eine fo tiefe ©title, bafj ©abriet ganj beutlid)
ben fchweren, gleichmäßigen ©abritt ber bie 3ionbe machenben ^atrouifle unb
ben Stnruf ber ©chtlbwache: &alt, wer ba'? »ernennen tonnte, ©erabeju
entjüdenb mar es bei SWonbfd^ein. 3Iuf ber einen ©eite »erlor bie fich in
bläulichen, burdrfichttgen Dunft getaufte Sanbfchaft in unerme&lidjen gernen,
auf ber anbem fah er bie Fächer beS gaubourg ©aint*9Jtarceau unb beS
Sergej ©ainte=@eneoR'oe gleich unzähligen ©tlberftufen ^um $om beS
^antfjeon emporfteigen. 9tngefichtS biefeö zauberhaften Silbe«, in bieten
<Stunben nächtlicher (Sinfamfeit, wo bie frifdje, gewiffermafjen gereinigte
£uft ^pt)antafie unb ©inne fchärft unb ifmen eine höh*?* aj?aä)t oerletrjt,
brängten fid; bie in ber Xrunfen^eit ber erften Siebe empfangenen ©in 5
brüdfe maffenroeife im ©etfte ©abrief jufammen. SRoch einmal burdjlebte
er all bie wonnigen ©tunben, bie er in ©ugentenS dltye zugebracht, ©r
brauchte nur bie 3lugen ju idjliefcen, um fie bei grau £enro nrieber$u=
felm, im Sid)tfreis ber Sampe mit ©tiderei befdjäftigt. $aS Köpfchen
roar oornüber geneigt, ber Äörper im Sehnftuhl etwas eingefunfen, fo bafj
baS Ätnn faft ben 33ufen berührte, ©r t)örte irjre ©timme wteber, ihren
frifdjen hellen ftlang oerftärft burd) bie Sogengewölbe ber Srüden, unter
benen fie burchgegangen waren, als fie ben Spaziergang bie ©eine entlang
matten. (5r füllte ben fanften £rud oou (SugemenS 9trm auf bem feinen,
unb auf ben Sippen bie Söonne ber beiben einzigen töüffe, bie fie ihm
hatte geben tonnen. 33on Kummer oerje^rt, glühenbe ©efmfucht im föerjen,
richtete er bann wof)l zum gtrmament empor ben erhabenen Slid ber &er=
zweifelten, als ob er ben Gimmel zum 3eu9*n feines ©chmerjeS anrufen
wollte, lehnte fidj an bie (frbfäde beS SSktßeS, barg fein §aupt in ben
£änben, unb meinte Jeije Xfyränen.
ÜD7od)te auch bie Hflgemalt ber Siebe ben ©inn beS jungen 9J?anneS
immer mehr ablenfen oon ben um ihn herum fid) abfpielenben (Sreigniffen,
fo ging baS bodj nidjt fo roeit, bajj er nicht offenes 3lug' unb £f)r für
fie bewahrt hätte. SiSweilen erfd)ien ihm feine ©leichgültigfeit gegen bie
©efahren beS SaterlanbeS fogar äußerft oenuerflia) unb er madjte fid) bie
birterften Vorwürfe, ©inmal ganj befonber^ trat ihm ba£ aüen brohenbe
33erberben in ergreifenber, ja entfe^enerregenber ©eftalt entgegen, unb ba
er eine ebel beanlagte 9Zatur mar, fo empfanb er faft oor fia) felbft Slb«
[cheu, roenn er bebaä)te, roie wenig er fidh bityev barum befümmert t)attt*.
2ln jenem £age ftanb er an ber 3u9brüde bcr s^orte b'^talie auf
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258 ^ranvois <£opp6e in poris.
SBorpofteu, a(£ bie krümmer unfereS uuglücfliäjen, roieber einmal bei
SMllejuif, Gfyeoilln ober fonfl roo gefd) (eigenen $eere$ aus" bem Äampfe
surücffefjrten.
9Jitt flotl) bebetft, abgebt, beftaubt, burdjeinanbertaufenb rote eine
Hammelherbe, äufammenbredjenb unter ber Saft t()rer<Sf)affepots" unbSorntfter,
fo famen fie an, unb boten mit ir)ren, in golge ber 9(nftrengungen fiebere
fjaft gerotteten SBangen, if>ren befcfynufcten ©amafdjen, unb it)ren alten
auf ben mageren SRücfen flebenben Mänteln einen erfdjrecfenben 2lnbltä\
Sinienfotbaten, (Sfjaffeurä ju gufc, £urfo$, GaoaHeriften olme ^ferbe,
ba3 StlteS ffieft Ijier im bunten ©eroirr mit SDfunitionSroagen unb ©efpannen
jeber 2Jrt feinen ©injug. $ie 3lrtiumften, finfter breinfdjauenb, fafcen
mit oerfdjränften 9lrmen auf ifnrem haften, bie galjrer, fyxib eingejd)tafeu
auf if>ren jottigen abgetriebenen ^ferben. Cffaiere fünften, auf Stöcte
geftüfct, oorbei.
©n ©eneral ritt tangfam auf feinem Traunen ooruber, ben 9)ienfd^en=
ftrom befjerrfdjenb unb bodj oon ibm fortgeriffen. ©r trug einen grauen
(Schnurrbart unb r)atte ein ä^tes" <5olbatengefid)t, ftreng aber ef)rlidj unb
im garten ßriegsbtenft alt geroorben. %<a$ tfepi roar itnn über bie 2lugen
gerueft, feine Haltung gebeugt, gebrüeft burdj ba$ Öeroufetfein ber 9iieber*
läge. 92ur roenige Stabäoffijiere in fdnnufetgen Uniformen folgten t&m,
foroie einige rottye ©pal)t$, bereu fdpöne, oon ber Heimat träumenbe
klugen fetmfudjtsooll 3um fjerbftlid) beroölften Gimmel emporblidten.
3>er Storbweftroinb trieb bie großen grauen 2Bolfen oor fidj ty*-
2?on Qeit 5U 3^it feuerte baS ganj in ber 9?äf)e liegenbe gort iBic*>tr
einen Sdmjj ab, um ben ^fücf^utj ju beefen.
Gnblia) famen bie .tfranfenroagen. .fttngeftrecft auf bie Ii'etnroanb
ber Xragbabre ober auf ba$ Strot) ber Marren, jufainmengefunfen auf
ben 8cffeln ber Sxagförbe, jogen bie $errounbeten, oon ber fDfenge be=
grüßt, worüber. sJD?and)e fließen Säjmerjenslaute aus; bie ganj jungen
roeinten.
SNandje roaren aud) auf Omnibuffe gepaeft roorben, auf benen nebeu
bem Ahitfct)er bie 'roeifje galme mit bem rotten Mreuj roet)te. 3ötc sunt
£ofnt trugen biefe ©efäljrte an ben 8eitettroänben bie -Namen ber i*er=
gnügungäorte im Umfreife ber Stabt, roeld;e bamalä für bie ^arifer $u
ibrem großen Sdmierj bie ©renjen tfranfreid)^ geroorben roaren . . .
©eroebrläujc ragten 311 ben Sljüren fjerauS, unb alle ftbpfe roacfelten beim
geringften Stojje.
Gitter biefer unfyeimlidjen Üföagen l)ielt gerabe oor ©abrief. ©in ^er=
rouubetct, ein armer, fleiner Sinienfolbat, bem ein ©ranatfplitter ben
Veib auf gerijjeu (jatte, roar olmmädjtig geroorben, uub man fd)affte ifm
heraus, um Um bort auf ber ^trafce, bei ftrömenbent 9fegen, oerfdjeiben
ni Inffcn. (Sin gerabeju entfe&enerregenber Umftanb ift hierbei $u er=
malmen. Sil* bie Mranfenroärter biefe leblofe Waffe aufhoben, ging ber
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€iuc 3&Yllc irat}reu6 ber Sclacjcrung. 259
in ber <5ife angefegte 2?erbanb los, unb ein grofjer, über unb über blutiger
Änauel (S^arpie fiel auf ba3 5Pftafter.
flaum lag er auägeftrecft auf einer SRatrafce in einer -Diaueretfe, roo
bie 9?ationaIgarben in ber 9tod)t gefd&lafen Ratten, fo 5ucfte er jum festen
9Wal jufammen unb oerfdjieb. 6s war baä ber gemeine 9Jtann, am Slbenb
»orljer SKefrut, geftem nod) 33auer. (5r ^atte ba3 biebere ©eftdjt bes
i'anbmamts, tn'3 lflötf)li$e r)inüberfpielenbe £aare, Sommerfproffen auf
ber 'Stirn unb Sdjroielen auf ben £anben in golge ber faseren
gelbarbeit.
Sange ruljte ©abriet! 33lid auf bem £eidf>nanf be3 befdjeibenen Solbaten,
ber in einent unbebeutenben treffen gefallen rcar unb nadj einem freubfofen
Seben einen rurmtlofen £ob gefunben fyatte. (£r überlegte bei fta), bafj
^unberttaufenbe wie biefer f)ingeopfert roorben feien; unb wenn er fein eigene^,
infjaltlofeS, in fermfud)t$oollem Verlangen fid^ öer5el)renbe3 Sein mit bem
Öefdjicf biefeä armen Sflärttjrerä be3 ©er)orfam3 unb ber Aufopferung
perglid), frieg i\)m bie 9totlje ber Sd)am in bie SSangen, unb er fragte ficf)
allen 6rnite3, ob er ntd)t ein Ungeheuer fei.
£er arme Qunge mar ganj einfadj oerliebt unb trofe aller SBorroürfe,
bie er fid) im Stillen madjte, außer Stanbe, fid) ber Snrannet biefer, fein
ganje<§ Siefen erfüllenben ßmpfmbung ju entstehen, bie man fo rid)tig bie
Selbftfudrt ju 3w^cn genannt f)at. 3)ie ©rinnerung an Gugenie lieft
ir)m feine 9tuf)\ 9Jtond)mal oerftieg er fidj fogar jur tf)örid)ten Hoffnung,
baft er fie toieberfinben roerbe, unb bafj fie oielleidjt in ^ßariä geblieben
fei. 3lber er roagte e$ nidjt, ju grau $enrn jurücfjuferjren, um nähere
2(usfunft barüber ju erlangen, ©in eigentl»unlid)e$ ©efufjl be$ Unbef)agen3
nberfdjlia) irm, wenn er fid) oorftellte, wie ber junge Cffijier, an ber
gebedten Safel fifcenb, ber fdjönen brünette ben dlauti) in'! ©eftdjt blie$,
an berfelben Stelle, roo feine junge fd)üd)terne Siebe entftanben mar.
Sein Seben floß baljer jiemlid) einförmig bafjtn, geteilt jioifäjen ber
Erfüllung feiner militärifdjen unb amtlichen Cbliegenfjeiten. Oft mußte er
aucd bie klagen feiner SHutter anfjören, bie mit Sdjreden bemerfte,
roie ir)rc 33orrätr)e abnahmen. Seine Abenbe verbrämte er meift in @e=
feQfctiaft (SajabanS,
Xie Segeitferung, mit weite ber 9)?ann be» SübenS ben oierten
September begriifct, tjatte nid>t lange oorgefjalten unb fdjien mit bem Luft-
ballon, roeldjer ©ambetta entführte, oerflogen ju fein. 9tod)bem er ner;
geblia) bie ftrengften Maßregeln geforbert, roie $um ^cifpiel bie Waffen;
t)inrid)tung ber glüdjtlinge oon (itjatiUon, fing er an, bie Regierung ber
Sc&lafffjeü $u bejidjtigen, gatts befonberS ober Srodnt, ben er Lump unb
geigling titulirte. (§r rourbe oon Sag 511 Sag cncrgifdjer in feiner 3lu$*
brucfSroeife unb fonnte feine jelm äBorte mel)r ^eroorbringcn, oljue fie mit
ben gröbften glühen unb jenen berüd)tigteu Ärafttoorten >u tourjen, roeldjo
balb barauf im $<-re Xua^e^ne oereroigt werben follten. Seine bemagogifdie
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260 Jcanvois £oppee in paris.
Stiftung trat immer fd^ärfer heroor. Gr las bie »ort ölanqut rebigtrte
3ettung unb »erlangte ben ßrieg bis auf's Mejfer. 3eber waffenfähige
Mann foöte jum ÄriegSbienft herangezogen, MaffenauSfäHe unternommen,
unb £orpeboS in ben 2lb$ugSfauälen gelegt werben.
dabei ging er felbft immer nur in (Sioil. 3113 einziges Stbseic^en
trug er baS Äept ber Militärärzte, ba er jeber Möglichkeit einer ®efaf)r
entrficft, in irgenb einem Sajaretf) mitten in ber Stabt beschäftigt war,
roo es nach feinem eigenen 3u9eftänbnifj noch mannen fetten 3Mffen gab.
XI.
Seit Sßodjen belagerten nun fdjon bie ^reufcen ^ariS, unb ber Monat
Cctober nal)te feinem @nbe. diejenigen, meldte fidj inmitten ber allge;
meinen Aufregung fo oiet Ueberlegung bewahrt hatten, um bie SBerhältnijfe
fachgemäß zu beurteilen, ließen bie Hoffnung finfen, unb trofc aller
begeifterten Slnfpradjen, trofc aller Prahlereien am Siertifd) fah gar mancher
ruhig denfenbe mit Schrecfen in bie 3ufunft. die ^frofagnomie ber
£auptftobt nahm allmählich einen immer büftereren ©harafter an, ber mehr
im ©inflang jwnb mit ber fo zu fagen in ber Suft fdjwebenben Unruhe,
mit bem plöfclid) ftnfter geworbenen Gimmel ber legten .§erbfttage. $m
©egenfafc ju ben polizeilichen Verfügungen fahen bie Strafeen unorbentlich
unb fdjmu^ig aus, unb bie allgemeine 9toth gab fidj in taufenb beun*
ruhigenben Slnjeichen funb. buntfarbige Settel aller 3lrt aufteilten bie
gacaben ber Käufer, nur feiten begegnete man einem SBagen; ein Qauä)
ber Trauer unb beS @lenbs fc^ien burd) jene fdjlecht gefleibete Menge $u
gehen; faft alle Männer trugen bie Uniform ber Dtotionalgarbe, aber fic
war immer fehr nadjläfffg gehalten unb in ben meiften gäHen be|<hmufct.
9toch ganz neue, fdjöne Käufer würben ben cor ben geinben geflohenen
Sanbleuten eingeräumt, unb biefe lie&en in ben f oftbar ausgeflutteten
3immern ganz gemütlich tfantnehen unb $üfmer herumlaufen. 3ln gar
vielen fünften ber Stabt ftanben in eublofen Leihen dienftmäbä)en unb
grauen aus bem Sßolfe auf ben £rottoirS unb warteten an ben Spüren
ber ftäbtifd^en S<hlad)tl)äufer auf bie für fie beftimmte Nation ^ferbe*
fleijd). 9todjtS würbe ber 2lufenthalt in $ariS gerabeju unheimlich.
2luSgenommen bie (SafeS unb bie 3lpothefen würben fämmtliche Säben fehr
fettig gefchloffen. die Hälfte ber ©aSflammen blieb unangejünbet, unb
nichts war schauerlicher, als in biefer halb erleuchteten ginfternifc einzelne
Schatten oerjpäteter Paffanten herumirren ju fehen.
die Sonntage aber waren wa^renb biefer 3eü ber ^Belagerung aus*
nahmSweife jehön, unb bie Parifer fugten maffenweife ihre Lieblings*
fpajtergänae auf. ?(ud) (Gabriel l)atte einen biefer hellen, oon milbem
Sonnenlidjt uerflärten 9todnuittage benüfct, um mit feinem greunbe Gazabau
auf ben groften ^ouleoarbs herumjufchlenbern, als er ein ganz uner*
wartetes, ja fchiev unglaubliches (rrlelnüfe hatte.
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<£iite 3bflle u>är?ren& ber Belagerung. 26\
Seit einiger 3rit mar Eugenienl 93ifb bet Erinnerung bei 3öng=
lingl fdron etroal entfdirounben, unb gerabe an jenem £age f)atte er nod>
feinen 2lugenbli<f an ftc gebaut. Gajaban fjatte ilm naä) bem fjrü^ftäcf
oon &aufe abgeholt, unb ©abriet war mit feinem greunbe fortgegangen.
Mit magrer ÜBonne überlief er fidj bem ©effityl ber greityeit. Er burftc
gemütf)lid) plaubern, bie &änbe in ben 23loufentafd)en behalten, unb
jroanglol umfyerfpajieren; er fonnte fi$ bie Sonnenfeite ber Straften unb
DuaiS auffudjen, el mar if)m geftattet, aufjuatfmten, Menf djen ju fefjen.
So famen bie beiben greunbe btl jum Bouleoarb Montmartre unb fcf)ritten
langfam burd) bie Menge, bie immer bidjt gebrängt bie 3ugängc bcr
?>aftage 3ouffrop belagerte.
€a3aban mar eben im begriff, feinem greunbe bie rounberbare Er=
finbung einel 2lrjtel bei Duartier ßattn ju erflären, bem el gelungen
war, eine £i;pfmls unb Etyolera^Effenj Ijerjuftellen. ©in fleinel gläfd)d)en
baoon genügte, biefe Epibemien unter ben ^reuften ju oerbreiten, unb er
erging fidj gerabe in ben leibenfdjaftlidjften Stulfäflen gegen bie uns
patriotifdje Weigerung ber Regierung biefel energifdje 23ertf)eibigunglmittel
jur Slmoenbung ju bringen, all ©abriel plöfelid) in einer Entfernung oon
ffinfjeljn Stritt Eugente am Eingänge ber ^ßaffage erblicfte. Sie ging
am 9lrme einel fjodjgeroadjfenen Mannel, ber gleidjfattl ber 9totionalgarbe
angehörte. Er trug auf ben Slermeln feinel Mantell bie gourriersUnters
offtjiextrcffcn unb mar allem 9Infdr)etn nad) i^r ©arte.
©abriel blieb ptofclid) fief>n. Er fyxtie bie Empfinbung, all roäre
tlmi r»on Semanbem ein heftiger Sd)lag auf ben Magen oerfefet roorben,
eine Erfdjeinung, bie burdj ftarfe neroöfe Aufregungen fyeroorgerufen ju
roerben pflegt. Sofort, toie in Jolge ^ör)crer Eingebung, mar iljm flar,
bafc bie junge grau $aris oom Moment ber Einfdjliefjung an nidjt oer=
laifen, unb bafj fie roetyrenb ber fedjl 2ßod)en, roo fufj feine ©ebanfen
unabläffig mit tyr befdjäftigt, in berfelben Stabt wie er, ja, in feiner
nä$ften 9täl)e gelebt Ijatte. 3m 2lugenblirfe, roo itjm bal unoerfjoffte
©lücf ju Sfjeil rourbe, fie roieber^ufinben, burfte er nid)t auf fie jueilen;
el mar if>m oerfagt, if)re $anb ju fallen, fie in ber 9tä&e ju betrauten,
fie ju berühren, Ujr Sittel, Sittel ju fagen; unb jum erften Mal traf ei-
ne am 2lrme beljenigen, ber fid> 'i()rel 33eftfeel im tarnen bei ©efefeel
unb ber ©efeüfdjaft rühmen burfte, jenel oon ifjr fo fein* gefürdjteten,
oon ifim fo fcr)r oerabfdjeuten ©atten!
©abriel fyitte in bem großen, fräftigen Manne, beffen falte, ^erjlofe
Sttugcn unter bem Sdjilbe feinel sXcp'i (jeroorblifcten, unb ber ftdj in feinem
ferneren Mantel oon grobem, blauem £ud) fo breit mad)te, augenblicflia>
ben 3immermeifter Element erfannt, unb in ben Slugen bei Siebenben
bilbete bic lieblidje, jarte, burd) bie Entbehrungen ber Belagerung fdjon
etroal abgemagerte ©eftolt Eugenienl in ir)rer bunflen, enganliegenben
ÄIcibung neben biefein Äolofc einen fdnnerslidjen ©egenfafc. 9lud) Eugenie
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262
^ran^ois <£opp6e in parts.
erfannte ©abrief als fie, von ifjrem ©atten geleitet, an ü)m oorüberfam.
2£ie f eftgebannt blieb fic ftefjn, if>r ©efiäjt rourbe tobtenblafc, unb iljre
9lugen öffneten fidj meit oor (frftaunen unb Aufregung. $>ie.ganje Scene
bauerte faum eine Secunbe. $>ann roanbte fie mit einer plöfeltdjen 33e=
roegung tlu* £aupt jur Seite unb oerfdjroanb, von ifjrem a^nungälofen 2Jtonne
fortgejogen, in ber Sflenge.
„SöaS ift £ir benn?" roanbte fid) ber 2Rann be£ Sübenä an ©abriel,
ber nod) wie »erfteinert bajknb, „3)u fieljft ja gans merfroürbig aus."
„9tidjt3," braute ©abriel, ber nid)t oon ber Stelle tonnte, fjeroor,
,,id) bin mfibe, fomm mit in'3 Gaf6."
„Sefjr gern," fagte Gajaban, ber eine foldje (SHnlabung niemals ab*
lehnte.
2lber ber Spaziergang fanb fo einen für unferen gelben äufjerft
nnberroärtigen Stöfdjlujj. flaum atlmtete er bie Ijeijje Suft be3 2öirtt)$s
fyaufeS/ fo füllte er, wie ifmt ba$ 23lut ju ßopfe ftieg, unb er wollte
roieber fort. dajabanä ©efdjroafc betäubte tfm; er f)örte roofyl 2öorte,
aber er oerftanb tfjren Sinn niajt. 3)emt fein ©eift ging gan$ unb gar
in bem einen ©ebanfen auf, bag (Sugcnie in $ari3 mar, unb er fann
fdron auf ÜJtittel unb 2Bege, fie roieberjufefjen. £obtmübe fam er ;bei
feiner Üflutter an.
$ie 3Haf)l$eit mar nur] furj,1fie roaren e£ alle ju jener 3"tr unb
fobalb grau gontaine ba$ £ifd)gebet gefprodjen, »erliefe ©abriel fic unb eilte
inftinetio nad) bem gaubourg Saint*3acque£. gaft f)ätte er laut aufge^
fd)rieen oor greube, als er £id)t an grau &enrn$ genfer bemerfte. £r
fam erft gar md)t auf ben ©ebanfen, bafj fein 23efud) ifjr unbequem fein
unb er möglidjerroeife nn'e neultdfi ein traultdjeS 3ufammenfein mit bem
ÜJiobilgarbenC ffiäier ftören fönne; olme lange über eine ©ntfdjulbiguug
megen feinet 2lu3bleibenS nadpbenfen, flog er in langen Säfoen bie treppe
hinauf.
„2Sie? Sie finb'S, abfdjeulidjer SHenfdf)?" rief grau ^enrp, bie
glücfltdjerroetfe allein mar, beim Empfange aul. ,,3d) backte fä)on, es
roare 3^r ©eift. 3n meiner ßersenSeinfalt bilbete ia) mir ein, Sie waren
üietteid&t gar $u ben granctireurS gegangen, unb Ratten bei benen roa*
abgefriegt. 'S ift redu1 nett uon Zftnen, ba§ Sie 3^re greunbe fo im
Stia) lallen ! SaS Ijabcn Sie roof)l ju Styrer (Sntfd&ulbigung ansufüljren,
<perr Unbanf barer V 2öo f)aben Sie fo lange geftetft?"
iHber ©abriel mar oiel ju glucflid) beim 2lnbli<f biefer grau unb
biefeä 3"nmer^ °ie f° m^e föftlidbe Erinnerungen in feinem ©eijte roadV
riefen, bie fro^e Hoffnung, Eugenicn^ Spur gefunben 5U Ijaben, ja, fie
meUeid>t in üöalbe roiebersufeljen, lebte ju mäd^tig in feiner Seele, aU
bafc ibm eine paffenbe Antwort auf bie SBorroürfe eingefallen märe, bie
ibm grau .'penro mit er^eudjeltem 30rne mad)te.
„5lber grau ^enrn," gab er enblid) etroaij unbefonnen jur 2lntroort,
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<£tue 3&yllc wäljrenö der Belagerung. 263
„idj fjabe Sie fd)on oerfdjiebene 3)tol oergeblid) aufgefudjt, unb bann babe
idj aud), offen geftanben, gefürchtet, Sic ftören, ba icb Sie neulich fo
. . . in gamilie traf/'
Die fd^öne brünette ladete laut auf.
„Na, na," fagte fie, „id> felje fcfwn, Sie fmb ebenfo bo^aft wie
alle Stnberen. 9ttan barf atfo feinen Goufin mef)r haben? 2lrmer Robert!
xoaz bab' Ii) um ben au$ftel)en muffen ... Unb babei fontmen mir gar
nicht mehr ^ufammen, benn fein Bataillon fteht im SftoulinsSaquet*). Sie
fmb gerabe wie biefe häßliche ©ugenie, bie nid)t mehr mieberfommen wollte,
weil fte itm *3roet= bis breimal bei mir getroffen hatte. GS ift Sftnen
fdwn ganj 9ted)t, warum haben Sie fid) fo lange nicht feben lajfen!
©ugenie ift nämlich in sparte geblieben, unb faft acht Bochen finb Sie
mit itu- nicht jufammengefommen. Eigentlich oerbienen Sie gar nicht, baß
ich Qfmen fage, roie oft fie Qbrer gebad)t, unb wie traurig fie mar, wenn
wir nach bem ©runbe %1)U$ gortbleibens forfd)tcn. Df), biefe Männer!
<SMe wollen Sie fid) benn entfdmlbigen, fie muß jeben 9lugenbli(f fommen!"
(Sin unenblid)e3 Wonnegefühl burchbebte ©abriete £er$. Der eine
®ebanfe 6et)crridr)te ihn: ©ugenie hatte tt)n nicht oergeffen, bie Trennung
mar auch für fie febmerslicb geioefen! ©inem unroiberftcl)lid)en Crange
folgenb, feinen ©efühlen in irgenb einer Weife Suft ju machen, faßte er
grau £enrt)S ,§anb unb fab il;r in'3 @efid)t mit 9lugen, in benen i^ränen
tiefinnerfter ©lücffetigfeit glänzen. So fef)r rührte bie Wahrheit unb 2luf=
rid)tigfeit feiner ©mpfinbung bie fd)öne brünette, baß fie fi<h oerantaßt
füllte, ifmt 2ttuth sujufpre^en mit beu Korten:
„Seien Sie boa) fein Sltnb, fte liebt Sie, fie wirb Sftnen oerjeiben."
Unb in biefem 9lugenbltcfe trat (Sugenie jur Xfyüx herein.
Die beiben Siebenben ftanben, nur burd; wenige Stritte getrennt,
unbeweglich einanber gegenüber, jitternb, blaß, feinet Wortes oor 2luf=
regung mächtig. Sie waren iöeibe ju uornehm angelegt, als baß fie ihrer
^ärtltchfeit oor 3e"gen freien Sauf gelaffen hätten, unb e$ trat bafjer ein
^SugenblidE peinlichen Schweigens ein. grau ,\Senrn l)atte bie ganje SadV
läge fofort überfebaut unb trat, geleitet oon jenem Xactgefüf)l, ber nid)t
feiten ben 5r<*uen felbft ber niebrigften 3>olfsflaffen eigen ift, auf ©ugenie
$u, nahm ifjr .'put unb Hantel ab unb lub fie ein, am Stfäje ^lafc $u
nehmen. Dann machte fie fidj'S felbft bequem, bot ©abriel einen Stubl
an unb tagte lädjetnb:
„Siun, $err ©abriel, bitte, lefen Sie uns wie fonft etwas aus beut
^Setit-^ournat oor."
*) SReboute beim gort ^ittejutf, fiiblid) oon $ari*.
(Sdihi B folgt im nädu'tti' vrt.)
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3lluftrirte Bibliographie.
$er 2diiuür:,iunlb Don i I f> e 1 m
mann, (5. ihigo, 2tt. ÜRoman u. 31.
14 Sieferungcn gu 1,50 3?iarf.
3enfen. 9Hit OUufrrationen oon 2B. §afe
Berlin, <q. fteutfjerS »erlag.
3n 12 bis
en „blaffen 9Jicnfcb,en allerorten", roeldje über Die Sd)alljeit be8 2fwn8 ber
(begemoart Hagen, rätl) ber „ftiUe 9Hann" in Sd)effel8 toalbfroljem Xrom=
peter, jum Jungbrunnen be8 ©ebirgtoalbeS ju toanbern, um b,ier ade ®e=
bredjen unb Scummerniffe grünblid) loa gu lueTbcn.
Xoxt, Derftecft Don Stein unb ÜHoofe,
ftaufenet frifd) unb bell bie 28eHe,
£ort entftrömt ber (jrbe Sdjoofce
(5roig jung bie äBunberqueüe.
•
Tort, umraufcfjt Don SMbeSfrieben,
ÜNag ber tranfe Sinn gefunben,
Unb bc§ Wenses junge Älütbcn
«sprofien über alten SBunben!
Sieier Qttajmruf iü glüdlidjermeiie nidjt ungefybrt Derr)alli. 2Bir fennen fie nodj,
bie Heilquelle für alle qnälcitben Reiben ber ©roftftabt; roem bie Stifdje unb ÜJiarfcb«
fäfjigfeit nod) nidjt ganj abfjauben gefommen ift, ber benutzt bie geferjafts* unb forgen*
freien Xage, um fid) in frönlidier Säuberung ben Staub be8 33eruf8 absufdjütteln
unb megpbaben !
Sdiaarcu Don fröl)lid)cn Xouriften burdijicljcn aud) jur fdjönen Sommerzeit bie
ftrone ber beutfdien Mittelgebirge, ben fjerrlidicn Sdttoarjmalb. Unter anberem forgt
ein ftattltd)er „herein" mit jablreidien Sectionen, Hier umliegenbe Uniöerfitätcn unb
t>iele einzelne ^crfönlidifeiten, bie attB bem iöergfteigen eine ©eioo&nljcit, ja ein Gebern
amt gemad)t fjaben, bafür, bais es nidjt menfdjenleer »oirb auf biefen roalbumfrän.sten
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8ibüo<3rapt?i|dje nötigen.
269
Öfeidtbeit aller Bürger foff eine Söerüdfuffttgung ber 2llterS=, SöilbungB* unb Sbeft&eS=
unteTfdjtcbe unb ber militärtfdjen Meinungen, fomic eine JKepräfentation ber ftrauen
unb unfelbfiänbigcu fliuber burdj iljren ©emalt&aber eingeführt werben, unb gtoar inbem
ber Urfrimme iebeS Wählers Sufaöftimmen Einzutreten, «orberljanb bürfte biefeS Protect
loofjl ebenfo geringen Sflnfprud) auf praltifcbe öcbeutung ergeben, roie ber 5öorfd)lag,
bie 23erattntng unb Stebaction üolfSmirtbfdjaftlidjer ®efe&e einem aus gadjleuten unb
ber (Sitte ber 3utercffenten gu bilbcnben thllS* bt$v. 9teid)Smirtf)fd)aft8ratl} gugmoeiien
unb bem Parlament lebiglid) bie iHnnafjme ober Ablehnung eu bloc mit 2luSfd)luß
jeber Slmenbtrung gu belaffen.
2MeS in 2lUem mirb aud) Derjenige, ber mit ^artmannS 3Infict)ten nidjt überein*
nimmt, einen mannen, biSioeilcn felbft erumS djauoiniftijd) angebaudjten Patriotismus,
lebhaftes 3ntereffe unD einbrtngenbeS SBerftänbniß für alle geitbctocgenben politifdjen
fragen, gefunben Sinn unb nüdjterttcS Urtf)cil ifmt fidjerlid) nid)t abfpredjen. 8Üldj
bie äußere Srorm ber 3)arfteUung fpiegelt ben Gljarafter beS Tutors, ©ein Stil bat
nidjtS ©länaenbeS, 23eftcd)enbe3, §inreißenbe8; aber er ift flar, burdjfidjtig unb
prägnant. (£r gebt feinem ©egenftanb energifd), man möd)te fagen, folbattfd) bcrb gu
i*eibc unb finbet für aHeS treffenben, anfdjaulidjen, ungtueibeutigen iUuSbruct. Unb
fo mirb toobl faum 3*manb baS iöud) lefen, of)nc oielfeitig gcförbcrt ober 311m
minbeften bod) angeregt 51: merben. Dr. H.
(Befdjidjtlidje Literatur.
Sic $ortfd)rtüe ber fteilfc&rift«
Toifrfiuna in neuefier 3cit. <ou
Garl söegolb. &ird)om^oltgenborft,
Vorträge 9i. fjf. III, £eft65. Hamburg,
ätolagSanftalt (öormalS 3- fr ^ idjter).
Dbu>of)l bie crft junge 2iMffenfd)aft
ber Slfftiriologic gcrabe in ben le&ten 3al)reu
große Erfolge gu Pergetdmen jjat, ift bod)
bie .scenntntfj btefer l£rrungenfd)afteu nod)
nidjt in meitere ftreife gebrungcu. XeS*
halb ift bie üorlicgcnbc flehte Sdjrift redjt
banfensmertl). Sie giebt einen fnappen,
aber Haren unb faßlichen Uebcrblicf über
bie feit 1878 auf bem äikge ber 2luS*
grabung feiten* Xcutfdjlanb, isnglanb unb
Sfranfreid) ergieltcn ftortfdjritte ber ftcil-
fdjriftforfdjung. ISS giebt breierlei Cuellen,
meldte imS bie ftunbe oon uralter (Sefdjidjtc
unb Gultur ber Xigris=(Supl)rat-^änber
übermitteln: gunädjft bie auf Xi)OW-
pri&men unb Xtumctylinbem angegeidmeten
Staatsbocumcnte ; 3 m e i t e n S bieXtjontaf ein
ber moljlgeor^neten babulonifa>afft)rii"d)en
SMbliotbefeu mit ibrem mannigfaltigen 3n=
balte. Tiefe umf äffen Sagen unb iiegenben
in JlkrS unb profa, liturgi|d)e, aftrologtfdje
unb Cntenfammlungen, grammatifdje unb
anbere rein biDaftifdie Sdjrtfteu, t)iftorto=
(rrapbifd)eunbcfaonologifd)eMufgcid)nungeu,
burd) mcldje eS gelungen ift, bie babt)lontfa>
affprifdjc Chronologie bis ungefähr in bie
SWitte beS '6. 3al)rtaufenb8 ü. (S^r. gurüd*
3itfüt)ren. 9lid)t geringe 33ebeutung i)at
enolid) aud) bie britte Sflaffe ber ISntbecP*
ungen: bie in Xrümmern oon ftömgfc
paläften, -lempeln unb ©rabanlagett ge*
fuubencn Shtuftgegenftänbc , nantentlid)
lebensgroße, mit 3nfd)riften oerfeljeue
Statuen oon Königen unb dürften. Tiefe
füljren uns in eine nod) mett ältere 3^it,
nämlid) bis in ben 2lnfang beS 4. §af>r»
taufcnbS d. (Sljr., mo in lUefopotamien nod)
nid)t bie 3)ionard)ie beftaub, fonberu ein
ftcubalroefen in feinen friiljeften Anfängen
tjcrrfdjte. 9lm Sd)litß beS Kerfes ftnb bie
)al)lreid)eu X^ontafeln ermähnt, meldte
iöriefe mcfopotamifdjcr itönige an ben £of
3u2legt)ptcn aus beut 15. 3al)rf). o. 6br.
entljalteu unb fomit ben frü^eitigen 'ikx=
feljr beiber Üänber bejeufleu. sh.
TcutfrfK ^iloerreifen und) »cm
Zeitigen Sanfte, ^on ^teiuliolb
JHö^rid)t. Öotlja, 5- 31. Perthes.
58or einem 3al)rgel)nt bat yieiul)olb
9töl)rid)t in SBerbinbuug mit $>einiid)
lUeißner fdjon ein größeres Ä*crf unter
gleidjem Xitel oeröffcmlidjt. Ten ,s?ern
bcSfelbcn bilbeteu bisljer uugebrudte Pilger*
fdjriften in mittclt)od)beutfd)er Spradie unb
\tb.x mertlmolle bibliograpbifdic Beiträge
jur ÜJeograpbic ^aläftinaS. 2a biefe M*
fdjnittc baupt[äd)lid) für wiffenfd)aftltd)e
.Streife 3ntercffe tjatten, fo fameit anbere
Xljctle beS 5öud)e8, meldjc für bie größere
3Nenge ber Öebilbeteu beftimmt maien,
nid)t redjt jur (Geltung. XcSfjalb t-nt*
fdjloß fid) ber l^erfaffer, eine tleiuere
Ausgabe gu Derauftaltcn, in meldje nur
bie l)iftorifd)e Tarftellung ber ^itgerretfen,
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270
Horb nnb f üb.
baS ^ilgcrrcifenoergcidmife unb einiges ]
anbere aufflcnomntcn würbe. 3ebod> ban*
belt cd iid) nidjt um eine blofee üiiiebcr- ,
boluug ber älteren Arbeiten; baS frühere
Material ift bcbeutcnb erweitert, unb neu
bcrüdficbtigt ift Alles, waS bie raftlofe
^aiäftiitaforfcöung in bem testen 3ahr5cbnt |
gclciftet bat
Sdjon lange, beuor bie Äreuggügc be*
gönnen , nnb nod) lange , uadjbem fic |
aufgehört haben, finb Xaufcnbe unb ober |
Jaufcnbe über'S SWeer gegogen, um bie
c lauen 51t fchauen, wo (SbriftuS gelebt '
unb gelitten hatte unb wo burd) eine immer |
weiter ftd) ausberjuenbe Xrabition bie Spuren
feine« (£rbcnwallenS befeftigt waren. TaS
i^otto gur flteife mar balb fromme
Scheucht, balb bie Hoffnung auf Herges ,
bung ber Sünbcn, balb ber Tant für eine
Rettung aus XobcSgcfabr, balb bie Ab*
lojung einer auferlegten Strafe, ober baS
Verlangen ^Reliquien gu erwerben; gubiefen
rcligiöfen 2?ewcggrünben aber traten na«
mentlidi in fpäterer ;}cit oft genug rein
meltlid)e töüdficbten, uub jo finbet mau
beim unter ben pilgern aud) militärifebe
£erid)tctftatter unb politifchc Agenten,
2$ergnügungS* unb frorfdnmgSrcifenbc,
Abenteurer, Stüter, welche auf ääunfdj
einer launenhaften ©eliebteu über'S 2)Jeer
fahren, Äaufleutc, Aldromiften, meldje bei
bcnükifen beSÜDtorgcnlanbcs ibretfenutniffe
bereichern wollten. öbenfo mannigfaltig
ift aud) bie 31 rt beS DtetfenS. 2Man |
fnnn eS bei JHöbrieht felbft nadjlefen, mie !
bic 4-Mlger ftd) auSrüfteten, Derproüiantirtcn,
wo fie Verberge nahmen, wie fic, gewöhn*
lid) in 3?enebig, ftd) einen Sdn'ffsplaö
mietbeten, unb was fic mährenb ber fedjs
bis adjt Podien langen #abrt anSguftebeu
hatten; mie fie cnblidi in ^aläftiua felbft
berumgeführt unb mandimal aud) naSge*
führt mürben, um fdtlicfelicb nad) langer
Abwefenbeit in bie fteimat gurüdgufebreu,
mo man fic febon als oerfdiollcn ober gar
geftorbcu betrauerte! iKöbricbt theilt aud)
eine eingabt Pilger lieber mit,beutid)eunb
lateinifche, uebft ber mufifalifchen Dotation, j
Tie beutfeheu Pilger fangen gewöhnlich
[ehr ernfte lieber, in betten (Motte* 5öei=
ftanb erfleht mirb, bic frangöfücben, aber
fchr laScioe. 9iid)t ohne 3nteref)"e öernimmt
mau eine Mahnung Stephans oon ^our<
bon aus ber Sftitte beS 13. 3abrbunbertS,
an feine ifaubSleute, fie feilten eS auf ben
Keifen wie bic Teutleben machen. — Ten
grofjten Xbcil beS iöudic* nimmt baS ä?er=
jeichnife fämmtlieher nadjgcwiefenen Pilger
iwm onhre 1300— 16i>9 ein, mit größter
Sorgfalt gufammcngeftellt unb au» einer
fiiteraturfenntnife beroorgegangen, wie fie
auf biefem ©ebiete aufecr Röhricht fein
belehrter in Teutfcbfanb befifct. L
&cfdH4tc ber Normannen in Zici*
Iteit. 9Jon A. fr ©raf oon Scharf.
2 »be. Stuttgart, Tcutfcbe Verlaß*»
Auftalt.
3um erften ÜJiale tritt uns ber gc*
feierte Tid)ter als ®efd)id)tid)reiber ent*
gegen, unb gmar mit einer Arbeit, welche
bie ausgereifte Frucht iabrgcbntelanqcr
Stubien unb OrTfdmngen ift. Tic erfte
©efdüdjte ber Normannen in Sicilien bilbet
einen ber intereffanteften Abfdiuitte ber
mittelalterlichen ®efd)td)te, baS bisher nur
ftiefmütterlid) oon ber froridmng bchanbelt,
ift. Ter 3$erfaffer giebt in einer (5in=
leitung juuäd)ft bic ©efd)id)te ber Nor-
mannen im Horben, bic äBifingcrjügc, bic
9?icberlaffungcu ber 9iormauncn in (*ng=
lanb, 3Slanb unb ber 9?ormanbie unb
bann bic @cfd)id)te ber 9formannen oon
Robert ©uiScarb bis gu Tanfrcb unb beut
Untergange beS iHormaunenreidjeS in 3U
eilten. Tic äJorfrubien fmb jum Theil in
Stellten felbft gemacht, auch i*iterarur=,
Sitten^ uub ßulturgefdncbte berüefftchtigt.
TaS (IV.) Kapitel über geiftige »ilbung,
2Biffcnfd)aft unb Üiteratnr auf Sicilien
gur ÜJormannenjcit ift etwas mager ge=
rathen. ferner wäre eine gröficre ?luS-
führlidifeit uub Sorgfalt ber OueUcnnad)-
weife erwünfeht gewefen. — öine JRcibe
fllänjenber uub farbenreidjer 9?ilbcr entrollt
fid) oor unferen 9lugcu. 3n cbelftcr
Sprache, frei oon fwblem Pathos, mit
ficherem Tacte unb ruhiger Obfectioität
leitet ber 2krfaffer ben Scfer. TaS 2?ud) ift
ftreunben guter f)iftorifd)er i'ectüre bringenb
anzuempfehlen. ss.
TntM'd)c Wefrljirtjii'. Sßon 5JJrof. Dr.
Ctto Äacmmel. £>eft L TrcSben.
6 arl §ödner.
TaS genannte SBerf wirb in etwa
10 heften ju 1 aflart erfcheinen. 3m
Ü>egcnfa6e p wiffenfehaftlichen iBerfen, bic
ihren SWertb unb ihre Berechtigung in
fid) felbft tragen, hängen populänoiffcn«
fcbaftlidje TarftcÜungen gunädift oon ber
^ebürfnifefragc ab; unb gewife ift ber
ÜBunfd) oorhanben, auf gefieberter, wifien*
fd]aftlid)er ©runblage ein iBucb gu haben,
baS ben Stoff übcrfidjtlid) gufammcnftcüt
unb bcnfclbcn in einer Sronn oorirägt, bie
t»ca ©eift unb Sinn gleidjmäBtg befrie^
bigt unb anregt. Sichcrlid) eine nicht
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öibliograpr/if d?e Hoti)*««
27\
leiste Aufgabe ! Cb biefclbe in bem 2öer!e
geloft werben wirb, ift eine ärrage ber 3»**
fünft ^ebenfalls berechtigt baS erfte fceft
3U ben beften Hoffnungen. Xie Spradje
jeigt betncrfcnSwertbe unb straft
beS 3luSbrud*S. Xie SorfehungSrefultate
fdjeinen untüchtig üerwerthet gn fein.
Dr. Wd.
Wcfdjidjtf 8d)(cdlotg>^oIfietu6 oon
ber Erhebung bis jur ©egenwart (1848
bis 1888). S?on Dr 6. ©obt. TO
einer Starte unb 7 planen. Altona,
& Heber.
Horlicgenbe ©efehiebte ber „meemm-
fcblungenen* fcalbinfel ift bic brittc 2lb*
tbeüirng ber Don GaiuS 2Jiöllcr unb Dr.
IS. ©obt herausgegebenen ®cfd)id)te beS
SÜanbeS Don ber älteften 3«it bis auf bie
©egenwart Xie Xarfteüung beruht auf
bem oorbanbenen gebruefteu Material,
i^enueung ber 2lrd)ioe ift unterblieben.
Xer Ükrraffer wollte ein treues $ilt> ber
genannten Sfccriobc in allgemein oerftänb*
lieber gönn geben. Xie Xarfteüung wirb
burm, Äartcn unb glätte oeranfcbaiüidjt.
3m Slnbang ftnb jum SJortbeil bes Ruches
aus ber wMg. Xcutfd). äJiograpbie" unb
anberen Herten biograpbifdie Kotigen über
berühmte <sd)leSwig'§olfteincr äufammen*
getragen. In
find meinem ftrieflötageftudie. Sr=
inncrungen an8d)le8wig»&olfteiu (18G4)
von <S. $ungc. JKatbcnow, iöabenjien.
XaS 23ud) wirb nicht nur bic Weiteren
feffcln, bie jene 3*tt mit SBcWUßtfein burü>
lebt haben, fonbern eS ift auch benen feljr
5U empfehlen, bic noch in jüngerem Sllter
ftebu, namentlid) angetjenben Solbaten.
@S giebt bic (ftnbriicfe beS fjelbjwgcS unb
ber ganjen bewegten 3cit fo unmittelbar
wieber, baß jebem ein icbeubigeS 3üilb
üor bie Seele tritt. rj.
3eüf4ri?t tev btftorifdjeu flefeU-
idjafi für Die $rototns $ofen K.
herausgegeben Don Dr. 9tobgero
SlhümerS. 3abrgang IV. SJJofen,
3of epfj 3olowicj.
(£in mannigfaltiger ^sittiaLt wirb uns
in bem oorliegenben £>cfte geboten; aber
cS ift eine üJtonnigfaltigteit, bic (Sinheit
gewinnt unter bem ©eiicbtSpunfte, bat}
alle (Hnjelforjcbuugcu baju beitragen uns
bie Itcrgangcnbeit nnb bamit aud) bie
©egenwart beS ©ren;$lanbeS s$ofeu Oer»
fteben ju lehren. Xie 3eitfebrift will
nidjt in erfter ßinic Vergnügen bereiten,
fonbern fie Will bilben unb tu weiterem
Stubium anregen. Xaber ift aud) bie
t$oxw ber einzelnen lUrtifel rein wiffen*
fchaftlid) im wobltbuenben ©egenfaljc tu
anberen ^roOtngia[geitfd)riften, wie fie bie
unb ba als älblagerungSftätte populären
SJcifdjmafdjcS benufct werben. Xie deinen
aWittbeü'ur'ßen unb Jyunbberidjte, ebenfo bic
Siteratnrbericbtc bef riebigen bieMßbegicrbe
unb felbft bie Neugier oollauf; bie umfang»
reidjen Simingaberidjte mannigfachen 3n»
halts je ugen oon reger ÜLUrffamteit burd)
baS leben d in. c i&ort befouberS foldjeu i'i-t-
glieberu gegenüber, bie etwa in bem rein
miffenfcbaftlidjen Iljeil nidjt uoüe Söe=
friebigung finben follten. Dr. Wd.
Xa& tpuäfletifät Ctobrbuuöcrt. $on
3Jaul SWantcgaj^a. fluS bem 3ta*
Henifdjcn oon $ulba SWeifter. 3cna,
^ermann (Softenoble.
2i*a8 2Jia? Zorbau in feinen „conoeiu
tionellcn ßügen" mit wiffenfd)aftlid)cm
(Trufte unb einer gewiffen ©rünbüdi^it
berfudjt bat, nämlid) ben 9lad)WeiS ber
äkrlogcn^eit unb llnwabr^aftigfett uufercr
mobernen 2}erbältniffe ju liefern; was
norbifdie Xidjter uns in bramatifdjen ®e*
bilben mit großem ^ufwanbe oon fitt=
ltd)em 5Patb,oS oon ber §öbe ber rueltbe=
beutenben Sretrer qerab oerfünben: baS
roieberb,olt ber Italiener äRantegansa in
ber Sorm einer licbenSwürbigcn, unter»
r)altcnben Klauberei. Cb unfer fo ftarf
oerleumbcteS 3ul)rf)uubcrt in ber Xbat
baS Su^rljunbert ber üüge unb ,^eud)elei
par excellence ift, wie man uns glauben
machen will, oDer ob mau il)m uid)t mit
größerem 9tcd)te ein anbereS weniger bis»
crebitirenbeS (Sbaraftcrifiifum beilegen
tonnte, tonnen wir bier nid)t entfdjeiben;
oicüeidjt aber urteilen fpäterc 3al)tt)imberte
günftiger unö ridjtigcr, als mandje Sdirift»
fteUer beS gegenwärtigen mit ihrer aUjit=
febarfen ©clbftfritif.
Xer üierfaffer ftellt übrigens baS
ju allen Reiten oorlommcnbe Auftreten
Der üüge unb öeudiclci nidjt in Ülbrebc
unb giebt einige 4*eifptelc bon iljrcm 3.lor*
fommen fogar in ber Xbierwelt. Xen
Anfang ber nieni'djlidjen Heuchelei
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272
l\oxt> nnb Süb.
ficht er t'djon in ber Söenußung Don
Feigenblättern burd) baS fid) feiner lla&U
beit fdjämenben erften 3Menfd)cnpaar« !
2 ich Angabe genügt iuof)l, um baS )Befen
beS Stterfd)enS 51t fcnnäeid)ncn ; eine
metbobifdjc, miffenfd)aftlid)e Jöcbanblung
ber t$xa$t bat ber S3erf. weber öerfudjt
)i cd) bcabfidjtigt. Sr bat eine itteibc Don
glängcnben, untcrbaltcnben Feuilletons
fdireiben wollen unb bat biefe Aufgabe
friliftifd) meiftertjaft gelöft. 2>er rein
praftifebe 9lnljang, wcld)er einen Si atalog
ber befannteften Sd)önbeitSmittel mit ber
Söeäcidmung ibreS Iwgienifdjen iUertbeS
giebt, nimmt fid) an biefer Stelle etwas
wunberlid) aus. £ie Ueberfeöuug lieft ftcr)
glatt; nur baS abjectio „vergeben" (S. 37:
„meine oer gebe neu Sßerfudx") ftatt
„oergeblid)" bürftc nicht ftattfjaft fein.
in ima 'funbeu! Liener 2L*citjnad)tS=
(Somöbie in 3 2lften oon üubmig
Nnjengruber. Bresben, (£. s#ierfou.
35er Xitel beS SramaS giebt in einem
ihJorte treffeub baS 3^1 ber £aubluug an.
Der an große SJerbältniffe gewöhnte ab=
oofat l>r. Jammer Ijat gcrabe am 33or-
abenb beS itBcibnacbtSfefreS erfannt, baß
er burd) fein großartiges Auftreten unD
bie oerfebweuberifebe !Wirtbfd)aft feiner
©attin unb feiner IG jährigen £od)ter
gum SJettler geworben ift. iÖeim £>cran=
nahen ber uod) jum ftefte gclabeuen (Säfte
ftürmt er, ben ©einigen wenige 3eilcn
beS WeftänbnifteS äurücflaffenb, aus bem
$aufc, um feinem tfeben braußeu ein
(lube ju mad)en. 3ufällig begegnet ifjm
fein Sruber, ein gar einfadjer, frcujbraoer
Spielmaarenbäubler, ben er, cbenfo loie
bie alte Butter baljcim fett fahren nid)t
mehr aufgefudjt bat, ba fie unter feinem
Staube loaren. Dem treuen trüber ge*
lingt es ben aboocateu oon feinem büftern
Horbaben abzubringen unb ilnt !u l:u su-
nt bron nad) bem befdjeibenen £>äu$d)en au
ba» $crj ber Butter; bier foll er im
erften 3tod! ber befdietbenen Wohnung fid)
eine fleine Jfanslei cinridjtcn unb oon
Weitem ein hieben fricblidien Streben« bt-~
ginnen. 3efct bat fid) ber lcid)tfcrtigc <ylüd)t=
liug „beimgefunbeu", unb nur ben einen
älhinfd) trägt er uod) im fcersen, feine
Wattin unb feine bodn'abreubeZocbter möchten 1
fid) betuegen (äffen, bkieä befdieibene Wlüct
mit it;m 31t tbeüen. 2>er 23iuber XbotuaS
wirb abgefanbt, unb es gelingt ibm audj
bie beiDeu <yumilien, bie fid) bieber feinblid) |
gegenübergeftanben, unter ben tferjen be-3
SBcibnadjtSbaumS am treuen 3Rutterbcr3en
ju oereinen
$aB ift in ffürje ber 3nbalt bcr
^Ingeugruberfdjen 3Bcibnad)tS=6omöbie. X ie
©eftalten beS bieberen Spielmaaren =
bänblcrS XbomoS Jammer unb feiner
braben i'iuttcr unb mcifterlau gejeidjnet ;
bie Xicfe ber (fmpfinbung unb äiktt)r=
beit ber DarfteUung werben gewiß leinen
i'efer baS Söud) unbefriebigt aus ber £>aub
legen laffen. aud) auf ber SBülmc muß
bie ßomöbic, ber eS bei allem Grnft audj
an #umor nidjt fehlt, oon großer 28ir^
fung fein. pa.
Qttiatt ber «djretfü^e unb fein
vuitt». Cornau oon ^>ans v offma n n.
Stuttgart, SJcntf^e ^erlagS-^nftalt.
55er liebcnSmürbige Junior beS ä>er*
faffers, ber für bie ßefer oon w9?orö unö
<Süb" fein Unbefannter ift, burdjwärmt
aud) biefen Vornan unb mad)t üm ju einer
böd)ft erfreulidjen @abe. 2)aS £cbrerleben,
baS üiel ju oft in afd)grauem Golorit er»
fdietut, fann biefen Gonnenfcbein braueben.
2Me ^auptperjoucn fiub mit liebevoller
Miniaturmalerei ausgeführt. 9?cbcn bem
nur febeiubar fo fd)recf(id)cn jungen 2d-n:--
turaunen bei rieiuftäbtifdjen ©qmnafiumS
crfd)eint auf ber einen Seite bie üor--
trefflid) gejeid)nete 3Jläbaicngcftalt Helene,
toclct)e ftdb im Jöefiöc eines beliebig anju=
joeubenben §eiligenfd)cinc* befinbet unb, feit-
bem ein ^tral)! ber SeutnantSfonnc auf
fie fiel, eine 3*itlaug (SntfagungSgebanfeu
begt ; auf ber anberen Seite, bie mit aüen
Wlücfagütern oerfebmenberiid) auSgeftatiete
(5ommev5ienratb8to4)er Jllma. Der lUbfdiluB ,
toeldtem bie redjt bemegte ^anblung gu=
gefübrt wirb, ift ber angenommenen ®runb=
läge ber l^erbältniffe unb Sbarattere obdig
entfpred)enb. ?lud) unter ben jablreidjen
9?ebenperfonen finb einige, toic ber „leiblid)
bumane" ©i)tnnaftalbirector oortrefflid) ge-
3eid)net. 3ft eS erlaubt, an einem fo
burd)bad)ten unb abgerunbeten Äunftioerfc
eine kJlusftellung 111 macben, fo modjten
wir behaupten , bafe im ßbßtatter ber
SÜma bie färben einige ÜJiale m ftarf
aufgetragen feien. So wie fie im arbeite«
äimmer 3U ibrem äJater, unb befouberS in
feiner iHbwefcnbcit oon ibm fpridjt, bürfte
fief) boeb aud) baS Pcnoöbnteftc örbtöditer-
leiu nid)t äußern.
allen Sfreunben gefunber l'cftüre, be=
fonberS foldjen, bie als Altern, ßebrer
ober Sd)toeftern mit Tertianern ju tbun
unb unter ibnen ju leiben babcu, fei baS
iöüdjlein beftenS empfohlen ! M.
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Sibliograptfif
Stationen meiner eebenoptlgcr
fd»aft. Bon Robert $>amerltng.
Hamburg, BerlagSanftalt (3. 3r. &ich>
ter).
Xer mit 9tedjt gefeierte ö|torcidjtfd)c
X)irfjtcr lägt uns in liödift angicfjenbcr
SÖeife iSinblicfe in bie hridjtigftcn „Statio«
nen" feines rocdjfelooUen Lebenslaufes
tbun , Don ber ftmbfjeit an burdj baS
„tfriegSjabr im SJienfte ber Freiheit",
burdj bie „ßefuialjre" unb „üianbertage"
btnbutd) bis gu ber reifften 3«tt feines
Schaffens. (SS ift cbenfo intereffant, ben
üRenfchcn Jpamcrling feine peinlichen
(hlebniffe barfrellcn gu hören, als cS an=
regenb unb belefjrenb tft, wenn ber X> idjter
.^amerltng feine eigene Stellung gegen-
über jebem feiner größeren SHerfe flar
unb offen auSfpridjt.
Neue Auflagen oon fcamerling'S
„Sdjroancnlieb ber Stomantif, foroie
oon wBcnuS im ©jH" finb in gleichem
Berlage bübfdj auSgeftattet erfdjicnen. 0.
,>»trd)ett. Neue Lobelien oon §errm. |
2ingg. Stuttgart, % Bong & Comp. |
XaS Befte an biefer bübfdj auSge* I
ftatteten Sammlung bon NoüeUen tft ber j
gute illang, ben ber Name beS Tutors
bat. :h>cr ftd) aber oon ben Noöcllen
mehr als Mittelgut oerfpridjt, ber bürfte
»obt enttäufdjt roerben. SRan rannte biefe
Nooellen beffer Sfiggen nennen, benn cS
fehlt ihnen bie innerliche SluSgeftaltung
eines Problems, bie folgerichtige iSnttoicfe;
lung ber §anbluna,, bie Slbrunbung unb
oor 2lllem bie feeltfdje Vertiefung. XaS
finb nicht Sharafterc, nidjt SBefen uoit
<}leifdj unb Blut, fonbern nur änfäfce gu
folcbei;. Xex Xon ift oft djronifenartig
unb ermübenb ss.
«c« rennte Serien. Nobetle Pon 6ugen
3abeL Berlin, ©ehr. SPaetel.
Xicfc in Petersburg fpidenbeöefdjidjte
ergäbet unS ein£crgenScrlebnifj eines jungen
Xeittfcben mit tragifdjem Ausgange XaS
Pon itmt geliebte Stäbchen, roeldjcS ber Ber*
füfjrungSfunft iljrcS früheren Bräutigams,
eines geroiffenlofen SdjioinblerB, erlegen ift,
fudjt unb finbet, im Bettm&tfcin beS ge=
liebten Cannes untoiirbig gu fein, ben lob
auf ben Schienen ber (Sifcnbafjn. Xer junge
Xeutfdje ferjxt, nadjbem er bie folgen eines
Xuelle mit einem Nebenbuhler unb eine
barauf folgenbe, heftige ftranfljeit über*
tounben hat. gebrochenen £ergenS in bie
Heimat gurüd. Ueberau geigt Partei ein
nicht unbebeutenbeS (Irjäblcrtalcnt, baS fich
erfolgreich, an ruffifdjen Sttufteru gefdjult
$c notigen. 273
gu haben fdjeint. vi ber bennodj oermag
uns baS Schicffal beS SiebeSpaareS nidit
bis in'S 3nnerfte gu erpreifen, weil bie
ÜWotioirung nidjt forgfältig unb flar genug
unb bie 3«cfjnung ber Gharafter nidjt
frei Pon äöiberfprüdjen ift Namentlich
ift eS bem Sßerfaffer nicht gelungen, bie
heterogenen (demente im JEBefen ber ftclbin
Natalie gu einem glaubhaften ©angeu 51t
Perfdjmelgen. 2ln eingelnen glängenb ge=
fehriebenen Stellen fehlt eS bcrNooelle nidjt.
Die genaue unb lebhafte Sdjüberung bei
ßebenS in Petersburg unb bie mit roemgert
Strichen hiugcioorfenen Umriffc ruffifdjer
ÖefellfdjaftSrrjpen ertueefen, »neun ftc audj
bie Sdjärfc Xurgenjen/fcher 3t»chnung nidjt
erreichen, ben (Sinbrucf beS Selbftgefchauten
unb Sclbfterlebten unb madjen bie Üccrürc
beS Büches gu einer feffclnben. ow.
WuS «lt««nöbadKr 3ett. ©rgähfang
Pon ftricbridj ßampert. Stuttgart.
Jlbolf »ong & (Somp.
Tic (£rgäljlung gruppirt ftdj um bie
trefflid) gefdjtlbertc ©eftalt beS Jüiarfgrafen
ftarl ^riebrief} Pon JlnSbadj^-Bapreutlj unb
feine Umgebung. 3*oci Liebespaare, pon
benen baS eine nach fdjtuerer Probe Peretut,
ba* anbere burdj Xrjrannenfauft unb sJj£äb-
dKnfdjmadjljeit getrennt mirb, führt uns
ber dichter bor.
$ie (Srgäljlung hätte burdj fnappere
3ufammenfafiung getoonnen; bie Spradje
tonnte hier unb ba ettoaS burdjftdjtiger
unb gefdjmeibiger fein. ü)odj ift bie ISittioitfe-
lung ber ^>anblung intereffant unb ber
2luSbrud burdj bidjtcrijdjeS (^mpfinben be=
lebt. 25ie 3uftänbe finb lebeubtg unb au=
fdiaulid) gefchilbert, bie iriguren marfig
unb lebenSmahr, pfpdjologifdj Pertieft. 2)tan
fann baS Buch mit Bergnügcu lefen. s>.
92 oo e Uni Pon £>an8 31 r 110 Ib. 2 Sfaflf.
Berlin, ©ebr. Paetel.
S)ic Berfafferin magt ftdj nidjt an
hohe Probleme unb giebt feine ausgereif-
ten Äuufhoerfe; eS finb eigentlich nidjt
Kooetten, fonbern flüchtige 3eichnungeu,
aber liebenSioürbig unb aumuttjtg. 3u
frifchem Jone fmb fie flott unb feef ljiu=
geroorfen; ber ^urnor ioirb btSioeilcu
poffenhaft unb bie Umuanrfdjeinlidjfeiteu
übeTToiegcn adguftarf. «Uber man ladjt
Dabei, unb toeife ber Berfafferin für eine
fröhliche Stunbe Ijerglidien Xanf ! u,
^rütje Wvaber. Bon OSfat C^bcnfee.
Berlin, SJtofenbaum unb ^ art.
9(djt Erzählungen, bie alle mit beut
Xobc beS gelben enben: traurig, aber ab-
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27*
Horb unb Sfib.
medifelungSreid). Dem i^crfaffer, einem
Öfterretdiifdten Offigier, flelingcn (Srlebniffe
aus bem ftelbguge am beften; fein (h-
gafjlungStalent ift anguetfeuuen, ba e& ilmt
fogar gelingt in ben „Dödttetn beS 2Hitgcr=
meifterS" einen gang abgebrofdjeucn Stoff
mirtlid) fpanncnbgu befjaubeln. Aud) bie 3n*
trigucn ber Diplomatie ftnb treffenb gc=
fdiilbert. DerStil iftim Allgemeinen gut; nur
wo betSBetfaffer feinet Neigung gutn f omif djen
^ergleidie frbfmt, geigt fid) Unlogit unb
unfteitoiflige ßomif. Orr Dergleidit g. SB.
ba§ (Srtötljen oeS meiblidjen $alfe$ unb
baS Alpenglüben; baSDutdjeinanbertoirbeln
ber Dauben in einem Daubettfdtfage, toenn
bet (Seiet fid) nat)t, unb ba& Durd)einanbcr=
mögen in ben Steifen bet Dorneljmen Öe*
fellfdtft, bet Ttd) bie Auäfid)t auf fd)öne,
glängenbc Dffigiete eröffnet ! Dergleichen
ift menig gefdmtadDotl. 3*u Uebtigen fei
ba8 2ßctf empfohlen. x.
Ütvci törjäfjtuitflnt Don ©life
CrgeSgfo. Autorifirte Ueberfefcuttg
aus bem ^Solnif djen. ©erlitt, S. $ i f d) e t .
©ei bet Ucbetprobuction auf bem
Gebiet be8 iHoman« unb bet 9tobelle in
Deutfd)lattb ift ein 3urücf greifen auf
frembe Literaturen nut bann begreif*
lid), menn es gilt eine berDorragenbe
bidjterifdic S?raft burd) bie Uebertraguttg
bem beutfd]cn Sttublifutn 3um SBerfiänbnife
SU btingen unb baSfclbe baburd) mit bem
iSnlturleben eines anberen ©olfeS im
Spiegel bet Didjtuug befannt gu madjen.
(Slife CrgeSgfo ift eine talcutöoHe
Sd)riftftellerin, mit felbft Ijaben fdjon ©uteS
Don ifjr gelefen; abet e8 Ijätte feine
Sdjmälerung trjreS SlübmeS gu bebeuten
gebabt unb ebenfo menig einen Sktluft
füt bie beutfd)e Sefermclt, toenn biefe
beiben 9toDetlcn nid)t überfefet tootben
toäten. niz.
ttttfere Zoten.
iKomangen Don
einem Anfjang: ©efänge füt Dater=
lanbifdjc ©eben f tage, ^ktberborn, ftcr=
binanb Sdiöningl).
Die ©ebidjte ftnb bem Anbeuten bet
dürften unb gelben au* Deutfdjlanbö
iüitgftet großer 3<-'it gemeibt. 3u allen
fpridjt fid) ein nmrmeS DatcrläubifdjcS Ü5e=
füt)l aus, einige, namentlid) bie beS Atu
bangS, empfehlen fid) butd) Sd)but)eit bet
Sbradjc unb gefdjicftcu ©au bet äkrfe.
Anbete freilid) ftnfeu 311t ^rofa berab, ja
bin unb miebet (3. ©. S. 31, 39, 74!)
ftöfet matt auf Stellen, betten man felbft in
s4>iofa nidjt sern begegnen mürte. R. J.
Deutfdje Siebet unb
uftao SKeA 9?ebft
u Dobmta ö »of e. 3m fcodigeitSreife;
©teoiet beS 2ktet8 DanubiuS gefirnben,
SBon Anton öteitnet. 3Wüncr>en.
3. Sdjmeifeer.
3nboppeltet AuSftattung mitb bernßefer
biefe ©abe geboten, fotooljl in ©udrform am
unbefdmittenem fiumpenpapier in Antiqua
gebtudt, als aud) inftorm einet altrömifdwn
©iid)erfd)ad)tel (capsa), jebeS ©ebieftt auf
befonbetem gufammengerotlten JÖIart. Cra
finb gang nette ©ebidjtc, meift rein Itjrifd)
gehalten, entftanben auf ber #od)geit3rtife
be* SJerfaffer« burd) Stalten, angeregt
tt)cil8 butd) antüe (Erinnerungen, trjeiis
butd) bödjft mobeme §etgen8» unb 9tetfe=
ertebniffe, alle abet butdtgogen Don an=
bänglidjen ©ebanten au bie Äaiferftabt an
ber Donau. 2Bof)ltoolIcnbe jöeuttf>eitcr
toerben fid) an bem 23üd)lein erfreuen, ba§
als ^rafent ieöenfallS ben Steig ber rjödm
originellen AuSftattung füt fidt bat. ftüljlctc
Söeutt^eiler, bie ettoa finben fönnten, bafe
bie ©efüble unb (Srnpfmoungen nict)t alle
neu unb bie ©ebanfen unb Gilbet nidjt alle
flat unb fdjarf Bub, obet baß g. i*. unter
Dictfiifjigen Xtod)äcu fid) bie 3«le
„§0d) imHutel de (ien»^ve- (3. 112) etmaS
oeteinfamt ootfommen timfe, metben beffer
tl)un, baSȟd)lein ungelefen gu laffen. O.
lieber unb ttitber vom Srutfdyeit
Wt'cr. herausgegeben von £Ruboli
©cfart. 3Jorbcn, ftifdjer 9Jad)f.
(5ine fdjöne unb reid)l)altige Samm-
lung Don ©cbidjten über bas 3Wecrt f)auot=
fäd)lid) oM neuefter 3f». Die AuSmabl
ift mit @efd)macf unb $)ebad)t gefd)cr)en;
nur ift gu bebauent, bafe ber Herausgeber
nid)t ettoaS meiter gurüefgegriffen bat. Daf?
eine fold)e Sammlung, troö aller S^orfidjt
in ber AuStoaljl, Stücfe Don ungleidjem
3ßcrtb enthält, liegt in bet Wahrt bet
Sadje, unb met nad) SJlinbenuertbigem
fudjen toollte, mütbe c8 aud) finben. Dodt
ift ba8 gebotene ©utc bei Weitem über=
toiegeub, unb jeber 5rell"b beS 3)?eercS
toitb fid) bet finnigen ©abe fteuen.
9Karttta. Sin Sieb Dom SJotbfeefttanb.
in 12 ©cfängen. 3Jon 6tjr. Söenfarb.
Hamburg, ^erlagSanftalt (oonnal*
3. 3f. Siebter).
DiefeS fletne (EdoS, ein ©rufe be*
SBerfafferS an Xijeooox Storm, fdiilbert
eine öpifobe auS ber ©cfdjidjte ber
Ditbmarfdteu @nbc beS 15. 3ab^unbcrt?.
Sine 2iebc8gefd)id)te ift cingemoben. Die
poetifdje Sprad)c ift glatt unb abgerunbet:
bas ift aber aud) bet grbfete ^orgug be$
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3?iblio
«einen ßiebeS, ba bie tfharaftertftif mentg
gelungen unb bie etngeftreuten ßieber farb=
los unb matt ftnb. SaS ©po» erwärmt
ben 2cfcr nicht, e» Hingt Sitte« fo auSge*
leiert, unb bie £anblnng fcblcppt fieb nur
mit l'i uro bis gum Schluffe fort. ss.
trüber Jonathan unb fein Sanb.
Sic ameriiamfchc ÖefeÜfdiaft. 3*on
•JRasO'rcII unb3acf SKllöc. Huto*
rifirleUeberfeöung au» bem ^ranjofifchen
oon ©mmt) Becher. Stuttgart, 3-
öngclhorn.
amerif anif che SR eifeeinbrücf e, im leichten
jemmalifrifcben ^laubertone wiebergegeben.
Tie fteflenweife eingemengten febr ober*
flächlidxn Bemerfungen übet politifchc
unb religiöfc fragen hätten, wenn ber
Berfaffer auch öiclleicbt bei feinen ttanbS;
leuten baburch ©tnbruef jjtt machen gehofft
bat, wenigftcnS in ber beutfeben lieber*
fefeung fortbleiben fotten. P.
Von aner eigenen tHafi . Liener
Silber oon 3*nnn SWeumann. 9?iit
einem »onoorte oon B. (Shiaüacci.
2lMcn, 2t. fortleben.
3n leben smabren unb oon ftotffoll
burd^ogenenSfijijn jeichnet bie Bcrfafferin,
wel i c beu erften ©abritt al» Sdjriftftetterin
tljut, ba» 2eben unb Xrcibcn in Sien,
ba» Öebaben ber „eigenen Stoff", oon
welcher baS SEÖiener Bolfslicb erzählt.
3enn» 9fcumann befifct eine (ftgenfdiaft,
bie bei fchreibenben grauen recht feiten
f>erü ortritt: feinen §umor in Beobachtungen
unb Scbilberungen. Äein Beffcrer tonnte
bie Berfafferin literarifch einführen al»
Binceng ghiabacci, ein unbestrittener
Sleifter auf bem (SJebiete be» Liener
2; ialcft» unb beräöiener Gharafterjeichnung.
Üöenn biefer einer neuen fiocalfchriftftetterin
feine &nertennung bezeugt, fo barf man
ftcher fein, bafe e» gilt, ein wirtliches
Salent $u förbern. u.
^ntigbritnuen ©ebichtc oon O.ft. ©en=
fidjen. »erlin, ©ebrüber $actcl.
©in rechter 9tome für biefe fchöne
Sammlung oon Sichtungen! £ier quillt
jrapbic. 275
| echte ^oefie, bie in äffen ftarben ber (Sm=
pfinbung fchiffert. Sic heiteren wie bie
| ernften lieber jeichneu fief) burch tünftle*
rifche Slbrunbung unb Sformbottenbung
\ aus. 35a» Bänbchcn mirb bem t'efer
I brenne machen. ss.
$er a ben t euer (i die Pfaffe So« 3uan
ober bie Gbebetcbtcn. Sin Sag geben
burch Jranj &elb. 3n Srucf ge=
fertigt bei bem Bcrleger 2tfilhelm
ftriebrich, Ücipjig.
6» giebt bielc Bücher, toeldje nur
oon bem gebulbigcn unglüctiicben 9ieccn:
fenten gelefen toerben — aus ^fttchtgefüljr
unb Öewiffenbaftigfcit. 3" benen gehört
toobl auch ba» öorliegeiiöe.
Plattheit hält ber Berf affer fürBoefie:
bie «Sprache ift berbrealiftifch unb oft
unfehön, ooffer gärten unb Mängel unb
ohne Slbrunbung beS fluSbrucfS. Sa»
Bud) wimmelt oon ©cfdmtacfiofigfeitcn
unb Berirrungcn. Bom 9tealiSmuS jum
<5d)mu& ift noch ein weiter ilikg, unb beu
hat ber Berf äff er oft unb gern 3urücfge=
legt ss.
^apa fcamlet. Bon 38. % jöo(mfeu.
Uebcrfe&t unb mit (Einleitung oerfehen
oon Dr. Bruno Jran^iuS. Ceipätg,
(Sari Weifencr.
Sa» Bud) enthält mehr al3 ber Xitel
Perfpridit. Slußer „^apa Hamlet" ift nod)
barin: „Ter erfte 2d)ultag" unb „(*in
l Xob". äiJenn mir auch biefen «einen
i Öenrebilbcrn eine unbeftreitbare Origina=
lität jugeftcheu müffen, fo fiub fie boch
noch 3U unreife Serfd)en eines ringenben,
wenn aud) begabten Sichters, als bafc fie
ju einer Uebcrfeöung beredittgten. Sic
oor feiner Gonfequenj gurücffdirecft'nbe
(Energie feiner Sarftelluugsrocife, »eiche
ber lleberfetjer Ijeroorhebt, artet auslieft
in unfehöne dJefpreijthcit unb ©efdnnatf=
Ioftgteit aus. Sie fdiarfe Beobad)tungs=
gäbe oerfeljlt baS würbige öbject, ber
hic unb ba aufleuditenbe .Junior wirb burd>
äRafetoflgfeit bes SiuSbrucfS erftieft.
8S.
Bücher. Baqivhaug nach Auswahl der R»larti<>n vorbehalten.
Köniirinhnfer Han-lschrinen. Twhe- ! Bode, Dr . W., RiirnarJ .« I.irboswcrko in l/>n<ion
«^lischo «ie&chichton aus 1001 Nacht Dussel- , (\v>lks*-..hWhrilton Hoft.J). Leipzig. Duncker
i<.rf, F. hffL & Bnvbl t.
fiirkhrtf, W., Im Spiel der Wogeu. L«.}>zig, i Bratser, Annie, Letzte F.hrt au p.inl Jo> Suu-
W. Friedrich beäm. NhcIi dem Kuglischeil. Mit 188 1! )/-
Uli. ni. h- n. 1>«t lustige H«<Jeker. II: Drehten. echu. und 20 Linzel drucken. Lern/ig, Jhrt
IV : Stuttgart. Stuttgurt, L*vy u. Müller. I Je Sohn.
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27Ö
Horb ntiö 5ub.
Cornet. G., Wie schützt mau sich gegen die
Schwindsucht'' l Sammlung gemeinverstandl.
Vortrage N. F. IV, 77). Hambarg, Verlags-
anstalt (vorm. Richter).
0er Stein der Weltes. Illustrirte Halbmonats-
schrift füi Haus und Familie. Unterhaltung
und Belehrung an* allen Gebieten des
Wissens, "Wien, A Hnrt'eben.
Deutsche Encyklopadle. Lief. 30— 3*. Berlin,
Wiegandt de Grieben.
Die Nordseeblder auf Sylt. Herausg. von der
Seebadedirection. Hamburg, 0. Meissner.
Die preussische Ader in der deutschen Literatur.
Berlin, R. Eckstein Xachf.
J. v., Lord Byrons Don Juan übersetzt,
a. M-, M. Schauenburg.
Elf Jahre Balkan. Erinnerung«^ eines Preussi-
sefcen Officiers aus den Jahren 1876 — 1887.
Breslau, J. U. Kern (M. MiÜlor).
Ernst, P_ Leo Tolstoi und der sWischc Roman
(Deutsche Literarische Volkshefte 1) Berlin
Brachvogel & Ranft
Felix, G.t Die frarzös-scho Revolution 178» bis
17U5. Mit 15 Abbildungen. Leipzig, 0. Spamer.
[Klar goschnebtno i«opuliire Darstellung Tom
conservativen Standpunkt.]
Fischer, Kuno, Ueber den Witz, 2. Aufl.. — Shake-
speares ( harnkterentwicklurg Richards III.
2. Ausg. — Die Erklärungsversuche dos
G.xtho 'schon „Faust " Heidelberg. C. Winter.
Frlcdlaender, I., Darstellungen aus der Sitten-
geschichte Roms von Auirustus bis
Ausgang der Antonino. fi neu bearb. Auf- |
läge. Leipzig, S. Ilirze).
Friedrich der Meise, Kurfürst von Sachsen.
Ein Charakterbild aus dem doutachen Volke
und fir das deutsche Volk. Neu herausge-
geben zur $00 jährigen Jubelfeier de«» Hauses
Wettin. Breinon, M. Heinsius. [Populiire,
pietätvolle und klare Darstellung]
Gerstärker, Fr., Ausgewählte Werke. Volks-
u. Familien-Ausgabe, herausg. v. D. Thedon.
Liefrg. ?t — 1*. Jena, H, Costenoble.
Geschichte der deutschen Kunst, Liefrg. 23-28.
Berlin, G. (irote.
Grcy, R., Jacobs lütter and uther stories. Ham-
burg Verlags mstalt (Vorm. J. F. Richter).
N\ ., Kriernhild Volksgesang der Deutschen,
f. d. 12. Jahrh. (Deuts her Bücherschatz.
Band ti. Eisenach, J. Bacmeistor. «Neue
lebersotzung dos Nibelungenliedes, in frei
b»h itidoltr-n Versen).
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Herausg. von M Wil lei mann. Fieiburg i./B.
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Me sind und wie sie sein sollon. Deutsche
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Paulsen, Prof , Dr. Fr., Das Realgymnasium und
die hum mis tische Bildung. Berlin. W. H«»rtr_
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Livraisorw de. <uin. Paris, 2 et. 5rue St. Simon.
Post, J., Mustorstation persünl icher Fürsorg-» von
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Bd. I: Die Kinder und jugendlichen Ar-
beiter Mit U Abbilden. Bertin, R. Oppenheim
Sulinger, E., Vor Tagesanbruch. R.man. 3 Bande
Berlin, o, Jauke.
Schmldl-Cahanis, R., XcrvQse Humoresken. Illustr.
von Wilhelm Sprenger. Berlin, Herrmaun
Lizarus
Spielbern, nans v, Gräfin Langeweile. Ihr BiM
Berlin, Rudolf Mückenborger.
Splrlhaircn, Fr., Ein neuer Pharao. Leipzig,
L. staackmann.
Slrnadt, J., Dor Kirnborg bei Linz, und der
Kurenberg-Mythns Linz, E. J Ebenhöch
Tausend und eine Sacht. Liefg. n<— 20. Stutt-
gart, Riegersche Verlagsbuchhandlung.
Thelnerl-Mlrkley, E., Die Schauspielkunst. Ein
Capitol der Seelenkunde. München, J. Lir-
dauer in Comra.
Verhandlungen <ler Gesellsoh. f. Erdkunde zu
Berlin. XVI, 4 und 5. Berlin. D. Reimor
Zobeltitz, F. v., In der Welt verloren. R man
2 Bde Jeua, H. Costenoble.
Urbiaitt unter IVrantwortlid^frit bei ISrraasjfbfrs.
Drurf mit» Vttla<} oon 5. SdjOttlaOlbcr i" örrilau.
Unbnrditialct rtdcr^rnf( iiiis ^rlu 3nbatt öiefer ^eitfdjrift unttrfajt. lleberffenne«ei:t uorbchalten.
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KARLSBADER
Natürliche Mineralwässer
1889er. Frische Füllung. 1889er.
n
n
n
B
ife
n
•n
n
n
Proflncte !;
KARLSBADER
Sprudel-Salz
pulverfbrmig
und
krystalliBirt.
KARLSBADER
Sprudel-Seife.
KARLSBADER
Sprudel-Pastillea.
-«+ - I
iiiiriTiiiiniiiiiiiiiiiiitiituiiittiiiuiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiitiiiiiiiiiiiiiiiii
Die Karlsbader Mineralwässer und Quellenproducte
tind zu beziehen durch die
Karlstiafler Mineralwasser-Verseoflimg
Löbel Schottländer, Karlsbad ' Böhmen
sowie durch
alle Mlflcralwasser-Ilandlüngen, Apotheken und Drogisten.
Ueberseeische Depots in den grössten Städten aller Welttheile
nim
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ki
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ki
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ki
ki
ki
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&
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"SECURUS JUDICAT ORBIS TERRARUM."
Apollinaris
NA TÜR LICft
KOHLENSAURES MINERAL- WASSER.
Die Füllungen am A pollinaris- Brunnen
(Ahrthal, Rhein- Preussen) betrugen
im Jahre 1887
11,804,000
und im Jahre 1888
12,720,000
Flaschen und Krüge.
THE APOLLINARIS COMPANY, Limited,
LONDON,
UND REMAGEN A. RHEIN.
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€me öeutfdje 2ttonatsfd?rift.
n unfccc
öonncntcu!
ir fyaben fcurdj Heuörucf 6ie bisher feljlenfcen f)efte
öer bereits erfcfytenenen 3änbe oon
„Horb unb Süb"
ergänzt, unb fönnen oafjer otefelbcn enttoe&er in complet ßroCdjirten
ooer fein ge6ttitbetteit Bänoen pon uns nad}be$o§en werben, preis
pro Banö (= 3 £)cfte) brofdjirt 6 2TCarf, gebun&en in feinftem
£>rtgmal'€tnbano mit reicher <55olopreffung uno Sdjnwrjorutf 8 ZTTarf.
(Einsetne Qcf tc, n>ekr)e n?ir auf Verlangen, foroeit 6er üorratf;
reicht, ebenfalls liefern, foften 2 2Tlarf.
€benfo liefern mir, wie bisher, gefdjmacfüolle
im Stil 6es je^igen f)ef t « Umfdjlags mit fcfyroa^er un6 (ßolöpreffung
aus englifa^er Ceinmanö un6 ftefjen foldje $u Banö L (3uli bis
September 1889), wie aud) $u 6en früheren Bänöen 1 — XLIX
ftets $ur Verfügung. — Der Preis ift nur \ ZXXaxt 50 Pf. pro Decfe.
§u Beftellungen rooüe man fta? bes umfteljenoen Settels beoienen
unb öenfelben, mit Unterfdjrift t>erfefyen, an bie BuajfyanMung ooer
fonftige Bejugsquelle einfenoen, ourdj n>ekfye öie ^ortfe^ungs^efte
belogen ir*er&en. Tlndf ift 6ie unter$eidmcte Perlagsfjanölung gern
bereit, gegen €infenöung öes Betrages (nebft 50 pf. für francatur)
öas (Betrmnfa^te $u erpetoren.
Breslau.
Die PerlagsbudfljanMung oon S. Scfyottlaenber.
g>rtgmaC - (Smßcmddec&m
(Softe I^ettel nmftefienb.)
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4 w • •
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Zloxb unb Süb.
(Eine 6 e u t f dj e ZTTonatsfd}rtft.
herausgegeben
von
paul Cinbau.
L. Sani). — September (889. — fjeft (50.
(Mit einem Portrait in JlaNrung: III artin ®rrif.)
23 r eglau.
Dratf unö Verlag von 5. rdjotilaenber.
3afobäus IXlayev.
Hopelle.
Don
Dillinger.
— Karlsruhe. -
ie $err 2)Jauer $u feinem ©eljülfen 9)toldju3 tarn,
gefdjaf) folgenbermafjen. Der ftramme, bürre, ftetö mit Sorgfalt
gefleibete &err ftanb uor feiner £abentl;üre unb btidte bie
@affe be3 fleinen StäbtdjenS entlang, ba3, roemt nidjt SWarfts ober Sonntag
mar, ben ßinbruef madjte, als läge e3 im <2d)laf. Da erfaßten plöfclicj)
bie fd)n>ar$e langaufgefdjoffene ©eftalt eines fyeulenben Sdmfterjungen auf
bem Spiafc, unb &err 3afo6äu3 SRaner rifc bie funfelnben 5lugen weit
auf, legte bie £änbe auf ben SRücfen unb rief bem Surften ein barfdjeS
„&er ba!" entgegen, ©r fam fd)lotternb unb fd)lud)$enb, ftd) oor &oa>
ad^tung beinahe friimmenb, fyerbei.
„<Ba3 fjat'3 gegeben?"
„3a — adj ©ott — ber 2J?eifter — fortgejagt fjat er midy
„Söarum?"
JO &err 3o'0Dü"^ 3ttaoer, roeil idj nod) baä anbere Butterbrot
gegeffen — su meinem Inn, aU ftdj ber 2Jfeifter breite."
„^iatürlidj," braufte &err ^afobäuS auf, „ba I)aben mir ifm, ben
^auptpunft — fo ift'ö mit (fttrer Religion — roenn Jjftt TO0 ein Butter*
brot fet)t, ba$ 3f>r nidjt Ijaben follt, gleidj frefct Qljr'S auf."
3ttald)u$ fdjüttelte ben ßopf: „3dj gewiß nidjt mefjr."
„SBarum nid^t, tdj mitt miffen warum?"
Der23urfdje fdjaute ifm ganj ocruutnbert an: „2£eU mir** fo fdjlerfjt
gegangen ift."
„%l\o barum!" ßirfdjrötf)e färbte bie fangen be$ alten £etrn. „So
19*
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3afobäus Mayer.
279
unbefefct, fein ©efd&aft waljrenb be« ©otte«bienfte« offen. £ie« 2ltfe«
batirte von bem Seitpunfte, ba ^afobau« mit #ülfe feiner pf)ilofopfnfd)en
SBerfe unb feine« 23erftanbe« f)erau«gebrad)t Ijatte, ba§ e« feinen lieben
©ott im Gimmel gäbe.
2lber ber 3Jtenfd) mufj etwas fjaben — eine f)öd))le Qnftanj, oor ber
er fidj beugt; barüber fann nun ber SJtann unoerbroffenen ©emfitlie«
Qaljr au«, 3af)r ein nadj. 3ur 3e*t a^ er Den Sftaldju« aufnahm, war er
gerabe mit feinem ^auptpunft im Steinen, unb nun follte e« beginnen, ba«
2Berf ber Verbreitung, unb 9Mdju« mar au«erfef)en bie Stermittelung §u
bilben äwifdjen ber tföclt unb ber neuen fiefjre.
2lÜein über be« SBurfdjen frruppige« £aupt waren bereit« triefe Semefter
gebogen, unb er mufcte nodj immer nid)t, roa« fein &err eigentlid) wollte.
(£r beforgte beffen ©efd&äft mit gleiß unb ©ewiffenf)afttgfeit, führte $ud%
unb nur ba« SBerfaufen liefe fid) &err 3af°Däw« SWaper nid)t nehmen.
3)e« 9tadjmittag« fajritt er, bie lange pfeife im 9ftunbe, oor bem £aben=
tifd> auf unb ab unb boctrte. 3U Anfang fafj 3)taldm« mit offenem SJhmbe
auf feinem $ref)ftüf)la;en unb machte feinen &ef)l oon ber Unjulänglid^feit
feine« Verftänbniffe«. 2(ber bann würbe ber 2Ute wütfienb, feine grojjen
blauen Äinberaugen famen in'« 9Men, er fufjr fid) mit beiben &änben in
ba« fdjneewetije lorfige &aar, ba« wie ein £eiligenfdjein fein jugenbltdj
gefärbte« 2lntltfe umgab, unb fdjrie, baf? mau'« bi« über bie ©äffe f)ören
f onnte :
„X\x ©fei — $u SJlaulaff' — $>u fn'rn= unb gebanfenlofe Greatur!
toiüft $u aufpaffen, fott id> ^Dir ben Äopf jwifdjen bie D^ren fefeen —
giebt'« benn etroa« auf tor 2Belt, ba« fonnenflarer wäre; ©Ott ift ma)t —
aber ber &auptpunft, ba« ©ewiffen ift! Senfe $tr, auf bem Xf)ron ber
©wigfeit, ba« ©ewiffen, jene SMadjt, bie nidjt belohnt unb nidjjt beftraft
unb nid)t beweifpräudjert wirb unb fein will, mit ber ,'wir aber wie mit
einem £>raf)t jufammen^angen burdj unfer eigene« ©ewiffen, ba«, wie ein
Solbat feinem Cberften, bem SBeltgemiffen Untertan ift; fo bajj, wenn wir
eine fd)led)te Xljat getrau, etwa« ©djimpflidje« ool!braa}t, woburaj unier
©ewiffen im 3uftanb be« Sefdnnufctfein« fia) befinbet, bie« unmiberruflidj
einen trüben 6d)ein be« allgemeinen SBeltgewiffen« oerurfadjt unb bilblid)
genommen eine 2(rt 3erf<$metterung unferer Seelen in golge l)at, ba wir,
burd) ben £raf)t, sufammen^ängen. — &aft $u mid) jefet oerftanben?
— giebt'« benn auf ber 28elt etwa«, wa« fonnenflarer ift V ober bift Xu
oieHeid)t ein (Simpel, unb id) alter 9Jtann reb' in ein leere« £od) hinein ?"
^Darauf oermodjte 3)iald>« nid)t mit einem „3a" ju antworten; er
war banfbaren ©emütye« unb eradjtete e« für feine &auptpflid>t, e« feinem
gütigen 2Bof)ltf)äter in allen fingen red&t ju mad>n. 60 lieft er benn
in ©otte« tarnen bie wunberlidjen Sieben, ofme audj nur bie Slugen aufs
juf ablagen, über fia) ergeben; unb wenn tym ber 9llte mit ber ©djlufjfrage
auf ben £eib rüdte:
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280 r?. Dilltnger in Karlsruhe. — -
„9?un, roie ift'*, caput ber ßerl — ifk tfjm ber .§auptpunft enblidj
flar?" — fo ermiberte 3Raldml, ofme ftdj weiter ein ©eroiffen baraul $u
madjen, mit einem 2lulbrud unoergleidjlitfier Selbftüerftänblid&feit:
„©omtenflar!"
9lber feine £üge braute ilnn böfe Jrfidjte.
„2öal gef)ft T)u benn nod) in bie Jttrdje," fuljr tfyt 3afobäul eines
(Sonntags 9ftorgenl an, „wo £ir ber £auptpunft flar ift — unb ba$
3ufammenftef)en mit ben Sümmeln, bie rote Vierbeinige in ben £ag leben —
roal tyaft $u bei biefen nod) $u fudjen? 2Bal tjilft mir all &etn Ver*
ftänbnift, wenn $)u nidjt befennft — unb roal tjeijjt befennen anberl, als
nad) feiner ©eftnnung leben? 3dj f)offe, el ift $ir flar, Äerf, bafe $>u
nadj ntdjtl ju fragen fjaft auf ber Söelt, all nad) bem ^auptpunft."
„©onnenflar," murmelte 9ttaldjul, bem immer gleia) ber ©abreden
in bie ©lieber fuljr, fobalb ber 9tlte mit ben 3lugen rollte. Gr blieb oon
ber Äirdje roeg unb raupte bei 9?ad)nuttagl fein Sßfeifdjen einfam auf
ber 23obentreppe. 2lbcr el fd&medte ifmt nidjt; bal ©efdjrei unb ©elänn
feiner 2llterlgenoffen, bie ßegel f djoben, tönte ifmt an'l Dfjr, unb er fprad>
mandjmal im £one tieffter Erbitterung:
„$er Xeufel Ijol' ben ßauptpunft!" —
„$al ift ein tferl, mein 9J?aldml," erjäljlte 3afobäul SNener be3
2lbenbl im (Sternen; ein eminenter Slopf — $f)r Herren — fo ju fagen
einer, ber mir meine jufünftige ©emeinbe grünben roirb — "
„9lIfo, eine fogenannte &auptpunftgemeiube," fagte ber Steruenrotrtl),
ein ungemein bider 9Jtonn, ben man nie anberl all in ^embärmeln falj —
aufeer er ging sur Äirdje, aber bann feudjte er baf)er, all t)abe er bie
Saften bei ganjen fttrdjfptell ju fdjleppen.
//3o," fahrte ftafobäul, /rja rooljl, eine £auptpunftgemeinbe, roal
ba Reifet, eine ©emeinbe ber ©eroiifenfjaftigfeit, in ber feine — "
„9tul)ig, rufng," legte fidj ber SJcufler in'l Wittel, „alter &ifcfopf,
el roirb bod& l)eut nidjt roieber gleidj beim erfien ©lal losgehen."
„iHlfo id) mein'! aua)/' fagte ber Sternenroirtl) , „alfo roir Wegen
eine £>auptpunftgemeinbe, bie ©emeinbe ber fieben mageren &ül;e; beim
roenn fic 2)ir bal g-aften alfo 2llle nadjmadjen, fo ift nid)t viel an £ud>
5U oerbienen."
6djon roieber fdjnellte ftafobäul in bie &ö()e, obroof)l ilm redjtl ber
l'ebertyänbler unb linfl ber SWüller feftfyielt.
„gaft' idj? — idj efj* mid) reblid) fatt — id) tfm'l nur nidj)t für
jeljite roie ein geroiffer 5^erl, ber auf ber Söelt nia^tl ^ö^erel leiftet,
aufeerbem baf? er atte Jym^rllang ,alfo' fagt — "
„9Ufo id; — id) foll immer ,atf o* fagen," fiel i^m ber <Hternen=
roirtl) mit feinem gewaltigen SBajs in'l i^ort; „nein, bal ift mir boa>
bumm — alfo einer, ber in einem fort £auptpunft — "
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Zatobäns rtlaycr. 28(
„3dj bringe meinen &auptpunft nnt ba an, tdo er ^inge^ört", überfdjrie
ilm 3af°bäuS, „f$limm genug, bafc irjr ilm nodj immer nidfjt capirt!"
„s3(lfo freilidf) capiren mir," erflftrte ber Sternenroirtf), „alfo roaS iffc
ba lang 3U capiren, als bafj Du uns unferm Herrgott abfpenftig matten
roiüft."
„Danft Guerm ©djdpfer, bafc es feinen gtebt," ereiferte fid)
3afobäuS, benn fonft fäm' er herunter (Sud) eigen&änbig burdj$uprügeln,
bafür, ba§ ü)r meint, wenn if>r bei Sonntags ein tfirdjenlieb brüllt,
müßt' Gudj eine ewige ©lüdfeligfeit sunt 2of)n werben. 3lber (Suren ©e=
lüften leben, ßuren 9?ää)ften überoortfjetlen, t^jun als gab'S feinen £aupt*
punft, fein ©emiffen — jene 3Rad)t — "
„Um ©otteSaiillen," fufir ber Wtilex auf, „einmal in ber 3ßod)'
fönnteft Xu uns roenigfienS mit ber (yetm^fenSgefdndjt' ©erfdjonen — "
„@ut ! <gerr SafobauS SJtooer fnüpfte feinen 9lod ju, „an @udj finb
&opfen unb 2Mj verloren! Da ift mein 3)tolä)uS ein 2lnberer, ber
madjt (5ud& 2lHe ju ©djanben mit feinem 23erftanb."
„sÄlfo baS glaub' id) meiner Sebtag md&t," erflärte ber ©ternenroirtf);
„ber ßerl fjat ja 3lugen im Äopf wie ein uerfd)lafener SJtopS."
„Dtein 2Rald)us! ©ternenn)irtf>, baS mar unfere lefcte Unterf)altung!"
fprad)'s, rifj feinen £ut vom 9togel unb ftännte baoon.
Da fifeen wir nun roieber," fagte ber -iMHer; „roaS foH man jefct
reben, ber ©ternennrirtfj fjat feine iHu&e, bis er bauon läuft."
Der bide SJtonn fäjlng auf ben £ifd).
„2Ilfo bieSmal freut mia)'S; alfo maS braudjt er $u behaupten, id)
fag' immer ,alfo4!"
SRaldmS merfte eines XageS, bafj ifnt bie £eute mit einer geiuiffen
Sdjeu betradjteten, unb bajj ifjm fogar baS Xaoerle aus bein 2£ege ging. 8ie
beforgte feit ü)rem fünfzehnten 3cu)r ben £ausljalt beS alten &errn unb
säljlte iefot jroeiunbjwanjig. Des 2lbenbs ging fie nadj &aufe 5U ifjrer
üJiutter, ber fienberin ; unb ba fte nod) anfjerbem für baS fjalbe ©täbtdjeu
^otenbienfte $u üerridjten hatte, fo fal) man fie nie anberS als im 3U;
ftanbe ber 2ltf)emtofigfeit, mit fliegenbem diod unb tjalbroegS Ijerabfallenben
3öpfen.
3afobauS SRaoer mar in SBerfjaltniffen, bie Unit alle möglichen 33e=
quemliajfeiten geftattet Ratten, audj baS galten einer tüdjtigen Sflagb; allein
bei bem alten #errn fam bie 23equemlid)feit immer erft lange nad) bem
:&*of)le ber &ülfbebürftigen. Die alte Senberin nun war eine grau, bie
er füYS Seben gern unterftfifet fjätte, aber fte nafjm feine SUmofen; if)r
Sfiann mar 2Haurermeifter geroefen, unb fte glaubte in guten &erl;ältniifen
ju leben, roa^renb er Sdmlben machte unb 3ltteS »ertranf. 9Jun iuar fie
la^m, faf? ben ganjen 2ag in Ujrem Sebnftu^l unb l)ielt Mleinfinberfc^ule.
Saüerle fleibete fte beS Borgens an, gab iljr beS Wittags &u ©Ifen unb
bradjte ne beS 3lbenbs ju 33ett.
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282
Vf. DUIinger in Karlsruhe.
$ie Senberin fagte: So lang leb' id), bi« ich bic Sdjulben meinet
SHanne« abgejagt hab', unb bann leg' ich mich hin unb fterb'."
Unb Sebermann war überjeugt, baß fie'« am Schnürten ^atte.
£err 3afobau« 97laner aber tonnte 5U feinem großen Herger nicht«
Slnbere« für fie thun, al« il)re Tochter in'« $au« nehmen unb bafür forgen,
baß Tie nebenher noch Einige« ju oerbtenen oermoajte. Unb e« war im
ganzen Stäbtchen ein ©eretße um ba« Sauerle, benn feine $dnbe waren eben
fo flinf al« fein allezeit frohgemute« Hflunbroerf. «Rur einen fd)tuar$eu
$unft gab'« in ihrer Seele — fie tonnte nicht lefen. 911« Äinb burfte
fic eine« langroierigen ^üftenleiben« wegen bie Schule nicht befugen;
fpäter f tarnte fie fidj aU aufgefchojfene« Stfäbchen in bet Jttajfe ber steinen
ju fifeen, ber £ob be« SBater« unb bie ©ntbeefung feiner Schulben warf
bie Sttutter auf« ßranfenlager — fo tonnte uon 9to<hholen be« SSerfaumten
nicht mehr bie Siebe fein. £>er tfummer über ihre Unwiffenheit brüefte
ba« Sauerle aber erft uon bem 9lugenblicf an, als Tie hörte, baß Sttalchu«
ganj auf feinen $errn f>erau3fomme unb fdjon balb fdjier fo gefchetbt fei
wie biefer.
„Kein/ feufjte e«, „baß er ba« fo ^eimlid; uor mir Ijat galten
tonnen — ba oerlaff' ftch einer auf bie SHenfdjen!"
Unb wenn'« nun wie ber 23life in ben Stuben ober im fiaben beä
&errn ftafobäu« ^erum^antirte, fo flog wohl juweilen ein 33Iid ju bem
redjnenben ober fchreibenben 3Katc&uö hinüber; aber mit ihrem froren, un=
befangenen ©eplauber war'« au«, Einmal aber nahm fie all itjren 9Ruth
Mammen, um i^n ju fragen, wa« in bem 33u$e ftefje, ba« er immer
neben ftä) liegen ^abe. ©r antwortete: „^Uofopljie". Sie mar gan^v
erfd)rod£en über ba« 2Bort, ba« fie nie gehört, nun aber immerfort uor
fich ^in fagen mußte — wie beljerr.
,,2Ba« murmelt fie benn ba/' badete 9)falchu«, „ihr ©ereb' mar ja
nody« Ginjig', wa« id) auf biefer 2Belt gehabt h<*b\
er oerfolgte ihre behübe ©eftalt, bie balb f)0(h oben auf einer Seiter
ftanb, balb in'« lefcte sBinfelchen be« Saben« frod); nur uor bem33üä)er*
fchaff ftoefte itjre SBehenbigfeit. 9ld) immer bie tyxlbe SSoche nad) ber
großen Siäumerei fteefte it>r bie 9lngft in ben ©liebern, ob bie 33ü$er,
beren 9luf jehrift fie nicht ju lefen oermochte, auch fo ftanben, wie fie ftet)en
mußten!
„£>enn," feufjte ba« Sauerle, „wenn er, ber bie Sßl)Uofopr)ie lieft,
müßte, baß id; nicht einmal «' Natürliche le[en fann."
3n ber 2lngft ihre« ^erjen« fing fie bann jebe«mal oon biefen
SBfichern an:
„21$ ©ott, 3Kald)u«, ba fdjau her, mit ben 23üd>rn ifl'« nia}t rid)tiö,
beim Stubiren tynb' ich mich oerroechfelt — ja, wenn man aber audj Qar
fo rounberfifcig ift unb immer Me« toiffen muß, roa« brin fteht!"
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3afobäns OTayer.
235
„2fter es fleht ja aHeS gan3 recht," erflärte her afjnungslofe 9)ialdjuS
jebeS Wal, worauf baS 3-aoerle crtetd&tert aufatmete.
(*S almte freilid) nid)t, bafj es ber £err 3afobäuS 2)ianer felber
mar, weiter bic üerfefjrt unb bunt burdjeinanber ftehenben S3üd)er allemal
in Crbmmg brachte; benu XaoerleS Unroiffenhett roar ihm fein ©eheimnife,
aber er refpeftirte fie.
Sben bas roar'S, warum jeber ben alten ^i^fopf, ber immerfort auf
beit lieben ©Ott fchatt, lieb r)attc. $)a mar feiner, bem er nicht fd&on
burcr) 9totf) unb ^at geholfen unb beigeftanben ^ätte ; aber baS gefdfcjah
immer in aller &eimlid)fett, unb fdjon im naä)jten 2lugenbltcf tr)at ber alte
£?err, als roüfete er nichts mehr baoon. Unb alfo beurteilte ihn jeber
nach feinem heimlichen £fnm unb mar überzeugt, ber Gimmel machte es
auch fo, unb nahm in ©otteSnamen bie fchliinmen Sieben in ben ßauf.
SRur ber &err Pfarrer mich bem &err 3afobäuS 9tta«er mit einiger SSor-
ficht aus, beim es mar gefdjefjen, baü bei einem Bittgang, als bie Sauern
betenb über bie gelber jogen, ber alte &err ihnen frebSroth oor 3°™
nachrief: ,,©ef)t heim unb fjolt SJiift unb haltet'S 2Raul."
®er £err Pfarrer, ein unterfefeter 9flann mit etwas rother Üftafen*
fpifce, ^ielt eS für nötf)ig, nach biefem Vorgang bem £errn 3afobäu$
3)ianer einen iBefudj atyuftatten. £er alte $err, welcher oiel ju oft in
(Sifeu gerietf), als bafj tlmt bie SBeranlaffung baju jebcSmat im ©ebächtnifj
hatte bleiben tonnen, empfing ben $errn Pfarrer mit bem neugierigften
2hiSbrucf feiner blauen Slugen unb fragte mit lebhafter 33efliffenr)eit,
rooran'S fehle, unb ob er Reifen fönne. $er ©eiftlidje faß auf einmal
oor einem guten ©las 3öein unb fanb fidj in ein ©efpräd) oerroicfelt über
bie Senberin. 3af°bäu$ 9)touef, ber immer fo aufredet fafj, bafj man,
ob man wollte ober nid)t, ju ir)n auffchauen mufcte, erflärte mit ber ganjen
2Bärme feines ^erjenS:
„S)aS ift eine grau, $ut ab! ein eminent eigenfinnigeS Sßeib! Sßenn
ich fie fo unter bem Äinberoolf fifceit fehe, mit bem unbeweglichen ©eficf)t,
auf bem geschrieben fteht : ,id) tlm' meine Sßflidjt' — Xeufel noch einmal,
aus ber &aut fönnt' ich fahren, bafj man iljr nicht Reifen barf! Unb bod)!
2SaS meinen Sie, &err Pfarrer, wenn idj benfe, ich habe iljr fo ju ©e1
roiffen gerebet, baß fie mürbe ift — was fagt fie % Hilter ÜDcenfch, fcfjämt
(Sud), baß 3f)r mid) baSfelbe gingerwefen fpüren macht rote bie Äinber,
wenn fie nicht begreifen wollen' — unb babei 5äf)le id) jufäHig ^eute aa)t«
unbfed)Sjig — benfen Sie!"
„©ratultre," fagte ber ©eiftlia)e.
„Danfe." ftafobauä rüdfte ilnn nä^er. ,ßlati) jahrelangem 5(ampfe,
nad) jahrelangem 3lerger mufj id) mein gute« Stücf gleifch täglid; mit bem
Oebanfen geniefeen: Unb biefeö franfe SBeib hat nichts als eine Schüffei
ßaffee! $ch frage Sie, §err Pfarrer, fann ©inem bas anfchlagen — einem
2J?enfdjen anfchlagen, bei bem bas ©eroiffen ber ^auptpunft — "
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28<\
£7. Millinger in Karlsruhe.
Ter $err Pfarrer erfwb fidj; ber Sprung von ber £enberin jum
$auptpunft oerfefete in Steden. <5r tranf fein ©la$ au«, rooltte
enblid) iriit feiner 33ittgangangelegenf)ett f>erauärü<fen; aber ba legte ilnn
ber munberlidje Sttenfd) beibe &änbe auf bie Sd)ultem, flaute tyn mit
einer Ereutyerjigfett an, bafe bent ©eiftlid&en ganj meid) ju ©emütf; mürbe,
unb begann in einem £on, ber fo ftnbltd) unb fdmteidjelnb flang, ba&
man gar nid^t« Stimme* klärte baf;inter vermuten fönuen:
„Sagen Sie bodjj, lieber £err Pfarrer, tonnten Sie benn ni$t in
bes Xeufete tarnen einmal oon ^Ijrer flanjel herunter prebigen, bafj baä
©eroiffen mirflid) ber &auptpunft ift?"
Ter ©eiftlidje fudtfe fid) uon ben eifernen $änben, bie feine Sdmltern
umflammerten, lo^juroinbeu ; &err SafobäuS f)ielt ifm feft: „Tenfen Sie
fid) bie oottfommene Seit, roenn jeber auf bie Stimme feinet ©eroiffeniS
Ijörte; wenn in ber Sdjule gelehrt mürbe: Tu Summet e£ giebt nur
eine 92ummer: ber föauptpunft, melier ift ba$ ©emiffen — nur eine
Xobfünbe: fein ©eroiffen beleibigen — unb nur eine $8elol)nung: feiig fmb
bie reinen ©eroiffenS ftnb, benn fie tragen sum ©lanje be$ 95>eltgeroiffen3
bei!" Tie 3(ugen be§ Sprechers leuchteten in feltfamen ©lanje auf ber
geiftlid)en &errn tjerab, ber ftdj enbltd) logrifj unb im nädnlen 2lugen=
bltcf bie Sabentreppe f)inunterflog, babei ein paar SBorte murmelnb, bie
nid)t gerabe roie ein SegenSrounfdj lauteten.
„&a," freute fid) ^afobäuS unb rieb fidt) bie &änbe, „ba gef)t er
f)tn im 3°"1 w»o föimt* mid) fteinigen! darauf tratfs fidt) jeber, ber eine
neue ^bee in bie 2Belt bringt, gefafet machen/'
„*D?ald)u3", fagte er ein paar Tage fpäter $u feinem ©efjülfen, ben
man hinter bem Gomptoirttfdj faum faf), fo f)od) maren bie ^ücfier oor
tf)m aufgepflanzt, „Tu btft bod) ber roirflidje 23üdjernmrm — Tu — "
2Rald)u3 niefte; er mar nun oöHig jum Sügner geworben unb füllte
ficö in feiner &aut fo unbeljagltd), ba| er fid) fd)on eine ganje SBetle
nidjt meljr unter bie 3Jienfd)en traute, ©r faf) roirflid) aus roie ein 2J}op3,
mit feiner runben dla]e unb bem gutmütigen SUhmb, unb e£ gehörten
fdjon ganj merfroürbige 2lugen baju, um einen Genfer in biefen «3üg,en
§u entbeefen.
&err 3afobäu8 3)?aver fjatte aber in biefem 3lugenblicf noe$ etroaä
2lnbere$ auf bem &erjen atö feinen &auptpunft. 2113 er Tags juoor
9Wal<$uS in feiner Stube Ijatte auffudjeu motten, fanb er ben ©e^ülfen
nia)t, mie er erwartet, fjinter feinen 25ü<$ern, fonbern über ben flehten
Käfig gebeugt, in bem ein Äanarienoogel 5toitfd)erte. Unb $erT ^afobau^
3Kai)er blieb ganj oerrounbert über baö ©eba^ren beö fonft fo ftummett
V-Imrjd;en unter ber £f)üre fteljen.
„%a, 2)u mein fleiner Spafc," flötete 9Kal^u« in ben jarteften 2öneit
feiner >{el)le, „Tu Sdmfeele Tu — roiHft mid) beiden — fa roart', gelt^
tl;ät Tir gefallen, fo eine Unterhaltung ben ganjen Sag — ja wol)l —
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3afobäns ITTayer.
2S5
rjt f)i — -" unb er fidjerte unb fdjroafete, ftetfte bic ginger jurifdien bic
£räf)te, blies ben Vogel an unb lachte, bafe bie Stube bröfmte.
#err 3<ifobäu3 fdjtofe letfe bie £f)fire, trat feinen (Spaziergang, an
unb oerfanf in ©ebanfen. Sßlö^Üd^ fdjlug er fidj gegen bie ©tirne:
. ,/3$ <5fcC — ja natürlich! idj alter flerl — ber 3Mdju>3 ift ja
in ben 3af)ren ber järtlidjen ©efüf)le — "
Unb nun rooflte fid) ber alte $err, mit feinem ®el)ülfen über biefe
©ntbedung oerftänbigen. Stodj nie mar er fo umftänblidj geroefen; bie
Sonne, bie er fonft liebte, unb bie ben ganjen Saben füllte, genirte tt)rt
fieute; er oergafe feine pfeife mit Xabaf ju füllen, wollte fte anfteefen
unb rourbe ganj mfitfyenb über bie (Sdjtoefetyöljer, bie nid)t jünbeten.
©nblid) fefcte er ftd) in Xrab, paffte in feine leere pfeife, bafc es pfiff,
unb 6egann mit einem ©eftcf)t nrie ba3 einer oerfd&amten alten 3ungfer:
„3a, mein lieber 9)?ald)u£, audj idj 1)abe cinft geliebt — "
$er ©elnilfe f)ord)te auf; ba3 war ein ganj neuer Anfang, unb er
tarn il)m fefpr tounberltdj cor.
„(53 mar ju greiburg, unb fie roofmte in ber (Saljgaffe," fut)r
^afobäuS ju fpredjen fort; „wenn eine (Stirne im (Staube mar ben
,§auptpunft in feiner ganjen Tragweite ju begreifen, fo mar e§ bie it)re.
3Wein lieber 9Mdju$, bie Siebe foll eine fjeilige Seite im Sebcn bed
■Bßenfdjen bleiben — fdjlagen mir fie mit 2lnbad)t um. 3$ Wte midj als
Xräger einer 3bee unb wagte nidjt eine jarte grauenfeele in meinen
Kampf Dineinjujiebeu. $)u aber, 2Wald)u3 — "
3n biefem Slugenblid erfaßten ein fleiner Käufer unter ber offenen
£abentf)ür unb oerlangte für brei Pfennige ßudererbfen. ,§err 3afobäu$
ri§ eine $ute aus ber £abe, ftopfte eine &anbooH be$ Verlangten hinein,
ftrid; bem Vuben über'3 <paar unb brüdte if)m bie £üte in bie ftanb.
„Salt, ber &auptpunft, ßerltf"
„'3 ©eroiffen!" fä^rie ber Vengel unb mar fd>on auf ber Xreppe, als
9Hal$uS t)intcr bem (Somtoirtifdj fjeroorfdjofe, ifjn beim Cfjr padte unb
tfmi bie brei Pfennige abforberte.
„Der (jat'S nun !" freute fid) unterbeffen £err 3afobäu3 ; „ja, bie flmber,
mit benen ifl nod) maä anjufangen."
3lber audj SttaldjuS I)atte e<S inne, bafe bie fttnber gar ju gern ben
Slugenblid abpaßten, §errn 3afobäuS allein im Saben ju treffen. £arum
bie oielcn Vüd&er, reelle er oor ftä) aufgepflanjt fjatte; oon biefem ftinterljalt
aus fonnte er ben jerftreuten Vertaufer unb bie getoiffenlofen fangen fdjarf
im 2luge behalten. 9)tand)mal mußte er fogar ganj biebere Väuerlein an
ben ©elbbeutel mahnen.
„tyo% Vlifc!" rounberte fieft £>err SafobäuS 3)iai)er, „ba Ijabe id) fd)on
meinen ganjen £abaf aufgerauht; idj werbe mir aber nod) eine &anb ooll
gönnen, benn es ifl eine ju ernfte Sad)e auf bem Xapet — ja, mein
lieber 3Ral$u3" — ber alte &err mürbe förmlid) affectirt oor Verlegenheit
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f?. Millinger in Karlsruhe.
— „9Haldm$letn, ei, et! nun ia, aud) $u bift in bem 2llter ber järtlid&en
©efüf)le angelangt."
$er junge SJtenfd) fuf)r in gellem ©ntfefeen mit bec 9tofe bU auf
feine 3a$len fyerab, f° bafe nur nod) ein paar fwd)rotf>e Dfirenfpifeen von
itmt ju fefjen waren.
,,3ld) ©ott, ad) @ott, $err 3afobäu3 SJianer," jammerte e£ in biefem
2lugenblt(f unter ber Sabentljüre, unb eine ©eftalt mit erhobener flüdjen=
iä}ür$e ftolperte unter tjerjbreajenbem ©efdjlud&je über bie Sdjiroelle.
„2lber Sine," ärgerte fidj &err SafobäuS, „fdwn wieber!" „Hdj ©ort, ja,
— Tie war Jjalt wieber fo grob — unb ia) bin boa) fiebenunb}wau$tg,
3a^re alt unb t)ab' auf gretburg gebient, wo man weife, was ber Sraudfj
ift — unb bie grau ift bod) erft fed&Sunbjwanjig unb will mtdj Slnftanb
lehren unb fauere Sratenbrülj: grau SIpotfjefern, f)ab' idj gejagt — unb
nia)t$ weiter auf meine <5£)r' — Sie fommen mir oor wie eine gef<$offene
Spargel — unb wer gleid) fdjon wieber fünbigt, ift fie — unb jwar auf
ber Stell' — o unb mir ift bie grau fo an'« &er$ geworfen, unb bie
Äinber, unb eine Spargel ift bod) fein £f>ter, unb bringen Sie'« bodf>
wieber in Orbnung, lieber guter £err 3afobau$ 2ttatjer, '3 foU genü§
nimmer »orfommen — auf @f)r' unb Seligfeit — id; will jagen, auf
mein ©ewiften — tjerbefferte fie fidj."
„$a§ Eid)!" murmelte ber alte &err unb langte naä) feiner 3)töfee.
„Slber Sine, bteje« 3Jtol nod), unb bann nie wieber."
Sie rannte oorauS, immer nod) bie Sdjurje oor bem ©efidjt, unb er
folgte bebaajtig unb langfam, einen bitten JQualm oor fidj bwblafenb.
„211)0/' fagte ber 2lpotr)efer, „ba fommt er mit ber griebenSpfeif' !"
3m nädrften 9Iugenblidt ftürjten bie swei Söfmletn be« &au|e3 auf
ben alten £errn lo«, unb er büefte fid) unb nafym fie auf ben 9lrm. £>a
fafeen fie nun unb lachten unb dufteten in ben Oualm, unb ber 2lpot§eferin
oben am genfter, meldte fidj bieSmal feft oorgenommen, fid; ntcfyt erroeidjeu
ju laffen, mar es fdwn ganj oerföbnlicf) ju sJftutl)e.
ÜJlald^uö aber fdjüttelte fein traurige« ©eftajt, ben 33li(f irubfelig
auf ein fleineS Spinngewebe (jeftenb, in bem eine eingefponnene gliege
gitterte.
„9?un wirb gleid) bie Spinne über biör) Verfallen", fpradj er leife, „unb
fo get)t mir'3 — alle Xag', jeben 2lugenbli<f fann'ä entbeeft werben, ba§
ia) ein (5jel bin unb ein Sügner — ben Spott ber ßeute wollt' id) nodf)
ertragen, aber if)n fränft'3 unb baS l)at er nidjt um midj oerbient — ba$
Sefte war' ein früher Xob!"
„SUöglein im Ijofjen Jöaum
tfleiit tft'ä, t&r fefjt ti faum" —
jang's mit t)eller Stimme au« ber Hinteren Stube — f(ttjd) — flatfd; —
„Singt bod) fo f^ön" -
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3afobäns nTaycr.
2sr
fiel äflaldjuä mit sittrigem Safj ein. 2la), rote mit 9)tod)t rijj e3 ifm ju bem
(Befdjöpf f)in, ba£ feine Spraye fprad)! Sie ftanb mit tfjren runben
tfüfcdjen bis an bie ßnödjel im SBaffer, benn e3 mar Samftogabenb, unb
i&re Söangen glühten von ber boppelten 2lnfrrengung be$ 33ürften$ unb
Singenä.
„Tu bift aber oergnügt, laoerfe!" feufjte er.
„3$ — ba tyxb' id)'$ ganj oergeffen, benn eigentlid) bin idj
traurig — "
„63 wirb Dir Ijatt ein wenig triel werben mit bem Staffen; man
fiel) Didj ia nie anberS als im ©dmfe."
„?Hein, baS ift'S nidjt" — fie bife in iE/r ^Butterbrot, ba$ auf bem
£ijd) lag unb fuJ>r aU6atb mit if>ren beiben 2lrmen in ben Äübel
SSaffer.
„Sber fo fefo' Didj bodj ein wenig jum 2$e3pem — "
9hm mufjte fie tacken. „Da$ mär' fdjön, idj bin in meinem ganzen
Seben nid)t $um CSffen gefeffen — aber Du bift ja jefet ein ganjer £err
®ele(jrter roorben — barf man benn nodj in fetner Dummheit mit Dir
reben?"
„91$, Ijaft Du oielleidjt barum nid)t mef)r mit mir gefprodjen ?" fragte
er ganj erftaunt.
„greilidj, benn wenn id) lef wie gebrueft, bie ^(jitofop^ie ift mir
falt bodj md)t tyanblid) — "
6r Ijätte fo gern gefagt ,ßlix audj nidjt!" — ftatt beffen erflarte
aber er mit einem ©efidjt, als oerfüube er eine Dobe$nad)ritt)t :
,/3 ift eben ber ßauptpunft — "
3n dauerte ftieg ein @efüf)l ber DrofUofigfeit auf, fie uaf>m iljren
Äübel unb fluttete baS SBaffer mit einer foldjen ©emalt über bie Dielen
f>in, bafc 2Jtola)u3 fia) fdjleunigft oon ber Dfjüre äurücf$ief}en mufete. Site
er wieber erfaßten, erflarte fie unter ed)lud)$en, dürften unb (Sffen:
„SSenn eine füetienb lefen fann, braudjt fie fidt) nodj lang' nidjt ju fdjämen;
unb bie £eut' fagen alle, unb ber £err Pfarrer felber, bafj ba3 mit bem
§auptpunft Unfvnn ifl. Daj? aber Du Didj aud) barein mengft, ba$ r)ätt*
id) nimmermehr gebadet oon Dir, unb bafe tdj'3 nur gerab' fag' — barum
bin id) traurig. 2lber benfe mir nid)t, ba& id) mia) oerad)ten laffe — wo
id) ben ganjen Südfjerfdjaff auSwenbig fann unb nur nidjt bauon reb',
weil id) 3U nobel bin; aber ba$ fag' idj Dir, 2)toldju3, wenn Du wirft
roie ber £err ^°oöuS unb ben lieben ©Ott uerlcugneft, ba$ überftel)'
idj nidjt •— benn Du wirft bod) nidjt behaupten wollen, bafe bie ^fjilos
fopfjie ein SBort ift, ba$ oom lieben ©Ott flammt — wenn id) aud) ntd)t^
oon ifn* weife, fo oiet oerftet)' idj bod), benn wenn id) aud) nid)t gefdjeibt
bin, fo ifv*3 wenigfteu^ meine SKutter, ba fie ben ganzen Xag fi^t unb
iljre ©ebanfen beifammen galten fann — aber id) werb', fo ©ott will,
aud) enblid) einmal sum Sifcen fommen — unb bann! ja bann werb' ia)
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Pillntger in Karlsruhe.
©ir'S beweifen — bann foll ©ir'S furios gehen — bann wirft ©u mid)
um SBerjetfjung bitten wegen deiner $eräd)tlid)feit, unb eS foll ©idj ge*
reuen, bafc ©ir ber §auptpunft über jebe menfdjlidje Kreatur ging. —
So, unb jefct ift'Ä fedtfe, wo mtdj bie 2lpotheferin erwartet" — fdjmub,
flog nod) eine ^anboott weifjen SanbeS über ben 23oben — im nädjften
2lugeubltcf war bie behenbe ©eftalt auf ber ©äffe.
,,©ie," fagte 2Jtoldm3, ihr ooH Sewunberung nadfjblicfenb, „bie fprid&t
ftd) aus — wenn i<$ nur audj fo einer war'!"
©er arme Sünber fdmardjte tängft mit einem Rehagen, um baS ilm
ein ©ered)ter hätte beneiben fönnen, all er plöfelidj mitten in ber 9tfad>t
taut angerufen unb fräftig gef<$üttelt würbe. Sdjlaftrunfen fperrte er bie
2lugen auf; ba ftanb fein &err in ber Sipfe^öppe, baS Sicht in ber §anb,
am gufeenbe beS S3erteö.
„9)fein lieber SJtoldmS," fpra<h er, „in Anbetracht unferer heutigen
Unterrebung erfahre folgenbe 3bee: ©u mufet ^eirat^en! Slber mit ben
Ijieftgen 3Wäbd)en ift nidjtS; ich fenne feines, baS im Stanbe wäre, unfere
Sehre ju begreifen. 3n ©einer 6^e aber mu§ natürlich ber §auptpunft
bie &auptfad)e fein, unb ©u mufet Sttnber erziehen, bie fdjon in ber SBiege
bie ©ewiffenhaftigfett f elber finb. 0 •JJtoldmS , ©u glaubft nicht, mal
für eine wunberooUe Qbee idt) habe! 3$ fahrc nämlich auf greiburg unb
ijole ©ir bie Öraut — id) hole fte aus ber Saljgajfe — benn fidjerlich
hat jenes t)errlic^e Stäbchen geheiratet unb ©ödster befommen mit eben
folgen f lugen Stirnen. Uebermorgen reife ich; benfe ©ir, was für eine
3ufunft fid) uor uns auftaut! träume oon u)r — träume t>on ihr, mein
Solm!" fprad) &err QafobäuS ÜJlener mit aufgehobenem 3ciöcPn3^r u*tb
fajlurfte in feinen Schlappen oon bannen.
s3)tolchuS aber liefe baS träumen bleiben; baS ftinn auf bie empor:
gezogenen ftniee gefiüfct, fann er über bie 3u^unft nad), welche ifmt fein
§err in 2luSficht ftellte, unb fam ju bem Sd)lufj, bafc fie nicht nur nichts
VerlocfenbeS, fonbern gerabeju etwas älbfdjredfenbeS für ilm hatte.
„Wein," erklärte er, „nein, ich halt' biefe SSerlogen^eit nicht länger
aus — eS ift mir MeS eins — MeS eins — ob's einen ©eufet giebt
ober feineu — ob id) in ber $ölle braten mufe, ober oon bem SSelt»
gewinen jerfchmettert werbe — jeber 3«ftanD W m^ angenehmer, als ber
meiner Verlogenheit."
(Sr wollte in ber Morgenfrühe baS &auS oerlaffen; allein £err
3afobäuS Liener hielt ihn am 9iodj<ho& fejt. ©er alte £err war fd^on
mit bem erften ©rauen bes ©ageS aufgeftanben. 2BaS er an SBäfche befafe,
lag in feinen beiben Stuben auf £if$en, Stühlen unb Gomoben auS=
gebreitet; t)ier oerftaubte ."golstruhen hatte er im Sd) weiße feines 2lngefidhts
oom 53oben herunter gefd)leppt.
,/Bo wilift ©u benn hin," fuhr er 2Md)uS im aufgeregteren 2"one
an, „wir haben ja alle &änbe ooU 3U tljun mit bem ^aefen! 3n>ci wei&e
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3afobäus ITTayer.
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Söefien finb nodj bei ber SBafd&erin, idj fcabe nur oier; wie foH idj mit
oier wei&en Söeften in greiburg au«fommen. G« ift entfefeliay. SSenn nur
enblidj ba« Xauerle fäm' ! 6« müfete gleia; jur 2Bäfd)erin rennen. 2iud^
mit ben Stiefeln i|Y« fatal; [teile fie einmal in 9teil) unb ©lieb I)ier
mitten in bie Stube — bie, weldje mir am bequemsten waren, f>ab' id)
neulia) fo einem oerflu$ten äerl gefdjenft — fie wittern'« aber aud)
immer; id) brauay nur ein $aar gut auggetragene Stiefel ju tjaben, gteid)
ftefjt einer ba unb Ijat feine."
9flit bem Sd&lage fünf erfd&ien ba« Xaoerle.
„9Ja, wa« giebt'« benn ba !" fdjrie'« auf beim Slnblitf ber Unorbnung
unb be« aufgeregten £erm 3<tf°&äu«.
„35u mußt gletdj fort/' rief biefer, „$ur 5öäf<§erin, t$ müßt' bie
jtuei weifjen 28e)len tyaben — '« preffirt — idj fa()r' auf jreiburg —
idj fjof bem &erl bort bie 23raut."
„2)a fyxben nur '3," feuf jte Saoerle unb fanf auf ben nädjften beften
Stuf)l.
„3efct madjt fid)'« bie Greatur noc| lange bequem/' entfette fid)
£err 3af°bäu«; ,,f)ab' idj nidjt gefagt, '« preffut?"
Säuerte fdjnellte auf unb fiujr wie ber $lifo" jur Xfjüre f)tnau«.
SJfaldm« ftanb immer ba, bie &änbe in ben Xaföen unb ftarrte auf bie
Stiefel, 'iplöfclidj työrte er'« im Saben braufjen „pft, pft!" rufen.
Gr ging f)iuau«.
„3dj toeifj ja gar ni$t," fdjlud)$te ifmt Säuerte f)änberingenb ent*
gegen, „weife ja gar nidjt, wa« idj bei ber Söäfdjerin foH."
„3ioei 2Öeften!" würgte er fjerau«, unb nun beulten fie mitetnanber
ein l)er3brett)enbe« $uett unb fdjauten fid) burd) tyre grauen an, unb tyre
ganje Siebe« nnb Sdmter$en«gefdj)td)te fanb if)ren 2lu«brucf in einer
Bewegung be« Saunten«, womit 9)Jald)u« nad) ber Stube jeigte, unb
einem Süden be« 9)?äbdjen«, ba« genau begriff : Ijier bleibt ni$t« Slnbere«
übrig al« gefjorajen.
£e« 9todjnüttag« entfernte fidb &err 3af°Dau« 3)toner, um fid), wie
er fagte, einen neuen $ut für ba« Abenteuer ju raufen. Untermeg« be=
gegnete ifyxi ein &oljf aller, ben er gut fannte — bie Sinnen waren alle
feine guten Gerannten — unb alfo fal) er'« bem SHann gleid) an, ba§ er
n>a« auf bem £er$en t)atte.
,,2£a« giebt'«?" fragte er jtefjen bleibenb, „3t)r fdjaut ja brein wie
ein oevbrieBlia^er Regentag."
„£er Sflann juefte bie Staffeln: „3$ f)ab' l)att fdwn wieber eine
Seid)' — ba« Sterben frifet mir meinen ganzen ^erbienft auf — erft legt
fla) ber 3>ater Inn, bann bie Butter, fjernad) bie Sdjwefter unb jefct —
'« Äinb; bie Slrmutf) mad)t ©inen fo Ijart, bau man nimmer fyeulen fann
über bem ©ebanfeu: wie foll iay« $alu"enV"
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290 — - f). Dülinger in Karlsruhe.
„Safobäu«, unb £)u nrittft Xir einen neuen #ut faufen, roo'« gar
nid)t nötf)ig ift!" fpradf) be« alten &errn ©eroitTen, unb er 50g ben 33eutel.
„£eult, guter greunb, l)ier ift'$ (Mb für bie Seid)' — rote alt mar
ba« flinb?"
„@rjt jroei 3ar)r/' erroiberte ber SHann, „ein fyerjig $>tng, '» t)at
ftd> fo gefreut, roenn id) fjeimgefommen bin" — - er rotfd&te fidj mit bem
Bermel über'« ©efid(jt — „id) banf 3f)nen aud), &err 3afobäu« Sttaner,
idf) f)ab' fd&on geglaubt, idj bin ein Unmenfä)."
3)er alte £err ging weiter; er (am immer baljer roie au« einer
SBelt ber Drbnung unb ©auberfeir, ber ^ßünftUd^fett unb be« SBoblnroHen«,
unb jeber Storfibergefjenbe grüfjte i^n mit einem fomifdjen ©einifdb oon
&odjadjtung unb SSertraultdjfeit. Gr trat in eine &intergajfe unb r»on ba
in ein feine« £äu«cJ>en, au« bem if)tn ber fröfjlid&e ©efang ^öd^ft unge*
fajulter Äinberftimmen entgegentönte, bie aber augenblirflid) oerftummten,
al« ^afobäuä SWaner gebüdten Raupte« über bie 6d&roelle trat. SMefe
Heine edfjaar bel;anbette ifm ganj at« ifjreSgleid&en, ober oielmefjr ate eine
roanbelnbe Düte, benn in feine ftorf* unb ^ofentafajen fuhren fofort ein
$ufeenb «einer ßänbe, unb Reiter laa>nbe 9(ugen jtra<en 5U ilmt empor.
„9Jton ift feine« Seben« nid)t ntefjr fidler/' brummte 3afobäu« unb ffreute
einen biegen oon 3utfererbfen über bie Häupter ber kleinen f)in, „fo ~
unb bamit 3f)r feljt, bafc e« fertig ift — " er 50g alle Mafien fjerau«,
fogar bie ber Söefte, unb trat bann, Ufjr unb <Sd)nupftudj in ber &anb,
oor bie Senberin Inn.
„SRämlicIj, ia) Jabe eine 3bee, id) reife in &ersen«fa$en, unb 3t>r
werbet midj ein paar Sage nidjt feljen, Saoerle r)at'« ©udf) roofjl fdfjon
erjä^t."
„Hein 2Bort ," erroiberte bie grau, „'& roar f)eut' befonber« eilig."
„(SS rjanbelt fid) um ÜKaldm«, tdfj roiü" bem SHaldju« eine grau
fjolen."
„3W"
„3a, id;! roeil id) am beften weife, roa« er für eine braudjt," er-
eiferte fidj ber alte $err unb fing an burdj bie Stube ju rennen, roobei
er olle Slugenblid über ein tftnb ftolperte; „er brauet eine, bie meinen
unb feinen ©runbfäfeen entfpriä^t, bie im Stanbe ift un« ^u r>erftef)en, bie
benft, roie roir benfen, unb Rubelt, roie roir Rubeln — jaroof)l i'enberin !"
,,£ab' id) G*udj benn roiberfprodjen, bafc 3*)r fofd&reit?" fragte fte.
„Watürlidj l;abt l^\)v — (Sure 2lugcn — al» ob bie jemal« ju einer
meiner 3been ,jal gejagt r)ättert — roenn einer ben ^eiligen Stomas malen
roill — empferjl' id) ifjm ©ure 9lugen ."
„3a*obäu«, fo fefet @ua) bod)/' unterbraa; fte ir)u, „fel)t 3^r beim
ntd;t, bafe bie ^inber fid) einen Spa& barau« machen, (5uaO unter bie
$eine ju rennen^'
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3afobäus maycr. 2${
„3a rtd)tig," meinte er, fie roie abbittenb anfdjauenb, „idjj f)abe ja
nur einen f>erjlidfjen 2tbfd)ieb von @ud) nehmen roollen."
Sie fdjüttelte ben ftopf. „Der sJJ?aldju$ fommt mir 06er gar nid^t
vor, als rooHt' er eine Jrau oon fo weit §er; ben fd&raubt 3()r hinauf,
bem i|Y* gar nid)t roofjl in feiner £aut, ba3 fef)' idj buräys genfer."
„Dem 3Mdfju3," fd^rie t>er alte &err, „burdys genfter — wenn
erroaS Ftdfjer ifk auf biefer Söelt, ift es ba$: ber unb idj fmb eins —
ber nimmt bie grau, bie id) ü)m Dorfd&lag' — er nimmt fie, roeil er roei&,
mid) beftimmt nichts 2lnbereS als ber ßauptpunft."
„Der ift nod) <5uer Unglüd," erflärte bie ßenberin, „er madjt ©udjj
Minb unb taub; ©Ott fiel)' mir bei, wenn idj ben ßauptpunft aus (Suerm
fieben roegpufcen fönnt\"
„steine $oet aus meinem Dafein roegpufcen!" freifdjte ber alte ßerr,
firfct)rotr> uor 3orn, „roi&t 3()r benn, roaS 3()r fagt? — begreift 3ftr benn
— nidjts begreift 3^r — aber eines DageS, es fommt ber Sag, ba wirb
fie triumptnren, meine 3bee — unb Qljr werbet — roerbet'S Iroffentlidfc
erleben."
@r rannte baoon, unb bie fienberin fdjidte ifjm einen Söuben naa),
ber ifmt bie ljerauSf)angenben £afä>n in ben 91od fteden mufete.
&err 3afobäuS roanbte ben Stritt jur 2lUee, roeld&e hinter bem
©täbtd&enlben ^t)ein entlang führte; jjier roar eS einfam, ftitt unb luftig,
flaum faf) it>n jebodfj ber Sternenroirtf), beffen ßtuterljauS auf bie 2lHee
münbete, als „er, roie immer |unterf)altungSbebürftig unb fjembsärmelig,
bem &errn 3afobäuS nad)gefeuc$t faro,
„Du fommft jur guten ©tunbe," brummte ber sptyilofoplj, „id& bin
gelaben."
„2tlfo idf> roar franf," oerfünbete ber (Sternenrotrtl), „unb roer miä)
fein einpgeä 9M befugt f>at, ba» roarft Du."
„Unb wer am Gfjarfreitag faflet jum Umfinfen," erroiberte 3afobäuS,
„unb am Ofterfonntag fidys fdmteden läfct, bafj er faft bran ftirbt, ber ift
in meinen 3lugen ein 9)?enfdj, beffen ßranffjeit nüd) uid)t intereffirt."
„2llfo eS ift mir nur ein 3 tütf djen £ad)S in ber flef)le fifcen geblieben,"
erflärte ber Sternenroirtf',
„3n ber flefjle!" fdjrie 3ttfobäuS, „Dir roirb ein gan$er £ad;S im
Hftagen gefeffen ^aben! $fui Deufel, Sternenroirtl), roie mufj eS in Deinem
©eroiffen ausfegen, baS nie im (Sinflang ftefjt mit ben Slnforberungcn beS
^auptpunfteSf baS nid)t roeifj, roaS froljloden ift."
„2Ufo roer fagt baS," ereiferte fid) ber Sternenroirtf); „in mir frof)*
lodt'S jreilid) — alfo roenn mii'S fdjmedt, ober roenn ber ^ein gebeizt
— unb ober aud3 $um Seifpiel — "
^err 3«fobäuS fjatte, roäljrenb ber ©temenroirtl) fprad), auf ben
9M)einftrom lungefd^aut, ber fonnenbefd)ienen ba^in glitt. s|>lö^lid) ftie^
ber alte &err einen Sdbrei be$ ©Bredens au»?, mit beiben £änbcu auf
Kort) unb ۟b. L., ir*. 20
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292 I?. Dilltnger in Karlsruhe. —
bie SMen jeigenb, aus benen ein geifter^afteö 2lntli|j aufrauhte unb
eben fo fdmeU wieber uerfdjjwanb. 3m uä<jjften 2lugenbli(f Ijatte ftdj
3afobäu3 feinet SflocfeS entlebigt unb war mit einem Safe im SBaffer.
„Qm tarnen ©otteS," brüllte ber Sternenwirtl) unb plumpfte i()m nadj.
(Sine SÖeile fämpfte ein oerworrener SRenföenfnäuC in ben Stetten,
bann jogen biefe allein weiter, unb bas weifie £aupt beS §errn 3ato&öus
Stauet taufte au£ bem 2Baffer auf unb ttjat einen tiefen 2Uf)emjug: gleidr)
barauf erfdjienen bie beiben 2lnberen auf ber £>berflä<$e: eine Sanbbanf
mar itjre Rettung gewefen.
$a$ Gaffer ging aber immer noef) Iwdfj genug, unb nur SafobauS
t>ermod)te bequem barüber weg §u feljen; ber (Gerettete war fyx\b bewust-
los, unb ber unglücfüdje SternenwirtI) uermodjte fetner Xide wegen nic^t
feften gufe ju faffen.
2Bie mit JUammern Ijielt S^bofäu^ bie s3eiben feft.
„3um teufet, was fpringft Xu benn in'3 Söaffer, wenn Xu nidjt
f<f)wimmcu fannft," fujr er, fobalb er wieber fpredjeu fonnte, ben pufienben
SternenwirtI) an.
„9tlfo bilbeft Xu Xir oietleidjjt ein, Xu grober 3Jtenfd), id; laffe
Xia) uor meinen 3lugen erfaufen," feudjte biefer, „alfo &ütfe, &ülfe,
baä SBaffcr nimmt midj) — o lieber ^tttobäu^ f)alte midjj fefl — aljo
im 2)fai im Sßaffer biö an ben «gall, unb 9ttemanb, ber uns ftef)t —
alfo wer ift benn ber &erl, ber uerflud)te, ber uns baS eingebroeft — "
„9iic$tig," fagte Safo&ä^ unb wanbte fid^ Unte, „wer ift'3?"
,,3ld) idj, jgerr Safobäuö 3Jtower," greinte 9ttaldju£; ,,id) bitt' ferjr
um (Sntfdmlbigung, &err ^öfobäuö 9)toner — "
„2£aS," fufjr biefer auf, „unb ber Stoben — unb feiner auf feinem
Sßoften, ja, ba3 finb mir ja fd)öne ©efd)id)ten — bas" —
„2llfo iti) bin \ä)on ganj fteif, unb ber 9ttenfd) jammert um feinen
fiaben, £ülfe — .'Qülfe — alfo 25aterunfer — " äd)ste ber Sternenwirtlj.
3afobäu$ lief? ein wenig los unb ber biete SDtann fdjjnellte erft ein
Stücf in bie &öf)e unb oerfanf gleid) barauf unter SBaffer.
,,.§ülfe, £ülfe," beulte er, „alfo — ©ort, mein Seben ftef)t in
deiner £anb — "
„(Sntfdjulbige, in meiner," erflärte ^atobäuö, „id? braudfr' 2)ict) nur
toä 511 laffen, unb Xein gett treibt Xid) ben 3it)ein hinunter — "
„9llfo ja," pflidjtete if)m ber SternenwirtI) bei; „alfo idj bin ein
unmäßiger 2)tonn, unb idj will gleid) erlaufen, wenn id) midj nid)t beffere
— 0 Xu 3Jhifter r»ou Sfläfeigfeit, lieber Safobäu«, alfo l)ilf mir {freien
um be* £immel$willen, beim id) Ijalt' nimmer länger aus — "
2llSbalb fingen fie alle Xrei au ifjre Stimmen 5U ergeben unb 3war
mit ber ganzen tfraft Üjrer Mellen unb f)örten nid)t auf bis enblidt) ein
SWcnfdr) bie Äöpfe über ber 35affcrfläd}e entbedfte.
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3afobäus Ulayer.
293
©aS DiettungSroerf ging vor ftd); baS f)al6e Stäbtd)en ftanb am
Ufer, als ber gifdjerfaljn mit ben ©reim lanbete.
„9htr gteic^ einen Reißen ©rog für ben ©ternenroirtl)," fagte 3<rtobäuS
ju ber grau beS Sefcteren, bie iljren triefenben ©atten fyeulenb umfdjlang
— „marfd) oormärtS, es ift feine 3eü 5U 2luSeinanberfefcungen jefet —
in'S 33ett mit ©ir, 9Md)uS, id) fomme gleid) nad) — "
©r felbft ging mit in ben (Sternen, bwfte ben SBirtl) bis an bie 9iafe
$u, reichte ilnn ben ©rog unb fd)ieb mit ben SBorten:
„9iun fdjraifc', 2llter; toenn'S ©id) aber bod) nehmen fönte, fo fannft
©u roenigftenS mit bem 33enm§tfein f)tnfal)ren, mit biefer einen £f>at baS
Söeltgeroiifen oerföfmt 5U f>aben."
TOtten in ber 9?a<^t, — §err 3afo&auS ^atte ein paar Stunben eines
erquicfenben Sd)lafeS genoffen — fiel il)m plöfclid) ein: 3a, toie $um ßucfucf
fam benn eigentlid) ber Reil in'S SSaffer?
@r ftanb auf, jünbete fein £id)t an unb roanberte hinüber; fajon
betrat fein gufc bie Sdjtoelle von 9Md)uS' Sa)Iaffammer, als ein lautes
edjludfoen beS alten $errn CI)r traf: <5r blieb ftef)en: £at er am @nb'
ein gieber —
„D Xaoerle, f)ieß eS brinnen, nid)t einmal fterben foU id) — nun
J)olt er mid) gar aus bem SBaffer — unb jefct ift 2lUed aus snüfdjen uns
— 0 laoerle, Xaoerle, alles ifi aus!"
Seife auftretenb oerfügte ftd) &err ftafobäuS in fein ©djlafjimmer
Surucf.
„£m, f>m, fenn' einer bie SSelt unb bie SWenfdjen aus — f>m, f)m
— ein fo eminenter Äopf unb fd)nurftracfs in'S Gaffer aus Siebe $um
3faoerle — ©eufel nod) einmal — ja £>immelbonnerroetter, roer I)at it)n
benn eigentlich hineingejagt — bu SöfobduS — ja ja, nur Ijübfd) ein*
geftanben — in ©einer Öltnbfjeit, £rfibfjeit unb 93erranntl;eit — unb
toiaft toaS 33effercS fein als ©eine SBiberfadjer !"
Unb £err 3afobäuS blies fein 2id)t aus, benn er tonnte bie £elle
niäjt mefjr ©ertragen.
2lm folgenben ©ag jeigte er fid) über alle begriffe §erftreut, bajj
3Rald)uS ju feinen eigenen Sorgen f)in nod) bie f)eimltd)e 2lngft überfam,
ber alte &err f^abe am ©nb* bei bem unfreiwilligen 33ab ben SSerftanb
oerloren. 2WinbefienS jroan^ig 3M im Saufe beS Vormittags fat) man
itm im Sturmfa)ritt jum Sternen eilen, oon roo er läd)elnb unb fjänbe*
reibenb jurücffam, lauter confufe ©inge rebenb. ©es Slbenbs fu^r er
gar mit bem Traunen beS (Stemenroirtfys bei ber Senberin oor.
©ie alte grau war allein unb roenbete if)r gebulbig ernfteS ©efidjt
bem ©intretenben entgegen.
„3^r fü^rt roieber roaS im ed;ilb, SafobäuS."
©r ntcfte: „3^r feib eine große 9ttenfd)enfenncrtn."
«SBiBt 3^ audj, bafe id) meine ©ebanfen über ben SflaldmS Ijabe."
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f}. Dillingcr in Karlsrnt}c. - —
„3a, baS i ft ein flerl!" unterbrach fic 3afobäuS. ,/Jiimmt ba ein Sab
im hellen 3Jiat — 3ugenb ^at feine 2ugenb" —
„2lch gc^t mir boch, ben l)at was gan$ SlnbereS in'S Sßaffer ge*
trieben — fo ift'S, wenn man ben SJtenfchen bie Religion raubt — fo
weit ^abt 3()r'3 gebraut mit ©urem §auptpunft."
„Unb merb'S ^offenUid^ nodt) weiter bringen, liebe Senberin", fagte
3afobäuS, büefte fid^, t)ob bie fpradt)lofe grau oom Stut)l unb trug fie
cor1« #aus. 3»" nächften Slugenblicf fafc fic neben bem luftig barauf los
futfehierenben SafobauS.
„0 wie jueft mir'S jefet mieber in ben gingern," fnirfchte bie grau.
„3(t baS eine 2lrt eine lar)me alte grau ju behanbeln?"
„Sin ich oteHeicht nicht auch alt, unb 3hr wollt mich immer ohr;
feigen. — übrigens feib ruhig, eS geflieht (Such nichts, ich h°l' nur
in bie Eifite."
Sie hielten oor bem fiaben.
Söenige Minuten fpäter fafe eine t)öthft oerwunberte ©efeHfchaft um
ben feftlich gebeerten 2if<h im StaatSsimmer beS $errn 3afobäuS 3ttaner.
2M<huS raupte nicht, was er benfen fottte; £aoerle, welches ganj almungS*
los gefommen war bie 9(benbgefchäfte ju beforgen, faf? nun oor Staunen
unb Unbehagen fo tief gebüeft am Xifd), als wollte es alle Hugenblicfe
barunter oerfchwinben. Die Senberin aber hielt &errn 3afobäuS feft im
2luge, als fuche fie ihm bis m'S Stmerfte ber Seele ju bringen; er lie§
fie ruhig fchauen, lächelte blofj geheimni&oott unb trieb ben Sterneimurth,
ber mit wichtiger SNiene einen traten ^erlegte, jur Gile an.
„3a, nun werbet 3(n* balb erfahren, warum ich gelaben," fagte
ber boshafte alte &err, fid) bie £änbe reibenb ; „e&t nur recht, bamit 3t)r
einen ^uff oertragen fönnt — fä)enf* bie ©läfer ooü, 3MdmS, unb
fchau nicht aus wie eine £rauerwetbe; unb Du, Saoerle, fifc' um ©orte«
SSiüen einmal richtig — heut' füttere ich bie Sttutter — unb mir bünft —
nicht 5um lefeten Wal"
„Daraus wirb nichts," wollte bie Senberin proteftiren; allein fdjon
hatte ihr $err 3afobäuS mit grofeer gürforge unb 3ärtlid&feit einen SMffen
in ben 2Runb gefteeft, bafj fie oollauf ju tfmn hatte.
„ßinber," fpraa) er, „bie Sache ift nämlich bie: ich eine
3bee -"
„Sllfo 'raus bamit/' fchrie ber Stemenwirtt), mitten in feinem 2?er*
tilgungScifer, „alfo wär's benn jum Aushalten oor Sangerweil', wenn
biefer ^enfcf) feine 3been t)dtt* !"
3afobäuS räufperte fidj, naf)iu fein ©las unb hielt'S gegen'S genfter.
„Schaut her! biefer 2i>ein hat lang im Heller gelegen, brum ift er
fo flar; auch ber SKenfdt) flärt fia)! 3k bem Slugenblicf, als ber Sternen»
wirtl) im tarnen ©otteS t)iuter mir in'S SBaffer plumpfte, fiel mir'S wie
eine Siube oon ben klugen: 3afobäuS, ift btefe £f)at weniger gut, ba fie
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3afobäus HTaycr.
295
im tarnen ©otteS gefdjah, als wenn fie im tarnen beS ßauptpunfteS
gefcherjen märe? — 2öir müffen mit ,9?einl antworten, mein lieber 2JtalchuS,
es #lft $ir alles Strauben nid)ts — unb alfo mägigen mir unferen
©ifer — beruhige $idj, nicht inbem mir unfere Verehrung für ben £aupt»
punft etnfdjränfen, fonbern infofern als mir unfere Staffen ftreefen, mit
benen mir gegen ©Ott fampften, um fürberfjin als fanfte Verbreiter beS
SicfjteS ju mirfen, baS enblid) ftegen mu§!
„£)ieS 2lergernig aufgehoben, welches mir burch unfere 3nto(eranj ben
SWenfdjen gegeben, wirb hoffentlich bem 2öunfcr)e Seines &er$enS, ben ich
erlaufet, fein weiteres &inberntg im 2Bege ftehen — unb alfo fd&Iage td)
feierlichft bie Verlobung meines Heben 3tta£dm3 mit ber hier anwefenben
iaoerl fienber, meinen lieben ©äften r>or, falls bie Vetreffenbe bie &ärt*
Hajen ©efürjle beS Obigen teilen foUte."
3afobäuS er^ob fein ©laS; eS ftieg aber 9iiemanb mit ifjm an, als
ber Sternenwiru}. Saoerle mar t>erfd)rounben; fie rutfe^te unter bem Xifdj
ju ihrer SHutter hin, in beren Sdjoog fie baS purpurrothe ©eft^t barg.
SMdmS hatte fidt> erhoben; er war fehr blag, unb flaute $um erften
2M roie oöilig erwacht aus ben 2lugen.
„£err SafobäuS ÜHaner," begann er, „es ift nicht SllleS ©olb, was
glänjt, unb ber Ärug gel)t fo lange jum 3llaffer, bis er bricht ! 3<h ™ug
3hnen einen 5tummer bereiten, &err 3afobäuS SJianer, aber ich fann nicht
anberS. 3d) habe immerfort belogen, benn ich habe ntdjt r>er*
ftanben; ich habe m^<h int 3lnfang cor 3hrem 3°™ gefürchtet, unb mit
£ei<htigfeit bie Süge auf mich genommen. $ann aber faß ich brinnen,
unb eS würbe mir fcf)roerer unb fernerer, benn ich habe *eme Ahnung
oon ber 5pt)t[ofop^te unb feine 00m SSeltgewtffen; ich bin ein bummer
3J?enfch, ^err 3afobäuS -Kager, unb roenn ich ntt<h auch nicht mehr DOr
3hrem 30rn fürchtete, fo fürchtete ich mich, Sie mit bem ©eftänbnig
meiner Dummheit $u fränfen. 3$ lebte roie in ber &öHe, unb als Sie
mir gar wollten eine gefcheite grau fyoicn, Da oerlor id) ben flopf unb
fprang in'S SBaffer. Sie haben mich mieber (^ausgeholt, £err 3afobäuS
SJfaner, unb ich fann nun nicht langer leben ohne mein ©eftänbnig unb
3frre 2Bohltfjaten annehmen: es ift möglich, bag ®ie iwi<5 fortjagen, oer=
achten unb bef dampfen, unb bag bann baS gan$e Stäbtd)en auf mid)
$eigt als auf einen Sügner, unb ich nirgenbs eine Stellung mehr befomme
im Seben; aber roenn ich auf offenem gelbe, oon allen 3)tenfchen oerlaffen,
fiterben mügte — mein ©eroiffen lagt mir feine 9?uhe mehr, unb alfo befenne
id): ich habe ®i* n^c uerftanben, §err 3afobäuS 2)taner!"
£)em alten &errn jueften bie SJtunbwinfel, in feinen Slugett blinfte
es feucht.
„6 $u oollfommener Gfel!" rief er aus. „£er ganje Äerl ift sunt
Märtyrer feines ©eroiffenS geworben unb will mief) nicht oerftanben haben.
9BaS habe ich benn 3lnbereS gewollt, SWalchuS, als bag £>u lernft biefer
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296
f}. Millinger in Karlsruhe.
Seiner inneren Stimme folgen, burd) Sief unb Sünn, ma« aud) barau*
cntftet)e? Safe Su'« fogar of)ne bie $l)Uofopf)en begriffen, burd? bie id)'&
gelernt, ba« beroeift mir eben oon Beuern, bafe Su ein eminenter ftopf bift —
ja toof)l, Sternenroirtf), ja roofjl £enberin, e« bleibt babei, mein 2Jtold)u&
ift ein eminenter tfopf ! So, unb jefct ^ol' Seine 33raut unter bem £if<£
rjeroor, fatt^ bereu Sttutter, bie grau Senberin nidjt« bagegen etnju=
roenben fjat."
«31V« benn mögltd)?" ftammefte biefe, „mein Saoerle unb fo eine
fteiratf).''
„&alt," fprady«, ba« bunfelrotye, ganj von Sf>ränen überflutfjete
©efict)t oon ber 9Jtotter Sdjoojj erbebenb, „id> — idj bin nidjt würbig ben
9M$u3 ju §eiratf)en, obgleid) idj geftorben mär', wenn er eine 3lnbere
genommen f|ätte."
„Su," unterbrad) fie bie Butter, „unb baoon fagft Xu mir fein
Sßort?"
„2Beü Su fdjon Äummer genug tjaft, unb i<$ r)dtt'd audj oerfdjhuft,
unb äeit jum Sterben r)ätt* id) audj feine gehabt; aber bafe idy« nur
gerab' fag\ idj fann nidjt Ufen, id) §ab' nie lefen fönnen — aber i#
r)ab'£ immer behauptet."
Unb bie Sünberin taudjte roieber unter.
&err 3ö^obäu« SJlaoer aber lädjelte mit boshafter Seligfett!
„Sa b<U)en xoix'ä, Hebe fienbevin, audj Kummer jmei capirt ben
£auptpunft. 9Jel)mt mir'« nidjt übel, aber feine $bee triump^iren feigen,,
ift ein ju grofje« ^(aijir, als bafe man ben 3Kunb galten fönnte — bod)
lebe ba« Brautpaar, aber tyodj lebe audj ber ^auptpunft!"
Unb bie Senberin mußte trinfen, ob fie rooöte ober niefct, faft ba&
fie ficr) oerfdjlucfte.
„3&r fetb unb bleibt bodj ein alter ßinbsfopf," fdjalt fie mit feltfam
unruhigen 2lugen, „fd)on roieber jurft mir'« in ben gingern ; biennal aber,
roeil id) <5udj bie &anb brütfen möt&tf unb nid)t fann. 2Ba« meint 3!>rA
Sternemotrtj), wenn er ficr) mit unferm Herrgott oertragt, motten mir un£
in ©otteSnamen aud) mit feinem ftauptpunft oerföfmen, er lebe $0$!"
„2Ufo 2Imen, 3lmen, mir fommt'3 ni<$t barauf an," fd&rie ber Sternen*
nurrt;; „atfo id) ftift' einen £aa)S $ur fcoefoeit."
„SKenfä)," fufjr 3afobäu« auf, „mußt Su benn in bem erfjabenften
2lugenblicf an'« greifen benfen!" Sa befann er fidj plöfelid) unb fpra$, ben
ginger an bie Sfafe legenb: ,,5lud) fo ein 5terl fann getegentlid) jum ©tanje
be« ©eltgenrijtenS beitragen!"
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Drei £?er£>ftgeöid}te.
Don
maxtxn (Sreif
— mündjen —
(Erinnerung an den Sommer.
Hofenroolfen jierfn im Blauen,
IPätjrenb fdjon ber IDinter nah,',
Unb bic geit, ba Hebel braneu
Uno fidj ^locfen tnmmeln, ba.
2Iber um fo metjr gerurjrct,
£ 4 .iiion n>ir bie ßimmelspradjt,
Bis fie eilenb ftdj sedieret,
Denn fcben frütje fommt bie Ha^t.
Hoffnung im £)erbft.
ITod) liegt ein grüner Schimmer
2Xuf EDiefen unb auf 2Ju*n,
Cäßt ftdj audj uirgenb nimmer
(Ein blütjenb fjälmlein ^aa'n.
Unb trägt bes Jjerbftes färben
2iadj fdjon bes IPalbes £anb —
tfidjt alle Blätter fiarben
Dem erjten $toft 3um Kaub!
(Senug ftnb nodj geblieben,
Um mätjlidj 3U cergcrj'n;
Unb, wenn fie aud? serfticben,
Die Hoffnung bleibt befreb/u!
298
Iltartin <Sreif in JTTüncben.
<3u Merfeclen.
nid?t lägt ftd? für bie (Lobten oicl mehr tlmn :
3rjr (Lageroerf ift um, fte bürfen rub/n.
Dodj fdjläft Dir unter einem ^ügel nab/
(Hin fjerj, burdj bas Dir liebes nur gefdjar?,
Unb bas, um Did? beforgt bei (Eag unb ZTadjt,
Allein an Didj, an Did? aüein gebad?t,
Dagegen Du ben Danf itjm oft entsogft
Unb es um feine ^ärttidjfeit betrogft:
Dann geh/ rnnaus unb wirf Dieb, auf fein (Stab
Unb bitte irjm im Staub bie Sdjulb nod? ab!
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V
21Iarttn (ßrctf.
Karl Sdjtjfner.
— <Sra3. —
of)[ feiten ift in unferen £agen über ben 2ßertf) unb ba3 Talent
ettied noä) lebenben $>id(jter$ ein fo heftiger ©treit entbrannt,
nie bei 3)i artin ©reif. 2fuf beiben ©eiten fmben wir be=
beutende Männer, wetdien weber blinbeS 2>orurtl;eU, nodf) leichtfertiges
Urteil oorgeworfen werben !ann. 9Bir wollen fyier biefen Streit feinet
roegS fcf)lid)ten, fonbern ueriudjen, ben ^sid^ter auf neuen 2Begen ju
oerfiefyen.
Martin ©reif ift am 18. 3uni 1839 als ber ©olm eines Ijöfjeren
9tegterung3beamten §u ©peoer geboren, ^ßon früt)er 3^it befjerrfajte tfjn
nur eine Neigung — ©olbat ju werben, bie mit ber Ueberfiebelung feiner
ßltem nadfj 3)iüna^en neue 9tof)rung befam. 1857 mürbe er Slrtillerie*
cabett in bem baierijäjen föeere, 1859 Lieutenant. 3eüroetlig trat er in
$i$ponibilitat jurüd, um ftdj tjumaniftifdjen ©tubien ju wibmen; 1865
unternahm er jene füfme unb abenteuerlidje t>ieife nadj) ©panien, um
baä bort fpurlos oerfdfjmunbene ©fyepaar & off mann aus Dürnberg ju
iudjen, unb rourbe baburd; für einige 3e^ Der &e(b be3 XageS. 1866
ftanb er im baierifdjen föeere gegen ^reufeen unb naf)m ein Satyr fpäter
ben 2lbi"d)teb, um ganj bem neuen Berufe ju leben, ben er erft fpät als
feinen mafjren erfannt fyatte. 9Wmäf)lid) nämlidj mar in feinem 2Befen
ein oölliger Umfdjwung eingetreten: er roar 3um Xräumer, jum 2)tdj)ter
geworben, unb baburdj) oft genug mit feiner äufeeren ©tellung in 3»oiefpalt
geraden; enblidfj reifte in ifmt ber ßntfcfjlufi, nur als ©ajriftfteHer wirfen
ju wollen. Dlbenbourg in 2)?ündf)en war bereit, feine ©ebid&te 311 oer*
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500 Karl Sc^tffncr in <5ra3.
legen, wofern ©ei bei fte günjtig beurteile, ©reif legte fie bem ©e*
feierten oor. „3t)re 33erfe finb re$t nett/' (agte biefer, „unb werben
gewijj in SreunbeSfreifen ganj gut gefallen. 9?atürlid& für baS große
*Publifum, für eine frrenge flritif . . ." ©reif wufjte genug, wollte aber
ein ganj beftimmteS Urteil. £a wies ©eibel auf bie flacfernben flammen
im Cfen unb fpradj: „9tun, wenn Sie baS wollen, fo ift es baS SBefie,
Sie werfen biefelben ba hinein: bann fjaben Sie bie Sadje fjintcr n<$."
Äein Sßunber, bafj ©reif an feinem können irre warb. <5rfi2lbolf
SBanerSborfer, ber feinfinnige Jtunftyiftorifer, erfannte fein gro&eS Talent
im oottem Umfange unb nannte if)n einen „elementaren Snrifer," atfo
urfprünglid) unb frei r>on Slnempfinbung. ©r munterte iljn auf, es bei
(Sotta ju oerfudjen. ©reif reifte felbft nad) Stuttgart, wo (Sbuarb
9Jförife fein Talent felbft gerne anerfannte. 9tun galt eS nod) GottaS
£auptbeiratf> Sllaiber, ben Sdjreden aller jüngeren SBerfemadjer, &u ge*
Winnen. 2llS biefer erfuhr, um was es fidj fyanble, naf)m er ©reif fef)r
füf)[ unb jurüdfjaltenb auf; aber, als er mehrere Sieber gelefen fyatte, war
er gewonnen unb oerfünbigte bem tyarrenben Xidjter fein ©lüd mit ben
2Borten: „Sie fommen ju Gotta".
So erfd&tenen 1868 bie ,©ebid)te oon Martin ©reif, aber fie
tonnten lange feinen ©rfolg erringen. Grft 1881 würbe eine jweite Auflage
nfltfng; jefet liegen fie bereits in ber fünften, bebeutenb oermefjrten, r>or.
Stiele 23eurtf)eiler fanben bie ©ebidjte fd&roadj, alltäglidj, funftlos in
ber gorm unb fef)lerf)aft in ber Sprache unb begriffen nidjt, wie anbere
oon biefem „©eftammel" bodj) fo oiel SöefenS machen fonnten. 25er fie
aber mit unbefangener Seele lieft, $u bem reben fie eine wunberbare
Spraye, ©reifs Stoffe finb »ielfaa; alltäglich, aber nid)t feine 2Irt, fie
anjufd^auen. (£r oermeibet faft immer Reflexionen, nur manchmal tnüpft
er foldje an 9?aturerfd)etnungen auf bent btd)terifd)en 25>ege beS &ergleid&eS.
2)er unenblictye igimmelSraum über uns mit feinen wanbelnben SBolfen*
gebitben, mit feinen ©eftimen; bie atlbetebenbe Sonne, weld^e bie ^ages*
unb 3a^reSjeiten beftimmt unb beeinflußt; ber wedjfelnbe 9J?onb unb bie
Sterne, weldje baS fdjaurige ober t)eimlic^e Tuntel ber 9toapt erhellen;
baS SBalten unb bie Sßradjt ber üRatur, bie uns umgiebt, bie Elemente
in if)rer ©röfce, bie unfer $afein freunblicfc ober feinblid) beftimmen,
enblid> baS !leine 9Kenf^enl;erj mit feinen bunflen ©emütf)Stiefen mit feinen
Seibenfdjaften unb feiner Siebe — baS finb bie $auptftoffe feiner Sorif.
3f)re EarfteHung ift frifd) unb farbenreid), babei fdjlidjt unb mafeooH;
oiele feiner Steber fdjliefcen mit einer a^nungSooHen Slnbeutung, bie mädjtig
wirft, weil fie fräftig angefangen in ber Seele beS SeferS oott auStönt.
Uebermütf)iger unb feua;tjrö^lid)cr &umor ift ilnn ebenfo fremb, wie
ftrafenbe Satnre; Siebe unb ftaturbetradjtung walten oor. SRand&mal
finbet er für Weiteren SebenSgenufc ein berebteS SSort, öfter aber für ftiUe
28ef)mutl), bie geftaltlos aus bunflen Seelentiefen auftauet; fein Sdjmerj
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Martin (greif.
gibt ftd) ni<$t Icibcttfd^aft(i<f», fonbern er bämpft ilm gerne tyxab ju letf
oerljallenbem ßlagelaut. £rofebem ift er fein SBeltflüdjtling. gür if)it
beftety jnrifd&en ftatur unb 2ttenfd>en fein fdt)roffer ©egenfajj; er empfinbet
fein Seinen nad) i()r, n)ie ber fentimentalifdje, fonbern er lebt unb roebt
ganj in if)r, wie ber naioe Didier.
Seine ^antafie umfaßt alfo junädjjt baS gefammte Sttaturleben an
fia), ober in SBejiefiung ju feinem ©emütljSleben im befonberen, ober jum
9Jienfa)enIeben in objeettoer Mgemeinfjeit. 3ur erften ©ruppe gehören bie
trefflichen „ftaturbilb er", bie größtenteils ein gan$ allgemeines ©epräge,
ober baS unferer fübbeutfa>n §eimat trogen; einige weifen auf bie fpanifc^en
unb italienifajen galten £)in. Seine ^erfon tritt meifl gan$ jurücf, baS
Stumme unb Unberoußte befommen Seben unb ©efül;l, feine mädjtige (Sin*
bilbungSfraft oerroanbelt 3"f^nbe in &anblung, 2lnfdjauung in 2lnbad)t.
23iel fubjectioer ift ÜR. ©reif in feinen „Siebern". £ier tritt fein
©effif)l oft ftarf fjeroor, inneres unb 2teufjereS, Seelenteben unb Sanb*
fd&aft flingen sufammen, Statur unb StebeSgefüljt oerfetten fidj. S^od) lieber
fa>int er aber frembe ©efütyle ju begreifen unb ju geftalten, oft fogar bie
mehrerer Sßerfonen äugleid). Solare Sieber fmb bann bramattfd) ber
gorm, Inrifd; bem 3nfyitt nad;. Diefe 2lrt pflegt er befonberS in feinen
„91 o manjen", in meldte er faft immer aus fremben ^erfonen ljerauSfprid)t.
Sann oerfenft er fidj tief in baS Seben nid)t reflectirenber 9toturmenfa)en.
$er Sauer, ber £irte, ber 3äger, ber &anbioerfSburfd)e, ber Solbat, baS
^atrofentiebd^en, bie Solbatenbraut, afmungSooll liebenbe, abergläubifdje
sJftäbd)en, bie £reue, bie ftingebenbe, bie ©efallene, bie SBerlaffene, fie
ade ftef)ett mit greifbarer Deutlid)feit in tfjrer ganjen Eigenart oor uns.
$ier motten mir bem einen oft gehörten SSormurf begegnen, baß bie
äußere gorm feiner ©ebtdjte mangelhaft fei. ©reif fjat ein reines
Sprados unb gormgefüljl, baS fief) überall in feinen rnrifdjen unb bramati*
fdjen $id£)tungcn jeigt. Dies wirb aber junt £f)etl anberS in jenen Stebern,
wo er aus einer fremben Spotte fjerauS fprid&t. Da fjört ber fajöne gluß
ber SScrfe auf, ber 2luSbrucf wirb holperig, ber 3nf>alt oft IjauSbacfen unb
lappifd), aud) munbartlidje SBenbungen fdjleiajen fia) ein. Das beruht
nun feineSmeges auf biajtertfdjem Unoermögen, fonbern oielme^r auf bem
Streben, feine Sflenfdjen genau fo fpred&en ju lajfen mie fie benfen unb
füllen.
2Bte geläufig i(m übrigens oerfdjiebene gönnen ftnb, baS erfennt
man aud) aus feinen „SBallaben", „Sinngebtdjten" unb „3Btbmungen".
3hir orientalifdje gormen fehlen, wie ifun überhaupt bie Ijalb betradjtenbe,
^alb befdjaulicfje Snrif fremb ift. 2Bof)l aber finben mir fdjön gebaute
Sonette, aua) fließenbe £erameter unb Diftia^en; 23or5üglid)eS leiftet er
aud) in freien 9tf)9tfmten, in roeldjen er prächtige ggmnen gefdjaffen r)at.
SReligiöfe ober p()tlofopf)ifdje ©ebanfenlnrif pflegt er nirgenbS; er ift fromm,
aber nia)t finfcengläubig. 23ei if)m §ört eben baS Sieb niemals auf, Selbft*
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502
Karl Sdjtffner in (Sra3,
jwetf ju fein; baljer oerfdjmäbt er wofjl bie politifdje, aber nid)t jene ßr>rif,
bie einer fräftigen unb warmen nationalen ©eftnnung 2lu«brucf nerleifjt.
©eine „Eeutfdjen © ebenf b lätter" bieten bafür ben beften SBewei«; fic
ftnb feinem tiefften nationalen ©mpftnben entquollen.
2öir fjaben bei ber 93etrad)tung ber ©ebtttjte ©reif« gefunben, ba&
in tf)m ber 2)rang nad) objectioer 2lbtöfung feiner ©eftalten von feinem
3$ seitroeilig fefjr rege wirb. Söei einer folgen Stiftung feine« Talente«
mufjte neben bem Snrifer audj ber 2?ramatifer jur ©eltung fommen,
wofern fid) eben feine Silbnerfraft mädjtig genug erwie«. Unb bie« war
ber gaH, freili# nid)t in frü&efter geit, au« ber mir nur ein l«rifa>
bramatifdje« ©ebiajt ,,£an« Sad)«" (1866) befifeen. $ieie« foUte bei
ber <)Srei«bewerbung, bie ba« Sttüncfmer 33olf«tl)eater au«gefdjrieben fjatte,
ben erften ^prei« erhalten. Gin iöeififeer jcbocr) erfwb (Sinfpradje bagegen,
weil iljm fteinbarbftein« ,,&an« ©adj«" babei ftarf benufet fdjien, ben
©reif gar nid)t fannte. öeiöe $ia)ter Ratten nur sufällig au« berfelben
Duette gefdjöpft.
©rft in ben fiebenjiger fahren trat ©reif mit »offen 2) r amen her*
vor, bereit 33ebeutung ber feiten irrenbe, feinfühlige Sau be fofort erfannte.
©« waren brei £rauerfptele, bie in oerf)ältnifjmäfcig furjen 3wtfchenräumen
an'«Sidjt traten: Marino galieri" würbe 1873, „Gorfij Wfelbt" 1875,
„9?ero" 1876 am Liener ©tabtljeater wieberfwlt unb mit großem Setfalk
aufgeführt. £a« $ublifum lernte Ijier ©reif auf einmal oon einer ganj
neuen Seite fennen unb fud^te begierig in ben gramen nach bem —
finrifer; jebodj jiemlidj oergeben«, benn er ift mit fogenannten Inrifd^en
©teilen im £>rama fet)r fparfam gewefen. SDfan rjört wohl fonft ^aufig
bie Meinung, bafj ein au«gefprod)en lijrifdje« Talent im Xrama an ber
oerfd)wommenen Gr)arafteriftif ber ^>erfonen erfannt werbe ; aber bie« mar
fner nid)t ber JaH. ©reif« ©eftalten, foioofjl Banner al« grauen, §aupt=
unb Nebenfiguren finben wir mit großer ©orgfalt unb 2ttenfchenfenntnifj,
anfdjaulid) unb lebenooff gebilbet. 2ludj ein anberer Vorwurf, ben man
gegen $)ramatifer mit au«gefproa)en lijrifdjem Talente ergebt, bajj ihnen
nämlidj eine größere föanblung unter ben gingern $erflie§e, trifft tycx
ntd&t 3U, benn feine Dramen jeigen meifl ftreng gefd)lof)enc ßinbeit im
2lufbau unb in ber ©ntwtcfelung.
$iefe unb äl)nlicr)e Beobachtungen, brängen ju einem ßrgebnife, baS
mit ber oerbreiteten 2lnfiä;t ftarf im SBieberfprud) ftefjen bürfte: ©reif
befifet eine oorwiegenb bramattfcr)e ßraft. prüfen wir auf bie iRidjtigfeit
biefer 2lnnafmte l)in feine l^rif. $iefe erfdjeint oft farg bi« jur Xrocfenbeit,
fnapp bi« jur $unfelbeit; @cfüf)l unb ©mpfinbung finben fid) meiffc nur
fur$ angebeutet; e« läfet oiel erratl;en, uerfchmeigt oiele« ganj, weil e«
eben unfagbar ift unb burd) feine ©prad)tnufif auch nur annäbernb fo au«=
gebrüdtt werben fann. ©erabe barum bewegen aber üiele feiner lieber fo
tief. 3luf ben ftramatifer weift aud) ba« ^urücftreten feiner ^erfon in
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ITUrtin (greif.
303
bot ftaturbilbem unb befonberS jene Sieber, in roeldjen er aus fremben
Kotten fjerauS fprid^t.
23on biefem ©efidjtSpunfte aus begreifen wir audj baS rjarte Urtfjeil
(Seibels ooüfommen. liefen jog cor allem baS fubjecttoe ©lernen:, bie
(griffe Seilte, ber HuSbrud beS <£mpfinbungslebens an. $af>er mufjte
ifm eine fo ganj anbere -ftatur fremb berühren. Uns jeigt jenes ©rlebmfj
ober beutlta;, meiere feinen, aber bod) oöüig trennenben Unterfdjtebe inner«
fyalb berfelben SMdjtungSgattung oorljanben fein tonnen, o^ne ba§ bamm
bie ©röfce beS einen $id)terS auf Soften beS anberen gefd&mälert ju
werben brauste.
©eibel trat als Sdjüler SßlatenS beroor; beibe fjatten unenbtidj oiel
ron ber 2(ntife gelernt, ©reif bagegen ging von ©oetf)e, Ufjlanb, -JRörife
aus; biefe r)atten aus bem Urquell beS 23olfSltebeS gefd&öpft. 2IIS Eramatifer
tyti er mandjeS mit ©rittparjer gemeinfam, ber als eine ebenfalls nid&t
reflectirenbe Statur feinem Sßefen innig oerroanbt roax. SBäfjrenb feiner
mehrmaliger längeren 2Biener Sefudje fanb er in £aube einen roaf)rf)aft
oäterlidjen greunb unb treuen Seratfjer, bem er aud) ein banfbareS %n*
benfen beroarjrt.
2Bir wollen f)ier nodj auf ein ÜWerfmal in ben Dramen ©reifS oer*
weifen, bas er mit ©rillparjer tlieilt. 2öie biefer fielet audj er roärjrenb
beS XiajtenS genau feine ©eftalten auf ber SBürme fjanbeln unb unterlagt
Deshalb mand&eS ju fagen, was bie ©ebärbe beS SdjaufpielerS einfadjier
ausbrüden fanu. $>al)er rüf)rt audj bie oft gerügte SJtogerfett feiner brei
erften Dramen, bie eben nur als öürmenbramen gebaut unb gefdjaffen
falb. Hflit ©rWparser tfjeüt er aud) baS Sajidfal, ba& tfjm bie norb*
beutfdjen Sühnen bisher oerfd&loffen blieben, mäf)renb SBien, 2Hündjen,
$rag nnb Sörünn feinem Xalente geredjt mürben, ©reif iffc jtoar eine
ausgefprodjene fübbeutfdje 9tatur; aber f ollen fief) fjeute 9^orb unb <Süb
nott) immer fo fd^roff gegenüber fterjen, roie oor einem falben 3af)rfmnberte?
SSir glauben et)er an bie Ungunft anberer 23erf)ältnit7e.
3Hü feinem £rauerfpiele „Marino fjatieri" Ijat er einen oft oer*
werteten Stoff oon mannen neuen gefdjid&tlidjen, fünftlcrifd)en unb fittltdjen
©efid)tspunften glüdlidj roieberbe^anbelt. Um bie ©eftalt beS greifen aber
nodj immer jugenbfrifdjen, letbenfa^aftlid^en unb bennodj roürbeoollen Sogen
aruppirt ©reif mit fefter &anb bie übrigen ^erfonen. Spiel unb ©egen*
fpiel meffen in lebenbigen Kampfe iljre lange faft gleiten Kräfte; enblidjj
bewirft ein 3ufaff ben Umfdjnmng unb ben Untergang beS Reiben, ber
eine boppelte 2lufgabe p löfen fucfjt: Sie übergreif enbe 2J?acf>t ber $m
feinblidj gefinnten 3"QwiUtoren ju bredjen unb bie Ungebühr eines oer*
rotteten 2lbelS su beftrafen, bem felbft bie gamilie md)t mefjr heilig ift.
SaS £auptgeroid)t liegt unftreitig auf ber Süfmung ber Q\)xe beS Kaufes
unb ber gamilienfitte. dreimal wirb biefeS 3)iotio bebeutfam oerroenbet:
Steno tjat bie grau beS Sogen beleibigt unb biefem ben entefjreubften
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30*
Karl Sdjiffner in <5ra3.
Sdnmpf angctfjan; 2)anbolo ^at bem 2Beibe beS SlrfenalmeifierS ^farer
nadjgeftellt unb ein anberer 3lbeliger bie £od)ter beS 23ilbf)auer3 (Salenbaro
jerftört unb in ben Xob getrieben. ©ie ^nquifitoren fmb auf Seite beS
2lbelS unb gegen biefen ungerecht milbe. 3)eSf)alb fdjafft ber $)oge fid&
unb feinen bürgern Sfifme im offenen Kampfe, hierin liegt $uglei<$
feine Sdjulb, ba§ er baS föedjt in ber 23efämpfung beS einen XTjeilS
feiner Untertanen burd) ben anberen fud&t unb ftd) an bie Sptfce ber
5Berfd)roörung fteßt. Um baS büftere 33ilb burdj ein lidjtereS ©egeuftfref
ju erhellen, jetajnet ©reif baS traute Familienleben beS 3)ogen mit großer
©emiitfjSroarme unb f)at mit befonberer geinljeit baS 33er^ältni§ ber finb«
liä) reinen $ogareffa ju if)rem alternben ©einöle beljanbelt. £)er Um«
fdjroung tritt burd) einen 3u\aU ein, aber burdj einen tief tragifd&en. £e£
SDogen eigene £oa)ter oerrätf) bie $erfdjroörung, inbem fie ben oermemt*
lidjen 2iebf)aber if)rer Sdjroefter warnen will; ju fpdt ftef)t He i^ren
3rrtlnim ein. ftiefe Xragif beS SufattS wirb oon ©reif oft unb gerne
oerroenbet; man fann fie aud) nidjt au« bem £rama oerbannen, ba fie
im 2Jienfd)en unb SBölfedeben eine fo grofce 9folIe fpielt. $afc er fie oer*
roenbet, fann man iljm alfo nidjt 5um Vorwürfe madjen, fonbern nur, ba§
fid) ber Umfdjroung ntd>t im inneren beS gelben oou*3ief)t. Srofebem ift
biefes 28erf bebeutenb unb büfjnenroirffam.
SlnberS oerfjalt er fta) mit feinem na#en Xrauerfpiele, beffen Stoff
ber bänifaVn ©ef$itt)te entnommen ift: „Gorfis Ulfelbt." tiefer ift
ein großartig angelegter UHenfd) mit wenig eimtefmtenben <5igenfd)aften.
SBei Sttariuo galieri wirb mefjr bie ©emütjjs*, bei Ulfelbt me^r bie
SQMHenSfeite betont. £cr ©id^ter fteQt ilm getreu ber gefd)ia)tlidjen Ueber«
lieferung als fjodjfaljrenb, rüdtfid)tSloS unb felbftifd) f)in. $te Xragtf
feine« SebenS beftefjt barin, bafj er ber £ücfe unb SUeinltd&fett oon 3)lenfdjen
unterliegt, bie nidjt entfernt au if»n fjeraufragen. ©ein Streben ift im
©runbe ebel, roaS ©reif jtellenroetfe burdjbltden lagt : ©r will fein 3$ater*
lanb grofj unb ftarf madjen. (Sr tf)ut es aber ntd&t in fo felbftlofer SBeife,
rote etroa SJtorino galieri, fonbern um jugleidj feinem (^rgeije ju genügen,
ber ftd) balb 3ur oerjeljrenben £eibenfd)aft entroicfelt, ba& er fein 3iel
aud) bann nodj oerfolgt, als cS bereits nur mef)r burdj ben oer=
jroetfelten Äampf gegen fein Stoterlanb erreidjt roerben fann. Cbgleidb
bie gefdjid)tUd)en ©reigniffe im SSorbergrunbe ftefjen, ift bo<$ ber (Styarafteriftif
ber ^erfonen, befonberS beS gelben grofee Sorgfalt jugeroanbt. ©er
©id)ter arbeitet roie fonft, audj ^ier gern mit grofjen ©egenfä^en; f(^on
UlfelbtS ^eben ift reidj an folgen. 3lls Sd)öpfer beS ^ünbniffeS mit
^oKanb ftetyt er ju 2lnfang beS StücfeS auf bem ^öa^ften ©ipfel feiner
2)iad)t, bann roirb er burd) bie Diänfe bei erbärmlid^en Sefyfiebt aHmäljs
liaj baju gebrdngt, feine Stelle als 9fleid)Sl)ofmeifter nieberjulegen unb
roirb baburd) iebeS ©influffeS beraubt. £n biefem 3u^be tieffter (£r*
niebrigung roiüigt er, oon Cljrgeij getrieben, in ben aSorfd^lag beS fa)lau
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ITlartin (Srctf
5or>
beredjnenben fchroebifdtjen ©efanbten ein unb füf>rt als Oberbefehlshaber.
baS fchroebifche £eer fiegreid) nach Eänemarf. 2)ie Sdjroeben mißtrauen
ü)m aber, fc^Ciefeen einen günftigen grieben unb geben ihn preis. SBon
beiben feilen geästet, flüchtig, fdmfeloS unb oogelfrei enbet er burdj
Selbfhnorb. — 2>er Stoff ift alfo, wie ber £elb einer bramattfehen ®e*
ftaltung fef>r günftig. Um lirfelbt aber nicht allein als Staatsmann unb
gelbfjerm fonbern auch als 2Wenfdjen uns näher ju bringen, Ijat ©reif
auf feine ©ejiehungen ju 2Beib unb Äinb ©enridjt gelegt. Seonore, feine
ftolje, aber eble unb aufopfembe ©atttn, meldte jur ^errfd)jüd)tigen unb
niebrig benfenben Königin Sophie 31malie in lichtem ©egenfafce ftel)t, tritt
breimal bebeutfam unb mitfjanbefab in ben Vorbergrunb: juerft, um ihren
©arten $u warnen r»or einem Vünbniffe mit ben Schweben; bann, als
biefeS gefdjloffen unb eine Umfehr unmöglich ift, um feinem SöiQen ju
gehorchen unb ihm ohne SBanfen 3U folgen, enblidj nacf>bem alles oerloren
ift, um als ©efangene ben glüdjtigen ju oertheibigen. — ©reif läfet, ab=
roeid)enb oon ber gefd)tchtlichen Ueberlieferung, ben gelben bur<h einen
3ufafl enben. 3" ber finfteren -Wacht hält er bie 5U feiner Diettung tyran^
jiehenben Söhne für Häfcher unb um biefen nicht in bie #änbe 5U fallen,
erbold&t er ft<$. 2llfo roteber ein 3ufall, <*&er geroife tragifdj unb fet)r
bühnenroirffam.
$n bem britten £rauerfpiele „Wero" behanbelt ©reif einen Stoff,
ber einer bramatifdjen ©eftaltung weniger günftig ift, als einer epifdjen,
unb einen Gfyarafter, meldjer roeber grojj im ©uten, noch imponirenb im
Schlechten ift. 2)af3 ©reif einer ber feltenen 3Mdjter ijt, bie fid) mit einer
oft peinlichen ©enauigfeit an bie ©efdn'chte galten, erfdjroerte ihm gerabe
bei biefem 2Serfe feine 2lrbeit befonberS. 9lber rote faft burdjroeg, fo ift
eS it)m auc^ tyex gelungen, ben Stoff fo ju bilben, bafj er gefchichtlidj
tüar)r blieb unb sugleid) bichterifch roirffam mürbe. 5lud} bie in bem
„9tero" * Stoffe befonberS nafjeliegenbe ©efafjr ber ©ffeethafcherei, ber
anbere nicht ganj entgangen finb, fud)te ©reif ju oermeiben, begab fidj
aber babei mancher Söort^cile. Sein ftero ift nidu" ber roillenSftarfe,
treibenbe &elb, beffen grauenhafte ©röfje sugleid) Slbfdjeu unb SBers
tounberung einfloßt, fonbern ber mafjlos begefjrenbe jügellofe SDZenfdt), roie
ilm XacituS gefchilbett r)at. Gr fte^t sroar in ber Mitte ber ^anblung,
aber bie treibenben ©eroalten finb auf ber einen Seite bie bämonifdje,
fd)öne Verbrecherin $oppäa unb tr>r cynifdjer Helfershelfer £ig ellin, auf
ber anberen Seite bie'hercföbegterige, aber hoheitSooUe 2lgrippina, bie
ihre größten Verbrechen aus blinber Mutterliebe beging. SReben biefen
?erfonen roirb biefer 9?ero ohne einnelmtenbe unb imponirenbe Gigen*
fchaften ftarf gebrüeft. £eibenfd)aftlid) , rafch gereist, btinb entfchloffen,
unb boch balb roieber roanfenb ift er ein SKenfd), auf ben felbft nur bie
§älfte feiner Sdmlb fällt, unter beren Saft er im 2iJaf)nfmne jufammen*
bricht. Um biefem Söerfe alfo oöüig gerecht ju roerben, müffen roir bie
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306
Karl Sdjiffncr in <Srü3
erften brei Sfafaüge als „ßampf um 9Jero" betrauten, erft in ben tefcten
jwei 2luf$figen nehmen wir größeren 2lntf)eil an bem gelben unb feinem
©efä)itfe. SSon gewaltiger SBirfung ift 3. 33. ber 2luSbrudj feinet Söafms
finnS im eierten 2luf$uge; perfönliä) näljer tritt er uns im fünften, als er
uon feinen „greunben" oerlaffen, flüaptenb oor bem ^eranjie^enben ©alba,
bei flarem Sberoußtfetn olme 3a9en Deu ^0D fu$t-
2Wää)tig wirft unter anbern bie Stelle, wo ber einft allgewaltige
SRero auf ben Seidmam eines Bt lauen ftößt unb biefen um ben grieben
beS XobeS beneibet. ©in Stteifterftücf wirffam oermenbeter ©egenffifce
unb einer roarjrfjaft tragifäjen gronie bleibt aber ber brüte Stufjug: 3u*rf*
ein liebliä) ausgeführtes Sbyft glücfltäjen 3ufammenfeinS t>on SRutter unb
©otyn, bann ber tragtfdt)e Untergang 2lgrippinenS. bie noa) furj tjor^er
coli 2Bonne über bie oermeintltä)e SBefiegung tr)rer ©egner unb oott
Hoffnung auf itjre glänjenbe 3u^unft roar«
9tfero füfjrt feine dloUe mit iwllenbeter $eüd)elei burä). ^ur beim
2lbfcr)iebe von ber 3J?utter fühlt er einen Stugenblid bie furäjtbare Saft
feiner Unthat unb bie lefcte Regung ftnblidfjer Siebe. $iefe ©teile giebt
in ihrer fdmetbenben Hürje ein gutes 33ilb ber $)id)tweife ©reifs. $\ex
fann ein guter ©äjaufpieler bie ganje ©röße feines XalenteS jeigen.
21 g r i p p i n a : Stuf Sieberfehen, mein £ljeucrcr, lebe tool)l!
91 e t 0: D Glittet! (5r umarmt Wgrippina unb diät fle micbtrljolt.)
31 g r i p p i n a : SttaS betpegt $id) ptö&lid} foV
9tero: 9tidjt3. — Sinket!
X i g e 1 1 i n u $ : (Sr ift fdjon fort 311m Stranb.
91 c r 0 : (»griDpintn» $anb umfafltnb) ßeb' too&l ! 3« nur lebe unb regier' i<f>.
21 g r i p p t n a : 2Iit Seine SMebe glaubt mein §erj fo gern.
9? ero: (oerftört) O 9Jhttter!
% i g e 1 1 1 n u 8 : (ijeimitd) *u mtvt» Raffung ! $>u oerrättift SMcf), Gaefar.
9t c r o : <r«# befcrrfrfKnb) 9tad> Sauli lab' id) mtdj ju S)ir auf morgen.
2t g r i p p i n a : 2Öär' eS fetjou morgen, unb $u märft bei mir! —
9J?an hat ©reif öfter »orgeworfen, baß feinen Srauerfpielen ber
bramatifä)e Stfero fehle. ^Die Urfaäje biefer Meinung liegt jum £f)eil barin,
baß bei ir)m, entgegen bem gewöbnlid)en ßerfommen, bie ©egenfäfce nid)t
mit it)rer ganzen (Sdr)roffr)eü aufeinanderprallen unb feine gelben fiä) auch
nicht in leibenfchaftliäjem ©efühlSauSbrua> Suft maä)en. 6r legt aua>
überaß auf innere Vorgänge baS <S$TOergen)id)t unb fommt babura^ in
Stoc&tljeil einem ^ublifum gegenüber, baS bur$ bie großen gortfajritte
unferer SBüfmentedjnif üerrcö^nt, faft immer me^r auf äußere SBirfung
fte^t. 2)a es au$ gerne unauftjaltfam fortgeriffen werben will, fo finbet
es an Keinen Auftritten, bie ©reif mit großer fünftterifa>er Sorgfalt
herausarbeitet, weniger ©efaüen. ^Diefe (jum größten El)eU fäjeinbaren)
gebler mußten oerfditoinben, als fid) ©reif bem <Sa;aufpicle juroanbte.
^as erfte „^rinj (Sugen'' würbe 1880 jum erften s3J?alc am SBiener
$ofburgtl;eater gldn'5enb auSgeftattet unb mit großem SöeifaÜe aufgeführt
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marttit ©reif.
30?
unb ^tcranf in ^rag, 23rünn unb SJZündjen mit gleichem (Srfolge wieber*
holt gegeben. Srofcbem e3 ein Sugftücf ju werben üerfpract), fefcte e$
Dingelftebt unb nach ilmt noch hartnädiger Sötlb raubt oom Spielplane
be» ©urgtfjeaterä ab.
Diefeä Sdjaufptel befjanbelt ben glän^enben Sieg, ben Sßrin§ (Sugen
gegen ben 33cfet)I be3 flatferä errungen Jjat unb beffen Solgen. tfarl VI.
hätte alä ÜHenfch bem greunbe $war gern oerjiefjen, al$ Äatfer burfte er
aber bem eigenwilligen Untertanen einen fo offenfunbigen Ungehorfam nicht
hingehen laffen. Die bem grinsen feinbliche Partei möchte bie Jreunbe
gern entjweten, bei bem „flaifer" Starl fäüt @ugen in Ungnabe, ber „9Jtenfä)"
Äarl reicht bem langjährigen greunbe aber bie £anb jur Serföhnung unb
gewinnt ben trofcigen gelbtjerm in einem fünftlerifch unb feelifch fer)r be-
beutenben Auftritte fo fef)r, bafc biefer bem 5laifer öffentlid) 9lbbitte leitet.
— £iefe3 Sct)aufpiel ragt nicht nur burch einen ed)t bramatifd)en 3nhalt,
fonbern auch buraj feiner trefflichen Gljarafteriftif weit Ijeroor. <55teidt>
ooüenbet fmb ber geniale gelbherr unb ber milbuerftänbige Äaifer gefdu'lbert.
Um fte gruppiren ft$ jwangloS bie anberen ^erfonen. Cbwof)l ©reif
überall bie ©emütcjsfeite be3 gelbfjerrn heroorleuchten läfet, fo betont er
boct) aua? ganj befonberä beffen ©enie, ba3 ber Gegenpartei ein Dorn im
5luge ift.
9?ia)t weniger ate brei ^tof™™ fafat 5" biefer Seite feines SBefenS
im ©egenfafc: bie alten unb pebantifchen Generale Schlid unb Stavern*
berg, bie ba$ ©enie Raffen, weil fie es nicr>t begreifen fönnen unb ©eneral
£eifter, welker bie flägltche 5iotte be§ oerfannten ©enieä fpielt. Diefer
tu übrigens bie einzige gigur in ©reifs Söül)itenwerfen bie mit einem
gewiffen h^ben $umor gewidmet ift, wenn man oon bem gemütlich*
fomifchen Sergeant ,@id)enauer' unb bem mehr tragUfomifchen ,Ctho' im
„9Jero" abfieht. — 91ei}uoll ift bie SBetbchaltung ber Sprache beä ftebjehnten
SahrhunbertS mit ihren oft ungelenfen SBenbungen unb ihrer fchredlichen
2)urchfe$ung mit grembwörtern. ©inen ähnlichen gelungenen $erfudj, bie
3ettfarbe auch burd) bie Sprache täufäenb wieberjugeben, hatte ©reif bereite
im „&an3 Sachs" gemacht.
2fad> im nächften Sdjaufptele „$einridh ber £öwe" (1887) bilben
greunbfehaft unb 23afallentreue bie ßauptmottoe ber ßanblung. Dort
werben biefe nur einen Slugenblid getrübt, um aber fofort in hellerem
Sichte aufstrahlen; hier werben fie jerftört, weil ber ungemeine Ghrgeij
unb bie jügeUofe ßerrfchbegier Heinrich be3 Söwen jum Treubruche unb
S?errathe gegen feinen &erru unb greunb griebrid) 23arbaroffa oerführen.
Die #anblung reicht oom Starnberger ^Reichstage, wo ber Sombarben*
ßrieg angefagt unb 3riebrt<h3 fünfjähriger Sohn Heinrich $um römifchen
flönige erwählt wirb, bis $ur enblichen Demütigung bed £öwcn unb ber
Selehnung Otto« oon 9Bittel*bach mit bem £evsogthume 33aiern. 3m
3Hittelpunfte fteljt ber gufefatt beä ÄaiferS oor ber Schlacht bei ßegnano;
Kort unb €fl:>. L , 150. 21
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308
Karl Sdjiffncr in <Sra$.
ber ftolje SBelfe bleibt aber unerbittlich unb führt baburch bie 9iieberlage
beS 5latferö unb jene weltgefchtchtliche SScnbung, aber auch befielt 23er'
fölmung mit ^fabft 2flercmber ilL unb feinen eigenen Sturj gerbet. Qu
biefem Sdjaufpiele nimmt bie SarfteHung ber gefchid)tlichen Gegebenheiten
naturgemäß einen bebeutenben 9faum ein; bem entfprechenb ift auch bie
(Sypojition fef)r breit angelegt, ©reif erponirt überhaupt fe^r flar unb
genau; bie „ftimmenben 2lccorbe" finb glüdlidj gemäht, unb bie „erften
erregenben Momente" von fehr ftarfer &>irfung. XaS Qntereffe oert^eilt
fid) in biefem Stüde auf m'ele ^erfonen. ©letd)wohI treten bie £aupt*
gestalten beS ßaiferS unb feines großen ©egnerS überall in ben Gorber*
grunb. $iefe ftef>cn bereits in ber ©efdjtchte als faft gleichwertige
S)oppelhelben ba, ein Umftanb, ber bie $idjtung gleichwohl nicht gefdjäbtgt
hat. Obwohl baS Sd>ufpiel ben Eitel „Heinrich ber Stfwe" trägt, fo
erfd)eint boch ber gewaltige Staufenfatfer als ber bebeutenbere, unb ber
Söelf trofe mancher großen ©igenfdjaften als ber geringere, tiefer hanbelt
oft nid)t einmal felbftänbig, fonbem oon feinem r-erberblidjen Gerader,
3orban oon Glantenburg beeinflußt, woburdj aud) bie £älfte feiner Sdntlb
auf frembe Schultern abgewälzt erfdjetnt. 2lnjie^enb ift aber ber 2>or*
gang beS £idjterS für bie beiben £aupthelben ein faft gleiches, aber
bodE) ©erfchtebeneS Qntereffe ju erweden. $)as gefdn'eht im legten Auftritt.
£)er Haiier, obgleich im »ollen iHechte ftrenge ju ftrafen behanbelt ben ferner
oerfdjulbeten 3einb in Erinnerung an frühere £age milb unb oerföhnltdj, ber
gebemüthigte ftolse SBelfe macht burd) feinen fajmerjlia^en 2lbfa)ieb oom
einftigen ^reunbe unb oom Gaterlanbe unfere Teilnahme rege. $er Sieger
ermedt alfo unfere 23ewunberung, ber Unterliegenbe unfcren 3lnt§eil;
bamit ^at ber Siebter bie Soppetyelbenfrage t)ier glüdlidj gelöft.
9Kit großer Sorgfalt hat er nebenbei baS Gerhältniß 3)?edjtf)ilb3 ju
ihrem ©arten Heinrich gejeichnet. ©reif oerherrlicht überhaupt mit 33or=
liebe ©attentreue. $n folgen Scenen treten uns eben bie gefd&idjtlidjen
gelben menfd}lid) näher. 3Bie rührenb fdjilbert er bie faft finblldje Siebe
unb Xreue ber jugenblichen Snnunjiate ju ihrem alternben ©atten SJZarino
galieri, ober bie £reue ber ftarfmütlngen Seonore §u Gorftj illfelbt 9)ttt
biefer hat 2J?cct)tI;t(ö bie größte ^chnlichfeit: S3eibe warnen juerft ihre
©atten uor nerberblichen Sdjritten; als aber biefe gefdjeben finb, feilen
fie bcren SooS unb oertljeibigen beren SHedjte.
3u biefem büfter großartigen Sdjaufpiele bilbet baS näcbfie: „Sie
Spfalj im SUjein" (1887) ein r)eiter*oerf5l;nenbe^ ©egenftüd. Obgleich
jebes ber beiben Dramen — bie fdjon im $eft 129 oon „9Jorb unb Süb"
eingchenbcr geiuürbigt finb — für fiel) ein ftreng gefchloffeneS ©anjeS barftellt,
fo fdjließen fie bod) ju einer höheren ©inbett sufammen. (5s r)anbelt ftdj hier
weniger um gefd;icbtüd)C Gegebenheiten, obfehon auch biefe nicht oentachläffigt
werben. Sic (Sharafteriftif ber «ßerfonen ift auch bieSmal fehr forgfältig unb
gelungen. %m Gorbergruube ftct)en ber junge flaifer Heinrich Vlv gewaltig
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IHartiTt (Steif.
309
unb Ijeftig, ^einriß ber Söroe, alt unb gebroßen, milb unb oerföfmltß,
ßonrab, ber ^Pfaljgraf bei dtyein fiarf unb gewalttätig unb feine ©atttn,
bie liebeooll einfißtige 3rmengarb. $te £auptperfonen fmb jeboß ein
2iebe«paar: $ie innig jarte spfaljgrafentoßter 2lgne« unb ber eble mutige
©oJ>n ^einriß« be« fiöroen. 2115 ßinber bereit« für einanber beftimmt
von ben noß nißt oerfeinbeten gamilien, fe^en fie ftß naß langen 3af)ren
roieber jum erften Sttale al« 3üngling unb Jungfrau, ©egen if>re mäßtig
l)eruorbreßenbe Siebe fmb natfirliß &au«* unb ©taat«polittf, aber ßr
treuem 3«lan^«n!)ölten befiegt enbltß alle &mberniffe unb füfjrt bie 33er«
fö^nung ber SBelfen mit bem Waiblingen f)erbei. — &ter tritt junt erften
2Rale in ©reif« SSerfen eine £iebe«gefßißte an bie erfte ©teile. 23i«&er
fyitte er folße nur als ©pifoben in bie £anblung eingeflößten, bie aber
erfennen liefen, ba§ fein Talent in biefer 9iißtung befonber« (Srfprieg*
liße« leiften werbe. $ie« beftätigte fiß f)ier oorjügliß, wo ber Sißter
auf einem breiteren SRaume feine ganje Äraft entfalten fonnte. $iefe«
£iebe«paar f)at er mit einem wunberbaren 3*ubex umgoffen, ©eine
©tärfe rißt eben Oauptfäßliß in ber ©ßilberung be« @emütf)«leben« unb
je einfaßere Wittel er ba$u oerwenbet, befto glütflißer ift er. <5r uer*
ftel;t in gleißer SBeife ba« von fietbenfßaften burß wühlte ©emüß be«
ef)rgei$igen, wiflen«ftarfen Spanne« ju fßilbern, wie ba« traumhafte
£er$en«leben junger 2Räbßen?no«pen, bie im erften ©onnenftrafjle ber
Siebe ju neuem Seben erblühen. ÜReben biefen ftefjen bie unenbltß
rüfjrenben ©eftalten ber oerlaffenen ©eliebten, wie bie ©claotn 3lfte ober
ber oerlaffenen ©attin, 5. 33. Dctaoia ober ftrmengarb.
©leißroof)l bürfen mir bei 2Inerfennung ber fjoljen ©ßönf>etten biefe«
©ßaufpiel« gegen feine geiler nißt blinb fein: 55er Umfßwung in ber
©efinnung be« $fal$grafen, ber am meiften gegen bie Sßerbinbung ber
Siebenben ift, wirb baburß fyeroorgebraßt, bafj ifm ^einriß oon 23raun*
fßroeig in einer ftürmifßer Staadt au« ben glutl)en be« 9if)ein« errettet.
SRoß weniger befreunben tonnen mir und aber mit bem (übrigen« leißt
ju tilgenben) Dperneffect am ©ßlujj be« merten Slufjuge«, mit weißem
ber $ißter ber baierifßsbnnaftifßen £enben$ be« ©tücfe« ein Opfer bringt.
Sei ber $arfieHung fjat man biefe ©ßwäßen freiliß nißt fefyr ftarf
empfunben unb fo errang bieje« ©ßaufpiel, wie ba« oorige bei jeber
Stujfü^rung am 2)?ünßener föofßeater einen ooüen Erfolg.
Söebeutenber noß erfßeint un« be« £>ißter« jüngfte« 2Berf, ba«
£rauerfptel: „ßonrabin, ber lefcte &of)enftaufe" (1889). 2ln
©röfje ber $anblung unb ©emalt ber 25>irfung überragt e« bie Vorgänger
gemifc. ©ßon ber erfte 2luf$ug ift ooU Seben unb Söeroegung. £er
jugenbliße Honrabin will bie Spiäne feiner Sinnen wieber aufnehmen; um
aber in 2)eutfßlanb maßtooQ l)en)ßen ju fönnen, mufe er junäßft fein
alte« ©rbe in Italien wieber erobern. <Sie eben au« 3talten fommenben
gf)ibetlinifßen ©efanbten beftärfen tljn in feinem 33orf)aben unb fteUen il;m
21*
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5*0
Karl fdjif fner in <Sza'y
ben fixeren Sieg in 2Iu$fid)t; bie beforgte Butter warnt ifjn oor all3U*
frühen Sdjritten unb oermag ihn mit bcm Aufgebote aller 33erebfamfeit
umjufiimmen. Sin Spottlieb ber baoonrubernben Sdjiffer jebodj oer*
munbet fein (Ehrgefühl fo tief, baß er aller Sßarnungen ungeachtet ben
Italienern feinen 9tömer3ug oerfpricfy. 2>ie §anblung nimmt nun tfjren
gefa^iajtliajen Verlauf. £abei flicht ©reif bie fefjr wirffame SiebeSepifobe
Äonrabinä mit 33iolante ein, ber Eodjter be$ 2>erräther3 grangipane. 2U$
fie ben jungen flönig jum erften Sttale fah, oerwanbelte fid) tf>r ^ei§er
&aß gegen ifm plöfeUä) in Ijeifee Siebe; um berentwillen oerfeinbet fie ji$
mit ihrem 2kter, bura) fceffen 2>errätf)eret ber junge Staufe gemagert
wirb; bem flüchtigen ©eliebten bietet SBiolante Sdmfc unb Littel jur
Rettung. 211$ fte aber erfährt, baß er ihre Siebe nia^t erwibern fönne,
erfaßt fie neuerbingS leibenfdjaftlidjer &aß unb fie liefert ihn ben ^eran*
5iet)enben ^einben aus. £er fünfte 2luf$ug enthält wieber Auftritte oon
erfdjüttembcr SBirfung : ßonrabin unb feinem greunbe griebrid) wirb ba3
£obe$urrt)eU oerfünbet; bann bie Butter ßonrabins an ber 33abre iljreS
Solmea. So ergiebt fid) naturgemäß eine großartige Steigerung für
biefeS 2öerf, ba3 außer einer feffelnben unb ergreifenben $anblung noc£
eine reidje Entfaltung unb fixere 33eherrfd)ung ber Staffen jeigt. 2>arin
offenbart fid) oft bie ©röße eines bramatifeben Talentes, gdft jebeä Stucf
©reif$ befifct eine ober mehrere foldjer SJtoffenfceuen, bie mit großer SUar=
beit gebilbet finb, fo 5. 33. in „Gorfij Ulfelbt" bie ^erfammlung im &aag,
ber bämfd)e 9ieid)$tag unb ba£ Sager ber Sdjweben ober im „^rinj <£ugen"
baS 23olf£feft im ^rater, bie Schladt $3elgrab, im „flonrabin" ber (Sinjug
be3 jungen Äönigd in SRom unb bie Srfjladjt bei Xagliaca^o u. f. ro.
©reif arbeitet fjier fo genau, baß felbft bie legten Sollen oon ifjm
nodj flüchtig swar aber bod) beutlid) c^arafterifirt werben. Seine 2(rt
fdjaffen jetgt aber nid)t£ beffer, als ber Umftanb, baß er alle Dertltdj*
feiten in feinen Stücfen (mit 2lu3nafnne oon Seigrab) aus eigener 3ln=
fdjauung nadjgebilbct bat unb bamit aud) bie Socalfarbe genau trifft, bie
man in Eramen menigftenS fonft gern oernaa^läffigt. X'xe (Sljaraftere finb
t)icr wieber mit großem gleiße fjerauägebilbet unb abgerunbet. 3unäd)ft
tritt und natürlich flonrabin entgegen, ber uns unenblid) fmnpatfnfd) be*
rührt. Seine tragifdje Sdjulb liegt oor allem barin, baß er in leiben*
fdjaftlid) jugenblidjer &aft erreichen will, was nicht einmal bie gereifte ßraft
erfahrener üJJanner oermod^te. 2lber er f)at feine anbere Söaljl. ^er
SHuhm feiner Sinnen unb ber eigene ßf)rgei$ oerpflia^ten i^n ju jenem
flampf auf Sieg ober 2ob. Unerfahren unb oertrauen^ooll tritt er einer
Sßelt oolt feiger ©raufamfeit entgegen. $>er eigentliche Urheber feined
Unglücte, i{arl oon 2Znjon gefjt im $rama ftrafloö au§, aber mir treiben
mit ber 3uoerfidht, baß fid) ber gludj ber Butter Äonrabin^ an i^m er«
füllen werbe; mir haben hier einen ähnlichen 3all, roie in ©oethes' ßgmont.
Sieben Äonrabin flehen befonberS h«rü°rra3cno öie ^odcitöooae ©eftalt
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Martin (Sreif.
feiner SRutter ©lifabeth, ber leibenfchaftlichen bämonifchen Söiofante unb
feinet treu ergebenen greunbe« griebrief) oon Vaben. ©reif r)at ba«
9Rotit> ber 5reunbe«treue in jebem feiner Stüde balb in ber £aupt« balb
in ber Dtebenhanblung in allen Variationen glüdlid) oerroenbet. 3lm
fünften ausgeprägt erfdjeint in „^rinj Gugen" ba« Vilb treuer greunb*
fa)aft jnrifchen gereiften Scannern, ^ier jroifchen jroei aufftrebenben 3üngs
lingen, ba« burdj ifjr gemeinfame« tragifdje« ©efdjid nur noch mehr oep
flärt roirb. 9U« bunfle ©egenbilber roirfen oor allem ber habgierige Vers
rotier 5ran<;ipani unb ber graufame Marl oon 9lnjou. 3ln biefe, rote an
jene fdjltejjen fid) eine SReihe ber oerfdjtebenften Gharaftere, fo bafe auch
hier £idjt unb Statten gleichmäßig oertr)etlt erfdjeinen. 2luf bie Sühnen;
nrirfung ift überall genau bebadjt genommen, bafjer fann biefem SBerfe
bei einer Aufführung auch ein ooüer Crfolg nicht fehlen.
2Wit ben angeführten Dramen ift jebod) ber flrei« oon ©reif« bidjterifcher
^ätigfeit nur jum tycil umfd)rieben. 2öir haben noch p ermähnen ba«
geftfpiel jum 70. ©eburt«tage Raubes (1876) „(Sin ©hrentag," ba«
aber nicht aufgeführt rourbe, meil fich biefer bie ihm jugebachte unb
bereit« bi« in'« flletnfte vorbereitete &ulbigung im „eigenen &aufe," roie
er ftch au«brfidte, au« 23efcheibeuheit verbat. Sie fdjöne Sichtung rourbe
einige Söhre fpäter in 2Nonat«fd)rift „Von $o( ju ^ol" abgebrudt.
©in anbere« geftfpiel fdjrieb ©reif $u ©unften be« 2Salther*Sent%
mal« in 3nn«brud: ,,2öattl)er« 9iüdfcf)r in bie &etmath". (5«
rourbe $u 3nn«brud unb Vrünn mehrmal« gegeben. G« roirft bei affer
flürje fehr ftimmung«oolI, befonber« burdf) bie glüdliche Verroenbung ber
berühmten ©fegie &>altf)er« 6 wc war sint vers wunden . . . —
Slufeerbem roiffen roir nod) oon jroei bi«her roeber aufgeführten nodj
gebrudten Srauerfpieleu. Sa« eine flammt au« ben legten fechjiger
3af)ren unb befjanbelt einen romanttfehen Stoff: „Vanarb, ber bitter
ohne gurd)t unb Säbel." Sa« anbere behanbclt bie Gefliehte ber
„3ranci«fa oon 9iimini." 2Sie roir erfahren, \)at ber Sidjter ba« äßerf
nur be«halb jurüdgehalten, roeil er untere iöülmenoerhältniffe au« Erfahrung
?ur ©enüge fennt unb fich unoerbienten unb fränfenben 3urüdroei)ungen
nicht au«fefcen roiff.
2Bir rooffen nur nod; fürs ben Sichter unb Sflenfdjen au« feinen
©erfen ju begreifen fuchen. ©eine Sichtungen tragen ein fehr beftimmte«
©epräge; (Schlichtheit unb ®emüth«roärme finben fich mit funftlerifcher
Seinheit unb Sicherheit gepaart, roie fie eben nur bei einem roirf liehen,
inftinttio fdjaffenben Sichter möglich ift, ben ein mächtiger innerer Srang
jur ©eftaltung treibt. 2lu« feinen Sramen unb oielen Siebern ift für bie
Crfenntnifc feiner ^erfönlidjfeit birect roenig ju geroinnen, ba er hinter
ben Stoff ganj unb gar jurüdtritt. Un« bleiben baher nur roenige
fubjectioe fiieber. 9lu« biefen erfennen roir eine »ornehme ÜHatur nod
männlichen Selbftberoufjtfein«, aber mit einem weichen, jarten ©einütfie
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3\2 Karl fdjiffner in <Sra3.
unb biefe ©igenfd&aften feines SBefen betätigen inbirect aud) alle übrigen
tnef)r objectio gehaltenen SBerfe. @r fennt baä treiben ber grofjen SBelt,
ifm todft e$ aber oiel mef>r, ftd) in bie gef)eimnifeootten liefen be£ eigenen
ober fremben Sßefenä ju oerfenfen; fdjeu, aber nia)t menfcf)enfeinblid& jie^t
er fid) gern in bie ©infamfeit jurücf, um ben SBiberftreit feiner ©efü^Ie
ju fä;lidjten, ober unoerbiente Äränfungen unb 23itterfeiten, bie ifmt ba3
fieben sur ©enüge braute, su oernrinben. £)afjer fommt aber aua} yam
£f>eil bie ungenügenbe Slnerfennung feinet 2öirfen3, ba freute ber £>idjter
ober feine greunbe am lauten 2Jtorfte ftet)en mfijfen, um rafd) unb weit
befannt ju werben, ©leia^rco^l tyaben fidj ©reifs SSerfe langfam aber
mit immer toadjfenbem ©rfolge 23af)n gebrod&en, unb ba£ fpridjt geroijs
entfa^eibenb für it)rcn roirflia^en inneren 2öertf).
3m 3uni 1889 feierte ber Eidjter fein fünfsigfte^ ©eburtsfeft
9)iöd)te unfer Söotf einem fo eigenartigen Talente bie oerbiente 9lner*
fenuung ffirberrjtn nid)t oerfagen; ifjm felbft aber rufen mir für fein
ferneres Söirfen feine eigenen frönen SBorte su:
<Sing nur ftetö aus »oder öruft
3>ettt SöebrangniB, Seine ßuftl
WlaQft Su 3nncrfrc8 offenbar,
3ft e3 baS !Wed)te, glaub' füroafjr.
ging nur f)erälid) für unb für!
Sic ©eiröfteu bleiben fte&n;
Sie Ruberen lafc Dorübergcfju.
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Kto 6c Janeiro.
Don
fjermatm von 3^cring.
— Hio «Sranbe &o Sul, Sübbrafilien. —
h FT io De Janeiro, bie gröfjte unb ftolsefte unter ben 6täbten 6üb*
P ij aiuer^a§' ^ie //SMtftabt unter ben Tropen/' rote fie 3öller
ffiJäi^I nannte, gilt burd(j feine unoergleid)lid) fajöne £age unb ben
.Viebreij jetner Sßorftabte unb Sanbfifee fett lange mit 3^ect)t für eine ber
fcf)önftge(egenen (Stäbte ber (Srbe. 2öer felbft nadf) monotoner Seefahrt,
an üppig überroadjfenen 5e^"ene^anoen uno an °en Ratterten ber bie
$8ud)t oollig ftdjernben gorts oorbet, in ben &afen eingefahren ift, roirb
9üo bie 3(nerfennung nid&t oerfagen, ba§ es mit Neapel unb Äonftans
tinopel um bie ^atme ber <Sdnmf)eit ringen fann.
GS ift oteUetd&t ein müfciger Streit, über baS 3J?eIjr ober 9J?inber
in ber GJrofcartigfeit oerfa^iebener malerifa) gelegener Drte ftreiten ju rooßen.
2öir ftnb uns roof)[ oft felbft niajt redfjt beffen beroufct, roie oiel Umftanbe
bei ber 23eurtl;eüung romantifdf)er ©egenben unfer Urtfjeil beetnfluffett,
betten im ©runbe genommen fein ©et)ör gefdjenft werben bürfte. 2Bir
fönnen 3. 33. ben ©olf oon Neapel nia)t überbauen, ofjne mit bem Ölid
auf ben fdjjlummernben iUtlfan unfere Spfjantafte mit Silbern ber $er* •
gangenfjeit ju erfüllen. 2Bir fa^roeifen bann oiettetajt in'S ferne 2Utertf)um
jurücf, erinnern uns ber (Säuberungen bes piniuS über ben Untergang
ber blü^enben Stäbte, bie bura) 2lfa)e unb £aoa getilgt rourben, fefjen
unglaitbüdje ^aucfjmaffen oon geuerfdjem burdjbrungen l;ör)er unb immer
^öt)er ftdf) tf)ürmen — unb roenn bie 9iur)e, bie über bie Sanbfdfjaft r)tn=
gegoffen ift, unfere ©ebanfen f)emmr, fo laßt uns bod; unfere Ueberlegung
bie 9ttöglid&fett eines neuen 2luSbrucf)eS ntd)t leugnen. $ie an unb für
ftö) malertföen Gontouren beS 23efuoS würben uns minber anfpredjen,
1
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I
3^ ßermann ron 3t|cring in Hio (Sranbe bo ful.
wenn nicht bie Erinnerung an eine« ber grofcartigften 9?alurphänomene
mit ihnen oerfnüpft wäre. Unb roenn fol<je Erwägungen auch nid^t
jeberjeit fid^ uns aufbrängen, fo roirfen fie bodj unberoufet auf uns ein.
2Md) anbcrcn (Straftet leiht fdjon eine SHuine bem Jlufcthale, auf baS
fie fett 3af)rf)unberten ^inabfd^aut, als etroa eine mobeme Babeanftalt
ober ein $otel! Unb folche Erinnerungen mögen wohl auch mit im (Spiele
fein, wenn mir, nadjbem ich auch ftonftanttnopel unb t)iio be Janeiro
fennen gelernt, bodj immer baS göttliche 9topolt als bie foftbarfte Sßerle
aller oergleichbaren £anbfdt)aftsbilber erfahrnen will.
2BaS aber ber Sage von sJiio befonberen 9teij üerleifjt, finb bie in
groteSfen formen $um £hetl unmittelbar aus bem Otteere emporjtogenben
©ranitfegel; bie ©eOirgSferten, bie 5um £f)eil, rote baS Drgelgebirge, in
ben bijarrften Gieftalten erfdjeinen; bie rounberbar lieblichen Borftäbte,
bie ftd) ben umliegenben &öhenjügen anfchmtegen unb mit ihren 2htS*
läufem in alle 9Zebentf)äler unb Schluchten ^ineinflettern; enblict) ber
manne £audj ber gemäßigten £ropenregion, ber in all ben rounberbaren,
bem 9iorblänber neuen unb eroig reijtroUen ^flanjengefialten ber Tropen
ftd) beftänbig $ur Öeltung bringt.
Ueber bie Stabt unb ihre Umgebungen ift fo oiel oon älteren
Sieifenben berietet roorben, ba& eine neue Beitreibung überflüffig erfdjetnen
fönnte. 3lüem baS 9tto be Janeiro, welches Sprtnj Dieuroteb fah,
unb jenes, roeldjes uns Burmeifter unb St. oon Scheper fchtlbern,
hat fo roenig 2lehnlta)feit met)r mit ber heutigen Söeltjtobt, bafj eine
©dn'lberung berfelben gerabe mit 9iüdffid)t auf bie jüngften gortfchritte
in oieler £inftcht oon ^ntereffe fein bürfte. 2tuch roetfj rooljl baS 2luge
bes 9?aturforf<herS unb 2lr$teS manches ber Beaduuug 2£ertf)e aufjufinben,
über baS 2htbere hinroegblicfen. 60 fotten beim auf ben folgenben Blättern
jumal bie Errungenschaften be« mobernen 9tio auf ben ©ebieten ber
BerfehrSanüalten, ber &wgiene, beS Unterrichtes u. f. ro. ben ©egenfianb
ber Betrachtungen bilben. Sie tonnen in biefer Beziehung geroiffermafcen
eine Ergänzung bilben 5U ben überaus frtfchen unb lebensvollen ed&ilbe*
rungen beS gütigen 3iio be Janeiro, welche E. oon ttofertfc 1885 in
feinen „Bilbem aus Brafilien" veröffentlichte.
<Mo be Janeiro galt früher, noch in ber erften Hälfte unferes 3afjr5
hunberts, für eine ber fajmufcigften Stäbte ber Erbe. Sie eigentliche Stabt
ift eng gebaut unb bic Straften müffen früher bobenlos geroefen fein. 211$
man bamtt begann, biefelben ju pflaftem, unb jroar junächft bie breitere
dina biretta, lte§ man baS Material baju aus Englanb fommen, trofcbem
eö aus ben ©ranitbergen ber unmittelbaren Umgebung oiel billiger unb
bequemer roürbe ju ^aben geroefen fein, ßbenfo oer^ert Burmeifter, ba§
man noch bis in bie fünf5iger 3cu>e unfereS 3al)rhunberts 3J?auer3iegelu
aus Europa fommen liefj. Xie etrafeen ber 6itn finb babei bura)roeg feljr
eng gebaut; unb erroägt man, baft frütjer Einerlei regelrechte gortf*affung
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Hio bc Janeiro.
3(5
beS flef)rid)te3 unb Unratfje« ftattfanb, fo fann man e« leicht begreifen,
bajj altere SHeifenbe über ben Schmufc unb ©eftanf ber Stabt fidj entjefcten.
3n ben legten Secennien l)at ftch ba« Sittel ooüfommen geänbert,
unb man fann ben Seiftungen auf bem ©ebiete ber Stabtoerfd)önerung,
ber SBer f et)r er^ättni ff e unb ber öffentlichen ®efunbheit«pflege, welche man
in 9^io be Saneiro heute begegnet, bie größte 2lnerfennung nicht oerfagen.
$ie Strafeen felbft unb alle gut gepflaftert, unb ber Sßerfe^r in benfelben
wirb burch ba« fetjr entwicfelte Snftem von Xramwan«, ben fog. 33onb«,
bebeutenb erleichtert. Die Stfaultfnere, welche bie 2Bagen auf ben meift
nur etngleiftgen Schienenwegen mit erftaunlicrjer ©efchwinbigfeit bahinjiehen,
fmb für biefen 3roecf unübertrefflich. 2>ie £ramman« mögen aber auch
an wenigen Crten ein fo eminent wichtige« unb oielbenufcte« ^nftitut fein
wie in SHio. Würben boch fc^on im Safjre 1872 ü6er 10 3MHionen
^erfonen mit ihnen beförbert, obwohl ba« 23onb«nefe noch nid^t bie Hälfte
feiner jefcigen 2lu«bcl)nung erreicht hatte. 2flan fährt in bemfelben SSagen
mit bem Staatsrate unb Senator wie mit ber fch warben ©emüfehänblerin.
$er Umjtanb jebodj, bafc auf Bielen Linien auch Söagen $meiter klaffe
ju halbem greife gehen ober nebenher noch Cmnibuffe al« ein billigeres
33eförberung«mittel eriftiren, l)ält wenigften« bie bunfleren Nuancen be«
colored people ben meiftbenufeten SonbSmagen fern, Sie £are, welche
auf ben größeren Sinien burcfjweg 10 Lintern (ca. 40 Pfennige) beträgt,
ift jiemlta) hoch bemeffen. Da« war wohl auch ber £aupigrunb be« gia«fo§
ber berühmten Lintern: Steuer, mit welcher fich bie Regierung 1880 eine
moralifche unb finanzielle empfinbliche 9?ieberlage bereitete. £er bamalige
Sinanjmtnijter SUfonfo delfo r)atte eine oon $errn SBuarque oorge*
fdjlagene neue Steuer oon 1 Lintern (4 Pfennig) pro 53illet ber !öonb«s
fahrt eingeführt; ba« ^ublifum aber wtberfefcte fid> ber ßtnjiehung ber
Steuer. Stein banerifche« <JJublifum fann fich ber ©rhöfmng be« 2Mer*
preife« energiieher wiberfefeen, al« e« bie Seoölferung 9iio« ber Lintern?
Steuer gegenüber burdt)füt)rtc. 21m 1. Sanwx 1880 fam e« ju einem
bebauerlichen StrajjenfrawaU. SSicle SBagen unb anbere« Gigentf)um ber
33onb«linien würbe serftört; unb al« bie Beljörben mit bewaffneter 3J?ad)t
cinfehritten, fam e« $ur ©rfd)ie&ung oon bürgern — ein bebauerlicher
Vorfall, ben bie Regierung bie £actlofigfeit hatte noch gehäfüger ju machen
burch öffentliche Belobigung bc« befehlführenben Cffijiere«. 3,üar würbe
bie 9iube weiter nicht geftört, aber bie (Sinjtehuug ber Steuer bilbete eine
ftete Duelle ber Unjufricbenheit. 211« 2lnfang September bie Angelegenheit
im Parlamente jur Sprache fam, oerurtheilte ber 50Un i ft er = ^ r ä fib ent
Saraioa bie $intem=Steuer al« uneinjiehbar, ba er nicht wiffe, wie er
bie in ben Bonb« fifoenben ^affagiere jur 3ahhin9 fingen fönne. 2lm
Sage barauf oerweigerte ba« gefammte ^ublifum bie 3fl^)lunÖ Der Steuer.
Xie ^olijei, welche oon einer 33onb«gefelIjchaft requirirt würbe, oer*
weigerte jegliche Ginmifcbung, unb bie Regierung l;ob einige £age barauf bie
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3\6 fjermann von gering in 2\to (Sranbe bo 5nl.
■
uneinjieh6are Steuer auf. Statt einer neuen (Einnahmequelle f)atte bie
Regierung fid) eine(Ertras2lu§gabe von 593,699 9Jiilrei3 (ä 2 5flarf)ge) Raffen,
ba fie ben SBonbSgefeüfchaften ben erlittenen Stäben erfefeen mußten.
SBenn mir mit ber Sd)übenmg biefc^ 23onb3sSfanbale3 oon unferem
£f)ema etwas abgefd^ioeift finb, fo ift baS 33ergef>en wof)l fein unoer$eih*
Itd^eS, ba e3 ein Schlaglicht wirft auf bie ginanjoerwaltung, wie fie unter
oielen 3Jiinifterien in Srafilien fchwunghaft betrieben worben. Sei befferer
SBürbigung ber (Eigenthümlichfetten beS SßublifumS, fowie ber befonberen
3eitumftanbe Ratten btefe jur SBlamirung ber Regierung führenben 23or*
gänge oermieben werben müffen. £er bamalige ginanjminifter aber,
2llfonjo (Selfo, mar feineSfaßS ber richtige 9)tonn für biefen oerantroortungS*
ootten Soften. 2Bar er boa) berfelbe ginanjminifter, welcher ji<h mit
Staatsgelbern in gewagte flaffeefpeculationen einlieg unb mit biefen ßaffee*
geftt)äften jtatt beS erhofften ©ewinneS einen »erluft oon ca. 800,000 Warf
für bie StaatSfaffe erhielte! (SS ift überhaupt ein Unglücf für Sraftlien,
baß für bie Slbminiftration bie politifehen ^arteioerljdltniffe allein beftimmenb
finb unb bie SRinifter aus ber 9ieihe ber maßgebenben ^erfönlid)feiten ber
herrfchenben Partei ermaßt werbe, einfad) nad) bem principe: 2£em ®ott
ein 9lmt giebt, bem giebt er aud) ben &erftanb ; unb jmar wirb mit bem
2Bed)fcl ber Partei in Örafilien aud) baS ganäe &eer ber ^Beamten ge*
wedjfelt unb bamit aud) bie in biefen oerförperte Erabition unb Routine in
abminiftratioen fragen befeitigt. £aher aud) wof)l bie bebauerliche
Snftemlofigfeit ber Regierung, namentlich in GolonifationS*2lngelegenheiten,
woburd) beim beften SBiHen unb trofc Opfern, wie fte fein jweitcr Staat
gebracht f)at, SBrafilien bie (EinwanberungSfrage bisher nicht befinittu ^at
regeln fönnen.
$ie (Sitn oon 9iio be Janeiro ^at nod) feinem ber SRetfenben unb
fremben Sejucher, welche oon if)r berichteten, einen anbern als einen un=
freunblid)en, ja felbft unheimlichen (Einbrucf hintcrlaffen. $ie Straßen finb
faft alle fefjr eng unb baburd) etwas bumpf. $)ie Käufer felbft fmb nichts
weniger als freunblia); ftolje ^aläfte ober monumentale öffentliche bauten
feljlen ober fommen bod) burdj bie Ungunft it)rer Umgebung nicht $ur
©eltung. Ueberrafdfjenb ift bied nur für ben, welcher nicht weiß, baß bie
vornehmen Greife bie Stabt für gewöhnlich meiben, unb baß felbft bie
Äaufleute unb Beamten fie nur wäfjrenb ber ©efchäftSjeit befugen, fich aber
nachher mit Xramwan ober Dampfer nach ihren in ben gärtenreichen SSor«
fläbten gelegenen Sanbfifcen jurüefbegeben. So bleibt benn in ber 3Kehr$ahl
ber fdjmaleu Straßen, unter beren fleinen Äaufläben faft nur bie Schau*
fenfter ber jahllofen ^w^eliere bie 3lufmerffamfeit auf fid) lenfen, ber
Sßerfefjr ein wenig gefälliger; unter ben gußgängern wiegt baS farbige
Clement fehr oor. SBagen unb Xrofd)fen werben ihres fyotyn ^reifes
halber in 9iio wenig benufet; für (Equipagen eriftirt fein Gorfo ober eine
bafür geeignete 2lnlage. än ber eleganteften unb belebteften Straße 9tio$
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Hio be Janeiro. 3^7
bürfen überhaupt f einerlei gurjrioerfe pafftren, ba bie Straße ju eng ift.
So finbet man bie dlua bo Duoibor, in roeldber bie 9teif)e eleganter
9)?aga$ine unb Sdjaufenfter nur buref) <5af63 unterbrodjen wirb, jeber >$e\t
von eleganten Müßiggängern gefüllt ober oon Seuten, roeldje an einer ber
einntünbenben Duerftraßen auf baS ©tntreffen ber rafdj oorüberetlenben
33onb$ warten. 2ln befonberen Sagen ber Sßodje ift ber 23erfef)r ein be=
fonber$ ftarfer unb bann ijt e£ roirflidj ein feffelnbeä 33tlb, ba$ fidt> ent*
rollt. UeberaH fterjen ©nippen oon feingefleibeten Herren in lebhafter
Gonoerfatton, bie 3JZagajine finb überfüllt, £amen in glänjenben Toiletten
jiefjen oorüber, unb in ben fpiegelüberlabenen (Saf63 ift fein Sifc frei.
Unter ben Herren, bie fid) überroiegenb im fdjroarjen 9toct unb (Snlinber
präfentiren, ferjen wir bann oiele ber befanuteren Xeputirten, (Senatoren
unb fonftige bemerfen$n>ertf)e ^erfönlidjfeiten. 2lm metiten 3lbbrucr) er*
leibet noa) bie &errf$aft beS (SnltnberS, märjrenb ber fd&ioarje fernere
9*od, trofc feiner Unjioeämäßtgfeit in biefem fllima, unoermeiblid) ift.
Uebrigen^ ijt bie &ifee toeber in «Rio nod) im nörbltdjen Srafilien fo
brüdfenb unb unerträglid;, wie in 3nbien ober im malagifd&en 3nfelgebiet — -
©inen 33ortt)eil fyxt fid) bie &erremoelt in Sraftlien übrigen^ bem 5tlima
gegenüber errungen: ben &anbfdjuf)jtoang läßt fie nierjt gelten. 2öeber
auf ber Straße, nod; in ©efeafdjaft, bei SBefucr), ober im 2ttinifterium
bebarf e$ für bie Herren ber ©lac6f)anbfd)uf)e.
$ie dtua bo Duoibor erhalt burdj btefe* 2lu*e3 einen oornef)meren
Slnfrridj, unb fie labet jum Umrjerfc&lenbeni aud) befonberS baburdj ein,
baß fie nur ben gußgängern geöffnet ift. @ine ftäbtifdje SBerorbnung oer*
bietet für biefe Straße ba3 Surdrfafjren oon 2Bagen bei Strafe oon
10 aflilrei'S (20 9ttarf). 5ßor einigen 3af>ren befahl ber flaifer 2>om
^Sebro II., morjl in Unfenntniß biefer 33ejtimmung, feinem ßutfdjer, burd)
bie 9toa bo Duoibor ju fahren, n>a3 einem übereifrigen ^olijeibeamten
ben 2ln(aß jur Slnjeige gab, auf welche fjin ber Jlaifer jur 3aWwng ber
Strafe oerurttjetlt rourbe. $)a$ Dberfjof=2lmt jaulte ben betrag aus.
3Wan wirb babei unroitlfürltd) an ba3 gebügelte SBort jeneä 2)tüller£ oon
SanSfouci jur 3e^ griebridjS beä ©roßen erinnert: „6ä giebt nod;
SRtcfjter in 33erlin." ©leid)ioorjl n>ar eigentlich bie Strafe ungefefelidj, ba
ber Äatfer für feine Sßerfon über ben ©efefeen unb ^erorbmmgen ftefjt
unb nadj ber SGerfaffung „inviolavel" ift.
555ie Öffentlichen ©ebäube 9tio'£ finb jiemlid) unfcfjeinbar, roo nicfjt
unferjön. £a3 gilt aud) oon bem am Sargo bo ^a<?o gelegenen ^alaft
beö ÄaiferS, einem unfd^etnbaren einftoefigen Sauroerfe, roeldjeä jd^on feit
lange für ooHfommen baufällig gilt. Xer Äaifer beroofynt i^n aud) nid)t
unb benufct i^n nur juroeiten für feierliche 3lubiensen. ^>ie gcn)ör)nli^c
9?efibens be3 Äaiferä ift ein ^alaid in ber Sßorftabt S. Gl)riftooao, ba3
freier unb freunblid^ gelegen, nur wegen ber 92ar)e bc3 großen Sdjlad)ts
ijofe« feine befonberä günftige Sage befifet. 2öäf)renb ber feigeren Monate
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3(8 ßermcmn von 3^cring in Wo (Sranbe bo Su\.
weilt ber Monarch nur oorübergehenb hier, inbem er für gewöhnlich ben
Sommerauf enthalt in bem höher gelegenen fd&önen Metropolis oor$ief)t.
SSä^renb fo bie öffentlichen Sauten, üiefletdjt mit SluSnafjme be£
2Werbau=2JHnifteriumS, fi<h wenig ftattCidt) ausnehmen, ijt für bie $ers
fchönerung ber ^piäfce t»icl gefdjehen. Gine ber freunbliä)ften unb befudjteften
Anlagen ift ber ^affeio publico, bie öffentliche ^ßromenabe. 2Ber, aus
ber ©tabt fommenb, fid) nach ber artflofratifcfjen 93orftabt Gatete ober
nach ber retjenben, oon lieblichen Hillen umfäumten, oornehmen 23orjtabt
SBotafogo begtebt, fahrt au biefcr fcfjon lange beftefjenben Strafe unb bem
SKeere ftd) hm&iebenben Slnlage worüber. S5>er bann auSfteigt unb fidt)
nach wenigen Schritten im Schatten mannigfacher Sropengemachfe auf einer
33anf niebergelaffen f>at, ber möchte faum glauben, bafj fich bieS laufdjige
^läfcchen faum einen ©tetnmurf weit oon einer ber belebteften SöerfehrSabern
entfernt beftnbet. $ie Anlagen fmb, wie jefet faft burchroeg alle in 9iio, im
englifchen ©til gehalten, namentlich oerftef)t man fich im heutigen 9tio gut auf
bie Pflege beS englifchen sJfafenS. Unfer 2luge fchweift über üppig grünenbe
^afeuteppiche fun, weitt auf einer gontaine ober heftet fid) auf eine ober bie
anbere berherrlidjen^flanjengruppen, welche eine 3ierbe biefer Anlagen bilben.
SöefonberS retjooH finb bem 3luge bie einfachen eleganten gormen ber Jahnen,
oon benen im <JJaffeio publico namentlich bie gächerpalme, Latania
borbonica, in herrlichen großen Gremplaren fteht. ©ine anbere befonbere
3ierbe finb riefige Gremplare ber Urania speciosa, einer 3)?ufacee, welche
auf baulich hohem ©tamm eine jweitheiltge ßrone riefiger breiter SBlütter
trägt, welche fämmtlicf) in §wei entgegengesetzten Leihen angeorbnet fmb.
$>iefe aus 3JtabagaSfar eingeführte ^flanje ift übrigens ebenfo ein Gin*
bringling in bie brafilianifche glora wie bie genannte Saline.
2)aS als „botantfcher ©arten" bejeicfmete Gtabliifement entfpricht burdj-
aus nicht bem, was man gewöhnlich barunter oerfteht, fo wenig wie etwa
ber berliner Xluergarteu einem joologifchen ©arten. GS ift eine öffentliche
Slnlage mit frönen SlOeen unb prächtigen SambuSbicficf)ten, in ber aber
oon wiffenfchaftlicher Leitung bis oor tfur$em nur wenig ju merfen war.
2(ls ©cherjer einmal einen 33rafilianer fragte, wie lange ber bota=
nifche ©arten oon diio fdwn beftehe, erhielt er bie treffenbe Antwort: feit
Grfchaffung ber 2öelt. S)ie &auptjierbe beS ©artenS fmb bie prächtigen
2lHeen ber Königspalme, bereit mächtige gerabe ©tämme gleich ©äulen jum
Gimmel r)oct) emporftreben, burch bie ^aubfrone wie mit bem Gapitäl ab=
fchliefeenb. £>iefe Jahnen gehören ju bem monumental ober ardnteftomfdj
SemerfeiiSwertheften, was baS ^Pflanzenreich barbietet; fte brängen ben 0e=
banfen auf, baß für bie hiftorifche 2IuSbilbung bes ©äulencapitäleS gerabe
bie ^alme ein mafjgebenber gactor qemefen fein müjfe. ^iefe ^almenallee
ift eine ber größten ©ehenSrourbigfeiten oon 9iio, einzig in ihrer 9lrt ; ihre
bilbliape £arftellung auf ben örafiliamfdjen Sanfnoten bilbet baher eine
feljr paffenbe SBerjterung berfelben.
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Kio bc Janeiro. 3^9
3Xn einer (Seite bes ^paffeio pu6lico ift ein £f)eil für SHeftaurationS*
jroeefe referoirt. £ier pflegte, als ich im 3Jlonat 2lpril in 9iio weilte,
allabenbltch eine beutfdje SJhtfif Capelle ju concertiren. Deutfdje STlwfifcorpä
fetjeinen jefct in Sübamerifa beliebt 31t werben. Sluch bie Äöppelmann'fche
Capelle, toetd^e wäfjrenb ber Zustellungen bes 3at)re3 1881 in Sporto
Sllegre unb in Buenos SlnreS concertirte, errang fidj gro§en Beifall, woran
jum großen Stjeile auch baS gebiegenere Programm Sdjulb gewefen fein
mag. Die Capelle in 9iio be 3fl"eiro übrigens, von weldjeT mir fpradjen,
hatte fich bem ©efchmatfe beS brafilianifdjen ^ublicumS bereits bebenflidj
aecomobirt. 25er 9ttufiffemter fann baS nur für einen SRücffdjritt galten,
wobei natürlich eine befonbere Ausnahme $u ftatuiren ift für bie Gotnpos
fittonen beS talentvollen brafilianifdjen Gomponiften Carlos ©omes, oon
beffen Opern namentlich „©uarann" auch in (Suropa, jumal in Statten,
gut aufgenommen morben ift. Der grembe, beT fidj in Wio oorübergehenb
aufhält, wirb ficher mit biefen ©artenconcerten fich befreunben. 9?a<h bes
£ageS Saft unb &ifee in einer eleganten ©arten wtrthfchaft ben Xönen
einer guten (Sapelle 3U lauften, bie milbe würjige Suft be« SübenS ju
genie&en, währenb ber 33litf mit SQefriebigung oon ben fd)lanfen gormen
beS itfominirten ffiirthfchaftSpaoillonS ju bem Äranje oon Sträuchern unb
Säumen fdjweift, bie ringsum ben $lafc umgeben, an ben sierlidjen
2«ebeln einzelner über baS Unterf>ol$ emporragenber ^almfronen haftet
unb fid) fchliefelich in tTäumerifa)em Selbftoergeffen in bem fternbefäeten
girmamente oerliert — baS ift ein ©enufj, ben ber Steifenbe boppelt §u
fa)ä|en weife. 3hm bietet ja 9tio, jumal bei Abenb, fonft wenig. Die
flehten Ztyatex, bereu Aufführungen fdwn ber Spraye wegen nicht lange
3ieij für ifm haben, geftatten erft nach Mitternacht bie föeimfehr burch bie
unheimlich tobten Straften. @in flotteres Seben in ©aftwirthfehaften unb
größeren 3teftaurantS fennt man nicht. Die eleganten ^arifer Gates mit
i^ren Heinen SJJarmortifchen, in benen baS faft auSfdjlieftlich aus jungen
beuten unb einigen gremben beftehenbe publicum fid; jeitungSlefenb ober
in Unterhaltung begriffen aufhält, finb minbeflens feine behaglichen Orte.
3m 28ef entlichen trifft baS 3Mlb noch beinahe ju, welches Burmeifter oor
bretftig 3<*hren oon 9T\o $eidmete. „2£anbelt man," fo meint er, „am
Nachmittag bura) bie Strafjen, fo fieht man wohl h*er unb ba Damen
auj bem 33alcon; man begegnet inbeffen weit mehr Leitern unb Gqutpagen,
welche, bie Stabt oerlaffenb, auf's l'anb eilen, um bafelbft im Äreife ihrer
gamilien ber Erholung ju pflegen, ©üblich gar am 3lbenb, wenn es
bunfel geworben, erfcheint bie Stabt völlig wie oon aller anftänbigen
2£elt oerlaffen; nur fd)war5e unb weifte Summier beiberlei ©efchtedjtS
lagern auf ben Straften ober an ben ©den, unb nirgenbS bietet fich eine
Secne bar, bie Suftwanbelnbe Ijeroorloden, anjiehen unb unterhalten fönnte.
£in eigentliches öffentliches £eben eriftirt nidbt. SSM man fid) ohne
nähere SBefanntf (haften in 9iio amüfiren, fo bleibt wahrlich nichts anbercS
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320 fyrmantt pon 3fy*ring »t ©ran&e bo SuL
übrig, als bie Ginfefn* in fi$ fetSfi ober bic Sefdjäftigung mit ber
ftatur."
SfteuerbingS iffc iebodg» eine Neuerung ^injugefommen, bic fielen bcr
frembcn Sefudjer nid;t unlieb fein mag. 6« ift bie (Sröffnung ber trefflidjeii
2Merf)atte beS £errn ^efeolb, gerabe ber Sßoft gegenüber, reo jeben Sor*
mittag unb 3Kittag frifd^cö Gulmbadjer Sier com gafc oerjapft wirb.
$a£ 33ier fommt auf @is per Steamer unb wirb audj in 9tto auf ©i3
gehalten, fo baß man fid; feinen befferen grüfyfdjo ppen toünf<$en fann.
2lufjer einer unb ber anberen beutfdjen ©efettfdjaft, meldte f)ier ieben
aJlittag am Stammtifdj 3um grüftftüd fi(§ jufammenfinbet, fie^t man f)ier oiele
grembe oerfef)ren, $u benen beutfdje SdjiffScapitaine ein ftets oertreteneS
Kontingent ftellen, fonrie neuerbingS in fteigenbem SHafee audj Srafiltaner.
©iner ber fdjönften fünfte in 9lio be Janeiro ift bie ^erraffe, meiere
jiä) hinter bem Sßaffeio publico tyart am 2Jieere ergebt, £ier liegt bie
ganje weite Sud)t als ein entjüdenbeS Panorama oor. 2lm guße ber
großen Xerraffe, ju ber man an einem mäßigen Springbrunnen oorbei
burdj breite treppen emporfteigt unb bie nad) jeber Seite l)in buraj einen
flehten ^aoiüon gegiert ift, bredjen [\6) bie fjter natürlid) fdjon gemäßigten
SBogen beS 9Jteere3. OiingSum gleitet ber Slid an ben Uferbergen ber
Sudn" an Stabttljeilen unb f leinen %n\e[n Inn; unb wenn bei 91ad&t
taufenbe unb abertaufenbe oon flammen bie (Eontouren ber ßüfte unb ber
fie überjiefjenben Sorftäbte fdjarf aus bem ^albbunfel f)eroorl)eben unb
bie SReflere beS £id)tmeere$ fiö^ auf ben SBogen mit bem matten Silber*
fdjein be£ 9)tonbe3 begegnen, fo wirb man geftefyen, baß mit biefem 2tn*
bliefe fid) nidjts 9tcr)nücr)e§ in anberen Stäbten meffen fann. SRadj rechts
t)tn befonberS wirb ber SBlidf burd) freunblidje Silber gefejfelt. %m Sorber*
grunbe ftefjt fjier ber etwas oorfpringenbe SDtorro ba ©loria, beffen über=
einanberftet)ßnbe Käufers unb ©artenmauern burdj sroifdjenburdj lugenbe
Taimens unb Sananengruppen ju einem malerifdjen Silbe oereint werben,
über bem fid), bem tarnen jur 9ie<$tferttgung, ftolj ttyronenb bie f)übf$e,
mit einem £t)urm gejierte ®loria*.<Urd)e ergebt. 2ßeiterf)tn fdjließen fi<^
bie jur Sudjt oon Sotafogo füfjrenben Stabrtfjeile an, unb ben 2lbfdjluß
bilbet jener fonberbare gelsfegel, ber unter bem tarnen be$ 3"^r^^
(Pao de assucar) befannt ift. 2luf einer oielsadigen Sanbjunge ergebt
fid) ber 1212 guß f)of)e ©ranitfegel mit feinen fallen, unberoadjfenen büftem
Söänben fteil aus bem Stteer empor, naaj allen Seiten $tn fdjarf gegen
ben blauen Gimmel fid) abjeidmenb.
$er „3uderf)ut" ift fd&toer ju erfteigen unb aud) nur feiten erflettert
toorben. e$ lofmt aud) jebenfaHS fd)on um beSfjalb wenig ber ÜKü^e,
weil ber bebeutenb f)öl)ere Gorcooabo fefjr leidjt jn erfteigen ift. Oegen^
wärtig gelangt man leid;t unb rafd) auf ben ©ipfel beS (Eorcooabo bur$
bie er. 4 Kilom. lange 3aÜnrabba(nr rocla^e in überaus malerifd^er gal)rt
mit Steigung oon oft 30a/o balb auf fülmen Sogen Sd^lud^ten überfa^reitet,
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Hio be 3aneiro. o2\
balb mitten burd) ben üppigsten Urroalb fiinbura) fü^rt nad> bcm 710 m
$o§en ©ipfel, befielt fäjmate 5trone ein 2lusfi<$tstempel siert, oon roeldiem
man ein großartiges entjüdenbeS Panorama genießt. 3m Süboften
gewahrt man bie ©Apia, eine ungefüfn* 1000 SWeter f)of)e, einem
ÜJtojtforb gfei^enbe, Erhebung, unb etroaS näljer im fippigften ©rfin ein
Srüd beS botanifdjen ©artenS; nad) Süben aber burdj eine fdjmale niebrige
flüftenftrede oon einem Keinen See abgefc&loffen, betjnt ft<$ baS 3Reer un=
abfefjbar aus, unb aus ifmi tauten in aumätylia) weiter gerüdten Entfernungen
bie oielen 3nfeln fjeroor, toeld>e gerabe com Gorcooabo aus überfein
werben tonnen. Söeiter rechts erfäetnt baS anmutige Glemente=£f)at
mit ber großartigen 3rrenanftalt «Dom $ebroS II. unb bem gort oon
$raoa oermelf)a ; hierauf bie liebliche oillengefäumte 33otafogo*33ua)t, unb
hinter berfelbeu ber unmittelbar aus ber SHeereSflutf) fü^n auffteigenbe
Suder^ut, ber aber jefct raie ein ^roerg erfa>int. SBölItg ftar überblidt
man ben ©ingang in bie 33ai mit bem gort oon S. 3oäo am guße beS
>Juderf)utS unb bem großartigen gort oon Santa (Sruj am gegenüber*
liegenben Ufer. 'Die Entfernung beiber gelungen beträgt nur 5000 guß,
unb bie baburdj bebingte Siajerung beS Einganges ber 33ua^t toirb no$
burä; eine in ber SJtitte jmifa^engelagerte gelfeninfel erfjöfjt. 3U Dcn Söfcen
beS SBefd&auerS liegt bie Stabt dlio felbft ausgebreitet nebft if)ren SBor*
ftäbten in ben £f)älern oon £arangetras unb Gatumbn, unb babinter bie
I>errlid>e 93ai, in toeld&er man bei ttarem Söetter fämmtlia;e größeren toie
Heineren %n\dn fd^arf unterfdjeibet. Mm jenfeitigen Ufer, diio gegenüber
erbltdt man -Jiictfieron ober ^rana granbe, bie burdj große ftampffäbren
in beftänbigem lebhaftem 23erfef)r mit dlio ftef)enbe $auptftabt ber Sprooinj
5lio be 3ön^ro> unb enblidj gegen Horben, in weitem S3ogen bie 33ai
umfaffenb, bie getfterfjaft auffteigenbe ©ebirgSferte ber Drgelberge, roeldje
burdj if>re blauen, roie Orgelpfeifen an einanber fidj reifjenbe gelsfpifoen
fo letdjt erfenntliä; finb. „flaum fdjeint es benfbar," fo äußert ftd)
Sdjerjer,, „baß baS 3luge oon einem Stanbpunfte aus ein großartigere«,
mannigfaltigeres 33ilb überbauen tonne. 2öir oenoeilten ftunbenlang auf
bem ©ipfel beS Gorcooabo unb oermodjten uns bodj nid^t fatt ju fet)en
an aßen ben #errlidjfeiten, roeldie bie Statur mit oerfajtoenberifdjer &anb
über biefe Stelle auSgegoffen fyat."
«Der größte Pafe SRio be S^neiroS ift ber äiemlidj im Stttttelpunft
ber Stabt gelegene Gampo be Santa 3lnna, nadj ber gleichnamigen, an
ber SRorbfeite beS ^plafoeS gelegenen ^farrfirdje fo benannt. DffkieH füf)rt
ber ca. 600 Sfteter lange unb f)alb fo breite Pa& bie S8e$eidmung ^raca
b' acclam9ao. $um 2lnben!en an bie fjier am 12. October 1822 oon «Dom
$ebro I. oerfünbete@rflärungbcrUnabl)ängigfeitSrartlienS. 33iS in bie neufte
3eit roar biefer ^lafc ein roüftes gelb, baS faft nur ben $af)lreidjen fa^ioarjen
SBäfdjerinnen in Statten fam, bie Ijier ein großes gemauertes 33affm als
gemeinfdjaftüäjen Söafa^trog benu^ten unb bann auf bem SHafen beS $lafeeS
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Hermann ron ^bertucj in Kto (Sran&c i>o ful.
bie SBäföe 511m £rocfenen auslegten. 2113 Surmeifter cor mehr aU breiig
Sohren Mio befugte, entwarf er von btefcin ^pCafec folgenbe Sdjilberung:
„£ter fieht man neben ben ungepflafterten fotogen fiaty: unb gußmegen
atterbingS Äehrichthaufen, alte Sumpen, serriffene Schuhe in Wafit, $erfefete
£üte unb fteUenweife nodj viel unbelifatere ©egenftänbe herumliegen; aber
ber spiafc ift außerhalb beS befferen StabttheilS, hat nur wenig gute Käufer,
obgleid) ba$ Senate* unb 9NufeumS:@ebäube feine beiben langen Seiten
gieren, unb gleist mehr einem abgelegenen gelbe a(3 bem Zentrum einer
großen £auptftabt, wofür er bod) in mancher Sejiegung gelten foH, benn
hier werben bie großen ^araben jur geier ber Unabhängigfeitäerdärung
SraftlienS unb ber Annahme be$ conftitutioneüen Regiments abgehalten."
Sdum 2£appäu3 meinte, baß biefer ücnualjrloftc unb burch ben barauf
angehäuften Unrath mahrhaft efelhafte ^lafc nach feiner £age unb 31ujSs
behnung ganj baju angethan wäre, jum hrctKdjen $arf umgewanbelt §u
werben, welcher ber Stabt nicht allein jur ,3ierbe, fonbern auch in hngieinis
fd>er Sejiehung 51t großem SortfjeiI gereichen würbe. $iefe Umwanblung
hat fich nun in ben legten 3ahren 1X1 überrajehenb gelungener SBeife ooUs
jogen. $er ganje bura) ein elegantes ©itter umfriebigte $la|j ift in eine
herrliche frifdt)c Anlage ücrmanbelt, oon 2Daffer bura)3ogen, mit r)tlbfd)en
Äunftbauten, Srürfen unb ©rotten unb mit ber aUermannigfachften Vegetation
gejiert. £abellofer englifcher iKafen überfleibet als fafttg grüner Xeppidj
baS leicht wellig erhobene Terrain, unb bie SoSquetS, welche bie 2Bege
begrenjen, finb trofo ihres furjen SeftanbeS h°<h uno kräftig. 3Jttt mtrfltdjem
©efdmiacf finb namentlich bie oerfebiebenen (leinen Srücfen aufgeführt,
inbem fie, obwohl burdjauS mit «Stein unb Gement hergeftellt, föoljbauten
auf unbehauenen Stämmen imitiren. 2£enn mau biefe ferneren Saums
ftämme, welche ben Srücfen als Srüftung bienen, nicht ganj genau be*
trachtet, fo glaubt man nicht, baß es bem ßünftler höbe gelingen fönnen
ben Stamm bis auf bie SUeinigfeiten, wie ben Cuerfdfmitt ber abgehauenen
2tefte, fo täufchenb nachjuabmen. $ie Slnorbnung ber Säume unb Sträucher
in SoSquetS bie Verkeilung ber auffälligeren großblätterigen SPffonjen, wie
namentlich ber in nieten 2lrten oertretenen Jahnen, über bie Mafenfläche
ift fehr gefchmaef 00H ;% ben Qamvo be Santa 2mna halte ich fur ein*n D*r
fchönften ^läfee, ben es im inneren größerer Stäbte geben mag. Unb
biefer (Sinbrucf wirb um fo mehr h^ortreten, je höher bic «ßahl ber
größeren öffentlichen Sauten fteigt, welche ben <piafc umgeben, unb welche
befonberS in'S Sluge fallen, wenn man einen höhten Stanbpunft wählt,
wie 5. S. jene fehr funftooll errichtete gelfenpartie, in beren innerem fiä)
bie ©rotte befinbet, währenb außen (leine GaScaben über bie Sorfprünge
unb 3lbfäfee ber gelsblöcfe hinabftürjen. $er $lafc würbe in Se$ug auf
feine Umgebung mehr $ur 2Btr(ung (ommen, wenn bie öffentlichen Sauten,
bie ihn umgeben, wiebaS2)iufeum, baS SenatSgebäube, baSÄnegSmimfterium,
ber Sahnhof u. f. w., ftattlichere ga<?aben aufwiefen. ^nbeffen mag aua)
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baS immer mehr fidj änbem; g. 23. wirb baS neue ©ebäube ber SHuniapaU
fammer nid&t minber roic bie flirre Santa 2lmta mit ir)rem fchlanfen
'3r)urme $u einer 3to&« bes ^lafeeS.
gragltch bleibt freilich, ob es praftifd) war, biefc Anlagen fo gan$
offen unb relatio fdjattenlos $u galten. 2)ie Sluöbitbung wenigftenS eines
XhetleS ber 2lnlage in einen bieten, fühlen, fchattenfpenbenben $arf
würbe für bie tjcifee £ageS$eit f/tdjer jwecfentfprechenber gewefcn fein.
Vielleicht ift auch biefer Umftanb ein ©runb für ben oerhältni&mäfjig
unbebeutenben Öefud) ber frönen ^romenabe. 3m itebrigen finb fdjöne
3iarfantagen, in benen man Statten unb erquicfenbe 5\üf)le finben unb
baS 2luge an frönen 9toturbilbern unb föftlidjen ^ffanjengruppen roeiben
fann, für bie Öeoölferung 9ttoS wie wohl überhaupt für bie SBrafilianer
weniger Sebürfnijj wie für (Europäer, ©iner meiner 33efannten, ber cor
einigen fahren oon einer halbjährigen Steife nadj 23rafüien nach ^eutfch*
lanb prücff ehrte, fonnte nia)t genug feinem SBebauern barüber SluSbrucf
lieben, bafj oon ben oielen 9iaturfc^önr>eiten, bie er in fidj aufgenommen,
fo wenige für ihn burd) gute ^prjotograp^iea ju einem bleibenben Slnbenfen
lief) geftalten liefen. $on einer au Diaturfdjönheiten überreichen ©egenb,
welche Durch bie (Sifenbarm 5ugänglid) geworben, war nichts an SPh°t°9rflPhten
\\i haben, als baS noch °aSu oößig einfache unb unfehöne StationSgebäube.
28tfl man oon ber ©rofeartigfeit ber £ropenoegetation, oon ben entjütfenbeu
Silbern, wie fie bie ^Salbungen felbft noch in unmittelbarer ■Jtahc oon
■Hio auf ber £ijuca, am Gorcooabo ober bei Metropolis barbieten, irgenb
welche bilblichen $arftellungen hoben, fo mufe man auf bie 2i>erfe älterer
beutfeher 3?eifenben jurüdgreifen, nicht aber fich einbilben, in ben Äunft=
hanblungen unb unter ben bürjtigen, aber tfjeueren ^p^otograp^ten# bie
in 9lio fäuflich finb, baS finben $u fönnen, waS man fu$t. 2Öie
anberS fommt in biefer &inftd)t in Italien bie ^pr)otograpt)ie ben Söünfdjen
bes 9ieifenben unb 9?aturfreunbeS entgegen!
XaS, was wir im SßorauSgehenben oorgefüfjrt, bürfte genügen, um
ben (Sinbrud ju rjiuterlaifen, bafj baS moberne 3iio in Öejug auf feine
23erfehrSmittel es mit jeber anberen <5tabt ähnlicher ©röfje aufnehmen
fann, unb bafj für bie $erfd)önerung ber Stabt, jumal ihrer öffentlichen
vJHäfee, in ben legten Selxen oiel, feljr oiel gefct)et)eu ift. 2)iefe £er=
fchönerungen fmb aber auch eben fo oiele gortjehritte in $ejug auf bie
©efunbheitSpflege.
©ben biefe ^Beziehungen ju prüfen unb $u uuterfudjen, was in Mio
in hogienifcher 33esiehung gesehen ober uuterlaffen ift, möge im golgeuben
unfere befonbere Aufgabe fein. 3uoor a&er bie grage erörtert unb
flargefteüt fein, was benn in biefer ftidjtung oon ©rofeftäbten im 3lüge=
meinen unb oon 9?io be Janeiro im Speciellen erwartet unb v erlangt
roerben fann. %n biefer $infid)t wirb man, meine ich, erwarten fönnen,
baß bie 6trafjen gut gereinigt, gepflaftert unb beleuchtet finb, baft für
Jiort mtf> Sttb L., im. 22
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52^ ^ermann von 3f}ering in H:o (Sranfce bo Sul.
gutes Söaffer geforgt, her 2lbflu& regulirt, bie Entfernung beS Spaltes
bcr Senfgruben auf gemeffene SBetfe georbnet ift, bie erforberlid&e lieber;
wadjung ^infi^t(id) beS 33er f auf eS ber SebenSmittel nicht f etile, bei
herrfdjenben Epibemien alle möglichen SorjtchtSma®eln ergriffen werben
unb für genügenbe pflege unb Sehanblung ber Grfranften coigeforgt fei.
Sagegen wäre es ein offenbar thöridjteS Verlangen, wollte man bie
fämmtli<$en engen Straften, b. h- alfo bie ganje innere Stabt, umgebaut
miffen. ©benfowenig laffen fidj bie niebrige Sage ber Stabt unb bie
baraus refultirenben SBerhältniffe beS ©runbwafferS änbern. ©erabe biefer
Umflanb aber, bie Sage ber Stabt an beT nieberen Äüfte unb bie gleich5
fall« nicht ju änbemben Einflüjfe beS tflimaS, bringen es mit [\$, ba§
Rio nicht nur benfelben Spibemten, benen bie Seoölferung jeber großen
Stabt ausgefegt ju fein pflegt, fonbern befonbers aud) bem gelben gieber
leidet jugänglidj ift. %a biefeS Serhältnift mürbe fid^ aud) bann nicht
änbern, wenn an Stelle ber heutigen engen Straften breite luftige traten.
Sie ©efunbheitsbebtngungen einer Stabt finb baS Refultat jmeier ©nippen
uon gactoren, foldjer, bie in ben natürlichen 93erhältniffen ber Sage beS
Ortes unb feines tflimaS gegeben finb, unb foldjer, meldte burd) bie
£hätigfeit beS Sttenfchen regulirt werben. @S ift begreiflich, baft eine
Äritif ber Setfhmgen RioS auf bem ©ebiete ber ßngiene eS nur mit ber
testen Kategorie ju tfmn hat; unb behalt man baS im 2luge, fo !ann man
ber Stabtbehörbe baS Sob nidjt oerfagen, baft fte wahrhaft groftartige unb
hödhft anerfennenswerthe 2lnfrrengungen gemacht \)at, um bie Stabt ju
einem ben Serhältniffen nach gefunben Orte ju gehalten.
Sei allen Erörterungen über Rio follte man nie oergeffeu, baft bie
(Situ von Rio baS ©efchäftSoiertel ift unb audj für ^yrembe nichts anbereS
fein follte, nicht aber ber SBofmort. 2Bo$u finb benn alle bie jahllofen
SonbSlinien ba, moju alle bie fptilityn gefunberen Sorftäbte, wenn ber
grembe, ber nicht einmal bie 2lbfia)t fycA, fidj gu acclimatifiren, nicht im
^ntereffe feiner ©efunbheit unb feines 2Bof)lbefmbenS in ihnen fein Somicil
auffchlagen follte? Sie innere Stabt ift einmal ein niebrig an ber Äüfte
gelegener Ort, mit engen bumpfen Straften unb unfreunblichen alten oer*
wohnten Käufern, ber nodj feinem ber Dielen Reifenben, bie über fie be=
richtet, einen anberen als einen unfreunblichen ober felbft unfjeimlidhen
einbruct hinterlaffen hat. Siefer unbehagliche (Sinbruct aber ift golge ber
Sage unb Sauart ber Stabt, nicht aber ber SluSbrucf oernadhläffigter
Reinhaltung, früher, wie fd>on erwähnt, muft Rio eine ber fdhnwfcigften,
unfauberften Stäbte gewefen fein; aber baS ift längft anberS geworben,
unb in ben legten Secennien ift jum 5H)cit unter Sarbringung enormer
Opfer 3llleS gesehen, was $ur Rein* unb ©efunbhattung einer ©roftftobt nur
gefdjefjcn fann. Herfen wir in golgenben auf biefe 3)toftregeln einen Slicf.
Ein Sejug auf reid)lid;fte Serforgung mit oorjüglichem Söaffer ift
Rio eine ber günftigft fttuirten Stäbte. Sie bewalbeten waff erreichen
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Kio &e Janeiro.
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ßöhenjäge, welche dixo umfließen, [teilen feftr ergiebige Duellgebiete bar.
6<$on ©cherjer, ber im Allgemeinen über 9tio als ©tabt fefjr abfällig
urteilt, tonnte bodj nicht umhin, jrocien ber öffentlichen @inrid)tungen bie
oerbiente Anerkennung ju sollen: ber ©aSbeleudjtung unb ber SBafter--
leitung. @r rühmt bie großen, ftattlichen Brunnen, roeldje bie öffentlichen
$Iä|e jchmücfen. gaft an jebe ©traßeneefe fprobelt au« sierlidjem ÜKetaH=
haf>ne frtfcheS Duelltoajfer, baS auf grogartigen Aquabucten 3efm bis groölf
englifa>e teilen weit aus ben benachbarten ©neiß* unb ©ranit*93ergen
ber £ijuca=Äette hergeleitet wirb. „TO Ausnahme ber £riton=2Baffers
leitung in ber Umgebung oon 9lem4)oxt," bemerft ©d>rjer, „welche biefe
herrliche ©tabt täglich mit 40 SHillionen ©attonen SSaffer ju oerfehen
im ©tanbe ift, erinnern mir uns nicht, in irgenb einem ifjeile ber (Srbe
eine berartige Einrichtung oon größerer AuSbehnung gefefjen ju fyaben."
SDie 33erforgung mit SBaffer ift in 9tio auf brei große fieitungen oer*
theilt, welche eine ©efammtauSbehuung oon über 36 beutfd)en teilen ober
260 Kilometer befifeen unb in 24 ©tunben 36 ÜHiHionen fiiter SBaffer
liefern. $)ie ältefte ber brei Seitungen ift biejenige ber Garioca, welche
bereit« fett ber TOte beS oorigen 3aWunbertS in ©ebrauch ift. $iefe
großartige Seitung führt baS SBaffer oom Gorcooabo in einem überwölbten
(Sanale oon behauenen ©ranttquabern an ben Abgängen beS $hereften=
berge« hin unb überfdjreitet baS Xfyal &wif<hen btefem Serge unb bem
SRorre be Santo Antonio auf einem 18 9Keter frohen au« jroei übereil
anber ftet)enben Sogenreihen gebilbeten Aquäbucte. 2>a3 SBaffer, welches
ber Aquäbuct nach ber ©tabt führt, ftürjt am (Sorcooabo auf feiner falben
$öl>e, ungefähr eine ©tunbe oon ber ©tabt, au« einer großen SRenge
oon Duellen als reiner biefer äBafferftrahl in frönen GaScaben über bie
©ranitfelfen ^inab unb bilbet einen mit ber f)errliä)ften £ropenoegetation
umgebenen 93ach, naä)bem noch eine bebeutenbe Anzahl oon Duellen burdj
ebenfo oiele ben SBergabljang entlang ftdt} winbenbe Kanäle bamit oereinigt
roorben. Eine jToeite Leitung be$iefjt ihr Gaffer aus bem fleinen auf
ber ©erra ba £ijuca entfprtngenben SUtoracan&sgluffe. Sie jietjt fidj am
nörblichen Abfall beS StyerefienbergeS f)in unb oerforgt ben weftlichen
2$eil ber ©tabt mit SBaffer. ©ine brüte unb neuefte SBafferlettung enb*
lid), bereu ftetige Erweiterung unb Sterbefferung noch fortbauernb einen
Öegenftanb eifriger gürforge feitenS ber Regierung bilbet, ift biejenige ber
SHjuca, meldte baS SBaffer nad) einem riefigen SReferootre in ©. Shriftooäo
führt. Diefe Seitung unb bie riefigen gemauerten unb cementirten Sttefer;
ooire für biefelbe auf ber Xijuca ftnb eine ebenfo ftattlidje wie feheuS=
werthe Seiftung. 3Me ©rfenntniß ber SBichtigfeit beS SBalbbeftanbes ber
£ijucaberge für bie ©rgiebigfeit ber Duellen ^at bie Regierung oeranlaßt,
baS ganse in 33etrad)t fommenbe ©ebiet ju erroerben unb bie Vegetation
besfelben ju hegen. Ausgezeichnete gahrftraßen führen nad) ben ^ijuca=
bergen ^inaufy an einem herrlichen, in üppigften ^ropenmalb eingefaßten
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526 ^ermann ron 3fa™,9 in Kio (ßranbc bo Sul.
SBafferjaH oorüber unb nadt) ben ati glorefta bejeici>neteit neuen Magen.
$er Söalb felbft roirb nachgepflanzt, unb jroar all erfter Serfud) $u einer
rationellen gorftroirtljfdjaft in Srafilien mit roirflid) nüfetidjen unb roertt)*
ooüen Saumforten unb unter .§eranjiel)ung von Saumfctjulen. Gtne
gar)rt unb refp. ein Spaziergang in biefen Anlagen gehört für ben Statur*
freunb ju bem ©enufjreidjften, roaä nur freunblid&e ©ebirgöfceneric unb
üppigfte Sropenoegetation im herein mit einanber bieten tonnen. @3 ift
gar nidjjt 5U betreiben, meldte güUe unb 2)tonnigfattigfeit von Vegetation
f)ier bie 9totur auf ben fleinften SRaum jufammenbrängt. Qmmer oon
Beuern ftöfct ba$ 2luge auf unbefannte formen. Stanen, bie Seilen gleidj oom
Soben jur $rone unb fidj) fpaltenb oon Saum &u Saum ju erftrecfen, dlofyx*
gras unb f)au3f)of)e Sambuäftangen, ^arafiten, bie bicr)t gebrängt gletdj
Xeppid^en bie bicfften 2(efte überjiefjen, breitblättrige fairen, blüfjenbe
lorbeerartige Säume ober feingefteberte 3Jftmofengeroäd)fe, bie großen frönen
Slütfjen einer Sd(jlingpflan$e frod) oben im Saubroerf eines Saumes ober bie
mehrere üfteter langen Steifer einer ^almenfrone lenfen bie 9lufmerffamfeit
auf immer neue ©ruppe unb Sßradjteremplare f)in. Unb fo oiel man
baoon in fidj aufnimmt, nirgenbs fcl)rt bod) genau baS ©leidje roieber.
Söenn fcfjon am ©eftabe be3 Speeres ba£ eroig fidt) erneuernbe
Scfyaufpiel ber anftürmenben, fia) überfturjenben unb fcf>äumenb gurucf«
roUenben 2Bogen un$ immer neue unb feffelnbe 3lnblicfe geroäljrt, wie
oiel mef)r erft ber Urroalb mit feiner unerfdjöpflidjen 9)Zannigfaltigfeit uon
^ßflanjengeftalten. äHäljrenb im beutfä)en SBalbe Sudf)e ober tarnte unb
tu'nfidfctlid) beS UnterfroljeS einige wenige Sorten oon Süfd&en unb hänfen
fidf) immer roieberfrolcn, fo fdjeint fjter jeber Saum, jeber Straudj einer
anberen 3trt anzugehören. 9?aflj hunberten jä^lt bie 9)?enge ber Saum*
forten, welche im Urroalbe oertreten finb, unb nie trifft man ungemifdite/
Seitänbe irgenb eine« Saubroalbeä an. gilt uom brafilianifa^en 2i?albe
roaä ©oettje ron ber 9totur fagt: „Sie fajafft eroig neue ©eftalten;
roaä ba ift, mar nofy nie, roa$ mar, fommt nidjt roieber. Meä ift neu unb
bod) immer ba3 2Ute." Unb fo roirb man bem beutfa>braftlianifcJ)en £ia)ter
2i>. Sauer*) beiftimmen, roenn er biefe Ginbrürfe in bie Serfe fleibet:
2o bab idi, fdtöned Stoib, bidi ablieft,
2ae in Suöenbtraumen midi fdjon entäücft,
3>idi, blauer Gimmel ber etwa, ladit,
Xid) Jyrcifjeit, bie'* Üeben uuö Ijeiter madit!
21* 0 bic Saline Ijod) in ben Wolfen fdjiuanfr,
2i?o am üarfen ^aurne bic Sdjlinflpflanje ranft,
2i*o nimmer bic 2l£t ber ^ftonjer fdjtuaug
Unb nie be8 2Wcnfdjcit Stimme erftaiifl,
*) Unter Dicfem ^feubonqm bat ein anfltfe^ener bcuti'dier, in ber ^roüins 3iio
Wvanbe lebenber 3iiflciüeur eine 3iei[)e febr flelunfleucr ^id)tmiflcn ücröffentlid)t, bereu
einer au* ber „ Jcutidje" Rettung" uon 1SS0 $h. Gl mir bie folgenben 'Stropbcn
eutiiebmeu.
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J
— - Hio be Janeiro. 327
2Bo nid)t ber junger SUmofen fle&t,
23ei jcbcm Sdjritt neueä 2üunber erftel)t —
$a gefyt er ftill unb ganj allein,
Unb Slnbadjt bringt ifun in'£ fterj hinein!
$ie Ijerrlidfjen 2Balbungen ber Xtjuca*23erge , bie fdjöne ©ebirgS=
feenerie, bie Dielen 511m TfjeU aujjerorbentlich reiäoollen SSafferfäHe ber
Umgebung machen bie Etjuca 5U einem ganj befonberS freunblidjen unb
burd) bie oorjüglichen ©trafen audhju @rcurfionen emlabenben Slufent*
haltsorte. Xev grembe, fofem er nicht gerabe befiänbig in Rio oefd&af*
ttgt ift, wirb baher roeit angenehmer unb gefunber roofmen, wenn er eines
ber guten £otelS ber £ijuca aufluvt. $oft unb $ferbebafin ermöglichen
es, fa)on früf) in Mio ju fein unb 3lbenbs jurücfjufel)ren.
£aS, roaS mir l;ier von ben Sßafferfeüungen 3?ioS, oon ben großen
SReferooiren, ber pflege ber SBalbungen, au« benen bie Dueflen heroor*
fommen, gejagt fjaben, jeugt gennf? für ootteS aSerftanbniß für eine ber
roidjtigften Aufgaben ber öffentlichen ©efunbheitSpflege. Dbroohl bereits
cor ^a^ren über 70 Siter SBaffer auf ben Hopf ber Seoölferung täglich ent=
fielen, fährt bie Regierung bodj fort, bie SBafferbesugSquetten 5U oermehren.
&ier ift nrirflich Süchtiges gefeiftet, allerbingS wie faft immer unter 2luf=
roenbung unoerhältniSmäfjig ty)l)ex Soften. (SS ift einmal in SBraftlien
£rabition, bie oom Staate auSgefdjriebenen öffentlichen Arbeiten als be=
quemeS Sflittel ju rafdjer unb enormer Vereiterung ju bemifeen. Unter
folgen Umfiänben pflegt bie Ue6erroetfung bebeutenber Aufträge nid)t an
bie £üä)tigften unb an bie geeigneten Unternehmer $u gelangen, fonbern
an bieienigen, welche ben jwecfmäfctgften 2i>eg ein$ufdjlagen oerftanben.
So ift beim auch baS rieftge neue SBafferreferooir, weldjes für bie Xijuca=
Leitung in ^ebregulljo gan$ in ber 9Jäl)e beS !aiferlid)en Calais oor
einigen ,^ahren erbaut würbe unb oiele Millionen SDtarf oerfdjlungeu hat,
gleich nach ber erften 23cnufeung geborften. 2ßieber geflidt, jeigt eS balb
neue Kliffe, bie ben 2Bafferftanb nur auf brei 2)2eter ^Qöt)e fommen liefen
unb bie enormften neuen Ausgaben üerurfad)ten. (Sin mit folgen Arbeiten
oertrauter geroiffenrjafter Ingenieur würbe mit ber £älfte ber oerwenbeten
SHilKonen VeffcreS geleiftet haben.
9luf biefe SSeife baut ber Staat in SBraftlten enorm tfjeuer unb muß
noch frof) fein, wenn überhaupt etwas brauchbares babei entfteht. So
rourbe @nbe ber fiebjiger 3ahre in 9ito ©ranbe für Millionen ein neues
3oU'©ebciube errichtet. 1880 mujjte bereits ein 'Zfytii, roeil er im Gin*
frühen mar, roieber eingeriffen werben. 2>er Unternehmer aber foö bei
bem Gontracte bic flleuügfeit oon CO pßt. für fief) gerettet haben. 3)aS
ift nun an unb für fid) nidjt jum ^crnmnberu, roohl aber bie JiScalifatton
bes Staates, bie baS ©ebäube als contractgcmäfj ^erejeftettt abnahm.
l'lufcer für bie 21'afferleitungen hat bie braftlianifche ^egienmg in ben
legten fahren auch enorme Cpfer gebraut für bie (Sa na lifation ber
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I
328 Betmann von 3*!*""$ »*» <5ranbe bo £ul.
Stabt SRio be 3aneiro unb ihrer SBorftabte. ftrüher mar bicfer $unft
ein befonberS bunfler. Die Entleerung ber Aborte erfolgte burch bie 9teger
tnittelft tjöljemer flübel, bie fie SlbcnbS auf bem Äopf junt Stranb trugen.
Dies ift auch in ben anberen brafilianifchen ffuftenftäbten noch Jjeute
baS übliche Softem. 9Jtan fann Raj leidet benfen, ba& bie abenbliche
Säuberung ber 9teger mit ben „DigreS" auf bem flopf für bic Strakens
paffage feine angenehm* Suttykt ift, namentlich wenn bie Schwarten §u
früh bamit beginnen. 3n $orto Sllcgre wirb bie Verorbnung, welche ben
Negern bie Entleerung ber Kübel am frühen Slbenb «erbietet, burch
gelegentliche polizeiliche Slbfaffungen aufregt erhalten, wobei bann fämmt*
liehe Delinquenten mit bem Corpus belicti über 9tod&t in'S <PoIijeigefängm§
roanbem. 3n 9iio be 3aneiro ift man feit 1867 $ur Ganalifation über*
gegangen, inbem burä) eine englifche ©efeOfchaft Sielbauten (ESgotoS)
jur Abführung be« UnratheS aus ben Aborten unb sur Ableitung beS
:)iegenwafferS ausgeführt mürben. Diefe nadh bem Softem oon Seicefter
ausgeführten EanalifattonSarbeiten finb gleichfalls als eine grofjeSBerbefferung
anjufeh^n. 3m 3ufammenhange bamit ift an oielen ©teilen ber f eicht aus*
laufenbe Stranb burch üorgefdwbene Ouaibauten oerbeffert worben, inbem
baburch bie feiert auslaufenben Uferftrecfen, welche befonberS 5ur gäulnifc
hingeworfener ober angefpülter thierifcher Stoffe geeignet ftnb, befeitigt
mürben. 2We biefe Arbeiten waren befonberS beShalb fchwierig burchsuführen,
weit bie inneren Stabttheile wie j. $3. jene am Eampo be «Santa 9lnna
nur um etwa 3 SKeter über ben normalen SBafferftanb fich erheben.
Die Sielbauten bilben jeboä; nur einen, wenn auch befonberS wich-
tigen Xheil ber sur Entfernung beS UnratheS beftimmten Einrichtungen.
Sie werben ergänzt burch bie SBirffamfeit ber StrafeenreinigungSgefeflfchaft.
Diefer Eompagnie liegt es ob, bie vielerlei KüdjenabfäHe, Kehricht unb
allen auf bie Strafte geworfenen ober jur 3lbrjolung hingefteUten Unrath,
fowie enblich bie (Sabaoer ber gefallenen Xfyiexe, als #unbe, Kafcen, hatten
2c, 5U entfernen. Es Hingt faft unglaublich, wenn man bie Berichte
über bie £f)ätigfeit biefer ©efellfchaft lieft, welche 1881 jur Einrichtung
oon Cefen behufs Verbrennung thierifcher deichen perpflichtet würbe unb
taglich per Dampfer bie Dbjecte ihres Sammeleifers oon diio be Janeiro
nadh ber %n\tl Sapucaia fortfdjafft. Die StrajjenreinigungSgefellfchaft
hat beifpielsweife im 2luguft 1878: 3]/io Millionen Kilogramm Sdmiufc
unb SlbfäUe, fowie 2237 tobte £l)ierc fortgefchafft, welche an ber Küfte
umher lagen. 3m Cctober beffelben 3ahreS würben 5 Mionen Kilos
gramm Sdnnufc unb 3664 tobte £fnere, im Slpril 1880 5" > «Millionen
Kilogramm Schmu$ unb 3850 tobte Dl;iere abgeführt.
Dafe bic 9ieinlichFeitSüerhältni)fe oon Mo fia) feit ber SSirffamfeit
biefer Eompagnie unb feit ber Einrichtung ber Eanalifation ganj wefentlich
oeränbert haben müffen, ift ol)ne Weiteres flar. Dabei wirb in Mo bas
^flafter nicht nur oon Schmufc gereinigt, fonbem auch burch an ben
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Hio be 3«»ctro. 329
SBatTerleitunglröfiren angebrachte ©d)läuche vor bem gegen gefpült. ßurj,
man oermifet feine ber mobernen ©rrungenfdjaften jur Reinhaltung ber
©trafeen, unb roenn bei aliebem bie (Situ oon Rio be 3aneiro all 2öofnt*
ort roeber angenehm noch empfeblenlroertb erfcbeint, fo liegt bal in ber
Sage unb Bauart ber ©tabt begrünbet, nicht aber in SBerfäumnifj ber
burd) bie öffentlichen ©efunbbeitlpflege erheifd)ten SWafmahmen.
2luch in anberen bie Sicherheit bei Sebent wie bei Gigentbumel
ber Seroormer betreffenben Öesiefumgen fteht Rio hinter ben europäischen
©rofcftäbten nicht jurüd. Sär ©chlächtereistoecfe ift ein befonberel in ©an
Ghriftooäo gelegene! (äabtiffement oorhanben. Die sablreidjen Slalgeier,
welche fidj bafelbjt aufhalten unb ben Pa& beftänbig uinfreifen, oerrathen
bie 33efttmmung beffelben fa>n oon Settern. Da& nach brafilianifcber
8trte bie SlbfäHe bei gefdjlachteten Siehe! ben ?lalgeiern jugetoenbet
werben, ift roof)l bei unoermeiblichen ©eftanfel falber in fanitärer $e=
jielmng nicht ju tilligen, aber eine in ganj 33raftlien übliche Einrichtung.
9tfur in ber burct) ihre oielen Schlächtereien, Sarqueabal, befannten ©tabt
^elotal im äufeerften ©üben bei &aiferretcr)el oerroert^et ein beutfdjer
gabrifant, $err £. Gifte, bie fonft unbrauchbaren Slbfäfle jur £erftellung
eines Funftlichen @uano:3Heble! unb anberer einfchlägiger ^robucte.
®an$ auf ber ^öt)c ber 3eit ftcrjen in Rio bie Söfdjanjtalten, fo baß
nur relatio wenige unb geringfügige 33ranbe oorfallen. Dalfelbe gilt aucb
oon ber ©albeleudjtung, bie fdjon oor mehr all jioet Decennten oon
©d)erjer fefyr gerühmt tourbe. ,,©o unfdjön Rio bei Sage ift/' faßte er, „ebenfo
herrlich unb ftratjlenb nimmt e! ficf) bei Racf>t! bei ©albeleuchtung bejonberl
oom $afen gefehen aul. 2lll roir am Slbenbe nach unterer 2tnfunft bie
r)eU funfelnbe ©tabt oor unl liegen faben, glaubten roir, el fänbe aul
irgenb welcher feierlichen 33eranlaffung eine befonbere ^Beleuchtung ftatt, unb
bemerften erjt fpäter, bafj Rio jebc Radjt ebenfo feenhaft, all bei Xage
grauenhaft aulfieht." ©in! toie bal 9tnbere ift übertrieben, wiewohl na-
mentlich ber impofante 9lnbli<f bei beleuchteten Rio oon ber Öai aul gefehen
nicht in 9lbrebe ju ftelfen ift. Der ölid ift ar)ntid) jenem, meldten in
Hamburg bei Rächt! bal 2Ufter=33affxn gewährt, unb wirb nur nod) groß*
artiger burdj bie 2lu!behnung ber Straßenbeleuchtung bil auf bie £öhen
unb bie fernften 2Iu!läufer ber Sorftäbte. Die ©algefeflfd)aft ift ein
engtifdje! Unternehmen, welche! mit ber Regierung einen oon biefer feit langer
3eit unbequem empfunbenen Gontract beftfet. ©I fcheint bal nationle
©elbfigefühl fcfjroer ju oerlefcen, baß bei fo oielen großartigen öffentlichen
Unternehmungen bie Gnglänber ben ^ahm abschöpfen. So ift aufeer ber
©alcompagnie bie ilüftenreinigunglgefeUfchaft eine englifdje, unb lieber
Gnglänber haben bie v5onbllinien in Rio eingeführt, bie enormen Gana=
lh"ationl=9trbeiten übernommen unb aulgeführt, Diele Gifcnbafjnen gebaut
unb auch bie Äüftenbampffchiffahrt lange mit großer Suboention in ben
.^änben gehabt. Dal mag benn toot>t aud; einer ber Gkünbe geioefen
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330
^ermann ron 3^cri»g in Sio (Srattbe bo Sul.
fein, toeälja(6 bie Regierung oor fünf 3af)ren ben abgelaufenen Eontract
mit ber ©aS*Eompagme niö^t gleid) erneuerte. Sarauf f)tn fdjraubte
bie Gompagnie il;re greife in bie &öhe, roaS eine mächtige 2lufregung
im ^ubtifum jur fyolge hatte, beren Spifee ftd) t^etCd gegen bie Regierung,
theils gegen bie ©a8=©efellfchaft richtete- 3n einer ^olfsoerfammlung
befd)lojj man, ben ^ßrioat-Eonfum oon ©a£ einstellen. 9Hit Etnbrud)
ber 9tod>t fdjtofeen oicle ftaufläben bie Shüre, anbere beleuchteten mit
Petroleum. Sie Spenge, meldte bic Strafen burdjjog, zertrümmerte bie
©aslaternen, bie Strafeen blieben in ginftemife. Gruppen mürben in ben
5tafernen conjignirt. Patrouillen burdfoogen bie Stabt, ber flaifer, ber au*
bem Sweater ^eimfe^rte, tiefe feine 33egleitmannfdjaft befonberS serftärfen
unb eine untjeiluerf ünbenbe Stimmung beherrfdjte bas Stoff. 2lm anberen Sage
trat bie Regierung mit ber ©a3:@c)eHfdjaft nrieber in Unterhanblung
•JJtau folltc meinen, bie Erfahrungen, roeldje bei Einführung ber
Lintern* Steuer für bie 23onb3*Sinie gemacht roorben, l)ätte bie Regierung
uorfidjtiger madjen müffen — inbejj waren ja feit jener 3«t fd)on zweimal bie
Sttinifterien oon ber 33ü^ne abgetreten. 3m Uebrigen mufj man einräumen,
bafe bie Regierung fid) bem fBolh unb refp. bem Sßöbel oon 9fio be 3a«eiro
gegenüber in einer mißlichen Sage befxnbet. Sie 9fepublifaner machen fidj bei
allen Söaljlen breit, erringen auch namentlich bei ben 2Baf)len §u ben %xo-
utnjiallanbtagen immer bebeutenbere Erfolge; ihre geitungen treten für bie
sJiepubltf, anbere für bie Oteoolution ein. ©ine 9ter>oloer= unb Sdmmfcs
treffe erplorirt in infamfter SBeife ben Sfanbal unb gefällt fid) namentlich
bavin, bie etjrroürbige ^erfon be£ ftaiferS jum ©egenftanbe be£ ©efpötts ju
machen. 3a — iyreifyeit, bie id) meine! 28er bie)"e Sorte greifjeit fein
3beal nennt, ber fann ba£ monar<hifd)e 23rafilien als Sttufter für $rcfj*
freiheit ^inftellen. 23ei irgenbroie brücfcnbeu ober unbequemen Neuerungen
entiteljt unter bem Srucf ber &efc treffe eine $u ben gröbften Erceffen füfjrenbe
Aufregung. Tritt bie Regierung feft auf, fo fd)reit ba£ uergoffene Ü3ürgerblut
5um Gimmel um 9iaä)e; giebt fie nach, fo gilt fie für blamirt unb bie 9iadj=
giebigfeit erfdjeint als Sdhruädje. Einer folgen, ohnehin fo leicf)t erregbaren
SJolfSmaffe gegenüber ift bie Aufgabe ber Regierung feine leiste.
&öd)ft intereffant ift bie oben berührte ^atfad)e beS SBornnegenS ber
Englänber bei allen großen Unternehmungen unb Eapitalanlagen. Sabci
ift nad) ber in ^rafilten üblichen $ranS aud) naa) ber finanjiefleu Seite
fein 3tifico für fie oorhanben, ba bie Regierung 7 ober 6 ^rocent äinfen
beS firirten EapitaleS garantirt. So mar bie erfte Eifenbafm, raeldje in
ber ^rootU3 dlio ©raube bo Sul erbaut rourbe, ein englifdjeS Unternehmen,
welches feit fahren ber ^rooinj burd; baS grofee jährliche Seftcit enorme
Soften oerurfad)t. Sie Sirection nimmt auf bie Söebürfitiffe beS ^ertehrS
nid)t gebührenb Diüdfidit. So ift eine $u niebrig gelegte Eifenbafmbrüde
bei S. Seopolbo ein fehleres ^inbentife für bie Schifffahrt auf bem 9iio
bos SinoS. ES märe leidet jroifc^eii smei ^feilem eine Einrichtung 511m
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9
Kto &e Janeiro. 33J
Surcblaifen ber Skiffe einjurichten, allein baS liegt ja nicht im Qntereffe
ber Salm unb barum wiberfefct fic fid). 9Iuch bie granpfen treten in
Sübamerifa namentlich in neuerer 3*it als Bauunternehmer :c. auf. 2)a3
beutfehe Gapitel aber, baS wenigftens für Sübbraftlien am meiften ©runb
hätte einzutreten, jeigt feine ^nitiatioe. Unb geht \a von einer großen
beutfehen girma ober ©efelifchaft ein großes Unternehmen aus, wie j.
bie Ausbeutung ber £of)lenbecfen in ber ^rooinj Nio ©ranbe bo Sul, fo
weiß 2Rißgunft unb Neib nicht, wie fie fid) aufblafen unb bagegen intri=
guiren follen. Unb babei ift es ^t)atfad&e, baß ber 3mportf)anbel oon dlio
(Branbe faft ganj in beutfehen §änben ift: baß bie beutfehen Kolonien ber
Sßroomj profperiren, baS 2)eutfd)thum fich noch nirgenbs fo fer>r eine ge=
achtete unb feinen Söerhältniffen angemeffene Stellung errungen hat, als
eben in biefer, burdj ihr milbeS flüma bem Xeutfdjen befonberS jufagen=
ben 93rouin3 ; baß enblich ber @rport beutfeher 3nbujrrieprobucte nad) Nio
©ranbe ein fetjr bebeutenber ift unb es nod) mehr fein mürbe, wenn es
noch eine beutfehe (Simoanberung nad) biefer ^rooins gäbe. (Sine ftarfe
beutfehe (Simuanberung nach Sübbrafilien fdmfft ber beutfdjen ^nbuftrie ein
bebeutenbed unb immer wadjfenbeS 2lbfafcgebiet, inbeß bie ©inwanberung
nad) ben bereinigten Staaten Goncurrenten großzieht. So märe es un=
bebingt bie Aufgabe ber beutfajen ©irthfdjaftSpolitif, ber beutfehen (5oloni=
fation SübbrafUienS alten möglichen SSorfdjub ju letften. Statt bellen hat
bie beutfehe Regierung ber 2tuSftelIuug beutfeher ^nbuftrieprobuete in ^>orto
2üegre feine £f)eilnahtne gefchenft unb ftatt bie ©inroanberung nach Süb*
brafitien ju begünftigen, hält fie baS StuSwanberungSoerbot nad; Srafilien
aufrecht, wa* ungerecht beutfehen Elementen in Sübbrafilien gegenüber unb
unflug sugleia) ift im Sfetereffe ber beutfehen ©trtbfchaftSpolitif.
Unter benjenigen Neuerungen, burd) weldje Nio be Qaneiro im Saufe
ber legten Safyxe ben an moberne ©roßftäbte ju ftellenben 3lnforberungen
ju entsprechen fich beftrebt hat, ift auch bie für ein heißes ftlima boppelt
wichtige Srage ber (sisoerf orgung nicht 3U oergeffen. 2>aS (5iS fpielte
bis in bie lefcte £t\t eine untergeorbnete Nolle in ben braftlianifchen
ftüftenftäbteu, woran oor Willem fein hoher ^Preiä fchulb mar. 9Jton hat
Dielfad) norbamerifanifeheS ßiS importirt. Noch bis in bie neuefte $dt
bejog Sporto 2tlegre norbamerifanifeheS GiS 00m Sa ^lata h^, wobei
benn ber $retS pro Äilo auf 2 — 3 9)?arf ju ftehen fam. (£rft in neuefter
3eit hat man in S. $aulo, Nio be Janeiro unb Sßorto 3llegre große
mit Sampj betriebene 3Kafd)inen eingeführt, welche auf fünftlichem ißege
(SiS herftelleu. in thätige (SiSmafdjine ift eine ber größten,
welche epiftiren; fie oermag in ber Stunbe 1500 Mogramm @is ju er*
jeugen unb baS .Hilo ju 8 Pfennigen 3U oerfaufen. Seit biefer Seit ift
bie 93erwenbung oon ©is natürlich fchr geftiegen. 3JMn ftellt fich fd)wer oor,
wie empfinblid) ber fanget von Gtö, namentlid; auch für ärjtlidje 3wc^e/
bem baran ©eroötmten wirb. 2luf ber beutfehen Kolonie, wo ber berfaffer
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352 ^ermann ton 3ljering in Sio (Sranbe bo rnl. — -
btefeä AuffafeeS lebte, ift natürliches §iä nie fjafcen, e$ fei benn einmal
in befonberS falten SBintem in aller Sritye auf ben 2Bafferpfüfcen.
$or3äglidj finb in 9iio bie für bie Seljanblung ber ftranfen ge^
troffenen 93orfef)rungen. @3 eriftirt eine größere 2ln$al)l oon &ofpitälern,
u. a. ein portugiefifdjes, wie benn ein fold>e§ aua) in Sßorto 2llegre befiefjt.
£ie $5eutfdjen bagegen, bie in Gfjile unb Argentinien je ein eigenes Äranfen*
f)au£ gefa)affen Ijaben, finb in Srafilien trofc ifjrer numerifa) ftärferen
Entfaltung noa) nirgeubä jur ^egrünbung eines beutfdjen ÄranfenfyaufeS
gefommen; bodj mag biefes Sebürfnijj woljl gerabe in 9iio weniger
empfunben werben, weil bort bie flranfenflege im Allgemeinen feljr gut
georbnet ijt. 9tomentlid) baS grofce, 180 SJteter lange ÄranfenfjauS ber Santa
Gafa be 9Hifericorbia mit einem flranfenbeftanbe oon über 1000 ^erfonen
entfpridjt feiner Seftimmung in treffüdjer SBeife. 2)ie Säle finb Iwd),
geräumig unb luftig, unb bie Pflege unb 33et)anblung läfet nid)t$ ju
wünfdjen übrig, ein junger beutfd)er .Kaufmann, weldjer einige Seit
bafelbft in Söe^anblung gewefen, wufjte mir bie aufmerffame pflege unb
^ebienung feitenS ber Sd)meftern nid)t genug ju rühmen, £er junge
SJtonn ftammte aus guter gamilie unb mar als Kaufmann namentlid)
aud) in Spraken wof)l auSgebilbet. 3^enb ein bummer Streid) fjatte
ilm über ben Ccean geworfen, er f)offte auf Slnftellung als GommiS in
einem beutfdjen ©efd)äfte. 3n 23afn'a fanb er baS nid)t, unb nad)bem er
bura) einen improoifirten ßaufirrjanbel mit lebenben Sögeln fid) wieber
etwas SReifegelb erworben, ging er nad) 9iio be 3aneiro. Vergeben«
wanbte er fid) an oiele ber angefefjeneren beutfd)en ftaufleute unb baS
Gonfulat — er fanb feine 33efd)äftigung unb würbe enblid), rjalb oer=
hungert unb franf, auf ber Strafte aufgelegen unb in'S ,§ofpital gefa)afft.
$arauff)in naf)m man ftd) in beutfd)en Greifen bod) etwas feiner an unb
fd)affte tym bie Littel jur £erfteöung feiner ©efunbrjeit. Qd) fyabe feit
ber 3e^ nod) manage Seifpiele berart erlebt unb erfahren, wie gewagt
unb bebenflia) es ift, wenn gebilbete Seute, Ingenieure, £ef)rer, Äaufleute
orme 2luSfid)t auf fefte Stellung nad) Sörafilien auSmanbern. 2lud) in ben
bereinigten Staaten gef)t es barin faum anberS. ©ünftige Chancen bieten
fid) lebiglia) bem Acferbauer unb allenfalls bem &anbwerfer.
T»aS grofte erwäfmte £ofpital bient ganj in ber gleiten Steife wie
älmlia)c Gtabliffements an ben beutfa)en Uniuerfitäten jugleid) bem
afabemifd)en Unterrichte, Xie Stubenten begleiten ben ^rofeffor bei ber
äStfite bura) bie Hranfenfäle unb ^ören Vortrage Über widrige ftälle an.
3nt Grbgefd^ofe bepnbet fid) für Sectionen ein geräumiger, lururiöS auö^
geftatteter Saal. D^idjt weit com ^ranfenljaufe entfernt ift ba3 ©cbäube
ber mebicinifa)en gacultät, wo fia) bie oerfd)iebcnen ^örfäle, Laboratorien
unb Sammlungen befinben. ?ltte5 l)ier ift neu unb elegant Ijergeriajtet.
^efonberö intereffirte eS mid), bie naturwiffenfa)aftlid)en Sammlungen
unb Laboratorien fennen 511 lernen. 2)en günftigften (Sinbrucf mad)te bad
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Ö53
cbemifcfje Saboratorium, baS ganz in ber für beufelben $med in Deutfch*
lanb üblichen SBcife eingerichtet mar. §\ex ift wenigftens bei" Apparat
DÖÜtg in Drbnung, um bei rüstiger Leitung eine gute praftifdhe 2luS*
bilbung ber Schüler zu ermöglichen. Cb biefe oorfjanben ift, weift id>
nicht; auf ben anberen ©ebieten ift fie offenbar nicht f)inreid)enb. Das
botanifche Qnftitut wenigftens war weber gut georbnet noch binreidjenb
wiifenfchaftlich burdjgearbeitet. DaSfelbe machte fid) namentlich auch im
soologifdjen (Sabinet empfinblich geltenb. Die auSgeftopften Spiere unb
Präparate waren fajt alle aus ©uropa bezogen, fonnten mittun für bie
Äenntnifc ber heimlichen Tierwelt feinen befonberen 9öertr) haben. 2fujjers
bem aber trugen fie Stummem, ju welchen bie zugehörigen ©tiquetten motu*
noch gef ^rieben werben folten, fofern ber ftatalog nicht unterbeffen oerlegt
roorben ift. eine oergleichenbe anatomifebe Sammlung zumal aud) oon
3f eierten fehlte ganz, greilich ift ja 9tio auch in Sejug auf 3oologie
fehlest befieüt, inbem ber Vertreter beS gadhes wohl alles 2lnbere eher
fein mag als ein 300^9e- ®™e oon bemfelben im 3lrchio beS 9)cufeumS
publicirte 2lbf)anblung über eine grofee grofdjtaroe, bie unter bein Manien
,/8atrachnchthr)S'' — wenn es nur wenigftens richtig 33atracr)idt>tr)pS
fnefje! — als ein fabelhafter Uebergang zwifeben gifcb unb grof<h betrieben
unb natürlich als SBelegftücf für ben Darwinismus ausgebeutet würbe,
gehört zu bem Guriofeften, was bie neuere zoologifdje Literatur auf5uweifen
hat. Sehr oortheilhaft ftid)t bagegen bie Sotanif von Dr. ßaminboa ab, wohl
baS befie 23ucb, welches bis iefet in örafilien bem naturwiffenfehaftlichen
Unterrichte zu &Ufe fommt. ©inen oortheilhaften ©inbruef machte audh bie
pathologtfa> anatomifche Sammlung, bie inftruetio aufgefüllt ift unb in
Zahlreichen guten SöachSprä paraten ein werthoolles fiehnnaterial beftfet.
3m Allgemeinen mu§ man anerfennen, bajj in neuerer fteit wefentliche
gortfehritte in ber Organisation beS mebicmifdjen Unterrichtes gemacht finb.
2Benn es auch nicht angeht, ben Stanb beS mebicinifdjen Unterrichtes in
diio jenem ber europaifchen unb zumal beutfehen £>ochfcbuleu jur Seite §u
fefcen, fo unterliegt es boer) feinem Zweifel, baft jefct Denjenigen, welche
ein ernfteS Streben befunben, bie SRögtichfeit geboten ift, fid) tüchtig aus*
Zubiiben, gretlich wollte es mir fchetnen, als ob bie ,3ahl berer, welche
mit mirflichem ßifer unb gutem Grfolge bie gebotene Gelegenheit benutzen,
eine geringe fei, unb als ob feitens ber Stubenten 5U oiel 2Öertt) auf ihre
Sücher, zu wenig auf bie practifchen Uebungen unb Gurfe gelegt würbe.
Die GJefunbheitS^erhältniffe oon 9tio be Janeiro finb nicht ungünftig,
nur baS gelbe lieber hat biefelben in lefctere 3eit mißlicher geftaltet.
2Bährenb an unb für ftd; bie Sterblichfeit in 9iio feine ungünftige ift, fo
haben 23lattern unb gelbes lieber oiele XobeSfäUe *ur golge gehabt.
Weniger oerheerenb trat bie (Sfjolera auf. Unter 90,KU Sterbef allen,
welche in ben fahren 1862—1872 ftattfanben, unter benen über 6000
£obtgeborene fielt) befanben, entfielen 9625 auf epibemijche flranfheiten.
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55^ fyrmantt ron 3^cr"!9 »n <Srani>e bo Svl.
3lm fdjtimmften hat in Mio baS gelbe Sieber gewütet, weldjeS bort
äuerft im 3aljre 1850 erhielt. $iefe luftig auftretenbe anfterfenbe
5tranff)eit führt unter Erbredjen unb Durchfällen 3ur ©elbfudjt unb bewirft
unter Erbred)en fd^roarjer Stoffen, oft aud) SlutauStritten aus ben ©efäjjen,
häufig rafd) bie Sluflöfung beS ftörpcrS. 3h* erliegt ein Giertet bis ein
Drittel ber Erfranften, unb in gan$ befonbers h°hem ©rabe biejenigen,
meld)e an ben betreffenben Ort nid)t acctimatifirt finb, grembe forooljl
wie $rafiltaner au« bem 3nn^"- 3« ba$ Rxmexe beS SanbeS nämlta)
bringt baS gelbe gieber nid)t cor; es befä)ränft fid) auf bie Mften, wo
es rwn ben Sübftäbten ber Bereinigten (Staaten an bis nad) Buenos
2lnreS hin bie £afenorte l)eiingefud)t hat. 3« ben fünfziger unb fedjSjiger
3af>ren trat eS in Mio nur jroei ober breimal auf ; nad) ber heftigen Epibemie
oon 1872 unb 1873 aber ift es faft jebcs 3ßhr erfd&ienen unb fd)eint
jefct aus bem epibemifd)en in ben enbemifd)en Gf)arafter überzugehen.
Die ©cfafjr beS gelben Biebers tft fur Mio be 3oneiro jumal aud) wegen
ber burd) ben riefigen (Sd)iffSoerfef)r bebingten 33erfä)leppung eine ftetS
brohenbe. Die $afengcgenb unb bie innere Stabt finb baljer aud) in
befonberem ©rabe ben Erfranfungen auSgefefet. Die Sewolnter ber^or*
ftäbte, jumal ber etwas höher gelegenen, unb alle diejenigen, benen es
il)re äkrhältuiffe geftatten, etwas weiter ab oon Mio ju wohnen, finb ber
©efafjr ber Erfranfung relatio wenig ausgefegt. Es entfprid)t baS gan$
ben aud) anberweitig gemalten Erfahrungen. (So ^aben 3. 33. bie
granjofen auf ©uabeloupe bie Erfahrung gemalt, ba§ bei IHuSbrudj ber
Epibemie bie Entfernung ber ©arnifon nad; bem fünf Kilometer uom
9J?eere entfernten unb 550 Sfteter über bem ifeere gelegenen Etabliffemcnt
„du camp Jacob" ooHfoinmen bem gewünfd)ten Smede entfpradj.
Unter biefen Umftänben war es fefjr anerfennenSwertf), bafj bie bras
filianifd)e Regierung bei ber heftigen Epibemie ber ^al)xe 1872 unb 1873
bie anlangenben Einwanberer gar nid)t in Mio auSfd)iffte, fonbem fie
fogteid) per $af)n nad; ber brei <Stunben oon ber Mefibens entfernten
Station vBarra be ^irahu tranSportiren liefe. Die fo beförberten 2600
Einwanberer blieben uor ber Erfranfung am gelben gieber bewahrt,
welkes unter anberen Umftänben unter ilmen als nid)t 3lcclimatifirten be-
fonberS ftarf aufgeräumt l;aben würbe. Ob bie Hoffnungen, benen man
fid) in Mio bejüglid) einer 2krbefferung ber fanitären 23erl;ältniffe in
golge ber oielen $erbefferungen auf rwgienifc&em Gebiete Eingeben 51t
bürfen glaubt, fid) realiftrcn werben, bleibt ber .Sufunft anheimgegeben.
3ebenfallS bat bie Megterung jeberjeit bie erforberlid)eu 9flaferegeln, jumal
aud) burd) bie Örünbung befonbever £a$arethe für ©elb fiebert raufe,
Gf)ofcrafraufc u. f. w. ergriffen.
ES ift aufjerorbentlid) fduuierig 511 ermitteln, in welcher 3Beife fidj
ftattftifd; bie Sterblia)feitSs^erl)ältni)|e in Mio barftetten. Äeiu (Gebiet ber
Sffiiffenfdjaft ober ber 3lbminiftration liegt in ikafilien wol;l nod; fo fe^r im
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Hio be 3aneiro.
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Slrgcn, als eben baSjenige ber Statiftif. 2Bof)l finb neuerbingS lieber bie
Beamten ber ^rooinäial^räfibenturen jur 9tafteUung ftatiftifdjer Grabungen
angewiefen worben — allein foldje nebenher betriebenen, ber fnftematifd)en
unb oerftcmbnifwollen Leitung unb $urdjfüf)rung entbefjrcnbcr Slufnafcmen
fönnen nur fefjr geringen SBertf; beanfprud>en. 9tid)t einmal bie feiten oor=
genommenen $olfS§äl)lungen finb einigermaßen juoerläfftg. 60 ift benn
audj ber jeweilige Staub ber ©inmofmeräafjl ber SRejibenj nia)t genauer be*
fannt. $te oerfdjiebenen Angaben uariiren 3wifdjen 250,000 ober 300,000
bis 450,000. $ie lefcte wof)l $u fjoaj gegriffene 3al)l legte 1874
ba @iloa 2Ilcanan in feiner ju 23af)ia erfdjienenen ^Doctor^iffertation
einer 23ered)nung ju ©runbe, ber ju $olge er bie Sterblid)feit von 9iio
bc Janeiro aufeerorbentlia) günftig finbet, nämlid) 311 23 : 1000 pro 3afn*.
$aS fei ein nod) günfttgereS &erf)ältni§, als es Sonbon mit 25 : 1000
aufjuweifen fjabe. @S ift aber Mar, baß baS 23erl)ältnifj fta; fofort änbert,
wenn e3 fidj IjerauSftellt, bafj bie (Siuwoljnerjafjl erfyeblid) geringer ift. $m
3af)re 1872 fjatteSHio 1 0,065 £obeSf alle. 33ei einer SBeoölferung oon 450,000
Seelen mürbe baS allerbingS nur 22,4 auf £aufenb betragen. Giner ^8e-
oölferungSjabl oon nur 300,000 mürben aber 33,5 Sterbefälle auf 1000
öemofmer entfpredjen. ©dwn &>appäuS Ijob biefe Unfidjerf)eit ber
ftatiftifdjen $)aten unb 33eredjnungen fjeroor unb führte gegen bie 2lnnal)me
einer fwfyen 33eoölferungS5af)i ben Umftanb an, baß bie 3al)i ber ©eburten
in SRio fo enorm hinter jener ber £obeSfälle jurüdftefje. 3$ glaube, bajj
SSappäuS bier auf einem Irrwege fid) befanb, inbcm er bie 3<rf)l ber ©eburten
mit ber ber ©etauften ibentificirte. @S ift in SBrafilien burd)auS nictjt^
felteneS, bajj bie Xaufe erft fefyr fpät erfolgt. GS finb mir gar manage 5ätte
befannt geworben, roo fyalbwüdjftge jungen bei ber £aufe bem ©etftlidjen,
als biefer fie mit SSaffer befprengte, ein lanbeSübliajeS, f)ödjft gemeines
Sdjimpfwort. an ben ßopf warfen, $ermutf)lid) wirb in Dtio bie lange
$inauSfd)iebung ber Saufe, $untal mof)l bei ber farbigen SeoÖlferung, feljr
2ttobe fein ; oiele ßinber mögen bann ungetauft fterben, unb jebenfalis ift bie
3af)l ber ©etauften fein suuerlaffigcr 9)?afjftab für bie 3<# oer ©eburten.
2Me 3lbf)anblung über ^ortalitätsoer^ältniffe, weldje oben angeführt
würbe, ift ba&er nod& weniger wie ältere ^ublicationen eine fixere ^afiS
für bie be$üglid)en Ermittelungen. Sie ift olmeljin nidjt aus CueOeu-
werfen gefä)öpft, wie fdjon baraus t)eroorgebt, bafj fie bie eterbliajfeit oon
9?ew^)orf ju 70 oon £aufenb angiebt, wälireub biefe bod) 1881 in
einem ungünftigen 3af)re ficr) nur wenig über 31 erfjob, unb anbererfeits
ber beutfdfjen Kolonie am 2J?ucuru, bie feineSwegS ju ben günftigftfituirten
gefjört eine 8terbli<f)feit oon nur 2,8 auf £aufenb anbietet. 9tatürlid)
liegt bie Sdmlb baoon an ber Unbraua)barfeit ber beuufcteu 9toti$en,
bie ja natürlid) nidjt fammt unb jonberS unb oljne Äritif benufct werben
burften.
Ser in dlxo fia^ oorübergeljenb aufhält, tl)ut am beften feinen 3iufent-
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330
fjermann von 3l}ering in Hio (ßranbe &o 5n!.
tjalt auf ber Etjuca $u wählen, wof>in woljl balb fdjon bic (Sifenbafm
führen wirb.
9(uf einer ausgezeichneten gafjrftrafje gef>t es bergan, bie Reifen,
jum £t)eil oon flehten SÖafferfäQen gebabet, treten näl)er, unb ber Slicf
erwettert, ftdj bis enblidj ein gro&er 2t)eil oon dixo unb ber Sai oor uns
ausgebreitet liegt. 9iadjbem bie £(% erflommen ift, fenft fiä) ber 2Beg
wieber etwas, unb an freunbliäjen junt %l)e\l fein* lururiöS ausgestatteten
unb als Sommerfrischen benufcten Siüen oorfiber ftrebt ber Söagen bem
3iele ju, bem in einem Weinen oon flarem Sßaffer burchraufd&ten Seitens
tl;ale ibnHifdj gelegenen &otel.
ÜBer bie lange JJa^rt fd&eut unb ^ö^er an ben bergen wohnen modjte,
wirb am £f)erefienberge wof)l leiäjt baS finben, was er fucfjt. 31m Sßaffeio
yublico $meigt fi<h bie SonbSlinie ab, meldte bortf>in fü^rt unb unter ben
rwl;en Sogengängen beS mächtigen, baS i$al äberbrücfenben Stquäbuct
f)inburdj> 3ur Station ber 2>ral)tfeilbaf)n beförbert. 3n leidstem SBagen,
geräufchloS unb ber treibenben Äraft uns faum bewu&t, ergeben mir uns
auf bem „<piano tncltnabo". 2luf bem 9iebengeleife fommt uns ein ^weiter
SBagen entgegen, faft als folte er mit bem unfrigen äufammenftofcen, unb
nad) wenigen Minuten finb wir oben, wo fd>n ber SonbSwagen jur
Sßeiterbeförberung bis ^u ber Gatra b'agua, einem Äeferooir ber SBaffcr*
leitung, bereit ftef)t. Oben genie&t man eine fdjöne 2lu3fic3E>t auf einen
£1) eil oon iRio unb feineu Sorftäbten, jumal Gatumbo, unb auf bie in
fünf bis fedjs Linien fta) übereinanber fdnebenben Gonturen ber oer--
fdnebenen bem Hüftengebirge angerjörenben 33ergfetten. 2)er S^erefienberg
ift nur fiellenwetfe bitter bebaut. $ie Strage führt an zwei Rotels oor*
über, oon benen namentlich baS $uerft fommenbe fc&öne gelegen, fauber unb
bequem eingerichtet ifl.
Unb fo wirb 9iio be Janeiro jebem ©efdmiacf unb jebem Sebfirfniffe
burtt) fein milbeS fllima, bie Ülnmutr) unb Steblichfeit feiner Sorftäbte unb
bie ©rofjartigfeit feiner herrlichen Umgebungen Rechnung tragen fönnen.
2öeun ber Italiener in feiner feurigen jur Uebertreibung geneigten 9luSbrucfS'-
weife Neapel als bie ^erle beS Schönen preift, als bie 9?ealifirung beS
,§Öd)ften unb ©rofeartigften, was bie ^pt)antarte auszumalen oermag, nad)
beffen (SemiB feine Steigerung mehr mög(ia) fei unb bafjer nichts übrig
bleibe als ber Xob — fo wirb oon 9iio be ^öneiro wenigftens baS ohne
Uebertreibung gefagt werben müffen, baft fidj rjier baS 4?errlt<hfte oereint,
was lanbfchajtliche Schönheit unb üppigfte güße ber üRatur §u bieten
im Staube finb, unb ba& auch bem Sielgereiften im reiben Jtranje ber
GrinuerungSblätter baSjenige eines ber ftrahlenbften bleiben wirb, welkes
bie üluffa)rift trägt: 9lio be Janeiro.
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\
I
Sealsfielb poftl.
Don
fr. ^entmann.
— fjerrliberq am ^üridtfee. —
(S iti), von ber SRebaction ber „©egenroart" baju eingelaben,
in „9?orb unb ©üb" («September 1879) meine Erinnerungen an
SealSfielb jufammengefafjt f>atte, roar es für midj ein
angenehmer ©ebanfe, bicfeö ©egenftanbeS für immer entlebigt ju fein.
Siur wenige mir bamalS befannte Umftänbe, roelcfye über baS Seben beS
9JianneS in ber Sdjroeij ein £id;t 5U »erbretten üermodjten, waren in jenem
Sluffafce unerwähnt geblieben, fo bafo id) annehmen fonnte, baS SBefentlidfje
fei erfd)öpft. ©leid)roof)l lieft mid) bie ©adje nidjt rufyen. Einmal ein*
getreten in baS md&t gerabe furjroeilige ©efdiäft, ein ©ef)eimnife be=
brüten, wirb man von ber magifdjien ßraft besfelben feftgefjalten; unb ber
gebulbige Eifer, ber babei entroidelt werben mujjte, läfjt eine geroijfe Söärme
jurüd. 2lud) tyxtte idj bie 3lrbeit mit bem ©efüf)l üerlajfen, bie vom
6anb 5ugeroef)te Sp^inr nur jutn ^eit ausgegraben ju haben. 211S bafjer
bie Hnfdjauung ber offen gelegten ©liebmafjen bie Umriffe ber nodj vti-
bedten $ur 2lf)nung braute, ermatte au$ ber Trieb, nod) einmal in bie
Xiefe unb feitroärtS $u fd&aufetn.
@leidj$eitig, aber unabhängig von meiner Arbeit, roar üon Dr. Victor
Hamburger eine inhaltreiche <Sd)rift über SealSftelb mit einer SReit)e non
Briefen beffelbcn an #rodhauS, Gotta unb Erljarb herausgegeben roorben,
aus benen mir baS gleite 33ilb, baS ich fdjon r»on ber perfönlidjen 93efannt-
fdjaft r)er in mir trug, roieber entgegentrat. Siefer Sd)riftfteller, ber mit
fritifdjerem 93Ud als bie früheren in ben ©egenftanb eingebrungen roar,
ftetlte brieflich einige fragen an mid), über welche er entroeber in befonberer
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538 £ f?cmmann in fjerrlibcrg am 5"ticbfcc. — -
^Beantwortung au ilm ober in einem $weiten 3luffafee 3luäfunft $u erhalten
wünfd&te.
$ie ertfe betraf bie beiben Öudjftaben C. 1\, weld&e nadj Seatefietbs
9lnorbnung über feinem Sd>riftftetlernamen auf bem ©rabfteine ftefjen. 3«
golge einer mir unerftärlid)en tfünftelei fiub in £amburger$ Sdjrift biefe
2lnfang$bud)ftaben be$ wirflidjen Tanten« in bcr SBeife ju einem einigen
oerbunben worben, ba& burdf> SJerfefeung ber inneren Sßölbung be3 C auf
bie erfte &älfte be* jweiten 33uc&ftaben$ ein P cntftanben ift, wäljrenb
©ealsfielb in ber an mid> gerichteten Reifung einfadj ein C (Ssi) unb
bal)inter ein P (Pi) gewünfdjt r)atte. $er Auftrag lautete ofnte weitere
(ftflärung: Waffen Sie ein Ssi Pi über meinem Tanten cinmeifeln!
fann ntd)t cinfefjen, was ju bieiem Sflttwerfhrnbnifj 9lnla§ gegeben fyat,
wenn i# e3 nid&t bamit erflären barf, bafj man häufig o^ne befonberen
©runb ba$ ©infame überfielt, um $u irgenb etwaä Söerwicfelterem ju ge=
langen.
£>ie jweite grage berührte bie 3roifd)enftation 3üri# auf £ealäftelb£
Jludjt: @ra$, 3ürid>, 9tew=Cr(ean£. $dj fyatte oon biefer 3rovftf)en::
ftation nur oermutrmngSweife gefprodjen unb wage audj jefct nod) nid)t,
beftimmtere Angaben ju tnadtjen. Cbne meine Sdjulb tyaben anbere $ar=
fieller biefe SBermuttnmg aufgegriffen unb barin eine feftftebenbe Sfyitfadje
gefeljen. Xer Umftanb, bafe Sealäficlb fdwn im 3lnfang feinet fpäteren
Auftretens in ber Sdjweij mit ben f)eroorragenbften 3)2itg[iebem ber
3üridjer Soge in 3?erbinbung ftanb, unb mehrere Anbeutungen, über bie
id) nudj nid)t äußern will, brauten mta) auf ben ©ebanfen, bafj er fcfyon
im 3Hai ober ftuni 1823 in $üx\ä) ^ur5c 3gü oerweüt fjabe, um bann
weiter nad) 9few=Drleanä 5U reifen, bem 23eftreben, biefe 3>ermutbung
$ur ©eroifcbeit $u erbeben, ftiefj ia) auf fo etgcntf)ümlid}e unb rjartnädtge
Sd)wterigfetten, baft id) biefe ftrage auf fid) berufen laffen muü. 2£urbe
bodjj oon berufener breite bie falfdje iMjauptung aufgestellt, SeaUfielb fei
gar nid)t Freimaurer gewefen! Aud) oon anberer «Seite würbe mir in
Allem, wa£ bie i'oge betreffe, $orfid)t empfohlen unb biefe 3Wabnung mit
ber gurdjt begrünbet, baß 511 weit getriebene aSißbcgicrbc bie 2>ernid)tung
ber nod) oorl)anbencn Cuellen $ur ftolge baben tonnte. Cbwotyl td) nur
für Ceüerreid), fonft aber nidjt begreifen fann, weldje iöcbenfeu ber 9iaa>
forfebung in biefer 9üd)tuug oor Anbrud) beä uädrften SalnlrnnbertS ent*
gegenfte^eu fönnen, würbe id) es fel;r bebauern, burd) 9HittI;eitung meiner
©rfalmmgcn einem trüber ben 8d)immel fa^eu 511 maajen, um fo mebr,
ate mir uerfidiert wirb, ba|? ba^ unfluge ^citerfpinnen bura) einen anberen
^orfa^er bereite gefd;abet bat. 6» würbe baburd) ber einige toa(, in
weldjem bie ^bentität oon siaxi ^oftl unb Charles ©ealdpelb gerid)tlid)
bewiefen werben fonnte, zugemauert.
Xagcgen fann id) auf bie britte #xa$c ^amburger^ eintreten, wefdje
baiin befteljt, ba^ er nict)t begreifen fann, „wie 3ea(£fielb fid) fo lange
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Sealsfielfc poftl.
339
in Brugg auffalten fonnte (1844 unb 45), ba eine Srnjalil oon Briefen,
bie et tf)eil* mitteilte, tyeil* nid>t, au* ber 3^it feine* Brugger Stufent*
falte* immer oon anberen Drten batirt feien." 3n feiner Sdjrift „Seatetjelb*
^oftf, bi*f>er unoeröffenttid^te Briefe unb Stttttfjeilungen ju feiner Biographie,
2Sien, fi. 9to*ner 1879'' finbet fid& aber gerabe au* ber 3eit be* Brugger
Aufenthalte* fein einziger. Bon bem am 16. 1842 oon Säger*
wettert batirten «rief an ©rf)arb in Stuttgart ift eine Sücfe M* jum
9. 3ult 1846, unter roeld&em Saturn ©eateftefo roieber oon geuertfjalen
au* föreibt. ©ben in biefe Sürfe fällt ber besroeifette Aufenthalt in
'Brugg. 3" einem t>on ber eigenen $anb gef^riebenen Briefe ma$t
Seafefielb am 16. Sluguft 1845 in feiner 2öoj)nung su Brugg bie W\U
Teilung an 9iegierung*ratl) (Sulinger in 3önä), ba§ er oorgeftern nad; einer
Rur oon 89 Sagen in ber 2BafferI)eUanftalt Breftenberg am $attnmlerfee
in feiner Häufung in Brugg roieber angelangt fei. Gr fagt in biefem
Briefe, ben bie 9todjfommen be* Slbreffaten al* 2Iutograpf) aufbewahrt
haben, au*brüdlidj, bie 5htr habe nur 89 Sage gebauert, nidjt roie ed)te
2ßaf)erfuriften motten 9 ober gar 18 SRonate. <5t fprad) feine bereit*
toilligfeit au*, bem bura) ©ölinger oermittelten SBunfch greiltgrath*, mit
ihm jufammensutreffen, 511 entfpredjen unb fdjlägt für biefe* 9ienbe$oou*
vöaben ober Sdhinjnadj oor. „3öiU mir hingegen §err grctligrath ba*
Vergnügen ertoeifen, mid) in Brugg al* ein werter ®aft 51t befugen,
fo ift er tyxiiid) ju 2lllem, toa* meine ober oielmehr meiner £au*frau
Äfidje unb mein Äetter barbieten, roiHfommen. #aben Sie felbft einen
£ag 3C^ unD emc mäfeige Sofi* Suft mitjufommen, fo oerftebt fid^ oon
felbft, bafj Sie gicia^faH* ^erjlitt; roillfommen finb. Sie fennen sroar
Brugg, Sd)insnad;, &ab*burg 2c bereit* ; aber biefe Stellen abermal* ju
feiert unb fid) oon ihren (sie) geroifj nidjt fet)r crroünfdjten Regenten*
forgen ein ober jroeg (sie) Sage ju erhoben (sie), fann jebenfaQ* audj
nid)t fdjaben. 9(ua) bemerfe id), ba& wir in 'Brugg nebft tolerablem 2Bein,
oon bem Sie roie id) weif? fein großer Liebhaber finb, ercettente* SSaffer
haben." 9?eben biefem birecten Beroei* feine* längeren Aufenthalte* in
bem fogenannten Sprophetenftäbtdjen fann angeführt roerben, bafj bort nodj
immer ^erfonen leben, roeldje mit ihm oerfefjrt haben, Herren, bie er
jum Abenbeffen in feiner JBolmung einlub unb bie baran SljeU nahmen,
Jrauen, bie ihn beroirtheten. £)ie beiben nun oerftorbenen 3eugen feine*
mit @rt)arb oon Stuttgart in Brugg abgefdhloffcnen unb bort getriebenen
Vertrage*, bie Herren Dr. SHpfyonS 9iof)r unb Bejirteoenoalter Keffer,
ber $au*befifcer, würben einzig genügen, feine DJieberfaffung in Brugg
aufjer 3rocife^ 3U fteöen. Anbere fdjrtftlidje Spurcjt fonnte id) atterbing*
m'd)t finben. $m polijeilia^eu grembenoerjeidjnit} ift fein Starne nid)t
eingetragen, unb e* lär)t fid) annetjmen, barj fein ^au*ljerr, beffen Bc=
amtung jum Bejirf*amtmann in naljer Bejicljung ftel)t, biefe Reibung
oielleidjt auf feine Bitte unterlieg. Seal*fielb ift aud) au anbern Drten
»orb unt> €iib L., ISO. 23
3^0 Ejfmmann in fjerrlibcrg am düridjfee.
nicht ohne Slbficht tiefen fdfjriftltchett Ginträgen fo oiel als möglich auS;
gewichen. 2lber auch im ©afthaufe, wo er ben SHirtagStifch ^atte, pnbet
fid) fein Nachweis einer Bejahung beSfelben. 5Dtc 35Mrtt)in erflärte biefen
Langel bamit, ba§ er, wie fic ft<h genau erinnere, jebeS Gffen fofort baor
bejahte, womit feine Sprung unter ben onbern nicht fpecifkvrten £ageS*
einnahmen oerfchwunben ift. Söeim nun ober bie £odfjter beS bamaligen
Hausherrn beute noch bie oon 6ealSftelb bewohnten ^romer seigt ; wenn
ber Sofm beS Bauers im benachbarten Dorfe SRnnifen, ben er fefjr oft
befudjte, 3of). Dbrift, 2HüHer in ©chinjnadf), in einem Briefe mittheilt,
„Herr ©ealsftelb, nach feinen eingaben ein 2lmerifaner, aber beffenunge=
achtet ein geborener Deutfchlänber, ber fid) £ag unb 92a<ht mit bem Stubium
oon neuen Büchern bemüht höbe, fei in feinen QünglingSjahren oft oon
Brugg ju feinem Bater hiitouSgef ommen" ; toenn enbltch bie HauSgenoffen
ber 2lpotf)efe ©toefar fagen, er habe nach bem Gffen ben Kaffee bei ihnen
getrunfen unb mit feinem red&tfjaberifdjjen Sßolitifiren ben Bater unb fie
geärgert: fo fann meine Angabe gar nidt}t mehr beff er beglaubigt werben.
(Sinb gleichwohl aus biefer 3eit Briefe oon ihm aus anberen Drten batirt,
fo ift bieä nicht auffallenb, wenn man bebenft, bafj er SBodfjen lang abwefenb
fein fonnte, wie jener lange Kuraufenthalt im Breftenberg beweijt.
Hamburgers oierte §rage betrifft bie ©efdjidfjte bes Banferotts feines
©efchäftsfreunbes in üRew=DrleanS. ^Diefe fönne fi<h nicht fo zugetragen
^aben, wie er fie mit erjagt hat. Da ich für bie 2Bahrheit biefer unb
noch Dieter anberer Grjählungen aus feinem 2ftunbe nie eingeftanben bin,
oielmet)r bie meiften oon Anfang an nur als feine Darfteilung gegeben
habe, fo fann idh auch hier nichts weiter oerbürgen. 6eine Angabe, er
habe in ber erften 3eit feines Aufenthaltes in ber Schweis bie beutfa)e
Sprache nur mangelhaft gefd&rieben unb gefprodhen, wahrenb bodh mein
JDhr einen fo naturwü<hfigen Dialeft erfannte, bafj biefe Behauptung fofort
oerbädjtig war, machte mich gegen alle feine Gelungen mifctrauifch. Gr
fpradh „SigSbe" ftatt eiehft Du, „fiteren" ftatt führen, „3Winäe" ftatt
3Künje. GS fann ja ebenfalls nidjjt wahr fein, was er oon feinen beiben
in SBeftpoint ftubirenben Söfmen unb oom Gebernfplitter, an bem feine
Braut geftorben fei, erzählt tyA. AIS er oon ber 2Birtf)in in Brugg ge-
fragt würbe, warum er an einem greitag nie &um Gffen fomme, antwortete
er: „Der greitag ift für midh ein oerworfener £ag; benn an einem Jreitag
habe ich meine grau, mein einiges $inb unb mein Bermögen oerloren, an
einem greitag habe idh Schiffbruch gelitten." 2Bar eS ihm jnerft nur barum
3U thun, mit folchen aufeerorbentlicijen Antworten bie ^eugierbe abjufpeifen,
fo gab er julefot bie erftaunlidfjen Dichtungen auch unaufgeforbert 3um
Beften. Da bie fühuften Gelungen Dcm 3"^rer feine Södfjer in ben
Slopf fd;lagen, fo gab fidh auch 9fiemanb 3Wüt)e, fie &u beftreiten. 2ßenn
bagegen Anberes, baS er nicht erzählt r)at, wahr fein foUte, fo fann er bei
jenem Banquier in 9?ew=DrleanS gan$ wohl eine bebeutenbe Summe beponirt
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Sealsf ielb poftl. 3<H
fjaben, unb in biefem gafle giebt bie £f)atfad)e, bafj er fid& ain 29. 3anuar
1827 in fionbon in äufcerfter ©ctbnott» befanb, ber (Srjäljlung oon bent
plöfeltdjen 93erluft burdj ben Sanferott feines ®efd&äft«freunbe« einige
^atyrfdjeinltdjtfeit. ©« ift aber audj möglidEj, bafe bie ganje ©efdfjidOte nur
feinem 23eftreben, ftd) in ben 2lugen 2lnberer ein 2tnfef)en ju geben, bienen
foHte, inbem er e« bem 3^örer überlief barüber nadfoubenfen, wie $iele«
er oerlteren gehabt fyxbe. $er Sine fd^neibet auf mit Summen, bie er
beftfce, ber Rubere mit folgen, bie er ju oerlteren im ©tanbe gewefen fei,
unb beibe wollen bamtt ben gleiten ©inbrucf mad&en.
S3on jef>er reijte mid) bie Aufgabe, meldte ba« innere fiebenSbilb
6eal«fielb« bem $Beobad)ter gebellt tjat, mefjr, a£« bie Verfolgung feine«
äufjeren ßeben«laufe« ; i$ glaube, ben Sd)lüjTel jur Söfung ber Söiber-
fprüd&e in jenem 2luffafce im Septemberfieft oon „ftorb unb Süb" 1879
geboten ju f)aben. <5« mar mir barum $u tfiun, benen, bie ba« wedfjfelnbe
Spiel oon Offenheit unb $erfd£)loffenf)eit, SBetd^ett unb ^arte, greigebigfeit
unb ©eij «i^t begreifen fonnten, einen (Sinblitf in biefe« oon faum ge=
ahnten inneren dampfen serriffene äerj su oerfd)affen. Xaju bewog tntdf)
befonber« ber 31. ^falm, ben er juerft ju feiner ©rabfdbrift toaste, nad>
$er aber mieber fallen liefe, al« er ben 23er« au« bem 143. gefunben f)atte:
,,©e^e nidjt m'« ©ertd)t mit deinem Älteste; benn oor £>ir ift fein
ßebenbiger geredfjt." $ener 31. Sßfalm, ber alfo mit Unredfjt auf feinem
©rabftein ftefjt, ift bod) eine 3«* ^ng oon ifmt feftger)alten worben, bi«
er bie jufagenbere Stelle fanb. @r fyat an ben 2Borten eine fd&merälid&e
@enugtf)uung gefunben: „item fieben f)at abgenommen oor Setrübnifj unb
meine 3a^re oor Seufjen; meine $raft ift jerfaUen oor meiner 3Riffetf)at,
unb meine ©ebeine finb oerfd)madf)tet. SBor all meinen Orangem bin i<$
eine grofee Sd&madlj geworben, aud) meinen 9tad)baren, unb eine Sd&eu
meinen SSerroanbten; bie miä) fel>en auf ber ©äffe, fliegen oor mir. Sfteiu
ift oergeffen im £erjen roie eine« lobten; idfj bin getoorben roie ein 5er =
brodfjene« ©efäfc. $enn id& r)öre SSieler fjeimlid) Spelten; gurdjjt ift ring«
umljer." $)iefe 2Borte, auf benen fein 2luge geruht f)at, bezeichneten mir
bie Aufgabe, bie idjj &u löfen Ijatte. Stauer legte id) weniger ©eroidjt auf
bie ftrenge golge feine« äu&eren £eben«gange«.
211« aber jene 3roeifel über feinen 2tufentf>att in Srugg auftaud&ten,
wanbte id) mic& aud) biefen gragen ju. 6« war nadfj fo langer 3eit
nidjt meljr leid&t, al« ^Sfabfinber ben gu&fpuren su folgen, bie ber leife
auftretenbe ©aft in ber Sd&roeij prücfgelaffen tjat. ^nbeffen ift e«
gelungen, ein weniger lü<fenl)afte« SÖUb feine« fdjjweiscrifd^en 2)omicil«
^erjufteaen. Sei biefer 9trbeit t)atte id^ bie greube, eine 9ieil)e neuer
^atfadjen in @rfaf)rung ju bringen, weldfje wieberum 3ur Äennjeicimung
feine« 3«nern beitragen; unb nid)t oljne Sefriebtgung wirb man erf ernten,
bafe auc^ biefe 3%* m^ bereit« entworfenen übereinftimmcn. <3o
23*
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3^2
^. fjemmann in Ejerrliberg am güti^fce.
viele 3«"9™ i<h oeruommen habe: in feiner AuSfage begegnete mir
ein Stria), ber oon ben früheren abroeidjt.
&öa)ft roahrfa)einlia) fjat Äarl ^oftl ben tarnen SealSfielb erft in
Amerifa angenommen, roo er im Auguft 1823 (anbete, 9tod)bem er biefes
■ unb baS folgenbe 3al;r theils in Soutftana, theils in ben mittleren Staaten
langfam reifenb unb beobad)tenb jugebraa)t hotte, maa)te er in ber nörblta)
von ^ittsburgfj gelegenen Stabt Äittaning unter beutfdjen garmem einen
längeren Aufenthalt. 3m Dctober 1825 reifte er roieber in ben ©üben
unb hielt fitf) btd jum SJtoi 1826 in Souinana auf. $tt ber Abftd)t,
feine 33eobaa)tungen ju reröffentUdjen, fam er nad) $eutfd)lanb jurüd*
unb bot im (September 1826 von granffurt aus bem Jrei^errn oon Cotta
eine in jroei feilen befteljenbe 9?etfebefd)reibung an, roe(d)e mit bem $er=
faffemamen G^arle^ SibonS rotrflia) erfd)ienen ift. ,3ug(ei$ ftclltc ilm
Cotta als amerifanifd)en Correfponbenten für bie „AugSburger Allgemeine
Leitung" unb für baS „9J?orgenblatt" an. 9?aa) Abfa)lu6 tiefet ©eföäfteS
reifte er nad) Sonbon, roo er baS 9ieiferoerf in englidjer Sprad)e unb
eine jroeite Sdrrtft über Cefterreid) IjerauSgab. $ier geriet!; er in ©elbs
notf), roeld^e einjugefterjen ben ftoljen 5J?ann gerotfj gro&e Selbftübers
roinbung gefoftet ^at. 9?ad)bem er feinen Vertrag mit SRurran, bem
englifd)en Verleger, als $fanb an Cotta gefanbt hatte, half ihm biefer mit
einem Vorfdjufe oon 40 ^f. St. aus ber Verlegenheit. 3m Quni 1827
reifte er, roieber neue Arbeiten für Cotta in'S Auge faffenb, nad) 9?ero=5)orf,
begab fia) naa) furjem Aufenthalt oon ba nad) ^t)^Qbelprjia, roo er fieben
2Boa)en lang angeftrengt arbeitete. Da er r)icr roieber in ©elbnotf) fam,
ging er nad) Äittaning jurücf, roeld)e Stabt er feine Heimat nennt. £ier
ooflenbete er feinen erften Vornan, ben er anfänglid) „Canonbah", bann
„Xofeab ober bie roeifce SRofe" nannte, ben er aber fpäter in oeränberter
ftorm unb unter bem Xitel „Der legitime unb bie SHepublifaner" aud)
beutfd) Verausgab. 1828 reifte er noa) einmal in ben ©üben unb fam
bis nad) SHerifo. 1829 trat er in bie 9iebaction beS bonapartiftifdjen
Blattes ,Xo courrier dos otats unis", roeld)eS ber in SRero 3erfen lebenbe
©rfönig Sofeph angefauft hatte. Doa) balb gab er biefe Stellung roieber
auf. Denn 1831 begab er fia) mit bonapartiftifd)en Auftragen nad) bem
Süben, hielt fia) am 9ieb 9iioer in Souifiana auf, roo er fein entbebrlia)eS
©elb anlegte, unb fam enblid) als Agent SofcphS unb als Correfponbent
ber Siero^orfer 3eitung „The morning Courier and Eiiquirer" nad)
(Suropa. 9faa)bem er abroed)felnb in $aris unb Sonbon, roo er aua) mit
bem Monthly Koview ,,The Englishman" in Verbtnbung ftanb, ein 3arjr
lang gearbeitet hatte, fam er 1832 in bie Sa)roei$ unb fefete tyex in
größerem 2Hafjftab unb in Auffeheu erregenber SBeife feine literarifd)e
Xhätigfeit fort.
Der erfte ^unft, auf bem er in ber Sa)roeis auftaua)te, war Aarau,
unb 3ioar im hinter 1832/33. Wemanb roufcte, ba& er ber Verfaffer beS
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Sealsftelb po{H. 3^3
eben anonpm erfdjeinenben 2Berfe£ „$er Segitime unb bie 9?epublifaner"
unb ber fchnell auf einanber folgenben „$er Viren unb bie Slrtftofraten,"
„XranSatlantifche iReticifijjen/ ,/JebenSbilber au£ bciben &ämifphären''
fei. Xer bei Creü , Süfjli u. (Sie 1835 ^erauSgefornmenen „Krauts
fa^rt 9tolph 2)oughbo'£, III. Xfyeil ber TranSatlantifdjen SReifejfwen"
ift eine 9ieifje oon 3ie$enfionen au£ beutfchen 3e^i [Triften oorgebructt,
welche fich in ber 23ewunberung biefer glänjenben Säuberungen über*
bieten. 2113 SealSfielb an einem Siegenfonntag beS Sommert 1833
einer ©efetlfchaft in 2larau oon 3lmerifa erjagte, fxet einer Same, welche
baS erfte SEerf gelefen hatte, 2£ort unb SSenbung ber münblicben Scbilbe*
rung fo auf, bafc fie nachher fagte: „Sßenn ich mich nicht fct)r triufche, fo
ift biefer &err ber gro§e Unbefannte felbft". £>iefe iöemerfung mürbe ihm
fdierjroeife mitgeteilt unb oerftimmte ilm febr. £aS SBerftecf hinter
feinem amerifanifdjen tarnen war ihm nicht genug; gletdjfam als wollte
er fein $afein auch no<^ hinter einem ^weiten Verhau fiebern, fürchtete
er auch als Säjriftfteüer befannt $u werben, $n 3Iarau hotte er einige
greunbe, mit benen er fi<h regelmäßig su einem Sfuftabenb jufammen*
fanb. 2)iefeS Spiel betrieb er mit einer folgen 3Heifierfd)aft, ba§ Dr.
$oh- Sajerr, ber ifm fpäter beobachtete, bie Vennuthung ausgeiprocben
hat, er !önne oon ^prag, wo man in ben höheren ßreiien hoch fpielte, aus
feinem ©ewinn fefjr wotjl eine beträchtliche Summe für feine gludjt ge*
fammelt hoben. @r roolmte im testen £aufe ber neuen Vorftabt bei
Bierbrauer @rnft unb hotte feinen Tifch im ©afthof jur ßrone. Stoiber
fam er noch oft 5U einer befreunbeten Familie auf 23efuche oon acht Tagen
nach 3larau.
3m (Sommer 1833 50g er nadj Stein am dtyein. #ier begegnet
und jum erften SJtol eine 2ldullcSferfe beS gelben, ber fid> groüenb mit
ber URenfchbeü unb mifttrauifd) gegen alle (Sterblichen in fein 3elt 5urucfs
gejogen hatte. T)enn bie ftolje ©infamfeit brüdt fein SBefen nicht ooll*
ftänbig aus. ^Dreimal oerfuajte er, aus berfetben herauszutreten unb ben
3auberring, in ben ü)n ber 23rucb mit feiner #eimat unb bie Verleugnung
feines Familiennamens gebannt l)atte , $u burdjbrecben. 2)er natürliche
£)rang nach einem oertrauten föerjen, ben ein [tarier 2SilIe mof)l getoaltjam
unterbrücfen, beffen aber auch ber Stärffte fich nicht gänzlich entlebigen fann,
rifj ihn ju einem Sa)ritt r)in, beffen 2Jttfjlingen unfer SHitleib oerbient, ob*
roohl babei bie unbdnbige 3lrt feinet Temperaments beinahe fomifch ju
Tage trat. $ie folgenbe ©pifobe ftammt au£ ber per fönlichen 3Jiittheilung
ber noch lebenben Srau, welcher barin eine Hauptrolle zugefallen ift
Sealsftelb wohnte in Stein im &aufe beS ^erm ißräceptor ^35fchen-
ftein. @S waren alte Seute, bie ihm ßoft unb Sogis gaben. 3" bem
gegenüberliegenben §aufe „$im SRofenect" befanb fich ein Spejereigeichdft,
beffen $etailoerfauf bie jmanjigidhrige Tochter ber gamile, bie ältefte
unter eilf ©efä)wiftem, beforgte. SealSfielb fam häufig in ben Saben
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3^ ^. fjcmmann in fjerrliberg am gütidjfee.
um (Sigarren y\x taufen, ohne bei biefen Befudjen mehr ju fpredjen als
nötfug mar. Söenn aber bie £od)ter 2lbenbS mit ihrem oierjährigen
Schwefterdjen auf ber Brücfe fpajierte, ©erliefe er ebenfalls feine 2Bof)ming
unb näherte fid; if>r. £ange ging er mit ihr fjtn unb her> wobei er mit
bem SRagbalendjen anwerft liebenSwürbig tfyat. 2luf biefen Spa$iergängen
gab er fid^ als 2lmerifaner ju erfennen, erjagte oon feinem Beftfethum in
Souifiana, r>on feiner bortigen Haushälterin, einem alten 9?egerweib, unb
beamtete einmal mit Bergnügen, man habe ihm gefdjrteben, bafc if>m im
©ergangenen 3a&re f° UTl° f° Sieger geboren worben feien. 2Benn
er biefe Bemerfung in ber BorauSfefcung fallen ließ, bafe fic ihn unmtber*
ftehlid) madje, fo Jatte er fidj ooflfommen getäufdjt. ©ine SluSbrucfSmeife,
bie fiä) für einen Schafhirten fchitft, welcher bem ^eerbenbefifcer berietet
bafj tfmt feine Lämmer fo unb fo oiele 3unge geworfen f^ben, fonnte
einer Brautwerbung in ber Schmeij faum jur Empfehlung bienen. 3ur
Unterftfifcung feiner 9lnftd^ten richtete er an bie Altern feiner Sluserforenen
bie ©inlabung ju einem SRadjteffen, bie fie aber auSfchlugen. 2ÜS fia)
hierauf bie £ochter surücfhaltenber benahm, rüctte er offener heraus unb
oerfpradj ihr für baS 3aroort all Brautgefdjenf baS Schlojj GafteH am
Unterfee. Stefe Befifoung, baS Eigentum ber gamilie oon Scherrer,
hatte fcfwn bamals einen 2Berth oon 200,000 ©ulben, eine (Summe, meldte
SealSfielbS Vermögen bei weitem überftieg. (£S ift auch fraglich, ob baS
©ut überhaupt oerfäuflich war. 9lber es begegnet uns In'er wieber bie
©ro&fpredjerei, $u ber ilm feine Steigung, ju imponiren, öfters oerleitet
r)at. Sie machte abermals einen bem beabftd&tigten entgegengefefoten 6in=
brudf. Sie £oä)ter erflärte ben Altern beftimmt, fie möchte nicht um
Millionen bie grau biefeS unheimlichen 2ttanneS werben.
3luf ber Bleibe, einer otelbefudjten Sommerwirthfchaft am $lingen=
berg, wohin SealSfielb am Sonntag 3lbenb fpajierte, traf er mit itjr
wieber jufammen. 2US fajweigfamer Beobachter fah er, bafc ein junger
#err ihr jene harmlofen ^ulbigungen barbrad)te, bei benen -Wiemanb an
etwaö Böfes benft. $a biefelben freunblid) aufgenommen würben, fo er-
beb fia) SealSfielb auf einmal in grofjer Aufregung unb ftürmte nach §aufe.
£ort tobte er wie ein Unfinniger, ftiefj bie heftigften Bermfinfchungen aus
unb brohte, biefen 9Kenfa)en, feinen ocrmeintlidjen Nebenbuhler, ju er=
fted)en. Sod) über Stacht befann er fidt) anberS. Senn am SWorgen
hatte er feine ßabfeligfeiten sufammengepaeft unb oerliefj Stein für
immer.
%n Stein ^atte er fonjt feine Befannte, unb obwohl er ben ganzen
£ag faft unauSgefe^t fd^rieb, wujjte 9iiemanb, bag er Sajriftftetter fei.
Seine Koftfrau f Gilberte it)n als geijig; er habe fpärlia) gelebt unb nur fein*
oiel ÜJlild) unb Butterbrot oerlangt, baS er immer fofort bejahlte. Seine
5tteibung war fajl fd^äbig, fo bafj bie Seute fanben, biefes SluSfeljen reime
fid) gar nia}t mit feinen aRitujeilungen unb 5Berfpred)ungen. Bon Stein
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Sealsfielb pofll.
ging er luieber nach 33abeu uub wofmte im borauf folgenben äßinter 1833/34
im ©aftfjof $um ©ngel in (Snnetbaben. Ta er mäfjrenb bei 9ftebitirenl
Inn* unb ^ergc^en mußte, fo waren upm bie oon ber Duelle erwärmten
Gorribore angenehm, fo baß er andf) in ber golge nodb oft bie fälteften
SWonate r)ier jubrachte. $ie &aulgenoffen berieten, übereinftimmenb
mit ben früheren unb fpäteren, oon feiner großen ©parfamfeit.
1834 unb 1835 oerlegte er feinen SBofmftte in bal &aul „aum
©teinboct" in Unterlaß bei Sfixii), welches £errn ©emetnbammann Sar
gehörte, £ier arbeitete er wieber auf's ©trengfte an ben Sßerfen, bie im
Verlag oon Drell, güßli & Gie. gebrucft würben. 2)er jweite SSerfudfj,
innigere 33anbe ju fnüpfen, fällt in biefe $eriobe. 9li<$t weit vom
„©teinboct" rootjnte ein bei genannter $trma angeheilter ©dhriftfefcer,
beffen ©ofm, ©dfniler bei unteren ©nmnafiuml, bie (Sorrecturbogen oom
ßlfaffer ju ©ealsfielb fun* unb jurücftragen mußte. Xiefer ftnabe jog
bie 3uneigung bei einfamen SRanneS auf fich, unb wir glauben ber £ar*
Rettung bei jefet nod) lebenben einfügen ©nmnafiaften gerne, baß er oon
ihm freunbliä) behanbelt würbe. $enn überall, wo ©ealsfielb jur &ütung
feine! ©eheimniffeS unb jur 2ib weifung forfdfjenber 9?eugieTbe nidf)t gleia>
fam auf ber 2ßad)t fielen mußte, alfo gegenüber Jlinbern, Sanbleuten unb
bürgern, bie mit almungSlofer Unbefangenheit oor it)n traten, ließ bie
Spannung feine« 2BefenS nacf) unb er fonnte eine ungewohnte Sieben!*
würbigfeit entfalten. Stoajbem ber änabe eine 3eit lang feinen Xienft
oerriajtet hatte, fpraa) fein ©önner beut SBater ben SBunfch aus, ben tfarl
ju aboptiren. Stber ber ©chriftfefeer nahm, wie er feinem ©olm bie ganje
Unterhaltung erft an beffen ßocfoeitstage mitteilte, biefeS 9lnfinnen
juerft all Schern auf. 2tt! ©ealsfielb bringenber würbe, antwortete er
mit einer entfdjnebenen Ablehnung; boa) jener lieg fidj oon feinem 33or*
haben nicht abbringen, ©ein Anbringen würbe nur ungeftümer unb
julefct warf er bem 93ater oor, baß er feinem Sohne in ber ©onne ftehe.
$a oerlor ber SJtonn bie ©ebutb unb erflärte runb heraus, baß er feinen
Sohn nidjjt oerfaufe. tiefer 2luSbrucf, ber ©ealsfielb gewiff ermaßen in
ben 9tof fteüte, all fei er ein ©flaoenhänbler, erbitterte ihn fo fehr, baß
er nidfjt nur iebe SBerbinbung mit 5Bater unb (Sohn abbrach, fonbern auch
Unterlaß ganj oerließ, weil er fid^ mit nodfj anberen gamilien überwarf,
bie auf bei ©cljriftfefeerS ©eite jtonben.
Um ben britten 93erfudj biefer Slrt anjufügen, müffen wir eine fpätere
^ßeriobe feine! Sebenl vorausnehmen. $m J^fatjre 1855 fchrieb er oon
simerifa aus an ben Stüfermeifter ©dfjenfel in ©dljaffhaufen, bei bem er mehrere
3ahrc gewohnt hatte, einen 93rief, beffen Hauptinhalt bie SBttte war, ümi
feine 3wei iöc$ter<hen hinüber jufenben; er weTbe für fie forgen wie ein
SBater. $)ie Äinber, bie ben einfügen #aulgenoffen wegen feiner grei*
gebigfeit in gutem 3lnbenfen behalten hatten, wären fehr gern gegangen.
Mein ber Sßater gerieth in heftigen 3°rn unb würbigte bie Slnfrage feiner
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3^6 £ {^entmann in fjerrlibcrij am §üria)fce.
Antwort. $iefe Vemüfnmgen [äffen al)nen, toeld^e ©ef)nfudjt na<§ 2tn*
fdjließung baS ^erj biefeS abftoßenben 2ftanneS bewegt fyit, unb wie feine
©djroffljeit nur bie SflaSfe war, unter ber er fein ßlenb oerborg. ^nbem
mir uns biefer Vorfteüung Eingeben, erfaßt uns wieber baS SJHtleib mit
einem ©djitffal, aus bem er bie nötige £ofung, bie Verbinbung mit fetner
eigenen gamilie, nid)t finben fonnte!
9Han fyat gefragt, warum er biefe Verbinbung nie mefjr gefugt,
warum er überhaupt fein ©ef)eimniß, beffen Sefanntwerben tfmt gemt§
nid)t mein* gefäljrliä) werben fonnte, mit fidj in'S ©rab genommen (jat.
Vergegenwärtigen wir uns aber, wie empfinbliä) fein ftoljeS ©elbftgeffiljl
war, fo liegt bie (Srflärung na^e. SRecenftonen aushalten, oerurfad&t
einem ©d&rtftftefler gewiß fein befjagliajeS ©efüljl. 2öaS ift aber erft eine
Viotfection beS perfönltcfjen Sebent, weldje mit ber Deffnung beS ViftrS
unfehlbar an i&m oorgenommen worben wäre! 2ludj genügte einem folä)en
G&arafter fa>n ber ©ebanfe, oom interejfanten Slmerifaner jum fimpeln
Defterreiäjer f>erab$urmfen unb bamit auf ben Söorfprung ju üerjid&ten,
ben il)tn ber bloße 9tome »erlief 3a) glaube, er f)ätte baS Vefanntmerben
feiner Vergangenheit niä)t ertragen.
Von Unterlaß 30g er in bie ©tabt 3üria). $ort wohnte er oom
27. October 1836 bis §um 17. 9)iai 1837 bei Sanbjäger^auptmann Jel)r
in ber f leinen ©tabt. 1837 reifte er in ^rioatangelegeiujeüen naä) 9torb=
3lmerifa, traf aber am 18. 9iooember 1837 wieber in 3&x\$ ein unb
blieb rner bis sunt 15. $ecember bei 9iorborfS Grben in ber großen ©tabt.
2>en SSinter 1837/38 braute er in Vaben §u, oon wo aus er jenen 33efudj
in Slarau maä)te, bei bem er mit .fterrn ikofeffor Slodjlwlj jufammenfam.
$en Auftritt fjabe ia) in „ftorb unb ©üb" ©eptember 1870, ©. 326
erjäf)lt. %m ©ornmer 1838 wohnte er in geuert^alen, im SBinter in
Vaben, 1839 in geuertf)alen. ©r erhielt in biefetn ©ommer einen $efu<$
oon ber befreunbeten 2larauer gamilie. ©ie fjolte it)n in einem SBagen
ab, befuäjte in feiner ®efeUfä)aft ben Sirenenberg, ftonftanj unb Ueber=
lingen, wo fie fiä) etwas länger auffielt. 3uerft war cr $x m$s
r)er wollte er fie frei {galten, aber unter feiner fieitung ging es formaler
ju. Vom 24. ©eptember bis 311m 30. 9iooember 1839 wolmte er wieber
in 3ürid| bei ©eorg oon Gfä)er in ber flehten ©tabt. 3fn biefen Sauren,
welä)e auf feine 9tü<Jfel)r aus 2lmerifa folgten, arbeitete er wieber unauS*
gefegt an ben „fteuen &mb* unb ©eebilbern (1838), bie bei %x. ©ä)ultf)eß
tjerausfameu, ju welkem Verlag er fid) fdwn mit bem „^ftonjerleben"
unb mit „9totf)an ber ©quattersregulator" gewanbt f)atte, bann am „Äajfitem
buä}" (1840). 1841/1842 war er in Sägerweilen, oon wo er mit
ber S3ud)l)anblung in ©tuttgart, bie fpäter bie ©efammtauSgabe übernahm,
correfponbirte. &ier oerfaßte er fein lefcteS 2Berf, bas oeröffentliä)t würbe,
„©üben unb Horben". Gr lebte fitU für fid), fpajierte oiel, am liebflen
am SBaffer ober im 2Balbe, unb war freuubliä), ofnte gerabe gefpräajig ju
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Sealsficlt» pofH.
3^7
[ein. $in unb roieber befugte er ben im nahen flreujlingen roohnenben
Senrhtarbirector Xh- Scherr. 3n ben SBintem 1841, 1842 unb 1843
toar er roieber in Saben, roo ihm 3rau ßüpfer ermäßigte greife bewilligte.
Sein 3ntimuS in SBaben war bcr bamalige ^rofeffor unb fpätere 9iebacteur
Utepomuf Schleuniger, ©erne befuäjte er bie borttgen SWaSfenbätte, um,
toie er jagte, bie Sitten ju jrubiren. 3n 23aben lernte er ben Slrjt
Dr. SllphonS Sftofn: aus bem nahen 33rugg fennen, ben er roegen feiner
2Tugen confultirte. ,3m 3um 1844 50g er bann nach Srugg unb blieb
bort auch im folgenben ^aljre. 9Son ba raanbte er fidj roieber nach geuer*
traten, hierauf nad) Schafföaufen (1847—53). CSr roofmte tljeits im be-
nachbarten §otel Sßeber, theils in ber Stabt felbft, hier juerft im $aufe
ber gamüie Sftener, bann in bem neu ^ergeri ästeten bes JtüfermeifterS
Schenfel. 3m ^ote( Söeber traf er mit ber injroifchen oertyetratheten
Xodjter von Stein jufammen, bie feine Sßerbung ausgeflogen t)atte. Sie
faß mit einer ©efeflfctyaft an ber Xafel, als er eintrat, auf fie jufam, fie
freunblich grüßte unb fragte: Sinb Sie nun glücflidj? 1853 reifte er
nach 2Tmerifa, oerroeilte juerft in £outfiana, bann in Stendorf unb
93rooflon, bis er 1858 burch $errn SRationalratf) ©uferoißer baS &auS
in Solotlmrn faufte, in welchem er am 26. 3Rat 1864 ftarb.
3u biefen 2lufenthaltSangaben ift ju bemerfen, baß SealSftelb ja^t-
reid>e 21bfte<$er machte, befonberS in bie 2Bafferfuranftalten, auf bie er
großen 2Bertf) (egte. 2tuä) ju &aufe fefote er, fo weit möglich, bie Söafferfur
fort. Gr ftanb in Schaff Raufen bei .fterrn Schenfel bes Sommert um
rrier Uhr auf, ging oor baS £f)or, tranf oon einem beftimmten Grumten,
nahm jroei glafchen baoon mit fia) ^eim, babete baljeim, roicfelte fiä) in
wollene $ecfen unb legte ftdj roieber in'S 33ett bis acht Uhr. 3n 2llbiS*
brunn bei Raufen ßt. 3ürich mar er als flurgaft »on 1846—52 eilfmal.
1852 im Suni traf er in ber neu errichteten Slnftalt 2öolfSberg im Efmrgau
ein. ©inem Äurgaft, ber bort mit ihm oerfehrte, ift noch beutlich in ®c-
innerung, roie er im £one abfoluter ©eroißheit oon ber fa>n eingetretenen
ober no<§ roerbenben 9tichtigfeit ber meiften ©roßmäd)te im Vergleich $u
ber 9llIeS Überflügeinben norbamerifanifä)en Union fpraä), neben ber er
nur noch SRußlanb gelten ließ. $)abei gab er ju oerftefien, baß er biefe
Urtr)cttc nicht aus ber fiuft gegriffen, fonbern unmittelbar aus bem 9totf)
ber polüifchen Halbgötter, $u bem er fid& auch regnete, gefchöpft fyabe.
Seine näa)fle Umgebung, bie Sdjroeis, fam babet nidjt am beften roeg.
Dbroo^ er fie jebem anbern Slufent^att oorjog, hatte er an ihren ©in*
richtungen mehr ju tabetn als ju bittigen. Xie Seroegung oor unb
roährenb beö SonberbunbSfriege« mar ifjm unbehaglich unb be5 Spottes
fonnte er fid) nicht immer enthalten. ©8 ift ber gleiche 3U& oer ^m
fajon bie Un$ufriebenheit beS ©roßmeifterS feines DrbenS jugejogen hatte,
roelcher fxä) nach feinem Serfchroinben folgenbermaßen über ihn oernehmen
ließ: 3ch muß ber ©ahrheit gemäß beifügen, baß ich feit beinahe jroei
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3^8 ^entmann in Ejerrliberg am §nrid?fcc.
Sauren mit biefem CrbenSmitgliebe unjufrteben $u fein gerechte Urfadjje
^atte unb ihm feine £auigfeit unb flälte in geiftlidhen Functionen, fein fecfeS
einbringen in höhere ftamilienf reife, fein ftoljes Benehmen gegen bie
Brüber, fein anmafeenbeS Urteil über prioate unb öffentliche 2lngelegen=
tjeiten wieberholt unb ftreng oerwiefen habe unb jwar mit bem Beifafee,
bafe ich einem anberen OrbenSbruber bie SecretariatSgefchäfte anoertrauen
mfijjte, faffö in feinem betragen feine wefentüche 2lenberung erfolgen
foßte." 2lber biefer 3"9 erhielt eine noch gefteigerte Scharfe, als er,
loSgeriffen oon jebem Berbanb, an bem ber 3J?enf<h feinen natürlichen
$alt finbet, biefen 9Jtongel auf anbere SÖeife ju oerbecten unb jugleich
bie Unwahrheit, bie feinem ganjen gefellfchaftlichen $)afein ju ©runbe
lag, mit einer 3UDerficht, bie Slnbere oerblüffen foßte, ju oerhüflen
fudhen mujjte. Jür Slnbere unerflärlidh unb ihm felbft nicht immer bewufjt
befanb er fidt) eigentlidh in einem fortwährenben ftriegSjufianb. Wix tarnen
biefe grellen Behauptungen, mit benen er fo Biele oor ben Stopf ftiefi,
oft wie baS pfeifen eines 3Wenfd£)en oor, ber fi<h im £)unfeln fürchtet.
(£r fühlte fidh auch in ber ©efeßfcljaft wiffenfchaftlidj unb harmomfö
gebildeter Banner nidht behaglich- Sßiet mehr fagte ihm biejenige oon
Beamten, Äaufleuten unb einfachen Bürgern ju, wo bie ©efahr, fleh auf
ben 3°hn fühlen $u (äffen, nicht fo gro§ ift &ter fet)rte er mit Borliebe
ben Befifeer amerifanifcher SBerthpapiere heroor unb fudt)te 2lße, bie bafür
Sinn r)attenr jur Anlage it)reö ©elbeS in biefen bamals nodh weniger
befannten Unternehmungen ju bewegen. Bon ber beutfehen Siteratur wufete
er fo wenig, ba& infofern fein amerifanifcheS Bürgerthum glaubwürbig
erfdhien. Sein ganzes ©laubenSbefenntnifj in biefer ßinficht war ber oft
wieberholte Safe: ,,©oetf)e ift ber einzige ©entleman unter ben beutfdhen
Tutoren." hingegen wenn <SeaI«ficlb eine 3eitung in bie &anb nahm,
jo las er jwifchen ben Seilen mehr als jehn anbere.
2lUe biefen Eigenheiten lajfen ftch erflären theils aus feinem früheren
Seben, in bem fta) feine herrifdhe Stfatur erfolglos gegen bie gejfeln ^ex
Suborbination aufgebäumt rjatte, theils aus bem fortwährenben (Streben,
burdh fchroffeS Auftreten jeben Berfudfj eines ©inblicfeS in fein ©eheimnifc
jum Boraus ju entmuthigen. £aju famen aber einige Bijarrerien. Bon
feiner abergläubifchen Abneigung gegen „Sflenfchen, bie ©ott gezeichnet
hat/' ift fdjon bie SHebe gewefen. Es genügte auch, ba§ er auf feinen
frühen Ausgängen einer alten grau begegnete, um fofort gänjlich »er*
ftimmt nadh ßaufe jurücfjufehren. Srgenb eine anbere Schrulle fonnte
ihm ben ganzen Xag oerberben. Niemals, fagt eine feiner beftat Be-
fannten, ift mir ein Sttann begegnet, ber feine böfen Saunen weniger ju
jügeln wußte, als Sealsfielb. $n biefer Beziehung oerbienen einige
fpred^enbe obwohl lächerliche Auftritte erzählt $u werben.
2lls Sealsfielb bei Hauptmann SJefjr in Rurich wohnte, würben
einem anberen $enfionär, ber unwohl war, gefachte 3roetf<hgen auf baS
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Sealsfielfc pofU. 5^9
3immer gebracht. Salb barauf mußte SealSfielb baS 3inmier 5ütcn unb
erhielt gefönte 2lepfe(. ^ahrfdjeinlid) weil er ber Meinung war,
3roetfdjgen feien feinet ober nobler als Slepfel, fdjlug er fidrm unb be*
flagte fid) fo heftig über bie oermeintlidje 3urü(ffefcung, baß üim §aupt*
mann gefjr bie Sßo^nung ffinbigte. Gin ähnliches 3uf dtnmerttr eff ett tarn in
6olot|urn oor. ©ealsfielb begegnete eines SJlorgenS feinem üRadjbar,
£errn ©olbfdjmieb ©raf, unb flagte ifmi, was er oon einem anbern ÜRad)*
bar iu leiben fjabe. &err ©raf wollte ihn beruhigen unb fagte: „XaS
ift eben ein fonberbarer Apoftel, ©ie follten fidr> bieS nid)t fo anfechten
laffen." $>te lefeten 2Borte aber fonnte er 6ealSfielb nur nod) nadjrufen.
Senn !aum mar baS SBort „Apoftel" heraus OPoftU), fo wanbte ihm biefer
ben 9fficfen unb eilte ofme 2Ibfd)iebSgruß unb ofme baS @nbe ber @r*
nrieberung abzuwarten, baoon. Sßon ba an wid(j er ßerrn ©raf, ber
jt<S gar nid&t erflären fonnte, worin er gefehlt habe, immer aus. — Als
er in Sdjaffhaufen bei Äüfermeifter 6d)enfel wofmte, burfte jum Auf*
räumen Siiemanb baS 3immer betreten als grau ©djenfel, bie ftet) burdj
i^re 6d)weigfamfeit fein befonberS Vertrauen erworben hatte. @S fiel
ihr auf, baß fie unter bem £ifd; ober in ben SBinfeln häufig ©olbftütfe
liegen fah, meldte fte auftob unb auf ben £ifdj legte. Ueber biefe gunbe
würbe smifdjen ihr unb ifmt nie ein SBort geroedjfelt. Aber ber SDtann
nahm biefeS oon ilmt als ehrlidjfettSprobe empfunbene Segen einer gatle
übel unb fdjlug, wenn er baran backte, ben Jammer mit boppelter ßraft
auf feine gäffer. — Als man ©ealsfielb währenb feinet Aufenthalts in
Sarau ben ©enferfee unb baS Serner Dberlanb anpries, weigerte er fich,
biefe ©egenben ju befugen, weil er ficr) bie aus Amertfa mitgebrachten
Silber nidjt burdj anbere 9toturerfdjeinungen oermifchen laffen wolle. 3n
Saben fagte er einmal, bie größte ©efafjr, bie einem einzeln ftehenben
6d}rtftfteller brofje, fei bie, fid) bem £runf ju ergeben. „3$ Ijatte mir
beShalb ^albe G^ampagnerflafd^en; fie werfen beim (Somponiren meine
(SinMlbungSfraft, ohne fie $u betäuben." „2Benn es nur auf biefe ©in*
fd)ränfung anfäme, würbe nod) Sttandjer unter bie edjriftfteller gehen,"
erhielt er §ur Antwort.
60 oorfid^tig ©ealsfielb in ber münblidjen Unterhaltung war, nodj
oiel jurücf^ttenber waren feine Sriefe. 9Jian fud&t in Urnen umfonft bie
Spuren bes ©eijieS, ber in ben Schriften pulfirt. Auch biejenigen an
Gotta unb Grfarb legt man n\a)t ofjne (Snttäufd)ung aus ber £anb. $enn
fchr feiten finb bie «Stellen, bie fich oon trioialen dingen ober ©efd)äfts*
fragen $u einem allgemeinen 3ntereffe ergeben, diejenigen, bie mir als
Ulanufcript ju ©efid&t gefommen ftnb, matten ben (Sinbrucf, baß ber
Sdjreiber abjid)tlid) eine möglic&ft gefd^wäiige güUe oon SBorten auf
tnöglid^ft nid)tsfagenbe ©egenftänbe Ijabe oerwenben wollen. 3lls id^ mid)
bemühte, bie Sriefe, bie 6ealSftelb an SRationolratt) ©u^wiffer gefajrieben
hat/ $ur (Sinfid)t ju befommen, traf oon bem &erm, ber ©ufc willers
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1
350 £ fjemmann in £?errliberg am ^üridjfee.
Rapiere jur ©id)tung erhalten fyatte, folgenbe Slntroort ein, bie nodj für
ciele anbere gelten mag: „Sie ©ealsfielb'fchen Briefe ließ id) mir feiner
3eit nicht um beS ©Treibers, fonbern um beS 2lbreffaten ©t. @ufcroiller£
nriHen mitteilen. 3<jj fammelte nämlich oon jeher Stiles, mag mit $u
einem ©trich an bie Siographie ©ufenrillerS irgenb einen Seitrag giebt.
Sie Briefe ©ealsfielbs, ihrer oier an 3«hl ^ocn mir eine große Säufchung
berettet. 9iicf)t ein SBort tonnte ich ercerpiren; über bie geroörmlichften
conuentioneUen Semerfungen oon 2Better, ©efunbhett ober ber greube über
neulid)es 3ufammenlreffen u- ^9^ ^iuauS enthielten fie feinen Saut einer
gebilbeten ober fühlenben ©eele. 3$ fanbte fie aud) fofort roieber aurficf.
s3JHt großer Grroartung t)atte idj ben 3*ugniffen twtä SluStaufcheS ber
Seiben entgegengefehen. 2lber als ich bie Sriefe in ben &änben hatte,
erfdn'enen fie inhaltlich als nichts. Sarum habe td) fie auch nicht copirt."
©eunß fteht aud) biefer erjroungene SBortreichthum feiner bebeutungSlofen
Briefe im 3"faiumenhang mit feinem Sefireben, über feine ©puren ©anb
aufjuroirbeln. 2Bir muffen baljer bem Serhalten feiner Umgebung gegen
ihn nod) einige Sfofmerffamfeit fdhenfen.
2llS $einrtdj 3W°^e m^ ©ealsfielb in Uebertingen äufammentraf,
fagte er &u ihm: „2öir ©chriftfteUer fodten leben wie bie ©ötter unb uns
nur feiten ben Sterblichen jeigen." Samit ift ber große Unterfdjieb
jroifchen bem ©djriftfteller ©ealsfielb unb feiner perfönlichen ©rfcheinung
gefennjeicfmet; ein Slbftanb, fo auffallenb für bie Urteilsfähigen, baß es
nicht an Zweifeln fehlte, ob ©ealsfielb roirflich ber Serfaffer ober nur
ber Ueberfefcer ber ©d)riften fei, bie unter feinen Tanten befannt ftnb.
Schon baS gänzliche Serfiegen feiner ©djaffenSfraft in einem fonft nod)
fähigen 2llter befrembet. Gr hat freilich felbft bei jenem 3ufammentreffen
mit3fchoffe geäußert: „Wan fottte mit bem fünfjigften ^ahre aufhören 311
probuciren ; mit fünfzig fahren fleht man auf ber SebenShöhe, unb nachher
gehen leibliche unb geiftige Gräfte föneU abwärts." ftäthfelhaft bleibt
aber bie grage, roaS mit feinem legten 2£erfe vorgegangen ift. ftarl
SWorea stud. jur., ber fpätere fchroetserifdhe Sichter unb ©efdjicfyfchreioer,
ben ©ealsfielb 1847 in 3llbisbrunn fennen gelentt fyattt, befud)te ihn
auf ber SHüdreife oon fteibelberg in ©d)affhaufen unb fam begeiftert non
feiner Aufnahme nacf> &aufe. ©ealsfielb hatte ihm aus bem SDtonufcript
feines neuen 9tomanS oorgelefen. öS muß ber jenige geroefen fein, oon
bem er in feinen Sriefen an Grharb immer fprid)t unb ber nicht mehr
jur Seröffentlicbung gelangte, 3$ habe früher mitgeteilt, warum td)
nid)t glaube, baß er biefes Uflanufcript in ©olothurn noch befaß. 9ttcht nur
oon biefem, fonbern überhaupt oon allen feinen SBerfen fprad) er ftets mit ficht*
lichem SöiberwiHen. Sßarum aber foU ein ©chriftfteUer ber Sefpredjung
feiner Sßerfe fo ängftlid) ausweichen, wie ©ealsfielb es gewöfmlidj tr)at V
SaS Solf, burd) welches ©ealsfielb währenb 31 fahren unerfanut
gewanbert ift, leibet im 2lügemeinen nid)t an bem gehler, burdh att^u
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— - Sealsfielb pofH.
lebhafte ^beilnabme an f^riftfteHcrifd^cn (Sr^eugniffen, bie aus feiner 2)titte
fyeroorgeben, fein Stferoenfnftem berunterjubringen. SBenn Sealsftelb fürchtete,
bafj beim 23efanntroerben feiner Söerfofferfc^aft ein beläftigenbes Nachfragen
entf^eljen unb ihm ©efahren onf ben #als sieben roerbe, fo war feine
Unruhe unbegrünbet. 25ie £eute, an beren £ifd) er fa§, haben %er ©e*
funbheit burd) öüdjerlefen fo wenig gefebabet, bafc er $af)xe Tang unter
ihrem £ad>e roofmen fonnte, olme fich über aufgeregte literarifdje 3U;
bringliebfett beflagen ju müffen. ©ine angefel;ene Sßirthstodjter, weiter
er eine« feiner Sucher fdjenfte, ^at e3 ^eute noch nicht gelefen. Ratten
mir geahnt," fdjreibt ein anbereS gamilienglteb, „welchen bebeutenben
©cbriftfteller wir beherbergten, fo würbe er mehr 3ntereffe bei uns erregt
haben." 2öie fidj ba* &olf §u biefer X^ätigfeit oerbalt, jeigt eine @r=
ää&Iung, bie Seatefielb felbft mit Rehagen oortrug. „3d) fafe in einer
2öirtf)f($aft bei Eägerweifen. 9lu einem jweiten Eifcb unterhielten fidt>
halblaut jwei dauern. „$u, fagte ber eine jum anbern, „was ift wof)l
baS für einer bort brüben mit bem Spiegel auf ber 9tofe?" „$er?"
entgegnete ber ©efragte, „id) meine, baS ift Gitter, ber ©efä)i$ten fajreibt ;
weifct 2)u, folche ©efc£}ichten, wie Tie im Menber fteben." ,,©old)e?"
erwiberte ber (Srfte unb fdhenfte bie ©läfer bis jum Nanb ooü — „bann
wollen roir fdmell auStrinfen unb maa>n, bafj roir fortfommen, fonft
fommen roir aud) nod) hinein."
©S ift richtig, bafj SeatSfielb feinen 2lnfd)lu& überall nach oben
fudjte unb auf eine für gemerftehenbe unerflärliche Söeife auch fanb. £ie
©pifcen ber ©efeflfebaft fühlten fich, fo roenig fie fid^ aud) in feiner ^ers
fönlichfeit jurechtfanben, oon feinem Umgang geehrt. 2lber roahre ftreunbe
tonnte er beSr)alb nicht finben, roeil über feinem Raupte ftets bie SSolfe
beS Argwohns ruhte. 3unäcbft 9a^ cr a^ 5rcimaurer. bringt man
baS SBorurtbeil, baS bamals noch vielfach gegen bieten Crben im 33olfe
f>errf<f)te, in SBerbinbung mit ben ungenügenben SluSfagen über feine per*
fönlichen 33erbältniffe, fo begreift man, ba& feine Söorte mit 3roeifel auf*
genommen würben. 3^ict)t einmal fein 2lugen(etben fanb ©lauben, fonbern
man nahm lieber an, er trage bie blaue Frille nur ju bem 3md, bamit
er befto fieberer oor Ueberwacfiung feine Umgebung beobachten fönnc.
(Schatten biefeS 9J?ijjtrauenS rouchfen abfonberliche S3erbäcf)ttgungen. Sie
©olbftücle auf feinem Limmer hieben einfach ©ünbengelb, roomit man
bie im Sflaoenhanbel erworbenen ^ieiebthümer bezeichnen wollte. $em
SBolfe, baS ja überhaupt ben 3n>ecf regelmäßiger Spaziergänge nicht ein*
fieht unb oon ber 2Belt, bie einen SdhriftfteUer bewegt, nur unflare $or*
ftellungen hat, fd)ienen aud) feine einfameu ©änge in 2öalb unb gelb oer*
bäd)tig. 2)a er fich nad) ber Siücffebr fofort sum Schreiben nieberfefote,
fo fam er balb auch in ben 9tuf eine« beja^Iten Spions. $ie ohne
3roectangabe gemachten Reifen beftärften biefe 3Kuthma6ung, ba man fich
barunter nichts anbereS benfen fonnte, als bie Serichterftattung atteS beffen,
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352 — - $. Jjemmann in tjerrlibcrs am ^ntid^^ee.
roaS er roieber gebammelt ^atte. %n ber aufgeregten 3eit oon 1848 reichte
©ealsfielb bem aunftgertdjt SBenfemfiaufen eine Älagefd&rift gegen ßerrn
Med. Pract. grtebnd) Soviel ein, weit tfm biefer am .13. Cctober be=
fäimpft unb burdj beißen unb Silagen förperlic$ oerlefct l;abe.
Ijätte biejen Sufammenftofj, ben fdjon 3of). ©d&err furj erroälmt f)at, über;
gangen, roenn er niä)t ein 3^$*" ber Stimmung märe, roeldje an Dielen
Orten gegen ben rätljjelrjaften SJtonn Ijerrfdjte.
@in roirflid) gutes 2Inbenfen r)at er nur in jenen Greifen Jjinterlaffen,
wo roeber bie 9)Jenfd)enfenntmj} nod) bas SBebürfnijj nadj 53eobad)tung
bebeutenber ©rfdjeinungen lebhaft genug entroitfelt ift, um bas SSorfyanbenfein
unauSgefprod^ener <$xaQen jum 93eroujjtfem «m bringen. 3)em 9iad)fragenben
begegnete barjer unter bieten Seuten oorroiegenb Sob unb freunblidje
Erinnerung, bei aüen anberen lauter 5topffdnitteln unb auSroeid&enbe 2lntroort.
2Rit ben meiften urteilsfähigen ^perfonen, bie ifmt einft naf)e traten, Ijat er
fidj in ber golge überroorfen. 3lm roenigften aber gelang es ifnn, mit
fein gebilbeten grauen in jenes SBerfjältnife eines ^er§(id^en SBerfeljrS ju
treten, bas gereift aud) ifnn erroünfdjt mar. 9JZit bem roeiblidjen ©djarfblicf,
ber feiner langen Unterfud^ung bebarf, erfannten fie ben ©Ratten feiner
©rtftenj unb midien fdjon bei ber erften 23erüljrung fdjeu tror ifmt jurutf.
Styn felbft mar unb blieb es unmöglidj, über feinen eigenen Sdjatten
gu fpringen. 6o wirb es pfndjologifd) begreiflidj, bajj er, von ben
2JJenfd)en immer mef)r gemieben, non ber Seit t>erge[fen, in bem $aufe,
in bem er fia) ^ulefct Derjdjanjt harte, nodj einen 33erfud) madjte, frifc3t)c
Suft |U fd)öpfen, unb bann fdjroeigenb barjintanf, wie eS in meinem
früheren 2luftafc erjagt roorben ift. ©ein ÜRame roirb ba, wo er fo lange
geroeilt fjat, faum nod) genannt. 9?ur bie 3°8lin9e Der °rei 2Baifenf)äufer
©d^aftfjaufen, 3ur^ un& ©olotrmrn, ju bereu ©rjie^ung er Segate geftiftct
§at, erfahren bei ber s4>rämirung i^rer Seiflungen, bafj ßiner if;rcr gebadet
fyit, ber, felbft unglüäliajer als fie, unbeflagt unb boa) mitfü^lenb fein
fdjroereS £ooS ju tragen »entroste, baS £oos ber SSerroaifung.
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Der Berliner Dom.
Don
©bepHegierungsrattj CoM.
- Köln. -
aft jroci 3af)rf)unberte finb feit bem erften (Sntrourf jur ©eftaltung
eines großen unb mürbigen euangelifdjen $omeS in Berlin
oerftoffen. fleht geringerer als Schlüter, ber 6d)öpfer beS
25enfmalS beS @rofjen Jturfürften unb beS oornef)mften unb fd)önften
feiles beS königlichen (Sd&loffeS, ber Mitarbeiter am 3eu9§aufo ^attc
Anfangs beS oorigen 3af)rf)unbertS einen $lan für ben £)om gejeia^net
unb als ©tanbort ben meftlidjen Xljeil beS SdjlofcplafeeS in 9Iuäfi^t ge*
nommen. $ie 5Urd)e f)ätte barnad; bie gorm eines griedjtfd&en (gleidj=
fcf)enf(igen) ßreujeS mit einer Äuupet über ber 23terung unb einem mächtigen
«Portat an bem ©djlofjplafc gegenüber ber Sangen 33rücfe erhalten. $ie
Verlängerung beS SdjloffeS bis jur ©dtfofcfreiljeit madjte bie 2luSfüf)rung
bes planes, von bem nidjt feftfieljt, ob er überhaupt ernftyaft gemeint mar,
ofmel)m unmöglich — ©egen Mitte beS oorigen 3af)rf)unbertS mürbe bann
ber gegenwärtige $om im Suftgarten errietet, ein 9ied)tecf oon 70 Meter
Sänge unb 20 Meter £iefe, mit ber in biefem 3ajjrfmnbert bur$ 6djinfel
zugefügten ^orljalte unb Heineren Ausbauten am Dftenbe einen gläd&en*
räum oon etwa 1800 Duabratmetem bebeefenb. $aS innere, burd) ein*
gebaute Emporen breifdnffig geftaltet, jeigt ein 10 Meter breites Mittel*
fdßff unb je 5 Meter breite eeitenfd)iffe unb enthält 1100 Sifeptöfee,
baoon 600 im Mittelraum, 500 auf ben Emporen, aufeerbem 900 ©tefjpläfce.
5Dtc ©rö§en=2lbmeffungen finb für berliner ßirdjenoerljältntffe nidjt
eben gering. 2Benn man berficffidjtigt, ba§ fämmtlidje 45 eoangelifdje
Sttrd)en SSerlinS etwa 46 000 ©ifcpläfce enthalten (baneben finb nodj eine
iUnja^l oon Capellen mit einigen taufenb (eifeen in 9lnftalten, Öefänguiffen
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55^ (Dberregterungsratfi CoM in Köln.
oorfymben) unb baß alfo auf jebe ©emeinbe oon bur$f<$nittlidj 27 000 Beeten
etwa 1000 Sifepläfre entfallen, fo ift bie nur 10 000 Seelen umfaffenbe $om*
gemeinbe mit tf)rem 5Urcf>enraum fd)on jefet fef)r günftig bebaut. ©leidjmoftf
J)o6en bie SBeftrebungen, an bie Stelle beS gegenwärtigen ©otteSljaufeS
ein räumlidj unb fünftlerifa) größeren 2lnfprüd)en genügenbes ©ebäube 311
fefeen, feit 70 3af)ren ju wieberfyolten Entwürfen geführt. £>ie fünftlerifdje
vJlrmfeligfeit beS oorfjanbenen löaueS, weldjer mit feiner ©igenfdjaft als
&aupt= unb jQoffird^e Berlins in fo unerqutcflidjem ©egenfafe ftefjt, forbern
$u SBerfuajen einer würbigeren unb angemeffeneren ©eftaltung, wobei audj
bie gefteigerten 9touinanfprüd)e nid^t unberüdfidjtigt bleiben fönnen, ju fefjr
fierauS. Sd)infel, Stier unb Stüter befdjäfttgten fid) mit mef>r ober
minber großartigen planen, bis es enbü<$ bem legten oergönnt 5U fein
fdjien, ben gemaltigen SBaugebanfen Äönig grtebrid) 2öilf)elm IV., biefeS
ebeufo tief reiigiofen wie hmftbegeifterten $errfd)ers, bie jur 2IuSfüf)rung
geeignete funftlerifdje gorm ju geben. 3)er erfte aus bem 9lnfang ber
oier^iger 3at)re ftammenbe ©ntwurf StülerS jeigt einen etwa 70 SWeter im
©coiert faffenben fünffdnffigen flirdjenraum, beffen 3Jtittelfa)iff 25 SHeter
breit unb 45 3Jleter jwd) mit geraber Salfenbeäe überfpannt war. 9Wit
ber tiefen 93orfKtüe umfaßte ber in ben gönnen altä)riftlia;en Safilifenftileä
geplante Sau eine glätte oon 6700 Duabratmetern, wo$u bie &errfd)ers
gruft (wunpo santo) mit 60 3Ketern im ©eoiert fam, im ©anjen
10 000—11 000 Duabratmeter 23aufläd)e. SDie no$ oor^anbenen dauern
.. • unb gunbamente gehören biefem Saumerf an.
9iadjbem bie politifdjen ©reigniffe bie görberung beSfelben gehemmt
Ratten, entwarf Stüler 1855 für ben $)om felbft einen anberen ^Slan.
©in mit ©mporen auSgeftatteteS Ouabrat oon 70 Steter Seite umfaßt ein
mit mächtiger Büppel überbecfteS ©eoiert oon 50 Bieter lichter SÖeite.
$)te Äuppel auf ad)t Pfeilern rufjenb f>at 50 9J?eter äußeren unb 42 SJteter
inneren SDurdjmeffer unb bis sunt guß ber Saterne 100, bis jur Äreu^
fpifce 140 Bieter &öf)e. ©infdjließlid) ber SBorfjalle bebedt baS ©ebäube
eine gläaje oon 6500 üuabratmetern. 2)ie Sauformen geigen eine mit
romanifa^en 2lnflängen gemifdjte 9tenai)7ance.
25er Sau gelangte in golge beS 2lblebenS ftönigS griebridf) 2Bilf)elm IV\
nid)t jur 2luSfüf)rung. 3llS nad) bem politifdjen (Srfolge beS SfaljreS
1866 bie $)ombau=2lngelegenf)eit wieber auf bie XageSorbnung gefefct
würbe, ließ man ben Stülerfdjen Entwurf fallen unb fdjrieb einen allgemeinen
Wettbewerb aus. 6s mürben bie ^>läne für einen eoangelifdjen $)om in
Berlin oerlangt, als Sauplafe ber Waum jroifc^en canipo santo unb ber
jefeigeu StaiferSfiilfjelmSbrücfe mit ber Maßgabe beftimmt, baß bie UmfaffungSs
mauern beS carapo santo nidjt angetaftet werben bürften. £aS campo santo
follte alfo nadj ben urfprünglidjen planen oollenbet werben. $m Uebrigen
enthielt fidt> baS 9luSfd)reiben jeglid^er 2lnbeutung über ©röße, 3roec^/
orbnung, Stil, überließ 9lUes ben Bewerbern unb braute bura) biefe
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Der Berliner Dom.
335
^rogrammlofigfeit oon Dorn herein ein fold)e Unflarhett in bie ganje
Slncjelegenljeit, baß ihr ergebnißlofer Söertauf mit Sicherheit üorau^ufefyen
war. 2öenn man bauen will, f o muß man vor allen fingen wiffen, was
man mit beut geplanten Sauwerf bejwecft. (Sin mögliche tlav, fcharf unb
erfd)öpfenb abgefaßtes 33auprogramm ift bet erjte unb nothwenbtgfte (Stritt
jur Serwirflichung bes Vorhabens, eine foldje gormultrung ber 33au=
gebanfen fehlte liier oollftanbig. ©leichmohl beteiligten ft<h 50 Ardjiteften
an bem SBettjtreit — ein SewetS, welche Anziehungskraft ber ©egenftanb
t)atte unb wie feljr man trofc ber Unflarhett ber Austreibung oon bem
SBertrauen befeett mar, baß eS bieSmal @mjt werben würbe. $ie &älfte
ber eingereihten Entwürfe hatte berliner Architeften in Serfaffern.
$aS naä}trägliä) eingefefete SeurtheilungSgericht erfannte an, baß je^n
Entwürfe als bebeutenbe Äunftleijhmgen anjufpreä)en feien. (Ss befanben
fidj barunter 8 von berliner Architeften ^errü^renbe, bereu SBerfaffcc jum
großen Efjeil noä) ^eute t^ätig finb unb in ber SMfraft ihres Staffens
fielen, $aS weitere greifbare ©rgebniß beS Gewerbes bejtonb barin, baß
baS 33eurtheilungSgericht nachträglich baSjemge tf>at, was oor ber Aus*
fdjreibung hätte gefc^eljen muffen, nämlich ein öauprogramm aufjufleUen.
2)aSfeIbe fiel im Sinne ber &erfleHung einer für bie Sebürfniffe bes
eoangeltfchen ©otteSbienfteS brauchbaren $ofs unb $auptfirä)e aus: eines
©ebäubeS von immerhin ftattlicher Abmeffung mit 1600 Sifcpläfeen im
&auprraum unb 200 Sßläfcen auf ben Emporen für bie fürftlichen Sßerfonen, ben
#of, ^ot)e Staatsbeamte, unb mit ben nötigen 9ßebenräumliä)feiten. $)te
2Jfet)rheit beS ©erichtS hielt außerbem ein ©ebäube im Spifcbogen|Ul an ber
beftimmten Stelle nicht für juläffig unb als Saumaterial bie Serwenbung
von 3tegelftetnen für auSgefchloffen, biejenige oon $auftein für erforberlia).
3)aS nachträgliche Programm ftanb in fdjroffem ©egenfafc ju bem,
waS bie große 9Wehrjahl ber Bewerber, namentlid) bie burejj befonbere An«
erfennung ausgezeichneten, als 3roct* SßettftreiteS aufgefaßt hatten unb
nad) Sage ber Umjtänbe wofjl auch Ratten annehmen müffen. Xie nun«
mehr geforberte ©emeinbefirche, welche lebiglidj wegen ihrer gleichzeitigen
©igenfehaft als ^ofKrdje in etwas ftattlidjeren Abmeffungen unb mit größerem
Aufwanbe, befonbers im SRebenraume, gebaut war, als fonjt in Sertin
üblich, wäre mit einer ©runbfläche oon 2000—2500 Duabratmeter unb
einem Äoftenaufwanbe oon einigen Millionen SRarf fehr gut §u gewinnen,
©efehieft entworfen hätte Tie fidj immerhin leiblich in bie Umgebung ein»
fügen laffen, auf einen monumentalen Abfdjluß bes SßlafeeS hätte mau
bann aber ein für affemal Serjicht geleiftet.
3m ©egenfafe htoju tyüttn W bic Setoerber an bie Stülerfche Auf*
faffung angelehnt unb eine große geftfirdje, meift mit ^or)er ßuppel, ent=
roorfen. 3Bie bei Stüter mußte bie prafttfdje 33rau<hbarfeit ber Äirche
für bie ^wette beS ©emeinbegotteSbienfteS unter einer folgen Auffaffung
natürlich leiben, ftäume oon 3000 bis 4000 duabratmeter ©runbflache
»«b nnb eflb. L., 150. 24
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556 <L>berregieruiigsratt{ Co&t in Köln.
(fünf bis fieben 3JJal fo groß als bcr weiße Saat beS königlichen SchloffeS)
mit ber entfprechenben &öt)e unb Äuppeln von 40—50 SWeter $urchmejfer
unb 60—80 Metex innerer §öl>e fuib für bie Sßrebiflt fchledjterbtngs m<$t su
gebrauten; es giebt feine menfäHdje Stimme, weldje fid& in foldjen Rollen
aerftänblich machen tonnte. 2luch im SKufbau beherzten bie Stülerfdjen
©ebanfen fo fehr baS gelb, baß bie iDcehrjahl ber ©ntwütfe fiä) als mehr
ober weniger gelungene Variationen berfelben barfieHten. Sie Abweichungen
beftanben, abgejehen von Stilfrageu, oornehmlid) in ber Verfchiebenheit ber
ÄuppeU&uwicfelung unb ber ßuppeU2lbmeffungen. ©in £r)eil fud^te an
Stelle beS einfachen DuabratS, SlchtecTs, ÄretfeS eine organifche ©lieberung
unb ©ntwicfelung ju fefcen, was bei einigen Entwürfen ju einer ^tjrilung
beS Raumes in eine gefts unb eine 5prebtgtfirct)e führte, So bilbete Orth bie
erftere als Vorfirct)e unb bie lefctere als eigentliche ^aupt!ird}e au«, was
jur golge $attc, baß feine fluppel mäßige $>imenfionen (35 9)?cter äußerer,
30 SHeter innerer Eurchmeffer, ^ö^e big sur fiaterne 80 3)?eter) jetgte
unb fia) bei fchlanfen Umrißlimen befonberS glücflich in bie Umgebung
hinetnfügte. Slnbererfeit* fügten ©nbe unb Soecf mann ber großen, als
" geftfirdje gebauten ßuppelfirche nad) ber Spree ju eine Sprebigtfirdje oon
mäßigen 2lbmef)ungen an, meiere mit erfterer ein einheitliches ©anjeS unb
gleichfam ben Glwr beS föauptraumes bilben joUte. föenben unb ftudmann
fdjloffen fidj wieber ber Drth'fchen Stilauffaffung an, matten aber bie
Vorfirdje jur ^rebigtfirdje, welche fie mit glaä)fugeln ü6erbecften, währenb
bie bie geftfirche überragenbe £auptfuppel gleiä}faH^ nur mäßige 2lbs
meffungen (30 9)?eter innerer Surchmejfer, 40 SWeter äußerer, 70 Stfeter
innere .£>öhe) jeigte. Stefe unb anbere (Entwürfe wiefen eine gütte oon
Schönheiten neben mannigfachen Schwächen auf; in ber StUfaffung folgte
bie Sflehrjaht einer burch roinanifche 9lnflänge conftruetio etwa* ftraffer
erfaßten SRenaiffance. $od) fanb auch ein gotif d)er Kuppelbau (Clingens
berg) ben SBeifall beS SBeurtheilungSgerichtS.
9lbgefehen oon biefen Verfudjen, ben oerfügbaren 9toum in geft= unb
sprebigtfirdje ju jerlegen unb baburch einerseits bem praftifdjen ©emeinbebe*
bürfniß, anbererfeits ben 9lnforberungen an einen großen monumentalen
SBau unb an eine mächtige 9?aumnrirfung 3U genügen, l>atte ber SSettftreit
fein ©rgebniß, weichet man als einen befonberen gortfehritt über bie
Stüler'jchen Vaugebanfen unb ihre Verförperung burch beffen ©nttourf oom
Sahre 1855 bejeichnen fonnte. GS ift bieä jeboch, toie bewerft, in erfter
fcinie ber mangelhaften Vorbereitung beS SewerbcS, bem 9Jcangcl an einem
Karen Programm 5U5ufcr)reiben. deiner ber Entwürfe entsprach bem naa>
träglich aufgehellten Programm, welches fich auf ben einfachen 9iü^lic3t>-
feitsftanbpunft fteüte unb baburd) in auSgefprodjenem ©egenfafo 31t ber
feit ben mer$igcr fahren maßgebenben 2luffaffung gerieth, welche ben
Stüfer'fchen ^rojecten 3U ©runbe lag.
Xie politifchen ©reignifte, welche balb nach Veenbigung bei 33ett«
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Per Berliner Dom.
357
fireite« folgten, waren ber weiteren görberung ber Angelegenheiten ntd^t
günflig; unb al« ber glorreid^e gneben unb ber roadfrfenbe SBohlfianb be«
gfü<fli4 geeinigten beutf4en Volfe« ben ©ebanfen an bie Ausführung
wieber nahe fegten, ba motten bie Erfahrungen, roeldje mit bem miftglücften
Anlauf be« 3a^red 1869 gema4t waren, 5unä$ft baoon abgalten an einen
erneuten Verfud) $u gehen. £)em bef4eibenen unb fdjlidjten (Sinn itaifer
SBilhelm« I. war oielleidt)t ber ©ebanfe ber Jgerftellung einer großen unb
prunfoollen eoangelif4en $offird>e an fi4 nidr)t befonber« jufagenb; er
wollte bei feinem §of)en Sltter bie Au«füf)rung feinem 9to4folger um
fo lieber überlaffen, al« ihm beffen rege« 3ntefelfe füt bie fdjwierige
grage bie fid^erfte ©eroähr für eine befriebigenbe Söfung ber gegenfäfcttd&en
Auffaffungen $u bieten geeignet mar.
i)ie erfc^üttemben ©reigniffe be« 3a$re£ 1888 erft gaben ben $om*
Bauplänen neue görberung. SSenige Sßodjen nad) feinem 9iegierung«an*
tritt erlieft Äaifer griebridj folgenben ©fjarlottenburg ben 29. üftärj batir*
ten tfabinet£;33efef)l, meiner für ben weiteren Verlauf ber Angelegenheit
oon maftgebenber Sebeutung bleiben wirb:
„34 will, baft fofort biegrage erörtert werbe, wie burdj
einen Umbau be« gegenwärtigen £ome« in Berlin ein würbige«,
ber bebeutenb angewad)fenen feiner ©emeinbe*3Witglteber
entfpredjenbe« ©Ottenaus, welchem berßaupt* unb Siefibenj*
ftabt sur 3ierbe gereift, gefdjaffen werben fann."
©ine 3mmebiatcommif|ion, beftehenb au« brei ©eiftlidjen, oier ?lrd)i-
teften unb 3ngenieuren, brei flunftoerftänbigen unb jwei Verwaltung« *
beamten würbe gebilbet. 3n ber furjen 3eit, welche ftaifer griebrid) 31t
regieren oergönnt war, tonnte eine fidjtbare görberung ber fo beftimmt
ju erfennen gegebenen Abfielen jroar nicht heroortreten. ©ein Nachfolger
tnbeft lieft feinen 3"^^ barüber auffommen, baft ber 9iegierung«we4fel
bie 33auabfid)ten be« oerewigten &err)d)er« nid)t ftörenb beeinffuften foffte.
bereit« unter bem 9. 3uli 1888 erging folgenber Allerhö4|ter SBefct)C an
ben 9Jiinifter ber geiftlidjen Angelegenheiten :
„©« ift 3Wein Sßille, baft ba« ^roject ber ©rrtdjtung eine«
2)ome« in deiner £aupt« unb iWef ibenjftabt Serlin, weld)e«
burch ben 2lllerf)ö4[ten ©rlaft 2ttetne« in ©Ott ruhenben
&errn Vater« oom 29. 3)iä rj biefe« 3af)*e« oon Steuern
angeregt worben ift, mit allem 9Zaä}bru<f geförbert werbe.
3Me Au«führung biefe« ^ßlane« na4 ben Abfidjten be« &oä)*
feiigen Äaifer« unb ftöntg« griebrid) ift 3JHr ein heilige« Ver*
maa^tnift. 34 wünfdje, baftba«2öerf bie Arbeit fröne, weldje
be« oerewigten ftaifer« unb Slönig« üftajeftät feit 3<*hren auf
ba« $)ombaupro ject oerwnnbt l)at. 34 genehmige l)ier nadt),
bafc bie auf Befehl Steine« ."gerrn Vater« gebildete 3mmebiats
eommiffion unoerjüglid) ihre Arbeiten beginnt/'
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558
©berregierungsrallj lobt in Köln.
211« erfte« ©rgebniß ber £hättgfeit her (Sommiffion tjt woljl bie an ben
fianbtag ber Sflonardjie gelangten Vorlage jn betrauten, nadj weldjer oon ber
Äonigltd&en ©taat«regierung al« erfter Seitrag sunt Neubau eine« £ome« in
Berlin «nb einer ©ruft für ba« ^Preußifd)e 5tömg«l)au3 bie Summe oon
600,000 2Hf. geforbert würbe. $a« Etbgeorbnetenfjau« unb ihm folgenb
ba« &errenhau« f prägen bie Bewilligung au«, jebod) in folgenber gaffurig:
„$ur 2luffteflung oon planen unb ju Vorarbeiten sunt SReubau eine« $ome«
ju Verlin unb einer ©ruft für ba« preußifdhe 5tönig«hau«."
92ad) einer fo (angen unb wechfelooflen Vorgefaßte fleht ber beab*
ficfytigte Sau wieber einmal an einem entfd)etbenben SBenbepunft. 9tadh
ben wieberholten ergebnißlofen Anlaufen fann bei ber 2Biü*en«fraft unfere«
SSQer^öd^ften #errn unb nad) ben oon $hm fo feierlich unb beffcinunt au««
gefprod)enen 2tbfid)ten fein Steifet barüber auffommen, baß bie nädjfte
3eit eine enbgültige (Sntfcfyetbung bringen wirb, baß an Stelle ber un<
fcf)lfiffigen Ueberlegung Saaten treten werben. $)a in Verlin ohnehin eine
Sleihe oon großen ftaatlkhen Monumentalbauten — 2Jhifeen, Vibliothefen,
£anbtag«gebäube — für weld)e ein brtngenbe« Vebürfniß bereit« feit
Sauren bejte^t unb anerfannt ift, ihrer enblidjen 2lu«füf)rung harrt, fo fann
e« nur freubig begrüßt werben, baß bie ohne bauernben 9todjt$eU ni<$t
aßjulange ^tnau« ju fd)iebenbe Vauaera mit bem ibealjlen unb am lang*
roterigften behanbelten, oom reinen 9lüfelichfett«jtanbpunft au« aber oiel*
leid)t am wenigen eiligen ^rojecte begonnen werben foO.
$te Vergangenheit tel)rt einbringltch , um eine n>ie außerorbentlid)
fdjwierige Stufgabe e« ftd) gerabe bei bem SDombau fymbelt unb wie ferner
eine Vefriebigung ber gegenüberjtehenben 9lnforberungen — praftifche Vraud>
barfeit, fünftlerifche ©roßarttgfeit unb Schönheit ber (Srfchemung, harmonifcfce
Einfügung in bie Umgebung — ju erjtelen ift. $)ie sa^reid^en Entwürfe,
welche feit 70 Satyen oon ben heroorragenbften flünftlern angefertigt ftnb,
^aben ju feinem ©rgebniß geführt; unb man muß e« heute a(« ein ©lücf anfeljen,
baß e« fo gefommen ift. SBare ber am Söeiteften gebiehene Stfiterfdje 6nt»
wurf jur 2lu«führung gelangt, fo hätte Verlin jwar ein mächtige« Sau?
werf oon großen Schönheiten im Gin$elnen gewonnen, welche« fidj jebod) in
bie Umgebung nicht paffenb eingefügt unb überbie« eine etwa« foftfpietige
Sefjre bafür geboten hätte, wie man eine brauchbare eoangelifdje Äird^e nid^t
bauen fott. 3n bemfelben ©eleife beioegten fidj bie Entwürfe be« 2Bettftrette«
oon 1869, of>ne baß barum ben Bewerbern ber geringfte Vorwurf ju machen
wäre. Erfahrungen wie man e« nicht ju machen tyit, um ben junächjt
angeftrebten 3wecf — ^erftellung einer ber 9letdj«hauptftabt würbigen &of*
fird)e — ju errieten, liegen alfo jur ©enüge oor. Sie nufcbar ju maä)en
nad) ber pofitioen Seite: biefe Aufgabe wäre junäd^ft Sadje ber jur görberung
be« ^ombaue« berufenen 3mmebiatcommiffton gewefen.
3njwifdjen ijl ein Greigniß eingetreten, wetd)e« basu beftimmt erfdjelnt,
bem weiteren Verlauf ber Angelegenheit eine entfd^eibenbe SBenbung ju
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Der Berliner Dom.
359
geben. Unter bem Xitei „(Sin Entwurf <&x. SWaieftät beSJtaiferS
unb ßönigS Sriebrid) m. jum Neubau beS 3)omeS unb jur
SSollenbung beS königlichen SchloffeS in Sertin. 9Äit Alter*
höchfter (Genehmigung ^erauggegeben" hat ber ©eheime SHegierungS*
rat!) SRafchborff, ^erDorragenber £ehrer für Architeftur an ber technlfcheti
$oa)fä)u(e in Charlottenburg unb auSgejeichneter Architeft, ber feine fünft«
lerifd)e 3Weifterfa>aft bereite in einer 9feif)e oon ausgeführten SBerfen be*
funbet hat, ein SBerf herausgegeben, welches mehrere ©tHjjen für ben $om
unb jwar in Serbtnbung mit einem 9teiterftanbbUb äaifer 2BUf)elmS I. unb
mit $enfmälern für anbere &errfä;er unb um ben Staat oerbiente 3flänner,
foroie 3«ä}nungen für einen partiellen Ausbau beS Äöniglid)en Stoffes
enthalt. 3n rote roeit ber Herausgeber berechtigt roar ben Eombauentwurf
als folgen beS oerewigten ftaiferS ju bejeichnen, ift au« ber oon £errn
SRaf c^borff oerfafeten fehr ausführlichen Sorrebe nicht flar 3U entnehmen.
Sie Semerfungen, bag bem SSerfaffer baS fyoty ©lud ju £hetl ije*
worben fei an ben Erörterungen über bie — oorher nä^er auSelnanber
gefegten — Sauibeen theilnehmen ju bfirfen unb biefetben baufünftlerifä)
umjugeftalten, ergeben nur fooiel, bajj flaifer Jriebrich bie ©runbgebanfen
bes SaueS bejttmmt hat, ba§ bie Ausarbeitung beSfelben im einzelnen,
bie ©eftoltung unb ffinflleriföe gaffung aber bas geizige Eigentum beS
Herausgebers beS Entwurfes ftnb. 2Bie roeit femer ber oererotgte öerrfajer
bie oon Herrn SRafdjborff entworfenen Sßläne auSbrücflich gutgeheißen hat,
ift aus ber nach biefer Dichtung an Stlarheit unb Sefttmmtheit oiel ju
n}ünfd)en ju laffenben Sorrebe nicht §u erfehen. $)a bie 'erften ©ft^en
fä)on im 3ahre 1885 entlauben furo, fo haben Jene Erörungen in einer
jiemltch roeit jurficfliegenben 3«* ftattgefunben. Es fdjeinen bann aller*
bings fpäter roeitere Sefpredjungen gepflogen $u fein, inbem ein ^weiter
Entwurf mit nicht unerheblichen 2tbänberungen ber erften Sfijje als „$ur $ar«
ftettung einer weiteren Afferhöchften Sauibee aus bem Qcfyxt 1888" bejeichnet
wirb. Db ber jroeite unb ungleich reifere Entwurf, welcher augenfcheinlich
erft in ben legten SebenSmonaten beS Äaifer griebriä) entjtonben ift, bem
Men Herrn überhaupt nod) oorgelegt werben fonnte, geht aus ber Sorrebe
nia)t h^roor. — Sitte biefe Entwürfe, fagt ber Serfaffer jum 6chluffe, jinb
als ©fijjen uub Seiträge jur Entwicflung ber Sauibeen entftanben unb als
folche $u beurteilen. Hiermit ift oon bem Sßerfaffer fetbjt jugeftanben, bag es
fith nicht um wirtlich fertige unb reife, oon bem oerewigten ßatfer gebilligte
^rojecte unb Ausarbeitungen, fonbern nur unb bie ffijjenhafte Aufzeichnung
oon Saugebanten bes H^rrfcherS hanbelt. $iefe ftnb baS Sleibenbe,
Jeftftehenbe in ben Stilen; ihre Ausarbeitung burch Herrn 5iafchborjf
bebeutete augenfcheinlich ben Serfuch feftjuftellen, in welcher jwecfmägigften
unb bejten SBeije ftch bie ©ebanfen oerwirflichen liegen. iDie SBerfudje
waren augenfcheinlich noch nicht abgefchloffen, bie fünftlerifche AuSgeftaltung
war noch in ber 6chwebe, als ber faiferliche ^ulber fein Seben ausatmete.
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560
(Dberregternngsratfi do&t in Köln.
©inen £t)eU bes baulichen ©runbgebanfenS, nämlich bie SSerbinbuitg
beS 3)omeS mit einem $enfmal für flaifer 2Bilr)elm I., f)at man infofern
bereits faden gelaffen, als bekanntlich bezüglich bei ÄaifersHWonumentS
ein öffentlicher Wettbewerb auSgefdjrieben ift, welker ben 3"fanwieni)ang.
jmtfchen $)om unb $)enfmal feineSmegS jur Sebingung ftellt, bie Sßlafc*
frage oielmebr offen läßt unb gerabe jum &auptgegenftanbe beS 33emerbe$
macht. Soweit femer bie Sfi^en bei £errn SHafchborff ben partiellen
Umbau bei ScbloffeS betreffen, fdjetben biefelben oon btefer Betrachtung
auS; es ^anbett fi<h l)ier vielmehr nur um bie £)ombaus@ntwurfe felbft,
(Sine Äritif berfelben fann um fo weniger unflattfyaft erfcheinen, als bie
ihnen ju ©runbe liegenben Saugebanfen Äaifer griebrichs, alfo ba£
eigentliche ©igenthum beS &errfcherS, aus ben Sfijjen unfdjroer ju
erfennen finb unb, wie bie nädjftfolgenben Grörterungen bartfmn werben
— nur rfidhaltlofe ©ittigung finben fönnen. $er ßritif unterworfen wirb
mitbin r)tcr lebigliä) bie oon ßerrn SRafdr)borff feiner eigenen Angabe gemäfc
oorgenommene fünftterifdje 2luSgefialtung, roetd^c als fein (Sigentfnim
ber öffentlichen Beurteilung nicht wot)l entzogen ju werben oermag. Unb
bie« um fo weniger, als in fünftlerifäjen Streifen augenfd&einliä) bie Huf»
faffung weit oerbreitet ift, baß bie 5iafd)borff fdjen Stilen ber 2luSffihrung
bemnächft ju ©runbe gelegt werben follen, bie #rage *>er fünftlerifchen
©eftaltung fomit bereits entfärben unb ber oön ben berufenen Slrdjiteften
augenscheinlich lieber gefet)ene 2Beg ber Ermittelung burdj einen Wettbewerb
auSgefchloffen wäre. 3Rag biefe Meinung begrünbet fein ober nic^t, jeben*
falls forbert bie 93orgefd)ichte bes Baues ju ber Beurteilung eines wenn
auch ffisjenl^aften planes tyxatö, ber bei ber weiteren Sehanblung ber
grage unzweifelhaft eine wichtige 9loHe fpielen wirb.
$)er 9iafdE>borff'fä)e 3>om ber zweiten Sfizje, welche als bie entfehieben
reifere anziehen ijt, bem legten Saugebanfen beS oerewigten ÄaiferS
entfpriebt unb bafjer auSfcbließlich ber Beurteilung unterworfen werben
foU, fteHt im ©runbriß eine redjtecrtge &auptmaffe oon 105 SJJeter Sänge
unb 55 Sfteter £iefe mit einer ©runbfläd)e oon 6000 Quabratmetern bar.
$>ie SängSfeite erftreeft fidj parallel bem Suftgarten unb ber Spree, bie
Sd)malfeite ift fenfred)t jutn $lafe unb jum Schloß gerietet. 3ln ber
nach bem fiuftgarten febauenben Borberfeite befinbet fidj ein 85 SJieter
langer unb 10—12 Sfteter tiefer Vorbau; Heinere mehr quabratifd^e Sauten
finb ben Schmalfeiten oorgelegt. Wlit benfelben erreicht bie größte Sänge
140 Sfteter, bie größte STiefe 75 SReter; baS ganze Sauwerf bebeeft einen
gläd^enraum oon 8—9000 Cuabratmeter. 3um Vergleiche fei bemerft,
baß baS alte SWufeum etwa 80 9J?eter grontlänge, 50 3Keter Siefe
unb — einfd)ließlicb ber beiben £öfe — einen glächeninhalt oon 4000
Duabratmeter fyat; baS Schloß nach bem fiuftgarten ift 180 9fleter lang
unb bebedt mit ben &öfen etwa 18000 Duabratmeter.
£urch biefen ©runbriß wirb ber gan$e oerfügbare SRaum jwifchen
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Der Serltner Dom. 36^,
Äaifer SöityelmSbrütfe unb ber verlängerten glud&tlinie be3 SJhtfeum«
einerfeitd, ämifd&en ber oertängerten SJUttelare ber 91ationalgaHerie unb
bem eingeengten ©preebett anbererfetts audgenufet. $er oon ben Ruinen
beä campo santo eingenommene $lafc ift in bie Bebauung mit hinein
gejogen, bie alte ©örfc muß gleichfalls befeittgt werben. 3)aS innere
jerfäöt in brei &aupttf)eile: bie ^rebigtfirdje in bem füblid)en bem
©djlofc gcgenüberliegenben glügel, bie geftftrd)e in ber SJHtte, bie ©rab*
firdje in bem nörbltdjen glügel am SJtufeuin. 2)te brei Stirnen ftet^cn
burd) mächtige etwa 18 2JJeter im Sitten weite >Bogen miteinanber in
SBerbinbung unb bilben jufammen einen Sfauin oon 100 SJteter Sänge
unb burd^fdjnittltd) 35 steter Xiefe. 3§v gefammter glädjeninfyalt wirb
etwa 3800 Cuabratmeter betragen, wooon auf bie geftfird&e gegen 1800,
auf jebe ber ©ettenfirdjen 1000 Duabratmeter, entfallen. Die geftftrdje
bilbet ein Duabrat oon 35 2Heter üdjter ©eüe, mit eine.r im 2leufjeren
50 SWeter fjaltenben 5tuppet äberbeeft. $rebigt* unb ©rabfirdje, oon
gleicher ©rö&e unb gorm, entfpredjen in it)rer Sangfeite ber ©d)malfeite
ber ©efammtanlage; it)re gröfjte Sänge ift 47, bie größte breite 22 Stteter.
S5ie übrigen iWäume werben oon einer 9tebenfird)e neben ber 5ßrebigtfird&c
(180 Duabratmeter), ©afrifteten, 23ort)allen, SßerbinbungSgängen einge*
Tiommen. ©otteSbienftlidjen 3n?e(ien bient alfo etwa bie §älfte ber ganzen
Einlage; ein 93tertel nehmen 3Sor^aHen, unb ©änge, ben SHeft SJtouer, Pfeiler,
SRifäen ein. $ie ©efammtflädje würbe etwa berjemgen beS Äölner $ome$ ent*
fpred&en, wogegen ber innere Äirdjenraum bei biefem oiet beträd)tft<$er ift.
Seflimmenb für ben äußeren 2lnbltd ift bie tfuppel, welche ft4 über
ber geftfird&e in folgenben 9lbmeffungen ergebt : &öf)e beS ßauptgefimfeS
beS ©ebänbeS 30 SHeter (©<§lof$ 32 3Weter), beS £auptgeitmfe3 beS kuppet*
ringe« 55 3Reter (©d)lo&fuppel 43 2)teter), ©nbe ber ßuppelwölbung be*
jieljungSweife gujj ber Sateme 85 SHeter (©djlofcfuppel 60 Sfteter), ©pifce
beS äreuses 110 SReter (©d)lo&fuppel 66 3Rcter). $er äußere Xmfy
meffer oon 50 Detern ift boppett fo grofj als ber ber ©djlofjfuppel. Xie
beiben Sflebenfuppeln ^aben unbebeutenbe Slbmeffungen; fie liegen in ber
2Hitte ber SängSaßfen ber Sprebigt* unb ©rabfird)e, überbeden aber unter»
georbnete SRäume, bie Gcffelber ber weftlidjen Söorfjalle am Suftgarten.
$>er ©til ber 3*i<$nung jeigt eine £odjreuaiffance oon fetyr fdjweren
gormen mit leifen 2lnftängen einerfeits an ben S3aro!fo beS äfefuttenfliC«,
anbererfetts an bie afabemifdje SRüdjterntjeit ber SpaulSfirdje in Sonbon.
$>ie£ unb ber llmftanb, bafc ber SBerfaffer ben in ber 3?orrebe fefn* nadj*
brücflidt) betonten ©ebanfen eines $antl)eon$, einer nationalen geft* unb
9iuf)me$t)alj(e im 2(eufjeren audj buret) jat)lreid)e $enfmäler, oon benen jwei
am Suftgarten unb an ber nörblid^en ©d^matfeite in gewaltigen oon ©äuten
flanfirten unb triump^bogenartig überwölbten SRifdjen fte^en follen, jur @r*
fdjeinung ju bringen fud}^ giebt ber gefammten äußeren 3lrd)ite!tur einen
auSgefprod)en weltlid^en ß^arafter. 5Dtc ©djaufette am Suftgarten fteUt
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362 — ©berregiernngsratJj lobt in K51n.
ftcf) tote eine mafftge unb fernere Spalaftardtjiteftur bar; bie wuchtige
Kuppel allein oermag baS firchliche Gleichgewicht nicht herjufteHen.
Vergleicht man ben ©ntwurf mit ben früheren Plänen oon ©tfiler
unb ben Bewerbern im Qcfyxt 1869, fo ift ber Unterfdhieb in ber ©es
fammtanlage in bie 2lugen fpringenb. (58 iji bei 9taföborff:
1. ber SReft beS campo santo gefallen;
2. aus ber 3tteit§eilung in campo santo unb Xorn bie 5Drei*
tljeüung in geft*, ^ßrebigts unb ©rabfirche geworben.
3Jlan wirb nicht fel)[gel;en, wenn man bie {|ierbur$ gewonnene
fiöfung ber Schwierigfeiten, meldte ftch ben ©tülerfchen unb ben fpäteren
Entwürfen entgegenstellten, recht eigentlich auf bie Vefttmmung beS ßaiferS
griebrich jurüdtfü^rt. GS finb bieg bie eigentlich grunblegenben Sauge*
banfen beS ^errföerS, welche ihn augenfeheinlich feit Dielen 3at>ren be*
fdtjäftigt ^ben. Unb biefe 93augebanfen wurjeln ganj offenbar in ben
Erfahrungen beS 2BettftreitS oon 1869. 3nbem biefer flar machte, ba&
baS Seftehenlaffen unb ber 2lu3bau bes campo santo eine befriebigenbe
ßöfung ber Aufgabe nicht gemattete, unb bafj bie unmittelbare Bereinigung
unb 3ufammenfaffung oon ^rebigts unb geft*Äir<he &u praftifchen lln*
möglidt)feiten führten, reifte je länger ie mehr in bem funftfinnigen gürften
bie Anficht, ba§ es eine falfdtje Pietät gegen bie in ihrem galten Umfange
boch nicht mehr ausführbaren «Pläne griebrich SBilhelm IV. fein mürbe,
wenn man einen Xheil berfelben, baS campo santo beibehielte. $n einem
früheren ©tabium ber ©ntwicfelung glaubte ber bamalige Äronprinj griebrich
2Bilhelm, bafe bie gefonberte SBebanblung ,ber ßerrfchergruft empfehlend
werth wäre. 3n ben fiebriger fahren würben oom ßanbtage bie erften
9JHttel, welche bie Regierung jum Ausbau beS campo santo forberten,
bewiüigt. Stach einigen SBerfudjen nahm man jebodj oon einer weiteren
Verfolgung 2lbftunb, unb ber Vau unterblieb. Augenfeheinlich ^atte fidt) ber
hohe &etr oonber Unjmecfmäfjigf eit, auf biefem 2öege oorroärts ju fommen,
überjeugt unb machte fi<h mehr unb mehr mit bem ©ebanfen oertraut,
baS campo santo ganj fallen ju laffen unb ben baburdh oerfügbar
werbenben 9taum ju ber ftom* Anlage hin3u3Ujief)en. ©o entftanben
allmählich bie Vaugebanfen, benen $err 9tofchborff bie fünftlerifche gaffung
gegeben hat — bie breitheilige Einlage mit geft*, Sprebigt* unb ©rabfirdje.
^ierburch wirb es möglich bie praftifchen Vebürfmffe ber 3)omgemeinbe
beliebigen, einen mächtigen unb würbigen 9iaum für grofje firdjtiche
geierlidfjfeiten ju gewinnen, bie über ben Bereich ber 3)omgemeinbe weit
hinausgehen, unb enblidh eine angemeffene ©ruft für baS §errf<herhau3
in unmittelbaren 3ufammenhang mit bem $om herjuftellen.
$ie Tragweite ber genialen Vauabfichten äaifer griebrich« ift nicht
hoch genug ausschlagen. Gin Smcfblidf auf ben SBettfrreit oon 1869, bie
programmlofe Unflarheit, welche ihm jur Unterlage biente, bie programm*
mäßige Eürftigfett, welche fein Grgebnifc war, genügt, um ben gortfehritt
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Der Berliner Dom.
363
ju erfennen. (Sin ooflfommen flore« Programm (legt nunmehr cor, roeldjeS
allen Anforberungen 9>iedjmtng tragt; bie 2ttögli<hfeit, etroa« toa^r^aft
©roße«, 3roedmäßige« unb Schöne« ju fchaffen, ift geboten. Um bie« aber
311 erreidjen, fornmt es barauf an, baß bett ebenfo großen unb flaren rote
jroedmäBtgen ©ebanfen ber entfprechenbe fünftlerifdje AuSbrud gegeben
wirb, baß ber ©ntrourf 3roetfmaßigfeit in ber Anlage ber Sßrebigtfirche
mit ©roßartigfeit unb geierlidjfeit ber geft* unb ©rabfirdje oerbinbet, baß
er bie oerfdjiebenen £f>eile $u angemeffener ©rfdjeinung bringt, biefelben
aber gfei<hjeitig ju einer fcarmonifdjen Einheit jufammenfaßt unb in bie
Umgebung pajfenb ^ineinffigt. S)aS ift bie oon Äatfer griebrid) bem Söer*
faffer beS oorliegenben Entwurfs gefteüte Aufgabe geroefen; betrauten mir
näher, roie er |te gelöjt ^at!
3unäd)ft eine S3emerfung über bie $erm 3lafd6borff fpecteH gegebenen
SBeifungen. £>a ber SJerfaffer in feiner SBorrebe umftänblidj au«einanber=
fefet, welche ©ebanfen maßgebenb für bie Ausarbeitung waren, jegliche
beftimmte Anbeutung aber über bie feiner fünftferifdjjen ©ejtattung«fraft
burch bie erhaltenen Reifungen gezogenen @ren$en oermeibet, fo ift ber
Seurtheiler natürlich nur auf 3Hutfmiaßungen angemiefen, weld&e ieboch
jum erheblichen Sfjeil unmittelbar auf bem Entwurf felbft $u entnehmen
fmb. hierhin gehört oor Allem bie SBerbinbung ber Anlage mit ben $enf*
malSprojecten, welche jum $heil beftimmenb für bie äußere ©eftaltung burch
bie Einfügung ber großen Stiften geroefen ftnb. Db ber ©ebaufe üon
bem hohen ^Bauherrn fejtgehalten wäre, naäjbem für ba« §auptbenfmal
Äaifer 2öilhelm« fo r»iel weitergehenbe «Pläne aufgetaut ftnb, muß
minbeften« sweifelfjaft erfahrnen. 3ebenfallS ift $err Siafapborff für bie
©eftaltung biefeS Steile« feine« ©ntwurf«, welcher bie äußere Archtteftur
in maßgebenber 2Beife beeinflußt haben mag, nicht oerantroortlid) ju machen.
Aua) erübrigt fi$ ^ier jebe weitere Jtritif, ba fdfron mit «Rficfftcht auf ba«
für ^aifer Söilhelm geplante fcenfmal bejügltch biefeS fünfte« ba« lefcte
SBort jebenfatls noch nicht gefprodjen ifr gerner ift heroorguheben
bie innere 93erbinbung ber brei 5?ir$en $u einem großen SRaum. SBahr«
ftheinlich ^anbelt es fich auch hierbei um einen SBunfdj beS h°h*n S3au*
herrn, bem ber $erfa[fer beS (SntwurfS geredet ju werben fud^te. Qnwte*
roeit es ihm gelungen, ift noch weiter ju erörtern, fiier genügt es, barauf
fiinjuwetfen, baß ber ©ebanfe an fich feineSroegS oon ber £anb ju weifen
ift, inbem er, richtig ausgeführt, ju einer großartigen SRaummirfung führen
wirb. <5s fommt aber eben auf bie Ausführung an; unb wenn bie SBer*
iua}e ergeben, baß ohne empfinbUdje S3eeintrda)tigung mistiger praftifa^er
Sebfirfnijfe eine jwedmäßige Söfung ber gefteßten Aufgabe niä}t ju er*
reia>n ift, fo hätte Äaifer griebria) bei feinem Waren 33lid unb S3erftänbniß
gewiß feinen Anftanb genommen, ben ©ebanfen ju ©unften ber praftifa;en
^raudhbarfeit fallen ju laffen.
gaßt man junäajit bie 3we(fmäßigfeit be« ©ntrourf« in'« Auge, fo
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36^ CDbertegiemngsraitj (tobt in Köln. —
faßt alsbalb ba$ ungünftige Serfjöltnifj äwifa^en ber gefammten Saufladje
unb bcn gottesbienftlicrjen 3wecT£n befitamtcn Sfiäun en auf. 5E)ie brei
flirren »Ott Rammen etwa 4000 Quabratmetern glääpe erreichen eben
ben Umfang eine« großen fatrjolifd&en ©otteSfHUtfeS (£om in Mn 6300,
fünfter in Ulm 5100, etrafeburger SWünfter 4100, et. Stephan in
SBien 3200, 3Hünfier in greiburg, 3C00 Duabratmeter Itd^te SSeite im
Innern) unb nehmen nur bie $ätfte ber gefammten Saufläd&e ein. fßoi*
fallen, ©änge, SRebenräume ftnb bagegen fef)r reid)lid) bemeffen unb mürben
eine SeTfleinerung feJ»r wof)I erfahren tonnen. $ie ^rebtgtfirdje jumaf
mit ifyren etwa 1000 Cuabratmetern gläd&e weift niäjt mef)x Raum für
bie ©emeinbe auf als ber gegenwärtige $om. SSie bei fo beferjeibenen
Räumen bem oorfjanbenen firäjlidjen Sebürfnifj genügt werben foff, ift niefft
recr)t flar. 2>er jefeige $)om fafjt 1100 Sifepläfce unb ift ntd&t auSreidjenb.
$ie $Prebigtfird)e beS Entwurfs würbe audj bei fct)r guter SRaumauSnufeung
wenig mef)r ^läfce gewinnen laffen. $ie SeurtyeilungScommiffion von 1869
erfennt bereits ein Sebürfnifc ju 1600 Sifcpläfcen an, £err SRafäpborff bejtffert
baSfelbe auf 1600—2000. Sei ber 8lis$enf)aftigfeit ber 3ei$nungen lägt fat)
nid)t erfennen, wo bie ferjlenben 600—800 Sßläfoe fteefen.
Ein fernerer 3J?angel ber ^ßrebigtfirdje ift bie 2lrt unb SBeife irjrer
Serbinbung mit ber Jeftfird)e. SWitten in bem fletnen JRaume öffnet ficr}
ein foloffaler Sogen, 18 SJfeter im Sitten breit, faft boppelt fo rjocfy, natr)
ber geftfir<$e. Er nimmt über 2/5 beS nörblidjen 2BanbraumeS fort, roeldjer
fonft ju Emporen jwedmäfeig t)ätte auSgenufet werben tonnen. Es ift ni$t
abjuferjen, wie bie maffige 2lrä)tteftur biefeS Sogend mit ben befdfjeibene
Sbmeffungen ber ^prebigtfirdje in Einflang gebraut werben foH; nodfj rriel
weniger aber, wie eine nacfjtrjeiltge SeeinfTuffung ber SIfuftif beS Raumes
oermieben werben fann. ^n ber ^rebigtfirerje mu§ ben Sttnforberungen
ber leisten Sernerjmbarfeit ber Stimme beS ^rebigerS unter allen Um*
ftänben SRedjnung getragen werben; bie gewaltige 33ogenöffnung nadjj bem
weiten ^aume ber geftfirdje Ijebt bie 9J?öglicf)feit ber Serftänbücr) fett maljrs
fdjemliä) ganj auf. Cber follte auf eine Sä)lief}ung ber Ceffnung wärjrenb
beS ©ottesbienftes burä) Solange gerechnet fein? $aS wäre ein %vß*
frtllfSmittel, welkes mit ber ard&iteftonifd&en Sebeutung beS £aufeS wo#
faum im Einflang ju bringen wäre. $ie ©rabfirelje cntfpriä)t im ©runbrifc
unb 3lufbau genau ber ^rebigtfirdje — ein 3ugeftänbifj an bie äufcere
Symmetrie, weld&es im fdjroffen SBibcrfprudj mit ben oeifd)iebenen 3n>eden
ber 9täume fteljt. Sie Sorrebe enthält feine näheren 9lnbeutungen über bie
2lrt unb SBeife ber Senufeung ber ©rab!ircr)e, bie Einrichtung ber ©ruft
u. f. w. 3n ber 3etd^nung madjt fte ben ©nbruc!, als ob fie rjauptfäctyia)
ben 3med ber frmtmetrifdjen Ausfüllung beS ^pfafeeS r;ätte. ftrgenb welche
d)arafteriftifd)e it)rer Seftimmung entfpred&enbe ©eftaltung fe^lt.
2)ie geftfird;e, ber berjerrfd&enbe 3)iitte(punft ber Anlagen, bilbet ein
abgeftumpftes Ouabrat oon 35 Stfeter lichter Seite = 1225 Duabratmeter
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Der Berliner Dom.
565
glächeninhalt. $>ie S3erbinbung£f;aHen na<$ ben Settenfirctyen, bie Stttarnifdje
(eine nadj ber Spree gewenbete hnlbfretefönmge SlpfiS; ebenfoldje 2Ipfiben,
aber von fletnerem £albmeffer befifeen bie Seitennifchen), ber ber lefoteren
gegenüberliegenbe mit ©mporen ausgestattete dlaum erhöhen bie perwenb*
bare glad&e auf 1800 Duabratmeter. 2500 ^ßerfonen fönnen bequem barin
untergebracht werben, namentlich wenn Sifopläfce in befchränfter auf»
gefledt werben. 33i$ ju welcher innern lichten $Öf>e bie ßuppel auffteigen foll,
ifl aus ben 3*id)nungen nidn" 3U erfehen; bod) muß eine 3Htnbefthöhe oon
60 — 70 9Reter als nw^rfdjeintid) angenommen roerben, wenn anberS bie
Äuppet mit ihren gewaltigen 2lbmef[ungen nicht als bloße SttaSfe erfdjeinen
foü*. 93ei foläjer &öhe ift bie fluppel für ben eoangelifchen ©otteSbienft
nicht $u oerwerthen. $)ie wirflidje ©ebraudjSfähigfeit beS 9toumeS wäre
jebenfalls auf einen fefjr engen flretS von Jeterltdtfeiten befchränft. —
£>aS SBerhältniß beS ftuppelraumeS 3U bem ©efammtraume ber gejtfircfje
ift nicht günftig (35 $u hö<hftenS 50); erfterer nimmt einen ju großen
£heil berglädje ein. 9)ton tritt faft unoermittelt unter bie h°he Stuppel,
ber Sehminfel ifl ju fur$ unb fteil, um bie &öf)e ofme emporreefen beS
ÄopfeS auf fu$ wirfen Iajfen 5U fönnen, baS ©benmaß jmifchen #öbe unb
breite beS Raunte« fehlt. ©S ift baS ein fanget, welcher mehr ober
minber allen Gentratbauten anhaftet, welche aus bem Duabrat ober fonftigen
SSielect conftruirt ohne weitere ©lieberung unb Reifung in Schiffe, Sang*
haus, ßreujarme einen einheitlichen mit (jo^er kuppet überfpannten 3toum
barfteHen. &err SRafchborff weift in feiner SBorrebe fc^r richtig auf eine
feltene Ausnahme tyn, baS Pantheon in Rom, welches allerbingS feinen
Rupvelbau im Sinne ber ftenaiffance bilbet, unb feine günftige 2Birfung
burdj bie oerhältnißmäßig geringe £öfje erjielt, bie ftch jur breite roie 1:1
»erhält. — 28enn aber, rote in bem 9tofchborfffchen Entwürfe, bie ^ör)c jur,
breite fich roie 1:2 ftettt, bann liegt um fo bringenbere SHothwenbtgfeit oor ben
Äuppetraum burd) niebrigere Anbauten oon ausgiebiger Sange 5U oergrößern.
®a$ 2leußere roirb burd) bie fluppel beherrfcht, welche jiemltch bie
£alfte ber $orberanfia)t einnimmt, ©äirjltch oermißt roirb eine äußere
Slnbeutung ber $reitheiligfeit bei 3nneren; bie niebrigen Settenfuppeln
genügen um fo weniger, als fie lebigltch $ecoration$=3utl)aten ftnb unb
nur al« ©locfenthürme oerwenbet werben fönnen. £ie gefammte S3au*
maffe, welche bie brei Hirzen enthält, ergebt fich nach 2lußen ju einheitlicher
^öt)e. £ierbur<h unb burdjj bie foloffale SBeite ber Äuppel wirb ber ©in«
bruef beä Schweren h^njorgerufen. ^ie Sfi53entjaftigfeit beS <5ntwurf$
tritt baburd) am meiften ju 2:age# ©ine ©lieberung be3 2(eufjeren nad)
ben brei Äirc^en, eine @infcf>ränfung bei äußeren Äuppelburd^meffer« liegt
mit Siucfftcht auf bie Umgebung fä)on fo nahe, baß bie 3lußerachtfaffung
beffen nur etwa bur<$ bie 6ile ju erffaren ift, mit melier ber SBerfaffer —
oietteiccjt burdh bie Um|tänbe oeranlaßt — feine 9lrbeit ju einem oorläufigen
2lbfd}(uß bringen mußte.
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366 (Dberregierungsratt? (Cobt in Köln.
3n feiner gegenroärtigen ©cjlatt würbe ber$om beS $errn SRafdjborff baS
unmittelbar babei gelegene SJlufeum oollftänbig in ©runb unb Soben fd&lagen.
5Die ben entwürfen beigefügte Stnftd^t giebt ein ^öd^ft unoottfommeneS 23ilb
vtm ben 33er$ältnijfen beS 2)omeS ju ber Umgebung. 6ie maa)t ben ©in*
brud, als ob jwiföen beiben ©ebäuben ein er&ebli<$er 3wif$enraum oer*
bleibe, wätjrenb berfelbe t&atfäd)tid; mir 40—50 Stteter betragen mürbe.
23 ei fold&er üftä^e ift eine gebü^renbe sJlü(Iiidjtnaf)me um fo notfjmenbtger.
6<$öne SSer^ältniffc jwifd)en ©ebäuben unb ben ^läfcen, auf unb an
melden jte fielen, ^erjuflellen, ifl eine ebenfo fd)n>ierige wie banfbare ßunft.
5Ro<$ fdjwteriger wirb fic, wenn ber 9lal)men burd) anbere 2ttonumental*
bauten jum großen ^eil bereit« gegeben ift unb es nur auf bie ooH*
flänbige 2lusfuu*ung anfommt. 3n Berlin §at man von je^er ein feines
SBerftänbnifjfür biefeÄunfrübung gehabt. Äetner Ijat fie mit größerer 3Weifters
fdjaft betätigt, als 6$infel. (Seine neue SBadje, ©djaufpiel&auS, SRufeum
finb 9ftu)1ter beS ©efdjicls Monumentalbauten beS oerfd)tebenften UmfangeS
in eine bejUmmte Umgebung mit ooHer Harmonie Ijineinjucompomren unb
nid)t nur ben hinzugefügten bauten felbft, fonbern aud) ben bereits oorfjanbenen
ben ifjnen gebüfcrenben @tnbru<f ju fiebern. Sßon ben 2lrd)iteften Ijat aud) bie
monumentale Sßlafttf Berlins jenen 93orjug überfommen, unb baS an unb für
ftd) tü$tige, aber burd) originelle (Srfinbung fetneSroegS Ijeroorragenbc $)enf *
mal Jriebrid; 2BilI)elmS III. im fiuflgarten ift ein bejeid)enbeS 33eifptel
bafür, in meinem SJla&e ein foldjes Öilbwerf burd) glüdlid) getroffene
SBer^ältniffe unb guten Aufbau ftd) felbft unb feine Umgebung f)ebt.
©d)infel f>at es oerjtonben feinem neuen ÜÄufeum trofo beS gegenüber?
liegenben GoloffalbaueS beS ©Joffes eine fjeroorragenbe monumentale
2Birfung ju ftd)ern; SBolff fein ÄönigSbenfmal mit ©efd&td unb ©efömad
in bie mächtige Umgebung ^ineingefefet — ob beibe nidjt aus i^ren
wohlerworbenen 9ted)ten burd) ben maffigen Xombau beS ßerrn 9tofd)borf
oertrieben werben mürben, baS bebürfte jtd)erltd) einet fefcr ernften unb jeben*
falls juoerläffigeren Prüfung, als fte burd& bie menig glücflid&e 2lnftd)t
beS Entwurfes ermöglicht wirb.
$>ie 33ebenfen gegen benfelben mürben fic$ in folgenben ©äfcen jn
fammenfaffen laffen:
1. £rofc beS berräd)tlid)en UmfangeS ber ©efammtlage erfd)einen bie 2lb*
meffungen ber inneren äird)enräume, namentlich ber ^rebigtfirdje
nid)t jureidjenb;
2. ©ie ^rebigtftrdje genügt ben praftifdjen 2tnforberungen bes eoangelifd)en
©ottesbienjteS niety;
3. $He Sauformen zeigen einen ju menig ausgeprägten firdjlidjen (Sfjatafter;
4. SDie Anlage mürbe fid) in bie Umgebung nidjt f)armonifd) einfügen, baS
jefct oortjanbene (Sbenmafc oielmef)r empftnbltdj beeinträchtigen.
@S fragt ftd), ob biefe S3ebenfen burd) bie nodj auSfte^enbe 3)urd)ar*
beüung beS ©ntwurfs, ber nur eine ©fi$$e barftettt, befeitigt werben
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Der Berliner Dom.
56?
fönnten. Die 93ebenfen ridjten fidj gegen bie ©intyetlung, alfo ben ©runb*
ri&, gegen ben Huf bau, gegen bie ©auformen, b. Ij. fo jiemlid) gegen bie
ganje, wenn auä) ffisjenfjafte 2lu8geftoltung bet Saugebanfen be8 »er»
ewigten ÄaiferS. Sollten bie SBebenfen gehoben werben, fo müfete eine
ooUftänbige Neubearbeitung erfolgen, wel$e bie ©runbgebanfen, baS 33au*
Programm in aßen wefentltd&en feilen feftyält, in ber Ausgestaltung beS*
felben aber bem Slrä^iteften freie §anb lägt.
(Sin SBergleiä) beffen, was in bem oorliegenben Entwurf gefdjaffen
ift, mit ben bereit« früher entftanbenen Plänen eine« Stüler unb beS
2BettftreitS oon 1869 bfirfte foldje Auffaffung betätigen. 3war !ann ber
SBergleid) nur in bef<$rän?tem 2Jto§e ftattfinben, weil baS <5tülerfd)e campo
santo nunmehr befeitigt unb bie Teilung in gefc unb ^rebigtfird&e
als feftftefjenb anjunefjmen ift 2Bof>l aber erf<$eint es burdjauS juläfftg
parallelen jtüif^en ber geftfird&e beS #errn SRafdjborff unb ben früheren
Dombaus(5ntmürfen $u jieljen, ba biefe tl)atjäcf)ltcf) auf baSfelbe fjüts
ausliefen, was mit ber jefcigen geftfirdje beabftdjttgt wirb. Aua} ber
^auptunterf d&ieb , bafc in golge ber Dreiteilung nunmehr für bie geft=
fird&e ein geringerer 3fomm jur Verfügung fteljt, als für bie frühen Doms
bau^rejecte allein unter (Spaltung beS campo santo, ift oon feiner
erf)eblid)en 33ebeutung, weit bei gefd)id*ter 9laumauSnüfcung für bie geft*
firdje fid) ntdjt oiel geringerer $la|} oermenbbar madjen lägt. 3Kit ben
Ijierburdj oon felbft gegebenen (SHnfdjränfungen wirb man nid)t behaupten
tonnen, bafj bie SiRafc&borfffd&e ©eftoltung einen gortfd&ritt über bie bereite
non ©tüler unb ben belferen 1869 er ©ntmürfen gebotenen Anregungen
hinaus barftettte. 3m ©egentf>eit, bie aKe^rja^l berfel6en trifft ben fpeciftfd>
firdjlta)en (^arafter beS SauwerfS burd) eine ftrengere gormengebung
beffer, einige fügen fid) burä) eine mafeoollere unb fdjlanfere AuSbtlbung
ber Stoppel ungleich Pfiffiger in bie Umgebung ein. Dabei Ratten bie
Bewerber oon 1869 mit bem burd)auS unffaren programmlofen Suftanbe
beS bamaligen AuSfd^reibenS ju fämpfen. 2Ran fann bafjer bie 33er*
mutfmng nidjt oon ber &anb weifen, bafc biefelben Sttmftler, unter ben
jefeigen fo wefentlidj oeränberten unb geflärten SBer^ättniffen &u einem
erneuten SBettbewerbe auf ©runb eines beftimmt formutirten Programms
aufgeforbert, ju fein- oiel günftigeren unb brauchbareren ©rgebniffen gelangen
würben. SBurben bamalS fd)on oon (Sinjelnen 33erfud)e gemad)t Dom unb
campo santo ju einem wirffamen ©ruppenbau ju geftalten, fo liegt eS
auf ber $anb, bafc bie 9Jte!)rjaf)l jefet fid) ntd)t ben SBortljeil entgegen
laffen würbe bie brei Steile aud) im Aeufeeren in möglid)ft d^araf teriftif rfjer
©nippe erfd)einen ju laffen — eine wenn aud) fd)mierige, bod) fo banfs
bare Aufgabe, bafc es gar nid)t ju oerfteljen ift, weshalb SRafd^borff ftatt
beffen bie ©intönigfeit langgeftredCter horizontaler fiinien unb bie aufammen*
gebrängte Sülaffen^aftigfeit oorgejogen tyd. Der geglieberte ©ruppenbau
fü^rt oon felbft 5U einem wo^lt^uenben ©egenfafe gegen bie $ufammenge=
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368
©berreaierunasratb, lobt in Köln.
fafjten Staffen be§ SdjtoffeS unb be$ 3Jiufeum$, $u fd^Ianfen ÄuppekUm*
rifclinien im ©egenfafc $u ber breit gelagerte« ©d&fofcfuppeT. ©erabe tyier=
burdj fantt ein roof)ttf)uenber 9(bfdjlufe bes ^ßta^e^ erreicht unb bie ©efaljr
ber Umgebung ju na^e ju treten, fic ju erbrüicfen, (eidjt oermieben roerben.
Zweierlei ift als ßrgebnifj »orfteljenber Unterfud&ungen ju betrauten:
1. bie von ^errnStofc^borff perfudjte fttnfUerifdje2tu$gejtottung berSSau*
gebauten Äaifer griebrid^^ ftef)t nidjt auf ber §bty biefer ©ebanfen felbft:
2. bie 2lu3fid)ten burdj einen erneuten SBeroerb befonberä berufener
Slrdjiteften $u einem nadj aßen SWid&tungen Ijin brauchbaren ©ntnmrfe ju
gelangen, finb berart günftige, bafj ein SRifclingen na^eju au£gefd)l offen
erfc^cint. 33orau3fefcung märe nur f(are unb befUmmte gormutirung ber
©augebanfen be3 oeremigten Äaiferä unb richtige 3lu$nxxf)l ber jum SBettbe*
werb aufouforbernbenÄünftfer; beibeä märe Sadje ber ^mmebiatcommiffion.
©in fold)e$ 93orgefcn mürbe bie benfbar befie ©ernähr bafür bieten, bafj
ben ^flidbten ber Pietät gegen ben f)od)fetigen flaifer unb bie uon 3§m
lange ^a^re gehegten unb gepflegten unb fdfjUefeüd) p üoHer Ätar^eü
burdigereiften 23augebanfen oolle 9ied)nung getragen roirb; bafc aber aud)
ein 23auroerf jur 2luäfüb,rung gefangt, welkes nadj bem SBunfdj be$ ^ol>en
£erm ber £aupt* unb ^tefibenjftabt Berlin jur 3ler^c gereift £a3
Slnbenfen an ben funftfinnigen dürften unb feine Ijodjfjerjigen 33efxrebungen
fönnte md)t glüctlid&er ber 9?ad)roelt überliefert werben, als burd) einen,
in feinem Sinne geplanten, jroecfmä&ig unb großartig geftalteten, ba£
ed)önf)eit$gefüb,l befriebigenben unb in bie Umgebung fid) ebenio jroang*
los roie eigenartig einfügenben £>om. 3uni 1889.
9iad)fd)rifr.
3118 borfteljenbe Auiäeidmungen bereits bem Trucf übergeben waren, beachten bie
offentlidjen ©lätter iöerlinS mehrfach, »einerfungen über ben weiteren Verlauf ber
3)ombau*2lngelcgcnbeit. Site Afabemie beS SBauwefenö, gu einem ®utad>ten über ben
5Hafd)borfffd)en (Snttourf aufgeforbert, foü fid) gegen benfelbcn auSgefbrodxn, £err
9tajd)borff glcidnool}! ben Auftrag gur eitbgültigen Ausarbeitung ber $läne, tbcilroeife
unter Abänberung feiner Sfijgcn, erhalten beben. 2L*aS namentlicb ber legten Angabe
!Ef)atfäd)Ud)e& ju ®ntnbe liegt, entsiefjt fid) ööQtg ber 2?eurtf)eilung be« 3?erfaffer3
biefer 3*ifrn. Aber aud) unter ber SJorau&fefcung ber 9iid)tigfeit mödjtc eS feiiic&tücgS
iiberflüffig erfd)einen bie Aufmerffamfeit weiterer ftreifc auf ben bisherigen Verlauf ber
Angelegenbett unb tbre gegenwärtige Sage gu Icnfen. fllarbeit in einer bie baufünft*
lerifrtcn Sntereffen ber SReidräfcu&rftabt fo tief berübrenben Srage ?u gewinnen ift
jebenfaHS ein 2?ortbeit unb ein Stücfblicf auf bie gefi)iditlidjc fentwicfelung berfelben am
meiften geeignet iener Abfidjt näljer ju fommen.
Auguft 1880.
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f)crmann &un\bevt Tleumann.
Von
JFcboc bon Stoppen.
— Berlin. —
. 23o» brat Wann bat 2<btn
9lur halb crtbcUt, foß oanj bie WaAwelt geben!"
(Soetfce,
"flOt^l flict)t SDUjter, benn Stonen bei 8e&|etten fawn über genüffc
L i£Orj begrenze Greife ^inau^ gebrungen, beren SBcrfe nur von 2Benige
gefannt unb gelefen finb; nidjjt nur fold&e Srtdjter, roeld&e ba$ ^eajt
ftd& fo ju nennen nur uon einzelnen gelungenen ©rjeugmffen herleiteten, beren
bid^terif^e Straft aber ennattete unb erlofclj, alä bie Sdjroiertgfeiten ber
Sfofeemoett i^rem (Streben fjemmenb in ben 2Beg traten, fonbern au(% Didier
von ©otteä ©naben, bie ba-5 3beal tief unb toaljr in ber SBruft getragen
unb if)r Sebelang treu unb rebliä) banadf) gerungen §aben, e$ ju oerroirf?
li^en. $flia)t ber Ueberlebenben ift es, aud& auf biefe fjinjuroeifen, bamit
ber ©otteSfunfe, ber in ilmen geglimmt hat, nicht oerlorcn gehe, fonbern
andj noch anberen ©eiftern leitete unb anbere £er$en ermanne. 3U ^nen
gehört ber Sichter, beffen Seben unb SBirfen mir f)ier im engen Malmten
unferen £efern uorjuführen gebenfen.
^ermann Kunibert 92 eu manu fyatte jeitlebenS mit ber Ungunft
ber realen 5öerfKütniffe ju fämpfen; aber baäfelbe 2oo3 Ijaben anbere
beutfdfje $idfjter mit ibm geteilt, beren tarnen bennod) berühmt geworben,
§u (S^ren unb 2(nfef)eu gcfommen finb. SBenn St. 9Jeumann, trofebem
er ein geborener unb echter Sichter mar, bie uerbiente 3lnerfennung bei
ber SJJitroett nicht gefunben l)at, fo muffen hierfür noch befonbere ©rünbe
obgewaltet haben, bie fia; au3 ber Betrachtung feinet SebenSbilbeS ergeben
werben.
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370
gefror doh Koppen in Berlin.
£ ermann fluntbert nmrbe am 12. SRocember 1808 ats ©ofm be$
SRegterungSratljeS unb gorftmeifterS SReumann in SWartenroerber jugleidj mit
einem 3ro^ina^bmber geboren, Die beiben trüber waren ooUftänbtg
oerfdjteben. ^ermann mar ber fä)n>ädjlt<&ere unb jartere, unb munberbarer
SBeife roanbte ftä) baä $erj ber 9Jlutter mef>r bem gefunben, munteren
33ruber ju. Die geringe Zuneigung ber SRutter mod&te neben ber fd&roäd&s
lid^en ©efunb&ett bes flnaben bie Eltern ba$u befümmen, i^n fdjon in
feinem vierten 3a^re au£ bem £aufe unb ju alten görfterSleuten, Unter-
gebenen be$ 93ater8, in Pflege ju geben. 5Die einfame SBafoeaftille, in
ber er aufroudjg, unb ba8 ^eimroe^ ba$ fein junget £er& erfüllte, werften
in if)tn ben $ang jur Sd&roermutf), bte ifm bur<$ fein ganjeS fieben begleitete
unb and) burdj feine Did&tungen f)inbur$füngt.
3n feinem jroölften 3a$re marb er in ba8 Elternhaus jurürfgenommen
unb (ernte jefct erft lefen unb fdjreiben. Er entroidfette fidj aber fdmell
unb glfitflidj, befudjte baä ©mnnajium ju SJtortenroerber unb fd&eint ein
geroedter unb fleißiger Stüter geroefen ju fein, ©egen feine SReigung,
bie ifm pm (Stubirttfdje Innjog, warb er auf ben 9totf> eine« aSerroanbten,
eine« fjod&geftellten aWilitärS, für bie mtfttärifd&e £aufba$n benimmt, Er
trat mit a<$tjef)n Safycen in bie 21rmee unb ftanb als junger Dffijier bei
bem 17. Infanterieregiment in SEBcfet.
Die einförmige MtagSbefd&äftigung ber griebenSgarnifon fonnte i&m
bei feinem reiben inneren Seben feine 93efriebigung gemäßen, ebenfo
roenig bie gefetligen Jreuben im Umgange mit ben Äameraben. Die
träume ber Äinberjeit flangen in ber reinen Süngtingäfeefe nadj unb
führten ifm jur Diajtfunfl. So entjtonb feine Didjtung: „Des Dieter«
£ers" (Söefet 1836, 3. StufL Heiffe 1859), n>ela> bem Dieter «. oon
Gtyamiffo geroibmet mar unb an beffen Seben anfnfipfte. Es ift baS
Traumleben bes ÄinbeS, baS fid) in biefer rü^renben Didjtung fpiegelt.
©ef)r jart unb innig Hingen bie Erinnerungen an bie früf) uerftorbene
Sftutter. Die 3urfief)"efcimg, bie er als Äinb neben bem älteren 3miUing^-
bruber erfahren, tyatte in feinem fierjen feine SHtterfeit ermetft unb ber
SRemljeit ber flinbeSliebe feinen Eintrag getfjan.
„@8 toat ein Ilster, gotbner ftrüblingS*
morgen,
2Ü8 id) ein $nabe burdj ben ©arten lief,
SKiO) fröblidj tummelnb, too nod) obne
Sorgen
3u neuer 3?reube jebe ©tunbe rief.
Unb fdxm', e8 nafdjf im »lütbenfdjoofc
geborgen
Gin ©dmietterting ou8 füfjcm Äeldje tief;
3d) toouY ttjn fangen, bod) er flog bon
bannen
Unb fefcte fern fief) auf bie bofrn Mannen.
Unb al8 id) nun mit Xfjränen in ben
»liefen
SBcrfangenb nad) bem bunten Söget fdxm\
3>a fübl' id)'8 fanft auf meine Sdwltcr
brüefen,
Unb neben mir ftebt eine bleicb« 5rau;
3a) feb* fie freunblid) T»dj b«mieber bilden,
©eb' nod) ber Stugen munbertiefe8 ©tau:
w2Bein' nidjt, mein Äinb, benn febc deiner
Xbränen
2Nub mübfam ia ^ein lieber diiflet
gablcn."
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>
^ermann Knnibcrt tteumann. 37 (
„£at auch mein tfugcl hübiche bunte ftlügel?
.Scann er auch fliegen bis auf unfer ftauä?"
„2ld), IiebeS ftiub, wohl über Dbal unb £>ügel
fliegt etnft Dein (Sngel weit mit Dir hinaus,
Dann Köpft er au ein Xhor mit golbnem Siegel
Unb führet Dich, in feine« 2*ater« $au8;
Doch, barfft Du Deinen ©ngel nie betrüben
Unb foUft bor Mem feinen 2kter lieben."
£a$ 23tlb ber bleiben grau mit bem fanften Hauen 9luge unb bem
fe^uenben 23li<fe, uielä>3 ben tfnaben fettbem im äBadjjen unb im Traume
begleitet, wirb biefem fpäter burd; ben SBater gebeutet.
C JÖaterberj! — (53 mar nach jenem ' Unb gleich erzählte, wie ich eS gefangen,
Draume, Dem SSater iubelnb ich nad) $inbe8braucb.
27tich rief hinaus ber warme Sonnenfdjein, „ÜBir bürfen nid)t bas arme SBoglein
Da raub beim Spiel idmntermcinemSöaume, nehmen,
öclbfchnäblig noch, ein artig »ögelein; ($8 würbe bann fich feine Butter grämen."
5lu8 warmem Weft, ücrtrauenb feinem „ ,
Staurae, ^c cS m oa8 3K»ttet eilte
Schwang er in'* Sieben fröblid) fich hinein, ®m "äd""tcn *flUm mit ®r»&
Unb mußte, mübe balb uon furjem fliegen, herbei,
9?un ohne SduUi auf harter (Srbc liegen, j m*uin untcr ^rcm Sflögel weilte
i Unb hob ben ttopf mit Switfchern unb
3ch hc-b e§ auf unb legt' cS au bie Saugen Öefchrei.
Unb wärmte e3 mit meine* 9Kunbe& £aud), Da, als id) jubelnb feine ftreube theiltc,
Schon lange war einSBögleiu meinHerlaugen, Mief 'S plöfclidj mir, wo meine Butter fei.
Wach ihm burchfuchte ich fdion manchen Jlcb, ätoter, fag', warum ich armer Änabe,
Strauch, Wdjt wie ba8 Siöglein eine 2Kutter habe?"
£cr $atcr aber fab Um mit ernjmn 23ltde unb übcrtljauenben 2lugen
an —
Unb wie ein Seufzer Hang e8: „ülrmer ftnabe,
Dir ruht bie äRutter lange fchon im ftrabc!"
Sann nalnn er ifm bei ber $anb unb füfjrte ib,n fdjmeigenb in fein
SdjlafgemacJb, hinauf, roo bi^tüerfdjleiert brei Silber fingen. &on einem
na&m er ben Vorhang ab, unb ber tfnabe erfennt entwirft — bie bleibe
grau.
„2HeiBt Du, mein Stinb, warum Dir immer bange,
Sie hü Du im 3Jionbenlicht bie bleiche ^rau?
Die Butter tft e*, unb in lidtfen £öhen
Dort werben wir fie ewig wicberfefjeu."
3ludj ber (Sngel follte für ib,u fein Traumbüb bleiben, jonbern er
nalmt bie ©eftalt ber lieblichen ©efptelin an, bie fid) $u Unit gefeilte unb
ilnn feine JUnbljeit uerflärte.
?lotb unb Süb. L., r,o. 25
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572
^cbor pou Köppcn in Berlin.
„9?id)t fern bomftaufe blübtc toeifecr lieber,
Unb auf bem Straudje faß ein SBögelein,
DaS fang fo belle, wunberbare fiieber
!öon SBlumenbuit unb golbnem Sonnen*
fdjein.
Unb feben borgen fam ber Sänger toteber
Unb rief mid) locfenb in ben 2Mb hinein,
Dod) folgte id), burdjfdjnitt et fdjnell bie
3cäume
Unb liefe ftd) uieber auf bie nädjften »äume.
Dod) plöfclid) roar üerfrunrmt unb aud) ent=
fdjhmnben
Der Keine Sänger bon bem nädjften 23aum,
Unb öötdjenb ftanb id>, ftnnenb, toie um*
tounbeu
Wad) bem 6rwad)en nod) Dom fdjöuen
Draum,
Dod) feine 5£öne, Sänge gaben ftunben
2hn bem Gntflob/nen in bem toeiten 9laum;
Da fd>auf id) traurig, ad) mir war f o bange
5>luf nie betret'nem, toalbeSbunfelm ©ange.
Der SEßalb umlag, ein farbenreicher $ügel,
Den fdjbncn See im grünen Jblättcrfrana,
Unb aus frnftaflitem, mnnberbarem Spiegel
Stieg auf fein Söilb im lidjten SBeUcntan^ I
Unb jeneä groftc Xifox mit golb'nem Stiegel,
(£S toinfte mir aus 2lbenbrotbe8 ©lan§,
Dod) toie idj'8 fdjimmem fab aus SeeeS
Diefe,
äöar'S mir, als ob mein lieber (Sngel riefe.
3dj ftanb unb fab unb fdjaute immer toteber,
9ltd)t faffen fonnt' id) biefcS Sßunberbtlb,
3d) fab bie bellen mallen auf unb nieber
Unb borte tote im Xraume freunbtid) miß)
Die oft geahnten, langerfebnten ßieber,
23on ibnen mar bie Diefe tlangerfüUt
Dodj bord)! ßs raufd)ten nod) beS SBafferS
Söogen,
3toei toeifee Sdjtoäne famen angejogen.
Unb roieber bort' id)'S rufen, leife tönen,
3d) fdjaute um, unb ad), mein ©ngel ftanb,
SWein (gngel neben mir, ber meine Dljränen
So lang gesagt; ein toetfeeS 2id)tgetoanb
Umgab bie ©lieber ümt, bie bimmlifd)
Unb mit ber flcinen, tounbeqarten £anb
Sßarf in baSÜBaffer er benSdjtoäncnSpcife
Unb locfte fic bei ibren tarnen letfe.
„Du, lieber (Sngcl, fommft mir (Srüfee
bringen
5Bon Deinem SJatcr, bon ber bleiben Stau;
Dod) ad), Dir fehlen ia bie toeifeen
Sd)toingen,
.§tnabjuftnfen in beS Rimmels ©lau?" —
So fdmed ©ebanfen in ©ebanten ringen,
Dod) in bie klugen tritt mir füfecrDbau,
?U8 mir je&t &eibe, bebenb in öntjüden,
Un8 lang unb tief bis in bie Seele bilden.
Das SDläbdjen ftrid) juruef bie blonben fiotfen
Sa^ balb' ben JSobcn, balb ben Änaben an,
Den Sdnoänen warf fic bin bie toeifeen
iöroefeu
Unb ftanb bann toieber lange ba unb fann:
Sie fpradj unb fdnoieg unb fragte bann
mit Stoden;
„mt beifet Du?" — „©uftao". — „2ld>
ben 9?amen !ann
3d) fd)on bebalten; ©uftao, fornm' gum
©arten,
Du foQft mir t)dfcn meine 93lumen märten."
$ie Safyxt fcrjroanben. Der ßnabe reifte tyeran. GS fam bie 216=
fd)ieb*ftunbe mit bem ©egensrounjdje beS Katers, mit bem 2lbfdjieb3gru§
ber fwlben ^ugeubgefpielin. ©r [türmte voü Sfyitenbrang in bie 2ßelt
f)inau$, bodf; „im 23ufen flangen bie Töne, bie von $ott unb Ingeln fangen."
2U3 ber Jüngling roieberfefjrt auf rooijlbefannten SBegen ju bem [ritten
$aterfjaufe im 2Mbe, audj worüber an bem uon üBufd) unb $ügel um-
rahmten See unb in ben ©arten eintritt, wo er mit ber ©efpieltn Ginnten
pflärfte unb .stränge flod&t, ba [te^t er im 9Jtonbenfd)eine — „ein frifd&es
0rab mit bletd^em 2ei$en[teine". mar baö ®rat) feiner Sugenb*
gefpielin, feines fa^önften Alinberlraum«. Slber ber Dieter [iel)t niä)t
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^ermann Kunibert Itenmann.
373
flagenb unb §agenb cor bcn Statten ber $Bergänglid)feit. (fr fic^t aus
bem 33lüttyenftau6e neuen grüf)ling erblüljen, über ©räbern neues ßeben
fid) entfalten unb er rettet aus bem entfliefjenben Qugenbtraum eroige 2$ku)r=
ijeit für baS £eben. <£o fonnte benn aud) unfer $id)ter, ber (i. 1836)
bem $5id)ter »on (Sfjamiffo fein (SrftlingSroerf „3)eS 2>i$terS Qextf' nribmete,
nod) bretunbsroansig 3al)re fpäter (bei ber britten Auflage 1859) fagen:
„Ob aud) baS 2eib mir bleichte (Stirn unb fangen,
Xönt'8 bod) im bergen fort tüte bamalS Hat:
2>rei ftlangc finb burdj'S £eben mir geblieben:
®ott, reiner Sang uub eioig junges Sieben!"
3RU feiner $)id)tung „$eS $id)terS ßerj" trat ber $id)ter aus bem
Traumleben, bem er fid) gern Eingab, offenen Südes unb entfd)tebenen
SBtllenS in bie nnrflid)e SHelt. ©in ßncluS oon ©ebtd)ten, ben er im
folgenben 3af)re (1837) unter bem Xitel „Grs unb 9Jtarmor" heraus*
gab, erfdjeint uns als ein SSerfud), fid) feinen S3eruf uor fid) felbft $u
oerflären unb fid) an ben ©eftalten beS „eifemen Deiters" auf ber langen
SBrücfe, beS frommen ÄönigS mit bem eifemen flreuje oon 1813, 14 unb
15 aufjuridjten unb über ben Jammer einer nüchternen, profaifd)en &it
p ergeben; aber baS friegerifd;e Mftjeug wirb ju ferner in ber ßanb
beS Diopters, ber ©ott unb Siebe fingt. £. Steumann falte fid) nid)t aus
Steigung für ben rnegerifa)en SBeruf entf Rieben. 9kd)bem er in Söefel
bie ©eltebte beS &erjenS gefunben, nahm er, um feinen Söunfd) nad) $er*
einigung mit ihr unb nad) ©rünbung eines eigenen &erbeS oemurflid)en
ju fönnen, feinen 3lbfd)ieb aus bem Sttilitärbienfi unb trat jur Smititär-
oertoaltuug über, ©r erhielt 1840 eine 2lnftellung als ftnfpector ber
©arnifonoerroaltung in -Düffelborf.
$aS rege geiftige Seben in ber rheinifd)en flünftlerftabt besagte
bem $ta)ter fehr u>of)l. 3m &aufe beS 2)irectorS ber SMerafabemie
oon ©d)aboro roar er ein gern gefeljener ©aft unb trat in lebhaften
Söerfehr mit £)üffelborfer Äünftlern, foroie anberen geiftoollen ÜDMnnem.
3n feinem £agebud)e finben fid) intereffante Urteile über einige berfelben.
9lct)enbad) erfd)eint ihm als ber red)te 9lepräfentant beS leid)tleOigen,
„immer beweglichen, 00m ©eifte beS SRebenbluteS burd)brungenen, jeben
Äajtengeift oerad)tenben 9tf)etntänberS." Sei £)eger oerehrt er ben
feufdjen, gläubigen 6inn beS frommen ftünftlers, ber bie 2lpoHinariSs
firä)e bei Remagen mit greSfengemälben fd)mücne. SÖenig oortheilbaft,
aber getoifc treffenb ift baS Silb, u>eld)eS ÜReumann oon bem ju berfelben
3eit in £üffelborf lebenben unglücflid)en $iä)ter ©rabbe entwirft, „jenem
^arabieSoogel, ber oon ber &rone eines blfifyenben ^almbaumes burd)
bie $anb beS Sa)icffals in ben ©taub gefd)leubert mürbe unb ber aus
(Sigenfimt unb «Stolj fid) felbft im beutfa)en dltym bie fd)illernben gebern
nid)t rein n>afd)en wollte."
„(SS mar im 3^re 1836," erzählt 9?eumann, „als id) in ftolge
25*
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$cbov roit Koppen in Berlin.
eines fonberbaren SBriefwechfelS ben Xifyiex fennen (ernte. Von einer SHcife
jurfidfehrenb, fuchte ich irm an einem Nachmittage auf. ©r wohnte in
einer engen ©äffe, id) ftieg jwei treppen empor, flopfte mehrmals an
feine 2\)üxef unb auf ein mattes .^crein!1 öffnete ich biefelbe unb trat
in bas 3ünnter. 9Mit einem Vlide mar baS fleine ©elafe in überfein,
ein Vett, eine alte Stommobe, ein Xifd) unb ein paar Stühle gaben bas
ganje 2)ieublement ab, unb au&er einem ftaubigen Spiegel geigten bie
SBänbe feinen Sdmtud; ja felbft Vorhänge festen an ben genftern, ob=
gleich biefe ferjon vom Slnftanb »erlangt werben mufften, weil man fonft
von brüben baS gan3e 3i,limer uberfetjen fonnte. ©rabbe lag im -Öctte;
ber einjige, rot^gebei^te Xifch war biajt an baS 33ett gerüeft unb mit
papieren aller 2lrt, einigen Vüdjeru unb Schreibmaterial wie gefliffentlich
unorbentlidj überhäuft. 2lm gufeenbe beS Settel ftanb ein Stul)l mit
5UeibungSftüden, am ßopfenbe ein alter Schemel, befefct mit ©Idfern unb
glafchen. $6) [teilte mich ©rabbe oor. (Sein grofjeS fiellblaueö 3luge
fuchte ben Vlid ju fvriren, fdjweifte aber unftät mehrere Minuten \)\n unb
^er; er fonnte oor Verlegenheit lange nicht 3U einer jufammenhängenben
9iebe fommen, wärjrenb id), um ihm 3eit ju laffen, einen am genfter
ftehenben Stuhl oon ftaubigen ©egenftänben befreite, ihn an ben Xtfä)
rüdte unb mich barauf nieberliefj.
„$ch bin and) Cffijier getoefen unb trage and) Uniform unb $orteep6e/
fagte er mit mehr (Smft, als mir für einen fo bebeutenben Sichter würbig
fchien. ,$ie alte Schachtel, meine 9luf Wärterin, hat wir aber baS
<ßorteep6e geftohlen; wo nur ber 9t bleibt! 2ld>, trinfen Sie
einmal4 — babei holte er unter bem Sdjemel ein ©las mit §iueifelt)afteii Inhalt
heruor unb, als er meine ableflnenbe 3fliene unb ©ebärbe bemerfte, er--
wiberte er: ,(*S ift nicht SdmapS, hol' wich — — ! ich will oerbammt
fein, wenn es nicht Vier ift/
„Sie Schüchternheit oerließ ©rabbe nach unb nach, wo mit fd)5ner
Vegeifterung fprad) er oon feinen projectirten Herfen: ,9Ueranberc unb
,3cfuS'. ©r entioidelte I)crrlid;c ©ebanfen unb $beeu, aber bie babei
gewählten 9luSbrüde waren oft fo gemein, bafe id) unwiflfürlich meinen
Slerger Darüber nicht oerbergen fonnte. ©rabbe ftellte fich swar befd)eiben,
aber eine namenlofe Gitelfeit war gcrabe fein Verberben. <£r wollte in
Mem außergewöhnlich geuial fein, unb beSfjalb würbe er unwahr unb
rebete fid) oor, nur Spaß ober, wie er 311 fagen pflegte, Dummheiten
ju machen. @S war fläglich, biefen ^errlidr) begabten ©eift unter ber
fleinlidjen ©ewalt beS (rgoiSmuS fich frünmien unb winben 3U feljen; feiten
fchüttclte er fie oon fich ob, unb bann erfchien ein &eroS fowohl in lijrifcher
als in epifcfjer Sdjönhett.
„Xrofc feiner unangenehmen (S'igenfchaften fonnte man fich nid^t einer
tiefen bauernben 2l)eilnarjme für biefen unglüdlidjen Sichter erwehren;
benn wenn er in bem Öcfpräd)e enblich — es fei mir erlaubt, fo 3U
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ßermann Kunibert ZTcumann. — -
575
jagen — $ur SSernunft fam, bann war feine 33egeifterung eine edjte, bie jeben
£örer f)erau$rücfte au3 ber ©emöfmlidjfeit unb il;n in ben Äreis führte,
ber bie wunberbarften unb fjödrften ©ebanfen entwicfelte. Seiber bauerten
biefe 3nterme&503 nur SBiertelftunben, bann fajlug ©rabbe feinem ©eifle
felbft ein 6dmipp3>en, inbem er über feine .Xummfjeit' ladete unb ju
ber gewohnten gemeinen Rebeweife jurfidfefjrte."
Sir muffen eä unä rerfagen, f)ter nodj bie Urteile ReumannS über
anbere bamalS in $üffelborf lebenbe ©djriftfteUer unb Sinter, wie
Söenebir, greiligratf) u. 31., ansufü^ren. (?ine tief unb ernft angelegte
Ratur, fünfte fia) Reumann burd) ben Umgang mit ilmen um fo mefjr $ur
ftitten Ginfeljr in fid) felbft angeregt, um bie im ©efprädje mit tynen
gewonnenen SSafjrfjeiten in fidt) aufzunehmen, ju vertiefen unb in anberer
©eftalt wieber jur (£rfd)einung ju bringen. 2lu3 bem Greife ber ftreunbe
in bie 6tiUe feinet SlrbeitSjimmera jurürfgefeJjrt, befdjäftigte nd) Reumamt
mit ben tiefften gragen, von ©eburt unb Sob, von ßwigfeit unb $eit,
uon ©ott unb Unfterblidtfeit, unb fudjte an ber ^>anb ber ^oefie Söfung
für bie Rntfjfel beä Sebent, tiefem (Streben be$ 3Mä)ter3 uerbanfen
eine 3ietl)e von p^ilofopfyifdjsrelxgiöien £>id)tungen üjre ©ntftefjung, bie ifmt
in ber Äritif oielfadj ben Ramen be$ ,,©ottfud)er$" oerfdjafft fjaben, wie
„baä lefete 9Henfd)enpaar (1844), „Sajaruä" (1858), „Sie
Streiften" (1869), „Sie 2luf erfterjung" (1870) unb ba$ bi^er nur
im 2)Janufcript oorljanbene „^ofjelieb".
Unftreitig rannte unfer £id)ter ben 2luäfprud) £effing$: „2ßenn ©Ott
in feiner Siebten alle 2£al)rl)eU unb in feiner i'infen ben einzigen immer
Tegen £rieb nad) 2Saf)rr)eit, obfd)on mit bem 3uiafee/ Im<*) immer unb
ewig §u irren, oerfajloffen Ijielte unb fprädje ju mir: jUBätjIe!4 — id)
fiele mit £emutf) in feine Sinfe unb fagte: ,$ater, gieb, bie reine 2Baf)rs
fjeit ift ja bod) nur für Sid) allein!1" ift bem 3)Jenfd;en nicr)t
gegeben, mit feinem ^erftanbe bie grofeen Rätt)fel be$ Sebent 31t ergrünben
unb bur$ bie Sßolfen jur ootten £immel$flarl)cit bura)jubringen, ober aud&:
„hinter ben Sölten ben Gimmel 3U abnen,
^eilifle läufäuug, wie bift $it fo fdjön!" —
fo fcr)lie&t eine ber $mnnen an* bem genannten ßi)flu$: „£>a£ ^otjclieb";
unb mir fönnen unfere lebhafte unb $um Xljeil fogar bennrnberung^ooHe
Xtjettnafnne bem Sftanne nicr)t oerfagen, ber mit raftlofem gorfdmngS*
eifer banad) ftrebt, bie 2Baf)rf)eit aller Religionen ober oielmefjr bie Satjrs
t)eit über allen Religionen ju finben unb poetifd) 3U geftalten. 3lber bie
,3eit, in welker biefe $ict)tungen erfduenen — eine 3e^ ber polittfdjen
©äfjrung unb ber fladjen greigeifterei auf religöfem ©ebiete — , mar il;nen
nidjt günftig. Wan freute fia) an ben 9Jad)flängen ber Romantif, audj
an mand;em jarten 3Jiinnetiebe ober an ben pridelnben Siebern be$ „jungen
^eutfa^lanb" ; aber man fyatte wenig Neigung, fidj in biefe metaplmfifaV
religöfen ^)id^tungen ju oertiefen. Unb — wir geftefjeu e$ offen — and)
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376
gefror pon Koppen in Berlin.
wir §egen Steife!, °& D*e ^oefic ba£ richtige ©ebiet ift, um religiöfe
unb ptyifofopfjifdje fragen ju erörtern, beren Söfung bod) nur für tybtn
eine fubjectioe fein fann; — um fo mec)r fubjectio, je mel;r bei ben
meiften 2)tenfd)en bie ©emüttysfeite über bie SBerftanbeSfeite »onoiegt.
$)ie genannten Tötungen 9ieumann$ fjaben aber neben ben poetifdjen
aud) ein prmdjologifdjeS Qutereffe, in fo fern fie uns bie Kampfe einer
eblen £td&terfee(e lebenbig oor 2lugen führen, ©ine befonberä merf-
rofirbige Etdjtung ift in biefer ^ejiefjung Meumannä „SajaruS", ein
(Stylus von 188 (Sonetten, in welchen ber an einem ferneren 9ieroen=
leiben erfranfte ftiajter £roft unb Befreiung fudjte. £>aj$ ir)m aber feine
reflectirenben religiofen Eichungen fötalen Xroft nidjt geben tonnen, ba3
fcören mir au« biefen Sonetten fetbjt t)erau$. £a fpridjt er in einem
Sonette (9fr. 149) mit fetner 3ronie oon bem $roeifell>aften refigiöfen
£roft, ben ber ^aftor bem Äranfen jufpredjen toiH:
„3u meiner 8*au fam jüngftber$crr$aftor,
Stieb ftd) bie Jgänbe, fdjaute febr bebädytig,
Unb t)iclt bann ben Sermon — '8 toar
toirflid) präd)tig,
ÜHecrjt nad) ber Stimmung für ein toeiblidj
Cfcr.
3a, rübrenb toar e8, tote er fte befdjtoor:
2? od) nur auf ©Ott gu bauen, ber aümädjtig;
Unb nidjt auf* fträutertoeib. baS nteber*
trädjtig
$)en Icufel fid) äur $üfe auBcrfor.
Jpeut fam bie ftrau Sßaftorin unb begann :
„%dl. Siebe, ad)! mein ftinb ift franf, e«
fann
Stein %nt mebr Reifen, bod) id) min eS
toagen, —
3a, nad) ber tfräuterfrau toottt' id) Sie
fragen."
„iföaS aber toirb ber #err $aftor toofjl
fagen?"
w$erV — ßieber ©Ott, mid) fenbet ja
mein 3Jiann!"
3n einem anberen Sonette (9fr. 75) ift ber £id)ter bagegen auf=
richtig genug, ju befennen: „£er befte £roft im Seiben ift ber
©laube," unb er fdjliefjt:
MS>a8 arme 2öeib, baä oon bem Streu j bon Stein
2)a8 »nie ftd) tounb rutfdjt, tüfet beö fceilanb« Qrüfee
Unb fietjt bie Sttutter ©orte» an, bie füfec —
3bt toirb im Seiben ftetö geholfen fein,
Unb t)ier fcfjon gebt fte in ben Gimmel ein,
Snbefe id) 3toeiflcr obne Hoffnung büße."
Qm 3af)re 1841 mar ftcumann a(3 SBorftanb ber ©amifonoerroaltung,
nad) 2Befclar, 1842 alä ©amifonoerma(tung3sDberinfpector nad) Xorgau
oerfefct roorben. £er Xaufd) bcS fdjönen romantifdjen StyetnlanbeS mit
ber ftiUen ©tbgegeub roollte ünu wenig besagen. <5r l;atte feine 3tnfteÜung
bei ber ©arnifonoerroattung überhaupt nur aU Uebergang ju einer t)ö^eren
fiaufbafjn betrautet unb mufete fid) nun mit bem ©ebanfen oertraut mad&en,
oieu*eid)t jeitlebenä in einer ilmt wenig sufagenben Stellung ju oerbleiben.
Xie Siücfncfjt auf feine 5at)treid)e $amUie t)inbertc i(m, fein 2lmt aufju^
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fjertnann Kunibert Henmann.
577
geben unb fidj frei madjen. ©r füllte fia; gefränft unb jurücfgefefet.
$aju tarn, baß ber ©rfotg feiner $td)tungen im ^Jublifum feinen ©r=
Wartungen nidjt entfpraa). „Da« ift ba« &>o« be« beutj^en Eidjter«,"
ruft er in einem feiner Briefe, „fein genriffe« £00«, je treuer er bem
ftbeale bient unb bie Sßerirrungen ber HHobe abtveift unb befampft!"
Seine bittere Stimmung mochte roofjl von ©influß auf fein 3)iä)ten unb
aud) auf fein politifdje« Söerljalten in ber näajfien >$t\t fein.
ÜWeumann lebte in tiefer gurücfgejogenfyeit, big tyn bje Bewegung be«
3al)re« 1848 in ü)rem Strom fortriß. ©r tvurbe Leiter Dieler Vereine
in £orgau unb Ijatte 2lu«fidjt, bafelbft all Stbgeorbneter jur ^ationaloers
fammlung nad) Berlin gewählt 3U werben, erhielt jeboa) von ber Regierung
ben 2Jefef)l, fein bisher geführtes 2lmt in iorgau mit bem gleiten in
©lafe $u vertaufäjen. ©r na^m aua) fjier an ber politifdjen ^Bewegung
lebhaften 2intl)eit, warb jum 3lbgeorbneten gewallt unb trat in bie Partei
SBalbetf« ein. 2öir verjidjteu barauf, feine politifdje £f)ätigfeit in ber
preußif<$en SHationaloerfammlung $u verfolgen. Seine ©egner rühmten
feine ©eredjtigfeit unb wir jiveifeln nid)t baran, baß er bie 9lid)tfdlmur
für fein polittfdje« Verhalten allein au« feiner 23aterlanb«liebe entnafnn,
wenn er aud) ba« 3öoI)C be« 33aterlanbe«, bie greil;eit unb ©inigfeit
Deutfdjlanb« , auf einem anberen 2£ege anftrebte, al« feine früheren
flameraben unb viele feiner älteren greunbe.
Sdjon in feinem ©po« Jürgen Söullenroeber" (Seipjig 1846)
lägt fid) ber revolutionäre ©eift erfennen, ber einen £$etl be« 2*olfe«
ergriffen fjatte urtb ber balb barauf in ber Bewegung be« 3al>re« 1848
5um 2lu«brud)e fam. 3n bidtferifdjer 33e$tef|ung fönnen mir biefem ©po«
einen leeren 95>ertf) nid&t juerfennen. ©« fdjetnt un«, al« ob ber $i$ter
ba« Qntereffc oer fiefer für ben &auptf)elben ber $>iä)tung, ben füfcnen
unb rjod)finnigen Demagogen SBMenroeber, nidjt genug feifeite unb al« ob
ein föaupterforberniß be« ©po« ber einfjeitlidje ©ang ber £anblung nidjt
erfüllt märe, wie ja aud) fdjon ba« in allen ©ejängen medtfelnbe S3er«maß
bie burdjgefjenbe ©inljeit ftört. Xa« hineintragen von polittfdjen
tenbenjen aber rjinbert ben Eidjter, große gefdjidjtlid&e unb culturgefdjidjt:
lid>e ^ßerfpectioen — 5. s#. auf bie großartige Vergangenheit i'übecl« unb
auf bie 23lütf)e$eit ber £aufa — ju eröffnen.
©in anbere« ©po« „&o«ciu«$f 0", iveldje« SReumann felbft für fein
befte« erflärte, ein fllagelieb für ^Jolen unb eine 33errjerrlid)ung feine«
volf«tf|ümliä)en gelben, ift nur bnidjftüdtveife in bie Ceffentlidjfeit gelangt,
ba bie 3^^er^ä(tniffe bie $eröffentliä)ung be« ©po« niajt gematteten.
$e« ®id)ter« eigentf)ümlid)e« Talent finbet feinen voUfommenften
3lu«brucf in feinen erotifdjen ©pen, vielleidjt beffer „9loueüen in Herfen"
genannt, $u benen mir außer bem fa)on befprodjenen „2)e« ^Dia)ter«
^erj'' (Jiiefel 1836), „9iur ^e^an" (2. Auflage, »re«lau 1852),
„Xinon^p (Seipjig 1865) unb „92orbra" jä^len. 5Senn wir von ber
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378 $cbor von Koppen in Berlin. — -
lefetgenannten $id)tung abieben, bte bisher (eiber nur Stfanufcript geblieben
tft, fo erfa>int un3 „Wut Setyaxi" nadf) gorm unb ^ntjalt ate bie
uotfenbetfte unter 9?euinann3 Sichtungen. G$ fei uns be^alb geftattet,
l)ier auf biefelbe nod) etwas näfjer einjugcljen.
25er 6djauplafe ift jene mit allen Dleijen ber 9ktur oerfdjroenberifd)
au3geftattcte £anbfdjaft 3"bien$, in roeläje bie Sagen uieler Golfer baä
^Jarabieä ber 9)fenfcf)f)ett oerlegeu, ba$ oon ben Ijoljen, l;immelanragenben
gelfemnaffen bc3 &imalai)agebirge$ umfdjloffene, von jaftfreid&en glüffen
unb Seen beroäfferte Xf)al oon 5tafdjmir. .£>ter in bem beftänbig milben
SUtma gebeten bie föftlidjften grüßte, bie 9iofen blühen l)errlicf)er, aU
trgenbmo, unb erfüllen bie £uft mit ifjrem 2Bof)lgernd)c:
„"öon eto'getn Schnee bebcefet finb bie X er 93efjut ift'*, ber feine Reitern 2£ogeu
£>öfjen,
Xüxd) Strinagur* falle Steuern rollt:
2ief unter tf)ncn jieljt ber Söolfen <3d)ar, | 3fin überipringeu fdjlanfc SJrücfcnbogen,
Unb tiefer glänzen blanfe ©tctfrfjcrfccn , (5« fpiegelt fid) ber Xcmpelbädxr &olb
Unb tiefer roufdjt ber Xannt grüne* £>aar, 3" feiner 3Intfj, bon harten bunt burdj;
5öi8 burd) ben Xepptd) üpp'ger ©ramineen I flogen,
2tu3 SalbeSnadtf ein äöaffer breit unb ! 3n Partie füfjrcnb, n>a* bie (Srbe goUt :
Aar \ Xtn »oflften ©egen Don ber ^rudu ber
(Sief) braufenb gic&ct uicber gu bem I&ate, ftalmc
2öte Süberfäjmmi 311m golbenen fötale. 2M§ jn ber 3J2U<f> ber füfjen ttofoäpalmc.
Sdjattige S3aumgänge führen aus Stafdjmir ober Sirinagur (b. i.
UBofmung beä @lücte) 511 ben grofjen, munberbaren Seen Ijcrab, au$ beneu
•wtjUoie blüljenbe (ftlanbe, gleidj grünen Sdjiffen, emporfteigen. 9luf ben
Uferterraffen jenfeitä ber Seen l;at ber &errfa>r $nbien$ ^cl^angir ben
f)errlicf)en ©arten „Sf)altmar" (b. i. ÄonigSgarten) angelegt mit Duellen,
Söädjen, ©rotten unb mit einem bejaubernben sMd auf 93erge, £f)al unb
Seen, liefen Sommerfifo l;at ber #aifer burd) ein golbenen 23anb fa)roung=
«oller Brüden mit ben Unfein 511 einem rcunberooUen ©artenlaburintf) oer*
einigen laffen:
,Mo bie SHatur ei» Gbcu bjngebidjtet,
$>at 3e&angir ein ^arabieS erbadjt,
£a&, wenn ein (Mott auf (Srben tooQte »ootjnen,
3n Sljalimar er würbig tonnte tfjroneu."
ülber alle tyxatyt ber iHofengärtcu uon Sirinagur unb Sljalimar oer=
mag nidjt foldjen iJteij auf baö ^erj be^ Äaiferä ju üben, wie auf einem
ber fleinften ©ilanbe be^ Sees bie ärmlia^e .^ütte, meldte für tlm ba^
foftbarfte iUeinob, baö ljöa)fte 3l>unber ber SBelt, birgt. Mumela ift'^,
ba^ einfache grua)tl)änblermäbd)en — „Melonen pflegt fie auf bem fleinen
J^anbe unb bietet fie geringen S|keife$ bar" — für ben Maifer aber be--
beutet fie bie ^öd)fte i&onne, ba^ i'ia^t feiueö ^ebenö: „9?ur ^eljan"
(b. i. ba§ „2ia)t ber 3Bclt").
2Benu auf ben weisen Jelfen^auptern bie legten Sounenftral)len golbig
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^ermann Kunibert ZTeumantt. o?9
oerglüfjen unb bie ^>rad)t ber SHofengärten von Sirtuagur in bie Dämmerung
jurüdfinft, bann trägt ben Äaifer ^ctjangir fein Staden fjinüber nadj jenem
©üanbe, xoo Äumela feiner fjarrt unb 9iur 3ef)an, ba$ £id)t ber 2Belt,
ifmi teuftet. 2Iber nid)t als flauer na^t ßeljangir ber ©eliebten; er nrill
bie freie Siebe ÄumelaS genießen, unb bem ftaifer, bem SIbbilbe 3nbra$
auf Crben, wirb aU folgern Siebe nie 511 £I)cU. So fennt tonela Um
nur aU £aimabor, als einen ber Mannen be£ ftaiferS, ber mit ü)m
$ur fjeifjen $nbia gebogen unb nun mit ifnu fjeimgefefjrt naa) Styalimar.
©0 uergefjen ^e^angir bie 9täd)te gleid) fjolbem Xraumglüd unb bie
fttetjenben £age in Sefjnfudjt nad) bem Sidjte feinet Sebent, naa) 9?ur 3ef)an.
2>er flaifer nninfa)t fein Xraumbilb jur 2öar)rr)cit fia) geftalten ju
feljen unb 5Rur3eIjan in feinen ^ßafoft naaj Sljalimar tjeimjufu^ren ; benn
nur für fie r)at er ©^alimar mit allem ©lan$, ben ^nbien bietet, ge*
fdjmücft. 3woor aber foH Äumelaä £reue auf bie ^robe gefteßt werben;
benn bem tfaifer, bem nur Unterrotirfigfeit begegnet, roo er freie Siebe be*
getjrt, fefjlt bod) $u feinem üoUfommeneu ©lüde ber ©taube au bie Siebe,
ba£ Vertrauen in bie Xreue be3 2$etbe$:
„Unb fonnf ein ^fraueit^erj ben Wann belügen,
So wtiT, ftumeta, and) $ein fterg fonn trügen."
31mt entgegnet ßumela bie frönen SSorte :
„ftennft Xu bie 3at)i ber unsagbaren ; £cun wofmt bic 2Baljrf)eit in bem ftret*
Sterne? ber «Sterne,
Saftr 2)u bie SBunber in bcö üWeercS
«lau*
ftannft 2)u $iä) fdjtoingen ju beS Rimmels
Qfernet
fterniebertrauietn mit ber ftäd)tc 2f)au
Unb nieberfieigen 311 bem (Srbenfernc?
$ann liegt 2)ir offen aud) baS £er3 ber
Srau. u
$odj fannft 3>u*S tüc^t erreidjeu unb er^
fdjaucn,
So glaube nur bem fjolben 2Öort ber
Unb fdjläit bic ©ottf>eit in bc« 5Meere3
»tau,
Unb reicht bie Hoffnung in bc8 Rimmels
vyerne,
Unb träufelt Stegen in ber 9Iäd)te 2f>au,
Unb rufjt ein iHätljfel in bem (Srbenfente;
So rul)t ein Stätfncl in ber Öruft ber
SJod) faßt ber ßiebc 2id)t in'i fccrj ber
Sfrauen,
fannft 2>u bic Snnbcr aller SSclt er*
ftrauen. fajauen."
3n ben ©arten be3 töaiferä, in 6l)alimar wirb mit befonberer ^radjt
ba3 tfofenfeft gefeiert, äöie unter alt ben Slumen Stafdmiirä ber taufend
blättrigen ftofe ber s}kei£ ber Sdjönljett gebührt, fo null ^efjangir bei
bem Stofenfefte unter ben grauen Snbienä biejenige füren, bie feinem
Xraumbilbe 9hir ^e^an gleist. 2)ic foll e^ fein, melier ber Äaifer, um=
geben uon bem ßranje ber fa^önften grauen, ber ebclften gürftinnen ^nbienö,
oon feinem £l|rone ^crab bie golbene ^ofe, baS ^fanb feiner Siebe, in
ben Sc&oof? wirft:
w35enn toie bieS SBeib an Sdjön^eit oljtie ©leiten
SoÜ auef) \f)t §tii an Xreuc feinem loeidjeu."
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580
^ebor ooii Koppen in Serltn.
Äumefa treibt ein bremtenbes Verfangen, bem gelte — fei e$ audt)
nur aus ber gerne — 3u$ufdjauen unb felbft bie f)errlid)jte ber grauen
ju erbtiefen, bie ber Äaifer auf feinen ifiron ergebt. Sie tf)eilt ifjren
SBunfdj bem ©eliebten mit. £aimabor giebt mit fdjeinbarem SBiberftreben
feine Einwilligung unb geleitet tfumela biä ju einer oerborgenen ©rotte;
t)ter läjst er ba3 jitternbe attäbajen allein, bie mit beftommenem ßerjen
atte bie überirbtfdje ^raajt ber 9tofengarten oon (Sottmar bis naef) bem
Sonnent^rone bes ßaxfer« Inn fiaunenb überfd&aut.
„Stteidj fdmtüden mit fjcll fönmmernbem
©efieber
$>e8 s4krabiefe8 S3ögel ringö ben fcain,
3n golbnen fingen wiegen auf unb nie*
ber
tJafauen fid) unb bunte ^apagei'n.
@in fajlanfeS SRcfj fommt f)ier jur fterbe
wieber,
©in ftolger $irfd) fleuäjt einfam bort
allein,
Unb rufjig burd) bie golbnen ©itterftangen
©d)aut ernft ber £öwe in be8 &efte8
Sßrangen.
ftoef) brüber Ieua)ten ftiwpeln, Xrjürm'
unb Sinnen,
3aI)Ilofe 23lumen auf ber @rbe glü&'n;
S)a8 SBaffer Witt als äöaffcr nid)t merjr
rinnen,
2118 ©über mufe e8 burd) ben ©arten
m%
Unb iebe fjarbe will fjeut' reetjt ge=
Winnen,
$od) über atte barf bie JRofe blüf>'n,
3Me weifte balb, wie ©dmec im ©onnen«
(idjte,
! 2)ie rotlje balb, rote Siebe im ©ebid)tc."
ftumela |iet)t bie reijenben gürftinnen um ben Xfyxon fidj fd^arett,
fie ftef)t ben Äaifer ben Xtjron befteigen, im reict) uon diamanten ftra^len-
ben ©eroanbe, bie Ärone auf bem Raupte, — toie, faf) fie ilm fdwn §us
uor? — $od) nein, e« ift ja Setjangir, ba$ ßbenbtlb SnbraS, be« ©ottes
ber SBelten!
9tod} wallt ber ©d)Ieier um bie 2frauen=
bliitljen,
Wod) blifct bie9tofe in bc8Äaifer8 §anb,
$ie golbene, an ber Rubinen glühten,
Unb bereu Blatter $erlcntt>au nmwanb.
©ie ift'S, um bie bie $>olbcfteu ficrj
müßten,
2)er ©djönljcit unb ber tfaiferliebe Sßfanb!
3He ift erwägt, bie trägt bie reifte
Jerone,
3n beren ©d>oo& fte fäüt oom ftaifer=
throne.
2er $errfdjer winft, unb ^lotentönc
toallcn
2lu$ weiter <ycrne fdjmeidjlerifdj unb leif;
©ie rufen fanft, unb aüe ©djleier fallen,
Unb Staunen rauftet burd) ben weiten
SfreiS.
2Öot>l wätjlt ber ©lief bie fdpnfte unter
allen,
3)enn wo er fjaftet, giebt er aud) ben SßreiS ;
$odj fliegt er weiter, mufc er wieber
weilen
Unb wieber neu ben böäjften s£rei8 er-
teilen.
SBor}[ unter ©lumen magft £u ftdjer
wählen,
$cnn Jfön'gin bleibt bie 9iofe inrmerbar;
Unb unter ©temen tann fid) niajt üer=
^e^len
2er 5öenu8 2idjt, fo unbefdjreiblid^ flar;
Unb wollteft 2u §u Diamanten $ä^len
25 ie grauen ^ier fo reid) unb wunberbar, —
Unb warft ein Äenner 2u Don allen
Steinen,
©leid) toftbar würbe iebe £ir erfd)cineu.
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^ermann Kunibert ITenmann.
58\
Senn mu&te $ari8 fclbft fo lange Tinnen,
Sen golbnett 9tpfel jögernb in ber £anb,
Ser nur ju toählen unter brei (Göttinnen,
Unb boch berlocft nur ber ihn juerfannt,
Sie ttug tote (eine mu&te gewinnen
SeS flnaben ^erj unb fo baS theurc Sßfanb —
2ßer fönnte ba bem trunfenen 2(uge trauen,
Sähü'8 unter Imnbert göttlich fernen grauen!
3ef)angir fyat feine 2Baf)t getroffen, er f)e6t bie golbene SRofe unb
fc^Ceubert fie. Sie fltngt burd) bie Süfte unb faßt — fo toeit,
So weit üom ÄretS ber reijenben gurftinnen;
Sin anber 2Öeib mufe folgen SßreiÄ gewinnen I
21m golbuen ©Itter bleibt bie Siofe fangen,
Surd) baSftumela nach bem gefte fpäf)t;
Sod) wagt fte »ob,!, baB $fanb f>erabäu=
langen,
Sa» nur ber 3ufatt i&r bat jugetoeht?
Sie ficht ben $rci8 bor ihren Slugcn
fangen,
Ite rubelt ihr fcerj ftd) tounberbar erhöbt,
Unb folgenb bem nur, toa« fte beife burd>
glühte,
$ebt fte bie $anb unb öflücft bie golbnc
»liithe.
Sie 2Renge fteht'3 unb toeift e« nicht ju
faffen.
2Ber war e8, ber bie SRofe bort etttroanb ?
9Hd)t üriner will e8 ungeabnbet (äffen,
Sin 3eber retten ba8 geraubte $fanb.
Schon öffnen fid) beS »reifes bunte ®affen,
Senn felbft ber flaifer fcheint üon 3om
entbrannt ;
©r fteigt bom Shron, unb nach, ber ©rotte
eilet
(Sr burd) bie beenge, bie ftd) ftaunenb-
theilet.
Äumela trat leuäjtenb Ijeroor au« ber bunfeln ©rotte, bie blinfenbe
flatferrofe an ber Sruft:
„3urüc(gebeugt, bie 21rme fanft erhoben,
21bmchrenb mit ben §änben, wa$ fid) naljt, —
So ftanb fte regungSlo», ben ©lief nach oben,
2Ber wußte, ob fie broijte, ob fte bat!"
2>a« 33otf briajt bei iqrein 2tnbttd in taute« 3audjjen au«:
„Senn SBahrheit ift getoorben, toa» im Spotte
(Sin 3cber noch belächelt furj juDor:
Sa8 Sicht ber üüclt, ttur 3eban, ift erfchienen,
Unb 21Ue fnien, ber Äaiferin ju bienen."
Äumela aber fliegt oor beut neuen ©lüde unb oor ben Xritten be«
Äaifer«, ber if)r folgt; fie fliejjt au« ben Sfafengarten oon Rottmar burd)
gtur unb S3erge«inatten unb birgt fid) enblidj in bie Statten ber
gelfenroilbnife.
25er Äaiferbote, ber if)r folgt unb fie fmbet, ift Xaimabor felber.
wirft Stumela oon ibjem gelf entthrone jefct bie golbene SHofe, ba$
$fanb ber Siebe 3ef>angir«, entgegen unb ruft tym ju:
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582
£ebot von Koppen in Berlin.
jllQt m$ im g.efg geboren,
SRidjt, ma3 öom 51utenfd)ofee mirb gehegt,
9Jud) nidjt bte 9Nad)t, bie fie binaufbefdjmoreii,
Xie eine ißelt in ihre Sd)a(e legt —
Xaimabor nur ift baju auäerforen,
2tfeit er ba8 meiebfte £>cra im »ufen trägt;
$er einige Sßreiä, für ben SfuntelaS £eben
3m Xaufd) ber Siebe toiüig ftd) ergeben!"
Sann eilt fie $um Ufer be3 6ee$, löft bert 9toä)en unb f ü^rt mit
raffen 9toberfd)lägen Saimabor nadf) ifjrem 3nfellaub hinüber, £aimabor
fpradj :
„2i>eifet£u, o SPläbd)en,ba& aufaßen 28cgen I Senn an ben ricf'gen DJiarmorfäuIcn flehet
35er Sfaifer fpüret feinem iMdjte nadj? : 3toIj fein Öebanle ju bem ©onnenlidjt;
25cnn feine SBelt min er 311 früfcen legen, $ier too baS Heine 9ftcufd)enlcben fdjmeiget
9iur 3cl)an, £ir, £u riefft bie Siebe toadj Unb Snbra nur auS bunflen §öf)len fpridjt,
3n feiner ©ruft; brum ob £u arm geboren, $icr fteigt ber fiepte 3U bem $öd)ften toieber,
3ur Sraifertn bift 2)u allein erforen !'* £er §öd)fte aber ju bem Seiten nieber.
„UHnbobeSiBunber bab' id)$ ir erfcbloffeu,"
@rtmb Stumela ibr erregtes äßort,
wUnb SdjatimarS gebenf icb faft berbroffen;
5fik>8 ift be* .Vcaiferö eitles prangen bort!
23erfd)umitbcu ift c8 rafd), toa* fdjwer ent=
fproffen,
3>od) btefer S3au lebt burd) bie 3«itc» fort*
Unb nur menn alle giften bonnernb beben,
©türgt er 3ufaminen mit bem äßcltenlcbeii.
3n biefen ungeheuren Siaumen beuget
25er Sflabe felbft ftdj oor bem Herren nidjt,
£rum roünfdjte idi,mein armer 9iad)en trüge
Ten ffaifer 3efa"0ir wnb f*»n ©lüa*;
§ier fagt' id) iljm, bafe feine §ol)eit £üge,
Sagt' ibm mit ftolscm äöort unb ftoljem
»lief,
$af$, menn mein ftcrj an Seinem £er3en
frfjlügc,
3d) gern' berladj' fein glänjenbeS ©efdjicf ;
Unb menn jum fdjönften 2ßeib er
mid) erforen,
(fr an bem treuften feine Sieb
Dcrlorcn."
TieZ ift in allgemeinen ^ügen ber 3nrjalt ber brei erfien ©efänge
oon 9ieumann3 „Wur 3el)an". Sßir bürfen es lei#t ber Sßljantafie be3
SeferS überlaffen, fid) ben vierten unb lefcten ©efang lu'njujub i#ten, falls
er es nid>t oorjiefjt, in ber reijenben 5DJärd)enbid)tung felbft nadfoulefcn,
roie tfumela, nad)bem fic jebe Prüfung iljrer £reue beftanben, oon Saimabor,
ber fie fdjeinbar rjerratljen fjat, eingeholt unb in prächtigem 3lufjuge nad>
6trinagur geleitet roirb, um f)ier oon bem beliebten auf ben flaiferttyron
erhoben §u werben.
„Ter ftaifer hat baS 2id)t ber 2öclt gcfnnbeu,
9?ur 3erjan ift mit 3d)anair oerbunben!" ~
2Han rjat bie genannten oier evotifa^en &pen aU eine Söer^errlid;ung
ber Siebe in tt)ren »erfa^iebenen ©traf)leubrea)uugen d^araf terifirt : ber
ßiebe be3 iiinbe^ (/#bcä SifyteTZ §evf), be3 Jünglings („52ur aeljan"),
beS 2Jianne3 („X'monW') «nb be^ ©reifet („^orbra"). ^a§ eine fola)e
t^eorettferje Jlategorifirung uid;t ganj jutreffenb ift, baS ge^t roo^l fa^on au§
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fjermann Kunibert ITenmann.
583
ber obigen £>arftellung tjeruor. 25Mr fefjen nid&t ein, inroiefern e$ gerabe
ber Siebe be£ ^üngüngg entfpredjen foß, bie Xreuc be3 geliebten 2Beibe3
fo idjroeren Prüfungen ju unterwerfen. „9fur 3ef)anM fajeint uns vieU
mefyx als eine £?erl)errlid)ung ber über allen 3roeifcl erhabenen, in ollen
Prüfungen beroäfulcn £reue be£ von reiner Siebe befeelten ÜßeibeS.
„9torbra" gewinnt nodj einen befonberen 9iei$ baburd», bafc ber
Xidjter un§ t)ier in bie bis jefet in ber ^oefie nod) roenig gefd&ilberte
35>unberu>clt 3ämnb£ einführt unb bie falte norbifdfje Sanbfdjaft mit bem
gleiten nmnberbaren garbenreidjtlmm auSfiattet, wie in „9iur $eljan" bie
■Jiofengärten ftafdjmirS. 3Köd)te bod) aud) biefe treffliäje £id)tung, bie
un£ bei ber £urdjfid;t beS 3Jtanufcriptc3 mädjtig ergriffen f>at, burd) ben
Dxvid balb einem größeren ^ublifum jugänglid) werben!
$ie lefetgenannten £>idjtungen ÜHeumannS entftanben fajon unter bem
Srucfe fdnoerer förperlidjer i'eiben. S3ereit£ im %ahxz 1850 erfranfte er
in ©lafc, unb brei $a\)xe fpater balb nad) feiner SBerfefeung naä) 9?eiffe nodj
einmal unb jroar faft töbtlidj. Xer fdjon obengenannte 6onetten=Grjclu£
„SajaruS", welcher um biefe gelt entftanb, erfdjeint als ein $erfud> be£
SMdjterS, fia) bura) bie ^Joefie über fein Setb $u ergeben. @r erregt unfere
^erounberung in einem um fo fjöfyeren (Srabe, roenn wir bebenfen, bafe ber
2)i(f>ter unter ben entfefelia)ften Sd;mer$en ber Äopfneroen niajt mübe warb,
tiefe unb eble ®ebanfen in funftooüen formen ju geftalten. 3m $af)rc 1860
warb bem $idjter, ber übrigens für einen tüdjtigen Beamten galt, eine
Anerkennung ber Regierung burd) bie Ernennung jum ©arnifonuerroaltungS*
2>irector unb bie 3Serleil;ung beS iHotfjeu 2tt>(erorbenS.
3m $af)re 1866 sogen brei feiner eölme mit in'S Selb, unb 1870
flarb ein DoffnungSoolIer unb begabter Sofm ben £ob für baS SBatcrlanb.
£er <Sd)iuer$ über biefen SBerluft beugte ben 3Sater tief nieber. 5Die
„^erjenSlieber" (Seipjig 1870) gehören ju ben legten äßerfen, toeldje
Hermann Kunibert 9? eumann ber Deff entlief eit übergab. 2)er roarme ©emütf)$=
ton, weldjer in ben meiften biefer Sieber anflingt, giebt il)nen einen befon*
beTen 28ertf). 9tor eine furje ^robe barauS fei tyer angeführt.
©ine fdjmer$f)afte SNeroenfranffjeit feifelte ben £id)ter nad) bem Kriege
1870 fünf 2Ronate lang an ba$ Äranfenlager, unb bie nui^rc Sebensfraft
fefjrte feitbem nie roieber. 3lm 8. Dfooember 1875 enbete ein fanfter Stob
feine jahrelangen Seibeu.
^veube unb £d?mer$.
3mei flammern fjat baä #ers,
Drin tooljnen
55 ic i$xeubt unb ber Sdnnerj.
Sad)t ^reube tu ber einen,
£aun f Plummer t
Xer 2d)tner3 ftill in ber ietnen.
C Sreube, fabt «d)t!
Sprid) leife,
£at5 nidjt ber Sdjmerj ermaßt !
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38^ ^cbor von Koppen in Berlin.
SBicr 3a{jrc barauf gegen 7 Uhr SlbenbS bewegte fidj ein langer 3«3
von gttcfelträgem nach bem ©arnifonfirdjhofe in Reifte unb fd^arte fid& bort
um ein ©rab, auf bem ein oerfnlüteS $>enfmal ftch erhob, ^tefe ©Ratten
lagen über bem einfamen gnebhofe. &erbftnebet wogten auf unb ab, ba
erflang ber feierliche Grjorgefang:
Stumm fdjtäft ber (Sänger, beffen Dbj
©elauf d)t beretnft an anbrer SUcltcn Xfyox;
(Sin na^er SBalbftrom braufte fein (Befang
Unb fäufclt aud) wie ferner OueÜcn Älang.
2>u fcfclummerft ftille, fdtfummerft leicht,
2Benn über 2)id) ber Sturm unb 3*Plför ftreirfit ;
35er Sturm, ber 2>tr ben Sd)lad)tgefang burdjbröb,nt,
£er fcaud), ber fanft im frommen Siebe tönt.
2£ährenb be$ ©efangeS fiel bie $üüe, unb oon bunfelgrauer 2Warmor=
faule blicfte ber in 9ieliefarbeit aufgeführte eble Äopf beS oerflorbenen
$icr)ter3 ^ennann Kunibert 9Ieumann, beleuchtet oon gacfelfchein unb auf*
^uefenben glammen, ernfl hinein in bie bewegte Söerfammlung. ©in Stacht*
fchmetterling flog in ben £icr)tfrei3 unb fefcte ftc^ auf ben langroallenben
S3art be3 dichter*, — ba« einnbitb ber Unfierblidhfeit.
SJlödjte ber oerftorbene, letber halb oergeffene dichter noch in feinen
SBerfen eine 9luferftehung feiern, unb möchte unfer SSolf fich freubig unb
banfbar erheben an bem Schaffen eines dichter«, ber fein Seben hinburcr)
feinem 3beale treu geblieben:
„$rei ftlänge ftnb burdj'ä ßeben ilrnt geblieben,
(Sott, reiner Saug unb ernig junges Sieben!"
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(Eine 3öylle toäfyrenö bev Belagerung.
Don
ß x an qo ts £opp£e.*)
— paris. —
XII.
ou jenem Xage an gaben fia) ©ugenie unb ©abriet nrieber ganj
if)rer Siebe f)in, toeldje bie Trennung nur gefteigert fyatte. Sßie
| früher, fanben fic fia) aHabenblid) gemütfyttd) jufammen. ©abriel
lad uor, oDer fie plauberten miteinanber; unb ftodfte ba3 ©efprä(f>, ober trat
oorüberge^enb ooUftänbige Stille ein, nur unterbrochen oon ber rjmtl)mif<$en
Seroegung ber auf unb niebergetyenben Nabeln, fo taufd)ten fie 5ärttid)e Slicfe.
Senn ifjr 9ftann, ber feinen 3)ienft als 9tationalgarbift mit magrem Feuereifer
oerfaf), auf SBorpoften ftanb, fo gemattete (Sugenie, ba§ ©abriet fte nad)
&au3 begleitete. Sie liefen feine ©efaf)r, auf biefen abgelegenen, büfteren
SouleoarbS erfannt ju roerben, reo fparfam oertfjeilte OcHampen bie lityU
funfelnben, in enblofen 5ieifjen fid) f)injief)enben ©aäfanbelaber erfefet
Ratten. !$ti biefer einfamen, finfteren ©egenb erjätjlte bie junge grau
if)rem greunbe, roä^renb fic, auf feinen 3lrm gelernt, langfam an feiner
Seite tuanbelte, roaS fie in lefeter 3eit alles erbulbet habe, unb wie fie oer=
laffener unb einfamer benn je fei, feit Clement, ber feine 2lrbeit mefn
fjatte, ganj unb gar in Jlrieg unb ^3olitif aufgegangen war. Sie flagte
©abriel, er fdjlafe in ifjrer Söofmung nur noa) in ben 92äajten, roo fein
Bataillon feinen ^Dienft t>ätte ; ein £runfenbolb fei er geworben, rol) unb
5u ©eioalttf)ätigfeiten geneigt, unb fie ftünbe jebeSmal eine roafjre Xobel=
angft aus, wenn er au£ einer fllubfitjung ober oon einer Dfftjier^toafjl
beraufä)t nad> $aufe fäme, ftudjcnb auf bie 23errätf)cr unb 23ourgeoi$ lo^
*) 2lu3 bem 3franaBRfd>n überfefct üon Dr. ©mll »urger.
4
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."80
^ran^ois <£opp£e in parts.
bonnere unb in einem Slt^cm ben £ur$6rucf) burä) bie feinblichen Linien
unb bie 2lbfchaffung bes Kapitals, bie Vernichtung ber ^reufjen unb bie
&errfd)aft ber So5ialiftcn forbere. 2luf ©abriete drängen unb 8ra9cn
räumte fie aua) ein, bafc fie fia) tief unglücflich gefügt habe, als er fiel) fo
lange nicht hatte fefjen fallen, unb bafc ihr &er$ ber Verjroeiflung nahe
geroefen fei bei beut ©ebanfen, er fei unbeftänbig unb flatterhaft. Unb
überwältigt von bem Uebermafj ttjrer ©efüf)le, fdjnmren fie fid) Sreue bis
$um Sobe. 3(jr herbes ©efehief beflagenb, fudt)ten unb fanben fie Xro ft
in ben letbenfajafttidjften Siebfofungen. Süü war ihr ßufj, oou 2^rancn
benefct, unb fo ftürmifd) ihre Umarmung, bafj fie Urnen ben 9ltJ)em raubte,
roährenb ber 9?ad)troiub ben bumpfen ftanonenbonner ber <yortS unb manch*
mal auch bas knattern beS ©eroehrfeuers ber Vorpoften über ihre Häupter
bahintrug.
$n iljrer Schüchternheit unb ^aiuetat fiel es ben Siebenben gar nidt)t
ein, eine oollftänbigere Befriebiguug ihrer Siebe ju fudfjen, ia, nicht ein=
mal ber blofje 2£unfc$ regte fich in ihnen; ftüffe unb Üöorte genügten ju
ihrer Seligkeit. Unb bod) wäre (higenic ©abriel gegenüber nribcrftanbs=
los geroefen, hatten bie Umftänbc biefem geftattet, feinem Verlangen 2lus=
bruef ju geben. 2lbcr Jrau ^enrn liefe fie nie allein,- unb fie felbft mären
unfähig geroefen, in beroufeter Steife oorsugeljen unb ein ^läfcchen aus*
finbig ju machen, roo fie ihre h^imatslofe ^br;IIe hätten bergen fönnen.
Sie beichränften fich i*fct auf einen faft aUabenttid) ftattfinbenben Spajier*
gang bei büfterer Beleuchtung unb unter ben graufenerregenben Umftänben,
roie fie in ben dächten jur Seit ber Belagerung natürlich waren.
So gingen für fie jene entfefeliä)en 3Nonate SKooember unb Secember
uorüber, roährenb bereu bie unglüefliche Stabt alles Unheil bes Krieges
über fid; hereinbrechen faf). 2lbcr roaS flimmerte fie junger unb Surft,
roaS fragten fie barnad), ob Elenb, Entbehrung unb 3lngft um fie herrfd)ten ?
Sic liebten fich, unb bieS (Sine genügte, fie über alles 3J?enfd)enleib $u
erheben. 2Öas fümmerten fie Schlachten, Slufftänbe unb Empörungen $
Tie Siebe fchliefet fich unb fteht auf einfamer £öh', erhaben über ben
Xhorbeiten ber ÜJienfdjen. ftaum bafe fie einen Blicf hatten für bie un*
heilooücn Greigniffe, bie fid) in ihrer Umgebung abfpielten. ©abriel fragte
uiel barnach, ob am 31. Cctober Srochu ober Blanqui jur Regierung
fam, benn am 9tbenb uorljer hatte er feine ©eliebte roiebergefunben; unb
als fpäter bie Schlachten in fdjneUer 9tufeinauberfolge gefchlagen mürben,
fo trieb fein ©ebäd)tnife mit ihnen ein gerabe$u oerbred)erifd)eS Spiel,
benn alle biefe blutigen Taten erinnerten ihn nur an ein järtlidjes, be-
jaubernbeS äitort, bas fie ihm an jenem Sage gefagt, an einen füfeen,
lcibenfd)aftlid)en Kufe, ben er il;r geraubt hatte.
Eines 3lbcnbs, in ber legten Hälfte beS Secember, roaren fie aud)
bei <"vrau ^genri), als fie Diefc für ben näcfjften Sag ju einem Siner einlub
unb il;neu mittheilte, iljr im Vorpoftenbienft thätiger Detter Robert ^abe
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<£ttte 3&ylle njäljrenb 5er öelagerung.
587
einen oierunbjwanjigftünbigen Urlaub erhalten unb werbe eine oon ben
lefcten ©änfeleberpafteten mitbringen, bie in ^aris nod) aufzutreiben ge*
wefen wären.
©in fletjenber 33licf ©abrief, ber in biefer ©inlabung nur eine ®e=
legenbeit fab, einige tHugenblitfe länger bei feiner Slngebetetcn ju oerweilen,
beftitntnte (Sugenie anzunehmen , unb am mußten 2tbenb famen beibe
Siebenben jur beftiirmiten Stunbe an.
@S war bieS einer ber glfidlidjfien Slbenbe ir)reä SebenS.
£aS Keine 3"™"^ Öatte ein feftli<heS SluSfeben. (Sin mächtiges
£ol$feuer, in jenen £agen ein feltener SujruS, flammte im Äamin. Sampe
unb Herfen brannten bell unb warfen ihren ©lanj auf baS blütbenreine
Xifc^tua). Sie fcblanfe brünette, meldte über ihrem fajönflen feibenen
bleibe eine mit Stecfnabeln befeftigte Mdjenfdjürje trug, bearbeitete Heller
unb ©läfer mit wahrem Feuereifer, unb Gugenie, angeftecft burdj bie
heitere Saune trjrcr ftreunbin, war ihr beim Xifdjbeden beljülflidj.
£er 9)tobügarbeii'£ieutenant Hejs audj nid)t fange auf fid) warten.
(£r erfa}ieu in friegSmäfeiger SluSruftung unb trug fyobe, robleberne Stiefeln;
an ber Seite beS 2)tantels war ber ©riff eines Offijierfäbels fidt)tbar,
unb unter bem 9lrm barg er bie ftfftliche haftete in einer breifaa)en Sin»
wicfelung oon grauem Rapier.
Sofort fefcte fid) 2llleS in fdjönfter Stimmung ju 2ifd). 2>er oer;
traute SBerfebr ber Siebenben, bie bei aliebem bie größte 3urfidhaltung
bewahrten, hatten ben anfänglichen Söerbadjt beS fogenannten GoufinS be=
feitigt, unb ^erjlicbfeit unb grofjfinn würzten baS 2Habl wäfjrenb feiner
ganjen 2>auer. 3öot)C empfanb ©abriet ein ©efüf)l beS Leibes, wenn er
feinen gemeinen Solbatenrocf unb feine befäjeibene Stellung als ftäbtifdjer
9totionalgarbift mit ber eleganten Uniform unb ben friegerifcben ^(irafen
beS DffijierS oerglia). ©inmal fogar, als ber fd)öne Stöbert ©ugenien
einige fabe Gompltmente machte, marterten alle Dualen ber ©iferfudjt fein
unruhiges £er$ unb er fann auf 3florb unb £obfd)lag, aber alles in allem
genommen waren fie uroergnügt, unb nadjbcm fie bie gewiffenljafteften
Ausgrabungen im Innern ber haftete oorgeuommen unb eine Unjaljl
patriotischer Soafte ausgebracht Ijatten, trennten fie fid) als bie bcften
greunbe oon ber äöelt.
$ie 9fad)t war falt aber fteruenfjell, unb ©abriel begleitete ©ugenie
nad) &aus. 3bre Unterhaltung unter ben alten Säumen beS Souleoarb
b'^talie mußte wol)l an jenem 3lbenb fef)r järtltd) gewefen fein, unb
bimmlifdj füß ber 2lbfcbiebSfufe; beim ©abrief wollte ntd)t gleid) nach
&aufe gelten. Aufgeregt burd) ben fo froh oerlebten 3lbeub unb, wir
müffcn eS leiber jugefteljcn — fdjwad) fiub unb bleiben nun einmal bie
armen 9Kenfa)enfinber — wotyl aud; aufgeheitert burd) baS reidje 2flal)l
unb bie genoffenen ©etränfe, begab er fid) in baS (Saf»'- beS Duaniev
Satin, wo (Sajaban, umgeben oon einem Greife lärmenber, übcrfpannter
CTctb unb 6üb. L., 1 r.o. 2(>
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388
^ran^ois <£oppee in Paris.
Subfranjofen afiabenblich bic Regierung beS gemeinden Herraths anfragte
unb bic burchgretfenbften SJfaftregeln gegen ben getnb forberte.
3um allgemeinen Grftaunen machte fid) ©abriel, ber als fdjüchtern
nnb gemäßigt galt, an jenem Abenb burd) feine £eibenfchaftlid)feit unb
feine SBegeifterung 6emerf6ar. Gr gab einen $unfch &um heften, ^iett
eine reine Branbrebe nnb Iran! auf bie Ausrottung ber geinbe be3
SBaterlanbeS; unb Borgens, lange uachbem baS ßoeal gefchloffen mar,
ging er noch am Cluai SaintsüRichel, am Arme GajabanS fpajieren, roeldjer
ilmt mit Aufbietung feiner ganjen Serebfamfeit bie oorjügHchen @igen=
fd&aften bes $nnanuts unb bes pifrinfauren Äali anpries.
XIII.
Am 4. 3anuar gegen jroei UE>r 9tochmUtagS begann baS 33ombarbement,
mit bem bie ^reuften ber ©tabt ^aris fdjou tängft gebroljt Ratten, unb eine
ihrer erften ©ranaten fdjlug an ber Gcfe ber SHue ©aint=3acqueS unb ber
SRue beS geuillantineS ein.
$)ie ^todjricht mar batb im ganjen Viertel befannt, wo fie — jur
(£f)re ber 23emofmer fei es gefagt — viel mehr Unwillen als ©chreefen
erregte, unb fo gelangte fie auch ju grau gontaineS Äcnntnift, meiere fie
©abriet mitteilte, als er jum Gffen nach £aufe fam.
$)er junge Sftann mar, wie wof)l faft äffe ^arifer, gegen bie ©chreefen
ber Belagerung gefeit unb an ©efahr gewöhnt, unb fo aft er benn in ©e=
fellfd)aft feiner SHutter, ohne fid) weiter um biefen neuen ÄriegSgreuel $u
befümmern, feine magere Portion $ferbefteif<h nebft einigen eingemachten
grüßten. $>ann ging er fort unb richtete, wie Uim baS roieber jur
lieben täglichen ©ewofmheit geworben mar, feine Stritte nad) grau
£enrt)S £aufe.
Aber als er an jenem Abenb in baS einfame Viertel fam, matten
bie oeröbeten (Straften unb bie unburdjbrtnglidje ginfternift einen gerabeju
fd)auerlichen Ginbrucf auf ihn. Bisweilen oernafnu er über feinem flopfe
ein feltfames aHmätjttd^ immer ftärfer werbenbes ©eräufch, bem ©dt)w irren
eines riefengroften ^nfeftö t>ergleid)bar. 3Rit rafenber @ef<hicfltchfeit faufte
baS Ungeheuer burch bie Suft, um eine ©ecunbe fpäter mit lautem ÄTadj
in ber gerne 3U jerfpringen. @S waren bies bie nieberfallenben ©ranaten.
Gr brüefte fid) btcfjt an ben &auSwänben entlang, wobei fein guft oft im
©d)mufce ausglitt, £enn bie fdjmale, futftere Strafte ©aint*3facqueS mar
nur burd) bie raud)enben Sampen einiger nod) offener Säben erleuchtet.
Alle Augenblicfe richtete fid) fein Auge jum pechfehwarjen $immelSraume
empor, burd) ben bie unftdjt6aren ©efdjoffe b rauften. Allmählich mürben
büftere ©ebanfen in feiner Seele wad). £ob unb Söerberben umringten
ihn, unb $u bem Allem fam noch feine unglücflidje, fdjmlböolle Siebe.
£icfe Serjmciflung erfaftte fein £>erj, unb jum erftenmal fdjlng es nicht
höl;er, als fein Auge Sicht an bem trauten genfter erblicfte.
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(Sine 3&YIIe Ȋtiren& &er Belagerung.
589
23ebädjttgen Stritt* flieg er bie alte Xreppe hinauf unb flingelte.
5Ta jeboa) ber Sa)lü|fel ftafte, fo wartete er niajt, bis geöffnet würbe,
fonbem trat ohne SßeitereS ein.
XaS 3^mmer war ungefjeijt, bie ßampe nidjt angejünbet, nur ein
fiidhtftumpf brannte auf bem ftamin, an bem ©ugenie einfam fajj. Sie
hatte ihren SWantel unb ihre SBinterfapotte nicht erft angelegt, unb fyeit
ihr ^rbeitstäfchdjen in ber #anb, als ob fie gerabe fortgeben wollte.
„3<h f)ßbe auf Sie gewartet/' fagte fie mit unfidjerer Stimme su
©abrief, ber ganj erftount baftanb, „benn ich wollte nicht, bafj Sie Jeut
2lbenb umfonft fämen. grau &enrn ift eben fort, fie tyxt ju grojje 2lngjt
oor bem 33ombarbement unb fu$t ein Unterfommen bei ihren SBerwanbten
in 2a Capelle. Da ich 9Ziemanb in $ariS fenne, bei bem ich eine
3uflud)t finben fönnte, unb ba^er in unferem Viertel wohnen bleibe, fo
hat fie mir ihren Schlüffel bagelaffen, bamit ich jwei Sßofmungen hätte im
gall eines UnglücfS. Sie wußten bod) aber oon nichts, unb ba bin ich
auf einen 2Iugenblicf hierhergefommen — benn ich bad)te mir, es fönnte Sie
betrüben, wenn Sie 9ttemanb fyex antrafen.
„2ßie gut Sie finb!" antwortete ©abriel gerührt.
Unb er nahm einen niebrigen Stuhl unb fefote fic^ 5U ©ugenienS
güjjen.
„9lber id) mufj balb wieber fort," fagte bie junge grau sögernb.
„9Rein Sflann hat feinen $ienft; er ifk su &aufe geblieben, unb idj fyxbe
ihm gefagt, ia) ginge nur auf einen 2lugenblicf aus."
„SSie ... auf ber Stelle?" fagte ©abrief, it)re &änbe erfaffenb unb
fie mit fanftem $)rucfc feftljaltenb.
3um erften 3Ra( waren fie in biefem 3immcr ollein. ©in eigen*
tfnlmliäje« @efüt)l ber 9lufregung, fyxlb SiebeSfefmen, halb Hngft, hatte fid)
ihrer bemächtigt.
„bleiben Sie nur eine einjige Secunbe!" flehte ©abrief. „34 hab'
ja faum 3*it gehabt, Sie einmal orbentlid) anjufe^en . . . unb id) hatte
3hnen bod) fo Sieles ju fagen . . . 28aS werben Sie benn wät)renb biefeS
fchrecflidjen 33ombarbementS anfangen?"
„34 weife ni4t Clement hat feine SJcatrajen in ben Keffer gefa^afft.
©r fagt, Xob fei beffer als (Kapitulation . . . 2lber mag'S fommen, wie'S
will . . . mir gef)t'S ju f4led)t! ... 34 fann 3hnen fagen: augen=
blicfli4 wäre mir ber £ob ganj gleichgültig."
„GS ift bod) gar nid}t fjübfd; oon $\)nen, bafj Sie fo reben . . .
Sieben Sie mid> benn gar nicht i 2BaS foHte woljl aus mir werben, wenn
id) Sie nia)t met)r hätte?"
(ftigenie fenfte traurig baS ßöpf4en unb erwiberte nichts, ©abriel
hielt fie fefi mit feinen 2lrmen umfd)lungen, fein $licf ruljte liebenb auf
i^r, in feinen Slugen ftanben grünen.
„Soffen Sie mid)!" fagte fie unb fudjte fi4 IoS3umad)en . . . „laffen
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590 — - <fran9ots <£opp£e i« Paris.
Sie mid>! . . . id) fjabe 2lngft . . . 9fodj nie ftnb toir fo allein geniefett
wie fieut. 2ßaS roir f)ier trjun, ift nid)t red&t."
$er junge 9Jtonn geborgte jroar, aber fdjludjjenb bereit er bie
#änbe ber ©eliebten in ben feinen unb bebeefte fie unaufljörtia) mit Siebs
fofungeu.
Sie tonnte ni^t anberS, fie gab ifjm üjre fieberheißen £änbd)en Inu-
Sie befaß bie Äraft nia)t mebr, aufjufteben unb fortjugeben. (Sine fuße
Betäubung behielt fie gefangen; vergeben« fudjte fie fia) aufzuraffen, immer
roieber brang ber eleftrifdje Strom ber Siebe oon ben gingerfpifeen jum
ßerjen empor unb (dornte if>ren Sillen. 2ludj ©abrieC mar feiner Sinne
niä)t mebr mäditig; an (Sugenicns Ante gefdmuegt, füßte er fortroabrenb
ir^re &änbe.
$a3 3»utner mar eidfalt — unb bod), rote beiß wallte baS ©tut in
ifyren 2lbern! Stille fjerrfä)te ringsum. ^Draußen ^örte man in ber gerne
baS bumpfe ftradjen ber plafcenben ©ranaten, n*etä)e unaufbörtid) auf bie
Stabt nieberJ)agelten. XaS £iä)t roar ganj niedergebrannt, ofme baß fie
barauf geartet Ijatten; ber £odj)t lag am Dianbe bes Seudf)terS unb
flacferte cor bem (Srlöfdjen nod) einmal fyoti) auf.'
„9iein, roabrbaftig, unfer Seib ift nid^t mebr ju ertragen!" rief
©abriet aus, „unb roenn baS Sdjicfial (Srbarmen mit uns bätte, fo roürbe
feine &anb eine jener ©ranaten auf unfer «§auS fdjleubern, um uns $u
jerfetymettern."
3n bemfelben 9lugenbli<fe börten fie ein entfefolidjeS flradjen, bie
genfterfdjeiben jerfprangen unb fielen flirrenb 5ur (Srbe, baS ©ebäube
roanfte in feinen geften. (Sin ungeljeues ©efa>ß roar auf bem Srraßen=
pflafter geplagt, £as 2i$t uerlofd) gan^lid?.
Hngft unb (Sntfefeen trieben bieSmal (Sugenie in ©abriets 2lrme.
Sie roaren allein, oon biajter Eunfeltjeit umgeben; fidj feft umfdtfungen
baltenb, 3Jiunb auf 2Wunb gepreßt, ifjren 2lti)em oermäbleub, taufdjten fie
leibenfdjaftlicbe Mffe, unb unterbeffen ergoß fid; ein bitter (Stfen* unb
geuerregen, ber 00m Sdncffal roie sum &olni ba$u auScrfeben roar, $wet
fiiebenbe ju oereinen, roolfenbrudjartig über bie niebergefd)metterte Stabt.
9)Jit furdjtbarer ©eroalt ^ermahnte er $ädjer unb 3)?auem, gab armen
SBerwunbeten in ibren Letten im 5Bafcbc*@räce ben legten 9ieft unb töbtete
fleine tfinber in ber Siege . . .
2tls ©abriet jroei Stunben nad&ber in getjo bener Stimmung unb nod)
ganj außer fia) oor Sonne unb (^ntjücfen auf ben Quai Saint=3fiid)el
jurücffetjrte, fanb er feine 2)futter am einfamen 5tamiu oor einem Stutjte
fnieenb. Sangfam unb anbaajtSooll ließ fie bie Äügeldjen bes ftofen«
frankes burd) il)te ginger gleiten unb murmelte ba$u leife ©ebetc.
„iUber liebe SJiama!'' rief tfjr ©abriet ganj erftaunt ju, „noa^ niajt
5U s^ctt ... um 11 UI)rV Sarum beteft Tu noa) 311 fo fpdtcr StnnbeV"
„Unb Xu fannft nod) fragen?" antwortete ilnn grau gontaine auf«
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<£tne 3i>yllc n>af}renb &er Belagerung 59 ^
ftetjenb, unb ihre Stimme nahm babei einen fafk ftrengen ftlang an.
,,.§örft Xu nic^t ba3 Äraren ber ©ranaten? 3d) bete für alle diejenigen,
reelle in biefer grauenootten 9tod)t fterben werben ; ich bete für bie armen
alten Sftürter wie ich, welche morgen ben £ob eines ßinbeS beweinen
werben !"
©abriel fagte nidjtS; er fügte feine Butter unb eilte fcfjnell auf fein
Limmer, oort @ntfefcen über ein ©lücf, ba$ jebeS 2JHtgefüf)l für baS fieib
Ruberer fo ganj aud feiner Bruft hatte »er bannen fönnen.
XIV.
Unb fie liebten fidh weiter im ©Ratten ber ©ranaten.
3u einem ^arabiefe würbe ihnen ber Aufenthalt in ^aris wafjrenb
biefes fdt)recfen$teidjen Monats 3anuar, wo bie ^arifer oon £ag* unb
9taa)tbtenft erfd^öpft, ausgehungert, unaufhörlich befdjoffen, ein Schwaß
brot a&en, baS ein 3w^tjaudflrftfling mit Berachtung oon fiaj gewiefen
hätte, unb wo fie nodj obenbrein ju &aufe oor Äälte flapperten, weit
baS nur burd) najfe Baumjmeige genährte flaminfeuer nicht genügenb
Söärtne Derbrettete.
Seitbem ©ugenie ben erften gef)ltritt begangen, war fie fühner ge*
luorben. Sic liefe ir)ren 9flann in bem ©tauben, fie bringe tf)re 9lbenbe
bei grau &enrn ju, unb fudjte ©abriel auf. Bon Sef)nfud)t getrieben,
eilten fie burd) bie gefahrooüe ginfterni§ f)in nadj bem Rauschen in bem
alten gaubourg, ber oon SBurfgefdwffen fiberfdjfittet würbe.
Sie bauten an feine ©efafjr; fie hörten erft gar ntdjt mehr ben
Bonner ber Ärupp'fdjen flanonen unb baS Strafen ber plafeenben ©ranaten.
Sie lebten nur noch ihrer Siebe, flaum fanb baS Gcho ber allerlefcten
Äataftrophen ber Belagerung ben 2Beg $u ihrem Dhr. Sie waren glücf;
feiig an jenem 2lbenbe, wo baS blutige ©emefeel bei Bujenoal ftattfanb,
glücffettg am 22. Januar, glücffelig — ol) Schmach! — am Xage ber
Kapitulation!
Slber burd) eine feltfame gügung bes 3ufalls waren fie es an jenem
3lbenbe jum lefctenmal.
(Sugente ^atte feine fehr fraftige ©efunbheit, unb es wirften baher
bie Entbehrungen unb Sdjrecfen ber Belagerung nachteiliger auf fie als
auf jeben Slnberen. Sie würbe ernftlid) franf unb mufete fed)S SBodjen
lang baS Bett hüten.
grau ,§enrn tyitte tt)re frühere 2Bof)nung wieber bejogen unb war
für ©abriel bie ganje 3*ü eine treue greunbtn, ber er all fein ^erjeleib
unb feine Befürchtungen anoertraute. ©r befugte fie jeben Xag, um oon
feiner angebeteten ©eliebten fpreajen ju fönnen unb ju erfahren, wie es
ihr ginge, unb mit fieberhafter Ungebulb erwartete er ben 2lugenblicf, wo
(Sugenie wieber ausgehen burfte. die erften Sifcungen ber National*
oerfammlung in Borbeaur, ber feuchtem triumphirenbe ©injug beS beutfd)en
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392
^rattfois <£opp6e in patxs.
&eereS in SpariS, bie Äunbgebungen ber SRationalgarbe an ber gulifäule,
bie flanonen beS Montmartre unb aß bie furchtbaren 3tnjeid)en ber
nahenben SReoolution matten bagegen nicht ben geringsten (Sinbrucf auf if>n.
er am 17. 9ftär$ früh bei grau &enrn erfdjien, würbe ihm bie
freubige Ueberrafdjung $u %fyc\l, (£ugenie anzutreffen. Obgleich faum aus
bem Bette aufgejtonben, fjatte fle bodj ihren Befud) nicht langer hinaus =
fdneben wollen, fonbern war trofc beS Schnees ausgegangen. Seine
^fjränen, Xtjränen beS ©lücfes unb ber greube, benoten ©ugenienS abge*
magerte &änbe. Eaufenb fdjöne $läne entwarf er für bie 3«fanfc 25>eit
fort oon hier wollte er fie führen , um gan$ ihrer Siebe leben, bie f)err?
lidrften ^artieen in bie freie ©otteSnatur machen ju fönnen. 2tber als
er fie beim 2lbfchieb fo forglidh in if)re ShawlS unb tfranfentücher ein*
gefüllt an ber 2$ürfd&wette ftehen faf), ein traurige«, mattes Säbeln auf
ben Sippen, ba machte ein furchtbarer ©ebanfe baS ßerj bes Siebenben
erbeben, unb er hatte bie unbeftimmte Slfnutng, «l* würbe eT ©ugenie auf
eroig ocrlieren!
21m folgenben £age fugten fidh bie SftegierungStruppen mittelft eines
^anbftreichS ber Kanonen beS 2Jiontmartre &u bemächtigen; aber fie mufeten
mit Schimpf unb Schanbe abgehen. (Sin Slufftanb, bem gleich &ei Seginn
jwei Menden jum Opfer fielen, brachte binnen wenigen Stunben bie
&auptftabt in feine ©eroalt; bie Bewohner ber erften Stabt (SuropaS
geigten fich unfdjlüffig, ob fte ihrer Pflicht, bie gefefemäfjige Regierung ju
unterftüfcen, ober ben befehlen nadjfommen follten, weldje ihnen eine
^anboott gemeiner Sdwrfen oorfd)rieb. So fah [ich ©abriet in bie
9totl;wenbigfeit oerfefct, mit ber Regierung nach BerfailleS $u fliehen.
XV.
9llle biejenigen, welche burch Begehungen jur Regierung ober burd)
Sorge für ihre perfönlidje Sicherheit genötfn'gt waren, BerfailleS wäfirenb
ber Commune gu bewohnen, werben niemals ben merfwürbigen 2lnbli<f
üergeffen, welchen biefe aus bem Stegreif gefchaffene $auptftabt barbot.
Sie meifien ^arifer waren bisher nach BerfailleS aus feinem anbertt
©runbe gefommen, als um feine großartig angelegten Springbrunnen
bewunbern. 9iur Wenige halten baher an fid) felbft bie SSirfung erfahren,
welche biefe bicht an ben Thoren oon Starts liegenbe ^rooinjialftabt in
ihrer ©infamfeit unb XobtenftiUe auf ben Beobachter heroorbringt. ^t;eop^iC
©autier nennt fie „bie Xobtenftabt ber Siönige", unb biejenigen, welche
©elegenheit hatten, bie tiefe Sattheit biefeS EidjterworteS fennen 511
lernen, mochten in jenen £agen nicht wenig erftaunt fein.
9tod)bem baS alte Schiff, beffen Bilbnifj s$ariS in feinem 2£>appeu
trägt, elenbiglid) ju ©runbe gegangen, war BerfailleS baS aus feinen
Prummern äufammengejimmerte Moffalflofe geworben. Bon (*nbe 2)fär3
bis 2lnfang 3Wai befanben fich in biefer Stabt, bie für gewöhnlich faum
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(Eine ^bylle Ȋlirenb ber Belagerung. 593
breifeigtaufenb ©inroohner hat, über $roeimathunberttaufenb. Dichte Sc^aaren
wogten in feinen rounberfchönen ^arfanlagen, in feinen prachtooHen Strafjen,
in feinen herrlichen 2lHeen auf unb nieber, fo ftörmifö bewegt, fo leiben*
fdjaftlich aufgeregt, roie es nur eine ganje, utu ihr Däfern ringenbe Nation
fein !ann. 2luf bem auSgebehnten (Syercierplafee jeigten fid) ungeheure
Slrtitteriemaffen unb manöorirten gan$e Regimenter, als ob fie ber fro<h
auf bronjenem Roffe thronenben, gebieterifdjen ©eftalt beS „Grand Roi"
gehorchten. 3n jenem fagenhaften ^alafte, beffen Räumlichfeiten vom
©efchtcf baju auSerlefen $u fein fdjeinen, allen tragif^en (Sreigniffen
unferer ©efchtdjte als Decoration $u bienen, tagte inmitten beS allgemeinen
Tumults eine mit fouoeräncr SHadjt auSgeftattete SBerfammlung, umgeben
oon ihren 9)Unifterien unb einem unjahligen SSerroaltungSperfonal1, unb
lieji alle Gräfte beS ßanbeS tyex äufammenftrömen. 3n ben Käufern ber
Stabt, in Äellern unb auf $öben brängten fidj Flüchtlinge aus aßen ©e=
feflfchaftsflaffen sufammen unb f erliefen auf Stühlen, Difdjen unb 93illarbS.
Dffijiere unb Beamte aller mögltd&en Rangftellungen befanben fid) barunter,
furj 2llleS, roaS von ben ©lementen ber $arifer ©efellfchaft noch oorhanbeu
war: ber geniale Äünftler, roelä)er feinem Atelier ben Rüden gefehrt, roie
ber Schümann, ben man aus feiner efenben Sßofmung gejagt hatte; ber
beräumte Staatsmann, ber vox bem Slufftanbe geflogen roar, roie baS ge*
meine greubenmabäjen, roelcheS ber junger hierher getrieben hatte.
Die in fo ungeheuren Waffen auSgeroanberten ^Sarifer roaren ben
Xrabitionen franjöfifdjer £eicf)tfertigfeit treu geblieben. Cljnc fich beffen
beroufjt ju roerben, gehorchten fte fflauifd) ber Üftadjt ber ©eroohnfjeit unb
geigten alle Sid^t= unb Schattenfetten »ergangener 3eüen. ®s fam ilmen
babei baS ^errlid^e SBetter 511 Statten. S3on fo rounberbarer Schönheit
roaren jene grühlingStage, bafj es fdjien, als wolle bie Ratur ben
armen 'äWenfcfjenfinbern ju erfemten geben, roie fcr)r fie auf ihrer
unnahbaren &öhe ihre Torheiten unb Verbrechen oerachte. Die
bunflen Drauergeroanber ber oornefmien Jrauenroelt fugten trofc ihres
einfach gehaltenen ©runbtonS an ©leganj il;reS ©leiten, unb in ben
fdjiatttgen 2Ween unb auf ben grünen Rafenplfifecn bes alten Sterfaiflcr
$arfs traf man Toiletten »on fo feinen, 3artcn Ruancirungen, roie fie
nur ein ^od^cntiotrfeltcr, bis jum Raffinement fich fteigember ©efdjmacf
erfinben fann. SBorte ber Siebe, leichtfertige Semerfungen, heiteres Sachen
uemahm man unter jenen frohen Räumen; bajroifchen baS fröhliche ©e=
jTOitfdjer ber 23ögel, bereu helle Stimmen ben 5lauonenbonner in ber gerne
nicht ju ubertonen oermochten. 3unge ©legants, nach ber neuften 3ttobe
gefleibet, tranfen nach &em Dejeuner ihren Ätaffee auf ber Derraffe beS
£ötel beS ReferootrS, bliefen beljaglich ben Raud) ihrer Zigaretten oor fich
hin unb fahen ju, roie neben ber offnen (rqutyage einer befannten Dame
ber Demimonbe bie fchroeren, mit ©ranaten betabeuen 3lrtiHerieroagen oor*
überfuhren. 2lbcnbs fpielten bie Schaufpieler beS StabttljeaterS luftige
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394
£rait{Ots £oppee in parts.
^Soffen, unb in ben äwifdjenpaufen eMen °ie ^ufdjauer t)iuau«, um [ich
ba« Brüllen ber gefwng«gefchüfce anjuhören.
©abriet tjatte mit fetner 9Jcutter Unterfommen in einer flammer ber
9iue be Ia ^J>aroiffe gcfunben, welche ftatt aller 9Keubet nur jwei fteine,
burdj eine bünne fpaniföe SBanb getrennte Letten enthielt. Xa ©abriet im
Unterricht«minifterium angefteltt war, fo hatte er mit bemfetben nad) Berfaille«
au«wanbern müffen, wo feine Bureau? in ben Schuträumen be« bortigen
©nrnnaftum« untergebracht waren. Sefmfüchtig wie alte Uebrigen harrte
er be« Momente«, wo e« ihm oergönnt fein würbe, prücfsuf ehren; aber
9ttemanb burfte baran benfen, fotange niäjt bie in aller Site orgamftrte
Armee bie Stabt in Befifc genommen unb ben unnatürlichen, oer*
bred}erifd)ften Aufftanb, ben granfretch je gefehen, niebergefdjtagen h«tte.
2>ie guten (Elemente ber ^arifer ©efeUfchaft feilten biefc .ftoffnuna,
wobt fämmttid); aber wir tonnen nicht uerfdjweigen, bafc, wenn fte ftd)
gerabe in ©abrief Söruft fo lebhaft regte, unb er ein fo gtühenbe« Ber*
langen nach bem gall ber oon ben Gommuniften uertheibigten gefte trug,
bie« jumeift be«balb gefdjah, weit fte ilm oon ber Angebeteten feine«
$er$en« trennte,
©r hatte ^kirt« oerlaffen müffen, ofme von ihr Abfdneb nehmen $u
fönnen, unb ^atte nicht« mehr oon ihr gehört. Xa fie ihm mit allen
Reichen be« größten Schreden« »erboten hatte, je ein Schreiben nach ihrer
SBofmung ju ridjten, fo hatte er einen SBrief nach bem anberen ber jeberjeit
fo gefälligen grau &enrn überfanbt. Sie waren fämmttich unbeantwortet
geblieben. Bon Unruhe oerjehrt, hatte er fu$ eine« Xage« mit Benufcung
ber ÜRorbbahn über <5aint*2)eni« nach ^ßari« begeben. £te Stabt machte
auf ihn einen unheimlichen ßinbruef, benn bie Käufer waren über unb
über mit lügnerischen, watjnwifeigen $lacaten, ben Bürgerkrieg betreffenb,
bebeeft. £arum hielt er ftch nicht lange auf, fonbern eilte grabenwegs
nach bem gaubourg <Saint=3acque«. grau $enrn halte fidr) fdjon feit
längerer 3eit uid)t mehr in ihrer 2Hof)nung bliefen taffen, unb ©abriet,
bem ba« unruhige Siefen be« Sortier« auffiel, unb ber noch wor Dem
achtjehnten Sttärj ©etegenheit gehabt hatte, bie rabicaten Anflehten ber
fchlanfen brünette t ernten $u lernen, erinnerte fich, bafe er fte feit ihrem
testen Sufammenfein mit bem angeblichen Goufin nicht mehr ju &aufe
angetroffen, unb er fragte ftch unwiltfürtid), ob fie nicht »ielfetcht gar ben
glänjenben 9)?obi(garben- Lieutenant burch einen noch oerführerifcheren
göberirten^Dberft mit unwiberftehtichen ©otbtreffen erfefet härte.
Gr irrte auf bem Bouleoarb b'^talie umher, welcher, feitbem bie
Zäunte währenb ber Belagerung umgehauen worben waren, einen ab*
fdjeultdjen Anbltcf barbot unb ftch in eine glühenbe Sanbwüfte oerwanbelt
hatte. SBoIjt eine ©tunbe lang ging ©abriet in refpectooHer Entfernung
r»or ber 2Haiter auf unb meber, hinter welcher ba« $au« feiner Angebeteten
ucrfiecft tag. ^n bemfetben Augenbticle, wo er, feine 3ag^aftigfeit über*
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«Eine 3&ylle wä^rcnb ber Belagerung. 395
roinbenb, jtdj ber £hür be« ßoljhofe« nähern wollte, um uieHeid^t (Sugenien«
©eftalt cor bem £aufe ober am genfter ju erblicfen, fah er, rote ein hoch*
geworfener 9Wann in ber Uniform eine« ÜWattonalgarben^apitän« mit
rotier Schärpe unb einem ferneren (Saoallericfäbel an ber (Seite quer über
ben Bouleoarb ^erüberfam unb gerabe auf bieje X^ür juging. (Seine
Sllmung betrog ©abriet nicht; auf ben erften Blicf hatte er ihren ©atten
erfannt unb floh ooHer Berjmeifluug, ohne ftch über ba« (Schicffal feiner
©eliebten 2lufflärung oerfd)afft §u f>aben.
■Jtodj Berfaille« jurfiefgefehrt, mußte er auf jeben weiteren berartigen
Berfuch ©erstchten, benn bie Commune tyxtte foeben jene wiberrechtlidje,
hödjft unbillige Verfügung erlaffen, meldte bie gefammteSJtonnfdjaft oonjwanjtg
bt« oier&tg 3ar)ren ü)ren Bataillonen einreihte, unb jeber SReifenbe würbe
be«r)alb am Storbbahnhofe unb an ben Sporen ber (Stabt einer genauen
Ueberwadjung unterworfen, Qätte e« ©abriel barjer nod) einmal gewagt,
Sßari« ju befudjen, fo fonnte er babei fein* leicht oerhaftet werben. Unb bann
burfte er auch in einer 3ri*/ wo ein fo allgemeine« SIMfjtrauen Ijerrfd^te,
nicht wieberr)olte SHeifen nach ber aufftänbifd^en §auotftabt unternehmen,
olme bafür einen beftimmten ©runb angeben $u fönnen; fonft hätte er fidj
ber ©efahr au«gefefct, ben befd^eibenen Soften, ber ilm unb feine 97tutter
narrte, ju oerlieren.
©r führte in golge beffen ein höchit traurige« Xafein. (Seine amt*
liehe Shätigfeit ließ ifmt wenig freie 3eit, unb biefe benüfete er baju, bie
einfamften unb entlegenften fünfte be« Berfailler tyaxU aufsuiuehen. 216=
ftd^tlid) mieb er bie oolfbelebten Strogen, benn er fonnte feine fünf
(Schritt thun, ofme einigen Kollegen ober fonftigen gleichgültigen Befannten
ju begegnen, "bie alle ba« Bebürfmfj fügten, fid> mit iljm oom £obe
glouren«', oon ber (Srftürmung be« (SchlotTe« Seeon ober irgenb einer anberen
S^auergejc^idjte ju unterhalten; unb bo<$ ^ätte er ficfj um 2We« in ber
Söelt für bieten entfefelidjen Jlrieg ntd)t intereffiren fönnen, unb er oer*
wünfc&te i^n nur be«halb, weil er ein £inberni& btlbete äwifdjen ilmt unb
feiner Siebe.
£äglid) erfunbigte er fi<$ auf ber $oft, ob ein (Schreiben für ihn
angefoimnen wäre. 9)cit BeFtimmtheit redjnete er aHerbing« nicht barauf,
ein fold>e« oon ©ugenien« &anb oorjufinben, benn bie ängftliche junge
grau fyatte nie an ihn gefdjrieben; aber biefer ©ang war trofcbem eine
3lrt SBaHfahrt für ihn geworben, bie er regelmäßig antrat, unb beren @r*
gebnifj er mit gittern unb Beben erwartete. @« war bie« bie ftet« gleich*
lautenbe Antwort be« Beamten: „Weht« ba!"
©ine« £age« jebodj — e« war gegen ©nbe 2lpril — hatte ©abriel wie
gewöhnlich feine am (Schalter leiber nur allju gut befannte Bifitenfarte
oorgejeigt, al« ber Beamte beim durchblättern ber Briefe innehielt, einen
au« bem ^aefet herau«nahm unb ihn ©abriel überreichte.
D Söonne, o ©ntjuefen! ©abriel ergriff ihn mit 5itternber ^anb,
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396 ^ran^ois <£opp£e in paris.
legte itm an fein $er$, in bie innere £afd)e feinet feft jugefnopften 9tocfe3,
unb eilte nacj bem SoSquet be ta SReine, um ihn bort fo red)t behaaUdj
unb in aller SJtofee lefen ju fönnen. <5r liefe fid) auf einer $anf, neben
einer £agebud)enhe<fe nieber, unb hier, unter ben pradjtf ollen oom griU)litig$=
hauet) bewegten 33äumen, erbrach er in fieberhafter £aft ba$ Gouoert, entfaltete
ba3 Schreiben unb la$ golgenbeä:
Eatence b'Stgen, ben 27. Slpril.
„Hefter Jreunb, iä) {abreibe Dir oom <Eaf6 be la 6om6bie au£,
too id) mit einigen greunben oortreffltd) gefpeift habe. 2öir haben auf
ba£ 3Bor>C ber Commune unb bie Weberlage ber SJerfailler getrunfen.
Dod) ba$ gehört nid)t l)ierr)er. Denfe Dir nur, biefe geberfud)fer im
ÜriegSminiftenum haben mir nid)t bie ©quipirungSgelber au^ahlen laffen,
auf bie ia) bod) als £a$areth=Unterar$t toährenb ber Belagerung 2üt=
fprud) ^abe. ©5 ift ja richtig, id) habe mir feine Uniform angefd)afft,
nur ein &epi, für baä id) jehn £ranc3 bejaht habe; aber Gquipirungö=
gelber mufj id) bod) erhalten. Du bift ja alä Büreaubeamter mit aUen
kniffen ganj genau oertraut, Dir wirb e£ ein £eid)te3 fein, burdhsu«
fefoen, bafj biefe offenbare Ungerea)tigfeit roieber gut gemacht werbe.
Set fo freunblid), Dich bamit $u befaffen, unb fd)i(fe mir ba$ ©elb fo
balb al$ möglid) $u.
3Wit brüberlid)em ©rufe
SHariuS Gasaban."
Stfadjibem ©abriet biefen 93rief getefen, bemächtigte fid) feiner eine
tiefe 9?iebergefä)lagenhett unb er ging betrübt nad) §au3, um mit feiner
Butter 5U ÜJHttag 5U fpeifen. 2lber biefer £ag brad)te ihm nod) eine fehr
unangenehme Ueberrafd)ung. 211$ er über bie 9tue be« 9feferooir3 ging,
Köpfte ihm ^emanb oertraulid) auf bie Schulter, ©r toanbte fia) um unb
erfannte grau ßenrnS angeblichen ©oufm, ber nod) bie 9)iobilgarben^
Uniform trug.
„SBie fommen Sie benn higher ?" fagte ber fd)öne Robert . . ,,3ld),
ift ja wahr, Sie finb mit bei ber SBenoaltung. 3d) war nad) bem
ßriege ju meinen (Sltern jurüefgefehrt ; aber als ber Gommune*2lufftanb
ausbrach, ftellte ich mich felbftoerftänblid) bem aWarfd)aU toieber jur 2Jer-
fügung."
„Stehen Sie bei bem &eere, roeld)e$ $ari$ belagert?" fragte ©abriet,
um bod) etwas ju fagen.
„■Mein, e3 follen, wie e£ fd)eint, nur bie regulären Gruppen Skr*
roenbung fiuben, Sie wiffen fd)on, bie ©efangenen, bie aus Deutfa)lanb
^urüdfornmeu .... 2lber id) bleibe trofcbem hier, ich mifl fe^en, wie'S
enben wirb. Unb bann ift e3 ja in SSerfailteS aud) ganj hü&W' & finb
oiele reijenbe Leiber hier."
£rofc be^ inneren SiberwiUenS, ben ihm ber junge SHann einflößte,
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• €tne 3bylle n>äl?renb ber Belagerung. 397
fe^tc ©abriet bie Untergattung fort. 3n ber Hoffnung, etwas oon Gugente
ju ^ören, fragte er ben Dfftjter, rote es fetner Goufine ginge.
„deiner (Soufine? — 2Bte fo, metner Gouftne? . . . . 9td) ja, ber
3ofepbine . . . ftrau &enrn . . . ja, id) erinnere nttd) jefct, fie f)at
midj für ibren $erwanbten ausgegeben. . . . Unb Sie ftnb barauf rein*
gefallen? . . 3$ f)ab' wabrbafttg feine Slfmung, roo fte fteefen mag. Sie
war febr überfpannt, {ebenfalls bat fte ftdj ber Commune angefdjloffen.
. . . UebrigenS toll oerliebt in mid) .... etwas gemöbnlid), aber einen
Äörper! . . . 3$) fann'S 3|nen ja gegeben, einen 9tugenblict mar iä) faft
ciferfüd)tig auf Sie. S)aS bat aber nid)t lange gebauert. 3d) bflb' bod>
gleid) gefeben, ba§ Sie wegen ber Stnberen famen .... 2öaS fj^ben
Sie benn übrigens mit ber {(einen (Element angefangen, alter $unge ?"
©abriet ftanb roie auf Nabeln, ©mpört über bie SHobbeit/ mit roetä^er
ber Cfnjier baS ©ebeimmfc feiner Seele entwerte, gab er eine auSmeidjenbe
Stntwort unb febrte ibm unwillig ben 9tücfen.
S)aS (£nbe beS unfetigen Krieges ftanb nabe beoor, unb wabrenb bie
Commune in ^ßartS SdjrecfenStbat auf Scf>rec?enStbat Raufte, unb eine
Tuabmoifcige SluSfdjreitung nadj ber anberen beging, näherte fid) baS 3tacbe*
fjeer langfam aber fteber jenem 2öaCte, oon bem es gar balb bie rotbe gatjne
fjerunterretfjen foHte. Sdion ^atte baS 38. Sinienregiment baS gort b'3fft)
genommen, bie täglicb ftattfinbenben Äämpfe fielen fämmtltd) su ©unften
ber Solbaten ber 9lationaloerfammlung aus, unb fortwabrenb rourben er=
oberte Kanonen unb Sd)aaren ©efangener im Sriumpb eingebraebt.
©erabe an bem Sage, an weitem ber Sturj ber SBenbömeSfäule in
SBerfaitteS befannt würbe — jenes entfefeliä> SSerbredjen an ber TOajeftät beS
SSaterlanbeS, begangen angeftdjtS ber jubetnben «Preußen ! — ging ©abriet auf
bem Grercierptafc fpajieren, als er plö&lid) ben gellen, burebbringenben
Älang ron Gaoallerietrompeten oemabm unb oon ber Sloenue be Saint*
Gloub ber einen £rupp gefangener Gommuniften fommen fab, bie jroifdjen
jroei Reiben berittener GbajfeurS marfdjirten. Dbne Äopfbebecfung, in
fdmtufcigen Uniformen, mit Staub bebeeft, ^at6 tobt oor Grmübung, sogen
ungefähr fünfzig biefer Gtenben jwiiajen ben gejogenen Säbeln ber Leiter
an ©abriet oorüber. Seiber mufe gejagt werben, bafe fie mit jornigem
3uruf empfangen unb mit Sdjmabungen überhäuft würben, bie fid) faum
burd) bie Erbitterung ber 5ftenge entjdjulbtgen liefen, oon benen ftd) aber
baS SftenfcblicbfeitSgefübl mit 2lbfd)eu abwenben mufete.
„$te treffen 'runter!" fdt)rie ein Bürger mit roütbenber Stimme, bie
geballte gauft ben ©efangenen entgegenftreefenb.
3u btefem 2tugenbltcfe bemerfte ©abriet unter ben eingebrochen
Gommunijten einen boebgewaebfenen 2ttann mit wettergebtäuntem ©efidjt
unb wilbem 33art, ber oon feinen UniformSärmeln bie ^auptmannstreffen
berunterrife; unb eS fäjien ibm, als fäfje er jenem 2)tanne äbnlidj, ben er
$meimat in feinem #eben gefeben, ben ©atten ber grau, welcbe er liebte!
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598 <Jrait9ois doppec in paris.
2tber beoor er noch biefen ©efangenen näher in'« 2Tugc faffen formte,
war ber unheimliche 3"Ö fä™ vorüber unb in bem at« ©efängnife be*
nutzten £ofe ber Reitbahn oerfd&wunben. $on töbtlicher Unruhe gequätt,
fling ©abriet oon bannen, ©r [teilte ftdjj bie 2lngft ber armen (higeme
oor, bie in bcm aufftänbifdjen $ari« allein, hilflos, ofme greunbe unb
#erwanbten surücfgeblteben war; unb obgleich fich in feinem £erjen ein
tiefer $afj gegen it)ren ©atten angefammelt hatte, fo hätte er boa) in biefem
3tugenblicf gewünfct)t, ber SJtonn, ber foeben im 3uge oorübergefommen
mar, wäre nicht jener Clement geroefen.
Gnbtidt) 30g ba« Söerfaitter $eer in ^ari« ein, unb bie rafenben
Starren ber Commune, beren Rieberlage jefct entfdjieben mar, überfchwemmten
bie Stabt mit Petroleum unb ftecften fie in 33ranb. Slber als ©abriet
in ber Rad)t 00m 24. 9Wai auf ben #öfjen oon SRontretout farj unb ju
feinen gütjen ben gtühenben geuertjeerb betrachtete, beffen gerottete Raudjs
roolfen jum bunften, oon ©ranaten burdjjogenen £tmmel«raume empor*
fttegen, ba backte er nict)t an bie SÄeifterroerfe be« ftmore, nicht an bie
Sdjätje ber Rationatbibliotr)ef, nicht an bie Reichtümer ber SÖanf, an
feines jener Söunberwerfe ber Gioilifation, bie bei bem unermeßlichen,
allgemeinen Unglücf mit &u ©runbe gingen ober in ihrer Griftenj bebrofjt
waren, fonbern einjig unb allein an ba« $au$ct)en auf bem Souteoarb
b'^talie, 100 feine ©eliebte roor)nte; unb ba bie weite Entfernung unb ba«
Tuntel ber Rächt ein genaue« ©rfennen unmöglich matten, fo fuchten
feine oor 9tngft unb Scheden weit geöffneten 9lugen nur ju unterfct)eiben
ob fich bie ungeheure geuer«brunft nach biefer Seite hin auSbefmte.
Rachbem ©abriet bie nöthigen Schritte getl)an unb oerfduebene ©e=
fuche an bie 2Jlititärbehörben gerichtet, gelang es ihm als einem ber ©rften,
einen ©rlaubnitjfchein jur Rfitffehr nach ber noch brennenben &auptftabt
$u erhalten, (*s mar nur eine fteine Reife, aber fie hätte ihn breirjig
bis Diesig grancS gefoftet, wenn er felbft bie befdjeibenfte 2)rofct)fe be*
nufet hätte. Da er über eine folche Summe nidjt oerfügte, fo mutjte
er fie fdwn auf ber ftaubigen fianbftra&e ju gut) unternehmen, mitten unter
ben fiegreich in ^ari« einbringenben Regimentern. (*r ftieg über bie ein*
geftürjte Ringmauer, er fam burch Sluteuil, welche« in Krümmern lag
nach ber Stabt felbft, bie gleichfalls einen bejammernSwerthen 2lnblicf barbot.
2Me Käufer waren oon Rauch gefehwärjt, bie dauern oon Kugeln unb
©ranatfplittem burchlöchert, auf allen Straften wimmelte e« oon Solbaten
mit umgehängten (S^affepot^ ; aber ©abriet blieb nirgenb« ftehen, ja, er warf
nicht einmal einen Slicf um fich, fonbern taumelte, getfjettt jwifchen gurdjt
unb Hoffnung, ijatb bewujjttos weiter, ©r fletterte über bie noch blutigen
$arrifaben, fein gut} ftrauchelte über bie in aller (Site wieber in'« Strafjen*
pftafter eingefügten Steine, bie an ben Stellen, wo man bie ©efallenen
vorläufig beftattet hatte, oon Garbolfäure gerötet waren, er lief immer*
fort gerabeau«, mechanifch wie ein oon einer firen 3bee Söefeffener, an
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<£ine ^bylle irä^renb ber Belagerung.
399
all' biefen Scenen be$ ©rauenS unb SntfefeenS oorüber, unb fam enblidj
fo nadj bem gaubourg Saint*3acquea.
©inige Sage oor bem ©insuge ber Gruppen war grau £enrt) au$=
gebogen, ofjne i^rc neue Dlbreffe ju ^interlaffen.
Um jeben ^3ret3 a6er wollte er erfahren, was au3 ©ugenie geworben
wäre. @r fannte feine S$üd)ternf)eit, feine SBorfid&t mef>r. @r ei(te naä)
bem iöouleuarb b'fttalie 51t jener £f)ür, über wetdjer nodj immer ba3
Sdnlb mit bem tarnen Glementö befeftigt mar. @r faf) ittiemanb im
£ofe; 2t)fir unb genfter beä £aufe3 waren gefdjloffen. @r f (ingelte. ©3
rjeulte fein &unb. (£r wartete. ©r fltngette wieber. flein aWenfct) gab
Slntwort, ba£ £au$ war leer.
9ftebergefd)tnettert bura) biefen unerwarteten Sä)tdfal3fd)lag, 50g
©abriet in allen Säben ber 9?adjbarfdjaft ©rfunbigungen ein; aber fein
F)of)läugige£ 2faäfef)en, fein beftürjteä ©efid)t matten bie Seute mifjtrauifdj.
Sie wollten niajt mit ber Spraye IjerauSrüden unb traten jum £f)eil fo,
a($ ob fie gor nidjt wüjjten, wa3 er meinte, ©ine alte ©rünjeugljänblerin
tfjeilte ifjm enblidj mit, bafe Clement jum Hauptmann bei ben ßommunes
truppen ernannt, in einem ©efedjt oor ^ßarte gefangen genommen worben,
unb feine grau oor einigen Sagen ju ityren SBerwanbten in ber ^rooinj
jurüdgefefnl fei.
„3n welker ©egenb fann baä wofyl fein?"
„$n ber 9iormanbie, um Saint^Sö Ijerum."
9Jiel)r muftte bie gute grau nidjt. ©abriet leiber audj nid)t. SRie*
mal* t)atte (higenie im Saufe ber Untergattung ben tarnen ir)reö #eimat3=
borfe« erwähnt. „3$ bin in ber Umgegenb oon Saint=£ö 5U &au3,"
fctte fie einmal äufälltg su ifnn gefagt. $a3 war ba$ (Stnjige, woran er
ftdf) noa) erinnerte.
„Sie wirb wieberfommen," bad)te er, „ober mir f abreiben, td) fann
fte nidjt fo oeTlieren."
2lber ber lefete £offnung£fa)immer evlofd) in feiner 23ruft, unb er
fjatte bie unflare ©mpfinbung, ate ob 2lHe3 oorüber fei.
XVI.
@r fefjrte mit feiner SHutter in bie alte 2Bof)uung jurüd. Xk SBittroe,
beren ruhige, georbnete SebenSweife buräj bie (Sreigniffe ber legten £age
eine ttefgeljenbe Störung erfahren fjatte, füllte fid) ganj glüdlid;, ba& fte
it)re alten, liebgeworbenen ©ewofjnljeiten wieber aufnehmen burfte, unb
wunberte fia) nur über bie fortwätyrenbe Xraurigfeit il)re<S SofjncS.
„5?ann e3 wof>l anberä fein," lautete feine 2lnttuort, „nadj all bem
(Jntfefclidjen, wa3 wir erlebt?"
2lber er fagte iljr nidjt bie S&afjrljeit. 3lm quälte eittjig unb allein
eine unbejwinglidje Selmfudjt nad) feiner ocrloreneu Siebe. Cft fuajte er
ben Souleoaib b'3talte unb alle jene Crte auf, wo er einft mit feiner
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^ran^ois Coppie in paris.
(Beliebten geluftmanbelt. 3) er arme 3unge war ein tßarifer ßinb, unb fo*
weit er aud) juriicfbenfen modjte, feine Erinnerungen zeigten ilmt nichts,
«l« winflige, frumme Strafjen unb ba« oon h<>hen SWauern etngefdjtojfene
©nmnaftum. 9?ie hatte er ba« ^immlifd^e ©efüfjt gefannt, ft<$ auf freiem
Sanbe hentmmtummeln, Staunt unb igorijont cor fidj ju fef)eu. 9Benn
er an einem fonnigen grühling«morgen einen Spaziergang burdj ben
Luxemburger Sßarf gemalt unb fid) am $)uft be« glieber« beraufd)t tyitte,
fo mar für if>n ber ganze >$au.bet ber wonnigen grfif)ling«zeit erf$öpft,
unb bie tief büftere Stimmung ber t)erbfttic^en 3a|re$jeit fanb er einzig
unb allein in ben röthlid) grünen Xinten eines Sonnenuntergang«, ben
er in ber 33orftobt zu berounbern ©elegenheit gehabt. Unb fo gemährte
e« it)m audj bamal« fein reine« ©lud unb feinen ungetrübten ©enujj, int
Sabnrintb ber ©rofjftabt umherzuirren unb all bie Orte aufzuführen, an
bie fid) bie Erinnerungen an feine erfte Siebe fnüpften.
©lütffelig berjenige, bem e« in tiefen fdjönften Slugenblicfen be«
Sebent oergönnt ift, auf bem Sanbe zu molmen! ©in 3ttoo«lager unter
(Siefjen, ber ftanb eine« lei« raufcfjenben 3Jm^lbad)3f eine SHulbe im Xfjal,
eine Siefe mit Slumen unb Sdjmetterlingen, ^eitere, Ueblidje Sanbfdjaft«*
bilber werben bie tiefen Einbrfitfe feiner jungen Siebe bemalen unb feiner
trauernben Seele $ur Erquidung unb Beruhigung bienen, wenn ihr ©lud
einfi geflogen ift. 2Mte ©abriet bagegen ba« S3ilb ber heißgeliebten f>erauf=
befdjwören unb fein &er$eleib oergeffen in ber Erinnerung an bie föft=
Xid)en unb bo<$ fo fd)merzen«rei<hen Stunben, bie er an ihrer Seite oer*
lebt, fo blieb ihm nidjt« übrig, al« bie enblofen 9iäume ber DUefenftabt
Zu burdjwanbern, in ber er geboren, unb über beren 2öeid)bilb er nie
l)inau«gefommen mar. 2$enn feine 33ureauftunben oorüber waren, fo ging
er bie ihre« Sauinfdjmude« beraubten, ber glüfjenben 3ulifonne prei«*
gegebenen 93ouleoarb« entlang, warf einen oer$meiflung«oo0en SBltd auf
ba« nodj immer unbewohnte &au$ be« Söouleoarb b'^talie unb fefule
über ben gaubourg Saint^cque« nad) &au« jurürf. Sein langfamer
©ang, feine gebeugte Haltung legten ein berebte« 3cu9ni§ aD oon fetner
tiefen, mit jebem £age zunetmtenben Entmutigung unb Sßiebergefdjlagenhett.
Enbliaj fat) er eine« £age« an ber Xl)ür be« $aufe«, weldje« einft
bie ©eliebte bewohnt ^atte, einen 3ctttf han9cn unb la« folgenbe SSorte
barauf: Söobnung, &olzhof unb Sßerfftatt ju oermiethen. Xie
fo lang gehegte Hoffnung, er werbe Eugenie nod; einmal wieberfehen,
fdjwanb aUmäbltd) au« feiner Sruft.
211« er einige £age nachher mit zerftreutem SBlid bie 3«tong burd&*
flog, fanb er ganz zufällig bie 9tod)ridjt barin, bafj ber 3öberirten=6apitain
Element zur Deportation nad; einer überfeeifeben geftung oerurt^eilt worben
fei, unb nun ahnte er bie ganze traurige 2Baf)rbeit, bafc fid) nämlid) bie
junge grau zu ihren Eltern auf« Sanb begeben habe, ba fie nidjt« mehr
in $ari« zurüdbtelt.
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(Eine 3bylle ©ährettb ber Belagerung. <{0\
©in ©erber mietete ba« fiau« auf bem 93ouleoarb, unb ©abriel«
ßerj jurfte fchmerjlich sufammen, al« er über ber £f)ür nid&t mehr jenen
tarnen „Clement", ben er boä) feiner £eit fo fehr oerabfcheut hatte, la«.
S3on jenem £age an fam feine Xfyatfad&e mehr ju fetner tfenntnifj,
bie ilmt über ba« Schicffal feiner ©eliebten hätte Slufflärung beschaffen
fönnen. 3Me 3e*t übte ihre milbembe SBirhmg, unb er lernte allmählich
entfagen. 2lber e« bauerte fehr fange, beoor e« ihm gelang, felbft blofe
ber 2lufcenwelt gegenüber feine« Sd&merjeS #err ju werben, unb berfelbe blieb
barum nicht weniger tief. Gajaban war aud) nach <ßari« jurücfgefehrt,
um feine mebicintfä>en Stubten fortjufcfeen, unb ©abriet fud)te jefet feine
©efellfchaft. Grinnerte fie ilm bod> an jene fchöne 3«t, wo Gugenie noch
in $ari« mar unb er fie jeben 2tbenb fetjcn burfte!
25er ÜJtonn be« Süben« mar rabicaler benn je; aber fein 3ugenb=
fibermutf) foHte gar balb ausgetobt fyiben. $enn fein SBater, ein beliebter
3lrät in 3?alence b'3lgen, beffen umfangreiche Sßrari« er fpäter übernehmen
fodte, hatte fdjon eine äu&erft oortheilhafte Partie für ihn in 2lu«ficf)t,
unb e« liefe ftdj oorau«fehen, bafc bei junehmenbem 2llter ba« 2Öof)lleben
in ber ^3rooinj ihn in einen getreuen Anhänger ber conferoatioen Stiftung
umroanbeln mürbe.
$er fdfc)öne Stöbert, Gr*£teutenant bei ber SRobilgarbe, bem ©abriet
einige 3)/al begegnete, gehörte §u ben Grften, für welche ba« ^ßarifer 9lrgot
bie fprachliche 9teubübung ©ommeur erfanb. Gr mofmte regelmäßig ben
Dienftag s 93orftellungen im £heätre=grancat« bei unb trat ftet« in tabel;
lofer Xoilette auf, weifce ^anbfchuhe, weifte Graoatte, ein gelbes 93änbä)en
im Knopfloch be« gracfe«. Gr f^tte nämlich bie ÄriegSmebaiHe erhalten.
2ln einem herrlichen Sonntagmorgen, ber oiele Spajiergänger in'«
Sreie gelocft hatte, ging ©abriel äufälltg burch ben ©arten be« $alai«
SRoual, al« er plöfclich Jrau £enru gegenüber ftanb. Gr ftiefc einen
greubenfchrei au«, benn er hoffte beftimmt, oon ihr etwa« über Gugenie
ju erfahren.
$ie fchlanfe Srünette reichte ihm läajelnb bie $anb. Sie far) ganj
oeränbert au«, ja, e« fdjien ihm faft, al« fei fie fdjöner geworben. 3hrer
eleganten, oon ©olb unb Juwelen ftrofeenben Toilette entftrömte ein ftarfer
^Parfümgerudj.
„Sie fmb ja au« bem Viertel, ba« Sie früher bewohnt, ganj fort;
gejogen," jagte ©abriel, ba« ©efpräch anfnüpfenb. ,,£a« ift bod) recht
fchabe ! G« war 3U gemüthlich in öftrem ruhigen, ftiUen 3immer^en ,mt
ber fchönen Slu«ficht auf bie ©arten."
Gr fonnte nicht weiter. Gin wahrer Strom berauf chenber ©rinne =
rungen brang ihm $u §er$en."
wa«!" antwortete 5rau ©cnrn, ,,e« würbe mir bort §u lang;
weilig. Giue ganj tobte ©egenb. 3aj bin recht froh, Da6 ^ ^n ^öattg-
noHe« gemiethet fyabe. Xoxi wohnen oiel feinere Üeutc . . . 3lch, '« ift
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3üuftrtrte Bibliograph
«cidMdite be* önttfdjn» Äunf*. Jöaufunft, 5JHaftif, 2Mcrei, »upfciftid) uub £ol3--
fdutitt, ScunftgciDerbe. Berlin, ®. Örote'fdjc 2krlag3bud)l)anblung.
Von biefem großartigen, mit üoräiiglidjcu 3lbbif=
buugen auSgefratteten v4kad)tmerfe, beffcn einjcluc
Xfjeilc bon bcn berufcitfteii Vertretern ber betreffen-
ben 2Btffenfd)aften bearbeitet »erben, liegen uns
feefä nene Lieferungen üor. $>rci babou bringen
beu ?lbt"d)luf$ ber ©efdndjte be3 ftunftgemerbeS öon
3afob d. ftalfe, unb juuar öon ber erften ?lb-
tbeilung „^rüljjeit unb Mittelalter" nod) beu JMeft
ber wgotifd)cn (jfyodje", uämltdj bie Arbeiten in
§ol$, iJeber, tejtilcr ftunft, Xfjou unb ÖlaSmalcrei,
fobauu bic gau^e jtueite Slbttjeilung „Tic 9?eU3eit"
uon ber sJtcnatffauce bis 311m 1*. ßabrtjunbert.
lieber beu Sßertt) einer berartigen gcfdjidjtttdjen 23e=
banbluug be3 gefammteu beutfdien ifunftgeiücrbcS
brautfjen n>ir fein äüort 31t Derlicren; mir rönnen
nur ber 3frcube barüber 2lu3brucf pcben, bafj bic
betuäbjte Äfraft eines 3afob uon $alfe biefe Arbeit
übernommen bat, unb im 3"tereffe ber 3adje unb
ber weiteren Verbreitung bcö gaujen 2ikrfe3 beu
äüuufcf) ausfpredien, bafj bie einzelnen Ülbtbeiluugeu
beä (*Jefammttuerf8 aud) gefonbert fäuflidi werben
mögen. Tic ©eietjidite beS ftunftgemerbe« fdilicfjt
mit beut 18. Saljrlnmbert, mit ber Üüabruetjmung,
bafc bic ftunft im GJeroerbe foft in allen feigen ab--
ftirbt, um im neunjebnten anfänglid) üöllig 311 Dcr=
fdjtüinben, bis in ber siueiten ftälite unferea
3ahr-
Oiri<iBe(|,nru« o«t bn eamatung ut a. buuberU baä ueueriDadjte 2?ebitrTiiit} nad) (iiiiülc-
f.^V-^ilVVi'ri^Sr.« i,,^t.*•,/ riffrr Wnfeit eine neue lebenbige Bewegung In
Jloib unb 6ÜÖ L., 1 so.
27
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3llujUirte Bibliographie. ^03
Dom erftcn Slbfdmitt, ber bis jum Gnbe be& 15. 3ahjbunbert3 fiitjrt, bic ilorftufen
unb Slnfänge unb bic Srupfcrftetberci bc8 15. SabjbunbertS. Mupferftid) unb fcol^--
fdmttt ftchen in engftet Herbinbung mit ber ©rfinbung ber 23ud)brucfcrfitnft ; erft feitbem
■Mo'.n'.o ^autcuil au» Per Witte cta 18. 3abrbunt>ert4.
«ud: WtfdjiAte btr b'eutfdjtn ftunft. »erlitt, 0. (Mrott.
ftc als ÜJlittcI ber 3fluftration gebruefter Xerjc häufigere Bcrtoenbuitfl finben, nefnneu
fte aud) unabhängig non biefer einen böseren 2luf|"d>umng. 3. 9 — 11 roeroen toir mit
ber alterten Xedinif bea 5?uüferftid)ä befannt flemad)t; bann folgen anonyme ÜJleifter
unb Wonogrammifieu, ber ÜJJeifter ber Smelfarten, ber Üfteiüer ber ^iebcSgärten lt. a. m.:
enblid) in auMübilidier v£ebanbluiig Martin Sdjongaucr unb feine Schule. SQJkdl ber
y Google
^06 tforb nnb Süb.
(tfefdiiditc be8 ffujjferftidjS unb fcoläfdniitteS eine fo boljc 2?ebeutung berleifjt, t fr ber
Umftanb, bat? gerabe bie bebtutenbften altbeutfdjen 2Naler in biefen ledntifen eine iHc'ük
aJiofcnna aur ber ^RoncfutKf. XupfcrfiicD nicbcrrlKintfd*. ^ainuuunfl tf. iHot&'dulb in <ßari».
«ii»: «efAidjtc ber beutfdjen *tun(t. SPttltn, <». «totf.
tfjrrr bebeuienbfteit ©etfte&probncte nlebergelegt fpabeit, 51t bereit 9(u9fuljruna in ber
grofeen srunft eS ihnen an ©elegtnnett unb Aufträgen fenlte, unb bau baber t&re Vfeiftuune n
ötif biefen Öcbtetcn eine uxfentlidjc ©rgänjunfl be* ÜkfnmmtbilbeS ihre« liiiiftlcrifdien
3llufirtrte Sibliograptpc. ^07
Staffens überhaupt bilbcn. öS ift bcfcfjalb bcr ftortfefcung gerabe bicfer ?lbtl)eilung ber
bcutfd)cn tfunftgeicrjicrjte mit Spannung entgcgenjufeben.
Lieferung 2-4 unb 27 bringen bie ^ortfeQung von 3anit\<S)tV 8 ©efdjicfjte ber
alteren beutfcfjen 3Merei unb beljanbelu bie sIRünd)ener, 2Bicner, ^nftertbafer unb fdjlefifdje
Schule, fobann inSbcfonbcre bie Xbätigfcit 2llbred)t SürerS unb ber £>auptträger feiner
9tid)tnng (Sdiäufclin, 3ue&, bie JöefjamS, $eng). 2lud) (jicr Derbicnt ber illuftratiue
SdnniKf rü&menbftc ftcrDorljebung ; td) nenne nur XürerS Sigur eines ftefjeuben
Pörtftu* unb *4ktru* auf btm TUttt. StftnftCH« »JlailonaU3Jtuf«uni.
«lud : OJcf djieftte bcr btutfdjen ilünh. Berlin, (9. (Mrotc.
flpoftelS, fcanbjeidmung im St. ftiipferftidjfabinet ju Berlin, alz 2tubie ju bcr 3.
abgebilbeten „^immelfaljrt 9Nariä"; bie ^ditbrucfroiebcrgabc oou XürcrS „Mcrl)eiligcn=
bilb", boppelfettig; SWartln Sdjongauer* „ÜDiabonna im ftofenfrlg"; ütt. siiiot)lgemutbö
„Äreusabna^me"; bei älteren iIufa*Mranad)l,aJiabonuo mit ber Iraube" unb „lyrugifirus"
aus bcri&cimarifdjen 3tabtpfarrttrcr)c; &olbcinö„£armftäbter sJUtobonna"; bann im lejte
befonberS $ürer* „flbam unb (£ua", „Xie iDfabonna mit ber^irne" in ber taifcrlidjen
(ikiUcric gu ÄBten, ein ÜMlb doU reijenber Httmtltft, unb cnblidi bie berühmten Dier
l'lpoftel au8 bcr alten ^inafotb,cf in ^iündjen. 2lud) bic ernftljeitcren Wanb3cidmungeu
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$08
Horb uni> 5iib.
T
XürerS sunt (Mebctbudi .sfüifer 3)tarjmiliauS I. ftnb
butdi mehrere groben bertreten, üon beneu toir eine
hier mitteilen. 3luf ben trefflichen 3nt)alt biefer
iricfcruitflcn näher einzugehen maugelt uns Der 9taum;
es fei beShalb nur auf bic trcffettDe SBürbiguiifl uon
2)ürerS iöebcutuiifl Uenoiefeu, au* ber toir folgenbe
Säße ausheben: „2l*aS Ütoetrjc 2)ürer uub ben übri=
gen £>eutfd)cu ber älteren $cit jum Vorwurf macht,
fie hätten alle mehr ober weniger ctmaS peinliches,
inbem fie gegen bie ungeheuren Ökgenftänbe bie Frei-
heit be* Hillens bcrlieren, ooer folchc behaupten, ttt*
feferu ihr Weift groß unb bemfcllieii gemadifcn ift, baS
finbet sunt minbeften auf Dürers Steifejeit feine 31h*
incnbung mehr. (5t erhebt fich über fflabifche 3lbhän=
gigfeit Don ber einjeluen i'taturerfdwtnung, unb er be*
fämpft bic i^ilifür, bic hoebmütbig bie SRatur gu
metftertt fudie. 9lud) $ürer trat mit perföulicher ©roß*
heit an bie Watur heran, aud) er hat bic geringere
reale Äatttt »ur i?öhc feines (HciftcS emporgehoben;
aber bic fünftlcrifd)c Sdtöpfnng bei uorbifchett ftünft*
erS fah bann bod) aubcrS aus, als Die eines PhibiaS
ober Stafflet. Xie periöulid)e (#roöbeit, mit ber ber
O uorbifd)e Miinftlcr ftdi au bic Statut loanbtc, mar eben,
Dem Waffenaturtfl cntfprcd)cnb, nicht äühetifdier, fon«
Deut ttiifdxt ;'lrt. iü eben baS Unerinc<die
ber i'eiftuug Xürera, baß er bie beutfehe ftunft frei
machte, ohne fie heimatlos 31t macheu. i*ou Deutfdieii
hobelt, nidit auf fcettflS ober Stauen« ift barum ber
äfthetifche SMaimab für bie >fiiimlergrötK lürcrS 31t
holen.
P. w .
'AM Xitrcr« 'JtauMciwtiumgtn \mn QkfeditUfe 0ntf(T l'torimitian* I. in ber »gl. ÜMbliotbcf ?n :3Jlüru1)<n.
Hut: OcfAuttc ber txutfdcn «unft. ^crlii', 9. '^rote.
uigitizGu oy
Goo
3iblio<jrapfji|d?e n oti3cn.
^Tao tteatatputiaftum ttttb bie t)w
mauifttfrtK ©iioung. SBon $rof.
Dr. Sfricbrid) ^aulfen. SBerlin,
aa*. $»ere.
^rofcffor ^aulfen in ©erlin nimmt
in ben&ämpfen für „ttaffxfcfj-tjumatiiftiftrje*'
ober „mobermrealiftifdjc" Sugcnbbilbung
eine eigentümlich Permittclnbc Stellung
ein. .ftumaniftifdje SBifbunß nennt er
biejenige, welche bie SBefchäfriaung mit
Sprad>e unb Literatur (nidbt blofj ber
altclaffifcben !), mit ©efd)id)te unb ©eifteS=
totffenfehaften überhaupt jur ®runblage
bat; realiftifche eine folcbe, bie roefent*
Iid) auf ÜDiattjernatif unb 9toturttriffen=
fehaften beruht. (Sr tritt nun Iebbaft ba=
für ein, bafe ben höheren aüflemeinen
IBilbungSanftalten in Xeutfdjlanb ber hu=
mauiftifd)e (Sbarafter bewahrt bleibe, mäb:
renb nad) feiner Meinung bie realtftifeben
7räd)er erft injacbfchulcn äum^auptfiürfbcS
UntcrricbteS werben föuneit. (Milien buma-
niftifeben ßbarafter aber baben nad) feiner
STuffaffung nid)t nur bie alten ©pmuafien,
bie er nid}t(uur öorläufig nicht ?)ocrbrangeu
miß, foubern auch, unb stoar namentlid)
feit ber SReuorbnung nou 1882, bie
ittealflomnaficn. 9118 bie 2Üege, auf welchen
bicfclbcn bem bejetdmetem ,i werfe narfjjus
ftreben baben, begeidjnct $au(fen: 1.
grünblidje ^Betreibung be8 beutfdjen
Unterrichtes, ber gerabe auf bem 9tcaU
gt)mnartum bie centrale Stellung cinneb*
men foü, bie ibm ba8 alte GJnmiiafium
bisweilen oerfagt bat, unb jumr aud) mit an=
gemeffener SBcrürffidjtigung ber ungemein
bilbenbeu unb lebrreieben ©efchidjte ber
älteren beutfdien Sprache unb ber Pbilo*
fopbtfcben ^ropäbeutif. 2. ^Betreibung
beS Sraujbfifdjcn (biefes suerft) unb
(Snglifcheu mit Stürffidji auf beu 3iu
fammenbang ber europäifeben Literaturen.
3. ^Betreiben bc8 Lateinif che n , wcldjeS
als Sprache be8 augufteifebeu Zeitalters
unb al8 mittelaltcrlidic äßettfpradK eine
»ertiefte biftorifche SBilbung üermitteln
fönne unb folle, wäbrenb e8 genüge, bie
Sd)äöc ber gried}ifd)cn Literatur burd)
Ueberfe^ungen jugänglid) 31t macben. 33ei
(Erfüllung biefer Sorberungeu Pcrlangt
Wulfen für bie Abiturienten ber 9leal=
gnmnafien unbefdjränften 3utritt gn ben
UniPerfitätSftubten.
Die Aufgabe unb ber SHaum biefer
3eitfdjrift geftattet e8 nid)t, eine fpe=
cieUe Srritif biefer mit Klarheit unb in
mafjooller Sprache Porgetragenen Säfte
gu Pcrfiidjeu. 9hir baS (Sine fei äuge*
beutet, bafe ber 3Jerfaffcr bo:b Pielletcht
äWifdjcn bem Wealgrjmnafium , wie e8
wirflieb ift, unb wie eS nacb feiner SRel*
nung fein foUte, niebt beftimmt genug untere
feheibet. Soweit beS Referenten Scenntnift
reidjt, haben 3. JB. für ein Söetreibeu beS
beutfebeu Unterrichtes in ^kulfenS Sinne
bie 9fealgt)tnuafien meift piel weniger
Neigung bewiefen, als bie ©qmnafien.
SJoUfornmcn einüerftanben aber fann jeber
Sfreunb ber Sd)itle bamit fein, bafe SßauU
fen niebt für eine neue Umwälgung unb
fchärfere 9teglementirang ber Lebrpläne,
foubern für größere inbiPibueüe Freiheit
ber Lebrenben unb ber Lerueuben eintritt.
„2flan mufe," fagt er S. 71, „wieber 3»t=
trauen 311 ber menfehlichen 9totur faffen!"
P.
bem f in Ijivcn irraiifreirh.
Meine ?lbbaublungcu Pon ftcobor
äüebl. ^iinben in äikftfaleu. 3. S.
(S. SB r uns »erlog.
^er JBcrf. mill mit biefem SBücbleiu
ben ibm Don feinen beutfdien LanbSleuteu
gemadjten »ortourf äurücfmcifen, bafe er
ein „befebränfter unb fopflofcr 5-ransofcn«
freffer" fei. Ob cS ibm gelungen, baS ift
feine Sadje, fourie berer, bie ibm beu 33or*
lourf gemaait haben. Unferc Sadjc aber
ift es, !ur3 fefuufteücn, toeld)en allgemeinen
ä»iertb bieie ©djrift bat als bie „%niä)t
langjäbriger 58cobacbtunqen unb eingeben-
ber Stubicn." 2Ber rjinreicf>ertb franjöfifd)
fann, toirb fidjerlid) beffer tbun, fclber
biefe „Stubien" 311 mad)eu unb bie fran=
j'öfifdjeu 2)üdhcr 311 lefeu, beren uns ber
verf. mebrere nambaft mad)t, meil er nad)
ibneu uns feine Ü)cittbcilungen unterbreitet.
Sollte er auf ÖJrunb feiner „SBeobadjtun*
gen" noch mcljr bieten als fte? 2)ann
muft er flar unb beutlid) fagen, morauf
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Horb unb Süb.
fid) biefc w58cobad)tungen" frühen. 9Ittbern«
fall« müffen mtr fagcn, baß baS Siffen,
fomcit es in Buchform »erliegt, burd)
feine 'Jlbbanblungen nidjt ertoeitert fei.
$m llcbrigcu lagt fid) behaupten, baß
bie einzelnen Arbeiten eine getranbte, tl)cil=
toeife gläii3ciibe ©pradjc mit ionmal iftifdjcm
JHnftrid) geigen. Sie merfen grelle, in bie
klugen foUcnbc Sdjlagltdjter auf franjöfi*
fd)e ^erfonen unb 3uftänbc ber iBcrgan*
genljeit; fte gleiten SWeteoren, bie für ben
Vlugciiblief SÖergnügcn bereiten, aber oljne
$auer finb. l'iebljaber leidjter t)iftorifd)cr
2>arftcIIungen unb geiftrcid)cr GffanS »erben
bei ber Ccctüre bcS ^üd)lcins gmeifclloS
auf if>rc Soften fommen. Dr. Wd.
«Ute* nnb tteitcd. 8on Sr. Sfcob.
2Mfd)er. Üteuc ftolge. Stuttgart,
iUbolf 2?ons u. Comp.
Stöbert Eifcber bat bier eine Steide
oon iHuffäfcrn feines Katers gufammenge-
ftcflr, bie, mit Slusnabmc ber SlpfjoriSmen,
fdiou in oerfd)iebcnen 3*itfd)riftcn Oer»
öffentlich toorbeu finb, ber erftc 1847.
$a aber faum Semanb alle gelefcn Ijabcn
bürfte, fo Bütten alle ©ebilbeten bem
Herausgeber banfbar fein, $cr O'tfjalt
ift fcb,r reid); literarifd« Slufiäfce toccbfcln
mit pbilofopbjfcfien, iHcifebriefc mit ein»
gerjenben JScurtfyeilungcn oou ^üdjem.
Jöcluftigenb unb äugleid) beleb, renb finb
bie „Reiben bcS Söud)ftabcn K auf feiner
Sanberung burd) £cutfd)lanb", eine ©traf»
prebigt für aüc, bic biefen 23ud)ftabcn
fd)led)t fpredjcu. rj.
Ter .vnptuMK'iiuio. Ston Dr. med.
Gilbert SHoIl. Berlin, 5ifd)crS mebic.
$ud)f>anblung.
3Vr Skrfaffcr giebt in fur$cm Um*
rifj "neu llebcrblicf über ben £>npnoti8*
muS oon feinen Anfängen bis ju feinem
heutigen ioiffenfd)aftlid)en Stanbpunfte.
£ic Wcfdüditc bcS $W»otiSmuS, bic 2lrt
bes ftnpnotifirens, ferner bic plmfiologifcbeu
unb pfpdjologifdieu Vorgänge beim £>np»
uotifirten, fdilicfelid) bic mcoicinifd)c unb
forenfifdx ikbeutung beS ftppnotiSmuS
loerbeu in einzelnen ßapitelu ftar unb
anfdjaulid) befprodjen. 2Ber ben Sunfd)
bat, fid> auf biefem (Gebiet 311 orientiren,
bem loirb baS ibud) in jeber SPcäicfjuug
feine $icnfte leiften. ®B ift ftreug ob*
jcctiP gefdjriebcn, giebt in furgeu 3ügcn
nur baS Sc f entliehe unb bat ben SUorsug,
liidit nur miffenfcbaftlid) bcgrüubct, fon*
bem aud) allgemein oerftäublid) 3U fein.
Dr. Ii.
Z rtö '^iidi Oer vernünftigen Mi an*
f rup fit ßc ^raftifdjc feinte unb ©c*
lebrungen für Scibcnbe unb Öcncfcnbe
oon $rof. Dr. (Sari «eclam. 3u
ISnbe gefübrt oon Dr. med 3. Äuff,
ßeipjig, Sinter.
$cr «erfaffer fdiilbert in auSfü&r»
lidicr unb für ben iiaien leid)t oerftänb*
lidjer Seife, mic man bei tfranftjeitafällen
in ber gamilic für ben Patienten unb
[eine Umgclutiig, neben ber Befolgung ber
ärjtlidKit Söorfcfjriften, am beftett unb ra«
tionellftcn 311 forgen bat.
$aS 33üd)lcin cntfjält oiele prattifche,
burd) gasreiche 9lbbilbuugcn erläuterte
Siufe unb wirb bei bem beutigen regen
3ntercffc für $>qgiene bcS ^au^ljalte? ge»
uuß SUJandjcm loiDfoinmen fein. Dr. B.
Dr. ^obauueo Omaner. Ia-i geben
eine« bcrübmtcn Sdjmciscr ?lr3tcö im
17. 3al)rl)unbert oon Dr. med. (5
Brunne r. Hamburg, iltolag&anfialt.
Ginc fur3e unb tntereffante Jbiogra-
pfjic ieneä bcrül)tntcn 5?trjtc*, ber im 17.
Sabrbunbert an ber $?eibelbcrger ^>od)*
fd)itlc gelehrt bat. Hillen, bie ftetj für bie
(Mcfd)icbte ber SWebicin intcreffiren, fei baS
Sdiriftcben mann empfoblcu. Dr. B.
tiäft auf ben f&ea. (Sine 3dtjrift sunt
frommen berer, loclcbc unbetannt mit
be« IRorgcnlanbcS äBct*l)cit unter bereu
öinfluB gu treten begebren. 9Hebergc»
fd)riebeu oon lUabel Solling, lieber*
feßt aus bem 6nglifa>n. 2. Slufl.
mit i'lnmerfungeu unb Erläuterungen,
geipgig, & rieben.
$on ber SciS^eit beS Ü)iorgeulaube«
ift in ber oorliegcuben 3dirift 9Md)!S gu
finben ; cö ift eine fpiritiftifdje Offcnba*
rttng, bie ja, mie cd fd)eint, aud) ihre
(Bläubigcn geftmben bat, ba fie fdjon bic
jiDritc Auflage erlebt. 2>ie Ucberfcöung
ift, toie beroorgeboben merben foll, äugen»
fd)einlid) mit Siebe gemaebt. (Manje ^<ar>
tiecn bcrfclbcu (£. 21. 22. u. ff.) bewegen
fid) in jambifd)em 9tt)tb,muö; cS mirb
aber toobl nur äBenigen gelingen, ben
*3inn, ber fid) unter ben fdjnnntgooncn
Sorten oerbirgt, 3U euträtbfeln. 9?cfc*
reut beneibet fic nid)t barum. F.
3it>ei vlabre in flb^fftniett ober
<5d)Uberung ber ©itten unb bc8 ftaat*
lieben unb rcligiöfcn ScbcnS ber ftböf»
finier oon ^kitcr Ximotl)eti§. (?lnnc*
nifd)c »ibliotbcf, ^eft 8 u. 9.) ücipäig,
Sricbridj.
$a8 5öud) entbält ben 9ieifebcrid)t
eines 3ur 3eit bcS ÄricgcS ber (Sngläubcr
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Bi bltograptjifdjc ZTottjen.
gegen ben Stonig Xbeobor Don 2lböfftnien
öon bem armemfcben Patriarchen gu bicfcm
entfanbtcn ßegaten. 3n naioer Sprache
fdjilbert er getreulich bie militarifdjcn,
politifdjen unb religtöfen ä^er^öltniffe beS
itaubeS, in welchem er ftd) gwei 3abre
lang aufgehalten hat. 3n politifaxr 93c*
giebung fteüt er fid) burd)auä auf Seite
bcr (Snglänber; bod) fommt bieS Jöorur*
tbcil, ba er mcfentltd) feine eigenen mcrf=
würbigen ßrlcbniffe berichtet, Wenig in
iöctracbt. XaS Surf) fann jebcnfallS als
€lucllcnfd)rift für bie neuere @efa)id)te beS
merfwürbigen £anbc8 gelten. F.
*m 2©eb?tufM bcr 3eit. ^oefien aus
bem mobernen lieben öon 3uliu8
©efell hofen. ©ro&enhatu unb Seipgig,
^Baumert unb Monge.
SSenn biefe Sßoefien aud) feincSmegS
alle öon gleichem Gerthe finb unb picleu
öon ihnen in ftorm unb Inhalt noch
eine Slbflärung unb SluSrcifuug gu
töünfcben gewefen wäre, fo ftnb ftc bod)
ba» 3euguife einer fräftigen Xid)ternatur
unb ber SluSbrud einer gefunben ethifchen
©eftmtung. freilich ift eS ein gewagtes
Unternehmen , fo gang moberne (Stoffe
bichterifd) geftaltcn gu motten ; nicht SllleS
ift poetifd) oerwertbbar, woran fid) ber
SBerfaffer gewagt hat, unb bahcr ift eben
bie Sammlung fo ungleich ausgefallen.
Sobann ift bie äftfjetifcbe ©renge im <$t--
brauche beS erlaubten SluSbrudS allzuoft
bart geftrcift; baS mag fräftig fein —
fdjön ift eS nicht immer, Dagegen flingt
eS oft banal. Xa aber biefe ©ebid)te
mannigfaltige unb gefdjicft pointirte pro*
bleme behanbeln unb biefelben meift mit
©cwanbthcit unb bichterifchem Sd)Witnge
poetifd) aefialten, fo werben fie ohne
3n>eifel btelc Sreunbe finben. Uebcrflüffig
freilich ftnb bie öiclcn Xrudfel)lcr, bie
manchmal red)t ftörenb Wirten, ss.
©an Frühling ju ftrüblittg. 33it=
bcr unb Sfiggen öon äans$of?*
mann, Setltn, ©ebr. $actcl.
£an8 §offmann8 (Srgäblertalcnt geigt
ftd) in bicfer ©ammlung in feiner öoüen
JCielfettigteit. 3»ölf IWoüellcn fiub in
biefem Söanbc üercinigt, jebe einem be-
stimmten SJionate beS SabjeS nach
(Stimmung ber ©cfühlc unb Sarbe ber
Sdjilbcrung cntfpredjenb. (So lommt ei,
baß mir fein humoriftifdje unb heiter»
freubige ©rgäblungcn wie „Xhauwinb",
„Himmelfahrt", „Sonncnmenbe" neben
emft reftgnirten („Spätglüd") unb biU
fter • fdjwermütbigcn („SJteereSftimmen" ,
„Sinterfriebe", beibe cinft in „9h>rb unb
©üb", 3Jtai 1888, unter bem Xitel „Strand
gut" öerciuigt) ftehen fehen. XcSljalb bürfte
in ber Xbat mohl jeber Sefcr unb jebe
Seferiu etwas ihrem ©efdmtad unb ihrer
Neigung 3ufagenbcS in bicfcm 5Bud)e finben.
ftur bic unheimliche Moüelle „Srrlidjt" er-
öffnet fo grauenhafte Sblicfe in bie dlatyu
fetten beS 2Henfd)enbafein8, baß toir bic-
fclbe, fo meifterhaft fie auch in ihrer 8lrt
gejchrieben ift, öon biefer Sammlung lie*
ber auSgefdil offen gefehen hätten. 0.
9er Sttt^uftaft bort iyidjtritftöbtcl
unb anbere Lobelien. JBon Äarl
3 ä n i d e. »erlitt 5BV ftofenbaum unb
Hart.
2ln bie unferen ßefern bereits aus
bem üorjährigen 3uniheft befannte 'Hlo-
öeUe hat ber 23erfaffer nod) brei anbere
Jrüdjtc feines reichen unb öiclfeitigen Xa*
IcntcS angereiht: „(Sine iöeidjtc", „3nt
ÜBaftenfttüftanb", w3)cr meland)olifd)eSüu=
ber." Unter ben Sorgügen berfelbcn heben
mir befonbcrS bie pfqdjologifdje Vertiefung
in baS 2Befen merfroitrbiger ©haraflere
heroor. Xer gmifchen gmei ^tremen feit?
fam fa^oaufenbe §elb ber legten 9ioöelle
fönnte als Seitenftüd gu bem originellen
„Xoctor3eh)U" beS ©nglänberS Stcöenfon
betrachtet werben, auf ben wir im Sftärgbcft
aufmerffam madjten. 3Jieift ^at ifarl
3änide feineu (Srgählungen noch befonberen
yieij baburd) gegeben, baß er fie ben 3Jtittel=
punft bcr gcielligcn Unterhaltung eines
beftimmten SfreifcS öon perfonen btlöen
läßt; auf biefe ÜÜeife wirb ber Gontraft
ber beiben unter 9tr. 3 öereinigten 2ebcnS-
bilber bcfonberS beutlid). Xie neueren
9(0öelli!'teu geben fid) fonft gewöhnlich nid)t
mehr bie Geithe, bie eine fold)c, aus
©oethes unb XiecfS 3cttcu l)er woh'.bc
fannte, aumuthige Umrahmung fleinerer
&rgät)lungen erforbert. Xod) giebt eS
hoffentlich nod) oicle üefer, weldjc biefelbe
gu wiirbtgcn wiffett. u.
Stau Santtbättfer. 9Joöellen öon
X ohm. 23reSlau, @. Sdjottlaenber.
Xie erfte ÜRoöclle, weldjc bcr gangen
Sammlung ben tarnen gegeben hat Wirb
ben älteren fiefern öon „9lorb unb Süb"
nod) in angenehmer (Erinnerung fein; bic
britte „Ob Schein, ob ÜiJefcnr bilbete
eine 3icrbe unfereS legten 2lprill)cfteS.
(fbenfo wie biefe hobelten haben auch bie
gwei neu hingugefommenen („Sterben im
&cben" unb „9Jterie") mehr ober weniger
enge 2Jerüt)ruug mit ber ftrage, ob bic
Stellnug ber grauen innerhalb ber
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<k\2 ZTorb m
milic unb ber mobernen ©efcUfd>aft eine i
reformbebürftige f ct. Seit bei oornrtbeilS*
freier (Srwägung biefer Srragc fid) ergeben*
ben ^Problemen fchaut fcebmig So&m mit
einem flttlidtyctt (Srnfte, bcr bor feiner
Gonfequeng äuriitffchricft, in'S 2luge ; ber
(Srnft ihrer ©cftnnuug wie bic irlarbeit
irjrer Sarfretlung erinnert biclfad) an
#annn Scwalb, beren Streben ©ottfcball
neulich in unferem 3"Ur)cfte fo licptboll
gefchilbert bat. SlirgenbS aber brängt fid)
bei fcebwig Softm bie Xeubeng unfunftle-
rtfd) h«rbor; btelmebr ift jebc ihrer 9to-
bcllen auch poetifd) fein entworfen unb in
fuapper Sarftellung, in einer oft wahrhaft
flafflfehen Sprad)c ausgeführt. 2Jiit be«
fonberer Siebe ift baS Reiben unb fingen
Perfdnebenartigcr ^rauennaturen bargen
fteHt; bie männlichen (eigentlich recht un=
männlichen '.) ©tjaraftcre bagegen finb jutn
3^r>ei£ ftarf in'S ©raue ober ©räulidje hinein
gemalt. Namentlich gilt bicS oon bemfcelben
ber inerten ftobclle („3Haric"), bei bem noch
aufeerbent eine red)t unpaffenbc 2*ergleid)ung
mit ©oetbe einigemal angebeutet wirt.
SBenn alfo auch Manches in biefem Suche
iöebcufen ober ätfiberfprud) erregt, fo ift
cS bod) ohne ftrage gehaltooder als manche
Siethen oon Stäuben bcr neueren {Kornau*
literatur. (SS ift nicht eine tfefebeinung
oon nur momentanem 3ntercffc, fonbern
mufe bielmenr als ein 20er! oon hohem
unb bauernbem 2i*ertbe in ber Literatur
unferer 3eit bejeidmet werben. 0,
«u&flftoä<e Sichtungen oon £cr*
mann oon ©Um, herausgegeben oon
SMrnolb oon bcr Raffer.
fyevmann »Ott i»Hmt fein Sehen unb
feine Sichtungen oon Slrnolb P. b
Raffer, Seipjig, s*- ®. SicbeSfinb.
Sie Sichtungen beS trefft idjen Zx\--
roler Sängers, feit beffen fciufdieiben be*
rcitS ein iMertcljahrhunbcrt berftridjen ift,
unb ben bie oon Slrnolb bou ber Stoff er
oeranftaltcte Ausgabe unb SebensbefdircU
bung einer unPerbicntcn JBcrgcifcnbeit
entreifet, ^erfüllen bcr £>auptfadjc nach in
juoei ©ruppen, in politifdie unb crottfdje.
($S märe fchwer $u cntfdjcibcn, auf wel=
eher Seite bcr Schwerpunft oon ©ilms
Begabung liegt. Ser macbtoollc 3ngrimm
beS gegen alle g-infterlinge mutljooll unb (
riicfüchtSloS fämpfeuben JHittcrS bom
Weifte, wie er uns 3. 58. in ben „3efui--
tcnUcbcrn" entgegentritt, reifet uns eben*
fo umoiberftchlich fort, Joie bie füfee SDic* I
lancholie feiner SiebeSbicfjtuug, bie fdmntng*
oollcn Sthnthmeu ber monatSgcbidUc
(Xbeobolinbe) iid) uns in ftcrj unb Cnr
b f üb.
fdmtcichelu. Sie ©lutl) ber Smpfinbung,
baS machtoolle Pathos, über baS bcr Sieb-
ter gebietet, lallen eingelne formelle
SDlängel als unmefentlid) überfebeu. 2ttan*
cheS in reinfter Inrifdjer Stimmung auf'
gehenbe Sieb forbert gerabeju gu mufita=
lifchcr Snterpretation heraus, wie fold>e
3. 83. bem oolfSthümlid) geworbenen
„SUlerfcelcn" („Stell' auf beu Xifd) bie
buftenben Otefebcn") bereits s" X^eil ge=
toorbeu ift. ow.
ttom beutfdieu Stamme, dtoman
bon fterbinanb Scbtfforn. SreSbcn
unb ßcipjig, fteinrid) 9JHnbcn.
Sic 3uftänbe in Ungarn um bte 3*»*
beS legten franjöfifdjcn SrriegcS, im
fonberen bic ©cgenfäfcc 00m 9Jlagparenthum
unb Seutfdjthum, btlbcu bic ©runblage,
auf welcher bie ctgentlidie ^fabel beS oben
erwähnten SKomanB ftdi aufbaut. Sin
Heiner Stamm nieberfädiftfcher ?lnftcbler
lebt in SRitten beS gtofeeu 3JcagparcnooIfeS,
gehafet unb unterbriirft bon ben SJiädjtigen.
31 IS eblcr Vertreter beutfdjeu ©tammcS
tritt ein SJcann herbor, ben bcr Skrfaffer
mit allen SBorjügen beS ©crmanenthnmS
auSgcftattct bat, fowohl in ber nufecren,
fraftooaen örfepeinung, als aud) in
Gharafter unb ©efinnungen. @r weife,
bafe er nie bie Siebe ber Ungarn erringen
faun, wohl aber ilpre Sichtung, unb er
haubelt bemgemöfe. 2llährcnb er aber
fo auf eigenes SebenSglücf berjichtet unb
feine Ihatfraft nur 2lubcrcn wibmet, erntet
er bod) nur Unbanf unb 3JH&trauen. 3bm
gegenüber fteht Sela, bcr wilbc, ftol^c
l'cagpareniüngling, oon hoher geiftiger 93c*
gabung, in beut aber unter bem berberb*
lieben öinfluffe feines ChctmS böfc Seiben*
fchaften bic Obcrherrfd)aft gewinnen. @rft
als Sela bte ganjc Nicbrigfcit feines 2?er=
wanbten erfennt, fte^t er wiber 2BiDen
bezwungen, befdiämt bor bcr Öröfee beS
beutfehen aJcanucS ba. 3" biefen beibeu
©eftaltcn finb bic ^aubtgegenfäße ihrer
Ttd) feinblid) gegenüber ftehenben IWationali*
täten bertreten.
Cb biefer ftaft ber berfchiebenen JRacen
je fdiwinben toirb? Cb bcr 3Wagpar je
aufhören wirb, int beutfehen 9)tannc feinen
?Vcinb ju fehen? ©rft bic 3ufunft fann
cS uns lehren. Scr Hcriaffcr glaubt, bafe
bie SJebrücfcr, wenn auch bieUetcht erft |n
fpät, jur l^rlenntnift fommen toerbeu unb
bafe baSÜWachtgebäubc cinft jufammenbrechen
tnirb unb mufe. Senn „nidit attf baS 2Öoht
beS SattbmanncS unb Bürgers ift cS ge=
baut, fonbern auf ben SBortbeil ber oberen
3chntaufenb; nicht burch bic »anbe Per
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Bibüograptitfdje ttoH3en.
iiiebe freier Staatsbürger wirb eS gehalten,
fonoern burd) bie etfernen klammern
nationalen fcaffeS unb nationaler $crrfa>
fudjt."
Sannt» ärdrfler. Vornan bon 3*>a
BofGb. Stuttgart, Seutfd)e2fcrlag8*
Slnftalt
fceräenBfämpfe in alten formen bilben
ben Snbalt biefeS Vornan», fo baß ber
«efer faft in Sßerlegcnhdt gerät!), auf
welche ber fämpfenben grauen er fein
3ntereffe concentriren fott: ob auf bie ftd)
unoerftauben glaubenbe junge ©attin, bie
erft bann jutn SBctoufetfciu tr)rer fdjiefen
Üage gelangt, als ftd) ihr ber Sröfter naf)t;
ober auf bie gereifte ftrau, bie als SBittwe
unb ©rofegrunbbeitijcrin ftd) einen fo
fegcnSreicheu sIBirlungSfreiä gcfd)affen hat,
baß tu ihr barmonifdjeS Safein bie Siebe
als ein Störenfrieb tritt. ISS ift aber
auch eine ungcfuube ßiebe su einem letd)t*
lebigen jungen SJcanne, bem EiebeSgetänbel
SebenSbebürfniß ift, ber mit bem ßetchtfinn
ber 3ugenb SiebeSfchwürc mit stoci grauen
auf einmal taufcht unb fclbft nicht recht
weiß, mit welcher bon beiben er eS ehrlich
meint. Sie Herfafferin bemüht fid) um
baS tiefere 3ntereffe beS ßeferS bureh äSor*
fi'thrung feelifcher Gonflicte; aber mir
tonnen il)r bei ber Sluffaffung unb Surch*
fübrung berfclben nidit immer beifrimmen.
0h ftnben eS j. 50. hödift fouberbar, baß
fic bie beiben (Schlechter mic |Wci feinb*
lidie Parteien „bis an bie 3ähne bewaffnet"
gegen einanber fämpfenb barfteltt. „(Siner*
Iei ob baS SBeib tlüger, beffer, nüfctidjer,
riditiger auf ihrem ^laßc ift, als ber 8B*
tagSmann, bem fic unterliegt — f i e unter-
liegt bloß meil fic 2&ib ift, er fiept bloß
weil er 3Jtonn ift!" 2L*aS auf folcher
SBoraudfcöung fid) aufbaut, baS muß bin*
fällig fein. SBenn Sieg unb Wieberlage
fchon bon boruherein Dom Sdjicffal bor*
gegeiebnet ftnfc, mo$u bann ber nufclofc ftampf
gegen ein unabänberlidieS 2ooS? ms.
$er fcelfettfteitter. ©in (Sang aus
bem 93auerntriege bon 3ofef 2 auf f.
fföln, Stlbert Slljn.
Qinc langatfmtige (Stählung im Stile
ber enblid) bod) abgetbanen Söufceufdjeibcn*
poefie. SaS gange Repertoire berfelben
ift nod) ein 2Jlal aufgewärmt morben,
bie alten abgebrausten 3)Jotbe, bie ttr*
alten Situationen, bie formelhaften 9tebcnS*
arten! Sie (Sbaratteriftit ift recht fchwad),
itid)t einmal für ben fcaupthelben bermag
ber Sichter uns recht gu erwärmen.
SS fe&tt baS btebterifche fatter unb ber
Schwung; ber hje unb ba ocrfudjte $umor
ift mäßig unb mirhtngSloS. ss.
Sperre ber ^rtefler. 9?ormcgifd)e
flönigSgefd)td)te aus alter 3«t- 2$on
fcenrtt Scharling (Nicolai). Seutfd)
bon 3. äßillaöen. »remen,
2R. fccinfiuS.
(Sin romanttfeher, ja märthenhaftcr
3ug gebt burd? biefe uns tr>aufrifd) an*
ntuthenbe (hjählung beS bänifchen SlutorS,
ber fid) mit jmei trefflichen ftamiltenge--
mälbcn bortheil haft aud) bei unS etuge*
führt bat. Sie fcblidjte unb babet bod)
feffelnbe SarfteUung bleibt freilid) ftetlen*
weife etwas an ber Oberflädjc ber Singe
haften, fo baß mau mitunter ben Ginbrucf
einer ßectüre für bie reifere 3ugenb ertjält.
SBentger »reite unb mebr Siefe märe |U
empfehlen. ow-
3m »anne ber Ätebe. 23on
^uöler. »ertin, 3- fc.Sdjorer.
Sie 5Berfafferin beljanbelt in bem uns
oorliegenben Vornan einen bod)tragifd)eit
ßonflict. 3n ber pftjdjologifdKu 2)tott=
birung bleibt ftc unS 'iDcandicS fdjulbtg; ne
hat «oar ben SHutb, bie Urtjeberin ber tut-
glüdfeligen llerljältniffc itjrc Scbulb mit
bem Sobc büfeen ju laffen, aber für bte
beiben anbereu Sbetheiligteu bleiben bte er*
febüttembeu Gifahrungen eine ©pifobe oljnc
(Sinflufe auf ben SluSgang ber <öanblung.
(Sin bef riebigenber Sdjluß gebört nun 31001 r 311
ben (5;igenfd)aften, bie ein großer Xbetl beS
rontanlefenbeu ^ublicumS in ber ttjm ju=
fagenben 2ectüre ju ftnben wünfd)t; wer
aber gefonnen ift, foldje (Soncefftoucn ju
macben, ber foüte nidit ben Slnlauf su einer
Sragöbie uebmen, um enblid) ben Sd)luH
cineö L'uftfpielc* berbei 311 führen !
3n ber Sübrung ber ftanblung be*
merlen Wir eine fprungbafte .^aft, weldje
baS genußreiche »cbageu beS fiefcrS beetn*
trädnigt. Sie tereigniffe wadjfcn nicht tn
logifdjer Gnttoicfelung aus ben Ihatfachen
heraus, fonbern fie werben wiüfürlid) bon
ber 5öerfafferiu tjerbeigeführt. Keffer gc^
ratben ihr bieSchilberungen ber&hcuKtucre.
9htr berjenige ber fomifchen Sitten fdietnt
uns ber3eid)net; ber polternbe Xon, hütter
bem ftd) baS weidjftf fterj berbergen foU,
ift ber iterfafferin nicht recht gelungen.
(Srin Xalent, wie Dasjenige Sara
ßuölerS muß eS ftet» gcfaUett laffen, mit
böber gefteUten fritifdien 2lnfpriid)en be-
urteilt su werben, als baS Surcfafd)ntttS=
maß ihrer fd)riftfteUernben (SoÜegiuneu, bte
fie weit überragt. fflZ-
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Horb unb Süb.
ftaUabctt unb «riefe bott «arl
«treibet. 2>reöben, ^icrfon'a
Vertag.
saialjrfdjctnlid» ift bicS Söänbd)cit auf
be5 Gerrit iierfaffer« ifoften f)ergeftellt
worben, um feinet 3>id)tcreitclfeit ju f rötmen ;
benn fdnbedid) totrb ein SBcrlcfler, ber uu*
burd) mand)e fd)önc $erlc beutfdjer ^oefie
erfreut f)at, an biefen S3erfen foldjeu (Be-
fallen gefunben rjaben, bafe er biefc
2)id)tungen weiteren Streifen nid)t oor^
enthalten 31t bürfen glaubte. ©leid) ba8
erfte ©ebidjt „pr bie 2Rutter* ift an
dufter oon ©efdjmacfloflgtcit unb geugr
Don ber gan§ geringen Begabung bei
2>id)ter8. «erfe wie:
Unb 5u iinbeft bod, bie SefleY
3mmer Hu bie Straße eilft,
4M» Za an ber tftfe tocilft
'Bon ber stirefoe über Icbrajc —
finb bod) roof)( feine SJJoefie.
terwaS beffer bc&err|dit flarl Streibel
ben $e£amcter, obwohl aud) t)ier meb>
fadje Unebenheiten oorfommen unb bon
einem Xalcnt fcineSfaHS bie Diebe fein tonn.
1>8-
Eingegangene Bücher. Ilesprechuug n
Aehleitner, C, Weil oa' in d' Welt tiug'n'.
Gedichte in oberösterr. Mundart. Uambiug,
Verlagsanstalt.
UokIit, Ph., Verbrauchte Waffon. Boman. 2. Aufl.
- Die Macht der Fedor. 2. Aufl. Danzig,
C. Hin-torff.
< repicnx-Jaraln. J , Die Graphologie und ihre
praktische Anwendung. Herausg. von H.
Krauss. Berlin, J. H. Schorer.
Farina, S., Mein Sohn. Autoris. Uobers. a. d
Italien, von Duhm und Hoffraann. Kngel-
h.jrn'8 alkem. H<>man-Bibl. V, 21. it.) Stutt-
gart, J. EiaieUWn.
Fischer, K., Friedrich Bunkert in seinom Leben
und Wirken. Trier, H. S'ephfinus.
Flsrber, 0.. Salve Regina. Novelle. Danzig.
C Hinstorff
«•re'vllle, II . J..sias Tochter. Aus. d. Französ.
▼•»n E Hechcr (Engelhorn's allgem. Boman-
bibl. V., 23) Stuttgart, J. Engelhurn.
Held, Fr. Ein Fest am der Bagtille. Schauspie'
in 2 Acten. Berlin, Bosonbaum k Harr.
Herbst, W, HilMuoh lür dio Deutsche Lite-
raturge*-\iditw. 5. Auflage, herausgog. von
Dr 11. ZuiUrg. [Auf engem Räume vieles
Gute und Treflliehe. Giündlicher und vuver-
lässiger als viele anderen Leitfaden der
Litoraturgeschicht» !]
Helm», P. <;., ]n stillau Winkeln. Skizzen und
Stimmungsbilder. Kiel, Uneaeler.
Hlnricbscn. A., Das literarische Deutschland.
Mit Einleitung \<>n ('. Boyer. Berlin und
R<stoek, A!bumstirtung (C. Dinstorf!.)
Ibsen, 11., Ct<BOdta der Liel>e. Comödie in 3
Acten. Deutsch von M. v. Burch. Berlin,
S. Fischer.
Ilkstrirte (beschichte Deutschlands. Lier. 47— BS,
Stuttgart. Süldoubches Verlags-Institut.
Klnder-Ssrtenlanbe, Band VII. Na «-12.
Kiirnberg.
Kaemmel, O., Deutsche Geschichte. Heft 2-4.
Dresden, Hiekner,
V, Wir von der Kavallerie! Heitere
und ernste Bilder a. d. Clanenlebon. Berlin,
B. Ec ksteins N;c>.f.
Llngcn, ( . Mm-suU*. Dichtung. Nürnberg,
Friedrich Korn.
Lle, J., Der I>it^e und sein Weib. Uebers. von
M ller/feld. iEngelhons allgein. Homan-
Bibl. V, 24. ) Stuitj-ait, .1. Engelhorn.
I-orella, («, Zur deutschen Dante - Literatur.
Leipzig, B. G. Teubner.
Mohr, J. J. Neu Gesammeltes. Fr.uikfurt a/M ,
Mali lau und Wal Iscl.miot.
ich Aiisw'ühl der Bedaction vurbehaltdu.
Mflnrhener Stadt-ZcItnnK. Pionier für die gross-
städtische EntwickeiunK Münchens. (Dieses
gutg")leitete Blatt schenkt n. a der Fr?uen-
frago hosonlore Aufmerksamkeit.]
Mcerhcimb, Ii. v , V-m Kickelh;»hn bis zum
Brocken und KyrThllus r. Drei Prologe zum
Weitiner Fest Dresden, Fr. Oohlmann.
Meinhard!, A., Weshalb? Neuo Novellen. Braun-
schweiit, Ge>>rg Wester jjann.
Neue literarische Volkshcfle. No.3: Die socialen
Kämpft« im Spiogel der Poesie. Berlin,.
B. Eckstoin Naehf.
Pogoskl, A., Bussische Teurolsgeschichten.
L'obers. von Ida Braudel.
Brünslow.
Polyblnllon. Revue bibliographique untrere
Juilltft 1889. Paris, 2 et. 5 rue St. Simon.
Iiiii.n l. L, liediciite. Mit Einleituni: von Felix
Dahn. Leipzig, Br^itkopf Sc Haertel.
Kerne de 1' ensidgnoment de» lam'ues Vivantes.
Directeur-g<<raiit A. Wolfiomm, prufesseur,
9 rue (.'.»simir Pörier, Havre.
Rosegger, F. K , Ausgewählte Werke. Mit
«w» Illustrationen v..n Greil und Sihnüd-
hummer. Lief. 49-.'.rt. Wien, A. Hartleben.
Seblosiberger, A. v . P-Htisrhe und militärisch»
C. rrospondenz König Friedrichs von Wdrtt»m-
berg mit Na]>olwii I (18a%— 18131. Stuttgart,
A\ . Kohlh untner.
SeJitteliertsehe-Portralleallerle. Heft 10. Zürich,
Grell Füssli vV Co.
Serdel, B., Dor SchHissel z-im objecti\-en Er-
kennen. Gegen Kaut uud F. A. Lange.
Hallo, C. K. M. PrVfTer.
Tausend und eine Nacht. Mit Illustrationen
Liefg. 21— 2">. Stuttgart, Rieger.
Tiroler Schnadahüpfeln. Gesammelt und her-
au^uegeben \'"R Greinz und Kapferer.
Loip/m', A. 0. Liebeskind.
Trenenfcls, E, Fata Morgana. Hambur,', Ver-
lagsaiistnlt.
Vaearesro, 11., Der Rhapsodo der Dimbiivitz«.
In 's Deutsche übertrafen von Carmen Sylva,
Bonn, E. Stmuss
Verhandlungen der Gesellschaft f. Erdkunde zu
Borlin. XVI, No. Berlin. D. Beimer.
Welzhofer, H. (Ks hichte des Griechischen
Volkes bis zur Zeit Sulon?. Gotha. Fr. A.Perthef.
Wiehert, B. v., Dio ewigen iläthsol. Populär-
paUotOph. Vortrüge. Halle, C. E- M. Pfeffer.
M itte, I. EL, Sinnen und Denken. Halle, C. E.
M. Pfeffer.
Wolf, Th. L, Walthari und Gertrudis. 1 lauen,
F. E. Neupert.
Brbijirt upter üfrantwortlidjffit bes fSrraasgcbrrs.
Drucf unb Cerldj. oon 5. SdJOttUenber in Sicslun.
llnbrrfdjtijtcr l^ni^rurf ans br n ^ntjalt biefft 5eitfd?rift untrrfjar. UtbrrfeBnngsrcdjt norbebulten.
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KARLSBADER
latürliche Mineralwässer
1889er. Frische Füllung. 1889«.
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1 | 1 1 ■
üT Täglicher Versand
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Proöncte
KARLSBADER
Sprudel-Salz
pulverformin,
und
krystalliairt.
KARLSBADER
Sprudel-Seife.
KARLSBADER
Sprudel-Pastillen.
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Die Karlsbader Mineralwässer und Quellenproducte
find za beziehen durch die
Löbel Schottländer, Karlsbad ' Böhmen
sowie durch
alle Mineralwasser-Handlungen, Apotheken und Droguisten.
berseeische Depots in den grössten Städten aller Welttheüe.
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"SECURUS JUDICAT ORBIS TERRARUM.
Apollinaris
NATÜRLICH
KOHLENSAURES MINERAL-WASSER.
Die Füllten gm am A pollinaris-Brunnen
(Ahrthal, Rhcin-Preussen) betrugen
im Jahre 1887
H,804r,OOO
und im Jahre 1888
12,720,000
Flaschen und Krüge.
• _
THE APOLLINARIS COMPANY, Limited,
LONDON,
UND REMAGEN A. RHEIN.
*
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Zlovb unb Süb.
(Eine beixt^dfe ZTT o n a t s f d? r t f
herausgegeben
von
paul £tnbau.
(Einunbfünf^gjkr Bank
Olli *n portraUs doii: 3allus «roffe «taftppe DerM anb Cubroig pf«u.
55 1 t$\ a u.
Drucf un& Perlag ©on 5. Sdjottlaenber.
3nfjalt bes 5\. 23cmöes.
<©ttoöet. — Jßobem&ct. — ®ecemöer.
(889.
5 fit«
3u nnfcrem tMnberteinunöfünf3igfieii £)cftc I
<8efammt*Kegifier über bie erften 150 fjefte V
Portraits ans ben erfien \50 tieften XVI
K. <B. ^norefen in Bonn.
Die beutfdjcn 3mPerat'onamcn 536
^eön?ig Benöer in €tfenacfj.
Die erfie beufdjc Iteberfe&ung oon äiorbano Sruno's „Heformarion
bes Rimmels" 28*
ii. Hogalla oon Bieberitetn in Breslau.
<Ein 3(icf auf bic (gefaxte turemburgs unb ber „tnremburger". 72
Qeinrid? <£ljrlid} in Berlin.
öiufeppe Derbi W
€rnft II, fyt$o$ oon Sa<fyfen=<Eoburg*<J5otr?a.
£eo$>olb I., König ber Belgier
Karl Cfjeooor <ßaeoer£ in Berlin.
(Soetb^Crinnerungen einer ^enetifcriii 370
Karl (ßjellcrup in Pänemarf.
<&*Dur. (Eine KammermuftMTooeUc I. II 2*5. 3<w>
3ulius (Sroffe in ^Hüncfjen.
£iterarifdjc HrfaAen unb lOirfnugen 32
<£ouaro r»on fjartmann in Berlin.
rt»tc jrabirt man am befteu pb,ilofopl{ie? 50
Hugufte Qaufcr/ner in Berlin.
ITTagbalena. Zlorelle I55
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gu unferem {jun&ertrinunbfünf3tgften £)efte.
2US baS faattbertf»« #eft unfcrcr MonatSfchrift feinen 2öeg antrat, ba hat eine
große 3ahl unterer Mitarbeiter ihm „warmen 3lnt^eit flern ueifünDct" burd) Beiftcuer
Don größeren unb Heineren ftuffäfeen, Sprüchen in Herfen mtb ^rofa, mannigfaltigen
groben ber fünftlerifchen unb literartfcheit (Sigcnart; unb Diele unter tönen gaben ber
3citfd)rift bamalS ihre freunblichen 5lnerfennungen, ©rmuthigungen, 2Bünfd)e, Mahnungen
mit auf bie fernere ßaufbahn.
SEBenn mir nun jefct, in bem Monate, wo ein falbes jpunbert üon Sßänben,
wo bretmal fünf 31g unfercr Monatshefte bem beutfd>en publicum äugegangen ftnb,
auch nicht in gleicher iöcife ben gaujen ftreiS unferer üerebjten Mitarbeiter, bon beffen
fernerer (Srmeiterung baS reichhaltige ©efammtregtfter an ber Spiee biefcS £cfteS
Sluubc giebt, um ihre actiüc Mitmirfung angefproeben höben, fo fd)eint eS bodj biefem
im Ücben einer 3eitfchriit bebeutungSOotten Momente angemeffen jeyt im iJiücfblicf
auf ben Inhalt ber ftattlicben fünfäig SBänbe unferen alten unb unferen neu biuju»
tretenben Sefem in fdiliditeu Korten ju fagen, maS mir mit ftiilfe biefer unfcrcr Mit*
arbeiter auf ben ocrfd)tebenen ©ebieten ber frfjriftftellerifchen Jljätigfeit in „üflorö unb
2 üb" gemoHt unb erftrebt haben, maS mir jum Xtjeilc mcnigftcnS gelciftct unb erreicht
3U haben glauben, maö mir für bie ^otgegeit ferner 31t leiften hoffen uul> münfd)cn.
£ic ttotoede mit ihren ©enoffinnen: (Stählung, Cbarafterbilb, Sftäje ift ein •
&ieblingSfinb ber mobernen $iditfunft in Seutfcblanb gemorben — Tic hat auch
bei uns in befonberS heroorragenbem Maße Pflege gefnnben. 2.UcHcid>t bürfen mir
fagen, baß unfere 3"tfchrift an bem Sluffdmntnge biefer in unferem Blatter befonberS
reidi unb mannigfach entfalteten ?lrt ber erääblenben $id)tung ihren Slntfjeü unb einige»
SUerbienft in 2Infr»ruJ) nehmen barf.
Sehr berfdjiebene Dichtungen freilich, fehr Pcrfdnebene 3d)aupläfce unb SebmSfreife,
fehr öerfchiebene Stüarten ftnb in ben ^rofaersählungen Dcrtretcit, boten mir mit
Jyreuben in „9torb unb @üb" Aufnahme gewährten, bie mir jum XI>cit burch mtiere
birecten unb nicht immer befchetbenen bitten ben üerehrten greunben unb Srcunbinneu
unfcreS SöratteS abgemonnen haben. Xa folgt auf eine „berliner 9?ot>cHe- ein Gebens*
bilb aus Sübbcutidifanb ober ben Säubern beS halbflamifcbcn SüboftcnS; ba flehen
neben (Stählungen mit reich geglteberter, maffig fortfehrcitenber §anblung anbere, in
beuen bie pfndjologifdtc ©rfaffuug merfmürbiger Gharaftere ben föauptrei} für ben Slutor
ausmachte unb für unfere Eefer anSmadjett muß; ba mtrb bie in ^coneflenform fiiitftCer tf.f>
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§u unfecem fjunberteinunbf ünfatgfien fjcf te. Iii-
gefd)rieben toaren. SBir Ijaben meber im ©anjen nod) auf einzelnen ©ebieten eine
foftematifd) abgefdtfoffenc äu&ere Sollftänbigfeit erfteebt; mir Ijaben — bismcilen
mit Iteberminbung — barauf berjicfjtet, regelmäßige »eridjte über bie gfortfrf)titte
auf einzelnen 3-elbern ber 3Btffcnfd)aft ober übet baS literartfdje, miffenfdjaftlicfa,
tMtlerifdje geben beftimmtet ßänber, SBÖlfcr ober ©rofeftabte ju bringen — eben meil
toir un8 unb unfere 2efer nid)t an bie ftcffel binben moflten, meldje bie ftete 9iücffid)t
auf eine foldje söoflftänbigfcit unb Sftegelmäfeigfeit eiforbert Ijaben mürbe. 2lber bei
aller 3rreif)eit ber 2lu8mat>l auf ben oerfdjiebenften ©ebieten beS menfd)lid)cn 3Biffcn8,
©trebenS unb ftönnenS, bie mir uns gematteten, bei affem Ofteimut&c ber 9Jfeinung8«
äufeerung, ben toir oou nnferen Mitarbeitern ermarteten, mirb mof)l 3eber, ber
eine längere Steide unferer £efte überblicft, fittben, bafe faum irgenb ein ©ebiet be8
geiftigen geben« unberücffidjtigt geblieben ift, unb bafe auef) fein einjcCneS §eft ba8
Streben nad) Manntgfaltigfeit unb anregenbem 3ntereffe bermiffen läfet.
2llte, neue unb neuefte ©efd)id)te, mit ($infd)lu& ber Gut tu r= unb ber 2ite*
raturgefd)id)te ift in (Sinjelbarfteffungcn reid)lid) berücffidjtigt morben. 2>cr mobernen
(Sntmicfelung berSBaufunft unb $laftif, ber Malerei unb Muftf fmb mir mit
2#eilnaf)mc gefolgt; intereffante fragen au8 ber Spradjmiffenfdjaf t unb ber
Wlofop&ie, au« ber 9ted)t8f unbe, ber S3olt8mirtf)fd)aft8lef)re unb ber
2$ölterpft)d)ologie ftnb unferen 2efern üon berufenen gadjmänncrn unb Sdjrift*
ftettern nalje gebraut morben. 2luf lebenbige, oon beutfdjen Steif euben aus eigener 2ln=
fdjauung gcfdjöpfte 2)arfteIIungen beS 2ebenB frember Holter unb Sauber fjatunfere
3eitf4jrift fietS befonberen Serif) gelegt, ©ern Ijätteu mir häufiger naturmiffen*
fdjaftlicrje (£ffap8 gebraut, menn e8 nidjt gerabe auf biefem ©ebiete fo fdjtoer fiele,
Tutoren au gewinnen, bie mit poller Sadjtunbe bie ftäfugfcit unb bie 2uft gu
Perftänblidjer, in gutem Sinne populärer $arfrettung berbinben.
©8 ift für eine MonatSfdjrift »egeu ber längeren ftrift, in ber bie einzelnen
$e?te fjergefteUt unb oorbereitet merben muffen, nidjt leidjt, Erörterungen foldjer
^fragen §u bringen, bie gerabe in bembeftimmten Moment beS(Srfd)einen8 bcr3cits
fdjrift tum befonberem, „actueffem" 3utcreffe finb. SBcnn mir aud) in biefer 9?ejie^ung
mit ber XageSpreffe uirfjt Stritt galten tonnen o)er wollen, unb toenn mir aud) bie
Erörterung rein polttifdjer unb fird)tid)-religtöfer fragen grunbfätjlid) auSfdjloffen, fo
war e8 un8 bod) ljäuru möglid), einzelne baS befonbere 3"tereffe gerabe unferer 3cit
unb unfereS SBaterlanbeS in Slnfpruij nefnnenbe 2trtifct über bebeutungsoolle (Sreigniffe
ber3citgefd)id)te, über SilbungSfragen, über fünftlerifdK, literarifefa, juriftifd)e Reformen,
über gubüäen unb ftefrüerfammluugen redjtscitig au8 fadjtunbiger Sebcr ju erhalten unb
jum 2lbbru<f ju bringen.
3n ben ^ilbttiffen l)eroorragenber 3eitflcnoffen, meldje regelmäßig bie einzelnen
J&efte bon M9lorb unb 3 üb" fdjmürfen — eine eigcntbümlicfje Q;inrid)tung unferer
2Jtonat8fd)rift — fud)teu mir ftet8 burd) fdjarfe sJluffaffuitg ber 3«bioibualität unb
fümtlerifdje 8tu8fübrung ein mirflid) treues ÜbilD ber ^erfönUdjteit ju geben unb
basfelbe jugleid) burd) biograpfjifcbe 35arftedungen Pon berufenden unb gefdjicfteften
^änben gu ergänzen. 93ei @i)riftftettcru mar e8 uns oft oergönnt, bem 23ilbnifj unb
ber (Stjaratteriftif aud) nod) eigene literarifdje ©aben beS ©efeierten beijufi'tgcn, fo baß
„ftorb unb Süb" nod) in ben 2lugeu einer fernen 3ufunft jitgleid) als ^ortraitgatterie
unb als «pred)faal für eine grofee 31njabl bebeutenber «PerfÖnIid)teitcn unferer 3cit
erfdjeinen bürfte.
«iterarif^e Äritif ift in beutfdjeu 3cttfd)riften su äffen Seiten geübt morben;
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Aber
fcte erft en \50 fjefte (50 3ärrte) £>er beutfdjen IHonatsfcfyrift
„Horb unb Süö"-
«bei C«tl in Berlin. 2pra be unb «egnptifcbe
Spraidbe. veft 37.
— Ueber bie Unterfcbeibung ftnnnertoanbter äöörter.
V<ft 72.
— 6nflli|d»e» 3eitung»beutfdt. $«ft 100.
tieften*. Xb,e>m«# in Temen, «bot* Baftian.
i»cft 149. RU bem Portrait Baftian'».
— SBilbelm 2Bunbt. veft 1».
«Met, «kor« in *rt»(au. Sie fiebren ber 5Mnar=
djtftciu v<ft 96.
Wlbteent, veinridi in Berlin. Sßaut Boerner.
veft 104. aJht beut Portrait $aul Boenter"».
— Da* bDnamo=eleftrii,t:e Brincip in feiner bngienW
feben unb cultureden Bebeutung, -€>rft 120
— Ute* unb iReue» über ben vonnoti»mu». Or-'i 136
«Uan, «eorae in Bufareft. iRumanifcbe Gkfell«
fdjaft. Scenen aa» Buforeit. .freft 41.
— HJlargoretbe. Sonette. .$e*t 98.
UQcicricr, Jullu» in <Dcnrtd>eit. Betrauungen
über bilbenbe Punit fceft 52. 53.
— Hu* «nfelm 3«"rbad>» üeben. ©eft 127. 12*. 129.
«Itftais«, i*ti*»rtdi in Sonbon. fferbinanb ®re«
goroniu». Ein Ueben»bilo. veft 09. <Dlit beut
Portrait non (Sregorootu».
— (Jcrinnerungtn an ütottfrieb ÄinTel. v«ft 71. 73.
— Der »abre ßorb Btjroit. fiefi SL.
— Dboma» Gorlnle. Ein öebenibilb. £>e»t 121.
Sinti) ittor, Wcr/jarö, ». in Botabaut. Ein bober
Ödjulmeifter. .<ö«ft 110.
«ii>t«, «. in Weapel Ein dbriftul. erjäbiung.
Veft 116.
fliibxcfeit, Statt MuH«» in Bonn. Ueber bie
Wanten unb bie Wamengebungbcr alten Deutfdjen.
Jpeft 123.
«nncnfoiv, S9. in Berlin. (Sin fed)*idbriger
Bnettoecnfel mit 3roan S. Durgenietn. Ueber»
fefct non «. «rebft in B«er*burg. f>e»'t 10«.
«niftiü ruber, t'uMinfl in BJien. Sur Bfncfco*
logte ber Bauern: 2Bie ber v»ber ungldbig
— D^öttSrfegene Jacob. v<ft 5. Mit bent
Portrait »njengruber*.
— Die fromme itatbrin'. v<ft 10.
— Dos 6ünefjnb. veft 17.
— Sein Spielzeug. #ct 30.
— Der Einfam'. Erjabluug. vrtt 60.
— Hin böfer Waft. ffikibna#t»märcben. §eft 69.
— Da* Eberäutlein. .tieft 78.
«rminifi, 3. in Effegg. Bon ben ffikgen be»
ifeben*. Qcfl 12«.
«itetbaA, Bettt)«!» in Berlin. Der eofm be*
sfdtbdjen oor. ^eilbronn. Erjäbjung. v«ft 14.
SMt beut Portrait «uerbad*.
— Jerbinanb «Iba nnb Glarcnen. Eine Briiffeler
Erinnerung. veft 52.
— Briefe an 2l*ilbelm SJofffobu. veft 125. 126.
Huer buch, ftelit in Breslau, vermann ^elmbolQ
unb bie tnitfeafdjaftlidjen Wrunbtagen beriJiufif.
\>c't 56. Tin bem Portrait oon .^elmbolQ.
— Unfiditbare (Gebirge. $<ft 85.
— Die tfntroicfelung ber beittfdien UntberfitSten.
Mi 104. 105.
«uflict, Cfmile in ^axxt. Fragment. $eft 25.
Iiaa*. 3. X>crm. in £)orm*. 2ftaiam vorne»
ber Begrünber ber neuen iübnfiologie unb ibrer
IFietbobe. im tftdtfe ber Qulturgefd)id)te. v«f< 37.
— Ueber bie Wrenjen be» ärjtlicben (Srfemien*.
Vcft 54.
— Ueber bie Wremen bei ärjtlicben Dörmen».
£>eft 72.
— Die Brille. .Oeft 85.
'Bat di tolo. 3afnb in 3ftricfc. Hu» veiurieb Scut'
bolb» Wadilaij. ve't 39.
iWaroti, 3. in Berlin. (Memeintoirtl)fd)aft unb
*|Jrinatn)irtbfcbaft. v<ft b.
— Der WormalarbeitÄtag. &t*t 15.
-Die neuen tHeidtfjuftijgefe&e. 3«nt 1. Dctober
1879. veft 30.
— Die Jraurn im römifeben 9led)t. v'ft 112.
'Bartfef), «Tarl in £etbelberg. Soft' Bictor oon
edteffel. veft 16. Ü)fit bem Portrait non
edieffel».
— Jtolieitifdje« 3rauenleben im Seitalter Dante*.
veft 3/t.
— Da» altfranjäflfdje BolfWieb. veH 62.
— (Vifriebe, (frjablung. vrft 80.
— 3ean Boul in veibelberg. &t:t 97.
iBart), «f. nc in Strasburg. Ueber bie Bebeutung
ber Blumen, veft 13.
önfdl, «. »Ott in Wien. Da» üllefcn be» «rei;.
lanf«. &H 45.
»aurtnfclb, OF». in 2Sien. Qorrefponbenj mit
Wnafiaftu» (Mrim. Erinnerungen. 4>e*t 6.
— SWorM Sditoinb jum tMebädUnifj. veft 9.
— Sabme Xenien. v«ft 143. ÜJltt bem Portrait
Bauermelb'«.
ftaumbaet], IHubolf in Trieft. Weite Diditungen.
fctft 74. -"i:t bem Portrait Baumbaa>'*.
Baut, 9. in üeipjig. Der Eifas ol» eine Pflege«
flätte bentfeben xJcbeit» unb beutfebtr ökfinnung.
Veft 16.
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VI
Baur, 9>. in £«ipjtg. Xie Saljburger (hnigronten.
Wn Reibens unb 2eben»bilb au« ber <t>an8<lifd)(n
Xiafpora, jugletd) ein 3«"6"*B für bu Ittrcrtn-
politif ber ©obenjollern. ©eft 26.
Wtd, Harl in 28itn. Erinnerungen an Äleronb«
Sfietöft (18461 ©ift 25.
Benber, £ebtt>ig in flifenaeb. ©iorbeno »runo.
©tft 146.
Berger, «trnolb 9. in »onn. »SSertber", »'Souf'"
unb bte Anfänge bei „SBilbelm SJUift«-.
©tft 141.
Bttnhöft, 9r«m in SRoftoct. Ucber bie Stellung
b<r grauen im Stltertbt'm. J£»tft 89
BitPtrftcitt, Woflolla x>tn, V. in »rc*latt. Xie
ftraugifdjtn »erbaltniffe Xeutfeblanb» «u&lanb
gegenüber, ©eft 142. 143.
»itberm<»mi,«crl in £cipiig. 3"r (htttPtdYlmtg«;
gtfcbtdjtt ber OSottbe'fcben ftauftbicMung. Jccft 8.
— Scfflna in Ihtglanb. ©tft 18.
— »u» €>tinridi Pon ftltiit* Üeben»« unb 8it6e*.
gefdridjte. Ungebrucfte »rieft be* XidjlerS.
©eft 65. 66. 67.
— Xie Hatur all 0»egenftanb poctifeficr Gmpfmbung
unb Xarfteflung. ©eft 76.
— Ort« Sturf Scben»* unb 3<><fltf*i*te. ©eft 86.
3Jlit bem Portrait »iebermann».
— 3ur ßiteratur be* biutfdv-franjbTtitforn ttriege».
©eft 120.
Btgot, tMiariee in Sßari*. 3ule»@repn. ©eft 108.
l'Jit bem Portrait (Mrept;'*.
Björttfow, tMörnfMema. Staub. Erjählung.
SMu» beut 9!on»egifd)en mit (^rlaubnife be» »er*
faffer* iiberfc^t eon Helene Sd)rbt<r. ©eit 69.
Blumtier, jöwflo in äürtdi. Ucbtr Xraoeftie unb
SJJarobie in ber Uaffifcbeu ßiteratur. ©eft 67.
BobenftcM, arittri« in SSie»baben. Prolog.
— 3JMchelangtlo unb »ittoria Col onno in ihren
fltttabfdjaftßdmi »ejicbungen. ©eft 100.
— AUut§ yebm". ©et lfö.
— Xit beiligtn Statten in ihrer »ebeutung für
SHufjlanb. ©eft 117. Wil bem Portrait »oben=
ftebt'*.
— Safuntala. ©eft 127.
Bohlau, ©tWiie in SSelmar. ©erjen»tt>aljn.
iflopette. ©eft S8. 89.
BoiosMenmtn», tut in »erlin. lieber ra*
i'lationolgenibl. "Jlebe utr <Mcburt»tag»feier be»
Maifer* in ber Mfabemie ber fiLMfienfdiaften ju
»erlin om 2s. SJlärj 1878 gehalten, ©eft 15.
BölfdV, ÖMlhtlm in »erlin. lelepatbje. Xa»
ÜHärcben pou einer neuen 2t<ifftnfcraft. ©tft 137.
Boerner, 'Haut in »erlin. :Hubol? »irdiom bis
jur »tnmtng na* SSJürjburg. ©tit 61. 3Jlit
bem Portrait »ird;otD*.
— griebridi Ibeobor pon V^reridi». Jöert 66.
JBocttiditr, «bolf in »erltn. Ite etabt be*
lantalo*. «^eft 49.
— Xie ueueften «usgraburtflen ber (Mrieebifcben
ardiaologifdien ®efellfd?oft. ^eft 67.
— Tie Slu»grabungen ber &ranjofen auf lelo«.
«eft 93.
^or,;caut>, öf). in »erltn. Wne SWonbnadit. Wobelle.
©eft 132.
Sormann, Voller in !DIünd)en. ©ermann ^ittgg.
veft 124. W\t bem Portrait Singg'«.
— Slbamantio» Worai» eis 3euge ber franjoftidifn
!H«t»oIution. ftin 2+Iatt ber »ortrinnerung jur
buiibertiäbritien 23ieberfeljr be» SRebolution*»
9 tage*. f>cft 145.
5Bnii=^&, 3bd invitbeel Sein S'ditiler. JioöeHe.
veft 109. Tlit bem Portrait i'ingg'S.
— Sturm. Hobelte, ©eft 137.
Bradiooael, Ubo in Cmabo. »ret ©artt. ©eft 44.
sJJht bem Portrait itfret ©orte'*.
— Coriediun. \xft93. 5Jlit bem Portrait con6d5Urj.
»roftm, Cito in »erlin. ediiHer auf berStutt*
garter ahlitärafabenue. ©eft 133.
Seotfl in «openbagen. ©enrif ^b\tn.
. «DIU bem Portrait 3bfen'».
©eft SO.
»tünlti, 9ectQ in fiopeubogen. Scbccf ven
etaffelbt, ein beutfd^bänifdjtr WdAtr. ©eft 111
114. aJJit bem Portrait pon »ronbe».
!Brourt,f. Cberft j. SD, in »erlin. $0» «eben üob
öol;n CampbeU, üorb Clpbe. ©eft 53.
— »Uber au» ^nbien. L ©r*t 60.
— »über au* ^nbien. II. ©eft 67.
»tanof, 9t. ». m spefing. eprodj« unb eebrift
ber t5bii"fen. ©eft 78.
etaun:»!«»«!«»!«. «atl in geipjig. Pine un*
finbbore *'rtie 5Rcid*ftabt. Cuiturfltfd)i<ttHd)e
eftlic £eü 20.
— 92ur (in Gcbneiber. »ilber au* ber ätein*
ftoatereu ©eft 31. 32. 33.
— 2L!eItrolüif unb Mleinftoaterei 1660. ©e t 67.
a)Ut bem Portrait »raun**.
2i!cr bat ba» {pumer erfunben? <5ii * culturge»
fdjiehtlicbe lUaUberei. ©eft 76.
— Hurotf Pon 3berinc. ©eft t>7. 9Kit btm SPortroit
üon ^bering'*.
— la» Attentat auf bem Siiebeitpalb. ©eft &7.
— 9<etfeeinbrü(fc au* »oznien unb ber ©erjegotttna.
©eft 105.
— ffbuarb Cimfon. 111. 3J!it bem Portrait
€imfon'*.
— Un'diulbifl ocrurtbctlt. Wne (Sriminalgefd id)te
au* bem fiebjebntm 3öbrbunbert. ©eft 114.
Brehm, «. 9. in »erim. 23ilbpferbe in btn
afiotifdjen Steppen, ©eft 6.( >j
Bteitinaer, ^. in 3nridj. Sie entmicfelung be«
9(eali*mu» in ber hanjöfif(b«n Xid)tung be*
neunjebnten ^lobrbunbert*. ©eh ».
— Xer biutige Woman Italien*, ©eft 60.
Bret *axtt in >.m !.jrr. Xer SDiann oon Solono.
itmeritanifdie 6ti^e. (.llcbert ragen con Ubo
»ratbPogeD ©eft t
»tuet, «n(»n Ih.eobal» in Canabrücf. Xa»
Älter, ©(ft 61.
— i'adien unb Steinen, ©eft 77.
— Xie etiguiattfirten. ©eft 88.
Brütfner, «Ufaitier in Xorpat. 3ur Hotur«
gefdjicbte ber ißrätenbenten. ©eft 44.
— 3ofef II. in {Rufelanb f. 3. 1780. ©eft 77. 78.
— Xie (Vefd)id:te Der XobeSftrafe. ©eft 119.
— Xer Sortfdmtt in ber 0»efetid)tt. ©eft 99.
— Xie Öeidndjte ber Meinungen übte bie Xobe**
ftrafe. ©eft 123.
— 3"r Gbaratterifttf be» ffoifer* $aul. Urtbeile
Pon 3eitötnoflcn, in ben «ettn bt» 28oronio»»
fdjen «retip». ©eft 144.
BiMfeer, Bruno in äBirn. 3"r ^oputoririruna
ber «unft. ©e<t 10.
Buitiner, viax in äJJüntbfn. 3){ttomorpl>oftn be*
übriftentbum» bei ben Siegern, ©tft 139.
Bult hautot, x>citif d) in »rtmen. (Vartmib.
Hopelle, ©eft 122.
Bunfttt, IRnrie 0. in »erlitt. lieft Slntbtn.
©e't »7. '
Bürger, üueian in «Itona. Xtmitri. S?ooeflc.
©fft 119.
Buftl», fj. in »onn. Xer ftufe unb feine »c
lltlbung. ©eft 25.
Conlor, IMrrirj in ©eibelbtrg. Cir 3foac Newton,
©eft 46. 47.
— 8luö Untotrütatlfrcifm. ©fft Bt
— »ier berttbmte «ftrologen. ©eft 133.
Oorricrc, Worih in SWündjtn. ®ei"d;m<t(f unb
Öeteiffen. ©eft 4.
— Xer Untcrfcbicb bc* plaftifeben unb molerifcten
Stil*. ©e*t 9. SKit bem VortrcU CarTicre*.
— 3obanne* ©über, ©tft 27.31'Ht btm Portrait ©über*.
— aßetbfettejitbunge:: beutfdier unb italienifcter
ftunft. ©eft 48.
— öolberon* Jlrjt feiner ffbrt unb ©baftfptarei
Clbetto. ©eft 50.
— »ettino Pon «mim. ©eft 116.
Saffff« B«ulu# in »erltn. Xie
SdUeier». ©eft 121.
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3n^altsoe
«Um, 2Ben trifft bie 6tfutt>? flobelle.
JEveft 12«. 12».
«op9<<. frrancoi*. Clioier. MoPelle in Serfen.
3m "Bertmaftf be» Original» ilbcrfcQt oon
Solf fflra'tn Waubiffin. £eft 32.
— dm löeaterfinb. llebcrfe^t pon B<rbinanb
.friller. Oe*t 69.
— (*ine 3öoUe rodbrenb ber Belagerung. Wooelle.
•Öeft 14'». 150.
ttorvui. SR. in l'eibjiß. In omnibus Charitas
Ulooette. fctft 64. 65.
— Ter ^Jrcfcffor. Lobelie. .$eft 93.
— Toctor l'omnifc. WopeÜe. $>e»t 133..
«urttue. 9mH in Berlin. ©rieduicbe ?lu**
grabungen. 1876-1877. 4>cft L
— Jluguft iPörfn. veft in«.
»•Uli, ftelfr in »re»lau. ©ebicbt |U tintm iBilbe
«aifer ©ilbelm». veft 49. 9Jtit bem «Portrait
rtotfer Söilbelm* I.
— Briebricb SRürfcrt (mit ltngebrucftrn »rufen unb
Ükrf. be» TicMer*.) 61. Sttit b. iportait Xabn*.
— Ter Streit um bie Jtronr. »aHabe. £>m 56.
— Wacfiruf an iNidiarb SJagner. £>eft 73.
— Com armen £d*lein. »allabe. £tt»t 76.
— Ueber yubtpig Steub. 78. Mit b. Portrait
Steub».
— 3ung.-»i»manf. ©ebicbt. ftett 97.
— »n Rarmtn S'oloa. £>cft 140.
*«nile»»fij, S. in et. Betertburq. Wein«
Babrt naeti 3aB"aja Boiiana, btm ©utt bt»
«ratai £'. ». Zolftoj. veft 125. SDltt bfm
Portrait Tolftoi'».
Ttd)tnt>, £«n# in SRarburq. (*in bopptlttr
BriebenSfcfelUB 92apoleon« I. fteit 98.
— Gin ^raniofifcne* fNäntefpitr in Zeutfdlanb jur
3eit ?topoleon* I. £>eft 117.
Tflifjcti, $rani in 2ci><§ig. ©CT Talmub unb bie
Sorben, veft 14.
Temntiit, Vuauft in 2öie»bobcii. Sammler,
Sammeln unb Sammlungen. £>t»"t 28.
Xetnur, W. in 3ena. lieber infectenfreffenbe
Uflanjen. £>eft 106.
lUli, Vernimm in »erlitt, «mite fceilnmnber.
£>eft 130.
Till infl, £ar* f. Te» Tacbbecfer* Butter. See*
(dnber 3tu$e. £>ert 133.
f ito trnb 3*«m (Adntain CHifabett) unb flfraw
2Wite « rcmnihj in »ufareft. toar ein 3"«
tbum- MooelXe. veft 113.
lohnt, <?rnu in .Perlin. Braflmtnt. Hu» einem
unooUenbfttn t'uftfpiel (*mile ttugier» (lieber«
fe«ung.) .fceft. 25. 3Jht btm Portrait «ugier».
Tohn», £cbtt>ig in Berlin. Brau Xamibäufer.
Wne Steifenopelle. £>eft 124.
— Cb Schein ob äöefat? *JJoöeUe. £th 145.
ItHK, *. in «re»lau. (MuftaD Bremaq. Jöeft 29.
l>?tt bem Portrait Bremaß«.
Tractimauii. *oU\cr in Xäntmarf. Sier SReer*
Iteöer. 148.
Tubec. ^iiliu« in Ire»ben. Ter Pauernjjf)iIofopf)
ifonreb I>tnbler. .Oeft 117.
Tulj«, flf. tonn in fceibelbera. lieber bie «nfänfte
ber «nitftnfommlunßen in Stalten. $eh 45.
Xulin. J. von In xxiöelbir,}. lieber bie iBanb«
öeforatiouen eine* römtt'ditn Oaufe« im öarten
ber Barndina. Ceft 77.
»ber«, Ktot« in £eip?ie. «liitteration unb «eim
im Sllta&tiptifdien. veft 1.
— 2Kein fflrab in Ibeben. ve»'t 10. 3Rit btm
Portrait oon l*btr5.
— Ta» «Ite in Mairo unb In btr arabifeben Gultur
feiner i'eroobner. üxH 74. 75.
— Tie Brtiltaunfl be* Xemocl* t>on fcuqfor, mit
einem äSorte über bie ©erfcbleppunj ber Cbe«
litten unt» ihre ÄuffttUuug in moberntn
Stdbten. sxft 100.
« berl», JMHt Gl *re«lau. la» Wefe 0 im Ceben. £\47.
•bfjrrnstf'fflcr, H. DI), in Stodliolm. XaSÄinb.
'Jloottte. »uj bem Schwcbifcben übtrftet. $tH 143.
3 e t et? n t jg.
•bhr, Statl 9ttm. in SBitn. Wne öloefnerfobrt.
9iooelle. f»cft 20.
Cfhrüfl», *tinrtth ui Berlin, «nton «ubini'tein.
#eit 26. mi btm Portrait iHubinfteini.
— Sölaildnber ivhnnerungen au» btm Sommer 1861.
— XiT berliner SRuftt = Saifon 1881/1882. 9iücf*
blitft. vt^t 60.
— flobannt» iPrabut*. $tH 62. «Kit btm Portrait
Brahma.
— (Jbarle» (Mounob. .^eft 102.
— «oben Srai'i- 112. 3Rit bem Portrait
Branj'.
— Tie ^nttpicfelunfl ber oramatifdjen 2Ruf»f in
Italien. £eft 126.
— Clara Sctjutnann. 4>eft 128. SDiit bem Portrait
Sdjumann'*.
— Jim ber mufifalifdjeu Soflelperipectioe. £>eft 135.
— Ter Stftofif*a8inter 1888—188«. £>e»'t 149.
«i«rnb»rfT, Jofeph Ar.«i)frr oon. BreuHtn
unb bie Goni'titution. "tont feinem »adjfaife
mitgetbeilt pou £>einrid)3Kei»nerina9erlin.
$tft 13».
Alfter. Ghrtftian. Wne flreusträfjerin. tfnW»«fl.
»u* bem «onpccji^dien liberftät öon «hnma
»linqtu'tlb. .'iHn 72.
«hrae, »olffldn« in *rt«lau. Tit S»unft S?owltn
§u brautn. .v»t't 101.
— Tit Bi'dit im ftauftbalt ber 9tatur unb in ber
Mitdie. vcf: 14s.
Chrbmann, C. in *re*lau. ^roftfforen unb
Srubentrn auf ber ^iihne. ^eft 138.
(rtrnfi, C. in ftonftantinopci. tit SRtntgatin. 9ine
t.(r}dbluncj au* bt;n Critnt. vtft 29. 30.
SuTrnbnrg, Ohtlitib }u in J.Win.ixn. Slu« ber
ber Slrt. t^uie martifebe Stubie. £>tft 63.
— Tit legten 21'ttBonj. 'JlootUt. 4>eft 113.
— Trei Sti^tn: «m Sonntafl, »Ptnn btr Blitbcr
blüht. - L^in «ritf. - v«int Spajitrfobrt.
£>tft 115.
— (hn »(ott prt uf3ifd)tr ^olitif por bunbert 3ol)ren.
J£»eft 131.
<Vnff f niiarp t , ^fran,} In Cximburfl. Ter Urfprung
btr romaitiicben Sprachen, .^eft 36.
— 5J}ert grino *laro. $ert 124.
grolfr, 3o<ob b. in SKien. Ta* B<nf«r in ber
SBobnung. £xft 2.
— 3eitgtmdHt »otinofragen. £>tft 67.
— Ter tnglifdie öarttn. £>eft 92. 2Kit b. Portrait
oon Bolft'4.
— 3bttn ja tintr Oefdiicfite bt* 2öobnboufe*.
£>eft 137. 138.
Baiicnratt), Johann«! in £tö(n. Ton ^ofu
(Mjegarat). veft 120. »JJht bem Portrait tfdjc»
aarool.
Bifdicr, Mnutf in £>tibelberg. Uin literarifeber
Binbling all „SefftMl Bauft". £>eft 2.
— lieber Qt, (r. ifeffing. I. Utffing* reformatorifebe
S3ebeutung in ber beutfdieit Literatur. II. Scffing*
Ulinna pou Marnheim. ,t>eft 38. 39. HI. Öefftng»
^miUaöalotti. veft 41. Utit b. Portrait Bifdxr'*.
— Tie bunbertidbrige iMebdcbtntfjrettr ber „itriiif ber
reintn Stniuiiff. §tH 51.
fifdt«», *0. »rif't Pon 5Wicbnrb ffiagner. £>eft 76.
llfleT, »I. in Wremen. Tai S)hiftcriuni be* großen
Bau. veft tOö. Blit bem Portrait Bitger**.
arolticiiti-ano. M. in »erlin. l'anb unb iieute in
»ulgaritit. frit 134.
Bontauf. Thcobar in »errin. (Mrete OJ'inbe.
Wad) tiner altutärfiftiben Wironif. £>eft 26. 27.
— Ü'Äbulttra. »oocllc. $eft 89. (9RÜ b. Bortrait
Bontane*». £>tn 40.
— Wroebtn unb Sittbtn. Wn marlifdit» Gapitel.
j>tft 55. 66.
— Ter Sdicirnhorit-.Pcördbni(V.)la6 auf btm »trlin;r
Clnoalibtttfirdibo'. £eft 56.
— 3unc« Pi*marrf, ©cbidjt. £>eft 97.
S-ordihnintncr. ^J. 0. in Miel. Ta» golbeue
iUitt» unb bie Irtrgonauten. £>eft 17.
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VIII 3nt)Qltsü
Äoriu-r, V. in Sperrt. Uebtr bie «tum ffrbbebcn* I
»ataftroiUicit unb SBulfanauabriidx bt* 3ül>rt8 I
lb*3 mtb iibtr bitUrfad>tn btrtfrbtrfdnitttrungtn.
freft Hl.
»drfttr 4»rijr in SDhindxn. 3«>n 3*aul in SBtimar.
9facn Crvinalbrirftrt. 4?cft 13S.
ftranio«, «arl ChttU tn ühJiot. Xit fiocfe ber
utiiigcit Slgatlu. tfine mobtrne Üvgeube. freft 19.
Vir« »Ii orai h. ftcrbinanb. Ueberiteungtn. Slu»
beffen 'Jiadilarj. ((Miöiduc pou flobert fr errief
unb Ib. «. Hlbridit. frtft 11.
S»r««»n>tfT. 9 in ftöitingtn. Xit (httftepunfl
btr franft. frtft 12.
ftr<n$el, flarl in «erlin. 2i5it id> in bic Literatur
fonu frtft 142. 9)Ht btm «-Portrait 3rtn*ef'».
»rertd»*, Sbeobor in Berlin. Sin «rief, freft s4.
2Rit btm Portrait ooi ^rerid>*.
fbrrunb, ^rit| in Stra&burg im Wfaft. Xa»
llrtlieil ber Uorjia in Sfatcipcare» Kaufmann
Bon SSenebig. freft 94.
ftriebbtra, (v-mil in Stipjig. Xa* alte btutfdK
SHcid) mr 3<ü ftine» Mebeniange». freft 76.
Qptifbtnann, ta ftttÖH. Xa» £i*d)tn £lraf=
gtftebucr. freft 107.
ririf orirti, ftrlcbrid) in t'jipjig. Xit 3Ud<nb>
freunbe. Woocrie. fre't 60.
«\r i i briifi, J. in äNundicn. ^obann 3oF<Pb 3gna*
pon Xoellinger. ©eft 32. 2J!it btm Portrait
X Oellingen».
ftrUbrtdiä, Ermann in 3)Wüna. Xa» flreuj
btr üitbe. WootUe. fre't 121.
atlf»:2dit»fii|t«i, in Berlin. 2Jlarit. Nor*
iwgiidw ttoocUe. £>ett 125.
ftulb, fcfubteta. in 3Raht). Xie (rrmorbunu be»
^olijeiratbS Dr. Stumpf in ftrantfurt a. S».
freit H»2.
«ane, 9t. MnbrtJ ."rlorea, btr rjurcan. 5lu» btm
tNumänifdjen nadj btm lUamifcriptt unb unter
SWitwirfung te» Straffer» überfebt pon Witt
.<iremni&=:Parbeleben. fren 33.
«arbc, DHdjarb I Königsberg. Sieben ber Guropäer
in 3nb:en. frtft 136.
•arfmm, 88 in «Uttertburg. 3"><i SWördjen.
llebcrfe&t pon ^uiit iliomm. I. 2Üa» nlegetoefen
II. Vlttalea prineep». freft 95.
C»cbl»r, Marl ». in hieran. SUeffanbro SJlanjoni.
frt t 3.
— Tic 3ung'rcu pon Crlean». .freft 34.
Qkihfcu, Jb. Jfrtinridi in Strasburg i. Q. Xa»
Problem be» T>ö.ftrred)tS. frtft 32.
«eiiui, t* m au iirl in Vitbect Xt|tid)en au» bem
StSiutertajebudi. freft 1.
— Xte 3ago »on iHnter*. »orfpitr einer «Ibin=
geniertranöbie. frt t3. STOt b. Portrait ffltibel'9.
— €iebtn Cötn bc» frora<. frt't 20.
Wri,u-r, tfuMoi« in Berlin. Itr breinigiabrigt
Mritg unb bit beutfdie Literatur, freft 27.
<Scia«r, fBilhrlm in i*rlaniicn. Xit Uftutlitn Pom
lob unb pom 3enfiitS bei ben 3"b0oermanen.
freft 31.
— Xie ältefte fiiteratur bcS inbifmen SPolfcS.
frtft 4ü.
— Xit Raffen in Xurfe'tan. freft 101.
Wrnrf, tXubalpi) in Xretbtn Xcr Inmbtrtiäbrigt
framitt. 5int bramatnrgiidie Stubit. frtU
<B(rb«r», Pari ütSonn. XaiXraiimen. freft 2^.
Scrlattb, Oirorn in 3traf»burg. Xaä (Mefe& ber
Jöererbuug unb bie 'JiPefie. freft 5.
— Gentralaü.-n unb («biiia. freft 12.
«errunti, 1R. in Üviien. Ilicobor SMinrotb in BtcB.
frt't 141. vH!it bem Portrait «iarotl)1*.
Sc»er. tl. i.t SR nAen. Xie VntfdiiibigiUig frei«
fleiprodwiier »natdadten. frt''t 53.
— 2»otn frobfuftaufeu iutn frolictt^llern. fre't 79.
»ifawber, >-u,o (Dr. *. tfrtmnnn) in fratle
a. 2. Whtarb oon «oilmann. t^in beutid«r
Wr^t unb Xiditcr. fre't 131».
«iclebreoit, Silhrlm oon in SRSndVtt, Unfert
(Mttmnaiien. $abogOOjlfdM trifft, frtft 71.
£ht bem Portrait con tMieffbrcdjt'4.
Wut i ii, Wubolf in Berlin. Xie neutfitn Reformen
btr tnglifd>tn UniPertftäten im 9:rbältnifi ;um
nationaltu UnterridUAitmein btt Vanbt». fr. 91.
— Xit ntut StabtPenafiunft pon Bonbon, freft 9&
»Kit btm Portrait <Hntift'8.
SoebeaTr, Ä«rl in (Höttingen. Pmanutl <5»tibtl.
freft 3. ilMit btm Portrait Okibtl'S.
— Ilaul frtnfe. frc't 7. 2JJit b. Portrait frepfe'S.
Woltj. <>. Ä«'i)«tr b. b. in Berlin. €fi»enau»
ber .vertegSMilirung ber Oiegentpart. freft 49.
«drina, 4>u0o in • -fa a. b. Sikrra. föilbelm
3orban9 Vornan „3iP<i biegen*, freü 134.
o;oltf(tuU, SKubolf von in Öeipjig. Xtr ardjäo^
logifdit Roman, frtn 94. mx bem Portrait
pon «ottfdiair«.
— llictorien Sarbou. (fin literarifdjtr Öffan-
freft 123. »Utit bem Portrait 6arbou'i.
— ffleerlin» SPanberungen. Wne Xidnung. frffr
125. 126
— «arl ^rtnjtl. fcin littrariidjer (^ijan. fr. 142.
>3Jht btm Portrait »trtnier«.
— Saunt) Beroalb. frrt 14S. Wit bem Sßortrait
jaiinu ^eroolb'*.
OrtAdroniui, >frbinnnb in 9iom. Xie StCla
iStonvMO. «fn a?ruitnfiB ber ©ojvobini in
«oloniia. freft 69. üJtit bem Portrait pon ®rt t
gorooiu«.
©reif, SRortiit in Wüncbtn. Xrti frtrbitgtbtdjte.
.frtft 150. 3Jht btm SJortrait (M^ifa.
f|rrbinanb in SSicn. l*in irrtbentifrüdieS
fptnft In aöitn. i<roce& 3altto«ti. fr. 12s.
— Sllpbonfe Xaubet. frrt 131. SUfit btm Portrait
Xaubtf*.
— Oouarb pon 9?aucrnfcib. fr«H 143. 2Rit bem
Fortran «auenuelb1».
ffirotlj, Miau« in Stiel. Stronprinjenl infrolfteeu.
©in Cntlu« plattbeutfcbtr Okbiditt über Sattb.
ütnU unb Sagtn. frtft 25.
— steine Stellungen iu C^manuel ©eibel. freft 89.
$lit bem Portrait (Mrotb'4.
— 3un3-*M*mar<f. (M:bid)t. frort 97.
— (rtiic neue plattbeuttdit «ibtlauSiiatH. frtft 101
Wumnr«d)t, Ctto in Berlin, »obert ediumann.
freft 71. 72.
— 9Ro}artl Cpern. I. II. III. freft 94. 95. 96.
Wimiticri, 3nliii» 9rnf< oott in Stuttgart.
Rrlnncrumj au 3 Wltii pon 6<btffel. i>. HL
fturifoto, Aarl in -2ad)feubaufen. S*ogumii
Xatoifou. freft 18. lUit b. Portrait (Wu^roro'«.
^»amerltng, Kobcrl in (Mrav flmor unb 1* ndre.
C^cbidit. .frtft 64. SDiitbem Portrait framerling«.
dämm, CÜilhtlra bon. conntag8finber. freft 4S.
#an#lid\ 9buarb in SSiett. «belina $atti. (?r.
inneningeiu frer't 5.
— SJhifi: unb SRunfer in $ari«. freft 22. 2Rit
bem Portrait franSlicf'i.
— 3ofepb 3oa*im. frrt 63. 3?ltt btm Portrait
3oad)im'*.
ISaraatf, CPri* in frotte. Xa* Cocain, .frtft 105.
varimann, <Pb<*arb wen, in SBtrlin. Xit 0c«
beutunfl bt* «tibts. frt't 34.
— Xit Miifi« bt3 (Jbrifttutlnimi. frt't 42.
— Xit tragifd)t iiertitnmg btr 9laturrtU(rion im
(Mtrmanentl)um. freft 52. 3)ht bem Portrait
frarlmann'4.
— staut atö «earünber ber moberutn «tftbttif. freft90.
— HntM Itieobalb «riirf t. frt't 102.
— Xa» Problem btr Scrbinbung btr Stünftt i.t
ber mobernm «eftbetif. frth 115.
jfrarfer, Ä>. in «rcilau. «alemo. freft 7
— «lpen'aiirteu in Ruberer Seit, frtft 112.
Vtiftr, Varl in fcuMt>u»burg. Unbine. VluÄben
Strmolren eine» Lieutenant». .frt*t 109.
— Xie rotbe Xafdit. i>iopcnt. freft 132.
«Mibcrn. «ermann in «erlin. äsJei&alb mir
ba«? «opeac. frt't 136. Mit btm Portrait
freibtrn'».
je>tmmann, ?^r. in frtrrlibtrg. Gbarlt» €tal«»
ficlb. frtft 30.
— ScaUfielb Poftt freft 150.
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IX
«(nnicTc. 3f. in SPcrlitt. Xie Zclegraptne in
«erlin. vrt 113.
— Xa* Sernfprerfittjefen. «eft 114.
«mit. 3« in ©Otlingen. Xer mebidntfdx unb
ber religiöfe Xuali»mu*. «eft 13.
— lUbtr ba» Grröthen. «eft 65.
«ermann, «an« in «realau. Steeple > Gfjafe.
WooeUe. «eft 144.
«cttt, »artin in «««lau. Sie Steifen be»
Kotier» «abrian. «eft 147.
«ert). Wilhelm in OTiindjen. Xie
•■Parjioal unb bem GJraL «eft 52.
— «conmlf. «eft 86.
— 3n»ti NoDellen in «erfen. «eft 104.
«cttnrr, «ermann in Xre«ben. XU Srantf*.
faner in ber srunftacfdndjte. «eft 57. SWit b.
Portrait Lettner'«,
«enben, «. ban in «erlin. einGoftümnxrf. «. 115.
«<bf'# Vrtui in Jeiincben. 3ppolito Jlicoo. «eft 7.
Kit tiem Portrait «eofe'».
— «eppo, öer Stcntfeber. Wooefle. «eft 9.
— «eifebriefe: Hn Hrnolb SPbdlin in JJlorenj. Hn
Ctto Mibberf in Öetpjig. «eft 16. — Hn SSil»
beim «er* in Berlin, «n bie §u «aufe &o
bliebeneu. «eft 17.
— Hu» ber italicnifdicu Mcifemappe. «eft 22.
— Xie ÜHabonna im Celrcalb. WoocOc in Berfen.
«eft 27. 28.
— Xte Gfelin. Mopelle. «eft 40.
— Xer lalime Gngel. flopeHe. «eft 46.
— Xer UNöncb oon 2>contaubon. Wooefle. «eft 52.
— U.ipergtBbare SBorie. »tooefle. «eft 67.
— Xa» Sagott. Zrauerfpiel in einem Hft. «eft 92.
— *i»marcf»üi<b. «eft 97.
— Gine Xante « Seetüre. GbarafierbtTb In einem
Hft. «eft 112.
— Xie fdwerfte W\<bi. Zrauerfpiel in einem
Htt. «eft 131.
«ilbrbranbt, ». in Naumburg. Xer Sfat.JDnfef.
Gnä&lung. 4>eft 10L
«tller, 3cr»inan» in Söln. Hn 3ran§ ßifjt.
«ert 6. ilJlit bem Portrait 8if§»'».
— Hbolpbe Ronrrit. «eft 28.
— 3n iSien oor 52 fahren, «eft 35.
— äRapme bu Garn», «eft 37.
— äronffurter Xonfüniücr eerganflener 3eit.
3Jlit bem "-Portrait «iarr'».
— Gin Ibcoterf inb. »ort jyran<;oU ffoppöe. «eft 69.
(Siebe andj Go:>p6e.>
«irf<b1eli>, «afiav in rtoniaaberü, ^eftfetern unb
fflebenftoge im grieebifeben Hltertbum. «eft 38.
— trin txuticber Okfanbter bei eoliman b. «roßen.
Veft S4.
— Graft Gurttu». «eft 106. «Kit bem «Portrait
t»on Gurtiua.
— sPreuHen unb bie Hntife. «eft 144.
6irf«f«l», Vubwifl von in Berlin. Gntgleift.
Trine 5fi«e. veft 107. 108.
«offtnann, 4>an# in Stettin, fpäter in «erlin. Xer
fcbö.ie ßöecco. SioPeQe. veft 42.
— Xer aWönd) pon ^aläofaftriMa. Woperie. «. 108.
— €rranbgut. ^ooetle. veft 134.
— Erfüllter «ertif. öri)ie. .f>e*t 144. SDlit bem
Portrait .!£toffmann'4.
*oI8fnbprff, {tränt von in 3«iin(fcen. Social«
politttoe «eiieftitKrt an« Sdiottlanb. J&eft 47.
Wt b. Portrait oon vol&fnborff*. 4H. 49. 50
üombtxttx, v ei und] in Berlin. Xer Soften ber
»jrou. ivrt 69.
itfl^cr, 3. 3. in .Stirirf). ?lleranbre XumaS
ftl». vt't 2s. 3Jtit bem '.Portrait oon Xuma».
«o»fen. «an* in Berlin. 3«ifd>cn lorf unb
Stabt. «oneUe. ve^t 2.
— glinferl» C*l»d unb (htbe. Hui ben (He?d>id)ten
be> «iator*. veft 23. 3JJ. b. Portrait vopr'en'rf.
— ^* hat fo ioaen fein. Spti&roort in einem
Hft. veft 14'».
»oerneo, «ati| in Söien. Xie «nfänfle ber
»unft in («ricchenlanb. «tfl 90.
— Xa» vtroon oon Miöibai«i. V«ft 122
«oernri. in 3öiett. 25er falfcfie <5jar
■iPeter III. Ihne <5pifobe aus ber (Mefdjidjte
Montenegros. Vc't 137.
— Qrine ßibumirung in «oanien. v«ft 144.
— üe itelten in Sitb«Oeiterreid). veft 149.
«über, 30(|annt# in 3Ründ)en. üJcoberne l'fagie.
«eft 27. 2H. Sßit bem ^Portrait vuberf«.
«fibner, CP. in Öerlin. iJaotoon. « ft 24. 105.
— Hutonio GAnopaS bei GaniUo ai« äithetifeber
€djrift('teUer. «eft 129.
— voraj in Spanien, «e^ 186.
«nbntt. 3uUu« in Xreaben. Zintoretto. $• 81.
— Xal äBiebererwaAen ber Shinft in 3talien unb
bie italienifcben Sdjulen. Veft W.
3acni<Cr, Marl in 8re»Iau. Hnnette bon Xrofte*
VÜf*boff. >Seft 99.
— ^Xuftine Xantmar. ^topedfi. veft 116. 117.
— Xer(*ntl)itfiaft Pon^iditenftäbtel/Jiopeac veftl35.
Sartrow, 3* Xie ^arienburg. Irin oftbeutfcbel
Xenfmal. veft 116.
3bfcn, ventif SPoetiFcfje Opiftel. Ueberf. pon
B. iPaffarge in iebntgaberg. veft 107.
3«annlnc, W. in -Pari*. Seltfame «anbe. 1W0«
öt«e. Defi 130.
— Gine 3b»Ue in ber iMroijftabt. 9looeae. «tft 142.
3<nfen, »»beim in jreiburg in *r. Hu4 ben
Jöanben. ^iooeUe. $<H 1.
— SKouifa SSalboogel. «opette. J&cft 4.
— »obemunb. SlooeÜe in Serfen. <>eft 10.
— Gin ^rübltuganacbmütag. &t>t 15.
— 3m SWai. Gute Sumpbonie. «eft 24. 3Rit bem
Portrait 3<nfen'*.
— ^aira. (Hn erjäfjlenbe» 03ebid)t. fyrt 34. 35.
— Hm Hfcfieufrug. (5*ebid)t. fyrt 55.
— Irin Sdjatten. (Mebidjt. v<ft 63.
— Xer aöitte be» ver§en«. «OPette. v«ft 75.
— 3ung*;Piatnanl (Mebicbt. v<ft 97.
— Um bie SJffingitjeit. ^opeUe. $tfl 103. 104.
— Hu» meiner Baterftabt. Xie ^erftanifdjen
Vdufer. veft 139. 140.
3ficrinfl, «ermann t>. in fieipjig, fpäter in «io
(Hranbe bo Sul. Xie Xhienoeit ber Hlpenfeen
unb tiire «ebeutung für bie ärage itacti bcr GnU
ftebung ber Hrten. -fxft 29.
— 9ito be Janeiro. Veft 160.
3l)rrtna, iHuboiph b. in l Hingen. Xa8 i?eben
für unb bureb Hnbere ober bie (Mefettfdwft. «eft L
— «onorar unb (Mebalt. «eft 5.
— Xie Sitte im HJhrnoe bcr Spradje. «eft 49.
3o«ft, JW in «erlin. «efueb einiger Säulen b.
Hflgemcinen 3iraelitifd)en Hflians (^V]li:ince
I»rn«lite LniverwUi» in 2Haroffo uub Stlcin»
aiien. HytH 147.
3ofai, Worii in «ubapeft. ftürit unb ??ra Xia.
Dolo, veft 81. ü»it bem Portrait 3ofai'».
3or*nn, IWar in «erlin. L'ubioig «itau». «• 40.
3Rit bem "Portrait pon Sfnaua.
3orban, fBi'hrlm in ^ranffurt a. Tl. Waufyrct'.
(Mebicbt. «eft 65. 9JHt b. Portrait Oiorban'*.
3rmcr, Ocorfl in «annooer. Xer 5iorb • Cftfee*
öanal. «eft 104.
3unabana, Cobbit in Seaffel. 0)iulio Salort.
»HodcUc. «eft 48.
Mdibd, ou-oro in C4reif»tt>atb. HUgemeine «il«
bung in bcr römifdien itaifeneit. «eft Iii.
«alifdifr, «Ifr. in «crlin. ßubroigoan «eetbopen
in «erlin. «eft 116.
— «cetbooen uub ber prcu&Kcbe «önigabof unter
."rricorieb aBitbelm III «eft 146.
Aabbcr, 2 ienlnrb in Pifa. «löfter unb Mloften
leben in ber «erccgouiita. «eft 21.
ftarborff, vIMlluim l». in iUabnie Xie tuirtf>=
frtiaftliclien unb finanziellen Jicformproiecte be»
:HcirtUfa!i?lcr». «eft 23.
Mnimer. BHUb in Hltenburg. Garina «ionba.«. 120.
ÄeUr, ^«bann in '-Prag. Xie «crroälfdjung ber
brutfdien Sprache, «e't 62.
tttiu-r. «ottfrirb in 3ii"<*- Hpetbefer bon
Gbamounir. Fragment au» einem älteren G)e«
btd!te. «eft 60. «Kit b. Portrait jecUer1».
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3nfialtsoet3e«d?tuf5-
ltn«rt, flf. in Stuttgart, ©in »tfueb
in Siffabon. &tH 79.
— ©in ifleiud) auf ber Älbambra. Heft 90.
— tfirbtnanb oon l'tfftp». He»t 99. 2Hit bem
Portrait pon XJeficp'*.
tf irAhoff, ndrc» in Hatte a. b. S. XanoiniSmu*
in ber SBölferentroidelung. $th 93.
«II«, 3«»lcf in BttbctKfc 3ehooal). ©utt pottlfcbt
(Srjablung. Utbtrftfct Pon 3oftT Stttnbad).
Het 123.
«Hiner, Wlphon« in flönia»btrg. Hi)Pnoti*mu»
in ©nglanb unb 3rranfrtid). Htft 1U.
Äioibtr. Jullu« in Stuttgart. 35»ilfalm H«uff-
Heft 14.
«Üb«, ff. in 3firtd). Sdjäblidie WaörungBmittel.
©in *citrog jur ©ntftebung«gefd)icbtt btr
Kranfbttten. Heft 11.
— 2ie Umgeftaltung bc» 2Jlenid)tngtfdiltd;tl, in*«
btfonbtrt burd) Kranfbeittn. .Orft 83.
MI * i ti ,*u(io in 2Uicn. 3auberf finita. IFloneÜc. Heft 141.
«Witt, SWarttn in !ört*lau. 2ikUanfcbauung,
fötligion unb SZBiflcnfctiaft. ©ine Krittf. H- 128.
«Uiii, Hciur i di von. lieber bie allmäblidit ©er»
ftrtigung ber Webonfen beim Sieben. Pittge*
leitet burd) einen Britf an ben Herausgeber
con Hboli 23ilbranbt. vtft 10.
«HiKfotoftröm, «gm» Mrnfiii in Berlin. 9lbr.
Woottlt. HeM 122. 123.
«noll, VhüiP» in *rag. lieber bie ©nttpirftlung
unb bie Störungen ber Spracht. Heft 121.
«ober nein, «arl in treiben. Vrinj Hunridj
uon Urtufjtn unb feine Stellung jur Xrabitiou
unb (Mefctjicrtte. Heft 3a
— Karl ijricbridi Öefftng. Heft 42. 3JI. b. Portrait
Ü. Reifing'«.
— 2er 2iditcr be* JJrübling*. Heft 49.
— ©in marfifdjer Runter. Heft 68.
— Oin xictjtcr com iHcgiment (HtnSb'arme*. H- 84.
— Tjrriebridj ber tvkofje unb SiUlbtlmine pon »au*
rtutb. Heft 97.
«od?, «. in Wcufe«. Ter beutfd>e »rabmane.
(Jr. liefert.) Ht*t 65.
«Oppen, ftebor »Ott in Berlin. iDcoltfe unb
feine Kriegführung. Heft 4«. üülit b. Portrait
bt* Selbtnarfdjalla (trafen oon UJloltft.
— Hermann Kunibert ifteumann. £>. 150.
«offmann, «. in ^Ktbtlbera. 2ie Ü*ebeutung be»
©injelleben» in ber Xarroiniftifdien äkltaii=
fdianung. Ht't 36.
«rauf;, ^ri^ in 3tiricfr. Sbafefptare unb feine
Sonette. fytH 23.
«rcll, «p. flf. tu 3ttiincf>en. 2L'ien* ardntettonifd;e
^btulognomie I. II. Heft 134. 135.
.sitt ;n tut',. Wi tt in »utartft. Garmen Snloo.
Heft 58. amt km Portrait Parmen SnlPa'*
(Königin ©lifabttb oon Nutnänicn).
«reQcr, Vlat in iflerliu. 2ic iPlinbe. giobeOe.
Heft yo.
«rtnenberg, «otinolb in 3ferlobn. 2ie neue
irrjitbung. Heft 5'.».
«retiffttt, Jrr. t sPörai gtr unb Courier. Heft 68.
— Hier* unb feine Hei'- Heft 93.
«rufe, Hcittrid) in '.bürg. 2er tänlicim.
Heft 14.
— ^bullen: Tic 2ad)rtiter. 2l>iber 2öinb unb
21'eaen. Heft 21.
— 2ie Siegelbeioalirtr. ©ine Scegefd idjtc $. *^>-
— SÄbelaibe. ©ine Sccncfdinlite. Heft 54.
— 2er üalit'ornUr. ©ine Cecgefd)id,te. H<ft 117.
«unj, ^«rmann in Berlin. Katfer Wilhelm unb
bie Steorganifation btr prcufjifdien armet.
Heft 135.
«ürnbcrfltr, Strbittanb in 2i*ien. Sninftlerbräute,
Woücllc. Heft 3.
«urnif, Mar in Breslau. Karl pon Holtti. ©in
Ütbcnsbilb; Heft 35. Mit b. Portrait p. Holtei«.
«urj, JfolM in Alorenv Hafdiifdt. Wu* bem
Xagebtidi eint* ^bilofopben. Heft. 3ö.
— 2i«elt'Kritf. $tft 119.
— Auno Pestis. VloPcttc. He-'t 129.
Voiuntr, £uol»i0 in ^uneben. 2er gerautte
Spielmann. Lobelie. 51.
Ü amt ni ti. Sraf »on in Men. Uebtr mtnfd?»
litte 8BiHen»freibtit unb ftrafrtdjtlidx Snrt*-
nung. Heft 37.
— 2ie naieften (Sriminal'äHe tn 28ien. I. 2it SBer^
milbtrung in ben (i»ro«itäbttn. ftft 85. —
II. Hngo Sdjcnf unb feine (Mtnoffcn. H«ft
III. SttHmaobtr unb Kammtrtr. H<ft 91. 1*2.
gatta, «ari in Cfftnburg. Utber altgriedjifctic
iHcuftf. Heft 37.
£anae, »rieorit» «Iber*. Uebtr pbilofopbifdge
Silbuug. Heft 31. 32. 35.
jj'Ärranflc, »oal»h in Berlin. 2aB Xbrater
unb bie Wttotrb^frtibeit. Heft 55. 3Rit beut
Portrait yarronge».
VafjwUj, «nrb in (Hotba. 2te poettft&c unb bie
wifftnfd)aftlid)t ^etradjtuncj btr Slatur. H- l22-
— 3Jlirar. Irdume tint* moöernen Gkifterftber«,
trläuttrt burtb Xräume moberner «BlelapboftC.
Heft 138.
£aubc, £>finrid» in 2öien. ©buarb 2ebricnt.
Heft 15. BHt bem Portrait i'aubeS.
y auirue, W. in Berlin, ©rjitbung unb @<fcbicbte.
Heft 48. 2Ktt bem Portrait oon äajaru*. l.
— Garnapal. ©ine pfijcbologiicbe Stubte. Heft C
— 2it Sonntag»ftier. ©ine Stfbn. Heft 109.
*eouharb. tKuboiPb in HoÜe. 2ie Uniberfttat
»ologna im !Dtitttlalttr. HtH 89.
iJcuthoib, veinr. au*Heinridj Ütutbolb« 92acbl ait.
Pingtltitet unb berauig. p. 3otob spaetbtolb in
3ürid». Heft 39.
Siebrcidi, «idtarb in fionbon. »eali»mu* unb
3beali*mu* im ißortrait. Heft s.
Vtftfitcinicut. Wub. rfurn tu in SJeulcnGbadj.
2ie Kinber bt* Dfttn«. 3ioptttt. Heft 3^S.
jMnbaw, «nna in^trlin. 2er Sonnenelf. H- 127.
Jtfinbau, Vawl in Berlin. Serb. «affaCc» feete
Mebc. ©ine periönUdw (h-t.tnerung. Heft 2.
— Sictor H"ß*> »or Der «erbennung ( 1802— 1&51).
Heft 4. Mit Dtin Portrait Hugo«.
— 3n unb nad) ber SDtrbannung (1851— 1S77).
Heft 5.
— Mltjelm Wd). Heft 11. 351. b. Portrait »ufdj**.
— iVtlion Scbmibt unb ber „SdiHerprei*". H- 22.
— ©mile Jlugier. Heft 20. SBHt b. Portrait Wugitr'*.
— tfrnft 2o5m unb ber „Klabberabatfd)-. Heft 31.
2Jlu btm Portrait 2obm'».
— ^trfönlidie iöegegnuugen : (*lifc. Heft 34.
— Olottbt* »Sauft" als Jflübnemp» rt. Heft 42.
— $eriönlicbe * gegnungtu: Henri. Heft 43.
— 2it Äönen. Otu Sioman oon Ouftao Srctjtag.
3)iit tiium Holjfdinitt „3mmo unb HÜbegarb",
nad) tiner 3''*nung pon H- Kaulbod). (Snl
ber HÖuftao ^rtmag-Walerit-.) Heft 47.
— JHtcbarb BoaKlt „«ing btr «Ribtlimgen" in
iötrlin. Heft 61.
— Htrr unb ftrau «tmtr. Sloptat. Heft 55. 56.
— 3ur naturaliftifditn i'ittrarur. (»ic^epin.) H- £ö.
— „Vlngtla". «oman oon Jri bria> Spiclbagen.
Htft 56.
— 2it Karolinger. 2rautrfpitl in 4 Slcten bon
©ruft 0. asJilbtnbrud). Heft 57.
— (fin ntutS 2rama oon Heinridj Krufe. (SUieiao
p. iHügeu). Heft 58.
— 2it ejrau ^urgtmtilttritt SHoman p. ©ber».
Htft 69.
— Öentigt Hntignuugtn unb Begegnungen. ®c-
legentlid) bt« Scbaufpitl» „Cbtttt" P. iöictoricn
Sorbou. Heft 60.
— 2oggenburg. "«ooettt. Heft 61.
— 2it ©tfdjtpifttr. Vornan in oitr »Pitcbem pon
Karl Sreii3el. Heft 62.
— 2aS neueftt üßtrt btft'JiaturalilmuS. Pot-Bouillo
pon ©ntilt 3ola- H<ft 63.
— 3*orftlt8 unb 4-lorfcleffa Bon 3ofi. Stfitrr. H- 64.
— 8luf btm 2ötgt nadi ükinrfutb. Wne Sommen
fahrt burd? ben Bat>erifdien äöalb mit btn
i'titmotiprn bt* 2octor». Heft 6«.
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3ntialtsüer5eid}ntj$.
XI
fiinbau, Boul in Berlin. MHerlii ©ebiepte au»
florbunb Gut>. Gpatiotnmerlidjer »rief, freft 67.
— iHcchcl. Stu« ibrem Veben unb Gdjreiben. fr. 6».
— tein Montan für terujcdjfine pon einem jungen
Bläbdjen. freft 70.
— Jetoro pon Bictorieti Sarbou. Beft einigen
liber bie Bubneniertigf eit frantk
t. .freit 71.
Vornan oon tetnile
ftfdjer unb beutfeber Stüde, .freft 71.
s Darnes
3olo. freit 73
— Au Uor.htur dt*
— Die termoroungbeSÄboocaten »ernatj«. freft 74.
— Der 3ulunft*itaat, freft 7«.
— Söie btnfen Sie über Slmerifa? freft 81.
— Äu» ber berliner Berbrediertoelt. freit 62.
— Baebtrag w bem KufiaQc: „Äu» ber berliner
BerbrecfcenDelt". freu h3.
— Brennenbe üiebe t>on fran» fropfen, freft 84.
— SRano. 'JJooelle. freft »6. bts.
— Die neueften iHomane pon Datibet unb 3ola.
I. Sappbo, Bariier Stttenbilb doh «Ipljonfe
Dauöet. .yeft Hl».
— II. La Joie do vivro oon temile Sola. fr. 90.
— teilt neuer SRoman pon C4tor oon JHetroiß: '
freu» BJortenbrrg. freft ».»3.
— Der 3toinan einer oontebtnen Dome, BMnter«
lider Briei. freft. 95.
— 3obonn Strauß, freit 96. BHt bem Portrait
— frelene 3ung. tenatjlung. freft 97 . 98.
— Btarionnen» Bhitter. Sdjaufptel in Pier Meten.
freit lon.
— Serien im tengabtn. freit 108.
— 3beali»mu* unb Baturali*inu* in Berlin, Brocefj
(Mrof. freit 104.
— ftünftlerruttm unb Bergänglidifeit. freit 106. 107.
— tein Sluaflug nad) Bari», freit 109.
— Blolürt unb bie beiben »4iart. freft in.
— Blein ($reuiit> früariu». Botxtte. .freft 112.
— Sominertage in 2iMcn unb lltngegenb. freit 115.
— Berbredjen ober BJaünfinu ? Dai Sdiulmäbd)en
Btarie ScbneiDer. frett 116.
— (Haleotto. Drama in brei IHcten unb einem Bor*
fpi L 91ad) beut Spanifdj.n be« 3of6 teepe»
garan iür bie beut dje Bübne bearbeitet, fr. 119.
«Kit bem Portrait teepegaran'».
— Die fleine Biabonna. fr.it 121.
— Der Btörber bt« seaufmann Blas ßrei». Do»
Blufter eine« 3nbidenben>eiie«. freit 124.
— BUerlei über Xqeoier unb wo» bomit jufammen»
bangt, freft 125.
— 3m Banne be»Baturali»mu«. „teilt ScrtjaltniH-.
Vornan pon Jfarl pon Bcr'aU. freft 129.
— »kr ift ber Wörter ? 3i«lben=3öill)elm. fr. 130.
— College Sdjnobel. Erinnerungen au» ber 3te*
baction»ftube. freft 133.
— »uf bit Spi&e! freft 138.
— Hu» bem Crient. ^nichtige Bufjeidmungen. I.
II. III. freft 139. 140. 14».
— Hu» ber guten alten 3«'t be» Burgifieater».
freit 142.
— 3m lieber. flobeBe. freft 146. 147.
Jiinbau, tKueolph in «erlin. Der Geber. BopeHe.
freit 5.
— Da» rotp« Dueft. ftopelle. freit 8.
— Döbtlidx 5eb,be. teine Sfijje. fre't 12.
— tein Perfeqrte« geben, «fopeße. freit 16.
— «ute «efeUfdiaft. «otnan. fr. 22. 23. 24.
— Ireu bi» in ben Dob. terjäqlung. freit 45.
— teilt« Somnurlaune. freit 54.
— 3m Borf pon Silier». flopetle. fre't 59.
— Der Otatt. Slopeüe. £>eft 70. 71.
— Die Oefdjtcpte be» flegeriüfiten 3Jfiofo floango.
fre t 91.
— »ui ber gaqrt. Bier furje @efd)td)ten. freft 94
Viitbenbern. Vaul in Berlin, «uitap p. ffiofer.
freit 11«. 2Rit bem Portrait OToier'».
— ßubwig Wettd?. freft 137. SKit bem {Portrait
Bietidi'».
— fran» froffmarn. freft 144. OTit bem Portrait
froffmann'*.
SinMubortt, Htt«lf in 2<JeöIar. ©oetlje unb
88<»Iar. fre-t 108.
l'iusin-r, Ulbert in Berlin. Do»bänif<lje Didjter»
jubiläum. freit s;t.
^inÄ0. vcmiamt in 2Künd)cn. Diotletian in
ealona. Gcenifdje Didjtuug. fr. 67.
— Die Gdjloditielber. ^reic 3<bptb,men. freft 124.
3Mtt b«m Portrait «ingg'a.
fcito**, 2t\totot in Bonn. Ueber bie epmbolif
unferer Äleibuno- frtft 99.
— lieber 5 ormenfdjönbett, tn*befonbere be»mtnfd>
lidien fldrper». fren 134.
Vorm, äv eroittimue in Dre»ben. Die WetaPbofit
ju tenbe be* 19. 3obrlninbert». freft 116. Kit
bem Bortrait form'».
l'oiheincii. Ä«»«»««»«*'n2i5»n- Die terjablungen
ber «önigm pon ^aParra. freit 58.
i'piic . iv Die Brincipien ber tettjif. freft 63.
Von?« uf riö, Wnphnci in Berlin. Hu» bem i'oger
ber Sübilii't. n. freit 85.
— Snift pon 2tiilbenbrua>. freft 91. 3Jlit bem
Bortratt pon BJilbrnbrucb'».
— SRuffifcbe (>»eiellfd;ait»tt)pen im Gpiegel ber
Dicttuiifl. freit 102.
— H. Jitger unb feine Didjtungen. freit 105. Blit
bem Bortrait Sitger'».
— frieronpmu» mm. fr>e t 116. Bttt bem Bortrait
form'».
— in Berlin. (Jonrab Serbinanb Bleuer, fr. 130.
BHt bem Bortrait Weener'«.
— frermann freiberg. .freft 136. BHt bem Bortrait
freiberg'«.
i»äbtV, «Öilnelm in ftarl»rub.e. Brter Baul
Stuben», freft 3.
— SRembronM oan »nn. freft 8. Dtt bem Bortrait
l'iibte'».
— Die Gultur ber Sriirjrcnaiffance in Stalten.
freft 11.
— Die öulttir ber frodirenaiffonce in 3toiieu. freft 22.
— Die perganieniidien Junoe. freft 3s.
— Die »filmt unb ber Wauimann. freft 41.
— S"1 franjbfi»cben Stenatffance. freit 64.
— «u» ber fromiltou Sammlung. BottieeUi'*
Donte«3eid)itungen. freit 73.
— Die Bian.iiDerebrung in ben erft<n3fl^rbunberteit.
freit 79.
— 9teali»mu» unb monumentale ilunft. freft 100.
— tennnerungen eine« alten ©ebirgifliigel». fr. 106.
— freinridi edUiemonn unb fane tentbecrunfieu.
freft 109. Blit bem Bortrait ed)liemonn*«.
— .König üubmifl II. uttb bie itimft. freft 115.
— Söeitnar unb feine Sfunftfdiäöe. fre t 121.
Bl aami*. vuno in Bre«lau. Die Sarbenblinbbeit.
£v>'t 21.
Btdrttn. 3afob in Bafel. Die ihinft be» lieber*
feoen«. freft 107.
Blarfob. ^aul in Btfindien. Siliert Wiemanu.
tein Beiblatt jur Xneatcrgeidndrtc b<r @egen>
mort. freit 122. Bfit b. Bortrait 9iiemonn'8.
— fran» pon Biilow. freft 133. Biit bem Bortrait
pon Bülott)'«.
— Banreutbiana. Betrod)tuitgen eine« Unab*
bangtgen. freft 145.
»loner, «. ». in«arl*nipe. Die «euPermdbltett.
9iootUe. freft 54.
»eier. Cito in Böttingen. Der römifdje Refhter.
freft 60. 66. 69.
— tebemolige GtubentenPerbiubungen. fre't 85.
BleinhatM, »bolticrt in framburg. ©eorg fronfen.
freft lio.
— 3m Wonneitgarten. Bopellen. freft 118.
Bleiütier, «llfrrb in Bregenj. lonL BoPelle.
freft 37. 38. Blit bem Bo'trait Bteifiner*».
Blemm inner, tinltn in BJiirjburg. Die SBege
nad) Nein Crient unb 3nbien. freft 116.
aHen^olofl1|)n ■ Startl)oI»ü, ?%t\\r. Briefe an
Bfofdele* unb feine Srmi. Beröffentl cbt oon
ifelii Btofcteie» in L'onbotu freft 131. 132.
BicrM, »r. in SHoftocf. 1er flufj. teine ontbro*
poloöifdje Stubi«. freft 24.
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XII
3K«t|ir, Sürßen Bona in «oun. 3ur V:v.c--
f opf>ie ber Öegenmart. «etradtfungen. I. Der
2)tateriali»mu*. 4?m 12. II. Dribring» 23«rt*
liä)feit»pbilofopbie. .^>eft 43.
IWcner, (Bunan in Wraj. Heber Spraye unb
Literatur ber «Ibaneien. veft 71.
— öiit »u«flug nad) »rgoii». teü 117.
SNcner, Votftat in Illingen, lieber afabemüd*
Üernfreibeit. $<ft 28.
»euer, t>. «Balbcd*, tfriebrid) in ^ibelberß.
iJtufftfcbe Genfur. veft 4.
SRener, ü». 2Bül)elm in Berlin, lieber Jinfter»
niffe unb ibre biitoriidje «ebeutuitg. veft 125.
WUthliöfcr, «ItlDut in «erlin. «einrieb Scblie*
mann unb feine 2üerfe. fceft 61.
3»ilö», Ztept)an in (Hocrj. Durd) ben Sobn
enoa.cn. flooetfe. 4>efl 95.
Äiimlictü, Ware« f. iHafacl Santi'8 3remtbe»*
frei« in fHom. &th 120.
»toller, Wbolf in «re»lau. Der Sturm au?
bte <5tomnaii:n. 14«.
SRitUer, ttuejufi in itönig*berg. Gruft Stenan.
Vfft 135. iütit bem Portrait ftenan'».
2RüUcr, Van» in «erlin. 3uliu» Stodlbaufrn
unb fein: rteiong8metbobe. 4>eft 119. 2tit
bem Portrait Stocfbauien'8.
— Weitere babiicbe ,yiir>'tenbifbniffe. fteft 131.
ÄüU«, Viu i ,ni in St. Dcteräburg. römitdjer
Did)terau8ber3e t be8»faifer»Gonftantin. vrftlO.
SRüUcr, SRar Vt. in ürforb. lieber {yettfdjiÄmu*.
L II. v<rt 22n. i.
»ulWr • (Buttenbrunn, «baut in 23ien. Die
3rau vofratuin. '.ftnc roabre <Wd)id):e. v- 72.
— Der Sobn feiner Butter. ve;t 102.
■tftttf, 2 legt* unb inttom. ßeo XIII. V- 115. 116.
2Kit bem Portrait t'eo'« XIII.
flaumann, CPmil in DreSbetu Glaoierfpiei oljne
G*nbe. $>e'l 1«.
9tiffen, in (Böttingen. >fleopatra. fleft 15.
9ti>eft, ©. in Solirtg it. Die DrojeBfoüeu. .0. US.
9toirt-, viitiv g in 2Jtainv 3Har 'JRtiller unb bie
isprodipbilofopbie. &h 19. 3)tit b. Portrait
ÜHiilkr«.
— Da« Problem ber Anthropologie: bie meitfdi«
lidie stutift unb ihre «ebirtgungen. $eft 81.
— «rtbur Sdiopenba ter. 3« feiner bunbertjäljrigen
Öeburt»f<i£r. «cft 132.
C*lfd)läg«r, germann in Üeip?ig. »ernarbo.
Skti 44.
— Ginlabung nadj Gannftatt. Ktt Sari (Sauer. $. 75.
Cmpti^a, tfubWig ,>n il) rr höh in 2Uie»baben.
«Uber aus engüfcbcn üanb*ieen unb deinen.
V«ft 19. 20. 24.
— EJoburn ?lbbci). $eft 32.
— Die Xrinffranttrit in G-rtglartb. veft 33.
— Der .öaarant. Vlu» bcit vunbitaga'crieit eine»
<9i)ntiiafuloberlebrcr8. ve*t 45.
— Ia« gouftnbiltte A>an*. Gute Grjäbluttg. v- G3.
— Der terbtrtag. veft 9S.
C|>»KiiDcim, ». in «crlin. 3ur «eoifton ber
Wtiuerbcorbnuini. yjeft 14.
— Da« allgemeine Stimumdit. .Oeft 22.
— «rmant Darrel. Sin xfcbcnibilb au« ber ©e*
fdiidite bt» Stournftlilmul. i>e«t 81.
— Jlti« ocu ^iiütricn ber altrrati^üfifdjen Diplo*
matie. öert 35.
Crr^cn, (Hcarfl »». in SßarfciBe. Sorti«. Crin
ifhird)en. .v>eft W.
Ont4%to, «lif« in 2iJilna. flcbelbilber. tenäbtung.
J&efl 101. 102.
— ttftt oolotner ("vaöcn. vioocUc. llcberfeöt pon
VI. JnM'uer iit 'J^arfdiau. v<;t 108.
— SJttle. Km Crjatiiuuö. llebirfcet d. «. Ptlicb.
Veft 120.
Cfenbrüflaen, Cfbuarb in 3'irid). eaweijerifdje
Qcrflfecn. &efl 15.
Cetttt, ifrlcbrtdi In «affd. 3um «cginn bei
«»eitert 'i*orfa>fung4fampfc8 in Wttr^eflen. fi. 31.
— Die öeräeliuiM ber furbeififdjen iüeraiiung Im
orublobr 18 i2. ^eft 42,
Jacutin, &mil in Qlenf. ^tttro SicilianL &t(t US.
Hdteiiur, <fraft in Darmtabt. Der fliegcnbe
Wollart >er. ^eft S1*. 89.
ipaulfcn, 30h" in Norwegen. <Sia rbmi'dje«
»benteiur. Jtooell^ v:'t 36.
'Datier. Sultuft in iJrantfurt a. 3». Die enflUfdx
iiorspolerpebitton oon l->75 bi» 1>>7«. veft l.
•4Je4t, ftr. in l'tiincben. moberne JÄaler: tyroaj
Üenbad). vt« 1.
— Wmolb *b\Tiin. (eft 12. iöfit bem Vortrat
BfieKlttt.
Vcttfitfofer, War V. in iWiinAen. lieber Ser^
giftung mit «euä)tga». $tn 82. 2Ku b. Porträt
^ettenfofer*.
— Die Gfioiera. Qtft 91. 92.
Vfau. V löioifl in Dan«, temife 3ola. veft 37.
Seit b. Portrait 3oia'«.
— in Stuttgart, »u* ber 2ßiindxner i'tunftau*^
fteUung be« Oobre« 188S. §ctt 139. 140. 141.
!|)fluaf=jearttuaa, J. ». in 4»afel. Um 'Dbatua.t
auf bem tfjifertbn);te. veft «•».
— Die älteite.t tiulturen. ve;t 13 i.
!Dld)Ur, «ba(f in ^tmabruet. L«i«e Ougenbliebe
in aüieit. v«*t 52. 53. 54.
^icti.ti, üu»wia in löerlin. SBilbtlm ^ubfe.
veft 8. 3Äit bem Portrait Subfe«.
— 3n>an Durgerictu. -4«eriön.t.t»c wrinntrungeji.
Veft 20. Urttt bem Portrait X ;njeniew«.
— «einbog iÖe«a». $th 30. ärtu bem ^onratt
oo.t «ega*.
— «oolf iWcnjel. v<* 33. ffllit bem ^Jortwu
ÜJleuiel*.
— «nbrea« Hd)enbad). Qcft 45. Wtt bem ^ortrett
Ädjenbad)».
— ^}aul Wenerbeim. vtft &o. mt bem Sport roü
iDletjerbeim«.
— Slnton »on 2ikmer. v«tt 52. IUI bem tymroit
Don ferner«.
— Gtabriel -Mat. veft 72. Hl. b. Portrait Bon 3Rar.
— SBaffUI SafltfidilUfefi ätferefd^agtiu v«ft 75.
SJfit bem Portrait 2lieTeidwgin«.
— Die 3"ternaxionale ieumtau«fteUung i
1863. veft 79. NO.
— Sorenj (Mebotu v«ft "Mt bem SPortrait (
— £rci Vlii*|teUungen. v'tt 103.
— ,yran} »on üenbad). v<ft 132. 2«it b. 'portra;t
Venbad)'*.
— tepiflonen ber Stomantifer (»ine 3ugenbennne^
rung, veft 137. SPttl bem Portrait 4>iftfdj«.
Dort, ^rieba in IVündKn. jacopone »on Zooi.
vioocat. v<r£ ItA L1L
Drei. i»arl Mi in 3Jhind>en. Da8 i»ette "H>;^.:.
Dfydiologifdie Stubie. vtft ö4.
— Da» Ülebaufeulefen. v«ft 94.
— Gin Problem für Dafcbenfpieler. $rt Ml.
— Btgft» ber alten tSriei1)e.i. btfi 127. 128. 12l>.
$rct|cr, 8». in 3euo. Die Uoneuntn} in ba
Jlatur. v«ft 23.
»to<lft, 3ol)«"»«* 'n Sranffurt a. SR. Der
tjetuge Vlmor. !Ro»etIc. £»cft 141.
Du t it rj. «ufta» }i* in searl»rube. llein Wtern«
bau», veft 90. 2R.b. Portrait oon »u Dutli».
Diitifinnu rr, «II»(rta »an in Strasburg. Äu»
einem Gi)clu«: (Jin Sommergliidf. «ot>cUe io
leriinen. vtft 88.
Diabcitod". 9aul in «re»Iau. Wenie uub SJabn»
ftnu. v"'t 8ti. n7.
— Crinnerungitaufdiungen. v^t 95.
iHanaabr, «. K. in «erlin. 2it beiben Sdjroeftern.
Ütooefle. veft 47.
Wanr, 3ofef. Cnn iöoU»bramatifer au» Ccfrer»
reid) ©efl 5.
{Raufe, geopol» ». in «erlin. 3"r Okfdjictte
ber italienifdien ftunft
L örunMage unb »ifange; II. ©iotto unb feine
vJlad)foiger ; III. Cuattrocentiften; IV. lieben
gang »om 15. in ba» IC. A rtmnbert. §tH 13.
mit bem Dortrait »on Saufe». V. Erinnerung
an Vionarbo unb Xhcbelangelo ; Vi. «Kapbaei ;
VII. Ii jian unb einige feiner Jeitgenoffen. Qcfl 14.
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3ntialtsrcrjcid?ni§.
XIII
Mann, »riebridl in mündxn. Sie »ettrtbeilung
ber Sölfer. jjjeft 17.
— Sie Sstoilerfätte. fcen 41.
iRahd, i-ctiuidi i« SJJiindjen. Sahara unb Suban.
$eft. 34.
:Hmuin, War e Mit in WUxan. Seine a-,ch.
Lobelie. $eft 53.
— 3<uma Barnim. iHopetfe. £eft 68.
— Sie fteilige ber Steppe. SJoDfCe. v*rt 107.
«ebwth, C«far tum in meran. 6in »rauttranj
in Sonetten, £eft 36.
(Rcinfe, in Böttingen. Sie Drganiimen unb
ibr llrfprung. i>ett 53.
«cuiea*.r, fr. in »erlin. lieber Seutfcblanb» ge.
toerbiidje »citrebungen uub Kufgaben. $*ft 14.
— Heber ben WnfluB ber «Jtafcbinc auf ben ©e<
toerbebetrieb. .v>e*t 25.
Rrumont, «lfr<» p. in Motten. Ser Sidjter bc»
Dies irae. ftr't. 108.
— Mouline be montmorin. Gin 2eben»bifb aui
ber 5Hebolutiou*iett. £eft 12t. 122.
!Rcner, 'HMo4cana. §th 80.
Siebter, Ätarl SJummitnllSrag. Sie ©rotimutter.
v3i0ötUe. J£*H 15.
Kiditer. «arl Iliomno in *rag. Sie »raut.
Iloixüt. Qcfl 21.
— magbalcna. flobelle. £eft 57.
Wieftl. ®. ft. in SKiincben. Wette muftfalifebe
tfbarafterföpfe I. 3roei beutfebe Äapcamcütcr.
ffarl ©ubr unb rtarl xiuMoig Srobtfd). £c't 1.
Ultt Portrait 9liebl'».
— Jos berlorene Varabie«. WobelTe. vcft 25.
MitteriDou», ffinil in »armen. Mm ©eftabe ber
£ee. £>eft 58.
Stöbert, «atl in miincbeu. mannela. $eft 82. 83.
notier, ttuauft in S5kilb«but a. SRf». (Wahrungen
nber 9teebt»itreitigfeüen. jfScft 142.
«ooufüe. Cito in Sarmüabt. Sie 3Jhifchcr. fieft 46.
— Ser Sacbrciter. flooelle. jpeft 49.
— iJiaturftimmen. £fft 51.
— Sic Vertrauten. «opetle. fieft 73. mit bem
Portrait 5Hoquette4.
— Ser Sdiiilerdior. gitft 96.
— ftinalbo. Woocllc. #e't 105.
— Sa» (5aptte( über bie rfrauen. Lobelie. .£>cft 126.
— »yriibtütü»»timmen. .fceft 148.
Rofcfxt-, 2»tli)«!m in i'eipjig. 3ur Or-rtniteruna
an rrriibridi i.'ift. Ungebrucfte »riefe beffelben.
Mit einer tfmlcitunfl. $ct 7.
— »etrarbtunaen iiber bie neuen preu&tfdjen ©efefce
wr <*rbaltuna. bc« »aiicniftaitbc». ixh 66.
Wofeflflcr» V- St. in ©rat. Sic (*beitanb*p rebigt.
tnne Sorgefchi.tte au» Steiermart. £cft 10f>.
iRefenthal, 3. in (*rlan$cn. tfmil bu »oi8»
ittenmonb. Ifin Kebcnabiib. .fceft 17. mit bem
Portrait bu »oii^enmonb'a.
Wühl. »t«iti in iföni6»berg. Ibeobor oon Sdiön.
_veft 17.
— ("triteridi Cbriuopb Sdiloffcr. £>e»t 39.
KH ü iir w , flR. in ,'tiiridi. SaS'fd lüeijerifdie .'eveernttfen.
(?in »eitrag jur »eanttoortung ber ,irage nadj
bcrallficmdncu «ntoeiibbarfett be» milijfijftetna,
auch uir öie .freere ber (MrOßmcicbte. veft ft.
«nbbetfl. Victet in «(orfbolm. ^rometbeu* unb
9lba40cru*. ish 121.
2««. fterbinanft t». in Kitn. Ser Wencrar.
t^in );ox>ta< 01t» Cefterreid). .w't 28.
«adür.aRafodi, Vcopolbo. in Sittbbeim i/Oeffcn.
3«)ci «öniaintten. *JJooeffe. $ett 99.
cal inner. (*-„„cn irt ^ranf urt a. m. 3a bcfelidi!
Vornan eine» «tinbc». -öeft 128.
«anber, üricDridi in »armen, lieber flute unb
fctilcdite Vuft. i>ett 10.
Sanfter*, I«». in «ItttrefitJ. Hui ber Jöer.ftatt
etitf» 2öbrterbtid:icbrcib<r». »lai^ercicn.
-^'t 134 mit ^fut Portrait oon Saurer*.
2<ft*tf, «»olf $rifbrtd) «raf ». in munden.
Siditungen: I. Ctinar. Tl. SldjiUe«. .frc't 59.
mtt bent Portrait uon Scbad"».
— Sibiitß Qbtovi. kcH 61.
&ttnkatb in Sarmftabt. »riefe oon
mori(j oon isdjmlnb. 4>eft iO. 45.
«diafer, TktriiU in »reBlau. Sa» neue Seutfa>
lanb uno feine «aifer. .fceft 13s.
«dianbort»!», 9opt)u§. Stine roirb 3rau »äueriru
&tH 96.
«Aeibert, Suftui in StHtlgart. ?ln ben ©renjen
ber Strategie unb laftif. totH 21.
2d) tit, <?buar» in Sien. Widjarb fflagner. \-»eft
21. mit bem Portrait 2l>agner*#.
«dureitbcrfl. ffmft in Lhberfelb. ©ebic&te.
•t>eft 48.
edicrr, 3ei|Annci in 3»rt<b. Seut.djlanb bor
bunbert iJaljren. .C>eft 61.
— Sreißig 3ab« beutfeber ükfd;id)te. ^eft 65.
— Gin 3arenmorb. $tH 70.
— Sa» *4Jaflwn»ipiel oon ömiinb. tfine 3uflenb«
erinnerung. j£»e't 73.
— „Cou.|uratio sulfurea" ober AUti fdion einmal
bogeloefen". j&«fi 7ü. y«t bem Portrait
Stberr'».
— ftöuig unb ^Jrtcfter. Qtfi 83.
— tfiite SiiaUfabrt nad) maria^inrtebeln. fceft 103.
«ditffner, Atari in ©raj. martiu ©reif. £>eft 150.
mit beut Portrait «reif»,
edilcflnaer, 2iamunP in Söten. Ser Sbcater*
mann Singeluebt. ^eft 36. mit bem »ortrait
StngclficDt'*.
— Rbarlortc Holter. Sie Sragöbin einer Sturm*
unb Sraugjeit. ^eft 126. mit bem Portrait
Wolter'«.
Cditcttcrer ^. W. in 8lug»burg. Sie erften
framöilfdun Cpirnberfudje. Jöert 78. 79.
2dimtöt, ffrldt in SBJ.en. «bolf Sonuentbal
J&eft 101. mit bem »ortrait Sonnentbal'*.
— in äöeimar. CHn iRtifetagebud? ©rtUpar^er»
oom v^abre 1820. £>cft 112. 5
«djmib., «ubolf in ifopenbagen. Sic flammer«
berriu. v«rt 123.
<2dimfb!=!Himplcr, ^ermann in marburg. Uebcr
»linbfeiu. ivft 45.
— Sdiule unb Vlugc ,v»e t 136.
S<t)twc0an«, H. in Genua. Strofjburg nad) ber
llcbcrgabe an Jranfreidi. 1681— l6;i». ,f>cft 46.
— (ftirifleia. tfin bulgarifcbe» ©enrebilb. \>eft 74.
— Sirenengolb. ^oöcUe. «veft 93.
Sdjoertir, «. m Woav Ser Halalin unb feine
Vlu«örabunget:. .\> ft 18.
— Sic neue iUompciu^orfd
24oentnc«t,
jablu'ig 1
•Vcft 141.
2dior jt, Cttö t>. in «tiniberg. Sa* ©roteSfe unb
*(omtid)c in ber Jfunft unb im Jrunftgcroerbe.
4>cft 29.
2dtott'H. '.Kidhirn in »rellau. 9luS ber (Mijeit
ter norDteutfdien iiefebene. ^>cft 127.
2dirarcr, C. in ^ena. ?lu» ber ©efdiebte ber
^au»tbnrc. tftne linsuiftifdic Stu&ic. vcft 45.
— Carl Xiubvoig bon Knebel, fteft 84.
2di uit hui, tUtian in var^burg. Spicflelbirber
Dom »o»pom»: Sic mönnn. .Ocr't 54.
ed)ü<fhtfl, Vtvtn. märtnrer ober »erbredjer?
^ooclic. .Oeft 79. mit bem Portrait Sdutding'».
2rtuilt;, ä. ifj. in Sanjig. ©efiilint. iliopeac.
.^cft 62.
«efturj, »arl in ?Jctpr?)orf. (?ifcnbabn= unb
Iclcflrapbcn-Streit in ben »ereinigtcn*2taatciu
fftft 91.
2eibcl, *>cinria) in »crlin. ©ebiditc. $tH 72
Crianobo«, 0h. in ^ari». ^ulc» »crue. vet 114'
mit bem Portrait »crue'».
«emper, *>art» in Onnabmcf. 3talicnifd;c Stubicu.
Wl 39.
— mutflaltcrlidic »a.rfunfi in Italien. £rt 58.
eerao, ffJtatilPd in ^caper. (Mriediifdic vlooclie.
UcbcrfcBt i»ou HlfrtbSrlcbmaniL frät u:.
Ztntci, Wubolf in öcituifl. Ia» Slofiufrcta eilt
Sinnbilb bc» ffftrtfteiUfyunl Im lUbcrflannc
?ur ^utnanitctarttii.ion. .C>cm 40.
ungec. 4» ft 18.
il<otiipciu("torfcbung. .Cxft 48. 50. 51.
t, *>• in »erlin. SUaltraut. W,lc
au» ber 3<it ber »efreiungafriege.
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XIV
«ertbel, {Rubolf tu Il'cidwj. Mubol* verrmann
>io$t. ve't «3. Wtt bem Portrait *.'08c'*.
— »ubbba unb tfbrimi«. &th so.
— SatnUifetytang mit bem Xartpiniamu». ve;t 108.
«ieafricb, V. in »onn. Jüufionen. eine
pfndHJlogi'dje Stttbie. veft 62.
ZUPrrnein. «tuaufl in SBicn. Der üaben be«
Jlaj. «ooelle. veft 35.
— Xer »leibbrauS. eine heitere Xorfgefdjidite.
Veft Iii.
«olloboub, «Barbara «Brätln (Xanine) in St.
'-Uetcraburg. «ater Xionnfiua. ve;t 53.
Soanomefi, SR. <f. t». in 'Hofen, ituno ^tfcber.
Veft 4t. U)ht bem Portrait ^ifdier'a.
2onfa. r*ti»«* in aJiündjen. lieber ben gegen»
tnäritijeii Staub ber i^cftfrage. veft 26.
— Xiettuft alt Iraj rinoon«rantbeit«leimcn. V<ftö7.
— eolonifation unb Mlima. £>est os. 9!*.
ZpiiUmiuit ^rlcbrii). ein »rief an ben £>er»
auageber oon „Wort nnb Süb". 9RÜ einer
»orbemerfung ber Wcbaction. .Oeft 43.
«pinola, »ernljarb in Berlin. Xte »cftrebungen
be» «eretu« gegen ben 1'ÜBbraudi geistiger OJe*
trän!e. veft 06.
«»rinaer, ttnton in fceip}ig. Xie beutfetoe Shtnft
unb ihre bütorifdx »cbanbltttig. veft 124.
trn, ttlfrcb in »ern. Marl oon Glaufetpi*.
v«*t 44.
«lein, tforrtti *. in 2flictt. Xer araerifattifebe
So;tali»mu» unb Pommuniamua. fceft 43. 44.
— %J7lufU uno 2taat*roiiieitFd>aft. veft 73. 74.
8lcin:9torbtKtM, 9. n. in '.Neapel. Xie monteneg»
riniidien grauen. veft Sl.
— Xie 2tHitjafcn unb ihre Sitten. ve't 143.
«teinbadi. f«uftat> in SBUti Mronprim «Rubolf
bon Oeücrretd). ve*t 14«. mit bem Portrait
Jrroitpniu :Ruöolf».
«leinen, «arl von ben in »erlin. Samoage«
fdnditeu. ix'i 123.
«lerne, tforu« in »trlin. ernft vaecfcl. veft im.
SRil beut Portrait vaccfel'*.
«tenb, fcubwia in'inüiicticn. mein Scben. ftefl
78. Mit bem Portrait Steub'a.
«tieler, Morl in l'Ninrfxn. eine Winterreife an
ben Mönigafre ve-t :iv
— %?'j^w *aitr- (i[nc SWM«*rt im Slmmergau.
«totfmar, «mit »wiherr ». in »erlin. Tie
Öludit be«<WraTtnron»ror.encca'uC>u> gXVllI.)
am 21. Juni 1791. $«ft 10.
«trantbera, *. fc. in »erlitt 3m\ fragen, bie
nidit brennen. veft 20.
«pobab«, «Dalben «. in 3Riindien. 5H.
iRofe^iger. eine t'cbeit*- unb «^liarnftcr^ S.;>»c.
JÖcft l'*3. dju tem 'tfortrait iRofcggcr'4.
— »rratu oon £:»'regger. f»eft l'»7. iffit beut
Portrait I:'rfg,icr'a.
«t|l»a, «armen (9öni(|ln ffltfabeth »on
{Rumänien.) Xa4 t'etben. ein SnüiÄol
\vft 5s. jJUt beut Portrait (»armen SiHua'*.
— i'tcber aua fem Xim'jDDioathal. 'Am bem
ü>-'lf*ntiinbf gcfamnclt Mti .«>cltnc Hacarcsco.
i>c't 145.
laubert, «mil tu i'crlin. Srau ftfitftt Stovefft
H5. 14«.
2«rc*fin ,9t. in »erün. I-rrabanoff unb riptiitoff.
<«ettrcbtib au* bem ruifitebtn Vtb-.n. veu 134.
135.
Xh«ile, !»r t»Uh. tu W;itnar. laa ^icnMiritgt--
fdilidit. veft 33.
2 hier f di, Varl in ßetotfg. g?ec^icit:i'"cf><r (Mloffcn
}ttm öatnlct. ßefl 17.
2l)omna, («arl in ^raj. Ii: (HroMmuttcr. ".'lobette.
SkH 15.
— i'itirnijlciia. 'JJoöcrie. .v."'t 57.
— lie »raui. iveft 21.
Jabt, über WegierungSralt) in sich'.. Xer »er»
liuer Xotn. \\m l.V>
2olf<o|, tfftf «raf in ^a,naia Zollamt Ter
lob. 'Jiou.-lle. .\?e-*t b7.
I oi «toi . £r« Sraf in .taia ^oliana. Xer ente
»ranntroeibrenner ober wie ber Iturel ba*
»rotrdn^tel abgebient bat. t'uftfptel. £e*'t 125.
ffllit beut atortratt Xolfiofi.
Itiuiit», 'iluftuii. in »erlin. ein vumorif»
roiber Söillen. Jöeft 97.
Irojan, 3ob,annti in »erlin. Xie Xor^tdtte.
.Veft 5.5.
— Das Minalein. «veft IIS.
Itirgcniftti, 3t»an. ;:nlel unb Xon Cuitote.
ein «ort rag. .£teft K2.
— 2er SRaufbolb. ^iooelle. (Äu* bem SRufÜKfcen
oon iJiUibelm üange.) veft 84.
— ein Äbenb in Sorrent. Suftpiel in einem Äuttjuge.
^rur bie beutfdie »ubne itberfe^t unb bear«
bettet bon engen Säbel. ve*t 130.
Uql, ^riebrid) in SBien. vcr)«nit>dn"n«runij.
5iooeQe. QtH 11.
— Sie utuvj und) füllen. er|äblung. .'öe't 114.
— lie Ttra u ein Wann, ber Statut ein 2ikib. ^ooelle.
veft 136.
tinaer, Zlirobor in vonnooer. i(unftfd)reiben unb
«unfttreiben. Ve»t 6.
»eraa. «. Satanla in Sictlien. 2er »rieg ber
Veiligen. ,yrei bearbeitet oon Ctfip Sd,nibtn.
•Veft !'0.
HiUtnger Ä>. in «arUrube. ^in. ^ooelle. $:n. 131.
— ein fchroerer Sie&. ^JopeUe. -t>cft 13!».
— aafobau» Staoer. ^looea-. ve't 150.
»iolet. Xtam in »erltn. Di: Sage pom ewigen
Jubcn. Vtft Hf>.
tUfdier, ffr. in Stuttgart. SBieber einmal über
bie Wobe. veft 12.
— Vleue inrifdie (Mange. .Cxft 70.
Utifener, {Robert in »reaiau. X'eutfdx ftenaiffance
einit unb teöt. .C»eft 04. 05.
Ooflcl, «>. B. in »erlin. TaS Spectrum unb
bie rtiemifd>en SiUrlungen bc» i;idit*. veit 7.
— Xt: XelegTapbenicbrift bc» vimtnel*. ve't 1^.
»oat, Garl in («en». ein •rommer Angriff au'
bie bfuttge 2?iffenfcbaft. vc't 2.
— eine vJ!atitr*'orfcb'?r=Jinee im .öocb^3ura. vtT't 25.
— Sur itlumologie ber Scbri't $Vi 34.
— Vllgierifdiea. .\>e^t 54.
— etutürb Xefor. veft 64. «5.
— (V>oetb:5 geologifdt« Stubten in Harl»bab unb
bei '.Tranu-nSba.--. veft 75.
— Strmbiicfc auf ba« UnioerfiTätStoefcn im beutfeben
9ieirt>. veft OH. Mit b. Portrait »ogt«.
-- Xer »'"arrcr nun SPofttano. -Oeft 120.
— Hefdtidite be« iuugeu»ft»'ig.?ioPetle. §vt 142.143.
©oit, 9. tu aJliindien. lieber b'e »cbeutnng Pe»
»Inte*. ve*t 16.
»oirelt, Jobonnc« in Jena, ebnarb »on
.t>artmaiin. inn 52. 99Kt bem Portrait pon
Vartmantt'a.
fiolj, ». in •i>ot^^am. Stirn sraunit». Ven 36.
4»oft, «fora in »erlin. ,lri8 Sdiaper. ein
Miinftlerbilb. -veft 147. ä'itt bem «ortrait
.JritJ Sdtaper'8.
©oft. {Rietiarb in »erd)t(«gaben. Tie 33lntter ber
(.^atoiien. veft 127. Üht bem Portrait pon «oft.
Srhnicftuf f l^ine unbeilpolle veiratb.Serbifdte»
CMtlturbilb au* ber vercegoioina. ?lu* bem
Serbtfeben Pott 9L b. S. &efl 137.
Sßaaener, »»ernharb in Miel, ^roifcbeu «oet
Vfrjeu. VioueUe. J&cft 6.
— »iffer aus X:iitfebtanb* Sfriegimarine. $th 10.
— ^oiiiatlia. ^onelle. .ve*t 88.
»aeiner, !Rl<Harb »riefe an 3t«. ^ifeber. Sx* 77.
tMaffertWI)er, tftnft tu Sranfnirt a. Dl Sopbte
(Mcrmaina 3^eal ber mot>-ntcn Xtdituttg unb
feine er-ittliutg bttreb X'öilbelm >rban. £>e;t 143.
21} «eil, »riebridj ». in MariarutK. «oetbea t'tti.
veft 39,
(Beilen, Jofef in Wien. 2itdbrenb ber Mm.
eine endbiung. veft 13s. l»!tt bem »ortrait
3tH-tlett'a.
ÜBeiAbrobt, Qiufiao t.t EJieit. Jntentatienalel
ßolonialreart. frtft im.
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3ul{altspct3ci^tii§.
XV
9)cl<(rr, £ ermann in $alle. Sie ptrfifcbt iBier*
jäile unb bcr btutfdit $olf»rtim. veft 30-
SBrllmer, Urnalb in 2*(anttnburg a. ftrain.
Singelues!» „Sditoabcnftreiche**. Jptft 59. 60.
HMtrich, Rtdjati in SJiündjen. ftriebrid) iUfdjer
al» '4?oet. j£>cft 70.
SÖerefdiaain, Oaffitt. «rinntrungtn aus btm
ruiHfttHumfdjtn Jelbjuge. .fctft 7«. 77.
Ä>frifitd»,Ä.in4K«nnoi)er. 6ufe. Lobelie, frft 115.
ÄHdiert, ffmtt in Moniberg. 6ommtrfrifd)<
am baltifdien Stranbe. .&eft 19.
- ifandjott. iNooeUc. #tft 77.
- Sit 'JJlntter. Lobelie. £>e*t 106.
Sifiu-t, i» Jdtipjig. Sit mobtrnt ©tttögebung
gegenüber ber 2i3aarenfälfdmng. £* t 13.
»icfmcr, *>crmrtnn in 33trlllt. 3rautn*8rbtü
in iütrlin. £itft 110.
Bilbranbt, »bolf in iRoftocf. Sramaturgifcbt
Unterboihingen. SDttin jjrtunb €cäpola. £eft
2. SJht btm Portrait töilbranbt'a.
- Str 2ootftncommanbeur. yiobellt, $tft 7.
- «inltittnber »ritt ju eintin Slun'a&t Don Stinrid)
bon Äleift. *tft 10.
- Untrennbar. WobtHt. $tft 13.
- Str SJHtfdiufbige. «obette. £ttt 18.
- Zob unb Iroft. Sin Gnclu». $tft. 33.
- Str Skmalttr. Wopttlt. §eft 43. 44.
- «r unb idj. «in ©efpräd). t*ft 106.
- 3»ei Webidjtt. fveft 142.
SJUbeubrud), «ftuft ». in »erlitt, »runbilb.
Sloptat. i>tft 66.
- Sa» ©erenlitb. $tit 79.
- Sit betligt ftrau. £eft M- b- Portrait
bon äBilbenbrudt». .öeft 92.
- 3ung*iöUntarcf. (^cbidjt. .Cxft 97.
SBtUomtner, 3ofcf in Stfrag. Sin ©dbaufpttl
für Öötttr. flobtüttte. .fceft US.
»inbfdKib. ». in t'eipjifl. Sit gefcmdiUiffit
6<bult in btr tHtdjt»roitienfcbaft. fceit 10.
»inter, «cot«, in Harburg. Sit flataftropfje
SBaUtnftttn». iMacb btr ntutfttn artbibalifditn
$ubli ation. Qeß 72.
»intet, «eorg in 9Rarburg. ühidtt, Jitcfn, JRanfe,
Seft 103.
— «rinntrungtn an Stopolb bon Wanfe. Seft 113.
— «in Sauptf.ibrtr be» beutfdjen $uutani»mu».
©iftorifcnt Qtim- 139.
— Str 8. Xbtil bon 9ta -fe» 2Btltgefd)icbtt. fctft 132.
— iitopolb bon SRanfe» üJiar=2torltfungtn, £>tft 142.
»Intetfelb, V. ». Str'-ßofttn por beut Gotnman*
btur. $eft 106.
»Ulf, 3. £>. in »onn. flont unb bit 3frautn.
$tft 19.
»olbt, 9t. in Berlin, «in 39efuc& im aftropfrofU'ali*
fdjen Cbftrbatorium b.i $ot»bam. $tft 102.
— Sit btutfcbt Öetptrbt'.«u»fttUung in »trtin 188a
fitfl 109.
— Sit SBifftnfebaft bom SDltnfdjtn unb ba» SKuftum
für ajölftrfunbt. £»tft 119.
»olü, Chili uo in Berlin. Sit 9rau btB 9iatb9-
btrrn. «attabt. .£«tft 68. Tixt btm Sßortrait
©»in.
»oltmann, «Ifrrt in $rag. Sa* SPrtufitntftum
in btr ntucrtn ttunft. .^tft 4.
Semin. Wcbtjatb in Sarmftabt. Sit Orntwtidjung
bt* -JJJarMiQii* 2&a}aint aufl btm (StfängniH
bon 6t. aJlargutritt. 9lad) btn aJHttbtilungtn
btl ©roftn i»6riffon. ^tft 140.
3ttmff(it, Vubwlfl in «tufttttin. ftritbrid) 6pitl»
b.agtn. .Otft 43. ÜJlit btm Portrait epitl«
bagtu'4.
3*1«, Chntle in ^Jaria. »aljac (in franjöTtfdxr
€prad)t) (in btutfdjtr epradx, libtrftot bon
V. 2.) Stft 37. WH btm Portrait 3ola9.
— Str WiidKr. Jloptttt. $tft 76.
„•Jörn, 'Dhtiipp in jrönigsbtrg. €tein unb bit
«tform btr prtu&ifdjtn »erroaltung. Ocft 79.
— 8lua altfranjöfiid)tu Sidjttrinntn. J&tft 144.
3M«ti0, «rincidk in Srtabcn. tfolgtr Srad>=
mann, «in bänifebtr Sidjttr. ixft 149.
Än» btr trittn fran<öufd)tn iJlationalbtr.
fatnmlunfl.. — 1871. — Wach Statin au» btm
'Jiadilaß tint» SUlüglitbt« btrf. QtH 6.
«Riticu*. Sit ftaatlicbt unb focialt «ntroidclung
3apan« in btn te|tCD J«b.n 3abrtn (1868 bi*
1H7S). 4>tft 26. 27.
«titf nitio, ». 3ftttaccc. ffilrft S9i«marrf an btr
C\abr<»rotnbe l«79. .\jtft 34. SJlit btm Portrait
bts t^ünttn ViSmarcf.
* t * £a« Stutfd)th.um in btn ruf R'd.itn Cilftc*
prooinwn. (cfi 35.
— «n m\d pon btr polit. SSartt. j>tft 40.
:Khtiianuo. Sa» btutfd^öittrrtidjifdjt «präocntio«
«ünbniB. Wl 46.
3. «. Sit unganfdit etaat»ibtt. i>«rt 67.
* « • Vrtufttu in »urbtfftn. Erinnerung tlltcl
alttn Cffijicr« an bic ^rtuHif*e «rptbition m
ifurbtfitn 1^50. jQ%<ft 68. 75. »I-
" * * (Ötbin Sdjiirt'itig.) In memoriam. S>ct 79.
* • * Str lUtramoutaniiinu* in Jtrau:rt.di unttr
btr Jltftauration. \>cft i>2. b3.
* » * 3ur Sbarafttrifticf «buarb 8a»fer«. $cft 85.
mt btm Portrait iiaaftr'*.
TO. ». in .vfonftantinoptl. «in Sanbfdjaftabilb
au» JHtin^iitn. fttft 92.
* , * itarl Wnion tfiirft pon .C»oljtiupIItrn*2ig»
maringtn. ixrt 92.
J». in Jötrlin. »eim Heid>»:onjIer ju ®aft.
4>tTt 97.
* 1815. — 1837. — \s^ä. 3«nt Rcbjigfttn
(MtburtStag unb fiinfjtgiäbrigtn Sitnuiubildum
unfert» .«anjltr». xvft 97. 3JMt btm Portrait.
3ung:»i»marcf» au» b. 3 1834.
* ttoloman Sisja. j^ft 107.
* iPattr ^tefr. ^th 121.
* Grüner ^tfunftfbaulcn. SCxft 130.
I. Ibfobor «torm. «in ffltbtnfblatt. veft 140.
-Sin bem Portrait Storm'».
* * • »ifrtb Ärupp. .veft 145. SRÜ bem sportrait
Jrrupp*».
*
ff
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XVI
3 rt Ija 1 1 sperjetAntfi.
Porträts aus „Zloxb unfc Süfc".
Vlnbrtad Wrfienbadi. Vt't 45.
8, «nwigrubtr. vtft 6.
iPtuhciö ittuerbadi, v.'t 14.
ihmie Wüßter, Ve't 26.
Wbolt »afiion, frft 149.
Gbuarb pon JPaiitrrtfelb, Vtft 143.
Stubol' Haimbach, Vtfl 74.
Ätinbolb 2*tflo», Vtft 30.
ftarl ^itotrnionn, <yfi 86.
Xttobor iiUUrotl). Vtft 141.
fturft iPiamartf, Vtft 3t.
3uno-^i«nwrcf, vtft »7.*
Wrnoib *»bcflin. t»cft 12.
ftritbricb tfoötnfttbt, vtft 117.
Gtrtti bu'-Poi^iHenmonb, Vtft 17.**
Vaul Börner, Vtft 104.
3obanne« löraliin8, Vtft 63.
Ofcorg itfranbt«, vtft 113.
Äarl :£raun-2ätttbabrn, vtft 67.
#rtt Varte, veft 44.
Van» t>cm ^nlow, Vtft 133.
Wilbtlm iSufcb, V<ft 11.
3Mori(j Garrtort, .vtft 8.
Grnft Gurtiu». vtft 106.
gtlir. ia&n, ixft 51.
füvbonl 2aubtt, vtft 131.
ftranj pon 2>tfrtgatr, $t»t 107.
Jran? Pon tingtlitebi, vtft 36.
iSruft Xohm, Vtft 31.
3 3. 3. »on XoeUtnfltr, vtft 32.
Wtejantxr üuma» Als veft 28,
Gkorg Gber«, <&eft 10.
3ofö Gditgarap, Ji>eft 120.
3acob pon »"volft, Vtft 92.
ttuno fttfditr, Vt*t 41.
Slrtlutr fvitfler, Vtft 105.
Jbcobor ofontant, vtft 39.
«oben erram. Vt t 112.
Warl Ski 1 ., vom 142.
2bto:>or Port .vrend«*, ^eft 84.
ü»u'tap irrentofl, vt't 2*.».
Xforeuj Gkbou, vtft ss.
Gtnauutl (Mäbel, Vtft 3.
iWiibdm Dan (tytfebrtd)t, #cft 71
SRubolf Omtn't, t»«ft 95.
Gbarle» Olounob, Ve't 102.
SHubol* Port (Mpttfdwü, Vtft 94.
fttrb. (Mrei-oroviuft, Vtft 6J<.
3ulf« <Wr.: t»o, vt't 10s.
»flau* Olrotb, Vt't Eft
»Tarl OJueforo, Vtft 18.
Or.ift .t>Qaf<I. vtft 110.
iMobttt vaintrling, ^eft 94.
GbuarD Van4lirf. Vtft 22.
Gbuarb Don Vartmann. Vtft 52,
Vtrmamt Vttberg, -,i>c»t 136.
Vtrmann pou vtimhon, vtft 66.
Vtrmamt Vtttuer, vtft 57.
^aul V«>ft, Ve't 7.
•itrbittanb v«Utr, $tH 54.
Vau» Voffmaun, $cfr 144.
«arl l>on voller, Jcef tt 35.
[fallt) Don Voletnborff. 47.
Vai.» tupfttt, Vtft 23,
>lio:::;i! vubtr, vtlt 27.
lUctor Vugo, vtft
fienri 3bftn, vcm BO.
%ii*ilbtlin ijcnfcit. veft 24.
3i. bolf con 3hcriitg, £tft 87.
3off»b 3oa*tm, ^»e*t 83.
JNoriB 3öfo», \Hfl 81.
BBUftdM Horben, i^ft 65.
Viarl ifllcfQHbfr, (MroBbtrjcnj »on
Jiüitnor, v<tt 121.
(Momrieb Sleller, &tit 60.
^uMüiij Mndn», vtft 40.
VUtrto Sfnipp, Ve't 145.
Vltolpi) i.''«rroii3c, £>til 55.
Gbuarb » aiftr, t>«ft s-}.
vctiiridi iiaubt, C><'t 15.
vJ)torij Vfl^iru*, .pt;i 48.
'^raiu i.'«iibact>, x?t'l 132.
«<0 XIII, V<ü 1 lö.
Ktrbinanb pon xitfltp«, §th 99.
»farl ^rKbricl) t'tfltnfl, .vtft 42.
•tan iw VtipalP, .vret US.
qjaul üinbflu, vt't 100.
\xrmortit fiuea, .vt«"t 124.
'r^ran^ iiitm, $tH 6.
XMtroitrjinu» form 116.
Dliibol'" ötrinon:! iroet, vtft 63.
äüilbtlin X'iibfe, vt't ».
i^abricl War, j£<eft 72.
«l'rtb l'iciHiitr, vt't 33.
Äbolt" i'Jtujd, vt't 33.
(5. 5. Wtntr, .Vt't I3n.
l4.laitl i'ltDtrbtirn, Vt't 50.
ftclbmarMiall dlmi ÜJäiitft, .Vf't 46.
t«. 0. lUoftr, \x't 113.
i'fa: a'tuUcr, f-eft 19
Slll'trt Üiitmann, *en 122.
War pou ilkttenfo'cr, ^<ft 82.
i_'„bipid thrtfd), vt't 137.
WuHcp bon *wtli*. t«ft 90.
ütopolb Pöit sRanlt, ^itfi 13. t
Grnü :Na<. an, vtft 135.
SU. V. iHitbl, Vtft 1.
Ctto Dtoquttte, $fft 73.
C. >r. «oitflgtr, V«'» 103.
SBilbaw Jlofdxr, <xft «6.
Muten 'Jftibinfttin. v«ft 26.
Mrottyrittj rfhabol', j&eft 146.
Xanttl Sauber*, vt't 134.
Btctortttt Carbou, c»^ 128.
Ä5oi' ,?ricbritfc<«rof P.€tbacf, $JJ9.
Ttrtö »Aaptr, (cfi 147.
3o tH)a)ictorPon€tbfffd, ^eftl6.
3i>lmuitt# «dxrr, v«ft 76.
Vtiuridi Sctlitmann, 4>tft 109*
Ittuin Sftucftna, V^*t 79.
&lara €i!)umann, vtft 128.
Garl «rdiun, £»e't 93.
l"i?uarj 2tmfou, .vtft lll.
Vtcolf €enntnthcf( $eft 10L
Sntbricb SpKlbagtn, ^,ft 43.
ttubtoig «ttub, $fifi 78.
3uliui» «locnwuitn, i&tH 119.
ilicojijr Ktomt, Vtft 140.
C<U)battn ^tratiä, t^ift 96.
tM.r.ictt ü:>r.>uiMi>nifl'tn (Hifcbttb
uoit Mumattltit), v«*t 5».
l'to t'^ra' iolftoi, *v<n 136.
3)uau Iurgtiijetr, vtft 20.
^\uU3 2>tmt, 114.
ftiibc>l; iHirctioip, i>tft 61.
tsarl iipflt, vtft
iRul ar> von iBoIfmonn, vtft 139.
lUidiaro 'MK Vc't 127.
lUidicrb Sita^ntr, vtft 21.
SW<i Otiten, vtft isa
öyafflti ^jüfiuinpttidj 2i«trtf*ogin,
Vt't 75.
Wittern poh ^iWruer, fiteft 63.
Gruft ^idtrt, .txft 77.
m>p:* 'ivUbrautit, vt't 2.ft
<*ru»"t von iL'ilbtnbrudj, v«ft 91.
»fairer Älil!>tltn, .Vtft 49.
3iiJiu4 Wotff, Vtft 68.
OiHtrliMte Wofttr, vtft 126.
ü-JUhfiju J'Juuit, -vtn 129.
Gmilc ;]ola, vtft 37.
*J *'odi tiittr im iVatnilienbtfH btfinblidicn 3tidinung aus btm ?abrt 1^34.
**> ?iact) ber CrißmaUtidmuna pon ÄbDlf Vicitjc! in s4.lriotograPÜrt POn Woupil u. Go. in ^ari«
+> 'J(art) btm C:ik.t inuiDc pou 3uitu4 Sdirabtr.
tt) Jiadi btm Gkmalbe doh oraiij ircnbadi.
Sämmtlictjc portratls ftnb in 31PC1 2lnsaabcn t»orrättjtg:
a) (SroT, c 2lus<jabc (ertrafetn auf <£binoiS'papter, ^ormat 58/49
1») Kleine 2IuSijabc (^ormat unb JJusitatturuj wie in „Horb unb Süb.")
Sämmtlte^c fyftc von „.Oorfa imb ^üt)^, fotrie 6te Portrait»
ftno — fotreit öcr rorratt? reidjl — öas ^eft 5UT» Pretfc ^4 2.00,
6as Portrait $um preifo pon «^4 (.50 für bic aro^e, cWL (.00 für
6ic fletnere 2Iusaabe 6urd? je&e BudyljünMung un6 poftanftalt ocs
3n? un6 Hu5lan^sy oöer aud> otrect von ber £>erla$sbud^f}anMung
4$d}0ttlarnl>tr in Breslau, Steben^ufenerftr. 2/3, 511 bojicl^en.
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(Dctofor
Seite
Valbert ZHeinfjarM in fjamburg.
Der £ot>ro. Horeffe J
Paul ZTleyerljeim in Berlin.
Die englifdje maierei in ben legten fünfjig 3ab,ren, mit befonbercr
Berüdfid}tigHng ber (Senre^ unb (Lttierbilber \7
3ulius <5rof)e in ZlTündjen.
£iterarifdjc Urfadjen anb iüirfungen 32
€öuar& Don ^artmann in Berlin.
lüie ftnbirt man am heften ptylofoptne? 50
TL Hogalla oon Sieberflein in Breslau.
(Ein ölicf auf bte öefdjidfte £njemburgs unb ber „£uremburger"# 72
3n>an (Eurgenjero f.
Der 3unggefeHe. Sdjaufpiel in 3tt>et Meten 91
Paul Cinfcau in Berlin.
2luf bcr\fatirt nadj Spanien U3
Clemens Sofal in tDien.
Ctn Koman ber ejperimcntirenbcn pfydjologie 131
Bibliographie 138
€. Sdjlogintofit, 3nbien in IDort unb öilb (mit Jüujtrattontn). — <Srea.otopius,
«cfdjldjte ber Stobt illben im OTUUlalter.
mufifalifaje £iteratnr \\\
BibliograpWdje HoH3en \\\
^ter^u ein Portrait von Julius <S reffe.
Habirung von 3obtann £inbner in iTtündjen.
»Horb unb Süb* erfdjdnt om Jlnfana. jrbes OTonats In Qeften mit je einet KunjlbeilafC.
-- i preis pro Quartal (3 $efte) 6 mar!. — —
Ilde »udjb.anbluna.en unb pojtanftalten nehmen jeberjrit öefleHungen an.
21Ue auf ben refcadionellen 3nfyalt von ,,4Dorb unb <&üb" bc-
3ÜaHdjen Senöungen ftnö ofrne Angabe eines Perfonennamcns $u
richten an öie
Hefcaction oon „J&otb unb jg>ub" Breslau.
Siebcnfyufenerftr. 2/3.
Beilage 5U 6iefem fjefte
oon
3. «»flclljortt, Stuttaart. («ngel^orn's allaem. Homanbibliotljef).
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Verlag von S &fo4itanchr in 3f*»t*u
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ZXoxb unb 5ü6.
(Eine 6 e u t f d} e tflonatsfdjrift. •
herausgegeben
con
Paul Cinbau.
LI. Sanb. — ©ctober (889. — fjeft (5(.
(mit einem Portrait in SaNruna,: Julius fitojfe.)
23reglau.
DrncF uub Pcrlag von 5. £d?ottlaeubcr.
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Der iovvo.
Von
Valbert ItteinfjctrM.
— Ratnburc. —
m Sd)lofef)of ftanb ber tfutfdjterroagen angefpannt. £er lange
SHauric madjte fidj nod) mit ben Spf erben 511 fd^affen. Gr 6e*
füllte Ditemen unb 3ü$el, 50g bie Xrenfe fefter, Köpfte be-
gütigenb bem £anbgaul ben fd)lanfen tfopf unb flaute bajroiidjen unruhig
ju ben genftern Innauf. G3 war ein fd)roüler Septembernadmtittag. 3tuf
bem £ofe rurjte bie Arbeit, fein flned)t unb feine 9ftagb liefe ftd) bliden,
2llle3 [tili. — Gin blonber flnabe fam au£ bem &aufe herbeigelaufen,
ba3 5tinb be3 £eutfd&en, roeldjer ba$ Sdjlöfedjen f)ier beroofmte, feitbem
er brunten im Saoetrjal, in ben ftabrifen ber frainerifdjen 3nbuftriegefeH=
fdmft als Xirector angefteflt mar. X)er kleine t)attc fein Slooenifa) mit
bem (Sprechen sugleid) erlernt unb mar gut greunb mit allen Seutcn. Gr
fprang auf ben Sfiauric 5U, erroartenb ber alte StaHfnedjt merbe tfm wie
fonft auf'3 ^>ferb beben unb mit Unit fpielen. Ter aber ftanb, ben ftopf
oorgebeugt, mit gcfpreijtcn deinen, in fjordjenber Stellung unb beamtete
tlm gar nid)t. Tag ftinbergefidjtdjen oer$og fid) jum ©einen. Gnttäufdjt
madjte er fierjrt unb flctterte mit feinen finden, runben ^Beina^cn bie
Stufen mieber hinauf, feiner Xante entgegen, bie ifjm gefolgt mar. £a3
Jyräulein 3lnna führte iljrem trüber ben <gau£ijalt feit bc$ Knaben Sftutter
geftorben. ^n ben roeuigen Monaten ^atte fie nod) ntd)t $eit gefjabt, bie
fianbeefpraa^e ju erlernen. Sie ging auf ben 9)iauric ;>u, rote §ülfe be*
gefyrenb, unb ftanb unb brüefte it)re .§ünbe ratfjloS ineinanber.
2lber jroei gute unb erjrlid)e sD?enfcf»en, bie be* gleiten Sinnet ftnb,
foßten jfid) oerftänbigen fönnen, felbft roenn bie Gine eine Xeutfdje, ber
SInberc ein frainer Slooenc in. Xer ßned)t begriff bie bange 9tngft in
l*
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1
Der £ooro. 3
ben Reiben. SBieber fal) fic mit ftefjenbem 33licf ben 2)?auric an, als fei
von bem nodj ^filfe möglid). Der ßnedjt war, als er ben &erm fommen
faf», ifnn entgegen getreten, fo weit bie ijügel es erlaubten unb lüftete
refpectuoU bie SJiüfee.'
„&err," begann er mit bittenber Stimme, „£err, neljmt midj mit
auf bie galjrt ju bem ßirdjlwf. iBebenft bod), ber Sooro . . ."
,,2lü) ja, ber £ooro," fiel 2lnna ein, bie enblia; begriffen, mo^u ber 92ame
beS Zaubers nujj fei; „et lauert Dir auf, er fott, erjagt man, fidj gerühmt
^aben, alle Deutfd)en töbten ju motten. Sßenn er Did) träfe . . ."
^oljner mar nochmals ftel)en geblieben. Sangfam fat) er oon (SHnem
jum 9tnberen. — „&abt 3()r wof)l gegen midj uerbünbet, bafc idj nid)t
fort fott? Unb mit bem Räuber roollt $l)x mid) fdjrecfen? Steine idfj Gua)
fo furcfjtfamer 9Irt ? Den £ooro Ijat nod) 9!iemanb gefefjen, als ein paar
ängftlia)e 33auernburfd)en unb ber alte Curat. 9Kid) fällt ber nid)t an, ba
bürft 3fjr ruf)ig fein. Unb trenn aud) — £ebt wol)l, idj muß I;iuauS."
„60 nimm ben SJiauric jum 2Jtinbeften mit," rief 3lnna, „baft Du
nidjt ganj allein bift."
Unb SWauric: „&err, lagt mid) @udj fahren, mie icbeSmal bisher,
id) bitte!"
Sie Ratten fidj Seibe an ilm gebrängt. Unb nun fing baS ftinb,
bas mof)[ oon ben 5Reben mefjr, als ilwt gefunb mar, uerftanben fjatte,
flefjentlid), bitterltdj an ju meinen: „23tetb, Später, bleib!"
6r Rüttelte linfs unb redjts bie Seiben oon fidj ab. 9ftit rafdjem
®riff fwb er ben Knaben auf feinen 9lrm: „Du roeinft nid)t, rjörft Du!
Du bift mein tapferer Surfd) unb wirft Deinen $ater nid^t leiten motten,
roo ilm baS &er$ ju gelten treibt. SSemt Du erft groß bift, roirft Du'S
begreifen, bafe er fort mufe. Sei ftitt, fei brao. itofc Dir oon ber £ante
ersten, roie fdjön es bei ben ©rofeeltem bafjeim, in Deutfd)lanb, ift.
Unb bann bringt fie Dicr) in'S Seit unb Du fd)läfft gleid). Du oer*
magft es ja noa;. 3Hein flinb, leb' wol)l!"
Gr fjatte ben flnaben ju 23oben gefegt, liatte 3"<jel unb ^ßeitfdje er*
griffen, fia; aufgefd&roungen, ben gieren baS 3^<§cn jur gafjrt gegeben,
beoor if>n bie Ruberen $u galten oermodjt. fiaut auffdjreienb mollte ber
ftleine ben ^ferben nad)laufen. gaft märe er unter bie dläoex geraten.
Der 2)touric mujjte ilm bei Seite reiften, gräulein Huna if>n 3U be*
ruhigen fua;en. Unb injtoifajen mar ber 2$agen jum ^oftf)or hinaus
baoon gerollt, unb fdjon nid)t me^r su feljen.
3n breiten Söinbungen für)rt ber ga^rroeg um ben bidjtberoalbeten
Sd)lo§berg jum See ^inab. (SS fä^rt fia^ gut auf ber glatten Strafte,
gut unb fdjnett. ^oljner ^ob ben ftopf aufat^menb. Das feige Sdjroanfen
unb Verjagen, baS i^n biefe ©odjen 3U Soben gebrüdt, loar überrounben.
@r mollte roieber. Cb fdjledjt, ob red)t — baß er nur mußte, roaS er mollte,
war fa>n ©eroinn. Qx ließ bie 2lugen über baS weite Sanbfd^aftSbilb gelten.
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4 2Il»albert OTcinfjarM in fjamburg.
war if)m früher Reiter erfdfjiencn. 9?un meinte er, bafc See unb Serge,
unb fiuft unb £aub mit itjm Trauer trügen. Proben auf bem fernen Schnee*
fe(b bes h°hen Xerglou lagen fdjwere SEolfenfdjatteu, brüclenb, wie bie Safien
be$ Schmer^ auf feiner Seele, @in$ig ber grüne fteiSrunbe See mar von
einem Sonnenftraf)le licr)t getroffen, baß bie alte 9BaÜfa^rtefitd^e auf betu
Snfeldjen in ber Sflitte weiß erfchimmerte — wie in Sfjränen. Unb au£
ben ©arten ber Hillen am Ufer beugten hohe Xrauerweiben fid) nicber auf
baä fülle SBaffer; leifeflnthenb nefcte e$ ihre feingefieberten 3weige. 2>a£
©lödchen vom Onfefujörtr) flang flagenb, fein Sufthaud) regte ftch, bie 23lätter
flüfterten faum: nur Inn unb wieber löfte fich eines, gelb geworben unb
flatterte herab unb blieb am Soben liegen, weif unb tobt, $odj weiter,
ba er $u bem Sorf fant, Hang ihm lautet £adjen entgegen unb mifjtönenbe
SJiufif. $n einer Sdjeune warb getanjt. £ie rotten diöde ber 2J?äbchen
flogen; in bem bidjten Staubnebel, ben bie nägelbefajlagenen Schuhe aufge=
wirbelt, breiten fidj bie emfigen $aare, mit Sauden unö Stampfen,
«flach ber feierlichen 2lnbad)t oom borgen beburfte ba3 SSolf $u feiner
©rfjolung einer lärmenben greube.
3ied;tS unb linfs in ben sÄirtl)ol)au^gärten faj^en bie 3e^er« ^a
&oljner oorüberfufjr fdjrieen fie ihm Merlei nach, was nicht freunblia) flang.
©3 waren Slrbeiter barunter aus ben gabrifen unb Anette oom Schlofj,
benen er £ofm gab, benen feine junge grau ©uteS gethan. (Siner, ferner
betrunfen, Ijob fid) oon ber iöanf unb taumelte, fa^wang einen Stein unb
fdjleuberte ifm, bafc er beö Jahrenben Schulter ftreifte. <Sr hemmte bie
^Jferbe, er blitfte fich um. Xa 'brücfte ber Mann fa^cu fich in ben
Statten jurütf, bie Sdjimpfreben fdjwiegen, unb &ol$ner fuhr weiter.
(J3 war ü)m gatt3 redjt, bajs er wieber einmal bicfen 2lu3bruch be£
unbefiegbaren ÜHationalitätenhaffeS erfahren hotte; ganj red)t, fo wieberholte er
fid). Sie, fein armes junges :2£eib, mit ihrer Jreube am 2Bof)lthun, war eS
gewefen, bie il;m immer jurebete, 5um ©eftcu ber Arbeiter Sßläne $u machen.
3n ber erften &'ti i()rem Xobe ^atte et in einer 3lrt oon pietätoollem
Aberglauben nod) an jenen Seftrebungen feilgehalten, bis allmählich
feine Gräfte, oon ihr nicht mehr geflutt, erlahmten. Unb fo war auch in
biefem £lnm iljm eine erbittembe lieber läge nach ber anberen geworben,
wie in 2lUcm, feitbem baS ©lüd oon ihm gewidjen! ^eslr)al6 erfd^ieneu
il;m jene Schimpf reben unb ber Steinwurf glcichfam wie eine $robe auf
ba3 Jacit, baö er fid; felber auö feinem Scbeu unb Sirfen gebogen.
Gx hatte bei bem fchneHen Jahren bie ©ebanfen nach innen gerichtet unb
nid)t auf feinen ^>eg geachtet, ßin altes äöeiblein, barfuß gebüeft, auf
bem 5lopf einen großen, flachen ilorb mit bunten Büchern jugebeeft, fam
bie Strafe baljer, gerabe auf bie ^ferbe 51t. &citte fie nicht im legten
SWoment noch ihn angerufen, er würbe fie überfahren haBen. 3lnn lenfte
er rechtzeitig auf bie Seite. Cr fannte bie ^änblerin, bie mit alten
Stidereien unb 2)auernfd;murf fid) überall haufirenb umhertrieb. 3m legten
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Der tovvo. 5
5J£iuter f>atte er fie einmal com &ofe geroiefen, weil er glaubte, fie auf
einem £iebftaf)l ertappt $u faben. Aber fein SSeib, ba* iljr fdfan früher
manefa* f)übfcfa Stüd oon sweifelfafter Antiquität abgefanbelt, fatte fie
in Sdfafc genommen. 2ßem fie gegeben, beu tonnte er jefct uid)t mit
leeren £änben von fidj gefan taffeit, 3m 2>orüberfal;ren griff er nad)
fetner Sörfe. $ie Alte jebod), bie fonft feit jenem Vorfall einer ieben
Begegnung mit ilmt ängftlid) au*gewid)en mar, fd)ien feilte au ber ein-
maligen ©efaf)r nod; nidjt genug ju faben. Statt fidj für feine ©abe $u be=
banfen, falte fie nod; ben Jtorb vom tfupfe unb fteßte tjm falb auf ifa
${nie, falb auf ein* ber 9iäber, fo bafj &ol$ner notfaebrungen falten mu&te, ,
wälnrenb fie begann, ifjre Söaare ifat anjupreifen.
,,3d) taufe nid)t^/' fagte er.
„kaufen V wer rebet benu baoon, lieber, gnabigfter £err! SBeifc id)
bod) wof)l, bafj 3fa bergleidjen jefet nimmer braudjt. sJhir anfafauen tlmt'*,
weil bie gnäbige grau iljre greube an ben Sadjeit gefabt faben würb'.
Scft ba ba* flettt mit bem Äreuj. 2i>enn fie nod) lebte, fie faufte mir'*
ab. Unb mir fanbelten brum unb ladjten baju, weil fie fo f)übfd) unf're
gute Sprache ju reben uerftefjt. $a, ba* &al*fettlein würb' ifa geftanben
tjaben! 3$ möd)t', id) tonnt'* il;r nod; perraufen, um ben falben $rei*
wollt' tay* i\)x gern laffeu. 2£iffet 3l;r nm*, £err? — Sfyx fatjrt §um
ftirdjfaf jefct, ntd)t roal;c ? faljrt $l)x bod) immer borten; alfo faut aud)?
9tun, fo nefait'* unb legt'* ifa auf* Gkab oon ber alten Urfel."
„33efalt $eine Jlette," fagte er rauf). (£* tfat ifat wef), bafj aufjer
ü)m 3em<*no ifa gern nod) eine $reube gemacht faben mürbe.
£ie Alte tiefe fiel) leicht erbitten ba* Sd)mudftüd wieber an fid) $u
nehmen, $aftig fdfab fie e* jurürf in ben Horb : „sJJun, wie 3fa wollt.
£od) 3fa farjrt jefct junt Äird&faf?''
,,30!'' fagte er. Gr fab bie ^eitfdje, bie beibeu Traunen trabten
r»on bannen.
2)ie Alte ftanb nodj unb blirfte unter ifaen meinen brauen mit
fpäfanben Augen bem ^agen naa). 3n eine 3i>olfe mirbelnben Staube*
eingefüllt uerfdjwanb er balb. ®a nafat fie ifjren Horb wieber 00m
tfopfe, fteUte Um unter bie nafa <gede, bog noef) 3ioeige unb Blatter bar=
über, bafj man ilnt nia)t fefan foUte, fd;lug mit jroei Ringern ba* 3eidjen
bc* Äreuje*, unb nad)bem fie alfo tr>r (Sigeutfjum in ben Scfut be*
Gimmel* gegeben, blirfte fie nod; einmal um fid), nad; allen Seiten, fafjte
bann ir)re Diode rafa; jufammeu, fcflüpfte smifd^en ben Räumen l;iu=
burc§ unb lief querjelbein, grabeau*, fo fd;nell iljre nadten güfee fie
tragen wollten.
^)em gortfafjrenben waren bie Begegnung mit ber &änblerin unb
ifre gragen längft wieber au* bem Sinn gefdjwunben. Ohe fatte ba*
Xorf im Dlütfen gelaffen. 2)ie (Sfauffee überfteigt l;ier einen ^ügel, ber
riegelartig ba* Herfen bc* See* oou bem tieferliegenben Saoetfal fd^eibet.
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21 Valbert tlTcintjarbt in Hamburg.
2luf ben blättern ber Sogelbeerbäume §u beiben Seiten lag bitter ©taub,
faum bafe bie rotten grucljtbünbet bajwifd&en aus bem allgemeinen ©rau ju
erfennen waren. 2>ic fremben SaQfa^rcr, bie in ©paaren ben oorigen 2ag
unb bie 9fad)t I;irtburd) oorübergejogen waren, um fjeut in ber grüt)e bei ber
9Keffe auf ber ^nfel im See ju fein, festen jefet noa) nidjt fjeim. 9hxr
ein Settier ftapfte bat)in, auf feinen Steden gelernt, mäljrenb ifjm $mei
mübe ßunbe ein Sßägeldfoen feudfienb naä^fajieppten. Unter bem ßinnenbadj
be$ Äarrenä tag feine 2Ute. gur ftc fjatte er bie muffelige Öittfatnt unter=
nommen. Sie mar franf unb getarnt, aber boefj nodt) am Seben, bodj nodj
bei ifun. — $ol$ner wenbete ben flopf ab. 9luf ber anberen Seite be3
2L*ege3 ging ein ©eiftlidfjer. 2Bie rüftigen 3JhitJ)eö ber alte $err bie Strafe
ehujerfajriit; bie argbeftaubte, geftidte Soutane aufgefdjürst, bie ^ofen in
ben Stiefclfdjäften, ba$ rot^e, gutmütt)ig runbe ©efio^t ftrat)lenb oon Se*
friebigung über bie gehabte (Erbauung ! Xa er be$ gafjrenben Stiel bemerfte,
lüftete er ben großen £>ut, unb inbem er mit feinem blaufarrirten Xudtje ben
perlenben Schweife oon ber Stirn trodnete, rief er mit fräftiger Stimme
jum ©rufce: „Saloe! rcünfd/ eine gute gatjrt unb glüdtidfje £eimfel)r,
©ud) wie mir felber."
£er Silagen ftürmte jagenb oon bannen.
©lüdlidje .§eimfel)r! $Uang'$ nidjt wie #ofm auf ba$, was er im
Sinne führte? Sßieber fal) er ber Sdjjwefter angfterfüüteä ©efia)t, feines
ßnaben Xfjranen. 2lber er wollte nid;t rüdwärta bltden. 2Bie er biefe
Söoäjen oerlebt, fdt)laffo£ unb bodt} f)alb wie im £raum, ba3 mar fein
Seben rnetjr. £)iefe lefete, fdjredlidfje, enbloS tange 9taä)t mar er mit ftdj
fetbft fertig geworben, Ijatte abgefcfjloffen mit feinem ©ewiffen. @3 giebt
feine ^flidrt, bie t)ötjer ftet)t, atS bie gegen fidt) felbft. Unb fein eigenfteä
Selbft, fein ganjeö Siefen mar ifjm gemanbelt unb oergiftet, bafe it)m oft
bang warb um feinen Serftanb.
3a, er war einft mit ooUen Segeln fjinauS in baä Iaa>nbe £afein
gefteuert. 3a, er tjatte fjofje «Pläne im £im getragen; für fid&, wie für
Rubere, fjatte ben beften Hillen gct)abt, (5twa§ $u leiften. 2lber e$ mar oorbei
mit bem 9flutl) unb oorbei mit bem Sßitten, feit fie gefiorben! 3n feinen
©ebanfen fniete er nrieber an itjrem £ager, auf bem fie leblos auSgeftredt
lag, Slumen $u Raupten, Slumen in it)ren tobten &änben. —
9lm borgen, ba er fortreiten gewollt, t)atte fie it)n nod) bie Xrcppe
fjinabbegfeitet, war auf ben Stufen oor ber £auätl)ür fteljen geblieben,
ifjm äusufefjauen, wie er auffafj. 93om ^ferbe nieber t)atte er fidt) ju ifn*
gebeugt unb ifjre blaffe Stirn gefüfjt. (rr fragte fie, wie fie fidt) füljle.
^a wiegte fie iljren blonben ßopf lädjelnb unb fdfjalt i^n überängftlic^.
2tls er fcfjon am ,^oftt;or war, rief fie it)m nodt) nad), fidt) nidtjt ju eilen,
nidt)t um fie 511 forgen. Sennoäj t)atte er ben Umweg ju bem alten 31r§t
gemadjt, ber am See unten wolmte. Xer tjatte, wie fie, ben flopf ge»
fdt>uttelt ; es fei nidt)t^, unb er bürfe rut)ig fein. #reiltcf>, wenn ba« 5linb
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Der £ooro.
erft ba fei — er felje burdjau« feinen ©runb, biennal ängftlidjer \n fein,
al« uor brei Sauren, bei ßarl« ©eburt — , bann müffe grau 9)?arie naa)
Seutfdjlanb; benn ma« fie blaft unb ftitl gemalt, fei nur ba« &eimmefj.
Söenn fie e« aua) nic§t geftefjen würbe, weil fie wijfe, baft if)r Sftann nid)t
fortgeben fönne, unb fie fiä) nie von ifmt trennen wolle, ba« Sefnien
jel^re an irjren Gräften. 2lber e« fei babei für'« (Srfte nid;t« 5U tlnm
unb nta)t« $u fürajten.
2llfo von bem alten #reunbc für ben 9(ugenblid beruhigt, war &oljner
naa) ber gabrif geritten. erft gegen 2lbenb fefnle er f)eim. 2>e« Doctor«
2$agen ftanb im Sd)loftf)of. 2lber ber Doctor lieft fidj nidu" bliden.
S« faxten ifmt befrembenb itiH im £au«flur. 2luf ber treppe traf er
feinet Knaben Wärterin. „©« ift ein 3Jiäbd>en", fagte bie Slawin, fonft
weiter nia)t«, unb lief oorüber. — (Sin Sfläbdjen! ©r muftte, wie feljr
fein SBeib fia) bie«mal ein 2öd)terd)en gewünfajt l)atte. <*r fprang bie alte
treppe rn'nauf, jwei Stufen 3ugleid>, unb ba« &er$ fä)lug ifmt tjöfjer. Die
Steife naa) Deutfdjlanb war fdjon befdjloffen. Cb bie gabrif barüber
ftillftanb, ba« foUte ilm nidjt Ijinbem. ©r ging mit i^r unb beiben Äinbern!
So trat er ein. Der Doctor padte ifm am 2lrm unb f)ielt it)n jurüd.
£« war bunfel im Limmer. Unb uom 23ett r)er flang e« wie Stölnten.
Der Sitte rang mit feiner Stimme, wollte reben unb brachte fein 2£ort
fjeroor. ©r aber lieft fid) nidjt galten, er ftieft ben 2lrjt bei Seite, maajte
jitt) frei — „SKarie!" Da richtete fie fia) auf, bie weifte ©eftalt. „SWeln
£iebfter, nun fcrje idj bie £eimat nid)t wieber, nun muft iä) Dia) boa)
QÜein laffen, unb . . . leb' wofjl, leb' wof)l!"
Damit war e« gefa)ef)en. Still lag fie oor ilmt, ftarr unb falt. —
2öa« bann mit ilmt geworben war, wie ber Doctor tt?n fortgefa)(eppt
&atte, tyalb mit ©eroalt, unb wie er boa) immer wtebergefefjrt ju ifjrcm
Öette unb fta) oerjweifelnb be« Sttorbe« gejieljen, faum wuftte er'« meljr.
Der alte 3lr3t f)atte ifmt mit oielen ©riinben, mit langen mebictnifa)en
tarnen ju berocifen gefugt, baft nia)t £eimwefj an ifjrem Dobe bie Sdmlb
tragen fönne. s28a« lag aua) baran, ma« fie getöbtet! Sie war tobt.
Unb fie tjatte &eimmer) gelitten, .fia) fortgefefmt, obwohl fie bei ifmt war.
2ln biefen jwei Dl)atfaä)en war nia)t« 3U änbern. 23ie bie eine ©egen*
wart unb 3ufunft, 1° »erbitterte i^m bie anbere feine gan3e Vergangenheit.
6r tjatte fia) genug 3)?üf)e gegeben, bie 2Boa)en l)ex, fein Seben ju
leben, wie er muftte. ©« ging einmal ma)t. Seit i^m ba« ©röftte mift*
lungen war, fein 2L>cib ju beglüden, 3weifelte er an feinem können in
allem Slnberen. ^)ie Arbeit erfd)ien tym fa)aal unb jwedlo« ; bei Dingen,
bie er bi«f)er felbftoerftänblia), ol)ne oiel naa)äubcnfen, getljan, muftte er
fta) jefet immer fragen: SBoju ba« 3llle«? Sem jur greube? — Unb bei
bem meiften £f)un auf (Serben lautet, wenn man bie Jrage erft fo [teilte,
nur ju oft bie traurige Antwort: deinem! — Jür wen bie Verbefferungen
in ben gabrifen, für wen bie Strenge gegen bie Arbeiter, für wen bie
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Valbert OTeintiaröi in ftambnrg.
fetbftgefd^affencn $flia;ten? gür baS 9Sotf bier? 2)aS ^afetc ibn nur, betrog
if)it, wo er ben dürfen gewenbet. gür bie Seinen? — £aS f leine 9Hübdben
mar geftorben, am 3Tage nad) ber 3J?utter. 2)er Änabe modjte fünftig fidj
felber belfen, wie er felbft es einft getban. Ginftweilen foflte er fort von
bier, fort aus ber flaoifc&en Umgebung, bie ibn oerweidbtidfjte unb oerjog.
GS war fa;on beftimmt, baß er nadj $eutfd&lanb gefeiert werben follte,
5u feinen eitern, bie fidb bes Gnfels freuen würben. $ort brauste er
ben SSater nidjt, mürbe ibn balb genug uergeffen. Unb wenn baS ßtnb ging,
mußte 3lnna es begleiten. Sie füllte fidt) bier wie in ber Verbannung.
Gr wollte ntajt auf fein ©ewiffen audb bie jweite Sünbe laben, baß feine
Scbwefter wie fein Söeib fyex an £>eimweb $u ©runbe ginge. 2lnua batte
erflärt, fie fönne ibn, fo wie er jefet fei, nid)t oerlaffen. Nun gut. So
gab es eben nur baS eine ©Uttel fie frei p madjen unb fid) unb 2We!
2So oon ber breiten Gbauffee ein Jelbweg gen Horben fid) abzweigt,
ba lenfte föoljner feinen 2Bagen jur $ölje. SDie Dornbeden ju beiben Seiten
waren mit großen, wctßblumigen, buftenbeu Sßinben bid)t überwachen,
auf ben gelbem ftanbeu Cbftbäume frudjtbelaben, unb $in unb wieber
blifete awifdjen bem grünen ©ejweig ein :8lid auf ben fernen £erglou*
glctfdjer auf, auf ben fleinen See im ©runbe, mit ber 2ßaUfar)rtdfird^e
inmitten unb bem Sd)loß auf bem &ügel am Jianbe. 2Iuf ber &öbe aber,
3U welker ber 3£eg burd) bie gelber emporftieg, §ob fidb, ^on ben fdjwer*
grauen Wolfen, bie ben 2(benbbimmel bebedten, fa)arf abgejeia^net, bie
lange weiße 2)touer bes HirdbbofS. Xort lag fie. Dort war fein 3**1
für beute — unb für immer. GS gab ibm ein ©efüf)l ber 9tube, wie er
lange es mä)t mebr empfunben, biefem 3'el fo nabe 3U fein. $ie 2i>ange
in bie Sinfe geftüfet, faß er auf bem (leinen ätfagen, ben bie beiben
Traunen im jdjaufelnbcn Sdjritt burdj bie ausgefallenen gurren bes
gelbweg» gemäajlid) aufwärt» fd)leppten. $>te $anb mit ben 3u3em fu'ng
läffig nieber, bie ^eitfdje ftedte in ifjrem £>alter. Gr träumte uor ftdr)
bin; ein Sädbeln, faft bes ©lüdeS, ging um feine Sippen. £>enn er war
nidjt allein jefet, war niajt traurig. Sie war bei ibm. Gr fab fie als
flinb, als 9Jtöbcben, als 2kaut. Gr fdjaffte in bem Sdblößcben bort, bie
oerwabrlofteu alten Zäunte für fie Ixrjuricfjten. Gr füljrte fie ein, bie
junge Herrin, in ibr neues £eim; er fab fie am geufter fteben, wie fie
mit berounbernbem Slid baS Sanbfa^aftsbilb betraajtete ; iab, wie fie mit
einem reijenben Grrötben, ftammelnb noa), bie erften Sporte in ber fremben
Spradjc fagte, feinen 2Irbeitern jur Begrüßung; fal; fie im 33oot über
ben See rubernb an bem erften 2Jfarientag, ben fie bier mit ibm oerlebt
Die großen, fladjcn Sattfabrerfäbne glitten oorüber unter eintönigen
iöittgefängen, weiß flimmerten bie Hopftüdber ber aöeiber, unb oon ber
3uje( flang baS häuten. GS gebt bie Sage unter bem $olf, wer bort
am ÜHarientag bie ©lode ^iebt, baß fie &ell flingt, bem erfüllt ftcb ber
iöun|d), ben er babei im &erjen Ijegt. Gr t)atte fie gefragt, ob fie aud)
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Der £ooro.
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an bem ©locfeuftrang läuten wolle? Sie aber fjatte — er wufete e3 fo gut
noa)! — ifjren feinen Äopf gefdjüttelt; if>r (jabe baS 2ßunfa)glödlein nid)t£
mefjr Iju geben, fic beftfce ja 9llle3, in i()m unb mit ifjm, was nur ba$
^erj begehren tonne. — Unb bann faf) er fie neben fia) §ier auf bem
fleinen STUagen, auf biefem 2?ege. Proben bie weifee Äira)f)of3mauer, an
ber (Sde baoor bie fjalbrunbe Capelle mit ber grofeen, grellbunten 5freu$i=
gungägruppe. — „9iia)t mafjr, jagte fie leife, f)ier f äf>rft Xu mia) nid)t
mein" oorüber? ÜRir ift bang f)ier. 3°) fürdjte mia) cor bem $ird)f)of.
3a) möchte nid)t fterben, noa) lang', fefjr lang nia)t. ©rft ein reid)eS
Seben mit Xir, mir wollen fror) fein Söeibe, Xu follft oiel nüfcen unb
roof)ltf)un. Unb bann, wenn e3 fein mufe" ....
„6$ mufe fein!" fpraa) er laut in bie Seere fjinauä.
Xa tft'3, als foßte ifyn Antwort werben. 63 gel)t ein plöfelid)er
£on bura) bie Suft. ©ine Secunbe ftef)t ilmt ba3 #er$ ftiU. Xann flopft
e£ befto lauter, t)ämmernb in ber ©rroartung beS Unbefannten. ©in
Sa)wirren flingt ilmt am Cfjr, ein Saufen, ©r wirft fia) rüdroärts, er
reifet an ben 3"9el«/ ba& bie $ferbe fia) bäumen. 3uötöd) jueft e3 if)m
burd) baä £irn: Xa3 ift ber Räuber! 2llfo boa)! — Unb beoor er nod)
rea)t weiß, bafe if)m bie ftugel fjatmloS am Cljr corübergefauft, ift er
fa)on com Socf gefprungen, ftef)t auf ben Stufen ber 5lreu$igung3fapeHe,
jerrt hinter bem ljöl$eraen, blauen -ÜJJantel ber ©otteämutter einen 2ftenfa)en
f)eroor unb ringt mit ifjm unb wirft ifm &u 23oben. 2Sa3 er babei benft?
er, ber nod) foeben ben Xob fid) erwünfa)t fjat? ©r benft nidjt, er fefct
feine Kräfte ein unb fämpft unb wefjrt fid) feines Gebens mit inftinetioer
£eibenfa)aft. Unb ba er ifm naa) hartem fingen in'3 Äniee gebrüdft:
„Xu bift ber #ouro," fpridjt er auf flrainerifa), „oor bem alle Seute
gittern. Xu meinft wof)l aua), ia) foüte mia) beugen unb bei Xir für
mein Seben betteln?"
3ener fua)t nur, fia) frei ju madjert.
„9Ua)tS ba!" ruft ^o^ner; „Xu bift t)ier in meiner ©ewalt, nid)t id)
in ber deinen. Sa)au fjer" — unb er jiel)t aus feiner 23rufttafa)e baS
^ifiol, ba3 er in einer ganj anbeten 3l£>fidt)t mit fia) genommen. — „Xa£
baa)teft Xu nidjt, als Xu Xia) t)ier auf bie Sauer legteft? Xu trauteft
mir fold)e 5Jeigr)eit nia;t §u? 9^un, id) banfe für bie gute Meinung."
Xer Sooro fauert sufammengebuett, wie er il)u niebergeworfen ^at.
„Unb wenn Xu j'micj) nun erfa^offen (jätteft unb bätteft wirflia) bie
paar ©ulben erbeutet, bie ia) bei mir trage, was tljäteft Xu bann?"
Heine Antwort.
„2lus Xeutfd;en^aB treibft Xu ben Straßenraub? Xa3 mögen Xir
bie dauern glauben. 3a) nid)t! 3$ weife, Xu fielft mid) ftn, um mia>
5U befielen. Xu bift ein Xieb, ein gemeiner Xieb, ber nadjfjer mit
feineSgleia)eu bie Seute oertrinfen wirb ober oerfpielen."
//^err!" fo fäljrt jener in bie ^öl;e. Xer Hantel, mit bem ersinn
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{0 Valbert ZTTeinf}arbt in Hamburg.
unb fangen ftdj oer^üllt Ijat, will i^m nieberglcitcn; er jiefjt ifm fefter.
2lu« ben tiefliegenben flaotfd^en 9lugen blifct e« unljeimlidfj. @r fjat mit
ben gingern taftenb, oorfidfjtig, feitmärt« gegriffen, wo feine glinte liegt,
bie ^ol^ner ilnn au$ ber #anb gefd&tagen.
Der aber fieljt bie uerftetfte Bewegung. „9?ur ju," fpridjt er falt unb
freuet bie 9trme, „wenn Du mein Seben begefjrft, fo nimm'«. Du finbeft
bei mir etwa fünfjig ©ulben. Dafür wirft Du oerfolgt werben — anber«,
fein* otel f>artnädiger al« bi« f)eute. Unb gefangen unb hingerietet."
„3 a," fpridjt jener bumpf, „id; weife e«. 6« ift fd&on fdfjltmm genug,
wie e« ift; e« wirb nod) arger fonuuen. 2lber id& fann nimmer jurücf,
wenn td)'« audj mö<$t\ Denn lafe id; @ud> (eben, fo jeigt 3§r midi an."
„$?einft Du?" fprid)t ^otjner. „So lafe nur Deinen 3Jtantel fallen.
2Ba« fdfjabet'« benn, wenn Du midj töbteft, ob id) oorljer Deine ,3üge fat) %
Dann «errate id; Didj gewife nidjt. Unb wenn Du midj nid&t töbteft —
ebenfomenig. Du willft mir nid;t glauben? 9ttein SBort barauf. 55>c^r)at6
idj Di<^ nid)t oerrattjen fann, ba« tfjut f)ier nicr)t5 jur Sadje. 2lber, ein
9lnbere«: — Du felbft wirft Did) ben (Gerieten [teilen. Unb ljeute nod)/'
Der Slaoe fdjüttelt nur mit bem flopf. Drofeig feljrt er fidj ab.
„3$ will'«/' ruft föoljner, „Du foUft gefjordfjen. $er|lel)ft Du
mid;?" — (5« fjat t^tt ein ©elüfte ergriffen, bie furje £eben«frift, bie er
fid) fämpfenb noa; errungen, burd) SBobltlnm ju nüfeen. Den oerftoeften
©efellen ba beffern, ba« wäre eine lefcte gute Df)at in ifjrem (Sinne. —
„Du lieferji Did; au«. Unb wenn Du fpäter au« bem ©cfängnifj ent=
laffen wirft, foll man Dir fünflmnbert ©ulben jaulen, ba« 3ermfad;e
grabe oon bem ©elbe, ba« Du bei mir gefunben ^atteft. 9?un, ma«
finnft Du nodj?"
„&err," murmelte ber Sooro, „id), wer war' id) benn, ba§ id) midfj
weigern fottte ju tinin, wa« 3$r befohlen. 2lber id; fann e« niajt. Sttein
2Beib . . ."
„Dein Seib!" fd^reit ^oljner auf, „Du f)aft ein?, 9Kenfd;, fie lebt!
Unb Du lauerft am ütfeg, um ju rauben unb morben?"
,,£f)ät' iay«, wenn e« nid;t um fie wäre, bafe fie nidjt oerlmngert?"
^o^ner t)at fid; abgemenbet. ®a§ ift ba$ für eine 2öelt! De3
9iauber§ SBeib lebt, ba^ feine liegt in f alter ©rbe. 6$ überfommt i^n
ein brennenber ütteib, ein ."oa§ auf ben 9)?enfä)en, ber ba oor ifjm fteljt.
9lber jugleid) erwacht aud) in ifmt ba« grenjenlofefte Erbarmen, mit bem
Glenb be« Sßolfe^, ba« oon ^otl) unb Unwif|enf)eit bem Sßerbred&en in bie
2lrme getrieben wirb; bem felbft bie fiiebe nid)t Rettung bringt. „9iun
wof)l," fpridjt er langfam, „fie foll nid)t me^r barben, alfo erl)öfjen wir
bie Summe. Da« 3e^llfa<^e bann: füuftaufenb ©ulben, SÖillft Du
bafür Deine Strafe leiben unb oon bem wüften £eben laffen V
Der Sooro ift jett) 3itrürfgewid)en. Der Hantel fäüt ibm oon ben
Sd;ultern. 5iid;t wie ein Sttörber, oor bem man ftdfj fürdjten fönnte.
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Der £ooro.
blitft er. Gin armer ßrainer Skuernburfdj ift'S, wie fie äffe flnb, ooll
unterwürfigen SRefpectS oor einem Gerrit unb beffen 9)tod)t. 3tu5 feinen
tiefgefunfenen 2lugen, feinen l>of)(en Sangen fprid&t nur ber junger; aller
£rofc ift if)tn »ergangen. — „2öaS fagt 3^r/' ftottert er, „$err, was
fagt ^r? tyx rebet jutn Spott fo. Das meint 3^r im ©rnft nid)*,
baS !önnt %\)x niajt meinen, günfmaltaufenb ©ulben unb — mir!"
§ol$ner jie&t ftatt aller 2lntwort fein Xafa>nbudj. (Sr fdjreibt auf
bem flnie, ben regten gu& auf bie ftapelienftufe gefteüt. — „$ier, fannft
Du Icjen?" fragte er, ba er geenbet; „nein? 9ta, fo wirft Du'S mir
glauben muffen. Der 3*^ ift an oen 23aron 3°^ gerietet, meinen
#reunb auf ©örfdjifcfyof. Du weifet oon ifjm. Dem Ueberbringer biefes
Stattet, wer es aud) fei, SJiann ober Söeib, wirb, er fünftauf enb ©ulben
baar auSjafjlen. 23of>loerftanben — nur, wenn er erfährt, bafe juoor ber
Sorenj ober Sooro, welajer lefctljin in biefer ©egenb etliche Räubereien
oollfüfnt, audf) ben efyrwürbigen $erm Pfarrer nädjtliajer Steife mit ©eroalt
in ben &od)walb gefd^Ieppt f)at, fia) felbft bem ©eritt)t auslieferte.
Dann giebt er ©elb. So fteljt'S Ijier gefdjrieben."
„Unb weiter?" fragt atfjemloS ber £ooro.
„Leiter? nia)ts. 2Ber baS ©elb ergebt, barf bamit madjen, was er
will: es felbft oerroenben, ober oerwafjren, bis Du einmal frei fommft
unb auSmanbern fannft."
„Unb fie, bie baS ©elb l;olt, roer es aud) fei — fie fommt niä)t
in'S ©efängnife?"
„3Sie fann iä) wiffen, roen Du fenbeft unb ob fie mitfdjulbig ift ober
nia)t?"
„§err, fie tfyat nichts, fie wufcte nidjtS! Sfidjt, bafc idj ben Pfarrer
frolen ging, md)t, baß id) fjeute (Sita) aufgelauert, gar nidjts ! Unb roenn
fie es f)ört, fo meint fie unb betet, bafc uns bie Sdmlb oerjie^en werbe."
„9ttaa)e bas bie 9tta)ter glauben, fo wirb man £>eine grau niajt
rerfjaften. Sie werben forfdjen, ob MeS wafjr ift, was Du fagft. 2llfo
fjalte Didj ftreng an bie 2£af)rf)eit."
„Das will id) fajon. 3$ fann ja nid)t anberS. 2lber eS ift fdjwer
mit folgen Herren $u reben. 2öenn fie alle wären wie $f)r" . . .
„<Kir fönnteft Du'S fagen? 9tun fo fpritt). $a) f abreibe auf, waS
Du mir beridjteft, Du jeigft ben örief bann auf bem 2lmt, wenn Du
Dia; melbeft, unb meine 23eftätigung wirb Dir nüfcen, als ein 3eugnif5
ju Deinen ©unften."
Der Sooro jtarrt nur in fia) hinein, $n Sßorte ju faffen, was er
erlebte, bünft ifm unmöglid).
$oljner warter. • Sein &\d hinter ber langen Litauer bort broben,
— bie Sonne finft fdjon, unb ie büfterer ber Gimmel fia) färbt, befta
weiter fjebt fia) bie fdmurgrabe fiinie 00m föintergrunb ab — fann
ü)tn niä)t entgegen. 2lber bie betroffene Dljat aud) nur um Minuten auf*
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Valbert ITIeinblar&t in Hamburg. ■
fdjieben ju müffen, baS bünft ilm bart. Unb bodj ift e3 ifmt, als fei er veu
pflichtet, ben 33eiftanb, ben er bem Sooro oerfjeifcen. ganj ju leiften. „So fprtdj
bod)," fagt er nod)mal3. „SSM* fatnft Du baju? Du bift nid)t uon fjier?"
„9fein, &err. ^d) bin oon jenfeitä ber Serge, oon 9toibl gebürtig, roo
e5 jum ^rebilpafj Ijinaufgeljt. Sei ben ©almeigruben mar id) in 2lrbeü."
„Unb was führte Dia) fyevV
„$d) badjt' mein ©lud* ^ier ju oerfudjen. &ier fei jefot bei bem
jpüttenwerf ein neuer Director, bei bem l)ätt' man'3 gut, wenn mau
fleifng fei; fo tiefe mir bamals bie alte 23afe, bie Urfet fagen."
„Die Urfet? Die £>änblerin? 60, alfo bie bat'S $ir Ijeut' ge*
ftedt, bafc Du mid) jefct Ijier treffen würbeft? Unb auf ifjren 2lnlafj bift
Du in bas Dorf gefommen? 2Bann mar benn ba§?"
„Um gronleid)nam mar'3, im »ergangenen Sommer/'
„ftaft Du Did) auf bem &üttcnwerf gemelbet?"
„^ein, $crr. Da$ war'S. $ä) tarn am Sonntag."
„9iun, unb?''
„%m Montag mar e£ ju fpät. %\)x wolltet wiffen, weSfjalb id) bieS
Seben führen mufete? 2£enn man'S rea)t bebenft, fo ift'S fdmell aefagt.
Denn an bem 9tbenb fing es an. Unb in berfelben 9tod)t mar'* ge-
fdjefjen unb blieb wie es ift, unb mar fein 3urü(f. — 2tlfo am Sonntag
2lbenb fomme id). 3d) gebe in'S 3Birtf)$f)au3. GS ift eine #od)$eit bort.
Sie tanken. Die erfte, bie id) febc, ift bie fd)marje Sttarifea. Die fannt'
id) fd)on, £err. SSir waren einmal früljer, als id) mit meiner franfen
SJiutter bie 5h>aHfal)rt nad) 3)iaria im See get^an, jufammen getroffen.
Unb wie fic mid) nebt unb wie id) fie fefje . . . „Du!" fagt fie unb fommt
über ben Xanjbobcn t)er auf mid) ju. Gin furjnacfiger Surfd) mit fud)S=
rotten paaren, ber fd)on ftarf getrunfen batte, fd)iebt fia) bajwifdben:
,3aS miß benn ber ba/' ruft er. „sDJari^a, Du tan$t jefot mit mir!"
Sie lad)t, fo ein wenig, nur mit ben kippen, unb nieft mir ju. Das
mad)t il)n roilb. Gr paeft fic an, id) will fie befreien. Da läßt er fie
unb greift bafür mid) an. 9Bie id) mid) jur 2ßcfu- fefce, jiebt er fein
Keffer. Sie will il)m in ben 2lrm fallen, ifm 51t t)iubern. Da ftid)t
ber rol)e Wenfd) nad) üir. 3ln ifjrer Sdjulter feb' id) baS Keffer. 3d)
fpringe bereit. 5lber fie bat fid) fd)on felbft geholfen, mit aller ©ewatt
bat fie il)u jurücfgefd)lcubcrt. Gr taumelt unb wanft. Unb bann ftürtf
er £u Soben, mit langem Stöhnen. Das 2tlleS ging fdjneller als ia)'S
Gud) fage. Die $urfd)en Ijaben abfeit^ geftanben. 9Jun fommen fie
näber. „Der ift Jjtn," fagt Gincr. „9iun, iiari^a, baft Dir felbcr Deinen
reid)en freier erfd)lagenV Sift nun aufrieben?" — Sie wirft nur ben
.stopf in ben 9iacfen. ,,©ieb 2ld)t/' ruft ein 2lnberer, „ftolje 9Karifca!
glcid) werben bie 05en§bannen fommen, bie Did) in'd (^efdngnife führen ;
t)ielieiä)t gefällt^ Dir beffer bort, als bier bei uns, wo bod) Meiner Dir
gut genüg war." $ä) fet)' wie fie gittert unter all' ben fpifeigen hieben, ob«
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Der iovxo.
wotjt fie ttjut, als ob fie'S nidjt fümmert. „ßomm," fage id&, nef)me fie bei
ber £anb unb jiel) fie oom Xan^boben IjinauS; ,,tdf) will Sicj) fd^ou fdjüfeen,
folg' nur mir." — Cime ein 2Bort läfjt fie fid) ftill oon mir fortführen aus
bem Särmen in bie 9toä)t. Unb baS ift 2lü*eS. Unb fo war'S gefd)el)en."
„2&xS mar gefdyf)en? S)eSr)alb," ruft &ol$ncr, „l;aft 2)u ein Räuber
werben muffen, ein 2luSgeftofjener, um weiter nidjtS? Seil bei einem
3öirtt)ör)au^ftteit ber rotfje getrau — es ift boerj ber Sofm bes ©aft;
wirtfjs geroefen, ber Trunfenbolb, mit bem 3^ rauftet? — eine
Seule am Jlopfe baoontrug?"
„So ift'S $exx. Leiter mar es nid)ts. ßs tonnen oieleSeute be*
5eugen. £>er ^Setran lebt freute nod). $lber mir — mir mußten es nid&t."
„ftrjr mußtet nid)t, bafe ber Spetran am Seben?
„2iMe follten wir'S fjören ? £>te 9)iarifea mar in it)rer 5lngft in ber*
felben 9ia$t nodfj l)inauf in bie Serge mit mir geflogen, roo mir oor
Serfolgung ftdjer waren. — ,S233eigt £)u, l)at fie $u mir gefprodjen, weSf)alb
baS 2llleS gefommen ift? SS>eil mir 5wet mitfammen, bajumal, an bem
Sßunfdjglödlein in bev 3nfelfir$e gewgen traben. @S l)at für uns beibe
jugletd) geflungen. $a l)at bie l)etltge Jungfrau 3J?aria £id) mir be*
ftimmt. Unb fo ftnb mir jueinanber gefommen. @S t)at fo fein muffen.1"
„2trme ßinber!"
„£err, baoon wujjten toir bamals noaj nidjts. $er Söatb iftgrof3,
unb ber Serg rjat oiel ^öt)ten; ber Sommer mar mann. 3u effen gab'S
Seeren unb allerlei grüßte, id) fteüte Sulingen um Sögel $u fangen, es
ftörte uns Üftiemanb. 2Bir waren frei unb waren beifammen. ,$)er arme
$etran, fo tjat bie W.axifya oft gefragt, bafe ber rjat baran glauben muffen,
unb baß wir jwei nun fo glücflid) ftnb !' — 2lber einmal, erft jum &erbft,
ba Tie Seeren fudien gegangen, rjat fie auf bem &>eg meine Safe, bie
Urfel getroffen. £ie fjat'S ilrc geiagi, bajj ber rotlje getrau am £ebeu ift
unb bafe Keiner ibr nadfjfteHt. Unb nun will fie jurücf unb miß wieber
jur Seilte unb will ben £errn (Suraten bitten, bafc er uns fdmell w-
fammengiebt. Sie f)üngt mir am £als unb lad)t unb weint unb füfjt
mta) bajmifdjen unb roeij} oor greuben fid) nid&t su (äffen. £a t)ab* id)
es if)r eingeben muffen, was mid) bebrüdt Ijat, fdfjon feit Tagen, v^efct
fannft 2)u surüd, 9Jtarifca. 9lber ia) nidjt. ßd) bin mit bem großen,
ftarfen ©ensbarmen, ber bie äßälber begefjt, bem Seutfdjcn, weit id) ge;
glaubt rjab', er ift Xiv auf ber Spur, aneinanbergeratljen, bafj er fein
Sebtag bran benfen wirb. Unb feine ^linte l;ab' ia^ behalten/
,,^err, oon berfelbigcn Stunbe an, ba id) iljr bas l)ab' fagen muffen,
ift'S mit il)rcr i)k^e oorbei geroeien. 3um Unglücf t)atte i(jr aud; bie
Urfel fd)on erjä^lt, bafe man im 2)orf nad) ©inem fuct)t, ber ben ©enSbarmeu
angefallen. 9iun 3itterte fie oor jebem 2aut, weil fie meinte, bie Solbaten
würben fommen unb würben midj greifen; für fid^ felber war fie nie fo
fura^tfam geroefen. Son Tag ju Tag ift fie nur trauriger geworben unb
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2Ibal b c r t UTetntiarbt in Qambnrg.
oerjiörter. Unb als i$ ihr jugerebet hab', fie foüc $ur $afe hinuntergehen,
bie abfeitö oom Torf wohnt, bie fdjwere Stunbe bort abjuwarten, bie
if)r beoorftanb, ba f)at fie'^ nicht wollen, ©ei id) ihretwillen ausgeflogen
worben, fo bürfe fie jefct mdr)t midj oerlaffen. 9iur el; fie fter&e, möchte
fie einmal noa) einen ©eiftltdjen fet)en, bem fie beizten, ber ihr bie Sünbe
oergeben fönne. Söeiter wünfdjte fie nichts merjr. £enn fie bad>t' fdjon
nidn" anberS, als baft fie balbigft fterben müfcte. Unb bann fei idj frei,
bann follt' id) fliegen, über bie ©renje, in ein anbereS Sanb. £ietfeid)t
mär' eS ihr beffer geroefen, wär' fie geftorben. 3lber eS tarn nidjt fo.
£enn jum grübling — eS war im 9Jtars, ber Sd>nee mieber frifa) ge*
fallen, es ftürmte bie 9?aa)t unb fror baju, ärger als im tiefften 2Binter
— ba f)at fie ben $3uben jur 2itelt gebracht. Sie meinte bamalS, eS fei
baS if)re lefete Stunbe. Unb ich, wie ich fie fo fterbenSfranf faf), nur
flagenb unb weinenb um geiftltdjen 3ufprud>, babaajt' ich: was liegt benn
baran, wenn fie mid) greifen, fo ber 2Jtorifca geholfen wirb! — Xa lief
ich hinunter in'S nädjfte $orf — wir bargen und bamalS in einem leeren
«geuftabel broben im 2öalb, Iwd) über bem 2Sod)einer See; — bie fünf
Stunben 2$eg'S mad)t ich in ber Rathen 3^it unb ging jum Pfarrer unb
bat ben, mit mir §u einer Sterbenben ju fommen. Unb ba er nidjt wollt'
in ber tiefen 9tod)t, mit mir burd) ben SSalb — ba t)ab' id) freitidt) mid)
oergangen. 3$ tym bie 2lugen f eft oerbunben, it)n mir auf ben SRücfen
gelaben unb fo burdj Sdjnee unb 3ßinb unb tfälte, fo fdmell i<$ nur
fonnt', hinauf getragen ju ber SHarifea. 2£aS fie ihm ba unter SfjrJmm
geftaub, war Seidjtgeheimnife, baS burft' er tüd;t fagen. Safe er uns ju*
fammengegeben, mit heiligem Segen, unb ben Suben getauft, baS fyit er
wo^l felber nicht gern oerrathen. Sem er tt)at'ö aus gurcht oor meiner
$tinte. 9lber cafe idr ifm geholt, mit Gewalt unb weldje 2ingft er aus*
geftanben, aud) bafe id) ber fiooro fjet&e unb fremb in ber ©egenb fei,
baS 2ltleS hat er auf bem 2lmt erjählt. SBenn fettbem hier am See etroa£
oorfäHt unb wo immer ein Unglütf geflieht, ba heifet'S: $aS Ijat ber
l^ooro getl;an. 3mmer ber Sooro ! £er #err Pfarrer hat oon ber Jtanjet
herab mir mit ben ärgften Strafen gebrofjt, fyev unb im ^enfeü^. 3a)
fjab'S oon ber Urfel. 2)er hat bie Sftarifca längft iljre rothen perlen ge=
gegeben unb ihre filberne Sfabel ba$u, ba& fie fie oerfauft unb uns S3rob
bafür bringt. geljt uns nid^t gut, wie im oorigen Sommer. 2Bir
finb immer auf ber giltst oon bem einen fterfted $um anbern. Xic 3Kari^a
ift jd)wadj oon Äranfheit unb Kummer. Sie fann bem Üinb nid)t Nahrung
geben, weil fie felbft nia^ts mehr ju effen hat. Unb bie 2lltc fagt $u mir:
,2Benn'3 §um Söinter fo weiter geht, fommt bie 3)iari^a um ihren ^erftanb
unb baS ftinb fürbt ^Dir ^unger^. ^u ^aft einmal ben Tanten, ba^ iid>
2ltle oor ^ir füra)ten, obfdjon 2)u bis heut nid)t gar fo oiel oerbrodpen
haft. Da oerbien' ilm gleid) lieber! Suxüd fannft ^u nimmer. So tr)u
bod), was bie £eut' oon ^ir glauben; oerfudh'S einmal ©inem fein ©clb
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Der forro. \5
weg§unef)incn. Dann ift Dir geholfen, Dir, ber Sflarifca, bem SBuben unb
mir.1 — &err, ia) (jab'S oerfuä)t! — Unb baS ift bie <&al)rf)eit. Uub wenn
ia) brum beftraft werben mufj, ia) will'S fa)on tragen. 2lber mein 2Öeib,
mein SBeib ift fdmlblos! Die wei& nia)ts baoon. Die muß frei aus*
gefjen, fte tjat nichts oerbroä)en."
&ol$ner fyxt fa)weigenb sugef)ört. Die @rjäf)lung beS £ooro nieber=
5iifa)reiben, fjat er oergejfen.
„£err," fagte biefer ängftliä), ba er jenen noa) immer fo regungslos, in
na) oerfunfen, auf ben (Stufen ber Capelle fifcen fic^t, ,,.§err, ia) miß ja tfwn,
was 3f)r forbert, will mia) felber auf bem 2lmt ftellen, f)eute noä), nrie
tyx geboten. 2lber werbet 3{jr (hier 23erfpreä)en mir aua) galten?"
„2Belä)eS? Dir fünftauf enb ©ulben $u jaulen V
„3a — unb cor ben 9tfä)tern für mia) &u jeugen. Unb noa) eins.
Die alte Urfel fagt, 3l)r hättet ein 25?eib gehabt, baS ©ua) lieb mar.
9iun, &err, bei Gurer tobten grau bitt' iä) (Suä): forgt mir für bie meine!"
„28a* rebeft Du ba? 3a) foll für fie forgen! Das fann ia) nia)t.
3a; gebe baS ©elb, bamit fie niä)t wteber in 9iotf) gerade. SBeiter »er*
mag iä) ma)ts p tfwn. Denn iä) felbft, ia) . . . ia) muß fort uon Ijier.
Darum fann iä)'S nia)t. 9ietn. Unb ia) will'S mä)t!" — 9fia)t gegen
ben Sooro, gegen fein eigenfteS ©ewiffen tyit er fiä) ju wel)ren.
„3()r i»oHt jefct oerreifen, £err?" fTagt traurig ber Sooro. ,,3ä)
bitt* 6ua), tlmt'S nia)t, iä) ftct)e ©ua) an! Denn fef)t, wenn iä) gefangen
bin, wenn u)r deiner betftefjt, was foll aus ber ÜJJarifca bann werben? 2lber
wenn $fyc ^<&t öeben wolltet, baf? man fie nid)t f)öl;nt im Dorf, bafe ber
Öub' red)tfa)affen aufwädjft . . ."
,,3ä) fann'S niä)t, ia) fann es nia)t," murmelt ^oljner.
„&err, tfjut'S. 2luS öarm^ersigfeit! Die 3J?ari^a ftirbt mir fonft."
&oljner antwortet niä)t. 9iia)t an bie Ktarifca benft er, an fein
eigenes SÖeib. 35$aS fie wünfa)en würbe, baS weife er. SBteber meint
er, brinnen in ber geheimen Cammer feinet ^er^enS, wo er oorfnn it)rc
Stimme oernommen, wie leife Sflalmung bie 2Borte ju fjören: „(£rft ein
langes, ein reiä)es Seben, oiel mofjltlnm, oiel nfifeen — unb bann, wenn
es fein mu§ . . ." 2$enn eS fein mu&!
„So ma\)x 3()r @u*r 2Bcib geliebt Ijabt," flefyt ber £ooro noa)
einmal, „bleibt $err, forgt für mein'S." — —
* *
©S ift 2JJitternaa)t. 3luf bem Sdjtofefwf ftefjt ber lange 9)touric
wartenb unb f)orä)t unb fräf)t in baS Dunfel fjinauS. Die ^>auet|)ür
geljt. gräulein 2lnna tritt fjerauS. (rS litt fie nia)t länger bei bem
fd)lafenben Änaben, im füllen 3''"^^r- s^öS fie martert, ift nid)t lUngft
meljr, es ift ffiewiBfyeit. — „(?r fommt nia)t wieber", fagt fie ju bem
Gilten. Der nirft nur. Cb er bie ätlorte rerftanb, bie fie furaa), bc.ü
Wort unb IM. -
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Die ertglifdje 2Ttal<?rci in öcn Ickten fünf3tg j
3aJ?rcn *)
mit befonöerer Serüdfidjiijung 6er <Senre< unb €fnerbil&er.
Don
paul Zneyerfyetm.
— Berlin —
! H fef mit feen bre* Söorten abgetan, bie ein berühmter aber fdjroeig*
j^H^a i anter 9)(ünd)ener SJfater einftenS ausfprad).
•ikrttjolb 3luerbad) crjäfjlte mir, bafj er fetbft, um fidj über ba£
Sßefen ber alten ßunft büben, einen 2Mer unb greunb bat, mit ifnn
in bie alte $inafotf)ef ju fommen. 2>ura) triefe 6äle fajritt ber 3Mer
mit bem $td)ter, erfterer immer roortfarg, enbltd) bleibt er cor einem
Dtembranbt ftefjen. 9Iuerbadj mar nun gan$ Cljr, roa£ fommen würbe unb
ber analer fagt raürbeooll ju tym, glänjenben 2luge* auf ba$ 23ilb mit
bem Saunten jeigenb: „Sdjau Serttjolb: 18 g'molt." — $er
2leftf)etifer, ber geuiUetonift mu§ fd;on für feine Sefer mef)r fagen, aber
für ben 2>Ja(er verfallen bie Silber 3unäd)ft in bie beiben Ableitungen :
bie, mcifye roirfüclj gematt finb, unb bie, toetd;e metjr gebaut unb
*) Seine Grcetteus ber GultuSminifter £>err Dr. oon Gofeler bat feiuerjeit bie
Herren i*rofcfior 3anffeu, Sirector i*ücfc, ^rofeffor 93rad>t unb ^rofeffor i*aul 2)ietiep
beim beauftragt, bie 2lu*ftetlung in 3ftand)efter gu befudien unb ifjm Söericbt abiuftatteu
über ben ^tM'tanb ber Sfunft in (Snglaub. Sic Herren 3anffetl unb Üücfe follten babei
befonberd bie r)iftorifcf)cu Söitber, iperr SBradit bie Üaubfdjatteu unb 5^aut lUenerbcim
bie ®enrc= unb Xbierbitber tn'B 2luge fafjen. 3"bcffeu bat feiner ber genannten Herren
ftd) pebanttjd) innerhalb ber tym gefteeften Örenjcn fjatten fönuen. Sem Dorftebcuben
Slufiaö liegt ber an ben £errn IWnifter erftattetc triebt ^aut üMenerbcimS 31t Gkunbe.
Sie »ebttctUn.
2*
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— Die englifdjc maleret in ber legten füiifjta, 3d^rcn- 19
2ltelier oft bewerft, baß ftinber ein ganj merfwürbigeS erftaunlidjeä flunft*
oerftanbniß ()aben. 2£enn ein ficbenjäl)riger 9)fo$art fdwn componirt unb äffe
Gmpfinbung für bie 2Wufif f)ar, warum foff bie Gmpfinbung für bilbenbe
Stunft, aud) wenn fie nod) niajt ausgeübt werben famt, bei tfinbem fdjwädjer
fein, roarum foff man ben flinbern ben tfunftgenuß entstehen? 3a; t)a6e bei
einem folgen Knaben, ber oft mein Atelier befugt, meljr ^erftanb unb Sinn
für bie mobemetfunft gefunben, als au mandjem berufenen ©elcfnien, ber oer--
geblid) nad) ben Üeimen ber neuen beutiajen flunft unter allen Slättern fud)t
unb babei ba$ üppige Slüljen unb bie ftrofcenben grüdjte nidjt finbet.
X»ie englifd>en tfornptjäen tjaben alfo bie 3Tu5ftelIung jeber mit einer
anfelmlidjen ©ruppe oon Silbern befdneft.
2Benn ia) mit bem erwähnten Sttündjener in ber 2lu£fteßung geroefen
wäre, fo roürbe er junädjft gefunben fjaben, baß nur wenige Silber fo
redjt eigentlia) gemalt finb.
2Ilie*, was mau in ben 2tfabemien be3 ContinentS erftrebt, mit faiw-
blüf auf Xijian, Sela$quej, 9iembranbt, burd) fdjöne $iufelfül;rung einen
Äopf, einen nadten Körperteil tjcrsufteHen, 2llle3 ba^ ift in ber englifdjen
2lu$ftellung eigentlia) nur auf einem &ufcenb Silbern $u ftnben, bei granf
&oü, bei Culeß unb bei 9JiiHaiä. 9llle übrigen Alünftler arbeiten mit
einer ftarmlofigfeit, tftublidtfeit unb mit einer @eringfd)äfeung ber guten
SMacrje, bie in irjrer 9toir>etät einen großen 9ieij f>at unb eben bie ganje
moberne englifdje flunft oon ber beä kontinente unterfdjeibet. 2lußerbem
fämpft unb wetteifert bei un£ ber größte £l;eil ber SJtaler mit ber nodj
niajt erfunbenen farbigen Photographie.
2Bar)rrjeit unb 9üd)tigfeit wirb erftrebt, „ingeniuni" unb „unima" wirb
barüber allerbingä oiel oeradjtet. £a£ &aupt$iel be$ mobernen Sicaliften
fdjeint ju fein, gletdjfam ein £od) in bie 2Banb 511 fdjlageu, burdj> ba3
man ein Stticf üNatur, wie es gefjt unb ftef)t, erfdjaut.
£ie Gnglänber traben btetjer ftetö 2lnbere3 gewollt, fie Ijaben eine
lange SMcultur l)inter fid), unb lange oor ben granjofen, bie wofyl me^r al$
bie geborenen 9)?aler gelten, fjaben fie erftrebt, nadj guten yiunftprincipien ju
fdjajfen. Obenan tjat Sir ^o\ua Jfennolbä fid) bemüht, eine 2lrt ©encraU
baß ber Malerei fjerjuftellen ; er t)atte bie Üßrincipten ber beften jebeS £anbe$
aufgenommen, oerarbeitet unb barau3 neue, für ben 9tynilmiu3 ber £idjt= unb
Scfjattenoertfjeilung, ber garbengebung muftergültige Sä)öpfungen rjingeftellt.
gür bie Sanbföaft war Gonneftable fein würbiger Partner, Sie
Sefyren Seiber würben in gremfreidj grünblidr) ftubirt, unb eä fdjeint mir,
baß bie SSerfe ber großen 3dt ber fran$öfifd)en Gotoriftcn in jenen englifdjen
Äunitregeln ifjren Urfprung fjaben. (53 finb biefeä jarjllofe 9)?eifter: Xecamp^,
^ronon, (Souture, ^Houffeau, Gorot :c. Später, in unferer Seit, finb all bie
golbnen Regeln über ben Raufen geworfen, unb fybex erfämpft fid) feine
eigene neue gormtofigfeit oon Beuern. 3» iener 3e^ oeraa^tete 3^r^en/
wie tjellgrün, rofa, lila, blauweiß, bebeden je^t 3al)l(ofe Seinwanbe.
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20 panl nTeyert>eim in Scrlin.
Son biefen materifdjen Gontrapunftiften ift auf ber 3(uSfteUung faum
nod) etwas ju fefjen*).
$er einzige, ber nadj allen Regeln bes ©efdjmadeS bis an fein (Snbe
gearbeitet f>at, unb beffen ©Uber aua) in golge beffen nod) Ijeute in jeber
Stabt, in jebem ftunftlaben auf bie wettefte Entfernung fa>n, gan3 ab=
gefefjen oom Sujet, baS 2Iuge burdj bie fdjöne gorm feffeln, ift (£. Sanbjeer.
3)?an fagte mir früher, itanbfeer'S Silber feien eigentlidj nid)t gut
in ber garbe unb fdjled)t gemalt. $eute ift er fdwn nrieber mobern in
feiner Slonbfjett unb £i$tfülle. ©r ift aud) auf biefer 2tuSftellung bie
aufjerorbentltd)fte ©rfdjeinung ber jüngft vergangenen ©podje. 2)er oollenbete
2lbel beS ©efdnuads, bie beifpiellofe 2eid)tigfcit, mit ber bie Silber l>er=
gefteflt ju fein fdjeinen, bie Sd)öuf)eit ber ©mpfmbung werben tym nod>
lange feine Sewunberer erhalten unb neue erwerben. 2lud) in poetifa^er
Sejielmug ift er ein SDiefjrer beS 9ieid)CS; er Ijat feinen ©efd)öpfen eine
Seele emgefjaudjit, bie oor ilnn nod) üRtemanb am Xljier entbedt fjatte.
5llle feine föirfdje finb waf)re Könige unb gfirften ber 2öälber, uor benen
man ben £ut jieljt, unb auf bie $u fdn'efcen als Attentat Seftraft werben
müßte.
2)ie ^unbe fjat er als wirflidje gemütvolle greunbe ber 2Wenfdjen
erfannt unb für alle 3^iten fijirt. 3$ weif} nid)t, welken feiner #unbe
idj mein* bewunbem foQ.
£aS Silb „Dnfel £om unb feine grau" ift für mia) eins ber fdiönft
componirten Silber ber Slusftellung, an itym würbe id; Sd)ülern alle Siegeln
ber Gompofition erflären.
Sublim ift ber 2lffe, in beffen Hrmen ein junger franfer 2lffe rufyt;
über bie beiben unb bie SlcceffoireS ift eine trübe Jtranfenatmofpfjäre aus*
gegoffen, wäljrenb hinter Urnen als ©egenfafc ein junger, gefunber, energifdj
gefärbter (Sapujineraffe lebenefrof) in einige Slpfelfinenftüde beijjt.
£anbfeer tfjcilt ben SBorjug uieler wahrer 3)ieijter, er ift fef)r oiel=
feitig, feine gtguren mad)en tym feine Sa)anbe, unb Titanic mit 3***^
als ©fei inmitten einer liebenSwürbigen, graziös erfunbenen geeengcfcüfdjaft
ift ein entjfidenb anmutiges Silb. 5?eben biefem einzig bafteljenben frifd^en
tfünftler bitbete fidj in (fttglanb eine Secte, bie all biefe ^rineipien oer*
artete, bie ben SerfaU ber tfunft oou Stofael an batirte unb beSfjalb etwas
*) (Sin enatticher 3Jlalcr S3urnet Ijat e§ uor längerer 3"t unternommen, ein treffe
liebes Berf, ie ilrincibien ber SDtalerfuuft", ju fdjrcibcn. 3» ben brei fcauptabfehnitten,
über ßinicmGombofitton, ©djattentjertbeUuna. unb ftarbeitßcbung, betoeift er burch Seifpicl«
ber beften Stteiftermerfc, nxähalb ein Silb aut au&fehe unb ein anbere« nietjt, er berechnet
mathematifd), toie toentq ßidit dtembranbt amuenbe, tmb loie biet StubeuS, unb urie lijtan
bas fd)önftc Ebenmaß an H'icbt unb Sdjattenuertbeitunfl unb an Otobenßcbunfl. l)at.
^aS Üüert ift rjodnritercffant uub follte in feinem 9lteltcr, bei feinem SJMfter unb
feinem Sdjiiler fehlen, aud) bei deinem, ber Silber tntifd) ?u beurtbeilen unternimmt,
ba fid) 3cbcr, ber ftd) unfidjer fühlt, barau8 S)lath holen fanu. (Sä ift in einer neuen
llcbcrfefcuiig erschienen.
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Die englifdje ITTalerei in ben legten ffinfjig 3atjren. 2\
früher anfnüpfen $u müffen glaubte / um bic ßunft neu 5U ocuüren.
CDergletd^cn paffirt in manchem £anbe, unb aud) wir fyaben eine foldje
Secte gehabt, welche baS ©ebenen ber ftunft lange $al)xe aufgehalten hat.
die unteren fnüpften nod) an Iftafael an, aber Tie fmb eigentlich fdjlimmer
als bie erwähnten ^rärafaeliten. diefe (ehrten jwar ganj jur genauen
9todjaf)mung ber 9iatur jurütf. flenntniß ber Anatomie unb Sperfpecttoe
hat feine ber beiben ©ruppen beim Staffen geftört, Söetbe aber »ergaben
in ber Anbetung ihrer ibealen Sorbilber, baß eben biefe Senojjo ©ojjolt
unb Oiafael boa) gan3 anberS gemalt höben würben, wenn fie heute lebten.
die ^Jrärafaeliten finb eine gleidj auf ben erften Slicf merfwürbige
©rfdjeimmg. diefe bes ©ebanfenS bis jur gänjlid)en Unfinbbarfeit beS=
felbeu jeidmet fie aus, oft eine Untiefe beS ©etfteS, in bie fein Sauger
fommt, aber — fie haben bod) Stücf für Stütf du'nefifdj genau nach ber
9iatur gemalt, oft mifroffopifdj, unb barauS mußte immer etwas ©uteS,
StarfeS entftehen. 33) übergehe ben oerftorbenen, ganj unbegreiflichen
9teftor ber Sippe, ben 9Mer unb dichter Stofetti, er hat wtrfltd) nichts
gefonnt, aber er hat in ben Urmalb ber wüften ©ebanfeu einen 2£eg ge*
fyauen, auf bem anbere leichter wanbeln fonnten unb eher an ein 3iel
tarnen.
SJiabbor Srown, Söatts, (*. Surne 3oneS unb SMUaiS waren bie
vereinten greunbe, bie ihm folgten. daß an ber Dichtung etwas ©uteS
war, geigen uns diejenigen, welche erft bem Irrweg folgten, fid) bann
feitlidj aus bem Urroalb fangen unb SBege tn'S ^ellc dageSlidjt, in be*
wohnte ©egenben, ju lebenben 9Henfd)en wählten.
Lüllau war einer ber Abtrünnigen, unb er fteht jefct als erfter unter
benjfiebenben ba. Seine Stelfeitigfeit ift erftaunlid). $n feinen früheften
prärafaelitifchen'. Silbern ift fdjon eine enorme ftenntniß beS SHenfdK»
unb ber Sanbfdjaft, unb heute, wo er beibeS freier behanbelt, entjücft er
bura) feine ^rifche ber Auffatfung- ßr r>at fehr oiel auSgeftellt. 5Trcff-
liehe 3Jtännerportraits, hM'torifche Scenen, ©enrebilber, £anbfchaften 2c.
die perlen feiner (Mection finb: ein alter Seemann, lebensgroß, bem
feine dod)ter, ju feinen $üßen fifeenb, über bie nörblidhe durchfahrt oor*
lieft, dem blifcenben Aufleudjten in ben Augen beS alten Seefahrers
ficht man eS an, welch großer ^3lan in ilmt gewedt wirb, die energifche
£anb auf ben difd) fd)lagenb, fpridjt er bie Söorte: „(iS muß gehen,
©nglanb wirb eS machen !"
dann: die #rau beS Spielers, eine rüfjrenbe^eftalt, bie nad; ben
Starten mit Sßehmutf) greift, welche all ihr Unglüd gebracht fyaben. die
Tonnen, welche ein ©rab graben; baS fdjlafenbe Sabn mit ber profaifdjen
ftridenben Äinberfrau im .§intergrunb. das finb alles äScrfe ooller
2J?eifterfd)aft. ©inige feiner ^ortraits finb eminent in ber 3luffaffung, fo
baS eines i^upferflichfammlerS, ber ein riefigeS Statt in ben &änben hält,
unb ben Sefa^auer anbtidt.
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22 paul ITlcyerbeim in Serliu.
£eine meiften neuen Portrait* fmb naa) anberen, ia) mödjte fagert
£enbadyfd)en ^rincipten gemalt: ein Kopf, ein einfacher neutraler hinter*
grunb unb bunfle* flüchtig gemalte* Goftüm. Die 5löpfe baben ba* mit bert
£enbadyfd)en gemein, bafe fie pfndwlogifdj gut ftubirt fmb unb genau ben
(Stjarafter ber Sßerfon wiebergeben, waljrenb fie, rein al* malerifd)e fieiftung
betrachtet, binter £enbad) 3urüdftef)en. 2i>er malt aud) unter allen Sebenbcit
ein ^aar 2lugen wie ßenbaa). Ueberrafdfenb ift e*, bafe auf ber ganzen
2lu*fteHung faum ein Jrauenportrait ju feljen ift.
Da* befte aller Portrait* fjat ^xant &oll au*geftellt, einen alten
£erra mit Kinberaugen im :}iollftuf)l, es ift roofyl ba* befte Stüd Malerei
ber ganjen 2lu*fieUung; bicfe* unb einige anbere erinnern an bie guten
.ftenenbilbniffe öuftau 3Hd)ter^. SSeldjen enormen (rffect roürbe ein
Damenportrait 9üd)ter* auf ber 3lu*ftellung gemacht rjaben!
sJteben #rauf ,§oll glänzt Culejj, beffen sJ)taunerportratt geredete Se=
lounberung auf ber berliner Jubiläum* s2lu*fteUung fanb.
2lud) Dabema ift mit einem meifterfjaften, aber etwa* abfonberlidjen
Portrait eine* 2tr$te* oertreten, ber am -öette einer Kranfen fifeenb, ben
s|>uU ber lederen mit ber linfen £anb fütjlt, roäjpenb er in ber rechten
bie Uf)r l;ält; ber Kopf ber Patientin ift nid)t ju feljen.
Silber be* gefeierten & er fom er, beffenNJ?ame oon bem 2)iifj Qkant* jefct
uujertrennlid) ift, oermögen nidjt in ät;itlid)c? Sßeife anhieben, nidpt eins
mal ba* 25 üb feine* alten 33ater*. — ä&a* galt ba uon aller Skwunberung
bem 2ftaler unb wa* bem 9ftobeUVV 2lud) iMidnuonb unb Sant finb
burdj originelle unb tüd)tige Portrait* feljr bemerfen*wertf). Sefcterer f)at
febon lange oor &erfomer feine brei Död)ter in SSJeife auf meinem Örunbe
gematt. Der oerftovbene Öorbon il>atfon, ein Spotte unb ^ortraitift
aUcrerfteu :Hange*, ift leiber nur burd) ein oor$üglid)e* iÖübnifj repräfentirt.
311* uädjftcr fjalb abtrünniger «JJrärafaelit erfdjeint ©. ÜBatfon. <*r
l)at intereffante Portrait*, etwa smanjig an ber3af)l, au*geftettt; alle* Krufts
bilber, aüc im gleiten ftormat, alle* fet)r berühmte Männer. $fmi ift
c* um bie fdjöne Malerei eine* Kopfe* gar nid>t 51t tf)un, er bujjlt nidjt
barum, mit oan D«f ober Dijian 511 wetteifern; auf einer (Sdjülerauäftellung
ber berliner 2lfabemie würbe faum ein Kopf eine 2lu*$eid)nung erhalten.
3luf ber afabemifdjen 2Ju$fteHung würben fie fogar refüfirt werben. Unb
bod) moljnt nieten eine Glrojjartigfeit unb 8d)tid)tf)eit ber 2luffaffung inne,
bie fublim ift. Die ^erle ift wofyl ba* Portrait Denngfon*. Wan fief)t
jebem $ilbe an: Da* ift ein 2)ialer, ba* ein Dieter unb ba* ein ®e*
leljrter. Diefe swan^ig Portrait* umgeben einige anbere SSerfe bcffelben
3)ieifter* ooll tiefer 3nnerli$feit unb poetifdjer (irfinbung. ^ßfud)e, nodj
prärajaelitifd), b. I). mit gänMid)em Langel an i)icij be* nadten Körper*.
2£enn fd)on bie v^rärafacliten 3llle* unb S^oe* genau nad) ber 9?atur malen,
fo fdjeinen fie eine alleinige 2lu*nal)me mit ben nadten ©eftalten ju
maäjen, bie alle wie nad) bem fd)led)t gepolfterten Mannequin gemalt au*=
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Die eriglifdje maleret in fcen legten fünf3uj ^arfren. ■ 23
fef)en, auch bie graue garbe ift behalten, bie weiblichen giguren, ftet*
mit bürftigen Ruften au*geftattet, finb nur baran atz weibliche fenntlid),
baß $wei nothwenbige Attribute am £orfo fchüd)tern angebracht fttib. $n
bieier Sluffaffung wetteifern äftittS, sBmne 3one*, ^iofetti unb 9)tobbor
Srown. „£er £obe*engel" unb „Sie Hoffnung" finb bie fa)önften oon
2£att* Gompofitionen. 2lucr) ben Serg 2Irarat l>at er gemalt, beinahe im
Sinne 22erefd)agin*. Gin hohe* fdnuale* Silb, ein fpifcer bunfelblauer Serg,
ein 5Jaa)ti)immel mit einem Stern Darüber, ba* ©anje ein £eijrung, bie
bequem in jwanjig SWimtten fier^uftellen ift, aber bennoch felw einbrudteooll.
2)iabbor Srown malt meift unergrünbliche 9tebu*, urie Wofetti, aber
er tjat aud) ferjr intereffante Sachen. Sein alte* Silb r»on 1852, „Work"
betitelt, hat fogar in feiner Seftrebung, bie SRatur auf ber Straße $u er*
reiften, manche* mit 9)?en$el gemein. (Sr eutfdjulbigt fidt) in einem Briefe
förmlich, baß er e* wagt, ben englifa^en Straßenarbeiter unb Settier für
eben fo berechtigt jum 2Ibgemaltmerben $u tjaltcn, wie ben Neapolitaner,
unb fo hat er mit tmfroffopifcher ©enauigfeit jene* merfwürbige „Söerf"
gefdjaffen. 3n heller Sonne graben gewöhnliche Arbeiter in einer Strafe
eine örube für ®a*anlagen, alle im Schweiße trjre^ 9lngefid)t*, grauen
unb arme Äinber umgeben bie ©ruppe im Sorbergrunb, ein Settier, ber
Vergißmeinnicht feil halt, welche auch unter ber fiupe ju bewunbern finb,
geht linf* $um Silbe herauf 9ied)t* im ©chatten eines Saume* flehen
$roei Herren, Arbeiter be$ ©eifte*, im ©efpräd): Garlnle unb 2). Maurice.
$ie Sonne fcfjeint burch bie Säume unb befäet iljre fdt> warben 9iöcfe mit
unzähligen heöen $ünfta)en, ein gewagte* techmfehe* (Sjpertmcnt ber Malerei,
ba* erft bie neueren Italiener wieber aufgenommen haben. 3n ber 3Kitte
be* Silben fuchen ein Weiter unb eine reitenbe $ame fich einen 2Beg jwifchen
all ben Arbeitern funburdj. £a* sJ0falen be* Sonnenlichte*, ba* bie alten
tflafftfer nie erftrebt haben, unb mit bem fich bie ganje moberne malenbe 2Belt
meift oergeblid) abmüht, ift auf biefem Silbe eigentlich juerft aufgenommen
roorben. 2>ie Äfifmheit ift $u bewunbern, wenn auch bie* Wefultat, wie
bie weiften anberen beffelben Streben*, beweift, baß ba* grelle Sonnenlicht
mit feinem harten Schatten eben mit unferem garbenmateriat nicht $u cr=
reichen unb baß e* überhaupt nicht feljr malerifch ift. 3d) übergehe
anbere ü&erfe oon SNabbor Srown, feinen (Sromwell auf ber ganu
unb bie GompofUion, bie ju enträthfeln ich ""<h oergeblich bemühte, 5. S.
Don Juan Diseowered, by Haydie unb the Coat of many eolours 2c. :c,
unb fomme, einen Slugenblirf bei kalter (Srane oerharreub, beffen The bridge
of Life in ber Serliner 3ub iläum*=2lu*ftellung feine befcheibenen SWeije
entwicfelte unb ber mit einer großen 3al)l trefflicher englifcher Hinber=
bücher ©roß unb ßlein ber ganzen SLBclt erfreute, fchließltdj $u ©. Sume
3one*, bem jüngften noch jefet blühenben ^rärafaeliten. ^unächft muß
man fich einen Stoß geben, um bei ben Silbern ruhig $u oerhaVreu
unb ber wiberftreitenben ©efüljlc, bie fofort auftauchen, fierr $u werben.
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2<t panl nTcyerlieim tu Scrlin. — -
$at man aber mit gutem SßiHen oerfudjt, fid) in jebeS $ilb $u oertiefen, fo
rotrb man bod) belohnt. @3 ift roaljr, sMe£ ift unnatürlich, gejiert, manierirt,
bie SJienfdjen alle gejc^lec^tstos wie bie ßngel, fic irren auf ben Silbern
an einanber uorüber, in'3 Seere glofoenb, rote bie ©olbfifche im ©lafe, äße
haben bie ähnlichen lieben ©efidjter, biefelben $änbe unb gfifje, aber bennodh
— eä ift ein (Stroa£ barin. Der Chant d'amour erinnert an gute Italiener,
bie <yarbe fommt ^ian nahe; es finb colorifttfd) berounbern§roerthe Starten
auf bem 33ilb, beffen Gompofition ganj thöricht ift: 2luf ber Söiefe vor
einer Stabt fifet ein ^räulein unb fpielt bie Crgel inmitten beS 3MtbeS.
SinfS fniet ein 9iitterjüngling, redfjtä hinter ber Crgel ein merfroürbiger
©eniuS, bem bie 9)iufif Sajmerjen $u oerurfadjen fcrjeint. 9lUe Drei hoben
9totf), ihre ©lieber nod) innerhalb be$ Gahmens $u placiren. 2>te Malerei
ift ganj finblich einfach, mit fpifcem Sßinfet ift alles genau ^ingemalt,
jebeS &aar, jebeS ^älmdjen, unb biefe 9lnbaa)t bei £erfiellung ber Details
ift es wof)l, bie auch ben -befdjauer länger oor bem intereffanten 33ilbe
feffelt. Seine Sibyllen erinnern an Pompeji, ber GnfluS oon oier Silbern
bes ^ßngmalion hat uiel Schönes in ber (Smpfinbung; jer)r hübfd) ift baS
$ilb, auf bem ber £'ebcnSengel erfcheint unb ber ©alatea mit einem Ringer
auf bie &er$gegenb tippt, um ihr l'eben einjuhaudjen. Die Scene ift
Heblidj unb reijenb erfunben. ftreiltd), bie ftarre ©alatea will fdjliefelich
nid)t ganj lebenbig unb frifd) werben, baS ©lieberpuppenhafte l)aftet ihr su
fef)r an, unb ber ^ßijgmalion fcheint mir allmählich ju »erfteinern.
Die brei ©nget an Gljrifti ©rab, tho Morning of the resurrection,
finb foftbar naio empfunben.
Gin großes SBilb ftellt eine grotje golbene äSeubeltreppe oor, auf ber
eine Schaar engelhafter ©efdjöpfe hcrabfteigen, gänjlidj jiel= unb jroecflos,
mandje mit SJtuftfinftrumenten, bie ilmen aber nicht red)t oertraut fdjeinen.
Der ©runbgebanfe ift mir nicht flar, baS 2Mlb leibet auch $u fein* an ber
Verachtung ber ^erfpectiue. Die entfernteren (rngel finb faft gröfecr als
bie oorberen, alle l;aben genau bie gleiten güjjchen unb roeifcgrauen
©eroanber.
DaS 2ßirrungSuollfte ift the wheel of fortune. (Sine lebensgroße
^ortuna im grauen ©eroanbe ftef)t an einem großen 9tobe, auf beffen
breiter 2luftenfeite eine 2ln^al)l naefter ©eftalten uon je Ijalber SebenSgröfee
einanber auf tfopf unb Sdmltem fteigen, manche fyat eine tone auf,
eine liegt unter bem 9iabe, eine ift fdjon balb über bic £öt)C roeg.
Sie 5llle, biefe ÜJieifter, t>aben gebaut unb gemalt unb geben eben
mel)r ju beuten, alo bie, roelaje blo» malten, ol)ne ju benfen. (S$ ift ja
auf biefem 3Bege mel;r unb ©rofje^ 5U erreichen, niie bie oben ermahnten
abtrünnigen s|>rarafaeliten beioeifen.
^d> h^be mitt) über biefe 3JJeifter etmad auSfüljrlidjcr geäußert, aU
mir als Stljiers unb ©enremater jufommt, aber fic finb bodj bie originellfte
©ruppe ber 2lnSftellung, unb fie finb bei uns fo gut roie unbefannt. 2Sir
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Die englifdjc HTalcm tu bcn legten fünf3ig 3atjreit. 25
fyjben feinen einigen 5lünfUer, ber bem 2Iefjnfid^e3 letftet. 2lm nädjften
fäme rnelleicht Söcflin, bod) ift biefer gewaltiger, tmpofanter in ber garbe
unb mannigfaltiger.
Die alten »ergangenen ©enremaler fonnten mid) nicht ret$en. deiner
erreicht ben großen 2Stlfie, t»ie(e haben in ihren 2£erfen etroaS vom frönen
9tyt)tf>mu$ ber £oÜänber, aber fte alle finb bod) rote oertroefnete Slumen
eines Herbariums, bie einft in ihrer Slüthe ent$ücft ^aben, bod) es fmb
feine ^mmorteüen. Da tauten unter tfmen bie alten, in (Snglanb beliebten,
großen Warnen auf. 2llS bie beften hebe ich tjeroor @tto, geft. 1849, ber
riet oon Diaj, bem grojjen granjofen, {>at, beffen Seftreben war, ba§
feine figürlichen Silber junächft einem frönen S3ouquet glichen, gerner
gritl), SSebfter, ber im ©enre (Sbuarb 3tfenerf)eimS malte, nur leichtfertiger
unb unrichtiger, abernod) im9t!rothmu3 beS alten £ollänberS, ßl. Stanfielb,
ber roieber an ben granjofen Sepoiteoin erinnert, unb 3B. 9)iüller, ber
theils noch in ber fd)önen Lanier beS (Sonneftable malt, uon meinem
fämmtlidje guten Goloriften ber franjöftfchen £anbfchaftSmaleret lange
gejelnl ^aben. Die fpäteren Silber SRüllerS finb gan$ üorjügltd^ com*
ponirte, fchön gemalte Drientfcenen ßr ift nicht ju uerroechfeln mit bem
SSiener ^rofeffor Füller, beffen meifterhafte Crientbilber ju bem Sdjönften
gehören, roaS bie mobeme Xedmif leiften fann. (5in Silb von biefem t)ätte,
was bie Sehanblung allein anbelangt, ganje Säle ber englifa)en Silber
in Statten gefteHt. 2luch Xurner, ber grofje füfjnfte ^oct unter ben
£anbfd)aftSmalem aller Sänber, ift noch bur<f> einige aHerbingS nidjt feiner
beften Silber oertreten, bie an ©röfje ber ©mpfmbung, an 3Kud)t unb
^oefie nod) ^eute unerreicht baftehen; freilich haben fie alle mit ben
$>rincipien ber täufchen roottenben photographif djen 9iichtigfeit nicht« gemein.
3n biefer Dichtung leiftete baS ©taunenSroerthefte 3- g- SeroiS, geft. 1876.
Sein Crientbajar ift ein wahres 2Sunber ber Äleinmalerei. Die nicht
fleine £afel, einen hohen Sajarraum barftellenb, in bem jahlreidje dürfen
allerlei feilhalten, ift oon einer £reue unb Öenauigfeit, von einer 2Xb=
geroogenheit unb SoUenbung, wie 2lelmlicheS noch nie gemacht ift. ©bem
bürtig finb feine trefflichen 3lquarellen unb ein orientalifcher &of.
Der näd)fte lebenbe ift bann SB. % gritl;. (Sr hat *m Dufcenb
Silber auSgeftellt. Sein Derbn unb fein Sabeftranbbilb fmb gute erprobte
SHemtpferbe, bie baS ^ublifum mancher 2luSfteUung erfreuten. @S giebt
faum Silber, auf benen fooiel $u fetjen ift, wie auf griths SBerfen.
Derb« ift immer ein auSge$ei<hnete$ 5Berf; bie SeobadnungSgabe unb bie
güHe ber 3Jiotiod)en auf bem Silbe fmb erftaunlid), unb für bie ba*
malige 3^it ift 2llIeS f)Ödt)ft refpectabel gemacht, bie ferneren giguren unb ber
föintergrunb fmb meifterhaft, nrie mit Stecfnabeln ausgeführt. Seine
übrigen jefm Silber aber wollen uns heute nicht fdmtecfen.
(S'h* ich oen lebenben ©enremalern übergehe, muß idt) noch greberief
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paul nievertietm in Berlin.
2öalfer3 gebenfcn, ber in jwanjig Hummern oertreten ift, Silbern unb
Slquarellen.
©eine 3eit foü ilm md)t anerfannt haben, unb heute ift er eine $aupt=
jxerbe ber 2lusfteHung. Gr malte ©enrefcenen mit Figuren, bie fid> nur
etwas über Staffagengröfee im 93err)ältnife jum Bilbe ergeben, einfädle
Wotioe, wie „ba3 alte 2"l)or am Äirdjfjof", an bem fid; eine trauembe
©reifin unb eine junge Jrau begegnen; angelnbe Bauemfinber in einer
unglaubtid) flüchtig gemalten Saubfdjaft, ber bliube Söanfarer 2c. 2Balfer£
ift feljr uielfeitig unb oon unglaublicher geinfüfjligfeit. Seine einfachen
Silber finb, wie man bei genauer Betrachtung fiebt, oft umcompomrt, oiel
übermalt unb Durchgearbeitet. (Seine grofje i'anbfchaft, eine Slrt norbifdje^
Alpenglühen auf fleinen Sergen, mit einem pflügenben Bauern im Borbet
, grunbe, bleibt eine ber fjeroorragenbften Grfcheinungen ber 2lu$fteuung.
3hm etwas oerwanbt ift ber 1872 oerftorbene ©. Wafon. Seine
ad)t Bilber finb oon entjüdenber .föarmlofigfeit, etwas im ©eure 3. Breton:
fletne länbliche Gden unb 2$ege, auf benen Sanblente einljergehen, ftinber
einzelne Xfyiere treiben 2c.
Sie Bilber feljcn alle aus, als wenn ber flünftler fie nur ju feinem
Vergnügen gemalt l;ätte, unbefümmert barum, ob fie 3«nanb für fertig
hält ober fauft. Sie Walerei biefer Bilber fjat etwas oon ber ber guten
Jranjofen. Wöglid), bajj killet unb Breton erft oon Wafon gelernt ^aben.
3d) Ijabe biefe fleinen Bilber mit bem gröfeten Gntjüden immer wieber
betrachtet.
Bon ben lebenben ©enrcmalem imponirt mir am meiften ber Schotte
Drajarbfon. Gr ift ber Waler beS SittenbilbeS par excellence, feine
Bilber erinnern an Scenen aus Sarbou, Stoma* :c. Gr fd^eint nur ge=
legentlid) §u feinem Bergnügen ein Bilb ju malen, wenigftenS ift an feinem
bie 2lrbeit oon überheiztem Sampffeffcl wahrzunehmen, oießeidjt befyalb
tjabeu feine Serfe etwas fo fpontan SBirfenbe*. 3wei Bilber Mariage de
convenance unb Alono finb beioe bemfelben Montan entnommen. Gine
alte ©efchichte ! 2luf bem erften fifct ber oerheirathete alte 9iou6 an langer
Xafet mit ber jungen ©attin — weit auscinanber. Ser Liener fchenft
ilmt ein, fie hat gar feinen 2lppettt unb benft an etwas anbereS. Sex
grofce Saal mit ber einzigen £ampe über bem Xifdj ift fo grojj, oornehm
unb unfreunblid; , fo unintereffant, bafs auch ber Waler ihn nur gan$
ftüdjtig behanbelte, ebenfo wie auf bem anberu Bilbe, wo wir ben alten
&crrn allein, oerlaffen, tief betrübt, mitten im Limmer fifcen fchen.
Sies einfachfte aller Bilber, ein alter £err im grad, aüein im großen
©emad), im £iutergrunb bas unberührte tfriif)ft"tf/ ift em§ Der Ö^öfeten
Weifterftüde ber malerischen Grjahlungöfunft, bie ich je fat); nur ber flopf
beS £errn ift mit grofcem gleifc unb ausgezeichnet gemalt, aber baS Bilb
würbe langweilig werben, wenn es nicht fo ffi^enfjaft wäre.
Crdjarbfon ift oielfcitig, er ftellt auch SßortraitS, Scenen aus ber
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Die enalifrte Walerei in ben letjtcn fünf3i^ Rohren.
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3eit ber ^ncronables, unb ein fe^r eminentes #iftorienbilb au$: Napoleon I.
am 33orb bes SBeßeropljon 1815, einen lefcten $licf auf bte franäöfiidje
äüfte roerfenb, treffltd) unb einfad; componirt unb roeit burd)gebilbeter al$
feine anberen 2öerfe.
©ine eigentümliche @rfcf>einung ift Stioiere. ßr ift ein auägc
Seidjneter Stf)iermaler unb fudjt nadj flaffifd)en Stoffen, bei benen Xf)iere
anzubringen fmb. Die giguren, bie er babei braucht, finb gefdnnacfooll
unb fein d)arafteriftrt. Sein Daniel in ber Söroengrube ift nur oon rjint^n
fid)tbar unb barum boppelt embructeooll. Die £öroen finb oorjüglid). Girce
mit ben Sdjroeinen ift liebenSroürbig unb einfad). Der arme ßnabe, ber
am lefcten Sfleilenftein oor ber Stabt jufammengebrod)en ift unb oon feinem
&unb beroad)t roirb, ift ergreifenb. Da$ t)öct>fte aber erreid)t ber Äünftler
in feinen PJayfellows. Der eine Spietgenoffe, ba$ ßutb, ift franf unb
fifct mübe im £el)nftuf)l, mit Äiffen jugebeeft; fein greunb, ber grofje
£unb, fifct oor ifmt, t)at eine £afce auf ben Sd)oo§ beä ftinbeä gelegt
unb blieft baffelbe mit einer fotdjen 3n"crlid)feit be$ 2lu$bruc?e$ an, roie
ifm Dorbem nur fianbfeer malen tonnte. Daä £mtbeauge getjört ju ben
auabrucföoollften perlen ber ganzen Huäftellung.
33on ben l)auptfäd)(id)ften mobernen ©enremalern ermähne id) nod)
SeSlie, ber etroaä im ©enre unfere$ Imberg malt. Sein befiel Sßerf
ift Waiting for the ferry. ^n eine fein* unintereffante Sanbfd^aft ift ein
entjücfenbeS gräulein f)inetugemalt, bte bie i'angroeile ber Umgebung voü-
fommen oergeffen madjt. £e3lie überbietet fid) in fd)önen tarnen, meift
gräuleinS auf bem £aube. $ier fifcen einige am SBaffer unb (äffen ge«
banfenüoH SRofen fdjroimmen, bort jijjen jroei gegen ein grofeeä genfter
unb prapariren, roie id) glaube, &äring£falat, bann roieber finb jroei an
einer Duelle, 2We3 füfj lieblid) reijenb, mäßig gefdjtcft ber)anbeltr aber
jebeä Silb roie ein ®ebid)t. .
&enrn 2öoob ift unferem ^affini oerroanbt, er malt lauter «ßafftnte
in Del. Sie Ijaben in ber £edjnif ntd)t$ <5ngltf<$e$, finb alle meifterljaft
burdjgefütnl, lid)t unb f lar, aber ein bissen ju fa)ön gefeljen. ©in trefflidjeS
Sfleifterroeif ift ba$ Silb oon fiuf e gilb ed. ©in £od)$eit3jug burdjroanbert
ba$ Dorf, ba$ iunge ^ßaar wirb oon ben Dorfberoofmern berart beworfen,
bafe es nidjt weife, roie e$ fid) beS SMumcnregenS erwehren fott. Die
jiemlid) grofjen giguren finb bie beften en plein air gemalten ber 2lu$*
ftellung, bie ßompofition ift ooUenbet, unb bem ©efdjauer roirb eine güüe
ber reijenben ©in^et^eiten geboten, an benen man fid) m$t fattferjen
fann! gür baä Sujet ift ba3 Jöilb oieaeidjt ju grofe.
Sllma ^abema brause td) nia)t ju erwähnen; er nimmt meljr benn
eine 2öanb ein, an bie nur fd)roer ^u gelangen ift, unb oon ber man bann
ebenfo fd)roer fid) lodreifet.
21(3 ©enremaler parabirt &erfomer mit feiner „legten 9J?ufterung"
ber alten gelben, bie mannen Krieg unb mand)e 2lu^fteaung fiegreia) mit^
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28 poul UleYcrfycim in Berlin.
gemalt haben. (SS ift eiu 9)ieifterroerf, baä an unfern 9J?enjet erinnert.
9iiä)tS ift auf bem JÖtlbe in Unflartjeit gehüllt, Sittel mit fetter $arbe foüb
unb fenntnifereid) Inngemalt. Sttinber bebeutenb ift fein „Hard times-4 :
eine 2luSroanbererfamilie auf ber &anbftrafje, auet) plein air, aber bie
ftiguren finb nicht feljr intereffant. &erfomer möchte bem nad) Sentimentalität
ftets burftigen englifdjen ^ublifum gern etroaS Einwerfen, aber er trifft
nicht baS Nichtige unb engliftrte fein 3)?otto eben nur, roährenb feine
Stärfe ganj roo anberS liegt, aber ntdjt in ber (Srfinbung unb (Smpfinbung.
©in Meines Quroel ift (5. 35 urt on Larberg SMlbd)en. (Sin rei3enbeS
blonbeS 9)iäbcr)en, gan$e Btgur, mit einer 3)?üd;fa)aale in ber &anb, beren
Inhalt mit einem ftäfedjen ju teilen fie gar feine Suft hat. jjd) ermähne
es, weil eS in ber #arbe unb £ect)nif baS energifdjfte ftärffte Vilb ber
2luSftellung ift.
(rs ift mir nid)t möglich, annähernb alle bie ©enrebilber, beren 3ah*
fet)r groft ift, eiujetn aufzuführen, $n allen mad)t fid) baS Öeftreben
geltenb, ben 33efct)auer lachen ober meinen $u machen, unb nie, ©fei $u
erregen, rote baS bei fielen mobernen beutfetjen ©enrebilbern ber galt ift,
bie beu Vefct)auer in bie unangenehme Sltmofpljdre ber Spelunfen ober
Mranfenftubcn hinetnjroingen roollcn. $aS 9)Jotto „shocking" hält ben
©nglänber uor mand>en füuftlerifchen ^arfteflungen juriief. Vielleicht ^at
baS „suocking" ben plaftifd) füuftlerifchen Sinn (SnglanbS oon jeher unter*
graben, beim ju feiner 3eit ift in ©nglanb, meines 21MffenS, in ber <4$(ajrtf
etroaS roirfltcr) VoltenbeteS geleiftet roorben. (Srft in neuefter 3eit fommt
bie Sculptur ju tyxen, roooou mir fd)öne Veroetfe auf unferer 3"biläumS--
2lusftellung far)en.
2luf ber 3)iancr)efter 2lusftellung finb in jebem Saal ^öd)fken^ oier
bis fed)S plaftifche Arbeiten aufgeftellt. 2>aS „shockingkk ift aud) baran
fcbulb, oafj bie Pflege beS 9tocften in ber Malerei fo üemaajläffigt rourbe.
Daher ftammt ber Langel an Sdjönheitsfinn für bie tförperformen bei allen
^rärafaeltteu. Die einige Ausnahme macht oielletdjt £e igt) ton, ber roof)l
im Staube ift, feine Jiguren beffer als alle Ruberen ju seiebnen; bafür
fehlt ihm aber roieber bie malerifche 2lbcr. <5r ift bis tyuie nodj nicht
„feiner eignen Meinung". Crr oerbinbet sJiafaelifd)eS mit ^rärafaelifcbem,
mifcht Xabema mit ^iajoltfa^Infdjauungen, tjor)teu Pathos mit falfchem
sXoel in feinen Silbern, fo ba& man bie otelen guten (Sigenfdjaften barin fchroer
geniest. iSr hat eine fet)r tüchtige große Sculptur auSgefteHt, einen 3JJann,
ber oerjroeifelt mit einer Schlange ringt. 2$are biefe ©ruppe in Berlin
geroefen, fo hätte er oieileicbt nicht allein bie 3)?ebaille für 2ßtffenfd)aft
bauongetragen.
Von neuefter 'X^ierma(er(ei baoe i$ roenig ©uteS auf ber Sttusftettung
entbceft, unb uon Sanbfdjaften haben mir eigentlich nur bie herrlichen beiben
Karinen uon 3°hn Ör.ett wahrhaft imponirt. Sie finb, obgleich oon
i'cbeutenbcm Jormat, mit ben fpifccftcn ^infeln ausgeführt, boch ift bie
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• Die cualifdjc malerci in ben Ickten fünf3nj ^aljrfn. 29
Totalität babei nitfjt verloren. Stefe unb feine übrigen Söerfe, fein
Ijertlidjer ©ebirgSbad), §äf)len ben beften Sanbfdjaften ber 9?eujeit.
Sebutenartige 2\>erfe finb uon ©rafjam „A Spate in the Highlands"
unb jroei^f^öne SÖiCber von Sicat (So tc. „JRornfelber unb £od)fommer"
jaulen 3U ben etnbrudäoollften £anbfd)aften ber (Sammfang, wenn fie audj
in £edmif unb Sluffaffung nichts 9?eue3 bieten, fielen l'anbfdjaften fietjt
man e£ an, baß it)rc Urheber in ^aris ftubirt $aben unb fid) bie eble
(Sinfa^eit Xaubignn'S unb 3tnberer anjueignen uerfudjen. 3m ©roßen
unb ©an$en genommen ftef)t bie SaubfdjaftSmalerei nidjt auf ber &öf)c,
bie mir in £eutfd>lanb geroofmt finb. SJieifier von bem ©efdjmacf unb
ber ©efdjicflicftfeit ber beiben 9fdjeubadj, ©ebirgSmaler roie ^ubroig
». tftameefe unb anbere intimere £anbfdjafter nrie ber 2Siener Sd)inbfer, nrie
Düder, Sajönleber, 9Jiuntlje, ©übe, Sradjt unb bereu befte Sajüler, fjabe
id} nid;t in Gnglanb gefunben, unb bod) ift bie englifcfye £anbfdjaft fo
nmnberfd)ön malerifd). 2tm aUerbeften finbe id) fie roiebergegeben in ben
berrlidjen 2Mfterroerfen in &o($fd)nitt uon Sirfet gofter, ber aber
mit ber garbe unb bem $infe£ nid)t genügeub umjugefyen oerftet)t.
£a$ ©ebiet be3 <StilIleben3 liegt, roie mir fdjeint, gan^lid) bradj.
3n Sejug auf bie £otalerfd)einung bes Silber babe id) bie Semerfung ge=
mad&t, baß alle ©nglänber bemüht finb, U)ren Silbern ein ganj befdjeibeneS
3lu$feben §u geben, audj burd) bie Umrahmung, ä*>äbrenb man bei uns, me^r
al$ irgenbroo, banadj ftrebt, bie Silber in möglid)ft foftbare, fd&roere unb
fmnuermirrenbe, leiber meift gefdnnarflofe SRafnnen ju fteden, finb bie
englifdjen iDfaler nur bebad)t, bem Silbe einen nidjt ftörenben 9lbfd)tuß
5u geben. 3d) miß Gnglanb nid&t al$ ba$ Sanb beS guten ©efdmtads
für Me3 (jinftelfen, bafür 3eugte bie 9Kand)efter 3lu3ftellung in ifjren
meiften inbuftriellen Seftrebungen, namentlich auf feramifajem unb Suroeliers
gebiet feinesroeg*, aber in Sejug auf 2iu3ftattung unb 9tu$ftellung ber
Silber baben bie ©nglänber, fd&eint mir, ganj 9icd)t. 31U ^rineip fd&eint
ju gelten: ber befte 'Jtofnnen ift ber, ben man nidjt fie^t.
2lud) bie 6äle waren in ifjren Serf)ältniffeu muftergültig erbaut.
Sei uns pflegt eine SilberauSfteHung leiber ftetä ein Silbermaffem
morb 5U fein. £)te befannte ©röße ber 8äle »erfüllt bie flünftler, um
fid) bemerfbar ju machen, baju, alle if)re ©egenftänbe auf oiel ju großen
üeinroanben ^erjufteden. £er Xotaleinbrucf eines sJtiefenfaale$, ber mit
Silbern angefüllt ift, ift immer entfefelid) unb lälnnenb für ben ©in*
tretenben. 3n (Snglanb finb bie Silberfäle alle flein unb überfid)tlid),
roie ba« )ä)on ermähnte 3trrangement, bie 24>erfe eine» Müuftlerö ftets
oereinigt ju laffen, auf ben Sefdjauer I)ödt>ft angenehm roir!t. Um
originell $u bleiben, baben freilief) bie englifeben Stfabemifer eine enge
djtnefifcbe ÜJiauer um itjre 2lfabemie gesogen, fie wollen einmal feine
fremben Äünftler bei fid^ einlaifen. 3ft eS bod) oorgefommen, baß Silber
Don ©uftao 9iid)ter unb 31. 3ldjenbad> auf ber Sonboner Koval academy
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50 panl tneyertteim in Berlin.
nidu" zugelaffen würben. Sie ©aftfreunbfehaft gegen frembe äunft ift
leiber eine fel)r geringe.
Von ben 3)ieifterroerfen ber berühmten englifchen Slquareüiften habe
ich leiber auf ber SJtanchefter 2lu3ftetlung, trofc grünblia)en Suchen», nicht»
finben fönnen. waren außer jroei Aquarellen £abema£, eineö entlüden =
ben 3lteliers^ntevieuv5 oon ©regoru unb einigen blättern oon 2&Ufer burcr>=
aus feine ausgezeichneten Blatter ju fefyen, 9Jicht$, wa3 ftdj mit Der $üüe
bc£ Vortrefflichen meffen fonnte, was bie bie$idi)rige 3lquareÜs2luefteÜung
in Sre^ben bot, oon 3Kenjel unb paffini erft gar nicht zu reben. &in=
gegen bot bie Abteilung ber Siabirungen unb Zeichnungen oiel Slufcers
orb entliehet.
Sie 9Jceifter be3 tym\a) Ratten eine ganze ßollection Originale jener
trefflichen 3etämingen gefanbt, bie aUiüödjentlidt) bie ganze 2£elt beglüefen,
beren tjof)er fünftlerifcher SBertr) im ^ßublifum noch gar nicht genug ge*
würbtgt wirb. 3n fpäteren 3eiten wirb man erft ben beiben ©enrejeidtmem
6. $ean unb Su Saurier banfbar fein bafür, wie gut fie ba3 mobeme
fiebeu, im Sßolf unb in ber ©efellfchaft, oerewigt haben. 2Bie aufjerorbent;
lief) wahr unb treffenb ift ba jebe jigur beobachtet unb wiebergegeben!
9luch bem Surft nach bem Realen unb Stilootten wirb «Stoff geboten.
Sambro wne ift ein Stilift erften langes unb £at)lor nicht weniger in feinen
ibcal flaffifd) gehaltenen politischen Vlättern.
(SinäBort über bie treffliche Einrichtung ber englifchen ifluftrirtenÄataloge
möchte ich ™<*> hinzufügen. ®S ift bei un3 ben 2lu3ftellern überlaffen, bem
Verleger beä flatalogeä nach belieben Zeichnungen unb Photographie bei
aufgeteilten Sßerfe einjufenben. Sie^olae baoonift, baöbie mebiofrenflünftler
fehr zahlreich ganze Seiten bebeefenb in ben Katalogen oertreten finb, währenb
bie bebeutenberen, bie biefe Sieclame nicht nöthig zu haben meinen, allmählich
auö bem Katalog ganz oerfchminben. 60 bietet fchliefelid) ber Äatalog nie eine
richtige VorfteUung ber 2lu3fteHung unb beftärft ba$ $ublifum in ber bei
jeber 2lu3ftellung immer laut merbenben Meinung, e£ fei bieSmal eine gan$
befonberä fchted)tc 2lu^fteüung. 3m englifchen Äatalog werben oon ber
9lfabemie auägehenb fämmtliche bebeutenben Vilber ber 2lu3ftellung in
fleinen Zeichnungen hergeftellt unb in ben £ert gebrueft, oft fed)3 bis acht
auf einer Seite. Siefe fleinen Zeichnungen in (Sonturen genügen, um ba$
©ebächtnijj be£ 9lusTtellungsbefucher£ frifch zu halten, unb geben, ganz im
Kleinen, ein richtiges Vi(b ber (Sompofition. Unfere unb bie ^arifer fla«
taloge be£ Salon bilben ein unerfreuliches, oiel $u bufes Vilberbud) mit
meift gleichgiltigen unerfreulichen Sachen. -$n biefem Verfahren ift leiber
nichts zu änbern, fo lange bie Verausgabe be$ illuftrirten Katalogs einfach
einem Vuchhänbler zur ^rioatfpeculation überlaffen bleibt.
Vei meiner .^etmreife hielt ich mich noch in Bonbon auf unb befugte
flüchtig einige 3Jiu|"een. ©ine fehr naä)af)meu$werthe Ginrichtung fiel mir
im S. tafington 9)iufeum angenehm auf. Sort finb nämlich feimmtliche
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Die CTigltfdjc Ittalrrei in ben legten filzig 3al]rcu.
31
©npSabgfiffe berühmter ffafftf<^er ©egenftänbe burd) einen imitirenben ge«
fdjtcften 2lnftriä) genau bem Material beS Originals gleidj gemadjt. $5er
£otaleinbrutf eines foldjen Saales »oller Sculpturen ift ungemein xoofy*
tfjuenb — ein ©cfüfjl, baS mir beim Surdjfd&reiten unferer ©npSfammluugen
nie auffeimt. £ier roäre, wenn audj \\\d)t ^olnd&romie, fo bod^ eine ein;
faaje Tönung fetjr am <piafce. Sie 2lbgüffe über SJtormor fmb fteingrau
gegarten, unb bie über 23ron$e im Originalton copirt.
SSenn id) aus allem ©efefjenen nun ein furjeS 9iefume jiefo roaS
unfere ftunft burd) Cculirung oon ben ed)ten Stämmen ber englifd)eu für
SWufcen ableiten tonnte, fo tft es in erfter £inie, baß bei einem Untcrrid)t
barauf $u galten märe, bie ©acuter in grünblidjerer 3öetfe auf bie $rin*
eipien unb ben 9?f)ntlmmS ber alten SJictfter aufmerffam ju madjen. (*S
roirb jroar bei uns aud) copirt, aber planlos unb ofme 2Inroeifung; bie
copirenben Sd)üler arbeiten meift im 2)2ufeum, ttm ©elb §u oerbienen; nie
faf) id; einen, ber ftdj garben|fi3$en nad& berühmten 3Jfeiftern fammelte.
(*S genügt aud) nid)t baS einfache Gopiren. ©in Schüler fann ein 33ilb
meifterf)aft copiren, ofme eS im ©cringften ju uerfiefjen, gerabe fo roie ein
ilnabe eine Söeetljooen'fdje Sonate fpielen fann, ofme baS SBerftänbniß ba=
für ju fjaben. SaS einfache 9taä;mad)en genügt nid&t. Ser Sinn für
bie Sdjömjeit eines JlunftroerfS müßte in ganj anberer 2£eife geroedt
roerben. Sie englifa^en Älüuftfer fdjienen mir, nebenbei bemerft, oiel mef)r
mit ifjren Sßoeten unb mit bem Sweater im guten Sinne oertraut. &at
ftd) bodj 3llma £abema ein SSergnügcn barauS gemaajt, baS „2öintermärd)en"
für ein Sonboner Sweater bis auf's fleinfte Setail ausstatten, — eine
Seiftung, bie beifpiellofen ©rfotg t)atte, unb aus ber ljunbert afabemifdje
Saxler einige ^unbert flaffifdje Silber entwerfen fönnten. 3)Ur fdjeint,
geroifj fjaben unfere unbemittelten jungen tfünftler ju wenig ©elegenfjeit,
gute Stücfe auf guter 33üf)ne $u fefjen, um iljre in ben Slfabemieflaifen
einfdjlafenbe ^fjantafie etioaS ju befrudjten. 3$ bin ja gerotfe nid)t bafür, ba&
gaufte, ©retten, £errmann unb Sorotfyea gemalt roerben, aber als Uebung
5ur erften begeiftemben Anregung für ben tfunftjünger mögen Tie oielleiajt
bienen, ber nodf) nia)t im Stanbe ift, eigene ©cftalten feiner Pjantafie
fo fjinjuftellen, bafe fie ein roirflidieS Seben für alle Seiten fjaben.
Unb fo oerlaffe id) mit frönen (Erinnerungen bie HuSfteHung in
SHandjefter, roenn audj nidjt jerfnirfc^t unb serfa^mettert ob beS Verfalls
unferer fjeimifd)en ftunft. 2öir brauchen uns bem Hillen gegenüber nidjt
flein ju füllen. SMeHeidjt roerben roir aud) einmal eine 2luSftellung oon
fünfzig $af)ren beutfdjertfunft erleben, aber ooUjäf)(iger als ber f leine Slppeubi?
ber ^ubiläumSauSftellung, unb — ein frommer Sunfd) — enblidj in
9idumen, bie roürbig finb, mit .Qunft gefajmüdt 31t roerben, in benen eS
ftdj be^aglid) roaubelt, in benen man in &kit)e unb 5lnbaa^t baS ©ebotene
auc^ roirflia^ unb roatjrfjaft uub oljne ^aft geniefjen fann.
3
Siterarifdje llrfad}?n unö tDirfungen.
Streiflichter unb fragmcntarifdje DenfMätter.
Von
3ulius (Broffe.
l'anae l»ab' tcb mid) (jefträubr,
C-nbltdj fleb* tcb naeö —
2ö«m ber alte SDltnfdi jerftäubt.
23irb ber neue »ach.
2skf» X'r! Hm» ?u bie* niebt baff,
liefeS Stirb unb iöerbe —
2Meibft tu nur ein intiber Waft
Huf ber trüben örbe. (M0<^
ie legten oicr Reifen werben iebem ftoetfjefreunbe au$ bem weft;
öftlid)en Tiuan befannt fein, aber reo fielen bie etilen Seilen ?
Tiefe £rage ^at 9)?and)en fcf;on irrgefüf)rt, unb bodj finb fie
eine ed)te Reliquie, wäljrenb bie legten wer 5ugleidj beweifen, baß ber
alte Tidjterfürft unter Umftänben aud> bei fid) felbft eine 3(nleif)e niä)t
üer)d)inöl)te. tHt§ er, um läftigen ,§ulbigungen au3$uweid)en, feinen legten
©eburtstag (28. Sbsguft 1831) in Ilmenau oerlebte, machte er im
Saufe bicfeS Tages aud) einen 3lusflug nad) ber Äörnbad)tbalmüf)le bei
Elgersburg. Tort trug er jene acfjt Seilen in ein aufliegenbes gremben*
bud; ein, freilid) nicfjt almenb, baß er jum legten Wale feinen ©eburtstag
erlebte; unb bod; flingt es au3 ben fibnLinifdjen SBorteif wie ein ergreifen ;
ber, welimütl)iger Slbfdnebägrufe. Tiefer unfreiwilligen 9lctualitat r)atber
fdjrieb id) bie Seilen öfy öl3 ia) fie oor neun ^afjren im (Sommer 1880
bort entbedte; mögen fie beim Ijier ^ur „nadjbenf liefen" Ginleitung beim
9iüdblid auf oerfloffene ^nljre, 9)ienfdjen unb Tinge bicuen.
Sie Ijaben midj erfud)t, %fynen fragmcntarifdje 9)tittf)eÜungen au* bem
eigenen ßeben gii geben. 2lber es miH mir flehten, a(£ märe es ba$u nodj
»iel jit fvttb — als ftänben bie 9)icuftf,eu unb Greigniffe nodj ntdrt fern
genug, um aus SBatyrljeit mieber jur Tiäjtung su werben — ju jener
freien buftumgebenen i'luffaffung, weldje bie l;öt)erc SBafp^eti enthält. 3lbcr
— Hlundjcn. —
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£iterarifd?c Urfadjen uub tDirfungcn.
33
einjelne 2lctualitäten aus her Vergangenheit tonnte idj voofy herausgreifen,
— idj meine Vesielmngen beS litcrarifd) ©efdjaffenen jur ©egenwart —
jeitgemäBe Vejielntngen, bie, unbeabfichtigt, fld^ ptöfclich als oortjanben
geltenb machen, manchmal in fomifcrjer, ein anber 2)cal in oerbängnitwoHer
2lrt — jene ^Improoifattoneit beS 3"?°^, Pointen ber 2lugenblicfSauf*
nannte, bie ebenfo oft glücfbringenb, als jum Unheil werben fönnen.
(SS giebt neben ber befannten, gleiehfam officiellen, £iteratur= unb
Stunftgefduchte noch eine verborgene, unterirbifdje, bereit Vorgänge man<hs
mal erft bie richtigen erhellenben (Streiflichter auf bie wahren 3ttotioe beffen
werfen, was alle Söelt erlebte ober erlebt $u ha&en glaubte, ©er weife,
jum Veifpiel, weshalb Gourbet bie Venbomefäule umftürjte? — eine
Barbarei, bie für einen flünftler gerabeju unerf(ärlidt) wäre, wenn fie nidjt
anbere, bisher unbekannte 3Jcottoe gehabt hätte. %n jenen Sagen, ba bie
Commune fct)on if>r $aupt erhob, planten bie ftnownothingS unb 2lnardjiften
ber ftabicalen einen Angriff auf baS Calais £uyemburg. 2BaS babei aus
ben bort oorhanbenen ftunftfehäfeen geworben roäre, roar unberechenbar.
Um biefelben ju retten, hielt (Sourbet eine flammenbe 9iebe unb wußte
mit gut gefpieltem 3onie bie 3erftörungSwutf) auf ein minber werthooHeS
Cbject ju lenfen. So foH bie Venbomefäule jum Cpfer gefallen fein für
ben Suremburg. — 2llfo ift e$ mir oor einiger 3eit erjärjft roorben.
Cber wollen Sie lieber eine ädere, beutfdje 3lctualität? ©in berühmter
dichter in fietpjig, ber bem £omer mehr in ber Vlinbheit glich, als in
ber Vorjüglid>feit feiner Verfe, he9te oor etwa 45 fahren ben lebhaften
SBunfct), ber erften Auflage feiner ©ebidjte eine sroeite folgen 511 laffen.
2lber er roottte fich weber oor bem Bruder, nod; bem Verleger blamiren.
$ie noch umfangreichen Vorrfitlje ber erften 2Iuflage mußten unbebingt oer*
fchroinben. *£a gab ein unoorfichtiger greunb einen gefährlichen 9tatl).
Veibe, ber ^ßoet unb fein ^ulabes beluben fidj mit ben Valien ber (£rem=
plare unb fchritten in S^aapt unb üftebel in'« Siofenthal, um bie unfchulbigen
3Wufenfinber in ber gleiße ju ertränfen. Unb alfo roarb ber betlehemitifche
9J?affenmorb auch ausgeführt — leiber aber oolljog fich bie ©recutton in ber
nächtlichen Stille mit einem berartigen Särin, baß bie wachfame £ermanbab
alsbalb machte auf bie fliehenben SJJiffcthäter, fie einhotte, unb in fixeres
©ewahrfam abführte, bis bie Sonne es an ben Sag brachte, baß baS Gaffer
nur feines ©leiten oerfdjlungen hatte. So eilten nachher boshafte, vielleicht
erfinbertfehe 3«"^«; aber bie jroeite Auflage ift bann wirf lieh erfebienen.
Cber möchten Sie eine 2lctuatität aus ©oetheS £eben felbft, wie fie
l;eute noch in weimarifcher Xrabition fortlebt? 2IIS ber 2lltmetfier, uielleicht
aus Vorficht, feinen „Vürgergeneral" auonnm aufführen lieft, faßen oor
feiner Parterreloge einige 3J?ufet föt)tie aus %ena, unb im ©lauben, VulpiuS
fei ber Verfaffer, ließen fie ihren frititdjen Vemcrtungen freien Sauf, ^lö^ich
erhob fich Jupiter tonans hinter ihnen: „3Jteine Herren, id) bitte mir
^ul;e aus, baS Stücf ift uon mir!" — <*s würbe weiter gefpielt, unb man
3*
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3*
3»Iius (Sroffc in ITlündjctt.
beiounberte ©oetfjeS 3Wut^f mit folcher Arbeit beroorjutreten, bie fid^ mefjr
unb mehr als fetner unwürbig erwies. $er <Sa)luf5 fott lauttos »erlaufen fein,
©oetfje aber wanbte fich lachelnb, beoor er bie Soge verliefe, nochmals an
bie ^enenfer : „3Reine Herren, baS Stücf ift bod) oon StolpiuS." £aS gefdjaf)
ungefähr $ur felben 3eit, als JUeiftS jerbro^ener £rug auf ber Sßeimarer
£ofbüf>ne oor einem <publifum burcbftel, baS Damals für baS Öuftfpiel
feinen anberen SJtoftftab fannte, als Äofcebue. 2luch eine 9lctualität oon iöe=
weisfraft bafür, bajj ©rfolg ober 9J?if$erfolg noch fein bleibenbeS Äriterium
für ben innern SBertt) ober Unwerth eines ÄunftwerfeS fein fönnen.
£aS 2IlleS ift freilich lange her. ^^nen würbe oieHeicht eine 2lctualttät
aus unferen £agen willfommener fein. 2öot)fan — obfchon id) baS
golgenbe nur mit oorfichtiger &anb berühre unb aus ©rünben ber $>is*
cretion oon jeber Namensnennung abfegen mufe. $or einigen Qafyren fam
311 einem berühmten ^oeten ein oerfcbollener ^ugenbfreunb unb ^arteiges
noffe. Reiben mar oor oierjig 3[a[jren in ben £agen ber nationalen 23cs
weguug eine oerbältnifemäing bebeutenbe 5Hode zugefallen. Seitbem bie
6türme fid) gelegt, rjatte ber ^Soet injwifdjen eine beträchtliche SReibe oon
Herfen geliefert unb einen Gtjrenplafc auf bem beutfchen ^aroafj errungen,
wäbrenb ber 3lnbere, politifdjer Agitator, angeblich in allerlei internationale
Sffiirbelftürme oerwirfelt, im 2luSlanb oerfdwllen mar. ^ßlöfcticb erfchien er
aber, unb jwar mit fatcgori fdjem Ultimatum: „öieber Jreunb, es nrirb
enblidj $e\t, bafj mir 2lbredmung galten. $)u wirft Xiä) of)ne 3roeifet
erinnern, bafe $)eine 6d)öpfungen, bie 3Mch berühmt gemacht haben, eigenU
Iidt> bie Ausbeute meiner Arbeiten fmb unb mir gehören, beweis ber
bort unb bort beponirte Koffer mit Schriften, bie mir nunmehr an baS
Tageslicht $teben werben." (Sprach'S unb oerfdjwanb wieber. ilur^e grift
barauf berichteten bie 3*itongen oon bem plöfclidjen £obe beS Joelen
unter Uinftänben, bie anfangs ben SBerbadjt nahe legten, bafe er freiwillig
aus bem i'eben gefdjieben fei. 3lad) forgfältiger 9?achforfd)ung über ben
Mern biefer bunflcn £egenbe fann i<3t> einftioeilen nur conftatiren, bafj ber
berühmte dichter in golge einer ©efurnentjünbung am Sdjlagflufe geftorben
ift, roie bieS auc^ baS SectionSprotofolI ber 2ler$te feftgefteflt l>at. 2tud) ift
nunmehr nach ^erflufe mehrerer Sabre wof)l ju hoffen, bafj ber ©egner
injroifchen fo weit $ur Söefinmmg gefommen ift, um ton feinen, im 3luge
jebes dritten, unberechtigten Auflagen unb 3lnfprücheu absufteben. 3$
habe biefen gall tyex «ur ™ ber 2lbfid)t erwähnt, um eine immerhin
mögliche £cgenbenbilbung im Äeim ju oerhinbern. ©lüdlidjerweife war
es b*^ leichter, ber 25ktbrl)eit auf ben ©runb 311 fommen, als in ber
analogen Streitfrage, ob <Sf>afefpeare ober 23acon ber ^erfaffer ber un»
fterblichen 2Heifterbramen fei — eine $rage, bie fich fürjlidj faft auch ju
einer acuten „ftrifis ber Literatur" au^juwachfen brorjte.
Unter jener Spifemavfe brad;te oor einigen Monaten bie iDlünchener
ungemeine 3*itung einen pifanten unb burd; Sparaborieen blenbenben
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Eiterartfdje Urtadjen unb IDirf uitgen.
55
2lrtifel über ben ^Deutf^s^tattener ©raf in SDtailanb. — 3<h wunbere mich, ba§
jene fjöchft geiftoolle, boch fachlich tjeraudforbernbe Arbeit feine Entgegnung ober
roenigftens fritifche Beleuchtung gefunben ^at. 2Beun ©raf unter 2lnberem
behauptete, in ber heutigen Literatur (hiropaS überwiege bie Snrif, fo weif?
man nicht, was er bamit meint, wo in aller 2Belt btefe fiegreichen Snrifer
eriftiren. 2Kit viel größerem 9iecf)t hätte er fagen tonnen, unter aaen
fünften überwiege heut bei weitem bie 2tfufif — fie habe, wie ein SHufer
im (Streit fich fcinerjeit ausbrücfte, . bie gü^rung übernommen unb bie
eigentliche Siteratur einftroeilen an bie äöanb gebrängt, wenigftens in
Deutfchlanb. Unb fo oiel ift 3£af)rf)eit, bafj, von ber Sflacht ber £öne
ganj abgelesen, bie (Sompontften felbft jur geber beS (SchriftftellcrS greifen,
um ihren Sieg ju ooHenben unb tf)re ^räponberanj fo einbringt unb
unaufhörlich als 9lriom 5U oerfünben, bi^ jeber Söiberfpruä) ocrftummt.
3$ will nur ein Statt $ur 3ttufiration biefer £t)at|aa> liefern.
3m £erbfi 1865, als id) noch baS literarifche SHorgenblatt ber
officiellen 23anerifchen 3^t«"9 rebigirte, fam eines £ageS eine Sefd&werbe,
refp. Anfrage aus bem St. Gabinet. 2BeSf)alb mir eine 2lrbett iRicharb
SBagnerS jurücfgewiefen Ratten? Der berühmte SJtetfier fjabe fich beim
Äönige befchwert, bafc ihm in ganj 33anem feine einjige 3eitung ju ©ebot
tfänbe, um feine 3been bem 2>olfe $u »ermitteln. Sir fonnten mit gutem
©ewtffen bie Goflectioerflärung abgeben, bag mir niemals in ber Sage
gewefen, eine 2lrbeit 3?. SÖagnerS abzulehnen, weit uns niemals eine
foldje angeboten worben. 6djon bamalS fiel feitenS eines ber Siebacteure
bie 33emerfung: „hinter biefer Söefchwerbe ftecft offenbar etwas SlnbereS.
3n folgen gälten bient bie Unwahrheit nur als Littel, um irgenb etwas
burchjufefeen!" <5s war auch fein 3af)r oergangen, als mit ber %<xl)xe$:
wenbe »on 1866 ju 67 ber 3n>e<f jener Unwahrheit ju Sage fam. Die
Regierung fah fich plöfelich oeranlafet, bie faum fünf 3^r juoor erworbene
officieHe 3e^n9 fur immer auf5ugeben, unb jwar ju ©unften einer neuen
„6übbeutfcf)en treffe", bie dou SuliuS gröbel auf Soften ber fönig:
liehen GimKijle herausgegeben werben follte. ©S war baS eine merf*
würbige neue ©türm* unb Drangperiobe. 9JJit gröbel erfaßten eine 2lns
jal)l alter greunbe unb ^arteigenoffen als ©eneralftab bes 2ßagnertf)ums,
nicht blofj in ber üftufif, fonbern hinfort auch in ber treffe.
©leidj bie erfte Kummer ber neuen 3ettung bradjte am. 1. Cctober 1867
im geuiUeton 9i. SBagnerS 2frbeit: „Deutfa)e Äunft unb ^olitif. Dies
alfo war jene, angeblidj oon uns oerfchmähte, 2lrbeit; bas ^ronuncia=
mento ber neuen 9)?aa}t, für welche jene 3e^un9 a^ literarifa^eS $aupt*
quartier gefdjaffen werben mufjte! Leiber naljm biefer glänjenbe 2lnfang
eine unerwartete 9Benbung. SÖä^renb noa^ bie erften Hummern beS ©ffanS
burch fc^einbar patriotifdje ^arbe blenbeten, trat fef)r balb bie wa^re
^enbenj ^etootf bie nach ber Seofung: 6te toi, que je m'y mette aus*
nahmelos alles, was flönig 9Waj II. literarifa) unb wiffenfchaftlich ge*
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36
Julius (Sroffe in IHünfben.
förbert tjatte, mit rüdfidjtslofer Slmnafeung in ben Staub 50g. tiefer burdj*
aus unprooocirte 2Ingriff erfd^ien felbft Jrröbel berart maßlos, bafj er
biefeS literarifche 2lutobaf6 nicht mehr mit feinem tarnen beden mochte, nod)
weniger bie &uperbetn btjjantinifdjer ©efinnung. Gr uerroeigerte alfo
feinem Jreunbe runbroeg ben 3£eiterabbrud, wenn er nicht einige roefent*
liehe 2lenberungen träfe; sugteid) erflarte er als (5f)renmann, bafj er unter
foldjen Umftänben aud) nicht mehr in ber Sage fei, bie Leitung auf
fönigliche Äoften 51t leiten, fonbern fie nunmehr auf eigene Rechnung
meüerfüfjren werbe.
3)iit biefer (rrfläruug fam es gleich im erften 2)?onat ber neuen 2lera
jum unheilbaren 33rud)e snnfchen ben alten ^arteigenoffen; unb wenn aua>
ber ©ffai; fpater mit größerer *Retoud)e erfdjien, fo fam es meines SiffenS
bod) ju feiner uollen 2luSföf)nung mehr. $ie Sübbeutfdje treffe warb
gröbelfdjeS ©igentlmm unb mürbe auf feine Äoflen rocttergebrudt. ©einer
Energie unb geiftooHen Seitung ift es mit $u banfen gemefen, bajj bie
hochgehenben 2öogen ber baperiföen SSerftimmuug nad) 1866 fich allmählich
fomeit glätteten, um bie öffentliche Meinung für bie SWianj oon 1870 oor=
jubereiten. Später mürbe bie Sübbeutfdjc treffe an ein Sanfconfortium
oerfauft, unb gröbel ging als Gonful beS bcutfchen Geichs juerft nad)
Smnrna, fpater nad) Algier, mo er beut nod) im 3lmte wirft, unb, falls es
erforberlid), bie Correctheit meiner Mitteilungen mürbe betätigen fönnen.
2£aS jene officieUe „Süanerifche Leitung" betraf, bie ein fo rafdjeS
(Snbe nahm, fo (jabe id) -m benötigen, baß fie nur fünf ftaljre eriftirte.
^m Öegentfjeil hatte fie, bie fdwn jmanjig Qafyx 3Uoor als balboffiäelleS
-ölatt bei 2Bolf gebrudt mürbe, ein gan3 refpectableS 2llter erreicht unb
|e nad) ben medjfelnben (£podjen aud) ben £itel mehrmals geänbert. 3nt
$af)re 1855 tyiefj fie nod) „9teue Mndjener Leitung" unb mürbe als
foldje unter JHteblS Oberleitung auserfeljen, gleichfam bie 9iepräfentation
ber bamals com Äönig berufenen ©elebrten unb Sdjriftfteller ju über*
nehmen. Sie ©efd)td)te biefer 3e^Utt9 3" ichreiben, mit meld)er aller*
hanb Umgeftaltungen unb ©rperiniente oorgenommen mürben, bis fie 1862 in
ben 2HIeinbenfc ber Regierung überging, müibe ben 9iaum roeit überfchreiten ;
aber einige Streiflichter feien mir, als bem »ormaligen üftitrebacteur, ge*
ftattet. 3d) mar fcfion im 3)?ai 1855 eingetreten, aber id) fann mof)l fagen,
bafj biefe jroölf $ahre bis Gnbe 1866 eigentlich eine 3eit ununterbrochenen,
menn aud; oerftedten, Kampfes gemefen finb. 3$ miß bie (Segner t)ier
nicht flaffifficiren; a6er es mareu meit roeniger bie Ultramontanen, als
mechfelnbe Stimmführer ber Socalpreffe, roelche eine principieße (Begner-
fdjaft gegen äffe 9?ia)tbanern als löbliche patriotisch« Xenbenj pflegen ju
müffen glaubten.
ftmgelftebt hat in feinen „2)Jüncheuer SMlberbogen" jene ^ßeriobe mit
cbenfooiel .^umor als SBahrheit ffijjirt. Leiber befa)leunigte er felbfl
feinen Sturj bmch eine unbegreifliche ^nconfequenj. ^enn er, ber liberale
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üterarifdje llrfadjcn unb IPtrfungcn. 37
93orfämpfer unb „IWa^twäd^ter mit gortfäjritUbetnen'' tjegtc alö Sweater*
Sntenbant -ntdjta weniger als etwa Sichtung cor ber ©ebanfenfreifjeit. 2113
bie 9Jeue 9Nünd)ener 3*üung bei 23efprednmg ber ^ar)re^überfid;t oon
1857 einige pia desideria erlaubte, eilte SMngelftebt fofort 51t ©raf 9ieiger3*
bagg, bem al3 9)ftmfter be3 Snnern bamalS bie offtcietle grelle unterteilt
war: „S&ie fönnen Sie als f. Beamter mir, ber iti) ebenfalls Beamter
bin, Dppofition madjenV"
£er 3)iinifter erwiberte, baß Xljeaterreferate, (0 wenig wie flunftberidjte,
bod) feine amtlichen flunbgebungen ber Regierung feien. ,,©an3 gleia>
oiel!" rief Eingelftebt, „ba$ $ublifum fafct bie Sadje fo auf, ba§ felbft
bie officielle Leitung Auftrag fjabe, gegen mid) ju agitiren!" — XenWu
nifter oerblüffte biefe Sogif, er oerfpradj 9iemebur unb gab SMngelftebt
antjeim, felbft einen beriajterftatter ju ftellen. tiefer SUtSroeg würbe jwar
angenommen, aber bamit war bie Sadje feinet weg$ 3U ©übe.
Sofort namlidf) begab iid) Dr. ber ßfjefrebafteur, jum 3)iinifter, um
il)m 3U erfläreu, bafj er ben neu oorgefdjlagenen, al3 beftecfjlidj befannten,
$3erid)terftatter im 3ntercffe be3 guten sJiufe5 ber 3e^tun3 ni$t annehmen
fönne. „28a8 wollen Sie?" rief ber 3Jiinifter. „Unter ^ctjn Siteraten finb
neun Sumpe. Xa fommt es auf einen merjr ober weniger nicfyt an!"
Dr. SB. nafnn biefe Erläuterung fo empfinblio) auf, ba& er fajriftlict)
feine ©ntlaffung anbot; aber im ©cfüljl feiner Unentberjrlid) feit war er fo
unoorfid)tig, für ben gall, bafe man ifm behalten wolle, err;eblid> l;öt)ere 23ebin*
gungen ju ftellen. Einige Stunben barauf war er wirfltd) entlaffen. 3lm
felben Xage reifte ftönig 3Ha£ nadj Italien unb liefe auf feinem Sdjreibttfdr)
bie ©ntfjebung Singelftebts jurücf. 2lHe 535>ett wufjte oon biefer ©utfdjeibung
früher, a(S ber betroffene felbft. lieber einen £ag fpäter fam ©enerat
ü. 3rai^ auf bie -Nebaction ber leiten 9Nünajener 3e^unÖ unD bat, aüe3
beim 3llten $u laffen. „Sdjreiben Sie über ba£ £ljeater, wa$ Sie wollen,
nur laffen Sie meine ^perfon au3 bem Spiel — ia) alter 9ftann (jabe baö 3lmt
ber 3ntenban,j nur übernommen, um bem flönig einen ©efallen 311 tr)un."
Gin (jalbes 3ar)r fpäter, e$ war im 3af)r 1857, übernahm Xingelftebt
bie Leitung be3 22eimarifcf)en #oft£eater$, baä er in jelmjäljrigem SBirfen
ju neuem ©lanje ertyob.
3ene ©egnerfdjaft ber ©inljeimifdjen gegen bie Sremben*) — ein
£f)ema, beffen 3ufammenl)ängenbe XarfteHung fetner$eit mand)e3 Scnfblatt
füllen wirb, jeitigte mancherlei wunberbare 33lütf)en. 6ine3 £age$ fam ein
SJiuntfjener ©elefjrter (idt) will feinen tarnen Ijier mdjjt nennen) unb brachte
einen, ber 3bee nad), (jödjft banfenäwertrjen Beitrag für ba3 -Dforgenblatt
ber 33. 3- Arbeit enthielt nur wenige 3eileu £ert, be3 3^«^^/ bafc
*) ftüx eine moberne gro&e flunftftabt eigentlich ein toollfommcn unmöglicher
®eßenfa^. Geitaus bie SDle^rjaf)! ber Wiinchener Äünftler finb 9iicf)tbat)eru, unb nie*
malS hat man fie bteS empfinden [äffen. 3ebc Uniöerfität ber äöclt recrutirt ihre
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38
3nlius (Sroffe in IHündjen.
and) bie barjerifdjen Unioerfitäten ber 2?ergangenfjeit Ongolftabt, £anbs=
rmt 2c.) eine große 9ieif)e »on Gelebritäten in allen ftädjern aufjuweifen
Ratten, darauf folgte ein umfaffenbeS SNamenocrjeidmiß oon etwa Rimbert
ftornpfyäen nebft ben ^a^re^a^en ifjrer ä^irffamfett, wie iljreS XobeS —
fonft aber f einerlei weitere Grläuterung.
23ergebli# bemühte id) midi, bem berühmten ®elcr)rten oorjuftellen,
baß eine naäte 9?omenc(atur nod) fein genießbarer (Sffan, baß es bod;
wof)l wünfdjenSwertl) fei, bie ßfjarafterfopfe jener Hainen etwas ausfuhr*
fürjrltd^er mobetlirt ju fefjen. 2lfleS umfonft. £>ie ein3ige Antwort, bie
idj erhielt, waren 2IuöfäUe über norbbeutidje Anmaßung, fowie bie Sofortige
,3nrü(fäie^nng beS Beitrages. Ginige ÜWonate fpäter aber benufcte ber
£err SSerf affer meine 2lbwefeiü)eit anf Sommerurlaub, um bei meinem
Stcttoertreter bie 2lufnaf)me jenes 9?amenSoer$etdmtffeS pure burdfoufefcen
— unb fo ifi e5 auaj gebrudt worben. Sie bisherige Sompatyie beS
berühmten ©eierten aber l)atte id; freiließ für immer oerfd&erjt; er I)at
fogar für nötljig gehalten, nod) lange ^al;re nad^er in einem fafirifd) fein
follenben öebidjt feine 9ieuand)e an mir ju nehmen, eine SJenbctta, bie
woljl allen etwaigen i'cfcru rätf)fell)aft unb unoerftänblidj geblieben fein
wirb, weil fie bie ^ejielwngen unb 3)iotioe nid)t fannten.
3m erwähnten gad alfo rjatte eine UnterlaffungSfünbe, bie befanntlid»
Ijäufig »erfjängnißoolier ift als baS ©egentbeil, böfe fixufyl getragen, ©ine
anbere UnterlaffungSfünbe, aud) feitens ber treffe, wirb oielleidjt letyrreid)
für Dramaturgen fein. £n ber Seit von 1868—70 fyatte id) als
literarifd)cr Söeiratl) ber ©eneraU^enban^ u. 21. bie ^Obliegenheit, auf
ältere wertlwofle Stüde etnrjeimifdjer unb frember Literatur aufmerffam ju
madjen. So würbe auf meine SJeranlaffung im 2lpril 1869 Dolbergs
„^olitifdjer flannegießer" gegeben, jene unfterblidje Momöbie, beren £itels
rotte junt geflügelten &>ort geworben ift. 9iuu hätte in unferer bamaligen
Leitung, bie id) mit Dr. (üranbaur rebigirte (3)cünd)ener ^ropuläen)
ein orientirenbeS Sh>ort gefagt werben follen, baß es fid) tyei um ein
älteres bänifdfjes Stüd Ijanble. Siefe ^orfidjtSmaßregel unterblieb, id}
weiß felbft nidjt meljr, weshalb; unb bie Jolgc n>ar, baß baS $ubli!um,
baS im Tanten Dolberg mof)t einen 2lnflang an .§olbein ober &oltei fanb —
jene iiomöbie als moberneS ^robuft auffaßte, bann, über biefe 21rt Satire
erftaunt unb enttäufdjt, baS Stüd, trofc ber oortrefflia^en SarftcHung mit
Eefjrfrafte au& ber fferne unb muß bie it»tffcnfd>aftlic!t)e Cualität bcrfelben fyöljer ftelten,
als baS Snbigenat. 3n 2Jiünd)eu bagegen mirfte ber confefftonelle Öegenfae ebenjo
bergiitenb, luic baS bajuüarifdje Selbftgefüfjl. "Ulan lebte in ber tfyöridjtcn fturdjt uor
ben Freimaurern, irter man tljat memgftcu* fo. Saber ber faft fanatifdje £af$ gegen
jene Söcrutenen. Söian l)ielt ben fremben Import für eine 3"rüdfe&ung ber einbeimifdjen
Gräfte, olme baß jemals eine foldic tfraft genannt werben tonnte, bie mirflidj gurücf-
gefe&t moibcn ift. Mber jene faMe convenue beS ^arteigciftcS ift felbft ftente nadj
mebj als breifeig 3anrcn nod) lange nidjt als übermunben ju betrndjten.
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£iterarifdje ilrfadjen unb Häufungen.
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Entlüftung ablehnte — ahnungslos, bafc es ein 9fleiftermerf fallen liefe!
Sehr natürlich — bie Satire, welche $u Dolbergs 3eit, b. h- vor
160 3a^ren, reo politifirenbe S3ürger noch als 2Rfi&iggänger unb 3ett*
oerberber galten, wot)l angebracht war, traf tynte alle 2Belt, weil heute
atle 2Belt oon 3eitungen beherrfcht wirb. £>ie Satire würbe nicht mehr
verftanben, ja fie wirfte als birecte Söeleibigung. 3$ glaube, man würbe
j. ÜB. mit 2HolioreS femmes savantes eine ähnliche Erfahrung machen,
wenn man fie anonnm bem ^ublifum als mobernes Stücf bieten wollte.
9Jod) oiel empfinblidjer mar man gegen eine anbere SIctualität; benn
unfere 3eit ift, wenn auch milber, bod) bei weitem neroöfer geworben, als
jemals eine frühere Epoche. 3m granfreich beS vorigen QahrhunbertS
mürbe tnan einen 9lutor, ber in einen Montan wahre ober erfunbene
3Jhjfterien ber vornehmen 2Mt auSplauberte, unfehlbar in bie SaftiHe
geftecft hoben, $n unferer &\t genügt es, wenn foldfer Slutor burch ben
Verleger freunbfchaftlich veranlagt wirb, ben betreffenben Vornan abju*
änbem. 2)en Sßerfaffer läfct man bann laufen, unb ber Verleger wirb nach
Umftänben vielleicht mit einem Drben belohnt, 3<h übergehe biefe fehr
<$arafteriftifche9lctualität, thetls weil fie noch befannt ift, tfieits weil fie nicht
blofc neroöfe ©emüther noch ^eute unb jwar mit Stecht oerlefeen tonnte.
UebrigenS ift es noch Öar ™fy \° lan9e her/ Da6 man au$ Dei un*
noch bie Saftitle bictirte. 9luf ber 9)?agbeburger GitabeHe fafc im
£erbft 1846 ein berliner 9lutor, ber bereits bie Morgenluft oon 1848
witterte unb in einem SSifeblatt fich unliebjame ^Betrachtungen erlaubt
hatte. ES war ein junger, otelverfprecf)enber 3J?ann, ber es fpäter auch
bis jum &oftheater=3ntenbanten gebracht hat. damals milberte man fdwn
nach farjer 3eit feine &aft unb geftattete ihm, in einem &otel ber Stabt
ju wohnen. 2)ort flickte ich als blutjunger Anfänger ben „SHärtvrer" auf
unb brachte ihm mein tirocinium ; ich glaube, es war eine Ueberfefcung
beS „3efuit" oon $ucange unb pr6r6court. &err geobor Sehl —
warum fotl ich feinen Tanten verfebroeigen ? — nahm mich auf baS SiebenS;
würbigfte auf, fpradj oon coaegialem ßufammenhalten unb ermutigte mein
Streben. Schabe, bajj ihm auch ber Soben oon ^arthenope balb ju
warm würbe. Er ^atte als £heaterrecenfent ein paar Lieblinge beS
*ßublifumS unb in golge baoon auch ben ©efdjmacf beSfelben getabelt.
iarob Entfefoen unb Sturm, ber ftd) fogar $u perfönlichen Drohungen
fteigerte. geobor 3Sef)l fdjüttelte alsbalb ben Staub ber funftfinnigen
geftung oon ben güfjen unb ging nach Hamburg, wo er noch h*ut fein
otium cum dignitatc oerlebt.
3<h möchte mit jener Erwähnung meiner geliebten ^weiten Heimat,
ber ich fo oiel oerbanfe, burchauS nicht su nahe treten; brachte mir boch
berfelbe £erbft 1846 bort eine anbere werthootle Berührung mit einem ber
bamals gefeiertften dichter — mit feinem geringem, als £arl o. &oltei,
ber feine weltberühmten Shafefpeare^o riefungen tyelt, benen an jebem
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Julius (Sroffe in Ittündjcn.
2lbenb als 3"9<>&e eineä feiner Suftfpiele folgte — fo beut Mdjarb II. fein
„38 Minuten in ®rüneberg." 3dj frute nocr) ftolg barauf, mit bem greifen
£öwen — grau war er, obwohl er nod) nicbt fündig erreicht Dottel — einige
©orte gefprodjen §u f)aben, aU idj mir perfönlid) mein 23iHet ^olte. (£r hinter«
liefe bamals bei einem ^reunbe einen großen goliobanb mit feinen fämmtlia^en
(id) glaube 60 bis 70!) Dramen unb Singfpielen. £er ^radjtbanb, bejfen
bunten 3nt)alt id) mit fritiflofem £>eifef)unger oerfdjlang, fdjeint nur in wenigen
(?remp(arcn gebmcft morben ju fein, benn idj f)abe mid) fpnter auf 2Jibliou)efen
nergeblid) bemüfjt, feiner wieber fyabljaft ju werben. $n ber 9lrt feiner
bramatifdjen SBorlefungen ift £oltei oon SHtemanb wieber erreid)t worben,
Unoergleid)lidj war feine flunft, bie ^?erfonen jebeä 2llter3 unb ©efd)led)t$
in oerfdjiebenen Stimmen auSeinanber $u galten, babei in ÜDlimit unb
löeroegung bie oollenbetite ^laftif unb bramatifaje Söefeclung.
$ielleicf)t am nädjften fam ifmt @mil $alle£fe, ber nur wenige ^afjre
barauf im Söinter 1851 feine fiaufbafm begann, unb jwar im Salon oon
Robert ^?rufc ju Halle. Seine 3nf)örer waren außer ber Jamilie beä ^profefjor^
nur wir paar Stubenten: „Otto ^oquette, tcr) unb 9Iuguft Jörfter, ber
bamalä fdwn ben 9)Jarfd)all£ftab ber ^utenbanj in feiner $atronentafd)e trug.
Unoergcfelid) finb mir bie Üftadjinittage, an benen er in einer (Sonbitorei
ber Steinftrafee ben Sajaufpielem tieffinnige SHorlefungen über Sfyafefpeare
f)ielt; ebenfo unuergefelidj jener 2lbenb be3 21. 9?ooember3 1851, als er
felbft bie erfte gröfeere 9iolle, unb jwar bie Titelrolle meines erften SuftfpielS
„Sljafefpeare", im Stabttl)eater fpielte. $em Dreiacter folgte bann nodj ein
©inacter „2&albeinfamfeit" oon Cito SHoquette. 2£ae bem 2lbenb aber gan$
befonbere SBeifje ücrliet), war ber Umfianb, bafe e$ ber ^otterabenb 2luguft
ftörfterS war, ber am Sage barauf bie rei3enbe Xodjter bes Sirector* SBrebow
freite unb bann mit ber ganzen ©efeUfd;aft f)tnau3 in bie weite SÖelt 50g,
id) weife nidjt mef)r, ob juerft na$ Sonber^aufen ober 9)?einingen.
£a id; einmal beim Sfjeater bin — wem, ber jemals baä 3auber=
retdj ber weltbebeutenben Fretter bcfdjritt, fallen nidjt fnmbert Hiftördjen
ein, wie eä gemalt wirb, um ©rfolge ju erringen, unb anberfeits, um
errungene wieber ju oernid)ten! $d) will nur jwei erjäfjlen, bie eine
oon Ijarmlos tragifomifdjer 2lrt, bie anbere oon $ö$ft fataler 2lctualität
für ben betroffenen unb fein 2Serf.
3ln einem großen Hoftljeater würbe mein TiberiuS gegeben. 9Zodt)
auf ber Hauptprobe war ber berühmte 2)?ime, ber bie Titelrolle fpielte,
oerbroffen unb fdjläfrig, in befter $i$pofition, jeben Moment franf ju
werben, ©rft aU am Sdjlufe ber $robe ber Slaffenrapoort fam, bafe baö
&au3 oorau^fia^tlid& auöuerfaujt werbe, gellte fid) bie Sajaru§miene be$
5{ori;pl)äen auf; nun erft war er entfdjloffen ju fpielen, wa3 bis batjin
Ijöa^ft zweifelhaft gewefen. ^ad;bem bie Hauptprobe ju ©nbe, rief er mit
lauter Stimme einen £l)eaterbiener beran unb befletlte für biefen 2lbenb
— jwei Üorbeerfrdnäe, bie, wie fidj fpäter ^eraueftellte, für ben Sc&lufc
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£iterarifdje Urfadjcn unb Wittn ncjcn. $\
beregnet waren. Siefe tlngenirt^eit beS savoir faire erfaßten mir fyödjfi
amufant, aber id) burd)fd)aute fie bodj nid^t gan$. Ser ©rfolg beS Stüdes
war, Sanf ber befonberen SiebenSmürbigfeit beS $publifums ein überaus
marmer unb mid) berart bejtürjenber befonberS am Sd)£u§, bafj tä; alle
SJefonnenfjeit oerlor unb bie ©ebote ber Sd)idlid)feit oöüig oergafj. Sie
S$idlid)feit nämlidj gebietet, in foldjer Situation &anb in &anb mit bem
kirnen, bem ber ©rfolg $u banfen ift, ju erlernen. Siefer pftjdjologifdje
Moment mürbe oerpafet, idj tarn allein. (Srft mehrere £age fpäter, als bie
2Öieberf)olung fein follte, warb mir flar, maS idj gefünbigt. 2ln ben ©den
prangten rotf>e Settel. Ser SiberiuS mar abgefegt, meil ber grofee Sflime
erfranft fei. 2lnftatt SiberiuS mürbe „©röijenroatm" gegeben. 2l(s iaj ben
Äranfen auffudjte, mar er fpajieren gefahren, 3efct etft roarb es mir flar: ia)
Jjatte if)n burd) jenen oerpafeten Moment um ben erhabenen 2Iugenblid gebradjt,
mit ben befteüten, nun natürlidj ntd)t gefommenen, Sorbeerfränjen irgenb eine
rüfjrenbe Alomöbie aufzuführen. SaS Stüd ift sroar fpäter mieberfjolt
morben; aber es beburfte ber ganzen ©nergie ber 3ntenban3, um if)r ge=
gebeneS ©jjrenroort einjulöfen unb &u 3eigen, bafj fie ber £err im ßaufe fei,
nidjt aber ein gefränfter SJHme.
3n einer anberen Stabt ging es mir nod) meit fd)limmer, inbem
Söo»^eit ober £f)orfjeit eine oerniajtenbe 2lcrualität fdjuf, eine foldje, bie
in ber 9ieif)e alier ilHifjgefdiide obenan fteF)t, meil fie burdj nid)tS repaTirt
merben fauu. (@S mar fd)on feit ^afjren eine 2lrt gemetnfameS Problem
gemefen, ben antifen (Säfarroaf)nfinn bramatifd) ju gestalten; fo rourbe ber
SRero oon ©ufcforo, Sd)lei$, 2Bilbranbt unb ©reif in Scene gefefot, ber
(Saligula oon §alm, fpäter oon $enfe. Ser XiberiuS ift im ©anjen audj
brei bis oiermat bramatifirt morben, juerft oon einem Säuen $aud), bann
oon ©regoroüiuS, meiter oon einem Moftoder ^Jrioatbocenten Glafon. SDiein
Stüd ift im 2lufbau ber föanblung, roie in ber Sluffaffung ber (Sljaraftere,
uadj ben neuen gorfdjungen beS &iftoriferS greotag gearbeitet. Sie
gigur SejanS erfaßten barnadj a(S ein politifa>r Streber nad) ber ^öd)ften
SNadjt — f)mftd)tlidj ber grauen als ein antifer Son 3uan). Ser Erfolg
beS SramaS mar au# fjier berart, bafj nod; bie oierte 33orfteUung oor
faft auSoetfauftem &aufe ftattfanb. Sa gefiel es einem boshaften Jiecenfenten,
bem Sejan, als ber regten &anb beS greifen Siber, btlbhct) ben tarnen
unfereS grölen Staatsmannes ju geben. — 2£aS gehört auf folaje %\u
famie? ©emifc eine eremplarifdje Strafe. Siefe traf aber nidjt ben ©r=
finber beS „mal motu, fonberu baS Stüd, bas fofort unb für immer ab*
gefefct mürbe. 3Slan erfd^raf bis in bie ßnodjen t)inein oor einer albernen
poli$etrcibrigen 3Ictualität, bie nie unb nimmer nrirflidj oort)anben mar, aber
nunmehr nia^t aus ber 2Belt gefa^afft merben fonnte.
3n einer anberen Stäbt mar mir einige 3a()re oorljer eine nid>t
minber merfroürbige ©rfaf)tung bef Rieben, bie nämlid), ba^ man als
Slutor nie ungeftraft in ber Samfappe beS Siegfrieb ober mit bem 9iing
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^2 3uIius <ßroffe in ITIündjen.
beS ©ngeS erföchten barf. $ie 33efcheibenheit beS 3ncognito wirb ftets
eine Sdmlb, roo es Pflicht war, eine SHoIIe ju fpielen! — 9tuf ber 2llbrechtS=
bürg oon 3Heifeen führten bie ftreSbener äünftler im $uni 1871 mein 3ejt*
fpiel „Sllbredjt $ürerS ErbenroaHen" auf, unb jroar auf SSeranlaffung oon
21. i>. 3- 3$ war ebenfalls oon SBeimar eingelaben toorben, hatte jebodj
$ur SBebingung gemalt, nur incognüo als „&err 3ttfiHer" ju erfdjeinen;
einfad;, um mir bic läftige 9iepräfentatton als 33erfaffer ju erfparen.
2) er £ag unb baS geft verlief auf baS ©lonjenbfte. Es fonnte nid^t
fehlen, baf? am 3lbenb nad) bem geftmafjl baS ^ncognito burch roof)l;
meinenbe Jreunbe bennod) gelüftet rourbe, unb t)ier begannen bie feltfamen
Erfahrungen. 2£ol)l mannen neuen lieben greunb geroann ich unb auf
SebenSjeit; aber aud) mancherlei ©egner. -Namentlich eine berühmte
Sängerin fyat midj noch 3ahre nachher ihre äufcerfte ©eringfd)ä&ung em«
pfinben laffen — roie Einen, ben man als &ord)er an ber 2$anb ertappt
hat. Sel)r erflärlid), benn ber iHing beS ®rjges mürbe in ber heutigen
Söelt feinen Inhaber unter allen Uuiftänben oerbädjtig machen.
ES mar bamals baS lefote 9)tal, bafj id) ben ljoa)begabten Alunft=
forfdjer 31. u. 3/ ben ich eigentlich fd)on oon 3ugenb auf gefannt, be-
grüben follte. 3roei 3ahr* fpäter mar er nid)t met)r unter ben Nebenbei!,
als Cpfer oieHcid)t eines SBafmS — jebenfalls aber einer Slctualität,
bie tragifd) für il;n ausging. Huf 31. o. 3-'s betreiben mar, um bie
ftaubaufroirbelnbe Streitfrage 3U entfajeiben, roelche oon ben beiben
2Jtobonnen bie ed)te fei, ob bie ftreSbener ober bie $armftäbter — enb=
lid) bie Gonfrontation beiber Söerfe erfolgt, offenbar weil man mit Sicher*
heit auf ben Sieg ber SreSbener rechnete. 3lber 91. u. 3-'S Unternehmen
roanbte fxd) gegen it)n. Er mar unbefangen genug, nad) feiner Ueberjeugung
ber S®at>rl;eit bie Efjre ju geben; als er beibe Silber nebeneinanber fal),
entfdjieb er fidt) felbft für bie £armftäbter. Er oerleugnete alfo bie ^eilige
beS Drts, roaS ilnn oielleicht einjelne flirdjthurmpatrioten auf's Jterbholj
gejehrieben rjaben. Cl)ne allen 3roeifel itonb man an mafjgebenber Stelle
über ben Parteien; aber als 3-'$ Stellung — er hatte baS Äunftreferat über
baS ganje Königreich — eine 35eränberung in günftigftem Sinn erfuhr, roäfmte
er, oon franfhafter 9iei$barfeit bel)errfd)t, in jener öeförberung nach ber
SKarime „promovetur, ut amoveatur" — eine SBirfung feines unparteiifd)en
©utad)tenS $u fet)en. 3(nbere ©rünbe famen baju, um bie Sa)mernmtl)
beS bis bafjin glüeflid) Verlobten ju fteigern, unb er entwich freiroillig einer
Eomplication, bie er roäfmte, f)eraufbefd)rooren $u haben. Xiefe mahren
©rünbe feines SajcibenS blieben bamals perfd)n)iegen; ein naher 3>erroanbter
beS Unglücflidhen theilte fie mir jerjn 3af)re fpäter in Ems mit.
9lpropos Ems unb Hornburg — baS erinnert mid) an ein anberes, bis
heut nod) unaufgeflärteS $orfommni&, auch ein 93eleg yax actueHen SBirfung
literarifchcr Erjeugniffe.
^m .§erbft 1869 lernte ich in 2)fünd)en eines 3(benbS „bei 3tbam" ben
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Ctterarifdjc llrfadjen un& tPirfnngen. ^3
trafen 6t. au$ Diujjlanb fennen, unb jroar genau in berfelben SQBcife, wie
id) e$ im Gingang bcr ©rjafftung „©rajiana" berietet J)abc. ©raf 6t.
wollte mir eine üftooelle in Auftrag geben , ungefähr fo, rote man eine
Büfie beim Bilbf)auer beftellt, ober ein paar ©tiefei beim 6dmfter. Diefe
3lrt, einen fremben 9iof)ftoff jur Bearbeitung geliefert ju befommen, retjte
mid); bisher ^atte id) meift nur eigenes Grlebnifj ober eigene ©rpnbung
oerroenbet. 91m nädjften Dage erfdjjien ©raf 6t. bei mir unb crsätjUe
mir au3 feinem Seben einen $iemtid) oerroicfelten Vornan, ber tfjeils am
dltyine, tfjeite in SRu&lanb unb ^iariä fpielte. 3Han I)atte ifyn feine Der-
lobte Braut burd) eine raffinirte gamiliemntrigue entfrembet. Um fid)
6attefactton 5U oerfdjaffen, glaubte er bie brei Brübcr ber Braut t>er=
antwortlid) madjen ju müffen unb forberte fte. Der 3n>eifampf fanb am
©eftabe be3 baltifdjen ÜWeereS in £ieflanb ftatt — führte aber in feinen
golgen gerabe jur Berföbnung mit ben Brüberr., wäljrenb insroifä^en bie
6djroefier in bie £anb eine« Unroürbigen gefallen unb für immer oer*
loren blieb. Da3 Meä roar oor langen Satiren gcfajefjen, unb ©raf 6t.
fjatte längft eine anbere fierjenSwaf)! getroffen. 2Sie e3 mir aber fdjien,
wollte er mit ber SNooelle bennod) irgenb eine 9iancune üben, jumal er
bie Strbeit 3U oöüig eigener Verfügung »erlangte. Diefe Slctualitat oer*
barb mir bie greube an bem fonft (wdjintereffanten 6toff, unb id) lehnte
bamalS ben Antrag überhaupt ab. (Einige Qaljre fpater fiel mir in SBeimar
eine anbere Gntmitfelung bes ungelöften Problem« ein, eine 2lenberung,
reelle $um optimiftifdjen 6d)luffe unb jur Sßieberoereinigung mit ber ent*
riffenen Braut führte. 3n bieier neuen SBenbung gefiel mij bie 21ufgabe,
unb fo ift ber Vornan gefdjrieben roorben. Gr erfaßten juerft in einer
granffurter Leitung, fpäter als Bud) in ber 6erie Offene* Söunben".
Äaum aber roar bie Cr^lung gebrucft, all td) burd) bie SRebaction
jener granf furter 3eitung einen an mid) geridjtcten, ganj unglaublidjen Brief
einer Dame au« Hornburg empfing, be3 fabelhaften ^nljaltä, bafe id), naä>
bem td) einige 3*it mit ifn* gelebt unb fte böslidj oerlaffen, nun audj nod>
bie Bermeffenfjeit Ijabe, unfere ©iftorie ber ganzen SÖelt 5U er$äf)leu!
2*>a3 roar ba£? ,§atte irgenb 3emanb meinen Tanten mifjbraudjt?
ober gab es einen Doppelgänger besfelben 9?amen3, ber in 2)Jtttel=Deutfd>=
lanb ebenforoenig feiten ift, roie fonft SHütter unb 6dnilje ? 33) antwortete
fofort unb bat um näheren Sluffdjlufj, um eoentueH, falls eine ftrafbare
SJlnftiftcation »orlag, ben 25>eg be£ 9ied)t$ ju befdjreiten. Darauf folgten
f)öflid)e, aber auSmeidjenbe Briefe, bie einen 3rctfmm jugabeu, aber fia>
jugletd) in immer längere pbantaftifdje Diraben unb £>aHuctnationen oec=
loren. Um nur (5in£ anzuführen : Die Dame ging alltäglid) mit 6onnens
aufgang in ©efeüfdjaft ifjrer fleinen ^oa)ter auf einen Ijofyeu Berg, um bort
„bie ©emeinf(f)aft mit bem ©roigen $u feiern''. Äetn 3weife^ i^ e^
mit einer religiöfen 6d}roärmerin 5U tl)un. Da bie Briefe immer mnfteriöfer
unb qjofalnptiftt^er würben, blieb mir niajts übrig, aU bie unerquicflid)e
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W 3ulius (Stoffe in OTündjen.
Gorrefponbenj abjubredjen. 3dj fyabe nie 2lufid)lufe ermatten fönnen, wer
bie Tarne mar, aud) nie erfahren, roo ©raf St. geblieben ift. 3?ieffeid;t
bient biefeS 33(att baju, ifmt, falls er nodj lebt, $u fagen, bafe feine Aufgabe
vom %al)x 1869 längft jum Montan geftattet morben i\t unb jene l)öd)ft
feltjame 2Birfung gehabt t)at*).
SJJandjer meiner Sefer rcirb oielleidjt argroöljnen, bafe bidjterifd&e
<pfymtafie an biefen Mitteilungen atljugrofeen 2lntt)eit Ijabe. Sodj fann
id) oerfidjern, bafe idj bie bürrfte SStafjrfjeit in bie fürjeftc gönn gefleibet.
(£3 wäre ja ein £eid;te3, ganje Seiten jener rätselhaften Briefe &u repro=
buciren, roenn bieS nid)t ben bemeffenen Maum mifebraudjen fjiefee.
Q$ fei geftattet, f)ter nod) anbere intereffante 9lctualitäten unb Belege von
SBirfungen burd) bie^reffe anjufd)liefeen, tfjeitS felbft erlebte, ttjeils oongreun=
ben mitgeteilte. $ie erfte betrifft einen, roof)t nod) lebenben, 5ttÖnc(j in SHom.
$m 2lpril 1856 tjatte ein Aunftberidjt ber 9?euen 3)iüncr)ener ^^""S
ba§ anfprud)3oolle SBerf eines 2Infanger$ jiemlid) fdjarf mitgenommen.
GS mar ein „ßain an ber £eidje 2lbelS" — baS fdjulerfjafte ©rgebnife
oon fflaoifdjen Stubien am lebenben Mobeil roie am Secirtifdj ber 9tnatomte.
Einige Xage nadj (?rfd)einen be» 53erid)te$ fam mir eine bringenbe Sfttrnung
ju. Man fär)c in ber ftritif persönliche Motioe, benn ber Äünftler,
ein junger Sdjroeiser, t)abe cor jroei ^a^ren wochenlang mit mir am
Starnberger See »erlebt. SMefe £l)atfadje mar richtig; aber roer fann
alle Hainen im ©ebacr)tnife behalten, $umal fonft fein $erfer)r befianb! 3<h
banfte bem SBaruer, erklärte aber jugleid), bafe mein Urteil unter allen Um*
ftänben ebenfo aufgefallen märe, ba pcrfönlidje 9iütfftdjten für midj nid^t
eriftirten. einige Slbenbe fpäter liefe fid) nadj bem Xfjeater im 5Heftaurant uon
S. aud) jener Äünftler bliden, oermieb jebod) jebe Begegnung mit mir. <5s
mar anberS geplant, unb feine 9lnn>efenf)eit ein t>orau3bebad)te$ 2llibi.
2US idj gegen Mitternacht in bie ftäfje meiner 5ß>or)nung in ber
Sopfjienftrafee fam, fiel mir unter bem Säulenportal beS botanifdjen
©arten* eine ©nippe Menfdjen auf. Sie gorm ber «püte oenietl) fie als
ßünftler. SWfcartig mar mir ffar, bafe ich im begriff mar, in eine gaffe
ju geraden, ©enau geregnet f)atte idj fünf Secunben gext, um einen
(Sntfdjlufe su faffen. Xie Gcfe ber Sopljienftrafee bilbete ein Keines oietbe*
fudjtes &Mrtl)öf)auS „3um Söioengarten". 9iafa^ bog id; in basfelbe ein unb
liefe mir ein Limmer geben. S3om genfter beefelben im Dberftorf fonnte i#
*) 2?ci biefer iMbrcfic an ben fernen fällt mir eine 5tnfraßC ein. Habout sna
fata — nidjt b!o» 23iidicr, midi 3eitnnßcn unb 2}ianufcrtptc. aJiir fmb in meinem i'eben
brei unflcbrucfte ?hbetten aM;anbcn gefornmen, auf bie id) feiner 3«t flrofeen 2i?crtf) Ieflte.
3»ftft ein S?uftfpiel („$er Temofrateuljut" ober „Öeift unb Sdiulc", 9Waabebnrfl 1849);
bann ein biirflerlid}e& Xraucrfpiel (f,ii;Q^n unb vi}erföl)nuiig" £aUe 1851); uxiter eine
9loücnc („(iKne efjrtidie .^aut", lsr»7; in Gaffel berfd)ir>unben). OJiößlid), bafe ba» eine
ober anbere oon ben betben Griten mein bmnnligeS ^feubonnm „2!:albemar SJagel"
tnifl. 3o(lte btefe aKittOetlima. irflcubioic auf bie St»ur ber aJJauufcripte leiten, fo fei
hiermit mein (Sigcntfjum vcflamirt.
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£itcrarifdje Urfadjcn unb IPirfungeti. ^5
bei ber monbheflen 9?ad)t nunmehr ben ganjen Vorgang beobachten. ;$ene
Schaar jwar faxten oerfchwunben, offenbar war fie in bie Strafte hinein*
geftürmt ; nach einer 2öeile aber f am fie jurücf in boppelter Stärfe, jweifelloS
hatte bie anbere Hälfte mich oor ber £auStf)ür erwartet. 3efet war bie
ganje ©efeUidjaft, etwa jwanjig ßöpfe, beifammen, nm ju beraten, was ju
tf)un fei. üftad) geraumer grift fam einer ber Schlaukopfe auf ben ©ebanfen,
vom &of aus in bie unteren 9täume beS SBirthStjaufeS ju fpähen, ob ich
mid) meUeidjt borten geflüchtet hätte, ©nblid) gegen ein Uf>r entfernten fie fi<h,
unb bie ©efahr war oorüber — bie ©efahr nicht nur thätltdher Snfultcn;
fdjwerer märe ber moralifdje Schlag gemefen, ber meiner £aufbalm als
Sfebacteur fet)r warjrfcheinlid) ein rafdheS (Sntbe gemalt höben würbe.
2lm Wittag beS folgenben £ageS begab ich mich in ben weltberühmten
©arten „$um 2l<$afc", wo an taugen tafeln bie Häupter ber Umoerfität
unb Stfabemie mit ben fogenannten fteuberufeneu bei Sonnenfchein, 9JMif
unb 23oä tägliche 93erbrüberungSfefte feierten; an ben benachbarten Xifdjen
war bann meift aud) bie jüngere unb iüngfte flünftlerfdjaft, unter biefen
aud) meine ©egner, oerfammelt. £ort erjagte idt), natürlich ot)ne jegliche
Namensnennung, greunb Saniere, bem Secretär ber 2Xcabemie, was mir
in uerwichener 9tod;t begegnet mar, unb mit welchen ©efabren noch heute
ein unabhängiger tfritifer $u rennen habe, hautlos laufdjenb fafeen bie
Attentäter unb erfuhren auf biefe Steife erft, wie ihnen bas fidt)er gefteflte
2öilb entfommen mar. £aS Sraftifche ber (Situation gab mir fo oiet
£umor, um bie £a<her auf meine Seite 31t befommen. 2lud) nachher, aU
bie greunbe gegangen waren, blieb ich, unb erlebte bie erfreuliche ©enug*
thuung, bafj oon jenem anbern Stifte ein geroiffer $urfinj6, ein genialer,
etwas jerfahrener ©efell, Sofm beS berühmten ^rager ©elefulen, ju mir
t)erüberfam unb mir, ba ihm offenbar biefe Sdjlufcentwidlung gefallen
hatte, feine greunbfehaft antrug — leiber nur auf furje 3eit, benn einige
£age fpäter reifte idt) nach 3talien, unb mir verloren uns aus ben 2Iugen.
Srft jelm 3ohre fpäter tauchte ^>urfinj6 wieber in München auf unb
erjagte mir ladheub, baft er bamals ber eigentliche -NäbelSführer gewefen.
„Sie haben übrigens ganj 9?e<ht gehabt. 2luS bem 5B. — jenem Schweiber
nämlich — ift nichts geworben. £er hat fpäter in SRom conoertirt, unb
ift bort in ein ßlofter gegangen, wo er l;eut noch feine ftunft treibt."
„Unb was war in jener 3?adr)t Qhre 3lbjid)t ?" — „£m, ^Imen einen
tüchtigen £enf$ettel ju geben. Sie tonnten aber auch 5um ftrüppel ge=
fchtagen werben. XeShalb war ber 2B. nicht mit babei, um fein 3llibi
ju beweifen, falls bie Sache fchief ging."
3ur 2lbwed;fefung möge eine ^eitere Gpifobe aus berfelben 3e^
folgen. München ftanb bamalS (im HTJärj 1856) unter bem ©eftirn ber
^acherliabe. £ie 91. 3- ,m* fcheinbar apobiftifdjer ©ewifeheit be=
wie'en, ba§ ber „JJedjter oon ^ianenna" urfprünglich oon einem SdjuU
meifter fächert in Pfaffenhofen gefchrieben, bafc aber ,§alm von bem in
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3nlius «Sroffe in irtüncbcn.
2ßien eingereihten Stütf Alenntnife genommen unb fid) rafcher unb glücf*
lieber beSfelbcn Stoffel bemächtigt Ijabe. 91 (S bicS SenfationSbrama
enblidj in Sttündjen gegeben würbe, bemonftrtrte baä ^ublifum, inbem es
am Scbluft mit £eibeuf<haft nach 33aa>rl rief unb nicht meinen wollte,
bis Xingelftebt baS ©aS ausbrehen liefe — ein Vorfall, ber jweifelloS
mitwirfenb für feinen Sturj würbe. Saft 33ad)erl in Seutfchtanb t)erum*
jog, feine fog. Spoefieen las unb ftcf) gebulbig auSladjen lieft, julefct aber
am befien lachte, als er ein fleines Vermögen heimbrachte unb — 3Jiildh*
mann mürbe — bieS nur nebenbei. Später ijt er als Schulmeifter in
9tebraSfa geftorben. Xodj id) wollte SuftigeS erzählen, damals, nach
2luffüf)rung beS Stüdes, fiel in literarischem reife bie 2leufterung: „SMefer
„Rechter oon 9taoenna" ift eigentlich bod) nur ein sBallabenftoff, aber fein
£>rama, weil bie eigentliche Sßerwidelung fehlt. SLMe- nun, wenn &alm
rote fächert gleichzeitig nach einer oerfchollenen ^allabe gearbeitet hätte?"
„£alt," rief ©eibel, „biefe 33allabe muft erfchaffen werben!" Ginige £age
fpäter las ^>aul &et;fe ein foftliajeS ©ebid)t, im echten Stil jener
Schiller') chen Grpigonen, wie fte lange ^at;re befonberS ben XreSbener
^arnaft betjerrfcr)ten — ich nteine bie Gonj, ttinb, 5lrug oon 9ftbba,
SSadenrober, Sfoftis, 5lalfreuth u. 9t.
„3nt «bleu 2luge Siionnctbräncn, | 3't cnblid) bcS Surannen 9tad)c
Ten md gerietet tymmetait — ('»efättigt an Slrmin» ©cidjlcdjt,
Sdmtiegt ftd) in langem, bittrem ©eftnen Tab unter (Säjarö cig'nem Tafte
£cfl fdjauen ifloma'S golbenc 3i»ncit 5luf be3 Spalajte« ^armorftnfen,
Unb in biefem fentimcntal erhabenen ^>atfwS ging es noch fünfse^n Strophen
fort. SaS ?ßoem, welches in höchft gefdjidter ©eftaltung ben ganjen flern
ber Xragöbie enthielt, würbe auf Umwegen inbaS granffurter ßonoerfationS*
blatt gefchmuggelt, als oon einem gewiffen 3. 3- Cppermann in ftaifers*
lautern herrüljrenb, ber es oor langen fahren aus ber Dreebener 2lbenbs
jeitung abgeschrieben haben wollte. $ie$aüabe ging binnen einer 2Bod)e burd)
bie ganje beutfehe treffe, unb mänmglich war erfreut, bie oerborgene Cuelle
beS SenfationsbramaS enblid) aufgebeeft ju fehen. $ou allen blättern war
bie SlugSburger 2lllgemeine 3e^un9 °ie cinstge, welche fofort eineSJinjttftcation
witterte. 3n Bresben aber foH man fich wochenlang bie ^\n%ex wunbgc«
blättert haben, um in ben alten 3ahriJä"3en Der 2ibenbjeitung bie merf*
würbige ^aUabe, welche mit „Sotfjar" unterjeidmet war, aufjufinben.
3enes war eine geplante unb wohlgelungene fchershafte 9J?nftiftcation.
Tie Butter an ben 3üngling «»•
Tai üJhitterljeiä erlangt fein 9red)t?
Slut ber Vereinten ©lüd berab,
Unb bie (SrinnnS fdjlcidjt öon binnen
Unb fenfet ibren 3d)langenftab.
So battet cnblid) 3br (Erbarmen!
J&feligt ruft'S Xfjuänelba au«.
3br ©ötter, barf id) ibn umarmen,
Xcu Liebling, in bc3 $affc3 $au8?
Xte id) mit ^ylüd)en einft betrat,
Soll id) fte jubelnb ioibenufen?
Äennt 5Homa eine Ji'icbeStljat?
So wäl§' in deinem fdjlammigen Sctte
O Xibcr Deine ey(utr> jurüd!
25enn um JljuSnelbcnS ISifcnfette
Sd)liugt Stofeu biefer Slugcublicf I"
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fitcrarifdjc Hrfadjen unb Wwf ungen. ^7
(£$ giebt aber audj unbea6fid^ttcjtc SMoftificattonen unb 3Monen, bic
bura) bie treffe in empfänglidjen ©emüthern ermedft werben fönnen.
Gtä ift noch fein Safyx her, als bie „ßunft für 2IUe" meine 3^ooeUe
„Selfmabcmen" braute, in weiter ein 2flacen gefdr)iCbert würbe, ber ein
Talent von ber Sanbftrafce auflag, um e3 auf feine ftoften erstehen $u
(äffen. Sofort erlieft id) einen langen, tjöd)it beroegüdjen, 33rief oon einer
gamilie, bie mich bei allen Zeitigen befdjwor, ifjr bie wahre 2lbreffe jenes
SDtäcenS ju geben; man wiffe einen jungen hochbegabten SJiann, ber fidjer
bie gleite 2Bohltf)at uerbiene. Seiber mar jener 3ftäcen, ber allerbingS
feine erfunbene gigur war, fd>n oor $a1)xen geworben, ©ine etwas weit*
läufigere analoge Erfahrung machte greunb 9111 mers, „ber bitter oom3fteer",
mit feinem S3ua) „SRömiföe Schlenbertage" ; nämlich in ber Söirfung beS*
felben auf einen ^ßljantaften. 2(uS Breslau fd^ricb if)m ein junger Wann
unb bat ifm um Empfehlung nad) iflom, benn 9lom fei fein einziger ©e=
banfe 2dg unb 9tod)t, feit er jenes wunberbarc $ud> gelefen, MmerS
tfmt wirflicr) allerlei Sd)ritte betl©efanbtfdjaften, aber es war feine Stelle
frei, ^löfcltcf) melbete ber (Sntlmfiaft, er ijabe eine <5rbfdt)aft oon breitaufenb
Sttarf gemacht uub gelje fofort mä) 9iom. 2>ie Summe mar fef)r balb
oerbraucht. Witt bem legten £unbert begann er einen flramrjanbel mit ^Iwto*
graphteen in ber via Condotti; fpäter ging er nadj Neapel uub §apri
unb heiratfjete bort eine ^fulanerin, oerlieü aber aucr) biefe balb, unb
würbe nadj Örafilien oerfdjlagen. 3m legten 33rief oon bort melbete er
SWmerS, er habe einen mufifalifdjen 9Jeger entbecft, unb befdjmor ihn lummels
r)odj, biefeS ©enie auf Subfcription $Deutfcr)lanbS loSjufaufen, roeil er fo
göttlidj — baS tflapphorn bliefe! greuub MmerS mochte wof)l täfeln
über biefe lange ftette oon folgen — bie eigentlich alle ber SBirfung feines
$ua)eS entfprungeu waren.
^ermann 2lllmerS — warum nannte id) i(m ben 9iitter beS 3)ieereS?
2ludr) baran hängt ein £>iftörd)en, wenn aud) oon anberer 31rt.
(SineS 2lbenbs würbe im Xom von Bremen ber 9)Je)fiaS oon &äubel
aufgeführt. 2lllmerS madjte babei bie 33efanntftt)aft eines oorneljmeu alteren
Jremben, ber oom £anbe hereingekommen — eines 23arouS v. (*., ben er
am felben 31benb auch im Münftleroerein einführte. 2)ian bemerfte an
feiner £>anb einen 9iing mit einem intereffanten 2£appeu, aber ber ßrone
beSfelben festen jwet 3infen. darnach befragt, erwiberte ber 23aron: „3a
leiber — wir fjaben einmal gegraft werben follcn oor etioa fiebrig 3af)ren,
uub e5 war Me$ bereits im deinen. 2)a ftarb griebridj ber ©rofee unb
naa)t)er ift nid)t$ barau^ geworben — aber Sie Ijaben ja aua; einen
Siegelring mit Wappen —
„2llIerbingV war bie Antwort, „uub bort an ber Sanb l)ängt ba$
farbige 3Bappenfd)ilb : weifee ^iofen auf rotfjem ©runb unb jur Seite
ein halber faiferlidjer ülbler. Xa* 29appen ftammt nod) oon ^öarbaroffa
her, ift alfo 700 3a&re alt, unb feitbem finb wir bie bitter oom ^Jeer."
5l«»b unt) ©üb. LI.. JM. 4
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$8 Julius (ßroffe in mündjen.
„2Bie ift baä?"
„(Sanft einfad). SBir ^riefen waren vor uralten 3*ton oon allem
Striegäbienft unb fonftigen grolnten frei, weil wir unauägefefct mit bem
SJteere ju fämpfen Ratten, bem wir unfer £anb burd) SDämme unb Sdmfc*
bauten gerabeju abgerungen fiaben. £rofcbem melbeten ftd) einjtmate fünf =
jerm junge griefen au« ben beften gamilien unb erboten fidj, freiwillig
perfönlid)e $ienfte beim großen flaifer ju tlnm. 33arbarof[a mad)te fieju
feiner Seibgarbe: als foldje follen fie in SRom einftmats eine ©uelfenoers
fdmwrung entbedt unb bem Äaifer ba3 fieben gerettet §aben. 3um$anf
wollte 33arbaroffa fie $u Gittern fd)tagen.
„Sie aber fagten: ,$)a§ finb wir fdjon feit alten $t\ten im Äampf mit
bem 3Jieere.
,2Bof)l, wenn 3$r bitter beS 9J?eere3 feib, fo fotlt 5f)r wenigftenS ein
SBappeu f)aben — fd)webt bodfj be$ ÄaiferS 2lbler aud) über SWeereSwelleit.
Vor 9)?enfd)enbo£f)eit fonntet $fox mid) retten, oor bem Clement fann e§
nur ©ott!' Unb alfo gab er ben falben SReid)Sabler in jebe« einjelne if)rer
ftamiltenwappen. Setber festen bie ©etreuen beim lefcten Rreu&ug.
33ietteiöt)t hätten Tie ben tfatfer au<$ au« ben tüdttfdjen SßeHen be$ Selepl)
errettet. Unter biefen fünf$efm war aud) ber Uroater ber gamilie 2lHmer$."
$er Varon o. & mußte jugeben, baß bie« jebenfallS ein weit älterer
Sttbcl, al$ ber feine fei. %ä) fjabe bie 2Bappenfage tjier erjagt, weil Tie,
urie mid; bünft, wof)l aud) einen VaUabenftoff enthalt.
$aS ©eföid VarbaroffaS erinnert mid) an ben tragijdjen £ob eines
mobemen 3Härd)enfönigs, ber audj in ben glutf)en enbete. Unb Iner bin
td) wieber bei bem problematifdjen £f)ema ber Slctualüäten, bei ber fonber«
baren Verfettung oon 3ufaH unb Sd)icffal, aud) in ber Gntftefymg unb
SBirtung oon literarifdjeu Sßerfen.
9tod)bem mit bem {Jajre 1866 bie 2toi)erifd)e Leitung ju ©unften ber
in 2lusfid)t genommenen SNeugeftaltungen eingegangen, mar and) meine
journalifttfd)e £f)ätigfeit nad) äwölfjäfu*iger £auer ju (Snbe. GS begann
ein neuer SebenSabfdmüt, ber mid) 1868 in baS Vureau ber ^ntenbanj beS
&oftl)eaterS, 1870 nad) Weimar führte.
Vorläufig aber ftaub id) banials vis u vis do rien, unb eS galt, einen
entfd&eibenben Gnt|d)luß 5U faffen. So troftlos bie Sage fd)ien, eröffnete fie
mir bod) mefyr als eine neue Val)n. $e$t n>ar bie Seit gefommen, größere
Arbeiten ju beginnen. mufterte meine aufnotirten Stoffe unb entfd)ieb
mid) für jioei, bie id) fajt gleichzeitig begann. $>er eine Stoff mar ein politifd)
fojialer Vornan aus ber ©egenroart, ber unter bem £itel „©egen ben Strom"
bereits 1868 oollenbet würbe unb im 3at)re 1871 erfaßten; bie anbere 9lrbeit
mar ein ^ramenftoff (9Jlarie 3JJancini), ben id) fd)on oor ^afyren feit bem
Grf feinen oon 31. Dienet ,^id)ten ÜJiaftarinS" in'« 2luge gefaßt l)atte.
^er .ftampf einer geiftreid)en unb fd)öncn flönigSbraut gegen bie 3n=
triguen eine« allmächtigen 30linifterS oerfprad) loirffame Scenen. SWasarin
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— literarifffje Urfadjen unb IPirfungcn. ^9
begünfligte, rote berannt, bie fiiebe SouiS XIV. jU [einer 9Kd)te. SllS er
aber merfte, baß 2Haria, bie 3bcatiftin, ihm, bem 3Rinifter, an SSittenS*
traft unb 2fla<$t beS ©elftes überlegen war, feu) er fia) in ber Sage, baS
fd)lau eingefäbelte ©erf nrieber ju jerftören. @r oereitelte bie bereits
perfecte Verlobung unb fd)icfte feine 9tid)te auf bie gefhtng 93rouage, n>o
fie bleiben mußte, bis bie SSermäljlung beS ßönigS mit einer' fpanifd)en
^Pringeffin &hatfad)e geworben mar.
tiefer (Stoff geftaltete fidt> mir juerfl jum Erama; baS Stücf mürbe
im 3anuar unb gebruar 1867 gefd)rteben, ifl aber bis heute ßoneept geblieben
— es mar nid)t gan$ nad) meinem 2Bunfd) ausgefallen, r)ciuptfäd)lidh, weil
ber Sdjluß feine bramatifd)e Stetgerung enthielt. 2Bof)l aber fah td), bafe
in ber Slrbeit ein fpannenber Vornan t)orf)anben mar, menn eS gelang,
benfelben fjerauSjubilben. Siefe XrauSpofition begann id) fofort: eine
3leife nad) ^ariS im 9Hai gewährte bie münfd)enSwerthefte görberung fit
Topographie unb fiofatcolorit, unb fdjon @nbe 3«li tonnte id) ben fertigen
Vornan ^aöberger anbieten, ber ihn fofort annahm, um ben Slbbrucf im
Oftober ju beginnen.
3näwifd)en aber waren wichtige $inge gef<$ehen. $ie im ftrühiahr
Donogene Verlobung bes ßönigS Subwig II. ,mit ber fpateren ^erjogin
ton 2llen<?on mar im Sauf beS (Sommers wteber jurüefgegangen. So tarn
es, baß mein Vornan, als er im Dftober erfd)ten, burdj baS Spiel beS
3ufaUS theilmeije eine, roenngleidj oödig unbeabfid)tigte, weil djronologifch
unmögliche, bennedj fatale Slctualitdt erhielt! $)er Vornan würbe fofort in
baS 3talienifa}e überfefot — an ben Schaufenftern erfd)ien bie Photographie
3)iaria 3)tanciniS nad) bem Portrait 9)ttgnarbs im berliner 9Jtufeum.
Einige 3dt fpater machte ftd) föerr 3« 9ß« über baS 33ud) unb fdjrieb fein
3)rama „9)ia$arin," inbem er jene an fid) münfa)enSroerthe, leiber aber ganj
mißlungene, Steigerung erfanb: £ie Sßermdljlung beS ftönigS mit SHaria
toirb nur beStyalb unmöglich, weil fie ber heimlichen ©he ber Königin 2lnna
mit 2)fa$arm entfproffen, alfo angeblich feine Sdjwefter mar. 2)aS Stücf
tft mehrfad) gegeben worben, unb bie „91. 3-" hat fetnerjeit nad)geroiefen,
ban ber „finbige" $ramatifer ben Slufbau roie ganje Sjenen meinem
9toman entnommen §at, ohne aud) nur bie Duelle ju nennen«
9(ber bie eigentliche 9?adjwtrfung beS Romans ift vielleicht noch eine
aubere gewefen, fo baß ich ^ Ijeute noch fa)wer bereuen möchte, bieS SiSerf
gefd)rieben $u hoben. Ob es] roirflid) wahr, wie mir berichtet würbe, baß
ber Äönig burch meinen Montan juerft $u weiteren Stubien über SouiS XIV.
oeranlaßt roorben, roeiß ich nicht. 52Tr)atfacr)e aber ift, baß erft nad) biefer
Seit jene ©erhängnißooHe Vorliebe ,für ben rui soleil erwad)te unb bie
ent3Ünblid)e Sß^antafie bei Königs in einer SSeife beraufd)te unb beherrfd)te,
bie in ihren Solgen juerft ju finanjietten SSerwicfümgcn, fpäter jum tragifd)en
Untergang geführt h^t.
4*
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Wie ftuinrt man am heften pfylofopfyc?
r>on
von fjattiftaiut
- Berlin. -
*
|ä lijl fein aüju f)ol)er ^kocentfafc ber aWcnföen, ber prjilos
fopf>ifd)e«§; Vebürfnift unb entfpreajenbe Veranlagung bcfi&t;
aber aud) bei einem rcdjt Keinen ^roceutfafc fonunt beten bod)
eine redjt anferjnlidje abfolute 3a^ m e*nem Gulturlanbe wie SeutfaV
lanb ljerau$. 9liä)t nur bie ftubirenbe Sugcnb weift foCd^e ©eifter auf,
bie nad) einer jufammenljängenben Seltanfdjauung Jüngern unb bürften,
fonbern aud) anbere Verufäarten unb reifere Lebensalter bergen eine SJJenge
foldjer 2Beiäl)eit$liebl)aber in fid), meldje Verlangen banadj tragen, ityre oft
fpät errungene 3)?uj}e jur ÜJefriebigung itjre^ pbilofopl)ifd)en 23ebürfniffe£
anjuwenben. Ta ftel)t beim ein foldjer 3lbept gar oft t)ülfloä oor ber
fd&wierigen ?yrage, wie er e& anzufangen fjabe, ben regten 3ugang Sum
Tempel ber Stffenfdjaft 511 finben; unb nid)t ^eber wirb ba£ ©lüa* Ijaben,
einen rcoljlberatljeneu Siatljgeber 311 finben ber ifjm bie Dual ber Sabl
auf bie rid)tige Seife erleichtert unb ifju cor ÜJiijjgtiffen unb abfdjtef*
fenben (Snttaufdmngen fdjüfct. Unb roatyrlid) ift ba3 iHatrjgeben in folgern
galle feine leid;te Sad)e, unb am luenigften läjjt fidj eine für alle gällc
jutreffenbe ülnweifuug geben, ba oiel auf bie inbioibuelien Neigungen, bie
fonftigen Verufsintercffen, aud) auf bie Vorbilbung unb geiftige Veran=
lagung be$ Velcfjrung 3ud;enben anfommt. 2lber e$ lafjen |t$ bodj
mefjr ober minber allgemeingültige Tarnungen uor ben ju oermeibenben
Slbmcgen unb einige leitenbe ©efidjtspunfte für bie pofitioe Regelung be3
6tubiengange$ auffteüen, mit benen fdjon oiel gewonnen ift. greilidj nidjt
in }toet Sorten läfst fid; beut diati) £etfd)cuben Stuffdjlufj^ geben;
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TOit ftubirt matt am bcficn pf^ifof opl?ic? 5\
besbalb will ich in bem 9?achfolgenben oerfudjen, foldje oft an mich heran«
getretenen fragen einmal, fo {jut ich ocrmag, im 3ufammen^an9e 5U ^ßs
antworten.
3?orauSgefetJt ift uon oornherein, ba& ber ü8elet)rung Sudjenbe bereite
bie fHeife beS Gl)araftcrS nnb ben (Smft beS 33ilbungSftrebenS befifct, um
ein umfangreichere^ roiffeufchaftlicheS SBerf im einfamen (Stubiersimmer
mit SJerftänbnife unb 3luSbaucr tefen ju fönnen. 9öem bie« nod; ferner
fällt, ber roirb olme ^weifet befTcr tl)un, bem ^fjüofophieftubium fern
bleiben, wenn baSfelbe nidjt etroa für bie abjulegenben SBerufSprüfungen
trorgefdjrteben ift. @S fann fid) t)ier alfo nicht barum hanbeln, roie bie Un*
beouemlidjfeiten einer anhaltenben wiffenfchaftltchen Seetüre $u umgehen
feien, fonbern nur barum, welche 21 rt oon Sectüre bie geeignetfte jur
Einführung in baS ©ebiet fei.
£a ^abeit mir benn $unä<hft feftjufteüen, ba& biejenigen ©egenftänbe,
auf roelche fidj oorjugSmeife bie Staatsprüfungen rieten, teid;t abidjredfenb
roirfen fönnen unb i>erbältm§mäfjtg wenig pl)ilofopl)ifche 33ilbung oer=
mittein*). 23aS baS pt)ilofopf)tfche iöebürfniü ju feiner Sefriebigung fudjt,
ift eine jufammenhängenbe 2Mtanfd)auung, in roelcher bie l)öd)ften unb
febmierigften Probleme nicht nur berührt, fonbern auch in irgenb meiner
2Irt beantwortet " obejr bod) geflärt unb ber £öfung näfjer gerüeft werben.
5Die Sogif oor 3lHem ift ein trauriger 9ieft unferer mittelalterlichen fc!t)os
laftifdjen Vergangenheit, beffen formaliftifdje llnfrud)tbarfeit jeben 3utt9er
abfct)recfen muß. Erträglich wirb fie nur, wenn ihr 9tome baju benufot
wirb, um entmeber, roie bei &egel, Cutologie unb 9)ietap^pfif, ober, roie
in neuerer 3ctt wicht feiten oorfonimt, ©rfenntnifjtljeorie unb ÜKethobologie
5U treiben; bann fpll man aber bie irreleitenbe überfommene 33e$eidmung
auch enblich wegwerfen, welche bodt) immer roieber ba$u oerführt, ber £ehre
oon ben Kategorien, UrtheilSs unb (Sdjlufjformen einen ganj unoerfinltnifc
mäßigen 2öertb beizulegen, um fid; auf it)rer bürren &aibe in ennübenber
SBeitfdjmeifigr'eit 31t ergchen.
Sie ^fndjologic, roie fie bisher behanbelt ift, fteHt fid) tbeils als
eine Äette oon Trivialitäten bar, tf)ei(S, namentlich in ber ^crbart'fchen
(Schule, als ein ©ewebe auSgeflügelter Spifefinbigfeiten aus oöüig will*
fürlichen unb unfruchtbaren ©efichtspunften. ©inen mehr wiffenfdjaftlichen
Gfjarafter ha&en bie neueren 6tubien über bie pf)t)notogifd)en ©runblagen
ber pfpehologifchen ^roceffe, roelche in ber Siegel als phufiologifche ^Sfndt)os
logie beseichnet werben; biefe bilben eine feljr roerthoolle unb in oieler
^inficht unentbehrliche &ülfSwiffenfd)aft ber <Pf«d)ologie, ftetjen aber eben
barum an unb für fid) noch außerhalb ber ^hilofophie. $ie roirflich
roerthootten pfod)ologifchen Äenntniffe unferer Seit finbet man jerftreut in
*) lieber ben nad)tf)eiligen (?üxffu& ber StaatSDrüfungen auf baS <3tubtum ber
5J3f)ilofoD&ie OflI. meine „Mobernen Probleme". 2. 3(ufl. ßeip^ifl 1888, Wr. IX.
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52
€bnar& von Fjartmantt in Serlin.
Soolo^xe, Biologie, spfnd&iarrie, Sehre vom Somnambulismus, urgefci)id)t*
lieber 2tnt^ropotogte/ (Senologie, dulturgefchtchte, t>ergleid)enber Rechts*
unb ©pradjnnffenfchaft, (Srfenntni&theorie, GtJ)if, 2lefthetif, SHeligionS*
ptn'lofophie unb SNetapfmfif. @S fann nur oberflächlich matten, roenn oon
allebem ein wenig Schaum abgefcfjöpft, jufammengerührt unb ;bem Heuling
unter bem Site! „^pfndjologie" bargeboten nrirb.
Schlimmer aber noch als mit £ogif unb ^fodfjologie fteht eS mit
bem britten ©egenfianbe, mit ber allgemeinen Ueberficht über bie ©efd&idjte ber
^P^ilofopljte, welche in bem legten 3Wenfd)enalter mehr unb mehr bie beiben
anberen oerbrängt unb jutn eigentlichen £auptgegenftanb bes $f)ilo|'optne=
ftubiums an oielen Umoerfitäten geworben ift. 2£ef)e bem SBeiSheitsburftigen,
ber, um ju erfahren, waS bie Söelt unter SP£)i(ofop^ie »erfte^t, nach einem
„©runbrifc ber ©efchid)te ber W lof opbie" greift unb au* ihm bie
£uinteffen$ ber 2ÖeU^eit aller bisherigen ©efdf)lechter fich anjueignen fudt)t!
(§S wirb ihm 5U 3)iutl;e fein, wie einem Ausgehungerten, ber naaj einem
orbentlidfjen Stücf 9iinbsbraten Serlangen trägt unb ein 3)Uniaturbüd)ödjen
00H Siebigfdfjen ^leifd^er^racteS oorgefefct befommt; ober wie einem flranfen,
ber Teilung fuchenb in eine 2lpotl)efe tritt unb fid; mit bem Slnblicf ber
Sluffdjriften all ber oerfchloffenen Schübe, fläftchen, 23üd&fen unb ©läfer
begnügen foll/ ju beren ^nh^t i^m ber Scf)lüffel fehlt. $e fürjer gefaßt
ber ©runbrifc ober Seitfaben ift, befto unfmniger unb oerrüdter müffen ifmi
bie aufgewallten Spijjcn ber oerfchtebenen (Sebanfenfnfteme oorfommen,
beren breiterer Unterbau ihm oerborgen bleibt; je ausführlicher bagegen
bie Xarftetlung ift, befto eher wirb ihm fyex unb ba eine 2lfmung baoon
aufgehen, bafj hinter all ben paraboren SKefultatcn boef} wohl philofopbtfdjeS
Senfen fteefen fönne, wenn er es aud) niäjt begreifen fann, wie bie £eute
auf foldje fonberbare ©ebanfenwege gerieten. 2S*enn er aber mit ber
Seetüre felbft eines mehrbänbigen ©iunbriffeS ju (£nbe gelaugt ift, fo
wirb ihm oon aHebem fo bumm, als ging' ihm ein 9Jcüf)lrab im flopfe
herum; er erftidt fötmlid) unter ber SJkffe ber oerfchiebenartigen $enf*
ergebniffe, oon benen er feines contreliren unb mit innerem SSerftänbnifc
reprobuciren fann.
gragt er fidj, was er für fein philofophifdjeS 33cbürfnif? gewonnen
hat, fo ift baS birecte 9iefultat fo gut wie 9iid)tS; inbirect aber ift baS
negatioe, bafj er auf eine lange oerlorene 3eit unD 3)iüt)e jurüdblidt, bafc
er fich ben Äopf mit unoerbautem unb unoerbaulidhem Saflaft ooHgepropft
unb oenoirrt hat unb fetjr häufig oon feiner Neigung für ^btlofopln'e
grünblich geheilt ift. 9)cujj er eine Prüfung in bem ©egenftanbe ablegen,
fo geht er nun an's tSinpaufen, b. h- an baS med&anifdje 9luSioenbiglemen
unoerftanbener Antworten auf beftimmte ^rüfungSfragen ; bie golge für'S
Seben ift bann, bafj er fid) entroeber mit bem überftanbenen philofophifchen
etubium brüftet, ohne eine 2Ifmunfl uon philofophifchem Kenten ju haben,
ober baß er aus feiner Nichtachtung unb feinem 2lbfdheu gegen ben „Unfinn
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■ U?ie flubirt man am heften ptjtlof opt(ie ? 53
ber Spin'lofoplu'e" fein mad)t. Studj bie beften ©runbriffe ber ©es
fdjidjte ber ^pf)Uofopf>ie fönnen an biefem ßrgebnifj nichts änbern; fie
werben fo wenig jemals ben ©efdjmact an ber $f)Uofopfne förbem, wie
ein fieitfaben ber 2öeltgefd)id)te ben ©efdmiacf an f)iftorifd;en Stubien.
So unentbeljrlid) jufammenfaffenbe Seitfäben als SBegroeifer in biblio*
grapf)tfd)er unb anberer ^infic^t ftnb, fo roerfyooU fie für bie 3ßieber«
Rötung einer ausfülltet) Durchgearbeiteten ©efdjid)t3periobe finb, fo unge«
eignet ftnb fie jur felbftftänbtgen Seetüre. Xabet r)at ber troefene
©efdjidjtslettfaben nod) ben 33ortf>eil, bafe er Xl)atfad)en beridjtet, bie,
wenn auef) in intern praamatifdjen 3ufammenf)ange unoerftänblid), bodj in
tfnrer naeften £^tfäcf)li<$fett bem SCerftänbni§ feine Scfnoierigfeit bereiten,
roäf)renb ber ebenfo troefene ©runbrifc ber ©efdfjiäjte ber ^pf)iIofop^te t^at»
fäcbltdje 9)iittf)eüungen 5ufammenretf)t, bie fo lange unoerftänblid) bleiben
unb großenteils ben Äöpfen SBerrücfter entfproffen f feinen, als fie wie
grüßte unbefannter fterfunft oon ben ©ebanfenbaumen abgelöft finb, auf
benen fie einft würfen.
9ton giebt es aber feine $f)üofopf)ie, bie nidjt ber ®efd)id)te ange*
Ijörte; wenn man alfo $pf)üofopf)ie fennen lernen will, fo ift baS in ber
£f>at gar ntd)t anberS möglich, als baburdj, baß man in irgenb melier
SBeife ©efdndjte ber $f)ilofop^ie treibt. £er geiler ber heute üblichften
Einführung in bie ^^ilofop^ie liegt al)*o nicht battn, bafc man mit ber
©efcfjidjte ber $f)ilofopf)ie anfängt, fonbern nur barin, baß man mit einer
oberflächlichen gebrangten Ueberfidjt beS ganzen ©ntroicfelungSgangeS
beginnt, anftatt junädjft einen £l)eil berfelben bem grünbli aperen 33er*
ftänbnijj näher ju rüden. <5S fommt nod) rjinju, bajj unter ber Bezeichnung
,,©efcf)id)te ber $f)ilofopf)te" in ben ©runbrijfen unb Seitfaben meiftens
nur ober bod) oorjugSroeife @efa)id)te ber 2Ketapf)nfif behanbelt wirb, unb
baß bie SKetaphnftf eines jeben ©wftems in ber Siegel nur ju oerfter)en
ift im 3ufammen^ange unb in ber 2ßed)fetnrirfung mit beffen ©rfemttniß*
tfjeorie, 9?aturphilofophte, et^if, 9leftf)etif unb fteligionSp&ilofopfjie. 2ßenn
man alfo unter bem Eitel einer allgemeinen ©efdndjte ber $hilofopI)ie in
ben ©runbriffen berfelben in ber ßauptfadje boch nur bie ©efchtchte einer,
unb aroar ber roid)tigften wenn auch fd)rcer oerftänblichften Special*
bisriplin erhält, fo fann man audj gleich mit ber ©efcf)id)te einer
anberen leichter oerftänblid)en SpecialbiSciplin 3. 8. ber Rechts*
pfnlofophie, (St^if, ober 2lefthetif beginnen. tiefes Verfahren M ofnte
^weifet große SBorjüge, unb eS ift 3uriften, Geologen, Äunftl)iftorifem,
Äunftfritifern ober Äünftlem, toelcfje nur ben il)rem gadje benachbarten
3n>eig ber $f)ilofopf)ie als £ülfsroiifenfchaft fennen lernen wollen, aber
fein allgemeines unb tieferes philofophifches ^ntereffe ^aben, nur 5U
empfehlen. GS roirb baburdj eine in ihrer 9lrt jiemücr) grünbliche, wenn
auet) einfeitige pfjilofopfnfaje Schulung erjielt, unb ed ift entfdn'eben rat^=
famer, fiel) unter 2>er$iä)t auf TOctapr>i;fif mit einer foldjen Special
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5$ <£i>uari> von JjartmantTin Berlin.
biSciplin begnügen, als fyinterljer nodj bie allgemeine ©efdjidjte ber
^fulofopbie oberfläd&lidj burcbeilen unb bann mit einer bodj nid>t oor=
banbenen SBübung in tyftematifcber 9tyi(ofopf)ie prunfen.
2Ber aber auf bem 2£ege ber ©efdn'cbte ber SpecialbiSciplinen
^bilofopbie ftubiren wollte, ber bürfte fid) nid)t mit einer ober jmei
folgen XiSciplinen begnügen, fonbern müfete minbeftenS alle mistigeren
berfelben burd)arbeiten, um bann fdjliejjlid) bod) §ur ©efd)id)te ber sJ)?eta-
pbnftf als ber .tftönung beS ©ebäubeS jurüdsufebren. Seben mir nun
bauon ab, baf? mir bie jefct nodj feine ju foldjem 3"Jede geeignete 2öerfe
über ©efd)id)te ber Gtfenntnifjtbeorie unb ber 9taturpbilofopbie befifcen, fo
mürbe bod) bie Aufarbeitung aller $iSciplinen ber P;ilofopbie, meldte
einerseits baS ^erftänbnife in manajer &infid)t erleid)tert, eS audj roieber
in anberer £>inftd)t erfahrneren. Denn saljlreidje Sßieberbolungen finb bei
folgern ^erfatyren unuermciblid), unb nirgenbs mirb ein jufammenbängenbeS
Söilb eines einbeitlidjen pbilofopljifdjen ©uftems gewonnen, es fei benn,
bajj ber £efer fid; fdjliefelid) fclbft ein foldjeS aus ben fämmtlidjen erhielten
Ginjelrefultaten jufammenfefot. ^batfädjlia) geboren aber bie allermeiften
gefd)id)tüd)en Stufen in ber Gntroidelung bev (SpecialbiSciplinen als
organifd)e ©lieber einbeitlidjen pbilofopbifdjen Sflftemen an unb finb nur
aus beren 3ufß""lieubang geroaltfam loSgeriffen. @S mufj beSbalb fd)liefjlidj
bod) rationeller febeinen, biefe ft)ftematifd)en @im)eiten ungeftört ju laffen,
b. f). bie ©efd)id)te ber ^ß^ttofo^te fo ju bel>anbeln, bafj bie 2Öeltan=
fdjauung eines jeben AenferS im 3ufammem)ange ^rer ©lieber bargeftellt
unb aufgefaßt mirb. 9?edjnet man, bafj für bie ©efd)icbte einer jeben
(SpecialbiSciplin bei einer grünblidjcn 23el)anblung ein bis brei 3tänbe
erforberlidj finb, fo ergiebt fid) obnebin eine fo grofee 3aW ü0n Sänben,
baß in biefem Umfange aud) ebenfo gut eine sufammenfjängenbe allgemeine
©efdndjte ber ^Ijilofopbie möglid) ift.
Gin einziges &>erf, baS in biefem ©inne bie allgemeine ©efdndjte ber
5p^ilofop^ie burdjfülnte, eyiftirt bis jefot nta^t; bie jroölfbänbtge ©efdjicbte
ber ^bilofopbie beS £djlciermadjerianerS ^einrieb Sütter reicht nur bis
flant unb ift für bie alte $l;ilofopl)ie burd) StUtv, für bie neuere burd&
3. G. erbmann unb fluno ftifdjcr überholt. GrbmannS ©efdjtdjte ber
neueren Spbilofopbie, bie im ^aljre 1853 abgefdjloffen ift, f)at leiber feine
jroeite Auflage erlebt; nur aus ben neueren Auflagen beS ©rbmannfeben
„©runbriffes" fann man uermutben, mie febr ber SBerfaffer bei einer neuen
Bearbeitung feines größeren SerfeS ben sJlnfprüdjen ber ©egenmart SHedmung
getragen l;aben mürbe. gifdjerS ©efd;id)te ber neueren Pjilofopbte ift
nod) unoolienbet unb reid)t bis jefet nur bis $u ber UebergangSpertobe
von Stellings ^beutitätSpljilofopbie ju feiner pofttioen ißjilofopjie, lä§t
alfo biefe lefctgeuamtte ebenfo mie ^egel, <Sä)openbauer unb bie fämmtlio^en
übrigen $bilofopl;en beS 19. 3o^^uubertS noeb uuerörtert. 9lu&erbem
bat fie einen ©rganjungSbanb über Bacon, beffen englifd^e 9tad)folger nur
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Wie ftubirt mau am beften pfjiiof opt?ic? 55
<mhangSweife ganj fur$ behanbelt finb. gür baS Mittelalter ift ber
Stubirenbe noch tjeute in bcr ftauptfacbe auf Zitters ©efd)id)te 33b. V".
bis VIII. angeratenen, obwohl biefelben ben heutigen 2lnfprücben nicht in
jeber £mftä)t genügen Fönnen. (Sine Neubearbeitung ber ©efchichte ber
^p^Uofop^tc bes Mittelalters wäre baher jebenfalls ein jeitgemä&eS unb
»erbienftliehcs Unternehmen.
SSenn nun ein s$hi(ofophiebefliffener ben 5Jhitfi hat, fid) burch fünf
23änbe geller, oier 23änbe Nitter, lieben Väube gifcher unb bie nötigen
monograpf)ifchen Grgäujungen für bie neuefte 3eit hindurchzuarbeiten, fo
fragt fidj weiter, ob er wol)t rtmt, bei ber Seetüre bie ct)rouologifche
Reihenfolge inne zu galten, ober ob er eine anbere wählen foff. Ohne
3wei[el r;abcit bie älteren Stufen ben Vorzug einer gerotffen ^infac^tjeit,
unb ihre tontntß erleichtert baS VerftänbutB ber nacbfolgenben Stufen,
welche fich auf fie ftüfcen. 2tubercrfeits ift baS Vcrftänbnife um fo leidster
je entroicteltcr bie gönnen unb ©lieber eines SnftemS finb, unb je naher
fie ,ber uns oertrauten Gulturatmofphäre ftehen. $aS fcheinbar Ginfache
ber primitioeren GutmicfelungSitufen ift oft nur eine feimartige Verhüllung
ber nod) latenten Mannigfaltigfeit, welche in fpäteren GntroicfelungSftufen
heraustritt; bie embrnonifche ^nbifferenj aber ift uiet fehlerer 3U oer*
ftehen als ber entwicfelte unb ausgereifte ÖebanfenorganiSmuS, unb baS
SBerftänbniB beS erfteren pflegt nur in bem Mafce fich ju erfct)lie§en , als
man bie ßenntnifj beS (enteren fdwn mitbringt unb als Schlüffel benufet.
$aS ooHe Verftänbnift für bie früheren Stufen erfchliefjt fid) beShalb
niemals bem 2lnfänger bei bcr erften Vefanntfchaft, fonbern erft bei einer
Zweiten Seetüre bemjenigen, ber ben ganzen GntwiefelungSgang bis 51t Gnbe
oerfolgt hat; bie ^umuthung einer zweimaligen Seetüre fo oieler Vänbe
wäre aber offenbar zu hoch gefpannt. flann man mit Sicherheit barauf
rechnen, ba§ bie 2lusbaucr beS Semenbcn nicht oor Veenbigung ber ganzen
Aufgabe erfchöpft ift, fo wirb man hoffen Dürfen, bajj bic Grnte, welche
aus ben zuerft gelefenen ^erioben in bie üßorrathsfammer beS ©ebäd)tniffeS
eingebracht ift, unter bem Gmfluffe ber Seetüre ber übrigen ^erioben noch
in aller Stille nachreift, unb 3 war gle.idjoiel womit man begonnen l)at.
Unter biefer VorauSfefcung wirb man zugeben fönnen, bafe eS ziemlich
gleichgültig ift, mit weldjer ^eriobe man beginnt, unb welche man &ulefet
oorntmmt; bie Vortheile unb Nachtheile ber fed>S möglichen Reihenfolgen
unter ben brei &auptper loben bürften fid) ungefähr ausgleichen, wenn
burch unbewußte ober bewu&te Öebanfcnoerarbeitung baS früher ©elefene
burch baS fpäter Öelefene bie nöthige Nachreife beS VerftänbniffeS empfängt.
9lnberS liegt bie Sache, wenn man auf eine folche SluSbauer im
Stubium nicht mit Sicherheit rechnen fann unb man baran benfen mufj,
auch beim Slbbredjen bcr Seftüre nach ciuer °Der 5roei &auptperioben für
ben Semenben ben h&chftmöglid)en ©eroinn aus ber aufgewanbten 3^
unb 3lrbeit 5U §iehen. £>ann ift bic Sachlage ähnlich, wie wenn ber
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56
CEbnarb von fjartmanit in Berlin.
Sernenbe von oornherein erflärt, aus äufeeren ©rünben auf ein fo aus*
gebef)nte3 Stubium oersichten 511 muffen, ober bereit ift, eine geringer be*
meffene Aufgabe ju berechtigen , toenn er baburä) einen entfprecr)enben
©eroinn für feine allgemeine pt)Uofophifcr)e SUbung erzielen fann. Stellt
man alfo bie grage baejin, welche ber brei ^erioben für fid) allein ge*
nommen bie bilbenbfte fei, fo mürbe ict) fein 33ebenfen tragen ju behaupten,
bafj bie ©eferjichte ber neueren ^^ilofop^ie einen mehr al3 boppelt \o
hohen 33ilbung3roerth befifce, a(S biejenige be3 3lltertl;um« unb Mittel*
altera jufammengenommen.
2)a3 2Utertf)um ftet>t uns nid)t nur seitlich, fonbern aud) fulturgefchichtlidj
am femften; unb ioa3 uns mit it)m oerbinbet, ift einerfeits bie Äunft ein*
fchliefelicr) ber frönen Siteratur unb anbererfeits bie begriffe besS SRedn**
unb Staatslebens, aber nicht bie ©runbgebanfen ber $^ilofopt)ie unb am
allerroenigften bie ber Metaplmfif, bie erft an ber ©ren&e beS UebergangeS
in'S d)riftlia;e Mittelalter unb in SBe^felmirfung mit bemfelben uns »er*
roanbte Saiten anfragen. SBon bem SUtertfmm ferjeibet un£ eine ge*
fcbicbtlidjer öruet) unb eine culturgefchid)tliche flluft, mährenb mir bem
Mittelalter burd) eine gerichtliche Stetigfett ber ©ntioidetung oerbunben
ftnb. 3n ber mittelalterlichen ^^ilofopbie fmben mir biejenigen ©runb*
anfajauungen erörtert, meldte mir t>on tfinbeSbeinen an burd) bie meta*
phofifche unb religiöfe 3ttmofpf)äre unferer Seit t)alb unbewußt eingefogen
haben, unb meiere burd) bie breifadje Slutorität ber gamilte, Sd)ule unb
£irct)e fanetionirt finb; in ben griedjifchen unb römifdjen $l)ilofopl}en bagegen
begegnet felbft bemjenigen eine oöllig frembartige ©ebanfenmelt, meiner auf
bem ©omnafium mit ben alten $id)tern, ^iebnern unb ©efd^ic^tfd)reibern
oertraut geworben ift. 2Benn nun felbft baS Stubium ber mittelalterlichen
^l)ilofopf)ie für nd) allein nicht ben Slnfprucr) erheben fann, eine einiger*
maßen auSreidjenbe pI;itofopf>ifdt>e Silbung $u oermitteln, fo fann ba$*
jenige ber alten ^^ilofopljie es nod) weit weniger.
3n ber mittelalterlichen ^Intofopljie bie philofophifche$ilbungfu<henfara^
nur ber ftatljoliäämuS, welcher als ber in bie 9<eu$eit herüber conferoirte'
JWeft bes Mittelalters §u betrachten ift; in ber alten Pjilofophie fie fudjenl
wollen, fann nur eine bem l'eben entfrembete unb oor ber ©egenwart bie '
3lugen oerfdjliefeenbe Philologie. $on einer Ueberfd)äfeung ber mittel*
alterlidjen 5ß^i(ofop^ie ift man in proteftantifchen Greifen fo fern, ba& oiel«
mel;r eine ungerechte Unterfd)äfcung unb ungebührliche 33ernad)läffigung ber-
felben 3U beflagen ift. Sie Ucberfdjäfeung ber alten Sß^itofop^ie ift ba^
gegen an unferen Unioerfitätcn noch immer an ber £ageSorbnung, weil
gerabe in bereit phUofophiWeit gacultäten noch immer bie Spi)i(oCogte eine
mafegebenbe ©teile l)at unb weil unfere prüfungSorbnung gerabe bie
Philologen am meiften 3ur $efd)äftigung mit Philosophie hinbränßt. gür
einen flaffifchen phi^^gen liegt eS ja fel;r nahe, wenn er nebenbei aud)
pinfofopln'e treiben will ober muß, fid; oor allen anberen mit ben griea)iia>
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t
Wie ftn&irt man am bcjlen ptjtlofopfjie? 5?
römifchen $f)ilofophen ju befdjäftigen, weit er babei in [einem Berufe
ihatig bleibt unb einen boppelten, nämlich phUofogtfdjen unb philofophifchen
©eminn, einjufjeimfen hoffen barf. EiefeS t^atfäd^Ud^e Uebergewicht bes
StubiumS ber alten $l)Uo|op§ie an unieren Unioerfitäten hat bann aber
inbirect wieber baju beigetragen, ben SchäfcungSma&ftab für beffen philo*
fop^if<^en SBilbungSmertf) jn oerrüefen unb in neu ßinjutretenben ben
©tauben ju erwecten, als ob baSjenige, was am meifteu getrieben wirb,
aud) wohl baS empfehlenswerthefte fein müjfe.
Gin £iebhaber ber 2Beiät)eit am Ausgange beS römifchen 9Jeid)S, ber
bamals fdjon ben 3nhalt oon Kellers „^itofoptjie ber ©rieben" fid) an*
geeignet hätte, hätte felbft für feine Seit nicht auf ber £öl)e ber philo*
fophifdjen Silbung geftanben, wenn er nicht auch bie fiehre ber d)riftlid)en
Äird)enoäter ftubirt hätte, alfo baSjenige, was wir jefct als erften Slbfcljnitt
ber mittelalterlichen ^ßtjibfop^ie ju bejeidmen pflegen. 60 feto* bilben
fdjon in bem erften falben Qahrtaufenb nad) @f)rifti ©eburt bie atte unb
mittelalterliche ^Uofopf)ie jwet Seiten ber pr)tlofopt)ifc^en Speculation,
bie einanber abflogen unb bod) jur ©rgänjung f orbern. $ie alte fyfyüo:
fophie ftarb baran, bafj ihr bie Talente fehlten, um bie iübiid)=ä)rifüiä)e
Speculation in fidj aufzunehmen unb ju oerarbeiten; bie mittelalterliche
ip^itofopljie aber fonnte an ir)re Stelle treten, weil ihre Präger bie
fpeculatioe ßraft befejfen r)atten, bie wefentlicbften Momente ber alten
$fn'lofopf)ie in fid) ^eräberjujierjeu unb fid) anjueignen. So ift bie mittel»
alterlic^e $|Uofop^ie in geioiffem Sinne ein Theres als bie antife unb
fpiegelt biefe in fid) wiber, währenb man baS Umgefehrtc nicht fagen fann.
2ßer bie mittelalterliche ^h^ofophie ftubirt, erhalt zugleich einen, ailerbtngS
fehr getrübten, Siefler ber antifen mit, aber nicht umgefehrt. 2Ber beibe
ftubirt, gewinnt bamit jroei einanber ergänjenbe äöeltanfchauungen oon
ungleichem Gerthe, aber ohne jeben gingerjeig $u einer anberroeitigen
Snnthefe als berjenigen, welche bie Sßhilofophie beS Mittelalters bereits
oerfucht unb auf ihre sBeife burdhgefüljrt hatte.
£ie höhere Snnthefe beiber Seiten, welche bie ©efdn'chte geliefert hat,
ift eben erft in ber brüten ßauptperiobe finben, b. h- in ber ©efchühte
ber neueren «pr)itofopr)ie. SMefe enthält bie beiben oorhergehenben als auf»
gehobene Momente in fid) unb ift beShalb im Staube, eine geroiffe 33e*
fanntfd)aft mit benfelben burch ben oon ihnen geworfenen 9iefle£ §u oer*
mittein. Dabei ift aber bie neuere Pjilofophie nur baburch fähig, Snnthefe
ber antifen unb mittelalterlichen ju fein, bafe fie jugleid) §u einem eigen»
artigen höheren Stanbpunft fortfehreitet. 2BaS oon biefem höheren Staub«
punft aus, ber allein ber mobemen (Sulturatmofpfjäre entfpridjt, ber
haltung unb SBerwenbung werth erfdjeint, baS conferoirt fie oon ben ©es
banfenfeimen ber alten unb mittelalterlichen Sß^tlofop^te ; was fid) nicht
in ben Xienft biefer r)ör)eren Söeltanfchauung fteUen läfjt, baS läfet fie
fallen. 3n tiefer 2luSlefe ber ©ebanfen unb Aneignung ber bejianbfähigen
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58
<£iutari> von Rartmann in i?crliu.
DOÜ^ie^t fte bic jenige Verbauung an bem ©ebanfenoorratf) ber alten unb
mtttelalterlidjen $l}itofopf)ie, burd) weld)e allein biefe beiben 5ur getitigen
@rnäf)rung be3 mobernen 9)tenfd)cn braud;bar werben unb ifnn in Jleijcfj
unb Slut übergeben fönnen.
©er auf biefe Vorarbeit ber ©efdjidjte uerjidjten unb mit feinen
eigenen Mitteln benfelben Slffimilationeprocei? für fiaj allein rornefmten
will, ber gleidjt einem Senfdjen, welcher, anftatt oon dlom nadj Berlin
mit bem Courierjug 51t fahren, auf eigenem iDiaultfjier querf elbein nadb,
Horben reitet. 2Ber aber bie gefcfyid&tlicfye Verarbeitung ber alten unb
mittelalterli d)en *pl)ilofopl)ie in ber neueren burd) baä Stubium ber ©e*
fa)id)te ber letztgenannten »erfolgt Ijat, ber fann $ur Dtotf) baS birecte Stubium
ber beiben erften aud) entbehren, unb bodj ein p^Uofop^ifd^ ©ebilbeter
beiften. $n früheren Sexten pflegten fogar, wie fo mandjeS Vetfpiel be*
weift, bie grofcen uub batmbredjenben s^t)ilofop^en red)t lücfenf)afte unb
mangelhafte ftenntniffe oon ber ©efd)id)te ber ^Ijtlofopfn'e jubefifeen: wenn
nun audj feit Stelling unb föegel in unferem gefdndjtlid) benfenben $afyx:
Imnbert bie genaue Crientirung über bie Vorgänger unerläfjlidje iöebingung
für jeben £ef)rer unb (SdjriftfteUer im Vereide ber $f)ilofoptjte geworben
ift, fo ift bod) für ben pl)ilofopl)ifd)en Dilettanten, ber nur Vefriebigung
feines eigenen $ebfirfmffe3 fudjt, nad& wie cor bie lücfenlofe Vollftänbigs
feit feiner gefdjidjtlidjen 5lenntniffe feine£weg3 geboten. 2Ber fidt) eine
nähere ftenntnife ber neueren ^ilofoplne angeeignet f)at unb mit wenig
9Küt)e biefelbe 5U oerooHftänbigen fud)t, ber wirb fogar burd) bie fdjon
erlangte Viloung unb bie bereits aufgefangenen Meflere ber früheren Venoben
befähigt fein, ol)ne Sd&aben einen fiettfabett oor$unel)tnen, etwa ben 3effers
fdjen ©runbrift für bie alte unb ben (Srbmaunfdjen ober Ueberwegfdjen für
bie mittelalterlidje ^tjilofopljie.
SÖer bie ©e|d)id)te ber neuen $f)ilofopbie in einem 3uge burdjarbeiten
unb oon einem $arfteller ftdj oorfül;ren laffen will, ber wirb audj f)eute
nod) am beften tljun, fid) an Grbmann §u galten unb nur für bie neuefte
.Seit beffen ©runbrift $ur VerooUftänbigung ber Ueberfidu" l)eran$u$ief)en.
2lber id) mufe geftetyen, bafe mir bie Grbmannfdje S>arfteHung, audj ganj
abgefeben oon ber Sftobification ber 2lnftd)ten be8 VerfafferS für bie
älteren Steile berfelbcn, bod) nod) ntd)t auSfüfjrlid; genug erfdjeint, um
in ben feineren inneren 3«fammenl)ang ber Snftemc unb beren ßinjetyeiten
in folgern Safee eimufüfyren, bafj nid>t blofj ba$ gefd)id)tlid)e Qntereffe,
fonbern aud) baä pf)ilofopf)ifd)c Vebürfnifj babei feine 9Iedmung finbet.
3d) meine, bafj biefem 3 werte nur bann genügt werben fann, wenn jebem
widrigeren ^l)itofopr)cn eine Sonographie oon ber ©tärfe eine! eigenen
23anbe3 gewtbmet wirb. Vielem ?lnfprud) genügen bie erften Sanbe
$ifd)er3 unb fein Vudj über Vacon; e$ wäre nur 5U wünfdjen, bafe er
fid) entfdjlöffe, £ode, .^ume nnb Serfelen einen eigenen 33anb &u wibmen
unb naa^ ©pinoja unb £eibni$ aud) bie Darfteaung oon Sßolff, Seffmg
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II? ic ftnbirt man am bcften pijilofoptjie? 59
unb Berber anjufchließen, über weldje ber 6tubirenbe jefct in anbcren
üuellen Belehrung fuchen muß. 9lud^ SHalebranctje fommt bei gifc^er
nic^t fo §ur ©eltung, wie er e$ oerbient. SDic DarfteUung be3 Seibnij
ift ifmi in ber oorfantifchen ^eriobe jebenfaH»" am beften geraden.
9ton liegt bie ©efafn* nalje, bafc berjenige, melier in folä)er SBeife
bie corf antike ^eriobe ber neueren ^fjttofopdie burä)gearbettet fyat, mit
feiner ©ebulb unb 3^it am Gnbe ift unb nia)t mehr baju gelangt, bie
©efä)ta)te ber neueren ?ßt)iiofopr)ie grünblia) fennen §u lernen, ©in fold)er
wirb bann ofme 3roeifet mehr p(>Üofop()ifa)e 33ilbung erlangt ()aben, als
roenn er bie gleite Arbeitszeit auf bie alte ober mittelalterliche ^>f)ilofop^ie
oerroanbt hätte; aber er wirb boä) immerhin im vorigen ^afjrljunbert
fteefen geblieben fein, unb bie lefcte unb r)ödt)fte @ntroicfelung3phafe ber
Sßf)üofopt)ie wirb ihm fremb geblieben fein, roela)e allein ben ßulturftrömungen
ber ©egenroart erfa)öpfenben pl;i(ofopt)tfdr;en 9üt«brucf ju geben uermag.
2Ber ganj fia)er ift, bafj er niä)t auf falbem 2Öege abfpringen wirb, ber tf)ut
ofme 3weifel befier, mit ber oorfantifa)en ^eriobe ber neueren ^bilofopljie
ju beginnen, roeldje bie 23e$ielmngen jur alten unb mittelalterlichen s$)is
lofopl)ie flarer enthüllt, bie Probleme in einfacherer ©eiialt ftcllt unb
löft, unb auf ba3 ^erftänbni^ ber fa)roierigen neueften ^l)ilofopl;ie in ge*
eignetfter SSetfe oorbereitet. 2lber roer bie 3^it unb 2lu$bauer für eine
fo umfaffenbe Aufgabe fict) niä)t 5ir»eifeÖo^ jutraut, ber roirb boa) nodj
einen roett größeren ©eroinn baoontragen, wenn er fogleid) an ba$ Stubium
ber neueften ^htlofophie herantritt. Dieter oberfte Sttng beä" fpiraligen
©ntroicfelungSgange»* nimmt alle früher bejubelten Probleme auf Ijö^erer
Stufe roieber auf unb giebt betreiben tiefere ßöfungen, fügt aber aua) eine
9Henge neuer Probleme ^tnju unb führt mandje ber bisher nur geftreiften
epectalbteciplinen $ur ooHen ßntroicfelung. Diefe ueuefte ^l)ilofopl)ie ift
alfo jugleia) tiefer, feiner unb fnftematifa) umfaffenber al$ alle früheren
$jfen, beren für bie ©egenroart brauchbare Grgebniffe fie in fia) aufgebt
unb roeiter verarbeitet.
Leiber tritt babei nur bie Schroierigfeit ein, baß mir für ba£ Stubium
ber ©efa)ichtc biefer neueften ^>^iIofopt;ie noch nia)t mit ebenfo bequemen
Uterarifa)en £ülf$mittelu oerfehen finb roie für bie früheren ^erioben; e$
erflärt fia; ba£ barau^, baß biefelbe ber ©egenroart noa) ju nahe fleht. Die
jroei legten Öänbe be$ <5rbmanuta)en 21'crfed fönnen ihrem Umfange naa)
für ben hier in's* 3luge gefaxten 3>^cf noa) weniger genügen, roenn es*
fia) um ba3 Specialftubium ber neueften ^htlofophie feit 5lant tjanbelt,
aU ba3 gan$e Üi>erf, roenn e3 fia) um ba$ Stubium ber ge)ammten
neueren ^^ilofop^te hanbelt; bie noa) ruberen Darftelluugen aber fönnen
hier, aua; wenn fie nid&t ueraltet finb, erft recht nicht in 2ktraa)t fommen,
ba fie fia) fa)on mehr ober weniger ber Haltung eine» ©nmbriffe3 nahem.
Das ftifctjerjtfje äßetf bagegen entfernt fia) oon bem wünfcheuöwertheii
3Jlittelmafe wieberum naa) ber anberu Seite. äl>er $wei ftarfe Söänbe
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60
Cgbnarb oon £}artmann in Berlin.
burdjarbeiten foH, um bic ßantfdje ^f)t[ofop^ic fennen $u lernen, ber wirb
es in ber SRegel oorjiehen, auf eine $)arfteHung aus britter &anb ju oer*
jidjten unb gleich unmittelbar bie Jtantfchen $auptroerfe oorjunehmen.
Sei Stelling nimmt bie biograplnfche Einleitung einen ganj unoerhältnif?»
mäfjigen 9toum ein; unb bafür, bafc bo<h bie lefcte unb roiehtigfle Ent=
roidelungSphafe fehlt, ift ber Sanb oiel ju umfangreich- 2lud) ber Sanb
über Richte, ben id> inhaltlich für ben am beften geratenen fjalte, ift felbft
bann, wenn man bie Einleitung über bie ßantf$e Sdjule in Abrechnung,
bringt, aroet big brei 9M fo ftarf ausgefallen, als bie Sebeutung $i$tt$
es rechtfertigt, ber für bie SpecialbiScipltnen am nienigften oon allen
grojjen neueren ^t)ilofopl)en geleiftet §at unb auch in principieHer &infid)t
bodj nur eine UebergangSftufe von flaut 5U Stelling ofme große felbft=
ftänbige Sebeutung repräfenttrt. Sollte $egel in entfpred)enber SluSführ»
lid)feit roie feine Vorgänger bargeftellt roerben, fo mürbe er brei bis wer
Sänbe beanfpruäjcn. 3<h meine bagegen, bafj ein Sanb oon 15 bis
30 Sogen für ttner Slutor baS l;oa^fte 3Kafj ift, roeldjeS eine Sonographie nid)t
überfdjreiten follte, alfo etroa ber Umfang, rote Um bie Slöberfche 2Hono=
grapse über Schopenhauer unb bie Saffonfche über EcE^art beiden; unb
ich roürbe es für bie geeignetfte Einführung in baS Stubium ber 5p^itofop^ie
galten, roenn mir eine ®e)a;id)te ber ncueften ^hilofophte in folgen 9ftono*
graplnen befäfeen. Solange eS an einer folgen fehlt, mufe man ft<h eben
mit ben oorljanbenen Mitteln behelfen fo gut es geht.
darüber barf man fich natürlich (einer £aufd)ung hingeben, bafc alle
EarfteUung philofophifdjer Snfieme au« britter £anb felbft noch fein
phtlofophifcheS Stubium im eigentlichen Sinne beS SBorteS, fonbern nur
bie Einführung in ein folcbeS $u geben oermag; bafj fie bie Serfenfung
in bie Driginalroerfe niemals erfefeen, fonbern nur oorbereiten unb erleichtern
fann. 2i>er fich fo triel Seichtigfeit beS SerftänbniffeS unb ©eroanbtbeit
beS £>enfenS jutraut, ber mag getroft biefe Sorfdjjule überfpringen unb
ohne weiteres mit ber Seetüre eines grofjen $hil°f°Phcn beginnen; roer
joghafter ift unb oorfichtiger, aber auch fixerer gehen roiö, roirb fich jener
Soridmle fchon Deshalb nid)t entziehen, um ftch 9Jtifegriffe unb Ent*
täufchungen in ber £iku)l fetner Seetüre 51t erfparen. $te ©efehichte ber
Pjtlofoptne läßt ben Sernenben erfennen, roelche Genfer ihm roahloerroanbt
finb unb roeldje nicht; unb fdt)on bies allein ift ein unfehlbarer Sortheil,
ba es unmöglich ift, in Setreff ber 3luSroahl eines ein$elnen einen für
alle Snbtoibualitäten gleich paffenben Dath ju geben, faat aber baS
gefd;id;tltche Stubium ben Erfolg gehabt, bafj ber Serneube oon einem
Snftem befonberS angefprochen unb finnpathija) angezogen ift, bann fann er
nta)ts SefjereS thun, als biejes Softem grünblid} unb nach allen Dichtungen
burefouarbeiten unb an bemfelben ebenfo jehr feine congeniale iHeprobuction
roie feine felbftuanbige .Üritif $u üben.
E* ift roeit bilbenber imt> förbernber, alle wichtigeren Schriften
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Wie ftuöirt man am beften pt} tlof optjte? 6\
eines ^pfjilofopljen, 100 möglidj 2töeS, roaS er getrieben §at, ofme SRcft
ju lefen, als oon mehreren blojj je ein ßauptmerf; benn im festen
Stalle er$ielt man bodj nur ein fjalbeS unb fragmentarifdjeS SSMffen unb
SBerfteljen, roäfyrenb man im erften gafle nid&t nur lernt, was ein
p^UofopI;ifd^ed ©nftem fonbern aud) toaS biefeS befUmmte Snftem
bem pf)ilofopf)ifdjen SBebürfnifj ju leiften oermag unb roaS ni$t. $amit
ift bann erft ber entfdjeibenbe $unft gewonnen, roo baS eigene Xenfen
einlegen unb in frudjtbarer SRiaptung feine flraft erproben fann, inbem
es oerfudjt, bie 2lporien beS SnftemS ju übernrinben, fei es aus ben
SSorauSfefoungen beS ©nfiemS felbft, fei es aus (Srgänjungen oeSfelben
oon anberer Seite I)er. Grft berjenige fann pf)ilofopf)tfd) gebilbet
Reiften, ber minbeftenS eine ^eriobe ber ©efdjidjte ber <pf)ilofopf)ie in
frember £arfteu"ung unb minbeftenS ein pbi(oiopf)ifdjeS Softem aus ben
Criginalroerfen grünblidj bis in äße galten !ennen gelernt unb burd>
baä)t fyit. T<ab feiner Ijterbei fteljen bleiben fann, ber in ber $fnlofopf)ie
emfttid) weiter fommen miß, t>erftet)t fidj r>on felbft; aber ein fötaler ift
bann genügenb oorbereitet, um fid> feinen 2öeg allein ju fudjen, unb
bie allgemeinen Diatfrfdjläge über bie befte 2lrt beS StubiumS fönnen fidj
nur auf bie 3eit bis jum 3lbfd)lu6 biefer erften pl)ilofopl)ifd)en Söilbung
bejiefjen.
2Benn es einen einzigen beftimmten ^f)ilofopf)en gäbe, ber aner*
fannter 2)ia§en alle bie für bie 2luSroaf)t in 33etrad)t fommenben Sßorjüge
in fid) Bereinigte, fo märe es sweifellos ber rid)tigfte unb einfad)fte 2Beg,
unmittelbar mit ber £ectüre feiner fämmtlidjen $Öerfe ju beginnen, meldte
bann aud) jugleid) bie befte Ginfü^rung in bie ©efd)id)te ber neueften
^f)ilofopt)ie unb bamtt in bie ©efd)id)tc ber $f)ilofopf)ie überhaupt gewähren
mu§. 3n3befonbere fo lange mir fein ben oben aufgehellten Jorberungen
entfpred)enbeS SÖerf über bie ©efdjidjte ber neueften $pf)ilofopf)ie befifeen,
fonbern nur jroifdjen afljufurjen unb ausbreiten £arftellungen 5U mahlen
fjaben, wäre biefe SBerfefcung in medias res jeber anberen SJletlwbe beS
StubiumS r»or$u$ief)en. 316er gerabe bie gegenwärtige ^f)ilofopf)te ift nodj
alljufe^r in ber ©äf)rung begriffen, um ben ,3cttgenoffen ein umfangreiches,
juoerläffigeS unb unroiberfproa^eneS Urteil in biefer &infid)t §u geftatten;
unb fo lange bie Saaje fo liegt, wirb ein 2Beg, ber eine vorläufige
9iecognoSirung unb Drientirung ermöglicht, bodj tr>or)l flauerer jum Siele
führen. @s war feine ungünftige Seit für ben ©rroerb ptyilofopfjifdjer
Söilbung, als es für felbftoerftänblidj galt, bafc man mit .§egel beginnen
nrüffe unb uon ifmi aus bie ©efdnc&te ber ^fnlofopln'e rücfroärts ju oer-
ftetjen fud^en müffe; nod) freute wunbern mir uns manchmal über bie £eb*
rjaftigfeü unb Sßärme beS pljitofo pljtf d)en ^ntereffcS ber in jener 3eit auf;
geroadtfenen ©enerationen, beren Siefte noa) in bie ©egenroart Ijerüberragen.
2)er $bitofopl), beffen genauerem ©tubium ber Sernenbe fid> roibmen
miß, wirb o^ne Zweifel aus berjenigen g?eriobe 3U roäljlen fein, mit
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(Ebuarb üon ^artmann in Berlin.
weldjer er ftdj berette in einer $arftellung aus britter £anb befdjäftigt
f>at. Ser alfo bie ganje ©efd)id)te ber ^f)ilofopf)ie gleidmiäfcig bur<$«
gearbeitet f^at, bem ftefjt bie 2Saf)l au» bein ganzen ®ebiet offen; wer
nur ba3 Slltertrjum unb bie neuere 3*it ftubirt bat, ber foütc einen mittel:
alterlid)en ^rjilofopben au3fd)ltetien, wie berjenige, ber nur 2J?ittelalter unb
neuere &\t ftubirt r)at, einen antifen. 2$er fid) auf bie ©efd)idf)te ber
neueren ober gar ber neueften ^p^ilofop^ie befdjränft f)at, wirb audf) in
feiner 2Baf)l auf biefe befdjränft fein. £enn offenbar fann ba3 gefd)id>t=
tid)e ©tubium ba3 Sßerftänbnife oorbereiten unb erteiltem nur in 33ejug
auf fold)e ^fjilofop^en, bie e» umfpannt, nidfjt in $e$ug auf foldje, bereu
©efd)id)t3periobe eS fern geblieben ift. 2Bie bebenflidfj e» ift, bie neuefte
3eit ober gar bie ganje neuere ^tyüofopljie oom gcfdfnajtlidjfen ©tubium
auäjufdfoliefcen, ba» seigt fid) erft jefct mit ooller £eutlid)feit, wo audfj bie
2öaf)l be3 su ftubirenbeu ©nftem» oon ber uorrjerigen 2£af)l ber *)3eriobe
abhängig erfa^eint.
£>ie ferneren nadjfolgenben ©efid)t*punfte werben fogar bemjenigen
oon duften fein fönnen, ber bie $orfd)ule be» ©efa)id)t»ftubium3 übers
fpringen unb fofort mit ber Seftüre ber Criginalwerfe eine» beftimmten
^rjilofopben beginnen will.
Unbebingt au»gefdjloffen fmb für einen Anfänger foldje $f)ilofopl)en,
bereu (Softem nur aus ben ©ertasten dritter ober aus" jerftreuten
fleineren söruajftüden ju conftruiren finb; alfo 5. «Bofrates unb bie
oorfofratifd&en ^rjilofopf)en. Ungünftige Umftänbe finb e$, wenn Unffar=
bett barüber ^errfdr)t, weldje Sdjriften edjt, unb welaje untcrgefdwben
finb (wie bei ^lato), ober wenn bie überlieferten edjten Sdjriften erbeb'
lidje Süden unb ilmftellungen jeigen (wie bei 9lriftotele»); aber biefe
9tod)tf)etle fönnen wenigftenä burd) $orjüge anberer 9lrt überwogen werben,
wäljrenb ber gänjlidje Langel §ufammenf)ängenber JCrigiualwerfe ju einer
conjecturirenben 9ieconftruction$arbeit nötrjigt, weldje bie Gräfte eines 9ln=
bängers weit überfteigt. Ungünftig ift e» ferner, wenn ber 9lutor bei
ber 2lbfaffung feiner Sdjriften nod; anbere ald rein tl;eoretifd;e unb willen*
fdfjaftlidje ©efid)t*punfte balle/ wenn er j. jugleid) literarifdje Äunft*
werfe $u fajaffen beabfidjtigte; benn bann treten Siüdftdjten in ber Gom-
pofition unb im ©til tyxvor, welche baä SBerftänbnifj oerbunfeln unb ben
3ugang jum $nl)alt erfdjweren. 9llle pl;ilofoprjiid)cn iWbanblungen in
@efpräd)»form Oplaton, 23runo, ©a^elling) leiben an biefem llebelfianbe,
aber aud) alle fonftigen Söcrfe," bereu Olutoren fid) in „fd)öner Spradje"
unb blcnbenben 2lper<,*u» gefallen unb bei ber 3BatjC itjrer 9lu»brüde nia)t
oollfommen felbftuerleugnenb, fcf)lid)t unb fadjlidj oerfafjrcn.
Ungünftig für ba* Stubium ift e» weiterhin, wenn bie ju wäblenben
Sßerfe nia^t in ber 3)iut ter f pradt)c be$ Semenben, fonbern in einer
grembfpradje oerfafet finb. Xenn wenn er bie frembfpradngen Originale
ftubirt, fo wirb feine 2lufmerffamfett swifdjen fpracf)lid;er gorm unb faa)^
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Wie fiubirt man am heften pl}ilo|"op^tc?
63
lid&em 3uf)alt getfjeilt unb f)in unb f>er geriffen, unb felbft wenn er bie
Spraye gut befjerrfd)t, wirb er viel langfamer oorwärtS fommen, melletcf)t
jroei bis oier 2)Jal fo oiel brauchen, als wenn biefelben Söerfe in
[einer SJcutterfpracrje getrieben wären; wenn er aber eine Ueberfefeung
oornimmt, fo fyat er mit beren uncermeiblid)en Ungenauigfeiten 31t fämpfen
unb ift niemals üößig flauer, bie wahre Meinung beS 2lutorS erfaßt ju
haben. 2Öer bennoa) einen folgen ^pljilofophen wäl)lt, ber wirb iebenfalls
am beften ttjun, juuäajft eine möglidjft gute Ueberfefcung in einem 3U9^
burdjjulefen, um einen ungeftörten ©ejammtetnbrucf $u erhalten, unb bann
bie unartigeren Stellen ober Stbfdmitte im Original nadjjulefen. 9htr fefjr
leiten wirb 3emanb eine tobte ober lebenbe Srembfpradje ebenfo gut oer;
ftehen unb ebenfo rafdj unb geläufig lefen wie feine ÜDhttterfpradje; im
Xurdjfdmitt werben unfre Stubirenben in gleidjer 3cit mit geringerer 2J?üf)e
3wei bis oier philojophifaje Snfteme in beutfdjen Ueberfefeungen unb eines
in ber Urfpradje, in gleid)er 3e^ fämmtliaje 2£erfe eines ^tyilofoptjeii in
beutfdjer lleberfefcung unb ein einzelnes ^auptwerf beSfelben in ber
Urfpradje burajarbeiten.
GS fann fein S^eifcl obwalten, auf welcher Seite ber größere philo*
fopfnfcfje ©ewinn für beu Anfänger liegt. Söenn bie UuioerfttütSphilofophie
btefe X^atfadje ignorirt unb gegen bie £ectüre oon Ueberfefeungen eine
entfd&iebene Mißachtung 3ur Sd)au trägt, fo ift baS nidjt aus philo*
ioptjifdjen ftüdfidjteu 3U rechtfertigen, fonbern nur aus pf)ilologiftt)en
9?ebenrüdndjten, bie für uns rjier nicht in löetraajt fommen. Unuerfennbar
freiließ bleibt ber Vorteil, wenn man einen foldjen ^fjilofophen jum
Stubium wählt, bei welchem bie Vorzüge beS Originals mit beneu einer
l'ecrüre in ber 9ftutterfprad)e sufammentreffen; unb ber beut fdje Stubirenbe
hat ben ungeheuren Vortheil gegen alle anbern Golfer, baß bie l)b äfften
(Srgebmffe beS bisherigen (SntioidelungSgangeS ber <pl)i(ofophie gerabe ihm
unb iljm allein in feiner 3ftuttcrfprad)e oorliegen. £er $eutfcf)e wäre
aber fein richtiger Xeutfdjer, wenn er nid)t biefen Vortheil mißartete unb
mit Vorliebe nach ben ©rjeugniffen beS 2luSlanbeS ober aud) einer fernen
Vergangenheit griffe; unb biefe Veifeitefd)iebung beS £eimtfd)en wirb bura)
bie philologifd)e afabemifche ^rapis fanftionirt unb unterftüfet.
2ÜS ein ungünftiger Umftanb ijt eS femer bei ber 2i>af)l eines 5pt;i[ofopt)eri
in Vetradjt ju stehen, wenn berfelbe feine befonberen pt)itofopt)ifcr)en 2lb*
hanblungen ©erfaßt, fonbern feine pfjilofoprnfdjen 2Infia)ten nur gelegene
lidj in anberem Sufammenhange fyat eingießen laffen, ober wenn feine
rein pfjilofoprniäjen 2tuffä$e felbft nur flüdjtige Sfijjen oon geringem
©efammtumfang fxnb, welche aus ben anberwärts eingeftreuten 23e»
merfungen ber (Srgänjung bebürfen. £ieS maa)t 3. 33. unfere Xidjter*
heroen (Seffing, Berber, ©oethe, Sd)iü*er) ungeeignet 3U111 ©egenftanb eines
pjjUofophifdjen StubiumS für 2lnfanger; wäljrenb für Vorgefdjrittene
gerabe ein befonberer 9fei3 barin liegen fann, baS an einsehen Stellen
Hort unb ۟b. IJ , im. T)
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6$ (Ebuarb von fjartmanti in Berlin.
3erftreute 5U einetn einf)eitli<f)en Silbe ju fammeln unb in einanber $u
fügen. «Selbft baS wirft nod) $ödjft erfdjwerenb für baS SBerftäubniß,
wenn ein 9lutor jwar 3al)tretd)e p()ilofophifdje 3tbf)anblungen öerfafet ^at,
aber jebe berfelben blo& au« Aphorismen unb Apercus beftel)t, bie ber
Sefer erft ju einem ©anjen oerfnüpfen muft; ober wenn jebe ber 9Ibhanblungen
monograpljtfd) nur eine untergeorbnete pr)irofop^if<3r)e $rage erörtert unb
nur gelegentlid) bie pljilofophifdhe ©runbanfidjt beS SBerfafferS burd)fd)einen
läfet. dagegen ift nidjts fo förbcrlidt) für baS ^erjtänbniB als baS 3>or-
fjanbenfein eines ober mehrerer rein pf)ilofophifd)er unb fnftematifdj ge=
haltener &auptwerfe, an weld)e bann bie anberen monograpf)ifd)en Arbeiten
über fecunbäre fragen ftdj anlehnen. 2ln foldjcn fijftematifdjen £aupt*
werfen fehlt es j. 23. bei Hamann, 23aaber, unb in ftrengerem ©inne
felbft bei Seibnij unb ^laton.
3n ber neuften Qcit ha* bie fortfdjreitenbe 9lrbettstheilung aud) auf
plnlofopljifd^em ©ebiete jur golge gehabt, bafe manage Genfer ihre SebenS*
aufgäbe auSfdjliejjlidj in ber ^örberung einer ober mehrerer (SpecialbiSctplinen
(5. SB. ber ©rfenntnifetbeoric, SHedjtSpbilofophie, 9Iefthetif, ffieligionS-
philofopfjie u. f. w.) fudjen, unb barin oft etwas Xfid)tigeS Ieiften. 2Sie
Ijod) aud) ber Söertl) foldjer Arbeiten für bie mit fpeciatiftiidjem ^ntereffe
an fie ,§erantretenben fdjäfcen fein mag, fo fönnen fic bodj nidjt als
jwedmä^ige Nahrung für baS allgemeine pl;ilofopljifd;e öebürfnifj be*
trautet worben, wofern bie betreffenben 9lutoren nidjt jugleid) eine eigen*
artige allgemeine äUcltanfdjauung in auSreidjenber 23eife entwidelt unb ba*
burd) einen ^lafc in ber allgemeinen ©efd)id)te ber ^(jilofopljie errungen
haben.
58on nidjt ju nnterfdjätjenbcm ©ewidjt für bie 2$ahlentfdjeibung ift
bie JMarjjeit ober 2>unf elf)eit beS ©cbanfengangeS unb bes fprad)lidjen
»lusbruefs. Gine gefdjidte Stoffuertheilung, eine moljlgeorbnete (Sompofition
unb eine bura)fid)tige ardjiteftonifdjc ©lieberung erleichtert ungemein baS
aterftänbmfj eines philofoptjifchen SBerfeS, sumal eines größeren fnftematifdjen
£auptwerfeS. ßs giebt Tutoren, welche unflar benfen, weil fie fi<^ aus
ber trüben SMinfelljeit einer gölmenben Briefe nod) nidjt sunt fonnigen £id)t
hiuburchgcbrungen haben (j. 58. Sööhnte, ^aaber); es giebt aber aud) anbere,
bie jroar flar benfen, aber bei ber fprad)lidf)en Darlegung ihrer ©ebanfen
in Sdjwierigfeitcn geraden, tljeils weil bie ©pradje für ihre neuen ©e=
banfen noch nicht genug gemobclt unb aufnahmefähig gemalt ift, theils
weil fie ju ungefdjidt finb, um bie oon ber Spraye gebotenen SüiSbrudS-
mittel richtig 31t benutzen, tljeils weil fie nad) bem <Sä)eiu einer Xiefe
ftreben, weldje baS tl)atfäajlid)e SNioeau ihrer ©ebanfen übertrifft (5. 2).
SHfdjer). 9lm größten finb bie Schwicrigfeiten ber Spraye für biejenigen,
weldje eine neue Gpodje beS pl;ilofopl)ifd;eu XenfenS inauguriren , 5. ^.
$laton, 5vant; am geringften für biejenigen, welche am ?Ibfd)lu§ einer
foldjen (S-podje flehen unb ihr $acit jiehen. & uneigeutlidjer unb bilb=
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Wie ftu&trt man am heften ptfilofoptpc?
65
ftdjer ein Sßfjilofopf) 5U benfen pflegt, befto Cetd^ter bietet bie Spradje fid?
feinem SMenfte bar (3. 23. Sdjopenfiauer); je logifdj ftrenger, je abftracter
er fid^ in ben reinen 2letfjer ber Speculation aufjufdjwingen wagt, befto
tnetyr oerfagt ifjm bie Spraye bie Erfüllung feiner Intentionen (5. 23. .§egel).
©rfdjwerenb für ba£ ^öerftänbnifs wirft aber audj bie ©mmifdjung
unfadjtidjer ©efidjtSpunfte, unfrudjtbarer 9iücffid)ten, nufelofer Spifcfinbigs
feiten, wiüfürlidjer gormen, eigenfinniger Schablonen; ,e>3 fmb bie3 bie
(Beladen be$ menfdjlidjen Senfen3, meldje im Fortgang ber ®efd)idjte
auägefonbert unb abgeftofien werben ($. 23. bie Xriaben be$ ^rofluä, bie
SuHifdje tfunft, ßattta burdjgängige ©intljeilung nadj feiner Kategorien*
tafel, £egel'fd)e Sialeftif). 2lber grabe an foldje 2leufeerlidjfeiten heftet
fidj oft im Hreife ber Sd>ule ba$ größte Slnfeljen, bafjer fie unter bem
tarnen „fdwlaftifaV' jufammengefafct werben; ba$ Sa>laftifd)e in biefem
Sinne gehört feine^megs blofc bem Mittelalter an, fonbern es ftnbet fid)
fd)on im 2(ltertljum unb gerabe aud) in ber fpeculatioen Gpodje oon
5lant bi$ &egel, wo man e$ al$ „Weofdjolajtif" be$eid)net (jat. 9ttdjte
Ijat bem 2luslanbe ba3 Einbringen in unfere beutfdje ^>f)ilofopf)ie fo fefjr
erfdjroert, als bie 2>erbinbung biefer SReofdjolaftif mit ben oljneI)in fdwn
nidjt unbeträchtlichen Sdjwterigfeiten ber beutfdjen Spraye; unb nid)t3
hat ber 2lu3länberci unb 2lltertt)ümelei ber Seutfdjen im prnlofophifdjen
Stubium fo fein* 2?orfd)ub geleiftet, als bie Ungeniefjbarfeit biefer 9?eo=
föofafrif, oon ber felbft Schopenhauer noa) feinc3weg3 ganj frei ift*).
2lm fdjlimmften ift bie Dteofdwlaftif unferer fpeculatioen Genfer in ben*
jenigen 2ßerfen, bie fidj in ben 2lbftractionen ber ©rfenntnißt^eorie, Sogif
unb SJietapfjofif bewegen (Äant* Ärttif ber reinen Vernunft, ftid)te$
SBiffenfchaftälehre, ScheHingS Snftem be$ tranäcenbentalen ^bealiemu^,
&egel$ £ogif); besljalb follte ein &ernenber, ber fid) für ba$ Stubium
eineä biefer ^fjilofopf)en entfd)ieben l;at, niemals mit biefen fa^wierigften
unb oerwirrcnbften föauptwerfcn beginnen, fonbern fid) biefelben bi£
julefct auffparen, nad)bem er alle übrigen Schriften beäfelben 2lutor3
burchgearbeitet t)at.
So berechtigt bie 2lbneigung gegen eine unnüfe erfdjwerenbe unb in*
haltlich unfruchtbare Sdjolafiif ber Jvorm ift, fo unberechtigt ift bie naments
lid) in ben Greifen ber .'palbgebilbeten weit oerbreitete 2lbneigung gegen
bie eigenartige pfjilofophifche Terminologie eines» Si)ftem3, insbefonbere,
wenn biefelbe am fremben Spraken geköpft ift. 9?un laffen ftöt) aber
feine neuen begriffe auffteüen, oljne neue SBortbejeidmungen ju prägen,
unb aller ftortfehritt in ber fllarljeit, ^räcifton, Goncentration unb l'eidjtig;
feit ber ©ebanfenbilbung ift burd) eine terminologiidje gortbilbung ber
Spraye bebingt. Gin Senf er oljnc beftimmt ausgeprägte wiffenfcbaftUdje
*) »fll. Tlon\} 2?cnctiancr: „ediopcn^cucr als Sdiolaftifer." Berlin, Gart
Sunfer* Verlag 1872. 21 iüogen.
5*
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(56
(E&narb von ^artmann in Sctlttt.
Terminologie fann nidjt mef>r fein als ein populärer Sdjriftftetfer, ber
bie ^enfergebniffc 2lnberer in Keine SHünje umfefct. Tie Terminologie
eines (SnftemS mufc um fo origineller augfallen, je origineller baS ©nftem
ift. 2öer ftdjj alfo oon ber fremb amnutfjenben Terminologie eines (softem*
abfänden läfct, ber mujj überhaupt auf baS pl)ilofopf)ifdje ©rubrum oon
oornfjerein oer^idjten, ober fidj mit bem trioialen ©efdnuäfc einer umoiffen*
fdjaftltdjen ^opularptyilofopfjie begnügen. 3ft aber einmal eine eigene
artige Terminologie jebem eigenartigen ©nftem unentbeljrlidj, fo ift es weit
weniger ftörenb, roenn biefelbe frembfprad^lid), als wenn fie beutfd) ift.
Tie SBurjelbebeutung ber ^embroörter fann aud) ber Ungebitbete in iebem
grembroörterbud) ober frembfpradjltdjen Serifon nad;fd)tagen, unb bann
aus bem 3ufammenljang unb ben oom 3lutor gegebenen ausbrücflidjen ©r-
flärungen fer)r mofy oerftefien, meldte 93ebcutung ber 2luSbru(f im ©oftem
fyd. Tagegen roirb burd) bie Umprägungen beS geroöfmlidjen ©pradj*
finnS beutfdjer Sorte nur Sßerroirrung geftiftet unb burd) fprad)ioibrige
2£ortoerrenfungen unb 3ufammenfefeuu9cn Da^ ©prad)gefüt)l weit tnefu-
beleibigt als burd) frembfprad)lid)e Tennini. Tie Grfafjrung beftätigt,
bafc biejenigen s}>l)ilofopt)en, meldte, wie 5. $3. Straufe, oerfudjt §aben, fidj
eine rein beutfdje Terminologie für ifn* ©njtem 5U bilben, gerabe ber fpradjs
lidjen Unerträglidtfeit biefeS 2RifegriffS einen großen T^eil it)rer 9Jti§=
erfolge sujufd&reiben fjaben. ©erabe in ber neueften Seit ift burd) ben
toadjfenben ftiliftifd)en (Sinflufj SefftngS unb ©djopenfjauerS unb unter ber
SHüdfnrirfung ber naturmiffenfdjaftlidjcn unb f)iftoriograpf)ifdjen ©djreibroeife
bie pt)ilofopl;ifd)e 2luSbru<fSart roteber in natürlichere unb fad&gemäfrere
Halmen eingelenft ; leiber ijt nur biefer formelle ©eroinn in ber Siegel mit
einer Sftinberung berjenigen fpeculatioen Tiefe oerfnüpft, roeläpe mir an
ben großen ^Inlofop^en oon Äant bis &egel berounbern.
Tie bisher erörterten formellen ©efidjtSpunfte bürfen ofjne 3»eife(
bei ber Sßafjl eines ^ilofop^en für baS ©tubium nia)t unbead&tet bleiben;
aber mistiger als fie finb bod) jebenfaßs bie fadjlidjen ©efic&tspunfte,
benen mir nun netyer treten. %n erfter SHeiöe fommt tjier in Serra^t
bie geiftige SBebeutung eines ^ilofopljen im Allgemeinen, ber ©rab
feiner pt)ilofopf)ifdjen Begabung, oermöge beren er bie Tinge mit anbem
9lugen anfielt als ein geioöf)nlid)er «Sterblicher. 3e genialer ein Tenfer
geroefen ift, befto mefjr roirb er für bie (rroigfeit gebaut haben, toäf)renb
bie 33ebeutung ber flehten Talente fct)on nad) einem ober jtoei Sttenfdjeu*
altern erlifdjt. Unter fonft gleiten Umftönben oerbient alfo oor mehreren
jur engeren 2öal)l ftetyenben 5pt)itofopt)en ber geiftig bebeutenbfte ben SSor*
pg; leiber ift nur häufig baS Urtljeil fet)r ferner, welcher oon jroei
^ßr)ifotop^en ber geiftig bebeutenbere fei, unb nod) weniger finbet ©lei<hs
f)eit ber fonftigen Umftänbe ftatt. 9iur in einem gaUe pflegt fein 3\Betfe{
über ben ©rab beS Talentes ju beftefjen, nämlid) bei bem Vergleich eines
3)ZeifterS mit ben Jüngern feiner ©d)ule; unb besfjalb ift es für ben
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tPie ftubirt man am bejUn pf^tlof opt{te ? 67
<Stubtrenben unbebmgt ratsam, ntd^t mit ben SBerfcn irgenb eines
— iferS ober — ianerS $u beginnen, fonbern fidj birect an einen 9J?eifter
3u galten. Sßenn er bagegen mit bem ©tubium eine! foldjen 9)?eijterS
fertig ift, bann ift es aüerbingS ferjr empfefjlenSroertl), fidj aud) mit ben
•Diobiftcationen unb UmbilbungSoerfudjen ber betreffenbe ©djule einiger?
maßen oertraut madjen, weil grabe burdj biefe beutlidjer als burdj
irgenb etroaS anbreS bie Unäulänglt<f)fetten, SSiberfprüdje unb Stporien
beS ©gftemS bloßgelegt werben.
23on §roei gleid) bebeutenben $f)ilofopben berfelben ©efdn'djtsperiobe
wirb für ben Anfänger baS Stubium beS f pätere'n oon beiben ben Söor*
§ug oerbienen, infofern in if)m ber Vorgänger jiä) gefdjid)tlidj reftectirt,
aber nid)t umgefefjrt. ©er Spätere f>at ben Vorteil, bie geiler beS
Vorgängers oermeiben unb feine pojitioen ©rgebniffe als 33aufteine benufcen
in tonnen; er fann gleid&fam auf beffen Sdjultern fteigen unb barum
©eiter um fidj fef)en als jener, audj of)ne an 2öu<$S größer als er ju
fein. 2lm raenigften geeignet ift bemna$ unter fonft gleiten Umftänben
in jeber ©podje berjenige, melier fie einleitet ($. 33. SofrateS^laton,
$eScarteS, ßant), toeil in if»n nodj alles im Äeimen, 2Bad)fen nnb SBerben
ift unb erit auf bie ^ufunft als auf bie (Erfüllung feiner Verheißungen
Innbeutet ; am meiften geeignet bagegen ijt berjenige, roeldje eine (Spodje
ju einen ©ipfel unb 2lbf$luß bringt, auf ben nur nod) ber lieber*
gang Jolgt ($. 23. SlriftoteleS für ben flaffifd^en ^etteniSmuS, ^(otin
für bie fjellenifrifdje $ßl)ilofopf)ie, Stomas oon 2lquino für bie mittelalter*
lidje <S<$olaftif.) Von jroet annäfjernb gleichzeitigen ^ilofopl)en oon uns
gefä^r gleicher Originalität unb fad)liä)er Vebeutung toirb für baS
<Stubium allemal berjenige roert^ooHer fein, meiner baS flarere ge=
fdjidjtlidje Veroußtfein über bie (Singlieb erung feines SnftemS in
ben allgemeinen (SntroirfelungSgang ber $f)ilofop^ie beftfot unb einen
größeren SluSfdjnitt aus ber ©efd)idjte ber ^ilofopbie in beutliä;eren
SReflerm roiberfpiegelt. Unter biefem ©efidjtSpunfte ift 3. 33. £etbni$
lehrreicher als ©pinoja, £egel lehrreicher als ber ungefdjidjtlidje unb ge*
fd)i^tsfeinblid)e ©djopenhauer. 2Bo jroei gleichseitige tßhitofophen ein«
anber als polare ®egenfäfoe ergän$en, 3. 23. £egel unb 6d)opent)auer, ba ift
es ratfjfam, nach bem ©tubium beS einen oon beiben auch ben anbem
grünblich fennen 3U lernen, um nicht mit ber ©infeitigfeit beS erften be*
haftet ju bleiben; unb bieS ift um fo bringenber ju empfehlen, je mehr
ber 3ioeite bei ber oerfud)Sn>etfen fieetüre ben Sefer abftößt, weil barin
ein Deutliches -Dterfmal liegt, toie fer)r berfelbe burdj baS Stubium beS
erfreu bereits in ben beftridenben unb umnebelnben Vann feiner ©infeitig*
feit geraten ift.
Von mehreren gleid; bebeutenben ^^ilofop^en aus oerfd;icbenen &e-
fc^ic^tSperioben ift unter fonft gleiten ilmitänben bemjenigen ber Vorzug
3U geben, roeldjer ber fpäteren $eriobe angehört, weil er auf einer
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68
€l>uar& von fjartmann in Berlin.
$öf>eren 23arte ftef)t. 2Benn e3 waljr ift, bafc ber gefdjidjtlidje Gut*
widelungSgang ber Sp^itofopf^ie einer Spirale gteidr)t, unb jebe fpätere ^eriobe
einer weiteren unb f)öfjeren Sßinbung, }o fcfjren in jcber ^eriobe bie alten
Probleme auf f)öf)erer Stufe wieber, wäfnenb sugleidj bie ÜJfütel ju üjrer
£öfung gewadjfen finb. $>enn ber fpätere ^prjifofopt) oerfügt bei einem
gleiten Sftafce oon' Begabung einerfeifco über bie ftenntnifj ber früheren
^Problemstellungen unb £öfung$oerfud)e unb anbererfeitl ü6er ein breitere^
empirifdjeS 3J?atevtat, wie e£ bie fortgefdjrittene 9fealwiffenfd)aften bar*
bieten. 3n Jyolge beffen begnügt er ftd) aud; nid)t mit ber Neubearbeitung
ber alten Probleme, bie nun in oeranberter culturgefd)idjtlia;er 33eleud)tuna,
auftreten, fonbern e£ brängen fidj tlnn nebenbei nodj eine 9J?enge neuer
Probleme auf, oon benen frühere Venoben nidjts almen fonnten, unb für
bie fie nodj gar fein SSerftänbnife gehabt Ratten, ^a3 oben für bie
Stellung ber ^erioben *u einanber 2lu3gefüf)rte gilt Iner aurf) für
$()iloiopljen, weldje in ben oerfd>iebenen ^erioben eine analoge Stellung
einnehmen.
2>on sruei pf)ilofopf)ifd)en Softemen gebüfjrt unter gleiten Umftänben
beinienigen ber 2>or$ug, weldjeä bie unmittelbarftc 23eriu)rung mit ber
(Sulturatmofpljäre unb ben geiftigen Strömungen ber ©egenwart f)at.
Xenn jebcä pf)ilofopfnfd[)c Softem ift mef)r ober weniger culturgefdjid&tlid)
bebingt unb gefärbt, unb jebe* Ijat bie 2lufgabe, ein ©efammtausbrucf
unb Spiegelbilb ber geiftigen 33ebürfniffe unb 2lnfdjauuugen feiner 3eit
iu fein; be£f)alb mufc jebe P;ilofopl)ie, bie einer un$ fremben culturge*
gefdjidjtlidjen ©podfte ben Spiegel ber Neflejion oorljält, und frembartiger
anmuten unb fdjwerer uerftänblid) fein; ate ein au3 ber ©egenwart ents
fprungeneS Softem, $ierburdj gewinnt bie $fjilofopf)ie ber ©egemoart
einen culturgef(J)td)tlid)en $orfprung oor aller $t)ilofopf)ie ber l'ers
gangenljeü, weldjer oon bem 3>or$uge eine£ erweiterten pljüofopljifdjen
©efid)t$freife$ gan$ unabhängig ift unb in biefem nod) Innjufommt. $n
ber ©egenroart felbft aber wirb wiebemm baajenige Sijftem bei fonft
gleichem pl)ilofopf)ifd)em SBertbe ben &or$ug oerbienen, weldjeä mit ben
Sntereffen unb Neigungen, ben SBebürfniffen unb Strebungen be3 ßeiU
getfteä bie engftc güljlung Ijat unb am treueften, allfeitigften unb um*
faffenbften bie ©eifteöftrömungen ber ©egenwart wiberfpiegelt. ^nfofern
bie ^?l)ilofopl)ie neben bem nad) rüdwärtä gewanbten 2lntlifc aud) ein nad>
oorwärts gewanbteS, propl>etifdje£ befifct, wirb e$ babei wefenttidj barauf
anfommen, bafe fie nidjt blofc bie Cberflädjenftrömungen, bie jebem ülide
fidjtbar finb, wiebergiebt, fonbern aud; ben meljr oerftedten Unter*
ftrömungen be3 3eitgeifte3 Nedmung trägt, in bereu bunflem Sdwofj
bie ©efdnd)te ber 3" fünft fidj oor bereitet.
Unter fonft gleidjen Umftänben wirb allemal Dasjenige oon jwei
Softemen ben SBorjug oerbienen, welkes auf ber breiteren unb folibereu
@rfal)rung$gruublage errietet ift. Xarin ftefjt 5. 33. 2lriftotele$ fo eiujig
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Wie flubtrt man am bcjUn pifilofopbtc?
69
ba unter ben Sß^tCofop^en be3 9lfterthum3, bafj er ein für feine 3eü Ö^nj
erftaunlid)e$ Maafe von empirifchcm SSiffen befitjt ; barunt oermiffen wir
an ber ?pi;i(ofop!)ic beS Mittelalters nidp fo fehr als biefe empirifcrje
SafiS, an beren 3teffe bie oermeintlidje GrfahrungSgrunblage ber geoffens
barten @fauben$;2Baf)rheit getreten ift. sJhm ift aber flar, ba& in Bejug
auf naturwißenfchaftlidje, etlmologifche, ftatiftifdje unb gefd)id)tliche <5r=
fahrung ba$ Söiffen ber Menfchheit burchfchnittltdj mit ber 3*it wädjft,
unb bafs fdwn wegen be3 breiteren, jur fixeren Verfügung ftefjenben
(*rfahrung3material3 bie Pjilofophen fpäterer Reiten burchfdmtttlich einen
Vorfprung Dor ben früheren ^abeu. Senn e3 fommt offenbar bei biefem
oergleichenben ©djätjungämagftab nid)t barauf an, meld) eine ©rfafjrung^
grunblage ein philofophifches Snftcrn für feine 3eit befaß, fonbern welche
e3 für unfere Seit befifet, ba boch mir ^efcttebenbeu eä finb, bie auä
bemfelben eine um möglichft befriebigenbe philofophifd> 2£cltanfd)auung
gewinnen wollen.
SEenn bie ^eriobe oou Se3carte3 unb Bacon bi3 3U Älattt einfd^Iiejg-
lieh fid) baburd) auszeichnet, baß bie meiften b^roorragenben ^>()ilofopI)en
auch auf naturwifienfchaftlid)em ©ebiet mol)l bcfdjlagen finb, fo jeigt bie
fpecutatioe Gpodje ber beutfdjen ^hilofopbie oon §idj>te bis £egel eine
gewiffe 2lbfet)r ber ^>t;iCofopl)ie oon ber 9?aturwiffenfd)aft, ätjntid) wie bie
mittelalterliche ^Ijilofopljie; unb auch ©d)openf)auer i)at fid) erft in fpäteren
fahren bemüht, für fein bereite fertiget fpefulatiueS ©nftem nachträglich
natum)ineni"dt)aftlid)e Betätigungen aufw(efen. Sie ^pl)itofopl)te ber ®egen*
wart jeigt in mehreren ihrer heroorragenben Vertreter wieberum ba3 Bc=
ftreben, bie geföften Beziehungen ju ber injwiichen mächtig fortgefchrittenen
^aturwiffenfehaft auf's 9icue unb um fo fefter ju fnüpfen, unb e£ ift
bejeidjnenb für unfere 3e'tr^mn9/ Da& getabe folche ^^itofoptjen am
meiften (Sinflufj unb 2tnfef)en gewonnen (jaben, felbft bann, wenn ihre
fpeculatioe Begabung unb bie Klarheit u;res gefchidjtlichen BewitfetfeinS
hinter ihren großen fpeculatioen Vorgängern weit juriidftanben ($.B. Rechner,
Siofce, Sunbt).
5?un liegt e£ aber auf ber £anb, bafj man $war aus einer unooff^
ftänbigen <5rfaf)rung3gnmblage bei großer fpeauatiuer Äraft immer noch
werthuolle philo fophifche ^rgebniffe gewinnen faun, aber aus ber breiteften
GrfahrungSgrunblage bei mangelnber fpeculatioer ßraft gar feine; mit
anberen Sorten: baß für bie Bebeutung eiltet philofophifdjen ©nftemS
nicht berjenige Factor ber wichtigfte fein wirb, welchen cS mit ber sJtotur--
wiffenfehaft unb ®efd}id)te gemein hat, fonbern berjenige, burd) welchen es
fid) oon beiben unterfdjeibet unb über fic fmtauSftrebr. &>er ber natura
wiffenfd)aftlid)en OUrunblage bas entfeheibenbe ©ewid)t beimißt, ber wirb
beffer timn, ber ^hilofopln'e fern $u bleiben unb fid; ganj an bie 9?atur*
wiffenfehaften 3U galten, was ja auch neuerbingS vielfach als baS allein
richtige Verhalten angeprieien worben ift. Sßer fid) aber bie 9Jtüf)e giebt,
i
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70 <£buarb pon ^artniann in Berlin.
^itofopl)ie treiben, von beut mufj man uorauafefcen, bafe fein roijfens
föaftlidjeS Eebürfnijj in beh (Srfa&rung$roiffenfd)aften eben fein volle* @e=
nüge gcfunben f)at unb nad) einer pl)ilofopl)ifd>en Grroeiterung unb ©rganjung
be$ empirifdjen StanbpunfteS fuäjt. £b bie pfjüofop&ifc&e Speculatton
ilmt bie gefugte Grgänjung gemäßen fann ober nid)t, barüber fann er
jebenfaHs erfi bann ein fixeres* Hrtl;etl l;aben, wenn er ftd) mit beren
^eroorragenben Stiftungen uertraut gemalt f)at, unb nid)t früher. dasjenige,
roaS er in ber ^t)ilofopf)ie allein fud)en fann, ift unb bleibt ba$ fpeculatiue
hinausgehen über bie Crfaf)rung, ba fie nur biefeä ober gar nidjtS 5U
bieten Ijaben fann; fo lange ber i'ernenbe alfo bie Hoffnung auf irgenb
meldten au« ber ^lulofopljte ju fdjöpfenben ©eroinn ntd;t ganj fahren
laffen roitt, muß er bodj bie fpeculatiue Äraft be$ $lulofopben ate ben
fjödjften SJtaafcftab gelten (offen, an roeldjem ber 2$ertf) feinet Softem«
ju aÜermetft bemeffen werben rnufc. So treten benn bod> roieber bie
fpeculatioen ^ilofopljen erften SHangeä in if)r 9ied)t gegenüber ben mit
geringerer ptyilofoplnfdjer Veranlagung unternommenen 93erfud)en, 9?atur*
roiffenfdjaft unb S|3^ilofop^ie ju uerföfwen.
Q$ bleibt enblidj nod) ein lefoter ©efid)t3punft ju ermahnen, ber
gerabe für ben £efn*roertf) eine« Syftem$ von großer Sebeutung ift. ©3
ift bie$ bie möglid)ft ooöftänbige foftematifdje 21u$brettung beäfelben über
möglicbft mele Gebiete be3 Riffen«, ober bie möglidrft oielfeitige £urd>
arbeitung ber pf)Üofopf)ifd)en SpccialbiSciplinen (©rfenntnifetfjeorie, Sftatur*
pf)iIofopf)ie, $fnd)ologie, Gtluf, Sleft^etif, 9ieligion8pf)ilofopI)ie, SftedjtS*
pf)ilofopf)ie, ^äbagogif, Staat«: unb ©efellfdjjaft^le^re, ^Inlofopfjie ber
©efdndjte, ©efd)id)te ber ^pl)ilofopf)ie u. f. ro.). 2ludj tner roädjfi roieber
ber Vorteil mit ber Slnnä^erung an bie ©egeuroart. 3m 2lltertf)um ift
e$ faft nur 2lriftotele3, ber mehrere biefer Specialbiäciplinen umfpannt,
roenn aud) bei ifnn, roie in ber gcfammtcn griednfdjen ^Inlofop^ie, bie
9?eligionöpljilofop^ie nod) ganj fefjlt unb bie ©rfenntnijjtfjeorie noa) jiemlid)
embrnonifa) bleibt. Ser mittelalterlichen <pinlofopl)ie, bie roefentlid)9icltgion$*
p^ilofopljie " ift, fel)lt roieber bie 21eftr,etif, unb Grfenntnifetfjeorie unb
ftaturpfnlofopljie bleiben im Steinte ftecfen. Grft im ad^elmten 3al>r*
Ijunbert finbet bie erfenntmfetljeorie unb bie Siefüjetif felbftftänbige Pflege,
unb flaut barf rooty als ber erfte gelten, ber biefe beiben ebenfo gleia>
mäfeig umfpannt roie bie ftaturplnlofopfjie, ßifnf unb 9teligion$pfnlofopf)te.
ift alfo roeientlid) erft bie neuefte ©ef$ia)te ber ^fjilofoplne feit flaut,
in beren Suftemen eine gennffe SMftänbigfeit $u finben ift, aber feinet
roegä bei allen. So entbehrt 3. $8. bei gidjte bie 9?aturpf)ilofopf)ie unb
2Ieftf)etif, bei Sdjelling bie Gt^if einer genaueren 2lu£ffil)rung, roä^renb
bei Sajopemjauer eigentlid) gar feine Specialbteciplin burdjgefüljrt ift,
fonbern alle nur im ffi^enfyaften Gntrourf bargeboten finb, unb bei £egel
gerabe bie roidjtigften ©ebiete nidjt 00m 21utor felbft für ben $rucf aufs
(je3eid;net finb. 3mmerf)in fiaben in ^ejug auf ft;ftematifd)e Voaftänbigs
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Wie ftnbirt man am heften pfyilofopt{te? 7\
feit ber Durchführung 9lriftotele3, Rani unb £egel einen $orfprung cor allen
übrigen $fn'(ofopI)en erften langes. Unter ben ^f)ifofopi)en ber ©egen=
wart f)aben ft$ jumeift nur bie weniger originellen jur fnfteniatifdjen
Durcharbeitung ber (specialbiSciplinen gebrängt gefügt, unb gerabe bte=
ienigen, welche felbftftänbiger oorjugehen fugten ober burdt) größere $erücf=
fichtigung ber 9iaturwiffenfchaften ©influfj erlangten, haben bei ihrem Stöbe
meift nur einen rea)t lügenhaften 33au hinterlajfen (3. 33. geeinter unb Sotje).
©3 ift oom Saufe ber 9ktur nach allen unterer geföid&tüd&en @r=
fahrung oon oornherein nicht ju erwarten, ba§ [ich jemals alle SSorjüge
im f)öd)iten ©rabe auf ein cinsigeö menschliches £aupt oereinigen. De3=
halb werben wir auch bei ben hier erörterten S?orjügen eine« philofophiichen
<2nftem3 für baS 6tubium eines Sernenben nur mit ber Sßerbinbung
mehrerer in höherem (Brabe, ober oieler in einem genrijfen ©rabe rechnen
bürfen. $n ber Abwägung ber £idn> unb ©djattenfeiten ber oerfchiebenen
(Snfteme gegeneinanber bleibt fomit immerhin noch ber ^nbioibualität beS
Semenben ein genügenber Spielraum, um bie ihr befonbers $ufagenben $or*
jüge bei ber 21uSwaf)l in erhöhtem Sftaafje ju berüdtjichtigen. 9tichtS wäre
auc^ ungünftiger für ben gortgang ber pfjilofopfufdjen ©ntwicfelung, als
roenn burd) eine unantaftbare Slutorität (etwa Diejenige einer centralen
SHeichSafabemte) baS Sß^ilofop^ieftubtum aller Sernenben bauernb in eine
einförmige Schablone gezwängt werben fönnte! Dajj aber bis jefet ben
mirflia) ma&gebenben 5ßor3ügen nicht überall in bem wünfchenSwerrrjen
■äJfaajje Rechnung getragen wirb unb barin gar manage 2lenberung ju er*
ftreben Ift baS glaube ich in ben oorfiehenben Slnbeutungen gezeigt ju
^aben.
(Ein Hicf auf bie (Scfdjtdjte Suremfcurcjs unb
ber „Surembunjer".
Don
21. Hogalla oon Bieberfteiu.
— Breslau. —
ot wenig Socken gefd;al) es, ba£ ber 9tome £uremburg oou
Beuern in ben Sörennpunft beS politifd&en SageSintereffeS trat
unb bie mannigfaltigen Erinnerungen in und road; rief, bie fid>
für Xeutfcfje an biefen tarnen fnüpfen. $m ^orbergrunbe berfelben ftefjt
in 9lUer ©ebädjtnijj bie «Seit, in roetdjer Sanb unb geftung fiuremburg
baS GompenfationSobiect ber ^olitif Napoleons III. Seutfdjlanb gegenüber
bilbeten, bie 3eit, in roelajer ber ftönig ber 9?icberlanbe bereit mar, baS
®rof$ljei$ogtf)um an granfreid) burd) Söerfauf absutreten; eine ?lbfid)t, gegen
bereu 2lu3füf)rung J-ürft $)i$maref unb Äaifer SSilljelm ifjr 33eto einlegten,
um bie Integrität beS £anbe3 unb bes beutfa^en ©ebieteö aufredet ju er=
galten. MerbingS fonnte biefes 9JefuItat nur burd) bie ÜNeutralitätSer«
flärung beS GkofjlierjogtlmmS, bie Aufgabe be^ preufcifdjen SBefafcungSredjts
unb bie Schleifung ber Söerfe beö berühmten fteftungScoloffeS erteilt werben.
3n jenen Sagen ber Suremburger gragc fjatte ein Detter Napoleons III.,
ber bamalS uielgenannte ^rinj gierte 23onaparte, eine Sd^rift über bie
ftrategifdje ^ebeutung Suremburgs veröffentlicht, unb ber 3^11 fügte es,
bajj ©dureiber biefer ßeilen eines ber erften Gremplare biefer Sdjrift bem
gelbmarfdjall 3Jioltfe, ber fidt) für biefelbe intcreffirte, sufteüen fonnte.
Mein nod) anbere Erinnerungen fnüpfen fid) für uns an £uremburg«
£er erfte talentüolle fiaifer aus bem Surcmburger &aufe, beffen nationalen
©ejfrebunflen ein oor3eitiger Stob auf feinem 9iömer$uge ein frühes Siel
fefcte, lebt in ber ©efdjidjte fort, desgleichen fein trüber, ber ftaats*
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<£in Bliff auf bie (ßefdjtdjtc £uremburgs.
73
fluge unb einflußreiche Grjbifdjof 33albuin oon Xrier, foroie £einridjs
fielbenmütf)iger Solm ^ofycmn üon £uremburg, ßönig uon ^öljmen, ber
friegerifd))le $ürft beS 14. Safyrtyunberts, ber uns erft in neuerer ßeit
burdj bie 3Mograpf)ie ScptterS in feiner oollen f)tftorifdjen öebeutung bar*
geftellt rourbe. 2Bir gebenfcn femer flatfer ftarls IV., #6nig SÖenjclS, ßaifer
SigiSmunbS unb iljrer für baS gefammte 9?etd) bebeutfamen 9?cgierungS=
afte, unb erinnern uns ber fo tucc^fetüoüen fpäteren ©efd)icfe beS beutfdjen
©renjlanbes. ©in 23licf auf bie £auptmomente ber ©cfajidjte beS neuerbings
roieber fo oft genannten ßanbes bürfte batyer nicfyt unzeitgemäß erfdjeinen.
$aS £anb sroifdjen ber mittlereren 3Jlaaß unb mittleren 3)tofel, sroifdjen
bem GfjierS unb ben Buellflüifen ber Durte, vom öftltdjen Sfyul ber
2lrbennen unb jafjlreidjen 3uflüffen ber genannten ©eroäffer burdfoogen,
bitbete bie alte ©raffdjaft, fpäter baS &er$ogtl)um Suremburg. EaSfelbe
mar mein* als boppelt fo groß mie baS gütige ©roßljer$ogtl)um.
©raf Siegfrieb aus bem $i)naftengefd>lea)t ber ©rafeu oon ben
2lrbennen braute 936 bie bereits $ur ^ömerjeit entftanbene auf bem auf
brei Seiten oon ber 2U$ette umfloffenen 23ocffclfen belegene Süfeelburg in
feinen 33efifo unb madjte fie $um Vorort feiner im Slrbennen*, SBaore* unb
3)iofelgau liegenben Stefifcungen. Gr mar ber Stammvater beS arbennifd&=
luremburgifdjeu Kaufes.
Sucilinbucf — niajt Öuältnburuf), wie manage meinen — mar ber ur*
fprünglidje sJJame ber iöurg; er bebeutet fleiner iöoef ober iöerg. Gin
beutfdjeS ©rafengefd)lcd)t roäjjlte bie 33urg 3um &>ol)nfife. $aS arbennifdj*
Iuremburgifdfic &aus erlofd) im 3)JanneSftamme 1136 mit Gonrab II., unb
£uremburg ging burdj bie 2>ermäl)lung mit ber weiblichen Grbin an bie
©rafen oon 9iamür über, bie fid) banadj oon Supemburg^amür nannten.
23eim £obe ^einrid; IV., bei legten ©rafen uon £urmtburg=9iamür, ge=
langte üftamür an bie ©rafen oon föennegau; Suremburg aber fiel feiner
einjigeu Xodjter Gnnefinbe su. Xiefe oermäljlte fid) mit Söalram III.,
jQersog oon Simburg unb SKarfgraf oon 2lrlon, nad) beffen erfter Gfie,
unb el mürbe smifdjen ifmen feftgefefct, baß itjre 9?ad)fommen aus beiben
Glien bie ©raffdjaft fiujremburg getrennt oon Himburg erljaltcn follten.
So entftanb bie fürjlid) oft genannte ältere unb jüngere Salramfaje Sinie.
$ie 91ac$fommeu 2i3alramS, aus beffen erfter Gfye, erhielten nad) feinem
£obe baS ^erjogtlmm Himburg. 25er Sofyn GrmeftnbeS unb 2öalramS,
igeinrid) ber SBlonbe, erhielt bagegen Suremburg unb mürbe ber Stifter
be$ Snnaftenfjaufe» Suremburg^Simburg. <&\c ältere aöalramfd^e Sinie
l)errfd)te in Simburg bis $um ^aljre 1288, nämlidj bis biefeS ^erjogtljum
burc^ bie S^laa^t oon Moringen an Trabant fiel.
Sem Gnfel ^einria; beS SBlonben, &einrid) bem Sü^elbuger, mar es
beftimmr, als ^cinria) VII. feit 1308 bie beutfdje ^aiferfrone §u tragen,
unb mit biefem Greigniß finben mir uns auf bie befannteren ©ebiete ber
beutfe^en unb ber luremburgifc^en ©ef^ic^te oerfefet.
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7^ 21. Rosalia von Siebctftein in Srcslau.
Obgleich erft 26 $afyxe alt, als [ein Bater mit breien feiner Brüber in
ber blutigen Schlacht Sei 23öringen 1288 fiel, Ijatte er bennod) bis $um
ftahre 1292 bie Regierung mit feiner Uttutter Beatrir gemeinfchaftlidj ges
fü^rt. 3ur Herbeiführung eines 5tuSgleidf>eS ber alten getnbfchaft mit
Trabant oermählte er fid) mit Margaretha, ber älteften £oct)ter Johanns
von Brabant, unb übernahm barauf allein bie Regierung.
©raf Heinrich mar bie auSge$eid)netfte ritterliche ^erfönliajfeit feiner
3eit, nicht nur in tfrieg unb allen Surmerfunften erfahren, fonbern aua)
ein geregter, bie Crbnung unb Sicherheit in feinem Sanbe in bamaliger
Seit berounberungSniürbig aufregt erhaltenber gürft; feine @üte, £eut=
feligfeit unb grömmigfeit mürben roeithin gerühmt. Seine ©emahlin mar
eine leutfelige, rooblthätige, chriftliche gürftin unb ihm eine liebeooHe
Lebensgefährtin, fytyxixfy Stiftungen unb Befreiungen uon Älöftem
unb Hospitälern bezeugten nicht nur ben frommen Sinn beS Herrfdjer-
paare«, fonbern auch fein Berftänbnifc für bie ihm 5ugefallenen Aufgaben ber
©ntroiclelung feines £anbeS. Gin fu^er in bas erfte ^ahr ber Regierung
Heinrichs fallenber 2lufftanb ber Bürger SuremburgS mar, fomeit es
fidj feftftellen läjjt, gegen bie SBillfur beS an ber Spifec ber SanbeSoer*
roaltung ftehenben Herrn ^offroiö oon ber ©fdt) gerietet; ber Sufftanb
mürbe balb gebämpft unb gefühnt. 3m %a\)xe 1301 gerieth Heinrich
in golge oon 3°öftoitigfeiten iu Ärieg mit bem Grjftift £rier, ber unter
gegenfeitigen BerrofiftungSjügen mit einer oergeblidjen Belagerung Triers
enbete, aus ber iebodj Heinrich, mit bem Bürgerrecht oon £rier beliehen,
als Schirmherr biefer Stabt heroorging.
Bon befonberer Bebeutung für 2)eutfdjlanb mürbe ber Umftanb, bafe
Heinrich feine ©rjiehung oorjugSioeife am franjöfifdjen Hofe erhalten
hatte unb bafj er, fo lange er nur Regent oon fiuremburg mar, in fteten
Beziehungen $u granfreid) blieb, £iefe Beziehungen nahmen bei feinem
ebenfalls in $aris erzogenen Sohne bem flönig 3°hann ütm Böhmen einen,
mie mir fehen roerben, bem beutfdjen deiche nicht ^eilfamcn intimen
^harafter an. Öraf Heinrich »erpflichtete fid^ gegen 6000 £urnofen bem
ßönig Philipp »on Sranfreidj jur Heerfolge gegen bie (Snglänber unb
erflärte fid; unb feine ©rben gegen eine QahreSrente jum Bafallen ber
tfrone gratfreid), mas ihn bei feiner Stellung als beutföer SanbeSherr
jeboa) nicht abhielt, 1295 ju Dürnberg bem beutfdjen tfönig Sbolf oon
9kffau 5U hw^igen, ber ihn gleichfalls gu feinem unb beS beutfehen
SteidjeS Bafatten annahm, inbem er it)m oerfd;iebene Bereinigungen machte.
3llS JTaifer Sllbredjt I. 1308 uon 3ohann ^arrieiba ermorbet mar,
renfte ber Manier beS Meiches, ber Gr$bifd)of $eter oon 3ttain$ — oon
Balbuin (Sr$btfchof oon £rier, bem Bruber Heinrichs, unterftüfet — bie 2öaf)(
ber urfürfien unb bie Empfehlung beS ^apftes Clemens V. auf Heinrich
oon £uremburg, beffen frommer Sinn ber flirre unb beffen iHegierungSs
talente unb ritterlidjen Gigenfchaften ben meltlichen gürfien jener Seit um
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<£in Slitf auf bic (Sefdjidjte £uremb nrgs.
75
fo wißfommener waren, ba $einridj gleidjjeitig fidj nidjt im Vefife einer &au3=
madjt befanb, bie if)m ein bauernbeS UcScrgc!t)t(§t im dleifye gefidjert f>ätte.
Von ben Angelegenheiten be£ SietdjeS ju fetyr in 2lnfprudj genommen, trat
ßeinrid) 1310 feinem Solme 3o^ann £uremburg förmlid) ab. 2Bie fein
Später unb C^eim Valbuin oon Trier fjatte audj 3of)ann ben witfctigften
Xr)eil feiner erjieJjung am franjöfifdjien £ofe erhalten. $aum Ijatte 3o$ann
bie Regierung oon Sujembnrg angetreten, als if)m, ba bie ^rsemteliben
in Vöfynen mit Sßensel III. auSgeftorben, waren nadjj furjer ßerrfdjaft
9iubolfS oon Cefterreid) unb £einria)S oon Mammen bie Ärone VöfmtenS
angeboten mürbe, flömg §einri$ ergriff biefe erwünfdjte ©elegentyett jur
Vergrößerung feiner £auSmad)t, fidjerte bie 3I>ar)I feines 14 jährigen SofmeS
3um ßönig oon Vöfmten, unb befeftigte beffen neue «Stellung burd) bie Vers
binbung 3of)annS mit ©lifabetf) oon Voigten, ber Xodjter 2BenjeU III.
2luf einem &offefte ju 6pener fanb 1310 bie Vermählung ftatt.
ilöntg &einridj 6efanb fia> 3U beginn feiner Regierung brei großen
Aufgaben gegenüber. SDie wid)tigfte berfelben war für it)n fein JHömerjug, um
feine £errfa)aft in Italien fefoufteUen unb fia) in «Horn bie flaiferfrone auf«
<gaupt fefeen ju laffen. gerner fymbelte es fid; barum, ben Unruhen unb
©cmalttfjättgfeiten beS ©rafen (Sberljarb oon SBürttemberg ein Gnbe ju
mad&en; unb enblicd barum, ben jungen König 3o{jann in bie ßerrfdjaft
SBöfnuen*, weldjeS fi<§ nod) in ben &änben &einria)S oon flammen unb feines
!öunbcSgenoffen griebridjs oon beißen befanb, einsufefeen. $ret §eere
würben für biefen 3wed gleid)3eittg oon ßeinridj aufgeboten, baS ftärffte ber=
felben war für ben SHömerjug beftimmt. £aS gegen Vöfmten beftimmte $eer
war oom ©lü<f begünftigt unb $rag würbe nad) furjer Belagerung genommen,
&einrid) oon Äärntfjen entflof) in fein £anb unb 5tönig 3of)ann würbe feierlid^
jum böf)mifdjen Könige gefrönt, $er junge flönig begann feine Regierung
bamit, feine &errfäaft in Vöfnnen unb SHäfjren &u befeftigen unb fdjloß mit
bem ^erjoge oon Defterreid) ein greunbjd^aft^bünbnig.
3n5wifd)en ^atte Äönig $einrid) feinen SRömersug angetreten, ber 3uerft
oon Erfolgen begleitet war. 3n SJtailanb würbe er mit ber lombarbifd^en
Ärone gefrönt. Allein balb empörten fidj oiele lombarbifdje unb anbere
italtemfdje Stäbte unb gürften wiber tt)n, unb er faf) fidt) $u langwierigen
Belagerungen unb garten Maßregeln genötigt, ©rft im 3unt 1312
gelangte er nad) bem oon feinblidjen Parteien befefeten 9iom, eroberte es
jebodj nur tbeilweife unb ließ fid), ba ber $apft in Aoignon refibirte,
oon ben (Sarbmäfen im Lateran frönen. 2lllein baS mittlere unb füb=
lid&e 3ta(icn, befonberS flönig Robert oon Neapel unb felbft ber Sßav\i
toiberfefeten fid3 energifd) ber Ausbreitung feiner ^errf^aft auf ber ^alb=
infel. 3" ten Vorbereitungen 3um Äriege gegen Robert oon Neapel be=
griffen, erfranfte ber Äaifer unb ftarb in Vuon conoento bei 6iena 1313.
$einrtd) ber Suremburger na^m nadj ^ominicuS „ben Diuf eines
tapferen, großmütigen unb geredeten ÄaiferS mit in'S ©rab." (5r ^atte
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76 2J. Kogalla non Sicberfieitt in Breslau.
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bie ibealen unb realen 3tele beS beutfdjen Äaifertfmmä voU erfaßt unb
fanb in müheoollem Kampfe um biefelben feinen £ob. Obgleich üor$ua>
roeife franjöfifd) gebilbet unb früher in nahen Sejielnmgen jum franjöfis
fdjen £ofe, mürbe er ati beutfdjer König bodj ^ierburd; in feiner 2£eife
beeinflußt. Sa3 Seftreben burd) bie ©rroerbung Söf}mensi für feinen Sotjn
feine &au£mad)t 511 erweitern, fann bei bem fräftigen materiellen dlüd-
halt, beffen bas beutfdje Königtum jener £age beburfte nur als gerechtfertigt
erfcheinen, ba er über ben böhmtfd)en Angelegenheiten bie be£ dkifyä nicht
nernatf>läffigte.
2Bir fdjreiten jur Betrachtung ber ®efd)td)te bc$ jmeiten großen Suterns
burger£,f eines 6ohne»,o*0hani1 t>on Böhmen, unter befonberer Serfidfichtigung
ihrer Sebeutung für fein Stammlanb Suremburg.
Johann uernadjläffigte als König uon Böhmen fein Stammlanb feinet
megS. ßr faufte ©üter unb Surgen, uermehrte bie ißaty feiner SehnSleute
unb fd)lid)tete alte SfechtSftreittgfeiten (roie bie mit ben Sölmen be£ £errn
uon Slanfenhein unb bem ©rafen uon S005 unb (Hu'nn) burdt) Scrgleidj. ©r
30g einflußreiche Männer gegen bebeutenbe ©elbabfinbungen in feinen
SehnSoerbanb, um feine ^ausmacht $u uermeljrcn unb bamit fein 3lnfef)en
auch in Böhmen 3U erhöben.
3ugleid) ftrebte Sodann trofc feiner $ugcnb befonberS au£ bem ©runbe
nach ber beutfd)en KönigSroürbe, um im Seilt} berfclben feine ©teöung in
Böhmen, bie burch Heinrich uon Kärnten unb bie öfterreidnfehen &er$öge un*
auSgefefct bebror)t mürbe, ju befeftigen. £ie Anhänger ber Suremburger gartet,
an ihrer (Spifee bie ©rjbifchöfe von £rier unb ÜJiainj, begünftigten biefen ^pian,
unb Johann begab fid) $ur Betreibung bcSfelben aus Böhmen auf ein .Jahr
nach itoremburg unb an ben dltym unb begann $ahlreid)C Sicnfhnannen an$u*
merben. AÜein bie Abfid)t Thanns fanb bei ber 9ttebr$abl ber Kurfürften
in Anbetracht feiner Sugenb unb ihr gegenüberftehenber anberer ^«^reffen
feinen Beifall; jebodt) gelang e$ 3ofjann feine Stimme für Subroig uon
Säuern gegen beträchtlidje Summen, Seftfeüerpfänbungen unb fonftige Se*
miüigungcn, bie jum Xl;eil auch ^uremburg 511 ©ute famen, ju uerroertheu.
Üöährenb Johann in Böhmen, befonberä als feine Kaiferroahl nicht
geglüdt mar, einen fdjrocren Stanb gegen bie ©roßen beö i'aubes hatte,
gab e£ aud; in ber ©raffdmft £uremburg, mclche in feiner Abrocfenheit
uon Stttter Arnolb uon ^ittingen unter Leitung be£ fiuremburgerS Salbuin
uon Xrier uermaltet mürbe, mannigfache Streitbänbel ju fchlichteu. §3
maren bieS ein Waubs unb ^lünberung^frieg jroifchcn bem Sifdjof Abolf
uon &üttidj unb £uremburg, ferner Streitbänbel mit bem bitter ^ßoince
uon &?olmcrange unb bem ©rafen feindet) uon Sianben, ben Herren r>on
Surfdjeib, uon s2Balcourt unb Wodjefort. Ulucr) fern uon ßuremburg blieb
Johann unau^gefe^t bemüht neue £ef)u3= unb Xienftmannen für bie ©rafj
frfjaft ju geroinnen, unb er uergröfjerte biefelbe burch 9lnfauf non Surg unb
^>errfchaft galfenfteiu. Xen jum beutfdjen 5lÖnig gemahltcn Subroig uon
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(Ein Slitf auf t>te <5efd>idjtc furembtirgs. 77
Söanern unterste Sei beginn feiner Regierung bie gefammte fiuremburgifdje
Partei, an if)rer ©ptfoe ftönig ^oljann, bie @r$bifcf>öfe oon £rier unb
SKainj gegen ben ©egenfönig griebridj oon Ceflerretä) auf ba$ fräftigfte, unb
man fdjlofj mit Submig ein befonbereä <£d;ufcs unb £rufobünbnif3 unb einen
£anbfrieben. $iefe» üBünbnin mürbe für beibe Steife oon großer 2Bid)tigfeit;
ofme ben Ginflufe ber £uremburgtfdjen Partei ,im 9feid)e oermodjte fid)
Äöntg fiubroig ber SBawer nidjt ju behaupten. 9113 baf)er bie ©fiftenj be3
Dberf)aupt'3 berfeI6en, ÄönigS So^an^ burdj neue 2Iufftänbe ber böljmifdjen
©rafen bebroljt mar, fd)ritt ftönig Subroig ju ©unften 3of)ann3 ein unb '
oenntttelte einen 93ergleicf).
^njtöifdjen r)atte in ^uremburg &eiuridj uon 23caufort baS 2anb im
©anjen in dlvfye oerroaltet, bie nur burd; einen ßrieg£$ug gegen ben SMfdjof
oon Süttidj geftört tuorben mar.
33ei einer abermaligen Slnroefenfjeit ^ofjannS ™ Suremburg im
3(U)re 1320 mürbe tfjm für bie 35,000 Wart Silber, meldte flöntg Subroig
ber öaner ifnn fdjulbete, ein Tf)etl ber $fa(j oerpfänbct. %ol)am fuf)r
fort neue Se^mannen ju gewinnen unb erraarb bie ©raffdjaft 3lutreo,
forgte für ba$ ©ebenen ber ßlöfter unb legte um bie Drtfdjaften Siefirdj
unb flönig$madjer geftungSroerfe an; in äfmlidier SBeife »erfuhr Sofjann
bei einer fpdteren 2lmoefcm>it in fiujemburg. Um biefc 3eü, 1322, fudjte
er burd) SBerfieiratlmng furemburgifdjer ^rinjeffmnen bie 2Rad)t feines
£aufe£ $u lieben, unb e$ gelang if)m feine <Sd;toefter 3)torie mit ßarl IV.
uon granfretd) 511 oermäfylen,
Sen insroifdjen lange Satye ftdj l)in$ief}enben ©treit in Seutfdjlanb,
ob bie luremburgifdje Partei unb mit if)r ßönig £ubroig ber 23auer ober
bie öfterreidnfdje gartet mit ßönig griebrid) bem 6d)önen bie Dberljanb
behalten follte, entfdjieb ftönig Soljann in ber oon ifjm geleiteten <Sd)lad)t
uon 9Jiüf)lborf, an melier ftönig Subroig feinen tätigen Slntljeil genommen
tyatte, 3U ©unften be» Seiten. 9teid;e 3öHe Selefniungen unb Skrpfänbungen
belofmten bie &üfeleiftungen ^ofjann^. CiT begab fid> einige 3eit nadj bem
©iege bei 3J?üf)lborf nad) sparte, um ber Krönung feiner Sdjioefter Sttaria
oon Suremburg $ur Königin oon granfreid) beijuioofmen unb feinen
älteften Sofnt ßarl, ber am franjöfifd)en &ofe feine (£r$ief)ung erhalten
follte, bort einzuführen. 9tod) einem Slufentljalt in fiuremburg, mäfyrenb
beffen er bie 6trettl)änbel mit bem ©rafen oon $8ar beilegte unb 33e=
mittigungen für bie 2lbtei fünfter in Surcmburg unb be^ grauenftift SKarien«
t^al mad)te, fet)rte er nad) TOjinen jurücf.
^m 3af)re 1324 finben mir ^ot^ami abermals in granfreid^, roo bie
6tabt Xouloufe Äarl IV. ben ©efyorfam aufgefünbigt l)atte. 3?on Slarl III.
ju £ülfe gerufen, 50g er mit einer Sdjaar 2uremburgifd)er 9iitter nad;
^?ari)§ unb gegen ^ouloufe, metd;e^ fia) jebod; oljnc tfampf ergab. Won
bort nad; Surcmburg jurüdgefefjrt, unternahm er im $unbe niit bem ©rafen
2)?ilf)elm oon &oflanb einen ^rieg^^ug gegen ben (Sr$bifd)of ^einrid^ oon
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II. Hogalla oon iSieberftetn in Srcilaa.
Göln, welker oon feinem ©djloffe SSoßmeritein an ber Stuhr aus bie r»or;
beijiehenben Kaufleute gemaltfam branbfdhafcen lieg. 3<>!)ann belagerte mit
feinen £uremburgern SBonn unb smang ben @r$bifd)of jum SRadjgeben."
3n bem nun begimtenben Kampfe swifdjen König Subroig bem SJaper
unb Sßapft ^ofyim XXII. nahm ^otymn junäa^ft eine abmartenbe refer-
oirte Stellung ein.
fiehnSftreitigfetten unb bie Haltung ber ©tabt 9flefc, weldje ben König
Subnrig nidjt anerfennen wollte, oeranla&teu ihn fowie feinen Ctyim 53albuin
von Xrier, ben ^erjog oon Lothringen, unb ben ©rafen oon Sar in einem
KriegSäuge gegen 3Jte{j; bie SBefagerung ber ©tabt blieb erfolgtos unb
baS luremburgtfdje ©ebiet würbe bura) ©treifjüge ber 3)iefeer Stefafeung
ftarf oerwüftet; ber (Streit gegen :3ftefo fanb mit einer ©elbja^tung ber
©tabt ein 6nbe. $er friegsluftigc nie raftenbe König erhob hierauf 9ln=
fprudje auf Trabant unb unternahm mit fetner Suremburger -Nitterfchaft
einen KriegS$ug borthtn, ber jebodj feine weiteren Grgebniffe fyatte, als
ba& 3of)ann feine 2lnfprüdje auf iöra&ant, gegen eine ©elbfumme aufgab.
3n bem Kampfe s^l)ilipp VI. dou granfreid), beffen ©djwejter mit
bem älteften ©ofme ^o^annS, Karl, oermählt rocr, gegen ©buarb III. r»on
(Snglanb unb in ben ©treithänbeln König $f)Uipp§ mit glanbern fiellte
fidj 3of)ann mit feinen fiuremburgern auf ©eite beS König! oon granfreidj.
Grneute ©treitigfeiten 3or)ann§ mit bem ©rafen ©buarb oon Öar
würben nadj einem Kampfe bei glorenoille burä) einen ©d)tebSria)ter*
fprud) feines 33erbünbeten $l;iIippS VI. r»on granfreidj beigelegt. 2öä§renb
feines häufigen Aufenthalts in Suremburg fuhr Qo^ann fort, 2Menftmannen
5U gewinnen unb buraj ©elbfummen unb Seime ju belohnen, ©r manbte
audj ferner feine ©orgfalt bem 2i'of)le ber Allöfter unb ©tdbte 3U, unb
madjte einige neue Erwerbungen; barunter bie ^errfa^aft SHeulant.
Die aufjerorbenttich eretgni&retdje unb wedjfeloolle £aufbafm biefeS
luremburgifdjen gürften geftattet uns nur in aller Kürje bie ©reigmffe
ber legten Hälfte feines SebenS 51t berühren.
3m %ai)xt 1327 richtete 3ol)ann fein 2lugenmerf auf bie Erwerbung
beS föerjogthumS Kärnten, inbem er ein £eirathSoerfpred)en feines jmeiten
©olmeS 3°fann &einrt$ mit Margarethe SJtoultafd), ber £odjter beS
bejahrten, feine mannlidjen Erben befifeenben fierjogS Seinrtd) oon Kärntfjen
in ©tanbe braute, fowie burd) bie Vermählung einer Scrwanbten beS
luyemburger &aufeS, Searrir oon ©aoonen, mit bem &er$og.
Kämtfjen war bamals als Söinbeglieb ScutfdjlanbS mit 3^i^n foroohl
für König Cubwig ben 23aper wie für bie öfterreid)ifd)en fierjöge unb für
König 3°f)Gnn, ber mit feinem 2Jejt|} ben 2öeg nad) 3tafon beherrfa^t
unb feine $auSmad)t fel;r bebeutenb oerftärft haben würbe, oon ber häuften
&>id)tigfeit. 2^rofe ber guten Sejiehuugen, in bie fid) 30^nn, in ber
2lbfia)t Kärnthen bereinft 5U erwerben, ju ben öjierreia)if<jhen §erjögen unb
ju König i'ubroig, ben er mit bem ^apfte auSäuföhneu oerfua^te, ju fefcen
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€in 23Iicf auf bie (Scfdjidjte £ur emburgs. 79
bemüht war, unb bie 5unädjft audj oon ©rfotg begleitet waren, oerbünbeten fid)
bafjer, fobalb bie 23ermäf)tung 3)Jargaretf)e SJtoultafdjä mit 3otjann fteinrid)
[tattgefunben, unb König 3°fH*nn für baS 3lbtcben be£ &er$og3 .^cinrid^ oon
Kanuten bereite ben £ulbigung£eib von Kärnten, Xixoi unb ©örj ermatten
^atte, König Subwig ber $aoer unb ber &erjog Ctto von Defterreid) gegen
3of)ann. 3nsroiWen würbe 3°fcnn oon ber welfifd&en in 33reScia burd)
bie ©tiibettinen (wrt bebrängten Partei naa; 3talien gerufen unb ifnu bie
&errfd)aft über S3re3cia angeboten worben. ©r $og nadj Italien unb fteffte
bie 9iube in SreScia wieber I>er. $ie wiajtigften Stäbte Dberitattenä folgten
bem 33eifpiel 33reääa3 unb mähten 3ofjann ju ü;rem Oberhaupt.
25er ^ßapft betrachtete jebod) ba3 23orgcf)en 3of)ann£ mit grofjem
trauen, unb in gotge ber 3J?aferegefa 3o^annö in ben italienifdjen Stäbten,
ber Eroberung oon GafteHen, ber 2lu3ftattung feiner bitter mit ©runbftüden
unb ber Strenge feiner Beamten mürben aud) bie itatienifd)en Stäbte ifmt
roieber abgeneigt. Unterbeffen aber fjatte König Submig nid)t nur ein SBünbnifj
mehrerer beutfdjer gürften gegen 3°()ann ju Staube gebracht, fonbern aud)
bie Könige oon Ungarn, oon ^olen unb oon 9ieapet gegen Sodann aufgeregt
unb Ödemen rourbe oon atfen Seiten bebrof)t. 3ol;ann eilte baljer nadj
2>eutfd)(anb jurücf, einigte fiefc jebod) gegen 3af)fang einer grofcen ©elbfumme
mit König Subroig balun, bie i'änber unb Stäbte ber ftmtbarbei unb
Xoäcana mit bem König gemeinfam ju oerwalten.
Gin KriegSjug gegen ba$ injwifdjen oerfammelte §eer bes ßerjoga
Otto oon Defterreidj unb ben König oon Ungarn enbete junädjft ofme
©ntfdjeibung mit bem ^tücfsuge jenes &eereS, unb Kaifer Submig mürbe
jur Sajlidnung beS Streitet angerufen. 3m 3anuar 1332 begab fid;
ber rafUofe $o\)ann abermals nad) gtoris, gewann ben König ^ilivv
uon granfreidj unb jaf)lreid)e xr)einifd)e unb meberlänbifdje gürten unb
Herren &u einem s-8ünbniB gegen ben §erjog oon Trabant, oermäf)lte
feine Stoc^ter ?)utta mit bem Sofme ^InlippS, bem Krouprinjen oon
Jranfreid), 3of>ann, unb fdjlof? mit König ^r)iUpp ein Sdjufe* unb £rufe*
bünbnife. Ter tfmi nun burd) boppelte oerwanbtfd)aftlid)e Söanbe na^er
getretene König ^ilipp übernahm es ben Streit mit Trabant 51t fdjlidjten.
JJutta oon Suremburg mürbe bie Sllmfrau aller fpäteren Könige aus bem
&aufe 93aloiS foroie ber £er$öge oon 33urgunb. Um biefe erwarb
3o^ann bie £errfd)aft ^Öaftogne für Suremburg unb es gelang ifmt mit
bem &er$oge Ctto oon Cefterreidj} unb bem Könige oon Ungarn wieber
Jrieben ju idtfie&en; ebenfo glüelte e^ ibm in bem Streite König £ubwig$
mit ben meberbarierifdjen ^crjögen, beren einer ber Sd)wiegerfofjn 3o()ann§
mar, ein geeignetes 3lbfommen ju treffen unb ein :8ünbnif3 mit £ubwig
ein$ugef)en. $m 3af)re 1334 begab fid) 3o^nn ^um 3titterfd;tag feinet
•SdimiegerfoImeS, bei Kronprinjen 3o^ann oon granfretdj naa) ^ari^,
unb ging bann naä) 3loignon, um mit bem Zapfte über feine italienifd)en
2lngelegenl)eiten, über bie 3(u^fÖ^nung König Subwig3 mit ber Kivd}e
«erb unb IM. ö
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21. Hogaüa oon Sicbcrftcin in Breslau.
unb über einige $ermä()lungSbiSpenfe $u unterljanbeln. £ie geplante
SluSfölmung fdjeiterte jebod) an ben gorberungen beS 9*apfteS. Sein
nunmehr auf einem neuen 3«9« Italien unternommener ^erfud) feine
bortige &errfd>aft ju bef eftigen, fdjlug in Solge beS SiberftanbeS ber
italienifdjen ©tabte unb Surften ferjl, unb oeranla&te ilm &ur gän$lid)en
Aufgabe beS in Valien ©ctuonnenen.
Um biefe Seit fajste 3ol;ann in golge beS (ftitfd>luffeS flönig SubroigS
311 ©unften beS &er$ogS #einrid) von Stteber^anern beS ©djnuegerfofmeS
$oI)annS abjubanfen, unb bie 2ßa^ jum beutfd)en Slönig auf ilm ju
lenfen, einen $lan, roeldjer für baS beutfdje :fteid> oon größter unb sunt
£Ijeil nadjtf)eiliger iöebeutung ju werben oerfprad). ^oijann oerpflidnete
fid) $u einem ©dmfc= unb Srufebünbnif) mit £ubnrig uon Samern für ben
gaH von beffen 2lbbanfung; baSfelbe tljat föerjog £einri$ von 9iieber=
batjern, unb %\vax beibe unter ber 33ebingung, bajj &er$og &einrid) ber
9tad)folger £ubroigS in ber £errfd)aft mürbe. Wlipp oon granfreid) foltte
fämmtlidje nod) in ben ©istlnunern Strien, 2loignon, Drange, ct. ?ßaul,
9)Jarfcille, Valence, Gmbrun, SBienne, ©enf, £«on, SBioierS, (Sambrai,
©Uten, fiaufanne gültigen Regalien ferner bie ©raffd)aften unb £änber
^irooence, ^orcuolquier, $elfxnat, Salbonne, Jyoffignn, ©auouen, ©reffe,
Söurgunb, tiberljaupt alles £anb von ber grämte (Somto bis an'S 2Jteer
oon SJtarfeille, unb von ber 9tyr>ne unb ©aöne bis $ur Sombarbei als
s#fanb erhalten, bis ilnn von SubroigS Dlaajfolger im Meid) 300 000 2)2arf
Silber in ^?aris ausgesagt roorben feien.
Sir fetjen in biefer Gombination tfönig ^ofjannS einen 9lft, ber,
wenn er jur £ura)fül)rung gefommen roäfn*cf geeignet mar, bie 9ted)te
beS beutfd&en HönigtfmmS empfinblid) ju ©unften 3ranfreid)S ju fd;äbigeu,
eine ©djabigung bie aud) bereits aus ben mel;rfad)en mit tfönig ^^iüpp
uon granfreid; abgefdjloffenen ©ünbniffen ^ol;annS fyätte Ijeroorgefyeu
fönuen. ^uyemburg mar, roie ein neuerer ©efcf;id)tsf<$reiber richtig be-
merft, feine Vormauer für Xeutfdjlanb, fonbern bie Pforte,
bura) tueldjc f ranjö fif d;ev Ginflufj politifdjer unb fokaler Slrt
nad) $eutfd)lanb Ijiueinbrang. 3um ©lüd für baS beutfdje ftetd)
änberte ftönig l'ubioig feinen £ntfd;lufj, ba &er$og <geinrid) vorzeitig fidj in
ber Mjeingegenb unb in 3lad)en ben Cib ber Xreue reiften liejj.
3u biefer 3eit zwangen anl;altenbe ©elbuerlcgen^eiten ben Äönig
^o^aun 3ur ^erpfänbung ber Suremburger Drte dtemiä), (Sajtemad; unb
iMttburg, forote ^ur Veräußerung feiner 33efitjungen in ber ©raffdjaft
."genuegau unb ber ^robftei ^oiluad)e; er ermarb hingegen bie &errfä)aften
^iirouart unb 2)al)l^eim.
8m $af)re 1334 üermäl^lte fid) ^oljann in jroeiter G^e mit Seatrice
ber Xodjter beS .'ocrjogS uon Süourbon, unb blieb längere 3eit i" Jranfreid).
®äl)renb er nod) bort weilte unb an einer im furnier erhaltenen Suube
fraut baniebcrlag, erfolgte ber 2:ob bes alten £er$ogS con Äänttl;en, unb
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€tn Slirf auf bie (ßefdjtAtc £urembura.s. 81
eä bilbete fidj fofort unter Hönig Subroig unb ben ^erjogen Ctto imb
2lI6red^t oon Defterreid) ein banerifdjsöfterceidjifdjeS 23ünbni§ gegen ,gof)amt;
erftere würben com Äaifer mit Äärntljen unb ftratn belehnt unb traten ben
23efife biefer Sanber an.
(Sine brofyenbe Koalition, befte^enb au$ bem ßönig Subroig, ben ^erjögen
von Cefterreid) unb ben Königen oon Pfoten unb Ungarn erfyob fid) gegen
3of)ann, ber uad) feiner ©enefung nadj SBö&men geeilt mar unb ein ftarfeä
&eer jur 53ef)auptung fetner 2lnfprüd)e auj itämttjen unb Ärain in'£ gelb
ftcüte. ©3 glücfte it)m bie beiben Könige burd) befonbere Serfjanbtungen
unb bie SBerjidjtleiftung feiner 9ted)t£tttel auf ^polen auf feine <Seite $u
5iefjen, er faf) fid) jebodj in einem griebenäcongrefj ju ©nS genötigt, auf
Äarntl)en unb Alrain ju uerjidjten.
$aum mar biefer Streit mit Cefterreid) beenbet, fo unternahm 3oljann auf
baS $ülfegefua) beS ^odjmeifterS be^ beutfd)en CrbenS, Xljeoborid) oon Sitten»
bürg, einen gelbjug gegen bie Ijeibnifdjen £itl;auer, ber jebod) ber ü)m uns
günftigen 21>ttterung3üerl)ältni)fe falber jiemlid) refultatloä unb olme Sd)lad)t
»erlief, ©ine Slugenentjünbung, bie fid) ber ftönig l)ier jujog beraubte if)tt
be$ ©ebraud)» be3 einen 2luge3. ©ine neue Koalition folgte biefer im 2Beften
be3 ^ieidjeä. 3n bem brofjenben Kampfe jnüfdjen ©buarb III. tum Gnglanb
unb ^Inlipp VI. von granfreidj um bie franjöfifd^e trotte trat ftömg 3o^ann
auf Seite granfreidj unb fd)lo[j mit biefem einen Vertrag 3ur §ülfelci|tung.
Gin großer £tjeil ber beutfdjen gürften, an i^rer Spifce Üönig Sttbrcig, [teilte
fid; bagegen auf bie Seite ©buarb III. Der flampf gelangte oor ber $anb
nod) nid)t $um Slusbrud) unb flönig £ubnrig roanbte fid), um eine 9lu3=
föfjnung mit bem $apft bttrd) $l)ilipp IV. ju erlangen, granfreidj ju, gab
ba3 englifdje SBfinbniß auf, unb fd)lofj ein foldjeS mit granfreid); bann
föfmte er fid) mit gofjann in einem Vertrage aus, ber ben Siebten oon beffen
Söhnen SWarfgraf Äarl oon Satiren unb ^erjog 3of)ann oon £irol 511
nafje trat unb biefelben $u energifdjem ^roteft ueranlaf,te.
SBä^renb biefer bie 2£elt in üBetoegung fcfcenben Streitigfeiten oerfeljlte
Äönig 3ol)ann nid)t, bie Sorge für feine ©rblanbe im 5luge $u behalten.
©3 gelang tf)m, fid) mit bem 3Mfd)of oon 3Jiefc über bie biefe Stabt be--
treffenben Streitljänbel ju einigen, unb ebenfo bttrd) eine ©inigung mit bem
Örafen ßeinrid) oon Sar ben Streit über bie Sd)ufel;errfd)aft über $erbun,
3U beren Uebernafmte 3of)ann aufgeforbert roorben mar, beizulegen, ©r
erwarb ferner bie Drte ^roir, ^ßirton, Saferto, 9iaffogne, ©Grebin, Herfen,
2Baoreae, SBelleuaufe, ^ertoagne, Sltrin unb Setulj für Suremburg.
3m3al;r 1338 rourbe iijm ber für einen Äönig von Söljtncn, beutfd)en
$Hcid)^fürften unb ^errn fo uieler Räuber nadj gütigen Gegriffen oöllig
unbenfbare 9luftrag, beim bro Jenben 9lu5brud) bc^ Äriege^ jmtfd^en ©itglanb
unb granfreid) bie Stattl;alterfd)aft unb Regierung ber $rooiit5 Sangueboc
für Äönig s^Jilipp VI. $u übernehmen; fd)on 1331 mar er 00m tfönig
von granfreid) $um ©enerallieutenant ber ^rooinj ©a^cogne ernannt toorben.
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82 21. Hogalla von Bieberftetn in Breslau.
9(lS Jlönig Gbuarb III. 1339 mit einem ftarfen £eere in baS GambrefU
einrüdte, eilte 3of)ann unb fein 6ofm flart bem ßönig oon granfreidj 5ur
ßülfe; es fam jebod> §u feiner ©ntfd)eibung. Sodann begab fid), um eine
Teilung feinet einen nod* gefunben, aber bereits fein* angegriffenen 2Juge3
5U bewirten, nadj Montpellier; allein bie SIerjte ber berühmten gacultät
oon Montpellier oermod&ten baSfelbe nid)t $u retten.
Der im näd)ften ^afjre fortgefefete Ärieg fanb ben blinben flönig
»ieber beim franjöfifdjen &eere; nur bie ©eefd)lad>t bei SlunS unb bie
erfolglofe Belagerung oon £ournan bezeichneten ben mit bem Saffenftiffs
flanb oon ©fpledjin enbigenben getb3ug. SBor feiner SReife in'S fransofifdje
Heerlager hatte ber Äönig eine Beftimmung oon heroorragenber 21>idjtigfeit
für Suremburg getroffen, ©r fjatte bie ©raffa^aft, bie fidr) injroif^en be*
fonberS nad) SSeften l)tn, nrie mir fafjen, oergröfjert hatte, in einen romanU
fa^en unb einen beutfdjen Diftrict geteilt unb ben Senefdjatt beS erften,
ben bitter Sßerri oon föarsete, etblicr) oerpflidjtet, im gall feinet Xobe3
feinem jüngften 8ofme Senjel, alle Jeftungen, Burgen unb Stäbte 5U über*
geben unb ilm als ©rafen oon Suremburg anjuerfennen. Der blinbe
Äönig fürd)tete, bafj man bem Solme ber ^rin^effin Beatrij: oon Bourbon
bie ©raffchaft £uremburg ftreitig machen fönnte.
Johann madne jefot fein Xeftamcnt, in loeldjem er feinem erjtgeborenen
(Solm ftarl Böhmen unb ^olen, Bubiffin unb ©örlifc, bem ^weiten, Johann
&einridj, Mähren unb bem brüten 2£en$el bie ganse ©raffchaft ^uremburg
mit aüen Senkungen unb Ginfünften in g-ranfreidi beftimmte.
©egen Gnbe feiner Regierung hatte Johann baS MiBgefdncf feine
ßinber Margaretha, bie uenoitttuete ©emahlin beS &er$ogS oon lieber*
baoern, unb feinen £olm ^oljann £etnricf) oon tfärnttjen ihres BefifceS be*
raubt $u fcljen. Margarethe Maultafd) oertrteb ihren ©atten, ben ^erjog
Johann ßeinrich unb oermählte iid) ofme Dispens ber Äirdje mit bem
<5ohne Slönig VubioigS, bem Marfgrafen Subioig oon Branbenburg.
3n)ifd;en ben Käufern fiuremburg unb i&ittelsbacb fam es baburd> $u
einem unheilbaren Bruche, infolgebeffen fid) baS £auS l'uyemburg bem
£aufe &absburg näherte ; unb felbft ber iiuremburger Balbutn oon Xrier
erflärte fid) jefct jum erften Male gegen tfönig Ihibioig. 3lüein Äönig
^o^ann oermodjte bie feinem £aufe angetljanen <B<f)\nad) nid)t ju rächen.
Um biefc 3eit oerfaufte er au» ©elbmangel bie ^robftet ^oiloaa^e.
33etm Zapfte (Siemens VI. fudjte nun ^o^ann in vJloignon 53eiftanb gegen
Äönig Submig, unb trat auf einem SHeidjStage 511 granffurt unb einem gürftens
tage ju 3ienfe als offener geinb beS 2BittelSbaa)tfa)eu ^aufcS auf.
l'ubtoig gelang es jeboa^ mieberum Böhmen mit einem ganjen %it\$c
oon Jyeiuben §u umgeben. Äi3nig Siubroig, bie Könige oon ^>olen unb
Ungarn, ber ^erjog oon Cefterreid), ber Marfgraf oon Meißen unb ber
£>crjog oon Sdjrocibni^ traten als <yein.be öuf. ©S gelang iljm
jeborf) ^olen unb Ungarn mit feinem £cere $um trieben 511 gmingeu.
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<£in Sltcf auf bic (Sefdjidjte Cujrcmburgs. 83
2)te Häupter ber Suremburgifdjen gartet einigten fid) barauf bei einer
3ufammenfunft in £rier über \\)t Subiotg gegenüber einjunebmenbeS
$erf)alten, unb 3ol»ann begab fidj mit feinem Sofme ßarl abermals nadj
2loignon, too beibe bem Zapfte für ben JaU ber 2lbfefeung £ubtoig8
oon Innern nnb ber 2£af)l flarlä jum beutfdjen flönig bie toeitgef)enbften
$erfpred)ungen matten, flarl würbe balb baranf jn ftenfe oon fünf
Jlurfürften juni bentfdjen flönig geroäf)lt unb bie 2Ibfefcung £ubroig$ au$*
gefprodjen. gür £uremburg tjatte Äönig So&mm injroifc&en bie Hälfte
ber Stäbte Gtjinn, 9Jiontm6bn, unb (Stolle erworben, 5<U)lreidje $reif)eit$s
briefe unb fonftige SBerfpredjungen gewährt, jebodj auä ©elbmangel ade
(Sinfünfte unb bebeutenben Steile be$ Sanbeä oerpfanbet.
3n biefem 3^itpunft rief ftönig Wlipp von granfreidj bie Surem*
burger gegen flönig ßbuarb oon ©nglanb, ber in 9?orbfranfreid) ein»
gefallen war, ju &ilfe. 9fadj fiegreidjen kämpfen bei ©ranboillierä unb
^ont»9flenu) führte flönig ^oljann in ber Sd)lad)t oon Green ba3 erfte
fran$öfif$e treffen unb fanb f)ier, als bie Sd)lad)t fid) jum 9Jadjtf)eil
ber Jranjofen roanbte, l)elbenmütf)ig fämpfenb ben Xob.
ftönig ^o^ann mar unftreitig ber bebeutenbfte ber Suyemburger gürften.
Unter tym gelangte bie 9Jiadjt be3 Suremburger &aufe3 $u iljrer Ijöc&ften
Gnttoicfelung; benn unter feiner &errfd)aft ftanb $u jener 3*ü —
mie nie oorfjer ober nadjf)er — baä Sänbergebiet uon 33ö|jmen,
9Jiäf)ren, ßuremburg, Cber^talien, £nrol, ein £l)eil oon
Sdjlefien unb mittelbar — burdj bie £eiratf)en ber Sttnber $of)ann£ —
&ärntf)en unb ÜRieberbaoern; fotoie unter öatbutn baS (SrjbiS*
t^um Xrier. (Sine 3* Wang roarb e$ im ganzen roeftlidjen Europa $um
6prid)toort: „Df)ne be$ ÄönigS oon Söfjmen 1 1 f e oermag
9fiemanb etroaS au^uridjten; er erl)öf)t unb erniebrigt, wen er
roill!" SBoltaire bemerft oon Sodann nia)t mit Unredjt: „@r mar in
ber Sljat flaifer oon Xeutfdjlanb." Mein er förberte bie 3ntereffen
2>eittfa)lanbg nur infotoeit, als fie feinen perfönlidjen ^roeefen bienten; mir
feljen ifjn. o&ne iöebenfen in ben Solb granfreiajS treten unb feine
fiuremburger unb SBöfnnen für $f)ilipp VI. in'ä *elb führen. %m
beutfajen 9?eia)e aber überwog; er mit ßrieg, toer irgenb fid) feinen bnnaftifdjen
^ntereffen toiberfefete. 9lud) fein erfolgreid)e£ ^orgefjen in Italien $u
Ounften ber 3lufprüd)e be$ beutfdjen ReiajeS biente nur ber (Srfjötntng
feiner eigenen 2Kad)t unb oerlefete bie Redjte Ruberer. %n tfönig
Sodann fteeft etroa^ oom Raubritter im großen Stile; too eine ©e=
tegenijeit jur Söcute fid) ifnn jeigt, greift er $u. 9?ur feinem Stamms
lanbe £uremburg fefjen mir if>n eine ftetige unoeränberte Sorgfalt mibmen
unb feine 2lu3fdjreitungen gegen beffen -öemo^ner begeben, ©in eigen=
t^ümlid^eä ©efd)ict fügte c$, bafe wie fein fieben ein beftänbig unftäteS
gemefen roar, feine ®ebeine uad) feinem Xobe mannigfad^en ^rrfaljrten auä*
gefegt roaren unb g(etd)fam feine Ru^e finben fonnten. 9loö) je^t ru^en
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8$ 21. Kogalla von Bieberfiein in Breslau.
fie nid)t in ihrer &eimat, fonbern werben in ber oon tfönig gnebridj
2Btlf)elm IV. ju biefem ^rocd hergerichteten Glaufe bei GafteU an ber
Saar aufbewahrt. Sein ältefter Solm Äarl folgte ihm in Völmten in ber
ßerrfdjaft unb führte für ben jüngften, SBenseSlaro, mährenb bejfen 9Jtinber*
jährigfeit bie 9iegentfd)aft in ber ©rafidjaft Suremburg.
2Bir fa^en toic Sfarl fdjon in jüngeren ^fa^ren als ^eichSoifar in
Statten unb als SRarfgraf oon 9Jiät;ren, fotoie im Kampfe ber Sujemburger
gegen ben Steifer, bie ^potitif feines Kaufes in flrieg unb grieben oerfod)t.
iburcJ) ftaatSflugeS 5öerrja(ten unb burd) feine Vermählung mit einer SSittelS*
bad)erin, ber Xod)ter beS ßurfürjien 3hibolpt) oon ber ^falj, befeftigte er
fidj in ber unter erniebrigenben Vcftimmungen erhaltenen tfatferroürbe, liefe
fidj in 2(ad}en frönen unb bie SHeidjSinfignten gegen fein Verfpredjen, fie
bort ju belaffen, nad) Vöfnnen bringen. Sein eifrigfteS Vejrreben mar
auf bie Vergrößerung feiner jgauSmadjt gerietet. @r [inerte fid) bie ©rb*
folge in ber Cberpfalj unb beroog bie SiUttelsbadjer gürften burd) ©elb*
jahlungen unb anberroettige 3naeftänbniffe jum Vergeht auf it)r ©rbredjt.
£urd) eine jroeite £eirath mit ber Xod)ter föerjog Heinrichs oon ^auer
gelangte er in ben Vefife ber gürftenthümer Sdjmcibmfc unb Sauer. Sein
furjer sJtömer$ug oerlief olme ^inbernijg.
$er für £eutfd)lanb bebeutenbfte 3lct ber Regierung Äarls IV. mar
ber erlaß beS ©runbgefefceS für bie beutfdje tfatferioahl burdj bie „golbene
Sülle" 135G. $er (Sinflufe beS Sßapfte^ auf bie flaiferioahl mürbe burd)
biefelbe befeitigt. @tn VefchroichtigungSoerfud) bei aufgebraßten ^apftes
burd) bie ©rlaubnife jur ßrfjebung beS Sehnten oon allen geiftltdjen Quu
fünften in 2)eutfd&lanb blieb erfolglos unb bie oon ßarl $ur Vefanftigumj
ber beutfdjen 9?eid)Sfürften geplante Reform ber beutfehen ©eiftlid)feit rourbe
in golge ber Xrofjungen beS ^apfteS aufgegeben, alle Freiheiten ber ©eift-
liä)en mürben oon tfarl beftätigt unb biefelben oon jeber weltlichen ©crichts=
barfeit unabhängig gemacht. Stets in ftarfer 2lbl)ängigfeit oom Zapfte,
30g flarl, oon biefem ba3u aufgeforbert, um ber 2BiHfürf)errfd)aft ©alea^o
Viscontis ein Gnbe ju machen, unb um bem Zapfte (Siemens IV. bie Mücf*
fehr oon Sloignon ju ermöglichen, nodnnals unb jroar mit einem bebeutenben
&eere nach Qtalien unb nöthigte bie Viscontis burd) fein Grfdjeinen ohne
Schlacht jum grieben.
£ie 2lngelegent)eiten beS beutfdjen Meiches erfuhren burd) Jtarl IV.
feine befonbere görberung; feine ganje Stjättgfett concentrite fid) auf bie
ßntwidelung feines StammlanbeS Vöhmen unb bie Erweiterungen ber
9)iacht beS i'urcmburger $aufeS. (Sr erwarb für biefeS bie 3)iarf Trauben*
bürg unb bie DJteberfaufi^ unb ooHeubete bie oon Jlönig Johann begonnene
Erwerbung SchlefienS unb ftiftete in <prag bie erfte beutfehe Unioerfitat.
3m 3al)re 1349 ftattete flönig Jtarf feinem Stammlanbe i'urcmburg einen
Vefud) ab, ioat)rfcr)einlicr) 5U bem ^mede um bie Uebergabe ber oon feinem
Vater, feinem Cheim, bem (£rjbifchof Valbuin oon £rier oerpfänbeten
luremburgifchen OJebietethetle unb bereu £u(bigung ju oeranlaffen.
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€in 33lid auf btc (ßefdjidjte £ajemburgs. 85
3m <3af)re 1354 erfjob Jlarl bie ©raffd>aft fiuremburg unter befonberer
Seierlidjfeit jum ^erjogt^um. 33i$ (Snbe be3 $a\)xeä 1353 fjatte er bie
2>ormunbfd)aft für feinen jüngften 93ruber Söenjel geführt, wäfjrenb fein
Otyeim ber (Srjbifcfiof Salbuin von Srier be3 £anbe$ „Pfleger" geroefen
roar. %n Wty, tw> Hart am 13. Sftärj einen feierlichen ©injug fnelt,
würbe in 9lnwefenfjeit unb unter .guftimmung bcr Jturfürften oon Äöln,
SKainj unb ber $fal$, beS &er&og§ von ^efc^en, beS 2)tarfgrafen von
^ültcr) unb ber 33ifdt)Öfe r>on SJtefc, Süttidt) unb Chnüfe bie Grabung Sßenjel^,
beS SoImeS ber 93eatrir r»on SBourbon jum ^erjog von Sureniburg proctamirt,
unb berfelbe trat hierauf bie Regierung be$ #anbe3 an.
3m 3atjre 1364 Bereinigte Start bie ©raffdjaft Gljing mit fiuremburg.
$urdj 2lufwenbung für jene 3eit enormer ©elbfummen gelang e£ ttmt bie
2Saf)l unb Krönung feines So(me3 2£enjel3 als feinert 9todf)folger im
beutfdjen flönigtrjum bura^ufefcen. Sei feinem Xobe ertjielt SÖenjel 33öf)men,
©djlefien unb bie ftöntgS würbe, flarls jtüeiter Solm Sigtemunb 23ranbeu=
bürg, unb ber britte ^ofjann bie Saufifc.
aBenjel, ber britte beutfdje Äaifer aus beut &auie ber Sujemburger,
war ber unbebeutenbfte unter benfelben. 2Bot)t ficC ber Antritt feiner
Regierung 1378 in eine (Spodje, in wetdjer fitj bie bürgerlichen unb
fird)lid)en Elemente £eutid)lanbs im 3»ftanbe ber ©äf)rung unb 2luflöfung
befanben, unb Söenjel oerfudue auf bem 9ieid)$tage ju Dürnberg, ben ber
Murje $eutfd)lanbs uerberblidjen Stäbtebünben unb 2lbel£oereinen entgegen
5U treten; allein weber biefer <pian nod) feine 1380 $u ßeibelberg unb 1387
ju SWergentrjeim unternommenen 2>erfuä> ju einer (Einigung alter gürften
unb (Stäbte waren von (Srfolg begleitet. Stuf Koften ber Selbftänbigfeit
ber (Stabt gelang es ifnn jebodfr einen £anbf rieben fjerjufteQen. Seine ^läne
im 9<eia> unb 5ur Beilegung beS £d)i3ma$ ber Mirale mifcgludten, unb
2Ben$el begann bie ftegierungsgefc&äfte Stä&menS unb £eutfd)lanb3 $u uer*
nad)läffigen, faft auSfdjlietjlid) ber 3agb unb bem £runfe 511 leben, unb mandfje
©ewaltacte gegen ben boljen 9lbel unb ben GleruS (^o^ann v. SRepomurf) au3=
jufüfjren. $iefelben tjatten feine ©efangcnnefjtnung, auf 3>eranftaltung feinet
eigenen 23ruber3 ÄönigS eigtSmunbS von Ungarn unb 3obft3 von Marxen
unb feine längere 3nf)aftf)altung, unb bie r»ölltge£erabfefcung feiner föniglia^en
2(utorität jur golge. 3tudj in $eutfd)lanb fanf fein 3lnfe^en gewaltig, unb
bie bitter unb bie Stäbtebünbe erneuerten iln-e ©ewalttfjätigfeiten.
&on fteter ©elbnotl) bebrängt, nerfaufte 2Sen3el jum ^aa)tl;eil ber
(aiferlid;cn diente bie ^er^oglidje s^ürbe uon 9)toilanb an ^ol)ann
©alea330 Sßiöconti für 100 000 ©olbgulben.
3ur Sefeitiguug be3 Sa^i^maS ber 5tirc^e vereinigte fid) Mensel
mit S^nfreia) unb willigte in bie Mbfefcuug ber ©egenpäpfte Sonifaciu^ IX.
unb 33enebict XT1I. ^ierburd) mad^te er ftdj ben 9ieidjsfan3ler, ben einflufe=
reiben Grjbif^of uon ^Jiaiuj, sum gdnbc, unb bie Murfürften uon SWainj,
Äöln. ^rier unb ber ?falj fpradien am 20. Sluguft 1400 ^en$el3 2lbfefeung
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21. Kogallo oon ötcbcrftcin in Srcslau.
aus unb toäfjlten an fetner Stelle ben aHerbingS nidjt jur allgemeinen
2Inerfennung gelangenben 9iupred)t oon ber ^falj. 9?eue Streitigfeiten in
Söhnen benufete Äönig SigiSmunb, um feinen ©ruber abermals gefangen
nennen §u laffen unb über 1 J/2 3a^r 5U Sßien in ^aft 5U galten. 1403 fpradj
audj Sßapft 33onifaciuS IX. bie 2lbfefcung SBenjelS förmlidj aus. 3n Söfmten
blieb 2Ben$el im $efi| ber &errfdjaft, er begünftigtc aus §afj gegen bie
©eiftltdtfeit bie qedjtfdjen Slnljänger beS «§ufj unb fdjmädjte baS £eutfd)tf)um
im £anbe, befonberS imrd) bie Gjedjiftrung ber Untoerfität ^rag. 1410
trat 2öen}el nad) ber 2Öaf)l feine» 23wberS SigiSmunb feine SHed&te auf
bie Äaifernmrbe p beffen ©unftcn ab, unb ftarb balb nad) bem tUufftanbe
ber &uffiten in $rag, ber ben &uffitenfrieg jur golge f)atte.
3fmi folgte in Bölmten unb als beutfdjer ftaifer bev fefete ber
§errfd)er SeutfdjlanbS aus bem Suremburger &aufe, fein
trüber SigiSmunb. $ie ^ntereften beSfelben roiefen befonberS roa^renb
ber erften $e\t feiner Saufba^n oorjugSroeife nad) Cften. Gr war mit 9)iaria,
ber Grbtod)ter &ubnrigS beS ©ro&en oon Spolen unb Ungarn, ocrmuljlt. 3^
^olen gelangten 9Haria unb Jlarl nid&t jur £errfdjaft, ba bie ^olen bie
Sdjtoefter Darias .§ebn>ig jur Königin rollten unb in Ungarn gelangte
SigiSmunb erft 1387 nadj Beseitigung ftarls oon ^urajjo unb ber Befreiung
9)iarias aus ber ©efangenfdjaft bcS BanuS oon Groatten in beren Beftfc unb
$ur £rone. 2Mein bie bamals $u Ungarn gehörige 35>aladjei unterwarf
fid) fetner Grbmäfngfeit nid)t unb SigiSmunb nmrbe baburd) in einen
Krieg gegen bie Surfet oenoiäelt, jur Beftrettung oon beffen floften er bie
2llt: unb Alurmarf feines 9)?arfgrafentfmmS SBranbenburg an 3obft 0011
SJtäfjren oerpfänbete. Gr mürbe jebodj bei 9?icopoltS 00m Sultan 23aja$et
gänjlid) gefdjlagen. Ungarn empörte fid) einige 3eit barauf gegen tljn,
fefcte ifm gefangen unb frönte Sabislaro oon Neapel an SigtSmunbS
Stelle 5um Könige. GS gelang SigiSmunb jebodj bie Gmpörer ju unter =
werfen unb fidt) roieber in Befifc ber &errfd)aft ju fefeen.
3ur 3eit feiner Äaifenoafjl in einen Krieg mit beliebig oenoicfelt,
fam SigiSmunb erft 1414 nad) £eutfc§lanb. SaS ^auptoerbienft feiner
Regierung als beutfdjer Kaifer beftanb barin, bafj eS Hnn gelaug, burd^
baS Goncil oon Konftan$ bem langjährigen SapiSma ber Kirdje ein Gnbe
5U madjen. Gin $ef)ler ber Sßolitif Sigismunds, feine GinroiÜigung jur
Verbrennung beS Sannes oon ftufc, fyatte ben £>uffitenfrieg im ©efolge, ber
SigiSmunb unb 33ö^men faft roäfjrenb feiner gaujen Regierung befdjäftigte,
biefeS l'anb unb feine 9tod)&arlänber oerroüftete unb erft 1436 eitbete.
Jriebrid^ ben Streitbaren, SÄarfgrafen oon Weiften, befiel) er für
feine SBerbienfte im ^uffitenfriege na(% bem 2luSfterben beS aSfanifd;en
Stammes mit ber 5tunoürbe unb bem £er3ogtI)um Saufen, fievnex ge^
langten unter SigiSmunb befanntlidj bie ^oljenjollern jum ?lntritt i^rer
^enfd^aft in ©ranbenburg, inbem ber Äaifer ben Burggrafen griebria^
oon Dürnberg perft jum Verroefer ber burd) 3"bftS oon 3Jtäf)ren Xob
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<£in 33lirf auf bte «Scfd^idjte f urcmburgs. 87
ifmt anheimgefallenen fe^r jerrfiiteten Stfarf SBranbenburg madjte unb ifjn
1405 mit berfelben belehnte. SigiSnumb erf>ob Gleoe ju einem ^er^og;
tfwm, unternahm 1413 unb 1433 5ur ©rlangung ber italtenifajen ÄönigS*
frone unb ber beutfdjen flatferfrone ^üge nadj 3talien unb ftarb nad)
einem SBerfud) jur Aufrichtung beS beutfd)en SanbfriebenS 1437.
2Bir roenben uns nun nüeber auSfd^tteglic^ jur ©efdjichte beS fianbes
Suremburg. ftöntg Söenjel f)atte, roie mir faf)en, baS <öerjogt()um Surem*
bürg feiner 9iid)te ßltfabetf), ber £od)ter 3°h<wnS £erpgS oon ©örlife
unb £iegnifc ftatt eines ihr oeriprodjenen SrautfdjafceS oon 120 000 ©ulben,
übergeben. ^lifabetl) mar in erficr (Sf)e mit bem &erjog 2Inton oon
SBurgunb, in jroeiter @!>e mit 3°hamt oon dauern, ©rafen von £ol!anb
rermäfilt. Äaifer 2llbrecht IV. von Sababurg iebod) tyxtte bie Xod)ter
Äönig Söenjelö oon 33öt)tnen geheiratet; ber ©emaljl feiner Tochter
2lnna ber 2J?arfgraf 2Bilhelm III. oon 3Heijien mar berechtigt baS oer*
Pf anbete ^erjogthum einjutöfen, unb als berfelbe feine Xruppen unter
bem ©rafen von ©leiten nach Suremburg fanbte, traten oiele Gbel*
leute unb Stäbte ju ihm über. Xa trat ©lifabetf) 1443 alle tf>re fechte
auf Suyemburg an ^t)ilipp bcn ©ütigen oonSBurgunb ab; berfelbe eroberte
1443 bie gefte Suremburg, oertrieb ben ©rafen oon ©leiten unb
faufte 1462 bem £»er$og oon Sachfen alle 2mfprüd)e auf Suremburg ab.
3J?aria, bie (Srbin oon 33urgunb, oermählte fid) 1477 mit bem ©rjherjog
ÜWarimilian. 3n golge &ieicr SBerbinbung gelangte Suremburg in ben
23efife beS Kaufes £abSburg=Cefterreid), gehörte nebft ben gefammten
SRieberlanben $um burgunbifdjen Greife unb tfjetlte beffen ©efd^icfe.
Unter Spfnliop IV. oon Spanien mit ben 9tteberlanben an Spanien ab*
getreten, gehörte £uremburg auch jur fpanifchen Monarchie, blieb jeboch
als ein £f)eil beS burgunbifchen ÄreifeS beim bentfdjen deiche. 3m
pnrenäifchen grieben oon 1659 trat jeboct) Spanien einen jiemlich be*
beutenben £T)eil £uremburgS, nämlia) Liebenhofen, 9Jtontm6bo, SamoillerS,
3roipGarignan, G^aoance unb 9flarot[le an granf reich ab.
Lurd) ben Utred&ter grieben gelaugte £uremburg mit Ausnahme
biefer abgetretenen ©ebietstfjeile roieber an baS &auS Sababurg unb bübete
einen Xljeil beS SBurgunbifdien ÄreifeS beS beutfa^en 9teid)S. %m gelb;
juge oon 1795 rourbe Suremburg oon granfreich erobert unb im grieben
oon Gampo gormio nebft ben öfterreid)ifd)en 3^ieberlanben unb sugleidj
mit bem burgunbifd)en Äreife an gran(reicf> abgetreten. @S erhielt ben
tarnen Departement des Forets.
@rft burdj ben 2Biener 6ongre§ rourbe ^uremburg bem beutfd^en
tHeid^e, unb jroar als ©rofeljersogthum, 5itrüd*gegeben unb bem 5lönig
SSit^elm I. ber ÜRieberlanbe als 6ntfd)dbigung für ben Sßerluft feiner
naffauifd}en ©rblanbe überroiefen. Stabt unb geftung Supemburg rourben
beutfd^e SunbeSfeftung. gür bie 9toä)folge ber beiben Linien beS Kaufes
^affau in ber ^errfajaft über Sujemburg rourben bie naffauifd)en Grboer*
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8S
21. Hogalla ton Bicberftein in Breslau.
träge von 1783 für gültig erflärt. $ur 21uSgleidjung ber ©renjen jroifdjen
Greußen unb bem 5lönigreidj ber sJiieberlanbe rourbe baS ©ebiet von
St. Seit, Sitburg, üflauenburg unb bie bis baf)in unter £uremburger
&of)eit ftefyenbe (Sraffc^aft Sdjleiben an spreufjen abgetreten. Suremburg
erhielt bagegen einen £f)eil bes £üttid)er ©ebtets, unb ber größte Sfyeil
bes ©ro^erjogtJjumS Bouillon fam als StanbeSfierrfdjaft unter bie
Souoeränetät bes ©rof$er$ogS von l'ujemburg.
$aS $a\)x 1830 mar für Suremburg von befonberer SSidjtigfeit.
£aS Sänbdjen fdjlofj fidj mit 3luSnaf)me ber Stabt unb SunbeSfeftung
ber belgifdjen 9tet)olution an unb gelangte bis auf bie geftung unb beren
9tanon unter belgiidje &errfdjaft. (Srft 1838 nalnn §oUanb bie 24 2lrtifel
ber l'onboner Gonferenj an, unb Belgien räumte barauf ben #ollanb »er-
bleibenben £f)etl beS luremburgtfdjen ©ebiets foroie Simburg. ©in gleidj
großer £I)eil Himburgs roie ber r»on Belgien abgetretene £f)eU SuremburgS
würbe mit Suremburg als beutfdjes 23unbeSlanb Dereinigt, ©leidfoeitig
rourbe bie Selbftftänbigfett beS ©rofefjerjogtlmmS ausgesprochen.
?ln ben&önigÄofeljerjog beS ben 9fieberlanben nun bura) ^erjonalunion
rerbunbenen i'anbeS trat jefet bie Aufgabe tyeran bemfelben nad& 33orfc^rift
ber beutfajen SunbeSacte eine lanbftänbtfd;c Serfaffung $u geben. £ieS gefajalj
1841 burd) .Uönig Silljelm II. ber 9fteberlanbe, ber injroifd^en feinem Sater
in ber Regierung gefolgt war. 2Me octronirte Serfajfung entfprad) jebodj
ben 2lnforberungen ber 3ett niajt, unb Sßillielm II. berief im 2lpril 1848 ben
l'anbtag uon £uremburg. $crfelbe beriet!; eine neue ber belgijdjen naa>
gebilbeten Serfaffung, unb ber Slönig fanctionirte unb beidjioor biejelbe.
Äönig 2i?illjelm III. gab 1850 in feinem ©ruber, bem^rinjen £einrid)
ber iiftieberlanbe, bem Xtanbe einen Statthalter. Gr beabfidjtigte eine SHemfiou
ber Serfaffung von 1848. &iufiä)tlidj biejer 9teüifion entfpann fidj im
Cctober 1856 ein tfampf jroifdjen ber luranburgi|d)cn Cammer unb ber
3iegierung. 3\n üRooember beSfelben %a1)xe§ würbe bem l'anbe eine Ser=
faffung octronirt; biefelbe behielt baS ©infammerfyftem äroar bei, jog jebod)
bem Ginflufe unb &>irfungSbereid; ber Cammer fer)r enge ©renjen. 3Bätjrenb
beS Krieges r»on 1866, ber ben beutfdjjen Sunb fprengen foüte, blieb
Suremburg neutral unb rourbe mit 9Iuflöfmig beS Sunbes felbftftänbig ;
es blieb jebodj im beutföen 3ofloerein, unb Greußen übte rote früher baä
JöefafeungSredjt in fcuremburg aus.
3efet trat ber^önig ber9iieberlanbe in Unterfyanblungen mit Napoleon III.,
roeldje ben Serfauf beS ©ro&ljerjogStfmmS an granfreid} sum ©egenftanbe
Ratten. 9tod) ift in aüer ©ebädjtnifj, welche (Srflärung gürft SiSmartf
l)infidjt(id) biefes SerfdufS im iHeidjetage ab^ab, unb roie ber ftrieg jroiid^en
granfreid) unb £eut[d)lanb burd) ben entfdjloffenen 35Men Äönig ä^il^elmä
von ^reu^en, feinen gufj breit beutfa^en SobenS abtreten $u lajfen, unb
bura) ben ^onboner Vertrag r-om 11. 2Nai 1867 oermieben würbe.
^urd> biefen Vertrag trat Üuremburg als neutrales l'anb unter bie
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(Ein Blicf auf bie öefdjtdjte fu|emburgs. 8^
©arantie ber europäifdjen ©rofcmädjte, ^reufcen gab ba$ 33efafeungredjt
auf, unb bie geftungä werfe Luxemburgs würben gefd^Ietft. $urd) befonberen
Vertrag am 8. Quli 1867 würbe bie 3oHoereinigung mit $eutfd)lanb er*
neuert, unb 1872 übernahm ba$ beutfd^c Steidj bie Luxemburger 2öilf)elm$;
ba^n auf 40 3afyxe in Sßadjt.
2lts ber tfönig ©roffterjog Sßilfjelm in. im 3Härj biefeS ^re3 in
golge fernerer ©rfranfung oon ben 2lerjten für bauemb regierung$unfäf)ig
erflärt würbe, gelangten, ba fein inännltdjer Leibeserbe be$ SlöntgS oor*
fymben war, naa) ben ©rboerträgen be£ naffauifdjen §aufe$ bie 2lnfprüd)e
ber altern walTamfdjen Linie auf bie föerrfdjaft in Luxemburg jur ©eltung,
unb föerjog 3lbolf oon S^affau übernahm, oon ber nteberlänbifcben Regierung
aufgeforbert, bie SRegentfajaft im ©rofif)er$ogtf)um, fretltdj nur auf furje Seit,
nämlid) bis ju ber unerwarteten ©enefung beä flönigS. $iefe3 wenn aud)
nur ephemere (Sreignifc aber gewann für $eutfd)lanb eine nicfyt ju unter»
f$äfeenbeS3ebeutung, inbem baburd) conftatirt rourbe, bajj Luxemburg — roenn
aud) nidn" junt beutidjen 9?eid)e gefjörig, fonbern ein neutrales unter ber
©arantie ber europäifdjien 2)Jäd)te ftel;enbe3 Lanb — bod) unter «perjog 9Ibotf
ober feinem Sof)ne in beutfdje &errfdjerf)anbe übergeben unb baf)er3)eutfd)lanb
politifd) näf)er gebraut werben wirb al£ bisfjer, wo e<$ unter boflänbifd&em
3epter ftanb.
äßerfen wir §um Sd)lufj nod) einen f&ixd auf einige befonberS f)er=
tortretenbe $erf)ältniffe ber 33eoölferung be$ heutigen Luxemburgs, fo
finben wir, ba§ baS ©roffterjogtlmm Dasjenige Lanb ©uropaS ift, weld&eS
bie ftärffte 2luSwanberung aufweift. (*S ift bieg bie ftolge ber 2lbge*
fd)loffenf)eit bes LanbeS, welche oerbinbcrt, bajj fidj feine wirtf)fd>ftlidjen
33ert)ältniffe in bem ©rabe entwideln, in welkem bie 2Sermef)rung feiner
33eoölferung junimmt. Eiefelbe beträgt 214 000 Seelen auf einem $lää>n*
räum oon 47 Duabratmcilen, a(fo eine immerhin fdjon bi<f)te 33eoölferung.
Unter tyr befinben fidt) 7000 2lngel)örige beS beutfdjen Weidas, ©ine faft
gleite Slnjabl geborener Luxemburger lebt bagegen in Xeutfdjlanb, be*
fonberS in Glfa^Sot^ringen, wo fie fidj auf Seite ber Xeutfdjen t)atten.
3n granfreid) leben 25 000 Luxemburger, baoon über 5000 in SpariS;
in Belgien fd)äfct man tyre 3at)l auf 7— 8000. 3n 2lmerifa eriftiren
40—50 000 Luxemburger, welche eine eigene 3eitung, bie „Luxemburger
©Odette", in Subuque im Staate Sorna befifeen. 9J?an fdjäfct bie 3<*f)l
ber im 2luSlanbe mofmenben Luxemburger auf etwa 100 000.
Söiele Luxemburger baben 2lnftellungen in ben9ieid)Slanben gefunben, unb
ber 93crfel)r jwifajen Luxemburg unb Seutfdjlanb bat ftdj feit 1873 gehoben.
<5S ftubiren neuerbings Suremburger auf beutfdjen £od)fdjulen, obgleid) ^ßaris
unb Süttia) bie ftaatlid) anerfannten Unioerfitäten für biefelben finb. So lange
bie nur oon einigen £aufenb ber 2?omef)meren gefprod^ene franjöfifa^e Spradje
bie 2lmtäfpradf)e bleibt, finb bie jungen Luxemburger ^uriften unb Beamten
genötigt, ir)ren Stubien in Belgien ober granfreid) objuliegen.
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90 21. Kogalla von Bteberftcin in Breslau.
Die ©Übung ber mit 400 2JHtgliebem ziemlich sahlreid) vertretenen
Äuremburger ©eiftlid)feit ift faft auSfchliefelid) eine beutle; in allen $farr*
firmen beS LanbeS wirb nur hoeffbeutfeh geprebigt. Die fatfwlifche
Gonfeffion ift bie bei weitem überwiegenbe, ba nur 1100 ^roteftanten in
Luxemburg leben.
Die 33eoölferung Luxemburgs ift eine uorsugSweife aeferbautreibenbe;
fie befchäftigt fid^ femer mit ber görberung ber reiben SJttneralprobucte
beS LanbeS. DaSfelbe befifct nicht nur Baumaterialien aller 2lrt, bie aus
ben reiben Steingruben an ber Sauer unb ber 9)tofel als Sanbfalf unb
SpfTafterfieine geförbert werben, fonbern auch befonberS in feinem Süb=
wefttfjeile unerfchöpfliche Sager Gifenerje in einer ÜluSbefmung oon etwa
4000 &ectaren. S5>ie ^aupterjeugniffe ber Luxemburger ©ifeniubuftrie
finb 9ioheifen, ©ufcwaarcn unb SBaljeifen; bie übrigen Snbuftriejweige
beS LanbeS liefern Leber, Dualer, ganence. &anbf<huhe, 3u^er/ Leine*
roanb, Xrifotftoffe ic.
Das Gifenbabnnefc beS LanbeS Ijat 320 km. im Setriebe; bie &aupt=
6afjn bie Luxemburger* SSMlljelmS^ahn ift feit 1872, wie erwähnt, auf
40 ftaljre uom beutfdjen Wciti) in ^Sad)t genommen unb ftebt unter ber
©eneralbirection ber 9ietchSeifenbalmen in (£lfafjsLothringen.
Das Lanb ift in 3 Diftricte, Luxemburg, ©reoenmadjer unb Diefirch
eingeteilt. Die 3uftij wirb nach bem CSobe •Jtapoft'on unb unter beffen
gönnen ausgeübt. (Sin Cbergerid)tSf)of befinbet fich in Luxemburg, jwei
©ejirfSgeria^te 1. ^nftauj in Luxemburg unb Diehrch; aujjerbem eriftiren
12 griebensgerichte.
Der öffentliche Unterricht ftel)t auf einer tjoljen Stufe, es befte&en
im ©rofeherjogtrmm ein 2ltl)enäum, eine ©eroerbefdjule, beibe in Lurem*
bürg, jwet ^rognmnaften, eine 9iormalfdmle für Lehrer unb Lehrerinnen,
eine 2lcf erbauf cr)auf dc)ute r eine Daubftummenanftalt, fedjS Cber^rimär*
faulen unb 681 ^rimärfchulen, bie oon meljr als 30000 Schulfinbern
befua)t werben.
9laö) ber, wie mir fetyon oben erwärmten, ber belgifdjen nachgebilbeten
33erfaffung Luxemburgs beftet)t ber gefefcgebenbeftörper aus ber 2lbgeorbneten^
Äammer, welche 45 SJtitgliebcr jctylt, bie auf fed)S 3af)re in birecter Sßafa*
von ben Kantonen gewühlt werben. Der aus 15 9)Utgliebern beftehenbe
Staatsrath wirb oom ftönig > ©roftycrjog ernannt unb \)<xt in ber ©eje^
gebung eine nur berathenbe Stimme. Die Staatseinnahmen beS ©rofc
herjogtlmms belaufen fid) auf ca. 8 Millionen gancS, bie Ausgaben auf
ca. 7 Millionen. Die Staatsfchulb betragt 15 Millionen graues. Die
bewaffnete 3Jiad)t Luxemburgs befteht aus einer Gompagnie $äger oon
140—170 2)iann, meldje na), ba bie Gonfcription feit 1881 abgefdiafft
ift, bnvd) freiwilligen Eintritt refrutirt.
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Der 3uttggefelle.
Scfjaufpiel in $we\ TXcten.
Don
3n?an Cur^enjem f.
Vcutfdf bearbeitet von (Eugen <5abel.
— Serlin. —
gtofwcit:
S tenl, &anbtt>crfer, 50 2>lartf)a flieht, Saife, looljnt bei 3tet)t,
21 cf er mann. Sedier, 24 3af)re. 19 3a&re.
Don »iffi»& Slffeffor, 29 3abre. $rau 23crtf>ofb, 2Birtl)fd)aiterin bei
2öoltcr8borff, ©ut&befifcer 45 Softre. Stent.
3irif(f)cn ben beiben 9Jften ein 3eitranm Don aajt Jagen.
CErflcr ilufjug.
8ßor>n}immer eines .CcmbtuerferS. OTccfit* jnni orcnfler, bojtoifdien Spitger, üor bemfelben f lein tiner 2ifd).
Örab« aus eine Üluir nach bemCftitree, [inf* eine ebenfoldie nod) einem onberen 3'ftmer. SSorn linf* ein
€oj»^a, ein runber X\\&, einige Seffcl. Sormittae».
1. ÄfCttC.
^»fim «u^iNn bc5 JiorboafiS marf,t ficfi Jrau iPertliolb im 3imm<r 3" i*cffen unb fltfit un.jcbulbig r)in
uiib lier.
grau 33ertf)olb. ätJo er nur \o lange bleiben mag . . . 3$ begreife
gar nia)t! Stfit geht auf. 6t*i tritt ein.) 2ld), ba ift er ja. 9hm, (oben
Sie Med mitgebracht, £>err 6tenl?
(SteVjl (WÜ mehreren Haddien auf bem Hnn). 2(ÜC3 ! Qrf) f)abe l)ic( $U 6efori]CH
aetjabt, grau Serttjolb. 9hm, fo etwas fommt ja nidu" jebeu Xag uor.
. viuipocfenb.)
grau 23ert(;olb. £a*3 finb 523trtt;fd;aft^fac^en. Unb f)ier ein (Sartou
für 2)fartf)a! SSie bie fia) aber freuen wirb!
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92
3»an Curgcnjcit) f.
©tewl. 23irb baä ©ffen jur 3cü fertig fein?
grau 93ertf)olb. ©anj geroife.
<3tep[ (jidrt ou« Der MorftaW« jwti 5Iaf<Den fflJtin Ijtrau»). £»ier, nehmen <Sie,
grau 33ert^olb, f>eute werben Sie fyoffentlidj ^fjre Äunft $eigen. 2SMr er=
märten ©äfte.
grau öertfjolb. 3a; weife.
Stent «in* unb ueraefjc.ibju Unb fel;cn Sie aud) nad), 06 mein fa^roarjer
sJiocf in Crbnung ift SBarum laufe id) eigentlich immer f)in unb tjer?
<2tüt fii> unb trorfnct fwf> ba» Gkfrft mit bem Xafditntud) ab.) 3<$ bin Orbentli$ tUÜbe ge=
roorben. m Mingtit.) gßer mag ba fommen? (*rau»enborboto 9Jdermann fann
eä bod) nia)t fein.
grau Sertfjolb 0»^^«.^ ©in &err wünfdjt Sie $u fpred>n.
Stenl. Sa£ für ein £err?
grau 23ertf)olb. einer, ben id;nid)t fenne. Gr roolltc audj burd>=
au« feinen tarnen ntdrjt nennen.
Stenl. Sonberbar. Sag', id) taffe bitten!
(5rau Strttjolb ab.)
2. ecenc.
2üolterSborff. Stet)!.
2öolter3borff (auf ettm jug^nb). Sie erfennen midj n)oI;t uid)t?
Stent. 3$ tueifj roirflid; nid)t.
2ßoter£borff (mit outmutiuacm sionourf». Steol, Stenl! 60 »ergibt Du
alte greunbe?
Stenl. Oft möglta;? 916er nein . . . 3<* . . . Söoltersborff !
(fte umarmen fid>).
&>olter$borff. ^a, id) bin e£.
Stenl. greunb! Sßie fommft Du f)ierf)er? 33ift Du fd;on lange
ba? 9fa, ba3 ift ein iS'reignifj! Se^' Did;, fefo' Did). fc«« fu&.)
2öolter£borf f. äöir fiub alte Knaben geroorben.
Stenl. 9ltte Knaben! 3« wobl! roie tonnte c$ aua; anberä fein,
mir l)aben uns feit beinahe 510011 jig %a\)xcn nidjt gefefjen. Darf id; Dir
etroaS anbieten? ^ielleid&t eine (Sigarre?
2öolte räborff. Danfe, i$ raudje uid&t.
Stent. 916er Du ijtf bod; I;eute bei mir?
Solteräborff. 2RU Vergnügen.
Stenl. Sag' mal! 33ift Du t)ert)eiratr)et?
äßolterSborff (feuf§e«b). 3a leiber! Unb Du?
Stent. 3a;? 9td) nein! . . . Soft Du aud; tftnber? (Siebt na* bcrSbur.»
Soltersborff. günf! . . . 3d; bin t;ieiI;ergefommcn, um meinen
2lelteften unterjubringen. Du roorteft iool;t auf 3cmanb?
Stent. 3a, freiüd;!
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Der 3unggfeUc.
93
SÖolterSborff. 25Me fo?
6t e 9totj)e mal!
Söolteräborff. 2öte foll id)?
Stent. 9?eirt roirfüdj, ratfje.
2öoltcr3borff. &öre — Tu roiflft Tidj bodj nidjt oerljeiratrjen?
Stenl (i«iKnb). Set ruf)ig. <3n meinen 5^rcn! ober Tu fjaft e3
bod) beinahe getroffen. Sei mir ift eine ^odfoeit im 2ln$uge.
SöolterSborff. ©er fjeiratfjet benn?
Stent, eine SBatfe, bie feit einiger 3eit bei mir roofjnt.
2Solter3borff. ©ine 28aiie?
Stenl. ^a. TaS 2Kübdjen ift aus ferjr anftänbiger Familie, bie
Toaster eine* 9ied)nung$ratt)3. Sttit irjrer feiigen SJtotter mürbe id) fur$
r»or ifjrem Tobe befannr. Ta3 arme 2£eib lebte, nad)bem il;r 3Kann ge*
ftorben mar, in großer 9totf), ba ir)re ^enfion flein war. (SineS Tagea
begegne id) itjr ^ier auf ber Treppe, unb roie fie ausweisen null, fällt
fie f)in unb bridjt ftd) baa Sein. Tente, in üjrem 3llter! $d) Ijob fie
natürlidj fofort auf, rief £eute, unb roafjrenb man fie in'3 33ett legte,
bolte id) idmeß einen 9lrjt. für dualen bie 9lermfte auSgeftanben
i)at — e5 ift nid)t ju befd)reiben! Unb bie Tod)ter mit if)r — ad) bu
9lUmäd)tiger! ©anje fed)3 Monate lag bie 2Ilte im 23ett. ©nblid) mürbe
fie gefunb. 2tber roie fie jum erften 9Me ausging, eifältete fie fid) fo
Ijeftig, baf? fie nad) oier Tagen ftarb.
SBolterSborff. Tu lieber @ott!
Stent. 9iun benfe Tir, ba$ arme 5Häbdjen, it)rc Toaster! durfte
id) fie allein laffen ? SUerroanbte tjattc fie feine mit 2tu3nalmte einer Tante,
einer $rau Sertfrolb, bie jefct bei mir bie 2Birt^fd^aft füt)rt, unb bie felber
9ftdjt§ befifet. So naljm id) bas 3)iäbd)cn 5U mir. Sie roollte aHerbingS
anfangs nid)t3 baoon roiffen . . . (rs foftete viel 9)Jübe iln* begreiftt$ ju
machen, baf? id) bod) ein alter üftann bin, ol;nc SUnber, bafe id) fie roie
meine eigene Tochter liebe, bafj fie nid)t auf ber Strafte bleiben fönne.
Seit jener $eit roofjnt fie nun bei mir. Unb roaS baS für ein ;Diäbd)en
ift . . . 2lber Tu roirft fie ja ba Ib fcljen unb gereift gleid) beim erften
2(nbli<f lieb geroinnen.
2Bolter0borff. Unb mit roem uerf)eirotf)et fie fid) benn?
Stenl. 2ttit einem braoen jungen 9)cann, einem &ef)rer, Samens
2ldermann. <5r fjat jroar audj 3?id)t$, baft ift roa^r; aber ba3 ift fein
Unglücf. (Sin junger 3Jiann mit Sßerftanb, fleifeig, bef Reiben, nur in ber
lefeten faxt oft nerftimmt, als ob itm etroaä brüefe.
Söolteräborff. $or ber &od)5eit?
Stenl. Tass madjt mir otel Sorgen. <oeute ifet er bei mir, roie
faft jeben Tag. <5r roollte aber nod) einen 53efannten mitbringen, einen
Slffeffor, einen abiigen . . . roeiftt 2)u? —
SB ol t er 3 bor ff. So! est* 6«tro*ttnb.» Hilter ^reuub, id; fann un=
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9^ 3n?an Curgcnjew f.
mögtidj in biefem ^n^uge f)ier bleiben. roitt nadf) &aufe gefjen unb
miti) umfteiben.
Stent. 9(cfj, Unfinn!
äöolteräborff «mfftebenb). £af$ nur, tajj nur! 2Sa£ fott $ein (Saft
üon mir benfen! (Sr mufc midfj für einen gan$ ungebitbeten 2ttenf$eu
leiten. 9?ein, greunbdjen!
Stent, (^«nfoa* aufftcbcnb.) 9lber nerjnäte Xid) nur ntdfjt.
SSolterSborff. 3<$ bin gteidt) tuieber ba; wann e&t ^r?
Stent. Um eins.
3ßoIter«§borff. Sd)ön, fd)ön!
Stent. £a fommen fie gerabe.
3. ecetu.
«Stctf, SBoltcrSborff, Sfrail Söertfjolb, SJlartlja. (Sie bringen einen fdrtDoijen mrod unb eine«
Stent (iu Sporte). a)tort|)a, baS ift mein alter greunb SBotterSborff.
Gr ift fjeute erft angefomnten, f)at mir 9?aä;ria)ten auä ber $eimat ge*
bracht. Unb frier unfere £au$genojfin, grau $ertf)otb.
SBotteräborff. (SntfdOulbigen Sie, meine tarnen, bafc tdj fo im
^Reifeanjuge erfdjeine. tonnte nid)t nriffen . . . (wr&eugt fw>).
Stent. Dfme Umftänbe! (S^mnua.) $u bift fceute fo bta§. geftft
Dir etroastf
9)iartf)a ((««fo. 3d() fü^Ic midj etroaS mübe.
Stent. Sie flrengt fidj ju fe^r in ber 2Btrtf)[<!jaft an. Sie füllten
barauf 2Id;t geben, grau SBertfjotb. (3« $?oiter»bom.) üftun, nrie gefaßt £>ir
3Wart()a?
$ßotter3borff. Seljr . . . fetjr gut!
Stent. 3>a3 nwfjte idj, ba3 roufete iaj.
2ßolter<Sborff. 9?un mufe icij aber gefjen. 2(uf 2Bieberfef)en!
Stent. 2tt|'o nrie gefagt — fei pünfttia^ $u Xifdfj!
grau 23ertf)olb, 3}iartt)a. 2Iuf ^ieberfe^en! (»oaertborf ob.)
4. breite.
Stet)!, 3fia» 33crtl)ütb, üJtartya, n«wier 2(cf ermann unb bon 29tfjtng.
Stent. %d) freue midf), bafj id; einen fo atten greunb roieber ju
Öcfid)t befommen tjabe. (Sr ift ein guter 9)tenfd). w<xt unb e^m* nebmenbi.
$anfe fd;ön ! (3« 5rau uenbcib unb waMp.) (i)et)t nur, idj) jiefje mir ben $iod
\d)0\\ attein an. («Iran «enlidb unb SBlortfia ab.) So! (Reibet ftc$ um toor beut ©pieflel.)
£ajj 2tdennann fjeute nodf) nid^t f)ier war, um feine 23raut ya feljen,
lüunbert mid). 9iun, er mujj ja jeben 2tugeublid fommen. «» i*utet.) 9% !
nc* einmal im Spicflil bef cI^cH^.>
21 cf ermann <Mt eitoas was «nb jerfireut au«). Sieber fierr Stent, geflattert
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Der 3un<jgefelle.
95
Sie mir 3fmen meinen beften greunb £errn 3lffeffor non SBiffing t>or$u*
ftellen.
Stent OKTbeuflt m. Setjr angenetmi unb f$meid)elf)aft. 3$ fabe fö011
fo niet uon 3f)nen gehört.
Wifling. 3$ Bin meinerfeitS fef)r erfreut — (w«4«gt w «b.«»««).
Stenl. D, bitte fe^r! (fwne voafo. 23itte, nefunen Sie ^tafc. wan
ndj; «ifpnfl tctrodjt« ba» 3i«nmer, stcyi ijufict). 2Ba$ für ein präd)tige3 2i>etter mir
bod) fjeute tjaben. ©in roenig frifd), aber bodj fet)r angenehm.
Wifling. 3<*> l)eute ift e3 frifdji.
Stent. 3<*roof)t! (Su «cftrouiuu) 2Barum bift Xu fo fpät gefommen?
3~ef)tt £)ir ettüttS? (Effing trudjt beim 23ortt „tu" tine (aum bttnerfbore ironifebe Wunt.)
9lcfermann. 9?ein, idi füllte midj gan3 mofy. Unb wie gef)t e3
2Hartf)a?
Stent, ©ut, redjt gut. (3« »»ffino) $err 3lffeffor, id) barf tjoffen,
bafc Sie uu3 bie ßfyre erioeifen roerben ... in jiuei SQBoajen . . . ja . . .
ift feine ^odfoeit (auf «rftrmann ictötnb) . . . un3 mit 3^er ©egenroart ju
beehren . . .
Siffing. Sef)r fd&nieiajetfjaft '•
Stent. Sie fönnen es gar nidjt gtauben, wie gtücftidj idj bin! . .
gtir einen atteu -JJtonn, einen 3u"9g«Kffen nrie id) . . . fönnen Sie fid?
norftetten, roa3 für ein unerwartete^ . . .
SM f fing. 3«/ «ne ®^ °ie auf beiberfeitiger Snmpat^ie unb auf
Vernunft t»« r<»te sbo«) begrünbet ift, bärf §u ben größten Segnungen
'be3 menfd)lid)en Seben« geredmet werben.
Stent (oufmcttfom jobörtnb). ©eroifj, genrife.
Siffing. Unb beStjalb tobe icf) meinerfeits bie Ütbfidjten ber jungen
Seute, bie barauf bebaut finb, biefe ^eilige ^ftia^t ju erfüllen.
Stent. 3$ bin ganj 3f)rer Meinung.
33 tf fing. $enn, roaS fann angenehmer fein, at$ baö gümtlienteben ?
2ttterbing3 ift es notfjroenbig, bei ber 2Saf)t einer $rau fid) orbentlid) ju prüfen.
Stent. Sidjertid) , . . Sie entfa)utbigen . . . nad) meiner Meinung
muß er «>«'' ««craonn btutvnb) fid) fefjr gtücflia) fd)äfcen, 3f)r $reunb su fein.
33 i ff in g. Ct), idj bitte.
Stent. Wem nrirftid), id) nerfidjere Sie.
31 der mann mn untcr&rc^mb). Saiden Sie, bitte, roo ift 3Jtortf)a?
3ä) t)abe itjr etroaS ju fagen.
Stent. 2Iuf it;rem 3immer. 2Benn ^u roiaft, ge^e boa^ ju i^r.
Hrfermanu. J>ä) fomme gtetd) jurüd. (3« «fftaa) Sie entfa^ulbigen
mi$ einige 3tugcnblideV
23 if fing. Sitte fef)r.
<ÄiT:rmamt ob).
'JJorb unb U , l'l "
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96
3tran durgcn jcit» f.
5 Scctte.
©tet)I, oon Söifunfl.
Stent d"'1''* IW* Tuwtm natf, ritctl bann an SPifftitg heran unb briiefi ibm bie eanb). fQCTT
von SHffmg, entfdmlbigen Sie . . . id) bin ein einfacher Sflann. 2Donon
ba$ £er$ uott ift, baoon gef)t ber 9D?unb über, (Urlauben Sie mir 3f)nen
nodj einmal oon ganjem ^erjen, nritflid) oon ganjem £er$en ju banfen!
Söiffiug (mit ratter £ÖfIid>feit). SßofÜr beim ?
Steijl. ©rftens für 3f)ren Söefudj; jroeitenö roeil Sie itjn, ben
Bräutigam meiner SJtorttya lieben ... 3$ bin ein armer SunggefeQe,
aber id; glaube nidjt, baji ein Skter fein $inb mein; lieben fann aU id)
ifm liebe . . . £a£ 2lHe§ rüfjrt miä) fo fefyr, ba§ id) e3 gar nid)t au£=
fpredjen fann. (3&m treten bie ztjranen in ibie wußen.) Sie oerjeifjen . . . id) muß
Ulidj fä^ämen — (fod't, $iel>t bat 2afcf)entucb beroor urb troefnet bie frönen).
Siffing. ^d) fann Sie ocrfidjem, e$ ift mir fef)r angenehm, fotdje
(Smnfinbungcn bei 3$nen tt>al)r§unef)men.
Stent, ©ntfd&ulbigen Sie bie 2lufrid)tigfeit eines alten SRamteS!
SKber bie Reiben werben glüdlid) werben, fo ©ott roiU; e3 finb nortreff*
lidje 9ftenfd)cn.
33 if fing. 2Ba3 mir an 3^rem greunbe Monberä gefällt, ift, bafc
er ©runbfäfce r)at. Ttö ift in unferer $eit eine Seltenheit. <5r l>at nidjt
ba§ Sßinbige — nerftetycn Sie — ba$ SiUnbige unferer Qugenb (bre&tbu
fcattb In ber 2u?t fcerum, Stent tljut baSfelbe uitb nirft jnfkiminenb mit bem Storni ,^d) bin ja feilet
fein Gato, aber . . .
6. Zcene.
(5tct)l. Söiffing. grau Scrtfjolb.
JraU 33ertf)Otb (befcheiben an ber Xfolr ftefieub, taut buftenb). §111, (jm!
Stent. $>a§ roünfdjen Sic, ftrau Sflertfjolb?
grau öertljolb. 2ld), £err Stenl, 9J?artt)a bat mid), roenn Sie
auf einen 9Iugenbtid ju ifn* fonimen fönnten.
Stepl (bort»urf*t)oa). 2iber jefct? Sie roiffen bod) . . .
^öiffing. ^itte, geniren Sie fid) garnidjt.
Stenl. Sie finb fe^r gütig . . . 3d) fomme gleid) roieber.
•öiffiltg (bie .<>anb oufbebenb). 33itte!
StCt)l. $0) fomme gleid) Wieber. (Sriidt, intern er mit «yrau »ertboft absein,
biefer feine Itniufriebenbeit über bie £törunq pantoinimlf* au?.)
7. ©cette.
SBtfftng, (nacb&er) 9(<fermann.
53 if fing (tw> in bem 3'mmer umWjenb). 2$aS foü ba$ 9We$ ? moljin bin idb
geraden? tiefer Sitte, wie er fd)nni^t unb familiär Unit! 53afyrfäjeiulid>
mirb aud) baS 9Jiittagcffen fdjledjt fein. Qd) begreife e§ nid)t. 3Sie fonnte
er nur fo nerblenbet fein!
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Der 3uncu3cfeUe.
21 cf ermann. 3Wan Tagte mir, Sie waren Ijier ganj allein. QnU
fdmlbigen Sie. Der 2tlte mad)t ftd) fo »iel Sorgen ... ein SJtonn aus
bem 33olf . . .
23 if fing. $err Stent ift ein ganj anftänbiger 2)tenfd). (Sr hat
jroar nid>t bie befte ©rjiehung genoffen, aber ba3 ift eine nebenfäd)licf)e
grage. 3$ faf) oorf)er r)ier eine Dame — wer ift ba3?
2Idermann. 2Sof>l grau 23ertl)olb, bie £ante meiner SBraut. Sine
fc^r gutmütige ^erfon.
Jöiffing. 3$ Stoetze nid)t baran. m*\<.) kennen Sie biefen &errn
Stent f^on lange?
21 cf ermann, Gegen brei Scfyxe.
23iffing. Sie alt ift er benn?
2tdermann. So gegen fünfjig, benfe idj.
23iffing. 2Berbe id) balb ba3 Vergnügen fyaben, 3f)r gräulein
23raut fennen ju lernen?
2t der mann. Sie mu§ gleich fommen.
33 if fing. &err Stent fpradj fxdt) fein* fdnueid)elf)aft über fie aus.
91 der mann. Da3 ift fein 2Bunber. 9Jtortf)a ift ein liebet gute«
•3ftabä)en . . . greilidj ift fie in ber ©infamfeit aufgemachten unb fennt
9liemanb. Datier ift fie ettoaä furdjtfam. ©3 fehlt ihr an jener Unge«
bunbenfjeit, rotffen Sie . . . aber urteilen Sie nicht nadj bem erften
©inbrude !
23iffing. Sagen Sie ein 3)ial — ba3 Vertrauen, ba3 Sie mir
fdjenfen, giebt mir ein SHedjt ju einer folgen grage ... 3^ gräulein
23raut hat fein «ermögen?
21 der mann, Hartha ift ganj arm.
Siffing (««ad, einer 5pouft). 3a fo, nun oerftelje td) — Siebe! . . .
Sldermann (nad, einer ^aufe). 3$ liebe fie fefjr!
23 if fing. 9cun, in biefem gaffe bleibt mir nur übrig, 3lmen oon
fersen ©lud ju roünfajen. — ©ehen mir heute 2tbenb tn'3 ^eater?
21 der mann. 9fein, ^eute fann ich nicht. 2lber in biefen Xageu
tm'H i(§ mit meiner 23raut bie Cper befugen. — 2tber Sie wollten . . .
glaube ich . . . mir noch ©troaS fagen ... in Setreff ... in Setreff
meiner 2>erheirat(mng.
23 if fing. 3ch? «Rein! Sagen Sie, gräulein 23raut fciftt mit
bem Vornamen 3J?artt)a?
2ldermann. 3a roo^l, Hartha Älein.
33iffing(o$"e baron mef>r ju benftn, ben ttamen »ieberijolenb). 9)?artl)afltein! (V<wfe.)
2lpropo3, motten mir morgen ben 23aron 23erger befugen? ©r f;at fi<$
neulich fef)r roarm nad; 3h™n erfanbigt.
2ld ermann (»erlegen), ©eroifi, wenn Sie mid> oorftellen mollen . . .
23 if fing. Mit bem größten Vergnügen. <*ouf<.)
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98
3tt»an (Eurgen jeu> f.
9((f ermann (nad>bem er einmal buri& baf 3immcr flrgaitfltn ift, für* unb entfdtfoffen*.
3$ t)abe Sie um einen großen ftienft ju bitten, &err oon SBiffing.
SBiffing. Unb baS toäre?
9t df ermann, ©erabe t)erau3gefprod)en — icf) befinbe mid) in einer
ungemein fdnoiertgen Sage. ©ie roiffen, idj ftcl)e im Segriff midt) 5U oer=
t)eiratf>en. 3$ gab mein 2Borr, unb als efurlidjer 9)?enfd& miß idj e$ auct)
galten. 3$ barf meiner 33raut nidjt ben allergeringften Vorwurf madjen :
fie ift fidj 00m erjten £age unferer Sefanntfdjaft burdjaus gletd) geblieben.
3d) liebe Tie, unb trofebem — (Sie werben e3 faum glauben, aber ber
©ebanfe an bie balbige ipo^eit legt fif^ mit foldjer ©eroalt auf mein
ganäes ©emütt)$leben, bafe idj mid) frage, ob icf) in einer folgen ©tiimnung
nod) ein Stedjt auf bie &anb meiner 33raut &abe. 2Ba3 ift ba$? preßte
td) meine gretljeit 5U oerliereu ? Ober rote fott idj mir mein ®efül)l fonffc
erf lären ?
SB if fing, &ören Sie, roertr)er ftreunb ... Sie geftatten mir boct),
3t)nen meine Meinung mit ooaer Offenheit ju fagen?
91 (f er mann. 3<fj bitte, idt) bitte feljr barum.
©iffing. Seijen Sie, meiner Meinung nadj fann ber 3)Jenf$ in
unferer ot)ne beftimmte ©runbfäjje gar nid)t leben, ©iner biefer
©runbfäfce ift, bafj man niemals feinen eigenen SSertr) unterfdjäfcen unb
über alle .§anblungen fidt) felbft 9ieä)enfä)aft ablegen foll.
9ldermann. 2S?o motten ©ie fnnauä?
5Mffing. ©ie werben e$ gleid) fet)en. ^err ©tenl ijt felbjtoers
ftänblict) ein fet)r roürbiger &err — felbfroerftänblid). 9lber fagen ©ie
mir nur baS ©ine: ©et)ören ©ie Seibe, ©ie unb er, 5U einer unb ber=
felben ©efetlfd&aft ?
91 cf er mann. 3$ bin ebenfo mittellos roie er, oieffeidjt audt) noct)
ärmer.
©iffing. ©3 r)anbelt fidj nidjt um 9teidjtt)um, fonbem um SBilbung
unb ©r3ie^ung, überhaupt um bie ganjc Sebensroeife. ©ntfäulbigen ©ie
meine Dffenfjeit, oerel)rter #reunb!
9lcf ermann. ©predjen ©ie!
©iffing. ©ie lieben 3t)re 33raut?
9l<f ermann 3<*j liebe fie. m<t> ««n« yauh) 3d) liebe fiel
Siffing. ©ie lieben fie. mtft.) ©efjen ©ie, toertfjer 5reunD/ b\e
Siebe, freilid) . . . gegen bie Siebe laßt fidj 9?id)t3 einroenben; ba§ ift ein
geuer, ein ©türm, ein 9laufä), mit bem man nur fdjroer fertig roerben
fann. 3$ h^awßte nun aflerbingä, baß aud) in einem fold)en Jalle bie
Vernunft it)re unbeftreitbaren 9?edjte l)at. Söenn ©ie Stye SBraut roirfltdj
lieben, fo braudjen roir unfer ©efprädj gar ntdt)t erft fortjufefcen. 9Kir
fdjeint e3 aber, bafe ©ie $u jroeifeln, an 3^ren Gmpfinbungen ju jroeifeln
anfangen — unb ba$ ift ein fet)r wichtiger $unft. 3eöenfaü*8 tonnen ©ie
jefct ben 3iatr) eines 5rcnnbeS brausen, mmmt aimna.m b« ber ©et)en
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Der ^unggefelle.
*
99
Sie, 3f)re 33raut ift ofme 3roeifel, um 3f)re eigenen ©orte ju roieberholen, ein
liebet, gutes 9M>d)en. Wennann fduaat bu «uu«» nttber.) 3tber Sie roiffen, ber
foftbarfte ©belftein erforbert Sd)lift unb gaffung. $ie grage barf nid;t
fo geftellt roerben, ob Sie 3hrß SBraut lieben ober nidjjt, fonbem ob Sie
mit ihr glüdlia) roerben fönnen ober ntd)t. (Ss ift unumgänglid) noth*
roenbig, ba§ ber 2ttann in feinen geiftigen 3lnforberungen oon feiner grau
»erftanben unb befriebigt roirb. deinen Sie nid)t?
31 der mann. 3a, roollen Sie benn, bajj ich mein gegebenes 2Bort
breche? 3<f> bitte Sie! 3$ roürbe SJiartfja baburdj tobten. Sie t)at fid)
mir wie ein äinb anoertraut; id) mar cS, ber fie juerft in bie 2Belt ein=
führte. 3$ face eine grofce SJeranttuortlichfeit übernommen, glauben
Sie mir.
Siffing. Gton$ geroip; aber erlauben Sie mir, bafe id) 3hren
©rünben bie meinigen entgegen halte. SBeldje $eroflidjtung l)aben Sie,
fid) f elber im 2id)te $u ftefjen? Sie finb jung unb haben bie beften 2luS=
fixten für bie 3"^nft. 2l*arum motten Sie auf einmal MeS im Stiche
laffen ? 3fre Slrbeitfamf eit, 3hr Gif er, 3hre gäljigf eiten haben bereits bie
Slufmerffamfeit beS SttinifterS auf fid) gelenft, §l)xt Habilitation an unjerer
Uniuerfität ift nur eine grage ber 3eit. &>ie fönnen Sie nun bie Se*
Siehungen jur Pieren ©efellfdjaft, bie Sie angefnüpft haben, auf einmal
leiä)tfinnig 3erteifeen roollenV
31 der mann. Sie inen fid) in mir. 3$ Wu uid)t efjrgeijig. 3<h
fürdjte mich fogar oor ber großen SBelt. 2£aS mtd> beunruhigt, ift etwas
ganj SlnbereS. GS ift bie moralifa)e &erpftid)tung, bie auf mir laftet.
3d) fann 3)tartba nid)t oerlaffen — unb bod) erfd)redt mich ber ©ebanfe,
baß id) fie ^eirat^en foll!
33 if fing om mm ux smtxm). 34 uerftelje recht rooht, roaS Sie inner*
lid) beschäftigt. $aS ift ein UebergangSftabtum, eine flrifiS — uerftehen
Sie, eine ftrifis! äBenn Sie bod) auf einen 9ttonat oerreifen tonnten!
3$ bin überjeugt, Sie würben als ein ganj anberer 9)fenfd) roieber iva
rüd fommen. Unb barum fein Sie ein Mann, faffen Sie einen ©ntfdjlufj.
31 der mann. C, id) bin ein ©lenber!
Siffing. 2Boju fid) felbft auflagen? $aS ift offengeftanben fmbifdj!
©ntfd^ulbigen Sie mid) . . . aber bie manne £l)eünaf)me, bie ich für Sie
hege (w«««« brüÄ «jm b.e $anb) giebt mir ju foldj einem Vorwurf ein 9ied)t.
Üeberlegen Sie bod), roaS oorgefaUen ift. ©enau betrautet trifft Sie gar
ni(f>t einmal eine roirfltd)e Sd)ulb: 3hTß 33raut t)at alle Urfadje dfyxun
banfbar ju fein. Sie ftredten ihr, fo $u fagen, bie £anb entgegen; Sie
waren ber (£rfte, ber fie aus bem Dunfel it)rer C^riftenj herausführte;
Sie haben ihre fdjlummernben gahigfeiten erroedt, Sie haben an ihrer
33Ubung einen nid)t unroidjtigen 3lntf)eil. Sie gingen aber nod) roeiter.
Sie roedten in ihr, ohne fid) Darüber ganj flar ju roerben, Hoffnungen,
bie nia)t erfüüt roerben fönnen; aber Sie haben nidjt foroohl s^raut
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\00
3t»an Cnrgcnjew. f
getäufdjt, ate fid> felbft. £enn nid&t wafjr . . . (Saufo gräulein SUein l>at
3fmen feinerlei SHedjte eingeräumt, bie nur . . .
2ldermann srp& «nf^em». 2£o benfen Sie I)in ? 9iiemal$! £>a$
fdjroöre id^ 3fmen bei Mtm, was mir heilig ift.
Sifftng. 9?un, um fo beffer. 2&oju bann bie ganje Anregung?
S5?a3 für Vorwürfe tonnen Sie bann nod) treffen?
3ldermann. 9Nein ©Ott, mein ©Ott, was foll id> tlmn? (WfRng
ftijenb.) D, Sie müffen mid> oerad&ten!
Siffing. 3m ©cgentyeil, 34« Sage gerjt mir fef)r ju &er$en.
Slrfermann. 3d) uerftdjere Sie, id> werbe fdjon fo oiel äraft 6e*
fttjen, um aus biefer entfefelidjen Verlegenheit IjerauSjufommen. 3a) bin
3ljnen jebenfafls ^erjli^ banfbar für alle 31)« Matfrfajläge.
8. Brette.
Sldcrntanil. SiffuiQ. 2BoIter8borf? (in cirum altmobpdien ftNoarytt Wocf, eammetuxjle mit
SptrffrtmutltrfnSpft», bflltii $ofcn, in btr £a.ib einen l)0fjen $ut. W» er jaet Unbefannte erblitft, fängt
er au fid) ju Derbeuflen mit einem JtrabutB; er ift in flroBer 83er»trninfl\
Sil fing (»» «wtrmonn^ aßer ift ber £>err?
Hdermanu. 3«) weift nrirfttd) nidjt. (3u sbou« rworff.) ©eftatten Sie bie
grage: ju wem wünferjen Sie?
SöolterSborff. 2)Jetn -Kante ijt 2$olter£borff, ©utsbefifeer; bitte
fidj nid^t 5U bemÜtjen. (S»if4« fid) mit b«:n lafdjeittaclj bie Stirn ob.)
2t der mann. Sefjr angenehm. Sie wollen waf)rfd)etnltd) &emt
Stenl fpredjen?
2Bolter£borff. 3a woljl; aber bitte, bemüljen Sie fid) nid)t. 3$
fann ja Warten . . . (»erlegen, ßetu redit* jur etil«).
21 der mann, ©ewife ein Sefamtter Steol'3, aber id) fyabe üm nie«
mal£ gefeljen. — (3« »Hflne.) Sitte, entfdjulbigen Sie.
35 if fing. Sitte, bitte! (Hu* 1t)\\r Vinii fouimen €tet)I «nb Wlaxtl)Q. Gr tubrt f«
am Hrm).
0. 3rcne.
Slrfermatm. 23tf fiii^- SßoIterSborff. 6tet)l. üttartlja.
Ste^l (fei<riirf) nnb furdjtfom). 2)iartf)a — id) beef)« mid) £ir §errn oon
Siffing t>or$uftcllen. (mm t»rt<ugt iut>.>
Siffing 0« sMartbc* £ie Gl)re ift ganj auf meiner Seite. 3$ °m
feljr glüdlid). 3*) wünfdjte fdjon längft ba5 Vergnügen 5U ^aben . . .
2t der mann. 3d) fcoffe, ^eoc SWart^a, ba& iu meinen jreunb eben^
fo fa)ä|cu lernen wirft, wie iaj e^ tlme. Wan^ r«bt ?wtnnonn rnnfitfam cto
Stei)l. tsii'ixtcrtbDrff bcnierfcnb.) 211), ^itlfommen, 2£iHfommen! (3t«
ftiiu-H»). 3)kin alter greunb ^olteröborff! 3ft erft ^ute oon feinem ©ute
rjier eingetroffen.
Siffing (iu snarttifl). 3$ r)öre, Sie beabfid)tigen in biejen ^agen bie
Cper ju befugen.
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Der ^unggefellc.
\0\
3Wai tf)a (turtegtii). 3<*/ incin ^Bräutigam fdjlug oor . . . (abtreten*.)
Sif fing. Sie werben fid) fein* gut unterhalten. Sie fdjroärmen
geroife ielu- für 3)iufif?
3Jiart()a. 3d) fjöre gern 2)cufif.
Wifling. Sie fpieleit oieUeidjt felber?
Hartha. Sein* wenig.
Stepl. D, fie fpieU Glauier — genug!
Wifling. 2>a3 ift fefjr erfreulich. 3$ fpiele felber etroaä ©eige.
Stenl. »t)l fefjr gut?
Siffing. 9fein! $ur ju meinem Vergnügen. — Sie tanken bod)
au4 gnäbtgeS gräulein?
9JtartI)a. 9lid)t fonberlid).
Öiffing. SEirflicfc? Seltfam! (3a «Arman»* £er lefete öatt beim
Gommanbanten fiel glänjenb aus.
Stenl (ju sBotteriborffx £a3 glaube tdj. $ei (Sucr) auf bem Sanbe
fann man fo Gtroaä nid)t fefjen.
"i&olteräborff. 3a, wir finb einfache £eute au$ bem Sorf, feine
©rofeftäbter.
10. Brette.
SSorifle, Sfrau #ert()olb.
grau 33 er tljofb w steqi). 2>a3 Gffen ift fertig.
Stent. (Snblidj! £arf id) bitten, meine &errfd)aften.' £err r>on
öiffing, l)icr burd) biefe Xf)ür. aitolteräborff, alter greunb; $)td) roünfcrje
iaj $u meiner Diesten $n f)aben. Gud) Reiben <j» swtrmonu mtb sKan^o) braudje
id) feine ^>läfce an$uroeifen. 3llfo fommen Sie, fommeu Sie. (ste^i mit
ZJolttrtborff, Boa »tfftna, 5™« iBtrttjoib ob. Jltfermotm roia SJlartlm bot Slrm flebcn iinb fic autfi in
ba* €pttrtjimmfr fii&rcti. Sic fjäxt tbn jurücf.)
11. ®retie,
Skfermann, ^fartlja; (nad^cr) <3tei)l unb bie Uebriflen.
31 cf ermann. 2öa3 ift £ir? SBarunt fyaltft £u mid) jurücf?
3Rartt)a. 3a; t)at>e ^Didt) etiuaS ju fragen.
Sief ermann. 3n biefem 2lugenblid?
2)?artf)a. 3a- 3$ miH mid) uid)t mit 2>ir ju £ifd) fefeen, oljne
31t nriffen, bajj ber fd)redlid)e $erbad)t, ber in mir feit einigen £agen auf*
geftiegen ift, grunbloS ift. Xeine Lienen unb 2Öorte, £ein ganjeS 2Befen
fageu mir, baß £u micr) nid)t liebft. 3f* ^ wafjr? Sag* mir ein einjigea
2i5ort — ja ober nein?
21 der manu. 3d) begreife £id) nidjt.
Hartha. 3a °ber nein! GS gel)™ mit mir feltfame $inge uor,
bumme ©ebanfen erfüllen meinen opf, id) fenne mid; felber niajt ! ÜRur
Gineä fefie id) flar r»or mir: Xu liebft mid; nid;t mein*!
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{02
3wan (Turgenjew f.
St e 1)1 (mit einer £ert>imc um beu $a(» in ber Ibiir ftebenb.) 3ö» ^bcr IOO bleibt
3*)r benn, Älinber?
3)iart^a «nwcne»». ©inen 2lugenblicf laffen Sie un$ allein; e3 wirb
gleidf) oorbet fein.
Stent, 3<*/ nber — baS ift bo4 merf roürbig ! (®«f>t juriw ?u un «äften.»
2t der mann. &Mr muffen uns au3forecr)en, aber nic^t jefet unb md)t
f)ier. 34 werbe allen 9)Hfjoerftänbniffen ein (Snbe machen.
2)iartl)a. ©in CSitbc maa>n? Cf>, es ift f4on $u (Snbe. 2Us ob
i4 ntd}t roüfjte, bafc $u mi4 nid)t mein- liebft, bafe i4 £ir 3ur £afi
falle! — 34 bitte $t$, fage mir 2llle3, quäle midj nidjt länger; i4 fanr.
biefe entfefcti4e Ungeroifef)eit nid)t ertragen.
Leiermann. 9Jun ja, taj Ijabe nufjt rea^t gefjanbelt; aber i4 miil
Sittel roieber gut maa^en — oerjeil) mir!
Wartha. 2)u liebft mid) ntd^t. 34 W>e e$ roofyl bemerft, oie
$ein greunb mi4 mit fpöttif4en gragen »erfolgte; mic er midj eirem
Gramen untertoarf, baä i4 in feinen Slugen geurife fäkfyi genug beflatben
fyaben roerbe! (s&eim.)
31 cf ermann. Um ©otteänriflen, man f)ört un§. &aft £u benn
unrfli4 aHc3 Vertrauen ju mir uerlorcn? 34 mieberljote $tr, t4 trage
bie Sajulb, oerjeit) mir.
9)iartf)a (»crjroctf«inb>. Xu liebft mi4 nic^t!
Stenl (lieber üerDorfornmenb). 3a, aber jutn Xeufel, tuaS foll ba§ f)ci§cn
9)tartf)a, um ©otte^milten, wa$ gcf)t bier vor?
9J?artf)a. Sieber Später, i4 bin feljr unglütfli4! (^t,m lam wadmua in
bie Sinne fiitfcnb.)
Stenl (laut auridireitiib». Sie ftirbt! ($ouü.) 3iein, fie f4tägt bie 2lugen
mieber auf. ©Ott fei gelobt ! t^'t tinem DOTtuurfar-olleit SMicf au? »dermamO 34
fu4e Sie, mir 3U fagen, roa3 l;ier oorgefaüen ift.
2er SBorfjang feilt.
5n?etter 2Iuf5ug.
(iitfelbe ircoration. Stei)l, tief befüutmert, fittit an ber I»)ür linfft «nb Ijoretjt. Diad) einigen Äusjem
Miefe« erfdiciitt in ber Sliitr ftrau ?*ert$olb.)
1. ®cene.
Stepl. 5rau 2?crtf)olb.
Steul (teife). 9l\m, wie ftefjtV?
grau 23ertl)olb (ebenfo). Sie ift eingef4tafen.
Stenl. fiebert fie?
grau iUrtljolb. 9lugenblicf(i4 ni4t.
Stenl. ®ott fei Xanf! a*aut<.> ©efjen Sie mieber ju ity, grau
S3ertboIb. fßiMQt brauet fie ctmaS.
grau 55ertbolb. 3amoljl, i4 bleibe bei il)r.
Stei;l. ©Ut, gut! iSrou »crtriolb ab.)
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Der ^unggefeUc. - — \03
2. Zccne.
Stet)I (onein; Hann) iSöItCTSborff.
Stent tum ruti). SJlein ©ort, roof)in wirb ba3 HUe3 führen! (üä6t ben
lh>i»f ftnfcn.) Unb lüttS läjjt fid) bagegen tf)Utl? 9Hdjt3! (3« 2Üoltcr«borff, ber eintritt
fem unb eteol btnli* &<« S«nb brüeft.) $)aS ift fdjÖtt OOll 3)ir, bafj $U Ult$ TttC^t
oergejfen f)aft.
Solteräborf f. Qdj bin ja nid&t fo roie — wie — nrie bic
2lnberen. (««ufo 9iun, tjat er fidj nrieber fefjen taffen?
Stent. 9?ein!
2S>otter£borff. 28te geljt e£ 3)tortf)a?
Stent. 9?id)t befonberä. Sie f)at bie ganje 9todjt feine 2Iuge ge=
fäjloffen. Sefct fdjläft fie.
2Solter3borff. Cffen geftanben, wenn «tan Gud) betrautet, möd)te
man jagen: je weiter oon ber grojjen Stabt, befto bejjer. £ier treibt
man'3 gar ju arg!
Stei;(. 2la) roa$, audj Ijier giebt e£ gnte 9Wenfdjen.
2Botter3borff. TOglid), aber man mufj fortroäbrenb auf bereut jein.
Stent. SßaS brause id) nor $ir ein ©efjeimnifj %u f)aben. Sief),
greunb, iaj bin ein unglüdlidjer unb bcftagenSroertfjer 3)cenfd(|.
2öolter£borff. 5lber, id> bitte ^id>!
Stent. $u roetfjt ja, bei jenem ungtüdtidjeu 5)ltttageffen, al$ mir
SRartlja unb 2trfermann oergeblid) erroarteten unb mir ba$ ftinb ofmmäd)tig
in bie 2trme fiel. — \\>xaä) midj bamate mit tyrem Bräutigam aus,
unb er fam bann aud) noaj ein paar 9M f)ierf)er, aber er mar merfnmrbig
t>eränbert. Gr rourbe etnfübig unb jerfrreut. 3$ fing bann an non
ber $od)jeit ju fpredfoen; jagte, e$ fei an ber 3*ü, er möchte bo$ beftimmen,
roann unb roo. Gr antwortete aber immer nur „ja, ja!" unb mein: war
oon ttun nidjt &erau$ 511 befommen. Seit jener 3eit ift er gans unb gar
nerfajiounben. 3u "saufe trifft man il)u nia^t, meine Briefe läßt er un*
beantwortet. Unb id) tjabe U)n bod) fo lieb gehabt!
SöolterSborff. Sonberbar, feljr fonberbar.
3. Zccnc. m
Stctjt. 2Boltcräborfr. ^rau SöcrtJjofb.
grau $ertf)olb. Gin SBrief ift eben für Sie abgegeben.
Stent, ©in süriefV S3on roem?
grau 23ert Ijotb. 3d) glaube oon &errn Stdermann. 2ld> $u mein
Öott, wenn er nur etroaä ©ute$ enthält!
Stent (öffnet brti Wrir; ttrirb loäbrenb bc* litfeuö blaS unb ftn't, naebbem tr Ujn gelcfctt, iu
9Bolter^borff. ^vrau SBerttjoIb. 2ßa^ ift benn gefdjetyeu?
Stet;I. 2BaS gefd>e()en ift? Gr nimmt fein Sort jurücf! $on
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J0<$ 3roan (Turgenjew f.
&od)$eit fann feine 9iebe mefyr fein; e$ ift überhaupt 2We3 ju (Snbe.
§ört, I)ört, ma$ er fdjreibt. „3)?ein lieber ^err Stenl! 9tocf) langem,
fc&roerem Kampfe mit mir felber, friste ta), bajj id) 3f?nen eine offene @r:
f lärmig fdjulbe. Glauben Sie mir, bieder ©ntfd&lufc foftet mid» siel, fet>r
oiel; aber jeber weitere 3luffd)ub roäre ein 93erbred)en. 3d) fuble e$, bafj
td) grautetn 3Jiartf)a ßlein nie glücflid) madjen würbe, unb bitte Sie, mir
mein SBort surüdjugeben." o» ^inraborff.) §ier, Ijier, lie* nur: „3$
ffif)le e$, bafe ia) . . ." genau i"o, fiel; nur! moiumoxn bi\<n \n bcn»ruf umtin, eu*
m« fort.) „3$ wage uid&t, 3ljre iüciäet&ung ju erbitten, id) füt>Ie, ba&
meine Sä;ulb eine fdjwere tjt, unb fann nur erflären, bafj feine junge
Xante me^r &oä>d)tung oerbient ald gräulein ftlein." fiörft Xu?
„ßodjadjtung . . .!" „Xa id> jefct auf einige 3e^ «ufere löejielmngeu
abbredjen mu&, fo nelnne ia) von %l)nen hiermit mit gebrodjenem $er3en
5lbfö}icb. ©ott maa> Sie 33eibe glMid)!'' - ©lücflick glücflia}! Xa*
fann er fagen — er! (£t<>?r oerb^t ba« akfuu mtt betb«u ^anbjn.)
5rau Süertlj.olb. 2ld& Xu lieber ©Ott, bafnn mußte e3 fommen!
2Solter£borjf. 2«aö gebenfft Xu nun $u t^un?
St e i)l (öie i>cubc rom (HtucJjt fortncbtn.nb). Slber baS ift ja $kfmünn ! iBie
fann er fo etwad fagen. nw. unb aiwi»™*.) 3d) gef)e fogleicf) ju ilnn. Jrau
$ertf)olb, meinen &ut unb dlod, fd)itell eine Xrofdjfe — im ?lugenblid!
(5rau «trtholb ab).
äöoltcrsborff. Steql, Hadder ftrau ^Bcrt^olb.
9ßolt eraborf f. 2£of)in willft Xu?
Stenl. Söoljin? 3U tym! 3$ tywi Seigen ... 3a; ... .
iä) . . . id) . • • Xa3 tjuft Xu Xir ja fa)ön au£gebad>t, SBube! ©ut, gut!
3d) ftelle Xiä) jur Webe, jur Diebe!
Holters borf f. 'Jlber wa$ willft Xu tym beim fagen?
Stenl. 3$ fa3e it>m: ©eeljrter ,§err! 3lntioorten Sie mir olnte
Umftänbe. $at Sie 3)iarttya beleibigt, ober l)at fie fic^ etwa Stym m*
ujürbig gejeigt?
äi'oltersborff. 9lber er . . .
Stenl. Antworten Si« mir, geeljrter ^err, antworten Sie mir!
3ft fie et iua nia;t gut ergoßen? ^aben Sie an tyrem 33ene^men etroa^
au^ufefeen, wie, wie? an« «f sjoitcM&orff 5u.»
^oltcrsborff. ©eroi^ nidjt, aber er wirb . . .
Stent. 2Ha$V 3lüei 3^re befugen Sie unfer^iauä! man empfangt
Sie wie einen ^erroanbten, man tfjeilt mitOl;iten jeben Pfennig, jebeu Siffen
^örot, man gönnt Stywn enblict) auf %\)te inftänbigen bitten einen folgen
Sd;a§ — bte ^»od)3eit ift bereite feftgejeftt — unb Sie! D, C! —
9iein, entfdjulbißen Sie, geehrter &err, fo fann bie Saa;e nia)t enbigen.
(.irau veruw ixiw jio.f u.ib Mut.) Xeii ^»ut! — Sie nehmen ba eine ^ebet,
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Der 3un<ujefdle.
\0ö
frifeeln einen 33rief Inn unb benfen, bamit fei 3llleS abgetfym! £, nein!
©ntfdmlbtgen Sie! will Sfmen geigen, wer ia) bin, warten Sie nur!
3$ laffe mia) md)t jum heften Ratten. Weinen Siocf ! Unb wenn MeS
ni$tS Ijilft, werfe id) mid) vox tfjm auf bie ßniee unb fage ifmt: $d) tletje
ni$t eljer auf, als bis Sie Sfyxt $flid)t unb Sdmlbigfeit getfjan fjaben!
©fjer fterbe i$! &aben Sie ÜHitteib mit ber Söaife, werbe ia) i&m fagen —
waS fjat Sie 3fmen getrau, bafe Sie fie tobten wollen? Unb föv bleibt,
nieine Sieben, bis ia) jurücffomme. 3$ fomme fer)r balb surücf, fo ober
fo! 2lber um ©otteS willen, baß Wartha 9ttd)ts baoon erfährt. Söartet
auf mid), id) fomme balb wieber, balb fomme id) wieber. fiebt woljl! (»&•>
5. €>cenc.
SBolterSborff. grau Söertfjolb.
grau ^ert^olb (iouimtrnb). 2% bu ©runbgiitiger ! wie f oll baS enben,
mein ©Ott! 21$, lieber £err fjelfen (Sie mir, idj bin eine alte unglüefs
tid&e grau.
Holters bor ff. 2Jeruf)igen Sie fict) boa) ein wenig, grau 93ertlwlb.
@S fann nodj 2ltfeS gut werben.
grau $ertf)olb. ©ut werben! 2£aS fann ba nodj gut werben?
So etwas ju erleben! teufen Sie fid) meine Sage. — 9J?artf)a ift bod)
meine 9?id)te, meines ^ruberS ftinb. 38ie foU ia) baS ertragen?
SBolterSborf f. %a, es ift waljrlid) fe^r fajlimm.
grau s-8ertf)olb. Stimmer fonnte es ja gar nidfjt fomiuen. Unb
\ä) Ijabe 2lfleS gcaljnt, wie es fommen mufjte.
SBolterSborff. ätHrflidy?
grau 33ertf)olb. 3°) We immer: XaZ fät)rt ju nia)ts Sutern,
ju nid)ts ©utem! 2lber man l)örtc nid)t auf mid), weil ia) alt bin. 3$
bin allerbingS eine einfädle grau, aber mein Seliger war bod) 3af)tmeifter,
unb wir oerferjrten aud) mit feinen Sftenfdjen . . . 2llle f)aben mir fouft
SHedjt gegeben; nur meine leibliche 9iidjte rjörte nid)t auf baS, was id)
jagte, ^efct wirb fie es einfefyen, aber nun ift eS ju fpät. lüMe oft I)abe
id) meiner 9)?artt)a gefagt: „ftinb, 25 u wirft i^n boa) nid)t rjeiratljen, baS
ift ein unruhiger gefäl)rlid)er 2flenfa), wer weift, was ber will!" Unb
fie antwortete immer: „Saffen Sie bod) baS, £antd)en." ^atürlid), bie
SUnber wollen ftets beffer wiffen als wir Sitten. 3efet wirb fie eine alte
Jungfer bleiben.
SolterSborff. 9hm fo fdjlimm wirb es boa) nid)t werben.
grau 23er tl)o Ib. ©ans gewife! 3$ glaube, Wartha fommt.
(spaufe). 92ein, eS war SKiemanb, es fummt mir nur fo in beu Dl;ren. 2ßer
fjat aber Sdmlb an allebem? 2Öir felber fiub Sd)itlb baran, auaj £err
Stenl. Sd)idt es fta) benn, bafj er ein frembes Wäbdjen erjieljt, pa&t
fia) benn bas? 3Jiu§ er fie benn uerljeiratljen wallen? ^)aS ift bod) Saaje
ber grauen, ©r wollte fie freitia; glüdüd) mad)en, aber eS ift anberS
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(06
3»an (Turgenjew f.
gcfommen. (€em4enb.) 3efct muf? tcl) nadf) Wavtfya fef)en, wie e« ifjr wofjl
gefjen mag, ob bie 2lermfte nodf) fd&täft! Söa« wirb fie fagen, wenn fie
ba« 9lHe« erfaßt! — 2So bleibt aber nur &err Stent? 2Benn fie ifnn
nur 9Hd)t« antfnm!
23olter«borff. Slber icfj bitte Sie, wenn aud> §exx 2lcfermann
rjier in ber SRälje wof)nt, brauet man bodf) Seit, um Inn unb $urü<f §u
fahren. (Sr nw& fid) bod) mit tym au«fpred)en.
grau SBertljolb. 3a, Sie tjaben Ned&t. 9lber e« fann nid&t gut
ablaufen. Sie werben fid& fdjiefcen.
2Bolter«borff. 2fd) nid;t bod)!
grau 33ertl;olb. Sie werben e« fernen! Sie benfen morjl, §err
Sldermann wirb ben $emütl)igen fpielen? 3$ fage 3^nen aber, er l)at
3Jhttr;, ein rid&tiger SWörber ift er.
SSolteröborff. 9lber nein!
grau $8ertt)olb. ©tauben Sie mir, er wirb unferen guten ^ernt
umbringen!
2Öolter«borff. 9tt>er wir leben luer bod) nid)t in einer 9)?örber*
f)öt)le! 2öie fönnen Sie nur fo etwa« benfen?
grau 23ertl;olb. Qx wirb il)iu einfach jagen: 2$a« wollen Sie
oon mir, £err Stenl? ©efyen Sie 3um Teufel mit Qljxex 3J?artf)a .<Uein.
2öa« mifdjen Sie fia) überhaupt ba fyinein? Unb er wirb ifnn einen Schlag
in'« ©efia)t ocrfetjen. cwetncnb.)
2öolter«borf f. 2lber ba« ift ja Unfinn!
grau $3ertl)olb (n>emenb>. 2ld), ja, ad> ja, icf) fenne ba«!
2£olter«borf f. Unb idj Ijabe Sie für eine fo oemünftige grau
gehalten.
6. «ccne.
Stent, aöoltcr&borff. grau »ert&ofo-
Std)l (V«' <>»' bein "oi1'* l«R Ueberrocf, flebt lanflfora bii ?ur SWittt ber ©ub,ne, läst bie
£änbe ftnfen unb bleibt fo ftcben, inbem er bie «ugeu ftorr out bcn »obtn Hebtet.)
2£>olter«borff. grau 33ertl;olb. 9iun, nun, — wa«, wa«?
Stenl (obru aufjufebftv). (fr ift fort!
9Bolter«borff. grau 23ertl)olb. gort?
Stenl. gort, unb 92iemanb weife, wo er Eingegangen ift. Slber
idj werbe e« morgen erfahren, ober r>ielmef)r fdfwn tjeute. So laff' idjj
miti) nid&t abfertigen — nein, nein!
grau 33erttjolb. 3te!)en ^e b°$ ocn ^0(* au^-
Stei;l (0»t unb iHoi öojt neu toerfenb). £a, ba. 2Bo$u brauche i<$ ba«
s5llle«V «SfUt «* eridiöuft tjin.)
Holter «bor ff. (S"r$äf)le bod) wenigften« . . .
Stenl. &>a« ift ba ju erjagen! 3$ fomme in feine SBoImung,
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Der 3»"99efell?- \07
frage nad; ifjm. ,Wd)t 3U &aufel! Sofn'n? — ,Unbefannt.' 9Iun ift
Sitte* fonnenflar. (2*««*^.) Cf), erwürgen mödfjte ia) midj!
28olter3borff. S5>aS finb ba$ für ©ebanfen?
Stent. 2Ba3 rofirbeft $>u in meiner Sage tfnm? Äann id) nor
Dlartfja noä) bie 2tugen auftragen?
grau SBertljolb. Ratten Sie bodj auf midj gehört, £err Stent!
Stent. Men Sie m\% jefct in 9?ul)e. — Sie gefjt e$ <D?artf)a?
grau 58ert^otb (8<fro«ft unb u>firbet>oa>. Sie fdjlaft nodj.
Stent. Sie roaren ja felbft immer auf Seiten biefe^ 9flenfd>n. (ß<ot
btc ©anb auf bie 6*u«er söoiuriborff*). 2Itter greunb, id& f)abe einen furdjtbaren
Sdjlag erhalten — mitten in'3 £«3!
SolterSborff. 314 H ba^. 9Jtortf>a ift ein rjernunftigeä 3Häbd>en.
(53 toirb ftdj fdjon ein anberer SWann für fie finben.
1 Stent. Sie £)u nur fo fpred&en fannft! £ie Sad&e ift bod) überatt
befannt geroorben, bie ßodjjeit ftanb cor ber Xt)ür. So etroaS nergifct
man nidjt. Unb wer ift für baä Unglücf biefeS armen SaifenfmbeS oer=
antroortlidj ju machen? %<f)\ ©injig unb allein id)!
SolterSborff. Stimm bod) Vernunft an.
Stent (auf. unb oböt^titb). 3$ mu§ Wartha fpredjen, mufj if)r 2lIIe£
auäeinanberfefcen ... fie fotl entfdjeiben. Sie fott mtd& ftrafen für bie
Sdfjanbe, bie id) über fie gebradjt tjabe; ober wenn fie ofme it)n nid)t
leben fann, fo roill i<$ ju itnu gefjen unb if)n am &alfe tierfd&teppen roie einen
föunb!
grau 53ertf)olb. 2ldj, lieber ®ott, fpredjen Sie nid^t folc&e
fd)redtt$en Sorte.
Stet)! foöuc auf fte ju boren). %a$ ift baS -Öefte. <3« asoltertborff unb ftraw »«rt=
wi.) 91un, $l)v Sieben, id) banfe @udj, bajj 3f)r auf roi<S geroartet t)abt.
Unb jefct, nnfjt 3()r rqaä? Safet mid) auf ein tjatbe^ Stünbajen allein. —
$>aS Setter ift fdjön, mad)t einen Spaziergang.
SotterSborff. 3a, aber rooju?
Stent (Hiiö). £a3 roirft Xu fdjon erfahren. 2fuf Sieberfefjen, auf
Steberfeljen. 3n einer falben Stunbe.
grau SBertljolb. 2lber &err Stent . . .
Stent. 3a) bitte (Sud), madjt, mad)t; (£ure Saasen langen im (Sntr6e.
(Schiebt Scibe foiift bcr Xbiir entflegtn.)
7. $rene.
Stent ««ntim. $a3 ift ein mistiger 2Iugenbtirf meinet Sebent. 3d>
mu§ Rubeln! äl^a« roerbe idj ifjr fagen? ^tt) mu§ fie natürlid) auf
2ltle^ vorbereiten. — <*auto 3.>orfid)tig, norfid)tig! 0« iwr.) ^d)
fürchte mia) orbenttid)! — Sie mir bas .^erj f topft! (»«cft in tm ept<aei.>
Unb roie ia) aue fetje! («ringt mit b«r ianb b« «>aort in orbnung.) 2Iber ia) barf nid)t
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5aubern. Vorwärts! Das Sctjwerfte ift ber ?lnfang. — Cb fie nodj
fdjläft ? s33ei bem £ärm ! 9l6err wenn fie 2WeS gehört Ijat ! Dann — um
fo beffer. Vorwärts, Du Feigling, Dorwärts! 2lber t)alt! Das wirb mir
ÖUt tf)UH. (Wein «um 2ifd> juriief. fAenft «in Wai 23atfer «in, unb trtnft (S ftftnfff au*.) —
Ullb jcfet mit ©Ott! fa) «m unb erblicft Wartha, bie ans b«r Seitcntbur gtf rannen ift,
öertDirrt, ^irf), Du — Du bift ba, baS . . . wie . . .
8. Zcene.
<Stct)I. 3Jkrtf)a.
Wartha. 3cr) bin es — was fjaben Sie?
Stent (Mmen). WdfitS, nidjts ...£0,10... 3d) backte, Du fd&liefft.
9tfartf)a. $cr) bin eben aufgeftanben.
Stenl. 9?un, unb wie gctjt es Dir?
9flartr)a. Keffer, 3cr) Ijabe nur etwas flopffd)mer$en. (s*t p*.)
Stenl. 9ta, Öott fei Dan!. Dann tonnen wir nad$er fpajiercn
geljen — was meinft Du?
9)iartr)a. 2Bie Sie wollen . . .
Stenl. S^ein, wie Du roittft. — &abe idj Dicr) benn jemals rooju
gejwungen? — 2itaS Du wünfd&eft, gefajteljt.
9Nartf)a. Sie finb fo gut.
Stei)l m ju it>r feeenb). stdj, nrns gut! 2Iber fiel; nur, (fi< anbikfenb) Du
§aft wieber gemeint. — mtart&o menbtt o-,., 2X5er wo$u baS 9llIeS? Du
wirft fetjen . . .
9Hartl;a. Sie wollen midj tröften, aber idj brause feinen Droft!
(Kit einem bütcren duftem.) $d) babe mid) in mein Sdiicffal ergeben.
Oteijl. ©rgeben? 2i>ie)"o?
3)iartt)a. weife, 3(UcS ift 3U Gnbe. Unb oieHeid^t ift eS fo beffer.
Stenl. 2tber warum?
Wartha. 3ÖaS brausen wir und ju oerftellen? weSr)alb wollen
wir uns täufdjen?
Stent (*auftL 5hm benn — Du l)aft sJtedjt. 9lber freilia), fo etwas
rjätte id) nidjt von irjm erwartet.
SNartlja <«e»r emso. Sßas benn?
Stenl. 3^ • • • bas Ijeifet . . .
3Jtartl)a. Sie waren Ijeute bei Um?
Stent, oa-
3Kartl)a. vJiun, unb?
Stenl. Draf ifm nid)t $11 .Oaufe!
5Jiartl)a. 2Iber was fjaben Sic nidfit oon it)m erwartet?
Stenl. Den sörief.
SDlartfja. Gincn ^rief?
Stenl (eerfL:d,t s« id.t.ein). $a, einen s3rief, weifet Du — UebrigenS,
er — bas Reifet, mau ?ann nia^t fagen . . .
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Der ^unggcfelle. J09
3)iart^a. 2Bo ift her ©rief?
Steigt. 3$ f)aüe ü)n bei mir.
■Bfartfya. ©eben Sie ifm mir, um ©otteSmiflen, geben Sie ifm
mir. £en SBrief ! Schnell!
Stent (if»n f«*enb). 3$ roet§ wirftid) nidjt — Hartha, Xu bift fo
erregt.
9Hartf)a. 3^ bin fdwn wteber rufjig . . . 216er ben 33rief, ben
»rief!
Stent. $ier ift er, aber ia) bitte £idj, — im ben Prief rongfom au«
berXcföe: «Hartha entreiöt ibm benfelben unb lieft Um eifrig; fie bleibt einen «ugenblid toie ftarr
fteben unb bebeeft bann, laut auf fehl utbjenb ba» ©efkbt mit ben $änbcn) — Um ©OtteSwiltcn
2J?artf>a! ober fo Ijörc bod)! SBeine nidjt! 3$ ftef)e für Me3 ein, aber
itt) fann Tid) nid>t fo fef>en! Steine nidjt!
üflarttya ("«»« zwntnx S3er5cir)en Sie mir, e3 ift gteidj oorbei. 9?ur
im erften 2lugenblicf. <xrodnet bie x&ränen.) 3dj tjabc ba3 9ltte3 ja erwartet
Unb münfa)e ©tÜ(f ! (SM *i<ber meinen.)
Stent. 3(§ werbe ifm sur Siebe ftelten.
üflartf)a. Um feinen Bretel 3d> toxH mia) 9?iemanbem aufbrängen.
Hein ©ort inefjr von ibm, wenn Sie mid) lieb tiaben. 3dj bin jroar
eine SSatfe, id> f)abe feine Stü&e . . .
Stent. 2>u baft feine Stüfce? Unb wa* bin ia)? Siebe i$ $i<$
nidjt wie eine Xod)ter?
3flartf)a. Sie ftnb gut, idj weijj e3; aber Sie werben e$ mir nad>
fixten, bafe idj jefet nidjt mefjr bei ^\)mn bleiben fann.
Stent. 9Ba — wa$?
3J?artJja. 3$ nmjj fort üon
Stept. 2Ba5 foH ba^? £a3 fjat 2)ir wol)l bie Xante eingerebet? —
$a fott bod) gleidj — 2Bic ift Xir nur biefer unfelige ©ebanfe gefommen?
9ttartf)a. &ören Sie midj rufjig an, unb Sie werben mir äugeben,
bafj id) red)t Ijabe.
Stent. 9Jiemat3 — niemals!
Sflartfja. Sagen Sie felbft, was folt man nad) bem, wa3 oorge;
fallen ift, oon mir benfen?
Stent. 3a/ roa$ benn?
ÜDiartfya (f*nea>. 3dj bin bod) nidjt 3^r &mb. 3?fct werben Sitte
fagen: „(Jr t)at fie fifcen tajfen, roaS fdjabet's! Sic ift ja bodj nur ein an*
genommene^ ftinb, ba3 frembeä 33rot ifet . . . wäre fie bei ifjren SBers
wanbten geblieben, fo fjätte fie flüger baran getrau. 2lber fie wollte gut
leben unb nidjts tf)un. Sa rjat fie'S nun weg." Seijen Sie, &err Stent,
tdj Ijabe Sie fo lieb, wie Wemanben auf ber SDctt; aber was fott ia)
ifmu? 3°) ^a"n nic3t)t länger bei bleiben, unb ein Stücf Jürot werbe
tdj mir fdjon nodj uerbienen fönnen.
Stent. 3$ oerftelje niajts, rein garmd)tä! 2BaS fprid;ft Xu baV
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3»an (TnrgenjeiD f.
3dj bin bodj ein alter sifiann. Xa3 toiffcn bod^ 9llle, bafe Xu mir eine
Sod&rer bift. 2Ba$ foll ba$ nun? 3ft baä X ein ©rnft?
SDtartlja (au*fu&n»b). gjfeht ooller (Srnft!
Stent. Unb Xu fannft mid) oerlaffen?
9ttartf)a. 3<f) mu§!
Stent. 5Tbcr wof)in wiüit XuV
3ttartf)a. 3rgenb wof)in! 3$ werbe mir eine Stellung fudjen.
Stent (ringt &ie «snbc). 3$ uerliere nod) ben SBerftanb! Sebenfe, wa$
Xu tr)uft. ®enn Xu mid) oerläfTeft, bann l)abe id) nidjta auf ber 2Belt,
woran mein £er& pngt. 9?ur Xeinetwegen lebe td) ja. SBenn id) Xid&
nia)t mef)r l)abe, will td) ntdjt länger leben $iartf)a, r)a6c SWitletb mit
bem armen, alten SHann! 2$a$ fjabe id) Xir benn getljan?
9Jiartl)a. Dualen Sie mid) nid)t. GS mu§ fein.
Stepl. So feib 31>r Söeiber! (5* ift ein ßlenb, (Sud) Vernunft
prebigen 3U wollen. «Rein, «Wartha! &ier ift Xeine $eimat, Xein S$u&;
id) fann Xid) nid)t fortlajfen! 2lber GinS will icr} Xir fagen: 3dj
fdjaffe Xir ben 2£ortbrüd)igen äurud, ober id) ftrecfe tfin mit biefer gauft
nieber.
3)Jart^a(crf*r.)(fcn). 2£a$?
Stent. 3awof)l, mit biefer gauft! Xeine @f)re foQ flecfenloS fein.
9ttartfja (mit crftwter etimmo. #ören Sie! ÜlÖenn Sie nidjt fofort ba$,
was Sie eben gefagt l)aben, surfirfnermten — fo gelje id), weife ©ott —
in'« Üöaffer.
Stenl («oft f*rd(Hbi 2Ba3 foa id) aber tfmn? ^Jein ©ott! idj werbe
wafnvfinnig! (ei* »wr« »efuncnby. — «fröre, 2)iartf)a! — aber nein! 3$ bin
fo nerwirrt! — ©leid) mel, mag barauS cntftefjen, was will. — .fröre,
Xu wiUft, bafc Xir üttiemanb bie 3ld)tung oerfage, baf$ 9tiemanb Xir
etwa« Sdj(ed)teS nad)rebe, ntdjt wal)r? 9?un benn, r)öre — aber um
©otteSwillcn, &a!te midj nid)t für ncrrücft — Siefjft Xu — id) — Xu
bleibft l)ter — unb Wemanb — oerftetift Xu, 9iiemanb wirb es wagen,
Xid) äu fränfen! — mit einem 2Bort, willft Xu meine grau werben?
9Wartf)a mr* Wik ernoum). 3BaS fagen Sie?
Stenl (fcjjr fdmtii). Unterbrich mid) niqjt! 34 roeij3 fetbcr nid)t, wie
biefer ©ebanfe mir in ben J'lopf fam, aber id) mufc it)n auSfpredjen. (£i
ift ein oerswcifelteS bittet; aber bie Sage, in ber id) mtdj befinbe, er=
forbert es. 3d) w>ei^, ÜUcf ermann wirb nid)t mef)r ju uns fommen; alfo,
erlaube mir wenigftenS, baß id) Xir 2llle£ erfläre, was id) meine. Xu
fannft ja bod) ntd)t benfen, bafe ia) Xir we^e t^uu wollte . . .
s]tfartl)a. Diein, aber . . .
Stenl. Xu bift felbft an Mcm fd^ulb. SBaruin rootttcft Xu mt4
oerlaffen? XaS fjat mid) gans oon Sinnen gebracht. 3* roitt/ ba§ man Xid)
oerel)re, wie eine Königin ; baß man fiefyt, weld)eS ©lud in bem ©efifc Xeiner
£anb liegt! (iiu Sdjurfe, ein Xummfopf fa^lug Xia) aU — unb id)lug
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Der 3nnggefelle. \\\
fein ©lud aus. Unb ia), ein alter ÜDtonn, bem ÜRiemanb etwas naa)fagen
fann, will oor Dir in bie fluie fallen unb bamit ber SBelt beroetfen . . .
aber oerftefje mia) rea)t, benfe um ©otteSwiöen nur nia)t . . . !
3Rartf)a. £ören Sie mia)!
Steul. Söart' nur, wart nur! 3a) weife 2We$, waä Du fagen
wiUft 2BaS fann ta) Dir für ein 9Rann fein! ©eroife, baoon ift weiter
nia)t ju fprea)en! . . . 2(ber ia) biete Dir 9tuf)e, Schuft unb bie 2la)tung
ber 2öe(t. 3a) will Dir ein Sater fein — baS ift eä! 33Uf)er warft
Du au« ©nabe unb $3armf)er$igfeit bei fremben beuten. Da3 foll anberS
werben. Du foUft jefct ßerrin werben, unb ia) — ia) will Dia) futten,
wie meinen Augapfel. 9ta, was fagft Du baju?
9Kart^)a. 3ä) bin fo erftaunt, fo gerüfjrt oon Slüem, wag Sie mir
ba fagen. 2Ba3 foü ia) 3f>ne^ nur gleia) antworten?
Step l. 2lber wer »erlangt bennbaä? Ueberlege 21lle$, Du fiaft ja
3eit genug. 3a) uioate Dia) ja nur beruhigen. Sage mir nur @in$, ba§
Du bei mir bleibft. Dann werbe ia) glüdliä) fein. — SBeiter will ia) ja nia)t8.
3)tartf)a. &abe ia) benn ba3 9tea)t, fo in Steten einjugreifen,
3fnre ©rofemutf) für miä) in Slnfprua) $u nehmen?
Stenl. 2la), wie Du wieber rebeft! SBoju wäre id) benn fonft noa)
auf biefer 3Belt gut ? 2llfo fage mir, bafe Du Ijier bleibft. Unb bie 2lnts
wort auf ba3 Slnbere fannft Du mir geben, wann Du willft, wann Du
wittft . . .ffiteV
9JJartf)a i&n an, öm«>rt). (*onff.> 3a) wiU bei ffintn bleiben.
Stenl. Du bleibft! SBirflia)! (»u um b<n $a» faa*n) g^ein, nein —
ba« barf nia)t fein, bura)au3 nia)t.
SWartlja umanncnb). ©utcr, Sieber! Sie werben mia) nia)t oerlaffen
unb betrügen, 3faen barf ia) oertrauen. SRur erlauben Sie jefet, bafc ia)
auf mein 3immer gef)e . . . e$ bret)t fia) mir 2llle$ im flopf fyerum . . .
©rlauben Sie!
Stenl. Sitte, Du fannft 2lQe$ tfnm, wa$ Dir beliebt. 9hu)e Dia)
au«, ba$ ift bie £a.ptfaa)e. 2tücö Uebrige wirb fid) finben. (su »ur iwr
gitHtnb.) aif o Du bleibft bei mir ?
3)iartf)a. 3a!
Stenl. 9?un ©Ott fei Danf, ©Ott fei Danf! 9tur Deine 3iul)e
unb Dein ©lud liegen mir am .§er$en. 2lber ©in« möa)te ia) Dia) fragen:
Darf ia) Iwffen ober mufj ia) füra)ten 3lber nein, nein, ia) werbe nia)t3 fragen.
3ttartt)a («104 <imr vauh). gragen Sie nur! Sie bürfen fyoffen. (Sawb ab.)
9. eccnc.
Stent aacuo. 3öa§ fagte fie? „Sie bürfen fjoffen." (M«ffpnnflt«b) #alt,
Du alter Dummfopf ! ^erftefjft Du benn nia)t, was fie fagte? 9lber mein
©Ott, wie fonnte ia) afjnent Wartha will mia) l)eiratf)en, mia)! <Sin
9lorb nnb ©iit. Lf„ im. 8
■
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21uf bev $ai]tt nadj Spanten.
Von
Paul Ctnbau.
— öerlin. —
6 man ben 2öeg von $eutfd)lanb nadj Spanien über bag ©Ifajj,
Stratjburg, ober über bie <Sdjroei$, ©enf, unb ba3 füböftüdje
granfreid), Snon, WmeS, Montpellier, s$erpignan, ober über
$arU unb ba$ fübroeftlid)e granfreidj nimmt, um t)ier über $run nad)
3Kabrib, bort über $ort 33ou nod) Barcelona ju fahren, fommt ungefähr
auf baäfelbe fierauS. 2£af)rfdjeintid) mürbe idj einem britten 2Bege: über
bie <Sd)n>ei$ burd> ben ©t. ©otttyarb na<$ SHailanb unb ©cnua — bemfetben
SBege, ben roeilanb Slaifer griebrid) als £ronprin$ im 9iooember 1883
genommen tjatte — , ben $or$ug gegeben f)aben, wenn iä) ftdjer geioefen
märe, in ©enua einen nadj ben Cftf)äfen ©panienä gef)enben Dampfer
olme aü> grojjen 3eitoerlu|"t §u erreichen. £a s£ari$ für midj ben 9ieij,
ben ed in meinen jungen $af)ren mit jauberljafter ®eroa(t auf mid) geübt
Ijarte, feit bem beutfä>fran$öfiid)en Kriege unb ber untiebfamen ©eftaitung
ber ^ejte^ungen $nrifa>n ben beiben l'anbern immer mein- unb mefjr oer*
toren f>at unb mir in ben unruhigen Sagen oor ber Eröffnung ber SBelt*
auäfteüung weniger üerlodcnb benn je erfdjien, ba id? überbies ba3
©tfafc, feitbem e* beutfa>3 sJteidj$Ianb geworben ift, nid)t gefe^en fjatte
unb rouBte, bafj id) in Strasburg einen meiner älteften unb treueften
^ugenbfreunbe, ber insmtfdjen }ti :Hang unb Stürben aufgefticgen ift, roieber=
finben unb mit greunben unb Sefannten aus einer näfjerliegenben geit
jufammentreffen mürbe, ba idj mir enblidj eine ernftfjafte greube baoon
oerfpredjen burfte, nadj naJjeju breifcig ftarjren in ©übfranfreid) einige
jener ©täbte roieberjufefjeu, bie id) mit meinen liebften ©enoffen au$
8*
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2Juf ber Jatjrt uadj 5p anien. \\5
ju unfercn beueibenäwerthen Vefonberbeiten, unb moty ober übel ^oben
wir un3 in ber ^olitif mebr ober minber $um »hlfpruche be$ Galigula
befennen müffen: „Oderint dum metuant". 2lud) ben (Slfaffern gegen=
über fdjeint vorläufig bie ^olitif bei „tiefen bod)", bie Saraftro in
feiner 23afc2lrie fo fdjön befinirt:
„3ur Siebe fatm id) $irf) iucf)t stmngen,
©od) geb* Ufc $tr bie ftreifjeit nicfjt"
bie einzig mögliche ju fein. 2Me beutle Regierung in ben 9teid)$lanben
fdjeint atterbingä bajn oerurtheilt ,u fein, actio wenig görberlicheS fd&affen,
bagegen febr leicht geiler begeben 3U fönnen. GS macht ben Ginbrucf,
als ob bie Glfaffer eigentlich mehr luiffcn, wa3 fie nid)t wollen, als
roiffen, wa3 fie wollen. Sie nehmen übet, ba$ ift baS (Sinnige, wa$ fia)
oon Urnen fagen läfjt. ein Seutfdjer, ber feit langen 3ahren in ben
9ceid)$lanben lebt, unb ber feine Aufgabe, fia) berufämäfjig mit ben 23er*
bältmffen oertraut 311 machen, fer)r ernft genommen f)at, machte mir eine
^emerfung, bie mir febr bejeidjnenb 3U fein fdjeint. Gr fagte: „SSenn
man jefct in einem efjrlidjen ^plebtecit ben Glfaffern bit grage oorlegen
wollte, ob fie fid) für £>eutfd)fanb ober granf reich entfdjieben, fo mürben
98 ^rocent in biefem 9lugenb liefe für granf reidj ftimmen. Söürbe ba§
^lebiScit ein 3af)r fpäter wteberholt, fo würben 85 ^Srocent Seutfdje
werben motten."
LUuS allen Unterhaltungen mit unferen £anbsleuten im Glfafc — unb
alle '©efpradje münben oerbängnifsooll in politifche 2lu3einanberfefeungen
— gewinnt man bie Ueberjeugung, bafe bie Glfaffer, benen ba$ klagen
eine liebe ©eioolmheit geworben ift, in bie allerenftljaftefte Verlegenheit ge=
ratzen würben, wenn man ihnen bie 3Jtoglia)feit gemährte, bie Verhalt*
niffe nadj ihren 2öünfd)en $u geftalten. Von irgenbwelajem emfthaften
3ufammenhang ihrer Veftrebungen mit bem eitlen unb grofjmannStotten
ifauthelbenthum ber ^atriotenliga ift nicht bie 9tebe. 9lber ebenfowenig
haben fie ftdj trofo mancher ftunbgebungen, bie ba3 ©egentheil §u beweifen
fdjeineu, mit ber neuen ©eftaltung ber Singe aufria^tig befreunbet. Siefer
murrenben unb feufjenben Unflarheit gegenüber r)at bie Regierung feinen
leichten Sranb. 9JHt ber ftrammen unb fäjroffen ^ücffid)t$loftgfeit, ber
neuerbingS fo allgemein beliebt geworbenen „Sdmeibigfeit" ift e3 ficher=
lieh nic^t gethan. GS oerbietet fid) oon felbft, baß Seutfdjlanb in ben
•Reid)3lanben auftritt wie in einem eroberten geinbeälanb. GS ift
rotebergewonneneS 2anb, baS wir mit bem beutfehen Weiche oerfdjmeljen
unb bauernb erhalten wollen. 2>aS ift eine fehr langwierige unb fd)wierige
Arbeit, $u beren Grlebigung oiel Gfebulb, 2Bei3heit, Vebarrltdjfeit erforber*
lieh fein wirb, unb bei ber wir als auf ben ftärfften 33 unbeSgen offen auf
bie 3eit 5U rechnen haben.
92id)t minber bebenflidj aber, oielleicht nodj bebenflicher als bas
Sreinfa)lagen mit ber gauft, wäre bie fentimentale unb fdjwächlicfje
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U6
- — paul £inban in Berlin.
Sulbung beS unoert)ohtenen tfofettirenS mit bem JranaOfenthum. $er
frühere Statthalter 3Ranteuffel, bem es im Uebrigen an ber erforberltchen
©nergie feineSwegS ermangelte, fyat fid) biefen geiler $u Sdjulben fommen
(äffen. 3n ber ^>erfönliä)feit feines Nachfolgers, beS jefcigen Statthalters
JJürften (Sfylobroig oon Hohenlohe, fdjeint bie für ben unenblid) fchroterigen
unb oerantwortlidjen Soften 'geeignete ^erfönlid)feü gefunben worben $u
fein. §ürft 6t)lobroig Hohenlohe ift ein ruhiger, befonnener, flarer, wohl*
wollenber unb erfahrener 9)iann, eine oerf ähnliche unb oornehme 9ktur,
o^ne beleibigenbe $ärte, aber entfdjieben unb befttmmt, wenn es fein mufe.
<5r ift frei oon aller perfönlichen (Sitelfeit. <5s liegt ihm nichts baran,
cor feierlichen ^Deputationen glänjenbe hieben ju galten unb fid) anjubeln
ju laffen. ©r \)cd nur einen ©hrgeij: bem Vertrauen, mit bem er als
ber erfte Seutfdje in ben SSeidjSlanben beehrt worben ift, ju entfpred)en
unb als Deutfcher feine ^flidjt ju thun.
2£äf)renb td) in Strafeburg mar, Wagten bte Seute befonberS über
bie neuerbingS oon Berlin aus angeorbneten Berfchärfungen ber ©ren^
reoifion. Saburdj ^ätte man ben granjofen ben 2Beg burd) baS ©Ifafe
gerabeju oerlegt. 3nfolgcbeffen tyibt ber grembenoerfehr, namentlich in
Strafeburg, erheblich abgenommen, unb alle 2£elt höbe barunter ju leiben.
Sie granjofen jögen eS jefct oor, mit großen Umwegen über bie Sdjweij
ju reifen, als ben langweiligen Betätigungen unb Scherereien an ben
elfäffifchen ©renjen ausgefegt ju fein. Sie granjofen haDen feineSwegS
(Gleiches mit ©leichem oergolten. Sie hoben bie Slpre ihrer Cftgrenjen
in biefem 2luSftetlungSjahr im ©egentrjeil ben harmlofen 9ieifenben fperr=
angelweit offen gehalten, unb id) bin oon Strafeburg aus auf baS franjofif d^e
©ebtet hinübergefahren unb h^be granfreich oon ber beutfdjen bis §ur
fpanifdjen Wrcnje burdjretft, ohne ein einziges 9Jtol nach einem Legitimation^*
papier ober bergleid)en gefragt worben §u fein.
Slber meine greunbe in Strafeburg gaben mir boch ben jflath,
namentlid) in Seifort, reo mir einige Stunben Aufenthalt hotten, um
ben 2lnfd;lufe an ben 2t;ouer £ug abzuwarten, 2llleS, mag irgenbwie auf=
fällig roirfen fönntc, ju oermeiben, ba gerabe bort bie Spionenriecheret in
oollfter Blütrje ftänbe, unb wenn auch nicht gerabe ftarfe Ungelegenheiten,
bodh ftörenbe Behelligungen uns leicht erwad)fen fönnten. 9öir befolgten
ben guten vJ?atf), unb ber Seutfd)enf)afe in Beifort äufeerte fidj uns gegen*
über nidjt anberS als baburd), bafe uns im „&otel jur alten $oft" für
ein recht mäfeigeS grühftücf ein unoerfchämt hoher ^reis angerechnet würbe.
::: *
-V
Sie garjrt burd) baS malerifdje, lanbfchaftltd) überaus reijootte £bal
beS SoubS, burd) baS Schlachtgebiet bes Ärber'fchen Corps, über
9)iont6eliarb unb Befaw;on, war ganj h^rlid). GS waren erft wenige
Sage oergangen, feitbem ich Berlin oerlaffen hatte. Sa fetten wir haß3
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2Xaf &er ^aljrt nad? Spanien.
lidjeS, grämliches, rauhes SBetter gehabt. 2lm £age oor meiner Slbreife
hatte es nod) gefcfjnett. 2ln ben fallen unb bunflen 2lejten unb Steigen
ber Saume beS Tiergartens jetgte fiap nod; fein grüner Xupfen ber
jungen triebe. 9tun bampften wir in ben oollen fröhlichen grüf)ling Inn*
ein. 2llIeS grünte unb trieb ringsumher, unb unter bem freunblidjen, uon
Sorten weißen 2Böl!d)en besogenen Gimmel lag 2WeS in golbigem Sonnen*
Wein.
£>ie 33af)n folgt auf jiemlid) betrachtlicher &öhe eine lange Strecfe
bem Saufe beS J^uffeS, an beffen jenfeitigem Ufer bie beroalbeten Serge
auffteigen. $aS ganje Sanb macht ben ©inbrudt ber &eiterfeit unb beS
©ebeiljens. Unten am Flußbett fief)t man ab unb 5U größere ©ifenfjämmer,
unb auffattenb fd)ön finb bie jaljlreidjen 33rücfen, bie über ben £oubS ge=
toorfen finb.
28enn mir biefe Strecfe burd)fafjren, gebenfen wir aber nicht bloS
beS tob* unb üerberbenbringenben SfriegS, mir benfen auch unwillfürlid;
baran, baß in 9Rontb£liarb JJranfreidjS größter 9toturforjcher, Guoier,
unb in Sefanvon einer feiner größten dichter, Victor &ugo, geboren
ift. Sßictor &ugo ^at felbft in einem feiner befannteften ©ebidjte, ber
Einleitung $u ben „&erbftblättern", bafür Sorge getragen, baß ftcfj fpätere
©efa)led)ter nicht über feinen ©eburtsort ftreiten, wie bie Stäbte ©ried;eit=
lanbs um bie (Stjre, Horner ^eroorgebrad)t ju haben. „XieS 3ahrf)unbert
jählte jwei 3af)re, als in Sefancon, ber alten f)ifpanifä)en Stabt, aus
bem ©emifch oon bretagnifchem unb lothringifdjem 33(ut ein Slinb jur 2Belt
fant, ofme garbe, ofnte Ölicf unb ofme Stimme, baS aus bem Suche beS
£cbenS fä)on geftridjen ju fein fajien unb faum noch oon einem £age jum
anbem ju leben r)atte: bieies Äinb mar td)."
3n biefem ftoljen „c'est moi", in biefer großartigen Serfnüpfung
feiner ©eburt mit ber ©eburt beS 3af)rf)unbertS jeigt fid) fdjon bie ganje
9?aioetät unb baS wunberooHe Selbftbewußtfein beS großen XidjterS, ber
fid) fieben 3af>rsef)nte fpäter allen ©rnfteS einrebete, er werbe burdj feine
begeifterten ©ejänge, rote roeilaub XnrtäuS, ben Sieg an bie galmen feines
SaterlanbeS ty\itn unb bie barbarifcfjen Horben in ihrem Siegesläufe
aufhalten.
2)ie Slnnehmlidjfeit unferer galjrt rourbe in nicht unbebeutenber 2£eife
baburd) üerminbert, baß roegen beS beuorftefjenben 3efteS — es roar ber
Xag oor Dflem — alle Goup^S überfüllt waren unb auf ben Sahnf)öfen
an ben SuffetS eine fold)e Wcnfchenmenge [ich aufftaute, baß für frieb*
liebenbe Seute, bie nicht beftänbig ©ebraud; oon ihren Ellbogen mad)en
roofften, bie SJlögliäjfeit, an ben Sd)anftijd) h^anäugelangen, auSgefd)lo)fen
roar. 2)ie granjofen finb auf Reifen ungleid) genügfamer unb anfprud&S*
lofer als roir. Söährenb wir unfern Unwillen über ben beftänbigen 2öed)fel
ber Spaffagiere oon Station §u Station unb über bie unaufhörliche
ÜWarimalbefetjung beS wenig bequemen (Soup^S erftcr 5llaffe mit ad)t ^erfonen
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U8 paul £ini>au in Scrlin.
nur müljfam bel;erri*c^en tonnten, fdjicften fidj bic granjofen mit liebend
mürbiger Saune in ba£ Unucrmeibliche.
3Me franjöfifche ©ifenbahnuerroaltung f)atte nod) feinen falenbermaßigen
grühling, uub obroobl ba£ Xljenuonteter brausen geroiß achten ©rab
3eigte unb im Goupe einen nod) otel höheren ©rab erreicht hatte, mürben
nod) regelmäßig alle Stunbe ober alle jmei Stunben, ich roeiß el nicht mehr
genau, $ur ^cijung beäfelben große mit fiebenbem Söaffer gefüllte 2Bärm=
röhren hinein gejdjoben, bie eine mtberroärtige, fernste, muffige &it$e oer=
breiteten unb uns 3lUe gleichermaßen baburdt) belästigten, baß mir nicht
mußten, mo mir bie güße ^infteden follten. SHefe höthf* unangenehmen
unb r)öd^ft überflüffigen &ei$ung3röbren maren fct)on mehrfach geroechfelt,
ate enblid) ein corpulenter &err, ber unter ber £ifee roohl am meiften
anzuflehen hatte, ba3 erlöfenbe 2Bort fprad).
„Segen bie Herren befonbem 2öertf) barauf, baß baS §oup£ nodj
geheijt mirb ?" fragte er höflich- 3luf bie allgemeine Verneinung fur)r er
fort: „21'ürbe es bie Herren fer)r beläftigen, menn mir bie £ei5ung$röf)ren
entfernen ließen?" &>teberum gab fid) unter aUeu SJiitreifenben eine rührenbe
llebereinftimmung funb, unb nadjjbem mir bie Döhren bte jur nächften
Station unter bie Sifce gehoben unb fobanu Ratten herausnehmen laifen,
fpradj fi<h atebalb, tljeilö in farfaftifchen, theilS in entrüfteten 3lu£brücfen
eine entfchtebene 3Hißbilligung ber ©ifenbahnoertoalrung aus, bie jene ein*
mal getroffene Slnorbnung gebanfenloS aufredet erhielt, olme 9iüdfid)t auf
bie 33ebürfnif)e ber Sieifenben. ©iner ber Herren rourbe, nachbem ba£
liebet gehoben mar, ganj letbenfd;aftlich unb roilb. Gr erflärte, e$ fei
lächerlich, e$ fei eine ©d&anbe, anftänbige Seute unter biefem blöbfinnigen
Schematismus leiben ju laffen. ©r habe jefct noch S?opffd)mersen. Gr
merbe einen großen 33rief über biefen Uebelftanb oeröffentltchen u. f. ru.
Unb biefer .§err, ben bie ©ntrüftung nun auf einmal fo berebt gemacht
hatte, hatte fid) ftunbenlang mäu0d)enftill ©erhalten, üfladjbem mir aus
bem 3"ftanbe ber gelinben 2lnfd)morung glücfltch befreit roaren, oerliefen
bie Slbenbftunben olme meitere 3a^rlid)feit, unb mir trafen ziemlich mo\)U
behalten in Suon ein.
* *
lieber fünfunbjroansig 3al;re maren oerfloffeu, feitbem idt) jum legten
3M in Snon geroefen mar. Sie Stabt mag fich feitbem fefjr oeränbert
haben, aber id) t)abe oon biefen Veränberungen menig bemerft; id) fanb
midi merftüürbig fchnell in ben ©egenben, in benen id) bamalS in ber ®e*
fetlfchaft gleichaltriger greunbe unoergeßlich fitere Stunben oerbracht fyatte,
mieber jurecht. 3a, ich falb foöar me^e Der Sabenfchilber, beren id) mich
nod) erinnerte, an ihrem alten ^lafee mieber.
2lber bie greunbe aus ber Qugcnbjeit, auö ber Qugenbjeit! — fie
maren bahin!
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2iuf bcx $ab,rt nadj Spanien.
U9
$>er eine ift ein wichtiger unb vielgenannter SWanu geworben, ber
im fdtjönften fünfte ber Stabt ein palaftartigeS &aus befifet, unb ben bie
SBteberbegegnung mit bem in feinen 9lugen jum s^ruffien geworbenen alten
Sugenbfreunbe trielleidjt in einige Verlegenheit gebradjt haben mürbe. Uns
Reiben rourbe bie Verlegenheit ber Sßieberbegegnung erfpart. Xie beoor^
fteljenbc Eröffnung ber SSeltauSflellung hatte ifm nach *)}ariS gerufen.
$>er aubere ift längft geftorben unb uerborben, unb nicht olme wahre
Sßehmuth benfe ich an bie früh oernidjtete (Sriftenj btefeS ^ergen^guten
unb mit ben feltcnften ©aben auSgeftatteten iungeu 2)fanneS, bem eine
glänjenbe 3u^unft beigeben $u fein fchien. @r war als 6ofm eines fehr
begüterten SubufWellen, oon ben (Sltem mit reiben Mitteln auSgeftattet,
nach 5)]ariS gefommen, um bort fein großes fünftlerifcheS Talent auSju=
bilben. 3n ben Greifen feiner ftunftgenoffen galt er als ein ©enie erften
5RangeS. Gr war faum 22 ober 23 3af)re alt, als er fein erftes flunfb
werf im „Salon" aufteilte, unb gleich mit btefem erhielt er eine hohe
3luS$eia)nung, bie golbene SJfebaiUe. £alb aus Spielerei, gewöhnlich ju
©efcher.fen für greunbe unb Verwanbte, machte er innerhalb gan$ furjer
3eit »ielleidht ein Dufeenb fleinc Statuetten, djarafteriftifche giguren aus
fran^öilfchen ober anberen3Md)tungen: £on Duirote, galjtoff, ©il VlaS u. f. w.,
oon benen jufäHigerwetfe einige ben großen ^arifer Äunfthänblern befannt
würben. $iefe waren entjüctt oon ber giottheit unb Gharafteriftif ber
Keinen Sigurden. Manche würben baoon in Vronje gegoffen, unb noch
heute fieht man überall, in $aris, Verlin, SBien, Sonbon, biefe hübfehen
unb luftigen sierlidjcn Vilbwerfe.
3dj hfl&e nie einen glücflicheren 2)?enfdt)en gefehen, als meinen 8*eunb
in ber 3eit feiner erften Triumphe, ©r war jung, lebensfroh, femgefunb,
erfolgreich; er f>atte fich eine reijenbe flünftlerwerfftatt eingerichtet, in ber
bie foftigfte ©eieflfdjaft oerfehrte. ©r trug fich roit großen planen. 3WeS
fchien ihm gelingen ju f ollen. 2>a oerliebte er fich Su feinem Unglücf in
eine fehr fchöne unb fehr begabte Schaufpielerin, bie eben aus bem ßonfers
oatorium gefommen unb im ttjt&txe granvais engagirt worben war. 5)ie
junge flünftlerin war leiber noch manfclmütbiger als fdjön, unb ein Lieutenant
von ben 3ägern rwn VincenneS gefiel ihr noch beffer als ber ftünftler.
@S fam 3U einem heftigen Auftritt smifchen ben beiben Nebenbuhlern, jur
&erauSforberung, jum 3n>eifampf. 3>er junge ftünftler würbe burch einen
übrigens ungefährlichen Streiffdmß nermunbet. 2lber er nahm fich bie
Sache grimmig $u £erjen.
<£r war immer ein begetfterter Verehrer ber 2J?ufe unb ^erfönlidtfeit
9llfreb be 9)hiffets gewefen, unb auch er würbe nun von einer oerhängniß*
ooflen SBoUuft an ber fittltchen ©rniebrigung erfaßt. Obgleich er uon
#aufe aus ein gan$ nüchterner Wenfd) war, fpradj er nun bem ©lafe in
übermäßiger SSeife ju. ©erabe wie Sttuffet fuchte auch er namentlich im
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paul £in&au in Berlin.
Abfuntf) Betäubung unb 33ergcffen. Aläbann machte eä ihm greube, fidj
in ber benfbor miberwärtigften unb fd)led)teften ©ejeUfchaft ^erumsutreiben.
2tuä einer folgen Umgebung würbe er eineä XageS wegen irgenb
eines bummen Streiches ^erau^geljolt unb wegen öffentlichen Unfug* mit
mehrtägiger $aft beftraft. $iefe Öeringfügigfeit, über bie er früher wie
über einen mehr ober minber gelungenen Sehers geladjt haben mürbe, ^atte
für ifm bie unheilooHften golgen. ©r machte einen Selbfhnorboerfuct), ber
ifm jwar nid^t unmittelbar töbtete, aber bodj nach etwa einem 3ahr feinen
Xob herbeiführte. 3)te $ugel hatte bie Sungenfpifcc geftreift, unb e$ ha^en
fid) Xuberfeln gebilbet. ©r jaulte faum 24 3ahre/ a^ wir ihn begruben.
3dj erfunbigte mich jefot nad) ben Angehörigen, bie ich auch gefannt hatte.
2luä) bie Altern hatten, wie id) oorauSgefefct, ba3 3eit^tt)e längft gejegnet.
$>aS beträchtliche Vermögen ber gamilie mar $um größten ^eit an wohk
thätige Stiftungen übergegangen.
* *
*
Xie Xljeater, bie unmittelbar oor bem (Schluß ihrer Spielzeit fknben,
boten nichts irgenbwte SehenSwertheS. Unb fo blieb uns benn ju einer
würbigen Ausfüllung beS erfien DfterabenbS nidjts AnbereS übrig, als bie
berülmitefte SingiptelrjaHe ber Stabt auf$ujud;en. GS mar ein abscheulicher,
gerabeju menfdjenunmürbiger Aufenthalt: eine #i|}e, ein Duuft, ein Cualm
in bem überfüllten Saale, bie uns nad) einer halben Stunbe baS längere
Verweilen unmöglich machten. 9J?an bejahlt allerbingS fein GintrittSgelb,
bafür foftet aber eine Portion ©is 3 granfen 25 Centimes.
&aben fich meine Äugen ober haben fid) bie ftünftlerinnen oerdnbert?
3d) weiß eS nicht. Aber ich weiß ganj genau, baß ich n^ reijlofere
^erfonen gejehen habe, als bie häßlichen, wiberwärtig gefchminften, uolU
fommen talentlosen, trjöridjten ^erfonen, bie ba ihre bummen Sieber her?
leierten. Aud) ber Inhalt ihrer Vorträge ging über ein bejdjeibenes 3)Uttel=
maß ber grioolität nicht hinaus, gür biefeS Sttanfo treten aber bie männ=
liehen Münftler mit rejoluter ©emeinheit ein. &>aS biete Siebern ba jum
Vefteu geben, fpottet ieber Vefdjreibung. ©S ift ber ©ipfel ber 3°te>
unb ber einzige Üßife beruht, um cS mit einem guten beutichen Sorte ju
bezeichnen, in ber 6od;onnerie. Unb bann fteht auf bem Settel: £>err
Artlnir ober &err Alpfjous ober wie ber ftünftler fonft heißen mag, „dans
ses cr6ations.u 3n grauf reich wirb befanntlidj ieber SmgeltangeUVarbe,
ber irgenb einen Öaffenhauer $um erften 9)iale fingt, ein „crGateur1. £err
Paulus h^ bie berühmt geworbene ©mnne auf Voulanger „gesoffen!" —
3a) gehöre wahrhaftig nid)t 51t ben lamlatores temporis acti. Qdj
bin jmar fein jugeublicher SpringinSfclb mehr; aber 3U einer griesgrämigen
Vctradrtung alle* Gegenwärtigen unb $ur Verherrlichung ber guten alten 3eit
fühle id) mid; bod) noch nid)t alt genug. 3d) bin in granf reich jung ge-
wesen unb gerabe fo übermiithig, wie fid)'« gehört, oiclleicht manchmal nod)
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2Iuf ber ^atjrt nad} Spanien.
ein bissen mefjr, als gerabe notfiwenbig war. 9lber fotd&c lieber, rote fie
fner oorgetrageu werben, bie lebtglid) barin itjre SäMrfung fudjen, ba§ fie in
gred)beit unb Sdjamlofigfeit baS Unmöglidje feilten, ga6 es bamalS nid)t.
2Bir fangen fie nid)t einmal, wenn wir im 2ateinifd)en Giertet ganj unter
uns waren, ^e^t werben fie fonber Sdjeu einem großen publicum auf=
getifdjt, baS aufeer ben fct)lecf)teften (dementen aud) ganj anftänbtge enthält,
in einem Socale, baS aud) von braoen Arbeitern unb J)albüennögücr)en
§anbwerfern mit ifjren gamilien befud)t wirb, r>on brauen Spießern mit
ifjren gepufcten grauen, benen bie G^rbarfeit auf ben breiten, fittfam
glän$enben fangen, bie, wie 2lbolpf) 9)len$el fagt, jwifdjen Df)rläppd)en
unb Stafenanfafe unüberwinblidj öbe glädjen seigen, gefd)rieben ftef)t. Unb
biefe bieberen $f)iltfter mit Ujren red)tfd)affenen grauen jauchen, brüllen
unb wiehern ben ftngenben Änoten auf ber !Öüfme 5u; unb je toller biefe
es treiben, befto toller!
2)er $eutfdje, ber biefeS <5d)aufpiel fief)t, wirb fid) bei ber eigen=
artigen ©eftaltung ber $e$ie§ungen swifdjen ben beiben Sänbern l)üten,
unliebfame ©d)lüjfe ju ^ierjen. 2lber wenn ber SSoüblutfranjofe ange*
fid)ts biefeS &eyenfabbatI)S mit traurigem (Srftaunen bie grage auf wirft:
„&aberi wir ben §öf)epunft unferer Gultur tf)atiäd)lid) überfd)ritten ?" fo
erfdjeint es nidjt unbegreiflid).
3ln bemfelben £age, an bem id) bie gefungenen, mimifdj nerbeutlidjten
3oten in Snon rjörte, las td) audj im „gigaro" einen 3luffafc t>on $elpit,
ber über bie Sßerrofmng unb Verfnotung beS öffentlidjen SöorteS in granfs
retdj bittere 33efd)werbe füfjrte unb bie befdjämenbe 53ef)auptung aufftellte,
baf? aU bie feinfinnigen eleganten ©djriftftetler, bie burd) tyren ©cift unb
bie ©leganj ber gorm nod) rwr jwanjig $al)ren bie tonangebenben unb
beadjtetften Stimmen ber franjöjifdjen treffe gewefen waren, bafc ^hibli*
ciften wie 3ean Jacques 2öetB unb ^r6oofts$arabol, jefct iammerlid)
burd)f allen würben, wenn fie fid) bemühen wollten, in granfreid) ju Sorte
ju fommen; nur nod) bie ^o^eit, ber Sd)mufe, bie Verleumbung feien
erfolgreia), unb mit bem SBifc unb ber ©ra$ie, bie ef)ebem baS öffentlid&e
sBort in granfreid) fo oolltönenb unb weittragenb matten, bafc es in bcr
ganjen SBelt gehört würbe, fei es batjin!
SöaS wir, bie wir ben graujofen gegenüber uns bur<$auS nid)t auf
bie SWoraliften fnnausfpielen wollen, jenem judjtlofen treiben, wie es fid)
uns barftellt, am meiften cor werfen, ift: es ift langweilig.
<Sobalb wir 2non im 9iüa*en tjaben unb an ben ungemein malerifdjen
unb frönen Ufern ber 9t hone entlang unfern 2öeg in ber 9iid)tung auf
bie ^orenäen r)in nehmen, uerönbert fid) merflid) bie Spfjrjftognomie ber
Sanbfdjaft. ^ie Vegetation ift r)ter fd)on weit oorge|d)ritten. Sie Cbft=
bäume ftetjen in »oller Slütye, unb längs beS SegeS, ben wir burd)faf)ren,
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\22 paul £inbau in Berlin.
fcfyingt fid^ aus ben Saumblüttjen ein ungeheures herrliches Slumengeroinbe
in ben jarteften garben be3 »ife, beS Släulid), ©elblich unb ftofa. 3u
unseren güfcen raufdjt ber mächtige Strom, in bem fid) bic grünen Serge
unb ftemigen Reifen ber romantifchen Ufer Riegeln. Der füblid)e Gharafter
ber l'anbfchaft tritt immer beutlici)er fjeroor. fdjeint ein anberer Gimmel
ju fein, ber fid^ über und wölbt. SDie Sonne leuchtet anberä, auf eine
anbere ©rbe, ber anbere Säume unb Spflanjen entfpriefeen. 2Bir fet)en
jum erften 9)ial wieber bie fchwermütbig bunfle gärbung ber t)od)ragenben
Gnpreffe, ben uomefmten gaulenjer neben bem Arbeiter, neben bem matten
Graugrün be3 niebrigen DelbaumS mit feinen oerfrüppetten unb oer=
frümmten Stämmen unb 3«>eigen. Unb ba3, was 3flenf<$enf)anb gefct)affen
hat, wirft nict)t minber eigenartig.
Die SBeiler, glecfen unb Stäbte, an benen mir uorüberfommen, übers
raffen burd) tr)re eigentümlich ^elle gärbung, bie mit ber &eflfarbigfeit
be3 SobenS faft äufammenfUefet. Sie erinnern in auffälliger äBeife an
bie altfpanifchen 9ttcber(affungen im weftlidjen Hmerifa. Die Käufer finb
einfache, in swecfmäfnger SBeife jufammengefügte unb aufeinanbergefdjichtete
Steinhaufen, mit ben nötigen Deffnungen für Suft unb £icr)t, ofme Süncr)e,
ot)ne Sdpmuct. 3n ben Dörfern finben mir aud) bie alten 9Ibobe$ nrieber,
bie unanfehnlidjen, funfllofen, gelben Verbergen aus feuchtem Sentit, beffen
£rocfnung unb geftigung bie fa)lid)ten Erbauer ber Sonne überlaffen.
Sittel ift ^ell, gelblich, ftaubfarben. 2lud) bie 3k$d oer Stöger finb oon
ber Sonne oöllig auSgebletdjt unb unterbleiben fid) in ber garbe faum
oon ben 3J?auern. £ter unb ba erbltcfeu mir, gewöhnlich in malerifdjer
Sage auf fteil auffpringenben gelfen, bie Ruinen herrlicher Surgen unb
in gewaltigen Krümmern bie fteinemen 3*ngen öer nod) älteren römifd)en
Gultur.
2öir finb in ber ^ßrooence, in bem fonnigen £anbe ber großen
Ueberlieferungen ber ©efchictjte unb Dichtung, im &er$en be£ „midi*', ber
fich trofo be$ großartigen unb feit 3al)rhunberten unaufhörlich arbeitenben
SerfchmeljungSproceffeS feine ftarfen Sefonbert)etten noch bewahrt hat:
feine eigene Sprache, feine eigenen Sräudje. Unb biefe Sprache barf mit
Stolj ben 2lnfpruct) barauf erheben, bie ältefte Literatur ber jefct fran$ö=
fifd)en fianbe ju befifcen.
3n ber Spradje ber $rot>en<;alen, ber „langue d'oe", haDcn
£roubaboure ihre leibenfehaftlichen ÜJHnnelieber unb ihre epifchen Dichtungen
gereimt. Unb wenn ber ©lanj ber prooen^alifchen Siteratur allmählich
oor ber Dichtung in ber fransöfifeben Sprache auch hat erbleichen muffen,
fo erflingen bod) noch bis in unfere 3eit hinein biefe munbartlidhen
Dichtungen, unb noch in unferer ©egenwart höben e$ prooewjaüfche
Dichter ju ^orjem 2lnfehen unb 9iut)m gebracht. Wxt 3Riftral, wohl bem
bebeutenbften ber prouencalifd)en Dichter biefeä 3af)rhunbert$, würbe in
ben fünfziger fahren in $ari3 ein wahrer GultuS getrieben. Das ^ro*
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2hif öcr ,Jarjrt nodj Spanien.
\23
t)cn<?alif(jc roirb aud) jefet nodj fef)r oiet unb auf bem Sanbe faft allgemein
gefprodjen. ©S fjat eine fef)r ftarfe 2lelmltd)feit mit bem Gatalonifdjen,
unb bie fieute uon Montpellier oerftetyen ftd) fe^r roofjl mit ben beuten
oon Barcelona, wenn fte beibe in ijjrer Ijeimatlidjen Sttunbart fprea>n.
£)ie ^rooence mit ifjren üppigen Dlioen*, Maulbeer* unb Zitronen*
bäumen unb mit ujren fanbigen unb fteinigen Ceben, mit iljrer wunberbaren
Sonne unb ben ffirdjterlidjen oerrjeerenben SSinbftürmen, mit irjren überall
erfennbaren beugen für bie ©ro&artigfeit aus ber SHömerjeit unb bie
*ßradjt unb baS ©rauen beS Mittelalters übt auf alle Sranjofen einen
jtorfen poetifefcen Sauber aus. $aS prorjencalifdje Sieb ber ©ilette ift
jroar btdjterifd) niä)t fet»r bebeutenb, aber es fagt baS, was äße granjofen
bei bem ©ebanfen an bie ^rooence mef)r ober minber ftarf empfinben:
11 eat un paya, oü la terre
Produit les fruits les plus divins,
Oü aous la seve printaniere
Les fleurs tapissent les chemins,
Oü la nuit est plus radieuse
Que ü'ost ailleurs un jour d'ete,
Oü la vie aimable et joyeuso
S'enfuit connne un rove euchante! —
Le vrai paradis de la France,
Le seul digne de ce nom
C'est le l)cau pays de Provence . . .
„Digue Ii ffue rengue, mon bon!"
3n biefem ©onnertlanbe fjat audj einer ber bebeutenbften ber lebenben
franjöfifdjen ©pifer, Sllp&onfe 25aubet, baS Sid)t ber SBelt erblidt; unb
eine ber ftärfften ©runblagen feiner großen unb uerbienten ©rfolge ift
unzweifelhaft barin jn finben, bajj er ftd) bie griffe unb Unmittelbarfeit
feines fyeimatlidjen Siefens oott bewahrt t>at. ©r ift, obwohl er feit langen
«3af)ren unter bem mächtigen Sanne ber nioeHirenben flraft oon ^aris ftefyt,
bodt) im ©runbe feines §er$enS ein $oHblut*$rooencale geblieben. ®r
liebt ben ©üben leibenfdjaftlia% wenn er beffen ©djwädjen aud) fennt unb
geißelt; unb ifmt oerbanfen mir bie wunberbar treffenbe tnpifdje ©eftalt
beS 6übfran30fcn in ber Literatur, beS föftlid)en Sartann, ber gerabe fo
ed)t unb lebenswarm ift, wie grifc 9ieuterS (Sntfpefter Sräfig.
Unter ben granjofen finb bie ,.gens da midi" ofme Zweifel bie leb=
rjafteften, lauteften unb jappligften. Sie gefallen fid) in fjarmlofen 2luf=
fdjneibereien, in grotesfen Uebertreibungen. ©ie werben oon ben übrigen
granjofen wegen iljreS tjeitern SocatbünfelS, wegen ifjreS beftänbigen
SRenommirenS unb ^ra^lenS unb aud) wegen it)rer eigentljümliajen 2luS=
fprad&e tuet gefjänfelt. 2lber biefe (Stgentfjümlidjfeiten, bie im <J>rouen<;alen
unb im ©übfranjofen überhaupt in luftiger Unmittelbarfeit mit fyanbgreifs
lidjer ©djärfe jum ÜtuSbrud fommen, fjaften bem franjöfifajen äSefen im
2lUgemeinen an, wenn fie aua) bei ben nörblicberen SanbSleuten mebr
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[24( paul ünöau in Berlin.
latent ftnb. £a3 t)at auä) 2(lpl)onfe Raubet feljr roof)l fjerau^gefüljlt, unb
ba3 roifoige SDtfotto, ba£ er feinem beräumten Sudje oorgefefct t>at: „3n
granfreia) ftammt ^ebennann mein- ober minber au3 £ara£con", fagt nidt)t$
SlnbereS. 2lber biefe quedftlbernen, laut unb oiel fdjroafoenben unb beftänbig
gefticulirenben ^rooencalen finb bo<$ ein fef)r liebenSroürbiger 23olf$fdf)lag :
unb wenn fie bteroeüen audj mef)r oerfpredjen al$ galten, mit if)rer regen
^(lantafie ba$ ©infame leidet ju etroaä ganj Sefonberem aufpufcen unb
ba3 9iid)ttge ju 25Mdf)tigem aufbaufd&en, roenn fie mitunter audj bebenflidje
©efeHen werben fönnen roie S^uma 9ioumeftan, fo finb fie bodj im Mge*
meinen burd&auS fnmpatfjifd) unb liebenSroürbig, unterfialtenb, roie ber eble
Xartarin au3 Xarascon.
Raubet, ber bie Sd)roäd)en feiner £'anb$leute am beften fennt unb
auf baS ßmpfinbli$fte oerfpottet fyat, finbet bafür eine gute ©rflarung.
„®el)en Sie einmal nad) bem ©üben/' fd&retbt er im ,£artarinl, „unb
Sie roerben feljen, roie in Meiern nerteufelten ftmbe bie liebe (Sonne Meä
oeränbert unb in übernatürlicher ©röfee erfahrnen läßt. £ie jämmerlichen
#ügel ber ^rooence, bie nia^t größer finb, als ber 9J?ontmartre, roirfen
ba roie 93ergriefen; bie f leine Maison car6e oon 9Jime3, ein Suroel für
ben Wpptifd), erfd)etnt fo groß roie 9?otre*£ame. 2>er einzige Sluffdmeiber
im Süben, roeim es überhaupt ba einen giebt, baä ift bie Sonne. Sie
übertreibt Mt$, roa£ fie ftreift." (rs ift bie Sonne beS SübenS, nadt)
ber fidj ber unglüdltdje £elb ber ^bfen'fdjcn „©efpenfter" im legten
lidjten l'lugenblicfe feinet oerbängnijjuollen 2>afein3 madjtig fefmt, bereu
rounberbare 9todnuirfung er in ben erften Slugenbliden feiner geiftigen
3errüttuug unb $erbunflung nod> meapanifa; nadrfpürt: „£ie Sonne, bie
Sonne!"
* *
3tn bem fdjönen alten 2loignon mit feinen oenoinfelten engen
Strafen, buref) bie baä Mittelalter nod) leibhaftig einher 3U roanbeln
fdjeint, mit feinen (Stinnetungen an bie Zapfte, an Petrarca unb 9?ienji,
mit feiner alten Mauer unb bem maieftätifdjen ^alaft ber ^äpfte, ber
gewaltig uon ber £ölje f)erab bie Stabt bel)errfd)t, unb an ber SJaterftabt
be$ luftigen £artarin, an £ara*con, mußten roir bieämal fdfmell oor=
überfahren, um für bie 23e|id)tigung ber 2lltertl;ümer in 9?imc3 einige
Stunbeu 5U gewinnen.
roar an bem rjellen, roarmen jroeiten Cfterfeiertage fe^r füll in
bem alten 9Ume3. Sie iöeroofmer hatten ben Reitern gefttag ju 2lu$=
flügen auf ba* fianb bemtfct, unb auf ber breiten unb frönen ßäpfonabc,
bie oon ber $alnx $um §er$en ber Stabt füfjrt, begegneten roir faft
feinem Menfdjeu.
äiMr begaben unä juerft nad) ber Maison car6o, bem roorjtcr^altenen
Jupiter Tempel, ber unter 3luguftu8 erbaut norben ift. 3a, Raubet
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2Jnf ber Jfatjrt nadj Spanien.
*23
hat Siedet ! ©S ift ein ^mvti für ben SRippttfch, unanfermlidj in ben
SJcr^ältniffcn, ein einfacher Sau, beffen ©iebel von fchlanfen fannelirten
Säulen mit fotintf)tfd)en Kapitalen getragen wirb, mit einer befchetbenen
Vorhalle, ju ber einige (Stufen hinaufführen. Unter ben ®enfmälern bes
2llterthum$ gehört bie Maison car6e fidjerlidj ju ben anfprud)Slofeften.
2lber eben fo fid^erCtti^ ift biefeS ©ebäube eines ber lieblichften, ents
jüdenbften, einbrucfSuollften. ©S ift oon einer Reinheit unb 2lnmuth in
ben SBerhältniffen, bie gerabeju bejaubernb finb. diesmal hatten wir uns
mit ber Betrachtung ber 2Iußenfeiten ju bef Reiben, benn auch ber Schließer
bes XempelS roar mit Seib unb Äinb auf's Xtonb gegangen unb ^atte
ben (Sd)lüffel mitgenommen. 2ln ber ©ittertfnir hing eine ^ßapptafel mit
ber 2faffcrjrift: „©efdjloffen wegen beS ^eiligen CfterfcfteS." $)er alte
&eibengott mußte rool)l ober übet baS dr}viftCidt)c geft ber 2luferftehung
mitfeiern.
$aS gewaltige unb großartige uub noch fehr gut erhaltene 2lmpht'
tfjeater (les Arenes), roahrfd>einlich unter SlntoninuS $iuS ju Ülnfang
beS $ weiten ^ar^rrjunbertö unferer 3eiIre^nuriÖ erbaut, mar uns jum
©lud jugänglid). £er alte Pförtner, ein prächtiger EnpuS beS 6fib=
franjofen, mar trojj beS gefttageS oon feinem Soften nicht genügen.
@S mar ein luftiger unb sierltcher ©reis mit fpryhenben bunflen 9lugen
unb in ben ©eberben unb im Vortrage uon ber ftebhafligfeit eines
«JtünglingS. Gr r)atte baS ^enfum, baS er gleichmäßig allen gremben
trorjutragen ^atte unb gcroiß fdjon feit langen 3ahr$ehnten oortrug,
meifterlidj inne. 2lber er leierte es nicht etwa mit ber alles 3ntereffe
töbtenben ©efchäftSmäßigfeit herunter, er trug es wie ein großer Sd>au*
fpieler oor, mit einer ^vrifaje unb fdjeinbaren 3reube an ber Sache, als
cb er feinen gehaltreichen unb feffelnben Seridjt überhaupt jum erften
9ttale erftattete. Unb fein Vortrag roar burchauS funftgerecht bisponirt
unb gefteigert.
2Bät)renb er junächft mit uns gemüthlid) auf unb abidjtenberte unb
gar feine Slnftalten 3U machen fd)ien, unferer Bitte, uns in baS innere
äu führen, ju entfpredjen, machte er uuS auf bie einfädle (Schönheit beS
mächtigen Stabbaues mit feinen jroei ©alerien, bie burch breite unb hohe
33ogenfenfter für bie 2lußengänge ihr Sicht erhalten, unb auf baS roiber*
ftanbsfräftige Material, auf bie riefigen, ofme Hörtel jufammengefügten,
nur mit eifernen klammern anetnanber f eftgehaltenen Duaberfteine auf-
merf jam. Nebenher ersäljlte er uns, roie es eigentlich ein wahres 2öunbcr
fei, baß bei ber £teblofigfeit, mit ber biefes Baubenfmal burch oiele
3ahrhunberte behanbelt roorben fei, es noch in bem oerhältnißmäßig guten
3uftanbe fid; habe erhalten tonnen ; roie es im frühen Mittelalter von ben
Sßeftgothen als SaftcH benufet, unb rote von biefen beuten, bie eine recht
ejeringe Hochachtung oor ben tfunftfehäfeen hatten, bie Duabem junt Xheil
ju 3Burfgefa;offen für ihre rieftgen Steinfd)leubern uerroertfjet roorben
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\26
panl finöau in Berlin.
feien; rote man bann fpäter baS ftolje SBauroerf in ben 3"ft^ *>cr oöUigen
SBerlaffenljeit unb ^erroaljrlofung fjabe oerfaßen (äffen; roie fid) bet Sanb
barin unb barum berghoch aufgefd)id)tet habe, fo bafe nur bie obere ©alerte
unb bie Stttica aus bem (irbboben hervorgeragt habe; roie es bann eublid) im
vorigen 3af)rhunbert bis ju Anfang biejeS SahrfmnbertS ben armen Statten
als 21ft)l für Cbbad)tofe überroiefen roorben fei, bie fid) in ben Ratten
unb giurcn mit ihrem jämmerlichen §au$roerf eingerichtet, bort geheijt
unb gefodjt Ratten, unb roie biefe (Solonie oon ungefähr jroölfhunbert ver-
lumpten (Sienben baS 2£erf ber pietätlofen $erroüftung natuTgemäjj fort*
gefegt fyabe. SWodj bid auf ben heutigen £ag giebt es einige alte Seuie
in Hintes, bie in Ujrer ^ugenb in ben 21renen gekauft haben. (Srft unter
bem sroeiten ßaiferreid) rourbe biefem fd)önen 23au beS 2lltertfmmS bie
oerbiente 2lufmerffamfeit roieber $ugeroanbt. 2)aS 2lmphitf)eater rourbe
freigelegt unb gefäubert, es rourbe unter ftaatliche Dbfjut geftellt, bie fchab»
haften Sterten, bie mit ©infturj bro^ten, rourben roieber gefeftigt, tyiev unb
ba rourben neue Stufen im ftnncrn angebracht, fo bajj man jefet roieber
bis ju ben haften roeitgefdnoeiften Sfeihen ber Sifce emporfteigen fann;
unb feitbem &al)[t baS 9lmpf)itf)eater ju ben fdjönften unb befterfjattenen,
bie fict) bem 33Iirfe unferer Qe'xt barbieten.
@S ift freilich erheblich fleiner als baS ßolojfeum in -Rom, baS 188
3Reter lang unb 156 Bieter breit ift unb für 87000 3ufälauer ^*afc
gemährte, roäfjrenb unfere 2lrena nur 133 9)feter lang unb 101 Bieter
breit ift unb 23—24000 3ufd)auer fajjt. 2lber aufjer ber 2lrena in
Verona giebt feines ber altrömifchen 2lmpl)it^eater bem 3wt$auer eine
fo richtige 9?orfteüung oon biefen öffentlichen Schaupläfecn, roie biefeS
JeftfpielhauS unter freiem Gimmel.
Äein 3weifel, baf3 in alter 3e^ °'e 9lu§emnauern mit reichem
Sdmrucf oerfetjen getoefen finb. .frier unb ba ficht man nod) unförmige
(Srrjöbungcn. 2lber oon biefem Relief fdnnud ift nichts übrig geblieben.
$or nid)t langer 3eit r)at man im Sanbe nod) eine 9J?armor=ftelieftafel
ausgegraben, bie jroar and) ftarf oerroittert ift, aber ben bargcfteUten
©egenftanb nod) ungefähr erf ernten läfct. Sie ftellt einen 511 Soben
geftreeften Ölabiator bar, über ben fid) ber Sieger mit gesurftem Schwerte
^erabbeugt. Unfer lebhafter fleiner (Siceronc mad)te uns bie Stellung
ganj genau oor. Qx warf fid) *unüd)ft in einer feljr plaftifcben Stellung
511 23obcn, um uns ben niebergeroorfenen ©labiator ju oeranfdjaulidjen,
aisbann erhob er fid) unb ftellte ben fiegreta>n bar. Unb mit ber
SSidjtigfeit eines .tiuu[taelel)rten fügte er Innju: „9)Jau fiel)t ber Stellung
an, baf? ber (Wabiator auf bie Gntfcbetbung ber fieberhaft erregten 3u*
fdjauer wartet — police vorso ober polioe reoto."
33ir l)örtcn bem fleinen beljenben ÜNaune mit Vergnügen *u unb
betuerften faunt, bau er uns allmählich in baS innere beS ÖebäubeS eins
führte unb uns bei jebent Stritt unb Tritt baS 3u>edmäfeige, (Einfache
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2luf ber ^oljrt nadj Spanien.
[27
unb ©eniale ber baulichen 2lnorbnung bewunbern ließ. (Sr ©erwies uns
auf bie breiten ©änge, bie außerhalb be£ eigentlichen ©djauplafoe»1 um
ba** gan$e 33auwerf Ijeruntfaufen, mit u)ren fefjr 5ahlreiä>n Spuren, jum
Sdjauplafce fowof)l, wie inä greie, auf beren finnretdje 2lnlage, bie jebe
Gollifion ber 33cfud^cr ber oberen 9iänge mit benen ber unteren oermetbet
unb bie föneHe güllung unb Leerung bes ungeheuren ftaumee" in wirflid)
erftaunlicher 2Beife begünftigt. <5r ließ un3 ben *8au gnnäc^ft oon unten
au» bewunbern, ben riefigen ooalförmigen Äampfplafe, um ben fid) in
immer größeren Sogen bie sweiunbbreißig ftetnernen ©ifereihen bis jur
£öf;e oon fedfoig guß aufbauen. $ann führte er uns auf bie erfte
©alerie, bie wieber einen ganj anbern 2lnbli<f gemährte, unb enblia) auf
bie t)ödhfte §öf)e ber Sittica, oon ber aus mir ben Sluöbtidt auf bie ooll=
fommene ©lieberung unb 2lnorbnung bee" gewaltigen SaueS Ijatten. $on
ber #öf)e am gefehen macht biefeS tyxxüajt fttntmal ber einftigen ©röße
einen wunberooüen ©inbrucf.
Cben an ber 2lttica finb nod) bie unoerfennbaren 6puren ber Eräger
raatjrjunefjmen, bie ehebem bie ungeheuren Helarien 5um <Sa)ufee gegen
Sonne unb Siegen — ba$ 3eltbadt)r ba$ über ben ganzen 9toum gefpannt
werben fonnte — füllten, ©benfo erfennt man beuttid^ in ber 2lrena felbft
bie Vorrichtungen, bie ba$u bienten, ben flampfpfafc ju einem großen
SSafferbaifin $u oerwanbeln, fo baß außer ben Stier; unb Sttenj'chenfämpfen
aud(j Seegefechte — 9?aumaa^ien — aufgeführt werben fonnten. 3n unterer
Wegenwart werben in bein geftfpielhaufe bisweilen Vorftellungen oeranftaltet,
bie feiner ursprünglichen Veftimmung ungefähr entfpred)ert: e3 finben ba
Stiergefechte ftatt. 3lllerbing3 nur hewulofe, eigentlich nur Stierfd)ein=
gefegte, bie ben £ofm unb bie &eiterfeit ber benachbarten Spanier Jer«
oorrufen.
iaS britte bebeutenbe $enfmal au» ber Siömerjeit ift ber oon einem
£atn, bem alten SNmnphäum, umfehattete Xempel ber Siana. tiefer &ain,
ber fidt) mit ber ,3ett einem mobernen tyaxU mit ©artenanlagen um=
geftaltet t)at, unb ber ben &auptoergnügung3punft ber Vewofnter ber füllen,
faubern, wofjlgepflegten unb oorjüglid) gepflafterten Stabt bilbet, fül)rt
jefct nach einer weit unb breit berühmten Duelle, bie ba fprubelt, ben
Manien „La Fontaine". Sdjon im 2lltertf)um muß fid) biefe Einlage,
wie au3 ben noch erhaltenen Ruinen ju erfennen ift, burdj wunberbaren
5?ei(3hthum be3 3lu$fd)mucf$ ^erüorQet^an \)aben. Ser £empel ber £iana
ift frcilicir) arg oerfallen, aber bie (Sinjelljeiten fpredien trofe ber graufamen
^erroüfiung unb Verwitterung nod) oon ber alten Spracht. 3m 3'l»ern
finb jefot aÖerhanb antife $unbe au£ bem Dhjmphäum: Säulenfnaufe unb
Äapitäle, ©eräthe unb 2Beibbetfen, Statuetten unb lüften, pfammengeftellt,
bie meiften in erbärmlichen Verftümmelungen, fo baß fie ben 9lrd)äologcn
met)r intereffiren bürfteu, al^ fie ben ftunftfreunb ju feffelu oermögen, aber
einzelne bodj noa) in einem 3uftanbe, ber frühere 3d;önl)eit erfennen läßt.
•Jiort) unb LI., IM. 9
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\2S
Paul Sinbaa in Setiin.
2Bie oermiBten wir an biefer Stelle bie leben3frifa)en Erläuterungen unfere*
lebhaften f (einen Cicerone au$ bem Amphitheater! $ie ^förtnerfran, bie
uns führte, war entfefclich einfältig. Sie wu&te gar ntäits, bie gute
grau, unb befchränfte fta) auf bie einige Mittheilung: „grüfcer fott ba*
feljr bübfa; gewefen fein/' — „U parait quautrefois c'6tait tres-joli/*
SKenn fie eine pofltioe Angabe machte, fo war biefe regelmäßig falfa). £>er
Untertrieb jwifchen Reiben* unb Ghriftentbum war ihr nicht ganj flar
geworben. Ein forintfjifd&eS Säulenfapttäl erflärte fie für ein Taufbecfen
unb einen ^erbrochenen 2lpoll für Johannes ben Käufer.
3u bem 2Iu3flug nach bem grofcen Slquäbuct, einer ber grogartigften
unb bebeutenbften aller römifd&en Sauten, bem 5|>ont bu ©arb, ber in roilb
romantifa)er ©egenb etwa brei teilen oon 9üme3 entfernt liegt, unb an
ben id) oon meiner ^ugenb her eine unauslöschliche Erinnerung bewahrt
hatte, fehlte es uns bieSmal an 3eit.
Unfer nur wenige Stunben währenber 2lufentha(t in Montpellier
galt weniger ben SehenSwürbigfeiten ber alten frönen Stabt, weniger
ben herrlichen Anlagen bes ^exjrou, bem Triumphbogen unb bem gro§;
artigen SBafferfchlofj, als ber wehmütigen Erinnerung an einen metner
älteften, beften unb treuefteu 3ugenbfreunbc, an einen ber SÖenigen, welche
bie menfchlichen ©efüljle unb bie greunbfdjaft über bie grage ber Spolitif
unb ber Nation fteflten, an ben eblen SBaron Jacques be BU®,, einen
2Mblutfran$ofen unb leibenfd^afttid^en Patrioten, ber als Offizier unter
Söourbafi gegen uns gefodjten hatte, aber bis $u feiner legten Stunbe feinen
beutfdjen greunben ber befte unb treueile greunb gewefen ift.
2US wir Montpellier oerließen, war bie Sonne fajon untergegangen,
unb wir burchfuhren bie Strede bis jur fpanifdjen ©renje auf ber &in*
faln*t in ber 9^ad)t. 2iuf meiner SHüdfahrt aber fal) id) baS herrliche fianb,
burd) baS ber (Schienenweg gelegt ift, im t)ellfteii Tageslichte, fah baS
blaue SBaffer beS ©olfe bu £ion, bie gewaltigen Lagunen, fah im hinter-
grunbe bie jerriffene Jtette ber rauhen Seoennen, in benen bie merrroürbig
philofophif^e«/ fnorrigen, einfamen 9Wenfd;en häufen, bie gerbinanb gabre
in feinen fd)önen Romanen fo ergreifenb gefdjilbert hat, fah bie djarafte-
riftifchen unb intercffanten Stäbte, bie in ber frühen ©efdndhte granfreichS
eine fo große 9Me gefpielt h^en, fah bie weiten gelber, bie t>on ben
furchtbaren Verheerungen ber ^bullorera fo graufam gelitten haben.
Ter ganje Stria) oon Firnes bis über Gerte herab ift oon ber
fürchterlichen Reblaus gerabeju oerljeert. £unel unb grontignau, bie uns
ben herrlichen MuScateller fpenben, ben „liebfien Suhlen" im „höl$en
9iödlin," ber „beim Süirtb im Heller leit", finb am fdjwerfien hetmgefudjt
worben. Seit fahren gicbt es feinen guten franjöfifchen MuScateller mehr.
$ie 22einfelber haben au*gebranut werben müffen. 3)ian hat alle möglichen
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21 nf &er ^a^tt nad? Spanten.
$erfua;e unternommen, ben ©chaben, ben baS gefräfcige Ungeheuer ange*
rietet ^at, roieber gutzumachen. 216er es ^at trofe aller 2tnftrengungen
nid&t rcd^t gelingen wollen. 2Ran tyxt 93orf errungen getroffen, um bie
SBeinpflanjungen lange 3eit unter 2Baffer ju fefeen ; man hat californifdhe
Trauben gepflanzt, an benen bie SReblauS feinen ©efchmacf finbet; man
hat eine neue 2Betncultur hervorgebracht, a&er e$ ^ bie alte gute.
Quantitativ wirb man vielleicht $ur §öhe ber früheren ©rgebnijfe roieber
auffteigen tonnen; aber bie Hoffnung, bafj bie alte Dualität roieberfehren
roerbe, wirb felbft von Dptimiften nicht getheilt.
Sir nahem uns (Eette. @an$ in ber gerne jetgt fid) auf einmal
ein fdmialer blauer Streifen, beffen intenfioe garbe baS bunfle $3lau beS
Rimmels nod) übertrumpft. @S ifl baS SBaffer beS SKittellänbifchen
■DJeereS. (SS entfchroinbet roieber unferen 2lugen, um balb aufs neue unb
breiter roieber aufzutauchen. Unb nun führt bie $3at)n fchroff an bie
Äüfte heran, unb mir fehen baS uferlofe unenblidje 3J?eer in ber tiefblauen
gärbung beS ©eroitterhimmels. Unfer Söeg führt über fdjmale Sanbe
ftreifen aroifdhen bem 2)Jeer unb ben binnenfeeartigen £agunen, bereit
Söaffer ftä) burch bie fchioefelgrüne garbe vom lajulifarbenen 2öaffer beS
©olfs fajarf abhebt. ©onft mürben mir oft oermeinen, auf einem in baS
3)?eer gebauten £amm bahinjufahren.
3n ßette halt ber 3ug über eine ©tunbe. Unb baS reicht vollfommen
aus, um und ju überzeugen, bafc mir nicht langer ba ju bleiben brausen.
$>ie ©tobt felbft ift reijloö. 2Bir lachen über bie ©dulber, bie mir fn*r
unb ba feben: „gabrication oon echtem SRheinroein", über bie granbiofe
(Ehrlichkeit ber 2Beinfälfdj>ung. 93or bem hochgelegenen ©tationSgebäube
befinbet fid) unter freiem Gimmel ein angenehmes Gaf& mit ber 2luSftcht
auf bie mit fleinen Räuschen bebecften &ügel unb auf bie regiame ©tabt.
$er ganje 2Öeg oon (Serte über Stiers, Sorbonne bis ^erpignan
gewährt uns beftänbig reijoolle 2luSblicfe, balb auf bie grünlichen Sagunen,
beren 3Bafferfläd)e mit flaumigen SSeüen leicht geträufelt ift, unb auf
benen zahlreiche Heine Soote freuten, balb auf bie bunf elblaue glädje
beS SHeereS, auf ber in weiter gerne roeifjleucbtenbe ©egel im ©onnen*
ichein blinfen. 2)ajroifd)en liegen roieber ©trecfen auSgebörrten, mattgrauen,
gelblichen SobenS mit farblofen ©teinhäufern, MeS in gebrochenem, grau*
gelbem Xone. ©S ift ein S3ilb oon rounberooHer SKannigfaltigfeit.
Unb hier liegt 23 65 i er S unb nicht roeit baoon ^6j6naS. Unb
lüäfn-enb ber (Sonbucteur gleichgültig ben tarnen Wd^et* ausruft, roie
jeben anbern, ftellt fich unferm ©etfte ein anmutbtgcä unb feffetnbeS 33ilb
aus ber Vergangenheit bar. &>ir gebenfen einer luftigen ©djaufpieler*
banbe, bie cor 230 3ahren fner beSfelben 23eg$ gejogen fam. 3luch fte
fatn oon Snon herab, ©ie hatte allen 3ammer unb alle £uft ber herum*
jiefymben Äünftlerbanben gefoftet, unb In" ™ 33ejierS blühten ihr
golbene Xage. &ier burfte fie oor ben ©tänben, bie bort oerfammelt
9*
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J30 pauf £inba» in Berlin.
waren, gefioorftellungen geben unb erlieft von ben freigebigen reiben
SeigneurS fo »iel ©elb, baß fic alte Sdjulben bejahen, einige äßodfcen
in SauS unb SrauS leben unb etwas für bie großen ^tane ber 3nfunft
bei Seite legen tonnte. 2ln ber Spifce biefer faljrenben ftünfUer ftanb
als Xirector ein junger üftann aus guter gamilie, ber Sofm eines adjts
baren Sßarifer 93ürgerS, ein oerpfufd^ter 3uxi\t, melier ber f)übfd)en l'aroe
einer t>erfüf)rerifä)en Sdjaufpielerin ju Siebe fein Stubium an ben 9taa,el
gelängt fyxtte unb Gomöbiant geworben war. 3n SPariS Iptte biefe
luftige ©efellfdjaft feine Seibe gefponnen, unb fo fudjte fte benn iljr öeil
in ber $rooin$. ©eflatfd&t unb ausgepfiffen, oer^ätfd&elt unb geprügelt,
in jeitroeiligem Ueberfhtfc unb lange anbauembem Jammer burcfeog bie
©efellfdjaft gan$ granfreid), oon ^PariS bis $um füblidrften Sipfel. Sauter
junge Seute, alle oergnügt. Unb ber birigirenbe Säjaufpieler meinte, er
fönne am (*nbe audj einmal ein Stücf fd&reifcen. So oerfudjte er es benn
in Soon mit einer Ueberfefeung aus bem ^talienifajen. Unb mäbrenb
er roeiterjog, fd)rieb er, angeregt bur# einen fremben Stoff, ein beinahe
ooattänbig felbftftäubigeS eigenes Stfid. Unb als fie in 336$ierS «or ben
Stänben fpielten, mar er bamit fertig, unb ba liefe er eS aufführen,
tiefes fleine Stüd enthielt eine SiebeSfcene, bie oon feinem bramatiic^en
SJieifterroerfe an ^nnigfeit, naioer Seibenfdjaft unb ^er^litt)feit ubertroffen
wirb. Unb baS Stüd fjiefc: „$er SiebeSäroift" — „T)6pit amoureux".
£er Xidjter unb Sdjaufpielcr aber f)iefj Poliere. $ie erfte 2luffüfyrumj
feines erften toafjren ÜuftfpielS fanb in Stiers jtatt, in ben legten
Monaten beS Saures 1656.
Sfi>ir begrüben im gluge baS uralte Sorbonne mit feinen finfteren
Sfjürmen unb dauern, baS Victor &ugo 5U einer feiner fünften epifdjen
«Tidjtungen begeiftert l;at : „Slrjmeriüot", unb enblidj bie lefete ber bebeu-
tcnben unb bie füblidjfte Stabt granfreid)S, ^erpignan. 9hm trennt
uns nur nod) eine formale Strctfe oon ben Brenden. $ie 23a^n bleibt
an ber 5lüfte, unb mir behalten faft unausgefefct, wenn fidj nia)t mut^s
miliige gelSvorfprünge einmal bajurifdjen Rieben, baS fjerriid) blaue 2Saffer
beS ©olfe bu 2\on uor 9Jugen, balb fpiegelglatt, balb oon ber ^ranbung
in ben fleinen (Sinbuäjtungen luftig aufgeträufelt. Unb oben auf bem
gels feljen mir nrie ein artiges Spieljeug bie Ijübfdje fleine geftung Sport
Ü>enbreS. £er 3«g f)ält "un n°d? einmal am Gap Gerbere. 2£ir
nehmen 2lbfd)ieb oon granfreidj unb fd)längeln uns am Speere, an ben
öftlia^en Ausläufern ber Pyrenäen uorbei, auf bie ^berifd)e £albinfel binüber.
2öaS id) im beftänbigen Sonnenfd&ein beS Ijerrliäjften gtüf)lmgS, in
liebenswürbig anregenber unb belebcnbcr ©efellfdjaft in Spanien gefeljeu,
gehört unb erlebt l)abe, baS will id) in jroangs unb anfprudjslofen Sf 15301
über Barcelona, SHabrib, £olebo unb bie l;errlid)en Stäbte 3InbalufienS —
Corboba, Seuiaa unb C>5ranaba — gelegentlich einmal erjagen.
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■
€in Homan ber ejrperimentirenfcen pftdjologte.
(,.Lc Disciple" von paul Sourgct. 3uni {SSf}.)
Von
dlemens Sofal.
— Witn. —
„^ir fei bieS 39ud) gewibmct, junger 2)tonn meines SanbeS, — $ir, ben td) fo
flut feiine , obwohl id) Weber $etnc fceimatSftabt weife, nod) Seinen dornen unb
S)eine Altern, weber 2)cin Vermögen, nod) bte 3icle deines (5f)rgctgeS; obwohl id)
ntd)t» öon $ir weife, als bafe $u meljr als adjtgelm unb weniger als fünfunbgwangig
3al)re gäl)lft, unb bafe $u bei uns, bte wir älter finb als $)u, Slntwort auf bie gragen
fudjft, bie $ein SnncreS bef türmen*
Gin SSorwort, weld)eS fo beginnt, madjt uns WenigftenS auf feinen eigenen weiteren
3nt)ait, wenn nid)t auf ben beS übrigen &ud)c8 neugierig. 28eld)er 2lrt ftnb biefe
grofeen fragen, bie aüe jungen £ergen erfüllen? unb welche Antworten foQ bie bünn*
leibige ©rgäfjlung, we(d)e fo eingeleitet wirb, uns barauf bieten? 2)a Reifet eS nun
tocitcr: ,,3weifad) ift bcr inpuS beS jungen Cannes, bcn id) fegt twr mir fef)c, unb
ber aud) oor 2>ir fdjwebt, in bcibeit formen glcid) Perfud)cnb unb gleid) berberblid).
Xer eine ift ctinifd), babci gutmütig. 3Jltt gwangig 3al)rcn f>at er bie 58ilan§ für
fein lieben gebogen; feine Religion ift enthalten in beut einen äßorte: ©enufe, weldjeS
ftdjin ein anbereS überfein läfet: Grfolg. 2)ennodj fdjciut er mir für 5Md) minber
fdjrcdlid), als jener Slnbere, weldjer, mit aller Slriftofratie ber Heroen unb beS ©cifteS
begabt, nidjtS ift als ein oerfeinerter (Spicuräer, wie jener (Srfte ein brutaler.
Tiefer garte 9Hf)ilift, wie ift er bod) erfdjredenb unb babei wie l)äufig! (Sein früh-
reifer SJcrftanb &at bie äufeerften 9tefultatc bcr ^Pr>t(ofov>r)te bicfer 3«t crfafet;
ÖuteS unb SööfeS, Scrjönfjeit unb §äfelid)feit, ßafter unb lugenben fdjeinen tfjm ®egen=
ftänbe blofeer Neugier. Xie menfdjlidje «Seele ift für ilm nidjtS als ein funfrüoüer
3)led)anismu8, ben gu gcrlegen ilm amüftrt. 3ür if>u ift nidjtS mafjr, nictjtS falfd),
nid)tS moralifd) unb nidjtS unmoralifd)."
9Hd)t3 weniger, als biefeu gmetten XnpuS gu oerförpern ift bie 21bftd)t beS SerteS
— eine 21bfid)t, ber ©röfee nid)t abgefprod)eu werben fann, befonbcrS gu einer 3<it
wie bie jeöige unb in einer fiiteratur wie bie frangöfifd)e, weldje über äufeerlidjem
<Sd)ilbern, Fialen unb öefdjreiben eS orrgeffen gu traben fdjeint, bafe bic $arftelluug
beS inneren SDlenfdjen immer ein &auptgwccf aller Shmft war.
$aul löourgct fann ben fjerüorragenbften litcrarifdjen (yrfd)einungen ber jüngften
3cit gugegäf)lt werben. 25er ^flang feines 9tomcnS als Sritifer fowoi)l wie als dio-
manbicfjter ift in ben legten 3a^ren ftetig gewad)fen, in beiben 9tid)tmtgen mit gutem
ittedjt. Ob man biefem jungen ftttljme ein fold)cS immerwä^reubeS Srortfdjreiten für
fernerhin oorauSfagen fann, ift jebod) gweifel^aft. 23ourgct ift (ein (SdjriftfteUer für
weite Äreifc. Seine 2lrt ift gu oornebm bagu. Seine äBerfe erforberu einen Üefer,
ber t)od) über bem gewofmltdjen SSilbungSmittelmafec ftebt unb mit geübtem Oreingefüf)!
ben eigcntl)ümlid)cn äknbnngen biefeS mandjmal bis gur ftranfl)aftigfeit garten (SeifteS
entgegengufommen oermag. (Sr ^at nidjt bic funfWoll farbcureidje i^af« 3*>to'S unb
aud) uid)t bie originell lebenbige, babei fo leidjte unb worjlfliugenbe Spradjc Xaubet'S.
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\32 Clemens Sefal in W'xcn.
(Sr f>at überhaupt nur wenig Don beut, waS man baä fran^öfifc^ (Sigentbümlicbe nennt
(£ine grünblidje naturwiffenfdjaftlidje nnb pbilofopbtfdi« SBilbung, bie auf jeber «Seite
t'einer SEßcrfe, nur ju oft aud) üorcnb, beroortritt, fowie SBertrautbeit mit ber beutfeben unb
cnglifdjcn Literatur, oerbunben mit ausgeprägter Sumpatbte für englifd* &entart unb
Sitte oerleifjcn feinem ©eifte eine eigenartige balb gcrmantfdjc Färbung; unb bie an=
äiebungSfraft beS ^tootbartigen wirb eS jum großen Xbetle gemefen fein, weldje ibm
bei Dem fransöftfdjen iiefepublilum gu feinem erften (Erfolge Derbalf.
3n feinen bisberigen ©rjäblungen bat ©ourget immer Stoffe bcbanbelt, welcber
pfodwlogiicbe ßurioutäten entbleiten. Sein cigcntlid)eS ©ebiet ift — bie KuftÖfang
von ftätbieln, wie eS fdjou ber Ittel beS SBeifeS anfünbigt, welcbeS tlm wer nirbt
gar langer 3cit ben erften größeren Erfolg erringen liefe: Cruelle Euigme. (£r bat
eine Vorliebe für llnbegreiflid)fcitcn Der Xl>at unb beS ©efüblS, lote fte unfere 3"t
ber überreiaten Heroen, ber wiberfbred)enbcn ©ebanfenfrrömungcn unb franfen 0t»
füble bäufig genug gebiert. 2>ie fcauptperfonen feiner ftoDeaen („L 'Irreparable" u. B.)
uud feiner Sttomane („Crime d'auiour", „Andre Cornelia", „Mensonges") Unb faft
alle frattfbaft angelegt; fte fiecöen au einem moralifeben Reiben babin unb banbeln in
Jotge öon abnormen fd)wädjlid)en (Belüften, (£r fdjilbert feine Sieibenfdjaften, fonbem
bloß ungeiunbe 3uftänbe.
$er Vornan, weldjer öon jenem fdjtoungootten SBorworte eingeleitet wirb, ift
SSourgetS jüngftcS Säerf. (Sr tragt ben Xitel „Le Disriple" unb ift im 3uni 1889
erfdjtenen. üBourgetS SJorgüge fowobl, als bie feiner innerften Watur entfpringenben
Mängel treten in ibm fdjarf beroor.
Tlit feinen SBorgäugern bat biefer Vornan bie ©gentbümlidjfett beS Stoffes gemein,
fcter wie bort eine fcanblung Don oollftänbigcr (Stnfacbbctt, unb bennod) Derwirrcnb
burd) bie 2)unfelbctt ber Seefcnreguugen, roeldje fonberbar burdi einanber öerfdjlungeu
mit gebeimnißDoUcr SNotbWenbigfeit baS ©ebabren ber £auptperfonen beftimmen. Slbcr
toäbrenb Jöourgct ftd) bort bamit begnügt, baS pfndiologifdjc 9tätbfel binjuftcllen, feine
2luflöfung, wenn eS eine foldje giebt, bem üefer überlaffenb, bat er eS tjier untere
nommen ben eigentbümltcben Satt, ben er Dorfübrt, felbft ju erflären. flonnte boeb
nur auf biefe 2lrt erhielt werben, waS bem iliScrfe feinen watjren Sßertb oerleiben
follte: baß nämltdj bie $auptgeftalt aud einem einfad) tranftjaft angelegten 3nbioibuum,
als meldjeS fte erfebeiut, ju einem bebeutenben XnpuS mürbe, ber einen getfrigen ©runb^
jug ber 3«t wieberfpicgelt, au ienem XppuS, beffen baS Vorwort erwäbnt. Um
biefer Söirfuug fidjer ju fein, bat iöourget fogar einen Sdjritt meiter getban — feine
Slnalpfe b<it eine beinab« toiffcnfd)aftlid)e ftorm angenommen, (fr bat baS &ben
feines gelben glcid) unter ein Softem gebrad)t unb fcfct bem 2efer unter oerfebie*
benen ©etidjtSpuntten auSfübrlid) auSeinanbcr, »eSbalb 3cner eben fo böt werben
müffen, tote er geworben.
(Sin {Roman biefer 3?lrt gebort begreift idicrtoeife nicht $u benen, oon beren ^anb»
luug bie ^nbaltSergäblung einen erfd)öpfenben ^Begriff gu geben oermag. 'nie
^Birfung min ir.cx in beu enblofen Nuancen ber Stimmung, in ber Häufung fleiner
3ügc unb beren Skrbinbung, toäbrenb baS ©efdjebenbc felbft nur ben JHabmen bafür
bilbet. tiefer JHabmen ift aud), wie bie *üetrad)tung balb jeigt, aus getoöbnlidjftem
^olje gefd)ttiöt unb Don mittelmäßiger Arbeit.
Vibriert Sifte ift ein ©clebtter elften langes, berjenige, ben bie ©nglänber ben
fran;öfifd)en Spencer nennen, b'v lebt in ^ariS; aber ebenfo gut bätte er feinen
äi>obnft6 in bem üerborgenften äüinfel einer ^roDinjftabt wählen Runen — fein S)afein
tonnte baium ntd)t ftiüer unb weltfremder babinfließen, als in feinem OunggefeUen»
quartier in ber Kuc Guy de la Brosse. 2)iefer %4il)iIofoPb Don langiäbrigcm ÄBelt«
rufe, ber Söerfaffer einer „Fsyehologie de Dieu", einer „Anatomie de la volonte"
unb einer „Theurio des passiou.s", Don SHierfen, beren erfebreefenbe ©ebonfen»
fübnbeit unb unerbörtc ^acftfjeit beS JluSbrucfS Stürme ber ®ntrüftung beroorgerufen
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<£in Koman ber erperimentirenben pfydfologie. J33
baben, fübrt unter bem Sdmfee unb bcr §errfd)aft feiner fcauSbältcrin bie eintönigftc
aller SßbiliitereEifiengen. (Sr, ber große ^fndjologe, beffen Snfteme fid) auf einer tiefen
ffenntniß ber menfdjlidjen Seele ergeben, meld)er als ©rfter baS große äöerf unter*
aommcii Ijat, bie ©rfdjeinungen beS menfd)lid)en 2MenS unb Junten» auf pfjnfiologifd)e
Urfadjen gurücfgufüfjren, weld)er in einer Slnaltife ber Siebe eine SDlenge ber feinften
Seobadjtungen über biefeS gartefte aUer ©efüble niebergetegt — er fjat eigentlid) nie
bobaebtet, Weber an ?(nbern nod) an fid) felber; er fort nie mit SRcnfdjen gelebt, nie
geliebt 1 ütBofjer fontmt ifjm nur biefer untrügliche ©djarfbltcf in bie Xicfen beS
mer.fd)lid)en ftergenS, meld)er iljn Don felbft gum paffenbften Vertrauten iu ben folgenben
©eelenrotrrniffen ftempcln foff? „Der N]ftann ift ein ©enic!" antwortet Vourget, „unb
als foldjer ift er im ©tanbe HtteS gu fennen unb su begreifen, ohne es je gefeben
nodj mitgemadjt gu baben. Damit miiffen wir unS begnügen, wenn wir nidjt, minbec
pläubifl, §errn Slbrien Sijte, biefen p^i{ofopr)ifd>en Vüd)erwurm, bem bie gebratene
SJlenfdjenfenntnifj in ben 9)tunb geflogen fommt, für ein SBefcn erflären wollen,
tocldieS toofjl nur in bem ©ebürfnifj beS 9lutorS nad) einer fotd)en ^erfon feinen
üerunglüdten Urfprung gefunben.
2Bie bem aber aud) fei, baS fteljt feft, baß biefer ©elefcrte ebenfo meuig 3eitungen
lieft, als er mit ÜRcnfd>en Derfchrt, unb baß er bab,er ^öd)Iid)ft erftount ift, als er
eineS XageS eine Vorlabung gum UnterfudmngSridjtcr erbält unb Don biefem erfährt,
baB tx als 3flige in ber Straffacbe miber Robert ©reSlou oernommen toerben fott,
bie ilnn gänglid) unbefannt ift, obwohl fie feit 2öod)en ftranfreid) in Spanung hält.
Robert (»reSlou ift ber Warne eine» iungen Cannes, welcher Don glüfjenber Vewunberung
für bie SBerte beS großen 5(5^iIofopben burebbrungen ihm Dor gwei fahren eine
(SrftlingSarbeit gur ßritif eingefenbet unb auf ein anerfennenbeS 9lntwortfd>reiben ihn
aud) fpäter befudjt r)at. Der UnterfudmngSridjter tbcilt bem ©rftaunten nun mit,
baß berfelbe junge 2Rann in töiom beS 2Worbe8 burd) Vergiftung beS 3*äuleinS
(Sharlotte be 3uffat, ber jungen Xodjter beS fcaufcS, iu toeldjem er fid) wäbjenb beS
legten 3abjeS als ©rgicher befanb, angeflagt fei. Die Verbad)tSgrünbe feien über*
waltigenb; fie reichten au* ihn wegen ber Dhat gu bcrurthcilen, ungeachtet beS uner*
flärlichen SdjweigcnS, in bem er feit feiner Verhaftung ftarrfinnig Derharre. 9Jtef)r
erftaunt al« erregt, Derläßt Sttbrien ©i^te ben 9lid)ter, nadjbcm er biefem guDor ben
gewünfdjten Slnffcbfuß gegeben. 3n SRobert @re8lou& balb DeTbrannten 2tufgeidjnungen
ift ber rätbfelljafte ®aö gefunben worben : „$ie pfttdjologifdjen (rrfabrungeu wären fo
fefjr als mög(id) gu Dermetjren". Wit ÜRü^c madjte nun ber ©elebrte bem Siebter
begreiflid), baß jene mobemfte Sßiffenfdiaft, welcher er unb wofjl aud) ber junge 2ln=
geflagte angehören, ein ÖEperimcnt mit einer 2cibenfd)aft für ebenfo möglid) balte,
wie ben Sfcrfud) einer djemifeben Verbinbung. — 9?ad) i&aufe gurürfgefebrt, finbet ©ijrte
bie Butter ©re»Iou8 bei fid). (Sie bringt i^m ein Sdjriftftücf Don ibrem Sobue,
eine wiffenfdjaftlicbe Arbeit, wie fie glaubt, bie biefer im (Befängnifj gefd)rieben. öS
unb bie 3(ufgeid)nungen beS Unglücf(id)en über fid) felbft, Weldje er für feineu „bob^eu
Weifter" beftimmt bat, für ben Genfer, gwifdjen beffen 3been unb feinem %t)ün
„ein »anb beftetjt, Weld)eS anbere 3Jlcnfd)en nidjt gu begreifen Dermögen, weldjeS er
aber eng unb ungerreißbar fütff, nur für ir)n allein!
§ier beginnen nun biefc „©eftänbniffe eines jungen 9)?anneS unferer 3«t," gu
welchen baS ViSberige nur (Einleitung war. Vom affectirt wiffenfdxiftlidjen Xoue
ber Selbftserflfiebemng, in weldjer ber junge „Sdjüler" feinem 9Jleiftcr gegenüber unbe*
wüßt eine ^ofe annimmt, auffteigenb bis gum fdjmerglidjen Sluffdjrei eines leibcnfd)aft=
rtdjen, Don 2Biberfprüd)en gequälten $>ergeuS unb wieber b«rabfinfcnb gur leifen ftlage
eines garten ©emütbeS, weldjeS SHeue füb,lt unb um unwieberbringlid) dahingegangenes
trauert, fo gießen fid) biefc eigent^ümlicben ©efenntniffe beinabc bis gum (Sdjluffe beS
AomanS babin, bie fettfame üeibenSgefdjidjtc einer jungen Seele cntbüüenb.
SRobert ©rcSlon ift fein lUörbcr, abef er ift uidjt unfdjulbig am Sobe beS jungeu
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Clemens rofal in ZPien. —
3JcäbcbenS; er hat if)r nicht felbft baS ©ift gereicht, aber er war bcr©runb, um beffcn
willen fie eS na()m. Um bieS erflären gu tonnen, muß er gucrft ftd) felbü erttärett.
<Sr tfmt cS, inbem er in gmei 2tt>fdmttten gucrft bic Ginflüffe beS „©Terbten" auf
fein ffiefen, bann bie Umgcftaltungcn, meldte baSfelbe burd) ben ©itbungSgang erlitten,
barftcllt, tote eS ftd) für einen jungen ^b,i(ofopb,cn einem alten ©elchrtcn gegenüber ge*
bütjrt Üöcnig fehlte, unb er rjätte biefe 2tbfdf)nittc noch hübfd) fuftematifd) in eingeht:
Paragraphen gertheilt ober in einer überfidjtlicheu Tabelle aß bie förperlicben um
geiftigen llrfadjcn gufammcngcfaBt, bie ihn oom ©laubenScifer feiner flinbtjeit burcn
ben 3uftanb einer miliaren Schnfud)t h,inburd) bem ffiiffen guführten unb ibn in
• biefem mobemen ÄBiffen — ber ffiiffenfdjaft eines 5>lbrien Sijre unb gleicher ©elfter —
feine 2eben3anfd)auung unb i'coral iudtett unb fdtücBlidt and) finben liefen. riaS
bat er nun gefunben? Gr fagt bieS ausführlich unb an Dielen ©teilen biefer f.Teinen
Pbtlofoprjifchen Slbhanblung. „2Jcaud)maI glitt eine SJipcr gwifchen ben Steinen ber
ftanbigen Strafte barnn; baS gefährliche Xljicr erfdjien mir bann als beweis be: ©leid):
gültigfett biefer Statur, meldte ohne :U::düd)t baS Sebeube oermebrt, ob eS min roohl*
tl)ätig ift ober Derberblid). 3d) füllte bamalS mit unwiberftcblidjcr st raft alL'U fingen
biefclbe 2eb,re entftrömen, mie Sbren Scrfcn, mein SDcciftcr; bafe mir nämlich nichts
haben aß uns felbft; bafe baS 3dj allein wirflid) ift; bafe biefe SHatur nichts Don uns
weiß, ebenfomenig mie bie iUcnfdjen; baß biefe ebenfowobl als jene uns nidus
bieten tonnen als ^ormänbe gu fühlen ober gu beuten !" Ia-> ift bic Floxal biefeS
eigcnthümlidjen gelben ; nicht ohne ©runb bat Sourget Tie an biefer fraftüoüften Stelle
bem 2ttlbe eine» giftigen äöurmcS unb borrjer noch bem Söilbe einer ©iftblume ent*
fpringen laffen.
80 ausgerüftet tritt ©reSlou in'S ßeben. Sein ©fjrgeig ift natürlich febr hoch*
füegcttb, er träumt oon einem bcriibmten tarnen in ber SSiffenfcbaft. Vorläufig
Derfudit er cS mit einer Prüfung an ber UttiDcrfttät unb — fällt burd). Sur bic 3eit,
bereu er bebarf, um ftd) Don Beuern Dorgubereiten nimmt er eine ©rgieber*
[teile im fcaufe beS SflarquiS be 3»ffat an. ?(ufentb,alt in einem mettcntlegcnen
£orfe, langmeiliges itrüfungSftubium, Derbunbcn mit beut teincSmegS amüfanteren
Unterrichte eines 12 jährigen Söurfcben, bagu als Umgebung ein btjpodjonbrifcher,
fdjruHcnbaftcr alter Gbclmann, feine ftrau, „eine murterbafte Haushälterin", fein Sohn,
©rai 2lnbr<5, ein SportSman, welcher bem jungen Jöücbcrrourm Don §ofmeiftcr ein menig
gcringfdiäQig begegnet unb in biefem Dom erften Slugenblicfe an eine fjalbinfttnctiDc
XUntipatbic ermeeft, einige bebcutungSlofe ©eftalten unb — fdjlicBlid) bic $od)tcr, jung,
lieblid), fdjüdjtem unb gartfüblenb in ihrem (Jntgegenfommen für ben jungen üDiann,
bem fie feine unangenehme Stellung im £>aufc gerne erleichtern möchte, babei Don
meidjem, ein menig romantifdjcm ©emütljc — mo fotttc ein junger 2)cann Don gmei»
ltubgmaugig fahren fid) gum erften Tlai Derlicben, menn nicht hier?
(5r verliebt fid) aud); aber meld) fonberbarc fronnen nimmt baS naioftc aller ©e*
fühle bei biefem ©eifte an, ben ber unnatürliche (SgoiSmuS einer bem ffiiffen allein
eutfprungeucn ffieltaufd>auung bis in fein 3uuerftcS franf gemadjt hat; für ben eine
ihm gur Scatur gemorbene unabläfnge Selbftbeobadjtung feit langem baS unbemußte 8luf«
feinten einer Neigung hat unmöglich werben laffen! (Siuige theilnahmeuoaeSölicfe beS jungen
3)läod)enS, unb er bcfdjlic&t nidjts weniger — als fie gu Derführen. Gin cigenthümlicher
Jöerführer, biefer junge IN a mt, ber fein Unternehmen als miffenfchaftlichcS (Sjperiment
betrachtet unb mit pebantifdjer ^artnäcfi gleit ber Dteihc nach alle 2Jlittel in'S &elb
führt, bie er feinen 2Jüd)ern unb bem eigenen Sdjorffinn für biefe „pfndjologifche Gr^
fahrung" entnommen; ber babei gugleid) linfifd) unb unerfahren mit franfhafter Scnft^
bilität felbft bor ben ©efühien gurüeffchriett, bie er herDorgerufen! 2ßelcher Xriumph
aber aud), als baS Grpertmctit gelingt, als er nad) ftiftematifd) burchgeführtem Selb*
gitgSplaue, nachbem er bic Neugier beS vJJJäbd)ens burd) eine ftubirt gehcimniBDoUc pofe
erregt, ihre Sentimentalität burd) forgfam hiefür gemählte fieetüre gefteigert, ihr »iitlcib
unb ättm £l)eil auch fcfjon ihre Gifcrfttd)t burd) eine erbidjtete üiebeSgefchichte auS feiner
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(Ein Koman beu erperimentirenbcn pfycf?olo4jie.
(35
SBerflangcnfjeit für ficft gewonnen r)at — fd)lierjlid) bas SicbeSgcftänbniB, weldjeS ibre Sippen
t^m nod) oerweigern, in frummen aber unjmeibeutigeu 3«<^en au&gcfprodjen finbet!
£od) gcfäljrlid) ift'S mit bem tjeucr unb nod) gefäfyrtidjer mit ber Siebe ju fpielen,
biefen einfädln Sag t)at ber junge ÜJiann überfein. 2)ic „pfndjologifdje (Srfabruug"
fctjrt ftd) plö&lid) lebeubig geworben wtber ifm felbft. (Sr tjat iid) juleöt mit ber gansen
Äraft eineÄ jungen IcbenSburftigen ^e^enS in ben ©egenftanb feiner eigenen Unter*
fudmng oerlicbt; ja — wer oermag biefen balb fetteren, Ijalb rübrenben SSiberfprud)
3u (öfenV — er hat bieüeidjt gleid) oon Slnfang an geliebt, unb bie einfadjc 2Bar)r^eit
unb Äraft biefeS ©efübleS tft eS gewefen, wclcbe ihm ©egenlicbc errang, wäljrcnb er
mit überflüffigem Scfiarfftnn raffinirtc (yrobcrungSpläne burcrjfitrjrte. So tft aud) fein
Sieg jur Sfteberlage geworben, als baS Stäbchen, um feiner eigenen 9leiguug ju ent«
fliegen, ben Sanbfie berläßt unb nad) ^aris reift. 35er Stampf, ben er nun eine 3"t
lang gegen ftd) führt, muß mit bem pollftänbigen Xriumpbe feiner Siebe enbigen, als
bie 9tod)rid)t oon ber Verlobung beS ^räulcin o. 3uffat mit einem früher abgewiefenen
freier feiner Seibenfdjaft in ber (Siferfudjt eine mächtige ©enoffin fdjaffL
2lber eS fott anberS fommen. SBeber ftludjt nod) Verlobung haben baS 9ftäbd)en
bor ihren ©efüblcn fdjü&en tonnen. £ic Äcantbcit ihres jüngeren JÖruberS ruft fte
auf baS Sanbgut in bie oerfjängnißDolle SRäbe ©reSlous jurüd1. Vergebens oerfudjeu
jefct bie Reiben nod) junt legten 2Me toiber bie ibr 3nnereS überflutb,enbe
Seibenfcbaft anjufämpfen. (Sin Vrief ©reSlouS, in welthirm er ihr feine auf*
richtige Slbfidjt anfünbigt, feinen Seiben in ber 9tod)t bind) ©ift ein (snbc ju madjen,
uio ben er mit anerfcnnenSmerther Vorfid)t ihr nod) im Saufe bei Xagcä jufommen
läßt, bringt ÜJJWe. be Suftat 9tod)tS in baS 3tmmer bei (beliebten. Sie will mit ihm
jufammcu fterben, nur beShalb ift fie gefommen; aber baS ©eftänbniß ihres ©efühlS
überwältigt ihren Hillen unb it)re Sinne, Veoor fte an bie Ausführung irjreö Oer*
zweifelten (Sntfchluffcfc get)en, foften bie enblid) Vereinreu alles ©lücf ber Siebe.
Jgier war eS, theurer SReifter, wo bie feltfamfte ^Beübung biefer ©efd)idjte
eintrat — jene, welche bie 2Belt wohl bie fchmadroollfte nennen würbe; aber jwtfcben
uns Reiben haben foldje 2ßortc feinen Sinn, unb ich werbe ben ÜÄuth haben 3&nen
SlllcS itber jene Stunbe $u fagen."
2118 ber erftc Xaumel beS ©lücfS borüber ift, währenb bie enblid) errungene
©eliebte an feiner Seite fd)lummert, geht in ber Xb^at ein fonberbarer Sßrocefe in ber
Seele biefeS jungen Cannes bor, weld)em mit ber Uumittelbarfeit be8 Jyü^lenS aud)
bie Äraft oerloren gegangen ift, fid) feiner Neigung gang ju weisen.
3ft e8 ^eißlieit^ SlUe«, wai bie 2eibenfd)aft für eine 3eitlang in tljm fort=
fleftfjwcmmt batte, feb,rt jcöt jurüd: bie füble Selbftbctrad)tung, weldje ba8 jarte
®cfüb,l erbarmungslos auf ben 3nftinft 3Urürffüb,rcn will, ber gren^enlofe (Egoismus
einer !ÖJeltanfd)auung, bie 3lücS anzweifelt außer ber 2Bal)rb,cit beS 3d); e8 erfajeint
itjm ungereimt fid) felbft ber SJernidjtung ju übergeben um eines ©efüljleS willen,
WelcbcS il)n nid)t mebr ganj gu erfüüen Dermag oon bem ^lugenblitfe, wo er eS fid)
wieber anatnftren fann. 6r befdjwört 2RlIe. be 3"ffat auf irjreu (^ntfd)luti 3« t}^'-
gtd)ten unb lieber gemeinfam mit itjm burdj'S Sieben ftatt unnötfjigerwcifc in ben Xob
ju gcb,en. Sie ftößt ihjt entrüftet äurücf, töbtlid) getroffen burd) bie plöylidjc C^tnftd)t,
Weldje ibr biefe Sporte in fein 3»«crcS eröffnen. Vergebens fud)t er wäljrenb ber
nädjften Xage fic 31t berföbnen. 3b,r gefränfter Stots oermag biefen Sd)lag nid)t
ju oerwinben; fie tobtet ftd) mit bem ©ifte, weld)e3 fic auS ©reSlouS ;iiuimcr ent--
wenbet. ©cgen biefen febrt fid) nun ber ilerbadjt eines 3)iorbeS au bem SNäbcben,
burd) bie Häufung ber^ängnifebollcr SHebcnumftänbe wirb er überwältigenb; er wirb
beruftet unb get)t im ©efängniffe oon Sliont feiner Verurteilung entgegen. (Sin er
nur weiß um feine Unfdjulb. 3n ber legten llnterrcbung oor bem Selbfhnorbe bat
9NUe. be 3uffat ib,rcm Verführer erflärt, fie tjabe tb,rem 2?ruber Slnbre in einem «riefe
il)re Slbfidjt ju fterben unb bereit ©ruuö anuertraut. ^Iber ©rar 21nbre fdjweigt an»
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\56
Clemens Sofal in W'ttn
gencbt» ber SBefdntlbigungen, bic mibcr ©reSlou erhoben »erben, benn et öermag c»
nidu feine Sdnoefter befi guten Stufe», mit betn fie in» ©rab gegangen ju berauben
unb bat auä) nicfjt» Dagegen, bafe bie 3ufttg ftatt feiner bie 9täd)errolle fpiele.
©reSlou Oertbcibigt fid) nidjt; er fdjmcigt trofcig, fid) an ber ©emütbigung toetbenb
mit melier ba» Semufetfein fetner eigenen uneblen SRolle ben Stol$ be» Järiftotratcn
meberbrücfcn mufj. Slber er fdjtbeigt niebt beSlwlb allein. $ie lefiten SBorte tiefer
©eftänbniffe" fagen e» beutlid): „Scbreiben Sie mir, mein SJceiftcr, lenten Sic
mirf). Störten Sie mid) in biefer Sebre oon einer allgemeinen 9h)t&toenbigteit,
meld* felbft unfere fcbänblicbften fcanblungen, felbft biefe fübl unternommene 2*er=
fübrung, felbft mein feige« 3"rödbeben oor ber (Erfüllung meine» fcobeSoerfpretben*
mit ber ©efammtbeit ber ©efefce biefe» unerme&lidjen SBeltaÜ» oerbinbet. Sagen
Sie mir, baft id) fein Ungeheuer bin, bafe e» teine Ungcbeuer giebt"
Sr jtoeifelt, — er fiiblt fid) fdmlbig, — er toiU büfeen!
2lber ift er mirflid) fdmlbig? SBourget antmortet mit 3a! — mir antworten mit
Wein! — Unfrreitig mar e» bier »ourgef» 2lbftcbt bargufteUcn , toie ein Don Watur
eble» ©emütf) burd) eine 2Jloral, bie feinem Denfen entfprungen, aber oor feinem
ftübten nid)t beftebt, unmiberfteblid) jur Sdnilb getrieben toirb unb über biefe bann
niebt bwiocgfommen fann. Slber in ber £anblung, bie fid) oor un» abfpielt, ift biefer
©ebanfe ungenügenb DerfÖrpert. $afe ©reSlou bie lobte bat Derfübren motten, um
am Scbaufpicl ttjreS ©efüble» feine Neugier ju befriebigen, fann tfjn nod) nidit
fdmlbig machen. $at er ftd) boeb — unb toie balb! — in fie ebenfo Oerliebt, mie bie» ber
grünfte 3mtge oon jmonjig $abren e» an feiner Stelle getban bätte, meiner fentimentale
©ebidjte oeriafet, ftatt 3lDrien Sijte unb moberne ^bilofopben gu lefen unb Spinoja
ju citiren. $afe er bann, al» bie (Beliebte nad) langen Stampfen fein getoorben ift,
Ploölid) baüor aurüdfdirirft feinem ßeben ein (5nbe su madjen? — 2lber eS märe oöllifl
überflüffig gemefen, wenn er bie» getban bätte! SÖJtr bätten baburd) feine beffere
Meinung Oon feinem Gbarafter, fonbern blofj eine fdjledjtere oon feinem Herftanbe
getoonnen.
9tod) langem Sträuben oon beiben Seiten bat bie Siebe gtoei junge Seutcben oer=
eint — Da» ift bod) eine Situation gum £eiratben unb niebt gum ©ift nebmen. 5>a»
bisdjen ariftofrattfebe» St?omrtt)eil, melebe» fid) ibnen mobl in ben 8L*eg geftellt bätte,
mar bo(b niebt gleicb eine» fo Oerstoeifclten ©ntfcbluffe» toertb! SBcnn nun ©reSlou
bureb bie SebenSfraft feiner 3ugenb oor bem legten Sebrittc jurücfgebalten bem öfräuletn
be 3uffat ben ganj oemünftigen »erfrag madjt, mit ibm, ftatt gu fterben, leben 311
bleiben, fo muffen mir un» nur über fie munbern, bafe fie Darauf nia)t frifemoeg»
eingebt. Sollte fie, melebe bie Alraft batte ftd) bem armen ©rgieber, ben fte liebte,
unbebingt binjugeben, baoor äurüdfdjrerfen mit ibrer abeligen Familie ben ftampf
um feinctioillen aufpnebmen* Wit glauben e» niebt; bod) märe bem fo —
bann fear fte moljl be» Opfer» nidjt mertb, toeldic« fie oon ibm Derlangte, unb er
bätte ibr baö befd)impfenbc 2Bort: „feig!", toelcbe» He ibm in'8 ©eftdjt fdjleuberte,
al» fie fein 3immer oerliefe, mit gleidjem 5Hed)te gurüefgeben fönnen.
2Bie bem aud) fei, Joenn mir tföxm muffen, toie ber arme ©reSlou oon feinem
w2Weifter" flagenb oerlangt, er möge i6n tibften, fo bebauem mir ibm nidit $u befferem
Iroftc fagen 31t Tonnen, bafe er eigentlich uid)t» begangen, beffen er fid) ju fd)ämen braudjte
$od) bie ^anblung bc» Vornan» ift bamit nod) niebt abgefcbloffen.
Jlbrian Si^te gelangt nacb einigem Sträuben gur (kfenntnife, bafe e» toirflidi
„ein unjerreifebare» geiftige» Söanb" fei, melcbe» feine fiebren mit ber £cnfmrife
biefe» jungen llianne» oerbinbet, ber ibm fein J^>er3 eröffnet, ör füblt fieb Per=
pfliebtet feinen „Sdjüler" jn retten. 3n einigen äBorten lafet er ben ©raten
3lnbre miffen, bafe er bie mabre XobeSart feiner Sdjmefter unb ben 3nbalt ibre»
JBriefeS fenne, ben 3euer ber ©eredjtigfeit oorentbält. 3lnbre entfdjliefet fid)
fpreeben; feine Angaben Derniditen bie (Sbrc feiner tobten Scbmefter, fie befreien
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€in Honan ber erperimentircnbcn Pfydjologie. ^57
©reftlou. Slber al» biefer i^rt. bann freiwillig auffudjt, um ibm ju erfiaren, er fei
bereit ifmr ©enugtfjuung für ba» ©eierjetjene ju geben, ba — jagt ber ©beimann ibm
ob,ne Weitere« eine ftugel burd) ben tfopi. „£old)e ßciitc wie Sie jiefjt man nidit
jur 9red>nfd)afV finb feine äBorte, „man richtet fie f»i« 1"
tiefer tb,eatralifd) gemaltfame >Äbfd)lufe ift mobl bie fd)mäd)fte Stelle be» Serte«.
Sir füllen un» nidjt öerfötjnt, fonbern bcleibigt. 23ie ©cred)tigfeir, beren ftorberungen
iöourget ju befriebigen glaubte, bat feine ftreube an Meiern graufam abgcfdjladjteten
Opfer. üBenn biefer junge ÜKann gefeblt bat, fo mar feine Sdjulb nidjt gemeiner
ittrt. <Sie traf nid)t itjn, fonbern feine 3eit, beren acrfe&enbcm (Sinfluffe fein
moralifcber @inn erlag. Xrug er aber eine fo allgemeine <Sd)iilb, bann mar e* unbillig,
irjn fo b,art bafür büfjcn gu laffen. Unbillig unb miberfprudj»öoll -uigleid). (Sin
Ippu» toirb nidjt „biugeridjtet" ; er bleibt am Öeben ober frtrbt Don fclbft. Unb pier
märe c» mobl am öeften gemefen ibn am Ücben gu laffen. (sr mar gefrraft genug
burö) fein eigene» ©cfübl unb burd) bie entfdjicbcn Derurtrjeilcnben Stforte, mit beneu
er im ßaufe bc» 2Bcrfe« reidjlid) bebadjt mirb. Slber 511er ft auageidiolten sm merben
unb bann nod) ©djläge ju befommen, ba« ift ju biet, felbft für eine SKomanfigur. ÜBir
nehmen gartet für ben, bem fo ungrofjmütfjig mitgefpielt mirb.
2>ie ©efralt Slbrien ©ijteS ift e», roeldje ba» nöJcrf abfdjlicBt, mie fie e» ein»
geleitet &at. 35er ©elebrtc fi^t brütcnD bei ber üeidje feine* „Schüler»." „Vit Sporte
De» emsigen ©cbete», beffen er fid) au« feiner fernen .Äinbbeit erinnerte, tarnen
ibm in ben ©tun: ,23ater unfer, ber 3)u bift im $>tmmel* — unb als bie SJhtttcr
fidi aufrichtete, tonnte fie febeu, baf$ er „meinte". 35er ©laubc allein ift e«, welcher
^erjen, mie ba» biefe» Xobtcn, öor jener Vergiftung ihrer ebelften Xbeile bemabren
tonnte, mit toeldjer bie 3eit fie bebrofjt; oiclleidjt! ^ebenfalls merben Söourget unb
Stbrieu 6i£te barum nid)t glauben; fie tonnen nur Darüber meinen, bafe Ijier (Stma»
oerlorcn gegangen ift, mofür nidjt ftllen ein ganjer l£rfa$ gemorben.
2>a» ift bie febmennüthig gebantcnoolle ©cfdjidjte Robert @re»lou», be» „jungen
3Ranne«, für ben nicht« moralifd) unb nidjt» unmoralifd) ift." $em fBefen mobemften
©eifie» entfprungen, hat biefe ©efralt bennod) fcltfamermeife einen älteren iBruber,
ber fd)on in ber erfreu §alfte biefe« 3abrbunbert ba« üidjt ber ÜÖelt erblicfte. (5» ift
bie« ber junge §elb an« ©tenbljal'* „Lc Kouge et k> NVir", jene eigentrjümlicbe
2RifdjgefiaIt uon fdjarffinnigem lSgoi»mu« unb naiofter l'eibcnidjaft, Julian Sorel,
meiner jmeimal btc Verführung öon grauen unternimmt, für bie er nidjt» emp finbet,
in beiben fällen aber fdjlic&lid) oou ben ©efüt)len übermannt mirb, meldje» er mit (übler
&ered)nung b^orgurufen uerftaub. 2)ie ^amilienäbnlidjfeit beiber (ykftalten ift fct)r
auffallcnb; öourget» empfänglidjer ©eift ftanb l)ier mobl unbemuftt unter Dem
mäd)ttgen fönfluffe feine» bigarren SSorgänger«.
Äöie bem aud) fei, ba» äöerf iöourget» säb,tt m ben bebeutenbften franjofifdieu
Romanen ber leeren 3ab,re. Xppifdj ober nidjt rtjpifd), bleibt biefer junge 5üiaun, beffen
üBcrftanb fid) eine 3Jtoral gefdjaffen bat, bie fein ©efübl nid)t anertannt, eine (Srfdjetnung
oon erfdjrcdenber ÜebenSmaljrbeit. Unb bie geminnenbe Ulrt, in meldjer fein ©d)irffal
ergäbt mirb, ber fcelenöoUc ion ber @d)ilberuug, bie burdjgeiftigte ©d)önb,eit ber
«prad)c — ba» alle» bleibt $ourgcr8 alleinige» (Stgentbum.
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3üuftrtrtc Bibliographie.
3nbicn in gßort nnb *Mtb. l£me 3d)ilbentng beS tnbifd)eu SfaiferreidjeS Don
©mil Sd)lagintmeit. 3li>eite bis auf btc ©eflcntoart fortgeführte billige $radit=
Auflage. (SrofrCuart. 2Hit 417 Slluftrationen. ^ciPäifl, Verlag öon Sdjmibt
k ©ünt her.
^te brei ätteften unter ben fünf Sörübern Scblagintmeit unternahmen bclannt-
lid) im 21uftrage beS Königs ftriebrid) äßilhclm IV. Don ^reufjen unb äugleid) im
^ntcreffe ber oftinbifchen (Sompagnie feit bem 3abre 1854 ihre grofecn QrorfdntngSrcifeu
burd) alle Xhcilc 3nbtrnS. 31 bo If, ber jtoeiteber Jörüber, fiel am 26. 9tuguft 1857 als ein
Cpfer feines SBiffenf bnrftcS burd) btc Jpäubc fanatifcher 9Jiuf)ameöaner in Oftturf tftan;
btc beiben anbeten, $j ermann unb Stöbert, f ehrten 1858 nach Europa jurücf unb
i>eröffcntltd)tcu gttnaqfl bie ÜHefultate ihrer natunniffenfdjaftltchcn unb ethnologifchen
ftorfdiungen in bem grofocu iiBerfe: Results <>f a scientific inission to Irnlia (1860
—1866), bem bann namentlich Hermann noch mehrere populärer gehaltene S?üd)er
über 23eobad)tungcn unb iHeifeerlebniffe in bem burd) feine ÜNatur unb feine (Sultur
gleidi munberbaren i'anbe folgen liefe. iMtle Schriften, Sammlungen, münblidje unb
fdjriftltdie ÜJHttbctlungen ber alteren trüber ftanben bem in 2)eutfdjlanb gebliebenen
(Smil @d)lagintmcit (bem einzigen jefet nod) lleberlcbenben ber fünf 23rüoer) feit
Pielen Sohren 5U ©ebote, mäbreub er felbft burd) eifriges Stubittm ber Sprachen,
Religionen unb ©ebräudje ber Golfer 3nbienS unb ^odiaficnS ihre gorfchungen er*
gänjte. So tonnte 9ficmanb beffer als er baju auSgerüftet fein, aus ber gemaltigen
Jyülle Pom Stoff äur (Srfenntniß tnbifdjcn ficbenS unb inbifdjer Gulrur ein flarcS unb
iiberi'iditlidicö ©cfammtbilb für beutfdje üefer gu entwerfen, jumal ihm aud) non ber
englifchnnbifchen Verwaltung unb Don gelehrten &inbuS fcltcne CueHenmerfe unb
culturgefdjichtlicheS ÜDtoterial jeber 5lrt in libcralfter SBeife äur Verfügung qefteEt
mürbe, 3RÜ 3ted)t würbe baher fd)on bie erftc Auflage beS großen SüerfcS „Snbien
in ©ort unb Vilb" (187U) üon allen Seiten freubig bcgrüjjr, unb jmar fomohl megen
ber {5üHe uou anregenbeu unb intcreffauten Mtheilungen über alle ÜcbenSPcrhältniffe,
über 3"buftrie, öanbel, (ynlturbcftrebungeu beS gegenwärtigen inbifchen SfaiferreidieS,
über bie pht)fifdje Vefdjaffenbeit aller feiner Xhcilc, über bic gefdjidjtlichc Vergangenheit
aller feiner VolfSftämme, als aud) megen ber Srlarhett unb Ucberfid)tlid}teit ber £ar*
ftellung, als aud) cnblid) wegen ber herrlichen ?lu8ftattung mit iwr-iüglid)cn, nad) ben
wertlwollften Vorlagen forgfältig unb fünftlerifd) ausgeführten .ftolsfdwitten.
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Bibliographie.
burd) btefe gweite, bie nun, wenn aud) auf ben erfreu SMia" weniger angiebenb unb
Ioljnenb, in oer Xtyit eine !aum minbcr bebeutenbe Üücfe ber ©efdjidjtfdjretbung auSiülIt.
3n »Die felbftänbiger d)araftcrooller (Srfdjetnuug aud) bie großen i)iftorifd)cn ©labte
SUften unb Wom in ber ©efd)id)te ber Menfd)beit baftcben, fo unmöglid) fdjeint ti nod)
immer, bte eine gu benfen obne bie anbere. iBetbe begeidwen eben ein für allemal ald
&aupttapcn bie SBollenbung ber ©cfdjidite be3 Sllterttmntö, unb wad aud) itt^totfctjeu
gefdjcljcn ift, um ibre früheren SBejielwngcn gu ciuanber gu mobificiren — im Slnbenfcn
ber gebübeten Menfdjbeit werben bie3becn, weldje tu ber SlfropoliS Don Sitten unb in
bem (Sapitol oon Sttom gleicbfam fpmbolifdje ©eftalt gewannen, mobl immer ungerrrennlid)
Derbunben bleiben. 35 ie Madjt bicfer Öteenaffociation überlebte bie 3a&rbuubertc bc*
Sunfeld unb beinahe ber 23ergeffenbeit, in weld)e i'ittieu ald Jßrooingialftabt bc* bqgautini=
fd)en JHcidjed unter ben Stürmen ber großen iöölfcrwanberung Derfant, wäbrcnb 9tom,
nad) feinem Untergang als Stabt ber (Säfaren, gu neuem ©lang aufbiübte als Stabt
ber fatbolifdjen Sbriftenbett; fte überlebte bie (Eroberung unb >öet)errfdmng 2Übend unb
©ricdjenlanbd burd) bie lürfen, unb Tie fdjöpfte frifd)e 2ebendfraft aud ber Üiiicbcrt)cr=
ftellung ber Unabbängigleit unb ber (Srneucrung 2ltben8 als ber fcauptftabt bed be=
freiten ©riedjenlanbd in unferem 3<U)rbuubcrt. Mandje gelehrten ©riecbcn, wie 35ioni)|ioä
Surmelid, «Spiribon Uambrod unb Conftautin (Satbad; mandie $$bill)ellenen anberer
9fatiouen, wie ber (Suglänber #irlai), bie 5rangofen bu (Sauge unb Söudjon, bie $)eutfd)en
Syallmeraner, ftereberg unb Sari §opf, baben fid) fcftbem um bie (Srforfdjuug ber ®efd)id)te
Vitbend unb ©riedjenlanbd nad) bem Verfall bed antifen Sebent SJerbienfte erworben.
Vlber ed fel)lte bid jeöt an einer ®efd)id)tc ber Stabt 2ltben im Mittelalter ald foldjer;
unb mit ber 33arftcllung berfelben, in Der ftoxm, in ber fie nun oorliegt, bat ber ©efd)td)t =
fdjreiber ber (Stabt 9bm im Mittelalter nidjt nur einen fübnen 5ÜJurf getbau, fonberu
eme SBaraÜele aufgeteilt, bie in ber ©efd)td)te ber ©efd)id)tfd)reibung wol)l ald eingig
tu ü)rer Jlrt gelten barf.
Unter ben beutfd)eu §iftoritcrn ber ©egenwart nimmt ©regorobiud überhaupt eine
eigentümliche Stellung ein. 28äbrcuD in ©nglanb unb Ofranfretd) bebeutenbe Männer
tu unaböängigen Herbältniffen ald große ©ejd)id)tfd)rciber aufgetreten fiub, ftub unfere
beutfdjcn ftiftorifer faft obue 2ta$nabme Uutoermätdprofefforeu, Männer Dorn 3ad), bie
ber ©efd)id)tfd)reibuug ald einem Statt unb Skruf obliegen unb mit meljr ober weniger
erdufwen ©efüblen biefer berufsmäßigen Stellung fid) bewußt bleiben, 2>er Söerf affer
ber ©efdjtdjten Storni unb 2ltf)cnd im Mittelalter mar oon §aufc aud Ideologe, nwrbe
burd) JKofenfrang Oon ber Ideologie -uc ^üofopbic geführt unb ging erft oon biefer gur
(Mefd)id)ticbretbung über. 2taf Xrumann'd SJeranlaffuug fdjrieb er 1851 fein btfiorifd)ed
Cirftüngdmerf, eine ®e(d)id)te bed S?aifer3 ©abrian, uuö legte fdjon mit biefem ein oiel
oerfpredKubcS 3eugniB ab fowot)l oon feiner flaffifdien söilöung unb ©elebrfamfcit,
ali oon ber für tbn d)arattcriftifd)en 3tid)tuug auf fünftlerifcbe @d)önbeit ber Sorot, auf
anmutbeub lebendoolle 2)arfteUung ber gefd)id)tlid)en (^reigniffe unb Sljaraftere. 3m
folgenben 3abre fübrte ber unwibcrfteblidjc Drang, ber feit äßinfelmaunä unb ©oetbcd
3eiten fo Diele Deutfdje aui ihrem ernften ftorDcn in bie beitere Üüelt beä SübenS
getrieben bat, aud) ibn nad) 3taliea. 9?ad) einem furgen ^tafentbalt in S3enebig uiO
tJloreng bereifte ©regorooiud (5orfica, unb fein fd)bne* 33ud) über biefe merfwiirDige,
aber wenig erforfdjte 3nfcl, baS er mit einer flaftlfd) gu nenneubeu ©efd)id)te ber (Sorfeu
einleitete, maebte ibn guerft in weiteren Greifen befanut. HSon Cornea ging er im .fterbft
1852 nad) 9tom, uub 9tom blieb feitbem feine $eimat bi* gu ber Jßolleubung ber
groBartigeu ,,©efd)id)te 3tom8 im Mittelalter", an Deren äbraffuug er, bort unb in allen
iUrd)ioen 3talien3 arbeitcnD, ben uuermüblüben 3fleiB, bie raftlofe 2tadbauer, bie eble
Söegeiftcrnng oon ftebgebn ber befteu 3abte feine* ßcbend (1853—70) feöte*). 3)as
Sdjicffal bicfcS iüerfe* mar eigcutbümlid). Die preitBifdje Siegieruug unterftüetc, auf
iöenoenbuitji iöunfeuS, ben Jüerfaffer mit Subfibieu; ba8 größere beutfdjc ^ublifum
füblte fid) tu einem ©rabe augegogen, bcffen ßnteufttät biureid)enb augebeutet wirb
burd) ba8 Srfdjeinen breier Sluffagen De« adjtoättDtgcn äüerfeS iunerljalb eine* 3<it)t'-
gebnt« nad) feiner Mcnbung; bai rbmifebe Municipium ueroronete eine Ueberfe^ung in'i
3talicnifd)e unb ocrlieb bem öerfaffer bai iöürgerredjt Der ISwigen StaDt ; ganj3talien mett»
eiferte, ibn gu eljren. ©ar maud)e ber beutfdxit $oJ)gelebrtjn bagegeu ttjatert ibr ^efted, um
*) 2ta8fübrltd)er bat ber $err Referent bai ßeben unb bie $erfönlid)feit oon
^regorooiuS im 6y. ^efte oon ,/Jeorb uub Süb" gefdjilbcrt. 3t eb.
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H2 orb unb Süb.
bic „©efcfjicrjte bcr Stabt 9tom im Mittelalter" tobt3ufd)meigcu ober bod) adjfeljudcub 311
beurteilen als baS äikrt eines 2lußenfterjcnben, eines Mannes ber nidjt ©eiebrtcr üoii
3ad) fei. Mutatis mutandis erlebte ©rcgorooiuS eine 28ieberf)olung be» SfcrbaltcnS
ber ,($bJlofopbie=$13roiefforen" gegen Scrjopentmucr. Unb otjne Sfrage tft er ebcnforoenig
UniöerWätSljiftorifer, als Sdjopculjauer UnioerfitätSpbtlofopb mar. &lle ©bre bcr un«
3roeifelr)aft großen iterbienfte ber UnioeiiitätSprofcfforcn bciber Stlaffen ! alle (Sbre ibrer
©clebrfamfeit, ibrer ©emiffenfjaftigfcit, ibrem (Sifer für fcofjc tuiffenfd)aftltd)e 3Jta&ftäbc t
?lber fd)öner märe cS bod), tonnten fte ftd) jenes esclufioen StanbeSbemußtfeinS gänjlid)
entfdjlagen, baS mit Mißtrauen binblieft auf Seiftungen, bie nidjt unmittelbar auf bem
»oben bcr Ur.ioerfitätSgclebrfamfeit ermadtfen finb, aber bod) nidjtS beftotoeniger bie
fjumanen Ötedjte ber äöiffenfdjaft gu oollcr Weitung bringen. $)iefe humanen i)ted)tc ber
^iffenferjaft fdjließen neben bcr ©elcfjrfamfeit bie flunft unb bic SBcgcifterung niebt aus;
Dielmebr erfyält erft burd) biefe bie äöiffenfifcaft, unb befonberS bie 2Biffcnfd)aftbcr ©e=
fdiidjte, bie eS, abgefeljen oon ber Jöegrünbung ber Xrjatfad)eu oon Willem mit moraiifü>en
3iiid)id)tcn §u tfwu bat, ihre tvabre äBcifte. gern fei eS tum uns ju bebaupten, baß eS
aud) unter ben UnioerfttätSprofefforcn ber ©efd)id)te an £umaniftcnim beften Sinne beS
Portes fcble; unter ben fiebencen jebodj fd>eint mir feiner ben ljumaniftifdjen gorberungen
ber ©cfcrjiditfdrreibung in böqerem ©rabe gercebt getoorben gu fein als ber )üerfaffcr ber
„©efd)id)tc ber Stabt !iHom im Mittelalter," unb in biefem Umftanbe finben aud) bie ©rünbc
feines oben angebeuteten (SrfolgeS, toie feines Mißerfolges, tgre mefcntlid)e (Srtlärung.
ätfas alle rjiftorifcnen Vierte Don ©rcgorooiuS auSjcidmct, ift bie fcltene Sfcrbinbung
bcS ftorfdjungSeiferS unb ber Ärittf bcS ©elebrtcn mit ber SJJbantafte unb bcr ©eftaltungS-
fraft beS ftünftlcrS. (SS mar SiMlbelm oon ftuntbolbt, ber in feiner beruqmten Sw-
banblung über bic Aufgabe bcS ©cfd)id)tfd)reibcrS biefem, neben aller, anberen cbarat=
terifti|d)en ISigenfdjaften, bie bidjtcrifd)* fünft lerif die Einlage als mefentlidieS Clement
oinbicirte. 9?ad) biefer Seite erinnerten unfercS ©regoroüiuS biftorifdje Seiftungen au bie=
jenigen SdjillcrS, unb unter ben Iftnmänbcn, meldje in früheren fahren gegen ifm als ©e=
fd)id)tfd)rcibcr erhoben mürben, fpicltc oielletcbt nid)t ganj mit Unrecht ber (ftnmanb
gegen feinen „bimterifcNebnerifchen Stil" eine Hauptrolle. 9Hd)t baß biefer 3>ormurf
ben ftern feiner ^orfdiung betroffen fjättc; aber in Jyolfle ber ©unft, meldie bic große
gebilbete ^clt, troö bcr abfpredjcnben Sfritif unb trog beS oerbangnißbollcn Schmeigens
ber ©cfd)id)tprofcfforeu, feinen Arbeiten eutgegenbradite, mar cS ibm bcfdiicbeu, in
mehreren Auflagen feines $?aur>tmerfeS Silks, ma* man etma als Uebermudienutg ber
reprobucirenben SUhantafte beaeidwen tonnte, auSsumerjcn unb jene eblc äüürbc unb
Sdiönbeit bcS liiüoiifdicn Stils 31t oollcr ©eltung 311 brinqeu, bie ibm uon Slnfang au
ul<< 3i>cal ootfd))oebten. 5lnbererfcit8 mar cS itjm ebenfo oergönnt, bic gefdiiditlicbcu
Xl)ütfad)en, baS miffcnfdiaftlidic 3)latcrial feines großen ©egenftanbcS fortfdireitenb 311
beriditigen nnb 3U üeroollftänbigcn, fo baß jebe neue Sluflage nid)t ein bloßer äiMeber
abbruef ber oorljergcljenben mar, foubern in 3nl)alt unb fi-orrn bic immer uollfommnere
Xarftclluug eines ©egenftaube?, ber mofjl faum je aufboren mirb, baS tl)eilna{)mei>oUe
ontcrefie aller benfeubeu ÜJicufdjen 311 befebäftigen.
^ie jefct erfebienene w©cid)id)te bcr Stabt SJtfjcn im iliittelalter" ift, rote ©rcgoroüiuS
fclbft bemerft unb mic aus ber inneren (Soiben3 flar genug erfjellt, ermadifen auf
bent ©rnube feiner ©cfd)id)te ber Stabt 9iom im Mittelalter unb gleid) biefer ebenfo
ein ihkrf ber Siebe mic bcr grünblidiftcn unb umfaffeubften Stubien. Xic 23e3iel)ungen
beS mittelalterlidien SiomS 311m griedüfdjen Crient, eine lang erfebnte Steife nad) Silben
unb in bie Scüante bilbeten bie unmittelbaren Slnläffe 3«r Unternefjmung bicfc-5
Kerfes, bem bcr 3>erfafier bie OrientirungSfdrriften „xHtbenaiS" unb 3tbcu In ben
bunllen 3al)ibuubertcu" ooranfdiicfte, unb baS ihn bann nod) uollc fcd)S 3nftre bcidiäftigtc.
ÜL;äl)renb bic ©cfdiiditc 9lcmS im Mittelalter adit 2?änbe in ?lnfprnd) naf>m, mufete
Althen, bie neben iHom unb (^onftautinopel faft perfchollene Metropole ber griedufdien
.sfunft unb ÜMlbunfl, fid) mit jiuci iyänben begnügen; nid)t etma mcil bie Siebe ibrcS Ohe«
fdüd)tfd)rciberS 311 ihr geringer mar, aber megen beS tl)atfäd)lid)en (EontraftcS ihrer
niiljercn Öroße 3ur ibrer bamaligcu ^erbnnflung unb »ergeffenbeit. „^iemanb", bf
merft ber iL*erfaffer, „tarnt cS meljr als id) empfinben, baß mein llutcrnebmcu, bic ©e=
fdudite bcr crlauditcn Stabt in jenen beiben (^pod)cn barsuftellett, ein äußerft gemagteS
in. SBemi id) bie innere Statur xHtbcnS mit icuer ^iontS im Mittelalter oerglid), fo mußte
id) smeifclu, ob ein fold)ev ^erfud) für ben ©efdiid)tfd)reiber überbaupt auSfübvbar,
unb rb er fo große Müljeu loljueub fei. Xit Stabt iHom blieb immer baS ftaupt
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— - Bibliographie.
beS ÜHbenblanbeS. Sie flieg burd) Die Mad)t ber töirdje ju einet stochert iWeltrjerr-
fdjaft auf. SReue SJafcinSformen, gewaltige Sd)öpfungcn unD ^Bewegungen ber Menfd)=
jjeit fmb aus iljr entjprungen, ober tie öaben fict» in Diefer ewigen StaDt abgefpiegelt.
3br fieben im Mittelalter bietet ben bentbar grofeartigften Stoff für ein t) .ftoiifdjeS
tJpoS bar, welajeS fid) mit ©efeemätjigfeit um brei fcftftebenbe ©ewalten betoegt : ben
C<apft, ben ffaijcr, ben Senator auf bem ©apttol. Dagegen tjat fict> bie StaDt %tr)en
in bemfclben 3ctiaiter nidit mebr ju neuer gefd)id)tlid)er ©röfoe aufgefdiwungen. Sie
mar feine wirlcnDe >traft mebr in Dem ^locerj ber meftlidjcn unD ber öfhicbeu ßultur.
Htt öriccrjifdje SJkoDingialftaDt oerlor fte fid) fogar geitweifc au« bem löewtiBtfetn Oer
äfcelt. 9tod)t bedt irjrc 3uftänDe wätjrenD ber 3al)rt)unbcrtc, mo iijre ©ejd)td)tc nur
einen faum beachteten iörudjtbcil unD jmar beS bögjntinifd)en WeidjcS gebilbet bat, cineS
SteidjeS, beffen ©cfdndjte nod) beute ju ben am menigften burd)torfd)ten (Gebieten ge-
bort. Unter ber §crrfd)att Der ftranlcn meiert gwar bas Tuntel oon Stiften; allein
aud) ba betoegt fid) fein gefd)id)tlidieS üDafein nur in (leinen, für Das ätteltganjc menig
bebeutenben Süerljälttüffcn. 55ie eigene äisefenfteit SltftenS unD ©riecfteiilanbS in Den
mittleren 3eitcn fdjlic&t bemnad) oon ber 2öetrad)tuug beS ©cfd)id)t|d)reibers bie großen
Probleme ber Menfdjbeit unb ben ütfeltbegug aud. Ütfcnn fic nun, ftatt it»n gu boften
2lnfdxuuiugen gu erbeben, feine Sdnoinge nieDert)ält unb il)ii ber ©efaftr atiSjeet, gum
Äleittmalcr in Mofaif, gum Sammler fiagmcntaritd)cr ftunben gu Wersen, um fid) fdjließ*
Ud) in jenem Sttirrfal bpnafttfdier ©enealogicen unD gcrjplittertcr »leiuftaaten gu Der*
licren, meld)e8 gang JpcllaS im Mittelalter gu einem gWeiteu JL'abprintfte oon St reta madjt,
fo erfdtwert iftm tjicr bie ÜRatur Der binmiiebeu Ouellen, bort it)r Mangel t'ogar bie
(Srgri'tnbimg ber Xbatfadjen unb beren ^erfnüpfung gu einem lebcnSuouen ©angen.
$odi toie mir felbft, als id) cd jdjricb, wirb aud) Dem L'efer bie Wiebc gu Otiten über
manche £ücfen, Xrümmer unb Sdrottbaufen, unb über mand)e öbe Legion in ber
©cfdndite Der ebelften aller Stäöte Der Menfd)beit binubcrbelfeu.*'
<SS bebarf faum einer beionberen (Erinnerung, batj bem SUcrfaffcr ber ©cfcfticfttc
21t()en« im Mittelalter bie oieljätnige terfabrung beS SOetiafiers Der ©efeftiebte Der StaDt
ftom im Mittelalter gu ©ebote ftanö. las 9iejnltat ift ein ungemöljnlid) reidjtS, gro&*
artiges Serf ber ©efd)id)tfdireibimg, in Sbegug aui Den 3nftalt mic auf bie Sonn.
3n oicr SBüdjem bcbanbelt ©regorooiuS bie ©efdiidjte SUbenS: guetft ben Uebtrgang
aus ber römifdien in bie böganttuifdie ftcrrfdiaft, aus bem Jgeibenttutm iu'S (Sbrtftens
tbum; bann feine SJertoauDlung in ein frdntifcbei ^ergogtlmm, nad) bem Jallc be8
boüanttnifdien 5Heid)ö Durd) ben Slnftmm ber latcinijd)cn Sfrcusfabrer im 3abre 1204;
uno baS gefd)id)tli(be^eben bicfc3£>cr$og3ibumc* unter fraiiüöfijdieu, foaui)d)en, italicnifd)en
.Verne*, cn : enb(id) feine (Eroberung Durd) Die Xürten, bie Der (Eroberung ftouftantinopelä
3abre 1453 rafd) nachfolgte. 2it8 (^oilog fd)liefet er an biefe oon ben aufeerorbcntlidjften
(Sontrafteu belebten lireiguiffe Die Saiftellung Der lEMenaiffance, lex bumaniftifdjen iBe*
mübungen, befonDerft Der ^ranjoien unD Dei (higlätiber, um bie 2lrd]äologie iltben»
im 17. unb 18. 3abrbunDert unD Die Erneuerung Der tounberbaren StaDt als ^aupt=
ftabt DeS ftonigreid.S ©rtedtci lai^S in unferen Xagen, woran naturgematj SBctraduungeu
über Die grofjen Probleme ber 3l'funft SfüiiftantinopelS, ber fortfd)reitenbcn Umgeftaltnng
DcS türfifdien JHeidiS unD btr VtuÄfiditen ber gr;cd)ijd)eu Nation ftd) fnüpfett.
3nneTbalb ber uns gefegten ©renken beS SiaumeS ift eS unmögltd), nä^er auf ben 3n=
fammenbang bttfer »^üUe oon begeben Dciten einzugeben. Xod) fönnen mir nidit umbin, an
baS gan^ befoubere 3ntereffe gu erinnern, roeldicS Die ©efd)id)tc unb bie 2luöiid)ten »'ItbenS
im .viublict auf bie nabe beoorftehenbe i^erbinbung beS bcntfdien JfaiierbaufeS mit
Dem griedjifdKU tfönigSbauie gegemuärtig für unfer üyaterlanb gewonnen baben.
3um Scblufe fei uns geftattet, auS Den Urtbeilen DeS üerfafferS über bie orientaliidic
Srrage, fofern Diefc 2ttl)cn unD Die 3ufuuft DeS 5ebniguid)S Der Hellenen betrifft,
hier eine SteOe an;mfüt)reu. wxBic 9icm", bemerft er, „in ber ©egentoait als Die
oaterlänbifdic ^auptftabt Der Italiener baS 3uriidtt'cidicn Der grofeen fcSmopolitifdien
3!>een oor ben nat onalen begeidmet. fo ift aud) bie StaDt Milien als Das £>aupt unD Die
Seele DeS eigentlidien L'anDcS Der .ftcOencn. 3br Sdiirffal bat biefe natürliche yöiung
gefituben, wäbrenD Dasjenige JfonftantinrpclS ncdi nngelcft ift. 3n Der bt)3antiiüfdicu 3cit,
felbft nod) unter Der i»errfdiaft Der Sultane, pulfirte DaS 2ebeu Der grotjen gricdufdien
Emilie Wefentlid) in ben Slbcrn Der il<eltftabt ÄcnftantinS. 3ctjt ift Dableibe oon
Dort binweggcftromt, um ft* wefentlid) in Gliben gu fammeln, Dem alten leaüimen ©c«
fätj ber griedifdien Gultttr. Xic StaDt Der ^aUaS unb Der Milieu wirD DtcS wrftl
9torö unb Süb LI, 151. 10
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Zlorb unb 5üb.
«raunte ^ett bleiben, unb in bem üNafee oft Reilos mieber gu neuer Sfraft gelaugt, mirb
fic eine immer reifere (Smtroicfcluug haben. Allein cS brotjt ihr nochmals eine ©cfaljr
pou Zugang her, beseitigen Stabt, bic fid) nicht in nationale Srfjranfcn Dcrroeifcn läßt.
Der am £>origont ber ßkfdudltc neu auffteigenbe (Stern SltbcnS fanu roteberum burdj
ftonftantinopel Perbunfelt roerben, menn nad) bem lUbguge ber OSmanen oem Bosporus
baS griedrifche ftreug auf ber ftagia Sophia mieber erfdjeint unb ein neue« fjeUcniüU
fdjcS (Sulturreich mit bem ilJJittclpuuft iöpgaug entfielt, roelcbcr bann bie ßebenSgciftcr
tfkiechenlanbs mit magnetifcher 3ugfraft an fid) giebeu mürbe. So giebt eS beute feine
ftrage, bie mehr aufregt, als biefc nach ber Sufunft ftonftantinopels, ber gcgcnto&rtig
gebeimniBooUften unb mid)tigften aller Stäbtc ber (Srbe, Pon bereu bämonifa)cm ftatum
nicht nur ba§ Sdjicffal 3ttr>cnS unb ©ried)cnlanbs, fonberu Pielleidjt bie fünftige @e*
ftaltung gmeier 2Belttbeilc abhängig ift!"
fionbon. F. Althau*.
ZTTufiFalifc^e Citeratur.
9ieuefte<» unb »oUftäubigfite* Zon*
tüiifüer» unb Cpmi^Jcrif oit, her-
ausgegeben Pon ©. ftaftner. I. 93änb*
djen. iöerlin, »rachoogcl & &tanft.
DaS oorliegenbc 8äubd)en umfafjt ben
iyud)ftaben i'l unb enthalt in gebrängter
ft i'irge bie babtn gehörigen ca. 1400 Warnen
Don (Somponiften, SMrtuofen, Sängern,
Mufiffchriftftellcrn unb Dirigenten mit
Eingabe ber (^eburt^ unb Sterbebaten,
Sluttäbtuug aller größeren iWerfe unb
SRamfoaftmacbung ber gefatmnten muftfa
Iifcben Literatur. DaS beigegebene Wcgiftcr
über bie in bem ftefte ermähnten mufifa=
lifdjcn Sikrfe (12%) halten mir für nicht
ganj prattifd); ein Öeueralregiftcr am (Snbc
bes ShtdjcS mürbe bic Ueberficht über ben
ungeheuren Stoff mehr crleidjtcrn. oh.
stimmen »ttb länger ober «ettaefts
tungen über bie Stimme unb ben ®e=
fang oon £>. $anoffa. 9cad) beut
3talienifd)cn frei bearbeitet oon (Sbuarb
n g c l. ^nntburg, SBerlagSanftalt (3. 3r.
dichter).
iöerufsfänger mie Dilettanten merben
ill bem populär gefdiriebeuen Söüdjelcheu
maudje Anregung, manchen bcrjergigenS*
mertheu ftiugergeig finben. Der miffen*
fd)aftlid) (jebilbcte NJKufifer mirb freilich
hin unb mteber ben 2lnfchauungeu bcS iBcr^
fafferS nicht beipflichten fönneu. 2ikiS
i^anoffa im erfreu (Sapitel über ben ök=
brauch ber Solmifation bemerft, mirb
jeher oorurtbeilSfreie ®efanglchrcr mit
gutem (Bemiffcn uuterfdjreiben fönneu.
lUnbercS hingegen, mie 3. bic 8tt&
laffuugen über bic Slfunft ber 2ltr)menein*
theiluug mirb man nicht unbeanftanbet
paffiren laffen fönneu. oh.
Scsirots öer ttiufifadfdjcn
niecn. "Mi ftülfSbuch ber pfaftifajen
unb theoretischen ©rammatif für ben
Unterricht unb baS Selbftftnbium oon
Submig »ußler. Berlin, Garl
üabel (fl. ©. ^übcrtfe).
2Ber fid) über bic mannigfaltigen Sor-
fommniffe auf bem meiteu Öebietc ber
Harmonie leicht unb ficher orientiren will,
bem mirb baä »uBler'fchc Üerifon ein
fidjercr unb juberläffiger iHathgebcr uno
Jyütjrer fein. öS umfaßt alle bentbareu
9lccorberfcheinuugen oon ben älteftett S^tt
bis gu Wagner; um cS richtig unb mit
Sfufcen gebrauchen ju fönnen, bebarf es
allerbingS einer gemiffen Summe ntttftfa*
lifcher iöorfcnntniffe. eb.
Tintidu- tS-urht'lopäbic. (Sin ueueS
Uuiocrfallcricou für alle Gebiete bcS
^tl'i'enS mit jahlreid)en %ilbbilbungen
unb Specialfartcn im Xert. 1. unb 2.
23aub. Berlin, SB i c g a n b t u. (3 r i e b c n.
Diefe groß angelegte, in ber 31. )d\t-
fcruug bis gum beginn bcS $ud)ftabeus
C. geführte (Sttchflopäbic faun nach ihrem
miffcnfdjaftlidjeu Stanbpunftc unter ben
Steffen ähnlicher 2lrt eine beoorgugte
Stellung beaufprucheu. Di^ — burdnocg
genannten — Mitarbeiter finb faft fämmt^
lieh auf ihrem ©ebietc heroorragenbe i^ach=
männcr. Da* ^rineip ber Qucacnangabe
ift mit größter (Soufegueiig Durchgeführt,
unb Die bibltograprufchcu Daten gctdjnen
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Sibitograpt
lief) burd) große (Menauigfeit, aRanigfaltig-
feit uiib 3uDerläffigtcit au». $ie (Stu*
mologic ber einzelnen Stidnoorte ift folge:
riditig unb eingebenb berücfiidtfigt; fein
aubereä t&txl bat eine größere $eid)bal=
tigfeit aufämoeifen, and) in Bejug auf
Biographien bebeuteuber Männer. 3)ie
Haltung ift toürbig, ftreng, fachlich unb —
trog beftimmter fcßahrung ber gemüßigt
conjeroatiuen Xenbenj — immer gerecht; ber
foracblicbe Au8brucf burdnoeg forgfälttg
unb rein. 9?ad) bem angefünbiateu ^lanc
ift ba3 ganje äöert auf 100 Sieferungcn
(ju 60 Pf.) beregnet. K.
Wuftrrfiättcn pcrföitlidjer $ör-
farae Don Arbeitgebern für ihre ©c»
fd)äft«angel)örigcn. Bon Dr. 3uliu8
Boft, Sßrofeffor an ber technischen £>od)»
fdnüe su fconnooer. 33b. 1. i'iit 44 Ab»
bilbungen. Berlin, dl. Oppenheim.
Seit .Vfarl l'ia t r unb Sriebrid) (Ingeln
gum erften 2Jiale bie elenben 3uftänbe oer
arbeiteuben klaffen an's £id)t sogen, t)at
ftd) bie fociale ftorfebung unb 3)arfteUung
mit Vorliebe ben 9taajtfeiten ber focialcn
Bcrbältniffe jugemanbt unb fid) mehr
ober minber in Ausmalung ber aus ber
moberneu fapitaliftiieben $roouction8roeife
entfprungenen 2J<i&ftänbe gefallen. 3n
erfreulid)em ©egenfafc ju ben Schriften
biefer Art, toelcbe in bem ßefer haupt*
fädjlid) Empörung ober 2J1 i tleib unb ba§ be-
fiemmenbe Öcfühl ber Ohnmacht bes luobl»
roollenben ISinjelncn gegenüber ber über»
mächtig jwingenben öcmalt allgemein
mirlenber rotrtbfdxiftlicber 3)läd)te beroor»
rufen, bat ba$ obenbeaciebnetc Buch fid)
einen fpinpatbifdieren Öegenftanb ertoäfjlt,
nämlid) bie Scbilbcrung barmonifdicr
Begebungen jtoifdwn Arbeiter unb Arbeit*
geber, mic fte glücflidjerroeife benn bod)
nodj Dtelfacf) fid) erhalten baben ober neu
begrünbet roorben fmb. 9Jcan meiß im
Allgemeinen äufcerft menig oou btefeit gcr»
ftreuten Oafen focialen 3frieben8, melcbe
meift im Verborgenen blühen. Sbcnfo
mübeüoll mie banfenStoertb erfebeint baber
bie Arbeit beS Berfafferä, ber auf feinen,
großenteils mit Unterftüfcung be8 verrn
(Sultudminifter o. ®of$ Icr unternommenen
Stubienrciien burd) bie inbuftriellc Üßelt
reiche« Material über ^Wohlfahrtspflege
jufammengetragen bat unb nunmehr au»
nädn't einen £f)cil berfelbcu, nämlid) bie
für Sfinber unb jugenblicpe Arbeiter be»
ftebeuben (finridjtungen in einem ftatt»
lidien Banbc Peröffentlidjt. $>erfelbe ent»
hält eine große Anjatjl eingebenber Be=
dje Hottjen.
fd)reibungcn, bie -mm £beil oon ben
Inhabern unb Leitern ber betreffenben
ftabrifen felbft herrühren, mobl Durduoeg
auf 3uDerläffigfeit, Bollftänbigfcit unb
Unparteilichkeit Anfprueb erbeben unb
Dielfad) burd) 3H"ftrationen eine anfdjau»
liebe (Srgänjuug finben. l£r bringt Bei*
fpiele ber gürforge für Säuglinge unb
äBödmcrinnen, Sdnlberungen Dontfinber»
gärten, Scinbcrbeimen, tJabriifcbuleu, Orabrtf»
berbergen, iißaifenbäufern; er bcbanöelt bie
Dcrfcbicbenen formen bed §anbfcrtigfeits=
unb ^au8mirtbfdjaft8 = Unterrid)t8, bie
&brtinQäoerl)ältniffe, bad Sparfaff cnioefen,
bie geiftige AuSbilbuug, bie Bibliotbefen,
bie pflege ber fictbeSübungen, ber 3Wufif,
beä ®efange8, bie Beranftaltungen für
Spiel unb ($rf)olung u. f. m. Ueberau
wirb auf bie concrete AuSgeftaltung aUer
mcfentlicben 2)etailpunfte in mir.utiöfefter
äi^eifc eingegangen. Statuten, Baupläne,
Sdntlpläne, ^abriforbnungen, Üebroer-
träge, ganje BüdKroeräeiajniffc. fogar geft=
fpiele u. bergl. toerben abgebruett. 3?ie
Sroftenfragc fmbet überall gebüljrenbc Be»
rüaTtditiguug. Borangefcbidt ift bem
eigenttidieu ^auptftütf be8 Serfcä eine
(Sinfübnmg in ftoxm Don Briefen beö
BerfafferS an einen Arbeitgeber, morin
jener gleid)fam einen orieutireuben lieber*
blicf über bie fpäter im ©ingeinen bar»
geftellten patriarcbalifaVn 3uftänbc giebt
unb bie für bie allgemeine Beurteilung
berfelben mefeutlidVn (BefitfttSpunfte an»
beutung&meife 3ur Soradjc bringt.
2Bir münfeben bem eigenartigen Bua>,
namentlich in ben Äreifen ber Arbeitgeber,
meite Berbrcitung unb loirffamen Erfolg.
9?idit al* ob ftd) bie gefdjilberten dufter»
einrichtungen überall ohne 2Beitere& copireu
unb übertragen liefeen! ^ajm mill auch
ber Berfaffcr mofjl felbft faum anregen.
3toerf ber fieftürc fann Diclmebr nur fein,
ben ßefer mit bem (Seift fclbftlofcn fflJofjl»
ujodenS unb wahrer Humanität ju er»
füllen, mcldier allein im Staube ift, bie
lxintrad)t jmifchen Arbeiter unb Arbeit*
geber ju gcmährleiften unb bie ©cfahren
2U bannen, meld)c aus bem Dcrhängnife»
Dollen ©cgenfafce biefer beiben klaffen für
Staat unb ö*efeHfd)aft ju entfpringen
bvohen. Dr. H.
ftcfammelte 9»crfe Don Altrcb @rnf
Abelmann. Banb 1. Biographie unb
gefammelte Auffäftc. Stuttgart, 35eutfd)e
Bertagäauftalt.
©raf Abelmann, Spröfeling eines
alten taiholifcheu Abel8gefd)led)t8, hat ftd)
10*
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Hör* nnb Sfib.
in bcm furgcn ßeben, baS itjm äugemeffen
mar (er ftarb im 39. 2ebenSjal)rc!), alS
SöcUetrift unb ^olitifer mit ©lud fd)rift=
ftelleriid) öcrfud)t. DaS elegant au^ge«
ßattete unb mit bem Porträt beS l'lutorS
öerfebene crfte löänbchen fetner gcfammeltcn
ÜBerte enthält eine steine fcbou früher gc*
brucfter (£ffar>8, barunter „£ie moberne
3agb nach bcm ©lüde", „Streiflichter auf
©efeUfdjaft, Parlament unt> Literatur";
ferner „ftrei Pon SKom! 2Jianifcft eines
bcutfdjen ftatfjolifen", ein energifeber Sßroteft
gegen ben UltramontaniSmuS, fonrie „Der
eble Liberalismus unb fein gefäb,rlid)ftcr
©egner", ein fcfjarfer Eingriff auf bie
SortfcbrtttSpartei. Dicfc 2luffä&e ber--
ratt)cn marmeS patriottfdieS ©cfübl, bod)
tonn ihnen ber i*ommrf ber Dbcrfläa>
lidifeit nidit erfpart »erben. 3" allen
f)errfd)t bie PolItÖncnbe ^brafe; Weites,
DieieS, iöebcutenbeS fudjt man oergebenS.
dine üorangefebiefte biograpbifebe Sfiä$e
giebt ein 2MIt> oon ber tbcal angelegten
unb IiebenSnnirbigen SPertöultcbfeit beS
©raten. ph.
3cit unb 9Renf$en. XagebudiaufjeiäV
ttungen aus ben Saften 1863—1884.
Hon fteobor 2Beb,l. örftcr ibanb.
Altona, 21. (5. 91 e ber.
9iad) bem ©oetb/feben Siecepte : „2Scr
SHideS bringt, mirb Manchem (StmaS
bringen" bat ber^erfafferlagebucbnotijen,
Slnefboten, Stcfrologe, Briefe, Leitung«*
artifel, NpboriSmen u. bergt, gu einem
bunten Stmmelfammelfurium burd) cin=
anber gemengt, baS jur Ä enntnife ber ge*
febilberten 3eiten immerbin ein Sd)erflein
beitragen mag. Die ermähnten qtarfonen
geboren meift ber Dbcatenoelt ober Schrift^
fteüertreifen an, unb mancher ebarafterifttfebe
3ug wirb uns in äüeljr« 2luf Rainungen
erbalten, ber ibr 93ilb ergänzt unb ab=
rnnbet ober audi toobl in gang neuem
8td)te erfebeinen läfet. So bietet baS Sud)
nidit allein eine angenebmc UnterbaltnngS*
lef türc, fonbern eS fann aud) einen gemiffen
litcrarbiftorifdjen SUkrtb, in Slnfprudj
nebmen. pb.
3diaii itui L nun 5 f>eatei U»efew ber
Wricdji'u unb Wömer. Bon Dr.
SUdiarb Dpi*. Mit 3lluftrationeu.
2etp3ig, Bcrlag beS litcrarifdien 3abreS=
beridjts (Arthur Seemann).
DicieS fünfte Bänbcben ber „GuftttP
bilöer aus bem claffifctjen Mterthume" be*
banbclt ein äu&erft intereffanteS, aber in
Pielen fünften nod) uiebt Pöllig autge-
hcllte* Stücf antifen ScbenS. Der Her»
faffer hat nicht nur bie fefrftebenben dtt-
fultate ber älteren Qforfdjungcn überfid)t=
lieb sufammengefteüt, fonbern aueb ju ben
nod) jdnoebenben fragen reichliches Ma
terial mit anerfcnnenStocrtbcr Objecttoität
mitgctbeilt. Die Darfteltung beS febr um»
tangreteben Stoffes, ber burd) gahlreicfje
gute 2lbbilbungen erläutert ift, bleibt über=
all flar unb burdifiduig, bie Sprache ift
frtfd) unb lebendig gcbalten. ^amentlkb
gilt bieS aud) »on bem legten Kapitel, in
melcbcm ber SJerfaffer, über bas engere
©ebict ber fogenannten „SUtert&ümer*
btnau*gebenb, bie Dbeorie be8 XrainaB
im 2lltertbum befpridit. Da« »udj ift
ebenfo gu empfeblen, lnie bie früb^r er=
febienetten 2*änr>d)en ber Sammlung, mldK
1. ben £>anbel unb Hcrfebr, 2. bie Spiele,
3. bie religiöfcn ©ebräud)e, 4. ba8 Ärieg«'
tuefen ber alten ßulturPÖlfcr bebanbelten.
P-
Sie 2rad)t ber ftulttirbdlter &nro*
ba$. Son K. P. öepben. (ftunftge*
tocrblidie ^anbbüdxr. »b. IV.) üeip*
jig, Seemann.
Der SJcrfaffcr, »eldjer ätigleidi mit
Orcber unb3etd)enftift an ber (£ntftebung
JöudieS beteiligt mar, giebt auf 25h Seiten
mit 222 Nbb.lbungen eine flare unb tnappe
Ucbcrfidjt ber it<anblungcn in Xrad)t unb
9JJobe üon ftomerS &ittn an bi* girrn 23e»
ginne beö 19. Oaljrbunbcrtä. 3m erjien
Gapitet bf febäftigt er fid) bauptfäd)lid) mit
ber gricebifdieu unb römifdjen Jrleibung,
tnöbreub bie ägpptifdjc, afiprifd)e unb etru8=
ftfd)e nur geftreift merben. Da8 gmeite
(Sapitel bebanbclt ba8 Mittelalter. 3«=
nädtft toirö bie bpgantinifebe ftleibung ge-
fd)i^ert, bann bie ber ^ölferwanbcrungS*
geit bis su ben Karolingern. S?llöbann
folgt bie Betrachtung ber Gofrüme mäbrenb
ber ffreujäügc, ba8 bunte pbantaftifdie @e=
mifd) ber .ftleiberformen im 14. unb 15.
3abrl)unbert; bicfclben werben bis jur
.<C>errfdiaft ber frangönfd) « burgunbifdien
3?lobc in sBort unb iöilb Porgcfiibrt. 9Jad»=
bcm ber Ülutor in einem befonberen %b=
febnitt ein Btlö ber friegerifeben tbtttfifhmg
bcS Mittelalters entroUt bat, gebt er im
Gbaraftcriiirung ber 9feugcit über, toeldje
er in fcdiS 2lbfd)nitten crlcbigt: baS 16.
3abrbunbert, bie crfte ^älfte t>cS 17. ^abx-
bunbcrtS, bie äweite feältte bcS 17. unb
baS 18. Sabrljunbert, bie Steöolution, bie
Söenwffnuiig ber Slcujcit, bie Xrad)t ber
Sdjotten unb 3rcn. ©in »nbang i ber
ben geiftlidicn unb Pxttßtfjen Ornat bilbrt
ben Sd)lufe. DaS iWcr! bringt auch bem
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Sibliograplpfdje Xiotijen.
tfccbmann mand>e3 ÜReue unb weicht auf
©runb neuerer ^yorfctjunaen Dieifad) dou
ben üblichen 2)arftcllungen bcr groBeit
Eoftümwcrfe ab. Es barf feiner über*
ftd)ttid)eu ©eftaltung unb Maren $arfteU
lung rocgen willfommcn geheißen werben.
P-
»eue literarifebe ©otföbefte. Berlin,
Wicharb Ecfftein «Nachfolger.
2lcbniid) wie einft Seffing in feinen
Sitcraturbriefen bat Sicrfaffer bie ftoxm
eines #ricfwcd)felS gewählt um bie neueften
literarifcben Erfcbeinungett ju beipreeben;
unb smar ift eS ein iriDaliber Offijier in
Berlin, bcr feine ©ebanfen mit einem
beutfdxn aJtorineofftjier in Oftafrifa aus*
taujefir. Wenn aud) naturgemäß manches
allgemein JÖefannte Dorfommt, fo tft bod)
bei Stanbpunft neu unö intcreffant; aud)
wirb mau Dielen Urtbetlen, 5. üb. bem
über üJÜbenbrucbS „QuißomS", juftimmen
lönnen. WaS in ber ilnfünbigung ber*
fproeben ift, eine Dornebme, Döllig unDar-
teiifdje Haltung, ift iu ben erften heften
erfüllt, namentlid) aud) in bem britten,
meubeS bie franaöfifeben, uorbifch-n unb
beutfcöat Siebter Der ©egenwart nad) ihrer
(Stellung jum gefellfcbaftlia)en Sehen bc*
trad)tet. rj.
^aljrt- Halfan. Erinnerungen
eine« preiißifchen Offiziere« au» ben
Sauren 1876—87. Breslau, 3-U. Stern.
3e auf merf famer bie gange ÜBett bie
Vorgänge auf ber Balfanbalbinfel oerfolgt,
je näher für und bie ©eiabr liegt, baß
Unruhen, welche bort auSbredjen, uns einen
ttrieg mit iHußlanb bringen, um fo wertb-
Doller muffen bie Ülufgeidjuungen eineS
ÜIRaitneS fein, ber elf ber ereignißreichften
3abre nicht als 3ufchauer, fonDern in
tbätiger Ibeilnahme bort jugebrad)t r)at.
187G Offizier im ferbifd>en §cerc, im
folgcnben 3abre bei ben dürfen, bann
ü?lbiutant beim Statthalter DonOftrumelien,
enblid) im $ienfte beS ftürften Don Bulgarien,
bat ber Berfaffcr bod) fein bcutfcbeS £>crs
bewahrt unb betrachtet bie Ereigniffe aud)
nad) ifjrcr Bebeutung für unfer Bater*
lanb. $aS Buch ift feffelub gefd)riebeu,
unb mand>e $inge, namentlich, baS 2luf=
treten ber rufüfdjen Offiziere unb ba$
Sehen bcr 9täubcr im JKbobopegebirge,
famen uns fo romanhaft oor, baß mir fie
nicht glauben mürben, menn uns ber 93er*
faffer nicht mieberbolt Derficherte, baß er
nur erzähle, was er felbft erlebt bat.
iPcilitärifd) gebilbetc Sefer werben aud) an
ben <Sd)lad)tenfd)ilberungcn, bie ben S8e=
rufSfolbaten oerrathen, ihre Sfrcubc fiitbeu.
rj-
Zcv IHcjaPfuHi- Der ^imltouiUa.
Sieber aus bem 2>imboDiöatbal, aus
bem BoifSmunb gefammelt oon Helene
BacarcSco; in'S Eeutfcbc übertragen
oon Earmen Sqloa. Bonn, Emil
Strauß.
Helene BacareSco bat biefe Sieber
auf ben Däterlid)en ©ütern gefammelt, aus
bem sJJiunöe ber Bäuerinnen, in Spinn*
ftuben, bei ber Ernte, bei ben lobten,
an ben biegen, Don 3ißeuuern unb Wahr*
fagern. $urd)bieUebertragung in'S Deuticbe
ftnö fie ber Weltliteratur jugembrt worbeu,
toofür mir Sannen Sqloa 311 großem 5)anfc
Derpflicbtct finb. freilich tbeilen mir bie
Slnficbt ber fönigl.djen Dichterin nicht, baß
baS Saienpublifum benfclbeu großen ©e*
fdjmacf abgeminneu bürfte; ber Schwerpunft
ber Bcöeutung biefer Bolfslieber ift unferes
Erad)tenS Dtelmel)r ein miffenfehaftlid) lite*
rarifdier, ba fie einen Beitrag bieten jur
Seenntuife beS 33o[tsd)aratterS eines uns
noch menig befannten ^olfSftammeS.
Tu- Sieber finb faft alle reimlos,
ihre ©runbftimmuug ift fd)mermütl)ig unb
büftcr. (Sie gehören einem Jöoife an,
toeldieS unter Öahthunberte langer Sfuect)t=
fd)aft baS Sachen Dcrlcrnt ju haben febeint.
mz.
3ur « i oa. v ap h i c Ve ft a 1 0 \ i 1 •> . 4. Xfjcil.
I 5Bon ÜJlorf. 2öintertt)ur, 3iefllcr.
ÜJcit biefem ßanbe fd)lie&t baS oor
26 fahren begonnene, in päbagogifdien
Scrcifcu fehr beifällig aufgenommene äßcrl
ab. Söerfaffer hat mit großem ftkißc bie
CnclU'u gefammelt, bie über baS Seben
SßeftalojjiS unb bie ©efd)id)te feiner ?ln=
ftalt Dom 3abre 1805 an ITluSfunft geben,
uno läßt fie jjum großen Z'vc\k felbft
fprechen, fo baß ber Sefer fid) ein eigenes
Urtheil bilbcu fonn. ÜlUcrbingS leibet
barunter bie Einheit ber XarftcUung
einigermaßen. rj.
tie Waunhcinur ^üfiuenbearbet*
tun a t»co „ Woy von «1 1 1 idjitiflcif'
Dom 3ahrc 1786. 9?ad) bem Diann*
heimer Sonfflirbud) mit Einleitung 311m
erften IDcale herausgegeben Don Dr.
Eugcnüilian. ÜDtannheim, 3 * c u S*
heimer.
mit fehr auch baS ©oethc'fche Erft*
lingSbrama gleich bei feinem Erfcbeinen
bemunbert mürbe — an eine 21 u f f ü h r u n g
beS gegen alle ©emohnbeiten ber bamali*
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(48 — Horb unb 5üb.
gen beutfcfjcn 23üf)ne rcüoltirenben Stüdes
batte bamals mebcr bcr iugcnblidjc
£id)tcr Rebadjt, 11 od) hielten bie mciften
ßefer unb ftritifcr fic für möglid). SJcn=
nod) würbe bcr „ÖöV fdion 1774 in
Berlin, balb barauf in Hamburg, fobann
1786 in ÜDtonnfjcim unb frranffurt a. SR.
aufgerührt, obne baß ©oetfjc felbft etwas
baju getban bättc, wcldjcr oielme^r erft
feit 1804 bcn ®Öö, unb jwar mebrfad)
in PerfAiebcner i&etfc, für bie 93üt)ne be*
arbeitet 'pat.
lieber bie Scfdjaffcn^cit bcr bei jenen
erfreu 2luffüt)rungen gebraudjten legte
war man bisher nur gang uugenügenb
unterridject. <SS ift baber bodjft erfreutirn,
baB Dr. Kilian baS 1786 in 9Wannncim
nnb bann aud) in Ofrantfurt gebraudjte
Soufflirbud) aufgefpiirt unb bcrauSgcgebcn
tjat. Tie im (Üanjcn gefebiefte, obmobl
tnandimal redjt einfcfnicibcnbc Tbätigfeit
beS Bearbeiters (t»ennutblid) beS WcgiffcurS
3- X. 9tcnnfd)üb) bat ber Herausgeber
in ber Einleitung gut d)araftcrifirt.
dr.
8orb ^nro n. Urania in einem Borfpicl
unb 3 2lur'sügen. SöonStubolf ®olm.
äöien, 3R. »reitenftein.
Unter bcn 2Jerfud)cn, bie ©eftalt
SBpronS für baS Trama \n gewinnen,
bürfte ber ©olm'idje bcr talcntlofcftc fein.
TaB ber Söerfaffcr bie Gbronologic bcr
(Sreigniffc in SBpronS 2cben bcfmiS brama*
tifd>er Gonccntration in einer 2Bcifc um*
ftür,;t, mcldie bcn 23iograpf)en Enrons
(Sljc fdjaubern madjen mürbe, wollten mir
ihm gerne als ein Jtedjt beS bramatifdjen
TiditerS fu'ngcben laffen, menn er Oer*
ftnnbcn bjitte, burd) 2lufopfcrung bcr
äuBcren äiSabrbcit bie innere ju er?
borten. Tic (Mtalten unb Sd)emcn —
Btiron felbft nid)t aufgenommen — , ber
fdiärfcr beruortretcnbc 3cffrct), baS eigent*
lid) bramatifme 2lgcn8, ein unglaubbaftcr
Tbeaterböfemidit. 2lud) bie Jyorm ift
mangelhaft. X>ie Müßigen 3ambeu unb
au* 9?acf)IäfUflfeit ober 2J>illfür mit 4= unb
6fÜRigen burdjfcöt. (^ifionen mie in
Jfnt'fer für ftritifer, baS fieb mcbrfad), an
einer Stelle fogar in brei aufeinanber
folgenben Herfen finbet, mirfen gefdmtatflos.
ow.
o"i l*anöe Öes «alUe«. TramatifdicS
3citbilb in fünf Slufjüacit oon Gurt
21 bei. ftreiburg, fr & Scbfenfelb.
Gurt 2lbel, ber unS fdion burdi fein
bor fur*er ^cit crfdüeneneS 23ud) „Offiziere
otjne (Joaulctten" befannt gemorbeu, läßt
fein ntefit unbebeutcnbcS Talent in biefem
SBerfe in einem neuen &id)te crfdicineti.
@r bat augenfaVinlid) l'anb unb £eure
beS ©otblanbeS Kalifornien felbft ftubirt;
feine Scbilberungen tragen burdjauS bcn
«Stempel bcr Safjrfjeit unb finb mit bcr
ftcDer eines i'djarfcn, geiftreidjen Beobachter«
unb genauen 9Jlen}d)cnfcnncrS gejeidmet.
©lücflidj getroffen finb bie beutfcbcnOffigiere
unb Stubenten, bie il)r ©lud in bcr neuen
SBclt fudjen, fomic bie 2lmerifanerm SWife
Marfap, bic berforpertc (Smancipation. (SS
febtt biefem bramatifdjen 3*itbilb »cber an
cd)t moberner Seltauffaffung nodj au einem
mol)ltt)ucubcn ^an*c eblcr aWcnfcbcnlicbc.
9hir bcr Spradje gebridjt eS nod) au Turdu
bilbung; biet ^atte bcr SBerfaffer ctmaS
metjr feilen tonnen. 25 od) mirö bem äöerfe
bie oerbientc Slnerfcnnung nidjt Perfagt
werben. p».
92ubta. Grjäbfung Pon 9tid)arb SJoB-
Stuttgart, 35cntfd)c aierlagS=Slnftalt.
$icfc& neuefte äöerf oon JHicbarb $o&
muttjet uns ungemein fpmbatifd) an. 9Hd)t
nur ber fonnige Gimmel 3talicnS, unter
bem ftd) bie (Srgärjlung abfpielt, trägt fein
Xrjetl ra;u bei; aud) bic ganje i>lrt in ber
bicr Äünftler- unb SBoltSleben bargefteUt
ift, unb bic silu8fül)rung bcr einjclncn
j 3ügc ift burdiauS mafeuoll unb frei dou ber
Unnitjc, melcpc biefeS Tid)tcrS Schöpfungen
fonft meift eigen mar. Tie öieftalt ber
„ftubia" felbft, bcr ^elbin biefer (Srjäblung,
erbebt ftd) mie ein beHbeftrablteS Warmor*
bilb über bie gemöbnlid)en ^Homanbclbinnen
unferer $tit. fteufd) unb rein maltet fic
im Haufe, ftreng unb anmutbenb gugleid)
ift ibr ganjeS iWefen, gefeit ollen i*er-'
fübrungen gegenüber. Xic ©ingclr/citcn
bcr Ha»Mung analpftren mir nicht, um
bem l'efer bic ftreube an bem Serfe nimt
in fd)mälcm, baS mtt öerftänbigem Sinn
unb offenem, marmem Herjen gclefen fein
miß. ps.
fBeft^att» V 9?euc 9?ooencn oon 21 b a I b e r t
SJtcinbarbt. Söraunfdnoeig , ©corg
S^cftermann.
2lbalbcrt üJlcinbarbt ift einer ber Mit»
finnigften 9?oocQiften bcr (^cgcn)oart; bie
brei ^oöcllen, meldic ber oorliegentc S?anb
entbält. finb bidjtcrifd) unb pfpdologifd)
glcid) mertbbofl. Tic erfte bcrfelbcn be=
banbelt baS Problem, mic fdimer, ja tnic
faft unmöglid) eS ift, baS Seelenleben eines
anberen ÜKenfdieu gan§ ju oerftcfjen unb m
begreifen; mit aufterorbentlidiem ©efebief
lafet ber ä?criaffer babei nationale Unter»
■ fdu'cbe mirioirfen, ben ©cgenfae smifeben
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Bibliograph
ernftem, norbbeutfdjen SBcfen unb leichtem
Liener Jölut. Sttudj bie beiben anbeten
(Srrääblungcn finb äufjerft anfpredjcnb in
ibren äRottoen; ftorm unb Skbanblung
beliebigen felbft bcn gcmäblteftcn (Se»
fdjmacf. mz.
Tic $erf)etratf)etet!. 3roölf ^ege-
gcfd)id)tcn Don »uguft Strinbberg.
2luS bcm 5d)tDcDt)dicH üborfefct Don
Ortenburg. Bubapcft, &. ® r i m m.
21. Strinbberg ift einer ber bebeutenb*
ften SJertreter ber realifiifd>en Sdjule beS
Horbens. ($d)t jolaifd) finb bicfe o l)ege=
fd)id)ten, unb menn aud) in ilmcn ein gut
Stüd SBabrfjcit unb ridjtige SebcnSauf*
faffung ju ftnben ift, fo fönncn bicfclbcn
bod) gefäbrlich auf iugenblid)e @emütfcr
mirfcn, bie ber padcnbc Xitel anaiefjen
bürfte. ps.
ivantafio. ©efd)id)ten unb S*ebenSbiloer.—
^umpaneUa. (Sin Shirt) für gciftreicbe
£eutc, bie abfeit» geben. 2*on 3Ji. ©.
(Jonrab. i'eip*ig, ftrirbrid).
Söeibe JÖüdier finb für bie 9tid)tung
unb Haltung ber „jungbeutfdjen" Sdrrift=
fteffcr bejcidmcnb. Sie enthalten $laubc=
rcien feuinetoniftifdje Sfi^cn, ©efprädK,
(SffaP/S über aUcS 2Köglid)e: Literatur,
1*olitif, ßofonialpolitit, Xbeater, äunft,
3>htfif, Naturalismus, feciale frage, i
$rofefforenroman, 9iid)arb Uöagner u. f. m.
3m „^fantafio" finb aud) brei ©cfcfjiditcn
frei nad) 3oto enthalten, meldte an 3til*
gärten unb groben glüditigfeiten nidjtS gn
mim uteri übrig (äffen, im llebrigen aber
nidjtS Pon Sola'fdier Straft unb Genialität
baben. £ic (SffanS geigen (Sonrab als
belefenen Sdiriftftcller, ben man gerne
plaubern tjört, menn man aud) oft über
eine fepiefe 2lnfid)t, ftlürttigfeit unb Cbcr-
fläd)lid)fcit ben Sropf fdjütteln muß. ss.
„Tie rotlje i'atmuu" Vornan Don
(Smalb Sluguft ftönig. 2 Söänbc.
Breslau, S. Sdjottlaenber.
öS mirb uns mit biefem Stamme ein
nad)gclaf)ene8 SJßerl beS babtngefdiiebenen
SdrriftfteflerS bargeboten, meldjcS bemeift,
baß Sluguft ftönig, ber bed) immerbin ein
l'Uter Pon faft60 3abren crrcid)te, bis 31t
feinem lobe im Schaffen fiel) gleid) geblieben
ift. 3a, bie uns Dorlicgenbc, oieüeidit feine
befte Sdjöpfung ift fo unterbaltenb unb
fpannenb gcfdiricbeu, mie nur feine ge=
lungenften früberen Scrfe es maren. $er
gefunbe Realismus bcrSdiilberung läßtunS
Döllig bcn trotfeucnlon Pergeffen, ber aUer=
bingS aud) tjier beS SdjriftftcllerS 2lrt
dje rioti3en. H9
ift. lieber bie gcfdjicft erfunbene crimina-
liftifdje Kombination t)inauS intereffiren
uns bie frappant lebensmaljrcn Sd)ilbe=
rungen Pon 2)icnfd)cn unb Söerbältniffen,
fo ba| mir meinen: ötoalb Sluguft Sfönig
bat fid) gerabe mit biefem feinem legten
2?ud)e ein bauernbeS £cnfmal erridjtet!
W.
ttpUeue. §iftorifd)C Srjäljlunfl dou
Jocnrn Suenb. 3n'S $eutfd)c über=
tragen Pon ßubmilla JHepnolbS.
2 Jöbc. JöreSlau, 3. Sdjottlaenbcr.
Ob toof)l ber SJerfaffcr mit ber für
ben Umfang beS iöudjcS au&crgemöbnlidien
JÖejcidjnung „Krjüblung" anbeuten mollte,
bafe eS itjm metjr um bie fjiftorifdje ©taffagc
unb bie Sarftellung beS @eifteS einer be-
ftimmten 3eit 311 tbun mar, als um baS
halten feiner fcidtffunft? ©ieicftoicl —
bie &rsät)lung „(SpUene" enthält Diel
6d)öneS unb 23ebeutenbeS unb ift jur
Üectüre beftenS ju empfctjlen. ©ic führt
ben fiefer in bie 3<ii ber pocrjgebcnbften
ffämpfe beS fiegbaften (5l)riftcntl)ums gegen
bie ©ötterlebre ber Börner. (*in3clne
Figuren treten in plaftifdier Gbarattcriftif
Por uns; mit lebbafteften färben, mirfungS*
Doli unb Stimmung gebenb, ift baS 3«t=
colorit gefdjaffen, unb jene uralten unb
emig jungen treibenben 9Jläd)te, bie Ciebe
unb ber &aj3, baben ergreifenbe I atftcllung
gefunbeu. Jöor SlHcm aber intcreffirt uns
bie ©cftalt ber ^clbin Gpllcne, ber 2od)ter
btS StoiferB KctbcguS, Doli echtefter iBeib=
lid)(ett, liebreijenb unb mutbig jugleid);
il)re ©eftaitung allein legt ein DoUgüligeS
3cugni& Don ber$id)tertraft ^>enrt) SnepbS
ab. $ie Ueberfceung ift itjrer Stuf gäbe
trefflid) gercdjt gemorben. W.
3m «djiüjjdKii. M<&tiatic" Don SR.
GorouS. Breslau, 3. Sdiottlaenbcr
«eibc 5RoDeÜeu crad)ten mir als Untere
IjaltungSlectürc im beften Sinne. Sic finb
ftofflid) intereffant nnb in leiditer eleganter
Spradjc gcfdjriebcn. Ob ber Siebter fid)
mobl bewußt mar, baß bie erftc (Sraäblung:
„3nt SdilöRdieji" ganj uinDiberfteblid) au
SdjiUerS „ÜJJcufdicnfciub erinnert V W .
3u liäfitid)! Vornan tincs 5ftubcS Don
^ugcnS al i ng er. Breslau, S.Sd)ot t-
laenbcr.
Tie fleinc rübrenbc (Mcfdiidjte mirlt
in ibrer fdiliditcn ©infadilieit mabrbaft
berjergreifenb. Sie bcbanbelt ben grau=
famen (ionflict eines beißen, liebeSbc-
bürftigeu ^ergenS in einer äußeren Wxfr
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J50 So*b
geftalt unb enbigt mit bem felbfigeumblten
lob jene* llnglüd lidicn, als tbm unmiber;
Icglid) gnm ©twufetfein gcbradjt wirb, baß
ibm butd) eine Öaune ber 9totur für immer
Derfagt bleiben mürbe, maS feinen begünftig-
ten 3Kitmenfd)en nngefudjt entgegenfommt.
2kfonbcrS bemunbern mir baS bidjterifdje
3f€ingefül)I beS SöcrfafferS in ber Sdjiloerung
beS Seelenleben* ber Sfiuöcr unb beS t)er=
anmad)fenben Oünghngö. ms.
s\. »ofeg«crö *lu$acmäbac
Söerle. tirad)t=lHuSgabe. k2mt6003üu=
ftrationen Don 21 Öreil unbfl.Sdjmib:
bammer. 3" 75 Lieferungen, Bcjtfon«
Octao ä 50 $f. äüien, 81. fortlebe n.
Sie £efte 40 bis 56 biefer SluSgabe
Don 8. M o f e g g e r'S Herfen befd)lic&en
beren britten Jöanb, toelcner baS ,,$ud)
ber sJ?oDcaen" enthält, baruntcr: „Ser
äüalbftrcit", „Scr SBaumnarr", „Ser
^ebrfäfer", „Ser fterrenfepp", „Sie
^fingfmadjt" unb anbere bcmäljrte Sd)ö*
pfungen beS beliebten Tutors. Unter bem
Öcfnmmttitel „Sonberliuge auS bem Spotte
ber 2llpen" folgen fobann auSgemäblte
(Stjaraftcrbilbcr, in benen 9tofepger, ber
gottbegnabetc 3d)ilbcrer beS SHolfSlebenS
in Den s<?llpeu, fo redit in feinem Elemente
ift. Sie ftimmungSDofle (5rjäblung „3Bie
ber Cberfteirer fcodwit hält" fdjliefet beu
iöanb ab. r.
Wnbotf Sd»mibt'S OiomlU'it. Teutfd)
Don 2tt. D. üöord). (Worbtfdje »iblio:
tbef. itfb. U). JöerÜn, 3. ^ifdjer.
3« allen biefen 9ioDellcu — mit
HuSnalmie ber „beiben SUaftoren" — ftefjt
jebcSmal eine ftrau im ÜJitttclpuufte ber
£>anbluug, fomeit man Don einer foldicn
rebeu fann ; beim jum Xt)ä[ ftnb fie, tote
„Sieftammerbenin" unb „Söeibc^aftoreu",
oortoiegenb Gbaraftergemälbe, unb jmar
mit ftarf fattrifmer Färbung. iBäljrenb
bie beibeu erften l£rsät)lungen: „Sie
.Sfammerberrin" unb „Die ^ittme" in
ibren Sujets etma» gefudit ftnb unb in
ber realiftifdien SluSfübrung im (Sinjelnen
an fransoftfdje 9flufter erinnern, finb bie
beiben legten „(sin glürflidieS (Sbepaar"
unb „(Sine Diofeubraut" febr einfadi in
(Srfiiibunq mie Sarftellung. 3« ber Glitte
— räumlid) mie äftbetifd) — fteljen „Sie
Sdimicgcrtocbtcr beS #ifd)ofS" unb „Söeibe
^aftoren". Ser Ükrfaffcr ift ein fdjarfer
ÜJcobaditer, ber bie Sdimädien ber menfefr
Itdjen ftatur burd) olle füllen anfdjeincns
ber SBortrefflidifeit burdtfebaut unb ironifd)
aufoedt. 3n einer 2i>eife, bie jebe fünft»
Icrifdjc SBirfung gerftört unb in bem iTefer
nb 5üb.
I nur SJiberroiflen erjeugt, gefd)ieljt bieS in
ber erften (Srjäblung, in loeldKr eine auf
bober geiftiger tote gefellfdjaftlidxr Stufe
ftebenbe grau, bie mit Siebtem unb
; ftüuftlcrn äftt)ctifd)e fragen tractirt, ftd)
fdjliefelidj als bie rjeimltdte Jöublin eines
tief unter il)r ftcljenbeu aJicufcbeu, eines
taubftummen XifdjlerS entpuppt! Sagegen
liegt beu beiben folgenben ISrjäblunpen
eine tief fittlidte 2lnfd)auung ju ©runoe,
bie tron Dergmid ter unb uitltebfamer ISinjck
beiten in ergreifenber ätfeifc $um SuraV
brudi tommt. ISutfagungSDoUe, frrenge
i Selbftjudjt übeube Srauendjaraftcrc, mie
fie unS ^ier entgegentreten, fdjeint ber
feetfaffer mit Vorliebe 311 fdnlbem, unb
bierfür geigt er eine ungemötwliaV, tiefe
äßtrtungeu erjiclenbe Jöegabung. uw,
Äuteurs modernes. I'n petit cours
litteraire pour la jeunesse p;ir
<q. öottbclf. Stuttgart, 3. GngcU
r)orn.
Sas Jöüdrfein bietet gut getoäbltc
fleine (fr^äblungen moberner Sd)riftfteller
mie 3ofepb Süeetal, Grneft Saubet, Pierre
Secourcette u. 31. ^efremben toirb eS
Diele, aud) Sadjer l^afodj unter ben fran*
äöfiidjeu Sugenbfdjriftftellern §u finben.
Ser Don ibm gelieferte Beitrag gebt fret=
lid) feincStoegS über ben iKabmen beS
)Büd)lcinS binauS; bagegeu bättc bie ^ex-
auSgeberin bei ber biograpbifdt-literarifdKn
Stisäe beS ?IutorS etmaS mebr 3urücf^
baltung beobadjtcn fönnen. Sie 3ugcnb,
für meldje biefe fleinen ßrjäblungen be^
redjuet ftnb, mit ber 3bee beS „i8ermäcr)t=
uiffeS ftainS" befannt ju macben unb fo
paraboje 3been mie bie Don ber ßiebe als
einem Kampfe ber beiben (Bcfdtledtter 311 bc
rübren, ift jum ü)?inbeften Ijöcbft überfiüf fig.
Sie 23ioprapbieen bürfen infofern 2lrt-
fpntdj auf 3uucrläfftgteit madten, als
ifjnen eigene SIngaben ber Tutoren 311
©runbe hegen. ow.
Sut*?U' Isbntcö. ^ooellen Don ^anS
^ermann. SrcSlau, S. 3diott=
laenber.
Sdion bie Uebcrfdjriftcn ber Drei in
biefer Sammlung Dereinigten 6rjäblungen
(„^inberuiffe*' — „SKeugclb" — rf3luSße=
broeben") beuten auf ein tu&neS unb t»er=
toegeneS Steiterleben t)iu. Sie ÜHänner
unb grauen, meldje uns iuev begegnen,
ftnb freie unb ftolje Naturen, bie beim
3agb- unb SHennfport nidit nur bie Gräfte
beS SeibeS, fonbem aud) alle ebelften (vigen--
fdjaften beS (5f)araftcr8 gefctjult l)aben unb
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Sibliogr apfji
fä&tg finb, bie „fciuberniffc" ber 2tbcn& ,
tuü) ii 311 übcrwtnbcn ober ibnen ftanbbaft
unö ungebeugt ju erliegen. Ta» geieliige
£ebeu ber OffigierSfrcife unb bcr ariftofratU
fdjen (Brunbbefiöer ift mit einer i'ebenbigfeit
unb ^rtfd>c erfaßt, weldje erfenncu läßt,
baß ber SJcrfaffer — ober follte e» eine
»crfafferin fein? - bieic iBerbältniffc au»
eigener 2lnfd)auung fennt. OefterS, am
meiftcn in ber jioeiten 9Jooelle „ttitSae*
brodjen", geigt ficb aud) in crgöölidjcr
unö bod) ftet» feiner £mmor. 3ebcr, ber
für bic in biefcn ^iooeUcn berührten £eben»=
freife SJerftanbniß f)at, wirb fie mit 3ntcr*
effe lefen. 0.
"Hu* Den ,vtutt)i'it be* lieben».
Mooellen oon fiuife (Srucfti (SÄ. oon
£>umbrad)t). 33re»lau unb Ücipjig, 3.
3d)0ttlacuber.
$ie SWoüetlcn finb juerft für Emilien*
blättcr Dcrfaßt unb tonnen sur itetüre
für jnnge Httäbdjen empfohlen werben, ba
fie ofme bie Sßbantafie burd) Ucbcrfcbmäng:
lidjteit gu überreifen, Anregung unb Unter*
baltung mannigfaltiger JArt getoäbren.
3m 2lnbang befinbet ftd) bie Söcfcbreibung
einer Sinterfabrt in'» Wefcngebirge, bic
oieten ßuft machen bürfte, bic Schönheit
unferer fjeimtfdjen SJerge aud) $ur Sinter»
geit fennen ju lernen. ms.
bfonbrn Tratten t>ou Ulmen rieb.
3familiengcfd)id)tc au» öicr 3abr=
bunberten bon CSufemia Gräfin
©allcftrem. T>re»bcn, ©. S^tcrf on.
Tie ®efd)id)te eines tbüringifdien
2lbcl»gefd)Ied)t» aus oier 3ab,rb,unbertcu
ift oon ber Jöcrfufferin fpannenb unb
unterbattenb ergäblt; nur muß ftd> ber
&cfer biet 9tomantif unb nod) mehr
2ttqftif gefallen laffen. 3m aMttclalter
gur Seit ber £>ercuproceffe unb ein $abx*
bunbert fbäter mabrenb be» Dreißigjährigen
tfriege» paßt berartige» in ba» (Solorit
ber 3^it; jemebrwir uns aber ber neuen
3ett unb nun gar bcr unmittelbaren (Segen»
wart nähern, um fo befremblid)cr berühren
uns biefe 2lt)nungctt, $ropbe3etbungcn,
Träume unb nnmentlid) bcr nod) nad) Pier
3abrbunbertcn wirffame 3rlucb einer in ibrer
(tbre beleibigten A-rau, meld)er allen
blonben grauen berer oon Ulmcnrieb gilt
unb bem legten ftreiberrn bcfonbcrS per*
bänanißOoQ mirb, ba mit feiner Selbft*
oernidjtung ba» ©efdilcdit au&ftirbt. Senn
mir nun aud) biefer ÜHpftif wenig Öe»
fdjmacf abgugeminnen oermögen, fo be--
fennen mir bod) gern, baß bie Serfafferin
dje I1oti3en. \5\
bic „ftunft gu fabulireu" im Ijorjcm 2Jkße
oerftebt; aud) weiß fie mit nötigem Skr=
ftänbniß jebem 3citaltcr ein d)aratte=
riftifa>S Gepräge 3U oerleihcu. 9htr mit
bcr neueften 3eit ift ibr bie» weniger ge=
hingen ; benn felbft wenn wir ba» lieber*
natürlidje fritiflo» hinnehmen wollen,
werben wir bod) burd) bie Unmabrfdjein*
lidjfcit ber gefdjilbcrten Vorgänge gur
Oppofition gereift. mz.
„ZpovV*. Vornan oon (S. »ein. 23reS=
lau, 3. Sdjottlaenbc r.
Sir freuen un» ftet». wenn wir einem
neuen söudje oon (5. iüelp begegnen, beim
wir ftub bann fid)er, ein 2)id)twerf fennen
3U lernen, ba» tfraft unb l'unh gugleid)
gefebaffeu b,at. (§. Süclt) befigt nid)t nur
ein cntfdjiebcne» Talent, fte bcfiöt aud)
jenen bobeu SJiutb itjrer Meinung, ber
fid) uid)t fdjeut, eine Sunbe bi» in ibje
Tiefe bloß3ulegen. Unb um eine SButtbC
bcr fogeuaunteu ©efellfcbaft liaitbelt eS
fi4 tu bcr Tbat in beut oorlicgcnben
)öudjc, ober oielmebr nod) um bie SBun=
ben, wcldjc eben bieic ©e|'cllfd)aft unbarm*
bergig fdilägt. Sport! 5llle» Sport l)eut-
3ittage in bcr ©efellfd)aft: bie iMcbc unb
ba» lUnfcbcn, ba» Öeuie uub bie Jöarm*
b,er3tgfeit, bie Tugeub unb bie Unfdiulb !
— iyreilid), c» flingt oft fet)r bitter in bem
Üöudje wieber; aber beutlid) füblt man bcr
au», wie webe e» ber Tidjterin felbft um
ba» fterg ift ob bcr Saljrbcit ibrer SdjiU
berungen! Taß fte aud) ben (Sbeliinu in
reieber Entfaltung 3U geigen Oerftebt, ba»
bemetft ja bie überau» anmutbenbe C^cftalt
bcr ^clbin bc» i^udjc». (S. iüclp fa^afft
niajt nur mit bem (Seifte, fonbern aud)
mit bem bergen; ba» ift'S, wa» itjrcu
Sücfjcrn befonberen 9tei3 Perleibt. W.
3n oer SBclt toerloren» Vornan oon
^. oon pöbelt iö. 2 2?änbc. 3cna,
Goftenoble.
3)er Stoman febilbert be» Treiben ber
f4wet3erifmen XHnardjiftcn. T5ic ^fabel ift
red)t Dcrmitfelt, aber mit Älarbcit bargc=
legt. 2>ie Probleme finb 3war nid)t fonber*
lid) Dertieft, bod) ift bie L^äblung trefflidi
bi»ponirtunb ftet»feffelnb, bic Gbaraftcriftif
gut gelungen. T)te ^erfonen finb effect^
Doli aeseiebnet, bic Situationen padeub
unb intereffant. üüngcnebm berübrt bic
Polle Sprache, welche burd) einen reinen
poctifchen §aud) »oarm belebt ift. Ta»
Söuef) fann mit gutem ftewiffen empfoljlen
werben, nid)t nur 3um Ccfen fonbern aud)
}UU1 tfaufen.
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\52 Horb t
©ier Roberten. 83on 6m il bon
Moll. SrcSbenunbfieipgig, ö. $ter=
f on.
Sie in biefen Lobelien behanbeltcn
Probleme ftnb webcr an fad) neu, nod) auf
originelle SlScife befjanbclt. Ser 8$erfaffer
ober bie Skrfafferin thäte gut, fich auf baS
leidjtcre ©enre gu befchränfen, wie in ber
(£rgählung „ffäödjcn-; c& wären bann
Piclleicht fpäterhin anmuthige ©oben gu
erwarten, ftür größere Slufgabcn unb
ernftere (Sonflictc, wie ftc bte erfte SRobeOe
gu bewältigen oerfudit, reicht biefe poctifchc
ftraft bei Beitcm nicht au«. 35er Stil
bebarf forgfältiger geile, ow.
„9er öilaöiator". Vornan aus ber
3cit GaligulaS oon SUiltjelmäöallott).
üeipgig, 2B. Sricbrid).
2Btlr)eIm Söklloth gebietet über eine
tfunft ber SarfteQung, bie uns oft lebhaft
bewegt ihm lautdjen liefe. Sein neucftcS
ü*ud) aber ift faft burebmeg ein äftbctifd)cr
3rrtlmm! 35er £clb fclbft, 2WarcuS, ift
eine, gclinbe gefagt, unftjrnpattjifdjeCVJeftalt :
fdjmächlid) unb feige, treulos unb unbanf-
bar. Seine 3ugcnbgeliebte, 9Jtarcefla, er*
innert beutlid) an bie Örifctten beS
quartier latin. nur baß fte nicht bie na^
türliche ßiebenswürbigfeit befifct, bie man
bei jenen häufig finben foll. Ser ftrcunb
beS Marcus, ber ©labiator Oalerius, ift,
troö einiger fd)ön-menfdilid)en fliegungen,
im ©runbc ein roher, finnlicher ©efelk;
einzig für bie Scnanfpielerin 4$qralli8,
bie ber Siebter, obgleich, er ihre »erführe*
rifd)e Schönheit fortmährenb betont, ihrer
30 3ahrc wegen für alt erflärt, bie
fid) fclbft eine Verworfene nennt, unb bie
bennod) allein baS (Sble in bem 23ud)e
bertorpert, bermögen wir Xhcilnahme gu
empfinben. äßte aber 2öill)elm 2t*aIlotb
ben Äfatfer Galigula bor uns treten laut,
baS iiberfchrcitet IHIlcS, waS mit ber Sluf»
gäbe eines irunfnberfeS in Vcrbiubung ge=
brad)t werben lann, unb aud) ?llleS, was
innerhalb ber ©reugen beS guten ©e=
fchmacfeS liegt. Uns hat jene Sarfteüung
unb aud) fonft mandje SötailS ber Sd)iU
berung nur burd)auS peinlid) berührt.
W.
9er $eaafn«. (Sine tragifomifche ©e--
fchichtc bon g. 2Jcauthner. Bresben,
IRinben.
©egen baS üppig emporwudiernbe
llnfraut beS unbegabten Dilettantismus
geht ber äkrfaffer fdiarf bor. W\t beißen*
ber 3ronie unb unbarmbergigem Spotte
nb Süö.
fdjilbert er uns baS Xreiben jener ßcutc,
bie, ihre elenben Nachwerfe auf eigene
ftoften bruefenb, bie Literatur ber unfrei*
wittigen ftomif bergrößent. 9Ran lieft bas
löuch mit um fo größerem Rehagen, wenn
man oft ©elegengeit hat, bie VluSWÜchfe
biefer berüchtigten btlettantifcbcn ©olb-
fdmittSpoefie burebgublättern. Sie Sprache
beS 58ud)e8 erinnert unS oft an grau
23ud)holg. i&irfliche Scrttcfung bon
(Sharatteren hat ber öerfaffer in 3lnbc=
tradjt beS 3wecfeS feiner ©efchidjte wohl
gar nicht berfueht; aber manche feine,
treffliche JBcmerfung entfebäbigt uns bafür
unb bor sMllcm bie fchier unoeritegbare
Quelle beS §umorS. ©er gebilbete Ücfer
wirb feine greube baran haben. as.
«Bin* uno S&eUett. fteue ©efd)id)ten
unb Söilbcr aus bem See- unb Äauf*
mannsieben. Jßon^h- ffnieft. Dlbcn=
bürg, Stalling.
Siefc ©efchtchten fchilbern lebenbig
unb anfehaulich baS Beben auf ber See.
(SS fehlt bem SSerfaffer nicht an Xalcnt,
wohl aber an SluSreifung. Sie ßompofi*
tion ift theilweife mangelhaft, unb ber
Fortgang ber ßanblung wirb btelfach buren
nebcnfädjlicbe Momente aufgehalten. iHudj
faubercre Surchfcilung beS ?lu8bmcfeS
Wäre manchmal gu wünfdjen. Soch weiß
ber Verfaffer für feinen ©egenftanb unb
1 bie fräftig gefchilberten SPerfonen ju er«
Wärmen unb baS 3ntereffc bis sum Schluffe
i wad) iu halten, fo baß baS JÖüdjIciu eine
recht angenehme ifeetüre bietet. ss.
<Iuä ber tVembe. ©ebichte bon
(Sonrab Jeimann, finben, 3.(5.
(5. 5örun».
6rnfte,fd)Wermüthigc,tiefmelandiolifd)e
2öuc, baS büftere 2eib beS SiccbtbumS
unb bie bitttere (Sntäufchung in ber Siebe,
burcbjlingert bie £t)vil SelmanS. irr
fdjilbert feine (hnpfinbungen unb Seelen=
fämpfc in lebhaften, ja glühenben färben ;
er ergreift, aber er ermübet auf bie Sauer
unb man OermtBt bie iterföbnung mit ber
ftttlidicn äBeltorbnung. (*S fehlt baS ©c^
präge einer marfigen, männlichen Sfraft,
weldje cS auf iid) nimmt baS ©efehief |ü
ertragen. Siefe ewigen klagen berühren am
(Jnbe boch pcinlidi, tro6 ber bollenbeten
5ormenfchönhcit unb ber gefertigten SpradK.
(lingelue ©ebichte, wie j. 3?. bie w$>eimats=
lieber" unb bie flcincren (Spen unb 2Jal*
laben ftnb gang auSgegcidmet. 9thbthwifd>e
gärten ftnb uns ebenfo feiten begegnet,
1 wie unglüeflich gewählte bilblidie 2lnS=
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Bibliogrctpliifdjc Zioti3en.
155
brucfStoeifen unb ©puren befamttcr Ütjrifcr.
$a8 29ud) ift eine finnige fdjöne ©abe unb
ernftcrer S3ead)tung burdjauS mürbig. u.
«u$ ber Siebe. ®on3JUjr£od)ftäbt.
Söcrliit, flempner.
Sin tjonb« toabrer leibenfdjaftlidjer
(ympfinbung, bagu juflcnblidieS taommtren,
ttmai fofette Sinnlid)feit, eine £ofi8
^einefeber fronte — ba8 finb bie £>aupt*
ingrebiengen biefer ßiebeaitjrif, bie aud)
in ber häufig epigrammatifdjen 3ufpifeung
unb im £onfaü" ben Hinflug be3 „unge=
gogenen ßieblingS ber ©ragien" berrätb.
Xie ©ebidjte finb inl)altlid) tote formell
febr unglctdnoertfng; in mandjeu fpridjt
ftd) ein freiiid) nod) nidjt abgeflärte« Talent
au*, bem aber ftrengeSelbfrgudit unbSelbfc
tritif anguratben ift. 2Bcnn bei neunzig
unter fjunbert ©ebid)tfammlungen beute bie
2lu3ftattung ba« äöertboollfte ift, fo mad)t
baS oorltegeube SBüdjIein eine Sluäuabme,
ba ba« äuBere ©etoanb beäfelbcn gar gu
bürftig ift. ow.
2>entfd)e ««tferlteber bon Gilbert
m o f e r. Bresben u. ßetpgig, ©.SMemm.
2lud) ber gute S^ecf, für ben biefe«
Söud) beflimmt ift, rechtfertigt ba« (Sr*
fdjeinen nid)t, ba bie ©ebidjte loeber nad)
itjrem 3nbalt, nodi in ber Sprad>e, nod)
aud) im 23cr«bau an ben $urd)fd)nitt
beranreidjen. R. J.
Vor Joflcoanbrud). Cornau Pon
(SugenSaltnger. Berlin, Otto 3anf e.
Sluf bem culturgefd)id)tlid)en £intcr=
grunbe ber Wbfcbaffuitg ber Seibcigenfdjaft
in iHufelanb, unmittelbar nad) bem jKegie*
rung«antritt flaiferä 2llejanber II., fpiclen
fid) bie (Sreigniffe ab, toeldie ben än^alt
bicfeS Womane« bilben. 2i*tr fönnen bem*
felben Picle Sorgüge nadjritfjmcn ; in erftcr
9leit)e genaue ftenntnife ber bamaligen 3u*
ftänbe unb be« rulftfcben $Bolt«diaratter«,
fo wie anfdjaulicbe Tarftcüung aller Strö»
mungen unb ©egenftiömungcn, bie ftd) in
fdjroffftem ©egenfaö gegenüberftanben. ?lud)
bie lsabel be« ÜKoman« flößt 3ntereffe
ein unb befunbet bie Begabung be« 2?er-
faffer« für bie Sdnlberung pfpcbologifcber
Vorgänge, beren (Stiarafteriftif bureb natio-
nale (Sigentbümlidjfeiten ein befonber«
fenarfe« ©epränge auftoeifen Ülber biefe
2?orgüge toerben erftieft in einer gcrabegu
unerträgltdjen äöeitfditoeifigfeit unb einer
Unbeboifenfjett ber Aktion, bie bem Shidje
gum Sd)aben gereidjen bürfte. Sir bc-
bauern, bafe ber ^criaffer burd) foldie
SKängel ber Xedjnif feine oielen 3?or-
güge in ben Schotten fteat. ms.
titebuftte Pon ß. Stafacl. üJlit Sin»
leitung Pon OMij $af)n. ßeipgig,
Söreitfopf & Härtel.
@ine beiferc unb mürbigere 9tecenfton
als bie fdpnen SBerfe, loeldic Saljn bem
Söüdtfein beigegeben bat, tann 9tiemanb
febreiben. ©er „2öeil)efu& be« Sdtfnen"
ruf)t auf biefen ©ebidrten, meld)e, ben
reteben ftrei« menfd)lidjer ftreuben unb
Seiben burdimeffenb, in ebler ftorm emften
Snbalt toürbtg geftalten. SDie SBerfafferin
(benn augenidjcinlid) rühren bie ©ebidjte
Don einer 3)ame ber!) bef)crrfd)t bie metrt*
feben formen mit ooUenbetcm Xactgefäh,!,
unb bie 6prad)e l;alt ftd) Pon lieber^
fd)toänglid)feit mic Pon gereimter ^rofa
gleid) fern; fie ift getragen oon bem
Strome eine» reidien btdrterifcben 6mp=
finbenS. 2Bir hoffen auf balbige» Sierer=
feh,en mit biefem erfrculid)cn Xalente!
^(uö bem «üben. .Vene ©ebiebte Pon
Stephan aniloto. Stuttgart, 2tboli
5öoug & 60.
2)icfe Sammlung eutbält nur toenige
balbtoegS ba« 33littclmafe ber ©olbfdmitt*
Iprtf erreid)cnbe ©ebidite; bie meiften finb
gereimte glatte $rofa unb bagu nod) redit
unbebolien, ooQer rbptbmifdjer £>ärtcn unb
fprad)Itdier 9?ad)Iäffigfeiten. ©cbabe um
bie bübfa> Sluäfiattung beS »ücblein» I m.
CUluftrirtcr .yüljvcr Mndi Cber>
Stalten, i'iit ben Üllpentouren in ber
(larnia, im Goborc unb in ben (Sette
comuni; ben 2llpenfeen (©arba=, 3feo-,
(Somo*, ßeceo^Sce unb Üago maggiore)
unb ber Stioiera. Süon 3. OberoSler.
ÜHit 60 3Uuftrattonen, 11 ff arten
8 ©tabtplänen unb Steifefarte. Sttieit,
8. fortleben.
©icfeS febött auSgeftattetc JHcifetoerf,
bem ftd) fpäter nod) gtoei fclbftänbige 23änbe :
„ÜJlittcl^talien" unb „<SüN3talien mit
Sicilien" anfdiliefcen fotten, nimmt nidit
nur auf bie Seb^uänriirbigfeiten bereinglnen
©täbte, fonbern aud) auf bie 9Mtuneige
unb Sebcnätoürbigfeiten ibrer Umgebungen
5Öebad)t; audi entbält e8 betaißirte 23e^
fdircibungen ber lobncnbften Bergtouren fo-
.toie ber oberitalienifdieu Seen. tuirb
ben Befudicru Station« als nüölidier unb
tfjatfräftiger SHatb.geber gur Seite fteficn.
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15*
ZXoxb unb 5 üb.
$ctttf4e e4»la4>teul>cnfmölcr.
(Dcutfdjc 3«t= unb Streitfragen 50/51.)
iton 3 a nf e n. Hamburg, EcrlagSanftalt.
$cr 2krfaffcr {>at eine grofee Spenge
3d)lad)trelt>cr bereift unb bie ^Beobachtung
gemadjt, bafj bie 3>cnfmäler meift nid)t an
ben bebeutfarnften fünften errietet flnb
unb audj nidjt genügenbe $u8funft geben.
$>em gegenüber ftellt er allgemeine ©runb=
füge für bie (hridjtung unb ^lufftcUimg
auf unb ujenbet biefelbcn auf bie Sd)Iad)t-
f elber oon 2Jieti unb l'eipjig an. 3)te
(Einleitung bc8 IcfenätDcrtljen SöüdtfcinS
btlbct ein ©drreiben aJioltfe« an ben Bei*
faffer. R. J.
Eingegangene Bücher. Besprechung na
Adamr, R , Architektonik dos Mittelalters. Band
11. AbthW. 3. Hannover, Helwing.
Alanus. Die Heilung der Schwindsucht auf
diiltischom Wege. Berlin, M. Breitkreaz.
Berg, L., Gottfried Keller oder Humor and Realis-
mus. Berlin. Brachvogel St Ranft.
Berger, W., Aus stillen Winkeln. Xovollen.
Berlin, liobr Paetel.
Blum, H., Geheimnisse eines Vertheidigers.
Berlin, Gebr. Paetel.
Bog! er, Ph., Erzahluuiren aus dem Wien r Wald.
Danzig, C. DinstorfT.
Bormann, E , Das Buchlein Komm mit mir!
7. Aufl. Min. Aus;. Leipzig, E. Bonnanns
Selbstverlag.
Brandt, M G. W., Caroline Perthes, Keb. Clau-
dius Vierte Auflage. Gotha. F. A. Perthes.
Brennwuld, A . Am Vierwallstätter See. Maleri-
sche Ansichten. 38 Aquarel en nach Original-
Aufnahmen. Unter M twirkung von W.
Grothe horau«goir>*ben von Fr. Schleicher.
Luzorn, .1. Fr. Schleicher u. (.'<i.
Briefe von (i et hos Muttor an die Herzogin Anna
Amalie Neu heran«? u. erläutert von R.
Hoinomanu. Mit zwei Bildnissen. Leipzig,
Verl. d. litterarischen Jahresberichts.
Brono, Giordsno, Reformation des Himmels (lo
sjuccio d'-Ua bestia trionfnntn). Verdeutscht
uud erläutert von Ludwig Kahlenbeck.
Lunzig. Rauert k Rocco.
Cfllln, E. v, Odovakar, ein Charakterbild aus
der Völkerwanderung Danzig, C. Hinstnrff.
Bandet, A., Xuma Roumestan. Äutoris. Uebers.
a. d. Französischen. » lid. (Kngelhorns allg.
Roman- Bibliothek. V.. Jf5. 2Cj. Stuttgart,
J. Enwelhorn.
Deutsche Kncrklopldle, Ueforang 33-35. Ber-
lin, Wienand de Gneben.
Dreher, E., Der Hypnotismiu, seine Stellung
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Neuwied, llousor's Verlar.
Ebnrr-Kschcnlmch, M v. Ein kleiner Rom:in.
Zweite Autla<e. Berlin, »iebr. Faetel.
Huck, D., Arabesken ii (irotesken. Einfalle in Vers
und I'roaa. Leipzig, A. G. Liobeskind.
Ilcllmund, <;,, Authari-Snge. Loii-zig, Verlag
des littorar. Jahresbe'ichts.
Ein Sltirk Leben. Blatter der Erinnerung an ein©
Entschlafene. Gotha, F. A. Perthes.
h Auswahl der Redaction vorbehalten.
Klrrhliorf, A., Länderkunde von Europa. Lief.
6*. di*. Pra^' u. Leipzisr, F. Terapsky.
Langen, M., Ihr uud ich. Lieder und Gedichte.
Köln u. Ixiipzi,', Albert Ahn.
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wissenschaft insbes. dargelegt au den Grund-
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übor die neuere Lyrik des Xordons in Ueber-
setzungen. Bremen, M. Heinsius.
Hrbi^irt unter OrrantnHJrtlidjfrit bt* Ejeraas^ebfr».
T>TU<t unb Ocrlag non 5. SdlOttlaenber in Örwlau.
llnbtredftigtfr nddjbrn ef aus bem Jnbalt Wrfer Sritfdrrift untfrfugt. llebtrfrftBna.sied>t Dorbeljdltrn.
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Natürliche Mineralwässer
1889«. Frische Füllung. 1889er. ^
Täglicher Versand
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Quellern
und
jren Wärmegrade
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ihlossbraon 4 h *
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•abrann. . 47' *
«Ltbraun. 34* =•
•Ivnqudle. 47 s
iiHrÜKls-Q.a.33* *
liserbronn. 39 1 ■
Proöocte
KARLSBADER
Sprudel-Salz
pulverförmig
und
krystallisirt.
KARLSBADER
Sprudel-Seife.
KARLSBADER
Sprudel-Pastillen.
Die Karlsbader Mineralwässer und Quellenproducte
sind zu bc/.irjhon durch die
Löbel Schottländer, Karlsbad i/Böhmen
sowie durch
alle Mineralwasser-Handlungen, Apotheken und Drogisten.
Ueberseelsche Depots in den grössten Städten aller Welttheile.
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-232
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"SECURUS JUDICAT ORBIS TERRARUM."
Apollinaris
NATÜRLICH
KOHLENSAURES MINERAL-WASSER.
Die Füllungen am A pollinaris- Brunnen
(Ahrthal, Rhcin-Preussen) betrugen
im Jahre 1887
11,89^,000
und im Jahre 1888
12/720,000
Flaschen und Krüge.
THE APOLLINARIS COMPANY, Limited,
LONDON,
UND REMAGEN A. RHEIN.
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IXovembev (880
3nf?aU.
2Iiujufto l^ujVIjner in £vtihi
tfT^iulcnj. 27 -reife ^ 55
tyuu!;1; €ln*Iicr> in Bor in.
<Sii\U\,r. *\rbi j,.^
€ricf? ITTarcfV in S -dir..
Suteü X IV. Uni Skaßtnvrt , 221
2luguft SJ^marsom in Breslau.
^ifoljii-, mt£> ^oljamtes ron pifo 25$
Karl (Bjellciup in DcnemarF.
O-Dur. €tnc Kammc.nmfif iTorclic 04^
»» "t* '
€mft U7 fy^ogi oon Sachen de bura, iSotba.
£co;;ol& I., König ber Didier 27.-
fy&ttng, Berber , m <£if enad>.
bes Ijimmels nc t
Bibliograph ;
Sibliotjraptjif.r ;it Mjcri
l'icvju ein porttatt ron tfiui^pc Deti>i.
Kai)irung £. K ü f? tt in Unmbrxa,.
Ptf 5 |-ro (J?U>llMi (.i i;t-fte> 6 Ulorf.
<Uüc anr öon vebactiontücn 3nf>aft von , Pjrti unfc £uir< I-
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TXotb unb Süb.
ine öcutfdje ZTTonatsfdjrif
herausgegeben
von
Paul £tnbau.
LI. Sanö. — Jlooember (889. — fyft (52.
(ITlit einem portTdtt in KaNrung. äiufeppe Perfci.)
25 t e£ lau.
Drutf unb Detlag von 5. Sdjottlaenber.
ITlagbalma
HoDelle.
Von
— Berlin. —
nb jo mögen bie troftfofe SBittroe, bic lie&enben SSerroanbtcn
lidj an bcm ©ebanfen aufrid&ten, bafe e$ ein SBieberfe^en giebt.
I (rin 2Bieberfef)en im (Seifte, roo fic abgeflreift iffc bie irbifdje
&ülle, mit tf)ren gefjlem unb ©djn>äc$en, — ein SBieberfefjen in 3efn
(Sfjrifio! ©ein 9iame fei gepriefen, in (Sroigfeit. 2lmen!"
Der «Prebiger fcfyuieg. 9iod> ein ©djlufcoerS be3 tyoxaU, ber bie
Xrauerfeier eingeleitet — bann rourben bie SBalfen, bie, über ba$ offene
©rab gelegt, ben ©arg trugen, Innroeggejogen. Sangfam fenfte er fidj in
bie ©rube. Die ©triefe ächten unter ber Saft, bie ©rbe fiel abbröcfelnb,
mit bumpfem ©eräufa) auf ben SHetaübecfeL ©in ja&er %cf — ber
Sarg mar in ber Siefe angelangt. Wafö füllte fidj bie gälmenbe Deffnung.
Die greunbe traten fyeran, jeber warf eine &anb uou* @rbe fnnab unb
begleitete ben legten ©rufj mit einem leifen SHort.
Die trauernbe SBittroe, eine fd)(anfe ©eftalt, uon ifjrem fdjroarjen
©dreier gan$ eingebüßt, ftanb am ©rabe$ranb unb blidte fjinab. 3«
©ebanfen ober tiefen ©d&merj fo oerfunfen, ba^ fie beinahe ba3 ©leid;--
getoidjt oerloren ijätte, unb l)inabgeftürjt märe. ffi ©a^roager fprang
fjerbei, unb legte ben 9lrm um fie. 9l6er fie Oatte fidj fdjon roteber 3ured)t;
gefunben. 9ftit einer abroeljrenben Seroegung gegen ifm, unb einem legten
Slicf auf ben ftd) mäf)lid) roölbenben £ügel, roanbte fic fidj mit langfamen
©abritten jum ©efjen. Allein, wie fie gefommen mar, oerliefc fie ben
ßird)f)of.
Ii*
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J
iHagfralena. \5?
magere grau, mit jcfjroarjgefärbten paaren, bie fie in gepufften Sdjeiteln
über ben Öftren trug, fted^enben 2lugen unb einem bo^aft gefniffenen 9ftunb.
„Wx ift, als Ijätte man mid> imoenbtg ausgenommen, fo leer unb talt.
@S ift audj ju f)art einen SBruber ju oerlieren, unb fo ein golbenes $er$,
roie mein 2tfbert fyatte." Unb Tie taufte ein Stüd Semmel tief in bie
braune glfiffigfeit in if)rer Eaffe.
„9to, roaS baS golbene &er$ anbetrifft/ brummte if)r 3Hann, ein
SHiefe mit furjgefdjorenem, oieredtgem Sd)äbel unb einem mächtigen ©ebife,
baS eben baS britte öutterbrob oertilgte. „3Jian foH ben lobten nichts
SööfeS nad)fagen; aber für uns fjatte er verteufelt roenig übrig."
„2)aS mar einjig unb allein bie S<$ulb feiner grau/' sifdjte feine
Gf>ef)älfte, mit einem 23lid nadj bem Nebenzimmer ; „bie Ijatte ifjn ja gan§
unter bem Sßantoffel, bie f)od&mütf)ige $erfon."
„Unb wie Tie fid) tjeute roieber benommen t;at," mifdfte fid^ gräuletn
2lnna SBulforo, baS ältefte, ftarf oerblüfjte QnfpectorStödjterdjen, tn'S &e-
fpräa); „unerhört! Slllein jum unb oom griebljof gefahren, roaS gegen alle
Sitte ift! Unb md)t ein 2Bort Ijat fie mit uns 2ltten gefprod)en!"
„$er Sdjmers um ben oerlorenen (Regatten/' begütigte grau ©utS*
befifcer Älenjtg, bie £ante beS $aufeS, eine wohlbeleibte SDame, mit einem
fettig glänjenben Oefid^t unter ber fa^ioar^en Spifcenfjaube.
„$aS ift bodj 3l)r Grnft nid)t?" fnurrte SBulfoto. „$ie unb Sc&merj!
&od)mutl) ift es, reiner &odS>mutf)! 3Bir finb if»r ni<f>t fein genug, ber
gnäbigen ^rinjeffin.''
grau tflenjig roog nad)benflid& ben fifbernen Kaffeelöffel in ber £anb.
„Ob 2llbert roof)l ein Xeftoment gemalt t)at?" flüfterte fie gräulein SRect-
^aufen ju.
©efpannt laufa^ten bie Slnberen. „3$ roeife es ni$t," bekannte bie
(Befragte. „$er Suftijratf) roar xoofy ein paar 9M l)ter, aber £err Granj
f)aben fidt> nie barüber geäu&ert."
„öS märe Ijimmelfdjreienb, wenn er feine ©efdjroifter nid&t bebadjt
tjätte," grollte grau Söulforo; „aber baS traue id) tljr fdjon ju, biefer
<perfon."
„Sief) bodj üttama, was id) gefunben l)abe!" So unterbrach 2Hartf)a,
bie jüngere Eod>ter, baS ©efprädj. Sie fjatte roäljrenb ber Unterteilung
ber 3lnberen im Limmer umfjergeftöbert. 2)ie £ante Granj mit if)ren ab*
roeifenben Sanieren roar für fie ftets ber ©egenftanb beS r)öd)ften Leibes, —
il)r $auS, in baS bie gamilie nie gelaben rourbe, baS intereffantefte Stubium
geroefen. %n einer ©de beS Büffets fjatte fie jefct eine SBifitenfartenfdjaale
entbedt, unb in ben oerftaubten ftärtdjen gerofifjlt. „Sief) bod), roer l)ier
2iaeS oerfefirt l)at! Stabtratf) SBeberS, 2)irector Sublanj — unb auc^
Äftler! — Xer SWaler Oebel, gräulein 2fatanba oom Stabttljeater" —
„Sa^maroter, bie meinen armen Sruber aufgegeben f)aben," eiferte
bie Butter.
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\5S
2luautfc ßaufdjner in Serlin.
„2>a3 ^tttte in ben legten Sauren ganj aufgehört/' befchwtehtigte bie
Söirt^'c^Qftertn. „&err Granj war ftets ein greunb ber 9tot)e. 9hrr
feiner jungen grau ju Siebe, ber er ja jebel Opfer brachte."
„2Öa3 er nur an ihr gefunben tyxi," fragte 2lnna, „an ber rotf)blonben
$opfenftange."
„(Smgebilbet unb babei arm wie eine ßtrehenmaul," ergänzte ihr
$ater.
„SBenn ich noch an ben £ag fetner Verlobung benfe," — grau
2Mfom fprach unbeutlidh, benn fte faute eben ein grojjeS Stüdf Slpfel*
fuchen — „fo bretjt fiä) mir bal £erj im Seibe um."
„3Wir ift es wie freute/' fiimmte gräulein 9?ecf häufen $u.
fifee fyvc am genfter unb ftopfe bie £üu"garbinen au« ber guten (Stube.
Xa fommt £err Granj herein, unb läuft in allen &fen umher, als fuche
er etwa«, ftefft fiä) bann plöfclich cor mich ^)in unb fagt: gräulein 9ietf;
Raufen, ich Ijabe midf) eben uerlobt — mit ber £oä)ter oon grau 2Uanf.
2lber unfer SBerhältnifc änbert fid^ baburch nid&t. $m ©egentheil, ich werbe
3^re Unterftüfcung noch nötiger brauchen, benn meine Sraut ift nodh fo
jart unb unerfahren."
„©ine nette Unerfahrenheit," Ijöfmte ber 3nfpector, „bie mar mit allen
ßunben gehefct!"
hätte mich eigentlich nicht überrafdhen foHen," fuhr bie Wählerin
fort. „6ettbem grau S3lanf in unferem #au$ wohnte, mar £err Granj
ganj oeränbert. 2lber ich war wie mit Slinbheit gefdhtagen. (£rft fpäter
fiel e§ mir ein, wie oft ich Um mit gräulein SJtagbalena plaubemb auf
ber treppe getroffen; bafe er bie 9Rieth3quittung fietä fetbft in ben brüten
Stocf trug, unb bafe er ftcf) auch einen neuen fchwarsen SWocf hatte machen
laffen unb brei weifte heften."
$>ie ganje ©efettfetjaft laufchte gefpannt bem intereffanten Vortrag,
unb bemerfte nicht ben (Eintritt bei einzigen 23ruber$ bei SSerftorbenen,
bei $octor Hubert Grans, ber an ben Xifch trat, ein ©lal SBein hinunter*
ttürjte, unb bann, mit auf bem SRücfen gefreujten 3lrmen, in ber Stube
auf unb ab fchritt.
„Verliebt wirb fie fidt> wohl nicht in ihn fydben," fpöttelte Söulforo.
„@in ungleiche! ^ßaar," meinte auch S^u Älenjig, bie S'ortenfrümel
auf ihrem Schoofe fammelnb. „Senn ich öen erfien SSefudjj benfe,
ben fie bei und machten! £en erften unb ben legten. Sie hat uns ben
Sruber entfrembet, fie hat fein #erj. Unb wer weife, hätte fie ihn nicht
eingefangen, er lebte nielleicht noch, ber gute 2ilbert!"
Hubert trat an ben £if<f>. — „©laubt 3hr f*w» 3lnbenfen ju ehren,
inbem 3hr feine SBittwe üerläfitert?" rief er. „Unb Sie, graulein
JHedfhaufen, träten auch Keffer 3hre ßerrin nicht ju fdjmahen. 3h*e Uner*
fahrenheit fam nur 3h«en 5" ©ute. Unb — auch ohne aWagbalene 33lanf $
3?erfuhnmg§funfte, Sie wären bodjj nie bie jweite grau (Sranj geworben!"
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ITlagbalena. J59
2öie eine Schaar aufgefd)eud)ter Sperlinge ftoben bie ^ngerebeten
auSeinanber. ©in böfer SBlid ber grauen traf ben ?lr$t, aber fie oer*
ftummten. ©rfl alä er ba3 Sinter oerliefc, rüdten fie enger jufammen,
um ba3 unterbrochene ©efprädj im glüfterton wieber aufzunehmen.
Factor Granj trat in baä Nebenzimmer, bie „gute Stube", in welcher
ber Sarg aufgebahrt gewefen war. Die rotten ^piüfdjmöbel ftanben nodj
alle in einer ©de jufantmen ; auf bem gufcboben lagen Tannenzweige unb
abgerijfene, weifje Finthen, ©in wibriger ©erudj von Qfyox, 9Rofdm$
unb weifen Blumen erfüllte ben 9iaum, ben eine Sampe nur notdürftig
erhellte.
©rft nach einigen Secunbeu erfannte Hubert feine Schwägerin, bie
in ber genfternifdje in einem Seifet lehnte. %n bemfelben 9lnjug tto<^
in welchem fie ben Kirchhof oe-.iaffen. Den $ut Ijatte fie neben ftch auf
ben £ifd) gelegt, ba3 ©adjemiretud) war il)r von ben Schultern geglitten,
unb fd)leifte an ber ©rbe. Hubert fonnte nicht unterfdjeiben, ob fie fdjlafe,
ober mit fyatbgefdtitoffenen klugen träume.
„Du wirft Dich erfälten, Sena," fagte er nähertretenb, inbem er fi<§
bemühte ben raupen fllang feiner Stimme zu bämpfen. „Du foHteft Dich
umgehen unb etwaä SÖarme* genießen/'
Die junge grau fd>redte auf. Dod) aU er nach ihrem £ud) griff,
um e$ iljr wärmer um bie Sdmltern zu legen, ftanb fie rafd) auf, mit
berfelben abwehrenben Bewegung, wie oorfjer, aß er Tie oom ©rabe
hinwegrijj. „3$ bin in ber Xhat angegriffen/' antwortete fie mit leifer
Stimme, „ich werbe mich nieberlegen." Unb langfam, mit müben Stritten
bnrdrfchritt fie ba£ ©emach, ben feuchten Äletberfaum nach fidj jietjenb.
Sie burd)fd>ritt einen engen ©ang unb trat in ihr Limmer. Da
warf fie £ut unb Duo) oon fidj, oerfdjlofj bie Xljür mit Schlüffel unb
Siegel, trat bann in bie SJlitte ber Stube unb ftredte beibe 2lrme in bie
$öl>e, wie ein Sttenfdj, ber eine fdjwere Saft niebergelegt t;at.
grei! fie war frei! Die Letten waren gefallen, bie fie feit %a\)xen
gebrütft fetten. Sie war nicht mehr abhängig oon ben Saunen unb
2Bünfdjen eines Hnberen. Sie gehörte fidj felbft an, ihre eigene Herrin!
Sie flaute um fidE): $ier war ihr eigenfteS 9teid)!
Die neugierigen Slugen ihrer Richten hätten hier mehr Mit ihrer
©igenart ausfpüren tonnen, als in ben auSbrudglofen Jöohnräumeu. So
gut e$ ihre fünfu'erifdje Unfenntmfj, unb bie Sparfamfeit beä ©arten erlaubt,
hatte fie fidj hier ein behagliches 9Jeft gebaut. 3n einer Ntfche, burdj
blafjblaue ©retonneoorhänge faft oerbedt, fianb ihr Bett. Daoor, auf einem
felbftgeftidten £eppid) mit Sftofenmufter, ihre Sammetpantoffeln. 5ln ba$
genjter, baS nach bem $of ging, über bie niebrige 3)iauer jebodj in grüne
©ärten blidte, war ein lehnenlofer, mit nachgemachter, perfifcher Dede
überbreiteter Dioan gerüdt. Darüber an ber Sßanb ein Bücherfchränfdjen.
Daoor ein £ifdj mit allerlei £anb, einem gad)er, 2J?etaHbüchfen, ©Ia3=
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\00 - — 2Jugufte fiaufcbner in Berlin.
flauen mit roohlriechenben Söaffern. 2luf bem blumenburchnrirften 2eppt<fj,
ber einen großen X^eil be£ gujjbobenS bebeefte, ftanben niebrige, blaubejogene
2)iöbelfrüde in abfichtlidjem Surdjeinanber. Sajnufchen ein Schaufelfrur)l
aus gebogenein £ol§, ein Slumentifch mit tunftlichen 23lattpflan$en. Xen
f leinen Schreibtifd; fdjmfidten franjofifche 93iSquitftguren, unb aus einer
bunten Vafe auf fchroarjem Södel erwuchs ein mächtiges 2ftafartbouquet.
3fn' SieblingSplafe jebodh, non ihr mit befonberer Sorgfalt gefchnrüeft,
mar il;r Äamin. 3hre ganjen Grfparniffe ^atte feine 2lnf Raffung ver-
fchlungen. Sie Umrahmung von unechtem SRarmor, baS Spiegelglas, baS
irm, in hellblauer Ginfaffung, frönte, bie jierlidjcn SReifinggegenftänbe,
Holjforb, SaxiQe, Sölafebalg, bie feine flammen anfaßten unb unterhielten.
S3or 9iaem aber baS mächtige fä^roarje Bärenfell, baS fie baoor gebreitet,
unb baS ein ^aar weiche ftiffen leidet jum bequemen £ager manbelten!
&eute pratfelteu bie Sd)eiter fpü auf unb i^r £id)t mifcfcte ftdh mit
bem matteren Schein ber rofaoerfchleicrten Hängelampe. Siäjt oor ber
©lutl), burd) einen geftiefteu Dfenfchirm oor ber §ifce gefchüfet, ftanb ein
niebriges weifcgebedteS Xiichchen, mit Sheegefchirr. Scna erfanute bie
£aub itjreö 3JtäbchenS Sore, baS mit rufjrenber £reue an ihr hing, unb bem
allein fie bie Sorge um ihr f (eines fteim anvertraute. Sie ftreifte rafc^ bie
fdm>ar$en ©eiuänber ab, tuufd) ,§änbe unb ©efidn* mit buftenbem SSaffer unb
50g einen roeijjen glancüfchlafrod über. Sann $ünbete fie bie Spiritus*
lampe unter bem Reffet an, goft baS fochenbe Söaffer auf bie Sheeblätter in
ber jierlidjen Älamte unb (teilte eine Xaffe £f)ee neben fich auf
2luf baS Bärenfell geftredt, bie 5lrme hinter bem Qavipt getreust,
ftarrte fie in bie flammen.
Sah fie in ben ©luthen ©eftalten ber Vergangenheit aufzeigen V
Sie immer flagenbe, abgehärmte 3)luttcr unb fid) felbft? SaS atr)t=
jelmjährige, hochaufgefchoffene 2J?äbd)en, mit ben unjufricbenen, begehrlichen
©ebanfeu unter ben rothblonben Dorfen? ©ebad)te fie beS XageS, ba fie,
oon einem 23efuch surüdgcfetjrt, bie Butter jum erften 2M freubeftrahlenb
fanbV tfaufmaun Granj, ber Söefitjer beS Kaufes, in bejfen brittem
Stodrocrf fie jroei befcheibene Stübchen bewohnten, f)atte um SenaS &anb
angehalten. &McheS ©lud! &Me mürben fie alle Sefannten beneiben!
Grinnerte fie fid), mit welchem Stolj fie, bie faum erblühte Jungfrau,
ihre ^anb in bie bes alternben SRannes legte, ber ihr Vater fein founte?
S5Me freubig fie ba* „3a" t»or bem 9lltar fprach? GS brachte ihr ia 3lfleS,
wonad) fie fid) fo lange gefefmt hatte: eine geräumige SBohnung, fdjöne
Kleiber, Sienftboten, ein forgenlojes, arbeitsfreie« fieben." —
GS bauerte %ofyxe, ehe ihr all ber neue SBefife ganj gleichgültig
rourbe. Gin Aufenthalt in ber £auptjtobt, in ber ihr 9)tonn, uon feinen
©efdhäften in 3lnfprua) genommen, fie ber gührung feiner ^reunbc
überlief trug bam bei fie aus bem 3uf*<mb behaglicher ^ufriebenheit
auf3urüttcln. 311 bie flöfterlidje Stitte iljreS ^eimS jurüdgefehrt, glaubte
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IHagbalena. \6{
fie plöfclid) 3U füllen, bafj fie btetjer nur oegettrt Ijabe, unb bafc i^rc
2Bunfd)lofigfeit nid)t<S geroefen war, al$ Unfenntnifc be$ &%vfdjenSroertl)en!
Damals oerfud&te fic Sefanntfdjaften anjufnüpfen, tyre ßäuSltdtfeit
ju beleben.
2tber ir)r ®atte faf) fdjeel 5U biefen 2(enberungen. Gr roar an
gletdjmäfjige fiebenöroeife geroöfmt unb fonnte fid£) ju einer anberen
nidjt mein* bequemen. So gab £ena it)re 9(enberung3oerfudje balb auf.
3$re neuen greunbe fdjienen if)r bei näherer 23efanntfct)aft ofjneljin nidjt
intereffant genug, um für it)re ©rtyaltung ju fämpfen. Die alte Stille
50g roieber in if)r £au3 ein. 9ftd)t3 fdnen oeränbert, unb bod) roar fie
eine ganj 2lnbere gcroorben!
3,n it)rcr Seele roar etroaS erroadjt, ba3 ftdj nidjt roieber beruhigen
wollte, ©ine Unbefrtebtgttjeit ein (Seinen — ganj anberer 2lrt als ba£
i^rer ÜWäbdjenjaljre, baS nur ben praftifdjen Dingen be3 Sebent gegolten!
@3 fehlte ir^r an SBefdjäftigung, um bie innere Unruhe $u betäuben. Die
Leitung ber 2öirtf)fdjaft ruf>te in gräulein 9tedfjaufen3 £anb, unb öffentliche
2Sol)ltf|ättgfeit intereffirte fie nid)t.
Sie fdfmeidjelte irjrem -JJtonne bie ©rlaubnifj ab, fid) ifjr 3inimer ein;
ridjten ju bürfen. ßein grember foüte e$ betreten. 2ßie eine Bezauberte
^rinjeffin erfdjien fie fidt) barin. Stunbenlang regten fid) bie gefdjidten
ginger jum Sdnnud ber eigenen $erfon. 9Zad) it)ren SJiobebilbern fdjuf
fie #üte, ^äubd^en, Äleiber, in benen fie oft fein anberen 9htge far), al£
baä eigene. 2öetm fie beS 9lbenb$, nadj ber testen Partie ^iquet, ben
©utena^tfufj it)reö 3Jtanne3 Eingenommen, fluttete fte in ifjre Ginfamfeit.
Stunbenlang las Tie frangöfifdje Romane, in benen unoerftanbene
grauen lebten unb liebten. Unb bann trat fie roof)l oor ben Spiegel,
Iöfte bie golbenen $aare, entblößte bie roeifcen Sdjultern unb' fragte fid),
ob fie ntdjt aua) loertr) fei angebetet, begehrt ju roerben? Söarum es
iljr beftimmt fei it)re Sngenb ju oertrauern, ir>re Sdjönljeit ungefe^en
»erblühen ju laffen?
Unb in pljatttaftifdje ©eroänber gefüllt, beren Sdjnitt fie felbft erfunben,
ftredte fie f\d) auf baS Bärenfell, blidte in bie fladernben &ol$fdjeite, unb
träumte!
9iid)t oon #iebe, — nur oon (eibenfdr)aftridr)er SBerounberung, oon
glänjenbem Seben, raufd^enben SSergnügungen !
3mmer brennenber rourbe bie Se^nfudjt nadj ber SBerroirflidjung
biefer träume. Cft, roenn fie fid) mit i^rem SHann im aUtäglidr)en ©e=
fprädj unterhielt, äuierlid; ba£ sBUb ooHfommenfter Seelenrulje, t)ätte fie
am fiiebften aufgefdjrieen : „Sdjon roieber ein Xag oorbei, ein £ag oer=
loren! 3Heine Sujjenb fd)roinbet; id) roiU leben, genießen \"
3hr 3Kann merfte nid^t^ oon £ena$ Doppelleben. %n feinen 9lugen
roar fie ja, im 23efift oon 3Ulem, roa§ eine grau beanfprudjen fann, ooll*
fommen glödlid). 2ln ir)re fü^le, träge @leidhgültigfeit tyitte er fid)
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vlugufte lianfdptcr in Berlin.
gewöhnt unb fyelt fie für ihr innerfteS SBefen. UeberbieS mar er, in
golge eines plöfclid) ^eroortretenben Verbleibens rafd^ gealtert unb fränf e(te
häufig, bis ihn eine ftarfe ©rfältung auf baS Äranfenlager warf, — von
bem er fid) nicht roieber ergeben follte.
Sena, wohl um bie Stimme in ihrem Ämtern ju betäuben, pflegte
ifm mit pünftlidjer pflichttreue. 2Rit einer grauen Sd)roefter tfjeilte fxe
bie 9tad)troad)e. ©S mar in ber 9tod)t oor feinem £ob, als fie aus
leichtem Sd)(ummer, ju bem fie in ben Sef>nftuhl juruefgefunfen, oon ber
(Stimme beS ©arten geroeeft nmrbe.
„^erjeU), mein Äinb, bajj id) Xeine -Hu^e ftöre, Xu mufjt fer)r
mübe fein." Unb er legte feine peifcfjlofe, matte .§anb auf tt)re fühlen,
meinen ginger.
,,3d) fühle, es geht mit mir 3U @nbe. 99alb fann id) vielleicht nicr)t
mehr fpredjen unb id) |ätte Xir nod) fo viel 3U fagen."
@r fat) fie lange an, wie fie oor ihm ftanb, im roeifeen 9tod)tgen>anb,
bie blonben gled)teu 00m Schlaf gelöft, bie SBangen leidet gerottet.
„SBMe fd)ön Xu bift, Sena! Schöner nod), als an jenem STage, ba
id) Xir jutn erften 3Me auf ber treppe begegnete." ©r feufjte. „Xu
bift fet)r jung, ju jung, um allein in ber 2Mt ju ftehen, Sena! 3lber
id) weife, Xu bift ernjt unb oerjtänbig. Unb Hubert wirb Xir jur (Seite
ftet)en. 3ln ilm roenbe Xid) in aßen fragen beS SebenSl"
Gr fonnte nid)t weiter fpred)en, ein &uftenanfaU erftitfte it)n beinahe.
3ur Erleichterung feiner 9ltf)embejchwerben mar eine befonberS ftarfe
SJlorphiumbofiS nötfn'g. Sie beruhigte ii;n — aber aus bem Schlaf, in
ben fie it)u oerfenfte, ermad)te er nid&t mein* 5U flarem 33ewu&tfein.
* *
*
Xie Träumerin am ftamin war eingefd)lafen. Saute (Stimmen auf
bem Giang fa)recften fie auf.
„SIbteu, liebes gräulein," hörte fie bie fette (Stimme ber Sante
Älenjig fagen, „empfehlen Sie uns ber $auSfrau. ©S mar nid)t fet)r
höflid) non i^r, uns ofmc eine &>ort beS ?lbfchiebS &u nerlajfen!"
„Wlit gemeinen Seuten, wie mir finb, maä)t man feine Umftänbe,"
höhnte ber gabrifinfpector. Unb feine grau fügte hinju: „Sie ift
wirflid) unerhört, biefe Ungezogenheit."
2lber Schwager Hubert fa)nitt ihr bie Siebe ab. „<Seib Sfox nod)
nid)t fertig mit Säftern, bann maä)t es außerhalb beS £rauerbaufeS ab."
Xie %fyüx fiel $u; fie waren gegangen.
©in oerää)tlicheS Sächeln umfpielte bie Sippen ber Saufd)erin. Sie
hatte ftets eine graufame greube baran gefunben, bie SBermanbten ihres
SJtanneS ju beleibigen. Sie fanb fie ungebilbet unb boshaft. Unb fonnte
fie ben $erfef)r mä)t haben, ben fie roänfd)te — einen unenoünfdbten
lief* fie fid) nid)t aufbrängen. 3hr Wann, nur mit lofen Sanben an feine
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niagbalcito.
\6ö
gamilie gefnüpft, nötigte fie nid>t ba$u. 3lwc mit feinem Grober Hubert
machte er eine Ausnahme. £rofc ber färoffen, abweifenben flühle ber
Schwägerin, war Hubert ftets ein häufiger ©aft beS Granj'fchen £aufeS
gewefen. £ena fonnte ilm unmöglich feinen Angehörigen glelchftellen.
3u oft (jatte if)r SJtonn ihr erjagt, mit weitem eifemen Jjrei&c Hubert
fich bie reiben Äemttniffe angeeignet, bie ilm $u einem ber gefud)teften
Aerjte gemalt hatten; auch oon Gharafterjügen, bie oon beS ©rubere
rauher, aber geregter ©üte fpradjen, berichtete er mit Vorliebe.
Erofcbem wuchs SenaS Abneigung gegen ben ungern gelegenen
Schwager oon Sahr ju Safjr. ©er geheime ©roll, ber fid), mühfam
bewacht, in ihrem &er$en mehrte, toanbte [ich weniger gegen ben alternben,
fdnoachen ©atten, als gegen ben fcharfen, ironiföen Hubert. Sie Wie
feine burdjbnngenben Slicfe, bie it)re oerborgenften ©ebanfen ju lefen
fa)ienen; fie ()a§te baS fpöttifche fiächeln, mit bem er ein neue« flleib, eine
f ofette &aartracf)t an ihr betrachtete, beren ©rftnbung ihr ein paar müfjige
Stunben oerfürjt hatte. Sie hafcte bie unoerhohlene Verachtung, mit ber er
ihre SRomane, wenn fie fich einmal in baS SBohnjimmer oerirrten, bei Seite
toarf; fie rjagte bie farfaflifche ©alanterie, mit ber er ihre Schwächen
getjjelte — ihre (Sitelfeit bemüthigte. Unb an ihn hatte fte ber Verstorbene
gemtefen! 0, über ben Scharf blict ber Männer! 3Wit befonberer ©enug-
thuung wollte fie gerabe feine &tlfe fchroff äurücf weifen!
* *
Am Xage nach oer öeerbigung ihres 2HanneS fühlte fich Sena franf.
Xie anftrengenbe Äranfenpflege, unb eine ©rfältung auf bem Kirchhof
hatten ihr ein leichtes Sieber sugejogen. @S mar iljr ein willfommener
SSonoanb allein $u fein, alle neugierigen läftigen Vefudje abjuroeifen. Sie
oerlebte eine wonnige Sßodje trägen hinträumen«, oon feiner Pflicht geftört.
2Bie ein Slawen rollte fie fich in ihrem 33ett, an ihrem ßamin ju
behaglichem SRuhen sufammen, oon ihrer $ore gepflegt unb gehätfchelt.
Sie bachte nichts, fte plante nichts — fie fühlte fich wöbe unb aoge*
fpannt unb boct) innerlich beruhigt; mar fie boch frei unb ^errin ihrer
3ufunft! Auch thren Vermanbten, ihnen oor AHen, mar ihre $hür oer*
fchtoffen geblieben.
Aber heute, oiersefm £age nach Alberts Xob mußte fie mit ihnen
äufammentreffen. $aS fteftament follte oerlefen werben, ihre Anwesenheit
würbe bringenb oerlangt.
Sie erfchien im legten Augenblicf.
%n ihren Srauergewänbem, mit ben ruhigen Bewegungen unb ben
unburd}bringlichen, bleichen 3"gen, ftach fie oomehm ab oon ben lauten
aufgeregten SWenfchen, bie fich in bem fleinen »ureau beS SufrijrathS
Sefon jufammenbrängten. 2Jttt ftummem ©rufe, ohne bie auSgefrrecften
&änbe ber fte begrü&enben Verwanbten $u beachten, sog fie fidt) in eine
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— — 2lngujte Ijaufdjner in 23erltn.
(5cfc jurücf, unb tjörte, unter bem fjerabgelaffenen Sdjleier, bic SBerlefung
be$ 2lftenftücfeä an. Sie roar bie Unioerfalerbin, „als Danf für bie
glticflidjen 3af)re, bie idj mit if>r perlebte/' fo ftanb e3 in bem Xeftamente
be3 ©atten. Die ärmeren 93erroanbten waren mit fleinen Legaten bebaut,
bie roo()lf)abenben gingen ganj leer aus.
@ä roar feine gro&e (Srbfajaft. Das ©efd&äft beä 2Serftorbenen f)atte
unter beffen flränfltd&fett gelitten, bie legten fta^re Ratten 33erlufle ge*
bradjt, unb ber $au$f)alt roar für bie 3Ser^ältnif)e ber fleinen Stabt
foftfpielig geroefen. Siebjigtaufenb 3Jtorf baares SBennögen roaren bei
bem berliner söanquier in guten papieren beponirt. 2Iber ba3 &au3 roar
ftarf belaftet; ba$ ausgegangene @efd)äft braute faum einen Ueberfdnife.
£ena roar nidjt fjabfüdjtig. «Rur Littel jum 3roecf roar if)r bae
öelb. $n if>rer Unerfahrenst fdjien ifn* biefe Summe baaren Oelber mter*
fa)öpflid>. ©länjenbe £uftfd)löffer bauten fia) in i^rcr Pjantafie auf, roäfjrenb
if)re $erroanbten, jornig flüfternb, itjre Gntrüftung md)t »erbargen.
Die Sßerlefung be3 Eeftamenteä roar beenbigt. Die Söittroe erfwb
ftdj, um bal Limmer ju oerraffen. Da oertrat ifjr Hubert ben 2öeg.
,,3d) mufe Didj für ein paar Minuten beläftigen," fagte er mit feiner
fd^arfen Stimme; „barf idj bitten?" — Unb er öffnete, einen 23licf mit
bem befreunbeteu äuftfjnrtJ) taufdjenb, bie Sljür ju beffen ^ßrioatjimmern.
£ena mufete fidj fügen, aber ifn* ganzer Drofc erroadjte. SBte eine
gürftin fdjritt fie an bem Sdjroager vorüber, fefcte fid) roett entfernt von ifmt
auf einen Sefjnftuftf, unb lehnte ben 5topf, roie ermübet, gegen ba$ Sßolfter.
Hubert ging einige auf unb ab, als wollte er eine ©rregung
nieberfämpfen. Dann fu^r er fic$ burd) baä bufdjige, ergrauenbe öaupt*
Ijaar unb fagte mit bemfelben fd^neibenben Xon roie oorf)in:
„3$ l>abe oergeblidj gefugt Didj in deiner Sßofnumg ju fpredjen,
ia) rourbe ftets abgeroiefen."
„3$ roar franf," fam e$ ^odjmütf)ig tron ^enaS kippen. @r roarf
einen raffen 3Mid auf ityre feinen, blaffen 3U9C-
„3$ rooflte Didj nia)t mit oerroanbtfd)aftlid)en ©efüljfen beläftigen.
■Nur eine s$flid)t glaubte id) erfüllen ju müffen. Dein Sttann I)at auf
feinem Sterbebett bie Sorge um Seine 3u^u"ft in meine £änbe gelegt."
£ena roarf abroeifenb ben 5topf jurücf.
,,3d) roeifj c$, Du tljeüft feinen üBunfdj nidjt; tdj weiß audj," feine
Stimme flang fta^lfd^arf, „Du bebarfft meiner gürforge nia^t. 2lber ify
mu§ bod) uerfueben mein SÖort ju galten, ia^ muß 2Mdj bod) ein 9Jlat
fragen: 2Ba3 gebenfft Du ^u tlmn?"
Die junge grau Ijatte \i$ aufgerichtet. W\t unoeri)o^lener Abneigung
bliefte fie ben Sprecher an.
„9)?ein armer trüber ift nidt)t o^ne Sorge geftorben. ©r fürchtete
feiner geliebten grau bie ^w^ft nid^t genügenb geebnet gu ^aben. Den
Unterbanblungen, bie er begonnen, um ba$ ©efcjt)cift oort^eil^aft 5U nerfaufen,
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OTag&alena. [65
f)at ber £ob ein ©nbe gefefct. 2lud) baS£au« mufc fdjteunigft oeräu§ert werben.
®« ift alt unb wirb oon 3afr §u 3ajr wert&lofer. $d) &abe 2llbert mein
SBort gegeben, micfi rebltd) $u bemühen, $ir aus 93eibem nod) eine fletne
$ente ju oerfd)affen. 3lber e$ wirb fd)wer Ratten, unb oor ber &anb wirft
$u ©ir eine anbere Söofmung fud)eri, ein 9Jläbd)en entlaffen muffen. $ie
3infen oon 70000 9Rarf reiben aud) in unferer Keinen 6tabt nid)t weit/'
£ena bif? fid) bie Sippen wunb, um iljre Erregung &u befdmpfen.
3Baren nur barum tt)rc Äetten gefallen, um neuen, noä) fd)wereren pafe
5U mad)en? Sollte ne wieber einen neuen &errn anerfennen müjfen? 2fa=
fiatt bes altemben ©atten — ben eifernen, ^err[d)füd)tigen Sdjmager?
Sie richtete fid) ju it)rcr Dollen $öf)e empor.
„9Rad)e 2)ir feine SJtfitje mit meinen Slngelegentjeiten. $er a(te
Dellwig, unfer ^rocurift, unb ftuftijratf) Sefon werben alle biefe $tnge
oortrefflid) orbnen."
„Unb $u?"
,,3d) werbe für'ä ®rfte reifen." ^löfclidj, wie eine (Eingebung, mar
if)r biefer ©ebanfe gefommen.
„©oliin?"
„9?adj bem ©üben. 2Mne ©efunbfjeit ift fer)r angegriffen, id) brause
eine ©rfwfang."
„Allein nad) bem Süben? £u bijt fo unerfahren — "
„OJlein SWäbdjen wirb mtd) begleiten."
„Unb womit roiflft 25u all bie Sofien befreiten?"
w3ft in bem £eftament eine Älaufel, bie 3Md) ju meinem SSormunb
einfefct? Sin td) genötigt 2)ir SRed)enfd)aft ju geben?"
„9Hd)t im ©eringften!" Huberts £on gab bem it)ren an faltem
&ofm nid)t3 nad). „©3 mar nur eine $flid)t bes &erjen3, wenn $u
eine Slfmung ^aft, was biefe beiben ©orte bebeuten."
„$ann fage id) Sir Slbieu," antwortete fte, ate I>ätte fte feine
Söorte gar nid)t gehört. „2Bir werben uns woljl cor meiner 2lbreife
ntdjt me^r fef)en."
Sie 50g baS £ud) fefter um bie Sd)ultern unb wanbte fid) jum
©eljen. Hubert mad)te eine Bewegung, als wollte er if)r ben SluSgang
oerfa)lie§en. 3n feinen 2Iugen flammte es auf. 3lber fie erwiberte ben
mid eilig falt, oeräcfctlid).
,,©lü<flid)e SReife," fagte er unb trat oon ber £ljür jurürf, bie fid)
hinter i&r fa)lofe.
* . *
9Rit rafd)en Sd)ritten eilte Öena nad) &aufe. $er ©ebanfe an
eine Steife, ber burd) trofctgen 2Biberfprud) in it)r erwadjt war, gefiel i^r
oortrefflid). 2öeg, nur weg aus biefer Stabt, oon biefen 9Jlenfd)en! 3)ie
®elt feben, leben, etwas erleben!
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{(>(>
^ugnfte f?aufct>ner in Berlin.
Sljre SBorbereitungen waren in wenigen Sagen beenbet.
9ttit bem Seichtflnn ber SBeltunfenntnifc gab fic bem 3uiti$ratb
Vollmacht über £au« unb ©efchäft, — ber ©irthfcf>afterin, über ©eräthe
unb ©inri^tung ju verfügen. Sie wollte nicht« baoon behalten, nur bie
Äoffer, bie ihre, ber Xrauer falber, nicht jahlreichen 2lnjüge enthielten.
9Jlit einem (Srebitbrief i^res berliner 93anquier« oerfehen, oon ihrem
9ttäbchen Dore begleitet, oerliefe fic leisten ^er^en« bie ßeimathftabt.
3hr 3^ war bie Sftoiera, bie ja in fo oielen ber SRomane, bie ihre
$f)antafie erhifet Ratten, eine fo große SRoHe fpielte.
9Kj$a — ba« SDort war if>r gletdjbebeutenb mit Vergnügen, 9lben=
teuem — Erfolgen!
3ln einem trüben $ecembertage fam fie in ber 33lumenjtabt an.
kalter 2öinb peitfchte ba« 2J?eer auf unb wirbelte ben Staub auf ber
promenade des Anglais oor fiaj t>er. 3lud) burdj 9Jtauern unb genjters
rifoen brang er unb machte ba« fchlechtgeheijte 3immcr im ©otct be
l'öurope, ba« Sena aufgefudtf hatte, ungemütlich unb froflig.
Sena fieberte. $ie Üieifeanftrengung unb ba« f$ted)te SBetter hotten
fie franf gemalt. Sie mußte ihr Sager auffuc&en unb faf) acht £age
lang nicht« oon ben SReijen be« Sfiben«, als bie oier nüchternen SBänbe
ihre« Schlafzimmer«.
ßnblich ^ielt e« fie nicht länger in ber ©infamleit. Sie raffte fidj
auf unb ging jum erften 3Wal an bie gemeinfchaftliche Xafel be« £otel«.
(Sine plöfcliche Schüchternheit faßte fie an ber £l)ür be« Speifefaal«. 2lm
Siebften wäre fie umgefehrt! Verlegen nahm fie ihren pafc ein unb wagte
erft nad) einigen Minuten um fi<h ju fehen.
ßine ©efeUfdjaft oon ungefähr 50 ^erfonen war in bem geräumigen
Saale oerfammelt. Sebhafte« ©efprädj fdjwirrte hin unb her, ^auptfäd^Ud)
in englifcher Sprache, auch etwa« franadfifd) unb itatienifch. $ie $eutfdt;eu
hatten ficE» in tiefem 3at)r oon ber (Sfwlerafurcht jurüdhalten lajfen. Sena
war in ben fremben Sprachen nicht ficher genug, um an ber Unterhaltnng
Xheil ju nehmen. Such würbe ihr feine ©elegenheit basu gegeben. 3)ie
,blonbe bleiche grau in ber bunflen ßleibung würbe nicht beachtet. So
blieb es auch in ben nächften Xagen. Sena mußte bie Erfahrung ma^en,
baß ihre Xrauerfleibung fie in unwiüfommener ffieife oor Öefanntfchaften
fchüfete. 2U« aber burch £ore« Schioafehaftigfeit befannt geworben war,
baß ihre &errin oor 5tur$em ben ©atten oerloren, ben fie in langer
5franff)eit getreu gepflegt, ba würbe fie eine jeitlang ein ©egenftanb be«
3nteref)e« für fämmtliche — alte tarnen.
„Poor dear" flüfterten bie englifdjen SWtffe«. Unb eine Patrone mit
ber bichten 2Bittroenr)aube auf bem weißen Scheitel oerfuchte eine« Sage« ihr
Sroft jujujprechen, inbem fie ihre eigenen traurigen Grlebniffe mit oielen
Xhränen unb Seufzern mitthetlte. Sena wie« ba« Vertrauen ber alten $)ame
ziemlich fchroff jurücf unb war in golge beffen noch oereinf amter al« oorher.
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Iltagbalena.
167
fti^a rourbe i^r balb ucrfcibct. Sie padte tf)re Äoffer unb ging
nad) Monaco.
3n bcn erften Xagen war fic geblenbet.
-Der tyaxt oon SWonte Carlo — nrie eine pfyantaftifdje, auf ben (Sffect
beregnete S^eatercoultffe an ba$ blaue SHeer gerüdt, entjütfte fte. 2)a£
Gaftuo mit feinem treiben in 509er* unb Sefejimmern, bie golbüberlabenen
Spiel* unb (Soncertfale — ba3 SllleS mutete fic an, wie eine Seite au$
einem ifjrer fjetfcen franjöfif^en Silber!
3lber aua) bort blieb bie ©nttäufdjung mä)t aus.
Sena Hebte bie 9iatur nidjt um tyretroiHen.
Sie faf) unter ben Salinen nur bie ^ßarifer 5Ueiber ber Spajier*
gängerinnen. 3Iuf ber reijootten Strafce, an ber grauen flippe über bem weife
auffprifeenben 3Keer nur bie ffif>ncn Leiter unb glanjenben guf)noerfe.
Xti Ijerrlidje Sonnenuntergang, ber bie fed gejadten gelfen rotr) färbt,
bie 9Jofen burdjglfif)te, baä SÖaffer oerflärte, unb bie Umriffe ber garren
unb Linien märchenhaft fäjön gegen ben flaren Gimmel 5 eignete, beleuchtete
ifjr nur bie uergnügten 2Wenfchen, bie plaubernb jur table d' hote eilten ;
unb ate unbeteiligte 3ufä>auerin btefeä ^eiteren SchaufpielS füllte fic fieb
boppelt einfam, oerlajfen.
3^r fehlte bie ©abe »efanntfdjaften ju fnüpfen. — 2Wtt bem
brennenben 2Bunfch im ^erjen, bemerft ju werben, ju gefallen, trug ihr
©eftcht, gremben gegenüber, ben 2lusbrud fpröbefter 3urfid$aftung.
haftete nod) bie Schroerfälligfeit ber Umgebung an, in ber fte bisher
gelebt, unb it)rc ^Bewegungen folgten nicht ihren ©ebanfen.
Sie ^atte noch nicht einmal ju fpielen gewagt So oft fie in bie
blenbenb erleuchteten Säle eintrat, füllte fie ftd), allen 93tiden fo f<hufelo$
auägefefct, umicher unb fet)rte wieber um.
£od) eine« SlbenbS fa&te fie 9Jhttf). ©in langer Spaziergang fyxtte
i^r 33lut in SBaHung gebraut; ein 23litf in ben Spiegel fagte it>r, ba&
ber glifeernbe 3etfchmucf, mit bem fte ihr büftere« Äleib gegiert, ba$
geberbarett, mit bem fte ba$ (Srepchütchen oertaufa;t, ihr gut Jleibe. —
mt rafajem ©ntfchlufe trat fie an einem Spieltijch - unb fefcte!
Spielfäle finb fein »oben, auf bem bie TOterliajfeit gebebt. $er
leibenfa>ftli<3j)e Spieler hat nur Sinn für baS roUcnbe ©olb, für bie
t)üpfenbe Äugel. 2lber £ena$ Unfenntnifj ber Spielregeln machten ihren
Machbar auf fie aufmerffam.
„SHabame fpielen $um erften SM?" fragte er fte in fraujöfifdjer
Sprache. Sena nidte.
„3$ fct)e ba3 an ber 3lrt, wie 3flabame fefct, auf rouge unb noir
5u gleicher 3eit. %a* tyit feinen 3wetf. ©eftattet SKabame, bafe td& ihr
einige ftatfrfchläge ertbetle?"
„3<h werbe 3hnen banfbar fein, mein &err." Sie mar fein* rotl)
geworben; ihr mar als feien alle Sltde auf fte gerietet
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\6S — Jlnaufte fjaufdjuer in Serlin.
£>er 2lngerebete falj fie naf)er an. Seine flatfernben 2lugen mufterten fecf
i^re 3üge, if)re ©eftalt, mit einem Sfuäbrucf, ber ifu* wieber ba3 33lut in bie
SBangen trieb.
„2Ba$ für eine 2lrt oon Söetb ift ba3?" fragte er fidj. ©ine
£eutf<f)e offenbar! $)a3 oerrietf) ir)re 2luafprad&e unb ifjr 2leu&ere$.
Sticht pifant genug für feine erfa^lafften Sinne. Cime Spuber unb
Sdjmiufe, bie Cf>renmuf<f>eln ofme blifoenben Steine, bie 33üfte nid)t
ftraff genug gefdfonürt, bie ßänbe, wenn aud) weife unb wof>lgeformt, boct)
nid)t mit genügenber Sorgfalt gepflegt. — 2lber immerhin feffelnb, fcrwn
burdj ben ©egenfafc sroifdrjen itjrem unoerfälfd)ten ©nötigen unb bem
fü^nen Spiel ber Slugen, benen, für feinen ©efd&matf, nur ein $aar
^infelftridje fehlten, um gefäf)rlid) ju erfdjeinen. — „Unb was ift fte,
eine £ame von 2Belt? 33al;! — eine grau ofme Begleitung im SpieU
faal unb im ©efprädj} mit bem erften beften #errn!"
©r rürfte nd^er 511 ir)r. Sein gug ftreifte ben ijurn Beim
Auswerfen unb ©injief)en be$ ©olbeS beugte er ftä) über fie, unb feine
<ganb blieb wie zufällig auf if)rer Schulter ru^en.
Sie atmete fdjwer. 2luf itjren Sippen lag eine 3urü<f weifung.— £0$ fie
bejwang ficr). ©nblidj ein 2lbenteuer. Unb fie wollte ben 3lulgang abwarten!
2Ba3 tonnte if)r audj juftofien, inmitten oon $unberten oon 9Wenfa)en!
Unb er mar ein grember, ben fie niemals wieberjufeljen brauste! — ©r
faf) oornefnn aus. Sfladjläffig aber tabeUoä gef leibet; ein ©erlebtet bunfleS
©eiK&t, fiebere, wenn audj neroöS unruhige Bewegungen.
„Sie fjaben mir ©lüdf gebraut, SJtabame. %ä) t)atte eben auf bie
garbe Zföxex unoergleid)liä)en £aare gefegt; jefct auf oaS Sa)war$, baS
3()re f ajöne ©eftalt oer^üHt — unb beibe 3Wal gewonnen ! — 9ta mocfjte
id) aber oerlieren! Sie fennen bod& ba3 alte Sprüdmwrt?"
„©in granjofe unb aberglaubifd)?"
„9tur in ber Siebe, biefer unberedjenbarften aller Religionen."
„2BaS ift für einen Spieler unberechenbar ?"
Sie wufete nid)t, was fie fpra<$, i&r fiel nidjts ©eijlreidjeS ein; bie
frembe Spradje ^inberte fie. ©r nafyn ibje 3?ad)fia)t für ein 3ugeftanbnif}.
„©3 wirb fieifj f)ier. Sollen wir md)t aufftetyen unb ein SBenig
plaubern V
Sie erhoben fidj. ©r begleitete fie 5U einer Seitenbanf unter bem
prunfoollen 2Banbleucr)ter unb liefe fidt) an it)rer Seite nieber.
„Urlauben Sie, bafe id) mtaj oorfteUe, ©afton be ©fjampfleurw au«
örfiffel. Unb $hx 9fame, fdjönfte grau?"
„9)togbalena" — fie 3ögerte mit einer Sdjeu, bie Ijalb bem bürgere
liefen ßlang it)reö 9?amen£ galt, tjalb ber ©mpfinbung, bafj fie i^n in
biefer Umgebung nid&t nennen bürfe. ©r brang nitf;t in fie.
„^Wabeleine — ba$ ift entjücfenb. ^a) fürchtete fa^on, Sie würben
©retten Ijei&en."
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IHagbalcua.
169
„Söieber ein Aberglaube !"
„9tur 3^rc Sdjulb. SBarum finb Sie fo blonb unb erröten fo
reijenb? 2Iber id) siebe SWabeleine bei ©eitern t>or. — <£in 9tome, ber
fo angenehme SluSfidjten bietet! 9ttabelerne, bie unbujjfertige, nodj nid)t
SBüftenleben geneigte, nid&t roo^r ? Sa ift jebe 3ünbe, bie man mit
if)x begebt, nodj eine gute £f)at, bie fie bem Gimmel nä^cr bringt!"
(Sr neigte fidj oor, unb faf) if)r ooll unb begef)rlidj in bie 2lugen.
Sie Slntroort mürbe tyr erfpart. Senn ein £err unb eine Same,
bie an bem sroeiten Spieltifd) gefeffen Ratten, näherten fu$ ilmen.
©afton erf>ob fidj, oerliefe Sena mit einem furjen „^arbon!" unb trat
auf baS $aar $u.
„Tiens Gaston, mit einer neuen Eroberung?"
„«Riedjt nad) ^rooinj, f)e?"
„Sie oerfpridjt. 3d) bin im ^Begriff, fie 511 6ilben. SRäfeige Sid)
etroaS, 33land)e, unb oerfd&eudje fie mir nid)t!"
„Sflan wirb es oerfudjen. — 2öaS für Japen um fo eine ©ans !" —
„Sarf id) Slmen meine ^reunbe oorfteffen?" fagte ©ajton ju Sena.
„Öaronin SBland&e be SKontignn; SUpfwnfe be 9Wontigno, if)r Sdjmager
aus ^ariS — aKabame 9Habeleine" er murmelte etroaS, baS als
3unamen gelten fonnte.
Sie 9?euangefommenen festen fiö), bie Baronin neben grau (Sranj.
Sie lehnte ben üppigen, oon bunfelgrünem, golbgeftitftem 2ltlaS ftraff um«
fpannten DberfÖrper gegen bie Sßolfter, unb freujte bie Seine, baft bie
l)oa)fteljigen ©olbfäferfdmbe unter bem Saum tyeroorfdjauten.
„üb 9J?abame fd)on lange in 3)?onte ßarlo fei ?" fragte fie in näfeln:
bem Xon, baS Sorgnon an bie fd^roarjumränberten 2lugen fjaltenb, unb
bie junge grau oon oben fytxab betradjtenb. „Unb ob fie aud) bie ©es
feu*fä)aft fo gemifdjt finbe, fo fpiefcbürgerltd), fo mauvais genre! Sie
$öge oor, morgen nad) (Sannes jurücfjufe^ren, auf baS Sdtfojj ifjrer
greunbin, ber ©räftn SöeUecour."
Unb ioäf)renb Sena, fjalb eingefd)üd)tert, feine 2lntroort roufjte, breite
fiaj bie Same um unb rief mit ganj oeränbertem £on :
„Siel)' nur bie lange Henriette, b,at bie roieber einen ©impel ge*
fangen! Unb geftem f>atte fie nidjt auf bie 91ad)t. Sie Männer müffen
blinb fein, ftodblinb."
Sie unterbrad) fidj plöfclid), murmelte etroaS oon „unerträglichem
3«xma/' unb ftanb auf.
„siBaren baS ^arifer Sanieren?" fragte fidj Sena, „ober war bie
grembe baS, roonadj fie auSfaf)?"
„@S ift beute mirflicf) auffattenb ooli," fagte ©afton. „Kotten mir
nidjt einen f leinen Spajiergang mad)en unb erft $urücf teuren, wenn es
leerer geroorben?"
©r füllte feine 9tod)barin in ifjren Hantel, unb führte fie aus bem
?5orb unb 3Ü&. LI., ir,2. 1-'
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[70 2Jugufte fjaufdjner in Berlin.
(Baal Sic füllte fid> unbefjagltdj unb jugletd) erregt, gereijt. ^riefefabe
9ieugietbe erfüllte fie. 3for war, als träume fic, mit bem Seroit§tfeüt
jeben 9lugenblt(f ermaßen ju tonnen.
Sie [Hegen bie treppe fjtnab. SBor i^nen ging bas $aar 3Rontignu.
Sie "Baronin fd)ür$te ßtöb (h>$ auf, fo bafj baS feine Sein im
fdjwarsen Seibenfrrumpf awifdben einem ©ewtrr oon Spieen {jeroorfal).
„SBeldj eine f)errli$e ftadfjt," flüfterte ©afton. „£>unfel unb r>er=
fdjwiegen! äßie gefdjaffen für £iebeSglücf."
Steroid) etwas $urü(f, worauf er ben greunben jurief: „9ftc&t fo fdjnefl,
wir oerlteren @udf) fonft. £a§t uns in bie Anlagen gel)en, mir motten tyla-.
bame bie reijenben föedenrofen jetgen, bie Ijeute 2lbenb aufgeblüht finb."
(Sr 50g feine ©efälulin mit fidj fort, ^n ben fieSbeftreuten ©ängen
beS s$almengartenS mar eS ftiH. ©egen ben SidjjtfreiS, ben bie ©aS*
latenten um ftd) oerbreiteten, erfd)ien bie ginfternifj nod) fd^märjer. 2Bte
fdjroaä) untrtffene Statten fallen bie einzeln Spaziergänger aus. SSflan
rprte baS 9iaufd)en feibener ftleiber, baS Älirren neumobifc&er Slrmbänber,
gebämpfteS ^laubern, letfeS Ätzern. £)ie blüfjenben pflanzen mtfdjten
itjren 3Duft mit bem ©erud) oon franjöfifdfjen ^ßarfumS. — — 8enaS
^erj Köpfte, — itjre Segleiter waren oerfdjmunben. Sie ftanb mit
©afton allein im $5unfel ber Üflad&t.
„sBie bie 9tofen buften," flüfterte er ir)r $u. „2Bäre es geller, Sie
tonnten fie blühen fetjen, roftg unb locfenb roie ffiv 3Jlunb. Sötffen Sie,
bafe Sie retjenb ftnb, 2Rabeleine, unb bafe idfj Sie anbete?" Sie füllte
feinen fjeifeen 9ltf)em auf ifyren Sippen.
2)a riß fie fid) los, unb elje ber Ueberrafd&te $u ftd) fam, war fie
über bie Strafje fjinmeggeftürät, in bie offene £(jür iljreS Rotels, bie
treppen hinauf.
Sie jjörte ben grembeu hinter fta) ^errufen: „Sflabame — SJiabeleine,
fliegen Sie bodf) nidjt" — fie Ijörte tlm in baS &otel eintreten, unb über
baS Xreppengelänber gebeugt, fud)te fie ju oerfteljen, was er mit bem
Sortier oerfjanbelte. (Sr fragte moljl nad^ tfjrem tarnen, na<$ tf>ren Ser-
fiältniffen, benn fie Ijörte tlm fcölmtfd) aufladen.
„©ine Unfä)ulb oom Sanbe alfo, bie nid)t ben 9Jtutf) tfjrer ©elüfte
bat, bafy," — er fdmippte mit bem gtnger, „es hätte ftd) wo^l aud> nidjt
ber 9tfüt)e gelohnt."
£n if)rem Limmer warf 3)togbalene ftdr) jomtg auf if)r Seit. s$fui, was
für ein Ijäfjliajer 2lnfang! ^DaS war nid)t bie ?lrt, wie fie in bie 2Bett ein-
treten wollte ! Sie weinte oor 2Öutl), unb fanb in ber 9iadfjt feinen Sdfjlaf.
2lm nod)ften ^age beeilte fie ftd) ben Crt su oerlaffen, an bem fie eine
SiUeberbegegnung mit bem Seigier fürchten mufete. Sie ging nad) San^etno.
^oa; ganj unter bem (Sinbnnf il)reS Abenteuers, wählte fte einen
©aftl)of, ber wie Säbefer betonte, ,,ausfd)liefeltd) oon gamilien aufgefud^t
würbe/'
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Magdalena.
\7\
So war es aud)! Sie eine große gamitte lebten bie 3nfat7en
jufatumen.
Sie eine Familie, in ber ftetS einige 5Ritglieber fich in SebenSgefafjr
befanben! Sie bie ganje Einrichtung seigte, bie luftbtcht oerfdjloffenen
#enf*er, bie matrafcengefüHten X^üren, bie mit ©ummi belegten ©änge,
biente baS &auS ^ttuptfä^lid^ als Äranfenaufenthalt. Unb biegen ©äften
ju Siebe, bie jebe Erregung, jeben &uft$ug freuten, war baS £eben, alle
öefc&äftigungen unb Vergnügen auf bie gebämpftefte Xonart abgefiimmt.
3n btefer einfdjläfernben £uft oerlebte Sena ben Sinter.
2lnfang§ ^atte fie täglid) an 3lbreiie gebaut. 2lber wohin? Unb würbe
fie es anberSwo bejfer finben? S8ieüeidr)t war bie SHioterarevje überhaupt ein
Se&lflriff gewefen, unb fie hätte bener gethan, gleich eine große Stabt ju
rodeten! 2Iber ba war fte nun einmal, unb fo blieb fie.
Sie einft ju &aufe, oergingen itjr bie Sage freub; unb ereignislos,
im SBerfefjr mit gleichgültigen 9Jcenfd>en; Sie ju $aufe fragte fie ftd) oft
oerjroeifelt: „Saren benn bie Xräume auf bem Bärenfell oor meinem
ßamin eitle ftirngefpinfte? 3ft mein Seben, meine 3ugenb bahm?"
£ie Sodjen oergingen. SaS grühjahr fam, unb allmählich entoölferte
fia) bie ÜJceereStufte. *<ena ließ fid) oon ber rüctwärts weidjenbengrembenwoge
mit forttragen. 9tod) ^orbitalien, nach ben Seeen, nad) ber Schwei}!
Ueberau blieb fie nur fur3e 3*ü- Eine innere Unruhe trieb fie weiter.
211$ fie Anfang ^\mi in SBabcnsÖaben anlangte, nad) halbjähriger
illbroefenheit roieber in $)eutfchlanb, fragte fie fich, mag ihr biefe Monate
eigentlich ErgöfelicheS gebrachte Senig genug!
Sie mar fidlerer geworben, getoanbter, fie fyatte bie fleinftäbtifche
Sdjwerfälltgfeit unb Schüchternheit abgeftreift. Senn ihr h^te «n
Abenteuer begegnete, wie jenes in Sftonte Earlo, fie würbe ihm eine anbere
Senbung ju geben wiffen!
Slber es hob fich oereinjelt aus ber ©leichfömügfeit ihrer Erinnerungen.
Unb t)ier ? fonnte fie hoffen in iöaben» Stoben etwas §u erlebnt?
£ie ©efetlfchaft ber erften, füllen Satfon war ebenfo gewählt, als
langweilig. £ena las in ber flurlifte oolltönenbe Flamen; fie fah abgefpannte,
Ijochmüthige ©efichter. Iis beburfte eines befonberen ©lüctsfatts, um fie,
bie bürgerlidje %xau, mit biefen hochgeborenen, hochmögenben föerrfchaften
;>u befreunben! Unb follte fie weiter wanbern Sßom Xfjal in bie 33erge,
wieber in bie Einfamfeit, fie, bie fich "ach Bewegung, nach £ärm fehnte?
Sie hatte bie 2tbfi<ht, ben nächften Sinter in Berlin ju oerleben.
Seit jenen Xagen, ba es einft ihr unerfahrenes &er$ entjücft hatte, war
es baS 3^1 ^rer Sehnfucht geblieben.
9hm benn! warum nicht gleich t)ingei)en
Sarum bie Erfüllung ihres SunfctjeS noch htaauSfchieben? Seil
es 3Robe war im Sommer ber großen Stabt, ihrer Unruhe ju ent>
fliehen ? $aS mochte für bie gelten, bie barunter litten, für bie -JJeroöfen,
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\72
JJugujU Jjanfdjner in Serlin.
vom Vergnügen überfättigteit. 2Iber md)t für fie, bercn Heroen ftä^Iem,
beren ©enufefähigfeit ungeprüft!
Unb Me3, was fie um fich r)cr faf) unb Wörter bie unuerfennbare
Wtibigfeit ber erfööpften ©rofeftäbter, bie in ber ruhigen Umgebung
aufatmeten, if)re klagen über ba$ geräufdwolle Strafeenteben baheim, bie
unaufhörlidjen gefte, ba£ haften unb treiben ber nimmermüben <SefcfliQ=
feit — 9IUeiS beftärfte fie in ber einen 3bee: 9tadj Berlin; „ba wirft Tu
finben wo« $u bi^er oergeblidj gefugt haft!"
$er ©ebanfe oerliefe fie nicfjt mef>r. — Unb eines Borgens, als
fie ouä einem £raum, ber fie mitten in ba$ ©ewüftf ber 9fcffoem
geführt, von ber ladjenben Sonne unb ben switfd&ernben Sögeln geroedt
würbe, befölofc fie fofort abgreifen.
$ore, beren 2lnf)ängliä)feit längft einen ferneren Äampf mit ihrem
Unmutf) über baä „Sagabunbenleben" fämpfte, mufjte fdjleunigft einpaden;
ifjre §errin fonnte bie 3ur Slbfa^rt nicty erwarten.
3^r mar, aU ftänbe ibr etwa« befonberä greubigeS beoor, unb bie
langen Stunben im fyetfeen £oup(> oergingen ifu* rafdj, ausgefüllt oon tv
martungSooffen Xräumen.
Sdwn eine Stunbe vor Berlin (e£ mar Sonntag unb berrliä>*
Sommerwettcr) flutfjete ihr grofeftäbtifcheS i'eben entgegen. — üluf äffen
ftaltefteüen fefttäglich gepufcte, ^eitere 3)ienfd)en, bie ben rafd) vov
beirollenben Sdmelljug mit 3un,fen mo ^üdjerfdjwcnfen begrüßten.
9toufd)enbe Drä)eftermufif erflang aus ben ^eftauration^gärten ber Wox-
orte, eine btdjte SBagenburg umgab fte, unb au« einigen fliegen ^ifdr)enbe
9iafeten, farbige geuerfugeln in ben flaren 2Ibenbh»mmel empor.
£ena füllte ihr ^erj fchneller fdjlagen. 2Ille3 berührte fie fnmpatlnict),
ba£ ©ewühl auf bem 33af)nf)of bei ber SInfunft, ber £ärm in ben Strahn!
Selbft bie fdjwüle, ftauberfüüte i'uft faxten ihr angenehmer, als bie See;
brife ber 9iioiera.
Sie ftieg im föotel be 9iome ab.
Unter ben Sinben wogte bas £eben.
5I?or bem Gaf6 Sauer, beffen Jenftcr in bie (£rbe gefenft waren,
fafjcn bie 9)Jenfd)cn bis auf bie Strajje; bie SalfonS waren bid^t befefci,
ebenfo bie flranjler'iche ^erraffe unb alle Sänfe ber Sinbenallee.
Blumen, Cbft, Leitungen würben feilgeboten, ein (£rtrablatt eben mit
fdjallenbcr Stimme aufgerufen. 9)fan lachte, plauberte, sanfte, fofettirte.
2öie gebannt ftanb Sena am genftcr unb nahm baS bewegte SJilfr
in \\d) auf. 9lm Vicbften hätte fie fidt) unter bie Spaziergänger gemifdit.
t?lber £oreS klugen blicftcn fo fd)lajtruufen, bafe fie nicht wagte ber (fr
mübeten nod) einen nächtlichen ©ang jujumuthen.
Sic fuc^te iln* l'ager auf unb erwarte am borgen aus tiefem Sd^loi,
mit bem (*rwartungegefühl eines .UtnbeS oor Weihnachten.
\}\)x erfter Wang war in ein 9)iobewaarengcfchäft, wo fie fich, mit
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Hlagbülena. \?ö
rafdjem ©ntfchlufj, oon ftopj $u gufj neu au£ftattete. Siefe Aufgabe er*
forbertc oiel 3e^/ 9Jiuhe unb Sbrgfalt, aber fie ermübete fie nicht. Sie
Schmeicheleien, bie man ihr über ihre ©eftatt, ihre $aare, ihren Seint
fagte, traten ihr unenblidj mof)l. 3luch bie Seiuunberung ber Herren, bie
iln- auf ber Stra§e fecf in bie 2luaen blicften, ben Jlopf nach ihr um*
roanbten, mar ihr ^od^roidfommen.
«3$ bin alfo nodj nicht §u alt/' fagte fie fid^; „e$ mar fein SBafjn*
fmn, oom Seben nod) eine SRoHe ju erroarten. 9iur bie 33ühne mar bisher
nicht richtig gemäht !" Unb fie richtete fid» ^ör)er auf, ihre 2lugen bieten, ihre
Sippen [adelten, fie mar um $efjn 3af)re jünger geroorben, als an ber SRimera!
©inige Sage lang machte e$ itn* Vergnügen, in 33erlin umherjuftreifen,
3Rufeen unb ©allerien ju befugen, in feinen 9teftaurantä ju fpeifen unb
3lbenb3 in'ä Xljeater ju gehu. ßrft ate fich auch bei ihr, ber Unermüb*
liehen, eine leife SDtottigfeit einfteflte, legte fid> ir)re fieberhafte Schauluft,
unb fie fing an 511 bebenfen, baß fie einer Anlehnung, einer Empfehlung
bebürfe, um aud> ba$ innere fieben ber ©rofcftabt fennen ju lernen.
9iur für bie erften Stritte; bann moüte fie ihren 2öeg fchon allein
finben! 2lber an men fich menben?
Sie greunbe ihres 2JtonneS, bie fta; bamalä ihrer angenommen Ratten,
nmrben, als oiel $u fleinbürgerlid), entjchieben oermorfen; unb fonfl fannte
fte feine 3Kcnf c^enfecte !
3lber mie! Sa§ ihr ba£ 9Jächftliegenbe immer julefet einfiel! &atte
üe nid>t oft gehört, baf? if)r 33anquier, ben fie bamalä ebenfalls flüchtig
fennen gelernt, eine fchöne grau habe, ein grofeeS &au$ führe? SSar el
nia)t fogar ihre $flid)t, fich ihm al$ ©eichaftäfreunbin oorjuftellen?
Unb baß fie ihn $u biefem in feiner ^rioatroobnung, anftatt
in feinem Bureau auffuchte, fonnte ihr höchftenS als Unfenntnife ber grofc
ftabtiichen ©ebräuche aufgelegt merben!
Um 1 Uhr Wittags fuhr fie oor bem frönen &aufe in ber Behren*
urafje oor.
„Sie gnäbige grau ift oerreift," fagte ba3 öffnenbe SWäbchen, „aber
$err TOHburg ift ju &aufe, unb eben beim grühftücf. 2Senn bie Same
einen Augenblicf hier herein treten wollen V"
Sie führte ben Söefuch in einen oerbunfetten Salon, beffen SJtöbel
bergen, beffen Sronjen unb Silber oerhangen maren, ber aber trofc feine»
commerfchtafe^ einen vornehmen (Sinbrucf machte.
Ser &au$he"/ ber mit einigen greunben im Speife5tmmer fafj, la$
nirnrunjelnb bie überreichte $ifitenfarte. „grau Sftagbatena Gran$, (aus
Wernburg, hatte Seua baju geschrieben) — mer fanu ba$ fein? ©enrife
eine Bettelei !"
„So fah bie Same nicht aus," magte ba^ Räbchen einjuroenben.
„$at fie nicht getagt, in melcher Angelegenheit, ob ju mir ober 3U
meiner grau? 3lu^ Wernburg, — roeifc gar nicht, roo ba^ 9?eft liegt! ^alt,
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\7*{ JJucjuftc fjanfdjner in Berlin.
ba fällt mir ein — Granj — (Sranj — wir Ratten ja wohl einen Äunben
bietet Samens — beffen SBittwe — na, baS ift aber bodj ein bissen
ftarf oon ber guten Äletnftäbterin, mia) in meiner Sßofmuug ju beläftigen!
Sie fotl nadj meinem Bureau fommen 5wifa>n 10 unb 12!"
„2lber gflöllburg, feien Sie bo$ nid)t fo ungaftlid)! 3n ein paar
Minuten ift bie Sache abgetan/'
„Sie finb bod^ fonft galanter gegen baS fchöne ©eichtest."
„Schönes ©efdhfedjt, eine Söittwe aus Wernburg — iä) fenne meine
^rooinjl 2öenn 3hr aber burcf>auS wollt, meinetwegen!" <5r tranf fein
©las aus, unb warf bie Senriette mi§muthig auf ben £ifd>. „316er,
wenn ich in 5efm Minuten nicht jurücf bin, fo müfet 3hr miö) losreißen,
mia) in einer bringenben grage herausrufen."
@r ging uerbroffen naa) bem Salon. 2öte mit einem 3auberfa)lage
aber dnberte fidj fein ©eud)tSauSbrud, als er grau Granj erblicfte. ^iefe
fä)lanfe grau in bem fofibar einfachen Sptfcenfleib, ben bunfeln geberfjut
auf bem gellen &aar, faf) nicht aus wie eine $rooin§ialtn!
Sena tyxttt ftch beS Hausherrn r»erjögetten eintritt richtig gebeutet,
bie Seränberung feiner 3üge wohl bemerft. 3()r TOutl; t)ob fid).
„Beleihen Sie biefen Ueberfall; aber ba id) Sie in ihrem Bureau
nicl)t getroffen — " bie ftotljlüge flofe il;r leia)t uon ben Sippen — „id>
weifj nicht, ob Sie fia) meiner erinnern."
,,»r fönnte Sie oergeffen, gnäbige grau, ber Sie einmal gefehen!"
Unb olme ju errötrjen fügte er hinju: „9?ur ba§ Sie mir um 10 3abre
»erjüngt erfdjeinen."
Sena lächelte, um gleidj barauf mit £albtrauermiene fortzufahren:
„3$ ftcfje jefct allein in ber Sßelt unb ^abe in Berlin feinen greunt)
ober Berather! $aS gab mir bie flüfmtyett, mia) an Sie $u wenben.
Riffen Sie mir 9iiemanb $u empfehlen, ber mir meine eigenen geidjäft;
liefen Angelegenheiten erflären fönnte? Alle biefe Briefe (fie entfaltete
einige Actenftütfe), in benen mein 3ufttjratf) mir von ^npothefenjinfen,
^rocenten, Terminen fchreibt, finb für mid) ßieroglnphen."
„Xarf id) Sie 3(wen entjiffern h^fat?" fagte ber Banquier.
„siÖie, Sie wollten felbft — oh, welche ©üte! Unb aud) um bie Auf;
ftellung meiner bei 3hnen beponirten Rapiere möchte ich Sie bitten — wie
gefdjäftSmäBig id) mid) auSbrüde — fomie um 3ufenbung uon 1000 3)?arf."
,,3d) werbe $fyntn BeibeS morgen felbft bringen. £arf ich um
3l)re Abreif c bitten'?" es flopfte leife an bie £f)ür. ©etreu bem ge*
gebeuen Auftrag erfriert einer ber greunbe, um ben Hausherrn abzurufen.
„ftnr herein, mein Sieber; Sie ftören md)t," rief Sttößburg, uwfc
auch bie Lienen beS 9Jeueiugetreteuen brüeften eine angenehme lieber
rafdjung aus, als er bie SBtttwe aus Wernburg erblicfte. <5s bauend
nicht lange, fo würben aua) bie anberen ©enoffen geholt, um bie Befand
fchaft ber jungen grau ju machen.
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OTagbalena. \?ö
„Dr.(imn$r)aufen, unfer oortrefflidjer^arlamentärebner; ^rofeffor2Baa>
ter, bie Seudjte unferergacultät; &err &an$ «ßaul, beffen SSerfeSie {ebenfalls
fcf)on in bcr SfationalgaHerie betounbcrt t)aben; greirjerr von ftartroig oom
©eneroiftab — " fo fteüte ber Sanquier ©inen nadj bcm Slnbem oor.
Unb £ena, bwen &er$ r)odj auffdfjlug beim &ören all biefer oieloer:
fprea)enben tarnen, r)atte für Seben bag ruhige Säbeln ber geroanbten Söelt-
bame. ©in neuer ©eift fd)ien über fie gefommen! fie tjatte ba$ ©efüfjl
„angelangt" ju fein!
„Sie fef)en in un3, ben jufünftigen 2)?oltfe aufgenommen, tauter
StTotjuuttroer," rief Dr. ©unjfjaufen, „bie fid) in iljrer 3Sertaffent>eit
gegenfeitig ju tröften fudjen. Unfere grauen flirrten an ber Sonne $u
fajmeljen, wie ber feiige ^KaruS, unb entfalten tt)re glügel, um fid) im
Statten ber Sßälber, ber flüfjle be§ Stranbeä ju bergen! 2ludj Sie,
meine ©näbige, finb toot)l nur auf ber Surdrreife in ^Berlin?"
„SurdjauS nid)t, id) bin auä Saben^aben birect Ijierfjergefommen,
um t)ier ben Sommer p oerleben."
„£a$ ift originell! Unb Sie gefallen fid) liier?"
„Ueber alle 9)?afeen ! $ier fwbe id), roaS ict) auf meiner ganjen ^Hcife
oergeblia) fud^te: Unterhaltung, öequemlidjfeit, angenefjme SBefanntfdjaften !"
„Unb bie &ifee?"
„bringt nict)t in meine füt)te .£>otelroorjnung. 3dj rjabe mid) nirgenbä
fo erfrifdjt gefüllt."
„©enn unfere grauen Sie fyören fönnten, bie fd)on im 3um b*e
"Berliner ^uft nid)t metjr atfnnen roollten!"
„SBergeffen Sie nid)t, meine sperren, id) tjabe rceber Heroen, nod)
Migräne! 3$ bin nidjt faifonüberbrüiftg, gefeüfdjafteüberfattigt. 3$
fyabe mid) in meiner fleinen Stabt lange ausgeruht, je|t fetjne idj mid>
banad) auf$uroad)en, $u leben!" Sie faf) reijenb aus, aU fie baä fdjembar
fo f)armlo£ rnnfagte. 3tjre 9lugen funfeiten, bie 3äfme febimmerten burd)
bie £ippen, bie SBangen maren leicht gerottet.
„(Sbenfo geiftreict) als föön," murmelte ber Sflaler, laut genug, um
oou ir)r gehört 3U werben. Unb ^rofeffor SBadjter fügte rnn$u: „2llfo
eine 2lrt $ergnügung$cur, bie Sie burd&madjen wollen? 3ebenfall$ ange*
neunter, all ber Gntl)altfamfeit$icf)nnnbel, ber jefct 9)iobe ift/'
„Unb melden 2lr$t fjaben Sie mit ber Leitung ber Gur betraut?''
fragte SHölIburg.
,,9tod) gar feinen. 33) bin ja nod) fo fremb fner, unb toei§ nidjt,
wem id) mein Vertrauen fajenfen fott."
„2£enn id) mid) empfehlen fönnte," — riefen aae fünf Herren wie
au$ einem SJiunbe. 9llle ladjten.
,/3$ fc^fage eine Gonfultation oor," meinte ©un^aufen. „$ie Patientin
roirb uns it>re $efd)ioerben uortragen ; bann wirb e$ fidt) jeigen, wer oon
und bie fdmetlfte .^ilfe meife."
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\76 — — 2hnjufte Qaufdfner in Berlin.
(Sine luftige s33eratf)ung folgte. 2ena mufcte beizten, an meld&en S8er=
gnügungen es xf)r am metften gefehlt f^be, unb bie Herren förieben banaefc
U)re töecepte.
Sftorgenfpaäierritte im Tiergarten, grüftftücf im ©rünen, Sootfarjrten,
©artenconcerte, Xljeaterabenbe.
Sie oerfpradj oon Allein etwas ju nehmen unb für jeben ber
SBeljanblung einen ber Herren al$ Specialtften ju mahlen. SBenig fehlte unb
ber &au£t>err hätte ben intereffanten @aft an ben oerlaffenen grühftüctettfdh
genötigt, um ein ©las SBein auf ben glficfltdjen (Erfolg ber Sur ju leeren.
Xod) ßena fürchtete nodj weiter $u gehen. Sie erhob fid) unb, oon
allen Gaoalieren an ben 2ßagen geleitet, entfernte #e fid) ebenfo triump^trenb
als fte bef Reiben gefommen mar.
* *
9Zun begannen für fie bie langerfefmten greubentage.
©nblid) friert ba$ Schicffal ifjr feine Sdjulb ju jaulen.
ffie neuen greunbe überboten fid) an 2lufmerffamfeiten, fo ba§ fte
oft gelungen mar, ihre fülmen ^Mäne ju befd)ränfen.
2£ie fie fdjierjfjaft angebeutet, teilten fie fidfc) geroiffenfjaft in ihre ,ß&t-.
hanblung". ©ungfyaufen ^atte bie gü^rung burd) Berlin übernommen; ^kiul
läuterte ihren flunftgefchmaef, mährenb Hartwig fte in bie ©eheimniffe be$
Sporte einweihte.
(Sr lehrte fie reiten, fahren, ^iftolenfchiefcen unb fpornte ihren (Sifer
mit ber 2lu$[id)t auf r)erbfllidr;e ^agbeinlabungen bei einem befreunbeten
©utäbeftfeer.
3Jföllburg$ 2lmt mar bie Slnorbnung oon Sanbpattieen unb bie öe*
forgung oon £heaterbiu*et$, mährenb Pachter, bur$ feine angejrrengte 5tt>ätig*
feit oon einer beftimmten Pflicht befreit, bei allen Unternehmungen nach
3Köglid)feit „hofpitirte".
2lüe SßergnügungSärjte waren voü be$ £obe$ über bie folgfame
„Patientin".
-Der Slbgeorbnete füllte nicht mehr bie 25efdjtuerben ber Sommerfeffion,
wenn ihr blonber Stopf ihm oon ber 9leid&$tagagallerie junieft; $aul be»
tfjeucrte, bafj fte bie alten 3flei[ter oon einanber unterföeibe trofc bei
geübteften -iDtufeumSbirectorä; unb Hartwig fdjmor, fie fei bie famofefte
^Hettenn Berlins unb mürbe balb einen Sperling im gluge treffen! 2llle
erfreuten fid) an itjrer unermüblid)eu ©enuftfähigfett, an ihrer unoerhohlenen
Öewunberung ; unb jeber lächelte halb ungläubig, fyaib gefdjmeichelt, wenn
fie ihm oerftctierte, Berlin fei ber ^errlid)fte Ort ber äßelt, unb alle Dtei^e
be£ Sübenä unb ber Schweif mögen feine Schönheit nidfc)t auf.
Sie hatte nach unb nach einen großen öefanntenfreis gewonnen, ber aber,
irgenb ein ältlid)es gräulein, bae Den 3lnftanb repräfentirte, aufgenommen,
nur au$ Herren beftanb. Die berliner ©efellichaft, fo oiel baoon nach
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IHaaöalena.
unb naa) in bie Stabt surüdfelule, fing an fidj mit it>r ju beidjäftigen.
SJton nannte fie „Stro()wittwertroft." SHe grauen fammelten fleine
Steinten, in gönn oon „man jagt", „fjaben Sie gehört?" bie fie Ujr
nachwarfen, ^pättc fie es gewufet, es f>atte fie nidjt befümmert! Sie
war glüdliä) — fie genofj it)r £eben in oollen 3u3en-
Unb jefet $ubem, beim &erannaf)en beS ©intern, mar fie fo befdjaftigt,
bafe felbft iljr juweilen bie Gräfte fehlten.
Sie wollte baS &oteHeben aufgeben, unb f)atte jum Cctober eine
äitofntung gemietet. 2ludj baS mit feltenem ©lüd. 3fjr greunb $aul
^atte Ujr ein wa&reS 3uwel auSgefunbfd&aftet: eine ©artenfjäuSajen inmitten
eines grojjen ^arfs.
Urfpriinglia) alsSUelier mit einer ^unggefellenwolmung gebadjt, oerbanf te
es feine <£ntftefnmg ber &aune beS BefifcerS, eines berühmten !8ilbf)auerS,
ber fid^ bamit einen Sdnnollwinfel für bie Sturmtage ber @f)e erbaut fyitte.
(Ss Ijatte nur wenige Zäunte, fein Wirtl)fd)aftSgclafc, unb beburfte
einiger baulicher ^eränberungen.
%üd) bie Wal)l ber (£inrid)tung war eine settraubenbe, ba grau
Grans 2lUeS fünftlerifd), eigenartig f)aben wollte, unb sMeS uerwarf, was
9lnbere oor ifjr gewählt Ratten.
©nbltdj war baS Werf uollenbet.
(Sin falter ^erbftregen näfete bie Strafjeu, butä) weldje Sena fuf)r,
um in it)r neues .§eim einzusieden. Sie t)atte fia) jebe Begleitung, jeben
ßmpfaug uerbeten. SlUein wollte fie ilu*e Schöpfung jum erften sJJJal oolI=
enbet fetjen, unbelaufcfyt bie Wirffamfeit öeS SWafnnenS prüfen, ber itjre
^erfon fünftig einfdjliejjen unb jur (Geltung bringen follte.
Sie tonnte einen Sd)rei ber Berounberung niajt unterbrüden, als fie
bie feftlid) beleuchteten, wohlig buräjwärmten ittäume burdjfdjritt. $$xt
Erwartungen waren übertroffen.
Xem 2ltelier f)atte man brei SHäume abgewonnen. 2)aS grojje SWorb=
fenfter, bis auf bie (Srbe oerlängert unb $ur sJhfdje oertieft, enthielt einen
fleinen Wintergarten mit plätfdjernbem Springbrunnen. SBon bort führten
Stujen auf baS einftige ^fobeUpobium, baS ben Saal in jwei gleite
X^eile feilte unb jefct baS (Sfoimmcr bilbetc. SRidjt grofc, aber oon
bef)aglid>ftem SHeij, mit £eppid)en, alten unb neuen Waffen ausgehängt, unb
mit feltenen ©efäfjen oon Stein unb WlaS gefdjmücft. 2>urdj eine jufammen*
fajiebbarc ©laSwanb baoon getrennt, idjlofc fidj öaS Wolm* unb 5)fufif»
jimmer an, wäfjrenb ein fleineS, recfjts anftofjenbes ^auc^jimmer in bem
angebauten Wirtbfa)aftsflügel lag.
25ie $?erlc ber (Einrichtung jebod) war baS Bouboir, baS £ena
bem if)ren im £aufe beS ©atten möglid)ft gleia) gewünfd)t ^atte.
2)er 2lrdnteft Ijatte an biefem ^ema feftgeljalten, es aber fo p^antaftifd^
oeränbert, bafe nur nodj bie ©runbtönc an ben Uriprung erinnerten.
Die 2Bänbe waren mit einer d)iue|ücbeu Seibeutapete bebedt, gegen beren
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(78
2luijuitc fjüufdjtier in Scriin.
gelblichen £on fid) bie föwarsrot&en ^lüfajfalten ber ©arbinen fapimmerub
abhoben. — 3JtöbeI, oon ben oerfd)iebenarttgften Stoffen überwogen, ftanben
aud) ^tcr, ein ©emifd) aller gönnen unb 2lrten, in fd) einbarer Unorbnuug
untrer. 2tlte ©ttdereien, bunfle sörofate, ftumpfe £eppiä)ftüde, — ein
©eroirr oon garben, unb bod) bäNnonifd) nüteinanber oerfdnnoljen!
2luf bein tiefrottyen Xeppia), mitten im ©emad), ftanb ein niebrige»
:Hul)ebett, mit fd)war$em Bärenfell belegt; ein eben fola)e§ oon meifjer garbe
lag oor bein ftamin, bem oerebelten (Sbenbtlbe feinet ^Hemburger Originale.
Xer fdjöngeformte fajwarje 2)tormor trug einen Sd)mud oon altem £>elfter
v#or$ellan, ^oljc £eua)ter unb Sltafen, bie fid) in glanjenbrneifeem, oenetia-
nifdjem ©la$ wieberfptegeltcn.
3)täd)tige .§ol$fa)eite praffelten in ber Ceffnung, oon einem japauif<$en
iRiefenfd>irm f)alb oerbedt. 3ur Äüljlung ber ©lutf) tagen mädjtige Pfauen -
webel an ber ©rbe, neben orientalifdjen Jttffen, bie bem Bärenfell gegenüber,
ein 5roeite£ £'ager bilbeten.
Unb überall auf ben Xifajddeu, in ben SBafen buftenbe Blumen,
jiüijdien bunflen Öronjen unb mattleud)tenbem ©Ifenbein.
Üßte ein geeemncirdjen mutl)ete baä 2llle£ bie ^efdjauerin an, farbenfatt
unb bod) getjeimnifeooll gebämpft burdj ba$ rofige Sid)t ber oerfdjleierten
Rampen! ©in mitleibigeä Sadjeln überflog 9)togbalena<S Sippen, alz fie
an baä 3i"»n« baajte, baä fie eiuft fo ent$ütft.
glid) iljrem neuen Weid), wie it)r Damaliges i'eben ilnem jefcigen,
wie eine Cellampe bem Sonnenlid,t; wie fie felbft, bie fdjlanfe, oornelmte
grau im fdjwarjen fd)leppenben Sammetgeroanbe ber unbeholfenen ftlein*
ftabteriu oon bamaU in ben felbftgefertigten »afälmdjen.
Lebenau in bem mattbeleuajteten Sa)laf$immer orbnete Sore, bie in
alter £reue Ergebene, bie fpifcenumfäumten Kiffen, au£ bem Skbejimmer
brang ber x'aut plätfdjernben Gaffers.
ülber Sena fouute noa) feine 9iul)e ftubeu. lieber unb toieber
bura)fd)ritt fie bie 3l1lliner/ immer neue Ueberrafdmngen entbedeno.
„$6\e fa)ön ift eä tner, wie glütflidj werbe ia) l)ier fein!" So fagte
fie fid; ftet* auf* sJieue; unb erft $u fpäter 9toa)tftunbe entfa^lof} fie fia)
iljr Säger aufjufua^en.
* *
*
ÜDiit ben greuben be3 Sommert war e$ enbgültig oorbei.
(Soncerte, ^rentieren, 3lbenbgefellia)aften traten wieber in tf)r 3fed)t
— für Sena lauter unbefannte ©enüfie, oie fie mit ber (Smpfänglid)feit
be£ Weuliuga foftete.
3ln gamilieuanfa)lu$ fehlte e* ityr aüerbinga immer noa;. ©inige
Münftler, benen ber ^iuf ijjres ^eic^tt}umä imponirte, öffneten tyr tjjr
&au$. Xort lernte fie einige 3)iäba)en fennen, oon jener 2trt, bie fid)
gern an gefeierte grauen brängen; ältliche 3ü,l9crinneu fa)öuer Äünfte,
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irtdütbalcna J<9
bie ftets bereit waren, fic in ber #oge ober im Sßagen ju „befdmfcen",
wenn fie weibliche ©efellfdjaft für wünfdjenSwerth tycit.
2lber innigeren 93erfet)r fudt)te unb fanb fie nicht.
2Us grau SJtöllburg oon ihrer Sommerreife jurüdfefjrte, mar fie nicht
abgeneigt, mit bem Schübling i^rcs ©arten greunbfehaft ju fchliefeen.
Die oberflächliche Sanqutersfrau lebte nur für bie ©efelligfeit, baS
Vergnügen. Sie brauste neue ©rfdjeinungen für ir)re unjähligen ©efell=
tdjaften unb prüfte fie nicht ftreng auf ben fittlidjeu S5>crtt), wenn fie nur be-
ftechenbe äußere (Sigenfdjaften mitbrachten. &enaS genufcfüchtige, ermübungS*
lofe SWatur tjatte etwas ber irrigen 33erwanbteS, unb ber $ang $u „sigeuner=
tjafter Ungebunbenheit", ben grau Granj, um if)r fpiefjbürgerliches SSorleben
$u oerfchleiern, mit Vorliebe betonte, »erlief) itn* in ben 2lugen ber an
ftrengere gormen gebunbenen ©rofeftäbterin einen pifanten 9lnftrid).
2Iber Sena oerftanb eS nicht, fia) biefe greunbfehaft §u erhalten. Sie
fanb bie -äRöflburg'fchen ©efelljc^aften langweilig, — bie enblofen 3)JittagS*
tafeln, bie muftfalifdjeu X^eeabenbe, bie lebensarmen 23älle.
Sie fanb bie Hausfrau nidn" glürflid) in ber 2L>a^l unb ^ufammenftellung
ihrer ©äfte. S)ie luftigen, genialen (Elemente würben burd> bie fchwerfälligen,
geiftlofen ju Soben gebrüeft, in Ujrei ©utwicfelung gehemmt!
Um mit ber grau eines geheimen sJfegierungSratbS bie befte 2(rt oon
^ubbingbereitung, mit ber grau eines SNajorS a. 2). bie SBorjüge ber früh*
zeitigen 2Ibhärtung fleiner flinber $u besprechen, um mit einem wohlbeleibten
üBörfenmann, bei enblofen STafelgenüffen, fämmtlicbe neue Bücher, ^eater-
ftüde ju fritifiren, unb bie potitifdje Weinung feiner Leitung anzuhören,
— baju hatte bod) fie nicht <gaar= unb ftleibertradjt tagelang überlegt; ba*
5U waren ihr bie Stunben, bie fie für 3atjre oerlorener £ebenSfreube ent*
idjäbigen follten, 5U f oftbar!
„2Öie fann eine fo unabhängige, oorurtheilSlofe grau wie Sie ftd)
mit fo ftetfleinenen 2)?enfchen umgeben?" fragte fie bie neue greunbin.
„SBarum wallen Sie nid)t nur bie intereffanteften 9)iänner, bie ^eiterften
Naturen, unb laben grauen baju, bie ihnen är)ultct) unb ebenbürtig ftnbtf"
„2Beil id) auf meinen töuf, auf bie Stellung meine» 9)?anneS MM-
ficht ju nelmten \yabt," war bie Antwort ber burd) bie abfällige $eurs
theilung ihrer ©efellfd}aft SBeleibigten. „(Sine anftänbige grau tt)nt nicht
blofj, was fie will, fonbern oor 2lUem, was fie foü7'
„2Benn anftänbig fein fid) langweilen hßM3t, fo warten wir bod) bamit
bis wir alt finb! Unfer ÜHuf leibet mehr oon einem frembartigen, auffallen*
ben flletbungSftüd, baS wir Öffentlich tragen, als oon einer heimlid) be*
gangenen Sünbe! So oiel gebe id) auf baS Urtheil ber Seit/'
Sie fchnippte mit bem ginger.
Xiefem ©efprädj entwuchs eine Uterftimmung, bie fid) ftei^erte, als
l'ena ihre Theorien burch bie %\)at oerwirflichte.
Sie entzog fich lüdhaltlos ber ihr läftigen weiblidjen Unterhaltung,
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\80
2inguftc fjaufdjner in Berlin.
roaljfte eigenmächtig itjren Sanier, iljren Xifdjnadjbar; fic ladete unb fdjerjte
im -Weben ^immer, roenn im 3Jiufiffaal flafftfdje 3Jhiftf gemalt rourbe, unb
burdjbradj bie Scbranfen beä $erfommen3 fo roeit, ba§ fic ben Herren in
ba$ 9?aud)5immer folgte unb fidj felbft eine Gigarette anfterfte, um „in bem
Sampfolnmp eine fleine ^Jrioatroolfe $u fjaben, auf bie fie fidj $urürf$ief)en
fonne, falte bie Herren (Sötter etwa ju übermütig merben foUten!"
3lQe biefe Slergerntffe mürben noa) burd) ben Uebermutt) übertroffen,
mit bem fie eines 2lbcnb3, gereift burdj bämifdje 23emerfungen, if)re 3ln«
fixten über Siebe unb ©fye entroicfelte. ^n ©egenroart einiger ort^oboren
abelsftoljen Patronen unb i^rer ftrengerjogenen Sodjter, erfldrte üe für
„freie Siebe'' $u f^meirmeu, fie für bie einzige fittlid>e, beglücfenbe $u
tjalten, unb nie eine onbere felbft anjuerfennen.
Verlegen unb entrüftet sogen fid) bie Hainen oon iljr jurüd, unb ber 916*
jdueb^grujj ber ftauäfrau mar fo füjjl, ba§ er einer s3>erabfdjiebung gli$. —
Seraufajt oon benftulbigungen, bie mauit)r barbrad&te, ftoljauf if)r felbft =
gefd)affene§ &eim, mar fie weniger als je geneigt, fid) beoormunben $u [äffen.
f,$ü) paffe nun einmal nidjt ju ben fogenannten .anftänbigen grauen',
bie fleiulid) unb eiferfüd)tig finb, unb uia)t um ein £>aar Keffer als idj,
bie idj nid)t bem Sdjein opfere/' erflärte fie; unb fie fanb Sdmteid>ler
genug, bte fie in tyrer Slnfidjt beftärften.
3§x &ausroefen mar nun ooUftänbig geregelt. Sie Ijatte beftimmte
33efud)3tage, unb für bie intimen eine Stodnnittagetljeeftunbe, in ber bie
Herren in allen 3»n>nern raud)ten, plauberten, muficirten, mie in einem Glub.
9htr bie 23eoor$ugteften burften mit ber Herrin in bem rofig be-
leuchteten Souboir plaubem.
Sie auf ityrem Bärenfell, oom ftaminfeuer fanft beftratylt, — ber
greunb iljr gegenüber auf niebrigem Stuhle, ober auä) auf bie fliffen geftredt,
bie (Sigarette im 2)iunbe, ben buftenben Xljee jur Seite.
2luf ber Strafe ftets oon ber unauffälligfien Ginfaä)t)eit, fyatte fie
fid) für itn* £>au£ eine erentrifdje £radjt erfunben. Sie trug nur fdjroarj
ober mein, ftumpfen Sammet ober meiere 5h>oHe. Sange galten, fdjlanf
au ber ©cftalt fyerabfliefjenb, mit ©olb gegürtet, am .(palSauSfdjnitt unb
ben langen offenen 2lermeln golbumfäumt. $a$u ba3 &aar fyodjgeftecft,
oon golbenem ^feil gehalten, mie fie eS im SHufcum an ber $)tana oon
JHerfailles gefeiten Ijatte. (Tin berühmter 3)?aler malte fie fo, unb jur
nadiften 2lueftelluug ftanb fie einem SMlbljauer ju einer Cleopatra.
Berlin fufjr fort oon tln* $u fpredjen. 2i*enn fie fic$ im Sweater,
in Goncerten jeigte, tabelios gefleibet, mie eine gürftin oon i^rem ©es
folge umgeben, nad) red/tä unb linfä anmutig grüfeenb, fo flüfterten bie
grauen, unb il>re ÜJiäuner lädjclten mit jenem oert^eibigenben Säbeln,
ba3 eine boppelte Auflage birgt. Hub bod) Ijatte fidj bie junge grau
meniger oorjumerfen, aU manage ber ftrengen Sittcnridrferinnen, bie um
feinen ^rei^ „biefe s^erfon" über ihre Sdjmelle gelaffen bätten!
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— — Zfiagbalena. (8(
ilBofjl fjatte fie if)r &au$ $u einem 30tinnel)of gefialtct, bcffcn s))iittelpunft
uc felbft war; rool)l war e3 fttllftt)ioeigenbe Sebingung für jeben SReuemge*
führten, tf)r 5U fmlbtgen.
Sie laufd)te nadjftdjtig lädjelnb bem feurigften ©erben; ba$ freiefte
'iöort n>ar erlaubt, wenn e3 fidj in ©eift fnlüte; fie bulbete mand) fyeifeen
Äu§ auf &anb unb 2lrm, manage füf)ne 3lnnäf)erung beim 3n»egefpräd?,
bei £an$ unb 9Ju3faf)rt.
2Iber fo gütig ifjr 9JIunb täfelte, fo oieloerfpredjenb if)re Stugen flammten
— fie gewährte deinem bie ©unft, um bie 2lHe offen ober oerf)üQt marben.
Sie füllte fid) roof)( in ber fdnoülen Sltmofpjjäre, bie fie umgab, unb fürdjtete
fein Unterliegen. $a3 mar e$ ja, roa£ fie fia) erfetjnt Rätter berounbert
3U werben! sJJad) Siebe oerlangte fie nidjt — aud) U)re Sinne blieben
falt, nur ifjre ^fjantafie mar fyeifc unb fdjroelgte in ben ©efafyren, bie fie
umgaben, unb mit benen fie, ftolj auf tf)re Unnafjbarfeit, fpielte.
Sie mahnte, bafc fie eine Närrin märe, oon ber &öt)e, oon melier aus fie
fie 2lHe bef>errfd)te, bie eitlen, finnlofen Scanner, f)erab$ufteigen, um Einern ans
$ugef)ören, ber fid) bann rafd) oom Sflaoen 5um Snrannen oerroanbeln mürbe!
&ier unb ba mürbe if)r ein Jreunb untreu. £er (Sine, meil ber
5Öerfel)r mit if)r nidjt bem entfpraaj, roaS er fidj baoon erhofft fyatte; ber
2lnbere roieber, weit ü)m biefer SHerfeljr ju frei unb ungebunben erfdjien.
Sie achtete beffen nidt)t. Xex $ret$ ber -Bfänner, bie fid) in biefem merf*
roürbigen ^auS roof)l füllten, mar immer nod) grofj genug; in biefem
«§aufe, ba* eine oerfüljrerifdje grau mit ifyrem 9iei$ füüte, in bem äße
Sinne umfdjmeid&elt mürben, unb in bem jeber ©injelne bie Erfüllung
feinet geheimen SöunfdjcS erhoffte!
3)er &au£frau mar 3eber roillfommen, ber fidt) irgenb roeldjer fjeroors
ragenben (Sigenfdjaften rüfnnen fonnte, mar es sJtong, großer s3teid)tfwm,
geiftige Begabung, ober befonbere perfönlidje Sieb en«$roür bigfeit.
9tur redt)t oiel Sflaoen oor bem Sriumpfyroagen ber .fterrfdjerin, ifjrem
§erjen maren bod) ?IUe gleid&gültig!
So glaubte fie roenigftenS.
33or einigen SSod^en Ijatte if)r &err SJtöUburg, ber feine intereffante
flunbin, trofc ber ©ntfrembung ber beiben .§augf)alte, nodj ab unb $u be=
fua^te, einen jungen SWann 5ugefül)rt, Barlos SMarej, ben Solm eines
amerifanifdjen StttllionärS, ber, unter bem sHonoanbe ba$ beutfd)e ©e|d)äft
fennen lernen $u wollen, fein ßebeu in Berlin genofe.
Kon fran,}öfifdjer Butter unb fpanifrfjem &ater entfproffen, in 2lmerifa
groß gemorben, Bereinigte er bie (£igenfd)aften biefer Nationen in feinem
Sleufceren unb feinem Gfjarafter. £ie bunfeln fa^arfgefainittenen 3"gc, bie
brennenben 9lugen, bie fajlanfe, felmige ©eftalt uerrietljen ben Spanier;
ben liebenSrofirbigen <DJunb mit bem finblidjen Säbeln unb ba$ mo^lflingenbe
Crgan f)atte er rool)l oon ber Butter geerbt; unb trofc feiner 23 $a\)xe
mar er fdjlan unb beregnet mie ein edtfer ?janfee.
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\82 2Jngufte l)aufdjner in Berlin.
(Seine Kameraben liebten eS, ij)n als ftinb ju befjanbeln. ©in ge-
fäfjrlidjes flinb, fyilb (S&erubin, f>alb Eon 3uan!
3n *?enaS £aufe nalmt er balb eine ©onberftellung ein. ©r nannte fte
„Keine v3)toma" unb nafnn ftdj allerfKmb greitjeiten f)erauS, roie fte einem
Sojm erlaubt finb. (fr jupfte if?r &aar suredjt, banb eine losgegangene
Sajleife, legte sutraulid) ben 2lrm um if)re ©a)ulter, um i^r ein ©eljetmniß
tn'S Cf)r ju flüftern, unb nannte fte juroeilen m\e felbftoergefien, „W.
$a£b war er ber tyiuftgfte ©aft beS SoubotrS, unb er liebte eS,
$u ben güfjen feiner „Keinen 3flama" f)ingefauert, ben äopf auf tyre Äntee
$u legen unb feine Sünben ju beizten. (SS roar meift oon grauen bie
:Nebe, unb fte fteüte fia) oft febr erjürnt. 9iur weil eS gar ju reijenb
roar, roie feine feudrten ölide bann baten, feine roeidje ©timme fd^meid^elte,
unb er fie fo lange liebfofenb beftürmte, nidjt böfe ju fein, „benn er mürbe
es ftdjer niemals wieber tfmn," bis fie bem Reuigen oer$tef).
ßiferfüdjttg rourbe fie baburdj ni<$t, geroiß nid)t! tiefem „Äinbe"
gegenüber war fie ja eine gereifte Jyrau, unb bie J-reube, bie fie bei
feinem SInblid empfanb, bie Unruhe, bie üjr fein Ausbleiben oerurfadjte,
Ijätte il;r gewiß aud) ein eigener geliebter Sofm eingeflößt.
Sie fonnte barum bei ben Redereien ber Jreunbe, bie ju ber ftetgenben
üeoorjugung beS QünglingS fdjeel fallen, redjt böfe roerben. 23ie unfreunb*
fdjaftlia), it)r gerabe biefeS reine 23erf)altniß ju mißgönnen!
28ie jwifdjen Butter unb©ofm in iljren franjöftfd&eniHomanen, in benen
aud) felbft in biefem §arteften aller Öünbniffe, bie ©atanterie fo mistig blieb !
£arum roar es bodj gans harmlos, baß fie ftdj naaj feinem ©efd&mad
faimüdte, nadj feinen Jaunen Vergnügungen annahm ober abfdjlug, unb u)m
s}>lauberftunben fdjenfte, in benen fte für 9Ziemanb fonft ju ^aufe mar.
„(fr ift fo einfam in ber großen Stabt, id) muß it>m Heimat unb
Aamilie erfefoen," meinte Tie.
(Sarlos roar eine &>od)e oerreift geroefen. „3n ©ei($äften," f»atte er
gejagt, unb in ber ganjen 3eit nid^td oon ftd) f)ören lajfen. $eute roar
ein abrief oon ibm gefommen.
„%d) fomme l;eute Abenb 8 \\\)x $u Sfjnen; aber um beS Rimmels
roiüen fein frembes ©efiajt bei unferem Söieberfeljen! 2Bie fefme id) mid)
nad) meiner füßen f leinen Sfiama; naa) bem buftenben 3tmmer, in bem fie
als fdiönfte SBlume blüht ; naa) bem SBlid iljrer guten Augen, nad) bem
Xxnd it)rcr roftgen ginger! 3dj lebe ntapt mefjr bis ju ber ©tunbe, roo
id) ben tfopf in tt)reu Sdrooß legen, unb t^r 2lUeS erjdfilen fann, roaS
ihr leia^tfinniger <So\)n in ber langen 3eit erlebt f>at."
Üena ^atte i\)x ^eim für ben £angentbe§rten feftltd) gefajmürft. Üllle
Limmer tuaren l)ell erleuchtet, nur im ^ouboir roaren bie Sampen roie
immer rofig oerfa^leiert. £aS fladernbe ftaminfeuer roarf p^antaftifdje
t'id)ter in bie l;albbunflen, oon ungeroiffem glimmer erfüllten @den unb
freute fic^ mit ber lallen flamme ber Spirituslampe, bie unter bem
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lltag&jlena.
\85
filberiien Samooar, auf bem niebrigen ^heetifd), fang unb fummte.
Teilchen unb Xuberofen, Barlos ßieblingäblumen, füllten $>afen unb
Skalen; aud) 2ena'3 ©eroänbern entftrömte ein feiner SBeildjenbuft. So
cid 3eit unb Sorgfalt fie auch fyeute auf ihren Slnjug geroenbet, fie mar
nun boch ju früh fertig, unb ungebulbig burdjfdjritt fte bie Slaume,
fragenbe ^Blicfc auf bie Ufjr roerfenb.
äöieber im öouboir angelangt, roarf fie fid) auf ba$ Gebert. Sie
baä)te an (Sarlo$, rote fie all bie Sage tyer immer an i(m hatte benfen
müjfen. Sie hatte jid) unbegreiflich heftig nad) ihm gefeint. Sein fd)öne3
©eftcht, feine fnabenjjafte §eiterfeit, feine ungeftüme 3ärtlid>feit Ratten
it»r gar fein* gefehlt. 2öo mar er benn geroefen? £>ie ^©efd^aftöreife",
bei feiner bekannten Erägheit ohnehin fd)roer glaublich rourbe oon ben
greunben luftig befpöttelt. Welche neuen SiebeSabenteuer Ratten tf)n oer=
ftrieft? roa$ rourbe fie ifnn 3Ule8 su uerroetfen haben?
Sie nahm ftch oor, bie^mal nid)t fo nachfichtig 511 fein, roie fonft; fefjr
ftreng unb emft, roie e$ ber mütterlichen greunbtn geziemt; aber nicht 5U
ftreng, unt fein Vertrauen nicht 3U uerfcheuchen — um ilm nicht roieber
entbehren 3U müffen, lange, enbloa öbe Xage! $>arum hatte fie auch ihr
£>au* unb fid) felbft fo reijoolt gefdmuteft. <5r foßte erfennen, bafc er fein
trauteres &eim, feine anmuthigere ©efahrtin finben fönne; er foCte fich
gefeifeit fühlen, um nicht roieber uon ihr ju fliehen!
Sie bliefte in ben Spiegel, ber ihr gegenüber fnng unb fte ganj
roiebergab. 2i*te fie fo balag in bem roeifeen s^Bollgeroanb , bie ent*
blökten 3lrme hinter bem &aupt gefreujt, glich fie einem flaffifchen s3ilb*
roerf. sßon bem fdjroarjen Bärenfell Irooen fid) bie fd)lanfen Umrijfe ber
biegfamen ©eftalt fcharf ab, im golbig flammenben £aar blinfte ber filberne
£albmonb. iKofig fd)tmmerte bie £aut burch bie SRafdjen be$ Selben*
ftrumpfeä, oon bem ber ©olbpantoffel halb herabgegütten mar. $)a$
bämmernbe .palblicht oerroifd)te alle oerrätherifchen Spuren, bie bas unruhige
Seben, bie raftlofe $ergnügung$jagb ijjr aufgeprägt. sJtur oergeifUgt, oerfeiert
erfd)ieneu ihre ßüge. 2>a£ buntel umränberte 2luge fchmachtete fefmffichtiger
unb hei& bramüe ber 9Jhmb in ber garten kläffe be$ ©efichtS.
3lud bem geheimnifeoollen $albbunfel, aus ben gebrochenen garben be$
£intergrunbe$ leuchtete fie heroor marmorl)aft unb boch ooll feurigen Sebent.
Sie lächelte fidt) 5U, fie fd)roelgte in ber eigenen Schönheit.
So roirb fie Garlog fehen, balb, in roenig Minuten! Unb er roirb
üe bittenb umfdjmeicheln, feinen ftopf reuig auf ihren Sdroofj legen, feine
2lrme $ärtlichum ihre Schultern fchlingen! (sin roonntgeö Beben erfaßte fie bei
bem ©ebanfen; ihre 3lugen oerfchleierten fid), ber 9JJunb athmete haftig.
3)raufjen ertönte bie Älingel, fie hörte eine gebämpfte männliche Stimme.
2)a$ mar er! 3lber fie rührte fid) nid)t. ©r foüte fie fo fehen, in ihrer
fteghaften, ihren Dieij roie unabrtchtlich barbietenben Stellung.
Gin paar ^erjfchläge lang lag Tie ftitt. Xann roenbete fie ben £opf.
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iUijuftc fjaufdjncr in Berlin.
Bor ihr, bie Kleiber oom Schnee genäht, bie Stiefel befchmufct,
&aar unb Bart com 2Sinb $erroeht, ftanb ü)r Schwager Hubert.
Sie ftarrten fid^ anreibe fprad>lo$,— fie uou einem jctyenSchredf erfa&t;
er wie gelähmt oon bem überrafdjenben 2lnblicf. Sa3 Blut ftieg ihm heiß in
bie Schläfen, bie &änbe preßten frampfhaft ben weisen mt jufammerL
^löfcltd) ermatte bie grau 3um £eben. Sie fprang auf. £alb un*
bewußt griff fie nach ber feibenen Secfe, bie ben neben ihr ftehenben Sifch
bebeerte unb hüllte fidj in it)re galten. Sa fanb auch er bie Spraye.
„©uten 2lbenb, Schwägerin/' fagte er, unb feine Stimme flang Reifer
unb raut). t)aben und lange nicht gefehen. Sich gelüftete c* bie
jefet nic3E)t nach einem äBieberfehen mit Seiner gamilie." Gx reichte ü)r
bie &anb l)in, aber fie tfyitf al£ bemerfe fie el nicht.
„Su fyeifeeft mid> nicht wiUfommen; id) fomme Sir ungelegen, in
einem 2lugenblicf, wo Su, wie e§ fdjetnt, einen 9lnberen erwarteft."
Sie antwortete nicht, ^n bie galten be3 Sud>$ geroidelt, glich fie
einer jürnenben ©öttin, bie Sippen feft äufammengepreßt, bie Stirn
gerunjelt. 28eld) ein 3rcifchenfall ! 3n tyrem ftopfe fummte nur ber eine
©ebanfe: „Sßenn er nur ginge, balb, gleich, ehe GarloS fommt!"
„Su fragft mich nicht, wie id) Sich gefunben tyibe, was mich her-
führt. Saß Xu Sich nicht breunenb nach mir fetmft, fonnte ich *ü°hl
üermuthen. 2lber ba mich gerabe ©efchafte nad) ber Stabt führten —
©efchäfte bie eigentlich Die Seinen fein foUten. — Sa£ (*Jrab Seines
Cannes entbehrt noch immer bes Sdjmucfes. 3$ wollte Sir nicht oor*
greifen" (er lachte bitter auf). „2iber nachbem ber Jahrestag feinet
Sobes oorbei mar, ^te£t ich & bodj für unpaff enb länger bamit 3U zögern.
— Sa* Senfmal ift fertig; allein bem Münftler genügt meine 3";
friebenheit nicht, er wünfd)t es aud; ber trauernben 2£ittwe su jeigen.
So machte ich '»ich benn auf, bie .trauernbe &>ittwe' ju fuchen. Wi^u-
fchroer ift mir ba* nicht geworben. Su bift ja eine 9lrt Berühmtheit in
Berlin geworben, SHagbalena: id; gratuliere 3U bem raffen ©rfolge."
Sie warf ben flopf 5urücf. 9lu3 ihren r;aIbgcfct)(of|enen Slugen
fchoffen haßerfüllte Blicfe nach Dem Sprecher.
„3ch ty&e 2lu*fuuft über Sich gefugt/' fuhr er fort; „fie ift mir
überreichlich geworben. SNagbalena" (er fenfte bie Stimme, als füra)te
er, fie bie Schwelle bes ^muners überschreiten ju laffen), „was \jabe ich
3lttes über Sich t)ören müffen! Saß Su fcr)ön bift, oerführerifch unb auf
Verführung auSgeljenb, barüber finb 9Ule einig. 9?ur in einem fünfte
gehen bie Meinungen noch auSetnanber.' Sie ©inen halten Sich für
fabelhaft reich, unb glauben bie Duelle biefeS sJJeichthum$ nur all$u gut
$u fennen. Sie Slnberen, wie Sein Banquier unb feine #reunbe, fehen in
Sir eine Abenteurerin, bie ihr eigenes Vermögen fo lang aus bem genfter
fchleubert, bis fie genötljigt ift, baS ber ^remben in 3lnfprud) 3U nehmen.
Selche Auffaffung gefällt Sir beffer?''
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ITTag&alena.
Sie würbe leidjenblaö unter ben 2öorten, bie fie wie ©ei{jelf)te6e
trafen; aber fie fdjwieg.
„Du fd&weigft? Du blicfft nao) ber Df)ür unb überlegft, ob Du
uennagft mia) fnnauäaumeifen, ornte Deine Seute ju rufen. Unb bod)
Tocifet Du, ba& id) ein 9ied)t fjabe — "
,,2Beldt)eö ^tedjt?" rang e$ fid) feudjenb von irjren Sippen. „Sdjon
einmal fragte id) Did), weld>e3 ÜRecbt rjaft Du, mid) ju bemütrjtgen, §u
beoormunben?"
„Da3 9ied)t be$ 9Jtonne3, ber ben -Warnen trägt, ben Du enter)rft/'
„(So roitX iü) ifm oon mir werfen! 2Sa£ willft Du bann noa) oon
mir? Deinen 33ruber t)abe id> glürflid) gemalt, fo lange er lebte. SRadj
feinem Xobe bin id) ifjm nidjtS mein* fa)ulbig."
„S?or bem ©efefe allerbingä nia)t, aber oor ber Sitte, bie Du mit
5üfcen getreten! 2£ie, wenn id) mid) nun jum Siädjer feiner ©rjre berufen
füllte ? 2ßenn id) tjier bliebe, um ben 2Nann ju erwarten, für ben Du
Dia) fo fdjamlos gefdjmüdt rjaft? £eute ifm, unb morgen bie ?tnberen,
bi$ \ä) ba3 gan$e ©elid&ter Deiner Sieb^aber oerjagt (jabe?"
Sie ftante ifm an. (Sr erfd)raf oor bem 2lu£bru(f ber 9lngft, ber
ohnmächtigen Sihitl), ber ftd) in ifjren 2lugen malte.
„SJtagbatena," fagte er weiter, „Du fwffeft mia). 2£ären Deine
#liäe Dolore, id) ftünbe nidjt mein* lebenbig cor Dir. Unb bod), weife
®ott, wenn ia) aud) bie SBorte nid)t $u mähten weife, wenn ber 3om
midj fjart unb rot) erfdjeinen läßt, ia) bin nidt)t Dein fdjledjtefter greunb,
oieüeidjt Dein einjig getreuer. #öre auf mid), SHagbalena! Du warft
immer flug unb oernünftig, trofe Deiner begef)rlia)cn 2Bünfd)e. 2Md)er
$tofjnfinn Ijat Didj iefot erfaßt, bafe Du Deinem Untergang entgegen
taumelft? Du weißt, wie ia), wie e$ mit Deinem sJleid)tl)um beftellt ift. Ueber
bie Hälfte Deinem Vermögens fjaft Du fd)on oergcubet, unb wenn ba$ fo
fortgebt fo bif* Du balb eine Bettlerin. Sa$ bann, wenn Deine Littel ju
Gnbe finb? 2i>enn Du, an biefe* oon Dir ftets erfefmte Seben ber Ueppig=
feit gewörjnt, nur bie SBa&l l)aft jwifdjen SHnnutl) unb SdjanbeV 2£ad)' auf,
SJiagbalena! Du bift berauidjt, betäubt oon bem 2i?eil)raud), ben man Dir
fpenbet. Du glaubft Did) ergaben über bie 9Jienfd)en, bie Didf) oeradjten,
über bie ehrbaren grauen, bie Did) oerurt^cilen. Mcx wenn Du oon Deiner
trügerifdjen jpölje f-erabfällft, wenn Du nidjt meljr bie Herrin bift, fonbern
bie Setjerrfdjte, wenn Du Deine ©unft oerfaufen mufet, anftatt fie $u oei»
'djenfen — bann wirft Du empfinben, was e$ rjeifet, oon ber 2Mt oer;
ftofeen $u fein! Dein Stolj wirb aus taufenb &>unben bluten, Du wirft
bie brennenb beneiben, bie Du jefct bocfmtütfrig geringfa)äfecft. — Unb bann
bebenfe: Du bift nid)t mel;r jung! 9Zod) bift Dufcfym. Sdjöncr oieUeidjt,
aU Du je gewefen. 3lber noä^ ein s£aar ^al)re fo wilb gelebt, unb Du bift
alt, mußt Dia) mit geborgten Weisen fdmmden, mufet Dir bie Neigung ber
'Diänner erbetteln, bie jefet bewunbemb $u Deinen /"ytifeen liegen!"
Korb unb Sub. hl , 1S2. 13
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J86 2lu<jufte ^aufdjuer in Scrlin.
X'eua mar außer fid). Wt graufamer £anb jerpflücfte bcr tyarte 2)iann
alle ifjrc ^reuben. ^n ber Stunbe bev fünften Grwartung überfiel er fte, unb
l)ielt tyr baSsJttebufenf)aupt einer cntfefelid&enSufunft oor! D nur biefe Stimme
nidjt mef)r Ijören, biefe ©eftalt nid&t mef>r feljen! Dafj fic fo fajufclos mar,
fo olmmädjtig! 9)Ktleib mit fid; felbft erfaßte fie, uerjroeiflungöDoUe 9öutb.
„SaS tjabe icf) Dir gctr)an/' fajrie fie, „bafe Du mid) fo marterftV
£abc Grbarmen mit mir; get)e, geljeü"
Unb fic warf fia) auf baS £ager, ben tfopf in bie weidjen gelle
gebrürft, um ü;r Sdjludfoen ju erftidfen.
greller Sdjrei, il>r troftlofes Aufweinen trafen ü)n in'S .§erv
^angfam näherte er fid> bem Muljebette unb fal) auf bie $udenbe ©eftalt
Ijerab. Seine Schlafen rotteten fid), er rang nad> Sorten.
„3$ bin ^u weit gegangen, Sena, uerjeilje mir." Unb als fic von
frampftaftcm Sdnnerj gefdntttelt ftd> nod) tiefer in bie ftiffen briiäte:
„Seine bod) nid>t fo, beruhige Dia)."
Sie Ijörte bie Sanblung in ifjreS Verfolger» Stimme. Gr war gerührt.
Sie, wenn es nur einer iüift beburfte, um ihn uoUenbs $u erweisen, um
ilm uon ber SdnueUe $u entfernen, bie er bann nie, nie wieber überfä)reiten
follte ? sJ)Jit gewaltiger 2lnftrengung bejwang fie fid). Sie fafjte feine $anb,
unb ff üfterte f o leife, bajj er fid) tief über fic beugen mußte, um fie 511 uerfteljen.
f,3ä) bin nid)t fo fd)led)t, wie Du glaubft. i?l ber nid)t fjeute fann id) midi
uerttjeibigen. $d) bin !ranf, tief uerwunbet. ©el)' jefct, fomm morgen wieber!"
Sie fal) flefjenb 51t iljm auf. Gr war il;r fo uafye, baß i()r $aar feine
Sangen ftreifte, il)r 9ltl)em feinen sJ)htnb. Gr Ijatte fie nie fo gefeljen. Die
Stolje, Spröbe lag oor ilnn, ein willenlos ergebenes Seib. Gin oerfüfjrerifdjer
3auber lag in bem feudjten !ölid it)rer 2lugeu, in bem tljrdnenburd^jittcrtcn
Mlaug tyrer Stimme, in ben ffynerjgelöften frönen ©liebern. Der ftarfc
9)tann gitterte. Seine $ruft arbeitete, falter Sd)wei}3 trat auf feine Stirn.
Gr prefete il)re weisen Ringer jwifdjen bie feinen, baß fie fcbmcrjten.
„SaS mad)ft Du aus mir, SKagbalena?" So ftölmte er. „Säre
es benn möglia) ? — wenn Du wüßteft — wenn id) Dir fageu fönnte — ."
Unb plöfclid), wie uon einem 2Uifefd)lag gefällt, fanf er $u iljren
güften, unb ftammelte, in bie galten if)reS JlleibeS gebrütft, wilbe Sorte.
„9Jid)t ber &aß ift es ja, ber aus mir fpridjt, 2ena! £iebe ift es,
gierige, uerlangcnbe, jerfleifdjenbe ^iebe. ^a ^ena! 3$ liebte Didi
fdwn als meines $ruberS Seib. Wt bitterem Vorwurf 5war, unb
tieffter Selbftueradjtuug, beim meine i^iebe war uid^t nur Sünbe, fie mar
aud) Grniebrigung. ^d^ fat) ja, wie gering Du uns ad)teteft; wie Xu
Dia) nad) Befreiung aus bem bvuefenben ^)od) fe^ntteft. 3^)ne^"rWenö-
mußte iä) es bann fpätcr mit aufcl)eii, wie Du Deine greiljeit nu|teft,
wie Du eilteft Deine geheimen Dräume ju erfüllen. ^Iber eS nagte au
mir Dag unb 9iadjt. ^d) rebete mir ein, es fei nur ber Soxn üb«
Deinen geauffenlofen ^eid)tfimt, ber mid) nid>t jur iHu^e fomnteu ließ.
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ITlaa&alena. \S7
9loä) jefct, auf bent äBegeju Sir, madjte id) mia) glauben, id) folge nur
ber Stimme ber <£f)re, ber %fl\ä)t gegen ben SBruber. geigltng, ber id)
deinem »erfüf)rerifdjen 3auber nidjt wtberfteljen fann! ber id) um bie
Siebe beS SßeibeS bettle, an baS id) nid)t glaube, unb baS id) bod) liebe
mit tyeiüem, jeljrenben Verlangen! 3dj weif? nid)t, was ia) fpred)e, oer=
jeifje mir; o, erf)öre mid). gliejje biefe Stabt, in ber Su untergeht,
flomm mit mir, fei mein 2Beib! 3d) bin reid), Sena, uiel reifer als
mein trüber war. Unb id) will raftloS für Sief) arbeiten, n)iU aCe
Seine 28ünftt)e erfüllen, unb nie, id) fa)wöre es ^Dir, fott Sid) ein SBort
an bie Vergangenheit erinnern, SitdjtS »erlange id) bafür, als baft Su
mein wirft, mein ganj allein. Senn ben würbe id; tobten, bem Su
einen Slicf, einen ©ebanfen fdjenfteft neben mir!"
Sie tyatte fid) längft aufgeridjtet. 3^re 2tugen flammten, \\)x 23ufen
wogte. 3efet fprang fie auf mit fo jaf)er Bewegung, bafc ber tfnieenbe
jurücftaumelte.
,/2Ufo baS ift Seine uielgcrüfnnte Sugenb," rief fie, „baS ift bie ftrenge
ehrbar feit, bie id) burd) meine leidsten Sitten beleibigt Ijabe! ©in wef)rs
lofeS Söeib §u überfallen, es 5U bef Wimpfen! SKdjt aus ^eiligem, wenn aud)
ungered)tem3orn; nein, aus boshafter (Siferfudjt, aus unreiner Seibenfdjaft
für bie grau, bie Su wie bie Wcbrigfte beidjimpfeft! 2Bie erbärmlid), wie
gemein! Unb Su meinft, id) foHte nieberfallen, Seine ©nabe in Semutl)
frinnefnuen! 3dj, bie idj wählen fönnte jwtfdjen ben heften, ©belften, id)
foHte mein Sd)idfal in Seine graufamen, garten &änbe legen? 3n bie
£änbe beS 9JtanneS, ber ftets meine fjarmlofeften greuben getrübt l)at,
ber mein trauriges ßeben nodj oerbüfterte, ben 311 fliegen mein erfter ©e*
banfe war, als meine Letten fielen?! 92ein, lieber in ben £ob, lieber
in Sdjanbe unb ©lenb, als in Seine 2lrmeü"
©r ftanb uor i&r, erbfaf)l, bebenb. 2WeS 33lut, baS ifnn uorf)in in
ben Schläfen braufte, brängte uad) bem ^erjen, baß er $u erftirfen glaubte.
(Sin Ärampf (Rüttelte tljn, er taftete naa) einer Stüfee.
,,3d) banfe Sir," fprad) er bumpf, „Su (jaft meine @f)re gerettet."
Sie Ijob ben 2lrm, oon bem bie £ü!Ie wieber abgefallen war, broljenb
nad> ber £fjür.
„hinaus, aus meinen Slugen! 3$ fyaffc Sia)."
//3<6 Ö^^c i^on," — feine Stimme fyatte wteber beufelben tonlofeu
fllang — „obgleid) id) bleiben modele, um Seinem Sieb^aber bie fiuft ju
vergällen. 3lber id) will nidjt länger Seinen Sdmfeengel fpielen. JyaUe
nur, uerfinfe in bem Sdjlamm, mit bem Su liebäugelft. Serbe, was
Su ber Ält längft bift, eine feile, mifjadjtete Sirne! — Närrin Su,
Su glaubft, bie Männer, bie Sid) umgeben, ftreben nad) Seiner ,§anb!
9Jad) Seinem Öefife wof)l, für Monate, Xage, Stunbeit, ie nadj ber &ifee
i^rer oerliebten ©lutl)! 9lber merfe es Sir; wenn Su, gealtert, oerlaflen,
oon Veben unb Sflenfdjen angeefelt, einen Sd^lupfroinfel fud)ft, fo benfe
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Slu^nftc f?aufdjner in Berlin.
nie an bie gamilic, für bie $u, von fjeute an, geftorben bift. Unb wenn
meine flniee umflammerteft, roie idj f)eute bie deinen umflammert fjabe —
mit bem guße mürbe id) $)ia) fjinroegftoßen, roie £u eS mir getyan &aft !"
Gr roanbte fic$; bie £f)ür fiel hinter ifnn ju. Sangfam «erhallten
feine Stritte.
2ena fal) um fidj. GS roar 2llIeS unoeranbert. 2Me Slumen bufteten,
bie glamme fang, es mar traulidj, frieblid) roie oor^er. Unb bod& mar
i&r, als fußten bunfle Statten baS ©emad); als burd&töne es nod) bie büftere,
jornbebenbe Stimme!
Sange 3ett faß fic regungslos. £ann fuäjte fie, auf unb abfäreitenb,
tf>re ©ebanfen 511 flären. 2Heldj ein ©lücf, baß GarloS niä)t gefommen
mar! SSelcf) ein ©lud, baß er nun roofjl nidjt me\)t fommen mürbe, benn
Tie f>ätte ilm bod) nid)t annehmen tonnen, jefct in biefer Stimmung!
$)a ertönte auf's 9ieue bie klinget — unb e(;e fie einen Gntfd)luß faffen
fonnte, ftürmte ber Jüngling in'S 3immer. 3m tabellofen ©efeflfdiaftsanjug,
eine Xuberofe im Änopflodj, einen großen Strauß 2?eila)en in ber &anb.
„Gnblia), einjigfte greunbin," rief er, auf fie juftürjenb, unb ttjre Singer
mit ftüffen bebecfenb, „enblidfo bin id) roieber bei ^tmen. SBie lang, roie
eroig lang fyabe id) Sie nid)t geferjen! Unb roie fdjön Sie fmb; nod) oiel
fdjöner, als id) Sie in meinen träumen erblicfte!"
Sie entjog fid) ilmi. ^n Ujr jitterte nod) bie Grregung. 3f)re ©lieber
bebten, unb fie ließ fid) in einen £ef)njtuf)l ftnfen, um m$t umjufaßen.
„2i?aS ift ^Imen, weine Heine, golbcne SDJoma?" fdjmeidjelte GarloS,
oor fie Ijinfnienb, unb ben 2lrm um itjrc Stnie legenb. „Sie finb fo blaß,
fo oerftört, unb roal)rf)aftig — Sie Ijaben geroeint. Sinb Sie mir böfe?"
Sie fab ifm mit einem langen Sölicf an, ba er fo finblid) jutraulidj
ju ü)r auffdjautc. 2ludj er roar blaß. Um bie großen bunflen 2lugen
lagen tiefe 9iinge, an ben Schlafen traten blaue 2lbern Ijeroor, unb feine
#änbe brannten fieberheiß burd) if>r ©eroanb.
„Sie Ijaben mid) lange roarten laffen,"murmeltefie,nur um etroaS jufagen.
„Cbne mein £>erfd)ulben, unb $u meinem größten ßummer. 2lber
benfen Sie mein Grlebniß. <3n bem 3Mumcnlaben, aus bem id) meinen
SBillfommengruß Ijolte, treffe id) Hartwig, ber in ber größten Slufregung
ein $ufcenb £afelfträußd)cn für ben 2lbenb beftellt.
„,Sie in Berlin, GarloeV4 ,Gben angefommen!1 ,Unb id) ©lücflidjer
muß ^nen begegnen. GS lebe bie 3erftreutf)cit , bie mia) meinen Xafel*
fdnnucf oergefjeu ließ! 3$ neljme Sie mit mir. 2ßir geben l)eute unfere
erfte ©efellfd)aft. Clefia roar oerjroeifelt, Sie miffen ju foßen!'
„Vergebens mehrte id) mia). Gr faßte mia) unter ben 9lrm, 30g mid^
in ben Sitogeit, fd;leppte mid) bie Xre^e ljinauf, überlieferte mid^ feiner
grau — unb eine »olle Stunbe oerging, el)e id) mid) i^rer SiebenSroürbig*
feit entreißen fonnte."
„Hartwig ift oerljeirat&et?"
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•— ntagbalena.
„Seit oier Soweit! Söugten Sie ba$ nicht?"
„3$ hatte e3 wteber oergefien."
Hartwig, einer ihrer älteften £au£freunbe, ^atte fidj ©erheiratet, ofme e$
tfjr mit5Utf)eUen! Dft hatte er ihr oon feiner 23raut erjagt, einer oornehmen
^polin, fo bafc fic auch für biefe fchon greunbfdjaft gefügt ; unb nun ihr nicht
oorgefteüt, fogar bie ©ochjeit oerheimlicht, um jebe Annäherung 5U oermeiben!
„2Ba$ für eine grau ift fic?"
„grau o. Hartwig? ©in hübfdje* ^roüinjgdn^^en, fd^eu mje eine
älofterfdjwefter unb bem &errn unb ©ebieter ganj ergeben."
„Unb haben Sie if)r gefagt, ba& icf> Sie erwarte?"
,,30) werbe mich hüten! Sie foll entfefelich eifersüchtig fein. Unb gute
greunbe haben iln* gemi§ fchon oon if)re$ ©atten einftiger glamme berietet/'
(Sold) leichtfertiges ©eplauber war bie junge grau gewöhnt unb e$
besagte ihr fonft. &eute aber traf fie jeber Safe wie ein SHefferjtich in'3
#erj. ©uberts finftere £öne fummten $u jebem 2Bort bie brohenbe 33e*
gleitung, unb jeber Sdjerj würbe jur SBeleibigung.
„<Ba3 ift benn heute mit 3{men, füge greunbin? 9W bie enblofen
Minuten, bie idj bei jenen langweiligen SKenföen »erbringen mufcte, fagte
ich mir ja: Salb bin ich bei ihr, ber herrlichen, ©ütigeu! Sei ihr, bie
afle (Sinne entjücft, burch ihren ©eift, ihren ©efehmaef, ihre 2Inmuth! Unb
nun bin ich hier! 2lHeS ift noch ferner, als ich e3 geträumt. Mein
SieblingSlidjt, ineine Sieblingsblumen, mein fiiebling felbft, fo entjücfenb,
fo reijenb — unb bodj fo ganj anberS als fonft, fo falt, fo fremb?"
ffi)le *ra"f> neroöS. ©el)en Sie, laffen Sie mich allein!"
„Sie fdjiden mich weg, £ena? Unb ich hatte mich fo mafeloS auf
ben heutigen Slbenb gefreut. So fidjer war id) 3hrer ©aftfreunbfdjaft,
ba& ich eS fogar gewagt fja&e, über 3hre ^erfon ju oerfügen."
„me ba*?"
„3« einer lafterljaften @cfe bei "gartwigS würbe befa)loffen, fid) für
bie erlittenen ©efettfehaftsfreuben ju entfdjäbigen unb nach Mitternacht
noch oei ©iiier 5U foupiren. gräulein ©ertraut oom Sdjaufpielhaufe unb
bie fööne Sängerin Sllma foHten noch geworben werben. Mich beauftragte
man, Sie mttjubringen."
„$>a machten Sie alfo am Sfytem Sefuch bei mir fein ©eheimnifc?"
„3m ©egentheil. 3<h oerfpradj alle Mittel anjuwenben, um Sie su
ungeftörter Klauberei für mich ju behalten. 3m 9?otf)fau" fogar bie £f)ür
in oerrammefn."
„Unb Sie fürchteten nicht, mich $u compromiltiren?"
„Sie £ena? bie oorurtheiUfreiefte aller grauen? ©ehen Sie, $öfe, Sie
finb heute nicht Sie felbft! 2öa8 hat Sie mir in ben acht Sagen fo ueränbert ?"
„Unb wenn ich Sie nun fragte: 2öa3 haben Sie in biefer ^t\K
begonnen? 2öelche 2lrt oon ,©efa)aften4 l;at Sie aflü&iggänger oon hier
weggetrieben?"
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2Ju«jufte fjaafdjncr in Berlin. —
„3f)iien baS erjagten bin ich ja eben gefommen! 9£6cr nicht bieten ftra=
fenben 33licfen, biefem ftrengen 9)?unb fann ich beichten! kommen Sie, Keine
üttama, ftreefen Sie bie fd;önen ©lieber auf Bärenfell — fo. — »öie fanft
baSgeuer if>r fü§e$@ertd)t beleuchtet! 2Bie beraufchenbfchönSie auSfef>en,balb
©öttin, Jjalb Bacchantin! Unb nun lächeln Sie audj nrieber ein SSenig, baS
maa)t mir Sttutf)! 3<h nritt §u Shren güfeen fauern unb Sfynen eine ©efchichte
erjagen, ganj ^eimlt^ ganj letfe, bafe fie aufjer uns SRiemanb hören fann."
„(£s mar einmal ein 3üngling, unter einer Sonne geboren, beren
Straelen baS Slut erf)ifeen, ©eift unb tförper frühzeitig reifen. @r wuchs
in 9teid)thum unb güUe auf; jeber Saune warb Erfüllung, ihm warb SlHeS,
roaS er begehrte, SebenSfuft unb grauengunft. — Unb boch mar er nicht glücf =
lieh. ®r träumte oon einer grofeen Seibenfehaft, roie fie fein #erj noch nie
roirflid) erfüllt hatte, feffelnb ohne $u überfälligen, fmnenreijenb unb bod)
oornehm. — 6r fanb fie ntrgenbS. $a roanberte er in ferne Sanbe,
unter einen fälteren Gimmel — unb ba — führte ihm baS ©efehtef ein
Seib entgen, baS alle feine Sßhantajieen noch weit übertraf. Soll irbiföen
d\e\$c$ unb zugleich feelifd) fchön, ^ingebenb unb abftofjeub, unberechenbar
eigenartig in all ihrem £l)un unb ßaffen. 9lber ad) — fie ftanb h0£*j
über ihm! — SReidj, oerehrt, umfchmeichelt, mar fie feinen 2£ünfd)en ent=
rücft. Unb er träumte oon ihr, £ag unb 9cad)t, mit fieberhaftem Her*
langen. 25a fagte er fid): 3$ will il;r entfliehen. @ine 2lnbere foll mich
bie nergeffen machen, bie ju befifcen ich nur im SBafmfinn ju hoffen roagen
barf. ©r flüchtete mit ber 2lnberen. Vergebens! $hr oerfolgte
ihn, nur fie füfjte er, wenn er bie 2lnbere in ben ?lrmen h^lt! 3JJuthlo«
gab er ben $ampf auf. (£r feljrte ju ihr jurücf, p ber ©tnjigen, bie er boch
fo hoffnungslos liebte — Sie fdjtoeigen — barf ich weiter fpred)en, meine
füfje golbene 2)toma — nein! — meine angebetete, f)ei§c)e(iebte greunbin?"
Regungslos hatte Sena gelegen, 3t)re Slugen trugen einen leeren
2luSbrucf, als oerfiünbe fie nicht, roaS Tie hörte. ftefct richtete fie fidj auf
unb feine 2lnnäbenmg oon fid) abroetjrenb, fagte fie langfam:
„Sie haben eine roirf liehe Sttutter, GarloS? Stürben Sie auch ihr
eine folche ©efd)id)te erzählen V
„3öie meinen Sie baS? — 3Jieiner Butter? — 2ldj, roaS hat meine
Butter mit biefer Seidjte 5U tt)un?"
©r würbe unhöflich, fo hatte ihn bie feltfame unerwartete Jyrage aus
ber Raffung gebracht.
„Sie haben mir überhaupt nie oon 3h™r SHutter erzählt, oon 3b*er
Jamilie. — SBon 2fnbcren weife id), ba& eine %fyxet Schweftern in ber Stahe
Berlins lebt unb bie &auptftabt oft befucht. Sie ijt fehr fchön, nicht wat)r?"
Smmer beftürjter würbe ber Jüngling. 9$>aS foflte biefe Söcnbung?
2öar baS Slofetterie, um fein ©eftänbmf? ju oersögem?
„3awot)l," fagte er. „2lber was fann Sie baS interefftren ?"
„äSaS mid) baS intereffiren fann? Sie bebenfen roohl nicht, was
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lUag&alena.
19t
Sie fpredjen ? ^in idj nidjt %fyxe befte Jveunbin ? kennen Sie midj nidit
3f)re f feine 2ftama? 9Jef)me id) nidjt Xfjeil au 9IUem, waä Sie betrifft?
Sie wiffen, idj meibe fonft bie ©efellfdjaft ber grauen; id) weife nid)t3
mit if)nen anzufangen. 2lber 3ftre Sdiwefter fennen jn lernen, ba$ f)abc
id) in lefcter 3^ oft gewünfdjt. SBenn fie 3fjnen gleidjt, fo mufe i<$ fie
fdjnell lieb geroinnen. Ül'offen (Sie fie mir sufüfyren?"
Gartow war fpradjloS. 2llfo ba$ mar e3 ! Seine i'eibcnfdjaft wollte
fie nufeen, um fid) ben 2öeg in bie ü)r uerfdjloffene ©efellfdjaft $u bahnen,
tlnb bie ftttenftrenge Sdjwefier, bie feinen Umgang mit ber „berüdjtigten"
rtrau fdjarf oerbammte, ber er längft als £ena$ (Miebter galt, follte er
in biefe* £au3 bringen?
„Sie fönnten mir feinen lieberen Auftrag geben/' ftammclte er; „aber
meine Sajwefter ift leiber unpdfelidj. ßommenbe gamilienfreuben — —
fie gef>t uorau$fid)tlid) in ben nadrften Monaten gar nid)t aus."
„Unb ba$ wagen Sie mir ju fagen, ba id) crft geftem bie Sefdjreibung
ber glänjenben Toilette gclefen, bie fie auf bem bcä amerifanifdjen
©efanbten trug?'' Sie roar aufgefprungen. $f)re 9lugen f prüften.
5lber audj fein ßoxn regte fid). ~ 3fm, ber voll übermütigen
SiegeSgefüfjleä gefommen, roie einen Stfjulfnaben ju beljanbeln!
„2i>a$ für eine feltfame Scene fpielen Sie mir ba uor? 2ßof)er
biefe* plöfclidje Sntereffe für Wenfajen unb Singe, bie Sie fonft oeradjten?
Sollen Sie mid) oerfdjeudjen, weil Sie einen 9lnberen erwarten?"
Sie erblaßte, unb er milberte rafdj ben fdjarfen 2on 511 bittenbcr
^eid)t)eit.
„C, uerjeifjen Sie mir! 3dj weife nid)t, wa$ id; rcbe; ber Sdmierj
oerwtrrt mid). SBanim finb Sie aud) fo falt tieute? SBarum wollen
Sie mid) nid)t oerfteljen? Mjugut wiffen Sie ja, wer ber Jüngling
ift, unb bie ^rau, bie er anbetet. %a £ena, woju bie 9)la$fe? Sie
wiffen, bafe tdj Sie liebe, glüf)enb, namenlos! Sie muffen e$ wiffen.
3()re fdjarfen 9lugen fjaben längft gefefyen, bafe e3 nidjt bie ©efüf)le eine*
SofnreS fein tonnen, bie id) für Sie, $erfüf)rerin, r)cge. 9)2eine Ringer
bebten, wenn fie $l)re ©eftalt berührten; unb wenn id) 3f)nen meine
Sünben, meine Abenteuer beichtete, fo war es nur, um Pforten von üiebe
in fpredjen, bie bodj nur einzig unb allein Qlmen galt. — Unb Sie
liefeen mid) gewahren Sie liefeen midj froffen — — — C Sena,"
flüfterte er, fyeife ben 2lrm um fte fdjltngenb, unb fie bem 9tuf)ebett
^ufüfjrenb, „wirf ben fpröben Stol^ hinweg! ©efte^e, bafe aud) Su mid)
liebft. — 23of)l ift es wafjr, bafe tdj ^Didt) geflogen! $d) wehrte midj gegen
Seine 9Rad)t! 3$ wollte ber erfdjrerfenben Kraft wiberftefjen, bie mid)
mit unwiberftef)lic$er ©ewalt ju 5X5ir rife. — 2Iber aud) 2)u r)aft gelitten
bura^ meine 2lbweienf)eU. 3a) fal) eö fofort an deinen blaffen 2öangen,
Seinen f)eifeen ^anben, Seinem unrubigen Söefen. Su liebft mid)!
$ättc id) e^ nidjt fajon gewufet, bie$ 3imnter/ Da^ ^u ,mv 1°
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*92
2Iuguftc ftaufd?uer in Berlin.
feftlid) bereitet Ijaft, tjätte e£ mir gef agt ; Du felbft, Deine bräutlidj ge=
fdmtücfte, geängjtigt fdjöne, boppelt berfitfenbe ©eftalt !" — (Sr beugte fid?
tief über fie ; roie järtlidje Siebfofungen umfdjmeidjelten fic feine [eifert
2£ortc: „Sei mein, ©eliebte! Gntflief) mit mir, roeit weg oon ben falten,
geroöfmlidjen SDicnfcr)en. 3n meiner Heimat weife tdj einen Ort, ba ift es
eroiger grüf)ling. Da buften bie blumen, ba fingen bie bögel, ba rauften
bie bäume! Dort f ottft Du als Königin r)errfd)en; mit brillanten unb perlen
min id) biefen roeifeen &al$ fdjmürfen, ju Deinen güfeen will id) liegen unb
einen langen fcligen SiebeStraum träumen! — Sei mein! ©eliebte!"
Gr fafetc ir)rc £anb. 2£eid) unb brennenb wanberten feine kippen
oon ifjrcn fdjlanfen gingern, ben fdjönen 2lrm entlang, um lange unb
burftig auf il;rem 3Jiunbe ju roeilen. —
Sie lag roie betäubt. SBilb flopfte fein &erj an bem ifjren. §eifee
Sdjauer burajbebten Tie. 3&r 2flunb öffnete fid) led)$enb, bie 9Bimpem
fd)loffen fid)
Da fprang ein Stücf .§ol$ praffelnb au* bem Slamin. — ßena fubr
auf. — &atte ba nidjt eben eine bumpfe Stimme gerufen: „Dirne! feile,
ebrlofe Dirne!!" Der 3auber war gebrodjen. Sie falj GarloS' jitternbe
©eftalt, fein gerötete« ©efid)t, feine in Drunfenrjeit fd)mimmenben Bugen.
Gin ©fei erfafetc fie. Sie fttefe ilm oon fid).
,,©el)en Sie/' rief fie, „Sie finb fcr)led)t, unb 3^re Siebe ift eine 33c*
fd)impfung! So gefjen Sie bod)," wieberfrolte fie aufeer fid}, unb ftampfte mit
bem gufe. „bei ben grauen, bie midj oerad)ten, tonnen Sie mit 3t)ren
perlen unb brillanten oielleidn* erlangen, waSSie bei mir oergcblid) fud)en!"
<5r Ijörte nid)t auf fie. Die Hüffe, bie er auf ifjre Sippen gebrütft,
Ratten bie gan$e füblidje 2öilbr)eit in u)m erroedt.
taffe Did) nidjt, fd&öneS SBeib; mein mußt Du roerben unb
foUte ©eroalt" Gin Stofe vor bie bruft tiefe ifm juriidtaumeln.
3Bte eine fampf bereite Söroin ftanb fie cor ilmt.
„2öa3 roagft Du, ftnabe ? Soff id) meine Seilte rufen, bafe Dir bie
3üdjtigung roerbe, bie Du oerbienft?"
Sie fat)cn fidf) an. Die 2lugen, bic eben fo begefyrlid) in einanber
getaudjt waren, maßen fid) zornerfüllt, ©in böfeS 2ßort fdjroebte auf
feinen Sippen. ?lber er bejroang fidt). Sie roar fo begel)ren3roerrt)! Unb
nun erft red)t roollte er fie befifcen. Dann foflte fie büfecn für bie
Sdmtad), bie fie irjm angctr)an!
triä) l'a9te er> "unD roürbe ben nädjften Dag nid)t erleben,
müfete id) fürd)ten, Sic auf immer oerloren ju t)aben. 2lber Sie roerben
morgen anber$ benfen; man Ijat mid) bei Sfynen oerleumbet."
■ftod) ein 9M oerfudjte er, fidj ir)r ju nähern. (Sin blid* fd)eud)te
il)n jurüd. Da ^udtc er bie 3ld)fetn, unb oerlegen, roie ein Sdjaufptelcr,
ber fein Sd)lufjroort oergeffen, trat er ben Jlüdjug an.
* *
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■ ittagöalcita. (93
3lu<h hinter ihm fchlofc ftdj bie Xfntr. 2lud> [eine Stritte oerfcHten.
l'ena war roieberum allein. —
Sie ftrich mit ber &anb über bie Stirn. Sie Alraft, mit ber fte fid)
eben noch oerthetbigt hatte, »erlief fie.
ßtlfloS fanf fte an bie Erbe, baS ©eftcht in bie &änbe uergraben.
2lber ihr 33eroufjtfein fä)roanb nicht; unb fte fanb feine Xfyränen.
Älar unb greifbar, als Ratten fie Seben gewonnen, ftanben bie SBorte,
bie ^Bewegungen ihrer beiben 33efudjer oor it)r; ber beiben Männer, bie
ein £ofm bes SdjtdfalS iC>r an einem Slbenbe hintereinanber jugefü^rt,
bie ftd) ablöften, roie um fich ju ergänjen, beren Stimmen 3ufammen bie
entfefclich harmonifche StSharmonie btlbeten, bie tt)r fo fdjrill in ben D^ren
bröhnte! Sie beiben Männer, oon benen ihr ber Sine fo oerha§t, ber 3lnbere
fo treuer geroefen! Unb Don benen both gerabe ber £efete tln* bie taufenb=
mal fdjimpf liiere SBeleibigung angethan! Er, bem fte nur Siebet gethan,
ben fte bei ftd) aufgenommen, freunbfchaftliä;, mütterlich!
Sie lachte grell auf. 2Rütterli<h ! SBoju noch bie jämmerliche Äomöbie!
föatte er it)r nicht gefagt, bafj fie es oon Anfang geraupt, roaS fte
uon feinen ©efühfen 3U galten ^abe, unb bafc aud) fte, oon ber gleichen
uerlangenben Seibenfdjaft erfüllt, bie greunbfehaft nur als Sedmantel für
baS ^ei§e ßiebeSfpiel genommen! Unb bafe es faum feiner f flauen Sift
beburft fytbe, biefer Entfernung, bie it)re Sehnfud)t fteigern fottte, um fte
in feine Sinne 5U führen, mühelos, fraglos! Sei bem Stellbtchein bes
heutigen 2lbenbS, „ju bem fte ifnn bie Söoljnung fo feftlid) bereitet!"
So alfo bad)te er, fo bauten alle bie ritterlichen greunbe, bie fie il>rer
SBeretnung perftcherten ! Sa mar auä) nicht Einer, ber an fte glaubte;
nicht Einer, ber fie in ©efar)r meinte, unb fie $u warnen eilte; nicht Einer,
ber fte für gut genug hielt, um fte mit feinem Tanten ju fdjüfeen! Sitte
oerachteten fte, 2We fehlten fie einer Sirne gleidj! —
Sie fte fie oerabfd^eute, in biefem Slugenbticf; roie fie fid) oornahm,
ihnen ihre Sfnlr &u oerfchlie&en, fte au« biefen Räumen ju »erjagen, 2lHe, 2lHe!
Sie »erjagen? 2lber roaS follten biefe Zäunte bann? 2BaS follte
fte bentt allein? Eine Königin ohne &offtaat?
Sta) anbere $afallen fuchen, einen anberen Schauplafc für ihre
Sriumphe? 2lber roie? roo? — 2Öürbe eS ihr noch einmal gelingen?
Sie einige Stüfce ihres £ebenS, ihr Vertrauen ju fich felbft, war unter
ihr sufammengebrochen. %n bem grellen Sichte, baS ihr plö|}lich©egenroart unb
3ufunft beleuchtete, fah fte ihr eigenes 3<h jum erften 3Jtal in graufamer
Klarheit, unb fie beurteilte fich roie eine grembe mit fdjonungSlofcr ,§ärte.
2BaS war fie, bafj fte fidt) berechtigt glaubte, eine Sonberfteüung
einzunehmen; bafj fte verlangte, angebetet 3U roerben, ju herrfchen? 9Jid)t
reich, nicht oomehm, nicht begabt unb nicht fchön! 2tu<h nicht fchön?
Sie rifj bie Schleier »on ben Sampen unb bie brennenbe Sierße in ber
$anb jtierte fte ihr Spiegelbilb an. 2BaS für fä)arfe Linien um ben
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U)4 — 2Iuaujte baufcbner in Berlin.
uerblaßten DJiunb; roeldje galten um bie glanjfofen ?lugen, unb an ben
Sdjläfen, nun bie funftoolle griiur jerftört war, graue $aare!
9?ein, fie roar audj m<f>t mef)r fc^ön!
3lnberer SReiämirtel fjatte eS beburfr, um fie begebrenSroertr) ju machen.
Der entblößten 9lrme, ber wie unabfid)tlid) oerratljenen 2Beid%eit ber Sinien,
beS beregneten Sinzigs, ber ganjen gefjeimnißooll erregenben Umgebung.
Unb wenn fie gejroungen roar aus bem 9tof)men jju treten, ber fie erft
$um 3Mlbe machte, roaS roar fie bann? —
SKitternad^t roar lange oorüber. SBieberlrolt fjatte bie geängftigte
Tore ifjre .frerrin gemalmt, bie divfyc 5U fudjett. 3lber Tie roieS fie fd)roff
jurücf. Schlafen gelten, otelleidjt etnfdjlafen, oergeffen — um morgen
roieber ju ermaßen ju bem elenben 23eroußtfein it>rc^ oeränberten Sebent ! $Me
follte fie es ferner ertragen ? SBertfjloS lag es oor tf)r, roie bie jerbrodjene
^uppe oor bem roeinenben 5ttnb. (Sin jerftÖrteS Spieljeug, inhaltlos!
Sie irrte burd) bie 3inmter, b;*c leblofen 3eu9cn ^)rer SHeberlage.
Sie fyatte fie oon ben 2£änben reißen tonnen, alle bie ftoftbar feiten;
fjatte 3lUeS jertrümmern mögen unb unter biefeu Prummern unb Sterben
fta) felbft begraben — fterben. (SiSfalt überriefelte eS fte bei biefem
©ebanfen. 2Bie fonnte fie an Sterben benren, fie, bie immer nur bem
Seben, bem ©enuß nadjgejagt?
sBar benn if)re Sage roirflid) fo oerjroeifelt? ©ab eS feinen anbereit
2luSroeg aus ber gtnfterniß, bie ir)re Seele umnadjtete?
^td&t eines 2itf)ems Sänge gebaute fie tljreS Sd)roagerS unb feiner
el;rlid)en, if>m roiber SBitfen abgerungenen SÖerbung.
£er 33erabfd)eute! ©r rjatte ilu* einen fd)le$ten $tenft erroiefen mit
feinem kommen, mit feiner finfteren ^rebigt, bie 2WeS in tyr aufrüttelte,
roaS noer) oon alten Vormtfjeilen in iljrem ©eroiffen fdjlief. 2BaS foUte irjr
ber Verurteilten, SBerbammten, biefer gefcen bloßer £ugenb, an bie bodj
9?iemanb glaubte?
SBäre er ntd)t gefommen, fyätte er fie ntdjt aufgeroeeft aus ber fußen
"öeflommenfjeit, mit ber fie Carlos erwartete, fie rodre jefet oietteid)t glüdlid).
2lber roar es benn baju 5U fpät?
Gin Söort unb ber 2?erfd>eud)te lag roieber ju ü>en güßen!
Sdron näherte fie fid) bem Sa)reibtifd) — bo<$ bie geber entfiel
it)rer &anb. Sie fonnte nid;t. Serfelbe ©fei, ber fie erfaßt, ba fte
Garlos trunfeneS ©eftd)t gcfefyen, padte fie jefet roieber.
Sie, bie alternbe grau unb ber unreife .ftnabe! Unb nadj tym
roieber ein 9tnberer, unb roieber (riner, bis fte |u ben grauen gehörte, bie
man oerleugnet, meibet; ju 3^itcn eine £errfd)ertn, in 2Ba^eit eine tx-
niebrigte Sflauin!
3)üt roilber Selbftoeradjtung fagte fie ftd), baß fie nid^ts meljr
fjabe, ntdfjt einmal roarme Sinne. 3" W*fy, um gut ju fein, batte
fie bie ©rbänulidjfeit nid)t einmal, fd)led)t roerben ju fönnen!
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IHaabalcna. \<)5
Sie trat an'S genfter unb \)ob bic ©arbine. draußen [türmte ber
Stodjtromb burdj bie 33äume; an bcm ftcrncnlofcn Gimmel jagten finftere
Wolfen. Unb fic gebaute ihrer freublofen Sugenb, ihrer liebeleeren @^e;
ber fnrjen 9)fonate, in benen fie baS ©lü<f ju genießen glaubte. @iu
falfdieS ©lüdf, beffen 9}ad)gef<hmacf wie 3lfc§c unb ©äße in ihrem inneren
brannte. Sie liebte Wiemanb unb SHiemanb liebte Tie! $ie geringste ber
grauen, bie fie einft oerla<f)t, befaß- mehr SebenStoertheS als fie !
Sie ftarrte in ben ©arten — ber 2Binb hatte fid& gelegt, leifer Regelt
riefelte Ijerab. 5lud) in ihr folgte erfchöpfte Sflübigfeit bem toilben inneren
Äampfe. ©ine rocidje Stimmung regte fich, bie Sehnfudjt, fidj an eine
anbere SWenfdjenbruft ju lehnen, ihren Sdrnierj auS$uroeinen.
Sie mißtraute biefer 9ttU)rung.
2BaS fie t)cutc erlebt, burd)fampft r>attc, baS mar unerbittliche, un=
oeränberliche ©aljrheit! 9iur oeräögern ließ fid) ihr ©efd&icf, nid>t abtoenben.
35>ohlan benn! SSenn fie ihr Spiel fo jämmerlidj gefptelt, baß fie
als Bettlerin vom £ifa) ber greube aufftehen mußte; wenn fie nidjt oer=
ftanben l)arte ju leben — burd) ihren Tob roenigftenS roottte Tie geigen,
baß fie nia)t $u ben ©eroöljntidjen tr)reö ©efd)led>tS gehörte! greiroillig
rooüte fie oon bem Sd)auplafe ihrer ©rfolge oerfd)toinben, ehe Qemanb bie
5Zotr> almte, bie fie sroang. 9iid)t Statt um SBfatt foCte i^re Schönheit
roelfen unb Staube unb ©lenb iljren Warnen trüben! 2Bie eine SBlume,
bie ber Sturm in ooller SBlütfje fnieft, moüte fie hingehen. Unb folgte ifjr
bann auch feine liebeoolle Trauer, fo bodj> roenigftenS ein fragenbeS s#e*
Dauern, bie Sefmfud&t eines ungefüllten SöunfcheS,
33laß unb far)C roie ber bämmembe Tag, ber fldr) burdj bie Scheiben
ftahl, ging fie, au« ihrem SBaffenfaften ein Sptftol ju ^olen. 9coch einmal
burd}fd)ritt fie bie Sßofmung unb beseitigte bie Unorbnung, bie ihre er=
regten &änbe angerichtet.
Hann oerfdjleierte fie roieber bie mübe brennenben Sampen ihre*
»ouboirS, ftreefte fid) auf baS »ärenfeH, hüllte fidr) bia)t in bie galten ihres
©etoanbeS unb legte mit ruhiger &anb bie SBaffe auf it)r podjenbeS $erj.
*
„So ift fie benn Eingegangen in ber 23lütf)e ihrer 3ugenb! Sie,
bie ihrem ©atten eine treue ©efäf)rtin, eine unermübliche Pflegerin ge=
roefen, fie ift ihm audt) balb gefolgt in jenes Wid), in bem es feine
Trennung mehr giebt; in jenes SReid), baS nicht oon biejer Söelt ift, unb
in bem f)immlif<f)e, ewige greuben ber Söieberoereiuigten Marren. Sei-
ten; ^at'S gegeben, ber £err ^at'S genommen, fein SBiffe fei gepriefen
in ©roigfeit, Slmen." —
T>er alte ^aflor, ber feine 9?ebe an £cnaS ©rab mit biefen Korten
fchloß, mußte nichts oon ben Umftänbeu, bie ihren Tob herbeigeführt
hatten, ©r fannte feinen Älatfdh, unb in feine ©eleljrtenftube brangen
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*96
2lu<jufte fjaufdjncr in Berlin.
feine böswilligen ©erücijte. ©r rjatte ,"yrau Granj als Söittwc gefeljen,
Meid) in fid^ ueriuufen; er fenfte audj fie nad) wenigen Monaten in bie
©rbe. $a$ fatte ifjm ben £ert 511 feiner $rebigt angegeben.
$a$ fletne Srauergefolge, ba$ ifm umftanb, flüfterte wof)l ^eimlid^
unb warf fid^ oielfagenbe 33licfe $u, unb bod& fjätte aud) oon irjncn fleinä
etwas 33eftimmte3 behaupten tonnen. ~
Sie treue Sore, bie allem in tyrer Herrin 92äf)e fd)lief (Siener unb
ttöajin wohnten im Seitenflügel) Ijattc in jener Sajrecfenänadjt, oon bem
©eräujdj aufgeftört, trofc ifjreä Sa)mer$e3 bie volle Raffung bewahrt. Sie
beseitigte jebe Spur be$ oerf)ängnißoollen Sd)uffe$, unb ber befreunbete
?lrät, ben fie be3 Borgens fjerbeifjolte, fanb bie Gntfeefte, wie fälafenb,
auf U)r £ager gebettet. Sie Hoffnung irm über bie £obe£urfad)e jn tauften,
würbe ber treuen Wienerin freilief) nidfot erfüllt. Sod) iljre rütjrenben Sitten,
ber geliebten &errin Slnbenfen ju fclwnen, bewogen ifm 5U einer !Kunbfaf)rt
nacf) ben SHebacttonen ber bebeutenbften 3citun(jcn, wo er ba$ 3>erfpred)cn
erhielt, ba$ ©reigniß ju oerf>eimlicr)en ober bod) menigftenä ben tarnen ju
oerfdjweigen. So war bie 2Baf)rf)eit nod) niajt nadp Wernburg gebruugen.
9cur .^ubert fannte fie in i^rem ganjen Umfange.
Sore, ber fein 23efud) in i'enaö £au$ nic^t entgangen war, wußte
ifm aufsufinben; feinen armungsoollen fragen l)ielt it)re Sdjweigfamfeit
nicr)t Stanb.
©in gramoollea Sßteberfetjen unb eine gramoolle 5a()rt, ba er fie mit
fid) führte, nad) ber er im £eben einft fo Ijeftig oerlangt — als £eid>e!
Sieben i^ren ©atten würbe fie gebettet, in ber Meinen Stabt, ber fie
ju entfliegen trottete; unb nid)t3 erinnerte an bie3eit ifjrer großftäbtifajen
Sriumplje, al$ eine 2lnjal)l foftbarer ftränse, bie auä Berlin für fie ein*
getroffen.
Ser Segen war gefprocfjen, ba£ ©rab gefüllt; bie wenigen £eib*
tragenben, bie eigentlich nur Neugierige gewefen waren, fjatten fid) entfernt.
Nur Hubert ftanb nod) uor bem frifa^en &ügel. Seine ©eftalt mar
gebrochen, fein &aar oollenbä gebleicht. Qmmer fal) er fie oor ft$, bie
jefet allen Stampfen entrüeft war.
2lber nidjt mit bem ftillen Säbeln auf bem ruhigen ©eficfy, wie fie
bamalä in ifirem SieblingSjimmer jwifdjen ifjren 33lumen gelegen! 9hir
mit bem 3<>rne3bli{f in ben bunfeln 2lugen, bie oerfüf)rerifdt)e ©eftalt fjod&
aufgerichtet, ben entblößten 2lrm broljenb jur 2lbme!)r auSgeftrecft.
@r büefte fid). ©inem großen Strauße oon SBeild&en unb £uberofen,
ber bie £uft rings um^er mit ^errlid&em Suft erfüllte, entnahm er einige
Stötten. Sann oerließ aua) er ben griebl)of. Seine ^aterfabt l>at Um
nie wiebergefe^en.
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(Btufcppe CVröi.*)
Don
fjrinrid) €fjrlicfy.
— Berlin. —
ie ^tn)icflung3;©efc$id)te ber bramatifa>n 3J?ufif in Italien
roare eine jroar mübjame, aber l)öd)ft banfbare Aufgabe für
ben grünblia)en 3)iufifforf^er. $enn in Italien ift bie Dper
entftanben, als ein 33erfucf) ber SBieberbelebung be$ antifen $rama<3 ; oon
ba auä oerbreitete fie fid) über ©uropa. in bie Sttitte be$ rerftoffenen
^aljrljunbert-S mar fie allein mafegebenb in ber SHufifroelt, unb Italien
roar ba$ Sanb, in bem bie gröfeten beutfdjen ßomponiftcn iljre erften
Dpernsfiorbeeren Rotten, ©luef, &änbel, 9Ho$art fjaben jnerft nur italienifd)e
Dpern componirt ; unb an beutfä^en £oftf)eatern würben faft au3fd)üef?lid)
folaje Dpern gegeben. $ie italienifdje ©efangsfunft übte tt)re 2Jiadjt
allenthalben, felbft als bie 2Jiad)t jenes CpernftileS 31t finfen begann,
alä $änbel**) oom Xljeater jum Oratorium überging, als ©lucf feine
Umroanblungen burd)füf)rte, als SHojart bie „Entführung" unb bie ,„3auber-
flöte" fdjuf unb in ber beutfajen Wation baS SBeroufetfetn ermatte, ba§ $t
*) (& ift uns eine große ftreube, gerabe in ber 3eit, loo fiep Italien unb bic
gange muftfatifebe iüelt ruftet, baS SubiläumbeS gefeierten (Fompoitiften (17. 9fooember
1889) feftlid) |U befielen, gugleidi mit feinem SMlbnife — toclAeS Sterbt nad) einem
©lid) aus bem 3a&re 187D barftelü — biefen IHrtifct unfereS Dcrefjrten mufifalifdien
^reunbeö unb ^Mitarbeiters Peröffcntlidjen 51t bürfen. 3)ie iHebaction.
**) £>änbcl tjat 3ioar im Anfange feiner r)ot)eu SDJiffion ein paar beutfene Opern
für ben Hamburger Sirector unb Gomponiftcn Steint). Äaifcr componirt; aber fie maren
nad) ber bamaligen Sttobe mit italtentfdjen Strien oermengt. 5>ann f)at er breifeig 3a«re
für ba» Xljeater nur italienifdje Opern gefdjaffen, bis er ftd) gang bem Oratorium
roibmetc.
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I
(98 i?einrid> Sbrlid? in »erlitt.
©eniua auch auf bem ©ebiete her Cper ©rofje* ju erjeugen uermag. Stiele
3lrien &änberfcher Oratorien tragen ganj unb gar ba$ ©epräge ber bamaligen
italienifdjen SJJoberoulaben ; bie Strien ber (Sonftanje in ber „Entführung",
ber Königin ber 9tocht in ber „3auberflöte" geben untrügliche^ 3eu9nifr baß
ber tyimmlifdje SWojart ber „roelfdjen SBraoour"*) gar mandjeS 3uilcftänbniB
bewilligt r)at.
©ine fpätere gorfdjung — bie oben angebeutete ©eichidjte ber bramatu
jeheu 9)iufif in Italien — roirb bie Linien ber ©renjfcheiben feftjufteffen
haben, an welcher bie SBenbungen ber oerjehiebenen 9Hdjtungen fidj t>oll=
jogen: ioie ©lud ben franjöftfdjen beclamatoriia)*bramatifdt)en Stil 2utfrj$
unb 9iameau3 mit bcutfdjem ©eifte erfüllte unb 5ur ^öa^ften töraft entfaltete;
roie 9)tojart£ ©eniuä ben beutfdjen bramatifchslnrifchen Stil fdjuf; unb
ioie bie Vorläufer Stoff inte jenen 2öeg einfdjlugen, auf welchem ber geniale
(iomponift beS „33arbier", „3Jioife", ber „Semiramibe" §u jenen ^riumprjen
gelangte, r»or benen äße anberen gleichzeitigen erblafeten, unb bie jeittjer
nur oon benen 33erbi'£ überftratjlt roorben finb.
©ar oiel ift geichrieben roorben über bie culturljiftorijche $ebeutung
ber ^ioifinifajen 2JJuftf. £af$ fie als bie tönenbe 5Jerfünberin be3 ©eiffccä ber
bamals rjerrfdjenben ©efeflfehaft 511 betrauten fei, bie, jeber beeren geiftigen,
it)r reoolutionär erfdjetneuben Regung abrrolb, im momentanen finn*
tiefen ©enuffe iln* 2eben$$iel fudjte, unb in SWojfinU SWuftf ben ange=
nel)mften unb oerfeinertften Äunft=©enuB fanb. $a$ ift ja roah,r; in MojfinU
OJiufif waltet ber ©eift ber Gongrej3* unb 9ieftauratton»jeit, roie in ben
^eetljooen'fdjen Snmphonieen ber ©eift ber Sturm* unb Srangperiobe.
unb ber franjbTifc^en sJieoolution**). iUber man barf nicht aufjer Sldjt
laffen, roelche muftfalifchen Wittel jene Seit bem Gomponiften 92of{uii
bot, auf melier oor unb nadjljer unerreichten &öb,e bie ttalienifdt)e ©ejang^^
fünft ftanb, roie Mubmi, 2>on$elIi, Saoib, fiabladje, bie gobor, Salanbe,
(Solbran unb 3lnbere ben &örer in Begeiferung oerjefeten; unb nicht etroa
nur bie „elegante", bie Gongrefc* unb 9ceftauration$=©efeflfchaft, fonbem
noch gan$ 2lnbere, beren ©eift fidj geroig nicht oon ber herruhenben
Strömung mitreifeen liefe, ©rillparjer belang 1825 bie gobor unb ben
X'ablache in über^roänglichen, recht t*ch machen Herfen***), $egel fchrieb
1827 an feine grau: „1>a$ ift herrlich umoiberfteljltch, bajj man nicht oon
^t^ien roegfommen fann!" Unb ßarl oon Seber, ber 1823 in Söien
*) „Sic Slrie ber (Sonftanje 1)abe id) ein roentg ber geläufigen (Surgel ber Ülle.
(5ai>alicii aufgeopfert. .Trennung mar mein banges ÜooS* tjabc id), ioweit es eine tnelfd^e
•■öraüouraric juläfet, auSjubrüdeit ücrfuctit." <3o fdjreibt Üflfojart an ben Sßater.
**) 3* oenoeife auf meinen Ülrtifcl er <Dtofiftointcr" 1888/89 im Sluguftfarte
oon „Wort» unb Siiö".
***) 3d) fuitb fie in ber Liener 3ciridirift für flunft, Literatur, X^cater unb
üJtobe, lUr. .'>5 00m 22. Uiär$ 1827. ,^>icr ein ^röbdxn:
9?adnigaÜ, flöte iiid)t mebr; bu giebft bettle Seele ben Xöncn,
m fein S?eben bem ^teb; toaS bleibt 2>ir, bafe bu lebft?
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(Siufeppe Dcrbt.
199
weilte, um feine (Suruantfje uorjufü^ren, auf beffen fünftlerifaje Sßejenljeit
3ioffim'fdje SDcufif abfto§enb wirfen mujjte, fc&reibt an feine grau: „©in
paar flünftter wie bie gobor unb Sablaäje finb mir nod) nia^t norgefornmen.
$ier ift bie f)öd)fte reinfte Bollenbung, baS Jperrlid)fte, ©ranbiofefte, was
bie 3?atur an Stimme geben fann, unb 311 [es, was nur als Mnftler
uerlangt werben fann; id) mar unenblidj ergriffen, unb eine eingelegte
ülrie fang bie gobor fo fjerrlid), bajs id) überzeugt bin, wenn fie bie
Gurnanttje fange, mau formte toU werben; biefes tiefe, leibenfdjaftlidje
0efü()l unb babei bie nie uergeffene £>errfd)aft unb Befonnenljeit über alle
Wittel." Unb in einem anberen Briefe: „$a wenn fo gefungen unb ge-
fpielt wirb, ba mufj 9lü"eS wirfen!" ©old)e SluSfpücbe entheben midj jeber
weitereu Beweisführung; nur baS ©ine mag Iner bemerft werben, bau
aud) uod) t)eute italiemfd)e Cpernmufif von guten italiemfc^en (ober in
italtcnifdjer guter ©djule gebilbeteu) Sängern üorgetragen, eine entfdjieben
Diel tiefer eingreifenbe Sßirfung erjeugt, als wenn felbft bie beften beutfdjen
Äünftler it)rc SRüfje baran wenben; bafe alfo bie -Hoffiuiidje 9)iufif in bem-
felben 'JWa&e burä) bie unuergleidjlidje SBtebergabe ber ©änger bezauberte,
als burd) ifjren 3"fa,nmenl)anÖ mit ber geiftigen -Wartung ber l)errfcf)enbeu
Öefeafdjaft.
SKoffini trat in noller 9)tauneSfraft vom (Sdjauplafce feiner £riumpf)e
jutücf, naetybem er noefy im „£eu"' gejetgt fjatte, weld; geniale Sd&öpfer;
frajt in ifjm lebte*) unb wie er aud) ernftlid) grünblidjen 2lrbeitenS
fäfjig war. 2lber bie ^enfcfyaft ber italienifd^en si)Jufif bauerte fort, unb bie
weidjen füfeen unb oft waljrf)aft eblen Reifen Fellinis — aus bem 9ftunbe
■HubiniS, &ablad)es, £amburimS, ber(3)rift,2llboni, Salanbe, 9)Jalibranu.f. w.
ertönenb — übten auf bie £örer faft größeren 3auber, als uorbem bie
brillanteften Strien MoffimS.
($)egen Bellini ift uielleid)t nodj mein- gefa^rieben unb beclamirt
worben als gegen feinen genialen Vorgänger, ber nunmebr in Bologna
beljaglidjer 9iut)e genojg. 2Bar biefem fpectacnlöfe ^nftrumentation uon
geworfen worben, fo hiejj es von Bellini, er beljanble baS Crdjeftcr wie
eine ©uitarre, bie jum ®efange Begleitung jupfe; feine 3)Mobieii feien
weid)lid) fraftloS, füfeltd), überfentimental u. f. w. in intinitum. £ie
beutfäcn s3)hifif$eitungeu überboten ftd) in berartigen 9luS)prüd)en; id)
erinnere midj einen Slrtifel gelefen ju Ijaben, in welkem ^ojfiniS „Ctljeüo"
mit BelliniS „ftorma" »erglidjen warb, unb bie lefeten 3lrien ber £eSbemona
weit über ülfleS geftellt würben, was BeHini je gefa^affen hatte. $ie 3eit
bat biefe falfcfceit Urteile berichtigt. Saft BeUiniS GompofitionStedmif
eine fdjwädjiiche war, tjt nidjt 511 beftretten; aber ebenfo feft fiel)t, bafe
*) ©8 finb nid)t bloß bic üübcfanntcit Schönheiten biefer Oper, toeldje uom
©ente ftojfini« *euaen: ba ift ein mciiia. beachtetet SBrautdjor im ctfteit xHct, a(S ber
oltc 3Weld)thaI bie ^Jaare jeflitet, ber beften 2Jtetfter würbig; ebenfo baS 3rauentrio im
leeteit 5Mctc.
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200
ftcinrtd) (E^rlid? in Berlin.
manche feiner SJtelobieen bie fünften finb, bie unter Italiens fernem £immel
gefd)aff«t würben. Hub Tie Ijaben ihre Eauerfraft fiegreid^ beroahrt. 2Md>e
Opern SRoffiniS roerben heute noch gegeben? £er unoerroüfUiche „barbier"
unb ber mehr im franäöiifdjen als italienifcrjen Stile gehaltene „£ell" —
unb btefer bod^ meifienä nur, wenn irgenb ein reifenber SenorsSlrnolb
fein l)oty$ b unb h hören laffen roitt. 9I6er bie „Wachtroanblerin", „!Rorma",
„Puritaner" fvnb auf allen Dülmen c)cimifd; geblieben. (Sie entftanben in ber
3eit, ba bie empfinbfame Snrtf ^errfa^te, in granfreief) bureb Lamartine,
in Seutfcf)tanb buref) £eine; unb manche irjrer 3JMobieen finb ben fd}önften
©ebid^ten ber Reiben gleichstellen. $a3 gtnale ber „sJforma" („quäl cor
tradisti") bie lefete Xraumarie ber „9?ad)troanblerin", bic beiben £enorarien
in ben „Puritanern" roerben jebes&erj rühren, ba! für weichere Gmpfinbungen
empfänglich geblieben ift, ba3 jebem Schönen in ber Äunft wann entgegen*
fdjlägt, ba$ nid)t in troefener ©clehrfamfeit uerfnöchert, ober in aller =
mobernfter teutonifdjer Serferferrouth oerroilbert ift. 23eUini3 früher 2ob
— er ftarb im 34. Rofyxe — roar ein großer ^erluft; fein lefcteS 2Berf
„bie Puritaner" befunbete fo grofje gortfehritte nach jeber ^idjtung, bafj
man noch manche! fel)r Schöne mit Sicherheit Don ihm erroarten burfte.
3Jtit ihm roar ber am ebelfien empfinbenbe SJiufifer Station! geftorben ; unb
erft nad) feinem Tobe fonnte ^onijetti bie OberI)errfchaft über bie italienische
Oper geroinnen.
©in flüchtiger 9iücfblicf auf bie Opern $onijetti3, ein Vergleich bei«
felben mit benen MoffiniS, Fellinis unb SBerbiS jeigt, bafj er in urfprüng?
lieber Begabung, in eigentümlicher Grfinbung unter allen dreien ftaub,
bagegen in ber ©efajtcuidjfeit ber Mati)t unb in mufifalifchem Üßiffen fte
überragte. Gr hatte üortref flicken Unterricht genoffen, war ferjr fleifjig ge:
roefen unb in allen 9)?ufif formen beroanbert. %\\\ 3ahr* 1843 am Gfjar-
freitage lief; er al$ flaiferlidj C efterreid)ifdr)er ^offapeUmeifter unb „Kammer^
componift" in ber £offapeUe ein „^iferere" unb ein „9loe SHaria" au3 feiner
geber aufführen, beren correct ftrenge <vorm felbft oor ben 2lugen ber
2Biener .fcoforganiften unb fonftiger tfenner unb Sefenner be$ ßontrapunfte!
©nabe fanben. ?lud) giebt bic Stimmführung in manchen mehrftimmigen
Hummern feiner Opern Seugmtf, baß er tüchtigen Stubien obgelegen hatte.
Wahrhaft Originelles, 23leibenbeS hat er nur in ben beiben fomifchen
Opern „Glifir b'amore" unb „Xon äquale" gefdjaffen, in benen ber
heiterfte Junior unb gluß ber Welobie roaltet; befonber! „$on äquale"
oerbiente öfter gehört ju roerben (freilich nur oon italienischen Sängern);
bie meiften Hummern finb roahre Gabinetftücfe feiner, geiftreidjer unb
melobifcher s3)fuftf. 2?on Sonuetti! ernften Opern — er hat beren über
fedjSjig gefdjrieben — ift eigentlich nur bie „2ucia" auf ben kühnen ge^
blieben aUi bie parabepartie aller Goloraturfängerinnen; l)\e unb ba taucht
„Sucrejia Süorgia" auf. 33eibe enthalten manche fet)r roirffame Hummern,
beibe finb SBerfe eines Gomponifteu, ber feine eigentliche fünfilerifd&c 3ns
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(Siufeppc Derbi. 20\
bioibualttät, ober ein fc^r begabter unb ungemein gefchiefter, ben Sängern
gan^ befonberS ju Xanfe fdjreibenber ©fleftifer war. Unb eben weil
er*) feine ausgeprägte ^nbioibualität be|a§, bilbete er ben Uebergang $u
23erbi, ber bae was %enet af>nte unb anftrebten, bie bramatifä)e Gharafte*
riftif in ber UaHcnifd^en Dpernmufif, jur SMenbung braute unb bis ju
bem fünfte führte, über welken fic nicht hinausgehen barf, wemt fie ihren
nationalen Gharafter behalten fott; ich werbe auf bieten 2luSfpru<h fpäter
$urücffommen.
©iufeppe 3Serbi ift am 9. Cctober 1813 in SRoncole, einem ganj
fleinen $orfe nat)e bei Suffeto, im ehemaligen ^arjogthum ^ßarrna ge*
boren. Seine Gltem halten ein fleines SBirthShauS unb einen ebenfo
f leinen flramtaben; fie nährten jich reblich unb fümmerlich. $er SBater ging
ade SBodjen mit jroei flörben ju JJufje nach Suffeto, um bort feinen
SBaarenbebarf einkaufen, tiefes ©täbtdjen genojj oon jeher eines be-
fonberen 9tufeS wegen ber Vorliebe für 3Jtoftf unb beS SBohlthätigfeitS*
fmneS feiner Bewohner. 6s mar (unb ift noch heute) ber Sifc einer
^h^honnonifchen ©cfellfchaft"; ^ßräfibent unb eifriger Sefchüfcer biefer
©efeflferjaft, ihr erjter glötift, ßlarinetttft, ßornlft unb Dphicletbtji mar
ber Spejereihänbler unb Siqueurfabrifant 33arejjt, oon bem BerbiS Bater
feine Borräthe laufte. — %m fleinen ©iufeppe offenbarte ftdt) oon Ämbt)eit
an ein leibenfehaftlicher $ang jur SKufif. $)en erften Unterricht gab ihm
ber arme Crganift bes fleinen Dörfchens, bann faufte ihm ber Bater
mit grofjen Opfern ein fletneS, oottftänbig abgeuüfetes Spinett; ein
Hflechamfer ©aoaletti fefcte es „in einigermaßen brauchbaren Stanb, unents
geltlia), um ber guten Anlage unb beS gleifees willen, ben ber fleine
©iufeppe seigte". ©0 lautet ein Xheil ber 3nf<hnft, bie ©hislanjoni,
einer ber oielen italienischen Biographen BerbtS, unter ber Xaftatur ge=
funben hat.
3n feinem elften Scfyxe mar ber ßnabe fchon fo weit oorgei'djntten,
ba§ er als SteHoertreter beS Drganijfen in 9toncole oerroenbet rourbe;
bann brachte ihn ber Bater nach Buffeto, wo er bie ©dmle befugen unb
feine muftfalifchen Stubien weiter führen foHte. £ie erfte Unterfunft
fanb er im $aufe eine« SdmhflicferS, für breiig Gentefimi täglich, $as
Crganiftenamt in SRoncole — mit 36 granfen jährlichem ©ehalte —
oerfah er noch immer unb ging jeben Sonntag ju gufce bahin, um bie Pflicht
*u erfüllen. Salb warb er in baS &aus beS SpejereihänblerS unb
^räfibenten ber ^h^harmonifchen ©efellfchaft, Barejji, eingeführt unb
nun änberte fich Manches, (Srft copirte, bann componirte er für bie ©e*
feafchaft; beren SMrector, zugleich flapeömeifter ber Äathebrale, Sßrooefi,
*) SBenn td) anercabante — beffcn „(SJuiramento" unb „ölifa e (Slaubio" tt>rer
3cit fcfjr gefielen — foioie föicci nur Ijier nenne, fo flefdjic^t bie», roeil tfjre SBerfe
feine ityafe ber &nta>idelnng ber bramatifdjen Wluixt bejeic^nen.
JJarb unb 6flb. LI . ir,2. U
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202 ^einridj <Ei?rIid? in Berlin.
ein tüchtiger 3)hififer, gewann iJ)n lieb, unterrichtete Um unb überliefe ihm
manchmal ben £actftod bei ben Uebungen unb Goncerten ber ip^il^ar=
monifer, julefct fogar bie Steltoertretung an ber Orgel. Barejji aber,
ber SJkäfibent, warb ber eifrigfte unb thätigfte Beförberer be« jungen
©enie«. 6r bot ifpn an in feinem #aufe auf einem Sßtener glügel bie
Stubien fortjufefeen, benen ba« arme au« Sfloncole mitgebrachte Spinettdjen
nicht me^r genügen !onnte; unb nach einigen fahren oerf Raffte er ihm
eine Unterftfifeung ber ©emeinbe unb fügte von bem ©einen bei, auf bafj
ber Schübling nach SHailanb gehen fonnte, um bort feine Stubien $u
Dollenben unb bann fein ©lücf ju oerfudjen; empfahl ihn auch einem feht
befreunbeten ©nrnnafialprofeffor fo warm, baf? biefer ihm fofort in feinem
£aufe Unterfunft gab.
Raum in ÜJiailanb angefommen, [teilte fich Berbi ber Prüfung* -
commiffion be« ßonferoatorium« oor, um al« jahlenber Schüler aufge^
nommen lju werben. $er berühmten £ehranftalt £)irector (Genfor) mar
bamal« ein alter 9)?aeftro grance«co Bafiln (geb. 1766), oon beffen
funftlerifchem SBirfen heute faft nicht« mehr befannt ift. ©r h*i einige
Opern componirt, fam bann 1837 al« (SapeÜmeifter ber ^>eter«firche nach
iWom, wo er 1850 geftorben ift. Sein 9tome mürbe längft Bergeifen
fein, fnüpftc fich wicht bie Erinnerung baran, bafj unter feiner £)irection
be« Sftailänber Gonferoatorium« Berbi« ©rfudjen um Aufnahme jurüdge;
roiefen warb, lieber bie ©rünbe biefe« feltfamen Befäjluffe« finb uiele
£e«arten im Umlaufe, Jett« in feiner Biographie giebt ba« fonberbare,
faft lächerliche 9ttotio an, Bafil« hatte in' ber 5ß^pfiognomie be« jungen
58erbi nicht« gefunben, wa« eine ftinfileriiehe Begabung erf ernten ließ.
3lnbere weifen mit oiel oerftänbigerer 2lnficht ber Singe barauf tyxi, bafc
nach ben Statuten be« ßonferoatorium« nur Knaben uom 9. bi« 16. Söhre
angenommen werben unb nicht länger al« bt« jum äwanjigften bie Slnftalt
befuchen burften, unb ba& Berbi bereit« ba« neunjehnte 3<x\p erreicht I>atte.
(Snblich ifk noch Berbi« eigene Eingabe oorhanbeu, in einem Briefe an
(Saponi, ben italienifchen Ueberfefcer ber «ßougin'fchen franjöfifdhen Bio:
graphie. 9tod) biefer Eingabe ift Berbi nicht oon bem alten Bafth) allein,
fonbern oon fämmtlichen -äflitgliebern ber 2lufnahme*Gommiffton fowohl al«
(Somponift wie al« (Slaoierfpieler geprüft worben, unb ohne jeglichen
officieUen Befcheib geblieben. 91ur ^rofeffor SRoHa, bem er oon ^rooefi,
bem Drganiften in Buffeto, empfohlen war, unb an ben er fich wanbte, gab
ifjm ben 3tath, „nicht mehr an ba« (Sonferoatorium ju benfen, unb einen
Lehrer au« ber Stabt, £auigna ober 9iert ju wählen." 3Han fann alfo
al« feftftehenb annehmen, bat? einerfeit« nicht bie phnfiognomifchen Stubien
be« alten Bafiln ben Grntfdjlufe ber (Sommiffion herbeigeführt haben, fowie
bafj biefe anbrerfett« fich nicht correct benommen hat, al« fie ben jungen
Bewerber ohne 2lntwort lief?. Siefer nahm Unterricht bei Saoigna.
3m feiten 3af>re nach ben eben erzählten 3wif<henfäUen ftarb ber
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(Siafeppe Dcrbt.
203
Drganift ber Äatfjebrale unb ßapellmeifter ber $^i(()annom!er in Suffeto,
$rooefi, 93erbt£ fiehrer ; unb biefer warb von feinen greunben f of ort aufs
geforbert ftdj um bie freigeroorbene (Stelle ju bewerben, ©r tr)at es, aber
ofme ©rfolg ; ein oon $roei Sifdjöfen empfohlener frommer, al3 SRufifer gans
unbekannter SWann, ©iooanni gerrari, roarb als Drganift berufen. Die
$f)U^armoni!er gerieten in foldfje 2ßutf), bafe fie in bie ftirche brangen
unb alle ber ©ejeUfd^aft gehörige Sttufifalien »om ©höre geroaltfam toeg=
nahmen. Dann festen fie e£ burch, bafe SBerbi oon ber Stabt als beren
^apeümeijter beftättgt unb befoCbet rourbe. 3n D^m kleinen ©täbtdjen
oon 2000 <5inn>of)nern bilbeten fid) jroei Parteien, bie einanber in jeber SBetfe
unb mit allen Mitteln befehbeten. Unb übel wäre e£ ben ^^il^armonifern
unb ihrem (Sapellmeifter bekommen, bafe fie fid) mit ber (Seifttidjfeü unb
bereu Anhang »erfeinbeten, gärten fie nicht in bem Sürgermeifter (Sßobeftä)
einen energtfdjen Sefchüfeer gefunben. 9lufeerbem gewann SSerbi felbft
unter ben frommen zahlreiche greunbe; er componirte ÜReffen unb anbere
kirchliche ©tücfe unb liefe fie in ber GapeUe be3 granjtecanerflofterä, boJ
bem bifd)öflichen *probfte nicht unterftanb, aufführen ; aud) fpielte er manch*
mal bie Crgel, unb fo oft ba$ gefchah, blieb bie Äathebrale leer, 2UIe$
ftrömte in bie fleine Gapelle. 3ltle flirren ber Umgegenb bewarben fid}
balb um bie @f>re, bafe ber junge -iJtoeftro bei ihnen einfette, unb feine
Gompofitionen aufführen liefe.
3m 3ahre 1836 eheliche Serbt bie ältefte Eodjter 23are$$ts, feine«
eblen greunbes unb SefchüfcerS, in beffen £aufe er roofmte. 9flargaretf)e
war fjübfö, liebenäroürbig unb fpielte oft oterhänbig mit bem ©afte — unb
fo entfpann fidj ba3 3reunbfa)aft$oerf)älrnife, ba$ in ber tye einen
glücklichen 3tbfd)lufe fanb. Sroei Safere barauf ging ba$ junge $aar
nach SJiattanb, roo Serbt feine erfte Cper auf bie Sühne brachte. Dtefeä
(SrftlingSroerk fleht in einer geroiffen weitläufigen Se$iet)ung $u &aobn3
„Schöpfung", unb es wirb unfere beutfehen Sefer intereffiren, wenn mir
hier Serbin eigene <5r$äf)luttg, wie ber Verleger «Ricorbi fie au$ bem *
SJhmbe beS berühmten Cannes oernommen unb &errn ßaponi fofort mit>
geteilt hat, in gebrängter Slür^e miebergeben.
3m 3af)re 1834 ^atte Saoigna feinen 6d)üler $u ben groben ber
Wailänber ^hi^«monifd)en ©efellfchaft geführt, bie gletd) ber in Suffeto
aus Dilettanten beftanb, aber oiele fingenbe 9JHtglieber jählte, unb oom
SJiaeftro üttafini unb brei Goncertmeiftern geleitet mürbe. 9ttan ftubirte
bie 6d)öpfung, um fie im £eatro gilobrammatico aufzuführen. Sei einer
Hauptprobe fehlten bie brei ßoncertmeifter, unb 9Rafini manbte fidt) an
^>erbi mit bem Grfuchen, bie Segleitung am (Slaoier $u übernehmen. Der
junge „3flaeftrino" entlebtgte fich ber Aufgabe mit oiel ©efehtef unb
Umficht; baS fpöttifche aRifetrauen, mit oem bie Damen unb Herren ben
mageren, ärmlich gefleibeten 3üngling empfingen, uerroanbelte fid) in laute
Lobeserhebungen, unb roarb il)tn bie Stelle ber Goncertmeifter bei
14*
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20^
^einrieb, (Etfrüdj in Berlin.
her &auptauphrung übertragen, ©ine jroeüe fanb im abeligen Gaftno
ftatt, in ©egenroart beS öjterretchifchen Statthalters, erj^erjog Rainer,
unb aller ©ptfcen ber ©efeüfchaft.
aRafini, ber auch bie SapeUmcifterfteffc im oben benannten Sweater
oerfar), 30g ben SWaeftrino $u mannen £ilfeleifrungen im Drcf>efter bei
Dpernoorftellungen heran; als SeroeiS ber 3ufriebenheit unb Sanfbarfeit
für bie unentgeltlichen $>ienfte gab er ifjm bie Anregung, für fein Sweater
eine Dper ju ichreiben, unb überreizte ihm bie 6ftjjen eines Libretto,
aus benen ber dichter Solera ben „Dberto bi San Somfacio" bilbete.
80 n>ar alfo jene ^Jrobe von &anbnS (Schöpfung ber mittelbare 2lnlafj $u ber
erften Dper SBerbiS. 3lber nid^t im £eatro gilobrammatico mürbe fie
aufgeführt, fonbem in ber altberüf>mten Scala, bie unter bem 3mprefario
üfterelli ftaub. tiefer, ein SRenfcr) ohne bie geringften mufifalifdjen &etmt=
nijfe, befafj einen wahrhaft benmnberungSroürbigen ^nfrinet, Xatent in
Gomponiften unb ©ängern ju roittern, unb oerftanb es, fie gleichseitig $u
überoortheilen, unb bei guter Saune ju erhalten*).
2)aS ©rftltngSmerf Dberto bi (San 23onifacio rourbe am 17. 9iooember
1839 jum erften 3Me aufgeführt; ber Dperncomponift Sterbt feiert alfo
in biefem 3Jionate fein 50jähngeS Jubiläum. 2)ie Dper hatte günftigen
©rfolg, manche Äritifer begrüßten „baS neue ©ente"; ein SBeroeiS, bafe
bie Italiener ihre SJJufif mit anberen Dhren hören, als alle Nationen bieSs
feitS ber 3llpen. 2HerelH fchlofc fofort einen (Sontract mit bem fo
hoffnungsreichen (Somponiften ; er follte brei Dpern hmtcrem^nber oon
acht ju acht 9J?onaten liefern. ®r befam juerft baS £ertbuä) „^ßroferitto"
(ber Verbannte), baS ihm nicht gefiel, baS Nicolai componirte, unb mit grofjem
SHifjerfolge**) auf bie Scala brachte. Xann roanbte er fia) auf 3J?erelIiS
Anregung ber fomifdjen Dper ju unb componirte „Un giorno di Regnort,
bie ein fo ganj ^citlofc^ giaSco machte, bafj er fich oerfdfnrjor, niemals
*) 6t war fpäter aud> ^ädjter ber Siener Oper im Vereine mit bem alte«
SBalodjtno. tiefer, ein ©etjf)al8 aber ein (Sttrcmnann, ber feine JBerfliditungen ftrtnge
einfielt, unb 3n>ctjünaiflfeit nidjt fannte, blieb immer unbeliebt 3tterelli bagegen
füllte fid) am beb,aglid)ften, wenn er im Xrübcn fifdjen tonnte, bem Siener Oberft*
lämmerer Öraf ßancjforonSfn fingirtc Gonctractc ju enormen ©ebaltcn mit Sängern
jeigte, benen er bie Hälfte jaulte (bie anberc ftrid) er ein), unb bergleidjen Äunfc
ftüddjeu meljr ausführte. Slber er geigte immer gute Saune, fclbft bei Söeletbigungcn
— wenn er ben SBeleibiger braud)en tonnte. $abei liebte er bie Shtnft unb ftünftler
nad) fetner Seife, gog ibnen baö ®elb aus ber Xafdje, unb bewirtete fie mit
(S&agner. Gin berühmter unb ebler italienifdjer (Sänger faßte mir in ben «Wer
Mren: „Siefer Der — 9}icreÜi! lln§ 2tQc betrügt er; unb bennotf) gelten mir gern
mit i&m um!"
**) tiefer war mrfrt ganj gereditfertigt. 3d) b,abe ben „ÜBerbannten" in
bentfd)er <3prad)c auf ber Siener §ofoper aufführen boren, unb fann oerftd>cm, er
»oar iiidjt fdjlcditer, alä Diele anbere italicnifdK gut aufgenommene Opern. 3« einem
Gonccrt Nicolais taug 3cnnp *.'inb mit Staubigl u. 51. ein Cuartett aus bem „$er*
bannten" unb erregte „fumn?" unb da .-ap.^üHuf.
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(Siufeppe DerH
205
mehr eine Oper componiren, unb 3WercHi erfudjte, ihn {einer 23er =
pfUc^tung 511 entbinben. $)er fdjlaue ^mprefario willfahrte bem befperaten
9)toeftro ohne ©egenrebe; er raupte moty, bafe btefe Stimmung ntdt)t lange
bauern, bajj bie 2Inziefwng£fraft beS S^eaterS in 33älbe wirfen würbe,
unb nur ber redjte Moment abzuwarten märe.
SSerbt I>at in ber SJftttheilung an ben SBcrleger SRtcarbi — ben 9Jti§erfolg
ber SDZufif zum großen Steile aus ber unbefd>reiblich trüben Stimmung
hergeleitet, in welker ba§ 2öer! entftanben mar. 3uerft befanb er fidj in }o
bebrängten 2>erhältniffen. bafe er nidjt 50 Scubi (etroa 220 2Jtarf) befaß,
um bie 2Bofmung8mietfje $u bezahlen, unb bajs feine grau ihre wenigen
Schmudffachen in ba£ Seihhaus trug, um ilm oon ber Sorge zu befreien.
Unb !aum mar bieS Unheil abgeroenbet, ba fam noch viel härteres über
ifm, er oerlor bie jroei Äinber, zulefct ba3 braue Sitetb im furzen QeiU
räum tum jroei Monaten, unb ftanb allein! Unzweifelhaft mußten folcfye
graufame Sdjicffale jebe fdjaffenbe $raft lähmen, unb jebe £eiterfeit ber
Stimmung für eine fomifdje Oper oerunmöglidjen. 3lber man fann, of>ne
bem ©enie 23erbi£ 3lbbrud) ju trjun, feft behaupten, bafc er auä; unter
günstigeren SBerhältniffen ben „giorno" mc$t beffer componirt hatte. $enn
£umor r)at ihm bie 9totur oerfagt, baS beweifen unwiberleglid) bie
fonrifd) fein foHenben Scenen in ber fonft bebeutfamen Oper „La forza
ctel destino", bie er von 9mhme$g(anz unb 9?etä)thinn umftrafjlt ge=
f abrieben fyat*).
3WereDi Ijatte richtig berechnet. 9tod) einem Safyxt traf er — quafi
Zufällig — SBerbi in ber ©allerie Gfuiftofori, nahm ihn nadj bem Xtyatexs
bureau, geigte ihm ba$ Sibretto uon „ÜRabucco", bad Nicolai zurücfgewiefen
hatte, unb zwang e3 bem SBiberftrebenben, auf feinen Sdjwur $od)enben
auf. $erbi fühlte fid) oon bem Xertbudje mächtig angeregt; in einer
5kd)t burdhflog er e3; am anbern 9Horgen ging er zu SReretfi.
„9hm?" fragte biefer, „wie gefällt'* Sir?"
„Sehr föön."
„2Ufo wirft $u ed componiren?"
,,3<f) fytbe fa>n einmal gefagt unb wieberhole es, idt> will feine Oper
mehr idjreiben."
„So? baä wollen wir fehen."
SWerelli ftecfte baS SBudj in bie Nocftafdhe kerbte, fdjob biefen $\\x
Ztf&K r)inaudr bie er oerfäjlofj, unb rijf ihm zweimal nadj: „$u wirft e$
in SHufif fefcen!" Unb fo ift ftabucco entftanben!
2ßeun man heute bie italiemfdjen Seridjte über bie erfle Aufführung
biefer Oper (9. SHärz 1842) lieft, über bie Spannung, mit ber fie er»
*) 2tud) ^eOtitt toüre nie int Staube geroefen, eine oj«era buffa zu fcnretfcn.
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206
f)etnridf (Ettrüdf in Berlin.
wartet*), über ben beifptetfofen ^thufiaSmuS, mit bcm fie aufgenommen
rourbe, fo gelangt man jur lieber jeugung, baß gemiffe flunfarfchenumgen
nur vom ttaltenifchen *publifum erfaßt unb bewunbert, oon jebem anberen
aber ferjr gleichgültig betrautet, wenn nicht abgetöteten werben. Selbft
heute, wo bte Dpern 93erb4s in aßen 2Mttf)eüen ertönen, ^at Wabucco
nirgenbs einen ßalberfolg errungen; in SRaüanb würbe er als a?errunbiaer
einer neuen 2(era begrüßt. 3lu(t) bie „Lombardi alla prima crocciata-%
bie in Statten faft gleiches gurore erregten, tyaben anberSwo nirgenbs
bleibenbe Stätte gefunben, obwohl fic für «jkrtS eigen« neu bearbeitet
unb in ber großen Dper mit bem £itel „3erufalem" oortrefflich aufge-
führt würben, dagegen erregte „©rnani", obwohl gerabe biefe Cper in
Italien ntd)t überall mit gleichem ©ntrmfiaSmuS aufgenommen warb, in
£eutfchlanb bie 2(ufmerffamfeit berjenigen &örer, bie nicht oon oonu
herein äffe« ^talienifdje oermarfen. ^cr) erinnere mich „©rnani" in SBien
gehört ju tyibtn (SJtitte ber oier^iger Safyce), unb baß fdjon bamals baS
£uett beS ÄönigS mit bem alten Soloa, ber Schwur (SrnaniS an
Snloa, bie 2lrie (Sari V. im ©rabgewölbe unb baS barauf folgenbe
ginale als Schöpfungen einer feljr bebeutenben Äraft errannt würben,
wogegen aßerbingS bie 23raoourarien unb manage 2IHegri, Damals wie noch
jefct, ben beutfchen (Smpftnbungen jumiber fein mußten. 33ei ber ßompo*
fitton biefer Oper hatte SBerbt auch ben ihm ganj jufagenben £ertbtchter
gefunben, $iaoe, ber fidj ieber 2Jnforberung unterzog, jebe verlangte
3(enberung fofort gehorfam ausführte, jebe Saune beS SHeifterS ertrug
unb ieben ©ang, jeben Auftrag willig übernahm. $er Xejtbichter ber
brei erften Cpern, Solera, fyitte jmar auch 2ltteS gethan, was SBerbi oon
ihm wollte, aber nur aus ©efälligfeir, als (Sonceffion, unb nicht ohne eine
gewiffe brummige Selbftänbigfeit. Seine anfangs glänjenbe Sauf bahn
enbigte traurig. 9)iit neunzehn fahren hatte er einen 33anb ©ebichte
oeröffentlid)t, bie mit ungemeiner ©unft aufgenommen würben. $ann bietete
er bie brei STeyte für SBerbi, bie ebenfalls großes Sob gewannen, obwohl
fie fuperlatioe Silbernheiten enthielten, bie felbft oon ben heutigen italieni*
fchen Biographen nicht weggeleugnet werben. £>amt bietete unb com;
ponirte er felbft brei ober oier Dpem. (Sine baoon ließ er in Sttabrib
aufführen unb gewann bie ©unft ber Königin Sfabella in hohem
5ttaße. Xann oerfchwanb er aus ber Äunftwelt unb tauchte in Sfgupten auf,
als — Spoliseichef bcS Äl;ebioe. ^n ben 70 er fahren jtorb er in $aris
als iUntiquitätenhänbler, oerarmt unb uergeffen. 3lud) feinem Nachfolger
bei üBerbi war fein glücflicheS SooS befchieben; ber arme spiaoe, ber eine
*) ätfodjen oorfjer mar bie Stabt erfüllt Don ben örjäölungen ber großen 3liti«
regnng, weifte biefe „ganj neue 3)iufif bei beit Treben ergeugt tjatte, rote felbft bie
<2tatiften unb bte ^anbioerfcr iljre Söewunberung laut äußerten. Unb ba$ war bolU
fontmeue Wahrheit, fein ^mprefariofniff. £ie funfmoUe Mcclame ift ein $robuct
fpäterer Seiten.
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öiufcppe Perbi. 207
SDtotfe Sibretti für beii SJtoeftro getrieben (unter itjnen „SRigoletto" unb
„2a £raoiata"), oerfiel einer langwierigen unheilbaren Äranff)eit; aber oon
<2orge für bie ©riftenj warb er oon bem banf baren (Sompontften bewalul,
ber ifnu eine ^enfion auSfefcte, aud) beffen fletne £odjter reid^lia) bebad)te
wie er benn immer ein ebleS ©emütl) bewährt ^at.
3wifdjen bem <£rnani, ber am 9. ÜDfärj 1844 juerft auf bem £eatro
<5enice in SBenebig erfajien, bis jum SRigoletto, ber am 11. SJlärj 1851
an berfelben Stelle henwrtrat, t)at Ißerbi nidjt weniger benn elf Dpern
gefd&rieben, bie alle mein- ober weniger ÜJMfjerfolg brauten: „1 due FoscarK
,.Giovanna d'Arco", „Alzira", „Attila", „Macbeth", „T masnadieit1
( „bie SRäuber", in benen fogar 3enno Sinb unb £ablad;e auf ber £onboner
italienifdjen Oper bie ßauptpartien fangen), „II corsaro". „La battaglia di
Legnano", ,,L' assedio d'Arlem", „Laisa Miller" unb enblidj „Stiffelio",
ber fpäter jum „Aroldo" umgearbeitet, nur ein neues gtaSco ergielte. 2llfo
ootte fieben ^afjre ber 3Hifjerfolge ! 2öeld)er nid)t italienifdje Gompo*
nift wäre ba nidjt ooflftänbig entmutigt worben, unb meldjeS anbere
^ublifum hätte fid& fo gebulbig erwiefen, bafc es ieber neuen Oper mij
Dollem Vertrauen entgegenfam! 2lllerbingS, ber @rfolg beS „Mgoletto" recht,
fertigte baS Vertrauen ber Italiener $u ihrem Sßerbi in nottem 3)to§e:
er gab ifmen bieten, bann „Xrooatore" unb „Sa Sraoiata" in unmittelbarer
#olge naa>inanber, brei Dpem, bie noch jefct, nach mehr als breifeig
fahren, auf allen 33üfmen oft gegeben werben.
„SRigoletto" ift bem famofen SenfattonSftücf oon Victor &ugo „Le roi
s'amuse" nad)gebilbet, in welkem ber 3Md)ter ben flöntg Jranj I. alä
einen oollenbeten Sumpen, beffen buefligen Hofnarren £riboulet bagegen
als einen nur äußerlich boshaften, aber innerlich ^Öd^jt eblen 2flenfä)en
barfteöt, ber jwar feinem Könige bei allen 9^id)tSwürbigfeiten gern mit*
hilft, aber im 33ufen ooetifche ©efüf)le bewahrt! 9tur als ber Stönig
audj feine £od)ter oerfüfnl, wirft £riboulet alle ©efüf)le über 33orb, behält
allein bie ^adjfucht. $odj anftatt biefe ju befriebigen, oerliert er bie
geliebte £od)ter, bie fict) für ben elenben Verführer opfert unb ben
sJJ?örberf)änben liefert, bie ber Vater für Plenen gebungen fyatte. $)as
Stücf ift eine gefdhiefte 3utanwtenfteHung aller möglichen aufregenbften
DiichtSwürbigfeiten; felbft bie Regierung SouiS ^ilippS burfte es wagen,
bie weitere Aufführung ju oerbieten (1832) unb baS Verbot aufredet $u
erhalten trofe ber Verwahrungen unb Declamationen beS 3Mcf)terS, ber iid)
an ben flonig wenbete. 9Wan fann alfo bie öfterreid)ifd^e ^Polijei in
Venebig nicht eines befonberen Verbrechens befdmlbigen, wenn fie ben
£ert, ber urfprünglid) ben Sitel „La maledizioneu (£)er ^lua)) trug,
entfdjieben oerwarf, £ie Xirection beS 2$eater3 wollte oerjweifeln, benn
eine neue Cper VerbiS war für bie ©tagione oerfünbet, unb biefer tnod)te
oon einer 9lenberung beS ©toffeS, ja nur beS XitelS, nid)ts Ijören. @inem
^olijeicommtifar war es oorbeljalten, bie glüdlid^e Söfung aller ©d)wieria-
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208
Jjetnridj €l?rlidj in Berlin. —
feiten ju finben. <5r gehörte $u ben fdfjlimmften Slugenbienern unb Spionen
ber gelten öfterreid&tfd&en Regierung, aber er befag einige Silbung unb
oerehrte SSerbi; er fd&lug oor, bie £anblung oon granfreid) in ein
f leine« italienische« Sänbdjjen ju oerlegen, ben Äonig sunt £er$og herab*
Sufefcen unb enblid) [tott irgenb eine« £itel«, ber in moralifdjer 8e=
Sieljung jur $anblung fiänbe, einfadh ben tarnen be« gelben auf ben
3ettel ju ftetten. 93erbi jeigte fidfj geneigt auf ben Söorfdfjlag einjuge^en —
unb fo ift „ftigoletto" entftanben. £iefe Dper wirb nod) heute oon mannen
Verehrern 93erbi«, felbft oon mannen italienischen SJlufiffritifern, al« fein
9J?eifterroerf betrautet, weil in ihr bie ftärfften ©egenfäfee mit großer
Äraft gejetchnet finb. (5« liegt ettoa« SBaljre« in biefer Behauptung, nur
fann ber beutfehe 2Hufiffenner nicht oergeffen, bafj biefe Jtraft fich ju oft
in SHohheiten gefiel unb aud) fchroächlidje ©emetnpläfce, Xrioialttäten, nicht
oermieb. $ocfj toollen nur betonen, bafj einige Stummem su ben bebeutenb*
ften $nfpirationen ber italienifdjen bramatifchen 9ttufif gehören: ba« Cuartett
im legten 2lcte, ba« Duett jroifd^en ittigoletto unb bem ©anbiten, fein
Monolog, auch ber 9lnfang ber ©cene, al« er feine Xodjter in ben ©emädhern
be« ^erjog« oermuthet; ba« Sieb „La donna 6 mobile" ift aHbefamtt.
Der „Erooatore", ber jroei Qahre nad) bem „sJligoletto", 1853 in
sJJom gegeben warb, t)at faft noch größeren Grfolg errungen unb toirb
entfdfjieben auch ^eutjutage noch öfter« gegeben. Dodh biefer größere Erfolg
ift nid)t bem höheren Sßerthe ausschreiben; bie Oper enthält mit 2lu«*
nähme be« l)Öc^ft roirffamen „SRiierere" im legten 3lcte feine SRummeT,
bie einen SBergleich mit ben oben angeführten Scenen be« „Sfligoletto" bes
ftet)en fömtte. Dabei ift ba« Libretto (einem fpanifchen Drama nachgebilbet)
oon einer fo unglaublichen Ungereimtheit, bafj felbft 23erbi« begeifterter
Biograph, Gaponi*), ber Sßarifer (Sorrefponbent ber „^erfeoeransa",
ba« ©eftänbnifj ablegt, er habe nun feit fahren ben „Xrooatore" gehört
unb nod) nie ben eigentlichen Bnfyait ber föanblung su entbeden oermod)t.
Slber biefe Oper enthält eine fet)r grofee Slnjahl ^arabearien für oer*
fchiebenartigfte Sänger unb Sängerinnen: für bie Sopranhelbin Seonore,
für bie unoerftänbliaje alte 3igeunermutter 2ljucena, für ben Saroton*
2Bütf)erich £una; unb nun erft für ben Xroubabour felbjt, welche $u«=
beute! tiefer 3)ianrico mit feinem äJerjroeiflung^ioaljer: „O meine 3)totter,
id) fei) Dia; fterben!" mar unb ift bie unoermetblid&e Hauptrolle jebe«
„^elbentenor«", ber ein \)ofy& C in feinem Söruftfaften beherbergt. 3eber
ift ja unzähliger ^etoorrufe fid/er, roenn ihm biefe« C gut gelingt. £ie
„Italiener" Xomberlicf bi« 3Kierjn)in«fi, bie Deutfa)en 2Badhtet bi« «ötel,
haben mit biejem C bie größten Triumphe gefeiert; unb felbft bemann,
ber grojje ea)te Deutfche, ber äöagnerfänger, hat ben SHanrico öfter« bar*
*) (Sr Ijat cigcntlid) feine felbftäiibige 23ioßrap&ie «erbt« getrieben, jebo* bic
tranäöfifdje oon $ougin überfeßt unb mit oielcn iotd)tigen 3ufä^en oerfe^en.
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(Siufeppe Vevbi. — 209
gefallt. 2Ba3 oermögen otte äfttjetifd^cit Siebenten gegen berartige ©rfolge? !
911$ einft in Berlin in ber 23ogelau$ftettung beS 2lbenb3 bie eleftrifdjen
Rampen angejfinbet würben, fingen alle &afme §u fragen an unb oiele
Sögel fangen; Tie gelten ba$ eleftrifdje für XageSlid&t; toer oermndjte
ifwen beizubringen, bafj nid)t bie, nml)re$ Sidjt unb SBärme erjeugenbe,
bie fä)öpferifä)e (Sonne lewfjtete? Unb wer null bem jubelnben Raufen
begreiflid) machen, baß au$ foldjer flraftanftrengung, n>ie bie oben besetdmete,
nio)t bie Sonne ber ßunft teudjtete, fonbem ein ffinftUdjer 6ä)ein?
SBiel bebeutenber alä ber „Xroubabour" ift „2a Xraoiata", bie !aum
fed# 23oa;en nacr) bem erften (Srfdjetnen bes erstgenannten am 6. 2ttär$
1853 in Söenebig gegeben nmrbe unb burd&ftct. Sßerbt fdjrieb an
feinen greunb 3ttu5io:
lieber Immanuel! ©eftern Sraoiata — giaSco! 3ft'$ meine
ea)iüb, mar'* bie ber ©änger*)'? $ie 3«t roirb rieten."
<Sr behielt 9ieä)t. SDic Oper &at auf allen Sühnen &eimat3redjt er*
langt unb He Hauptrolle ift noa) immer eine ^arabeleiftung aller be=
beutenben itaüenifajen ©ängerinnen. £afj bie fianblung eigentliäj an=
toibernb ift, oerben toofjl nur nod) ÜBenige beftreiten. 2>a& eine
„Sraoiata", naöbem Tie fia) in grofjmütfnger Aufopferung oon bem Reifes
geliebten SHanne trennte, boäj nueber mit einem anberen ßerrn jroeifel^afte
Me befudjt, magoiefleid)t pfndjologifa) richtig fein; ebleren ©mpfinbungen
entfprify es nidjx 3Iber SBerbi fyxt aus biefem «Stoffe mit nxu)rf)aft
genialer 21uffajfung mufifalifdje Anregungen gefdjöpft unb manage« 6d)öne
gefa>affen. $er erffe unb ber lefcte 9lct enthalten fefjr wirffame dummem,
unb ba$ ginate beS brüten ift in fetner 21rt ein SReifterfrüd.
$laä) ber „Sraäata" braute 33erbi jmei ^re lang fein Söerf auf
bie 23üfme. $ann tiat er mit ben „Vepres Siciliennes" in ber großen
^arijer Dper fjeroor. $Diefe „Academie Imperiale (ober Royale ober
R^publicaine) de mtsique", wie ba£ 3nftitut je nad& ber befte&enben
Regierung benannt torb, ift oon iet)er fremblanbifdj>en (Somponiften fet)r
jajroer jugangtid); unb ifn*e 2lufforberung an $erbi, für fie eine Dper
SU componiren, galt U eine ganj befonbere 2lu3$etdmung*). $aä
Sertbud) mar oon <3cribe oerfafct unb be^anbelte ben befannten
blutigen 2lufitanb ber (Sicilianer gegen bie granjofen am Dftermontage
1282 mit bem großen $Bülmengej(t)tde, ba$ jener Mern)elt$s$>id)ter
immer fiegretdfj betoäfnl $at. 3Iber bie 5flufif gefiel niä)t. SBerbi mar
*) ISinigermaBeu war B woI)l bie Sdntfb ber Säuger; bie 3)arftctterin ber
SSioletta, bie an ber Sdmunfudjt ftirbt, mar eine ber fettefteit 2Ijcater*$amen unb
erregte allgemeine fteiterteit. ,
**) ©ett SHofftni — belöapeümeifter be* seönigS Sfarl X., alfo in frangönfe^en
ICienften mar — ben XttL fütbte grofee Oper componirt ^atte, warb nur nod) einem
^Italiener, 3)oniäctti, bie (S^re
aufführte: „U favoritc".
u Xöeil, bafe bie Academie rojale ein äöerf oon tl)m
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2\0
Beinrid} €fjr(id? in Berlin.
nie glücfltd), wenn er beim Staffen feiner £onbilber ben 9tor)men ber
grofjen franjöftfdjen Dper im 2luge fjatte. 3$ bin weit ent;ernt,
barob einen Vorwurf gegen ifm ju ergeben; in meinen 2lugen ift ei ein
33orjug, bafc er am beften compontrte, wenn er gan§ feiner italienifdjen
2Öefen§eit treu blieb. 2)ie „Vepres Siciliermes,4' in meld&en bie (Sruvetli*)
bie Hauptrolle (jatte (bie ^arifer nannten fie röle ä bras, 2(rmroHe, weil
bie iDame ifnre frönen 9(rme jetgen fonnte) würben für Italien at§ ©iouenna
ba ©ujman umgewanbelt, gefielen aber au<$ bort rttd^t. (Sin nodj f$lintm;re3
(Scrjidfoi, einen totalen SJHjjerfolg t)atte bie nädrfte Dper, „(Simon ©ccca=
negra", beffen Xertbucf) oon ^ßiaoe, nad) bem <Sd)tlIer'fcr)en „gieäco", :ed>t
fcr)[ed)t gearbeitet war. $>aä ,"yia3co blieb ftd) bei einer 2Bteberaufna}me,
25 -3al;re fpäter, jiemlicf) gleidf), obwohl ber geniale &id)ter*Gomponift
Sotto, oon bem in ber gofge nod) gefprodjen wirb, bem Xertbud)e eine
ganj anbere ©eftalt gegeben hatte unb aud) oom Gomponiften 2fenberungen
unb Erweiterungen angebracht worben waren. 2lber alle biefe Statten
fd)wanben oor bem ©lanje, ben 1859 „II ballo in mnschera" um ftd)
oerbrettete. $ie Dper war für Neapel gefdnieben, foHte f$on 1858
aufgeführt werben. 2lber bie (Senfur oerbot ba£ Sibretto, baä eigentlid)
nur eine Ueberfefcung beS Scribe'fd)en, oon 3luber comrtmirten, genannt
werben fonnte, ba e$ ilmi Scene für 6cene folgte. %a$ Crfinifdje
Attentat gegen £ubwig Napoleon fjatte alle ^olijeibe^öiben unb nun gar
bie italienifdjen in ^ödt)fte Aufregung oerfefct. Diefe bwften nidjt erlauben,
ba& ein flönig^morb auf ber Sfifme bargeftellt würbe**). Sie beftanben
auf $eränberung bes £erre$, ^erbi oerweigerte es, ber neapolitanifc^e
3ntenbant oerlangte Sdjabenerfafc, $erbi antwortete ^eftig; ba§ ^ublifum
nafnn Partei für ifm; wo er fidj jeigte, würbe er ntt bem sJiufe" Ewiva
Verdi! begrüfctf). ed)liefj(id) entbanb if)n bie Regierung ber topflicbtung
unb ber „23aUo" warb im nädjfien ^afjre in sJtom gegeben, aüerbmg* in
ber iBeränberuiig, bafe bie ftanblung in 3lmetifa fsielt unb ber ©etöbtete
ein ©ouoerneur ift. SJerbi genofe {ebenfalls bie ©enugtf)uung, feinen
Stilen burd)gefefct 5U l)aben, unb gewährte bem dtömiföen ^mprefario
*) ®opI)tc (SruoeUi, eigentlich, (Srüucll aus söiclefcll*, mar mit einer rounberbar
idjöncn unb fräitigen Stimme begabt, aber uoüftänbige SRcturalifiin. 3n ßonbon gefiel
iie uid)t, erreflte bagegeu (f-nthufiaimuB, in v4!ariä, too fic werft in ber italieniicbcn Oper
'.Jkrbi'fdje Partien fang, bann aber 1854 fon ber tteabetnie 3mperiale mit glänsenbem
Honorare angettjorben marb. l.SöG beiratbetc üc ben üöoron SSigicr unb lebte meiftenS
auf itjrcr iUUa tu DHj^a.
**) 3* öabe ben ^uber'jciien üJiaöfenbaU in Siiien flefetjeu, in ben 30er 3ab,rcu.
Xort toar uid)t bloö ber Sröitig tu einen ^erjog üeimonbelt toorben — er würbe
aud) gar nidit cimorbet! in bem Momente, ah Sincfarftröm bie ^iftole gegen ibu
lojbrüdte, crfd>ictt bie ii.;al)rfagerin be£ 3tueiten ?lcte§, unb gab bem 2lrm beö 3)JÖrberS
eine 9iid)tung nad) oben, ba8 Sifrol fenofe in bie l'uit ! iScr miü ba nod) bie italicnifdje
^olisei lädjerlid) finben?
t) 25icfer 9luf rjatte bamalö eine tiefe foütifdjc Seöeutung: Vittoro Emmanuelo
Re d'Italia! Sa* ahnten bie ^olijeiorgane aüerbinqS uid)t.
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(Sutfeppc üerbi. - 2\\
3acoD<mt ba£ 3uüeftänbni§, ba3 er bcm neapolitanifdjen ffntenbanten x>ti-
weigert fptte«
SBo^t in feiner Dper SBerbte tritt feine bramatifdje ©eftoltungäfraft,
unb in fo edjt nationaler @igentf)ümlidjfeit, fyeroor, aU im „ballo in
maschera". $)abei tft fie mit anerfennenSroerttyer Sorgfalt gearbeitet unb
inftrumentirr, unb jiemlidj frei von Xrioialttäten. $a3 9Jtotiü ber %$ex*
idjroorenen im erften 9lcte, ba3 f$on in ber Einleitung al$ Sugato
erfdjten, unb oft roieberfef)rt, ift fefjr (fiaraftertftifd) unb originell; ber
jroeite 2lct enthält einige Hummern, bie unbebingt als bie beften ©rjeugs
niffe ber italienifd^en bramatif^en 9ftufif be5ei<§net werben tonnen: fo
bai $)uett sroifc^en 2lmalie unb ber SSaljrfagerin, unb befonberä ba*
Cuintett jnrifdjen bem uerfleibeten ©ouoerneur, bem Otogen, ben beiben $er*
jd)roorenen, ber 2öaf>rfagerin, in roeldjem iebem Einzelnen eine ganj
c^arafter iftif d^e 2)ielobie jugeroiefen ift, bie bann im 3U1 antni cnfCufTc eine
fefjr fdjöne Sßirfung erzeugen; in biefem Stüde tritt audj bie 3nftrumentation
bebeutfam tyeruor. Ülud) ber britte 2lct bringt 9)?and)e£ in ©rfmbung
unb gefd&itftefter 2luäfü§rung gleid) 2Öertf)oolIe. sil6er aud) ba$ uom
fünjHerijdjen Stanbpunft aus betrautet Unbebeutenbe ift ungemein nrirffam;
fo 3. 8. baä leibenfä>aftlid)e 2Megro in A-moll ,;/s £act in Terzett, ba
bie Stimmen in Cctaoen auf* unb abrollen. $)a$ finale, ber Spottdjor
ber (koaliere, ift ein fleineä 9fleifterftücf ber G^arafteriftif, iebenfalla ein
SWußerjHUf beä SöüljneneffectS. 2lllerbing$ mu§ id) bemerfen, bajü biefer
britte Hct nur oon edjt italienifdjen Sängern in tt)rcr Spradje 5ur redeten
Geltung gebraut toirb. $en 2)eutf<fjen, audj ben beften, fefjlt ber ,,brio-\
ba3 nur auf ben ©ffect loSge&enbe Temperament, bie (Mäufigfeit ber
3unge, bie mit ber meinen italientfdjen (Spraye unb ben beim ©efange
jufammengejogenen (Snboocaleu' innig sufammenfjängt, bie patf)etifd)e
Seclamation, ©genfdjaften, roeldje au<$ bie prime Donne unb primi
Uomini ^weiten 9iange$ bergen, unb mit rceldjen fie bei 3)tofifftü<fen,
roie bie obenerwähnten, ba3 ^idjtige treffen.
SKeine S3emerfung barf bie beutfdjen 5lünftler nidjt beleibigen. 3ft e3
ifnien red^t, wenn id) fage, bafc bie Italiener bie „3auberflöte", „IJibelio",
„5reifd)üfc" u. f. w.*) niemals ridjtig fingen roerbtm, fo mufc i^neu billig
fein, bafj id) anbrerfeits ben Italienern if)r gröfeere^ ^edjt auf ben brüten
5lct beä „ballo" juerfenne. $)er oierte 2lct ift redjt fdjroacf); aber bie
grojje 23aritons2lrie ift ein ^parabepferb aller berühmten Sänger, auf
bem aud) bie Seutfdjen gerne reiten; SHeidjmann l)at fie felbft in einem
„£ieberabenb" bei ßroll oorgetragen. 3m fünften 2lcte bringt bie Sd)lufj=
fcene eine gute Sirfung ^eroor. Sittel in 3lllem genommen, ift ber
*) 9)lau faßt, 9lid)arb äikflnerä „20^1191111" fei in Bologna oortrcfflid) luicber«
gegeben worben. 35ie flnffübrunfl in ber aKaiionber Beda, bie id) im Wprit b. 3-
gehört babe, war eine fetjr i'c^roa^e.
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2\2
fjetnridj €fyrltdj in Berlin.
„ballo in masebera" eine bebeutenbe (Srfdjetmmg in ber italienifdhen
Opernentroidelung; unb es ift eine grage, bie nur bie 3eit. löfen fann,
ob „2ltba", bie fünftlerifd^ bebeutenb höher fteht als ber „ballol\ biefeO>e
bauernbe SebenSfraft bewähren, in gleichem 2Rafee als ed^t national
ttalienifches Söerf roirfen wirb.
Die „2liba" roar nicht für Italien gefdjrieben. 9Jach bem ,,ballo'*
componirte Stferbi fiebjefm %crt)xt lang nur int Auftrage auSlanbifdher
Sühnen; „La forza del destino" für «Petersburg (1859 &um erjten
3Me gegeben), „Don Gartos" für bie ^arifer grojje Dper (ÜHärj 1867)
unb enblitt) bie „Sliba" für Gairo (1871). „La forza del destino" hatte
roeber in Petersburg, noch in Italien einen rechten ©rfolg aus oerjd}iebenen
©rünben: ber Dert ift greulich, bie fcanblung faarfträubenb, bie Sttuftf
nicht recht Skrbifdj; bennod) oerbient fie in »ieler &inftcht 3lnerfennung;
bie SBehanblung ber Sfecitatioe, bie Declamation, baS Dräjefter jeugen
oon eben fo großer Sorgfalt als Begabung. 211S bie Dper in Berlin
oon einer jiemlid) mittelmä&igen italienifchen ©efellfchaft bei ärott aufge^
füt)rt rourbe (nur bie ^rimaborma Saurel roar eine oortreffüdje Sängerin),
erregte fie bie 2lufmerffamfeit unb X^eitna^me ber gefammten Ärttif.
2lber 2^eaters@rfolg fonnte fie nidjt erzielen, unb bie romifdj fein foffenben
Gpifoben, bie ©rfdjetnung beS belfemben fllofterbrubers jeigten nur, bajg
in 23erbi nicht bie ©pur einer humoriftifchen Slber oorfjanben ift.
3m „Don GarloS" I)at 58erbi ben ÜKerfud) angebellt, feinen Stil gan$
nach ' ber £rabition ber parifer großen Cper ä la aflenerbeer unb &aleun
umjuformen, unb ein 3roitterroerf ju Stanbe gebraut, mit großartigen ©injek
Reiten, ohne 2£irfung als ©anjes. dagegen gelang es ihm, in „2liba" ein
ganj einheitliches Sßerf ju fc^affen, feine beften Gräfte jufammen ju faffen
unb in fo prächtig roirffamer SBeife $u entfalten, bafc biefe ättufif in ber
£hat in oielen &örern ben ©ebanfen erroeefte, SBerbi habe einen neuen Stil
gefdjaffen. 9lber bem roar nicht fo, unb baS 33erbienft beS SBerfeS foU barob
nic^t im minbeften gefdmtälert werben. Der Stoff gab bem ßomponiften
©elegenheit ju neuen originellen melobifd)en unb hünuonifdjen S&enbungen,
unb grembartigeS mit feiner 2Befenr)eit ffinftlerifdj ju oerfchmeljen. „Sliba"
roar auf bie Anregung beS „funftliebenben" (unb bie geUa fdjinbenben,
alle möglichen (Schulben machenben, aber) höchft eleganten SöicefönigS oon
(Sgnpten, ^Smail ^afcha, gebichtet unb gefegt, bem eS nicht barauf anfam,
150 000 granfen (6000 ^fuub Sterling) 5U jahlcn, bamit bie „premicre*
ber Cper beS berühmteren italienifchen Gomponiften in feinem DpemhauS
in (Sairo ein paar SBochen oor ber in ber sJHaüänber Scala flattfinbe.
Der fran5öftfche allgemein befannte h0^9^tete ßgnptologe SKariette
fd)deb ben ©ntrourf ber ^anblung, ber italienifche Dichter ©histanjom
faf?te iljn in 2?erfe, ^>crr be ^ocle überfefete biefe fpäter in'S granjöfifche.
'^erbi, ber bei ber 2lnnahme beS oiceföniglichen Antrags bie SJorbebingung
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(Stufeppe Perbi.
2J3
cjefteüt hatte, baß tfmt ber ju unterbrcitetibe Stoff anftehe, fanb an ber
tief tragifd)en &anblung großes ©efaffen*) unb componirtc bie Dper mit
Siebe unb Sorgfalt. £>ie ihm ehtgefenbeten altegnptifchen 3Mobieen oer*
roenbete er mit großer ÜWetfterfdjaft unb 93fihnenfenntniß, unb oerftanb
aud) feinen Criginalmelobieen eine gennffe eigentümliche Färbung ju
ge6en. £ierburdj ift bie 3bee entftanben, baß er in „2Iiba" einen neuen
Stil gefchaffen ^abe. (53 liegt Ijier berfelbe Jatt oor wie in „Carmen",
ba 33i$et ben fpamfehen Socalton faft überall in ÜRefobie unb Harmonie
fo 5U fagen mitflingen läßt, unb bodj feine eigene fünftlerifche SBefenfjeit
ooflftänbig bewahrte. „Sliba" enthält einige febr fd)öne ^hmtmern oon tiefer
(Smpfinbung unb groger bramatifcher SBirffamfeit. ©leid) bie erfte 2trie
ber „3liba", bann bie im britten 2lcte unb i^r $uett mit 9?t)abame$, bie
©eridjtäfcene unb bie Schlußfcene finb SJleifterroerfe echt italienischen
Stilen. Sie Cper hätte rooljl oerbient, baß ber Xert oon einem bidjterifä)
begabten 2J?anne in beutfdje Sprache überfefet unb nicht oon einem ^fufdjer
oerftümmelt mürbe**). $aß fie trofc biefer abfdjeuKdjen 2Radjerei bod)
auf allen Dülmen ftc^ erhalt, unb nicht bloß (Srfolg beim großen ^ublifum,
fonbern auch bauembe 3lnerfennung emfterer SBeurtfjeUer gefunben tyxt,
giebt fcerebteS 3wgniß für i^ren SBertt). 9lud) fei ganj befonbera hers
oorgehoben, baß in ber ganjen Cper fein eigentliches ^arabeftüct für bie
Sänger oorbrtnglidj erfcheint, baß alle 2lrien oornelmt unb im bramatifd;en
Stile entworfen unb ausgeführt finb.
SRadj ber „2liba", bie (Snbe Secember in Gairo jum erften 9Jkle aufs
geführt mürbe, hat 93erbi üierjefjn 3af)re lang feine Dper mehr auf bic Sühne
gebraut, bagegen ein firdjlicheS 3Sterf gefä)rieben, ein „Kequiem"f) ba£
oon ber 3)toilänber St. SHarcuSfirche, roo e$ juerft (9)iai 1874) erflang,
nach Dcm Teatro della scala unb bann in alle (Soncertfäle (Suropaä
toanberte. 3d) muß mich gleich oon oomherein §u einer geiuiffen Vorliebe für
*) (Saponi, ber italienifä)e Öiograplj, ben icb, fdwu im Slnfange biefer Gtubte
genannt fiabe, berfidiert, baß eine fcauptfeene »cm 33erbi allein, juerft in $rofa ge»
fdjrteben war: baB unterirbifdje ©eridjt unb bie Skrurtyeüung 9lbyabame$, mäfjrenb
Ammert», bie iftn licbenbe Sfomg8tocf)ter im oberen Xempelraumc i^re klagen mit ben
büftcreu, au» ber liefe erfdjallcnben Xbnen Bereinigt.
**) $ier ein ^röbaicn:
$ie EBorte ber Xbörin, o ©ötter, fdjlagt uieber (!!),
2>em Söufen be« SBaterS bie fcoajtcr gebt wieber,
Sie Horben, bic Horben, bie Horben oernidnet, ^erfreuet ben fteinb!
2er wißbegierige ßefer mag im beutfdjen Icrjbucf* meiter nadjforfdjeu ; er wirb
berarttgrö noeft in $uDe finben.
t) toar (für bic lobtenfeier 3Ucffanbro aJtangoni», be3 berühmten 2>icf)tcr$,
gq^rieben, beffen „Promessi sposi" in ganj (Europa befannt finb. Weniger be«
tannt ift e«, bafe ©octJje über 3}ianaoniä „(Sürmagnola" jwet f et) r
lange 23ef precb,ungen Deröffentlidjtc unb bott bem Sidjtcr einen langen
^antbrief erhalten hat.
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2^ fjeinridf (Etjrtid) in Berlin.
btefeö .,Requiemu befennen; mag fie manchem geftrengen $errn „unbeutfdj"
erfahrnen, tä) fu^le aber ni<$t bie leifefte innere SWalmung fie ju »er*
fjefjlen. $ie Seier oon „ftorb unb Süb" werben fi# oiettei^t meiner
Stubie über „3ohanneS SkalmtS" erinnern, meiner ©efüf>le für fein
„SeutfdjeS Requiem", fein „SdjicffalSlieb" u. f. m.; fte werben ba*
tjer aud) nidjt erwarten, ba§ i<$ Vergleiche anftelle, mich aber Der*
fte^en, wenn id) fage, biefeS SBerbi'idje ijl als fatholifdje fluchen*
compofition bie befie ber lefeten fünf jig 3al)re; fte fte^t im (Trufte unb
im Sdjrounge weit ()ö()er als 9tofftniS „Stabat Materu, ja in wahrhafter
warmer ©mpfinbung überragt fie ba£ ^erubini'fd}e „Requiem" baS freilich
ben contra punftifchen Vorbebingungen beS ÄirchenftilS in ungleich bebeuten*
berem ©rabe entfpridjt. ©S erflingen aus SBerbiS ©ompofition Stellen,
bie oon wahrhaft religiöfer Stimmung jeugen ; unb hätte er niä)t geglaubt,
audj Jugen anbringen 5U muffen, fo wäre an bem Söerfe faft nichts aus*
■miefcen, es ftänbe — immer com romanifch-'fatholifchen Stanbpunfte beur=
tfjeilt — als ein ooüftänbtg einheitlich gelungenes ba. 3lber contrapunftifchen
^eriudjen fottte SSerbi fern bleiben; für gugen diebt es feinen nationalen
Stanbpunft, fonbern nur ben einen allgemeinen beS fünftlerifchen ®e*
fefces, baS bie alten itatienifdjen flirchencomponiften in fdjönfter Söeife
feftgeftellt l)aben; unb oor biefem fönnen bie Verbuchen 33erfuche feine
Prüfung beftehen. £ od) für biefe nur feltenen Ausweichungen auf
frembes gelb entfäjäbigeu bie reichen Schönheiten beS ihm ^eimifa^en.
9toa) bem „Requiem" fdjroieg 33erbi gänzlich. 3roar begannen einge*
wei^tsfeins^öollenbe gegen ©nbe ber 70er 3a^re 5U flüftern, bajj er an
einem neuen großen 2öerfe arbeite ober wenigstens barüber brüte; aber
er r)atte allen 2lnfragen gegenüber nur ein beftimmteS 9?ein. 93on ier)er
war es ifjm ©ewofmbeit, feinen Sanbfifc, Sant 9lgata, als ben föufjeort
barmfteQen, in welkem er gar nicht an SRufif backte, nur 9luhe genießen
wolle, unb in bem ber 33efud)er ein Glaoier fänbe, baS nicht allein ganj
oerftimmt, fonbern auch olme Saiten wäre. %m Allgemeinen fprad) er
bie oolle ^i>af)rt)eit ; beim eigentlich componirte er meifteuS in ©enua, wo
er ben hinter ^brachte; bod) wenn ilm bie sJ)Iufe in Sant Agata befudjte,
hielt er il>r bie £hür nicht oerfchloffen, befonberS feitbem neben bem oer=
ftimmten unbefaiteteu ^njtrument ein prächtiger <5rarb*glügel fia) einge*
[teilt hatte.
2Jttt bem „Ctello" t)atte es allerbingS eine eigene SeioanbrnitJ.
^erbi, beffen mufifalifdje ^antafie uon ben büfterften tragiidjften $anb*
lungen am lebhafteren angeregt wirb, trug fia) fdjon lauge mit bem ©e*
banfen einer Dper naä^ bem gleichnamigen Urania Sf)afefpeareS. 2>aß
eine foIct)e bereits oon ^offmi gefdjricben worben, fonnte ifmt feine be«
fonbere ^ebenfen erroedeu, beim ber 3{o|Tmi'fd)e „Otello" ift in £ept unb
SDiufif noch weiter oon SljafefpcareS ^Drama entfernt, als b*r gifchmarft in
Bologna, oon 33enebig unb (Supern. 3a>ar gehören bie jwei legten 3lrien ber
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(Biufeppe Dcrbi. —
215
'JJeäbemona ju ben fd^önften Eingebungen ber italtenifapen £onmufe, bie felbft
von geftrengen beutfdjen Äunftriäjtern*) ancr!annt würben; bagegen finb
„Dtfjeflo" unb „ftobrigo" unb alle Nebenfiguren Garricaturen; bie Duoerture
tonnte als fc^r wirffame ©inleitung einer fotmfd&en Cper oerwerttyet
werben. SBerbi jebocjj war ber redete Sflann, bie (S^afcfpearc'fd&e Sragöbie
rid&tig erfaifen. 9lber er beburfte auaj beS nötigen 9ttanneS, ber fie
ifnn jum Cperntcrte umwanbelte, unb babei ber Xidjrung treu blieb,
unb biefen fanb er in Slrrigo $oito, einem ber genialsten ßünftler bee
neuen Italien, geboren 1842. ©r f)at als Sidjter ferjr e$öne$ gefdjaffen,
noä) mein- aber ate Gomponift. Seine Oper „SRcfiftofele", beren £ert er
ben beiben feilen oon ©oetbeS „Jauft" mit Helena unb ber legten $er*
fläruug3fcene nad>gebid>tet fjat, ift reia) an genialen Momenten: einzelne
Nummern finb fjoä)bebeutenb ; unb man muß fc^r bebauern, bafc 33oito
anftatt auf ber mufifaltfä) bramatifa^en £aufbaf)n rüftig weiter fortschreiten,
ben (Scljmierigfeiten, benen er begegnete**), ntdjt bie julefct gewiß fiegreidje
2lu$bauer unb Energie entgegenfefete, ben $idf)ter in il)m über ben SHuftfer
ftedte, unb anftatt für ficf), für anbere Gomponiftenf) Xerte bidjtete. Gr
fennt bie beutfdje ÜJZufif genau, befonberä 33adj unb — 2Öagner, beffen Gin^
fluß in feinem „9)lefiftofele" oft erfennbar ift; unb er würbe, wenn er fid)
wieber $u einer muftfalifdjenSljat entfd)löffe, jefct nad) ber&lärung93ebeutenbe*
unb Grfolgreiajea fdjaffen.
X\e $rage, wann SSerbi ben „CteUo" begonnen, wie lange er baran
gearbeitet f)at, würbe in ttalienifdien 3eitfdfjriften unb Sfidjeldjen öftere
befjaubelt, ofme bafc be^wegen eine fidlere Eingabe ju Sage tarn, geft«
gefteltt ift nur ba$ Gine, bafe $otto ba£ Xeptbua) fpäteften* 2lnfang ber
adliger 3aljre bem Gomponiften übergeben fjat, unb bafc biefer jeber
Anfrage biefelbe Antwort erteilte, er bädjte nidjt mefjr baran, eine Oper
ju fdjreiben. 2lber trofc biefer $erftd>erung war „Dtello" im ^a\)xe 1886
uollenbettt), unb fam am 5ten Jebruar 1887 in ber Scala jur erften
9luffüf)rung.
Diefe Dper ift entfajiebeu bie mit größtem Grnfte unbj ebelftem
*) 3d) erinnere an ba* ju iHnfang biefcS iHrtifel« erwähnte Urteil ber WltfxU
Leitung.
**) „2Jlefiftofele" würbe juerft 1868 in ÜWatlanb aufaefü^rt, wo bamaU meiU
würbigerwetfe mehr unb einflußreichere ©egner SBagncrö wirften, al$ im fübücfiercn
Xheile 3talienS. (§3 genügte, baß Don :öoito, als üon einem 21« länger ÜBagncT'fdjcr
SJrincipien gefprodjen würbe, um feiner Oper öon Dornhcrein fteiubfchaft su erweden.
Sic warb bei ber erften Slufführnng in ber scala mit fciüofem Särm gn ge=
bradjt. Sologna unb Sienebig bagegen ließen ifjr Derbiente ?lnerfennung wiberfa^ren,
unb 1881 hörte id) fie fclbft in 'JNailanb mit großem S3eifalle aufführen.
f) <So hat er für ^onehieüi ben %c£t ju „©ioronba" gebidjtct.
tt) 6ine 3cit lang hieß ei, bie Dper würbe „3ago" heißen unb auf biefer
ttolle ruhe ber Sehtoerpuntt. 35em ©üblänber erfcheittt 3ago, ber eine ihm unzweifelhaft
angethanc Unbill Oteßo§ an biefem fürchterlid) rädjt, nidjt fo ganj a!8 ber abfd>eu=
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2\6
fjeinrid? filjtltd? in Berlin.
Söißen gefdjaffene be$ Gompomjien. Sdjon ber Xert 33oito$ ift ja ein
gan§ anberer als ber aller r>orr)erget)enben; ift aud> bem ber „3liba" eine
poetifdje ©runbtbee unb geiftreidb> ^uSfürjrung pjuerfennen, fo treten
boa) im Sfjafefpeare'fc&en $rama (Sfjaraftere unb 33err)drrnifTe tyeroor, cor
benen bie moberne bramatifäe Didjtfunft §ufammenfa)rumpft. Soito ift
mit genuffenfyafter Xreue bem 3?orbitbe gefolgt, nur ba§ er bie Oper
g(eid) mit 2lnfunft be$ (Sfjepaarä in (Supern (alfo mit bem jroeiten 2lcte
be$ Sfjafefpeare'fdjen $rama$) beginnt; auä) Ijat er am Sdjluffe biefe$
erften 3lctel ein SiebeSbuett CteQo'S mit £)e3bemona fjin^ugebidjtet, roaS
tfnn ber rigorofefte 33eurtf)eiler nid)t uerübelu barf; benn im englifdjen
Criginale brid)t CtrjeÜog Siebe erft in ber testen Scene nad) bem Xobe
$e3bemona3 in »oller 5traft f)en>or. £ie ÜDtuftf burfte mit bem 2lu3brucfe
tieffter fanfter Biegung nidjt fo lange warten, biefeS 2)uett mar alfo ein
gföcfliä)er ©ebanfe 93oitoö. $er £ert ift jebenfaüs ber befte, ber je für
eine italienifä)e Cper gebietet warb.
betreffs ber SWufif finb oor 3tHem p>ei anfdjeinenbe SBiberfprudje
feftjuftetlen. (53 erflingt in „Dteßo" fein Xon, ber an ^ia^arb 2£agnerfä)e
9)iufif erinnert; unb e3 eriftirt feine (Scene, ofjne @tnflufe SBagnerifdjer
3)tuftf. 3rcar roar üietfadf) behauptet, ba§ $erbi oon Sikignerfä^er 3)htiif
abfolut niä)t$ fenne, unb ein ©egenberoeiS lä&t fidj nidjt erbringen. 3lber
id) behaupte mit oollfter s#efttmmtf)eit: bie Söktgnerfdjen $ßrin$ipien fennt
$ert>i ganj genau*). SDiefeö 3[neinanberflie§en bes 9?ecitatiü$ unb ber
Strien, biefe bialogifirenbe 33el>anblung ber Suette, biefe rein bramatifdje
8cenenfolge olme irgenb einen 5lbfa)lu§, unb bann baS ^ufpifeen ber
ß^arafteriftif jeber einselnen^rafe, biefeS offenbare Streben nadj Xonfärbung
im Drd^efter, 2tUe3 ba$ ift nidjt benfbar olme ben fo ju fagen imponberablen,
aber unleugbaren Ginflufj ber Siktgner'fajen 9Jtuftfbramen, olme bie naä)
entfemteften 3onen roirfenbe 2lu3ftraf)lung feiner Sbeen. $odj nodjmaU
fei es flarf betont: in SBerbiö SMobieen ift nidjtS, roa$ niajt u)m gehörte,
roa$ 2i>agnerifdj genannt werben bürfte. 2)aS erfte Euett 5n)ifa)en DteHo
unb $>e$bemona, ba3 $uett jroifdjen ^ago unb CteÜo im jroeiten 2lcte,
im brüten 9lcte ba§ Duett Dtellos£e$bemona, bann eine 2lrt Monolog
lidjc 5öcrbrcd)cr rote bem ^orblänber. 'Jflacaulau &at in feinem (Sffau über 3)tod)iüüclli
einige tieffinnige 5lnmerfungeu über 5L*erfcfiiebciir>cit ber nationalen iluffaffung nieber»
gelegt. ©r fbrid)t freilief) bon ber italienifdjen (Mellfdjaft be& löten 3abjf)unbert3,
bod) mid) bünft, mat.dieö finbet nod) tjeute Slnwenbung.
*) 6r toeife überhaupt gan^ gut, ioa3 in ber beutfdjen ÜWufiftoelt borgebt, ©u
itatteuifeber SJluftffcbriftfteUer, Seopotbo Waftrigli, fanbte iljm ein ®ud) über große
9Jlufifer mit ber '-öitte um fein Urtfjeil. (5r antwortete: »3n ©ejtug auf 9Kufi( unb alle
über ftc fbredjenben Serie gebe id) nidtfS auf mein Urteil nod) auf ba« ?lnberer.
Erinnern ©ie fid) an bie WeinungSäufeerungen 2öeber8, ©dmmaunä, vJ)^ubeI«fob,n&
über tWoffini, ÜJteuerbeer unb Jlnbere, unb fagen Sie fclbft, ob man bem Urtb^eile eine*
(5onibonifien über einen '^Inberen bolleu OJlauben fdjenteu fann." Unb ber ©djreiber
Dicfcö Briefe« follte nidjtS oon Üöagner fenneu?!
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(Siufeppe t>erbi. 2\7
* DtelloS von n>afn*f)aft ergreifenber ©irfung, ein meifter^aft gearbeitete«
©eptert mit oierftimmigem <Sf)or, enblidj im legten Slcte baS ©ebet ber
$e$bemona unb baS $)uett mit DteHo: baS finb Sonroerfe SBerbifdjen
©elftes, bie mit #odjaa)tung für baS ©enie eines 3JtonneS erfüllen, ber
mit 73 Sauren berarügeS gu oollbringen oermodjte. 216er als ©anjes
Unterlägt bie Dper boc§ otelme^r ben ©inbruef eines fef)r getftreid) erbauten,
mit großem fünftlerifd)em ©rufte unb ebelftem SBolIen, felbft mit warmer
(Smpfinbung gearbeiteten SBerfes als einer aus frifdjer, unmittelbar jeugenber
^I)antafte f)eroorgegangenen Sdjöpfung. Sftan oermifjt bie §auptgrunb(age
ber ed&ten italienifdjen 3Rufit, bie im SBofjHaut fliefjenbe ßlangreifje, bie
freie Sd)önf>eit beS ©efangeS, bie beftriefenbe SERelobic, bie uns in „^raoiata",
^ballo in maschera" unb „9liba" entgegentönt, unb bod) audj beS (Sfjarafterifti*
fcfyen nidjt entbehrt. Unb von bem Slugenblicfe, in bem bie italienifdje 3Wufif
fidj ber Gelobte entfleibet unb ben breiten Jaltenmantel beS franjöftfd&en
beclamatorifdjen ^at^os umfängt, opfert fie ifu* fd)önfteS nationales SSors
redjt. 9J?an mag von 9iid)arb SßagnerS Dftdjtung im 2Bort= unb £on=
bieten benfen wie man roifl , — ba& fie beutfd) b. \ aus ber (Srnttoicfelung
beutfd&er Sftufif hervorgegangen ift, fann SRiemanb leugnen. Db fie bie
richtigen ©renjen weit überfeftreitet ober nidjt, ift \j\tx nid^t ju erörtern;
nur bafc fie national ift mufc feftgefteßt werben. ©eberS „ßurnantlje" ift
unbeftritten bie Vorlauf erin oon „£annf)äufer", „Sobengrin", „3fleifierfinger" ;
aus SBeetfpoenS „Missa soleranis", aus bem ginale ber „Neunten" ift
9ftcf>arb SBagnerS 23ef)anblung ber (Stimmführung unb beS DrdjefterS her*
vorgegangen. 216er SBerbiä Ctello ift bei aßen 6cf)önf)eiten bod) mein*
„international", nia?t italieniid). 3$ falte baS nidjt für einen gortfd)ritt,
unb muf? immer an ben ©ift benfen, ben idf) irgenbroo gelefen fjabe: SBerbi
$abe fid) im „Ctello" Derbeffert — §u jetnem 9todrt>tle! 2)te eckten SM*
blutoerbianer behaupten aüerbingS, biefeS leftte ©erf beS 3HeifterS fei fein
fjöd&fteS; gerabe wie bie SJagreutlnaner in „^arfifal" ben $öf)epunft ©agner*
fäer flunft erblicfen, unb über $eben tjerfatten, ber bei aller Verehrung
für ©agners foloffaleS ©enie bie „SJceifterfinger" unb ben „9iing beS
Siibelungen" höher fteUt. ©er fann fia) mit ganatifern oerftanbigen? 3dj
roenbe mich an bie Unbefangenen.
$erbi ift iebenfaliS ber bebeutenbfte bramattidje Gomponift beS neuen
Statten. 2ln ©eftaltun^Sfraft, «ielfettigfeit ber Crfinbung, djarafteriftifcher
^etdjnung unb £onfärbung überragt er feine Vorgänger Fellini unb
^ontjetti; unb f> itte ^ioffint nidjt ben „Xeli" gcfd&rieben, fo brauste er
aud) oor ifyn nidjt ju roeidjen. 9llIerbingS ift feine Äraft eine oft roJje,
grefle, geujaltt^itige; feinen «Welobieen fe^lt ber ^errlic^e ©o^llaut, bie
füge Melancholie Jöeüini^; feine Me^ri unb Gljöre finb be|*onber^ in
ben Dpem ber erften unb ^weiten ^periobe oft trioialer als bie £onijetti£,
unb bie ^nftrumentation unb ^annonifation fann — bis *ur „2liba" —
greller unb lärmender nia)t gebaut werben; felbft im „Ctello" tritt naa)
«ort unb enb LI.. 1&2. 15
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2\ß fjeinrid? «ficlid? in Berlin.
btefer iHtd&tung öewaltfameS fyeruor. £enno<$ üben feine Cpern bie
größte 2Btrfung auf baS ^Jubltfunt, ntd^t blojj auf baS cjclufio ttaltemfdje.
Unfere ©eneration ift neroöS aufgeregt, fie will audj in ber Äunft ni$t blo$
angenehm belebt, fonbern gepadt unb bomtnirt werben — unb baS tonn SSerbt
beffer als bie anberen. ÜRan barf audj bei ber Prüfung fetner Stellung
in ber flunjtwelt bie Sefdjaffenbeit beS ^ublifumS, für roeldjeS ber
italienifdje Dperncomponift fdjreibt, nid)t aujjer 3ld)t laffen. $aS Opern =
IjauS ^talien^ barf mit bem anberer Kationen burd)auS nid&t oerglidjen
werben, $eutfa>, (Snglänber, granjofen, Muffen u. f. w. rjören eine Cper
immer mit äufeerlidjer 3tufmerffamfeit an; lautet ©efpracf) ift eine fel>r
feltene unb nid)t gut angefeljene ©rfdjeinung. ©anj anbers in Italien.
$ier gilt nur bie „<Premttre" als bie SJorftellung, in ber man aufmerffam
fein mufc, um über baS Urteil fdjlüfftg $u werben, um bie begünfrigten
Kummern $u befrimmen, bei bereu beginn in äffen folgenben 2>orftelIungen
Stille eintreten mufj. 2£äf)renb biefer I)errfd)t nunmehr ungeswungene
Gonuerfation. £ie Vogen finb Keine Salons, in meldjen bie tarnen
itjre Sefannten empfangen; man plaubert gan5 ungenirt, bis eine Jaoorite*
Kummer beginnt, laufest biefer mit Slnbadjt unb fnüpft bann ben gaben
beS ©efpräd>s wiebe: an. Unb in meldjer SBeife fid) bie gfinfUge 2luf=
nalnne eines Opern*2onftücfeS funbgiebt, baoon tyabe idj bei ber erften
2lujfürjrung oou „Ctello" in s2Railanb jwei Öeifpiele erlebt, beren einfadje
(hjafilung bem £efer beffere (Stnfidjt tu baS Sefen bei italienifdjen
s}hiblifumS geben wirb, als alle Betrachtungen. 3m kfctcu .actc &ctet
£>eSbemona in £obeSangft unb legt fidj ju Bette; fie mufcte auffielen,
wieber auf ben Betftu&l fnten, wieber if>r IHue 3)toria abfingen uttb nodj:
mals $u Bette gefeit. Sie fdjläft; CteHo tritt burd) eine £apetentl»lr ein,
legt fein Sd)roert ab; ben frieren Bltcf auf fein 2£etb ridjtenb, fdjleic^t
er fid) nad) bem Bette. $aS Crdjefter begleitet biefe ftummen Bewegungen
mit einem fel;r effectuolleu 3roifdjenfptel, baS offenbar inneres 2Büf)len ber
fjeftigften £etbenfd)aften ausbrühen fou*. $as ^ublifum tobt, fd&reit unauf;
rjörlidj „bisa; CteHo muß wieber hinter bie £apetentlnire treten, wieber
l^eraufdileid^eu, wieber wilbes SHienenfpiel ooüf üfjren !
$d) äußerte] meine 9)?eiiumg über biefe unfinnigen, alle bramattfdje
^aublung uernidjtenben J&ieberfwlungen gait3 laut in italienifdjer Spraye;
bie Herren um mid) im ^arquet gaben mir 9ted)t — aber bie näajfte
BorfteUung braute benfelben Spectafel. $aS gefdjaf) in sJRailanb, bem
Sifoe ber besaubentb^iebenSwürbtgfteit, elegaitteften Italiener, wie mag
eS erft im lebhafteren Süben*) jugefjentf *>a uerrounberlid), wenn
*) 9ßan faßte mir, baS ^ublifum ber nclebrteu <3tabt »oloßiia C,La dutta*«) »ä«
ruhiger; td) toiebcrl;olc bai Wcfafltc, of)iic bie minbefte ®«oaI)r, faittt aber nidjt um«
tlin, auf beu bemerfenStocrtben Umftanb btnjutüeifcn : ba8 flrofec italienifdje $ublitum Tann
aud) aui ben Sdjrifteit feiner gelehrten i?tcftb,ctifer leine tidjtigen Slnfdiauungcn ber %on-
fünft (jetuinnen. T..mma-eo, l)i/.i'»naro e.«U'ti<-«» ; «iioborti Dol l»n..no o d.-l
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(Sitifcppe Derbi.
2(9
ber Cperncomponift not StUem bal>in trautet, für jcben 2(ct (eines SBerfeS
ein paar effecrrjoHe, 2lppIauS unb bis erregenbe Hummern r)en>orjubringen
unb fidj um (£inf)eitlid)feit wenig fümmert? Unb muß man mdjt 33erbt feljr
Iwdjadjten, ba§ er in „2Uba" unb „Dtello" fein einziges gleidjgiltigeS ©tücf
anbrachte, feines, baS jur eleganten Sogen^lauberei 2lnla& geben fönnte ?
3ä) f)abe iefct nur no<$ einige 3c^cn bie perfönlidjfeit beS be=
rühmten (Somponiften beizufügen.
@in junger italtenifd&er ©d)riftjteHer war beauftragt 93erbi'S Siograpfue
$u uerf äffen; er wanbte fidj an Söoito, ben £ertbiä)ter unb greunb beS
grofjen SDJetfterd mit ber Sitte um einige intereffante SRittfyeilungen unb erhielt
fcie Antwort: „©eetyrter $err! 2ÜS baS ^ifantefte am Seben SBerbi'S faun idj
äejeidmen, bafe nie trgenbweldfjesipifante barin oorgefommen ift." $a3 ift
gröfetentljeils nxu>. $er berühmte italtentfdje Xonbid)ter b,at t>om erften
HHomente feiner £aufbat)n 2lü*eS uermieben, was bie Sfofmerffamfett auf feine
l^erfon geteuft l)ätte; er war niemals &u einem ©djrttte ju bewegen, ber einer
Steclame ärmltä) faf)*), unb ift feit 3al)ren bei feiner ilnn ju ©f)ren oeranftalte*
ten gefUiä)feit erfä^ienen. 9llS er JU 9teiä)tb,um gelangte, faufte er baS @ut
(Sant 2tgata in ber Wäty oon Sutfeto, ber ©tabt, wo er feine 3ugenb »er»
braute, unb wanbelte es ganj um. ©n großer $arf umgiebt baS Sanb«
{jauS, Pflanzungen aller 3Xrt, ^ferbegeflüte, 93ter)ftatte unb fonftige lanb=
wirtyfdjaftlidjie <Sinriä)tungen liegen in unmittelbarer 9tar)e; unb bereu
^robucte gelten als bie befteu weit unb breit. Stuf biefem ©ute lebt
SBerbt mit feiner ©attin im ©ommer, ftefjt regelmäßig um fünf Ulir beS
Borgens auf, ge§t um 10 Ufjr $u S3ett. £en ©inter oerbringt er ge*
roörmlidfj in ©enua im $a(aft 2>oria. ©ein Umgang befdjränft ftä) auf
wenige intime greunbe, im Uebrigen ift er fefjr fdjwer jugänglid&.
3n früheren 3afren öfters leibenb, f>at er burdfj feine regelmäßige 2e*
benSweife eine eiferne ©efunb&eit gewonnen unb ift nodj fjeute im 76ten 3al>re
geiftig unb förperlid^ rüftig unb frifa). Obwohl bie Italiener feinen 9?amen
als potitifd^eS ©efjeimwort gewählt Ratten (wie i<$ bereits erjagte), blieb
er felbft aller Sßolttif fem unb Bereite nie, baß fie tfjm nur Abneigung
bello; Chiosi, discorso estetico; Antonio Tari, estotica ideale; CanelU»;
sagrgie; Monti, il bello nel vero;Trezza, Studii : fic Stile fpredjen bon ber 3Rufif in
ben feurtgften Korten, mit ljod)fter SJcrebrung, befonberS ber eblc ©ioberti; aber fic alle
fprcd>en ntdjt bon ibren grofecn SWeiftern ^aleftrino, ©abrieti, S)urante, IL'otti, 9Kargeao
u. f. to.r fonbem oon Ittoffini'ä „stabat matci-" unb oon SDlercabante'8 unb Xontjetti'a
Cpern. SKajiini, bet in feinen <3d)rtften „D* un Italiano vivente" ber Xontunft ein
eigenes (Sapitet toibmet, unb fie als ein ^auptmtttel für bie SBiebergeburt be8 SBaterlanbe«
preifet, toeift unter onbern auf ein !$uett aus 2»erbi'* „I due foscari." gfreilid)
beginnt er ba3 Gapittl mit ber ©rtlärunfl, bafe er oon 9Jtufif gar nidjtS berftebe.
*) 3m 5)cccmber 1871, furj bor ber erften 31uffü^ruug ber „2ü'ba" in ßairo
fdjrieb er einen ganj merfmürbigen örief über „föeclame" au ben trefflidjen Äritifer
ber ^erfeteranja (t 88). <Sd)luBmorte lauteten; ,.A la grace do Dieu,
fo tjübt id) meine Öaufba^n begonnen, unb fo toiH tcb fie enben."
15*
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220
fjetnrid? «Ijriidj in Berlin.
einfloßt. 2113 er auf ßanour'3 2lnbrängen einen Sifc im neuen sparte;
mente annahm, faßte er bem grojjen Staatsmann gerabeju, nrie ihn ba>
in all feinen 6 ein o Im betten Hörte, unb legte anen fein SRanbat balb
nieber. 211$ ilm fpäter ber ftonig SBittorio (Smanuele jum Senator er*
nannte, fam er einmal in ba£ rjof>e &au3, um ben <5iD $u (eilten, unb warb
nid)t metjr geferjen. 3)ennodr) giebt es in Statten feinen populäreren 3Jcami
als SSerbi, feinem ber eine fo allgemeine, ganj nriberfprudjslofe SBere^rung
geniefjt roie er. 2Ber oon itmt fpridjt, rürjmt feine fiille ffiorjltfjätigfeü,
feinen 2Intf)eiI an 2lllem, mag ber Mgemeintjeit duften bringen fann,
feine Eanfbarfeit für 3*ben, ber ifjm in früheren 3a^ren greunbltdje^
erroiefen, feinen UnabfyängigfeitSfinn. Unb Sitte fagen: @r ift ntd&t blo§
unfer SRufmt (la nostra gloria) als Äfinftler, er ift aud) ein ganzer
(S^renmann!
i
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£u6u>ig XIV. unb Straf burg.
Von
€ricfy Xfiaxds.
— Berlin. —
er (Streit um baS ifiedjt auf Stra&burg ift nidjt jur 9liü)e ge=
fommen oon jenem 30. September 1681 an, an roeldjem
bie Gruppen ihibroigS XIV. in bie alte 9tetd)$ftabt einge--
joaen finb. 5Die fllage unb bie 2lnflage, meldte SBolfälieber unb glug=
fa)riften fofort ju ergeben begannen, fjat neuen SBteberrjall enoerft, feit bem
nationalen 33erouf3tfetn unfereS QarjrfmnbertS au$ Strasburg bie beutfdje
Sdjicffalsftabt geworben ift: aller Jammer unb ade Sd)mad) be3 tiefften
nationalen (SlenbS t>at in biefem tarnen ben 2lu3brud unb fd^He^lid^ bie
$erföf)nung gefunben; bie rjiftorifdje £rjatfad)e mürbe ju tnptföer, ibealer
33ebeutung geftelgert. 3)ie Sonn, in meiner ber fran^öfifc^e 5lönig
bie beutfa^e Stabt mitten im fa^einbaren grieben an fid^ rifc, mar bteienige
be$ ^ßroceffed geroefen: fo f)at benn bie fortbauembe SRioalität ber beiben
Nationen ben Streit um Strasburg literarifdj als einen 9ied)t£ftreit fort*
geführt: bie 3urifien beS ^eiligen römifcr)en 9xeidje$, bie ^Diplomaten fjaben
bie keditSmibrigteit ber Ufurpation oerfod&ten; noa) heutigen Xageä tritt
bie Streitfrage in ber ©ef$id)tforfd)ung im ftaat3redjtlid)en ©eroanbe
auf: nod) in ben legten 3af)ren fjat fie ber neuefte unb grünblidtfte $e=
arbeiter, SegreUe, in einem ftoff reiben Öudje, ba3 bod) an allen Stellen
ber 9iadjprufung unb ©rgänsung bebarf, in biefem Sinne berjanbelt Xem
beutfcr)eu gorf^er alfo, ber an ba$ SSerrjältnijj SubnrigS XIV. unb Straße
burgä mit uriifenfdjaftltdjer Slbfidjt herantritt, [teilt fidj, neben ber SßfIidE>t
einer oerboppelt ruhigen Söorfidt)t, bie uns freute nidjt ferner fallen barf,
eine jiniefadje Aufgabe bar: er fann bie 9ied>t3frage niajt unbefprodjen
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222 €rtd? ITTarFs in Berlin.
laffen; er wirb aber über bie Jorm bat £tjatbeftanb, bie @ntn)i<felung ber
(Sreigniffe felbcr bie Darlegung ber 2ttad&t frage, beren ©egenftanb
Strasburg geioefen ift, ju jtetten i>aben.
9tod& 2Iuffaffung ber granjofen ift itynen ©trafeburg jugeiprodfjen roorben
im toeftfälijcfjen ^rieben.
9Ud£>elieu Ijatte in ber jioeiten Hälfte beS 30 jährigen ÄriegeS ba*
Glfaj? milttärifd) unter bie 3Rac(jt 3ranfrei<$S gebraut: feinem 9ia$folger
SWajarin blieb bie Aufgabe, baS £anb biplomatifd) fejtjuljalten, feine Sb*
tretung von flatfer unb 9ieid& &u erlangen, $n ben enblofen SBer&anbs
lungen oon SRünfter tyaben feine 2lbgefanbten jahrelang barum gefämpft;
man gelangte ju bem 2tbfä)luffe, bafc HabSburg feine elfäfftföen öeftfc;
tfyümer unb diente an #ranfretcf) abtreten, bie $Rei<$Sunmittelbaren beS
SanbeS aber im ooüen SReid&Soerftfltniffe bleiben fottten. 3)enn nrie fal>
baSjenige im %atye 1648 au«, roaS mit Ijeute fnapp unb flar ©Ifafc
nennen? ©enau fo bunt wie irgenb ein anbereS ©tütf beutfd&er, gar
rlpmifdfjer (Srbe. »om ©Ifafe 3U fpredjen, ftonb in 2BaI)rI>eit feinem
Sieid&Sjuriften ju: biefc (Sin^eit gab es ntd&t; correct mar lebigttd& bie
2lufjäf)fong einer SBietyeit oon oter $)ufcenben einjelner SReid&Sglieber,
beren ©umme bie ßanbfäjaft ätoifdjen 33afel unb Sßei&enburg ausfüllte.
3roei grofce ©nippen Reiben fia). £)en ©üben bilbet eine compacte SJtoffe
l)absburgifcf>en 93efifceS: einmal ber ©unbgau, stoeitenS bie fogenannte
Sanbgraffdfjaft Dberelfag. 5Diefe bejeid)net ein ©ebiet, in meinem bie
Habsburger buräjauS STerritoriatfjerren finb. Anberg mar es im Unterelfafc.
2fadj> f)ier giebt es eine f)absburgifa)e fianbgraffd&afr: aber nur jtoei
Herrfd(jaften bUben biefelbe. 3m Uebrigen fefct baS (Slfafc iidfj jufammen
aus jtoei 33iStl)ümern, aus SReid&Sftäbten mit itjrem ©ebiet unb einer
SRetye anberer SReidjjSjtönbe geiftlid&er unb toeltlid&er 3trt, SMöfter, Sßfals-
grafen, ©rafen, gretyerrn, 9?itter; nur an einem fünfte nodjj finbet ftdfr
tyier tyabsburgifdjje SWadfjt: jef)n Heine reid&sunmittelbare ©tobte, burd>
bie ganje Sänge beS ßlfaffes Ijingeftreut, Hagenau, Colmar, ©djlettjtabt
unb anbere, finb jur „Sanboogtei Hagenau" oereinigt; ein SBogt, melier
fein 9lmt unmittelbar 00m ßaifer r)at, übt in biefen jefm ©täbten einige
ganj minimale ©d&ufored&te aus unb bejiefjt bafür einige (Sinfünfte: irgenb
roeldfje ©eridf)tSl)of)eit ober gar ^errfd)erbefugni§ über bie ©täbte beTifct
er nid^t. $>iefe SBogtei lag feit fyunbert 3abren in §absburgifd]jen Häriben;
fie n>ar 9ti<$tS, als ein 2lmt. tiefes 3lmt unb ben ober- unb nieber»
elfäfftfdfjen ^auSberift tritt nun baS ^auS Defterreid) 1648, gemä§ einer
Stipulation, bie feit jtoei 3af)ren feftjlanb, im griebenSinftrumente an
granfreidfj ab unb jmar als fouoeränen 93cfife ber fransöftfd^en Ärone,
nidjjt etroa, wie man erft gewollt fcatte, als ein fielen, meines biefe Ärone
00m beutfapen SReidfj ju nennen ^ätte. ^)er Vertrag brüdft es fd^arf unb
genau aus, bafe es fi<3t> nur um Habsburger ©ut ^anbelt. Unb er fügt
noä) ausbrücfliä) einen Paragraphen bei, roeläjer in Ilaren Söorten fämmt=
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— £udo>tg XIV. unb Strasburg. 223
Uä)en 9teich«unmittelbaren be« (Slfaffe«, einfd&ließlia) jener je^n „faiferlidjen
Stdbte" ber fianboogtei Hagenau, ben uoflen Sortbefi^ i^rer Unmittelbar
Feit $ufiä)ert: nur bie öiterreta)ifä>n 9*e$te erhalte rjtcr ber franjöfifd^e
König. 2Ma)e Med&te aber hatte Ceflerreidfc innerhalb btefer Unmittel*
baren? lebiglta) bie Wogtet ber jehn ©tabte. 2luf biefe 23ogtei allein
begeht fidj alfo ber <5$luß be« Paragraphen: an ber ©ouoeränetät bei
franjöfiföen Könige ü6er feine neuen Erwerbungen änbere ber Paragraph
9ttd>t«. 92atürlidr) : bie SBogtei ging, wie gejagt, al« fouoeräner 39efifc,
nicht al« Sehen in fcubwig« £änbe über. Die SBogtet, ba« 9lmt —
nicht etwa bie jetm Stäbte felbft!
Da« 2lQe« ijt ooltfommen flar unb in ber golge ber©ebanfen ein»
beutig unb unmifjöerftänblidj ; nimmt man eine Interpretation von Söort
ju SBort cor, fo bleibt feine Schwierigfeit übrig.
Srofcbem mar ber Vertrag baju angetan, SJJißoerftänbniffe $u er-
zeugen. Sie lagen gerabe in jenem 9tochtrag«paragraphen vorbereitet,
welcher fo audbrüd(idr) bie 9ieich«jtänbe oor granfreiä) flcr)cr ftetten foHte.
3)ian brauste nur biefen einen Slbfafc aus bem Zusammenhang herautyu*
reißen. 3uerft conftatirt er bie gortbauer ber $Reich«freibeit ber Stanbe;
am Schluffe wieberlwlt er, bierburd) werbe an ber franjöfifchen Souoeränetat
9ftdjt3 geänbert. ^fft ba« nicht ein 23iberfpru<h ? 2Bir fahen, baß ftch bie
3chtußflaufel, ben früheren Paragraphen entfprecf>enb, einjig unb allein
auf ba« SBogtamt bejieht. 2lber wie r»iel fonnte eine roiHfürlidje Deutung
mit einer Qfolirung biefe« Paragraphen Imb feiner fllaufel anfangen! wie
leidet jubem fonnte, bei ber (Somplicirtheit reich«redjtlicher ^Begriffe, au«
bem fouoeranen 33ejtfce ber SBogtei ein 33ejifc ber Souoeränetat über bie
jet)n Stäbte, wie leicht fdt)He§tid^ au« ber öiterreichifchen ßanbgraffdjaft
Untersßlfaß, bie Subwig erhielt unb bie nur jwet föerrfchaften umfaßte,
ba« Unterelfaß al« ©efammtlanbfchaft gemadjt werben! 2101 bie« gegen
©eift unb $u<hftaben be« ©efammtoertrage« — aber au«gefdhtoffen mar
folajer amßbraudt) nicht. Die Stänbe mühten ficf>, fofort eine prääfe ©r*
flärung §u erlangen, in weld&er granfreich fto) felber bie 9Höglichfeit biefe«
Mißbrauche« au«brüdlid) abfrfjneiben foßte: Tie würbe oerweigert. ©«
laßt fich nachweifen, baß bie franjofifche Diplomatie bewußt barauf aul-
ging, biefe 9Höglid)feit offen ju hölten. granfreich war nicht ftarf genug,
um bie Abtretung be« ganzen ©Ifaffe«, wie e« fie wünfä)te, ju erzwingen:
fo richtete e« ben grieben«oertrag bergeftalt ein, baß ihm offen unb !lar
Swar nur ba« hab«burgifa> ©ut jugefprochen würbe, baß aber im günftigen
3lugenblid bie fransöfifche Regierung im mißbrauchten Wortlaute be«
Vertrage« fiel« bie ßanbhabe fänbe, weitere Sfofprüäje fdjeinbar mit jurifti*
fä)em Siechte $u begrünben.
SlUer Sßelt war biefer Sachoerfjalt fofort flar. 2ßir befifcen jroei
Briefe, in benen bie Diplomaten fiubwig« ben plan offen eingeben. Der
wichtigere ftammt au« ber 3eit ber grieben«*Unterhanblungen felbfl; ber
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22\
«Eridj ITTarFs in Berlin.
eine ber jwei franaöfifd)en Öeoollmädjttgten ifl fein Serfaffer; fjier tritt
es fo offen wie möglid) ju Sage, bafe btefe Diplomatie oom eigenen
Unrecht ooHfommen überjeugt war: ber ^ed)tSanfprud), ber fpdter jum
Dogma mürbe, mar bamalS nod) eine bemufete £üge, ein abfid)tSooöeT
Äniff. 3n ifmi liegt ber Urgebanfe ber SReumonen bereits entsaften. ©S
waren ©rünbe ber 3njC(^ niöBt cü, roeld)e bie ©eltenbmadjung ber 3ln=
fprüd)c nod) bret Qafpjelmte lang f)inauSf Rieben tiefen. 2)tan mar nod)
niä)t mädjtig genug, fie burd)jufüf)ren, aber man Hefe fie ie Idnger um fo
fidjtbarer burdjbliden. %m 9Jimroeger grieben oon 1678 bemühten fidj
bie Deutfdjen auf's (Sifrigfte, burd) Kare ©onceffionen aud) ben granjofen
eine flare öegrenjung Un*er 9lnfprfid)e aufjujmingen: bamalS antmorteten
bie Unterf)änblet SubwigS nur mit ber fteten ^Berufung auf ben weft*
fälifdjen Vertrag. $u cm^r !(aren Interpretation liefeen Tie ftd) nid)t bringen,
aber fie oerfjefilten itjre 2luffaffung nidjt: fie maren jefet foweit, bafe ftc bie
sDtod)t Ratten, 2WeS, was fie burd) ifjre, roie mir fallen, falfdje Deutung jenes
Paragraphen oon 1648 juriftifd) begrünben ju !önnen ineinten, aud) in ÜBirf*
lidjfeit burdfoufefeen. %xt ben breifeig Satyen aber, weld)e $wifd)en ben 33er*
fjanblungen oon Sftünfter unb benen oon Kimwegen liegen, f)at ßubmig XIV.
oft in ausbrüdlidfjen SSorten anerfannt, bafe Strafeburg reidjsfrei, Meid)*,*
glieb unb für ir)n 9iid)tS fei als ein 9fad)barftaat; er beftritt baS erft mit
6d)eingrünben, als er fidjer mar, feinen Argumenten ben SRac&brutf ber
wirflid)en Eroberung oerlet&en 5U. fönnen.
Das juriftifd)e Unredjt alfo mar auf fran3öfifd)er 6eite: baran ift
gar fein 3weifel. Den Deutfd&en blieb in ooHer SSaijrfjeit bie ©enug*
tfmung, ben ©egner wiberredjtlid)er ©ewalt Reihen &u bürfen. ©ine
jammerooae ©enugt&uung freiließ ! ^rotefte, beren fittltd^c Gntrfifiung,
nad) 3. ©. DroufenS fdjarfem 23orte, ber 9Ueberlage bie läd)erlid)fte
Hlbernfjeit fnnjufügt: ftatt ber eigenen Ofmmad)t flagt man bie ©emijfens
lofigfeit beS geinbes an! ©ewife, bie 9ied)tSfrage enthalt nic^t ben Äem
ber Sad)e. ^ft fie barum wertlos? 3lud) baS barf man fdnoerlid) be-
haupten. 9iid)t nur, bafe ber beutfdje gorfdjjer oerpflidjtet ift, bie $e;
^auptung beS mobemen granjofen oon SubwigS XIV. jurifttfdjem 9ted)te
ju prüfen unb, ba Tie falfd; ift, ju roiberlegen: mistiger nod) ift es, bafe
biefer ?Red;tSftreit bod) ben moralifd)en Gljarafter ber 3cÜ0en°t7«t, oen
©eift ber formen, in meldte fie bie ©egenftänbe ju giefeen liebten, fenn*
jeidmet. 3mmer roirb bie 2lrt unb SBeife, in melier ber grofee Äönig
unb fein 9Jftnifter Souoois bie SSegnafnne StrafeburgS motioirten, als
foldV ifn*e gefdjiajtlidje Öebeutfamfeit behalten; immer mirb fid) baS Urs
ttjeil aud) auf baS Verfahren erftredfen müffen, aud) wenn man red)t gut
weife, bafe es fid) in Soweit nid)t um's StaatSred)t ^anbelte, fonbern
um bie 3J?ad)t, bafe internationale Verträge niemals baju ba finb, unoer =
rücfbarc formen für eine weite 3u^unft 5U Silben, fonbern nur ben 9lb=
fdjlufe für Äämpfe, ben 3lusbrud* für ben (Stanb ber 5häfte im äugen*
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fuönug XIV. unb 5trajjbur<t.
225
Miefe beS griebenS. Das ift ja fidjer: was a\x<S) bie Parteien mit bem
meftfattfd^en Hbfommen anfangen mod&ten in SRedjt ober Verbrehung, bie
Jortentmtcfelung würbe burch realere Dinge beftimmt als bie feier(iä)(ten
Paragraphen bes jjjnfrruments.
2öte fahen biefe realen Wächte aus ? Um ihrer brei hanbelte eS fich :
f)ier baS Jranfreid) SubmigS XIV., bort baS beutfdje bleich, wie #eS ber
30 jährige Ärieg geformt, in ber Witte, ein Öegenftanb ihres Bingens,
bie ©tobt Strafeburg.
3uerft Jranfreiä). Es mar bie gröfete Seit beS 3ahrlmnbertS, baS bie
Jranjofen als baS grofje bezeichnen, in welcher baS £anb bamals ftanb. 2lUe
tfrüdjte, welche bie Lebensarbeit breier grofjer Staatsmänner gepflanjt unb
gepflegt ^atte, reiften jefet bem (Snfel Heinrichs IV., bem Erben WajarinS
entgegen, fie fielen bem Könige in ben Sdjoojj. 2luS ber fchmerältchften
ftrife, in welcher alle Äräfte eines fid) umbilbenben Staats» unb 2$otfS=
roefenä in tiefer Verwirrung unb Erregung roiber einanber gewirft tyxtten,
r)atte bie Einheit fid) gewaltiger a(S juoor erhoben; ihr Träger mar bie
Wacht, bie allein ben inneren JJrieben gefetjaffen unb erhalten fyatte, baS
Äönigthum. SlHeS oerbanfte man ihm: bie ftänbifdjen ©ewalten, bie fo
blutig fich gegen ben 3lbfolutiSmuS aufgelehnt fyiiXen, beren unflarem
drangen fchliefclich nur Unheil über Unheil entfproffen mar, fie lagen
je&t machtlos am Söoben; auch fie orbneten fich bem allgemeinen 3U9C
jur Witte hin ein; alle 2lnftrengungen ber »ergangenen Wenfdjenalter, alle
lebenbigen Gräfte einer ftarfen ©egenmart münbeten ein in baS grofce
Seden ber Monarchie ßubwigS XIV". Unb noch ftrebte baS ßonigthum,
feinem 5Bolfe, baS ihm iefct blinbtingS nachfolgte, ju immer höheren 3^len
wahrhaftigen politifchen Segens ooranpfchreiten; inbem es in feinen
&änben bie ganje Nation jufammenfafjte, wollte eS biefelbe emporheben
auf eine neue Stufe ftaatltdj fefier 3"ftänbe unb oolfSwtrthfchaftlicher Ent-
faltung. 9toch fehlte bem ^ranf reich £ubwigS XIV. uiel baju, ein moberner
Staat im ooUen Sinne ju fein; aber eS rang, ein folcher 5U werben. Der
Kampf um Strasburg fällt in bie 3af)re, ba bie Regierung jur Durch-
führung beS wahrhaften StaotSgebanfenS fo mächtige Schritte that, in
bie 3ahre ber 2Birffamfeit beS gro&en Volbert. Daj} es auf ben Sahnen
ber politifchen Pflichterfüllung nicht beharrte, ift fpäter baS Verhängnifi
beS franjöfifchen ÄönigSthumS geworben; aber wie weit fwnb eS gerabe
bamals burch bie ^öt>e feiner Siele, baS SBewu&tfein feiner flraft, bie Wacht
jeines EinfluffeS auf baS eigene 93olf, burch bie ftraffe 3ufammenfaffung aller
Elemente beSfelben in ber eigenen &anb jeber auswärtigen Wacht ooran!
benn ber einzige Staat, ben wir heutigen als ein jufunftooHeS Öegenbitb
beS abfolutifrifchen granfreich erfennen, ber Staat beS gro&en flurfüften,
tonnte in ben äugen ber äeitgenoffen boch niemals bem deiche SubnrigS XIV.
an bie Seite treten. — Die auswärtige politif beS geeinigten granfreiä)
Seigt in ber einen gro&en Dichtung ihres Strebens bie gleiche 3bee oolfs^
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220
(Eridf Warfs in Berlin. — -
n>irl 1; f d) a f 1 1 id^cn 3ntereffe£, welche bie gefammte Sßolitif <£olbert$ befeelt;
längft ^at man barauf hingewiefen, wie fehr bic Äämpfc bcr ^wetten
§älfte bes XVII. 3ahrhunbert3 £anbel8ftiege gewefen finb. 3m engfien
herein mit biefer roirthfchaftlichen Xenbenj aber ftanb bic anbcrc, bic
htftorifch beftimmenbe, bic eigentliche @runbtenben$ ber auswärtigen
^olittf grcmfreic&S feit mehr als anberthalb 3ahrhunberten, bie auch ba3
3eitalter SubwigS XIV. am fieftbarften beherrfdjt unb ben Äönig tum
Stege wie jum fttebergange geleitet fyd: ber Äampf gegen Sababurg.
3m Söiberftaub gegen bie umfaffenbe unb erbrücfenbe 2Beltmaä)t bcr
burgunbif^sö^errei^if^'fpamic^en £>nnaftie hatten granj I. unb Heinrich II.
ihr fieben oerbracht, platte Heinrich IV. baS üföittel gefunben, fein 2?olf
ju einigen, ^atte Richelieu ben 30 jährigen Ärteg geleitet unb 9)ia$arin,
bem großen Vorgänger nacharbeitenb, baS gebrochene Spanien enbgültig
gebeugt. 2lua ber 93ertf)eibigung war baS einft oon feinen geinben ein-
gefdjloffene granf reich längft jum Angriff übergegangen; in ber «ßolitif
SubmigS XIV. warfen $>efeniioe unb Cffenftoe ineinanber: baS $rin$ip
ber militärif$en (Sicherung granfreiäiS beherrfcht feinen Kampf gegen
£ab$burg. 2ln jeber ©renje, wo er bem geinbe begegnet, }ä)tebt er, in
ben SWeberlanben, in Lothringen unb ßlfaß, am 3ura unb in ben Sllpen,
ben eignen Söaffengfirtel oor, fo lange, MS er eine militäiifd) ooHenbcte
Situation erreicht ^at; wenigstens ift baS fein Seftreben; ben Stuften*
ftehenben fä)icn es ein Vorbringen granfreichs, ben granjofen nur ber
naturgemäße 2lbfchluß beS eigenen ©ebieteS gegen bie Dffenfioe bes 2luS;
lanbeS. $)er n>eftfaUfdt)e griebe unb fein 9Jaä)folger, ber pgrenäifdhe oon
1659, ^tten ben franjöfifchcn König noch nicht Ms an bic ©renje geführt,
beren er jur SBertheibigung feine* ©ebieteS — etwa auch Snr Söertheibigung
burch ben Ausfall! — beburfte, weber in Belgien noch in ber greigraffetjaft
noch gar im (Slfaß; jerftucfelt, fehlest georbnet, fehlest gefchufet, burchauS
unoollenbet unb vorläufig lag gerabc im Glfaß ber franko fif che 9?eueiwerb
neben unb jwtfchen bem «öefifothume beS deiche*, biefes bebrohenb, aber
auch oon ihm bebroht. ©r mar hineingeschoben, ein Keil, in bie verfallene
3Wenge ber elfäffifchen Stäube unb f leinen Staaten: baß eS bei bem 3u*
ftanbe oon 1648 nicht bleiben fonnte, baS forberte jebe £onfequen$ eines
jahrhunbertalten europäifchen ©egenfafceS, baS erfannten bie ^eitgenoffen
atterorten, baS brängt fich bem SBUcf beS ^iftoriferö als flare 9ioth*
wenbigfeit auf.
©ine Veränberung mürbe gefchehen — fooiel war gewiß ; welcher 9lrt
fic fein mürbe, fonnte bem nicht jtoeifelhaft fein, ber baS heilige römifche
SRcidt) beutfeher Nation rannte.
©S braucht fax nicht gefchilbert ju werben. $ie oolle Sluftöfung
ber 3fleichSüerfaffung mar im roeftfälifchen ^rieben legaliflrt roorben; tief
griff baS 3luSlanb in jebe« beutfehe« fttüereffe, in ba* ©etriebe ber beutfehen
Äleinmfichte hinein; in ^egen^burg ging ba« Spiel auämärtiger unb ein*
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£nön>ig XIV. unb Strafcbnrg. — 227
f)eiimfd)er 3ntrigue, ber ftampf um bie Keinen $)inge unb großen gormen,
in trüber SBieberfwlung von %af)x &u 3ajr. 2BaS ben 3eitgenojfen roidjtig
ersten unb oft gewiß fo erfd)einen mußte, oermögen mir nur mit 3elbft-
äberminbung ju betrauten unb ju roürbigen ; uns oerföjnt mit bem laborintis
fc^en ©eroin bec bamoiigen $oUtif nur, mag manchem ehrlichen 2Wanne
bamalS bloS ein neues böfereS dement beS 93erberbenS feinen mochte,
baS 2lufj!eigen SBranbenburgS. $>en treibenben internationalen Slnftoß aber
oerlief) biefer Staatemoelt, unb inSbefonbere ber füblidjen unb roeftlidjen,
berjenige ©egenfafc, ber urfprfinglid) mit bem SReiäje gar ntd)ts ju t$un
hatte, ber ©egenfafc beS §aufeS fiabSburg gegen granfreid). Stets rourbe
in ihn baS SReidj fnnetngejogen; eS half ihn auSfämpfen — freilid) mit
einer £ülfe, beren SBertlj oft rea)t jroeifelhaft mar — ; eS hat nie in ihm
gewonnen, oielmehr ftets beitragen mfiffen, in ihm ju jaulen an ©elb unb
33lut unb an eigenen ©liebern. $ie SKeberlagen ber Habsburger büßte
es mit, oon ihren Erfolgen hat eS feinen (Segen gehabt. Unfere Äenntniß
ber $olitif SeopolbS I. ift oiefleidjt nod) immer $u gering, um ein Ur=
theil su rechtfertigen; baß ber ©rfolg aber bem entfprad), roaS eben ge*
Tagt mürbe, bafür ift StraßburgS Sd)i<ffal ber fpredjenbfte 93eroeis ge=
roorben. Subrotg XIV. fclber hat fi$ einmal in gleichem Sinne geäußert.
„2Bie fehr auch," entrotcfelte er 1680 feinem SBiener ©efanbten, „baS SReid)
im franjöfifchen äriege &u leiben ^aben tonnte, bie SWinifter beS ÄaiferS
erhoffen für ifm uub für ftd) bod) immer einen Sßortfjeil."
©in Srümmerroaü", bem großen Trümmerhaufen beS SReidjeS oorge=
lagert, ift bie elfäffifche Staatemoelt; ein Xrümmerftüd, trümmerhaft außen
unb MS in ben flern hinein, ift auch Straßburg, bie SReichSfwbt.
fieibhaftig genug fteht baS Straßburg bes XVII. 3ahrhunbertS oor
unferen Slugen. 3m 3at)re 1697 wirb bie @intooImer&aI)l auf 28,000
Seelen angegeben: mir haben Slnlaß, für bie oorhergehenben Sahwhnte
ungefähr eine gleite Summe anzunehmen. 3n jenem 3af>re fd)tlberte ein
franjöfifc^er Beamter bie Straßburger fo, roie fie nod) ^eute finb: arbeit*
fam, nüchtern, philiftröS; es gebe, fagt er, roenig große Vermögen unb
nicht oiel 2lrmuth: eine getoiffe mittlere §9 Je genüge ben 39etoot)nem
Durchweg; faft alle feien fte Sut&eraner; ber eigentliche ©roßhanbel liege
meift in ber £anb refonnirter Sdjmfcoerwanbten. $>er $anbel war bie
^auptqueCe beS ©rwerbS; auf bem Steine befaß bie Sd)iffsleutaunft ein
weitgebehnteS Monopol; „baS ©anbelsintereffe," ber franjöfifche attinifter
fagte es Mar heraus, „ift bie §anbhabe, an ber man bie Stabt ju bewegen
hat." $te Stabtoerfaffung Jatte fid; normal im ©eleife ber allgemeinen
beutfa^en (Sntwicflung fortbewegt: noch beftonben bie gormen, roie bie ab--
1^lie§enben inneren kämpfe beS fünfodmten SahrfmnbertS Tie ge[d)affen
hatten; aber bie Bewegung roar in'S Stocfen geraden, baS |iel>enbe 2Ba)f er
ber munijipalen Oligarchie fiel langfam ber gaulniß anjeim. Wlan Jatte
angeblia) bemorratifdjes «Regiment, bie ^atrijier waren nid;t befonber^
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228
<£r id? tftarfs in Berlin.
einflußreich, au* ben 3unf*cn 9tn0 bie Söerfammlung Der Schöffen, aus
ihnen her Sftath h*n>or. 3)rei engere flörperf (haften, bie brei geheimen
Stuben, bilbeten in 2Ba^eit bie SSermaltung; an ber ©pifce ftanben bie
2lmmeifter, bie eigentliche ©eroalt hatte baä Kollegium ber Xlll. (£s
mar übrigen« gleichgültig, wer im 2tmte mar: ein 2lnjahl oon gamüien
regierte bodt) nur. Sßir fe^en bie Vorgänge innerhalb ber alten ©tabt mit
lebenbiger Älartjeit cor uns in bem Tagebuch, baS oon 1667 bis 1710 ber
2lmmeifter granciScuS SReijjeißen geführt unb baS SR. SReufe in Straß«
bürg herausgegeben hat : Stahlen, gormfragen, f leine unb um fo giftigere
©egenfäfce treten roieber unb roieber auf: bie 9Hänner, roeldje im 3linte
ftehen, finb geroönhlia) ©chmäger föeißeißenS ober bergleidjen; ein junger
©tra&burger aus gutem £aufe ftubirt Humaniora unb Siebte, reift in'*
HuSlanb, befugt «garte, tritt in eine 3unft ein, wirb ©äjiöffe; bann faüen
ihm bie fletnen Slemter mit ihren mancherlei oft recht rounberlichen #er=
günfligungen ju, fpäter eine ©teile in ber ginanaoerroaltung, fchtiejjlich
in ber politifchen Serroaltung. ©roße £inge tragen fich nicht ju; ein
brafonifcheS Verbot beS fragen* oon ©ptfeentjauben bringt einmal bie
ganje Öürgerfchaft in $aber; SHeißeißen flagt babei „wie man (b. h-
9iath) anjefco oljnnöthiger roeiß folche semina discordiae caufirt unb annoch
ju feinem Temperament fchreitten roiH, roelcheS boch enblia) roürb feon müffen."
@S gab ^arteten; ba mir aber faft nur Duellen aus ben regierenben
Greifen haben, fo roirb und baS Seftreben ber Dppofition nicht ganj beutlich;
im ©anjen mar bie 93olfSmaffe fct)roff antifranjöfifch, bie Regierung
biplomatifirte mehr. 2öir hören, baß einige SRonate lang giftige unb teufttfd&e
SPaSquiUen, gegen ben regierenben 3lmmeifter auSgeftreut, bie ©tabt in bie
furchtbarfte Erregung oerfefeen ; fchließlich oerräth fich ber Söerfaffer unoor*
ftchttgerroeife, es ift ein ,3urift oon tarnen: o bone deus, jammert S%ei§=
etßen, in quae nos teinpora rcservasti! &er ©ünber bereute; aber ber
Äopf mürbe ihm boch abgeschlagen. 3n ben {(einen ^erhältniffen ber ©tabt
ging eben jeber fachliche ©egenfafc rafch in einem perfön(i<hen auf; um
große fragen fonnte es fich niemals banbeln; moher hatte ein groger
Antrieb fommen follen ? 25er alte 23ürgerftolj mar erftorben, ein SSaterlanb
hatte man nicht, aus bem deiche mehte nur eine bumpfe Äellerluft herüber :
fein SBunber, menn ©traßburg nicht bejfer mar, als bie übrigen fletnen
©tänbe bes Meiches! 2lud) in ber näheren Umgebung Vichts al$ ^alttofee
Äleinleben. $er SJerfaffer jenes Tagebuches finbet einmal, als eS fich um
bie grage hanbelt, ob ©traßburg am SReichSfriege gegen granfreich tf>eiU
nehmen foH, bie gormel für bie ©tellung feiner ©tabt: „etliche herren
. . . incliniren fehr" jur Aufhebung ber Neutralität; „ich aber W**
baroor, e3 fcpe beffer, etroaS auf bem lanbt (ringsum ftanben nämlich
bie gegnerifchen fteerhaufen!) ia alles, meines ©ott »erhütte !, oerlohren,
alß fich auß ber neutralitaet ju fefcen unb bamitt bem äußerften ruin bura)
hemmung ber commercien thür unb thor ju eröffnen. Sed non omnes
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£ubn>ig XIV. unb Strajjbarg. 229
eapiimt hoc." Non omnes! 9iodj gab e$ SRemintacenjen an bie große
3eit her ©traßburger $olitif — aber man fie&t, rote fic erfterben mußten.
Unb neben biefem oerfadenben SBefen bte ©roßmadjt granfreidjä! Vlotf)*
roenbig unb ftdjer enttoicfelte fid) aus bem Stebenetnanber oon 9Reidj, ©trafen
bürg unb granfreid), in tragifdjem gortgange, ber galt ber ©tobt.
3n 93ejiejungen audj politifd^er 2lrt flanb bie ©tabt längft ju bem
toeftlid&en 9tod)bar. ©ie mar mit ifmt oerbünbet feit ber Deformation;
fte tydte fidr) tf)m audj ba nie rücfljaltloä Eingegeben, damals julefot fpielten
ja unfere ©tobte eine fetbftftänbige, bebeutfame 9lou*e in ber ©nttoicfelung
ber beutfdfen, ja ber europäi)d)en 3lngelegenr)eiten. 2Watt mürbe ber Sin*
tffeit bereite im 30 jährigen Äriege; feit 1648 fudjt fid) ©traßburg ber
Umflammerung ber franjöfifd^en greunbfdjaft, bte e$ boä) ntd)t oertefeen
mag, nur eben nod) ju erioelnm 3l\xn faßte granfretd) allgemadj feften
guß in feinen neuen ©ebieten; in tounberlidjem fingen untertoarf ber
Staat ßubroig'S XIV. fid) (angfam, auf bie ©djonung ber DegenSburger
Sompatf)ien bebaut, bie mtberftrebenben fleinen ©täbte ber $agenauer
Wogtet : £^ödt)ft eigenartig [tieften babei bie monardjifdjen ©taatäanfdjauungen
ber föniglid)en Beamten mit ber rei$3red)t(i$en Sibertät biefer roinjigen
Ortfajaften jufammen. $)a3 Jtönigtfmm tonnte biefe fiibertät nidjt bulben:
e$ f$lug fte in ©gerben. 21(0 nadj 24iär)rigem SBaffenfttüitonbe 1672
bie allgemeinen europatfdjen ©egenfäfce im t)oHänbif(^en Kriege oon Neuem
auf einanber trafen, jeigte e3 fidj ba(br baß aud) ©traßburg 9iid)t3 meljr
fein fötme in fid), baß e$ nur nod) ein ©egenftanb unb ein Kampfmittel
be3 großen rjab$burgifc^bourbonif(r)en 2Biberftreite$ fei. 9leußerlidj> ^roar
umroarb man e£ roie eine felbftftänbige 2Jtod}t; feine Neutralität follte eä,
je nadj bem Qntereffe ber friegfüfjrenben 3Jtäd)te, aufredet erbalten ober
opfern; feine Dfyeinbrütfe rourbe ifyn oon ben granjofen »erbrannt, oon
ben Äaiferlid^en benufot; in fn'Iffofem ©djtoanfen fatyen bie Bürger ju, bis
ne föließlid) bodj ben flrteg an granfreid) erflären mußten. Siele greube
daben fte in biefem Kampfe md)t erlebt: bie troftlofe 3^fa6renl)eit beS
NetdjeS mar ifuten in ben ftets nrieberfjolten Mißerfolgen ber dteifyfyeete
aus nädjfter Näf)e re<r)t greifbar oor'3 2luge gerfteft morben. Xann führte
ber griebe oon 9iimmegen 1678 ben glänjenben ftönig auf ben ©ipfel
feiner europäifdjen Uebermadjt; e3 seigre fid), baß ©uropa nodj uidtjt im
Stanbe mar, berfelben 5U roiberfterjen, gebemütfjigt mußte jeher ©egner
SubmigS fid) beugen, unb triumpljirenb befd)rieb im ©piegelfaale be^
S3erfaiöer ©a)loffe^ ber farbenprädjtige ^3infel Sebrun'^ bie ©iege,
bie $errlid)feit, bie gottätmlid)e 2lllmad)t, bte ©a^ranfenlofigfeit feinet
föniglidben ^errn, mie ber ßrieg oon 1672 bi^ 1678 fte ju 2"age
geförbert.
2ßie aber mar bte 33ebeutung bcö neuen griebcnsfdtfuffeS für Straßs
bürg? 3rocicr^ei roar 9an3 beutlia): erftens, baß bic £ibertät ©traßburgS
für granfreid) gan3 unerträglia^ geworben mar; jroeitcnä, baß biefc^ ben
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230 (Erid? lUarfs in Berlin.
Haren @ntfd)luf? auSgebrütft ^atte/ feine angebtitfcen diente von 1648 jefct
burd)jufüln,en. 93eibeS mug fner etwas nafjer bargetegt werben.
©rftenS bie Unentbef)rlid)leit beS 93efifce8 für £ubwig XIV. Der
vergangene ßrieg fyatte jtd) jum guten Steile in ©aben unb ©Ifafc abge^
fpielt; mehrmals lu'ng ber ©rfolg ber Operationen am 33efifce beS SHljein:
übergangen, ©anj unrerfennbar mar eS geworben, bog bie 33e^errfd)ung
beS ftrategifd) beftimmenben spiafceS, eben ber Stabt Strafeburg, baS einjige
SRittel war, baS (Slfag feft$u^a(ten: Srragburg in foiferlt$en fcänben
laffen, l)ieg auf bie frrategiföe SuSnufcung, auf bie ruhige aSerwerttjung
ber etfäffer Erwerbungen ein für alle 9Wale oerjid&ten. Souoois unb
Subwig waren aber entfdjloffen, tyre europäifdje Uebermad&t jum 2lbfc&tug
tyrer SRadjtfieuung am D&errljein ju benufcen, jte burd) biefen 3lbfd)luB
erft su fettigen. Da« 93enefjmen ber Stragburger felbft fam, ba eS ftdi
um fo groge internationale gragen rjanbelte, tr;atfä<$lid) nidjt inöerradfjt:
eS ift baS Sd)i<ff«l fold)er ©renjprooin&en, bag Tie fid^ niajt felber be*
ftimmen fönnen, bag fie ben SBebürfnijfen grögerer flörper einmal geopfert
werben; fo war eS unb fo ift eS nod). Aber blufte nun ein granjofe auf
baS Auftreten ber SReid)sftabt im legten ßriege, mugte er fidj nidjt faft
bered&tigt füllen jur ©emalttfjat burd) bie. fdmxmfenbe 3roefoeutigfeit ber
Stragburger ^ßolitif? Die armen Stragburger Ratten nidjt anberS gefonnt;
aber ein ©rogjtaat Ijatte feine SBeranlajfung, tfmen ein fo bebenflid&es Spiel
aud) fünftigfjm frei ju laffen. 9Hilitanfdj unb polittfd) mugte Srragburg
in eine feite Stellung gebradjt werben; bie Sogif ber europäifd)en £age
forberte eS. Das SReidj war ju fd)mad), eS an fidj $u sieben; es war
9iiemanbem jweifelfjaft, bag granfreid) eS annectiren mugte unb wollte.
Denn zweitens: trjatfädjlid) trotte bie franjöfifdje Diplomatie in ftim;
wegen ja erflärt, bag fie eS nehmen würbe. @£ ift oben angebeutet
worben, wie bie beutfc&en Unterfjänbler ben franjöfifdjen 2lnfprüd)en burd)
ftare Abtretungen eine flare ©renje auferlegen wollten unb wie bie granjofen
•Jftcfjts baoon annahmen, unter ber ©rflärung, fie be^arrten auf bem SWed^te,
baS ifmen ber weftfälifdje grieben gegeben fyabe. 2BaS fie bamit meinten,
rougte ade SBelt. ßaifer unb Stäube erliegen einen ^rotejt; fie blieben
juriftifd) in uoHem 5Red)te; aber fie fd)lojfen grieben. Damit war für
bie Xtjatfad&en, wie fie fommen mugten, Stiles entfd&ieben. ^voei^tlfyift
tonnte nur bie 2lrt unb SKeife fein, in weldjer SouuoiS oorger^en würbe.
2lud) hierfür waren bie ©runblinien bereits oorgejeid)net. ©inen
9>led)tstitel wollten fie gettenb madjen, fagten bie granjofen: Tie wanbten
bie 9ied)tsform babei an. Das war feit SJZünjter oorbereitet. greitt$,
bie fpecielle gorm, bie ber 9ttinifter ßubwigS, ber in jenen Sauren bie
^olitif feines &errn befttmmenb oertrat, SouooiS, in feiner grobjufa^renben,
ffrupeHofen, aber madjtoollen ©eroaltt^ätigfeit, wählte, war neu unb f(^ltefeli<^
boa) überrafdjenb. Die Kammern, bie er in 3Keft unb Sreiiad) einrio^tete,
gingen oom 9fed)t$)"tanbpun?te aus, freuten cor bem entlegenen, bem un=
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- — £uJ>u>ig XIV. unb rtragburg.
23 {
lua^rftcn Argumente ni$t jurüdf, griffen über bie ©renken i^reS (Staates
rucffio^tloS fnnauS, entbedften überall alte SelmSanfprfld&e 3ranfreidj>S, bie
ber Unfall ber brei lotf)ringifd&en 33iStf)ümer unb beS (SlfaffeS i§m ein:
gebraut l)abe, unb oerfügten o^ne mirflid&en Sprojeß, ofme Berufung, ben
$off$ug iljrer ©nfdfjeibungen bur$ franjöjifd^e Regimenter. 3n bie SÖunben,
bie fie fa^lugen, träufelte gerabe bie 3Redf)tSform, weld&e bie ©eroalt um;
(lütten mußte, äfcenbeS ©ift hinein; ber 2JHßbraud& beS feierlichen 93er =
fafjrens roirfte auf bie üBelt, weldfje bie Sfyitfadfjen felber fjatte erwarten
müifen, wie ber ennifdjefte £ofm. „25?er bürgt bafür," rief ber große Äurs
fürjt, „baß 5ron^r^C morgen nid&t 9Ragbeburg ober Berlin reuniren wirb?"
gär ©traßburg waren es (eibootte Qatyce, bie swifdjjen bem 9Kmweger
3lbfd)luffe unb bem @inmarfdf)e SouooiS' tagen. Daß „biefer J-rieben allein
ein QnterimSfrieben fd)iene unb man fi<$ mit gittern frewen müffe," fprad)
man fofort aus im 9tatf>e ber Dreijejm. 93alb fd&lug bie franjöfifd&e
^olitif einen fjerrifdjeren Xon an als bisher, ei folgten bie SReunionen,
bie Sanbbejirfe ©traßburgS mürben weggenommen, ber£anbel unterbunben;
„wenn ©eoatter Subwig 2lmmeifter fein wirb/' — fo Ijatte man fidj wof)l
tjier unb bort auSgef prodfjen — „bann wirb 2WeS fidj beffern." 21 ber
im Allgemeinen überwog Abneigung, 33ebrücitf)eit, bumpfe Erwartung.
Sitter bemerft ^eißeißen ju einer fömglidjen Verfügung: „Ratio: le Roy
le veut" ^rotefte ber Stabtregierung waren obnmäd&tig. Unb bie
SJtaffe beS SßolfeS fdt)rie über 58erratf).
(SS ift eine alte 3ln!(age gegen baS ©traßburger Regiment, baß ei
fidj fyabe oon fiubwig XIV. faufen laffen. fiouoois felbft fjat fie oerbreitet,
um feine ©ewaltttyat minber gewaltfam erfd&einen ju laffen. ÜJton f)at
oon einer franjöfif^en Partei, oon Korruption fonber ©leidjen gefprodjjen.
2Rit Unred^t: eine 93efted(jung wenigftenS in einem für jene 3*ü irgenb
erheblichen üttaßftabe ober oon einer entfdjeibenben 33ebeutung, baS barf
man tyüte oerfic^ern, fjat nid&t ftattgefunben ; felbft bie SSirffamfeit •
bei Jürftenbergifo^en SBifctyofS, ber im franjöfifdjen ©olbe ftanb, begann
in 2Baf)rf)eit erft nad& ber einnähme; gerabe Segreüe $at ausgeführt,
wie weber ©elb noch ©i;mpatf)ie fiouoois bie ^ore geöffnet tyabe: er
erfct)loß fie mit Waffengewalt, ©in faiferlicher ©efanbter wirfte in ber
8tabt für feinen &erm: baß er irgenb etwa« erreicht, gett)an fyatte,
fetjen wir nidt)t ; feine 3Cnroefenl)eit aber, bie an fiä) gan$ legitim war,
gab ber franjöfif<$en Diplomatie eine neue 2Baffe in bie £anb: ein
flunbfehretben fonnte ber SBelt oerfünben, Subwig tyxbe eilen müffen, um
bie ©tobt, bie ilmt gehöre, nicht in Sababurgs §anb fallen ju laffen.
Der Sergang ber einnähme foll hier nicht erjagt werben. £ouooiS
fjatte 2WeS oortrefflid; oorbereitet; bie Stabt war ofme Xruppen, bie
auflobernbe SBut^ beS Golfes bracb balb in fia) jufammen; man ging an'S
Unter&anbeln. 3m Straßburger ©tabtarc^io liegt eine 2lbfd&rtft beS Se=
ria^teS, weisen bie Stabtregierung ber Serfammlung ber 300 ©Höffen
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232 <2ridf HTarfs tu Berlin.
oorlegte, bamit biefc fidfj über 2Cu^arrcn ober Uebergabe entfdjeibe. Ea
werben erfl in fanger Steide bie Urfad)en entnricfelt, wetd)e für tapferen
2Eibcrftanb f pradjen: tiefet Mißtrauen gegen 3fr<*nfreidj, all bie fd)limmen
folgen, bie bem SBerlufte ber Selbftänbigfeit entfpringen mußten, bie
Trennung oom alten 93aterlanbe, ju beffen Seinben man fid) nun gefeüen
foffte; Sdjeu oor bem Urt^ei(e ber berufenen; bie ©ere$tigfett ift für
Straßburg, bie ^eilige Schrift bezeugt e«, wie oft „bie göttlid&e 2lü"maa)t
ben Stolj einer großen 9ttad)t bur$ einen f (einen §auffen geftürjt unb
Sdf)anben gemad)t fjabe." SRocIj einmal beraubte man fidfj fo an großen
unb ooden SBorten; roie mögen bie §anb werter ber alten 9Jeidj£ftabt
ilnren Seifaß gejubelt fjaben, ba foldje Spraye ju ifmen erlang! 3lbet
fte waren uerftänbige Eeute. $)ie Steide ber ©rünbe miber ben Äampf
mar ffirjer at« bie oorfjergegangene; Ü>r Xon mar trocfner — aber ü)re
SSudjt entfdjjeibenb. SranfretdfjS Uebermaajt ift riefengroß unb oor 9111er
9lugen, bie Stabt unbewefnl, £ülfe ntajt ju erwarten; felbft eine fürjere
©egenroefir, roeldfje ^Pflidtferfüßung gegen ba3 alte Söaterlanb mit redjt:
zeitiger Älugr)eit be3 ■JtodjjgebenS oerbänbe, fehlen bem 9iatfje aßju gefaip
(id); rafdje (Ergebung — unb ©rgebung mar bod) unoermeiblidf) — fic&erte
am heften gute 93ebingungen. Unb aud) hierfür wußte bie Sdjrifthmbe
ber Staatsjurtften StraßburgS einen biblifajen ©runb in'S Jelb au führen:
jur Strafe für Sünben f)atte ©Ott fein eigen SSoI! ja oft genug beffen
geinben in bie £änbe gegeben unb iljm „nidfjt erlaubt fid) &u befenbiren."
60 foß man fid? brein fanden „in dnriftlidjer ©elaffen&eit."
$ieS Sajrtftftüd, ba« fo pebantifä) unb fjülfloS etn^erf breitet ! in
bem baroefen galtenwurfe feines gür unb SSiber, ift ba3 beseid&nenbe
Xeftament ber 'Straßburger Unabfjängigfeit. 3Me Kapitulation fieberte ben
gortbeftanb ber alten SBerfaffung, ber ^rioilegien, aud) ber Gonfeffion;
Sieißetßen fdf)rieb einer Vergangenheit oon 3a^unberten bie nüd^teme
®rabfa)rift: „<& oerbleibet alle« im alten ftanb, unb oerfwffe idf), wir
werben arme jiatt ber libertaet wiberumb ben flor ber Commerden, wela>
gaenfclid>n erliegen, bekommen." Unb 9ieißeißen war ein guter Straßburger,
ein aajtungewertfjer 9Jcann.
3m9ieicr)e war bie Erregung groß; fie blieb olme Saaten. Xer große
ßurfürft geftanb feufecnb, baß man 9Zid&tS auSriä)ten fönne. Straßbur<;
war nid&t 511 retten gewefen. 3)tan war fror), baß granfretdj oerfpra<t>,
jefet wenigften« £alt ju mad&en. ©rft in ben naa)folgenben Salnren trug
bie SBegnatyme ber 9ieid^sftabt fortwirfenb ba}u bei, ben fiegreia^en 35>elt=
bunb gegen bie Uebergriffe be3 ßönigö 5U begrünben.
Taä Verljültniß Subwig^ XIV. ju Straßburg l)atnaa) ben September*
tagen oon 1(581 nod) eine lange Ö5efdr)td)tc oon oierunbbreißig ^ren gehabt:
für bie innere ISntwidlung ntd)tKbie intereffelofere Hälfte biefer Sejier^ungen.
^ier foü nur nod) bie grage berührt werben, welcher SRid)tung oon
SJubwigä MV. «folitif bie ©innaljmej Straßburg« angehört, derjenigen
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fflbung XIV. unb Strasburg.
233
ber nationaler Slbrunbung, her contmerjieüer 2lu£breitung nidjt: benn bie
Nationalität be$ (Stfaffcö fjat ba3 franjöftfcfje Äönigt&um, mit (Sonfequenj
roenigftenä, nidjt angetaftet. $a$ 93erfjältm§ su Strafeburg blieb ein s33er=
tragSoerljättnife auf ©runb ber Kapitulation oon 1681, unb ber Sßcrfet)r ber
ßanbeteftabt rourbe feine^toegS in bie Sahnen fransöjtfdjen Sebent fn'neinges
jroungen: bie &aupt$oHgren5e lief nidjt jroifa^en Strafeburg unb bem ^Heic^e,
fie ftt)ieb ©Ifafe unb bie lotfiringifdjen Sistlulmer uiefmef)r als provinces
6trangt'rcs effeetives oom franjöftfdjen ©efammtförper ab. Vielmehr ift
biefe Sinnerion ber militärifdjen, ber ant^ab^burgifa^en föidrtung
ber ^olitif einjuorbnen: fie fajlofe, wie eine 9J?ün5C feientb besagte, ©allien
oor ben ©ermanen ab, Tie fid&ertc (Slfafe unb mattete s3aben 5um ,,©laci<3 ber
fransöfif^en ©rensfeftung". 2>er &iftorifer — Souooi^ (SamiUe 3touffet,
fjat in glänsenber pfnd&ologifdjer @ntn>ictlung ben ©influfe f>eroorgel)oben,
ben, neben allen politifdjcn Beregnungen, bie (SroberungSluft be$ Golfes
felber unb be£ tfönigS, ber fein SBolf oerförperte, aud) auf alle biefe
Kriege gerabe in Subroig« XIV. guter 3eit ausgeübt fjat.
(Spurlos natürlich ging bie 3ugel)örigfeit ju bem großen StaatSförper
an (Strafeburg nid&t oorüber. ©ine 2lu$naf)meftellung behielt e3 freilid),
aber bie Verwaltung be$ fransöfxfdjen ßönigtlmms griff aud) in Die ©er«
faffung unb Senfung be$ ctabtwefenS uon Strafeburg im ©uten unb Böfen
umgeftaltenb fjinein. SBejeidmenb ift e3, bafe bereite ÖubwigS erfter
3ntenbant bie beutfdje grauentradjt befämpfte, bafe aber erft bie 2lbgefanbten
beä GonoentS „ben Särgerinnen oon Strafeburg" bie ,.modes allemandes"
bauernb oerbieten mufeten, „ba beren $erjen fran$öfiiä) finb", — mit bem
ftiUfd&roeigenben £inwei$ auf bie ©uiüotine! 2ln ber 3wirterf)aftigfeit,
bie feitbem fein Sd&icffal geworben ift, franft bas elfafufa^e Volf*tlmm
nod) Ijeute im Xiefften.
ilütb mrt eiib. L. 153.
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Hifolaus unb 3oI?annc5 von Pifa.
Don
2luguft Sdjmarsoro.*)
— Breslau. —
nun irgenbroo erquirft ben Grforfdjer ber Vergangenheit fo fübi-
bare Genugtuung, al£ wenn nad) langem Sterben um % 2>er=
ftänbmä ein Senfmal naä) bem anbern fidt) ifjm erjäjliefct, um
ba$ Senfen unb (Smpfinben eiue3 längft begrabenen ©efä)led)te3 iljm per-
fönlt<f> $u offenbaren, ©inft rebeten bie 2i>erfe ber Stunft eine 21 Elen ner
ftänblidje ©pradje; benn 2luffa|fung unb (Sinnesart if)rer 3e^ Com ifmen
auf falbem SBege entgegen, unb mag fie 3U fagen fjatten, lag gleidjfam in
ber #uft, bie ftünftler unb SJHtroelt gemeinfam atmeten, <peute bringen
mir nur langfam ju bem tfern if)re$ SBefenä burd); bie GrfdjeinungSformen
nehmen unfern 23lid 3U fefjr gefangen, bie UnooHfommenfjeiten ftören, bie
eigensten befremben uns; oft bringt erft umfaffenbeS Vergleichen bie
djarafteriftifaje 9tote jur Unterfdjeibung. föaben mir aber einmal erfaßt,
*) 2>er Jperr Skrfaffer beginnt eine 3foIgc öon Stubicn bcrauSaugeben unter bat
Xitel: „Staltcnifdjc ftorfdmngcn jur $?unftflcfdjid)tc*' (33re8lau, Sdjottlaenber). Qi ift
unS eine grofec tfreube, aus bem bemnädjft erfdjeinenben erften ©anbe bicfeS <3ammcl
wertes, meldier ben Ittel trägt: „2t. Martin oon SJucca unb bie 2luf finge ber toSfantjdx"
(Sfulptur im 2Jlittclaltcr" eine bebcutungSüoHc Sßrobe ben Sefcrn bon „9lorb unb Süb"
fd)on ieQt befannt madjen ju biirfen. 2>tc Sicbaction.
Google
Hifolans unb ^ofjannes ton pifa. ■ 235
worauf es anfommt, fo faßt eS wie ©djuppen oon unfern 2lugen. 2Bir fehen
ein, bafe alle SWerhnale be« ©tileS, bie nür fo forgfam beachten unb
fchilbern, bod) nur Siebenfache ftnb ober ber oielfadj bebingte 2luSflu§ beS
SBolIenS; bafe ber Urquell all biefer 9teu&erungSroetfen ftetS im innerften
Seelenleben beS ÄünftlerS, feine« BolfeS unb feiner 3«t &u Jüchen ift,
unb bafe all unfere f)iftorifdje Gf>arafteriftif an Sleu&erlidjfeiten fangen
bleibt, fo lange bie ©mpfinbung felber uns nicht aufgegangen ift.
So ftnb uns bie beiben bebeutenbften Bilbfjauer Italiens, roelct)e bie
©fulptur beS 3)litteIalterS emporgeführt, gar fange ein SRätfel geblieben,
wie fehr auch baS eifrige ©tubium ber Hntife bei bem ©inen, baS leiben?
fchaftliche Temperament bei bem 3lnbem ins 9luge fielen. SWolauS unb
3ofjanneS oon $ifa finb Bater unb ©ojjn. Unfere hiftorifdje Betrachtung
ift getoofmt, fie beShalb nahe miteinanber ju oerbinben. $er ©ine blüht
oon 1260—1280, ber 2lnbre oon 1277—1320; fie gehören alfo einer
jufammen^ängenben ^eriobe an, bie wir als „gottfch" ju bejeidjnen pflegen.
$er ©ofm ift gar unter ben 2lugen beS BaterS aufgemachten, arbeitet feit
1265 fdjon, aftenmä&ig genannt, gemeinfam mit anbern ©etn'lfen in ber
oaterlidjen SBerfftatt unb ift an ber tfanjel beS Zornes ju ©iena rote an
bem Brunnen auf bem £omplafc oon Perugia fo ftarf mit bem föaupt*
meifter beteiligt, ba§ es 9Jtonchem unmöglich fdjeint, baS Eigentum beS
©inen oon bem beS Slnbern ju fd^eiben.
Unb bodj — betrachten mir bie eigenften Söerfe beS SRifotauS unb bie
beS 30&<*nne$ nach einanber, ofme beS engen gamiltenbanbeS $u achten,
baS it)re Urheber oerfnüpft, fo fönnte nach geroöfmlichem Bebünfen ein
3af)rhunbert jroifchen itjnen oerfloffen fein, 9toch bem 3eu9m^ Der $enf=
mäler ift SRifolauS ber fpdtgcborene ©ofm einer alten 3eit, S^^neS oer
erftgeborene einer neuen. Unb unfereS ©radjtenS foQte biefeS 3eugniS ber
SBerfe in ber ^iftorifd^en Earftellung 3?ed)t behalten, auch gegen ben 2faS=
roeis beS ÄtrdjenbuchS !
$)ie 2Harmorfan$el im Baptifterium ju $ifa oon fttfolauS unb bie
SWarmorfanjel in ©t. 3lnbrea $u Sßiftoja oon SofjanneS finb bie beiben
rotchttgften Belegftücfe; benn fie bieten bie nämliche 9ietf)e oon 2)arfteHungen
unb beftdtigen fo ©djritt für ©d)ritt ben roeiten Slbftanb, eine ßluft in
ber furjen ©panne Seit $toifd)en 1260 unb 1301, too fte entftanben.
Bis jefet aber fjat bie Betrachtung beS erfteren SßerfeS fidt) immer burdj
bie Nachahmung ber Slntife, bie unleugbar barin auffallen mufc, oom ©r=
faffen ber ^auptfadje unb fo oom eigentlichen BerftänbniS beS SHeifterS
ablenfen raffen, deshalb fletten mir eine anbere Arbeit an bie ©pifee:
bie flreusabnafnne int Bogenfelbe beS NebenportaleS am $ome ju fiucca.
^Da ift enthalten, roaS SRifolauS oon ^ifa felber mar nach bem glühenben
SSunfche feines &eröenS; ba ift bie Xriebfraft, bie if)n angefpornt hötte,
bie herrlidjen Ueberrefte antifer ©fulptur mit emftgem Bemühen anjueignen,
in ihrem 2l*efen erfennbar.
IG*
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256 2Juguft 5 m a c s o n> in Breslau.
2luS rohen Stämmen ift ein niebrigeS Äreu* errietet, mit aufge*
flutteten Steinblöcfen, au« benen ber Scbäbel 2lbamS he™orbIicfr, $ur
. Sicherung am gufee, unb ber Cuerbalfen erfd^cint in natürlicher Krümmung
abroärtS gebogen, ber £inie ber umfaffenben SBölbung gemäfj. 2>on linf*
r)cr fommenb tritt 3ofeph oon 2lrimathia mit bem regten $u§ noch auf
ben ©rbboben, mit bem linfen gegen ben Steinhaufen, unb umfaßt mit
fräftigen 2Irmen ben entfeelten £eib, beffen ßänbe fdjon vom &ol$e getöft
finb. 3n lebenbiger ^Bewegung ftch felber #alt fdjaffenb, ftüfet er jugleid)
mit 33ruft unb Schulter, bie fidr> aufwärts brängen, bie Saft bes JlörperS
welcher am flreujesftamm ^erabgleitet, fo bafe baS &aupt, ber eigenen
Schwere folgenb, feitwärtS auf bie 9lchfel beä regten 9lrme3 finft. 9luf
ber anbern Seite bes ßreujes, rechts gegen baS ©eröll, fniet SRifobemu»,
bemüht in biefer fauernben Haltung mit einer 3^nge ben Stogel auSjuheben,
ber beibe Süfce auf oem Frettchen f efthält. SaS redete Sein beS ©e=
freujtgten ift über baS linfe gefd)lagen, unb fo bie Beugung ber foue
nad^ ÜOr" "no 5U 3ofcph he™oer, gefchieft motioiert, wäfjrenb fonft
in allen Gruciftren jener $e\t ber fd)lanfe Jlörper eine weit auSlabenbc
öogenlinie bilbet. Ü)iaria unb 3°hönneS haben bie beiben 2lrme tyxifti
erfaßt, ber 3unQer hinter 9iifobemuS, bie SWutter gegenüber bid)t
neben 3°fcPh> ~~ ftn ihren gewohnten Spiäfcen unter bem Sreuj, — unb
jeber nefct fein £eil mit frönen. 2J?aria trägt ben ganjen 2lrm, roie
cinft baS ftinb, auf ihren Rauben, unb neigt, barauf nieberfchauenb, i£pr
gramerfülltes &aupt, währenb ber Scheitel beS £oten fid) bem ihren nähert.
Johannes fajjt nur bie &anb mit ber feinen uub lehnt bie SBange an ben
lJlrm, roie er einft an beS -BteifterS Sruft gelegen. S)aS fmb bie ftaupt?
geftalten. $ann folgt ber Hauptmann tfonginus in römifcher äriegertracht.
2luf bie £an$e geftüfet, baS Schert an ber Seite umfpannenb, bltcft er
gläubig auf ju bem ©ortesfofm. ©an$ rechte in ber (Scfe fniet ein bärtiger
sj)tonn, ber auf uerhüüten ßänben einen ftorb ffilt $ie blutige £ornen=
frone, bie man oom &aupt genommen, unb bie 9?ägel au« ben beiben
&änben finb barin; ber Xräger wartet aud) ben legten sJtogel $u empfangen,
ber foeben gelöft wirb. Grüben jur Seite HRaria* ftel;t eine anbere ber
grauen, rool 3)?agbalena, in wehmütiges Schauen oerloren, unb in ber
(Scfe fniet eine $ritie mit einem £ucb über bem 2Inn unb einem Salb*
ölfläfdtdjen in ber &anb, ben £oten für baS ©rab ju bereiten.
So bilbet baS ®an$e in bem engen Gahmen, ber baS Sogenfelb
umfdjltefct, einen wolburdjbadjten Organismus, ber naa) eigenem 2MlbungS=
gejefc in biefem diaum geroad)fen fa)eint. 9Iöe Seroegungen ftnb flar er=
fa^t uub greifen uurffam in einanber. 2lßeö ift edjt plaftifd) in förperlidbe
2lfttou aufgelöft, uub biefe entroicfelt fid) nicht haftig unb bunt, fonbern
ruhig unb fühlbar oor unfern iUugcn. &>ir haben baS 2Berf eine« SWeifter*
oor uns auf Der £öl)e fetner ^raft. ^ie glücflichfte 2Bat)I eines 33eroegungSs
motiocs, bas ben tfeimtrieb beS gaujen SilbwerfeS enthält, r)at biefe
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ZTtfolaus un& 3otjannes von pifa.
237
Seiftung über bic uorgefdjrtebenen Bilbercnflen an ben ßanjeln f)inau$ge*
f>oben unb i|)r bie ^o^c 2lnerfennung gefiebert, bie fte oerbient. ©inftd)ttge
gorf^er müffen biefes 9Rarmorreltef in Succa aU bie STronc ber fünftlerifdjen
£ättgfeit be$ 9)?eifterä 9ßifolau$ betrauten. $er waf>rf)aft bilbnerifdje ©e^alt
audj im djriftlidjen Stoffe, ber f)ier £age geförbert ift, bie granbiofe
Äraft, mit ber fid) pfmfifd&e unb pfncfyifdje Bewegung oerbinben, &anbeln
unb ©mpftnben jugleicf) in fidjtbarer ©eftaltung erfdjeinen, — bieS ®e*
fingen fejjt ba§ eine SSerf in 3ul"ammcnbang mit ben größten 9fleiftern
ber ttalienifd^en Sfulptur, mit ©onatello unb SJHdjelangelo.
©oldj eine Schöpfung gelingt nur als 2luSbrucf ber eigenen Sinnens
art, wenn bie glamme ber Begeiferung au« ber £iefe be3 SlünftlerfieräenS
f>en>orbrid&t. £aben mir an ber flanjel ju <ßifa com %ai)xe 1260 bie
9tad)afmiung antifer Borbilber in ben biblifdjen ©efdjidjten, am ÜKarmor;
fdjrein $u Bologna 1267 in ber Segenbe be$ fjeiligen $ominifu3 ben erften
Berfud& ber ©eftaltung aeitgenöfftfdjen fiebenS, fo offenbart ftdj tytx
in Succa in glücflidrftem (Sinflang ber 2luSbrucf be$ eigenen ©mpfmbenS.
*
„2Bo ein 2faffd)wung im ©ebraua) ber £edjmf ftattfinbet", — fdjreibt
German ©rimm bei ©efegen^eit ber ^ifanofrage — bürfen immer 3been
oorauägefefet werben, ju bereu $>arftellung e$ ben 3Kei)ter brängte, bie er
iebod) mit ber oor^anbenen £edmif nic&t roieberjugeben oermodjte, bie ifm
alfo ju fudjen jwangen. £a$ allein f)ätte 9itfolau3 beroegen fönnen, fid)
bie Littel ber antifen TOcifter anjueignen. 2£ela;e 3been aber waren e$,
bie i^n biefe Ijö&ere gertigfett ju gewinnen brängten? . . . $ie 3been
festen offenbar. ©3 wäre alfo nur ber unbeftimmte 9ieij ber oortrefflid;ereu
9lrbeit gewefen, bie ed)önt)eit." —
3a, bie (£d)önf)ett, unb fie allein! muffen mir antworten, greilid>
niä)t bie äußerlichen Borjüge ber tedjmfcfjen BoHenbung, ber 2öert über*
legenen BerfalprenS, bie bem auSübenben ßünftler, ber bie Gräfte feiner
&änbe täglidj) erprobt, aflerbing« Beranlaffung genug 5U anbadjtSoollem
Söunbem unb fcljnfüd)tiger ©infeljr gaben, — befonberä bajumal, wo oon
gleichmäßig geübter £ed)nif fet)r wenig als gemeinfameä Beftfctum über-
liefert warb. 9iid)t ber unbeftimmte sJieij oortrefflia;erer 9lrbeit, ben aud)
ein «Steimuefc nod) amÄunftwerf wol empfinben fann; fonbern bic Sdjönljeit,
bie auä aßen ©eftalten ber antifen Ueberrefte immer flar unb lebenbig
fjeroorleudjtet, bie Sd)önf)eit be$ 9)fenfd)enbilbe$ oor allen fingen, in il)rcr
mannigfaltigen Offenbarung, wie fie ben geringen 3lbfömmlingen IjeUenifdjer
Äunft nod) gelang.
©iebt e3 benn bamals, aud) mitten im d^riftüd^en Mittelalter, nur
djrifUtc^e 3been, bie ben sMbl;auer beftimmen tonnten? Sollte i^ni, bem
äunftler, fei e« in natürlichem einoerftänbnife mit feiner beften Anlage
unb liebften Betätigung, ober im bewußten ©egenfafc ju ben aefetiftt)en
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238
iluguft Sdjmarsot» in Breslau. —
Dogmen bet ©taatSreltgton, nid^t ber Söert beS menfdjlic&en SeibeS au\-
gegangen fein, in bem wir nun einmal leben unb roeben? (Sollte er, wo
c^riftlid^e fiebensformen biegen SBert entrüden unb oerbunfeln motten,
nidjt beim 2lnbltcE bet bacd&ifäjen SSafe unb beS $ippolntoS=©arfopf>ageS
)u Sßifa, rote fo man$eS anbern antifen 99euteftü<feS, baS feine feefa^renben
Sanbsleute f)eimgebraä)t unb als ©djmud bei ben Heiligtümern ber ©tabt,
im UmfreiS beS Domes fetber aufgeteilt, in biefeS ebelfte SJhjfterium
fyeflenifdjen StfaturfinnS eingeroetfjt fein, ofme ba§ er fi<^ oerfiaubeSflar
Darüber SHedjenfdfjaft gab, rote er barob jum Reiben roerben fönne?
@S get)t ein ftoljes 33erou§tfein oon ber eigenen 5traft beS ^nbioibuinnS
burdj baS 3<* Wunbert, in bem er lebte; ber §of)enftaufenfaifer, mit
beffen 2Hufenf)of man aud) btefen anttfifterenben 33tlbner fo eifrig äufammen=
jubringen berfud)t fyxt, roar nidjt ber ©injtge, ber biefer ©efinnung ^ulbigte.
©eroalttge Gönner unb ftattlidje grauen, auSgerüftgt mit allen ©oben,
bie baS Dafein bieten unb erforbern fann, übermütige 3ünglinge unb
frifd^c Knaben, energifä) fyäfjlicfje SBeiber felbji unb roolgenä^rte SHöndje,
ja ftrofcenbe Äinber auf bem futterarm finb bie greube ber beften unb
oornelmtften Greife bamalS, bie Suft ber JlünfUer ooffenbs im Horben roie
im ©üben. 9tur Italien gelangt fpät, in lefeter ©tunbe gteidjfam, $um
bübnerifdfjen 3luSbrucf biefeS gütytenS.
Unb SWolauS oon pfa ift ber Präger biefeS SöoHenS. SS tft bie
aHer^eiligfte $bee beS bilbnertfc&en ©djaffenS überhaupt, bie U)n befeeü.
©oldje SJienfdjen ju mad)en begehrt er mit ber ©tut eines edjten Äünftler*
Degens, unb baS anfänglidje Unvermögen feiner armfelig gefc&ulten £änbe
mußte btes Verlangen nur fteigern, roie unbefriebigte Setbenfd&aft. Des*
^alb giebt er fid^ in bie ©dmle ber antifen Äunft, roo er foldje ©r=
fäjeinungen ftnbet, unb ringt in bem ftdjtbaren äroiefpalt jroifdjen SBoUen
unb Können, ©in f>errlid)es 2Beib, baS erj auf etruriföer Siföenfifte
ruljen fat), begeiftert tytt, ben SBert fold&eS DafeinS no$ einmal ju ge»
ftalten, unb fie roirb ifmt jum 2luSbrucf beS frotjen QbealeS ber Äirc&e:
5ur ©otteSgebärertn. Der Sinblicf eines ooübärtigen SHamteS, ber in roehu
feiigem 3uftanb nodj bie großartige gülle feiner Kraft beroaf)rt, 6eftimtnt
if)n, ben inbifdjen 23acäjuS jum $of)epriefter ftelrouaS felber $u meinen.
Vor ber natften ©a)önf)eit fjellentfdjer Jünglinge unb ben bemäfmten Häuptern
beS ebelften Nietes, baS bem rttterlidjen ©efdjledjt ber Kreujfa&rer ber
liebfte ©efäljrte roar, betet er beu ^PfalmenoerS: „3$ fabe SßoIgefaHen
au beS Joffes ©tärfe roie an 3emanbe8 Seinen," mit Unterfdjteif eines
einsigen 2£orteS, ber aofetifdjen Verneinung, unb in oollftait @inoerftdnbni§
mit bem ©djöpfer, ber nad^ SJJofeS fid^ am Hebenten Sage eingeftanb,
feine Kreaturen feien gut gemad)t. ©elbft bie 3UDen noc^, bie er —
als elenbe ©pötter unter bein 5lreu$ — in ben Shtgen feiner ©emetnOe
branbmarfen foU fo arg es ge^t, werben itmt mit iljren langen Härten
unb breiten Kappen lieber als er benft, unb fie fpielen gar unerlaubt auf
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Iltfolaus unJ) 30^anncs D°n P if a. 239
feiner Äreujigung eine prächtige gigur. Unb nun fein <£f)riftus oottenbs
am ÄreujeSftamm! 3ft eS nidjt ein £elbenleib, ben man fd)mäf)lia) an bas
&olj genagelt, ein 2Jtonn in ber SMfraft feiner %a1)xe oon fjerfulifdjer
Silbung in aflen ©liebem — gerabe fo wie bei XonateUo! $er Solm
ber Jungfrau ift tfmi unoerfeljenS jum Solmc beS 3upiter geworben. Unb
er liefert und gar ben 9tfad)wetS biefer ßerfunft an ber ßanjel $u spifa
felbffc; benn ba fteljt bie <$riftlid&e Xugenb „gortitubo" in ber leibhaftigen
©efialt beS natften ßerafleS mit Söwenfell unb ßeule.
Stonn eS nodj jweifelf)aft fein, wo bie $been ju fuc&en finb, bie in
biefem Silbner nad) SluSbrwf ringen? Unb bod) ift es unbifliy, ilm
als Reiben unb Äefcer ju fteinigen, ober aud) nur ifrni oorjuwerfen, baS
religiöfe ©efüf)l oerfage bei ifjm burdjauS. £aS Urteil freiließ barf allein
bei einer Aufgabe gefällt werben, wo aud) baS bilbnerifdje Staffen fein
©enüge finbet, 100 bie djriftlidje ©mpfinbung nid^t rein paffto oertyarrt,
unb was bie ßerjen innerlidj bewegt, nid)t in untätigem 93ef)arren nur
fidj offenbaren barf. $n biefem Sinne wirb uns bie tfreujabnafnne in
£ucca $um wertooHften 3^9"^ feinet eigenften SBefenS, in biefem Sinne
$um &öf)epunft feiner &ünftlerlauf6af)n. $)aS religiöfe ©efüfjl biefeS
SJtonneS ift freilid) nid)t fentimental, etwa wie baS beS ^eiligen granciScuS,
ntdjt neroös unb aufgeregt; aber welche Siefe beS 9tod>empfinbenS fe|$t
eine ©rfinbung oorauS, wie biefe Slbnafyne 00m Äreuje! (5s ift ber gro§e
objectioe <5d)öpfergeift beS ed)ten ßünftlerS, ben wir vor uns fjaben; er
benft wie bie 2lntife, nur im ©ebanfenfreiS feines eigenen 3af>rfwnbertS.
2)aS war für ben ^piaftifer ber fyödjfte £riumpf).
$amit aber ift 9itfolauS oon ^>ifa als ber frülje Vorläufer einer
neuen ©lansjeit erwiefen, bie länger als ein 3al)rf)unbert auf ftdj warten
liefe, bis 3>onatello fam, unb fein $al)rl)unbert bauerte, bis 9)tid)elangelo
bie 9)ienfd)enform mit @eift erfüllte, baß fie fprang, — jugleid) aber als
ber Sefctling einer SUmftperiobe, bie mit ifmt bat)in finft. Denn fowie
9iifolauS bie Stugen fdjliefjt, ift aud) baS £recento in 3talien erwägt, unb
alle ftoljen $beale bes ©ilbners oon Sflenfdjenwert unb SeibeSfdjönljeit
jerftie6en wie bie SNatmorfpreu unter bem genialifd;en SWeifeel — bes
eigenen Sprößlings.
*
Sdjärfer fdjeiben fiä) wol nirgenbs bie beiben 2i?e(tanfd)auungen, bie
aus ber fogenannten fpätromanifdjen unb jrüfjgottfdjen ilunft fo fpredjenb
fia) aud) uns nod) offenbaren, als swifcfjen 9tifolauS oon $ifa unb feinem
eigenen Sofm ftofjanneS. g^ts ift lefnreidjer als ein oergleid)enber Slicf
auf bie ftarfteHung beS ßreujestobes an ber tfanjel oon ©. Slnbrea ju
Spiftoja, ©iooannis 3Weifterwerf oon 1301. SMS auf wenige 3"lö^n giebt
er bie felbe Hompofttion wie fein Sßater an ber ^an^el 51t s£ifa. 2Ü'er
meld) ein Unterfd)ieb in allen Teilen!
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2^0 2Iuguft Sdjmarsot» in Breslau.
$er (S^riftuö feinem SaterS mar ein ©ötterfofnt, eine £ünengeftalt,
bie man [an& Äreuj genagelt o&ne i^re Sd)önf)eit unb 2)tonne$n>ürbe $u
uerlefcen. Unb ein ftönig bleibt e8, ber geftorben. $er <Sf>rifru£ be*
So^neä tyit für baä £eben fdum oon 97hitter 9totur nur fparlid) bie
©aben entließen, — nur fooiel, fd)eint e£, um unter ben (Srbenfinbern
3U roanbeln unb Urnen bie SRid&tigfeit alles gletfd&eS Su prebigeru 3m
£obe oollenbs erfd&etnt ber nadte ftörper, ber am £ol$e f)ängt, nur wie
ein armes gebredjlidjes ©efäfj aus #aut unb ftnodjen — ein 3ammerbi(b.
Sie SSruft ift eingefallen, ber Seib gefnidt, ber ganje fdjtoadje Sau ju=
fammengefunfen. 92ur ba* föaupt, ba£ jur Seite geneigt oornüber fallt,
bewahrt in feinen ebten burdjgeiftigten formen felbft im ©lenb nod) ein
&of)eitääeidjen. Sie grojje Seele, bie mit ,if>rer bliebe bie 2Belt umfaßt,
entflog aud biefem bürftigen ©efyäufe, — ba$ fagt ber 9lnblt(f, unb ba3
miß er eben. Sod) nid)t genug; ber tfriegSfnedjt mit ber Sanje ift gerabe
im ^Begriff baS (Sifen in bie Seite be£ ©etreujigten ju ftofeen, unb linfä
unb red)t$ Rängen auä) bie Sünber, bie mit tym an$ Äreu$ gebradjt, unb
bliden, t)ier mitleibig unb fromm, bort fyabernb unb oerfiodft, auf ben
Sulber, ber nun auägefämpft, in ifjrer Glitte. 2)a3 ift bie 3uta*>
3of>anne3 oon fßifa >ur Steigerung ber Sd&madj unb SRot t)ier einführt,
um feine ©laubigen noa) ftärfer §u erfdjüttern. Unb ©ntfefeen erfaßt bie oer=
fammelten Quben, roic unter bem 2lnblirf be$ 2Rorbe£. 2Bie oom Sturme
gejagt ftür3en fie tjinauS; nur betroffen, furdjtfam ober fdjaubernb bliefen
einige fid) um, ju flauen, ob er tot fei, ben fie Raffen. 3um ©et)en ge*
manbt, ftredt aud) ber Hauptmann £onginu£ bie &anb empor, su bef ennen :
biefer mar ©otteS Sofm. Srüben aber, rco bie Seinen bei einanber
fielen, ergebt fid) ber Säumers in feiner ganjeu Stärfe. SBie ein fdjneibig
Sajioert burdjbrtngt er bie Butter, bie f)ter roie töbtlia) getroffen jufammen*
brid&t. Sebenben 5luiced finft fie in bie 3lrme ber grauen, bie fie forgenb
umgeben, unb Ijaitenb jugleid) §um Äreuje emporbliden. 3oljanne$ fafct
iljre &anb, bemüht an Sof)neäftelle tröftenb teilzunehmen; aber ba$ eigene
5h>el) oer$errt fein Slntlife, ba$ fta; jum &errn Ijerumtoenbet, mit bem auaj
er feinen £alt uerloren. lauter benn alle jammert 3)iagbalena, mit aufs
gehobenen Firmen, unb ridjtet if)re Älage wie oöllig felbftoergeffen an ben
Xoten Inn.
So oertiefen fid) alle 3%^ beleben fid; innerlia) alle 33e5iel)ungen
unb fteigert fid) bas ©anje unter biefes Münftlers .panb ju fjoc&grabiger
Grrcgung. 2lHe 5Kul)c ber ^erfonen ift oergeffen, alle Sd^ön^eit ber gormen
wie bes lUugefid^te geopfert, nur ber 2lu*brucf beffen, iüa^ bie Seele be»
megt, wirb fyeroorgetrieben unb mirffam fo auap bem S8etraä)ter ju ©emüte
geführt.
Surdjgefjenbä finb bie ©eftalten in fleinerem ÜJiafeftab gegeben, fdjlanfer
unb feiner gebilbet. 9ftrgenb3 überwiegt mel)r bie greube an ber @rfa)einung
bei ftattlidjen ^eibe§, fonbern überall nur Bewegung unb Anteil bis %u
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ritfolans anb 3otjannes von ptfa.
pathetifd&er ©eftifulation, als bringe ber SBehlaut aus ir)rer Refye unb
ftelle bas SBort ficfj oernehmlich ein. 2)er Körper ift biefem $ilbhauer
nichts mehr als bas auSbrucfSfähtge ©efäfj ber (Seele, bie gemaltfam her*
oorbricht unb ungebulbtg an bem ©efängnife rüttelt, baS ihr colles 9JuS*
Hingen noch einfdhränft. ^Deshalb wirb oon bem ftnocljengerfift unb ©lieber:
Bau beS £eibeS unter ber ©ewanbung nur fooiel angebeutet ober burd)*
geführt, als jum 93erftänbni§ feiner etngreifenben Bewegung ober feiner
fprecfjenben ©ebärbe notwenbig geforbert wirb.
Stamit freilich eröffnet fidt) ber Äünftler bie $>arftellungSfähigfeit ber
ganjen £ragif <^rifllid)er Stoffe, erfdjliefjt er bie ganje hinretfjenbe $oefie
feelifd}er Schönheit, unb beginnt in genialifdjem ©ebafjren mit feinen
9)tormorgebilben %vl Mdjten, fo reich unb fo innig wie faum ein S^etter in
Italien. SRid^t breit gelagert entfalten fidj patriard)alifd)c Propheten, fonbern
wie in fidt) hineingefcfjlungen fauern fie, nur noch mimetifche Sombole beS
©ebanfens. Slidjt ^o^ragenb ergeben fid) ftolje Stbwllen als perföntid^e
SBerfünberinnen ber 2öaf>rf)eit, fonbern erbe6enb empfangen fie bie ßunbe;
jittemben Selbes f)ord)en fie wie angebonnert ber inneren Stimme, ober
wtnben fid) wie ein fchwanfeS 3Ro^r unter bem Sturm ber 23egeifterung.
9lber n>ie energifd) rebet ber ßngel im £raum ju ben Königen; wie be-
jeidjjnenb f)at er ben linfen 2ltm auf bie S3rufl beS Sd)lafenben geftüfct
unb ergebt bie Siedete hinauSweifenb in bie weite $eme! 2Bie gutmütig
rührt er ben fd)lummemben 3°fePh on ber Schulter unb rät ihm freunblich
ju bem SRettungSroeg! ©anj $emut unb Verehrung ift ber greife ßönig,
ber feine alten ©lieber oor bem ßinbe beugt unb baS güfed)en beS kleinen
jurn flufj an feine Sippen führt. Sßeldj innige «golbfeligfeit erfüllt bie
SRutter bei biefer &ulbtgung burdjj alle ©lieber ihres fd&lanfen SeibeS bis
hinein in ben 33licf ber Stugen, beren feelenoolle Xtefe mir ju fcr)en glauben!
SDaS ift bie flunft biefeS wunberbaren 9ttanneS, bem mir ftatt beS SJieifeelS
manchmal ben ^infel ober 3eid)enftift gegeben roünfd)ten, ober baneben
alle Littel ber Spracbe gönnten, nur ooll $u fagen was er im 9)tenfchen*
gebilbe gefdjaut unb empfunben.
2Ber möd)te leugnen, bafj mir bamit weit entfernt ftnb oon bem
natürlichen SluSgang unb bem eigentlichen SÖefen ber plaftifchen Äunjt, baß
biefe Seelenbilbnerei in Marmor nur noch an wenigen Söanben mit ber
leibhaftigen Äörperlid)feit sufammenhängt, aus beren freubigeT Söertfchäfcung
unb gefunber ©ntfaltung bie ©eftaltenbilbnerei einft heroorgegangen, aus
ber fie in glüeflichem ©elingen jur 3e^ hetteni)d)er Slüte ihre heften
Äräfte empfangen, unb ?u ber auch jefct wieber 92tfolauS oon $ifa, wie
jum echten Duicfborn fich 3urücfgemenbet hatte!
Man betrachte nur einmal bie jämmerliche Jigur, bie aus bem an*
tifen ^erafleS geworben, wo ©iooanni ihn als Vertreter ber Stärfe an
ber Äanjel beS Zornes §u $ifa (jefet als gragment im Gampofanto) oer^
wenbet, alfo fein Sbeal eineg naeften SianneS in oollfter Äraft, — unb oer*
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242
2tugufi Sdjmarsoi» in Srcslau.
gleite fic mit bem nädjften Sßorbitb, bem HerfuleS an bcr tfanjel feinet
SBaterS im Skptifterium. Sonft ift es überall bic <$rifUic&e ©ntfrembung
oon ber irbifd&en ©runblage bcr menfd<djen (Syiftenj, eine weit getriebene
^urdjgetftigung ber realen 9tatur, bie wir cor uns fjaben. Unb foHten
mir baS SBefen biefer 33ilbnerfunft ©iooannis d}arafterifieren, fo müßten
mir im £inblicf auf oerroanbte @rfd)einung in ber 2lrä)iteftur rool fagen: ganj
afmliä) wie bort bie Huflöfung be£ 2WaffenbaueS in einen ©lieberbau
fnftematifä) oofljogen toirb, ift es f)ier bie 2luflöfung ber Äörpermaffe in
ir)re ©lieber, ja bis in i()r Änodjengerüjt, bie $arfteu*ung beS <5onftruf=
tioen mit möglicher Verringerung aller nur fullenben unb umf)üHenben
Xeile.
$)te mimifäje gunftton jeber Sigur in ber Defonomie beS ©cmjen
lägt fid) oielfad) — gerabe fo roie in ben ergreif enbften üHalereien beS
©iotto — auf ein paar Linien jurüclfüjren, etwa roie in flüchtiger %n-
beutung beS SfeletteS, ober fo, nrie SSillarb be ^onnecourt feine ©eflalten
entroirft. $)iefe Ernten aber, richtig herauSgejeichnet, biefe geraben fiinien,
bie fid) fyod) aufreden ober in fid) jufammenfniefen, bie fid) beugen unb
roinben, mit ben Hebelarmen in mannigfaltiger Stellung ju einanber, mit
ben Dualen auf ber Spifce, bie fid) jurüdE ober oorroärtS ober nad) einer
Seite neigen, — biefe Smubole menfdS)lid}er ©ebärbenfpradje geben als
©efamtbilb baS ganje auSbrucfSoolle SBefen, baS leibenfd&aftUdje ^at^os
feiner Schöpfungen roieber.
Eocf) märe es unrichtig, ben Gtjarafter ber Äunft ©iooanni $ifano's
allein aus feinen 9ieliefffulpturen beftiinmen ju moüen, ober nur bie
Statuetten (jerbeiäusieffen, bie an ben ßefen unb Prägern feiner flan^eln
in fühlbarer Slbjjängigfeit com größeren ©anjen erfejeinen. 2ludc) bie
greifiguren muffen ju äßorte fommen. Sie finb unftreitig burd) entfa)iebene
ftatuarifdje Haltung auSge$eid)net. So bie herrliche SHabonna im ^ogen--
felbe beS Hauptportals am 23aptifierium $u $ifa ober am Scrooea,ni*
©rabmal ber (Sappella bell' Slrena 3U ^>abua, ja felbft bie Keine (Elfenbein*
ftatuette ber Gappella betta Gintola im $om ju ^rato. Unb bod) oer*
banfen auef) fie iljre ^öirfung nid)t bem eigentlich plafttfchen ^rm$ip, ber
befrieoigten Entfaltung beS ganjen SeibeS in feiner auSbrucfSoollen 93e=
beutung, als oielmeljr einer fremben Spotenj, beren ©rfenntnifj roieberunt
bejeugt, maS mir ^erauSfteHen möchten. Johannes oon ^ifa ift trofc ber
©eftaltenfülle, bie er in überftrömenber Scfjaffensluft ^eroorbrängt, burdt)
unb burd) $ird)iteft, — eben als gotifdjer iöaumeifter gefdjult. Seine
Statuetten an ben ßanjeln haften mit bem 9iücfgrat in bem aräjitefto*
nifd)en ©liebe, baS fie fömücfenb oertreten, unb beugen fid; in Ausübung
biefer befonberen gunftion unter baS ©efefc beS s3aueS, bem fie bienen.
£aS oerrät ganj beutlid) nod) bie fleine SJiabonnenjtgur im -Biufeum ju
^Berlin, bie mit ihren auffaflenb furjen Proportionen unb ihrer abhängigen
Haltung unzweifelhaft einft bem 3roif«henpfeiler einer ^rüftung oortrat.
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Zlifolaus un& 3otya'tN*s üon pifa. 2^3
2ln geroiffer ©teile geht bie organifdje gorm gleichfam in bie unorganifche
über, unb ber befecltc SRabonnenleib wirb roieber jum 2Warmorblod. $a*
gegen befreit ftch bie 2luffaffung beinahe ganj in ber roürbigen <prieftas
erfdjeuwng am (Sdpfeiler ber Stanzt $u ^iftoja, roo ber 3Weifler jidj offene
bar faft ebenfo unbeirrt ber 9totur fcXbft gegenüber befinbet, wie in ber
^ortratfigur be« Scrooegni ju $abua, bie unabhängiger für ft<h be*
ftehenb, noch ardjiteftonifcher befangen bleibt. Start be« bibltfchen 9laron
ober eine« jübifchen fieoiten giebt Johanne« ba« perfönliche Slbbilb eine3
©eiftlidjen au« eigener Umgebung in ^iftoja.
2lud) au« ben freiftefjenben Statuen be« ©iooanni $ifano fpriebt
ftet« bie ar$tteftonif$e ©runbform. Sie fteigen oon m'erecfigem Södel
ju einem ^ö^epunfte empor, oerjüngen fid) fomfdj nach oben, gipfeln im
flopf faft roie in einer Spifce mit ßreujblume barauf ; — fie fmb organifet)
aufgelöfte gialenrifen. Cber, geht unfer 2luge oon ber Betrachtung be«
au«brud«oollen Raupte« ber 2Jtabonna, ber Slrme mit bem lebenbtg be*
roegten ßinbe au«, fo nimmt bie Befeelung fühlbar ab, je weiter roir ab*
roärt« bliden, unb ber SWarmorblod al« oierfantige ^Jnramibe macht ftch
fdron im reiben ©eroanbe, ba« ben 93oben berührt, a(« teftonifche SRaffe
fenntltdj. enthält nicht bie ßalbftgur im (Sampofanto ju $ifa alle«,
roa« ba« grauenbilb al« folebe« ju jagen hat?
©enug, roir finben in biefen (Sinjelgeftalten be« 2)teifter« ^o^anne«
nur betätigt, roa« roir ben Relief gefliehten bereit« abgewannen: ber Sofm
be« SRitolau« oon $tfa gehört ber ftrengen ardjiteftonifchen, auf fonftrufs
tioe Berechnung gerichteten flünftlergeneration; er ift ein entfdjiebener
unb eifriger Vertreter ber „©otif." 9lber fprtcht benn nicht beutlicf>er, a(«
biefer (rinflufj be« Strdjiteften auf ben Bilbhauer in einer unb berfetben
Sßerfon, feine 2luffaffung ber menfchlidjen ©eftalt in mannichfaltiger Be=
Siehung, fein $rang nach 3lbftreifung be« gletfdje« 311 ©unften be«
mimifdjen Apparate« au« ßnoebengerüft unb Sefmenbänbern, — fpriebt
nicht beutliajer al« alle« Uebrige bie grunboerfchiebene ©mpfmbung, bie
roir beim Bergleich mit feinem Sater überaß f)eröorbred)en fet>enV 3n
feinem eigenften Ottern allein giebt e« eine 2Introort auf bie grage, roe«*
halb fid) ber Solm 00m Bater lo«gefagt unb bie gormen ber 2lntife, in
benen er gefdjult roar, bie teuerfte ©rrungenfehaft feine« &hrer«, lieber
aufgab V 9flit ber ganzen Seibenfä^aft religiöfer Begeiferung roirft er bie
Schönheit be« fraftooüen 3fienfd)enleibe« oon fid), um nach bem 2lu«brud
ber Seele, ber Schönheit be« inuern SNenfchen allein ju ringen.
Sit e« erlaubt sroei fo oerfdnebene, fo grünblia) entgegengefefete @r=
fdbeinungen in ber ©efrt)id)te ber Btlbnerfunft äufammenjuiochen, roeU fie
Seitlich, örtlich, perfönlich fo nahe ftehen? 9?ur ba« enge gamilienbanb
rechtfertigt einigermaßen bie geroolmte Berbtnbung beider Hünftler in unferer
hiftorifchen Betrachtung; aber auch nur, fo lange fie eben btographifch bleibt.
Sobalb un« bie flitnft al« notroenbige 3leuüerung be« ^enfehengeifte« iljre
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2^ 21 u g u ft Sdimarsoro iit Sreslau.
©efd)id)te als ein unoeräu&erlidjer Seit ber TOenf^eit^gefc^id^te erf$eint,
werben SRifolauS unb SofjanneS von $ifa $u Sinei oollftänbig bur$ge^
bitbeten £npen oerfd&tebener (ftttroitflungSpljafen. $er $ater geftaltet au*
einer in fidj befriebigten Seltanfd&auung fjerauS, ber Döllen Sebeutung be$
eigenen fieibes rool beroufct, unb bezeugt fo ba£ felbe DafeinSgefüljl in Italien,
ba£ eine Steide glüdliajer SJietfierroerfe franjöftfd&er unb beutfa)er ©futptur
un$ für ben Horben aufeer 3wi\tl ftelü. £)er Sof)n, im SMbefifc biefeS
ÄönnenS, gerät in offenen 3n>iefpalt mit biefem Sbeai ber fpätromanifdjen
flunft, unb roirft fu$ mit (Sifer ber fird&lidjen 3tujfttffung in bie 9lrmef roetier
biefer irbifäe £eib nur al£ eine uergänglidje, roertlofe, ja fjaffenSroerte &ülle
gilt, bie, fo lange mir in i(jr Raufen, nur als auSbrutfafäfugeS ©efäfc ber
unfterbltdjen Seele 23ebeutung empfängt. Sie bie ßtraje ben <£in$el=
menfajen nur als ©lieb beS ftrenggeorbneten ©ottcSreidjeS anerfennt, fo
geftaltet biefer 9lrd)iteft feine SNenfapengebilbe nur in 5lb§ängigfeit uom
ftrenggegtieberten Slufbau unb roirb fo $um ausgeprägten Vertreter beS
gotifa^en ©mpfinbungSlebeuS. £er 33rud) snrifdjen Später unb Solm be-
beutet bie Sdjeibung sroeier 2)?enfdjenalter, jiueier langen großen Jhmft'
perioben, in bie baS ganje Mittelalter fidj auSeinanberlegt.
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<ß=Z)ur.
€ine KammermufiMToDcUe.*)
von
Karl (Bjellerup.
— Däncmarf. —
ft fein SBrief für mid) ba?
,,2)od), e£ fam einer mit ber 9to<$mittag$poft. Gr ift
auf ba3 3immer be$ £errn $octor gebraut roorben. Er. 11;
Ijaben 8ie bie ©üte."
SSilfjelm &cr$ nafyn ben Sdjlüffel unb ftieg bie finftere treppe be3
„SBeinfjaufeä" hinauf. 3m erften 6tocf trat er in ein 3immerd)en, bas
nad) bem SDiarftplafce 5U lag.
2luf ber fä)ief f)erunterf)ängenben £ifd)bede lehnte gegen ben ange;
laufenen 3J?effingleud>ter ein fleiner ©rief. SBityelm fud)te au£ ber Xafdje
einer 2£efte in feinem Sfleifefacfe ein gebermeffer fjeroor unb fd^nitt forg*
fältig baS Gouuert auf. 2ll£ er ben 23rief entfaltete, fiel ein 5Mlb auf
bie Xecfe nieber.
GS war baS 23ruft6Ub eines jungen 2ftäbd)enS.
6ie mujjte fdjon ü6er bie 9)citte ber ßroanjig fjinaus fein ; aber bie
einfadje, bürgerliche 2(nmutf), roeldie über iljrem t)etter=offenen ©end)te
ausgebreitet lag, ließ bie $}e$eid)nung „junges SJJäbcfycn" richtiger als bie
„junge $ame" erfd>einen. Qljr ©cfidjt mar nid)t eigentlich fd)ön, bie
von bem bünnen, glatten &aar gleia) rote uon einem polirten Malmten
eingefaßte «Stirn ein roenig ju fjod), bie brauen allsumädjtig, ber SDtunb
nid)t fein gejeid;net. 2Iber biefer 9)?unb mar djaraftcruoll, unb bie ge*
*) SluS bem Sänifdjen öon SBil^clm 28olter&. ©u^fle autorifirte unb 00m
JBtrfaffct ffc&f) biirdjflcfcfjcnc ?lu$gabc.
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2^6 Karl (Sjellerup in Danemarf.
fdtfoffenen Sippen lächelten fo finblid>arglog, fo uertrauenb, bafc 2x>ilt)efnt
ganj gerührt auf ilm h*™teberblicfte, ehe er begann, ben Brief fetner
Verlobten &u lefen.
$>er Brief plauberte ron ihrer SRutter, tocC^c 3ahnfcfjmer$en gehabt,
unb oon ben f leinen ßnaben in ber Borbereitungsfchule. £)a hatte j. B.
einer t>on ben jungen angejetgt, ba& ein anberer ben »ermegenen 2Bunfch
auegefprodjen, gräulein ^ngerlleo gerabe auf ben Sttunb füffen ju bürfen
— unb bie fchelmifche grage war hinzugefügt, ob er fold) einen thöridjten
SBunfdh begreifen fönne — fo bafe e$ faft fo auSfah, als fei bie ganje
©efchidue nur um btefeS 3"^e5 willen erjagt worben, wie bie gabel
wegen ber Floxal Unb jum Sdjluffe fam bann enbltd) ber eigentliche
&auptpunft, ob er Sonntag, an it)rem ©eburtstage, jurücf fein werbe.
6ie Ratten bie 9lbficht, eine 3af)rt in ben Sßalb ju unternehmen; wenn
er aber nicht fommen fönne, wolle fie bod) lieber $u £aufe bleiben.
„Natürlich fann tcr) fommen, felbftoeritänblicr) fahren mir in ben
Söalb, bu füfjeS 3ttab<hen," fagte 2Bilhelm oor ftd) \)\n, inbem er feine
Briefmappe öffnete unb fict) jum Schreiben bereit machte. Gr fei nicht
fef>r erbaut oon ber &efjrerfteHe auf &erluf3holm unb glaube, er muffe
ben Pan, fid) um fie $u bewerben, aufgeben. £0$ wolle er noch ben
nächften Vormittag mit einem ber Slbjuncten fpred)en. $)ann ^abe er
nicht* mehr in 9toeftoeb ju tt)un, unb wenn fie atfo am Sonnabenb um
9 llr)r 2lbenb§ auf bem Bahnhofe fein würbe, fönne fie "bort um-
armen it)ren
getreuen
SSityelm.
2)urch ba3 offene genfter, nat)e beim Soprja, bläßte ber SBinb ben
bünnen, weifjen Borhang auf, beffen geftopfte Stellen ftch oergeblid) in
ben galten bes großblumigen 3Kufteri ju oerfteefen fugten. 2£ährenb
Sffiiltjelm ein (Souoert ^eroor^olte, würbe ber Brief 00m Xtfche gewebt,
unb ber flattembe 3ipfel be3 Borf)ange3 fegte ba£ BUb auf ben »oben
hinunter.
SSilhelm erhob ftd), um ba$ genfter ju fdjliefeen, blieb aber an bem=
felben fteljen, beugte fict) über bie Brüftung unb fal) auf ben fletnen
•ätfarftplafe tymb.
$a3 holperige, frummlinige ^flafter lag faft ganj im Statten bes
„SBetnfjaufeS" unb ber ßirdje, bereu rotljer $hurm in ba3 Sonnenlicht
hineinragte. 2lu$ ben Scrjornftetnen ftiegen langfam bünne 9toud)ftreifeu
empor uub fct)ienen in ben fletnen, weißen SBolfen ju gerfließen, bie über
ben eingefunfenen girften ber 3iegelbäd;er aufeinanber gefeuchtet lagen.
Schräg gegenüber 5wttfd>erte ein Äanarienoogel im genfter ber Banb--
hänblerin; um ba3 $ad)gefim3 f läppte ber glügelfdjlag oon Rauben; ein
£unb bellte; auf bie hohe, fchrttte Stimme be« &au$fned>te$, welcher ihn
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<ß;Dur. 2^7
necfte, antwortete oerbroffen bie grollenbe eines Sattlers, ber in ^gembSs
ärmeln auf ber oberften fdjrägen Stufe ber Keinen SSortreppe feine pfeife
raudjte. 2tb unb $u rumpelte oon ber Äirchgaffe r)er ein SBagen über
eine @cfe beS 3Rarfte$, unb gerabe unter ihm, n>o ein fianbauer auf feine
$errfd)aft wartete, erflang baS ungebulbige Starren t>on SPferbefmfen
unb baS teife Älatfdjen ber ^eitfdje.
@S fd)ien als ^dtte ber 2lnblicf btefes einfamen SJtorfteS mit ben
Steuerungen feinet fletnftäbtifchen Sebent ben ©ebanfen SBilhelm'S eine
anbere Weitung gegeben, ©r breite fich plöfclidj um, \)ob ben 33rief oom
33 oben auf unb fteefte ihn mit einer Saftigen Bewegung in baS Gouoert.
$ann nahm er feinen &ut unb ©erliefe baS 3^mer.
$>as 33ilb blieb neben einem SCifdt)6ein auf ber $iele liegen unb
ftarrte mit feinem gutmütigen Säbeln nach ber fiedigen Stubenbede f>inauf.
Unter all ben oielen, wunberbar mannigfaltigen Stimmungen, meldte
ben 3J?enfdjen ergreifen, giebt es wohl feine, bie ihn fo ganj unb gar
$u beherrfchen im Stanbe ift, wie jene, bie ud) feiner bemächtigt, wenn
er nach Qa^ren eine Heine Stabt wieberfteht, in ber er einft geliebt hat!
Sie fct)eint bort auf ilm gelauert ju haben, biefe Stimmung, ßraft
gefammelt ju haben in ben überwucherten, feuchten ©ärtdjen, unter Jeuer •
litten unb in $aSminlauben r)tnter fd)warjen Sretterjöunen — fcheint fidr)
oerfrochen ju haben in ben Äaufmannshöfen §wifd)en Jäffern unb Sailen,
unter 2Bagenfd)uppen, in £aubenfchtägen — fia) ^irtgefd^Ud^ett $u haben
an ben fchiefen ^äufermauern ber grünen, graSbewadjfenen ©afjdjen —
auSgefpäht ju h^ben oon ben Äirchthürmen unb ad ben winbbewegten
HWühlen ber &figel — ob er nicht einmal wieberfommen werbe, bafc Tie
ftch auf ihn frühen fönne wie ein SBampor unb fagen: „$ier bin ich
noch- 34 hflbe £)id) erwartet, nun bift $u mein unb ich t<*ffe nicht
mehr. 3)u follft mich m^ forttragen, unb weil £)u baS Sleifch unb
33lut, baS $)u hier geliebt h^ft, nicht mehr finben fannft, follft $u mich
lieben, mich 2)ein föerjblut faugen, mich feftflammern tnffen an jebe Jafer
^Deines SebenSneroS!"
©in Stäbtdjen! — %n ber ©rojjftobt r)at baS ewig treibenbe Seben
ju oiet oon jener oerftoffenen 3^it jwifchen feinen SRahlfteinen jermalmt, ju
oiele ber Keinen, feueren (fr innerungsmerfjetdjen unter feinen taufenb Sohlen
glattgetreten, jene Stimmung in feinen ruhelos arbeitenben ^oln penarmen
erbroffelt ... Unb auf bem Sanbe fegt ber SBinb gar ju frifa) über baS
gelb unb burd) ben SBalb, bie ^ftanjen oon bamals finb oermobert,
anbere ftetjen an ihrer Stelle, ja fetbft bie Schnitte ihres 9tomenS$ugS
im biefen 33aumftamm finb oerwachfen ober bie SRinbe jeigt nichts mehr
als eine oerfchwoHene SÖunbe. Unb bann ift baS SBetter nicht wie bamalS,
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2^8 Karl (Sjelierup in Dänemarf.
unb bie ©egenb fa;aut anber* brein. Dber bie ^re^eit iji nidjt bie=
felbe: «lätterfall ftatt SBlumenfprie&en, fitlien ftatt Sdmee . . .
3n bcm f leinen Stäbtapen aber finb bic Steine nodj biefetben; ift
audf) eine Stra&e neu gepftaftert, fo ift fie bod) nur ein wenig ebener unb
regelrechter geworben, wie es ja unfer Seben mit ben Sauren audj ge=
worben ift. Unb im Uebrigen finbet er MeS in ber alten SBeife, in bem
alten ©eleife: ben 9flarftplafc, auf bem baS Denfmal ftriebrid) VII.
feinen Schatten auf bem fonnigen ^ftafter um fiä) f)erumbref>t, in @r*
mangelung eines befferen 3citoertreib§ — bie &auptftra&en, in benen ein
paar weifegetündjte, jweiftödige SRauern jwtfd&en ben bunten ftäuferdjen
f>eroorragen, mit goßnenben Äaufmann^le^rlingen in ben Sabentfjüren,
mit Manfgepufcten genfterfdjeiben, bie oon 2lugen unb plattgebrücften
ÜRafen wimmeln, wenn ein geberwagen über baS ^flafter rollt, mit (Spiegeln
oor ben genftcm, weldje bie ©efyeimniffe oon anbertf>alb Strafen oer*
ratzen würben, wenn es folaje gäbe — ©äfcdjen, bie ben $ügel fjinan;
flettern, mit •Winnfteinen fo grün wie bie ©räben ber Sanbftrafje, mit
eingefunfenen, oon roftigeu ©ifengelänbern eingefaßten Xreppd&en oor
ben #austf)üren unb mit einem glieberbaume, ber eingejwängt swtfdjen
jwei gelben ©iebelwänben über einen oermoberten 3<*nn fjerüberlugt. . .
(Ss ift alles fo beifammen, gerabe als ob es befonberS für ifm befteUt wäre.
Die fleine Stabt f)at oielleiä)t in 2lugenblicfen beS SRaufdjeS einen
ftoljen Xraum geträumt oon einem eigenen Sweater mit Decorationen, weldje
bie beS GafinoS übertrumpfen unb fi<$ mit benen beS ßöniglidjen S^eaterS
incffen fönnten. Sie f)at aber fidjer nie gebadjt, bafc fie felbft eine 33üfnie
fei mit fo ftilooller Scenerie, wie fie faum anberswo ju finben wäre,
alles fo fertig unb bereit, als ob man nur auf bie ^rimabonna warte,
bamit baS Stüd beginnen fönne.
2lber bie ^rimabonna ift oerf)inbert . . . Die ^rimabonna ift ge^
ftorben unb begraben, bie ^rimabonna ift nad) ber 9^efibenjbü§ne gegangen
unb unter ben Glwriftinnen oerjd&wunben ... Die $rimabonna giebt
©afiroHen in ber SBelt unb wirb oon Xriumpf) ju £riumpf) getragen . . .
Die ^rimabonna l)at ber flunft ben dürfen gefegt, fie ift oertjeirat^ct
unb i)at itinber unb ^fliajten befommen ... Die ^rimabonna ift —
gleidf)oiel was — fie fommt niajt.
Unb ba getjt ber erfte Siebfjaber allein jwifdjeu ben ftilooUen Gouliffen
umljer unb fingt bie Stelle beS Duetts oor jufc l)in, uad) ber immer ber
große Applaus fam — aber ber Sopran fällt nidjt ein, unb if)tn bleiben
bie Däne im &alfe fteden; uerftummenb fteljt er füll unb fdjaut bie alte
©äffe hinunter, an beren (Scfe fie bei ifjrem Auftreten erfdjeinen mufete
ober auf ben .2Iltan hinauf, wo fie fid) einanber beim Sidjit beS eleftrifdjen
sJ)JonbeS ju umarmen Ijatten.
So ftanb jefct SHiltjelm £er* an ber &fe unb faf) bie ©äffe hinunter
unb ftarrte nad; einem grauen ,\;>auie, als ob jer etioaS ardjiteftonifd) 3Jierf--
i
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(ß'Dur.
2*9
roürbigeS an Meiern 33ou fönbe, ber freiließ unter feinen 9toa)barn ber
anfefmlidjfie roar, aber aud& berjenige, roeldjen ein Mnftler am roenigften
ftimmungSoott gefunben (jaben würbe.
©Ott roeifc, backte er, ob jefct roieber ein 2)ragonerrittmeifter im sroetten
Stocf roofmttf ob er £öd)ter t)at? ob roofjl eine oon Urnen fo fd)ön ift roie
darrtet (Sdmlfc? . . . 3tber nein, baS wäre 5U viel, bafc fo ein 9iefi roie
9toeftoeb met)r als ein fotd^eS SBefen roätjrenb eines SHenfdjenalterS be*
Verbergen iollte!
SBirflid) jeigte fia? in einem ber genfter ein jugenblidfjeS 9Jtäba)en*
aefidjt, fei eS nun, ba& es einer Stttttmetftertodjter ober einer geroöfmlidjen
ßiotliftin angehörte. £s jog fid) roieber in baS Eunfel jurüd unb rourbe
balb barauf in bem nääjften genfter fidjtbar, roo einige SBlumen ftd) fel)r
langfam mit 2öoffer begießen laffen mußten. £ann fanb fic§ etroaS Un*
orbentlidjes an bem 33orl)ang ; unb als bies juredjt gemalt roorben roor,
fieQte fid) bie 9?ott)roenbigfeit t)erauS, baS genfter $u öffnen, fia) t)inauSs
julelmen unb fer)r angeftrengt erft bie ©äffe hinauf unb bann naa) ber
iörürfe r)insufef)en, bis julefct auf bem 9iüdroege ber 23litf jufäöigerroeife
auf ilmt oerroeilte, ber ja aud) ein ©egenftanb fo gut roie jeber anbere roar.
9lergerlid) barüber, bafj man itm bemerfte, unb fet)r roenig $uin
Äofettiren aufgelegt, breite er fid) um unb ftubirte, efje er weiter ging,
eine Goncertanjeige, bie an ber ©de angeflebt roar.
<3ie erinnerte ifm an einen Sonnabenb, an bem er mit Harrtet $us
fammen ju einem folgen ßunftgenufe gegangen roar. ©ine ftopenfjagener
spianiftin, roeldr)e 9iuf)m unb ©elb in ber^ßrooinj fudr)te, t)atte ein (Soncert
gegeben, unb bem SRittmeifter ©d>ul$ roaren als einem ber oome^mften
Honoratioren ein paar Mittele $ugefd)i<ft roorben. $er föittmeifter aber
wollte nadr) 9iaonftrup §um Herreneffen unb feine grau rjatte Migräne, fo
bajj gantet unb er allein gefjen nmfeten. 2£äl)renb er nun bamalS in feinem
©aftjimmer auf unb abfa)ritt unb fid) anfleibete, roar es ifmt eingefallen —
er erinnerte fia) niäjt metjr roie — burd) baS <Sd)lüffellodj in'S Spetfes
nimmer r)inein*uguden. 2Die £t)ür oon biefem nadj ber 3öot)nftube ftanb
aber offen, unb ganj an ber anberen ©eite ber (enteren erbtiefte er Harrtet,
roeldje fo fat), bafj man.itjr ©efia)t feljen fonnte. @S roar ein roenig
nieb ergebeugt, fie festen ju lefen. Unb fo blieb fie bie ganje öber
Hfeen, roät)renb er fid) anjog unb alle 9Iugenblide roieber hinein fat). ^pio|j;
lief) err)ob fie ben Äopf unb flaute gerabe nad) itnn f)in, fo bafj er oer=
roirrt einen <5d>ritt jurürftrat. .^nbem er mit ber faemb nad) feinem leiben*
fcfyaftlid) flopfenben H^jen füllte — roas um fo leidjter gefd)et)en tonnte,
als er otme 2ßefte roar — geftanb er ftd), baß er oerliebt fei. Unb er
faf) einen gingerjeig beö ^immelä in bem merfroürbigen 3ufa^/ Da6 ^e
fidj) gerabe in ben Se^freiS feines 2luge£ gefegt fiatte, ben ifyr ©efidjt
beinalje ganj ausfüllte . . . Unb roie Ijatte er fid) bann an irjrer »Seite
Verb unb eiib. LT., 15«. 17
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250
Karl (Sjellerup in Dänemarf.
in beut halbleeren Saale mährenb be£ mittetmä^igett (SlaoierfpielS ergoßt 1
Wein ©eroanbhauSconcert hätte einen tieferen Gtnbrud machen fönnen.
3n bev 9täf)e ber 23rüde ging er ju einem Kaufmann hinein, um
feinen 33rief franfiren gu laffen. ®er Gommte, melier bie Warfen burch
einen gauftfchlag feftflebte, u>är)renb er zugleich ben Sehrling ausfdjalt, mar
berjelbe, melier bamalö fo oft in ber Sabenthüre geftanben; unb al$ ber
Kaufmann feinen &opf burch ba$ fleine Gontorfenfterchen hinter bent
£abenraum ftedte, um ju jerjen, ma$ e$ gebe, erfannte SBilhelm aueb
beffen »ergraute« ©eficht mieber. Gr mar e$ geroefen, ber ihn unb
Sarriet fo eifrig unterhalten hatte , ale fie eine« SBoroüttagS oor bem
biegen ju ilmi ^rein flüchten mußten. 91ein, mie es bamalS gegoffen
hatte ! 2luf ber $auptftraße brausen f onnte man oor SBaffer ba$ ^flafter
nicht ferjen, unb ba3 ©äßchen herunter, meines gerabe gegenüber nach ber
Äirdje hinaufging, fam ein mahrer Sergftrom h^rabgeftürjt, roirbelnb
unb jd)aumenb um bie fleinen treppen oor ben Käufern herum. 2)ic
^ferbe eines 33auerntr>agen3, melier aus bem Sljor beS Kaufmann*:
häufet h^uSrooHte, mürben fcheu, als fie ftatt einer Strafte, einen Jluß
fahen, unb ein 2Rann fiel, fo lang er mar, in ben Stinnftein, naapbem
er auf ein 23rett getreten, baS fdmn längft mie ein gloß nach bem
Jluffe hinunter gefchroommen mar, $arriet ^atte gelacht; benn fie war
ebenfo leidet ju ©elächter unb Schern bereit mie wm Graft, unb er mußte
felbft nicht, roaS ihm am meiften an ihr gefiel . . . £>ann mußten fie fta)
julefct baS fleine Stüd nach &au[e burch §öfe unb Jüchen gleichen, burch
(Stuben unb §intertt)üren; benn es mar nicht baran ju benfen, burdh bie
Straße su roaten. Unb er fah noch im ©eifte, mie gefefcidt Tie fid?
gmifchen ben ^ßfüfeen Innbuidj au pnben mußte unb mie anmuthig fie
barüber erröthete, baß fie fich fo h°# fdhürjen mußte — benn fie mürbe
roth über nicht« . . .
Tie SBrüde mar grell roth angeftrichen, baS mar eine 9Jeuigfeit für
il;n; bie einzige außer bem ^flafter ber SBrüdenftraße unb bem Sweater,
bie er in ber guten conferoatioen ©tobt SWaeftoeb entbedt hatte. Unoer^
änbert aber mar baS fleine anheimelnbe §aus, roeld>S mit feinem fteinemen
Södel im Gaffer ftanb unb in beffen faft nur eHenbreitem ©artenftretfen
aua) h^te alle bie hochftammigen SRofen blühten, darrtet unb er wäre«
einmal barüber einig geroorben, baß in biefem ,§aufe eine gute alte
^farrerSioittiue uom Sanbe molnten müffe, melche fich «i<&t h^tte ent=
fdjließen fönnen, nach ber lärmenben SHefibenj überjufiebeln, fonbem bie
ihre fleine ^enfiou hier genießen moütc, an berfelben üBrütfe, über toeldK
fie mit ihrem 9)ianne fo oft in ber alten itutfehe mit ben fleinen Traunen
gefahren mar, menn fie nad) bem Stäbtchen famen, um Ginfäufe $u
machen, &arriet hatte gemeint, baß aud) eine Tochter, bie einen ftinber:
garten befäße, ba fein müffe — ein paar 9Henfchen mie ^rau Sngersler
unb aparte, hatte SUMlhelin gebad)t. Gr märe fd)on bamaU fehr vcrmunbeit
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<S«Dur. 2ö{
unb enttdufd)t gerieten, wenn man ihm gejagt hätte, bafe er neun ^a^re
fpäter als SJlarienS Verlobter biefe VrücTe betreten follte!
Xer ©ebanfe an feine Vraut fanb feinen freunbtidjen Söiberhall in
feinem ^erjen bei ber Stimmung, welche lfm ju beherrschen begann. Unb
er »erliefe ti>n auch balb nueber, als er ben gufeioeg nach föerlufsholm
Ijinabfchritt — benfelben SuB^a,* roetä)en $arriet unb er fo oft geroanbelt
waren, wenn ber Schatten ber h<>hen @fa)en fidj) über baS formale Sommers
fcett beS ^lüfedEjenä breitete unb feinen 3acfi^en Saum über baS frifdje
SSiefengraS unb auf bie Vüfche beS auberen Ufers legte, bort reo baS
bunte £aub beS Stabtparfs in ben fd)rägen Straelen ber 2lbenbjonne
erglühte.
üöei jebem Stritte auf biefem SBege mürben neue Erinnerungen
<jewectt; f leine, zufällige Gegebenheiten, an bie er jahrelang nicht gebadet
fyitte, fd)ienen oon bem Crte, an bem fie fidj abgefpielt, festgehalten
toorben ju fein unb oon itjm felbft erjagt su roerben.
£ort mar ein §atbrunb oon mächtigen Räumen, beren Stämme an
einem glücflidjen 9lbenbe fid) mie ein bunfleS ©itter oor ber Sichtfluth
eines golbenen Sonnenunterganges abgehoben . . . 33ci jenem görfter«
^aufe hatte er ihr ein (StaS Gaffer bringen müjfen, unb feine &anb
gitterte oor (Erregung, fo bafe fie bejorgt gefragt hatte, ob er franf fei . . .
1Öor einem ber ©efpftc £erlufSf)olmS fajj er einen alten ^unb, ber in
feiner 3ugenb immer fein* biffig gegen ihn geroefen mar unb felbft bie
muthige $amet bang gemalt ^atte — unb bort grafte auch ein weifeeS
islänbtfches Sßferb, jenem bummen Xhiere merfioürbig fyntiä), welches
fid) oon £arriet nid)t frreicheln liefe unb auf bem ihre Schroetter £ono
burdjauS hotte reiten wollen . . . bitten auf ber alten Steinbrücfe hatten
fie oft geftanben unb fia) über ihre oer$errten Spiegelbilbcr gefreut, bie
auf bem fchnettftrömenben SBaffer fd)roammen: jefet aber fah er nur grofee
Steine unb halbfeuchten Sanb um bie güfee ber bieten Vrücfenpf eiler,
unb baS glüfechen fieferte langfam unter bem $erlufSholm junädrft ge>
legenen Vogen Ijtnburch — e$ mar £rocfenjeit!
Er burdjblätterte währenb biefeS SpajiergangS ein Tagebuch ber
Siebe, getrieben mit Sonnenftrahlen auf jitternbeS £aub unb rinnenbeS
SÖajfer — auf oerroelfteS oom äßinbe oerroehtes £aub unb auf SBajfer,
baS oor %afyxtn jum 9Jieere hinabgelaufen . . .
Schon oon J&erlufSholm aus hatte er gehört, bafe im Stabtparfe
€oncert mar. 2lu<h baS gehörte mit baju, unb er fonnte fid) nid)t e«t= .
fd)liefeen, einen anberen 2öeg ein$u)ch(agen, obroofjl er fürchtete, auf irgenb
einen Vefannten ber alten Xage ju ftofeert, welcher ein Utecht auf mehr
als einen flüchtigen ©rufe im Vorübergehen befafe. $>a waren 3. V.
©octor Storks, alte greunbe feines Vaters, in beren &auie er oft oerfehrt
$atte, als er bei SRittmeifter Sajulfe wolmte — ihnen hätte er eigentlich
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252
Karl (Sjcllcrup in Dättemarf.
einen iBefud) machen muffen; unb roenn er fic traf, entging er feinem
Schicffale mä)t.
2)od) ba£ ©lue! roar mit ihm, unb er füllte fid) balb beruhigt, al$
er unter ber 2)ienge um bie roeijjen Notenpulte ber SRegimentömufif, roeld)e
pflichteifrig eine tyoita oon Sumbne herunter fpielte, nur ben TabafShänbler
unb ben barbier erfonnte. Sa$ junge 9Jläbd)en, welche« mit ihm Dorn genfter
aus fofetttrt hatte, fpajierte 2lrm in 2lrm mit einer greunbin. Sie Reiben
ftecften bie Äöpfe pfammen unb f teerten, als fie oorübergingen; fic
waren bie ©innigen, bie ilm bemerften.
2lber oom Stuigange bes befd)atteten 2ßalbroeg3 her fah er richtig
unter ein paar h°()en 6fd)en Dr. Stord) angeftiegen fommen mit feiner
grau unb ein paar jungen Samen. 2Hann unb grau bewegten fi$ vov;
fid)tig über einen Keinen Steg, roährenb bie jungen 2Wäbd)en jum $ad)e
hinunter tiefen unb über bie naffen Steine hüpften, bie unter ben frohen
Ülbfäfcen ihrer Stiefeld)en roacfelten. 2Bilf>etm bog fd)nett ab, ging am
Saume beS SBalbeä eutlang unb fefcte fid) auf eine einfame 33anf.
Sort hatte er am lefcten ^Jorgen gefeffen, ben er in Siaefioeb juge*
brad)t. (Sr roar attein hinaufgegangen, gan§ früh- Sie 33anf roar nod)
na§ nom Ktyrn geroefen. 2(uf bem Stamme einer alten (Stehe gegenüber,
roo bie 3lefte fid) teilten, t)atte bamals ein Sped)t gefeffen unb mit feinem
fpifetgen Schnabel auf bie 9iinbe geflopft, tief, tatf, roie eine Ufn\
roar geroefen, als ^atte bie 3?atur felbft tr)n baran malmen wollen, roie
unerbittlich bie lefcten Minuten fd)roinben.
Unb bie 3ett roar bahin geeilt, ofme Stillftanb, unaufhaltfam. 3ßie
roar ba£ alles fo rounberbar lange her!
^(öfelid) fiel es ihm ein, bog er bod) bie Gelegenheit benufoen foQte,
feine karte bei Stord)'3 abzugeben; er roar ja fid)er fie nid)t ju treffen
unb bann r)atte er bod) feine ^flid)t gethan. Sie Ratten itm gewifj nid)t
gefehen, ber Soctor roar gar ju furjfid)tig unb bie grau ju fcljr baburdj
in Snfprud) genommen, bafe fie mit bem Sonnenfd)irme winfen unb bie
Sfläbdjen ermahnen mufjte, fid) feine naffen güfce 5U holen.
Sie ^bee gefiel il)in; fie fjatte etwa« $}kaftifd)e$ nnb 33ered)nenbe3,
wa$ in wohltfwenbem ©egenfafce ju ben Träumereien ftanb, benen er fid)
Eingegeben — nufclofen Träumen — oietteid)t gefährlichen Träumen . . .
9iein, bad)te er, roäfyrenb er ba§ lefete Stücf be3 SBalbeS burd);
fd)ritt, nein, id) will mid) nid)t t)ier feftfiebcln ! — Sie Suft auf #erluf$=
holm ift nicht gut für mid), ba£ t)at aQe$ nod) 5U otel 2Kad)t über mid) . . .
Unb roer weife, uieHetcht roar es eben barum, ba§ id) l'uft ju biefer
9lnftellung befam, ober id) benufete fie gar nur als Sorroanb, um eins
mal hierher $u reifen . . . Slber bamit muß eä nun genug fein ....
3d) fönnte eigentlich ebenfo gut mit bem aflorgenjuge nad) $aufe reifen
ohne ben 3lbjunften getroffen ju höben; benn id) barf nicht, id) roifl
nicht . . .
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(SDur.
253
Schnell ging er über bie SBiefe nach ber Stobt. Der SWoorgrunb
gab nach unter feinen Schritten unb machte feinen ©ang elaftifä;. 9lia)t
als ber wehmütige Xräumer fam er wteber jurfief, als ber er nach
£erlufSholm hinauSgefchlenbert war.
Doctor 8tordj wohnte an bem einen (Snbe oon Sfaeftoeb. @r befatj
eine 93ilia, beren langer, fdfmialer ©arten fidj bis an bie SBtefe jwifchen
Stabt unb Stabtpaif f)inau£erftre(fte.
211« SBilhelm flingelte, würbe ihm oon einer fremben jungen Dame
geöffnet.
@r bebauerte aufeerorbentlict), bie gamüie nicht $u £aufe ju treffen
unb wollte feine ßarte abgeben; baS gräulein bat ihn jebod) einzutreten
unb ju warten, bis DoctorS jurüeffäraen. @S würbe ifjnen fef)r teib
tlwn, wenn fie erführen, bafe ^en £er$ roieber weggegangen wäre; Denn
fie wüßten, bafe er in ber Stabt fei unb Ratten baoon gefprochen, bafe
er fie wohl befugen werbe.
©in rechtes 91cft, badete SBtlhelm, in bem Seber bie mit bem legten
3uge Stagefommenen un ben gingern t>er$ä()len fann : auch fie weife gleidi,
wer id) bin!
©r wollte eben irgenb eine Ausflucht gebrauchen, als fein 23lidf auf
ben grauen 3lugen beS 9JiäbcheuS haften blieb, ©wag eigentümliches
in biefen 3lugen nahm feine ©ebanfen gefangen unb oerwirrte bie 2ßorte
auf feinen Sippen, ©r füllte, bafe er feine @ntfa)ulbigung fer)r ungefchidft
oorbringen werbe, liefe fie in einen befdjeibenen unb fcalbwiberftrebenben
Danf übergehen unb trat in bie SBofmftube ein, in ber bie iunge Dame
ihn fogleich allein liefe.
3Werf würbig — baä)te er, oon ber Seranba auf bie abenbliä) beleuchtete
2Biefe hinauSfä)auenb — fie fommt mir fo befannt oor, ich weife nicht . . .
(Sine SMobie, welche er leife oor fich \)\n fummte, beunruhigte if)n, er
fonnte bie SBorte ju ihr nicht ftnben, gerabe fo, wie er fich nicht ju
entfinnen oermochte, wem bie junge Dame äfmlidj) fer)e.
SSah^^b er oergeblich fein ©ebächtnife anjrrengte, fam fie herein
unb fefete einen Heller mit fluchen auf ben £ifä); gleich barauf brachte
bie SJtogb 2ßein unb Selterroaffer. @r fing ein alltägliches ©efpräd)
über Crt unb Sßetter an, inbem er aufmerffam bies junge SJtäbchen be:
trachtete, beren geheimnifeoofle 9ln$iebungSfraft er wieber ju fühlen begann,
ohne fie fich erflären ju fönnen.
Sie war burdfjauS feine Schönheit, nein!
Sie war noch nidjjt einmal oöllig entroicfelt, ihre Öüfte finblidfj, nur
ber flopf unb ber ftarfe, ungewöhnlich lange &als ber eines SöeibeS.
Die Schultern hatten etwas mäbdhenhaft ©cfiges, fie glich einer Marmor*
ftatue, beren Hopf unb £als SReifeel unb geile fdjon oollenbet hoben.
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25*
Karl (ßjellcrup in Dänemarf.
währenb Sdmlter unb Skuft noch im h<ribgeformten Steine nur cmge*
beutet fitib.
$aS blonbe £aar träufelte ftdj an ben Schläfen unb fiel unter ben
gleiten in Keinen £oden über ben [teilen Staden hinab. £>ie gro§en
grauen 3Iugen traten ein Hein wenig fyervor unb befamen baburch etwas
eigentümlich SräumerifcheS, bie iRafe mar energifch gebogen. Sei iebem
Wienenfpiel jeigten fich tiefe ©rübdjen in ben blaffen SBangen; unb wenn
fi e tadelte, fo lächelte 2llJeS, felbffc baS ©rübchen am Äinn.
3)er etwas grofce 3Wunb aber mar baS SWerfwürbigfie biefeS ©eftthts.
Sein nachbenflidjer 2(uSbrud beruhte auf ber ein wenig über bie Unters
tippe fyeruortretenben Cberlippe, feine Sinien waren ftarf gefdjweift. Tlan
fonnte fidb biefeS bleiche ©efidtjt von einem fjoljen &aarauffafc gefrönt
benfen, auf langem ftalfe oon entblößten Jamalen Schultern getragen,
über einer ^odjgefd^nürten, nadten Sfifte — eines jener SportraitS aus
ber $e\t unferer ©rofjeltern, auf benen 9We benfelben, nach bem 6upibo=
bogen ftilifirten Sftunb befifcen.
2llS fie, mit ihrem ganzen beweglichen ©eficht ladjelnb, ii<h ju ihm
neigte unb ifnn ben Heller anbot, ba fanben fich bei ifmi bie 2Borte $u
ber SMobie, welche er uorfn'n gefummt tydti. @S war eine Stelle aus
bem fliegenben ^ollänber:
„Sic ein (Scbilb au8 langft ocrßang'ncn 3«tcn
„Sprint btcfeö 3Jfäbd)en& 93lid gu mir." —
„Sie tinb ju Sefuch tyer bei $octor Storchs, mein grfiuletn?"
r/^/ fyrieberife ift eine ftreunbin oon mir au« ber ßinberjeit."
„Sie finb aus Kopenhagen?"
„3a; wie es fdjeint, erfennen Sie mich nicht?"
„ftein, ich mu& gefte^en — ich . . . freilich ifl mir bie ganje 3eit
über etwas an Sfmen befannt oorgefommen — aber — "
„9?un, es ift ja aud) gang begreiflich, baß ich nrid) met)r oeranbert
tiabe als Sie fich . . . $enn ich erfannte Sie gleich . . . Erinnern Sie
iid) beim nicht mehr an bie Keine Sinfonie Schulfc?"
„Sonn?"
„3a freilich — bie bin ich«
„9?ein, bas ^atte ich nicht gebaut . . . Sie h^ben fidt) allerbings
ietjr oeranbert . . . 9Iber es ift ja fein SBunbcr. Sie waren bamalS ein
fleineS Habchen, baS umherlief unb mich in ben 2lrm ^miefte, wenn ich
über einem SHomane einfd)lief, bamit ich mit ihm ßafdjen fpielen fönte."
„fQQ^a, war ich fo fdjlecht?"
„bisweilen fogar fefjr — boshaft. 3$ erinnere mich 3. 33. an ein
Wal — es war an bem 5lbenbe, als ber Stiftungsbali auf £erluf$f>olm
fein foüte. 3<h fani in bie SBohuftube im fchwarjen grad, mit^weißer
'Öinbe u. f. w. ßein Wenfch war barin, fie Ratten alle noch mit ber
Toilette >u ttjun. $0) befnl) mich im Spiegel, 50g meine ßanbfdmhe an —
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<8*Dur.
255
bie id) mifjtramfa) auf beut 3Warftplafee bei ber £auptwad>e getauft tyatte . . .
Ta (amen Sie bereingefd)lüpft im uollften <fufc; Sie follten jum erften
ÜDtofe mit ben fleinen Sdjfilerinnen tansen."
„3dj entrinne mid) be« Slbenb« fef>r gut, e« mar mein erfter 23all."
„SBiffen Sie aud) nodj, wa« Sie mir bamat« fagten?"
„Wein, ba« freiließ nid^t."
„Sie famen ju mir Ijer, ganj fofett, entfdjulbigen Sie — ,Ste müffen
leiber mit mir »orlieb nefjmen, £err ^erj, meine Sd)wefter — Sie
waren plöfolid) fo raffinirt, bafj Sie rtid^t einmal $arriet fagten! —
,meine Sä^wefter ijt nid)t ganj wo§I unb fann nidjt mitfahren4 . . .
3$ mar, aufrichtig gefagt, nidjt fefjr erfreut barüber; id) antwortete nidjt«
unb jerrte an meinen &anbfd)uf)en, bafe felbft iljre Waeftoeb'fdje Jeftigfeit
beinahe nidjt wiberftanbeu f)ätte . . . ba aber fam 3^re Sdjwefler Ijerein
in ftraf)lenbem Sallftaat, unb Sie ftedten ben ßopf äwifdjen ben ©arbinen
fyeroor unb Iad)ten."
„3a, ber Streid; fief)t mir ganj äf)nlidj, nadj atlebem, wa« id) über
m\<f) gehört f)abe."
„3*15* aber finb Sie nidjt mein* fo bosfjaft?"
„9lun — ba« fann id; 3^nen bod) nid)t oerfidjern."
Sie neigte, inbem fie bie« fagte, ben ftopf auf bie Seite unb madjte
eine abmefjrenbe Bewegung, roeldje 2BUf)elm wie oon darrtet« £anb ge-
ttyan erfd^ien.
„2Bie Sie bod) 30ter Sdjmefter älmlid) fe^en!" rief er unwillfürttd).
Antonie (ad/te laut auf.
„3<S ber §arriet? . . . Sie werben fdjmerlid) für biefe 2lnfid)t oiele
Stimmen auf 3()rer Seite fyiben . . . 3d) glaube, man fann nadj Sä)meftern
fuä)en, bie ftd) einanber weniger äfmlid) feigen al« mir!"
„9ton, fo etwa« bewerft wof)l ein Jy^mber am beften."
Unb bod) rnufete er \\)t fjafb unb ijalb redjt geben. Da« 2leujjere
war wtrflid) $iemlidj oerfd)ieben, faum ein 3"9 berfelbe. Srofebem aber
t)errfd)te $wifc&en Reiben eine edr)te ©eia^wifteräfjnttdtfeU, eine 2lefmli<$feit
tieferer 2lrt, ate jene in bie 21ugen fpringenbe, bie mau audj 5wifd)en
Jremben finben fann — jene ©in(jeit im 2lu«brucf unb in ben unwiHfür=
liefen Bewegungen, burdj roeldje eine gemeinfame 9latur ber oerfd)tebenen
formen $u fpotten fdjetnt, in benen fie fidj äufeerlid) barbietet. 5lber
felbft in biefen anfd^einenb fo uerfdjiebenen formen berfelben ©attung
fjerrfcfct eine eigentf)ümlid)e 9Jrt uon ©leidjfjeit, eine ©emeinfdjaft, bie
niebt auf ber gleiten 3ufaminenTe^un9 t>erfd)iebener ©lemente, fonbern
auf ber uerfdjiebenartigen ^ufantmenfefcung ber gleiten ©(erneute berufen
mag. @S ift feine jufälHge 2lefml{d)feit ber ßimen, fo wie 9tom« Sorafte
bem ^tlatu« oon Sujem äfmelt, fonbern e« ift berfelbe Stoff, nur in uer*
fa^iebenartiger Öilbung, fo wie bie ftrudjt ber (Sidje bie 3?erwanbtfdjaft
mit bem eid^enblatte jeigt.
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2öb
Karl (ßjelleriip in DäncmarP.
Unb je länger er fie anbaute, umfomeht würbe er baoon überzeugt,
bajj jenes unbeftimmte ®efül)l nid)t baS ©efüljl beS SSiebererfennenS ge=
wefen, feine Erinnerung an baS ftinbergefidjt oon £onn. Stfein, eS waren
bic unbewu&t in feinem ©eifie auftaud&enben 3üge ^orriets, weldje Antonien
bcn Schein oon etwas 33efanntem gegeben Ratten — fo mag ein Gebens
motio einer Sonate f)alb unb ^alb befannt erfltngen, wenn man ba*
&aupttf)ema auSwenbig weife.
„Es ift bod) fjübfd), bajj id) tyex in SRaeftoeb nod) eine oon — bau
id) Sie r)ier treffen mufcte," oerbefferte er fid).
Es lag if)m auf ber 3un8e/ lemc Staube barüber auSjufpredjen,
Semanben aus bem S^ulfe'fd&en £aufe getroffen §u (jaben, an bemfetben
Orte, wetd&er einft ein fcenenreid)er Sd>auplafc für ifm gewefen unb ber
ilnn jefct fo leer, fo öbe wie eine SRuine oorfam.
3lntonie, weld)e jenem 3<wberf)aufe angehört ^atte, mar ein lebenbes
StferbinbungSglieb swifd&en bamalS unb jefct. Die ganje Slnmutb unb
jarte Sdjönljeit iener 3eit lebte burd) if)re fnoSpenbe Sugenb in ilmi
toieber auf, unb alle »itterfeit oerfa^wanb bei ber Erinnerung an ü)r
Kinbergelädjtcr unb if)re übermütigen 2Räbd)enftretcf)e ... Gr fü^te fia)
in tyrer 9?äf)e gleidrfam oon einem $ru<fe befreit.
Seitbem er ben ©aftyof oertaffen, ^atte er nur ein paar 3M oor^
überget)enb an Sttarie gebaut. $efct beburfte eS nur ber ieifeften grage con
Seiten 2lntonienS, bafj er fid; weitläufig über feine 33raut auSfprad), was
fie für ein gutes 3Häbd)en fei, mit weld) gefunber SlnfdjauungSweife unb
wie ausgezeichnet fie für einanber pafeten mit if)ren gemeinfamen ^ntereffen
unb oerfdjiebenartigen ^Temperamenten, weldje fidj einanber ergangen.
Sie mar ja feine $albcoufine, unb fie fannten fidj feit ihrer ßinbbeit. Es
fei feine ©nttäufd^ung möglicf). So müffe ein SJerhältnifc. auf wadjfen, feft-
gewurzelt unb langfam, wenn es ju einer glücflidjen Ehe führen fotte!
2Hit bem lefeten Safte fonnte Antonie fid) nicht etnoerflanben erflären.
Sie glaubte nid)t an eine angewöhnte Siebe; fie wollte etwas ^Uöfelidjeö,
etwa! ßeibenfd)aftlid;e§ — ober jebenfaflS — fie wufjte felbfi nicht was,
nur nicht baS SHufnge, nicht baS Ebene, lieber Unglücf ! 9US er Über ihre
mangelhafte Erflärung lachen mufcte, füllte fie ftch gefränft barüber, fo
wenig beachtet ju werben wie ein ftinb, metd)es baS Seben nicht fennt,
fonbern ficb nur in ben gewöhnlichen, romantifd)en Xräumen wiegt. --
Unb baS um fo mehr, weil Tie im ^nnerften febr gut wufete, baf$ fie bie
Siebe nur aus Romanen unb aus ben ©ebid&ten EbrifHan Sinters fannte,
unb aus bem ©efdjwäfc, weld)eS unter jungen SHäbdjen über btefeS fie
am meiften berü^renbe tytma geführt wirb.
,,3d) merfe redjt gut, ba§ Sie mi$ überfpannt unb altmobif^ finben/'
fagte fie oerleftt. „Sie finb wo^I aud) ber 3tnfid)t, wie fo mele 9Ränner
ber ^Mei1/ ba§ fowo^l bie Slomantif wie bie Religion oerafteter Äram fei."
„3dj? 9iein! 55kirum glauben Sie bas? . . . 3m ©egent^eü, icb
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<B*Dur.
20 7
habe" ben" größten — 9Mpect oor bcm SHctigtöfen im Allgemeinen, wenn
id)jaud) ni<%t fclbft — . . . Unb id) Wtc fogar fc^r oiel oon bcr 9io=
mantif — in ber Sßoefie — freilid) glaube id), bafe man im fieben fid)
nia)t oiel ftomantif roünfd)en barf, fie greift gar ju flörenb in baSfelbe."
„Sld), fiörenb! . . . 2Ba3 nüfet es benn, memt 9XÜe^ fo orbentlid) ift,
mie in einem frifd) geredeten ©arten, in bem man faum auf ben SBegen
ger)en barf, gefdjroeige benn auf ben ©raSpläfcen. SBenn alle SZomantif
aus bem Sehen verbannt roirb unb aud) fein jufünfttgel ßeben ejiftiren
foIX, bann fann man ja eben fo gut lungeren unb fich morgen aufhängen."
„borgen, morgen, nur nid)t heute — "
Antonie ladete, ba$ü bereit, bieS ©efpräd), in bem fie fid) fd)on ju
weit geioagt ju fyaben fürchtete, in ©d)er$ übergeben ju (äffen. 2lud)
2Mhelm mar nid)t befonberS geneigt, e3 fortjufefcen. (5r ärgerte fid) ba*
rüber, ba§ er fid) fo fptefjbürgerlid) oernünftig auSgefprodjen hatte.
Deshalb mar e3 if)m aud) nid)t unangenehm, al$ bie 9lücffehr ber
Jamilie fie oon ber ©d)toierigfeit, einen Ue&ergang ju einem neuen Xtyma
3u finben, befreite.
2Bilhelm mürbe mit ber äberfrrömenben ©aftfreunbfd)aft roiüfommen
ger)eifcen, roeld)e in einer fleinen <Stabt mohlfetl ift, in ber man fid) fo
jtemlid) langweilt. 6ie hatten in ber 3ettung fl^^fen, bafj er im „2ßein=
Ijaufe" abgeftiegen mar, unb fajt $u furzten angefangen, bag er fie ganj
oergeffen fyabe. 2lud) toarum er 9Jaeftoeb befugt, mar ihnen fein ®e*
tjetmnig, benn fie Ratten mit einem Slbjuncten oon ^erluf^olm gefprod)en.
kber SBilhelm mugte balb ir)rc Hoffnung auf eine angenehme Vergrößerung
ber intelligenten ©efellfd)aft 9toeftoeb3 ju 9fid)te mad)en.
gräulein 6tord) fonnte fid) feinen angenehmeren Aufenthalt benfen,
als baö SBalbflofter &erluf$holm an ben Ufern be§ @ügbad)3. Antonie
fanb im ©egentheil e3 höd)ft begreiflich, bag man fid) nid)t bort begraben
möchte, fo lange man in Kopenhagen fid) burd)juhelfen im Stanbe roäre.
$)ort mofme Ja aud) feine Verlobte, unb er fönne fid) bod) nid)t auf ba£
Ser^rergehalt oon £erluf$ho!m hin »erheiraten.
3a, mein ©Ott, richtig, er märe ja oerlobt, ba8 hätten fie natürlich
aud) gehört! $ie grau jeigte fid) fcr)r eifrig, etroaä oon feiner Sraut $u
erfahren, aber 2Bilhclm mar jefet meniger mittheilfam, unb gab nur bie
nothbürftigften Antworten.
,f2Bic geht es benn mit deinem Äopffd)merj\e, Xono?" fragte
gräulein ©tord).
„$er ift gan$ oorüber. Unb er mar bod) ju etroaS gut; benn
roenn id) nid)t %\x &aufe geblieben märe, mürbe §err £er$ aud) mieber
fortgegangen fein."
„$)u foüteft bod) ©ifenpiUen nehmen/' fagte ber Xoctor, ber fd)on
in <Sa)lafro(f unb Pantoffel gefd)lüpft mar; „ju bünneS Slut unb ju
fdhmaa)e Heroen, baS ift ba$ ganje eienb. ©eht eä nid)t Sfom Vraut
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2ü8 Karl (Sjcllerup in Däncmarf.
aud) )0, §err &erj? 9?un, natürlidfj. 9?ein, ba foUtet ir)r 9Huttern gefehlt
Ijaben, a(S fie ein junges Sttäbdjen mar! ©in $rad&teremplar! ~ deiner
Seef, nid&t mef)r neroöS, als ein junges eidjenbäumdjen . . . aber jefct
muffen ja alle grauenjimmer 9?eroen Ijaben . . . bie bümmfte 3Robe, bie
ber liebe Herrgott erraffen f)at."
„Slber mein ©Ott, «ater, mußt $u benn immer wieber bae alte
Sieb leiern!"
„«leiben Sie ben Sonntag nodf) Ijier in Diaeftoeb?" fragte grau
StordE).
„Wein, id) reife morgen mit bem 9?adjmtttag$5uge/ antwortete
Sityelm, feinen lefeten Gntfd&lufe, ben 2J?orgenjug 3U benufcen, oergeifenb.
„2)aS ifl fd)abe; mir motten (Sonntag eine £our nadf) ©aunö unb
Sönnebe mad[jen, unb idj hoffte fefcon, bajj mir Sie mitbef ommen tonnten . . .
:Uber jebenfalls muffen Sie morgen bei uns $u 9Hittag effen. £eute
5lbenb ift fo wie fo nia^t oiel mef)r anzufangen. 3Me Uf)r ift balb neun,
unb um Ijalb jefm ijt bie ganje gamilie fdjläfrtg, mir finb altmobifdjc
Seute, miffen Sie/'
2llS SBityelm nad) £aufe gef ommen war, unb feine «rufuajdje
IjerauSnafym, fiel itmt ber «rief an 2)torie in bie §änbe, meldten er oer-
geffen rjatte, in ben Spoiifofien ju werfen. ©S war ja baburdj nidjts
oerfäumt. 3efct wollte er bod) bie ©elegenfyeit benufcen, eine oergejfene
«emerfung ^in^ujufügen unb ein paar fttiien barüber, wie er ben 9tfad)
mittag jugebradjt: bann würbe ber «rief audj faft wer Seiten lang fein,
baS gemöfmlid&e 3)iag, welkes feine geber bieSmal niäjt erreidjt fatte.
211S er aber ben «rief burd[)IaS, gefiel er ifnn nidjt. Gr fanb ifyt
troefen, er war nidjjt mit ber ftürmifdjen Sefmfud&t nad) bem SBieberfetpn
auf baS Rapier Eingeworfen, weldje einen jungen 3Wann infpiriren mu§,
wenn er an feine ferne ©eliebte fdjreibt.
@r r)arte feine Suft, biefen «rief abjufa^icfen. SlnbrerfeitS war ei
ifnn aber ganj unmögltd), einen befferen ju fdf)reiben; benn obgleidj bie
Urjr oon St. $eter eben erft Ijalb elf fa)lug, war er bod) fo fdjläfrit],
als fei er oon bem Storayfdjen &aufe angeftedt worben.
2lber eigentlid) war ein «rief ja aud) gar nid)t nötfng; er fam ja
felbft, unb fonnte birect nad) feiner 2lnfunft mit bem 3tbenbjuge ju ibr
l)inau$gef)en! Unb wenn er fiäys überlegte, war es fogar ganj gut, |l<±>
mä)t gebunben 31t f)aben: uielleidn" befam er Suft, ben 2lbenb t)ier
bleiben, ba er ja bod) mit bem Sonntag=3rüf)3uge jeitig genug anlangte.
(Sr Serrig ben «rief unb fing an fidj auS$ufletben.
IV.
911$ 2ötll)elm am näd)ften borgen ben gufjweg am ©artenjaun ber
Stord)'id)eu «illa entlang ging, fat) er Antonie in einer £aube am $öeoe
fifcen unb (efeii.
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2Ö9
Sic hatte ein hellrote« 3)torgenfleib au, bcffcu jarte garbe ben bünneu
Stoff noch leichter machte, unb unter bcffcn nachläffigen, ein wenig jer-
fnittertcn galten bie jugenbltchen gormen ihre« fchfanfen Seibe« wie burdj
einen Schleier mit jener rübrenben 2lnmuth be« faum ©ntwicfetten binburch
$u flimmern Lienen. 3n Metern bleibe gefiel fie i^m noch beffer aU
geftern: fie fam ihm fo gan$ unb gar oor wie ein SSefen, ba« eben jum
Sewu&tfein erwacht, beffen ©ebanfen unb ©efüljle ficb noch nid&t ber
oorgefchriebenen 3Kobetoilette be« Sebent unterworfen fyiben.
©erabe oor ihm wiegte ftd) auf langem Stengel eine bla&rothe
ÜJtofmblume. 3^re feinen SBlätter legten fich halbgeöffnet, noch faltig oon
bem engen Säger, um einen Tautropfen Jerum, ber in if>rein Äeld;e
gitterte . . . 3fmi bünfte, ba& fie bem 9Räbä)en ähnelte, unb er yflücfte fie.
Antonie ließ bas Sud; auf ben Sajoofj fmfen unb ladjte laut auf,
inbem ftc fid) jurüdbog unb ben ßnoten ihre« <&aare« in ba« ©rün ber
@ai«blattlaube brüefte. 311« fie barauf ein wenig nad) ber Seite bliefte,
entbeefte fie SBtlbelm unb ftiefe einen leichten Säuret ber Ueberrafdjung aus.
„©uten borgen, £err §er$. $a« ift aber nicht nett, fo bajufteben
unb 3emanb ju beobachten!"
„3<h bitte febr um entfd)u(biguug. 3$ war eben nod) unentfdjloffen,
ob ich eintreten unb Sic in 3hrer »oetifeben SHorgenanbacht ftören follte
. . . 9?un, e« fd)eint wenigften« eine weltliche Seetüre %u fein."
„3iemlich weltlich . . . 5Dte »Äinbcr ber SBelf oon $aul $enfe."
„So? ©ef)ört er ju 3hren Siebling«bicbtern?"
„3$ weife wirf lieh nicht, ob er noch einmal baju gehören wirb; benn
ich höbe ihn erft hier angefangen ju lefen."
„2lber Sie beftfeen ihn ja bodj auch su $aufe. <5r fteht in 3hrem
Sficherfcbranf, ich erinnere mich beffen oon alten gerieujeiten her, al« ich
ju ihm 3uftu<^t nahm."
„3a . . . a — bort ift er aber oerbotene grud)t . . . 93ater fagt,
ba« fei nod) nicht« für mich."
„Unb Sie finb eine gehorfame Xoä)ter, wie ich fehe!"
Antonie juefte mit ben Schultern unb machte ein trofcige« ©eficht :
„$>ie eitern glauben auch immer, ba& man nod) fo ein reine« ftinb
fei, ba« oon nicht« in ber SBelt einen begriff hot . . . unb ba« bin id)
boa) wirtlich nicht mehr!"
Sil« fie in bemfelben 2lugenblicf Sßilhelm anfaf), würbe fie ein wenig
»erlegen über biefe« äflriföenbing oon einem SBefenntniffe unb einem
Monologe unb fügte läcfjelnb binju:
„3a, barüber tonnen Sie freilich schwerlich eine Meinung höben "
„D boch! Sei wem bie ßuft jum fliegen erwacht ift, ber ift eben
fchon ein $ogel."
Antonie lachte. Sie machte eine Keine glügelbercegung mit ben
2(rmen unb fang: „2£enn ich ein SJöglein war'/'
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Karl (Sjelleru p in Dänemar f.
Xann würbe Tie plöfclid) wieber cmft.
„Eber e£ ift fretti$ SSieleS (n'er barin, was idj nid)t oerftefje," fuf>r fle
fort, inbem ftc auf baä Sud) jeigte. „©* ift fo pljilofopfnfd) . . . unb
idj Ijabe gar nid)t$ berartigeS im ^nftttut gelernt — natürlidj, bauor
nehmen fie fid) bort woljl in 2l<$t . . . #ören Sie, Sie fönnten mir ba$
erflären, Sie ftnb ja W^ofo"
„3$? 9teut. £a$ ift ju oiel ©$re."
„2iuf 3^rer SBifttenfarte ftefjt bod), ba§ Sie Doctor philosophiae finb."
,/EaS ift nidjt fo ju oerftef)en. 3$ f)abe über ein gefdjid)tlid)eS £f>ema
biäputirt."
„So? ... 3a, aber Sie wiffen ba$ gewi§ alle«, baoon bin ic&
überzeugt ... Dr. Stordb fann id) nid)t fragen, baS nüfct mir nichts;
benn er antwortet immer, ba§ fei erft nadj feiner 3*ü aufgefommen . . .
Unb &u ßaufe bin id) oon allem derartigem ganj auSgef dtfoffen . . S5on
ben Herren, bie bei uns oerfef)ren, fowoljl ben älteren als ben jüngeren,
oon benen finb nirf)t oiel Euffälüife &u befommen; eS fällt ilmen über;
^aupt gar nid)t ein, bafe man mit mir über foldje ernfte SMnge fpred&en
Fönne . . . UebrigenS tyaben fte Fein anbereS Urteil über alle« SWoberne.
als bajj es unreltgiöS, unmoralifd) unb lädjerlid) fei. $od& i# merfe febr
gut, bafe fic eS eigentlidj gar nid)t fennen . . . (SS märe fef>r fdjön, wenn
Sie mir etwa« barüber ersähen wollten. 2lber es ift ja waljr, Sie reifen
fdjon Ijeute SRadjmittag unb rnüffen jefct woljl weiter? ©eljen Sie nadj
fcerlufslwlm?"
„3<* woljl, aber eS fyxt (eine Gile! . . . 2i*aS iroflen Sie beim eigene
lid) wiffen?"
„D, üiel . . . $. 33. was biefe teuerer, ber gortfdjritt, biefe . . .
greigeifter — nennt man fie nt<$t fo? — was fte eigentlidj wollen ?''
„$m, ja wie meinen Sie baS? 9J?einen Sie in ber ^olitif?"
„9lein, ®ott bewahre, was gefy mid) bie ^olitif an! 9?ein, was
fie über 9iatur unb 2Wenfd)en benfen, über Seben unb Stob unb — ja
roaö fte wollen, was fie bejroedenV"
„9lun, erftenS giebt es unter benfelbcn wof|l cbenfo oiel oerfdjieoene
3wede, als es 2Renfa)en giebt."
,/flber es mufe bod) etwa« oorfjanben fein, was bie 9Wetften wollen."
„Xie Weiften motten woljl l)tec roie überall nidjts anbereS als über*
tyaupt babei fein."
„dann roill id) roiffen, roa^S bie heften fagen; benn barauf foirnnt e^
f<$lie|?lid) bod) an."
rß$, ie^t ift bie 3lufgabe bebeutenb mel)r begrenzt! Slber trofebem
bleibt e« immer nod) eine siemlid) oerroidelte 5ra0e/ m<^1 Won
fo am frühen borgen 3U beantworten ift."
,,3d) merfe vooty," fagte fte oerlefet, inbem fie ftdj wegroenbete, wba§
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<ß-Dur.
Sic mid) für ein ©änsd)en anfefjen, mit bem man nicht ernfujaft fpred;eu
fönne."
„D, wie fönnen Sie fo etroaS benfen?" rief er mit ber ganjen
(Sntrüftung eines unfdmlbig 2lngeflagten. Unb fo gut er es unvorbereitet
uermodjte, oerfuchte er ihr eine ©rflärung beS SJtoniSmuS, ber (£ntroi(flung£s
lefjre nad) mobern=miffenfchaflid)er 2tanfä)auung ju geben, oon melier er
freilich felbft füllte, bafe fie jiemlid) mangelhaft fei. Unb es fdn'en aud)
nid)t, als ob Antonie btefelbe befonberS intereffant fänbe; benn als fie
einige 9JKnuten jugehört ^atte, rief fie plöfclid):
„Slber roaS ^aben Sie benn ba gethan, $err &erj? Sie höben ja
meine Sttolmblume gepflüeft!"
,,3(0), gehörte Sie 3hnejt? mußte id) nicht."
„3a allerbingS; id) hätte fie fd)on längft pflüefen fönnen. . . . 3$
habe mid) fd)on vor ein paar Stunben über fie gefreut, als fie gerabe
eben bie $üu*e gefprengt ^atte . . . SIber id) brad)te es nid)t über'S £erj,
fie ju bred)en; bann ift es bod) fo fd)nell vorbei mit ihr, unb fie r)dtte
ja nod) oiele £age bie 9Wenfa)en erfreuen fönnen . . . 2lud) fommt es
mir immer cor, als ob fo eine 33lume lebte unb füllte unb ben Sonnen«
fd)ein unb %fym genöffe — unb marum foUte man fie ba nid)t ftefjen
laifen?"
„(SS tfjut mir roirftid) leib, $arf id) fie 3(wen geben? Sie mirb
3(men gut ftehen."
„Stfetn; ba id) fie als mein ©tgentbum betrad)te, miU id) fie Heber
3(men fd)enfen • . . Slber jefot muffen Sie weiter, nad) §erlufShoün, fonft
raube id) 3hnen 3hrc 9&n$e • • • Sreitid) mirb eS ja bod) nujjlos
fein; benn id) bin fid)er, bafe Sie bie Stelle nid)t annehmen."
„3<h flud) — aber ber Drbnung h^ber — Slbieu!"
„9lbteu, wir fehen uns ja $u SJiittag nrieber."
„<£ä ift bod) munberlid) mit biefem SJiäbchen", bad)te Sßilhelm, roährenb
er fd)neQ ben 2£eg nad) bem Stabtparfe ging. 2Bie fie mid) immer unb
immer roieber an ©arriet erinnert, balb burd) tt)re Slefmlichfeit, balb burd)
ihre S8erjd)iebenf)eit! . . . 9llS fie fagte, ,id) miU roiffen, roaS bie heften
fagen ; benn barauf fommt es f d)lie§lid) bod) an' — baS mar ganj unb gar
darrtet . . . Sie ift nid)t fo jd)ön unb mirb eS aud) nid)t . . . Slber
fie fd)eint eine reichhaltigere 9tomr ju fein . . . 3ft Tie begabter? . . .
Sie ift lebhafter . . . £od) ihr fehlt bie 9tuf)e unb Sicherheit, jene fülle
©röfce, bie man fo jeitig bei ber Sd)mefter fanb . . . 9hif alle gäUe ift
fie nicht nur eben erwacht . . . fonbern fie ift mach — ganj mach !"
V.
„31 ber fönnen 'Sie benn wirflich nicht hier bleiben unb uns morgen
bei ber Sanbpartie ©efeCföaft leiften?" fragte grau Storch nad) Sifche,
„Sonntags tyxbzn Sie boch mohl feinen 2)ienft in Kopenhagen? ®a Sie
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Karl (Sjellerup in Däncmarf.
jefct einmal nach ben gerien auf 3 i'anb gefommen finb, fo foöten Sie bodh
ouch bad fchöne Huguftroetter genießen fo lange rote möglich! 31m Montag
fönnten Sie bann mit Antonien jufammen mit bem grüljjuge äurücffar)ren.,M
„Sie finb fefjr freunblid) unb eä flingt fe^r oerlocfenb — aber nein,
id) muß morgen in Kopenhagen fein."
„$>ie 33raut wartet!" fagte Antonie necfenb.
2)ieä äßort traf ilm an einer empfinblichen Stelle. @r fühlte fich
in biefem 2lugenblicfe gebunben, unfrei, unb ärgerte fid) barüber.
„§err £er§ bebenft fi<h, folglich giebt er nach/ fagte gräulein Storch.
„Sie brausen auf feinen gau* eher als morgen früh ju reifen/' fuhr
grau Storch fort. „£>ann fönnen roir noch biefen Stodjmittag einen frönen
Spajiergang machen unb Sie hüben 3*it &u entfließen . . . Unfer
öaftjimmer fte^t ja leer, roir laffen 3h™ Sachen holen — nicht roahT?"
9toch einem höflichen Sträuben ging 2Silhelm auf biefen SBermittlung*--
uorfchlag ein, roeld)er ihm fdron Ufyaib gefiel, roeil er felbft am porigen
2lbenb eine foldje 9Wöglid)feit in Betracht gebogen hatte.
3um flaffee fam eine greunbin oon gräulein Storch, biefelbe junge
£ame, welche er am Xage oorher mit ber gamilie jufammen gefehen hatte.
Sie mußte jefct auch an bem Spaziergang theilnehmen, unb ba fic fidj bie
ganje 3eit an graulein Storch hing, fo fonnte 2öilf>elm ungeftört mit Antonien
get)en unb fich mit ihr unterhalten.
$a$ ©efpräd) hatte fid) fd)on lange um 31ntonien$ gamilie gebreht,
als Antonie es plöfelich abbrach unb fagte:
„Um auf erroa« anbereS ju fommen, auf etroaä oon r)eute Vormittag;
— fagen Sie mir, roenn e& feinen periönlidjen ©Ott gäbe — i<f> meine,
wenn bie 9Renfchen nicht an einen folgen glaubten, unb auch nicht an
Strafe unb Belohnung im ^cnfcitd — bann fönnten fic ja tlmn unb laffen
roaä fic wollten!"
Sßilhelm fiberrafchte biefe grage; er hatte nicht gebadet, baß fic be-
jonberä auf bad, was er heute borgen gefagt, aufgepaßt hätte, unb geglaubt,
baß ihr Siffenäbrang nur bie Saune be$ älugenbltcU geroefen. G$ xoax
aber offenbar, baß fic barüber fpäter nachgegrübelt unb biefe grage für
ihn juredjt gelegt hatte.
„9cun unb roenn j. 93. Sie felbft traten was Sie wollten, meinen
Sie benn, baß Sie bann fo oiel Sd)timme£ tbun mürben?"
,,3efet oerfpotten Sie mich roieber! . . . Äönnen Sie mich nicht »er*
ftehen? 3^ meine, baß bann fein Unterfdjieb mehr 5roifdhen gut unb böfe
norhanben roäre."
„können Sie mich benn aber nicht uerftehen? 3<h meine, Sie roürben
nichts befonbcreS 23öje$ thun, roeil in ihrer 9totur roahrfd)einlid) nicht Diel
SöfeS fiedt."
„Wun, roenn man es nur nicht tlmt, roeil es nicht in unferer 9totur
liegt, bann ift ja fein ^erbienft babei! $>ann icheint es mir, als ob bie
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tS = Dur. 265
©utcn burdfjouS nid^t beffer feien als bie Sd)led&ten — unb baS fann ify
nid^t begreifen."
,,2ldV' badete SBilfielm, „jefct finb mir roaf)r()aftig mitten in bec grage
über Determinismus, über roeld&e id) mir felbft niemals f>abe red(jt !(ar
werben fömten . . . Das ift ja ein gefaf)rltd;eS 9Räbd&en; wenn man mit
il)r ipridf>t, ift es gerabe, als flünbe man no<$ einmal oor'm pf)tlofopf)ifdjen
©ramen!"
„Sa, roiffen Sie, gräulein, baS ift nrirfltdfj eine fef>r fdjroierige JJrage,
reelle Sie ba berührt tjaben, unb Sie müffen einen annen &tftorifer nidjt
oeraajten, wenn er fie ni<$t fo mir nichts Dir ni<$ts beantworten fann...
Sie foflten ein roiffenfdjaftlid&eS 2Berf barüber lefen, wenn fie fidf) für
Diefe pfnlofopln'fdien Dinge intereffiren."
„3ft baS <pijilofopl)ie?"
/,3a freilitt), unb überbieS gehört es ju ben fdjroterigften Steilen berfelben.
(SS giebt fogar grofje ^tyüofopfjen, meldte meinen, bafj ber 3Jlenfd)en*
perftanb biefe Srage überhaupt nid)t ju löfen oermag."
„%in ba fe^en Sie, roaS nüfcen benn bann biefe (Grübeleien unb
bie 25iffenfd)aft, wenn bie menfdjlicfje Vernunft baS bod) nid)t faffen fann !"
rief Antonie, frof), in ifjrer Unfdjulb ben geinb in eine Sadtgaffe r)incin=
gelodft ju tjaben.
Sie fdfjritten burd) bie grojje Sinbenaüee, bie nad) &erluf$f)olm füf)rt ;
auf ber alten Steinbrücfe blieben fie flehen unb fafyen ben glufj hinunter,
ber bie biefe 23ud)enroanb beS SBalbeS von ben ftt)rägen ©raSljängen beS
alten ÄloftergartenS trennte, mit feinen atlaSftämmigen 23irfen, feinen
glanjenben Rappeln unb fremben 9tobelbäumen. Der eingetrotfnete Jlu§
fd)ien fid) in bem breiten öett nid)t jurea)t finben ju fönnen; nad)bem er
fid) ben nörblid)en, fleinen 23rüdfenbogen befd)eiben jum Durd)gang gewählt,
fdjämte er fid) plöfclid), in feiner Dürftigfeit bem ftoljen ©arten fo naf)e
gefommen ju fein unb 50g fid) roieber burd) Sd)lamm unb ©eröH quer
naä) bem 2öalbe hinüber, beffen braunes £aub feine Schatten oerluHIenb
über Um legte unb ifmt tjier unb ba ein paar im Sonnenltd)t golbig^rotf)
leud)tenbe Slätterbufaten juroarf. Selbft mitten in bem fd)malen glu§laufe
jogen fid) nod) lange Sanbbänfe I)in, um bie baS SBaffer fid) Berums
fd)längelte ober über roeld)e es rote ein bünner gimife f)alb Ijinüberglitt.
Diefe Stellen faf>en redt)t traurig aus, roie Rieden auf ber lafurblauen &aut
ber ftajabc.
,,3d) erinnere mid) nid)t, jemals fo wenig Söaffer im gluffe gefeiten
5U t)aben/' fagte &Mlf)elm.
„3n ein paar 2Öod)en roirb &od)n)ajfer fein/'
„Sinb Sie eine juwerläffige $ropf)etinV"
„^ergejfen Sie nid)t, ba& id) eine eingeborene be* &mbcs bin/'
„C, gerabe baS oergeffe ia; nia)t fo leid)t!"
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26^ Karl (gjellerup in Dänemark.
„SBiffen Sie, rooju ich eine faft unroiberftehliche £uft befomme, wenn
id) fo in ba3 ftie§enbe Gaffer hinunter fetje ?"
„hinunter §u — fpuefen?"
„2W>, wie fyiben Sie baä erraten tonnen?"
,,3h« Sdjroefter befa§ genau biefelbe Schwäche, unb gerabe bier bat
fie mir baS einmal unter meiern ©elächtcr uertraut — fie lacbt gan$ wie
Sie jefct ladjeu."
„Sollte ba$ üieüeidjt eine erbliche Neigung fein V Dr. Storch f mietet
fo Diel baoon, bafj bieö unb jene* eiblia) fei, road ich aber roieber nicht
begreifen fann."
„©ehört ba$ nicht unter bie $inge, bie nach feiner 3«t «ft aufgeg-
lommen ftnbV £a3 ift bod) merfroürbig . . . 2Han befdjäftigt fich boch
erft in neuerer 3*\t fo viel mit ber (Srblid&fcit . . . es ift auch eine
3)fobefaa>."
<5r fagte bie* eigentlich nur, um nicht gleich roieber in tieffinnige
Untersuchungen t)ineinjugerat^en. ftroav langweilten ihn biefe ©efprädje
bura?aud nicht ; im ©egenttieü, e§ log etroa« eigentümlich ^Reijüoflc^ barin,
bie ernften Sparten ber fchroeren Öeroitter beä 3Wenfd)engebanfen* über
biefe glatte Stirn ljin$iel)en $u feljen, bie gleich roieber in ber fyeüften
grühlingeionne ftrahlte; ju fehen, roie biefe jarten, jungfräulichen Ringer
fpielenb an bem großen gorbifa)en ftnoten neftelten, ju beffen i'öfung ba$
Gherubfchroert ber 5lird>e fich feinen befferen SKatl) mußte al$ baS 2>UT<h;
hauen. Gr füllte fich gefdmieichelt burch ba$ naioe 3utrauen, mit welchem
biefer junge $Biffenäbrang bei ihm Sluffchlufj fudt)te. Slber bann roar es
roieber um fo bemüthigenber für ihn, fidr> felbft geftehen ju müjfen, bat*
er nicht im Stanbe fei, ü)x ju Reifen ; noch bemüthigenber, it)r gefteben
ju muffen!
3hr 3roiegefpraä; nahm übrigens balb ein ©nbe. Antonie fchlofj fta)
ben Jreunbinnen an; Söilfjclm unterhielt fuh juerft mit Jraulein Storch über
feineu oerftorbenen 3?ater, mit welchem er fte jum erften 2ftale befudjt
hatte; unb enblich plauberte bie gan$e ©efeUfchaft luftig burcheinanber über
nichts, roährenb man jrotfe^ert ben mächtigen grauen Suchenftämmen beä
„ftuhgartenS" *) bcu)inging.
2Jton nahm <plafe auf einem 3Iuö)"ichtSpunftc, oon bem mau einen
freien $3 lief nad; heften über baS Sanb ^atte. SBilhelm ftanb abfeit*
allein unb fchautenach ber überhängenben ßaubbeefe beS „Steinmalbea"**),
über bereu bläulichem Schimmer fich ein burchfidjtiger Schleier oon 9lbenbs
roth 5U legen begann, i'autloS fpraef) er im ©eifte bie $erfe Ghriftian
Linters uor fich hin:
*) 5li?alt> um $?erluiäl)olm.
**) WcidiiallS.
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<ß - D u r.
265
„&>o %mmaxV) ergebt fein ©otte*äe!t
SWit bem rot^m Xfnmne jum Gimmel,
Unb lädjclt hinüber nad) ©iffelfelb2)
Hub beS 3tabtd)cn3 frohem ©etoimmel;
NUnb fjinuutcr nad) bem torfigen 9J?cor,
9tod) Sörojrö*) am toalbigeu fcaitfle "
Xoxt Tagen fie hinter bem Stemwalb, all' biefe Orte, weldje ber Dieter
3u ben f(afftfd)en Steffen SeelanbS gemalt unb weld&e bie ©trafen fetner
jungen Siebe oergolbet fjaben! . . . 3n ftom war Sßttyelm an einem fjeifeen
SiroffosSTage nafje baran geroefen ju weinen, ate er im ffanbinaoifdjen
herein biefe SBerfe aufgefdjlagen . . . Unb als et burä) ftorbbeutfdjlanb
reifte, Ratten bie enbfofen 23irfenreif)en ber Gfymffee il;n an bie Sirfenaffee
von ßaefebe4) nad) ©iffelfelb erinnert, unb er war plö<d) fo ftumm ge*
worben, bag fein 9?ad)bar, ber biefe Wremer Kaufmann, nidjt eine einjige
vernünftige Antwort me^r von ifmt Ijatte befommen !önnen ... Unb ber
9Jtoor . o, wie oft fjatte er nidjt mit $arriet jufammen über feine
inunberlia^e gläa}e f)inauggeftt)aut! S$attenlo$, fonnengebabet, von tuftig=
blauen 28albe$fäumen umgrenzt, fl;atte er fid> oor ifmen um baS alte
.ftolmegaarb*) mit feinen gadjwertebauten unb binfengefüllten Surggraben
gebreitet — ober er fyntte bäuerlia) finfter bagelegen, 9*ebelftretfen in feinem
öirfen= unb erlengebüfdj, über tfim jie^enbe SBolfen, welaje ben diaud)
ber tlmrmlwtjen ©laSrjüttenfdwrnfieine mit fidt) fortführten . . . 2lu$ auf
örorö mar er mit ifjr ju SBefudj gewefen; er erinnerte fid) noaj einer
alten SDame, bie für £arriet fe^r eingenommen war. (Sine UebenSwürbige
feine alte $ame! 33iele 3al)re lang tyxxte er nidjt an fie gebaut — wo
fte worjl jefct fein mochte? — ©ewig war, fie tobt, e$ war ja)on lange
ber ... @3 war Seit genug feit jenen Sagen gewefen 5um Sterben für
ben, bem oom Sajkffal ba3 2oo3 ber sJ(ul)e jugefallen — 3eit genug,
fid) unfterblicf) 311 machen für ben, ber baju bie Gräfte gehabt — &ü
genug ju ?lHem — nur niajt jum 23ergeffen!
„U&oran benfen Sie, £err &erfcV" fragte Slntonie, weld&e fidj üim
genäfjert, ofme bafc er e$ bewerft Ijatte. — „Ueberlegen Sie, ob Sie
bleiben wollen unb bie Partie mitmachen V
Unb ald er nidjt gleid; antwortete, fügte Tie tun^u:
„3dj hätte nod) über Mieles gern mit %t)ntn gefprod;en."
Sie errötete leia)t bei btefen Korten, weil fie füllte, bofj fie oielleiajt
$u entgegenfommenb gewefen fei. — • 2lber er war ja ein Bräutigam!
„Xann bleibe ia)," antwortete ^tll)elm.
O ©cburtSort Gbriftiau Ü^inter-3, beS tfaffifrtieu biiuifd)cu i^riferi.
*; ©ut, loeld)cS bem trafen ÜMtte gehört.
3) Iftu ßut.
*) (Sin ätfalt».
'■) Mittercuit.
Tlorb nnh ?iib I.F . J.'.s. ^
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Karl «Bjcllernp in DäucmarP.
Gl war iljm in bem Slugenbticfe ganj unmögltd}, her l>lufforberun$
511 wiberfteben. Sfom war fo beljaglid) ju 9Rutf)e gewefen biefen ganjen
Stodmtittag, an bem er mit ber Sdjroefter feiner einftigen ©eliebten nad>
ben Orten feiner erften iriebe wanberte; eine fo wunberbare Stimmung
mar über ü)n gefommen, eine Stimmung, von ber fo fdjmer fidj lo^u-
reiben, bie fo leid)t, fo uerlocfenb mar, au erneuern! ©aunö unb ßönnebe,
meldten bie morgige] Partie galt, gehörten aud) $u ben uerjauberten
^Släfcen, meldte tt)n auf einmal mit fo getyetmnifwoUer Sefmfudjt anzogen.
2lll er mit Antonien bie alten Stetten roieber betreten, mar el ifnn ge=
mefen, all ob auf irmen eine neue fur i§n auflebte, als ob er nodj
ein blutjunger iüurfd) märe, beffen Stritten jeber 2Beg, beffen £er$ aUen
träumen offen ftünbe . . .' SBal lag benn eigentlidj fo viel baran, ob er
morgen fomme ober ni<$t? ©in ©eburtltag mar bodj fdjliejjlid) wie jeber
anbere Xag unb fefjrte alle 3a^re mieber — mann aber fam ber morgige
£ag für ifm roieber? . . . Gf>e er fidt) unter bal beftänbig*fd)mere 30$
bei Mtagllebenl beugte; efje er — 0, roenn el bodj balb gefd)äf}e! —
in bie Sejfeln ber Glje getragen roürbe, — SHofenfeffetn, liebe gejfeln,
aber Ueffeln ! — oor^er müfete el if)m bodj erlaubt fein, nodj einmal feine
Jreifyett unb feine 3ugenb ju umarmen unb ilmen ein fieberoo^l $u jagen —
nur ein £eberoof)(!
VI.
2lll äBUfjelm am Slbenb auf feinem ©aftjimmet an Sftarie fd&retben
wollte, fing er fd?on an, fein Verfpre<$en ju bereuen. Gl fam iljm nid>t
meljr fo gleid^gültig cor, ob er an tyrem ©eburtltage bei U)r fei ober
ni<$t; wie beftimmt mu&te fic if)n nt$t erwarten, befonberl ba er ni$tl
fyitte von fid) Ijören laffen ! ... Gr ftellte fidr) oor, wie fie morgen! mit
ben Vorbereitungen jur fcanbpartie befdjäfttgt fein unb bann biefen Srief
empfangen werbe, meldjer il)r alle Suft $u bem Vergnügen nehmen unb
ben £ag, auf weisen fie fi<$ fo gefreut jjatte, boppelt leer mad^en würbe.
Unb nun erft ber Vrief! . . .
2öal in aller 2i>elt fottte er fdjreiben! £en mirflidjen ©runb fonnte
er bod) nidjt angeben, fo unfdmlbig er audj fein modjte. Gr mußte fid)
mit einer fleinen 9Jott)lüge Reifen, ba! war fd)on an unb für fid& bebenf;
lid) . . . . unb bann bie Sdjrotengfeit, einen Vorwanb ju ftnben! Gr
ent|d)lo|i fidt) enblid), ju fagen, bafi er uergeblid) oer|ud)t, ben Slbjunften
ju fpredjen, bafj er feinen enbgiltigen Gntfdjluji faffen bürfe, ef>e er jnn-
reidjenbe Grfunbigungen eingebogen fjätte, unb ba& er fidj belfjalb genötigt
fef)e, nod) ben Sonntag in 9toeftoeb ju Meiben.
91(1 er aber ben Vrief burd)lal, faub er, bafj er ir)n nid)t fo ab*
fdjiden fönne. Gl fam il;m oor, all ob bie galid&rjeit biefer GntfdjuloU
gungigrünbe swiftfycn ben 3e^en 5U ^fen fei. Gl war 2lllel fo breit
aulemaubergefefct, all ob el barauf anfäme, 311 überzeugen; er war fo
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(b-Dur. 26?
fchwerfällig unb fteif wie ein ©efchaftsbrief, biefer ©eburtStagSbrief, unb
uor lauter angftlid&em ^erftanb war faum ein ©tüdfdjen £erj hinein*
gefommen. Unb einen belferen ju fchretben, einen berjenigen Briefe, bie
faft ebenfo wiHEommen finb, wie if>re 2lbfenber — unmöglich
SBäre er no$ im &6tel geroefen, er f»ättc bie ganje Sache aufgegeben.
SHit bem Sftorgenjuge wäre er in bie 2lrme feiner 23raut geeilt unb hatte
fid) bei Storchs mitteljt einer ^ßoftfarte entfchulbtgt.
(Sine ^Joftfarte, baS war eine 3bee! $ie offene flarte überlebt ber
£erjlichfeit wie ber 2luSführltchfett. ©in paar Säfee in einem fdjerjenben
l'apibarftil, unb er war &err ber Situation! 3lber felbft biefe wenigen
feilen fonnte er nicht ju Bege bringen, fo oerbummt war er fchon oon
ben geschraubten SBenbungen feinet SBrtefeS. Stun, baS öefle wirb fein,
eS ju befchlafen — mit einem morgenfrifchen ©et)im inufc es gelingen.
2f(S bie forgfaltig geftedte 2Becferuhr am Sonntag SKorgen 0)t ©ewidjt
mit furchtbarem Särm herunterfallen lieft, f prang Söilbelm fc^nett aus bem
33ett. SSährenb beS 2ln$iehen3 überlegte er, fdjrteb eine ^Joftfarte $iemlich •
r»oH unb — jerrift fic wieber. 6r fyittt nur noch eine übrig. ©inen
2lugenblicf backte er baran, bodj lieber noch Storchs eine ©ntfdmlbigung
§u fchicten, unb mit feiner £afdje nach bem Bahnhofe ju gehen. 2lber
baS märe boch ju bumm gewefen!
©nblich befam er oier Seilen mit großen Sucfjftaben ju Stanbe, unb
mit biefem befcheibenen Stefultate feiner epiftolaren STt)atigfeit begab er fidt)
auf ben 2Beg nach ber Station.
2Baren aber feine probuetioen Gräfte noch nicht ermaßt, fo mar boch
fein Urtf>ei( ein frtttlicher, oerbrieftlicher grüt)aiifftel)er. Selbft an eine
^oftfarte fonnte man boch größere gorberungen fietlen! 2lUein eS gab
feinen 2luSweg mehr — niebergefchlagen ging er baS lefcte Stücf ber
Strafte an ben ©eteifen entlang.
@S war ein fchöner borgen; lofe, $iel)enbe SBolfen am Gimmel; ein
frifcher 3Btnb trug auf feiner munteren flucht <uT baS ©eräufch frühe
Xflätigfeit mit fta): Sollen unb Stufen oom ©üterfchuppen, £uffch(äge
unb Staffeln oon Sßagen, bie nach bem Bahnhofe füllen, Staufchen oon
SSinbmühlenflügeln, pfeifen unb Eampfftöhnen oom ,3uge rjinter bem
&ügel. 2lber burdj alle biefe ßaute 30g fidt) ein langer, fummenber £onr
fteigenb unb faUenb wie bie gefchroungenen krähte, welche bie Suft
burchfehnitten.
$aS mar eS — ber Telegraph !
3m Seiegramm finb alle gorberungen aufgehoben; ba hanbelt eS fich
nur barum, bie fünften 2Borte ju ftnben, unb bann liegt etwas 2Iufter*
gewöhnliche^, geierliches in fo einem Telegramm — fo recht paffenb für
einen ©eburtstag! . . . Gs wirft $war erfchreefenb: „Sollte ein Unglücf
paffirt fein?" — Sttit jitternben #änben wirb es geöffnet: „Siein, ©Ott,
fei gelobt, er fann nur heute niajt fommen." — SJftlbe Sieftgnation,
18*
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2G8
Karl (Sjellerup in Danemarf.
ir>of)ltf)uenb na# ber Spannung! Unb babet r)at man noaj 3eit ge*
roonnen, fidj au^ubenfen, roaS man fagen fönne, toeldje Sorroänbe, toeldje
trafen.
@r betrat ba« Süreau mit bem erhabenen Senm&tfein, enblidj rote
ein praftiidjer Wann ju Ijanbeln, unb jugleidj mit einem feierlidjen (Be-
für)le, etwas 2lufjerorbentlid&e$ $u tljun; benn in feinem ganzen fieben t)atte
ir)n ba3 ©efd&id erft ein emjtgeS SJtol ju telegrapf)iren oeranlafjt — ©or
einigen Sauren, als er feinen feltgen Altern mittfieilte, bajj er baS Äan*
bibateneramen cum laude beftanben.
#m! fmi! Inn! räusperte er fidj, um bie 2lufmerf famfett bes Beamten
auf fia) ju lenfen, weiter Jinter feinem Sßerfa)tag fleißig mit ber 3J?orgenpfeife
unb bem 9toefh)eber Tageblatt bef<$äftigt mar. — „jtonn idj ein Xete — "
„SBaS fönnen Sie?" fur)r ber Beamte mit mürrifdjem ©eftdjte auf
eine ungeheure ftampfroolfe von fi$ blafenb.
„©uten SHorgen! 3$ ntöd&te Sern telegraprjtren."
„Wa, bitte . . . bort Hegen \a bie gormulare."
„2ld), e§ ift ia wa&r." <5s bauerte einige 3*ü/ ^e SBityelm jicr)
barin juredjt fanb, wie baS gormular ausgefüllt werben mujjte; bann
fd&rieb er: „Unoorf)ergefe(>ene ^inbemiffe. Unmöglid) ju fommen. 9Jtorgen.
£aufenb ©lüdroünfdje. 2)ein getreuer 2Bilr)elm."
„SJtofe bie 2lbreffe and) bejaht werben ?" fragte er, als ber £elegrapf)ift
ju sägten anfing.
„3a, glauben Sie oielleiajt, bajj fie fidj fetbft bejaht?" brummte ber
Beamte, r>erbrie§lia) foivor)! an unb für ficfc rote 3*ber am frühen 3JJorgen,
wie ärgcrttcr) über bie Unroiffen^eit ber Seute ... 31(3 er aber füllte,
bafj er bem 2lrmen bodj oielleidjt ju rjart begegnet fei, madjte er 2Öilfjelm
roorjltoollenb barauf aufmerffam, bau er ben fyalben $retS fparen fönne,
wenn er ein Bort roeglaffe.
2Bifijelm fal) baS Telegramm bura). 9lun, „getreuer" mar ia im
©runbe genommen ganj Überflüffig; baS gehörte nia^t in ben $epefdjen=
ftit — etwas fo Selbfioerftänbltd)eS ! 2lber jefct ftanb es einmal ba, unb
er war freigebiger Saune.
„21a;, baS ttjut nidjtS," antwortete er, fdwb baS Rapier burdj baS
«eine Jvenfter jurüd unb bejahte.
$ie glütflidje ^ottenbung biefeS 2Jtorgengef$äfteS oerfefcte ifm in bie
fjeiterfte ©emütljäfiimmung. 2lHe ftinge 3eigteit ifmt ifjre befie Seite. $er
Cbeliöf auf bem 2Harftplafee mit bem 2)IebaiHon griebrid) VII, weldjer Um
fonft gewöfmlid) ärgerte als eine ^errjerrlidjung beS ©eberS ber bemofratifdjen
Herfaffung, erfaßten ir)m plöfelid) wie ein fdjöneS Symbol bes treuen
sJionaliSmuS beS Golfes . , . ©r labte förmlid) feinen Slid an ben
munteren ©onnenblifeen, bie am Säbel im 2lrme be^ 2)ragonerf funfeiten,
wcldjer, cor ber ^auptroaä^e rjin unb r)cr marfajirenb, buraj ba3 ^ranu
peln feiner bidcn Sohlen ba^3 (5a}0 bef 3RarftesJ erroeefte. 211« er
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(S.Dur. x 269
einen anberen Dragoner fic§ gälmenb aus bem geöffneten 2lrreftfenfter
tyinauslefjnen fal). jauchte feine gretyeüsfreube hoppelt auf, ooll Selm*
fud^t banad), fidjj ganj bem ©enujfe be$ $age$ lu'njugeben, ber iefet fein
eigen war.
Gr ging in eine Dfafirbube hinein, beten Keine, fonnige Stube oott
war oon eingefeiften SRaeftoebern, bie an ber ÜRafe gefaßt würben, jeitungS*
(efenben unb raudfjenben SHaeftoebern unb Staeftoebern, bie fi$ rauften.
2)ie lefcte Stabtneuigfeit circulirte. 3)er 2lrreftant auf ber &auptroadfje
fyatte lange 3eit feine 5tameraben im Spiet betrogen — man ftritt fid}
barum, ob um f)unbert ober taufenb Äronen. ©r märe aus guter gamilie
Ginige meinten fogar au$ oome^mer.
„Sie Ijaben alte Sefannte l)ier roieber getroffen, £err Stoctor?"
fagte ber SBarbier, inbem er baS SRejfer über bie Söange SBil&elmS
gleiten lie§.
„Sie?''
„3<$ faf) Sie gefiern 9toä)mittag mit gräulein Sd&utfc fpajieren gelten."
©in Sabenbiener, toeld&er ftd& bufdjte, blicfte über feine Sd&utter f)in*
roeg, um ju fe&en, wer ba£ roare, ber bie £odfjter be$ oorneljmen 9tttt*
metfters Oefommen foffte.
„erinnern Sie fid& nrirflid& no<$ baran, ba($ idfj beim föittmeifter
S$ulfc gewohnt fjabe?"
„$>a3 null icfj meinen . . . Sä)mer$t ba$ Keffer? . . . 3a, ja, id&
&abe Sie bamalS mand&eS liebe 2Ral rajirt . . . '£ ift lange Ijer; er
mu& bod& jefct tooljl Cberft fein . . . 2lm erften £age (jabe ia) Sie mit
ber grage beleibigt, ob 3!)r Sd&nurrbart ftefjen bleiben fotte . . . &af)a!
3efct ift er fd>mu<£ weiß ©Ott! ... ein tounberfdjön gefonnter Schnurrbart/'
TO.
Antonie fafj, aU 2Btlf)elm surücffeljrte, allein am Xfjeetifcf) in iljrem
f)ellrot^en SHorgenfleibe. Sie ftanb auf unb fd&enfte i&m ben ^ee ein.
$er $octor mar fd^on ju feinen Patienten gefahren, grau unb graulein
Stordfj Ratten fidj nodf) nid&t gejeigt.
Sföttyelm oermifjte fie nidjt.
Sine jarte, bebienenbe weiblid&e &anb beä 3Horgen£ giebt bem ganjen
£ag feine 2Beil>e. $er 2RorgentI>ee befommt für ben Sunggefetlen einen
eigenen aromatifd&en $uft, menn er tyn auSnafmteroeife einmal in ber
©efeflföaft einer jungen $ame genießt. $iefe 3)tof)l$ett bes SageS, roeld&e
für ifm fonft ftetS bie abfolut einfame ift, bie ber 3)torgenuerbriefelicf)feit,
bem Sdfjlafrotfe unb ber SHorgenjeitung trübfelig gemeine, ftrablt it)m
plöfclid) im gefteSglanj be$ eigenen £eim$, foroeit feine Unerfahrenst
fid) ein folajeS oorjuftellen oermag. SBilfjelm f)atte biefen ©enuß nid&t
mieber getoftet, feitbem er feine Sommerferien in bem Scfmlfe'fcben §aufe
$ugebradfn\ mo er geroöfjnlicf) ben £l)ee allein mit ^arriet getarnten, ©r
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270 Karl (Sjellerap in Däncmarf. —
war immer fe^r jcitig aufgejtonben — meiftens fyitie er fchon einen
Spaziergang nad> ßerlufsholm gemalt unb fid) erfrifdjt oon IfyavL unb
^ogelgefang an ben £if<h gefegt, mit jener angenehmen 3Hübigfeit, bie
man nad) fo früher Bewegung im freien empfinbet — ganj fo wie jefct.
GS mar ihm, als ob bie Stimmung ertra für ilm ba an biegen
T^eettf<5 f)ingefefet worben fei unb auf ilm warte, bie Stimmung, bie bis
jum 9faufche 5U genießen er erpicht war — gleichwie man in einer be=
rühmten SBeingegenb nicht genug von bem föftlidjjen Sraubenfafte trinfen
fann, bem unnachahmbaren Sßrobucte beS CrteS. Sehr oft befommt ber
ftrembe eine geringere Sorte, weil bie gute oerfenbet wirb. SSilhelm
benahm fidj wie ein ßenner, bem biefer Umftanb ifehr wof)t befannt ift,
ber fich aber einmal oorgenommen fjat, ben 22ein an Crt unb Stelle $u
trinfen, fidt) bei ber richtigen (Stifette beruhigt unb feiner erinnemben ©in=
bilbungefraft bem £rante, ben er oor fid) fyat, ben unvergleichlichen $uft
hinjufcfcen [aßt — bis ein feiiger 3?auf$ ben Unterfdjieb jroifd;en Selbft=
betrug unb 2Birflid)feit ausgleicht.
„3jt ^ater noch immer foldj ein paffionirter Schachfpieler?"
fragte SBilfjelm.
„greilich."
„Unb citirt er nodj immer ben merfmürbigen gatl aus bem be*
rühmten Springergambit jwifchen Slnberffen unb ^evjbebranbt oon ber Safa ?"
Antonie blicfte Über bie £affe hinweg, ba U)r bie grage ein wenig
ironifch oorfam. 2lber 2Bilf)elm faf) fo gutmütig fd^alf^aft aus, baß ihre
f inbliche Pietät fid) nicht Beriefet füllen fonnte, unb ladjenb antwortete fie:
„3a, oon ber 2trt fann SBater Sieles anführen, er treibt es wirflict),
als märe es eine SLMffenfdjaft . . . . %n feinem 3immer fleht immer ein
Sdjachfpiel, an baS man nidjt rühren barf. @S ift mir unb fiarriet ein
£orn im 2luge, weil eS fo ftaubig ift unb wir es nicht abmifchen bürfen."
„&aben Sie baS Spiel nidjt gelernt, um 3ljrem 93ater ©efeflfc^aft
leiften ju tonnen?"
„3<h? nein, ba$u bin tdt> 51t bumm .... ftarriet aber oerftetjt es
. ... Sie fpielen auch, nicht wahr? ...3a, ich erinnere mich, Sie
fpielten bamals mit SBater. Senn ich fam unb gute Stacht fagen wollte,
fafeen Sie gemfitfjlid) am Schachbrett unb #arriet fah ju. 93ater hatte
faum 3eit, mich i" bemerfen unb fd;ielte nach ben giguren, währenb er
mich fnfcte .... 0, wie langweilig baS ausfaf}!"
„2lber baS (Mo langweilt Sie wohl nicht?"
„9?ein, 2?ater fpielt wenigftenS eine halbe Stunbe ieben £ag . . .
er fpielt feljr fchön ... Unb bann höben wir Ouartettabenbe . . . 2>ater
fennt oon alter 3eit her mehrere SJiufifer, unb fie fommen alle oier$e(m
£age, wenn nicht eine Oper ober ein ßoncert fie oerhinbert, unb fpielen
bann brei Quartette . . . ©S ift herrlich, wie Sie fidt) benfen tonnen, folch
einen @enuß in feiner eigenen Stube 5U fyaben ftatt im Goncertfaal."
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<5*Dur.
„Unb Sie fpielen ioo$( au<S& felbfiV"
„3a, Glaoier ein wenig . . . darrtet fpielt aber otel beffer, fie
fpielt quo) $uo3 mit bem Sater."
„0, fpiefcn Sie mir etroaS oor!"
„9ietn, ba$ fann ia) rotrflta) ntajt ... unb gar nodj fo am frühen
borgen, wie förnien Sie baä Dewangen? 9tfein, mir wollen Heber ein
wenig ipajteren gefjen."
Sie fähigen ben gewölmlid&en 2öeg ein, ben Su&weg naa) bem Stabt=
parte hinaus. 25er Xljau bltnfte auf bem SBiefengrafe, unb bie Sonnen*
[trafen glitten glänjenb über unjta)tbare Spinnenfaben bafjin, ein leidster
blauer SRorgennebel f)ing nodj über ben f)erbftlia>braunen fronen be$
QöalbeS. $on Den &of)en Sdjornftetnen ber Papiermühle rollte ein rußiger,
wolftger SHaud) burd) bie blaue £uft t)in unb 50g feine Statten über bie
äußerften Spifeen ber gelblidjen Saumwipfel.
„Jinben Sie nid)t, baß £arriet fel)r fd^ön ift?" fragte Antonie
plöfclia).
Sie Ratten faft nodj gar ntd)t über bie Sdjwefler gejprodjen.
©ort weiß, ob bie kleine etwas oon unferem 5Derf)ältntffe erfahren
ftat, bacbte SBilJelm.
„3fpre Sdjroefter war ein fa)öneä junges afläbdjen, als ia) fte fannte
. . . jefct f)abe iä) fie mehrere 3afjre nid)t gefefjen."
„2ludj auf ber Straße nia)tV . . . 3ta, e3 ift waf)r, fie ift ja lange auf
bem Sanbe gewefen — wegen if)rer ©efunbfjeit. Sie ma$t nämlid) bie
bümmfte 9)tob'e mit, wie ber Eoctor es nennt, Heroen ju beftfeen . . .
2lber jefet follten Sie fie fefjen; jefct ift fte gefunb unb ftraljlenb, fie wirb
mit jebem Xage fdjöner!!'
„9ton, wenn Sie es fagen, muß iays wofjl glauben; benn e£ ift eben-
fo feiten, baß eine Same bie Sd(}önt)eit it)rer Sdjroefter, rote baß ein 5poet
bie SSerfe feines Collegen lobt."
,,2Jd), Sie meinen, tä) müffe neibifcr) fein . . . 9?ein, ia) benfe gar
nidjt baran mit ßatriet ju rioalifiren, fo eingebilbet bin id) nia^t . . .
Öefonbers ba fie ja, wie gefagt, mit jebem $af)r fdjöner wirb, idt) Tie atfo
unmöglid) einholen fann," fügte fie ladjenb f)in$u.
„Bie alt ift Sljre Sdjwefier jefct?"
„$ierunb$wanjig 3af)re."
„Üierunbänianäig 3atyt, fo fdjön unb fjat nodj fttemanben glüdlid)
gemadit? . . . Sann fyxt fie n>or)t eine flehte Sammlung oon Äörbeu
ausgefeilt*"
,/£aS weiß ia) nid)t; oon fo etwas mürbe £arriet nie fpredjen, nidjt
einmal mit mir."
„Unb wie aXt ftnb Sie benn, wenn id) fragen barf ?"
„£, Sie bürfen fd)on, beionberS weil fie fo einen glüdlidjen Xag
baju gewählt fjaben . . . (Srft aber muffen Sie ratzen!"
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272
Karl (Sjellerup in Dänemarf.
„9ton, oiefletdjt fann id& es ausrechnen . . . SSartcn Sie, Sie muffen
(ein — ungefähr fiebjelm ^a^re.
„©enau; es ift nämlid) tyeute mein ©eburtstag."
,,2ld)! Märiens audj!"
„Martens, %foxtx SrautV"
SGBilbelm nidte. Sie SBorte waren ifmt entflogen, o^ne bafe er 6c*
bad)t (jatte, bafe fie etwas oerrietfjen, was ifm in ein fonberbares 2id>t
ftetten mufete.
„3lber warum fjaben Sie benn baS nid)t früher gefagt ? — 'Sann
Ratten mir Sie ja bod) nid)t gequält . . . Söiffen Sic, bafj es gar nic£t
^übfd) oon 3^nen ift, ben ©eburtstag 3^rer üBraut ju uerfäwnenV"
„SRarie legt fein befonberes 0ewid)t auf fo etwas SleufeerlicbeS wie
einen ©eburtstag — aufeerbem ift fie über bas 2llter f)tnau$, in bem man
fid) freut ein 3af)r älter geworben ju fein . . . Unb bann befam iä)
plöfelid) eine fold)e 2uft, ©aunö wieber ju fe^en. 2Ber weife , wann id>
wieber in biefe ©egenb fommen werbe . . . 9tun, unb föjliefelid) tyiben
Sie fetbft mi# ja baju verleitet."
„$a$ Severe war wobt oon ganj befonberem (Stnfluffe?" antwortete
Antonie fpottenb. „Unb über aüebem oergeffen Sie gan$, mir ©lucf
$u wfinfd)en . . . 3lber jefct muffen wir eilen ! grieberife wirb fd)on auf»
geftanben fein unb fid) fein* wunbern mid) nid)t ju finben. $as fyit fie
baoon, fo ein Stebenfd)läfer ju fein! . . . tiefer JJufepfab [uer ift bebeutenb
rurjer; fommen Sie nur, id) fenne ben sißeg!"
Sie bog in einen fcfynalen Söalbpfab ein, ber balb fo uerwad)fen war,
bafj bie Zweige ber 23üfd)e fid) über i^m freuten. (Sr rief il)r $u, fie
folle umfe^ren ober aber il;n oorausgeijen loffen. Antonie jeboa), welche
fid) umgewenbet fctte unb einen 3weig aurüdgebogen, ftampfte in's ©ras
unb antwortete, er möge fid) beeilen, fie fei mübe. 2lls er ganj na^e bei
iljr war, liefe fie ben 3n>ci9 rote üor Mübtgfeit los, bafe ü)m bie tbau*
naffen £afelblätter tn'S ©efia)t fd)lugen.
,,3d) banfe. 3ft bas ber £ot)n bafür, bafe id) $u Syrern ©eburtstage
ba geblieben binV"
„Mein, c$ ift ein ©eburtstagsgrufe oon 3brer SJraut — mit ben Spänen,
weld)e fie weint, weil fte allein ift!" rief fie lad)enb, inbem fie fu$ einen
2Beg burd) bas ©cbüfd) bahnte.
„Xa Ijaben Sie eine fd)öne Morgentoilette gemadjt," fagte er, als
fie wieber in's Jreie binauSfamen; „Sie finb fowot)l geroafd)en als aua)
friftrt!"
Um il)r aufgegangenes .fcaar fingen flatternbe Sd)leierfäben oon
Spinnengewebe; itu* Morgenfleib toar uoder Rieden unb mit Älctten
überfät unb fjing fa)laff, mit burd)näfetem Saume bentb.
„2>ann ift es ja wie es fein foü!" antwortete fie, 2Uf)em fd)öpfenb
unb fid) ben 2bau oon ben mit itjren tiefen ©rübd)en fadjelnben äßangen
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(S.Dur.
275
wifojenb. T2änblwhe£ 9Jegligee', fügte fie ^inju, inbem fie mit bcm %\iüe
einen 3roti9 wegftiejj, ber fid) in ihrem Unterrocf oermicfelt hatte, unb an
fid) hinunter fah mit ber Jreube eines ßinbeS, ba£ beim Slnbticf be$
©erborbenen SonntagSfleibeS feine mutwilligen «Streike im ©eifte nod)
einmal burdjgeht.
VIII.
„@S ift aber bo$ furchtbar h°$nwthig . . . 2Bie barf man benn
etwas fo perwerfen, woran äffe Sttnberen glauben ... 3a) begreife nicht,
woher bie 9Benfä)en ben 3Jhitt) baju nehmen!"
„Sefifeen Sie benn wirflid) md)t ben 3Huth, irgenb eine Meinung
ju haben, welche bie 2Hei|tat nicht feilen?"
„3a, bie Reiften — aber foldje Banner wie Paulus unb 3°&anneS
— fott id) beim glauben, bafj tc$ flüger wäre als bie?"
„2Barum nia)t? ... (5g giebt uiele Singe, oon benen mir SBe[äjeib
wiffen unb welche jene nicht ahnten."
„Sann haben mir boch aber aud) bie eigenen SBorte beS ©rlöfcrö."
„3a — wer weife — gerabe oon ihnen meinen bie ßrttifer, ba§ mir
beren fehr wenige befifcen."
„2Bte bürfen fie baS fagen, wenn fo oiele f)unbert 3a^re lang es
Stile geglaubt haben!"
„Safe es Stile geglaubt haben, fann wohl nicht entfcheibenb fein . . .
teufen Sie nur baran, auf welchem Sßege Sie felbft baju gefommen finb,
eS ju glauben — unb beurteilen Sie bann ehrlich, wie oiel SBertheS hat."
SiefeS argumentum ad hominein fefcte Antonien in Verlegenheit.
Sie bi& fid) in bie Unterlippe, neigte fidj oor, fälang bie 2lrme um bie
Äniee unb ftarrte uor fid) l)in burd) eine Sachlücfe hinauf, in beren
9tofnnen man bie äufeerften ©ipfel einiger SJäume erblicfte, jiehenbe SBolfen
unter tiefblauem Gimmel unb ab unb ju plöfclid) erfcheinenbe bünne hinten,
oon fliegenben Schwalben gepgen.
Sie fag auf ber oberften Stufe ber Treppe, einen fdjottifdjen Sommer*
ftjarol auf bem Schoo fee haftenb; er ftanb, ben Ueberjie&er über bem 3lrme,
Un* jur Seite unb lehnte ftch über baS ©elänber.
3n bemfelben 9lugenbltcfe, aU er aus feinem fleinen ©afoimmer auf
bem 5öoben hinausgetreten mar, um in bie Söolmftube hinunter ju gehen, wo
bie gamilie fia) ju ber Sanbpartie oerfammelte, mar fie aus ihrer Stube
nebenan herauSgefommen unb hatte ihn fogleia) mit einer biefer religiöfen
fragen angefallen, welche fie in biefen Tagen fort unb fort ju beschäftigen
fdjienen. ^eifefertig, ben gufe auf ber Treppe, hatten fie fict) in. ein ©e-
fpräa) oertieft, beifen hochehnoürbiger Qntjalt einen neuen pifanten SRetj
befam burd) ben unpolirten Gahmen beS SachbobenS.
„9hm ja, Sie fönneu oieOeidjt nicht gans Unrecht haben/' antwortete
fte enblid), „gerabe baS hat freilich feinen grofeen SBertf)." „Sehen Sie
27^ Karl (Sjcllccup in Dänemarf.
boa)," rief fie plöfolidj, inbcm fie nad) beut 2)ad)fenfterd)en $eigte, „wem
meinen Sie wol, ba§ biefeS ähnelt?"
„Sic 2luSfid)t bortV SRid&t, bag idfj wfifete."
„Sie äfjnelt ganj unb gar ben Vignetten in ben gewöhnlichen Aus-
gaben ber englifdjen Älaffifcr — SÖiffen Sie — "
„3$ ()abe gor ju wenig englifd) gelernt, id) tefc es nia)t meljr."
„Xann will id) fie 3^nen nad>f)er jeigen; i$ Ijabe heute SongfelloroS
SBerfe oon fiarriet gefdjenft befommen. @S ift fo ftimmungSooll, ba$
man nur bie 2Bolfen* unb 33aumwipfel fielet, es erregt eine fo wunberbare
Sef)nfud)t, eine Suft jum g-liegen — Erinnern Sie fidj, Sie fagten geftem
felbft, bafj biefe fiuft in mir erwadjt fei . . . 2ld), bie $oefte unb freie
iRatur, baS ift etwa« beffereS, als feinen armen Äopf mit gragen $u
quälen, bie man ja bod) nia)t löfen fann ... Sei 3(jnen ift eS freiließ
ein anbereS 2>ing . . ."
„C, fagen Sie baS nid)t, id) bin nodfj lange nidjt flar über manage
biefer fragen . . . ©ben besljalb wirb mir 3^re Sefanntfdjaft von fo
großem SRufcen gewefen fein, weil %l)xt Sporte mid) anfpomen werben,
über baS nadjjubenfen, was id) außerhalb meinet eigentlichen Berufs aus
£rägf)ett Ijabc liegen (äffen/'
2lntonie ladete.
„$ann finb Sie wahrlidj ber (Srfte, ber SKufcen oon meiner ©efeH-
fdjaft gefjabt hat . . . 2lber fragt Sie 3h™ &enn nicht auch mana>
mal über bergleid)en Singe?"
„9Jein, barüber fpred)en mir niety ... Sie ift ungefähr efcenfo
religiös, wie id) es nidjt bin."
„£ann haben Sie ja aber nicht biefelbe 2lnfdjauung."
„9iein, aber was thut baS, wenn feiner oon uns befonberen SBeru)
barauf legt? . . . 23ielleia)t ^offt 3Harie mid) $u bef ehren — ich weiß
Toir(üct) nid)t . . . 3$ aber gebe mir jebenfallS feine 2Hühe, ir)rc lieber»
Beugungen ju änberu, im ©egentheil — im ©runbe genommen, fd&eint
mir, fteht es einem 2üeibe am beften, ein wenig religiös ju fein."
„£aS will in Syrern 3flunbe wofjt ungefähr fo t»ie( fagen, als baß
man oon uns nicht »iel 9tod)benfen oerlangen fönne?"
„9?ein, burdjauS nidjt ... 3^ wei& wirflid) felbft faum, warum
id) es finbe . . . es ift @efütjlsfad)e — ungefähr wie bie, bafj id* es nicht
leiben mag, wenn Xamen raudjen.
„3«) l)abe oorgeftern eine r)albe (Sigarette geraupt, baoon befam id)
aber aud) flopffdnnerjen . . . $a rollt ber 3Bagen oor bie £hür."
Antonie lief mit fleinen, fdjnellen Stritten bie treppe hinunter
läd)elnb unb fopffd)üttelnb folgte er i^r.
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•
£eopolö L fkönig öer Belgier.*)
2Jns bem unter ber Preffe bejinMidjen HL Sanbe con „2lus meinem feben unb
ans meiner Qtxt"
POU
<£rnjt IL I}er3og oon Sad?fen= Coburg (Sotfja.
ür mitf) unb mein $au3 foUie baS alte ^al)x nid&t olme einen
unerfefclidjen SSerüsß enbigen, ben idj feit meines 2kter$ Xobe
ats einen ber fc^roerften empfinben fjatte.
2lm 10. £ecember 1865 ftarb Äönig £eopolb I. oon Belgien. GS
war, roic wenn fid) ba3 alte euro'päifd;e Staaten flem nid)t bfo& in feinen
örunbfäfcen, fonbern aua) in feinen fjernorragenbften Vertretern perfönlidj
aufoulöfeit im begriffe roare.
*) 3)en jablreictjen Sefern bcS bebeutfamen 2)iemoiremoerfe3 .^erjog (Srnftd ift
befannt, mit nxldjer 2Jkifterfdjaft ber rürftlidje 2lutor, balb in fd>arf ge^etd^neten
<if)araftcrbUbern, balb in gciftüoff ftiutrten Umri&linicn, fcerüorragenbe btftorifcbe
^eriönlidjfettcn fo au geftaltcu roeiß, baß fotoobl bie fünftlerifdj ausgeführten «Portrait*
wie aud) bie leidjt aber prägnant fjingetoorfenen Silhouetten bauernb in ber (Srtnnerung
haften. 2>abei treten fie nid)t, lote ctioaS iücfonbereS, aus ber (5rjäf)Iung heraus,
foubent begleiten, erflären uno ergänzen biefelbe. Selteu aber bat $cr3og ©ruft mit
ioldjer Siebe bie Sfcber geführt, roic in bem abfdjliefeenbcn iöübe feines oäterlidieu
3reunb<8 unb ObcimS flönig SeopolbS I., baS mir mit fmlbooller ©cue$migung beS
tjorjen 2lutorS tjicr unferen Eefern bringen bürien.
2iMr bemerfen gugleid) in Segug auf ben III. Oanb, baß ber 2krf affer in uier
2?üdiern („21n ber Sdjrocüe beS großen oaljrscbcntS", „Mrtcn unb Slbcnteuer",
„SSuiibcSftrcit nnb Xäncnfrieg", „Örünbung beS neuen JöunbcS") bie ©efd)td)t feiner
3eit bis ptn Worbbcutfdjen «yunbc fübrt unb bann in bem inbaltrcirfjen legten Slbfdjnitt
mit einem SluSblid bis auf untere Xage bas große Scrt befdjließt.
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276 CErnft II. ^e^og von Sa$f en-£oburg-(Sottja.
Die Xrauerbotfdjaft oon SBrtiffct mar mir nod) am felben Slbenb ju^
gefommen. ©anj aujjerorbentlich jeigte ftd^ bie Anteilnahme an bem
SBcrfuftc unferes Kaufes, nicht nur in bem Keinen Sänbdhen, wo bie SBiege
beS feltenen Surften geftanben, fonbern überaß in ©uropa, roo man einen
jutoeilen überfragten ©influfj auf bie conftitutionette ©nttoicfelung ber
Staaten ifjm auftrieb. SOtc ^erfönlidjfeit beS ßönigS, ber burdfc fajt
fea)Sjig 3aE)re an allen roirfüch großen Gegebenheiten ©uropaS, oft bura?
einen oermunberlichen 3ufammenhang ber Dinge, in näherer ober entfernterer
Gejtelmng mitbeteiligt unb intereffirt mar, hat noch niemal« eine geflieht;
lieh treue Säuberung erhalten. 2öaS man in ©nglanb unb Belgien über
ir)n f abrieb, befchränfte fidt) meift auf bie bortigen Verhältniffe; in Deutfa>
lanb mar nur in einem Keinen Greife eine oolle Slenntnifj beS ÄönigS $u
finben. darüber hinaus begegnete man ben mannigfaltigften Vorurteilen
unb falfchen 2luffaffungen feines ganzen 2BefenS. Seit bem £obe bei
dürften -Utetterniä) far) man ben $önig Seopolb ba unb bort für ein
politifcheS Drafel beS alten (Europa an, aus meinem man ftdt) über bie
populären unb liberalen Strömungen ber gebilbeten unb befifcenben Staffen
bie beften 3luffa)lü[fe oerfchaffen fönnte.
Seine fluge unb ruhige 2lrt, bie ©reignijfe ju befpredjen, fidfjerte ihm
überall einen (Sinflufe oon mehr moralifd) als polttifdj eingreifenber SRarur.
3n ben legten fahren machte er gegen 9hemanb ein £ef)l barauS, bat*
ihm ber ©ang ber Dinge ^öd^ft roiberroärtig unb beforgnifjerregenb erfaßten.
2luS ben Differenzen jroifa^en ben beutfdjen 3)Md)ten fah er baS ftetgenbe
Uebergeroia^t beS Imperialismus crroachfen; es oerurfachte i&m faft eine
perfönlidje Äränfuug, wenn in ben legten Monaten, felbft in ernften blättern,
oon einer Teilung Belgiens jtoifchen granfreich unb ^reufeen bie -Rebe
mar. 25er Äönig fyatte von Statur aus in allen Angelegenheiten einen
3ug jur 93ermittelung; aber er oerlangte bie entfdn'ebene 2lnerfennung ber
©renjen beS 9iedjteS unb ber Silligfett oon oomherein unb fonnte fid)
über (Sinjelne toie über bie©efammtheit erjürnen, wenn bagegen gefegt mürbe.
9ttein D^eim t>atte nichts weniger als eine innerlich fyoty Achtung
oor bem, roaS bie manbelbare öffentliche Meinung mit bem £age f)tfoor=
jubringen pflegt; unb wenn ilm jene gefannt rjätten, roeldje gewöhnlich
meinen, ba§ fict) in ber Unterroerfung unter baS allgemeine Urtr)eil bie
liberale ©eftnnung beS Staatsmannes je ige, fo mürben fte Um ohne 3roeifel
für einen ber iüiberalften Jyürften ßuropaS gehalten haben.
(5r mar fct>r geneigt, baS, roaS als baS fogenannte allgemeine Urteil
in politischen Dingen an ber Oberfläche 5" erfd&einen pflegt, ju belächeln
unb in milber JJ-orm ju oerfpotten. 3mmer mar er ein getnb aller
ertremen Anfielen unb i^iaferegeln unb gleichfam bie ^erfonification be*
Slriftotelifchen 9)iafeeS in allen Dingen. Seine Abneigung gegen bie
ultramontanen $MeberbelebungSoerfud)e oergangener Reiten ift befannt
genug; aber in ber legten $eit mar er eben fo febr über bie belgifdt)en
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£copoIb I. KÖniij ber öeljjicr. 277
Stberalen ei5üvnt unb fabelte tyr partes $orgef)en gegen bie fatrjolifdjen
©efüf)le ber Seoölferung. „£ier f)abe id) mia) furajtbar" — fo fd&rieb
er mir im SRooember 1864 — „über meine SJiinifter geärgert, bie unter
bem ©tnffaß ber rabicalen @fobs $inge tfwn, bie ber 3ufunft beS SanbeS
nur oerberbltd) [ein tonnen. Sonberbar! baß bie 9Henfd)en ferjr glüdflid)e
3ufiänbe fdjtoer ertragen." ©r befdjtoerte fid) befonberS barüber, baß man
bie „roirflidj anfängt icrje fat^o!ifdr)e Seoölferung sans rime et sans raison
brangfalire. $ie ^oUljeit Neroon übersteige alle Segriffe."
3ttan fonnte behaupten,, baß ber flönig neben einem fa)arf auSge«
prägten 9ied)tsberöußtfein audj oon bem oielbeutigen SBorte ber greit)eit
einen leben bigen Segriff befaß, bur<$ meldten er bie Parteien oon redjtS
unb linfS n>af)rr)aft befc&ränfte. 3n einem Slrttfel, ben id) felbft bei bem
£obe beS flönigs für eine rjeimifaje 3e^ung gejcrjrteben r)abe/ glaubte icr)
meine 3(nfidr)t über bie politifdje Sebeutung beSfelben in jolgenbe Sorte
faffen ju foHen:
„$aS roar beS ÄönigS ©röße, baß er, jum Sdrjirm unb £üter eines
eben erftetjenben (Staates beftellt — eines mad^tlofen, politifd) unb religiös
gefpaltenen Staates — mit fixerem Slitfe baS einjige £eil in bem gunbament
bes 5Red)teS unb ber greifet erfannte. <£r oerftanb feine 3C^ unD
gorberungen. ©ennffermaßen ber Präger beS mobernen conftitutioneßen
Sebent, f)at er burdj bie ÜJlufridjtigfeit (einer Eingabe an bie ^nftitutionen
beS ßanbeS, wie burd) bie nadj reajts unb linfS beroäfnle geftigfeit beS
(SfjarafterS feinen jungen Staat ju jenem 3)?ufterftaat erhoben, auf ben
bie anberen Sölfer beS Kontinents mit ferjnfüdjtigem 9^eib flauten, unb
ber in gewaltigen Äataftropfjen, als r)unbertiär)rige £r)rone gitterten, unbe*
rüfyrt unb in fid) gefaßt baftanb."
Siefe Xenfroeije beS Königs fjatte inbeffen nidjts mit jenen bes*
potiid)en 33eglü(fungStenben$en gemein, meldte aufteilen ein bejtimmteS
Softem pl)ilofopl)ifd)er 3In|d;auungen ben Sölfern aufzwingen motten.
£er Sinn beS flönigS mar allem DoctrinariSmuS fremb. <Sr fonnte bie=
jenigen Seute am roenigften begreifen, bie fia) unb 3lnberen burd) enblojeS
SBerbeftern, 9ieformiren unb SKeoolutioniren bie größten Seiben §u oerurs
fachen oermögen. Senn er roar, nacr) allen 9?i<r)tungen betrautet, eine
freie unb freifinnige 9?atur, reelle, mit bem größten 2öot)lroollen gepaart,
bie greift jebeS 2inbern bis an bie äußerfte ©renje beS 3Höglid)en in
rejpectiren oermodjte.
Qx t)atte fel)r biet Sinn für fjäuSlidjeS Seben, unb es ift ganj waljr,
baß er nadb bem 2obe feiner erften ©emaf)lin eine 9ieirje oon Sauren
trübfeltgfter 3lrt oerlebte, efje er ben belgifdjen £rjron beftieg. Qu biefer
3eit oerrjältnißjnäßig geringer politifd^er 2Tl)ätigfeit moa;te fict) baS eigen*
trjümltcfje contemplatioe Sefen auSgebilbet Ijaben, oon ioeld)em in einigen
romanhaften Sdjriften, bie oon bem Könige fjanbeln, eine carrifirte 3eia)iiung
gegeben loorben ift. Qx war ein 3)iann o^ne ftarfe Seibenfc^aften; er
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278 €rnft 11. f^crsog von £adjfen'C£obiir*}<<Sotljd.
pflegte $u fagcn: „Wan hat gemeiniglich feinen geinb für ba$ gamt
£eben, aber aud) fetten einen greunb, mit bem man in 9lÜem übereilt;
ftimint." So oerbreitete er fid? gerne mit philofophifö« dM)e unb mir
einem Slnfluge uon £umor über Sflenfchen unb Singe ber 28elr. Gr
imponirte burd) foldje ©efpräche ben »erf^iebenften ^olitifern, (Mehrten,
flünftlern; unb gerabe folgen am meiften, bie im 2BefentIid;en anberen unfr
befonber« prononcirten 2tnfd)auungen Imlbigten. Hillen flöjjte ber Äönu
eine nicht ju oermeigernbe Sijmpathte ein, welche jwifdjen t)ot)cr 2?erehruna
unb aufrichtiger Siebe fchwanfte. Gr befajj febr oiel Sinn für bie ttunft,
befonbere« SBerftänbnife für bie üfialerei, beren 33lütl)e in Belgien mit feinem
perfönlid^en Slnthetl an bem fünftlerifdjen Streben &anb in £anb ging,
gür bie 3Wufif l;atte er viel natürliche Hnlage; auch oerfügte er über feljr
anfe^nlid^e ßenntniffe auf ben manmgfadjften ©ebieten be« SBiffen« unD
nodj mehr über eine ungewöhnliche 2ttaffe oon Erfahrungen, bie er woh's
georbnet in feinem OJebädjtnife aüjeit bereit tytU, um fic auf neue Gr=
fdjeinungen anjuwenben.
©eine unenblid) reiche Seetüre bejog fidj mit Vorliebe auf SJlemotren
unb politifdje Schriften wie aud) auf bie gefammte moberne, tn«befonbe:e
englifche fchöne Literatur, (Sine fo ftarfe getftige $urd)bilbung gab ityn,
obwohl ber Unterricht feiner ftugenb in ben ftrteg«jahren ber frcm^öftfdhen
Dieoolution nicht ber forgfältigfte genannt werben fonnte, eine aufjerorbent-
liche Sicherheit in ber flenntnip anberer 2Jtenfcr)en. Sie Spcrfonen, mit
benen er in Berührung fam, burcf>blicfte er biä in bie tieffteu galten bei
iperjen«, wobei er faft niemal« gegen irgenb 3emanb ein $orurtf)eil ober
ein feinbfeltge« ©efüljl hegte. Sein Qntereffe an ben ^erfonen war ftet*
oor SlHem ein menfd)liche« unb erft in jroeiter Sinie ein polvtifdje«.
Sie militanfchen Grinnerungen gehörten 5U bem werthuoHften gnoentar
feine« Sehen«. Gr bewahrte fich auch ba« ooUe &erftänbni& für militärifcbe
Singe, unb er hat in feiner SIrmee, fo weit e« nach ben gegebenen Mitteln
nur irgenb möglich war, nicht geringes Crganifation«talent an ben £aci
gelegt. SJlit grofeer Jvreube uerfolgte er in bem lefeten 3af)re feine« Sehen*
bie Schicffale feiner ttinber in SHerifo. Gr war e«, ber bie 3bee ber
Silbung einer belgifchen unb einer öfterreidjifchen Segion aufgebracht harte,
unb er hielt burd) biefe ba« Äaifertlmm für bie fchlimmftcn galle gefichert.
G« mar ein wahre« ©lücf für ihn, ben rafdjen 3ufammenbruch biefer
Hoffnungen nicht erlebt 5U haben.
Unb wenn ich enbtidjj über mein perfönliclje« $erhältni§ ju bem theuren
Dheim nod) Ginige« fagen foU, fo barf ich wohl bo« järtlichfte nennen,
ba« fid) in einer gamilie nur benfen läfct. 3$ bewahre mit inniger greubt*
bie reiche langjährige Gorrefponben3, au« welcher in ben uorfteheuben Glattem
wohl 5um erften W.ate wirflid) be$eichnenbe SJHttheilungen über fein Senfett
unb Gmpftuben gegeben werben tonnten. 3n ben legten Monaten feinem
Sehen« f abrieb mir ber gute Cnfet in feiner treuen Siebe: „$u fteljft mir
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£copolb 1. König ber Seigier.
279
am nädjften von allen Süerroanbten, unb ich fefje im ©eifte teilte lieben
braunen 2lugen, bie fo treu unb IjerjUdj im 2luSbrucf finb."
Gr war mir, wie ber freunblicf) fte unb reblidtfte SRathgeber, ben idj jemals
hatte, fo auch ber nadjftchttgfte Beurteiler, ©r uermod&te meine 1'ebenSan*
fdjauungen rote ein oäterlidjergreunb §u oerftehen unb feilte metftenSbtefelben.
Qnbem er, roaS uns fo feiten im Seben ju £heil rotrb, niemals bte 2Küf)e fidj
uerbriejjen lieft, bte 3ttotioe meiner #anblungen ju fudjen unb p finben, roar
ed ihm burd} feine herjltdje Siebe ju mir faffc immer möglich, midj auf meinen
2Begen unb in meinen 3been treulidjft ju begleiten. £er fchrtftltche SBerfehr
mit ihm, oon meinem ber Sefer jahlreidje groben erhalten hat, giebt fein ooUeS
SBilb beS aufeerorbentlid) tiefen unb eingehenbenSBerftänbmifeS, roeldt)eS erburd)
ben perfönltdjen S3crfet)r fidj JU »erfdjaffen roujjte. 2)enn fo fur$ unb
apfjorifrifd), roie meiftenS feine Briefe roaren, eben fo lang unb grfinbltch
waren feine Unterrebungen, bei benen er nidfc)t rufjte, bis er burd) enblofeS
gragen gleichmäßig bocirenb unb forfd^enb bte fpectettften 2)inge ju ergrünbeu
geroufct t)atte.
@harafteriftifch für feine gfirforge roie aud) für feine politifd&e ©enfart
roar, ba§ er in feinen legten Sagen fid) mit bem ©ebanfen befdhäftigte,
in Coburg für feine gamilte ein gtbeicommnifj ju grünben. ©r roollte
biefelbe in ihren ©igenthumSoerhältniffen oon ben Seftimmungen beS Code
Napoleon unabhängig machen, ba er ben SBertf) biefeS oielgerühmten $riuat=
rechts, befonberS in fragen biefer 2lrt, bezweifelte.
„3n neuefter Seit" — fo fd&tieb er mir — „bebauert man in granf =
reich fo feljr, es oerfäumt ju haben, nach bem Coup d'Etat bem Code
nicht etroaS abgeholfen ju haben, gfodj su Gompiegne fpradj mit mir
ber Äaifer Napoleon baoon."
Sin langes unb fdjroereS Steinleiben trübte ben SebenSabenb beS ftarf=
müthtgen JlönigS burdj Safyxt hi"burd) ; aber Sd)merjen unb Dperationeit er-
trug er mit aujjerorbentlichfter ©ebulb unb unoerroüftlidjer SebenSfreubtgfeit.
Seine geredeten Älagen über bie eigene (Bebredjltchfett löften fid) meift in eine
3lrt oon felbfllofem SBebauern ber menfd)ltchen Statur unb ihrer Sd>roäd)e auf.
Seine Umgebung roufete nidn" genug baoon ju erjagen, roie er aud; in ben
lefcten Stabien fetner Stranfhett bei ungetrübtem Beroufetfein ruhig unb muthtg
beut £obe entgegenging, Gr ftarb fo fanft, ba§ feine anroefenbe gamtlie unb
fein alter greunbi^uleS oan tyxaet, bem er nod) nodj einmal bie &anb ju brüefen
gcroünfcht hatte, es faum bemerften, ba er ben legten 2lthem$ug ttjat.
3n einem nicht ärztlichen, aber fpecieU an mich gerichteten Berichte heifjteS:
„£er ^auptfranfheitScharafter beSflÖnigS roar julefet eine ftets fortfchreHenbe
Schroädje, oerurfadjt burch bie nidjt ju oerbrängenbe ruhrartige Diarrhoe
unb erhöht burd) benroafferfüchtigen3uftanb beS Königs. Seine 3Jlajeftät roollte
in ben legten oierjehn ^agen 92iemanb oorlaffen unb jeiebnete am 4. biefeS
jum lefeten 2Wale. Seit Xonnerftag erft blieb er an baS 33ett gefeffelt, bis
bahtn fämpfte er hartnäefig gegen ben ©ebanfen brohenber ©efahr. Grft
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i
Die erfte beutfcfye Ueberfefcung von (Biorbano Bruno's „Hefor*
mation fces Rimmels/'
or einigen ÜÜtonaten babc id) an biefer «Stelle ben Verfud) gemalt in wenigen
großen Bügen ein, wenn aud) nur unoollfränbigcS unb feenhaftes, fo bodi
r*fcj.f" einigermaßen sutrcffcnbeS unb iibcrftdjtlidieö Vilb Der wiffenfdjaftlidjeu und
allgemeinen fulturfjiftorifdjen Vebeutung bcS großen SRanneS, ben man mit uottem stecht
al 8 ben berootragcnbften Center 3talienS unb ber Mcnaiffance bcjeidjncn tonn, 311 entrollen.
(Seitbem hat ba$ weltgefdnchtiidje ©reigntß, baB »ich am 9. 3uui b. 3« i« Moni ooü*3og,
ben tarnen ©iorbano ©runo'S burd) aüc Saube getragen, unb in gatjttofcn gleidjgeftimmten
©emütljern Hingen beute nod) bie begeifterten 3ubelrufc ber Picltaufenbföpfigcn SRcnge
nad), bie an ieuem Xage baS eben enthüllte ©tanbbilb beS tobeSmutbigen VorfämpferS
unb äWärtprcrS ber ©eifteSfrcibeit begrüßten. 5US eitel unb ohnmädjtig baben Rd) alle
Bemühungen Don gegnerifd)er Seite erwiefen, bie barauf abhielten, bie Vebeutung bicfer
über alles (Snoarten großartigen unb impofanten fculbigung abiufdjtoädKu unb baS
Slnbenlcn Desjenigen, bem fte bargebradjt warb, auf alle erbenftidje SBeife ju üernnglimpfen
unb ju bcfd)impfeu. 2)er (Sinbrucf, ben bie in jeber Ve3tchung fo überaus roürbig unb
baemonifeb ocrlaufene SenfmalenthülIungSfcier in SRäbe unb 3*rne betPorrief, ift ein
ebenfo tiefer als nad)f)altiger geroeien, unb mau wirb ifjrer nod) lange 3«t erbobenen
^erjen» unb freubig bemegten ©inncS als einer wabrhaft internationalen Verbrüberungä;
feiet frei geftnnter ©eiftcr gebenfen.
Unter fold)en Umftänben ift eS boppelt erfreulid), baß gerabe gegenwärtig aud)
benjenigen beutfeben ßefern, bie ber italienifdjen «Spradje nietjt mäd)tig finb, ©elcgenbeit
geboten wirb, ftd) mit einem ber bcrü&mteften unb cigenartigften äßerfe ©iorbano Vruno'S
burd) eigene ßeftüre befannt gu madjen unb aus erfter $anb ein felbftänbigeS Urteil
über ben äßertb beSfelben unb über ba8, was eS thatfädjlid) bebeutet unb Witt, gu gewinnen.
t $)aS SEBerf, um baS eS ftd) banbclt, ift ber „Spwciu della bestia trionfauU"
(„bie Vertreibung ber triumpbirenben Sbeftie") — ein PielgcfchmäbteS Vud), baS Per«
möge ber fjartnäetigen Verfolgungen, bie eS pou proteftantifcher wie tatbolifdjer Seite
3u crbulben hatte, 3abrbunbcrte lang faft oerfdjollen war, ba* fdjließlid) nur nod) in
einigen wenigen, überaus foftbar geworbenen ISjemplareu erifrirte, unb bas gegenwärtig
3um erften i'tal in bcutfd)er Sprache oon ßubmig Sl 11 Ii lenbeef iiberfeßt unb mit
gahlrcidjen erläutembeu Slnmerfungen oerfeben, Pollftänbtg unb unoerfürgt 3um Slbbrucf
gelangt *) „©iorbano Vruno'S Steformation beS Rimmels*' bat nad) bem Vorgange
*) Verlag Don dauert unb Stocco in ßcip3ig. Beigegeben ift biefer ÜluSgabe
ein SBieberabbrud sweier Vorträge beSfelben VerfafferS, bie in übcrfid)tlid)er unö
inftruetioer 2Beife baS üeben unb bie 2öe(tanfrf)auung ©. Vruno'S bebanbeln.
?lorb unb €ft\ LI., 152. 19
(Lo spaccio della bestia trionfantc).
Don
fybm\$ Benöer.
<Eifcnadj.
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— — <£ine Ueberfeßung con <8iorbano Bruno'* Heformotion. 285
feit, bie nur afläulauge bafelbft gebauft, foioofjl aus ben ©emütljeru ber §immeläbe»obner
als audj oon ben frrablenben Gfjrenft^en bc8 Sternenfirmamcnt& 31t oertreiben. "Um
3abreStage ber ©igantcnfdjladrt, ber im §immel atö f)Öd)ftcr Srefttag gilt*), tfjeilt er ben
©öttem fein Söorbaben mit. 2>iefc finb überrafd)t aber einoerftanben, unb fagen ifjre 3ftit=
ioirfung jur 2lu3füljrung be8 großen SÖcrfeS bereihoitttg ju. ÜJton Bereinigt fid) batjin,
bafe in feierlid)cr, bimmlifd)er Holteoerfammlung über ba8 Sd)icffa( ber alten Sternbilber
Perljanbelt unb über einen roürbigcn (*rfafc berfelben SMdtfuß gefaxt »erben fott.
2Bie man fidj'S öorgeuommen bat, fo gefd)iel)t'3. $er große Xag fommi beran.
$ie SSerfammlung irirb mit allem itjr gebütjrenben bimrnlifd)en $omp com ©btteroater
in SUerfon eröffnet; bie Staublungen toerben mit aller iDÜnfcrjenSroertben ©rünblidjfcit
geführt; alle«, toaS ftcrj beS Rimmels unroürbig ermetft, roirb au* bemfelben auSgcmicfen,
oie 2üat)rf)e it wirb auf ben böd)ften Zfaon im früheren Sternbilb ber „Keinen 23ärin"
ertjoben;**) unb alle bic übrigen f)immlifdien (5(jrcnfi6e, ouf beucn oorbem in ©eftalt
ber alten Sternbilber unb $?immel«3cid)en „bie triumptjirenbe Söeftie" beä ifaftcrS unb
ber SRicbertracfjt gethront batte, fie »erben nun, roie fid)*3 gebührt, je nad) itjrcr befonberen
üPcbcutung ben 3tepräfentanttnncn ber oerfdiiebcncn lugenben sugefprodjen unb mit ben
^erfonificationen atteS beffen, ioa§ gut unb fd)cn unb mürbtg ift, roaS bad Ccben
fd)mürft unb abelt unb ifmt roabren unb bauernben 2Bertf) 31t Dcrletben oermag, befeut.
2>ic& ift in S?ürje bie frei erfnnbene ft-abel beä 33runo'fd)en ©ebidit* £ie 2lUc*
gorie beäfetben ift burd)fid)tig unb ibre ^eoeutung ofjne SBcitere« flar. $ie ©ötter,
bie ber „Spacäo" wxi oorfübrt, Rnb in 2Baf>rl)cit feine ©ötter, fonbern oeränberlidje
unb fterblidje 2Jienfd>en; unb ber Stcrnenbimme!, ben fte 3U reformiren unternerjmen,
ift baS Sumbilb unb Spiegelbilb iljreä eigenen, b. tj. eben beS menfcblicben ©emüt bf.
3n biefem, unb nur in biefem allein, bat bie triumpfjircnbc 58eftie, bie aufgetrieben
tocrbcnfoll, ibren Sit}. Unterer oeiftebt Jöruno bie ©emeinfjeit unb fiebrig»
feit ber ©cfinnuug, bic U ntoürbigf eit unb 9Hebcrträd)tigfeit, bie Jöcr*
berbttjeit in ieber ©eftalt. 3br erflärt er in feinem „Spacrio" ben Ärieg.
Denn unter bem Sorgeben, ben Gimmel reformiren 311 roollen, weiß er bie Softer
unb $borbeiten ^er 3JjcnfdKn ju geißeln; unb im öarorfrabmen feiner pfjantaftifd)en
2)id)tung tritt ein Spiegelbilb irbifdjer 3uftänbe. ju beffen Sdjöpfung fid) bie Spott*
luft beS gciftoollcn Satiriferf mit ber SBcgeifterung unb fdjopferifdien Äraft be& Poeten
unb bem (frnft unb Xietblicf bei Sßeltiocifen oerbunben fjat, nor unfere @ccle t}in.
Unb 10a* bringt 93runo niebt alles in biefen ÜRabmcn tjincin! Seine 3abel ift
überaus glüeflid) geioäfjlt, beim in ben 3)iritben, bic fid) an bie alten Stcrnbilbernamen
fnüpfeu, fteeft eine iyüüc Pon $oefie. Sic bieten nad) ben Perfdjiebenften 9lid)titngcu
bin ©clegenbeit 311 allerbanb 3lnfpielungen unb tieffinnigen S3etiad)tungcn, unb 5Bruno8
bcioegüdjer ©eift bat biefen Umftanb eollauf bcnüfct. Sein „Spaccio" ift in ber Zbat
nidit bie „moralifdje ^lattitube", bie nad) $iibring'8 trcffenöem au3brucf gemiffe ßeute
in ibm crblicft. (Sr ift aud) mefjr al« ein bloße* fatirifdje« „«orfpicl" eine« 311-
fünftigen „Spftem* ber ßtbit", obroot)l man ihn allerbtng* in getoiffem Sinne (nad)
5öruno* eigenem Vorgänge) ali ein foldieS bejetdinen fann. (Sr ift eine Sdjöpfuug, bic
00m bödiften pbilofoobifd)cn Stanbpuufte auf beurtbeilt locrbeu muß, meil fie nidjt
bloß moralPbilofopbifdje ©ebanfeu, fonbern nebenbei faft alle tuefentlidjeu ©runbgebanfen
ber großartigen metapb^nfaien äßeltanfcfiauung ifjreS 3?erfaffer3 311m 9tus5biucf bringt.
6r ift, toie Ecrti in feiner „$ita bi ©iorbauo töruno" beroorl)ebt, ein 2Serf, baf
„pfKHttaucooIIer, ibecureidtcr, uncrfd)öpflid)er an ^Infpielungen unb Megorieeu aüer
*) Ter örinncrungätag ber berühmten Sd)lad)t, in meld)er bie olnmpifdjeu ©öttcr
cinft ibre mädjtigften unb gefürdjtetftcn geinbe, bie alten ©iganten, beilegt batten.
**) Xicfer *la6 gilt al» ber „pornebmftc" bef Firmament?, loetl ju bem ge=
nannten StembilD ber ^olarftern gebort, ber „fefte ^ol" ber SMmmeUfugel, um ben
ba8 Sterncngeioölbc fid) brel)t.
11>*
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28<$ £> c b n>t 3 Senber in (Eifenadj.
N>lrt, eigenartiger unb feltfamer erfcheint als irflcnb ein anbere«, baS bic pbUofopbifcbe
Literatur Stalten», unb faft möchte man fagen ber SUclt aufmeifen fann" — ein Seit,
baS oon (Seift unb üaune fprübt unb baS ®enie feine« SlutorS ebenfo febr in ber
Einmuth unb attifchen Seiubeit bcS 2BiöeS, bureb bie eS uns gelegentlid) übeTtafcbt
unb bezaubert, wie in ber äätnben Schärfe fetner Satire, in ber Unerfdwpflichleit an
originellen Einfällen ebenfo fchr tote in ber Straft unb Stufjnbeit bcS Kenten» unb in
ber glutbüollcit (Snergie beS CfrnpftnbcnS, Don benen es 3tugnift ablegt, üerrätb.
Scnnod) barf mit oerfchwiegen werben, bafe auch ber „©paato" oon ben Langeln
unb Sdjwäcben nicht frei ift, bie ber Söruno'fcben Schreibweife im 2lllgmeincn anbauen,
unb für fie faft ebenfo fchr tote bic eben erwähnten bcwunbcrungSwürbigen Ütorjügc
faft aller leiner ©djrtften beaeidwenb ftnb. (£s ift oiel ©efuebte«, ©emachteS in bem
ittuche; es fehlt nidjt an SKaBloftgleiten ber $orm wie bcS Inhalts, nicht an Derb-
heiten, bie unfer moberne« (Smpfinben bcleibigen, nidrt an SleuBcrungeu einer $u weit
getriebenen 9Jaiüitat. Ueberbiefi leibet baS (Hange an Ueberlabung. $er geifttge
Weidjtbum be« &utorS, bie ©ebanlen« unb ^Überfülle, bie er oor uns entfaltet, ftnb
allgu groß. $ic Mnfpiclungcn unb geifrreidjeu (SinfäHe überftürjen ftd) oft förmlich;
bie Öleidmiffc unb rbetorifchen Figuren häufen ftd) gelegentlid) in gerabeju unfeböner
aUeifc, unb baS „3ut>icl" in materialer unb formaler »ejiehung beeinträchtigt ben
ruhigen, freien unb unbefangenen Öenufe. 3>agu fommt ber allegorifd>c (Sharafter bcS
ilBcrfcS, ber bem mobemen Öefd)macfe fo wenig conform ift, unb ber halb roifien=
fchaftlid)c, ^alb bichtcriiebe Örunbton beSfelben, ber ben ISffcIt beS Öanjcn fd)äbigt, »eil
er bic ©nheitlid)teit ber Stimmung, biefe conditiu stnu qua mm ieber barmonifdxn
Ütfirtung, gerftört. SllleS in allem genommen ift ber ,,-Spa« x io- ipot)t Dasjenige ^robuft
feine« Tutors, baS und im eminenteften (tyrabe au baS berühmte Öoethc'fcbe S&ort oon
ben ungleich begabten (Srjgäugen bcS ittruno'fcben (Reifte« unb oon ber Schwierigfeit. baS
(5>olb öcrfclben au* ben Schladen, mit beiicu es untermifebt ift, rein ausgufchetben, ge=
mahnt. 2ritt uns bod) au« bem Mahnten beSfelben ber gange »runo mit all feinen
5öorgügeu unb 3d)Wäd)cn entgegen, bliefen mir b,ier bod) auf ben ®rnnb feiner Seele,
füllen unb begreifen mir bod), baß ei fein müßiger Einfall bon tb.m ift, wenn er bie
Wahrheit fumbolifd) als ben feiten SM unb XHngelpunft jcbeS woblgeorbnetcn »geiftigen
UntüerfumS" begeiebnet, inbetn er ihr ben s#ol beö (Sternenfirmaments (im «tcrnbilb
ber fleiuen Jöärin) gum äöotjtifiö anweift unb fie, bie ihm frühe gum Eeitftcrn warb,
ber er ftd) Poll unb ganj gu eigen gegeben, auf ben l)öd)ften, erljabenftcn &immclMnron,
ba^in, „too bic Älauen ber ü&crricinerung fie nid)t erreidjen fönnen, wo ber blaffe lÄcib
fte nid)t ju bcrfd)letcrn oermag, wo bic ftinftentiffe bc8 3rttb,um& aufeer otanbe ftnb,
fic ju umwölfcn," ergebt! Sein wab,rftcö unb tiefftc« t^mpfinben, fein eigenfte«, inner«
lidjftes Erleben ift tt, wa« er in biefer fambolifcben ^anblung, wa« er in ber ©runbtenbcnä
unb ©runbanfdjauung bei „8paccio" sum tebruef bringt. 2)ic aßab,rbeit war ja redrt
eigentlid) feine öJottb,cit; ibrem ^ienftc l)atte er fein Ücben gewebt; iljr wollte unb
follte er Xrcuc galten, fefte Ireuc bis sumXobc!
ift fid)erlid) teilt geringes ^erbieuft, ein 2ikrt oon biefer ^ebeutung aud) iokben
«efern gugänglid) gemad)t gn Ijaben, bie ber Sprad)e beS Originals nicht mächtig finb.
hoffen mir, bafe ber Uebcrfeeer, ber fiefa biefer fdjwicrtgen unb müljeöoacn Aufgabe mit
Öülcf unb (%e\d)id unterzogen hat, in weiten Streifen berjenigen 3lncrfcnuung unb fgm*
patl)ifd)cn Xhcilnabmc begegnet, bic fein llnteruebmen an unb für ftd) betrachtet ebenfo
febr wie feine tüdmge unb woblgclungcne üeiftung oerbient! Sur bic jablrcicben er*
läuteruben 5?lnmcrfungcn, bie baS ^crftänbniß bc« lerteS erleichtern helfen, gebührt
ihm befouberer 2)anf. Sic werben aud) foldjen Sefcrn willfommcn fein, weldje bic
pcri'i)iiüd)e Stnfdjauungswcife Äuhlcnbecfs IciitcSiocgS in allen ^untten theilcn, unb
bie, bei aller wannen Verehrung ^für bat Öenius Öiorbano SörunoS, bod) aud) bie
beroonügenbe toiffcnfchaftlute »ebeutung ber großen Sännet, bic nad) ihm lauten, bie
sfcbcutmtfl eines Ucibuij unb Jöcncbict Sotnoga. nitbt oerfenuen
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3Uuftrirte 23ibliograpl)ie.
Woöcrm* ttitnft. 3Uuftrtrte 2)!onat*fd)rift mit ftunftbcilagen in 2Retfterf)0lgfd)uitten.
1889/90. 3af)rgang IV, ßieferung 1. »erlin, Verlag von 9tid)arb »ong.
ai £eft, mit bem bic „SJtoberne Srunft" ben neuen 3al)rgaug eröffnet, geidmet
fid) ebenfomotjl burd) bic SJfannigfaltigfctt unb gcfdjmatfDoUc sJluömal)l ber
lTfc*J<i4l bargebotenen Silber roie burd) itjre burdmxg gang oortrefflidie Üluärübnwg
au«; e$ giebt uns Dollauf Gelegenheit, un8 an bem hohen Grabe ber Holleubung, ben
bie Xedjntt ber ftoljfdmcibefunft erreidjt f)at, gu erfreuen. Die JHebaction ift in häufend
roertfjer Sßcife beftrebt, ben internationalen Grjaraftcr ber ftunft gu roabren unb neben
ben SBerfen unfercr Datcrlänbifcfjen SJieifter uns aud) beroorrageribe (£rgeugniffc ber
fremlänbifdjen ftunft Dor klugen gu (teilen.
Unter ben Gaben beutfdjcr ftünftler fei gunädjft ein reigenbeS iöilb Don iiubioig
ff nau$, „steigen" betitelt, f)erDorgef)oben. (&S 3e:gt uns bicr nadte Stinbcrgeftalten, bic
jtdj unter ber leitenben Oblmt eine« größeren, leidjt befleibetcn iDiäbdjenS an einem
JNingeltang im freien ergööen. 2)icfc8 ÜMlb ftratjlt ben gangen erfrifdienbeu 3<iubcr
finblid) unfd)ulbigen gfcotylimft toiber. (Sbuarb bon Jölaaö läfjt eine liebreigenbe
Xoditcr ber fiagunenftabt unfer .fterg burd) ben Iocfenben !8lid it)rer fdjönen xUugeu ge-
fangen nefmten. 3ofepf) üteef 'S Gemälbc „Uiebeätraum", bem ein fleincS Gebidtf ISrnft
Don 2üolgogen$ beigegeben ift, fütjrt uns an ba8 Üager einer tjolbcn Sdjläferiu, bereu
Don bunflcn Coden umtoalltcS, burd) ein fanft fcligeS ßädjeln belebte» 2lntlitj un$
Sfunbc giebt Don bem fiifecn Xraume, ber burd) ifjre jugcnblidjc 6eele gict)t. Einige
Stubien au3 bem »aUetleben lenteu innere 3lufmerffamfeit auf ben jungen, äufcerft
talentDoIIen bairifdjen 3Mer ftriebrtd) $ef)r (geb. 18C2). Xai Don unt u)iebergc=
gebene febj fein djaraftcriftrtc Jöilb „sßor ber iöaüctprobe" crgäblt eine gange GcfdudUc :
eine DoUerblül)te, im CicbeSroefen offenbar luohl bemanberte i^allcteufe lieft ber neben
if)r fieenben iüngeren, fd)üd)ternen unb unerfahrenen Gollegin einen üicbeJJbrief Dor, ben
btefe crbalten unb ben fic ihr gagenb unb groeifclnb übergeben bat. 3)er Gcfid)t8au«bnirt
ber SBorlcferin oerrätf) beutlid) genug, in roeldjem Sinne fie ber Jmnibin bie glängen-
ben Stnerbietungen ihre* reichen Liebhaber* gu beantroorteu rätt), unb e& [ieht jo au&,
als mürbe bie ängftfidje ©ittfamfeit ber 2lnbern Dor ber 93erfudmng nidji 3tanb balten.
G. d. ^ttaffci'S 2Hlb „SramDfenbe 2luerbäf)nc" gebort gu einer ÜHeilje Don Silbern,
in benen bei ftünftler bie oier 3af)reSgeiten burd) bie SJcrbinbunfl Don Xl)ier unb Canb=
fdjaft gur Uarftellung gebradit h,at.
£3ibl t ograpbje-
28?
$ie fcanblänbifdK SNalcret tu uertreten burd) ÜJc. 3 tone („3n Siebe": ein junges
5*aar in ber Irad)t beS Dorigen 3at)rl)unberts, baS auf einer San! unter fcbattenDem
SJaume cinanber gcgenübcrfiet uub eben mit ber gärtlidjett 5ragc: „$?aft Xu mich
lieb?" befdjäftiflt gu fem fdieint); 3. <Sd)ena („Simfon uub Xetila") unb ft. IS.
at om St i („Xcr 3ar wäbtt bic $raut").
SJon Süerfen ber $laftif finben wir Slbbilbungen ber gu ©fjren beS $efud)eS beS
tfbnigS Umberto in Berlin errichteten §unbrieferjd>cn Statue ber Serolina unb eines
Don t£. ferner mobcltirteu Derliebten ftäunS, beffcn bigarr häßlidjeS ©efidjt fid) eben
gum Stuffe ruftet unb baburd) gur lächerlichen ©rimaffe wirb.
3n bem neuen 3abraarig f0ß aud) für erwetterten Umfang beS Xc|tc8 «Sorge
Getragen werben. So bietet uns bereits baS erftc $eft u. St. bie Anfänge gweier
^oueletten oon K. uon Sclincfowfrroem unb Hermann fcetberg. h.
Tie politiiche unb milttänfdje
tSorreiponbcn j Mbuia $rtebrt$e
bou »uri tem btrc\ mit Napoleon I.
(1805—1813). herausgegeben Bon
n. o. Scbloßbcrger. Stuttgart, 2B.
Äot)lb,ammer.
ÜBie ber SUerfaffer bereits in ben Sei*
lagen gum ^ürttembergifeben Staats*
Ängeiger oon 1887—1888 näher ausführte,
fo qef)t aud) aus btefer nunmehr oeröffent*
liebten (Sorrefponbeng gur (Sotbem beroor
baß baS SÖünbniß Äöttig ^friebrtdKt mit
Napoleon nur aus bem gewattigen politi*
fdjen uub militärifcbenXrucf einer 3wang8-
tage IjeTOorge^enb erfolgte, uub Daß bie
rbeinbünbifdje Sßolitif ber fübbeutfdjen
Staaten überhaupt nidu ettoa Dom Staub*
punft beS 9JationalitätSpringipS unferer
Xage als ein Herrath am SBaterlanbe an*
gefehlt werben barf, fonbern baß in ihr Biel«
mehr oorgugSwcife ein trauriges Sqmbtom
ber bamatigen Sage XeutfdjlanbS erfannt
Werben muß. 3n ber Xhat fdjloß Slönig
Sricbrid) „ber :r<oi\) get)ord)enb, nidu bem
eigenen Xricb", um Siaub unb Sfrone gu
retten, ben 33unb mit bem Uiurpator unb
fagte fidj erft, nadjbem er ad)t 3al)rc binburd)
aud) in 3eiteu fernerer llnglücf Sfditäge treu
gu bemfetben geftanben, in eine oletcftc
9totf)Iage gerat best. Don ihm toS. ör
banbette fo atS fluger $?au&hatter feines
SJaubeS unb feiner Xpnaftie, unb bie
politifdje Xreue jener Xage muß uufereS
Dafürhaltens nicht mit bem fonft üblichen
ftaßftab gemeffen werben.
3n bem intimen geiftigen Scrfchr,
»eichen Napoleon mit bem talentootleu
Sconige pflegte, unb ber in ber nunmehr
beröffentlidjtcn ßorrefponbeng feinen be-
rebten SluSbrucf fanb, liegt ein gtängcnbeS
3eugniß für bie tjotje politifdje Begabung
biefeS dürften, mcldteS nur bagu beitragen
fann, bie Seftüre beS 93riefwed)felS beiber
9ftouard)en aus jener wettbewegenben ©poebe
gu einer hödtft anregenben gu geftatten.
K. v. B.
Xao iH'öcit ifrtje SattP aio 3rt)au =
Pia 1} per alt betten if djett ftef rbiftte.
Jöon Dr. Xonbor ff. (2Mrdww;
^otöenborff, gemeinoerft. miffenfd). Sor*
träge, 9t. III. 72). Hamburg, 2Jer^
tagSanftalt (oormats 3. 3. dt i d) t e r).
25er Öebanfe, aus ber 9totur ©ried)en=
tanbS ben Sbaratter unb bie ©efd)icfe bes
f)cltenifd)cn ^olfeS gu erflären, ift nidjt
mehr neu; aud) für bie eingetneu gried)ifd)en
Sanbfdjaften ift berfetbe oft genug ange^
regt worben. Xro^bem war eS bielleidjt
nidu ungweefmäßig, ib,n uod) einmal in
gang gemeinfaßlidjer SBeife für einen
größeren SeferfreiS burd)guführett. So
Switbert benn ©onborff im Porliegenben
uffaße gunädjft bie Sobenftructur bes
gried)ifd)eu >yefttanbeS unter ^eroor^ebung
ber 2lcljnttd)feiten unb SJerfdjiebenbeiten
ber eingetnen Xb,citc, oor 3tücm ber Untere
fdnebe gwifdjen ber öftlid)cn unb wefttidjen
^ätfte, unb befpridit alSbann bie wid)tigften
ptjpjifatifdjcn ©nftüffe beS ßanbcS auf
l'eben, Sitten unb potitifdje ®cfd)id)te ber
©ricd)en. Einige neue ®cfid)t8punftc bietet
ber gweite 2lbid)nitt, in weldjem bie brei
öinnentanbfdwften : baS innere Xfjeffalien,
33öotien unb Satonien, ebeufo weiterhin bic
brei borgelagerten ftüfteugebiete Snagnefta^
s4M)tbiotiS, 2tttifa unb StrgoliS ihrer ®e*
fdjaffenheit unb hiftorifdjen (Snttoicfelung
nach mit einanber oergüdKn werben. Xie
eingehenbe £tet)anbtung StttifaS bilbet ben
Sd)titß.
3n populären Serfeu f ölten unferer
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288 . Sorö ::
?lnfid)t nach nur bic 'gciicbcrtcn 9iefultate
bcr^orfdwng nicbcrgelegt, alle gwcifcl beuten \
Hrwothefen aber möglichst oermieben werben.
XHIS Zhatfache tonnen mir cS aber nicht be-
trauten, baß 2ltljcn „ähnlich wie Storn"
aus ber ^Bereinigung oon oicr „urfprüng*
lid) getrennten ©emeinben" enftanben fei :
nämlich aus ben SßclaSgem, welche bie
SlfropoliS befetjt hatten, aus einer jonifchen
9fiebcrlaffung auf bem fcügcl 2lgra, auS
Ibrafern auf betn SJlufcion unb Pbönififcben
unb farifeben ftoloniften auf 3JMite (S. 32).
©fr halten tut Wegentheil btefe Slnfchauung
für ocrfchlt. sb.
^äbagoaiffbc ttbtfteln toort CrbiliuB
(f m p i r i c u S. 21McSbabcn,(S. u n g e'S
9iacf)folger.
35er 2Jcrfaffer getjört gu ben wenigen
Ccörcrn, bie fid) in ihrem Berufe Pott (Sin*
feitigteit unb S^erfnödjcrung frei gehalten
unb in beut wirren Streite ber Meinungen
über nnferc Schulen einen unbefangenen S3licf
bewahrt haben. 2i>aS ihn leitet, ift bie i
^iebe gur 3ugenb. GS wäre gu wünfeben, i
ba» recht oielc Lehrer uch bie 9tatbfd)lägc
im legten Briefe 51t £>ergcn nähmen unb
ihre Hauptaufgabe barin fähen, bie Schüler
51t tüchtigen ÜJtenfcben gu bilben! 2lber
nicht nur Sebrern ift bicfeS iöueb gu em«
pfehlen; auch manchem 2ktcr, ber feine
Sohne auf eine höhere Schule fehieft unb ,
gumeilen Pergweifeln möchte, werben biefe
Don boragifdient Reifte erfüllten unb in i
ooHenbcter gorm gefchriebenen tepiftdn eine 1
wahre ©rquiefung bereiten! rj.
©riefe oon Wut theo SRutter an bic
fperftOftin Unna «molio. Stteu
herausgegeben unb erläutert oon $?.
ßetnemann. 3Jlit gwei JJMIbniffeu. 1
£eip*ig, Verlag beS lit. SnhreSbcrichtS !
(V. Seemann).
ilollftänbigcr unb — andb tu allen
(ftngelbeitcn ber Schreibung — genauer
tUbbrucf beS ganzen erhaltenen 33ricfwecbfelS
(auch bic Pier JÖriefe ber £>ergogin an ftrau
töatb. Öoctbc finb mit abgebrueft!) ber
beiben berühmten grauen, welcher ben un=
ntittelbarften ©inblicf in bie 2lrt ihres 33er*
IchreS, ihre $enfweife unb ÜBeltanfcbauung
eröffnet. Jöeigcpeben ift eine (Einleitung
unb fachliche (Erläuterungen (gum Xheil
nuS ber erften Ausgabe ber Briefe oon
iüurfbarb herübergenommen, gum Zheil
neu hinjugefügt); überall geigt fich. bafe
ber Herausgeber aus reicher Sachfunbc
fdjöpft unb ein warmes ^ntereffc baran hat»
bem üefer jene beiben ftrauengcftaltcn, bie
nb 5 üb.
eine 3ierbe ihrer Greife unb ihrer 3eii
waren, anfdjaulicb gu machen unb gcmütfc
lieh nahe gu bringen, fieiber finb bie beiben
intereffanten öilbniffc ber 5rau Jtatb nur
in 3inR>ntcf wiebergegeben, ber — nament^
lieh bei ber erften Xafel — entfeßlieb ab=
geblaßt ift. derartige 9tocbbilöuna.en
tonnen bem gcbtlbcten Sßublifum ben ©e^
fdmtacf an iüufrrirten SBerfcn grünbltd?
ocrleiben. dr.
Ii tu £cft auf ber QafHuc. Scbau:
fpiel in 2 Elften Pon 8 fang £elb.
Berlin, Stofenbaum & £>art.
fcelb will bie fraugöftfebe 9leoolutton
bichtcrifch geftalten — ein Vorwurf würbig
eines Sbafcfpearc. $aS Porlicgenbe
Schaufpiel betrachtet er als SJorfpicl gu
feiner beabfid)tigten w9ieoolutionStrilogie".
(5S oerräth ein bramatifcheS ©eftalrungS»
talent im fteime. ?lber über Sinfä^e ift
ber Siebter nid)t h»muSgctommen; ihm
fehlt augenscheinlich bie 2eichtigfeit ber
Söcwegung für größere SJeaffen. S)er fuergf*
diilbcrte fociale ^intergrunb für bie Xrt*
ogic wirb burd) aufbringlicbc Cbfcönitäten
unb ^ergerruug fulturgefchichtlicher^comente
tro(j beS bemerfbaren bichterifeben XalenteS
Perwifd)t. 3)a8 9cactte, Uebertriebcne unb
©efebraubte überwuchert, bic in 'S Vulgäre
ausgeartete berbe SÄcaltftif ber Sprache
wirft oft abftofjenb unb bclcibigenb.
Httnic ^raff ct)o r,üct?tc ,>ahrt" an
*3orb Pt-o «itttbcam. 92ach bem
(Snglifcben. Wit 188 .^olgfcbnitten im
Xe£t unb20@ingelbrucfcn in£ithoaraphic
ausgeführt, üeipjig, 5er b. ^>trt
& Sohn.
$ie muthtge SKcltumfeglerin fiabtj
Winnie ^öraffet) ift im ^erbftc 1887 in g-olge
eines XropenfieberS auf einer ftrcugfabrt
im 3nbtfd)eu Ocean oerfebteben; auf bem
Örunöe beS 3JieercS, welches ihr eine gweitc
^eimat qeworben war, fanb fie für immer
iHuhe. (Sntfchloffcn, in 3"bien, JÖorneo,
Sluftralien feinen Jlccf unbefucht gu laffen.
ber crreidibar war unb ihrem sBennutb^n
nad) etwas £emen8= ober SehenSnxrtbeS
bot, hatte fie ihren Steifen innerhalb ber
Xropen eine (Erweiterung angebeihen laffen,
welche nicht ohne üblen Grinfllufe auf ihre
©efuubheit gewefen war. 2Bte ber ©emabl
ber ©ntfchlafenen in bem Meinen 2ebenS=
bilbe berfelben, welches bie (Einleitung beS
SudjeS bilbet, mittheilt, Perbatticn bic 2£crfe
ber ßabt) ©raffet) ihre (Entftchung ber Qk*
Wohnheit, icbeSmal nach bem Erwachen am
frühen borgen bic fchmucflofc (Erjählung
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289
ber Vorgänge beS oergangenen XageS auf*
äufdjreibcn. 25atj btefe (£ntftebungSart bei
bem DorliegenDen 3EBerfe, beffen enbgültige
Uebcrarbeitung ber »crfafferin nicfjt Der-
flönnt xdclx, befonbcrS feimtlicb ift, unb
baß baf>er basfelbe einen etmaS ffi^en«
baften unfertigen (Sbarafter bat, ift er*
flärlid). 3m Uebrigen fann man bem
Urtbeil beS 2orb Söraffetj — oon bem aud)
bie Örgänaung beS $age8budjeS burd) einen
furzen Gcblufjberidjt berrübri — über bie
f cörif tftctl crif d>e ^Qualität feiner ©attin bei*
frinrmen. 3bre (Schritten finb niebt tief
mtffenfebaftlicben 3nf)altS, aber nüglicb
unb fpannenb für 3eb«mann. 5>er2Bertl)
beS ne^iegen auSgeftatteten iöudjeS uritb
burd) bie aablreidjen gum X^citredjt bübiajen
3Uuftraüonen nidjt umoefentlid) erböbt.
ow.
^crbraudjte Waffen. Vornan Don
^büi»b Vogler. 2. Stoff. Scuuig,
6a rl fcinftorffS Verlag (ÖJuftaü
(Sbrfe.)
Gin Slgrarroman, ber für bie ftreife
Der ©runbbefifcer unb Wlz, bie für lanb:
mirtfjfcbaftliciie fragen Neigung baben, Don
3ntereffc fein mirb. $iefe fragen finb
nid)t etma obernacblid) geftreift, fonbern-
fic bilben ben £>intcrgrunbf Don bem iid)
bie ,§anblung, mit intereffanter ©baraftc«
riftit ber «Pcrfonen unb mit lebljaft
empfunbeneu febönen 9toturfd)ilberungen
burdtfooben, mirtungSDoU abbebt. ®tc
Derfcbicbenen focialen ©rufen ber Dorge*
führten ©efeafdjaft finb trefflid) gefebilbert.
2>ie Probleme ftnb jebod) nid)t auf ba§
angebeutete enge ©ebiet befdjränft, fonbern
burd) 23ctrad)tungcn mannigfaltiger 2lrt
oertieft unb ermeitert. ss.
3tt fiidett »infeln. Sfiääen unb
©timmungSbilber Don 5p. ©. fceimS.
S?iel, §acfeler.
Unter biefem anfprud)8lofcn unb bc-
fd^etbenen ütel Derbirgt ftd) eine Sammlung
Don feä)8 Keinen noDeUtftifdjenl^iää jungen,
roeldje sunt Xbeü flücbtig binfirtoorfen,
$um £l)cil fein ausgearbeitet finb. (Sie
befunben eine ungemöbnlidje ftraft Doeti=
fd>er ©eftaltung, eine gerabeju binreifeenbe,
jjIafHfcbe, ja faft bramatifebe EarftcUung;
bie fd)önc gefättigte unb fein abgetönte
Sprache, bie febarfe Df«d)ologtfd) oertiefte
(Hjaraltcriftif, bie lebenbige äfrifebe unb
ber §aud) reiner $oefie ntajt minbet als
ber göttlicbe, föftlidje Junior erbeben biefe
©fijjen bod) über baS SJurcbfduiittSmafe
ber (SitttagSliteratur. 3Jiit urfräftigem
SBebagcn bringt cS bem £id)ter auS Der
(Seele unb Dacft ben 2efcr. Süenn man
aud) ab unb gu eine befannte ftigur Q»1
trifft, fo erfennt man bod) eine fräftige
unb felbftanbige biditerifdje 3"biDibua(ität,
toeldje in ©ebilberung ber 9totur cbenfo
grofe ift, mie in ber ©ebilberung Don
©cberg unb (Srnft beS SebenS; unb fo
fyergtieb mir an managen ©teilen ladjen
müffen, fo mabr ift aud) bie Jttübrung,
meldje ber 5)id)ter au anberen in uns er=
regt, fcoffcntlicb begegnen mir ibm reebt
balD mieber. w.
Wcbidjtc Don 5D etleü gfreiberr Don
Siliencron. Sieipgig, W. ^riebrieb-
2)cr Sßerfaffcr greift feine Probleme
aus bem DoUen aflenfebenreben, aus bem
barten ÄamDfc um'S fcafein, um bie 3beale
unb um bie SBabrbcit. ®r gaufeit nidjt
mie ein ©cbmetterliug auf ber Obcrfläcbc
ber ©rfebeinungen, fonbern er bringt tiefer
ein unb greift berb ju, oft aflgu berb, unb
biefer realiftifaje 3»9 ift für itjn cbaraftc=
riftifd). 3Jlan füblt ben fräftigen «Puls»
fcjblag einer gefunben 'XJidjtematur, aber
bie ^ßbantafie mirb nid)t immer gebügelt,
ßiliencron meife träftig ju gcftalten, aber
niebt genügenb Docttfd) abautönen unb ab=
^urunben. 3" Der Dorlicgenben ©ammlung
tft gereimte unb ungereimte Sßrofa; nidjt
21 UeS batte gebmeft toerben bürfen. £aS
biebterifd) StuSgereifte mirb bureb Starres
unb ©efcbmactlofeS unterbrod>cn. 2)ocb
pnben mir nod) genug beS ©djönen, unb
eS Derlobnt fieb mobl bem Sfluge beS
3)id)terS ju folgen. ss.
Sieb bott ber toet%eit £otoS.
Webergefajrieben Don 9)cabel (Soll ins.
Ueberfe$t aus bem Gnglifcben. üeipäig,
Xb- CSJriebenS »erlag (2. fternau).
eine gebanf entiefe, fttmbolifax 2)i(btung,
bereu allegorifcbe (^indeibung gefebidt unb
effcctooll tft. Sciber mirb bie Üßirfung
beSäöerfeS burd) feine ßänge beeintrad)tigt,
fo baß baS anfangs fet)r lebhafte 3ntereffc
beS 2cferS gegen ben ©d)lufe bin bebeutenb
abnebmen mufe. ^Dic Ueberfeöung ift
im Allgemeinen mit Sorgfalt gearbeitet;
bod) finben fiefj unter ben fünffüßigen
3amben Diele SScrfe, bie einer fteile nod)
bebürftig finb. O.W.
290
Zlorb unb Süb.
Im Jrthre 1*45 erschien: „Der Einzige und .sein Eigenthum" von Max
Stirner (Kaspar Schmidt, 1806 — 1856.) Noch leben Viele, welche sich er-
innern, welches Aufsehen dieses Werk zu jener Zeit erregte, und gewiss n<» }i
Manche, welche mit seinem Verfasser in entferntere oder nähere Uerührunj
gekommen sind.
Alle diese bittet Herr John Henry Mackay, z. Zt. Saarbrücken, Rhein-
provinz, Herrengartenstrasse 4, ihm aus ihren Erinnerungen mitzutheilen, wa?
sie über Max Stirner wissen. Vor Allem ersucht er Alle, welche sich etwa
noch im Besitze von Handschriften, Briefen oder Bildern Stirners befinden, ihm
solche für kurze Zeit freundlichst zur Verfügung stellen zu wollen.
Eingegangene Bücher. Besprechung nach Auswahl der Redaction vorbehalten
Anders«, H. C, Die Dryade. Ein Märchen.
Deutsch von A. W. Petors 3. Aufl. N ,rden,
H. Fischer Nachf.
Arendt, ü., Der Streit um die Deutsche Emin-
Paacha-F.xiiedition. Berlin, Walther und
Apolani
Arn**, A, Seinte-Xitouche. Paris, Emest Kolb.
Reck, M., Allerhand kleine Geschichten. Ham-
burg, Verlagsanstalt (vorm 1. F. Richter).
Blum, II., Aus geheimen Acten. Heitere und
ernste Enah!uu»?en aus dorn Rechtsleben.
Berlin, Gebr. Paeiel.
Bronn, Ä., Aspasia. Lustsptol in fünf Aufzügen.
Dresden. K. PotrolJ.
Der Srhwarzwald. Von Wilhelm Jensen. Mit
Illustrationen von W. Hasemann u. A.
Lief. 4-7. Borlin, n. Reuther.
Der Zeltcclet. Monatsheft f. <L soziale I»ben
der Gegenwart. Jahrgang I. Hamburg, E.
Jensen Sc Co.
IMcsterwejr's populäre Himmelskundo und mn the-
matische Geographie. 11. Aull., nou bear-
beitet von Dr. M. W. Moyer, Direktor der
„Urania", und Prof. Dr. B. Schwalbe,
Direktor des DorotheenstMdt. Realgymnasiums.
Mit Abbildungen und Sternkarten. Berlin.
E. Gtildschmidt.
Ebner-fcsehenbach, M. v.. N'euo Erzählungen,
2. Aufl. Berlin, Gebr. Paetel.
— Lotti, die l'hrmaeheriu. Erxahtuuif. 2. Aufl.
Berlin. Gohr. Paetel.
— M. v., Zwei Comtessen. Zweite Aufl. Berlin,
Gebr. Paetel.
Engel, Ed., l'elwr den Stimmumfang sechs-
jähriger Kinder und den Schulgosaug.
Hnmhury, Verlagsanstalt (vorm .1. F. Richter.)
Kschslruth, N. v.. Verbotene Frücht« und an-
dore Erzählungen. Jona, Herrn. Costonuble.
Hauptmann, G., Vor Sonnenaufgang. Sociales
Drama. Berlin. C. F Conrad
Illustriert« Geschichte von Bayern. Lieferung
6— 21. .Stuttgart, Süddeutsches Verlag»-
Institut
Jahn, Ot;o, W. A. Mozart. Dritte Aufl., bear-
beitet von H. Deiters. Bd. I, Mit Bild-
nissen und F;ic*irailos. Leipzig, Breitkopf
und Härtel.
Jokal, M.. Das todte Hort S:»sre, Roman und
Wirklichkeit <I*H6|. Deutsch von Ludwig
Rothor. Wien, M Breitenstein.
Kalle. F. n. O. Kamp, Die hauswirthschartli'-he
Unterweisung armer Madchen. Wiesbaden,
I. F. Bergmann.
Kammer, Ed.. Ein ästhetischer Kommentier /u
Homers Dias. Paderborn, Ferd. Schöning!.
Ludwig, H, Deutsche Kaiser und K^e it.
Strassburg. Bllitter a. d. Geschieh te d.r
Westmark des Reichs. Strasburg, C. F.
Schmi-Jfs Umv. Buchh.
Mayer, R. v., Ueber die Erhaltung der Enor,?-*.
Brief*» an Wilhelm Griesinger. Heraus^ von
W. Preyer. Berlin, Gebr. Partei.
Moni cton, O. v.. Carranirnuola Histor. Ronuva
Hannover, Schmort de v. Seefeld.
Münchener Ktadtxelt uaf . Pionier für die et-i«*-
stüdtische Entwickolung Münchens Jahr-
gang. I.
Orhlltus Emptricna, pudagrigiscbe EpisMa
Wiesbadeu, C. G. Kun^e» Nachf. il>r,
Jacoby).
Ott, A, Agnes Bernauer. Histor. Volkssehaus]>;eL
Stuttgart, A. Boust ii Co.
IMersaa, W, Prenssisclie Geschichte. 5. verbesa. <;.
vermehrte Auflage. 2 Bande. Berlin, Gebr
Paetel.
Polrblbllon. Revue bibliographique universelle
Septembre 1889. Paris, 2 ot 5 nie .SC-Stm<>D.
I Kaydl, II., Silva Mariae. Erzählung aas der
Heformationszeit. Hnnnover-Lioden , C. Mani-
Hotegscr, P. K., Ausgewählte Werke. Mit
Illustn-tionon. Lieferant 57— «V Wien, A.
Hartlebon.
Schack, Adolf Friedrich Graf von, Pandorx
Vermischte Schriften. Stuttgart. Deutsche
Verlags-Anstalt.
Schuhio. 0., B»ris Lensky. Roman in se-hs
Büchern. 2. Aufl. 3 Bande. Berlin, Gobr
Paetel.
Schimbach, A. E, Ueber Lesen und Bildung.
3. Aufl. Graz, Leuschner und Lubensky
Serao, Matilda, Blüthe der Lei lenschnft. Cebars
von A. Friedmann. Breslau, SchottlaemW
Speyer, O , ItiJienischo Vegetattonsbilder. Vor-
trag. Kassel, A. Freyschmidt
St arm, A., Lied und Leben. Gedichte. Ham-
burg, Verlags t nstalt (vorm. I. F. Richter).
Tcsjuer. Esaiaa, Frithjofs-Sag«. Dearb. von
Hellinghaus. Münster. A«chondr>rfl.
Treu, E., Erlebtes und Erträumtes Hamburg.
Wrlasrsanstslt ( vorm. 1. F. Richter).
Welten, 0., Buch der Unschuld. (Auch nicht
für Kinder.) ». Aufl. Berlin, WUh. leslejy
Zach ar las, 0 , Bilder and Skizten aus dem
Naturleben. Mit 49 Illustrationen. Jena,
H. Costonoble.
Zelt schrift, deutsche für Geschichtswissenschaft
Herausg. v. L. Ouiddo. Band I. Heft 1 »
Frei bürg i. B, 1. C. B. Mohr
Zeitschrift der Gesellst-haR für Erdkunde tu
Berlin. Band. 24, Heft 4. Berlin, D. Reimer.
Krbigirt unter Prrant0ortli<fcf«it bes ^eroasjtbrrs.
Drud* unb Orrlag von S. SdjOttloeitber *n Bteslaa.
Unberechtigter Hai^arf aM.be.it 3nbalt birfsr Seitfdjrift nntrrfajt. Ufb*rf*ftnnjMf*t twehrhattru.
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KARLSBADER
Natürliche Mineralwässer
1889,,. Frische Füllung. 1839«.
<A*i>
n
Ii?*1!
rt
M
h
£23
Quellen
und
Sprad«! . . M»l
Hill' rwo , U s
Kf«brtaa. . W *
IbrllhriJna . i|3 *
'«IlfBqa'll» . 47 ;
iaii^rtrusn. 39 1 •
- 4C4-
Täglicher Versal
Froäücte
ni
KARLSBADER
Sprudel-Salz j»j
g pulverförmig ^
und
krystailisirt.
KARLSBADER
Sprud.l-Seifp.
B —
[T K \RLS 8ADEK |
r<;del Pastii'en.
im
rrnnTtTTilTi i m ! m n nTTTmTnrnTTTTTiT mi »in t rr nn;fi ni u m i i h 1 n n ittttttttTi
Di" Karlsbader Mineralwässer und QueUenproducte
s\n<\ zu l><'2ichcn i!i;uh die
Iii
I
Löbel Schottländer, Karlsbad * Böhmen M
M wie .'.ureb j>4
alle Miaciilvasser-Bindinn^en, Apotheken und DfOfoistea. tj
M
i/
Uaberseeische Oo{ <ts in den grossten Städten aller Wcttthatte ^
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"SECURUS JUDiCAT ORBIS TERRARU .-.1."
A/yf /f fj ff Y'l X
NATÜRLICH
KO HI. f \ •••>>/ VRHS Ml. srILR.-J L-UASSER.
Die l'ü/hmg-:!: ,v;i Ato!!hhiris-Bru><;ie;i
(. \!;r!hal, Kki.i-PraissiU) betrugen
i;,: Jahre 1 88 7
11,894,000
: 11 d i-'i Jahr-:7 108S
12,720,000
h insehen und /\/ .!//; -.
THE APOLLINARIS COMPANY, Lim 11 ED,
LONDON.
Vi*D r.l-iV A.C. EN A
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n unfere g^bonnentcn!
ie bereits erfdjtenenen Sänfce oon
„Horb urxb Siib"
tonnen entoeöer in complet Brockten ober fein flefotttbeneu Bänöen
von uns nadfbepQen werben. Preis pro Bano (= 3 Qefte) bro*
fd>iri 6 ZTCarf, gebunoen in feinftem £>riginal«(£inbanö mit reifer
(ßolopreffung unö Sdjroarjörucf 8 ZTTarf.
€in$elne §efte, treldje mir auf Verlangen, foroeit öer Dorratfy
reicht, ebenfalls liefern, foften 2 ZTTarf.
(Ebenfo liefern mir, toie bisher, gefcr/macfoolle
g>rtgütaC « @m6cmööed*en
im Stil 6es jefcigen fjefMlmfdjlags mit fäwav$ev unb (Solöpreffung
aus englifajer Ceinroanö, uno ftefyen fola^e su Ban& LI (£>ctober bis
December (889), «we aud} $u ben früheren Bänöen 1— L ftets
5ur Derfügung. — Der Preis ift nur [ ZTCarf 50 Pf. pro Decfe.
gu Beftellungen roolle man ftdj öes umftefjenöen Settels bedienen
unö öenfelben, mit ttnterfdn-ift perfefjen, an öie Buajljanölung oöer
fonftige Bezugsquelle einfenöen, öurdf roeldje öie fortfe^ungs^efte
be$ogen n>eröen. Hud) ift b\e unterjeidntete Derlagsljanölung gern
bereit, gegen €infenöung öes Betrages (nebft 50 Pf. für ^rancatur)
öas <0en>ünfdfte 5U erpeöiren.
Breslau.
Die Perlagsbuijljanölung oon S. Scfyottfaenber.
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&eflett%ettet.
Bei 5er BucbbanMung von
befalle idf r/ier&urdj
„Horb un& Süfc"
herausgegeben con panl Ctnbau.
Dntdg pon 5. Sdjottlambf r in 2?rr*Iaii.
€ypl. Sano I., II., III., IV., V., VI., VII., VIII.,
IX., X., XI., XII., XIII., XIV., XV., XVI., XVIL,
xvm., xix., xx., xxl, xxii., xxm., xxiv.,
XXV., XXVI., XXVIL, XXVIIL, XXIX., XXX.,
I XXXI., XXXII., XXXIIL, XXXIV., XXXV.,
! XXXVI., XXXVII.. XXXVIII., XXXIX., XL., XLL,
' XLIL, XLIIL,XLIV.,XLV.,XLVL, XL VII., XL VIII.,
I XLIX., L
elegant brofcfort 511m Preife oon M. 6.—
pro Ban& (= 5 fjefte)
fein gebunöen jum preife Don JL 8.— pro Bano.
€fpl. fjeft (, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, (0, ((, (2, \3, (4, (5,
(6, (7, (8, (9, 20, 2\, 22, 23, 2*, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 35,
34, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41. 42, 43, 44, 45, V>, 47, 48, 49, 50, 51,
52, 53, 54, 55, 56, 57 , 58, 59, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 66, 67, 68, 69,
j 70, 7(, 72, 73, 74, 75, 76, 77, 78, 79, 80, 8(, 82, 83, 84, 85, 86, 87,
88, 89, 90, 91, 92, 93, 94, 95, 96, 9?, 98, 99, 100, (0(, 1.02, 103,
104, (05, 106, 107, 108, 109, HO, MI, U2, US, ((4, M5, ((6, ((7, ,
U8, U9, 120, (21, (22, (23, (24, (25, (26. (27, 128, (29, (30, (3(,
(32, (33, (34, (35, (36, (37, (38, [M, 140, (4(, (42, (43.(44, (45,
(46, (47, (4S (49, 150, (5(, (52
jum preife pon *AL 2. — pro ^eft.
€inbanboecfe $u Bano LI. (October bis December (889)
€rpl. 60. su Bano L, IL, III., IV., V., VL,
VII., VIII., IX., X., XL, XIL, XIIL, XIV, XV.,
XVI., XVIL, XVIIL, XIX., XX., XXI., XXIL,
XXIIL, XXIV., XXV., XXVL, XXVII., XXVUL,
xxix., xxx., xxxi., xxxil, xxxm., XXXIV.,
XXXV., XXXVL, XXXVIL, XXXVIIL, XXXIX.,
XL., XLL, XLIL, XLIIL, XLIV., XLV., XLVL,
XLVIL, XLV1IL, XLIX, L
311m preife r*on M> (.50 pro Pecfe.
nTo^nang: Harn»:
:it<fcigftuün(djt*s bitte ju butdjftretdfrTi.
Um grfl. ir*t teutltdjf nainen*. nnb Itfottnnngiatigabr »iib ctfndjt
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<
Horb unb Snb.
(Eine öeutfdje Hlonatsfcfjrift.
herausgegeben
von
paul Cinfcau.
LII. 8ant>. — December (889. — ^eft \55.
(DIU rinem Portrait in Habirnng: Cuovtg pfau.)
35 r e £ l a u.
Drntf unb Pertag oon 5. Sdjottlaeitber,
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Wav es Siebe!
nooelle
oon
ZHite KremnHj.
— Etifarcft. —
raunen föneite e$, obgleich bcr 2)Mr$monat cor ber ^ür
mar. Irinnen brannte ein £ol$feuer, ba3 aber ben großen
eleganten 9taum nicht genügenb erwärmte unb nur in feiner
nächften 9iähe ein ©efüljl ber ^Behaglichkeit aujfommen liefj. £arum
war augenfchetntich ba3 lange Sopfya unb auch ein runber £ifd), ber fonft
in ber 9)iitte beS 3mimer3 f*an°/ bid^t an ben Cfen gerücft. 3luf bem
Sifdje brannte eine »erhängte £ampe, welche ba3 ©efidjt ber auf bem
Sor»J)a ru^enben grau im $)unfetn liefe, aber ba3 Such in ihrer #anb
grell beleuchtete. 2ßar e£ 9lbficht, bafc fie fidj gefehlt hatte, wäfjrenb
if)r ©egenüber ber ganjen £elle ausgefegt war?
tiefes ©egenüber, ein blonber 9)iann, fafe auf einem niebrigen ^olfter*
ftuhle unb blicfte gebanfenlos burd) bie geöffnete Dfentbür in'S geuer.
3üj)lte er burch bie ferneren i'iber ^inburc^, bafj er beobachtet würbe, ober
war er fo fern mit feinen Träumereien, ba§ er bie Umgebung uergeffen
hatte? Sie fragte fidt) ba3, unb fchliejjlich, al$ er garniert aufblickte,
Tagte Tie:
„&aben Sie föeimweh?"
@r roanbte fidt) ifu* ruhig ju, wenn auch eine leichte Sxötty ihm bis
unter bie 2Iugen ftieg, unb entgegnete lächelnb:
„0 nein! 3<h bin e3 ja gewohnt, fem oon ben deinen ju fein."
„SBoran bauten Sie benn?"
„3ch glaube, an nichts."
20*
Wax es Siebe?
293
£au3wefen ruhte auf ihr, bie ßnedjte unb 2flägbe, bic oielen flinber —
über bem ©anjen bcr £)rucf fef)r befcf>ränfter bittet, oft peinlich be*
fd)ränfter SWittel — baa 2IHe§ macht bem ©rgähler feine greube, bem
ßörer auch nidjt. 2lber was f<hön war, unoergteidjlich fa)ön an unferer
ßinbheit, ba3 läjjt fidö nicht befdjreiben: ben $>uft einer 33lume mufe
felbft einatmen, wer fidj baran freuen will; er lä§t fidj ntdtjt fairen unb
übertragen, weber burd) SBorte noch burch ben Spinfei . . ."
„So waren Sie gtüdlid^ ju &aufe unb h«ben nur angenehme @r=
innerungen an 3^re 5Unbf)eit? 3<h glaube, ba3 ift feiten L"
„3m ©egentheil, ba$ ift bie Siegel — in unfcren Greifen wenigftenS!"
„3hrc Äreife finb aud) bie meinen!"
„O nein!"
„SSarum nicht?"
„28etl Sie im SuruS aufgemachten finb."
„9fun, ich benfe, (Selb macht nicht ben Unterfdjieb, fonbern bie
Silbung!"
„.©auptfächlid) ©elb," entgegnete er.
Sie betrachtete ilm eine SBetle, bann fragte fie lädjelnb : „Sie meinen
xoo% wenn man ©elb \)at, bann gebe es feine Sorge, fein £eib mehr?"
„^ebenfalls fct)r oiel weniger!"
„Unb Äranfhett unb Xob, jaulen bie nicht?"
„Slud) Stranfheit fann man fid) burch ©elb erleichtern; unb ben £ob
fönnen Sie boch nicht ju ben SebenSforgen rennen?"
„Unb ba3 £eib, ba£ 5)fenfchen unter einanber fidrj äujügen?"
„3$ oerftehe Sie nicht. SBenn mir (Siner ein Seib anträte, oer*
gölte ich c* ^m> dauern mürbe ich nicht barüber!"
„$ßenn Sie aber ben lieb hatten, ber Sie beletbigte?"
„3)aS würbe ich m(h*/ einen fitirib fann man nicht lieb haben!"
„'Sab ift fefjr und>riftlich ! Sonft aber haben Sie recht: ba3 Scjrecflichfle
auf ber Sßelt ift gen>i§ junger unb ßlenb; aber fie fchüfcen boct), fo hoffe
ich, oor ben Seelenqualen ber deichen."
„3<h möchte n>ot>t wiffen, was Seelenqualen finb/' ermiberte er mit
größerer £ebhaftigfeit. „Sollten eä nicht (Sinbilbungen ber deichen fein,
bie bei etwas Slrbeit oergehen mürben?"
„§aben Sie nie welche empfunben?"
„3$? ©ewife nicht! 2Bie follte ich?"
Sie fah ihn groß an. „2)ann haben Sie nie geliebt!" fchtuebte ihr
auf ber l'ippe, fie fagte e3 jeboch nicht. „9lber 3r)re Schioeftern?"
„9lu<h bie nidjt, bie fyaben feine 3eit baju!"
„Sinb fie aüe ©erheiratet?"
„Sroei."
„Unb mit wem? «Wein ©ott," lachte fxe, „wie Sie fid> bie 2Borte
aus bem SRunbe jiehen laffen!"
i
2<W mite Kremnifc in Sufarefi.
@r lachte aud), fo ba§ er bie gan$e SReifte feiner blifcenben
geigte. „@S fann Sie ja nicht intereffiren, gnäbige grau/' antwortete er.
2i>arum aber oerfuchte er, wenn er ber Ueberjeugung war, trofcbem 5U
betreiben unb ju malen? ©S mar if>m ja offenbar nicht attjubehaglich
in biefem ©egenüber; er füllte beutlich jene letfe Verlegenheit, bie ihn
immer befiel, wenn er mit einer $ame rebete. 2SaS für Tomen fannte
er überhaupt? Seit feinem zwölften 3«^* ^e er einfam für fid) Inn*
gelebt, aufjethalb jebeS gamilienfreifes, suerft auf ber Schule, bann auf
ber Unioerfität. ©r hatte fich felbft erlogen, in fchwerer Sirbett; ein 2Bunber,
ba§ er nicht noch unbeholfener mar unb eefiger, als er tüirflic^ mar ober
ftch oorfam! 2Boran er mit ben Sönnern mar, pflegte er meift
ju wiffen, baS rjotte er gelernt, lernen muffen; aber mit grauen? &atte
i^n, al$ Stubenten, bie Vermietherin oemad&täfftgt ober überoortyeilt,
fo mar er ausgesogen; mar er mütterlich unb forgfam oon ihr behanbelt
roorben, fo hatte er es fi(h gern gefallen laffen, ohne ihr ober etwa ihrer
hetrathsluftigen £odf)ter naher getreten ju fein. Seine Slbenbe waren oer*
jiridjen über 33üdjern unb heften ober aber in ber 9toudj* unb 23ter*
atmofphäre ber Jtneipe bei Sfat* unb 58iüarbfpiel, feltener im parterre
beS iheaterS.
deshalb fühlte er fid) fremb, faft unbehaglich in ber neuen Umge*
bung, in bem eleganten Salon ber oornehmen grau, bie fo ruhig unb
fiberlegen ju ihm hinüberiah; er merfte, wie fie ihn, ben neuen §auS*
lehrer, beobachtete, unb von 3«* 5" 3e^ machte eine auffteigenbe 33lut»
reelle ihn erröten bis unter bie Haarwurzeln. Unb boer) fprach er fo
gern unb $um eigenen Grftaunen beinahe fliefeenb ju ihr oon feinem
Seben unb treiben; ftoefte er einmal, fo half fie ihm mieber ein, iura)
eine freunbliche grage, burch eine geiftreiche SBemerfung, bie er oon
grauenlippen nie erwartet hatte. 2BaS er fprach, mar eigentlich feine Salon*
plauberei. (£s mar ja ber erfte Salon, in bem er gefeffen — unf<f>wer
merfte man in ihm ben SHenfdjen, ber niemals geplaubert, aber in ber
©infamfeit feiner Stube fich laut $u benfen gewöhnt ^atte. Seine 33e*
fangenheit oerflog im Verlauf beS 2lbenbS; was ihm noch nie eingefallen
mar, fah er jefct: bafe man fid) nicht nur mit Vüchern, ba§ man fich ^ud)
mit 3J?enfchen gut unterhalten fönne. @r oergafc, bafj er fremb hier mar unb
bliefte wie oerjaubert auf bie gelähmte grau, auf baS Spiel ihrer wunberbar
fd)lanfen, bleichen ginger. ©jriftirte fie wirftid) ober war iie ein ^h^ntafie*
gefd)öpf, baS feine 2lugen in baS ^albbunfel beS 3inunerS hmem^u9cn ?
Sicherlich, es war MeS nur £raum; er lag gewifc nodj in feiner fahlen,
falten Stubentenflube. @S würbe oerfchwinben, fobalb er erwad)te, unb
bleiben nur feine froftfteifen ©lieber unb fein bumpfer Äopf — besfjalb
nur nid)t erwägen; weiter fdjlafen unb träumen unb plaubern!
Unb auch fie — hatte fie SlnfangS ihn reben machen aus 9?eugierbe,
fo jefct aus Sntereffe. 2öie fam fie baju, oor ihm, bem wilbfremben
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IPar es ftebe?
295
SRenidjen, oon fingen 5U erjagen, über weldje fie fonft faum mit bem
eigenen, oerfd&wiegenen 3$ $u fpredjen wagte? 2W bie ©ebanfen, weldje
in ben langen 3aJ)ten iljrer Äranfyeit unter i^rer blaffen Stirn fid& gejagt
unb gefjefct Ratten — warum fprubelten fie jefct beroor, wie ber Duell,
ben bie §ade beä 33ergmann$ geweeft unb erlöft l)at, unauffjaltfam vxib
uneinbämmbar?
$ie U^r fä}fog jebn — unb grau oon Söenbeloro blitfte unwiDrurlidj
auf baä 3^ff crblatt ; er mißoerftanb biefe Bewegung unb erbob jid).
„3$ glaube betnerft ju b<*ben, baß Sie fid? ftets fo früt) jutücf*
Siefen ?" meinte er jögemb. Sie wußte md)t, ob er ben SSorroanb ergriff,
um iidj ifjrer @cfeHf$aft ju entjie^en. 3br bangte baoor, eine« Ruberen
greibeit ju befd&ränfen; Tie fagte beSbafb: „®ute 91ad)t!" @r nabm bie
bargereid^te &anb, obne ben leifen £>rucf 5U erwibern, verbeugte fid) unb
ging mit regelmäßigen, ooHtönenben Stritten au$ bem 3immer.
Sie war nun allein unb wollte, wie fie aüabenblidfj tfyat, it)r £agebua)
weiterführen; aber als fie e3 aufgefd)lagen l)atte — e3 lag ftetS neben
ityr — tonnte fie ben 33ltcf nid)t oon bem blatte abwenben. ©3 war
fef)r merf würbig, baß ibr ba3 &er$ gar nidjt fo ooH mar wie fonft; baß
ibr ber Seufjer, ben fie geftern hineingetrieben, nur nod) in ber @r<
innerung, nid^t im SBewußtfetn lebte, greilidi war ifjr aud) fjeute nodb
unbegreiflich, weswegen fie auf biefer (£rbe auSjubarren babe, fie , beren
SebenSintereffe längft erftorben war ! 2lber brauste fie be^atb unaufbörlid)
an bem Unabänberlid)en ju rühren? <5a mußte fo fd)ön fein, wie anbere
3Jtenfd)en ju leben, nur bem 2lugenblicf, ben fleüten Setben unb greuben,
nid)t jiet* im Sewußtfein aller £ragif be3 Sd)tcffal3I
Sie flappte ba£ 93ud) 5U, fie wollte nid)t einmal barin blättern. Sie
wußte ja genugfam, was barin ftanb : tt)r ganjeS #er$, bie große bitter*
feit unb bie nod) größere Siebe, bie fie fid) oorwarf, weil fie il)r ein Unredjt
gegen bie eigenen Äinber fd)ien. 3ld) ja, fie rannte nur ju gut all bie
Seibitquälereien, bie Spifefinbigfeiten ir)rc^ &er$en3 unb 5topfe£, weld)e
bie einjige 2lbwed)felung in ibrem gleidnnäßig mit ibren ßinbern oer*
brauten Seben waren. 2Bar fie md)t, bem Steine $um Xrofe, eine fd)led)te
aKutter gewefen? Sie batte immer nur an ben $ater gebaut, an iljn,
ber aud) jefct nod) ben 3nbalt it)re« Sebent bilbete!
Unterbeß war bie SBtrtbfdjafterin, ba3 fogenannte gräulein, einge=
treten, bie nad) uerfd)iebenen Äleinigfeiten für ben folgenben £ag fragte
„Söoüen gnäbige grau nid)t, baß id)2lnna rufe? @3 ift fdwn fpät."
„9iein," entgegnete bie &errin, „id) bin nia;t mübe!/y ^löftlicb aber
fiel ibr ein, baß fie bie Seute ja unnötig lange aufzubleiben nötbigte.
ift bod) reajt peinlid^, fo abbängig 51t fein," badjte fie unb
griff an ifjr SBein. glaubte, mir müßte bie Säljmung gleidjgültig
fein, weil i^ wunfc^loS bin. $er Xoctor meinte immer, e$ fönne eins
mal wieber beffer werben, wenn ia) nur wolle. 2£a3 fann er bamtt ge-
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296
Iltitc Kremntfc in Bufarefi.
meint haben? ^eber möchte boch lieber gefunb fein! £err 2Rarf Sieger
festen jwar ju benfen, oafj ich mir in ber ÄranfenroHe gejtele! ^nge
SHänner werben jefet baju erjogen, bie grauen ju verachten, feit
Schopenhauer an ber SJlobe ift. 3$ werbe ihm aber eine beffere
^Meinung beibringen. 9Wein woju? @s ift ja ciel bejfer, wenn nur
ungefannt an einanber oorbeijiehen ! 2öenn id) nur müßte, was tyntex
biefem angenehmen 2Ieufjeren fterft ? ^ermann fagte, ber ftärffte 3"9 int
SJJenfehen fei bie 9ieugierbe; es roirb wof)l 9ieugierbe fein, baft id) immer
burdj £errn 9lieger'S 2lugen f)inburd) fehen möchte, wahrenb ich mir oor*
rebe, baf} es ber &inber wegen mistig fei, it)n ju ergrünben. @r ift brei
Sage r)ter; mir fchetnt es fa^on otel länger. S)abet hatte id) ^eute 2lbenb,
als id) fo lange mit ilmi fprad), 3lngjl, bafc id) eS thäte, um mich cor ir)m
p geigen; ein granjofe fagt einmal: ,3ftan will bie Slnberen nicht f ernten
lernen, fonbern ton ilmen gefannt fein!1 25er fo oiel lieft wie id), wirb
ein Stücfwerf frember ©ebanfen. SRein ©ort, wie gern möd)te ich in
ber Slrmofphäre gelebt haben, aus melier er fommt, in welcher 2lUeS fo
normal unb einfach, nichts unnatürlich ift — in unb an mir war ftets
SlUeS unnatürlich!"
„Doch nein, id) wollte mich nicht oor ihm jeigen; wirflich nidt)t, tdt)
^abe gar nicht baran gebadet, wie ia) U)m erfdjeinen fönnte. nur hat er
mtdj interefftrt, wie lange nichts. 2öarum nur? 9Wir ift bod) fonfi
bie 3lufjenfeite ber $inge gleichgültig. 3ft eS nur bie augenerfreuenbe
gönn beS SWannes, ober — "
Damit fdjlief fie ein.
Der „neue Hauslehrer" r)arte feine fle^e in bie £anb genommen,
war bie Xreppe tjinaufgeftiegen unb tappte nun mit ber Unficherheit eine?
gremben bura) bie ginfternife, meldte baS in ber ^uglnft flacfembe 2i$t
faft noch oerftärfte, nach feinem ©iebeljünmer. Sttedjamfch jänbete er feine
itampe an, blies bie Kerje aus unb befreite feine £anb oon ein paar
©achströpfchen, bie barauf gefallen waren; gleichfalls mechanifd) öffnete
er ein Gigarrenfäftdjen — er hatte eS oorgefunben bei feiner 3ln!unft unb
fich barüber gefreut als über eine unerwartete Slufmerffamfeit. 3Kit ber
Sorgfalt eines; raffinirten Taucher« fchnitt er bie Spifce ber Gigarre ab,
entjünbete biefelbe unb begann, mit ftarfen Schritten auf unb abgehenb,
3u rauchen.
Sein 3immer hatte nid)ts 2Kerf rofirbigeS , unb fein 33ltd ruhte auch
nid;t auf einem ber in ihm oorhanbenen ©egenftänbe, fonbeni ftarrte leer
in'* Söeite, bura) bie SiMinbe hinburdj. Ob er in ©ebanfen oerfunfen
ober gänzlich gebanfentos umherwanberte, war ihm nidjt'anjumerfen.
GS war ein richtiges „Ganbibaten*3immer" in tnpifcher 2lu$jtortung :
eher ju grofe als 511 flein; ber ^auSrath ein wenig fdjäbig, umfomehr als
bie meiften Stücfe bec^felbcn ein gewiffeS prätentiöfeS 3luSfehen hatten, als
ob fie [ich befferer Xa^e erinnerten unb nur gezwungen in ber ©iebek
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IV at es £tebe?
29?
fiube auSjuharren ftd) ^crablic&cn. $a roar ber Sdjreibtifch, ein gerabeju
ungläubig mit£inte befdnnierteS 9Höbel; ferner ber frachenbe unb fcufjenbc
Schaufelftuf)!, weiter in ben £agen fetner 3ugenb ben ©lanj fchroar$er
Sadirung unb prunfenber Vergolbung befeffen ju haben behauptete; an ber
langen SBanb entlang brfitften fich einige oerfegen auSfehenbe Seberfeffel,
äffe mit einer djarafteriftifchen Vertiefung im «potfter; ein Vüdjerborb, baS
ft^6 erfolgreich in ber Nachahmung beS fajiefen Sturmes oon $ifa oerfuä)te,
unb fchliefjlich hinter bem burdtfichtigen, oerfdhoffenen Vorhänge, beffen garbe
bei Sampenlicty nicht mehr 3U eruiren mar, baS 23ett.
2)er junge 2Jtonn rauchte träumerifch weiter unb traf babei feine Vor*
berettungen sum Schlafengehen.
3lber balb fah er, ba§ er fich getäufcht hatte — er mar noch nicht
mübe unb tonnte nicht einfä)lafen, fo lange fein ©eift no$ fo eingenommen
mar oon ber gelähmten grau.
3ft fie fchön ? — 9iein, nicht eigentlich- £übfdj ? — 2fach baS nicht
recht. 3Iber ioaS in aller 2ßelt feifeite ihn benn fo, roarum hatte er ihr
23üb überall oor ftdj>? 3a, fie mar boaj fchön, nur ganj anbers als alle
anberen grauen! Sie mar fchön, menn fie fpraä), fchön, roenn fie ihn
fo munberbar anfah, roährenb er fprad), unb fchön oor 2lHem, wenn fie
lachte! 3a, fie mar fchön, tro| ihrer — foQte er fagen breifeig 3ahr*?
Sie imponirte ihm mehr als irgenb eine anbere grau, bie er btdrjer ge*
fannt hatte. 6r hätte fidt) überhaupt nicht gebaut, bafj eine grau ihm
mürbe imponiren fönnen, nein, niemals!
3a, menn fie nidjt gelähmt märe, menn fie feine ftinber hätte, roenn
er oon ihrem Stanbe märe unb reich unb flug — er fuhr auf aus bem #alb*
fdjlaf. 3)ie Gigarre mar feinen Sippen entfallen, unb ein leifer brenjlicher
©erud) ftieg ihm in bie Sflafe: ja, ba mar ber f leine gefd)roär$te gled auf
bem Seintuch. (§1 brüdte baS geuer beS (SigarrenrefteS aus unb fchleuberte
ihn tn'S Limmer hinein^ bann fud)te er ben gaben feiner ©ebanfen roieber
anjufnüpfen, roo er geriffen roar. Mein es ging niä)t, in feinem .§irae
oerroirrte fich 2llleS, er brehte fich auf bie anbere Seite, unb alsbalb befie[
ihn tiefer, traumlofer Schlaf.
* *
*
grau Suifa oon SBenbeloro pflegte frühmorgens 3U ermaßen; bann hatte
fie ihre fchlimmfte 3^t: ber £ag fah fo grau aus, roenn er fo lang oor
ihr lag; fie fühlte fich fo mübe, als fönne fie ihn unb alle ihm noch
folgenben nicht Durchleben. ?iie fam fie fich fo hülflos oor, als roenn baS
erioachenbe Seben ihr all bie Pflichten in Erinnerung brachte, welche Tie
nicht mehr 511 erfüllen im Stanbe roar. 2öie ein 2Ilp lag ihr bann bie
Sorge um ihrer flinber Erhebung auf ber Vruft; fo aud) heute morgen,
©eftern 9lbenb roar ihr plö&lich fo leia)t su Sinn geworben — aber baS
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298 mite Krcmnifc in Bnfarefi.
war ein Eraum unter ber Sampe gewefen, ber tm . nüd&ternen fiidfct beS
anbreajenben Xages oerflog.
2Sarum fottte ber 2Rann, bem fie it)rc ßinber anoertraut &atte, nun
gerabe etwas SefonbereS fein ? Sie befafc ja bie letbige 2lngewofmf)eit beS
SfoealifirenS: tyitte fte nid&t Anfang« felbft baS unauSfteljlid&e graulein
Sdjulj reijenb gefunben, wetaje bod) jwei 3fa^re lang bie flinber geplagt
unb bem ganjen &aufe baS Seben oerbittert fjatte? £ura) gräulein ©d&tüy
ßleinliajfeiten war fie su bem ©ntfdjlufe gebracht worben, einen ßefjrer $u
fud&en. $ie befdjränfte, gejterte ißerfon f)atte if)r £öd)terd)en fo einge-
fcpd&tert, bafe eS bie Slugen nid)t mefjr aufjufd)(ageu wagte; unb ber ^unge
war ganj unbänbig geworben, immer mißmutig unb unluftig $ur Arbeit
Sie Ratten aufgeatfnnet, als fie bann fxdj felbft überladen waren, §exx
Sieger falj {ebenfalls beffer aus als gräulein Sdjulj! grau r>on
Sßenbelow mürbe nun förmlid) oon einem roeljen ®efüf)l burd)$udt, als fie
baran bad)te, bafj fie nie, wie tfjre Xodjter, oon beS Selkers intelligenten
9lugen burdjfdjaut, oon feinen feften £änben geleitet werben fonnte. 25emt
mübe unb fdjmadj, wie fie frühmorgens fid) füllte, feinte fie ndj na<$
einem £alt.
,,.§offentlidj f>aben meine Äinber nid)t meinen Gfynattex," feufjte fie
halblaut; aber als fie barüber nadjbadjte, ob biefelben mit bem ßjjarafter
if>reS Katers glücflidjer fein würben, warb fie nur nod) trüber geftimint-
©nbliaj Tegte eS fidj im $aufe, bie Wienerin trat ein, unb bie ums
fiänbli($e Toilette begann, wäl)renb bie Äinber oon beiben Seiten an bie
£§fir polten unb balb biefe, balb jene SluSfunft oerlangten.
33eim grüfjfrücf faf) grau oon SBenbelom ben neuen ^auSgenoffen
prüfenb an, ob er nod) wü&te, was fie geftern 2Ibenb 3llfeS gerebet; unb
ob er aud) gemerft, wie fdmeH fie einanber oertraut geworben, — unb ob
er fid) oiefleid)t barüber gewunbert f)abe? Sein fdjöneS, ruhiges ©efidjt fa$
aber fo fremb brein wie am oorigen 3J?orgen, unb er fjatte augenfd)einli($
weber an fie nod) an bie gemeinfame Unterhaltung gebadet. 2Barum follte
er aud)? 3f)m fdjien es oieHeid&t ganj natürlid), bafj fie fo lebenbig na$
fo oielem gefragt unb if)m fo oieleS gefagt fjatte; für ifm war es oielleidjt
nidjts als eine ber Unannetymltdjfeiten feiner Stellung, baß er mit ber
SJhttter feiner 3öglinge fo unb fo oiel Stunben beS £ageS sufammeufein
unb fpred>en mußte!
$ie inber gingen mit bem fiefjrer in'S S$ul$immer, unb fte fajrieb
Briefe; juerft an ifjren 33ruber, ber wegen ber ©efunb&eit feiner grau ben
hinter in Italien $ubraä)te. Sie wollte tym aud) über ben neuen Seljrer
fdjreiben, unterliefe es aber, weil fte meinte, bod) no<$ fein rid)ttgeS Ur--
tfjeit abgeben $u tonnen, ©erabe als fte ben 33rief ooflenbet fjatte, fam $err
Sieger in'S Limmer. SRod) nie war er ungerufen ju if)r eingetreten; eS
war baS erfte 3flal, baß er eS aus eigenem Antrieb tljat, unb fie Ijatte
barüber eine fo große greube, baß fie rotl) mürbe.
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IVat es £tcbc?
299
„$aS Söetter ift ^cutc ^errlid^/' meinte er unb blieb an ber anberen
Seite beS Ofen« fielen.
,,©inb mir fo oerlegen um ein ©efprächSthema, baß wir sunt SBetter
greifen müffen?" fragte fie fdjalfhaft.
„2Bie fo ?" entgegnete er, unb ein Sätheln erleuchtete feine faltfarbenen
3lugen. „SBarum foßte man nicht auch einmal über baS SBetter reben?"
„3<h habe (eiber feine meteorologifdjen ilenntniffe," meinte fie unb
betrachtete babei fein f)fibfdje3 ©eficht, wäljrenb fie backte, wie ftolj fie als
Butter foldj eines jungen Cannes fein mürbe. Vielleicht ahnte er ihre
©ebaufen, benn fein (Kolorit rourbe wärmer unb in feine Slugen fam ein
gelbeS £i$t, über welchem grau oon Sßenbelow ganj unb gar uerga§,
weiter ju fprechen.
$a rourbe ber Slrjt gemelbet, unb ber junae 9Wann am Cfen entfernte
fidt) wortlos. 3w ber £t)ür begegneten fi<h bie betben SJtänner; ber $octor
warf bem 9lnberen im Vorübergehen einen prüfenben, fdjarfen Vlicf ju,
ben biefer jeboch mdt)t beamtete.
„3)te neue Slcquifition?" fragte er nach oen erto Begrüßungen,
inbem er fich sur umroanbte.
„(Sie meinen ben Selker meiner fltnber?" entgegnete fie fühl.
„2öie macht er fich ?"
„darüber lägt fich noch urteilen," antwortete fie, baS Ehema
abbrechenb.
$te 2Crt unb 2Beife ber grage hatte fie offenbar oerlefct, fo baß fie nicht
mein* £ufl hatte, bem £octor mitjutheilen, was fie fich am borgen au«»
gebaut, nämlich, baß fie Durchaus gefunb werben wolle, unb baß er baS
Unmögliche an ihr oerfuchen müffe.
©ie fagte ftatt beffen: „Unb wie geht es bei 3fmen?"
„D, Diele ©orgen, wie immer. $ie Sleltefte Imftet, meine ©djwefter
liegt mit ihrer Migräne fdjon feit bret Sagen; ©ie wijfen gar nicht, wie
gut ©ie es höben, fo ein ruhiges, behagliches &auS!"
„D, $>octor," fagte fie Beriefet, „ich bin wohl bie Sefcte, welche ©ie
beneiben Dürften!"
„2Barum? ffieil ©ie einmal Unglücf gehabt haben? 2lber bie meiften
SWenfchen haben mehr als eins!"
©ie fchwieg, unb er fuhr fort, über fein §auS $u flogen, unb griff
bann nach feinem $ut.
„2Ufo 2lü"eS beim Slltcn?" fragte er beim fortgehen.
©ie erwiberte: „3a," ohne alle bie gragen an ihn ju richten, bie fie
auf bem £erjen gehabt hatte, unb er trat hinaus. draußen aber mußte er fich
eines anberen befonnen höben, benn er wanbte fich um unb fragte an ber
2f>ür baS 2Käbd)en, wo ber neue Hauslehrer [ei? ©ie wies ihn in'S
©chuljimmer. £ier traf ihn ber $octor, wie er auf unb abget)enb,
feinen ©chülem ein beutfcheS ©ebicht bictirte. 9toa)bem er fich ihm t>or*
300 JTtite Kremnifc in Bnfarej*.
geftellt f)atte, fragte er ifm etwas brüsf : „könnten Sie ben ßinbern ntdjt
eine Heine ^aufe gerodeten?"
„Hd) ja!" rief ©ri$ unb fprang fdjon auf.
„2öie Sie wünfdjen," antwortete ber junge 2J?ann sögernb.
„Sann oorwärts, JUnber, in ben ©arten auf eine SHertelftunbe," rief
ber Doctor, naf)tn olnte weiteres ^ßlafe unb wies auf einen jweiten ©tut)l
mit einer fo beraubten &erablaffung, bafc ber iüngere 2J?ann, beffen (3e-
fidjt fonft fo unbeweglich mar, leife bie Augenbrauen sufammen^og.
„Sie fmb r)ier in feiner leisten Stellung/' begann ber 2lrjt.
„$($ finbe fie angenehm," entgegnete ber Angerebete füf)l.
„$Seil Sie faum angefommen ftnb. grau oon 2Senbelow ift im
©runbe eine auSgejeidmete grau, aber f)öd)ft neroöS unb reijbar."
2)er junge SJJann fdjwieg.
„darauf müffen Sie 9?ficffid)t nennen, Tie ift eben franf, ober glaufrt
es wenigstens ju fein."
©r erwiberte nod) immer nidjts, obgleid) er gern gefragt f)ätte, toaS
baS eigentlich für eine ^ranfr)eit märe ; aber er wollte bem tactfofen 2)larme
nidjts uerbanfen, nid)t einmal eine lufflarung.
„Sie nimmt immer bie Partei ber ßtnber. 2Bie fyat bie frühere ©r*
jiefierin, gräulein Sajulj — eine auSgejeidjnete Same, mit ber meine
Sd)wefter innig befreunbet ift — barunter gelitten! Unfertroegen r)at bie*
felbe es 5wei ^aljre ausgemalten, aber länger ging es eben nid)t. gür
Sie, einen Wann, ift bie Stellung einer neroöfen grau gegenüber aller*
bingS leidjter."
„inwiefern ?" fragte er fd>arf.
„9ta, einem SHanne gegenüber fmb foldje grauen meift milber."
„SaS uerftelje ia) nid)t."
„6r imponirt iljnen mef)r. SaS mar ja audj baS llnglücf in biefer
<5f)e, bafc fic fid; 2lu*eS gefallen liefe; fonft wäre eS nie fo weit gefommen!"
„a>on biefen fingen weife i<$ nidjts; unb fte gefjen midt) aud> nichts
an, ba id> midj nia;t mit ber 2flutter, fonbern emsig mit ben flinbem
abzugeben f)abe."
„SaS glauben Sie; aber bie Sdjwierigfeiten *3^rer Stellung fommen
eben oon ber Butter !"
„9?un, id) bin ja nia)t gebunben, ia) fann jeben Eag mein 93ünbel
fd&nüren", meinte er leidem.
„Sei foldjer Senfart," fiel ber Soctor lad&cnb ein, „werben Sie
gut burdj bie 2Belt fommen — bod& i<$ will nid&t länger froren." (rr
ftanb auf; aus biejem 3ttenfd(jen war nidjts fjerauSsubefommen, wcmgftenS
niajt fo fd&neff. Sarum najnn er feinen &ut unb ging fort.
SHieger ging nod) eine 2£eile im 3iminer <mf unb ab, ef>e er bie
Äinber hereinrief. SßaS fonnte ber Soctor gewollt haben? (sr hatte ein
unbehagliches ©efül)l, baS er ftdj nicht erflären fonnte. 2klb aber fa)lug
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Wav es ftebe? 30\
er e$ fia) aus bem Sinn: was ging ifa 3wu o. ,2Benbelow unb Ujr
2lr$t, i^rc wirflicfce ober cingebilbete 5lronf^eit weiter an? <Sr na^m fid^
oor, fnnfort bie 2lbenbe auf feinem 3immer $u verbringen unb $u arbeiten.
©ine 2Boa)e &inbur$ führte er baS wirflid) au«, bis fie tyn einmal
birect aufforberte, iljr etwa« oorjulefen.
„Sie galten miä) nia)t für unbefdjjetben ?" fragte fie unb faf) ifm
prüfenb an. „Sie motten niä)t etwa arbeiten?"
„3ä) lerne ja aud) In'er," entgegnete er ausweichend
„23itte," fagte fte rotf) werbenb, „tinin Sie mir baS niä)t an, gegen
3fyren SBüIen bei mir ju bleiben ; benfen Sie nur, wie mein Stolj bei
bem ©ebanfen leiben würbe!"
$abei traten i^r bie frönen in'S Huge.
,,3d) bin fefjr glücflid&, wenn Sie mir geftotten, Sie ju unterhalten!"
beeilte er ftä) ju fagen unb naljm einen 23anb ©oetfje jur &anb. „Sie
ermähnten geftern feine Sprühe — fott idj ^nen einige oorlefen?"
6r faf> fie niä^t an, bamit fie ifjre ^ränen fd^neU oerfd&lucfen fönnte ;
als fie i^m aber niä)t antwortete, bliefte er boä) auf. ©ie erften ^ränen
waren über ü)re SBangen gerollt, aber fdjon fammelten ftd) neue in if)ren
großen 2lugen. „SBerjeihen Sie mir; aber es ift ja fo natürliä), weim
id) äberempfvnb(ic$ bin!"
„©ewifj, es mufc fä)recfli<$ fein, immer franf bajuliegen."
„D nein, ntd&t barum! 3d) meine, wegen ber traurigen ©rfa^rungen,
bie icf) gemalt habe — "
<5r fal) fie oerblüfft an.
„&at man es Zfonen benn nidjt gefagt, ehe Sie bie Stellung in
meinem ftaufe antraten?"
„3BaS benn?"
„$)af? ich feine SBittwe bin, fonbern eine oerlajfene grau!"
Sie weinte niä)t mein*, fonbern fah ihn gefpannt an; aber in feinem
©ejicftfe regte ftd) nichts, er bliefte oor ftä) herunter, unb feine £änbe
fpietten mit bem !öuä)e.
„&atte man es Ql)nen wirflidj nidjt gefagt?" fragte fie noä) einmal.
„Stein," antwortete er furj.
„Unglaublich, nicht wahr?" fagte fte, unb if>r SRunb 30g ftch fteif unb
feft über ben Keinen 3^nen jufammen. „Unglaublid), bafe eine grau wie
id) oertaffen werben fann!" Sie lachte höfmifa) auf. „3$ Ijätte es auch
nie geglaubt, aber es ift boef) wahr!"
$aS Caasen war oerjd&wunben; eine furchtbare SKübigfeit lag auf
bem ©eftdjt, als 9tieger fte nach einigen Minuten beS Schweigens an*
bliefte. 6r wufcte nichts ju fagen, unb fie fd)ien eS aud) nicht ju er*
warten, benn wieber begann fie, oor ftd) Inn ftarrenb: „hätten Sie ifm
gefannt, fo würben Sie begreifen, bafc td) baran ju ©runbe gehe!"
$löfcli<h mufjte fein Schweigen ihr auffallenb fein. „So fagen Sie
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302
mite Kremnifc in Sutareft.
bodj etwas! ©agen ©ie, baß ie$ nid»t ju@runbe gef>en barf, ber ftinber
wegen! 3rgenb fo einen örocfen, ben alle SBelt mtroormtrft! — gtnben
Sie benn fein 2Bort? ©tößt eS ©ie fo fe^r ob, erfäeint e3 $f)nen
unweibli<$, baß ia) 3lmen, bein gremben, bem jungen SWanne, mein
ganjes ßeib oorftage?"
23ei biefen wilb fyerauSgeftoßenen SBorten faty fie fo oeränbert aus,
baß er fie wie gebannt betrachten mußte.
„2öaS foH ld) reben über ftinge, bie idj nid)t oerfte^e ? (Sin IHaim,
ber feine grau ©erläßt, ift ein ©$uft; unb wie man an folgern Spanne
Rängen fann, oermag idj nidn" ju begreifen!"
,,©te fjaben iljn eben nid)t gefannt," fagte fie meid) unb leife, „unb
idj muß bodj aud) Diel ©djulb gehabt f)aben — feit wie oielen S'agen
unb SRädjten grüble id> barüber nad;! 2Eorin lag fie nur? $d) finbe fie
nidjt! 2lber fie muß bagercefen fein — auf beibcn ©eiten!"
„5Barum? Sßenn ber $abiä)t bie £aube frißt, was ift bie ©$ulb
ber £aube?"
„Qai oerfieljen ©ie wirflid) ni$t," entgegnete fte, „unb jebenfafls
mar idj feine £aube."
„(£ridj glaubt aber, baß fein SBater tobt ift"
„$aS foll er au<$," unterbrach fie ifm. „2£enn ©ie müßten, mit
welcher 2lngft idj in ben 3ößen meiner fttnber fudje, ob aud) feine 3lebn=
lid)fett barinnen liegt! 2Bie oft giebt eine ^Bewegung beS ÄoofeS, eine
3ntonation ber ©timme mir einen ©tid) in'« §erj, weil fie bie beS SBaterS
finb — befonberS bei meinem 2Käbd)en! 2ld) ©Ott, bie SHatur fann boa)
nidjt fo graufain fein unb SJefmlicbfeiten mit bem Alarme fdjaffen, ber fein
^erbienft an meinen Meinen f>at, nur bie ©dmlb an iljrem ©ein! ©iebt
es beim 23aterred)te ofme $aterofli(f>ten ? 3Iber nid&t waljr," bra<$ fie ab,
„welche Diomangefdnajte! 9lun graut 3(men oor mir? ©ie waren, Ratten
©ie baS gemußt, nidjt in mein &auS gefommen? ©o fpredjen Sie
es bod) aus, id) weiß eS, idj fcrje eS an ffien 3lugen! Unb nun
wijfen ©ie and), warum unb feit mann id) gelähmt bin!"
©r fonnte fein 2ßort herausbringen, eS mar ü)m wirflidj, als ob fte
eine Slnbere geworben wäre, als ob fie gar nid&t 3U feiner 2Belt gehörte.
„2i>ie lange ftnb ©ie es?" fragte er föließli*.
,,©S finb etwas über brei %atyxt »ergangen, baß er mid) um einer
feiner (Beliebten willen oerließ — er glaubte es iln* fdmlbig ju fein —
eines SBaftarbS wegen/' fagte fie falt.
SDiarf fjätte gern me^r gewußt, aber es war ntdjt feine 2lrt, ju fragen.
©0 blätterte er in ben ©oetlje'fdien „©prüdjen in Sßrofa". ©r las laut:
,£er &anbelnbe ift immer gewiffenloS: es $at 9ftemanb ©ewiffen als ber
33etrad)tenbe.*
„£aS oerftel;e ic^ nid)t/' fagte fte, unb feine £rt unb SBeife war i^r
plöfelid) ganj uerfjaßt.
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Wav es Siebe?
Ö03
3hr war, da l;abe man fie auf offene Söunben getreten. 2öie hatte
fte fta) nur oor bem 2Ranne folche flögen geben fönnen? $abei hatte Tie
ba* ©efütjl, all fönne fie jefct nid)t prüd, als müffe fie mehr fagen, als
fei e§ boci) niä;t möglich, ba& er gar fein 3ntereffe für fie hege. Ober
roar Tie nur fo erregt, bafj fie ihrer felbft wegen fpredjen mujjte?
„(Sine fd)öne JJrau jog it)n immer an — er hatte ja eine ßünftler=
natur! 3<h TO^r nie fdjön, obgleich er mid) natürlich einmal fctjön ge»
funben fjaben mujj; vielleicht mar ba$ ber ©runb, unb id) mar heftig unb
meinte, weit mir uns liebten, bürfte td) ir)m 9Iu*e3 Jagen — ©erflehen Sie
ba3? Stein, Sie brausen nidjtg ju antworten, id) fet)e es fdjon. — Unb
bann meinte id), ber URenfct) fönne, ma$ er wolle; er jebocr), er wollte
immer ÜlüeS, was er irgenb fonnte, unb nocr) mer)r. 5Da3 muffen Sie
3Itte5 bebenfen, wenn Ste ben tfnaben erziehen," fe^te fie ^inju. „gallS
er bem SBater ähnlich wirb — bann — bannbringe ich ir)n um, ifm
unb mxtyl"
Sie bebecfte ir)r ©eiicr)t mit beiben &änben. Sieger faß ba unb
wu&te nidt)t, wie ba3 ©efprädj in ruhigere 33afmen ju lenfen fei. SBar
bieS biefelbe Jrau, bie bi$t)er £ag für Xag fo ruhig unb lädjelnb, ir)m
weit überlegen, mit ihm gef proben? bie mit bem £eben fertig fein, bie
nur no<$ für tr)re flinber leben wollte? 2Bie war baS S3ilb oer5errt, ba$
er fidt) oon ber füll trauemben SBittroe gemacht! 2Sar fie ir)m menfd)licr)
näher gerüdt, nun ba er fie in it)rer ganzen leibenfdjaftlidjen Unuolls
!omment)eit gefeiert hatte? @r wußte es nid)t, er wußte nur, baß er aus
ber $einlia)feit befreit fein wollte, fie berart fidt) gegenüber $u f el)en ; aber
er fonnte nict)t juerft fprect)en.
„£)a3 t)eifjt man »neroöS1, $err Sieger," fagte fie ptöfeliä} mit oer*
anberter Stimme, „$aben Sie fid) bie Heroen fo oorgefteßt?"
„3$ r)abe mir überhaupt feine Söorfiellung oon Heroen gemalt/'
entgegnete er unb ftanb auf.
//3<$ fd)äme mid) fo, berart mit 3hnen gefprodjen ju haben; fönnen
Sie mir benn md>t barüber forthelfen ? Steine ic$ Shnen r»er ältlich?''
fragte fie leife.
„Wein; aber fo furchtbar unglüdlicr), baß ich wortlos baoorftehe."
„3dt) banfe 3fmen für bie Sleufcerung, — unb nun motten wir un«
für heute trennen. UebrigenS, warum fahren Sie nie in bie Stabt? SHeijt
ba$ £r)eater Sie nicht? Cber all bie »ierpaläfte? 3dj wollte 3hnen baä
ld)on lange fagen. Sie wtffen, bie ^ferbebatmen fahren bis fpät in bie
91aa)t t)ier hinauf, unb junge SJiänner bleiben boch eigentlich ungern 2lbenb$
ju fcaufe!"
6r uerbeugte fia) unb oerliejs fie.
2ttö fie allein war, brach fie jufammen.
„2Ba3 tft eä nur, ba« 9llle$ wieber lebenbig madht, ate ob e^ geftern
30^ mite Krcmnifc in Burateft. - -
gefdfjehen märe! 3$ barf nie roieber ben 91benb mit ihm allein anbringen;
fein ©efid^t reijt mich jum SReben, unb ich will nichi!"
Sttarf ging unterbeffen in feinem Simmer auf unb ab. £r ^atte oer-
gejfen, ftch feine ßtgarre an$usünben; er badete nur, bafc er ben TOann
auffuerjen müßte, roo er auch fei in ber Seit, unb ihn erwürgen.
<S$ mar Sonntag, unb grau non ©enbeloro r)atte mit ihren Äinbern
£otto gefpielt um StnaUbonbonä unb anbere Süßtgfeiten. 9Harf Sieger,
ber baju gefommen war, machte ber 2flutter SlbenbS ben SBorroutf, bafj fie
bieflinber ju ferjr üerwöhne. Sie aber meinte ladjenb : „3$ weiß, roie
Sie ju ber Semerfung fommen. $)er $octor hat fie auf bem ©ewiffen."
$)a 3J?arf gerabe an bed $octor3 Ausfälle hatte benfen müffen, fo
niefte er halb lädjelnb.
„2>abei ift," fuhr fie fort, „fein Vorwurf nur fo eine Keine männliche
SRadje bafür, baß ich jfeine Anbetung nicht erroieberte. Unb ehrlich ge«
ftanben, eä märe bodj ju otel »erlangt gewefen, baß ich micr) für ihn hätte
begeiftem foHen!"
„Sßarumr" fragte er, um ihr $u wiberfpredjen. „3$ glaube, e£
ift ein ehrenhafter 2Hann."
„2lber bei ber Siebe fommt es auf @hren^aftigfeit meift nicht an!
Siebe fasert fid) nid)t um unfeve ©infta)t unb unferen SBißen!"
„Sßad nennen Sie SBiHen?"
„2öa3 3^ber fo nennt! bleiben Sie mir mit Sfoxen p^Uofop^if^en
Spifcjinbigfeiten fern! 34 weiß, Sie wollen wieber an unier £ifcr)ges
fpräd) anfnäpfen; aber id) fann nicht anberS — nennen Sie e£ einen
SRangel meiner geiftigen Crganifation — ich fann nid)t an ber greirjeit
be$ SBtUenS jweifeln."
„Unb mein ganjeS ethifdjes Softem ift auf ber Unfreiheit beSfelben
aufgebaut !" entgegnete er.
„2Jber id} weil bodj, baß id) oft im ßeben etwa« ^ätte thun mögen,
waä ia> nicht getfjan habe, weit meine Vernunft ftärfer war als mein
2öunfd), £rieb, ober roie Sie es fonft nennen!"
„Sehen Sie! Sie fonnten alfo nicht, wa$ Sie wollten; Sie
mußten genau fo hanbeln, roie Sie hobelten!"
„<& bringt mich aber außer mir, roenn Sie baS fagen! Kenten Sie
fid), jefct, gerabe jefet hätte ich bie allergrößte Sujt, eine furchtbare Dummheit
ju machen; aber ich mache fie nicht, benn ich barf niety!"
„Xann haben Sie eben feine Suft!"
3hr m& ftreifte ihn flüchtig; fo herauSgeforbert pflegte Tie meift
mehr ju fagen, als wahr mar. Unb bodj wäre e* in biefem 5lugenblicfe
SEßahrheit geroefen, wenn Tie ihm aefagt hätte, fte ftänbe im begriff, ft$
in ihn su oerlieben! „Wahrheit i|t aber boch nicht« 93orübergehenbe3; unb
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War es £iebe?
305
2ßaf)rf)eit, bie nur furje 3«ü 3tid^ l)ält, ift birect Unnmfn'fjeit !" flog
it)r burdj bcn Sinn, roäf)renb fic bcn Ölicf ju if)m jurücflenfte. 2Öar es
nur bic Sßtrfung tyrer eigenen ©ebanfen, bafe er iljr plöfolid) oeränbert
auafaf), ober wareä roirfltd)? Seine Slugen Ratten fi<^ mit einem Soleier
überwogen, unb ftatt be3 flaren Straff flacferte in ir)nen ein unseres
&i<fct; er oermieb augenfd&einlicf) i^ren 23li<f. &atte er roirflid), mit ber
^einfüfjligfeit feltener SRenfdjen, baä Unauägefprod&ene oerftanben?
$abei nmrbe e3 fjeifeer im 3intmer, ™n 2lugenblicf ju 2lugenbli(f.
„2LUr wollten, glaub' id), etwa* lefen," meinte fie bekommen, um
ba* peinliche Sd)roeigen ju breiten. <5r reichte it)r roortloä ein &eft, ba3
oor $m gelegen t)atte/ über ben £ifd); fie fdjlug es aber ntd&t auf. @S
mar ein merfioürbigeS 2Bo&lgefüf)l, ein beraufäenber 3auber in biefem
Schweigen, ba$ fie fid) ni<$t fäfn'g füllte ju brechen — trofc ber eigenartigen
üKngjt, bie ifcr baS Ölut in ben Äopf trieb unb bie S3ruft äufdmürte.
SHarum aber fdjnrieg er? @r Ijatte boct) nid)t genau biefel6en ©mpfinbungen ?
„3$ fann, roa$ id) toill," fagte fic plöfcli<$ laut, roie im 3lerger;
„unb id) null ni$t lefen!"
„2Bir fönnen ja aud) reben," meinte er, unb feine Stimme, bie
gleichgültig flingen foüte, ^atte etroaä £onlofe$.
Dieben, wenn fo oiel UnauäfpredjbareS in ber fiuft lag ! tybex ©egen=
ftanb, ber il)r bur<f> ben Äopf flog, mar ein brennenber. Unb bod) mu§te
fie, nidjt er, biefe 2ltmofpl)äre reinigen! 9lur (Sin erlöfenbes Söort!-
£a flingelte eS. Statt ber Jreube über biefe Störung legte ftdt) eine
grofce ©nttäufdmng auf ifu* £er$. Sie ^atte au3 jener Stimmung fjerauä;
gewollt, aber nun fcf|ien e$ if)r, als tjabe fie einen Slugenblicf be3 ©lud«
nidjt auSgenoffen!
$od) es fam fein 33efua); ber Liener legte bie 3eitong, roeldje eben
abgegeben war, auf ben Webentifd).
„SBolIen Sie lefen?" fragte fie unb reifte itjrem ©egenüber baS 33latt.
„Xie 25epefd)en über Bulgarien möd)te id) mir anfefjen," entgegnete
er in it)rer grofcen ©nttäufdjung.
92ad)bem er fdmeH bas ©efudjte Durchflogen unb bie 3^ilung oor
fid) Eingelegt tjatte, wie fie oorrjin baS #eft, fragte er: „^ntereffirt es
Sie nid)t?"
„Wein, nid)t mefjr! grüfjer uerfucrjte i<$ nod) mit meinen Weben^
menfdjen mitjufüf)len ; es finb mir aber ju oiele geworben, mein &erjfdjlag
reid)t nidjt me^r au£."
„Weinen Sie, ba§ fic§ bie 3Jienfcf>l)eit in ben legten 3aljren fo ab-
norm uerme^rt fyat?" fragte er lad)elnb.
„I)a0 nidjt, aber mein ^er^fcrjlag r)at fid) oerminbert, id) Ijabc mid)
egoiftifd) in mid) felbft eingefponnen, ein 3e^en be<J SUter^!"
„Weiften^ ift bie 3ugenb felbftfüd)tiger atö ba$ 5Uter."
„Xann ift e^ oieüeid)t ber ^eft ^ugenb in mir. 3ä) rebe fo gern
Siorb unb 6Ü5. IJI., IM. 21
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30') ITiitc Kremnitj in 23ufareft.
von meinem 3Uter, weil id) felbft nodj fein ©efüf)l bauon l;abe — übrigen«
eift feitbem Sie bei mir finb; Dörfer fam id) mir immer nod) jung cor,
ba id) nnr mit nie! kelteren oerfehrte. — 3a," fagte fie, wie $u fia)
felbft, „id) begreife eigentlia) gar nid)t, wie id) überhaupt ba$u fomme,
nud) mit ^Imen $u meffen, ^u Dergleichen? SBJan oergleicfct bod) nur
Gleichartige«."
,,G« ift eigentlich feine Schmeichelei für mid), baft Sie uns für fo
oerfd)ieben erflären!"
„Unb bod) beabfid)tigte ich eine foldje. ;^d) fteüe Sie weit über mid) ;
ja, bie greube, bie id) an $l)xex (%fellfä)aft tyibe, mürbe aufhören, fobalb
id) ba« nid)t fönnte! CS« mar mir immer Sebürfnift, §u Ruberen aufjublicfen;
unb ba ia) feine ©ötter meh* oorfanb — id) bin ju fpät geboren, unter
Epigonen — fo machte id) fie mir felbft. 9)tan fieht ja immer nur im
Slnberen, ma« bie eigene 9?atur verlangt, woburd) fie fid) ergänzt; unb Da
ber meinen mel fehlte, fo mufjte ich mir uiele ©ötter machen. Seijen Sie
ÜJfarf, oe«l)alb oerftet^c id) bie Ruberen fo gut, unb obgleid) idj bin, roa?
mau eine fittenftrenge grau nennt, fo ucrftei)e idj felbft biejenigen, auf
weldje man fonft Ijeralv^ubliden pflegt, 3Me« einige Suchen unb fid) im
8ud)en Verlieren ift nichts SUeine«, e« ift ein« ber tieften ©rbtheile ber
9Wenfd)ennatur in it)rer urfprünglid)en Anlage, e« ift ber 2lu«gang alle«
unfere« können« unö Sßiffen« ! 3Ltie weit fid) ba« ^nbioibuum babei t>er=
lievt, ift ber ".Natur fet)r gleichgültig! 3lber ich ^nen einen etwa«
oermirrteu Vortrag, ber eigentlia) gar nicht in unfer ©efpräd) pafet — roie
fam ich mx bajuV 2Id), ja, ich wollte 3futen fagen, warum id) Sie über
mich fefee: äßeil 8ie rein finb, unb id) fd)on burch fo oiel Sd)lamm ge*
flogen worben bin!"
Gr fd)mieg; aber bunfle 9iötf)e 50g ihm bis in ba« f eibige, faft farb^
lo« helle .ftaar. Sic folgte ber Flutwelle mit beu klugen unb erröthete
bann aud).
„511« mir einmal uon ber ÜHännerwelt im lUllgemeineu fprad)en, unb
Sie meinten, e« gäbe Männer, bie ju oiel auf fid) hielten, um fi<h je
wegwerfen $u fönnen," fuhr fie fort unb fah mit ben SJugen an ber 2Sanb
entlang, al« wollte fie bicfelbe mit bein Slid glätten unb aü bie 33ilber
uon iljr abftreifen ; „ba I)abe id) ba« 9)iäbd)en beneibet, ba« einft 3hre grau
werben wirb — fo beneibet, bafc id) e« fchmerjhaft wie einen Stich in
bie $ruft fühlte. — 3a) war ja im £eben meine« 3)tonne« boch nur bie fo unb
fo hielte, weber bie (Srfte nod) bie ^efcte! ^efet wollen wir un« aber
Xhee bringen laffen," ferste fie fnw „unb nid)t mehr id)wafceu! G« r)at
ja eigentlich ba« 2t£Ie« feineu üffierth, ober nur für fo eine fentimentale
Äranfe, bie mit ber Sölenblatcrne plöjjlia) ein Stücf &eben bclcud)tet unb
fid) einbilbet, bafc all ba« 9lnbere, weil e« gerabe im $unfel liegt, über-
haupt nicht ba fei. — <pat eigentlich bie l'iebe 2i>id)tigfeit im Veben ober
nid)t V 3jt fie wirflia) bie 9lre, um bie fich bie alte SSelt breht, ober
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Wat es £tcbe?
30:
tjaben bie 9(nberen recht, bie in tf)r nur jene faUi rnorgana erblicfen
wollen, jenes Xrugbilb, fjmter bem bie 9totur it)re bunfelen j&mede
birgt ? Sie oerftefjen midj bod) ? — SBenn idf> oon Siebe fpredje, meine idj,
lote wir grauen meiftenS, nur bie geiftige Siebe, weldje an bem rohen
körperlichen erfterben würbe, welche nidjts mit Schopenhauers gortpftajungSi
ßbeen ju tlnm hat; bie Siebe, beren äufjerfte $erirbifdmng ein im Sterben
gegebener ftujjj märe — etwas, worüber ber gröbere 2Wann lacht, bis er
fetbft eS einmal empfinbet; bie Siebe, meldte feines : körperlichen ju ihrer
Söethätigung bebarf, ba fte aus einer anberen Sphäre hinüberleuchtet in
bieje rohere SBelt ber ß*fchetnungen ! Sie lachen fchontf Selbft Sie —
ben id) eben noch reiner als mich genannt ? Pehmen Sie ftcr) in 2W)t, baß
ia) Sie nicht ju ben Scannern roerfe!"
„s2öerfen Sie midh ju ihnen, baS wäre nur richtig!" meinte er.
„Unb was Siebe bebeutet, ob fie etwas bebeutet, fragen Sie nicht mich;
id) habe fie nie erfahren !"
,3irflich nidj)t? $n feiner gorm?"
„9fein, in feiner!" ermiberte er.
Dod) fie ^ielt eS für eine 9tothlüge: wie fonnte man aber aud) gragen
(teilen, auf bie man bodj feine aufrichtige 2lntwort befam? DaS mar
roieber einer ihrer unauSftehlidjen grauenjüge, bie fie ablegen mufete!
§atte er nicht erft fürjlid) gefagt, berartigeS oerheimlidje man feiner eigenen
Butter, feiner Sdjwefter, feinem 23ruber, Slflen! (£r mar geroig oerlobt!
3hrc ©ebanfen flogen hinüber in feine norbifche Heimat, unb ihr
war, als fähe fie hinter ben f leinen Scheiben eines alten ^atricterhaufes
ein runbeS ©eftchtchen, welches mit feinen großen ßinberaugen über bem
reijenben Stumpfnäschen weg fehnenb in bie gerne fdjaute. 3a, baS
roar „Sie", unb ber ganje Duft beS Horbens lag auf ihr. — 2öie jebeSmal,
wenn fie ihren 2Billen nicht burchiefcen fonnte, hatte fie aud) bamalS bie
fieine gaujl geballt unb ganj ungehörig mit ben güßchen geftampft, als
9Narf in bie gerne gebogen mar unb ihr geichrieben hatte, marum. Sie
iah es nicht ein, bajj ihr ©elb jroifchen ihnen ftehen foHte, Tie roar bod>
weit ftoljer auf ihn geroefen als auf tf)re£haler? 3a, Tie mürbe auf Um
warten, unb enb(tdr) mürben fie getraut werben in bem Dome mit ber
fchönen $ol$fchmfcerei, r>on ber er fürjlich gejprodjen, unb bie ^oefie erfter
Siebe unb junger ©he mürbe ihn ber (Srbe entrüefen! —
2luj wie lange ? — Das fragte ftdj bie grau, beren 3lugen jefct nur
noch träumerifch auf ihm ruhten. O, nicht auf lange! Die entfefclidje
^Jrofa beS SebenS, ber entnüctyernben £äglid)feit würbe ben 3auber oer*
jchlingen. 9iad)her, nad) einigen 3ahren, würbe er ein glüeflicher gamilien=
uater fein, wie .^unberttaufenbe. ' Das SJtoifraut ift nur buftig, ehe es
Sur 33lüthe fommt; aus ben reijooHen &ecfenrofeu reifen Hagebutten! 2lber
bem Sauf ber ©ntroicfelung fann Heiner entgehen, unb ©ntwtcfelung ift nicht
immer SBeroollfommnung. 2öie fdjabe, wie jammerfdjabe ! 2Xudr) er mußte
21*
508
mite Krcmnifc in Bnfarcfl.
baS 2lHeS burdmtadjen, rote jeber 2Inbere. 6r feinte fid) ja naa) ber ab-
ftumpfenben 33ef)äbigfeit bes Sebent, er glaubte nid&t, bafj baS roafjre Sehen
bort aufhört, roo fo S-Biele meinen, bajj es begönne!
üBarum fyatte es aber für fie nidjt aufgehört? Söarum tjatte iljr bie
^rofa beS Xäglid)en baS ^erj nie auffüllen fönnen; roarum meinte fie,
ba& mir fie allein an ber Duelle beS ©roigen getrunfen $abe?
„Sie finb mübe," unterbrad) er plöfcltd) i^ren ©ebanfengang unb
ftanb auf. Sie entgegnete nid)ts, unb er ging fort. Stirn träumte fie
weiter.
6ie roufcte roof)l, roarum fie eine fo gute Meinung oon fid) (jegte —
weit 6r, ber ebenfo ©effafcte rote einft ©eliebte, fie oon if>r gehegt fatte. Unb
jefct, roo fie allein roar, roo cor bem nüa)ternen Silbe, baS fie fid) oon
SJtorfS 3ufunft gemad)t, bie ganje unreale ^oefie beS ©efm)ls oerrauc&t
war, roela)es fceute 2lbenb jroifd)en i&m unb tf)r emporgeftiegen mar, jefct
bad)te fie jutn erften SRale roieber mit #afj an ben 5Rann, an beffen unroanbel«
bare fiiebe fie einft geglaubt, unb ber bod) naa) i^r Ruberen gehört, ber
in i^rem 2Irm oon 2lnberen geträumt unb ber fie oerratfjen unb oerlafjen
batte ! %a, mit tym fjatte es für fte feine $rofa gegeben, fein 3<mber roar
bis h\ix legten ©tunbe unoermtnbert geblieben — aber roofjl barum ^atte
bie $auer gefehlt!
„2i>eSl)alb bin ta) f)ier immer fo mübe?" fragte fid) ÜHarf am naa)ften
borgen, als er ben roirren blonben flopf in baS etSfalte 3Baffer getaua)t
batte, um feine brennenben 9Iugen ju füllen. „2BeS()alb? $od) rooljl,
roeil id) I)ier fd)led)t fa)lafe ! — 3lber roeSfjalb fd)lafe id) nid)t roie fonft unb
anberSroo ?"
©r beenbete feine Toilette unb begab fid) in'S grüfNtüdSjimmer, bura)
roeld)eS fein fudjenber ©lief Saftig glitt, um etroaS enttäufdjt an feinen
beiben Möglingen baften ju bleiben. SHefe Ratten auf iljren Seffrer geroartet,
um mit ifrni gemeinfdjaftltd) früf)jtü<fen ju fönnen. tyfy erhoben fte fid),
gaben ifym bie $anb unb roünfd)ten i&m guten borgen.
„©uten SJJorgen, ßinber!" antroortete 3Jtorf, etroaS jerirreut unb roie
oon oben fjerab — er fam fid) ganj neuerbingS fo unenblid) oiel alter
oor als fie. „@ure Jrau 2ftama fd)läft roofyl nod)?" begann er, fid)
auf feinen ©tw)l fefcenb, aber bie 3lugen unb Ofjren nad) ber £fnir
gerid)tet, ob er nid)t baS knarren beS StoUftu^leS oemäfmte, auf
bem bie Äranfe fid; geroöfmlid) an ben gemeinfamen grüt}|tü<fstifa)
fd)ieben lie§.
&err Wiener," fagte Stätten, benn ©ria) ^atte bereits ben
3Runb ju oo U, um antworten ju fönnen.
„3$ guefte eben in SWama'S Swwttt hinein; fie rührte ftd) nodj
niajt, fie fd)läft oft Borgens nod) einmal ein, roenn bie Stfadjt fdjledpt roar."
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War es fiebc?
509
*
„Watürlidj!" jagte ÜJiarf; fdjmeigenb tranf er feinen Maffee unb
ftanb auf, um in'S ©djuljimmer ju gelten.
Sie angenefnn warm war es bort fdion; bie Sonne Micfte gerabe
mit iljren erften ©trafen burdys genfter. unb brausen, im ©arten hinter
bem $aufe, jeigten fidj nur nod) unter ben ©träudjern unb föecfen ©puren
beS oergänglidjen 2)tär$fd)nee$. SRarf trat an'S genfter, blicfte fdjarf
auf baS an ber 2lu&enfeite befejrigte £f)ermometer, nad)bem er fein 9luge
juoor in bie richtige $ö&enlage gebradjt — aber er t^at es nur aus;
©ewofm^eit, er fat) gar nid)t, bafc ber (Snbpunft beS OuecffUberfäbdjenS
auf 5° über 9M ftanb. @r gä&nte, fu(u* fid) mit ber §anb burtt) bie
£aare unb fragte: „SßaS fyaben wir fjeute borgen?"
diesmal war es ber 3unge, weldjer antwortete; baS 9Rabd)en flaute
gefpannt sunt &auS(e&rer hinüber, für ben fie ertra eine tyxlbe ©tunbe
früher aufgeftanben unb in ben ©arten IjinauS gelmfd)t war. Unter bem
©djnee, in ber Qde hinten am ^agebudjenjaun, wufjte fie bie erften
©d)neegldcflein: bie r)atte fie für ifm gebrochen, in ein niebücljeS ©träufc:
lein aufammengebunben unb auf feinen ^Slafc fnngelegt — unb nun —
nun fjatte er fie nidjt einmal angefefjen! —
„3uerft (jaben mir *Hed)nen," £atte ©ritt) auf bie grage 9)torfS
erwibert.
„Slber (Srid), wie fannft Du fo etwas fagen?" rief Äätf)d)en, oljne
auf baS 2Binfen ifjreS etwas ängftlid) auSfe^enben VruberS ju achten.
„Du weifet bod), bafc wir am Montag borgen juerjlt immer Religion
fyaben!"
DerÄnabe warb rotf) unb fd&wieg. „Deine ©djwefter f>at red)t! —
9?un Grid), fange Du an!
Unb ©rid) fing mit bekommenem &erjen unb unfid)erer ©timme
an, ben britten 2lrtifel Ijerjufagen, medjanifd) unb ofme 9?fidfid)t auf ben
©inn, wie Äinber meiftenS tlmn. 9US er aber an'S: „2BaS ift baS?"
fam, oerwidelte er fid), geriet!) in eine falfdje SRetye, merfte es, begann
oon Beuern, mürbe wieber feft, unb fttjliefelid), jumal ba er baS 2luge
beS £et)rer3 auf fid) gerietet wu&te, fdjwieg er in abfoluter Verwirrung.
„9hm <5rid)?"
6r faf) ^alb trofctg auf. „2lber gräuletn ©d)ulj fcalf un*
immer beim Auflagen — fie fagte uns immer ein SBort —
bei if)r brausten wir es nidjt beffer ju wiffen "
„SMber bei mir!" fagte Warf, unb fein 3luge war fo finfter, bafe ber
3unge bie trofcige SKtene fo fdmeff wie möglid) wieber aufgab; er fjatte
am ©onnabenb überhaupt nidjt gearbeitet, fonbem ben ganjen 9ted)nüttag
gefpielt.
„äatljdjen, jeig' Deinem Vruber einmal, wie man lernen mufc!
Das 2Wäbd)en errötete oor ©tolj unb Vergnügen unb fagte il)r
^enfum ol)ne Je^ler unb 2lnfto6 auf. Die ©tunbe naljm i^rcn Fortgang:
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5J0 iflite Kremnifc in Sufarcft.
tfäthchen wußte bic gragen immer richtig ju beantworten, (Srid) faft nie;
ihr frifdjeS Keines Ätnbergeficht ftrahtte oor Gifer unb Vergnügen, unt>
bie SReligionSftunbe ging ihr oiel ju früh $u (£nbe.
£ann fam baS Rechnen an bie dlefye. ÜJJarf begnügte fich bamir,
bie Inn unb. wieber an ihn gerieten fragen &u beantworten, unb fdjritt
für'« Uebrige langfam auf unb ab, achtlos bie Sclmeeglöcflein in ber
i'infen brehenb unb hin unb roieber gälmenb. $a, eS roar $weifeüo3.
baS Unterrichten machte ihm nicht mehr baS Vergnügen wie in ben erfteit
Tagen. 3WorgenS, roenn er aufftanb, lag ber Vormittag] oor ihm
roie eine roeite, langweilige ©bene, ofme Saum unb Strauch unb £au«,
unb mit bleiernen Söolfen brüber; er burchwanberte biefe Gbene, roeil er
eben muffte, roeil es fein ©efchäft roar unb roeil — ja, roeil auf ben
Tag ber 2lbenb folgte, ber Slbenb, ben er am 3^ut)et)ctt jener franfen
grau jubringen burfte! Gr lebte nur für biefen 3lbenb — unb boeb,
was l)atte er eigentlich baoon? ftätte er nicht nod) oor wenigen Söochen
folcheS Seben für entfefclid) langweilig unb öbe gehalten? &atte tf)m nicht
gegrauft cor ber 2luSficht, ben Tag mit geifttöbtenbem, hfllDem 2ftüBigs
gang jubringen ^u müffen? Sicherlich; nur in bem SBunuhe feine $war
Meinen, aber ihn bod) brüefenben Schulben los ju werber, tydie er bie
ihm bargebotene Stellung angenommen. $)ie Slbenbe, baS war fein tröftenber
©ebanfe gewefen, bie 9lbenbe würben bocf> fein bleiben, bie würbe er
oerwenben 5U feinen SieblingSftubien ober &u feiner ,3erftreuung. $a,
baS war anberS gefommen. 9ioch ftanb feine Öüdjerfifte unauegepaeft
ba, noch mar er feinen 2lbeub ausgegangen, obwohl er bie große Stabt
SBien, beren i'ichterglanj bnreh bie £unfelf)eit bis jur SSilla Ijerüberfchien,
noch fo gut wie gar nicht fannte, unb obwohl bort Vergnügen unb 9lmüfe*
ment fo leicht ju befchaffen warer.
Gr lachte plöfclich leife oor fich fyn, fo ba§ feine beiben Schüler ihn
oerwunbert anfdjauten. Gr bact)te: 3ene rounberbare grau, bie fo eifrig
bie Freiheit beS menfeh liehen SßißenS ju oertfjeibigen unternahm, roie
würbe bie mit einem 2Jtal feiner ganj entgegengefefcten Anficht beipflichten,
roenn fie ahnen fönnte, wie er unter ihrem Raubet gebannt unb gefeffelt
lag, unfähig, fich baoon loszumachen ober nur an irgenb etwas SlnbereS
511 benfen als an fie, allein an fie! Slber gerabe baS burfte er ihr ja
nicht fagen. „Sttein einiger Troft ift," backte er bei fich, „bafj fie nict)t
ungeftraft folche Tyrannei über mich aufrichten fann. SBirfung unb
©egenwirfung finb gleich — in ihrer ganjen fiarfen Eigenliebe lacht fie
barüber, bafe Sfemanb auf fie fottte Ginflufe gewinnen fönnen, ohne ober
gar gegen ihren bitten — fie entflieht bem SBerhängnifc fo wenig wie
ich — aber was will biefes mit uns beiben, was hat es oor? $er«
liebt bin ich "^t, baS weife ich; es ift nur, als hätte fie mich hwnotifirt.
3d) höre fie ju mir fprechen wie aus weiter, weiter gerne, ich fab« Tie
wie burch eine Solfe hinburch unb ich Wf« fie ruhig fpredjen — fie ift fo
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War es fiebe? 51 J
fd)ön, wenn fie f priest ! Soll idj aber, um irgenb ein armfeliges 2\>ort
$u fagen, audj einmal ben "iflunb öffnen, bann mufj idj mid) gemaltfam
baju aufraffen; unb bafe e$ albern ift, was id) rebe, ift nidjt meine
Sdmlb*: fie fyxt eS ju oerantworten, fie Iwlt bie 3öorte aus mir r)erpor.
— 95>enn iä) nur müßte, was fie mid? gaft fommt fie mir oor, biefe
gelähmte grau, wie bie Spinne im 9iefc, bie auf il)r Dpfer märtet.
(*S foU ja grauen geben, bie mit ifjrer bämonifdjen 3)iad^t bie SHänner
an fidj lotfen, um mit tfmen ju fpielen unb ifmen baS £erjblut auS^u*
faugen, ober ifmen wenigftenS tief tn'S £er$, in'S innerfte Selbft $u
flauen unb jebe gafer i^red SöefenS ju $erpftüden. Xann, wenn iljre
^eugierbe jufriebengefteüt, if)re Sangeroeile für eine Zeitlang jerftreut
worben, bann iji aud) tyr ^ntereffe oerflogen, bann roerfen fie uns baljin,
roof)in fie unfere Vorgänger bereits geworfen, in'S 9ftd)ts. Sollte fie
oon biefen grauen eine fein? ©Ott wei§! 3lber balb werbe id)'S ja
fet)cn. Unb was bann? Unter bemfelben ftadje mit tfn* leben unb fie
nid)t mefjr fef)en, fie nid)t me&r fpreä)en f)ören, baS hielte id> nid)t aus,
ia) fdjnürte mein öünbel unb ginge. — tiefer Soctor mug fie geliebt
Ijaben, barum beobachtet er fie fo fonberbar, unb audj mir warf er geftern fo
unoerfd)ämt forfdjenbe Abliefe ju, ba§ mir baS Slut ju Stopf ftieg. — Xie
breifte $ertraulid)feit, mit ber er ifjr bie £anb fügte! 3d) weig woljl, baS
ift öfterret$ifd>e Sitte unb bebeutet weiter nichts — ia) fjabe nod; feiner
grau bie £anb gefügt in meinem Seben, aber tf)r mödjte id) fie füffen —
nur bag es mir etwas anberes wäre als bloge #öflid)feit unb Unter*
tl)dnigfeitSform — oon ber &anb surn SHunbe ift ja fein weiter 2£eg!"
Sie lag wäf)renbbeffen nod) int Söett; fie backte an ilm unb iptaef)
mit ifmi. 2£of)l wußte fie, bag fie nur aufjufte^en brauste, um wirflia)
mit tym jufammen ju fein; aber fie fonnte fid) nia)t oon feinem Silbe
losreißen, baS if)rer (Sinbilbungefraft feine Sa)eine£iften3 oerbanfte. Dabei
ging fie mit fid) in'S ©eria)t. 2£aS wollte fie, unb was tl)at unb füfjltc
fie? fiatte fie fa>n einmal in $rem fieben 2lel)nliä>S gefügt? — %itürlidj
war eS ifjr erfter Impuls, 9iein ju fagen. 3lber oietleidjt war baS acute
©efü^l ein fo ganj anbereS als baS nur in ber Erinnerung lebenbe, unb
fie wollte feljr ftreng gegen fi$ fein, tonnte fid) baS, was jefet iln* $er$
befestigte, aud) nur oergleidjen laffen mit bem ©efüljl, weldjeS fie einfi
für tyren 9)?ann gehegt? 3af)re lang Imtte fie an feiner Seite in ber
iogenannten großen SKelt gelebt, unb Tie leugnete es nid)t, oft ^atte es
i^r greube gemalt, wenn fie Männern gefiel — freilief) nidjt etwa aus
©efattfudjt unb (Htelfeit, nur feinet wegen, um feiner würbiger $u er--
fa>einen, benn i^r ^er^ tjatte it)m ganj ungeteilt gehört.
Seitbem aber baS Unglücf in feiner ganzen Schwere fie l)eimgefud)t
fiatte, glaubte fie in oualerifcber Selbfrreflerion if)r ganjeS inbioibuelles
Sein erflorben — nidn* für fid), nur nod) für ir)re Äinber tjätte fie fortan
ju leben! Unb baS fottte nun ein 3rrtl)um geroefen fein?
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3(2
ITIite Kremnit} in Safareft.
©r fetbft, über ben fie ju ©runbe gegangen, er felbft mar es geroefen,
ber it)r ftets gefagt, fie fjabe noä) nie geliebt, immer nur fid) lieben raffen.
Sie fatte baju geladjt unb fidt) gewunbert, was er wol)l meinen tonnte?
Unb follte ifjr am Crnbe jefct baS flar werben, was fie früher nie wrr;
ftanben, fotlte ne jefct, wo fie fid) nid)t meljr jung nennen burfte, roo fie
feit Sauren fd)on nur für tf)r f)eranmad)fenbes 2ttabä)en nod) geträumt
Ijatte, bem Sauber jener frembartigen 3Had)t oerf allen, fid) unter ibre
&errfä)aft begebend
©S mar ja nia)t möglid)! Unb wer mar es, mit bem fie jenen
erbentrüdfenben £raum träumen fottteV (Sin SRann, jünger als fie, in bem
fie nur einen älteren 23ruber it)re« Änaben §u fe^eu geglaubt Ijatte! (rine
förmliche 9lngft padte fie. $oä) t>ielleid)t befdjmor fie bie ©efaljr für
fid^ - nur baburä) herauf, baf? fie fid) oor if)r ängftigte? Unb roooor
fürdjtete fie ftd) im ®runbe? 2tor Seib unb Dual? Kannte fie beren
mä)t fä)on genug ? 2ßar niä)t bura) fie ifjr ganjeS §erj burä)furä)t? Gab
es nid)t aua) ©lütffeligfeiten in biefem ©efüf)l, bie fie jefet fdjon armteV
üEßar es nia)t eine 2öonne, fo ganj ftiUe bajuliegen unb an tfm §u benfen,
ju benfen, wie fein £aä)en tl)m fonnig baS ©efiä)t erhellte, unb bafc ite
nur fid) ju ergeben brauste, um i&n ju fefjen? Ra, fie tonnte fid) oor^
fteüen, bajj fie ilmt leife mit ber &anb ü6er bie £aare fü^re, unb Tie
burfte fogar in ©ebanfen ganj oerftoblen feinen rotben Äinbermunb mit
tljren Sippen ftreifen, gan$ fad)te, fo bafc er es gar niä)t merfte. Da»
burfte fie; gerabe, roeil nie gefä)ef)en mürbe. Xa^u mar ja iljr SSMUe
ba, ben er nidjt anerfennen moUte, roeil er beffen 5Waä)t nidjt almte!
3$or einer Sleufjerung iljreS ©efüf)ls fürä)tete fie fid) niä)t, nein, au 3elbft=
bef>errfä)ung tyatte es ifn* ja nie gefehlt! — Unb menn fie fo geiftig mit
ifjm lebte, olme ba§ er es af>nte, menn fie fid) ein ©lücf ftaf)l, inbem fie
fid) oorftellte, es märe ifn* eigen — bod) nein, fdjon baS mar ein 9toub!
91etn, fie, bie nidjt naä) bem Xfyvm, fonbern naä) bem Denfen bie 9Weniä)en
beurteilte, fie burfte niä)t einer ©ebanfenfünbe naä)ljängen.
Sie mar bunfelrotl) geworben; biefe Xräume mufcte fic t>on fid) ab:
fä)ütteln! Sie f Imgelte, fie wollte fid) anjie&en laffen. 2tls aber ifjr
3Ääbä)en fam, fdjicfte fie es roieber fort: fdjon feit einigen Xagen Ijatte
fie baran gebaä)t, einmal einen Stritt allein ju getjen; fie wollte ben
$erfuä) madjen unb mar überzeugt, ba§ er gelingen würbe, wenn SKart
fie ftüfete — fotlte nid)t oielleid^t bie Mofee Söorftettung, baß er i^r feinen
2lrm reid)te, Reifen fönnen? 2öar i^r bod) jebedmal, wenn er üjr bie
jQanb gab, ju 9Rutl) gewefen, als tonnte fie an biefer ^anb fid) aufridjten
unb wanbeln, als gäbe es etwas oon bem magnetifd)en ©influB, an ben
fie bod) nia)t glauben mod)te! 2lud) bie oerladjte 3ägerfa)e @erud)Stl)eorie
fiel iljr immer in feiner mty ein; tyr war, als ob fie aud) burd) bie
^afenflügel flraft oon i^m föge, wenn er iljr gegenüber fafe! @r war fo
gefunb unb ftarf, fie fo leibenb unb jart — war es nidjt einfaa) natürliä)?
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IPar es £tebc?
3(3
Sie fefcte ihre güjje auf unb tyeit fidj mit beiben &änben feft ; aber
ber 2J?uth, ftch aufzurichten, rooüte nicht fomiuen. 9tod) faß fic auf ihrem
33ett. „3$ fann bodj, maS ich roiü !" murmelte fie oor fidj h*« unb er*
hob ftch, in betreiben 2lugenblicfe aber ftürjte fie auch $ufammen, fo baß
fie ohnmächtig balag, als baS 2Räbd>en roieberfam. mit £ilfe beS fdjueU
herbeigerufenen grduleinS braute fie ihre §errin in'S 33ett jurücf.
*
3Harf, ber injnrifchen feine Stunben beenbet hatte, ftanb am genfter
unb blicfte hinaus. 311« er ben Slrjt anfahren fah, ging er eiligft in ben
©arten hinaus, reo bie ßinber fptelten, um bem neugierigen 3ttanne auS=
juroeiä^en. 9Beber er noch bie ßinber, mit benen er Springübungeu
mad;te, fanbeu in bem flommen beSfelben etroaS SonberlicheS; erft als fie
beim grühftüd nur brei Gouoerts gelegt fahen, rounberten fie fidjf. ßdtheben
ftürjte hinaus in bie Äfidje, um ju fragen, roaS gefdjehen, unb fam mit ber
91aa)rid)t roteber, ÜKama bürfte Kiemanb fehen unb in ben nää)ften £agen
auch nicht auffielen!
£rübe begannen fie Ujr ÜRahl. 3)2arf fühlte eine unerflärliche, fonber=
bare 2lngft, wie noch nie im £eben, ihm mürbe ^ei§ unb falt, unb er
begriff nicht wie bie Äinber gleich nach ber Suppe fchon roieber fchtoafeen
unb lachen tonnten! ßr hatte nie franfe üeute gefehen, roenigften3 fo weit
er ftch erinnerte, unb jebe Äranfheit mar ihm gleich mit bem Xobe oer*
nxmbt. ©ut, bafj ber Nachmittag roieber Stunben unb bamit Arbeit
brachte, fonft roäre er ihm gar nicht oergangen. 2lls er 2lbenbS auf feinem
Limmer fa§, brachte ihm bie 3ungfer unerwartet ein offenes 23riefa)en.
Senounbert betrachtete er eS, ehe er eS las; eS enthielt nichts als:
„Stollen Sie mir nicht ein toenig ©efellfchaft leiften?"
2lnfang3 oerftonb er nicht, tooher es fam; bann aber fragte er
haftig: „So ift benn bie gnäbige grau?"
„3m Salon; Tie ift eben aufgeftanben — ber Soctor hat'S oerboten,
aber fie wollte nicht hören."
Gr antwortete nicht, fonbern flanb auf unb ging.
311S er in ben Salon trat, fagte fie: „Nur für Sie bin ich aufge--
ftanben, benn mir mar, als mü§te ich ®ic fpreä)en; in meinem Schlaf*
äimmer barf ich ®*c D0(& m^t empfangen!"-
Sie h^lt feine §anb feft, toährenb er nichts ju entgegnen mußte
als: „(Seht eS 3hnen roirflid; beffer? Sinb Sie nicht fehr franf?"
„Söiffen Sie, maS ich 9*than habe — aber nun fefcen Sie fich erft!
— ich habe ju gehen oerfudjt, unb eS ging nicht." Sie lachte leife auf.
Gr fchroieg. „Unb roiffen Sie auch, warum ich 9«^n oerfuchte?"
<£r fchüttelte ben Jtopf unb fah fie träumerifch an. Sie war auch
fchön anjufehen: über bem gldnjenben fchmarjen £aar trug fie ein roeifeeS
Spi^enhäubchen mit «einen rofa Schleifen, unb ber toetfje ßafdmur*
• Iiiitc Kremntfc in önfareft.
Dflorgenrocf, ber einen fo Ijo^en fragen fyiite, baj$ ber ßopf fyxib barin
ftaf, fleibete fie ganj befonber! gut. Sie faf) gar nid)t fo bleich unb
leibenb aus wie fonft.
„3a, weil — weil — eigentlich fmb Sie baran fdmlb, — weil ich
mir einbilbete, Sie würben an bie 3Wad)t meine! ÜhMUenS glauben, wenn
id) plöfeltd) gehen tonnte."
„3$ glaube auch fo baran/' erwiberte er leife unb tonlos, „wenn
auch in anberem Sinne atS Sie — "
Sie oerftanb tl)n nitit)t ganj, aber fie nahm feine £>anb unb maß an
ihr bie eigene, faft ofme §u wiffen, was fie tf)at; plöfolich icbocl) würbe
fie rotf) unb liefe feine £anb wieber fallen.
„Riffen Sie, wie mein Wann midj immer nannte?" fragte fie. Irr
fdjüttelte ben ftopf.
„3ia! »inbenSie ba$ huW* 3d) wünf<$te, bafc Sie einmal 3ja
jagten!"
Gr tr)at e$, unb SBeibe fchmiegen einen Slugenblid
„3$ glaube, id) tonnte gehen, wenn Sie mir hülfen," begann fie
wieber. Sie hatte ihre Selbjtbeherrfchung oerloren: fie wufcte gar nicht
mehr, was fie fagte unb tl;at; ber 9toufdf>, in ben feine ftähe fie oerfeet
hatte, machte fie willenlos, fie fonnte ficr) ieinem ©influffe nicht cntsier)en.
<pätte er, wie e3 jeber Rubere getfjan haben mürbe, ein 2i*ort, eine $e;
megung be! (£ntgegenfommen$ gemacht, ber 9taufd) märe oerflogen; foaber,
roo fie um jebeS SBort oon il)m erft werben mufete, mar ber 2öunfd),
ihm von Siebe ju fprechen, ftärfer in ihr aß alle Ueberlegung. 33alD
hatte fie nur noch ein bumpfes 23ewu&tfein bauon, bafj fie etwa! ^öchn
©igenthümlidje* empfanb, ba§ biefer nicht jurüd^ubrängenbe LTrieb, ihn
anzurühren, Siebe fei; baran, bafe er baSfelbe empjanbe, jweifelte fie feinen
2lugenblicf. ©ic aber tonnte baS fo urplöfclid) in ihr geworben fein?
„©ollen Sie mir gehen Reifen?" fragte fie noch einmal, ©r fprang
auf, umfd)lang fie unb tjob fie au! bem 2ioüftuhl — fie ftanb, feft an
■ ünt gelehnt, benn er hielt ihre Sdmltetn ned) umfangen; fie roanbte ftch
ein wenig mehr ihm &u unb füfjte ihn auf bie SSange.
,,3d) banfe 3hnen/' flüfterte fie.
,,'3d) &ätte nitt)t Qebacr>t, bafc Sie fo gro§ finb," murmelte er befangen.
„Sehen Sie, an Sie gelehnt fann ich ftehen unb" — fie machte
einige Schritte, er folgte ihr — „audj gehen!" Xann aber fefcte fie [ich
fchnell, ihr warb fchwinbelig.
„Riffen Sie, was ba$ ift?" fragte fie ihn, mit jurücfgelehntem Äopf
3U ihm auffchauenb. lieber niefte er nur wortlos.
„£a$ ift Siebe," fagte fie. „$ätteu Sie fich bie fo fdjön gebaut?"
,/JJein, 3fa," flüfterte er unb fniete neben ihr nieber. —
Sie wnfcte weiter gar nicht! bie ganje 9f?adt>t, als ba§ er „Siein, 3ia"
gejagt unb neben ihr gefniet hotte, ©leid) barauf war bie fungier ein*
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Wax es £icbc? 5{5
getreten, aber er l)atte bod) „$fa" gejagt! 21>ie tjatte es gedungen? Sie
iDiebertwlte es fid). Unb rote war es gemefen, als er fic umfangen unb
mit feinem mächtigen 2trm aus bem Stuftf gehoben f;atte? 3JMt gefcfyoffeneu
2(ugen fonnte fie fid) bas ©efürjl jurütf rufen. SBunberbar! — 9lber nidjt
er t)atte fic gefaßt, fonbern fie ifm — ob er es roo^I morgen ttjun würbe?
©r t)atte gewtfe noef) nie eine J^rau gefüjjt ! SBomit follte fie es nur oer=
bienen, bafc Tie feine erfte Siebe roar? Gr tjatte eS jroar nidjt gefagt,
aber fie wufjte es, bafe er fie liebte. GS fonnte ja ni$t anberS fein, fie
liebten fid), als ob fie 33eibe flinber wären, weld)e bie Siebe erft erfunben
hätten; es (jarte nod) 9Uemanb oorf)er fo lieben fönnen — unb bamit
fcf)lief fie ein.
Gr ntd)t! Sange burd)majs er f)tn unb fjer roanbernb fein ©iebeljimmer,
bann warf er -fid) ferner in ben Scfyntfelftufjl. Unb als er aud) t)ter feine
iRufje fanb, legte er fid), ben tfopf auf bie 2lnne geftüfet, in bie genfter*
brflftung. $>rauj?en meine falte grüf)lingsluft — er füllte es nidjt, ifnn roar
fiebenb helfe.
&>aS follte nun werben? Steinen Slugenblitf fam es ifmt in ben Sinn,
bie^rau verantwortlich §u madjen. (Sie war ifjm eine ^eilige, ein flinb,
ein Gngel ! 2lber er, was war er ? Gin rotier 3Jtenfd), ber ben einen 9Bunfd)
nur füllte, biefe 3rau m feinen 5lrmen ju jerbrüefen, ber fie nidjt met)r
fefjen fonnte, ofme fie berühren ju müffen! — %a, nun er es fid) über*
legte, fjatte er oom erften Sage an ben SBunfd) gehabt, fte ju füffen.
9)Jufjte er fid) nia)t feiner felbft fdjämen, war er nidjt ein milbeS Xf)ier ?
2ßie war nur biefe fjeifje £eibenfdr)aft, oor ber er fein Sebenlang feine
5urd)t gehabt t)atte, fo plöfclid)in ifmt ermadjt? Sie at)nte ja nidjtsbaoon,
Äinb wie fie war; fie fpielte ahnungslos mit bem geuer, Tie meinte, es
wäre 3eber fo rein wie fie!
Gr rjielt es im 3immer nidjt aus; fo fud^te er fid) bie £auSfd)lüffel,
leuchtete fidj rorfiajtig bie beiben treppen tjinab, liefe bie brennenbe ßampe
im 5(ur unb fdjlo§ £auS unb ©itter hinter fid) ju. Gr füllte fid) er*
leiajtert, als er auf ber Strafje ftanb, unb boct) war ifmt, als muffe er
wieber 3urücf, als bürfe er fie nid)t allein laffen in ber bunfelen 9tod)t.
Gr ging jebodj vorwärts, bie Gf)auffee entlang bis jur Stabt unb fefjrte
erft beim grauenben borgen gebanfenloS oor Grmattung t)eim.
* +
*
Sie fonnte jefct gefjen, aber 23eibe behielten eS nodj für fid) als if)r
@ef)eimmfj. Gr f)atte fie geseilt — burd) feinen erften Äujj ober burd)
bie folgenben? 2)arnad) fragte fie iljn lad)enb, wenn er, oor i^r fnieenb,
mit i^ren gingern fpielte, unb fie fein blonbes ^aupt an i&re öruft brüefte.
Gr fd)üttelte bann ben Äopf, fa^ fie ganj oerloren an unb begriff nid)t,
ba§ fie lachen fonnte, wenn fie oom Hüffen fpradj. GS war bod) etwas
^eiliges, unb fern oon i^r wagte er faum baran $u benfen, ba§ fid; if)r
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3*6
mite Krcmnttj in Sufarejt
fü&er Sftunb irjm Angegeben. 2öenn er allein in feinem 3immer war ober
ben Äinbern Unterricht gab, wteberholte 'er fid^ immer nur bie eine grage:
2öa« woüte fie au« ifmt machen?
2Bar er glficflich ober unglficflich? D, furchtbar unglüeflich, wenn fie
ihm oon ihrem SHanne fprach; unb bas tfjat fie täglich unb ftunbenlang!
Schon wenn fie begann: „Hermann fagte immer" — bann fä)Iojj er bie
2lugen, unb eine 2lrt Uebelfeit ftieg in Umt auf, gleichfam oomSeibe ^er
in ben flopf, fo ba& afle« Slut ihm au« ben Sföangen mich- 3luö) ihr
Tagebuch Ijatte fte ihm gegeben, er aber gab e« juntd, olme e« bi«
Gnbe haben lefen ju fönnen, fo fetjr hafte er ben 3ttann, oon bem nc
ganj erfüllt fdn'en! 2öa« mar benn er, 9)tarf, biefer grau?
9ioch aber hatte er bie grage nidjt au«gefprochen. (£« mar, al« bannte
fte ihn mit bem leifen 93etlä)engeruch, ber fie umgab, al« ob feine ©ebanfen
fta) in ihrer 9Mhe oerwirren mufjten. 2Bie fonnte fie ba fo oiel reben unb
in fo f lugen, f Warfen Sorten, wo ihm ber SBerftanb oerloren ging4? ^atte
fie ihn benn nicht lieb? Doch, fie fagte e« ihm \a wteber unb wieber,
bafe fte bura) it)n i^r neue« ©ein befommen! (£« mar ia auch richtig,
benn fte fonnte gehen, fte bewegte fia) ganj frei, unb feine Siebe hatte ba*
bewirft! D ©Ott, wie mar fie fdj>ön, wie mar fie jung unb grajiö«, al*
fie ihm jum erften 3)JaC bura) ba« Tange 3imm*r entgegenfehmebte. (r:
mar fo bemüthig ftolj auf ba«, roa« er gethan: wirflich, Tie mar eine
Slnbere, nicht mehr bie grau, in beren Mty er fdjon einen Sttonat gelebt
— biefe mar fein SBerf!
„3$ weife fdjon nicht mehr, ba§ ich einmal unglüeflich mar, SWarf,
unb mir ift ju 9Wutbe, al« müfcte ich ©ermann oon meinem ©lücf erjagen!"
,A 3fa, w«$ ^at er bamit ju tt)un? Stannjt Du ilm benn nicht au*
Deinem flopfe berau«rei6en!"
„©emifc nicht; befonber« jefet nicht, wo mir immer ift, al« wäre alle*
Unrecht auf meiner Seite gewefen; benn, ftehft Du, ich habe ihn ja nie
fo geliebt wie Dich'."
„Sitte, fprich nicht oon ihm, ia) fann e« nicht hören!" ftie§ er
herau«.
Sie faf) ilmt plöfclicf) in bie Slugen. „SBirb Deine Siebe aud> nicht
aufhören, wenn ich erft Deine grau bin?"
„^eine grau?" wieberholte er, „aber . . ."
Sie erbleichte unb jog ihre £anb au« ber feinen, er bliefte erföroefen
5U iljr auf. ©r hatte fidj oft genug gefragt, wa« wohl barau« werben würbe,
aber baran hatte er noch nicht gebaut. <Sie wottte feine wirfliche grau
werben! 2lber er fonnte fich boch nicht oerheiratben ! Sie oiele Qahre
mußten oergehen, bi« er eine 2lnfteUung finben würbe — unb wenn auch,
wie foüte er eine grau erhalten — folch eine grau! — unb bie betben
tfinber! Sie fonnte überhaupt nid)t bie grau eine« ©omnafiallehrers
werben; fie war nicht baju gemacht, in einer realen unb einer f leinen SSelt
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War es £iebe?
3(7
$u leben, 3&™ fdjien, als wäre fic aus einem 3<«tberlanbe — if>re abge?
fc^iebene 33iüa glid) einem folgen, Sie war genrife fef)r retdj unb fannte
fot^e 33ebenfen nid)t; aber er fonnte unb wollte nidbt oon if)rem ©elbe
ober gar oon bem i^red 9Hanned leben!
Sie fud)te ifmt feine ©ebanfen oon bem ©efidjt abjuleien. 3()re Stirn
lag in tiefen galten, unb mit oeränberter Stimme fagte fic: „3$ mödjte
Sie bitten ju flingeln; bie flmber foUen fommen!"
@r fknb auf unb oou>g i^ren Öefeftf. „$arf id) f)\ei bleiben?"
fragte er leife.
„2Bie 3^nen beliebt/' entgegnete fic füf)l.
„2Öa3 fyxbe id) benn getfjan?" erroiberte er traurig.
„©etfymV" Sie fal) ifm gro§ unb f)od)mütfjig an. „©et&an gar nid)ts,
ia) roitt nur bie Äinber fef)en!"
//3tV bat er ffefjentlid) — er f)örte fdjon dritte oor ber £f)fir.
„2Ba£ toünfdjen Sie, #err 9tieger$"
(5r roanbte fid) ab, als ber Liener eintrat unb »erliefe ba$ 3immer-
9Jadj) einer Stunbe fanbte ftc if)m ein 3*tttfdj*n: „SBerjei^en Sie
mir! idj toeig, id) mar im Unredjt. 3d) rebete mir ein, bafe Sie mia)
beleibigt Ratten, toäfjrenb idj genau weife, bafe 3^re 23ebenfen nur id)meidjels
fjaft für mid) fein fönnen. Sitte, fommen Sie!"
@r ging gleid) $u ifjr. @r mar fo frolj, bafe fic nid)t mef>r jomig
mar; unb fic rounbertc fid), faft mit einer 2lrt ©ebauem, bafe er if)r feine
Scene madfjte, fonbem biefelbe unterwürfige Siebe jeigte wie vorder.
mar merftoürbig, bafe ba$ ftc rei3te, gleidj mieber oon if)rem SWanne &u
fpredjen.
„(5r hatte bie ©abe mie ein ©eifterfefjer, jebe meiner Regungen 5U
begreifen, ehe idj felbft fic oerfpürte, unb barum mar er aud) meiner Siebe
immer fo fidjer, roeil er meinte, Sßiemanb fönne mid) oerflehen roie er —
id) glaube, er hatte Siecht!"
9Jtarf fdjioieg; roaS hätte er barauf fagen foUen?
„Ueberhaupt giebt e$ feinen SWenfchen, ber ihm ba$ Söaffer reicht.
3$ ioünfd)te, Sie fennten ifm!"
„34 rocrbc ihn fennen fernen!" fiel SJtorf ein, unb ein unheimliches
&idjt frrahlte aus feinen 2tugen. „3a, wenn Sie fo fortfahren, gehe id)
noch §eute hin unb bringe ihn um!"
3h* fuhr burch ben flopf, bafe baS bie redete Strafe für ^ermann
wäre! 3& °*r 9Hann, ber fte liebte, mußte fo benfen unb mufete fie fo
an bem Sßerräther rächen! 9ioch nie batte SHarf ihr fo gefallen!
„3a, Sie müffen i^n fennen lernen; aber ich glaube, er roirb Sie
fo bejaubern, baß Sie mia) oergeffen."
©r beugte fid) über fie unb flüfterte: „©laubft £>u baS mufftet) V"
Sie legte ifjm beibe 2frme um ben &al£ unb fagte leife: ,,3d)
beraufdje mia) an ^ir!"
3*8
— - mite Kremnifc in Sufareft
311$ fic bann nad&fjer ollem war, rounberte fie fid), bafe fie jefct fo
roenig mit ifjrn ju reben fjabe unb bafc fie nur, wenn fie in feinem 2Irm
läge, nod) roüfete, bafc fie ilm liebe, ©ollte er \\)v am (£nbe nom Gimmel
nur bam gefdntft roorben fein, um U)re £äf>mung ju feilen, unb bann,
naäjbem fie geseilt
3lber roaS mar fie bann? SBenn fie aufhörte ben ÜRann ju lieben,
ber fie gefü&t, ben fie $u genannt, mar fie bann nid>t eine oerädjtliäy
grau? 3f)r rourbe ganj fajroinbelig. 2öie ^atte fie nur fo tyanbeln
fönnen, roie war e$ möglid) geroefen, bafe jene (Swpfinbungen fo über=
mää^tig in if)r geroorben? ©ie befann fid), fie tonnte e8 fidt) nidjt $urfid=
rufen. GS roar roie eine unbejromglid)e ©ier geroefen, biefen liebefremben
Warm Siebe ju lehren, bie ©ud)t, bie ©rfte ju fein, bie er fütfte; fie
Ijatte es nidjt »ertragen fönnen, bafe er füljl neben iln* fa§. Unb nun,
ba er fie liebte, roar fie enttäufd&t? 9tein, enttäufd&t nia)t; aber i»er
3auber roar oerfdjrounben. ©r roar fo, roie fie ilm fid) oorgefteUt l>atte,
fo burd) unb burd) gefunb, nur oießeiajt nid)t beglürft genug burdj itire
Siebe, roenigftenS äußerte er e$ md)t; ba fie bie erfte grau roar, bie er
je gefußt, glaubte er geroifj, eine 3ebe roäre fo roie fie, roafjrenb fie bod)
überjeugt roar, etroaS ganj SBefonbereS ju fein, fapon bura) if)re franffjaft
oerfeinerten Heroen! — @£ roar fer)r unred)t oon if)r, aber er langweilte
fie, unb er fam ifn" uiandmial roie ein grofjer, ungefdjulter $nabe oor,
förperlid) unb geiftig, ber fie ungebulbig madue: er roar ju fdjlidjt unb
aud) }u uertrauenäüoU. — SBie roürbe i^r 9)iann Tie auslasen, roenn er je
erführe, ba§ fie biefen jungen geliebt Ijabe! — Cber liebte fie Um etroa
bod) nodj? 2BoHte fie roirflia) feine grau roerben? ©ie Ijatte eS fid) ja
oor ad)t £agen ausgemalt, ba& fie ftolj auf tfm fein roürbe, roenn fie
jujammen ausführen — nein, ausgingen, benn Tie Ijatten natürlich fein (Selb
^um gafjren, unb fie fonnte ja jefct gerben. 2lrmutf) mit tym fjatte fie ni#t
fdjrecflid) gefunben. Unb Tie würben geroife eine gfille oon Äinbern &aben
— fef)r bequem roürbe es nidjt fein, Tie felbft 5U pflegen unb $u roarten;
nein, er roürbe geroi§ Ijeftig unb ftreng fein, roenn @efd)rei roäre, unb
firfj in fein 3immer einfdjliefjen, unb fie roürbe nidjt ben Sttutl) fjaben,
fola) müfrfeligeS Seben freubig ju ertragen! Unb 00m 2Birt^fa)aften ©er*
ftanb fie nktyS, aud) nid)t uom flodjen; unb fie roürbe es aud) niajt mebr
lernen, benn fic roar oiel ju 5art ba$u. ^eftt roar fie reidb; aber bura)
bie 2Bieberoerl)eirat^ung oerlor fie bie diente, roela^e t^r 6d)roiegeroater
it>r au^gefe^t l;atte, unb behielt nur t^r eigene«, niajt bebeutenbeS 33ep
mögen. — Unb bie flinber? Sürbe er immer gut gegen fic fein?
Sttarf jerbrad) [\<b ben ßopf, roie er ben oerfjafjten 9JJann fennen
lemen fönnte. GS roar bod) nidjt fo einfadj, ju einem gremben 5U gel)en
unb ijm ju fagen: roei§, ba§ 6ie ein 8a)uft fmb, unb td> möd^te
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- — War es ticbc?
(Sie umbringen!" Wan würbe Um auf bie $oli$ci führen unb itjn für unju*
re($nung«fäf)ig ober betrunfen erflären laffen! Unb bod) mufcte er i^n
fetjen, er^er fjattc er feine 9hu>; er füllte ein fteteS brennen im fterjen,
luenn er nur ben tarnen r>örte. £abei mufcte er fid), foroie er aUein
war, eingeben, bajj er fein 9ieä)t rjabe, jenem etwa« anjutyun, oor
feinem eigenen ©eroiffen nid)t. Sollte er etwa ben £reubrud) be« Cannes
rächen? 2)a« ©efüf)l, ba« ilm ba$u trieb, mar ja audj ein £reubrudj,
benn in feine« &er$en« ©runbe galt ifmt 3fa bodj al« bie grau eines
iHnberen, unb ba« SSort ber Schrift: „Ser eine Stbgefdjiebene freiet, ber
bridjt bie £{>e" — fam tf)m immer in ben Sinn: ja, einmal mar e« ifmt,
aU tjörte er e« in feine« 3?ater« Stimme bidjt an feinem D^r! ^eftt
nm&te er audj, warum er e« fia) nie t)atte oorfteden fönnen, bajj fie feine
grau mürbe. Sie mar ein 3beal, ba« er emig lieben mürbe, ein Siefen
aus einer anberen Sßelt, aber für i(m feine grau! Wit einer Snberen
würbe er fid) nie oerf)eiratf)en fönnen, meil er fie nia)t Heb fjaben mürbe
— aber mit ifn: aud) nia)t!
9IU biefe (Sebanfen famen irmi nur, menn er aüein mar; in i^rer
9iärje badjte unb füllte er nur fie, unb ba« beraufd)te ifm fo, bafe nidjt«
Rubere« baneben Pafe hatte.
So oergingen bie £age; für bie Anberen mar fie noa) franf, für
il;n gefunb unb frifa).
©inmal fann er gerabe barüber na$, toa« für eine merfioürbige öe=
manbtniB e« mit ihrer Säfmiung gehabt fyabt, a(« unoermuthet an bie Xfjür
a,eflopft mürbe, unb ber $)octor eintrat, olme fein „herein" abjumarten.
„sIi>enn Sie müßten, toa« mir pajnrt ift !" rief er Warf mit ettoa«
gefpielter Aufregung entgegen. „©« ift $u fdjrecflidj!"
Warf toar aufgeftanben, unangenehm überrafcr)t, brücfte aber burd)
feine grage fein 3ntereffe au«."
„(*r ift tobt, bei £ifd)e umgefallen, unb id) foH e« itjr mitteilen!"
„©er?"
„Senbeloto, $err oon 95tenbelo:o!"
„Vergiftet?" fragte Warf erföroden, fo bafe ein 3lrgn)öl)nifa^er if>n
für ben ^d)ulbigen f)ätte galten fönnen.
„(Sitoa* oergiftet — £er5fcr)lag! — 3Iber roicfoll id^ e« ifjrfagen?"
„Wim, ma« geht ba« eigentlid) grau oon Söenbeloro nod> an?"
„Sa« e« fie angebt? £a finb Sie jmei Wonate hier im §aufe
unb miffen noa) nid)t, bafj bie grau nur (Sinen ©ebanfen Jat, ben an
ihren ungetreuen Patron? — Ober follte gama 9ted)t haben, menn fie
behauptet, feit 3h™r Slntoefenbeit toare fie ettoa« getröftet "
Warf ftieg ba« SHut in'« ®eftd)t, er unterbrüdte aber eine 9Tuf =
roaltung feiner ßeftigfeit unb fagte ruhig, mie geroöfjnüdj:
„3$ t>erftet)e nid)t, ma« Sie meinen."
i
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320 mite Kremnit} in Bufarcft.
„9hm, laffen mir baS für ben Slugenblicf ! 3d) fomme eigentlich, um
Sie 31t fragen, ob Sie es if>r nicht mitteilen fönnen?"
„3<h? ©emt& ntd^t/' antwortete er rafd).
„aBarum nicht?" entgegnete er, ü)n firirenb.
„3$ fenne Tie faum feit jroei SHonaten, Sie finb ir)r alter greunb."
„$ann oieUeia^t (SineS ber Äinber?*
„@rft re$t (nicht! $>ie ßinber follen gar nidjt wiffen, wer ifjr
Später ift!"
„2Ber fjat 3(men baS aufgebunben? grau oon 2Benbelow felbft?"
£r lachte. „2öaS bie grauen alle für Lebensarten machen! S*or
nicht fed)S SJionaten fagte Tie, baS ©injige, was fte anftrebte, wäre, bic
Äinber im ©etfte beS Katers unb in ber Siebe ju ihm ju erjiehen, barmt
fie fia) fo an ihm rächen !önnte! — Doch roie Sie meinen. 3d) mu§ es
ihr alfo felbft jagen — aber eine angenehme Aufgabe ift*« nicht!"
(Sr oerltefe baS 3immer. 9)iarf blieb am genfter ftdjen. 2&iS
würbe nun gefdje^en? 2Bürbe fie wieber franf werben? Qefct ^at ber
$octor in ben Salon — jefet fagte er eS ihr 2Bürbe fie auf*
fchreten unb Einfallen V 3lber bie« äufjere gactum änberte ja nicht* an
ber Innenwelt, in ber fie lebte — warum follte fte eS \o fdjroer
nehmen?
9tod) einer SBiertelftunbe fam ber 2lrjt wieber bei ihm oor; SJtarf
war ihm hö# banfbar bafür, benn er hatte nia)t gehofft, fo balb 9iaa>
rieht über fie 3U befommen.
„$Mffen Sie, was fie tljat?"
SRarf |"ah ü)n gefpannt an.
„Sie ftanb oon ihrem Stuhl auf, feit brei Safyxtn jium erften iWal,
ging auf mich ju unb fagte: „i>aS fyätte id) wiffen fönnen — fo muBte
es ge[d)el)en — baS fyabe ich oerbient!" 3h« 9tuhe erfd&recfte mid) faft,
benn ich fenne bie 2eibenja)aftlid)feit biefer grau. Sie fragte mich nad)
ben (Sinjelljeiten beS gaÜeS: was ia) nicht wufjte, erfanb ia) rafd), um
etwas ju fagen ju fyaben, unb ging bann fort. Sie rief mir naä), id)
möchte fie bei 3hnen entfdjulbigen. D, biefe grau oergifct nichts! 3*fct
überlegt fie, welche 9Me fie fpielen fofl: bie ber oerjweifclten (Stettin,
ober ber &elbenmutter, ober ber ftummen trauernben Patrone !"
„Söarum haben Sie eine fo fchledjte Meinung oon grau oon
SBenbelow?" fragte 3Warf mit erheuchelter Luhe.
„3$ fyabe feine fehlere ÜMnung oon ihr; im ©egentheil, icb furbt*
fie fet)r anjiehenb! Sie traten mir übrigens leib, als ia) fyövte, baß Sie
in bie .§änbe foldjer Sirene fielen; öffentlich finb meine SBarnungen
nicht umjonft gewefen?"
„&aben Sie &errn oon SBenbelow gerannt?" fragte SJtorf anftatt
einer Antwort.
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War es £iebc? 32\
„Sie mia; felbft."
„Gr muß ein fc^r bebeutenber ÜRann gewefen fein/'
„5a, mit bem SDhmbe! 9Ua;tS gab es, wofür biefer 9)?ann fi$ nidjt
intercffirte! Gr f anwärmte für bic fociale ©teidiheit, ließ aber feine
dauern — er hatte große ©üter in ©alijten — burd) feine Verwalter ju
©runbe rieten, wäfjrenb er felbft f)ier in 3)funf unb ÜMerei btlettirte.
(Et hatte £fjränen im 2luge, wenn er oon Jlinbcrn fpradj, unb fat) fidj
nid^t um, wenn feine eigenen Hinber an ihm vorbeifuhren; er mar be*
geiftert für eble SBeiblidjfeit unb jog feiner grau jebe Äammerjofe r»or;
er — —
„2lber woher galt er benn fooiel bei feiner grau?"
„2öeit er über 2llleS fpottete, fo meinte fie, er fönne mehr als Rubere;
unb weit er fid^ 2lllen überlegen glaubte, fo glaubte fie es audj, 2lnfangS
wenigftenS."
„3$ Ijabe nie im Seben einen foldjen -Dfenfdjen getroffen."
„SiaS ftnb aud) Paritäten, $reibr)auSpflan$en bed SReidhtfmmS! —
UebrigenS ia> muß jefet fort — Sie tljun mir leib, Sie werben jefot eine
&öHe ^ier im ^paufe (oben — Ijoffentlid) entfließt fie ftä) jur gelben*
mutter!"
©r ging fort.
2öaS er gefagt hatte, ging, bis auf bie legten Sßorte, fpurloS an SWarf
oorüber. 9Bie fonnte eine Seele gleiä) ber beS 33octorS feine 3fa
greifen! 3hm fam baS oor, als hätte man auf feines StiefelpufcerS Meinung
über tfm ©ewicf)t legen motten! lieber bie „föölle", bie ihm oorauS ge*
fagt worben, mußte er lädjeln. $>ann wieber feufjte er auf, fyalb aus
@rleid)terung, \)aib aus 33efrembung : Sie mar jejjt frei — fonnte • eS bodj
einmal wahr werben, was fie gefagt ? 2£ar es nid)t ju oermeffen, ftd) in
foldjen Xräumen ju wiegen? 2öar es nid)t fleinlidj gewefen, baß er bis*
fjer auf ben Unterfdjieb beS SßermögenS fo großes ©emidjt gelegt hatte?
(£r wollte ja fleißig arbeiten, um in ber Söelt vorwärts ju fommen — ba
toar es bodj feine Sdjanbe, wenn bie heißgeliebte grau reidj war?
Unterbeß brad) ber 2lbenb herein, bie ^ageSjeit, bie ihm im Sauf
ber lefoten 2Bod)en fo lieb geworben war, baß er um biefe ßeit }d)on ein
wohliges (Befühl empfanb, ol;ne ju bebenfen, warum? (St erinnerte ftd),
baß ber $)octor fie in ihrem 2luftrage bei iljm hatte cntfdjulbigen follen; '
fo maäjte er fidj auf, bie ftinber im ©arten $u fnajen unb ilmen an'S
.«perj in legen, baß fie bie üftutter oollfommen in Stühe laffen mö$ten. ©ewiß
l;atte fie gar nid;t bie 2lbftd)t, ben ftinbern ju fagen, weldje 9tocf)rid&t fie er=
l;alten hatte; ihre 2leußerung, baß biefelbeu nie wiffen fottten, wer ihr 35ater
wäre, fiel ihm wieber ein. ßr bura;fud}te oergebenS ben ©arten! 3U rufen
wagte er nid)t, weil Sa^lafftubenfenfter auf ben ©arten hinausgingen,
unb ein lauter 9iuf hätte fie ftören ober beunruhigen fönnen. So fer)rte
er unoerria;teter Sadf)e in's §auS jurüd, wo ihn ber Liener erwartete^
9lorb im* 6üb. LI, 153. 22
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322
mite Krcmttitj in Bufarcfi.
um tym mitjutbeilen, ba§ teilte für Um allein feroirt wäre, ba bie Stoiber
am ©ettc ber SWutter Reiften. Wart fanb baS fdtfiefelid) erflarlia), fd>rurfte
fein Gffen fd>neU hinunter unb ging bann auf fein 3immer.
(TS mürbe ftill im &aufe; er fajj oor feinem Sd)reibtifcr)e unb fdjrieb
Briefe. 3uerft an feine ältefte Sdjweftcr, bann an feine eitern unb fd)lie§liä
an feinen 23ruber, mit bem er über politifdje £>inge $u biScutiren pflegte.
Xa öffnete fi$ plöfelid) feine Xlurc — 9)iarf f>atte feine Stritte
auf ber Xreppe uernommen, fein knarren auf ben Sielen beS (SorriborS
— 3fa ftanb uor irjm, in langem fdjwarjem ßreppgewanbe. Sie glidj
barin unb in if)ren Bewegungen einem ©eifte.
Seltfam! Sein erfter ©ebanfe mar ber: wo rjat fie fo fdmell baS
Srauergewanb gefunben ? &atte fie es für irgenb meldte (Megenfjeit liegen
gehabt? (Sr mar aufgefprnngen, unb fie fefcte fidr) an feinen Sdjreibtifd),
wärjrenb er oor iljr fteljeu blieb. Sie mar feit Stoßen feine treppe ge=
fliegen, t)atte alfo nod) nie ben gufc in fein 3immer gefegt. (£r ergriff
wortlos if)re ^anb unb füfjte fie, worauf fie fie ifnn fdjnell entjog:
,,3d) fomme, um ein fdjwereS Unrecht gut $u machen," begann fie
mit frember Stimme, fefcte aber bann in iljrem alten Xonfall Ijinju: „Sßenn
man es eingefterjt, ift es bod) fdjon tjalb uergeben, nid)t watjrV"
(Sr antwortete nidjts, aber feine 53licfe fingen mit merfwürbiger
Spannung an ifjr. „Seijen Sie und) i;id)t fo an, id) benfe fonft, Sie
lieben mid) wirflid), unb ba» ift ja nid)t möglia) nad) fo furjer 23efannt*
fdjaft; es war ja ein Qrrtlmm oon uns Reiben.."
„3fa!" ftieft er IjerauS, unb etwas fo SBorwurfSoolIeS lag in bem
£on, baf$ fie ifm nidjt anfetjen fonnte, fonbern ftd) bie 2lugeu mit ber
&anb befdjattete.
„Wart, es wäre ja foldj unerhörter Unfinn gewefen, felbfl wenn mir
uns wirflid) geliebt f)ätten — " begann fie wieber.
„2i?enn — !" unterbrad) er fie unb trat einen Sdjritt jurüd.
,,&d) bitte, laffen Sie midj einmal auSfpredjen — td) weife, ba§ Sie
mid) uerfteljen werben, aber laffen Sie es midj $rmen ruljig unb befonneu
erflären, niajt fo in abgeriffenen, unterbrochenen Säjjen . .
„3$ Ijöbe Sie fd)on oerftanben," fagte er bitter.
„9icin, nein, benn Sie wiffen nidjt, was tdj empfaub, als id) freute
bie 9?adjrid)t befam. — gür mid) follte er ja lange tobt fein, aber td)
braudjte biefe Gifdmttetnng bodj, um ju mir felbft §u fommeu. Riffen
Sie, wenn man eine grofje Arterie im menfd)lid)en DrganiSmuS unter-
Mnbet, fo bridjt fid) bas 23lut bnrdj fleine Nebenwege Balm; beim es mufe
f reifen, wie bie Stteerflutl) fteigen unb f allen muß. Wix t)attc baS Sd&iäfal
bie Jganptarterie unterbunbeu — id) burfte il;n nidjt lieben, all mein Stol^,
all mein Sollen verbot eS mir. Sflun ift fie wieber frei — er ift tobt
— unb all mein 23lut ftrömt burd) fie burd), unb bie fleinen ^ebenroege
fiub oerlaffen! $as flingt furchtbar, i$ ftelle mir jelbft bamit baä eif*
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XOax es £icbe?
323
fefclichfte 3euöni§ au§; ober meine 9totur ift fo graufam, fo unerbittlich'
3<$ liebe nur ilm, habe nur ihn geliebt; ia) begreife nicht einmal mehr,
bag \a) je Sie $u lieben glaubte, id; fann e3 nic^t begreifen — "
,,3dt) baa)te, 3&r Sitte fei frei?"
„S i e haben mia) ja eines Vefferen belehrt," oerfefete fie fanft. „2lber
warum überhörte ftreiten, 2Harf? 3a) miß jefet nur oon Shrem Stanb*
punft am fpredjen — SNarf, es wäre ia nie gegangen!"
„2BaS ?"
„Stoß tä) 3!)rc grau geworben märe! @3 märe ja lää)erliä) gewefen
unb ein purcS Unglüd für Sie. Sie muffen ein junget, unerfahrene«
sBiäba;en r)eiratt)en — id) glaube fogar 311 wiffen, bafj in 3hrer §etmat
(Sine auf Sie wartet — nia)t midj, eine grau mit $wei ßinbern unb fo
jdjroerer Vergangenheit!"
(Sr hatte fia) auf feinen Sä)aufelftuf)l geworfen, ber bem ßidjte ab*
gemanbt ftanb, unb bewegte fia) langfam, ben 5lopf hintenüber gelehnt, Inn
unb her. Sie fah feinen blonben 5lopf alle 2Iugenblirfe oom £ia)te golbig
erheüt, bann wieber in bie Xunfelheit $urüdgetaua)t; feine 3üge aber tonnte
fie md)t beobachten.
£a er nia)t£ erwiberte, fo fpraa) fie nicht weiter. So oergingen
wohl fünf Minuten.
„sBaä fagten Sie?'' begann er plöfeftä) mit heftiger Stimme.
„9li*ta."
,,2Ia) ja, Sie haben nichts mehr $u jagen! 3a) auch nid)t."
Gr f^rang auf, Iwlte feinen Ueberrocf aus bem Sa)ranfe unb ergriff
jeinen &ut.
Sie ftettte fia) oor bie £fjur: „3o bürfen Sie nicht fort!"
„SBarum nicht? SScil wir einen Gontract haben?"
<£r framte im Sdmbjadje beS Schreibtifä)e3, holte ein Rapier herauf,
$erri& e3 unb warf es ihr oor bie gü§e.
„3Hetn armer 3«nge/' jagte fie. „Sflarf, feien Sie oernünftig!"
„3$ bin ganj oernünftig, jutn erften 9)ia(e, feitbem ia) h^ einjog!
«Ute, laffen Sie mia) bura)!"
,,3d) werbe ohnmächtig, 9Karf, wenn Sie miä) fo foltern!"
„£>aS glaube ia) nidjt; bie t (einen ftebenarterien finb ja auSgetrorfnet,
nur in bem Hauptarm ftrömt 3h^ s*8fot — "
„ipaben Sie mir ben Vergleich oerargt?"
„Den Vergteiä) nicht, ber war ganj gut; aber bie 3aa)e!"
„Weben Sie bod) nicht fo trocfeu unb hart; haben Sie SNitteib
mit mir!"
@r mag fie einen 9lugenbticf falten SlicfeS, bann fä)ob er fie bei Seite.
„9ttarf," fagte fie, „wenn es 3hnen fo furchtbar fa)wer wirb — ia)
raupte md)t, bafe eS 3hnen fo tief ging -"
(5r laä)te bitter auf: „£aS wufjten Sie nia)t? $aS ift baS gurä)t*
22*
ITUtc Krcmnttj in J3ufarcfh
barfte, roa£ Sie mir fjeute 21benb gefacjt fjaben; e3 foll aber audj bal
Sefcte fein!" «Damit fä)(ofj er bie Xfjür.
Sie fanf auf einen Stuf)I. „$er artne ftunge !" feufjte fte. $ann
überlegte fic, bafj bie3 unerwartete @nbe boa? ba$ befte wäre. 9ton roar
bie fdjöne ©pifobe gefdjloffen; unb e$ mar nidjt fdjabe, bafe fie bagemefen!
9iein, fie tjatte neue Sebensfraft au« if)r gefogen, unb nun fonnte fie
•permann ganj geregt merben, nun nerftanb fie ifm ganj, nun ^atte fie
aucr) einmal etroas empfunben, roaS fie nia)t gebilligt; e3 Ijatte iebenfalte
5U iljrer ^erooUfommnung gebient! Unb aud) bem jungen tarnte würbe
eä nia)t fä)aben, bafj er fie geliebt t)atte, geroife nidjt! ©ine Qugenbliebe ift
eine Vereiterung für'3 Seben! — SBiefoUte fie e$ nur ben Äinbem fagen,
baf3 2)?arf Sieger fie fdjon mieber oerlajfen rjätte? flatfjdjen mürbe geroitj
meinen, fte roar fo roei^erjig roie tt)r 93atcr; aber bie Seit rjeilt jaSUltf!
— Slergerltä) roar be3 $>octor3 rjöfnüicrjeä ©efiä)t, baS fte eine ©eile
mürbe ertragen muffen; aber fie roar ja gerooljnt, bie Sä)roädjen ber
£eute ju ertragen.
Unb bainit begab grau oon SBenbeloro fiä) in if)r flimmtr; unb als
fie am Spiegel »orbei ging, munberte fie fidt) felbft über ir)re i)iuf)e unb
Selbftbe^errfdmng.
Sftarf aber fuf)r in bie £eimat, um fid) nad) einer neuen Stellung
umjufeljen.
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£u£)tx>ig Pfau.
Don
<5u(lao Karpeles. /
— Berlin. —
Itc getftige 6 Reibung $toifa;en 9Jorb tmb Süb be3 beulten
^aterlanbeä f)at viel früher ein Gnbe geFunben ate bie pofttifc^e.
Streng genommen eyiftirt bie Itterarifd^e SJtoinlinie fdjon feit
einem Ijalben Qafjrljunbert nid)t meljr; fübbcutfd;e ^oeten finben im Horben,
norbbeutfdje DiomanfajriftfteHer im ©üben be3 ^atertanbes 3ntereffe, 9rn=
erfennung unb 2f)eilnafmte. Söenn mir bie Literatur ber ©egemoart über*
fd)auen, fo finb e$ im ©runbe genommen nur jtoei mädjttg ausgeprägte
Snbioibualitäten, auf meldte biefe^ ©efefc feine Slmoenbung finbet: £fjeobor
gontane im Horben, fiubroig ^3fau im ©üben 2>eutfd)Ianb3. Unb bod)
f)at gerabe gontane etroaS oon ber fübbeutfdjen ©emütfjlidjfeit, roäfjrenb
^tfau irie! oon ber norbbeutfdjen ^f)t;fiognomie be$ Gmpfinben-S unb ;Denfen3
an fid) trägt. fann I;ier nid)t bie Aufgabe fein, nad) ber $erantaffung
biefer £f)atfad)c ju formen; aber fie bürfte fidt) roof)l toenigftenS für bie
eine biefer beiben 3nbtoibualitäten au« ber 23etrad)tung if)re$ Sebent unb
Staffens oon felbft ergeben. 3u e^ner folgen Betrachtung bietet fid^ jefct
geeignete ^eranraffung. 2>er fiebenjigfte ©eburtstag unb bie ©efammt*
ausgäbe ber 3Berfe finb ja roofyi oft bie einzigen gefte, bie ber beutfdje
(SdjriftfteHcr 311 oerjeidnten Ijat, unb eine fixere ©tappe, auf meldjer bie
ßritif ifjtn gegenüber Stellung nehmen mufj.
^on Subioig ^pfau'3 £eben tft nur wenig $u berieten, 9?id)t ettoa,
tueÜ biefeä £eben an fid) nidjt intereffant unb bewegt genug geroefen märe,
fonbern roeil e3 nod) nidjt an ber fteit ift, baSfclbe ju crjäljlen. Subroig
$fau ift ein SBürttemberger. Gr gehört alfo rooljl $u ben Sdjioaben
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326
<5uflai> Karpcles in Berlin.
in ber Literatur; man roei&, rote oiel ©eift unb flraft biefer Sanbjtrid) ber
beutfdjen 33tlbung fett merjr als einem 3al)rf>unbert gefdjenft f)at. ©r ift
geboren am 25. 2luguft 1821 $u fteilbronn als Sofnt eine! SlunftgärrnerS.
Sdjon in jungen Sauren ging er felbft als ©ärtnerlerjrltng nadj ^aris.
9iaä) ber fdjroäbtfdjen Heimat äurfi<fgcfef)rt, entfagte er jebod) btefem Berufe
unb roibmete fu$ bem Stubium auf ben Untoerfitäten $u Bübingen unb
.§eibelberg. Seine Neigung führte ifm jur ^oefie unb flunftroiffenfdjaft;
auf beiben Gebieten (eiftete er fdjon bamals mer)r als ©eroölmlid)eS unb
roufete bie Slufmerffamfett auf fia) §u lenfen. $ie 9?cuolution be«? 3*$?**
1848 fab ifnt unter ibren oorberften (Streitern ; in ber 3eit ber 9ieactton
flüdjtete er erft nadj ber Sdjroei;v unb bann 1852 nad) i*aris, roo er fidj
auSfdjliefjlid) ber tfunftgefcrjidjte unb Stunftfrttif juroanbte. Später roedjfeltc
er feinen Sofmort nod) oft; er fnelt fid) jeitroeife in SBrüifel, 2lntroerpen
unb £onbon auf unb feljrte enbtidt) amneftirt int Qaljrc 1865 nadj Stutt*
gart jurüd, roo er feitrjer feinen 2£obnftfc bal- Seine politifdje lieber«
jeugung Jjatte fid) in ben 3atyren ber 9ieacttou mcr)t geänbert, unb er fanb
balb ©elegenljeit, fte journaliitifdj $u betätigen. 3nt Safyxe 1848 r)atte
er baS ©tfcblatt „Gulenfpiegel" herausgegeben; unb nad) feiner 9?ütffef)r be;
trjeiligte er fid) lange 3^it an bem „Stuttgarter 53eobad)ter", bem befannten
ffibbeutfdynScmofratenorgan, bejfen Seiter ber jüngft oerftorbene ßarl tarier
geroefeu ift. 5lber bie politifd)e 9ttd)tung übte feinen ober bod) nur einen
fefjr geringen ©influfj auf fein geiftigeS Staffen aus; fte r)at feine poetifdje
SebenSanfdjauung gar nid)t unb feine fünftterifa^e 3Beltanfd)auuug nur
wenig beeinflußt.
Sdjon als günfunbjroanjigjäfunger gab $fau feine erfte unb einjtgc
©ebi<f)tfammlung beraus, beren vierte burdjgeferjene unb oermebrte Auflage
in biefem %a\)xe erfdnenen ift (Stuttgart 1889). 3n biefc SluSgabe ift
rool)l aud) baS ^efte aus ben „Stimmen ber 3^t" (föeilbronn 1848)
foroie aus ben „$eutfd)en Sonetten auf baS 3a\)x 1850" (3ürtdj 1849)
mit aufgenommen. IHttfjcrbem ift auf poettfdjem (Gebiete nur nod) eine
in ©emeinfdjaft mit feinem Jrcunbe 2J?orifc $artmann unternommene
oorjüglidje llebertragung „$retonifd)er 33olfslieber" (Mit 1859) 51t r»er*
$eidjnen. ShJir ^aben alfo bie poeti|djc 3nbiuibualität £ubroig ^ßfau'S in
einem nidjt alljuftarfen 23anbe uon 450 Seiten afcgefcrjfoffen oor uns liegen
unb tonnen uns banaä) unfer Urttjeil btlben.
@s lag nalje, bafj man ben Xia)tcr olme Weiteres ju ben Sdjroaben
geworfen tjat. 3n unferen £iteraturgefd)id)ten ift er mit (Sbuarb 3JJörife
überaß als ein 9fad)jügler ber fdjroäbtfdjen Sdjule aufgeführt. 2luS einer
näheren Gbarafterifirung feiner poetifd^en 9lrt roirb es fidt) ergeben, ob
bieje 9iubricirung bered)ttgt ift ober nid)t. ^ie fd^roäbijdje Sa)ule jei^nete
fia) burd) ben Grnft ber Öefinnung, burd; bie SEärme it)rer Ueberjcugungen,
burd) bie 9?cinf)eit ilner biajterifdjen ©eftaltungefraft oor ben anberen
poetifdjen Sajulen ^eutfd;lanb9 aus. 3l;re 2Belt ift bie beS ©emütlies;
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f uoong Pfau.
327
in roeifer SBefdjränfung h<*&en fidj bie 3Md)ter auf ein Stoffgebiet surütfge*
Sogen, in bem bie einfodje Önnigfett ber ©npfinbung, bie flare 9lnfchauung
her ?totur unb ba3 fübttdje Pathos überwiegen. 3Me marftge flraft be$
SluSbrucfö, bie überfdjäumenbe gfiffe be3 ©ebanfengebalts, bie fdjöpferifdje
SHdjterfraft fehlte ihnen; ffifme Probleme be3 ©ebanfenS haben fie ftets
forgfam oermieben in ben flreis ihrer Betrachtung §u sieben; tfjre
SPoefie ift „gans Eingabe, (Sinnigfeit, ^nnigfeit unb üftaturanbacht." Sie
Statur felbft, ihre f)öd&»te 9J?eifterin, fpiegelt ftdj für fie in ben 9?ei$en
i^rcS eigenen föeimatlanbeä roieber; ber ®influ§ biefer lanbfdjafilichen
Schönheiten auf bie ^oejte ift bie fdjroäbifdje ©emütblid)fett.
2£ie ftebt e3 nun um äffe biefe (Sigenthümlid)feiten ber fdjroäbifdjen
Schure bei Subrotg $fau ? Seine ©ebid)te erregen unfer ^ntereffe pnächu"
burd) bie benimmt ausgeprägte ^nbioibualität be3 5poeten. Gr burdjbridn"
bie conoenttoncffen gönnen, in roeldjen fid) feine bidjterifd)en &eimats
genoffen beroegen. ^idjts 2ttenfd)liche3 ift ihm fremb unb fein Stoff
3U f probe. (£r weift jebem eine eigene Seite abjugeroinnen; feine ^oefie
macht ben (Sinbrucf beS SSabren, unb bie Originalität in feinen ©ebidjten
ergebt fie roeit über ba3 üJtafe auch ber befferen Schöpfungen ber älteren
fdjroäbifdjen ^Diö^tcrfc^ufe. 3In 3ierltchfeit ""b gormcnglätte mögen if>n
fein* oiele feiner poettfdjen Sanbefcute übertreffen — an $raft, an ©es
banfenreidjtfmm unb an paftif be£ 9Iu3brucfe3 überragt Um nur ein
einziger: Gbuarb 3>iörtfe.
^n ber £f)at bilben @buarb 9Jtörife unb Subroig $fau eine neue
fchroäbifche £id)terfcbule. Sie 3eit ift längft uorüber, ba man bie poetifdjen
Sc^maben höhnen burfte:
2(nbre Stüter haben üfctft,
2fubre ^fjantaue, unb anbrc
ßetbenfcbaft; ieboi) btc Xugenb
£aben loir, bic Scfoüabcnbidjter!
^oeten roie Gbuarb 2)?örife unb Subroig $fau haben neben äffen anberen
nationalen £ugenbcn aud) ©etft,$oefie unbSeibenfdjaft in ihren Sdjöpfungen.
Subrotg $fau ift, roie ich bereite bemerfte, ein Xidjter oon Originalität
in ber ©mpfmbung. Eamit foll aber burcfaud nicht gefagt fein, bajjer
gan^ unabhängig oon beftimmten 2>orbilbern fid) entroidelt fyaU) im
©egentheil: er ift ohne Ublanb unb $eine $u benfen. £on Ublanb
hat er ben oolfetbümlichen £on in feinen ©ebtd)ten, oon £eine bie fang*
bare 9)ielobie. 2öa3 ihm aber oor 2lttem eigeuthümlid; ift, ba$ ift ber
3auber ber Stimmung, ben er allen feinen Silbern aus Statur unb
Sehen 511 oerleihen weife. Stimmung ift in 3Iflem, roa£ er fcbilbeit, fo--
roohl in feinen Siebe3gebid)ten, roenn er bie Tonnen ber erften Siebe,
bie Stürme ber Seibenfehaft, ben Schmers ber Trennung, bie greube be£
2Bieberfehen3, bie £rauerbotfchaft oon bem £obe ber ©eliebten ober bie
fllage über Herrath in ber Siebe sunt 3lu§brucf bringt, roie aua; in feinen
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528
(gnfiao Korpelcs in Berlin.
Silbern aus bem Seben, bie im bunten tfafeiboSrop atte 3rcu^en wto
Sdunerjen, afle Erfahrungen unb ©mpfinbungen beS 9Kenfd)enf)er*enS uns
porfurjren. SSor Mein aber ift eine Julie pon Stimmung in feinen 33urf(r)en=
unb 9JMbcr)enliebern unb in feinen 33allaben ; tjier ift Subroig $jau gan$ ein
3ögftng ber f$röäbifdjen Didjterfdmle, beren $8or;\fige er in reifem 2)?afee
vereinigt. @S ift baS Mfstrjümtidje, ber fdjlidjte 3luSbrutf ber 2Sktf)r=
haftigfeit, ber »oOfc Sfleidjtrjum innerer (Smpfmbung, ber feine Sieber bem
Xon beS 9?olfSliebeS fetyr narje bringt. Die 2lrt, roie er bie Statur auf=
faßt, urie er fein inbioibuelles geifttgeS Seben in baS allgemeine SRaturreben
aufgeben läfet, ober audj wie er bie (Sinroirfung biefeS auf jenes mit
wenigen Striaen ju fdjilbern weife, um baburcr) eine nachhaltige Stimmung
hervorzurufen, ift gerabesu berounbernSroertf). Das gemütboolle SRaturgefuhl
ber Sdjnmbenbicr)ter feiert in feinen Siebern toarjre £riumr<r)e; bie greube
an ber 9?atur roetfc immer neue Sdjönrjetten an ihr ju entbecfen, unb biefe,
mit ber poetifcrjen Scrjönrjeü oermärjlt, permag immer neuen ©inbrucf auf
unfer ©emütt) rjerpor^ubringen.
2luS ber 9iatur entlermt er Sdmuuf, Stfb unb ©leicfyiife, um auch
baS Seben ju fcfjmücfen; oor 2Wem aber brtcr)t in feinem Sie&eä lieb baS
9taturgefiiltf mit fiegretdher ftraft burdj. Die Siebe fteigert fein fubjectioeS
ßmpfmben ju jener Ijoljeit Stimmung, in roetdjer es getrieben roirb,
fid) in baS SWieben ber 9?atur ju perfenfen unb ftier baS ben eigenen
Stimmungen entfpredjenbe 2?erroanbte unb Sinnpatfnfcrje ju fudjen.
Einige 33eifpiele mögen biefe* Urtrjeit befräftigen. %ä) greife auf gut
©tticf aus ben „TObdjenttebern", in meldten ein armes junges Äinb fein
SiebeSleib ben SÖalbem unb ben ^turnen ftagt, eines fjerauS:
O Rätter, bürrc Blätter i
2Btc trauert ihr fo feljrl
9118 ihr nod) gäbet grünen ©ebeiu,
$a mar mein lieber 6tf>a& nod) mein,
£cn bab' id) nimmermehr.
O Blätter, bürre Blätter!
3t>r habt i^n oft aefefm,
äöann er mir 2rcu berfbroeben bat —
2id)! fann benn Siebe wie ein Blatt
3n einem Saljr belehn?
O Blätter, bnrre Blätter!
(S8 mar ein falfcher ftnab';
(Sud) flaa/ id) eS, ihr fdimcißct ftiO,
Üöeil id) fonft SMentanb faflen miß,
2Bie lieb ich ihn nod) hab'.
■3Wan fann toof> faum fd;lid)ter bie tiefe Gmpftnbung unglücklicher
Siebe auSbrücfen. £ier ift poettfcr)e Unfdmtb unb befdjeibene 95>ar)r^eit ;
luer ift £on unb 9)?e(obie beS ^olfsIiebeS, unb baS (Sinftimmen unb SMU
fmgen ift nur eine grage ber 3eit unb beS perfönlid)en ^errjälrmjfeS.
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£ubipig pfau. 329
©in $audj von bem ©elfte ®oet^' 3 roef)t in bem Siebe „9?a<$tbalfam" ;
f>ier ift 2löe5 Seben unb Gmpfinbung, nirgenb 9tefIerion ober 33efdjretbung,
2lHe3 im unmittelbaren 39ejug jum fubjecttoen ©mpftnben beä 3ttenfdjen=
fierjenS.
üttein Sieb' £u fottft aefunbcn! Sie böfcn 3ungen fcfooeigen,
©ieb, fommen ift bic 9tad)t, Sic Seiner Siebe brofjn,
Unb ?UIe8 ift berftfitr>unben, Unb milbe ©terne fteigen
2Öa8 Sag« Sir bange madjt. ^eranf am Gimmel fdjon.
Sie ftiffen Sanbe liefen Unb alle ©rünbe lauftfjcn,
@o grofe unb feiertid), (Sin SBeb'n gebt über'* 3fetb,
Unb fjeflf Söaffer fdmttegen Unb afle Stbfel raufeben —
Sur4) bunfle Xbäfer ftdj. SaS ift ber (Seift ber SSelt.
Scr giebt ob bem (Betriebe
Sc« SebenS ernft einber;
Sie fterjen boffer Siebe,
Sie fdjoneu, fegnet er.
£iebe$gefüf}[ unb 9?aturempfinbung liaben ftdj f>ier ju rounbernoUer
Harmonie Bereinigt; bie 9Jaturfcenerie bilbet ben geeigneten ßintergrunb,
aber ba3 redete SJtoß in ber S)arftellung biefer 9toturfcenerie ift fiberall
in biäcretefter SBeife gewährt. Unb biefe S)i3cretion oerftefjt $fau in allen
feinen ©cbid)ten an^uroenben; nur als ^intergrunb berfelben werben mit
leidsten aber ftdjeren Strichen grüfjling unb borgen, 9Honbfd)ein unb
6onnenprad)t, STfjau unb SRegen angebeutet, tiefes redete 9)tafj in ber
9?aturbarfteUung ift einer ber größten SBorjüge feiner poetifdjen 6djöpfungen.
@in Seifpiel aus ben „$olf3 weifen" mag biefer Urzeit erhörten.
Ser Sobeäengel fingt:
Ser Sfbenb fommt, ber Sag berblid),
5£)te (Srfiatteu toebn unb toeben.
<3d)on roädift ein langer €>djattenftrid)
Sir langfam überS ßcben.
©emad) berflnft in Sämmerfdjein
©ebirg unb Iba! unb $cft> unb £>ain —
©eblaf, utübeS fcers, fdjfaf ein!
©o Suft als ßeib, bir moblbefaunt,
SÖerlafTeit ben ©en offen;
Unb 2tlle8, toa8 Su Sein genannt,
3ft toie ein Suft aerfloffen.
Ser Sag, er fear ooU bei&er S^ein,
3efct nabn bie Sterne lübl unb rein —
<5d)Iaf, niiibeS ^erj, fdrfaf ein!
2lm Gimmel flammt bie Icfcte ®lutb,
Unb flatfert trüb unb trüber,
es bauebt ber 3üinb, e3 raufetjt bie fttot,
Unb Me8 ift boriiber.
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330
(Suflao Karpetes in Scrlin.
Tie SRadrt bricht tote ein 9Weer herein,
Tu toiefleft auf ben Rettert fein —
Sdjlaf, mübeS £>cr3, fd)Iaf ein!
$)erfefbe uolfStJjümtidje £on fe^rt audj in ben 33 af laben ^fau'S
roieber. Ginjelne berfelben, tote „T>er Sßaffermann" , „£a$ «SdtfoB am
9?f)etn", „3ungfer Stmperlid)", „$ie dornte", „ftufc" unb aubere. gehören
$u ben beften (nrifdjen (Srjeugniffen in biefer $id)tungSart. 3$ hm e§
mir mit SRücffidjt auf ben eng bemeffenen Staunt nur fdjroer oerfagen, einzelne
SBeifpicle aujuffiljren; aber bie Inrifdje Vielfeitigfeit unfereS SMrJdterS er=
fdjroert ein Raufen uon Veifpiefen. $enn Subroig Pfau bat aud) bem
3eitintereffe unb bem 3ettgefdjmacf feinen Tribut bargebrad)t. 3n feinen
„3eitgebi<3f>ten" ift er ber redjte fübbeutfd&e $)emorrat üoH Energie be*
2Iuebru<f3 unb potttifdjem patljoä, aber ofnte eine bestimmte, fdjarf au$*
geprägte originelle pijufiognomte. Gr f>at etroa3 von Ublanb, etwas oon
$erroegf) unb etroa3 dou ©eine in feiner politifdjen Surif. £ie 33itterfeit
be3 Verbannten fyat audj feine Gmpfinbungen getrübt. 9tur bie erften biefer
Seitftimmen baben frtfdje 3ugenblta^feit unb 53egeifterung; in ben meiften
ma$t ftdj Unmuts Verbitterung, ja fogar $af? geftenb. fef)(t nid)t an
9lbet, ßraft unb <3d)nmng ber Gmpjanbung; aber e3 überwiegt bori) fc^degtid^
ber 3orn unb bie ©atire. ©er $id)ter ift ein entfdfu'ebener Parteigänger,
unb feine PoeSte Ijat mefjr eine foSmopolitifc&e garbung, bie hinter ber
nationafen 93egeifterung weit ^urüettritt. SebeufaOte bilbet bie politifdje
Snrif uid)t bie (Starte unfere3 £)id()ter3; er jteljt melmefa gerabe bie
SSurjefa feiner .Graft au§ bem beutfdjen GmpftnbungMeben , unb in bem
frönen Siebe „9lbf d&teb "r mit bem er oon feinen ©ebid^iten unb »ort
ber Seit poetiidjen Sdjaffenä überhaupt f Reibet, tyat er bae mit ffarer
Selbfterfenntnife 3um 9lu3brucf gebraut:
©eliebteS Sieb! 3« meinen früfjen Mafien
Sarft Tu mir fdwi ein öielflctreuer ©aft; *
Tu .freraaefpiefe meiner junßen ftlaaen,
Tu naljmfr mir ab be3 enaen TafeinS ßaft;
Sie Seele Iiaft Tu mir emporaetraa,en,
2Llo fte ber 3ng ber nrofjcn Sdiöpfung fafjt —
Unb alle« Seb, ba8 auf mid) ctaflcbrunaen,
(53 ift burd) Tid) in fanften $aud) üerfluugcn.
Ter ?Ibfdiieb nafyt, — nur nod) ein leifeS löcbeu,
Ten legten Ton, Tu troftgcfanbteS Sicbl
Sie fidi amei ftreunbe nod) bie ftänbe geben
Unb umfdaun nad) bem Sfreuätoeg, ber fte fdjieb —
So fabre mobl 1 mid) nimmt ba§ ernftc 2eben ;
Tie Saiten fprinpen, wo bie 3uflenb fliebt —
Sir muffen toanbern 311 fletrenutem 3'^^»
3d) mit bem Stab, Tu mit bem Sattcnfpiele.
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£nbn>ta Pfau. 33J
2Btr v)ahen gefe^en, bafe ba« Inrifdje ©fement bie 3ugenbperiobe
£ubwig $fau'S ausfüllt, unb bafe er am Sdjeibewege oon ben beiteren
Spielen ber $oefie feterltd) 2(bfdjieb nimmt. $ie SttamteSseit feines SebenS
ift burdb bie ßritif au^flefüHt, bie er faft oter$tg 3abre mit unbeftedj*
lieber SBafjrfjaftigfeit unb Seltenem ©efd)i(f gebanbbabt f»at. Seine gesammelten
ßifanS über flunft unb Literatur erfdjeinen jefet in fedjs ftattlidjen
Sänben (Stuttgart, Eeutfdje 2?erlagSanftalt), von weldjen $anb I, II, IV
unb VI bereits oorfiegen, bie beiben anberen 23änbe wobl balb erfdjeinen
werben. 9J?an mufe fagen, bafe feiten ein fo banfenswertbes buajbanble^ifdjeS
Unternebmen erfdiienen ift; benn biefe Sammlung gibt uns (Megenbeit,
$fau'S fritiföe ^ätigfeit nadj allen 9iid)tungen ^in $u controltren unb ju
beurteilen. Submig ^fau ift einer unferer f)en?orragenbften (Sifaniften
unb einer unferer fdiarffinntgften ßritifer; feine äftfjetifd&e 3nteHtgen^ r)ält
feinem poetifdjen Talent bie SSagc: ber flünftler unb ber 5lritifer ergangen
fia) gegenfeitig.
$er eigentbümtidje 33or$ug feiner ©ifanS über flunft unb Literatur
ift ber ber tflarbeit unb Sd)örfe. 91(3 bie erfte Sebingung gilt ibm ber
Safe, ban bie 9tefu(tate ber wiffenfdiaftltdjen gorfdmngen in affgemeinoer*
ftänblid)er Steife oor*utragen feien. 25>o fidj fym nur (Megenbeit bietet,
eifert er gegen bie SöaalSpfaffen ber SÖiffcnfdjaft, bie weber bie logifdje
.(traft befifcen, ir)re 3been felbftftänbig ju bUben, nod) audj baS fpraa)tiä^e
Vermögen, if)ren ©ebanfen ein eigenes ©eroanb $u fdjaffen, unb bie besbalb
nur bie r)crgcbradcjten formen ber Sdjule breit treten. Um biefe 5lrt
roifTenfdjaftlidjer Sarftellung 5U geifieln, brauet $fau ein braftifdjeS SBei*
fiuel. „3" Gbina bat befanntlid) bie Sdjrtft fo oiele 3*i<$en wie bie
Spradje SBorte, fo baß bort nur bodjgelabrte SWanbarinen jum 3Serftänbnife
beS SdjrifttbumS gefangen fönnen. 9J?an benfe fidö nun einen freien
Sufunftsdnnefen, ber mit einem 9lbc=33ud) in ber £afdje aus 2lbenblanben
beimfebrt unb $u ben Sdjriftgelebrten beS bimmlifdjen 9?eidjeS alfo fpridjt:
,$ic bunberttaufenb £radjcnfdjwän$e, Srubenfüfee unb ,"o»b"crpfoten, bie
ir)r eud> in'S ©ebädunifj gefeilt babt, 0 iljr Sd)afcgewötbe ber 2£iffenfd)aft!
— bie fönnt ibr eudj wieber ausrupfen, wie man ftd) einen Tom -r...
gufee äiebt ober einen Splitter aus bem ginger; benn eure gan
mad)e id) mit 5wei ftufcenb 33ud)ftabcn ab!4 3?un [teile mau fia; bie
gelehrten cor, bie ibr ganzes £eben bem Stubium biefer eljri
flratfelfüfce gewibmet baben unb besbalb für Brunnen ber SöeiSbei ■
einjlimmig werben fie 3^ter fd^reieu über bie neue Sdjrift. ^ 1
ibnen nid)t gelingt, bem oonoi^igen 2lbc-Sdbüfcen mit ftilfe atterböa^tl :
gretflidjer Beweismittel ben Saud) aufjufa^li^eu, fo werben fte ir)n w» •
bem .^affe aüer ^oblbcnfenben empfebfen, flärlidb bartl)uenb, br
Sdbreibweife nid)t, wie bie ilne, eine 2£if|enfd)aft, fonbem ein :
3)iad)werf gemeiner Gmpirie fei, einzig eifunben, um jebe eblere '!.
beS cbine|lfd)eu ©ebanfenS ju üernidjten unb aus bem 9ieid) bei
532
(Saftao Karpcles in öcrlin.
ein 9?eidj be« ©nbe« madjen." Slebnliä) per^aft e« fidj na<$ ßubroig
«Pfau mit ber beutfdjen ^In'lofopljie; fein Seftreben ift nun, anfiatt ber
bieroglnpf)ifdjen 3et$enfpra$e in ber SBeurtfjettung ber flunft unb if)rer
Söerfe bie aHoerftänbliäje Sudjftobenfdjrift einjufüfjren unb ba« fritifdje
Urteil au« ber Sanbroüfie be« gormali«mu« f)erau«:,ufübren. Sein
(Srebo ift fefjr einfadj, Kipp unb flar: „©« giebt nur eine ©iffenfdjaftltdj:
feit, unb bie befielt bann, bie Sejiefmngen ber $inge richtig $u erfennen
unb ba« ©rfannte flar au«5ubrücfen. Cime ba« angeborene SBort ift ber
©ebanfe nur eine mit fangen in'« $afem gemarterte STäfegeburt. 23er
ba«, toa« er fagen tritt, nidjt in gemeinoerftänbliä>r <Spra$e fagen fann,
ber uerftefy ftaj felbft md)t; ber Ijat eine frembe Formel im flopfe, bie
oielleiäjt gef ermäßig gebUbet ift, bie er jebodj im ©trome be« roirffidjen
Seben« nidjt ffüffig ju madjen nntfete, unb beren magren Sßertr) er nidjt
barpftcllen permag."
Dirne 3roetfet liegt beiben Zitaten nidt)t blo« ein (Srebo, fonbern aua)
ein ©eflänbnifj ju ©runbe. <5« fdjeint mir fragfo«, bafc $fau nadj fetner
gan$en ^nbioibualität oon ben ^unftmeiftern ber 5hmftfritif angegriffen unb
über bie 9ldjfel angefeljen roorben ift. 2lber man mufc fagen, bafe e« alle*
jeit fein beige« 23emüf)en geroefen ift, biefe« ©lauben«befenntni|3 roafjr 311
machen; e« giebt wenige flunftfritifer in Seutfdjlanb, bie fo retdje ©e*
banfenbarren in Ijellblinfenber flletnmfinje <>u uerroertljen miffen. 9?eben
biefer Margit, bie fidj burdj alle feine ©ffar>5 §ief)t unb oiele berfelben
jiu Stteifterroerfen ber ©attung ftempelt, ift e« ba« reblidje (Suaden nad)
28afjrf)eit, roeldjje« au« jeber 3^iCe feinet fritifdjen Arbeiten fjeroorgebt.
2Bir glauben es iljm am 9lbenb feine« £eben« gern, tpa« er in bem 2?or*
mort $u ben „freien Stubien" befennt, ba§ er roeber seitliche (Sfjre nod)
toirflidjen SBortfjeil »on feiner fritifdjen 9lrbett je erwartet f)abe, fonbern
ba§ er fid) mit bem s-Beiou§tfein bejaht madje, bie SBabrljeit reblid) ge*
§t unb etyrltdj gefagt ju Ijaben. 3^n flfltügt ba« Skroufetfein, bafc
er befreienbe ©ebanfe in rool)lgearteten ^erjen unb fjimgefunben köpfen
piel frudjtbaren ©oben finbet at« er braudjt, um feine 6aat au«su=
; euen."
9)iit ber Mlarfjeit be« 9tu«brucf« unb ber SBa^aftigfcit be« ©ebanfen«
bei Sßfau aud) bie <2ti)ärfe bev 5orm oerbunben. ©r i|l fdjarf, aber
nid)t, ober nur feiten, nerlcfeenb ; in erfter Sfaifje fteljt ibm immer bie
■t Sad)e, in letzter bie ^erfönlid)f eit, unb felbft feine bemofratifdje Ueber*
igung perblenbet if)n nid)t gegenüber ber Grfenntnife be« magren Äunft:
rf«, aueb wenn biefc« au« anberen Ueberjeugungen rjeruorgegangen ift.
1 all biefen 3^or^ügen fommt nod) bie fünftlerifdje 9lrd)iteftur unb bie
:. >runbung feiner rntifdjen Stuffä^e. 3ln biefen ift mdjt« au«sufe^en; e«
• 2lLle« feft im Slet, ipo^Ifugig gemauert unb geioiffenfyaft au«gefül)rt.
G« ift Aar, bafj mit folgen $or$ügen ^Pfau auf bem ©ebiete ber fünftleri=
)en 5(ritif eine niefentliä;e 5öebeutung geroinnen mu^te. ^a« 23efte, roa«
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£nbi»ig pfau.
353
er gefd)rieben fjat, finb feine äftljetifdjen Urt^eife übet 2)tofer unb ©emälbe,
über lötlb* unb Bauroerfe, mlfye bie beiben erften Sänbe feiner „©tubien"
füllen. -äJJancfje biefer ©ffan«, bie einen Seitraum von fünfunbjroanjig
3af)ren umfaffcn, finb urfprüngltd) für ^arifer 3citfö^riften franjöfifd) ge=
fdjr leben tuorben; aber man fielet bie« roeber bem ^Jntjatt nod) ber gorm
an. 2)ie fritifdjen 23eridjte $fau'« übet Silber unb 2Mer bilben eine
2lrt mobernet ftunftgefd)id)te unb bieten ein umfaffenbe« ©efammtbilb bet
neueten Malerei. 2lUen in bem legten SBierteljafjrljunbert fjeroorgetretenen
SBeftrebungen auf biefem Gebiete wirb unfet Äritifer pollftänbig geredet;
aber mit Vorliebe verweilt er bod) bei ber belgifdjen unb franjöfifc^en
Malerei, ba nad) feiner Ueberjeugung für bie gegenroärtige Sßeriobe realiftifd>
colorifttfdjcr ©ntroicfelung bie fran$öfifd)e Malerei tonangebenb unb mistiger
al« bie beutfdje ift. ©ein fritifäer (Sanon ift ber, bafj bie moberne flunft
ber 9toturroal)rf)eit unb garbenftimmung in alle l'ebettöfreife bringen unb
bie $er$en be« $olfe« fid) erobern müffe; benn biefe Hunft ift eine
nationale, beren SSirffamfett nia;t fpurlo« oerfdjuunben wirb.
33on befonberem 2Bcrtl; finb feine Urteile über bie moberne $laftif,
roeldje ja leiber feit jefjer ba« ©tteffinb ber ftritif geroefen ift. 3n ber
Beurteilung ber mobernen beutfajen ©fulptur giebt Subroig $fau aud)
einen Slbrife feiner äftt;etifct)cn 2Mtanfa;auung, bie fid) au« folgenben
gactoren jufammenfefet. $ie gütige 9iia)tung nad) einer greifbaren SSirf*
lid)fett in ber tfunft ift jugleid) ba« djarafteriftifdje SHerfmat einer Seit,
bie allen Seftrebungen be« ©eifte« ity ftofflia;e« ©epräge aufbrüdt. SBir
fte^en an ben Sporen einer neuen 2Beltanfd)auung. Sie freunblidjen
$ar$en be« Mittelalter«: ©laube, Siebe, Hoffnung befiuben fid) im Unter*
gang; ifjre alten ßmbleme ftnb jerbrod&en unb oerroftet, ü)re $errfd)aft
ift oollenbet, ityxe >$dt ift um. ©te uerfdjtüinben, um al« uerjüngte
©a)idfal«göttinnen nueberäufefjren, bie ba fjeijjen flunft, 2Biffenfa)aft
unb ©eredjtigfeit. 9lber biefe« Interregnum ift bie götterlofe, bie fdforecf*
Haje 3ett; ba« fd;öne 3beal ift in alle gerne geflogen, unb bie ftreitbar
geroorbene ^uftitia, bie 2Mnbe auf ber Diafe, f)at if)re 2Bage weg-
geroorjen unb fjaut mit bem ©dinierte um fta). ©ie fann nid)t mef)r mit*
jal;len unter ben Genien be« gortfdjritt« ; an it>re ©teile ift bie $l;nftca
getreten, bie @rforfd)eriu ber 9totur, in ber einen &anb ba« Keffer ber
©ection, in ber anberen bie SBage ber 2ltome. 9iodj weidet bie Menge
erfd)rocfen jurücf vor ber SHadten; aber fte f freitet mit sJtiefenfd)ritten ein*
t)er unb }pria)t: „Xte 2Selt Ijei&t ^ot^ivenbigfeit, ber ©ott Reifet $er*
nunft; ba« £eben ift ber Xob, ber Xob ift ba« Seben; toeber ©nabe
nod) SBiflfür, rocber sJiad)e nod) Bann^erjigfeit — ein ©ort, ein 2£eg,
ein ©efefc für Me! ß« ift feine f leine 3eit, in ber nur leben, fte wirb
jaulen in ber 2öeltgefd)id;te; aber fie nimmt fid) fd)öner r>on SBeitem au«,
unb roof)l benen, bie naa) iljr fommen!"
G« ift felbftoerftänblia;, bag l'ubroig ^Pfau bei einer folgen Söelt*
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334 — ~ <ßujiaü Karpclcs in Berlin.
anfdjauung ein entfd)iebener dlealtft ift; aber es ift boch auch begreifttdj,
bafc er, wie fdwn aus bem Stojsfeufjer beS legten Saftes ^eruorge^t,
üom 3bealiSmuS ausgegangen ift. Gr ift feineSwegS ber Meinung, bafc
erft bie mobernen 2>id;ter unb ßünftler fic^ birect an bie 9Jatur geroenbei
haben, unb er polemifirt innner fdjarf gegen bie $bee, als ob bie ^unft
erft oon tjeute batirte unb nur uom DtealiSmuS ausgehen foüte. „£a£
Qbeal, weit entfernt, bie phantaftifaje Schöpfung einer überfiuntidjen SBiÜfür
ju fein, ift oielmebr baS treue $üb ber 2Birfli^feit, bie plaftifche £ar-
ftellung ber Wahrheit, wie fie md;t aus einer einseinen unb 3ufäUigen
©rfcheinuug, fonbem aus bem SBefen einer ÖefammtJjeit regelrechter ZtyaU
faä>n hervorgeht. £>er antiibeale Realismus ift baher gerabe fo wittfürUcJ)
unb fo falfd; wie ber antireale «pbealiSmuS. £er erfte, inbem er bie ©renjen
fünftlerifcher XarfteHung überf abreitet, wirb Gartentür ober Gabaoer; ber
jmeite, inbem er bie natürliche Crbnung ber $inge uerla&t unb ben ber
flunft unentbehrlichen £ebensf)auch ber Sinnlidjfeit oerliert, uerwanbelt
baS 3beal in $bol . . . 3bealtSmuS unb Realismus bezeichnen baher
nichts als bie zwei ©ruppen jener mannigfaltigen formen beS götais,
welche ber mannigfachen ©efühlSweije ber uerfchiebenen ©pochen, Mafien
unb 3nbioibuen entfprechen. Siefe &ielgeftaltigfeit befämpfen, ift
Unfinn; es tjanbett fich barum, fie ju uerftehen."
3n feinen „greten Stubien", roeldje bie ilunfi im 6taat befprechen,
baS &erl)ältni& ber Jtunft jur ^>^iIofopt>ie, jur ©efchichte, jur 9)Zoral, $ur
Cefonomte unb jur ^olitif, tyat ^ifau oiel für bieS il>erftänbnife gethau.
3n biejem feinem beften äöerf h^t er ohne grage bie ftunftäfthetif um
ein anfehnliches Stücf weitergebracht. 9)lit feltener Klarheit weiß er bie
Betrachtung unb i^erfnüpfung ber 2)inge barjulegen, mit fpielenber £eia)tigs
feit macht er bie fdjwierigften äfthetifchen gormein feinen #efern munb*
geredet; er fteljt auf einem freien Stanbpunft außerhalb ber ftrettenben
Parteien, unb mit überlegener Klarheit weife er ben Wexv ber flunft*
gefdjidjte unb fiunftentroirfelung bloßlegen. Um mich etaeä ©oetlje'fchen
äüortes ju bebieneu: es ift bie cadjbenf lichfeit, welche bie charafte;
riftifdje Eigenart Sßfau'S bilbet, unb bie uns in feinen runftlcrifchen $e*
ftnitionen unb fritijchen Urtheilen auch ba noch anjieht unb feffelt, wo
unfere s2£ege fich uon benen beS HrittferS fcheibeu unb unfere politische
unb äfthetijdje Ueber^eugung in SEöiberftreit mit feiner 2i>elt* unb Gebens*
anfehauung gerätl).
2lud) literarifdje unb hHtorifche Sfijjen fyat £ubwig Sßfau ge^
jehrieben; einzelne berfelben, wie ber über 3°^a'*) ftnb woljt ben£efern biefer
3eitfd)iift noch in befter Erinnerung. 9lber feine Stärfc fäjeint mir bod)
nicht in ber literartfdjen Kritif, fonbem in ber hiftorifd)en ©rfenntnijj unb
^arftellung ber ewigen iiunftgefefee ju liegen. 3luf biefem ferneren
*) ^>cft 37 Do» „9iorb unb Süb."
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£ubn>ig Pfau.
335
unb utelumftrittenen ©ebiet ift er SKeifter unb bleibt eS audj, felbft wenn
bie 3«nftfritifcr bie ftlarfjeit feines Vortrags für Dilettantismus auSsu*
geben geneigt fein foHten.
£>er ©ffao ats foldjer ift in bein legten 23ierteljaf)rhunbert in ber
beutfdjen Siteratur oiet gepflegt worben; aber nur wenige Sd)riftfteller
^aben ifjn mit fo entfdjiebenem ©efd)icf $u befjanbeln gewufjt wie £ubwig
s#fau. 2Me Jtunft ift feine Siebe; ifrc gilt fein Sinnen unb Staffen,
unb er ergebt fid> $u ber poeüfdjen Straft feiner ^ugenbjafjre, wenn er
am Sdjluffe feiner „freien Stubien" nod; einmal in einer finnigen
33etradjtung 2tllcS äufammenfafjt, was bie (Sntwicfelung ber ßunft im
Seben ber 3Renfdn)eit bebeutet. 3JZit biefem Dithyrambus auf bie moberne
5K>eltanfd)auung, Deren treuefter junger Subwig $fau fein ganjeS Seben
geroefen ift, fei biefe furje Darfteüung befd)loffen; er ift ä)arafteriftifdjer
für ben 2)tenfdjen, für ben $id;ter unb flritifer, als bie einge^enbfteu
äftfj€tifd;en Unterfudjungen über feine literarifdje ßigenart. ©S Ijeijjt in
biefer Sajlujjparabafe ber „gieien Stubien": „2Öenn id) bebenfe, waS
bie ©ewalt gegrünbet hat, bie deiche uon Üfleer ju SHeer, bie Stabte
mit ljunbert Sporen, bie Tempel, fteinerne liefen — &errli$feiten, baoon
nid)t^ übrig ift als bie paar Sterben, bie unter ber Sohle beS SBanbererS
fradjen — , bann fag' ich mir: äßaS bie ©ewalt auferbaut, baS jer=
trümmert ber ©ei|t; was im Raunte er^örjt wirb, baS uerfinft in ber 3eit.
ai>enn td) betraute, was ber ©eift gefchaffen hat, bie Mnfte, bie SÖMffen*
fdjaften, bie Safeungen ber ©eredjtigfett — fettige (Srbfchafteu, meldte bie
Hölter ben ^ölfern überlieferten, bie ©efd)lechter ben ©efchledjtem — ,
bann fag' id) mir: baS fymiity Slion ift gefallen, aber Horner ift noch
aufredet; baS fdjöne ©riechenlanb ift untergegangen, aber bie 2?enuS von
Wüo ift auferftanben; baS glorreiche dlom ift nichts mehr als ein Schutt*
häufe, ben baS Xogma ber Freiheit ftreitig mad)t. 21ber wenn ber s£apft
gef)t, fo bleibt Virgil, unb biefe gequälte Statte bleibt immer bie ewige
Stabt, benn ber patriotifdje &aud) ber Cuiriten, welker ben ftaatlid)en
©ebanfen über bie &>elt auSgojj, wirb ewig uon ihren fteben Mügeln
wehen; iljr 2lnbenfen wirb nicht oerfchwinben, benn fie l;at uns mef)r als
Steine ^intertaffeu, unb ber ©eift ift ein $rot, baS ewig nd^rt unb
nimmer uer$ef)rt wirb. 3ÜSbann erfüllt eine f)ot;e greube mein &erj, eine
ftolje 3uoerfid)t tjebt mir bie Stinte; unb id; ef)re ben ©riffcl, biefeS be=
fcheibene Sinnbilb beS ftünftlerS, baS mir ebler erfdjeint als ein föniglidj
Scepter; unb ich fegue bie geber, bieS arme SBerfjeug bes $enfenS, baS
mir mächtiger baucht als ein faiferlid) Schwert."
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Die beutfdjen 3mpcratipnamen.
Don
K. (5. 2lnfcrefert.
— Sonn. —
uf beut umfangreichen, faum &u bevoättigenben ©ebiete Der Hainen*)
Ijebt [ich t^rer iWbung unb gorm nad) eine befonbere klaffe
in auffaHeuber Söeife ab. ii>ät)renb nad) ben geroöhnlid;en
©e[c^eu ber 6pradje Wörter aus ÜSursclfüben burch Ableitung ober 3u*
fammenfefeung gebtlbct werben, liegt hier ber galt uor, bafe ein ganger
<2afc fich ju einem einzigen äöorte, welches ben üBertr) eines 6ubftantio3
befommt, jufammenjieljt, oerfdmteljt unb oerhärtet, dergleichen SSörter,
ober oielmehr Tanten, Gattungsnamen foioof)l als tnSbefonbere (Sigennamen
werben @a|natnen genannt. Sie treten in oeijchiebeneu gönnen unb
(ionftruetionen auf. die bei loeitem übenoiegenbe Wletyciafyl enthalt einen
^mperatio. 9)Jitunter fprtdjt aber audj ber 9?ame ein Urtheil im ^nbicatio
aus, toic in £augcnid)ts für Xaugnid)tS, oom mittelhochbeutfchcn touc =
taugt (uergl. frans, vaurien auä vautrien), in ben öfterceidufchen ©e*
f djledjtsuamen ÜC> a i S n i p unb SB e i § g u t. Ginen Gonjunctio $eigen © o 1 1 1
bcl)üt, Öotthetf, ©ottfei bei uns, cuphemiftifch für Xeufel, äöaltigott
unb StfaltSgott. Gin SRebenfafe ift sufammengejogen in ÜBiebutoilb (roie bu
nullit), 2Ble$n>e(l (es gehe, ioie es roolle). ibMSroeilen fehlt baS J&crbum
ganj, rote in ben alten Beinamen 9lu ffbenmau, durch benpufdh, Äopfs
cntjiuei, Cr ab, ^iuffenjan (,heraitf ben Salm'), tu ben heutigen
Familiennamen Xönoanbt (,burdfj bie 9Battb'), grtfdjauf, ©lctd;auf,
*) mix Dcrtveifcn aueu auf ben Sluffaö bcSfctben errtt BerfaffetS „lieber bie Tanten
unb bie 9tamciiGcbunfl ber alten Teutfdjen". 3umheft 1887, 367—383. 9icb.
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Die beutfdfcn 3mperattt>uamen. — — 337
9)iorijenbeffer, Simmergott = (fo mir ©ottf)elfe oergl. Safamirgott,
wie ein Öfterreicrjifdjer &er5og $einrtd) im 12. 3al)r^unbert bejeiajnet
würbe). $>a biefe Namen fämtlidf) einen 2lu£ruf enthalten, iffc bie Soll*
ftänbigfeit ber Jorm leidet entbel)rltdj.
$ie folgenbe Darlegung wirb fia) auSfdr)(iegItct) mit ben tmperati*
oijd; gebilbeten tarnen befaffen.
ßeine anbere ©ruppe ber oerfdjiebenartigen ©efcf)lecf)t$namen, tnetd^e
aus Seinamen entftanben finb, gewährt ein fold^ed culturfnitorifdjeä 3uiereffc
unb jeugt fo fern* oon ber wunberbaren Älraft be£ SolfSgeifteS, bem fic
ifjren Urfpmng oerbanfen, al3 biefe mittelalterlichen, edjt r)untoriftifd^ ju
nennenben tarnen. 9lHe mannigfaltigen ©rfdjeinungen beS menfdjlichen
Sebent treten uns aus biefen Atomen, meldte fid) ir)rem gröfcern XtyeUe
nadj, in einem gewiffen ©egenfafce jn ben Seinamen im Allgemeinen, als
Sptfc* ober Uebernamen bezeichnen laffen, lehrreich unb bebeutungSooH
entgegen. SorjugSweife fpiegeln ficr) in if)nen ba3 rot)e unb wüfte ÄriegS*
fjaubwerf, bie Streife unb 9iaub$üge beutegieriger bitter unb bereu ©enoffen,
bie Sprint** unb ©pielgelage ber Schenfen unb Verbergen; baneben finben
auch orbentlidje unb ernfte Serhältniffe, wie bie bürgerlichen unb bäuer=
liefen Sefchäftigungen be£ §anbwerf£ unb be$ Jelbbauä, ihre theils
nüchtern profaijche, tf)eil£ mutwillige unb roijjige ^Bezeichnung. ß& oer*
lo^nt ber 9Hüf)e unb gewährt eine nicht geringe Sefriebigung, im ©injelnen
unb im ©an$en wahrzunehmen, mit welcher rücffichtslofen Kühnheit unb
einem wie lebenbigen, necf= unb fpottfüchtigen, ju nicht geringem Ifytxii
gewiffennajjen poetifdjen 3}Zutl;rotUen bie 3J?e^a^l biefer tarnen in ben
Äreifen rauf« unb faufluftiger ©efellen, fowte auf ben SHen wanbernber
§anbwerfer unb fafjrenber ©änger gefd)affen loorben ift.
9to<hbem romanifa)e Sölfer fchou früher fid; ber imperatiotfehen SWamen*
gebung bebient Ratten, fcheinen bie erften Anfänge berfelben für 2)eutfd)lanb
erft in ba3 12. 3al)r^unbert $u fallen. 3m Serlaufe ber folgenben &t\ten
Raufen fie Ftdj in faum ermefjlichem Umfange; ein großer Xfjeit berfelben,
welcher fyxtx feine weitere Serücffid)tigung oerlangt, fommt auf Rechnung
meift oorüberge^enber ©infälle ber Dieter unb anberer 6<hriftfteIIer. 2luS ber
2Wenge biefer mittelalterlichen, r)eute grö&tentheiU nicht mehr erhaltenen 3m«
perationamen erfcheint e3 angeineffen nur eine Anjaijl ber fräftigften unb in
fulturhiftorifcher&inficht intereffanteften jur Seranfchaulichung herausheben:
Sua^entrunf, 6lintewin($u slinden, fchtingen, fchlucfen), X>rinfe*
beer unb ©lucfebeer, güllenapf unb ftüllfeffl (ogl. 9ftethfeffel),
©ewSauf unb ©oönein (gieß auf, giefc Innern), 9taum£glefet (leere
ba$ ©laschen), £ernpedjer unb Serencrua), ©aufSgaranS, Schliefen*
moft, grüenpetjj (vruo enbizen, frül) am borgen fchwelgen), grifc*
umfonft, <5a)lintbenfpecf, Secfenpren (Srei), ^üllenbrüffel
(drüzzel=©urgel, fteljle) uub3üllenl)aU, ©ilaufbieftrag, Staffens
litjel (fdjaff ein wenig; ogl. Sa^affgan}), §aubrenn unb ^auwenferl?
» ort unb 6üb. Lt., 15S. 23
558
K <S. Jlnbrefcn in Öonn.
©reiffbrauff unb ©reif intafd^ en, 9taumätafd)el unb Saerenbiutel,
$öbeüid (büte bie £ajd)e), ©djredenroirt, ©djiuttemuirtt unb
äalbenroittf), 3errenmantel unb 3udenmantel, SBürgenparoer
(würge ben Sauer), HNurr bengaft (morbe ben ©oft), Slupfinbed
(fd)lüpf in bie ©de), ©engenroalt unb äßfiftenroatt, 6d)üttenpogen,
8d)üttenfpie§, Sd)üttenroürfel (ju schütten, fdjütteln), gretenbüuel
unb Stieg enbuoel (frau ben Teufel), ©djeuä) engalgen (schiuhen,
freuen), $ürenrauen (für)re ben SHeijjen), gleugimtanj, Springen*
(lee, 2£atttnfd)nee, 3n)ild)enbart (zwiluen, oerboppeln, Doppelt breljen),
Sd)utelod (fajüttle bie Soden), <piedent$an (bie 3älme bleden, b. t>.
weifen, Seityn ber geinbfeligteit), £umerntt (tfmmir niä)t3), SBenben^
fdjimpf (Spaj3oerberber), ©rudenpfennig unb ftüffenpfenntg (ßcvy-
Jäte), Streusgütlein (SBerf^roenber), gntnfen (Sifenfeiler), Sfd)lagn;
gaul, Sinbenffibel, Stntenfd)ua).
2)te Sebeutung unb Slmoenbung be3 burdj ben 3mperatto bezeichneten
2lu£ruf3 entfernt fid) in biefen tarnen mef)r ober weniger von bem Segriffe,
welker bem ^inpcratiü al» fold>em innewohnt. Senn beuten zugerufen
mürbe: Sirnefcuttle, ©reofftnperotel, £liebenfd)ebet, Serkopf),
fo lag barin nidjt fotoofjl eine nurflidje, emft gemeinte 2lufforberung bie
(fyöljernen) Sd)üffeln ju uerbrennen, in ben (fremben) beutet ju greifen,
ben Sdjäbel ju fpalten, ben Sedjer ju leeren, als melme()r eine Eingabe
beäjentgen, roaä biefe Seute fct)on oon felbft olme Slufforberung $u tlmn
pflegen unb roa3 man an iljnen roa^rjune^men geroorjnt ift. 3ni geroolnUid)en
Gebert wirb biefer Sinn am etnfadrften burd) ba$ $räfen3 bargeftellt, wie
in bem bereite befprod)enen Xaugenid)t£, bejfen Segriff bem beä im*
peratioifa)en £ljunid)tgut naf)e oerroanbt ift. 2lber bie Sebeutung be*
SmperatiuS rechtfertigt fid) burd) bie ^ronie, mit roeldjer bem, an bem
eine (£igenfd)aft ober ©etoofmfjeit tjaftet, gleid)fam zugerufen wirb, ju tf)un,
roa£ er olmef)in tt)ut ober burd) fein Setragen in 2lu3ftd)t ftettt. ^ieroon
giebt ba§ tägliche £eben für ben, roeläjer barauf acfytet, Seifptele genug.
Unbebadjten unb £eid)tfinnigen, inäbefonbere Äinbern, t)ört man jurufen:
Srofe nod)! Sdmeib bid)! %atL tierunter unb brid) ben 9lrm! Zerfriß
bid)! unb berglei d)en, nidjt feiten mit bem 3ulafoe: öa^ ift xtäftl
giebt aber aud) oiele tarnen, in benen ber ^mperatio feineu
eigentlichen Sinn behauptet, (Stnige biefer -Warnen, beren überroiegenbe 3ftefn"=
ja^l jüngent llrfprungö ift, jorbern emftf)aft jur ^römmigfeit unb SHedjt;
fd)affenf)eit auf, ober äufcern Sünfdje für ben Lebensweg. 3Jian oergleid)e
Sefferbia), Sienegott, Äeifnidjt, fieberest, Sebfanft, Siebetreu,
6a)lafmuuter, ©tellbiajroofjl, 2:raugott, SBerbegutl). Sw^ilen
finb 3ro*ifcl l)infid)tlid) ber Sebeutung bes Swpetatio^ berechtigt, ©er
3Jame Sleibiml)au^ 5. S. fann in mörtlidjer Sluffaffuug einem, ber fid)
oiel au§erl)alb bc$ Kaufes aufhält, roo^lmeinenb gegeben roorben fein; er
fann fid) aber aud; irontjd) auf ben bejie^en, raeld)er feiten ober nie au$-
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Die bcntfd?cn ^mperatipitamen. 339
gef)t, fonbern ju &aufe bleibt. ©benfo ftetyt es um £a$nit, worin enU
weber bie nrirfUdje 5flaljnung liegt, ntd^t $u taerjen, ober bie <Stgenfdr)aft unb
©etoofynfieit beSjenigen, ber ntd&t lad)t, auSgebrücft ijt. 9lelmlidj oerfyalten ficlj
gürdjteuidfjt, Cattaus, Sdjjweigftill, Xrauernidfjt. 3e älter ber
9tome ift, befto efjer wirb man bie ironifd&e Sebeurung beS ^mperotioä
annehmen bürfen.
Obgleich es bei ber nun folgenben ^ufantmenfteUung, weldje fta^
mit ben als eigentlidje ©eid)(ed)tS; ober Familiennamen tmperatiotfd)
gebilbeten tarnen bef<$äftigen wirb, angemeffen erfdjetnen fann, bie ®in=
tfjeilung nad& ben oerfdfjiebenen ©nippen beS innem ©efjalteS einjuridfjten,
io bürfte bod) bie alprjabetifd&e golge ben SBorjug oerbienen, befonberS ba
einzelne tarnen, oorjüglid) mit SRüdfid^t auf beren 33e$iet)ung, fidj niä)t
of)ne ©djwterigfeit abfonbern laffen unb jene aufjerlicf) geregelte J?olge
{ebenfalls eine letztere unb bequemere lleberfidjt gemährt.
$>er SRame Slbfyau jeigt 5war ben oerfjältmjjmäfjig Seltenen gaH, bafr
bie ^räpojition ober bas 2lboerb ben erften S^eil beS sufammengefefoten
$erbs bilbet, er fann aber ntcr)t wof)l anberS als imperatioifdj erflärt
werben, ba es fein ©ubftantio berfelben gorm gibt; aus alter Seit wirb
#owaf, b. t. ßauab, nad)gewtefen. 2ldf)tSnicf |)at urfprünglitt) 2ld)teSnicf>t
gelautet, aus meinem beutliä)en tarnen, wie Urfunben berieten, auaj
Sldjtjig unb 2ld)tjebn, bie fjeute oerfdjoUen fein mögen, merf würbig um*
gebeutet f)eroorgegangen finb. Slrbeitlang ift oermutljlid) neuern Ursprungs.
Unter 5Jad)enf djwanj, entfteüt SBadenfdjjwanS, Uefje fidj 6c!jwan$
ber Söadje ober nrilben Sau oerfteljen, wie man ftafenjaf)!, SJtäufejafyl,
Statten jagel, SBoSjal fyat (3öflel, ©djwanj); allein weit meljr fprtajt
bie Xeutung aus „SÖadfjenfdjwanj" an, bewege ben Sdjwanj, mag bamit
junädjft bie Saa^ftelje, beren Benennung f)eute als 23adt)ftct§ unb 53ad)fte$
in beutfdjjen Familien auftritt, gemeint, ober unmittelbare 23e$ief)ung auf
eine ^erfon (ogl. fpäter 2Beibe$afjl) behauptet werben. SBeifeengroll.
S3ei^ent)ir|, beiß ben &irfd&, entftettt Beifen^erj. Sellut. Sefferbidj.
33eutf)a.n, Setjtfjan unb 33eutl)in, 33entf)in, $a nieberb. anböten,
anboiten unb inböten, inboiten, einreisen; ogl. Böte für unb gürböter.
Bieten, beifc an; ogl. Streid&fja^n. Sinbauf. Sübenbüoel,
Stetenbfiwel, beife ben Teufel. 23leibiml)auS, öletbinljauS.
33leibnia;tlang. »leibtreu. SlioerniaH bleib ba nid&t. Sötefttr,
Sütefür, Dfenijeijer, entfteüt Bettfü^r. Srenneifen, ÖrenneiS,
fran$. brüle-fer, (Sdfmiiebename. SBrennewalb, Sörennwalb, 3Balb=
brenner. Sringewatf). Söringeju. Bürnefdjür, oerbrenne bie
©ajeuer, jefet öfters in s3ornfa)euer oerwanbelt. löucfup, oon nieberb.
upbucken, = ben Äopf aufwärts beugen.
2)empmolf, Sföolfbejwinger; ogl. 6d;inbewolf. ^Dienegott.
3)rabfanft. 2)rifd^auS, ^DriS^auS.
23*
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3^0
K. <&. ilnbrefcn tn Bonn.
©brenfrieb fann jroar fefjr bequem imperatiuifdj gefaßt werben,
»ergleid)t fid) jebod) ebenfo aud) altbeutfdjem Erinfrid; r»gl. ©iebfrteb.
gatyrauS. gallap. gallum, urfprünglicb ^irtS^auSname. gang*
auf. gaff in. gegebanf. gegebeutel, gegbeitet, eigentlidj tarnen
von ^irtsf)äufern; ugl. bie Ortsnamen SBegefatf unb 33egetafa>. gegen*
teufet, gegljelm, &*ajfenfdmueb; oergl. Sajroerbtfeger. geinebegen,
oon bem »eralteten feinen, fein machen, polieren, gellnaft, fälle ben
9ifi. gidfenwirtb, gitfewirtb, f)au ben SBirt. gilleufatf. ginb*
eifen, ginneifen, ginbeis, genbeiS, anfdjeinenb <£d)tntebenamen.
ginbefeller, 3e$bruber. ginbeflee. gliefenfapilb. gH<ffd)uf).
gliegauf. gliegaus. greffenteufel. grettrourft. gübrefranj.
güllbier. gülleborn, gülborn, gilebom. güllenbüttel, fülle
ben Beutel, güllgrabe, gütlfrug unb güllfrufj, gfillefruS.
güllmid). gürajtbid&nid&t, gürcbteniajt, nieberb. grfiö)tenia;t,
grödjtenigt grüd&tning. gürajtegott.
©eratf)en>of)l, ©ratroof)!, ©erotbroofjl, ©rotroobl; entfallt,
b. f>. an neue 2$örter angelehnt unb §um i^eil umgebeutet ©raberoalb,
©rotroaljl, ©roteroo r)lt. ©eroeg. ©taubtrei. ©reiffentrog,
©veiffentrod), ©riepentrog, ©reifju. ©riepenferl, Uebername
für ©äfa)er, ©eriajtsbiener, 33etteluögte.
©abebanf, &abbanf, ©abanf, etyebem fcanffagung. ©aberedH
9tea}tf)aber. ©abeuidjt, ©aoenitl), ©abenid&ts. ©abenfdjaben.
©ablüfcel, ber wenig fyit ©adauf. ©adbufdf). ©atfbentüfel.
©aefenfeinb. ©adfpan. ©adftrof). ©altanberfjetbe unb ©altauf*
b c r t) e i b e. Kaltaus. ©altein. ©afd)enteufel. ©affenfrug. haften*
pflüg, ©affenpflug. ©affenroein. ©affefang, ©agbenteufel,
©aftenteufel, ©affenteifel, ©ajfenbeubel. ©afeferl, ©atenferl.
©atenbur. ©aueifen, ©aueiS, ber bie Lüftung beS geinbeS burdjfjaut,
franj. Taillefer. ©nuenljut. ©auenranb, ©auranb, franj. Talleyrand,
9ianb als <Sd)ilbeSranb, 3d>ilb oerftanben. ©auenfdjilb, ©aunfdjilb,
©aufajilb, umgebeutet ©ausfdjilbt unb ©aufffdjilb, letzteres aus bem
mtttelalterlidjen ©owefd^tlt. ©auenftein, ©auftein, Steinmauer; boefj
ift ©auenftein audj 9iame mehrerer Certlidjfeiten. ©aunit. ©auto,
©autau, f)au $u. ©ebebranb, oon beben gleid; anheben, ©ebeifen,
Sdmüebename. ©ebenfrieg. ©ebenfd;tmpf, ©pajjmad&er. ©eben*
ftein. ©ebenftreid). ©ebenftreit, ©ebeftreit. ©ebentan$. ©ege =
malb, ©eegeroalbt, gorftauffefjer. ©elpup, In'tf auf. ©ergenf)abn,
oerbeere, oerroüfte ben ©agen. ©öbenfdjilb, erböte ben @d)ilb. ©offen*
brunf. ©offefommer. ©oljlroein, ©oblmien. ©olauS. ©olup, ^alt
auf. ©öregott. ©öruf. ©udauf. ©upf aufbleut, ©upfuf, ©üpop,
©ippauf. ©ufa;enbett, fmfä) ins Seit, ©üttoobl, ©üferoobl.
QagauS. Sagenmann, 3agemann. 3agenteufel, 3agen =
beubel. 3u^ena^-
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Die beutfAen 3mperationamen. 3^1
flaufauf. &auff)ol}. ßeljrein. ßetfnt<i)t. Äennegott. Stern«
ftetn, fefjre ben Stein, ©or SIftcrö Kerumbdenstain, $ur SSejeidjnung be3
33rotbä(fer£. Äerut^i. flieffjöfer, 5tte<ff)äf er, entjtettt au§ nieberb.
fiföoer, fifäoer, gwf über, ^unad^il roo^f locat. ßieferoetter, SBetter*
fpäfjer, oerunftaltet Jttefeoetter (oergl. Sdfjieroater neben <Sd^t er
mater), fläf etoteber unb mafjrfäjeinlicf) JTüfcnneber. ßifutf), audj
Ortsname, fllaubauf. ßlebefattel, Glebfattel, ßlebfaber, ©leb*
fattel, ßleefattet, 93einame fetfer Detter, ßlingebeü, Jitlingebtef,
JUingfoiel, faß ba§ 33eU Hingen. ßltngfpor, ßlingSpaar, oon
spor, Sporn. JMingutf). Älöfforn, JUoeoeforn, ßornfpalter, £aars
fpalter. ßlopfan. ÄlopIjauS, jn klophen, flopfen. 5Mopperbran,
Kopf ba brau. ßo<$roof)I. ßommallein. ßrafeenftetn. flreud&auf,
Äridjauff. Äridjenbauer, frieg ben 33auer. flutfetn.
Sadjniäjt, Sadjnit. Sabegajt Sabenfad. Sanggutl), lang
ut, lange aus. Safeleben. Sategaljn. Satf)roefen, Sattmefen, la§
fein, Saufftyer. Sebegott. fieberest; aber Liudberaht forbert sugfetä)
S3ead)tung. Sebfromm. Sebfanft. Segab. Segan. Segenftetn.
Setyrenfraui, teere ben £rug. Seibemit, Siebemitf), Siebemetlj,
Sibemebt. Sei b enf roft, deffeid)tbarau3 entftefft Seiben fr oft. Seiben»
fampf. Seibenfauf. Seibenroft. Sernbedjer. Sernpafj, lerne beffer.
Serutfc. Sef<f)branb, Söfä)branb. Seud&tiueifj, Seicfjtroeife. Sid*
fett, Siffefett, Stefefetr. Sidleber, Südleber, Spottname bei
SdjmfterS. Siebegott. Stebegut. Siebenroutf). Siebetreu. Sieg*
aus. Sobenroein. Sobroaffer. Sooptoeg.
Wadjan. 2fladf)e leibt, audj Xeufelsname im alten Sdjaufpief.
9ftadjemef>l. Sttaäjenfcfjein. 9J?adjeraudj. afladjetanj, Wa^ebanj,
üttadebanj, SHagenbanfc. Wadjnid; ogl. 21ä)t3nid. 9Hal)lenbrei.
9ttafeprang, 91ufrfiijrer, oon bem altern nieberbeutfdjen prank, Unruhe,
3ftengetn. SJcengeroein. SflerfSmof)!. Stternfajafc, me&re ben Sd&afc.
Wagengaft. ^agenjaum. 9limmnid}t. fttmSgern.
<Ptplie$, pfeif leife. ^reufeenbanj, entfteHt aul bem altern
^reifenbans = pretfe ben £an&.
ftabftlber, ftapftlber, oon rapen, raffen. 9iaffegerft. Staffens
fad. föatSroof)!. ftaufenbartl). 9iedefufe. SKegebanj, SRebanfc.
SReintanj. SRegenfufe. ^eibe^olj. 9ieibenfdjuf). föeibenftein,
SReibftein. Sfeibetopf. 3ietd)entrog. 3ieifenftaf)l, SWtefenfta^ 1,
«Rieffefta^l. ^eifenftein. 9teif enftufcl. 91 ei mfaften, räume, leere
ben ftaften, mittclalterlid) 9faumenfaften. 9teifeau3. 9<ennen fampf,
9iennefamp, 9iönnefamp; og(. 9iennin3felt aus alter 3eit. 9H$ten*
tifcfy. 9ting£eifen, 9Hng3ei$, 9Hngeifeen, ringe, fd&roinge baS Gifen.
9ttntn3lanb. 9iödenjaun, erriete ben 3aun- ^ö^rbein, ^oljrbetn,
Sieljrbe&n, rübre bal Sein. Dtöljrbanj, ^oljrbanj; ogl. J&ebentanj.
Diö^r^anb. 9loroebber, 3tol)n)eber, 9?ol)n)er, ^ojraetter, ru^'
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3^2
K. <5. Jtnbrefen in Sonn.
tmeber: t>gt. ben 3Birts!jau3namen ©taroebber, itet) nrieber, in Jolftein.
föudaber, rüd roieber, entftettt 5RudP ^ab er unb ffiudgaber. 9?ücfs
eifen. SKudenfdjuIj. 9tudenftubt, 5Rudjtuf)t, Dermutfilidj einem be=
liebten töefettfd&aftsfpiel entlehnt. !Rü<f fort^. ftfidfür. ftudmitf.
ftflfjmeforb, 9?uf>mforff, ftumforff, ftubmforf, 9f um pfforf, teere
benflorb. SRumbauer. 9lflmenapf, föümenapp. 9?ummfetb, 9tum£=
fetbt, ftumpSfelb, 9teim$felb. föummetanbt, Sftumfanb, 9tubm=
tanb, SRaumetanb. ftumfd)öttel, 9fumf<$üttef, 9?eumfd>üffel,
5Waumfd)üffel, ?Rcimf pfiffet, ftamidjüffel. ftumfHeg, fteimitieg.
ffiürup, 5Röbropp, SRe^ropp.
©aufau«, ©uppuS. Saugenfinger. ©aumnidjt, ©umniät.
©eumentdjt, ©ümentdjt, ©aumSnit, ©umSnit. ©<5aff enidjt,
©^affgon^rounberK(Sentileat©^ofganS. ©djjaffratf), ©djaffrott,
©djaffenrotf). ©djauinstanb, ©tfaunSlanb, urfprüngtid) tofat.
©djeerbartb- ©djeinemeifc. ©djenfebter. ©djenfbut, fdjenf au«,
©djeudjenpftug, ©djetnpflug; ugt. £affenpflug. ©d)eud)enitubt,
©djeuenftufjf. ©djidetanj, ©<$tdeban$, ©djidtanj, ©djiden*
b an 8, £an^orbner. Sd)iebenf)5bet, fd&iebe ben &obet. ©d)ietenbuti>et,
©djiebenbfifef. ©djinbemotf. ©djinbbetm. ©<$tabotb, fdjlag
tobt, ©djtafmunter. ©djlagbenljaufen, ©djjlagenbauf. ©ditagen*
teuffet. ©djtagintmett,fc§fagin«$BeUe. ©djtatau, fdjlag *u. ©d)tude=
bier. ©djmedebier, audj ein ebematS in Königsberg gefeiertes 2Ibenb=
effen unb 33iertrinFen. ©djmedenbedjer. ©djmedpeper, ©<$medpepel,
©djmadpfeffer. ©djmet$eifen, ©djmelseis. ©d&miebutk wirf
IjinauS. ©djnappauf. ©ebnetbetoinb, ©ebneiberroinb. ©djneibe*
min, ©tfmieroinb, ©djneeroinb, ©d&nelberoenbt, ©djnöberoinb,
franj. taillevent, 2anbfrreid>er. ©djnellenpfeit. ©d)nüran. ©djöten«
f ad, fdjüttfe ben ©a<f. ©d&redenbüoet. ©djredengaft, ©djredegaft
©djrödenfur. ©djubbefett. ©djfibbemage, ©<$übbemagen.
©djunidjt, fdjeuenidjt. S^ätr)ut^, ©cr)ütt)t^ut, f^üttc au«. ©Kütten*
heim, ©djittenbetm. ©djfittenf opf , ©djfittefopf, ©djübbefopf
©djittetfopf, ©djfittpetj, ©djfippetfc. ©djufobar, oerbunfett au«
©d)flttefper; rgl. Shakespeare, ©djroetgftit t. ©djroeiSgutf), gteidj
©treuSgut, nrie man im Mittelalter ben SSerfdproenber nannte, ©djroeU=
tfjat. ©djroenbeniüein. ©d)roenfenbed)er. ©djmenfroS. ©djnnnbens
bammer. ©djroingenfdjub. ©d)roingf)ammer. ©engebufd). ©enge=
r)o 1 5, ©enntjot;*, ©tngebofj. ©engetaub, ©ennetaub. ©engenroalb,
©eugewalb, ©enneroalb, ©enematbt, ©ingeroalb. ©engenroein.
©engftade, ©engftad, ©engftod. ©ettegaft. ©efcenftod. ©efce*
pfanb, ©e fepfanb. ©efeforn, ©ejeforn. ©iebentopf, ©iebentop,
entftefft ©ei bentopf, ^Beinamen bcS ßodj3. ©ingetfen für ©engeifen;
pgt. 33rennetfen. ©ingto. ©ifcum. ©ifcroobl. ©pattetyolj.
©pannan. ©pannauS, ©pannutf), ©panutty, ©panljut, ©pann^ut.
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Die beutfdjen 3™P*rattünamen. 3^3
©parbrob. ©parfäfe. ©parnidjt. ©parfdjulj. ©parroaffer.
©pörJ>afe, ber beitraten fpflrt. ©preisenbart. (Springern?, ©pringob.
©pringenjaun. ©pr i nginreif. ©pringtnSgutb, ©^rjn&Sgutb.
©pringgfelb. ©tanbfeft, ©tebfeft. ©tanbop, früher bod)beutfd>
©tanbtljauff. ©taubefanb, ©tönefanb, ©töroefanb, ntetletd^t ent*
ftettt ©teifenfanb. ©tedjmeffer, ©tedmeft, $ur$e$eid)nung Desjenigen,
roet<$er bei £rmfgelagen ba§ Keffer in ben £ifdj am ^fafe eine« 9lnbern
ftedt, bamtt ber für ttjn bejahe, ©teigentef dj, im 5D?trtc(attcr beuttidjer
©teiginbtafdjen, auf Staub be$üglid). ©teftbidjroobf. ©tidjbenteufel.
©tidjennrirtl). ©tUrfdjroeig. ©toftnadj. ©tredbenfinger. ©tred*
fufc, aud) Seiname be8 £obe$, tote ©tredebein. ©treidjan, ©treidjfjan
©trei^^abn. ©tretfcgutb. ©tür*efarn. ©udjenftetg. ©udjen*
roirtb. ©udifanb, ©udjManb, ©öfelanb. 3übefum, ©nbkum,
ftcr) bidj um, urfprüngltdj ein Socal.
£an$n>of)f. £f)ubid)um. £bugut, porber £bunt<$tgut. TUle*
mein, rertttge 2Bein. £rauernid)t, Xrurnit. Eraugott. Xrecfan.
£rebup, tritt cmf, entftettt Sretopf (ugt. ßotopf, &ut auf), treffen*
fdjebL £ r et rop, tritt barauf. £reub(eib. £rtufauS, £rinf!)au$,
Srinffjut, XrinfSauS, £rinf3flf3, £rinf$. Sunfein.
SSotlenfjaU, fülle ben £al$. 33ölfenbaum, fälle ben SBaum.
2Ba<ferbartf), roafjrfdjeinlidj entftefft aus bem urfunbttdjen 2Bade=
barb, non tuaden, roofjer roadefa. Söafen^ut. Sßafop, Sßafup,
road) auf. SSarnföntg, fdjüfce ben flönig. SBarnfroS, mafjre ben
ßrug. Sßedauff. 2ßegef>aupt, bewege baS öaupt. Jöegemunb.
Sßebrenpfenntg, roafjre ben Pfennig. SBetbejafjf, SBeberf d)n>ati$, ©d&roanj-
roebter. SBeibe^abn. Sßenbbut. SBenbteber. Söenbfdjub,
SBenbfd&udj. 2Biefdjenbart, tmfdje ben 33art. Söinnenpf ennig.
2Bi$berett, fei bereit. Söfiftenroatb.
3eigan. 3i<* enbraf)t, ©poüname be$ ©dfafterS. 3^e^n«u§.
3iebenfacf. 3*rn<uebe[, 3ier9ieDef- 3udenmantel, 3udntQitte(,
£udmantet, Sficfmantef, uöttig nerbunfett 3ude rmanbet, auf
SSegefagerci be$üg(idje tarnen, mm £fjetf Dert(td) feiten. 3« <*fd) wert,
3ugfcbroert. 3ud$etfen. 3wiiau5.
G$ giebt nun aber neben biefen riefen unreif elf)af* imperatiotfd) %u
beutenben aud) eine größere 2ln$af)l heutiger ©efd)fed)t3itamen, roetebe feit
längerer, gröfttent^eifä bis auf bie icjjige 3ett bem Sereiäje ber 3mperatio=
namen überroiefen roorben finb, in ber iljat aber eine abroeidjenbe @r=
ftarung verlangen.
©o beguem e3 ift, ©I aub red; t unb Siebredjt imperatitnfd) ju faffen, fo
weigern fid) biefer Deutung bod) r»erfd)icbene Nebenformen beiber Hainen, roie
Ätaupredjt, ©rubredjt, ÄlaubertunbSiebert, Seopred)t, Saubred)t.
2)er 9tome ©faubredjt ift oielme^r au§ Glauporabt (ju glau, fd^arffid^tig,
einfi^ooll), 2iebred;t auö Liutperalit (su Hut, Söolf> entfprungen, beibe
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3^ K. <5. Hnbrefen in Bonn.
mit beraht, berht (engt. bright)=glän$enb sufammengefefot. ©angau f be*
beutet ntdjt ,gef> auf, fonbem grünbet fidE) auf Gangolf (umgefebrt 2Solfgang),
rote 99albauf, Sitterauf, Xf)ierauf auf Baldolf, Biterolf, Tiurolf,
©ebrat unb ©iebf rieb lauteten im Slltbeutfdjen, ber eine 9tome budjftablidj,
ber anbere ber £auptfad)e nadj, ebenfo wie beute; an tmperatioif<f)e Raffung
barf aber bei bem erften tarnen gar ni<bt, bei bem jweiten (ogl. @b reu f rieb)
nur oorübergebenb gebadet werben, £ au barbt J|ei§t nicr)t : bau ftarf,
fonbern eS ift oielmebr, rote ßugart unb $auert, aus Hugihard
beroorgegangen; ogl. Räubert, &aubolb aus Hugubert. Hugibald. $em
tarnen © dj mitbat«, welker in weit uon einanber getrennten ©egenbin
EeutfcblanbS, aud) in ber ©dbreibung ©d)tnibtbals, angetroffen wirb, ift bie
unannebmlidje (Srflarung ,fdjmeifj (triff) ben £als (beS ^uf^eS)' ju 2T)eil
geworben ; aber wie fidj 33ierbalS,©oetf)alS, 9?ad)balS imtronnmifdj mit
eingefügtem % ju Berald, Godoald, Rachold oerbalten, fo ©d&mitbalS &u
©mital aus Smidoald. $af$ SBotfenbabl, Sucfenbabl ,beugibn nieber*
bebeuten foHen, Hingt unwabrfdjeinltd) ; mebr Dürfte bie ©rffärung als
„Sudjentbal" anfpredien. ©benfo wenig roirb &upfelb als „büpf ins
gelb" ju Oerzen fein, roor)t aber, roie eS bei &opfelb ber gatt ift, als
eine Dertlicbfeit. 3n gal)renbol$ liegt niajt bie Hufforberung in« £ol$
ju fabren; es giebt meiere Derter biefeS Samens, welker an fid) Jörjrcnfjols
bebeuten fann. $ie ©rflärung oon Gilgenfamp burdj „tilge, jerftöre baS
gelb" oerträgt ft$ fdjledjt mit Gellfampf unb Gelfamp, mit Gillem
berg, Geltberg unb Geigenbauer; unter Gitgenfamp unb Gellfampf
ift ein mit „Gelgen" (telge, >Jweig, ©(böfeltng, ©tedling) bepftonjteS gelb
5U oerfteben. $te grage, ob ÜJlatfentbun „madj ben 3aun" bebeute,
erlebigt fidj baburdj, bafe eS einen Drt gleite« Slamens gibt, ber anberS
erflärt werben mufj. $aefelbe Iö§t ftcb oon ©temSljorn bebaupten, ba
fo ein Drt im $annooerfd}en r)ctfet; bie tmperattoifdje gaffung geroäbrt
überbieS laum einen erträglichen ©inn. ©ans unoorfidjtig ift Golf emit,
baS ja auf einen gleidjlautenben Ortsnamen oerweifl, als „fpridj mit"
oerftanben worben; wäljrenb © palt enft ein, obgleidj ein Drt biefeS
Samens, an bem obne 3rceifef Der Familienname ^oftet, nad^geroiefen
wirb, fidj letzter als ftmperatto üerfter)cn lie&e. 33et StÖbrmunb, 9tfibrs
munb liegt es bod) näber an ben tarnen ber r)oQänbtfcr)en ©tabt 9ioer*
monb als an bie 9lufforberung „rübr ben SÜhtnb" ju benfen. Daß
©prtngmüf)l wie ©pringSfelb unb ©pringSgut ju erflären feien,
leud)tet nidjt ein; wie ©pringborn, ©pringborn, ©pringfkein
mit bem ©ubftantio ©pring, Duelle, jufammeugcfefct finb, ebenfo ©p rings
mübl (eine ©pringmüble liegt bei ^eiligenftabt), beren Sefifccr Spring;
müller, ©princTmöller beifit. Der 3luSlaut beS Samens ftretbebring
bat oeranlajjt, bafe man einen Smperatiofafe mit umgefefjrter SÖortfteÜung
angenommen r)at; aber baS auSlautenbe g ftebt für f wie in ginfenbring,
3gelbring, ßlebrtng, Se^mbring, unb töreibebrinf (5lreibef)ügel)
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Die freutfc^en 3mperati»namett.
ift felbft ein heutiger ©efdjledjtSname. ßabefoft flingt freilid) tote ein
3mperatio, oljne baß ber Sinn tjoüfommen beutlid) märe; aber ofnte
Sroeifel liegt bie auä " ßaoigljorft, £>aoift)orft lieroorgegangene gönn ^aoefojt,
rote 4 Derter in SRorbbeutfdjlanb Reißen, &u ©runbe. ££enn e§ roentg
©tauben uerbtent, baß SWunbfjenf roie ba§ ältere £engentriel (ÜJ?aur=
fjänger) $u erflären fei, jumat ba ba§ Dbject noraufgefit, fo läßt fidj ba*
gegen ber 9?ame, ber aud) als 9J?unbf)enfe oorfommt, fer)r roof)I mit
bem mittelalterltdjen 93einamen gittern munbe' »ergleidjen unb als $enf
ober $enfe mit bem 2J?unbe oerfteben. flemeSroegS bebeutet kennen*
Pfennig „bem Pfennig nadfjrennenb" ; um 1300 gießen am 9lieberrl)ein
gereifte feilte SHfinjen „9?ennepenninge". (£benfo faffd& ift bie ©rffärung
von <Stid)tenotl), <Stidr>notr) al$: ftifte 9?otf), 9Zot^ftifter ; ba3 niebers
beutfdje Sßort entfpridjt bem I)odjbeutfdjen „6ttftgenofc". ®d)ellf)afe,
Sdjelf)afe, (SdjelbaSunb (Sdjeelfyaft entsaften fdjrcerlidfj bie 3htfforberung
ben £afen 511m 2öeid>en ober ju ftatl jut bringen; §u ©runbe Hegt nielmebr
ba3 Slbjectto schellec, fdjeu, oor Jyur^t auffpringenb, roie benn nodj beute
in ber föroäbifdjen SRunbart ein Sßferb. roeldjeS ausreißt, gleidjfaÜS
„fdjellig", ein überall umfyerlaufenbeS 28eib „bie atte Sdjefl" genannt
wirb. .§at bie roeit oerbreitete 31nfid)t, Sdjlid)tegroll fei als 3mperatio
ju oerfteljen, roenig für fidfj, fo fdjeint burd) bie $orm ©djlidjtfrull fo gut
roie beroiefen 3U werben, baß (Sntftcffung von „flrull" ober „ßroll" (Code)
in „©roll" norliegt unb baf, biefe ■Kamen mit 6djlid)tf)aar, föettfjaar,
@lattl)aar ju oergleid^en finb. 9?ad) ben neuern Unterfudjungen be*
aeidjnen ©türjenbed^er, Stürfoenbeder, Sturjenbeder, ©törten*
beder, ©törtebefer nidjt imperatioifd) ben £rinfer, ber ben 33ed)er
fnnunterfrürjt, fonbern e$ ift ein Xrinfgefäfc mit einer Stürze, ein 3)edelbedjer
gemeint. «Ser 97ame 3Hujjenbedjer, roeldjer ben flfang eines 3mperatio§
r)at unb aud) fo oerftanben roorben ift (pufee, fdjmude ben Sedier?), Dürfte
ef)er bemjenigen gelten, ber SDiufcen ober 5Jhttfdjen bädt (ogl. 9flufcfd)ler);
aber ber in Söeftfafen oorfommenbe Familienname 3J?ufeenbacfj, bem
ja gerotfj eine Certlidtfeit (ogf. Sftufcenfefb, 9flufcenf)aufen, 9ttufoenrotf)) 5U
©runbe liegt, weift bodfj ftärfer auf bie locale Sebeutung aud) be$ 9?amen§
SRufoenbedjer (ogl. (Sfdjenbedjer, SBeibenbedjer) bin. 3n Sobebanj
ftedt fein 3mperatiu; ba-S fdjon im ^tttctyodjbeutfdjett fiblidje SBort lobetanz,
roeld>e§ einen Xan$ meint, ju bem fid) junge ©efetten für gemetnfd6aftli(5e
öffentliche Suftbarfetten oerbunben unb oerpflid^tet baben.ift mit bem altem
„loben" für „geloben" sufammengefefct. 9Iud) ßöfefann unb Söfefrug
ftnb fdt)roerlic^ imperatioifd) ju rerfteljen, bie 33ebeutung be5 2Jerbum3 roare
o^net)in faum erflärbar; oermutf)(id) enthalten beibe tarnen ba§ in ber
heutigen 8$riftfpra$e oerfd^oCene Subftantio „ßafe", ^en!elgefä§, bejfen
a öfters in 0 übergebt unb hierauf, oieUeia^t burd^ mifeoerftänblic^e 3w*
red)tlegung, audt) ju ö geworben fein !ann.
2ln bie auger^alb bei 33ereid)e$ ber ^erfonennamen oorfommenben
3^6 K. <5. 2Inbrefen in Bonn.
imperattoifdjen Silbungen barf es l)ier genügen nur mit einzelnen 33ei*
fpielen §u erinnern. 2Me ältere Spraye r)attc beren weit mefjr als bie
jefcige; inSbefonbere in ber oolfstfjümlidjen Siteratur beS fpätern TOrtel*
alters ftnbet fidj eine große Sflenge.
Unter ben örtltd)en Gigennatnen, meldje einen Smperattofafc entsaften,
fönnen *u beniemgen, bie entweber als fpätere ©ef$ledjtSnamen ober wir
tlnterftüfcung ber imperatioifdjen Grflärung bereits genannt worben fittb,
nod) folgenbe Einzutreten: <5<f>lutup in 9tte(flenburg nafje bei Sübecf, umae*
beutet aus „Slufup", bem ein älteres „ftretup" =, friß auf!1 $u©runbe Hegt;
bie Iwlfteinifdjen 2öirtsf)äufer 3appup (jappen, = na<$ Suft knappen, auf*
atmen), Surup (laure auf), flrupünner (fried) unter); bie ffibbeutfdjen
Socale ^aßauf, Stdjbidjfür, $raunid)t, reelle $ur S3orficr)t gegen
Straßenraub mahnen; SuginSfelb unb SugtnSlanb; baS JorftljauS
Steurenbieb in ber Gilenriebe bei ftannooer.
93erfönltdje Segriffe werben bejetdjnct burd) § ab entd)tS, öabe*
red&t, <SaufauS, ©pringinSfelb, ©törenf rieb, £E)unidjtgut
2öageljals. Sefannte ßunbenamen ftnb gaßan unb Marfan; ein
gewiffer Sögel fjeißt 2Benbef)alS, zuweilen ®ref)f)als.
Sßäf)renb es in alter 3«t eine größere 2ln$af)l tmperatioifdj gebilbeter
$flan$ennamen gab, ift ber beutigen Spradje faft nur baS Sergius
meinntd)t gebieben; baS Sflaigtöddjen wirb Ijie unb ba ©pringauf
genannt; in nieberbeutfä^en (Uegenben fommt ßltmop = ,f(imm auf für
Gpfjeu oor.
£aS fogenannte ©tefjmänndjen, engl, cork-turabler, fjeißt aud)
©tebauf. (Sin raidjer ©djlußtanj für)rt ben tarnen ßebrauS, alter
ftefjrab.
3u abftracten Segriffen finb geworben: ©eratf)ewol)l, Ärafofuß
für Serbeugung, Sebewofjl, Reißaus für $lud>t, ©tellbid)etn als
gute Ueberfefcung beS fransöftfdjen rendez-vous, ^ettoertreib.
Einige imperatiotfdje Benennungen, weldje im 9Keberbeutfdjen
wurzeln, werben in bortigen ©egenben oon fyoäjbeutidj SRebenben fjäufig
übertragen. So l)ört man in £>olftein baS insgemein fo genannte
©djlucfen, baS wieberfyolte laute ?lufftoßen, geroöbnlidj als ©djlucfauf,
nieberbeutfd) ©lucfup, bejeidjnen. Gin ffeineS Jlinb, mitunter aud) ein
unerfahrener, meift etwas oorlauter junger -iWenfdj ^eif^t 5Ufinnewelt unb
barnad) in l)od)beutfcr)er 9?ebe ©uäinbiewelt. £er Gigenfinn, Setd)tftnn
unb ber Gigcnfumige, Seid&tfmnige werben £ el)rbiannip unb ßef)rbtdjs
anntd)ts genannt.
©djlictlltdj nod) bie Semertung, baß ber Slumenname 9f efeba unb bie
jebem gebilbeten Seutfdjen befannten Söörter gaefimile unb^octotum
oon lateinifd^en 3mperatiubilbuna,en f)errüf>ren.
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2?ufftfd?e Secten.
Don
Ceopolb v. Sad?er»21Tafocfy.
— finb^cim'©bcrtjcffcn. —
I.
«Einleitung. — Die Xasfolnifi. — Die Ciporrmner. — Die Dudjoborjen
unb if?r roeiblidjer papft.
$ ift ein bunHed ©ebiet, ba3 wir betreten, bunfel in geiftiger,
in pfnd)ifd)er unb plmfiologifäjer SBejiefmng; ein ©ebiet, auf
bem roir nidji oor einem einzelnen 3JJnfterium, fonbern oor
einer ganzen 2Belt oon 9iätr)fetn ftet)en. £>ie (hidjeimmgen, benen roir
begegnen, laffen fidj jum Steile, wenn auaj nidjt erHaren, fo bodj beleuchten
unb rerftefyen, ber größere £f)eil berielben bleibt un$ aber unfaßbar unb
berührt uns jugleid) unljeimlicr) unb märchenhaft.
©t)e roir un$ mit ben ruffifdjen Secten befdjäftigen, ift es unerläfclidj,
fidt) flüchtig an ben fyiftorifdjen Gharafter ber au$ ber gried)ijd)en ßirebe
oon Spjanj entftanbenen ortbobojen ruffifdjen $tird;e 511 erinnern, kleine
ber djriftüchen 5lirdjen ift fo fcr)r in ifjren Seigren unb formen gleichfam
erftarrt, fo in teeret Zeremonien = SBcfen ausgeartet unb babei fo ftnfter,
fo unbulbfam unb fo unbarmherzig rote bie ruffifdje; in feiner ßirdje ift
ber Gleru3 fo entartet, fo gefunfen roie in biefer; in feiner bie firchliche
2lHgeroalt eine fo tnrannifdje roie t)ier, roo fte mit ber weltlichen oereinigt
ift, roo ber Gjar stapft ©eifter, ^erjen unb Seiber von 80 Millionen
3Jien]"djen gCetcr) unumfdjränft beherrfdjt.
£)rucf aber erjeugt ©egenbruef, unb £nrannei erjeugt Rebellion. G$
ift be^^alb leicht begreif Itd), baß feine #ird)e fo oiel 5lbtrüuntge, fo oiel
äefcer l;eruorgebrad)t ^at, ati bie ruffifdje. 2)ie erfte Trennung erfolgte
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3^8 Sadjer-ntafodj in £tnb!jeim.<!)ber^cffen.
1666. ßeute aäljlt man über 200 ©ecten, unb es entjteljen tfiglidj no$
neue. 3IIIc biefe ©ecten mürben feit ber SHitte beS 17. 3al>rl)unberts
ftrenge perfolgt, befonberS unter $eter bem ©rofjen, unb erft unter
tfatbarina II., ber ^Uofor-fim auf bem STjrone, jutn ^eit erft untei
2tteranber T. gebulbet. SJtondfje merben beute nod) pon ber Staatsgewalt
mit aller ©trenge befämpft. 5trofebem Mafien fte niemals abgenommen,
fonbern ftdj ftets nur weiter perbreitet, unb alle bittet ber fliraje unb beS
(Staates ^aben fic^ Urnen gegenüber ohnmädjttg erroiefen.
Ellen biefen Secten fmb jtoei grofje 3üge gememfam. £uerft areifen
fte alle gfeidj ben Reformatoren, bie aus ber rönrifdjen JKrdje hernor-
gegangen, auf bie 33tbel, bie <£pangetien, baS Urdjriftentljum prütf. Dies
ift baS Sanb, baS fte mit bem SBeften perfnüpft. Dann aber fdjöpfen fte
ade aus bem bunffen 330m, aus bem bie aftattfdjen ^ropfjeten gefc&öpft
(laben, aus bem gebeimnifep offen Urquell ber ftatur, bem bie inbif^e Sefjre
unb bie büftere SBeiSfjeit eines SBubblja entftammen; unb bieS tu" baS 33anb,
baS Tie mit bem Orient, feinen Rätseln, ©ef;etmniffen unb feinen bämontfdjjen
SJtödjten oerbinbet.
3dj merbe ^ier felbftperuanblidj ni<f>t oon allen rufrtf^en (Secten
f Presen, fonbern nur pon ben merfroürbigu'en unb einfluffretdjü'en, unb
por 9Wem pon ienen, roeldje uns ben tiberrafdjenbften ©nblt<f in bie
große ffanifdie SBelt beS DftenS geftatten, bie bem SBeften porlauftg als
eine bunfle Stfadjt fturnnt unb brofjenb gegenüberflebt.
Die erfte Trennung innerhalb ber rufftfcfien flirdje erfolgte, wie idrj
bereits gefagt fabe, im ftebjefinten 3aljrf)unbert. GS mar Rifon, ber <patriar$
pon SfloSfau, ber Slnlafe baut gab, inbein er 1642 oerfdjiebene Neuerungen
burdjfübrte. Cbroobl er an ben Dogmen in feiner Seife rüttelte, nur bie
93ibeMleberfefeung einer SReoition unterzog, in ben ©efang* unb ©cbet*
büdjern 2lenberungen anbrachte unb bie £tturgte reformirte, lehnte ftd) bo<$
ein großer Dfail ber ©laubigen bagegen auf unb fagte fidj nacb langen
Äämpfen auf bem Goncil non Gostau 1666 pon ber ortfjoboren Alird&c
los. Diefe SdtfSmatifer nannten ftd) fortan ©taropier^i, Altgläubige,
roctfirenb Tie ponberruffif$enÄir(5e9JaS!olntft, ßefcer, genannt mürben.
Anfangs repräfentirten fte glei(f)fam bie alte ßtrdje, unb natmten eine
öfmlidje (Stellung ein, wie heute bie Slltfatholifen gegenüber ber römtfdjen
Jltrdje; bodj im £aufe ber Reiten fagten fie ftd) mehr unb mebr pon ber
flirre unb por 2lllem pou bem ^rieftertfmme los unb $roeigten ftd) *n
Siporoaner unb Ducboborjen ab.
Unter ^Seter bem ©rofeen ftarben piefe RaSfolmfi ben HJiärtnrertob.
Katharina II gab ilnten eine geroiffe Religionsfreiheit, £eute eriftirt biefe
^auptfecte ber rufftfdoen flirdje in brei perfd)iebenen 3^3^^ als
9?aSfolnifi, Siporoaner unb Dud^oborjen, jebod) in jroei Haupts
gruppen getfjeitt: in bie ^opomtftt^tna, iene Sectirer, roeldje ^open, ^priefter,
^aben unb bie 33eSpopotptf<$ina, bie feine ^riefter faktn.
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> Snfftfd?« Secten. 3^9
$)ie 2lltglaubtgen galten nod) in SSielem an ber ßirdje feft. Sie
feiern iljren ©orteabienft in Äirdjen, baben ^riefter, tjaben bie Sacramente unb
erfennen außer ber SMbel aud) nod) bie griea)ifd)en unb ruffifc^en ßirdjen*
uäter bte in bie Witte be£ 17. 3a{jrfjunbert£ an. 3" i()ren rituellen ©igen»
ti)ümlid)fetten gehört, baß fte bas 5lreus mit bent ,3eige- unb Mittelfinger
madjen, unb baß i^r flreujbilb adjtedig ift, fonrie bag fie ba3 ^aHeluia^
nur sroeimal fingen unb ba$ britte SM: Sab fei $ir ©Ott!
$ie Siporoaner ty&en feine ^riejler. ©in ertoärjlter 2leltejter,
Starif, fjätt ^cn ©otteabienft ab unb tauft bie Äinber. Sitte anberen
Sacramente verwerfen fie. Sie »erfetjren nidjt mit 2lnber3glaubigen, er*
fennen ben Gjaren als &aupt ber Äiraje niajt an, leiften roeber @ib
noaj Äriegäbienft unb ferneren roeber #aar noa) SBart. «Sie r»erabfd)euen
geiftige ©etränfe unb ben £abaf. ©in ßiporoaner, in beffen fcaufe ein
uorne^ner ©aft ein paar MS emcr Gigarrette tjjat, lieg baSfelbe
com $ad)e bi$ jum fteller reinigen, fegen unb fajeuern.
(Sinige taufenb Siporoaner famen unter 3°f*Pb U. nadj Dftgalijien
unb in bie SBuforoina, wo fte beute nod) in abgefallenen ©emeinben
leben. Sie l)aben fidj feit 3lnbeginn fo mufterbaft gehalten, baß flaifer
granj bei feiner Bereifung ©alijienS i^ren 2lelteften, einen adfoig jährigen
©reis, eigenbänbig becorirte. Seitbemfie ba finb, feit mebr aU 100 3abren,
ift fein ßiporoaner beftraft roorben. Sie waren in Defterreidj früher üom
fteerbtenft ooHfoinmen befreit. Seit ©infü^rung ber allgemeinen 2Beljrs
pflidjjt bienen fte, ba fte fein 33lut vergießen Dürfen, auäfdjließlidj in ber
Samtätstruppe. Statt be$ @ibe$ wirb ilmen bei ©eria)t nur ber §anb*
fd)lag abgenommen, Sie wohnen in Ijübfdjen, gutgebauten Dörfern,
treiben 2lderbau unb ^ieb$ud)t, banbeln nur mit i^ren s#robucteu unb finb
in jeber Schiebung braoe, frieblicbe unb ftreng fittltdje 3)2enfa^en.
©an$ anbers b&ben fidr) bie £udjoborjen entroicfelt. Sie nennen
fia) sroar Streiter be3 ©etfteä; aber bei i^nen t>at ber nnnlia> ÜttrjfttcU*
muS be$ Crienta f$on 3iemlid) fraftige SBurjeln gefaßt. Sie jroeigten
fid) im 18. Sabrlwnbert r»on ben 9fa3foimfi ab uno Ijaben tyute mit
benfelben fafl ni$t£ mebr gemeinfam. Anfangs mürben fie mit großer
£ärte bebanbelt unb »erfolgt; erft 1804 erlangten fie bur<f| ben milben
Staifer Slleranber I. 9ieligionefreibeit. Sie roolmen jumeift in Jaunen,
bocb pnbet man fie im ganjen Süben 9fußlanb£, bis nad) bem öftcrreid)ifd)en
©alijien l)in oerbrettet.
3a) batte ©elegenbeit eine ©enxeinbe ber $udjobor$en genauer fennen
ju lernen.
3n biefer gebeimnifjoollen Secte fpielt ba^ 2öeib juevft jene mädjtige
unb rätbielljafte ^Hoüe, ber mir in ber flaoifajen 2Selt be$ Cjien^ auf
Stritt unb Xritt begegnen; eg ift gleidjfam bie Spl)™?, bie oor bem
Gingange be3 XempeU liegt. Xie $>udjobor$en uerroerfen bie Äircbe, bie
Sacramente, bie ^riefter unb ben ^apft^aren; bafür b^ben fie einen
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350
5ad}er«OTaf odj in £inbl?ctm'(Dbcr treffen.
meibli<f)en $apft, bie fogenannte ©otteSmutter, in ber ©Ott fidj ben
©laubigen oerforpert, unb welche $wifd>en il)m unb ilmen oernuttelt. &ie
©otteSmutter, rocld^c id) fennen [ernte, war bie £od>ter eines reiben
dauern, beffen ©efjöfte jebem Gbelmann (Sljre gemalt &ätte.
Sie empfing midj cor bem £aufe, wo fte eben u>en jüngeren ©e-
föwiftern Befehle erteilte. ©3 war eine feltfame @rfd)einung; bodj ge*
warfen, majeftätifdj, mit einem »on üppigem blonben £aar umrahmten,
frönen, milben 9)tooonnengefid)t, glid) fte in i()ren rotten Sauernftiefeln,
bem furjen bunten 9iod*, bem langen ^eUblauen, mit meinem S|3el*roerf be-
festen unb gefütterten flaftan, ■ ben Äopf mit einem weisen £ud>e turban*
artig umwunben, bie Sruft mit ÄoraKen unb ©olbmünjen bebedt, mein1
einer aftatifd&en £efpotin ober einer fd)önen Sultanin, als einer ^eiligen.
Sie führte mid) in if)re Stube unb gab auf alle gragen bereitwillig
Slntmort.
„28tr Ijaben feine ©etftlidjen unb feine flirdje," fagte fie, „mir oer*
werfen bie Sacramente unb uereljren aud> bie ^eiligen nidjt; bennod) wirb
uns 9Jiemanb baS Seugnifj oermeigern, bafc wir bulbfame, frieblt<§e unb
arbeitfame SJtenfd&en finb. Unfer erfteS ©efefc ift bie ©leidjfyeit
aller SNenfdjen, aller Staube, aller S3elenntniffe; wir adjten $uben unb
9)iof)amebaner, ebenfo wie jebe 5lrt oon Gräften. (5s giebt unter uns
weber sperren nod) Änedjte, trofebem finb alle $)ud)oborjen woljlljabenb,
rein unb gut gef leibet. Unfere grauen gelten als fcf)ön, fie fmb alle
fleifjig, aber babei ftets Reiter unb fntbfdj angezogen. $)ie ©otteSmutter
ift baS &aupt ber ©emeinbe, baS ©benbilb ©otteS auf ©rben. ®urd/
baS 2Beib ift bie Sünbe in bie 23elt gefommen, beSljalb fann audj nur
burd) baS 2öeib bie ßrlöfung fommen.
„3)ie ©otteSmutter wirb von ber ©emeinbe erwählt, wenn biefelbe
burd) gaften unb ©ebet vorbereitet unb oom ©eifie erleuchtet ift, benn ber
©eift, baS reine Sid)t ift nod) mcfyr wertf) als bie 33ibel. Unfer ©laube
ift fein trauriger, er oerbammt nidj)t 2llles, was ben 2Renf<$en erfreut, als
Sünbe. 2Bir bleuen ©Ott, ol)ne bie unfdjulbigen triebe ber
92atur ju freujtgen. @s ift Sitte bei uns, bafc bie grauen unb
9)täbd)en unb bie jungen Männer fid) an ben Slbenben oerfammeln, um
leidste 2lrbeiten gu oerridjten, ju plaubern unb fid) ju uergnügen."
„(Sure grauen follen aber ntdjt fefn* moralifd) fein," warf id) ein.
2)ie ©otteSmutter bluffe mid) mit it)ren großen fingen 9lugen rurjig an.
„(Sigentlid) legen wir ber (Stye feine grojge Sebeutung bei/' fprad) Tie,
„benn ber äi?ille zweier erwad^fenen 3Wenfd3en perfdjiebener ©efd^led)ter
genügt, um biefelbe ,u fdjliegen. $er 2leltefte ber gamilie erflärt bie
Brautleute für oereint, unb ber 33unb ift gefa)[o)fen. ©benfo leidet ift bie
Trennung ber tye. ^ene triebe, wela^e bie Duette ber 6ünbe fmb,
müffen an unb für fid) nid)t böfe fein, fonft ^ätte fie uns ©ort in feiner
©üte gewi§ nic^t anerfd^affen. Statt alfo biefe triebe 3U unterbrüefen unb
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Hnffifdje Sectctt.
55 \
auf biefe Steife bie 9?atur jur ©mpörung aufjuftadjeln, unterjodjen wir fie,
inbem wir ifjnen nad)geben. 2öir erteiltem bie ©(je, beren Sd)lie&ung
unb Trennung, unb wir machen aus ber Siebe feine Sünbe. 60 nehmen
wir berfelben ben Stad)el, f)inbern fie, jene £eibenfd)aften gebären, weldje,
wie §iferfud)t, &a§ unb fteib ben 9ftenfd)en Unheil bringen, unb Ijelfeu
bem ©elfte junt Siege. 2ßir geftatten bem SBeibe jebe 2(rt oon $ufe,
Sanb unb Sergnugen, fobalb eS feine $flid)ten erfüllt unb feine Arbeit
getljan ^at; beSljalb Heben bie grauen unfereS ©laubeng bie Arbeit. 3n
aller gruf)e, beim Sickte ber Sterne ftefjen fie auf unb bringen fd)on oor
Sonnenaufgang $auS unb 2üirtl)idjaft in Drbnung. SBenn fie fid) bann
In'ibfd) angesogen mit &anbarbeiten befd)äftigen unb SlbenbS in ©efeHfd)aft
unterhalten, fo gefd)ief)t 91iemanb ein Unred)t bamit. Sa bie Trennung ber
(S^e fo leidet ift, fo ift eS ben grauen leid)t gemalt, bie Streue $u be=
magren; beSfyalb wirb aud) ber ßfjebrud) bei uns fe^r ftreng beftraft. „2>on
wem?" fragte id). „9Son ber ©otteSmutter," antwortete bie fdjöne ^eilige.
„9!ber eS fommen feiten klagen uor, ba bie Sud)oborjen gegen bie gel)l=
tritte i^rer grauen, in $öe$ug auf Sreue, fe^r naa)fid)ttg finb, wenn bie=
felben nur fonft ifiren $fltd)ten nad)fommen."
„Sie Sud)obor$en fmb alfo überzeugt, bafc ©Ott in ©eftalt ber ©otteS*
mutter lebenbig unter ü)nen ift?" fragte id) weiter. ,,©ott ift in jebcm
2ttenfd)enlebenbig," gab bie ©otteSmutter 3m: 3tntwort, „beim ber brei*
einige ©Ott offenbart fid) uns nur in ber Seele beS 9Jtenfd)en, ber $ater
in ber ©ebädnrti&fraft, ber Sofjn in ber Slöeisljeit beS SerftanbeS, ber
©eift im SBollen; bie ©otteSmutter aber ift oon ©Ott erroäfjlt, um feineu
3ßiüen f>ier auf ©rben ju voll3ief)en."
„3Jton befdjulbigt aber bie Sud)oboräen, bajs fie nid)t fefjr gottgc=
fällig, fonbern im ©egentljeil jiemltd) frei unb weltlitt) leben," wenbete
id) ein. „23ir befolgen jene 3ftoral bie uns GfjriftuS gelebt Ijat," erwiberte
bie ©otteSmutter. „Siebe Seinen 9?äd)flen wie Sid) felbft, unb was Su
nid)t willft, bafe Sir gejd>l)e, t^ue feinem Olnberen. Unfer ©taube le^rt
uns aud) baS (Sbenbilb ©otteS in jebem 2)ienfd)en ju oeref)ren. ©rlöfung
bringt aber nur unfere Ijeilige Sebre. Sie erften 3Heuftt)en tjaben burd)
ben Sünbenfatt baS ^arabieS ocrtoren. <5s liegt ein tiefer Sinn in
biefer 2ef>re, ein beiliges ©e^eimnifc, baS id) jefet entlüden will."
Sie ©otteSmuttcr tjeftete bie 2Iugen auf mid) unb fufjr mit gebämofter
Stimme fort. „Sie erften 2Jfenid)en ajjen bie grud)t oon bem Saume
ber ©rfenntnift unb fallen plöfolid), bafj fie nacft waren unb fd)ämten fid);
baS wia fagen, fie bemerften mit einem 3JJale, bafc ber ©eift unb bie
SRatur wie Sag unb 9tod)t, wie geuer unb Sßajfer nid)ts mit einanber
gemein tyaben, unb bie 2)ienfd)en fd)ämten fid) il)res gleifd)eS unb fud)ten
es feiger ju oerbergeu, ju verleugnen, ia iljr ©eift trat in feinem $oä>
mutt) bemfelbeu feinblia) unb ocräd)tlid) gegenüber. Siefer 3wiefpalt in
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552
5adjer<!TTafod? in £inbf?cim-©berl{effen.
uns felbft ift ber gtu$, ber auf her SBelt liegt; unb baS <J*arabieS, au£
bcm bie ÜÖJenfdjen oertrieben roorben finb, ift bie 9?atur.
„Sir geroinnen aber baS oerlorene SßarabieS roieber, inbem wir ber
9totur unb ihren trieben, ftatt Tie su freudigen, ihre urfprünglidje Unf^ulb
rotebergeben. Xerfelbe ©eift, ber bie Scham oor bem £eiblia)en erzeugt
hat, lehrt uns jefct, fid^ beffen nia)t §u fcfjämen, was natürlich ift; benn
©ott \)at uns ben ©eift gegeben, um bie 9?atur 511 beherrfd)en, nid)t aber
um fie su mifihanbeln. ßrlöfung ift baS 2Seib baher aua) beSrjalb
berufen, weil im 2Jtonne mein* ber ©eift (ebenbig ift, im 2Beibe aber bie
9iatur."
„©täubt ihr an ein gortleben nad) bem £obe unb an bie 2luferfter)ung
ber lobten V" lautete meine näd)fte grage.
„2ßir glauben, ba& bie Seele fd)on oor biefem irbif^en $afein
gelebt I)at unb aud) naä) bemfelben weiter leben wirb. 2lm jüngften
Xage werben alle 9ttenfcf}en auferftehen, aber nur im ©eifte; bann folgt
baS lefete ©erid)t/'
„9lber hier auf Grben richtet bie ©otteSmutter an ©otteSftette," warf
td) ein.
„So ift eS," fagte bie feltfame ^eilige. „£>ie ©otteSmutter ift an
©ottcS Stelle ju oerehren, weil fie in feinem Diamen ^ier auf Grben
regiert, weil ©Ott fie erwählt tyit, um bie Ü)ienfd)en in baS ^arabieS
$urücf$uführen. Sie allein fann bie Süuben beftrafen ober erlaffen, unb
ihre ©ebote finb ©ebote ©otteS. Xie £ud)oborsen glauben weber an bie
£rtmtät, nod) an bie ©ottfjeit G^rifti; fie erfennen roeber ben ^apfl, noch
ben (Sparen als Oberhaupt an, nod) bie ^eiligen. Sie l)aben feine
©eiftliajen, feine ^eiligenbilber, feine Sacramente; bie ©otteSmutter allein
ift unter ifmen als bie ^erförperung beS göttlichen Siefens unb Sillens."
3tn bem näd)ften Sonntage hatte ich ©elegenhett, bem ©ottesbienft
ber £)udwborjen unb ber Aufnahme jtoeicr -Jieophöten beijuwolmen. 25aS
SöetfjauS biefer geheimnifjoollen Secte ftiefj unmittelbar an baS £auS, baS
bie ©otteSmutter bemofmte unb in bem Tie &of hielt. £er grofce Saal,
in bem bie ©emeinbe ihre 3tnbacht oerrichtete, war ein einfad) eingerichteter
fdhmucflofer 9iaum. ©S roaren über 200 Sperfonen in bemfelben oer*
fammelt, alle gut gefleibet, Die grauen fogar mit einer geroiffen Äofetterie.
Slufeer mir roaren nod) meiere 2lnberSgläubige, unb jwar Sutheraner unb
5latholifen, foroie ein paar polnifape 3uben anroefenb. £)ie 9Häimer ftanben
linfS, bie grauen reajts nach bem 2Ilter. ©anj oben befanb fich ein
höljemer £ifd), auf bem Salj unb 33rot lagen. 2llS bie ©otteSmutter
in einem langen ^elj oon blutrothem Sammt mit foftbaren 3)?arberfeUen
befefet unb gefüttert, golbgeftiefte Pantoffeln an ben güfjen, ben £ofofd)nif,
eine 3trt filbergefticfte £iara auf bem Raupte, an eine 3ftoSfauer (Sjarin
aus ber 3eil 3roanS beS Schädlichen mafmenb, hereintrat, warf ft$ bie
cjanse ©emeinbe oor iEjr auf bie ffnie. Sie fegnete fie unb nahm bann
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Kuffifdjc recten.
553
auf einer 2lrt Stjron $lafc. 2Iuf i^ren SBinf näherte id) mid) if)r. „2öie
fommt e3, bafj 3(jr 2lnber$gläubige in (hirem £empel bulbet?" fragtet
erftaunt, benn id) raupte, ba§ bie «Rasfolnift nid)t fo tolerant finb. $ie
©otteämutter erroiberte: „3eber, ob Gf)ri[t, 3ube, Sttufelmann ober #eibe,
fann an unferem ©otteSbienfte tf)eilnef)tnen, benn ber 2)ienfd> fann ben
Tempel ©otteS nid&t bura) feine ©egenroart, fonbern nnr burcf) f<$le<$te
- Saaten entweihen."
$er SBorfänger trat jefet an ben £ifd) unb ftimmte ben $falm an:
„60 fprid)t ber &err, ber ©Ott Israels;" bie ©emeinbe fiel jebe&nal am
S$luffe im (H)or ein. 2U3 ber ©efang ju @nbe mar, trat ber 3roeitältefte
cor ben Etfdj unb nat)tn ben Slelteften bei ber $anb. @3 roar riifjrenb
an$ufef)en, wie bie beiben ©reife mit ifjrem roetfjen ^aar unb Sart unb
ifiren eljrroürbtgen ©ertöntem jicfc jroeimal tief cor einanber oernetgten unb
füfjten. hierauf trat ein dritter ju ifmen, unb fie oemeigten unb füfjten
ftd> alle brei. 2lße Slnroefenben folgten ber 9ieU)e nadj iljrem Seifpiel,
juerft bie 9JMnner, bann bie grauen.
„2Ba3 bebeutet biefe Zeremonie ?" fragte idj bie ©otteämutter.
„Sie bebeutet/' erflärte mir bie .^eilige bereitroillig, ,,bafc man ba$
©benbilb ©otte« in feinem 9töa)ften oerefn-en mufj, ba ber 3)?enfdj ©ort
auf (Srben oertritt". 3efet ergriff ber Sleltefte bie beiben fteoplmten an
ben ßänben unb führte fic ju bem £T>ron ber ©otteSmutter. $ier fielen
fie auf bie ßnie, f anlügen mit ber Stirn breimal jur <5rbe unb fügten
bann bemütf)ig bie güfce ber ©otteämutter, roafjrenb biefe fie fegnete.
9hm erbob fidj ber roeibltd)e ¥flPf*/ richtete bie Jtmeenben auf unb führte
fie JU bem 2lelteften, 2We$ mit einer &of)eit, um bie fie mandje &errfdjerin
beneiben fonnte. „3dj bringe <£udj jroei neue trüber", fproct) fie, „nefnnt
fie freunblid) auf unb adjtet unb liebt fie." $er 2leltefte gab hierauf
ben 9?eopl)i)ten bie §anb unb füfete fie, unb nad) ifmt füfeten fie alle 2lnberen
ber 9ieif)e nadj.
2)a3 eigentliche 9Hi)fterium ber $5ud)obor$en erinnert an bie finnlid)
religiöfen gefte ber 2lftarte, ber ©rieben unb ber heutigen Brufen im
Sibanon. $n «Uen biefen ©ebeimbienften fpuft bie mnftifdje Jungfrau
be$ alten Oriente, bie fid> in reinerer ©eftalt in ber römifdjen flitze
roieberfinbet.
2ßie bei ben Brufen eine lebenbige 3ungfrau auf ben 2lltar gefefct
wirb unb ber ©otteSbienft julefct in eine raufte Orgie ausartet, fo erinnert
auä) ba« ^parabie«, in baS bie ©ottcSmutter ber £)ud)oboräen bie 2ln*
ganger it)reä ©lauben« einführt, inerjr an ba« ^arabie« beä aflafjomet,
als an ba« (Sben ber ^eiligen Sd)rift.
3roet 3af)re nadjbem idj bie $udjoborjen befugt t)atte, liefe bie
©ottesmutter einen treulofen ©eliebten an ba« Äreuj fa^lagen. %a$ ©eria^t
roar ntdjt im Stanbe fie jur 9tett)enfd(iaft 5U jieljcn, ba fict) S^iemanb fanb,
?U)rt unb ۟h LI., IM. 24
35^ radjer- UTafodj in £tnbt}etm*CDbert{effen.
ber gegen fic Scugmfe abgelegt dritte. £ie ©otteSmutter ift jebenfallä einer
bet überrafchenbften £npen bei räthfelbaften Dftenl.*)
6$ ift begreiflich, ba§ eine folcf)e mit befpotifdjer 9)?acj>t oerbunbene
«Stellung für ^od)fat)renbe Jrauennaturen etroal oerlocfenbel f)at; e*
barf uns bafjer md)t munbern, bajj in SHufclanb nicht feiten oornermte
Xanten biefe SBfirbe bef leiben. So mar unter anberen bie #ofbame flathas
rina £artarinoro bie ©ottelmutter ber Gblifton>chifchen Secte ber 2lbamiteu.
Sie ftarb 1856.
II.
Sdjaloputen — IDanoerer — SFopsen — £)tmmelsfpenöer.
Sie Schaloputen, welche oorjüglich im Äaufafuä §u finben finb,
haben uiele 2lermlid)feit mit ben 3)u<hoborjen. 3^re Dogmen ftimmen mit
benen biefer faft ganj überetn, ebenfo ihr ©ottesbienfi. Sie haben gleich
faß! eine ©ottelmutter, ata „(frlöferin," all weiblichen 9)ieffia3; aber
neben berfelben auch noch einen fogenannten „lebenbigen ©ott" männ-
lichen ©eidjlechtes.
9lufeerbcm fommt bei ihnen ein finfterer 3ug morgenlänbifcher 2Bfefe,
eine an bie inbifcben Jyafire erinnembe graufame Selbftpeinigung tjinju,
welche ben Sudjoborjen fremb ift. (Sine bei ben Schaloputen beliebte
harter ift e3, fid) an bal ftreuj fajlagen $u [äffen. 2lnbere fd)lafen auf
dornen, ftehen barhaupt unb barfufj in ber Sonne, im SRegen unb Sdjnee;
unb anbere laffen fict) mit bem Stopf in einen 2lmetfenhaufen fteHen.
2Iufang 1883 berichtete bie Äaufafijche (5parchial3eitung, bafj bie ferjr
einträgliche Stelle eineä lebenbigen ©ottel bei ben faufafifchen Sctjalo:
puten in golge bei hohen 2Uter$ bei jefcigen $nbaberl berfelben in Äurje
oacant werben bürfte unb bafc fich $wei ©anbibaten um biefelbe gemelbet
hätten. (Siner biefer ßanbibaten, 2tntofchu, ftammte aus bem S'amboro'fchen
©ouoemement unb »erneuerte ben Sdjaloputen, ba§ ihn ber noch lebenbe
„lebenbige ©ott" ju feinem Nachfolger auSbrücfttch gewählt r)ätte. Xieier
lebenbige ©ott liefe fid) nämlich ^ur3 oorher in ©egenwart feiner v3lnr)ünger
unb mehrerer h°hen ¥erl"onen an bal flreuj fragen. 2Bäf)renb er an
biefem hing, ftanben bem ftreuje ber Bewerber 3lntofchu unb bie ©ottes=
mutter 2Imbotja 2)torimomna am nächften. 2lÖerbing£, fprach Hntoidju, fei
bas Väterchen, ber „lebenbige ©ott/' noch tebenb oom Streute genommen
morben; erroerbeaber ol)ne 3»oeifel boch balb in baä beffere ^enfeit-8 bin*
übergehen unb hoffe, baß bie faufafifchen Schaloputen vorher Um, Sntofdju,
als feinen 9iad)f olger anerfennen mürben. Die Slelteften ber Scbalo puten
waren nicht fehr geneigt auf 2lntofchu$ )Corfchlag einzugehen; aber e* ge^
*) Xurflcnido f»at btefclbc nebenher in feinem „Äönifl Sear ber Steppe"
borflcfüftrt. felbft f)abe bic Sectc ber $ud)oborjen unb beren roeibÜchen $apft in
einer 9foöeUc: „$ic ©DttcSmutter" etrifleljenb fiefd)ilbert.
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Huffifdje Steten.
555
lang biefem, {i$ balb unter ben anberen ©laubigen einen 2Inf)ang ju oer?
fdjaffen. Der anbere Ganbibat war Sllefehu, ein Schatoput au$ einem
faufafifttjen Dorf; 2Uef<hu behauptete, er fei G&riftuS felbft <£r
r)abe jroar in s$eteräburg äuerft im ©efängnifc gefeffen, fei aber bann
freigelaffen unb jum ßjaren geführt roorben, ber feinen ©rlöferberuf aner*
rannt unb ihm fogar ein Document auSgeftellt fyabt, in meldten if>m ber
STitel „GhriftuS" jugeftanben roorben fei. Welcher oon ben beibeu Ganbibas
len jum „lebeubigen ©otte" erhoben mürbe, ift mir nicht befannt geroorben.
2113 eine neue ^ncarnation be$ inbifdjen Süfcerroefenä erscheint bie
Secte ber SBanberer. Dtefe fyabtn ba* «QWtöogma, ba^ ©Ott bie
£errfä)aft über biefe Sßelt bem Teufel überloffen habe. Sie oerabfeheuen
folglich alles ^rbifct)c aU £eufeteroerf, fie oerroerfen bie 5tircf>e, bie 6a»
cramente, ben Staat, ba3 ©igenthum, bie @he foroie jebe anbere ©emein=
fc^aft mit bem 2Öetbe unb bie Arbeit. Siutoergie{jen ift in ihren Slugen
bie größte Sünbe; fie entziehen fta) belljatb bem ftrieg^oienft unb nähren
fid) nur von pflanjenfoft. Der äSanberer oertäfjt &au3 unb &of, Sßeib
imb ßinb, unb jiefjt ruhelos mie 3lf)a3üer burch bie 2Öett. Sein ßeben ift
eine enblofe Pilgerfahrt; er übernadjtet unter freiem Gimmel unb ftirbt unter
freiem Gimmel, häufig beläb er fich noch mit fehleren Letten ober trägt
ein £ol$freus auf bem dürfen. DaS tuffifdje $olf oerebrt bie Sßanberer
äU ^eilige unb maä)t fid) ein 2>erbienft barauä, i^neu unentgeltlid)
Speife unb £ranf $u reichen.
Sairgenjero t)at einmal einen folgen ^eiligen oorgeffihrt, beffen martere
volle $ügerfd)aft oon einem fchroarmerifchen 2Jcäbd)en geseilt wirb. 3°)
felbft babe biefe büftere ©eftalt in bem Prolog ju meinem „Vermächtnis
JtainS" unb in ber Sfijje „3roei Pilger" poetifä) ücrmertr)et.
ilöir fommen nun $u ber bäfclichften unter ben ruffiföen Secten, ber
einjigen, melcbe ber gegenroärtige (5$ar 2Ueranber III. in bem bei feiner
Krönung erlafienen Xoleranjebict oon ber Dulbung auegenommen fyat.
unb bie« bie Stoppen. 33ei biefer Secte roenbet na; bie 2l$refe
fcirect gegen ben ©efchledjtstrieb. 3m ©egenfafe §u ben Dudmborjen,
welche bie 9totur ju unterjochen fuchen, inbem fte bie gorberungen berfelben
beliebigen, rt>ütt)en bie Sfopjen in einer an SBafmfinn grenjenben sil>eife
gegen bie Diatur. Die 9iatur ift ihnen ba£ sBerf be3 DeufeU, unb oor 21Üem
ift Satan im SJknfchen felbft unb smar in jenen ^heilen be3 menfd)lid)en
Körper«, welche *ur 3eui««3 bienen, lebenbig. Seber l^enfch r>at jiuar
. bie Pflicht, ein Kinb in bie SSJelt fefeen, bamit ba§ 3Kenfchengefchlecht
nicht ausftirbt, ba fonft ^iemanb ba wäre, um ©ott ju loben unb an*
jubeten. Xa5 irbifche Xafein h^ oen 3m&, fru^er begangene 6uubeu
abiubüßen. Der 6fopje barf in ber erften fieben«jeit irren unb fünbigen;
er hat ein fo groj^e^ 6ünbeuregifter dou früher her abjubüfcen, bafe c5
auf ein paar Sütibeu mehr ober roeniger, bie er hier auf (Srbeu begeht,
gar nid)t mehr anfommt. So weit märe bie Sfop^enlehre fet)r bequem,
24*
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356 Sadjer*ttTafo<b, in £ i nbb,eim»©berbef fen.
aber nun fommt bie entfefelicfce 93ufee, roeldjc jeber Sfopje fid^ freiwillig
auferlegt. 3eber SBefemter biefer walmwifcigen £e$re mufe eine et*
fd&liefeen unb ein männlid)eg ßinb in bie 2£elt fefcen. ©eltngt iipn
bieg nid)t, fo wirb eg tym &ur ^fltdjt gemalt, bie G§e $u löfen unb eine
neue einjugef)en, unb bieg fo lange, big er einen männliä)en ftadjfommen
gejeugt, ebenfo bag Sßeib fo lange, bin eg einen Änaben geboren fyit. Sobclb
ber 2Wann einem Solm bag Seben gegeben, wirb er entmannt; fobalb bie
grau einen ftnaben geboren t)at, wirb fie jur weiteren 3*ugung unfähig
gemalt. ©iefeg Sttriom if)rer fie^re ftüfct fta) auf ben 3lugfprud& be*
©oangeliften 3Jtotyäug: „Sobalb 25i$ ©ein redjteg 3luge ärgert, reife' tä
aug" u. f. tu. (V. 29. 30). SRanfinbet biefe ruffifc&en ßunud&en oorjüglid)
unter ben ßaufleuten unb erfennt fie leidet an ber Beleibtheit, welche fie
bann erlangen, unb an i&rer bleiben ©efid&tgfarbe.
Sie finb audj politifa) gefäl)rlid&, benn fie nennen alle ruffifdfjen
Goaren feit ^eter III. <pfeubo*l£$aren, wie fie ben ortlpboren ©ort ber
ruffifd^en Stirdje einen <ßfeubo5@ott nennen, unb fie befd&ränfen iljre ^to*
paganba niä)t auf SRufelanb, jonbern rjaben fogar einmal ben rounberlid)en
«plan augge^erft, alle Dörfer beg ©rbbaflg $u faftriren. ©amalg waren
fie naf)e baran, in 9?ufelanb bie 3ügel ber Regierung an fid> $u reifjen.
©er eigentlid)e (Ssar ift nadj it>rer Meinung Sßeter III., uon bem fie an*
nehmen, bafe er ijeute nod) unter bem 9tomen 2lnbrej Sroanoff in 3rfutgf
in Sibirien lebe, aber alg ©rlöfer jurüdfe^ren unb, felbjt ein Äaftrat,
9tufelanb im Sinne ber Sfopjen regieren werbe.
$0$ batirt bie £et)re fdjon aug bem 3aljre 1014, wo 2lrian au*
fliero fie begrünbete, unb würbe um 1770 burd) 2lnbrej 3manoff unb
SJtartnn 9tobienoff gegenüber ben 2lugfd)weifungen ber ©ud&oborjen erneuert,
©ie Sfopjen behaupteten bamalg, Gljriftug felbft f)abe in ber ^erfon
<peterg III. ben ruffif a)en ©l)ron beftiegen; unb nad) feinem Xobe oerbreiteten
fie bie ßunbe, bafe ftatt feiner einer feiner 3lbjutanten begraben worben, er
felbft aber nad) Sibirien geflüchtet fei. 9llg <paul I. ben Sfyron beftieg,
erfc^ien ber Sfopje 3)Ja§on oor ifmt unb erzählte ilnn bag ©eljeimnife ber
Sfopjen, bafe nämlid) fein SSater ^eter III. in ber ©egenb oon 3rfutgf lebe.
$aul I. gab Befetjl, benfelben auf jufucfjen, unb fctyliefelid) rourbe ber
Sfop5ens3)iefnag 2lubrej ^roanoff bort entbeeft unb oor ir)n gebracht.
,,»r bift ©u?" fragte it>n ber <S$ar.
„3cb bin ©ein Sßater, G$ar ^ßeter III.," antwortete ber Stoppe.
,,©u lügft," rief $aul.
„3$ rebe bie SBafrtett, fo wa^r id) Qefug Gfyriftug bin," fagte
3wanoff.
©er ftaifer liefe ir)n hierauf unter ben Hainen SReijrwojrnii (ber Un>
befannte) in bag Cbnidjows^otpital bringen.
©er 9iegierunggantritt beg milben 2lleranber I. brad)te ben Sfopjen
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Hufftfdje Secten.
357
Befreiung aus ben Verfem, in betten fie fdjjmadfjteten, unb ein neuer SJlefiiaS
üjrer Se^re trat in bem Staatsrat^ 3elienffi auf. (Seinem ©influffe
gelang es 2lnbrej 3roanoff ju befreien. XaS Sfopjentlmm breitete fid)
in Petersburg, baS 92eu»6ion genannt mürbe, aus unb brütete ben walm*
fmnigen plan aus, bie $errfcr)aft in »tufjlanb an ftcr) $u reiften unb fobann
ade SBölfer ju faftriren. S3ei jebem 2lmte follte ein Sfopjen* Prophet
als geheimer 2lgent angejtettt unb 3roanoff bem ßaifer als „Senfer" bei=
gegeben werben. Sein Äabinet follte ben Sitel „©örtliche flanjtet" erhalten.
3elienffi legte bieS projeft bem ßaifer pot, ber ilm bafür in ein Älofter
fperren liefj. dagegen führte Sroanoff bie Propaganda in Petersburg
offen fort unb errang immer mer)r ©influfj in ben tjöd&ften Sagten ber
bortigen ©efellföaft.
@rft 1820 gelang es bem ©ouoerneur ©raf 9JMlorabooitfdj ben
Aaifer jn einem entfdjiebenen ©infäjreiten gegen bie Sfopjen $u bewegen.
Swanoff mürbe nun gleichfalls in ein tflofter gefperrt, wo er 1832 ftarb.
gür bie Sfopjen lebt er aber f)eute noc§ unb wirb fo lange leben, bis
er feine SRifiion, alle Völfer beS ©rbbaHS ju faftriren, erfaßt f>at. 3n
golge ber Verfolgungen, benen bie Sfopjen feüt)er ausgefegt ftnb, ^at ftdj
ein großer STr)eil berfelben in ben Salfanlänbem, befonberS in Rumänien,
mebergelaffen*). 3()re 3a\)l betragt bort über 20 000.
$)af$ bie rwffifd&c Regierung im Redjte ift, wenn fie biefe wahnimnige
Secte mit ber grö&ten Strenge oerfolgt, lägt fid) rooljl begreifen. £)te
Sfopjen werben entweber nadj Sibirien gefd&icft, ober als gemeine Solbaten
für ßebenSjeit in baS &eer gefteeft unb jenen Regimenter einoerleibt,
meiere in 2lfien bie ©renjen beS Äaiferreid)S gegen bie fampfluftigen
9lomaben ber afiatifcjen Steppen ju uertfjeibigen f)aben. ^f)xe Se&re
franft an einem grojjen SBiberfprud). SBenn es wirf lieh ein ©ebot
©otteS ift, bie Statur ju freudigen, unb ein befonbereS Verbienft ben ©e*
fd)led)tstrieb ju bezwingen, fo fönnte biefes Verbienft nur im fortwäljrenben^
Kampfe mit ber 9totur unb ben Verfügungen ber Sinnlicr)feit erworben
werben. 2ßo eS feine Verfügung giebt, ba giebt es aud) feine Xugeub.
3nbem bie Sfopjen Bannern unb grauen jeben gefdjledf)ttidjen Verfefyr,
alfo jebe Sünbe unmöglich machen, richten fie fid) ben 2Beg jum Gimmel
bod) allju bequem her. ©benfo wenig ift it)re ßerjre confequent. 2Bäre fie
confequent, fo würben fie überhaupt feine ftinber mehr in bie Seit fefcen,
fonbern gleich mit 23üfjen unb Gntfagung beginnen unb biefeS gan$e
fünbrjafte ©efdjled^t auSfterben (äffen.
Unbegreiflich ift e£, bafe gerabe fieute aus ber befferen klaffe, xoo\)U
habenbe, ja reiche unb gebilbete Sftenfdjen, biefer abfdjeulid^en Secte an-
gehören. 2113 im 3ahre 1869 in Rufelanb eine 3ln3ar)t Sfopjen eutbeeft
unb oor ©ericht geftellt würben, befanben fic^ unter benfelben mehrere
*) S*gl. ben Orientartifel im 3utitjeft, Söb. 50, 3. 101.
dich.
353
ber reidjften ©elbwechSler unb ßaufleute, foroie Beamte unb Sehrer.
$>ie Sfopjen boten 2llIeS auf, um ben gürften UrufToff, ben berühmteren
SSertheibiger ÜHoSfauS, ju bewegen, bafj er itjrc Sache r»or ben Sdjranfen
beS ©ertchtS nertrete, was biefer gleich 2lnfangS entfct)teben surücf*
gewiefen r>attc. Sutxfr ^t man bem gürften Uruffow eine 2ttiHion
9tubel an, man legte fie ihm fogar auf ben £ifch; aber ber gürft blieb
feft, obwohl er fein Vermögen befifct. 9hm boten ihm bie Sfop^en, bie
baS geheimnifjooHe 5Wefe ihres ©nfiuneS über gan$ ftufelanb breiteten unb
beren gäben r)od^ hinauf, bis ju ber ^erfon beS Gjaren liefen, ®^ren,
Stürben unb Drben an. 2tls auch bieg nicht gelang, würbe Uruffoff eine*
£ageS 5U einem reiben 9Jtonn berufen, ber angeblich fein Xeftament
machen wollte. Slber ftatt ju einem Sterbenben, mürbe er in einen Saal
geführt, ber ooflfommen bunfel mar, als er eintrat, unb in bem jidj, als er
plöfelia) ^ell erleuchtet rourbe, ein ganjer weiblicher Clrnnp feinen ©liefen
geigte, ftunbert Sflabchen, feine über jroanjig Jahre alt, jebe fd&ön unb
oerführerifch, bie eine fä)lanf, bie anbere üppig, biefe fdjwarj, jene blonb
ober rothaarig, ftanben ober lagen in malerifchen ©nippen umher; bie
eine oerfchämt abgeroenbet, bie anbere ^eraudforbernb unb eroberungS^
ffichttg. ©in roürbeooller ©reis näherte fich bem güriten. „Sich hier
unfere fd)önften Jungfrauen ; erwähle unter ihnen, nimm jene, bie Sir am
beften gefaßt, nimm 9IHe, bie $)ir gefallen, unb wenn $ir 2UIe gefallen,
bann wähle fie 3llle — aber r»ertf)eibige uns, rette uns!" 3lber auch bi*
SWcisc ber frönen Sf opjinnen oermochten ben gürften nicht 5U bezwingen.
2>ie Sfopjen fanben feinen SBertljeibiger unb würben fchonungSloS t>ers
urthetlt unb beftraft.
SWeljr als eine Sragöbie mag fid) innerhalb biefcr Secte abfpielen
unb ben 2lugen ber 2öelt oerborgen bleiben, ©in gall jeboch, ber oor
einigen Jahren an bie Ceffentlichfeit gebrungen ift, mag baju bienen, bie
Schrecfen biefer £ef)re fchärfer ju beleuchten.
Jn einem Söabe bes 2luSlanbeS erfchien eines £ageS eine oornehme
ruffifche Xame, beren fchroermüthige Schönheit 2luffehen erregte unb bie
Männer magifch anjog. SSiele fjulbigten ihr, aber olme jeben Erfolg; fie
fchien bie Strenge felbft. 2>a tarn ein junger granjofe, beffen leiben*
fchafttiche Siebe fie ju rühren fchien; fie oerfehrte immer intimer mit ihm,
unb er wagte ju hoffen, bafj baS ÜJtarmorbilb fia) für ihn beleben roerbf.
$)a, als er 3U iljren güfeen lag, ein 2£almfinniger unb ^Bezweifelter, als
er fich oor ihr ju tobten brohte, ba löfte bie Sphiny felbft baS traurige
9iäthfel, baS auf ihren ftummen Sippen gleichfam oerfteinert mar. „Jch
fann niemals bie Seine werben," fprach fie, „benn ich barf nicht lieben,
mein ©laube »erbietet es mir; unb wollte ich auch biefer fehreeflichen
Safcung Söiberftanb leiften, id? wäre boch für Sich verloren, niemals
fannft Xu bie Sfopjin befifcen." 9h><h immer begriff ber iinglücflia>
nicht; ba rife bie 9tuffin ihr ©ewanb auf, unb jeigte ihm bie entfefcli<h
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Kuffifdje fccten. 359
uerftfimmelte 93ruft. 3m nächfien Slugenblicf mad&tc fie aber mit einem
Xolchftofe ihrem l'eben ein (Snbe.
SHinber wiberwärtig, aber ebenfo grauenhaft, ja Dtetteid^t noch ent*
fefclicber ift bie Secte ber „£immeUfpenber", welche an bie „9XffafTinen",
bie mörberifchen Soten beS 2Uten vom 23erge, an bie inbifdjen „SBürger"
unb bie im rwrigen 3af)rhunbert in ©nglanb i^r Unwefen treibenbe „$anbe
ber ©rfticfer" erinnert.
&3 Hegt im Seien biefer Secte, bafj fie ji<h ooUftänbig im S3er=
borgenen halten, jebeä öffentltd&e Auftreten, jebe religiöfe £anblung, fogar
jebeS Reichen oor ben Slugen ber 3öett oermeiben muß, um nicht bem
Strafgericht unb beut genfer ju oerfallen. ©erabe bie$ macht fie fo
gefät)rlid) unb gefürchtet. @$ liegt in ber 9totur ber Sache, bafj man von
ihrer £ef)re, ihrer ftircheneinricbtung unb ihrem ©ottesbienfte oorläuftg nur
2£enige3 erfahren fonnte. Gin £auptbogma ihrer #ef)re ift bie mnftifche
3lnfchauung, bafe nur biejenigen jur Seligfeit eingehen fönnen,
reelle bie Sünbe beä Safeina unter graufamen Qualen mit
bem Xobe gebüfjt haben; fei e$ freiwillig, fei e$ burch bie rettenbe
#anb 2lnberer.
tiefem Sogma entfprechenb fmb bie Anhänger ber Secte ftetd bereit,
ftetS bemüht, bie Sünber, welche nicht bie eigene #uöfertigfeit jum 3)iar*
tnrium fuhrt, unter ben merfwürbigften, erlefenfteu Dualen in baS 3^^
in ba$ ^arabieS $U fpebiren; baher ihr 9tome „&immel3fpenber". Sie
finb ftetä gleichfam auf ber 3agb nach Seelen, nach 9Jienfcben, bie Tie
bem weichen ^fuf)l be3 ©enuffeä, ben Sinnen ber Siebe, bem ©lanje ber
©hren $u entreißen fuchen, um fie unerbittlich bem Xobe $u weihen.
Regelrecht, ihrem dlim entfprechenb, finbet bie blutige Crlöfung .nur
bann ftatt, wenn e3 ihnen gelingt baä Cpfer ganj in il)re 9fefce ju Rieben
unb bann auf mnftifche 2lrt oerfchwinben ju laffen, inbem fie eä als fiebere
Öeute wehrlog, jeben 2Siberftanbe$ unfähig, gefangen fortfehteppen unb
bem ^riefter überliefern, welker e3 cor ben oerfammelten ©läubigen unb
2lngefid)t$ be3 2lltare3 mit bem ftreujbilbe bem qualuollen Cpfertobe weiht.
@be e3 ju biefer feierlichen, rituellen <ganblung fommt, welche ben
finftern (SultuS afiatifcher ©ottheiten surüefruft, mufj ber Sünber eine
allgemeine deichte ablegen, unb t>on biefer, von bem Wafa feiner gehU
tritte, hängt bann auch baS 9JJafj ber Dualen ab, bie über iljn uerhängt
werben, ehe er ben ©nabenftofj empfängt. Sie ^tmmeUfpenber fa)einen in
biefer $e$ielmng befonberä erfinberifch ju fein unb eine wahrhaft teuflifche
Scala von ©raufamfeit bereit $u halten. Siefer rituelle SOloxo ift aber
begreiflicherweife mit nicht geringen ©efahren für bie gan$e Secte vex*
bunben. 3» Rufjlanb fann man allerbingS leichter Sflenfcben uerfchwinben
laffen als anberäwo, unb wo ©ntbeefung bror)t, fpricht wohl auch ber Mubet
fein SBort, unb bie &immcl$fpenber haben ohne 3^cifel ebenfo bebeutenbe
Littel jur Verfügung wie bie Sfopjen; aber e$ giebt trofcbem jaljlreic^e
360 Siicbcr lTTafod? in f tnbtjeiitfCDbertiefKn.
gälle, wo eine ©ntffifjrung beS CpferS ju bcn Unmoglidjfeiten gehört. §n
folgen gaflen iudit ber Seelenjäger ftd> baS Vertrauen beS CpferS, baS er
jidj) erwählt f>at, $u erringen unb bie Süuben, weldje biefeS auf bem ©e=
roiffen t>at, auSnifunbfdjaften. Sarnad) fprid&t er baS Urteil, roeld^e^ er
$ugleidj felbft üoflftrecft, unb jwar bort, wo es nidjt angebt, bem Sünber bie
S£of)(tf)at rwrangerjenber Martern angebeiben ju laffen, burd) einen fräftigen
Stofc in baS 2öaffer, burd) einen Soldjftofj ober ©ift. GS barf uns nidjt
Sßunber nehmen, ba§ aud) in biefer Sccte ben grauen bie §auptroü*e jus
gefallen ift. £a$ farmatifdje 2£eib ift fjart, unbeugfam, oon ungläubiger
£fjatfraft bcfeclt, eiftg falt unb bort wo es notfyig ift, aud) graufam. GS
ift fef)r begreiflid), bafe gerabe biefe Secte oor 2lüem bie jrauen $u ü)ren
2£erf$eugen erwählt \)a\. GrftenS fyerrfajt audj bei ben £immelsfpenbem
bie 2lnftd[}t, ba§ baS 2£eib f)bber fte^e, retner unb beffer fei als ber SRaim;
bas fünbbafte männliche ©efdjledjt ift es bafjer, baS oorjugSwetfe bie Cpfer
für ben blutbampfenben 2lltar ber ©ecte ju liefern f>at. Unb jweitenS : wer
wäre geeigneter, fünbige üflänner anjuloden, ju beraufdjen unb fajlieBlid)
gleia) Cpfertf)ieren bem Keffer walmfinmger «friefter $u überliefern,
als fd)öne SBeiber mit meinen ©liebern unb tjarten ^erjen? $eSl>alb
fudjen bie £immelsfpenber oorjugSroeife unter bem weiblichen ©eidjledjte
^rofeluten ju maa>n unb ihren blutgierigen ©Ott mit einer möglidjft
zahlreichen Seibmadje nerführerifdjer 2lma$onen ju umgeben, benen iebe
weibliche Schwäche, jebeS Erbarmen fremb ift. $iefe weiblichen
2lffaffiuen feilen fid) in jwei Älaffen, bie Seelenfängerinnen unb
bie Dpferinnen.
Sie Seelenf ängerin betreibt bie Sflenfdjenjagb mit allen Mitteln
unb Reinheiten weiblidjer £ift unb ftofetterie. Sie lebt ftetS in größeren
Stäbten, roo fte in ber Siegel als junge SBittroe unb ©utsbefifcerin aus
einem fernen ©ouoernement erfcheint; fie tritt mit allen Muren einer
eleganten Same auf unb bewegt fich in ber bellen ©efellfajaft. Sie locft
il;re Cpfer burd) ihre Steide unb Xoilettenfünfte an ftch, umfrrieft fic mehr
unb mehr burd) bie Hoffnungen, bie fte irrnen gewährt, pöfclid) ift fie
nad) ihrem ©ute abgereift. SieS ift ber entfebeibenbe Moment. Schreibt
ber oon il;r Umftrtdte nur einen einzigen 33rief ooll Vorwürfe unb ooü
Setmfudjt an fie, fo jeigt fie fid) fofort erweicht unb labt ilm ein, fie $u
bejua)en, wobei fic tfmt alles irbifd>e ©lud oerljeißt. golgt er ber Socfung,
bann ift er uerlorcn; er betritt ben einfamen (Sbelbof, beffen ^enin bie
Gcelcitfäiigerin 51t fein oorgiebt, um ilm nid)t wieber $u oerlaffen. Statt
in ben binnen ber (Beliebten finbet er ftdj unerwartet in ber ©ewalt eines
Ijinterliftigen äi'eibe^, bie il)n erbannungSloS il)ren blutgierigen Sdjweftcnt,
ben Cpf er innen überliefert.
Gr wirb nun in einem unterirbifdjen ©ewölbe burdj ewige 9?aa)t.
junger unb Surft erft mürbe gemalt unb bann, wenn er uollftänbig ge^
broa)en ift, bem ^riefter vorgeführt, ber feine ^eia^te r)ört. ©r geftebt
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Jlnffifd^e Secten. o6\
bann 9tfleS, was er auf bem ©ewtffen f>at, benn er afjnt nodj nidu\ in
roeffen &änben er fid) befinbet, unb §offt burd) 3leue unb 33u§e feine
ßerfcrljaft abjubüfcen. STber jefct ift er bem Tobe gemeint. $ie ©emrinbe
oerfammelt fia) unb fpridjt fein Urteil. T)ie 3af)l unb bie ©röße feiner
Sünben entfdjeibet über fein Sdjidfal. ginben bie £immelsfpenber, ba&
es fdjwer wirb, für i§n baS #immelretd& ju erringen, bann fuajen fie
aus ber Segenbe ber ^eiligen bie fdjredlid&jien Martern für ifm fjeroor,
ober fte erfinnen neue, no$ nid)t bagewefene Dualen. <5r wirb hierauf
in baS fjeßerleuajtete, unterirbifd> ©ewölbe geführt, in bem bie Rimmels*
fpenber oerfammelt ftnb, oon bem ^riefier förmlidfo bem Tobe gemeint,
unb bann benDpferinnen überliefert, biefen weiblid&en Tigerinnen, beren
2lugen morbluftig funfein, wäljrenb fte an if)re graufame 2lrbeit geljen.
$er Unglücfltdjie wirb oon benfelben juerft gefoltert, ntdjt feiten mehrere
Tage nad)etnanber, unb julefet unter ben entfefclid)ften Dualen jur leeren
<£f)re ©otteS f)ingefd>la$tet; unb wafjrenb bie weiblichen Tigerinnen if>n
äerfleifajen, fingen bie übrigen ©lieber ber Secte 23u§pfalmen, meldte ber
«ßrtefter oor bem 9lltare anftimmt.
3Rand> werben in eine 2trt 3roi«9cr gefperrt, in bem fic, wie einft
bie ä}riftliä>n 3flärtorer in ber römifdjen SIrena, oon wilben Teeren,
SBölfen unb 93ären $erfletfd)t werben. Slnbere werben an baS flreuj ge*
f plagen, mit glfiffenben gangen Qejroidt ober bem §ungertobe preisgegeben.
3ene großen Sünber, wela> erft noa) gehörig gemartert werben follen,
£ängt man an ben 3lrmen ober Seinen auf, man geigelt fie, ftiajt tynen
bie 2lugen aus, ober fyuft ifmen &anbe unb güfce ab unb lagt fie, wie
einft ©emiramis bie rebettifä}en flomge, glei$ ßunben unter bem Ttfdje, an
bem bie £immelSfpenber ir)r ßiebeSmaf)( galten, bie 33rofamen auflefen.
$ie >£immelsfpenber felbft retten if>re Seele fdjon jum Tfjeil burd)
bie graufame harter unb ben qualooüen Tob, ben fte anberen Sünbern
gur Rettung if)rer Seele gewähren. 3ulefct ma^en fie aber trofebem noaj
freiwillig burd) einen glorreichen Sttärtnrertob ifjrem £eben ein ©nbe.
£aS Söenige, baS oon bem Treiben biefer Secte befannt geworben ift,
rerbanft man einem Cffoier, ber im 3a(jre 1852 oon einem frönen
Sßetbe auf ein ©ut in Sübruglanb gelocft worben ift unb bort bereits
bem. Dpfertobe geweift war. (Sin 93auernmabtt>en, beffen SKitleib er er*
regte, rettete ifjn aus ben £änben ber graufamen Seelenfängerin unb
flüchtete mit ifmt nadj fliew. $)ie ©erid&te ftellten, jebodj gan$ oergeblidj,
9facbforf$ungeu an. 9Jian fanb in bem betreffenben §aufe nidjts Sßer*
bärtiges unb als eiligen 33ewotmer einen taubftummen ©reis, aus bem
abfolut nidjts ^auszubringen war. SDaS 33auernmab<f)en oerjdjwanb balb
barauf auf rätselhafte 9Irt. <£)ev Cffijier 50g es oor feinen 2lbfd)ieb ju
nehmen unb in'S 2luSlanb 5U gelten. Mjrere 3al)re l)inburd) fd>ien es,
als ob es ilmi gelingen fottte, bem räd;enben 2lnn ber ftimmelsfpenber
ju entgegen. Ta fanb man itjn eines TageS in ^aris, in feinem
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362 Sadjer-ITlaf odj in £in&ljeim'<Dbert}eff en.
3inmter im $otel, auf entfefclidje 2lrt ermorbet. @r lag §alb angefteibet
auf feinem 33ette, an 2lrmen unb 3ü§en gefeffelt, einen flnebet im
9ttunbe; D&ren unb 9tofe waren abgefaulten, ber ißütfen mit blutigen
Striemen, bie S3ruft mit SBranbmalen bebecft, bie güfee abgefyirft. £en
erlöfenben ©nabenftofc &atte er mit einem furjen Keffer befommen, ba3
noa) in feiner ©ruft ftaf. 9flan wu&te nur, bafj eine oerfdjleierte £ame
SHbenbS naa) ifmt gefragt unb groei Stunben fpäter ba$ &otel wieber oer*
laffen £atte. 3f)re (Spur mar unb blieb oerloren.
2lud; unter ben ruffifdjen dauern madjt biefe Secte ja&lreidje Sßrofe*
loten. $on Seit ju Seit treten Propheten ober Prophetinnen berfelben
unter bem SBolfe auf, befonber« in ben norböftlid)en ©ouoernements, oon
Drenburg u. f. w. Sie prebigen bie geuertaufe, bie ÜBluttaufe unb bie
SBiebererwerbung beS oerlorenen $arabiefe$.
Sie wtrfen Söunber, inbem fte barfufe im Sd>nee waten unb gteidt)
ben inbifdjen gafirä feurige flogen in ben §änben Raiten. Sie fünbigen
an, ba& ber 2lntidr)rift ba fei unb bie $errfdjaft ber 25>elt an fid) reifeen
werbe. %a$ einjige SHittel, bem ewigen £obe $u entgegen, fei frei*
willig ju fterben. ©anje ©emeinben, oon ben 3lpofleln be£ Xobes
fortgeriffen, jie^en in ben Urwalb, wo Tie fid) mit einem $)ornenäaun ab*
fperren unb unter ©ebeten unb 93ufeübungen bem £ungertobe meinen.
2lnbere Sefenner ber graufamen fieljre oerbrennen fid) in iljren fürten
mit Söeib unb Stinbern. ©in rufftfd&er 9Mer fjat unlängft eine Scene
biefer 2lrt oerewigt. 9iidjt feiten fdjladjten SSäter iljre Äinber. So würbe
ein $auer oon bem ©ebanfen erfaßt, ba3 Cpfer 2lbraf)am§ on feinem
fiebenjäfyrigen Solme, ben er järtlia) liebte, ju mieberfjolen. @r warf fid)
eines £age£ oor ber aufgetjenben Sonne nieber unb erwartete bie (£r*
leud)tung. (Sine Stimme billigte fein 3?orf)aben. 6r banb fein Äinb auf
eine ÜJanf unb fd)nitt bcmfelben ben 2eib auf. £>ann ergriffen ifm S^eifel;
aber ein Sonnenftrafjl, ber auf ben fleinen SRärtorer fiel, betätigte oon
Beuern feinen 2Safm. 2>er Stater betete hierauf oor ben ^eiligenbilbem,
bann nafjerte er fid) bem tfnaben, ber nod) atfmiete. „^etjeiljft Xu mir ?"
fragte er.
„34 oerjeifje 3)tr," erwiberte baä itinb.
„Sag*: ,id) f)offe, bafj ©ort 2)ir oerjeifyen wirb.1"
«3$ ^offe, bafe ©ort £ir oe^ei^en wirb," wiberljolte ba$ Äinb. &
waren feine legten 2Borte.
2113 bie 9kd;baren eintraten, fanben fie ba3 Äinb tobt unb ben 33ater
auf ben flnieen oor ben $eiligenbtlbern; bicS gefd^a^ 1871.
3)1. ^rugawie l)at beregnet, bag jeit (Sutftelmng biefer Secte me^r
als 10000 perfonen, fei, e^ freiwillig, fei eä gejwungen, ben SDpfertob
geftorben finb, jene unge5ät)lt, beren £ob nidpt jur Äenntnife ber körben fam.
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9
Hnffifdje Secten. 363
III.
Bijtfdjt — Purificanfcn — Steueroerroeigerer — bas Heft 6er
frommen Ceute.
SBtel weniger fd)recflidj, aber aud> mit einer gerotffen afiatifdjen
©raufamfeit tritt bie Secte ber 33ijtfd)i ober ^rügler auf, roeldje wie
eine a3erfd)mel$ung ber glageuanten unb 3Ibamiten erfahrnen.
$a§ bie Prügel in 9iu§(anb überhaupt unb fpecieff in ber Siebe
eine große Rolle fpielen, ift befannt. ®S roirb erjä^tt, bafe eine oornelnne
junge SRuffin, bie ju Anfang btefeS 3a&rfmnbertS an einen $ran$ofen
uer^eirat^et rourbe, an ber Siebe if)reS ©arten jroeifelte, weil fie niemals
oon i^m gef dt) tagen mürbe. $ie rupfen Gjartnnen, befonberS ©tifabetl)
unb Äatfjarina II., liebten eS ju fragen unb gefangen ju roerben. 3u*
3eit ber Sefcteren befanb fid) ein fogenannter pt)i;fifdr>cr Glub in Petersburg,
in bein 2lmorS ©eia;offe burdj bie ßnute erfefct rourben.
2Bie bie Stoppen galten es aud) bie Söijtfdji ober Sprügler für
unerlaubt mef)r als ein ßinb in bie 2Eelt §u fefecn. $aj} btefeS ein
flnabe fein mufc, erinnert uns an eine beutfdje 2lnfa)auung, bie uns
^rofeffor 2Betnt)otb mitteilt. $n Steiermarf nämlid? gilt ein 2ttäbd)en
als Jungfrau, fo lange fie nur 3Räb$en unb feinen Änaben geboren tyat.
2)aS Littel, meines bie ^rfigler anroenben, um, fobalb einem Gtyes
paare ein ßnabe geboren ift, bie ©eburt weiterer flinber ju oerfjüten, ift
inbefj ein ganj anberS, oiel fjarmlofereS als bei ben Stoppen. 6s beftel)t
auSfa)liefelid) aus ber ^eitfdje in fd)öner, fräftiger grauentjanb. 2)ie ©eifeel
unb bie Rutf)e finb jeberjeit als 3ä4ti0ung£mttte( beliebt geroefen, ju
allen 3«iten mürben fie aber aud) mit ebenfo oiel ©ifer als erotifd^e Reij*
mittel benüfct. $m erften Sinne mürbe bie ©eifeel oon ben ästeten
ber erften d)riftüd)en 3aWunoerte' Den ^önajen beS 9JHtteIaltg:S, non
ben ju £aufenben um^er^ietjenben glagellauten unb ber ^nquifition ange*
menbet. 2lls erotifdjeS Reismütel mürbe bie Rutf)e, in SSerbinbung mit
Sßeljroerf, ÄafeenfeHen fdjon oon ben grauen oon SeSboS gebraust. £)ie
eblen Römerinnen ber Gafarenjett maren ebenfo roie bie 2)amen beS Littels
alters mit ben Üöirfungen ber ?iutt)e fetjr oertraut. ^n unferer fteit fdr)etnt
baS Sdjlagen ber 2flänner befonberS bei ben Polinnen unb Ruffinnen
üblid); bod) ift aud) in ^aris, in ben Greifen ber f)öl)eren ^emimonbe,
ein erottfdjeS Spiel beliebt, baß man an ber Seine jouer l'esclave, ben
Sflaoen fpielen, nennt. ©S beftefyt barin, ba§ ber oerliebte 9)fann fid)
für eine beftimmte $eit ootlftanbig als Sflaoe in bie &änbe ber Singe«
beteten giebt, roeldje ifm gan$ roie it)ren Seibeigenen mit Jufctritten unb
Silagen trafttrt. (Sief)e 3°^ 9tona.)
®ie rufnfa^en Stjtfdji roerben aber beS^alb bie ^rügel als Littel
jur Seligfeit roofjl nid)t fo leirf)t aufgeben. Sdtfäge geben unb empfangen
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Sadfer-OTafodj in £in5t}cim>(Dbert}ef fe n.
fdjeint biefen Schwärmern oerbienftlicher al$ irgenb eiu 2Berf bcr
SRächftenliebe.
2ludj f)ier bominirt ba$ 2Beib. 6« ift ba$ reinere 2Beien, beffen
religiöfe Pflicht es ift, bem unreineren, bem Spanne, ben Teufel auäju*
treiben. @in 2Beib ju fdjlagen ift bie größte Sünbe, bie ein 9Rann nad)
Slnficht biefer Secte begeben fönnte. $>ie Männer werben von ben
grauen gefdjlagen, bte grauen aber imeber von grauen.
Sobalb ein 9)tonn fi$ oerlobt bat, ift er auch ichon ber ^eirfd&e
ber Kolben sBraut ausgeliefert; unb biefe macht gern ©ebraudj oon ber*
felben, gilt e$ bodj baS Seelenbeil beS GJeliebten. $ie meiften Schläge
giebt e$ natürlich in ber erften 3eit ber jungen ©he, f o bafc bei ben rufftiajen
glagellanten bie „glittermochen" eigentlich „<Prügetwochen" heij^en füllten.
3eber SSerfehr ber ©efa)lea)ter aufcer ber ©he ift Sünbe unb wirb
ftrenge beftraft; ebenfo werben jene ©bemänner, welche fid) oon ihren
grauen mdjt bänbigen laffen, noch befonberä gejüdjtigt, unb jwar fo lange,
big fie fi<h in ihr Schicffal ergeben. 3U biefem 3n>ecfe werben förmliche
$Prügelfotreen arrangirt, welche ben §l)arafter einer gotteSbienfUichen
ßanblung haben. 9tod)bem ber Sleltefte ben Sünbera vor ber oer*
fammelten ©emeinbe eine Straf prebigt gehalten unb fie jur 3Jufje er«
mahnt hat, werben biefelben ftehenb an bie höhnen Säulen gefeifeit,
welche in bem 93orfaal be$ 33etbaufe3 angebracht finb. X'xe SHänner unb
bie älteren grauen ftellen fta) nun an bie 2£anb unb fingen einen 33ub*
pfalm, währenb bie jüngeren grauen unb 9Jtäbd)en, jebe eine furje ^eitfd^e
in ber $anb, paarroeife ihren 6in5ug holten. Sie bilben einen großen
5trei£ um bie Delinquenten, inbem fie fid) bei ben &änben halten, unb
fingen einige 3^it ftehenb ben 33ufjpfalm mit. 25ann beginnen fie 5U tanjen,
in einem fanften ^ipthmuS, ber von Minute su Minute witber unb leioen=
fdhaftltcher wirb; unb wenn biefer bacdjanttfche Zeigen feinen £öbepunft er=
reicht fyit, beginnen fie bem armen Sünber, bie fluute fdjtoingenb, ben
Teufel aufzutreiben.
2)en Sans als religiöfe Uebung finben wir unter anberen auch bei
ben fogenannten tanjenben Xernnfcben, bann bei ben 2tDamiten, bie man
heute noch in 33öf)men in lauen SMmonbnäa>ten auf einfamen SBatb*
wiefen tanjcn fehen fann. ©an$ befonberS entwicfelt trat bie £anjmuth
als religiöfer SWahnfinn in früheren 3ahrf)unberten auf, wo Xaufenbe
tanjenbcr ^ilger bie £anbe burdjjogen unb nia)t feiten in ben fieberen
%ob hinetntanjten, fei e$ oon 33erge»höhen *n tiefe Slbgrünbe hinab, fei
e3 in ba£ 9J?eer hinein.
2Bir fommen jefct 51t einer Secte, weldje vielleicht bie merfamrbigfte
unb intereffantefte oon aßen ift. G$ finb bieS bie ^urificanten, welche
oorjugsioeife in Sibirien ihren Sife haben, in neueiier 3ett aber auch in
ginnlanb unb Sübrufjlanb aufgetaucht finb. $\)t $auptbogina ift bie
Cberherrfchaft beS äÖeibeS. $a$ 23eib ift fax nicht wie bei ben
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Huffifdje Seelen.
365
Xudhoborjen bie lebenbige ©öttin, fonbern bteweltliche§ernnin jeber
Richtung.
£oS grauenregiment ift fo alt wie bie 2Bctt. 9?on ber afiatifd^en
SemiramtS bis §ur rufftf^en Katharina, bie beibe ihre ©arten morben
Itcfeen, um bie Styei ber &errfcf)aft an fia) ju reißen, unb weiter hinauf
bis in unfere £age ringt baS 2öetb nüt bem Manne um bie fcerrfchaft.
3u ganj befonberer Slüthe mar baS grauenregiment im Mittelalter jur
3eit beS grauenbienftes gelangt, roo bie ritterlichen gelben fich um bie
2Bette ju ben Anetten fchöner grauen matten, uub ihre Serrinnen in
il>rem Uebermutlje fo weit gingen, fie in 35>olfSfelIe 5U nähen unb auf fie
3agb ju machen, ober ihre 2£afchbecfen oon ijmen auStrinfen $u (äffen;
unb bann nochmals jur 3eit ber ruffifchen Slatharina, wo eine geniale
grau ben Hermelin trug, eine äweite Spräfibentin ber 2lfabemie ber SSiffen*
fc^aften mar unb mehrere anbere Regimenter commanbirten. (Sine reit*
giöfe 2lnmenbung hat baS grauenregiment inbeg cor ben ^urificanten
nur einmal gefunben unb jwar im Mittelalter in bem Drben oon gonter*
raur. @S mar bieS baS einige fllofter, in bem grauen unb Männer
gemeinfchaftlia) lebten, bie Tonnen als bie Verrinnen, bie Mönche als
bie Sflaoen berfelben, welche ihren weiblichen Meiftem ©etwifam fchwören
unb benfelben jebe 9trt oon ftienften, aua) bie nieberften leiften mußten,
wenn fie nicht bie t)ärteften Strafen erbulben wollten. $n biefem Drben
mar bie Unterorbnung ber Männer unter bie grauen inbefc nur eine Skr*
fchärfung ber mönchifchen 2lSfefe, in bem ginne ber ©orte im 2k$e 3ubith:
,,©ott hat ihn geftraft unb in eines SöeibeS £änbe gegeben."
5öei ben ^urificanten ift eS umgefehrt; hier foll ber Mann bura) baS
3Beib jum ©uten geleitet, oerebelt, erhoben werben; ihm wirb feine Strafe
bictirt, inbem man ihm baS grauenjod) auferlegt, fonbern im ©egentheil
eine 2Bohltf)at erwiefen. 2)aS grauenregiment ift in Rufelanb etwas ganj
Natürliches, ©in berühmter ©tfmograpb lagt: SBenn baS SBeib bei ber
romanifchen 9toce bem Manne gleichet, fo ift es bei ber germanischen
bem Manne inferior; bei ben Slaoen bagegen fteht baS 2öeib ent*
fchieben in jeber Sejiehung über bem Manne, ©ine rufitföe
Sage erjählt, ba&, als ©ott eine Stene nach ^ßolen fanbte, um ben
Menfdtjen ©eift ju bringen, bie polnifd&en grauen benfelben ooflftänbig
oerfchlangen unb für bie Männer nichts übrig blieb. Man fönnte baSfelbe
Märajen oon ben Staffen erädt)len. 3n ber rufftfdjen Literatur fpuft
überall baS ©efpenft ber SBeibertnrannei, bei Turgenjew ftnben wir es
oorjüglidt) in feiner herrlichen ftooette „grühlingSfluthen."
2>te 3bee, oon ber bie ^urifteanten ausgehen, ift folgenbe.
$urch baS SBeib ift bie Sünbe in bie Söelt gefommen unb baS
$arabteS für bie Menfchen oerloren gegangen; aber gerabe bie ©efdjichte
beS SünbenfaHeS beweift, ba§ ber Mann oon Anfang an unter bem ©in=
Puffe beS 2Betbes ftanb, bemfelben untergeorbnet war. £aS 2Beib hat
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366 radjer-irtaf od? tu £i ubtteim-CDbertjef f en.
biefen ©influ& jumeift im böfen Sinn geübt unb bafür 3aljrtaufenbe
fjinburd) gebüfct, inbcm e3 bcm 2Jlann unterworfen war. 3efct ift
bic Seit ber Sufce ju Gnbe unb ber 2Iugenbttcf ber Grlöfnng ba, wel#e
nur burd) ba3 Sßeib erfolgen fann, ba biefem ©ewatt über ben Sftann
gegeben mürbe, mit Ümt $u tf>un, wa3 if)r beliebt. Sie 2BeIt wirb in
flurjem eine anbere, bas Serljältnifj ber @efd&led)ter umgefefjrt
werben. Sa3 2öeib wirb ben -iftann, ben Staat, bie ßirdpe, bie
2BeIt regieren; benn baS Sßeib fteljt über bem SJianne. ift $ur
#errin erfdjaffen, unb ber SHann ift beftimmt fein Sttaoe ju fein, iljm ju
gef)ord)en unb ju bienen. Sie Regierung be$ SJtonneS fjat nur 33öfe^
gebraut, Unf rieben, &a§, Kriege, Stutoergiefcen, (Slenb ieber 2lrt. 'Sie
Regierung be3 2£eibe3 aber wirb Segen bringen, Jrieben unb
©intraajt, Serföfjnung, Siebe; bic SBelt wirb wieb er jum^arabiefe
werben.
Sief er ^oee entfpreäjenb ijl ba3 #auptbogma ber ^Surificanten,
wie id) fa)on tyeruorfjob, bie Dber(jerrfd)aft ber grau im Staate, in ber
ftirdje, in ber ©efellfdjaft unb in ber gamilie. Sie (*lje ift bei ifmen
Fein Sacrament. ^ebe Serbinbung, bie 3Wann unb 3ßeib eingeben, ift
heilig; nur wirb e$ ifmen jur spflidjt gemacht, jufammen ju wohnen unb
ju leben.
Sie Sefenner biefer Secte, ob fie nun in einer ©fje ober in einem
anberen Serfjältniife mit einem SBeibe leben, müffen einen ©ib reiften, fid)
twHftänbig ber grau §u unterwerfen. Sie regiert ba« &au3, ber SJiann
ift nur iljr erfter Siener, ityc begünftigter Änedjt; er mu§ Tie oerebren,
ifn* gefjordjen, if)r bienen unb if)r ein 5Jtat in ber 2öo<$e, nor it)r auf
ben Ainieen liegenb, feine Sünben beizten. Sie erteilt i^m hierauf
Vergebung ober legt itnn entfpred)enbe Sufcen auf, unb wenn fie e$ nötljig
finbet, beftraft fie ifm. Sei ben ^urifkanten regieren bie grauen bie
©emeinbe, ebenfo gut wie bie gamilie; fie fpred)en 9teä)t, fie allein finb
£el)rer unb 9ler$te.
Sämmtliäje grauen einer ©emeinbe ermäßen ba£ weiblidje Ober-
haupt berfelben, weites ben Xitet „&errtn" führt. Sei biefer SiHifil
geben Schönheit unb Roheit ber ©rfeheinung ebenfo fel)r ben 9luefchlag,
wie ^erftanb unb Energie be3 2i>illen3. Sie &errin trägt eine an bie
päpftliche Xiara maljnenbe golbgefticfte Stirnbinbe auf bem ßopfe. 9)ian
fielet fie nie $u gufee, wenn fie öffentlich ericheint, fonbern ftets $u Otogen
ober 5U ^ferbe, uon ihrer Leibwache begleitet, welche au$ einer 2ln$ahl
■ junger Räbchen befielt, bie nichts 5U tlnm h*ben, al$ bie £erriu $u
beiuadjen unb ihre Sefcljle, fowie bie oon ihr bictirten Strafen ju uolI$iehen.
Senn eine Hauptaufgabe ber <perrin ift e$, barüber ju wachen, bafc bie
^länner itiren Gib fyaiien, unb bie Unge^orfamen pr Wedjenfdjaft 511 hieben.
Sie ift jiigleid) Dberpriefteriu unb oberjte 9iicbterin. (Hne SlnsaW
mäunlidjer SÜaoen ift auSfdjliefjlid) baju beftimmt, i^r ju bienen unb alle
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Kufftfdje Secten. 367
Verrichtungen in bem oon if>r bewohnten £aufe 3U beforgen. Sie SBirfuugen
btefed grauenregtment« [äffen fid& bis jefet nur al« fc^r günftige bezeichnen.
Sie HWänner biefer Secte werben allgemein al« mufterhaft gefdfulbert,
fie übertreffen alle anberen an SJiäfeigfeit, grtebfertigfeü, gletfe, Arbeits
famfeit unb 2Jforalität. SJian finbet unter ben ^urificanten meber
(Säufer, noch 9iaufbotbe, noch Siebe, ©ewaltfame Verbrechen fommen
bei ihnen überhaupt nicht oor. ßbenfo wenig giebt e« Settier ober
Vagabunben unter ifmen.
@« liegt in ber Statur ber ftbirifchen Verhältniffe, bafe gerabe in
biejer ©ecte alle nur erbenflichen Elemente oertreten finb. 2Öie in jenem
Sattbe, in golge ber mannhaften Verbannungen, alle Gonfcffionen, Nationen
unb Stänbe be« (Zarenreiches bura^einanber geworfen würben, fo finbet
man auch unter ben ^ßurifkanten Slblige, Äaufleute, Säuern, fünften
unb gabrifarbeiter, ehemalige ^riefter unb Beamte, ©elehrte unb Äünftler,
alle ©djattirungen ber ©efeUfcljaft unb ber Vilbung. <So mar eine ©räftn
längere 3eit hinburd) $errin ber 5purificanten. 3n golge beä 9iufe«, beffen
fidt) biefe 6ecte erfreut, fommt es nicht aUju feiten oor, bafe grauen ber*
felben beitreten, um fid) oon ber £orannei ober ben Softem tt)rer Männer
ju befreien. Siefen bleibt bann nur bie 2ßahl, fich oon ihren grauen
511 trennen ober ben ©lauben berfelben anzunehmen. -3m legten gaße
fe^rt fich bie (Sache fofort um unb bie refolute grau t)at ba« Vergnügen,
itjrem bisherigen £nrannen ben gufe auf ben Warfen ju fegen.
Vor ßurjem erft paffirte eine ergöfctidje ©efdfn'chte. Gin Kapitän ber
Infanterie nahm eine reijenbe junge grau unb äugleidj feinen Slbfdjieb.
Sa« glüdliaje ^Paar lebte einige 3^tt frieblia; auf feinem ©ütchen; bann
begann fich ber Gapitän ju langweilen unb in golge beffen $u trinfen, ju
fpielen unb wenn er betrunfen war, fein SBeib ju mifehanbeln. (Sine«
Sage« war biefe« entflohen unb, jmar ju ben ^urificanten. Ser ©atte,
beffen Siebe wieber erwacht war, folgte ber gluajtigen, unb ba fie fich
nicht erweichen liefe, fo trat auch er $u ben s^urificanten über unb fd&rour
feiner grau ©ehoriam. Valb oerfiel er aber wieber in bie alten Safter.
Seine grau beftrafte ihn, inbem fie ifmi jebe 2Irt oon Siebfofungen unter*
fagte unb ihm bie uieberften Sffaoenbienfte anbefahl. 311« er aber immer
renitenter würbe, führte fie bei ber £errin fllage. Siefe liefe it)n auf
ber ©teile burd) jwei 2Jiäbd)en ifjrer Seibwad&e gefeffelt in if)r &au«
bringen. &ier würbe er fo lange gefangen gehalten unb mit ber ßnute
tractirt, bi« er ooflftänbig geahmt unb reunrutt)ig ju feinem reijenben
SBeibdjen jurüdfehrte. „Sie Ijaben mich breffirt wie einen $ubel,"
pflegte er ju fa^en, ,,e« ift nur ein 2öuuber, bafe ich nicht auch apportiren
lernen mufete."
$n neuefter 3eit finb wieber 5wei Secten in ^Hufelanb aufgetaucht,
oon beren Sogmen unb ©ebaljren man bi«f)er nur fet)r wenig erfahren
tonnte, ja beren tarnen man nicht einmal fennt, obwohl eine berfelben
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368 Sadjer-lllafodf in £t nbt}eim«<Dbert{cf f cn.
bereite oor ©eridjt ftanb unb mehrere ihrer SRitglieber nad) Sibirien ver-
bannt ruurben. Diefe le^te nennt man bie Steueroerweigerer. SBieber
ift eS eine grau, bie an ber Spifee fteht, unb bielmal fogar eine, bie
roeber jung, nod) fdjön ift. Die neue ^Prophetin Domanowa ift fünfzig
3ahre alt unb macht einen flugen unb energifdjen, aber feineSroegS
beftedjenben ©inbrutf ; bennoch fd)eint fic große 27tod)t über ihre Anhänger
$u haben. Sie behauptet, ©Ott fyxbe einen ©eift $u ihr gefenbet, ber tt)r
befohlen tyxbt, biefe &ef)re ju verbreiten, ©in £auptfafo berfelben lautet:
wer bis ju ©nbe leibet, wirb er (oft. 2Ufo wieber bie inbifche $ü§er;
phifofophie! Den &auptwerth legt Domanowa auf bie 9Mä}ftenliebe; man
muj? ben 2lrtnen Reifen, Sßerfe finb 2UleS, ©ebete nichts. 3)?an
bebarf feiner ilirche unb feines «priejterS, lehrt Tie weiter, baS ftauptgebot
ift: ftiemanb etwas ju Seibe tlmn. Deshalb verweigern ihre An»
länger ben firiegSbienft unb leben nur von ^flansenfoft. Sie
erfennen roeber ben Gjaren, nod) ben Staat an. Der ßaifer ^at nur eine
bürgerliche ©eroalt, aber auch biefe ift mit bem (Sljnftentfjum nicht
vereinbar, ba feine 9Had)t über ben 3J?enfa)en ift, als GhriftuS. Die
Goaren finb feit $eter bem ©ro&en, ber eine Svnobe bilbete unb bie
geiftlidje ©eroalt unter bie weltliche fteflte, nicht mehr Ctfjrijten, fonbern
Reiben, benn bie geiftüdje ©eroalt foll über ber weltlichen
ftehen. Deshalb foll man aud) bem Gjaren fetnerlei Steuern
ober Abgaben leiften. ©S mad)t faft ben Ginbrucf als fei biefe Secte
von ben Wjjüiften in baS ßeben gerufen, um bie geiftlid^e Autorität beS
Goaren unb mit biefer aud) bie weltliche ju untergraben unb bie gro&e
9Wa(fe beS ruffifdjen SSolfeS, welche nur religiöfen Argumenten jugänglid)
ift, für bie sJieoolution ju gewinnen.
Die jroeite biefer neuen Secten nennt baS $olf „Das SReft ber
frommen Seute." Sie eriftirt feit etwa 10 3af>ren unb hat ihren
£auptfife in ©efjarabien. 3Jre $3efenner finb burdjauS Säuern.
Dieselben graben fid) ein ©rab in ihrer ßütte ober ihrem ©arten unb
liegen barin, bis fie oon junger unb Dürft überwältigt SSifionen befommen.
Sie fetjen ^eilige, Gngel unb Dämonen; aud) erfcheint it)nen ©ort, unb
biefem fclbft beizten fie it)re Sünben. Das ©rab wirb mit einem ^ölsernen
Dedel sugebeeft, in welkem eine £t)ür angebracht \\L ©in Suftlod) bewahrt
bie Selbftpeiniger oor bem (Srfticfen. Did)teS ©ebüfdj umgiebt baS ©rab,
unb ein gro&er $unb bient als Pächter, um alle profanen abzuwehren.
Die ^efeuner biefer Secte oerfehren weber mit anberen «ferfouen, nod)
untereinanber, fo bafe fie in jeber Sejiefmng baS Seben oon Anadjoreten
führen.
* *
*
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Huff if d?e Scctcn.
369
2£enn roir am 6d)foffe bie in ben fjerrfdfjenben rufftfd&en ©ecten
Ijeroortretenben £enbenjen unb ©gent§ümlid)feiten refumiren, fo ergeben
ftd) folgenbe £auptmomente :
1. 3n ber gro§en oftffaoifdjen SSelt bominirt im ©egenfafe ju ber
materiaaftif<$en 2Beltanf(f>auung be§ 2Befien3 bie inbifdje SBelt*
unb fiebensueradjtung.
2. 3n ber flaoifdjen ftace finb bie 33olfe=3nftinfte feine f riegertfdjen
roie bei ©ermanen unb Romanen, fonbem entfdjieben f rieb fertige.
3. 3m ©egenfafc ju ber ariftofratifdjen Statur ber roeftlidjen 2Belt
ijt bie 9?atur ber f(aoifd)en Wace eine eminent bemofratifdje; ber ©emem*
finn fjerrföt in ber[et6en ebenfo, roie bei ben Romanen unb_©ennanen ba3
©treben nadj ©eltenbmadjung ber Qnbimbualitat.
4. SBäfirenb ber romaniic^gennanifdje Söeften um bie Befreiung unb
©(eidjfteüung be3 2Beibe3 ringt, für>rt ba$ 2Beib im fCaoifcr)en Dften f>eute
föon factifdt) ba3 Regiment,
2Benn roir unä biefe m'er fünfte, jugteicf) mit bem fteigenben (Sinflufc
ber flaotfdfjen 5Hace in Europa, in polittfdjer, focialer unb lüerarifd&er 23es
Stellung, oor 2iugen garten, fo fommen roir ju bem ©rgebnifc, bafc bie
nä<f)\ie, große Umroäljung, meiere unbebingt au^ bem Dften fommen
wirb unb mufc, alle unfere 93erf)ältniffe, ia unfere ganjej 2ßelt, roeit
rabicater umgeftalten roirb, a(3 jebe frühere, bie fransöfifdje 3teooIution
niä)t aufgenommen, unb jroar ofme SBölferroanberung, ofme SBeltfrieg, ofjne
geuer unb (Sdjroert unb ofme ©uiüotine.
Wort unb eiib. LI., is t.
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I
<ßoetf)e=£rmnerimgen einer 3enenferin.
IHitgetlicilt von
Karl Cbeoöor (5aeber§.
— Berlin —
ei ber nad)l)altigen S^etfnafjme, meldte bie Schrift „Xa$ Jron
maim'idje $au3 unb feine #reunbe" gefunben, in reeller Am
^rommann, ber 6orjn, feinen mit ©oetlje eng oerbunbeun
lrlteni~unb einem oertrauten Greife ein fdjöneä Xenfmal gefegt fco:,
werben 21uf$eidmungen oon 2Utoine Jrommann, ber £od)ter ur.:
Sdjtoefter, allgemeinem 3ntereffe erroetfen toegen ber ^erfönlidjfeii, ber*r
liebenäroürbige, geift* unb gemütvolle ©rfdfjeinung bieten unter uns nod
in frifdjer Erinnerung fietjt, foroie um beä 3nf)alte£ mitten, burdj ter.
£id)tftral)len fallen auf berühmte ©eftalten au« ber flaffifdjen 3eit ir
SBeimar unb Qena.
2>en -)iatf), 23üd)er $u fd&reiben, oor 2Wem ifjre 3Wemoiren, mies fit
mieberrjolt jurüdf. w9lic mar idf) femer folgen ©ebanfen, nie raufete iä
beffer, bafe id) nid^t fd^reiben fann," erflärte fte im Qafjre 1838 einer.
Gerannten, ber bei il)r war, um ju feljen, ob fte nodj lebte. ©era:;
bamald führte fie eigentlich ein ßeben nadj bem £obe, gefdneben oon m:
2öelt, mit 8onne, 3)ionb unb Sternen in ©efellfd)aft, oon guten ©einer
unfidjtbar umgeben.
Styre an ^amfjagen oon ©nfe genuteten Briefe, bie fidj, bi£:
unbenu^t, im Criginal in ber $anbfdjriftenabtl)eilung ber Äönigiidr
Söibliotljef ju Berlin befinben, bieten iebod) mancherlei 9J?aterial, ba* neut
djarafteriftifdje, jartfinnige unb lebenSioarme 3üge ju bem oon ibrem ^rur<-
entioorfenen üilbe beiträgt, unb jroar oornelnnltd) aus ber legten (reoi»
©oetfp'8.
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<ßoctbe»(£rtnneruncjcn einer 3*ne"Urut. 5?^
3I(n>ine Jyrommamt, einzige £odjter be$ $Bud)f)änbler$ griebridj
grommann unb feiner ^rau 3o^anna, geb. 3Seffelf)öft, fam ben
16. 3Jtär$ 1800 in %em jur SBelt. Sieben itjr unb bem brei 3af)re
älteren SBruber grifc roud)3 in ber gamilie als 2lboptiotcd)ter bie f)olbe
SBityelmine ^erjlieb auf, roeld)e bei Hlromenä ©eburt bereite elf Safere
$äf)lte.
©in 3"3enbportrait 2lltoinen3 l)at Carotine oon Söoljogen, geb.
oon Sengefelb, S^iUer'ö ©dmmgerin, fajon 1826 gegeben im erften öanbe
i&rer „erklungen, oon ber üßetfafferin ber 2lgne3 oon ßiüen." — „$a$
6tumpfnä3d)en" betitelt fid) bieä biajterifdje $ilb, ba$ unter bem Slnfprud)
auf geinljett unb 3artl)eit nad) Sßarnfjagen^ ©efüf)l rolj unb fjerb \\t, bie
(Srfinbung barin roiberlid>. 3n ber X\)at jeigen iljre Briefe fie aU eine
tiefinnerlidje 9?atur unb oon einer weit oortfjeilljafteren ©eite: Reiter, oft
nid)t olme Junior, fajroärmerifd) unb babei bod) praftifd), oon reinfter
£er$en$güte, roa^rem ©eelenabel, flar unb milb in 2luffaffung unb 23eob=
ad&tung oon ^erfonen unb $ßerf)ältnijfen, burd) f ünitferifdje latente, Um*
gang unb £ecture fjodjgebtlbet, if)r ganjeä 2öefen oerflärt glci<$fam burdj
©oetfje'* ©entuS.
Die 3enenfer nannten fie im Sdjerj „bie ^rinjeifin." Sftur bie
9lää)ften fallen eben, ba& bei bem toogenben treiben — immer greunbe
unb grembe, 9)iufif, Söorlefung — im gaftliajen grommann'fdjen £aufe
ba$ engfte, ftrengfte Arbeiten mar. ©pridjtoörtlid) f)ie& el „bliebe"
Arbeit, roeil Wmtyn £er$lieb'$ fjausüaje* Jorgen als dufter galt.
33on 2llroine fagte bie Butter einmal, fie rounbere fidj, baft in tyrer Keinen
bewegten (Seele fdron fo oiel (Stille fei, unb bann roteber, ba§ in iljrem
tfopfe ftatt ©rillen mdjte a& Lebbien fteeften. ©efang würbe ber <Sd)mud
unb Sroft iljreä 3>afein3; bie Beitreibung, roela> 9ial;el oon ©rüneifen'3
©efang maä)t, pagt auä) ganj auf ben tf)ren. Slufeer in ber Siotenroelt lebte
fie in ber Malerei; Blumen unb 2lrabe$fen gelangen it>r oorjüglidj. 9flit
innigfter Siebe copirte fie auä) auä alten SKefebüdjern bie Initialen; fte
roar ganj anbädjtig babei; unb raenn fie biSroeilen generft mürbe, bafe bie
2Jiöna)$s2trbeit nun 5Ronnen*2lrbeit roerbe, fo erntete fie aud) baS £ob, es
fei fromm gemalt.
©lüdlid) oerflofj ifjre ßinbfjeit unb 3ugenb, lebhaft oerfefete fie fiä)
nod) im froren Sllter bal)in jurüd unb jeljrte an il)ren ©oet^e-'@rinnerungen.
(Sinft gab e$ al^3 SSci^naa^t^gefa^enf eine Interna magica. „©oetlje unb
Ziemer erbauten un$ 3lUe bamtt unb trieben e$ fo eifrig mie eine SBiffen*
fa)aft"*). Unoergeßlia; blieb il)r 3aa)aria^ SSerner neben ber eblen
©oetlje^rfajeinung al« golie. ftal)l midj, fein s^orlefen 51t Ijören,
oft au^ ber Kinberftube unb mürbe bo$ immer mieber oerbannt, roeil
mein franfeä Äöpfajen fa^on mcl)r all billig oon feiner Änba' oerbre^t
*) 25aoon erjäfjlt oueb üouii'c Seiblcr in „(i'rinncrungen unb ßeben" 3. 18.
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572
Karl <Eljeo&©r (Saebertj in 23erlin.
war." @ern badjte fie an jene frönen 3*^"/ «wo ©oethe fange unb
boch ^immliW farje 2lbenbe bei uns fa§, befonberö unier ber 9)?effe^ wenn
ich mit ber 9)iutter allein war, wo er oft von fechS bis sefm fall unouS*
gefefet allein fprad). 2£aS tonnten wir ihm geben, als teife^ 2>erfieben,
tieffte Ergebenheit unb fefteS Schweigen, worauf er bauen tonnte." —
„2iHe ia^ Äinb war," gefielt fie einmal, „liebte ich ©oettje, weit er
himmlifch gut gegen mich roar, weil i^n meine Eltern oerehrten, weil er
ju unferem &aufe gehörte; bann als ftrenges fdjeueS 9)tabd)en ron fünf=
jehn 3af)ren wanbte ich nti$ oor Manchem in feinen Schriften etwas weg;
nach unb nadh mich baS, unb als bie Ämberjafnr famen, ber profatfdbe
Ztyil oeö .$ir>anl fam, ba gehörte ich ih™ 9^3 unb fo an, ba& es feit-
bem nur wächft."
Srofc beS „Strengen, (Scheuen" hegte 2Uwine bamalS grofje Sweater*
luft unb roünfchte wof)l Cpernfängerin ju werben, üb unb wie ©oeteje
über biefe 9)iäbchenpaffion urteilte, uerfchweigt fie, er$äf)lt Dagegen, Daf?
er im föinblicf auf ihre nergeblichen Bemühungen bie franjöfifche Sprache
ju erlernen*) ben ^uefmuch lhat, nur bie Siebe 3U einem graniten
fönne ihre 3unÖe löfen. „^erfdjone mich ber Gimmel gnäbig mit biefem
glüetlichen Unglütf!" Qfn-e feftc^, itmigfle Neigung mar einem roaeferen
Teutfdjen jugewanbt, ben fie burdj» unb burch liebte. £od) fam eS $u
feinem 33unbe ffir'S Seben. 2llwine blieb unnermählt.
i'Im 9. September 1831 t»erfct)ieb ihre treffliche Butter, ber milbe gute
©eift beS &aufeS, Sicht unb 2£ärme. 9lod) bis ^ulefct wirfte fie liebenb,
opfernb, frifch für 9lnbere; ein fdmeller £ob rief fie ab. $er 2>ater
träufelte ernftlich unb lange, erholte fid) aber mieber, fo bafj er am
13. Sflärs 1836 fein ^anblungejubiläum unter Sheilnahme unb 5Xner=
fennung uou ©rofeherjog, Uniuerfität, Stabt unb greunben fet)r heiter ge=
ftimmt feierte, auch *m Slpril- feine fünfjigfte 9)?effe in Seipjig befuchte.
darnach fteigerte fich fein Seiben, &aut* unb Sruftroafferfudjt, unb auch
er entfchlief am 12. 3uni 1837. „Es roar lührenb," f abreibt 2Uroine, bie
treue Pflegerin, „bafc er in ben legten brei Xagen roieber nur ©oetbe
lefen wollte, ber ein folcher Sebensftern ihm geroejen, unb ben er boch
immer abgemelkt, baS lefcte 3<x\)x, roeil er nur ,9}eueSk wollte. &alb bewußt,
Einzelnes noch oerftehenb, fa§ er ba, umgeben oou oielen SJnnben unferes
gelben. So ift mir auch lieb, bajj es jo ftill um ihn war, als ber lefcte
*) 3ic ftellte bie fraujöfifdje Sbratfe b,od) als l'iittel unb la3 gern fransöfifät
^iidnr, allein bie iUbueigung itjier eigenfmnigen 3ul1flc war uniibenuinblid). „3lllc in
Weimar unb Scna um mid) herum fdmirrtm in biefem JMang; bei Ottilie bon ©cetbe
luuüte man ircilid) nicht, ma8 man fbrcdj, Xljurm ju SBabel, bad Enbe be» ÖetDirrei
tear meift, bc.fe Tie mid) an ben &lügel führte unb mir in einer Sbradie, bie alle (Reiftet
üei'fieljen, uni yereintgten. — 3lt 3nifl toareu jnjet (Sdimetserinnen, meldte fid) febt
atciudlten, mir biefe einjifie mangelnbe 2?oIlfcmnicpbcit nech beijubringen; aber menn
iit) iie nur feb, neigiiißcn mir wr Saugeioeilc alle ©ebanfeu, juerft bie rransötiidxn."
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<Soettje'€rinnctungen einer 3cncnfer'". 373
£audj entflof). $er 2lbenb ruf)te über bem ©arten, ben er liebte; tdj
bat meine ©efdjroifter, fid) juVfwlen, ba würbe ber 2Itf)em f<lljwädf)er, unb
uoc& etje fie, gerufen, fommen tonnten, rjatte er fein £aupt nad) einem
tiefen Saut in meinem %xm jur ewigen 9iulje gelegt. $te fdjiueren kämpfe
ber legten 3af)re waren geenbet, ein wunberbar genütztes Seben für fner
betroffen."
$)te Softer unter jog ftdj ber mtereffanten unb audj wef>mütf)igen
Arbeit, Rapiere unb Briefe beS Verftorbenen 511 orbnen, bie if>r ber Sruber
ubertragen; eS waren oiele Briefe barunter pou ©bei, bem 3ä)n>2i$er
SHeifenben, gierte, Solling, Steffens u. f. w., unb es gereifte it>r jur
23eruf>igung, 2ltleS nad) bem 9BiCTen beS Vaters burd^ufü&ren. Unbe*
fd^reiblia; woljl traten fyx au $ Briefe ber 9Kutter an ben Vater wa!)renb
beffen Reifen 1820—27, aus benen eine grifdje unb Siebe, ein geiftig
immer angeregtes Seben iljr entgegenflrömte, baß Tie in tljrer warmen
9Ml)e fid) füllte; Diel über ©oetye aus ber 3ett, wo, wenn aud) feiten
2luge in 2luge, boi) fo mandji liebe Votfapft noij f»irt= unb Verflog,
einjelne Stunben bei ifmt neues Seben gaben.
tiefer Sd)afc liegt bem grommann'iajen Vudje $u ©runbe.
grifc befam <ganblung unb ©efdjäftShauS, Sllwtne führte ein eigener
3ufall wieber in baS alte grommann'fd&e §auS, wo fie 00m erften bis
$um breifjigften 3a^re gewohnt Ijatte, unb baS in anbere &ätrbe übergegangen
war. Sie Vefifeer, gute Vefannte, ließen iHjr brei fleine 3tntmer ab unb
ein Stücf beS ©artenS.
Sdjwere Verbinblidjfeiten lafteten auf bem Verlag. -Rur bei be*
fdjetbenen Slnfprüdjen fonnte 9Ilroine unabhängig leben. 2lber wenn fie fid)
ebrlid) fragte, ob fie Ellies, was an 5)ienfa)en, Stäbten, ©igenben in ifjre
3ugenb f)tnemgeleud)tet hatte, nid)t gefannt haben wollte unb bafür baS com
Vater baburd) ©cfparte beftfeen, fo wollte fie bod) ntd)t taufdjeu unb freute
fid) ber reiben Vergangenheit. Oft bereitete fie fid} in ftiffer Seele, fid)
als Vorleferin ber alten gürftirt oon 9iubolftabt ju benfen, einer oou ben
grauen, benen ein reifes unb ebleS Seben unoergängltapi Sf)imner
gab, fo fd)lid)t aud; ihre äußere @rfd)einung war.
9?ad) Verlauf beS SöinterS*) öffnete fta) ifjr unoermutljet ein 2ötrfungSs
freiS in ber Jamtlie beS erften preu6ifa)en GultuSminifterS, ftarl JJreiberrn
oon Stein $um SHtenftein, im einfameu, länblidjen Saneberg unweit
Verlin. „$Barum gefjft 2)u nur? X\i getjörft ja $u uns/' l)ie§ es in
Söeimar unb Sena. Oft wünfdjte man fie jurücf, man wollte „^rau
Sflinnetroft," bie „Helferin" wieber haben. w@ie fönnen ja eine älmlidje
*) 2)a8 G^rtftfctt befam einen fc^r eruften Slnftrid) burd) ben Xob beS anc^
ftrommann» befreunbeten ©rofeberjoglidjen ßeibarjteS unb ©ef). ^ofrat^eS 3o^ann
(S^tifttan Start be* 3""flcrcn, ber am 24 2>ecentber 5ERorflenÄ ftarb, „fc^Ön
unb ru^ig am Sdjlag im 3d)Iaf, gerabe 31t rcdjter 3cit, e^e fein SHubm fant."
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37^ Karl Sfqcobor cgaebertj in Berlin.
Stelle Bei ber Uniocrfität ftiften, wenn Sie nidjt ofme mid) fein fonnen,"
fefjerste fie, unb boef) $og bobei &eimroef) burdj iFir ©emütl).
Tie Trennung erfolgte im 9lprtl 1838; am 23. traf ^limine im
£aufe be3 WMnifterS ein, beffen aufmerffame unb oerftänbnijiuolle (5JefeQ=
fdjafterin fie blieb biä *»u feinem £obe, ben 14. 2JJai 1840.
„33efifcen Sie ben ^augenidW oon ©icfienborff?" fdjreibt fie im
Sommer 1838 an 58arnf)agen oon ©nfe in 33erlin. „9Mn Seben r)at in
guten Sagen fo r»iel 2lefmlid)feit mit feinem im (^auif^e^aui?, bafc ia>
roofjl meinen Doppelgänger einmal buräjfefjen möchte." 2In £*arnr)ageu
geroann fie ben geiftigen 93eiftanb , ber fie über mandje fd^roffe Äluft su
l;eben oermod)te, roo es* bem ©njelnen nur ju (eidjt fdjroinbelt.
bereits im September 1833 war bie SBefanntfdjaft mit itmi anae=
fnüpft roorbeu. 33ei grau ton ©otogen falj fie nämlid) 3?arnbagen'$
33ud) über feine ©attin !Wal)el Scoin unb trottete nad) einem ©remplar
au$ ber £anb be$ 2lutorl. „£anfen !ann id) 3^nen bura) nichts al*
Diele glüdlidje Stunben, bie mir bann werben mürben; benn wie ein guter
unb er^ebenber £au$geift mürbe es bei mir rooljnen, roie oft midj [tärten,
aufrichten unb tröften, unb roie roollte id) e$ lieben unb oeref)ren, ba3
einzige $ud)!*) Sie lädjeln nid)t über meine Sitte ober ungefaßten
2Iuabrud ; roem als lebenslänglich $ennäd&tni6, als Segen baS ©efüljl bleibt,
biefer grau .bie golbene 3^' gegeben ju fjaben, oon ber bie ^rinjeffin
im .Xaffok fpridjt, bem tonnen fid) grauen nur mit Vertrauen nafjen. $a*
fdjmerjlidje ©efüfjl, jener geliebten ©eftalt im £ebeu nie mit ftifler inniger
Stferefjrung na^en $u fönnen, fteigert fid), roenn id) aud) ba*, roaS id) fo
gern mit mein nennen möchte, nid)t befifcen foll; mein Später lebt in be=
ftänbigen klagen, ba& er, ber fo oiele ber 2lu$ge$eic$neten rannte, bie i&r
genaf)t, iljr nie begegnet."
9ita)t nur baS $udj, fonbern aud) baS 33ilb 9ialjel'S rourbe i^>r, unb
es entfpann fid) ein reger, nertraulid^er *Briefroed)fel. „3$ fjabe mir fdjon
ausgebaut," tjei&t es in bem Xanffc&reiben, „roie ia) bas tfyeure SBifb oor
mannen 2lugen unb bem Staub fdjüfcen roill; id) roill's roie bie 9Utar=
bilber mit einem anberen SMlb jufdjlie&en, unb ba* foQ eine oon ©oetfye
fein, roas meine Butter gejeid&net, mir unenblidj lieb; fann i<& fie befjer
behüten unb befdn'ifeen ? **) 23ou 9iol)el möchte man rool;l im uoüftcn Sinne
*) 2>tef)rerc 3«^rc fpäter: „£eut iffc mir mit einmal flar getnorben, baß <8 nur
ein 2?ud) fliebt, baö mid) nod) in feiner ©timmutifl Derlnffen — ,9tab,el'; e4 giebt
aiugcnblicfc, u?o id) nidit Öioetbe, nid)t bie 3?ibel lefen fann — 9taf)el immer;4* unb
über bie Briefe bon JHabel: „Wtlti eine af^ct)It^at waren fie mir, meld* 5üHc üon
©ütc unb Öcift liegt ba lnicber in menig Herten, nie £errlid;eS über ©oetbe, 2ie<f.
lyd tuar mir eine rechte (Stärhing.-
**) Xic§ SHal)eI'®cctb/c=5öilb> umgeben üon Isafen, mar ib,r ttjcncTRer ©dunutf unb
Sdiat „Sie id) nod) lebte im genieinfamen täglichen £cnfen unb (hnpfinben mit ber
Butter, jjatte fie foldjen SlMumenfd)murf neben bem £>eilig--6*önftcn, bfT i'labouna beOa
8ebia, aufgeilcH t."
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<ßoettjc-€rinnerungen einer 3euenferin.
375
©oet^e's SSort auf 2Inna 2lmalia jagen : ,£a$ tft ber SBorjug ebler Naturen,
bajj ba$ £infd)eü>en in f)ö^ere Legionen fegnenb rauft rote if)r Zweiten
auf ber ©rbe; baf? fie un$ oon bortfjer gleid) Sternen entgegenleud)ten.4 —
Sie fagen, Sie Ratten nie fo auf beftimmte Sage gehalten; td) weife nid)t,
an meinem ©eburtetag f)änge id) gar nidjt, fo aud) nid)t an bejtimmten
geften, aber ia) fann nid)t läugnen, bafe e3 ©eburtös unb Feiertage ber
Seele giebt, 2lnbenfen, bie ftd) an fotdt)e fnüofen, an benen id) nur ju
fetjr f)änge: fo ift mir ber Srüljüng immer Bewegung beS ©emütfjS, roeit
fia) bie Erinnerung eines grüfjüngS oon Neigung, 3ugenbtuft, Sßecbfet
oon ©ebidjten oon ©rieS unb einem jungen $ia)ter, 3«$«* oon ©oetfje'3
Xljeilnaljme, feiner 2lnroefenf)eit immer erneut — roenn fonft bie 2Beiben
grünten, fam er, roäre e$ aud) nur auf einen £ag gewefen!"*)
9iod) in 3ena fanb ir)rc erfte Begegnung mit SSarnljagen jtott. „3113
Sie bamaU bei uns waren," fd)rieb fie ifmt fpäter, „reifte id) mit bem
SSater gleia) nad)fier nad) Sd)roar$burg, 3fatenau u. f. m. SBie r)dtte id)
3fönen all bie 3 Ratten unb Siebter meines Düringer halbes jeigen mögen
— nur über foldjen SBipfefa fonnte ©oet^e bidjten : ,Ueber allen Sßiyfeln
ift 9tuf)' !" — 2Iuf ^arnbagen's Ätage, ba§ man fo wenig Sinn für bie
,2Öanberjaf)re' finbc, antwortete fie überra|d)t : „3dl glaubte, nur I)ier müffe
man baoon fa)weigen, benn gerabe Über fo ©etiebteS, 23eref)rte£ mit fonft
reia) ^Begabten gar nid)t foredjen ju fönnen, ift mein Qammer l)ier; unb
oft begreife id) eä nia)t, bafj man ntd)t £roft, Erhebung, Erbauung, 2ltle£
barin finbet, ba c$ mir fo ein f)eilige3 33ua) ift. gajl nie mag ta) fn'er
©oetfje nennen, id) oerfiefje ntd)t 5U wiberlegen, unb bann t§ut mir 93iele£
p wef), ärgert mid) aud) wobt, wenn fie urteilen unb wenig oon ü)m
rennen. 3JJit 2Reier**) fonnte id) 2flle3 foredjen, biefe 33üd)er mit tym
(efen, unb ba3 fam mir wie ein reines ©efd)enf be3 Rimmels nad) ber
■Kutter Sd)eiben, wo id) ein älm(iä)e$ Sufamwenfttmmen nia)t mefjr, nid)t
wieber gebofft."
Sold)e£ würbe if)r im reid)fien 2J?a§e wieber burd) ^arnfjagen ju
^cit, oor bem fie balb fein ©efjeimnijj fjatte.
So geftanb fie ifmt auf bie gorberung ber SSMttwe flarl Subw'ig
oon Knebel* 3, einige an fie gerichtete ^ßoefieen beSfelben für ben
berauäjugebenben 5Rad)fafj beisufteuern : ,,3a) wiU es nia)t tfjun — fie
finb nur ber bid)terifd) gefteigerte SluSbrucf feines Sßofjlwottertö, olme
fonft d)arafteriftifd) ju fein ; mir wäre e£ nad) meinem Sßefen eine wabre
Aufopferung unb ganj unnüfc, id) neige mid) fet)r 5U ben Korten be£
^ta)terS: ge^t bie 35ktt nid)t§ an, Xu fennft mid) gut.4 3^ hooc
aber grau oon ßuebel greiljeit gegeben, mia) bei $i)i\en unb Dr. ÜRunbt
*) ©ine aubere MenuniScfiiä: ^tutc am 8. 9?oöcmbcr unb aeftern fam <3ott\)t —
einer bet Sßkimariicf)en i'anbeSfeiertage.
**) Xiefcr f)attc 3«ia Derlaffen unb eine 5Jkofeffur in ©iefeen anflenommen.
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376
Karl (Eljco&or ßaeberfc in Berlin.
ju oerf lagen. $ie StuSjüge in bem Keinen £efte, roa$ SJfunbt herauf
gegeben, fjaben un$ fef)r intereffirt; ber erfte 33rief »om ©roßfjerjog iü
^erjer^ebenb, Einiges aus ben £agebüd)ern \)at midj au<$ fetjr angezogen
unb erfreut." @in3af)r barauf, 1835, melbet 2l(roine: „ftnebel'3 9tadV
taß rjat ^ier in 3ena rriet Gebens oeranlaßt; befonbcr$ rotu* 9?iemanb bie
Siebe ju ber ©belaufen Begreifen, ba man fidj nur erinnert, baß er fte
wie alle 2Inberen wie einen ftrengen, faft böfen ©eift ju ©ute ju galten
gefugt. 9ttid) intereffirte SSielee fein*, unb bei ber Stelle, wo er bas
anrebet, ba$ er in ben Ofen legt, fal) id) ifm lebhaft cor mir, ben
alten rounberlidjen &umoriften. 3n Den Briefen liegen redjt viele Sd)ä$e-
$)er rottye gaben, ber oon ©oetfje au£gef)t, ift mir auä) ba niä)t oerloren,
unb an bem hängt bod) oiel oon meinem Seben."
2ln Caroline oon 2Boliogen bat Stfarnfjagen 1836 einen Auftrag
ju beforgen, rooju limine grommann fidj freute: „2)ie SBoljogen ift fo
leidet ©erlebt unb roie ein wenig eiferfüd)tig, roenn e$ ©oethe unb Stiller
betrifft, Sie ift ^iimnlifd) gut für mid), id) liebe fic fo, baß tdj neulich
ganj gefaßt blieb, al3 fie behauptete, e3 fei abfdjeulidj, baß bie ^ßrinjcffut
im ,^affol erft burdj Rot etterie ifin anjietye, um ifm ab$uftoßen nachher ! —
©in fold) ©emifd) von SSeltfrau unb 5ttnbe£:9ieinf)eit, 3ugenb unb 9llter
ift gewiß feiten ober einjig roie fie mit 72 3<n)ren." 2lu$ berfelben 3*it/
1836, ^eißt e3: „grau oon Söoljogen ift geiftig unb förperlid) erboli
oon einer ftetfe glüdlidj burd) ben äßinter gefdnfft, tyr aBor)lrt»oUcn ate
fdjönfte tone beS Hilters beroafjrenb," unb im Sftooember 1837: „8d>ön
ift ber Sdjopenbauer Gifer, iln*e SRemoiren ju fdjreiben, bie SSoIjogen ift
fer)r bauon eingenommen; fte felbft fommt feiten ju if)rem 9ioman, ihre
Gräfte nehmen fef>r ab, fo roenig bie3 in ben gefelligen Stunben erfd)eint,
fo tieffid;er gef)t e3 feinen ©ang. Sie fieljt uiel unb gerne ben SJftnifter
oon ÜBangenfjeim, ben roir Dftern oertieren, roa* bei feiner großen 9tegfam*
feit ein Verluft für Qena; er ift nodj eines ber feltenen ©remplare beT
Gntlnifiaften, bie immer fparfamer herumgelm." lieber ben 1840 oeröffent-
tidjten Vornan .(Sorbelia' urteilt graulein grommann: „3m ©an$en fd^road),
im Ginjelnen fdjöne eble SebenSbltde auä reiner Seele/' 3" $e$ug auf
3ol)anna@d)openljauer berietet Tie imSenj 1838: „£>ie Sd^opentKiuer
gab alle ^interabenbe ein redjtes 5üilbr beleud^tet oon ber £ampe eifrig
an ben Memoiren arbeitenb, bid)t am Cfen roie auf einer Keinen Cafe
fid) mit bem ©lanj ber Vergangenheit bie matte ©egenroart errjeUenb;
benn wetzen Sebeuöroe^fel \)at fie erfahren ! Wix ift eS immer ju traurig,
fid; im 2Uter fo um bie äußere ßriftenj ju quälen."
^)ie Ueberfiebelung in bie 5Nä> iBerlin^, Cftcni 1838, unterbrach
nur räumlid; ben 3"fommenhang mit 2öeimar unb 3ena- %abw
finb ftarf, bie mia) feftl)alten, aud) an unfer Schloß." Dbenbrein begrüßte
SUroine in Berlin iyefannte, unb balb l;örte fie fid) aud) roieber „graulein
Sllroine" nennen, roa^ \\)x fo gut {lang, roie eine &fe &eimat. groriep,
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<ßoetr?e*C£rinncrundieu einer 3*nenfcritt. 377
Seebecf, $affow, 9?au$, Bettina Brentano, Grjarlotte oon £alb unb embere
ben SDJittelpunft beS geiftigen, äftf)etif(5=üterarifd)en SebenB bilbenbe ^erfön*
lid^feiten würben befudjt, fo oft fie aus (Schöneberg in bie £auptftabt
fiujr. 2tm fjäufigften S3arnf}agen, bem fie wödjentlidj, bisweilen fogar
täglidj SMIIette ober Briefe fdjttfte, wela> für bie (Sulturgefd) id)te jener
3ett nidjt bebeutungSlos finb, intereffant audj im ßinblid auf bie politifdjen
unb fird)lid)en 2lnft$ten beS StaatSminifterS (SrceHens oon 9lltenftein unb
eine Cuette für beffen balb ju erwartenbe SBiograpfjie.
£ier feien nur foldbe 2luf$eidmungen abgebrueft, bie im engeren ober
weiteren Sinne, nad) ber einen ober anberen Seite l)m als „®oetf)e;
Grinnerungen" gelten bürfen. 2ln oerfdjiebenen Sagen fa)reibt limine
grommann an 33arn (jagen: „3$ erwarte bie $>octorin Seebecf, bie $um
Sttinifter beftelit ift; es r)at mir etwa! SewegenbeS, wie idj biefe gamilie
Ijier wieberfinbe. Steine erfte flinbererinneruug, in ber Scfjlad)t 1806
waren fie ju uns geflüchtet, *) — id) fjatte feine anbere ©efpielen als
bie Södjter, baS fieben f)at ifmen r>teC aufgegeben 511 löien, ade beftanben 'S,
in if)rer oerfdjiebenften 2öeife, ftarf." . . . „3$ fjatte ein altes $er-
fprea>n ju löfen: SßaffowS ,Um 9Jiitternad)r oorjufingen; bort ift aud>
ein beftanbig ftiüeS ©oetf)e=geuer, baS nie erlöfc§t, in ifmt etwas pebantifdj
roie er felbft, in if>r burd)fjaud)t oon aller Söärme ir)rer ganjen @rfa>inung.
@r braute auef) bie Stelle aus ber Saljburger Grjronif j)eroor, bie mit
„Hermann unb $orotl>ea" **) oerwanbt ift. ©nblicf) löfte fidj aud) burdj
mein Singen bie Sdjeu oon Seebetf, unb ftatt einer raupen Sagfttmme,
bie iaj erwartet, flang mir ber weichte 5ton entgegen, Sieber, bie 9llleS
erfdjloffen, was er im Seben ftreng oerbirgt. ©r backte wof)l an alles
oergeblicf) (Srtjoffte, an alles bod> treu öewatjrte — wie idt>, unb fo fang
eins bem anberen bie Seele frei unb bie tränen in bie Slugeu. 28ir
fangen erregt burd) einanber, unb bod) fang fetnS für baS anbere!
SSarum finb bie 9lugenblicfe fo feiten, wo wir Slnberen unfer Heftes,
SieffteS jeigen! 3ft'S geigfjeit? ift'S Mißtrauen? ober rechte Sd)eu?" . . .
„Unb id> war bei Bettina. Sie war fet)r gut, fefjr freunblidj — einzelne
Sölifce, fpricfjt aber bod) ju oiel oon it)rer Ginfaä^tjeit, 9iatürlid)feit unb
äBafjr&eit — , über Ottilie oon ©oetfje ift fte ju fjart, weil fie SeftimmteS
in if)rem Sinn oon if)r oerlangt, ... wo ift beim iljre unenblidje ©üte,
wenn fie f)ier enbet? SBarum will fie, bie ©etftoolte, nur, bafj man in
einer einigen Sorte dlod gut fein fann? Setjr fdjön fprad) fie über
ben ©rof#er$og Äarl Sluguft, waf)rf)aft großartig über bie &e«genborf,
wie bie fiör) t)ätte füllen müffen, wie nidjt jefet nur immer nadj allen
&of;©f)ren led>$en unb'tradjten, aber au$ i^r ©uteS ju tief weggeworfen;
*) SBergl. © 0 e t f) e'd 9JI t n d) c n. ?luf ®runb lingebrucfter ©riefe gcfdjilbert
Oon Äarl I&eobor © a e b e r $. 3»o«te öertncl)rte Auflage. Bremen 1889. @. 24 folg.
**) SUergl. © 0 e t f) *'S ^ermann unb 3) 0 r 0 1 f) e a. Erläutert oon §cinrid)
2) ü n ^ c r. 3ena 185ö. @. 2.
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378 Karl <Eb.eobor (Saebertj in Scrlin.
id) blieb beinaf) gwei Stunben. Sie rennen if)re Umgebung — bie
Rapiere — ben Staub — bie untereinanber gewürfelten lüften — , aber
man fitylt'3 bodj burd) unb burd>, wenn man eine treppe fjerabfteigt, ob
bie Seele roa$ mitnimmt ober nid)t. *) . . . „«et <5bba **) fat> 2We*
gan$ feftlidt» au$. 2Bie id) bie Sljür öffne, fie&t mir ein blauer #ran$
entgegen. e$ mar ÜllleS sierlidj unb freunblid), wenig mobtief) — fetjr
eigen ein 3ufali$:2lrrangement — ba$ Jöett oon grau oon Äalb roeg
unb ber «ettfmnmel über ttjrem 2ef)nftul>t, fte felbft ganj gepult auf biefem
2rf)ronfeffel rote eine gürftin aus anberer 2£elt. &or unb nadj Tifdbe
f)atte id) mit ifn* Sologefpräd&e, fie mar fern* geftimmt unb fjat 2Heif-
roürbigeä gerebet. Unb oon rcem fjat mir grau oon flalb nad) £ifd&
erjagt? — oon Corona!***) ®ä foH aber nodjbaS ftärjere in einfamer
Stunbe mir mitgeteilt roerben, fjeute nur, bajj fte fie aufs innigfte ge=
liebt, 2We$ »erftärft an iljr rüfmtt, roa3 2lnbere anbeuten, fie ift in
2£arfd)au geboren, if)r 23ater ein Sadjfe; teiber ift fie an furchtbarer
ftranfyeit geftorben in Ilmenau — ba* lefete Sdjetben ofme Schmers,
ooH Sefmfud&t nad) Spanne, £er ©roffterjog (;at Me£ aufbieten laffen.
if)r bie lefcte 3«it su erleichtern; mie fdjmerjlid), baä fa)öne ©ebtlbe ju
benfen — leibenb — , aber fte ift nod) bie legten £age in ben grünen
£f)älern geroanbelt." . . . „.£>eute war id) bei ber Stfajorin ^aalgoro,
fanb eine fdjöne djarafteriftifdje ©ofmung, gegenüber Monbijou, rote eine
Sniel, nicf)t£ prächtig in ber (Sinriduung, aber mit Sinn, — fd)öne Silber,
unb bie grau, bie mir fo fentimental erfa)ienen, — leibenb an unheilbar
fdjredlidjem Uebel — ooU Ijeiterer Einfälle, fo ba§ audj id) gan^ in tfad&cn
unb Scfjerj mar, et)e idj e3 merfte ... 3lm Sonntag mar bie "Ipaaljoio
bei mir, idj mag iljr roeiblid) liebeooHeS 5l:!)eitneJ)nicn fein*. 2Itle* Ijat fie
mit mir burdjroanbert, in jeber Soptyaede gefeffen, fogar mit mir auf
bem 33ett, 2llte3 mar tfjr recbt. Sd)er$ berrfdjte oor, bod) audj sum
erftenmal ernfte ©efprad&e, über £umbolbt$ oiel unb tief, mir merfroürbig,
mie bie uerfd)iebenen bebeutenberen grauen, bie ia) femie, fidj fold^e
leibenfdjaftlidje Midjtung, mie fie fie Ijatte, zurechtlegen; oiel über fenfitioe
Naturen gef proben, über bie Strafe, bafj fie feiten gleiche Stimmung
galten, ben £roft, Ruberer Seib unb greub fa^neüer unb leidster mit3u-
fürjlen, 51t oerfieljen; bajroifdjen waren mir fritylid) mie fltnber. 2£>a*
*) lieber Bettina'« Srieie fd)reibt 2ll»inc an 2*amr)aaen: w$immctSgeb<mfcit
3ich,n fid) burd) balb ümfjre ©elbttbemerfuncjcn, unb man mödjte aü bie echten, reinen
Strahlen biefeS feltfamen ©eftirns fefthalten."
**) (Stjarlotte oon ftalb'ä Srditer ü>ol)iite als ^ofbarnt ber $rinyfjin Sitydm
. mit ber 3Jiuttcr im Sdiloß 31t Berlin.
***) $ie Äammerfäiiflerin (Sorona 3 rf) r ö 1 1 x, ©oetfje'3 Jyreunbin. 9?afj jmri
9btiscn: „3di luollte, gfrau con .s?alb liefee fid) bemeßen, ctioaS über Gorona aufju=
fdjreibcu, roenn auch Ijalbe ^^aiirafieen, bod) geroife nidjt unbebeutenb.* — „?öci frau
oon ttalb fanb idi feine (SoroiiasStimmuna unb marte qüimifler Stunbe."
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<SoetfjC'€r tnnerungen einer 3*n*nfer'n- 579
uns Seiben baoon blieb, pafjt feiten unter 3J?enfa)en. — 3b* ©eift ift
ntdjt bebeutenb, bod^ läßt iJ>r felbft bie Ralb (bie fie gar nia)t amüfirt),
baß fie immer ben ebeln fiarfen Sinn bewahrt, ^fyv neuer Vornan fott
oiel oon ber Seoign6 banbeln — eigen, ba fie gar nid)t franjöfifc^ tefen
fann, ihr Gigentf)ümlid)e3 bod) faum ganj wieberjugeben." . . . „grau
oon Sßoltmann mar fet)r frcunbltd^, viel ju gütig unb tyit mir bod) ben
unangenefmtften Ginbrua* gemalt; es blieb ber föaupteinbrud: bie arme
grau! Sie fpraa) oon ©oettje gerabe fo, bafe fie mid) bauerte." . . .
„2Bie id) SRaud) neutid) fagte, bajj idj bei feiner (Stählung oon ben
(Sifengiefeereien fo an ©oethe gebaut, mar er ganj erfajredt unb rief:
,3a) baa)te aud) an ihn!4 So ift'S überall, reo feine ©emeinbe (5a)teS
unb 9flea)te£ ftnbet, feben fie ju ifmt auf unb arbeiten im Sinn an ilm
weiter. — dagegen tjabe ia) wenig Sinn für Stäg ernannt Sonettens
&enfmal; wie ein falteS 3J?armorbiib wel)t es mia) an, icr) fef)e ein, baf$
oiele Sonette fd)ön finb, boa) e£ ift mir fem. 2)ie Siebe, bie ©oethe
unb Sbafefpeare uns geben, bie fühle ia) warm unb frifd) im Sdjerj
unb ©rnft."
Ueber ©oethe'S Sonette, bie Sßahloerwanbtfdjaften unb 9Jiinne
fier^Heb*) unterhielt fia) 2llwine grommann oiel mit Sarnhagen, $u=
mal fie fd)on im 3uli 1838 aus %ena hörte, bafe ihre ebenfo fd)öne roie
unglüdlia)e 3i*hKhroefto nod) in bemfelben 9)fonat ju Serwanbten nad)
Berlin reifen mürbe. Settina eignete fia) bie ©oethe'fa)en Sonette fämmts
lid) ju. So fragt Sllwine an: „2ßir fprad)en neulid) oon bem ©ebia)t
oon ©oethe, was Settina mitteilt, unb ia) finbe eben ba«, was ia)
meine, an SRimte ßerslieb (2te3) aus jener 3eit gefa)rieben. Spria)t
baS ,p^antafieretd;e 5linbl oon biefem? ia) entfinne mia)'S nia)t"; worauf
ber greunb mit „3a" antwortet.
2tm 27. 3uli faben fia) bie Sa)weftern in Sdjöneberg wieber. „9flinne
&erjlieb war oon Borgens neun Uhr big 9?aa)mtttag brei bei mir, unb
ba quoll benn fieib unb greub reid)lia) au« unferen ^erjen fjeroor; fie
füllte bura) meine (Stählungen unb 3hr lefcteS liebes Statt, was Sie u)r
gönnten, fia) bura) unb burd) für Sie erregt unb meinte, baS fei gan$ wie
©oetf>e aufgefaßt unb ausgesprochen. 3a) möchte fo gern, bafe Sie Sttinne
$er$lieb*2öala) fäljen, unb weife boa) nia)t, ob eS %l)nen rea)t wäre unb
fie 3eit finbet, bafc ia) einmal mit il)r einen Moment ju 3hnen tarne!"
„SieS gefa)ab oierjefm Xage barauf. Alwine fa)reibt am 8. 3Iuguft: ,,3a)
bin fe^r gefpannt, ob Sie 3)iinne nodj fetjen, aber immer fror), bafc fie
mit mir bei tynen war, wollte aua), Sie hätten bie Sdjweftem auf ber
treppe reben l)ören, mag'S aber nia)t wieberfagen. ^)aS ©efd;id ber brei
unglüdlia)en liebenSwürbigen grauen, oon benen wir fpraa)en geftern, hat
*) 2Ifo>ine nennt fie ftet» „2Hinnc", «oet^e „ünin^en". 3^ bettoeife im 9lflfle=
meinen auf meine bereits citirte l^onogrQptjie.
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380
Karl (Efjeobor (Saebertj in Serlin.
mic^ nod) fehr befdjäftigt; mit jroeien*) J)abc tdj ja ben hofften Jammer
burd^getitten unb burdjgefämpft, eben fo tief id) fie beflage, 1*0 fef)r ich
ihres §er$enS Seib oerfiehe, mufc id) bod) fef)r an Guftine'S ©ort benfen:
„et tous deux vont subir leur sort, c'est-a-dire, la demiure conse-
quence de lenrs caracteres." 2Benn id) benfe, baß 3Jtinne, bie fo oiel
£eib gegeben unb fo rriel Seib empfangen, nod) nn):g heitrem £ebenSab.
fa)lufj entgegenginge, wirb mir ganj leidet um'S £erj; bod) ich fürchte
mehr als id) fjoffe. 2ln iljr fu^Ce id) red)t, roie Siebe unb Sct)mer$ eng
»erbunben finb: ber flummer über fie tyat meine Butter früher in'*
©rab gebraut, unb bod) fpreche icf) fo gerne mit ihr uon ihr. — $ier
ben 9llogS mit meiern £anf jurücf — ich möchte jefct gletd) mit Qlmen
baoon fpred)en fönnen — fd)ön unb traurig unb ben oben erwähnten ©e*
banfen immer tiefer gefaßt; fonberbar bafe er gerabe gegen bie SBahloet*
roanbtfcf)aften fprtd)t **), ba er gerabe fein* mit ©oethe jufammentrifft : ?tch
badete, ia) ^ätte fdjon in Gbuarb'S tfinbbeit gezeigt, baj? es mit ibm $u
böfen Käufern b'nauSgeben mu&4." — 2)ütte kuguft reifte Winnen £er$*
lieb ab. „33or SHittroocf), uro ich fie nod) jum Gtlroagen gefeiten uriH,"
melbet SUroinc bem greunbe, „fomme id) nid)t lieber naä) Berlin, $a
fürchte ict) rotrflid), bafi Sie mid) ganj aus ben ©ebanfen »edieren, unb
fenbe GinigeS, mid) barin $u galten, $er fletne Sluffafe ift sroar nicht
über bie l&afjfoerroanbtfdjaften, bie uns befd)aftigen, bod) burch ein ©e*
fpräd) über fie angeregt unb mödjte Sie einen Moment interefftren.
Ottiliens Blätter, glaube id), ^at fie faum aufgehoben, — id) mu§ fo
riel an fie benfen jefct! SNinne geht SJiittrooch, obroof)! fie bis ben 25ten
Urlaub befommen, fie feljnt fid) aber fo hin, bafe fie bieS ben 3 Irrigen
I)ier nid)t gefagt; bie liebe Seele ift eins ber rounberltdjiten ©emifd)e."
lieber einmal nmrbe bei 9Jtind)en &:r5lieb, üerebeüä)te 2£ald), in
ber gerne bie Sefmfucht nad) Sena übermächtig, unb fie fühlte fic& ftarf
genug, um ju ihrem ©atten jurüdfehren $u fönnen. Sa tyeit fie nichts ;
fürchtete fte bod) fonft üielleid)t im nää)ften 5lugenblicf raaufenb $u werben.
9?eue Beiträge jur ^Beurteilung beS uerhängnifjoollen SunbeS mit ^rofeftor
SSkldj bieten nachftehenbe Stellen aus Briefen 2llroinenS: „lieber oiel ©utem
ift bod) ein fchroarjer gior burch ben ©ebanfen an bie armen 3roei. bie
ftcb quälen, fta) bin roie gelähmt burd) einen Jörief meines ÖruberS
über äöatch'S, — nicht helfen fönnen, ift rechte Dual/' (27. 51uguft 1838.)
„©eftern fam ein $rief uon 2Bald), es fteht fd)limm, aber nid)t fo fdjlimm,
als bie fd)laflofen 9iäd)te, roo man boppelte Sinne h^t, fie geigten. Sie
*) SWinnc £>cr,tfieb unb Ottilie öon ©oct^c.
**) lieber ©oetfye'ö Otttlten= Vornan merte id) ()icr 5oIgcn^3 aus einem Briefe
JlliüincnS an: „6ottte benn bie ©rofetjersogin bie iBabloerujanbtfdjaften nid)t ucrbairfmcn?
3n Weimar unb ^ena finb fte wenig geliebt; 3freunbinncn baben fie qclefen, eißentitd)
mit ^ibenoiaen. Slcfermann fämöfte b a f ü r, ba booten bie Damen, (Sr ber Strenge.
Trufte !'*
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<SocttjC/€rinnerutigen einer 3ctKnfcr'n- 38\
weehfelt in bcr Stimmung, unb er §ält fi$ fem, fomie bie ungünftige
oorfjerrfcht, auch ift ihr nichts in ben 2Beg gelegt, als jie reifen wollte,
ba f)at fie e$ gleich aufgegeben; jeber Content, wo fie Reiter ift, beglücft
if>n fehr." (5. September.) „SBon Winne ßerjliebsSitalch haoe ich einen
traurigen, aber milben 93rief, fie fprid)t nicht von gehen, aber uon ber
greifet unb 9JiögIid)feit, wenn e3 ihr nicht gelinge, fuij ju finben. £a£
ift ber bittre tropfen in ber Jreube! $)ie 2trme, Siebe, bie nicht mehr
recht froh werben wirb, fo ober fo." (7. September.) „&eute ift ber
(SO.) ©eburtstag ber armen Winne 2£aldj — wie fcfjwcr roirb if>r £er$
fein!" (22. Wai 1839.)
3m Sommer 1839 fdjirebte grit$ grommann'jS Softer Windjen in
£obe3gefat)r, Wonate lang. £a war'3 Winchen $er$lieb, welche nic^t uon
bem SBette if>re3 ^fatrjenfinbcS roidj. „Winne fynt uns in unferer 91oth
mit einer £reue, Siebe, greubigfeit unb Äraft beigeftanben, bie mir if)r nie
genug banfen tonnen," fchreibt ber ©ruber. „3a, ÜHiemanb pflegt wie fie."
Unrein ui^et nutbe Sllwine Witte September beäfelben 3a^re3 noch*
mala bmd) einen furjen Söefud) Winnens überrafcht. „Kenten Sie mein
(frfiaunen," melbet fie an 3?atnf)agen, „alö ich biefeS 93Iatt, in'3 Winifter=
haus eintretenb, empfange; ich f)abe fie gebeten, ben ganzen £ag ju
bleiben, ich weife nicht, ob fie e3 fann, unb ob Sie fie roieberfefjen
mögen — ihr unb mir fönnte 3hr kommen nur lieb fein — ict> werbe fo
wenig als möglich mit ihr oon bem Seib reben. Weine Schwagerin f djreibt
troftloS, fte in »edieren." 9todj ber 2tbreife: „$er arme 2£ald) benft
an ifjr SBieberfommen unb fte aua) juroeilen." (27. Sept.) Obgleich
gute flunbe eintrifft, bafe Winna roieber ruhiger geworben, fo getaugt bodj
2llwine $u ber Ueberjeugung, ba§ e$ eine Sual fei, au3 ber (Slenb nad)
allen Seiten hervorgehe, unb flagt: „2lrme$, jerriifeneS Seben!"
£a$felbe ift befannttich an bie Ceffentlid)feit gebogen unb iljr 33er*
hältnifc 3U ©oetfje unb jur Ottilie ber ,2öahloermanbtfd)aften' fer)r r>er*
fajieben aufgefaßt worben. 9?ach bem ©rfcf)einen oon Sewes' ©oettje-
biograpfne fchrieb 9üwine, bie fict) im Sluguit 1856 ju &na auffielt, an
Dörnhagen: ,,©tel ^ßlage haben wir oor Anfragen in 23ejug auf SeweS'
Steuerungen über Winne fter^lieb, unb aus einem t)ingefjaud)teu 2lnflug
lieblicher Neigung wirb ein ganj anbereä ©erhältuifc, wa$ nie fo eyiftirte."
SlOerbingS nia)t fo, wie SeweS, Stal;r, ^effe u. 31. fabeln, aber aud) nia^t
fo, wie bie obige poetifdje Slu^legung un$ fönnte glauben machen. 3)?an
mu& immer bebenfen, ba§ 3llwine $ur 3eit ber oielbeiproajenen Siebet-
epifobe erft fieben 3«^e jaulte, 9Rmdjen ^erjlieb bagegeu oerfa^wiegen
unb uerfd^loffen war unb blieb, nur einer auswärtigen öufenfreunbin
gegenüber offen. So finb il)re an GJjriftiane Selig gerichteten ©riefe, bie
meiner Schrift „©oetlje'S Einehen" ju ©runbe liegen, einjig mafegebenb
unb würben noch überjeugenber, beroeisfräftiger fein, wäre ntdjt ein
wichtiger fytil abhanben gefommen.
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382 Karl (C^coöor (ßacbertj in Berlin.
Eeben 9J?ind)en &er$lieb tautet ©oetf>e'S altefter Snfel 2£altber in
Serlin auf, mehrmals, juerft im 9M unb Cctober 1838. 3IIroinc gronu
wann mar innig bedürft. „2Bir tyxben uns immer gegenfettig auf ber
Strafte roieber jurücf begleitet, fo quollen gvagen unb tarnen übereinanber;
es ift ein lieber, entfter Seidjtfum!" Sßaltljer, bamals jmansig
3al;r alt, ftubirte Sttufif, anfangs bei gettr WenbelSfofjn unb ©einlig
in Seipjig, bann unter Söroe in Stettin, ^ulefct in 2öien. Setttna fagte
ron if)tn, er f)ätte roafjre SDcuftf in fidj, f)ätte aber nidjt §u beu Sd)uU
meiftern ge^en follen. 3m Sommer 1839 mürbe feine erfte Dper in
SSeimar beim Sweater angenommen. Sllnrine bebauerte, ba$ fte biefelbe, fei
Tie aud) mittelmäßig, nid)t mit einftubiren unb nidjt mit gittern fönne bei
ber Ülufffityrung; baS fei eine (Spodje für fie. ©in günftigeS Urt^eit au*
unparteiifd)em 9ttunbe läf?t fie aufjubeln: „2Beld)e £uft, roenn Skltber
SebeutenbeS mürbe!" — Witte Dctober fam SBalt&er ©oetr)e abermals.
Sllioine freute ftd), tfm geiftig geroad)fen ju finben; er mar fo Ijingeriffen
oon bem, roaS fie tljm von ben 3iö€unern aus bem gefangenen im
tfaufafuS' Dorlas, bafj er gleid) bie lefcte Scene componirte, rote SUefe allein
bleibt, graulein grommann fdjrieb ben 23. Cftober an Sarnljagen:
„^altfjer's 9)fufif möchte fd)toer ju fenben fein, id) ftanb bei if)m unb
las, er fal) in'S Sud), mir fal;en uns an, er fang unb fo oerflog'S! 2luf
feinem Rapier fteljt eS, unb ba möchte e£ aud) rounberlid) ausfegen, febr
ungeorbnet. $a$u ift er nod) feljr fd)eu unb will nid>ts herausgeben.
$d) babe SSattfyer ,ben befangenen' oerfprodjen, ber ©egenftanb erfaßte
ifm fo nad) meiner ©r$äf)lung, bafc id) eS ü)m oerfpred)en mufjte, it)rt balb
$u f ariden; er !ann es fo md)t componiren, bod) träumt er von
3ufammenjieljen ober nur ben Stoff nehmen ,nadj s^ufd)fin.( GS mirb
oerfliegen, aber er foH'S ^aben jum 2lnbenfen an ben 9)?orgen, an bem
er mir nod) oiel lieber geroorben." ©effen erfteS Sieberfyeft erfd)icn
1840. Sei feinem brüten Sefud) in Serlin, 3uli 1841, melbet SUroine
ifjrem greunbe: „SSaltfjer ©oetfje ift fyiex, lebenbig unb etroaS rote SHon*
fieur «gaqueS in ,2iMe es eud) gefaßt' unter uier 9lugen, aufeerbem äufjerlid)
efyer wenig oon ber 9?atur begünftigt, bieS unb bie Sd)roere feines
Samens unter ÜJJenfd)en ferner füfjlenb, allein noa) glüeflid) im ewigen
^robuciren, ju ber 28elt nod) gar feine Stellung. 2ln Salier fü^le id)
alle Ölutb oon 2Beimarifd)er £uft, unb td) benfe, er foll f)ter fid) etroaS
ausrufen, effen, bid* werben, abfüllen, er)e er roieber naa) 2Beimar ober
Italien gel;t; — er fie^t jefct aus roie ftd) felbft oerje^ren, fein §umor
ift nur nod) ^intergrunb."
2lud) über ben jmeiten ©nfel ©oet^e'S, Söolf, geb. 1820, finben
fid) einige Slufjeia^nungen. 3m Jebruar 1837: „SBolf fpielt feines
23ruberS Welobieen (jinreifjenb. 2Bolf ift tief »erlebt, an ber Gebens-
rourjel — efyrgetjig unb fleißig — äufterlid) falt, innerlid) geuer. 3^)
hänge mit allen £er$enSfafern an Seiben ;" im 9?ooember: ^be
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- — <5oetr»e *<£riti neruntjen einer ^cnenjcrtii. 585
lange nicht mein £er$ für eine Snbioibualität fo bewegt gefügt, ich tonnte
2We3 thuu, um Sßolf $u feilen; bei großer Neigung jum 2lrbetten ift
ihm baä Verbot bagegen eine große Oual, feine Öefunbheit ift aber p
leibenb. — 2>er 3lrme mit feinen fiebsefm fahren ift tief melandwlifch
ohne feine Scfmlb; id) benfe aber, feine föftliche 9iatur foü" fich bod) burch*
fampfen, wenn nicht fein Körper unterliegt"; unb brei Sahre fpäter:
„Sßolf fdjeint ein tüchtiger Wenfch $u werben."
2llmine grommann charafterifirt felbft if>r (Befühl für ®oethe'S ©nfet
als alte unb neue Neigung, oerfchlungen burd) taufenb Erinnerungen, bie
burd) unlösbare gäben bamit feftgefettet finb. — 3a, e$ liegt ein eigener
9tei$ in einem fo feften, angeerbteu 33anb olme alle SBermanbtfdjaft, roo
jeber SebenSabfchnitt neuen 2lntheil weeft, wo ber ftärffte £abel bie Siebe
nicht änbern fann.
Unter biefem ©efid)töpunft wollen auch ihre Semerfungen über
Sluguft unb Ottilie oon ©oethe, be$ $>id)ter$ Solm unb Schwiegen
todtfer, oerftanben fein. «Die fid) leicht unb oft aufbrängenbe Betrachtung,
wie ©rfwlung fudjen fo natürlich ift, unb baß, wer nicht (Gelegenheit ober
9Wutf) ^at, gute ju fud^en, bann fd)led)te ober gewöhnliche nimmt, erinnerte
9llwine einft recht an bie legten Sage oor Sluguft ©oethe'* SHeife, 1830,
wo fie im &au3 acht £age einen 33 lief in fein 3nnere3 tr)at. Sftadf) Sifdj
mußte ihm Sßalther immer oorfpielen. Xa fprach er einmal feine Seele
frei, wie ihn ba3 tröfte unb erleichtere, wie er gan$ anberS geworben,
wenn er biefe &filfe gehabt, wie aber nun 3tHe3 fo weit gefommen, baß
er, um nicht oor ben 3lugen be£ $ater3 ju©runbe ju gehen, fort müffe.
SlbenbS fpielte er bie 3)?unbharmonifa, bie eben erfunben worben; — ihn
fonnte nur eine pofitioe 33efchäftigung erleichtern, feine betradjtenbe, fein
Stubium; faft baS Einige — leiber, worin er beahalb mit Ottilie einig
war — bie Seftünmung, baß beibe ©öfme bis fünf$ef)n 3$)re STaifif lernen
müßten, bann erft fid) entfeheiben bürften, ob e$ fortjufefcen fei.
lieber Ottilie, geb. greiin oon ^ogwifdj, berichtet 3llwine 1838 an
SSamhagen: „Ottilie, bie 2lrme, Diuhelofe, fich unb 2tnbere Duälenbe unb
boch fo fd)ön unb reich Begabte — fie ift wieber hier unb wieber leibenb,
fanft, milb unb lieben« würbig, mit allen Schatten, bie nun auch SU ihr
gehören. £ier (in 2Beimar) ift fie nidjt gut, unb nie ift mir 3emanb
corgefommen, ber fo wenig oom Sehen gelernt in jebem Sinne;'' unb
1841: „Eibele Schopenhauer fchreibt mir, baß fie nicht im Stanbe fei,
irgenb eine Steigung feftjuhalten; Ottilie gab man fchulb, fie liebe 2We immer
unb jufammen, bie fie je geliebt. 2>a3 oerftehe ich fehr wohl; — wo enbet
ber Üteichtfmm folcher 3uftänbe, unb wie arm finb bie reichften Bücher?
befchreibungen gegen ba§ Seben mit all feinen uerfdjiebenften Schatten
unb Sichtern!"
$>er einigen ©nfelin ©oethe'3, 3llma, brachte gräulein grommann
feine Sympathie entgegen; pon Ghriftiane $ulpiu3 idjweiflt fie, aud)
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38^ Karl (Eljcobor (Saebertj in Berlin.
ba, roo ne fid^ bie ^erfonltdtfeiten unb ©inbrüde aus tfjrer 3ugenb vex-
gegenroärtigt. Unb baS tJjut fie f)aufig, befonberS in ber erfien 3eit iljreS
Aufenthaltes im &aufe beS SHinifterS oon 91ltenftein, ben oerroanbtfchaftlidje
unb freunbfdfiaftliche 8e$ielmngen mit <Sf)artotte oon Stein, Änebel, ©oetfje,
Staatsrat*} Sdmlfc u. f. ro. oerfnüpfteu. Sllroine ruft fiaj alle guten unb
beften Stunben oor bie Seele. Sie fcherjt, wie ihre Vorliebe oon Äinb^eit
an für alte Herren, jumal ©oett)er einft geftraft roorben; fie träumt oon ber
SSanberung mit einem greunbe nadj Siefurt burdj baS fleine ©ehöl5, baS
fie oor ber Sonne fdmfcte — ein feiig ruhiges Rehagen fdhroeigenb unb
fpred&enb — Vergangenheit, 3ufunft oerfdjmoljen mit ber ©egeuroart:
Tiefurt in feiner lieben &eimltchfeit, bie Zäunte, bie leife plaubernbe
3lm, ben Wittag im 9Jnblicf oon groriep'S ©arten, ber £eich, bie Sdjröäne,
ben Nachmittag im $arf, lange ©oethe'S ©arten gegenüber auf ber 33anf,
roo Höfels Anficht beffelben genommen ift. Viel mußte fie an ©oettje
benfen bei ben unruhigen Steinen in Vöhmen, „nur §u benfen, roie er
baS aufgefaßt, giebt Seben." geft überzeugt ift fie, baß beftänbtg taufenb
leife gäben roie ftiffer Segen als Anbenfen ©oethe'S burdj baS 2anb
Siefen. Sein 33i(b grüßt fie überall; bie oerfchiebenften Vorfälle, Xinge,
2ttenfchen rufen baS ©ebäcfyniß an Um road), an feine Stellung 3um
weiblichen ©efdjledjt, an 2luSbrüde oon if»n. $aS ^efen feiner SBerfe,
baS Singen feiner Sieber ift ihr Sabfal.
grifc fdjidte it)r ViÜetpapier, baS, juerft burcr) ©oethe bei gronrmaims
eingeführt, mannen ©rufe oon ihm gebradrt Ijat. ©ern benufet fie basfelbe
unb tfieilt Varuhagen baoon mit. Neffen äußerfi fauber geschriebene
Briefe fah fie immer mit Vefd)ämung an, inbem Ujr oabet in oieler $e*
Stehung baS Vermädjtmß beS alten Warfen oor bie Seele trat:
„«rabet (Suer Jclö in'» jicrtidi fteine,
Xajj bie Sonne gern ben gleiß befebeine;
2üenn iöäumc pflanzt, fo fei'3 in 9cei^en,
$enn fie läfet ©eorbnete* gebeiben."
3(mt oereljrt fie einen gepreßten, auf Sßappe gef lebten flranj: „£er
Spljeu non einem Stamm in ©oethe'S ©arten, ben er fet)r liebte, bie
Kornblumen oon ben erften ftränjen, bie Sie mir gaben; bie f leinen
blauen Blumen nannte ©oetfje: &immelsfterne."
2118 Varnhagen einmal fagte, baß er ©oethe'S ©ebidjt auf bie SWarjiffe
nid)t fenne, fanbte fie ihm eine winterlich erblühte unb ba,u bie ©oethe'fcfcen
Verfe:
„Sikiß tote Silien, reine ^erjen,
Sternen gleid), bejdjcibner 23eugung,
Seucfttct aus betn anittelbersen
flotf) gefäumt bie &lut& ber Neigung."
Gifrig vermehrte fie iljre ©oett)e= Sammlung, Vüdjer, 33lätter unb
Vilber, unb gab bem greunbe gern ab, roelcbem ne aud) il>r größtes heilig«
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<5oetfie = <£nnnernngen einer ^enenferitt. 385
tlnim, ba£ 9tal)el*©oetl)e^ilb mit ben SBafen permaa)t, foUte fte cor ifnn
au3 ber 2Belt ge^en.
2Bie er im 3uli 1839 Scbcrooljt fugte, um eine habetur ju gebrauten,
fanb fte e3 fe^r fuibfa), ba& bie ^ferbe, bie ifnt roecjfü^rten, gerabe fo au$=
fal)en roie bie, „roeld)e un$ fo oft beroegt 31t fef)en, roenn fie ©oeu)e
brauten; td) f)atte roafjres 3utrauen 511 biefem guten 3ei$e« für 3|)re
Dceiie." Sie roünjdjte, bog bie Sommermonbe iljm eine Begegnung
brauten mit einigen ber feltenfien grauengeflaltcn, bie noa) in Weimar
unb 3ena geblieben aus früherer 3eit unb ineljr 3»öe"D ™ fia) *)atten
als m'ele junge Samen; fie ju f ernten, regnete fie unter ifjren reid)ften
23efifc. „28er ehbete, roenn er bieje grauen alle entroideln wollte? fie
finb ba$ Seben; unb bod) fagen fo oiele Seutc, ©oetf)e Ijabe nur fd)led)te
ober fd)roaa)e grauen gefd)ilbert." - Dfnte nähere Angabe Ijeifet e3 ein;
mal: „2öaä fagt ©oettjeV ©r mäfjte leben, fie 3U unter roerfen unb ifjr
tuieber unterworfen 5U fein; bie anberen grauen ben Slbenb bei ©oetije
roaren alle roie Marionetten gegen fie." . . . „Sfttt HWunbt ging e$ mir,
roie ©oett)e mit jener fd)önen grau, — er fjat mia) nid)t biftralnren
fönnen." . . . „9)?arie 0. S. ift eine G*fd)eimmg, für bie ©octr)e ooüe
Slufmerffamfeit unb roieber fd)arfen £abe( gehabt tjätte." . . . „2>on
Ülbele Sa)openf)auer (bie franf geroefen) bie beften 9tad)rid)ten. ©oetlje
würbe fagen: gifa)a)en, fd)rotmmft $u roieber?"
©elegentlid) ettirt limine braftifa)e 2tu3fpfüä)e beä $ia)terfürften.
„^ier ein 91ad)trag ju bem ,grob fein1, ein £iebling$fprüd)roort ©oetfye'» :
,2iter fia) grün mad)t, ben freffen bie 3^9^n(- $*e* un0 Stolpern
förbert1 fjat er und in Hornburg einmal r)ödt)ft launig aufgelegt." . . . .
„6a)lu& be3 6treite3 mit Bolf. ©oetfje: ,$er tel fjätte e£ am liebiten,
ber 3J?onb roäre ein (Sierfud)en, ba tonnte er il;n freffen.'"
Unerfdjöpflidjen ©enufc bereiteten if>r ©oetf)e'3 SBerfe unb Briefe.
<Ste be$eia)net 33arnf)agen befonberS merfroürbige ©teilen unb freut fia),
roenn er mit il)r übereinftimmt. §ier feien aplrorifiifa) einige ©ebanfen
anetnanber gereift. „3n trüben £agen t)at mia) ©oetlje bod) roieber
erhoben! — Sein ,ßeben', ,2SUf)elm 3Jietfterl, ,@derinann' — ba \)<xt man
bod) SBoben unter ben güfeen unb £immel über fia). Sic ^rofefforin
3immern l;at iura) (Sarus' Briefe über ben ^aufV entbedt, ba§ ©oetfjc
aua) eine melana)olijd)e 2lber in fia) fjat, roä^renb fie fid) ir)u ,nur in
©lan$ unb £u|Y gebad)t Ijattc, nun lefen fie plöfclid) eifrig ben .gauft'l"
. . . „Sd&oty fenne ia) nur ju gut ba^ ^öglid) — Unmöglidje', aber Ijalten
<5ie aua) nid)t ba^ ÜKöglia)e für unmögltd)? — ^DZub man beim nidjt
immer an ©oetlje benf en ! roie beroegte mia) immer bie Üöiatlänberin ! roie
fennt er ginben im 6a)eiben, bleiben beim brennen! erinnern 6ie fid)
rooljl in ben ,2Banberja^reir ber Filarie unb ber fd)önen SSittroe, SBilljelm
unb be§ 3Kalerä auf bem l'ago 3Jiaggioref ple^t auf ber Qnfel? — ba
ifl aud) in Sßorten niebergelegt, road 00m Gimmel fommt in fola)en SBe*
?lorb unb 6üb LI., 153. 2«3
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386
Karl <£b.eo&or Öaebertj in Serltn.
jügen." . . . „33enn Bie fidj wofjl füllten, in ben ^auft' su geben, fo
mürbe id) bod^ erft reajt genießen; neben ben 3been, bie fdwn met)r al£
poicl finb uns su galten, faffen, liegt nodj eine SBelt oon Schmer;
unb greube für mid) in biefem Dic^terüennäc^tnife; fo ift'S mir immer wie
oieleS oon ©oetf)e.M . . . „Sßie 3()nen ber geftrige Hbenb (15. 9flai 1839 1
befommen fein mag? idj banfe es 3fmen fe^r, baf? 6ie midj aud) bamit
geseilt, benn audj in unuollfommener XarfteHung fyilft mir unter einziger
greunb immer, unb id) benfe, man fann audj otme 9JJeof)ifto weggeführt
werben auf gauft'S ober anberem Hantel über fo oieleS, was t)emmt unb
brüdt. 2)a$ ©retten — mar feinS, bie arme ©eele tyat ftä) triel
oiel 9)iüf)e gegeben! Sdjön ift'S aber unb erwärmenb, fo ein gebrängt
oolles &au£ 5U fefjn, was bod) gewife meljr ber ftunft ju ©fjren mar al*
ben glänjenben irbifd)en ©eftirnen, unter benen id) am meiften unfer
Heines gürflen^aud fudjte*)". . . . „©eftern Slbenb (21. 3uli 1839) tarn ber
3J?inifter auf ben Prolog oon ©oetl)e jur (Eröffnung be$ berliner ©djau*
foielfjaufeS, weit id) bie (Stelle citirte: ,Unb olme 3eu£ unb Jatum, 1a3J
mein 2)?unb, ging Slgamemnon, ging 91dnü* ju ©ntnb.' 3$ nuijjte iljn
lefen unb tr)at es mit Gntjüdfen; waS liegt barin, eine 2öelt!" . . .
„3$ lefe mit Suft unb Grbauung 3cfter unb ©oeteje, es ftefyt fo oiel nod)
jwife^en ben 3e^en fur nutt)- — 5Benn id) müßte, ob Sie ein wenig
jjeiter wären, würbe idj ffintn fefjr ,bie 2)iitfd)ulbigen' als Secrüre oor^
fdjlagen unb befonberS baS Sdjlufcwort ju befjerjigen."
Ginmal wünfd)t fie: „34 wollte, ©oetfje f)ätte Urlaub mein* aner-
fannt." Teffen lieber fang fie nid)t minber gern, al« bie ©oet^e'fdbeu;
biefe finb iln* barin einzig, „bafc mir ein neuer ©(ans plöfclid) im fleinften
$erS aufgeljt, wenn bie 6eele in ben 3"ftanb eintritt, ber biefe ewigen
2I*af)rt)eitcn eingegeben." GineS 2lbenbS beim reinften, flarften Sttonbem
fd)ein fingt fie Öoetye jum 2lubenfen fein Inmmlifdj Sieb: „SBreiteft über
mein ©efilb (inbernb deinen #ltcf" unb mebttirt: „s;&aS bringt ber 2)ionb
mir, l)errlid)fte 2lbenbe mit ©oetfje; wie fd)ön feiert er tfm ,Um 3Witter=
nadjt' bis bann $ulefet! wie liebte er ifm burd) alle SebenSalter,
f»ra$ es au3, — er fonnte aud; fold) tröftlia^en SJIonbeöblicf baben, oor
bem fidt) bie ©ebanfen reinigten." ... ©in anbermal plaubert fie oon
einem wunberlidjen 3ufammeutreffen. ©oet^eg „Söie fommt'^ ba§ iDu
fo traurig bift" fjatte fie eine 3eit(ang feljr befdjiäftigt; ba bat Kail
Berber um ben ©efang eines Liebes unb nannte baS. ,,©S ift aud)
l;immlif4 unb man füljlt immer oon neuem, biefe Sieber finb für ©efang
*) berfctbcit 3cit bic Dteflerton: „^eutc la§ id^ fc^t Ijübfdx 3)iittfcthiitflcn
öom ÄaufafiiÄ, Ijödjft poctifdjc Silber qucflen auö üanb unb beuten, ^a* ift eine
Seite innerer 3ctt, bic idj immer non neuem liebe unb freubig fefje, bie* ©efreunben
ber Xiänber, bic fidj fonft feinblid) fremb ftanben. faU fönnte man gu biefem ^aljer^
rüden aud) rcdjnen, ba& ÖoctjjeS ,3auft4 je^t ßanj mbjg in Berlin aur bem
Repertoire ift."
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»
<Soctt|C'<Hriniicrtiitgen einer 3cnenferitt 58?
gemacht. — 3$ lege auch baS Sieb ein, roaS 8ic nic§t rennen motten;
(Stoetze liebte es fo, bafe er nod) unenbliche Varianten ber Verfe gemadjt,
bie in ber 2Belt herumfliegen, geliebt unb f)eilig gehalten, ©elbft roie es
3elter componirt, ifi es anberS, unb ich jeige Q^nen baS nächftens."
9J2att unb äußerlich nennt Sllroine ihre Sßorte 35arnl;agen gegenüber
unb fagt fidt) felbft jum £rofte, roaS ©oethe einmal [abreibt: „Ütog'S
ausfegen, wie ein 2lmor ober ein Sgel, menn'S nur aus bem $er$en frijd)
fommt."
3m 9J?ai 1840 ftarb 9ttinifter oon 2lltenftein. 3n £agen nach ieinem
2tobe t>erfd)njanb iljr bie ©egenroart oor ber Erinnerung ähnlidjer bei
Ottilie: „2ßenn ich bie 2lugen fchlojj, wollte fein anbereS 33itb haften, als
ber lefcte 2lnbltcf ©oethe'S; ihm gönnte ber Gimmel aud) noch im £obe
ben 2lugen, ber <5eele wohljuthun. Wod) fei)' ich itm umgeben uon Sicht
unb 23lumen unb reiben Gebens -^nfignten. 2)ie Sage Ijier machte er
mir leichter."
2£a3 ir)r bamals unb in jeber Sage blieb, weil es iln* gehörte als
eroiges inneres Sigenthum: it)re Siebe jur Malerei unb 2)Jufif, ihr Seben
barin; was ftiu* fortwud)S, ofme flör) an bie 28elt ju fehren, aber bod)
uon berfelben leinte: tt)re ^eilnaljme an allem iöebeutenben influnft unb
(Schrift, ihr ©lucf in fdjöner ©egenb, Blumen, garben, eine innerliche
greube am Arbeiten, am ©Raffen ihres flcinen Weiches, wie fie es fyabtn
mußte, roo fie aud) atlmten mochte, ihre Suft an jeber eigentümlichen
9)ienfa)en»@rf(öeinung, bie ihr ganjeS SBefen burchbringenbe £reue 511 ben
greunben, namentlich $u Dörnhagen, bem „Edermann fo manches SebenS,"
unb — bie Erinnerung an eine reiche Vergangenheit, wo 2lu*eS fie jurücE-
führte auf ©oett)e!
Sh* SieblingSfprud) mar:
„23a3 nullit auf bietet ©tatton
60 breit £id) uieberlaffen!
2öie balb nicht bläft ber ^ofttllon,
5)u mufet bod) ?We3 laffcn."
2Uwine grommann lebte fortan abmechfelnb in Qena unb Berlin,
jeitmeife als Vorleferin ber Königin Slugufta, ber 2S>eimarifd)en $ßrin$effm,
unb entfchlief in ihrer Heimat am 2. 2luguft 1875; fie t)atte bis balnn
mit bem 3arjrfmnbert gleidjen Schritt gehalten. Unter ben uiefen mit
©oethe'S 2lnbenfen uerfnüpften Manien wirb auch ber ihre in Siebe unb
2ldjtung genannt.
*
VorftehenbeS uerooaftänbigen Varnhagen'S „Sagesblätter", bie, uon
Submilla 9ijfing nur auszugsweise beuufct, jefct in ber königlichen SMbliothef
ju Berlin bewahrt werben, unb aus benen idj bemnachft noa) unbeachtete
Erörterungen über ©oethe ^u ueröff entliehen gebenfe.
26*
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388 Karl Efjeo&or «acbcrfc in Berlin.
£ter juoörberft ein paar beaeidmenbe Striae ju bem fiebeusbitbe
oon äßtlbelmine&erjlieb! 2Md)en (*inbru<f beren ©rfajeinung auf ben
mit ©oetbe perföntid^ befannten SBarnbagen gemalt bal* tntereifirt un«
befonberS. $)ie betreffenben ©iutragungen lauten, 7. 3uli 1833: „^limine
grommann erjagte oon if)rer ^erwanbten, SJUnne ^erjHcb , an welche
mehrere ber ©oetfje'fdien Sonette — bie fia) 93ettiita fäljdjlid) aneignet
— gerichtet finb, namentlich bie @f>arabe, beren Söfung ber 9tome &er$-
lieb ift; aud) bie wiebtigften 3ußc $ur Ottilie in ben ,Sabfoerwanbtfcbafteir
finb oon biefem liebenämürbigen grauenjimmer entlehnt. Sir tarnen
in mancherlei Betrachtungen überein, in anberen blieben mir jVreitig."
25 3uli: „ 9JMnne Zerstieb ift hier." 7. 21uguft: „2Umine grommann unb
9ftinne Said) geb. &er$lieb befugten mich, lefetere eine feine, anmutfjige
©eftalt, unb eben fold)e ^t;fiognomie, unb eben folcheS Sefen; fe^i
etnleudjtenb war mir es g 1 e i dt), bafc ©oetl;e feine Ottilie großen*
tbeits nach il)r geformt. Äurjes, nicht ganj freies ©efpräd), bie Seit
ju fur$. — Um 6 Ufu* fam Sllwine roieber." 9. Sluguft: „9JZit limine
beiprad) id) oorgeftern bas Scbitffal breier grauen, benen, bei frönen
unb reichen @igenfd)aften, entfd)ieben gutem Sitten unb höherem Streben,
bie G()c fehlest befommen ift: Ottilie oon ©oetfje, SRinna Saldj unb
5ßrofefform Seifje in Setpjig. $ie -äflänner äße brei gehören aud) ,u
ben guten, unb bie betben lefctern ju ben ent[d)ieben ausgezeichneten. Äeiner
oon beibeu Steilen bat eigentlich Sa^ulb, bie S3erbinbung nur. 3)a war
ein grofeer Xert für 9iar)et ober bie Saint* Simoniften! Sir betrachteten
nur bas $erf)änanif}üou*e in feinen Sebensbejügen. Xraurig, fcr)r traurig!''
— Souiel über 3)tindjen ^erjlieb. SBarnbagen fd)cint fie bei ihrem jweiten
JÜefucbe in Berlin md)t gefeben ju haben, er macht roenigftens feine btes
be3Üglitt)e Dfottj.
2llwine grommann im llrtljeil Söarnbagen's unb im ^inblicf auf ihr
gemeinfames Qntereffe für ©oetbe gewinnt unfere err)ör)te Smnpatbie. £r
nennt fie „bas oortrefflicbe liebe 9)cäbcben," „bas liebe gute ßinb, von
rebüd)em iperjen, tapferem Sinn unb edjter 3nneiii$feit," rühmt ihre
gute ($infid)t, ihren feinen £aft, fagt oon ihr: „fie oerbient bas 33efte unb
bringt es unter jeber iöebingung ^eroor", toünfdjt: „£ajj es ihr einmal
red)t oollauf begegnete! fie beftänbe bie Sßxobt, fie ertrüge bie 3fteif>e oon
guten £agen, wie dlafyd fie aud) ertragen hätte. $as Sprichwort, wenn
es aud) ©oetbifd) geworben, rebet unroabr, bei ben beften Naturen fa>lä^:
eö fcl)l." lieber bie metften ^Dinge waren s-öeibe 5iemlid) einoerftanben;
über Staatswesen,, Literatur, ©efellfa^aft, 3)Jenja;en, über Seit unb hieben
im ©an^en bod; nidjt. Sinn unb ©rfa^rung Dereinigte, aber bie urfprüng-
lidje ©efübUweife trennte fie.
(Einige ber wicjtigften 9iieberjcbriften ^arnljagen^ über feine greunbin
unb iljven Öoetl)e=6ultuj3 folgen l)ier. 26. 3)?ai 1838: „3lngenel)me lieber*
rafdmng geftem, als id; in Saneberg bei 3llwine grommaun ba£ öifc'
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<Soetlje»€rinnerungeti einer 3cncnfcr«n- 58$
ftoetfje'3 in ungeroöfjnlid) ftarfem Statinen an ber sü>anb fjängen faf) unb
bie üBemerfung madjte, bafjinter fterfe nodj etwas. jSUIerbingS', jagte
Thuine, r)ob baS 33ilb aus bem 9iaf)tnen unb fie^e ba! Üiafjel'S ©npSbilb
jeigte fid), auf fold)e SBeife beftenS beiualjrt unb gefdjüfet." 12. 3uni:
„(Heftern befugte mid) Sllnrine. $tel non ©oetlje; t>anbfdjriftlid^e Blätter
von irnn, bie mir 2llroine mitteilt. 2)aS finb bod) nur bie wahren 2)td)ter,
bie uns ernfte £ef)rer unb treue güljrer finb! ©oetfje ift es uns Reiben.
— 9iadj SllroinenS gortgeljen fu^r id) burd; ben Xrjiergarten, traf fie nod)
auf ber ßrjauffee, fie trug irjre 23üdjer unb iljren tforubhimenfranj afS
Sroftfumbole, bie golbene 2lbenbfonne fdjieu Reiter baju; id) gab bem
guten 3Mba;en fülle Segnungen auf ben 2ßeg, fie ift alles heften roertf), unb
eSift ifjr uötl)ig!" 25. 3uli: „2lliuinenS SJefud) erquirfte mid), lauter i*iebe^
unb JyreunblidjeS, roaljrljafte Ermunterung burd) inniges 3ufaminenftimmen
in Grfenntnijs ©oetr)e'^ unb Siebe ju if)tn." 28. Sluguft: „3" ©oetlje'S
©eburtstag bin id) fd;ön befdjenft roorbeu, neu 3llroine mit einer präd)tigen
2lrabeSfeu=9J?alerei, aus einem alten (Soangelienbud) ju $ena oon ilu* coptrt.
Sie befudjte midj 9?ad)mittagS ; eine ftets roiflfommene ©efellfdjaft unb
roof)ltf)ätige 5flittf)eiluug. 23iel innere^ £eben quillt bier, aud) oiel äufjereS
fliegt Ijier gufammen. ©Oetzen fennt, oerftefjt unb geniefjt fie, wie ju
allen 3eüen genüft nur äßeuige. Sie glaubt an if)n, wie -Rafyd an ilm glaubte."
8. DZooember: „9llwine braute geftern bei mir eine gute, mir angenehme
Stunbe ju; ber ganje SebenSfreiS oon Sfieimar unb &\\a, in ben fie
mid) immer oerfefet, f)at bod) etroaS (SbleS, ^unerlidjeS, £>ol)eS, wogegen
uieleS 23efte oon Ijier faft nur gemein unb rof) erfdjeinen muft. (Sine
ganj anbere 2öelt!"
Seit iljrer 9luwefenrjett in 23erlin führte limine Jrommann ein
S'agebucb, baS fte im 9J?är$ 1840 SParnfjagen geigte; er mar barin ein .fiaupt-
gegenftanb, Unit jur Verwirrung, 33efd)ämuug, 3ur £aufbaifeit unb 511111
Slerger. $>ieS SWanufcript gab leiber ben erften 2fafto&, ban fid) all=
mäl)lid) bie 2öege Jöeibcr fajiebeu. l*S bcfiubet fid) worjl nod) im S-Befife ber
grommann'fdjen gamilie in 3ena, weldje rjoffeuNid) barauS bielHufjeid^uungen
unb ©efprädje über sJ)iind)eu ^»er^lieb befannt madjeit wirb; beim iuie
aua) immer bicfelben befd^affen fein mögen, jebeufallS bebeuten fie einen
®eroiun für bie ©oetljeforfdnnig.
<S*Z)ur.
€inc Kammermuftf=noDeIIc*)
Don
Karl (Sjellerup.
— Dättcmarf. —
IX.
3 muf? bodj witnberbar fein, fo ehi ®ut su f)aben/' fagte
I gräulein 6tord).
„So oft icf) ein berartigeS Skfifetbum fefje, beute id) mir
immer, wie fd)ön e$ fein muß, ein geliebte* SBeib ^ineinjufü^ren unb
lief) an ihrer greube 311 wetben, wenn äffe biefe &errlid)feit ihr ju güfcen
gelegt wirb . . . 3d> erinnere mid;, benfelben ©ebanfen gehabt $u haben, al*
id) sum erften Wal burd) biefe Vinbenattee fdt>ritt . . . G$ ift etwas fo
rounberbar geierliches, foldj ein l'aubgewölbe mit feinem füllen Statten unb
ben taufenb tanjenben 3onncnfleden — biefe lange, lange gludjt mit bem
©tücfdjen blauen Gimmel am (Stabe unb ben weiten gelben gelbern; man
wanbelt bal)in rate burdj ein ganjes Sehen in feftlichem, füllen grieben . . .
ßangfam würben rair geben, Sfem in 9lrm, oom ©ärtner^äu^djen aus, in bem
fie suerft bie ©ärtnerfamile begrüfjt hat, bis rair enblidh in'S nolle Sönnern
licht auf baS fleine ^latcau hinaustreten unb über bie gelber Ijinblicfen,
auf benen unfere Beute arbeiten, unb über all bie flaren äöaffer — unb
baS etäbtdjen unb bie Xörfer, bie fernen &ügel unb bie blauen äHalber.*
„5iun, ^l)re 23raut wirb wohl aud) sufrieben fein, in ein minber
aJirnjenbeS GSlücf heimgeführt ju werben," entgegnete grieberife.
SBityelm erföral beinahe, bafe er eigentlich an 2)iarie babei gar nicht
gebaut. Eamal« war es £arriet, mit metdjer er ging, gewefen, bie ihn
im Weifte begleitet, unb heute — nein, <D?arie nid)t. 2lud) Slntonien war
*) ?lu$ rem Säiiifdteu ucn 2iMlljclm SoltcrS. ©ingioc autorifirte unb w>si
i'cifa'f'cr iclbft biudiiic}e!Kiic Silicate.
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e$ aufgefallen, baß er „ein geliebtes 2Beib" gefagt unb nidfjt „meine SBraut".
„Sie f)aben einanber ftd)er gern/' badjte fie, „aber in feinen £uftfd)löffern
fdjeint fie nid)t ju wohnen .... 33ielleid>t ijt fie ein $u fd&merfälligcö
SBernunftioefen, als baß fie bort leben fönntc . . . Unb er ift bod) eine
fo poetifdje Statur!"
SBtlfyelm fjatte ftdj ganj in Bewegung gerebet; feine (Stimme Ijatte
einen roeidjen, elegifd)en Stfang befommtn, alä er biefe ibnllifdje $f)antafie
oortrug. ^efct fdjroieg er unb faf) cor fid) nieber. (Sin uerftimmter,
müber 3"9 foß um feinen SJtonb, nur in ieinen 2lugemoinfeln haftete nod>
ber Stimmer eines £äd)eln£. Antonie fanb ilm in biefem Slugenblicfe
ungeroöfmlid) fdjön.
„2Benn icf) mir einbilbe, baß id) eine fofdje §errlid)feit befäße,"
fagte griebertfe, „bann benfe id) baran, wie t)übfc^ e$ fein müßte, in ber
Sommerzeit SBerroanbte unb Sefannte ein3ulaben, bie fonft nid)t auf's £anb
fommen fönnen . . . f)ier ift fo oiel $la|j, fie fönnten ganj ungenirt (eben
. . . ftur müßten fie punftlid) $u ben SJtoljljeiten fommen, roenn tdj bie
große ©locfe jie^e."
„©ans atiS ob id) 2Jtorie f)örte", badete SSttyelm — unb gleidj barauf
fügte er in ©ebanfen f)in$u: „2Benn bie gute Seele nur fdjon roieber auf
bem 23 od fäße; eS ift ein ©lud*, baß fie ba£ 9tticfnjärt3 fahren nicf)t
oerträgt!"
„(Sine 3lrt gamilien*.§°tel," bemerfte Antonie.
„So fann man es ja nennen . . . Unb toaS fagft beim $u, ©eburt3=
tagSfinb? SBenn 3)u baS alle« jum ©eburtstage gefdjenft befämeft —
ober jum £odj$eit£tag ?"
Antonie antwortete nidjt gleid). Sie blicfte äur ©rbe nieber unb ftieß
mit bem Sdjirm in bie Sonnenfletfen, an benen fie oorübergingen. tyiöfy
lid) fdjütteltc fie heftig ben &opf:
„3d) will lieber gar nid)t baran benfen; id) befomme fouft oiel 5U
oiel fiuft banadj!"
„Sttein ©Ott!" rief grau Stordj. „28ir f)aben ja gan3 oergeffen, ba£
mebtidie 5linbert)äu»d)en im ©ute an^ufeljen; ba müffen mir nodj fyinl"
„3tber bort f)ält ja fd)on ber SÖagen am (Snbe ber 2lllee," menbete
ber 3)octor ein, feine Stirn mit bem rotfjcarrirten ^afdjentudje trocfnenb.
„%ü), id) muß auf alle ^ölle erft l)in!" rief Slntonie, ,,id) fann mid;
nodj fo gut auf baS föäuSdjen befinnen . . . . id) muß e£ unbebingt
toieberfefjen !"
äöill)elm läd^elte. 3(ud) er erinnerte fid) baran, wie bie fiebenjäljrige
Xont) auf ben 3e^en geftanben, iljre tounberlidjen i'ippen gefpifet, bie großen
3lugen fidt) faft aus bem Kopfe IjerauSgegucft unb in bie fleine Stube
t)ineingeftarrt fjatte, in ber bie minjigen Stühle unb Xifdj unb Sopfja fo
orbentlid) baftanben unb ber Spiegel an ber Söanb ^ing, al^ wartete bie
ganje Sßo^nung nur barauf, baß eine Swcrgfamilie einjie^en foHe. ftarriet
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392
tfcul (Bjcllernp in Dftnemarf.
tyatte ilmt juge[ad)t unb gefaxt: „5£eun fie groß fein toirb, bann wirb
gräulein Antonie wafjrfdjeinlid) mit eben einem folgen fjeißrjungrigen SHicfe
auf ba» ganje Öut fel)eu."
„föören Sie, e$ borniert/' fagtc Antonie. ift audj fo fdjroül
unb [tili geworben . . . Unb jefet blifet e£."
2lm .§orijonte, auf beut bunfeln s2i>olfengrunbe Ritter bem Meinen
SWaftenwalbe im $afen r»on Jlarrebäteminbe gitterte ein bläulid)es &ia)t.
Sauor aber lag 2lUe3 im Sonnenglanj. $ie weiße tfalfroanb beä Äirdj:
tyurotö uon Alarrebäf brü6en roarj einen langen Spiegelftreifen in bie un=
bewegte See, bie 3)tüf)le ftredte iljre glügel regungslos in bie blaue £uft
hinauf/ ba$ Gaffer be£ 33adj£ gü^erte, unb auf bem grünen SSMefenteprnaV
flimmerten bie frifdt)gemät)ten &eufdjober, rurje Scr)attenfdjteppen hinter
iidj breiteub. Unfcr)ulb$weiße Sommerwölfdjen sogen in langem 3uae ü6er
bie ftnfter^blauen Jia^tengipfel unb bie bräunlidjen Saubfuppeln ber Söudjen
l)in; leife gurgelten bie ^Sellen am guße bes fdjroff abfalleuben §ügel$
unb rafd)e(nb ftridjen bie Blätter ber söinfen an einanber Jjin unb r>er.
„§3 ift bod) fd&abe, baß grieberifc bie ganje Seit brinnen fein unb
(Sfjofolabe fodjen muß; id) foHte wirflidj fjtngerjen unb i&r Reifen."
„$ein, bleiben Sie nur rjier . . . Sie fjaben ja gehört, baä fie e$
nicfjt will . . . kommen Sie, f oH idj Sie einmal fdjaufeln?"
„C ja, unb redjt rjod)!"
Sinfonie fprang in bie Sdjaufel, er faftte ben Stricf.
„So Iwd) Sie fönnen, tcr) werbe niajt fdjwmblig !"
Unb hinauf fdjoß fie — nart; uorn in bie blaue Suft unb rücfroärt*
in bie fronen bcs halbes, als ob Tie wie eine roilbe 2)rnabe in itmen
uerfajwinben wollte, ^n leisten Linien wogten bie Jalten bes bleibe*
ifjr um bie Süße, bie fie feft übereinanber gefreujt oorgeftrecft fjielt. Sie
freute ficr) an bem füllen &uftljaud)e, ber fie liebfofenb unb ftreidjelnb
umwerte, unb fd)rie oft unwillfürlid) auf, wenn ba£ fteile ?lbwärt3gleiten
au3 ber £öl)e tyv ben Sltljem benagt, bis fie jule^jt wie trunfen fidt) ganj
bem ^iaufdje ber Bewegung Eingab, bie Süße (jinuuterfinfen ließ unb
ben 9iaden fo weit jurüdbog, baß bie lauge Sinie it;rc3 &alfe$ in ge*
ftredtem iBogen bis 511 bem ©rubren be3 ftinnä f)inaufltef. 3lb unb ju
breite fie ben ftopf ein wenig nad; ber Seite unb falj lädjelnb auj
2i>ilt>elm, ber baburd) ju immer größerer Sluftrengung angefpornt würbe.
(Sr warf ben £ut in'ä törae unb fufw fort, an ber Seine $u sieben, ob*
gleid) bie leifefte ,£anbbemegung genügt Ijätte, bie faufenbe Schaufel in
Sdjwung 31t erhalten. fiel il;m gar nidn" ein, baß bieS gefäfjrUd) werben
tonne, er badjte nid)t naä^, er füljlte nur bie Segierbe, immer unb immer
wieber biete letdjte £aft 511 beflügeln, unb ^ätte e3 aua^ mit feinen legten
Straften gefdjefjeu müifen.
X.
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<S = Dur.
393
„Um ©otteätüiHen, Äinb, rote fdjaufelft $)u ba!" rief grau Stord),
bie mit ^eegefd^irr auf ber Seranba erfaßten.
Sie fjörte es ntdjt. 9ting3umf)er fingen bie Saumnripfel an ju
raujdjen. ^ßlöfclidj fafj er, bafc fie ifjm Seiten ntadjte. Sie bat tlm
einjufyalten. (Siner ber fdjroanfcnben 3roe^9e fta^e fie w'S ©efid&t ge=
troffen.
@f)e nod; bie SdKiufel gans ftiü ftanb, f prang fie, oljne feine öülfe
anzunehmen, herunter nnb lief nad) bem ©etänber am föügelranb, beffen
00m Seeroinb jerjaufte Sudjenfronen ficr) jefct nodj ftärfer lanbeimuärts
bogen, £er ÜSinb blies ifjr baS ftletb feft um bie Seine unb jerrte in
feinen galten, eine lange, oon ben 3roßiöen aufgeriffene Strähne il)reä
blonbeu £aare3 flatterte nrie ein Söimpel hinter ifjr l;er.
„^efjmen Sie boaj etroaS um, Sie erfälten fid) fonft," fagte 2öilf)elm,
ber ifu* gefolgt war.
„34? D nein!" antwortete fie mit bem ber Sitßttrt) eigenen naioen
3utrauen auf bie unoerlefclidje geftigfeit i^rel ÄörperS. — „916er Sie
fefjen erfjifet unb angeftrengt au£ . . . 2£a$ für eine fd)ledjte fleine
©goiftin bin i$ bod), Sie fo arbeiten ju laffen unb 3l)nen nidf>t einmal
5U banfen . . . Sin idj nrirflid) fo ferner?" fügte fie mit einem
fd)elmifd)en Sädjeln ^tn^u.
„Wein, ba* märe Sünbe ju behaupten! 2lber id) roeifc ntd&t, idj tjabe
e$ $u ungeftüm getrieben, unb es ift nrirfltdj tyeifj . . . 3efct befommen
mir ©rfrifclwng burdj biefen Stauer."
„SBenn e$ nur nid&t ganj fa;lea)te$ Sßetter roirb . . . 2lber fefjen
Sie, ba* ift bod; f$ön!"
$ie Mafien brüben im &afen fingen an leife %\x fdjaufeln unb ein
paar Segel, bie jum £ro<fnen aufgehängt roaren, bläßten ftd) auf . . .
lieber bie glatte glädje be$ &aff3 begannen bunfle, gefpenftifdje Statten
bal)in5ufliegen, bis ba$ ®an$e ju einer gefräufelten ftatylblauen glädje
rourbe. £ann tauften braufeen am Ausgange ber Sudjt einzelne fleine
glänjenbe fünfte auf unb fdjaumroeifee Streifen famen l)ereingefegelt,
einer Sdiaar oon Seeoögelu gleid), roeld;e ben £afen fudjen. 2lud) baS
raufdjenbe Saub be§ Söunebe*2BalbeS cor tfmen roogte, finfter unb glanjloä
mit ben 00m Sötnbe mitgefeierten blättern.
grieberife, roeldje melbete, bafj bie Gfjofolabe fertig fei, ftörte fie in
ifjren 9toturbetrad)tungen. 2)?an r)atte be$ »tters wegen in ber Stube
gebedt.
211« man gegeffen fjatte, mar ber Regenfdjauer oorübergejogen unb ber
Gimmel über i&nen unb über ba3 £anb tynauZ roieber blau; nur über
ber Cftfee, hinter ben SJfaften, bereu Segel im Sonneulidjte glätten,
lag noa; ein föroarjblauer 9?cbel, unb bisweilen leud;tete e$ braufeen am
£ori$onte auf. Sie Regentropfen fjatten faum ben Sanb gefärbt, bem
geplanten Spaäiergange int SBalbe ftanb nta)t« entgegen.
Karl (ßjellcrup in Däncmarf.
(Sine ©efeUfdjaft lärmenber SRaeftoeber Bürger mar uor bem ßaufe
um einen mit Öierflaföen befehlen £ifd) oevfammelt. 9(ua) fie wollten
eben aufbrechen, um in ben 2Balb $u gehen, ©iner oon Urnen, ber fdjon
in ben gußroeg eingebogen mar, breite fid> plöfclidj um, fdjfog, fidj cor
bie Stirn, als ob er mit einem 9)?ale eine großartige 3bce befornmen
hätte, unb eilte nach ber glafchenbatterie surüd mit bent 2luSrufe: „3$
glaube roahrhaftig, es fönnte nichts fdffaben, wenn ich nod) eine £aibe
tranfe!"
XiefeS Scfenntntß erregte große £eiterfeit. XeS XoctorS oierecfigeS
©ejid^t rourbe fupferrotb oor Sachen, nur Antonie ladfjelte faum. Sie
mar plöfclid) ganj [tili unb emft geworben unb fprad) bloS mit grieberife,
bie nidn" nur mährenb ber garjrt, fonbem auch fpätcr, als ber SHfdj ge=
bedt mürbe, fo menig mit ihr äufammengeroefen mar.
2lls fie oon bem Spaziergange jurüdfamen, fn'elt ber Sagen fdtjon
angefpannt unter ben Räumen. @S bauerte jebodj eine Seile, bis 3IUeS
jufammengepadt mar. Um bie ^ferbe fd&toebte eine Solfe oon Sremfen,
fie maren faum ftill ju galten; fo fehr fie audf) ben tfopf beroegten unb
mit bem Schroeife fd)lugen, bennodj fefcten fid) gan$e Schmärme ber
fleinen Slutfauger auf ihrem faftanienbraunen gelle feft.
„9iun, um fo fa)neHer fommen mir fort, roenn fie laufen bürfen,"
faßte Antonie, bie bei bem £anbauer ftanb unb fid) mit SilhelmS $ülfe
ben SDtontel ansog. — „Unb es ift fo angenehm, in ber 2lbenbfühle fcfmeu*
heimmärtS ju rollen . . . Senn nur grau Storcf) ntdjt etma l;aben mill,
baß ber Sagen gefdfjloffen mirb."
Sie manbte fidt) um, ging um bie ^ferbe Ijerum, unb fchlug mit ber
£>anb auf fie, baß eine gauje Sftenge Söremfen jerbrüdt auf ihnen fangen
blieb. Xriumphireub seigte fie bie oon SBlut geröteten £anbfläd)en.
„Siein, mie ficljft Xu benu aus?" fragte grieberife, bie im felben
2lugenblide anfam, unb bem 5lutfa)er ein 'ißadet oon Xifdtjbeden unb
Seroictten hinaufreichte. „Siflft Xu nid&t ncd; einmal hineingehen unö
Xid) roafdjen?"
„2lch, baS tt)ut nichts; £crr ßerj meiß ja, mof)er es fommt . . . .
i)lber fannft Xu mir fagen, roaS baS für SBlut i{t?"
„9?uu ja, ^bremfenblut."
„Senn es nid)t ^ferbeblut ift, je nadjbem baS ©eftotylene (Sigentfnmt
beS XiebeS ober bes iüeftoljlenen ift . . . UebrigenS ^aft Xu jebenfalls
Unrecht," fügte fie ftolj über it)ren Sdjarffinn fn'nju, „benn, menn es bem
Räuber gehört, fo gehört eS jefct mir, unb barum mill ich meine §anb;
fchufje barüber sieben/'
Sie fprang in ben Sagen unb Silhelm fefcte fidj mof)lgemuth an
ifjre Seite, nadjbem er ber „guten Seele" auf ben 33od hinaufgeholfen
hatte, grau Storch fanb fid}, forgfältig in £ücher genudelt, ein unb
entfajloß fia) nach langem 3«ubem unb oielen mißtrauifdjen Süden jum
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(5 Dur.
395
£immel enblid) für ben offenen SBagen, nadjbem ber Xoctor flc barauf auf*
merffam gemad)t, bajj man benfelben ja unterroegS 5ufd)lageu fönne.
„Xa§ ift roatyr, e3 ift bod) rjfibfd) mit biefen neuen (Sinrid)tungen!"
rief grau Stord), „ba$ mufet Xu bod) jugeben, ba& bieS eine &erbeffe=
rung ift'/'
,,31$ roaS, SSerbefferung! @3 mar, meiner £reu, mel gemfitbltdjer
in ben alten Äut(d)en ... Sie Ratten bod) roenigftena einen orbentliajen
23ocf, auf bem man fd)lafen tonnte, nidjt fo einen 33ocf, auf bem bie arme
SRiefe balanciren mu§ rote eine £enne auf ber £üf)nerftiege .... 9J?an
fann ja, ©Ott ftef) mir bei, fd)rotnblig werben, wenn man fte nur anfielt —
60 ein bi£d)en oon einem eifernen ©elänber, ba$ nid)t rjöljer f)inaufgef)t
als bte barjin, roo ber dürfen anfängt . . . Xie nötigen alten flalefd)en,
bie in gebern fingen — ja, bie f)abt 3^r freilid) nid)t gefeljen — ba$
mar, meiner Seel, eine anbere ßomöbie! .... 2lber roaS l;at benn bie
heutige 3wö^ überhaupt gefeljen? ift ein Jammer unb eine Sd)anbe,
baran $u benfen; roeber bie ga§rpoft nod) irgenb ein anbereS Stüddjen
Diomantif . . . . 9to, unb bann fjatte man bod) bamate ipiafe; jefct mag
ber äufuf roiffen, roo man feine Seine (jintrmn fott . . . 33tjt Xu ba3,
£onn? 9)ht deinen fangen Steden nimmft Xu ben ganzen SBagen ein.
ift ein roaljreä Gleub!"
Unter folgen Redereien rollten fie fdmell ben meieren ffialbroeg baf)in,
roo e£ fd)on bunfel unb, fü^pC roar, unb burd) lid&teö 33irfengebüfd) bem
füllen Sffiaffer entlang.
211$ fie aus bem Sdjlojjparfe fjinauSfamen unb über ben langen
8rü<f enbamm oon ©aunö fuhren, roar bie Sonne im begriffe unter$ugef)en.
Ston bem rotfjen ^orisonte ftraf)tte ein langer £id)tftreifen nad) bem 3enitl)
hinauf. Antonie fragte, ob bie3 bad 3obtafallid)t fei, von roeldjem fie in
ben „Briefen ©abricliä*)" gelefen fjatte. SBilljelm r>ermod)te feinen 9luf;
fdjlufj $u geben. Xer Xoctor tröftete ftd) bamit, einmal geroufct ju baben,
roaä äobiafallia^t fei — unb aU ba$ britte 3ünbbol$ bei biefen Semerfungen
au$löfd)te, liefe er ben Jiuti'djer galten, um enblid) feine pfeife anjünben
ju tonnen.
„<Qaft Xu Xid) ein roenig amüfirt, meine £iebe?" fragte grau Stord),
„unb bereuft Xu nid)t, an Xeinem ©eburtätage tyex geblieben $u fein?"
,,2(a), id) fyabe e$ fo gut gehabt, id) bin fo frolj!" antwortete
Antonie, inbem fie läd)elnb grau Stord) juniefte unb ftd) bebaglid) in bie
Äijfen brüdte.
„£aft Xu nid)t ba$ XingS mit, ba$ id) Xtr jum ©eburtätage
ge|d)enft ^abe?" fragte uom Wod herunter grteberite, bie oor lauter
2üd)em unb Sf)arol$ nid)t im Stanbe roar, fid) umjubreljen.
*) »cfaimter bantfdjer dioman beS 5Jtyt(ofopI)en Sibbcrn; ttwal an (MwtbcS
.5ßeTt^r" crinnernb.
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396
Karl (Sjellernp in Dancmarf.
„2ßte? £aS ^atentbingS V $aS fannft £u £ir woljl benfen, baS
ift tängft in Stüde gegangen . . . 9?ein, wie man nod) mit feinem Staltf
auf ben geuerftein dämmerte, ba fonnte man ftd) bodj bei jebem SBetter
feine pfeife anjünben . . . 9to, fahre nur ju, 9iaSmuS."
Silhelm fchritt unaufhörlidj in feinem Heinen ©afoimmer auf unb
nieber.
Sie alte äßecferur)r fdjlug jirtemb unb fjeifer elf; aber er fonnte fia)
nicht entfd;lie&en, ju 23ette ju gehen.
SaS 3tmmer Iüar noa) hei& pon ber 3lbenbfonne, unb bie fdjroüle,
bumpfe Suft, bie langfam ofme ben leifeften SiMnbhaud) bürde) bie geöffneten
genfter brang, brachte wenig flüljfe mit. 21b unb ju leuchtete es broujjen
in ber ginfierntfj auf, unb ein langgezogener Sonner grollte in ber gerne,
als ob ein iöagen am £>ortjonte ringsherum baljinführe, plö^tidr> lautlos
auf einem Seitenwege oerfchminbenb, um bann nrieber über ben garten
$oben ber £anbftrafje weiter ju rollen.
9JuS feinem genfter fiel ein Sidjtfchimmer auf bie Blatter emes großen
SüwrnbaumeS unb weiter HnfS, nach einem fchmalen Sdjattenftreifen, waren
bie Blätter wieber beleuchtet. Ser Schein mu&te aus bem 3immer
2tntonienS fommen.
Ms Silljelm fid) hinausbog, faf) er Antonien, bie Gflenbogen auf bie
iörüftung geftüfct, ficr) aus bem genfter hinauslehnen. Sie fd&ien fic3r> gleich
ihm nicht losreißen ju tonnen oon biefem Sage, ber fd)on anfing ber
Vergangenheit an$ugef)ören . . . 2Öer meifj, otelletdtjt ^atte auch er feinen
sMt\)c'\i baran . . .
©an$ leife begann er eine Gelobte oor fidr) hin ju fummen, bie ihm
gerabe auf bie kippen fam.
2tntonie breite fofort ben Stopf unb blicfte ihn an.
,,2ld), Sie finb auch nodr) nicht ju 23ett . . . (SS fommt herauf . .
„3Ba* ?"
„9iun, baS ©cwitter."
,,2ld), Sie fehcn nach bem Detter unb ich glaubte, Sie fchwebten in
romantifchen Xräumen hoch über ben Solfen — wenigstens jwifchen ben
Sternen!"
„SJiache ich benn einen fo fchmärmerifchen Ginbruct?"
„9ton, wenn Sie fidfj bei 9^acr)t in biefem Äoftüme jum genfter
hinauslehnen, fel)en Sie aHerbingS ein wenig romantifch aus."
„21a), ich 9^5 oergeffen, ba& ich beinahe im 9?eglig6e bin. £0$
es ift 2llleS ja ganj orbentlich."
„C-rbentlidj ! D, Sie foüten nie anberS gefleibet fein, eS fieht 3h«en
gut .... 3U einem s])?aSfenbaH mü&ten Sie immer nur biefen Stnjug
wählen — aus ber SteoolutionSjeit ober oielleicht aus bem (Empire?"
XI.
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(S^Diir. 597
„So? (SS paßt wohl für mid), wie meine eigene Urgroßmutter auS=
jufehen! .... 2)aS finb ja munberlidje $tnge, bie ich ba über mich p
fyören befomme" fagte fie, fehr gefdjmeichett barüber, bog er fid) um ihr
2(eußereS fo oiel fümmerte, um fogar in ©rwägung §u jiehen, welche
Xoilette fie am beften fleiben mürbe.
Sie fyatte ihren großen fragen abgelegt unb weil baS Äleib ftarf
auSgefdmitten mar, ein weißes, feibeneS £uch um ben &alS genommen,
beffen ©nben am ©ürtel befeftigt waren, fo baß es glatt über bie Schütter
hinweg ging unb feine burchfdummernben galten auf ber SBrujt fdjräg $u*
fammenliefen.
„Singen Sie baS nod) einmal, es iffc fo fdjön."
„3$ weiß wirflid) nid)t, was es mar/'
Antonie fang bie 3WeIobie leife unb mit jd&üdfjterner Stimme:
„@S ift aus einem Sd^ubert'fdjen Quartett; baS idj fo fehr liebe —
es würbe an unferem legten Quartettabenbe im grühjafjre gefpielt."
„2lh/ baS G-DursQuartett, Sie fennen eS alfo . . . 0, eS gehört
ju meinen liebften. 3d> weiß felbft nid)t warum, aber eS giebt feine
anbere 3Kufif, bie mid) fo tief ergreift . . N. 3$ glaube, wenn id) einmal
fterbe, wünfdje ich mir, baß bieS Quartett gefpielt wirb, um bei feinem
legten £acte auSjuathmen . . . @S ift lange her, baß ich eS jum erften
9Kale gehört habe."
Unb wcüjrenb er in bie finftere, blifoburcfoirterte ^todjt hinauSiah,
oerfefcte er fia) jurüct an einen jener £age, bie 3U ber erften UnglücfSjeit
feiner Siebe gehörten, <£r faf) ben leeren Saal, matt erfüllt oon bem
traurigen §alblid)t beS 9iooembertageS, mit bem großen, über ber 9)Jenge
ber aufwärtsftehenben Stuhlbeine tljronenben glüget, unb an bem legten
regentrief enben Jenfter baS Quartett, baS eben ju fpielen begann. (Sr
ernannte ben oierecfigen 9iüden beS SöratfcheitfpielerS, ben breiten ^errüden=
ftocfnacfen beS jweiten 33ioliniften unb ben fremben 33irtuofen, ber baS
Spiel abbrach unb feinen Nebenmann, ben Gelliften corrigirte: „£etdn"er,
oiel leidster — fo — geifterfjaft bunfel" . . . ©r mar bamalS grenzenlos
unglücflid) gemefen, als er bie Schönheit biejer jugleid) wehmuthSoollen wie
leibenfdpaftlid^en 3)iufif einfog — mar er benn fpäter eigentlich glüctlid)
geworben ?
„§ören Sie, wenn Sie 3Jfufif fo lieben, haben Sie mä)t Suft, einmal
ju unferen Quartettabenben ju fommen? . . . 2i>enn Sie uns überhaupt
befugen wollen . . . 2Bie geht eS benn eigentlich 5U, baß wir uns alle
biefe 3ahre in Kopenhagen gar nicht gefehen haben?"
„Sa), ich weiß felbft wtrflid) nidjt — id) — eS ift fcr)on lange tyer,
es \)Me fo allmählig oon felbft auf — Sie Ratten einen anberen 33c -
fanntenfreis befommen, unb auch idj war mit anberen gamilien befannt
geworben — unb oermißt hat man mich roohl aud) nicht."
„D, fagen Sie baS nicht . . . 3<h war natürlid; bamalS ju flein
398 Karl (Sjcllcrnp in Dänemarf.
al« bafj ich mich hätte barum fümmern tonnen, roer ba fam, aber tdj
erinnere mich boa), bafj SBater Sie fe^r gern hatte — unb 2flutter unb
gantet aud)."
©ott roet{3, ob roirfltch etroa« jrotf^en ihm unb fiarriet oorgefallen
ift, bad)te Antonie, welcher bie Verlegenheit ntdjt entgangen war, mit bei
er eine 2lntroort 5U umgeben fuchte. — ©« roar eigentlich eine inbi«crete
grage geroefen . . . 2ld) roa«, ba« t^ut md;t«, er wirb §öchften« glauben,
ba& ich nicht bie minbefte Sllmung baoou ^abe.
Sie roenbete fidr) nach ihm, er aber hatte ben ßopf nad) ber Seite
gebreljt; ba« £i<ht beleuchtete fein falbes ^rofil unb bie weiften ginget,
bie neruö« ben Schnurrbart breiten.
ßine fong waren fie ftumm unb blieften nach bem ©eroitter,
ba« [ich nahte. 23i«roeilen fehlen ber ßorijont fich au«einanber §u Rieben
unb man fat) roie burch ein geöffnete« £immelfenfter breite, juefenbe
glammenftreifen, gegen beren jchroefltg * blaue« Sicht ftch bie bunfeln
Linien be« SBalbe« roie finftere ^Bellen abhoben. 2)ann roieber leuchtete
e« plöfcli<h auf, blenbenb, formlo« unb rafch oerlöfchenb, elje mau e« recht
gefe^en. 2lnbere röthlichere Strahlen aber befamen formen unb ©renken,
mürben ju geuerjeidmungen auf bem fdjroarjen ©runbe. 2ßic somige
Grjerub«fchroerter ftiefien fie hinauf tn bie #uft ober fuhren, Sonnerfeilen
gleich, ät^ad ^ernieber. einzelne fchienen ledenb über bie fernen
&üget bafnn ju laufen.
„9Jein, fo ein $life!" rtef Antonie, inbem Tie unroiflturlich ben Äopf
Surücfjog. „Unb hören Sie, ba« roar niel näljet al« oorhin! (£« ift gut,
ba& Sie hier nebenan finb," fügte fie offenherzig hta$u, „fonft roürbe ich
9lngft befommen!"
„So? gürdjten Sie fich vox bem ©eroitter?"
„3a. Sie nicht?"
„9ietn, ba« fann id) eigentlich nicht fa9*n . . . 3Id), ba« ift Sieroofttät."
„kommen Sie nun auch bamit? . . . Smmer muffen e« iefct bie
Heroen fein . . . &abe ich nidjt einmal bie (Srlaubnig 2Ingft ju haben,
ohne ba& ich von meinen 9ieroen hören muß?"
(Sin bumpfc«, unbeutliche« Traufen fam 00m 2£albe her unb ein
jittembe« Säufelu lief burch bie ©ebüfehe be« ©arten«. ©« flang, al«
Ijätten unfichtbare ginger auf ein paar ber nädjften 2Ihornblatter gefa)tagen,
bie fich budten, roieber emporjcfmeUten unb nicht aufhörten an ihren büunen
Stielen auf unb nieber 5U fchroingeu. $>ann fchlug e« roieberum auf
ein $ufeenb Blätter auf, unb bie anberen fingen an, au«einanber unb
roieber $ufammen$ufahren unb ju flüftern, roie erichroefen über biefe« frembe,
lebenbüje (Stioa*, ba« mitten unter fie gefommen roar. 3lu<h bie Vorhänge
befamen 2lngjt unb flatterten in ba« Limmer jurücf. pöfclich rourbe e«
finftcr 5iutfd)cn ben blättern, bie in roilbem Saufen unb Stoffeln burA
ctuauber roirbelten. mt einem Sötole leuchteten fie auf bei bem fdjrocfUg;
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(5. Dur. 399
Stauen Sdjimmer eines nafien SlifeeS, ber unter bie großen tropfen
hinein ju fpringen fdneit: eine fdjroere 3Regenfaloe fd>lug gegen bie genfter,
bie Sßü^eim unb Antonie faft gleid^jeitig oerfdjloffen.
2Bilf)elm jünbete fcfynell baS ausgelöste £idjt roieber an. Gr Ijatte
ber Sdjroüle wegen bie Xfyüxe offen fielen laffen. 2llS er mit bem Sid;t
auf ben SBorplafe f)inau£trat, ging bie Xf)ür SlntonienS auf unb Tie ftanb
bleich in bem bunflen Stofjmen berfelben.
„2Idj, Sie ^aben &idjt! . . . 3$ tonnte meine 6treid$öl$er mdjt
finben . . . $>aS war bod) gerabe über uns!"
,,9tocf) nid^t, ba fommt erft ber Stornier."
2tls 06 er ärgerlid) barüber märe, ju fpat gekommen ju fein, fuf)r
ber Bonner fort ju brummen unb brofjenb ju fnurren wie ein £unb, ber
nid^t länger bellen barf.
Antonie fdjien nid)t £uft ober ÜJhitf) ju ^aben, in ba« pnftere Simmer
jurficfyugefjen unb ifjr £icf>t anju$ünben. @ic fefete fidj auf bie oberfte
(Stufe ber Xreppe, bie gleid) an ijrem 3immer hinunter führte. Söiltjelm
fteßte baS fiidjt auf ben 33 oben unb nafyn $la|j an iljrer 6eite.
£er biegen Flatfdjte ftromenb auf baS Sdjieferbadj nieber. £>ie
$>adjlucfe ifmen gegenüber rourbe jebeu jJlugenblicf oon ben Slifeen erhellt,
man fonnte burd) bie fleine Oeffnung ben fdjroarjen SDalbfaum erfennen.
3m SBinfel beS 2)ad)eS, bort wo ber Sdjetn beS £idjteS nidjt hinreichte,
leuchteten ein paar gelbe Äugeln; fobalb bie 9?efleye ber 93lifee aud) in
biefe @cfe brangen, oerfchroanben fie, unb man erblicfte eine jufammen;
gebaQte Jtafee mit gefdjjlojfenen 2lugen.
Sei jebem ftarfen Bonner merfte 2Bilt)efm, roie Antonie 3itterte; er
plauberte if>r £roft ju roie einem erfdjrodenen ßinbe: eS fei feine eigent*
liebe ©efahr oorfjanben, fie mären ja in ber Stabt, unb baS £aus r)a6e
einen 23li|abteiter unb ein IjarteS Xafy.
3n bemfelben 2lugenblide, als ein gewaltiger 33!ife fie blenbete, er*
gitterte baS $auS unter einem plöfcltchen, furjen, fanonenfchufeiifmlichen
Donnerfc^lage.
Antonie brüdte fidj an tfm, er legte feinen 2lrm um fie unb als
feine 23ruft ihren ^erjfchlag füllte roie bie fangenben ginger baS glattem
beS Schmetterlings, flopfte er fie mit bebenber £anb auf bie Schulter.
„£onn! &err ^erj ! Seib 3hr ba? @S ift ja ein fdjredliches
®ewitter. flommt bod) ju uns herunter!"
Antonie fprang auf unb lief bie treppe Innunter. SÖMlhelm folgte
oerroirrt unb ein wenig enttäufd)t, obrooljl er fid) fagte, bajj es gut fei,
fie nicht gefügt au haben, roaS er unfehlbar getfjan, roenn es noch ein
paar Sefunben länger gebauert fjätte. Vielleicht fei er fdjon ju roett
gegangen. 9lber fie mar es ja geroefen, bie fidtj an if)n gefdjmiegt, fie
roar fo erf djroäen, bafe fie nicht mußte, roaS fie tf)at, unb er t)atte fie
nur getröftet roie ein trüber . . . &iefe Qbee gefiel ihm: eine ©djroefter,
^00 Karl (gjellerup in DSncmarf.
eine Schwägerin — e$ war ja nid)t feilte Sdjulb, ba& fte e3 ntd&t ber
2Öelt gegenüber war.
2)ie gamilie befanb fid) allerbingä in ber SSohnftube, allein trofc ihrer
(Sinlabung eigentlich nidt>t in einem 3uftanbe, Söefudje empfangen. Xer
®octor mar nodj am beften bran, nur fonnte ber äugefnöpfte Sdjlafrod
es nicht Derbergen, bajj ber fragen be3 9iaehthembe3 nicht befonberS frifdb
war. 3)ie alten, unter bem 5tinn sufammengefteeften StjawlS ber £>amen,
bie intimen Unterröcfe unb baö nächtliche £aar, in bem ber ©erottterfturnt
gekauft $u Ijaben fdjien, Ratten ettoaä unmiberftehlidj ßomijcheS an fich,
ba3 alle ©ebanfen an ©efatjr üerfcheuchte. $ie Hängelampe war niä)t
angejünbet unb warf einen grofeen Schatten fdjräg an bie Eecfe, roähreuo
ein Sämpchen auf bem Manbe be3 £ifct)e3 bem 2)octor Sicht jum Sefen
ber 3*it"n9 fpenbete. £er Soctor fd)ien ftä) an' einer 6cfe unten in ba*
sBort „gortfefeung folgt'7 uertieft ju haben, feine grau niefte unabläfng,
ba3 Slinn immer tiefer in eine gälte be3 wollenen £ud)e$ hinunter oer=
fenfenb. grieberife fafc (erjengerabe ba unb I)ielt bie 3(ugen auf gesperrt,
fo bafj man eine SSorftellung baoon befommen fonnte, wie ein £afe au^
fteht, ber mit offenen SJlugen fchläft.
3lnfang§ mar Antonie ein wenig oerlegen, aber bie ©emeinfdjaft,
welche jroifa^en ben jwet ein$igen Sachen befielen mufete, ihr gleichzeitige*
fächeln, wenn grau Storch niefte, liefe ihre Befangenheit balb fchmintien.
5115 fein 3lüeiftf mel)r barüber tierrfa)te, baß fiä) ba£ ©ewitter mehr unb
mehr entfernte, fd)lug biefe fogar in jugenblidje 2lu3gelaffenheit um, ne
blies grieberife in ben Warfen unb fragte ben $octor, ob er fia) nicht
mit einer (Srjrifdmng ftärfen wolle, ob er nicht bächte, bag ihm „noch eine
Halbe nichts fdjabeu f öune V eine grage, bie einen ohnmächtigen ©dächten
oerfuef) heroorrief, fo bafe grau Storch ein paar Secunben auffab . . .
3KU ben 2lnbern mar bodj nichts anjufteUen, äöilhelm blieb i^r einzige*
^ublifum.
„Sie f)aben mich tyvAi borgen gebeten, bafe ich 3hnen etwas vox-
fpielen folle," fagte fie, „jefet will id) es tl)un, beim ba bie Öefafjr oorüber,
bin ich ebenfo mutfjig wie ein £ünbchen, welches beßt, wenn e* au^er
bem Bereite beS StodeS ift."
Sie begann eins ber Sdjumannfchen ^JapüIonS ju fpielen. 2ltS er
[ich aber an'S genfter jutn Glauier l)infc^te, hielt fie inne unb fagte, er
bürfe bort nicht fifcen, fonft greife fie banebeu.
Xie §albfd)lafenben mürben einen 9iugenbltcf uon ber 3)?ufif eleftrtfirt,
biefe &>irfung hörte jeooch balb mieber auf. (Srft als fte ben ©rofjuater
tan-, anfing, fcfjieit fie alte gemfithlidje Träumereien in ben Schlaf bei
Soctors Inneinjufpielen. 33?an hörte ihn fogar falfch oor ft$ hrn brummen:
„Unb ald ber ©rofjuater bie Wrofemutter nahm."
211$ SiWhelm unb 3lntonie einanber gute 9?acht gemünfeht, unb nc
fdjon ihre tyüx geöffnet hatte, breljte fte ftch plöfclid) um unb fagte:
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(B-Dur.
„$>aS Ratten Sie nid&t thun foHen, baS mar nicht f»ü6f<^ oon 3fenen.
£err ^ers !"
„2$aS?" fragte er unb errötete eben fo ftarf wie fie.
„2lch, Sie wiffen fdjon . . . SBenn ich folche alberne 2lngft befomme,
benenne ich mich wie ein Jtinb ; aber Sie r)ätten mich bod) nicht wie ein
fltnb beljanbeln follen!"
Unb et)e er ein SBort ber ©rwiberung finben fonnte, fjatte fie bie
£hüre gefdjloffen.
XII. -
Marie QngerSleü fajj cor bem 9cal)tifch anf bem altmobifchen dritte
am genfter, abwedtfelnb in bie Aufgabenhefte ihrer Schüler blitfenb nnb
äwifchen ben 3roeigen bes ©artend tyinburd) nach bem angelernten Sßförtdjen
jur Seite bes immer oerfchloffenen XfwreS fpäbenb.
(£S mar ein ^entlieh grofeer ©arten, ber fidt) jenfeits eines SßorptafoeS
cor bem langen, niebrigen £aufe ^inftredte. (Sr mar in Keine $ar$ellen
geseilt, jebe mit ein paar Beeten nnb einer ßaube. Qn ber §ö$e aber
bilbeten bie gefrümmten Aefte ber Dbftbäume mit it)rem bünnen Saubge*
flecht eine £ecfe über bem ©an$en, an ber baS Dbft in ben legten Sonnen*
Prallen fic^ rötete, ©in alter &err im Schlafrod unb mit einer langen
pfeife breite fid) mit einer ©iefefanne auf feinem flehten Blumenbeete
herum. SBon bem Borplafc unten rjörte man frohe Stimmen fpielenber
Ätnber.
3n ber niebrigen Stube fing es an bunfel ju werben. 9tor baS
©olb auf bem Gahmen eines alten, mächtigen UrgrojjuaterbilbeS, welches
fo fchwarj mar, bafj man beinahe weiter nichts als eine graue ^erruefe
auf ihm erfennen tonnte, erglänze im 9ieflerlicht eines gabriffenfterS jen*
feits beS ©artenS. Unter biefem Bilbe in bem tiefen Sopfja faß grau
3ngerSteo unb ftridte.
„2öaS mag er nur eigentlich für Abhaltungen geljabt haben?" fagte
fie, als Marie wieber eine ^eile burä) bas genfter l)inauSgeid)aut r)atte.
„C, es wirb etwas wegen ber Aufteilung gewejen fein, fonft wäre
er ficf>er nicht fortgeblieben."
„Nein, baS war'S wohl nicht . . . &\$t fann er nun erft mit bem
Abenbjuge fommen, fo bafe wir bis neun Uhr mit bem £l)ee warten
müf[en."
„Möglicherweise ift er auch fcr)on heute Vormittag angefommen; ich
glaube er hat Montags Nachmittag Stunben §u geben/' antwortete Marie,
roährenb ihr Bleiftift eine Gorrectur in baS £eft einzeichnete.
„Marie! Sieh einmal herunter!" ertönte es unter bem genftcr.
2öährenb Marie mit ber Mutter gesprochen, hatte fie nicht bemerft,
bafc bie ©artenpforte geöffnet würbe.
Obgleich fie gan^ ruf)ig geroeien $u fein fchieu, würbe fie boch uor
Korb unb Süb. LI., tM. 27
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Karl (Sjellerup in Dancmarf.
freubiger Ueberrafdmng ganj rotf) im ©efidjt, als fie baS genfter aufftteß
unb hinunter grüßte. Dann eilte fie hinaus, bie 33orfaalthür &u öffnen.
9iad) ein paar Minuten traten fie in bie SBofmfwbe, lächelnb unb feiler.
SöU^elm umarmte feine Schwiegermutter mit einer 3ärtlid)feit, als gärten
fte einanber 3ahr unb Sag nid&t gefeben.
„9to, eS ift fd)ön, baß Du wieber ba bift, aSittn! Du fannft Dir
benfen, wie mir Dia) geftem uermißt (oben!"
©eheimnißtwH 50g er ein fleineS Spapierpacfet heroor, unb als SWarie
ntä)t erraten fonnie, was es fei, erhielt fie enbltch ©rlaubniß, eS ju öffnen.
@S war eine Sruftnabet in gorm eines funftooH gearbeiteten ©belwetß.
Sowohl SJiatie als grau 3ngersIeo meinten, baß Tie ju bem Sdbönften
gehöre, was Tie jemals gefehen, unb ihr SBertb würbe nod) unenblicb
baburd) erbost, baß er fie felbft aus Snterlafen mitgebracht. SWarie hotte
fdwn Diele folche fleine Sihweijererinnerungen befommen, aber geglaubt,
ber Duell fei längft oerftegt.
Dann faßte 2Bilbelm 9Harie mit beiben £änben an ben Schultern unb
^ielt fie nor ftd) Inn, um ju feljen, ob er entbeefen !önne, baß fie ein Qalfr
älter geworben, ©r tbat, als ob er eine Keine Stotel gefunben hätte, bie
weggefüßt werben müßte. SWarie aber wollte baS nicht erlauben unb be=
hauptete, eS wäre SSerleumbung.
„©ott, Äinber, was 3hr für Dummheiten macht!" rief grau
3ngerSleo, innerlich oergnügt.
„Unb babei oergißt Du ganj, uns ju erjählen, was baS SRefuttat
Deiner Steife ift."
„0, ich nehme bie Stelle nicht an."
25>arum er fie nicht annehme, würbe ihm nicht fo leicht, ihnen \\i
erflären.
grau 3nger£(eo fanb, baß, nach bem, was er erzählt, fie boch gar
nicht fo fd)Ied)t, fei unb meinte, eS wäre nicht richtig oon ihm, fidj nicht
an eine fold)e SInftalt ju binben, an ber er oieQeidjt »erhältnißmäßig balb
ju einer heiratsfähigen Stelle binaufrüefen fönne. 9J?arie aber mar fo
froh barüber, ihn in ber Stabt ju behalten, baß Tie eben fo triele Sottogismen
gegen $erlufSholm ausfinbig $u machen wußte, wie DunS ScotuS für bie
unbeflecfte (Smpfängniß ihrer heiligen 9tomenSfd)wefter auSgeflügelt hatte.
Sie würbe es wenigftens getljan hoben, wenn bie HRutter nicht balb naa>
gegeben unb Wilhelm gefragt hätte, was ihn in SRaeftoeb jurücf gehalten.
SlUlhclm erflärte furj unb ein wenig nachläfftg, baß ein Slbjunct
ben er nothwenbig höbe fpred)en müffen, bis Sonntag Nachmittag weg*
gewefen wäre; unb bann beeilte er fich, ju fragen, wie fie ben Xag juge*
bracht unb ob etwas aus ber Partie geworben — um weiteren unangenehmen
gragen ju entgehen.
„3a, wir waren im 2Mbe — bie 3Jhitter hatt* f° 9rofec *W
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<ß-Dnr. ^03
$tnau35ufommen . . . 2Bir normen Gbofolabe unb ©ebäcf mit unb tyaben
beibeS am flirftemSpi(S=DuelI oerjebrt. Sange 3e^ fa§ctl roi* <*m ®ee
bei ben ©rlenbäumen mit ben b°b*n, über ben 33oben f>erauSraaenben
2ßurjeln. ©rinnerft 35u £id), mir waren ein paar £age nad) unferer
Verlobung bort ? Unb bann tranken mir ben, £f)ee auf ber Eremitage, in
berfelben Saube, in ber mir ben Slbenb jubraebten, als £>u $)octor ge*
roorben. £>er ©unb mar fo blau, ad), fo blau, mit fo vielen Segeln be*
betft, bafj man faum burc^ fic binburd)feben fonnte; unb bie 9ief)e
graften ganj nafje bei uns in großen gerben, fogar ein paar f leine
Stambirfcbfälber, nur wenige Stritte von mir. 2Bir fa^en bie ©onne
untergeben — id) glaube faum, bafj fie itgenbroo in ber 2Belt fo fdjön
untergeht — ja, lad)e nur — unb ein langer Sidjtftreifen erf^ien am
Gimmel, ber fid) faft bis jum 3emt& ^inaufjog. 28ir bauten an £)idb,
ob S)u ifyn au$ feben fönnteft, unb ob $u uns oermifjteft."
„3a, idjj ^abe üm gefeben, i<b mar gerabe auf bem 23rücfenbamm
oon ©aunö. $d) Da(bte an ®w<5> natfirttdb — "
®ie £eiterfeit SBilbelmS mar oerfd&rounben, er fdbroieg. $)ie un*
roabre ©rflärung, bie er geben mujjte, unb ber $8erid)t 5Rarien'S mit ben
{(einen, rfl^renben Söeroeifen baoon, mie 3lHeS fidfj um tbn gebrebt, um ibn,
ber mit feiner Slbroefenfjeit glänjte — baS aQed batte tr)n oerftimmt unb
befdjamt. $)odj biefeS ©efüf)l mujjte balb bem Slerger meinen: mein
©Ott, mar man benn fo ganj unb gar jufammengeleimt! Unb bann biefe
eroige grage, ob man an einanber gebadjt, ob man einanber oermtfjt babe,
foleb bumme Jrage, bie man bejatjen mufjte, ob man'* fo meinte ober
nid)t! — ©r bat 2Rarie, i^m etwa* oorjufpielen, nur um nidjt jum
Spreeben gejroungen ju fein.
„©illft $u Siebt baben?" fragte grau 3ngerSleo.
„9Jein, id) fpiele auSroenbig."
„SDaS ift aud) bübfdjer — idb liebe bie Dämmerung fo febr — be*
fonberS roenn brüben in ber gabrif Stdbt ift, baran f)abe id) midb fo
geroöfmt . . . 9Id& ja, mie oft tyxbt id) t)ier gefeffen unb ben gunfen
beS gabriffdjornftetnS jugefeben unb an alte Reiten gebadet . . . <3ieb nur,
mie f)od> fie fliegen unb mie bie flamme ju Urnen t)inauffctjlägt. . .
Unb bann leud&tet es fo fd)ön bier berein auf mein alte* Sdjjreibepult —
eS ift mir immer als äbnle es bem flaminfeuer im Sd)loffe, mo id)
$um erften 9flale meinen feiigen Sttann traf."
SBilbelm ging unruhig auf unb nieber unb borte jerftreut ^eetljooenS
/f(Sb^onate" o"/ Da^ Stücf, roeld)eS er fid) geroöbnüd) oon Waric erbat.
SMeSmat aber, meinte er, ()atte fie ein anbereS roätjlen tonnen — benn
fie fpielte eS nid)t mebr gut. ,,©S ift fdbreeflieb, wie fdmell fie ir)re 6a<ben
t>ergifjt," badete er — „fte fommen it)r gletd) roieber aus ben gingern."
<5S fiel ibm ein, mie flinf unb fidjer Antonie am oorbergebenben 3lbenbe
gefpielt unb roie bübfd) fie mit ibren großen Wrübd)en geläd)elt t)atte, " afd
27*
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Karl (Sjelierup in Dänemarf.
fie fagte, er bürfc nidjt fo nafje bei if)r fifcen unb fie anfefjen, fonft greife
ftc baneben. Da§ Sflarie banc6en griff, fjatte roor)I einen anberen ©runb.
„Spiele bod) lieber ein anbereS Stütf," fagte er, ate SJtorie roieber
anfing unfid&er ju werben.
„Du fjaft bod) aber ba3 Stüdf fo fdjön fpielen tonnen!" warf grau
Sngeraleo ein.
,,3d) wet§ nid)t, id) bin fjeute nidjt aufgefegt/' antwortete 9Rarie,
bie fid) bur$ ben ungebulbigen Don in 2iMltielm'3 Stimme nidjt ermuntert
füllte. ,/ßMr wollen lieber plaubern."
2£ilf)elm brang nidn* in fie, er madjte fi<$ mdr)ts barauS nodj meljr
SJhifif §u Ijören, fclhft wenn fie beffer norgetragen worben wäre. Q$ tarn
if)tn uor, als ob baS (Haoier fo matt unb bünn flänge — unb bod) mar er
im lefeten &erbfte fo fror) gemefen, als Sflarie nad) jahrelangen (Srfpars
niffen unb burä) ein oerwicfelteS 2lb$al)IungSfnftem in ben Stanb gefegt
würbe, fid) biefed gebrauste Spianoforte anjufdjaffen an Stelle eines etyr*
würbigen SpinettS, weld>e$ fo unmöglidj geworben war, ba§ nicr)t einmal
grau 3nger$leo e3 oerttjeibigte, trofcbem eS com ^farrfjofe fjerftammte,
wo ir)r 2J?ann bisweilen in ber Dämmerung bemfelben einen tiroler
SS^atjer entlocft fjatte, ba£ einzige ©tüd*, weldjeS er fpielen fonnte.
„Sta, bann plaubern wir/' fagte er, inbem er fidj in einen Schaufel*
ftuf)l warf, bafc ein jerbrod)ener, jufammengebunbener Stab ber £cbne
au3einanberful)r unb grau 3uger«leo ifm fd)er$enb barüber ausfdjalt, ba§
er mit bem SReublement fo gewalttätig »erfahre, obgleid) er mit beffen
©ebred)lid)feiten bod) oertraut fei.
,/Run, ja, mein ©Ott, eS ift nidjt leid)t, baS immer fo im &opfe $u
fjaben!"
2)?arie unb grau Qnger^IeD labten ^erjlid), o§ne bie oerbriefjlidje
Stidjelei, bie in bieten Korten liegen fonnte, ju argwöfmen.
Die Klauberei, bie fo förmlid) bcfdjloffen worben war, wollte ni$t
red)t in glufj fommen; es blieb bei einzelnen öemerfungen über Märiens
©rlebniffe in ber Sdmle unb über feinen fleinen 2lu$flug. Do$ oermieb
er inftinftmäftig SllleS, was Antonie unb bie Erinnerung au baS Sdjulfc'fdje
£aus berührte. 2US baS ©efpräd) fid) eine 2£eile fo Ijtnaejogen tjatte,
ging 9)?arie hinauf um ben Dfyee ju bereiten, wäljrenb Sßifyelm von Beuern
feine unruhige äikntberung auf unb nieber begann.
„3i>ie, Xu nullit feinen 2:t)ee mein*?" fragte 3J?arie, als er fopf*
fdjürtelnb bie Dafte feftfyielt, bie fie nehmen wollte.
„9?ein, id) banfe; id) fürd)te, iü) ifann bann nidjt f djlafen."
„Slber Du trinfft bod) immer sroet Daffen, Silin/' fagte grau
3nger*Ieo.
„3iMrfli$? 9?ein, feilte will idjj aber m$t meln\"
Der Dljee war il)m nid)t gut genug, er l)atte einen ^eigef(^mad —
unb 'e$ war aßerbtngS nid)t berfelbe D^ee, ben ber Äaifer oon S^ina 5U
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trinfen pflegt ; audj wünfdjte er feine Verlängerung bes 2lbenbeffenS, es
war \i)m unbequem an biefem f leinen £ifd)d)en, auf bem Heller unb
e^üffeln fia) fliegen unb bie Sampe, bie faum «piafe hatte, ünn fo naf)e
ftanb, bog feine 6tirn u)re SBärme fpürte. ©r fürchtete ßopf roef) ju be»
iommen, jumal bie glamme irm in's 3luge ftad&, weil in bet ©lodfe ein
grofjeS 2o6) war.
„2öir füllten freilid) eine neue ©lotfe faufen," faqtc grau ^ngerSlet),
als er fie umbreljte, „fie fiet)t nicht gut aus, aber foldie ©rtraauSgaben
finb nicht für ben Sdjlufe beS Monats, ich mu§ bis jum näajften warten/
2Iuf ben nächften Wonat nxirten! $a, baS war bie 2lrt oon &auS*
Haltung, auf welche fein eigenes ©heglücf Siu^fic^t hatte. (Sin Seben, bei
bem man am 2lnfang beS Monats cor bem 6djlufe bangt unb am ©djluffe
auf ben nädjften tjofft! 2Öie oft hatte er in feiner befdjeibenen Mefignation
fid) felbft baS Sbnllifche ber Slrmuth gepriefen, bie ^oefte ber Sparfamfeit,
bie baS dürftige rcid) macht, weil eS treuer erfauft ift. 2Bie oft hatte
er nicht mit bem alten Stubententiebe gefungen:
„(Sin .fcüttdKH unb ein üRäflbletn Ijolb —
(Sine Srönigin mit einer ftrone ®olb —
XaS ift meiner Xräumc &itl\"
gefet fdjicnen ilmt bie beiben gäHe ntd)t ganj g(eiä)bebeutenb ju fein;
eS fam ihm oor, als märe „(Sine Königin mit einer ftrone ©olb" fein
alter 3ugenbtraum, ben er um etroaS ©eringeren willen oergeffen ju fönnen
gewärmt hatte. Unb gerabe, ba& 3Jtarie fo oollftänbig in fleine 3>erhä(tniffe
fjineinpafete, baß fie burch fie nicht im ©eringfien beengt würbe, fonbern
fid) in ihnen wie in ihrem eigenften Elemente bewegte — biefe ^efdjeibenhett
if)reS 2BefenS, in ber er früher fein ©lücf gefe^en r)attc, fie langweilte unb
ärgerte Um iefct: fie bebeutete baS Aufgeben aller 9lnforberungen an bas
£eben. 3Jtein ©Ott, wenn man auch jwiichen engen Stauern begraben ju
fein oerbammt ift, beffenun geartet fann man bod) ben Söliä* nacr) ben ©trafen
eines ©ternS emporheben, anftatt fo Bezweifelt begnügfnm unauSgefefct
feine greube an bem Sichte ber 21UtagSs©trafjenlaterne ju haben!
„2)u follteft boch noch eine £affe trinfen," fagte grau ^ngerSfec»;
„eS ift ein gutes, ftarfeS ©ebräu, baS 5Rarie eingegoffen hat, unb oor
bem 9Ji$tfä;lafenfönnen brauchft 2)u $)icf} nidr)t $u fürchten. ;Du fiefjft ja
fo mübe aus, als märeft 3)u nidjt ein paar ©tunben mit einer mobernen
(Sijeubahn gefahren, fonbern ben ganjen lieben langen Xag in einem $oft*
roagen gerumpelt."
„3)u rjaft ja wofjl auch Unterricht gegeben nach ber Steife/' fagte
3J2arie.
„3a, ich bin wirflidj etwas abgefpannt . . . ich bin geftern 3lbenb
aud) fefjr fpät ju S3ett gefommen."
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406
Karl (Sjellerup in Dänemarf.
,,60? 3n SRaeftoeb . . . Sa fann eS bod) 2lbeubs nid)t xnele 3er*
ftreuungen geben?"
„9Jetn, aber wir betonten ein furdjtbareS ©ewitter."
„Unb ba warft Su fo oernunftig, aufeufteljen ?" fragte grau 3ngerSlei>.
„Sias mufj idj loben; man foüte glauben, Su warft auf bem Sanbe er*
5ogen unb nidn" In'er in ber Stabt, wo 3eber glaubt, ber 33li|j fönne nid>t
bei if>m einfd^lagen, weil er jwifdjen fo einer SKenge anberer SJZenfcben
ftetft. 211S ob ftdj ein Unglütf nidrt* eben fo gut fn'er wie bort ereignt-n
fönnte, wenn ©ort es null."
„O, wir blieben 2lDe auf."
„9Me? — 3m §otel?"
„■Hein, nidfjt im &otel — ad), es ift ja wafir, id? §abe gauj »ergeben,
@u$ in erzählen, bafe td) julefct bei Dr. <5tord)S wojjnte."
„Su bift wirflidj ein netter 33eri<$terftatter . . . Sann bifl Su alfo
bo<$ nidjt bem $efud)e bei ifmen entgangen, oor bem Su Sid) fo fürdjteteft?"
„MerbingS; meine Slngft mar aber feljr unrecht, ftc waren fo freunbltd)
gegen midj — unb fdjlie&lid) ift es aua) nidjt gerabe angenehm, allein im
Hotelzimmer ju fifeen."
„Sa f)aft Su rooljl bie Antonie <3d)ulfc getroffen, bie jfingfte Softer
beS Cberften?" fragte 9Harie.
„3a, fennft Su Tie?"
„Stein, aber e&riftine erjdl)lte mir, ba(? fie bort mar: fte fmb in ber
Selecta Rammen gewefen . . . 2Bte gefaßt fie Sir?"
„D, id) fenne fte ja fo wenig. 2lber eS fdjeint ein ganj nettem 3Räbd)eu
&u fein."
„Habt 3^r ntdjt oiel jufammen gef proben? 6ie ijt bod& gemife red)t
lebhaft!"
„3a geroig — freiltd) — übrigens ^aben roir aud) ein wenig $u*
fammen gefprodjen . . . aber Tie ift ja nodj fo jung."
„3a, lebhaft fielet Tie au«," fagte grau 3ngerSleo — „id> fa$ fte
oft an ben Setzen fpajteren gelten. <Sd)ön ift fte freilid) niefct, baS Ijai
alles bie Sajmefier befommen."
„D, fte ift bod& ganj ^übfd)/' fagte SHarie.
„3a, barin mu& td) Sir 9ied)t geben — eS fommt mir au$ fo cor
— nidjt gerabe eine ©d)önf)ett, nein, baS md>t, bewahre, baS wirb fte
audj nidjt, aber — fte ftcfjt nid)t aus wie ein gemö^nltd)eS 3Wäbdjen —
eS ift eine gerotjfe getnf)ett unb Slnmutf) an ifn* — unb fte ift aua) nid)t
ganj geroitynlid), baS fjabe td) fdwn merfen fönnen."
„Wein, fte ift fefjr begabt . . . Gfjrijtine f)at fte aufjerorbentltd} ge*
lobt, fte l)at mir oiel oon if)r erjä^tf.
SlBtlljelm rema^m mit lebhaftem 3ntereffe einige flehte 3U9«, »elö&e
bie greunbtn ju 3lntonienS 25er(>enli(5ung berietet ^atte. Gr erjagte bann
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(S-Dur. $07
audf) felbjt, tote fte iljn über neuere 2lnf$auungen ausgefragt fjatte, von
iljrer 9iadjbenfltcfyFeit, ir)rcr SBifjbegterbe.
tDtcfe Unterhaltung über einen angenelmieu ©egenftanb bradjte if>m
feine fiebfyaftigfeit unb gute Saune 5urücf. Unb mit ifmen jugteid) allerlei
Sdjerje unb fröljlid&e Klauberei, bis bie Ufn* elf fd)lug, ef)e Qemanb baran
gebaut fjätte, ba§ eS $eit fei, ju 93ette }u gefjen.
3n befter (Stimmung oerabfd&iebete er fi<§, fo roie er getommen mar.
@r ging nidjt nadj §aufe, fonbern an ben £ei<$en entlang, bis er
cor einer 33iüa ftanb, bie rücfroarts im ©arten fjinter einer großen 93Iut=
budje unb ein paar fdjlanren 33irfen lag. $>ort roofjnten Sä)ul|}eS.
3tn unteren (Btod roar eS ftnfter. Cben aber flimmerte ein <5(f*
fenfter gelblidj ans einem rotten Jölätterrafmien roilben 2BeinS fyeruor.
£aS SHdfu" fam aus bem Limmer ber £öd)ter. (fr fannte ungefähr bie
<£inri<$tnng bes Kaufes ; roie oft fjatte er cor 3af)ren bes 2IbenbS nietyt
bort geftanben unb t)ineingefpäf)t, wie ein Üftatijtroanbler ton unberoufeten
©abritten cor biefeS £auS geführt.
Irinnen aber roar er nie geroefen.
Ob er fie roirflio) befugen foUte?
grau Sdjmlfc, bie am borgen auf bem 23oljnf)ofe roar, Ijatte it)n fo
freunblicfc barum gebeten. Unb Antonie aud). (£S roar ifmt fo uorge*
fommen, als ob fie bie €onne roieber f)ätte aufgeben laffen nad) jenem
Keinen Unwillen bes oorf)ergef)enben HOenbS — unb eS roar wol)l aud)
me&r pflid&tgemäfjer als wirf(i<$er 3°™ geroefen.
Antonie Ijatte ifjre 3tufforberung wieberfjolt, einen itjrer Ciuartett*
abenbe ju befugen, (Sie rjatte aud) üerfid&ert, bafe £arriet fid) freuen rofirbe,
i&n roieber 3U feljen. 6ie wufjte natürlia) nid)t, wie eS mit ifmen ge*
ftanben ^atte. 2lber mein ©Ott, baS roar ia bod) fo lange tjer! 3l;m roäre
es geroig lieb, ftarriet roieber 3U fpred)en!
Sßarum foüte er biefe neue ^efanntfd&aft nidfjt fortfefcen unb bie alte
t>on Beuern anfnüpfen? (*S ift bod) nid)t fo etroaS 91Utäglid)eS, in btefer
bunten SBelt 9J?enfa)en 3U treffen, in melden ber erfte 33licf bie oerljeifjenben
3üge ber 2Bat)loerroanbtfd)aft erfennt.
$ietteid)t würben aud) bie (Sdjweftern greunbinnen Märiens; ja, fie
würben es gan$ beftimmt werben — unb roief)errlid) roürbe baS nidn" fein! . . .
9Warie brauste greunbinnen — es rourbe if)m eigentlid; jefet erft flar,
baß eS gerabe baS roar, beffen fie 6eburfte, um eine oielfeitigere 2foföauungS*
weife 3U erlangen. Unb beffere greunbinnen tonnte fie geroift nidjt
finben. Sie roaren eben nidjt oerfdjiebener oon iljr, als eS für ein foldjeS
9Serf)ältni& frudjtbringenb ift. §arriet adelte ifjr am meiften. Slber aud)
mit Antonie t)atte fie oiele SerüljrungSpunfte, auf jener ©runblage, bie
allen guten Naturen gemeinfam ift.
2Ber oon ifmen mod)te eS xoofy fein, beren grofeer Statten fiaj jefct
an ber 2)ede bewegte? . . . ©ine ©eftalt trat oor baS SM&t gegen ba^
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403
Karl (ßjellcrup in Dänemarf.
Jenfter f)in . . . & war geurifj $arriet . . . Da3 genfter mürbe geöffnet
unb fic lehnte fid^ fyerauä — nein, jefct tonnte er beutlidj bie Sdmltern
9lntonien$ erfennen. Cb fie roofjl an ben geftrigen 2Ibenb backte, aU fie
ftd) ^um genfter f)inau3gelel)nt unb mit if)m gefprod&en rjatte, roa^renb jte
bas fteroitter erwarteten?
Gr fing an bie Meine Sajubert'fdje 2J?elobie ju pfeifen, bei welcher
fte bamals ben ftopf gebrefjt fjattc. 91 Oer er fnelt gleid) wieber ein aus 3lngft,
bafj fie e£ gehört rjaben tonnte, weil fie eine plöfcltdje Bewegung ntadjte.
Dod) ein grofjeS Stüd ©arten lag ja jwifdjen ijmen, unb er tyatte fo leife
gepfiffen!
3ie fa^ien auf etroaä ju f)ören, wa£ £arriet fagte.
DaS genfter würbe gefd&Ioffen. Antonie blieb an bemfelben ftefjen,
ü)m ben Würfen jufe^renb. £eid)te Bewegungen ber (SdnUtem unb bie
Beugung be$ ßopfeS geigten, ba§ fie mit ber <2d)weftcr fprad). Dann
ging fie langfam hinein unb nur ber Statten fcrjroebte nod) bisweilen
über bie Dede f)iu — bt£ aud; er in einer Gde oerfa^wanb unb ba$
Limmer nur erfüllt ju fein fd)ien oon einem ftiüen, golbenen £idjte, ba$
bie Wänber be£ wilbeu 2£einlaub3 in bunfler Wubinglutf) entjünbete unb
gwifajen ben flehten, jitternben Birfenblättern mit ttjaunaffem Stimmer
l)inau$ftral)lte.
SBityeun ia^ritt oon bem einfamen, frieblidjjen £ampenlid;te hinweg
in ben i'aubfdjatten Ijinein gegen baä unruhige Saternenfl immer n unb
genfterblinfen ber (Stabt 511.
XIII.
„SBiUft Du mir benn abfolut eine (frfältung auf ben £af3 fa)affen?"
2lutonie oerfdjlofj baä Jyenfter, breite ftd) um unb fafi gebanfenuoll
nad) ber Sdjwefter. "parriet faß mit bem Wuden gegen fie vor bem Spiegel
unb rammte iljr losgelöfteS &aar, ba$ faft bis $um Boben reifte unb
ben weiften 3rifirmantel tjalb bebedte. .
,/Jlber etioa$ ift boa) smifdjen ü)m unb Dir oorgefallen, nid)t roatjr
^arriet fragte Antonie plö<d).
,„3wifdjen wem unb mir?"
„Wun, ^erj natürüd), mir f prägen ja eben uon üjm . . . 3$ mar
boa) bamaU nid)t fo bumm, um nidjt gan^ gut merfen ju tonnen, baf; er
Did) gern l;atte . . . 2lber, ta) meine, ob er nur gan$ im Stillen ges
fdjwärmt, ober ob er Dir gerabem gefagt fyat, bafj er Dtd> liebe."
„DaS faiin Dir boa) gan$ einerlei fein."
„Wein, bas intereffirt mid), unb mir !annft Du'3 bod) fagen, Du
braudjft Did) bod) belegen nid)t ju fa^amen."
„Wein; benn jebenfalls ift er e$ geroefen, ber in mia) ocrliebt mar*7 . . .
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(S-Dnr. $09
„9hm : wenn $u in Um uerliebt geroefen warft, f>raud)tcft $u 2)id>
bod) aucr) nidjt fdjämen."
„D nein . . . $iefe jugenblidje Siebe ift ja fo etroaS 3wfößi9e^/
fie ftd) auf ben ©rften 33eften werfen fann unb überhaupt ntd)t riet ju
bebeuten f)at."
„^Pfui, rote fdjledjt $)u fpridjft!"
„Unb bann ift er ja fdjliefjita; nid&t unbebeutenber als bie Reiften."
„Unbebeutenber !"
„£u finbeft iljn rooI;l bebeutenb!"
„D nein — er mufc roof)l fogar ätemlidj unbebeutenb fein, ba er fo
viel unb fo gern mit mir fpradt) unb über fo ernfte Xinge; benn id) roeifj
wof)lf ba§ bie Slnberen, bie id) fenne, baju ju bebeutenb finb."
„(So? lieber ernfte ftinge f)abt Qfjr gefprodjen? £aoon Ijatteft $u
wir bod) aud) etroaS erjagen fönnen."
„2ßoju benn? . . . £oct), £u foHft baS alles nad;f)er l)ören, fage
mir nur, ob er roirflid) in 2Mdj oerliebt geroefen ift!" — Antonie ging
auf bie 6d;roefter ju, legte ben Sinn um ir)rc Beultet unb füfjte ben
^ipfel i^rejS CrjreS, ber lofigrotf) au3 ber güüe bes braunen &aare3 tjers
rortrat . . . „Süße £arriet, ba3 fannft 3)u roirflid), id) fage e3 ja
Ifttemanb; unb id) fann'3 ifjm ja aud) nidt)t oerbenfen, baß er £)id) ge*
liebt fjat!''
„9Jid)t? . . . 5?un benn, roenn $u e£ burd)au£ roiffen roillft, bann
tyxt er allerbin g£ unleugbar mir einmal bie (Styre angetfyan, fetertid) um
meine £anb ansu^alten/'
„tflein roirflid)! 2£ann war benn ba3?" rief Antonie, inbem fie
ftd) ber Sdjroefter fd)räg gegenüber fefcte unb, ba3 Äinn in bie £anb ge*
ftüfct, fie unoerroanbt betrad)tete."
„flurj efye roir nad) ftopenfjagen sogen. Gr t)attc bamalS eben bie
Sommerferien bei uns in 9?aeftoeb sugebrad)t unb roir roaren red&t gute
greunbe. — 3$ mod)te i^n im ©runbe ganj gern; bann fam id) r)ierl)er
ju Sefud) unb roir trafen oft bei «profeffor 2LM[t>jeIm^ jufammeu. ©r
begleitete mid) geroöfmlid) nad) &aufe; benn roir Ratten ungefähr benfelben
2Öeg. @ineä Sonntags aber, als es regnete, fjatte id) bie 9)tagb beauf*
tragt, mia) abholen. 211S er ba« beim $aa)mittagSFaffee f)örte, merfte
icr) roofjl, bafj er fef)r enttäufd)t rourbe unb anfing, fid) um mid) Ijerunts
pbrefjen, als ob er etroaS auf bem £er$en I)ätte . . . aber roir roaren
bie ganje &\t mitten unter ben 5Inberen. ©nblid) fonnte er mir juflüftern,
er r)atte mir etroaS unter oier 5lugen ju fagen .... Dann, gegen bie
STrjeejeit folgte ia) einem SBinfe oon ilwt unb ging au3 ber 8tube . . .
<?r öffnete bie *Tr)ür jum ^TbliotlieF^^immer, in bem e^ finfter mar, mir
rourbe plofelid) ain^'t unb ei tarn mir ber Webmife, je^t Ijält er um
3lber id) glaubte eo bodj aud) roieber uiAt unb ghui hinein ....
: fannft Tu Tir benfeu, :uie lädjerlid)! ^u bev ^ibliotljef fonnte
1
Karl (ßjciierup in Dänemarf.
man jtd) am fetten £age faum rühren vor Suchern, bie auf bem Stoben
aufgekauft tagen, unb es mar fo ftocfftnfter, bafj man nicht bie £>anb cor
2lugen fehen fonnte . . . Unb ba fing er wirfltch an ju erflären, ba§ er
mich Hebe unb offne mich nicht glücflid) werben fönne."
„9Wein ©ott, £arrtet, was antworteten" 2)u benn?"
„D, ich weifj nicht, irgenb etwas SummeS, ba§ er mich mifjoer-
jknben, ba& id) ju iung fei unb an fo etwas gar nia)t gebaut ^ätte . .
D, baS ©anje mar ju bumm! Seine Stimme gitterte fo, ba& fie mid)
tobtenangft machte, beoor er nad) etwas Rechtes gefagt hatte; unb idj wäre
hinausgelaufen, wenn id) nur gewuftt hätte, roo bie Xt)üre mar. 3$ war
genau fo baran roie SeporeHo in ber SBohnung ber grau ©lotra."
„Unb barüber fannft $u lachen!"
„9ta, bamalS lachte i<h freilich nicht ... 9110 er bie Xhüre roieber
öffnete, mar er fo bleich, als ob er in Dhn"nu$t foH«» wollte. 2lber baS
ift ja lange her, unb er ift mit einer Ruberen oerlobt, fo bafc fein ©runb
oorhanben ift, es fo feierlich ju nehmen.
„3a, er ift aöerbingS oerlobt, aber — "
„9hm?"
„Sich, t<h glaube nidjt, ba& er wirflidj in 9Rarie 3ngerSleo oer*
liebt ift."
„So? .... $aS finb boch nicht etwa bie ,ernften $inge/ bie
3$r • •
„O pfui, rote fannft 2)u nur glauben, bafj er fo unfein fein würbe,
mit einer gremben barüber ju fprechen . . . SRein, im ©egentheil, wenn
er fie ermähnte, mar eS immer mit groger Verehrung . . . Slber ich Staube
nun einmal, es ift eine 33ernunftef)e — roenn eS eine ©he wirb, unb ba*
roirb es ja wof)l."
„(Sine 33ernunftet)e mit einer Schullehrerin unb einer penfionirten
*PfarrerS=S5Mttwe jur Schwiegermutter!"
„3ch meine nur, eine ©he, bie nidjt aus fieibenfehaft gefchloffen ift; etwas,
baS ju Stanbe gefommen ift, weil es pa&t, weil fie ein gutes 97töbchen
ift, mit ber er jufrieben (eben fann — gegenfeittge Sichtung unb alle*
baS, worauf ich nicht oiel gebe.
„SÖirflich nidjt? . . . S)aS ift merfroürbig, benn $u weißt wenigftenS,
was baS ift; was bagegen ßeibenfehaft — "
„D . . .
„21$! SBiflfl $u mir oießeicht einreben, baß $u eine Öeibenfchaft
hätteft, bie i<$ nicht entbeeft habe?"
„$aS habe ich ja nicht gefagt; aber barum fann man boch Riffen,
was es ift unb eine Meinung barüber haben . . . 3a, baS fann man! . . .
3ch bin fiajer, baß feine £eibenfd)aft jwifchen ihnen ^errfd^t . . . Sie
ift gewiß ein vernünftiges, gutes 2J?äbd>n,' er aber ift eine fdjwärmerifche
9tatur — unb fie wirb Unit auf bie £>auer faum genügen."
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ö3<Dnr. <k\{
„Wim, bad get)t und ja eigentlid) nidjtd an."
,,D nein, wenn ed 3ttn<*nb »on und beiben anginge, müßteft £u ed
fein, ba 25u $)idj bamit tröfteft, ed fdjabe nidjtd, baß £u fein $er$ ge*
brauen rjaft, weit ed jefct wieber aufammengefittet ift!
XIV.
„Antonie ift leiber nia)t ju &aufe," fagte grau Sdmlfe . . .
Sie mad)t einen 23eiud> in ber Stabt, aber fie fommt geroig balb
jurücf, unb wirb fid) freuen Sie §u feljen Sie f)at üiet
baoon erjagt, wie |übjd) ed in S^aeftoeb war ... . Uebrigend glaube
id&, baß fie if>r 2lufentf)alt ein wenig enttauföt unb fie gräulein Stora)
jiemlid) langweilig gefunben fjat . . . . ©d gef)t ja oft fo mit ben
Stinberfreunbfdjaften; fo lange bie Jttnber !lein finb, fönnen fie prächtig
äufammen fpielen, fpäter aber entwirfein fid) bie $erfdnebenf)etten, unb
Antonie ift ja fd>on ein erwaajfened 9Häba>n."
„3a, ed überraftt)te mid), jle ald junge Same wieber ju fer)en
. . . . 9ftan benft nidjt baran, wie bie Seit uergef)t; n>enn aber aud
ben Keinen 9Räbdjen, bie einem auf bem Sa>oße gefeffen haben, große
geroorben finb, bie für bie jungen Männer fd)on gefärjrlidfi 5U werben
beginnen, bann fpürt man, baß man anfängt, alt &u werben!"
„D Sie, ber Sie nodj ein junger, unoerljeiratljeter 3JJann finb unb
wor)l faum bie breifeig erreid&t rjaben — bod)? — nun, bann fielen
Sie ja gerabe in ber :8lütrje$eit .... nein, wad müffen bennbann mir
Mütter fagen, wenn unfere £öa)ter aufwachen unb und unfer Sitter
uorwerfen!"
2BUf)elm (adelte, ©r erinnerte ftdj baran, wie augenfdjeinli$ bie
grau CbeTft auf einem Stiftungdballe an ben Dualen bed SBerblüfjend ge*
litten t)atte, als bie plöfclid) entfaltete S5>eiberia)önbeit ßarrietd fty eine
fo audfd^ließltaje &ulbtgung sujog, baß fogarein junger $ragonerlieutenant
aud bem Scimlfc'idien Regiment ganj üergaß, baß auaj bie grau Cberft noaj
tanje. Unb jefet Ijatte fie 5wei £öd)ter, benen fie r)etfen mußte, bie
23ouquetd tragen! Uebrigend mußte man jugeben, baß bie 3 weite
3ugcnb ber grau Sdjulfc fid) mit einer l'ebendfraft erhielt, weldje eine
SRefignation erföroeren mußte, unb SiMlrjelm madjte biefed 3«geftänbniß
in einem Kompliment, bad »mit lacrjenbem 5topf|d)ütteln beantwortet
mürbe.
3n bemfelben 2lugenblitfe trat'^arriet ein. Antonie fjatte ^Hed^t :
fetbft ber 23licf eined ehemaligen l'iebbaberd, für welken im©runbe jebe
SBeränberung ein 9iüdgang ift, mußte jugeben, baß fie in -ben le|teu
3a^ren nodj ferner geworben war. 3*)* ©eftd)t, melcrjed eine ruhigere
JHegelmäßigfeit befaß, ald bad ber Sajwefter, fyatte jefet gan$ bie rjarmonifdje
Slnmutrj ber Weife unb ber geiftigen (Sntrotefelung befommen. Gin f)oa>
geflogener 9todenfnoten, ber eine fdjroere, braune £aarfülle Mammen*
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412
Karl (Bjellernp in DSnemarf.
fagte, fefote ihrer Schönheit eine flaffifche Ärone auf; bie ungewöhnlich
f)of)e gigur tjatte fich $u üoUerem 9iI)9t^muS gerunbet, ohne etroaS oon
ihrer jungfräulichen Schlauheit einzubüßen.
Sie grüßte ihn rote einen alten 33efannten ohne Spur oon 9?er=
legenheit unb fefete fidt) an feine Seite. £a3 ©efprad^ lenfte fich auf feine
Sraut, bie &arriet roährenb ihres Aufenthaltes auf beut £anbe oft in einem
^ifarrrjofe getroffen fyattt, in beut Sttarie bamals Severin geroefen roar.
„öefdjäftigt fie fich auch Ijier mit Unterricht?" fragte ^anriet.
„3°, ftc W Se^rerin in einer Sdmle, unb ba$ nimmt tr)rc meifte
3eit in 9lnfprud), aber auch if>r meifte« Sntereffe."
„Dann ift fie glüdltch! .... @3 ift oon großem ©ertr), eine
foldje regelmäßige ^^ätigfeit ju beftfoen, für bie man fich tnterefftrt. 28ir
SSeiber leiben fo nie! baruuter, baß mir feine rechte Sefa^äftigung haben —
unb bann werben mir melandjolifch."
„2lber Sie fpielen bod> unb aquareairen, tjat mir 3f>re Schroetter
erjagt."
„3a, jum ^eitoertretb mag baS ganj gut fein; roenn man e3 aber
nicht fo roeit bringt, Hünftlerin 3u werben, fo überfommt einen fchließlidj •
bodj baS brücfenbe ©efü^I, feine eigentliche Arbeit ju ty&en."
„Unb bann bift $u boch auch häßlich — roaS follte au$ bem £aufe
roerben ofme $)ich?" fragte bie grau Cberft.
,,3ld}, ba3 ift eben ber 3Ierger! 3" einem §aufe roie bem unfrigen
roeiß ntan ja, baß 9IUed aud) ganj gut gehen roürbe, auch roenn man nicht
ba wäre." x
„9tun, Sie fönnen in SkrJjältniffe fommen, in benen Qtjrc häuslichen
£ugenben unentbehrlicher finb, als tycx ... ©5 flcljt 3hnen aber ganj
ähnlich, fo genau, faft pebantifch gegen fieb felbft ju fein."
„(SS roar gut, baß Sie baS ,faftl hinzufügten", antwortete darrtet
lachenb.
Die grau Cberft aber ftimmte ihm bei. föarriet treibe wirflidt) ihre
©eroiffenhaftigfeit 511 roeit. <§S roäre gut für fie, ein roenig oon bem
Seichtftnn 9tntonienS angefteeft ju roerben!
Wilhelm fühlte fich gan$ roie ein föauSfreunb, fo leicht unb natürlich
hatte ber alte Xon fich gefunben. 2llleS hantelte ^n an« n>ar 5um
erften Stfal in biefer SSofmung, aber bie neue ©olinftube umgab ihn mit
lauter befannten ©egenftänben, lauter 3noentarien fetner erften 3bpüe . . .
Ueber bem Soplja, auf bem bie grau Cberft faß, hing noch ber alte Äupfer=
ftich 00m ?lpoüo=£empel beS Glaube Sorrain. hinter ben Scheiben beS
SBücherfdjranfS fah er bie $änbe, bie er fo oft an regnerifdjen Sommers
ferientagen in Rauben gehalten . . . 9luS bem Nebenzimmer f langen (Sellotöne,
immer biefelben, ein fleiner, »errufener Sauf im Anfang beS (£*£urs
Quartetts oon ^eetlwoen, ber fd)on bamals 511 ben täglichen Uebungcn beS
Cberftcn gehört hatte, ©üblich, nadjbem er fich roobl ein ^albeö hunbert
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<ß*Bnr. <H3
2Jtol wieberlwlt fjatte, f)örte er auf. ©leidfc barauf würbe bie £f)ür geöffnet
unb ber Cberft trat herein.
Cbwotyl er von ber Arbeit in feinem eigenen 3immer fam, war er bodj
in Sadftiefeln, biö oben hinauf jugefnöpftem dlod unb nidjt olme bie be*
fannten ungeheuren, freiberoei§en SHandjettcn — ganj wie Söilljelm iljn
erwartet fjatte. $er Oberft Sdmlfc mar ftets fein* genau gewefen in ber 2lu3*
ftattung feiner ^erfon, bie faft jarter unb fleiner war, als e8 für einen
GaoalIerieoffi$ier erlaubt festen. (Seinen 93art trug er ä la Napoleon III.
unb bie fef)r weiten SBeinfleiber fpife nad) ben ©tiefein julaufenb, wa$
feinen franjöfifd&'miütärifdfjen 5lnftrid) nod) ert)öf)te. Gin leidjter 2)uft von
Spatajouli unb Zigaretten war feine Sltmofptjäre.
„3efct müffen Sie balb fidler fein in ber Gello^affage, £err Cberfi/'
betnerfte äBUfjelm, als bie ©rüfje gcwedjfelt waren.
„C, fagen Sie ba$ nia)t; es ift fein Span, obfdjon eä ganj leid)t
flingt. Äeüermann übte biefe ©teile täglidj eine SSiertelftunbe, unb fie
ging ifmt'bod) einmal bei einem (Soncerte in bie 53rücfye."
SSäre ßellermann fjier nid)t erwähnt worben, fo wäre 2Bilf)elm ebenfo
enttaufd^t gewefen, wie wenn man in ber gewohnten Äneipenecfe einen
pofftrlia^en Stammgaft oermifct. 3efet fehlte nur nod) beS Springer:©ambit,
bann ftanb ba$ Sd)ulfo'fd)e £auö ooüenbet bte jur SBetterfafme ba in
feiner alten ©lorie!
Cberft Sdnilfc erjagte von feiner 9ieife nad) granfreid), wo er einer
ber ^Repräsentanten ber bänifdjen 3lrmee bei ber großen 9teuue gewefen.
Gr war entjüdt über bie Siebenäwürbigfeit ber franjöfifäjen Cffrjtere unb
begeiftert für ba£ &eer. 9)ian würbe e£ nod) fefyen, wie if)re Waffen
SReoandje an $eutfä)lanb nelmten würben, trofobem bie fd)led)te republifanifdje
Regierung mit if;ren 5erfefcenben unb attjetftif^en ^eftrebungen einem faft
bie Hoffnung nehmen fönnte. Uebrigen3 ma$e man fid) im ?lu£lanbe eine
oerfefjrte 2>orfteü*ung oon itjrer 3J?ad)t; ber Äern be$ 33olfe£ fei immer
nod) ronaliftifdj unb gläubig, ©r bätte feiner 2lMrtf)in, einer uortrefflidjen
brauen S8auer$frau, fein S^ittcrfreuj gezeigt unb ifjr bie 3nfcb,rift überfefeen
müffen. Dieu — le roi — mais « >st tres beau! Ijätte fie aufgerufen.
Xie braue ^xan fjabe itjm ben ©lauben an Jyranfrcidjä ©röfje jurüdges
geben!
^lötjlia^) fiel e£ bem Cberften ein, bafj &err $ex$ ütetleict)t Suft hätte,
eine Partie Sdjad) $u fpielen. (£r t)atte felbft mehrere £age lang ntdjt
gefpielt, unb weil $}efud) für il;n ber fd)redlid)fte ^rolmbienft war, fo bad)te
er, e3 muffe and) für ben armen jungen 9Jiann ein ungeheurer s^ortf)eil fein,
einen folgen Sefudj in eine Sd)ad)partie oerwanbelt ^u befommen, bei
ber man bod) wußte, woran man war.
//3$ gfaube gar, Sie finb mir nod) fteoandje fa^ulbig."
„Neffen fann idj mid) wirflid) nid)t erinnern; aber e^ wirb wol)l
faum ber gall fein, ba ber &err Cberft ja fo au^ge5eid;net fpielt."
^4 Karl (Bjellcrnp in Ddnemarf.
„9tun, wir wollen einmal in meinem Journal nad)fef)en," jagte ber
Dberft unb ging in [ein 3^mmcr/ nM) weitem er bie £f)üre offen liefe.
„Das nenne tdj feine Saasen in Drbnung tyaben!" rief S&ityelm;
„nadj fo langer 3"t!"
„2öie lange ift e$ Ijer, bafc Sie uns in 9toeftoeb befugten?" fragte
bie grau Dberft.
„(§& wirb wo&t neun 3af)re fein."
„Journal — Journal für ad&tjefmlmnbert — mann fagen Sie?" ■
„Dretunbiieb$ig."
„SldjtselmrMnbert — unb — brei — unb ftebjig — Sommer —
warten Sie, warten Sie — f)ier werben Tötr'ö gleid) feljen, lieber $err,"
fagte ber Dberft, welcher tyeranfam, in einem tleinen 2Raroquinbanbe
blätternb — „Sie erinnern ftcfc worjl nidjt — "
„3$ reifte am fünfunbjroanjigften 2lugujt," fagte SBiUjelmunb et*
tött)etey weil er ba3 Datum fo genau wujjte,
„2llfo warjrfdjeinltdj — ja, fner tjaben wir'ä, ganj red^t . • . Setzen
Sie nur, am oierunbjtoanjigjten, Spiet mit &errn &erj — 9Jtat<$ II
3lo. 7. oerloren. 3" ^itige ßntblö&ung be3 tinfen glügelS — fmt —
f)ier fommt nur noaj ein £tnmei3 auf ba3 ^arifer furnier." — Der
Dberft unterftridj bie %t\it mit bem 9iagel be$ fleineu ginget, betten
fdjarfeS Dretetf ba3 Rapier ^atte burdjfdmetben fönnen . . . „3Ufo ber
alte 2)tatd) ftetyt — lajfen Sie fetyen — ftefjt fo — - bafe — ad), baß
Sie — 2'/2 — gegen — 4 ^aben ... ja, 2Va gegen 4 . . . 3llfo
wenn Sie Suft fyaben, fönnen mir gleid) weiter fpielen."
2Bill)elm f)ätte jwar oorgesogen, bei ben Damen &u bleiben; anbrerfeit$
mufete er ftdr) aber barüber freuen, jroifcfyen fidj unb ber gamilie ein fo
gutes 3?erbinbung3glieb ju beulen, wie bie Sdfadjpaffion be£ Dberften,
unb er folgte üjm barum ofme Sßiberftanb nadj ber f leinen, carrirten
2Bat)lftatt.
2U3 fie ungefähr eine fyalbe Stunbe gefpielt fjatten, r)Örte er plöfclief)
bie Stimme 2lntonienS in ber 3öolmftube. (5r r)atte eben einen SBortfjeil über
ben Dberften errungen, unb ba$ Spiel würbe fid) beäljalb vn'3 Unenblia^e
f)inau£gejogen (jaben — unb er fing an, oor Ungebulb ju brennen . . .
Sitenn er einer (Sinlabuug jum 2J?ittageffen fyntte golge leiften fönnen,
im gaUe e$ gar $u lange bauerte, ja bann — aber er mufcte ju 3ngeröler>$.
2Bal)rfd)einlid) würbe er faum 3«* fyaben, Antonien ein fnrjeä „©uten
£ag," 511 fagen, um bann £>al3 über Äopf fortjuftürjen; benn bie TOittag^-
ftuube 3rau SngeräleoS war fo fdjrecflid) altmobifd) seitig. (Sr faßte fid)
ein .fterj, Üiat, ate ob er eine galle überietjen, fiel mit Hillen in ein
,8d)ad) unb ©arbej1 unb braute e£ nad) einer SBiertelftunbe fo weit, bafc
er baS Spiel oerloren geben fonnte. 9)iit einer für einen Sd&adjfinatten
burdjauä unpaff enben Sebfyaftigfeit ftanb er auf, banfte bem Dberften unt>
ging, gejolgt oon bem Steger, in bie SBofmftube.
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(B-Dur.
„2ld&, ich hätte faum gehofft, ©ie ju fehen," fagte Antonie, „als ich
^örtc, bajj ©ie fdjon beim ©chachfpiel wären . . . es ift ^übfd^ t>om SBater,
ba§ er fdfwn mit 3f)nen fertig geworben ift."
„&err &erj fatn mit einem fo oergnügten ©eficht herein, bafj er
gewife ber Sieger ift/' bemerfte grau ©chulfc.
„ftein," fagte ber Cberft, „ich war'«, ber Hegte . . . &err &er$ hatte
übrigens eine fe^r gute Stellung befommen, eine für mich gefährliche
©teflung, aber ich weifj nicht auf ein 9Wal — ja wiffen ©ie, &err £03,
nachbem ©ie bie Königin oerloren Ratten, haben Sie, grabe heraus gejagt,
bilettantenhaft gefpielt ... 60 ben ßopf ju oerlieren!'*
,,30, id) merfe, ich bin aus ber Uebung gefommen."
„Sie haben nieHeiäjt gebaut, wenn bie Königin fort ift, mag taugt
bann baS 9lei<h?"
,,^fut £onn, überlafc 2>u baS ben Herren, bem frönen ©ef<hled£)te
Komplimente ju machen."
„Ober tueQeiäjt hat &err ^erj abjichtltch oerloren, um $u uns herein*
äufommen," erriett) bie grau Dberft.
,,©ie finb mirflich gar ju erfinberifch, bie einfädle £hatfa<he, ba& i<h
fehlest gefpielt habe, ju erffären!"
,/Rein, freiwillig ein ©piet ju oerlieren — haha! — rief ber Dberft,
„2>u fprichjt wie $u'S oerftehft, liebe grau . . . 9fein, ba mü&te man bod)
bis über beibe Cljren oerliebt fein, unb felbjt bann nicht — felbjt bann
nic^t!"
,/Hch, eS ift abfdfjeulidfj," rief Antonie, „es mit anhören 5U müffen,
baß bie Männer unfertroegen nicht einmal ein ©piel oerlieren motten !"
„9ton, ©ie waren mir ja aud) Sieoanche fdjulbig; näd)fteS 9flal ift
bie Steide an Shnen . . . 2Benn ©ie uns nicht früher baS Vergnügen
machen, hoffe ich, bog ©ie einmal 2lbenbS ein paar Quartette bei uns
anhören werben/'
„Sich, werben wir balb einen üuartettabenb haben, Steter? 25aS ift
ja herrlich!"
„2Bir wollen fehen; oielleicht in biefer 2Boche, wenn ni<ht eine Oper
bajwifdhen fommt."
„£aft Du £erm föerj Seine Aquarelle gejeigt?", fragte Antonie —
,/SaS foffteft Xu bo<$ — bie oon ber 3ieife — &err ^erj ift felbft in
ber ©dhweij gewefen."
„3a, bie müffen ©ie mir jeigen "
„9ton, §err &er$," fagte Antonie, als ßarriet hinausgegangen war,
„finb ©te auSgejanft worben oon 3h**er 33raut, weil ©ie ihren ©eburtstag
oerfäumt haben?"
„Wein, baS bin i(h nicht, obgleich ich ^ oerbient habe/'
„Xa haben ©ie es freilich gut . . . ©ott weife, ob ich eben fo gut=
müthig an ihrer — wenn ich oeriobt wäre . . . ftören ©ie, xd) möchte
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Karl (Bjellernp in Danemarf.
gern ^xe Sraut fennen lernen, ßarriet fyd fie fo fe^r gefallen. 2BoUen
Sie fte uns nia)t einmal oorfteffen ?"
„SD ja, fefyr gern; idj tyabe gerabe ben ©ebanfen gehabt, ba& e3 für
fic fet)r gut fein mürbe, Sie unb $tye Sdjroefter fennen ju lernen."
„&ier finb bie Aquarelle", fagte ^arriet ; „roenn man aber bie SBirf --
lidjfeit gefeiten bat, nehmen fie fidj freiltd) armfelig aus."
„3m ©egentljetl, menn man fie fennt, fua}t man in Urnen no$ mehr
. . . 211), ba fyaben mir ja bie Xreieinigfeit beS ewigen SdjneeS — ob,
baS ift aber roirfliä) fein* fd)ön! — XaS 2lbenbrotf) auf bem Stlberfjorn
entjücfenb! . . . es mufe oon SBengernalp aus gefefjen fein, man f>at ja
bie Jungfrau gerabe cor fid) . . . Unb ber finftere gidjtenoorbergTunb,
ber ift rooljl auf bem &ügel, oon beut aus man gegen 3nterlafen fielet?
. . . Ten ad)tunb$roan$igften üluguft 1880. — 2lber baS mar ja gerabe
ju berfelben 3e't <SU ber i$ bort mar! . . . 2£arten Sie einmal ... ja,
nur jroei Tage fpäter !"
„3roei Tage genügen, um einanber nidjt ju begegnen," fagte darrtet
ladjenb.
„3roei elenbe Tage! Unb roie f$ön märe es geroefen, wenn id) Sie bort
getroffen l)ütte . . . ia; atynte nid)t einmal, bafe Sie in ber Wa> roaren !"
Antonie fat> tfm oerftol)len an. @S mar if)r, als ob fie auf feinem
©eftdjte bie Seligfeit feljen fönnte, bie er empfunben fjätte, wenn er inu
erwartet, wie buraj ein SBunber, ber ©ebietcrin feines ^er^enS in ber
(Sinjamfeit ber gtganttfdjen ©ebirgSnatur begegnet roäre — wenn er bort
mit if)r geroanbelt märe, roä&renb bie untergef)enbe Sonne ifir Stofaliapt
unb if)re füljlblauen Sä)atten über ben eroigen Sdmee f)inbaud>te, baS
2(lpenglüt)en bie golbenen girnen entjünbete unb bie ©letfc&erlaroinen roie
raudjenbe ©afferfälle bonnernb jur Tiefe ftürjten!
Sie füllte in biefem 2lugenblide einen Anflug oon SReib gegen bie
Sdjroefter unb oon 9Jiitleib mit Unn: mein ©ott fo nafje baran, roarum
fonnte baS Sdjitffal tym nid)t ben glücflidjeu 3ufall gönnen, eine fleine
Cafe in feiner i&üftenroanberung !
„Unb Sie roaren nidjt mit, gräuletn Antonie ?"
„ftein, .fcarriet reifte mit ber gamilie, bei ber fte auf bem £'anbe
rooljnte."
„Wun, Sie traf id) ja ebenfo unerwartet unb sufäütg in 9laeftoeb.
greilidi ift es bort ntd)t fo fa)5n roie auf ber Ängernalp, aber ftüumungs*
ooll ift es bod) auef)."
Antonie lächelte. „GS oerfjalt U) roof)l jum ferner Oberlanb, roie
id; *u ftarriet," backte fie.
„Sie l;at Talent, nid)t roafjr?" fragte bie grau Dberft oom Soplja.
„0 geroijj, bebeutenbes . . . Tic* $ilb oom Pilatus mit bem Alfens
bute ift nor^lid) . . . Stfie? &?ar bad Ijalb oier, roaS es eben fälug?
Tann mufj id) mid) beeilen."
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<S-Dnr.
„Sinb Sie irgenbroo &um Sfttttageffen eingelaben?"
,,3d) mu§ meiner 33raut unb Sd)irriegermurter, bort bin idj ftets
beS Sonntags."
„Dann grfi§en ©ie 3^re 33raut pon mir; Tie erinnert ftcr) rooftf
meiner noaV'
„(SS wirb un$ freuen, fte bei uns ju feEjen," fügte bie grau Dberft Ijinju.
XV.
„3ft 2ßi(r)elm nod> nidjt ba?", fragte SJtorie, inbem fie ben &ut ab*
nafmt unb auf's (Slaoier roarf. — „Unb td) bin fo gelaufen, um nid&t ju
fpät ju fommen ... er bleibt lange bei Sdjulfee'S."
„Seim Oberft?"
„3a, i$ faf) ifm jur ©artenttjür hineingehen, als icr) auf bem 2öege
nad) Oefterbrotf mar . . . ©r mar ein fteineS Stücf oorauS, idj rief i§m ju,
aber er f>atte foldje eile, bafe er roeber far) nod) l)örte . . . ©ort roeif?,
roaS er etgentlid) bort will."
„ßs ift roof)l nur ein 33efud>, weil er bie Dotier in 9toeftoeb ge*
troffen f)at,"fagte grau 3"9*rSleo. „Slber er r>ätte freilid) pünftlidj pm
SflittagSeffen fommen tonnen . . . Sopfjte, Du mußt ben Xtftt) betfen."
„9ton, mein ©Ott, roeil man eine junge Dame in einem fremben
£aufe trifft, brauet man bod) nid)t gleid) bie gamtlie ju befugen."
„9tein, baS ift fdjon ridjtig, aber roas f>aft Du benn Dagegen V gürd&teft
D>u bic ßarriet?"
„gurrten, baS rottt \6) nidjt fagen, obfdjon idj roofjl roei§, bafj 2öil§elm
mid) nie fo geliebt hat roie fie — fte ift ja aud) fo fd&ön . . . 246er es
fann ntdjt jum ©uten fein — unb es ruft bod) leia)t Unruhe unb $er*
ftimmt^eit f)eroor — "
„9tun, fo feft wirb bod> roof)l fein §erj mit ben Saferen geworben
fein, ba§ er Tie orme <Sd>aben fefcen fann."
„Keffer ift immer beffer . . . SBenn nun §arriet jefct anfinge für
ir)n eingenommen ju werben — id) fürchte ja nidjt, ba§ er mid) oerlaffen
würbe — natürlich nid)t — baS fallt mir ja nia)t ein, — aber bocfc — u
„D barüber fannft Du ganj rul)ig fein . . . 2Benn ein Söetb fidj
einmal oon einem SHanne geliebt gemußt fyat, ofme fein ©efüfjl ju er«
iDibern, fo wirb fic it)n niemals lieben,"
„Sßarum nid)t?M
„SBarum, roarum — baS roei& id) nidjt mein Äinb — eS ift nun
einmal fo . . . 211)/ ba fommt er ja enblia) "
„IRun, waren bie Damen liebenSroürbig, a®itr)elm ?M
„2Beld>e Damen?"
„Watürlidj bie bort, wo Du warft."
„Du weifet bod) aud) 2llleS, man fann Dir nie etwas erjagen !"
„eben bestjalb, roeil Du nidjt einer oon benen bift, bie oiel er»
Horb un^ eiib. LI., 153. 28
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<H8 — Karl öjellernp in Däncmarf. —
jaulen, mufe \<f) bod^ bofür forgen, felbft etroaS ju erfahren . . . Uebrigens,
wenn man $ufälligerweife $)ir nadjgelaufen ift unb $ia; gerufen fjat, bis
$u bur$ eine ©artentf)ür entfdjlüpft bift, bann ift es nidjt fo übermenf$ti<$,
flu wtffen, wo $u warft."
,,2lf), auf btefe SSeife! . . . 3a, gewife waren bie tarnen Heben* *
würbig, e3 ift ja tyr HRetter . . . §arriet Sd)ulfc war fogar fo liebend
wfirbig, ba& fie midj bat, $idj ju grüben, fie erinnerte fid) deiner mit
groger greunblidtfeit . . . SBarum Ijaft ®u mir benn nie erjagt, ba^
$u fte einmal auf bem Sanbe getroffen f)aft?"
„3$ weife ntdjt, idj badete, idj §ätte £)ir'* gefagt."
„Stfem, ©ott bewahre . . . £a fannft $)u fefjen, bafe id) audj ba$u
genötigt bin, mein 2Biffen mir felbft ju perfdjaffen . . . Sie motten
$id> gern fef)en bei ©a)ulfce$ — $aft $>u nid&t £uft, einmal mit mir
f)in$uge!)en?"
„Wein, was foll idj benn bort?"
„9iun, roaä foll man überffaupt unter 3Kenfd)en? ... 3^ meinte,
e$ mürbe 3)ir Sßergnügen ma$en — es ift ein lebhaftes §au£ — unb
befonberS bie £öd)ter fennen ju lernen — 3^r würbet genrife greunbinnen
werben."
„2>u f)aft fo oft getagt, £u warft frof), bafeief} feine greunbinnen jjabe."
„9tun, greunbinnen unb greunbinnen — id> fd& warme allerbingS im
Allgemeinen nid>t für bie 3)iäba;enfreunbf(%aften — bieS Slneinanberljängen
unb einanber in bie Dfjren glüftern — ba3 übrigeng nadj ber Verlobung
feiten ift ... $on biefem $erfef)re aber, glaube id), mürbejt £u Stufcen
§aben . . . idj uerftelje überhaupt m$t, warum 2)u 2)id) fo abroefjrent^
uerljaltft."
„2)u weifet ja, ba& id) niajt fetyr bafür bin, neue Sefanntfajaften $u
madjen, id) f)abe an ben alten genug . . . 2lufeerbem fjabe id) uidjt viel
Seit au^ugetyen unb, id) weife nidjt, idj Ijabe nun einmal feine Suft!"
9iun, ja, ja," warf 2Bu>lm in gleidjgülttgem Xone f)in unb blätterte
in einem 9?otenbudje, ba$ auf bem Glaoiere lag.
„£ommt jefet herein &um @ffen, Jlinber, e3 ift aufgetragen/' fagte
grau Snger^leo, welaje bie S^ür junt Speifejimmer öffnete, freubeftraljlenb
barüber, bafe ber Mcf)brei weber angebrannt nod) burdj ba$ SBarten fe:i
geworben war. £>enn Wxlti)bxti war 2ötlf)elm$ befd)eibene$ Seibgericfct,
ba3 er im SSirt^aufe entbehren mufete.
Xrofcbem er aber an bem Keffer mit 3intmt feben fonnte, ma$ tfm in
ber Sdmffel ermartete, fefcte er fid) üerftimmt 3U Stifa}, unb ba$ fkine
Stifd)gcbet, ba# i^m fonft ben kippen Märiens fo fleibfam erfdjien, ärgerte
il)it fo, bafe er nidjt wufete, wo er bie 3tugen f)inwenben fottte.
Gr baajte an ben pifanten 2Jhmb Antonien«, bejfen ßippen nia^t xvu
bie Märiens gleid)inäfeig unb einfaa) wie ein alter ©efangbu^oer^ ge=
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(S-Dur.
reimt roaren, fonbern frei gefdjroungen in betueglid&en 3if)i)tf;menroeÖen —
ob fie rool)l aud) baS £ifd)gebet fpredjen fonnten?
xvr.
„Gi guten 2lbenb, £>err fterj ! ,§ier mfiffen nur uns treffen ?"
GS roar bie muntere Stimme SlntonienS, bie mit froher Ueberrafdmng
ben ßopf breljte.
„$a, es fd^eint fo, guten 2lbenb . . . 9ta, jefot fann id) \a gleidj
baS Sergnügen baben, Sfjnen meine Sraut uorjuftellen — gräulein
Antonie Sdjulfe — gräulein — ad), bei Olmen ift eine Sorftetlung ja
gar nid)t nötf)ig."
„9Jein, id) fjoffe, Sie Ijaben bereite einen ©ruft von mir erhalten,"
fagte .^anriet unb gab Sttarie freunblidj bie &anb. „Unb f)ier rjtnauS
finb Sie geioanbert! GS fann boi) nid)t baS 2B;tter geroefen fein, baS
Sie jur Stranbpromenabe ücrtodft fjat."
„Das nidjt, aber jroifdjen ben uier 2Bänb:n märe eS bod) gar §u
eingeidjloffen," fagte 3)carie, „unb ein roenig langweilig, gar nidjt rjerauS*
äufommen."
„^angiueilig," rief Antonie, „roenn 3(H* Bräutigam bei 3&nen ift ?"
„£en rjabe idt) ja and) rjier."
£arriet unb 3)iarte fdjienen auf bem Sprunge in fteljeu, fid) $u oer=
abfdjieben, aber Antonie unb ©ilfjelm roaren fdron in lebhaftem ©efprädje
unb einige Stritte auf bem gußroege uorauS.
„GS ift freiließ fein fold)eS Setter roie cor ad)t £agen, als mir in
Sönnebe waren/' fagte Antonie, „damals mar eS nod) ganj Sommer —
jefct aber fiefjt eS fo finfter unb falt über bem Stteere aus, bafj man förmlid)
friert, wenn man bie eifengrauen SBellen anblicft — unb bie Säume (äffen
bie Slätter uns uor bie güfee fallen unb fenften unb fnirfdjen — Jjörcn
Sie nur, eS fltngt roie ein fingen Ijöljerner föänbe, foldje 2lngft fjaben
fie uor bem £>erbft! . . . $te binnen," fügte fie I)tn$u, „fie roerben
ganj entblößt, gerabe roenn bie 5tälte fommt — roir 9)ienfcf)en 3ief>en uns
bod; roärmer an, maS id) übrigens audj fd)on fyätte trmn follen."
„2lber id) trage ja fjier einen Srjarol, nehmen Sie ben bod) um!
Sftarie braudjt ifjn ntd^t."
„$ann friere id) nadjljer um fo mef)r."
„Wein, roir begleiten Sie bis an bie £f)ür Grlauben Sie
mir . . ."
„£aufenb 25anf, Sie ftnb fel;r — barf id; benu roirflidj $l)x Xnfy
benu^en, gräulein 3n9ergleo?"
„ßerslidj gern/' antwortete SHarte l)inter ifjnen. Sie fprad) eben
ferjr lebtjaft mit £amet unb fjatte nidjts mefjr gegen bie Segleitung, als
fie merfte, bafe SBilfjelm gar feine Sermfud)t banad) geigte, an ^»arriet'S
Seite ju fein, fonbern fid) mit ber Sd;n.iefter begnügte.
2S*
^20 Karl (Sjcüerup ttt Dänemarf.
„UebrigenS Ijaben Sie ja ungefähr ebenforoeit fyinauä rote wir, unb
Ijaben bod) aud) mit bem Detter rorlieb genommen/' jagte 2£ilfjelm.
„Sir finb bjer in ©efeHfd&aft."
„$n ©efeüfdjaft?" rief Üfiarie ladjenb. „£a$ fief)t man!"
„(Sie fönnen bod) nidjt leugnen, bajj mir in biefem 2lugenb(itfe in
fefjr guter ©efellfdjaft ftnb!"
„9Jein, \$ roill 3bnen fagen, mir ftnb Iner bei einem Cnfel in
SHofenroenge*). bei bem mir alle oierjefm 2age iu Wittag effeu," ant=
roortete £arriet, „unb ba fönnen mir un$ bie §reil)eit nehmen, ein wenig
fortzulaufen."
„2Jber eine Ueberrafdmng mar es freilidj, oon 3^er Stimme erroetft
ju roerben," fagte 2öilr>elm.
,/Unb aus roeldjen träumen ?" fragte 3Monie. „Sie bltcften fo in
bie gerne über ba$ TOeer tnnaus . . . S5?oran fcaben Sie eigentlich ge*
baa)t?"
„%a, roenn Sie bas roüfcten!"
„3ldj, id) fann mir fd)on benfen, baß eö Siebe mar; tonn Sie gingen
ja mit 3t)rer öraut."
„Stfein, ba£ eigentlich nid)t!"
„©ollen Sie es mir nidjt fagen?"
„Taä barf id) nidtf."
„So? £ann mar es ftdier etroaS Unerlaubtes!"
GS mar natürlich £arriet, weil er eS nid)t fagen barf, backte ne.
„Wein, burd)auS nid)t, im ©egentfyeil; menn Sie eS übrigens gern
miffen moflen unb mir oerforeerjen — "
„9tein, nun mag id) es gar nicfyt frören." Unb fie bad)te weiter :
bann mar eS bod) ntct)t ."parriet; benn er fyat mief) bod) ntdjt ju fetner
Vertrauten machen roollen, roooor idj midj audfc) bebanfen mödjte!
„©etjen Sie mit l)ier fnnein buret) 9iofenroenge?"
„31a), mir roollen bodj nid)t fdron juriid! Die (Sonne ifi ja nod)
nidjt einmal hinunter, unb eS ift fo fd&auberrjaft (angroeilig beim Cnfel !"
„9lber Antonie!" rief fordet ladjenb.
„GS ift bod) roaf)r> baS fannft Xu bod) nid)t leugnen .... 2SMr
roollen tfnm, als ob roir ben Sctjlüffel oergeffen hätten**) unb ben Äalf«
brennerroeg gelten."
„Xu roeiftt beer), baß fie eS nid)t lieben, roenn roir fo lange fort*
bleiben . . . Unb ,£terr ^ierj unb graulein QngerSleo fyaben »ielleidjt aud)
gar feine £'uft fo roeit 51t geljen."
„0, fie müßten es ja bod), roenn roir ben Sdjftiffel roirflid) oeTgeffen
**) £ie iiorüabtoicrtcl ftnb burdj Xfjore abflefdjloffcn.
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<ß=Dur.
Ratten/' fagte Antonie unb begann mit 2Si(f)elm oorwärte 511 gef)en.
„Sef)t nur, jefet wirb es audj fdjöner!"
©3 fing an, geller $u werben $wifd)en ben Solfen unb über bem grauen
Sunb, auf weldjem plöfclidj ein Segel weithin erglänze, von unfidjtbaren
Straelen beteuertet, hinter ben s$ü|d)en ber (toten floffeu fupferfarbene
Streifen jwifdjen bie bleiernen 2Bolt?en binau-3. Dann fdjofe ein langer,
fteijenber 2id)tftraf)l jwtfdjen ben Stämmen Ijeroor, breitete fidj über ben
"iöeg unb 50g bie Statten ber Daljinfdjreiteitben über ©räbeu unb ©rbfjaufen
weit nad) bem Ufer hinunter.
„Sßiffen Sie, bafj Sie jefet bie ßrlaubnijj Ijaben, fid) etwas 3U
wünföen?" fagte Antonie.
„Die f)at mau glucflidjerweife immer," antwortete SBilljelm, „wie
follte man eä aud) oljne bie aushalten?"
,/DaS ift wafjr! Slber jefct muß eä erfüllt werben, weil Sie ^wifdjen
jroei Sd)wcftern geben."
„Dana will ia) wünf^en, feljr oft 3ioifdt)eii biefen betben Sd;weftern
gefjen ju bürfen."
„&Me befdjeiben!" fagte «parriet.
„Unb galant !" fügte Antonie ^inju.
„Stein, baä ift ein flauer aßunjcfc" meinte 9Rarie; „benn bann
?ann er ja immer oon Beuern roünföen."
„9iid)tig!", rief 3(ntonie, ,,td) t)abe audj aU $inö mtd) imuer barüber
geumnbert, n>ie bitmm bie Seute tu beu Stieben iljre brei &>fmfa;e be;
uufct baben . . . 28mn ia) nur einen 4Suufd) befäme, fo mücoe id) lüünfdjen,
baß %lti$ was idj wünfdjte, erfüllt würbe."
,/flun, ba$ wäre freiließ nict)t befdieiöen!" fagte "üJhrie laäjeitD.
,,3o) will Sie einen öeutidjen ^>^r^ leljreii, gräulein 3,l3er^leo,
ber merjr tieffinnig, als gramiiuttcaliid) ift:
5öc)d)ctbcnf)cit ift eine 3'ter,
3)od) toetter foinatt mau oOne itjr."
2Öilf)elm fanb, baü er mit feiner öefö »ibenl)üit weit genug fame. Sein
2Sunfdj ging nia)t über bie angenehme, träumende Stimmung be$ 3lugeu=
blideS InnauS. sBie feljr er aud) oou Antonien in 9taeftueb eingenommen
worben war, wo fie oon ben Erinnerungen an §arriet umgeben gemefeii,
er fanb fie boa; t>ier in ber tebenbigeu Ml)£ $arrict$ 110a) berauiajeuber !
SSett baoon entfernt, oon ber Sdjönbeit ber Sa) weiter überftrai^lt ju
werben, friere fie oon tf)r einen ©lorienfdjein $u erhalten, unb es war
i^m rounberbar angenehm, ju bören, wie bie Stimme «parrietS, beren £on
nod) immer fein Dljr mit fdjmerjoermifdjter Suft berührte, fid) in ba$
©efprda) mifebte unb ü)in biSroeileu eine neue, unerwartete Widmung gab.
ilud) ftörte es ilm burdjauS nict)t, baß sJflarie ebenfalls an ber Unter*
Gattung ttjeilnafmt. 3n glücffelig banfbarer Stimmung (nc§ er aud) fie $u
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I
422 Karl (Bjellemp in Dänemarf.
biefeS 2lugenblicf£ 3? erf ö t>nun f efi c wtllfowmen — biefem 2?erfÖrjriung£fejie
feiner ©efüfjle — ber alten unb ber neuen . . .
Xie Heine 52Tl)ür vom flalfbrennermege nacf) 9iofenwenge feilte fie
wieberum in ^?aare, S&Htyelm unb Antonie blieben ein wenig &urüa\
2llä 2lntonie fcfyon ben gelben ©iebel oom £aufe beä CnfelS $wif$en
ben bunflen 33aumfronen fernen fonnte, fagte fie plöfclid):
„Sie fönnten mir bodj jagen, woran Sie eigentlich gebaut haben."
„2ln Sie."
2Intonie erröttjete unnötig ftarf bei biefer 2lntwort, unb ein conrien-
tionelleS fiedeln mifelane. Sie fah auf ben ©oben hinunter unb ant*
wortete : „Sie bauten gewi§ baTan, ba& Sie rjeute »or acht Xagen in £önnebe
waren, unb ba tonnten Sie natürlich nidt>t umhin, fi<h auch meiner $u
erinnern."
„9?ein, ich baajte an ben 2lbenb, an ba$ ©ewitter unb an bie ©oben*
treppe." Unb als fidj über bie Spangen Antonien« ein noch tieferes 9ioth
legte, fügte er hin^u: „Sie rjabeu sJiecht gehabt, mir bamaU böie $u fein
. . . . 3$ behanbelte Sie wirflid) wie ein tjalbeS Äinb unb ba£ finb
Sie ganj unb gar nid)t . . . 9lber nicht wahr? wenn ich Sie um 3?er=
jeilmng bitte, fo oerjetfjen Sie mir, mag ich ^nen fcfjulbig bin?"
2lntome bliefte eine Secunbe auf, um ju fehen, ob bie 2lnbereu in
ber 9^är)e mären ; fie mürbe plöfclidj fo oermirrt, bafe fie nicht wufete, wa£
fie antworten foüe unb ftotterte: „3a natürlich — baS Reifet — es ift mir
gar nicht eingefallen, gefränft su fein — einen 2lugenblicf oieQeidjt — aber
fpäter habe ich wirflid) nicht baran gebadjt . . . UebrigenS, id) felbft war
e$ ja, bie fid) fo bumm benahm — ich fd)äme mich barüber — unb Sie
traten es ja nur, um mich ju beruhigen . . ."
Sie füblte fia) erleichtert, als fie bei ben lefcten Korten ^aniet unb
SHarie erreichten, bie an ber ©artentf)ür ftanben; benn fie mußte jefct
ebenfo wenig, wo fie einen Sßmitt machen, als oorf)in, wo fie nach feinem
grege^en beginnen follte.
Tie Verlobten oerabfehiebeten fich von bem Sdjwefternpaare, unb
Stll)elm wanberte mit 9)torte fo oergnügt nad) &aufe, ob er ftatt feiner
SJraut feine ©eliebte am 2hm gehabt ^atte.
„CS ift wirflid) ein gutes Siefen, biefe 9)tarie," fagte £arriet, „unb
im ©an^en genommen ein nettes $aar, fie paffen jufammen."
„2ldj ja, aber er ift bodj Diel t)übfcr}er.''
„föübfd) ? . . $n feiner 3ugenb mar er fogar beinahe eine Schönheit
. . . . jefot aber, jefet t)at er etwas CrbinareS befommen — biefeS feine
Sd;iiurrbärtd)en — fo ein 9)?onbfd)einSritter — ein Xenorift."
(Sin Tenorift! £aS war baS gürdjterlichfte, was gefagt werben
fonnte . . . Gin ^onbicfjeinSritter, baS f)ätte Antonie jur 5?ott> paftuen
laffen, aber ein Tenorift!
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<ß*Dnr. ^23
Sie war nahe baran, eine böfe Antwort ju geben, aber fie nahm fidj
jufammen unb begnügte fid) bamit, ju benfen:
„3awof)l, Damals, all Xu Xir oon tf)m bie flur machen lie§eft unb
feine i'iebe wegwarfft, ba n>ar er Xir fd^ön genug .... 3efe* aber, ba er
mich »orjieht — benn ba3 tf)ut er bod) wtrflid)! — jefct ftef)t er aul wie
ein £enorift! . . . 9hm, id) bin ja auch feine Schönheit wie Xu, unb
für mich ift er fd)ön genug."
£arriet wunberte fidj barüber, bafc Antonie ben ganzen 3lbenb nicht
ein ©ort mit ibr fpradh; aber fie rebete auch mit ben Ruberen nicht Biel
unb flagte über flopfwef). Sie fafe allein am genfter unb fah nach bem
finfteren ßerbfilummel, beffen unruhige Sterne an ben SRänbern ber jieljenben
Wolfen flimmerten.
2lud) auf bem 9tod)baufewege blieb fie fdjwcigfam unb lieft fidt) nur
einfilbige ©örtdjen enttocfen.
%l$ fie an ben „fchwarjen hieben" entlang gingen, fragte £arriet:
„2£enn jefet £err £erj ju unferen SJJufifabenben fommt, fann er bann
jur Unterhaltung nicht aud) etwas beitragen? Singt er nidjtV"
„3d> weift wirflia) nid)t ... er pfeift fafi immer . . . übrigen*
fingt er rooljl — £enor."
lag eine foldje ^albfornifa^e SBitterfeit in biefem betonten 2Borte,
baft fiarriet oerwunbert bie Sd)wefter anfaf), welche mit gefünftelter ©leid)=
gfiltigfeit über bie See htnauSblidte.
Unb &arriet fdjfittelte bebenflid) ihr fdjönel £aupt.
XVII.
Jtommft Xu heute 2lbenb, Söilhelm?", fragte 3ttarie.
„9?ein, heute 9lbenb bin id) eingelaben."
,,2lber morgen 2lbenb?"
„9SielIeid)t, nein, morgen 3lbenb ift ja l'ef)rerüerfamm(ung wegen be$
Ueberfdmffeä ber Äranfenfaffe, bie gewöhnlich bamit enbet, baft mir ben
Ueberfdwft uertrinfen."
„2luch eine ^erwenbung — anftatt ihn für baS näd)fte 3&hr aufs
Blieben !M
„Xafür fHmme ich aud) immer, aber bie Unoernunft fiegt natürlich."
„Unb Xu bift nur ein einzige* 9)ial in oiefer 2£od)c hier gewefen !"
„Xarum bin idj ja eben heute 9?ad)tnittag gefommen."
„3a, etwas muftte ich Xid) boch tyaben . . . 3lber e£ ift freilich nict)t
baäfelbe, bie 9lbenbe finb fo traulidj."
„Xa$ ift wahr, aber alle biefe 2lbenbe ift etwas bajroifchen gefommen
. . . 9Wan fann mir bodj nidt)t oorwerfen, ba& ich juoiel aulgehe."
„$ein, baS thue ich a^ nid)t . . . es ift nur, weil ich Xid; in ber
legten 3^it ein wenia, nermiftt tyabe . . . 3n ber vorigen 'Etodje warft
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^2^ Karl (Sjellerup in DinemarP.
Xu nur jwet 9tbenbe ba unb — unb'aud) in ber uoroorigen, aber ba
roarft Xu ja allerbmge in 9keftr>eb."
„So? Xu füljrft genaue ftecrmung."
„0, bas ift niajt }o fdjroierig *u behalten. 3m 5rüf)jaf)r famft Xu
wenigitenä brei 2lbenbe in ber Sßodje"
2£ilf)elm antwortete nid&t, er fal) ärgerlid) auf eine Speere, mit
melier er neroöä fptelte.
,,©ieb mir bie Speere, Xu §erbriajft fie fonft nod) . . . wo bift
Xu benn Ijeute eingefoben?"
„3u Dberft Sd&ulfe "
„£m, ©efetlfc&aftV''
„«Sie tjaben üuartettmufif Ijeute."
„Xu bift bod) glütflicb, fo Diel 3Kufif tjören ju fonnen."
„9hm, ju biefen Quartettabenbeu fannft Xu ja aua) fommeu, id>
t)abe Xir ja gefagt, bafe fie Xid> gerne fefjen mürben . . . aber natürlid)
mü&teft Xu einen $*efud) machen, e$ finb Seute, bie auf bie gorm ferjen."
„2lber id) babe Xir ja audj gefagt, ba§ id) mir au£ ber öefannt»
fd)aft nichts madje — unb ber SRufif megen einen &erfef)r ausufnüpfen,
baä fällt mir bod) nid)t ein."
„9iein, gemifc nid)t," antmortete 2Mt)elm, fror) Darüber, bat? fie bei
itjren erften (*ntfd)lüffen blieb, ÄUetdjt r>aft Xu 9ied)t, Sympathien
unb 9lntipail)ien irren feiten."
„9iun, Slntivatt^ie, id) fann nia)t fagen, baji id) eine 2lntipatt)ie babe —
feineäwegä — warum bennV"
3Iber uielleidjt ßiferfud)t, bad)te 5&ilf)elm. „SebenfaUs fannft Xu
mir'* nia)t üerbenfen, baf> id) allein gerje, wenn e* Xir aud) bieroeilen
einen 2lbenb rauben foüte — e* ift ja nia)t meine Sdmib, bafe wir nidjt
jufammen bort finb."
„9Jein, uatürlia) mufet Xu l)in, wenn Xu Suft t>aft ... Irin £lo§
am gufe, ba* ift bnsjenige, wa* ia) Xir am allerwenigften fein möa)te."
SBenn id) mitginge, würbe er nod) öfter t)iugef)en, bad)te fie; unb ein
regelmäßiger iUerferjr fommt nia)t leidjt 5U Staube, wenn id) mia) fort;
wäljrenb jurürfljalte."
Sie fafjen einige Minuten ftumm. 2)farie näf)te fleißig, SSilljelm
blätterte in einem v^ua)e, fal) auf bie Ul)r unb uerglid) fie mit ber feinen.
,,Sage mir/' fragte ÜJfarie unb blitfte plöfclid) auf, „warum bift Xu
nur in ben legten Xagen — in biefer 2öod)e — in einer fo fa)redli$en
£aune gewcjcnV"
,,3d)? ^arum follte ia) benn fd)led)tcr Saune fein?"
„3a JL'iebfter, baä möchte id) eben rwn Xir wiffen — Xu bift e£
twa) . . . iUm Sonntag war Xeine Stimmung eine gan$ gute, aber uor*
aefteru war fie jerjr trübe, unb (jeute ift fie aud) nia)t be[onber$ fjell . . .
2*>aö ift Xir benn jumiber gegangen V Xenn etwa* mufe e* boa) fein."
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<S = Dur.
425
„9?ein, \$ oernd&ere $id), gar ntd)ts — ja, tueüeiajt Dorgeftern ein
paar flehte SBerbriefelidtfeiten, bie ntajt ber 9iebe roertf) iinb . . . 2lber
f>eute bin ia; burdjauS ttic^t fd)led)ter Saune, iaj befinbe mid) fel;r roof)l."
Gr j>roang ein Säbeln berfelben 2lrt tyeruor, mit reeller man oer=
fidjert, bafj ein bitterer SdjnapS üorjugltd) fdjmetfe. Unb roie baS ge=
roörmltd) gefyt, bie Söefdmlbigung in fd)led)ter Saune ju fein, oerfefcte ilm in
noaj fdjleä)tere. Gr fonnte fid) faum übernrinben, ben SJtonb ju öffnen, faf)
ringä umfyer an Tiefte unb SBänben nadj ein paar fummenben Sitegen unb
blätterte jerftreut in einem Sudje.
„2Bo ift benn Seine Butter, fommt fie nidjt balb nad) ^aufe?"
„3d> weif* uidjt, fie ging aus, um Kaffee ju faufen."
„Sann grüjje fie; id) mufj jefct fort unb einem bummen jungen
Satein mit Coffein eingeben; bie Ufyr ift brei."
„Sa fjaft $u bodj noa) uiel 3eit."
,,3a) fjabe aud) nodj unterwegs &erfd)iebenes su beforgen."
„Sann 3Ibieu, unb fei mit bem bummen jungen nid)t gar ju un-
gebulbig."
„ÖeroiB nia)t! 2lbieu."
er fdjon bie f leine STreppe hinunter gegangen mar, Ijörte er
3Warte bie 2pr öffnen unb it;m naajrufen.
„flomm bod) einmal jum grüljftürf, morgen obec übermorgen — Butter
fefjnt fict) aud) nad) Sir — unb in beiferer Stimmung!"
,,3d) fomme fdjon. 2Ibieu."
Sie fd)iniegte fia) mit fd»uer$lia>r 3ärtlid)feit feft an ilm unb fü&te
irm fo heftig, bafl ilmt bie Sippen welje traten. 2113 fie ben .Hopf $urütf;
$og, ftanben itjr bie »lugen uoUer grauen.
Gr tljat, als ob er es nidjt bemerfte, fagte it)r nod) einmal Sebeiootjl,
fo fjerjlia) als eS if;m möglid; mar, unb beeilte fid) fovtjufommen. Gr mar
froij, ben 2U)f$ieb überftanben ju Ijaben, aber aud) gequält oon ben Selbft=
anflogen, bura) meldje eine ljeifee Umarmung fid) bafür räd)t, mit einer
falten beantwortet worben 5U fein. .,&>arum fann id) mid) nia)t menigften*
ein bissen liebem) II fteUeu, fie t)atte Ijeute folaje Sermfud)t banad) . . .
id) bin bod) ein rechter gefüljllofer tflofc!"
2lber aud) biefe ©ebanfen uerfdjroanben balb in ber tiefen, roiUenlofen
6d>n>ermutf), bie ilm in ben lefeten Sagen gan$ gebrodjen rjatte, unb bereu
Urfadje er feiner übraut nidjt beidjten burfte.
XVIII.
„3a, bie 21 -Saite — Inn — ift bei ©Ott brillant; baS ift feine
grage," fagte bie erfte Violine, inbem fie in ber Wtte biefes Safees
einen S^napS Jnnunterfdjlutfte unb ein Stürfdjen tfäfe auf bie ©abel
iptefjte.
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^26 Korl (SjelUru p in Dänemarf.
„9}id)t wahr?" rief ber Cberft, „unb überhaupt — "
„%btx ein Goncerrinftrument ift e$ nicht," nabelte bie Keine Sratföe.
/,9icin/ ba3 \)at ja Stiemanb gefagt," fd&narrte bie SStoHne jurücf,
fo bafj bie fleine Sratfche bermajjen erfdjraf, als ob fie falidt) eingefe^t
hätte unb anfing, ben Sogen mit bem Kolophonium $u [treiben.
/#5ur 3hrcn ©ebraudj unb um ben ^reiä ift e3 ausgezeichnet, ba$
weift ©ott/' futjr bie erfie Violine fort. „Sie haben ba übrigens einen
guten Gognac, Cberft."
Xie snjeite Sioline brummte mit »ollem 2Hunbe etwas Seifälliges,
was fowohl bem GeHo, als bem Gognac gelten tonnte.
„D ja, es ift Partei mit bret Sternen."
„SKMrflidj — fo — tmt" — ilub bie erfte Violine fonnte nicht um*
hin, fid) oon biefer Uebenafdjung burcr) einen Sd&lucf ju erholen, ber au$
3erftreuung in ihr ©lag hineingeraten mar.
„kannten Sie ba* Stücf oon DnSloro, £err £er$ ?" fragte Schulfc.
„3a, ich ^abe es einmal im ßammermufifoerein gehört . . . eS ift
ja ganj wohlflingenb, aber es erbaut mich bod) nicht fo fefjr. 2ßaS haben
Sie benn für SJiittiooch in söereitfdjaft V"
„£, mir fiebeln wahrfcheinlich einen ^enbelsfofm unb einen alten £apbn,
man fann ja nicht immer etwas ÜHeueS haben."
„Wun, wollen mir wieber anfangen?" fragte ber Oberft . . . „2BaS
fpielen wir, haben Sie eine 3bee?"
„$m, mir fönnen uns ja bie sJioten anfehen, bie \)iex liegen, mir
werben fct)on etwas finben."
$)ie jweite SLUoline beeilte fid), noch ein Stüdchen ftäjebrot hinunter;
juftopfen unb folgte bann ben Ruberen in bie bunfle ©artenftube nad»,
in beren SRttte ein paar Sichter hinter ben grünen Spinnen eines ^oten^
pultS leuchteten.
Söilhelm blieb allein im 3intmer beS Cberften jurüd. £ie gamüie
unb ein paar ©äfte befanben fich in einem großen Gabinete auf ber anberen
Seite ber ©artenftube, beren glügeltfnlren gerabe gegenüber offen ftanben.
Wilhelm söcjerte hinüberzugehen. Gr mar nidrjt aufgelegt, in ©efellfchaft
ju fein, unb überbie^ mar ^arriet fo befonberS unfreunblich gegen u)n,
ba& er fich Durch fie beengt fühlte. Gr hatte ftets ba* ©efühl, oon üjr
beobachtet $u werben unb wagte in ihrer ^tä^e faum, 2lntonie anjufehen,
bie gerabe l^ute gan$ entjütfenb war. Sie trug ein neue* flleib mit
^Uchfelpuffen unb einem f leinen Stehtragen, an welchen ftch ein grofc
jatfiger Spifcenüberwurf anfchlofe, ber bem fchönen &alfe offenen %*la$
bot. GS fam ihm uor, als habe fie in ber 21'aht biefeS 2ln$ugS feinen
©efdtjmad beriidfichtigt unb oerfucht, feine ÜÖinfe barüber, was ihr gut
ftelje, foweit es bie 9)iobe gulicß, $u benufcen.
3u ber ©artenftube fingen fie an $u ftimmen. Wilhelm ftanb mit bem
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<8=Dnr. ^27
SRücfen gegen bie $f)ür unb ftarrte auf ein Scr)acr)brett. Xa tarn 3emanb
in bie Stube herein, e3 war Antonie.
,,2ld), baS Sd)ad)fpiel ift e8, baS Sie t)ier feffelt!" rief Tie.
„9?ein, id) fal) es gan* in ber 3erftreuung an; meine ®ebanfen waren
nitt)t babei."
„2Benn fie weit entfernt waren, fo muffe« Sie fie jurüefrufen, benn
es wirb etwas Sd)öneS gefpielt . . . Raffen Sie auf, id) weife, bafe Sie
es rennen."
Sie fefete fidt) in bie Qäe beS SopfjaS, unb er ließ fic^ an it)rcr
Seite nieber. Sie fafeen fcr)rägüber ber it)ür ber ©artenftube, oon welcher
fie einen grünen Solang, eine £tfcr)runbung coli von 9ioten unb gerabe
tjinter bem £f)ürrat)men ab unb 5U ein wenig von ber gladjsperrücfe ber
erjten Violine fef)en tonnten, wenn biefe fid) surüd(er)nte. 35a« Duartett
tjatte $lafc genommen, Slatter mürben umgeroenbet unb mit bem Sogen
auf fie geflogen, eine Schraube fnante unb ber Safe brummte in einem fort.
„Sfieine ©ebanfen waren nid)t fo roeit oon r)ier, fie roaren bei 3r)rer
Sd)roefter."
„2Irj!" Antonie errötete ein wenig unb falj auf ir)rc Stiefelfpi|en
hinunter.
„©lauben Sie, baß 3^re Sdjwefter etwas gegen mid) rjatV ©S fommt
mir oor, als fei fie fo unfreunblicr) gegen mia)."
„ßarriet? 9?etn, baS !ann id) unmögli<$ glauben, Sie müffen fiet)
irren — aber rjören Sie jefct!"
©in feiner, r)elier $)urs$reiflang rjatte fo teife angefangen, bafe man
eS faum gehört, als er einfefote; er wucr)S burd) anberüjalb £acte langfam,
ftiH, ftratjlenb bis $u einer fd)immernben Starfe, bie fortmä&renb an*
fcfjroeUen unb fiel) fteigern ju müffen fcr)ien, bis fie 2WeS mit ifjrem blenbenben
©lanje erfüllte — um plöfelid) in einen finfteren, gewaltiam abgeriffenen
2RoDU2tccorb abjubredjen. (Sin furjer, heftiger Sa§ oon fräftigen unb
eneTgifdjen £önen folgte.
„Säubert, G-dur," flüfterte Sßityelm.
2lntonie niefte lädjelnb, lehnte fid) ganj jurücf unb legte bie ftänbe
in ben Sdwofe, wärjrenb bie £öne, gleid)fam in fteigenber i'eibenfdjajt,
eine Cuinte I)Öf)er if)r wunberfameS ^neinanberwogen oon fdiroeflenber
ßntjücfuug, 'ptöfclidjem Sieffinn unb Sad/idjer 2BiUenSfrajt mieberfjolten.
SBilrjelm fühlte fid) tiefinnerlicf) erfebüttert oon biefer 9)Jufif, bie er
Damals jum erften 9Hal gehört fyatte, als fein liebeSwunbeS fterj für folcr)e
ßinbrficfe boppelt empfänglid) war. Sßie rjatte er nidjt gegrübelt über btefe
rätrjfelooüe Einleitung, meld)e bie ®efd)id)te einer oerfannten unb feltfamen
£eibenfd)aft %u erjäblen fd)ien! 3Jiilber, weljmütfnger Sdmierj, ber
bis jur tiefften Verzweiflung oerbittert wirb — fclige greube, bie
plöfelid) *ur Sorge tjerabfinft ober in Dual fidt) oerwanbelt — in welchem
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<*28
Karl (Sjellerup in DänemarF.
9Kenfd)enhirn hat nicht baS i'eben bieten ©efüfjlen eine Stätte gebaut
unb änrifchen irjneu SReroenbrütfen gefpannt, auf meieren auch bie 3?tuiif
mit ihren flingenben Soweit gehen fann, um ba$ mannigfaltige, bunfle (rd)o
jener Gmpftnbungen $u erroeefen ? — 9iber eine Seltgfcit, bie forttoäbrenb
[ich fteigtrt unb ftetgerr, biä fte fidj am (Sitbe in bumpfen, brütenben £ief:
finn I)inetnroäd)ft — o, in melden Strubel feettfeber (Erregungen mußte
ber £onbia)ter hinuntertauchen, um eine folcf)e Sßuuberperle herauf utbolen'.
©3 fam SBUfjelm uor, als ob er in bieiem 9lugenbltde ba* gan} »er*
ftefje; e$ mar ja ein vergrößerte* unb uerebelteö Mb uon allebem, roa* er
felbft in ber legten £eit burcblebt hatte. W\t ein paar ^iolmftria)eit
mar feine l'eibenfchaft ^ier in fo groften, einfachen 3ügeu befd)riebcn, ba&
es befreienb unb läuternb roirfte, fte fo flar r>or fia) *u fehen. Unb roa*
itjm fehlte, es folgte eben in jenem energifd)en, furzen Safce, ber e* au^u;
fprechen idnen: ,91ein, länaer null ich biefen ftampf nicht fämpfen, ben
sJfiefenfampf ber Pflicht !k 9Jod) ehe bie £öne btefes Safces auf gehört Ratten
in feinem Oljre nachklingen, ftanb ber Gntfchlufe bei ihm feft, fta) uon
bem 33ert)ältniffe ju 9)torte loejuretfeen, fid) bem Seibe an feiner Seite
hinzugeben, oon wettern er füllte, baß fte *u ihm gehöre. Unb eine rounoer;
fame Muhe überfam ihn, n>äl)renb auch ber Sturm ber £öne fid) legte,
um bas Uiiotio ^um &>orte fonmten ju laffen.
„£>ören Sie/' filterte er Antonie $u, „rote biefes Xljema fchüdnern
unb furdjtfam hen)orfd)letd)t unb nod) fid) in Oer gerne hält, in ber man
e* nicht greifen fann, wie burd) einen i'tdrtnebel uon bem jarten 3ütern
ber £öne umhüllt. . . . Gs gleicht einer Stimme, bie ba fontint, man
roetfe faum felbft rooher; aus einer fernen, ftrablenben 3eit taucht üe empor
mit roinjigen, nur nod) gümmenben Grinnerungsfünfchen, bte aufleuchten
unb »erfchroiuben ... Unb jefet, roo es in bie tiefen £öne bes ^tolon*
cells übergebt, befommt es ba nicht einen getfterhaften GharaftcrV"
Gr mujste ganj leife flüftern, um nid)t ju ftören; unb Antonie war
gelungen, ben Äopf fo nat)e an ilm ^ranjubeugen, bafj feine kippen
faft it)r Chr berührten.
Sie nidte läajelnb.
„SM)er tjaben Sie biefe fd)önen Silber? Gs ift ja, als hatten Sie
in bie Seele bes Gomponiftcn ^ineingefc^aut, als er bas 2Berf fduif-"
„9Jein," antwortete er, ,,ia) fehe nur in meine eigene Seele uno bt-
obad;te, road ti in ihr heruorruft."
Gr fühlte unter bem Mlange biejer Xöne bie ganje munberbare, biüer^
füjje Stimmung roteber, welche fid) bamal^ feiner bemächtigt hatte, ate er
2lntomen traf. )&aZ an jenem 2luguftnadmiittage fid) nach unb nach uon allen
Seiten über ihm jujammimgejogcrt tyatte, ba*3 rourbe jefct in ein paar
Secuitbeu in feiner ganjea unbegreiflich^i Stärfe heroorge^aubert.
Unvorbereitet, leife unb boch fia)er fing bann ba$ Seitenmotio an:
eine flehte, einzelne Erinnerung, uenuaubt mit jener Stimmung, bie ityn
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<ß = Dur.
429
ben 2£eg gebahnt, eines iljrer jarteften demente, ©ine f)errlid)e Erinnerung,
ntdn" an ein grofjeS Sürgerglütf, an eine Krönung auf bem Eapitol cor
ben berounbernben klugen ber 3)ienge — nein, efjer an eine öefränjung
mit frtfdjen S5>albblumen oon jmei einfamen föänben unb ofme einen anberen
3eugen, als ben eines liebenben $lids. SSie fidj bie unenblidje 9J?elobien=
fülle innerhalb ber fiiflen Söemegung weniger £öne mit furzen ^nteroaflen
entroidelt, fo genügt aud) einer folgen Erinnerung if)r enger, fleiner SBejirf;
roie eine 5Mene im 23lumenfela) faugt fie fi<$ füfj berauf 4t in ifm f)in=
unter. Unb bod) ift in itjrem ©lud aud) if>r grofjeS 2i>el) enthalten: fie
ift eben nur Erinnerung. 9Jiit oerjefyrenber Setbenfdjaft roädft fie, fdjeint
fie fid) an'S £eben fjeroorbrängen ju motten, roanncS £er$blut 511 forbern
ju if)rer SBiebergeburt gleid) ben Sdjatten bes #abeS — —
Es mar bie (Stelle, bie er ben Slbenb uor fid) fyingefummt fyarte, als
Antonie unb er, jebes in feinem genfter naf)e an einanber ftanben unb
baS ©emitter ermatteten. fy§t fd)ien ifmt ber Eljarafter biefer fleinen
SJtelobie bie ganje Eigentljümlidjfeit feiner S9efanntfd)aft mit Antonien ju
enthalten. überrafäjenbeS unb bod) oon ber Stimmung fo oorbereiteteS
begegnen, fein erfteS, abfiäjtelojeS Sidjfjingeben, feine fid) fteigembe
Seibenfdjaft! —
„Erinnern Sie fid) beS 9lbenbS na$ ber Sönneber Partie/' flüfterte
er, „als id) Sie burdj baS Summen biefer SJielobie beroog, fidj nad) mir
umjufefjen V"
Antonie nidte, breite aber ben flopf nodj meljr oon tfnn weg. 9Us
er fid) weiter oorbeugte, faf) er eine grofce ^räne über tyre SSange t)in*
abgleiten.
„9?ein, Sie bürfen mid) nid)t fo anfef)en . . . 3$ fann nid)ts bafür,
id) mufe meinen, menn id) fo fa^öne 2Jiuftf Ijöre ... Es ift roof)l aud)
fteroofität! . . ."
2lber mäfjrenb fie bieS fagte, mürbe fie oon feinem 2lnne ju fid)
fjerangejogen, feine Sippen füfeten bie legten SBorte oon iljrem läc&elnben
SHunbe fort, iljr flopf fanf mitlenlos auf feine Sdjulter hinunter.
„9?ein, nein, 2lntonie, es ift bie Siebe!''
ES mar ein ©lud, ba§ bie jmeite Violine iljren leibenfdjaftlidjen
Safe bes SJiotioS mit einer 3oad)im'fa)en ßraft ftritt), unb bafc ber Cberft
baS neue Getto auf Soften bec anberen Snftrumente bie ganje Stärfe ber
Saite entmideln liefe. Xrofcbem fonnte es iljrer 2lufmerffamfeit niäjt
entgegen, baf$ ber Crt für eine längere Unterhaltung biefer 9lrt nidjt
glüdlia) gemäht mar.
2lntonie rifj fid) los, lehnte fid) in bie Ede jurüd unb fal) tt>n einen
2higenblid mit grofcen, erfdjrotfcnen Singen an, bann ftanb fie auf, öffnete
leife bie ©artentljür, bie fid) jur Seite bes Sopba* befanb unb ging
^inauS. Söilrjelm folgte ifjr auf bem gufce nad; unb t>eifd)lofc oorfia)tig
bic 5H)ür.
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430
Karl (Sjellcrup in Danemarf.
„3a," fagte fie langfam, „es ift bie Siebe . . . unb Sie? 3'1
bcnn nrirflid) maljr, baf? Sie mia) lieben, roirflid) lieben, fo tote Sie
tarnet geliebt fyaben?"
Antonie!"
„3«, boa), boa), id) meifs e3, id) meift ja 3lfle£ . . . aber id) mad)e
mir nid^tS barauS, e3 trjut nid)t$, wenn biefe Siebe nur nia)t urieberfommt
unb mia) oerbrängt — ba£ barf fte nia)t, fjörft Su? 9JJeine Sd)roefter
— unb bann Seine 33raut! 9Jiein ©ort, ma$ fott barauS werben? . . .
SWarie, roie liebft Su beim fte?"
„Su weifet ja, ban id) feine 3lnbere als Sid) liebe, Antonie — Sei
boa) nu)ig, liebet 2)iäbd)en . . . Saft ia) &arriet geliebt babe, ift fo
lange l)cr unb — bie arme SDiarie — e$ mar ein 3rrtf)um — ia) glaubte,
nie toieber lieben ju tonnen; ia) malmte, bafj e3 genügen mürbe, fte fo
gern ju f)aben, roie ia) fte gern rjatte, meinte e3 märe am beften fo . . .
Su Ijaft e$ ja felbft gehört, ba§ erfte 9M, al$ mir jufammen fprad)en,
unb Su glaubteft md)t an eine fold)e Siebe . . . 3e^t glaube ta) audj
nidjt baran!"
„Unb fie? Siebt aua) fie Eid) ma)t?"
„Soa), ia) fürdjte e£ . . . 9?etn, nia)t fo mie id) Sia) liebe; nia)t
fo, ba£ oerftefyt fie nia)t, baran glaubt fie nidjt!"
„9tia)t fo, aber bod)! . . . Unb jefct mufe fie tljrem ©lüde entfagen!
Sie 2Jermfte! D ©Ott, e$ ift geroife eine Sünbe, bafe ia) fo glüdlia) bin;
aber ia) fonnte nia)t anberS, ia) fann nid)t anberä!"
Sie festen fia) auf bie unterfte Stufe ber ftol^treppe naa) ber ©arten1
ftube. Sa3 SBeinlaub am ©elänber unb oben unter ben £l)ürpfoften
leua)tete blutigroty im Sampenlia)t. lieber ben Üianb ber unterften Sa)eibe
fafjen fie btemeilen bie Spifee beä Violinbogens auftauten. 3ln ben
anberen genftern maren bie Vorgänge pgejogen unb im Kabinette bie
Säben gefa)loffen. Sie tonnten ganj ungeftört bort ftfeen.
Die 9toa)tluft mar lau. Sie jungen SMrfen unb Sinben ring* um*
f)er flüfterten traulid), unb oon ber See ^er brang ba$ leife Murmeln ber
äöcüen ju iljnen. 2lu$ ber ©artenftube erflang bie SRufif mie aue bei
gerne, boa) bentlia). Ser 2JiobulationStf)eil mit feiner fa)nellen 31b*
mea)]*elung oon Sur unb SJJM, bie nia)t mein* in fo fä)arfem ©egenfafce er=
fa)ienen, bemegte fia), alä maren bie Sollen getaufa)t unb ber Anfang
feljre in umgefe&rter golge mieber mit einer Steigerung oon Söetynutf) bi*
jur greube! . . .
Sie maren beibe ber 2tnfid)t, bafe einige vergeben muffe, ehe
3emanb c* ju miffen befäme. (Srft mäffe er ba£ Ver^ältnifc ^u 3Harie
löfen — bann fönne ba3 aubere rjinterf)er fommeu al$ etroa£ 9teue3 —
menn eö nidjt mel;r fo auffallcnb märe.
„Unb bann Dürfen mir oor 2ltlem ed ma)t fo anfangen, bafe man
un* bejnerft," Tagte 2lntonie, inbem fte aufftanb. „34 9<4c je^t bur$ bie
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<5*Dur.
ftüd)e hinauf, unb Du gefjft in Sater« 3tmmer, mo ®u mafjrenb biete«
ganjen ©tütfe« gefeffen fjaft."
„Unb wann fefjen wir un« roicber ?"
fy<*6e morgen um neun Glarnerftunbe in ©ammell)olm . . .
2ld), Du giebft Unterridjt um bie Seit • • Dann fdjreiben wir einanber
. . . . Unb übermorgen 9Ibenb fannft Du ganj gut fommen, Du 6ift ja
Sater 9ieoand)e fdjutbig."
Der erfte ©afc fpiette feine Ickten Xacte, al« SSityelm in'« 3immer
be« Cberften trat; bie heftige SJcuftf übertönte ba« knarren ber Xfjür.
211« ber ©djlufeaccorb erffang, farj er Antonien in'« (Sabinet tyerein=
fommen. ©r atng burdj bie Üttufifftube ju ber gamilie hinüber.
„3$ mufete in bie ßüd&e unb nadj bem Äudjen fe^en," fagte Antonie.
„Slber gerabe roäfjrenb Deine« £iebUng«itürfe« ! Da« rjätteft Du gar
ni$t nötf>ig gehabt," jagte bie grau Dberft.
„3ft eS aud> «3;l)T £iebling«ftüd?" fragte 2Bi(rjefm §arriet, bie tfyn
unb Antonie mit etroa« mifjtrauifdjeu Stufen mufterte.
,,Cf), e« ift ja fer)r fd)ön, aber $u lang!"
„Das mar eine fjeifte £our!" rief bie jroeite Sioline in ber ©arten •
ftube. „Sefet wollen roir bie 2t=©aite in bem Slnbante rjören, Dberft, ba
nrirb fie ftd^i gut madjen!"
„2Iber ein Goncertinftrument ift e« bod) ntdr)t /' murmelte bie
SBratfdje ftimmenb.
„(5« roar eigentlid) aud? fein Goncertfrnel, roa« Du im -Diobulation«:
tr)eil rjören liejjeft," jagte bie erfte Violine, inbem fie nadjläffig bie be^
treffenbe ©teile ftridj; „roenn Du fo ein Keine« Duo mit mir fpiefft, bann
.... na roeiter — alfo . . . ."
XIX.
,,©te tjaben ein ©efprädj mit mir geroünfdjt, Kräutern ©djuljj?"
„3a .... 6ie finb oieüeidjt etroa« oerrounbert über biefe Sitte,
unb Sie werben fid) roaf)rfd)ein(id) nod) mef)r rounbern, roenn id) 3b"en
fage, baß c« meine 3lbfid)t ift, 6ie 5U erfudjen, nidjt metyr in unjerem
§aufe ju üerfetyren."
„9Hd)t 3U oerfe^ren — idj> fann nxdjt leugnen, baf? bie« mter) aller*
btng« überrafetjt .... Dadfote id) bodj, bafe jebe« unangenehme ©efürjl
wegen — roegen bamal« — oerfdjrounben fei, unb e« ift felbftoerftänblidj,
bafe, roenn id) bie« nid)t angenommen unb mdjt audj geglaubt fyätte, au«
StjTem Senerjmen $u erfennen — "
„9fein, nein, e« ift nidjt be«roegen .... nein, ba« roäre ja gar ju
albern — Sie fyaben üoQfommen iHed/t, natürlidj — i<$ füfjfe intd) 3(men
gegenüber roie gegen jeben Slnbern .... 9?ein, aber id> mu§ ffinen ja
ben ©runb fagen, befonber« ba id(> mit einem fo unljöftia^en Sertangen
fomme — e« ift um metner ©djroefter tuiUen."
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432
Karl (Sjellerup in DänemarP.
„Olntoniene ?"
„9lntonien$ wegen, ja ... . Sie ift, td) roifl nicr)t gerabe fagen,
für Sie eingenommen — idj t)offe e$ roenigftenS nidjt — aber — "
„Sie hoffen es itid&t?"
„9?ein, rote follte idj baä hoffen? Unb wie fönnten Sie anberS ate e*
fürchten, ba Sie fidj an eine 2lnbere gebunben baben!"
„9hm, roa$ ba*3 angebt, fo tft ba$ ja meine Sad)e .... Unb roa*
Antonie anbetrifft — Sinb Sie ber SSormunb 3Jjrer Sdnuefter?"
„3a, ber bin id) . . . . 2lber id) begreife gar nidjt, in roeld&er
2Bctfe Sie bies aufnehmen, .§err jperj . . . . Qdj betrachtete e$ als felbft*
nerftänblid), roenn id) Sfaen meine Jurd^t anoertraute, Sie Ratten *u
ftarfen ©inbrucf auf Antonien gemalt, — tt)re ^hantafie befdjäftigte
fid) ju triel mit 3t)nen — bafe Sie bann a& ein Sflann oon <Sr)re fid)
oon einem Sßerfefjr $urücf$iet)en mürben, ber nielletcrjt eine ©efafjr für
Antonien in ficb bergen fönnte. . . . Statt beffen fd)einen Sie ficr) ge^
fdmteidjelt 5U füt)len!"
„Unb ift Qfmen benn bie 3flögtid)feit nie eingefallen, baß id) felbft
mid) in einer ebenfo grofjen ©efafjr — roie Sie e$ nennen — befinben
fönnte?"
„$ann Ritten Sie boppelten ©runb, obgleidj ict)on ber eine genfigen
follte — unb übrigen^ r)ätte icr) in biefem Jalle rool nicr)t nötfng gehabt,
mir btefes nidjt gerabe angenehme töefpräd) $u erbitten!"
„Sie meinen, weil idj mit einer Slnberen oerlobt bin .... eine Wer--
lobung fann aufgelöst roerben!"
„2lber roa$ ift benn ba3 für eine Xollt)eit! Sie, ein 33räutigam,
oerlieben ficr) in ein faum entnricfelteS Sttäbcrjen, mit bem Sie ein paar
£age stammen geroefen finb ! . . . Unb um biefer Stimmungsliebe nriüen,
bie Sie in ein paar £agen oergeffen fönnen — "
„C, waä rotffen Sie uon meinen ®efüt)len! Sie grauben oiefleic&t
auä), ba§ ict) Sie in einer 28ocr)e oergeffen t)abe!"
„9iein, baS glaube td) ntd)t; aber baS roar etwas SInbereS, es war
baS erfte 2Jfal .... SJitd) fannten Sie ganj genau, aber Antonien
fönnen Sie nid)t fennen, unb Antonie fann noct) weniger Sie fennen . .
2IMe roäre baS möglich? Sie t)at Sie nur im SomttagSanjug gefeben —
fte ift Sfmen begegnet, als Sie in fdjroärmerifdjer, mer)mütt)iger Stimmung
auf alten s}Mäfeen umrjerroanbelten, — fo etwas oerfcr)önt immer .... 34
aber renne (£ud) &eibe, unb id) wetfj, bafj 2lntonie für Sie nidjt paßt,
bafc Sie fte unglücfltct) machen werben, ob Sie fte jefct aud) noct) fo fefjr
ju lieben glauben!"
„Unb roarum follte fie nict)t für mid) paffen?"
„9htn, fd)on bie äufjeren ^erbaltniffe finb nict)t günftig .... Sie
fönnen iljr fel)r roenig bieten; roiffen Sie, Antonie tft ntdjt baju gefdjaffen,
bie Aiau eines SdmUcbrer* $u werben. Sie ift oerroöt)nt, fyxi Sinn für
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ö'Dur. ^33
SuruS, fie wirb fidj fdjwer barein ftnben, fid) niö^t fleiben ju fönnen, wie
fie gewofmt ift, nid)t in ßoncerte unb tn'S Sweater jn fommcn — lauter
tropfen, bie aber auf bie £>auer eine fold^e glamme nerlöfdjen werben,
bie gan$ von felbft brennen mu§."
,,©ie urteilen fe^r geringfdj>ä|jig über3§re ©d&wefter; unb (Sie müffen
es einem fiiebenben oerjetyen, wenn er auf !$x Urteil fein grojjeS ©e*
n>idr)t legt!"
„3$ fjabe nidjt gefaßt, baf$ fie niemals, unter feinen Umftänben ndj
in folaje SBerfcältniffe würbe ftnben fönnen — td) fage nur, bafj fie e$
mit 3§nen nidjt fönnen wirb.
„£abe td> eS oon ffinen oerbient, bajj ©ie, ftatt mir ©rünbe ju
nennen, mi$ in foldtjer Sßeife fränfen?"
„3a, ©ie fyxben es oerbtent, benn ©ie f>ätten es ftd> felbft fagen
fotten! . . . @S t^ut mir leib, wenn id) ©ie fränfe, unbidj wünfdjte, id)
fönnte, es 3fmen fagen, ofjne ©ie ju oerwunben, aber fagen mufj t<$ es
jebenfallS, was idt> benfe . . . 3$ weine alfo, ba& Antonie fid) nad) bem
2Ui&ergewöf)nlidjen fefjnt, naa) etwas 23efonberem in irgenb einer 9Rid)tung
. . . 3Rit einem berühmten SJtonne, ober felbft mit einem wenig befannten,
ber ein imponirenber feltener ©eift märe — ja, mit bem mürbe Antonie,
glaube id), aud) fleine 93erf)ältnijfe unb SBibermnrtfgfeiten beS Sebent tragen,
ofme oon Urnen bebrficft ju roerben, ja, fie würbe fogar bieS mit einem
geroijfen ©tolje tfjun . . . Slber ©ie finb nid)t fo jung ober fo eingebilbet,
um nidjt wof)l *u wijfen, bafe ©ie feinet oon beiben finb ober werben."
„£as finb barte SBorte, gräulein, befonberS weil Tie wal)r finb . . .
©ie iaben SReäjt: id> f)abe niemals ein eigentliches Xalent befeffen, unb
felbft eine größere Begabung f)ätte wo^l abgeftumpft werben fönnen bei
biefer Xretmüf>lenarbeit ber ©dmle, in biefem fleinlid&en Kampfe um'«
Dafein . . . 3$ Wn nid)t mein: wie bamals als id) ©ie liebte — id) bin
über baS Sllter binauS, in weldjem man (Maubniß f)at 5U tyoffen, bafc man
etwaä ©rofeeS werbe . . . 3$ roeifc fein: gut, baß id) in meiner 2öiffenfct)aft
ntd)t ba&nbredbenb fein, fonbem nur am Sßege ftfcen unb ©teine flopfen
fann, eine Arbeit, weld)e taufenb 9lnbere ebenfo gut 5U oerrtdjten im
©tanbe ftnb, eine Arbeit, su ber nur ein wenig Uebung unb 2luSbauer
gehört . . . 2ld), wenn ©ie ahnten, maS bieS fagen will — wie bitter
es ift, es nur auf bie Sippen ju bringen — o, ©ie würben oerfteben, baf$
id) eben barum ©rlaubnijj Ijaben muß, auf eine anbere 3lrt oon ©lücf ju
hoffen . . . 9lud) ba fyxtte id) fd)on entfagt unb mid) bei etwas beruhigt,
roaS nur ein falbes ©lücf war, ein ©lücf ofme $oefie, ofme 9toufd), fo
gewöhnlich, fo töbtlicfcalltäglid) — benn id) glaubte ja, es fei 2lHeS, was
mir übrig geblieben . . . 2lber ba fam es über mich, als id) 3f»re ©ajwefter
fennen lernte, fo wunberbar, fo feiig, äße bie alten Xräume, nur mit noa)
brennenberer, oerje^renberer ©elmfucf)t! ^)enn bas füt)te ic^ ja, bafj es
Slort unb €ilb. U., 15S. 29
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^3$ " — Karl (Sjellernp in Danemarf
ba£ lejjte 3)ial wäre, wenn biefeö mir uerflöge — adf), baö Slnbere, ba£
ertrüge id) nid)t mefjr, e$ wäre au$, fid) bamit $u begnügen — — "
„Wein, nein, £erj, es ift nidfjt aus . . . Sßkirum wollen Sie ba*
flare ©affer wegio^ütten, um ein ®la3 ©ein hinunter ju gießen unb bann
bas übrige Seben oerfä)maa)tenV . . . 3d) weiß fo gewiß, baß Sie für
Antonie ber 3)Jann nidjt finb . . . (£$ rüfjrt ftdr) fo Mieles in ifjr, fie ift
nod) ju jung ba$u . . . tluf alle gälte müßte fie einen 9JJann tjaben, ber
ftd) mit i^r entwideln, ober einen, ber ifjre ©ntwirfeluog leiten, fie nur
5Uarf)eit über fid) felbft bringen fönnte. . . ©lauben Sie benn, baß Sie
ba3U im Stanbe ftnb? Jvüfylen Sie nid)t, baß fie 3fme" §u ftarf — ober
fremb werben wirb? . . . Xenn He war ja bod) nidjjt $t)r 3beal, nein,
ba3 fönnen Sie oor mir nid)t oerbergen, ©rinnern Sie ftdr) bod), idj bin
ba$ ©eib, baS Sie geliebt rjaben! . . . Sie oft faben Sie mir bamal*
nid)t gefagt, baß, wa£ Sie an mir befonber* faxten, eine gewtffe mübe
9iut)e imb Älartjeit fei, meine Sid>erf)eit unb mein UKutI) — ja, Sie
rjaben mid) gewiß überfdjäfot, aber fte beurteilten mid) bod) nid)t falfdj, id)
befaß bod) etwa* oon allebem ! . . . 911« id) bann 3f)re 33raut traf, ba fdnen
es» mir, a(* ob fie biefelben (5igenfa)aften befäße, unb id) glaubte, fie würbe
für Sie paffen, trieüetd)t nod) beffer al* id), wenn id) Sie geliebt fjätte,
. . . 2lber Antonie — beinahe ba« ©egentfjeil, wie fönnen Sie fie lieben!
•$enn ba* febe id) ja, baß Sie felbft fid) nia)t »eränbert fjaben — natürüd),
baä trjut man überhaupt nid)t . . . Wein, id) begreife nidjjt, wie ba* ge*
fommen ift! . . . ©äre es nid)t ju eingebilbet, fo möa)te id6 faft glauben,
Sie baben fid) in Antonie uerliebt, weil fie meine Sd&wefter ift!"
„Xa* glaube aud) id)."
„Sie glauben e*! . . .Unb bennod) — "
„Wuu, was l)at benn bae §u fagen? . . . ©enn ba* ©ebidjt fa>ön
ift, wa* gef)t une feine 3?eranlaffung an ... (** mag fein, baß td> miaj
uid)t in fie oerliebt bätte, menn fie nidjt Antonie Sdntlfe gebeißen — wenn
fie nidjt bmd) f leine, faft unmerflidje 2lebnlia)feiten midf) an Sie erinnert
rjätte — unb wenn id) fte niä)t an einem Drte getroffen Ijätte, wo felbft bie
Steine felbft bie tjolprigen Steine be* ftleinftabtpflafter* mir oon einer Siebe
gaw> anberer 2lrt rebeten at* ber, ju melier ia) entfagt f^atte ! . . . Sloer
liebe id) fie benn barum weniger?"
„$a* ift aber eine £icbe, auf weldje fein 3ufammenleben $u grünben
ift . . . Sie lieben fie ja nia)t um it>rer felbft mitten; unb wenn all bieie
jufäUigen Umftänbe uerfer^munben fein werben, wenn Sie ber ©abrbeit
gegenüber fteljen, baß ba* ©anje eine ^Hufton gewefen — u
,,^enn baö gefa^iel)t — unb ce brauet ja ttidjt j>u gefd^eben — ■
bann bin id) boa) eine flehte ©eile glüdlid) gewefen — aa), fo unenblidi
glüdlicb, wie id) niemals geglaubt Ijätte, e$ \\\ werben!"
„Wein, nein, Sie fprea>n wie im gieber — Sie fönnen ba* niebt
meinen, wenn Sie ruhiger geworben fein werben! Sie ftnb ja nidfot ein
Digitizec \
<5. Dur. <$35
fo(d)er ©goift, bafe Sic foroo^I 3^rc Sraut rote Antonien unglucfltd) madjen
wollten, um ben iHaufa) eines 2lugenblitf£ ju genießen1."
„Über mit 2lntonien ift e£ ja gait3 baäfelbe! . . . SBenn ia) felbft
eS aua) aufgeben fönnte, fyabe tä) bann ein SRea)t, für fie ju fyanbeln, ifpr
©lücf wegzugeben, baS üielleia)t nie roieber fommt? . . . ftenn fie liebt
mia) ja eben fo!"
„Wein, Sie Ijaben miä) mifeuerftanben — ba£ f)abe ia) nia)t gejagt,
ba£ meine io) md)t — "
„Sie fjaben es nid^t gefagt, fie felbft aber fyat e£ mir gefaßt/'
„2lnlonie! ... So roeit ift e£ gefommen? . . . SBarum baben Sie
benn baS nia)t gleia) — "
foüte ja ein ©efyeimnifj bleiben — ia) Ijabe üielleid)t nia)t eins
mal je$t ba£ ^ecfyt, e£ &u »erraten . . . -Run aber, ba mir fo offen ju
einanber gefproa)en fjaben — unb überbies, Sie fetjen, eS ift &u fpät . . .
©S ift gefa)ef)en . . . 3°) fabe geftern einen langen 33rief an 9)?arie ge*
fä)rieben, ifjr Me£ erflärt unb fie gebeten, mir meine greifet jurüdju*
geben."
jparriet fafj einen Slugenblfd ftumm ba unb faf) nad) einem £äufd)en
»erroelfter Slätter, roeld)e£ ber &>inb brausen oor ber £aube bSrummirbeite,,
in ber it)re 3ufammenfunft ftattfanb. £ann ertjob fie fia) langfam.
„3Ufo — meinen (Mrfrounfa)."
„3ft baS Sittel was Sie mir $u fagen b^ben?"
„$öaS fönnte ia) fagen, &err &er$ — ober 2Bilf)elm — ba Sie ja
mein Sdjwager werben — naa) aliebem, was ia; fa)on getagt t)abe ? (SS jurüd?
nehmen fann ia; boa) uia)t . . . 2Bas foll ia) fagen außer bcm einem
Selbftuerftänblia)en, bafe ia) fwffe, ia) fei feine flaffanbra gewefen! . . .
Unb bann, bafj id) — bafe ia) — ia) meine, wenn meine GUern oielieidjt —
mit ber Partie nidjt ganj juf rieben fein follten — oon meiner Seite
foHt 3()r nia)ts 2lnbereS als greunblia)feit erfahren — unb ia) glaube,
ia) fjabe etwas ©influfc auf meinen 9?ater."
2£ilf)elm brücfte if)r bie &anb. 3" bemfelben 2lugenblid roanbten
fie beibe ben .ftopf, man Ijörte 5lntonienS Stimme, bie laut auffang. Sie
fam bie treppe berunter unb ging naa) ber &mbe &u.
„Seben Sie roobj!" fagte &arriet unb 50g il;re &anb aus ber feinen.
„92ein, bleiben Sie boa)!"
„9Jein, nein — oerftel)en Sie benn nia)t — 3^re feierliche lieber -
gäbe an 2tntonien bura) meine £anb, ba* roäre boa) ju fentimental — ober
fomifa) . . . 3tlfo abieu!"
Sie ging am (Stoitenjaun entlang naa) bem .gaufe. 2US fie aber bie
Xreppe fu'nauffteigen roollte, fam 2lntonie ibr naa)geftür>t, roarf fia) ii)v
um ben £als unb rief, fie Ijeftig füffenb:
,,2la) — &arri), &arrn! Unb id) babe in bieten Xagen fo fa)lea)t
oon 2)ir gebadet!"
2D*
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$56 Karl Äjellerup in DSnemarf.
„9ton, ^aft Xu mir jefct ben Xenoriften vergeben?" fragte tarnet
lä^etnb unb fügte Tie auf bie Stinte.
XX.
„Xu foüteft es lieber auftrieben, ben S3rief ju fd)reiben, UebjteS
Ätnb, es greift Xia) ju fehr au/' fagte grau 3ngerSleo unb far) befümmert
naa) ber £od)ter.
2)?arie fag mit bem dürfen gegen Tie gefehrt unb beugte ftd) über
bie oorgesogene platte beS Sa)reibpultS. ©in unauSgefefcteS, faft unmerf*
ltd)eS 3tttcni flog über ihre Schultern.
„SBarte lieber, bis Xu etwas ruhiger geawrben bijt — Xu ^afl fa) on
jrcei ©tunben gefdjrieben — "
„SRein, 9Rutter, ia) mufj fortfahren, — td) fann nid)t anberS . . .
3a) bin Ja aua) balb fertig ... Unb es ift bejfer fo, auf ein 9Ral . . .
€S geht nur etwas langfam meiner 3lugen wegen . . . 3d) meine nia)t
mehr — aber ia) weif* md)t — bie frönen laufen wie aus einem über*
»ollen Serien — id) fann nid)t bafür . . . Unb bann mu& id) fo oft
umfd)reiben — benn id) fyabe 2Ingft, ba§ etroaS SMttereS ^ineinfornme —
unb baju ^abe id) fein <Rea)t — unb id) mürbe eS aua) bereuen — immer
unb immer — baS weif* id)."
„9J?an barf nie gegen 3emanb bitter fein, ber nid)t aus böfem
ßerjen banbelt — unb baS hat er nid)t — "
„ftein, nein — "
„2lber fa)wer mirb es mir bod) fallen, ihm bie <Sd)iüäd)e unb ben
@igennufe ju oergeben, ba& er Xta) oerlaffen fonnte, meine einzige, ge*
liebte £oa)ter."
grau 3nger3(eo hatte ftd) oom ©or>ha erhoben unb umarmte HWaric,
meldte bie geber weglegte unb ftd) mie ein Äinb tr)rer jartlidjen Siebfofung
Eingab.
„3a, Sttutter — - baS fommt unb geht oon felbft, man fann es ni<$t
erf)afd)en unb nia)t Ratten — glaube io) . . . 3e&enfaHs fonnte er e$
nid)t . . . 2ld), warum mußte baS boa) gefd)ef)en? — unb oon berfelben
gamilie! . . . 9flal fyaben fie mir ihn weggenommen — unb ie&t
befomme ia) ir)n nie mehr wieber . . . Unb id) hatte boa) nur ü)n."
„£aft Xu benn ntd)t mia), SHarie?*'
„3a, Xia) ^be ia) freilia), liebe Butter — wie fottte ia) eS au$
anbers ertragen?"
„9tein, fo barfft Xu nid)t reben, Äinb. $aft Xu benn nid)t aud) nod)
Xeinen ©tauben, ben er nia)t mit Xir feilte, unb Xeine Arbeit — roenn
fte aua) flein unb unfa)etnbar ift?"
,/3<*» geroig habe id) baS," antwortete SJiarie, inbem fte fid) erhob
unb naa) bem genfter ging. — „Sber boa) ift 2töeS fo leer . . . 6o
leer — wie es oieHeia)t für 2Bilf)elm geworben wäre, wenn er bei mir
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<S--Dur. <*37
geblieben wäre . . . Sfcem, nein! $>a$ fann idj nid)t glauben — id) f)ätte ifm.
bodj gtüctlidj gemalt, roenn er aud) in ber erften gt\t etroa$ t>ermif$t
fcatte . . . 216er Antonie — wie roemg fennt fte ü)n! SBtrb ttjrc ßiebe
aushalten, mit feinen Sd)roäd)en nad)jt$tig fein, roie bie meine, tjjm bur<$
ärmltdjie «er^afotiffe folgen unb 2ltte« 2ld) Butter! SBenn er jefet
nidjt einmal mit ifn* glüdlid) roirb — roarum mußte ba£ gefdjeljen?"
„9)krie, mir Ijaben nie ba3 9?ed)t §u fragen ,roarum?1 . . . $>o<$
benfe jefct nidjt fo oiel an ifnt unb roie e3 if»n ge|en roirb; er benft ja
aud) ntdjt an SMd)."
,,$od), ba3 roirb er tfiun — aber ad) ja, er roirb mid) oergeften!
Unb ba$ fottte id) tf>m rooljl aud) roünfdjen . . ."
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3Huftrirtc Bibliographie.
Seutfdje Ointtoual-tütcratur. .§iftorifd):iritifdie SluSgabe. Unter SJittrotrhmg
Don Dr. xHruotb, Dr. ©. 23alte, $rof. Dr. St. Söartfcf», $rof. Dr. SH. «cdiuein,
$rof. Dr. O. SJeljagbel, l^rof. Dr. »irlinger, ^rof. Dr. SMümner, Dr. ft. ^obertag,
Dr. 8t iöorberger, $rof. Dr. sit*. (Frciäenadi, Dr. 3oh- ßnteger, ^rof. Dr. 2>ünfcer,
$tof. Dr. Ä. nret), Dr. i>. Jyulba, ^rof. Dr. 2. Öeigcr, Dr. ». §amcl, Dr. & §cnrict,
$rof. Dr. Sambel, ^rof. Dr. G. £cmcfe. Dr. JH. ftrcibcrr D. fiilicncron,
Dr. ©. lütldifacf, s4kof. Dr. 3. ÜJtmor, Dr. fr Wunder, Dr. ^. 9?errlid), $rof. Dr.
£. Oefterlet), $rof. Dr. ^alm, ^rcf. Dr. %K ^iöer, Dr. §. ^rotjle, ^rof. Dr.
«. Sauer, $tof, Dr. ff. 3. Sd)röcr, ff. Steiner, $rof. Dr. H. Stern, *4kof. L>r.
5- Detter, Dr. 6. :Ai>cnbeler, Dr. £1). 3olling uub Ruberen herausgegeben Den
3ofepl) 5f ürfdjner. Berlin unb Stuttgart, SBL Spemann.
01" Reben 3abjeu würbe bie erfte Lieferung be3 grofeen oben bezeichneten Unters
JjJVW?- ! uebmenS üerfanbt. 3u 3—4 3af)ren, fagte bamalS ber s4kofpect. würbe c4
BbB m Dollenbet fein. $ieS ift nicht« Döllig eingetroffen, jutnal immer noch dt»
toeiteruugen beä erfteu flaues ftattfanbeu. äLlohI aber liegen bod) je$t 128 33änbc,
ettoa ttori brütet be8 (Jansen, Doüenbet Dor, unb e$ ift mobl angemeffen, ben fiefern
Um „Wext uub Süb" einen Ueberblicf über biefe in ber 2f)at febr bebeutenben ßeiftunaen
&u gewähren, obwohl Stürfdincr's 9tatioualliteratur fchon frütjer (§eft 90) in biefer
$>(onat3fd)rift befprodieu worbeu ift.
$a3 Untcrnebmen ftetjt in ber £bot einzig in feiner 9lrt ba, tnfofern es Der*
fd)icbene bi^tjer faft immer getrennte ober in anbercr (Sombination öerbunbene sbe*
ftrebuugen in bödrft glücflidier unb plamuä&iger Üikife oereinigt. Sn ^cutfdjlanb ift
— feit burd) Berber -uierft ber Söegriff ber „^ationallitcrarur" all ber Qkfanuntrjcit
ber für ba£ (Sulturlebcn eines beftimmten Golfes cbarafteriftifdjeu Literatur erfafet unb
bon Generation 3U Öencration Derbreitet mürbe — ber äUunfcb, oon bet früheren
(£nimicfclung unferer fiiteratur bis auf bie Gegenwart rjtn etwas fennen 3U lernen, in
ben wciteften Greifen fo lebenbig gemorbeu, mic bei feinem anberen itolfc. 3n Syplge
beffen haben mir an JL'iteraturgefdjidjten oerfduebener 3lrt Ucberflufe. Slbcr folclje
Didier mit litcrargefd)id)tlidKU unb biograpfu'fcben 2)atcn unb 3af)len, mit guten ober
fd)led)ten Urtbeifen über Die Xicbter unb ihre Üüerfe finb gar nicht Dasjenige, was in erfter
Sinie gilt wirflidien .Scenntnifj Don unferer fcMteraturentwicfeluug beiträgt; Dtelmebr
gebort baju oor Stfleni bie X-'cctüre ber il^erfe felbft!
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^Iluftrirtc Bibliographie. — - ^59
9hm I)at ja in ben legten äroanjig oü^rcn eincrfeitS ber bucbbänblerifdje Unter*
nernuungageift ber Verleger, anbererfettS bcr C^rnft unb bic ßrnnbliditcit bcr beutfdjen
Philologen mit grofjem (Sifer bic Hcranftaltung neuer 9lu8 gaben Don 2iteratur=
roerten ber älteften tuic ber neueren unb neneften Seit bewirft. Unferc Srlaffifer beB
ilunrot oem Jlnimeiifiauftn, ber 2t(fcttr bti SdnulijabtlbtidiS. !)lodi btr Stuttgarter vai;bfd)rift coit Wl.
2lit4 Äiirfdjitf t'i beutfder ^aticnoüitctatur. £»aub 12. Stuttaart, 8B, Spcinann.
achtzehnten 3aforf)unbertS, nnb ebenfo audi bie mit Mecht fo genannten .sflaffifcr be§
Mittelalters liegen |unt Iljeil fchon in Dielen oerfdücbenen 2lu*gabcn erneuert bor,
unter benen bic einen auf möglidiftc i'ollftänbigfeit unb öienani g f cit ber Xcjtt,
bic anberen auf angemeffeue ?l uö mali l be8 ^ebeutenbüen intb Sdtönftat, ober auf
gute (Erläuterung beö unocrftäitblid) (Mcmorbeneu, ober audi auf fdumc unb gcjdiinad
t>oü*e Htttfiattung beu .vaupttDcrtf) legen. Unb nicht nur bic fllafftfcr, foubern audj
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440 . lloxb unb riib.
literarifax ©röfeen feiten, brüten, bierten 9>tange8 aus allen 3<ton unferer ßiteratttr*
entnricfclung finb mit einer «Sorgfalt unb einer ©rünblidrfcit ebirt unb monograbfnfd}
befjanbelt toorben, bie bem ßaien biStoeilen fditoer berftänblid) ift. 2lber einer-
feit« ift unter biefer grofjen Orüfle bon 2lu8gaben nidit nur ba8 größere publicum
fonbern aud) ber Fachmann, ber ßebrer fotoie ber ftorfdjer, mandjmal in Verlegen*
Ijeit iu entfdjetben, wo er bie für feine 3toecfe paffenbfte 2tu8gabe finben foQ; anberer
Xitablatt ber erften Huitjabe bt* „Simpliciffimu*" ton 1668.
»u* v ürfdjntr'» beutfdier ftattonaUUeratur. 2*anb 33. 6tuttaart, 2B. 6ptmana.
feits fjat unter allen <Sammeltoerfcn (abgefcf)en bon einigen nur SBrucfjftücfc bieten»
ben 2Intt)ologien, loie fie namentlich, bor 30 — 40 Stohren auftraten) nodi feine« ef
berfudii, bie gefammte beutfdic üftattonalliteratur bon ber äiteften 3t\t bi8 in unfer
3at)rliunbert Ijtncin 31t umfpannen.
ferner ift bie tjofje SJebcutung oon ^Uluftrationen, toelcbe ben fiefer in bie i&nU
ftct)iinfl^ett eines* ÜtieraturtoerfeS 3uriicfoerfe$en, forute öon treuen Stebrobuctioncu
3lluftrirte Bibliographie. <H(
ber £>anbfcbriften unb ber älteten Xrucfeinrichtungen in jiinflftcr 3cit allgemeiner ge*
toürbigt werben. Soldje beigaben förbem baS allfeitigc ä*erftänbnifc ber 2ectüre uub
haben audi für fid) allein genommen ein hobeS culturgefchichtlicbeS 3ntcreffe. Sei bet
gegenwärtig ungemein oeroottfommneten unb Derfeinertcn Xechnif auf btefen ©ebieten
ift bon biefen §ülfSmitteln jwr iHuSfcbmüdung unb (Erläuterung bon literaturgefchidjt»
lidjen äBerfen unb cmgclncn SluSgabcn fchon öfter ©ebraudi gemacht morben; aber wohl
noch niemals in einer fo umfaffenben, oon blofeer ©urtofi täten famulier ei weit entfernten
unb baS SHerftänbnife ber ßiteraturwerfe unb ilirer Seit wirflieb unterftüöcnben SBcife,
wie es in ftürfcbner'S beutfdier SHationaltitteratur gefächert ift.
XieieS umfaffeube ©ammelmcrl, hon bem bod) jeber Jöanb in ftd) abgefd)loffen
unb 31t gleidjmäfeigim greife (2JI. 2,50 ungehunben) einzeln läuflich ift, bietet
eine fehjr glüdliche ^Bereinigung aüer biefer Seftrebunaen. (ES enthält biftorifö>
fritifcheXestauSgaben mit fnappeu, aber belehrcnbcn (Erläuterungen, mit (Einleitungen
*u iebem Sdjriftfteller unb ju jebem Serfe,
bie in üjrer planmäßigen Ausführung jju=
fatnmen eine Ueberfidjt über bie gange
beutfehe fiiteraturgefchichte gemäb«
reit, unb mit2luSftattungburd)3llui'tra'
tionen üon hohem 2Berthe/ für baS 58er«
ftänbuife ber (Sulturentmicflung, Welche
bie ©efehiebte unferer Üftationalliterahtr
begleitete, fowie für bie ftcnntnifj ber per-
fönlichen SSerhältniffe unb SebenSfreifc, in
benen bie einzelnen Xidjter unb (Schrift*
fteürr ftd) bewegten.
Sluch bie ältcften 3«ten unferer
Sftationalliteratur finb in bem erfteu bis
gum ßafjxt 1025 retebenben SSanbe bureb
reichliche, gut ausgewählte groben im
Originaltexte bertreten; ben goti»
f eben (Sulfila), altfädjf tfeben (£>elianb)
unb altboehbeutfchen (jjilbebranbslieb,
HKufpiHi, Otfrib, Wotfer unb oiele an«
bere) Xejten ift außer ben burchauS
wiffenfchaftlid) begrünbeten (Erläuterungen
uub einem ooüftänbigen SBörterbuche auch
ti od) eine bollftänbige neuhochbeutfehe
Uebertragung (3etle für 3cüc abgefegt)
beigegeben, welche nicht etwas für fid) be-
beuten, fonberu nur allen £efcrn baS 5Bcr*
ftanbniß ber Originaltexte erleiditern will.
(ES ift erftaunlich, wie biet in biefem, eben=
faHS mtt böcbft intcrefjanten Sdjritt- unb
3üuftratiDnSproben auSaeftattcten * aube, Ä0| Ä , t , , f . , beu,„et Saü0Banitf Sflab
welcher o21 netten mit jum Xhcil fcbwteri' etumatt. «j. • $ im a « n.
gern, aber meift Döllig correctem 6aö »rat-
tafet, für fo geringen ^rciS bem üefer geboten wirb! Xie folaenben Söänbe 2—12
foflen ber mittel tjochbeutf dien Literatur ((Epif, iinrif, Xibaftif) gelten; bon
ifnren ftnb bisher f i e b e n erichienen, in benen fraS $ülfSmittcl ber wörtlichen lieber*
traaung in untere neuere Sdiriftfprache nur feiten nod) angewanbt, baS iUcritänbnife aber
burch reicblidie 3nhaltSaugaben unb (Erläuterungen bem t'efcr erlciditert ift. Wit
23anb 13 („SeutfdieS Jöcben im HolfSlieb um 1530") beginnt bie n c u h o di b e u t f d) e
ßtteratur; mit 5öanb 27 (Martin Cpifc) bie „erfte fdilefifdie Xid)terfdwle", mit »anb
46 (Älopftod'S 2üerfe 1) bie flafiifcbe 5*eriobe beS achtgehnten ^ahrhunbertS. 5?luS
biefer ift für ßeffing, (Goethe, 3d)iller unbebingt bollftänbige ÜtMeberaabr
aller SBerfe nach neuer Xertreoifion unb in jum Xheil neuer unb fehr überftchtlicher
Slnorbnung bcabfid)tigt; aus ft t o p ft od, SB i e l o n b, Berber erhalten wir nur
eine umftchtig getroffene 2luSwabJ. Scfonberen Xanf berbient ber ^erautgeber für
bie ©cfchirflichfcit, mit weldjer er au8 ben Herfen ber Xheoretifer ober ber uad) ibrem
Xi* ttften BfttnbäulfTl 9ilb«u*. 3n rtnrr Cttiift
WrimmfUbauIrnl oom 3a(rr 1670.
Horb unb f ü b. - —
eigenen biditcrifdieu Herbienfte uutergcorbncteren Sdirittfteller eine Xtt8ttO$( fo getroffen
unb combinirt hat, baß He — olme all^itDtet iHaum fortzunehmen — gum ^erüänbniB
ber groüen Sflaffifer unb ter gejammten ßiteraturenmridlung in oorjüglidier Seife
benuvu nxrbcn (anu.
So enthalt 3. 2*. ^onb 42 „©ottfdjeb, ^obmer unb 23reitinger" ein fehr reiefc
?lu4 jfü rf d)it er' * bCtttfdtCV Jt«H«MUIitcialur Ü'anb 4«, 1. etuitgort. ÜJ. Spemann.
faltige?, für bic erfteu miffcufdiaftlicfjcn unb für bibaftifdjc Oebnrffltfte böüig fle»
niigenbcS Sftaterial j;ur quellcmnäfeigcu Crientirung über bie eft genannten, aber im
©anjjen loenig gelaunten Stratigfeitcu jener Ineorctifcr, foiuic 51t r Muffläruitg über
ben ©egenfatf, in tueldien .Sflopftocf, Ceffiiifl unb Spätere au ihnen treten mußte*-
iöanb 72 „l'cffings 3ugenbfreunbe" uercinigt (neben Heineren i'iitthetlungen imb
namentlich andi tiner ganj Dcrsüfllidien SMograbbie r>ou Mfolai!) fedid öoliuanbis
3 1 1 n ft r i r t c 8i bliograpb.ic.
abgebruefte ftkttt bon 2i>eiBe, b. (Sronegf, ö. Sörawe unb tfr. Nicolai, beren fteiiutnifc
für bai Stubium 3. SJ. ber Seffingfdjen .Dramaturgie* Ijbcbft mid>tic| ift. (*bcnfo ift
Portrait t>on Jr. SH. 8. pom Qtalifc, in b<r Jtuiiiabc ftatti&'fditr Qkbkbtc t>on ffdnig (1727?.
■ul ftftrfduer'l btUtfötC Jiationallilcrotur. Sano 3'.». Stuttgart, SB. Spcutaun.
bie 3ufanimenftcUiiiifl airtfldwiblter ätferfe ber „Stürmer unb Tränier' ($anb 79—81
mit guter SefpredjUrtfl fyunaitn'*!) iclir berbienftltcb, oluuotil icli ßcrabe liier einen
erroaa ausgebetmteren Umfang bcr mitgeteilten Iid)tungen gern geiebeu haben würbe.
ZT orb nnb B üb.
Unter ben bereits erfchienenen Bänben au* ber fiiteratur bc8 neunzehnten 3ahr=
bunbert* fjebc ich bie ?lu*mabl aus Ziecf (3 Bänbc), baB „Schief fal*brama"
(Banb 151), fowic ben Dorjüglidi erläuterten „Münchhaufcn" Don ämmermann
(Banb 160, 1. 2) namentlich beroor. Mit einer „Anthologie feit ©oethe'* lobe,*' fowie jmn
JBänbcn Dergleidjenbcr litcraturgefchicbtliebcr XabcHcn unb Stegiftcr foll nach bem 9$rofpeeie
bie Sammlung abgcfdjloffen »erben.
©* war fein ßeiAteS,
für eine fo umfaffeube Sannn*
luug bie rid)tigen Mitarbeiter
m gewinnen unb bie 2öirf-
famfeit berfelbcn fo $u t>er=
tbeilen unb ju regeln, baß bei
öoller Schonung ber »ifTen=
fchaftlichen Selbftfiänbigfeit
oed (Sinselnen bennodj ein
Dianmäßige* 3ufammenwtrfeTi
berfelben unb eine in biefen
^Man baffenbc gleichmäßige
SluSfübrung aller ZhriU tf
retd)t würbe. 9cad) beiben
Dichtungen ift e§ bem rührigen
Herausgeber gelungen, gute,
in einzelnen fallen Dor^ügliche
(Erfolge ju erreichen. -2er
mir hier jugewiefene 9taum
geftattet cS nidjt, bie Seiftun*
gen aud) nur einer größeren
3ahl ber Mitarbeiter irgenb-
wic eingehenb 511 charatterv
firen. So fei hier nur noch
Ijerüorgchoben , baß bicle
Bänoe ber Sammlung aud)
ganjltch neue* ober wenig bt-
fannte* wiffenfchaftlicbe*
Material zugänglich machen;
ich nenne beifpielS halber für
Schiller'* iL*crfc bie noch in
feiner früheren 9lu*gabe abge=
bruefte ältefte ©eftalt mehrerer
Stellen au* ben „Stäubera,-
fowic bie hiftorifche CueÜe,
ben ^rofaentrourf unb bie
fpäterc Bearbeitung beS „"Son
Barlos"; ferner bie Dielen
»Hb 1« elften Wonolootcene in „Sauft. Gin ffraflemen». Son «oeltf*. 1790- nCUen MittbetUWgen, bie Xb.
Hu* Jtürlajnet'l bcuHäier KattonattiteTatur, Qtott\)t'i SBerte, töanb 12. Jolling Über .VCUinct) Don
€tutt9ar». Ü. 6j.en.aan Jfjjjjj ^
fiub bie litcraturgefcbichtlichen
3>arfteUungen Don neuen unb anregenbeu ©cfid)t*puncten au* gegeben, wie 5. B. bei
ber Bcbanblung. be* „Simpliciffimu**' Don Bobertag, bei ben (Stulcitungen v-i
ftlopftocf'* Herfen Don di. £>amel, bei Bürger** (Bebichten Don ^rofeffor Sauer uno
bei Dielen ebenfo grüublidi burchbaebten, wie feffelub gefdiriebeneu Arbeiten uon s4*rofef?or
3- Minor. Bei aller ©rüublid)feit unb 2L*iffenfd)aftlichteit aber ift bie iRücf ficht auf
ba$ ßutereffe unb ba* Berftänbniß weiterer ffretie nirgenb* unterlaffcn. 2>ic SOuftrationen
enblid) liuo zwar nidU über alle Bänbe gleichmäßig Dertbeilt; überall aber finb fie mit
großer Umficht au« burebau* outbentifchem Material ausgewählt unb burd)Weg oorjüglid)
ausgeführt, wie auch bie XrucfauSftattuug aller Bänbc eine febr würbige unb folibe ift
Üllle* in 2UUm finb bie bisher crfchicncncu Bänbe be* großen Unternehmen* ber
größten Xbeilnabme unferer gebtlDctcn ober nad) Bilbung itrcbenbeu Ücfcwclt doQ«
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Bibliographie. ^5
fommcn mürbig. Qrür €>djul* ober SBereinSbibltothcfen ebenfo wie für bie Bücherei
be8 beutfdjen §aufc8 giebt e* faum eine empfehlenswertere Slnfcbaffung alä bie ooll«
ftänbige „25eutfcbe RarionaUitterarnr", ober eine nach, beftimmten söebürfuiffen unb
Mitteln abgemeffene 21u8roabl au8 ben ©änben berfelben, bie fid) in bem febönen
gleichmäßigen l£inbanbe and) au Her lid) loiirbig reDräfenttren. Uiochte e8 bem $erauB*
lieber balo oergönnt fein, ba8 glücflid) bi« über bie ftälfte geführte große Unternehmen
in gleicher 2lrt unb in nicht aüjufcrner 3eit oöllig ftU Iftlbc 3U bringen!
5^lir Dafjn s „IDeltuntergcmg "
@efdjia)tlid)c (Sraäfclung au» bem 3abre 1000 nad) ©fjriftu». Seidig, »reittopf & fcärtcl.
©in öodjbebeutenber SJorwurf ift e8, ben mir in bem neueften Serie $abjt'S
bebaubelt fcb«n: bie Strfung, mcldie ber allgemein oerbreitete Glaube an ben Seit*
Untergang unb ba8 hereinbrechen be8 jüngften ©cricbteS jur (Sommerfonncnmenbe bc8
3ab,re8 1000 auf bie politifeben ISreigniffe übt, roirb jur ©ruublage eines b,tftorifd)en
Romans gemacht; unb bie üerfd)iebenen feeiifd)<n (Sinbrücfe, bie jener weltbehcrrfcbenbe
Aberglaube auf ben gelben, ben Sürjburger ibifdjof heinrid) oon Rothenburg, unb
auf bie mannigfaltigen ihn umgebenben ©eftalten äußert, gewahren ber lebenä- unb
wecbfeloollcn (Sbaratterfcbilberung einen eigenartigen Rei^. 35crfelbe erreicht burd) bie
netig fid) fteigernbe Erwartung bc8 gefürdjteten (Sreigutffc8 gegen ©nbe be8 Serfe8
feinen höbepunft
35er »eru ber (Stählung, um ben Rdj bie Heineren ©pifoben fcbließen, ift leicht
berauSjufcbäleu. ©raf ^einrieb non Rothenburg, im $5icnftc ber ftaiferwittwe Ibeopbano,
war in ben ftampf gegen bie Seriben gefanbt. ftebrt er al8 Sieger jurücf, fo ift ihm
bie ^ergogSwürbe jugebacht, unb al8 ^erjog will er um bie hanb heilfricbenS werben,
bc8 fchönen ®DelfräuIetn8 im ©elcite ber Äaiferin. Xheophano aber liebt ben ©rafen
unb miß ihn 311 ihrem ©emable unb &um Regenten be8 Reiches erheben: fie zwingt
fceilfrtebe, ©ertoalt, ben ©rafen bc8 SalbfaffengaueS, *u ehelichen. 9118 $err Heinrich
äurüdfeqrt, wähnt er heilfricbeu untreu, unb er entfagt ber Seit: er nimmt bie
^rieftenueiheu unb Wirb jum Sbifdwf oon ißürjburg ernannt. 3" ©erwalt ficht
heinrieb feinen ärgften ftcinb, unb barin wirb er oon feinem Slrdjibiacon ^Berengar
beftarft 35er ßombarbe ^Berengar, ber Sohn 5öereugar8 oon 3örca, f>eqt gegen ffaifer
Ctto glühenden $afe; unabläffig ift er bemüht gewefen, bie ©erechtfame be8 5öi8thum8
©ürjburg *u erweitem, benn felbft ftrebt er nach bem ©ifee, auf ben bie beredtfigte
ÜKnwartfdxift ihm ^einrieb oon Rothenburg geraubt. Xurch eine falfche SöerteibuugS«
urfunbe unb burd) Verunglimpfung be8 ©rafen ©erwalt reist ber Slrchibiacou ben
söifdjof auf, €>tabt unb ©raffchaft bem Könige 3U entreißen unb ju folcbem^wede bie
nahen Senben in <5olb ju nehmen. ^Berengar wirb als Vermittler ju bereit dürften
3wentibolb gcfdjicft unb oerpflichtet biefen, Sürfcburger ©raffebaft unb ViStlntm gu
überfatten unb ben Söifdwf ju ermorben, auf bafe ber 3tubl erlebigt fei. — ^er
tluge Berengar ift weit entfernt, ben Ulberglauben au ba8 hereinbrechen be8 jüngften
©erichteS ju theilen. Sifcbof ^einrieb hatte 9llle8 oon ber Ümtfcbeibuug be8 ^apfte8
abhängig gemacht unb feinen 3ägermeifter 3lrn nadi 3talicn gefanbt, biefelbe cinju=
holen. Unb ba nun biefer wilbefte 2flann im 5Dcöndj8geWünbe als Söote be8 $apfte8
iiurficffehrt, ben Weltuntergang ju oertünben unb »ufee ju prebigen, ba febwinben
auch £erTit h«n^jd)8 3^eifel. 2lße8 bereitet ftdi auf bie ©onnweube Oor: bie I5iuen
geben fid) bem Pollen l'ebcnSgenuffe hin, bie «nberen thun üöttfee. 3um iöifcbof femmt
Jvrau h*'lrriebe, 3U fagen, bafe fie fdmlbloö unb jur (§rje ge3Wttngen fei. Sqctx Heinrich,
etrau fceUfuebe unb ©raf ©erwalt wollen £anb [n ^anb an heiliger Stätte ba8
trnbe enoartot. Äur3 üor ber Stunbe, bie ben Untergang ber Seit bringen foll, bredicu
bie SBcnben unter 3u>entibolb unb Berengar t)erein : nach heißem Stampf, in bem bie
Rubrer fallen, werben fie 3itrüdgcfdilagen. £crr heinridi ift wunb oon oergifteter
Saffe: ^cilfriebe faugt bie Sunbe au8 unb rettet ihm bai üeben.
3n biefe (irjähuing, welche fowobt in ber äufeeren ^orm als auch — abgefeben
oon ber 31t großen Skrtraulidifeit beä Kugen Berengar gegenüber bem Scnbcnfürftcu
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— Xlorö und Süd.
( — in ber Widmung ber Gbaraftere febr gelungen ift, i)at Xafm eine Mtify Don £ tonen
eingeflod)teu, die bereite im 3al)rc 18»8 in einem (Sntais tum fleinercn (^ebidnen
unter betn Xitel „^ctturitergaugS (Erwartung" üerwertbet waren. iiMr muffen bem
SHdjter Xanf wiffen, ba& er bie (^eftaltcn. Die in jenen Balladen nur ffijjirt unb in
ftolge deffen etwa* derb gewidmet cridüenen, fein ausgearbeitet bat; inbeß dürfen wir
uns nid)t ucrbeblcn, baft in Der Berweudung biefer iSbaraftere im iHoman bie Gkfabi
lag, bau mand)c Xbeile beSfelben ein epifobifdjeS (Gepräge annahmen uub gu febr in
bie £äuge gejogen tourben: ift das fdjou mit ber (£r$älUung Dom Subeu ittenatus bei
Sali, fo noch in höherem üJioße mit Der Schilderung beS frommen Gärtners 2i>artDld.
äi>äre eS nid)t — äuma: ja bie aller Oberen iHeflcrjon baare (SJottergcbenqeit fdwn in
ber l'iutter Ute pertorpert ift, — lohnender gewefeu, bie (Sinbrücfc jenes Aberglaubens
auf einen geiftig höher ücbenden s2)ceuid)en, etroa auf einen gelehrten gciftlicuen $qüo--
fopben wirten ja laffen? Die (Milieu Der Pier Siebenben, deS Zitters Helmut unfi
ber 3uugfrau tsbel fowie bei Gerrit Jyiilfo oon ?)oonne unb ber fdjöneu iJJinnigard
finb in iüren ($ruubjä$en unendlidi wirtung*Doll, uub bie Xurdifübruna ber (Sbaraftere
ift — abgefeben Don einigen reiflid) freien Anidjauungen 2J(innigarbS und pon betn
unritterlidien Benehmen Helmuts gu itformS — meifterbaft. UebrigenS eine anberc
(SJcfalir nod) hat bie Berwcrtbung älterer ÜJcotioe nidjt oermeiben laffen: XaS wilde
ßieb „borgen um bie zwölfte Stund" paßt ebenfo wenig ju ber Art ftnlfoS wie fein
moderner iWinuefaug in das 3aur 1000. Utwergleiehlid) aber ift ber mit föftlicbcm
§umor gefdiaficue Supfo, ber weinfrobe Sellermcifter, ber mit feiner tfafee SJmcia öen
ätfeltuntergang beim (Siweniwein erwartet.
Aud) äiüci neu erfundene Momente fommen ber Xidituug ganj bcfonberS p
©tttc: das iit einmal bie liebenswürdige 3eicbnuug deS Runter Blandinas uub ber
runden Jyallrun, bann aber nor Allem der herrliche (Sontraft de* erbabeneu germanifdjen
Ölauben» uou beu legten (Sreigntffen ju jenem wabnfinnigen Aberglauben. Xcr alte
fegenr unb fagcitfunbige ittado, ber treu am üJobauglauben bängt, ift eine prächtig?
6d)öpfung.
26n finb bem Xiditcr beute auf ein anderes CHebiet gefolgt als beim Seien feiner
trüberen biftorifdieu Montane. XaS Beffere ift ber fteinb des ÜJnten. So wäre eS im
bödiften tfkabe unbillig, in bieier vSdjbpfung bie gleid)e Dollenbete ^idjnnnq be* ge^
fd)id)tlidieu .t»intergriinbe8 51t »erlangen wie auf bem #obcn be8 frühen ÜJUttelalter^,
für beffen wiffeufdjaftlicbe Bearbeitung Xabu eine unferer erften Autoritäten ift. Sn
ber Benuöitng ber CucUcn (be& Seben«» ber ^eiligen 92i(uS unb Äomualb uub ber
asiirjburiier (iljronif) wird ^iemanb etwa* auSjufeeen baben, aber ba» Studium
biefer ^tu-rfe bedingt nod) feineSiuegi bie gleiche gewaltige Sülle ber ©enaltungStraft,
wie wir fie in Xatm'ä Siomanen au^ ber i^olferwanberung fenueu gelernt rjaben.
Und fo erflärt fid) nnferes (Äradrtenö bie häufig ju breite, ja lehrhafte Ausmalung in
ben erften Xljeilen des ^erfeS: wir meinen die Ralfen jagb, den Brief Arn'S, bie
(Edtil^crung con ^ürgburg, bie ben SRenattt» unb ^artolb betreffenden «cenen, ben
Anfang bee Xiabgs awiidjen .^erm Heinrich und ^eilfricoe. So begreifen ftdj audj
einzelne biftoriidie Uugeuauigfeiten. Sollte XUrn ber ^ägermeifter der Scbreibfunft in
fo hohem ll'iarje befltffeu gewefen fein V ^afet baS fraujöiifche il^ort buhurt in bie
Sdülberung bes 2^cltbranbeSV (SJewift nid)t. Ucberhaupt werden bie romanifdifn
teiiulüffe für jene 3«t &iel ju hod) angcfd)lagcn : fonute bo.1) au* Helmut nid)t um
1000 sn ilNormS im Xurnier fämpfen, ba nad)wei8lid) baS erfte Xurnier tu ^eutfüv
laud eift 1127 ftattfaud, unb ba übcrlwupt baS Xurnier erft 1066 erfunden fein ioü.
— Und l'uc oben erwähnte Breite fiuben wir and) in ftiliftifdier £->infid)t: die über*
mänige väufung der (Hntheta wirft uid)t günftig. unb alS ju breite Sdulderung dürfen
wir audi wotil die fediS (Mcdaufeuftridic in ber ^ad)t ber Siebe bejetchnen.
X tefe AuafteUumieu hätten wir nicht gemacht, wenn wir baS nidü für Pflicht
hielten bei ber BeurthciUuig eines Tid terS. Pon bem wir audi im fliehten bödrfte
BoUeubuitg geuwbut finb. Audi fei nodmtalS bemerft, bafe ue faft nur auf ben erften
Xhctt der r-iditung begehen. Befonbere im 3weiten Xheilc beS üJerfeS feben wir aü^
überall nraewaitige Sfraft der Öfeftaltung wie ber ftiliftifdjcn Ausführung. Xie Anfuuft
Arn*, bie wonnige 3Jcittfommernad)t ber Stampf, bie Begegnung ©errn Jöeinridv mit
.<>ctlfriedc — je eines biefer herrlid)en Stiicfc würbe dem Xicbter bauernben ©anl
fidlem. ths.
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23 iblioaraptjtfdje 2Toti3en. — -
Ptylofopbifdje Cileratur.
Sinnen unb Sutten, ©efammelte 9lb
banblungen unb Verträge au* bem ©c*
biete ber Literatur, ^^ilofcpt)ie unb
s4>äbagogif, fomie ihrer ©eidiidjte Don
3. 6. äüittc. fcalle, Pfeffer.
„Tiefe Äuffäße unb iMbbanblungcn
bewegen fieb in jener realiftifeben unb
fritifchen iKtd)tung, ioeId>e immer mefjr baS
©epräge ber miffeitfcbaftlichen ^bilofopbic
ber 3uf"nft ju Werben Dcriprid)t", jagt
ber SUerfaffcr in feinem ertenntuiftfbo*
retifdicn ÜBorworte gu biefer Sammlung.
(Sic unb otfo jämmtlid) angemanbte 5>büoe
foptjic. Cbwobl für weitere tfreifc ber
©ebilbeten beredwet, bieten fie bodi aud)
bem tvadtmann, befouberS bem ^äbagogen.
Diel ^eueä unbSlnregcnbcS, obfdion anberer*
feits SDlandic* für bie weiteren Streife un=
Derftänblid) ober fchwer fafelicb, weil ju
fpecutatio, bleiben bürftc. iücfonbcrs ftnb
Damit bieienigen Xbeile gemeint, welche bie
Dbilofopbifdic ©rttnblage für bie Prnftifcben
Xbeüe ber Jlbbanbluugcn enthalten. 5?lb^
oefebeu Don ber Gompactbeit ber Spradie,
fehlt e& tjicr unb ba nodi an Teilung, fo
befonbers im erften Staffage. 3ebenfnllS
aber wirb baS Söudi wegen beS reichhaltigen
3nhaltS Bielen etwas bringen unb —
anregenb unb belebrenb suglcicb — bem
emfteu iMer nur förberlidi fein
(£8 fei uerftattet auf ben 3nbalt einzelner
Staffage befonbers btrgutoeifen. 1) „Ter
äikltfdmterj in ber Ticbtung unb bie SEBdfc
febmergbidjtunfl" behanbclt Scroti, £ciuc
(ungerecht einfeitig!) ^coparbi, fcenau ,
©oetbe'S „^auft", bem in ben Stamerfuugen,
meldK Diel llcberftüffigcs enthalten, eine
befonbere SiMirbigung p Xbeil wirb. 2)
„Ter Patriotismus unb bie fittlicbe 8e*
beutung bc« Staates" (rcchtspbiloiopbifd)).
3) „Tic feciale Srrifis in ben böberen
<Stänbcn,bieOrganifation unferes :*MlbungS=
wefens unt> bie 3b" eine? WcidiSbilbuugS;
amtS." (Sehr anregenb; [helft aud} bie
Stealfdmlfragc.) 4) „SJerufSbtlbung beS
Kaufmanns.'' SluRerbem nodi vJlbbanb=
lungen über firiebridi ben ©rofeen, Tvtditc,
ftranflin, 3JJcnbclSfof)ii, Daniel fcefoe.
$er eajlüffet jum objeetitoen f&v
tettnen. Poi: Siubolf S et) Del.
£atlr, Pfeffer.
Unter biefent Titel hat ber Ü.*erfaffcr, ein
©ander Don tfhr. ft. Reifte, brei f ruber
in ber Jyidjte'fdien ^eitfcfirift erfdücuene
yibbanblungen gefammelt. Tic ?lbbanb-
r 1
hingen, toeldie gegen flaut's (frfenntnifc
tbeorie unb ibre fermeiterung bureb ftricbrtcb
Ulbert ßange gerichtet ftnb, betiteln fid>:
„flaute fnntbetifdie Urtbeilc ;i priori,
iusbefottbere in ber ÜJiathcniattf* ; fr 21.
itonge's geometrifdie iiogif" unb „ber
Sdilüffel jjum objcctiDen ©rfetinen." Tos
pofitioc ßrgebnife ift ber in ber logifeben
iöcuutjuilgfceiXenlinbattSliegfnbeediliiffcl
iiu einem wahrhaft objectiDcn, toenn aud)
beterminirteu (£rfennen. llnfcrc l&rfennt*
nifj berubt uaeb bem ^erfaffer auf (fr*
fabrung Iogifcbem TenTen unb erlauben,
Philofopbie, (Srfabrungiioiffenfcbaft unb
Xheolrgie follen fid) mit ben gur objectioeu
ÜiJabrbcitfürrrenbeu 21rbeit&toegen ergänaen.
fcerbeve ^bilouiDbu- und) tbrem
(^ntiuicteluiiflegandc unb biftort«
fdjeu ZteUun^. Won Dr. iDi oriö
Cronenberg, ^icibelberg, Carl
hinter.
9iad) ßeibniu bat cS toob.1 faum einen
fo unioerfetlen uno bemgemäfe fo »cit
roirfeuben (Mein gegeben, wie Öerbcr. Üftur
fctjltc biefem noeb mebr alö 3cnem bie 2Ib=
ruubung unb bie ®efd)[offenl)eit. 37Jan fann
bei Berber nicht Don ber (fciubeit eines
Dbilofcpbifdien SpftemS rebeu; für ben
IMjilofoPben ift ei feine geringe Aufgabe
beim Stubium fteoerfdier Pbilofopbifcber
3becn bie ©reuje jwifeben pbilofopbifcber
unb litcrariieber ilBirtfamfeit genau abj}u»
fteefen 2ai mag ein (Mrunb gewefen fei
für bic befrembenbe Xbatfacbc, 4>afe in
uuferer ^eit, in ber bic luiffenfdjaftlicbe
wie literarifdie ^robuetiou üppiger benn
je empor fdiiefet, Berber alä ^bilofopl) nod)
leine eingebeube felbftänbtgc ilUirbiguug er*
fnbren bat. ^er i;erfaffer, weldjer. ein
Sdjüler dou Sfuno trifdier, in bie ftutj=
topfen feines grofeen ^ebrerS tritt, ift fein
Heuling auf bem ©ebietc .^crberfdier
^bilcioDhie. C*r tritt mit Sacbfenntuife
unb iHube an bic 2lufgabe unb Derfolgt
feinen *l>lan mit einer getDiffen 3älugfcit.
3ln bem Dorliegenben vii>erf fällt jtunädift
bie febr forgfältig, ja feft pcbatttifdm
Hietbboif einer bis in'S öin^elne gebenben
Tispofitott fofort in'S Viuge. Tiefe
©ruppirung bes «ioffcs erleid)tert ja be=
beutenb bie lleberudit, aber bie Xarftellung
leibet baruutcr. Berber wirb uns |Unädrf!
al^3 Sdiiilcr dou Sfant unb Hamann, bann
unter ben (Sinflttfe Don ßeibniß unb Spinojc
bargeftellt unb cnblteb fein Stampf gegen
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<H8 Horb n
bie fpätercn Sfantifche Wlofophjc flar unb
Irtan cntnncfelt. SaS löucfi bietet einen
locrtbbollen Söcitrag für bie Ouellenftubicn
bcr na*fantifd)en $hilofopl)ie unb oerbient
audj bon Seiten ber ßiterarhjftoriter ein*
gchcnbe 58ead)tuug.
Sie eitrigen Mätbjel. kiJopulär=pfuio*
fopöifa)c Vorträge, gehalten im litera*
rifd>en herein ju Söaben = »aben oon
SKubolf Richert. (Srftc Serie. £aüe,
Pfeffer.
Schon ber Xitel beS \i>cfte8 beutet
an, baß biefe SBorträge nicht für gelehrte
Streife, fonbern für ben fogcnannten ge=
bildeten itoicn berechnet ftnb. Sie behanbln
thcilS naturoiffenfcbaftliche Probleme:
„Ser 3nftinet" contra Sarmin); über baS
©efee ber Erhaltung ber Straft;" „SaS
2ltom;" t&eilS pfpchologifchc; „Ser Scampi
um bie Seele;" w9fothtoenbigfeit unb ftreU
nb f üb.
heit." 3roifc&enbeiben ©nippen ftebt bie 3b*
fjanblung „über baS Problem ber Sprach*. •
Ser SBerfaffer ift iflutobibatt; er fjat
Piel unb mit 5üerftänbniß gclefen unb ber»
fügt über eine flicßenbe anrcgcnbe Schreib*
art. SaS §ier ©cbotene beftebt aus bilettan*
tifdxn Kompilationen. Sie naturnjiffen*
fdiaftlichen Vorträge finb nod) mit bera
größten ©efchicf gufammengefteflt ; bie
©ruppe ber pfudjologifcben 2lbbanblungcn
lägt aber an ber für ßaien nötigen Srlcr*
heit unb Surdiiiditiqfeit biet ju toünfcben
übrig. 2lm aüerjdnoädjftcn ift bie 2lb=
haublung über baS Problem ber Sprache,
welcher jcbeS organifcbe ©cfüge fehlt unb
welche taum auf ben Xitel einen geiftooUen
Klauberei Slnfprucb erheben fönnte. Snrmcr«
hm toirb ieber Siaie, ber bteS ȟcfclrin
mit bem nötigen Eifer unb ber gehörigen
Slufmerffamfeit lieft, 9)tond)e& baraus
lenten fönnen.
Bibliograph i
TarftoituiifltMi au£ ber Sitten«
aefduibte tHomö in ber ;\c-a bon
lUuguft btö jjum lUuSgang ber Slntoninc.
5öon Jöubwtg 3fricblänber. Secbfte
neu bearbeitete unb bcrmcbrte Auflage.
II. Xbeil. 2eip$tg, S. Birgel.
jJlud) bei bem jmeitcn Stanbe biefcS
9JteiftermcrfeS ift bie Neuauflage mit einer
Sorgfalt ausgeführt, ber mir unfere hbdjfte
Slncrfennung nicht berfagen tonnen.
Sclbft baS fleinftc Moment, baS irgenb
ein neubcröffcutlidrtcS cpigrapljifcbcS Senf:
mal ober eine feit 1881 crfdüenene edjrift
für ben Bereich ber hier bchanbellen ®e*
genftäube (sBcrfcbrSwcfen, Reifen ber
Xouriiten, Schaufoiele) bietet, ift berücf»
fidjtigt unb -m einem batb größeren, balb
fleineren 3ufa@ oerwerthet, fo baß ber Um*
fang beS 2Jud)eS um mehr als ein halbes
Spunbert Seiten gewachsen ift. Namentlich.
baS erftc Eapitel ift burch ganje Äbfdinitte
ertoeitert; fo bezüglich beS :ü{agcnDcrfchrS
in ben Vllpcn, beS StraßennefecS in Sftorb*
afrifa unb ber nörblicben Söalfanhalbinfel
jmr Äomerjeit, ber d)incFtfd)en Nachrichten
über S&egtebungen ftum römifdjen Neid).
Sic „Aushebung ber Xruppcn" (S. 59
bis 60) ift nad) einem Slufiaße 3Rommfen*
au« bem 3nbrc 1884 umgeftaltet, mie
beim überhaupt bie neuen Schriften biefeS
ftorfdierS, naturgemäß gu Dielen 3ufä8en
unb Sibnnberungen Hnlal gegeben haben.
Street umgearbeitet ift ferner im folgenben
fdjc Hoti3ea
Kapitel bie Saiftellung ber ^relb^üge unb
Nieberlaffungen ber SRömcr in Norbafrifa
(S. 100—102), bor «Hern aber ber Schluß»
Paragraph,, welcher bie ($ntmicfelung beS
©efühls für ba8 iHomantifche in ber ütfatur
betrachtet Ser töerth bcäfclben ift burd)
bie ießige, in fid) gcfdilofienere unb faaV
liebere SarfteÜungSmeife nidrt untoefentlicb
erhöht morben, menngleid) feine 3ugehörig«
feit in ben Gahmen biefcS ^erfeS manchem
2eier iiioeifelhaft erfebeinen bürfte. Spe*
cicll für bie ^anbfchaftSmalcrei im 9JcitteI*
alter h.at ber 2krfaffer ftatt ber früheren
eigenen Erörterung eine auSfübrlidKre,
bon ©. Sehio herrührenbe eingefept
(S. 215—219). 3n geringerem ©rabe ift
ber leöte Sheil be» Ruches berührt morben;
bod) fonnte ba8 SJerjeichniß ber in 3talien
unb ben ^robingen nachmeiSbaren Amphi-
theater burdj eine föcilje neu ermittelter
Xheaier bereichert werben, u. 8L ju Kanuo
in Söaetica, SJcplafa unb XelmiffoS in
^leinaften unb befonberS ju (Fantun tum,
inbem hier bie erft im 3ahre 1889 her*
ausgegebenen Söerictjte über bie iüngft ba»
felbft ftattgefunbenen Ausgrabungen heraus
gebogen ftnb. Unb ber ilnbang IV über
bie ©labiatorentefferen liegt in ooUftanbig
beränberter fjaffung uor, ba feit ber legten
5UtfIage mehrere Arbeiten fich gerabe mit
biefer fdnoierigen ??rage befebäftigt haben;
eS ift burdiauS ju biUigcn, baß ber SScrfafier
nunmehr nur bie Perfdjtebenen aufge ftcüten
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Stbltographjf&e Hottgcn.
fttjpotbefeu toiebergiebt, obne eine eigene
äSermutfjung auSgufpredjen. — 3>ie Söc=
beutung beS SScrnfteinljanbelS toirb nid)t
mehr fo bod) beranfdjtagt (©. 72—73):
ber SBemftein gelangte gröfjtentfjeilS nur
burd) 3to»fdManbel nad) bem ©üben
unb fr ieite audi nur eine untcrgeorbncte
Stoße unter ben au» bem Horben begogencn
virttfcln; bie römifdjen &anbelSbegiebungen
erftrecftcu ftd) nicfjt aüein auf baS Seraftein»
lanb, fonbero über baS gansie nörbltctjc
Sieutfdjlanb bis nad) ©fanbinabien l)in.
®ie nähere »egrünbung biefer Slnfidjt
finben toir in bem als Slnfjaug betgefügten
Sluffafce öon D. Ziityltx in Königsberg,
in tocldjem bie römifdjen gunbftücfe im
Horben (Ijauptfädjlid) anfingen) eingefjenber
unterfudjt »erben. sb.
$te $ür?ttnnen auf Um throne
ber fco t)t*u,i ollern in «ranbenburfi
uuD ^reuBeit öon fr 33ornl)af.
Berlin, W. ©djorfe.
Sie öorliegenbe 21rbeit ift otjne
felbftänbige, wiffenfdjaftlidje Cuetlen*
forfdmng nad) gebrochen Serien gu*
fammengefteflt. ©ie ift nad] beS BcrfafferS
eigener Angabe befonberS für bie 3"flenb
beftimmt; fie fott aber aud) ber beutfdjen
Sfrauentoclt glängenbe unb nadjahmenS*
toertbe Borbilber bieten in bem ßeben,
ßieben unb ßeiben beutfdjer prftinucn,
auf bem $ol)cngollerntl)roue in Branbcnburg
unb $reufeen. Sie 2lbfid)t beS Bud)e3 ift
alfo eine ^atriotifrfje. Bon ftriebridj, bem
erften ffurfürftcu in ber SJiarf aus bem
$aufe ftofjengoUcrn, bis auf bie ©egentoart
»erben uns m djrnnologifdjer Steifjenfolge
bie fcofjengotternfürfttnneu in furgeu bio=
nrapfjifdjen Söilbern bor Slugen geführt.
3)ie SarfteHung toirb lebhaft unb anfdiau»
lid), befonberS aud) bie reidjlidj cingeftreuten
Rendite öon Slugengeugen unb bon ben
3fürftinnen felbft. 2ütr feljen, wie bie
boben grauen aufgeben in ibrem fürfc
licfjcn Berufe, »obre SaubeSmütter gu fein;
toir toerben gur Betuunberung Ijingeriffeu
bei bem Slnblicf biefer ^ürftinnen, bie, im
©lüde ftitt unb frol), im llnglüd fromm
ergeben, aber bodi ftolger unb fidjercr
Hoffnung öoH, gu bem nie crbleidjenben
©tem iljreS ftaufeS emporfdjauen.
Siffenfcbaftlid) begrünbete ÖefdndjtS«
fenntniffe freilid) fann man aus bem Budjc
nicfjt erwerben ; mit 2lbfid)t toerben bie ($r*
etgniffe gang fummarifd) gufammengcfa&t,
getoiffermafjen um bie äiianb aufgubauen,
an ber bie cingefnen^ortraitS befeftigt toerben
foHen. 2luS biefem Bcrfabjen erflären fid)
Horb unb 6üb LL, 153.
toofjt bie öorfommenbeu f)iftorifd)en Unge=
nauigfeiteu, olme^aburd) entfebuibigt toerben
gu föunen. (SS ift bod) falfd), toenu ©. 43 nc-
fagt toirb, baf$ «infolge ber .ftuffitenfrtegc"
(1410—1434) bie beutfdjen Sßrofefforen unb
©tubenten ^rag üerliefecn, um nad) ßeipjig
(llniDerfttät 1400 gegrüubct !) übcrjufiebeln.
l^tjronologifdj üöüig ungenau ift auf
S. 309 bie (Srljebung ber Ungarn für
■ättaria Xberefta figirt. — SBarum toirb
baS treffen bei 9)ioQS, toie es berfömmlidj
Reifet, nad) ©örliö benannt? 2üarum toirb
bie ©djladjt öon SRo&badj öom 5. 5Woü. 1757
auf ben G. 9too. öcrlegt? 3)ie8 mag ge»
nügen, um eine oorfidjtige öenuöung beS
SöudjeS in biefer ^infidjt gu red)tfertigen.
25ie^ßcrlagS^aublung ^at il)re ©d)ulbig=
feit getfjan; einem toürbigen ©toffe ein
toürbigcS ©etoanb! 2)ie 27 Söilbniffe, an
entfpredjenber ©teile in ben lejt einge-
fügt, finb in iljrer 2lrt borgüglid).
Wn.
Wt'Dcvo Xianb^cvitüit M attgc=
meinen ^iffenS. SBiertc Jluflage.
9Jtit über 100 3UuftratiouStafeln, Karten,
ftatiftifdien JabeUcn unb erläuternben
Xejtbeilagen. 3mei SBänbe. ßcipgig,
Verlag beS iöiblioflrap^ifdjcn OuftitutS.
$a& befannte 3)iet)erfdje $>anb=
fie^ifon, baS bis gur brüten 2luflage in
itlciu-Octoü unb mit lateimfdjen Settern
gebrüht crfdjienen mar, ift in ber neuen
2luflage gum üblidjen großen 8ei:ifon=
fyormat bcraugctoadjfen unb bilbet gtoei
ftattlidje ^äubc öon gufammen 1450 gmei=
fpaltigen ©eiteu. 2US Stadjfdjlagebud)
für ben gctoöfjnlidjeu 33ebarf ift bicfeS mit
grofjer ©orgfalt unb ©euauigteit rebigirte
üikrf, baS auf alle fragen, bie fid) auf-
orangen, furäen unb ridjtigeu 2?cfd)etb
giebt, überaus empfeljleuStoertl). 2)ic btlb=
lidjen, fartograpbifdjen unb fonftigen 5Öct=
lagen, bie mit benen beS großen 3)let)erfd)eu
ßeiifon^äöerfeS übereiuftimmeu, fmb nicht
ehoa billige Socfmittel für bie sfaufluft,
fonberu febr toünfdjcnSroertljc unb faft
immer uotbiueubige (Srgängungen, bie burdj
flare unb gute 2Jeranfdjaulid)ung fcbioer^»
fällige 2luSciuanbcrfeöungen unb ©d)ilbe=
rungeu entbebrlid) madjeu unb über baS
SiffenStoertljc fd)itell unb bequem unter--
ridjteu. Sie biefeu Söeilagen binjugefügten
(Erläuterungen ftnb Antiqua gebrueft,
mäbreub ber ftaupttejrt beS ÜierfeS mit
beutfdjen Settern gefeßt ift. Um möglidift
oiel ©toff auf mcglidjft geringem Staunte
gufammeugubrängen, ift eine fteine ©djrift
gctoäb,lt toorbeu, bie fid) aber burd) unge^
30
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t
$50 Horb tu
toöljnHdje 6$ärfe unb 9Hol)lgefäfligfeit gan§ .
befonber« auSjctdjnct unb fe^r lesbar ift,
fein 2IugenpulDer. ©ie tr>pograpbifd>e
Seiftung ift geraDe^u beroorragenb. öbcnfo
mttfe eö millfommen gebeifeen »erben, bafe
bic eigentümlichen unb befonbeten 2lb*
fü^ungen, gu bereit SJerftänbnife ein bc»
fonbcreS Stubium gebort unb bie e8 bei
maudieu anberen Wadifdjlagebüdicrn §ur
beftänbigen SJiotbmenbigfeit madjen, bei
jebem einzelnen Slrtifel, ben man lieft, bie
erläuternbe labeUe nad)äufd)lagen, Dbllig
oermieben morben ftnb. Sic aus räum*
lieber (Srrfparnife in bem 2)renerfd)en £>anb*
Serifon gemadjten 2lbrurjungen ftnb bic
üblichen, bie Sebcrmann oerftebt. $>a8
Serjfou beö aügemeinen SBiffenS, baS in
noef) immer Oerbältnifemäfeig fnappem
iKaume eine unglaublid) ftarfe StofffüHe
bctoältigt, ift ein praftifc^eS unb gutes
iöud), baS eine toarme (Smpfeblung öerbient.
P. L.
$i(ber unb 2ti vk» «n* bem Siatur«
leben. 2Jon Dr. O. 3ad)ariaS. 3cna,
.^ermann ISoftenoble.
$cr ÜHutor ift ein ftorfdjer, beffen
ötubien auf bem ©ebieteber 3oologtc unb
IfttttottfelungSgefdjicbte in tJadjfreifen boa>
gefdjäfct werben. Um fo erfreulieber ift e8,
bafe er Don feinem griinblicrjen ilBiffen
wetteren Greifen mitteilt; benn mir r)aben
au biefer Stelle fdjon roicbcrrjolt betont,
bafe, um populär im guten ©inne be8
Portes jw fdjrciben, ein oolleS roiffen*
fcbaitlidie* 23el)errfcnen beS ©egenftanbe*
erfteS (Srforbernife ift. (Sin £&eil ber in
fid) felbftänbtgen fleinen Sarftellungen, bie
meiteren .Streifen eine 2$orftcHung üon ber
Sülle intereffauter ^fragen geben toollen,
an beren l'öfung bie beutige 9toturforfdmng I
erfolgrcid) arbeitet, finb bereits in ber*
febiebenen populären 3*ttfd)riften erfd)ietten
unb liabcn firf) allgemeinen JöeifallS er»
freut. SlnbereS ift binjugetommen, unb fo
ift ein #anb entitanben, ber nidjt Derieblen
ttiirb, bie Slufmcrffamfcit ber gebtlbctcn
i.'cfemcit ju enocefeu. £a$ Jöud) öerbient
aud) einen '4Mafc auf bem itkibnad)t3tifd)
ber reiferen 3ugenb, bic fid) für natur*
rotffenfdjaftlid)< £arftcllungeu intereffirt.
cht.
$V. ,SUrni;in ■:• $or(ef uitfli'U Über
<&oetr)e't> iv« uft . 3»eitc Auflage, neu
bcrauSgegebcn bonQfrangAerit. Berlin,
Nicolai) di t iüerlagabudjljaiiblung.
(V* ift fcl)r erfrculidi, baß bie Verlag««
banblitng Hon biefen feit längerer 3cit Der»
griffenen i^rlefungen, einem l'iebltngStocrfc
b Sfib.
bed oer eio ig ten «reo feig, eine neue Slu&gabc
Pcranftaltct bat Dbtoobl feit ibrem erften
(Srfdjeinen eine ganje Sflutl) öon 5attt>
litcratur über uns rjereingebroeben ift, ftnb
Ärcöfeig'fc Jöorlefungcn bod) nod) fetneSmeg«
beraltct. Sie bieten Dielmcb,r mit irjren
burdjroeg rooblerroogenen, einem tiefge*
bilbeten unb für alle» Sdjöne, ©ute, SSabrc
empfänglidjen ©eifte entfprungenen
örterungen unb23etrad)tungen über ©oettjc'S
gröfete X idiiuiig eine £ectüre, mdäft etilen,
bie, or)ne aUguoiel T'etailforfdmng treiben
3U motten, bod) neben bem ©oetbci'djcn „ ^rauft "
f elber aud) noer) ein gutes Jöud) über ibn §u
lefen münfdien, burajauS gu empfehlen rft
Sfreufeig'g ©rlänteningcn oerbinben in oor^
äüglidjer 2Beife beit alteren, aUgemctn
äftl)etifd)-poettfdieu 6tanbpunft, toeldjer ba*
gaii3e Doflenbete 2öert in'8 2luge fafete, mit
bem neueren rjiftorifcfjcn, meiner bie attatä>
liebe @ntftebung ber einzelnen, jeitlidb roeit
getrennten Ihoilc ber ^vauftbiditung unb
alle 2Banblungen ber ü?lnfebauungen unb
©cbanten bc8 $id)ter& beamtet. Äurj,
aber uorjüglidi befp coolen ftnb 3. 93. nantent-
lid) bie bcbeutungSootlcn, balb naeb 1707
gatu neu binsugefornmenen X&eile ber
£id)tung (S. 145 ff.), Darunter aud) baS
„SJorfpicl auf bem Xbeater," oon bem nodi
1881 einer bcr gelebrtcfren unb gefdpnacf:
lofeften 3?auftcommentatorcn bruden liefe,
e§ „ftelje nia]t in birecter ©ejicbung §ur
pfaufttragöbic unb b,abe mebr baS Xt>eater
im 2lUpcmeinen im Singe l"
^te 3«fäÖ« unb Hnmerfungen bei
neuen Herausgebers nebmeu namerUli»*
auf bic Don (£rid) Sd)mibt erft 1886 auf^
gef unbene, 1887 Deröffentliditc ältefte 5aff unö
be8 ©oetrjefd)cn wgfauft" ÜUrfauft") unb
einige anbere neuere ©rfaicinungen ber
Orauftliteratur gebübrenbe &tüct!"id}t un5
bieten für manche fdjtoierigen ©teilen neue
unb beadjtenStocrtbe erflärungett dr.
*Homautit"d)c Siebe unb J>erfdnltd>r
3^dttrjeit. S?on $.%. tyinef. Sentfdj
bon Ubo iöradjbogel. I Sant».
SöreSlau, @. 8d)ottlaeuber.
älUr ftnb Ubo »radjDogel großern
S)aufe ücrpflicbtet, bafe er un» ©elegcnr>ett
giebt, baS fcbnell befannt gemorbene S^uij
tjinets in mufterbafter Ucberfc^ung lentttr
ni lernen. 3»» ungemein geiftDoikr, ba»
bei immer leid)t fafeltd)er unb metft bmno-
rtitifd)er ^orm giebt un» ftttuf ein S&ilr
Don ber dnimidclung unb bem Siefen brr
romautifdjeu Siebe, bcleud)tct er bie Hiebt
bei ben Xhieren, bei ben milben unb b<
! ben ciDiliftrten »ölfcrn, fprietjt er über
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— ^ibltocjrapbt
bie eheliche £iebe, über ben ftu& 2c, 2c.
Grftounltcb, ift bte Söelefenheit be« 2lutor8,
mit bcr er feine ^Behauptungen burd)
Gitate oon ©dmftfteflern aller 9tatioua*
litäten belegt. Mitunter reifet itjn fein
fctfer allerbing« 31t redjt gewagten SBe*
fauptungen b,in. IStwa« wunberlid) Hingt
e« bod) wenigften«, wenn er gang ernft*
baft bie löeftanbtheile ber Siebe bei wilbctt
unb halbcioilifirten ilVölfern fo angiebt:
Sclbftfud)t 25,7684°/o
llnbeftänbigfeit 20,3701°/o
Stolg auf ben SJefife 7,3024°/o K.K.
Dod) ba« finb nur SMeinigteitcn, bie
gegenüber ben grofecn iöorgügen be« Üüerte«
nicht fdjwer m'« @ewid)t fallen. 2üir
fehen mit Spannung bem (5rfd)cinen be«
pmm Raubes entgegen. H— n.
«n« dem Brietst, flüchtige 3fofoeta>
nungen Don ^aul Sinbau. SöreSlau,
6. ©djottlaenber.
ßinbau bebt felbft heroor, bafe e« ihm
nidjt barumjj_u ttjun gemefen, fadjlid) an*
fprud)«oolle «>d)ilbcrungen ber Denl= unb
Sehen«witrbigteiten be« Orients gu geben ;
er wollte nur bie (Sinbrüde firiren, bie er
bei einer Iurgen Steife in »ubapeft, Sftifd),
SaIonifi, Sionftantinopel unb JBufareft ge*
Wonnen hat. 25a« ift ihm trefflid) gelungen,
ör oerftetjt ti meifterhaf t, und mit wenigen
Stridjeu bie f onberbaren Dppen be« Orient«
borguführen, un« bie Stimmungen naa>
empfinben gu laffen, in bie ibn bie bunte
Farbenpracht, ba« laute, wirre Dreiben,
ber forglofe ©djlenbrian jener Üänber Der»
fegte. Dabei ift ba« Jöud) oon ber erften bis
gut lefcten 3«l« in jenem liebcn«würbigeu
Xone humoroofler Klauberei gefchriebeu, wie
er eben nur ßinbau eigen ift. H— n.
i
Mottfriel* tfeUer ober vitmor unb
Wcaliömuö. 3Jon l'eo 58 erg. Deutfdje
Siterarifehe 5Botf«heftc 9er. 2. »erlin,
Verlag oon JBradjoogel unb 9tanft.
D ie üorlicgenbc Slbhattblung ift fiellen«
roeife recht r)übfcf) gefdjrieben; ber Söcr*
faffer ertoärmt ben liefer unb erfreut ihn
burd) manche treffenbc iöemerfuiig. ÜBer
inbe» etwa« Sefonbere« oon bem $efte
erwartet, wirb arg enttäufdjt. IS« ent*
hält einige 5MnalQfen Mleller'fcher Dicfr
tungen; Don einem abgerunbeten Sbilbe
be« Siebter«, üon einer oertieften (Stjaraf»
teriftif ift nicht bie SRcbc Dagegen fallen
einige böcrjft überflüffige unb in unbc*
fdjeibenem Done gehaltene Söcmerfungeit
unangenehm auf, burd) welche fid> bcr
Äutor an ber ftritit gu reiben fudjt Der
hbdift fcbmülftige ©d)lu& ift einfadi utt--
dje 11 ottjen. 45 {
oerftänblid). Da« £>eft ift burd) eine
grofce Spenge arger Drucffeb,ler gerabegu
oerunftaltet. ss.
«albc 9le0ina. Sßobette öon Ottilie
ftifdier. Dangig unb üeipgig, 6arl
^inftorff* Verlag (®uftao öb,r!e.)
6« ift eine reijWoHe Aufgabe, ben ein=
fad)cn unb ^armlofen 92aturmenfd)en mit
feiner boUcn frifdKn 9?aioetät bem 2Belfc
!inbe gegenübergufteüen unb ifm in bte
kämpfe einer öergefi,rcnben i?eibcnfd)aft ju
öerftriefen. Die SBcrfafferin b,at biefe Stuf*
gäbe mit ($efd)icf gel oft unb befunbet burd)
bie Skljanblung be« Problem«, burd) (Sljaraf*
teriftif ber fd)arf bcleudjteten, im iffiefeu
grunbberfd)icbenen ^erfonen, beren jebc
eine oolle,f rar tige3nbioibualitätre präfentirt,
nidjt rainber *al« burd) bie SlumutD, unb
(Sdjön^eit ber ©pradje ein gefunbeS unb
bead)tcn«mertt)e8 Dalent. as.
$ir 9Rad)t ber $eber. Vornan bon
Sogler. 2. SlufT. Danjig, 6arl
^inftorff« Verlag (®uftao ®t)rfe).
Der Heine SRoman wirb befonbere«
Sntereffe erweefen bei ßefern, weldje tVreube
am Eanbleben unb iBerftänbnife für fragen
ber ßanbwirttjfdjaft haben. Diefc ftnb je^
bod) nidjt etwa in aufbringfid) tenbengiöfer
Seife breit getreten, fonbent nur im iptnter-
grunbe ber ^anblung mit (Befd)i(f bt-
tjanbelt. lUUcrbingS ftnb einzelne 3Jlotioe
meljrmal« wieberl)o!t unb ba« 2Mten be*
3ufaQ« uid)t genügenb eingefdjränft ; ta-
für aber entfd)äbtgt bie frifdje poetifdje
8prad)c unb bie lebenSDolle, liebenäwürbige
(5b.arafteriftif ber ^erfonen. ss.
Wcnfrfjcttvcditc (^rgählung au« ber
3eit ber erften franjöfifdjcn Stebolution
oon ^attö Sölum. 2 Öänbe. Sena,
^ermann Goftcnoble.
Der Jöerfaffcr, ber fid) aud) auf bem
nooelliftifdjcn Gebiet bereit« mit ©lud*
perfudjt Ijat, oerfeßt un« mit biefer Ost*
jäb,lung um Rimbert 3a^re ünrütf mitten
in jene wcltgefdjidjtlidjen Vorgänge bie
eine neue (Sntwicfclung ber 5ßölfcrge-
fdjide anbahnten unb auf weldje bie bie*=
jdhrige ^entenar^eier bon Beuern bie
ffllicfc ber ganjen Seit guriicfgelcnft hat.
(§r führt brei »Hu«länber. einen 00m Ober=
rl)ein gebürtigen, in öftcrreidjifdjen Dienften
ftebenben Diplomaten, einen preufjifdjen
Offijier franjöftfcher Slbfunft unb einen
Slmeritaner nad) v^ari«, um bort ba«
politifdje ßcbett gu beobachten unb eine
Wolle barin gu fpielcn. 3n freier unb ge-
wanbter isrrmbung öettnüpft er ihre Sd)id»
30*
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452
ZTorö unb füb.
f de mit ben ftaupterciguiffcn bei 9tePcluticu
unb inSbcfonbere mit bem SSerbängniß beS 1
unglütf lieben SfbnigSpaareS. £aB ©egen*
ftücf gu biefen brei 9tu8läubern bilbet eine
junge »yrangöftn, eine eblc ftraucnfeclc, in
bereu Prüfungen unb Afämpfcn fid) ber
2i>ibcrftreit ber mit cinanber ringenben
:ü>eltanfcriatiungcn rotberfpiegclt. $ai J
i.'öfttng biefer tfonflicte toirb gegen ben
Schluß ber Ihgäblung ©oetbe in ähnlicher j
^eife hineingezogen, nrie bicS mit ber
©cftalt ÜuthcrS in SreptagS „1'iarcuS
Sehnig" gefdiehen ift. So rütft ber 5Jcr=
faffer baS reich betoegte $rama bon 1789, |
oon bem er einzelne Sccncn einbmcfSPoU
ausmalt, in eine oielfeitigc, toedifelnbc 5öe=
leuchtung. ftreilid) leibet ber poetifdjc ©ehalt
feines SöudieS unter ben gaf)lreid)en, ben
banbclnben ^erfoucn in ben 2Jiunb gelegten
gefchtdUSpbilofopbifcrjcn 2?etrad)tungen, bie
noch bagu mitunter eine etmaS anadrro= |
niftifdie Färbung annehmen, Slbbrucb; aud)
Pcmtag iblum an Scharfe unb liefe ber
Cbarafteriftit fid) mit ben erften SJieiftcru
ber (Srgäl)lung nid)t gu meffeu. Cvntmcrhiu
aber ^at fein flotteS, gefällige*, aud) mit
einer Sofia frifdien fcumorä burctjfeeteS
(Srgählcrtalcnt bie Sdjmierigfeiten ber felbft-
geftellten Aufgabe, toenu aud) ntdit Pöliig, 1
fo bod) gum großen Xbeil bctoältigt unb
ein SUkrf gefdiaffeu, baS ^reunben ernfter
unb bclehrcnbcr UnterhaltungSlcctürc burdi»
aus empfohlen roerben fann. yh.
tUüthc Per £ribcnfd>aft. INoPclIcu |
Pon 3)fatl)ilbe Serao. Slutorifirte
llcbcrtragung pon ?Ufrcb ftriebmanu.
Breslau, 8. Sdiottlacuber.
(SS ift feine gewöhnliche ©abe, bie in |
bicfcntStraußcPongtoaiigigfurgcn,abcrobue
21 11$ nähme böriift inhaltsreichen Lobelien
ber bcutfdjen ßciemclt geboten toirb. Xie
hodibegabtc äkrfafferin Pcrftebt es ebenfo*
gut, bie bcioegte unb oft bis gur tfrrtafc
fid) ftcigernbc l'eürcufdiaft ber 9Jtcnjd)en
ihres 1'anbcS, als bie falt unb fühl über»
legenbe unb beredjucnbe JUerfcblagenbeit,
toelche in bem Ütatcrlanbe i'Jacd)iaPelliS
fett lange beimifdi ift, an ben Reiben unb
ftclbinnen ihrer SfoPellen in maunigfadjfter
X'lrt barjuftcllcn. Xurditocg ftnb bie Stoffe
beut nioDcrncu Heben StaliciiS in Stabt
ober fcanb entnommen, unb ber Üefer ge=
lüinnt ein ftellentoeife nidit erfreuliches,
aber fiets rei^PcUcS unb fcffrlubcS Jöilb
neu ben aJJcufdien unb ^uftanben beS
ßanfceä, „tuo bic Östronen blühn." $ie
akrfaffettn betueift bei aller Knappheit, ja
bisweilen bei jdieinbarcr &lüdjtigfeit ber
Sarftclluug einen (sruft ber 21uffaffung fitb
lid)er Probleme unb eine 5cinr>eit unb
Ueberlegttieit ber Zedwif, roie fte in
$eurfd)lanb unter breibunöert fdrrift=
ftetternben tarnen aud) nid)t brei beft^en.
sJfamentlid) geigt fid) iljre ftunft aud) in
bemjenigeu, roaS fie wmeife Perfdjmeiejt.'"
ift it;r 3. Jö. möglid), eine 3lor>eUt (bie
pierte ber Sammlung) „2)clfina" gu nennen,
cbrvoU biete Xitelbelbin nur in ben legten
elf Sailen ber (£rgäi)lung überhaupt ertnäbnt
roirb; unb bodj erfennt ber Perftänbni&=
Polle £efer febr loobl, baß biefe nur ganj
leidjt ffiggirte grauengeftalt burdj bat
Sfontraft ju ben beiben anberen, Porbet in
behaglicher Streite geicbilberten, in ber i^at
im Sinne ber ^erfafferin bic Hauptfigur
roirb. Cb freilich biefe Sf unft beS 8 chtoetgcnS
in bem „Öcbulbfpicl- ^r. (J) nicht boep aflju
meit getrieben ift, mochte Referent ber
(5ntf(f)cibung berßefer anfjeimgeben; aüju*
üicle werben eS mar^rfcbeiulid) nicht fein,
bie (Sebulb genug befttjen, um Ttd) au8 ben
Pon ber löerfaffcrin in geiftreicher 2aune
hingejogenen ^äben toirflidi bie $anblung
einer lyrääljlung sufammengutoeben. 3n
iePem Jyalle aber bietet biefe ©abe tote alle
anberen ber Sammlung eine ben (Beift unb
baS stein b in boSjcm ®rabe feffelnbe unb
anregenbc Sectürc. Äi^em biefe VftQtct aus
bem Sehen ber mobernen ©efcüfchaft 5to-
ticnS in manchen 3ügen allsu traurig ober
allgu peffimiftifd) erfdjeinen follten, beT
treftet fid) PicÜeidjt mit ber ©rroägung, baß
bie feharfe 3)arfteüung ber Ausartungen pon
Selbfrfucht unb raffinirtcr ©enufefuebt aud)
cineMKffefjr gu einfacherer unb natürlicherer
©eftaltung beS 1'ebenS anbahnen fann,
tuie fte rnenigftenS in ber .^anblung einiger
biefer ^opeUcn in ber If)at erfolgt.
9(OPelIen toie biefe bieten natürlich
bem Uebcrfefcer feine leichte Aufgabe.
Dr. 5Ufrcb j^riebtnann, melcher auch in bem
iHonoort eine nur alläu furge Stigge ber
früheren jchriftftcllertfcheu Xh.äriglett
ÜJcatilba Serao'S gtebt, t)at fieb mit
(Srnft unb (^ifer beftrebt, feiner Aufgabe
gerecht gu merben. $ie Ueberfe6ung lieft
fid) im fangen gut. Mev iDianche« hätte
bem beutfdicn ßefer erläutert merben füllen,
unb an manchen Stellen bütften fletnc
^effentngen beS ?luSbrucfS ober au* ber
Snterpttnltion gu empfehlen fein. „£tefe
Schanbe erfuhr ftch" (S. 45) ifl faum als
2)eutfch. gu begeichnen; tuir Pflegen nicht
pon „aeSdjptianifcbem" (S. 46), fonbern
pon „acSdjplcifdjem" ©chicffal gu fprechen.
xHber voir groeifeln nicht, baß ftch halb ©e«
legcnljeit bieten toirb, foldje fleinen Un«
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Bibltoar apbjfdje ZTotisen.
453
DoQtomtnenfjeiten p beteiligen; beim toenn
baS t)üb\d) ansaeftattete iöüdjlein in $eutfd)-
lanb bie SBeadjtung finbct, melchc eS in bcr
bat perbient, fo prophezeien mir ifmt eine
ftattlidye 3ieibe oon neuen Auflagen. 0.
Gin Keiner ttomatt. 3n»ei (Somtefien.
23on ÜRaric oon ©bner = Sfcf)enbad).
Berlin, ©ebrüber $aetel.
Seibe üöänbdjcn ließen unS bereits in
3tüciter 2luffage oor — ein löemeiS oon
ber günftigen Stuinahmc, welche fte gefunben
haben. „(Sin Keiner Vornan * Weine einfache
©efdndjtc; eine alte $ame ergatjlt bicfelbe
einer jungen Ofteunbin als eine Iängft Der«
gangene unb bod) nie oergeffene ©pifobe
ihre* ScbenS, unb bic !8erf aff er in läßt fte
babei fo innige fterjcnStÖne anfdjlagctt unb
eine fo fdjarfe Gbarafteriftif aller jJJerfonen,
geben, bic in ihre (Srlebniffc mit oerflodjtcn
ftnb, bafe ber Sefcr mit gefpanntem 3ntcr*
effe bie Seelcntampfc »erfolgt, bie ben Srcrn*
punft ber Stählung bilben. — „3»«'
(Somtcffen" finb ätoei [leine, flott ge-
fd)riebcne 9tooellctten. Die eine im über*
mütbig burfdnfofeu Xou ber SportSmelt
wirft burd) ihren .^»umor ertjeiternb; uns
hat bic jmeitc mit ihrem gcmütbPolIeu
Inhalt mehr ättgefagt. mz.
Wt |(hi<tmn itttyrofa. iöon 5ranc;oiS
ßoppec. Dcutfch oon^tnil Jüurgcr
unb 6 ruft Mather. Breslau, S.
Schottlacnber.
Der Süanb enthält eine gröfecre (Sr*
jählung unb jelm. Heinere 3fijjen bcS
berühmten franjöfifdien DiditcrS, bcr aud)
in ®eutfd)lanb feit 3aJjren eines moblPcr=
bienten 2lufcbenS gemein. (Soppee befiöt
in bcr pfndjologifchcn .Ülcinmalcrci, in bem
(5rfaffen unb 25arftellcn fdjarf ausgeprägter
©timmungsbilber eine beiounberungS:
würbige ^eifterfdwft. Seine ©fiäjen
führen uns eine Weibe bcin Alltagsleben
entnommener Xppen mit ihren fleincn
Seiben unb ft-reuben, Schwächen unb 5üor=
jügen Por unb miffen uns in iunerfter
Seele gu rühren, l'lucb bie unfern regcl»
mafjigcn liefern fetjon befanute 9Jooelle
„©ine 3bnllc mabrenb bcr Jöelagcrung"
hat einen genreartigeu Stoff; fte fd)ilbcrt
bic i'icbe eines fcnüditernen, aus ober
SBureauarbeit cmportauchcnbcu 3ünglingS
unb einer an einen ungeliebten i'tontt gc>
fetteten Jvrau, bie auf bem büfteren hinter*
grunbe ber Schrecfcn bes SfricgS forglos
unb tpcltoergcffen fproßt unb blüht, 83e«
fonberc ilHrtuofität oerräth (Soppee in
bcr 21rt, loie er mit wenigen Stridicu bie
Sccneric ber SBelagerungSjctt Icbcnbig ju
mad)cu Derftcht. r.
Jpuraoresfcn pon (fmma Triebs
laenber-ÜBerther. SMit einem S3or*
mort Pon Hermann §eiberg.
Breslau, S. Sdjottlacnbcr.
©S finb literarifchc (Srftliuge, welche
bic SBcrfafferin uns barbietet. Sie be-
funben ein bübfdjeS ©rjählertalent, baS
mit glüeflicher ßaune in'S Sieben f)inein=
greift unb uns Heine beluftigenbe (Srcig,*
niffe s»m heften giebt. Sttcr fid) einen
für harmlofcn £>umor empfänglichen Sinn
bewahrt hat, wirb in bem -öüchlcin feine
Rechnung finben. 2Bir bürfeu bcr ipeitereu
fdjriftfteüerifcfjen (Sntwicfelung ber SBcr*
fafferin mit ben heften (Erwartungen ent=
gegeufcheu. fr.
^cihnad)tf)t. Silber aus ber 2Bcltge=
fdiichtc beS GhriftenthumS. SBon 3 u 1 1 u S
2Rar. Bresben, 15. 5ßicrfonS iöcrlag.
Sechzehn Silber in poetifdjer ftorm,
bic auf biftorifd)em Untergrunb baS jfteft
bcr ftreube feiern. 3)er dichter beginnt
mit bcr erftcu Scihnadjt, ber (ÄJcburt
ßbrifti, unb gelangt fo .netter bis gur
äBeihuadjtSfcier bcS ^oftenS am gort pon
^ariS unb St. (Sloub. ^eift »ohlge-
lungene, thetlS gereimte, theitS reimlofc
Diditungen Pereinigen ftd) hier gu einem
harmonifchen ©anäen, unb faft jebeS Öilb
jeugt oon bcr nidjt gu unterfdjäöcnben iöc-
gabung bcS 2>id)terS. ps.
VrabeStett unb «ro toten. (Einfälle
in 9?erS unb v4*rofa. ^on ^- ^acf.
i.'eipjig, 31. W. ÖicbeSfinb
i)a« gut attSgeftattete )9üd)lein enthält
eine Sammlung oon Sprüaxn unb 6pi*
grammen, in bciteu auf (iJrunb rcidjer
Lebenserfahrung fd)arfe. treffenbe, oft rcdjt
witjige (Siebanfen in prägnanter >vorm aus=
gefprochen iperbeu. 2üic hübfd) finb g. 50.
bie s43rofaiprüd)e: „ 2) aS stecht braudjt nur
Schöner; bann faun es aud) ber Schüler
eittbehrcif (3. 10); ober S. 3*2: „©che
nicht als Karr jur ©he, aber au.f) nicht
als ÜBeifer; am heften ift, bu r)aft baju
Pon biefem unb Pon iettem juft fo oiel mie
nöthig ift"; ot>er 3. r>5: Strebe für'S
l'cben, bodi lebe nid)t für'S Streben!"
9udj üerfdjtcbene ^crÄformen finb toirffam
Pcrmenbet; mir erlauben uns einige iBeU
fpielc äu citirett.
3. 42: „ßäf 3)id) oor ben Sijtaiieu,
^ie fd)iclen, eh' fte fehatten!"
S. 85:
.Mai fchtoaöt ihr ba Pon Sein unb Sdjein?
5)em iölinben üt Demant nur Stein!"
^ferner baS auf manche SScrfammlungen
nur alljti gut paffeube Diftichon S. 118
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454 Zlovb u
„Sdjlicfelicfi mürbe befdiloffen, 33efd)lu|j gn i
faffen, bcfd liefeenb:
Safe gur 3eit ein »cfd)lu& nod) gu br-
fd)Iiefeeu nicht fei";
unb gum <öd)liife nod) — obtoobl mir
hoffen, bafe er auf feine Slbtbeilung
u nfer er 3eitfd)rift antrifft — ben »Stunft«
toäcbteiruf auf 3. 110: „3Herft eud) ihr
$err'n unb laßt cucbfagen: £ie ,$edmif' !
Jjat bie ftunft erfd)lagen !"
25 en {jumortftifcr^fattrtfcrjcn folgt in j
ber legten 2lbtf)etlung nod) eine 2tngaI)I |
ernft clegifd) gehaltener fleiner ©ebicbte,
auf. bie mir empfängliche Sefer unb £cfcrin=
neu bcfonberS aufmertfam madjen. 0.
litt* 3<$. Sieber unb ©ebiditc oon
artin Sangen, fföln unb Seipgig,
»erlag bon 211 ber t 91 bn.
flccf, munter unb frifd) quellen bicfe
Sieber aus bem ftitUborne bidjterifdjer
^bantafie bcrtor. (Sic fmb formoollcnbet
unb abgerunbct, bie Jüerfe ftnb glatt unb ,
fliefienb, ber 3ubalt mecbfelnb unb leben*» \
Doli. So fein pointirt audi manage ber
©ebicbte fmb, fo laffen aubere bod) lieber
bic inhaltliche Slusreifung unb .\flarljeit I
Dermiffen. (Sine l)ie unb ba überrafdjenbe
Anleihe bei £eine Dcrgeibcn mir gern, |
enthält boct) oaS iüücblein fo Diel beS
Originellen unb Schönen, freilich hätte
ber Snbalt mehr concentrirt toerben follen:
eine febärfere Sichtung toäre Don Sortbeil
getoefen. $ie gefchmacfoolle SluSftattuug
macht baS Söüerjtein gu einem ©efebenre red)t
geeignet. bs.
Carotine $ertfte*i gel» Glattbiit«.
£argeftelit üou 2Jc. ©. W. »raubt.
Vierte Auflage. lUit Portrait unb
ftaefimile unb einem WeihuacbtSbilbc.
©otha, fr «. Gerthes.
2>aS SebenSbilb ber ©attin beS be= !
rühmten ftamburaer 23ud)bänbterS unb
Patrioten Jynebricn Gerthes, ber Xochter |
oon Matthias (SlaubiuS, erfdjeint foeben in
oierter Auflage, oon Beuern burd) mandjc
3ufäBe bereictiert. Caroline Gerthes mar j
eine jjrau Ooll tief rcligiöfer ©efinnung,
Doli Opfermut!) unb Xbatfraft; ihr Scbcn
Dcrbicntoon oeutfdien Stauen unbSJtännern,
mir mödjteu fagen, mit xHnbadit ftubirt
31t werben. Ter Verleger hatte fchou
ber britten Stuflagc ihr iMlöntfe beige«
geben unb hat jetft nod) einen — toenn
roir nirfjt irren, früher fdion im „Daheim"
erfdiienenen — $olgfdmitt hinzugefügt,
Wcldjcr Die Emilie uon i'iattrjiaS (SlaubiuS
unb ibre frrcunbe (Stlopftorf, bic beiben
ib f üb.
©rafeu Stolberg, ben jungen Gerthe*) am
25. $ecbr. 1796 in WanbSbecf unter bem
Weihnachtsbaume Pereinigt barftellt. E.
me ift bic erbe fo irfjöu! mm
beut}d)er ftunft unb Dichtung, München,
3? r a n g $ a n f ft a e n g l ÄunftDerlag & ©.
£a8 söueh wirb feinem 3tt*de, eine
3ierbe beS SalontifcbeS gu bilben, tm
bollften ÜJcafje geredit. (SS bietet eine
ftattliche 3ieihc Dortrefflicfj in Sßhotograüüre
ausgeführter Wachbilbungen Don Werfen
mobemer beutfeber 2flaler wie $cfrcgger,
©abriel 3Har, K. D. Sobenhaufen u.
2US Icxt ift eine Angabt mehr ober weniger
befannter Itjrifchcr ©ebidjte beigegeben, Don
benen immer baS Diertc in innerem l^c*
äuge gu einem Jöilbe ficht. n.
Unnftberi^te über bett «erlag brr
^oroarabhJfdKn ©efcUf^aft in
«erlitt. Jahrgang II. Kummer 1.
35ic erftc Stummer beS neuen 3abr=
gangS ift Submig ÄnauS als Scftgabc ju
feinem femgigften ©eburtStag grtDcibt
6ie giebt einen lUbrife beS (SurtDufclungS*
gangeS beS 3JieiftcrS unb eine fnoDoe
?lnalt)fc einer Slngabl feiner Dorgüglidjften
äöerlc (Sinige f leine 9tod)b Übungen in
^oläfchnitt Hub bem Xejt eingefügt, fr.
Snttf an-e *}örtrrbu* Don 3Korig
^enne. (Srftcr ^albbanb. x>l — (Sbe
Seipgig. Verlag Don S. Birgel 1S89.
tiefer anfang(41 Sogen, G:«36palten
ftarf) läßt uns erfeunen, bafe ber Heraus-
geber ber Aufgabe, bie er ftcb gefteat bat,
geroadhfen ift: mit feinem äöerfc ben ©e-
bilbetcn büubige SluSfunft über ben SBort;
fchaö unferer <3prad)c gu erthetlcn, über
^erfunft, Söenoanbtfchaft, Urbebeutung
u. f. m., mit forgfältig auSgeroählten be-
legen aus ben Werfen unferer betten
<3d)rifrfteHcr. ÜütrtDcrben Don bem meiteren
(Srfcbeinen beS WerfcS, baS mir mit ?lup
mcrffamfcitDerfolgeniocrbcn,unfercnScferu
Äcnntuiß geben. P. L.
Kmert(attifd)e 9ebta)te ber 92ett|ett.
3-rci in'S Xcutfche übertragen Don 6a rl
.Sfnorö. Seipgig, (Sb. Wart ig.
Sowohl bic Auswahl ber ©ebiditc,
als auch ihre Ucbertragung geugt Dielfacb
üon einem bebauerlicbcu Langel an (St*
fehmaef. Was bie erftc betrifft, fo febeinen
3ufall unb WiUfür einen großen Slntbcil
an ihr gu haben; toährenb einerfeits Diele
niditsfagenben unb triDialcu $robucre
einer Uebcrfetjung gemürbigt merben, finb
eingclnc 2>id)tcr uon herDorTageubcr oixv
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I
tfibiiograpbtfcbe riottjen.
435
bod) eigenartiger ^Begabung (toie 3. 2?.
$oc, 2i^ittier) gar nidit bertretcn. £er
ücfcr fann alfo hier toeber ein at;nät)erHb
DoUftänbigc» «od) ein ridjtigeä 25ilb üon
ber amerifanifdicn £orif erhalten. Sie
Ueberfefeung leibet an aafjlreic&en gärten,
unflaren unb gefdimadlo« fomifdien 2i!en«
bungen (©. 82: „fraudit" für friedjt —
»et bäajte ba nid)t an flutfdife!) unb
ftörenben StngliciSmen toic .meinen- für
„bebeuten" <5. 56: ^afabetoin meint
Cengi. : mean s !) junger" ; „il'auguf meint
lob!: „laufden ju <S. „laufdit
in 9iu& nun meinen äLJunbennärdien su"
■x engL to listen to. ( !) u. f. to. $afe
ftd) audi mandicS ftorn in ber Spreu finbet,
f ott nidjt in 2lbrebe gefallt toerbeu; aber
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unferer UeberfeßungSliteratur besjcidinen.
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